Wasserkraftanlagen: Planung, Bau und Betrieb [5., aktualisierte u. erw. Aufl.] 3540889884, 9783540889885 [PDF]

Das binnen weniger Jahre zum Standardwerk der Wasserkraftnutzung gewordene Buch liegt nunmehr in 5. Auflage vor. Es erfu

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German Pages 920 [925] Year 2009

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Table of contents :
Front Matter....Pages 1-28
Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung....Pages 1-26
Grundlagen der Wasserkraftnutzung....Pages 27-42
Grundsätze der Planung und Projektierung....Pages 43-98
Typen von Wasserkraftanlagen....Pages 99-144
Wasserfassung....Pages 145-186
Freispiegelleitungen....Pages 187-210
Sandfang....Pages 211-222
Druckrohrleitungen....Pages 223-316
Druckstollen und Druckschächte....Pages 317-334
Rohrabzweige und Verteilrohrleitungen....Pages 335-362
Wasserschlösser und Schwallkammern....Pages 363-420
Verschluss- und Regelorgane bei Rohrleitungen....Pages 421-468
Krafthaus....Pages 469-508
Funktionsweise von hydraulischen Maschinen....Pages 509-568
Hydraulische Maschinen zur Energieerzeugung....Pages 569-614
Elektrotechnische Ausrüstung....Pages 615-674
Pumpspeicherkraftwerke....Pages 675-704
Wasserkraft und Umwelt....Pages 705-750
Mindestwasserregelungen....Pages 751-780
Durchgängigkeit für die Aquafauna an Wasserkraftstandorten....Pages 781-806
Ausführungsbeispiele....Pages 807-852
Symbole, Einheiten, Umrechnungsfaktoren....Pages 853-870
Back Matter....Pages 871-897
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Wasserkraftanlagen: Planung, Bau und Betrieb  [5., aktualisierte u. erw. Aufl.]
 3540889884, 9783540889885 [PDF]

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Zitiervorschau

Wasserkraftanlagen Jürgen Giesecke – Emil Mosonyi † 5., aktualisierte und erweiterte Auflage

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Jürgen Giesecke • Emil Mosonyi †

Wasserkraftanlagen Planung, Bau und Betrieb 5., aktualisierte und erweiterte Auflage neu bearbeitet von Jürgen Giesecke und Stephan Heimerl

ABC

Prof. em. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E. h. Jürgen Giesecke Universität Stuttgart Institut für Wasserbau Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft Pfaffenwaldring 61 70550 Stuttgart [email protected] Professor em. Dr. techn. habil. Dr. sc. techn. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. mult. Emil Mosonyi † Dr.-Ing. Stephan Heimerl Fichtner GmbH & Co. KG Sarweystraße 3 70191 Stuttgart [email protected]

ISBN 978-3-540-88988-5 e-ISBN 978-3-540-88989-2 DOI 10.1007/978-3-540-88989-2 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1996, 1998, 2003, 2005, 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)

Jürgen Giesecke · Emil Mosonyi † Wasserkraftanlagen Fünfte, aktualisierte und erweiterte Auflage

In Memoriam Herr Professor em. Dr. techn. habil. Dr. sc. techn. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. mult. Emil Mosonyi verstarb nach einem langen und erfüllten Leben am 24. April 2009 im 99. Lebensjahr. Bis zuletzt begleitete er in geistiger Frische und ausgeprägter Willensstärke die Neubearbeitung der im Februar 2009 abgeschlossenen Druckvorlage für die nunmehr erscheinende 5. Auflage seines als begründender Autor mitverfassten Buches über Wasserkraftanlagen. Jede persönliche Begegnung mit Emil Mosonyi war eine Bereicherung dank seiner liebenswürdigen Ausstrahlung und menschlichen Wärme, aber auch dank seiner beeindruckenden ingenieurwissenschaftlichen Begabung und seines vorausschauenden, visionären Verstandes. Seine weltweiten Freunde und Fachkollegen aus der Wasserbaupraxis, Forschung und Lehre verlieren mit ihm eine herausragende Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Ihrer werden wir alle in Hochachtung, Dankbarkeit und Verehrung gedenken. Möge das vorliegende, umfassende Werk als bleibendes Vermächtnis von Emil Mosonyi den Hinterbliebenen gewidmet sein. Jürgen Giesecke

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Vorwort zur 5. Auflage Erfreulicherweise war bereits binnen zweier Jahre die 2005 erschienene 4. Auflage des vorliegenden Buches vergriffen, so dass ein Nachdruck dieser Ausgabe notwendig geworden war. Parallel dazu wurde diese 5. Auflage angegangen, bei der einige aufwendigere Punkte anstanden. So wurde das gesamte Werk auf die am 1. August 2006 per Gesetz in Kraft getretene Neuregelung der deutschen Rechtschreibung abgestimmt. Ebenso wurden die technischen Sachverhalte geprüft, wobei - wie auch bei den vorhergehenden Auflagen - die wissenschaftlichen und praxisnahen Fortschritte sowie Neufassungen von maßgebenden Richtlinien, Normen und Gesetzesvorgaben zu berücksichtigen waren. Schließlich wurden auch die zahlreichen konstruktiven Anregungen etlicher Kolleginnen und Kollegen aufgegriffen, die uns dankenswerterweise übermittelt wurden. Die hiernach auszurichtende 5. Auflage liegt in stärkerer Überarbeitung nunmehr vor und dürfte weitere Leserkreise erschließen. Beispielhaft sind für die insgesamt gut 60 Seiten umfassende Erweiterung zu nennen: die gesamtgesellschaftliche Bewertung von Wasserkraftanlagen, die Sondernutzungsarten in Form der Meeresenergie oder der unterirdischen Gewässersysteme, der Umgang mit Rechengut, die Bemessung von Sandfängen, einige Gesichtspunkte zu Druckrohrleitungen und deren Bemessung, konstruktive Details bei Krafthäusern, eine Erweiterung im Bereich Arbeitssicherheit und Betrieb, diverse Weiterentwicklungen bei Turbinen und Wasserrädern sowie zusätzliche Aspekte bei elektrischen Verbundsystemen. Des weiteren wurden vor allem verschiedene Umwelt-Gesichtspunkte zu Feststoffmanagement, Schwall-Sunk-Erscheinungen, Temperatur- und Sauerstoffregime etc., neuere Erkenntnisse bei der Modellierung von Mindestwasserfragestellungen im Bereich von Gewässersohle und benthischen Organismen sowie einige Punkte bei Fischaufstiegsanlagen ergänzt. Schließlich wurden auch die Beispielanlagen fortgeschrieben sowie um die Mehrzweckanlage Tiszalök und die Kleinwasserkraftanlage Vöhrenbach mit der Gewölbereihenmauer Linach erweitert. Es war ein besonderer Wunsch, bei der umfassenden Aufgabe der Aktualisierung und Fortschreibung dieses Buches Herrn Dr.-Ing. Stephan Heimerl in vollem Umfang einzubeziehen. Dabei sind wir ihm zu tiefstem Dank verpflichtet. In vielfältiger Weise brachte er seine beachtliche Fachkompetenz und seine umfassenden, in der Wasserbaupraxis gewonnenen Erfahrungen ein. Seit über einem Jahrzehnt der Mitwirkung an den Buchauflagen zeichnet er sich durch ein hohes Maß an Einsatzfreude, aktiver und kritischer Mitarbeit an den Buchkapiteln, ferner durch Organisationsgeschick, Zuverlässigkeit und nicht zuletzt durch die Übernahme des gesamten Layouts aus. Dem weltweit renommierten Springer-Verlag gebühren unser Dank und unsere Anerkennung für die stets erwiesene Unterstützung sowie für die gewohnt hervorragende Ausstattung der umfangreichen Buchveröffentlichung. Stuttgart/Karlsruhe, im Februar 2009 Jürgen Giesecke und Emil Mosonyi

VIII

Vorwort

Vorwort zur dritten Auflage Im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit nimmt der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen - Boden, Wasser, Luft - eine herausragende Stellung ein. So ist es u. a. das Ziel der Wasserwirtschaft, die Gewässer als Lebensraum zu sichern. In gleichem Sinne hat sich die Deckung des Energiebedarfes unter weitgehender Schonung der Umwelt zu einer zentralen Frage der Menschheit entwickelt, wobei nach Möglichkeit heimische Energiequellen zu nutzen sind. Eine ideale Energiequelle sollte unerschöpflich, umweltverträglich, vielerorts verfügbar und kostengünstig sein. In hohem Maße entspricht diesen Kriterien die viele Vorteile bietende Wasserkraft. Sie zählt vorrangig zu den umweltfreundlichen, ständig erneuerbaren Energieressourcen. Wasserkraft bedeutet unerschöpfliche Sonnenenergie. Die Sonne hält den Wasserkreislauf mit Verdunstung, Wolkenbildung, Niederschlag und Abfluss aufrecht. Solange Wassermassen ein Gefälle zum Meeresniveau haben, enthalten sie potenzielle Energie. Das Wesen der Wasserkraftnutzung beruht in der Fähigkeit des fallenden Wassers, Arbeit zu verrichten, und so wandeln Wasserkraftwerke die Schwereenergie in eine Bewegungsenergie bis hin zur Gewinnung elektrischen Stromes um. Seit mehr als vier Jahrtausenden ist die Wasserkraftnutzung zur Arbeitserleichterung des Menschen bekannt. Wasserräder zur Umwandlung der kinetischen Energie des strömenden Wassers in mechanische Energie lassen sich bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. in China und im Vorderen Orient zurückverfolgen. Eine europaweite Verbreitung begann im frühen Mittelalter. Wasserräder dienen für Getreidemühlen, Schleifereien, Säge-, Stampf- und Hammerwerke. Im 19. Jahrhundert setzte die Entwicklung von Wasserturbinen bzw. Turbinen ein. Das dynamoelektrische Prinzip wurde entdeckt. Als am 12. September 1891 anlässlich einer internationalen Elektrizitätsausstellung in Frankfurt/Main 1.000 Glühbirnen zu leuchten und ein 10 m hoher künstlicher Wasserfall zu sprudeln begannen, war der Durchbruch für die Fernübertragung elektrischen Stromes, hier vom 175 km entfernten Flusskraftwerk Lauffen/Neckar, mit 25-kV-Drehstromübertragung geschafft. Wesentliche Elemente der bautechnischen Auslegung sind je nach Wasserkraftanlagentyp Wasserfassung, Stau- und Speicherbecken, Hochwasserentlastung und Betriebsauslass, Sandfang und Triebwasserleitung, Stollen- und Druckschacht, Verteilrohrleitung, Wasserschloss und Krafthaus bzw. Kraftwerkskaverne. Bedeutende Elemente des Maschinenbaues sind Regel- und Verschlussorgane sowie hydraulische Maschinen, also Turbinen und Speicherpumpen. Schließlich sind gewichtige Elemente der elektrotechnischen Ausrüstung Generatoren, Transformatoren, Schaltanlagen, Leit- und Steuerungstechnik. Wasserkraftnutzung bedeutet wie jede andere technische Anlage und wie jede menschliche Zivilisation überhaupt einen Eingriff in die Natur, sei es durch den Aufstau oder durch die Ausleitung von Wasser in einem Fließgewässer, durch die Einschränkung der Wasserführung und der Durchgängigkeit für Fische und andere Gewässerorganismen, sei es durch Fischausfall in Turbinen oder durch die Störung und Beeinträchtigung ursprünglicher, aquatischer Lebensgemeinschaften. Handlungsbedarf ergibt sich hieraus für die Erhaltung oder Wiederherstellung öko-

Vorwort

IX

logisch funktionsfähiger Lebensräume und damit für eine ausgewogene Abstimmung von Energienutzung und ökologischem Gleichgewicht, von neugestaltendem Wasserbau und Landschaftsschutz. Aus der Verbindung der Wasserkraft mit einer übergreifenden Wasserwirtschaft, der Mehrzweckaufgaben und dem Hochwasserschutz, resultieren weite Aufgabenfelder der Modernisierung, der Erweiterung oder des Neubaues von Wasserkraftanlagen unterschiedlicher Größe. Auch die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Kleinwasserkraftwerke zur dezentralen Stromversorgung trägt zum Umweltschutz bei. Entscheidend sind hierbei Akzeptanz, Wirtschaftlichkeit und rechtliche Rahmenbedingungen. Dieser Tatsache trägt das vorliegende Buch Rechnung. Sein inhaltlicher Aufbau folgt den vorstehenden Gesichtspunkten für die Rangordnung der Wasserkraft innerhalb der konkurrierenden Energiequellen, für Umweltverträglichkeit und Planungsgrundsätze, Bauausführung und Betrieb. Es stützt sich partiell auf das zuletzt in der 3. Auflage erschienene, englischsprachige Standardwerk „Water Power Development“ von Emil Mosonyi. Dieses umfasst die Einzelbände 1: „Low Head Power Plants“, Ausgabe 1984, und 2/A + B: „High Head Power Plants“, Ausgabe 1991, mit insgesamt 2.165 Seiten. Die Bände erschienen im Verlag der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Akadémiai Kiadó, Budapest. Vorläufer waren bis in die 50er Jahre zurückreichende Fachbücher des Autors in ungarischer, deutscher und englischer Sprache. Die vorliegende, gänzlich neu gefasste Buchveröffentlichung, die binnen sechs Jahren in drei Auflagen jeweils erheblich erweitert worden ist, verfolgt das Ziel, einen möglichst großen Kreis von Wasserbauingenieuren anzusprechen, ob als Planer, Konstrukteur, Bau- oder Betriebsleiter, ob im Consulting-Bereich, in der Bauwirtschaft, in staatlichen oder kommunalen Aufsichtsbehörden oder in der Wissenschaft tätig, ob in seiner Eigenschaft als Student oder Spezialist. Der Leitgedanke war, nicht nur Theorie und praktische Umsetzung zusammenzuführen, sondern ebenso die Fülle an Erfahrungen der beiden Autoren aus der Berufspraxis im Wasserbau, aus der Lehre und Forschung sowie aus der Tätigkeit als Beratender Ingenieur und Gutachter internationaler Finanzierungsinstitutionen einzubringen. So sehr hierfür der Buchumfang in Grenzen zu halten war, wurde dennoch auf eine geschlossene, vor allem anschauliche und nachvollziehbare Darstellung der Einzelthemen und der komplexen Zusammenhänge geachtet. In dieser Absicht einer gesamtheitlichen Wiedergabe der theoretischen Grundlagen, Bemessungsansätze, Planungsziele, Konstruktion, Bauausführung und Inbetriebnahme, aber auch der Grundsätze für eine umweltfreundliche Auslegung und Gestaltung der Wasserkraftanlage, wurden der maschinen- und elektrotechnischen Ausrüstung gebührender Platz eingeräumt. Das Buch sollte zudem für diesen Bereich der Ingenieurwissenschaften dem Leser zumindest die einschlägige Vorplanung ermöglichen, um nicht nur die Gesamtplanung eines Wasserkraftwerkes sondern auch die statisch-konstruktiven Auswirkungen der Maschinenelemente zu erfassen. Kennzeichnende Ausführungsbeispiele weisen in dieselbe Richtung. Die gegenüber der 1. Auflage über 220 zusätzliche Seiten umfassenden Erweiterungen beziehen sich hauptsächlich auf die Themenfelder: Einordnung der Wasserkraft in die Energiesysteme, Grundsätze der Planung und Wirtschaftlich-

X

Vorwort

keitsuntersuchung, Dimensionierungsgrundlagen für die verschiedenen Anlagenkomponenten unter Einbeziehung vor allem der Finite-Elemente-Berechnungsmethoden, die Weiterentwicklungen von hydraulischen Maschinen zur Energieerzeugung und Generatoren und schließlich die verschiedenartigen betrieblichen Aspekte unter Berücksichtigung der Fuzzy Logik sowie der Kleinwasserkraftanlagen. Eine erhebliche Überarbeitung mit zahlreichen Ergänzungen erfuhren die Kapitel über Elektrotechnische Ausrüstung, Pumpspeicheranlagen sowie über Wechselbeziehungen zwischen Wasserkraft und Umwelt, Mindestwasserregelungen und Durchgängigkeit. Die Gelegenheit bot sich an, mit der 3. Auflage sämtliche Wiedergaben statistischer Kennzahlen für nationale und internationale Energieversorgungsbereiche mit Schwerpunkt Wasserkraft zu aktualisieren und überdies die jüngsten Erkenntnisse hinsichtlich Umweltschutz sowie einschlägiger natur- und ingenieurwissenschaftlicher Fortentwicklungen zu berücksichtigen. Um das vorliegende, inzwischen zweimal fortgeschriebene Fachbuch mit jeweils neuen Erkenntnissen von Wasserkraftanlagen auszustatten, die in 21 Hauptkapitel untergliederten Themenbereiche aufzuarbeiten und diese schließlich in Text und Bild ausgewogen wiederzugeben, bedurfte es der tatkräftigen Zuarbeit bewährter wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Universität Stuttgart. Zu diesem besonders zu würdigenden Mitarbeiterstab zählen die Herren Dr.-Ing. Georg Förster, Dipl.-Ing. Andreas Eisner, Dr.-Ing. Klaus Jorde, Privatdozent Dr.Ing. Walter Marx, Dr.-Ing. Matthias Schneider und Dipl.-Ing. Frank Zöllner. Den Herren Förster und Schneider oblag die Bearbeitung der unter Kapitel 8, 9 und 10 dargestellten Druck- und Verteilrohrleitungen sowie Druckstollen in der 1. und 2. Auflage, während Herr Zöllner sich dem Kapitel 8 in der 3. Auflage widmete. Des Kapitels 19 über das Leitthema Mindestwasser in Verbindung mit dem in Kapitel 13 wiedergegebenen Komplex der Fuzzy Logik sowie Teilen des Kapitels 18 Wasserkraft und Umwelt haben sich im Wesentlichen die Herren Jorde, Schneider und Eisner angenommen. In allen drei Auflagen machte sich Herr Marx um die Abfassung des Kapitels 11 über Wasserschlösser und Schwallkammern sowie des innerhalb des Kapitels 18 neu aufgenommenen Abschnittes über Bewirtschaftung von Talsperren hinsichtlich Wasserkraftgewinnung und landwirtschaftlicher Bewässerung sehr verdient. Herr Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Gutt, Ordinarius für Elektrische Maschinen, Antriebs- und Mechatroniksysteme, Direktor des gleichnamigen Institutes der Universität Stuttgart, konnte als hoch angesehener Fachmann für die Erstbearbeitung des eigenständigen Buchkapitels „Elektrotechnische Ausrüstung“ gewonnen werden. Hierbei wurde er von Herrn cand.-el. Markus Schlenker unterstützt. Hinzu gekommen waren für die 2. Auflage ebenso die Herren Dr.-Ing. Dietrich Labahn, Berlin, und Dr.-Ing. habil. Zbigniew Styczynski, Stuttgart, die sich in spezieller Zuarbeit für Herrn Prof. Dr.-Ing. Gutt hervorgetan haben. Den genannten Herren sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Für alle drei Auflagen leistete Herr Dr.-Ing. Stephan Heimerl große Dienste. Dieses trifft um so mehr für die vorliegende Ausgabe zu, als dass er inzwischen von der Universität Stuttgart in die Privatwirtschaft übergewechselt ist und seine freien Tage über lange Monate hinweg eingebracht hat. Wie in den beiden voran-

Vorwort

XI

gegangenen Auflagen fand Herr Dr. Heimerl sich erneut bereit, die mit der umfangreichen Erweiterung notwendigen Arbeitsabläufe aufeinander abzustimmen. Sachkundig wurden anfallende Textüberarbeitungen ebenso ausgeführt wie neue Fassungen sowie Bilder und Tabellen umgesetzt, wo notwendig auch erweitert und abgerundet. Umsicht, Können und Sorgfalt erforderte gleichermaßen die Erstellung der für die unmittelbare Drucklegung abgeschlossenen Vorlage. Mit seiner Tatkraft gelang es, die engen Zeitvorgaben für die ineinandergreifende Aufgabenvielfalt einzuhalten. Herrn Dr. Heimerl gebühren daher im besonderen Maße Dank und Anerkennung. Dem weltweit renommierten Springer-Verlag sagen die Verfasser aufrichtigen Dank für seine Initiativen zur Entstehung und zur Fortführung des hervorragend ausgestatteten Buches, für die umsichtige Begleitung der einzelnen Bearbeitungsphasen und für das vielfach bewiesene Wohlwollen. Stuttgart/Karlsruhe im Frühjahr 2003 Jürgen Giesecke und Emil Mosonyi

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Inhaltsverzeichnis 1

Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3

1

Ansätze der Wasserkraftnutzung Wasserradgetriebene Schöpfwerke und Mühlen Übergang vom Wasserrad zur Wasserturbine Fernübertragung elektrischer Energie Wasserkraftanlagen und ihre Umgebung Mehrzweckaufgaben der Wasserkraft Wasserkraftnutzung im Spiegelbild der Energieträger Nutzung von fossilen Energieträgern und Kernbrennstoffen Nutzung erneuerbarer Energien Kriterien der Energieversorgung und Vergleich der Energieerzeugungsformen 1.7.4 Künftige Entwicklung der Wasserkraftnutzung 1.7.4.1 Grundlegende Perspektiven 1.7.4.2 Beitrag der Wasserkraft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen 1.8 Literatur

1 5 6 8 9 13 14 14 15 18 23 23 24 25

2

Grundlagen der Wasserkraftnutzung

27

2.1 Energie des Wassers 2.1.1 Energie des ruhenden Wassers 2.1.2 Energie des fließenden Wassers 2.1.3 Nutzbare Gesamtenergie des fließenden Wassers 2.1.4 Potenziale zur Wasserkraftnutzung 2.1.5 Potenzielle Energie eines Speichervolumens 2.2 Verfügbares und genutztes Wasserkraftpotenzial 2.2.1 Wasserkraftpotenzial weltweit 2.2.2 Wasserkraftpotenzial in Deutschland 2.3 Literatur

27 27 28 29 33 34 35 35 36 42

3

Grundsätze der Planung und Projektierung

43

3.1 Planungsprozess und Projektentwicklung 3.1.1 Projektphasen 3.1.2 Besondere Aspekte bei Reaktivierung, Modernisierung und Erweiterung 3.1.3 Projektentwicklung im Rahmen von Finanzierungsmodellen

43 43 47 49

XIV

Inhaltsverzeichnis

3.2

Grundlagen für Auswahl und Weiterentwicklung von Wasserkraftstandorten 3.2.1 Wassermengenwirtschaftliche Erhebungen 3.2.2 Energiewirtschaftliche Erhebungen 3.2.3 Ausbaugrad 3.3 Beurteilung von Wasserkraftanlagenprojekten 3.3.1 Betriebswirtschaftliche Betrachtung 3.3.1.1 Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen 3.3.1.2 Investitionsrechnung zur Untersuchung der Wirtschaftlichkeit 3.3.1.3 Grundlagen der Zinsrechnung, Abschreibung und Annuität 3.3.1.4 Statische Verfahren der Investitionsrechnung 3.3.1.5 Dynamische Verfahren der Investitionsrechnung 3.3.1.6 Besondere Kenngrößen bei Wasserkraftanlagen 3.3.1.7 Wirtschaftlichkeitsaspekte bei Pumpspeicherkraftwerken 3.3.2 Gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Betrachtung 3.3.2.1 Grundlagen der gesamtgesellschaftlichen Bewertungsverfahren 3.3.2.2 Gesamtgesellschaftliche Bewertungsansätze bei Wasserkraftprojekten 3.3.2.3 Bedeutung von Mehrzweckaufgaben 3.3.3 Ansatz für eine systematische Beurteilung von Wasserkraftanlagenprojekten 3.4 Gesetzliche Vorgaben für Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen 3.4.1 Rechts- und Normhierarchie 3.4.2 Wesentliche Rechtsnormen für die Wasserkraft 3.5 Versicherung von Wasserkraftanlagen 3.6 Literatur

84 87 87 89 96 97

4

99

Typen von Wasserkraftanlagen

4.1 Klassifizierung der Wasserkraftanlagen 4.2 Einteilung von Wasserkraftanlagen hinsichtlich der Nutzfallhöhe 4.2.1 Niederdruckkraftwerke 4.2.1.1 Flusskraftwerke 4.2.1.2 Ausleitungskraftwerke 4.2.2 Mitteldruckkraftwerke 4.2.3 Hochdruckkraftwerke 4.3 Weitere bedeutende Wasserkraftanlagengruppen 4.3.1 Pumpspeicherkraftwerke als Regelungskraftwerke 4.3.2 Kleinwasserkraftanlagen 4.3.3 Dotationskraftwerke 4.3.4 Energienutzung in Leitungssystemen 4.4 Sonderformen der Wasserkraftnutzung 4.4.1 Nutzung der Gezeitenenergie 4.4.2 Nutzung der Meeresströmung

51 51 54 57 60 61 61 63 63 65 65 68 75 76 76 77 83

99 101 101 101 109 110 111 114 114 117 121 122 123 123 133

Inhaltsverzeichnis

4.4.3 Wellenenergienutzung 4.4.4 Gradientenkraftwerke 4.4.5 Depressionskraftwerke 4.4.6 Gletscherkraftwerke 4.4.7 Wasserkraftanlagen mit unterirdischen Speichersystemen 4.5 Literatur

5

Wasserfassung

XV

134 138 139 140 141 142

145

5.1 Anordnung, Bauweise und Bemessung des Einlaufbauwerkes 5.1.1 Kraftwerke im Fließgewässer 5.1.2 Entnahme aus Fließgewässern 5.1.3 Entnahme aus stehenden Gewässern 5.1.4 Bemessungsgrundlagen für das Einlaufbauwerk 5.2 Schutz gegen Treibgut und Treibeis 5.2.1 Rechenanlagen 5.2.1.1 Konstruktive Ausbildung 5.2.1.2 Bemessung 5.2.1.3 Betrieb und Wartung der Rechenanlagen 5.2.2 Tauchwand und Schwimmbalken 5.3 Verschlussorgane 5.4 Literatur

147 147 147 154 156 168 169 169 171 175 180 181 185

6

Freispiegelleitungen

187

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

Hydraulische Bemessung Sedimenttransport Wellenbildung und Wasserspiegelschwingungen Konstruktive Ausbildung und Befestigungen Übergang in Druckrohrleitungen Literatur

187 196 200 202 208 209

7

Sandfang

211

7.1 Konstruktive Ausbildung 7.2 Bemessung 7.2.1 Bemessungsgrundlagen 7.2.2 Beckenbemessung 7.2.3 Komplexe Systeme 7.3 Literatur

211 215 215 218 222 222

XVI

8

Inhaltsverzeichnis

Druckrohrleitungen

8.1 Rohrtypen und Rohrverbindungen 8.1.1 Stahlrohre 8.1.2 Druckrohre aus duktilem Gusseisen 8.1.3 Betonrohre 8.1.4 Rohre aus glasfaserverstärktem Kunststoffharz 8.1.5 Holzrohre 8.2 Hydraulische Bemessung von Druckrohrleitungen 8.2.1 Hydraulische Grundlagen 8.2.2 Wirtschaftlich optimaler Rohrdurchmesser 8.3 Dynamische Strömungsvorgänge - Druckstöße in Rohrleitungen 8.3.1 Druckwellengeschwindigkeit 8.3.2 Druckstoßberechnung 8.3.2.1 Joukowsky-Stoß 8.3.2.2 Einfluss der Schließzeit auf den Joukowsky-Stoß 8.3.2.3 Druckstoß nach der Theorie der starren Wassersäule 8.3.2.4 Druckstoß nach der Theorie der elastischen Wassersäule 8.3.3 Charakteristikenverfahren 8.3.4 Abminderung von Druckstößen 8.4 Statische Bemessung von Druckrohrleitungen 8.4.1 Spannungen und Rohrwanddicke 8.4.2 Einbeulen und Verformen 8.4.3 Äußere Belastungen von Druckrohrleitungen 8.4.3.1 Äußere Belastungen bei offen verlegten Druckrohrleitungen 8.4.3.2 Äußere Belastungen bei eingeerdeten Druckrohrleitungen 8.4.3.3 Äußere Belastungen bei grabenlos verlegten Druckrohrleitungen 8.4.4 Schnittgrößen in Rohrringrichtung bei eingeerdeten Druckrohrleitungen 8.4.5 Maßgebende Nachweise für die Druckrohrleitungsbemessung 8.4.5.1 Spannungs-/Dehnungsnachweis 8.4.5.2 Tragfähigkeitsnachweis 8.4.5.3 Verformungsnachweis 8.4.5.4 Stabilitätsnachweis 8.5 Rohrkrümmer, Rohrauflager und Dehnungsausgleicher 8.5.1 Rohrkrümmer 8.5.2 Fixpunkte und Zwischenauflager 8.5.2.1 Auflagerkräfte 8.5.2.2 Beanspruchung der Rohrwandung im Auflagerbereich 8.5.3 Dehnungsausgleicher 8.6 Beurteilung von Schäden und der Sicherheit bestehender älterer Druckrohrleitungen aus Stahl 8.6.1 Allgemeines 8.6.2 Untersuchungsschritte

223 223 225 229 229 230 232 233 233 238 240 241 246 246 247 249 251 254 258 259 261 266 269 275 276 287 292 295 295 296 296 296 299 299 301 302 304 310 311 311 312

Inhaltsverzeichnis

XVI I

8.6.3 Kennwerte 8.6.4 Entscheidungskriterien für den Weiterbetrieb von Altanlagen 8.7 Literatur

312 313 314

9

Druckstollen und Druckschächte

317

9.1 9.2 9.3 9.4

Konstruktive Ausbildung Wirtschaftlich optimaler Durchmesser Statische Bemessung Literatur

317 320 321 334

10

Rohrabzweige und Verteilrohrleitungen

335

10.1 Typen 10.2 Bemessung von Rohrabzweigen 10.2.1 Bemessung nach dem Flächenvergleichsverfahren 10.2.2 Überschlägige Bemessung eines Hosenrohres 10.2.3 Spannungsermittlung mit der Finite-Elemente-Methode 10.2.3.1 Die fünf Schritte der Finite-Elemente-Methode 10.2.3.2 Ermittlung von Verschiebungen, Verzerrungen und Spannungen 10.2.3.3 Umsetzung von Finite-Elemente-Berechnungen 10.3 Literatur

335 337 337 344 348 348 355 359 362

11

363

Wasserschlösser und Schwallkammern

11.1 Anordnung 11.2 Aufgaben 11.2.1 Hydraulische Trennung des Zuleitungsdruckstollens von der Fallleitung 11.2.2 Dämpfung der Druckstoßentwicklung 11.2.3 Verbesserung der Regelung 11.2.4 Beschleunigter Ausgleich der Wasservolumina 11.3 Typen und Bauweisen 11.3.1 Kriterien für die Entwicklung verschiedener Wasserschlossformen 11.3.2 Bauliche Ausbildung 11.3.3 Typisierung nach der hydraulischen Funktionsweise 11.3.3.1 Einfache Becken- bzw. Schachtwasserschlösser 11.3.3.2 Kammerwasserschlösser 11.3.3.3 Gedrosselte Wasserschlösser 11.3.3.4 Differenzialwasserschlösser 11.3.3.5 Windkessel-Wasserschlösser 11.4 Hydraulische Berechnung 11.4.1 Schachtwasserschloss - Grundgleichungen 11.4.2 Gedrosseltes Wasserschloss

363 364 364 365 365 366 366 366 367 367 367 367 368 369 370 370 370 373

XVI II

Inhaltsverzeichnis

11.4.3 Differenzialwasserschloss 11.4.4 Lösungsmethoden 11.4.4.1 Analytische Lösungen 11.4.4.2 Numerische Behandlung 11.4.5 Stabilitätsproblem 11.4.5.1 Die Thomaschen Stabilitätskriterien 11.4.5.2 Beschleunigungs- bzw. Verzögerungszeit ta 11.4.6 Schwingungsvorgänge 11.4.7 Bemessungs- und Optimierungsaufgaben 11.4.8 Überschlagsformeln 11.4.9 Wasserschloss und Triebwasserleitung 11.4.9.1 Gekoppeltes Schwingungsverhalten 11.4.9.2 Gekoppelte Berechnung im Zeitbereich 11.4.9.3 Lastvorgaben für die Stollenpanzerung 11.4.9.4 Wasserschlossüberwachung mittels Fuzzy Logik 11.5 Sonderausführungen 11.5.1 Anordnung bei Mitteldruckanlagen 11.5.2 Geheiztes Wasserschloss 11.5.3 Windkessel-Wasserschloss 11.6 Literatur

375 376 376 385 390 390 392 393 394 395 396 396 398 406 406 408 408 408 408 419

12

Verschluss- und Regelorgane bei Rohrleitungen

421

12.1

Anordnung und Grundformen von Krafthaus- und Grundablassschiebern Aufgaben und Anordnung Grundtypen Schieber in Turbinen- und Pumpenleitungen Schieber in Grundablässen und Hochwasserentlastungsanlagen Schnellschlussorgane Be- und Entlüftungsventile Hilfseinrichtungen Hydraulisches Verhalten Strömungsvorgänge Verlusthöhen Durchfluss und Ausfluss Ermittlung der Energiehöhen Kavitation Druckstoß Schwingungen Gestaltungsgrundsätze Antrieb und Steuerung

421 421 423 424 425 426 427 429 429 429 430 431 435 436 439 439 440 441

12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.1.4 12.1.5 12.1.6 12.1.7 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.2.5 12.2.6 12.2.7 12.3 12.4

Inhaltsverzeichnis

XI X

12.5 Typen 12.5.1 Keilschieber und Flachschieber 12.5.1.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich 12.5.1.2 Konstruktiver Aufbau 12.5.1.3 Hydraulisches Verhalten 12.5.1.4 Vor- und Nachteile 12.5.2 Drosselklappen 12.5.2.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich 12.5.2.2 Konstruktiver Aufbau 12.5.2.3 Hydraulisches Verhalten 12.5.2.4 Vor- und Nachteile 12.5.3 Kugelschieber 12.5.3.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich 12.5.3.2 Konstruktiver Aufbau 12.5.3.3 Hydraulisches Verhalten 12.5.3.4 Vor- und Nachteile 12.5.4 Ringschieber und Hohlstrahlschieber 12.5.4.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich 12.5.4.2 Konstruktiver Aufbau 12.5.4.3 Hydraulisches Verhalten 12.5.4.4 Vor- und Nachteile 12.5.5 Kegelstrahlschieber 12.5.5.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich 12.5.5.2 Konstruktiver Aufbau 12.5.5.3 Hydraulisches Verhalten 12.5.5.4 Vor- und Nachteile 12.6 Literatur

443 443 443 444 444 445 445 445 447 448 450 451 451 452 454 455 455 455 458 459 461 462 462 463 464 467 468

13

469

Krafthaus

13.1 Krafthaustypen 13.1.1 Grundlegende Unterscheidungsmerkmale der Krafthaustypen 13.1.2 Besondere Aspekte bei unterschiedlichen Wasserkraftanlagentypen 13.2 Regelungs- und Leittechnik für den Wasserkraftanlagenbetrieb 13.2.1 Grundprinzipien der Regelungs- und Leittechnik 13.2.2 Fuzzy Logik zur Abbildung von Steuerungs- und Regelungsvorgängen 13.2.2.1 Grundlagen der Fuzzy Logik 13.2.2.2 Unscharfe Ansätze in der Fuzzy Logik 13.3 Betrieb und Unterhalt von Wasserkraftanlagen 13.3.1 Betriebs-, Anlagen- und Arbeitssicherheit bei Wasserkraftanlagen 13.3.1.1 Betriebssicherheit 13.3.1.2 Allgemeine Anlagen- und Arbeitssicherheitsanforderungen 13.3.1.3 Lärmemissionen 13.3.1.4 Schwingungen

470 471 480 486 486 490 491 492 500 500 500 501 502 503

XX

Inhaltsverzeichnis

13.3.1.5 Elektromagnetische Felder und elektrische Anlagen 13.3.1.6 Gewässerschutz und Gefahrgüter 13.3.2 Instandhaltung und Erneuerung von Wasserkraftanlagen 13.4 Literatur

14

Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

14.1 Unterscheidungsmerkmale 14.1.1 Bauweise hinsichtlich Wellenausrichtung und Wasserzuführung 14.1.2 Einteilung nach der Regelungsart 14.1.3 Einteilung in Abhängigkeit des Durchflusses Q und der Fallhöhe hf 14.1.4 Einteilung in Abhängigkeit der spezifischen Drehzahl nq und der Fallhöhe hf 14.1.5 Langsam-, Mittel-, Schnelläufigkeit 14.1.6 Einteilung nach dem Verwendungszweck und der Betriebsart 14.2 Bemessungsgrundlagen 14.2.1 Turbinendrehmoment 14.2.2 Fallhöhe, Energiehöhe, spezifische Stutzenarbeit 14.2.3 Spezifische Drehzahl, Drehzahl, Synchrondrehzahl 14.2.4 Dimensionslose Kennwerte 14.2.4.1 Druckzahl ψ 14.2.4.2 Durchflusszahl ϕ 14.2.4.3 Leistungszahl Π 14.2.4.4 Laufzahl σL 14.2.4.5 Durchmesserzahl δ 14.2.5 Druckkennzahlen zur Kavitationsbeurteilung 14.2.5.1 Thoma-Beiwert σTh 14.2.5.2 Saugkennzahl Sq 14.2.5.3 Zusammenhang zwischen σTh und Sq 14.2.5.4 NPSH-Wert 14.2.6 Turbinenkennlinien 14.2.6.1 Turbinenwirkungsgrad 14.2.6.2 Leistungs-, Wirkungsgrad- und Drehmomentenkennlinie 14.2.6.3 Muschelkurven und Muscheldiagramme 14.2.7 Numerische Strömungsberechnung 14.3 Turbinenbauteile 14.3.1 Bauteile von Überdruckturbinen 14.3.1.1 Turbinenzulauf, Einlaufschacht und Spiralgehäuse 14.3.1.2 Saugrohr und Saugschlauch 14.3.2 Bauteile von Gleichdruckturbinen 14.3.3 Turbinenwelle, Getriebe und Turbinenlager 14.3.4 Getriebe und Riemenantrieb 14.4 Turbinenregelung 14.4.1 Turbinenregelungsarten

503 504 505 507

509 509 510 511 511 511 513 513 513 513 515 516 519 520 520 520 520 521 521 521 522 522 522 523 523 526 528 531 534 534 534 539 543 543 545 547 548

Inhaltsverzeichnis

XX I

14.4.1.1 Leitradregelung 14.4.1.2 Laufradregelung 14.4.1.3 Düsen- und Strahlablenkerregelung 14.4.1.4 Regelung bei Durchströmturbinen 14.4.1.5 Bypassregelung bei Hochdruckanlagen 14.4.2 Steuerung der Turbinenregelung 14.5 Pumpen und Pumpenturbinen 14.5.1 Kreiselpumpen 14.5.1.1 Grundlagen 14.5.1.2 Bemessung 14.5.1.3 Anordnung, Bauweisen und Betrieb 14.5.1.4 Wellenkupplungen 14.5.2 Pumpenturbinen 14.5.2.1 Allgemeine Bauweisen und Betrieb 14.5.2.2 Sonderformen 14.6 Literatur

548 549 550 550 550 551 554 555 555 555 558 562 564 564 565 567

15

569

Hydraulische Maschinen zur Energieerzeugung

15.1 Propeller- und Kaplan-Turbinen 15.1.1 Konstruktion und Betriebsweise 15.1.1.1 Rohrturbinen 15.1.1.2 Straflo-Turbinen 15.1.1.3 Diagonalturbinen 15.1.2 Bemessung 15.1.2.1 Grundlagen 15.1.2.2 Berechnungsschema zur Vordimensionierung 15.2 Francis-Turbinen 15.2.1 Konstruktion und Betriebsweise 15.2.2 Bemessung 15.2.2.1 Grundlagen 15.2.2.2 Berechnungsschema zur Vordimensionierung 15.3 Pelton-Turbinen 15.3.1 Konstruktion und Betriebsweise 15.3.2 Unterschied zwischen Francis- und Pelton-Turbine 15.3.3 Bemessung 15.3.3.1 Grundlagen 15.3.3.2 Berechnungsschema zur Vordimensionierung 15.4 Durchströmturbinen 15.4.1 Konstruktion und Betriebsweise 15.4.2 Bemessung 15.4.2.1 Grundlagen 15.4.2.2 Berechnungsschema zur Vordimensionierung

569 569 573 577 578 579 579 585 585 585 589 589 592 592 592 597 598 598 603 603 603 605 605 606

XX II

Inhaltsverzeichnis

15.5 Wasserräder und Wasserkraftschnecken 15.5.1 Wasserräder 15.5.2 Wasserkraftschnecken 15.6 Literatur

607 607 611 613

16

615

Elektrotechnische Ausrüstung

16.1 Grundlagen der elektrischen Energietechnik 16.1.1 Gleichstromtechnik 16.1.2 Wechselstromtechnik 16.1.3 Wechselwirkungen und Zusammenhänge zwischen elektrischen Strömen und Spannungen und magnetischen Feldern 16.1.4 Kraftwirkung durch das Zusammenwirken magnetischer Felder 16.2 Grundprinzip der elektromagnetischen Energieumwandlung 16.3 Elektrische Maschinen und Transformatoren in Wasserkraftanlagen 16.3.1 Transformatoren 16.3.2 Bewegte elektrische Maschinen 16.3.3 Synchrone Wasserkraftgeneratoren 16.3.3.1 Polzahl und Frequenz 16.3.3.2 Ausbildung von Ständer und Läufer 16.3.4 Asynchrongeneratoren 16.3.5 Generatorschutz und -überwachung 16.3.6 Entwicklungstendenzen bei Wasserkraftgeneratoren 16.3.6.1 Generatoren mit veränderbaren Drehzahlen 16.3.6.2 Hochspannungsgeneratoren 16.4 Betriebsarten von Wasserkraftgeneratoren 16.4.1 Leerlauf 16.4.2 Generatorbetrieb 16.4.3 Motorbetrieb 16.4.4 Übergang zwischen den verschiedenen Betriebsarten 16.4.5 Synchronisation 16.4.6 Inselbetrieb 16.4.7 Blindleistungs- bzw. Phasenschieberbetrieb 16.4.8 Reluktanzbetrieb 16.4.9 Belastungsgrenzen der Synchronmaschine 16.5 Bemessung von Wasserkraftgeneratoren 16.5.1 Kühlung 16.5.2 Einbau und Anordnung 16.5.3 Läuferarten 16.5.4 Erregereinrichtungen 16.5.5 Dimensionierung 16.5.6 Durchgangsdrehzahl

615 615 619 623 627 628 630 631 632 636 636 639 640 642 644 644 646 647 647 647 648 649 650 650 651 651 652 653 654 655 657 657 658 659

Inhaltsverzeichnis

XXI II

16.5.7 Kurzschlussfestigkeit 16.6 Aufbereitung und Ableitung der Drehstromenergie eines Kraftwerkes 16.6.1 Leistungsbilanz und Wirkungsgrad 16.6.2 Transformatoren 16.6.3 Eigenversorgung 16.6.4 Schaltanlagen und Energieableitung 16.7 Grundlagen elektrischer Verbundsysteme 16.7.1 Einbindung der Kraftwerke in das elektrische Verbundsystem 16.7.2 Aufgaben der Netzleitwarte und Kraftwerkseinsatzplanung 16.7.3 Grundlastdeckung und Regelungsaufgaben im Netzbetrieb 16.7.4 Hochspannungs-Gleichstrom-Kopplung unterschiedlicher Netze 16.7.5 Entwicklung des Strommarktes 16.8 Literatur

663 664 664 665 665 667 667 669 670 672 673 673

17

Pumpspeicherkraftwerke

675

17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 17.6 17.7 17.8 17.8.1 17.8.2 17.8.3 17.8.4 17.8.5 17.9

Zielsetzung Pumpspeichersysteme Historische Entwicklung der Pumpspeicherung Bautechnische Gesichtspunkte Maschinentechnische Gesichtspunkte Betriebsweisen von Pumpspeicherwerken Pumpspeicherkraft in Deutschland Sonderausführungen Extreme Förderhöhen und Leistungen Untertage-Pumpspeicherkraftwerke Meerwasser-Pumpspeicherkraftwerke Luftspeicherkraftwerke Pumpspeicherwerk mit drehzahlvariablen Maschinensätzen Literatur

675 677 679 680 684 686 692 694 694 695 696 698 700 702

18

Wasserkraft und Umwelt

705

18.1 Einflüsse auf die Atmosphäre 18.2 Beeinflussung der ober- und unterirdischen Gewässer 18.2.1 Veränderung der Gewässercharakteristik 18.2.1.1 Fließgewässertypische Strömungsmuster 18.2.1.2 Geschiebe- und Schwebstoffhaushalt 18.2.1.3 Abfluss- und Hochwasserregime 18.2.1.4 Wasserspiegelschwankungen infolge Schwellbetrieb 18.2.1.5 Wasserspiegeländerungen in Speicherseen und deren Unterlauf 18.2.1.6 Flussregulierung

660

707 709 710 710 711 714 716 718 718

XXIV

Inhaltsverzeichnis

18.2.1.7 Eisbildung und Eistransport 18.2.2 Wechselwirkungen mit dem Grundwasser 18.3 Einflüsse auf das biologische System 18.3.1 Bedeutung von Strömung und Substrat 18.3.1.1 Auswirkungen auf die Fischfauna 18.3.1.2 Auswirkungen auf das Zoobenthon 18.3.1.3 Auswirkungen auf die Pflanzenwelt 18.3.2 Temperaturregime 18.3.3 Sauerstoffhaushalt 18.3.4 Selbstreinigungsprozesse 18.3.5 Treibgut 18.3.6 Ufer- und Stauraumgestaltung 18.4 Einflüsse auf die oberen Bodenschichten 18.5 Einflüsse auf den Baugrund 18.6 Auswirkungen auf den Menschen 18.6.1 Landschaft und Lebensumfeld 18.6.2 Sicherheitsaspekte 18.7 Spezielle Aspekte bei Mehrzweckanlagen in warm-trockenen Regionen 18.7.1 Wasserkraft und Bewässerung 18.7.2 Umweltrelevante Gestaltungsmaßnahmen von Stauanlagen in Entwicklungsländern der wärmeren Klimazonen 18.7.2.1 Gestaltungsprioritäten 18.7.2.2 Gestaltungs- und Präventionsmaßnahmen 18.7.3 Energetische Bewertung der Flächen-Inanspruchnahme von Wasserspeichern 18.7.3.1 Speicher-Parameter 18.7.3.2 Energetisches Potenzial von Bewässerungswasser 18.7.3.3 Potenzial von Biomasse im Stauraum 18.7.3.4 Spezifisches Gesamt-Energiepotenzial eines Wasserspeichers 18.7.3.5 Durch Speicherkraftwerke vermiedene CO2-Produktion 18.7.3.6 Ergebnisse der vergleichenden Speicherpotenzial-Abschätzung 18.7.4 Das Flusskraftwerk Tiszalök - eine optimierte Mehrzweckanlage 18.8 Besondere Umweltaspekte von der Errichtung bis zum Rückbau einer Anlage 18.9 Literatur

718 719 719 720 720 722 723 725 726 729 730 730 732 732 733 733 735

19

751

Mindestwasserregelungen

19.1 Gebräuchliche Methoden zur Mindestwasserfestlegung 19.1.1 Kenngrößen 19.1.2 Einfache Verfahren 19.1.3 Habitatsimulationsmodelle 19.1.3.1 Hintergrund

735 735 737 737 738 739 739 740 741 741 741 742 743 747 747

751 752 753 754 754

Inhaltsverzeichnis

XXV

19.1.3.2 Fließgewässerhabitate und ihre Beschreibung 19.1.3.3 Schnittstelle Abiotik zu Biotik 19.1.4 Entscheidungsmodelle 19.2 Mindestwasserregelungen in Deutschland 19.3 Vorgehensweise zur Bestimmung von Mindestwasserregelungen 19.4 Das Simulationsmodell CASIMIR 19.4.1 Konzeption im Hinblick auf Mindestwasserregelungen 19.4.2 Gewässersohle und benthische Organismen 19.4.2.1 FST-Halbkugelmethode zur Bestimmung sohlennaher Strömungsverhältnisse 19.4.2.2 Habitatansprüche der benthischen Organismen 19.4.2.3 Modellierungsansatz für Benthoshabitate über die FSTHalbkugelmethode 19.4.2.4 Modellierungsansatz für Benthoshabitate über eine hydraulische 2D-Modellierung 19.4.3 Freiwasserraum und Fischhabitate 19.4.3.1 Fische als Zeigerorganismen 19.4.3.2 Präferenzfunktionen 19.4.3.3 Fuzzy-logischer Ansatz für die Habitatmodellierung 19.4.3.4 Darstellung der Habitateignung 19.4.3.5 Kriterien für die Bewertung der Modellierungsergebnisse mit CASIMIR bei Mindestwasseruntersuchungen 19.5 Auswirkungen der Mindestwasserabgaben auf die Energieerzeugung in Wasserkraftanlagen 19.6 Literatur

20

Durchgängigkeit für die Aquafauna an Wasserkraftstandorten

20.1 Fischaufstiegsanlagen 20.1.1 Wanderkorridor 20.1.2 Anordnung von Fischaufstiegsanlagen 20.1.3 Ausbildung des Einstiegs in Fischaufstiegsanlagen 20.1.4 Leitströmung im Einstiegsbereich 20.1.5 Abfluss und Strömungscharakteristika in Fischaufstiegsanlagen 20.1.6 Dimensionierung von Fischaufstiegsanlagen 20.1.8 Gestaltung der Sohle in Fischaufstiegsanlagen 20.1.9 Ausstieg aus Fischaufstiegsanlagen 20.1.9 Betriebszeiten 20.1.10 Wartung der Fischaufstiegsanlagen 20.1.11 Störungsvermeidung und Lenkung der Öffentlichkeit 20.2 Bauweisen von Fischaufstiegsanlagen und fischpassierbaren Querbauwerken 20.2.1 Beckenpässe

755 756 757 757 757 758 759 760 761 761 762 764 766 766 767 769 771 773 777 778

781 783 784 784 786 788 789 789 790 791 792 792 792 793 794

XX VI

Inhaltsverzeichnis

20.2.2 Schlitz- oder Vertical-Slot-Pass 20.2.3 Raugerinne-Beckenpass 20.2.4 Fischaufstiegsanlagen in Störsteinbauweise 20.2.5 Denil- oder Gegenstrompass 20.2.6 Aalpass 20.2.7 Fischschleuse 20.2.8 Fischaufzug 20.2.9 Umgehungsgerinne 20.2.10 Sohlenbauwerke 20.3 Fischschutz- und Fischabstiegseinrichtungen 20.4 Literatur

797 797 798 798 799 800 801 801 802 803 805

21

807

Ausführungsbeispiele

21.1 Hochrheinkraftwerk Säckingen 21.2 Wasserkraftnutzung durch die Schluchseewerk AG 21.2.1 Anlagensystem der Schluchseewerk AG 21.2.1.1 Werksgruppe Schluchsee 21.2.1.2 Werksgruppe Hotzenwald 21.2.1.3 Merkmale des Pumpspeicherbetriebes 21.2.2 Werksgruppe Schluchsee 21.2.3 Werksgruppe Hotzenwald 21.2.3.1 Pumpspeicherwerk Säckingen 21.2.3.2 Pumpspeicherwerk Hornbergstufe mit Kavernenkraftwerk Wehr 21.2.3.3 Zubau einer Kleinwasserkraftanlage 21.2.4 Geplante Ausbaustufen der Schluchseewerke 21.3 Großprojekt Drei-Schluchten-Kraftwerk am Jangtse in China 21.3.1 Der Jangtse und historische Hochwasserkatastrophen 21.3.2 Projektauslegung 21.3.3 Problemfelder 21.4 Kleinwasserkraftanlage Großarl 21.5 Kleinwasserkraftanlage Vöhrenbach mit der Gewölbereihenmauer Linach 21.5.1 Übersicht 21.5.2 Konzeption 21.5.3 Streiflichter der Sanierung eines nationalen Baudenkmales 21.6 Literatur

807 809 809 809 811 811 813 817 817 820 831 832 834 834 835 838 840

22

Symbole, Einheiten, Umrechnungsfaktoren

853

22.1 22.2 22.3

Kenngrößen und Symbole Abkürzungen Griechisches Alphabet

853 867 867

846 846 847 849 851

Inhaltsverzeichnis

22.4 22.5

Einheitenabkürzungen Einheiten und Umrechnungsfaktoren

XXV II

867 868

Autoren

871

Sachverzeichnis

873

1

1 1.1

Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung Ansätze der Wasserkraftnutzung

In der Entwicklung der Menschheit spielten von Anfang an das örtliche Wasservorkommen und dessen Nutzung sowie der Schutz gegen drohende Gefahren durch das Wasser eine ausschlaggebende Rolle. Die Geschichtsschreibung stellt vielfach die einzelnen Entwicklungsstufen in Verbindung mit dem Wasser und den das Wasser beherrschenden Baumaßnahmen, wie man aus den Zeittafeln Abb. 1.1a-c gut erkennen kann. Für diese Maßnahmen prägten sich die Begriffe Hydrotechnik oder Allgemeiner Wasserbau ein. Mit „hydraulic civilizations“ wurden sogar jene ersten größeren Kulturen der Menschheit bezeichnet, die sich vor Jahrtausenden schon im Flusstal des Nils, hauptsächlich in Ägypten, im Stromgebiet von Euphrat und Tigris in Mesopotamien, dem heutigen Staatsgebiet des Iraks, ferner in den Flusslandschaften des Indus (Pakistan) und des Hwangho (China) entwickelt hatten. Ob Wasserversorgung, landwirtschaftlicher Wasserbau, Entwässerung mit Bewirtschaftung des verfügbaren Wassers, Schiffstransport oder Hochwasserschutz, für alle derartigen Systeme mussten Bauten (Talsperren, Kanäle, Verteilungssysteme, Schleusen, Schiffsanlegestellen, Uferdämme etc.) geschaffen, betrieben und erhalten werden. Die jüngsten, von Historikern, Archäologen und Wasserbauingenieuren umsichtig angestellten Forschungen belegen in eindrucksvoller Weise die großartigen Leistungen der damaligen Völker, die mit Planung, Bau und Betrieb der die Zivilisation erst ermöglichenden Wasserbauwerke erbracht wurden. Im Gegensatz zur Nutzung der Windkraft, die beispielsweise durch Segel das Transportvermögen von Flussschiffen um ein Vielfaches erhöhte und den Beginn der windunterstützten Schifffahrt auf Flüssen und Küstengewässern entsprechend den ägyptischen Geschichtsdaten auf etwa das Jahr 3.000 v. Chr. zurückführt, tritt das Wasser als sich immer erneuernde Naturkraft in seiner technischen Nutzung durch den Menschen erst ein Jahrtausend später in den Vordergrund. Ab dem 5. Jahrtausend v. Chr. wurden die Menschen mehr und mehr sesshaft. Siedlungen und landwirtschaftliche Anbauflächen bedurften ausreichender Wasserversorgung. Hierfür musste das Wasser auch von tiefliegenden Vorkommen, ob Fluss, Teich oder in das Grundwasser reichender Brunnen, in höher gelegene Versorgungsgebiete gehoben werden. Hierzu diente lange Zeit die Muskelkraft von Mensch oder Tier. Ähnlich verhielt es sich mit dem Mahlen von Getreide. Brot war zu jener Zeit das Hauptnahrungsmittel. Bis jedoch für diese Techniken die dem Wasser innewohnenden Kräfte, d. h. das Arbeitsvermögen eines über dem Nutzungsstandort höher liegenden Wassers mit Umsetzung von Lageenergie in Bewegungsenergie oder Staudruck zur breiten Anwendung gelangten, vergingen Jahrtausende. Dabei erklärt sich die Lageenergie aus dem durch die Sonnenenergie eingeleiteten Wasserkreislauf mit Verdunstung, Wolkenbildung und Wolkenbewegung, schließlich Niederschlag und Abfluss.

2

v. Chr. 0

500

n. Chr.

1000

Iron Bridge

1500

2000

Zeittafeln zur Geschichte der Wasserkraftnutzung [nach 1.1]

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

Überdruck-Turbine von Fourneyron (1827)

HochdruckWasserkraftanlage Nieder-/Mitteldruck-Wasserkraftanlage

Abb. 1.1a:

Anordnung von Wasserkraftanlagen

Oberschlächtige Wasserräder

UmleitungsKraftwerk

FlussKraftwerk

Lechwehr in Augsburg 1000

GezeitenKraftwerk

England 1100

Rom 536

Schwimmendes Kraftwerk

Pansterzeug

Strassburg 840

Hydraulische Kraftmaschinen in Wasserkraftwerken HolzWasserräder

EisenWasserräder Euler 1750

Turbinen

Fourneyron

476

500

0 Antike

SH

1000 Mittelalter

2000

1500 Neuzeit

Industrielle Revolution

v. Chr. 0

500

n. Chr.

Iron Bridge

1500

1000

2000

Turbinen

Wasserräder

Persien

Wind

BockwindMühlen

Mitteleuropa

Holl. Windmühlen

Plattenkollektor von Saussure

Sonne

Salzgärten

Leuchtgas aus Steinkohle

Gas

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

Zeittafeln zur Geschichte der Wasserkraftnutzung [nach 1.1]

Wasser

Erdölgas

1783 Erschöpfung durch Raubbau

Holz Förderung Ruhrgebiet

Kohle

Watt'sche Dampfmaschine 1788

Herdfeuer London Agricola 1556 Diesel-Motor 1893 Otto-Motor 1867

Mineralöl Kernenergie

Kernspaltung von Hahn und Strassmann 1938

476

500

0 Antike

1779

Abb. 1.1b:

Volkwirtschaftliche Bedeutung

1000 Mittelalter

SH

2000

1500 Neuzeit

Industrielle Revolution

3

Industrielle Revolution

SH

Neuzeit Mittelalter

1000 0

Antike

500

476

Generator

ca. 300

Pumpe

Säge

Hammer

Stampfe

Mühle

Arbeitsmaschinen in Wasserkraftwerken

RiemenTransmission

Mehrstufiges Getriebe

WinkelGetriebe

2000

1294 Lübeck

Zeichnung von Wilars 1245

1500

Generator 1866

1818 Kolbenpumpe

Kreiselpumpe

Gattersäge

Kreissäge

Kurbelstange 1480 Ortschaft Schmid-Mühle (Steiermark) 1010

Erzpochwerk

1135 Daumenwelle 10./11. JHD.

Getreidemühle im Odenwald 732

1000 n. Chr. 500 v. Chr. 0

Getriebe in Wasserkraftwerken

Abb. 1.1c:

1799

Dampfhammer 1839

1880 Walzenstuhl Beutelwerk

Steine

Dreschmaschine 1784

Zahnrad und Schraube

Eisen

1500

Iron Bridge

2000

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

1779

4

Zeittafeln zur Geschichte der Wasserkraftnutzung [nach 1.1]

Für die Nutzung des Wasserkraftpotenzials, d. h. für die Überführung der Wasserkraft in mechanische Arbeit bietet sich das Rad an. Es gestattet die Umsetzung von Wassergewicht, Wassergeschwindigkeit oder Wasserdruck in den Antrieb von Schöpfwerken, Transmissionen, Mühlsteinen, Hammerwerken, Sägen usw. Für den Bergbau in der Frühgeschichte hatten Wasserhebeeinrichtungen auch zur kontinuierlichen Wasserhaltung eine eminente Bedeutung. In der weiteren technischen Entwicklung entsteht in der Neuzeit aus dem Wasserrad die Wasserturbine mit all ihren unterschiedlichen Gestaltungsformen.

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

1.2

5

Wasserradgetriebene Schöpfwerke und Mühlen

Geschichtlich lässt sich ein wassergetriebenes Schöpfwerk in das 3. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen. Nach der Beschreibung durch Philon von Byzanz wird ein aus einer endlosen Eimerkette bestehendes Schöpfwerk durch ein mehr oder weniger unterschlächtiges Wasserrad mit horizontaler Achse angetrieben, dessen Leistung durch den jeweils herrschenden Wasserstrom bestimmt wird. Vitruv erwähnt in seinem etwa 20 v. Chr. erschienenen Werk sowohl strömungsgetriebene Schöpfräder als auch Anlagen zur Drehung von Mühlsteinen mit vertikaler Achse, deren Antrieb bei unterschlächtigen Wasserrädern über ein Kammradgetriebe erfolgte. Ein Kammradgetriebe ist dann entbehrlich, wenn das Wasserrad mit vertikaler Welle ausgerüstet ist und der darüberliegende Mahlstein direkt angetrieben wird. Allerdings müssen an die Wasserzuführung höhere Ansprüche gestellt werden. Tritt an die Stelle eines offenen Wassergerinnes ein Druckschacht, aus dem das Wasser dem Wasserrad zufließt, lassen sich größere Druckhöhen erzielen. Derartige Schöpfräder und Getreidemühlen haben sich in ihrem Bauprinzip und in ihrer Anwendung bis in die heutige Neuzeit, besonders in Ländern des Nahen Ostens erhalten. Das einen höheren Wirkungsgrad liefernde oberschlächtige Wasserrad ist erst etwa im 5. Jahrhundert n. Chr. historisch in Erscheinung getreten. Bei diesem strömt das Triebwasser oberwasserseitig in Höhe des Scheitels in die becherförmigen Zellen ein. Weitere interessante Entwicklungen zur Wasserkraftnutzung im 7. Jahrhundert n. Chr. sind die sogenannten Flussmühlen, Schiffsmühlen und Gezeiten- bzw. Flutmühlen (s. a. Kapitel 4.4.1). Unter dem Oberbegriff Flussmühlen sind neben den Schiffsmühlen auch Uferund Brückenmühlen einzuordnen [1.2]. Hierbei handelt es sich um horizontalachsige Wasserräder, deren untere Radschaufeln in die Flussströmung eintauchen. Die Nutzung der Strömungskraft fällt umso besser aus, je größer der Durchmesser des Wasserrades und je breiter die Schaufeln sind. Ufermühlen wurden entsprechend ihres Namens ufernah auf einer durch Pfeiler getragenen Plattform angeordnet. Gleichartig standen Brückenmühlen auf eigenen Mühlenstegen oder auf Straßenbrücken. Beide Bauformen hatten den Nachteil, dass sie mit ihrer konstanten Höhenlage wechselnden Wasserspiegellagen nicht folgen und mehr oder weniger je nach Zufluss keine gleichmäßige Wasserkraftnutzung sicherstellen konnten. Im Gegensatz hierzu schwimmen die im 15. Jahrhundert aufgekommenen Schiffsmühlen auf dem Wasser ungeachtet unterschiedlicher Wasserstände und möglicher Abweichungen von der normalen Hauptströmungsrichtung in Hoch- und Niedrigwasserzeiten. Allerdings sind sie weniger gut zugänglich. Als Bauformen kamen zum einen einschiffige Anlagen mit einem Wasserrad am Bug oder am Heck sowie auch mit Zwillingswasserrädern beiderseits des Schiffskörpers in Frage. Zum anderen wurden zweischiffige Anlagen erstellt, bei denen das Wasserrad zwischen dem das Mahlwerk tragenden Schiffskörper und dem den Wohnbereich aufnehmenden zweiten Schiffskörper lag. Ferner kamen zweischiffige Mühlen mit hinter einander oder versetzt aufgehängten Wasserräderpaaren zur Ausführung.

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Bei den Entwicklungsmöglichkeiten blieben Schiffsmühlen jedoch historisch gesehen stets weit hinter den an Bächen und künstlichen Kanälen betriebenen Landmühlen zurück. Eine durch Schütze oder Schieber regulierte Beaufschlagung der Wasserräder schied bei Schiffsmühlen aus. Die Wasserräder bewegten sich mit etwa der halben Strömungsgeschwindigkeit, die je nach Wasserführung stark schwankte und sich bis hin auf die Umdrehungsgeschwindigkeit der Mahlsteine einer Getreidemühle auswirkte. Die Mühlsteine sollten mindestens 100, wenn nicht sogar 150 Umdrehungen pro Minute aufweisen, um eine hohe Mahlqualität zu erreichen. Umgekehrt führte eine zu schnelle Bewegung zum Heißlaufen der Mahlsteine und zur Verklumpung des Mehles. Um die langsame Umdrehung des Wasserrades auf die optimale höhere Drehzahl der Mahlsteine anzuheben, wählte man entweder einen kleineren Raddurchmesser und dafür eine größere Radbreite, oder man schaltete ein ein- bzw. zweistufiges Winkelgetriebe dazwischen. Problematisch war dabei, dass sich durch die Verringerung der Schleppkraft des Gewässers unter Schiffsmühlen Ablagerungen bis hin zu ausgedehnten Geschiebebänken bilden konnten. Darüber hinaus stellten Schiffsmühlen ein Hindernis für die Flussschifffahrt und dabei insbesondere für Treidelzüge dar. Eine erhebliche Gefahr bestand auch darin, dass Schiffsmühlen durch Hochwässer und gar durch mutwillige Anschläge aus der festen Verankerung gerissen und flussabwärts bis zum Schaden bringenden Aufprall auf Brücken- und Uferbauwerke abgetrieben wurden. Mit dem Aufkommen des Industriezeitalters und anderer Energiequellen wurden Schiffsmühlen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts aufgegeben, zumal deren Wirkungsgrad stets deutlich unter demjenigen von stationären Anlagen blieb [1.13]. In Mitteleuropa sind die ersten stationären Mühlenbauten an Land seit dem 9. Jahrhundert zu verzeichnen. Wenn anfangs diese vornehmlich zum Mahlen des Getreidekornes und zum Heben von Lasten errichtet wurden, setzte sich sehr schnell die Anwendung in anderen Produktionsbereichen durch. Als beispielhafte handwerkliche Arbeitsgänge sind zu nennen: Hämmern, Walken, Stampfen, Schleifen, Sägen, Drehen und dergleichen mehr. Wasserräder trieben Gebläse an und entwässerten Erzgruben mit Hilfe von Eimerketten (z. B. Oberharzer Wasserregal). Noch Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts kam dem Wasserrad eine erhebliche Bedeutung zu. Nach dem 2. Weltkrieg setzte jedoch ein rapider Rückgang der wasserradgetriebenen Mühlen ein. Mit ihm endete mehr oder weniger auch das technische Interesse an deren Sanierung und betrieblichen Verbesserungen. Nur noch wenige Mühlen sind im gewerblichen Einsatz. Verstärkt nimmt sich in einzelnen Ländern der Denkmalschutz der übrig gebliebenen Mühlen an, um sie als eindrucksvolle Zeugnisse einer größeren handwerklichen Tradition und als technisches Kulturgut der vorindustriellen Arbeitswelt zu bewahren; eine detaillierte, Beschreibung erfolgt in den Kapiteln 4.3.2 bzw. 15.5. 1.3

Übergang vom Wasserrad zur Wasserturbine

Das Wasserrad stellt die Urform einer Wasserkraftmaschine dar. In der Umwandlung von Lageenergie aus dem Gewicht des Wassers in Bewegungsenergie spiegelt sich eine der bewundernswerten Erfindungen des menschlichen Geistes

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wider, die mit dem Rad überhaupt schon in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte zu vermerken ist. Historisch kann das Rad 3.000 v. Chr. im südlichen Mesopotamien (Sumer), d. h. in dem Zwei-Strom-Land zwischen Euphrat und Tigris, nachgewiesen werden. In der Folgezeit bildet es Kunstsymbol, Werkzeug und Maschine. Die Aufgabe des Mühlenantriebes hat das Wasserrad über Jahrtausende hinweg bewahrt, auch wenn zusehends aus Kostengründen und Effizienz der Energieausbeute das Mühlrad als erste hydraulische Maschine durch Wasserturbinen ersetzt wird, und so beispielsweise aus der Mühle ein Kleinwasserkraftwerk zur Erzeugung elektrischen Stromes entstehen kann. Auch heute noch dienen Wasserräder zur elektrischen Energiegewinnung, da sie im Gegensatz zu Wasserturbinen vor allem mit geringen Fallhöhen bzw. geringen Abflüssen sehr gut zurechtkommen. Darüber hinaus weisen sie selbst bei stark veränderlichem Wasserzufluss einen etwa gleich bleibenden Wirkungsgrad auf, bedürfen nahezu keiner Regelung und erlauben eine dezentrale Stromversorgung mit wenig installierter Leistung bei durchaus hoher Wirtschaftlichkeit (s. Kapitel 15.5.1). Die Erfindung der Turbinen bedeutete einen großen Schritt in der Wasserkraftnutzung. Die erste technische Einrichtung zur Anwendung der Reaktionskraft eines Wasserstrahles bildete das nach seinem Erfinder Segner (1704-1777, Göttingen) benannte Wasserrad. Hierauf folgte der nächste große Fortschritt mit der von dem Franzosen Fourneyron 1827 entworfenen hydraulischen Maschine, die ein vertikalachsiges Wasserrad mit radialem Wasseraustritt und einer Anordnung unterhalb des Unterwasserspiegels darstellt. Auf Henschel, einem Deutschen, und Jonval, einem Elsässer, gehen das Saugrohr und die axial durchströmte Turbine mit Anordnung über dem Unterwasserspiegel zurück. Doch wurden diese Turbinentypen bald aufgegeben. Dasselbe geschah mit den von den Schweizern Zuppinger (1846) und Schwamkrug (1850) entwickelten Impuls- bzw. Gleichdruckmaschinen. Die vom Pariser de Girard (1863) ersonnene Turbine ist in ihrem Wirkungsprinzip ein Mittelding zwischen Überdruck- und Gleichdruckturbine; sie fand vielfach Anwendung bei Hochdruckanlagen, wurde aber dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgegeben. Einen entscheidenden Durchbruch in der Optimierung von Überdruckturbinen gelang dem Engländer Francis im Jahre 1849 (sogenannte Francis-Turbine), während der Amerikaner Pelton 1890 die Freistrahlturbine (sogenannte PeltonTurbine) zu der heutigen modernen Form einer Gleichdruckmaschine führte. Schließlich wurde 1913 Kaplan, einem Österreicher, das Patent für seine Propellerturbine mit feststehenden Laufradschaufeln für den Einsatz bei Niederdruckanlagen, kurz danach ein weiteres Patent für bewegliche Laufradschaufeln der heute nach ihm benannten Kaplan-Turbine erteilt. Diese Turbinenart erinnert an eine umgekehrt wirkende Schiffsschraube. Technische Verbesserungen für die Verstellbarkeit von Laufradschaufeln in Abhängigkeit von Lastschwankungen folgten unmittelbar durch Englesson. Theoretische Untersuchungen über Durchströmungen von Propellern wurden erfolgreich von dem Russen Joukowsky angestellt, der gleichfalls wesentliche Beiträge zum Druckstoßproblem 1898 veröffentlichte. Eine abgerundete, glänzend mathematisch aufbereitete Darstellung der Druckstoßerscheinungen in Triebwasserleitungen als Folge von Schließen und Öffnen bei Verschlussorganen wurde durch den Italiener Allievi 1913 geliefert.

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Seine Druckstoßtheorie bildet bis heute die Basis für sichere Betriebsweisen von Fernleitungen und Rohrleitungssystemen aller Art. Einen weiteren Markstein in der Entwicklung von Wasserkraftanlagen im Niederdruckbereich bildet die Kombination von Propeller- bzw. Kaplan-Turbine mit dem vorgeschalteten Stromgenerator bei liegender Anordnung des Maschinensatzes mit horizontaler bzw. leicht geneigter Achse. Hierfür hat sich die Bezeichnung Rohrturbinen eingebürgert. Der nächste bedeutsame Schritt war die Vereinigung von Turbinenlaufrad und Rotor des Generators zu einer Einheit von Turbine und Stromerzeuger, indem die Laufradschaufeln die Speichen des Polrades des Generators bilden. Entscheidende Impulse lieferten hierfür Harza (1919, USA) und die Deutschen Fentzloff und Schmick bis hin zur ersten Bauausführung eines derart ausgerüsteten Laufwasserkraftwerkes durch Fischer im Jahre 1936. Die Turbinen mit Außenkranzgenerator lieferte Escher-Wyss/Ravensburg und Zürich. Diese Maschinenbaufirma leistete in den nachfolgenden Jahrzehnten wesentliche Pionierarbeiten für die technische Vervollkommnung dieser heute unter dem Handelsnamen Straight-Flow-Turbine (Straflo-Turbine) Ringgenerator und Turbinen vereinigenden Maschine, wobei vor allem Dichtungsprobleme zu lösen waren. Die derzeit größten Maschinenleistungen wurden mit 11 MW pro Maschine bzw. 5,45 MW/Maschine bei den 1994 durch Umrüstung modernisierten Flusskraftwerken Laufenburg und Augst-Whylen am Hochrhein erreicht. Für die Rohrturbine mit vorgeschaltetem Generator entstanden vielfältige Anwendungsfelder sowohl bei Flusswasserkraftwerken, die sich aufgrund der liegenden Maschinenanordnung durch extrem flache Krafthausbauten auszeichnen, als auch bei geteilten Kraftwerken mit gemäß Flut und Ebbe wechselnden Fließrichtungen. Als Beispiel sei das nordfranzösische Gezeitenkraftwerk St. Malo an der Rance-Mündung mit seinen 24 Maschinensätzen von je 10 MW Leistung genannt. Hierfür erbrachten die Firmen Neyrpic (Turbinen) und Alsthom (Generatoren), beide Frankreich, erhebliche Entwicklungsarbeit. Im Bereich der Kleinwasserkraftwerke mit bescheideneren Maschinenleistungen trat der Ungar Bánki 1917 mit seiner zweistrahligen Turbine hervor, die je nach Durchfluss als Überdruck- oder als Gleichdruckmaschine arbeitete. Der Deutsche Ossberger vervollkommnete diesen Maschinentyp mit der heute weltweit verbreiteten Durchströmturbine. Michell, ein Australier, ließ sich 1903 eine in den Grundzügen ähnliche Maschine patentieren. Eine ähnliche Bedeutung erlangten die zunächst von Amerika (Firma Allis-Chalmers) ausgehenden, dann in Europa durch die Firmen Voith, Deutschland, und Kössler, Österreich, in Varianten vielfach ausgeführten S-Turbinen. 1.4

Fernübertragung elektrischer Energie

Ein wesentliches Faktum für die großräumige elektrische Energieversorgung ist die Stromüberleitung vom Erzeugungsort zum Verbrauchsgebiet. Die erste hoch gespannte Drehstromübertragung (25 kV) einer Leistung von 140 kW vom Wasserkraftwerk Lauffen am Neckar nach dem rund 175 km entfernten Frankfurt am Main zur internationalen Elektrizitätsausstellung wurde am 12.9.1891 unter der Initiative von Oscar von Miller der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Hierbei be-

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gannen 1.000 elektrische Glühbirnen zu leuchten und ein 10 m hoher, künstlicher Wasserfall zu sprudeln. Damit war der Weg frei für eine neue Art der Energieversorgung. Bisher waren Energiegewinnung und deren Nutzung räumlich eng aneinander gebunden, da die Energie mechanisch übertragen werden musste. Mit der Möglichkeit, elektrischen Strom zu jedem beliebigen Ort zu befördern, war die Voraussetzung für konzentrierte Energiegewinnungsanlagen im großen Maßstab vorhanden. Das neue Konzept lautete: Zentrale Energiegewinnung im Wasserkraftwerk und Transport der elektrischen Energie über Leitungen zum Verbraucher. 1.5

Wasserkraftanlagen und ihre Umgebung

Die Wasserkraft bestimmte vielerorts maßgebend die Entwicklung des volkswirtschaftlichen, gewerblichen und industriellen Lebens der einzelnen Völker. Die älteste, bis heute erhaltene Originaldarstellung einer Wasserkraftanlage ist ein römisches Mosaik aus dem 5. Jahrhundert. Es handelt sich um ein unterschlächtiges Mühlrad. In den Städten wurden die Flüsse und Bäche oft aufgeteilt und umgeleitet. An den künstlich angelegten Gerinnen siedelten sich die Gewerbetreibenden an. Entlang der Mühlbäche und Mühlkanäle entstanden ganze Mühlenviertel, deren Überreste zum Teil heute noch sichtbar sind. Das beschränkte Raumangebot entlang der Kanäle führte zu der typischen engen Bebauung mit der Hinterfront der Gewerbebetriebe zum Wasser hin, wie man es heute noch in Saarburg an der Saar sehen kann. Gleichzeitig traten an den Stadtbächen hygienische Probleme auf, da sie einerseits der Wasser- und Energieversorgung dienten, andererseits aber auch zum Abführen von Abwässern und Abfällen. An größeren Flüssen entstanden Wehre oder Teilwehre zum Aufstau oder zur Umleitung des Wassers, wie in Heidelberg am Neckar oder in Trier an der Mosel. In vielen Städten mit größeren Flüssen gab es Schiffsmühlen, so in Rom und Köln. Brückenmühlen nutzten die höhere Fließgeschwindigkeit im Bereich der massiven Brückenpfeiler aus. Dabei standen an den schiffbaren Flüssen die Interessen der Mühlenbesitzer oft im Gegensatz zu denen der Schifffahrt, die durch Wasserentzug und Wehrbauten behindert wurde. Parallel dazu gab es seit dem 17. Jahrhundert ein weiteres Feld, das die Nutzung der Wasserkraft vorantrieb. Wasserräder wurden benutzt, um Hebewerke oder Pumpen anzutreiben. So wurde für die Stadt London Trinkwasser mit Hilfe eines von drei Wasserrädern angetriebenen Hebewerkes in der Themse bereitgestellt. Die Wasserspiele, Springbrunnen und Fontänen der barocken Gartenbaukunst erforderten große Wasservolumina bzw. -durchflüsse. Ein Beispiel sind die Gärten von Versailles, wofür das Wasser der Seine entnommen wurde. Auch dort trieben Wasserräder die Hebewerke an. Im Raum München mussten die Wasserspiele der zahlreichen Schlossanlagen gespeist werden. Im Schloss Nymphenburg trieben schon im frühen 18. Jahrhundert Wasserräder Kolbenpumpen an. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde im dortigen Johannisturm eine von drei Wasserrädern getriebene Pumpe eingebaut, die aus betrieblichen Gründen durch einen Windkessel ergänzt wurde und noch in Betrieb ist.

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Eine ganze Anzahl derartiger alter Wasserkraftanlagen ist bis heute erhalten und zum Teil auch noch funktionsfähig. Ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten die vorherrschenden Wasserräder den wachsenden Ansprüchen der entstehenden Industrie- und Gewerbebetriebe nicht mehr gerecht werden und verloren durch die Konkurrenz der Dampfmaschinen, teilweise auch der Windmühlen und später insbesondere der Wasserturbinen, an Bedeutung. Viele der Mühlen wurden stillgelegt. Damit erschienen auch viele der Stadtbäche, häufig ohnehin zu unschönen Kloaken degradiert, überflüssig. Sie wurden entweder stillgelegt, aufgelassen oder überdeckt und verdohlt. Seit jeher spielt die Bewirtschaftung des Wassers im Bergbau eine besondere Rolle, indem durch Stollensysteme und Hebewerke, die sogenannten Künste, das zusickernde Wasser abgeführt wird. Gleichzeitig nützte man aber auch stets die mechanische Energie des Wassers, indem Wasserräder Pumpen, Hebezeuge, Pochwerke etc. antrieben. Zur optimalen Ausnutzung des vorhandenen Wassers wurden Stollen-, Graben- und Teichsysteme errichtet, wie diese noch heute im Erzgebirge [1.3] und im Harz [1.4] erhalten sind. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden anstelle der meist unterirdischen Wasserräder Turbinen eingebaut und die einfacher zu handhabende elektrische Energie genutzt. Die ersten Flusskraftwerke waren zur Unterstützung der hydraulischen Maschinen oft noch zusätzlich mit Dampfmaschinen oder Gasturbinen für den Antrieb der Generatoren bei Niedrigwasserführung ausgerüstet. Pumpspeicher-, Mittel- und Hochdruckanlagen folgten. Im Jahre 1924 entstand als erste große Speicheranlage in Deutschland, wiederum auf Initiative von Oscar von Miller, das Kraftwerk Walchensee (124 MW) in Oberbayern. Eine eindrucksvolle Entwicklung der modernen Wasserkraftgewinnung setzte damit ein [1.5]. In den Anfangszeiten der Gewinnung von elektrischem Strom aus Wasserkraft wurden häufig die alten Mühlräder zunächst weiterbenutzt. Anstatt ihre Kraft mechanisch über Getriebe auf die Mahl- oder Hammerwerke zu übertragen, trieben die Mühlräder Generatoren an, die die Drehbewegung des Rades in elektrischen Strom umwandelten. Elektrische Leitungen brachten den Strom zu den Arbeitsmaschinen. Turbinen mit deutlich höheren Wirkungsgraden traten an ihre Stelle. Doch das Prinzip ist geblieben: Vom Triebwasser wird eine Turbine in eine Drehbewegung versetzt, die direkt oder über ein Getriebe auf einen Generator übertragen wird. Beispielsweise stellt eine hochmoderne Pelton-Turbine, eine Becherrad-Turbine, im Grunde ein fortentwickeltes Hochleistungswasserrad dar. Im 19. Jahrhundert hat man begonnen, je nach Erfordernis Flüsse auszubauen, d. h. sie erhielten ein befestigtes Bett, je nach Mäanderform wurden Altarme stillgelegt, mit der gestreckteren Linienführung Kurven begradigt. Die Maßnahmen dienten der besseren Abfuhr von Hochwasser und der Gewinnung von nutzbarem Land. Durch die verkürzten Fließstrecken stieg aber auch das Gefälle der Flüsse. Erosion der Flusssohle, Eintiefungen und ein Absinken des Grundwasserspiegels waren vielerorts die Folge. Um die Flusssohlen wieder zu stabilisieren, waren Querverbauungen erforderlich. Viele der so entstandenen Wehre und Stützschwellen wurden gleichzeitig zum Bau von Wasserkraftanlagen benutzt. Auch der Schiffbarmachung großer Flüsse dienten diese Maßnahmen. Für den Bau von Wasserkraftanlagen waren zunächst wirtschaftliche Gründe maßgebend. Teilweise entstanden architektonisch gelungene Bauwerke, denen man

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den Kraftwerkscharakter durchaus nicht ansah und die sich harmonisch in ihre Umgebung einfügten. Zusatzkosten konnten zu jener Zeit eher aufgefangen werden, da der Erlös für eine kWh Strom dem Stundenlohn eines Industriearbeiters entsprach. Die Kraftwerksbauer zeigten ihr Selbstbewusstsein durch stolze Bauten auch nach außen hin. Heute ist der Erlös für elektrischen Strom relativ gesehen auf ein Hundertstel gesunken. War es bei Kleinwasserkraftanlagen noch möglich, durch eine gelungene Architektur einen positiven Charakter der Gesamtanlage mit den ausgedehnten technischen Einrichtungen zu erzielen, so behielten bei großen Anlagen die nüchternen technischen Erfordernisse die Oberhand. Wehrbauten und Krafthäuser mit den Betriebseinrichtungen bestimmten das äußere Bild, die starren technischen Dimensionen ließen für Ästhetik nur kleine Spielräume übrig. Die zunehmende Sensibilisierung der Erbauer für das Erscheinungsbild bis hin zur erwünschten Ablesbarkeit von Zweck und Konstruktion am Bauwerk sorgte für Veränderungen im Baustil. Aber auch die technischen Fortschritte mit den maschinentechnischen Anlagenteilen von Wasserkraftwerken gaben den Ausschlag. Bei den Moselkraftwerken Koblenz (1951) und Trier (1961) ist diese Entwicklung deutlich nach außen hin sichtbar. Obwohl beide Kraftwerke etwa die gleiche installierte Leistung bei gleichen äußeren Bedingungen aufweisen, sind sie im Erscheinungsbild völlig unterschiedlich. Während die Anlage in Koblenz (16 MW) über Kaplan-Turbinen mit stehenden Wellen verfügt, arbeiten in Trier (19 MW) Kaplan-Rohrturbinen, deren Achsen nur etwa 7° von der Horizontalen abweichen. Die unterschiedlichen Verschlüsse - Walzen in Koblenz, hydraulisch gesteuerte überströmbare Sektorverschlüsse in Trier - tun ein Übriges. Windwerke, Bedienungssteg, hohe Pfeilerbauten entfielen. Dieselbe vorteilhafte Entwicklung lässt sich auch bei kleineren Anlagen beobachten. Viele der älteren Anlagen wurden als Ausleitungskraftwerke angelegt. Das Triebwasser wurde in einem künstlichen Kanal dem Kraftwerk zugeleitet und unterhalb in das Flussbett zurückgegeben. Diese Bauweise ermöglichte den Bau des Kraftwerks außerhalb des Flussbettes in trockener Baugrube, hatte aber andererseits die Entstehung leerer, ehemaliger Flussgerinne zur Folge, die nur noch der Abfuhr von Hochwasser dienten. Der zahlreichen sonstigen Funktionen eines natürlichen Fließgewässers waren sie beraubt. Auch mit den Fließgewässern im städtischen Raum wurde keineswegs sorgsam umgegangen. Je nach den technischen und wirtschaftlichen Erfordernissen wurden sie kanalisiert, verbaut oder überdeckt; zum Teil waren sie auch so verschmutzt, dass sie von der Oberfläche verschwinden mussten. Beim Begriff „Wasserkraftanlagen im städtischen Raum“ muss man unterscheiden zwischen den Situationen „Stadt an einem Fluss oder Strom“ und „Fluss in einer Stadt“. Im ersten Fall stellt der Fluss, durch seine Dimension bedingt, eine eigene Zone dar, die von den bebauten Gebieten deutlich begrenzt ist und diese wiederum voneinander trennt. Die einzelnen Teile greifen nicht ineinander, und der Fluss bestimmt durch seine Gegenwart und Dominanz das gesamte äußere Erscheinungsbild der Stadt. Ein Kraftwerk beeinflusst hauptsächlich diese Flusszone, weniger die bebauten Zonen. Dies trifft für Anlagen an Rhein und Mosel zu. Anders ist dies im zweiten Fall bei kleinen Flüssen im städtischen Bereich. Hier prägt die Stadt das Bild, in das ein Gewässer eingefügt ist. Es ist eine starke,

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städtebauliche Wechselwirkung zwischen Stadtteilen und Fluss vorhanden, so dass auch ganz spezifische Anforderungen an die städtebauliche Einfügung eines Wasserkraftwerkes in das Stadtbild als geschlossene Einheit zu richten sind. Es ist heute selbstverständlich, dass bei Planungen von Wasserbauten, und damit auch Wasserkraftanlagen in freier Natur Fachleute vieler verschiedener Richtungen beteiligt sind. Die weitgehende Schonung und Erhaltung der natürlichen Umwelt erfolgen durch ökologische Untersuchungen in Verbindung mit landschaftspflegerischen Begleitplänen. Daraus entstehen Gestaltungsvorgaben für Konzeption und Auslegung von Wasserbauten. Teilweise wird auch versucht, dem ursprünglichen Zustand, den die Flüsse vor einer Begradigung hatten, wieder näher zu kommen. Der Mensch schafft so Natur aus zweiter Hand und somit Lebensraum für bedrohte Tiere und Pflanzen, ebenso Erholungsraum für den Menschen selbst. Ein Beispiel für derartige Baumaßnahmen in der freien Natur möge aus dem Bereich der Schluchseewerk AG, Freiburg, und der Rheinkraftwerk Albbruck-Dogern AG herangezogen sein (s. a. Kapitel 21). Am Hochrhein erforderte die Aufgabenerweiterung der dreistufigen Hochdruck- bzw. Pumpspeicheranlage Schluchsee/Häusern - Witznau - Waldshut im Südschwarzwald zusätzliche Speichermöglichkeiten im Rhein als Unterlauf zum Ausgleich der schwankenden Abflüsse, insbesondere für das Laufwasserkraftwerk Albbruck-Dogern. So entstand im Jahre 1978 das Aubecken auf einer Insel zwischen dem 3,5 km langen Oberwasserkanal und dem Hochrheinbett westlich des Stauwehres Dogern. Als Ersatz für diese ehemalige Aue-Insel wurde mit dem 550.000 m3 umfassenden Aushub für das Becken eine neue, 6 ha große Grünzone im Rheinvorland aufgeschüttet. Diese Aufschüttung wurde nach ökologischen Gesichtspunkten angelegt und bepflanzt und hat sich inzwischen zu einem bedeutenden Refugium für Vögel, Amphibien und Pflanzen entwickelt. Der Naherholung des dicht besiedelten Raumes dienen ausgedehnte Wanderwege, die längs des Aubeckens in dem mit zahlreichen Feuchtbiotopen ausgestatteten Deponiegebiet vorbildlich geschaffen wurden. Zu den ökologischen Untersuchungen und Begleitmaßnahmen treten bei einer Wasserkraftanlage im Stadtbereich noch städtebauliche Kriterien hinzu. Die Auswirkung der Anlage auf den Charakter des Stadtgebietes, architektonische Gesichtspunkte und ihre sozioökologischen Auswirkungen müssen jeweils untersucht werden. Der Anspruch auf wirtschaftliche Energiegewinnung bleibt dabei ein Zielkriterium. Schließlich sei betont, dass durch Auflagen der Aufsichtsbehörden, aber auch durch Fördermaßnahmen mit der Modernisierung und Sanierung alter Wasserkraftanlagen eine Aufwertung der Landschaft oder des angrenzenden Bebauungsgebietes erreicht wird, wofür sonst im Allgemeinen keine Kostenträger zu finden sind. Mit technischem Können, architektonischem und sozialem Einfühlungsvermögen, mit Fantasie und der Bereitschaft auch zu ungewöhnlichen Lösungen, lassen sich Wege finden, Landschaften und Stadtgebiete nach wie vor als lebendigen Organismus zu begreifen, dem jeweils ein unverwechselbares Gepräge eigen ist und weiterhin eigen bleiben soll.

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Mehrzweckaufgaben der Wasserkraft

Der Bau von Wasserkraftanlagen bietet neben der Gewinnung regenerierbarer Energie mannigfaltige Chancen für die Erfüllung einer ganzen Reihe wasserbaulicher, energiewirtschaftlicher, naturpflegender und städtebaulicher Aufgaben. Dementsprechend sind viele Wasserkraftanlagen und darunter nahezu alle größeren Anlagen Teil eines komplexen, übergeordneten Systems, das verschiedenartige infrastrukturelle Aufgabenstellungen zu erfüllen hat und nur in seltenen Fällen allein der Nutzung der Wasserkraft und damit der Erzeugung von elektrischer Energie dient. Je nach ursprünglicher Anforderung können die Wasserkraftnutzung das primäre Ziel und die zusätzlich zu übernehmenden Aufgaben einen Nebennutzen darstellen. Gleichermaßen kann eine Maßnahme aber auch aus anderen Gründen realisiert und zusätzlich noch das zur Verfügung stehende Energiepotenzial des Wassers einer Nutzung zugeführt worden sein. Sind in diesem Sinne zusammen mit der Wasserkraftnutzung eine Anzahl anderer bedeutender, vielfach von den natürlichen Gegebenheiten bestimmter Funktionen zu erfüllen, so bezeichnet man diese als Mehrzweckaufgaben. Zu diesen häufig miteinander verknüpften Mehrzweckaufgaben zählen insbesondere [1.6]: - der Hochwasserschutz durch die Schaffung von künstlichem Speicherraum, der Hochwasserabflüsse infolge von starken bzw. lang andauernden Niederschlagsereignissen aufnimmt, zeitlich verzögert wieder abgibt und so negative Auswirkungen in den anschließenden, tiefer liegenden Gewässerabschnitten reduziert (s. Kapitel 18.2.1.3); - die Regulierung der Grundwasserstände und Gewässerstrecken, indem entweder die zum Teil erheblichen Schwankungen der Wasserspiegellagen im jeweiligen Fließgewässer durch Staubauwerke gedämpft oder eine bedeutende Sohleneintiefung durch sogenannte Stützschwellenbauwerke reduziert werden, um die indirekten negativen Auswirkungen der Grundwasserstandveränderungen auf Flora und Fauna sowie vor allem Bauwerke zu verringern bzw. zu vermeiden (s. Kapitel 18.2.2); - die Abgabe von Mindestwasser an den Unterlauf des Gewässers durch den Wasserrückhalt während höherer Abflüsse und anschließende Abgabe in Zeiten (extrem) niedriger Abflüsse, beispielsweise zum Erhalt der biologischen Funktionsfähigkeit und Durchgängigkeit eines Fließgewässers (s. Kapitel 18-20); - die Förderung der biologischen Vielfalt, indem Fließgewässer künstlich aufgestaut werden und so neue Wasserflächen und Uferzonen entstehen, die die Ausbildung einer neuen Artenvielfalt gestatten (s. Kapitel 18); - die Speicherung und gezielte Abgabe von Trink- und Brauchwasser für den menschlichen Verbrauch, die Tierhaltung sowie für industrielle Prozesse durch den Bau von Talsperren unterschiedlicher Größe (s. Kapitel 18.7); - die Sicherstellung der Schifffahrt durch die Regulierung von Fließgewässern mit Hilfe kaskadenförmig angeordneter einzelner Staustufen oder größerer Sperrbauwerke einschließlich einer eventuellen Niedrigwassererhöhung im

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Unterlauf, wodurch unter anderem erhebliche Treibstoffeinsparungen zu erzielen sein können [1.7]; - die Schaffung von Arbeitsplätzen, die direkt oder indirekt mit dem Wirtschaftsbetrieb Wasserkraft zusammenhängen, und die Steigerung der lokalen Wertschöpfung, da die innerhalb der Wertschöpfungskette notwendigen Primärenergieträger örtlich vorhanden und nicht bezogen bzw. importiert werden müssen; - Maßnahmen zur dauerhaften Sicherung des Lebensunterhaltes und der Lebensqualität, indem vor allem in ariden und semiariden Gebieten das dort nur temporär in größerem Umfang vorkommende Wasserdargebot zwischengespeichert sowie gegebenenfalls aufbereitet wird und so beispielsweise eine landwirtschaftliche Bewässerung sowie Fischereiwirtschaft in diesen Speichern ermöglicht und auf diese Weise die vielfach vorhandenen gesundheitlichen sowie hygienischen Probleme reduziert werden (s. Kapitel 18.7); - die Schaffung von Freizeit- und Erholungsraum, indem das Landschaftsbild und die Struktur desselben bereichert und die Ausübung verschiedenartiger Sportarten am, auf und im Gewässer (Wandern, Radfahren, Angeln, Schwimmen, Segeln, Surfen, Tauchen etc.) sowohl für die lokale Bevölkerung als auch für Touristen ermöglicht werden (s. Kapitel 18.6). Die Erfüllung dieser Mehrzweckaufgaben einschließlich der Wasserkraftnutzung wirft zweifelsohne immer gesamtgesellschaftliche, d. h. gesamtwirtschaftliche, soziale und ökologische Fragestellungen auf. Diese müssen in einem umfassenden Abwägungsprozess bewertet und einer Entscheidung zugeführt werden, um im Falle der Projektverwirklichung oder deren Fortführung eine allgemeine Akzeptanz und gesellschaftspolitische Durchsetzbarkeit zu erzielen (s. a. Kapitel 3 und 18.7). Insbesondere mit einem interdisziplinären Ansatz lassen sich bei derartigen Mehrzweckprojekten die vorhandenen Synergien identifizieren und eine breitere Akzeptanz herbeiführen, wie dies beispielsweise an der schweizerischen Rhône verfolgt wird [1.8] oder am Beispiel Tiszalök/Theiß zu sehen ist (s. Kapitel 18.7.4). 1.7

Wasserkraftnutzung im Spiegelbild der Energieträger

1.7.1

Nutzung von fossilen Energieträgern und Kernbrennstoffen

Bereits vor über 600.000 Jahren vermochte der Mensch, das Feuer als Energiequelle zu nutzen. Er lernte in der Folgezeit, außer mit Holz auch mit sich ständig erneuernden Energien wie Wasser und Wind umzugehen. Nach der Erfindung der Dampfmaschine vor rund 200 Jahren setzte die industrielle Entwicklung und damit einhergehend der enorme Anstieg des Energieverbrauches ein. Die sich während Jahrmillionen gebildeten fossilen Energiequellen wurden ausschöpfbar, zuerst die Kohle, dann das Erdöl und das Erdgas. Der Kolbendampfmaschine folgten Ende des 19. Jahrhunderts die thermischen Strömungsmaschinen, deren Merkmale die Verwendung von erhitzten Gasen und Dämpfen als Energieträger und die Umwandlung der Energie in ständig durchströmten Schaufelrädern dieser Dampf- und Gasturbinen sind. In derartigen Kraftwerken erfolgt der Übergang zunächst von Wärme zu der im Dampf oder Gas gespeicherten potenziellen Energie, dann in

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kinetische und schließlich in mechanische Energie. Letztere überträgt sich auf den mit der Turbine gekuppelten elektrischen Generator, der die Rotationsenergie in elektrischen Strom umwandelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts traten zu den konventionellen Wärmekraftwerken die nuklearen Kraftwerke hinzu, bei denen die für die Erzeugung von hoch gespanntem Wasserdampf notwendige thermische Energie aus der Kernspaltung vor allem von Uran oder Thorium stammt. Den weitaus größten Anteil an elektrischer Energie liefern weltweit die thermischen Kraftwerke, jedoch werden sich je nach Auffinden neuer Lagerstätten binnen unterschiedlicher Jahrzehnte oder Jahrhunderte die Brennstoffvorräte an Kohle, Erdöl, Erdgas und Spaltelementen erschöpfen. Mit der zunehmenden Verknappung dieser Energien sind Preissteigerungen zu erwarten. 1.7.2

Nutzung erneuerbarer Energien

Aufgrund der begrenzten Vorkommen und der Umweltbelastung durch thermische Energien treten die erneuerbaren Energien und deren technischen Nutzungsarten in den Vordergrund. Sie leiten sich direkt aus der Sonnenstrahlung ab. Die Leistungsdichte der kurzwelligen Sonnenstrahlung vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre beträgt 1,367 kW/m2. Sie ist mit der Solarkonstanten im Weltraum identisch. Im Jahresdurchschnitt entfallen bei grober Näherung mit 0,36 kW/m2 Leistung nur etwa 46 % der außeratmosphärischen, exterrestrischen Strahlung auf den Bereich des die Erdoberfläche erreichenden sichtbaren Lichtes. Durch die Reflexion zurück in den Weltraum gehen 35 % und durch den Durchgang durch die Erdatmosphäre weitere 19 %, also insgesamt 54 % verloren. Ferner erfolgt teilweise eine Strahlenablenkung durch die Streuung und Reflexion an den Luftmolekülen, an Staub- und Dunstteilchen, an Nebeltröpfchen, Wasserflächen, Wolken, Gebirgszügen, Gebäuden etc., so dass aus diesen Gründen neben der direkten Strahlung (mit geradem Strahlengang ohne Störung von der Sonne aus) auch diffuses Licht zu verzeichnen ist. Dabei verändern sich im Jahresablauf die Anteile zwischen direkter Strahlung und der mehr oder weniger aus allen Himmelsrichtungen kommenden Diffusionsstrahlung. Schließlich kommt es in Folge einer Absorption durch Ozon, Kohlendioxid, Aerosole und Wasserdampf bereits in der Atmosphäre zu einer partiellen Umwandlung der Strahlungsenergie in Wärmeenergie. Den zugehörigen Strahlungsanteil nennt man Wärmestrahlung oder atmosphärische Gegenstrahlung. Die Summe aus diesen drei auf die Erdoberfläche auftreffenden Strahlungen, d. h. aus Direktstrahlung, Diffusionsstrahlung und atmosphärischer Gegenstrahlung kennzeichnet die Gesamt- oder Globalstrahlung. In Tabelle 1.1 sind die Bandbreiten der Anteile der Diffusionsstrahlung an der bei unterschiedlichen Wetterlagen auftretenden Globalstrahlung zusammengestellt. Darüber hinaus ändert sich die Globalstrahlung im Jahresverlauf, indem diese im langjährigen Mittel auf der Nordhalbkugel der Erde am Sommeranfang ihren Höchstwert mit 0,212 kW/m² und zum Winterbeginn ihren Tiefstwert mit 0,040 kW/m² erreicht.

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1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

Tabelle 1.1: Leistungsdichte der Globalstrahlung und Anteil der Diffusionsstrahlung bei unterschiedlichen Wetterlagen Globalstrahlung [kW/m2]

Wetterlage Klarer Himmel Verdeckte Sonne, Dunst, Wolken Wolkenbedeckter Himmel

0,600-1,000 0,300-0,600 0,050-0,300

Anteil der Diffusionsstrahlung [%] 20-10 70-20 100-70

Richtwerte für die jährliche, gemittelte Strahlungsleistung, für die jährliche, gemittelte spezifische Energiedichte und für die angenäherte Sonnenscheindauer, bezogen auf vier verschiedene Zonen der Erdoberfläche, gehen beispielhaft aus Tabelle 1.2 hervor. In Deutschland beträgt die durchschnittliche, jährliche Sonnenscheindauer ca. 1.600 h, wobei dieser Wert in Süddeutschland um bis zu 15 % höher liegen kann. Tabelle 1.2: Solare Kenndaten für verschiedene Erdzonen Erdzone

Wüstengebiete Äquatoriale Zone Subtropische Zonen Mitteleuropa

Mittlere jährliche Strahlungsleistung [kW/m2] 0,210-0,250 0,180-0,210 0,130-0,180 0,080-0,130

Mittlere jährliche Sonneneinstrahlung [kWh/m2] 2.200 1.700 1.400 1.100

Ungefähre Sonnenscheindauer [h] 3.000 2.000-3.000 >2.000 1.500

Aus den vorstehenden Tabellen wird ersichtlich, dass die Leistungs- und Energiedichte der solaren Strahlung neben der Sonnenhöhe stark abhängig sind vom Breitengrad der Erde, von der Tages- und Jahreszeit sowie vom Wettergeschehen. Die täglich bzw. jährlich zeitlichen Schwankungen stehen einem konstanten Energiefluss entgegen. Von erheblicher Bedeutung für die eingestrahlte Gesamtenergie auf eine Empfängerfläche eines Kollektors sind schließlich die Ost-West-Orientierung und die Flächenneigung gegenüber der Horizontalen. Letztere beeinflusst unterschiedlich die auftreffende Direkt- und Diffusionsstrahlung. Bei senkrechtem Einfall der Direktstrahlung besteht die höchste Intensität. Sie kann mittels einer doppelachsigen Nachführung der Empfängerfläche in Bezug auf die Sonnenbahn bestmöglich genutzt werden. Mit ansteigendem Neigungswinkel der Empfängerfläche gegenüber der Horizontalen weicht dagegen die Intensität der Diffusionsstrahlung im Jahresverlauf zurück. Diese Reduktion kann durch zusätzliche reflektierende Flächen abgemindert werden, die die Empfängerfläche des Kollektors umgeben und die Solarstrahlung durch Reflexion auf diese verstärken. Bei direkter Nutzung der Sonnenstrahlung erfolgt die Energieerzeugung gleichzeitig, d. h. sie ist nur bei Sonnenschein möglich. Die indirekte Nutzung kann dagegen durch die Lageenergie des Wassers, durch die Bewegungsenergie von Wellen und Wind, ferner durch die Wärmeenergie der Umgebung und durch die chemische Energie in den Pflanzen geschehen. Die ebenfalls technisch nutzbare Gezeitenenergie (Ebbe und Flut) ergibt sich aus der wechselnden Anziehungskraft

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

17

von Erde, Mond und Sonne, während die geothermische Energie (Erdwärme) sich aus den teils flüssigen und sehr heißen Tiefenbereichen des Erdinnern erklärt. Eine Übersicht über die erschöpflichen und unerschöpflichen Energien vermittelt Abb. 1.2. Erschöpfliche Energiequellen

Fossile Energieträger

Kernspaltungsenergie

Unerschöpfliche Energiequellen Sonnenenergie Gesamtes Geothermische Energie Energieangebot Rotationsenergie der Erde (Gezeiten) Gezeitenkraftwerk

Sonnenstrahlung

Uran Kohle

Thorium

Erdöl Erdgas

Windenergie Umgebungswärme Biomasse

Wasserkraft Wellenenergie Erzeugte Energie Wärme Strom

Absorber passive Nutzung Solarthermisches Kraftwerk Windgenerator Solarzelle Wärmepumpe Photovoltaisches Heizkessel Kraftwerk Kericht-Heiz-/ Kraftwerk PhotoelektroWasserBiogasanlage chemische Zellen kraftwerk Wellenkraftwerk

Meereswärmekraftwerk

Brennstoff

Abb. 1.2:

Meereswärme

Geothermisches Heiz-/ Kraftwerk Sonnenkollektor

Energiequelle

Umwandlungsanlage

Übersicht über die erschöpflichen und unerschöpflichen Energien [nach 1.9]

Tabelle 1.3: Durchschnittliche Leistungsdichte nutzbarer erneuerbarer Energiequellen [1.10] Energiequelle Sonnenstrahlung Wind Gezeitenströmung Wellenenergie Erdwärme Wasserkraft

Leistungsdichte [kW/m2] 0,12 1,00 0,13 1,04 0,002 14,5 0,00006 108

Anmerkung Jahresmittel, auf ebene Erdoberfläche maximale Leistung bei 6 m/s bei 20 m/s je m Wellenfront; Wellenhöhe 1,5 m bei 6 m/s Durchflussgeschwindigkeit

Über die durchschnittliche Leistungsdichte erneuerbarer Energiequellen gibt die Tabelle 1.3 Auskunft. Die technischen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien erfahren derzeit eine vielseitige Weiterentwicklung und Optimierung. So entwickelten sich aus dem Jahrtausende zurückreichenden Wasserrad die heutigen Turbinen in Wasserkraftwerken und aus der Windmühle die Windkraftanlagen (Windräder), die beide der indirekten Nutzung der Sonneneinstrahlung zuzuordnen sind. Die direkte Nutzung der Sonneneinstrahlung kann durch ein Aufwindkraftwerk vorgenommen werden, wie es als jüngste Entwicklung aus der Kombination von Windrad, Kamin und Treibhaus mit Prototypen Aufsehen erregt hat [1.11]. Als weitere technische Entwicklungen zur Nutzung der direkten Sonneneinstrahlung

18

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

sind die Rinnenkollektoren (Flachkollektoren) aus Brenngläsern entstanden, ferner das Turmkraftwerk (solarthermisches Kraftwerk) aus dem Sonnenkocher und der Parabolspiegel aus dem Hohlspiegel. Die Photovoltaik erlaubt wie das Aufwindkraftwerk die Nutzung der direkten und diffusen Sonnenstrahlung. Hier wird das Sonnenlicht durch Solarzellen (u. a. aus Silicium) unmittelbar in elektrische Energie umgewandelt. 1.7.3

Kriterien der Energieversorgung und Vergleich der Energieerzeugungsformen

Zur ausreichenden Energieversorgung der Bevölkerung sind grundsätzlich alle verfügbaren Energiequellen und Energieträger im Hinblick darauf zu nutzen, dass die Energiepolitik einen Teil der Wirtschaftspolitik ist. Letztere ist im Prinzip auf wirtschaftliches Wachstum und Vollbeschäftigung mit Preisstabilität und gesamtwirtschaftlichem Gleichgewicht ausgerichtet. Auch dürfen von der Energieversorgung keine Gefahren für Leben und Gesundheit der Menschen ausgehen, ebenso sollte die Umwelt so gering wie möglich belastet werden. Dies gilt für die lokale als auch für die globale Ökosphäre zur Sicherung der Lebensgrundlagen der jetzigen und künftigen Generationen. Treibhauseffekte und Ozonloch weisen auf die erdumspannenden Dimensionen der Klimabelastungen hin. Erklärtes Ziel ist daher, den Ausstoß von Kohlendioxid, Schwefeldioxyd und Stickstoffoxiden mittelfristig drastisch zu senken, was nur durch Reduzierung des Energieverbrauches, durch Steigerung der Energieeffizienz und durch erhöhten Einsatz umweltfreundlicher, erneuerbarer Energien zu erreichen sein wird [1.12]. Die Bevölkerungsexplosion in den Ländern der Dritten Welt lässt einen Anstieg von derzeit ca. 6 Mrd. Menschen binnen der nächsten drei Jahrzehnte um mehr als die Hälfte erwarten. Damit erhöht sich ebenso die Nachfrage nach Gütern, technischen Einrichtungen und Dienstleistungen, und diese haben einen mit dem wirtschaftlichen Wachstum einhergehenden Energiezuwachs zur Folge (s. Abb. 1.3). Die ungleiche Verteilung von Lebensstandard und Energiebedarf über die Erde hinweg zeigt sich darin, dass 80 % des Kohlendioxidausstoßes auf 25 % der Weltbevölkerung zurückgehen. Es liegt nahe, dass selbst bei einer beträchtlichen Reduzierung der Schadstoffemissionen in Industrieländern deren positive Entwicklung auf das Weltklima schnell wieder durch Industrialisierung und Energieverbrauch in den Schwellen- und Entwicklungsländern weitgehend kompensiert wird. Dieser bedrohlichen Entwicklung kann nur durch Ausschöpfung aller Möglichkeiten für den Ersatz der emissionsträchtigen Energieträger durch umweltfreundliche Energieressourcen begegnet werden. In naher Zukunft kann der Bedarf an elektrischer Energie je nach Land und Region zum großen Teil nur durch fossile Energien, durch Kernenergie und Wasserkraft gedeckt werden. Die anderen erneuerbaren Energien müssen nachkommen. Große und kleine Wasserkraftanlagen werden auf Jahrzehnte hinaus unter den erneuerbaren Energiequellen die günstigsten Voraussetzungen für eine umweltfreundliche Energieerzeugung sicherstellen. Ihr Einfluss auf den Lebensraum des Menschen und auf die Biosphäre hält sich in engen Grenzen, wie dies insbesondere aus dem Vergleich der verschiedenen Emissionen der unterschiedlichen Energieerzeugungsformen in Kapitel 18.1 entnommen werden kann.

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

19

Nach Stand von 1998 werden die seither entdeckten, globalen, technisch und wirtschaftlich ausschöpfbaren Energieressourcen unter Voraussetzung der heutigen Förderraten und Verbrauchsprognosen beim Erdöl noch bis zu ca. 90 Jahre, beim Erdgas bis zu etwa 145 Jahre, bei Steinkohle ca. 180 Jahre und bei Braunkohle ca. 225 Jahre ausreichen. 25.000 Stromverbrauch [Mrd. kWh] 20.000

23.000

Stromverbrauch Bevölkerung

15.000

25 Bevölkerung [Mrd. Menschen] 20

15 11.600

10.000

5.000

8,1 3,7

5.000

5,3 5

0

0 1970

Abb. 1.3:

10

1990

2020

Entwicklung von Weltbevölkerung und Stromverbrauch

Wie nach jüngsten Daten sich in Deutschland die Elektrizitätsversorgung auf verschiedene Energiequellen stützt, geht aus Kapitel 2.2.2 hervor. Da ein derartiges, von mehreren Energieträgern geprägtes Energieversorgungssystem eine große Flexibilität und Versorgungssicherheit gewährt, besteht keine einseitige Abhängigkeit. Sowohl kostengünstig als auch umwelt- und ressourcenschonend soll ein die Erzeugung, Umwandlung, Verteilung und Nutzung umfassendes Energieversorgungssystem sein. Hierbei kommt der Klimaverträglichkeit eine sehr große Bedeutung zu. Die Nutzung der verschiedenen Energieressourcen hat daher technischen, ökologischen, ethischen, sozialen, gesellschaftspolitischen, aber auch ökonomischen Anforderungen zu genügen. Zielkonflikte sind hierbei nicht ausgeschlossen. Zur Verminderung der Kohlendioxidemission könnte innerhalb der fossilen Energieträger die Bevorzugung von Mineralöl oder Erdgas als weniger kohlenstoffhaltige Energiequellen in Frage kommen. Auf Erdgasbasis arbeitende Wärmekraftwerke (Gasturbinen-Kraftwerk oder Kombi-Kraftwerke, bestehend aus Gasturbine, Abhitzekessel und Dampfturbine) haben einen bis zu 60 % niedrigeren Kohlendioxidausstoß als Kohlekraftwerke. Bei Erdgas handelt es sich jedoch um einen der wertvollsten Energieträger und Rohstoffe, der ungeachtet der großen, jedoch absehbar sich erschöpfenden Lagerstätten und ungeachtet der weitaus geringeren Kraftwerksbaukosten nicht auf Dauer als Substitution für Braun- und Steinkohle in Frage kommen sollte. Innerhalb eines Energieversorgungssystems

20

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

nehmen heute erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke als Bestandteile sogenannter dezentraler Energieversorgung einen sehr wichtigen Platz ein. Einen interessanten Aufschluss über die verschiedenen Arten der Energieerzeugung vermittelt Tabelle 1.4 unter Heranziehung umweltrelevanter Kenngrößen. Hierbei drückt die sogenannte Energierückzahlzeit jene Zeitspanne für den Betrieb aus, innerhalb derer die gleiche Energiemenge erzeugt wird, als wie sie für die Herstellung der Kraftwerksanlage und für den laufenden Betrieb benötigt worden ist. Tabelle 1.4: Vergleich verschiedener Energiequellen [1.6]/[1.13]

Kleinwasserkraft Laufwasserkraft Speicherwasserkraft Photovoltaik (Strom) Solarthermie (Wärme) Windkraft Biomasse (Wärme) Kohlekraftwerk Ölkraftwerk Erdgaskraftwerk Kernkraft (Uran)

Energierückzahlzeit [a] 2-3 1-2 1-2 3-8 0,5-5 0,6-2 10-20 2 2 2 1

Erntefaktor [-] 40-100 100-200 100-200 3-5 20-100 9-30 10-20 30-80 10-30 4-30 ?-100

Ausnutzungs- Nettowirkungsdauer [h/a] grad [%] ca. 6.000 65-88 ca. 8.000 ca. 2.500 ca. 1.500 5-15 ca. 1.500 ca. 25 ca. 2.000 32-40 ca. 8.760 ca. 40 ca. 6.500 25-42 ca. 6.000 22-38 ca. 6.000 25-55 (- ca. 70) ca. 7.500 ca. 40

Ähnlich bezeichnet der Erntefaktor das Verhältnis der während der Betriebsdauer erzeugten Energie zu jener Energiesumme, die für Herstellung, Betrieb und Abbruch eines Kraftwerkes aufzubringen ist, wobei jeweils eine gleich große Betriebsdauer zugrundegelegt wird und eine Umrechnung auf vergleichbare Primärenergieträgereinheiten erfolgt. Aktuelle nordamerikanische Untersuchungen [1.14] auf der Basis der Lebenszyklus-Analyse mit einem 100jährigen Betrachtungszeitraum, die problemlos auf Europa übertragen werden können, haben für den Erntefaktor gemäß Abb. 1.4 analoge Werte wie die in Tabelle 1.4 wiedergegebenen Werte aus den 1990er Jahren erbracht. In beiden Studien zeichnen sich die unterschiedlichen Wasserkraftanlagentypen durch einen bedeutend höheren Erntefaktor als alle anderen Energieerzeugungsformen aus. Darüber hinaus sind aus der Tabelle 1.4 die Vergleichswerte für die Ausnutzungsdauer zu entnehmen, also jener Zeit pro Jahr - ein Jahr umfasst 8.760 Stunden -, in denen die Anlagen am Netz sind und Leistung erzeugen. Insbesondere Wasserkraftanlagen aller Typen sind hierbei neben der Maschinenverfügbarkeit (s. Tabelle 17.3 und Kapitel 3.3.1.6) vor allem vom natürlichen Wasserdargebot abhängig.

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

21

Erntefaktor (erzeugte Energie/investierter Energie)

300

Grundund Spitzenlasteinsatz

intermittierender Betrieb mit Ersatzleistungsbedarf

Grundlastkraftwerke mit begrenzter Anpassungsfähigkeit 267 Repräsentativwerte für vorhandene Technologien, gültig für die nordöstliche Region von Nordamerika

250

Wertebereich der in der Literatur weltweit veröffentlichen Angaben; diese Werte repräsentieren die weltweit unterschiedlichen Energiesysteme.

205 200

150

100

50

39 27

Abb. 1.4:

9

ik

5

ta

d

ol ov ot

ft

Er d (K gas W K )

nk er K

Sc

hw

er

ra

öl

e hl ko in St e

as Lau se frk ra ft w

w Spe as ic se he rk rra ft

0

Ph

14

W in

16

Bi o au ma s A sse nb au Bi om Fo as rs se ta au bf s äl le n

21

11

Erntefaktoren verschiedener Energieerzeugungsformen [1.6]/[1.14]

Schließlich gehen aus dieser vergleichenden Aufstellung in Tabelle 1.4 und in Abb. 1.5 auch noch die Nettowirkungsgrade hervor, die im thermischen Bereich und vor allem bei der Sonnenenergienutzung eine stete Steigerung infolge des Entwicklungsfortganges erfahren. Die aufgeführten Zahlenwerte lassen die günstigen Relationen für die mit Erdgas befeuerten Wärmekraftwerke erkennen, die in der Gegenüberstellung zu Wasserkraftwerken ebenfalls Vorteile verdeutlichen. Hinzu kommt, dass Genehmigungs- und Planungszeiten für ein gasbefeuertes Blockheizkraftwerk in den allermeisten Fällen nicht einmal ein Drittel jener bei Wasserkraftwerken ausmachen. Ferner ist die Amortisationszeit gegenüber einem Wasserkraftwerk ebenfalls weitaus kürzer. Der Wirkungsgrad dieser Anlagengruppe weist allerdings in Abhängigkeit des Bautyps starke Unterschiede auf. So bewegen sich reine Gaskraftwerke im unteren Bereich, während kombinierte Gas- und Dampfkraftwerke, die sogenannten GUD-Anlagen, am oberen Bereich liegen. Die Betriebskosten der Wasserkraftanlagen liegen hingegen auf einem bestechend niedrigen Niveau von lediglich etwa 20 bis 25 % derjenigen von thermischen Anlagen, wobei hierbei das Fehlen von „Brennstoffkosten“ besonders zu Buche schlägt.

22

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

100 Elektrischer Nettowirkungsgrad [%] 80

Wasserkraftwerke

Brennstoffzelle (SOFC)

60

40

Windkraftanlagen

GUDKraftwerke

Kohlekraftwerke

20 Blockheizkraftwerke

KernkraftÖl- und werke Gaskraftwerke

Gasturbinenkraftwerke Photovoltaikanlagen

0 0,01

Abb. 1.5:

0,1

1

10

100

1.000

Elektrische Nennleistung 10.000 [MW]

Nettowirkungsgrade verschiedener Kraftwerkstypen in Abhängigkeit der elektrischen Nennleistung (Blockleistung) [1.15]

Schließlich erfasst der Flächenbedarf gemäß Abb. 1.6 bei Wasserkraftwerken nicht nur die Grundfläche der Kraftwerksanlage selbst, sondern vor allem bei Speicherwasserkraftanlagen auch das überstaute Areal. Dabei muss berücksichtigt werden, dass in vielen Ländern die Speicher nicht nur zur Energieerzeugung angelegt wurden. Vielmehr dienen diese Anlagen auch weiteren Zwecken, wie beispielsweise der Trinkwasserbevorratung, dem Hochwasserschutz oder dem Tourismus. Bei derartigen Mehrzweckanlagen (s. Kapitel 1.6) muss somit bei einer Flächenbetrachtung eine Nutzungsaufteilung erfolgen. 2

Flächenbedarf [km /TWh]

600

Grundund Spitzenlasteinsatz

3.300

Grundlastkraftwerke mit begrenzter Anpassungsfähigkeit

intermittierender Betrieb mit Ersatzleistungsbedarf

533 Repräsentativwerte für vorhandene Technologien, gültig für die nordöstliche Region von Nordamerika

500

Wertebereich der in der Literatur weltweit veröffentlichen Angaben; diese Werte repräsentieren die weltweit unterschiedlichen Energiesysteme.

400

300

200 152 100

72

Abb. 1.6:

ik ta vo l ot o Ph

W in d

Bi o Fo mas rs se ta au bf s äl le n

0,9

Bi o au ma s A sse nb au

ft ra nk K er

oh l nk St ei

as Lau se frk ra ft w

w Spe as ic se he rk rra ft

0

0,5

e

0,1

45

14

4

Direkter Flächenbedarf verschiedener Energieerzeugungsformen [1.6]/[1.14]

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

23

In technischer Hinsicht besticht die Wasserkraft bei einem Vergleich mit anderen regenerativen Energieträgern durch ihre in der Regel permanent hohe Verfügbarkeit über das ganze Jahr, womit ihr im Rahmen der gemischten regenerativen Stromangebote eine besondere Bedeutung zuwächst. Im westeuropäischen Raum liegt die Leistungsverfügbarkeit bei Laufwasserkraftanlagen bei 96,8-97,6 % und deren Arbeitsverfügbarkeit bei über 98 % (s. a. Kapitel 2.1.3 und 3.3.1.6). Bei Pumpspeicherkraftwerken ist die Zeitverfügbarkeit, also die Zeit, während der die Anlagen in Betrieb oder in Bereitschaft sind, die entsprechende Kenngröße, die in Deutschland in der Regel bei über 86 % liegt. Gerade bei Pumpspeicherkraftwerken wird die kurzfristige Verfügbarkeit künftig eine immer bedeutendere Rolle spielen, um die notwendigen Steuer- und Regelungsaufgaben innerhalb des hoch entwickelten westeuropäischen Stromverbundnetzes den Kundenansprüchen entsprechend sicherzustellen (s. Kapitel 17.6 und 17.7). Bei einer Betrachtung der umweltrelevanten Gesichtspunkte in den zahlreichen verfügbaren Vergleichen der verschiedenen Energieerzeugungsformen und deren detaillierter jeweiliger Einzelbetrachtung kommt man schließlich stets zur zentralen Aussage für die Wasserkraft, dass diese Anlagen einerseits die Umwelt global gesehen nur sehr gering belasten und andererseits auf lokaler Ebene jedoch mannigfaltige Beeinträchtigungen haben können (s. Kapitel 18-20). 1.7.4

Künftige Entwicklung der Wasserkraftnutzung

1.7.4.1 Grundlegende Perspektiven Die Wasserkraftnutzung bringt einige Unwägbarkeiten mit sich. Diese liegen in der wassermengenwirtschaftlichen Bewertung, in der hauptsächlich vom Baugrund und von eventuellen Umsiedlungen abhängigen Standortfrage, in der Akzeptanz und in der Durchsetzbarkeit. Dies gilt ebenso für die Untersuchungsserien einer Umweltverträglichkeitsprüfung und für Kostenüberschreitungen. Doch darf nicht übersehen werden, dass in den allermeisten Fällen mit der Wasserkraftnutzung eine größere Anzahl anderer, vielfach von den natürlichen Gegebenheiten bestimmten Mehrzweckaufgaben zu erfüllen sind (s. Kapitel 1.6). Besonders in Entwicklungsländern erweisen sich die Umsiedlungsfragen als sehr heikel, da den betroffenen Menschen vorwiegend nicht die gebührenden Entschädigungen für den Landverlust und für die Wiederansiedlung auf fremdem Boden gezahlt werden (s. Kapitel 18.6). Hieraus resultieren erhebliche Akzeptanzprobleme und häufige, oft überregionale Widerstände gegen große Wasserkraftprojekte. Da weltweit rund 2,4 Mio. MW an Wasserkraftwerksleistung installiert werden können, aber hiervon derzeit nur etwa ein Fünftel ausgebaut sind, wird der bereits eingesetzte Planungs- und Bauboom für Wasserkraftanlagen in den nächsten Jahrzehnten noch deutlich zunehmen. Um für die von Umsiedlungsmaßnahmen betroffenen Menschen auskömmliche Lebensbedingungen andernorts, d. h. in nächster Umgebung der künftigen Stauräume von Speicherkraftwerken zu schaffen, hat die Weltbank zusammen mit den zuständigen staatlichen Institutionen Rahmenrichtlinien vorgegeben. Als zumutbare Kriterien für die diesbezügliche Weiterverfolgung von Großprojekten werden beispielsweise als Minimum für nutzbare Ausbauleistung 5 kW pro Hektar künftig überfluteter Fläche und 7 kW pro umzusiedelnden Bewohner angesehen.

24

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

Insbesondere in Europa muss sich die Wasserkraft vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren sich unterschiedlich ausbildenden Energiepreise für fossile Energieträger und der verstärkt wirkenden Liberalisierung und partiellen Subventionen der Energiemärkte als Energiequelle weiterhin positionieren [1.16]. Eine bereits in vielen Fällen mit unterschiedlicher Ausprägung zur Anwendung gelangte Möglichkeit stellt für die Wasserkraft, die als erneuerbare Energiequelle unter Energieerzeugungsgesichtspunkten global weitgehend positive Umweltauswirkungen hat, die Kennzeichnung mit einem Umweltzeichen bzw. Herkunftszertifikat, auch als „Label“ bezeichnet, dar [1.17], [1.18] (s. a. Kapitel 16.7.5). Auch wird mit der weiteren Nutzung dieser Energiequelle und den kontinuierlichen, nachhaltigen Verbesserungsmaßnahmen im Einzugsgebiet der Erzeugungsanlagen ein bedeutender Beitrag zum Schutz unserer Umwelt geleistet. 1.7.4.2

Beitrag der Wasserkraft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen Um die Emissionen der sechs wichtigsten Treibhausgase (u. a. Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW)) im Zeitraum 2008 bis 2012 gemeinsamen um 5,2 % unter das Niveau von 1990 zu senken, haben auf der 3. Klimakonferenz in Kyoto 1997 die Vertragsstaaten das sogenannte „Kyoto-Protokoll“ mit völkerrechtlich verbindlichen Emissionsreduktionszielen verabschiedet. Nachdem auf der Konferenz in Kyoto jedoch keine konkreten Details zur Umsetzung des Protokolls geklärt werden konnten., waren diese Gegenstand der Verhandlungen auf den Konferenzen in Buenos Aires 1998, Bonn 1999, Den Haag 2000, Bonn 2001 und Marrakesch 2001. Nachdem v. a. eine ausreichende Zahl von Staaten das Kyoto-Protokoll ratifiziert hatte, konnte dieses am 16.02.2005 in Kraft treten. Zur Erreichung der Ziele sieht das Kyoto-Protokoll für die Unterzeichnerstaaten mehrere „flexible Mechanismen“ vor. Diese freiwillig anzuwendenden Mechanismen sind ausnahmslos ökonomisch orientiert; Sanktionen bei Verstößen gegen die Verpflichtungen existieren derzeit nicht. Hierzu zählen insbesondere: - Die Grundidee des Emissionsrechtehandels (Emissions Trading) ist, dass Emissionen dort eingespart werden, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Zu unterscheiden ist der Emissionshandel zwischen Staaten, welcher im Kyoto-Protokoll festgelegt wurde, und der Emissionshandel zwischen Firmen, der in der EU auf der Basis einer entsprechenden Richtlinie stattfindet. - Als Gemeinschaftsreduktion bzw. englisch Joint Implementation (JI) werden kooperative Maßnahmen zweier (oder mehrerer) Industrieländer bezeichnet, die sich beide anteilig anrechnen lassen können. Durch Investitionen in Ländern mit leichter erzielbaren Einsparungen wird es Ländern mit relativ hohen spezifischen Kosten der Emissionsreduktion ermöglicht, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Damit soll gleichzeitig die notwendige Modernisierung der Industrie der im Anhang B des KyotoProtokolls vertretenen osteuropäischen Staaten vorangetrieben werden. - Im Rahmen des Mechanismus für eine umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) führt schließlich ein Industrieland Maßnahmen zur CO2-Reduktion in einem Entwicklungsland durch. Auf diese

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

25

Weise können kostengünstigere Maßnahmen verwirklicht werden, da in globaler Hinsicht einerseits der Ort einer Emissionsreduktion prinzipiell unerheblich ist und andererseits der zur Modernisierung dringend notwendige Technologietransfer in Entwicklungsländer gefördert wird. In diesem Zusammenhang kommt bei Investitionen in der Energiewirtschaft auf die Wasserkraft eine neue Chance in Form von zusätzlichen Erlösen zu, indem es sich hierbei um Anlagen handelt, die nahezu keine Treibhausgase erzeugen und die somit von diesen Mechanismen profitieren können. Von Bedeutung ist dabei, dass die Anmeldung zur Teilnahme an einem der Systeme (v. a. JI und CDM) einerseits vor der Projektrealisierung erfolgen muss und dabei je nach Zulassungsland unterschiedliche Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden müssen. In Deutschland beispielsweise prüfen dies akkreditierte sachverständige Stellen, bevor die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) ggf. einen entsprechenden Bescheid erteilt. 1.8 [1.1]

Literatur

Tönsmann, F.: Zeittafeln zur Geschichte der Wasserkraftnutzung. In: Berichtsband zur Tagung Geschichte der Wasserkraftnutzung (Koblenz 1982). Koblenz, 1985, Seite 113-115 [1.2] Vischer, D.: Schiffsmühlen auf Alpenrhein und Hochrhein. In Wasser Energie Luft 99 (2007), Heft 1, S. 82-86 [1.3] Döring, M.; Scheuermann, G.: Das Wasserkraftwerk Drei-Büder-Schacht bei Freiberg/Sachsen. In: Wasserwirtschaft, Wassertechnik 45 (1995), Heft 4, Seite 31-36 [1.4] Döring, M.: Unterirdische Wasserkraftwerke im Bergbau. In: Wasserwirtschaft 83 (1993), Heft 5, Seite 272-278 [1.5] Giesecke, J.: Wasserkraftwerke - Von Oskar von Miller bis zum Dreischluchtenprojekt. In: Kultur und Technik (2005), Nr. 3, S. 32-36 [1.6] Heimerl, S.: Systematische Beurteilung von Wasserkraftprojekten. In: Mitteilungen des Institutes für Wasserbau der Universität Stuttgart, 2002, Heft 112 [1.7] Mosonyi, E.: The Benefits of run-of-river plants for inland navigation. In: Hydropower & Dams 2 (1995), Heft 5, Seite 85-88 [1.8] Schleiss, A.: Mögliche Synergien zwischen Hochwasserschutz, Flussrevitalisierung und Wasserkraft dank innovativer Mehrzweckprojekte. In: Wasser Energie Luft 98 (2006), Heft 1, Seite 3-9 [1.9] Informationsstelle für Elektrizitätsanwendung (Hrsg.): Erneuerbare Energien. Zürich [1.10] Heimann, M.: Handbuch regenerative Energiequellen in Deutschland. Frankfurt: HEA, 2004 [1.11] Schlaich, J; Schlaich, S.: Erneuerbare Energien nutzen. Düsseldorf: Werner-Verlag, 1991 [1.12] Giesecke, J: Heimische erneuerbare Energien. In: Schriftenreihe der Stiftung Bauwesen, Energie und Bau (2004), Heft 9, S. 49-115.

26

1 Entwicklungsstufen der Wasserkraftnutzung

[1.13] Cap, F.: Graue Energie und der Treibhauseffekt. In: Österreichische Zeitschrift für Energiewirtschaft 45 (1992), Heft 12, Seite 507-519 [1.14] Gagnon, L: Comparing Environmental Impacts of Power Generation Options. Untersuchungen der Hydro Québec, Kanada, im Auftrag der Internationalen Energie-Agentur, 2000 [1.15] Geiger, B.; Wagner, U.: Strom - umweltschonende Energieversorgung von der Erzeugung bis zur Anwendung. In: Siemens Power Journal 1997, Heft 4, Seite 5-10 [1.16] Giesecke, J.; Heimerl, S.: Wasserkraftnutzung im sich verändernden Strommarkt. In: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 51 (1999), Heft 9/10, Seite 242-248 [1.17] Heimerl, S.; Kohler, B.; Ruef, A. et al.: Machbarkeitsstudie für GrünStrom-Zertifizierung aus Wasserkraft für Deutschland abgeschlossen. In: Wasserwirtschaft 97 (2007), Heft 5, S. 39-40 [1.18] Giesecke, J.: Neue Perspektiven zur Wasserkraftnutzung. In: ATVDVWK-Bundestagung 2001, Vortragsband, S. 46-60

27

2

Grundlagen der Wasserkraftnutzung

2.1

Energie des Wassers

2.1.1

Energie des ruhenden Wassers

Die Energie des ruhenden Wassers, d. h. die Lageenergie oder die sogenannte potenzielle Energie, ist die mechanische Energie, die ein Wasserkörper aufgrund seiner Lage relativ zu einem sogenannten Bezugsniveau aufweist. So besitzt ein Körper der Masse m im Schwerefeld der Erde die potenzielle Energie: Ep =

1 ⋅ g ⋅ m ⋅ hp [kWh] 3,6 ⋅ 106

(2.1)

mit: hp = hD + z = Ep g m hp hD z

p p − pamb + z = abs +z ρw ⋅ g ρw ⋅ g

[m]

(2.2)

potenzielle Energie Fallbeschleunigung (g = 9,81 m/s²) Masse potenzielle Energiehöhe Druckhöhe geodätische Höhe Dichte des Wassers für T = 10 °C: ρw = 999,73 kg/m3, s. Tabelle 6.1 Überdruck absoluter Druck Atmosphärendruck

p pabs pamb

Basel

sen Scha ffhau sen

{NRheueihnafuall Eglis au Rhein au

Frankreich

Birsf elden Augs t-Wy Rhein hlen felde Rybu n rg-Sc hwör stadt Säck ingen Laufe nburg Albb ruckDoge rn Kobl e (nich nz-Kade t real isiertlburg Reck ) ingen

Bundesrepublik Deutschland

[N/m²] [N/m²] [N/m²] Bode Regu nseelierw ehr

ρw

[kWh] [m/s²] [kg] [m] [m] [m] [kg/m³]

Bodensee

Konstanz

Aare 396,45

390,80 383,55

Schweiz

359,00

360 m +NN 340

343,48 331,94 (321,82)

320

311,24 299,44 281,14 254,25

300

289,69

280

268,99 261,00

260 240

160

150

Abb. 2.1:

140

130

120

110

100

90

80

70

60

50

40

Staukette des Rheins zwischen dem Bodensee und Basel

30

20

10 km 0

28

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

Es bleibt zu vermerken, dass es sich bei dem hier angegebenen Wert 9,81 m/s² für die Fallbeschleunigung g um einen Mittelwert handelt, der sich tatsächlich zu 9,78 m/s² am Äquator und zu 9,83 m/s² am Nord- bzw. Südpol der Erde ergibt. Das Wesen der Wasserkraftnutzung besteht nun darin, die Lageenergie des Wassers durch z. B. Aneinanderreihen mehrerer Stauwerke und Talsperren entlang eines Wasserlaufes nutzbar zu machen, indem die so örtlich konzentrierte Fallhöhe abgearbeitet wird. Hierbei ist für die Energieausnutzung längs einer derartigen Kaskadenstrecke (s. Abb. 2.1) von Bedeutung, ob die Stauwurzel der unteren Stauhaltung an das Sperrbauwerk (Wehr, Staudamm, Staumauer etc.) der oberen nächstfolgenden heranreicht oder nicht. Eine weitere Möglichkeit bietet sich gemäß Abb. 2.2 mit der Verkürzung der Fließstrecke (Flusskrümmung), dem Aufstau durch eine Talsperre im Oberlauf und der am Standort des Kraftwerkes am Unterlauf konzentrierten Fallhöhen an. ewässer Fließg

Talsperre

Stollen

Wasserschloss

Entnahmeturm

Stollen

h0 Druckrohrleitung

Krafthaus Fließgewässer

Abb. 2.2:

2.1.2

SH

Wasserkraftanlage mit Fließstreckenverkürzung in einer Fließgewässerkrümmung (Druckstollenkraftwerk - italienische Bauweise) [2.1]

Energie des fließenden Wassers

Die Energie des fließenden Wassers, d. h. die Bewegungsenergie oder die sogenannte kinetische Energie ist die mechanische Energie, die einem Körper idealerweise einer Punktmasse - aufgrund seiner Geschwindigkeit innewohnt. So besitzt ein Körper der Masse m mit einer Geschwindigkeit v relativ zu einem Bezugssystem die kinetische Energie: Ek =

1 1 g ⋅ m ⋅ hk = ⋅ m ⋅ α ⋅ v 2 [kWh] 3,6 ⋅ 106 2 ⋅ 3,6 ⋅ 106

(2.3)

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

29

mit:

hk = α ⋅ Ek hk

α v

v2 2g

[m]

(2.4)

kinetische Energie kinetische Energiehöhe Coriolis-Beiwert, vereinfachend α = 1 Geschwindigkeit, vereinfachend querschnittsgemittelt

[kWh] [m] [-] [m/s]

Der Coriolis-Beiwert α stellt einen Korrekturbeiwert für die Geschwindigkeiten im jeweiligen Querschnitt dar, durch den die im Allgemeinen ungleichmäßige Verteilung der Geschwindigkeit über den Querschnitt berücksichtigt wird. Häufig wird jedoch vereinfachend der Beiwert α = 1 gesetzt, wobei dies bei Querschnitten mit sehr ungleichmäßiger Geschwindigkeitsverteilung zu größeren Fehlern führen kann. Zusätzlich zur potenziellen Energie wird bei der Wasserkraftnutzung die kinetische Energie genutzt, wie es heute durch den Einsatz von Turbinen geschieht. Dieser Energieanteil wurde bereits vor mehreren tausend Jahren mit sogenannten unterschlächtigen Wasserrädern abgearbeitet; die potenzielle Energie wurde erst sehr viel später durch künstlichen Aufstau mittels sogenannter mittel- oder oberschlächtiger Mühlräder genutzt. 2.1.3

Nutzbare Gesamtenergie des fließenden Wassers

Der Ursprung der Wasserkraft ist solar, denn erst durch die Sonneneinstrahlung wird der hydrologische Kreislauf in Gang gehalten. Die Gesamtenergie des Wassers ergibt sich damit aus der Summe der potenziellen und der kinetischen Energie zu: E = E p + Ek = E

1 ⋅ g ⋅ m ⋅ ( hp + hk ) [kWh] 3,6 ⋅ 106

Energie

(2.5) [kWh]

Der in der Formel (2.5) enthaltene Term (hp + hk) ist in Verbindung mit den Beziehungen (2.2) und (2.4) auch als Bernoulli- oder Energiegleichung für ideale Flüssigkeiten bekannt und stellt die Energiehöhe hE des Wassers über einem Bezugshorizont dar (s. Abb. 2.3):

hE = hp + hk = hE

p v2 +z+ ρw ⋅ g 2⋅ g

Energiehöhe

[m]

(2.6) [m]

Da in der Praxis aber niemals ideale Zustände anzutreffen sind, muss die Gleichung (2.6) dahingehend erweitert werden, dass diese auch bei reibungsbehafteten Flüssigkeiten anzuwenden ist und damit die Einflüsse von Reibung, Oberflächenspannungen, Turbulenzen etc. berücksichtigt werden. Es wird daher die Verlusthöhe hv,i als charakteristische Länge eingeführt, wobei man die kontinuierlichen Verlusthöhen entlang eines Weges, in Abb. 2.3 z. B. hv,01 zwischen den Punkten 0 und 1, sowie die örtlichen Verlusthöhen, die konzentriert

30

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

an einem bestimmten Punkt, beispielsweise an einem Ventil, auftreten, unterscheidet. hE 0

hv01

v02 / 2g

hk0

v12 / 2g

Oberwasser

h f,N

p0 /r g p1 /r g hp0

v02 / 2g

hE 1

Zu lei tun g v

v0

1

z0

Turbine z1 = z2

h f,B hE2

hv12 v22 / 2g

Energielinie

hv23

Drucklinie

v32 / 2g

p2 /r g

Ab

p3 /r g tun g

lei

v

h E3

Unterwasser

2

Bezugshorizont

v3 0 1 2 3 Prinzip der Energieumwandlung (geschlossene Leitung zwischen den Punkten 0 und 3)

Abb. 2.3:

Die sogenannte erweiterte Bernoullische Gleichung lautet dann:

hE = hp + hk + hv ,i =

p v2 + z + i + hv ,i [m] ρw ⋅ g 2g

(2.7)

Die örtlichen Verluste hv,i werden, da sie im Wesentlichen vom Quadrat der Fließgeschwindigkeit v abhängen, im allgemeinen Verlustansatz erfasst:

hv ,i = ζ i ⋅ hv,i

ζi

vi2 2g

[m]

Verlusthöhe Verlustbeiwert

(2.8) [m] [-]

Die kontinuierlichen Verluste beruhen überwiegend auf der inneren Flüssigkeitsreibung und werden vielfach auch als Wandreibungsverluste bezeichnet und ebenso durch einen von Flüssigkeit und Berandung abhängigen Verlustbeiwert ζi berücksichtigt.

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

31

Die Verlusthöhe entlang einer Fließstrecke vom Punkt 1 bis zum Punkt N setzt sich infolge der vielfältigen unterschiedlichen Beeinflussungen aus einer Summe von n Einzelverlusten zusammen und ergibt sich zu: n

hv ,1N =

¦ 1

n

hv ,i =

¦ 1

ζi ⋅

vi2 2g

[m]

(2.9)

Die Größen der im einzelnen anzusetzenden Verlustbeiwerte werden an den entsprechenden Stellen noch detaillierter beschrieben werden. Die Drücke p0 bis zum Punkt 0 und p3 ab dem Punkt 3 in der Abb. 2.3 entsprechen in der Regel dem Atmosphärendruck pamb, da es sich hier meist um Freispiegelgerinne handelt. Aus der Massenbilanz zwischen den Querschnitten 1 und 2 (s. Abb. 2.3) ergibt sich unter der Annahme, dass die Flüssigkeit homogen und inkompressibel ist, was für Wasserläufe in der Regel angenommen wird, die sogenannte Kontinuitätsgleichung:

³

Q = v ⋅ dA = v1 ⋅ A1 = v2 ⋅ A2 = const. [m³/s]

(2.10)

A

Q A

Durchfluss Durchflussquerschnitt

[m³/s] [m2]

Eine für die Wasserkraftnutzung besonders wichtige Kenngröße stellt die abgegebene elektrische Leistung P dar, die den Zusammenhang zwischen dem nutzbaren Durchfluss Q und der vorhandenen Fallhöhe hf verdeutlicht, wobei hier zusätzlich noch eine Überschlagsformel zur Vordimensionierung nach mitteleuropäischem Standard integriert ist [2.1], deren Beiwerte v. a. in Abhängigkeit der Triebwasserwege und der damit verbundenen Verluste ggf. variiert werden müssen: P = ηtot ⋅ P

ηtot

hf cP

ρw ⋅ g ρ ⋅g ⋅ Q ⋅ hf = w 3 ⋅ Q ⋅ hf − 3 10 10

(

¦h ) = c v ,i

P

⋅ Q ⋅ hf

(elektrische) Leistung Gesamtwirkungsgrad Fallhöhe Leistungsüberschlagsbeiwert (incl. Generator, Trafo etc.): für Kleinwasserkraftanlagen: cP ≈ 8,0 für mittlere Wasserkraftanlagen: cP ≈ 8,5 für größere Wasserkraftanlagen (> 50 MW): cP ≈ 8,8

[kW]

(2.11) [kW] [-] [m] [kg/s2⋅m2]

Bei dieser Kenngröße sind einige unterschiedliche Leistungsbegriffe in Gebrauch, wobei hier vor allem Brutto-, Netto-, Nenn- und Engpassleistung sowie die unter Abschnitt 3.2.3 beschriebene Ausbauleistung hervorzuheben sind. Die elektrische Bruttoleistung eines Maschinensatzes ist dabei die an den Generatorklemmen abgegebene elektrische Leistung, und die Nettoleistung ist diejenige, die an der Oberspannungsseite des Maschinentransformators abgegeben wird, verringert um den elektrischen Leistungsbedarf aller Hilfs- und Nebenanlagen. Die Nennleistung wird bei Wasserkraftanlagen üblicherweise nur für einzelne Maschinensätze verwendet und bringt die höchste Dauerleistung zum Ausdruck,

32

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

für die die einzelne Maschine bestellt wurde. Die Engpassleistung einer Wasserkraftanlage, die international auch als maximale Leistung bezeichnet wird, ist die höchste von der gesamten Anlage mit allen Maschinensätzen dauernd ausfahrbare elektrische Leistung, wobei vorausgesetzt wird, dass sowohl Durchfluss als auch Fallhöhe einen optimalen Wert aufweisen; bei Laufwasserkraftanlagen entspricht diese häufig der Ausbauleistung. Die mit der Wasserströmung in der Triebwasserzuführung entstehenden Energieverluste hv,i (s. Abb. 2.3) infolge Reibung, Umlenkungen, Eintritts- und Austrittsverlusten, Querschnittsänderungen, Verschluss- und Regelorganen etc., werden in (2.11) durch den sogenannten totalen Wirkungsgrad ηtot erfasst, in dem zusätzlich auch die Energieeinbußen der Maschinengruppen, des Getriebes bzw. Riemenantriebes - sofern vorhanden -, der Umspannanlage etc. sowie die Entnahme zur Eigenversorgung der Wasserkraftanlage eingeschlossen sind: ηtot = ηL ⋅ ηtot ,M = ηL ⋅ ( ηT ⋅ ηGetriebe ⋅ ηG ⋅ ηTrafo ⋅ ηEig ) [-] ηtot ηL ηtot,M ηT ηGetriebe ηG ηTrafo ηEig

Gesamtwirkungsgrad: ηtot = 0,70-0,90 Wirkungsgrad der Triebwasserzuleitung: ηL = (hf - hv,i)/hf = 0,80-0,90 (-0,95) Gesamtwirkungsgrad Maschinensatz: ηtot,M = 0,82-0,92 Wirkungsgrad der Turbine: ηT = 0,88-0,93, s. Kapitel 14.2.6 Wirkungsgrad des Getriebes/Riemenantriebes (sofern vorh.): ηGetriebe = 0,97-0,98, s. Kapitel 14.3.4 Wirkungsgrad des Generators: ηG = 0,96-0,98, s. Kap. 16.6.1 Wirkungsgrad der Umspannanlage, Leitungen etc.: ηTrafo = 0,980-0,995 Eigenversorgung der Wasserkraftanlage: ηEig = 0,990-0,995, s. K. 16.6.3

(2.12) [-] [-] [-] [-] [-] [-] [-] [-]

Ein dem totalen Wirkungsgrad entsprechender Begriff ist der Anlagenwirkungsgrad ηA, auch als hydraulischer Koeffizient bezeichnet, der sich aus dem Verhältnis von erbrachter elektrischer Leistung P zu theoretisch möglicher hydraulischer Leistung Phydr der Wasserkraftanlage bzw. aus der Anlagenverlustleistung PVerlust ergibt: ηA =

P P = 1 − Verlust ≡ ηtot Phydr Phydr

[-]

ηA Anlagenwirkungsgrad bzw. hydraulischer Koeffizient Phydr theoretisch mögliche hydraulische Anlagenleistung PVerlust Anlagenverlustleistung

(2.13) [-] [kW] [kW]

Es ist aber auch möglich, wie aus (2.11) ersichtlich, anstatt des totalen Wirkungsgrades ηtot die jeweiligen Verlusthöhen hv,i direkt zu verwenden, indem diese von der vorhandenen Fallhöhe hf subtrahiert und anschließend die noch verbleibenden Wirkungsgradverluste berücksichtigt werden. Genau betrachtet wird im Allgemeinen unter der Fallhöhe hf die Roh- oder Bruttofallhöhe hf,B, also die Differenz zwischen dem Ober- und dem Unterwasserspiegel (Überdruckturbinen) bzw. dem Mittelwert der Berührungspunkte zwischen Strahlachsen und Strahlkreisdurchmesser bei Pelton-Turbinen einer Wasserkraftanlage, verstanden. Daraus ergibt sich dann in Anlehnung an Abb. 2.3 die Netto-

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

33

fallhöhe hf,N als Differenz der Energiehöhen zwischen dem Eintritts- und dem Austrittsquerschnitt der Turbine zu: h f ,N = h f ,B − hv ,01 − hv ,23 (2.14) Die theoretisch mögliche Erzeugung an elektrischer Energie in einem bestimmten Zeitabschnitt bzw. während der Ausnutzungsdauer (s. Tabelle 1.4) bezeichnet man als Arbeitsvermögen Ea: t

³

Ea = P ( t ) dt = 0

hf,N hf,B Ea t

t

9,81 ⋅ ηtot ⋅ Q ( t ) ⋅ h f ( t ) dt [kWh] 3.600 0

³

Nettofallhöhe Bruttofallhöhe Arbeitsvermögen Zeit

(2.15) [m] [m] [kWh] [s]

Hieraus lässt sich das Jahres bzw. Regelarbeitsvermögen Ea ermitteln, indem über die Gesamtarbeitszeit des entsprechenden Jahres integriert wird. Hierbei ist ggf. auch noch die Verfügbarkeit der Anlage zu berücksichtigen (s. Kap. 1.7.3). 2.1.4

Potenziale zur Wasserkraftnutzung

Bei der Betrachtung der Potenziale an Gewässern zur Wasserkraftnutzung wird zwischen verschiedenen Arten unterschieden: - Die Obergrenze des theoretisch vorhandenen Wasserkraftpotenziales wird als das theoretische Flächenpotenzial bezeichnet und entspricht dem theoretischen Arbeitsvermögen. Dieses beinhaltet den Niederschlag, der auf eine bestimmte Fläche fällt (z. B. das Einzugsgebiet eines Wasserkraftwerkes), abzüglich der Anteile für Verdunstung, Versickerung und andere Verluste, sowie den auf den jeweiligen Schwerpunkt bezogenen Höhenunterschied zwischen der Fläche und dem Fließgewässer, dem sogenannten Vorfluter, in den die Fläche letztendlich entwässert. Diese Kenngröße ist jedoch für energiewirtschaftliche Zwecke wenig realistisch. - Eine aussagefähigere Größe für die Wasserkraftnutzung ist das Linienpotenzial, auch als Wasserkraftpotenzial bezeichnet. Darin wird ein konkreter Abschnitt eines Fließgewässers erfasst, das einen bestimmten mittleren Abfluss aufweist und innerhalb des betrachteten Abschnittes einen gewissen Höhenunterschied überwindet. - Der tatsächlich nutzbare Anteil dieser Potenziale unterliegt einer Reihe von technischen, ökonomischen, ökologischen und anderen Einschränkungen. Letztendlich liegt das technisch nutzbare Potenzial bzw. das technisch nutzbare Arbeitsvermögen eines Flussabschnittes in der Regel bei 40 bis 50 % des theoretischen Potenzials, wobei dieses durchaus in Einzelfällen bei ungünstigen Randbedingungen auch auf nur 10 % absinken kann [2.2] (s. a. Kapitel 3.2.1). - In etlichen Fällen wird auch noch das technisch-ökonomische bzw. wirtschaftlich nutzbare Potenzial verwendet, bei dem gewisse Festlegungen hinsichtlich des Nutzen-Kosten-Verhältnisses bzw. der Rentabilität getroffen werden müssen (s. Kapitel 3.3.1.6), bevor das technisch nutzbare Potenzial

34

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

diesbezüglich geprüft wird. Entsprechend wird dieser Wert nahezu immer kleiner als das technisch nutzbare Potenzial ausfallen. - Schließlich sei noch das genutzte Potenzial genannt, das die im jeweiligen Bezugsjahr tatsächlich in Wasserkraftanlagen erzeugte elektrische Energie wiedergibt. Bei allen diesen Potenzialerhebungen muss stets berücksichtigt werden, dass es sich wie dargelegt um empirische Betrachtungen vor allem auf der Basis der geografischen Gegebenheiten, des natürlichen Wasserdargebotes und der wesentlichen technischen Randbedingungen (Wirkungsgrad, Ausnutzungsdauer etc.) handelt. Diese Hochrechnungen müssen daher aufgrund der natürlichen und technischen Änderungen in regelmäßigen Abständen evaluiert und können somit nie als abschließend betrachtet werden. 2.1.5

Potenzielle Energie eines Speichervolumens

Die in einer Stauanlage (Talsperre, Staustufe o. Ä.) gemäß Abb. 2.4 aufgestaute Wassermasse besitzt gegenüber einem z. B. durch die Turbinenachse vorgezeichneten Bezugshorizont die potenzielle Energie: Ep =

1 ⋅ g ⋅ ρw ⋅ V ⋅ h0 [kWh] 3,6 ⋅ 106

(2.16)

dabei beträgt die dem Speichervolumen V innewohnende, nutzbare Gesamtenergie jedoch nur: E=

1 ⋅ g ⋅ρ w ⋅ V ⋅ hS 3,6 ⋅ 106

V h0 hS

[kWh]

(2.17)

Volumen Wasserspiegelhöhe über Bezugshorizont Höhe des Massenschwerpunktes bzgl. des Bezugshorizontes

[m³] [m] [m]

und wofür die Höhe hmax des Stauziels bei Speicherkraftwerken mit geringen Stauspiegelschwankungen überschlägig genähert werden kann zu [2.1]: hmax ≈ hmin + ( 0,5 ÷ 0,85 ) ⋅ ( hmax,theo − hmin ) [m] höchstmöglicher Stau Stauziel momentaner Wasserspiegel Schwerpunkt des Speichervolumens Absenkziel

(2.18)

Freibord tiefstmögliche Betriebswasserspiegelabsenkung

Q

hS

Überlast hmax theo

P hmax

h0

hmin

Turbine

SH

3

Unterwasserspiegel

Abb. 2.4:

Speicherraum einer Talsperre [2.1]

Qmax

Pmax

Q [m /sec] P [kW]

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

35

Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich mit der Beckenentleerung bzw. füllung der Wasserspiegel und damit die Massenschwerpunktlage hS ändert, wodurch wiederum die nutzbare Gesamtenergie E bzw. Leistung P des Speichers variiert. Zur Verdeutlichung ist im rechten Teil der Abb. 2.4 der Verlauf des Speicherabflusses Q sowie der zugehörenden Leistung P aufgetragen (s. a. Kap. 3.2.1). 2.2

Verfügbares und genutztes Wasserkraftpotenzial

2.2.1

Wasserkraftpotenzial weltweit

Um eine Vorstellung über die Größenordnung des verfügbaren Wasserkraftpotenziales zu gewinnen (s. Abschnitt 2.1.3), sind in Tabelle 2.1 Zahlenangaben über das theoretisch nutzbare, das technisch nutzbare und das tatsächlich genutzte Wasserkraftpotenzial angegeben. Die Untergliederung erfolgt im Wesentlichen nach Kontinenten, wobei sich die teilweise relativ ungenauen Schätzwerte entsprechend den örtlichen Untersuchungsfortschritten und Entscheidungsfindungen sowie den die jeweilige Erhebung durchführenden Organisationen (UNIPEDE, WEC etc.) ständig verändern können [2.3]. Deutlich wird durch diese Daten, dass in Europa der Ausbau nur noch in geringem Maße, in Afrika, Asien, der Russischen Föderation sowie Südamerika jedoch noch in großem Umfang möglich ist und dort entsprechend zahlreiche Maßnahmen laufen. Anzufügen ist noch, dass sich 2007 weltweit bereits etwa 150.000 MW in der Realisierung (Ausführungsplanung und Bau) befunden haben. Eine Vielzahl weiterer Vorhaben wird derzeit konkretisiert, und mittelfristig dürfte eine entsprechende zusätzliche Kapazität installiert werden. Ergänzend gehen aus der Tabelle 2.2 die weltweit jährliche Energieerzeugung und der Anteil der Wasserkraft daran hervor. Unterschiedliche Szenarien, u. a. von der UNIPEDE, lassen eine Steigerung der elektrischen Energieerzeugung im Jahr 2020 auf weit mehr als 23.000 TWh/a erkennen, wobei der Wasserkraftanteil dann etwa 28 % betragen soll. Tabelle 2.1: Weltweites Wasserkraftpotenzial 2007 [nach 2.4]

Afrika Asien mit Türkei und Russ. Föderation Europa Nordamerika mit Zentralamerika Südamerika Ozeanien Welt

theoretisch nutzbares technisch nutzbares derzeit genutztes Wasserkraftpotenzial Wasserkraftpotenzial Wasserkraftpotenzial [TWh/a] [TWh/a] [TWh/a] 2.590 1.303 94 19.702 2.901

7.655 1.121

1.108 531

7.575 5.696 633 39.097

1.763 2.615 196 14.653

664 608 40 3.045

36

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

Tabelle 2.2:

Weltweite Energieerzeugung 2005 [2.5]

Afrika Asien mit Türkei, Russland und Ozeanien Europa Mittlerer Osten Nordamerika Zentral- und Südamerika Welt

2.2.2

gesamte elektrische Energieerzeugung [TWh/a] 533,2

Wasserkraft elektr. EnergieAnteil der elektr. erzeugung Energieerzeugung [TWh/a] [%] 88,7 16,6

7.070,6 3.340,4 602,7 4.894,9 908,7 17.350,5

1.019,2 500,4 21,0 657,7 613,2 2.900,2

14,4 15,0 3,5 13,4 67,5 16,7

Wasserkraftpotenzial in Deutschland

In der Tabelle 2.3 und der Abb. 2.5 sind die analogen Werte des Wasserkraftpotenziales (Laufwasser) für die Bundesrepublik Deutschland angegeben. Die Aufteilung erfolgt nach technisch nutzbarem und derzeit genutztem Wasserkraftpotenzial in Laufwasserkraftwerken. Es ist daraus deutlich ersichtlich, dass mehr als vier Fünftel des Potenzials in Bayern (ca. 57 %) und Baden-Württemberg (ca. 25 %) gegeben sind, der Norden der Bundesrepublik Deutschland sich hingegen kaum durch Möglichkeiten der Stromerzeugung aus Wasserkraft hervorhebt. Tabelle 2.3: Wasserkraftpotenzial (Lauf- und Speicherwasser) in der Bundesrepublik Deutschland 2005 [2.6]/[2.7]/[2.8]/[2.10] Wasserkraftpotenzial

Baden-Württemberg Bayern Berlin/Brandenburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Deutschland gesamt

technisch 2005 genutztes nutzbares >1 MW gesamt [GWh/a] [GWh/a] [%] [GWh/a] 6.300 3.914 (62,2) 4.301 14.400 11.436 (79,4) 12.567 95 4 (4,1) 22 815 206 (25,2) 226 20 2 (4,9) 5 350 249 (71,1) 273 700 349 (49,9) 544 1.500 982 (65,5) 1.079 170 74 (44,0) 82 400 75 (23,4) 300 300 24 (6,6) 65 10 5 (50,0) 5 300 35 (8,5) 180 ca. 25.360 ca 17.360 (68,1) ca. 19.650

[%] (68,3) (87,3) (21,8) (27,7) (11,1) (78,1) (77,7) (71,9) (48,3) (93,8) (18,0) (54,9) (43,5) (77,1)

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

5

37

10 2

20

25.360 273 350 19.650 65

300

4

95

544 700 300 400 180 300

226 815 1.0791.500 82

Deutschland 14.400 12.567

170 6.300 4.301

SH

2005 genutztes Wasserkraftpotenzial [GWh/a = 1.000.000 kWh/a] Technisch nutzbares Wasserkraftpotenzial [GWh/a]

Abb. 2.5:

Wasserkraftpotenzial in der Bundesrepublik Deutschland 2005 [2.9]/[2.10]

In Deutschland erzeugen momentan rund 7.300 Wasserkraftanlagen unterschiedlicher Größe elektrische Energie und speisen diese zum überwiegenden Teil in das Netz der öffentlichen Stromversorgung ein [2.10]. Dabei wird die Mehrzahl der kleineren Wasserkraftanlagen von Privatpersonen betrieben, zahlreiche Anlagen befinden sich aber auch schon immer im Besitz der größeren Energieversorgungsunternehmen (EVU). Die größeren Anlagen gehören überwiegend EVU sowie Industrieunternehmen und sind meist ein wichtiger Baustein in deren Erzeugungsportfolio, z. B. bestehen primär ökologisch orientierte Stromprodukte zu einem Großteil aus Wasserkraftstrom. Insgesamt sind derzeit in Deutschland in Lauf- und Speicherwasserkraftwerken ca. 4.100 MW installierte Leistung verfügbar, davon etwas 10 % in Speicherkraftwerken. Die überwiegende Anzahl stellen die sogenannten Kleinwasserkraftanlagen mit einer installierten Leistung unter 1 MW. Im Hinblick auf die gesamte mittlere Stromerzeugung stellt sich dieses Bild jedoch umgekehrt dar, indem etwa 2/3 der Erzeugung aus Lauf- und Speicherwasserkraft in gut 1 % der Anlagen, d. h. von

38

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

nur 93 Wasserkraftwerken mit einer installierten Leistung über 10 MW erfolgt (s. Abb. 2.6). Aber auch die kleineren Anlagen leisten ihren Beitrag zur Stromerzeugung und sorgen nicht zuletzt für eine erhöhte flächendeckende Akzeptanz in der Bevölkerung vor Ort.

Abb. 2.6:

Leistungsklassenverteilung der Wasserkraftanlagen in Deutschland 2007 (Lauf- und Speicherwasserkraft) [2.10]

Bei der Lauf- und Speicherwasserkraft betrug der durchschnittliche Zubau im Rahmen von Neubau- und Modernisierungsmaßnahmen in den letzten Jahren etwa 20 MW pro Jahr bzw. führte zu einem Erzeugungszuwachs von ca. 80 bis 100 GWh/a [2.10]. Im langfristigen Mittel kann also theoretisch mit einem Zuwachs von rund 1 TWh/Jahrzehnt gerechnet werden. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass dieser Erweiterung zahlreiche Hemmnisse (rechtlicher Rahmen, Naturschutz, Nutzungsansprüche Dritter etc.) gegenüberstehen. Ergänzt werden die Lauf- und Speicherwasserkraftwerke noch durch die Pumpspeicherkraftwerke als weitere, sehr flexible Nutzungsart der Wasserkraft (s. Kapitel 17). Diese Anlagen haben ihre Hauptaufgabe in der Erfüllung von Ausgleichs- und Regelungsfunktionen innerhalb des Stromverbundnetzes. Vor allem durch den äußerst starken Ausbau der unstet in das Versorgungsnetz einspeisenden Windkraftanlagen ist die Bedeutung und damit der erhöhte Einsatz dieser derzeit 30 Kraftwerke in Deutschland in jüngster Zeit noch erheblich angestiegen. Dies führt gleichfalls dazu, dass bereits weit vorangetriebene Projekte wieder aktualisiert und in ersten Fällen einer Realisierung zugeführt werden, wie z. B. das Pumpspeicherkraftwerk Kops II der Vorarlberger Illwerke in Kooperation mit der EnBW, das primär dem deutschen Versorgungsnetz zugute kommen wird, oder die Maßnahmen an den E.ON-Anlagen Waldeck I und II sowie die Erweiterung der Anlage Vianden unter Beteiligung der RWE. Aus der längerfristigen Betrachtung der verfügbaren Wasserkraft gemäß der Darstellung in Abb. 2.7 wird die besondere Abhängigkeit dieser Energie-

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

39

erzeugungsform vom Wasserdargebot deutlich. Dabei sind dort diese natürlichen Schwankungen der Stromerzeugung aus Wasserkraftanlagen als Abweichungen im Verhältnis zum Normaljahr dargestellt. Dieses Normaljahr ist letztlich ein ideelles Jahr, das das langjährige Erzeugungsmittel (Regelarbeitsvermögen) widerspiegelt. Im Detail ist aus den jeweiligen Werten zu erkennen, dass die Fließgewässer von 1999 bis 2002 offensichtlich eine erhöhte Wasserführung nach einigen leicht unterdurchschnittlichen Jahren aufwiesen und entsprechend mehr Strom erzeugt werden konnte. Der verhältnismäßig trockene Sommer im Jahr 2003 ließ dann ab Juli die Stromproduktion aus Wasserkraft deutlich absinken, je nach Region um rund 10 bis 20 % unter die Werte des Jahres 2002. Trotz dieses spürbaren Rückgangs im Jahr 2003 handelte es sich letztlich um kein extrem schlechtes Erzeugungsjahr im deutschlandweiten Mittel. Die Erzeugung des Jahres 2004 war anfangs noch spürbar durch die geringen Niederschläge und damit Grundwasserstände des Vorjahres geprägt, entwickelte sich dann aber hin zu einem durchschnittlichen Wert ähnlich dem des Jahres 1999. Das Jahr 2005 lag im bundesweiten Durchschnitt leicht unter dem des Vorjahres, und das anschließende Jahr 2006 tendiert nach unterdurchschnittlichen Werten zu Anfang des Jahres sowie dem heißen Sommer mit niedrigeren Abflüssen nach derzeitigem Stand zu einem marginal höheren Erzeugungsjahr wie die beiden Vorjahre. Auch die noch nicht abschließend statistisch erfassten Jahre 2007 und 2008 werden sich aus aktueller Sicht etwa auf dem Niveau der Jahre 2004 bis 2006 bewegen.

Abb. 2.7:

Abweichungen der Stromerzeugung aus Wasserkraftanlagen in Deutschland im Verhältnis zum Normaljahr (Normaljahr = 100 % im langjährigen Durchschnitt) [2.10]

Der Erzeugungsanteil der Wasserkraft an der Gesamtbruttostromerzeugung lag in Deutschland in den letzten Jahren in Abhängigkeit der naturgebotenen Verhältnisse immer bei rund 4 %. Erst durch den massiven Ausbau der Windkraft in den vergangenen Jahren wird die Wasserkraft von der Windkraft bei der Erzeugung seit dem Jahr 2005 übertroffen, so dass der Wasserkraftanteil bei weitestgehend

40

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

gleicher Erzeugung zwischenzeitlich auf ca. 3,4 % zurückgegangen ist. Dies entspricht rund 25 % der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Damit wird ersichtlich, dass die Wasserkraft in Deutschland noch immer eine bedeutende Stellung inne hat und diese auch weiterhin haben wird. Die entsprechenden Zahlen der Stromeinspeisung ins Netz der öffentlichen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2006 können der Tabelle 2.4 entnommen werden. Hieraus wird in Verbindung mit der Tabelle 2.3 deutlich, dass eine größere Anzahl von kleineren Wasserkraftanlagen nach wie vor nicht ins Netz einspeist, sondern die dort erzeugte elektrische Energie direkt genutzt wird. Hinzu kommen noch weitere nennenswerte Anlagen der DB Energie GmbH sowie der industriellen Eigenversorgung, die im langjährigen Mittel ca. 2.000 GWh Strom aus Wasserkraft erzeugen. Tab. 2.4:

Stromeinspeisung ins Netz der öffentlichen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien in Deutschland [2.11]/[2.12]/[2.13]

Energieträger

Lauf- und Speicherwasser einschl. natürlichem Zufluss aus Pumpspeicherkraftwerken Wind Biomasse biogener Anteil des Abfalls Geothermie Photovoltaik insgesamt

2004

2005

2006

[GWh] 19.670

[GWh] 19.301

[GWh] 19.561

2007 (vorläufig) [GWh] 20.700

25.509 8.347 2.116 0,2 557 56.199

27.229 10.495 3.039 0,2 1.282 61.346

30.700 15.490 3.639 0,4 2.220 71.610

39.500 19.500 4.250 0,4 3.500 87.450

Der tendenziell zurückgehende Anteil der Stromerzeugung aus Wasserkraft an der Bruttostromerzeugung in Deutschland resultiert aus einem nur geringen Wachstum der Erzeugungskapazitäten aus Wasserkaftanlagen (durchschnittlich 20 MW pro Jahr) und einem deutlich spürbareren Wachstum anderweitiger Erzeugungskapazitäten [2.9]/[2.10]. Aufgrund der derzeitigen politischen Rahmenbedingungen (v. a. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), s. a. Kapitel 3.4) kann die Nutzung anderer, z. T. beträchtlich subventionierter erneuerbarer Energien, wie v. a. der Windkraft, erhebliche Zuwächse verzeichnen. Insgesamt hat sich der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung seit 1990 mehr als vervierfacht und Ende 2007 einen Anteil von etwa 14,5 % (ca. 90 TWh) erreicht. Schließlich vermitteln die in Abb. 2.8 zusammengestellten Daten eine Übersicht über die Anteile der mit den jeweiligen Energieträgern erzeugten elektrischen Energie (Bruttoerzeugung) in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007.

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

41

übrige Energieträger 3,4% Steinkohle 22,8%

Erdgas 11,7% Wasser gesamt 3,4%

Mineralölprodukte 1,3%

Weitere 14,2%

Windenergie 6,4% Photovoltaik 0,6%

Braunkohle 24,5%

Kernenergie 22,1%

biogene Festbrennstoffe 1,2% biogener Anteil des Abfalls 0,7% biogene flüssige Brennstoffe 0,4% Biogas 1,2% Klärgas 0,2% Deponiegas 0,2%

Abb. 2.8:

Anteile der Energieträger an der Bruttoerzeugung elektrischer Energie in der Bundesrepublik Deutschland 2007 [2.13]

Insgesamt hat die Bruttostromerzeugung in Deutschland somit in den letzten Jahren entsprechend des parallel steigenden Bedarfs stetig zugenommen, wobei es jedoch aufgrund der geänderten Randbedingungen im liberalisierten Strommarkt und der daraus resultierenden reduzierten statistischen Erhebungen letztlich nicht mehr möglich ist, ein korrektes Gesamtbild der elektrischen Stromerzeugung zu zeichnen, so dass auf eine entsprechende Darstellung hier verzichtet wird. Es werden zwar die Erzeugungswerte der öffentlichen Stromversorger veröffentlicht, nicht jedoch diejenigen der großen industriellen Eigenversorger, wie beispielsweise der DB Energie als Stromerzeugungstochter der Deutschen Bahn AG, sowie der zahlreichen privaten Erzeuger ohne Einspeisung in das Netz der öffentlichen Stromversorgung. Grundsätzlich muss bei Strombilanzbetrachtungen berücksichtigt werden, dass allen Verbrauchern letzten Endes jedoch nur eine geringere Menge von elektrischer Energie gegenüber der Bruttoerzeugung zur Verfügung steht. So ist zum ersten der Kraftwerkseigenverbrauch mit ca. 8 % abzuziehen, woraus sich die NettoStromerzeugung ergibt, die im Jahr 2006 ca. 596 TWh betrug. Nach dem anschließenden Abzug des Pumpstromverbrauchs (2006 ca. 9 TWh) und des Austauschsaldos (2006 ca. 19,1 TWh Export) erhält man den Netto-Verbrauch. Schließlich sind von der Netto-Verbrauchssumme noch die Netzverluste und die nicht erfassbaren Verluste abzuziehen, die im langjährigen Mittel ca. 4,5 % des Netto-Verbrauchs betragen. Als Orientierungsgröße für die in einem Versorgungsgebiet von Seiten des Energieversorgungsunternehmens bereitzustellende Energiemenge dient in der Regel der Netto-Verbrauch pro Haushalt bzw. pro Person. Im Jahr 2006 betrug dieser für einen Durchschnittshaushalt mit 2 Personen und mit Speicherheizung ca. 3.250 kWh/a bzw. für eine Person etwa 1.620 kWh/a. Durch die Effizienzsteigerung der eingesetzten Geräte sowie durch andere Energieeinsparungsmaßnahmen ist dieser Wert in den letzten Jahren stetig zurückgegangen.

42

2 Grundlagen der Wasserkraftnutzung

2.3

Literatur

[2.1] [2.2] [2.3] [2.4] [2.5] [2.6] [2.7] [2.8]

[2.9]

[2.10]

[2.11]

[2.12] [2.13]

Mosonyi, E.: Water power development. Band I + II. Budapest: Akadémiai Kiadó, 1987/1991 Giesecke, J.: Perspektiven der Wasserkraftnutzung in Baden-Württemberg. In: Wasserwirtschaft 80 (1990), Heft 6, S. 285-294 Mosonyi, E.: Hydropower. In: Our Fragile World - Challenges and opportunities for sustainable development. Oxford: Eolss Publishers, 2001 Bartle, A. (Hrsg.): Hydropower & Dams - World atlas & industry guide 2008. Sutton: Aqua-Media International, 2008 Energy Information Administration, U. S. Department of Energy,: International Energy Annual. Washington, 2007 (www.eia.doe.gov) Rindelhardt, U.: Wasserkraftnutzung in Ostdeutschland. In: Wasserwirtschaft 97 (2007), Heft 6, S. 33-36 Anderer, P.; Dumont, U.; Kolf, R.: Das Wasserkraftpotential in NordrheinWestfalen. In: Wasser und Abfall (2007), Heft 7-8, S. 16-20 Wagner, E.; Rindelhardt, U.: Stromgewinnung aus regenerativer Wasserkraft - Potenzialanalyse. In: EW - Elektrizitätswirtschaft 107 (2008), Heft 1-2, S. 78-81 Heimerl, S.; Giesecke, J.: Wasserkraftanteil an der elektrischen Stromerzeugung in Deutschland 2003. In: Wasserwirtschaft 94 (2004), Heft 10, S. 28-40 Heimerl, S.: Wasserkraft - die Grande Dame der Erneuerbaren Energien. In: BDEW (Hrsg.): Energie im Dialog. Band 3. Berlin: VWEW-Verlag, 2009 Kiesel, F.: Strom aus erneuerbaren Energiequellen - Ergebnisse der VDEW-Erhebung „Regenerativanlagen“ 2006. In: EW - Elektrizitätswirtschaft 106 (2007), Heft 25-26, S. 40-47 Staiß, F.: Jahrbuch Erneuerbare Energie 2007. Radebeul: Bieberstein Verlag, 2007 Arbeitsgruppe Erneuerbare Energie-Statistik des Bundesumweltministeriums (Hrsg.): Entwicklng der erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2007, 2008

43

3

Grundsätze der Planung und Projektierung

3.1

Planungsprozess und Projektentwicklung

3.1.1

Projektphasen

Im Rahmen der Planungsaktivitäten für ein Wasserkraftanlagenprojekt, wozu sowohl die Errichtung neuer als auch die Reaktivierung und Erneuerung bestehender Wasserkraftanlagen zählen, treten verschiedene Phasen auf, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen (s. Abb. 3.1). Diese aufeinanderfolgenden Schritte sind im Grunde inhaltlich stets gleich und differieren letztlich nur in ihrem zeitlichen Umfang und der jeweils notwendigen Betrachtungstiefe. 100

100 Anteil [%]

75

75 Gesamtkostenverlauf

Beeinflussbarkeit des Projektes

typische Variationsbreite

50

50

25

25

0

0 Hinzuziehen von Finanzund Rechtsgutachten

Kurzzeitfinanzierung

Langzeitfinanzierung gesichert

Vorvertragsabschluss

Vertragsabschluss für Energieabnehmer

Finanzplanung

Energiedargebot

Energieabnehmer

Hinzuziehen eines Baugutachters

Projektstudie Projektvorstudie Potenzialstudie

Bauentscheidung

Verhandlungen Vermessung, Baugrunduntersuchung Erstellung der Baupläne Anlagenherstellung

Bau Probebetrieb

Ausschreibung

und -Lieferung

Genehmigungsverfahren

Angebotseröffnung, Nachverhandlungen und Auftragsvergabe

Realisierung

Bedarfsklärung

Anlageninstallation

Betrieb SH

0

Abb. 3.1:

10

20

30

40

50

60

70

80

90 100 Zeitlicher Verlauf [%]

Typischer Projektzeitplan mit Kostenverlauf [3.1]/[3.2]

Potenzialstudie („Masterplan“) Aufgabe der Potenzialstudie ist die Grundlagenermittlung für die projektierte Wasserkraftanlage. Dabei sollen das insgesamt vorhandene, nutzbare Wasserkraftpotenzial ermittelt und die sich anbietenden Standorte in einer zu untersuchenden Region lokalisiert werden. Die Kostenungenauigkeit liegt hier noch bei ±30 %. Projektvorstudie („Pre-feasibility study“) Im Rahmen der Vorstudie sollen kritische Punkte herausgefunden und eine Bedarfsklärung sowie eine überschlägige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durch-

44

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

geführt werden. Bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung greift man normalerweise auf Zahlenwerte zurück, die für andere Projekte erfasst wurden, und ermittelt so überschlägig die Bauelementkosten (Stauanlage, Triebwasserzuführung, Krafthaus, Maschinengruppen, Umspannanlage etc.), deren Ungenauigkeit bei ±20-25 % liegen. Projektstudie („Feasibility study“) Mit der Machbarkeits- oder Durchführungsstudie soll abschließend festgestellt werden, ob und in welcher Form ein Projekt wirtschaftlich sinnvoll ist. Dazu werden die in den bisherigen Vorstudien beschafften Grundlagen der Hydrologie, Topografie, Geologie, Baugrund, Baukonzeption, Jahresarbeitsvermögen und Marktverhältnisse sowie der genau erfassten Umweltsituation etc. überprüft und detaillierter erfasst. Aus den daraus ermittelten Projekt- und Bauwerksalternativen wird eine ausgewählte Alternative optimiert und ausgearbeitet. Nach der Erstellung eines Bauprogramms und einer Kostenabschätzung, die Ungenauigkeit liegt nun bei ±1520 %, folgt eine ökonomische Evaluierung, d. h. eine Kosten-Nutzen-Betrachtung. Auf der Basis der so gewonnenen Erkenntnisse sollte dann die Erstellung der Genehmigungs- und Ausschreibungsunterlagen möglich sein. Bei größeren Projekten vergehen bis zum Abschluss der Projektstudien und der Planungsarbeiten in der Regel 5 bis 10 Jahre, oftmals auch mehr. Genehmigungsverfahren, Ausschreibung und Vergabe Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Genehmigungsverfahren ist bei der anschließenden Ausschreibung von besonderer Bedeutung, dass bei den hierzu gehörenden Unterlagen auf eine sehr detaillierte und umfangreiche Beschreibung des Projektes einschließlich der Baulose sowie Lieferungen geachtet wird. Diese Unterlagen sollen zum einen potenziellen Anbietern eine gute Kalkulationsgrundlage liefern und zum anderen dem Auftraggeber einen relativ guten Vergleich der abgegebenen Angebote ermöglichen. Gleichzeitig sollten diese Unterlagen den zu erbringenden Leistungsumfang im Sinne einer Ausführungsvorschrift beschreiben und festlegen, da sie meistens nach Auftragserteilung Bestandteil des Vertrages zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber werden. In vielen Fällen wird eine Vorauswahl bzw. Präqualifikation der Anbieter, die dann die Ausschreibungsunterlagen erhalten, also eine sogenannte beschränkte Ausschreibung durchgeführt, um auf diese Weise die Fachkompetenz zu sichern und den zeitlichen Ablauf etwas zu straffen. Des Weiteren muss sich der Auftraggeber bereits vor der Ausschreibung grundsätzliche Gedanken darüber machen, ob er das Projekt an einen Generalunternehmer vergeben und dann als sogenanntes „schlüsselfertiges“ Objekt übernehmen will, oder ob er die einzelnen Baulose unterschiedlichen Auftragnehmern überträgt und damit auch die Frage der hiervon unabhängigen Bauleitung und Bauüberwachung (Qualitätskontrolle, Rechnungsprüfung und anderes mehr) klären muss, d. h. Ingenieurbüro, Consulting-Firma, Eigenregie o. Ä. Bei Erneuerungs- und Modernisierungsarbeiten von bestehenden maschinellen Ausrüstungen oder elektrischen Anlagenteilen wird in der Regel der Auftrag direkt an einen Hersteller vergeben.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

45

Aus den eingereichten Angeboten wird nach deren Überprüfung abschließend ein Auftragnehmer ausgewählt. Die eingereichten Angebote werden dabei nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten begutachtet, vielmehr spielt auch die im Angebot möglicherweise zusätzlich unterbreitete Ausführungsart (Sondervorschläge) eine wesentliche Rolle. Eine besondere Stellung, der unbedingt ein ausreichendes Augenmerk geschenkt werden muss, stellt die Ausgestaltung des Bau- und Liefervertrages unter Einbeziehung der jeweils gültigen Bauvorschriften, Normen und spezieller Vertragsbedingungen etc. dar. Hierfür bietet es sich an, auf allgemein anerkannte Vertragsgrundlagen je nach Ausführungsart zurückzugreifen, wie beispielsweise die VOB in Deutschland, die Verträge der Internationalen Vereinigung Beratender Ingenieure (FIDIC) oder der Weltbank. Diese werden dann üblicherweise durch spezielle Bedingungen unter Berücksichtigung der projektspezifischen Besonderheiten ergänzt. Diese Vorgehensweise schafft für alle Vertragsparteien die notwendige Sicherheit, kann doch im Streitfall auf geeignete Schlichtungsverfahren sowie eine umfangreiche Rechtssprechung zurückgegriffen werden. Detailplanung Mit dem Abschluss des Vertrages beginnt die Ausarbeitung von detaillierten Bauplänen, die auf den Ausschreibungsunterlagen und der im Angebot unterbreiteten Ausführungsart aufbauen. Im Rahmen der Detailplanung müssen fast immer einzelne Bauwerksteile in einem Modellversuch überprüft und optimiert werden, da Wasserkraftanlagen nur in sehr seltenen Fällen Serienfertigungen sind, wie beispielsweise einige der Lechstaustufen, sondern vielmehr stets besondere örtliche Aspekte berücksichtigen müssen. Bei der Durchführung der Modellversuche ist unbedingt darauf zu achten, dass diese von einer Institution durchgeführt werden, bei der ausreichendes Erfahrungspotenzial und detaillierte Kenntnisse der Modellgesetzmäßigkeiten vorhanden sind, da nur so eine Übertragbarkeit der Versuchsergebnisse auf das zu realisierende Bauwerk sichergestellt werden kann. Die Erfahrung zeigt, dass die einmalige Investition für einen Modellversuch in keinem Verhältnis zu den Kosten und dem Ärger, den ein unzureichend funktionierendes Bauwerksteil permanent verursachen kann, steht. Neben den rein physikalischen Modellversuchen werden immer häufiger mathematisch-numerische Modelle zur Untersuchung der komplexen Strömungsund Stofftransportprozesse eingesetzt, sofern die entsprechende Erfahrung im Umgang mit derartig umfangreichen Verfahren vorhanden ist (s. a. Kapitel 14.2.7). Von Vorteil ist die größere Flexibilität bei der Gestaltung, wobei allerdings oftmals eine Kalibrierung anhand von Naturmessungen notwendig ist, so dass dieses Verfahren als eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen physikalischen Modellversuche - unter Umständen auch in Kombination mit denselben - betrachtet werden darf. Ausführungsprojekt Vor dem Beginn der eigentlichen Baumaßnahmen sollte eine Dokumentation aller Bereiche des gesamten Bauumfeldes erstellt werden, um eventuelle Auswirkungen der Baumaßnahme sowie des Bauwerkes selbst eindeutig nachvollziehen zu können (z. B. Setzungen an benachbarten Bauwerken, Auswirkungen auf Flora und Fauna etc.).

46

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Parallel läuft die bei größeren Projekten mehrere Jahre dauernde Ausführungsphase an, in der das Bauvorhaben realisiert wird und bei der dem planenden Ingenieur zusätzlich in der Regel umfangreiche Koordinierungsaufgaben abverlangt werden. Bei der Bauausführung ist bei allen wasserbaulichen Maßnahmen eine gewissenhafte Planung des bauzeitlichen Hochwasserschutzes, auch unter dem Begriff Bauumleitung bekannt, wichtig, um Schäden vom Projekt und dessen Umgebung fern zu halten. Diese vorbeugende Schutzmaßnahme beinhaltet üblicherweise alle Aktivitäten, die zur Beherrschung eines Gewässers während der Bauzeit getroffen werden, wodurch das sogenannte Bauhochwasser mit einer vorher festzulegenden Wiederkehrhäufigkeit während der Bauzeit gefahrlos abgeleitet werden soll. Nachdem für die Festlegung des Bauhochwassers keine festen Richtlinien existieren, erfolgt diese in der Regel anhand folgender Kriterien: - Dauer der Bauphase, - Jahreszeit bzw. Saison (Trocken-, Nassperiode etc.) der Bauphase bei kürzeren Maßnahmen, - Art der Niederschlagsereignisse im Einzugsgebiet in Verbindung mit dessen Retentionswirkung bis zur Baustelle, - Risiko- bzw. Schadenserwartung, ggf. unterschieden für Teilbauphasen. Aus diesen Kriterien wird deutlich, dass beispielsweise das Überströmen eines Betonbauwerkes während des Baus unter Umständen zugelassen werden kann, da sich hierbei der Schaden deutlich eingrenzen lässt und während der sensiblen Perioden, wie insbesondere bei den Betoniervorgängen, ein Arbeiten unter Berücksichtigung der Wetterprognosen möglich ist. Dammbauwerke aus Schüttmaterial o. ä. vertragen dagegen keine Überströmung, so dass diese definitiv geschützt werden müssen. Als erster Orientierungswert wird im internationalen Bereich vielfach die Formel Bauzeit x 10 = Jährlichkeit des Bemessungsabflusses herangezogen, wobei das Ergebnis unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien dann ggf. noch erhöht wird. Inbetriebnahme Auf den Abschluss der Bauarbeiten, Lieferungen, Installationen und den Probebetrieb folgt die endgültige Inbetriebnahme der Anlage, eventuell bereits auch in Teilabschnitten. Im Rahmen der Inbetriebnahme und des Probebetriebes wird eine Einzelprüfung sämtlicher Komponenten und anschließend der Komponentengruppen (z. B. Maschinensätze) durchgeführt. Nach einem allen Vorgaben voll entsprechenden Probebetrieb folgt die Übernahme durch den Auftraggeber, hier also den Wasserkraftanlagenbetreiber. Abschlussarbeiten Parallel hierzu werden die Abschlussarbeiten durchgeführt. Diese beinhalten die Erstellung der endgültigen Konstruktions- und Baupläne, in die alle ausführungsnotwendigen Änderungen eingetragen werden, sowie der Montage- und Wartungspläne. Die Inbetriebnahme und die Abschlussarbeiten können bei größeren Projekten bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

47

Bereits während der Ausführungsphase beginnt die etappenweise Kostenabrechnung; eine endgültige Abrechnung erfolgt nach dem Abschluss aller Arbeiten und etwaiger Ergänzungsleistungen. 3.1.2

Besondere Aspekte bei Reaktivierung, Modernisierung und Erweiterung

Je nach Region, technischen, ökonomischen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Randbedingungen ist der Umfang des noch nutzbaren technischen Wasserkraftpotenzials über die bereits bestehenden Nutzungen hinaus relativ gering, so dass es sinnvoll sein kann, stillgelegte Wasserkraftanlagen wieder zu aktivieren und bestehende zu modernisieren bzw. zu erweitern. Auch aus Gründen des Umweltschutzes kann eine derartige Maßnahme angebracht sein, allerdings nur dann, wenn die daraus folgenden Maßnahmen in ihrer Umweltbeeinträchtigung nicht deren Nutzen überwiegen. Die Reaktivierung von Wasserkraftanlagen, insbesondere von kleineren Wasserkraftanlagen bis 5 MW installierter Leistung ist beispielsweise in Deutschland während der letzten Jahren wieder attraktiver geworden, da deren Betrieb heute wirtschaftlicher möglich ist und sie darüber hinaus aus unterschiedlichen Gründen von politischer Seite aus zum Teil stark gefördert werden. Grundlage zur Aufrechterhaltung der gewünschten Verfügbarkeit, Leistungsabgabe und Lebensdauer einer bestehenden, in Betrieb befindlichen Wasserkraftanlage ist die Durchführung regelmäßiger, über die normale Anlagenüberwachung hinausgehender Inspektionen aller Komponenten der Anlage (s. Abb. 3.2), die vom eigenen Personal in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Komponentenhersteller in bestimmten Intervallen vorgenommen werden sollten (s. Kapitel 13.3). Dabei sollte auch stets die vorhandene Bau- und Anlagensubstanz auf deren Beschaffenheit, Werkstoffqualität und Standsicherheit überprüft werden. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen und gegebenenfalls Erweiterungen geplant und durchgeführt, die vor allem folgende Gründe haben, wobei insbesondere die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit dominiert: - Austausch alter Anlagenteile (Turbine, Generator, Lager, Verschlüsse etc.) oder ganzer Komponentengruppen gegen neue mit einem höheren Wirkungsgrad; - Erhöhung des nutzbaren Abflusses (Bemessungsabfluss) sowie eventuell der Fallhöhe zur Erzielung einer größeren Energieausbeute je nach den hydrologischen, energiewirtschaftlichen und ökologischen Gegebenheiten, wobei im Falle von Ausleitungskraftwerken eventuelle Mindestwasserabflussauflagen zu beachten sind; - Ausbau bzw. Erweiterung der Anlage (Einbau einer weiteren Turbine, Erneuerung einer Freispiegelleitung, Ersatz der Freispiegelleitung durch direkt geführte Druckstollen etc.) für eine größere Energieausbeute; - Umrüstung bestehender Anlagen auf den neuesten Stand von Maschinentechnik, Regelung, Steuerung und Automatisierung für einen wartungsarmen und damit wirtschaftlicheren Betrieb;

48

-

-

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Personalreduzierung aus wirtschaftlichen Gründen nach Durchführung von Automatisierungsmaßnahmen (Fernüberwachung etc.); Optimierung der hydraulischen Auslegung (Anströmung des Einlaufbauwerkes, der Rechenanlage oder der Turbinen; Reduzierung der Kavitationsgefahr, Abströmverhältnisse im Turbinenauslauf und Unterwasser, Strömungslenkung im Triebwasserweg etc.); Verbesserung der Einbindung in die umgebende Landschaft, Wiederherstellung eines Gewässerkontinuums etc.; Nutzung von noch vorhandenen Energiereserven; Nutzung von staatlichen Fördermaßnahmen (Investitionshilfen, steuerliche Anreize etc.); Anpassungen an erweiterte Vorschriften (Umweltgesetze, Arbeitssicherheit, Arbeitsstättenverordnungen, Denkmalschutz etc.).

Kraftwerksleistung/ Zunahme des Ausfallrisikos

Optimierung Leistungssteigerung ursprüngliches Leistungsniveau

Komponentenaustausch

Leistungsverlauf ohne Maßnahme Ausfallrisiko

Erneuerung

Ausfall Alter

Abb. 3.2:

Zeitlicher Verlauf der Leistungsentwicklung einer Wasserkraftanlage einschließlich Ausfallrisiko (sog. „Badewannenfunktion“) und möglicher Maßnahmen [3.2]

Eine individuelle Betrachtung muss in Verbindung mit der Modernisierung bzw. Umrüstung einer Wasserkraftanlage eine zugehörige Stauanlage oder gar ein vorgeschaltetes Speicherbecken erfahren. Sollte deren Bewirtschaftung mehr und mehr durch Auflandungen beeinträchtigt sein, kann Abhilfe bzw. Vorbeugung durch intervallweise Ausbaggerung der Sedimente, durch erhöhte Erosionsschutzmaßnahmen (Hangsicherung, Aufforstung, Terrassierung etc.), durch Gewässerregulierung oder durch Anordnung eines Vorbeckens erzielt werden. Nur im ungünstigsten Fall wird das Speicherkraftwerk sich in ein Laufwasserkraftwerk umwandeln. Für die Erneuerung und Modernisierung von Kleinwasserkraftanlagen - rund 75 % der in Deutschland derzeit laufenden Anlagen sind auf einem Stand der Technik vor 1970 - haben über die bereits angesprochenen Aspekte hinaus noch folgende weitere Gesichtspunkte eine wesentliche Bedeutung: - Verhinderung des Auslaufens bestehender Wassernutzungsrechte; - Möglichkeit der Verknüpfung mehrerer Aufgaben wie z. B. Netzparallelbetrieb, Eigenstromverwertung oder auflagenbedingte Blindstromlieferung; - Nutzung von noch vorhandenen Energiereserven vor Ort und damit Substitution anderer Energiequellen (z. B. Gebirgshütten, Einsiedlerhöfe etc.);

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

-

49

Verbesserung der dezentralen Energieversorgung; Nutzung von speziellen staatlichen Fördermaßnahmen für Kleinwasserkraftanlagen.

3.1.3

Projektentwicklung im Rahmen von Finanzierungsmodellen

Seit Anfang der 1990er Jahre erlebt die Energiewirtschaft einen tief greifenden Wandel. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch, wo eine Deregulierung auf Kapital- und Warenmärkten den grenzenlosen Weltmarkt öffnet, erfährt die Energieversorgung zunehmend eine Abkehr des Staates, statt dessen eine Hinwendung zu marktwirtschaftlich ausgerichteten Verantwortungsbereichen. In exportorientierten Industrieländern soll die Energieversorgung so kostengünstig und effizient wie möglich sein, um beste Vorbedingungen im internationalen Wettbewerb von Produkten zu gewinnen und ebenfalls dem privaten Verbraucher Kostenvorteile zu verschaffen. Dagegen ist in Entwicklungs- und Schwellenländern in zunehmendem Maße eine nicht ausreichende Energieversorgung eine der entscheidenden Ursachen für die Verzögerung wirtschaftlicher Entwicklung und der Verbesserung des Lebensstandards. Dabei ist insbesondere in den staatlichen Finanzierungsmöglichkeiten ein Engpass festzustellen. Auf der anderen Seite suchen Kapitalgeber und Investitionsgüterindustrien für Kraftwerksbau, Maschinen- und Elektrotechnik weltweite, ausreichende Renditen und Produktionsausrüstung verheißende Märkte. Angesichts des global ständig steigenden Energiebedarfes wird für international aktive Investorgruppen mehr und mehr der Zugang zum landesweiten Energiemarkt geöffnet. An die Stelle bisher geschützter Märkte treten bei internationaler Konkurrenz im offenen Wettbewerb zu gewinnende, durch Liberalisierung und Privatisierung gekennzeichnete Energiemärkte. Parallel zur Freigabe und Deregulierung der Energiemärkte haben sich unabhängige Finanzierungs- und Projektgesellschaften, die sogenannten Independent Power Producers (IPP), gebildet und in aller Welt privat finanzierte thermische Kraftwerke vielfach in Rekordzeiten erstellt. Auch im Bereich der Wasserkraftanlagen sind erste derartige Projekte verwirklicht worden, auch wenn solche Projekte einen wesentlich schwierigeren Stand haben. Hierbei wirken sich die höheren Risiken des Standortes, des Energiemarktes, der politischen und damit rechtlichen Stabilität sowie der Höheren Gewalt bzw. der möglichen Naturereignisse negativ aus. Lange Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten sowie hohe Investitionen sind gegenüber beispielsweise Gas- und Dampfkraftwerken ebenso nachteilig wie Umsiedlungen und ausgedehnte Speicherbecken. Im Bereich der Wasserkraft sind dagegen private Betreibermodelle häufiger anzutreffen, die unter den Abkürzungen BOT für „Build-Operate-Transfer“, BOOT „Build-Own-Operate-Transfer“ oder Ähnlichem geläufig sind. Bei einem derartigen BOT-Finanzierungsmodell wird einem privaten Projekt- bzw. Bauträger das Recht eingeräumt - aber auch die Verpflichtung auferlegt -, innerhalb der Konzessionszeitspanne Finanzierung, Planung, Bauausführung und Betrieb einer Wasserkraftanlage einschließlich Stromverkauf in eigener Verantwortung zu übernehmen. Anschließend muss die Wasserkraftanlage nach einer vereinbarten Zeit an den Konzessionsgeber, in der Regel den Staat, übereignet werden.

50

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Bisherige Beispiele unterstreichen die erhebliche Minderung von Bau- und Betriebskosten bei derartig privat initiierten Projekten. Zweifellos bergen die Geologie bzw. der Baugrund und die Hydrologie die größten Risiken, deren Einschränkung in Problemfällen geboten ist. Weitere spezifische Risiken, die der staatlichen Mitverantwortung unterzogen werden müssen, liegen in Umsiedlungsund Enteignungsverfahren, in Sicherungen des Projektgebietes gegen Gewalteinwirkungen und im Energiemarkt selbst, da die Energieabnahme zu garantierten Preisen die einzige Einnahmequelle ist. Weitere wesentliche Gesichtspunkte sind die Wasserrechte, Planungs- und Genehmigungsverfahren, Verkehrsanbindungen, steuerliche Regelungen, Währungsrisiken, Versicherungen und manches mehr. Nur gut vorbereitete Projekte, d. h. Systemlösungen von kompetenten Partnern in Form von Projektgesellschaften o. Ä. (s. Abb. 3.3), werden in Verbindung mit ausgewogenen Konzessions- und Energieabnahmeverträgen die BOT-Modelle attraktiv erscheinen lassen und damit die Befriedigung des örtlichen Energiebedarfes als Voraussetzung für die Wirtschaftsentwicklung und den Wohlstand beschleunigen. In der Übereinkunft eines BOT-Modelles handeln alle Beteiligten nach dem Grundsatz, den höchstmöglichen Gewinn bei geringstem, weil von mehreren Seiten getragenem Risiko zu erzielen. Von bedeutendem Vorteil ist ferner, dass Wasserkraftwerke eine um ein Vielfaches längere Lebenszeit als thermische Kraftwerke haben und sich so die Vorteile langfristig auszahlen. Aktionäre (Aktionärsvereinbarung)

Regierung (Rahmenvertrag, Konzession)

Gläubiger/Banken (Treuhand-/Darlehensvertrag)

Wasserbehörde (Wassernutzungsvertrag)

Projektgesellschaft Energieversorgungsunternehmen (Energieabnahmevertrag)

Externe Berater (Beratervertrag) Vertrag zur schlüsselfertigen Erstellung

Betreiber (Betriebsführungsvertrag)

Baukonsortium (Konsortialvereinbarung mit Aufgabenverteilung) Planung

Abb. 3.3:

Versicherung (Versicherungsvertrag)

Bau

elektro- und maschinentechnische Ausrüstung

Projektstruktur bei Betreibermodellen

Auch im Bereich des Anlagenbetriebes sowie der Instandhaltung und Erneuerung werden zunehmend ähnliche Konzepte verfolgt, die eine Mischung zwischen BOT-Modellen und dem sogenannten schlüsselfertigen Bauen darstellen. Für den Anlagenbetreiber ist bei derartigen ROT-Verträgen („RehabilitateOperate-Transfer“) von Vorteil, dass er von der Maßnahmenermittlung bis zum Abschluss derselben nur einen Ansprech- und Vertragspartner hat, der im Gegenzug für die Gesamtmaßnahme verantwortlich zeichnet, die gemeinsam gesteckten Ziele garantiert und die möglichen Risiken übernimmt. Insbesondere durch die Personalreduzierungen auf Seiten der Anlagenbetreiber werden derartige vertragliche Bindungen zunehmen.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

3.2

51

Grundlagen für Auswahl und Weiterentwicklung von Wasserkraftstandorten

Bei der Entscheidungsfindung für die Auswahl eines neuen oder die Weiterentwicklung eines existierenden Wasserkraftstandortes sind im Wesentlichen die folgenden Kriterien zu beachten, auf die nachfolgend detaillierter eingegangen wird: - Wassermengenwirtschaftliche Größen (s. Kapitel 3.2.1 und 3.2.3), d. h. das Wasserkraftpotenzial des betrachteten Flusses bzw. Flussabschnittes oder Einzugsgebietes einschließlich eventueller Beileitungen, Trends möglicher Klimänderungen etc.; - Lage der Wasserkraftanlage in Bezug auf das Stromversorgungsnetz und Lage relativ zum hauptsächlichen Abnahmeort der erzeugten Energie sowie die dort benötigte Energiemenge (s. Kapitel 3.2.2 und 3.2.3); - Wirtschaftlichkeit der Anlage (s. Kapitel 3.3); - Topografie (s. v. a. Kapitel 4); - Geologische Situation und damit Baugrundbeschaffenheit (s. Kapitel 13); - Anordnung im System bereits bestehender Wasserkraftanlagen oder Wasserbauwerke im Sinne der Mehrzwecknutzung, vor allem Dämpfung extremer Abflüsse im Unterliegerbereich bei zeitweise arbeitenden Wasserkraftanlagen, die Bedarfsspitzen abdecken und somit im Schwellbetrieb arbeiten, durch Anordnung eines Unterwasser-Ausgleichsbeckens (s. v. a. Kapitel 4); - Bauliche Randbedingungen für die Ausbildung der verschiedenen Bauwerke von der Wasserentnahme über die Triebwasserführung bis hin zum Krafthaus mit der anschließenden Rückgabe des Triebwassers ins Gewässer (s. Kapitel 5-13); - Natürliche und betriebliche Vorgaben zur Wahl der hydraulischen und elektrotechnischen Maschinenkomponenten (s. Kapitel 14-16); - Landschaftsschutz (s. Kapitel 18); - vorgegebener bzw. benötigter Mindestwasserabfluss sowie weitere umweltrelevante Einflüsse und Einschränkungen (s. Kapitel 18-20); - Siedlungs- und Verkehrsverhältnisse (Bau-, Verkehrswege), z. B. entlang von Stauhaltungen bei Laufwasserkraftwerken; - Gelände zur vorübergehenden Nutzung für Baustelleneinrichtungen (Gebäude, Lagerflächen, Deponien für Aushub etc.); - Einfluss auf eventuell vorhandene Schifffahrt (Notwendigkeit von Schleusen, Mindestwassertiefe und -breite etc.) (s. Kapitel 1.7.3); - Freizeit- und Erholungsräume für die ortsansässige Bevölkerung sowie gegebenenfalls Attraktivitätssteigerung des Fremdenverkehrsangebotes (s. Kapitel 18). 3.2.1

Wassermengenwirtschaftliche Erhebungen

Für die effiziente Stromerzeugung aus Wasserkraft und damit die Wahl von Maschinentyp und -anzahl stellt das naturgegebene, örtliche Wasserdargebot neben der davon funktionell abhängigen Fallhöhe die eigentliche Grundlage dar. Auch für die Ausgestaltung und Dimensionierung aller Zusatzbauwerke, wie beispielsweise

52

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

des Wehres, ist die Kenntnis der Abflussverhältnisse entscheidend, müssen diese doch in besonderen Betriebsfällen, wie z. B. bei Hochwasser, einwandfrei funktionieren. Somit ist es von zentraler Bedeutung, über möglichst detaillierte Angaben zur Größe des Wasserdargebotes sowie zu dessen jahreszeitlicher Verteilung sowie eventueller Trends infolge von Klimänderungen zu verfügen [3.2]. Als wesentliche Grundlage hierfür müssen sorgfältige Erhebungen über das langjährige Abflussverhalten vor Ort sowie das Einzugsgebiet herangezogen bzw. durchgeführt werden. Es ist nahe liegend, dass sich diese hydrologischen Erhebungen über einen möglichst langen Zeitraum erstrecken sollten, damit neben verlässlichen Bemessungsabflüssen auch die Extremwerte der Abflüsse bestimmt werden können. Ein wichtiges Hilfsmittel stellt hierbei die Abflussdauerlinie dar, bei der statistisch gleichwertige Einzelbeobachtungen bzw. Mittelwerte einer langjährigen Beobachtungsreihe in der Reihenfolge ihrer Größe mit der zugehörigen Überschreitungsdauer oder alternativ Unterschreitungsdauer angeordnet werden. In der Abb. 3.4 ist eine derartige Abflussdauerlinie neben einer Ganglinie eines Einzeljahres exemplarisch wiedergegeben. Aus derartigen statistischen Auswertung können insbesondere folgende hydrologische Hauptkennwerte für den Abfluss entnommen werden (s. a. Abb. 3.4): - höchster bekannter Hochwasserabfluss HHQ, wobei das Datum bekannt sein muss, - höchster Abflusswert HQ in einem anzugebenden Zeitraum, - arithmetisches Mittel der Höchstwerte verschiedener Abflussjahre MHQ eines anzugebenden Zeitraumes, - Mittelwasserabfluss MQ als arithmetisches Mittel in einem anzugebenden Zeitraum, - arithmetisches Mittel der niedrigsten Abflusswerte verschiedener Abflussjahre MNQ eines anzugebenden Zeitraumes, - niedrigster Abflusswert NQ in einem anzugebenden Zeitraum, - niedrigster bekannter Niedrigwasserabfluss NNQ, wobei das Datum bekannt sein muss, - Median- oder Zentralwert des Abflusses ZQ, der im anzugebenden Zeitraum von der gleichen Anzahl von Werten über- und unterschritten wird, d. h. bei einer jahresweisen Darstellung liegt dieser Wert bei rechnerischen 182,5 Tagen. In gleicher Weise können auch Daten zum Wasserstand und bei bereits existierenden natürlichen oder künstlichen Speichern zu Zufluss und Abfluss in Form von den jeweiligen Dauerlinien mit Maximal- und Minimalwerten etc. ausgewertet werden. Um eine annähernd zutreffende Aussage zu erhalten, sollten die wassermengenwirtschaftlichen Daten mindestens für einen Zeitraum von 10 Jahren, möglichst jedoch für 25 oder mehr Jahre, vorliegen.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

53

150 HQ

Abflussdauerlinie

[m³/s]

Ganglinie eines Jahres 120

90

60

30

MQ ZQ

NQ

Unterschreitungstage [d]

0 1

Abb. 3.4:

51

101

151

201

251

301

351

Exemplarische Abflussdauerlinie mit einigen hydrologischen Kennwerten sowie der Ganglinie eines Jahres

In vielen Fällen steht aber auch nur eine unzureichende Datenmenge für den vorgesehenen Standort zur Verfügung. In derartigen Fällen können dann mit Hilfe statistischer Verfahren aus der Wassermengenwirtschaft entsprechend Daten synthetisch erzeugt werden [3.3]. So kann beispielsweise im einfachsten Fall über das Flächenverhältnis zwischen einem oder möglichst mehreren existierenden Pegeln und dem Kraftwerksstandort durch eine Interpolation einschließlich einer Prüfung der Korrelation der Pegelwerte eine Umrechnung erfolgen. Auf diese Weise können somit synthetische Abflusswerte erzeugt werden. Zusätzlich kann das Heranziehen von Niederschlagsaufzeichnungen und Verdunstungswerten etc. hilfreich sein. Die über einen möglichst Jahrzehnte umfassenden Zeitraum gemittelte Zuflussbzw. Abflussdauerlinie und die Jahresganglinien stellen die ersten Grundlagen, beispielsweise für die Wahl des Typs und die Auslegung von Speicherkraftwerken, dar, da im Zusammenhang mit dem Energiebedarf die Möglichkeiten eines Tages-, Wochen- oder Jahresspeichers sowie des Ausbaugrades zu entscheiden sind (s. a. Kapitel 2.1.5 und 3.2.3). Auch während des Betriebes wird auf der Basis dieser Daten eine Bewirtschaftungsstrategie unter Zuhilfenahme moderner Rechenverfahren ermittelt, die aufgrund des tatsächlichen Verlaufs und der vorhersehbaren Entwicklungen der Zufluss- und Abflussverhältnisse laufend in kürzeren, überlappenden Intervallen angepasst wird, um eine optimale Ausnutzung zu ermöglichen, wobei zunehmend auch die Anforderungen des Energiemarktes hinsichtlich der Kraftwerkeinsatzstrategie berücksichtigt werden (s. Kapitel 3.2.2 und 16.7), um eine Ertragsoptimierung zu ermöglichen. Laufwasserkraftwerke können nur in einem durch die Stauhaltung und die zulässigen Wasserspiegelschwankungen bestimmten Rahmen Wasser speichern. Bei

54

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

diesem Anlagentyp bildet die Zuflussdauerlinie die eigentliche Grundlage für die Wahl des nutzbaren Ausbauzuflusses (s. Kapitel 3.2.3), wobei die Abflüsse über das Stauwehr (z. B. Hochwasser) gesondert zu betrachten sind. Dabei kann durch eine gezielte Einsatzoptimierung unter Umständen auch zu einer zuflussabhängigen Stauzielsteuerung übergegangen und damit die Energieausbeute sinnvoll erhöht werden. Reine Pumpspeicherkraftwerke, d. h. diejenigen ohne natürlichen Zufluss, können unter wassermengenwirtschaftlichen Gesichtspunkten relativ unabhängig betrieben werden. Lediglich die Verluste unter anderem infolge Verdunstung müssen durch Beileitungen ausgeglichen werden. Vor allem bei Kleinwasserkraftanlagen kann die detaillierte Betrachtung der hydrologischen Verhältnisse eine wertvolle Entscheidungshilfe bei der Standortwahl und vor allem bei der Wirtschaftlichkeitsbewertung sein. Eine sehr komplexe und heute in den meisten Fällen im Grunde (noch) nicht allgemeingültig zu beantwortende Frage ist diejenige nach den möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft. Die verschiedenen Untersuchungen anhand diverser Szenarien lassen zwischenzeitlich für detaillierter untersuchte Regionen gewisse Trends erkennen, die jedoch keinesfalls pauschal auf andere Regionen übertragen werden dürfen und die meist noch weiter vertiefend betrachtet werden müssen, bevor mögliche Maßnahmen in die Wege geleitet werden. 3.2.2

Energiewirtschaftliche Erhebungen

Neben den am geplanten Standort vorhandenen Bedingungen (Wasserdargebot etc.) ist auch die Bedarfsseite zu untersuchen, d. h. es ist zu prüfen, in welcher Form die aus der Wasserkraft gewonnene Energie optimal nach Menge und Zeit in das lokale Versorgungsnetz oder in ein überregionales Verbundnetz eingespeist werden kann. Der lokale, regionale oder überregionale Energiebedarf ist je nach Netzstruktur und Versorgungsgebiet grundsätzlich starken Schwankungen unterworfen. Lediglich Kraftanlagen, die primär für den Betrieb einer industriellen Anlage oder Ähnlichem mit permanentem Einsatz (z. B. Aluminiumhütte) errichtet wurden, stellen hier eine Ausnahme dar. Wird heute die Energieversorgung noch überwiegend dem regionalen Bedarf entsprechend ausgelegt und überregional ein Verbundsystem zur Sicherung der gleichmäßigen, permanenten Energieversorgung betrieben (s. Kapitel 16.7 und 17), so gibt es mittlerweile konkrete Überlegungen, mittels eines HochspannungsGleichstrom-Übertragungsnetzes einen kontinentalen Verbund („global link“) in Ost-West- und Nord-Süd-Richtung einzurichten (s. Kapitel 16.7.4), durch den beispielsweise die Vorteile der Zeitverschiebung ausgenützt und so eine Vergleichmäßigung der täglichen Lastganglinien erzielt werden könnten [3.4]. Es sind offensichtlich die technischen Voraussetzungen dazu bereits weitestgehend gegeben, und ein Wirkungsgrad von 80 % scheint erreichbar, wie es die vorhandenen sowie in Bau bzw. Planung befindenden Verbindungen zwischen Großbritannien und Frankreich sowie im Ostseeraum zwischen den Anrainerstaaten Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland und Deutschland belegen. Auf den

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

55

ebenfalls diskutierten, großtechnisch aber noch nicht einsetzbaren Energietransport mittels Wasserstoff wird in den Abschnitten 4.4.6 bzw. 17.1 eingegangen. 100 % ^ Maximum =

Pumpspeicher- und Speicherkraftwerke zur Spitzenlastdeckung veredelter Pumpstrom

Spitzenlast

Pum

pstr

om

Leistungsbedarf [kW]

Mittellast-Wärme- und Mittellast Speicher-Wasserkraftwerke

Grundlast

Laufwasserkraftwerke konventionelle und nukleare Wärmekraftwerke 0

SH

0

Abb. 3.5:

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

22

2400 Uhr

Typische Tagesganglinie des Leistungsbedarfes und deren Deckung durch Grund-, Mittel- und Spitzenlastkraftwerke

Die saisonalen Schwankungen sind von der Witterung, der Jahreszeit, den Arbeits- und Urlaubszeiten sowie den konjunkturellen Schwankungen in der Wirtschaft abhängig. Die täglichen Schwankungen ergeben sich aus dem Arbeits- und Freizeitrhythmus, dem Bedarf in den Haushalten, den Lebensgewohnheiten, dem Verkehr und der Witterung. Eine typische Ganglinie für den Leistungsbedarf eines Tages ist in der Abb. 3.5 wiedergegeben; gleichzeitig ist darin die Deckung des Energieverbrauchs durch die gängigen Kraftwerkstypen eingetragen. Den Grundlastkraftwerken ordnet man Kraftwerke mit einer - im optimalen Wirkungsgradbereich - gleichmäßigen Erzeugung von Energie aus preisgünstigen Rohstoffen zu (Kohle-, Kernkraft-, Laufwasserkraftwerke), die mehr als 5.500 Stunden pro Jahr im Einsatz sind (maximal 8.760 h abzüglich Revisionszeiten), dabei unter mitteleuropäischen Verhältnissen ca. 30 % des Energiebedarfes decken und sehr wirtschaftlich arbeiten. Mittellastkraftwerke sind Kraftwerke, die in der Lage sind, auf umfassendere Nachfrageschwankungen zu reagieren (Steinkohlestaub-, Öl-, Gas- oder Speicherkraftwerke), zwischen 1.500 und 5.500 Stunden pro Jahr im Einsatz sind und dabei ca. 40 % des Energiebedarfes decken. Die Spitzenkraftwerke schließlich sind für die Abdeckung von kurzfristigen Nachfrageschwankungen bzw. für auf wenige Stunden beschränkte Spitzenbelastungen ausgelegt (Gasturbinen-, Öl-, Speicher-, Pumpspeicherkraftwerke), wobei deren jährliche Einsatzzeiten bei 1.000 bis 1.500 Stunden liegen. Die genannten Betriebszeiten sollen lediglich eine etwaige Vorstellung vermitteln. Sie unterliegen sehr stark den örtlichen Randbedingungen hinsichtlich Energiequelle, Energieverteilung, Charakter des Versorgungsgebietes, Vernetzung im Verbundsystem etc.

56

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

In der Abb. 3.6 sind vergleichend die durchschnittlichen Investitionsaufwendungen bzw. die sogenannte spezifische Investition sowie die daraus resultierenden durchschnittlichen spezifischen Stromgestehungskosten dargestellt (s. a. Kapitel 3.3.1.6). Es ist ersichtlich, dass hierfür der Standort der jeweiligen Energiequelle, aber auch die Bau- und Betriebs- bzw. Unterhaltskosten sowie Entsorgungskosten der Abfallprodukte für die Gesamtanlage eine bedeutsame Rolle spielen und somit letztlich die Stromgestehungskosten einer einzelnen, separat betrachteten Anlage deutlich abweichen können. Darüber hinaus spielen die Verfügbarkeit bzw. Ausnutzungsdauer der jeweiligen Energieerzeugungsform (s. Tabellen 1.4 und 17.3) eine wichtige Rolle. Dabei werden heute in der Regel die externen Kosten der Energieumwandlung nicht berücksichtigt, da eine einheitliche Definition und Erfassung derselben noch nicht möglich ist. 8.000

1,20 durchschnittliche Investitionsaufwendungen [€/kW] durchschnittliche spez. Stromgestehungskosten [€/kWh] 1,00

7.000

7.000 7.000

6.000

1,05

0,80

5.000

4.350

4.000

0,60 3.000

0,50

2.650

0,40 0,33

1.750

0,07

2.000 1.000

0,10 Tu rm ) (K a ov lif ol or ta ni ik er n) (D eu tsc hl an d)

) ar m

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(F

k

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Ph

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ov ol ot Ph

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W

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t( 50

1M

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w as

0,20

3.000

0 M W

W kr af se r La

uf

as w

D

uf La

+

t(
1; - Jahresspeicher: fa < 1; - Mehrzweckspeicher im Mittelgebirge: 0,6 < fa < 0,8; - Beeinflussung des Abflussregimes: beträchtlich: fa ” 0,5; signifikant: fa ” 0,3; gering: fa ” 0,1.

Bereich Speicher 1

Beileitungszufluss QBei

59

Einleitungszufluss QEin

Zufluss vom Oberlieger QOL

Natürlicher Zufluss Qnat

Pumpwasserzufluss QP

Pumpförderstrom Q P

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Gesamtzufluss Q zu Speicher 1

Zu

Speicherinhaltsänderung D I

Gesamtabfluss Q Speicher 1 Ab

Pumpförderstrom Q P

Verfügbarer Speicherabfluss

QV Pflichtwasserabfluss QPfl

Verfügbarer Kraftwerkszufluss

Speicherverlustabfluss QVer Ableitungsabfluss QAbl

Nutzbarer Kraftwerkszufluss Qn

Überleitungsabfluss QÜber

Genutzter Kraftwerkszufluss Qg

Anlagebedingter Verlustabfluss QAV (Wehr, Schleuse) Betriebsbedingter Verlustabfluss QBV (Maschine, Netz)

Bereich Kraftwerk

Kraftwerkszufluss QK

Kraftwerksverlustabfluss QKV z. B.: Leerschuss, Brauchwasser, Kühlwasser, Spaltwasser Pumpe / Turbine

Bereich Speicher 2

Pumpförderstrom Q P

Turbinendurchfluss QT

Speicherinhaltsänderung D I SH

Abfluss aus System

Abb. 3.9:

Zuflüsse und Abflüsse wie bei Speicher 1

Prinzipschema der Zuflüsse, Abflüsse und Durchflüsse bei Wasserkraftanlagen [nach 3.6]

60

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

3.3

Beurteilung von Wasserkraftanlagenprojekten

Die grundlegende Beurteilung eines Wasserkraftprojektes im Zusammenhang mit einem Neubau, einer Modernisierungs- oder einer Reaktivierungsmaßnahme sowie einer Wertermittlung stellt ein wesentliches, für die Projektrealisierung letztlich ausschlaggebendes Kriterium dar [3.2]. Dabei lässt sich die Realisierungswürdigkeit einer Wasserkraftanlage hauptsächlich auf die folgenden fünf Bearbeitungsstufen innerhalb eines Planungsprozesses ausrichten [3.7]: 1. Charakterisierung der Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerkes, dessen Konzeption und Betrieb durch seine hydrologischen und technischen Parameter bestimmt werden mit in der Wirtschaftlichkeitslehre herkömmlichen Berechnungsverfahren bzw. Kennwerten. 2. Vergleich verschiedener alternativer technischer Lösungen zur Ausnutzung des verfügbaren Wasserkraftpotenzials einer bestimmten Flussstrecke und Auswahl der wirtschaftlichsten Variante sowie Feststellung der Prioritäten im Rahmen der Vorstudie. 3. Erarbeitung eines wirtschaftlich optimalen Projektes, wobei die Projektgröße bzw. der Ausbaugrad und die Auswahl der hierfür in Frage kommenden Lösungen mit Hilfe einer ökonomischen Zielfunktion unter Beachtung der technischen, ökologischen und sozialen Randbedingungen zu ermitteln sind. Dieses Vorgehen bedeutet ein echtes Optimierungsverfahren. 4. Vergleich einer Wasserkraftanlage mit alternativen regenerativen Kraftwerken, die sich für eine vergleichbare Stromerzeugung anbieten könnten. 5. Analyse von Mehrzweckprojekten: Hier ist es erforderlich, zuerst eine gerechte Verteilung der Investitionsaufwendungen und Betriebskosten zwischen den verschiedenen Zielprojekten abzuschätzen bzw. die Zuordnung der die Energieerzeugung allein betreffenden Kostenanteile zu ermitteln. Um diese Themenkomplexe abarbeiten zu können, werden entsprechend den jeweiligen Anforderungen unterschiedliche Bewertungs- und Beurteilungsverfahren eingesetzt. Allen Verfahren liegt das als wirtschaftliches Handeln bezeichnete Bestreben zugrunde, die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel optimal im Sinne des Unternehmenszieles einzusetzen. So haben einerseits die rein betriebswirtschaftlichen Verfahren die Gewinnmaximierung bzw. Verlustminimierung aus der Sicht des Unternehmens bzw. Betreibers zum Ziel, während andererseits in die gesamtwirtschaftlichen Betrachtungen zusätzlich eine Reihe von gesamtgesellschaftlichen, d. h. gesamtwirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zielen einbezogen werden. Dabei stehen beide Ansätze keinesfalls im Gegensatz zueinander, sondern ergänzen einander im Informationsgehalt für den bzw. die Entscheidungsträger. Bei größeren bzw. in ihren Auswirkungen umfassenderen Vorhaben werden heute üblicherweise beide Ansätze in einem Gesamtverfahren verknüpft [3.2]: 1. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung werden zunächst die unternehmensinternen Gesichtspunkte in Form des Investitionsumfanges sowie dessen Auswirkungen auf Betriebsführung, Unterhaltung und Ertragsentwicklung beurteilt (s. Kapitel 3.3.1).

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

61

2. In erweiterten Nutzen-Kosten-Untersuchungen werden die gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Aspekte unter Einschluss der Umweltgesichtspunkte unterschiedlicher Ausprägung einbezogen (s. Kapitel 3.3.2). Die Ergebnisse derartiger Betrachtungen können dabei die im Rahmen eines Planungsprozesses eigentlich zu fällenden Entscheidungen selbst nicht vorwegnehmen. Sie stellen vielmehr eine Hilfe für denjenigen dar, der letztendlich die Entscheidung zu treffen und zu vertreten hat. Ihnen kommt allerdings die besondere Rolle zu, die Grundlage für eine sachgerechte, konstruktive Behandlung der anstehenden Thematik zu liefern und somit schlussendlich auch die notwendige Akzeptanz zu erreichen. 3.3.1

Betriebswirtschaftliche Betrachtung

Für die betriebswirtschaftliche, unternehmensbezogene Beurteilung von Projekten einschließlich deren Alternativen stehen eine Vielzahl von Verfahren zur Verfügung, die sich aus den Wirtschaftswissenschaften und der Systemtheorie entwickelt haben und unter dem Sammelbegriff der Nutzen-Kosten-Untersuchungen erfasst werden. Die Inhalte dieser Werkzeuge sind an zahlreichen Stellen ausführlich dargelegt, so dass auf weitere Ausführungen verzichtet wird (s. z. B. [3.2]/[3.8]/[3.9]). Die Kostenvergleichsrechnung (KVR) und deren erweiterte Form, die Erweiterte Kostenvergleichsrechnung (EKVR) bzw. Gewinnvergleichsrechnung, stellen die einfachsten Methoden dar. Grundgedanke dieser Verfahren ist die Minimierung des Arbeitsaufwandes, indem für den relativen Vergleich von Alternativlösungen die Zahl der einzubeziehenden Kosten- und Nutzenkomponenten auf diejenigen reduziert wird, die zwischen den Alternativen unterschiedlich sind. Eine reine KVR unterstellt somit a priori, dass die Erträge beider Lösungen gleich sind. Bei der erweiterten Betrachtung werden zusätzlich noch die Differenzleistungen zwischen unterschiedlichen Alternativen erfasst und monetär bewertet. Erst die auf beiden KVR-Verfahren aufbauenden umfassenderen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen gestatten einerseits eine Aussage über die absolute Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Ausführungsmöglichkeiten oder andererseits über die Relation der Varianten zueinander. Generell gibt ein derartiges Vorgehen dem Planer eine weitaus größere Sicherheit als die immer wieder verwendeten Überschlagsformeln oder Orientierungswerte, wie diese beispielsweise für die spezifische Investition in Abhängigkeit der Kraftwerksleistung existieren. Gerade bei Wasserkraftanlagen, bei denen nahezu jeder Standort Besonderheiten aufweist und daher eine einheitliche Herstellung „von der Stange“ - im Gegensatz zu z. B. Windkraftanlagen - im Grunde unmöglich ist, können derartige Richtwerte nur eine erste, sehr grobe Hilfe darstellen, die keine generellen Aussagen zulassen. 3.3.1.1 Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen Neben der technischen Machbarkeit müssen kostenintensive Vorhaben auch nach den Kriterien der Wirtschaftlichkeit untersucht werden. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bezieht sich dabei auf die finanzwirtschaftliche Beurteilung des Vorhabens. Hierbei wird zuerst die sogenannte Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt. Bei dieser werden alle auftretenden Zahlungsströme einschließlich ihrer

62

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

zeitlichen Abfolge ermittelt und beurteilt. Stellt man die Aufwendungen und Erträge entsprechend für den zu betrachtenden Zeitraum einander gegenüber, so ergibt sich prinzipiell der in Abb. 3.10 dargestellte Verlauf der Summenlinien. Verkaufserlös für Grundstück u. a.

€ Amortisationszeitpunkt

Aufwendungen

+

Abbruchkosten

SH

Standortaufgabe

?

Erträge

alternativ: Reinvestition + Weiterbetrieb

Grundstückserwerb Gesamtinvestition Bauzeit

Abb. 3.10:

Nutzungsdauer

Jahre

Schematischer Verlauf der Summenlinien der Aufwendungen und Erträge für ein Wasserkraftprojekt im zu betrachtenden Zeitraum [3.2]

Im darauf folgenden Schritt müssen die daraus resultierenden Ergebnisse, z. B. der Amortisationszeitpunkt, beurteilt werden. Über die spätere Realisierung einer Projektidee entscheidet letztendlich der gesunde und erfahrene Menschenverstand des Initiators, indem dieser sämtliche Untersuchungsergebnisse mit seinen persönlichen Zielen vergleicht und eine Entscheidung über das Projekt trifft. Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung sind die Genauigkeit und die Eintrittswahrscheinlichkeit der zugrunde gelegten Daten von entscheidender Bedeutung. Entsprechend kann in der frühen Projektierungsphase die Kosten- und Ertragsrechnung nur auf überschlägig ermittelten Schätzwerten des Investitionsumfanges und der Betriebskosten beruhen. Ein darauf aufbauender Vergleich von verschiedenen Ausführungsvarianten kann somit nur dann eine substanzielle Aussage evident liefern, wenn es sich um eine Gegenüberstellung in sich konsistenter Alternativen handelt. Es ist daher in Kenntnis dieser Zusammenhänge zielführend, die gesamte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung entsprechend dem Planungsfortschritt bzw. dem Betriebszeitpunkt beispielsweise nach dem nachfolgenden Schema zu strukturieren, permanent zu verfeinern und fortzuschreiben [3.2]/[3.8]: 1. Abschätzung der voraussichtlichen Projektkosten bzw. Investitionen. 2. Erkundung und Festlegung der Randbedingungen, z. B. Nutzungsdauer, Stromerträge, Zinssatz, Steuern etc. 3. Ermittlung und Gegenüberstellung der Kapitalwerte und Annuitäten aus den Investitionen und den laufenden Aufwendungen (Betriebsführung etc.). 4. Sensitivitätsanalyse unter Variation maßgebender wahrscheinlichkeitsbehafteter Berechnungsgrößen, durch die der Einfluss dieser einzelnen Größen auf das Ergebnis ermittelt werden kann.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

63

5. Gesamtbeurteilung und Ergebnisinterpretation entsprechend den individuellen Zielvorstellungen als eigentlicher Kern der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Als betriebswirtschaftliche Beurteilungsgrundlage spielt die Investitionsrechnung (Schritte 1-3) eine zentrale Rolle - und analog die Kosten-NutzenAnalyse als gesamtwirtschaftliche Betrachtung -, indem diese bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Entscheidungsgrundlagen liefert. Die Ergebnisse dieses als Entscheidungshilfe dienenden Werkzeugs müssen jedoch wegen der Unsicherheiten der prognostizierten Entwicklung und der Wertansätze sinnvollerweise durch Sensitivitätsuntersuchungen und Risikobetrachtungen vervollständigt werden, um dem Entscheidungsträger ein fundiertes Urteil zu ermöglichen. 3.3.1.2 Investitionsrechnung zur Untersuchung der Wirtschaftlichkeit Im Rahmen der Investitionsrechnung wird die finanzwirtschaftliche Betrachtung eines Projektes vorgenommen, um dessen absolute oder relative Vorteilhaftigkeit beurteilen und die Gefahr falscher Investitionsentscheidungen auf ein Minimum beschränken zu können. Als Aktivität der Kapitalverwendung bzw. des Kapitaleinsatzes sind Investitionen grundsätzlich mit Mittelflüssen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedene Richtungen verbunden, die in einem sogenannten Investitionsplan bzw. Zahlungskalender dargestellt werden (s. Abb. 3.10). Dieser mit Hilfe der Investitionsrechenverfahren ermittelte Plan der Mittelflüsse liefert schließlich die Antworten auf die dargelegten Fragestellungen. Ergänzt wird er durch die Betrachtung der wesentlichen Einflussgrößen im Rahmen einer sogenannten Sensitivitätsanalyse, um eventuelle Risiken erkennen zu können. Für die Investitionsrechnung stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung, die sich in die zwei Hauptgruppen der statischen und der dynamischen Verfahren unterteilen lassen. 3.3.1.3 Grundlagen der Zinsrechnung, Abschreibung und Annuität Bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen müssen unterschiedliche Zahlungen oftmals auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogen werden, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Dies wird durch die Aufzinsung (Akkumulierung) einer früheren Zahlung oder Abzinsung (Diskontierung) einer späteren Zahlung relativ zum Bezugszeitpunkt erreicht (s. Abb. 3.11a). Wird eine einmalige Zahlung Z auf einen späteren Zeitpunkt in n Jahren bezogen, so erhält man deren End- oder Barwert W zu diesem späteren Bezugszeitpunkt wie folgt: W = Z ⋅ q n = Z ⋅ (1 + i )

n

[€]

(3.3a)

und für eine kontinuierliche Zahlungsreihe z mit n gleichen Geldbeträgen gilt:

(1 + i ) − 1 qn − 1 qn − 1 qn − 1 = z⋅ = z⋅ = z⋅ q −1 p 100 i i ( ) n

W = z ⋅ aa = z ⋅

[€]

(3.3b)

64

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Für eine einmalige spätere Zahlung, die meist auf den Gegenwartswert bezogen wird, ergibt sich der Barwert zu diesem früheren Bezugszeitpunkt zu: W = Z ⋅ q −n = Z ⋅ (1 + i )

−n

=Z⋅

1

(1 + i )

[€]

n

(3.4a)

und für eine gleichförmige Zahlungsreihe zu:

(1 + i ) − 1 [€] qn − 1 qn − 1 = z⋅ n = z⋅ n n q ⋅ ( q − 1) q ⋅i (1 + i ) ⋅ i n

W = z ⋅ ad = z ⋅ W Z z q p i n aa ad

End- oder Barwert einmalige Zahlung gleiche Zahlungen einer Zeitreihe Zinsfaktor: q = 1 + p/100 = 1 + i Zinsfuß kalkulatorischer Zinssatz: i = p/100 (s. a. Kapitel 3.3.1.5) Zahlungszeitpunkt bzw. Beginn der Zahlungsreihe Akkumulierungsfaktor/Akkumulations-/Endwertfaktor Diskontierungs-/Barwert-/Rentenbarwertfaktor

Z z

(3.4b)

Diskontierung

Akkumulierung z

-n -n-1 a

z

z

. . .

Abb. 3.11:

z -2

z

z

z

-1 1 2 Bezugszeitpunkt X

z . . .

Z z

z

[€] [€] [€] [-] [%] [-] [a] [-] [-]

Steigerungsrate r z

n-1 n [a]

z

z

z

z

1 2 . . . b Bezugszeitpunkt X

z

z

n-1 n [a]

Zinsrechnung: a) Akkumulierung und Diskontierung von einmaligen Zahlungen Z bzw. gleichmäßigen Zahlungsreihen z; b) progressiv ansteigende Zahlungsreihe z mit Steigerungsrate r

In der Regel müssen bei Zahlungsreihen Preissteigerungsraten r berücksichtigt werden, die aus den jährlichen realen Preisveränderungen folgen (s. Abb. 3.11b), sofern nicht mit inflationsbereinigten Werten gearbeitet wird. Der Barwert W einer auf einen früheren Bezugszeitpunkt bezogenen, progressiv ansteigenden Zahlungsreihe mit konstanter Preissteigerungsrate r beträgt dann:

(1 + i ) − (1 + r ) qn − sn = z ⋅ (1 + r ) ⋅ n n q ⋅ (q − s) (1 + i ) ⋅ ( i − r ) n

W = z ⋅ ads = z ⋅ s ⋅ ads s r

Diskontierungsfakor mit Steigerungsrate Preissteigerungsfaktor: s = 1 + r Preissteigerungsrate bzw. Inflationsrate

n

[€]

(3.4c) [-] [-] [-]

Da bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen häufig zu hohe Preissteigerungsraten verwendet werden, ist es empfehlenswert, in einem ersten Schritt die Betrachtungen ohne oder mit einer geringen Preissteigerungsrate vorzunehmen. Bei wasserkraftspezifischen, einen verhältnismäßig langen Zeitraum umfassenden Betrachtungen ist es üblich, eine Preissteigerungsrate von maximal 3 % pro Jahr anzusetzen und sich damit am mehrjährigen Durchschnitt des realen Wirtschaftswachstums zu orientieren. Häufig wird bereits ein Prognosewert von 1 bis 2 % ins-

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

65

besondere bei den laufenden Aufwendungen bzw. Bewirtschaftungskosten eine realistische Annahme darstellen [3.2]. Vielfach werden die finanzmathematischen Umrechnungsfaktoren auch in Tabellen für unterschiedliche Zinssätze angegeben, so z. B. von der LAWA [3.8]. In einigen Fällen ist es auch zweckmäßig, einzelne Aufwendungen bzw. die Differenz zwischen Ein- und Auszahlungen in eine Reihe gleichmäßiger Zahlungen umzurechnen. Diese Zahlungen werden auch als Annuität bezeichnet. Im Falle einer Schuldentilgung setzt sich diese aus dem Zins auf das geschuldete Kapital und der Tilgung zusammen. Bei einer Investitionsrechnung wird die Annuität kalkulatorisch auf die Verzinsung des investierten Kapitals und die Abschreibung bezogen. Diese Vorgehensweise und die zugehörende Ergebnisinterpretation ist Inhalt der sogenannten Annuitätenmethode (s. Kapitel 3.3.1.5). Für den einfachsten Fall ermittelt sich die konstante Annuität A einer Investition I über n Jahre ohne Restwert R am Ende des Betrachtungszeitraumes zu:

( 1 + i ) ⋅ i I q n ⋅ ( q − 1) I a I = ⋅ = ⋅ = n qn − 1 (1 + i ) − 1 n

A = Zins + Abschreibung = I ⋅ A I a

Annuität mit konstantem Verlauf Investition Annuitäten-/Kapitalwiedergewinnungs-/Kapitaltilgungsfaktor: a = 1/ad

a d [€] (3.5) [€] [€] [-]

Für den Tilgungszeitraum wird normalerweise der Abschreibungszeitraum TA angesetzt, so dass n = TA gilt (s. Kapitel 3.3.1.6). 3.3.1.4 Statische Verfahren der Investitionsrechnung Statische Berechnungsverfahren gehen von Kosten-, Gewinn- und Rentabilitätsvergleichen aus (Kostenvergleichs-, Gewinnvergleichs-, Rentabilitäts-, Amortisationsrechnung etc.) und berücksichtigen den Zeitfaktor nicht oder nur sehr eingeschränkt. Die dadurch entstehenden Fehleinschätzungen werden um so größer, je langlebiger die Investition angelegt und je höher der Zinssatz sind. Dementsprechend sind sie für die Betrachtung von Wasserkraftanlagenprojekten nur wenig geeignet [3.2]. 3.3.1.5 Dynamische Verfahren der Investitionsrechnung Die dynamischen Verfahren berücksichtigen den Zeitfaktor, indem die unterschiedlichen Zahlungen (Einnahmen/Ausgaben bzw. Nutzen/Kosten) auf einen Bezugszeitpunkt entsprechend auf- oder abgezinst werden und so der komplette Betrachtungszeitraum korrekt Eingang findet. Da diese Verfahren langfristige Annahmen - in der Regel mehr als fünf Jahre - bzw. detailliertere Angaben erfordern, stellen sie bei Wasserkraftanlagenprojekten ein geeignetes Beurteilungsinstrument dar. Kapitalwertmethode Bei der Kapitalwertmethode werden die im Zeitablauf nach Größe, Zeitpunkt und Dauer verschiedenen Ein- und Auszahlungen erfasst, wobei die Vergleichbarkeit durch die Auf- bzw. Abzinsung aller Zahlungen auf einen gleichen Bezugszeitpunkt erreicht wird. Üblicherweise werden alle Nutzen und Kosten auf den Anfang des Jahres bezogen, an dem der Betrieb der Wasserkraftanlage aufgenommen wird.

66

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

In diesem Sinne nimmt der Kapital-, Bar- bzw. Gegenwartswert WG der Investition die folgende Form an: T

WG =−I +

¦ (N − K )⋅q t

t

−t

+ R ⋅ q −T

[€]

(3.6)

t=1

Bei diesem Kennwert stellt die Investition I den Wert aller Ausgaben der Vorbereitung, der Planung, des Baues und der Ausrüstung sowie aller sonstiger Kosten dar, die bis zur Inbetriebnahme entstehen können, und zwar aufgezinst (akkumuliert) auf den Jahresbeginn der Inbetriebnahme: n

I=

¦I

K

⋅ qK

[€]

(3.7)

K=1

WG IK Nt Kt T t R

Kapital- bzw. Gegenwartswert Teilinvestition im Jahr K Nutzen (Einkommen) im t-ten Jahr, auf Jahresende bezogen Kosten (Ausgaben) im t-ten Jahr, auf Jahresende bezogen kalkulatorische Lebenszeit s. Tabellen 3.1/3.2 zeitliche Laufvariable: t = 1, 2, ..., T Restwert der Anlage am Abschreibungsende

[€] [€] [€] [€] [a] [a] [€]

Der hierbei zu verwendende kalkulatorische Zinssatz i spiegelt dabei die von einem potenziellen Investor zu erzielende Rendite wider. Hierbei wird häufig je nach Ansatz zwischen folgenden Zinssätzen unterschieden: - Nominaler Zinssatz (nominal rate of return): Dieser Zinssatz berücksichtigt die durchschnittliche jährliche Inflationsrate sowie einen eventuellen Risikozuschlag je nach Art und Standort der Investition. Er orientiert sich meist am Kapitalmarkt, wie v. a. an der effektiven Verzinsung festverzinslicher Wertpapiere bzw. Schuldverschreibungen mit langer Laufzeit von mindestens 10 Jahren und damit geringem Risiko, die i. d. R. zwischen 4,5 % und 6,5 % beträgt. - Realer Zinssatz (real rate of return): Da für längerfristige Investitionen eine Prognose der Inflationsraten normalerweise nicht möglich ist, wird in derartigen Fällen mit diesem inflationsbereinigten Zinssatz gerechnet. Der Zusammenhang ergibt sich dann wie folgt: qn = qr ⋅ s ⇔ ( 1 + in ) = ( 1 + ir ) ⋅ ( 1 + r ) [-]

(3.8a)

in = ir + r ⋅ ( 1 + ir ) [-]

(3.8b)

ir = ( 1 + in ) ( 1 + r ) − 1 [-]

(3.8c)

qn qr in ir

nominaler Zinsfaktor: qn = 1 + in realer Zinsfaktor: qn = 1 + ir nominaler Zinssatz realer Zinssatz

[-] [-] [-] [-]

So ergibt sich beispielsweise bei einem nominellen Zinssatz in von 9 % und einer allgemeinen Preissteigerungsrate bzw. Inflationsrate r von 2 % ein realer Zinssatz ir von 6,86 %.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

67

-

Kalkulationszinssatz: Der bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen tatsächlich anzusetzende Zinssatz muss neben entsprechenden Zuschlägen für Risiko und Inflation darüber hinaus noch die Ertragssteuern sowie die Finanzierungsverhältnisse, d. h. das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital am Gesamtkapital berücksichtigen. Dabei ist der Fremdkapitalanteil bzw. der aus dem hierfür notwendigen Kapitaldienst bzw. der Annuität resultierende Fremdkapitalzinsfuß prozentual entsprechend voll anzusetzen; ähnliches gilt für die Verzinsung des Eigenkapitalanteiles. Dieser Kalkulationszinssatz (weighted average cost of capital, WACC) wird üblicherweise vereinfachend über die gesamte Laufzeit als konstant angenommen. Für eine erste Abschätzung wird häufig von einem Kalkulationszinsfuß in Höhe von 6 % ausgegangen [3.2]. Weiter wird in die Gleichung der sogenannte Restwert R der Anlage - natürlich auf das Jahr der Inbetriebnahme abgezinst (diskontiert) - einbezogen, da am Ende der Abschreibungszeit noch verkaufbare Werte verbleiben; oft wird dieser Restwert auch außer acht gelassen. Eine Investition ist dann vorteilhaft, wenn deren Kapitalwert WG positiv ist; bei einem Variantenvergleich wird diejenige mit dem höchsten Kapitalwert den Vorzug erhalten. So kann beispielsweise eine Variante mit höherer Investition durch den garantierten besseren Anlagenwirkungsgrad langfristig einen besseren Nutzen bringen. Methode des internen Zinsfußes Unter dem internen Zinsfuß p0 wird der Zinsfuß verstanden, bei dem der oben definierte Kapital- bzw. Gegenwartswert der Investition gleich null ist: WG = 0

[-]

(3.9)

Das Wirtschaftlichkeitskriterium besteht bei diesem Verfahren darin, dass der berechnete interne Zinsfuß p0 gleich oder größer als der übliche bzw. größer als der für die jeweilige Investition voraussetzbare Kalkulationszinsfuß p sein muss. Annuitätsmethode Bei diesem Verfahren, das auf der Kapitalwertmethode aufbaut, werden die durchschnittlichen jährlichen Auszahlungen (Nutzen) der Investition mit den durchschnittlichen jährlichen Einzahlungen (Kosten) verglichen, indem die beiden Zahlungsreihen mit Hilfe der Zinseszinsrechnung in zwei äquivalente Reihen mit gleich bleibenden Jahresbeträgen umgerechnet werden (Nt = N = const. und Kt = K = const.). Unterliegen die Jahresbeträge Schwankungen, so müssen zunächst deren Gegenwartswerte durch Abzinsung ermittelt und anschließend die Summe der Gegenwartswerte aufgezinst, also in gleich bleibende Jahresbeträge umgewandelt werden. Dies bedeutet, dass man die Annuität einer Investition AI, d. h. die jährlichen Einzahlungsüberschüsse, aus der Multiplikation des Kapitalwertes WG aus (3.6) mit dem Kapitalwiedergewinnungsfaktor a aus (3.5) erhält: q n ⋅ ( q − 1) (1 + i ) ⋅ i 1 AI = WG ⋅ a = WG ⋅ = WG ⋅ = WG ⋅ n n ad q −1 (1 + i ) − 1 n

[€]

(3.10)

68

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Dabei fließen über den Kapitalwert WG aus (3.6) neben der eigentlichen Anfangsinvestition auch gegebenenfalls die während der Nutzungsdauer anfallenden Nutzen und Kosten sowie ein möglicher Restwert zeitlich korrekt mit ein. Ist die Annuität positiv, so ist die Einzelinvestition vorteilhaft. Sind mehrere Varianten zu vergleichen, so ist diejenige vorzuziehen, die die höchste Annuität erzielt. 3.3.1.6

Besondere Kenngrößen bei Wasserkraftanlagen

Nutzen-Kosten-Verhältnis Das Nutzen-Kosten-Verhältnis R ist ein Kennwert, der die Relation der Nutzen zu den Kosten verdeutlicht. Mit den bisherigen Bezeichnungen wird das Verhältnis R für die ganze kalkulatorische Lebenszeit der Anlage - wiederum auf Betriebsbeginn bezogen - bei Vernachlässigung des Restwertes definiert zu: § R = ¨¨ ©

T

¦ t =1

Nt

· t ¸ q ¸¹

§ ¨¨ ©

·

T

¦ K q ¸¸¹ t

[-]

t

(3.11a)

t =1

Dieses kann bei der Annahme, dass für jedes Jahr Nt = N = const. und Kt = K = const. bleiben, auch folgendermaßen geschrieben werden:

R= R

N N N = = a ⋅ I + K B ( 1 ad ) ⋅ I + K B K J

[-]

Nutzen-Kosten-Verhältnis

(3.11b) [-]

Bei einem Vergleich der zuvor eingeführten Verfahren mit diesem Kennwert wird offensichtlich, dass der Grenzfall R = 1 den internen Zinsfuß darstellt bzw. also WG = 0 ist oder den Nullgewinn G = 0, der sich als Differenz der jährlichen Einnahmen N und Ausgaben KJ ergibt zu: G = N - (a ⋅ I + K) = N − K J G KJ

[€/Jahr]

jährlicher Nettogewinn Jahreskosten/-ausgaben

(3.12a) [€/Jahr] [€/Jahr]

und der unter normalen Umständen positiv sein sollte. Damit folgt für die Rentabilität eines Projektes: R > 1 [-] Es ist auch üblich, die Kosten weiter zu differenzieren (s. unten): K B = KU + K N KB KU KN

(3.11c)

[€]

laufende Betriebskosten der Wasserkraftanlage laufende Unterhaltungskosten Produktionsnebenkosten (Steuer, Verwaltung etc.)

(3.12b) [€] [€] [€]

In diesem Fall werden im Zähler des Nutzen-Kosten-Verhältnisses die Nettonutzen eingesetzt, und im Nenner erscheinen nur die laufenden anfallenden Betriebskosten, also die Unterhaltskosten KU: R = ( N − K N ) ( a ⋅ I + KU ) [-]

(3.11d)

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

69

Die Aufteilung der Kosten kann aber sehr willkürlich erfolgen, man kann also den Kennwert R und damit die Rentabilität in einem gewissen Maß „frisieren“. Es ist leicht einzusehen, dass der Kennwert R desto günstiger ausfällt, je größer der Anteil der Jahreskosten ist, der als Produktionsnebenkosten abgetrennt wird. Dadurch wird deutlich, dass eine gewisse Unsicherheit bei der Beurteilung der Rentabilität auf der Basis eines Nutzen-Kosten-Verhältnisses besteht. Dieser Kennwert kann dann zuverlässig angewendet werden, wenn man beispielsweise Projektalternativen desselben Projekttyps vergleicht, um bei der Vorplanung die Prioritäten schnell feststellen zu können. Spezifische Energieerzeugungskosten Die Ermittlung der spezifischen Energieerzeugungs- bzw. Stromgestehungskosten, d. h. der Kosten zur Erzeugung einer kWh-Energieeinheit, ist ein wichtiges aussagekräftiges Verfahren. Von diesem kann dann Gebrauch gemacht werden, wenn die wirtschaftliche Bedeutung des Wasserkraftprojektes mit den Daten eines durchschnittlichen oder charakteristischen Jahres gekennzeichnet werden kann (s. Kapitel 3.2.2 und Abb. 3.6). Die spezifischen Energieerzeugungskosten c, die naheliegenderweise möglichst gering sein sollten, sind das Verhältnis der Jahreskosten KJ zur jährlichen Energieerzeugung Ea (s. Kapitel 2.1.3) und ergeben sich zu: c = K J Ea c Ea

[€/kWh]

spezifische Energieerzeugungskosten Jahresarbeitsvermögen/jährliche Energieerzeugung

(3.13) [€/kWh] [kWh]

Spezifische Investition Ein weiterer, in der Praxis oft benutzter Kennwert zum Vergleich verschiedener alternativer Lösungen eines bestimmten Kraftwerktyps ist die spezifische Investition I0, d. h. das Verhältnis der Investition zur Ausbauleistung (s. Kapitel 3.2.2 und Abb. 3.6): I0 = I P [€/kW] I0

spezifische Investition

(3.14) [€/kW]

Mit diesem Kennwert muss man allerdings sehr vorsichtig umgehen, weil selbstverständlich zu einer bestimmten Leistung sehr unterschiedliche Größen der Energieerzeugung gehören können. Deshalb kann die spezifische Investition nur dann als eine echte charakteristische Kenngröße betrachtet werden, wenn die verglichenen Alternativen keine sehr unterschiedliche Nutzungsdauer aufweisen. Für Pumpspeicherkraftwerke (s. a. Abschnitt 3.3.1.7), bei denen die Rahmenbedingungen sehr ähnlich sind, wurde die Gleichung (3.14) zu einer empirischen Formel weiterentwickelt [3.10], durch die ein verhältnismäßig guter Kostenvergleich im Vorplanungsstadium ermöglicht wird.

70

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Optimaler Ausbaugrad einer Wasserkraftanlage Eine grobe Abschätzung bei der Vorplanung kann gewährleistet werden, wenn es möglich ist, mit einer befriedigenden Zuverlässigkeit die Jahreskosten KJ in Abhängigkeit des Ausbaudurchflusses Qa bzw. des Ausbaugrades fa (s. Kapitel 3.2.3) mit einer linearen Gleichung zu simulieren: K J ( Qa ) = m ⋅ Qa + b [€/Jahr]

(3.15)

Wenn es weiters möglich ist, mit einer gewissen Annäherung die Jahresenergieerzeugung durch eine Funktion des Ausbaugrades Ea(Qa) (s. Kapitel 2.1.3) zu formulieren, kann der Minimalwert der dann von Qa abhängigen spezifischen Energieerzeugungskosten c(Qa) mit einem einfachen grafischen Verfahren ermittelt werden, durch das man einen Orientierungswert für den optimalen Ausbaugrad erhält. Rechnerisch erhält man dieses Minimum, indem man die spezifischen Energieerzeugungskosten c(Qa) nach Qa ableitet und diese Gleichung gleich Null setzt. Daraus folgt: Ea′ ( Qa ) =

K J′ ( Qa ) ⋅ Ea ( Qa ) K J ( Qa )

=

m ⋅ Ea ( Qa ) b + m ⋅ Qa

=

Ea ( Qa ) b m + Qa

(3.16)

Für das grafische Verfahren trägt man die Gerade KJ(Qa) nach (3.15), die jährliche Energieerzeugung Ea(Qa) und die daraus folgenden spezifischen Energieerzeugungskosten c(Qa) nach (3.13) in Abhängigkeit von Qa in einem Diagramm auf (s. Abb. 3.12). Hieraus wird ersichtlich, dass die Geradensteigung m = tan α einen bestimmten Wert x1 = b/tan α auf der Qa-Achse festlegt. Die aus Punkt P1 zur Ea(Qa)-Kurve gezogene Tangente identifiziert die Stelle P2, durch die sich ein Orientierungswert für den optimalen Ausbaudurchfluss Qa,opt und damit den optimalen Ausbaugrad ergibt. Der letztlich gültige Ausbaugrad kann jedoch so festgelegt werden, dass die spezifischen Energieerzeugungskosten für das Verbundnetz preislich noch akzeptabel sind.

Ea/KJ/c

jährliche Energieerzeugung Ea(Qa) Jahreskosten KJ(Qa)

P2

a P1 x1

Abb. 3.12:

spez. Energieerzeugungskosten c(Qa) b

cmin Qa,opt

Qa

Grafisches Verfahren zur Ermittlung eines Orientierungswertes für den optimalen Ausbaugrad

Planungszeitraum, kalkulatorische Lebenszeit und Nutzungsdauer Bei Wasserkraftanlagenprojekten ist der Planungs- oder Betrachtungszeitraum TN bei einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nur selten mit der tatsächlichen technischen Lebens- bzw. Nutzungsdauer TL einer Anlage oder deren einzelner Komponenten (s. Tabellen 3.1/3.2) identisch. Gerade bei diesen Projekten zeigt die Erfahrung, dass die Nutzungsdauer einer Vielzahl von einzelnen Komponenten meistens bedeutend länger als die für das Projekt gewählte Abschreibungszeit ist und darüber hinaus bei Vergleichen große Spielräume zutage treten.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

71

Da die korrekte Berücksichtigung der zeitlichen Differenzen aller Einzelkomponenten und Teilaspekte sehr kompliziert und umfangreich ist, wird bei den meisten Investitionsrechnungen in der Praxis dieser Punkt vereinfacht. Dies geschieht in der Weise, dass für den Zeitraum TN der meist kürzere Tilgungs- bzw. Abschreibungszeitraum TA anstatt der tatsächlichen Lebensdauer TL angesetzt wird, so dass TN = TA gilt. Dies ist vor allem dann zulässig, wenn der Betrachtungszeitraum bei unterschiedlichen Varianten gleich ist und annähernd übereinstimmende Komponenten mit analogen Lebensdauern eingesetzt werden können [3.2]. Verfügbarkeit Zur vergleichenden Beurteilung der wirtschaftlichen Güte verschiedener Typen von Energieerzeugungsanlagen wird die Verfügbarkeit bzw. sogenannte „Nichtverfügbarkeit“ aus langjährigen Erhebungen ausgewertet (s. a. Kapitel 1.7.3). Das Maß der „Nichtverfügbarkeit“ hängt von unterschiedlichen unerwarteten Ereignissen (Ausfall von Maschinen, katastrophale Hochwasser, Netzzusammenbruch etc.) und von Reparatur- und Revisionsarbeiten ab, die die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen bzw. die Energieabgabe des Kraftwerkes vermindern. Bei Wasserkraftanlagen wird die Verfügbarkeit auf diejenigen Energieausfälle bezogen, die dann entstehen, wenn nutzbare Zuflüsse vorhanden sind, aber nicht verarbeitet werden können. Nach einer Studie von WAGNER [3.11] beläuft sich die sog. „Arbeits-Nichtverfügbarkeit“ bei deutschen Laufwasserkraftwerken auf etwa 1 %, womit diese im Vergleich mit anderen Ländern sehr gut abschneiden. Tabelle 3.1: Durchschnittliche Nutzungsdauer TL von allgemeinen Anlagenteilen bei Wasserkraftanlagen incl. Kleinwasserkraftanlagen [nach 3.8] Art der Anlage

durchschnittliche Nutzungsdauer TL [a] Flussbauliche Anlagen: Deiche 80-100 Uferdeckwerke: regulierte + staugeregelte Flüsse 50 Kanäle aus Steinpackungen etc. (30-) 40 Uferwände: aus Stahlbeton, Beton 90 Stahl (60-) 90 Lebendverbau 30-40 Regelungsbauwerke (Grund-, Sohlenschwellen ...) 50 Talsperren: Absperrbauwerke einschl. Betriebseinrichtungen aus Beton 80-100 Stahlwasserbaukonstruktionen einschl. Antriebe 30-40 Kranbahnen, -antriebe, Geländer, Lichtanlagen etc. 30-40 Wehre: tiefbaulicher Teil: aus Beton, Mauerwerk, Stein 90 aus Stahl (60-) 90 bewegliche Teile einschl. Antriebe 40-70 Entnahmebauwerke: aus Beton, Mauerwerk 80 aus Baustahl 60 Betriebseinrichtungen: Rechen 20 Rechengerüst 40 Einlaufschütze aus Stahl/Holz 35/15 Verschlussorgan 25 Schützantrieb im Freien/geschützt 15/30 Gebäude 50-80 Messeinrichtungen: Pegelanlagen 25

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Tabelle 3.2: Durchschnittliche Nutzungsdauer TL von Anlagenteilen bei Wasserkraftanlagen (Kleinwasserkraftanlagen nur eingeschränkt) [nach 3.8] Art der Anlage Künstliche Gerinne: Erd- und Felsarbeiten Stollenauskleidung Gerinne: Beton und Stahlbeton

Wasserschlösser: Grundstücke Wirtschaftswege:

- mildes Klima - raues Klima

Stahl Holz, imprägniert Leitungsrohre: aus Stahl aus Stahlbeton Druckrohrleitungen in Fels aus Stahl

ohne Bindemittel Zementbeton/Betonsteine Asphalt Kleinkraftanlagen: bauliche Anlagenteile maschinelle Anlagenteile elektrische Anlagenteile kurzlebige Geräte und Güter Masch. Ausrüstung: Turbinen einschließlich Hausturbinen, Pumpen Absperrorgane: Schütze, Schieber Drosselklappen, Kugelschieber Hebezeuge und Hilfsbetriebe sonstige mechanische Krafthausausrüstung Bauliche Anlagen: Krafthaus: Tiefbau Hochbau der Witterung ausgesetzte Stahlkonstruktionen Druckleitungen, Panzerungen, Verteilleitungen Elekt. Ausrüstung: Generatoren, Transformatoren (ohne Wicklungen) Generator- und Transformatorwicklungen Erreger (Motorbetrieb) Hochspannungsausrüstung inkl. Schaltanlagen Eigenbedarfs- und Notstromanlagen Batterieanlagen Freiluftanlagen: Baulichkeiten Ausrüstung Hochspannungsanlagen und -kabel

durchschnittliche Nutzungsdauer TL [a] 100 50 50-75 20-30 25-35 30 50 (40-) 50 50 80-100 50 unbegrenzt (2-) 5 20-30 (8-) 15 50-60 33-40 25-30 10 30-60 40-60 30-50 25-40 30-50 80-100 50-80 30-40 40-60 30-50 30 30 25-40 25-40 20-30 40-50 25-30 40-50

Jährliche Aufwendungen für Betrieb und Unterhalt Für die Ermittlung der jährlichen Aufwendungen einer Wasserkraftanlage ist es notwendig, die jährlich anfallenden Beträge infolge des Betriebes und der aus den Anlagekosten resultierenden Belastungen zu ermitteln. Hierbei unterscheidet man vor allem [3.2]: - Bewirtschaftungskosten zur Betriebsführung: - Materialaufwendungen: für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (z. B. Schmieröl etc.), die bei Wasserkraftanlagen meist verhältnismäßig gering sind;

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

73

-

Personalaufwand, für den Betrieb und die Überwachung der Anlage sowie für die Verwaltungsaufwendungen; - Sonstiger betrieblicher Aufwand, worunter sämtliche regelmäßige Aufwendungen gezählt werden, die für den ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb erforderlich sind, wie beispielsweise Instandhaltungskosten (s. Tabelle 3.3), Rechengutbeseitigung, Versicherungskosten, sonst. Abgaben etc. - Kapitalkosten und Abschreibung; - Wasserzins bzw. Wassernutzungsentgelt, dessen Erhebung und Umfang lokal unterschiedlich gehandhabt wird. Überschlägig kann man die jährlichen Aufwendungen für Betrieb und Unterhalt ohne Personalkosten zu ca. 3,0-5 % des Investitionsvolumens ansetzen, wobei diese noch unterteilt werden können in 0,5-1,5 % des auf die Baukosten bezogenen Investitionsanteiles und in 2,5-3,5 % des auf die elektro-maschinelle Ausrüstung entfallenden Anteiles. Dabei sind bei unterhaltungsintensiveren Anlagen höhere Ansätze zu wählen als bei einfachen, wartungsärmeren Anlagen. Auch nimmt mit der Anlagengröße i. d. R. der prozentuale Anteil ab. In Abhängigkeit des Anlagenautomatisierungsgrades sowie der Kapitaltilgung erhält man somit bei mitteleuropäischen Personalkostenansätzen einen Gesamtansatz für die jährlichen Aufwendungen von 11-14 % des Investitionsvolumens. Alternativ kann auch ein Ansatz zur Abschätzung der jährlichen Aufwendungen für Betrieb und Unterhalt ohne Personalaufwand über die jährlichen Erträge gewählt werden, wobei dann in einem ersten Schritt vereinfachend 15-20 %/a der jährlichen Erträge angesetzt werden kann. Tabelle 3.3: Richtwerte für Unterhaltungs- und Erneuerungskosten, bezogen auf die getätigte Teilinvestition für Anlagen bis ca. 10 MW in Mitteleuropa [nach 3.12] Anlagenkomponenten Unterhaltung [%] Erneuerung [%] Staumauern, Dämme, Stollen, Wasserschloss, Druck0,1 0,7 schacht, Ausgleichsbecken, Kanäle Wehre, Einlaufbauwerke, Druckrohrleitung 1,2-1,6 1,2-1,8 Gebäude und Nebenanlagen 0,4-0,6 1,5-2,0 mechanische und elektrotechnische Einrichtungen 3,0-6,0 2,5-3,0

Jährliche Erträge

Allgmeines Die jährlichen Erträge einer Wasserkraftanlage bestehen überwiegend aus den Rückflüssen infolge des Stromverkaufs an das vorgelagerte EVU bzw. den Netzbetreiber. Dabei wird die Höhe des entsprechenden Vergütungssatzes zum einen durch die installierte elektrische Leistung und zum anderen von der Art der Vermarktung bestimmt. Bei der Ermittlung der Vergütung für die Stromeinspeisung gilt es, zunächst die installierte Anlagenleistung zu betrachten, die derzeit für die Höhe der Stromvergütung ausschlaggebend ist. Die effektive Vergütungshöhe pro Jahr ergibt sich schließlich aus der Multiplikation des Vergütungssatzes mit der Jahresenergieerzeugung.

74

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und alternative Vergütungsformen Seit Inkrafttreten des Stromeinspeisungsgesetzes im Jahr 1991 und dessen Folgegesetzes, des 2000 in Kraft getretenen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie dessen Novellen in den Jahren 2004 und 2009, wird ein Großteil der in Wasserkraftanlagen erzeugten Energie mit einem gesetzlich zugesicherten, z. T. deutlich über den möglichen Markterlösen liegenden Preis vergütet. Dabei ist die jeweilige Vergütungshöhe je kWh von der installierten Generatorleistung abhängig, wobei in den Genuss alle Anlagen bis 5 MW installierter Leistung kommen. Entscheidend ist des Weiteren, wann die jeweilige Anlage in Betrieb genommen oder modernisiert wurde und die anderweitigen Voraussetzungen, d. h. insbesondere die damit verknüpfte „wesentliche Verbesserung des ökologischen Zustandes“ in Anlehnung an die Begrifflichkeiten der EG-Wasserrahmenrichtlinie bzw. des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) (s. Kapitel 3.4.2) erfüllt werden. Zur Verdeutlichung der zwischenzeitlich sehr komplexen Verhältnisse ist in Abb. 3.13 das Zusammenspiel der mittlerweile drei „EEG-Varianten“ für den Leistungsanteil von 0 bis 0,5 MW sowohl für Bestands- als auch Neuanlagen dargestellt. Bis zum 31.07.2004 in Betrieb genommen?

Zwischen 01.08.2004 und 31.12.2007 in Betrieb genommen?

nein

ja

ja

nein

Zwischen 01.01.2008 und 31.12.2008 in Betrieb genommen? ja

nein

ja

Ab 01.01.2009 in Betrieb genommen? ja ja

0,0767 €/kWh für unbegrenzte Zeit (EEG 2000)

Modernisierung nach dem 31.07.2004 aber vor dem 31.12.2008? ja

ja

Abb. 3.13:

Modernisierung nach dem 31.12.2008?

nein

Erfüllung von Standortkriterien?

ja

Erfüllung gewässerökologischer nein Anforderungen?

0,0967 €/kWh für 30 Jahre (EEG 2004)

nein

Erfüllung gewässerökologischer Anforderungen?

ja Erfüllung gewässerökologischer Anforderungen?

nein

0,0967 €/kWh für 30 Jahre (EEG 2004)

0,0967 €/kWh für 30 Jahre (EEG 2004)

Erfüllung von Standortkriterien?

nein

ja nein

ja

ja 0,1167 €/kWh für 20 Jahre (EEG 2009)

nein

Erfüllung gewässerökologischer Anforderungen?

nein

ja

WholesaleVergütung

0,1267 €/kWh für 20 Jahre (EEG 2009)

WholesaleVergütung

Vergütung von Wasserkraftanlagen bis 0,5 MW gemäß der verschiedenen EEG-Fassungen [3.13]

Hierbei ist zu beachten, dass auch die Vergütung von Anlagen, die zwischen dem 01.08.2004 und 31.12.2007 in Betrieb genommen worden sind, an die Erfüllung gewässerökologischer Anforderungen gebunden ist. Diese resultieren jedoch nicht explizit aus dem EEG, sondern sind - wie auch in allen anderen Fällen - Bestandteil des (vorgeschalteten) Verfahrens zur Erlangung einer wasserrechtlichen Gestattung. Seit 2004 wurde mit der Einbeziehung der Wasserkraft mit einer Leistung über 5 MW - übrigens eine willkürlich gezogene Grenze - im Rahmen der damaligen EEG-Novelle ein wichtiger Schritt hin zur Gleichbehandlung im Sektor der erneuerbaren Energien getan. Gleichzeitig wurden aber zahlreiche einschränkende Bedingungen insbesondere für größere Anlagen formuliert. Bei allen weiteren Anlagen, die nicht unter das EEG fallen, ist die Vergütungshöhe den Kräften des freien Marktes unterworfen und muss entsprechend ausgehandelt werden, wobei meist nur geringere Vergütungssätze als diejenigen des

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

75

EEG erlangt werden können. Alternativ bietet sich hierbei die zusätzliche Vermarktung dieses regenerativ erzeugten Stromes über Herkunftszertifikate, auch als „Label“ bezeichnet, an, die eine zunehmend wichtigere Rolle einnehmen kann (s. a. Kapitel 1.7.4.1). 3.3.1.7 Wirtschaftlichkeitsaspekte bei Pumpspeicherkraftwerken Der direkte Nutzen von Pumpspeicherkraftwerken besteht vor allem darin, dass im Normalfall der Preis zur Einspeisung der erzeugten Spitzenenergie weitaus höher liegt als der Preis, zu dem sie den Strom zu Zeiten niedriger Netzbelastung von den Grundlastkraftwerken beziehen (s. Kapitel 3.2.2). Die Rentabilität dieser Anlagen ist dann gegeben, wenn die Kosten für die jährlich angekaufte Energiemenge unter dem Erlös der verkauften Energie liegen. Die Menge der abgegebenen Spitzenenergie liegt dabei entsprechend dem resultierenden Gesamtwirkungsgrad bekanntlich unter der bezogenen Energiemenge. So müssen also zur Ermittlung der spezifischen Energieerzeugungskosten c entsprechend (3.13) bei den Pumpspeicherkraftwerken zu den Jahreskosten KJ noch die jährlichen Kosten für die bezogene Energie KJ,E hinzugerechnet werden: K + K J ,E K J + cE ⋅ EE c= J = E E [€/kWh] (3.17) K J + cE ⋅ EE KJ c = = + E ηPSW ⋅ EE ηPSW ⋅ EE ηPSW KJ,E cE EE ηPSW

jährliche Kosten für die bezogene Energie Einkaufspreis des Pumpstromes jährliche bezogene Energiemenge Gesamtwirkungsgrad des Pumpspeicherkraftwerkes: ηPSW = 0,70-0,78

[€] [€/kWh] [kWh] [-]

Führt man den in der Praxis bei Pumpspeicherkraftwerken häufig verwendeten Begriff der Ausnutzungsdauer Ta als den Quotienten aus der Arbeit Ea in einer Zeitspanne und der Anlagenleistung P wie folgt ein: Ta = Ea P [h] Ta

(3.18)

Ausnutzungsdauer

[h]

und schlüsselt weiter die Jahreskosten KJ in die Einzelbestandteile der Tilgungsrate A aus (3.5) unter Verwendung der spezifischen Investition I0 und der prozentualen Betriebskosten (s. Kapitel 3.3.1.6) auf, so erhält man gemäß (3.17):

c= κN κU

a ⋅ I0 Ta

κ κ · c § ⋅¨1 + N + U ¸ + E η 100 100 © ¹ PSW

[€/kWh]

Produktionsnebenkostenanteil, bezogen auf die Investition Unterhaltskostenanteil, bezogen auf die Investition

(3.19) [%] [%]

So ergeben sich die spezifischen Erzeugungskosten c = 0,12 €/kWh bei einem größeren Pumpspeicherkraftwerk, wenn man folgende Werte als Rechenbeispiel ansetzt: - spezifische Investition I0 = 1.800 €/kW; - durchschnittliche Ausnutzungsdauer im Jahr Ta = 1.850 h;

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Kapitaltilgungsfaktor a = 0,089 aus einer kalkulatorischen Lebensdauer T = 30 a und einem Zinssatz p = 8 %; - Produktionsnebenkostenanteil κN = 1,5 %; - Unterhaltskostenanteil κU = 5 %; - Einkaufspreis des Pumpstromes cE = 0,02 €/kWh; - Gesamtwirkungsgrad des Pumpspeicherkraftwerkes ηPSW = 0,75. Die indirekten Nutzen, die heute weitaus mehr im Vordergrund stehen, entstehen einerseits bei den kooperierenden Wärme- und Kernkraftwerken (Momentanreserve) - daher kann auch von einem verhältnismäßig geringen Einkaufspreis für den Pumpstrom ausgegangen werden - und andererseits im Netz infolge der sogenannten dynamischen Arbeitsweisen des Pumpspeicherkraftwerkes (Frequenzhaltung, Phasenausgleich etc.), wie dies im Kapitel 17.1 näher ausgeführt ist. Pumpspeicherkraftwerke in Verbindung mit erweiterten Speicherkraftwerken können viele Funktionen haben, wie beispielsweise Vorhaltung von Kraftwerksreserven, Wasserversorgung für Industrie, Haushalt und Landwirtschaft, Sport und Erholung, Niedrigwassererhöhung etc., so dass sich die Rentabilität durch die Mehrzwecknutzung erhöhen kann. Stellt sich heraus, dass zum Beispiel der Gegenwartswert der Investition (3.6) gleich Null oder sogar negativ ist, so bedeutet dies nicht unbedingt, dass man auf die Errichtung des Pumpspeicherkraftwerkes verzichten muss. Seine indirekten wirtschaftlichen Nutzen - hauptsächlich der Beitrag zur Frequenzhaltung - können so hoch bewertet werden, dass die Rentabilität doch gewährleistet wird. -

3.3.2

Gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Betrachtung

3.3.2.1 Grundlagen der gesamtgesellschaftlichen Bewertungsverfahren Gehen Untersuchungen über die reine Kosten- oder Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hinaus und werden dabei gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Gesichtspunkte unterschiedlicher Art betrachtet, so bezeichnet man diese Verfahren als erweiterte Nutzen-Kosten-Untersuchungen [3.2]/[3.9]/[3.14]. Im wasserbaulichen Bereich, insbesondere der Wasserwirtschaft, wurden diese Beurteilungswerkzeuge bereits erfolgreich eingesetzt. Während in der Vergangenheit derartige Methoden überwiegend bei Prüfungen der Umweltverträglichkeit gemäß UVPG (s. a. Kapitel 3.4) für zur Genehmigung anstehende Projekte eingesetzt wurden, werden damit heute zunehmend auch bestehende Projekte u. a. auch im Zusammenhang mit der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie und dabei wiederum v. a. im Rahmen der dort enthaltenen „ökonomischen Analyse“ bewertet [3.13]. Anlass hierfür sind beispielsweise Vergleiche zwischen verschiedenen Energieerzeugungsformen oder Prüfungen im Rahmen von verschiedenartigen Zertifizierungsverfahren. Weitergehende Ansätze werden im Bereich der Wasserkraft derzeit noch nicht weiter verfolgt [3.2]. Zu den drei „klassischen“ Verfahren der Nutzen-Kosten-Untersuchungen werden die Kosten-Nutzen-Analyse (KNA), die Kosten-Wirksamkeits-Analyse (KWA) und die Nutzwertanalyse (NWA) gerechnet. Diese sind in ihrem methodischen Aufbau und ihrer Durchführung mehr oder weniger verschieden und haben unterschiedliche Anwendungsschwerpunkte und Aussagemöglichkeiten. Es gibt somit

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

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keine „einzig richtige“ und streng abgrenzbare Methode, die für alle Fragestellungen ebenso gut geeignet und gleichermaßen anwendbar wäre. Bei der Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) erfolgt eine monetäre Bewertung der Kosten und Nutzen, womit diese quasi eine erweiterte betriebswirtschaftliche Betrachtungsform darstellt. Diese monetäre Betrachtung hat zur Folge, dass hierbei nur solche Aspekte erfasst werden können, die bereits in monetärer Form vorliegen oder in allgemein anerkannter Weise in Geldeinheiten umgerechnet werden können. Bei der Kosten-Wirksamkeits-Analyse (KWA) und im Grunde auch bei der Nutzwertanalyse (NWA) werden die Wirkungen, die nicht monetär in Erscheinung treten oder in monetäre Einheiten umgerechnet werden können, über eine Punktebewertung o. Ä. einbezogen. Gegenüber reinen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen aus unternehmenswirtschaftlicher Sicht (s. Kapitel 3.3.1) können bei diesen drei Methoden der gesamtwirtschaftlichen Untersuchung solche Wirkungen einbezogen werden, die im Verhältnis zu Dritten entstehen, wozu beispielsweise die sogenannten externen Effekte bzw. Sozialkosten/-nutzen gezählt werden. Somit stellen diese Verfahren primär ein Werkzeug zur systematischen Entscheidungsvorbereitung bei der Auswahl komplexer Handlungsalternativen dar, bei denen Aussagen über die Wirtschaftlichkeit nicht mehr im Vordergrund stehen. Bei allen drei Methoden ist die sogenannte Skalentransformation aller Wirkungen auf einen einheitlichen Maßstab nicht unproblematisch. Um eventuelle Fehler zu verringern, sollten daher alle Effekte zunächst in ihrer originären Messgröße erfasst und anschließend Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden, wie dies bereits in den vorhergehenden Abschnitten dargestellt wurde. Darüber hinaus existieren noch weitere kombinierte bzw. offene Bewertungsverfahren, die für besondere Fälle entwickelt wurden, mit dem Ziel, bekannte Probleme einzelner Methoden auszuschalten (z. B. das Composite Programming). Schließlich sind die Grenzen zu weiteren Verfahren fließend, die bei komplexen Aufgabenstellungen der Optimierung und Mehrfachzielplanung eingesetzt werden und bis hin zu den im Umweltbereich zunehmend an Bedeutung gewinnenden Verfahren der Lebenszyklus-Analyse und Risikoabschätzung reichen. 3.3.2.2

Gesamtgesellschaftliche Bewertungsansätze bei Wasserkraftprojekten Gesamtgesellschaftliche Bewertungsansätze kommen bei Wasserkraftprojekten neben der heute im Grunde selbstverständlichen Prüfung der Umweltverträglichkeit im Rahmen von Genehmigungsverfahren bei zahlreichen weiteren Anlässen, die eine Bewertung hinsichtlich der ökologischen und sozialen Auswirkungen erfordern, zum Einsatz. Hierzu zählen beispielsweise Vergleiche zwischen verschiedenen Energieerzeugungsformen, zwischen unterschiedlichen Varianten beim Bau oder Rehabilitation von Wasserkraftanlagen oder Prüfungen und Bewertungen von bestehenden Anlagen im Rahmen von verschiedenartigen Zertifizierungsverfahren. Bei oben genannten Anwendungsbereichen hat sich im Lauf der Zeit vor allem die Aufteilung in die sogenannten internen und externen Effekte als ein praktikables Verfahren durchgesetzt. Unter den internen Effekten versteht man jene, die aus innerbetrieblichen Zwängen in Maß und Zahl erfasst werden müssen und schließlich als monetäre

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Größen in die unternehmerischen Erfolgsrechnungen entsprechend ihrem Ertrag oder ihrer Aufwendung einfließen, also bereits internalisiert sind. Die zusätzlichen, im weiteren Umfeld entstehenden Wirkungen werden schließlich als sogenannte externe Effekte bezeichnet, zu denen die Mehrheit der ökologischen und sozialen Auswirkungen gehören. Die meisten externen Effekte werden nicht über den Markt erfasst und monetär bewertet, was die Vergleichbarkeit dieser Effekte bei unterschiedlichen Kraftwerken oder Varianten sehr erschwert. Entsprechend der Kostenart lassen sich die externen Effekte diese zwei Gruppen zuordnen [3.2]/[3.15]: - Externe Kosten stellen eine Beeinträchtigung dar, die durch ein Vorhaben einem Dritten, häufig der Allgemeinheit, zugefügt werden, ohne dass der Betroffene entschädigt wird. - Externe Nutzen lassen umgekehrt einem Dritten, häufig der Allgemeinheit, durch ein Vorhaben einen Vorteil zuteil werden, ohne dass der Nutznießer diesen abgelten würde. Bei der Wasserkraftnutzung würden zu ersteren beispielsweise die lokal erhöhten Aktivitäten (Verkehr, Lärm, Emissionen etc.) während der Bauphase sowie die Veränderung der Durchgängigkeit und der Fließverhältnisse bzw. des Landschaftsbilds während des Betriebes zählen. Für die Veränderung des Landschaftsbilds seiner gewohnten Umgebung beispielsweise durch die Errichtung einer Talsperre oder von Strommasten erhält ein Anwohner meist keinen Ausgleich. Zur zweiten Gruppe würden im Wesentlichen die im Kapitel 1.6 in Verbndung mit Kapitel 18 beschriebenen Mehrzweckaufgaben gerechnet, wie z. B. die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen vor allem während der Bauphase, die mögliche Retentionswirkung zur Hochwasserminderung durch Stauräume oder die Schaffung von Freizeit- und Erholungsgebieten. So sind viele Stauseen beliebte Naherholungs- und Tourismusziele. Ohne zusätzliche Kosten, wie beispielsweise Eintrittsgelder, können Besucher den für die Wasserkraftnutzung aufgestauten Speichersee und insbesondere die teilweise angelegten Rad- und Spazierwege nutzen. Da häufig die externen Effekte der Energieerzeugung vorab nicht vollständig abgeschätzt werden können und auch ihre Quantifizierung und Bewertung erhebliche Probleme aufwerfen, wurde dem Thema der externen Effekte der Wasserkraftnutzung bisher wenig Beachtung geschenkt. Die bisher im Bereich der Energieversorgung und darunter der Wasserkraft vorgenommenen wenigen ersten Untersuchungen zeigen, dass man bei einer korrekten natur- und ingenieurwissenschaftlichen Identifizierung und Quantifizierung der Effekte zu verhältnismäßig realistischen Ergebnissen gelangen kann, wobei jedoch noch geeignete Praktiken fehlen, diese Bewertungsergebnisse korrekt in ein kombiniertes, mit der betriebswirtschaftlichen Komponente verbundenes Gesamtverfahren einzubinden. Von entscheidender, grundsätzlicher Bedeutung ist, dass bei solchen Analysen nicht mehr oder minder ausschließlich nur die externen Kosten betrachtet werden, wie dies bislang bei den meisten vorhandenen Studien zu den externen Effekten der Energieerzeugung der Fall ist, sondern auch die externen Nutzen den ihnen gebührenden Raum einnehmen. Die Vernachlässigung der externen Nutzen mag vor allem daran liegen, dass diese bei den meisten Energieerzeugungsformen von untergeordneter Bedeutung sind.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

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Eine derartig umfassende Bilanz führt zusätzlich zu einer besseren Vergleichbarkeit der verschiedenartigen Energieerzeugungsformen, die nicht allein von der jeweils vermeintlich politisch vorherrschenden Meinung abhängig ist. Bewertungsverfahren für Externe Effekte Bei näherer Betrachtung der externen Effekte der Wasserkraft können diese, die eine Vielzahl unterschiedlicher Bereiche betreffen, in folgende 13 Bereiche bzw. Oberbegriffe eingeteilt werden [3.16]: Wassermanagement, Gewässerstruktur, Lebensraum/Umwelt, Raumnutzung, Treib- und Betriebsstoffe, Reststoffe, Transport, Personal, Schifffahrt, Emissionen, Energie- und Rohstoffverbrauch, Öffentlichkeit und Investitionen. Die Oberbegriffe lassen sich in mehrere Unterpunkte gliedern, die in einem weiteren Schritt in Kosten und Nutzen unterteilt werden. Dabei ist eine Unterscheidung nach der Wirkungszeit der Effekte (Bau- und/oder Betriebsphase) sinnvoll, da die Dauer beim Auftreten eines Effekts eine wichtige Rolle spielt. Tabelle 3.4:

Zusammenstellung einiger externen Effekte der Laufwasserkraftnutzung (Auszug aus der allg. Bewertungsmatrix); Reihung ohne Gewichtung [3.17] Wirkungszeit Wirkungsbereich Kosten Nutzen Mensch Flora Fauna Umwelt allg. Bau Betrieb Bau Betrieb Gesund- Wohlheit befinden

E1 Wassermanagement E1.1 Hochwasser E1.2 Grundwasser E1.3 Gewässergüte E1.4 Mindestwasser ... E3 Lebensraum/Umfeld E3.1 Beeinflusste Gewässerstrecke E3.2 Fischbestand E3.3 Durchgängigkeit E3.4 Gewässerrandstreifen ... E8 Personal E8.1 Personalstand ... E10 Emissionen E10.1 Abwärme E10.2 Lärm E10.3 Erschütterungen E10.4 Luftschadstoffe ... E12 Öffentlichkeit E12.1 Fachbesucher E12.2 Tourismus/ Naherholung E12.3 Allg. öffentliche Darstellung ...

X X

X

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X X X

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X X X X

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X X

X X X X

X X X X

X X

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X X X

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X

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Jeder Effekt hat eine Auswirkung auf einen oder mehrere Wirkungsbereiche. Bei den Auswirkungen können die beiden Hauptbereiche Mensch und Umwelt unterschieden werden, die im Folgenden detaillierter aufgeteilt werden zum einen in Mensch-Gesundheit und Mensch-Wohlbefinden sowie zum anderen der Bereich Umwelt in Flora, Fauna und Umwelt-allgemein (s. Tabelle 3.4). Da die meisten externen Effekte nicht in monetären Werten vorliegen und nicht bzw. schwer monetär bewertbar sind, bietet sich für die Bewertung eine Nutzwertanalyse an (s. Kapitel 3.3.2.1). Basierend auf der Methodik der Nutzwertanalyse wurde von Kohler [3.16] ein Verfahren entwickelt, durch welches die externen Effekte der Laufwasserkraftnutzung bewertet werden können. Diese werden somit vergleichbar gemacht, und die Vor- und Nachteile übersichtlich dargelegt. Die Bewertung der einzelnen Kriterien erfolgt auf der Basis einer Punkteskala, um eine Monetarisierung der Effekte zu vermeiden. Neben der Zusammenstellung aller Effekte in Form einer Bewertungsmatrix muss für die Durchführung einer Nutzwertanalyse eine Gewichtungsmatrix vorliegen, die für alle Laufwasserkraftwerke allgemein gültig aufgestellt sein muss, um eine Vergleichbarkeit der Bewertung zu gewährleisten. Obwohl das Verfahren für Laufwasserkraftwerke entwickelt wurde, kann dieses durch Anpassung der spezifischen externen Effekte ohne weiteres auch für Speicher- bzw. Pumpspeicherkraftwerke angewendet werden. Das Spektrum der monetären und nicht monetären Erfassungs- und Quantifizierungsansätze zeichnet sich durch große Unterschiede in der Genauigkeit und Praktikabilität in der Praxis aus. Generell existieren zu einigen externen Effekten zahlreiche Untersuchungen und Vorschläge, während andere Effekte in der Literatur bislang kaum oder gar nicht diskutiert worden sind. So sind einige Auswirkungen, wie die Luftverschmutzung, der Hochwasserschutz und der Freizeitwert, bereits sehr detailliert betrachtet worden, bei anderen Auswirkungen besteht jedoch noch ein Defizit insbesondere im Hinblick auf eine nicht-monetäre Bewertung. Die monetären Quantifizierungsansätze können in insbesondere drei Analyseverfahren je nach vorhandener Datenlage unterteilt werden: - Marktpreisanalyse: Wenn ein Marktpreis existiert, kann dieser direkt übernommen werden. Dies ist somit die einfachste und am leichtesten nachvollziehbare Methode. - Marktdatenanalyse: Es existiert kein direkter Marktpreis, dieser kann aber durch geeignete Analysemethoden (Reisekostenansatz, hedonische Preisanalyse o. Ä.) hergeleitet werden. - Indirekte monetäre Bewertung: Kann mittels einer Marktpreis- bzw. Marktdatenanalyse kein eindeutiger und zuverlässiger Preis ermittelt werden, müssen andere Methoden zu Hilfe genommen werden, wobei die Aussagekraft dieser Bewertungsmethode allerdings vielfach in Frage gestellt wird: - Schaden-Kosten- bzw. Schaden-Nutzen-Methode: Die Bewertung der Auswirkung kann nicht direkt monetär erfolgen, die Schäden bzw. die Verbesserungen einer Auswirkung besitzen aber einen Marktwert, der für die Ermittlung des monetären Wertes dieser Auswirkung herangezogen werden kann. - Alternativkostenansatz: Bei einigen Schäden ist es möglich, Ersatzmaßnahmen zu treffen. Die Kosten für diese Ersatzmaßnahmen, die den

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

81

Schaden allerdings meist nur mindern, nicht ersetzen können, spiegeln einen Teil des monetären Wertes eines Schaden wider, z. B. die Schaffung von ökologischen Ausgleichsflächen. - Befragung nach monetären Wertvorstellungen: Hierbei handelt es sich um die schwierigste und am meisten diskutierte Preisbestimmungsmethode, da sie meist bei ethischen und ästhetischen Fragestellungen, wie z. B. Landschaftsveränderung, angewendet wird, wo kein Marktpreis vorhanden ist und es sich meist um subjektive Eindrücke handelt. Eine monetäre Bewertung kann bei externen Effekten beispielsweise dann sinnvoll sein, wenn mehrere Varianten vorhanden sind, bei denen gewisse Aspekte jeweils monetär vorliegen. So kann der monetäre Wert im Rahmen der Nutzwertanalyse in das Punktesystem überführt werden. Für die Bewertung nicht-monetärer Auswirkungen steht noch kein allgemein anerkanntes Verfahren zur Verfügung. Der Bedarf an nicht-monetären Techniken der Quantifizierung und Bewertung nimmt aufgrund immer wichtiger werdender sozialer und ökologischer Fragestellungen bei der wasserwirtschaftlichen Planung zu. Im Gegensatz zu den monetären Quantifizierungsansätzen können hierbei die Auswirkungen nicht in Geldeinheiten dargestellt werden. Bei nicht-monetären Quantifizierungsansätzen steht daher die Wichtigkeit eines Effekts im Zentrum. Grundlage ist, dass die ausgewählten Bewertungseinheiten diese Wichtigkeit vergleichbar darstellen können, was bei monetären Werten von vornherein gegeben ist. Es muss meist für jede Einzelwirkung ein Maximalwert festgelegt werden, der in die Bewertungsskala eingeht. Der Minimalwert (= „0“) ergibt sich meist automatisch dadurch, dass ein Kriterium gar nicht auftritt. Viele Daten liegen bereits in Größen- bzw. Mengenangaben (wie z. B. Meter oder Anzahl betroffener Lebewesen) vor, die direkt zur Bewertung verwendet werden können. Leider ist dies nicht bei allen Effekten möglich. Daher greift man oft auf Vergleichswerte als fassbare Größen zurück. Als Vergleichswerte können Daten vor der Projektierung bzw. von vergleichbaren, bereits vorhandenen Anlagen dienen. Bei einer Gegenüberstellung verschiedener Projekte ist dann eine Abschätzung des Einflusses und evtl. auch eines Maximalwertes einfacher möglich. Generell können nicht-monetäre Auswirkungen folgendermaßen erfasst werden: - Statistiken bzw. Erfahrungswerte: Statistische Daten über vorangegangene Ereignisse bzw. über den aktuellen Bestand oder Erfahrungswerte ähnlicher Situationen bieten gute Vergleichswerte. Beispielsweise kann bei gesundheitlichen Auswirkungen oder Hochwasserereignissen häufig auf Statistiken zurückgegriffen werden. Hierbei wird z. B. die Bedeutung einer Verringerung eines Hochwassers betrachtet, indem die Häufigkeit und Stärke früherer Hochwasserereignisse herangezogen werden. - Befragungen (nicht-monetär): Ebenso wie auch bei den monetären Ansätzen können Befragungen durchgeführt werden. Die Daten werden allerdings nicht als direkte Kosten in Geldeinheiten erhoben, sondern man fokussiert auf die Bedeutung und Wichtigkeit einer Auswirkung für den Befragten (z. B. anhand einer Punkteskala). Dabei ist im sozialen Bereich das Maß der persönlichen Wertschätzung besonders bedeutend.

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

-

Vor-Ort-Analysen: Als Vergleichswerte von Datenerhebungen vor Ort können Berechnungen (z. B. Grundwasserabsenkung) oder Erfahrungen von anderen Kraftwerken herangezogen werden. Dieses Verfahren kommt meist im ökologischen Bereich zum Einsatz, wobei oft auf Indikatoren zurückgegriffen wird. Für die Auswertung können in der Regel Simulationen oder Modellierungen am Computer zur Hilfe genommen werden. Bei der Entwicklung des neuen Bewertungsverfahrens [3.16] wurden sowohl bei der Dokumentation der Daten als auch bei der Ergebnisdarstellung mögliche Einsatzbereiche berücksichtigt. Darüber hinaus wurde die Darstellung einiger Teilergebnisse für unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten einbezogen. Bei der Planung und Implementierung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen spielt die Berücksichtigung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle. Meist sind hiervon die externen Effekte betroffen. Ein dementsprechendes Bewertungsverfahren ermöglicht es, externe Effekte in den Entscheidungsprozess zu integrieren. Um die Wasserkraft als einen der größten erneuerbaren Energieträger weiterhin auch in der Öffentlichkeit und Politik als attraktiv für neue Projekte im Bereich Neubau, Reaktivierung oder Umbau zu gestalten, bietet eine Übersicht aller denkbaren Auswirkungen einer Anlage auf ihr Umfeld die Möglichkeit. Hierfür ist vor allem eine entsprechende Berücksichtigung der bei der Wasserkraft besonders erwähnenswerten positiven externen Effekte von Bedeutung. Werden neben den betriebswirtschaftlichen Kosten auch die externen Effekte erfasst, kann ein adäquater Vergleich zwischen verschiedenen Kraftwerken und ihren Auswirkungen auf das Umfeld vorgenommen werden. Durch ein Bewertungsverfahren wird die Möglichkeit geschaffen, die externen Effekte bereits bei der Planung neuer Wasserkraftprojekte oder der Modernisierung bestehender Wasserkraftanlagen zu berücksichtigen. Umweltverträglichkeitsprüfung Bei vielen Maßnahmen und vor allem vor einem Neubau muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gemäß UVPG (s. a. Kapitel 3.4) durchgeführt werden, die eine Gesamtbetrachtung und -bewertung der Auswirkungen von wasserwirtschaftlichen Maßnahmen auf die Umwelt umfasst. In dem Verfahren der Bewertung der externen Effekte, bei dem u. a. Einflüsse auf Mensch, Fauna, Flora, Boden, Wasser, Klima und Landschaftsbild in Betracht gezogen werden, müssen sowohl Behörden als auch die Allgemeinheit eingebunden werden. Eine UVP ist somit als grundlegender, erster Schritt anzusehen, auch externe Effekte in die Betrachtung einzubeziehen. Insofern können die vollständige und systematische Darstellung externer Effekte sowie die Beschreibung möglicher Bewertungsmethoden bei einer UVP eine wertvolle Bereicherung sein. Zudem ist die Prüfung von Alternativen, beispielsweise bezüglich des Standorts oder zum Ausgleich von negativen Auswirkungen, ein Kernstück der UVP. Eben dieser Vergleich soll durch das entwickelte Bewertungsverfahren [3.16] ebenfalls möglich sein. Benchmarking Im Gegensatz zu Marktanalysen, die hauptsächlich auf dem Preisvergleich einer Leistung basieren und dadurch eine Reihenfolge angeben, werden beim Benchmarking zusätzlich Vergleiche angestellt, um die Ursachen für die Differenzen der

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

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Kosten oder Leistungen zu ermitteln. Das Ergebnis für die Beteiligten des Benchmarking-Prozesses enthält also nicht nur die Preisunterschiede, sondern auch den Grund für diese Unterschiede. Jedes Benchmarking-System basiert auf Kennzahlen. Der Vergleich der Kennzahlen ist ein wichtiger Teil des BenchmarkingProzesses, da die Qualität der Ergebnisse hauptsächlich von der Qualität des Kennzahlensystems abhängt. Im betriebswirtschaftlichen Bereich wird das Kostenbenchmarking bereits auf dem Wasserkraftsektor durchgeführt, wobei zum Teil ein erhebliches Einsparpotential beim Betrieb der Wasserkraftanlagen festgestellt werden konnte. Es ist allerdings bislang schwierig, externe Effekte aufgrund der momentanen Rahmenbedingungen und in Folge der Schwierigkeiten bei ihrer Bewertung vollständig zu erfassen. Benchmarking kann einen wichtigen Beitrag zu der verstärkten Einbeziehung externer Effekte und zu einer transparenteren Darstellung ihrer Auswirkungen leisten. Das Bewertungsverfahren für externe Effekte im Wasserkraftbereich [3.16] trägt diesem Anwendungsbereich Rechnung und zeigt darüber hinaus Möglichkeiten auf, wie im Rahmen von Benchmarking die Auswirkungen externer Effekte „optimiert“, d. h. die Kosten minimiert und die Nutzen maximiert werden können. Beim Vergleich mehrerer Anlagen kann untersucht werden, wo die positiven Eigenschaften einer Anlage liegen, ob diese auf andere Anlagen übertragen werden können und wie groß der Aufwand einer solchen Übertragung wäre. Dabei ist zu beachten, dass aufgrund der bereits erwähnten standortspezifischen Auswirkungen bei Wasserkraftanlagen nicht jeder Nutzen einer Anlage per se auf ein anderes Kraftwerk übertragen werden kann. Dennoch kann die Methodik des Benchmarkings als Hilfsmittel zum Erreichen einer möglichst optimalen Lösung beitragen und angewendet werden. Einen guten Einsatzbereich bietet die Betrachtung kompletter Wasserkraftanlagenketten. Die Rahmenbedingungen solcher Kraftwerke in einer Kraftwerkskette sind oft vergleichbar, da sie an einem Flussabschnitt liegen, an dem in der Regel gleiche oder zumindest ähnliche Bedingungen vorherrschen. 3.3.2.3 Bedeutung von Mehrzweckaufgaben Ein weiterer Ansatz zur Einbeziehung der gesamtgesellschaftlichen Aspekte kommt vor allem zur Ermittlung der Kostenverteilung bei Wasserkraftanlagenprojekten mit Mehrzweckaufgaben (s. Kapitel 1.6) zum Einsatz. Hierfür müssen zuerst alle Einzelkosten (Investition, Betriebskosten etc.) der Projektteile von den Gesamtkosten abgetrennt werden, so dass nur die Gemeinkosten übrig bleiben. Diese Gemeinkosten werden anschließend wiederum anteilig auf alle Projektteile verteilt, damit jedes Element für sich einer realistischen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unterzogen werden kann. Zur Ermittlung der Gemeinkosten KG werden die identifizierten m abtrennbaren Einzelkosten KE vom Mehrzweckprojekt abgespalten, indem man jeweils die k-ten Funktionen I(-k) der Investitionen ermittelt, die die jeweiligen Einzelkosten KE gerade nicht enthalten. Somit ergibt sich nach Abtrennung aller m Einzelkosten KE von der Gesamtinvestition I die Summe aller Einzelkosten zu [3.7]:

¦

m

KE =

¦( k =1

)

I − I(−k ) = m ⋅ I −

m

¦ I( k =1

−k )

[€]

(3.20)

84

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

womit sich die verbleibenden Gemeinkosten KG ergeben: KG = I − KE KG m

¦K

m

E

= I − m⋅I +

¦ I( k =1

−k )

= I (1 − m ) +

abtrennbare Einzelkosten Gemeinkosten Anzahl der abtrennbaren Einzelkosten

m

¦ I( k =1

−k )

[€]

(3.21) [€] [€] [-]

Die Verteilung der Gemeinkosten ist jedoch problematisch, da dieser Schritt meistens nicht einfach mit Hilfe technischer Überlegungen durchgeführt werden kann. Für die Aufschlüsselung der Gemeinkosten können grundsätzlich zwei Prinzipien zur Anwendung kommen: - das Veranlassungsprinzip und - das Nutzungsprinzip. Nach dem Veranlassungsprinzip werden die Gemeinkosten den einzelnen Zwecken entsprechend der Kapazität und Betriebsbereitschaft zugerechnet, wie die Projektteile zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung zur Erfüllung der verschiedenen Funktionen bewertet werden. Das Nutzungsprinzip dagegen berücksichtigt die tatsächliche Inanspruchnahme des Mehrzweckprojektes durch die verschiedenen Benutzergruppen. Die bei der Planung von wasserwirtschaftlichen Mehrzweckprojekten gebräuchlichen Verfahren der Kostenzuordnung lassen sich in drei Gruppen einteilen: 1. Kostenzuordnung aufgrund politischer und sozialer Entscheidung. 2. Kostenzurechnung aufgrund physikalisch-technischer Kennwerte bzw. von Daten über die technische Leistungsfähigkeit des Projektes. 3. Kostenzuordnung aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen: Methode der alternativen Einzweckprojekte, Methode der abtrennbaren Kosten. 3.3.3

Ansatz für eine systematische Beurteilung von Wasserkraftanlagenprojekten

Für die Begleitung eines Wasserkraftanlagenprojektes von der Planungs- über die Ausführungs- bis hin zur Betriebsphase stellt ein allgemein verfügbares, umfassendes Schema zur Wirtschaftlichkeitsberechnung ein wichtiges Hilfsmittel dar. Mit einem derartigen Verfahren können ein Projekt differenziert begleitet und entsprechend der zunehmend vertieften Betrachtung alle relevanten Aspekte untersucht und beurteilt werden. Neben den allgemeinen Gesichtspunkten müssen darin auch sämtliche individuellen Randbedingungen für den Bau und Betrieb des betrachteten Projektes sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht berücksichtigt werden können. Eine derartige allgemeingültige, größenunabhängige Beurteilungssystematik ist in Abb. 3.14 prinzipiell dargestellt [3.2]. Diese schafft durch einen systematisch gegliederten und gestaffelten Verfahrensaufbau die Grundlage dafür, zukünftige Investitionsvorhaben von der Planungs- über die Ausführungs- bis hin zur Betriebsphase differenziert zu begleiten. Entsprechend der zunehmend vertieften Betrachtung können dabei alle relevanten Aspekte untersucht und beurteilt werden.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

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Neben den allgemeinen Gesichtspunkten können auch sämtliche individuellen Randbedingungen für den Bau und Betrieb des betrachteten Projektes berücksichtigt werden.

Datenerhebung A. Allgemeine Ausgangsdaten der Anlage - Anlagencharakteristik, Jahresenergieerzeugung, Festlegung von Zeitvariablen etc. Kostenberechnung (KOBE) B. Planungs- und Baukosten detaillierte Kostenermittlung - Datenerhebung mit variablem auf der Basis der Detaillierungsgrad über KOBE Kostengruppen C. Zusatzkosten bis zur Inbetriebnahme und Funktionsbereiche - Grundstückskosten, Nebenkosten etc.

D. Jährlicher Aufwand - Bewirtschaftungs-, Kapitalkosten, Abschreibung E. Jährlicher Ertrag - Einspeisevergütung u. a. F. Finanzierungsplan - Eigen-, Fremd-, Fördermittel

erweiterte Investitionsrechnung III. Statische Plankostenrechnung I. Ausgangsdaten - Zusammenfassung der Datenerhebung - ggf. Ergänzung bzw. Abänderung

Eingangswerte für das Rechenverfahren statisch

jährlich konstanter Zahlungsstrom

dynamisch

II. Angestrebter Erfolg

V. Ergebnisse

VI. Sensitivitätsanalyse Betrachtung von: - Internem Zinsfuß (Kapitalverzinsung) - Kapitalwert unter Änderung von: - Baukosten - Baupreisveränderung - Stromertrag - Restwert - Kalkulationszinssatz

einschließlich graphischer Darstellung IV. Dynamische Plankostenrechnung - Zahlungsströme und Barwerte über 30 oder 40 Jahre Projektdauer

Abb. 3.14:

Aufbau der Beurteilungssystematik für Wasserkraftanlagen [3.2]

Diese Systematik zeichnet sich dadurch aus, dass einerseits die Datenerhebung, deren Aufbereitung und Gliederung sowie andererseits die als Entscheidungsgrundlage dienenden Ergebnisse aus der Datenweiterverarbeitung im Rahmen der erweiterten Investitionsrechnung entsprechend berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden die Planungs- und Baukosten systematisch integriert, um bereits bei der Ermittlung der Eingangsparameter erste Unsicherheitsfaktoren bei der Untersuchung von vorne herein so weit wie möglich auszuräumen und so ein aussagefähiges und realistisches Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu erhalten. Grundlage für die Bewältigung dieser Aufgabe stellt das gängige Kosteneinteilungsverfahren aus dem Bauwesen in Form der Norm DIN 276 - Kosten im Hochbau - dar, die in einer eigenen Gliederungssystematik für Wasserkraftanlagen weiterentwickelt wurde. Die Anwendung dieser Norm ermöglicht eine verbindliche Gliederung der ermittelten Kostenkomponenten für alle Bauwerksteile und gestattet dadurch einen verlässlichen Überblick über die geplanten bzw. zu dokumentierenden Investitionen. Darüber hinaus bietet die Norm den Vorteil, dass sie sich nach den aufeinanderfolgenden Phasen des Bauablaufes richtet. Für die Untersuchung des gesamten Investitionsvolumens sieht die Einteilung der Norm drei Kostengliederungsebenen vor, welche durch dreistellige Ordnungszahlen gekennzeichnet sind. Die erste Gliederungsebene besteht gemäß der DIN 276 aus sieben Kostengruppen (KG), den KG 100 bis 700. Da sich die Norm vom Ansatz her auf Projekte im Hochbau bezieht, wäre sie bei Wasserkraftanlagen

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

allein für Ermittlung der Krafthauskosten ausreichend anwendbar, würde aber die wasserführenden Bauwerke und die technischen Besonderheiten nicht gebührend berücksichtigen. Daher wurde dieses Schema zur Erfassung der wasserführenden, der maschinen- sowie der elektrotechnischen Investitionsanteile um zwei Kostengruppen erweitert und die dazugehörenden Details erarbeitet: - KG 800 Baukonstruktion - Wasserführung und - KG 900 Anlagentechnische Ausrüstung. Bei Bedarf bietet die Norm die Möglichkeit, die Kostengruppen in mindestens zwei weitere Kostengliederungsebenen zu unterteilen, die Ebenen der sogenannten Grob- und Funktionselemente (s. Abb. 3.15). Diese lassen sich schließlich noch weiter aufteilen. Um bei der Schätzung der erforderlichen Investition direkt auf die örtlichen Randbedingungen der Gesamtanlage eingehen zu können, wurde für eine detaillierte Kostenermittlung die Wasserkraftanlage zusätzlich in fünf Funktionsbereiche eingeteilt (s. Abb. 3.15): - Krafthaus - Hochbau; - Krafthaus - Tiefbau; - Wehranlage, Fischaufstiegsanlage etc.; - Wasserfassung einschließlich Rechenreinigungsanlage, ggf. Sandfang etc.; - Wasserführung (Triebwasserzu- und -abführung). Grundsätzlich von Vorteil bei dieser Methode ist, dass dabei einerseits der jeweilige Kosteneinfluss an der Entstehungsstelle aufgezeigt und andererseits dieser entsprechend dem Planungsfortschritt stets aktualisiert und fortgeschrieben werden kann. Auch können unterschiedliche Planungs- bzw. Ausführungsvarianten berücksichtigt und leichter miteinander verglichen werden. In Verbindung mit den fünf Funktionsbereichen ergibt sich damit eine eindeutige Gliederung, die in Abb. 3.16 dargestellt ist. In diesem Bild sind zusätzlich die jeweils relevanten Bereiche schattiert veranschaulicht, wobei die KG 900 eine Sonderrolle einnimmt, da dort nicht alle Kostengruppen der zweiten Ebene in sämtlichen Funktionsbereichen von Bedeutung sind.

Wasserkraftanlage Gliederung der Baukostenermittlung

Funktionsbereiche

Kostengruppen - 1. Ebene (X00)

Krafthaus - Hochbau

100

Krafthaus - Tiefbau

200

Wehranlage, Verbindungsgewässer etc.

300

Wasserfassung Wasserführung

Abb. 3.15:

800: Baukonstruktion Wasserführung 900: Anlagentechnische Ausrüstung

Einteilung nach DIN 276

Kostengruppen - 2. Ebene (XY0) Grobelemente

Kostengruppen - 3. Ebene (XYZ) Funktionselemente Ergänzung

Kostengruppe - 4. Ebene (XYZ-ab) Konstruktionselemente

Teilleistung nach StLB

Aufbau der detaillierten Kostenermittlung für Wasserkraftanlagen in Anlehnung an die DIN 276 [3.2]

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

87

Diese Berechnungs- und Beurteilungssystematik hat sich durch ihre klare und eindeutige Gliederung bereits bei mehreren Projekten mit den unterschiedlichsten Konstellationen als ein sehr hilfreiches Werkzeug für den planenden Ingenieur erwiesen. Dabei kann vor allem bei Projekten, die an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit lagen, eine eindeutige fundierte Entscheidungsgrundlage gegeben werden, die mit Überschlagsformeln oder Orientierungswerten niemals erreichbar wäre. Positiv zeichnete sich dabei auch die Möglichkeit aus, das Kostengliederungssystem individuell anzupassen und so unter anderem auch gesamtgesellschaftliche Aspekte einzubinden, soweit diese infolge existierender Ansätze monetär oder anderweitig messbar waren. Gleichzeitig konnte auf diesem Weg der vorhandene Grundstock für die Bildung von Kostenkennwerten für einzelne Komponenten der Wasserkraftanlagen weiter ausgebaut werden, so dass dieser für weitere Projektierungen zur Verfügung steht. Kostengruppen

Funktionsbereiche Krafthaus- Krafthaus- Wehranlage, WasserVerbindungsHochbau

Tiefbau

gew. etc.

fassung

Wasserführung

100 Grundstück 200 Herrichten und Erschließen 300 Bauwerk - Baukonstruktion Krafthaus 400 Technische Anlagen Krafthaus 500 Außenanlagen 600 Ausstattung und Kunstwerke 700 Baunebenkosten 800 Baukonstruktion - Wasserführung 900 Anlagentechnische Ausrüstung Stahlwasserbau/Maschinen-/Elektrotechnik

Abb. 3.16:

Kostengliederungssystem mit Kostengruppen und Funktionsbereichen für die Anwendung bei Wasserkraftanlagen [3.2]

3.4

Gesetzliche Vorgaben für Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen

3.4.1

Rechts- und Normhierarchie

Innerhalb des jeweiligen Rechtssystems besteht hinsichtlich der Hierarchie eine prinzipielle Ordnung, die nachfolgend am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland dargelegt werden soll. Diese Rangordnung wird vor allem durch die föderale Struktur in Europa und in der Bundesrepublik Deutschland geprägt, innerhalb derer sich noch zusätzlich eine Abstufung infolge des Gesetzgebungsverfahrens ergibt: 1. Internationale Regelungen, Völkerrecht 2. Gemeinschaftsrecht der EU auf der Basis des EWG- oder EG-Vertrages - Verordnungen - Richtlinien 3. Nationales Recht, z. B. Bundesrepublik Deutschland - Gesetze - Verordnungen - Verwaltungsvorschriften

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

4. Landesrecht, z. B. Baden-Württemberg - Gesetze - Verordnungen - Verwaltungsvorschriften 5. Kommunales Recht - Satzungsrecht 6. nicht-hoheitliche Regelwerke Gesetze, EG-Verordnungen und kommunale Satzungen bilden die Basis des materiellen Rechtes und enthalten die Leitlinien und Vorgaben der jeweiligen Regelungsbereiche. Sie durchlaufen normalerweise während des Gesetzgebungsverfahrens einen parlamentarischen Weg und treten nach erfolgter Zustimmung in der Regel mit dem Tag der Veröffentlichung in Kraft. Verordnungen und Verwaltungsvorschriften dienen zur erweiterten inhaltlichen Regelung von einzelnen Sachverhalten und werden von den Exekutivorganen, also in der Regel den Fachbehörden (Ministerium, Regierungspräsidium, Landratsamt als untere Verwaltungsbehörde etc.), erlassen. Auch diese treten üblicherweise mit dem Tag der Veröffentlichung in Kraft. Dabei gelten normalerweise Verordnungen als Rechtsnorm für alle. Verwaltungsvorschriften hingegen betreffen direkt meist nur die Verwaltung und stellen für diese beispielsweise eine Anleitung zum Abwickeln von bestimmten Verfahren dar. Trotzdem ist es für die Beteiligten in Verfahren von Vorteil, nicht nur die Verordnungen, sondern auch die Verwaltungsvorschriften zu kennen, da in beiden alle wesentlichen Dinge geregelt sind. Verwaltungsvorschriften können dabei allerdings nur dann eine rechtliche Bindung erhalten, wenn sie z. B. Bestandteil eines Bescheides sind. Innerhalb der föderal aufgebauten Bundesrepublik Deutschland ist zusätzlich noch hinsichtlich der Gesetzgebungszuständigkeit zu unterscheiden. So ist der Bund durch seine Rahmengesetzgebungskompetenz (Artikel 75 Grundgesetz (GG)) für die Bereiche des Naturschutzes, der Landschaftspflege, der Bodenpflege, der Raumordnung und des Wasserhaushalts zuständig und ist hier daher u. a. mit dem Bundesnaturschutzgesetz, dem Wasserhaushaltsgesetz und dem Raumordnungsgesetz tätig geworden. Zahlreiche weitere Regelungsbereiche beruhen dagegen auf der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Artikel 74 GG), worunter z. B. die Bereiche Umweltstrafrecht, Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung und Abfallbeseitigung fallen. Die konkurrierende Zuständigkeit des Bundes bedeutet, dass die Länder nur dann befugt sind, eigene Gesetze zu erlassen, wenn der Bundesgesetzgeber den jeweiligen Sachbereich nicht abschließend geregelt hat. Auf diesem Weg hat der Bund beispielsweise das Bundes-Immissionsschutzgesetz und das Umwelthaftungsgesetz erlassen. Der nachgeordnete Landesgesetzgeber muss sich daher einerseits auf die Ausfüllung der Bereiche beschränken, die durch Rahmengesetze vorgegeben sind, wie z. B. die Landeswassergesetze das Wasserhaushaltsgesetz ergänzen. Andererseits kann er im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes nur solche Landesgesetze erlassen, die die vorhandenen Regelungen des Bundes soweit nötig ergänzen, wie dies beispielsweise mit den Landesabfallgesetzen geschieht. Die nicht-hoheitlichen Regelwerke der verschiedenen Normungsinstitute und technisch-wissenschaftlichen Verbände (DIN-Normen, VDI-Richtlinien, DWA-

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Regelwerke etc.) sind grundsätzlich rechtlich nicht verbindlich, sondern werden bei Entscheidungen der Verwaltung und der Gerichte unverbindlich berücksichtigt. Erst wenn diese Regelwerke von einer Rechtsnorm inhaltlich aufgenommen werden oder auf diese in einem Bescheid als Richtschnur bzw. Auflage verwiesen wird, können sie dadurch rechtlich verbindlich werden. 3.4.2

Wesentliche Rechtsnormen für die Wasserkraft

Innerhalb der unterschiedlichen Rechtsbereiche gibt es eine Vielzahl von Gesetzen und Rechtsverordnungen, die die Wasserkraft direkt oder indirekt betreffen. Nach ihrer Rechtsnatur gehören diese im Wesentlichen den verschiedenen Umweltrechtszweigen an, wie dies am deutschen Beispiel verdeutlicht werden kann: - Umweltverfassungsrecht (Grundgesetz, EG-Gründungsvertrag etc.); - Allgemeines Umweltverwaltungsrecht (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, Umweltinformationsgesetz, EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, EG-Umweltauditverordnung etc.); - Besonderes Umweltverwaltungsrecht: Gewässerschutz (EG-Wasserrahmenrichtlinie, Wasserhaushaltsgesetz, Landeswassergesetze, Abwasserabgabengesetz etc.); Naturschutz und Landschaftspflege, Tierschutz, Bodenschutz (Flora-FaunaHabitat-Richtlinie innerhalb der EU, Bundesnaturschutzgesetz, Bundeswaldgesetz, Tierschutzgesetz, Bundes-Bodenschutzgesetz etc.); - Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Abfallverbringungsgesetz etc.); - Immissionsschutz - Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung (Bundes-Immissionsschutzgesetz mit zugehörenden Verordnungen etc.); - Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz, Pflanzenschutzgesetz, Düngemittelgesetz etc.); - Energieeinsparung (Energieeinsparungsgesetz, EEG (s. Abb. 3.13) etc.); - Umweltprivatrecht (Bürgerliches Gesetzbuch, Umwelthaftungsgesetz etc.); - Umweltstrafrecht (Strafgesetzbuch, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten etc.). Bei Planung, Bau und Betrieb einer Wasserkraftanlage sind darüber hinaus noch eine Vielzahl weiterer gesetzlicher Vorgaben von der jeweiligen Bauordnung über Gewerbeordnungen bis hin zu Unfallverhütungs- und Arbeitssicherheitsvorschriften zu berücksichtigen. Aufgrund der permanenten gesellschaftlichen und politischen Einflüsse und der daraus folgenden Modifikationen und Neufassungen sind nachfolgend nur einige allgemeine Erläuterungen zu den wesentlichen Rechtsgrundlagen aufgeführt, die sich wiederum exemplarisch auf die Vorgaben in der Bundesrepublik Deutschland beziehen. Bei Bedarf sind alle Gesetze, Verordnungen etc. im genauen Wortlaut zu Rate zu ziehen, um einerseits die speziellen Vorgaben und andererseits eventuelle Änderungen und Aktualisierungen korrekt berücksichtigen zu können. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, sich Fachliteratur (s. z. B. [3.18]) oder fachanwaltlicher Hilfe zu bedienen.

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Bei der Planung, dem Bau und Betrieb in anderen Staaten sind die dort jeweils geltenden Gesetze entsprechend zu beachten. EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) Seit dem Jahr 2000 stellt die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) die übergeordnete Norm im Bereich des Wasserrechts dar, die anschließend in nationales Recht umgesetzt wurde. In Deutschland erfolgt dies vor allem über das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) infolge des gesamtstaatlichen Interesses (Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes) sowie anschließend über die Landeswassergesetze und zugehörenden Verordnungen. Die WRRLhat sowohl einen guten chemischen als auch ökologischen Zustand der Gewässer, d. h. der Oberflächengewässer und des Grundwassers, innerhalb der Europäischen Union vornehmlich bis 2015 bzw. mit Verlängerungen bis 2027 zum Ziel [3.13]/[3.19]/[3.20]. Zu deren Erreichung dient der Ansatz der ganzheitlichen Gewässerbewirtschaftung innerhalb einer jeden Flussgebietseinheit von der Quelle bis zur Mündung durch ein koordiniertes Vorgehen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die WRRL große Interpretations- und Handlungsspielräume aufweist, zahlreiche Ausnahmeregelungen kennt und letztlich keine eindeutigen Vorgaben in Maß und Zahl macht. Die WRRL ist von ihrer Ausrichtung her trotz des ganzheitlichen Ansatzes primär eine Gewässerschutz-Richtlinie und weniger eine klassische NaturschutzRichtlinie mit einem integrativen Ansatz. Dadurch wird dem Nutzen aus Aktivitäten am und im Gewässer, wie beispielsweise der Stromerzeugung aus Wasserkraft oder der Schifffahrt, eine untergeordnete Rolle beigemessen. Derartige Tätigkeiten sollen sich nach Diktion der WRRL und deren momentan in Deutschland verbreiteter Auslegung vielmehr der Erreichung des zum Teil sehr idealistischen Zieles eines naturbelassenen Zustandes der Gewässer innerhalb unserer Kulturlandschaft in Europa unterordnen bzw. durch entsprechende Maßnahmen hierzu beitragen. In der Praxis bedeutet dies einen Paradigmenwechsel von einer wasserwirtschaftlichen zu einer ökologischen Gewässerbewirtschaftung, mit der Folge, dass wasserrechtliche Entscheidungen weitaus stärker als bisher an den Zielsetzungen des Natur- und Artenschutzes auszurichten sind. Im Rahmen der Bestandsaufnahme und der daraus bis 2009 abgeleiteten Maßnahmenprogramme werden im Bereich der Wasserkraft vor allem die hydromorphologischen Qualitätskriterien mit den Teilaspekten der Durchgängigkeit und der morphologischen Bedingungen eine herausragende Rolle einnehmen und somit zu weitreichenden Maßnahmenforderungen führen, die vor allem folgende Themenbereiche betreffen werden (s. a. Kapitel 18-20): - Mindestwasserregelungen, - Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit an Querbauwerken sowohl für die aufwärts und gegebenenfalls auch abwärts gerichtete Wanderung der Aquafauna als auch für biogenes Material und Sedimente, - Gestaltung der morphologischen Bedingungen (Laufentwicklung, Breitenvarianz, Strömungsgeschwindigkeiten, Schwellbetrieb in geschlossenen Gewässerstrecken etc.). Da im Grunde kein Wasserkraftanlagenstandort mit einem anderen vollumfänglich verglichen werden kann und die Problemstellungen lokal sehr unterschiedlich

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

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sind, wird eine Vielzahl von individuellen Lösungsansätzen notwendig werden. Dabei ist auch immer die erreichbare Gesamtverbesserung durch einzelne Maßnahmen in einem Flussgebiet in Betracht zu ziehen. Hinzu kommt, dass der heutige Kenntnisstand beispielsweise hinsichtlich der Sicherstellung der abwärtsgerichteten Wanderung der Aquafauna (Fische und andere im Wasser lebende Tiere) noch nicht ausreichend ist, um alle (theoretischen) Anforderungen befriedigend lösen zu können (s. Kapitel 20.3). In manchen Bereichen sind noch tiefer gehende, sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Forschungsaktivitäten notwendig, um gesicherte Aussagen über die Funktionsfähigkeit von Lösungsansätzen treffen zu können. Wasserhaushaltsgesetz (WHG) Die ersten deutschen Sondergesetze, die Wasserkraftanlagen im weitesten Sinne betrafen und über die allgemeinen Regelungen im jeweiligen regionalen Gültigkeitsbereich hinausgehen, stellen die Mühlenordnungen dar, die im 15. bis 18. Jahrhundert in den einzelnen Herrschaftsgebieten erlassen wurden. Diese nach Herrschaftsgebieten und Ländern getrennte Gesetzgebung blieb im Wesentlichen bis heute bestehen. Leitgesetz für den Bereich des Gewässerschutzes ist das bundesweit gültige Wasserhaushaltsgesetz (WHG), das die übergeordneten EU-Vorgaben und darunter insbesondere die WRRL berücksichtigt und das durch die länderspezifischen Wassergesetze (WG) ergänzt wird. Grundsatz des WHG ist, dass zur Ordnung von Wassergüte und Abfluss oberirdische Gewässer, Küstengewässer und das Grundwasser (Gewässer) als Bestandteil des Naturhaushalts so bewirtschaftet werden sollen, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang damit auch dem Nutzen einzelner dienen und dass vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktionen unterbleiben. Bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, sind alle verpflichtet, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung zu verhüten. Außerdem verlangt das Gesetz eine mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt gebotene sparsame Verwendung des Wassers. Die oberirdischen Gewässer und das Grundwasser unterliegen als öffentliche Sachen im Sondergebrauch grundsätzlich einer besonderen öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftungs- und Benutzungsordnung, die der Behörde ein Ermessen zur Zuteilung von Gewässerbenutzungsrechten einräumt. Für die Benutzung von Gewässern im Sinne der §§ 2 und 3 WHG im Zusammenhang mit dem Bau und Betrieb einer Wasserkraftanlage ist von der zuständigen Behörde eine wasserrechtliche Entscheidung zu treffen (s. Abb. 3.17). Ein erteiltes, in der Regel befristetes Wasserrecht besteht hierbei entweder aus einer Erlaubnis (§ 7 WHG), die eine Befugnis im Sinne einer Konzession beinhaltet, oder einer Bewilligung (§ 8 WHG), die als höherwertig zu bewerten ist, da sie ein unwiderrufliches subjektives öffentliches Recht gewährt und somit die sicherste Rechtsgrundlage für den Anlagenbetrieb darstellt. Ist bereits ein Altrecht (§ 15 WHG) für die Gewässernutzung vorhanden und wird die Nutzung im Rahmen derselben angestrebt, so ist eine neuerliche Erlaubnis oder Bewilligung nicht erforderlich.

92

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Üblicherweise wird das Wassernutzungsrecht in Form einer Erlaubnis oder Bewilligung gemäß WHG bei der Neuerteilung bzw. Verlängerung für einen Zeitraum von 30 Jahren zuerkannt, der auch als Konzessionszeitraum bezeichnet wird. In besonderen Fällen kann diese dreißigjährige Frist auch überschritten (s. § 7 Abs. 1 bzw. § 8 Abs. 5 WHG) und eine längere Bewilligungsfrist von erfahrungsgemäß 40 bis zu maximal 60 Jahren erreicht werden. Eine derartige Situation kann beispielsweise dann eintreten, wenn sich innerhalb dieses Zeitraumes die Wasserkraftanlage nicht amortisiert, was durch die Vorlage einer entsprechenden Wirtschaftlichkeitsrechnung nachgewiesen werden muss (s. Kapitel 3.3). Am Konzessionsende kann bei betriebsfähigen Anlagen im gewissen Sinne ein Rechtsanspruch auf eine Weiter- bzw. Neukonzessionierung abgeleitet werden; hierfür ist jedoch stets ein neues wasserrechtliches Verfahren durchzuführen. Der zu diesem Zeitpunkt mögliche sogenannte Heimfall an den Konzessionsgeber, d. h. die Rückgabe des Nutzungsrechtes einschließlich der betriebsbereiten Anlagen an das verleihende Gemeinwesen (Staat bzw. Land), ist in Deutschland im Gegensatz zu beispielsweise Frankreich und der Schweiz gesetzlich allenfalls über die Landeswassergesetze geregelt und in Einzelfällen meist jedoch in Form von zusätzlichen Verträgen oder Vereinbarungen anzutreffen. Beachtet werden muss, dass die relevante Erlaubnis- oder Bewilligungsdauer normalerweise ab dem Zeitpunkt der Erteilung und nicht erst ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Inbetriebnahme oder Vollbetriebsphase beginnt. Änderung einer bestehenden Anlage oder Benutzung

Neuanlage

Wesentliche Änderung?

ja

Gewässerausbau § 31 WHG?

nein

ja

nein

Änderung von Art, Maß oder Zweck?

Weiterbetrieb einer bestehenden Anlage

Auslaufen einer Erlaubnis/ Bewilligung

Widerruf § 15 (4) WHG

Ohne betriebliche Veranlassung

z. B. Gewässerentwicklungskonzept Untersuchung potentieller Konflikte

nein

ja Verfahren gemäß UVPG Planfeststellung ggf. Raumordnungsverfahren

wasserrechtliches Genehmigungsverfahren gemäß WHG mit i. d. R. ökolog. Gutachten etc.

Prüfung der Zuverlässigkeit Abwägung der öffentlichen Belange

Auflagen, z. B. Mindestwasserregelung, Verbindungsgewässer etc.

ja

Genehmigung erteilbar?

Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung gemäß WHG

Abb. 3.17:

Anzeige gemäß WG

ggf. Feststellung Umfang nach WG

ggf. Prüfung der Vorbehalte WG i. V. mit § 5 WHG

nein

Nichterteilung

Durchführung der Maßnahme und Weiterbetrieb ohne Änderung des rechtlichen Rahmens

Grundschema für die rechtliche Behandlung der Wasserkraftnutzung [3.21]

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

93

Ist mit dem Bauvorhaben eine wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer verbunden, so kann die Durchführung eines wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahrens notwendig sein (§ 31 WHG i. V. m. WG), das den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht. Für den Betrieb einer Wasserkraftanlage ist auch noch der § 19 g WHG über den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen von Bedeutung, der regelt, dass eine Verunreinigung oder nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Gewässers nicht erfolgen darf. Zu den Verfahrensdetails haben die Länder entsprechende Verordnungen erlassen. Wassergesetz (WG) Das Wassergesetz (WG) unterliegt dem Zuständigkeitsbereich der Länder und ergänzt und füllt den durch das WHG vorgegebenen Rahmen aus. Alle Landeswassergesetze haben übereinstimmend die Errichtung oder wesentliche Änderung von Anlagen in, an und über dem Gewässer von einer Genehmigung der Wasserbehörde (wasserrechtliche Genehmigung) abhängig gemacht, wobei Modernisierungsarbeiten zur Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit hiervon in der Regel ausgenommen sind und lediglich einer Anzeigepflicht unterliegen (s. Abb. 3.17). Des Weiteren enthalten alle WG Regelungen für Stauanlagen, wonach eine Außerbetriebnahme, Beseitigung sowie Stauhöhenveränderung nur mit Genehmigung vorgenommen werden darf. Für bestimmte Veränderungen im Überschwemmungsgebiet eines Gewässers haben darüber hinaus alle WG zur Vermeidung von Beeinträchtigungen des Hochwasserabflusses eine Genehmigungspflicht eingeführt. Verwaltungsverfahrensgesetze Im Rahmen der im Bund und den Ländern gleichlautenden Verwaltungsverfahrensgesetze ist das Planfeststellungsverfahren (s. WHG) als förmliches Verfahren besonderer Art geregelt, in dessen Rahmen alle vom Projekt Betroffenen durch öffentliche Bekanntgabe der Pläne Gelegenheit erhalten, Einwendungen zu erheben. Das Besondere am Planfeststellungsverfahren ist zum einen die Konzentration der Entscheidung für Aus- oder Neubaumaßnahmen bei einer einzigen Behörde. Zum anderen ersetzt die Planfeststellung alle nach anderen Vorschriften erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen etc. Widerspricht ein Vorhaben nicht dem Wohl der Allgemeinheit, so wird ein entsprechender Bescheid erteilt, der gegebenenfalls erforderliche Auflagen beinhaltet (Mindestwasserauflagen, Fischaufstiegsanlage etc.). Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Erlasse Im Rahmen der wasserwirtschaftlichen Zielvorstellungen der Länder haben diese eine größere Zahl von Verwaltungsvorschriften, Richtlinien, Erlasse etc. verfügt, die Einzelaspekte über die bestehenden Gesetzesvorgaben hinaus genauer behandeln (Trinkwasserverordnung, Wasserschutzgebietsverordnung, Anlagenverordnung wassergefährdende Stoffe (VawS) etc.). Vielfach sind die Vorschriften von den zuständigen obersten Landesbehörden aller Bundesländer gemeinsam in der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erarbeitet und überall gleichlautend veröffentlicht worden.

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3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Des Weiteren existieren auch Durchführungsvorschriften von Seiten des Bundes, soweit die entsprechenden Gesetze den Bund und dessen Organe hierzu ermächtigen. Schließlich sind gegebenenfalls auch die allgemein anerkannten, nicht-hoheitlichen Regelwerke zu berücksichtigen, die von Fachvereinigungen, wie z. B. DIN, DWA, erarbeitet werden. Bauordnung Für die Errichtung der baulichen Anlagen, die für den Betrieb einer Wasserkraftanlage notwendig sind, bedarf es normalerweise zusätzlich einer bauplanungsrechlichen und bauordnungsrechtlichen Genehmigung, der sogenannten Baugenehmigung, die in der Bundesrepublik Deutschland auf Länderebene in der jeweiligen Landesbauordnung geregelt ist. Durch die Neufassung des Baugesetzbuches im Jahr 1997 wurde das Bauen im Außenbereich für Wasserkraftanlagen vereinfacht, indem diese genehmigt werden müssen, sofern dem Vorhaben keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Entscheidungsbehörde sind nach dem WG jedoch das Landratsamt oder das Regierungspräsidium. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) Gemäß dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in Verbindung mit der entsprechenden EG-Richtlinie ist für Vorhaben, die die „Herstellung, Beseitigung und wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer sowie von Deich- oder Dammbauten“ zum Ziel haben und „einer Planfeststellung nach § 31 WHG bedürfen“, eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen. Inhalt dieses unselbstständigen verwaltungsbehördlichen Verfahrens sind die Analyse des Zustandes der Umwelt, der Prognose des Umweltzustandes nach der Projektausführung sowie ferner die Betrachtung und der Vergleich von Projektalternativen. Abschließend folgt die eigentliche UVP mit der zusammenfassenden Bewertung und der Entscheidung über das Projekt auf der Basis der vorgenommenen Erhebungen und Untersuchungen. Im internationalen Bereich sind derartige Prüfungsprozesse für die Wirkungen auf Umwelt und Soziales vor allem durch die Vorgaben in entsprechenden Regelwerken („Guidelines“) der internationalen Förderbanken (Weltbank, ADB etc.) enthalten, an die sich viele andere Förderinstitutionen anlehnen bzw. diese als Maßstab heranziehen (s. a. Kapitel 18). Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU Die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL), teilweise auch als Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bezeichnet, hat die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen innerhalb der EU zum Ziel und wurde durch die 1998 erfolgte Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes in nationales Recht umgesetzt. Grundlage hierfür stellt ein europäisches Schutzgebietssystem mit der Bezeichnung „Natura 2000“ dar. Zusätzlich werden durch die FFH-RL die gemäß Vogelschutzrichtlinie ausgewiesenen Vogelschutzgebiete geschützt. Dies hat zur Folge, dass seitdem bei Maßnahmen in geschützten Gebieten eine sogenannte FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

95

Naturschutzgesetzgebung Wird durch eine Baumaßnahme, wie beispielsweise eine Wasserkraftanlage, in erheblichem Umfang in den Naturhaushalt oder auch nur in das Landschaftsbild eingegriffen, so ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) durch die entsprechende Naturschutzbehörde eine Analyse mit folgender Hierarchie vorzunehmen: - Konfliktanalyse, - Verfolgung der Vermeidungsstrategie und ggf. schließlich - Festlegung von Ausgleichsmaßnahmen im Rahmen einer Eingriffs-Ausgleichs-Analyse. Bei diese Maßnahmen ist zu entscheiden, ob ein Ausgleich durch Ersatzmaßnahmen vorzunehmen oder eine naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe an entsprechende Fonds zu leisten ist. Die einzelnen Landesnaturschutzgesetze gestalten diesen vorgegebenen Rahmen gewöhnlich weiter aus. Des Weiteren sind nach § 29 BNatschG die anerkannten Verbände im Rahmen des Zulassungsverfahrens anzuhören. Beschränkungen der Wasserkraftnutzung können sich ferner aus den Verordnungen zu den in den Landesnaturschutzgesetzen genannten Naturschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten, Naturparks und (flächenhaften) Naturdenkmälern ergeben. Fischerei- und Tierschutzgesetz Da Wasserkraftanlagen in der Regel den freien Wechsel der Fische in einem offenen Gewässer verhindern, verpflichten die länderspezifischen Fischereigesetze den Anlagenbetreiber zum Bau von Fischaufstiegsanlagen. Darüber hinaus werden sowohl durch das Fischerei- als auch das Tierschutzgesetz Vorrichtungen zum Schutz der Fische und anderer Tiere vor Schäden infolge des Eindringens in die Turbinen etc. gefordert (z. B. Rechenanlagen, s. Kapitel 20). Bei Ausleitungskraftwerken wird schließlich das Belassen eines gewissen Mindestabflusses im Mutterbett gefordert (s. Kapitel 19). Bundeswasserstraßenverordnung Durch die Bundeswasserstraßenverordnung werden an schiffbaren Gewässern, die als Bundeswasserstraßen unter der Hoheit des Bundes stehen, die Forderungen der Schifffahrt nach deren unbeeinträchtigtem Ablauf geregelt, indem die driftfreie Ein- und Ausfahrt an den Schleusen sowie die Einhaltung des Stauzieles, der Wassertiefe und der Kanalbreite festgelegt werden. Hierbei ist auch den Belangen des Naturschutzes Rechnung zu tragen. Gewerbeordnung Da Wasserkraftanlagen normalerweise aus wirtschaftlichen Gründen errichtet und vor allem betrieben werden, müssen die entsprechenden Vorschriften, die Einfluss auf den Betrieb eines Gewerbes haben, berücksichtigt werden. Wesentlicher Bestandteil ist die Genehmigung für die Inbetriebnahme durch das Gewerbeaufsichtsamt nach dessen Abnahme der Anlage.

96

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Unfallverhütungs- und Arbeitssicherheitsvorschriften Um die Sicherheit und Unversehrtheit der Personen, die die Anlage bedienen, und unbeteiligter Dritter zu gewährleisten, sind beim Bau und während des Betriebes derartiger Anlagen die einschlägigen Unfallverhütungs- und Arbeitssicherheitsvorschriften zu berücksichtigen (s. Kapitel 13.3.1). Anerkannte Regeln der Technik Diese allgemein gültigen Regeln der Technik sind entsprechend ihrem Geltungsbereich bei Planung, Bau und Betrieb zu berücksichtigen. Es sind dies vor allem: - Normen (DIN, EN etc.); - Technische Regelwerke der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft; Abwasser und Abfall e. V. (DWA); - Vorschriften und Leitlinien des Verbandes Dt. Elektrotechniker (VDE). 3.5

Versicherung von Wasserkraftanlagen

Soweit es möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, muss es das Bestreben sein, die beim Kraftwerksbau und -betrieb auftretenden Risiken durch Versicherungen abzudecken. Neben der Absicherung der Sachschäden spielt auch die Abdeckung von Vermögensschäden heute eine große Rolle, da die finanziellen Ressourcen der Betreiber unabhängig von der Anlagengröße stetig geringer werden und so ein ausreichender Versicherungsschutz für den Betreiber eine Absicherung gegenüber einem wirtschaftlichen Ruin bedeuten kann [3.2]. In der Bauphase können vor allem bei folgenden Tätigkeiten Risiken auftreten: - Fertigung von Anlagenteilen beim Lieferanten; - Transport der Anlagenteile vom Hersteller zur Baustelle; - Lagerung auf der Baustelle und Montage der Anlagenteile; - Inbetriebsetzung, Tests und Probebetrieb bis zur Abnahme, wobei die Fertigung in der Regel über den Lieferanten versichert ist. Die weiteren, auf Geräte und Einrichtungen bezogenen Punkte können durch eine Transport- und Montageversicherung abgedeckt werden. In den meisten Fällen werden diese Risiken, die sich meist in Form von Bau- bzw. Betriebsunterbrechungen auswirken, im Rahmen der Lieferverträge auf die Lieferanten durch den Nachweis einer entsprechenden Versicherung oder durch Konventionalstrafen verlagert. Hinzu kommt gegebenenfalls eine Bauherrenhaftpflichtversicherung für Personenschäden und Schäden an benachbarten Gebäuden und Grundstücken, die vom Bauherrn abzuschließen ist. Schließlich kann je nach Versicherungsrisiko auch noch der Abschluss einer Bauwesenversicherung sinnvoll sein, durch den von Seiten des Bauherrn oder der ausführenden Firma Schäden am Bau infolge unvorhergesehener Bauunfälle und Naturereignisse abgesichert werden können. Während des Betriebs hingegen trägt der Betreiber das alleinige Risiko, zu dessen Absicherung insbesondere folgende Versicherungen auf dem Markt angeboten werden: - Betriebsausfallversicherung, durch die Ertragseinbußen und Mehrkosten für Ersatzenergie infolge eines Betriebsausfall durch einen Sachschaden an der Wasserkraftanlage ausgeglichen werden.

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

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-

Maschinenversicherung, durch die im Schadensfall die Reparaturkosten für Turbine und für Hilfseinrichtungen gedeckt wird, wobei üblicherweise folgende Gefahren versichert sind: Material- und Ausführungsfehler; Ausfall von Steuer- und Regelungsanlagen; Versagen von Sicherheitseinrichtungen; Kurzschluss, Überstrom und Überspannung; Sturm, Frost und Eisgang; Bedienungsfehler und Ungeschicklichkeit; Fahrlässigkeit und Böswilligkeit. - Betriebshaftpflichtversicherung, ähnlich einer Gebäudehaftpflichtversicherung, die häufig aber auch eine Anlagenrisikoversicherung, z. B. durch Stromunfälle, und eine Werkeigentümerhaftpflichtversicherung, z. B. gegen Hochwasserschaden infolge schadhaftem Wehr, beinhaltet. - Personalunfallversicherung für Unfälle des angestellten Personals. - Wasserschadenversicherung für Schäden im oder am Gebäude durch eindringendes Leitungswasser. - Feuer- und Elementarschadenversicherung für die Gebäude. Für den Betreiber gilt es abzuschätzen, welche Risiken bei seiner Anlage abgedeckt werden sollten, wobei neben dem Anlagenzustand und -alter stets auch die regelmäßig zu listenden Versicherungsbeiträge im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eine wichtige Rolle spielen werden. 3.6 [3.1]

[3.2] [3.3]

[3.4] [3.5]

[3.6]

[3.7]

Literatur Weiß, P.: Ein Beitrag zur Planung und Projektierung von Kleinwasserkraftanlagen. In: Mitteilungen des Institutes für Wasserbau und Wasserwirtschaft der RWTH Aachen (1992), Nr. 82 Heimerl, S.: Systematische Beurteilung von Wasserkraftprojekten. In: Mitteilungen des Institutes für Wasserbau der Uni. Stuttgart, 2002, Heft 112 Gittinger, H.; Heimerl, S.: Wasserwirtschaftliche Grundlagen für die Planung und den Betrieb von Wasserkraftanlagen. In: Tagungsband des 5. Internationalen Anwenderforums „Kleinwasserkraftwerke“, OTTI Energie-Kolleg, Innsbruck, 2002, Seite 97-103 Ketterer, H.: Global link - Interkontinentaler Energieverbund. In: Elektrizitätswirtschaft 94 (1995), Nr. 4, Seite 192-196 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e. V. (Hrsg.): Begriffsbestimmungen in der Energiewirtschaft, Teil 3: Wasserkraft. Frankfurt/Main: VWEW-Verlag, 1992 Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e. V. (Hrsg.): Begriffsbestimmungen in der Energiewirtschaft, Teil 3: Begriffe in der Wasserwirtschaft. Frankfurt/Main: VWEW-Verlag, 1982 Mosonyi, E; Buck, W.: Die Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsanalyse und Kostenverteilung. 4. Fortbildungslehrgang für Hydrologie des Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft e. V. Karlsruhe, 1972

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[3.8] [3.9] [3.10]

[3.11] [3.12] [3.13]

[3.14] [3.15]

[3.16] [3.17] [3.18] [3.19] [3.20]

[3.21]

3 Grundsätze der Planung und Projektierung

Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (Hrsg.): Leitlinien zur Durchführung von Kostenvergleichsrechnungen. 5. Auflage. München, 1994 Maniak, U.: Wasserwirtschaft - Einführung in die Bewertung wasserwirtschaftlicher Vorhaben. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 2001 Papantscheff, C.: Empirische Formel für voraussichtliche spezifische Anlagekosten von Pumpspeicherkraftwerken. In: Wasserwirtschaft 79 (1989), Heft 2, Seite 74-79 Wagner, E.: Verfügbarkeit von Laufwasserkraftwerken. In: Elektrizitätswirtschaft 83 (1984), Heft 24, Seite 1005-1008 Bundesamt für Wasserwirtschaft der Schweiz (Hrsg.): Kleinwasserkraftwerke in der Schweiz - Teil 3. Bern, 1987 Heimerl, S.: Held, S.; Krull, D.: Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bei Wasserkraftanlagen vor dem Hintergrund von WRRL und EEG. In: UmweltWirtschaftsForum uwf 16 (2008), Heft 3, S. 131-136 Zangemeister, Ch.: Nutzwertanalyse in der Systemtechnik. 4. Auflage. München: Wittemann, 1976 Hauenstein, W.; Bonvin, J.-M.; Vouillamoz, J.; Wiederkehr, B.; Rey, Y.: Externe Effekte der Wasserkraftnutzung in der Schweiz - Identifikation, Quantifizierung und Bewertung. In: Verbandsschrift des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (1999), Nr. 60 Kohler, B.: Externe Effekte der Laufwasserkraftnutzung. In: Mitteilungen des Institutes für Wasserbau der Universität Stuttgart (2006), Heft 149 Kohler, B.: Bewertung externer Effekte bei der Laufwasserkraftnutzung. In: Wasserwirtschaft 97 (2007), Heft 9, Seite 26-30 Buerstedde, W.: Rechtsfragen um die Wasserkraft. Detmold: Verlag Moritz Schäfer, 2001 Heimerl, S.; Kohler, B.: Implementation of the EU Water Framework Directive in Germany. In: Hydropower & Dams 10 (2003), Heft 5, S. 88-93 Heimerl, S.: Wasserkraft in Deutschland - Wasserrahmenrichtlinie und Zukunftsaussichten. In: EW - Elektrizitätswirtschaft 104 (2005), Heft 17/18, S. 58-61 Heimerl, S., Stuttgart: Persönliche Auskunft, 2005/2008

99

4 4.1

Typen von Wasserkraftanlagen Klassifizierung der Wasserkraftanlagen

Im Rahmen einer Klassifizierung von Wasserkraftwerken können unterschiedliche Schwerpunkte bzw. Gesichtspunkte in Betracht gezogen werden. Zwischen einzelnen Klassifizierungsgruppen bestehen oftmals enge Beziehungen und fließende Übergänge, so dass sich eindeutige Abgrenzungen für eine Systematik nicht definieren lassen. Trotz der nur schwierigen Abgrenzung ergeben sich mehr oder weniger die folgenden Gruppierungen für eine Klasseneinteilung: A Einteilung nach technischen (flussbaulichen und bautechnischen) Gesichtspunkten: 1. Laufwasserkraftwerke: 1.1 Flusskraftwerke: 1.1.1 Blockbauweise (zusammenhängende Bauweise); 1.1.2 Buchtenkraftwerk; 1.1.3 Zwillingsbauweise (beidseitige Anordnung); 1.1.4 Pfeilerkraftwerke (aufgelöste Bauweise); 1.1.5 überströmbare Flusskraftwerke (Kombination mit Stauanlage): 1.2 Ausleitungskraftwerk; 1.3 Schleifen-/Schlingenausbau (Kombination von Seitenkanal und Flussstrecke); 2. Speicherkraftwerke mit natürlichem Zufluss; 3. Pumpspeicherkraftwerke (Speicherkraftwerke ohne und mit natürlichem Zufluss); 4. Gezeitenkraftwerke; 5. Wellenkraftwerke; 6. Depressionskraftwerke; 7. Gletscherkraftwerke; 8. Wasserkraftanlagen mit unterirdischen Speichersystemen. B Einteilung nach topografischen Gesichtspunkten: 1. Flusskraftwerke im Unterlauf; 2. Wasserkraftwerke im Mittelgebirge (Laufwasser- und Speicherkraftwerke); 3. Speicherkraftwerke im Hochgebirge. C Einteilung nach der Nutzfallhöhe: 1. Niederdruckanlagen (Fallhöhe < 15 m); 2. Mitteldruckanlagen (Fallhöhe = 15 bis 50 m); 3. Hochdruckanlagen (Fallhöhe > 50 m). D Einteilung unter energiewirtschaftlichen Gesichtspunkten: 1. Grundlastkraftwerke; 2. Mittellastkraftwerke; 3. Spitzenlastkraftwerke.

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4 Typen von Wasserkraftanlagen

E Einteilung nach der Betriebsweise: 1. Inselbetrieb; 2. Verbundbetrieb. F Einteilung nach der installierten Leistung: 1. Kleinwasserkraftanlagen (in der Regel < 1 MW); 2. mittelgroße Wasserkraftanlagen (< 100 MW); 3. Großwasserkraftanlagen (> 100 MW); G Einteilung unter wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten: 1. Wasserkraftanlagen, die ausschließlich der Energieerzeugung dienen; 2. Wasserkraftanlagen für mehrere wasserwirtschaftliche Zielsetzungen (Mehrzweckanlagen); 3. Wasserkraftanlagen, die hauptsächlich anderen Zielsetzungen und nur untergeordnet der Energieerzeugung dienen. Tabelle 4.1: Klassifizierung der Wasserkraftanlagen nach wesentlichen Merkmalen [4.1] Entwurfsbasis 1. 2. 3.

Niederdruckanlagen hf < 15 m topografische Lage Flachland (Hügelland) Baugrund vorwiegend Lockergestein Stauhaltung feste und bewegliche Wehre Triebwasserführung Fluss/Ausleitungskraftwerke

Mitteldruckanlagen hf = 15-50 m Mittelgebirge Felsgestein

Hochdruckanlagen hf > 50 m Mittel-/Hochgebirge Felsgestein

Talsperren (Dämme oder Staumauern) Ausleitungskraftwerke, seltener Flusskraftwerke

Talsperren (Dämme oder Staumauern) 4. Ausleitungskraftwerke oder Kraftwerke mit Triebwasserstollen 5. Wesentliche BauEinlauf - Maschinenhaus Einlauf - DruckrohrEinlauf - Druckstollen elemente - Auslauf leitung/-stollen Wasserschloss - DruckMaschinenhaus - Auslauf rohrleitung Maschinenhaus - Auslauf 6. Hydraulische Kaplan-/Propeller-/Rohr- Francis-/KaplanFrancis-/PeltonMaschinen /Francis-Turbinen /Propeller-Turbinen Turbinen bei gleicher Maschinenleistung: Einheiten großer AbEinheiten mittlerer Ab- Einheiten kleiner Abmessungen messungen messungen vertikale oder vertikale oder vertikale oder horizontale Wellenhorizontale Wellenhorizontale Wellenanordnung (geneigt bei anordnung anordnung Rohr- und teilweise Propellerturbinen) 7. Generatoren/ Generatoren mit großer Generatoren normaler Generatoren normaler Hydrogeneratoren Polzahl Bauart Bauart Generator unmittelbar gekuppelt/mit Getriebe 8. Ausmaß der Laufkraftwerke oder Tages- oder WochenTages- bis ÜberjahresSpeicherung Tagesspeicherung speicherung speicherung 9. Vorwiegende schwankend, kleinere Schwankungen, in Anpassung an den Energieerzeugung u. U. unterbrochen stetig Bedarf 10. Lastbereich im Ver- Grundlastkraftwerk im Grundlastkraftwerk im Grund-/Mittel-/Spitzenbundbetrieb Verbundbetrieb Verbundbetrieb kraftwerk

Für eine systematische Weiterverfolgung der Bautypen und der Einsatzbereiche von Wasserkraftanlagen eignet sich unter den vorgenannten Klassifizierungen am

4 Typen von Wasserkraftanlagen

101

ehesten die Unterscheidung nach der Fallhöhe (Gruppe C). Ihr lassen sich laut Tabelle 4.1 eine Reihe von Merkmalen zuordnen, die auch für die sonstigen Klassifizierungen von Bedeutung sind. In Verbindung mit dem Durchfluss ergeben sich bestimmte Merkmale der Bauausführung, die zusammen mit den zugehörigen Bauelementen, die ebenfalls charakteristische Differenzierungen aufweisen, in den Folgekapiteln näher beschrieben werden. 4.2

Einteilung von Wasserkraftanlagen hinsichtlich der Nutzfallhöhe

4.2.1

Niederdruckkraftwerke

Niederdruckkraftwerke sind durch geringere Fallhöhen bis etwa 15 m charakterisiert (s. a. Tabelle 4.1). Sie werden meist als Laufwasserkraftwerke konzipiert, eine nennenswerte Speichermöglichkeit durch Überstauung weiter Ufergebiete lässt die Topografie in der Regel nicht zu. Als typische Maschinen kommen bei Niederdruckkraftwerken vor allem Propeller-, Kaplan-, Rohr-, Straflo- und Durchströmturbinen zum Einsatz, heute seltener Francis-Turbinen. Die Anzahl der Maschinensätze richtet sich überwiegend nach Durchfluss, jährlicher Abflusscharakteristik, Einzelbetrieb oder Durchlaufspeicherung innerhalb einer Kraftwerkskette und eines Stromnetzes. Eine Kombination mit anderen Nutzungszielen ist sinnvoll und vielfach verwirklicht, insbesondere werden in fast allen Fällen durch den Bau von Wasserkraftanlagen eine Verbesserung des Hochwasserschutzes, eine Eindämmung etwaiger Sohlenerosionen mit Flusseintiefung sowie weitere Vorgaben erreicht (s. Kapitel 18). 4.2.1.1 Flusskraftwerke Bei Flusskraftwerken handelt es sich um Wasserkraftwerke, die oftmals direkt in den Flusslauf gebaut werden, wobei durch die Stau- und Kraftwerksanlage ein geringer zusätzlicher Speicherraum im Oberlauf geschaffen werden kann. Für den Bau von Flusskraftwerken sind wasserreiche Flüsse und Ströme mit einem Gefälle kleiner 2 ‰ besonders geeignet, wobei je nach Wasserführung unterschiedliche Baukonzeptionen in Frage kommen. Beim reinen Flusskraftwerk stehen im Allgemeinen Stauwehr und Krafthaus direkt nebeneinander, und ihre gemeinsame Längsachse ist quer zum Stromstrich ausgerichtet. Diese Bauart empfiehlt sich in den Fällen, wo sich der höchste Hochwasserabfluss (HHQ) ohne zusätzliche Verbreiterung des Flussquerschnittes störungsfrei über das Wehr abführen lässt. Bei schiffbaren Flüssen ist zusätzlich noch eine Schleuse, vornehmlich im Bereich der Stauanlage angeordnet. Die beste Energieausbeute wird erreicht, wenn die gesamte verfügbare Ausbaufallhöhe einer Gewässerstrecke in mehrere Ausbaustufen unterteilt (s. a. Abb. 2.1), also zum Stufen- oder Staffelausbau übergegangen wird. Auch aus Gründen der Schiffbarkeit ist diese Ausbauform vorzuziehen, da so eine durchgehende Mindestwassertiefe eingehalten werden kann. Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Stützung des Wasserhaushaltes werden derartige Anlagen auch als Stützschwellenkraftwerke bezeichnet.

102

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Die Aneinanderreihung von Flusskraftwerken, die sogenannte Staffelung oder Kettenanordnung, die einen entscheidenden Einfluss auf die Fallhöhenausnutzung hat, wird nach der Abfolge der Wasserspiegellinien in den jeweiligen Stauhaltungen in Längsrichtung (Fließrichtung) unterschieden in (s. Abb. 4.1): - aussetzende, - aneinandergereihte oder - übergreifende Stauhaltung. Staulinienwurzel

Abb. 4.1:

Wehr

Wehr

Dh

a

Staulinienwurzel

Staulinienwurzel

Wehr

Dh

Dh

b

c

Staffelungsarten bei Kraftwerksketten: a) aussetzend, b) aneinandergereiht, c) übergreifend

Die gestaffelten Flusskraftwerke können auch nach deren Betriebsart unterteilt werden: den Laufwasserkraftanlagen und der Flusskraftwerksabfolge mit Durchlaufspeicherung. Hinzu kommen zwischenzeitlich noch in etlichen Fällen die Übernahme von Regelungsaufgaben, die aus dem Netzbetrieb resultieren (s. Kapitel 16.7.3 und 17). Laufwasserkraftanlagen nutzen das natürliche Wasserdargebot ohne nennenswerte Speicherung entsprechend ihrem Ausbaugrad permanent während des ganzen Tages und stellen somit Grundlastenergie bereit. Zur Anpassung der Stromerzeugung eines Flusskraftwerkes an den tatsächlichen Strombedarf kann dieses auch mit Durchlaufspeicherung betrieben werden. Voraussetzung ist ein ausreichendes Stauvolumen oberhalb jeder Staustufe einer Wasserkraftanlagenkette, das bei Bedarf zusätzlich zum normalen Abfluss zur optimierten Erzeugung von Spitzenenergie herangezogen werden kann, wobei der erste Speicher in Fließrichtung, der sogenannte Kopfspeicher, und der letzte Speicher, der sogenannte Endspeicher, deutlich größer als die dazwischen liegenden, sogenannten Zwischenspeicher sein müssen. Dies führt oft zu einem höheren Ausbaugrad (fa ≥ 1,5; s. Kapitel 3.2.3) als bei einzelnen Laufwasserkraftanlagen; gleichzeitig wird durch den steuerbaren, bedarfsorientierten Einsatz der Maschinensätze ein höherer Gesamtwirkungsgrad erzielt. Grundsätzlich stehen zwei Betriebsarten bei der Durchlaufspeicherung zur Wahl: der Kipp- oder der Schwellbetrieb (s. Abb. 4.2). Beim Kippbetrieb werden alle Wasserkraftanlagen einer Anlagenkette gleichzeitig mit demselben Turbinendurchfluss in Betrieb genommen - der Wasserspiegel „kippt“ dabei aus der Ruhelage in eine Schräglage -, so dass augenblicklich die volle Leistung der gesamten Kette zur Verfügung steht. Beim Schwellbetrieb werden die Wasserkraftanlagen einer Kette nacheinander entsprechend des als „Welle“ diese Strecke durchfließenden erhöhten Abflusses in Betrieb genommen, so dass über einen längeren Zeitraum entsprechend der Fließzeit eine erhöhte Leistung abgegeben werden kann, wobei die jeweilige Fallhöhenausnutzung hierdurch besser als beim Kippbetrieb einer ganzen Anlagenkette ist. Um die Auswirkungen dieser Betriebsarten auf die hierfür ge-

4 Typen von Wasserkraftanlagen

103

nutzten Gewässerabschnitte zu beschränken, werden diese sinnvollerweise als quasi geschlossene Systeme ausgebildet, indem der in Fließrichtung gesehene erste Speicherraum als sogenannter Kopfspeicher und der letzte als Fuß- bzw. Ausgleichsspeicher (s. a. Kapitel 18.2.1.4) ausgestaltet werden. Die Steuerung derartiger Staustufenketten erfolgt heute zunehmend mehr im vollautomatisierten Betrieb, wobei hier ständig komplexere Steuerungs- und Simulationsmodelle zur Anwendung gelangen (s. Kapitel 13.2), die die über die reine Energiegewinnung hinausgehenden Ansprüche aus der Binnenschifffahrt, der Wassermengenwirtschaft, den Umweltwechselbeziehungen, den Freizeit- und Erholungsansprüchen etc. immer besser berücksichtigen ([4.2], [4.3]), wie dies vor allem am Rhein, aber auch am Neckar, an der Donau, der Drau und dem Lech etc. geschieht. Wassertiefe [m]

Q 5 Q 4

Wasserspiegellagen bei Schwellbetrieb

Q 3 Q 2

13,0

Kippbetrieb 12,0

Q 1 Q = 0 m3/s 11,0 Q Q 1 Q 2 Q 3 Q 4 5 Haltungslänge obere Wasserkraftanlage

Abb. 4.2:

10,0 untere Wasserkraftanlage

Beispiel für Wasserspiegellagen bei Schwell- und Kippbetrieb

Zu diesem durch die Modelle stochastisch bzw. deterministisch aufzuarbeitenden Aufgabenkomplex tritt die Vielfalt der für die Steuerung und Regelung in Frage kommenden technischen Einrichtungen einschließlich der Kontrollorgane (s. Kapitel 13.2). Der Staustufenbetrieb, damit die künstliche Beeinflussung von Wasserstand und Abfluss (s. Kapitel 18.2.1.4), kann durch Stauwehre und deren Verschlüsse, durch die Turbinen in der Wasserkraftanlage, durch etwa zusätzliche Grundablässe und Hochwasserentlastungsanlagen, durch Schiffsschleusen, Fischaufstiegsanlagen sowie anderweitige Wasserentnahmen bzw. durch künstliche Zuleitungen aus Entwässerungsnetzen geschehen. Gänzlich stochastisches Verhalten zeigen die natürlichen, vom Niederschlag und Abfluss im Einzugsgebiet abhängigen Zuflüsse. Aus dieser Auflistung sind auch die Problemfelder für die numerische Behandlung des gesamten Komplexes erkennbar. Hinzu kommen noch die Unregelmäßigkeiten des Strömungsablaufes innerhalb der Stauhaltung, die sich bei der zeitabhängigen Änderung von Wasserstand, Zufluss und Abfluss einstellen. Es liegt auf der Hand, dass mit einer Automatisierung der Betriebsweisen die Entlastung oder gar die Reduzierung des Betriebspersonales und vor allem die

104

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Wassernutzung optimiert werden sollen, wobei die maßgebenden Parameter in eine nichtlineare Systemdynamik aller wassermengenwirtschaftlicher und hydraulischer Veränderungen von Wasserstand, Zu- und Abflüssen einzubinden sind. Hierdurch kann im Sinne von Automatisierung und Modernisierung bestehender Anlagen die bestmögliche Flussstauregelung erreicht werden. Dabei bedarf es einer ständigen Messung, Sammlung und Auswertung der benötigten Eingangsgrößen sowie bestimmter Vorgaben für die Stellglieder von Verschluss- und Regelorganen und Turbinen bis hin zu den zugehörigen Regeleinrichtungen bei jeder einzelnen Wasserkraftanlage selbst. Die schließlich aus diesen Wechselwirkungen hervorgehenden Betriebsstrategien müssen letztendlich auch noch einer permanenten Optimierung unterzogen werden, um die bestmögliche Staustufensteuerung zu erzielen. Je nach Anordnung von Krafthaus, Wehranlage und eventuell vorhandener Schleuse in Bezug auf den Flussquerschnitt lassen sich drei wesentliche Bauweisen mit folgenden Flusskraftwerkstypen unterscheiden (s. Abb. 4.3), die in den nachfolgenden Abschnitten näher beschrieben werden: - zusammenhängende Bauweise: - Blockbauweise, - Buchtenkraftwerk; - aufgelöste Bauweise: - Zwillingskraftwerk, - Pfeilerkraftwerk; - überströmbare Bauweise.

a Abb. 4.3:

b

c

d

e

Anordnung von Flusskraftwerken: a) Blockbauweise, b) Zwillingsbauweise, c) Pfeilerkraftwerk, d) überströmbares Kraftwerk, e) Buchtenkraftwerk [4.1]

Eine Sonderform der Flusskraftwerke stellen die Ausleitungskraftwerke dar, auf die in Kapitel 4.2.1.2 näher eingegangen wird. Blockbauweise Bei dieser Bauweise (s. Abb. 4.3a) befinden sich sämtliche Maschinensätze in einem Krafthaus, das an einer Seite des Flusses angeordnet ist. Dies ist sowohl während der Bau- als auch während der Betriebsphase für Montage- und Wartungsarbeiten von besonderem Vorteil. Zweckmäßigerweise ordnet man das Kraftwerk in Flusskrümmungen auf der nahezu geschiebefreien Außenseite an (s. Kapitel 5.1). Das dort infolge der Oberflächenströmung vermehrt auftretende Treibgut kann hingegen relativ problemlos durch Abweisbalken auf die Wehrfelder abgelenkt oder durch Rechenanlagen entnommen bzw. weitergeleitet werden. Ebenso ist bei Flüssen mit starkem Eisgang darauf zu achten, dass das Treibeis - unter Umständen durch entsprechende Vorrichtungen, wie z. B. Eisbäume oder Eiskanäle - vom Krafthaus abgelenkt wird und sich nicht vor demselben auftürmt; die Bildung einer zusammenhängenden

4 Typen von Wasserkraftanlagen

105

Eisdecke an der Wasseroberfläche ist dem Kraftwerksbetrieb hingegen nicht hinderlich, sie hilft vielmehr bei der Abwehr von Treibeis. Die Blockbauweise ist nur an den Orten zu verwirklichen, an denen die störungsfreie Abfuhr des höchsten Hochwassers ohne Verbreiterung des Flussquerschnittes über die geplanten Wehrfelder möglich ist. Ansonsten ist eine andere Bauweise, insbesondere die des Buchtenkraftwerks vorzuziehen. Sinnvollerweise wird man in der Planungsphase anhand eines Modellversuches die günstigste Anordnung aller Bauteile ermitteln, sofern nicht auf vergleichbare Erfahrungswerte anderer Anlagen zurückgegriffen werden kann. Vielfach haben diese das Strömungsverhalten und den Geschiebetrieb aufklärenden Modellversuche eine vollständige Veränderung der ursprünglichen Planung zur Folge gehabt. Da die An- und Abströmverhältnisse bei der zusammenhängenden Bauweise am schlechtesten sind, ist auf eine straffe Strömungsrichtung und die Vermeidung von Querströmungen durch den Einbau eventueller Leitwände o. Ä. großer Wert zu legen. Ebenso ist darauf zu achten, dass keine Stillwasserzonen im Oberlauf in größerem Umfang entstehen, da sich dort sonst Verlandungszonen entwickeln könnten. Als Beispiele seien das Laufwasserkraftwerk Säckingen am Hochrhein (s. Abb. 2.1 und vor allem Kapitel 21.1), bei dem sich auf der rechten Seite des Rheines das Krafthaus mit 4 Kaplan-Turbinen und auf der linken Seite die Wehranlage mit 5 Wehrfeldern befinden, sowie das ähnlich gebaute Rheinkraftwerk Iffezheim (s. Abb. 13.3) genannt. Buchtenkraftwerk Eine der häufigsten Formen der Anordnung von Flusskraftwerken stellt das Buchtenkraftwerk als Sonderform der Blockbauweise dar (s. Abb. 4.3e), bei der das Kraftwerk in einer künstlich geschaffenen Bucht seitlich des ursprünglichen Flusslaufes angeordnet wird. Auch dieses Kraftwerk befindet sich sinnvollerweise auf der geschiebefreien Außenseite einer Flusskrümmung. Im Gegensatz zur reinen Blockbauweise wird der Fließquerschnitt kaum oder überhaupt nicht verringert, wodurch das HHQ wie zuvor im unverbauten Zustand abgeführt werden kann. Die durch die Verbreiterung ansteigenden Baukosten werden normalerweise durch die vereinfachte und hochwassersicherere Herstellung des Krafthauses in einer trockenen Baugrube kompensiert (s. a. Kap. 13). Für die relative Lage des Krafthauses zum Stauwerk gibt es drei Möglichkeiten (s. Abb. 4.4): a) Krafthaus in der Verlängerung des Wehres, b) vorspringendes Krafthaus, c) Krafthaus flussabwärts verschoben. Kraftwerk mit Rechen

Trennpfeiler Wehr

a Abb. 4.4:

b

c

Relative Lage des Krafthauses zum Stauwerk: a) Krafthaus in der Verlängerung des Wehres; b) vorspringendes Krafthaus; c) Krafthaus flussabwärts verschoben [4.1]

106

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Am günstigsten ist die in die Verlängerung des Wehres fallende Variante a) oder eine etwas flussabwärts verschobene Anordnung. Bei der stark flussabwärts verschobenen Anordnung des Krafthauses c) wird letzteres bereits ungünstiger angeströmt. Am ungünstigsten aber ist die Variante b) mit einem vorspringenden Krafthaus, da sich hier eine nachteilige Strömung mit sehr vielen Umlenkungen und Ablösungen ausbilden würde. Aus strömungstechnischen Gesichtspunkten ist es von besonderer Bedeutung, dass die Bucht mit einer ausreichend großen Verziehung der Uferlinie sowohl auf der Ober- als auch auf der Unterwasserseite ausgebildet wird, damit die Strömung im Bereich des Kraftwerkes gleichmäßig verläuft. Des Weiteren spielen die Trennpfeileranordnung, -länge und -form hierbei eine bedeutende Rolle, wobei im Allgemeinen ein Trennpfeiler mit einer Länge, die etwa 1/3 der Krafthauslänge beträgt, und einer asymmetrischen Grundform mit wehrseitig gerader und kraftwerkseitig parabolischer Abgrenzung gute Ergebnisse liefert. Das beste Ergebnis erhält man allerdings nur durch einen alle örtlichen Randbedingungen erfassenden Modellversuch. Bei Buchtenkraftwerken unterscheidet man bezüglich des Einlaufbereichs zwei Ausführungsvarianten, die in der nachfolgenden Abb. 4.5 dargestellt sind. Im Gegensatz zu älteren Ausführungen mit Entnahmebauwerk (in der Regel Betonschwelle, Rechen und Tauchwand) wird bei neueren Baumaßnahmen auf eigenständige Entnahmebauwerke verzichtet und die Rechenanlage direkt den Turbineneinläufen parallel vorgelagert, wie z. B. bei den Ausbaumaßnahmen am Hochrheinkraftwerk Laufenburg.

a

Abb. 4.5:

b

Anordnung von Buchtenkraftwerken: a) mit / b) ohne Entnahmebauwerk und potenzieller Schleuse [4.1]

Zwillingsbauweise Eine Zweiteilung des Kraftwerkes (s. Abb. 4.3b) kann unter besonderen Umständen bei Flüssen mit großem Ausbaudurchfluss und kleiner Fallhöhe notwendig werden, da in diesem Fall aufgrund der höheren Anzahl von Maschinengruppen große Krafthauslängen erforderlich sind, die bei ungeteilter Unterbringung des Kraftwerkes an einem der beiden Ufer zu einem Missverhältnis zwischen Buchtbreite und der ursprünglichen Flussbettbreite führen würden. Hierbei kann die symmetrische Anströmung auch vorteilhaft sein. Insbesondere bei Flüssen, die die Grenze zwischen benachbarten Staaten darstellen, kann die Wasserkraftnutzung in zweigeteilten Anlagen notwendig werden, wobei sich das Stauwerk dann meist in gemeinsamem Besitz befindet. In Abb. 4.6 sind die möglichen Ausführungsvarianten schematisch dargestellt, wobei die Variante a) mit einer kleinen Schiffsschleuse beispielsweise beim Rheinkraftwerk Augst-Whylen und die Variante b) beim Donaukraftwerk Ybbs-Persenbeug zur Ausführung kamen.

4 Typen von Wasserkraftanlagen

107

Schiffsschleusen Schiffsschleuse

Kraftwerke

SH

Kraftwerke Stauwerk

Stauwerk

Stauwerk

Kraftwerke

a Abb. 4.6:

c

b

Anordnungsvarianten von zweigeteilten Wasserkraftanlagen [4.1]

Pfeilerkraftwerke Pfeilerkraftwerke (s. Abb. 4.3c und Abb. 4.7) zeichnen sich durch die wechselnde Anordnung von Wehrfeld und Turbinenpfeiler in der Kraftwerksachse aus. Die Turbinenpfeiler nehmen gleichzeitig die Widerlager für die Wehrfelder auf und ersetzen separate Wehrpfeiler, wodurch die Anströmung beider Anlagenteile sehr gleichmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn die Wehrfelder verschlossen und nur die Turbinen in Betrieb sind. Es hat sich gezeigt, dass diese Bauweise Einsparungen an der Energieumwandlungsanlage für den Hochwasserabfluss erlaubt und auf eine Querschnittsverbreiterung für das Tosbecken durch Ausnützung der räumlichen Tosbeckenwirkung verzichtet werden kann. Von Vorteil ist, dass der Bau eines separaten Krafthauses entfällt, da die Betriebsräume seitlich um die Turbine mit in der Regel senkrechter Welle und damit darüber sitzendem Generator angeordnet werden können. Die Wartung der Maschinensätze erfolgt über einen Portalkran, der auf dem Dach der Anlage, die sich durch ihre geringe Bauhöhe auszeichnet, fährt. Durch die gleichmäßige Verteilung der Anlagenkomponenten über den gesamten Flussquerschnitt werden die Auflasten verteilt, so dass meist auf eine aufwendige und kostenintensive Bauwerksgründung - vor allem als Auftriebsschutz - verzichtet werden kann. Bisher wurden beispielsweise am Inn die Staustufen Perach (Inbetriebnahme 1974), Nußdorf (1982) und Oberaudorf (1992) als Pfeilerkraftwerke gebaut und werden mit ähnlichem Erfolg wie die älteren Drau-Pfeilerkraftwerke betrieben.

Wehrfeld 1

Wehrfeld 2

Wehrfeld 3 Schaltwarte

Montageraum Turbine 1

Abb. 4.7:

Turbine 2

Querschnitt durch das Pfeilerkraftwerk Nußdorf am Inn [nach 4.4]

Überströmbare Kraftwerke An die Stelle des Nebeneinanders von Kraftwerk und Stauwehr tritt beim überströmbaren bzw. überflutbaren Kraftwerk (s. Abb. 4.3d und Abb. 4.8) ein einheitlicher und organisch durchgebildeter Baukörper. Er erfüllt gleichzeitig drei Auf-

108

4 Typen von Wasserkraftanlagen

gaben: Aufnahme der Maschinensätze, Stauhaltung und Hochwasserentlastung. Der Raumbedarf ist auf ein Minimum beschränkt, wodurch sich neben der Ersparnis an Baumaßnahmen die Gesamtanlage gut in das Landschaftsbild eingliedern lässt und eine Flussbettverbreiterung nicht notwendig ist. Eingangsbauwerk 8,70

Ausgangsbauwerk 8,20

8 x 9,5 m = 76,00 8 Klappen

Maschinenraum

a

Grundablaß 1

Grundablaß 2 Turbine 1+2

Grundablaß 3 Turbine 3+4

Grundablaß 4 Turbine 5+6

Unterwasser Faltboot-Schleuse

Saugrohre

Klappenantriebe

Grundablaß

Turbine und Generator

Einlauf

b

Einlauf

Einlauf

Oberwasser durchgehende Stauklappe

durchgehende Stauklappe

Grundablaß mit Segmentverschluß

Rohrturbine

c Abb. 4.8:

9,0

Lenzgang 11,5

d

Lenzgang 9,0

11,5

Überströmbares Kraftwerk (Staustufen 7-15 am Lech): a) Ansicht vom Unterwasser; b) Grundriss; c) Schnitt in der Turbinenachse; d) Schnitt durch den Grundablass/Hochwasserentlastung [nach 4.5]

Das sich über die ganze Flussbreite erstreckende Bauwerk, dessen Bauteile wasserdicht ausgeführt werden müssen, enthält die Maschinengruppen und die als Leerschüsse ausgebildeten Grundablassöffnungen z. B. mit Segmentverschlüssen. Hierbei können die Turbinenkammern und die Leerschüsse entweder miteinander abwechselnd oder blockweise zusammengefasst angeordnet werden. Dies richtet sich nach dem Flussquerschnitt und nach den herrschenden Strömungsverhältnissen, die durch das Kraftwerk nicht wesentlich beeinflusst werden. Der Baukörper trägt auf seiner Krone den z. B. aus einzelnen Stauklappen gebildeten Wehraufsatz. Bei Hochwasser wird durch Umlegen des Klappenwehres das Wasser über das Wehrkraftwerk abgeführt, und aus der Anlage entsteht das Unterwasserkraftwerk. Bei diesem Bautyp kommen heute überwiegend horizontal oder leicht geneigt liegende Rohrturbinen, S-Rohrturbinen oder auch Straflo-Turbinen, zum Einsatz.

4 Typen von Wasserkraftanlagen

109

Darüber hinaus sind auch Ausführungen mit Propeller- oder Kaplan-Turbinen mit Spirale und Saugkrümmer möglich, die vor allem bei etwas größeren Fallhöhen (10-15 m) zur Ausführung gelangen. Größere Probleme durch Eisgang treten in der Regel nicht auf, da die Wasserentnahme für die Turbine unter dem Wasserspiegel angeordnet ist. Bei Flüssen mit starkem Geschiebetrieb sind entsprechend hohe Einlaufschwellen und Spüleinrichtungen vorzusehen, unter Umständen ist dort dieser Anlagentyp sogar ungeeignet. 4.2.1.2 Ausleitungskraftwerke Die Ausleitungskraftwerke, eine Sonderform der Flusskraftwerke, die teilweise auch Umleitungskraftwerke bezeichnet werden, unterscheidet man in zwei Hauptgruppen: die Kanal- und die Schleifen- oder Schlingenkraftwerke (s. Abb. 4.9). Kanalkraftwerke - auch als Seitenkanalkraftwerke bezeichnet - finden eine Anwendung unter anderem bei stark mäandrierenden Flussläufen mit geringem Gefälle und eventuell geringerem Abfluss. Hierbei wird ein Flussabschnitt, in dem das Stauwerk angeordnet wird, durch einen künstlichen Kanal abgekürzt, damit das Gefälle an einer Stelle zusammengefasst und in einer Wasserkraftanlage genutzt (s. Abb. 2.2), wodurch auch unter Umständen die Schifffahrt ermöglicht werden kann. Schleifenkraftwerke werden in einer verhältnismäßig kleinen, künstlich geschaffenen Flussschleife oder einem Werkkanal angeordnet. Die Schlingenkraftwerke dagegen durchschneiden eine kurze Flusswindung, wie beispielsweise das Hochrheinkraftwerk Albbruck-Dogern (s. Abb. 13.3). Wehr

Wehr Wehr

Kraftwerk

Kraftwerk

a Abb. 4.9:

b

c

Ausleitungskraftwerke: a) Kanal-; b) Schleifen-; c) Schlingenkraftwerk

Bei dieser Bauweise bleibt im ursprünglichen Flussbett nach der Stauanlage nur noch das für die Energieerzeugung nicht genutzte Mindestwasser (s. Kapitel 19) sowie im Hochwasserfall der den Ausbauabfluss übersteigende Abfluss zurück. An die das Triebwasser zuführende Strecke werden neben den wichtigen hydraulischen Anforderungen mit dem Ziel der Verlustminimierung auch ökologische und landschaftsgestalterische Ansprüche gestellt. Eindeutiger Vorteil dieser Kraftwerke ist, dass diese in einer trockenen Baugrube erstellt werden können; nachteilig sind jedoch die kostenintensiven Erdarbeiten für die Zu- und Ableitungskanäle zum Kraftwerk und die bei nicht abgestimmter Mindestwasserführung mögliche Beeinträchtigung der näheren Flusslandschaft, vor allem im Hinblick auf die betroffene Flussstrecke.

110

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Infolge seiner Bauweise kann dieser Bautyp auch im Bereich der Mitteldruckoder sogar der Hochdruckkraftwerke zur Anwendung gelangen. Bei Flussläufen mit Nebenarmen besteht die Möglichkeit, das Kraftwerk im Nebenarm mit gestautem Hauptstrom ähnlich dem Ausleitungskraftwerk oder im selteneren Fall ohne gestauten Hauptstrom anzuordnen. 4.2.2

Mitteldruckkraftwerke

Im Allgemeinen ordnet man Wasserkraftanlagen, die mittlere Fallhöhen (15-50m) nutzen, den Mitteldruckkraftwerken zu, wobei die Übergänge von Niederdruck- zu Mitteldruckkraftwerken und von Mitteldruck- zu Hochdruckkraftwerken fließend sind (s. Tabelle 4.1). Zeitweise wurde in mancher Fachliteratur daher auf diese Gruppe ganz verzichtet und die Wasserkraftanlagen nur in Nieder- und Hochdruckanlagen eingeteilt, heute jedoch hat sich die hier vorgenommene Einteilung durchgesetzt. Dieser Wasserkraftanlagentyp ist meist im Zusammenhang mit niedrigeren Talsperren als Speicherkraftwerk oder an höheren Wehren als Laufwasserkraftanlage anzutreffen. Die bei diesen Anlagen typischen mittleren Wasserdurchsätzen sind in der Regel in beiden Fällen nur durch eine Speicherbewirtschaftung zu erreichen, wobei neben den Belangen der Energieerzeugung (Ausgleich der jahreszeitlich unterschiedlichen Abflüsse, Spitzenbedarfsdeckung, eventuell Pumpspeicherung etc.) auch andere Ziele (Niedrigwasseraufhöhung, Trinkwasserversorgung, Hochwasserschutz, Freizeit und Erholung etc.) zu berücksichtigen sind. Unter diesen Gesichtspunkten lassen sich drei Hauptgruppen nennen: 1. Einzweckanlagen: - Bedarfsdeckende Anlagen, die entsprechend dem speziellen Strombedarf einer Stadt oder Industrieanlage betrieben werden. - Anlagen, durch die der Abfluss in einem Fließgewässer vergleichmäßigt werden soll. - Anlagen zur Spitzenstromerzeugung, wobei in vielen Fällen ohne unterwasserseitiges Ausgleichsbecken nur ein Teilabfluss hierzu verwandt werden kann, da die starken Abflussschwankungen im Unterwasser bei einem Betriebswechsel nur selten zulässig sind. 2. Mehrzweckanlagen, die hauptsächlich der Energieerzeugung dienen, gleichzeitig aber auch anderen Anforderungen gerecht werden müssen (z. B. Hochwasserschutz, Bewässerung, Trinkwasserversorgung, Wasserstandsregulierung, Mindestwasserausgleich, Erholungs- und Freizeitangebot), wobei die unter 1. genannte zusätzliche Unterteilung durchaus übertragbar ist. 3. Mehrzweckanlagen, die nicht hauptsächlich der Energieerzeugung dienen, sondern primär anderen Zielen zugeordnet sind, insbesondere bei Stauhaltungen schiffbarer Flüsse.

4 Typen von Wasserkraftanlagen

111

Außer durch den Fallhöhenbereich sind die Mitteldruckkraftwerke durch eine dreifache Gliederung des Krafthauses charakterisiert (s. Abb. 4.10): a) Einlauf mit Rechen und Turbinenschütze; b) verlängerter Einlaufschlauch (Druckschlauch) bzw. Triebwasserleitung; c) Einlaufspirale, Turbine und Saugschlauch. Kraftwerke in direkter Verbindung von Erddämmen oder Betonstaumauern, die sogenannten Speicher- oder Talsperrenkraftwerke, stehen zumeist dicht an der Luftseite, wobei das Krafthaus direkt an den Damm- oder Mauerfuß anschließt und so relativ kurze, kostengünstige Druckrohre mit einem niedrigen hydraulischen Verlust erlaubt. Es ist aber auch möglich, dass das Krafthaus etwas weiter flussabwärts angeordnet und das Triebwasser dann durch einen kurzen Stollen im Hang oder durch eine oder mehrere frei verlegte Druckrohrleitungen den Maschinensätzen zugeführt wird. Des Weiteren ist auch die Anordnung der Maschinen in einer Kaverne durchaus möglich, jedoch bei Mitteldruckkraftwerken nur in seltenen Fällen, z. B. in sehr engen Tälern, gebräuchlich. Als hydraulischer Maschinentyp werden hauptsächlich Francis-Turbinen, seltener Kaplan oder gar Pelton-Turbinen eingesetzt. Als typisches Beispiel ist in Abb. 4.10 ein Querschnitt durch die Talsperre und das zugehörige Krafthaus Bleiloch an der Oberen Saale in Thüringen wiedergegeben. Diese Anlage stellt die oberste einer Talsperren- bzw. Kraftwerkskette, der sogenannten Saalekaskade, dar, die vor allem aus Pumpspeicherkraftwerken besteht, und die darüber hinaus noch die nutzbare Energie der Saale abarbeitet. Mauerkrone 412,00

410,00

Einlaufbauwerk mit Hauptverschluss (Rollschütz)

398,00

Krafthaus

Auslaufbauwerk

Triebwasserleitung

Ausgleichbecken Burgkhammer 358,00 356,00 351,50 SH

9,00

Abb. 4.10:

4.2.3

45,00

9,00

31,50

17,00

5,4

Typisches, dreifach gegliedertes Mitteldruckkraftwerk: Bleilochtalsperre, Obere Saale [4.6]

Hochdruckkraftwerke

Ab einer Fallhöhe von ca. 50 m und darüber spricht man von Hochdruckkraftwerken, die den verhältnismäßig geringen Durchfluss, der ihnen zur Verfügung steht, zur Energiegewinnung bei großen Höhenunterschieden nutzen (s. Tabelle 4.1).

112

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Infolge der großen Fallhöhen fallen die in den Fassungen und Zuleitungen auftretenden Verluste und Fallhöhenschwankungen relativ geringer ins Gewicht, sollten jedoch auch hier soweit möglich reduziert werden. Schwankungen bei den verhältnismäßig geringen Abflüssen, die je nach Größe des Einzugsgebietes und des Speicherraumes verfügbar sind, hingegen machen sich bei der Energiegewinnung deutlich bemerkbar, so dass häufig für eine wirtschaftlichere Betriebsführung benachbarte Einzugsgebiete durch Beileitungen mit zur Nutzung herangezogen werden. Ein Ausgleich der schwankenden Zuflüsse erfolgt auch hier durch eine gezielte Bewirtschaftung der unter Umständen mehreren Speicher. Nach ihrer grundsätzlichen Anordnung lassen sich bei den Hochdruckanlagen drei Anlagentypen unterscheiden: 1. Hochdruckanlagen mit Freispiegelkanal und Einlaufbecken bzw. Freispiegelstollen sowie Druckleitung (s. Abb. 4.11a), 2. Hochdruckanlagen mit gänzlicher Druckleitung (Stollen, Rohrleitung) (s. Abb. 2.2 und Abb. 4.12), 3. Speicher- bzw. Talsperrenkraftwerke (s. a. Abb. 4.10 und Abb. 4.11b). SH

er

äss

ew ssg

Flie

Freispiegelkanal

SH

Einlaufbecken Stauhöhe

Wehr- und Entnahmebauwerk

a

Abb. 4.11:

Druckrohrleitung und Krafthaus

h0

b

a) Hochdruckanlage mit Freispiegelumleitung (oberirdische Anordnung): Grundriss und Schnitt; b) Talsperrenkraftwerk [4.1]

Ähnlich wie bei den anderen Wasserkraftanlagen können auch größere Fallhöhen in Umleitungskraftwerken genutzt werden (s. Abb. 4.11a), wobei die Wehranlage in diesem Fall nur eine geringe Höhe hat, die lediglich der Wasserfassung und nicht der Erhöhung der Druckhöhe dienen kann. Es besteht hier die Möglichkeit, durch Beileitungen in den Obergraben den zur Energieerzeugung verfügbaren Abfluss zu erhöhen. Eine weitere Art der Nutzung stellt das an durchgehende Druckstollen bzw. Druckrohrleitungen angeschlossene Kraftwerk dar, dessen wesentliche Anlagenteile und deren Anordnung aus Abb. 2.2 und Abb. 4.12 zu ersehen sind. Diese Lösungsart empfiehlt sich besonders dort, wo sich durch den Stollendurchstich

4 Typen von Wasserkraftanlagen

113

eine Fließstreckenverkürzung, beispielsweise in einer weiten Flusskrümmung, und damit eine örtlich konzentrierte große Fallhöhe erreichen lassen. Im Gegensatz zum Umleitungskraftwerk mit Freispiegelstollen hat in diesem Fall infolge der geschlossenen Druckverbindung die Stauhöhe an der Talsperre einen direkten Einfluss auf die Energiegewinnung, so dass ein möglichst großer Stauraum und vor allem eine möglichst große Stauhöhe erklärtes Ziel sein müssen. Bei den Druckstollenkraftwerken werden im Prinzip drei Bauweisen und eine Mischform unterschieden, bei denen insbesondere die Anordnung des Zu- und Ableitungsstollens sowie des Krafthauses differiert: - Italienische Bauweise (s. Abb. 2.2): Die Triebwasserleitung gliedert sich in den flach geneigten Freispiegel- oder Druckstollen, das Wasserschloss und den Druckschacht bzw. die Druckrohrleitung, das Kraftwerk (Freiluft- oder Kavernenkraftwerk) liegt direkt am Unterwasser. - Schwedische Bauweise (s. Abb. 4.12a): Auf den vergleichsweise kurzen Druckschacht/-stollen folgt das in einer Kaverne angeordnete Kraftwerk, anschließend der Schwallraum und der Unterwasserstollen als Freispiegeloder Niederdruckstollen. - Norwegische Bauweise (s. Abb. 4.12b): Im verhältnismäßig langen diagonalen Druckstollen befindet sich vor dem Krafthaus ein Windkessel-Wasserschloss (s. Kapitel 11.5.3). - Mischform: Bei dieser Bauweise folgt auf Druckstollen, Wasserschloss und Druckschacht etwa mittig das Kraftwerk in einer Kaverne, an das ein Unterwasserstollen mit Schwallraum anschließt. Speicherbecken

Speicherbecken

Entnahmebauwerk

Entnahmebauwerk Druckstollen

Druckstollen

h0

h0

Schwallraum Kavernenkraftwerk

a Abb. 4.12:

SH

UW Windkessel-Wasserschloss Kavernenkraftwerk

UW

b

Hochdruckkraftwerke: a) Druckstollenkraftwerk - schwedische Bauweise; b) Druckstollenkraftwerk mit diagonalem Stollen und Windkessel-Wasserschloss - norwegische Bauweise [4.1]

Bei den im Hochdruckbereich verhältnismäßig seltenen Speicher- bzw. Talsperrenkraftwerken ist das Krafthaus unmittelbar an die Talsperre angeschlossen oder im Sperrenbauwerk selbst angeordnet und entspricht somit vom Aufbau her im Wesentlichen den Mitteldruckanlagen. Eindeutiger Vorteil der Anlagen mit Speicher ist die Unabhängigkeit von der unregelmäßigen Wasserführung des genutzten Wasserlaufes und damit eine höhere Verfügbarkeit. Als hydraulische Maschine kommt fast ausschließlich die PeltonTurbine, bis zu ca. 600 m auch die Francis-Turbine, zum Einsatz.

114

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Werden Hochdruckkraftwerke als Spitzenkraftwerke eingesetzt, indem diese Energie bei kurzem und hohem Leistungsbedarf produzieren, so muss ein besonderes Augenmerk auf den plötzlich auftretenden großen Abfluss gerichtet werden. Aus ökologischen Gründen ist eine direkte Rückgabe in das Unterwasser nicht vertretbar, so dass ein Rückhalte- bzw. Ausgleichsbecken vorgesehen werden muss, das das anfallende Wasservolumen zwischenspeichert und gleichmäßig abgibt. Beim Neubau des Kraftwerkes Amsteg, Schweiz, wurde beispielsweise ein derartiges Ausgleichsbecken in Form eines Unterwasserstollens gebaut [4.7]. 4.3

Weitere bedeutende Wasserkraftanlagengruppen

4.3.1

Pumpspeicherkraftwerke als Regelungskraftwerke

Die allzeitige Sicherstellung der elektrischen Stromversorgung als Eckpfeiler der modernen Industriegesellschaft ist in der Bundesrepublik Deutschland eine komplexe, nicht zuletzt durch gesetzliche Auflagen umrissene Aufgabe der Elektrizitätswirtschaft. Die hier zu lösende Problemstellung ist nicht nur durch die hohen Anforderungen an Bautechnik, Maschinenbau und Elektrotechnik vorgezeichnet. Im gleichen Maße gilt es, mit dem Ausgleich von Stromerzeugung und Stromverbrauch einen kostengünstigen, optimalen Einsatz hinsichtlich Typ und Größe unterschiedlicher Wärmekraftwerke und Wasserkraftwerke sowie seit Anfang der 1990er Jahre verstärkt auch Wind- und Biogas- bzw. Biomassekraftwerke, die in einem überregionalen Netz zusammengeschlossen sind, zu erreichen. Hinzu kommt die Abstimmung auf die beachtlichen Schwankungen des Stromverbrauchs, wie es sich besonders deutlich in der Tageslastganglinie mit unterschiedlichen Bereichen von Grundlast und Spitzenlast abzeichnet, und die Abstimmung auf die je nach Kraftwerkstyp vorhandenen Einsatzzeiten bzw. Betriebsweisen (s. Abb. 3.5). Derartige Lastdiagramme fallen je nach klimatischen Verhältnissen, Lebensgewohnheiten, sozialer Situation, Wirtschaftsstruktur und dergleichen mehr recht unterschiedlich aus. Für die Deckung der Grundlast gelangen in Deutschland vorwiegend Kohle-, Schweröl- und Kernkraftwerke sowie Laufwasserkraftwerke zum Einsatz. In den wasserkraftreichen Bundesländern treten anstelle der Wärmekraftwerke Fluss- und Speicherkraftwerke in den Vordergrund. Angesichts der Verbrauchsschwankungen sind regelbare Kraftwerke erforderlich, die neben der Spitzendeckung auch die Feinregelung im Gesamtnetz des Kraftwerksverbundes übernehmen. Wenn auch einzelne Wärmekraftwerkstypen, hier sind es die modernen Kohle-, Leichtöl- und Gaskraftwerke, eine Regelung innerhalb bestimmter Grenzen erlauben, aber mit der wechselnden Betriebsweise höhere Kosten verursachen und stärkeren Materialverschleiß erfahren, bieten sich in einem die Wasserkraft einschließenden Verbundnetz hydraulische Speicherkraftwerke in hervorragender Weise an. Eine große Bedeutung kommt den Pumpspeicherkraftwerken aufgrund ihrer ausgedehnten Leistungsspanne zu (s. Kapitel 17) [4.8]. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass weltweit ca. 75.000 MW in Pumpspeicherkraftwerken installiert bzw. im Bau und etwa 30.000 MW in Planung sind. Pumpspeicherkraftwerke erzeugen im Wesentlichen keinen zusätzlichen Strom - abgesehen von der zusätz-

4 Typen von Wasserkraftanlagen

115

lichen Nutzung natürlicher Zuflüsse - und bieten die einzige großtechnisch nutzbare Speichermöglichkeit für Energie in regionalen und überregionalen Stromversorgungsnetzen. Deren Ausgleich von Lastschwankungen spielt sich in Bereichen optimaler Wirkungsgrade ab, und sie stellen wichtige Regelelemente dar. Die Fähigkeit der Energiespeicherung ermöglicht letztlich überhaupt erst den Einsatz der regenerativen Energieträger wie Sonne, Wind und teilweise Biomasse. Die optimale Fahrweise besteht darin, möglichst in den besten Turbinier- und den preiswertesten Pumpzeiten das meiste Wasser zu bewegen. Im Prinzip handelt es sich hier um einen Wälzbetrieb bzw. um eine hydraulische Umlagerung, deren Wirtschaftlichkeit zunächst durch die Relation zwischen der Stromerzeugung zu Spitzenbedarfszeiten und der Nutzung billigen Überschussstromes aus dem Netz zu Schwachlastzeiten bestimmt wird. Die gute Regelfähigkeit bei kürzesten Anlaufzeiten führte in den letzten Jahrzehnten zu einem verstärkten Ausbau auch der konventionellen Speicherkraftwerke mittels erweiterter Maschinensätze für die zusätzliche Pumpspeicherung. Hierfür gibt es vielfältige Beispiele in der Alpenregion; aber auch eine ganze Reihe neuer, ausgesprochener Pumpspeicherkraftwerke sind in Mittelgebirgsbereichen entstanden. Eine erhebliche Rolle spielten die Entwicklung der Ingenieurwissenschaften und die zwischenzeitlich gesammelten Erfahrungen. Für einen derartigen, verstärkten Ausbau bietet Westeuropa mit seinem dichten, Länder übergreifenden Verbundnetz und mit den mannigfaltigen Kraftwerkssystemen sehr günstige Voraussetzungen. In Deutschland hat Mitte der 1920er Jahre der Bau von Pumpspeicherkraftwerken größerer Leistungen für die öffentliche Stromversorgung begonnen und sich in den meisten Industrieländern mit eindrucksvollen Beispielen fortgesetzt. Der Einsatz von Kernkraftwerken beschleunigt die Entwicklung zu immer größeren Einheiten, da mit der wirtschaftlichen Bedeutung der hydraulischen Speicherung von Schwachlastenergie in Verbundnetzen auch der Nutzungsgrad der mit der Atomenergie bereitgestellten Grundlast durch Abgabe von Pumpstrom während bedarfsschwacher Zeiten ganz erheblich gesteigert wird. Ein kennzeichnendes, vor allem die vielseitige Bautechnik einer Wasserkraftanlage dokumentierendes Beispiel im Vorgriff auf die in Kapitel 17 ausführlich behandelten Pumpspeicheranlagen ist mit dem Pumpspeicherkraftwerk Glems gegeben [4.9]. Dieses ist Ende 1964 nach zweieinhalbjähriger Bauzeit in Betrieb gegangen und dient zur Spitzenstromdeckung im Großraum Stuttgart. Es liegt am Nordrand der steil abfallenden Schwäbischen Alb, 40 km südlich von Stuttgart. In Abb. 4.13 ist die Gesamtanlage des Pumpspeicherkraftwerkes mit allen wesentlichen Daten wiedergegeben. Das auf der Albhochfläche angeordnete Oberbecken hat angesichts des sehr klüftigen Juragesteins keinen natürlichen Zufluss. Dieser ist beim 283 m tiefer gelegenen, aus einer Talsenke entstandenen Unterbecken durch den kleinen Tiefenbach mit 0,5 m³/s nur für Verlustausgleich gegeben, so dass für die erste Füllung des auf 1,2 Mio. m³ ausgelegten Staubeckens Wasser aus der 3,5 km entfernten Erms herübergepumpt werden musste. Das in seiner bautechnischen Ausführung damals neuartige Oberbecken wurde hauptsächlich durch Abtragen einer Bergkuppe und durch Aufschütten eines Ringdammes bei vollständigem Massenausgleich geschaffen. Den Beckenuntergrund

116

4 Typen von Wasserkraftanlagen

bildet ein stark geklüftetes Kalkgestein in heterogener Zusammensetzung. Durch Freilegen der vielfach angetroffenen Kavernen, durch Verfüllen und Überdecken mit mindestens 2,0 m starker Bodenschicht und durch eine die Beckensohle überdeckende Polyester-Gewebeauflage sowie durch Aufbringen eines doppelten Asphaltbetonbelages mit dazwischen liegender Drainschicht konnte ein bis heute sicherer Betrieb mit täglich um 16,6 m wechselndem Wasserstand und damit unterschiedlicher Druckbelastung gewährleistet werden. Die wasserseitigen Böschungen des Ringdammes erhielten gleichfalls einen doppelten Asphaltbetonbelag mit zwischenliegender Drainschicht, die zonenweise entwässert und an einen umlaufenden begehbaren Stollen angeschlossen ist. 0

75

Hmax = 19,5 m L = 904 m

erdverlegte Druckrohrleitung

gepanzerter Druckstollen

L = 762 m, D = 2,8-2,9 m

L = 615 m, D = 3,3 m

Unterbecken

750

Ringdamm

N

Stauziel 457,7 m ü. NN Absenkziel 450 m ü. NN V = 1,2 hm³ A = 141.750 m² 0 47

700 650

Unterbecken

2 Maschinensätze Betriebszeit Turbinen à 45 MW; 6,25 h/Tag Pumpen à 34 MW; 11,00 h /Tag

600

Hmax = 28,7 m, L = 333 m

Unterflur-Krafthaus

550

470

Erddamm

Oberbecken Stauziel 755 m ü NN Absenkziel 738,35 m ü NN V = 0,9 hm³ A = 65.000 m²

Einlaufturm Unterflurkrafthaus

7,7 m

Francisturbine

Kugelschieber

Abb. 4.13:

Abzweig für Pumpenleitung

Ringwulstschalen (Dilatationen)

mit Zylinderschütz

gepanzerter Druckstollen erdverlegte Druckrohrleitung Kugelhose (D = 4,8 m, Bemessungsdruck 46 bar)

700 600 500 400 m

Pumpspeicherkraftwerk Glems: Lageplan und Längsschnitt mit Krafthausquerschnitt [4.10]/[4.11]

Nach gut 30 Betriebsjahren wurde 1996 die Asphaltbetondichtung des Oberbeckens vorsorglich instand gesetzt. Nachdem das Becken abgefischt und entleert worden war, mussten rund 4.500 m³ Schlamm aus dem Becken abtransportiert werden. Im nächsten Arbeitsschritt wurde die alte Asphaltbetondichtung im Bereich der Böschung abgefräst. Der Einbau der neuen Dichtung, die eine wesentlich höhere Alterungsbeständigkeit aufweist und sich gleichzeitig besser an den Dammkörper anpasst, erfolgte mittels eines speziellen Fertigers, der die vorgesehene Schicht in Höhe von 7 cm auf einer Breite von 32 m nahtlos einbauen konnte (s. Abb. 4.14). Abschließend wurde auf die Beckensohle ebenfalls vorbeugend eine neue Dichtungsschicht aufgebracht. Eine weitere bautechnische Besonderheit ist bei der 762 m langen, eingeerdeten Stahlrohrleitung von 2,8-2,9 m Durchmesser zu verzeichnen, die an einen vom Oberbecken herabführenden, 615 m langen, gepanzerten Druckstollen anschließt. Sie ist mit Rücksicht auf den ausgedehnten Rutschhang ohne Festpunkte ausgeführt und lagert durchgehend über zwei die Längsbewegungen sichernden Bitumenmatten auf einem Betonfundament auf. Vor dem Krafthaus geht sie über eine Kugelhose in die beiden Verteilleitungen über. Bei der einzigartigen Abzweigkonstruktion umgibt die auf 46 bar Innendruck ausgelegte Kugelschale das

4 Typen von Wasserkraftanlagen

117

eigentliche, nur von den Längskräften beanspruchte Hosenrohr. Bei diesem Kugelabzweig werden statische und hydraulische Funktionen getrennt. Die in die teilweise vorgespannte Krafthauslängswand einbindenden Verteilleitungen übertragen auf diese über eine schubfeste Rosette die Längskräfte und setzen sich dann über je 3 Ringwulstschalen (Dilatationen) in die Turbinen- bzw. Pumpenleitungen fort. Die Dilatationen erlauben Längs- und Querbewegungen bis zu 45 mm. Das bezüglich der horizontalen Maschinenachse 20 m unter dem Stauziel bzw. 11 m unter dem Absenkziel des Unterbeckens liegende Unterflur-Krafthaus geht im Schnitt aus Abb. 4.13b hervor. Die beiden Maschinensätze bestehen jeweils aus Francis-Turbine, Motorgenerator, Anwurf-Pelton-Turbine und 2flutiger Pumpe. Hierfür betragen die installierten Leistungen der Turbinen insgesamt 90 MW und die der Pumpen 68 MW. Durch die beachtliche Größe der beiden Staubecken mit einem Energieinhalt von 560 MWh bzw. 6,25 h täglichen Volllastbetriebes und 11 h Pumpenbetriebes bei 800.000 m3 Triebwasservolumen kann das Pumpspeicherkraftwerk Glems vorteilhafterweise zu einem Wochenendspeicherbetrieb herangezogen werden. Hervorzuheben ist noch, dass diese Anlage auch im sogenannten hydraulischen Kurzschluss betrieben werden kann (s. Kapitel 17.6). Haftverbund ca. 4 cm Abfräsen der vorhandenen Dichtung

neu

1 : 1,75

Mastix neue Asphaltbetondichtung (7 cm) alte Asphaltbetondichtung (3 cm) bitum. Schotter (5 cm) Asphaltbeton (5 cm) Asphaltbinder (4 cm) Schotter (15 cm)

alt Mastix Asphaltbeton (7 cm) bitum. Schotter (5 cm) Asphaltbeton (5 cm) Asphaltbinder (4 cm) Schotter (15 cm)

Abb. 4.14:

4.3.2

Dammkörper

Dichtungsaufbau auf dem Dammkörper des Oberbeckens des Pumpspeicherkraftwerkes Glems (links alter Zustand, rechts neuer Aufbau) [4.12]

Kleinwasserkraftanlagen

Durch das Bestreben, mehr Energie aus regenerativen Quellen aufgrund der begrenzten fossilen Energieträger und den damit verbundenen Emissionen zu erzeugen, kommt der Nutzung der Wasserkraft durch Kleinwasserkraftanlagen wieder eine größere Bedeutung zu. Kleinere Wasserläufe, die seit einem Zeitraum von über 100 Jahren durch mechanische und elektrische Energiegewinnung genutzt wurden, sind wegen der technischen Entwicklung beim Bau von Großanlagen und aufgrund der daraus resultierenden geringeren Wirtschaftlichkeit zeitweise vernachlässigt worden. Bei der Suche nach alternativen Energieträgern und bei der Nutzung heimischer Ressourcen hat sich die Stromerzeugung mittels Kleinwasserkraftanlagen jedoch seit Anfang der 1990er Jahre als sehr erfolgreich herausgestellt. Die technischen Entwicklungen vor allem auf der maschinenelektrotechnischen Seite mit zunehmend standardisierten Komponenten haben dazu geführt, dass nicht nur große Wasserkraftanlagen wirtschaftlich betrieben werden können (s. Kapitel 3.3) [4.13].

118

4 Typen von Wasserkraftanlagen

In Deutschland werden üblicherweise Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von weniger als 1 MW als Kleinwasserkraftanlagen bezeichnet; in anderen Ländern wird teilweise die Grenze auch bei 0,5 MW, 5 MW oder 10 MW gezogen. Darüber hinaus werden in einigen Regionen sehr kleine Anlagen unter 100 kW auch als Piko-Anlagen bzw. Piko-Kraftwerke bezeichnet. Sie sind in der Mehrzahl Eigenanlagen von Industrieunternehmen und Gewerbetreibenden und dienen zum einen der Deckung des Eigenbedarfs, wobei der überschüssige Strom in das öffentliche Netz eingespeist wird. Zum anderen werden sie aber auch aus kommerziellen Gründen betrieben, sind doch die Entgelte durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland für Anlagen bis zu einer installierten Leistung von 5 MW eindeutig festgelegt (s. a. Kapitel 3.3.1.6). Bei den Kleinwasserkraftanlagen mit einer verbrauchsorientierten, dezentralen Lage ist die Verwendung der erzeugten Energie ohne größere Übertragungsverluste möglich. Ungefähr 30 % der bestehenden Anlagen werden in Deutschland heute im Inselbetrieb oder als reine Stromselbstversorger genutzt. Noch 1995 nutzten rund 20 % der betriebenen Kleinwasserkraftanlagen die gewonnene Energie direkt mechanisch; wsentliche Änderungen sind hierbei nicht zu vermuten. Heute sind in Deutschland schätzungsweise rund 6.900 Kleinwasserkraftanlagen in Betrieb (s. a. Kapitel 2.2.2), wobei es allerdings keine genauen Erhebungen hierüber gibt [4.14], [4.15]. Zusammengefasst haben sie eine installierte Leistung von ungefähr 350 MW und ein durchschnittliches Jahresarbeitsvermögen von ca. 1,5 TWh/a. Die noch vorhandenen Zubaumöglichkeiten sind jedoch begrenzt, da einerseits politische Vorgaben und Umweltaspekte dem zuwider stehen. Andererseits werden bereits eine Vielzahl der rund 13.000 Wasserrechte genutzt, die zur Wasserkraftnutzung für Anlagen kleiner 1 MW in den einzelnen Wasserbüchern verzeichnet sind, indem heute vielfach mehrere alte Kleinstandorte an jeweils einem Standort in einer dann größeren Anlage zusammengefasst sind. In Entwicklungsländern finden auch Klein- und Kleinstwasserkraftwerke infolge ihres mehrfachen Nutzens und im Interesse des globalen Klimaschutzes mittlerweile eine starke Beachtung, und deren Neu- und Ausbau in abgelegenen Gebieten wird sinnvollerweise vermehrt technologisch und finanziell unterstützt. Vor allem in den Berggebieten kann so die Abholzung der Wälder durch die Bevölkerung zum Gewinn von Brennmaterial als Energiequelle verringert oder gar gestoppt werden, da diese in manchen Gebieten bereits immense ökologische Schäden insbesondere durch Erosion verursacht hat. Durch die Förderung von möglichst in Eigenregie erbauten Kleinwasserkraftanlagen wird der Bevölkerung eine echte Alternative geboten, womit Schutzmaßnahmen der Bergwälder erst effektiv durchführbar werden [4.16]. Hierzu stehen bereits Planungsmodelle bzw. Optimierungsverfahren zur Verfügung, die die besonderen Anforderungen dezentraler wasserkraftorientierter Energieverbundnetze berücksichtigen und den wirtschaftlichen Ausbau eines derartigen Inselnetzes ermitteln. Planung und Konstruktion Im Wesentlichen gelten für Kleinwasserkraftanlagen die selben Entwurfs- und Konstruktionsprinzipien wie für mittlere oder große Wasserkraftanlagen (s. Kapitel 3). Allerdings ist die Vielfalt der Ausführungsdetails geringer, und im Hinblick auf die Konstruktionselemente und das verminderte Sicherheitsrisiko ergeben sich eine Reihe von Vereinfachungen gegenüber größeren Anlagen.

4 Typen von Wasserkraftanlagen

119

Der Aufwand für die Voruntersuchungen insbesondere im maschinellen Bereich ist der Ausbaudimension anzupassen, wobei hier der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung eine noch bedeutendere Rolle zukommt, als sie dies bei größeren Anlagen ohnehin bereits spielt, da die Gewinnmaximierung bei den überwiegend privaten Investoren wichtiger als die Energieerzeugung ist. Weitere Ausführungen zur Projektierung von Kleinwasserkraftanlagen befinden sich unter anderem bei HEIMERL [4.13], WEIß [4.17], WBW [4.18], PÁLFFY [4.19], ESHA [4.20] und ASCE [4.21]. Wasserfassung Neben den verschiedenen Ausführungsformen für bewegliche und feste Wehre finden bei Kleinwasserkraftanlagen für die Stauerrichtung auch alle Querbauwerke, die aus dem naturnahen Wasserbau bekannt sind, Anwendung (s. Kapitel 5). Eine einfache, selbsttätige Stauklappe, die auf eine feste Wehrschwelle oder auf eine raue Rampe aufgesetzt wird, kommt hier bevorzugt zum Einsatz. Auch Schlauch- bzw. Membranwehre bieten eine einfache, kostengünstige und betriebssichere Alternative, die vollautomatisch betrieben werden kann. Eine häufig verwendete Bauweise bei geschiebeführenden Gebirgsflüssen ist das Tiroler Wehr (s. Abb. 5.8), das sich durch seinen geringen Wartungsaufwand auszeichnet. Aufgrund der flachen Bauweise wird das Tiroler Wehr in der Natur kaum als ein störendes Bauwerk empfunden. Entsprechend den im Kapitel 5.2 erläuterten Grundsätzen sind auch Kleinwasserkraftanlagen vor Treibgut und Treibeis zu schützen, indem Tauchwände und Rechen mit automatischen Rechenreinigungsanlagen vorgesehen werden. Triebwasserleitung Im Niederdruckanlagenbereich ist die Freispiegelleitung in Form eines offenen Wassergrabens als typische Bauweise für die Triebwasserleitung vorzufinden (s. Kapitel 6). Die Auskleidung des Triebwasserkanales ist vorwiegend von der Grundwassersituation und den wirtschaftlichen Kriterien abhängig. Bei kleineren Querschnitten sollten bevorzugt natürliche Baustoffe verwendet werden. Hier haben sich besonders Gneis-, Schiefergneis- und Schiefermergelplatten mit einer Dicke von 3-8 cm als vorteilhaft erwiesen. Diese werden nach Fertigstellung der Rohrtrasse mit der entsprechenden Verdichtung auf eine Ausgleichsschicht aus Sand oder in ein Zementmörtelbett gelegt und mit Zementmörtel oder einem anderen Fugendichtungsmittel (Gussasphalt, Fugenkitt etc.) oberflächenbündig verfugt. Die früher im Mühlenbau verwendeten Holzrinnen können auch heute noch bei kleineren Anlagen mit einem kurzen Triebwasserweg zum Einsatz kommen. Hierbei hat sich die Dichtung mit Kunststofffolien, die mit einer Kiesschicht überdeckt werden, als vorteilhaft erwiesen. Allerdings ergeben sich gelegentlich Probleme durch die relativ kurze Lebensdauer und bei längerem Trockenfallen der Leitung. Im Mittel- und Hochdruckbereich sind meistens Freispiegel- oder Druckstollen erforderlich (s. Kapitel 6 bzw. 9). Freispiegelstollen, die kostengünstiger als Druckstollen sind, eignen sich vor allem bei geringen Durchflussschwankungen und bei sich wenig änderndem Entnahmewasserspiegel, z. B. in Verbindung mit einem Tiroler Wehr. Als weitere Vorteile sind die geringere Beanspruchung des Gebirges und das günstige hydraulische Verhalten zu nennen. Als nachteilig er-

120

4 Typen von Wasserkraftanlagen

weist sich jedoch die Festlegung des Sohlengefälles ausschließlich für den Bemessungsabfluss. Dadurch kann der Freispiegelstollen nur schlecht den wechselnden Anforderungen eines Kraftwerkbetriebes angepasst werden; es sei denn, dass ein genügend großes Ausgleichsbecken bzw. Wasserschloss am Ende der Freispiegelleitung die Abflussschwankungen zu dämpfen vermag. An die Zuleitung durch einen Druckstollen, der durch ein Wasserschloss gegen Druckstöße geschützt wird, schließt sich die Druckrohrleitung an. Diese kann in einfachen Fällen als stahl- bzw. glasfaserbewehrtes Betonrohr ausgeführt werden. Bei kleinen Durchflüssen und bei geringeren Betriebsdrücken können auch flexible Kunststoff- oder GFK-Rohre verwendet werden. Im Hochdruckbereich werden jedoch nach wie vor duktile Schleudergussrohre und geschweißte Stahlrohre eingebaut (s. Kapitel 8.1). Krafthaus Die Abmessungen des Krafthauses werden in erster Linie durch die notwendigen Ausmaße der maschinellen Ausrüstung bestimmt (s. Kapitel 13). Sie sind üblicherweise eine Funktion des Laufraddurchmessers der hydraulischen Maschine, und durch sie wird auch eine meist hinreichend genaue Massen- und damit Kostenabschätzung möglich. Aufgrund der einfachen elektromaschinellen Ausstattung besteht die Krafthauskonstruktion primär aus den tiefbaulichen Gründungsarbeiten und der Überbauung der Maschinenhalle mit einer einfachen Hochbaukonstruktion, wodurch entsprechende Kostenersparnisse erzielt werden können. Maschinen-elektrotechnische Ausstattung Da sich bei Kleinwasserkraftanlagen eine unzureichende Anlagenoptimierung insbesondere im maschinellen Bereich einschließlich der An- und Abströmverhältnisse verhältnismäßig stark auf die Energieausbeute auswirkt, muss im Planungsstadium sowohl bei Neuanlagen als auch bei Renovierungsmaßnahmen auf diesen Komplex ein besonderes Augenmerk gelegt werden (s. Kap. 14-16) [4.22]/[4.23]. Des Weiteren ist von besonderer Bedeutung, dass der Anlagenbetreiber im eigenen Interesse die für die Angebotsabgabe notwendigen grundlegenden Daten (Fallhöhe, Durchfluss bzw. Abflussdauerlinie, örtliche Lage, ggf. vorhandene Bauteile etc.) möglichst genau aufnimmt, da die Verantwortung hierfür alleinig beim Auftraggeber liegt [4.24]. Der auftragnehmende Turbinenhersteller übernimmt die Garantie für die Anlage nur auf der Basis der vorgegebenen Werte; allerdings ist dieser gleichzeitig verpflichtet, auf offensichtliche Problembereiche und nicht plausible Werte hinzuweisen [4.22]. Die Auswahl einer geeigneten Turbine richtet sich, wie in den Kapiteln 14 und 15 detailliert beschrieben, nach den örtlichen Randbedingungen sowie nach den technisch bedingten Einsatz- und Verwendungsgrenzen. Die Vordimensionierung einer Turbine kann dabei nach empirischen Formeln bzw. nach Diagrammen der einzelnen Turbinenhersteller, wie z. B. Muschelkurven, erfolgen. Durch den in den Kapiteln 14.4.2 und 16.3.6.1 beschriebenen Einsatz von Frequenzumrichtern können die Turbinen von der einengenden Vorgabe des drehzahlstarren Netzbetriebes befreit werden. In Kombination mit einer entsprechenden Regelung können derartige Anlagen mit variabler Drehzahl im jeweiligen Wirkungsgradoptimum betrieben werden, wodurch die Energieausbeute um mehr als 10 % ge-

4 Typen von Wasserkraftanlagen

121

steigert werden kann. Vielfach kann sogar auf das wartungsintensive Getriebe verzichtet werden. 4.3.3

Dotationskraftwerke

Im Rahmen der Wassernutzung und darunter insbesondere der Wasserkraftnutzung wird in vielen Fällen das natürliche Gewässersystem verändert, indem mit Hilfe von Wehr- oder Stauanlagen das ankommende Wasser zurückgehalten und die Weitergabe an die ursprünglichen Gewässerstrecke verändert wird. So erfolgt vor allem bei den Ausleitungskraftwerken (s. Kapitel 4.2.1.2) unabhängig von der genutzten Fallhöhe die vollständige Rückgabe des abgearbeiteten Wassers in das eigentliche Flussbett erst in einiger Entfernung, so dass im verbleibenden Abschnitt der bisherigen Gewässerstrecke ein deutlich reduzierter Abfluss verbleibt. Herrscht heute doch letztlich ein Konsens dahingehend, dass in derartigen Ausleitungsstrecken zumindest ein gewisser Mindestabfluss zur Aufrechterhaltung der Lebensbedingungen für die aquatische Flora und Fauna und zur Verbesserung des Fließkontinuums verbleiben muss, so steht dem insbesondere die Strommindererzeugung in der eigentlichen Wasserkraftanlage gegenüber (s. Kapitel 18 und 19). In derartigen Fällen kann der Bau von Dotationskraftwerken - auch als Dotier-, Regulier-, Mindestwasser- oder Restwasserkraftwerk bezeichnet - einen Kompromiss darstellen, durch den einerseits die gewässerökologischen Verhältnisse in der Ausleitungsstrecke verbessert und andererseits der Verlust an nachhaltig erzeugtem Strom aus Wasserkraft minimiert werden. Dieser Interessensausgleich hat allerdings seinen Preis, der streng genommen unter gesamtgesellschaftlichen Gesichtspunkten nicht alleine vom Wasserkraftanlagenbetreiber geschultert werden dürfte, wie dies jedoch heute vielfach der Fall ist [4.13]. Sind die örtlichen Rahmenbedingungen am Wehrbauwerk so, dass sich hinsichtlich der Abfluss- und Fallhöhenverhältnisse sowie der weiteren Standortbedingungen eine technische Lösung zu interessanten betrieblichen Bedingungen verwirklichen lässt, so kann der Einbau eines entsprechenden Dotations- oder Mindestwasserkraftwerks zur Beaufschlagung bzw. Dotation der Ausleitungsstrecke mit einem entsprechenden Abfluss realisiert werden. Hierbei handelt es sich in technisch und betrieblicher Hinsicht um eine klassische Wasserkraftanlage, für die die normalen Planungs- und Auslegungsgrundsätze gelten und bei denen entsprechend sämtliche Typen von hydraulischen Maschinen zum Einsatz kommen können. Im Zuge der Veränderungen der Mindestwasserregelungen, aber auch infolge der erhöhten Einspeisung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz sind in den letzten Jahren zahlreiche derartige Wasserkraftanlagen gebaut worden, wie z. B. das Dotationskraftwerk am Unterbecken des Pumpspeicherkraftwerkes Goldisthal (s. Kapitel 17.8.5) oder Sperrenkraftwerk am Wehra-Becken (s. Kapitel 21.2.3.3). Aber auch in anderen Fällen kann eine erhöhte Dotation notwendig werden, deren energetische Nutzung technisch und wirtschaftlich sinnvoll sein kann. Hierzu zählt beispielsweise die Verstärkung der Leitströmung bei Fischaufstiegsanlagen vor allem an größeren Flüssen sowie bei intermittierend betriebenen Bauweisen (Fischschleusen, Fischaufzüge), wobei dieser Abfluss dann zuvor in einem Dotationskraftwerk abgearbeitet wird, wie dies z. B. am Fischpass des Rheinkraftwerkes Iffezheim umgesetzt wurde (s. Kapitel 20.1.4).

122

4 Typen von Wasserkraftanlagen

4.3.4

Energienutzung in Leitungssystemen

Bei Trinkwassertalsperren mit Einrichtungen zur Wasserentnahme und dessen Ableitung oder am Ende von Fallleitungen, die Teil eines Rohrleitungssystemes zum Transport von Trinkwasser oder anderen Fluiden sind, ist es vielfach möglich, das überschüssige Gefälle am Sperrenbauwerk selbst, im Eintrittsquerschnitt in den nachfolgenden Behälter oder am Tiefpunkt zwischen zwei Behältern energetisch zu nutzen. Früher wurden an derartigen Stellen hydraulische Widder, auch Stoßheber genannt, eingesetzt. In diesem wird ein größerer Durchfluss dazu benutzt, einen kleineren Durchfluss auf ein höheres Niveau anzuheben, wobei diese Förderhöhe das 20-fache der Triebwasserfallhöhe betragen kann. Durch den Strömungsdruck des Triebwassers wird ein Stoßventil schlagartig geschlossen und das Triebwasser in einen Windkessel umgeleitet, bis durch die Luftkompression ein Druckgleichgewicht herrscht und gleichzeitig das Triebwasser abgebremst ist. Nun wird über einen einfachen Regelmechanismus das Windkesselzulaufventil geschlossen und das Stoßventil geöffnet, so dass das Triebwasser anderweitig abgeleitet wird und wieder beschleunigt. Parallel dazu wird das im Windkessel befindliche Wasser durch die Wirkung der komprimierten Luft in die Steigleitung gepresst. Hat sich der Windkessel entleert und das Triebwasser seine Geschwindigkeit erreicht, beginnt der Vorgang von neuem. Als Rücklaufsicherung ist in der Steigleitung eine Rückschlagklappe eingebaut. Von Vorteil ist die sehr einfache Anlage mit wenigen Regeleinrichtungen, wodurch diese Anlage auch heute noch in einfachen Betriebsfällen anzutreffen ist; nachteilig ist allerdings die stoßweise Wasserförderung. Bereits seit den zwanziger Jahren werden beispielsweise in Trinkwasserfernleitungen Turbinen zur Stromerzeugung eingesetzt, die in vielen Fällen Überschussenergie ans Netz abgeben können, sofern der Eigenbedarf der Anlage niedriger ist. Auf diese Weise lässt sich bis zu ca. 20 % jener Pumpenergie wieder zurückgewinnen, die zur Überbrückung von Höhenunterschieden im Verteilungssystem aufgebracht werden musste. Ein zusätzlicher Gewinn entsteht, wenn die Stromentnahme aus dem Netz für den Pumpenbetrieb in Niedrigtarifzeiten und die Stromabgabe durch den Turbinenbetrieb in Hochtarifzeiten erfolgen. Eine derartige Betriebsführung bei Fernwasserversorgungen setzt allerdings entsprechend große Speicherbehälter für die Wassermengenbewirtschaftung voraus [4.25]/[4.26]. Neben gewöhnlichen Francis-Turbinen bei größeren Anlagen gelangen bei kleineren Durchflüssen zunehmend mehr rückwärtsdrehende Standard-Kreiselpumpen (s. Kapitel 14.5.1 und 14.5.2), gekoppelt mit einem Normmotor als Generator, zum Einsatz, wie beispielsweise in dem in Abb. 4.15 dargestellten Hochbehälter Schönbühl des Zweckverbandes Landeswasserversorgung, Stuttgart. Da durch die für die Energieeinspeisung ins Netz erforderlichen Anlagenteile (Generatoren, Mess-, Regeltechnik, Transformatoren, Stromleitungen etc.) oftmals mehr als die Hälfte der gesamten Investition umfassen, kommen auch Insellösungen in Betracht, zumal die Betriebskosten durch einen geringen Energiezukauf sinken. So wird beispielsweise eine rückwärtslaufende Kreiselpumpe als Turbine, die zum Entspannen des ankommenden Durchflusses dient, direkt mit einer Kreiselpumpe gleichen Bautyps gekoppelt, die ihrerseits als Drucksteigerung zur Weiterbeförderung eingesetzt wird. Infolge der direkten Kopplung sind alle Betriebszustände einer derartigen Anlage sehr stabil.

4 Typen von Wasserkraftanlagen Kammer 1

123

Kammer 2

Pumpenquerschnitt

Nebenschluss Ringkolbenventil M

FrancisTurbine

DN 900

DN 500

7 StandardKreiselpumpen als Turbinen A

Abb. 4.15:

M

Ltg. 3

DN 900

M DN 500

Leitung 1

DN 900

Schnitt A-A

DN 700

A

Generator Leitung 2

Rückwärtsdrehende Standard-Kreiselpumpen: Grundriss der Energierückgewinnungsanlage Schönbühl mit Pumpenquerschnitt [nach 4.27]

Schließlich sollen auch die weiteren, verwandten Bereiche nicht unerwähnt bleiben, bei denen in vielen Fällen eine zusätzliche Energieausbeute unter Aufbringung eines verhältnismäßig geringen baulichen und betrieblichen Aufwandes ermöglicht werden kann. Hierzu zählen beispielsweise [4.25]: - Quellfassungen im Hochgebirge zur Versorgung von Hütten; - aufgelassene Trinkwasserfassungen in Mittel- und Hochgebirgslagen; - Hochwasserrückhaltebecken; - Schleusensysteme; - Pipelinesysteme zum Transport von gasförmigen oder flüssigen Medien (Erdgas, Öl, Fernwärme etc.); - Abwassersysteme, die aus Gründen der Betriebssicherheit meist hochwassersicher ausgelegt sind und bei denen v. a. an Kläranlagenausflüssen weitestgehend konstante Durchflüsse bei niedrigen Fallhöhen abgeführt werden, so dass diese sich insbesondere für Wasserräder und Wasserkraftschnecken eignen (s. Kapitel 15.5); - Bewässerungssysteme; - Kühlsysteme in Kraftwerken, Bergwerken etc. 4.4

Sonderformen der Wasserkraftnutzung

4.4.1

Nutzung der Gezeitenenergie

Die Anziehungskräfte (Gravitationskräfte) der Sonne und des Mondes auf die Erde bewirken zusammen mit der Fliehkraft (Zentrifugalkraft), die auf die Wasserteilchen infolge der Rotation des Gestirnsystemes einwirkt, dass es an den Küsten der

124

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Erde zu Gezeiten kommt, zu Hoch- und Niedrigwasser (Flut und Ebbe) (s. Abb. 4.16). Der Höhenunterschied, der sogenannte Tidehub, kann zur Stromerzeugung genützt werden, wobei theoretisch auf diese Weise der gesamte Strombedarf der Menschheit gedeckt werden könnte. Dem stehen jedoch technische, ökonomische und ökologische Gründe je nach Standort entgegen. Periodischen Einfluss haben die Wechselkräfte zwischen Sonne bzw. Mond und Erde. Die Periode einer Tide beträgt beispielsweise an der französischen Küste 12 h 25 min, da die Erde sich im Verlauf eines Tages gleichsinnig mit dem Mondumlauf (29 d 12,75 h - synodische Mondumlaufzeit) um ihre eigene Achse dreht. Nichtperiodischen Einfluss haben vor allem die Erdeigenrotation, die Entfernungs- und Deklinationsänderungen von Sonne und Mond relativ zur Erde sowie die örtlichen Gegebenheiten (Meerestiefe, Verlauf der Küstenlinie, Strömungen, Seismik etc.) und das Wetter (Windstärke, Windrichtung etc.). Da sich bei den Gezeiten die jeweils örtlich unterschiedlichen periodischen und nichtperiodischen Einflüsse überlagern, treten beispielsweise an den Küsten Frankreichs im Mittel täglich je zwei Phasen von Hoch- und Niedrigwasser auf, bei DoSon im Golf von Tonkin/Vietnam dagegen nur je eine. Darüber hinaus ändern sich dadurch täglich der Tidehub sowie die Periodendauer. Transtidewellen Tide

Infraschwerewellen

Ultraschwerewellen

Bezeichnung: Langperiodische Wellen

Kapillarwellen

Schwerewellen

Erdbeben, Luftdruckunterschiede

Auslösend:

Stürme, Wind

Sonne, Mond

Bestimmend:

Oberflächenspannung

Corioliskraft Schwerkraft

10-5

Frequenz [Hz]: Periode:

24 h

12 h

10-4

-3

10

10 5 min

-2

10 30 s

-1

10 0

101

1s

0,1 s

10 2

MW

Geschätzte Energie:

Abb. 4.16:

Definition der unterschiedlichen Wellentypen und deren Einflüsse

Stärkere Hochwasser (Springtiden) stellen sich zweimal innerhalb der 29 Tage jeweils ein oder zwei Tage nach Voll- bzw. Neumond ein, dann liegen Sonne, Mond und Erde auf einer Verbindungsgeraden und üben die größten Anziehungskräfte aus. Die stärksten Fluten sind während der Zeit der Tag- und Nachtgleichen (Äquinoktien) im März und September zu verzeichnen. Niedrigstwasser (Nipptiden) bei geringen Höhenunterschieden entstehen ein oder zwei Tage nach dem ersten und letzten Mondviertel. Die größte Änderung der Anziehungskraft des Mondes erweist sich im Vergleich zu den Gravitationskräften der Erde etwa zu einem Sechsmillionstel, im Vergleich zur Anziehungskraft der Sonne zu siebenmal größer. Bei gleichzeitiger größter Anziehung von Mond und Sonne lässt sich hieraus ein Gezeitenunterschied von ca.

4 Typen von Wasserkraftanlagen

125

0,60 m ableiten, so dass die im Folgenden genannten, weitaus größeren Tidehübe eindeutig auf die örtlichen Gegebenheiten zurückzuführen sind. Der Tidehub erreicht beispielsweise an den einzelnen Abschnitten der kanadischen Westküste (Funday Bay) bis zu 21 m (im Mittel 13,5 m), an der französischen Küste bei St. Michel/St. Malo 13,5 m (im Mittel 8,1 m), an der Nordseeküste jedoch nur 5,1 m (im Mittel 3,7 m). In Irland wurde die Gezeitenenergie vermutlich mindestens seit dem 7. Jahrhundert n. Chr. und in England wurde diese nachweislich seit dem 10. Jahrhundert n. Chr. bereits zum Antrieb von Wassermühlen, sogenannten Flutmühlen oder Tidemühlen, genutzt (s. a. Kapitel 1.2). Turbinen wurden erstmals Ende des 19. Jahrhunderts zur Ausnutzung dieser Energie eingesetzt; 1913 wurde an der Nordsee bei Husum Deutschlands erste Versuchsanlage errichtet. Weltweit sind heute aber nur wenige Kraftwerke im Betrieb, die diese Bewegungsenergie nutzen. Das bisher größte Gezeitenkraftwerk wurde 1966 in Nordfrankreich an der RanceMündung bei St. Malo mit 240 MW Leistung in Betrieb genommen (s. Abb. 4.18 und 4.19). Das Prinzip der Gezeitenkraftwerke beruht auf der Ausnutzung des Höhenunterschiedes der Wasserspiegel zwischen einem (künstlichen) Becken und dem Meer infolge des Tidehubes, wodurch Turbinen angetrieben werden. Kraftwerke dieser Art haben im Vergleich zu Laufwasserkraftwerken den Vorteil, dass sie nicht von der wechselnden Wasserführung eines Flusses oder schwankenden Niederschlägen abhängig sind. Nachteilig für eine permanente Stromversorgung sind jedoch die durch den zyklischen Wechsel der Tiden bedingten periodischen Unterbrechungen in der Stromproduktion, insbesondere bei Einbecken-Gezeitenkraftwerken. Da diese Unterbrechungen auch in Spitzenlastzeiten fallen können, müssen Gezeitenkraftwerke in einem Verbund mit anderen Kraftwerkstypen betrieben werden, damit eine kontinuierliche Stromversorgung sichergestellt werden kann. Durch zusätzlichen, eventuell auch nur zeitweisen Pumpbetrieb kann ein gewisser Pumpspeichereffekt erzielt werden. Wirtschaftlich sind Gezeitenkraftwerke nur dann, wenn sie für hohe Leistungen ausgebaut werden, wobei sie dann allerdings auch hohe Anlagenkosten bedingen und darüber hinaus ein Tidehub von mindestens 3 m im langjährigen Mittel vorhanden ist. Nach der örtlichen Situation und der daraus folgenden Arbeitsweise unterscheidet man grundsätzlich: - Einbecken-Gezeitenkraftwerke: - bei Ebbe einfach wirkende Kraftwerke für die Nutzung bei Beckenentleerung (s. Abb. 4.17a); - bei Flut einfach wirkende Kraftwerke für die Nutzung bei Beckenfüllung; - zweifach wirkende Kraftwerke für die Nutzung in beiden Fällen (s. Abb. 4.17b); - Zweibecken-Gezeitenkraftwerke: - einzeln wirkende Zweibeckenanlagen; - zusammenarbeitende Zweibeckenanlagen. Bei den Einbecken-Gezeitenkraftwerken wird die Stromproduktion stets für einige Zeit unterbrochen, wobei dieser Zeitabschnitt bei zweifach wirkenden

126

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Kraftwerken bereits deutlich reduziert wird. (s. Abb. 4.17a+b). Bei den Zweibecken-Gezeitenkraftwerken können hingegen durch die zeitlich verschobene Nutzung beider Becken nicht nur ein nahezu ununterbrochener Betrieb erzielt, sondern auch Leistungsschwankungen vermieden werden. Dies wird bei den einzeln wirkenden Zweibeckenanlagen dadurch erreicht, dass ein Becken bei Flut und das andere bei Ebbe arbeitet, bei den zusammenarbeitenden Zweibeckenanlagen mit dazwischenliegendem Kraftwerk steht der Wasserspiegel in einem Becken stets über dem mittleren Wasserspiegel, jener des zweiten Beckens stets unter diesem. Meereswasserspiegel

h [m]

h Meereswasserspiegel [m]

ta HTW

H0

hmin

Beckenwasserspiegel

a 0

F 2

S 4

Abb. 4.17:

6

hmax

Krafthaus

10

S 12 [h]

AT

mit Pumpbetrieb Beckenwasserspiegel

hmin T 8

H0

HTW

Becken

AT

ta

hmin

Meer

hmax

SH

Wehr

SH

b

0

T 2

F 4

S 6

hmin T 8

E 10

S 12 [h]

Betriebsdiagramm eines Gezeitenkraftwerk für eine Tide (12 h 25 min): a) für ein einfach wirkendes Kraftwerk [4.1]; b) für doppelte Kraftnutzung am Beispiel des Rance-Gezeitenkraftwerkes (T Turbinenbetrieb, F Füllung, S Stillstand, E Entleerung) [nach 4.28]

Alle genannten Typen können mit einer Pumpspeicherung kombiniert werden, wobei durch Pumpen bei Erreichen der Spiegelgleichheit zwischen Meeres- und Landseite eine noch höhere Füllung des Flussbeckens herbeigeführt wird. Entsprechendes gilt für die umfassendere Entleerung. Durch die künstliche Erhöhung des Beckenwasserspiegels vergrößern sich das für die Turbine im Entleerungsfalle nutzbare Wasservolumen und mit diesem die mittlere Fallhöhe. Die verfügbare Energie ist proportional der Beckenoberfläche und dem Quadrat des Tidehubes. Entleert man zusätzlich die landseitige Bucht mit Tieferlegung des niedrigsten Beckenwasserspiegels, steht mit Einsetzen der Flut ein größeres Füllvolumen bei wiederum angehobener, mittlerer Fallhöhe zur Verfügung. Eine derartig verstärkte Energieausbeute erweist sich um so vorteilhafter, je billiger der Pumpenstrom ist, also während der Schwachlastzeit aus dem Versorgungsnetz bezogen werden kann. Werden in einer einzigen Maschine Turbine und Pumpe vereinigt, wie es die modernen Pumpenturbinen vorzeichnen, ergeben sich mehrere Betriebsvarianten, die je nach den Randbedingungen hinsichtlich Wassermassen, Höhenunterschied, Strömungsrichtung, Strombedarf und Stromverfügbarkeit eine Optimierung der Stromgewinnung gestatten. Aus dem Verlauf der Tidewelle - in der vereinfachten Annahme eine SinusFunktion - lässt sich nun der Wasserspiegel h(t) berechnen: h( t ) = H TW ⋅ sin ( ω⋅ t ) [m] h(t) HTW

ω T

Wasserspiegelhöhe zum Zeitpunkt t Amplitude der Tidewelle Wellenfrequenz: ω = 2 ⋅ π / T Wellenperiode

(4.1) [m] [m] [s-1] [s]

4 Typen von Wasserkraftanlagen

127

Der für die Ermittlung des erreichbaren Leistungsmaximums und des jährlichen Arbeitsvermögens des einfach wirkenden Kraftwerkes (s. Abb. 4.17a) notwendige durchschnittliche Durchfluss einer Beckenentleerung ergibt sich bei einer Vereinfachung der Beckenbegrenzungen zu: Q=

Aw ⋅ H TW ta

[m³/s]

(4.2)

woraus sich mit (2.11) die Höchstleistung Pmax für das Gezeitenkraftwerk errechnet: Pmax = 9,81 ⋅ ηtot ⋅ Q ⋅ hmax [kW] Aw ta

ηtot

(4.3)

Beckenoberfläche Turbinenarbeitszeit Gesamtwirkungsgrad der Anlage (ηtot ≈ 0,70-0,75)

[m²] [s] [-]

Daraus lässt sich mit der Gleichung (2.15) das Arbeitsvermögen Ea des Gezeitenkraftwerkes für den Zyklus von t = 0 bis t = ta berechnen. Näherungsweise kann der Durchfluss Q(t) hier auch als konstant betrachtet werden. Das Jahresarbeitsvermögen Ea wiederum kann man überschlägig durch Multiplikation des Arbeitsvermögens einer Tideperiode mit der Anzahl jährlicher Tideperioden ermitteln (8.760 h/Jahr / 12,42 h/Tideperiode = 705 Tideperioden/Jahr). Untersucht man das theoretische Arbeitsvermögen Ea,theo einer Tideperiode, so lässt man die Wirtschaftlichkeit der Nutzung und jeglichen Verlust außer acht. Geht man von dem allgemeinen Fall aus, dass die Beckenoberfläche Aw eine veränderliche Funktion Aw (h) der Wasserspiegelhöhe h ist und im Becken ein Volumen V gespeichert werden kann, so ergibt sich bei der vollen Nutzung einer Tideperiode - d. h. bei der theoretischen Annahme des plötzlichen, vollständigen Entleerens bei Ebbe eines in der Flutperiode vollständig gefüllten Beckens und des plötzlichen Füllens bei Flut - das theoretische Arbeitsvermögen: 2 H0 ª 9,81 º 9,81 Ea ,theo = 2 ⋅ « Aw ( h ) ⋅ dh » = ⋅ 2 ⋅ H0 ⋅ ⋅ 4 ⋅ H 0 ⋅V «¬ 3600 »¼ 3600 0

³

Ea,theo

theoretisches Arbeitsvermögen

[kWh]

(4.4) [kWh]

Das theoretische Jahresarbeitsvermögen Ea,theo ergibt sich analog wiederum durch Multiplikation mit der Anzahl jährlicher Tideperioden. Der Wirkungsgrad η der effektiven Nutzung setzt sich aus dem Gesamtwirkungsgrad ηtot und der zeitlichen Verfügbarkeit zusammen und kann aufgrund der allgemeinen Erfahrungen nach MOSONYI [4.1] mit η ≈ 0,30 angesetzt werden. Daraus folgt, dass das effektive Arbeitsvermögen Ea,eff eines Gezeitenkraftwerkes mit Ea ,eff = η⋅ Ea ,theo ≈ 0,30 ⋅ Ea ,theo Ea,eff

effektives Arbeitsvermögen

[kWh]

(4.5) [kWh]

abgeschätzt werden kann. Mit der Planung und Ausführung des ersten großen Gezeitenkraftwerkes La Rance in der Welt, dem mehrere Versuchsanlagen vorausgegangen waren, verfolgte die Electricité de France (EdF) die genannte Zielsetzung der Leistungs-

128

4 Typen von Wasserkraftanlagen

steigerung durch zusätzlichen Pumpbetrieb. Die Einweihung erfolgte im Jahr 1966. Für die imposante Anlage wurde das Mündungsbecken des Flusses Rance vor St. Malo (Normandie) an der Kanalküste mit 22 km² Oberfläche und 20 km Länge bis zur flussaufwärtsgerichteten Flussschleuse St. Chatellier bei Dinan ausersehen (s. Abb. 4.18). Zwischen den Meeresspiegellagen ± 0 m ü. NN und 13,5 m ü. NN kann hier ein Volumen von 184 hm3 genutzt werden. Zum Zeitpunkt der Tag- und Nachtgleichen (Äquinoktien) im Frühjahr und Herbst, bei Springtide, betragen der Durchfluss bis zu 18.000 m³/s und die maximale Strömungsgeschwindigkeit 2,5 m/s. Die Gesamtanlage des Gezeitenkraftwerkes (s. Abb. 4.18 und 4.19a), die Schleuse, Krafthaus, Erdschüttdamm und nach einer Felseninsel ein Wehrbauwerk mit sechs Durchlassöffnungen einschließt, erstreckt sich senkrecht zur Hauptströmungsrichtung über eine Länge von 750 m. Diese Lage wurde auch dadurch begünstigt, dass im Mündungsbereich der Rance zahlreiche Felssporne einen Schutz gegen schwere Sturmfluten bilden. Unter dem niedrigsten Meereswasserspiegel reicht die Wassertiefe 12 m bis zur Flusssohle herab, die sich bei der vorerwähnten Springtide auf 25,5 m erhöht.

Meer Cancale Parame

St. Malo Dinard

St. Servan Gezeitenkraftwerk Anstauung ca. 20 km

Pleurtuit

La Rance Chateauneuf PontSt. Hubert COTES-DU-NORD Cherbourg

Schleuse Schleuse Chatellier

Le Mont St. Michel

Dinan 0

1

2

3

4

Avranches

5 km

St. Malo

Abb. 4.18:

Lageplan der Rance-Bucht [nach 4.28]

Coutances Granyille

4 Typen von Wasserkraftanlagen

129

Die am linken Flussufer befindliche Kammerschleuse zur Aufrechterhaltung der Schifffahrt hat eine Länge von 65 m und eine Breite von 13 m. Hieran schließt sich das 370 m lange Kraftwerksgebäude an, das 24 Maschineneinheiten von je 10 MW installierter Leistung beherbergt (s. Abb. 4.19b). Die Versteifung der Außenwände gegen den mit den Gezeiten wechselnden Wasserdruck erfolgt durch beiderseitige Strebepfeiler im Abstand von 13,3 m. Zwischen deren Fundamenten verlaufen die rohrförmigen Triebwasserleitungen, in die jeweils die horizontalachsigen KaplanRohrturbinen mit oberwasserseitigem, in einem birnenförmigen Stahlgehäuse untergebrachten Generator installiert sind. Der Abstand zwischen den beiden flussseitigen bzw. meeresseitigen Rohrenden beträgt 53 m. Die Rohrsohle befindet sich ca. 10 m unterhalb des Niedrigstwasserspiegels. Der Rohrquerschnitt ist an der Eintritts- und der Austrittsöffnung ca. 100 m² groß. Gerade für Gezeitenkraftwerke erweisen sich die Rohrturbinen als besonders vorteilhaft. Durch den Wegfall von Einlaufspirale und Saugrohrknie, die bei senkrecht angeordneten Maschinen notwendig sind, ergeben sich infolge der gestreckten Triebwasserführung strömungstechnische und bauliche Vorzüge. Bereits eineinhalb Jahrzehnte vor der Fertigstellung des Gezeitenkraftwerkes Rance wurden Studien für die Ausführung der Rohrturbinen-Maschinensätze aufgenommen, die sich für Turbinen- und Pumpenbetrieb gleichzeitig eignen sollten. Prototypausführungen wurden in verschiedenen französischen Flusskraftwerken bis hin zu einer Versuchsanlage in einer aufgelassenen Seeschleuse am Hafen von St. Malo, hier mit wechselnden Strömungsrichtungen und Salzwassereinwirkung, untersucht. Die hinsichtlich Werkstoffgüte, Konstruktion und Turbinen-/Pumpenbetrieb mit wechselnden Strömungsrichtungen optimierten 24 Maschineneinheiten haben einen Laufraddurchmesser von 5,35 m (4flügeliges Laufrad) und eine Drehzahl von 94 U/min. Jede Rohrturbine übernimmt sechs verschiedene Funktionen, indem sie in beiden Fließrichtungen als Turbine, als Pumpe und als Durchlassorgan betrieben wird, wobei in der Übergangszeit zwischen Ebbe und Flut der zweimalige Pumpenbetrieb bei 2 m manometrischer Förderhöhe die Energieausnutzung verbessert. Die nutzbare Fallhöhe liegt bei Ebbe und Flut je nach dem Gezeitenablauf zwischen 3 und 11 m, das Netto-Regelarbeitsvermögen beläuft sich auf ca. 550 GWh. Der dem Kraftwerksgebäude folgende, bis zur Felseninsel sich erstreckende Erdschüttdamm ist 162 m lang und weist einen Betonkern als Innendichtung auf. Die restlichen Flussöffnungen zwischen Felseninsel und rechtem Flussufer überspannt ein Stauwehr (s. Abb. 4.19c). In dessen sechs Öffnungen sind 10 m hohe und 15 m breite Rollschützen eingebaut, die beidseitig gegen den Wasserdruck abdichten und im täglichen Betrieb die Rance-Bucht schneller füllen und entleeren, damit die Fallhöhe für die zeitlich abgestufte Wasserkraftnutzung vergrößern. Bei einem höchsten Unterschied zwischen den Wasserspiegeln im Flussbecken und des Meeres strömen durch die Wehröffnungen insgesamt rund 5.000 m³/s.

130

4 Typen von Wasserkraftanlagen

a

Schleuse linkes Ufer

Meer Kraftwerk

(6 Gruppen zu je 4 Turbinen)

Damm

Leitstand

Felsen rechtes Ufer 6 Schützen

Rancebucht Umspannwerk

c

b Rancebucht

Meer

Rancebucht

Meer

Servomotor Rollschütz

Abb. 4.19:

Rance-Gezeitenkraftwerk: a) Lageplan der Abschlussstelle, b) Schnitt durch das Kraftwerk, c) Schnitt durch das Regulierwehr [nach 4.28]

Trotz dieser Ergänzungsmaßnahmen, durch zusätzlichen Pumpenbetrieb und schnellere Füllung bzw. Entleerung mittels der Rollschützen eine verbesserte Energiegewinnung zu erzielen, erfährt die Stromerzeugung eine tägliche zweimalige Unterbrechung, da die Fallhöhe für den Turbinenbetrieb mindestens 3 m betragen muss (s. Abb. 4.17b). Die Zeitpunkte dieser Unterbrechungen verlagern sich infolge der vom Mond abhängigen Gezeitenfolge täglich um ca. 50 min. und bedingen eine unregelmäßige Energieverfügbarkeit im Gegensatz zu Flusskraftbzw. Laufwasserkraftwerken. Im Rückblick auf die nunmehr Jahrzehnte umfassenden Betriebserfahrungen hat sich das Gezeitenkraftwerk Rance bestens bewährt und seine Funktionstüchtigkeit bis zum heutigen Tage unter Beweis gestellt. Mit dem Erfolg dieses Gezeitenkraftwerkes setzte weltweit der Bau größerer Anlagen an geeigneten Meeresküsten ein. Beispielsweise sei das russische Gezeitenkraftwerk Kislogup am Weißen Meer bzw. an der Barent-See mit Nutzfallhöhen zwischen 1,3 und 3,0 m sowie einer installierten Leistung von 0,8 MW genannt, das gänzlich aus Betonfertigteilen errichtet worden ist [4.29]. In China folgten Pilotanlagen mit bis zu 4 MW Leistung. Welches Tidenpotenzial entlang der einschließlich der Inseln rund 14.000 km langen Meeresküste Chinas vorliegt, zeigt die Zusammenstellung in Tabelle 4.2, wobei etwa 500 Standorte für die Energieerzeugung aus den Gezeitenkräften ausfindig gemacht wurden, für die insgesamt 110.000 MW installierter Leistung und 270 Mrd. kWh elektrischer Stromerzeugung geschätzt werden. Die erste Pilotanlage Jiangxia wurde in der Provinz Zhejiang Anfang der 80er Jahre erstellt. Sie weist sechs Rohrturbinen mit Kapselgenerator zu je 0,5 MW auf, die einen Tidehub von bis zu 8,0 m abarbeiten. Das durch ein 686 m langes Sperrbauwerk abgeschlossene Flussbecken fasst 4,97 Mio. m3, die jährliche Gesamtstromerzeugung erreicht rund 11 Mio. kWh.

4 Typen von Wasserkraftanlagen

131

Tabelle 4.2: Regionale Verteilung des Gezeiten-Energiepotenziales in China [4.30]

China insg. Zhejiang Fujian Shandong Guangdong Liaoning andere

Erschließbares Stromerzeugungspotenzial in Gezeitenkraftwerken [Mrd. kWh/Jahr] 275,16 114,6 108,1 16,5 13,3 11,3 10,9

Anteil der Regionen am Gesamtpotenzial [%] 100,0 41,6 39,4 6,0 4,87 4,3 3,8

Nach weiteren Pilotanlagen, z. B. das Gezeitenkraftwerk Baishakou (Provinz Shandong) mit 0,96 MW, werden derzeit drei Großprojekte verfolgt. Es handelt sich um Anlagen an den Flussmündungen Qiantang bei Hangzhou mit den Kraftwerksdaten 4.500 MW und 18,65 Mrd. kWh/Jahr sowie um den Yangtse bei Schanghai mit 800 MW und ca. 3,4 Mrd. kWh/Jahr und schließlich um die Queging-Bucht (Provinz Zhejiang) mit 550 MW und 2,34 Mrd. kWh/Jahr. Im Jahre 1984 wurde an der Westküste Kanadas das erste Gezeitenkraftwerk auf dem amerikanischen Kontinent in Betrieb genommen. Dieses Projekt AnnapolisRoyal auf der Halbinsel Nova Scotia ist als Prototyp mit der Aufgabe zu verstehen, das Betriebsverhalten einer sehr großen Straight-Flow- bzw. Straflo-Turbine mit Kranzgenerator und mit einem Laufraddurchmesser von 7,6 m zu prüfen sowie die Einsatzmöglichkeiten derartiger Maschinen für große Fluss- und Gezeitenkraftwerke zu erkunden. Hier bietet sich für eine Erschließung der Gezeitenenergie die Bay of Fundy mit den größten Gezeitenunterschieden der Welt an. Die Hauptdaten der Pilotmaschine gehen aus der nachfolgenden Tabelle 4.3 hervor und unterstreichen die außergewöhnlichen Einzelabmessungen und die bedeutsamen maschinentechnischen Kenngrößen. Insbesondere sind die maximale Fallhöhe von 7,1 m, der in der Strömungsrichtung wechselnde Durchfluss von 378 m³/s Salzwasser bei einer 5,5 m betragenden Nennfallhöhe, ferner die installierte Maximalleistung von 19,9 MW und die geschätzte Jahresstromerzeugung von 50 Mio. kWh hervorzuheben; die jährliche Verfügbarkeit beträgt 99 %. Derzeit nutzt die Turbine nur die Fallhöhe bei Ebbe aus und ist somit durchschnittlich nur 2 x 5 Stunden pro Tag in Betrieb. Tabelle 4.3: Hauptdaten der Annapolis-Turbine [4.31] Laufraddurchmesser Anzahl der Laufschaufeln/Leitschaufeln normaler Fallhöhen-Betriebsbereich Nennfallhöhe/maximale Fallhöhe Leistung bei Nennfallhöhe/Maximalleistung Wasserstrom bei Nennfallhöhe Wirkungsgrad bei Maximalleistung Nenndrehzahl/Durchgangsdrehzahl jährliche Energieerzeugung

7,6 m 4/18 1,4-6,8 m 5,5/7,1 m 17,8/19,9 MW 378 m³/s 89,1 % 50/98 U/min ca. 50 GWh

132

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Das Gezeitenkraftwerk Annapolis mit dem 46,4 m langen Kraftwerksgebäude und dem 15,5 m auf 15,5 m großen Turbineneinlauf befindet sich am Unterlauf des gleichnamigen Flusses auf einer 8 ha großen Insel, an die ein 225 m langer Erddamm anschließt. Dieser wurde bereits 1960 errichtet, um das Hinterland mit seinen landwirtschaftlichen Anbauflächen vor Überflutungen zu schützen. Das zugehörige Stauwehr mit mehreren Öffnungen, die durch Regulierschützen von je 9,2 m Breite und 7,3 m Höhe verschlossen werden können, reguliert den Durchfluss. In Verbindung mit dem 24 Jahre später errichteten Gezeitenkraftwerk dient die Stauanlage bei Flut zu der den Turbinenbetrieb ergänzenden Füllung des flussseitigen Staubeckens, während bei Eintritt der Ebbe alleine durch die Turbine den Wasserabfluss erfolgt und so elektrischer Strom erzeugt wird (Konzept der Einfachwirkung). Die Spiegeldifferenz der Gezeiten schwankt zwischen 8,7 m bei Springflut und 4,4 m bei Nippflut. Der durchschnittliche Tidehub beträgt 6,4 m. Die nahezu eingehaltenen Baukosten des in drei Jahren erstellten Gezeitenkraftwerkes Annapolis beliefen sich auf 46 Mio. Kanadische Dollar. Die bisherigen Betriebserfahrungen sind außerordentlich ermutigend, so dass derzeit weitgehende Wirtschaftlichkeitsstudien angestellt werden, die in der nachfolgenden Tabelle 4.4 erwähnten drei möglichen Standorte von Gezeitenkraftwerken innerhalb der Fundy-Bucht zu erschließen. So werden beispielsweise für das Cumberland Basin 42 Straflo-Turbinen in Betracht gezogen. Tabelle 4.4: Mögliche Gezeitenkraftwerksstandorte innerhalb der Fundy-Bucht [4.31] Natürliche Fallhöhen: maximal minimal Durchschnitt Natürlicher Wasserstrom (maximal) Potenzial: Leistung jährliche Energieerzeugung

Shepody Bay Cumberland Basin Cobequid Bay 14,5 m 14,5 m 16 m 6m 6,5 m 7m 9m 10 m 11 m 60.000 m³/s 54.000 m³/s 185.000 m³/s 920 MW 795 MW 3.200 MW 2.967 GWh 2.352 GWh 10.374 GWh

Nachdem die Nutzung von Meeresbuchten für Gezeitenkraftwerke einige Einschränkungen vor allem für die Schifffahrt sowie die Umwelt mit sich bringt, werden in den letzten Jahren vor allem in Großbritannien einige Offshore-Projekte im küstennahen Bereich verfolgt, die nicht derartigen Restriktionen unterliegen. Hierbei ist geplant, in Gebieten mit nicht zu großer Wassertiefe und gleichzeitig ausreichend großem Tidehub künstliche Becken mit einer dazwischen liegenden Kraftwerkseinheit zu errichten. So wird beispielsweise seit längerem im Bereich der Severn-Mündung im Westen Englands entlang einem 16 km langen Küstenstreifen ein Gezeitenkraftwerk mit bis zu über 8.000 MW installierter Leistung heftig diskutiert. Anders verhält sich die Situation in Südkorea, wo die Entscheidung fiel, den 1994 im westlichen Mittelteil der koreanischen Halbinsel künstlich in einem Mündungsdelta angelegten Sihwa-See zur Gezeitenenergienutzung heranzuziehen. Nachdem sich bereits kurz nach der Fertigstellung des Dammes die Wasserqualität im See verschlechterte, erkannte man im Rahmen von umfangreichen Untersuchungen die Notwendigkeit, das Wasser des Sees durch die Zirkulation von ca. 60 Mrd. t Salzwasser jährlich zu verbessern. Dabei bot es sich an, in die hierfür

4 Typen von Wasserkraftanlagen

133

notwendige Dammöffnung ein Gezeitenkraftwerk einzubauen. Dieses Kraftwerk mit 10 Rohrturbinen mit je 26 MW installierter Leistung und einem Laufraddurchmesser von 7,50 m ist seit 2006 in Bau und soll 2009 in Betrieb gehen. Die jährliche Energieausbeute bei einer max. Fallhöhe von 7,5 m soll bei 543 GWh/a liegen [4.32]. 4.4.2

Nutzung der Meeresströmung

In der weiteren Folge der rasanten Entwicklung der Windenergienutzung ist auch die Nutzung der durch die Gezeiten verursachten, regelmäßig ablaufenden Meeresströmungen mit ihren zum Teil enormen Massenbewegungen und daraus resultierenden Kräften in das energiepolitische Blickfeld gekommen. Exemplarisch sei der Golfstrom genannt, der mehr als 80 Mio. m3/s Wasser an Miami/USA vorbeitransportiert. Untersuchungen haben ergeben, dass für eine wirtschaftliche Ausbeutung dieser Ressource eine Strömungsgeschwindigkeit von 2-2,5 m/s sowie Wassertiefen von 20-35 m optimal sind [4.33]. Derartige Bedingungen herrschen überwiegend in küstennahen Gebieten, wo das Wasser durch die natürlichen Konturen in bestimmten Bahnen gelenkt wird. Von Vorteil ist, dass diese Strömungen verhältnismäßig gleichmäßig und damit gut vorhersagbar sind. Eine erste Pilotanlage mit einer Meeresströmungsturbine mit einem 11 m großen Rotor mit horizontaler Achse ist seit 2003 1,5 km vor der Küste von Großbritannien nahe Lynmouth (Norddevon), 100 km westlich von Bristol, bereits in Betrieb und besitzt eine Leistung von 350 kW bei 20 Umdrehungen pro Minute. Die Einheit ist an einen Stahlpfeiler mit 2,1 m Durchmesser, 42,5 m Höhe und 80 t Gewicht montiert, der im Meeresboden mittels einer Felsbohrung und Betonverguss fundiert wurde. Dieser hohle Stahlpfeiler endet über der Meeresoberfläche, so dass über eine darauf montierte Plattform der Zugang möglich ist. Zu Wartungsund Reparaturzwecken kann die aus Rotor und Generator bestehende Einheit hydraulisch über die Wasseroberfläche gefahren werden. Für die Energieableitung sind Seekabel vorgesehen. In der laufenden zweiten Entwicklungsphase ist seit Juni 2008 ein Prototypen mit zwei nebeneinander, beidseits des Pfeilers angeordneten Rotoren und insgesamt 1,2 MW installierter Leistung in der nordirischen Meerenge bei Strangford im Einsatz [4.34]. Auch an rund 100 weiteren europäischen sowie zahlreichen weiteren Standorten sind ähnliche Anlagen unterschiedlichster Bauart mit Anlehnung an die Entwicklungen in der Windkraft und anderen Bereichen, wie z. B. Darrieus-Rotor oder Voith-Schneider-Propeller, geplant, wobei mittelfristig jeweils mehrere Anlagen in sogenannten Farmen zusammen betrieben werden sollen. Beispielsweise sollen in Korea Einheiten aus je drei frei umströmten Turbinen von je 600 kW Leistung an einer höhenverstellbaren Quertraverse angeordnet werden. Auch bei dieser Anlage sind die Maschinensätze in vertikaler Richtung an zwei Pfeilern verfahrbar, um einerseits eine Revision oberhalb des Wasserspiegels und andererseits eine optimierte, effiziente Energiegewinnung inmitten der Hauptströmung zu ermöglichen. Nach Abschluss der Prototypuntersuchungen sollen auf diese Weise im Endausbau bis zu 600 Maschinen mit 600 MW Leistung installiert werden.

134

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Alleine das an den entsprechenden europäischen Küstengewässern realisierbare elektrische Potenzial wird derzeit auf ca. 50 TWh/a geschätzt, wobei von Bedeutung ist, dass aufgrund des erheblichen Dichteunterschiedes von Luft und Wasser eine Meeresströmungsturbine pro m² Rotorfläche eine ca. achtfach höhere Leistung als eine Windkraftanlage erzeugen kann. Trotz der teilweise verbreiteten Euphorie zur Nutzung dieser bedeutenden Energiequelle birgt diese aber auch einige Gefahren in sich. Zum einen können die möglicherweise negativen Einflüsse auf das marine Ökosystem durch z. B. die unter Wasser drehenden Rotoren, die Lärmemissionen etc., heute nur unzureichend eingeschätzt werden. Zum anderen ist überhaupt nicht absehbar, inwieweit der Energieentzug aus dem gesamten Meeresströmungssystem weitreichende Folgen bis hin zu einer massiven Veränderung desselben verursachen kann. 4.4.3

Wellenenergienutzung

Verschiedene Ursachen bewirken die Entstehung von Wellen in oberflächennahen Zonen großer Wasserflächen, wobei der Wind neben den Gezeiten und seismischen Aktivitäten unter anderem dominiert (s. a. Abb. 4.16). Besonderen Einfluss auf die Art des Seeganges haben vor allem die Windgeschwindigkeit, die Streichlänge des Windes und dessen Dauer. Die statistische Aufbereitung einer Seegangsaufzeichnung liefert bestimmte Wellenverläufe, für die verschiedene theoretische Lösungsansätze mit unterschiedlichen Geltungsbereichen (vor allem bezüglich der Wassertiefe) bestehen, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird. Die in einer Welle enthaltene Energie besteht aus einem potenziellen und einem kinetischen Anteil. Der potenzielle Anteil ergibt sich aus der Schwerpunktverschiebung der Wassermasse aus der Ruhelage infolge der Wellenbewegung. Der kinetische Anteil ist eine Folge der am Ort verbleibenden Orbitalbewegung (Kreisoder Ellipsenbahnen) der Wasserteilchen. Durch Anwendung der linearen Wellentheorie lässt sich der Energiegehalt einer Welle ermitteln, wobei sich zeigt, dass die beiden Anteile gleich groß sind [4.35]: EWe = E p + Ek = EWe b H L

1 ⋅ρw ⋅ g ⋅ b ⋅ H 2 ⋅ L 8 ⋅ 3600

[Wh]

Wellenenergie Breite, in der Regel Einheitsbreite b = 1m Wellenhöhe Wellenlänge

(4.7) [Wh] [m] [m] [m]

Die Wellenleistung erhält man aus dem Produkt der auf eine vertikale Ebene wirkenden Kraft und der Strömungsgeschwindigkeit durch diese Fläche hindurch. Im Tiefwasser, d/L > 0,5 (mit der Ruhewasserspiegelhöhe d), ergibt sich diese pro Breiteneinheit zu: P=

ρw ⋅ g 2 ⋅ H 2 ⋅T ≅ H 2 ⋅T 32 ⋅ π

[W/m]

(4.8)

4 Typen von Wasserkraftanlagen

135

Aus der nachfolgenden Abb. 4.20 kann der Leistungsinhalt einer Welle im Tiefwasser abgelesen werden; als Beispiel ist die Leistung einer typischen Welle der Nordsee eingetragen. Die Energie der Meereswellen kann auf unterschiedliche Art und Weise zur Energiegewinnung genutzt werden. Es muss dabei berücksichtigt werden, dass es infolge des stochastischen Energieangebotes eines Wandlers bedarf, der über alle Leistungsbereiche hinweg mit einem hohen Wirkungsgrad arbeitet. Des Weiteren muss bei allen Anlagen die größte zu erwartende Welle bei deren Konstruktion berücksichtigt werden, damit am Bauwerk keine Schäden auftreten. Ein weiterer Punkt ist die Aggressivität des Seewassers und des daraus resultierenden Seeklimas, die die Verwendung geeigneter korrosionsfester Materialien bedingen. 8

L

00

P @ H² × T = 0,8 × H²

m

7

m =1

00

5 L

0

Grenzsteilheit

4

0

=

50

m

H L = 0,142 tanh kd

L

Wellenhöhe H [m]

L0

=2

6

3 =

25

2 1,52 m

Beispiel: Nordsee mittlere Wellenhöhe = 1,52 m Wellenperiode T = 6,42 s Wellenlänge L = 64,4 m

1 14,4 kW

0

m

L0

1

2

5

10

20

50

100

200

500 1000

Leistung P einer Welle [kW/m]

Abb. 4.20:

Wellenleistung im Tiefwasser (d/L > 0,5) [nach 4.35]

Die zur Zeit bekannten Energiewandlersysteme lassen sich zum einen nach dem Anteil der Energie, die sie überwiegend nutzen, einteilen und zum anderen nach dem Prinzip der Energieumwandlung: - Ausnutzung des potenziellen Energieanteiles: - Profilveränderung der laufenden Welle; - Druckschwankungen unterhalb der Oberfläche. - Ausnutzung des kinetischen Energieanteiles: - Orbitalbewegung der Wasserteilchen; - longitudinale Bewegung der Wasserteilchen im flachen Wasser. Darüber hinaus ist eine Klassifizierung nach dem technischen Wandlerprinzip möglich, wobei nur die primären Wandler einbezogen werden können. Es sind dies die hydraulische Turbine, die pneumatische Turbine, der Hydrozylinder bzw. die Pumpe sowie mechanische Systeme, deren Typen in der Fachliteratur ausreichend beschrieben sind.

136

4 Typen von Wasserkraftanlagen

Die größte Bedeutung unter den Anlagen zur Wellenenergiegewinnung wird jenen beigemessen, die auf dem Prinzip der schwingenden Wassersäule basieren. Es handelt sich dabei um eine hydraulische Turbine, die den potenziellen Energieanteil ausnützt und aus einer nach unten offenen Kammer besteht, in der eine Wassersäule und damit eine Luftsäule auf und ab schwingen. Je nach Konstruktionstyp treibt das Wasser direkt oder indirekt die Turbine an, wobei derzeit dem indirekten Antrieb über die Luftsäule eine höhere Priorität bei den Forschungsaktivitäten beigemessen wird, da die Strömungsgeschwindigkeiten hier größer sein und die Lebensdauer höher angesetzt werden können. Entscheidend ist jedoch bei allen Anlagen, dass zum einen der Wirkungsgrad über einen großen Wellenfrequenzbereich und in beiden Schwingungsrichtungen möglichst groß sein sollte. Unterschiedliche Typen sind in Abb. 4.21 dargestellt. Sog Leitschaufeln

Generator Turbine

a) Babintsew 1974

Rotor Leitschaufeln Kompression Sog Leitschaufeln

Generator Turbine

b) Ricafranca 1974

Rotor Leitschaufeln Kompression Sog Leitschaufeln

Generator + Turbine

c) Goncalves 1975

Rotor Leitschaufeln Kompression Strömungsrichtung

Leitschaufeln

Generator Getriebe

Rotor Leitschaufeln Strömungsrichtung

Turbine

Generator Getriebe Rotor

d) Hafner/ Hohnecker 1980

e) Hafner 1980

Turbine

Abb. 4.21:

Wandlerprinzip und Beispiele von Turbinenschaufelformen doppelt wirkender Axialturbinen [nach 4.35]

Weltweit wird das wirtschaftlich nutzbare Potenzial der Wellenenergie auf mindestens 2.000 TWh im Bezugsjahr 2025 eingeschätzt. In jüngster Zeit sind daher für die Energienutzung aus der großen Schwankungen unterliegenden

4 Typen von Wasserkraftanlagen

137

Wellenbewegung eine Reihe von Prototypen entwickelt und selbst unter rauen Bedingungen des Seegangs sowie des salzhaltigen Meereswassers erprobt worden. An erster Stelle steht das Wellenkraftwerk auf Basis der schwingenden Wassersäule (Oscillatung Water Column, OWC) bzw. Luftsäule. Letztere wird bei Eintritt von Wasser in eine der ankommenden Welle entgegen gerichteten offenen, sich zur Luftseite trichterförmig verjüngenden Kammer, die etwa zur Hälfte unter Wasser liegt, komprimiert und einer Turbine mit Generator zugeführt (s. Abb. 4.21c). Hernach strömt die Luft ins Freie hinaus. Auf diese Weise wird die große Kraft und kleine Geschwindigkeit der Wellenbewegung in eine Luftbewegung mit kleiner Kraft und großer Geschwindigkeit zur optimalen energetischen Ausnutzung umgewandelt. Beim Rückströmen der Wasserwelle wird wieder Luft über die Turbine angesaugt, wobei hierfür heute zumeist die für beide Strömungsrichtungen geeignete, sogenannte Wells-Turbine mit symmetrischer Schaufelform eingesetzt wird, da diese stets in derselben Drehrichtung arbeitet. Wenngleich diese Turbine über keinen optimalen Wirkungsgrad verfügt, so ist diese jedoch äußerst robust. Einige Anlagen mit ca. 500 kW Leistung sind in Schottland, Japan und Indien in Betrieb, kleinere sind in autonom arbeitenden Bojen zu finden. MehrkammerAnlagen befinden sich in konkreter Planung und Ausführung, die mit mehreren MW Leistung sowohl in Küstenbauwerken integriert als auch im küstenfernen Bereich dann unter voller Ausnutzung der nicht durch Bodenreibung und Turbulenzen beeinträchtigten Wellenkraft Einsatz finden sollen. Eine interessante Entwicklung stellt Pelamis (Seeschlange) dar, dessen Prototyp 2004 vor der Küste Schottlands in Probebetrieb gegangen ist. Das dortige 120 m lange Wellenkraftwerk besteht aus 4 großvolumigen Segmenten. An den Scharniergelenken dieser mit Luft gefüllten, rohrförmigen Auftriebskörper von je 30 m Länge befinden sich Hydraulikkolben, die beim Auf und Ab infolge der Wellenbewegung eine Betriebsflüssigkeit unter Hochdruck in einen Ausgleichsbehälter pressen, wodurch ein spezieller hydraulischer Generator in Gang gehalten wird. Deren Gesamtleistung beläuft sich auf 750 kW. Das 750 t schwere Wellenkraftwerk in 5-10 km Entfernung von der Küste bewegt sich entweder direkt auf der Meeresoberfläche oder in einer Tiefenlage von 50-60 m unter dem Wasserspiegel schlangenförmig. Die komplette Anlage ist am Meeresboden verankert. Durch Reihenanordnung und wabenförmiger Verknüpfung derartiger Elemente könnte die Gesamtleistung bis 30 MW betragen. Infolge des erfolgreichen Probebetriebs nahm im Herbst 2008 eine aus 3 Einzelanlagen bestehende Pelamis-Gruppe mit insgesamt 2,25 MW installierter Leistung vor der nördlichen Küste Portugals den Probebetrieb auf, die ca. 1.500 Haushalte versorgen und in nächster Zeit erweitert werden soll. Weitere konkrete Projektstandorte werden entwickelt. Verhältnismäßig gute Ergebnisse erzielte man ebenfalls mit der einfacheren Konzeption eines sogenannten Wellen einfangenden Drachens bzw. Wellendrachens (s. Abb. 4.22). Ein Prototyp arbeitet seit 2003 in einem Fjord in der Nähe des dänischen Ortes Nissum. Über zwei auseinandergespreizte Ausläufer aus Stahl von 58 m Spannweite gelangen die aufkommenden Wellen über einen konischen Kanal und eine anschließende doppelt gekrümmte Rampe in das wenige Meter über dem Meeresspiegel befindliche Stahlbecken von 58 x 33 m² Fläche. In dem zentrisch angeordneten Fallschacht fließt das aufgestaute Wasser über vertikalachsige, ungeregelte Propellerturbinen mit Kapselgeneratoren und Permanent-

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4 Typen von Wasserkraftanlagen

magneten wieder in das Meer ab. Die nutzbare Fallhöhe liegt zwischen 0,6 und 1,5 m. Die Sammelbecken zum Aufstau der Wellen können entweder an der Küste fest angeordnet oder schwimmend sein. Nach erfolgreichen Testserien ist seit 2007 nun beabsichtigt, eine etwa fünfmal so große Anlage von 22.000 t Gesamtgewicht mit 4 MW Leistung zu bauen. Die Spannweite zwischen den 125 m langen und 16 m tiefen Wellenreflektoren sollen dann 260 m, die Rampenbreite 120 m und das Volumen des Sammelbeckens 5.000 m³ betragen. Die Fallhöhe wird 3,0 m groß sein. Die 16 installierten Wasserturbinen und Generatoren würden jährlich 12 GWh elektrischen Strom liefern. Käme es zu noch größeren Einheiten und aus ihnen gebildeten Seeparks von Wellendrachen, könnten theoretisch ca. 30 % des europäischen Strombedarfes durch Wellenenergie gedeckt werden. Turbinen Sammelbecken Rampe

A

Schnitt A-A Wellenreflektor

Dh

Turbinen SammelSammelbecken becken

A Balasttanks

Rampe

offenes Meer

Abb. 4.22:

4.4.4

Funktionsprinzip eines Wellendrachen-Kraftwerkes (Grundriss und Schnitt)

Gradientenkraftwerke

Nicht nur mit Gezeiten, Wellenströmungen und Wellenbewegungen bieten die Weltmeere riesige Energiequellen. Auch Temperaturunterschiede zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser und ebenso unterschiedliche Salzgehalte von Meerwasser und Flusswasser ermöglichen Ansätze zur elektrischen Stromgewinnung. Derartige Anlagen bezeichnet man als Gradientenkraftwerke. In einem Meereswärmekraftwerk wird elektrischer Strom aus dem Temperaturunterschied zwischen kalten und warmen Wassermassen in unterschiedlichen Meerestiefen gewonnen. Die theoretischen Grundlagen derartiger ozeanothermischer Gradientenkraftwerke wurden bereits 1881 durch Jacques Arsène d’Arsonval geschaffen. Vielerorts besteht zwischen den oberflächennahen, bis etwa 50 m Tiefe reichenden Wasserschichten und jenen in Tiefenbereichen von 800 bis 1.000 m Tiefe ein Temperaturunterschied von ca. 20 °C, der in einem kontinuierlichen Kraftwerksbetrieb genutzt werden kann. Bei einem Temperaturgefälle des Wassers von 26 °C und 6 °C ist hierfür der theoretische Wirkungsgrad 6,7 %, der jedoch wegen Energieverlusten bei der technischen Ausschöpfung auf etwa die Hälfte absinkt. Bei der technischen Umsetzung wird zwischen geschlossenem, offenem und hybridem Kreislauf unterschieden. Bei der Nutzung größerer Temperaturgefälle kommen ähnlich einer Wärmepumpe in einem geschlossenen Kreislauf das bei niedrigen Temperaturen leicht

4 Typen von Wasserkraftanlagen

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verdampfende Ammoniak als Arbeitsmedium sowie Kompressor und Dampfturbine mit Generator für den Wärmeentzug und die elektrische Stromerzeugung zum Einsatz. Eine eindrucksvolle Ausführung einer solchen Ocean-ThermalEnergy-Conversion-Anlage (OTEC) ist das 2004 in Betrieb gegangene Kraftwerk Tuticorin an der indischen Westküste. Hier werden 15 km vor der Küste eine Temperaturdifferenz von 22 ºC ausgeschöpft und eine elektrische Leistung von rund 1 MW erzielt. Demgegenüber nutzt ein Meereswärmekraftwerk mit einem offenen Kreislauf das warme Oberflächenwasser als Arbeitsmedium, das mittels Vakuum zur Verdampfung gebracht wird. Dieser Dampf dient zum Antrieb von Turbine und Generator zur elektrischen Stromgewinnung. Hernach erfolgt mit Hilfe des kalten Tiefenwassers die Kondensation des Dampfes wieder zu Wasser. Von 1993 bis 1998 wurde in Keahole Point auf Hawaii eine Versuchsanlage mit offenem Kreislauf betrieben. Die installierte Leistung betrug 210 kW zur Nutzung der Wärmeenergie bei 26 °C warmem Oberflächenwasser und 6 °C kaltem Tiefenwasser. Sehr hohe Sommertemperaturen ermöglichen die Nutzung von 250 kW Leistung, wovon allerdings 200 kW dem Pumpenbetrieb zur Wasserförderung vorbehalten waren. Die beförderten Wassermengen betrugen 24.600 m3 kaltes Wasser aus 825 m Tiefe über eine Rohrleitung von 1,0 m Durchmesser und 36.300 m3 warmes Wasser. Ein geringer Teil des erzeugten Wasserdampfes wurde über die Kondensation und parallele Entsalzung zur Bereitstellung von Süßwasser mit 20 l/min genutzt. Ebenso können mit dem an Nährstoffen reichen Tiefwasser Aquakulturen (Fischzucht, Algenzucht, Wasserpflanzen) bedient werden. Der hybride Kreislauf fußt auf der Vereinigung beider vorgenannter Kreisläufe, bei der nach der Verflüssigung des Dampfes durch das kalte Tiefenwasser das Kondensat wieder in den anfänglichen, geschlossenen Kreislauf zurückgeführt wird. Bei der Nutzung unterschiedlicher Salzkonzentrationen von Meeres- und Süßwasser findet das Osmose-Prinzip Anwendung. Hierbei werden Seewasser mit einem Salzgehalt von 3,5 % und Süßwasser durch eine für Salz undurchdringbare Membran getrennt. Durch die Osmosevorgänge entsteht in dem geschlossenen System durch das aus der Membran heraustretende Süßwasser ein Druck von bis zu 27 bar, der über eine Maschinengruppe von Turbine und Generator abgebaut wird. Derzeit sind dieser Technik noch Grenzen gesetzt, da bisher keine geeigneten Membranen existieren, die einen entsprechend höheren Wasserdurchsatz bei deutlich geringeren Kosten erlauben, um einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen. Am ehesten bieten sich hierfür Membranen aus Polymeren für den Übertritt von Wasser aus der niedrigen in die höher konzentrierte Lösung unter effizientem Rückhalt der Salze an. Wohl sind eine Reihe von Forschungs- und Entwicklungsprojekten für ein derartiges Salzgradientenkraftwerk u. a. in Norwegen im Gange, doch steht die technische Umsetzung und Nutzung eines derartigen Osmosekraftwerks noch aus. 4.4.5

Depressionskraftwerke

Den Überlegungen zur Nutzung der sogenannten solaren Depressionskraft liegt der Gedanke zugrunde, in Gebieten mit heißem Klima durch Kanäle oder Stollen

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4 Typen von Wasserkraftanlagen

Meerwasser in eine küstennahe Niederung zu leiten, in der es verdunstet. Der Höhenunterschied, die sogenannte Depression, zwischen dem Meereswasserspiegel und dem Verdunstungsbecken wird dabei an geeigneter Stelle in einer Wasserkraftanlage genutzt. Die Energieausbeute ist bekanntermaßen von der Höhendifferenz und damit von dem Verdunstungswasservolumen abhängig. Dieses wird wiederum maßgeblich von der Größe der Verdunstungswasseroberfläche beeinflusst, da mit wachsender Oberfläche die Verdunstungsmenge ansteigt. Es muss also Gleichgewicht zwischen dem zugeführten und dem in der Niederung verdunsteten Wasser bestehen. Die im Laufe der Zeit fortschreitende Versalzung der jeweiligen Verdunstungsbecken hat nahezu keinen Einfluss auf die Wasserkraftnutzung; so wird davon ausgegangen, dass nach ca. 100 bis 150 Jahren eine Sättigung erfolgt und erst nach mehr als 1.000 Jahren eine vollständige Versalzung eintreten wird. Neben der Nutzung von existierenden, küstennahen Niederungen gibt es auch Überlegungen, Binnenmeere durch einen künstlichen Damm mit darin enthaltener Wasserkraftanlage zur Nutzung der Depressionskraft heranzuziehen; allerdings kann hier nur eine relativ geringe Fallhöhe genutzt werden. Darüber hinaus bietet es sich an, diese Wasserkraftanlagen mit einer Pumpspeicheranlage zu kombinieren, da ein Betrieb als Spitzenlastkraftwerk naheliegt. Bisher wurden vor allem für zwei Anlagen ausgiebige Projektstudien durchgeführt, keine der Anlagen wurde jedoch bis zum heutigen Tage verwirklicht. Es handelt sich dabei zum einen um die Anlage in der Kattara-Senke in der nordwestlichen Wüste Ägyptens, bei der ein Höhenunterschied von ca. 60 m durch eine Wasserkraftanlage mit einem Zuflusskanal/-stollen aus dem Mittelmeer mit einer Länge von ca. 75 km genutzt werden soll. Mit einer installierten Leistung von bis zu 2.400 MW könnten so max. 3.100 GWh/a, kombiniert mit einer Pumpspeicherwasserkraftanlage bis zu 4.600 GWh/a, erzeugt werden [4.36]. Die zweite Anlage, die wieder in der aktuellen Diskussion ist, soll den Höhenunterschied von ca. 390 m zwischen dem Mittelmeer oder dem Roten Meer und dem Toten Meer nutzen [4.37]. 4.4.6

Gletscherkraftwerke

Bei den bisher im Wesentlichen nur auf dem Papier existierenden Gletscherkraftwerken handelt es sich um eine Sonderform der Speicherkraftwerke, die das Energiepotenzial des Gletscherschmelzwassers in den Hochgebirgen und vor allem der Polarkappen nutzbar machen sollen. In den Hochgebirgen wird das Gletscherwasser meist bereits in nicht explizit auf die Gletscher bezogenen Speicheranlagen gesammelt und im Bedarfsfall in elektrische Energie umgewandelt. In den Energiedebatten tauchen aber auch immer wieder Überlegungen auf, die gewaltigen Schmelzwasserabflüsse der polaren Gletschermassen, insbesondere in Grönland, zu nutzen, da es in Höhen über 2.000 m entsteht und anschließend in Wasserkraftanlagen in elektrische Energie umgewandelt werden könnte. Erste Schätzungen gehen von bis zu 100 TWh/a aus. Da sowohl der Bau der Wasserkraftanlagen als auch der Energietransport zu den Verbrauchern - gedacht ist vor allem an die Energiespeicherung und den Energietransport mittels Wasserstoff -

4 Typen von Wasserkraftanlagen

141

derzeit unwirtschaftlich ist, wurde bisher keines der Projekte verwirklicht (s. a. Kapitel 17.1). Mit dem von 2003 bis 2008 realisierten Wasserkraftanlagenprojekt Karahnjukar im Osten Island änderte sich nun diese Situation. Diese Wasserkraftanlage nutzt in der ersten Ausbaustufe einen Teil des Schmelzwassers des Vatnajökull-Gletschers, Europas größtem Gletscher mit über 8.000 km2 Fläche, das in einem Stausee mit einem 190 m hohen Damm zwischengespeichert und über einen knapp 40 km langen Stollen dem Kavernenkrafthaus mit sechs Maschinensätzen mit insgesamt 690 MW installierter Leistung zugeführt wird. Mit einer Ausbaudurchfluss von 144 m³/s und einer Fallhöhe von 600 m erzeugt die Ende 2007 in Betrieb gegangene Anlage ca. 4.600 GWh/a. Die elektrische Energie wird schließlich durch eine gut 50 km lange 420-kV-Hochspannungsleitung zu einer neuen Aluminiumschmelze in einer Bucht an der Ostküste übertragen. Weitere Ausbaustufen sind mittelfristig geplant. 4.4.7

Wasserkraftanlagen mit unterirdischen Speichersystemen

Vor allem in Karstgebieten existieren im Untergrund große Wasserressourcen, die in der Regel ungenutzt über ein weit verzweigtes Höhlensystem zu einem tiefer, vielfach an einer Meeresküste gelegenen Punkt entwässern. Diese unterirdischen Flusssysteme führen aufgrund der Speicher- und Pufferkapazität derartiger Grundwasserleiter auch in den niederschlagsärmeren Jahreszeiten üblicherweise bedeutende Abflüsse, die nicht nur zu Trink- und Bewässerungszwecken, sondern auch zur Energieerzeugung ähnlich derjenigen in Bergwerken (s. Kapitel 1.5) herangezogen werden können. Bei derartigen Anlagen sind dann das Sperrenbauwerk und die Triebwasserleitung sowie zumeist auch das Krafthaus komplett im Untergrund angeordnet. Ein Beispiel für eine derartige Anlage befindet sich auf der indonesischen Insel Java, die im Rahmen eines pilotartigen deutsch-indonesischen Entwicklungshilfeprojektes in den Jahren 2002 bis 2008 geplant und errichtet wurde [4.38], [4.39]. Um die unterirdischen Wasserressourcen in der Region an der Südküste in der Trockenzeit mit akutem Wassermangel verfügbar zu machen, wurde u. a. in der Höhle Gua Bribin bereits in den 1970er Jahren eine ca. 2,5 m hohe Wehranlage errichtet, aus deren Stau mittels dieselaggregatbetriebener Pumpen Wasser an die etwa 100 m höhere gelegene Oberfläche gefördert wurde. Die neue unterirdische Anlage ersetzt dieses in vielerlei Hinsicht unzureichend funktionierende System (geringer Aufstau, hohe Kosten und Umweltrisiken des Dieselgeneratorenbetriebes etc.), indem durch ein die Höhle komplett absperrendes Betonbauwerk der unterirdische Fluss aufgestaut wird. In dessen direkten Anschluss sind fünf TurbinenPumpen-Einheiten angeordnet, die bis zu 70 l/s in ein 200 m höher gelegenes Reservoir fördern, womit ca. 80.000 Menschen täglich mit Trinkwasser versorgt werden können. Als Turbinen werden größere rückwärtslaufende StandardPumpen (s. Kapitel 14.5.1 und 14.5.2) eingesetzt, die mit kleineren Kreiselpumpen zur Wasserförderung direkt gekoppelt sind. Eine weitere Turbinen-Einheit ist schließlich zur Eigenversorgung mit elektrischem Strom vorgesehen. In weiteren angedachten Ausbaustufen könnte darüber hinaus zusätzliche elektrische Energie erzeugt werden.

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4 Typen von Wasserkraftanlagen

In größere Dimensionen soll das Wasserkraftanlagenprojekt Ombla nahe bei Dubrovnik in Kroatien vorstoßen, das die Quelle des gleichnamigen Gewässers bereits im Untergrund durch ein bis zu 400 m hohes, aus einem Injektionsvorhang bestehendes Sperrenbauwerk im Gebirge aufstauen und der Energienutzung in einem Kavernenkraftwerk knapp über Meereshöhe zuführen soll [4.40]. Im Kraftwerk soll mit dem mittleren Abfluss von ca. 24 m³/s bei einer Fallhöhe von etwa 68-129 m in 2 x 2 Francis-Turbinen mit insgesamt 68,5 MW installierter Leistung ein Jahresarbeitsvermögen von 223 GWh/a erzeugt werden. Dieses Mehrzweckvorhaben, dessen umfangreiche Detailplanung derzeit läuft, soll darüber hinaus zur Trinkwasserversorgung von Dubrovnik beitragen. 4.5 [4.1] [4.2] [4.3] [4.4] [4.5] [4.6] [4.7] [4.8]

[4.9] [4.10] [4.11] [4.12] [4.13]

[4.14]

[4.15]

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4 Typen von Wasserkraftanlagen

[4.32] Grafenberger, P.: Gezeitenkraftwerke am Beispiel des Sihwa-KraftwerksProjektes. In: Wasserwirtschaft 99 (2009), Nr. 3, S. 46-49 [4.33] Ruprecht, A.; Weilepp, J.: Gezeitenströmungskraftwerke. In: Wasserwirtschaft 99 (2009), Nr. 3, S. 23-27 [4.34] Bard, J.: Meeresenergieanlagen - von der Idee bis zur Realisierung. In: Wasserwirtschaft 99 (2009), Nr. 3, S. 28-32 [4.35] Hafner, E.: Energie aus Meereswellen - Entwicklung von Wandlersystemen. In: Wasserwirtschaft 70 (1980), Nr. 9, Seite 303-308 [4.36] Bassler, F.: Neue Vorschläge für die Entwicklung der Kattara-Senke. In: Wasserbau-Mitt. der Technischen Hochschule Darmstadt (1975), Nr. 13 [4.37] Chamish, B.: Red or med canal route dead ahead? In: Water Power & Dam Construction 46 (1994), Nr. 11, Seite 38-40 [4.38] Oberle, P.; Nestman, F.: Bau unterirdischer Wasserspeicher in Karstgebieten auf Java. In:Wasserbausymposium Graz 2006. Schriftenreihe zur Wasserwirtschaft der TU Graz (2006), Nr. 46/1 S. 406-421 [4.39] www.hoehlenbewirtschaftung.de, 2008 [4.40] Sever, Z.: The Ombla HPP multipurpose hydro project. In: Hydro 2003 The Way forward for Hydropower, Conference Proceedings, Dubrovnik, 2003

145

5

Wasserfassung

Wasserfassungen sind Bauwerke, die der Entnahme und gegebenenfalls Reinigung von Triebwasser aus einem Gewässer, d. h. Bach, Fluss, See oder Speicher dienen, das der Triebwasserleitung - im Falle von Freispiegelleitungen auch als Werkkanal oder Triebwasserkanal bezeichnet - einer Wasserkraftanlage zugeleitet wird. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Gewässer zum Teil erhebliche Mengen an Feststoffen transportieren können, deren Umfang und Zusammensetzung von den jeweiligen hydrologischen, topografischen, geologischen und flussbaulichen Randbedingungen und der Jahreszeit abhängig sind. Hinsichtlich der Transportart unterscheidet man bei diesen Feststoffen zwischen (s. Abb. 5.1) [5.1]: - Dem Geschiebe, das rollend, gleitend oder springend über die Gewässersohle transportiert wird und das aus Sand, Kies und Steinen besteht. Der Grenzdurchmesser für den Bewegungsbeginn ist dabei von den Strömungsverhältnissen abhängig (s. Kapitel 6.2). - Den Schwebstoffen, die über die gesamte Abflusstiefe verteilt sind und bei denen es sich um organische und anorganische Feinpartikel handelt. Bei diesen Partikeln dreht es sich meist um feinsandiges, schluffiges oder toniges Material, das sich in Abhängigkeit von der Fließgeschwindigkeit und der Turbulenz in der Schwebe befindet. Der Grenzdurchmesser hin zu Schwimmstoffen ist fließend (s. Kapitel 7). - Dem Treibgut, das schwimmend, schwebend oder über die Sohle gleitend durch die Strömung in Fließrichtung transportiert wird (s. Kapitel 5.2). Vielfach wird hierbei noch zwischen dem einerseits oberflächennah beförderten Schwemmgut bzw. Geschwemmsel unterschieden, das auch als Rechengut, Schwemmzeug, Treibsel, Treibzeug o. Ä. bezeichnet wird. Andererseits sind noch die unter der Wasseroberfläche schwebend mittransportierten Schwimmstoffe größeren Durchmessers zu nennen. Hierzu zählt man zum einen das sogenannte partikuläre organische Material (POM) mit einem Durchmesser von über ca. 1 mm in Form von Falllaub über Äste bis hin zu ganzen Bäumen und zum anderen auch Eis und den gesamten Abfall, d. h. Zivilisationsmüll einschließlich Sonderabfall. Treibgut: Schwemmgut und Schwimmstoffe Organ. Material >1 mm (+ Zivilisationsmüll)

Geschiebe

Schwebstoffe

Grobsand, Kies, Steine

Anorgan. und organ. Partikel oberflächennaher Abflussanteil mittlerer Abflussanteil

Q

sohlennaher Abflussanteil SH

Abb. 5.1:

Feststoffarten und deren Auftreten in natürlichen Gewässern [5.2]

146

5 Wasserfassung

Entsprechend orientieren sich die Aufgaben der Wasserfassung an diesen lokalen Randbedingungen sowie weiteren Aspekten wie insbesondere: - Verhinderung oder zumindest Verminderung der Geschiebe- und Schwebstoffeinwanderung in den Triebwasserkanal, mit dem Ziel, denselben vor Verlandung und den Turbinenbereich vor Erosionsschäden und Abnutzung zu schützen; - Zuleitung des Triebwassers in den Werkkanal bzw. den Triebwasserstollen mit möglichst geringen Fallhöhenverlusten; - Fernhalten von Eis und Treibgut aller Art; - Verschluss der Triebwasserleitung bei Revisionen oder Schadensfällen. Die Gliederung der Wasserfassung selbst richtet sich nach den jeweiligen genannten Aufgabenstellungen, wobei beachtet werden muss, dass Anlagen mit Druckleitungen, also vor allem Hochdruckanlagen, im Gegensatz zu Anlagen mit Freispiegelleitungen, also vor allem Nieder- und Mitteldruckanlagen, weitaus empfindlicher gegenüber Geschiebe und kleinem Treibgut sind. Dies hat zur Folge, dass bei Druckleitungen eine weitergehende Reinigungsstufe, der Sandfang, der in Kapitel 7 ausführlich beschrieben wird, zwischengeschaltet werden muss. Zu den wichtigsten Bauteilen gehören in Gewässerfließrichtung dementsprechend, abgesehen von der Entnahme aus stehenden Gewässern: 1. Einlaufschwelle als Schutz gegen das Einwandern von Geschiebe (s. Kapitel 5.1.2); 2. Tauchwand oder Schwimmbalken, die das Eindringen von Schwimmstoffen und Treibeis verhindern soll (s. Kapitel 5.2.2); 3. Rechenanlage am Kanaleingang, gegebenenfalls mit Rechenreinigungsmaschine, um grobe Schwimmstoffe, Treibgut und Eis abzuhalten (s. Kapitel 5.2.1); Anlagen mit Freispiegelleitungen: 4.1 Einlaufbecken mit zweiter Schwelle (Werkkanalschwelle) und dazugehörigem Spülkanal mit Spülschütz, um weiteres Geschiebe aus dem Triebwasser zu entfernen (s. Kapitel 5.1.2); 5.1 Übergangstrompete und Einlaufschütz zur Triebwasserregulierung und zum Absperren der Triebwasserleitung bei Revisionen oder Unfällen (s. Kapitel 5.3). Anlagen mit Druckleitungen: 4.2 Einlaufbecken und gegebenenfalls Feinrechen mit Rechenreinigungsmaschine zur Abweisung von Treibgut etc.; 5.2 Sandfang mit dazugehörigem Spülkanal und Spülschütz zur Entfernung der feinen Geschiebe- und Schwebstoffe (s. Kapitel 7); 6.2 Einlaufschütz zur Triebwasserregulierung und zum Absperren der Triebwasserleitung bei Revisionen oder Betriebsstörungen (s. Kapitel 5.3); 7.2 Übergangsbauwerk in die Druckrohrleitung mit Einlauf- bzw. Ausgleichsbecken am Ende der Freispiegelleitung (s. Kapitel 6.5). Bei allen Typen von oberflächennahen Wasserfassungen ist auf deren Zugänglichkeit zu achten, die aus Gründen der Betriebssicherheit jederzeit möglich sein sollte; bei tiefliegenden Entnahmen aus stehenden Gewässern wird diese nur in

5 Wasserfassung

147

Sonderfällen vorgesehen. Zur Unterbrechung des Wasserstromes muss jedoch stets eine Absperrmöglichkeit vorhanden sein, auf die noch eingegangen wird. 5.1

Anordnung, Bauweise und Bemessung des Einlaufbauwerkes

Die Aufgabe des Einlaufbauwerkes besteht in der Entnahme des Triebwassers und der weitestgehenden Abhaltung von Geschiebe und Treibgut. Bei der Anordnung und Bauweise muss im Wesentlichen zwischen Kraftwerken einerseits direkt im Flusslauf oder mit Entnahme bzw. Ausleitung des Triebwassers und andererseits mit Entnahme aus stehenden Gewässern (z. B. Seen, Speicher, Stauanlagen) unterschieden werden. 5.1.1

Kraftwerke im Fließgewässer

Bei reinen Flusskraftwerken ist das Krafthaus direkt mit der Wehranlage kombiniert (s. Kapitel 4.2.1.1), ein eigenständiges Entnahmebauwerk für das Triebwassers entfällt hierbei. Die Wasserfassung erfolgt unmittelbar (s. Abb. 5.2) und besteht neben einer Rechenanlage mit Reinigungseinrichtung sowie je einem Haupt- und Notverschluss lediglich aus dem Turbinenzulauf (s. a. 14.3.1.1). Auf diese Elemente wird in den nachfolgenden Kapiteln genauer eingegangen werden. Für die grundsätzliche Anordnung von Krafthaus, Wehranlage und weiteren Einrichtungen im Fließgewässer selbst gelten insbesondere die im nachfolgenden Abschnitt 5.1.2 erläuterten Kriterien. Einlaufbauwerk mit Hauptverschluss (Rollschütz) und Rechenanlage 358,55 SH

Grundablässe A

351,50

A

Triebwasserleitung

Saale Klappenwehr

Krafthaus mit Maschinengruppen

356,00

Krafthaus

Tosbecken

Tosbecken SH

343,60

343,07

340,00 336,50

a Abb. 5.2:

5.1.2

b

3,30

17,00

unterwasserseitige Dammtafeln

8,04

Stauanlage und das Krafthaus der Wasserkraftanlage Burgkhammer, Obere Saale: a) Grundriss, b) Schnitt A-A [5.3]

Entnahme aus Fließgewässern

Ein Fließgewässer stellt ein komplexes System dar, das sich nur selten im Gleichgewicht, sondern vielmehr in einem ständigen Anpassungsprozess befindet, um seinen Zustand den aktuellen hydrologischen, topografischen, geologischen und flussbaulichen Randbedingungen anzupassen. Jeder Eingriff von außerhalb in dieses System, in diesem Fall die Triebwasserentnahme, bedeutet eine Störung der momentan entlang der Fließstrecke des Gewässers vorhandenen Gleichgewichts-

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5 Wasserfassung

zustände und veranlasst das System, seinen laufenden Anpassungsprozess zu modifizieren. Dabei darf die Entnahmestelle im Rahmen der Planung nicht nur lokal betrachtet, sondern es müssen vielmehr die kurz- und langfristigen Auswirkungen des Eingriffes auf die ober- und unterhalb liegende Gewässerstrecke genau erkundet werden. Für die Triebwasserentnahme ist es von besonderer Bedeutung, die dem Kanaleintritt zugeführte Geschiebemenge zu verringern, wobei dies am besten durch die richtige Wahl der Entnahmestelle erzielt werden kann. Die Entnahme aus Fließgewässern findet man sowohl bei Nieder- als auch bei Mittel- und Hochdruckanlagen. Vor allem bei den Hochdruckanlagen, aber auch bei den Mitteldruckanlagen, mündet ein Teil der Triebwasserfassungen vielfach in sogenannte Beileitungen, d. h. das an verschiedenen Stellen gefasste Wasser wird der Haupttriebwasserleitung zugeleitet, um das insgesamt zur Verfügung stehende Triebwasser und damit die Energieerzeugung zu erhöhen. Hinsichtlich der Entnahmeart werden im Wesentlichen drei Formen unterschieden: - Seitenentnahme, - Stirnentnahme, - Sohlenentnahme. Die vierte mögliche Entnahmeart, die Saugentnahme, kommt im Bereich der Wasserkraftanlagen im Prinzip nicht vor. Die Tabelle 5.1 gibt einerseits einen Überblick über den allenfalls möglichen Entnahmeabfluss bezüglich des Zulaufes und andererseits über die wesentlichen Vor- und Nachteile der drei Entnahmearten in Abhängigkeit des Gefälles des Fließgewässers. Damit soll eine erste Einordnung ermöglicht werden, im Folgenden wird dann vor allem auf die konstruktiven Details genauer eingegangen werden. Bei der Beherrschung des bei der Seitenentnahme an der Entnahmestelle anfallenden Geschiebes unterscheidet man zwei verschiedene Konzepte: - Geschiebeabweisung: Bei diesem Konzept wird versucht, das Geschiebe durch geeignete flussbauliche und konstruktive Maßnahmen (Ausnutzung der Strömung, Schwellen, Leitwände, Spülschleusen, Spülkanäle etc.) weitestgehend vom Einlauf fernzuhalten. - Geschiebeabzug: Hierbei wird das Einströmen des Zweiphasengemisches (Wasser und Geschiebe) in den Einlauf zugelassen und dort mit geeigneten konstruktiven Maßnahmen (doppelter Boden, horizontale Trennwand, Sandfang etc.) die Trennung von Feststoffen und Wasser vorgenommen. In beiden Fällen wird das Geschiebe dem Gewässer nicht entzogen, sondern es verbleibt vielmehr im Fließgewässer, wodurch die ansonsten vielgearteten, negativen flussbaulichen und ökologischen Folgen ausbleiben und nur begrenzt in den Geschiebehaushalt eingegriffen wird (s. a. Kapitel 18.2.1.2).

5 Wasserfassung

149

Tabelle 5.1: Mögliche Entnahmeabfluss und Vor- und Nachteile der Entnahmearten in Abhängigkeit des Gefälles I des Fließgewässers [nach 5.4] Seitenentnahme mit Geschiebemit abweisung Geschiebeabzug mögliche ZulaufEntnahmeabfluss

sehr großes Gefälle (Wildbäche) I > 10 %

bis zu 50 %

bis zu 70 %

günstig, wenn wartungsfreie Funktion gewährleistet

ungünstig, wenn unzugänglich, da permanente Bedienung erforderlich

Stirnentnahme

Sohlenentnahme

bis zu 100 % (bis Sohlenrechenleistungsgrenze) sehr günstig; klassischer Fall für Tiroler Wehr; wartungsfreier Betrieb

bis zu 80 %

ungünstig; hohe Turbulenz des Zuflusses; permanente Bedienung erforderlich günstig für alle Entnahmearten ohne besondere Einschränkungen mit oder ohne Aufstau

großes Gefälle (Gebirgsflüsse) 10 % > I > 1 % mittleres Gefälle (Hügellandflüsse) 1 % > I > 0,01 %

günstig für Seiten- und Stirnentnahme mit und ohne Aufstau

ungünstig; vorwiegend feines Geschiebe, welches zu nahezu 100 % in den Einlauf gerät geringes Gefälle günstig, da auch ungünstig, da wenig Konstruktionshöhe für die (Flachlandflüsse) ohne Aufstau Spüleinrichtungen zur Verfügung steht, Aufstau macht 0,01 % > I > 0,001 % durchführbar aufwendige Deiche notwendig sehr geringes Gefälle sehr ungünstig für jede Art der Entnahme mit Ausnahme der Entnahme (Flussdeltas) mittels Pumpbetrieb, da keine Höhe zur Verfügung steht I > 0,001 %

Von besonderer Bedeutung für die Geschiebeabweisung ist die in jedem Gewässer zusätzlich zur Haupt- oder Primärströmung in Fließrichtung existierende Sekundärströmung, die sogenannte Flechtströmung, die vor allem durch Flusskrümmungen, aber auch durch asymmetrische Verengungen, Einbauten oder Ähnliches verursacht wird (s. Abb. 5.3). Diese zweite Strömung ist in Bezug auf den Geschiebetransport bei Entnahmebauwerken von besonderer Bedeutung, da sie für den Transport quer zur Fließrichtung verantwortlich ist. Grundriss A

ursprünglicher Querschnitt A

Gleitufer

veränderter Querschnitt B

SH

B

SH

ng

Obe strö rfläche mun ng

Abb. 5.3:

u röm

dst

Prallufer

un Gr

SH

Gleitufer mit Geschiebeablagerung

Prallufer

Flechtströmung in Flusskrümmungen

Wie aus Abb. 5.3 zu ersehen ist, ist es daher nahe liegend, dass die günstigste Position für die Entnahme bzw. für die Krafthausanordnung bei direkt im Gewässer angeordneten Anlagen am Außen- bzw. Prallufer einer Krümmung anzutreffen ist. Die jeweils optimale Positionierung kann allerdings letztlich nur anhand eines Modellversuches gefunden werden.

150

5 Wasserfassung

Die seitliche Entnahme des Triebwassers, die grundsätzlich die am weitesten verbreitete Form und gleichzeitig die älteste darstellt, aus einem geraden Flussabschnitt hat gegenüber der Entnahme an der Krümmungsaußenseite vor der Entnahmestelle eine ausgeprägtere Sekundärströmung in das Entnahmebauwerk hinein zur Folge (s. Abb. 5.4a). In diesem Fall sollte durch Einbauten eine künstliche Flechtströmung erzeugt werden, um die im Triebwasser mitgeführte Geschiebemenge und damit den baulichen und betrieblichen Aufwand für Entkieser und Sandfang deutlich zu reduzieren (s. Abb. 5.4b). Besonders bei der Einrichtung stauloser Entnahmeformen ist die Ausnutzung der Sekundärströmung von besonderer Bedeutung, wobei diese Bauweise bevorzugt bei Kleinwasserkraftanlagen anzutreffen ist. Wehr SH

Trennmauer

Einlaufschwelle a

Abb. 5.4:

Vorbecken b

Flechtströmung bei Entnahme an geraden Flussabschnitten: a) natürlich entstehende Flechtströmung in den Triebwasserkanal, b) künstliche Flechtströmung zur Geschiebeabweisung

Folgende flussbaulichen Maßnahmen bieten sich zur Geschiebeabweisung unter Ausnutzung der Sekundärströmung vor allem bei der Seitenentnahme an: - Errichten von Buhnen am Gegenufer der Entnahmestelle, - Entnahme vor natürlichen oder künstlichen Verengungen, - lokale Flussverlegung, - Anlegen eines gekrümmten Nebenarmes, - Verengung durch Pontons, - Anordnung von Leitschwellen und Leitwänden, - Einbau schräger Grundschwellen, - Hereinziehen des Entnahmebauwerkes in den Flussquerschnitt. Die Dimensionierung erfordert stets praktische Erfahrungen sowie sinnvollerweise eine Betrachtung in einem numerischen oder besser gar physikalischen Modell, da eine umfassende rechnerische Bemessung derzeit noch nicht abschließend möglich ist. Meist führen die oben genannten flussbaulichen Maßnahmen nicht zur gänzlichen Geschiebereduzierung, so dass zusätzlich im Entnahmebauwerk selbst konstruktive Maßnahmen vorgesehen werden müssen. Bei dem in Abb. 5.5a dargestellten, in diesem Fall etwas weiter in den Flusslauf hereingerückten Entnahmebauwerk muss zur Bewegung des abgelagerten Geschiebes ein ausreichendes Fließgefälle erzeugt werden, um das Geschiebe abzutransportieren. Damit die Spülwirkung nicht nur auf einen kleinen Raum in unmittelbarer Nähe der Spülöffnung begrenzt bleibt, ist es unter Umständen notwendig, kurzfristig auf das Halten der Stauhöhe am Wehr zu verzichten und einen größeren Wasserdurchfluss mit gegebenenfalls erhöhter Turbulenz zu erzeugen. Die in Abb. 5.5b dargestellte Grazer Kragschwelle [5.5] basiert auf der Entwicklung bzw. Unterstützung einer geschieberäumenden Spiralströmung vor und unterhalb der Kragschwelle, wobei Einlaufgeschwindigkeiten von über 1 m/s und

5 Wasserfassung

151

ein Freiraum von 1-1,5 m Höhe unter der Kragschwelle notwendig sind. Von Vorteil ist, dass diese Entnahmeform keine besonderen Anforderungen an die Zuflussströmung stellt, lediglich auf die Ausbildung der Trennschwelle ist zu achten, und sie somit auch in geraden Flussabschnitten angeordnet werden kann, ferner dass infolge der Anordnung kurze Spülzeiten möglich sind und dass auch bei Hochwasser die Aufrechterhaltung der Geschiebeabweisung gewährleistet wird. Wehr

Q

Qd Q

Trennschwelle zum Oberwasser abfallend

A

Wehr Trennpfeiler

Spülkanal mit Schütz

Vorboden Schwelle 1 evt. abgestuft Vorboden

Kragschwelle

Spülkanal mit Schütz

Qa

Schwelle 2

Q

Qa Wehr

a

Abb. 5.5:

Strömung an der Oberfläche Sohle

a

A

Trennpfeiler

Entnahme

Qd

Kragschwelle Vorboden

b

Trennschwelle

Schnitt A-A

Seitenentnahme: a) mit mehreren Schwellen und Spüleinrichtung, b) mit Grazer Kragschwelle [nach 5.4]/[5.5]

Das Konzept des Geschiebeabzuges berücksichtigt, dass ein geschiebeführendes Gewässer aus einer Zweiphasenströmung besteht und bei der Entnahme von Wasser auch eine bestimmte Menge von Geschiebe mit entnommen wird. Im Einlaufbereich der Wasserfassung wird in diesem Fall die Trennung von Wasser und Geschiebe vorgenommen, wobei die ungleichmäßige vertikale Verteilung von Wasser und Geschiebe im Abflussquerschnitt in Verbindung mit einer Fließgeschwindigkeitsreduzierung ausgenutzt wird. Der überwiegend Geschiebe beinhaltende untere Anteil des entnommenen Wassers wird dabei über ein System von Kanälen und Regulierorganen weiter unterstrom an das Gewässer zurückgegeben. Hervorzuheben ist, dass dieses Betriebskonzept im Wesentlichen einen kontinuierlichen Betrieb der Abzugskanäle sowie einen ausreichend großen Energiehöhenunterschied zwischen Entnahme und Rückgabe zur Erzeugung einer ausreichenden Spülgeschwindigkeit mit gegebenenfalls erhöhter Turbulenz erfordert und damit die Anordnung von Geschiebeabzügen nur bei Wasserfassungen an gestauten Fließgewässern sinnvoll ist. Wenn auch mit der kontinuierlichen Abgabe von Wasser durch die Spülkanäle dieses der Energieerzeugung entzogen wird, so stellt es gleichzeitig einen wesentlichen Anteil des notwendigen Mindestwassers, das im Gewässer verbleiben muss, dar (s. Kapitel 19). Aus der Abb. 5.6 ist die schematische Gliederung einer seitlichen Wasserfassung mit einem Geschiebeabzug ersichtlich. Der Einlauf des Geschiebeabzuges wird, wie hier dargestellt, meist vor oder unter der Entnahmeschwelle im Entnahmequerschnitt mit daran anschließendem Spülkanal angeordnet. Es ist auch möglich, den Einlauf als Sohlenschlitz in der Entnahmeschwelle oder auch in Form einer zweiten Sohlenschwelle und einer oder mehrerer parallel daran angeschlossenen Spülrinnen auszubilden. Die Dimensionsierung und der Betrieb des Geschiebeabzuges ebenso wie bei der Geschiebabweisung erfolgen größtenteils anhand allgemeiner Entwurfsrichtlinien

152

5 Wasserfassung

und mit Hilfe von Modellversuchen. Nach Untersuchungen von KLEY [5.6] u. a. ist aber auch eine rein mathematisch-physikalische Bemessung der Geschiebeabzüge in Abhängigkeit der Wasser- und Geschiebeführung des Fließgewässers und der örtlichen Verhältnisse möglich, und darüber hinaus wird durch die Erstellung von Betriebsdiagrammen eine Schützsteuerung zur Minimierung des Wasserverlustes ermöglicht. Isar Wehr

A

A

Absetzbecken SH

Spülkanäle Triebwasserkanal

a SH

Spülschütze

Einlaufschütze Spülkanal

Absetzbecken

b Abb. 5.6:

Seitenentnahme mit Geschiebeabzug am Kraftwerk Oberföhring, Isar: a) Grundriss, b) Schnitt A-A [5.7]

Wird das Triebwasser nicht in einem Kanal oder Stollen mit Freispiegelabfluss, d. h. einem Abfluss, bei dem im normalen Betrieb eine freie Wasserspiegeloberfläche vorhanden ist, sondern in einer Druckleitung, also einer Leitung mit vollständiger, unter Innendruck stehender Wasserfüllung, weitergeleitet, so befindet sich das Einlaufbauwerk bei Nieder- und Mitteldruckanlagen in der Regel komplett unterhalb des Wasserspiegels. Bei Hochdruckanlagen ist dies seltener der Fall, hier folgt auf den meist notwendigen Sandfang ein Ausgleichs- und Übergangsbecken, das in die Druckleitung überleitet. Die in beiden Fällen notwendige Einlaufüberdeckungshöhe ist im nachfolgenden Abschnitt 5.1.4 näher beschrieben. Das Triebwasser wird bei der Stirnentnahme (s. Abb. 5.7a), die auch als Frontalentnahme bezeichnet wird, ohne vorherige Umlenkung aus dem Fließgewässer entnommen. Im Gegensatz zur Seitenentnahme wird bei der Stirnentnahme von vornherein auf jeden Sekundärströmungseffekt verzichtet, und man ist bestrebt, eine möglichst gleichmäßige Strömung im Bereich der Entnahmestelle zu erzeugen, um so dem ausgeleiteten Triebwasser das Geschiebe wie beim Geschiebeabzug der Seitenentnahme durch Aufspaltung der horizontalen Zweiphasenströmung in Sohlennähe entziehen zu können. Um die von der Hauptströmungsrichtung abweichenden Geschwindigkeitskomponenenten zu vermeiden, muss das vor dem Einlaufbereich vorhandene Ge-

5 Wasserfassung

153

schwindigkeitsprofil auch im Einlaufquerschnitt selbst erhalten bleiben, damit das Eindringen von Geschiebe in die Entnahme möglichst gering ist. Soll der Vorteil der geschiebearmen Außenseite einer Flusskrümmung genutzt werden, ist die Vorschaltung einer Beruhigungsstrecke vor dem eigentlichen Einlaufquerschnitt notwendig. Die Dimensionierung des Geschiebekanales (s. Abb. 5.7b) hängt im Wesentlichen von den Ausmaßen der Umlenkungsstrecke, von den zu erwartenden Geschiebekorngrößen und der zurückzuhaltenden Geschiebemenge ab. Bei der zwischenzuspeichernden Geschiebemenge muss der Kompromiss zwischen der Gefahr der unzulässigen Anlandung bei einem überdimensionierten Einlaufbereich und andererseits der Verstopfung bei einem unterdimensionierten Spülabfluss gefunden werden. Eine permanente Spülung des Geschiebekanales ist nicht unbedingt erforderlich, allerdings reduziert diese die Gefahr einer Verstopfung und macht aufwendige Regeleinrichtungen überflüssig. Einlaufquerschnitt Wehr

Qd

Q

Anlandung

Qa

Entnahmekanal Geschiebekanal

Geschiebekänale mit Regulierorganen

a

Strömung an der Oberfläche Sohle

Abb. 5.7:

Spülschütz

Qe Geschiebebewegung

Entnahme

Qa

b

Prinzipskizze der Stirnentnahme: a) Grundriss, b) Horizontalschnitt durch das Einlaufbauwerk [nach 5.4]

Einen Sonderfall der Stirnentnahme stellt die Pfeilerentnahme dar, bei der das Wasser durch einen Pfeiler, der im Fließgewässer steht, auf dessen Prallseite entnommen wird, wobei der genutzte Durchfluss im Vergleich zum Zufluss nur äußerst gering sein kann. Bei dieser Entnahmeart wird der sogenannte Pfeilerkopfeffekt ausgenützt, bei dem durch das auf den Pfeiler aufprallende Wasser das Sohlenmaterial vom Pfeiler wegbewegt wird, dadurch ein „Hufeisenkolk“ entsteht und weitestgehend geschiebefreies Wasser entnommen werden kann. Bei der Sohlenentnahme schließlich wird das Triebwasser über ein Grundwehr mit liegendem Grobrechen, dessen Stäbe in Strömungsrichtung ausgerichtet sind, entnommen, in einem Sammelkanal aufgefangen und quer zum Ufer ausgeleitet (s. Abb. 5.8a und Abb. 7.2). Die Korngrößen, die kleiner als die lichte Weite zwischen den Stäben des Grobrechens sind, werden mit dem Wasser entnommen und in einer geeigneten Spüleinrichtung, meist einer Entsanderkammer, von diesem getrennt. Das gröbere Geschiebe und auch das meiste Treibgut hingegen werden durch den Rechen abgehalten und verbleiben im Fließgewässer. Ursprünglich wurde dieser Entnahmetyp, der je nach Bauart auch als Sohlenrechen, Grundrechen, Grundwehr, Coanda-Feinrechen (s. Abb. 5.20) und vor allem Tiroler Wehr (s. Abb. 5.8) bezeichnet wird, für Gebirgsbäche mit großem Grobgeschiebeanfall und extremem Gefälle in den Alpen entwickelt. Mittlerweile jedoch kommt vor allem das Tiroler Wehr aber auch in Mittelgebirgslagen zur Anwendung. Dies rührt vor allem daher, dass mit einer derartigen Ausbildung des Entnahmebauwerkes die freie Hochwasserabfuhr direkt über das

154

5 Wasserfassung

Bauwerk erfolgen kann und die Triebwasserentnahme hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Das im Entsander (s. Kapitel 7) zurückgehaltene Geschiebe wird über eine Spülöffnung wieder in das Fließgewässer zurückgeleitet, wobei das Spülschütz über Sohlenmembranen elektrisch oder durch einen einfachen, vollständig automatisch arbeitenden Gegengewichtsbehälter mit Wasserfüllung gesteuert wird. In Hochgebirgslagen, in denen mit Steinschlag zu rechnen ist, hat sich die Anbringung eines zusätzlichen Steinschlagrechens sehr bewährt. Durch diesen sehr stabilen Rechen wird das Bauwerk vor einer Beschädigung geschützt und ermöglicht bei einem nahezu vollständig zugeschütteten Steinschlagrechen durchaus noch eine Triebwasserentnahme (s. Abb. 5.8b).

20-30 %

SH

a

Vorbecken Wehrkanal

Abb. 5.8:

5.1.3

Rechen Steinschlagrechen

SH

30 %

Rechen

Vorbecken

b

Wehrkanal

Schnitt durch ein normales (a) und ein steinschlaggeschütztes (b) Tiroler Wehr [5.8]

Entnahme aus stehenden Gewässern

Wie bereits ausgeführt wurde, stellt die zeitweise Speicherung von Wasser aus energiewirtschaftlicher Sicht die optimale Betriebsform dar, da so eine Bewirtschaftung des Wasserdargebotes möglich ist. Sofern günstige Speicherräume zur Verfügung stehen, ist man bestrebt, zur Ergänzung des lokalen, natürlichen Wasservorkommen auch dasjenige von Seitentälern zur Energieerzeugung mittels Beileitungen heranzuziehen, die entweder direkt in die Triebwasserleitung (insbesondere bei Druckleitungen) oder in den Speicher münden. Die Entnahme des Triebwassers aus stehenden Gewässern (z. B. Seen, Speicher, Stauanlagen) für Mitteldruck- und Hochdruckanlagen erfolgt, abgesehen von den oben genannten Beileitungen, mittels eines unter der Wasseroberfläche liegenden Entnahmebauwerkes, das in einem separaten Entnahmeturm oder an der Talflanke angeordnet ist oder vielfach auch in Staumauern (s. Abb. 5.9 sowie Abb. 4.10, 4.11b, 5.2, 5.26c, 13.5) integriert wird. Die Standortwahl des Einlaufes kann im Wesentlichen nach dem Gesichtspunkt der Trassenminimierung zwischen Einlauf und Turbine erfolgen. Die Aufgabe des Entnahmebauwerkes beschränkt sich im Grunde darauf, den Beckenzufluss hydraulisch günstig in den Triebwasserstollen einzuleiten und auf die geforderte Stollengeschwindigkeit zu beschleunigen. Hierzu wird die Leitung im Eintrittsbereich trichterförmig erweitert oder bei größeren Entnahmemengen zu einem eigenen Entnahmeturm ausgebildet (s. Abb. 5.18), wobei eine ausreichende Einlaufüberdeckungshöhe vorgesehen werden muss, auf die im Folgenden noch eingegangen werden wird.

5 Wasserfassung

155

Im Regelfall können bei dieser Entnahmeform die oben genannten Reinigungsstufen zur Geschiebeabwehr entfallen, da sich das Geschiebe im Zulaufbereich bereits absetzt, ein stehendes Gewässer also die gleiche Funktion wie ein Geschiebe- bzw. Sandfang hat. Direkt an der Entnahmestelle wird lediglich ein Grobrechen zur Abwehr von Treibgut, Fischen etc. angeordnet, bei dem, vor allem bei senkrecht stehenden Rechen, auf eine Rechenreinigungseinrichtung verzichtet werden kann. Führungsschienen

Belüftungsschacht

372,0 m+NN Füllschieber

Feinrechen 8,0 m 365,5 m+NN 8,90 m

2,8

4,80 m

362,0 m+NN Schnellschlussschütz 8,24 m

Abb. 5.9:

Sperrmauerachse

Entnahmebauwerk der Bleilochtalsperre (s. Abb. 4.10)

Besonders jedoch bei kleinen Speicherräumen und hoher Geschiebezufuhr kann infolge der durch die Bewirtschaftung des Speichers veranlassten, regelmäßigen Absenkung des Stauzieles eine schrittweise Verlagerung des Verlandungskörpers in den Speicherraum hinein erfolgen, bis dieser letztlich gar das Entnahmebauwerk erreicht. Gleichzeitig bewirkt die stete Geschiebezufuhr eine unerwünschte Verringerung des Speichervolumens. Um diese Probleme infolge des Geschiebes in diesen Speichern zu verringern, gibt es im Wesentlichen zwei prinzipielle Möglichkeiten. Zum einen kann man im Stauwurzelbereich sogenannte Vorsperren anordnen, die die Funktion eines großen Geschiebe- und Sandfanges wahrnehmen und in gewissen Zeitabständen geräumt werden müssen oder gar mit einem Spülstollen in das Unterwasser versehen werden. Zum anderen kann man je nach Speicherform oder Hauptströmungsrichtung die Ablagerungen im Speicher teilweise oder gar vollständig aus diesem herausspülen. Da vielfach keine separaten Spülauslässe vorgesehen werden, werden zu diesem Zweck die im Stauwerk vorhandenen Grundablässe herangezogen, sofern die von ihnen ausgehende Spülwirkung sich auch auf den Entnahmebereich auswirken und dort zu einem befriedigenden Ergebnis führen könnte.

156

5 Wasserfassung

Eine Sonderlösung stellt die schwimmende Wasserfassung zur Förderung von stark schwebstoffführendem Gletscherwasser dar, wie sie erstmals bei dem zur Wasserkraftanlage Grande Dixence gehörenden Ausgleichsbecken Z´Mutt bei Zermatt (Schweiz) zur Ausführung gelangte [5.9]. Sie entnimmt das Wasser stets knapp unter dem Wasserspiegel, da dort die Schwebstofffracht am geringsten ist, und erspart so die hohen jährlichen Instandsetzungskosten an den Maschinen. Diese Wasserfassung wurde neu entwickelt, da alle anderen bisherigen Maßnahmen nicht zur gewünschten, notwendigen Reduzierung der Schwebstofffracht geführt hatten. 5.1.4

Bemessungsgrundlagen für das Einlaufbauwerk

Grundsätzlich ergibt sich der notwendige Einlaufquerschnitt Ae aus der Kontinuitätsgleichung (2.10), wobei eine Eintrittsgeschwindigkeit v von:

v = 0,8 ÷ 1,2 [m/s] bzw. in Sonderfällen von:

(5.1a)

v = 0,5 ÷ 1,5 [m/s] (5.1b) anzunehmen ist, damit von vornherein nur eine geringe Geschiebemenge eingetragen wird. Darüber hinaus ermöglicht diese geringe Einlaufgeschwindigkeit Fischen, sich der daraus resultierenden Sogwirkung noch entziehen zu können. Die Veränderung der Strömung und deren Richtung hat infolge der dadurch verursachten zusätzlichen Turbulenz und Reibung stets Verluste zur Folge. Da diese Verluste die Energiegewinnung bei Wasserkraftanlagen bekanntlich nachteilig beeinflussen, ist es wichtig, diese genau zu erfassen und soweit möglich zu reduzieren, indem die maßgebenden Strömungsbedingungen durch entsprechende Baumaßnahmen optimiert werden (s. Kapitel 2.1.3). Für die bestmögliche Ausgestaltung und Anordnung dieser Bauwerke einschließlich der zugehörenden Komponenten (Trennpfeiler, Tauchwände, Rechen etc.) stehen heute ausgereifte numerische Modelle zur Verfügung, mit Hilfe derer die häufig komplexen Strömungsverhältnisse für unterschiedliche Betriebszustände simuliert werden können (s. a. Kapitel 14.2.7). Diese Vorgehensweise ist meist auch bei kleineren Wasserkraftanlagen wirtschaftlich, da sowohl der vermiedene Energieverlust am Einlaufbauwerk als auch die verbesserte Turbinenanströmung und der daraus resultierende höhere Turbinenwirkungsgrad die hierfür notwendigen Aufwendungen deutlich kompensieren. So hat der Eintritt von Wasser in einen Turbineneinlauf, einen Werkkanal oder eine geschlossene Triebwasserleitung durch die erzwungene Strömungsumlenkung eine mehr oder weniger starke Ablösungserscheinung im Einlaufbereich zur Folge, aus der ein Energiehöhenverlust, der Einlaufverlust hv,e, resultiert. Dieser Verlust richtet sich dabei nach der Ausgestaltung des Einlaufbereiches und ergibt sich mit dem jeweiligen Verlustbeiwert ζe für Einläufe (s. Abb. 5.10) aus (2.8) zu: hv ,e = ζ e ⋅ hv,e

ζe

v2 2g

[m]

Einlaufverlust Verlustbeiwert für Einläufe s. Abb. 5.10

(5.2) [m] [-]

5 Wasserfassung

157

Weitere Verluste treten an horizontalen oder vertikalen Querschnittsänderungen, in Form von positiven oder negativen Stufen, kombiniert als Sohlenschwellen bezeichnet, Verbreiterungen oder Verengungen auf, die im Bereich der Wasserfassung vielfach aus konstruktiven Gründen vorhanden sind. v

a

v

ze= 0,50-0,60

v

ze= 0,30-0,40

SH

ze= 0,06-0,10

SH

SH

v

v

v

b SH SH

v

v

v

v

ze » 0,50

ze= 0,60-1,30

l

SH

SH

ze » 0,06-0,10

ze » 0,25

Verlustbeiwerte ζe für a) Werkkanaleinläufe, b) Stollen- und Rohreinläufe [nach 5.10]

Abb. 5.10:

Um die Beeinträchtigung des Abflusses durch eine Querschnittsänderung ermitteln zu können, muss zuerst die dimensionslose strömungsmechanische Froudesche Kennzahl bzw. Froude-Zahl Fr eingeführt werden, die das Verhältnis von Trägheitskraft zu Schwerkraft wiedergibt und definiert ist zu: v

Fr =

[-]

g ⋅h

Fr

(5.3)

Froude-Zahl

[-] hv,qh

hv,qh

h1

hE1 v2

v1

h1 hE1

hE2

h2 s

a

v2

h2 hE2

s

1

2 2

b

1

2 2

v1 /2g hE1

v1

hv,qh

v2 /2g

h1 v 1

v2

h2

hE2

s

c

Abb. 5.11:

1

2

Definitionsskizze für Querschnittsänderungen: a) positive Stufe; b) negative Stufe; c) Sohlenschwelle [5.10]

158

5 Wasserfassung

Damit ergibt sich das Verhältnis der Wasserspiegel an einer Stufe bzw. Sohlenschwelle (s. Abb. 5.11) zu [5.10]/[5.11]: 2 ª º h2 1 « s · § s · § = ⋅ 8 ⋅ Fr12 + ¨ 1 − c ¸ − ¨ 1 − c ¸ » h1 2 « h1 ¹ © h1 ¹ » © ¬ ¼

[-]

(5.4)

mit dem Beiwert c für Stufen (oberes Vorzeichen für positive Stufe, unteres Vorzeichen für negative Stufe): c≈

± 2 − s h1 1 − h2 h1

[-]

(5.5a)

bzw. für Sohlenschwellen: c ≈ 2 [-] hi c s

(5.5b)

Wasserspiegelhöhe am Punkt i Beiwert Höhe der Stufe bzw. Sohlenschwelle

[m] [-] [m]

woraus iterativ am Punkt 2 der Querschnitt A2 bzw. der Einlaufquerschnitt Ae sowie mit der Kontinuitätsgleichung der Abfluss Q2 ermittelt werden kann. Der Verlustbeiwert ζqh für Stufen ergibt sich dann bei gleicher Vorzeichenanordnung wie oben (oberes Vorzeichen für positive Stufe, unteres Vorzeichen für negative Stufe) zu: 2

1 − h2 h1 B s h1 º §h · ª ζ qh = ¨ 2 ¸ ⋅ «1 + 2 » − 1 [-] h Fr12 © 1¹ ¬ ¼

(5.6a)

bzw. für Sohlenschwellen: 2

1 − h2 h1 º §h · ª ζ qh = ¨ 2 ¸ ⋅ «1 + 2 − 1 [-] Fr12 »¼ © h1 ¹ ¬ ζqh

Verlustbeiwert für Stufen bzw. Sohlenschwellen

(5.6b) [-]

und damit die Verlusthöhe hv,qh der Stufe bzw. Sohlenschwelle mit der bekannten Beziehung (2.8) zu: hv ,qh = ζ qh ⋅ hv,qh

v22 2g

[m]

Stufen- bzw. Sohlenschwellenverlust

(5.7) [m]

Da bei den vertikalen Querschnittsänderungen, also Verbreiterungen oder Verengungen, zwischen den Abflüssen in einer Freispiegelleitung und in einer Druckrohrleitung bzw. -stollen unterschieden werden muss, wird für die Verlustberechnung auf die beiden entsprechenden Kapitel 6 und 8 bzw. 9 verwiesen. In einigen Fällen befinden sich im Einlaufbauwerk weitere, unvermeidbare Einbauten, vor allem Pfeiler (s. Abb. 5.12), insbesondere im Einlaufbereich (Trennpfeiler) oder auch Brückenwiderlager, die eine Strömungsbeeinträchtigung und damit örtliche Energiehöhenverluste bewirken. Die Stauhöhe z für strömenden Abfluss, das ist ein unterkritischer Abfluss mit kleinerer Geschwindigkeit bei

5 Wasserfassung

159

großer Wassertiefe und Fr < 1 (s. Kapitel 6), infolge des Pfeileraufstaues ergibt sich zu [5.10]:

(

)(

)

z = α ⋅ ª¬δ − α ( δ − 1) º¼ ⋅ 0,4 + α + 9 ⋅ α 3 ⋅ 1 + Fr22 ⋅

v22 2g

[m]

(5.8a)

bzw. für den im Bereich der Wasserkraftanlagen selteneren Fall des schießenden Abflusses, also einen überkritischen Abfluss mit großer Geschwindigkeit bei kleiner Wassertiefe und Fr > 1 (s. Kapitel 6), sowie des Fließwechsels von strömendem zu schießendem Abfluss näherungsweise zu: z = h1 − h2 [m]

(5.8b)

mit: α = 1−

( ¦ b′ ) b

[-]

i

(5.9)

und damit die Verlusthöhe hv,p des Pfeileraufstaues zu:

hv , p = z − z

α ¦b´i

b

δ

hv,p

v22 − v12 2g

[m]

(5.10)

Stauhöhe Verbauungsverhältnis Gerinnebreite im verbauten Querschnitt Gerinnebreite (unverbaut) Pfeilerformbeiwert s. Abb. 5.12b Pfeilerverlust

[m] [-] [m] [m] [-] [m]

SH

v12 2g

2

v1 2g

hv,p

z 2

v2 2g

Strömen

h1 Schießen

2

v2 2g

h2

h1 v1

v2

1

2

h2

b1´ v1

b2´

v2

b

SH

b3´

a SH

SH

SH SH

b Abb. 5.12:

d = 3,90 2,10

1,45 2,87

1,53

1,00

1,32

0,81 0,55

1,19 1,00 0,81

Pfeilerstau: a) Definitionsskizze bei strömendem Abfluss; b) Pfeilerformbeiwerte δ [nach 5.10]

160

5 Wasserfassung

Ebenso treten bei Verzweigungen oder Abzweigen Verluste infolge der Strömungsbeeinflussung auf, die sogenannten Verzweigungsverluste hv,z, die insbesondere von der Gerinneform und der Abflussart abhängig sind. Für die bei Einlaufbauwerken sehr häufig anzutreffenden Rechteckgerinne (s. Abb. 5.13) lassen sich die Wasserspiegelhöhen bzw. Abflüsse aus der Energiegleichung (2.6) berechnen zu:

( 2g ⋅ h ⋅b ) + h

hE = h + v 2 2g = h + Q 2 2 d

= hd + Q

( 2g ⋅ h

2 d

2 d

2

v ,zd

⋅ b2

)

= ha + Qa2

( 2g ⋅ h

2 a

)

⋅ ba2 + hv ,za

[m]

(5.11)

mit der Verlusthöhe hv,za bzw. hv,zd und dem Verlustbeiwert ζza bzw. ζzd für Verzweigungen (s. Tabelle 5.2): hv ,zi = ζ zi ⋅ hv,zi

ζzi

v2 2g

[m]

(5.12)

Verzweigungsverlust im Abzweig/Hauptgerinne Verzweigungsverlustbeiwert s. Tabelle 5.2

2

v2/2g b

Q

Qd vd

A

v

bd

hE

h

[m] [-] vd /2g

A Q

Qd vd

v

hd

hv,zd hE,d SH

a

b

Qa

Qa va

va2/2g hv,za

va ha ba

Abb. 5.13:

hE,a

Verzweigungsverluste in Rechteckgerinnen: a) Grundriss, b) Seitenansicht

Tabelle 5.2: Verlustbeiwerte ζza bzw. ζzd für Verzweigungen von Rechteckgerinnen [5.12]

ζza

Qd/Q 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0

40° 0,296 0,296 0,316 0,347 0,405 0,468 0,545 0,636 0,741 0,854 0,980

50° 0,440 0,442 0,458 0,484 0,524 0,572 0,636 0,706 0,792 0,882 0,980

Verzweigungswinkel δ 60° 70° 80° 90° 0,602 0,783 0,980 1,200 0,593 0,755 0,923 1,104 0,591 0,736 0,874 1,017 0,607 0,730 0,840 0,954 0,628 0,734 0,820 0,904 0,662 0,744 0,814 0,870 0,708 0,763 0,824 0,858 0,763 0,810 0,844 0,865 0,832 0,861 0,882 0,888 0,904 0,918 0,927 0,927 0,980 0,980 0,980 0,980

ζzd 100° 40°-100° 1,432 0,440 1,278 0,340 1,145 0,246 1,048 0,160 0,963 0,076 0,907 0,004 0,876 -0,054 0,868 -0,084 0,888 -0,092 0,927 -0,600 0,980 0,000

Für Gerinne, die keinen Rechteckquerschnitt aufweisen, können die oben in Tabelle 5.2 aufgeführten Werte nur überschlägig verwandt werden, da es für diese

5 Wasserfassung

161

Gerinne keine verallgemeinerten Berechnungsansätze gibt. Es ist daher empfehlenswert, zur Verifizierung der Ergebnisse einen Modellversuch durchzuführen. Wird das Entnahmebauwerk in einer Krümmung angeordnet, so sind die durch diese Strömungsbeeinflussung resultierenden Verluste noch zusätzlich zu berücksichtigen. Da diese Anordnung bei Wasserfassungen selten anzutreffen ist, wird an dieser Stelle für die Berechnung der Energiehöhenverluste infolge der Krümmung auf die Kapitel 6 und 8 bzw. 9 verwiesen. Im Einlaufquerschnitt der unterschiedlichen Entnahmeformen, vor allem bei der Seitenentnahme, befinden sich in vielen Fällen Einbauten, die den Abfluss und den Geschiebeeintrag steuern sollen und gleichzeitig Verluste erzeugen. Eine der wesentlichen Entnahmeformen stellt die senkrecht angeströmte Entnahme mit freier Oberfläche über einen überströmten Wehrkörper dar, der auch beweglich als Verschluss ausgebildet werden kann, oder über eine Sohlenschwelle. Wird bei einem Abfluss über einen Wehrkörper oder Ähnlichem der Abflussvorgang, d. h. die Überströmung nicht beeinträchtigt und damit der Oberwasserstand durch das Unterwasser nicht beeinflusst, so bezeichnet man den Überfall als vollkommen, im anderen Fall als unvollkommen (s. Abb. 5.14a); er wird allgemein für Rechteckgerinne vereinfacht berechnet zu:

Q=

3 2 ⋅μü ⋅ c ⋅ bü ⋅ 2 ⋅ g ⋅ hü 2 3

μü

[m³/s]

(5.13)

Überfallbeiwert (s. Tabelle 5.3) Korrekturbeiwert: für vollkommenen Überfall: c = 1 für unvollkommenen Überfall s. Abb. 5.14b Breite der Überfallkrone Überfallhöhe

c

bü hü

[-] [-] [m] [m]

1,0 1 hü'/hü

3 2

0,8

4 5

OW

hü w

0,6

hü' UW bei unvollk. Überfall UW bei vollk. Überfall

Qa

1

breitkronig

2

dachförmig

3

rundkronig hü/w=1

0,4

SH

4 rundkronig hü/w5,0) 101,5 102,5 135,5-147,5 96-120,5 >100,5 >96 54,5-100,5 >131,5 68,5-100,5 77-92,5 113 89,5-147,5 76-77 ca. 82 61-77 50-68,5 31-33,5 65,5-77 41,5-52,5 35-37,5 30-38 24,5-29 -30-35 29-32

6 Freispiegelleitungen

191

Da die Berechnung des Reibungsbeiwertes λ nach (6.2) relativ aufwendig ist, finden auch etliche empirische Formeln Anwendung, unter denen die nach MANNING-STRICKLER am verbreitetsten ist: 2

1

v = k st ⋅ rhy3 ⋅ I E 2 [m/s] kst IE

(6.6) [m1/3/s] [-]

Strickler-Beiwert s. Tabelle 6.3 Energieliniengefälle

wobei bei Normalabfluss das Energieliniengefälle IE durch das Sohlengefälle IS ersetzt werden darf. Durch die Geschwindigkeit aus (6.6) wird die Rauheit berücksichtigt, und damit kann eine separate Berechnung des Reibungsbeiwertes λ bzw. der Reibungsverlusthöhe hv,r entfallen. Bei der Ermittlung des Strickler-Beiwertes muss geprüft werden, ob die jeweilige Gerinnewandung gleichförmig ist oder ob bei stärkeren Unregelmäßigkeiten mit einer die Fließgeschwindigkeit dämpfenden Wirkung zu rechnen und damit der Beiwert abzumindern ist. So kann beispielsweise in mäßig unterhaltenen Kanälen mit Bewuchs oder teilweise eingerutschten Böschungen die Rauheit deutlich erhöht und damit der Strickler-Beiwert nur ca. 60 % eines gut unterhaltenen Kanales betragen. Anzumerken ist, dass bei annähernd gleichen oder größeren Abmessungen der Rauheitselemente im Vergleich zur Wassertiefe des Fließgewässers die Gleichung (6.6) nicht mehr angewandt werden kann, sondern sie durch eine andere ersetzt werden muss. Gegebenenfalls lässt sich für einen Triebwasserleitungsabschnitt der Länge L der Reibungsverlustbeiwert ζr aus (2.8) und (6.6) berechnen zu: ζr =

2⋅ g ⋅L 4

k st2 ⋅ rhy3

[-]

(6.7)

Der Reibungsbeiwert λ kann näherungsweise mit der äquivalenten Rauheit k folgendermaßen in Zusammenhang gebracht werden: λ = 0,184 ⋅ ( k d hy )

1

3

= 0,184 ⋅ ( ε )

1

3

[-]

(6.8)

Des Weiteren hängt der Strickler-Beiwert kst mit der äquivalenten Rauheit k und damit mit dem Reibungsbeiwert λ wie folgt näherungsweise zusammen:

§ f · kst = 8,3 ⋅ g ⋅ ¨ ¸ ©k¹ f

1

6

§ f · ≈ 26 ⋅ ¨ ¸ ©k¹

Formbeiwert s. Tabelle 6.2

1

6

§ f · ≈ 11,153 ⋅ ¨¨ ¸ 3 ¸ © d hy ⋅ λ ¹

1

6

[m1/3/s]

(6.9) [-]

wobei für Werte ε < 10 mit Ergebnisverfälschungen gerechnet werden muss bzw. diese Gleichung nur für 35 m1/3/s < kSt < 65 m1/3/s und 0,168 m > k > 0,004 m zutreffende Werte liefert. Darüber hinaus muss angemerkt werden, dass StricklerBeiwerte mit kst > 150 m1/3/s nicht in die Tabelle 6.3 aufgenommen wurden, da bei derart glatten Materialien die Gleichung (6.6) nicht mehr vorbehaltlos angewandt werden kann. -3

192

6 Freispiegelleitungen

Vor allem bei naturnah ausgebauten Freispiegelleitungen kommen häufig Unterschiede in der Rauheit des benetzten Umfanges lu vor, z. B. zwischen Sohle und Böschung. In diesem Fall kann man unter der Annahme gleicher mittlerer Geschwindigkeiten im entsprechenden Querschnitt den Strickler-Beiwert wie folgt bilden [6.5]: § k st = ¨ ¨ ¨ ©

¦ (l

u ,i

lu

( kst ,i )

32

)

· ¸ ¸ ¸ ¹

23

[m1/3/s]

(6.10)

Bei unregelmäßigen oder stark gegliederten Querschnitten, wie sie bei natürlichen Flussläufen sehr häufig, bei Triebwasserleitung hingegen seltener angetroffen werden, lässt sich der Abfluss vereinfacht überschlägig über die Kontinuitätsgleichung (2.10) ermitteln, indem die einzelnen Teilquerschnitte aufsummiert werden. Die Verluste infolge von Veränderungen des Querschnittes, die bei Fließgewässern immer auftreten und damit berücksichtigt werden müssen, können hingegen bei Triebwasserkanälen gänzlich vernachlässigt werden, da aus bautechnischen Gründen der Triebwasserkanal fast immer in einer Bauweise hergestellt wird, und darüber hinaus man bekanntlich bestrebt ist, die zusätzlichen Energieverluste möglichst gering zu halten. Entlang der Triebwasserleitung können sich unterschiedliche Querschnittsänderungen befinden, die entsprechend abschnittsweise berücksichtigt werden müssen. Für vertikale Querschnittsänderungen, also Verengungen (s. Abb. 6.1a) oder Verbreiterungen (s. Abb. 6.1b), erweitert sich (5.6b) um den Einfluss der Gerinnebreite und ergibt den Verlustbeiwert ζqv zu [6.1]: 2

2

1 − h2 h1 º §b · §h · ª ζ qv = ¨ 2 ¸ ⋅ ¨ 2 ¸ ⋅ «1 + 2 − 1 [-] Fr12 »¼ © b1 ¹ © h1 ¹ ¬

(6.11)

und damit die Verlusthöhe hv,qv der vertikalen Querschnittsänderung mit der bekannten Beziehung (2.8) zu: hv ,qv = ζ qv ⋅ ζqv

bi hv,qv

v22 2g

[m]

(6.12)

Verlustbeiwert für Verbreiterungen bzw. Verengungen Gerinnebreite am Punkt i Querschnittsänderungsverlust

[-] [m] [m]

b1/A1

b2/A2

b2/A2

b1/A1 v2

v1 a

1

Abb. 6.1:

2

v1

b

v2

1

Horizontale Querschnittsveränderung: a) Verengung; b) Verbreiterung

2

6 Freispiegelleitungen

193

Krümmungen wirken auf den Abfluss wie eine vergrößerte Rauheit, wobei der überwiegende Anteil dieser Verluste auf Ablösungen und die daraus folgenden Sekundärströmungen (s. Kapitel 5.1.2) zurückzuführen ist. Bei dem bei Triebwasserkanälen dominierenden strömenden Abfluss hat die Änderung der Geschwindigkeitsrichtung eine Erhöhung des Wasserspiegels und Verringerung der Geschwindigkeit an der Außenseite und eine Absenkung des Wasserspiegels und Steigerung der Geschwindigkeit am Innenufer zur Folge (s. Abb. 6.2a). Die Wasserspiegeldifferenz ergibt sich dabei näherungsweise zu: Δh ≈ Δh rm

v12 ⋅ b g ⋅ rm

[m]

(6.13)

Wasserspiegeldifferenz mittlerer Radius

[m] [m]

Der Krümmungsverlust hv,k ergibt sich nach GARBRECHT [6.6] zu: hv ,k = ζ k ⋅ cα ⋅ ck ⋅

v22 2g

[m]

(6.14)

mit dem Korrekturfaktor cα für den Krümmungswinkel α: für α < 90°: cα = α/90° [-]

(6.15a)

für α > 90°: cα = (45°+α/2)/90° [-] (6.15b) und dem Korrekturfaktor ck für die äquivalente Rauheit k bei rauen Gerinnen: ck = 7,4 ⋅ k 1 3 [-] hv,k

ζk

cα ck

α

Krümmungsverlust Krümmungsverlustbeiwert s. Abb. 6.2b Korrekturfaktor für den Krümmungswinkel α Korrekturfaktor für die äquivalente Rauheit k Krümmungswinkel s. Abb. 6.2a

(6.16) [m] [-] [-] [-] [°]

Aus strömungstechnischen Gründen ist es vorteilhaft, keine abrupten Richtungswechsel einzuplanen, sondern vielmehr stete Krümmungen mit ausreichenden Übergangsbögen, beispielsweise in Form von Klothoiden oder Hyperbeln, vorzusehen. Die in manchen Triebwasserkanälen von Kraftwerken jahreszeitlich unterschiedlich stark auftretende Verkrautung vor allem mit höheren Wasserpflanzen, den sogenannten Makrophyten, verursacht eine Reduktion des Durchflussquerschnittes A sowie eine Veränderung der Gerinnerauheit, woraus wiederum eine Minderung der Kraftwerksleistung folgt. .Gehölzartiger Verbau der Böschungen und Vorländer ist bei Kraftwerkskanälen v. a. aus Stabilitätsgründen sowie hinsichtlich des Treibguteintrages unerwünscht und soll daher bei der hydraulischen Betrachtung hier keine Rolle spielen (s. a. Kapitel 6.4). Sind derartige natürliche Fließgewässerabschnitte zu betrachten, so sind die entsprechenden empirischen Ansätze zu wählen.

194

6 Freispiegelleitungen 0,7

hE2 h

a

zk

Dh

0,6

h hi

Abflussquerschnitt

0,5

b ri

Zuflussquerschnitt

hE1 h0 2

v1 /2g

1

0,4

2

2 SH

rm a

r0

0,3

ra 0,2

0,1

b v1

a Abb. 6.2:

1

rm/b

b

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Gerinnekrümmung: a) Definitionsskizze; b) Krümmungsverlustbeiwert ζk für

β = 90° und k ≈ 0,0025 m (glatte Gerinne) [nach 6.6]

Diese zusätzlichen Verluste lassen sich mit Hilfe eines korrigierten StricklerBeiwertes infolge Verkrautung kst,V wie folgt abschätzen [6.7]: kst ,V = k st − 10,464 + 2,149 ⋅ ln( A AV ) [m1/3/s] kst,V A AV

korrigierter Strickler-Beiwert infolge Verkrautung für Verkrautungsgrade 5 > A/AV > 130 Durchflussquerschnitt Verkrautungsstirnfläche

(6.17) [m1/3/s] [m2] [m2]

Die daraus ermittelten Produktionsverluste lassen sich leicht dem Aufwand für Mäheinsätze zur Beseitigung der Wasserpflanzen gegenüberstellen und so der Verkrautungsgrad festlegen, ab dem eine Wasserpflanzenbeseitigung sinnvoll und wirtschaftlich ist. Beim Freispiegelabfluss in Rohrleitungen oder Stollen, bei den sogenannten teilgefüllten Querschnitten, kann ebenfalls davon ausgegangen werden, dass sich bei längeren Strecken Normalabfluss einstellt, und somit die Berechnung mit einer ausreichenden Genauigkeit wie bei der offenen Freispiegelleitung erfolgen kann. Stets sollten zur Kontrolle eine oder mehrere Durchflussmessstellen vorgesehen werden. Hierzu bedient man sich in der Regel genau definierter Querschnitte, z. B. eines Wehrüberfalles oder Durchlassbauwerkes, die eine Ermittlung der Geschwindigkeit bzw. des Durchflusses über die vorgegebene Querschnittsfläche in Abhängigkeit von der Wasserspiegelhöhe erlauben. Um über die dadurch ermittelte durchschnittliche Geschwindigkeit im Querschnitt genauere, detailliertere Angaben über lokale Geschwindigkeiten zu erhalten, kann man sich numerischer Strömungsmodelle in Kombination mit der digitalen Bildverarbeitung bedienen, die bereits zur eigenständigen Durchflussermittlung herangezogen werden können. Ein besonderes Augenmerk muss bei geschlossenen Freispiegelleitungen auf ein ausreichendes Luftvolumen gelegt werden, da sonst bei Abflussschwankungen der Rohrquerschnitt plötzlich vollständig gefüllt sein und der Luftstrom abreißen

6 Freispiegelleitungen

195

könnten. Dieses sogenannte Zuschlagen des Leitungsquerschnittes und die nachfolgende mögliche Unterdruckbildung im Flüssigkeits-Luft-Gemisch kann zu beträchtlichen Druckerscheinungen führen, für die die Freispiegelrohrleitungen bzw. -stollen in der Regel nicht bemessen werden und wodurch starke Schäden entstehen können. Es ist daher nahe liegend, die Abflusshöhe aus Sicherheitsgründen auf ein Maß zu beschränken, bis zu der erfahrungsgemäß keine Gefahr des Zuschlagens besteht. Die entsprechenden Richtwerte für die Wasserspiegelhöhen bei Teilfüllung hTF für die gebräuchlichsten Querschnitte in Abhängigkeit von deren Gesamthöhe H bzw. deren Durchmesser d sind in der nachfolgenden Tabelle 6.4 angegeben. Für die genauere Bestimmung des Abflusses und der Fließgeschwindigkeit stehen zahlreiche Bemessungsdiagramme für die jeweiligen Profiltypen unter den unterschiedlichen Randbedingungen zur Verfügung (s. beispielsweise VISCHER [6.8]). Tabelle 6.4: Wasserspiegelhöhen hTF bei Teilfüllung in Abhängigkeit von der Gesamthöhe H bzw. dem Durchmesser d Profiltyp hTF [m]

Kreisprofil (und Hufeisenprofil) 0,75 ⋅ d

Quadratprofil 0,8 ⋅ H

Torbogenprofil 0,83 ⋅ d

Um das Zuschlagen zu vermeiden, sollten Störungen des strömenden Abflusses in der geschlossenen Freispiegelleitung nach Möglichkeit vermieden werden, wobei die bereits genannte ausreichende Belüftung eine sehr wichtige Rolle spielt. Darüber hinaus sollte bereits bei der Planung ein konstantes Gefälle vorgesehen werden, da sich an den Gefällewechseln je nach Fließzustand Fließwechsel von strömendem zu schießendem Abfluss (sogenannter Wechselsprung) mit der wahrscheinlichen Folge des Zuschlagens des Querschnittes bilden können [6.8]. Der Einfluss des Gefälles wird aus der Tabelle 6.5 deutlich, in der beispielhaft die Werte für Betonrohre aufgeführt sind. Tabelle 6.5: Sohlengefällebereiche IS für Betonrohre (Kreisprofil) hinsichtlich Zuschlagen für strömenden Abfluss [nach 6.8] Durchmesser d [m] stabile Spiegellage mit Fr < 1

0,5 IS < 8 ‰

1,0 IS < 7 ‰

2,0 IS < 6 ‰

4,0 IS < 5 ‰

Weitere Ursache für das Zuschlagen können kräftige Wellen sein, die bei strömendem Abfluss sehr oft durch äußere Einflüsse, z. B. plötzliches Öffnen eines Verschlusses, entstehen können. Des Weiteren können beim Überschreiten einer kritischen Froude-Zahl Sturzwellen, auch als Froude-Wellen bezeichnet, entstehen, die ebenso zum Zuschlagen führen können [6.9] (s. a. Kapitel 6.3). Bezüglich der allgemeinen Berechnung von Rohrleitungen und Stollen, insbesondere hinsichtlich der Stabilitätsprobleme bei eingeerdeten Rohrleitungen und bei Stollen, wird auf die Kapitel 8 bzw. 9 verwiesen. Aus technisch-ökonomischen Überlegungen sollte grundsätzlich versucht werden, eine hydraulisch günstige Querschnittsform zu wählen, sofern keine topografischen oder anderen Einflüsse derartige Überlegungen einschränken. Diese Querschnittsform ist dadurch charakterisiert, dass sie bei gegebenem (maximalem)

196

6 Freispiegelleitungen

Abfluss Q die minimale Querschnittsfläche A benötigt; dies bedeutet beispielsweise für (6.6), dass rhy maximal oder lu minimal werden müssen. Für Rechteckquerschnitte ergibt sich damit: b = 2 [-] h und für Trapezquerschnitte: bSohle m

h

=2

(

1 + m2 − m

)

(6.18a)

[-]

Böschungsneigung 1 : m

(6.18b) [-]

Befindet sich der Triebwasserkanal in kalten Klimagebieten, in denen eine Eisbildung zu erwarten ist, kann diesem in vielen Fällen durch konstruktive und betriebliche Maßnahmen begegnet werden (s. Kapitel 5.2). 6.2

Sedimenttransport

In natürlichen Fließgewässern befinden sich stets Sedimente - Geschiebe und Schwebstoffe -, die infolge Verwitterung, Gelände- und Flussbetterosion entstanden oder eingeleitet worden sind. Unter Geschiebe versteht man die Feststoffe, die an der Gewässersohle bewegt werden, unter Schwebstoffen jene, die mit dem Wasser im Gleichgewicht stehen oder durch Turbulenz in Schwebe gehalten werden. Durch den Sedimenttransport in den Fließgewässern können Schäden bei Wasserkraftanlagen verursacht werden, wofür Gegenmaßnahmen zu treffen sind. Schädliche Auswirkungen sind z. B.: - Vorschreiten des Geschiebedeltas in den Stauraum einer Sperranlage bis zum Wehr bzw. bis zum Grundablass der Talsperre und dadurch Blockierung der Wasserentlastung, sofern nicht für eine wirksame Spülung Sorge getragen wird; - Auflandung eines bedeutenden Teiles des Speicherraumes durch eindringendes Geschiebe und absinkende Schwebstoffe und dadurch Verminderung der Speicherkapazität und Verluste bei der Energieerzeugung; - Eindringen von an der Sohle transportiertem Geschiebe in den Werkkanal bzw. in den Druckstollen infolge einer Auflandung bis zur Triebwasserentnahmehöhe; - Fallhöhenverluste beträchtlichen Ausmaßes durch Erhöhung der Wandrauheit und Einbuße der Wasserführung durch Geschiebe- und Schwebstoffablagerungen in Einlaufbauwerk, Kanälen, Vorbecken, Stollen oder Schächten; - Erosive Abnutzung der Wandungen und umströmter Bau- und Maschinenteile durch sandhaltiges Triebwasser. Auf die Grundlagen des Sedimenttransportes und damit der Erosion und Sedimentation soll hier nachfolgend nur insoweit eingegangen werden, wie dies zum allgemeinen Verständnis notwendig ist; ansonsten findet man z. B. bei ZANKE [6.10], RAUDVIKI [6.11], WESTRICH [6.12] oder DVWK [6.13] die

6 Freispiegelleitungen

197

weiteren Details. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass alle rechnerischen Verfahren nicht allgemein gültig, sondern die Berechnungsansätze mehr oder weniger empirisch sind [6.14]. Nach der obigen Unterscheidung zwischen Geschiebe und Schwebstoffen kann demnach ein Korn je nach Fortbewegungsart zu beiden Gruppen zugeordnet werden. Rein rechnerisch lässt sich die Grenzkorngröße dgr und damit gleichzeitig die mittlere Geschwindigkeit vm für den Übergang Geschiebe - Schwebstoff ermitteln zu [6.15]: d gr = vm2 ( 360 ⋅ g ) ≈ 2,832 ⋅ 10 −4 ⋅ vm2 [m] dgr

(6.19)

Grenzkorngröße Geschiebe - Schwebstoff

[m]

Bei Wasserkraftanlagen ist vor allem der Geschiebeanteil der transportierten Sedimente von Bedeutung; auf die Schwebstoffe soll nicht weiter eingegangen werden, da diese bei den hier vorhandenen Geschwindigkeiten in der Wasserfassung und den Freispiegelleitungen in der Regel sehr kleine Kornabmessungen haben. Der Übergang von der Ruhe zur Bewegung und umgekehrt ist ein sehr komplexer, stochastischer Prozess, der von mehreren Parametern, vor allem der Geschwindigkeitsverteilung, Korngröße und Kornform, abhängt. Werden die für eine Korngröße kritische Geschwindigkeit vcrit und kritische Schubspannung τcrit, also die Spannung infolge Grenzflächenreibung und Grenzflächenwiderstand, überschritten, so setzt sich das Korn in Bewegung oder im anderen Fall sedimentiert es. Die kritische Schubspannung τcrit stellt dabei ein Maß für die Erosionsbeständigkeit der Gerinnewandungen dar, für deren Berechnung die älteren, oberflächlich abgeschliffenen Sedimente oder das künstliche Sohlendeckwerk und nicht die frisch abgelagerten Lockersedimente berücksichtigt werden. Dieser Zusammenhang wurde von SHIELDS erstmals genauer erfasst und in einem Diagramm dargestellt, aus dem für die jeweilige Korngröße deren Zustand entnommen werden kann, wobei eine gewisse Unsicherheit durch den angegebenen Übergangsbereich zu berücksichtigen ist. In der nachfolgenden Abb. 6.3 ist zusätzlich noch das Bewegungsrisiko R aufgetragen, wodurch die Schwierigkeit einer definitiven rechnerischen Erfassung des Sedimenttransportes verdeutlicht wird. Die sedimentologische Reynolds-Zahl Re∗, auch als Feststoff-Reynolds-Zahl bezeichnet, ergibt sich mit der kinematischen Viskosität  bzw. der Dichte ρw für Wasser aus Tabelle 6.1 zu: Re* =

v0* ⋅ d hy



[-]

(6.20) ∗

mit der Schubspannungsgeschwindigkeit v0 : v0* = Re∗ v0∗ dch

τ0 = ρw

γ w ⋅ rhy ⋅ I S rhy = g ⋅ hv ,r ⋅ ρw l

[m/s]

sedimentologische Reynolds-Zahl/Feststoff-Reynolds-Zahl Schubspannungsgeschwindigkeit charakteristischer Korndurchmesser

(6.21) [-] [m/s] [m]

198

6 Freispiegelleitungen

τ0

[kN/m2] [m]

Wandschubspannung Reibungsverlusthöhe (s. Kapitel 6.1)

hv,r

Die Feststoff-Froude-Zahl Fr∗ ist definiert zu:

( )

2

v0* ρw ⋅ Fr = ρ F − ρw g ⋅ d ch *

Fr∗

[-]

(6.22)

Feststoff-Froude-Zahl Feststoffdichte (wenn unbekannt: ρF ≈ 2650 kg/m3)

ρF

0,1

[-] [kg/m3]

Suspension SHIELDS-Bereich (original) SHIELDS-Kurve (übl. Näherung)

Fr* [-]

Geschiebe 75 25 2.5 0.25 R[%]

Sedimentation

Re* [-]

0,01 1,0 Abb. 6.3:

10

100

1000

Shields-Diagramm ergänzt um das Bewegungsrisiko R [6.16]

Mit dem charakteristischen Korndurchmesser dch soll im Idealfall das Sedimentgemisch aus unterschiedlichen Korngrößen ausreichend repräsentiert sein, was naheliegenderweise jedoch unter realen Verhältnissen nur schwer möglich ist. Vereinfachend wird oftmals, insbesondere bei nicht allzu großer Streuung der Korngrößen (d84 /d16 < 2), ein maßgebender Korndurchmesser benützt. In vielen Fällen wird der Korngrößendurchmesser d50 verwandt, dessen Index darauf hinweist, dass diese Korngröße von 50 % des Sedimentgemisches unterschritten wird, oder anders ausgedrückt, es sich hier um den Korndurchmesser bei 50 % Siebdurchgang handelt. Bei Wasserkraftanlagen interessiert insbesondere der kleinste zulässige Korndurchmesser, der in den Anlagenteilen keine Schäden verursacht, so dass unter diesem Aspekt auch dieser kleinste zulässige Korndurchmesser als charakteristischer Korndurchmesser angesetzt wird und damit die Bemessungsgrundlage für den Sandfang darstellt, in dem das Triebwasser von allen Korngrößen bis zu diesem charakteristischen Korndurchmesser gereinigt werden soll (s. Kapitel 7).

6 Freispiegelleitungen

199

Das in einem Fließgewässer vorhandene Sedimentgemisch muss anhand von zu nehmenden Proben ermittelt werden, wobei dies bei unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten geschehen sollte, da, wie oben bereits erwähnt, mit steigender Fließgeschwindigkeit die Transportmenge und die Größe der transportierten Körner zunehmen. Im Gegensatz zu Fließgewässern sind bei den Freispiegelleitungen die Randbedingungen verhältnismäßig eindeutig vorgegeben. Das grobe Geschiebe wird in der Wasserfassung bereits weitestgehend zurückgehalten, so dass hier nur das transportierte feine Geschiebe und die Sedimente sowie das Sohlenmaterial der Freispiegelleitung betrachtet werden müssen. Insbesondere bei Freispiegelleitungen mit beweglicher Sohle muss die Fließgeschwindigkeit so gering gehalten werden, dass keine weitere Erosion und Sohleneintiefung geschehen und damit das Bauwerk Schaden nehmen können. Die kritische Fließgeschwindigkeit vcr, bei der der Feststofftransport der charakteristischen Korngröße dch beginnt, ergibt sich zu [6.17]:

vcr =

1 § ρ − ρw · 2 3 Frc∗ ⋅ ¨ F ¸ ⋅ d ch ⋅ k st ⋅ h ρ w © ¹ μ

[m/s]

(6.23)

mit dem Riffelfaktor μ, durch den die Unebenheit der Sohle berücksichtigt wird: §k · μ = ¨ st ¸ © kr ¹ vcr Frc∗ μ kr d90

3

2

§ kst ¨ =¨ 12 ¨ 5,87 ⋅ ( 2g ) ©

(

)

16 d 90

3 ·3 2 § kst · 2 ¸ [-] ¸ ≈ ¨ 26 d 1 2 ¸ 90 ¹ © ¸ ¹

kritische Fließgeschwindigkeit kritische Feststoff-Froude-Zahl (Bewegungsbeginn) Riffelfaktor Kornrauheit Korndurchmesser bei 90 % Siebdurchgang

(6.24)

[m/s] [-] [-] [m1/3/s] [m]

Im Zusammenhang mit der Grenzgeschwindigkeit muss auch auf die notwendige Korngröße der Gesteinsbrocken bei Blockwurf oder anderen Bauweisen mit Lockergesteinen bei Freispiegelkanälen hingewiesen werden, deren mittlerer Korndurchmesser dm sich wie folgt berechnen lässt, wobei bei Normalabfluss das Energieliniengefälle IE durch das Sohlengefälle IS ersetzt werden kann:

dm ≥ dm

ρw ⋅ rhy ⋅ I E 0,03 ⋅ ( ρ F −ρ w )

[m]

mittlerer Korndurchmesser

(6.25) [m]

Selbstverständlich kann zum Ufer hin ein kleinerer Korndurchmesser als auf der Sohle verwendet werden, doch bietet es sich aus Vereinfachungsgründen an, beim Bau nur mit einer Gesteinsfraktion, also einer Gruppe von unterschiedlichen Korngrößen in einem bestimmten Bereich, zu arbeiten. Bei einer Freispiegelleitung mit fester Sohle, z. B. Beton oder Stahl, sollten die Materialeigenschaften und Dicke des Deckwerks so bemessen werden, dass dieses einem längeren Betrieb bei möglichst geringen Abtragsmengen standhält, wodurch

200

6 Freispiegelleitungen

zugleich auch höhere Fließgeschwindigkeiten möglich werden. Als Richtwert für die Grenzgeschwindigkeit vgr,Beton zur Vermeidung von größeren Abschliffschäden gilt hier für Betonkanäle je nach der Zusammensetzung und Menge der Sedimente: vgr ,Beton = 4 ÷ 10

[m/s]

vgr,Beton Grenzgeschwindigkeit bei Betonkanälen

(6.26) [m/s]

Gleichzeitig soll es aber auch nicht zu einer unkontrollierten Sedimentation der mittransportierten Sedimente kommen; diese sollen vielmehr, sofern notwendig, gezielt im Sandfang dem Triebwasser entzogen werden. Dies bedeutet, dass eine gewisse Mindestgeschwindigkeit nicht unterschritten werden darf, die größer als die Absinkgeschwindigkeit des jeweiligen Kornes ist (s. Kapitel 7). 6.3

Wellenbildung und Wasserspiegelschwingungen

In Fließgewässern kann es aus unterschiedlichen Gründen zu einer Wellenbildung und zu Wasserspiegelschwingungen kommen. In Freispiegelgerinnen mit einem gleichförmigen und strömenden Abfluss sind Wellen, die durch lokale Störungen des Abflussvorganges, z. B. durch Richtungsänderungen, Sohlenschwellen, Gerinneverengungen oder -erweiterungen, ausgelöst werden, selten, da diese vor allem bei schießendem Abfluss auftreten. Bei strömendem Abfluss äußern sich diese lokalen Störungen höchstens in stetigen Wasserspiegeländerungen. Von besonderer Bedeutung sind die Schwall- und Sunkwellen, die durch eine Durchflussstörung infolge teilweisen oder vollständigen Schließens oder Öffnens eines Verschlusses am Anfang der Freispiegelleitung im Bereich der Wasserfassung oder direkt am Krafthaus durch Änderung der Turbinenbeaufschlagung ausgelöst werden. Auch durch die Inbetriebnahme bzw. Außerbetriebnahme einer Wasserkraftanlage sowie beim Schwellbetrieb an sich (s. Kapitel 4.2.1.1) werden selbstverständlich Schwall- bzw. Sunkwellen erzeugt. Grundsätzlich ist man bestrebt, die Schwall- und Sunkwellen so gering wie möglich zu halten, um eventuelle Schäden an den Betriebseinrichtungen sowie negative Auswirkungen auf die unterhalb liegende Gewässerstrecke nicht zuletzt im Hinblick auf die Umwelt (s. Kapitel 18.2.1.4) zu minimieren. Vor allem beim Öffnen oder Schließen der Verschlussorgane bzw. bei der In- oder Außerbetriebnahme der Turbinen kann durch einen langsameren Steuervorgang dafür Sorge getragen werden, dass nahezu keine Wellen entstehen (siehe auch Kapitel 12). Man unterscheidet hierbei (s. Abb. 6.4): - Füll- oder Öffnungsschwall: Wasserspiegelanhebung unterhalb des geöffneten Verschlusses (positive Welle); - Absperrsunk: Wasserspiegelabsenkung unterhalb des geschlossenen Verschlusses (negative Welle); - Entnahme- oder Öffnungssunk: Wasserspiegelabsenkung oberhalb des geöffneten Verschlusses (negative Welle); - Absperr- oder Stauschwall: Wasserspiegelanhebung oberhalb des geschlossenen Verschlusses (positive Welle).

6 Freispiegelleitungen

vW v1, Q 1

vW

z v1, Q 1

z

h1

h0

v0 , Q

a

0

201

h1

h0

v0 , Q

0

b

z

v0 , Q

vW

0

h1

c

Abb. 6.4:

h0

z

h0

v1, Q 1

vW

v0 , Q

0

h1

d

v1, Q 1

Schwall- und Sunkerscheinungen in Gerinnen: a) Füll- oder Öffnungsschwall; b) Absperrsunk; c) Entnahme- oder Öffnungssunk; d) Absperr- oder Stauschwall

Vereinfachend kann für kleine Schwall- und Sunkwellen, d. h. z 100 m eine Herabsetzung bis zu einem Korndurchmesser von dch = 0,05-0,1 mm notwendig werden kann. Die lange Lebensdauer von Wasserkraftanlagen, die zudem wartungsarm sein sollen, ist nur dann gegeben, wenn sie mit sauberem Wasser betrieben werden. Im Triebwasser enthaltene Feststoffe führen jedoch bei entsprechender Konzentration, Kornhärte und Strömungsgeschwindigkeit zu einem Verschleiß der von der Wasserströmung betroffenen Bau- und Maschinenelemente und damit zu einer Verringerung von deren Lebensdauer. Man bezeichnet eine derartige Oberflächenbeschädigung auch als (Hydro-) Abrasion oder Sanderosion. Insbesondere bei Hochdruckanlagen ist es von besonderem Interesse, den meist scharfen, feinkörnigen Sand fernzuhalten, da dieser aufgrund der Schleifwirkung die Druckrohr-, Druckstollen- und Druckschachtwandungen sowie die mit dem Wasser in Berührung kommenden Teile der Verschlussorgane und Turbinen, hier vor allem die Leitapparate und Laufräder, angreift und je nach örtlicher Fließgeschwindigkeit erhebliche Abrasionsschäden verursacht. Nicht minder leidet die Verkleidung einer offenen Triebwasserleitung unter dem reißenden, stark schwebstoffführenden Wasser. Die Verschleißerscheinung des schwebstoffführenden Wassers kann an den Laufrädern in sehr kurzer Zeit derart starke Anfressungen verursachen, dass sich wesentliche Wirkungsgradverschlechterungen ergeben, von der über kurz oder lang eintretenden, unvermeidlichen gänzlichen Zerstörung der Turbine ganz zu schweigen. Mit wachsender Fallhöhe machen sich derartige Verschleißerscheinungen im Allgemeinen immer unangenehmer bemerkbar. Vor allem bei Hochdruckanlagen ist in den wenigsten Fällen die gänzliche Erfüllung der optimalen Entwurfskriterien möglich. Die für den vollständigen Schutz erforderliche Entsandung benötigt manchmal Absetzbecken unverhältnismäßig großer Abmessungen, die wegen topografischen und geologischen Beschränkungen sowie unvertretbarem Mehraufwand nicht zu verwirklichen sind. In einem solchen Fall ist man zu einem Kompromiss gezwungen. Der ursprünglich vorgeschriebene größte zulässige Korndurchmesser (s. Kapitel 6.2) und damit auch die im Triebwasser zulässige Sedimentkonzentration müssen dann erhöht werden. Die hieraus folgenden Konsequenzen sind zu bedenken und die zu erwartenden Verschleißerscheinungen abzuschätzen. Eine derartige sorgfältige Untersuchung hebt nicht zuletzt auf die Gegenüberstellung von Investitionssumme und Betriebs- bzw. Unterhaltungskosten einschließlich Ersatzleistungen sowie Erzeugungsverlusten während der Instand-

212

7 Sandfang

haltungsmaßnahmen ab. Dabei erhält man die optimale Dimensionierung des Sandfanges als Ergebnis dieser Wirtschaftlichkeitsuntersuchung dann, wenn die genannten Betriebskosten ihr Minimum erreichen (s. a. Kapitel 3.3), wodurch über die veranschlagte Lebensdauer Einsparungen bis in Millionenhöhe erzielt werden können. An präventiven Maßnahmen wären beispielsweise zu nennen: - zusätzliche Verstärkung der Verkleidungen und Panzerungen; - Austausch gefährdeter Maschinenteile in bestimmten Zeitintervallen, wobei eventuell Ersatzlaufräder etc. vorgehalten werden sollten, um die Anlagenstillstandszeiten auf ein Minimum reduzieren zu können; - Verwendung besonderer Stahllegierungen sowie die Aufbringung spezieller Keramiküberzüge bzw. Wolfram-Carbid-Beschichtungen für die Maschinenteile zur Erhöhung der Abriebsfestigkeit (s. Kapitel 15.3.1). Um einen sinnvollen Kompromiss zwischen der zugelassenen Sedimentkonzentration und dem notwendigen baulichen und betriebstechnischen Mehraufwand unter Beachtung von Ausfallzeiten und Einbußen an Energieerzeugung und Ertrag zu finden, bedarf es breiter theoretischer Kenntnisse, ausreichender Erfahrung und nicht zuletzt eine möglichst gute Kenntnis der örtlichen Verhältnisse. Ausgangspunkt aller Betrachtungen muss somit die Erfassung der örtlichen Geschiebeverhältnisse im Jahresverlauf darstellen. Sofern keine stichhaltigen Daten verfügbar sind, müssen entsprechende Wasserproben bei unterschiedlichen Abflussverhältnissen, darunter insbesondere bei höheren Abflüssen, genommen werden. Im Idealfall werden hierzu permanent über einen längeren Zeitraum betriebene, automatische Probenahme- und Analysegeräte herangezogen. Vereinfachend kann im Rahmen der Vorplanung auch eine Abschätzung anhand der geologischen, topografischen und hydrologischen Verhältnisse in Verbindung mit Vegetationsart und -dichte im Einzugsgebiet erfolgen. Aufgabe der Entsandungsanlage ist es also, das Triebwasser von Feststoffen entsprechend den Erfordernissen weitgehend zu reinigen. Dabei nützt man die aus der Natur bekannten Vorgänge der Sedimentation aus, indem man die Fließgeschwindigkeit des Wassers deutlich reduziert und eine turbulente Strömung in eine annähernd laminare überführt. Dazu wird die Entsandungsanlage in der Regel vor dem Einlauf in Druckrohrleitungen bzw. Druckstollen angeordnet, d. h. am Ende der Freispiegelleitung oder, sofern eine solche nicht vorhanden ist, direkt im Anschluss an die Wasserfassung. Es kann aber auch sinnvoll sein, den Sandfang direkt im Anschluss an die Wasserfassung vor dem Freispiegelkanal anzuordnen, um Ablagerungen in diesem sowie Abrasionsschäden an dessen Böschungen und Sohle zu verhindern (s. Kapitel 6.2). In diesem Fall muss allerdings gewährleistet sein, dass ein Sedimenteintrag durch Witterungseinflüsse aus der direkten Umgebung des Freispiegelkanals nahezu nicht möglich ist. In Sonderfällen kann der Sandfang auch in einer Kaverne in einer gewissen Distanz zum Einlaufbauwerk angeordnet werden, wenn beispielsweise die Platzverhältnisse eine ufernahe Anordnung nicht gestatten. Des Weiteren kann bei unverkleideten Stollen, bei denen ein leichter Abrieb des Gebirges hingenommen werden muss, am Übergang in den Druckstollen ggf. noch

7 Sandfang

213

ein kleinerer zweiter Sandfang angeordnet werden, um die Wasserqualität zu erhöhen. Der gebräuchlichste Typ bei Wasserkraftanlagen ist der Langsandfang, bei dem es sich um ein flaches Absetzbecken mit vorwiegend rechteckigem oder trapezförmigem Querschnitt handelt (s. Abb. 7.1 und 7.2). Durch die Aufweitung des Triebwasserleitungsquerschnittes wird die durchflossene Fläche vergrößert und so bei gleich bleibendem Durchfluss die Fließgeschwindigkeit beträchtlich vermindert. Leitwand

Einlaufschütz

Schütz

Schnitt A-B

Normalwasserspiegel

Rechen Auslaßschütz

Sandfang

Geschiebekanal

a

kontinuierlicher Triebwasserkanal Sandablass

C

Rechen

Sandfang

B

Einlaufschütz

Sandfang Grobrechen

Sandablasskanal (kontinuierlicher Sandablass)

SH

D

Schnitt C-D A

Leitwand

c

Wehr

0

5

10

15

20 m

horizontale Spülrinnen

b

Abb. 7.1:

Sandfang im Anschluss an die Wasserfassung mit kontinuierlicher Spülung: a) Schnitt A-B; b) Grundriss; c) Schnitt C-D [7.1]

Um eine gleichmäßige Durchströmung des Querschnittes zu erreichen und damit den gesamten, zur Verfügung stehenden Raum auszunützen (sogenannter wirksamer Raum), ist auf eine symmetrische, gleichförmige An- und Durchströmung des Beckens ein besonderes Augenmerk zu legen. Gegebenenfalls kann dies durch im Einlauf angeordnete Beruhigungsrechen bzw. Gleichrichterelemente sowie durch die vielfach anzutreffende Unterteilung des Beckens in mehrere Kammern bedeutend unterstützt werden. Die sich im Becken ablagernden Sedimente werden durch die trichterförmig ausgebildete Sohle einer kleinen längslaufenden Absetz- und Spülrinne zugeführt, die vielfach aus Sicherheitsgründen permanent mit einem relativ kleinen Durchfluss gespült wird (s. Abb. 7.1). Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Spülrinne in Intervallen in Betrieb zu nehmen, um Triebwasser zu sparen, wobei dies beispielsweise entweder bei gleichmäßiger Ablagerungsmenge nach einer bestimmten vorgegebenen Zeit oder andernfalls mittels Druckaufnehmern am Boden automatisch nach Bedarf erfolgt

214

7 Sandfang

(s. Abb. 7.2). Neuerdings werden auch Ultraschallsensoren zur Ablagerungsüberwachung analog einer Lichtschranke erfolgreich eingesetzt [7.2]. Insbesondere bei abgelegenen Wasserfassungen mit daran anschließendem Sandfang, z. B. im Gebirge, ist auf eine zuverlässige Auslösung der Spülung durch die entsprechenden Vorrichtungen zu achten [7.3]. Unter Umständen kann man noch zur Verbesserung der Anströmverhältnisse in der Spülrinne über dieser Leitbleche einbauen. Nebenauslass Vorbecken

A

A Entlastungsüberfall Schützenkammer

Einlaufrechen

a

Querkanal Entsanderkammer Einlaufschieber Entnahmeüberfall Kontrollquerschnitt Schützenhaus Auslaufschieber Spülschütz

Nebenauslass mit Dammbalken verschlossen Einlaufrechen

Spülkanal

Überleitung Schützenhaus Tauchwand Entlastungsüberfall

Entnahmeüberfall Auslaufschieber

Schützenkammer

SH

Wehrkanal Querkanal

b Abb. 7.2:

Entsanderkammer Einlaufschieber Kontrollquerschnitt

Sohlenmembrane horizontaler Gitterrost

Spülkanal Spülöffnung mit Spülschütz

Sandfang an einer Sohlenentnahme (Tiroler Wehr) mit automatischer Spülvorrichtung für den intermittierenden Betrieb: a) Grundeigenfrequenz, b) Schnitt A-A [7.4]

Die Abflusssteuerung für die Spülung kann zum einen durch einen einfachen Schieber am Ende des Sandfanges bzw. der Sandfangsohle (System „Büchi“) gesteuert werden, wobei die Spülöffnung großzügig ausgelegt werden sollte, da gerade bei Hochwasser ein erhöhtes Geschiebeaufkommen zu erwarten ist. Zum anderen kann auch ein über die gesamte Sandfangbodenlänge reichendes Horizontal-Spülsystem verwendet werden, bei dem eine längs verschiebbare Schieberkonstruktion zahlreiche kleine Abflussöffnungen in eine darunter liegenden Spülkanal freigibt (System „Bieri“). Um eine erhöhte Verschleißfestigkeit zu erreichen, werden dabei neben reinen Stahlbauweisen zunehmend auch solche aus Stahl-Kunststoff-Kombinationen verwendet. Um ein rasches und wirkungsvolles Ausspülen zu ermöglichen, sollte die jeweils vorhandene Spülöffnung ohne Rückstau durchströmt werden, und die Sandfangsohle sollte eine Längsneigung von 2-5 % aufweisen. Der daran anschließende Spülkanal, der normalerweise in das Unterwasser mündet, sollte mit ähnlichem Gefälle wie die Kammersohle und gleicher Breite wie die Spülöffnung, jedoch mit größerer Höhe weitergeführt werden. Bei eventuell notwendigen Krümmungen ist darauf zu achten, dass diese erst in ausreichender Entfernung von der Spülöffnung anfangen, damit kein Rückstau entstehen kann, und dass der Radius möglichst groß ausgelegt sowie eventuell die

7 Sandfang

215

Sohle quer zur Fließrichtung geneigt werden, um keine Ablagerungen entstehen zu lassen. Eine neue Steuerungsart für die Spülrinne wurde durch norwegische Ingenieure entwickelt und erfolgreich bei Wasserkraftanlagen in Nepal eingesetzt [7.5]. Hierbei schließt ein strapazierfähiger, kräftiger Gummischlauch die Spülrinne zur trichterförmigen Sohle hin ab. Wird der im Normalzustand wassergefüllte, längs der Spülrinne verlaufende Gummischlauch mittels eines zu öffnenden Ventils entleert bzw. belüftet, so hebt sich dieser sukzessive vom Spülkanal ab und gibt letzteren bis zum Auslass frei, an dem der Schlauch befestigt ist. Das nun in die Spülrinne einfließende Wasser setzt die abgelagerten Sedimente in Bewegung und transportiert diese aus dem Sandfang hinaus. Nach Beendigung der Spülung erfolgt eine Wiederbefüllung des Gummischlauches, wodurch sich dieser wieder in seine Ausgangsposition absenkt und die Spülrinne verschließt. Dieser Verschluss ist besonders bei Wasserfassungen mit periodisch auftretendem Sedimentanfall von besonderem Interesse, da in der restlichen Zeit der Wasserverlust durch die relativ gute Abdichtung sehr gering ist. Die vor allem in der Abwassertechnik gebräuchlichen weiteren Sandfangtypen, z. B. Rundsandfänge, belüftete Sandfänge oder Hydrozyklonen, kommen bei Wasserkraftanlagen nur sehr selten zur Anwendung. 7.2

Bemessung

7.2.1

Bemessungsgrundlagen

Grundlage für die Sandfangbemessung ist die Ermittlung der Geschiebeverhältnisse, also der Art und Menge der vom Fließgewässer beförderten Körner bzw. Korngruppen, wobei an dieser Stelle die verbliebenen kleineren Korndurchmesser von besonderer Bedeutung sind, da deren Entfernung Aufgabe des Sandfanges ist, nachdem die größeren Bestandteile des Geschiebes bereits in der Wasserfassung (s. Kapitel 5) aus dem Triebwasser entfernt wurden. Die Geschiebe- und Schwebstofffracht setzt sich im Allgemeinen aus Teilchen verschiedener Korngrößen von den kolloidalen Teilchen (Durchmesser d < 0,002 mm) bis zur Sandfraktion oder gar Grobgeschiebe (Feinkies mit d > 2 mm) bei gefällereichen Fließgewässern, z. B. im Hochgebirge, zusammen. Ihre Konzentration CS ist außerordentlich veränderlich, vor allem in Abhängigkeit von dem jeweils abgeführten Abfluss, so dass hier nur Richtwerte angegeben werden können. In Gebirgsbächen beträgt sie durchschnittlich CS = 210 kg/m3 = 2-10 g/l und kann bei Hochwasser auf Werte von CS = 50-60 g/l ansteigen, Flachlandflüsse führen im Durchschnitt CS = 0,1-1,0 g/l, im Hochwasserfall CS = 5-10 g/l Geschiebe und Schwebstoffe.

216

7 Sandfang

Nach der Feststellung der mittleren Geschiebe- und Schwebstoffverhältnisse CS im Fließgewässer muss das mindestens zu erreichende Entsandungsverhältnis RS ermittelt werden, das im Wesentlichen, wie oben bereits erwähnt, von den Erfordernissen des wirtschaftlichen Betriebs aus der zulässigen Konzentration der Geschiebe- und Schwebstofffracht im Triebwasser CS,zul bestimmt wird: RS = ( CS − CS ,zul CS ) ⋅ 100 [%] RS CS CS,zul

(7.1)

Entsandungsverhältnis [%] mittlere Geschiebe- und Schwebstofffracht [g/l] zulässige Konzentration der Geschiebe- und Schwebstofffracht im Triebwasser [g/l]

Liegt aufgrund der eingangs erwähnten Ermittlung der Geschiebeverhältnisse eine Sieblinie des im Fließgewässer mitgeführten Materials vor, wie diese beispielhaft in der Abb. 7.3 dargestellt ist, so kann daraus über die mit der charakteristischen Korngröße dch festgelegte Entsandungsgrenze das Entsandungsverhältnis RS abgelesen werden. 100 Siebdurchgang [%]

Entsandungsgrenze

80 abzusetzender Anteil

RS 60

40

(100-RS) 20

dch 0

0,006

Abb. 7.3:

0,01

0,02

0,06

0,1

0,2

Korndurchmesser [mm]

0,6

1

2

Ermittlung des Entsandungsverhältnisses RS aus einer Sieblinie [7.1]

Vielfach wird bei ersten überschlägigen Bemessungen von einem Entsandungsverhältnis RS von 95 % ausgegangen, bei dem in Abhängigkeit der Fallhöhe üblicherweise folgende charakteristische Korngrößen angesetzt werden: - hf = 20-50 m: dch = 0,30 mm - hf = 50-100 m: dch = 0,25 mm - hf = 100-300 m: dch = 0,20 mm Eine Alternative stellt die Ermittlung der mit der charakteristischen Korngröße dch festgelegten Entsandungsgrenze über die zulässigen Reparaturzyklen von Turbinenlaufrädern dar, durch die ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen gewährleistet wird. Liegen für einen Wasserkraftstandort Daten über die mittlere Feststofffracht CS des Gewässers sowie die Eigenschaften der Partikel vor, so lassen sich mittels der Diagramme von NOZAKI [7.6] in den Abb. 7.4 und 7.5 über die

7 Sandfang

217

Nettofallhöhe und die Vorgaben der Revisionszyklen der jeweiligen Turbinenart der sogenannte modifizierte suspendierte Sandgehalt CS,mod und damit die Korngröße dch bestimmen. Der modifizierte suspendierte Sandgehalt CS,mod bzw. damit auch ggf. indirekt die relevante Korngröße dch wird wie folgt ermittelt [7.6]: CS ,mod = Cs ⋅ cs ,1 ⋅ cs ,2 ⋅ cs ,3 ⋅ cs ,4 [g/l] CS,mod CS cs,1 cs,2

cs,3

modifizierter suspendierter Sandgehalt CS,mod [g/l]

cs,4

(7.2)

modifizierter suspendierter Sandgehalt mittlere Geschiebe- und Schwebstofffracht Korrekturfaktor der Korngröße: dch = 0,05 mm: cs,1 = 1,0 dch > 0,05 mm: cs,1 = d/0,05 Korrekturfaktor der Kornform: rund: cs,2 = 0,75 eckig: cs,2 = 1,0 äußerst scharfkantig: cs,2 = 1,25 Korrekturfaktor der Kornhärte nach Mohs: Kornhärte > 3: cs,3 = 1,0 Kornhärte < 3: cs,3 = 0,5 Korrekturfaktor für das Turbinenmaterial: 13Cr4Ni: cs,4 = 1,0 Stahlguss: cs,4 = 2,3 Bronze: cs,4 = 14,0 Stellit: cs,4 = 0,3

1,0 0,8

[g/l] [g/l] [-]

[-]

[-]

[-]

2,0

1 Jahr

0,6

1,0

0,8

0,4

2 Jahre

0,3

0,6

0,4

1 Jahr

0,3

0,2

4 Jahre 0,2

0,1

8 Jahre

0,08 0,06 0,05

16 Jahre

2 Jahre

0,1 0,08 0,06

4 Jahre

0,04

8 Jahre

12 Jahre 25 50 100

Abb. 7.4:

200

300

400

500 600 0,02 25 50 100 Fallhöhe hf [m]

200

300

400

500 600 Fallhöhe hf [m]

Reparaturzyklen bei Francis-Turbinen (3Cr4Ni): a) Laufräder, b) Leitapparat [7.6]

modifizierter suspendierter Sandgehalt CS,mod [g/l]

218

7 Sandfang

4,0 2,0

7.500 h (4 Düsen) 15.000 h (2 Düsen) 30.000 h (1 Düse)

1,0 0,6 0,4

15.000 h (4 Düsen) 30.000 h (2 Düsen) 60.000 h (1 Düse)

4.000 h

0,1 0,06 0,04

0,1

0,06 0,01 0,003

10.000 h

20.000 h 0,02

120.000 h (4 Düsen) 240.000 h (2 Düsen)

Abb. 7.5:

500

40.000 h

0,01

60.000 h (4 Düsen) 30.000 h (4 Düsen) 120.000 h (2 Düsen) 60.000 h (2 Düsen) 240.000 h (1 Düse) 120.000 h (1 Düse)

200

7.2.2

1,0 0,6 0,4 0,2

0,2

0,001

2,0

1000 1200 Fallhöhe hf [m]

0,005 0,003

0 200

500

1000 1200 Fallhöhe hf [m]

Reparaturzyklen bei Pelton-Turbinen (3Cr4Ni): a) Becher, b) Düsen und Nadeln [7.6]

Beckenbemessung

Für die Dimensionierung gibt es zum einen mehrere rechnerische Ansätze, die jedoch alle den Nachteil besitzen, dass für diese eine genaue Kenntnis des Widerstandsbeiwertes des Kornes und dessen Reynolds-Zahl notwendig ist. Zum anderen haben nach neueren Untersuchungen von ORTMANNS [7.6] die bisher verbreiteten vereinfachten Bemessungsverfahren den Nachteil, dass diese die tatsächlichen turbulenten Strömungsverhältnisse nur unzureichend über einen Verzögerungsbeiwert der Sinkgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Wassertiefe beschreiben. Auf der Basis von detaillierten Untersuchungen wurde daher von ORTMANNS [7.6] ein verbesserter Bemessungsansatz entwickelt, der nachfolgend dargestellt werden soll. Hierbei wird in einem ersten Schritt nach der Ermittlung des relevanten charakteristischen Kornes mit dem Durchmesser dch gemäß Kap. 7.2.1 diejenige mittlere Grenzgeschwindigkeit vgr aus Abb. 7.6 im Sandfang ermittelt, bei der dieses abgelagerte Korn nicht weitertransportiert oder gar wieder resuspendiert wird.

7 Sandfang 100

219

vgr [cm/s]

90

e

nk

ch

80

na

g

be

70

n in

Za

s on

si

en

p us

60

S

50

ields

h Sh

40

gsb

egun

30

Bew

nac eginn

20 10 0

Abb. 7.6:

0

0,2

0,4

0,6

0,8 dch [mm] 1

Mittlere Grenzströmungsgeschwindigkeit vgr in Sandfängen in Abhängigkeit des charakteristischen Korndurchmessers dch hinsichtlich Bewegungs- und Suspensionsbeginn bei unterschiedlichen Rauheitsverhältnissen vom Sandbett (strichliert) bis Beton [nach 7.6]

Im nächsten Schritt wird aus dem bekannten Durchfluss und der mittleren Grenzgeschwindigkeit vgr über die Kontinuitätsgleichung (2.10) der Beckenquerschnitt A ermittelt, wobei für größere Durchflüsse ggf. mehrere Becken angeordnet und parallel betrieben werden müssen. Hierbei kann von einem ersten Orientierungswert der mittleren Geschwindigkeit im Becken von vm = 0,3 m/s ausgegangen werden, der aber durch die nachfolgende Bemessung zu verifizieren ist. Um eine volle Ausnutzung des Querschnittes zu erreichen und damit kein sogenannter hydraulischer Kurzschluss entsteht, d. h. dass das Triebwasser ohne wesentliche Geschwindigkeitsverringerung den Sandfang durchfließt und sich Toträume und Walzen bilden, sollte im Rahmen der ersten überschlägigen Auslegung folgendes Höhen-Breiten-Verhältnis eingehalten werden: h ≈ 1,25 ⋅ BS h BS

[-]

(7.3)

Wassertiefe im Sandfang Breite des Sandfanges

dgr

vS,1 1

[m] [m]

vs vS,2

m

h 4

5

LS Abb. 7.7:

Schematischer Längs- und Querschnitt durch einen Langsandfang

BS

220

7 Sandfang

Aus der Vorgabe, dass sich alle Korngrößen bis zum charakteristischen Korndurchmesser dch im Becken in der Zeit absetzen müssen, in der dieses unter Berücksichtigung der turbulenten Effekte durchflossen wird, ergibt sich schließlich die Beckenlänge LS entsprechend Abb. 7.7 wie folgt [7.6]: LS =

h ⋅ vS ,2 vs − 0,21 K S

[m]

(7.4)

mit der dimensionsunechten, empirisch ermittelten Sandfangkonstante KS: KS =

1 1 ⋅m⋅ 0 ,15 vS0 ,4,2 ⋅ vS0 ,3,1 ( g ⋅ rhy )

[s/m]

(7.5)

und der Sinkgeschwindigkeit des charakteristischen Korns vs in Abhängigkeit der Feststofffracht und der Sinkgeschwindigkeit in ruhendem Wasser vs´:

(

)(

)

vs = 1 − 2,15 ⋅ CS' ⋅ 1 − 0,75 ⋅ CS' 0 ,33 ⋅ v's

[m/s]

(7.6)

sowie Schwebstofffracht C’S in Volumenprozenten: CS' = LS vS,1 vS,2 vs vs´ KS m C’S

100 ⋅ CS ρF

[Vol.-%]

Sandfanglänge (wirksamer Raum) mittlere Fließgeschwindigkeit im Sandfangzulauf an der engsten Stelle mittlere Fließgeschwindigkeit im Sandfang Sinkgeschwindigkeit des charakteristischen Korns Sinkgeschwindigkeit in ruhendem Wasser (s. Abb. 7.8) Sandfangkonstante Sohlenneigung im Übergangsbereich des Sandfanges (s. Abb. 7.7) Schwebstofffracht

(7.7) [m] [m/s] [m/s] [m/s] [m/s] [s/m] [-] [Vol.-%]

Hierbei wird die tatsächliche Sinkgeschwindigkeit aus der Sinkgeschwindigkeit vs´ für ruhendes Wasser in Abhängigkeit der Feststofffracht ermittelt und diese um einen Faktor infolge der Turbulenzintensität, der über die Sandfangkonstante KS ausgedrückt wird, reduziert. Die Sinkgeschwindigkeit vs´ für ruhendes Wasser kann dabei aus der nachfolgenden Abb. 7.8 entnommen werden. Die dortigen Angaben sind für Quarze gemacht, die bei der Geschiebe- und Schwebstofffracht dominieren und aufgrund ihrer Härte die schadensträchtigste Abrasion verursachen. Eventuelle kleinere Abweichungen der Dichte ρF können vernachlässigt werden.

7 Sandfang 10 8 6 4

221

dch [mm]

2 Re = 1.000 1 0,8 0,6

100

0,4 10

0,2 0,1 0,08 0,06 0,04 0,02

1 0 10 0,1 20 30 40 Temperatur in °C

0,01

Re = 0,001 0,01 0,01 0,02 0,04 0,06 0,1

Abb. 7.8:

-2

vs' · 10 [m/s] SH

0,2

0,4 0,6 0,8 1

2

4

6 8 10

20

40 60 100

Sinkgeschwindigkeit vs´ in ruhendem Wasser in Abhängigkeit des charakteristischen Korndurchmessers dch für Quarzkugeln (ρF = 2650 kg/m3) bei verschiedenen Temperaturen mit den zugehörigen Reynolds-Zahlen [7.7]

Aus der die turbulenten Strömungsanteile berücksichtigenden Gl. (7.4) wird, wie eingangs erwähnt, deutlich, dass die hieraus resultierende notwendige Sandfanglänge LS größer ist als diejenige, die rein über die Kontinuitätsgleichung (2.10) ermittelt wird. Bei Festlegung der genauen Beckenabmessungen muss darauf geachtet werden, dass der untere Teil der Entsanderkammer eine ausreichend geneigte Sohle hin zur Spülrinne erhält, um die Spülwirkung sicherzustellen (s. Abb. 7.7). Als Orientierungswert kann eine Querneigung von mindestens 4:5 angegeben werden. Die Übergangsstrecken am Anfang und am Ende des Sandfanges gemäß Abb. 7.7 sind in der Sandfanglänge LS nicht enthalten und müssen bei der Planung noch zusätzlich berücksichtigt werden. Da Turbulenzen wie erläutert das Sedimentationsverhalten und damit die Leistungsfähigkeit eines Sandfanges negativ beeinflussen, kommt einer gleichmäßigen Beaufschlagung der Sandfangbecken eine äußerst wichtige Rolle zu. Hierbei ist vor allem der Übergangsbereich in den Sandfang zu nennen, indem dieser möglichst lang verzogen werden sollte. Von Vorteil kann darüber hinaus die Anordnung von zwei oder mehr Reihen von Beruhigungs- oder Gleichrichterrechen sein, da diese die Strömung vergleichmäßigen und Turbulenzen reduzieren. Darüber hinaus sollten in der oberwasserseitigen Triebwasserzuführung nur strömende und keinesfalls schießende Abflussverhältnisse herrschen und in diesem

222

7 Sandfang

Bereich auf starke Umlenkungen, um eine gleichmäßige Einströmung zu unterstützen. 7.2.3

Komplexe Systeme

In Fällen mit besonderen Anordnungen und Anströmverhältnissen, hohen oder besonders aggressiven Sedimentfrachten etc. wird es notwendig, zunächst im Rahmen einer Detailplanung möglichst wirklichkeitsnahe Modellversuche durchzuführen, um den erforderlichen Reinigungseffekt zum wirtschaftlichen Betrieb der jeweiligen Anlage zu erzielen. Am zuverlässigsten würden diese an einem Prototyp im Maßstab 1 : 1 geschehen, was jedoch nicht zuletzt aus Zeit- und Kostengründen häufig nicht realisierbar ist. Eine wertvolle Hilfe sind dabei heute moderne numerische Analysemethoden, die sich auf die Fragestellung der Einflussfaktoren auf den Materialverschleiß, auf den funktionellen Zusammenhang mit Korrosion, auf die Wechselwirkungen von Erosion und Kavitation sowie auf geeignete Modellgesetze zur Umsetzung auf erosionsarme Strömungswege in der Sandfangkonstruktion konzentrieren. Die numerische Simulation geschieht dabei mit dreidimensionalen Finite-VolumenModellen, mit denen unter anderem die Navier-Stokes-Gleichungen, die Geschwindigkeits- und Druckverteilungen turbulenter Strömungsfelder, die Teilchenbahnen und die abrasive Wirkung, z. B. mineralischer Quarzkörner, erfasst werden können (s. Kapitel 14.2.7). 7.3 [7.1] [7.2] [7.3] [7.4] [7.5]

[7.6] [7.7]

Literatur Mosonyi, E.: Water power development. Band I + II. Budapest: Akadémiai Kiadó, 1987/1991 Wimmer, W.: Automatisierung der Spülung von Wasserfassungen und Entsandern. In: Wasser, Energie, Luft 90 (1998), Heft 1/2, Seite 27-28 Schober, W.: Selbsttätige Entkiesungs- und Entsandungsanlagen. In: Österreichische Wasserwirtschaft 13 (1961), Heft 5/6, Seite 99-108 Drobir, H.: Entwurf von Wasserfassungen im Hochgebirge. In: Österreichische Wasserwirtschaft 33 (1981), Heft 11/12, Seite 243-253 Lysne, D. K.; Olsen, N. R. B.; Støle, H.; Jacobsen, T.: Sediment control: recent developments for headworks. In: Hydropower & Dams 2 (1995), Heft 2, Seite 46-49 Ortmanns, C.: Entsander von Wasserkraftanlagen. In: Mitteilung der VAW Zürich, Nr. 193, 2006 DVWK (Hrsg.): Schwebstoffmessungen. In: Regeln zur Wasserwirtschaft des DVWK (1986), Heft 125

223

8 8.1

Druckrohrleitungen Rohrtypen und Rohrverbindungen

Grundsätzliches Ziel einer Triebwasserleitung ist es, eine möglichst kurze Verbindung zwischen dem Entnahmebauwerk bzw. dem Wasserschloss und dem Krafthaus zu schaffen. Daher kommen in vielen Fällen keine Freispiegelleitungen, sondern vollständig gefüllte, unter Druck stehende Rohrleitungen zum Einsatz, bei denen die sonst deutlichen Energieverluste infolge Reibung gering gehalten werden können. Die Triebwasserleitung wird bei größerer Länge normalerweise in zwei Strecken aufgegliedert: in einen nahezu horizontal verlaufenden, meistens als Druckstollen zwischen Talsperre und Wasserschloss ausgebildeten Streckenabschnitt und in die zum Krafthaus hinabführende Druckrohrleitung, die auch als Hangrohrleitung bezeichnet wird. Letztere kann auch in einen Druckschacht bzw. Druckstollen, besonders bei Kavernenkraftwerken, übergehen (s. a. Kapitel 9). Die Druckrohrleitung passt sich meist dem Gefälle des Geländes an und folgt deshalb im Längsschnitt einer geknickten Linie. Im Grundriss wird die Leitung tunlichst geradlinig geführt, doch können Richtungsänderungen aufgrund von Topografie, Baugrund und Bebauung auch hier nicht immer vermieden werden. Sie kann dabei oberirdisch oder überschüttet verlegt werden. Als Baustoff für die Rohrleitung kommen Stahl, Sphäroguss, Beton, Kunststoffe oder auch Holz in Frage, wobei bei Wasserkraftanlagen bevorzugt Stahlrohre Verwendung finden. Der Einsatz von Asbestzement im Rohrleitungsbau ist wegen der bei der Herstellung und Verarbeitung entstehenden kanzerogenen Stäube inzwischen problematisch geworden. Alternativen aus asbestfreiem Faserzement und aus glasfaserverstärktem Kunststoff sind ebenso wie Holzrohre vor allem bei geringeren Durchflüssen oder niedrigeren Drücken anzutreffen. Zur Abstützung der Rohrleitungen dienen Betonfundamente, die entweder als einfache Rohrsockel ausgebildet werden und kleine Bewegungen zulassen oder als Festpunkte die Leitung an einzelnen Stellen fest verankern. Gerade bei den oberirdisch verlegten Rohrleitungen kann es infolge großer Temperaturschwankungen in der Umgebung oder variierender Triebwassertemperatur zu erheblichen Längsspannungen im Rohr kommen. Je nachdem, ob erhöhte Längsspannungen bei der Bemessung berücksichtigt werden oder die Temperaturdehnungen durch Dehnungsausgleichs- bzw. Dilatationsstücke ausgeglichen werden müssen, unterscheidet man geschlossene und aufgelöste Rohrleitungssysteme. Bei geschlossenen Rohrleitungssystemen sind die einzelnen Druckrohrschüsse sowohl miteinander als auch mit den hangaufwärts und hangabwärts angeschlossenen Bauwerken (z. B. Auflager, Einlaufbauwerke, Krafthaus) starr verbunden. Achsenparallele Kräfte werden kraftschlüssig über die gesamte Leitung bis zu den einzelnen Festpunkten übertragen. Es können keine Längsbewegungen zustande kommen, und im Druckrohr treten erhebliche Längsspannungen auf. Temperaturschwankungen sollten möglichst gering gehalten werden, was durch eine verdeckte bzw. überdeckte Verlegung erreicht werden kann. Die Anwendung geschlossener Druckrohrleitungen ist auf relativ kleine Durchmesser beschränkt.

224

8 Druckrohrleitungen

Besondere Bedeutung für die auftretenden Belastungen hat die Montageschlusstemperatur. Um längs gerichtete Dehnungen zu ermöglichen, wird die halbgeschlossene Rohrleitung in dilatierende Rohreinheiten aufgegliedert. Sie besteht dann aus Teilsträngen, die durch Dehnungs- bzw. Ausgleichsglieder miteinander verbunden und jeweils nur an einer Stelle verankert sind (s. Kapitel 8.5.3). An den Knickpunkten der Rohrtrasse werden Betonfestpunkte angeordnet, denen sich talseitig ein Dehnungsglied anschließt. An den anderen Sockeln muss eine freie Längsbewegung möglich sein (s. Kapitel 8.5.2). Um unzulässig hohe Reibungskräfte auszuschalten, ist eine ordnungsgemäße Lagerung der Rohre in Gleitsätteln, Rollenauflagern oder Pendelstützen erforderlich. In der Regel wird eine offene Verlegung bevorzugt, da bei den verdeckten Leitungen infolge Erdreibung zusätzliche Längs- und Querkräfte auftreten, ein besonderer Rohrschutz nötig wird und die Dichtigkeit des Rohrstranges schlechter zu kontrollieren ist. Druckrohre mit verhältnismäßig kleinem Durchmesser, die starr ausgeführt sind, jedoch mehrere Knickpunkte haben, können ebenfalls als halbgeschlossen bezeichnet werden. Hier sind an den Knickpunkten geringe Bewegungen möglich, und größere Längsspannungen können vermieden werden. Man spricht in diesem Fall auch von einer fliegend angeordneten Leitung. Bei dem aufgelösten Rohrleitungssystem werden zwischen allen Rohrschüssen Dilatationsverbände eingebaut. Es treten praktisch keine Längsspannungen auf, da die Längsdehnungen zwischen den Rohrschüssen nicht behindert werden. Aufgelöste Rohrleitungen werden hauptsächlich in überschütteter Anordnung ausgeführt und dann vorwiegend bei kleineren Abmessungen. Dies gilt nicht für Hochdruckrohrleitungen mit großem Durchmesser. Bei Muffenverbindungen kann im Allgemeinen von einem aufgelösten Leitungssystem ausgegangen werden. Druckrohrleitungen werden nach der Verlegung vor der Inbetriebnahme einer Druckprüfung unterzogen, die sowohl zur Überprüfung der Festigkeit als auch zum Nachweis der Dichtigkeit dient. In Deutschland wie auch einigen anderen Ländern wie Norwegen und den USA werden Festigkeits- und Dichtigkeitsprüfung als gemeinsame Prüfung durchgeführt. Die Innendruckprüfung ist in Deutschland nach DIN 4279 [8.1] in eine Vor- und eine Hauptprüfung unterteilt und berücksichtigt unterschiedliche Rohrmaterialien mit unterschiedlichen Auskleidungen. Nach Füllung der Leitung ist im Rahmen der Vorprüfung der Druck vom Nenndruck auf den Prüfdruck zu steigern. Dieser beträgt für Leitungen mit einem zulässigen Betriebsdruck bis 10 bar das 1,5-fache des Nenndruckes und für Leitungen mit einem zulässigen Betriebsdruck über 10 bar den Nenndruck zuzüglich 5 bar. Die Prüfdauer ist abhängig von Rohrart und Nennweite und kann für die Hauptprüfung zwischen 3 und 24 Stunden variieren. Am höchsten Punkt der Leitung ist mindestens ein Prüfdruck, der dem 1,1-fachen des Nenndruckes entspricht, zu erreichen. Andernfalls ist die Leitung in Teilstrecken zu unterteilen. Die Prüfbedingungen gelten als erfüllt, wenn während der Prüfdauer der Druckabfall am maßgebenden Druckmessgerät oder die Wasserzugabe nicht größer als diejenige ist, die für die jeweilige Rohrart zugelassen ist (s. DIN 4279). Da das Gefährdungspotenzial, das von einer bestehenden, in Betrieb befindlichen Druckrohrleitung ausgeht, beachtlich sein kann, ist es notwendig, diese Leitungen einschließlich Armaturen, Lager, Untergrund etc. während des Betriebes einer

8 Druckrohrleitungen

225

permanenten Kontrolle zu unterziehen und vor allem bei älteren Anlagen diese nach dem heutigen Stand der Wissenschaft und Technik zu beurteilen [8.2]. Von großer Bedeutung ist hierbei ein systematisches Beurteilungs- und Überwachungskonzept, das folgende Aspekte berücksichtigt: - Dokumentation aller Anlagenkomponenten einschließlich der eingesetzten Werkstoffe und vorgenommener Unterhaltungs- und Reparaturmaßnahmen, - Durchführung und Dokumentation von regelmäßigen Überwachungsmaßnahmen, wie z. B. Funktionskontrolle der Sicherheitseinrichtungen (Klappen etc.), Vermessung zur Beurteilung der Lageveränderungen von Rohrleitung, Auflagern etc., zerstörungsfreie Materialprüfungen (Korrosionsschutz, Wanddickenabtrag infolge Erosion oder Korrosion, Anriss- und Rissprüfung infolge Ermüdung etc.); - Überwachung und Dokumentation der auftretenden statischen und dynamischen Belastungen einschließlich deren Häufigkeit, Ableitung der daraus resultierenden Beanspruchungen und Vergleich mit den Auslegungsdaten unter Berücksichtigung von Alterung, durchgeführten Maßnahmen und sonstigen Veränderungen etc. Auf der Basis dieser wiederkehrenden Überprüfungen sind die entsprechenden Maßnahmen zur Instandhaltung zu planen und durchzuführen. 8.1.1

Stahlrohre

Bei Wasserkraftanlagen kommt wegen der guten Montagemöglichkeiten und der hohen Zuverlässigkeit vielfach eine Stahlrohrleitung zur Ausführung. Verwendet werden hochfeste Feinkornstähle und thermisch vergütete, schweißbare Stähle. Die Feinkornstähle sind gut schweißbar, kerbzäh und sprödbruchsicher. Durch die Feinkornqualität ist eine ausreichende Alterungsbeständigkeit, auch bei tieferen Temperaturen, gewährleistet. Die Entwicklung der Werkstoffe hat auch die Verwendung von thermisch vergüteten Stählen ermöglicht. Sie erreichen durch Abschrecken aus hoher Temperatur und anschließendes Anlassen hohe Festigkeitswerte. Bei Einhaltung der nötigen Vorschriften bereitet das Schweißen keine Probleme. Wegen der geringeren Wanddicken vermindert sich das Risiko von Schweißfehlern, und es entstehen geringere Schweißeigenspannungen. Bei den Rohrverbindungen wird zwischen den lösbaren und den unlösbaren Verbindungen unterschieden. Für die Wahl der Verbindung müssen nicht nur Gesichtspunkte wie Wiederlösbarkeit und Kostenaufwand, sondern auch Zuverlässigkeit im Betrieb, Konsequenzen einer Leckage, Schwingungsaspekte, Zugänglichkeit und Montagemöglichkeiten berücksichtigt werden. Mit der Entwicklung der Schweißtechnik haben Schweißverbindungen auch im Rohrleitungsbau einen sehr hohen Stellenwert gewonnen und die früher übliche Nietverbindung vollständig verdrängt. Neben der Verbesserung der Schweißverfahren war auch die ständige Weiterentwicklung der Stähle eine wichtige Voraussetzung für diesen Wandel. Beim Schweißen wird die Verbindung zweier Stahlteile durch einen Schmelzvorgang mit dem Schweißzusatzmaterial erzeugt. Dies erfordert eine geeignete Zusammensetzung des Werkstoffes. Unlegierte Stähle sind mit allen Schweißverfahren gut schweißbar, wenn der Kohlenstoffgehalt C < 0,22-0,25 % und der

226

8 Druckrohrleitungen

Mangananteil Mn ≈ 0,3-0,7 % betragen sowie weitere Grenzwerte eingehalten werden.. Zur Beurteilung der Schweißeignung von niedriglegierten Stählen kann das Kohlenstoffäquivalent CET herangezogen werden [8.3]. Bei hochlegierten Stählen wird die Schweißeignung nach der chemischen Zusammensetzung beurteilt, wobei die Angaben des Herstellers zu beachten sind. Die fehlende Nachgiebigkeit geschweißter Rohrleitungen kann zu mehrachsigen Spannungszuständen mit zum Teil hohen Eigenspannungen führen. Der dadurch entstehenden Sprödbruchgefahr kann außer von der konstruktiven Seite vor allem durch hohe Kerbschlagzähigkeit der verwendeten Stähle begegnet werden. Bei vergüteten Stählen ist die beim Schweißen eingebrachte Wärme zu kontrollieren, um die Beeinträchtigung der Vergütungswirkung in engen Grenzen zu halten. Die Rohre werden in für den Transport geeigneten Abmessungen im Werk vorgefertigt und als Rohrschüsse oder Rohrschalen auf die Baustelle geliefert und dort montiert. Eingesetzt werden fast ausschließlich elektrische Schweißverfahren. Hierbei wird zwischen den Rohrenden und einer Elektrode ein elektrischer Lichtbogen gezündet, der den Werkstoff aufschmilzt. Je nach Art der Elektrode, Zuführung des Zusatzmaterials und Schutz der Schweißstelle vor unzulässig starker Oxidation unterscheidet man in: - Metall-Lichtbogenschweißung bzw. Elektrodenhandschweißung (E) - Wolfram-Inertgasschweißung (WIG) - Metall-Inertgasschweißung (MIG) - Metall-Aktivgasschweißung (MAG) - Unterpulverschweißung (UP) Das Gasschmelzschweißen (G) unter Verwendung eines zu verbrennenden Gasgemisches wird wegen der in den Grundwerkstoff eingebrachten großen Wärmeenergie und der daraus resultierenden negativen Einflüsse auf die Gefügeausbildung nur selten eingesetzt. Wegen der hohen Abschmelzleistung und der guten Verarbeitbarkeit finden in der Werkstatt meist die Schutz- bzw. Inertgasschweißverfahren MIG und MAG Anwendung. Auf der Baustelle können die Inertgasschweißverfahren nur eingesetzt werden, wenn ein ausreichender Witterungsschutz vorhanden ist. Um einen hydraulisch günstigen, stetigen Stoß an der Schweißstelle zu erhalten, bietet sich der Stumpfstoß an. Gängige Schweißnahtformen sind in Abb. 8.1a dargestellt. Bedingt durch die Vielzahl der möglichen Schweißnahtfehler und der beträchtlichen Schäden, die hierdurch entstehen können, ist in den meisten Fällen eine vollständige Überprüfung der Schweißnaht angebracht. Als sehr zuverlässige Verfahren haben sich die Durchstrahlungsprüfung (Röntgen- oder Gammastrahlen) und die Ultraschallprüfung bewährt. Bei beiden Verfahren wird die Qualität der fertigen Schweißnaht zerstörungsfrei beurteilt.

8 Druckrohrleitungen a

227

b

c

d

Abb. 8.1:

e

Rohrverbindungen: a) Schweißnaht- [8.4]; b) Stopfbuchsen- [8.5]; c) Flansch[8.4]; d) Steckmuffen- [8.5]; e) Schraubmuffenverbindung [8.5]

Bei den Stahlrohren kommen neben der geschweißten Verbindung noch eine Reihe lösbarer Verbindungen zum Einsatz. Sie werden dort eingesetzt, wo entweder der Ausbau von Anlagenteilen möglich sein muss oder wo zur Vermeidung von Längsspannungen Dilatationsverbände nötig sind. Zusätzlich können diese auch als Dämpfungselement bzw. zur Unterbrechung der Fortpflanzung von Schwingungen genutzt werden. Rohrexpansionsstücke werden an frei verlegten Druckleitungen eingebaut, bei denen man den einzelnen Rohrabschnitten in axialer Richtung ein gewisses Maß an ungehinderter Dilatation zugestehen muss (s. a. Kapitel 8.5.3). Dies ist auch da der Fall, wo der Baugrund zu Setzungen und Verschiebungen neigt. Die Art der Dichtung an der Expansion soll so beschaffen sein, dass sie bei Bedarf während des Betriebes der Anlage nachgezogen werden kann. Die heute übliche konstruktive Ausbildung der Stopfbuchsenverbindung ist in Abb. 8.1b dargestellt. Die Hauptabmessungen sowie die Einzelteile der Stopfbuchse sind in DIN 28 602 [8.6] festgelegt. Das Anpressen des keilförmigen Dichtringes, der auf seiner Vorderseite eine Schutzkante aus härterem Gummi hat, geschieht mit dem Stopfbuchsenring über Hammerschrauben, die mit einem Schraubenschlüssel angezogen werden. Flanschverbindungen sind dort erforderlich, wo Leitungsstränge, an diese angeschlossene Abschlussorgane oder sonstige Einrichtungen ausbaubar sein müssen. Da die Rohrleitungen bei Wasserkraftanlagen häufig sehr große Durchmesser haben und an die Verbindungen besondere Anforderungen gestellt werden, kommen die genormten Vorschweißflansche nur selten zur Anwendung. Die komplette Flanschverbindung besteht aus Flanschenpaar, Schrauben bzw. Schraubenbolzen mit Muttern und Dichtungen (s. Abb. 8.1c). Die Dichtungsringe werden zwischen die beiden parallelen Flanschflächen eingelegt und durch Anziehen der Schrauben so verformt, dass sie die Verbindung abdichten. Bei der Montage ist auf einwandfreie Dichtflächen und planparallel ausgerichtete Flansche zu achten. Für aufgelöste Rohrleitungssysteme bieten sich die Muffenverbindungen an. Man unterscheidet Steckmuffen- und Schraubmuffenverbindungen. Diese Verbindungen werden hauptsächlich im Gussrohrbereich eingesetzt. Sie wirken wie ein längsverschiebbares Gelenk mit einer allseitigen Abwinkelbarkeit von etwa 3-

228

8 Druckrohrleitungen

5°. Da keine Biegemomente und Zugkräfte von Rohr zu Rohr übertragen werden, und die Dichtringe eine hohe Elastizität aufweisen, können diese Verbindungen Kräfte und Momente aufnehmen bzw. kompensieren. Die heutige konstruktive Ausbildung der Tyton-Verbindung (Steckmuffenverbindung) ist in Abb. 8.1d dargestellt. Sie hat einen besonders profilierten Dichtring, der aus einem harten und weichen Gummi besteht und beim Einschieben des spitzen Endes in die Muffe so verformt wird, dass er die Verbindung abdichtet. Bei der Schraubmuffenverbindung (s. Abb. 8.1e) sind das Muffeninnere und die Außenseite des Schraubringes mit einem gegossenen Gewinde versehen. Mit Hilfe des Schraubringes wird über einen Gleitring der besonders geformte Dichtring in seinem Sitz zusammengepresst. Bei bandagierten Stahlrohren werden die Vorzüge der Vorspannung ausgenutzt, wodurch sich geringere Wanddicken und somit auch Einsparungen an Masse und Schweißzeit ergeben. So werden über ein unbearbeitetes Rohr kalibrierte Verstärkungsringe aufgezogen. Durch eine anschließende Wasserdruckprobe wird das Rohr über die Elastizitätsgrenze hinaus beansprucht, so dass danach eine bleibende Verformung und eine hieraus folgende Vorspannung entsteht. Bei einer anderen Variante werden auf ein unbearbeitetes Rohr innen bearbeitete warme Ringe geschrumpft, wobei das Rohr nicht überreckt wird. Nicht durchsetzen konnten sich aufgeschrumpfte Ringe auf bearbeiteten Rohraußenflächen sowie drahtseilbandagierte Rohre. Aufgrund des hohen Fertigungsaufwandes werden derartige Rohre heute nahezu nicht mehr eingesetzt. Stahlrohre müssen ebenso wie alle anderen Stahlbauteile vor Korrosion geschützt werden. Dabei wird unter Korrosion eine Redox-Reaktion eines metallischen Werkstoffes mit seiner Umgebung verstanden, wobei das Metall oxidiert und ein Korrosionsmedium reduziert wird. Da Stillstandszeiten infolge von Überholungsarbeiten für Wasserkraftanlagen große wirtschaftliche Verluste bedeuten, ist auf den Korrosionsschutz ein besonderes Augenmerk zu richten. Aktive Korrosionsschutzmaßnahmen (s. Tabelle 8.1) greifen aktiv in die Korrosionsreaktion ein, mit dem Ziel, diese zu hemmen oder zu unterbinden. Zu diesen ist zum Beispiel der elektrochemische Schutz in Form des kathodischen Korrosionsschutzes zu zählen, bei dem der zu schützenden Metalloberfläche Elektronen zugeführt und somit die Abgabe von Metallionen unterbunden werden, die gesamte Leitung also als Kathode wirkt. Passive Korrosionsschutzmaßnahmen (s. Tabelle 8.1) zielen darauf ab, das Stahlbauteil vom Angriffsmittel zu trennen. Dies geschieht durch Aufbringung von organischen oder anorganischen Schutzüberzügen, so dass der zu schützende Werkstoff nur noch an Fehlstellen des Überzugs mit dem Elektrolyten reagieren kann. Ein besonderes Augenmerk muss beim Aufbringen von Schutzüberzügen bzw. deren Ausbesserung auf die Umgebungsbedingungen (Luft- und Materialtemperatur, Feuchte etc.) geschenkt werden, um einen dauerhaften Korrosionsschutz zu erzielen. Schließlich ist bei Sanierungsmaßnahmen zu prüfen, welcher Art die bisher verwendeten Materialien (Asbest, PCB etc.) sind, so dass gegebenenfalls gezielte Arbeitsschutzmaßnahmen ergriffen werden können (s. Kapitel 13.3.1).

8 Druckrohrleitungen

229

Tabelle 8.1: Systematik der Korrosionsschutzmaßnahmen [8.4] 1. Aktive Schutzmaßnahmen 1.1 Werkstoffwahl 1.2 Konstruktive Maßnahmen, z. B. gute Wasserableitung 1.3 Entfernen des Angriffsstoffes aus dem Elektrolyten, z. B. Wasseraufbereitung 1.4 Zugabe von Inhibitoren a) anodisch wirkend b) kathodisch wirkend c) adsorptiv wirkend 1.5 kathodischer Schutz a) mit galvanischen Anoden b) mit Fremdstromschutz, z. B. strombzw. potenzialgeregelt c) lokaler Schutz d) Streustromschutz 1.6 anodischer Schutz a) durch Legierung b) mit Fremdstrom (potenzialgeregelt)

8.1.2

2. 2.1 2.2

2.3.1

2.3.2

2.3.3

Passive Schutzmaßnahmen Vorbehandlung: phosphatieren temporärer Schutz a) Öle b) Klarlacke c) Wachse oder Wollfette d) Bitumen und Teerpechlacke e) Werkstatt-Grundbeschichtung f) Fertigungsbeschichtung anorganische Behandlung a) Email b) Zementmörtel organische Beschichtung a) Dünn- oder Dickbeschichtung (Anstrich oder Spritzbeschichtung) b) bituminöse Umhüllung c) Kunststoffumhüllung bzw. Inliner metallischer Überzug, der chemisch passive Schutzschichten bildet, z. B. Feuerverzinken, elektrolytischer Überzug, Plattieren

Druckrohre aus duktilem Gusseisen

Vor allem bei Drücken unter ca. 50 mWS und kleineren Rohrdurchmessern sind Druckrohre aus duktilem Gusseisen eine sinnvolle und kostengünstige Alternative zu Stahlrohren, so dass diese insbesondere bei Kleinwasserkraftanlagen vielfach eingesetzt werden. Diese Gussrohre zeichnen sich durch eine hohe Zugfestigkeit und Bruchdehnung infolge der kugeligen Grafitausbildung sowie eine gute Korrosionsbeständigkeit aus. Duktiles Gusseisen kann bezüglich seiner bruchmechanischen Eigenschaften mit Baustählen mit mittlerer Kerbschlagarbeit, nicht jedoch mit hochwertigen Stählen verglichen werden. Bei einer ausreichenden Auslegung ergibt sich jedoch kein wesentlicher Sicherheitsverlust gegen Bruchversagen. Derartige Rohre können theoretisch Drücken bis zu etwa 400 mWS problemlos standhalten. Heute werden Rohre aus duktilem Gusseisen im Schleuderverfahren und Formstücke im Formguss hergestellt. Üblicherweise werden die Rohre außen mit einem Zinküberzug und einer Deckbeschichtung und innen mit einer Zementmörtel- oder bituminösen Auskleidung als Korrosionsschutz ab Werk versehen. Da dieser Werkstoff nur mit speziellen Zusatzwerkstoffen auf Nickelbasis oder mit besonderen Verfahren schweißbar ist, werden die Rohrschüsse analog den Stahlrohrleitungen (s. Abb. 8.1) vor allem über Muffen- und Flanschverbindungen zusammengeschlossen. 8.1.3

Betonrohre

Bei der Nutzung relativ kleiner Fallhöhen können in Wasserkraftanlagen auch Druckrohre aus Stahl- und Spannbeton eingesetzt werden. Sie können sowohl überschüttet als auch freiliegend verlegt werden. Beide Rohrtypen eignen sich gut für die industrielle Vorfertigung, der allerdings durch die Transportmöglichkeiten Grenzen gesetzt sind.

230

8 Druckrohrleitungen

Stahlbetonrohre dürfen bis zu einem Bemessungsdruck von 20 bar (2000 kPa) bzw. 200 mWS eingesetzt werden. Ab einem Bemessungsdruck größer 3 bar müssen je ein innerer und ein äußerer Bewehrungskorb angeordnet werden, die beide aus einer Ring- und Längsbewehrung bestehen, wobei letztere auch vorgespannt werden kann. Die Mindestdruckfestigkeit des Betons muss nach 28 Tagen mindestens 35 N/mm2 betragen. Für die Bemessung maßgebend ist die DIN EN 640 [8.7]. Charakteristisch für das Spannbetondruckrohr ist die Vorspannung der Ringbewehrung. Die Längsbewehrung kann je nach statischen Erfordernissen vorgespannt oder schlaff ausgeführt werden. Zur Herstellung der Ringbewehrung stehen zwei Verfahren zur Verfügung. Fertigungstechnisch einfacher ist es, auf die Außenseite eines Kernrohres die Ringbewehrung mit einer vorgegebenen Vorspannung aufzuwickeln und an den Enden sicher zu verankern. Anschließend wird zum Schutz des Stahls die Bewehrung mit dichtem Mörtel oder Beton beschichtet. Bei dem zweiten Verfahren wird ein Bewehrungskorb aus hochfestem Stahl in die Rohrwand eingebettet und nach dem Betonieren durch hydraulische Dehnung vorgespannt, solange der Beton noch frisch ist. Die Mindestdruckfestigkeit des Betons muss beim Aufbringen der Umfangsvorspannung mindestens 27 N/mm2 und nach 28 Tagen mindestens 35 N/mm2 betragen. Alle Rohre müssen auf Dichtigkeit geprüft werden. Eine sehr verbreitete Rohrverbindung für die vorgefertigten Betonrohre ist der Muffenstoß mit Rollring- oder Gleitringdichtungen aus Elastomeren. Da es sich bei den Rohren aus Beton um starre Elemente aus relativ sprödem Material handelt, muss der sorgfältigen Ausbildung und Herstellung der Stoßverbindung große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Auch bei ungleichmäßigen Setzungen muss die Dichtigkeit der Rohrverbindung erhalten bleiben, ohne dass eine Überbeanspruchung des Rohres selbst auftreten darf. Von erheblicher Bedeutung sind die langfristige Unempfindlichkeit des Dichtungsmaterials gegen Temperaturschwankungen des Wassers und gegen Versprödung. In Frankreich wurden in den letzten Jahren einige Druckrohrleitungen aus Ortbeton mit lastverteilendem Innenfutter ausgeführt [8.8]. Sie können unter Umständen insbesondere bei großen Durchmessern eine wirtschaftliche Alternative zur Stahlleitung sein. Das Futter dient bei der Herstellung der Rohrleitung als verlorene Schalung. Über Kopfbolzen oder eine entsprechende Bewehrung wird der Verbund zwischen Futter und Beton hergestellt. Bei Betonrohren ist auf die Widerstandsfähigkeit gegen chemische Angriffe zu achten. Basisch reagierende und schwach saure Flüssigkeiten stellen keine Gefährdung des ebenfalls basischen Zementsteins dar, so dass bei den meisten Triebwasser-, Grundwasser und Bodenverhältnissen keine besonderen Maßnahmen ergriffen werden müssen. Genauere Angaben über die Stärke des chemischen Angriffes von Wässern und Böden auf Beton gibt DIN 4030 [8.9]. 8.1.4

Rohre aus glasfaserverstärktem Kunststoffharz

Rohre aus glasfaserverstärktem Kunststoffharz (GFK) bestehen aus einem Verbundwerkstoff aus Polyesterharz, Glasfasern und Quarzsand. Den Glasfasern kommt dabei die Aufgabe der Abtragung der aus Innendruck und Biegung entstehenden Zugspannungen zu. Hierbei sind die Fasern in den Randzonen der

8 Druckrohrleitungen

231

Rohrwandung konzentriert, da dort die höchsten Spannungen auftreten. Der dazwischen liegende Quarzsandkern, der entweder im Schleuder- oder im Wickelverfahren hergestellt wird, erhöht die Ringsteifigkeit des Rohres und wird mit Polyesterharz gebunden, welches während des Produktionsprozesses zu einer duroplastischen Kunststoffmatrix vernetzt (s. Abb. 8.2a). Die Glasfasern werden einerseits als endlose Faser im Winkel von etwa 90° zur Rohrachse aufgewickelt, andererseits als Kurzfasern beigegeben. Geschützt werden diese Faserlagen durch harzreiche abriebfeste Deckschichten an der Rohraußen- und Innenseite, die zusätzlich zu einer geringen Rauheit führen. Heute werden GFK-Rohre standardmäßig mit Durchmessern ”3,0 m und Rohrschusslängen ”12,0 m sowie für Drücke bis zu ca. 300 mWS hergestellt, wobei mit steigenden Drücken der Glasfaseranteil zunimmt. Deckschicht mit Vlies (harzreiche Außenschicht) Verstärkungsfasern außen quarzgefüllter Versteifungskern (Strukturschicht) Verstärkungsfasern innen (Wirrfaserschicht) Deckschicht mit Vlies (harzreiche Innenschicht)

a Doppelmuffe

Rohr 1

b Abb. 8.2:

Rohr 2

c a) Aufbau der GFK-Rohrwandung; b) Doppelmuffen-Kupplung, c) Montagekupplung [nach 8.10]

Durch die duroplastische Verbundkonstruktion wird eine hohe Stabilität bei geringem Eigengewicht erreicht. GFK-Rohre zeichnen sich des Weiteren durch eine hohe Korrosions-, Alterungs-, Temperatur- und Säurebeständigkeit sowie eine geringe Inkrustationsneigung aus. Darüber hinaus besitzen sie günstige Strömungsund Druckstoßeigenschaften. Von Nachteil ist die Schlagempfindlichkeit gegenüber stärkeren Stoß- oder Schlagbeanspruchungen, die zwar nicht zum Versagen, jedoch zu Haarrissen führen können. GFK-Rohre werden normalerweise eingeerdet verlegt, wobei vor allem während der Bauphase aufgrund des geringen Eigengewichtes die leeren bzw. entleerten Rohrleitungen durch Auftrieb gefährdet sind, so dass ein rasches Verfüllen der Rohrtrasse ratsam ist. Bei GFK-Druckrohrleitungen in Wasserkraftanlagen nehmen die Druckstufen üblicherweise entsprechend dem Druckanstieg im Verlauf der Leitung zu, wobei der gleiche Kupplungstyp beibehalten werden kann.

232

8 Druckrohrleitungen

Es stehen zahlreiche Möglichkeiten zum Verbinden der GFK-Rohrschüsse zur Verfügung: - Doppelmuffen-Kupplung: Hierbei werden zwei GFK-Rohre durch einen umschließenden, hülsenförmigen Kupplungskörper verbunden. Die Aufgabe der Fixierung und Abdichtung erfüllen in den Nuten der Kupplung befindliche Elastomer-Ringe (s. Abb. 8.2b). Die zu verbindenden Rohre werden axial in den Kupplungskörper gepresst. - Montagekupplung: Die für Dichtheit und Fixierung erforderliche Radialpressung wird durch Spannen des Kupplungskörpers über Schrauben erreicht (s. Abb. 8.2c), wodurch die Verwendung axial wirkender Montagewerkzeuge entfällt. - Laminatverbindung: Durch mehrere Lagen auflaminierter Vliesmatten werden die Rohrstücke auf der Außenseite und bei Erreichbarkeit auch auf der Innenseite miteinander verbunden. - Flanschverbindungen: Beim Übergang zu anderen Rohrwerkstoffen oder für den Anschluss an Armaturen kommen Los- und Festflansche üblicher Bauart in Frage. Formteile werden entweder aus GFK-Rohrstücken zusammengefügt, deren Stoßflächen überlaminiert werden, oder monolithisch gewickelt. Neben Standardformteilen können auf diese Weise auch Sonderformteile hergestellt werden. Bei schwierigen Verhältnissen wird häufig auch auf Stahlformteile übergegangen. 8.1.5

Holzrohre

Holzrohre stellen die älteste Bauweise zur Beförderung von Flüssigkeiten und darunter insbesondere Wasser dar. Die ersten Rohre der Menschheit waren sogenannte Deicheln, bei denen es sich um ausgebohrte Baumstämme handelt, die mit Hilfe von stirnseitig eingeschlagenen Eisenringen zu einer Leitung verbunden wurden. Bei den modernen, auch heute noch eingesetzten Holzrohren handelt es sich fast ausschließlich um Daubenrohre. Analog dem Aufbau eines Fasses werden bei dieser Bauart die Dauben, d. h. einzelne, meist mit Nut und Feder versehene Bohlen mit spannbaren Stahlringen zu einem Rohr zusammengefügt (s. Abb. 8.3). Die am häufigsten verwendeten Holzsorten sind aufgrund des hohen Harzgehaltes Kiefer, Lärche oder Douglasie, die gegen Säuren und milde Basen mit pHWerten zwischen 2 und 11 beständig sind. Der Widerstand gegen Abrieb ist durch die Faserstruktur und Elastizität des natürlichen Materials sehr gut. Durch die Holzfeuchte während des Betriebes ist eine hohe Resistenz gegen Verrottung gegeben, so dass besonders bei unterirdisch verlegten Leitungen mit einer sehr hohen Lebensdauer von bis zu 100 Jahren gerechnet werden kann. Umgekehrt ist darauf zu achten, dass die Leitungen bei Stillständen mit Entleerungen nie gänzlich austrocknen. Auf der Innenseite des Rohres bildet sich relativ rasch eine natürliche schleimige Schicht, welche die Reibungsverluste und die Inkrustation minimiert.

8 Druckrohrleitungen

a Abb. 8.3:

233

b Aufbau eines Holzrohres: a) Dauben mit Nut und Feder sowie Stoß, b) Spannringe

Die einzelnen Stöße der Dauben werden wie bei einem Mauerwerk versetzt, wodurch ein Rohr beliebiger Länge entsteht, dessen Linienführung den natürlichen Gegebenheiten angepasst werden kann und keine spezielle Rohrauflager und Bettung erfordert. Auf diese Weise kann auf die stets kritischen Verbindungselemente, wie beispielsweise Kupplungen, verzichtet werden. Des Weiteren erübrigen sich aufgrund des geringen Dehnungskoeffizienten des Holzes in Rohrachsenrichtung Dehnungsausgleicher. Infolge des Quellens des feuchten Holzes ist keine zusätzliche Dichtung zwischen den einzelnen Dauben notwendig. Lediglich bei extremen Druckverhältnissen werden die Stirnseiten der Bohlen mit Metallelementen verbunden. Zur Erleichterung des Einbaus werden die Nuten und Federn der Dauben mit Talg o. Ä. eingestrichen. Die aus dem Innendruck entstehenden Ringspannungen werden durch die Stahlringe aufgenommen. Da diese Ringe einen Mindestabstand zueinander aufweisen müssen, wird durch diesen Abstand die Druckfestigkeit der Holzleitung bestimmt. Bei Wasserkraftanlagen werden Holzrohre vor allem im Bereich der Kleinwasserkraftanlagen erfolgreich eingesetzt, wobei sich eine Fallhöhenbeschränkung auf rund 40 m als vorteilhaft erwiesen hat, um noch eine ausreichende Sicherheitsreserve bei Druckschwankungen nach beispielsweise einem Lastabwurf zur Verfügung zu haben. Druckhöhen über 100 mWS sind bisher nur in seltenen Fällen ausgeführt worden und führen an die Grenzen dieser Materialkombination. Bedingt durch die Konstruktionsweise ist der mögliche Kurvenradius nach unten hin abhängig vom Rohrdurchmesser begrenzt, wobei üblicherweise ein minimaler Kurvenradius von ca. 60 · d hergestellt werden kann. 8.2

Hydraulische Bemessung von Druckrohrleitungen

8.2.1

Hydraulische Grundlagen

Bei der Bemessung einer Druckleitung unter hydraulischen Gesichtspunkten stellt sich zunächst die Frage nach der geeigneten Rohrnennweite. Für die Wahl des Durchmessers sind dabei vorrangig wirtschaftliche Aspekte maßgebend. Wie im Kapitel 3.3 dargestellt, kann aus der Gegenüberstellung der Investitionssumme und

234

8 Druckrohrleitungen

Betriebskosten und der Energieproduktion die Wirtschaftlichkeit einer Anlage und damit der wirtschaftlichste Durchmesser gefunden werden. Des Weiteren können die Erosionswirkungen durch im Triebwasser enthaltene Feststoffe und aus der Turbinenregelung herrührende dynamische Fließvorgänge die maximale Strömungsgeschwindigkeit einschränken (siehe Kapitel 8.3). Ist das Triebwasser ausreichend entsandet und werden auf das Leitungssystem abgestimmte Anlaufzeiten der hydraulischen Maschinen und Schließgesetze eingehalten, sind diese Einwirkungen jedoch meist nicht relevant. Die sich aus der Wirtschaftlichkeitsrechnung ergebenden Fließgeschwindigkeiten in Rohrleitungen liegen im Regelfall zwischen: v = 1-7 m/s (8.1) wobei diese bei langen und flachen Rohrleitungen im unteren und bei steilen und mit größerem Durchmesser versehenen Rohrleitungen im oberen Bereich liegen. Im folgenden wird die für den Betriebsfall maßgebende Fließgeschwindigkeit im Rohr als bekannt angenommen. Der erforderliche Rohrdurchmesser di ergibt sich aus der Kontinuitätsgleichung (2.10) zu: di = 4 ⋅ Q = 1,128 ⋅ Q π v v di

[m]

(8.2)

Rohrinnendurchmesser

[m]

Unter Annahme eines stationären gleichförmigen Abflusses lässt sich die Verlusthöhe hv,r in einer Druckrohrleitung bzw. einem Druckstollen infolge Reibung in einer ausreichenden Näherung wiederum aus der Gleichung (2.8) in Verbindung mit der Gleichung (6.5) bestimmen, die für Kreisquerschnitte folgendermaßen lautet: hv ,r = λ ⋅

L v2 L 8 ⋅ Q2 8 ⋅ λ ⋅ L ⋅ Q2 ⋅ = λ⋅ ⋅ = d hy 2g di g ⋅ π2 ⋅ di4 g ⋅ π2 ⋅ di5

[m]

(8.3)

Der Verlustbeiwert λ ist, wie im Kapitel 6.1 bereits erläutert, eine Funktion der relativen Rauheit ε der Rohrwandung und der Reynolds-Zahl Re. Nach den grundlegenden Forschungen von NIKURADSE und PRANDTL lässt der Einfluss der Reynolds-Zahl mit ihrem Ansteigen nach, und ab Re > 100.000 kann sie bei der Ermittlung von λ gänzlich unberücksichtigt bleiben. Es liegt dann also nur noch eine Abhängigkeit von der relativen Rauheit ε vor. In laminaren Rohrströmungen ergibt sich gleichermaßen wie für Rechteckgerinne (s. Gleichung (6.4)) für λ eine lineare Abhängigkeit von Re in der Form: λ=

64 Re

[-]

(8.4)

Für den Übergangsbereich „glatt-rau“ und den „rauen“ Bereich kommt die semiempirische Gleichung (6.2) nach COLEBROOK-WHITE zur Anwendung. Da in Druckrohrleitungen von Wasserkraftanlagen der Wert Re = 105 in der Regel bei weitem überschritten wird und somit nur der „hydraulisch raue“ Bereich zu betrachten ist, vereinfacht sich die Gleichung (6.2) mit den Werten für die äqui-

8 Druckrohrleitungen

235

valente Rauheit k aus Tabelle 6.3 für einen vollständig gefüllten Kreisrohrquerschnitt (hier: dhy = di) zu: ª k d hy º ª ε º = −2 log « = −2 log « » [-] » λ ¬ 3,71 ¼ ¬ 3,71 ¼

1

(8.5)

Zur Ermittlung des Widerstandsbeiwertes λ bei Rohrleitungen kann auch das Diagramm nach NIKURADSE-MOODY herangezogen werden, das in Abb. 8.4 wiedergegeben ist. 10

-1

voll rau

8

-2 k/d = 5 10 4

6

3 2 1,5

4

-2

10

8 6

64/Re

4 2

glatt

2

laminar

10

Rekrit

-2

2 1

= - 2 log

2,51 Re

k/d 3,71

6 8

2

10 10

Abb. 8.4:

3

2

4

6 8 10

4

2

4

10

5

-4 5

-3 8 10 8

8 6 4

turbulent 10

10

-3

4

6 8 10

6

2

4

6 8 7 10

2

2

-5

6 8 8 10 Re = v d / 4

λ-Re-Diagramm nach NIKURADSE-MOODY [8.11]

Aus der Gleichung (8.3) wird deutlich, dass für den gleichen Durchfluss Q bei einer Verteilung desselben auf mehrere Rohrleitungsstränge größere Reibungsverluste entstehen. Aus diesem Grund ist man im Regelfall bestrebt, die Anzahl der Rohrstränge gering zu halten bzw. mit nur einem Druckrohr auszukommen. Bei mehreren Turbinenaggregaten wird deshalb ein Verteilrohrsystem notwendig (s. Kapitel 10), dessen Energieverlusthöhe dennoch geringer und dessen Wirtschaftlichkeit meist höher als die mehrerer Einzelstränge sind. Gleichzeitig sind natürlich den Abmessungen der Einrohrleitung fertigungstechnische Grenzen gesetzt. Grundsätzlich kann der Ausgangsbedingung, dass der Einrohrstrang den gleichen Triebwasserdurchfluss wie n einzelne Rohrleitungsstränge zu fördern habe, durch die Wahl von Rohrdurchmessern entsprochen werden, die entweder gleiche Geschwindigkeiten oder gleiche Reibungsverluste gewährleisten. In der Tabelle 8.2 sind verschiedene Parameter für Einrohr- und Mehrstrangleitungen unter Zugrundelegung dieser beiden Voraussetzungen gegenübergestellt.

236

8 Druckrohrleitungen

Das heißt beispielsweise, dass bei einer 2strängigen Leitung bei gleicher Fließgeschwindigkeit wie in der Einrohrleitung mit den n = 2 -fachen Reibungsverlusten hv,r zu rechnen ist. Tabelle 8.2: Vergleich von Einrohr- und Mehrstrangleitungen Mehrstrangleitung mit n Strängen

Einrohrleitung

bei gleichen Geschwindigkeiten Fördermenge Rohrdurchmesser Geschwindigkeit Reibungsverlust Wanddicke Gesamtgewicht

Q d

n ⋅ (Q / n) = Q d / n1/2

bei gleichen Verlusten n ⋅ (Q / n) = Q d / n2/5

v

v

v / n1/5

hv,r s G

hv,r ⋅ n1/2 s / n1/2 G

hv,r s / n2/5 G ⋅ n1/5

Die in der Rohrleitung auftretenden örtlichen Verluste infolge der Veränderung der Strömung und deren Richtung, an z. B. Einbauteilen, Formstücken und Armaturen, sind allein von der Geometrie abhängig und können durch hydraulisch günstige Gestaltung und Verringerung von Strömungsablösungen (Ausrundungen, allmähliche Übergänge) erheblich vermindert werden. Rauheit und Zähigkeitseinflüsse, die durch die Reynolds-Zahl beschrieben werden, haben hier keinen direkten Einfluss. d

SH

b

a Abb. 8.5:

rm

v

d

b

b

v

a) Kreisrohrkrümmer; b) Kreisrohrkniestück [nach 8.12]

Die durch die Richtungsänderung in Kreisrohrkrümmern und Kreisrohrkniestücken (s. Abb. 8.5) hervorgerufene Sekundärströmung erzeugt Umlenk- bzw. Krümmungsverluste hv,k, die sich aus (2.8) mit dem Verlustbeiwert ζk (s. Tabelle 8.3) ergeben, die wie auch bei den Freispiegelleitungen nicht nur auf den unmittelbaren Umlenkungsbereich beschränkt sind, jedoch im Umlenkungsbereich zu einem Wert zusammengefasst werden. Die Angaben für Kreisrohrkrümmer in der Tabelle 8.3 gelten für glatte Rohre, so dass zusätzlich für die Krümmerlänge der Reibungsverlust entsprechend berücksichtigt werden muss.

8 Druckrohrleitungen

237

Tabelle 8.3: Verlustbeiwerte ζk in Abhängigkeit vom Umlenkungswinkel β für Kreisrohrkrümmer und Kreisrohrkniestücke [8.12]

rm/d = 2 3 5 10 Kreisrohrkniestücke glatt rau Kreisrohrkrümmer

10° ----0,034 0,044

20° 0,030 0,030 0,030 0,030 0,042 0,062

Umlenkungswinkel β 22,5° 30° 45° 0,045 0,060 0,090 0,045 0,055 0,080 0,045 0,050 0,070 0,045 0,050 0,070 0,066 0,130 0,236 0,154 0,165 0,320

60° 0,120 0,100 0,080 0,070 0,471 0,684

90° 0,140 0,130 0,110 0,110 1,129 1,265

Die Verluste an Verzweigungen, die im nachfolgenden Kapitel 10 genauer beschrieben werden, bei Abzweigen oder Vereinigungen sind von dem Abzweigwinkel δ, dem Verhältnis der Durchflüsse und Durchmesser sowie der Formgestaltung des Verzweigungsbereiches abhängig. Wie auch bei den Freispiegelleitungen (s. Abb. 5.13) ergibt sich der Verzweigungsverlust im Hauptstrang hv,zd und der Verzweigungsverlust im Abzweig hv,za mit den in Tabelle 8.4 wiedergegebenen Verlustbeiwerten ζzd bzw. ζza für den häufigsten Fall der gleichen Durchmesser in allen Strängen (d = da) aus der Gleichung (2.8). In beiden Fällen wird die Geschwindigkeit v im Hauptstrang als Bezugsgröße herangezogen. Tabelle 8.4: Verlustbeiwerte für scharfkantige Kreisrohrverzweigungen mit gleichen Durchmessern (d = da) für unterschiedliche Abzweigwinkel δ [8.12]

Qa/Q 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

ζza

δ = 90°

0,95 0,88 0,89 0,95 1,10 1,28

Abzweig

δ = 45°

ζzd

ζza

0,04 -0,08 -0,05 0,07 0,21 0,35

0,90 0,68 0,50 0,38 0,35 0,48

Vereinigung

δ = 90°

ζzd

ζza

0,04 -0,06 -0,04 0,07 0,20 0,33

-1,20 -0,40 0,08 0,47 0,72 0,91

ζzd

0,04 0,17 0,30 0,41 0,51 0,60

δ = 45° ζza ζzd

-0,92 -0,38 0 0,22 0,37 0,37

0,04 0,17 0,19 0,09 -0,17 -0,54

Die negativen Verlustbeiwerte zeigen auf, dass in einigen Sonderfällen ein Energiegewinn infolge der Strömungsbeeinflussung auftritt; letztlich ist an der Rohrverzweigung jedoch ein Energieverlust zu verzeichnen. Vielfach werden im Wasserbau auch symmetrische Y-Verzweigungen, die sogenannten Hosenrohre, eingesetzt, die in der Regel gleich beaufschlagt werden (Qa/Q = 0,5). Im Wesentlichen unterscheidet man zwei Ausführungstypen: die ausgerundeten (s. Abb. 8.6a) und die scharfkantigen Hosenrohre (s. Abb. 8.6b). Die jeweiligen Verlustbeiwerte ζza, bezogen auf die Geschwindigkeit v vor der Verzweigung, sind in der nachfolgenden Tabelle 8.5 aufgeführt.

238

8 Druckrohrleitungen

Tabelle 8.5: Verlustbeiwert ζza für symmetrisch beaufschlagte Hosenrohre [8.12]

rm/d

ausgerundet

0,5 1,10 10° 0,11

ζza

δ

scharfkantig

ζza

0,75 0,60 30° 0,3

1,0 0,40 45° 0,7

A2/d2 SH

Q/v d

c

Abb. 8.6:

A1/d1

d

v2

v1 1

2

A1/d1

rm

A2/d2

SH

d

d

2,0 0,20 90° 1,4

Q/v

d

Qa/va

1,5 0,25 60° 1,0

a

d Qa/va

Qa/va

v1

d

d

b

Qa/va

d 2 v2

d

1

a) ausgerundetes Hosenrohr; b) scharfkantiges Hosenrohr; c) Rohrerweiterung; d) Rohrverengung [nach 8.12]

Des Weiteren sind noch die Verluste aus Querschnittsänderungen zu nennen, wobei man in Rohrleitungen bei Wasserkraftanlagen bestrebt ist, nur stetige Veränderungen zuzulassen, da sie im Gegensatz zu den plötzlichen Querschnittsänderungen nur geringe Verluste verursachen. Für Rohrerweiterungen (s. Abb. 8.6c) und Rohrverengungen (s. Abb. 8.6d) lässt sich der Verlustbeiwert ζq, bezogen auf v2, über den Korrekturbeiwert cq errechnen: ζ q = cq ⋅ ( 1 − A2 A1 ) cq

2

[-]

(8.6)

Korrekturbeiwert für Querschnittsänderungen [-] konische Erweiterung: Optimum bei δ = 8°: cq = 0,1 ÷ 0,2 cq = 0,3 ÷ 0,4 für δ = 15°: cq = 1,0 ÷ 1,2 für δ ≥ 30°: cq = 1,0 ÷ 1,2 rechtwinklige Erweiterung: cq = 0,0 ÷ 0,1 konische Verengung: für δ ≤ 30°: cq = 0,4 ÷ 0,5 rechtwinklige Verengung:

Darüber hinaus sollten die folgenden weiteren örtlichen Verluste gegebenenfalls berücksichtigt werden: - Einlaufverluste s. Abb. 5.10; - Rechenverluste s. Kapitel 5.2.1.2; - Verluste infolge von Verschlussorganen s. Kapitel 12. Der Gesamtverlust ergibt sich bekanntlich aus der Summe der Rauheits- und örtlichen Verluste nach Gleichung (2.9). 8.2.2

Wirtschaftlich optimaler Rohrdurchmesser

Bei der Festlegung des wirtschaftlichsten Durchmessers einer Druckrohrleitung als Bauteil einer Wasserkraftanlage ist zu beachten, dass einerseits mit ansteigender Nennweite infolge geringerer Reibungsverluste die Energieausbeute größer wird

8 Druckrohrleitungen

239

und damit die Erzeugungskosten sinken, andererseits steigen mit wachsendem Durchmesser gleichzeitig die Investition und Unterhaltungskosten an. Um den ökonomisch günstigsten Durchmesser zu bestimmen, muss das Minimum der aus diesen verschiedenen Kostenanteilen resultierenden Energiekosten gefunden werden, wobei bekanntlich die zeitliche Entwicklung von Ertrag und Aufwand von entscheidender Bedeutung ist. Die Investitionssumme einer Rohrleitung IR ist proportional zu deren Rohrgewicht, das sich überschlägig berechnet zu: GR = ρ R ⋅ π ⋅ d m ⋅ s ⋅ l

[t]

(8.7)

Damit ergibt sich die Rohrleitungsinvestition IR unter Berücksichtigung eines Erhöhungsfaktors ae für Zubehör, Bauarbeiten etc. und des Einheitspreises KR des Rohrmaterials zu: I R = ae ⋅ K R ⋅ GR [€]

(8.8)

Die Betriebskosten KB werden vereinfachend als prozentualer Anteil der Investition angesetzt, die sich mit der jährlichen Steigerungsrate s erhöhen. Der Barwert WB der gesamten über die Nutzungsdauer anfallenden Betriebskosten KB ergibt sich aus (3.4c) zu: WB = K B ⋅ ads = I R ⋅ aB ⋅ ads [€]

(8.9)

Damit erhält man die jährliche Tilgungsrate (Annuität) A aus (3.5) zu: A = ( I R + WB ) ⋅ a = I R ⋅ a + ( I R ⋅ aB ⋅ ads ) ⋅ a = I R ⋅ a ⋅ ( 1 + aB ⋅ ads ) [€]

(8.10)

Die jährlich erzeugte Energie E berechnet sich nach (2.15), allerdings vereinfachend unter alleiniger Berücksichtigung der Reibungsverluste hv,r nach (8.3) und damit ohne den totalen Wirkungsgrad ηtot, zu: § 8 ⋅ λ ⋅ Q2 ⋅ l · E = ρw ⋅ g ⋅ Q ⋅ t J ⋅ ( h f − hv ,r ) = ρw ⋅ g ⋅ Q ⋅ t J ⋅ ¨ h f − ¸ [kWh/a] g ⋅ π2 ⋅ d 5 ¹ © GR

ρR

dm s l IR ae KR WB KB aB tJ

Rohrleitungsgewicht Rohrmaterialdichte mittlerer Rohrdurchmesser erforderliche Wanddicke des Rohres, s. Kapitel 8.4.1 Länge der Rohrleitung Rohrleitungsinvestition Erhöhungsfaktor für Zubehör, Bauarbeiten etc. Einheitspreis des Rohrmaterials Barwert der Gesamtbetriebskosten Betriebskosten prozentualer Anteil der Betriebskosten jährliche Nutzungsdauer

(8.11)

[t] [t/m3] [m] [m] [m] [€] [-] [€/t] [€] [€] [-] [h/a]

Als weiteren Eckwert benötigt man den mindestens erforderlichen Rohrdurchmesser derf, der beim gegebenen Rohrmaterial für den geforderten Abfluss vorhanden sein muss. Diesen erhält man durch Auflösen der Gleichung (8.3) nach d, anschließendem Einsetzen des Reibungsbeiwertes λ nach (6.2) für den Übergangsbereich „glatt-rau“ oder nach (8.5) für den hydraulisch „rauen“ Bereich sowie iterativem Lösen dieser Gleichung.

240

8 Druckrohrleitungen

Schließlich sind auch noch die aus der Strömungsgeschwindigkeit resultierenden Grenzdurchmesser von Interesse. Den unteren Grenzdurchmesser dun, der größer als der erforderliche Rohrdurchmesser sein muss, erhält man durch Einsetzen der oberen Grenzgeschwindigkeit (s. z. B. (6.26)) in die Gleichung (8.2). Den oberen Grenzdurchmesser dob erhält man gleichermaßen durch Einsetzen der unteren Grenzgeschwindigkeit (s. Kap. 7.2.2), bei der Ablagerungen vermieden werden. Mit Hilfe der spezifischen Energiekosten c nach (3.13), die sich aus dem Quotienten zweier vom Durchmesser d abhängigen Funktionen, der Annuität A (8.10) und der Jahresenergieproduktion (8.11), ergeben, lässt sich über ein Optimierungsmodell dann nach Abgrenzung durch den oberen und unteren Grenzdurchmesser der wirtschaftlichste Rohrdurchmesser ermitteln. Eine analoge Betrachtung für Druckstollen und Druckschächte ist in Kapitel 9.2 zu finden. 8.3

Dynamische Strömungsvorgänge - Druckstöße in Rohrleitungen

Einsträngige und mehrsträngige Triebwasserleitungen mit zusätzlichen Verzweigungsleitungen, die zu aus Turbinen bzw. Pumpen bestehenden Maschinensätzen führen, bedürfen weiterer Leitungskomponenten. Diese sind Regel- und Verschlussorgane, die sog. Armaturen, ferner Be- und Entlüftungsventile, Überdruckventile, Wasserschlösser, Schwallkammern und Druckluftwasserkessel. Auch Schwungräder bei Pumpenaggregaten zählen hierzu, ebenso Durchfluss- und Druckmessgeräte. Für diese Komplexität sicherer Anlagensysteme sind stationäre und instationäre Strömungsabläufe zu berücksichtigen, die sich aus Schließ- und Öffnungsvorgängen hydraulischer Maschinen sowie eingesetzter Schieber und Ventile bis hin zum plötzlichen Abschalten der Maschinensätze ergeben. Bei jeder Geschwindigkeitsänderung in durchflossenen Gerinnen oder Rohrleitungen entstehen Druckschwankungen. Während in einem offenen Gerinne bei plötzlicher Durchflussänderung ein Ausgleich der Bewegungsenergie durch ein Anheben bzw. Absenken des Wasserspiegels (Schwall- bzw. Sunkwelle) erfolgt, entsteht bei geschlossenen Druckrohrleitungen ein Ausgleich der Bewegungsenergie durch die Elastizität der Rohrwandungen und des Wassers selbst. Dies bedeutet bei einer Verzögerung der Fließgeschwindigkeit eine Umwandlung der Bewegungsenergie in Druckenergie (Druckstoß). Der Druckstoß ist demnach eine Folge derjenigen Kraft, welche die träge Flüssigkeitsmasse der Änderung ihres Bewegungszustandes entgegensetzt. Bei einer Beschleunigung wird Lageenergie in Bewegungsenergie umgesetzt. Diese plötzlichen Druckänderungen in einer Rohrleitung können erhebliche Größen annehmen und sind bei der Bemessung unbedingt zu berücksichtigen. In Rohrleitungen, die vollständig mit einer Flüssigkeit gefüllt sind, kommt es insbesondere dann zu Druckstößen, wenn Absperr- oder Regelorgane betätigt bzw. Turbinen und Pumpen ein- und ausgeschaltet werden. Druckstöße treten auch beim zu schnellen Füllen von Rohrleitungen, bei ungenügender Entlüftung, beim pulsierenden Austritt von größeren Luftansammlungen aus Druckleitungen, bei unregelmäßiger Förderung von Pumpen als Folge ungenügender Saugrohrentlüftung und bei Kavitationserscheinungen auf.

8 Druckrohrleitungen

241

Sinkt in einer Rohrleitung der Strömungsdruck unter den Dampfdruck des Fördermediums ab, wird der Flüssigkeitsstrom getrennt, und es entsteht Kavitation (s. a. Kapitel 12.2.5). Hierbei kommt es nicht nur zur Verdampfung des Mediums, sondern es kann zusätzlich eine Entgasung durch Austritt beispielsweise von Luft aus der Flüssigkeit (z. B. Wasser) geschehen, sofern der Flüssigkeitsdruck auch noch unter den Sättigungsdruck der gelösten Luft abgesunken ist. In diesem Fall unterscheidet man die Gaskavitation von der Dampfkavitation. Erstere kann zu Blasenwolken führen und einen Dämpfungseffekt, d. h. eine Reduktion der Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit und der Druckstoßentwicklung, auslösen. Im Falle einer Dampfkavitation ist bei einem Aufreißen des Flüssigkeitsstromes die Gefahr gegeben, dass mit Druckanstieg die ursprünglich getrennten Flüssigkeitssäulen wieder zusammenschlagen, der entstandene Hohlraum wieder geschlossen wird und hierbei es zu heftigen Druckstößen kommt. Abhilfe schaffen Be- und Entlüftungsventile, die an Leitungshochpunkten eingefügt sind und automatisch arbeiten. Beim Absinken des Flüssigkeitsdruckes auf den normalen Luftdruck wird durch einen größeren Öffnungsquerschnitt Luft zur Vermeidung von Unterdruck eingesogen mit der Folge einer beachtlichen Dämpfung der ursprünglichen Druckpendelungen. Im entgegen gesetzten Falle eines Druckanstieges wird die in der Rohrleitung am Hochpunkt angesammelte Luftmenge durch einen nunmehr verkleinerten Austrittsquerschnitt nach außen allmählich abgeführt, womit die ursprünglich getrennten Flüssigkeitssäulen wieder gedämpft sich bis zum Zusammenschlagen aufeinander zu bewegen. Bei langen Rohrleitungen und kurzen Regelzeiten müssen bei der Berechnung von Druckstößen die Kompressibilität der Flüssigkeit und die Elastizität der Rohrwand berücksichtigt werden, da es an der Störstelle (Regelorgan, Pumpe etc.) zu einer Dichteänderung, die sich mit der Druckwellengeschwindigkeit a im Rohr fortpflanzt, kommt. Daher spielen für den Nachweis der Betriebssicherheit auch unter extremen Belastungen über die stationären Nenndurchflüsse und Nenndrücke hinaus jene erheblichen Druckschwankungen eine Rolle, die sich aus den zeitabhängigen, d. h. instationären Betriebszuständen oder gar Betriebsstörungen einstellen können. Ebenso geht mit der Zuverlässigkeit des Rohrleitungssystems und seiner Sicherheitseinrichtungen die höchst mögliche wirtschaftliche Auslegung der genannten Anlagenteile einher. Dank der eindrucksvollen EDV-Entwicklung lassen sich diese vielfältigen Aufgabenstellungen über anspruchsvolle Simulationsmodelle und numerische Verfahren beherrschen und mit den der Anlagenplanung zugrunde liegenden, übersichtlichen Lösungswegen in die Praxis umsetzen[8.13]. Weitere, über die im Nachfolgenden genannten Grundlagen hinausgehende Angaben sind unter anderem bei FÖRSTER [8.14], GIESECKE [8.15], HORLACHER [8.13]/[8.16] und KOTTMANN [8.17] zu finden. 8.3.1

Druckwellengeschwindigkeit

Druckänderungen in Rohrleitungen führen zu einer Änderung der Längsspannung

σl und zu einer Ringspannung σϕ in der Rohrwand. Die Ringspannung in einer

242

8 Druckrohrleitungen

dünnwandigen Rohrleitung (da / di < 1,2) lässt sich nach der folgenden Beziehung berechnen: σϕ = σϕ

pi ⋅ di 2⋅s

[N/mm2]

(8.12) [N/mm2] [mm] [mm] [N/mm2]

Ringspannung in der Rohrwand Innendurchmesser Wanddicke Innendruckbelastung

di s pi

Für dünnwandige Rohrleitungen ist die Annahme einer gleichmäßig verteilten Spannung in der Rohrwand mit hinreichender Genauigkeit zulässig. Aus (8.12) ergibt sich mit dem Elastizitätsmodul des Rohres ER aus dem Hookeschen Gesetz (10.49) die Ringdehnung εr bei einer Druckänderung Δpi zu: εr = εr

σϕ ΔA 1 di ⋅ Δpi 2 ⋅ π ⋅ Δri 2 ⋅ π ⋅ ri ⋅ Δri = ⋅ = = = 2 ER ER 2 ⋅ s 2 ⋅ π ⋅ ri 2⋅ A 2 ⋅ π ⋅ ri

[-]

Dehnung in Ringrichtung Elastizitätsmodul des Rohres

ER

(8.13) [-] [N/mm2]

Durch Erweiterung von (8.13) mit dem Term 2ρ/Δpi und Umformung ergibt sich:

ρ ΔA 2 ⋅ρ § 1 di ⋅ Δpi · ρ ⋅ di ⋅ = ⋅¨ ⋅ ¸= Δpi A Δpi © ER 2 ⋅ s ¹ ER ⋅ s

[s2/m2]

(8.14)

Die elastische Verformung des Wassers in einem absolut starren Rohr ergibt sich zu: εw = εw

Ew

Δpi Ew

[-]

(8.15)

elastische Verformung des Wassers Elastizitätsmodul des Wassers

[-] [N/mm2]

Die durch eine Geschwindigkeitsänderung hervorgerufene Druckwelle wird durch die Deformation ε, die sich aus (8.13) und (8.15) zusammensetzt, erzeugt: ε= ε

Δpi Δp Δp ⋅ d = εw + εr = i + i i E Ew ER ⋅ s

[-]

Dehnung infolge Druckwelle

(8.16) [-]

Die Gleichung der Schallgeschwindigkeit aF für Longitudinalwellen in Flüssigkeiten lautet: a F= EF aF EF

ρF

ρF

[m/s]

Schallgeschwindigkeit für Longitudinalwellen in Flüssigkeiten Elastizitätsmodul der Flüssigkeit Dichte der Flüssigkeit

(8.17) [m/s] [N/mm2] [N/mm3]

8 Druckrohrleitungen

243

Die Schallgeschwindigkeit a0 in einem unendlich ausgedehnten Wasser bei 10 °C ergibt sich damit zu: a0 = Ew a0

ρw

9 = 2,1 ⋅ 10

10 3

= 1450 [m/s]

(8.18)

Schallgeschwindigkeit in unendlich ausgedehntem Wasser (10 °C) [m/s]

Durch Kürzen von (8.15) mit Δpi und Erweitern mit ρ und unter der Berücksichtigung von (8.16) lässt sich die resultierende Druckwellengeschwindigkeit a in einem dünnwandigen elastischen Rohr wie folgt formulieren: 1 + EF ⋅ di 1 ρF ρ ⋅ ΔA 1 1 1 EF ⋅ d i ER s 2 2 = + = 2 + 2 = 2 + 2 = [s /m ] 2 2 EF A ⋅ Δpi aF aR aF aF ⋅ ER ⋅ s a aF a aR

Druckwellengeschwindigkeit Druckwellengeschwindigkeit des Rohres

(8.19)

[m/s] [m/s]

Aus (8.19) ergibt sich die Druckwellengeschwindigkeit a in einem elastischen Rohr zu:

a=

aF 1 + EF

ER

⋅ di

[m/s]

(8.20a)

s

Unter Berücksichtigung des Querdehnungseinflusses μ, der sich je nach Lagerungsart der Rohrleitung verändert, muss (8.20a) um den Faktor kq erweitert werden:

a=

kq

aF 1 + EF

ER

⋅ di

[m/s]

s

(8.20b)

⋅ kq

Faktor infolge Querdehnungseinfluss s. Tabelle 8.6

[-]

Durch den größer werdenden Faktor kq in (8.20b) wird die dämpfende Wirkung der Rohrleitungslagerung auf die Druckwellengeschwindigkeit deutlich. Sie ändert sich, wenn der Rohrinnendurchmesser di, die Wandstärke s des Rohres, die Einspannverhältnisse der Rohrleitung (Faktor kq) oder das Rohrmaterial (ER) variieren. An solchen Stellen kommt es zu Partialreflexionen und Transmissionen der Druckwellen. Des Weiteren kann bereits ein geringer freier Gasgehalt, d. h. Luft in Form von kleinen Bläschen, die Kompressibilitätseigenschaften des Triebwassers sehr stark verändern, so dass die Druckwellengeschwindigkeit bis auf einen Bruchteil des Wertes von reinem Triebwasser absinken und druckabhängig werden kann.

244

8 Druckrohrleitungen

Tabelle 8.6: Spannungen im Rohrmantel und Faktor kq infolge Querdehnungseinfluss Einspannverhältnis Leitung mit Dehnungsstücken Leitung einseitig eingespannt, ohne Dehnungsstücke, längs dehnbar Leitung beidseitig eingespannt, behinderte Längsdehnung

Längsspannung σl Ringspannung σϕ kq für μ = 0,3 0 (pi ⋅ di)/(2 ⋅ s) 1 - μ /2 = 0,85 (pi ⋅ di)/(4 ⋅ s) (pi ⋅ di)/(2 ⋅ s) 1,25 - μ = 0,95

(m ⋅ pi ⋅ di)/(2 ⋅ s)

1 - μ2 = 0,91

(pi ⋅ di)/(2 ⋅ s)

In Abb. 8.7 sind für verschiedene Rohrmaterialien (ER s. Tabelle 8.7) und für die drei möglichen Einspannverhältnisse der Leitung (s. Tabelle 8.6) die Druckwellengeschwindigkeiten über dem Verhältnis von Rohrdurchmesser d zur Wandstärke s aufgetragen. Tabelle 8.7: Elastizitätsmodule ER verschiedener Materialien Material Wasser Stahl Gusseisen Blei Beton Eternit PVC (hart) E-Modul [kN/m2] 2,1 × 106 210 × 106 100 × 106 17 × 106 30 × 106 30 × 106 2,5 × 106

1400

Dehnungsstücke vorhanden behinderte Längsdehnung Längsdehnung einseitig möglich

1300 1200 1100 1000

Stahl

900 800

Gusseisen

700

a [m/s] 600 500

Beton und Eternit

400

Blei

300 200

PVC - hart

100 0

Abb. 8.7:

d/s [-] SH

0

50

100

150

200

250

300

Druckwellengeschwindigkeit a in Wasserrohrleitungen aus unterschiedlichen Materialien [8.18]

8 Druckrohrleitungen

245

Vielfach ist es bei Stahlbetonrohren zweckmäßig, bei der Ermittlung der Druckwellengeschwindigkeit die Betonstärke durch Multiplikation mit dem Verhältnis der Elastizitätsmodule von Beton zu Stahl in ein äquivalentes Stahlrohr umzuwandeln, wobei noch die äquivalente Wandstärke der Bewehrung hinzuzuzählen ist. Das Verhältnis EB / ES liegt im Normalfall zwischen 1/10 und 1/15; ein Verhältnis 1/20 ist jedoch empfehlenswert, da bei Stahlbetonrohren stets mit Rissen im Beton zu rechnen ist. Bei dieser Verfahrensweise bleibt jedoch unberücksichtigt, dass die Spannungen in einem dickwandigen Rohr nicht wie in einem dünnwandigen gleichmäßig in der Rohrwand verteilt sind.

ER

EG

EG

sB

EB

d

ER a

sB

d

d

sB

d

s SH

c

b

Abb. 8.8:

EB

EG

d

Verschiedene Wasserleitungen: a) dickwandiges Rohr; b) Panzerstollen; c) betonierter Druckstollen; d) Felsstollen [8.18]

Für ein dickwandiges Rohr (s. Abb. 8.8a) ohne Beachtung der Einspannverhältnisse der Leitung errechnet sich die Druckwellengeschwindigkeit zu: a = Ew sB

ρw

1+ 2⋅

Ew ER

§ · di2 sB2 ⋅¨1 + ¸ ¨ 2 ⋅ ( 1 + di sB ) ¸¹ ©

[m/s]

(8.20c)

Betonwanddicke

[m]

Der Wert im Zähler in (8.20c) entspricht der Schallgeschwindigkeit für Wasser. Bei Stollen, die durch den Fels geschlagen sind, muss die Elastizität EG des Gebirges mit in den Ansatz gebracht werden, so dass für einen Panzerstollen (s. Abb. 8.8b) gilt: a = Ew

ρw

1+

Ew 1 E ⋅s + R 2 ⋅ ε di + 2 ⋅ s

[m/s]

(8.20d)

mit ε= ΕG μG

sB ⋅ ( d i + 2 ⋅ s + sB ) 2 1 § 1 · ⋅ + + ¨1 + ¸ EB ( di + 2 ⋅ s ) ⋅ ( d i + 2 ⋅ s + 2 ⋅ sB ) EG © μG ¹ E-Modul des Felsens/Gebirges Querdehnungszahl des Felsens/Gebirges

[-]

(8.21a) [N/mm2] [-]

Aus (8.20d) folgt für den ungepanzerten betonierten Druckstollen mit s = 0: a = Ew

ρw

1 + 2 ⋅ Ew ⋅ ε

[m/s]

(8.20e)

246

8 Druckrohrleitungen

mit ε=

sB ⋅ ( di + sB ) 2 1 § 1 · ⋅ + + ¨1+ ¸ [-] EB di ⋅ ( di + 2 ⋅ sB ) EG © μG ¹

(8.21b)

Wird der Einfluss der Querdehnung des Felsens außer Acht gelassen, so wird für einen rohen Felsstollen (s. Abb. 8.8d) mit sB = 0: a = Ew

8.3.2

ρw

1 + 2 ⋅ Ew

EG

[m/s]

(8.20f)

Druckstoßberechnung

Für die Druckstoßberechnung werden grundsätzlich die vier folgenden Annahmen getroffen [8.18]: - Die Geschwindigkeit und der Druck sind über den Fließquerschnitt gleichmäßig verteilt. - Die Rohrleitung ist voll mit tropfbarer Flüssigkeit gefüllt. - Die Geschwindigkeitshöhe ist im Vergleich zur Druckstoßhöhe vernachlässigbar klein. - Die Wasserspiegelhöhe in dem Behälter, aus welchem die Rohrleitung gespeist wird oder in welchen sie ausmündet, bleibt für die Zeit bis zum Abklingen der Druckstöße konstant, da diese Vorgänge meist nur wenige Sekunden, selten Minuten, andauern. Eine näherungsweise Berechnung des Druckstoßes ist möglich, wenn zusätzlich eine ideale (reibungsfreie und inkompressible) Flüssigkeit und eine völlig starre Rohrleitung angenommen wird. 8.3.2.1 Joukowsky-Stoß Zur Abschätzung von Druckstößen kann der Extremfall eines plötzlichen Schließens einer Absperrarmatur herangezogen werden. An einem einfachen Rohrleitungssystem mit Behälter, Rohrleitung und Absperrarmatur (siehe Abb. 8.9) lässt sich der zeitliche Druckverlauf anschaulich darstellen. Durch das schlagartige Absperren und die damit verbundene plötzliche Verzögerung der Fließgeschwindigkeit um Δv entsteht eine Druckerhöhung Δpjou = a ⋅ ρ ⋅ Δv, die Joukowsky-Stoß bzw. Alliévi-Joukowsky-Stoß genannt wird. Der Druckstoß läuft als Überdruckwelle mit der Druckwellengeschwindigkeit a in der Rohrleitung bis zum offenen Ende am Behälter. Die Laufzeit TL der Druckwelle über die gesamte Rohrlänge l errechnet sich nach der Formel: TL = l

a

[s]

(8.22)

Die Reflexionszeit TR ist der Zeitraum, den die Druckwelle benötigt, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren, und ergibt sich zu: TR = 2 ⋅ TL = 2 ⋅ l TL TR

a

[s]

Laufzeit der Druckwelle Reflexionszeit

(8.23) [s] [s]

8 Druckrohrleitungen

247

Erreicht die Druckwelle am Ende der Laufstrecke einen freien Wasserspiegel mit p = const., so erfolgt eine Totalreflexion der Druckwelle bei Umkehrung des Vorzeichens. Die Vorzeichenumkehr führt zu einer Entlastung an der Armatur. An einem verschlossenen Ende einer Rohrleitung tritt ebenfalls eine Totalreflexion ein; hier bleibt jedoch das Vorzeichen erhalten. Beträgt die Zeit, in der sich der Durchfluss und damit die Fließgeschwindigkeit ändert, weniger als die Reflexionszeit TR, so kann es in dieser Zeit zu keiner Entlastung an der Armatur durch die an der freien Wasserfläche reflektierte Welle kommen. In diesem Fall ergibt sich - wie oben schon erwähnt - die maximale Druckstoßhöhe infolge des Joukowsky-Stoßes zu: max ha , jou = ±

a ⋅ Δv g

[m]

(8.24a)

max ha,jou maximale Druckstoßhöhe infolge Joukowsky-Stoß Behälter

l

hE

v = v0

t=0

0 < t < 0,5 TR

t = 0,5 TR

0,5 TR < t < TR

t = TR

Abb. 8.9:

[m]

Absperrarmatur

Überdruck Unterdruck

+Dp

v = v0

v=0

TR < t < 1,5 TR +Dp

SH

v = -v0

v=0

t = 1,5 TR

-Dp v = -v0

1,5 TR < t < 2 TR

t = 2 TR

-Dp

v = -v0

v = v0

-Dp

+Dp

v = v0

Zeitlicher Druckverlauf eines Joukowsky-Stoßes

Es sei noch darauf hingewiesen, dass bei einer Berücksichtigung der Reibung der Druckstoß infolge des „line-packing“ um den Betrag der Reibungsverlusthöhe der Leitung größer ist, so dass der maximal mögliche Druckstoß größer als der Joukowsky-Stoß ist. Außerdem kann bei im Kraftwerksbau vorkommenden Druckrohrleitungen mit gestuften Durchmessern eine zwei- bis dreifache Steigerung des Joukowsky-Stoßes auftreten, die aus Teilreflexionen innerhalb der Leitung hervorgerufen wird. Nähere Angaben zur Abschätzung dieser Druckstoßerhöhung finden sich bei LOGAR [8.19]. 8.3.2.2 Einfluss der Schließzeit auf den Joukowsky-Stoß Die Schließzeit tS einer Absperrarmatur hat einen entscheidenden Einfluss auf die Größe des auftretenden Druckstoßes. Für den Fall, dass die Schließzeit tS kürzer als die Reflexionszeit TR ist, entsteht an dem Verschlussorgan unabhängig von der Schließcharakteristik immer der volle Joukowsky-Stoß. Die Zeitspanne bis zum Erreichen des Joukowsky-Stoßes ist gleich der Schließzeit tS. Ist dagegen tS > TR,

248

8 Druckrohrleitungen

so kommt es zu einer Druckreduzierung durch die Überlagerung der am offenen Ende reflektierten Unterdruckwelle (s. Abb. 8.10). Eine überschlägige Abschätzung der auftretenden Druckstoßhöhe für diesen Fall lässt sich mittels einer linearisierten Berücksichtigung der Schieberschließzeit durchführen: max ha ≈ ha tS

a ⋅ Δv TR ⋅ für tS > TR [m] g tS

(8.24b)

Druckstoßhöhe Schließzeit des Verschlussorganes

[m] [s]

ts,1

h 1

h0

1

Dhjou

2

2

3

ts,2 ts,3 0

4

3 4

TR

Abb. 8.10:

2TR

3TR

4TR

0 < tS < TR tS = TR tS > TR tS >> TR

Þ Þ Þ Þ

Dh = Dhjou Dh = Dhjou Dh < Dhjou Dh 0) negativ wird. In gleicher Weise verhält sich die Druckstoßhöhe ha; sie ergibt sich mit F = ρF ⋅ g ⋅ ha ⋅ A zu: ha = −

l dQ l dv ⋅ =− ⋅ g ⋅ A dt g dt

[m]

(8.26) 3,0 2,6

+ha

2,2

-ha

1,8

dQ < 0 (Schließen) dt

1,4

A

h0

SH

v

a

max ha ha

x

L

1,0 0,6

Ag

0,2 0 -0,2

0,5

-0,6

b Abb. 8.12:

1,0

1,5

2,0 K1

dQ > 0 (Öffnen) dt

-1,0

a) Rohrleitungssystem; b) Funktion max ha/h0 = f(K1) der maximalen Druckstoßhöhe ha [8.18]

Der zeitliche Druckstoßhöhenverlauf ist von den zeitlichen Änderungen des Durchflusses abhängig. Mit μ ⋅ AS als hydraulisch wirksame Öffnungsfläche des Regelorgans (s. Kapitel 12) gilt für die verschiedenen Zeitpunkte innerhalb der Regelzeit T:

t = 0:

Q0 = ( μ ⋅ AS )0 ⋅ 2 ⋅ g ⋅ h0

0 < t < T:

Q = ( μ ⋅ AS )t ⋅ 2 ⋅ g ⋅ ( h0 + ha )

t = T:

Q = 0 [m3/s]

[m3/s] [m3/s]

(8.27a) (8.27b) (8.27c)

250

8 Druckrohrleitungen

mit:

( μ ⋅ AS )t = τ ⋅ ( μ ⋅ AS )0 μ

AS T

τ

[m2]

Ausflussbeiwert (s. Kapitel 12) Öffnungsfläche des Regelorganes Regelzeit Regelfunktion der hydraulisch wirksamen Öffnungsfläche des Regelorgans während der Regelzeit T

(8.28) [-] [m2] [s] [-]

ergibt sich: Q = Q0 ⋅ τ ⋅ 1 + ha

[m3/s]

h0

(8.29a)

Handelt es sich um das Öffnen eines völlig geschlossenen Regelorgans, so würde τ unbestimmt sein. Man nimmt in diesem Fall den Durchfluss Qe nach Beendigung des Öffnungsvorganges und nach Abklingen des Druckstoßes als Bezugsgröße, womit man den Durchfluss Q erhält zu: Q = Qe ⋅ τ ⋅ 1 + h a Qe

[m3/s]

ho

Durchfluss nach Beendigung des Öffnungsvorgangs

(8.29b) [m3/s]

Bildet man dQ/dt, setzt dies in (8.26) ein, löst diese anschließend nach dha/dt auf und setzt sie gleich Null, so folgt mit der Konstanten K1 je nach Anfangszustand (Q0 bzw. Qe): § l ⋅Qj d τ · K1 = ¨ ⋅ ¸ © g ⋅ A ⋅ h0 dt ¹

2

[-]

(8.30)

die auf h0 bezogene maximale Druckstoßhöhe zu: max ha = h0 ⋅ K1

K1 2

§ 4 · ⋅¨1± 1 + ¸ [m] ¨ K1 ¸¹ ©

Konstante

(8.31a) [-]

mit dem positiven Vorzeichen für Schließen und dem negativen für Öffnen, die in Abb. 8.12b als Funktion dargestellt ist. Unter der Annahme, dass die Druckstoßhöhe mit der Zeit proportional zu √t bis auf ihren Maximalwert zum Zeitpunkt t = T anwächst, lässt sich die maximale Druckstoßhöhe überschlägig berechnen, womit aus (8.26) folgt: max ha =

3 ⋅ l ⋅ ( Q0 − Qe ) 2 ⋅ g ⋅ A ⋅T

[m]

(8.31b)

Hieraus wird deutlich, dass der Druckstoß um so größer wird, je kleiner die Regelzeit T, je größer die Geschwindigkeitsänderung ΔQ/A und je länger die Rohrleitung ist.

8 Druckrohrleitungen

251

Da (8.31a) und (8.31b) nur für die Druckstoßhöhe unmittelbar vor dem Regelorgan gelten, folgt in einer beliebigen Entfernung vom Regelorgan an der Stelle x, an der die Masse geringer ist (m = ρF ⋅ (l - x) ⋅ A), die maximale Druckstoßhöhe: § x· max ha ( x ) = max ha ⋅ ¨ l − ¸ [m] l¹ ©

(8.31c)

Nach der Theorie der starren Wassersäule (8.31b) würde für T → 0 die maximale Druckstoßhöhe ha → ∞ ansteigen. Dies steht im Widerspruch zu dem in Wirklichkeit auftretenden Ergebnis. Erfahrungsgemäß werden nur dann noch praktisch verwertbare Ergebnisse erzielt, sofern die Bedingung T [s] > l [km] eingehalten wird. Der größte Druckstoß nimmt linear bis auf den Wert Null an den Einmündungs- bzw. Ausmündungsstellen der Rohrleitung in einen Behälter mit freiem Wasserspiegel ab (s. Abb. 8.12a). Die Bedingung des dynamischen Gleichgewichts führt für eine in n Teillängen abgestufte Rohrleitung mit konstanten Fließflächen Ai für jede Teilstrecke in Kombination mit der Bedingung nur eines möglichen Drucks an jeder Sprungstelle des Fließquerschnittes zu dem Ergebnis, dass in (8.30) und (8.31b) die Summe aus li / Ai eingesetzt werden muss, wobei (8.31c) dann nur separat für jede Teilstrecke gilt. In der Bedingung T > l ist dann li einzusetzen. 8.3.2.4 Druckstoß nach der Theorie der elastischen Wassersäule Für die Berechnung des Druckstoßes in langen Rohrleitungen und bei kurzen Regelzeiten muss die Kompressibilität der Flüssigkeit und die Elastizität der Rohrwand berücksichtigt werden, da an der Störstelle Dichteänderungen, die sich mit der Druckwellengeschwindigkeit a in der Rohrleitung ausbreiten, entstehen. Der Druckstoß an einem beliebigen Ort zu einem beliebigen Zeitpunkt ist dann die Folge superponierter, an ausgezeichneten Stellen reflektierter und transmittierter Druckwellen. Für die Erfassung des transienten Strömungsverhaltens von Flüssigkeiten in Rohrleitungen ist eine mathematische Formulierung der Grundgleichungen, die alle für den Transportvorgang bedeutende Einflüsse und Bedingungen beschreiben, erforderlich. Ausgehend von einer Impulstransportbilanz, die auf der Basis des Newtonschen Grundgesetzes sämtliche am Transportvorgang beteiligten Kräfte erfasst, kann mit den Mitteln der Hydromechanik die Beschreibung eines Strömungsvorganges formuliert werden. Der Einfluss der Wärmeleitung wie er in der Thermodynamik über eine Energiebilanz zum Ausdruck gebracht wird, ist für die hier anstehende Problematik von untergeordneter Bedeutung. Wenn man die am Transportvorgang beteiligten Kräfte auf mechanische Größen beschränkt, also Kräfte aus elektrostatischen Wirkungen, chemischen Prozessen sowie Nuklearwirkungen ausschließt, sind die nachfolgend genannten Gleichungen für die Beschreibung des transienten Strömungsverhaltens von Flüssigkeiten in Rohrleitungen relevant (siehe auch Abb. 8.13a): - Bewegungsgleichung: Beschreibung des Zusammenwirkens von Massen-, Trägheits-, Druck- und Reibungskräften an einem infiniten Raumelement in Form einer differenziellen Impulstransportgleichung.

252

8 Druckrohrleitungen

-

Kontinuitätsgleichung: Formulierung des Prinzips der Massenerhaltung (Quellen- und Senkenfreiheit) an einem infiniten Raumelement in Form einer differenziellen Massentransportbilanz. - Zustandsgleichung: Erfassung des thermischen Zustands durch einen Zusammenhang zwischen Dichte, Druck und Temperatur als Ersatz für eine Wärmetransportbilanz. - Materialgleichung: Berücksichtigung des Reibungsverhaltens der Flüssigkeit im turbulenten Strömungszustand. Reine Druckstoßvorgänge in Rohrleitungen können in den meisten Fällen ausreichend genau durch die Bewegungs- und Kontinuitätsgleichung erfasst werden. Die Bewegungsgleichung ergibt sich aus dem Kräftegleichgewicht an einem Rohrelement mit der endlichen Länge dx: −

δ ( pi ⋅ A ) δx

τ0 α

⋅ dx − τ0 ⋅ π ⋅ di ⋅ dx − ρ F ⋅ g ⋅ A ⋅ dx ⋅ sin α = ρ F ⋅ A ⋅ dx ⋅

Wandschubspannung Winkel zwischen der Rohrachse und der Horizontalen

dv [N] dt

(8.32a)

[N/m2] [°]

Der erste Term in der Bewegungsgleichung (8.32a) beinhaltet die Resultierende aus den Druckkräften in und entgegen der Fließrichtung, der zweite die Reibungskraft aufgrund der Wandschubspannung, die entgegen der Fließrichtung wirkt, der dritte die Komponente der Schwerkraft in Fließrichtung und der vierte Term das Produkt aus Masse mal Beschleunigung. Die Ortsvariable x entlang der Rohrachse und die Zeitvariable t sind die unabhängigen Veränderlichen, während die mittlere Querschnittsgeschwindigkeit v und der Druck pi orts- und zeitabhängig sind. Bei einem unveränderlichen Kreisquerschnitt A vereinfacht sich die Gleichung durch Kürzen mit dx und A = π ⋅ di2/4 : −

∂pi dv 4 − ρ F ⋅ − ρ F ⋅ g ⋅ sin α − ⋅ τ0 = 0 [N/m3] ∂x dt di

(8.32b)

Führt man den empirischen Ansatz:

τ0 =

ρF ⋅ λ ⋅v⋅ v 8

[N/m2]

(8.33)

für die Wandschubspannung in die Gleichung ein, ergibt sich: ∂pi ρ ⋅λ dv + ρ F ⋅ + ρ F ⋅ g ⋅ sin α + F ⋅ v ⋅ v = 0 [N/m3] ∂x dt 2 ⋅ di

(8.34)

Das vollständige Differenzial von v(t,x) ist: dv =

∂v ∂v dx + dt [m/s] ∂x ∂t

(8.35a)

8 Druckrohrleitungen

253

Durch Kürzen mit dt ergibt sich mit der Beziehung für die Geschwindigkeit dv = dx/dt die substanzielle Beschleunigung, die sich aus einer konvektiven und einer lokalen Beschleunigung zusammensetzt:

∂v ∂v dv = v⋅ + ∂x ∂t dt

[m/s2]

(8.35b)

Unter der weiteren Berücksichtigung von sin β = dz/dx lautet die Bewegungsgleichung: 1 ∂p i ∂v ∂v dz λ ⋅ +v⋅ + + g ⋅ + ⋅ v ⋅ v = 0 [m/s2] ρ F ∂x ∂x ∂t dx 2 ⋅ d i

(8.36)

Die Bilanz der pro Zeiteinheit zu- bzw. abfließenden Fluidmengen in einem Rohrelement der endlichen Länge dx führt zur Kontinuitätsgleichung: § · ∂ ( ρ F ⋅ A ⋅ dx ) ∂ ( ρF ⋅ A ⋅ v ) ρF ⋅ A ⋅ v − ¨ ρF ⋅ A ⋅ v + ⋅ dx ¸ = ¨ ¸ ∂x ∂t © ¹

[kg/s]

(8.37a)

Nach partieller Ableitung und Kürzen mit dx und ρF ⋅ A ergibt sich: ∂v v ∂ρ F v ∂A 1 ∂A 1 ∂ρ F + ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅ =0 ∂x ρ F ∂x A ∂x A ∂t ρ F ∂t

[1/s]

(8.37b)

Unter Berücksichtigung der totalen Ableitungen nach der Zeit:

∂A · v ∂A 1 ∂A 1 dA 1 § ∂A ⋅ = ⋅¨ ⋅ dx + ⋅ dt ¸ = ⋅ + ⋅ A dt A ⋅ dt © ∂x ∂t ¹ A ∂x A ∂t

[1/s]

1 d ρF 1 ∂ρ 1 ∂ρ F § ∂ρ · v ∂ρ F ⋅ = ⋅ ¨ F ⋅ dx + F ⋅ dt ¸ = ⋅ + ⋅ ρ F dt ρ F ⋅ dt © ∂x ∂t ¹ ρ F ∂x ρ F ∂t

(8.38a)

[1/s]

(8.38b)

kann (8.37b) umgeformt werden zu: ∂v 1 ∂ρ F 1 ∂A + ⋅ + ⋅ = 0 [1/s] ∂x ρ F ∂t A ∂t

(8.39)

Die Beziehung für die Dichte kann weiter umgeformt werden zu: 1 ∂ρ F 1 ∂ρ F dpi 1 1 dpi 1 dp ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅ 2 ⋅ = 2 ⋅ i ρ F ∂t ρ F ∂pi dt ρ F aF dt aF ⋅ EF dt

[1/s]

(8.40)

wobei die Gleichung durch die Druckwellengeschwindigkeit und den Elastizitätsmodul der Flüssigkeit vereinfacht werden kann. Unter Berücksichtigung des Zusammenhanges: 1 dA 1 dA dpi ⋅ = ⋅ ⋅ A dt A dpi dt

[1/s]

(8.41)

lässt sich (8.39) wie folgt umformulieren: ∂v 1 § 1 ρ F dA · dp i + ⋅¨ ⋅ ⋅ = 0 [1/s] ¸⋅ ∂x ρ F © aF2 A dpi ¹ dt

(8.42)

254

8 Druckrohrleitungen

Mit dem Zusammenhang für die Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit a in einer Rohrleitung aus elastischem Werkstoff aus (8.19) und unter Berücksichtigung des totalen Differenzials:

∂p ∂p dp i = v⋅ i + i ∂x ∂t dt

[N/m2 ⋅ s]

(8.43)

lässt sich die Kontinuitätsgleichung folgendermaßen darstellen: ∂v 1 + ∂x ρ F ⋅ a 2

8.3.3

§ ∂p ∂p · ⋅ ¨ v ⋅ i + i ¸ = 0 [1/s] ∂t ¹ © ∂x

(8.44)

Charakteristikenverfahren

Die Bewegungs- und Kontinuitätsgleichung ((8.36) und (8.44)) als Grundgleichungen zur Beschreibung der instationären Rohrströmung sind aufgrund des die Rohrreibung kennzeichnenden Gliedes partielle nichtlineare Differentialgleichungen vom hyperbolischen Typ. Deren Lösung ist geschlossen nicht möglich, lässt sich aber auf numerischem Weg vollziehen. Hierzu bietet sich das Charakteristikenverfahren an, das sich vielfach im Hinblick auf die Berücksichtigung von Randbedingungen, Genauigkeit, Stabilität und Programmierung ausgezeichnet hat. Das Charakteristikenverfahren zur Lösung der beiden Differenzialgleichungen beruht darauf, dass sich Störungen (Wellenfronten von Druck- oder Geschwindigkeitsänderungen) entlang von Bahnlinien (Charakteristiken) in der x-t-Ebene ausbreiten (s. Abb. 8.13b+c). Durch diese Annahme vereinfachen sich die partiellen Differenzialgleichungen zu gewöhnlichen Differenzialgleichungen, die einer numerischen Lösung leichter zugänglich sind. Die Steigung der Charakteristiken entspricht der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Druck- und Geschwindigkeitsänderungen, sofern die Fließgeschwindigkeit v viel kleiner als die Druckwellengeschwindigkeit a ist. Dies trifft bei Wasserleitungen im Normalfall immer zu. Druckhöhenlinie p g·r ¶A ·dx Dx ) x dx ¶p · 2 ¶ (p+ ¶x x

p·A a

a Abb. 8.13:

t

·A) ·dx t ¶(p x ¶ tP ·A+

p

t·p·d·dx z

g·r·A·dx Bezugsniveau

P dx dt =v+a

tU tR

b

dx dt =v-a

P

t2=Dt

U R xU

t3=2Dt

xP

xR x

C

t1=0

c

Dx

Dx

U

+

C

-

R

x

a) Kräftebilanz an einem Rohrelement; b) Grafische Darstellung von Charakteristiken; c) Berechnungsgitter für das Charakteristikenverfahren

Nach Multiplikation der Kontinuitätsgleichung (8.44) mit der Druckwellengeschwindigkeit a erhält man:

∂v 1 § ∂pi ∂pi · ⋅a + ⋅ v⋅ + =0 ∂x ρ F ⋅ a ¨© ∂x ∂t ¸¹

[m/s2]

(8.45)

8 Druckrohrleitungen

255

Die Bewegungsgleichung (8.36) zeigt sich nach einer Umstellung in der folgenden Form: ∂v ∂v 1 ∂pi dz λ +v⋅ + ⋅ +g⋅ + ⋅ v ⋅ v = 0 [m/s2] ∂t ∂x ρ F ∂x dx 2 ⋅ di

(8.46)

Wird (8.45) zur Bewegungsgleichung (8.46) addiert bzw. von ihr subtrahiert, ergibt sich: 1 § ∂v ∂v ∂p ∂p · + (v ± a) ⋅ ± ⋅ (v ± a) ⋅ i + i ¸ ∂t ∂x ρ F ⋅ a ¨© ∂x ∂x ¹ [m/s2] dz λ +g ⋅ + ⋅v⋅ v = 0 dx 2 ⋅ di

(8.47a)

Die Terme (v ± a) = dx/dt werden als Charakteristiken (s. Abb. 8.13b) definiert, für die somit die folgende Gleichung gilt:

∂v dx ∂v λ 1 § dx ∂pi ∂pi · dz + ⋅ ± ⋅¨ ⋅ + +g⋅ + ⋅v⋅ v = 0 ¸ ∂t dt ∂x ρ F ⋅ a © dt ∂x ∂x ¹ dx 2 ⋅ di

[m/s2]

(8.47b)

Mit den totalen Differenzialen:

dv ∂v ∂v dx = + ⋅ dt ∂t ∂x dt dpi ∂pi ∂pi dx = + ⋅ ∂t ∂x dt dt

[m/s2]

(8.48a)

[N/m2 ⋅ s]

(8.48b)

ergibt sich die Gleichung (8.47b) zu: λ dv 1 dp dz ± ⋅ i +g⋅ + ⋅ v ⋅ v = 0 [m/s2] dt ρ F ⋅ a dt dx 2 ⋅ di

(8.49)

Der zweite Term in (8.49), der den absoluten Druck enthält, kann auch als Piezometer oder Druckhöhe dargestellt werden:

1 dp g § dh dz · ⋅ i = ⋅¨ − [m] ρ F ⋅ a dt a © dt dt ¸¹

(8.50)

Eingesetzt in (8.49) erhält man: λ dv g § dh dz · dz ± ⋅ − +g⋅ + ⋅ v ⋅ v = 0 [m/s2] dt a ¨© dt dt ¸¹ dx 2 ⋅ di

(8.51)

Der Ausdruck dz/dx lässt sich wie folgt umformen: dz dx dz dz = ⋅ = (v ± a) ⋅ dt dt dx dx

[m/s]

(8.52)

und (8.51) verändert sich damit zu:

λ dv g § dh dz · dz ± ⋅¨ − (v ± a) ¸ + g ⋅ + ⋅ v ⋅ v = 0 [m/s2] dt a © dt dx ¹ dx 2 ⋅ di

(8.53)

256

8 Druckrohrleitungen

Bei Flüssigkeitsströmungen ist die Annahme, dass die Fließgeschwindigkeit v viel kleiner als die Druckwellengeschwindigkeit a ist, gerechtfertigt. Dadurch entfallen auch die konvektiven Terme v ⋅ dv/dx und v ⋅ dp/dx in (8.47a) und auch der Term dz/dx in (8.53). Diese Vereinfachung liefert genaue Ergebnisse, solange die Bedingung v < 0,05 ⋅ a eingehalten wird. In diesem Fall vereinfachen sich die Charakteristiken zu Geraden:

( v ± a ) ≈ ±a =

dx dt

[m/s]

(8.54)

Damit reduziert sich (8.53) auf: λ dv g dh ± ⋅ + ⋅ v ⋅ v = 0 [m/s2] dt a dt 2 ⋅ d i

(8.55)

Durch eine Integration entlang der Charakteristiken kann (8.55) gelöst werden: P

tp

λ g º § · ª « v + a ⋅ h » = ¨ − 2 ⋅ d ⋅ v ⋅ v ¸dt ¬ ¼U tu © i ¹

³

[m/s]

U-Charakteristik

(8.56a)

λ g º § · ª «v − a ⋅ h » = ¨ − 2 ⋅ d ⋅ v ⋅ v ¸dt [m/s] ¬ ¼ R tR © i ¹

V-Charakteristik

(8.56b)

P

tp

³

Im ersten Fall bei Fortschreiten vom Punkt U zum Punkt P spricht man von UCharakteristik, im zweiten Fall bei Fortschreiten von R nach P von V-Charakteristik. Unter der Annahme eines hinreichend linearen v-Verlaufes und kleiner Intervallschritte Δx kann mit dt = dx / ± a die Trapezregel angewendet werden: g º g º ª ª «v + a ⋅ h » = «v + a ⋅ h » ¬ ¼P ¬ ¼U x −x + P U 2⋅a

§ª λ º ª λ º · ⋅ ¨¨ « − ⋅ v ⋅ v » + «− ⋅ v ⋅ v » ¸¸ ¼ P ¬ 2 ⋅ di ¼U ¹ © ¬ 2 ⋅ di

[m/s]

(8.57a)

bzw. hP = hU +

a Δx ⋅ λ ⋅ ( vU − vP ) − ⋅ ( vP ⋅ vP + vU ⋅ vU g 4 ⋅ g ⋅ di

)

[m]

(8.57b)

und g º g º ª ª «v − a ⋅ h » = «v − a ⋅ h » ¬ ¼P ¬ ¼R x − xR + P 2⋅a

§ª λ º ª λ º · ⋅ ¨¨ « − ⋅ v ⋅ v » + «− ⋅ v ⋅ v » ¸¸ ¼ P ¬ 2 ⋅ di ¼R ¹ © ¬ 2 ⋅ di

[m/s]

(8.58a)

bzw. hP = hR −

a Δx ⋅ λ ⋅ ( vR − vP ) − ⋅ ( vP ⋅ v P + v R ⋅ vR g 4 ⋅ g ⋅ di

)

[m]

(8.58b)

8 Druckrohrleitungen

257

Wird ein Rohrleitungsabschnitt mit konstanten Kenndaten (Druckwellengeschwindigkeit const.) in eine bestimmte Anzahl von Ortsintervallen Δx (siehe Abb. 8.13c) unterteilt, und wenn an den Punkten U und R zur Zeit t1 die Piezometerhöhen und die Geschwindigkeiten bekannt sind, so lassen sich mit (8.57b) und (8.58b) die neue Piezometerhöhe und die neue Fließgeschwindigkeit im Punkt P zu einem weiteren Zeitpunkt t2 berechnen. Sind für den Zeitpunkt t1 für alle Gitterpunkte die Druckhöhe und die Geschwindigkeit bekannt, können die Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse für alle weiteren Zeitschritte Δt an jedem Knotenpunkt berechnet werden. Für den Zeitpunkt t1 kann im betrachteten Rohrabschnitt ein stationärer oder instationärer Strömungszustand vorherrschen. Führt man als weitere Vereinfachungen λ = const. und, da die Geschwindigkeiten in den Punkten P, U und R für einen Intervallschritt nur gering differieren, vP ⋅ vP + vU ⋅ vU = 2 ⋅ vP ⋅ vU

[m2/s2]

(8.59a)

v P ⋅ v P + v R ⋅ v R = 2 ⋅ vP ⋅ v R

[m2/s2]

(8.59b)

ein, so verändern sich (8.57b) und (8.58b) zu: hP = hU +

a Δx ⋅ λ ⋅ ( vU − vP ) − ⋅ vP ⋅ vU g 2 ⋅ g ⋅ di

[m]

(8.60a)

hP = hR −

a Δx ⋅ λ ⋅ ( v R − vP ) + ⋅ vP ⋅ vR g 2 ⋅ g ⋅ di

[m]

(8.60b)

Mit der Beziehung Q = v ⋅ A und den Abkürzungen: B=

a g⋅A

R=

Δx ⋅ λ 2 ⋅ g ⋅ d i ⋅ A2

[s/m2]

(8.61a) [s2/m5]

(8.61b)

liegen zwei Gleichungen zur Berechnung der Unbekannten hP und QP vor: hP = hU + B ⋅ ( QU − QP ) − R ⋅ QP ⋅ QU

[m]

(8.62a)

hP = hR − B ⋅ ( QR − QP ) + R ⋅ QP ⋅ QR

[m]

(8.62b)

Diese lassen sich mit den folgenden Abkürzungen weiter zusammenfassen: BU = B + R ⋅ QU

[s/m2]

(8.63a)

CU = hU + B ⋅ QU

[m]

(8.63b)

BR = B + R ⋅ QR

[s/m2]

(8.63c)

CR = hR − B ⋅ QR [m]

(8.63d)

258

8 Druckrohrleitungen

Wenn man nun nach den gesuchten Größen hP und QP auflöst, so ergeben sich die Kompatibilitätsbedingungen in verkürzter Schreibweise: hP =

CU ⋅ BR + CR ⋅ BU BU + BR

QP =

CU − CR BU + BR

[m]

[m3/s]

(8.64)

(8.65)

Neben der Rohrleitung besteht ein komplettes Rohrleitungssystem noch aus einer Vielzahl weiterer Komponenten, die je nach Situation für den Betrieb und die Sicherheit erforderlich sind. Hierzu zählen unter anderem: Behälter, Regel- und Absperrarmaturen, Rohrverzweigungen und -vereinigungen, Be- und Entlüftungsventile, Pumpen, Turbinen, Windkessel, Wasserschlösser etc. Bei der numerischen Modellierung von Rohrsystemen werden diese Komponenten durch Rand- bzw. Knotenbedingungen, die mittels mathematischer Beziehungen das hydraulische Verhalten beschreiben, erfasst. 8.3.4

Abminderung von Druckstößen

Für die Begrenzung bzw. Minderung dynamischer Druckänderungen in Rohrleitungssystemen gibt es mehrere verschiedene Möglichkeiten (s. Tabelle 8.8). Bereits in der Vorplanung sollte abgeschätzt werden, welche Maßnahmen zur Einhaltung der zulässigen Druckhöhen erforderlich sind. Eine überschlägige Bestimmung lässt sich mit den vorher beschriebenen Verfahren vornehmen. Häufig ergeben sich hieraus wichtige Planungshinweise, z. B. für das Höhenprofil und den zu erwartenden Betriebsdruck im Hinblick auf eine möglichst betriebssichere und wirtschaftliche Anlage. Der Schwankungsbereich für Innendrücke ist nach oben durch den zulässigen Betriebsdruck begrenzt. Nach unten sollte mindestens ein ausreichender Abstand zum Dampfdruck eingehalten werden, um dampfgefüllte Hohlräume (Kavitation) und die meist darauf folgenden Druckspitzen, die durch das Zusammenfallen der Hohlräume entstehen, zu vermeiden. Der zulässige Schwankungsbereich muss bei der Inbetriebnahme, im Normalbetrieb und im gestörten Betrieb (Notabschaltung, Fehlerauslösung von Sicherheitsarmaturen etc.) eingehalten werden. Wird der zulässige Schwankungsbereich überschritten, muss durch zusätzliche Maßnahmen (s. Tabelle 8.8) die dynamische Druckänderung begrenzt werden. Am sichersten führt man dies durch eine gezielte Verlangsamung der Fließgeschwindigkeitsänderung mittels Stellgesetzen bei Armaturen oder Energiespeichern (z. B. Schwungmassen an Pumpen, Druckbehälter mit Gaspolster, Wasserschlösser, usw.) durch. Eine weitere Möglichkeit der Minderung von unzulässigen Über- bzw. Unterdrücken bieten Sicherheitsventile. Stellgesetze geben das Schließen bzw. Öffnen von Verschluss- und Regelorganen vor und führen somit Durchfluss- und Druckänderungen in Anpassung an die einzuhaltenden Grenzwerte für Durchfluss- und Druckschwingungen herbei. Im Regelfall handelt es sich um lineare zweistufige, weniger dreistufige Stellgesetze für die zugehörigen Fallgewichts- oder Elektroantriebe. Auch hier können

8 Druckrohrleitungen

259

durch numerische Simulationen allgemeinere, optimierte Stellfunktionen zur Dämpfung von Druckstoßvorgängen entwickelt werden [8.13]. Tabelle 8.8: Druckstoßreduzierende Maßnahmen [8.21] Druckstoßreduzierende Einrichtung/Maßnahme Stellzeiten und Stellgesetze in Verbindung mit den Drosselcharakteristiken von Armaturen und Leitapparaten von Entspannungsturbinen Druckbehälter mit Gaspolster mit und ohne Drosseln, für alle Druckbereiche

Verminderung der Druckänderung weitgehend wählbar, wenn entsprechend lange Stellzeit bzw. angepasstes Stellgesetz gewählt werden kann

BetriebsÜberwachung und Instandhaltung sicherheit Regelmäßige Funktionskontrollen und Überprüfung hoch, wenn Knickpunkte der der Stellzeit Stellgesetze und Stellzeiten mehrfach gewährleistet sind

wählbar, in Abhängigkeit vom Volumen des Druckbehälters mit Gaspolster

hoch, bei entsprechender Überwachung

Schwungmassen

nicht beliebig, wegen Fliehkräften, Lagerung, Anfahrproblemen wählbar, in Abhängigkeit von dem Verhältnis Schachtquerschnittsfläche zum Leitungsquerschnitt und ggf. Überlaufhöhe nur Verminderung der negativen Druckänderung (Unterdruck)

hoch

nur Verminderung der positiven Druckänderung, wählbar in Abhängigkeit von der hydraulischen Einrichtung (Armatur, Vorsteuerung, Hilfsenergie) Verminderung der positiven und der negativen Druckänderungen

abhängig von der Bauweise und Einstellung

Wasserschloss meist Schachtwasserschloss (Standrohr) mit und ohne Überlauf, nur für geringe Drücke Nachsaugbehälter mit Rückflussverhinderer

Nebenauslass ohne und mit Vorsteuerung, ohne und mit Hilfsenergie, direkt an der Turbine (v. a. Francis-Turbinen) Be- und Entlüftungsarmaturen (-ventile)

8.4

- Wartung der Überwachungseinrichtung (Wasserstand), - ggf. Austausch des Wasservolumens aus hygienischen Gründen in bestimmten zeitlichen Abständen, - Wartung des Kompressors für die ölfreie Druckluft, - Außerbetriebnahme für Überprüfung (u. U. Reserve vorhalten), - Absperrarmatur in der Zuleitung, gegen irrtümliches Schließen sichern und/oder überwachen (Endschalter); ständige Überwachung der Lager bei größeren Einheiten

sehr hoch

- Filterung der Zuluft, - ggf. Austausch des Wasservolumens aus hygienischen Gründen in bestimmten zeitlichen Abständen;

hoch, abhängig von der Funktionstüchtigkeit des Rückflussverhinderers

- regelmäßige Wartung bzw. Funktionsprüfung des Rückflussverhinderers erforderlich, - Überwachung des Wasservolumens, - ggf. Austauschen des Wasservolumens aus hygienischen Gründen, in bestimmten Abständen, - Filterung der Zuluft; meist aufwendig, regelmäßige Wartung und Funktionsprüfung

abhängig von der Bauart der Belüftungsventile, rasche Belüftung

Regelmäßige Wartung bzw. Funktionsprüfung erforderlich, ggf. Filterung der Zuluft erforderlich

Statische Bemessung von Druckrohrleitungen

Die für Druckrohrleitungen einer Wasserkraftanlage aus der Wasserförderung herrührenden Belastungen folgen aus der statischen Druckhöhe und den dynamischen Druckhöhen, die durch Fließvorgangsänderungen entstehen (s. Kap. 8.3). Weitere Beanspruchungen werden verursacht durch verhinderte Längsdehnung, örtliche Verformungsbehinderung, Durchbiegung zwischen Auflagern infolge von Streckenlasten, wie Eigengewicht und Wasserlast, sowie durch Erd- und Verkehrslasten bei eingeerdeten Rohrleitungen. Außerdem stellen sich durch das Tempera-

260

8 Druckrohrleitungen

turgefälle in der Rohrwandung Wärmespannungen ein, die vor allem bei dickwandigen Rohren (da / di > 1,2) zu berücksichtigen sind. Im Einzelnen empfiehlt sich folgende Untergliederung der möglichen Belastungen von Triebwasserleitungssystemen [8.2]: - Statische Belastungen bei frei verlegten Druckrohrleitungen: - Innendruck aus Wasserfüllung, - äußere Lasten infolge Eigengewicht und Wasserfüllung der Rohrleitung, Rohrversteifungen, Rohrauflagerung, Auflagerverschiebungen, Fußgängersteg, Schneelast, Sonneneinstrahlung, Montagezustände. - Statische Belastungen bei eingeerdeten Rohrleitungen: Im Prinzip wie zuvor, jedoch treten Belastungen aus Einerdung, Verkehrslast, Rohrbettung, Verformungen von Rohr und Boden hinzu. - Statische Belastungen bei Druckstollen, Druckschächten ohne und mit Betonauskleidung und Stahlpanzerung: Je nach Felsüberdeckung und Felsbeschaffenheit kann ein Teil der Innendruckbelastung bei Stollen- bzw. Schachtauskleidungen auch auf den Fels übertragen werden. Von außen einwirkende Belastungen ergeben sich aus Gebirgsdruck, Injektionsdruck, Wasserdruck abhängig von Klüftigkeit und Wasserspiegelhöhe des Kluftwassers bzw. von Quellhorizonten und Wasseradern in weiterer Umgebung. Sie erfordern einen Nachweis der Sicherheit gegen Einbeulen. - Quasistatische Belastungen infolge periodischer Strömungs- bzw. Druckänderungen, verursacht durch Steuerungsvorgänge von Regel- und Verschlussorganen (Rohrarmaturen) und Wasserturbinen bei Teil- und Volllastbetrieb. Sind diese häufigen, betrieblichen Lastwechseln der Wasserkraftanlage ausgesetzt, dann sind sie als dynamische Belastungen zu betrachten: - Füllvorgänge in Leitungsabschnitten zwischen Stellorgan und Betriebsarmatur bei Pumpspeicherkraftwerken - Lufteinschlüsse - Eisbildung im Rohrinnern - Dynamische Belastungen als Folge von: - periodischen Strömungsänderungen und Druckschwankungen aus Turbinenbetrieb, - Schwingungen in Wasserschloss und Schwallkammer, - Wirbelzöpfen im Saugrohr von Überdruckturbinen, - Druckschwingungen im schaufellosen Raum zwischen Leitrad und Laufrad von Pumpenturbinen und Speicherpumpen, - Unterdruckbildung, - Resonanzschwingungen. Die graphische Zusammenfassung aller für eine Triebwasserleitung maßgebenden Lastfälle führt zu den sog. Drucklinien. Hierdurch werden die Berechnungsergebnisse für die zu berücksichtigenden Betriebs- und Sonderbelastungsfälle veranschaulicht, indem längs der abgewickelten Leitungstrasse die maximalen und minimalen Drücke über die jeweils gültigen Leitungshöhenkoten im Maßstab dieser Höhenkoten aufgetragen werden. Die einhüllenden Verbindungskurven, getrennt nach regulären Betriebsfällen und ausgesuchten Sonderlastfällen, spiegeln die für jeden Leitungsabschnitt größten und kleinsten Be-

8 Druckrohrleitungen

261

messungsdrücke wider, bezogen auf die Rohrleitungsachse. Nach diesen richten sich die Festigkeitsnachweise sowie der für die Rohrstabilität ausschlaggebende Nachweis der Beulsicherheit. Da für die Bemessung im Normalfall der Innendruck pi in erster Linie maßgebend ist, werden unter Einbeziehung der dynamischen Druckbelastungen sogenannte Bemessungsdrucklinien ermittelt, anhand derer die erforderlichen Wanddicken berechnet werden. Die Berechnung der Zylinderschalen unter alleiniger Berücksichtigung des Innendrucks ist z. B. in der DIN 2413 [8.22] (bzw. DIN EN 13480), den Technischen Regeln für Dampfkessel TRD und in den Merkblättern der Arbeitsgemeinschaft Druckbehälter (AD) geregelt. Um auf hinsichtlich Durchmesser, Wandstärke und Druck genormte Rohre zurückgreifen zu können, werden mehrere Druckbereiche definiert, innerhalb derer man jeweils von einer konstanten, auf den Höchstdruck ausgelegten Rohrwanddicke ausgeht. 8.4.1

Spannungen und Rohrwanddicke

Zur Ermittlung der Spannungen aus Innendruckbelastung in geraden Rohrabschnitten betrachtet man die drei Hauptnormalspannungen in Ringrichtung σϕ, Längsrichtung σl und Radialrichtung σr (s. Abb. 8.14b). Die einzelnen Spannungsanteile und ihre Herkunft sollen in den folgenden Abschnitten erläutert werden. Je nach den gegebenen Randbedingungen sind diese Komponenten zu überlagern. Da sich die im einachsigen Zugversuch ermittelten Festigkeitskennwerte eines Werkstoffes nicht unmittelbar mit den Spannungen im mehrachsigen Spannungszustand vergleichen lassen, werden unter Zuhilfenahme von unterschiedlichen Festigkeitshypothesen für verschiedene Versagensarten Vergleichsspannungen σV definiert. Die Hauptspannungen σI, σII und σIII werden dazu zunächst der Größe nach geordnet, d. h. es gilt σI > σII > σIII. Die Normalspannungshypothese gilt für Trennbruch: σV ,N = σ B [N/mm2] σV,N σB

Vergleichsspannung (Normalspannungshypothese) Trennfestigkeit

(8.66) [N/mm2] [N/mm2]

Die Schubspannungshypothese gilt für Versagen durch plastisches Verformen und für Gleitbruch: σV ,Sch = σ I − σ III σV,Sch σI/σIII

[N/mm2]

Vergleichsspannung (Schubspannungshypothese) Hauptspannungen

(8.67) [N/mm2] [N/mm2]

262

8 Druckrohrleitungen

Die Gestaltänderungshypothese besagt, dass die Vergleichsspannung dieselbe Gestaltänderungsenergie verrichtet wie die Hauptspannungen. Sie gilt für Versagen durch plastisches Verformen und für Dauerbruch: 1

σV ,G = σV,G σϕ σl σr

2



( σ ϕ − σl ) + ( σl − σ r ) + ( σ r − σ ϕ ) 2

2

2

[N/mm2]

Vergleichsspannung (Gestaltänderungshypothese) Ringspannung Längsspannung Radialspannung

(8.68) [N/mm2] [N/mm2] [N/mm2] [N/mm2]

Gleichgewichtsbetrachtungen am Rohrelement führen auf die LaméGleichungen, welche die Spannungsverteilung bei Innendruckbelastung angeben. Diese sind auch für dickwandige Rohre (da / di > 1,2) gültig: σϕ = pi ⋅

ri 2 r 2 + ra2 ⋅ ra2 − ri 2 r2

[N/mm2]

(8.69a)

σr = pi ⋅

ri 2 r 2 − ra2 ⋅ ra2 − ri 2 r2

[N/mm2]

(8.69b)

Aus den Gleichungen ist ersichtlich, dass sich für die Ringspannung am äußeren, für die Radialspannung am inneren Rand die höchsten Werte ergeben. Darüber hinaus nimmt die Radialspannung vom Höchstwert pi an der Innenseite auf den Wert 0 an der Außenseite ab, so dass für die mittlere Radialspannung gilt: σr ,m = − σr,m

pi 2

[N/mm2]

mittlere Radialspannung

(8.70) [N/mm2]

Die Triebwasserleitungen von Wasserkraftanlagen sind im Regelfall als dünnwandige Zylinder (da / di < 1,2) zu betrachten. Die mittleren Spannungen in dünnwandigen Rohren unter Innendruck können nach Abb. 8.14 aus dem Kräftegleichgewicht am Rohrelement abgeleitet werden und ergeben sich zu:

σϕ =

pi ⋅ di 2⋅s

[N/mm2]

(8.71a)

σl =

pi ⋅ di 4⋅s

[N/mm2]

(8.71b)

wobei die Gleichung (8.71a) die sogenannte „Kesselformel“ darstellt. Die mittlere Radialspannung entspricht jener am dickwandigen Rohr (8.70).

8 Druckrohrleitungen

q

sj

ri r × dj × 1

d

sr

b

pi × sinj

pi

sr 0 sl

j pi × cosj

a

N

Abb. 8.14:

sl

d

Druck 0 Zug

1

dj s

263

sj ri

N

ra

c

a-c): Rohr unter Innendruck: a) Normalkräfte in Ringrichtung; b) Hauptspannungen: Ringspannung σϕ, Längsspannung σl und Radialspannung σr; c) Verlauf und Größenordnung der Normalspannung in der Rohrwand. d) Abflachung q [8.23]

Aus der Schubspannungshypothese ergibt sich somit die mittlere Vergleichsspannung σV,Sch auf di bezogen zu: σV ,Sch =

pi ⋅ di § pi · pi § di · − − = ⋅ + 1 ¸ [N/mm2] 2 ⋅ s ¨© 2 ¸¹ 2 ¨© s ¹

(8.72a)

bzw. auf dm bezogen: σV ,Sch =

pi di + s pi ⋅ d m ⋅ = 2 s 2⋅s

[N/mm2]

(8.72b)

und auf da bezogen:

σV ,Sch =

pi ⋅ d a pi − 2⋅s 2

[N/mm2]

(8.72c)

Die zulässige Spannung σzul wird nach DIN 2413 [8.22] über den Festigkeitskennwert K folgendermaßen definiert: σ zul = σzul K S Y

K =Y ⋅K S

[N/mm2]

(8.73)

zulässige Spannung Festigkeitskennwert, i. d. R. Streck- bzw. 0,2-%-Dehngrenze Sicherheitsbeiwert, beanspruchungsabhängig, i. d. R. S=1,5-1,8 Nutzungsgrad

[N/mm2] [N/mm2] [-] [-]

Die rechnerische Wanddicke sv ergibt sich damit unter Zugrundelegung von

σV,Sch = σzul zu: sv = sv N

pi ⋅ di pi ⋅ d a = ( 2 ⋅ σ zul − pi ) ⋅ 1,0 ist. Für die Berechnung von VS sind der vertikale Verformungsbeiwert cv,1 (s. Tabelle 8.16) sowie die vertikale Bettungssteifigkeit SBv maßgebend (s. Abb. 8.29a-8.29b). Berücksichtigung einer Deformationsschicht über biegesteifen Rohren Für diesen Sonderfall wird wiederum auf das ATV-DVWK-A 127 [8.24] verwiesen. Tabelle 8.16: Verformungsbeiwerte cv,i für die Durchmesseränderung des Rohres für verschiedene Auflagerwinkel (Vorzeichen beachten!) [8.24] Auflagerwinkel 2α 60° 90° 120° 180°

cv,qv -0,1053 -0,0966 -0,0893 -0,0833

cv,qh +0,0833 +0,0833 +0,0833 +0,0833

cv,qh* +0,0640 +0,0640 +0,0640 +0,0640

ch,qv +0,1026 +0,0956 +0,0891 +0,0833

ch,qh -0,0833 -0,0833 -0,0833 -0,0833

ch,qh* -0,0658 -0,0658 -0,0658 -0,0658

Für VS > 100, d. h. für Rohre großer Steifigkeit, kann der Konzentrationsfaktor über dem Rohr λR = max λ nach Gleichung (8.105) gesetzt werden.

8 Druckrohrleitungen 3,0

283

a´ = 5 a´ = 3

2,5

a´ = 2 a´ = 1,5

2,0

a´ = 1,0 1,5 a´ = 0,5 1,0

a´ £ 0,25

max l 0

a

2,5

5

7,5

10 h/da

15

17,5

20

3,0 b/da = 1,5

2,5

b E1

2,0 z

E3

2,5 1,5

E2 E3

da

3,0

5,0

1,0

4,0 0,5

b Abb. 8.27:

0 0,02 0,05 0,1 0,2

0,5

1

2

E2/E3

20

50

a) Konzentrationsfaktor max λ für E4 = 10 ⋅ E1 [8.24]; b) Korrekturbeiwert ζ für verschiedene Verhältnisse b/da [8.24]

Das zur Berechnung des Konzentrationsfaktors λR notwendige Erddruckverhältnis K2 zwischen horizontalem und vertikalem Erddruck ist abhängig von der Systemsteifigkeit VRB sowie der Bodengruppe (s. Tabelle 8.13) und kann nachfolgender Tabelle 8.17 entnommen werden. Tabelle 8.17: Erddruckverhältnis K2 in Abhängigkeit von VRB und der Bodengruppe G [8.24]

K2

Bodengruppe G VRB > 1,0 VRB ≤ 1,0

1 0,5 0,4

2 0,5 0,3

3 0,5 0,2

4 0,5 0,1

Bettungsreaktionsdruck qh* = 0 qh* > 0

Die K2-Werte sind keine eindeutig bodenmechanisch definierten Kennwerte. Sie erfassen verschiedenartige Vorgänge mit dem Ziel einer Linearisierung und sind an Messwerten geeicht. Bei Berücksichtigung einer Deformationsschicht ist K2 = 0 zu setzen! Damit stehen alle benötigten Werte zu Berechnung von λR nach (8.102) über dem Rohr zur Verfügung.

284

8 Druckrohrleitungen

Wie aus Abb. 8.24 ersichtlich ist, wird die Spannungsumlagerung auf einer Breite von 4 ⋅ da angesetzt. Da die Grabenbreite b < 4 ⋅ da sein kann, wird ein Konzentrationsfaktor λRG eingeführt, der sich für b < 4 ⋅ da folgendermaßen berechnet: λR − 1 b 4 − λR ⋅ + 3 da 3 und für b > 4 ⋅ da ergibt aus: λ RG =

λ RG = λ R λRG

[-]

(8.107a)

[-]

(8.107b)

Konzentrationsfaktor für b < 4 ⋅ da s. Abb. 8.28 3

[-]

lR = 2,5

lRG

lR = 2,0

2

lR = 1,5 lR = 1,0

1

lR = 0,5

0 0

Abb. 8.28:

1

2

3

4

b/da

Konzentrationsfaktor λRG in Abhängigkeit von b/da für versch. λR [nach 8.24]

Dieser Konzentrationsfaktor λRG ist aufgrund der Scherfestigkeit des Bodens nach oben und unten begrenzt. Der zugehörige obere Grenzwert λfo berechnet sich in Abhängigkeit von der Überdeckungshöhe h, der untere Grenzwert λfu kann in Abhängigkeit von h, da, K1 und δ ermittelt werden (s. Abb. 8.29a-8.29b). Da die Spannungsumlagerung nach Abb. 8.24 angenommen wird, ergibt sich aus Gleichgewichtsgründen der Konzentrationsfaktor λB neben dem Rohr zu: λ B = ( 4 − λ R 3 ) [-] λB

(8.108a)

Konzentrationsfaktor neben dem Rohr

[-]

Er ist unabhängig von der Grabenbreite b und gilt somit auch an Gräben mit einer Breite b < 4 ⋅ da. Falls jedoch der Konzentrationsfaktor λRG durch λfo oder λfu begrenzt ist, gilt aus Gleichgewichtsgründen:

(

λ B = ( b d a − λ fo,u ) ( b d a − 1)

)

[-]

(8.108b)

Gesamtlast aus äußerer Belastung bei eingeerdeten Druckrohrleitungen Die vertikale Gesamtlast qv aus äußerer Belastung bei eingeerdeten Druckrohrleitungen ergibt sich aus den vorangegangenen Abschnitten somit zu: qv = λ RG ⋅ ( κ ⋅ γ b ⋅ h + κ0 ⋅ p0 ) + pv ,ges

[kN/m2]

(8.109a)

bzw. qv = λ RG ⋅ ( κβ ⋅ γ b ⋅ h + κβ0 ⋅ p0 ) + pv ,ges qv

vertikale Gesamtlast am Rohr

[kN/m2]

(8.109b) [kN/m2]

8 Druckrohrleitungen

Eingangsparameter: h b b da di a

a p0 gB j´ DPr

Überdeckungshöhe ab Rohrscheitel Grabenbreite in Höhe des Rohrscheitels Böschungswinkel des Rohrgrabens Rohraußendurchmesser Rohrinnendurchmesser relative Rohrausladung

285

halber Auflagerwinkel Spannung aus gleichmäßig verteilter Flächenlast Wichte des Bodens Reibungswinkel des Bodens Verdichtungsgrad des Bodens

Weiterhin muss bekannt sein: - Art der Verkehrslast - Bodengruppe G1, G2, G3 oder G4 nach Tabelle 8.13 - Überschüttungsbedingung A1, A2, A3 oder A4 nach Kapitel 8.4.3.2 - Einbettungsbedingung B1, B2, B3 oder B4 nach Kapitel 8.4.3.2

Bemessung auf Verkehrslasten (bei Wasserkraftanlagen selten) s. ATV-DVWK-A 127

Bemessung auf begrenzte Flächenlasten ?

nein

Ende der Ermittlung der begrenzten Flächenlasten pv,ges = S pv (8.88)

Bemessung auf Erdlasten und gleichmäßig verteilte Flächenlasten

ja

Berechnung als Gleichflächenlast innerhalb der von der Druckausbreitung unter 2 : 1 begrenzten Fläche

Bestimmung der Überschüttungsbedingung für die Grabenverfüllung A1, A2, A3 oder A4 nach Kapitel 8.4.3.2

ja

Berechnung als Gleichflächenlast innerhalb der von der Druckausbreitung unter 1 : 1 begrenzten Fläche

ja

Bereich innerhalb der Druckausbreitung 2 : 1 ?

nein

Bereich außerhalb der Druckausbreitung 2 : 1, aber innerhalb 1 : 1 ?

Ermittlung des Erddruckverhältnisses K1 und des Wandreibungswinkels d nach Tabelle 8.12

nein

Bestimmung von k und k0 -2 h

Bereich außerhalb der Druckausbreitung 1 : 1

Berechnung durch Bildung eines Mittelwertes aus den Situationen links und rechts der Symmetrieachse des Rohres

Kein Einfluss aus konzentrischen Flächenlasten : pv = 0

Es liegt ein Stufengraben vor oder das Rohr liegt nicht in der Mitte des Grabens

Liegt ein Graben mit geböschten Grabenwänden vor und liegt das Rohr in der Mitte des Grabens ?

nein

K1tand

b (8.101a) k = 1-he 2 b K1tand

-2 hb

k0 = e

nein

K1tand

(8.101b)

Liegt ein Graben mit parallelen Grabenwänden vor und liegt das Rohr in der Mitte des Grabens ?

ja ja

Bestimmung der Einbettungsbedingung der Rohrleitung B1, B2, B3 oder B4 nach Kapitel 8.4.3.2

Bestimmung von E1, E20, E3 und E4 nach Kapitel 8.4.3.2

E2 £ E3

ja nein

Abb. 8.29b

Ersetze k bzw. k0 durch:

Spannungen infolge Erdlast und gleichmäßig verteilten Flächenlasten pE = k · gb · h + k0 · p0 bzw. (8.100c) p =k ·g ·h+k ·p l

l

E

b

b

Berücksichtigung von Sackungen infolge Grundwassereinfluß DPr - 75 £ 1 [-] f2 = 20

l

kb = 1 - b + k b 90 90

l

b0

bzw.

kb0 = 1 - b + k0 b 90 90

l

l

0

Geringere Verdichtung in schmalen Gräben wird berücksichtigt durch aB:

Graben mit zusätzlicher Dammschüttung und einer Sohlbreite bSo < 3 · da ?

)· 1 -3a

aB = 1 - 4 - db a

(

Bi

£ 1 [-]

E2 = f1 · f2 · aB · E20 (8.103)

Einbettungsbed. B1 B2 B3 B4 aBi 2/3 1/3 0 1

Reduktionsfaktor für das Kriechen: Bodenart G1 G2 G3 G4 f1 1,0 1,0 0,8 0,5

Abb. 8.29a: Flussdiagramm zur Berechnung der Lasten bei eingeerdeten Rohrleitungen

286

8 Druckrohrleitungen

Abb. 8.29a

Sonderfall s. A 127

Berücksichtigung einer Deformations schicht über biegesteifen Rohren ? b -1 da

Df =

0,982 + 0,283

wirksame relative Ausladung (8.104): E a´ = a · 1 ³ 0,26 E2

ja nein

3,5 + 2,2 a´ E4·(a´- 0,25)+ E1

(db - 1)

E2 = E3?

z=1

E2 E3 oder aus Abb. 8.27b

SBh = 0,6 · z · E2

)

l

(8.105) h oder da Abb. 8.27a

Berücksichtigung einer Deformations schicht über biegeja steifen Rohren ?

Sonderfall s. A 127

ja

1,667 Df + (1,667 - Df) ·

(

h da 1,6 0,62 a´ + E4 ·(a´- 0,25) E1

nein

nein

£ 1,667

a

z=

max l = 1 +

SR =

SR SBh (8.106)

ER · I rm

3

ja

VS =

SR ½cv*½ · SBv

cv* = cv,qv + cv,qh* · K*

Verformungsbeiwerte cv,qv und cv,qh* aus Tabelle 8.16

VS =

VS > 100 ?

ja

4 - lR 3 (8.108a)

nein

lR =

4 · K2 max l - 1 a´-0,25 3 £ 4 (8.102) VS + a´· 3 + K2 max l - 1 a´-0,25 3

max l · VS + a´·

1 £ b/da £ 4 ?

ja

lR - 1 b 4 - lR + 3 da 3 (8.107a) oder Abb. 8.28 lRG =

(8.107b)

-2 h K1tand

l

l

lRG = lR = const.

nein

Horiz. Bettungsreaktionsdruck wird nicht beachtet, d. h. VRB > 1,0

Verformungsbeiwerte cv,qv aus Tabelle 8.16

SR ½cv,qv½ · SBv

nein

Verformungsbeiwerte ch,qv und ch,qh* aus Tabelle 8.16

nein

lB =

lR = max l

Reaktionsdruckbeiwert ch,qv K* = VRB - ch,qv*

E2 a

Wird horizontaler Bettungsreaktionsdruck beachtet, d. h. VRB £ 1,0?

Ermittlung von K2 aus Tabelle 8.17

VRB =

SBv =

Berücksichtigung einer Deformations schicht über biegesteifen Rohren ?

·

ja

lfu = 1-he 2 d K1tand a K1 = 0,5 und d = j´

Berücksichtigung einer Deformations schicht über biegesteifen Rohren ? nein

ja

Sonderfall s. A 127

da

Sonderfall s. A 127 qv = lRG (k · gB ·h + k0 · p0) + pv,ges nein

h ³ 10 m ?

lRG < lfu ?

(8.109a)

ja

lRG = lfu

ja

qh = K2 (lB · pE + gB · da/2)

nein

(8.110) lfo = 2,5 = const.

lfo = 4,0 - 0,15·h

lRG > lfo ?

ja nein

lRG = lfo

lB=

b/da - lfo,u b/da - 1 (8.108b)

qh* =

ch,qv · qv + ch,qh · qh

VRB - ch,qh* (8.111)

Abb. 8.29b: Flussdiagramm zur Berechnung der Lasten bei eingeerdeten Rohrleitungen

Die horizontalen Lasten am eingeerdeten Rohr erhält man als Summe aus dem Seitendruck qh, der vom vertikalen Druck im Boden neben dem Rohr abhängt, und

8 Druckrohrleitungen

287

dem horizontalen Bettungsreaktionsdruck qh* biegeweicher Rohre. Diese berechnen sich folgendermaßen: d · § qh = K 2 ⋅ ¨ λ B ⋅ pE + γ B ⋅ a ¸ [kN/m2] 2 ¹ © q*h = qh qh* K*

ch,qv ⋅ qv + ch,qh ⋅ qh VRB − ch,qh*

(8.110)

[kN/m2]

(8.111) [kN/m2] [kN/m2] [-]

horizontaler Seitendruck am Rohr horizontaler Bettungsreaktionsdruck biegeweicher Rohre Reaktionsdruckbeiwert nach Abb. 8.29a-8.29b

Wie aus Abb. 8.30a ersichtlich, wird der horizontale Bettungsreaktionsdruck in Form einer Parabel mit einem Öffnungswinkel von 120° angesetzt. Beim Lagerungsfall des steifen Rohrs auf festem Auflager (s. Abb. 8.30b) wird der Seitendruck qh nur oberhalb des Auflagers in Rechnung gestellt.

120º 2a

a Abb. 8.30:

qh

qh*

b

qh

Horizontale Lasten auf eingeerdete Rohre, a) Lagerungsfall I + III; b) Lagerungsfall II [nach 8.24]

8.4.3.3 Äußere Belastungen bei grabenlos verlegten Druckrohrleitungen In Fällen, in denen die offene Rohrverlegung nach Kapitel 8.4.3.2 nicht möglich ist, kommen geschlossene Bauverfahren zum Einsatz. Dabei lassen sich unbemannt arbeitende Rohrvortriebstechniken entsprechend Tabelle 8.18 in steuerbare und nicht steuerbare Verfahren unterteilen. Gemeinsam ist beiden Vorgehensweisen die Notwendigkeit eines Start- und Zielschachtes, wobei in ersterem die Vortriebsenergie aufgebracht wird. Der Boden wird während des Vortriebs verdrängt oder entnommen. Im folgenden wird das Verfahren nach den Arbeits- bzw. Merkblättern ATVDVWK-A 161 [8.31] bzw. dem gleichlautenden DVGW GW 312 zur statischen Berechnung von Vortriebsrohren, welche mit nichtdynamischen Verfahren nach DWA-A 125 [8.32] bzw. dem gleichlautenden DVGW GW 304 vorgetrieben werden, vorgestellt. Belastungen quer zur Rohrachse

Vertikaler Erddruck Der vertikale Erddruck pE,v errechnet sich nach den Gleichungen (8.100a)-(8.100c). Hierbei ist zur Berechnung des Abminderungsfaktors ț nach (8.101a) į durch ij’/2 zu ersetzen und das Verhältnis von horizontalem zu vertikalem Erddruck zu K1 = 0,5 anzusetzen.

288

8 Druckrohrleitungen

Tabelle 8.18: Unbemannte Vortriebsverfahren in Abhängigkeit des Rohraußendurchmessers ra, der Vortriebslänge lV und der Mindestüberdeckung h [nach 8.32] Verfahren Bodenverdrängungshammer nicht Horizontalramme/-presse mit geschl. Rohr steuer Horizontal-Pressanlage bar Horizontalramme mit offenem Rohr Horizontal-Pressbohrgerät Bodenverdrängungshammer Pilotrohr-Vortriebe steuer Pressrohr-Rohrvortrieb bar Schild-Rohrvortrieb Horizontal-Spülbohrung Horizontal-Directional-Drilling-Verfahren

ra [mm] ” 200 ” 150 ” 100 ” 2.000 ” 1.600 ” 63 ” 200 ” 1300 ” 1850 ” 400 ” 1.500

lV [m] ” 25 ” 20 ” 15 ” 80 ” 80 ” 60 ” 100 ” 100 ” 250 ” 250 ” 1.500

h [mm] 10 · da 10 · da, ≥1,0 m 10 · da, ≥1,0 m 1,5 · da, ≥1,0 m 1,5 · da, ≥ 0,8 m 10 · da -----------

Horizontaler Erddruck Der Betrag des horizontalen Erddrucks pE,h auf Ebene des Rohrscheitels errechnet sich mit dem Erddruckverhältnis K2 nach Tabelle 8.19 zu: pE ,h = κ ⋅ γ B ⋅ h ⋅ K 2 [kN/m2] pE,h

horizontaler Erddruck auf Ebene des Rohrscheitels

(8.112) [kN/m2]

Tabelle 8.19: Bodenkennwerte ohne bzw. mit Verpressen [nach 8.31] Bodengruppe

1 nichtbindig 2 schwachbindig 3 Mischböden 4 bindige Böden

Wichte ij’ [kN/m³] [°]

ȖB 20 20 20 20

Ȗ’B 11 11 10 10

35 30 25 20

Erddruckverhältnis K2 [-] EB bei DPr 92 % im Bau im Betrieb [N/mm²] ohne ohne ohne mit Verpr Verpr. mit Verpr. Verpr. mit Verpr. Verpr. 0,3 0,4 0,4 0,5 9 40 0,3 0,4 0,4 0,5 4 20 0,3 0,4 0,4 0,5 3 10 0,3 0,4 0,4 0,5 2 5

Bettungsreaktionsdruck Der Bettungsreaktionsdruck qhi* hat entlastende Wirkung und darf bei StahlVortriebsrohren unter der Bedingung pi ” pk (kritische Beullast) berücksichtigt werden. Der Bettungsreaktionsdruck aus Verkehrslast ergibt sich zu: q*hV = pv ⋅ K * [kN/m2]

(8.113a)

und aus Erddrucklast zu:

q*hE = ( pEv − pEh ) ⋅ K * [kN/m2]

(8.113b)

mit dem Reaktionsdruckbeiwert: K* =

0,0833 VRB + 0,066

[-]

(8.113c)

8 Druckrohrleitungen

289

und der Systemsteifigkeit: VRB

E § s · = 0,14 R ⋅ ¨ ¸ EB © rm ¹

3

[-]

(8.113d)

Verkehrslasten Die Verkehrslasten werden entsprechend Kapitel 8.4.3 berücksichtigt. Begrenzte Flächenlasten Die begrenzten Flächenlasten werden gemäß Abschnitt 8.4.3.2 und dabei insbesondere Abb. 8.23 einbezogen. Belastungen in Richtung der Rohrachse Die Vortriebsrohre werden im Bauzustand durch die in Achsrichtung wirkenden, in der Regel jedoch außermittigen Vorpresskräfte belastet (s. u.). Schnittkräfte quer zur Rohrachse Die quer zur Rohrachse wirkenden Schnittkräfte infolge unterschiedlicher Belastungsarten ergeben sich für Momente in Verbindung mit Tabelle 8.20 zu: M j ,i = mi ⋅ Cm

[kNm/m]

(8.114a)

und analog für Normalkräfte in Verbindung mit Tabelle 8.21 zu: N j ,i = ni ⋅ Cn [kN/m] Mj,i Nj,i mi/ni Cm/Cn

(8.114b)

Momente infolge Belastungsart j am Ort i Normalkräfte infolge Belastungsart j am Ort i Beiwerte am Ort i gemäß Tabelle 8.20 bzw. 8.21 Formelbeiwerte gemäß Tabelle 8.20 bzw. 8.21

[kNm/m] [kN/m] [-]

Tabelle 8.20: Beiwerte zur Momentenermittlung bei Vortriebsrohren Belastungsart Mindestbemessung1 Eigengewicht

Beiwert Cm

m1 Scheitel

Schnittstelle m2 Kämpfer

m3 Sohle

rm2

33

-33

33

s ⋅ γ R ⋅ rm2

0,345

-0,393

0,441

0,25

-0,25

0,25

Verkehrs-/Flächenlast

pV ⋅ rm2

innere Wasserfüllung2 innerer Überdruck2

γW ⋅ rm3

Bettungsreaktionsdruck

Erdlast 1 2

--Verkehr

q*hV ⋅ rm2

Erdlast K2 = 0,3 K2 = 0,4 K2 = 0,5

q*hE ⋅ rm2

pEv ⋅ rm2

0,172 -0,196 0,220 im Allgemeinen vernachlässigbar -0,181

0,208

-0,181

0,1636 0,1375 0,1125

-0,1636 -0,1375 -0,1125

0,1636 0,1375 0,1125

Bei nicht klaffenden Fugen dürfen die Werte nach [8.31] abgemindert werden. Bei äußeren Belastungen kehren sich die Vorzeichen um.

290

8 Druckrohrleitungen

Tabelle 8.21: Beiwerte zur Normalkräfteermittlung bei Vortriebsrohren Beiwert Cn rm

Belastungsart Mindestbemessung1 Eigengewicht Verkehrs-/Flächenlast 2

innere Wasserfüllung 2

innerer Überdruck

Bettungsreaktionsdruck

Erdlast 1 2

n1 Scheitel -100

Schnittstelle n2 Kämpfer -200

n3 Sohle -100

s ⋅ γ R ⋅ rm pV ⋅ rm

0,167

-1,571

-1,737

-0,25

-1,00

-0,25

γW ⋅ rm2

0,583

0,215

0,631

pi ⋅ ri

1,0

1,0

1,0

-0,577

0,0

-0,577

-0,4978 -0,5750 -0,6500

-1,000 -1,000 -1,000

-0,4978 -0,5750 -0,6500

Verkehr

q*hV ⋅ rm

Erdlast K2 = 0,3 K2 = 0,4 K2 = 0,5

q*hE ⋅ rm

pEv ⋅ rm

Bei nicht klaffenden Fugen dürfen die Werte nach [8.31] abgemindert werden. Bei äußeren Belastungen kehren sich die Vorzeichen um.

Bemessung der Vortriebsrohre quer zur Rohrachse Dauerfestigkeitsnachweis Bei allen Rohrtypen wird ein Dauerfestigkeitsnachweis notwendig, wenn diese unter Gleisen oder Flugzeugbetriebsflächen sowie unter Straßen bei Überdeckungshöhen von h < 1,50 m liegen. In diesem Fall werden die Grenzschnittgrößen der Verkehrsbelastung mit den Beiwerten ĮSLW 60 = 0,5 bzw. Į SLW 30 = 0,8 oder Į UIC 71 = 1,0 multipliziert.

Bemessung der unterschiedlichen Rohrtypen Für die Bemessung der unterschiedlichen Rohrtypen gelten neben den werkspezifischen Normen und Richtlinien in Verbindung mit dem ATV-DVWK-A 161 [8.31] folgende Gesichtspunkte: - Stahlbeton-Vortriebsrohre: Bei der Bemessung müssen spezifische Vorgaben hinsichtlich der Bewehrung beachtet werden. - Asbestzement-Vortriebsrohre und Steinzeug-Vortriebsrohre: Die Biegezugspannung quer zur Rohrachse errechnet sich nach (8.122) und (8.123a). - Stahl-Vortriebsrohre: - Der Spannungsnachweis erfolgt nach (8.122) mit Įk = 1,0; bei Innendruckbeanspruchung dürfen die Biegemomente in Ringrichtung nach DVGW GW 312 bzw. ATV-DVWK-A 161 abgemindert werden. - Die durch die relative Durchmesseränderung ausgedrückte zulässige Verformung berechnet sich nach (8.125) bzw. Abb. 8.29b, wobei zur Berechnung der horizontalen Bettungssteifigkeit SBh der Korrekturfaktor ȗ = 1,0 mit E2 = EB angesetzt wird. Zulässig sind Verformungen bis zu 3 %, unter Eisenbahnanlagen bis 2 %. - Beim Beulsicherheitsnachweis sind eventuell zusätzliche Drücke durch das Einpressen eines Stützmittels zu beachten. - Bei schutzrohrlos eingebauten Rohren unter Gleisen ist ein Nachweis der aus Unrundheit resultierenden Spannungen erforderlich (s. Kap. 8.4.2).

8 Druckrohrleitungen

291

Bemessung der Vortriebsrohre in Richtung der Rohrachse In Achsenrichtung werden Vortriebsrohre durch die Vorpresskraft während des Bauzustandes belastet. Neben den Werkstoffkennwerten ist die Querschnittsfläche der Rohre an der schwächsten Stelle sowie die außermittig angreifende Vorpresskraft maßgebend.

Druckkraftschlüssige Rohrverbindungen Durch die außermittig angreifende Vorpresskraft ergeben sich einseitige Spannungserhöhungen (s. Abb. 8.31a). Die zulässige Vortriebskraft Vzul ergibt sich in diesem Fall mit dem Rohrdurchmesser da,min an der schwächsten Stelle in Verbindung mit Abb. 8.31b zu: §β Vzul = Amin ⋅ ¨ LD © γ

max σ · ¸ [kN] σ0 ¹

(8.115a)

mit Amin

(d =

Vzul Amin da,min ȕLD

2 a ,min

)

− di2 ⋅ π 4

[mm2]

(8.115b)

zulässige Vorpresskraft kleinste Übertragungsfläche Durchmesser des Rohres an der schwächsten Stelle Längsdruckfestigkeit Sicherheitsbeiwert, s. Tabelle 8.25 Versagen durch Bruch

γ

z di

s

da

V max

s

a Abb. 8.31:

V

max s s0 8 7 6 5 4 s 3 2 1 0 s0

b

[kN] [mm2] [mm] [N/mm2] [-]

di/da = 1,0 di/da = 0,9 di/da = 0,8 di/da = 0,7

0,1

0,3

0,5

0,7 z/da 1,0

Außermittig angreifende Vorpresskraft: a) Belastung, b) Spannungsverhältnis maxı/ı0 in Abhängigkeit z/da [nach 8.31]

Da auch beim geradlinig geplanten Rohrvortrieb infolge von Steuervorgängen stets mit außermittig angreifenden Kräften zu rechnen ist, ist der Radius des Kernquerschnitts als Mindestgröße für z anzusetzen. Bei geplanten Richtungsabweichungen ist das entsprechende Maß für z aus dem Radius der Gradiente zu ermitteln.

292

8 Druckrohrleitungen

Druck- und zugkraftschlüssige Rohrverbindungen Für planmäßig geraden Vortrieb ist der Angriffspunkt der Vorpresskraft V am Rand des Kernquerschnitts anzusetzen, wodurch sich mit der Rohrquerschnittsfläche A als maximale Längsdruckspannung ıLD = 2 · V/A ergibt. In Krümmungen liegt der Angriffspunkt der Vorpresskraft dagegen außerhalb des Kernquerschnitts, so dass dann zusätzlich Zugspannungen auftreten. Nachweis der Vergleichsspannung Der Nachweis der Vergleichsspannung erfolgt nach der Gestaltänderungshypothese gemäß Kapitel 8.4.1. 8.4.4

Schnittgrößen in Rohrringrichtung bei eingeerdeten Druckrohrleitungen

Für eingeerdete Rohre werden die Schnittgrößen in Ringrichtung aus äußeren Belastungen, wie bereits angedeutet, zweckmäßigerweise mit Hilfe von Beiwerten m und n für häufig auftretende Lastfälle ermittelt. Die Druckverteilung am Rohrumfang ist nicht nur abhängig von der Verfüllung in der Leitungszone und vom Verformungsverhalten der Rohre, sondern auch von der Ausbildung des Auflagers. Die im Folgenden angegebenen, vereinfachten Druckverteilungen sind typisch für die im Erd- bzw. Kanalbau üblichen Einbaubedingungen. Die Auflast wird unabhängig von der Art des Einbaus und für alle Rohrarten vertikal gerichtet und rechteckförmig angenommen. Es werden im Folgenden drei Lagerungsfälle unterschieden, die in Abb. 8.32a dargestellt sind: - Lagerungsfall I: Auflager im Boden. Vertikal gerichtete und rechteckförmig verteilte Reaktionen. Dieser Lagerungsfall gilt für den Spannungsnachweis biegesteifer und biegeweicher Rohre - Lagerungsfall II: Festes Auflager (z. B. Beton), nur für biegesteife Rohre. Radial gerichtete und rechteckförmig verteilte Reaktionen. - Lagerungsfall III: Auflager und Einbettung im Boden für biegeweiche Rohre. Vertikal gerichtete und rechteckförmig verteilte Reaktionen. Dieser Lagerungsfall gilt nur für die Verformungs- und Dehnungsnachweise (Kurzzeit und Langzeit) biegeweicher Rohre. Für die in Abb. 8.32a definierten verschiedenen Lagerfälle mit verschiedenen Auflagerwinkeln sind in den Tabellen 8.22 und 8.23 die Beiwerte m und n angegeben, anhand derer an Scheitel, Kämpfer und Sohle die Momente und Normalkräfte in Rohrringrichtung unter den Belastungen qv, qh und qh* nach den Gleichungen (8.109a), (8.110) und (8.111) sowie die Lastfälle Eigengewicht, Wasserfüllung und Wasserdruck leicht ermittelt werden können.

8 Druckrohrleitungen

293

rm/s = 50

25 30 20 aD

15

20

12,5 10 7,5 rm/s = 5

10

2a

2a

I

II

III

3

a

b

Abb. 8.32:

Grenzwert ungebettetes Rohr

0 0,0001

0,001

0,01

VRB

0,1

a) Lagerungsfälle I-III; b) Durchschlagsbeiwert αD für den kritischen äußeren Wasserdruck [nach 8.24]

Für die Berechnung der Schnittkräfte gelten dabei die folgenden Gleichungen, die bei kombinierten Belastungen superponiert werden können: 1. Vertikale Gesamt- M qv = mqv ⋅ qv ⋅ rm2 [kNm/m] (8.116a) belastung qv: N qv = nqv ⋅ qv ⋅ rm [kN/m] (8.116b) 2. Seitendruck qh:

M qh = mqh ⋅ qh ⋅ rm2 [kNm/m]

(8.117a) (8.117b)

N qh = nqh ⋅ qh ⋅ rm [kN/m] ∗ ∗ 3. Horizontaler M qh = mqh ⋅ qh∗ ⋅ rm2 [kNm/m] Bettungsdruck qh*: ∗ ∗ N qh = nqh ⋅ qh∗ ⋅ rm [kN/m]

(8.118a) (8.118b)

4. Eigengewicht:

M g = mg ⋅ γ R ⋅ s ⋅ rm2 = mg′ ⋅ Fg ⋅ rm [kNm/m] N g = ng ⋅ γ R ⋅ s ⋅ rm = ng′ ⋅ Fg [kN/m]

(8.119a) (8.119b)

5. Wasserfüllung:

M w = mw ⋅ γ w ⋅ rm3 = mw′ ⋅ Fw ⋅ rm

(8.120a)

[kNm/m]

N w = nw ⋅ γ w ⋅ r = nw′ ⋅ Fw [kN/m] 2 m

6. Wasserdruck:

mi/ni Mj Nj

(8.120b)

§1 r ⋅r r · M pw = ( pi − pa ) ⋅ ri ⋅ ra ⋅ ¨ − 2i a 2 ⋅ ln a ¸ [kNm/m] (8.121a) ri ¹ © 2 ra − ri N pw = pi ⋅ ri − pa ⋅ ra [kN/m] (8.121b)

Beiwerte nach Tabelle 8.22 und 8.23 Momente infolge j Normalkräfte infolge j

[-] [kNm/m] [kN/m]

294

8 Druckrohrleitungen

Tabelle 8.22: Beiwerte m zur Ringschnittgrößenermittlung [8.24] Lagerungsfall/2α I/60°

I/90°

I/120°

III/180°

II/90°

II/120°

III/180°

Schnittstelle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle

mqv +0,286 -0,293 +0,377 +0,274 -0,279 +0,314 +0,261 -0,265 +0,275 +0,250 -0,250 +0,250 +0,266 -0,271 +0,277 +0,240 -0,240 +0,202 +0,163 -0,125 +0,087

mqh -0,250 +0,250 -0,250 -0,250 +0,250 -0,250 -0,250 +0,250 +0,250 -0,250 +0,250 -0,250 -0,245 +0,244 -0,224 -0,232 +0,228 -0,187 -0,163 +0,125 -0,087

mqh* -0,181 +0,208 -0,181 -0,181 +0,208 -0,181 -0,181 +0,208 -0,181 -0,181 +0,208 -0,181 ----------

mg +0,459 -0,529 +0,840 +0,419 -0,485 +0,642 +0,381 -0,440 +0,520 +0,345 -0,393 +0,441 +0,396 -0,460 +0,524 +0,314 -0,362 +0,291 +0,071 0 -0,071

mg´ +0,073 -0,084 +0,134 +0,067 -0,077 +0,102 +0,061 -0,070 +0,083 +0,055 -0,063 +0,070 +0,063 -0,073 +0,083 +0,050 -0,058 +0,046 +0,011 0 -0,011

mw +0,229 -0,264 +0,420 +0,210 -0,234 +0,321 +0,190 -0,220 +0,260 +0,172 -0,196 +0,220 +0,198 -0,230 +0,262 +0,157 -0,181 +0,145 +0,035 0 -0,035

mw´ +0,073 -0,084 +0,134 +0,067 -0,077 +0,102 +0,061 -0,070 +0,083 +0,055 -0,063 0,070 +0,063 -0,073 +0,083 +0,050 -0,058 +0,046 +0,011 0 -0,011

ng´ +0,66 -0,250 -0,066 +0,053 -0,250 -0,053 +0,040 -0,250 -0,040 +0,027 -0,250 -0,027 +0,045 -0,250 -0,253 +0,016 -0,250 -0,305 -0,080 -0,250 -0,420

nw +0,708 +0,215 +1,292 +0,667 +0,215 +1,333 +0,625 +0,215 +1,375 +0,583 +0,215 +1,417 +0,643 +0,215 +0,707 +0,552 +0,215 +0,541 +0,250 +0,215 +0,179

nw´ +0,225 +0,068 +0,411 +0,212 +0,068 +0,424 +0,199 +0,068 +0,438 +0,186 +0,068 +0,451 +0,205 +0,068 +0,225 +0,176 +0,068 +0,172 +0,080 +0,068 +0,057

Tabelle 8.23: Beiwerte n zur Ringschnittgrößenermittlung [8.24] Lagerungsfall/2α I/60°

I/90°

I/120°

III/180°

II/90°

II/120°

II/180°

Schnittstelle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle Scheitel Kämpfer Sohle

nqv +0,080 -1,0 +0,080 +0,053 -1,0 -0,053 +0,027 -1,0 -0,027 0 -1,0 0 +0,038 -1,0 -0,452 -0,020 -1,0 -0,558 -0,212 -1,0 -0,788

nqh -1,0 0 -1,0 -1,0 0 -1,0 -1,0 0 -1,0 -1,0 0 -1,0 -0,989 0 -0,718 -0,960 0 -0,540 -0,788 0 -0,212

nqh* -0,577 0 -0,577 -0,577 0 -0,577 -0,577 0 -0,577 -0,577 0 -0,577 ----------

ng +0,417 -1,571 -0,417 +0,333 -1,571 -0,333 +0,250 -1,571 -0,250 +0,167 -1,571 -0,167 +0,285 -1,571 -1,587 +0,105 -1,571 -1,918 -0,500 -1,571 -2,642

8 Druckrohrleitungen

295

Die aus diesen Schnittkräften resultierende Ringspannung ergibt sich zu: σϕ =

¦N ± ¦M j

A

W

j

⋅ αk

[N/mm2]

(8.122)

mit: 1 s 3 ⋅ di + 5 ⋅ s α ki = 1 + ⋅ = 3 rm 3 ⋅ di + 3 ⋅ s

[-]

(8.123a)

1 s 3 ⋅ di + s α ka = 1 − ⋅ = 3 rm 3 ⋅ di + 3 ⋅ s

[-]

(8.123b)

W A

αk

Widerstandsmoment in Ringrichtung: W = (1 ⋅ s2)/6 Fläche in Ringrichtung pro laufenden Meter Korrekturfaktor für Randfaserdehnungen

[m3/m] [m2/m] [-]

Die Randfaserdehnungen ε ergeben sich zu:

ε=

σ s = 3 E 2 ⋅ rm ⋅ S R

§ s⋅N · ⋅¨ ± M ⋅ α k ¸ [-] © 6 ¹

(8.124)

Als Maß für die Verformung Δdv des Rohres lässt sich die vertikale Durchmesseränderung mit der Rohrsteifigkeit SR aus (8.106) berechnen aus: Δd v = c*v ⋅ Δdv

8.4.5

qv − qh ⋅ 2 ⋅ rm [mm] SR

Verformung des Rohres

(8.125) [mm]

Maßgebende Nachweise für die Druckrohrleitungsbemessung

Bei biegesteifen Rohren, bei denen die Belastung keine wesentlichen Verformungen hervorruft und damit die Druckverteilung nicht beeinflusst, ist der Spannungs- oder der Tragfähigkeitsnachweis zu führen. Bei biegeweichen Rohren, deren Verformung die Belastung und Druckverteilung wesentlich beeinflusst, sind der Verformungsnachweis, der Dehnungsnachweis (jeweils Lagerungsfall III anzusetzen) und der Stabilitätsnachweis maßgebend. Für Rohre mit nicht eindeutig biegesteifem oder biegeweichem Verhalten sind alle Nachweise zu führen. 8.4.5.1 Spannungs-/Dehnungsnachweis Die ermittelten Spannungen nach (8.122) bzw. die Randfaserdehnungen nach (8.124) sind mit den Rechenwerten σR und εR zu vergleichen. Aus dem Verhältnis ergibt sich der Sicherheitsbeiwert γ: γ= γ

σR εR = σ ε

[-]

Sicherheitsbeiwert

(8.126a) [-]

296

8 Druckrohrleitungen

8.4.5.2 Tragfähigkeitsnachweis Für Rohre mit definierter Scheiteldruckkraft FN nach DIN EN 295 [8.33], DIN 4032 [8.34] und DIN 19850 [8.35] kann die vorhandene Sicherheit berechnet werden mit: γ= EZ

FN ⋅ EZ FN ⋅ EZ = tot F qv ⋅ d a

[-]

(8.126b)

Einbauziffer nach Tabelle 8.24 für Betonrohre s. ATV-DVWK-A 127 [8.24] [-]

Tabelle 8.24: Einbauziffern EZ [8.24] Lagerungsfall Auflagerwinkel 2α Einbauziffer EZ

60° 1,59

I 90° 1,91

120° 2,18

60° 2,17

II 90° 2,50

120° 3,68

8.4.5.3 Verformungsnachweis Für biegeweiche Rohre ist die vertikale Durchmesseränderung nach (8.125) mit dem zulässigen Wert zul δv zu vergleichen, wobei für den Langzeitnachweis δv = 6 % beträgt. 8.4.5.4 Stabilitätsnachweis Hier werden drei Lastfälle unterschieden, für welche die Sicherheiten einzeln nachzuweisen sind, die sich aus dem Verhältnis des kritischen zum vorhandenen Wert ergeben: a) Vertikale Gesamtlast qv mit der kritischen Beullast: qv ,krit = 2 ⋅ S R ⋅ S Bh

[kN/m2]

(8.127)

b) Äußerer Wasserdruck pa mit der kritischen Beullast: pa ,krit = α D ⋅ S R αD

[kN/m2]

Durchschlagsbeiwert s. Abb. 8.32b

(8.128) [-]

c) Überlagerung der Einzelsicherheiten vertikale Gesamtlast und äußerer Wasserdruck: § q p · γ=¨ v + a ¸ © qv ,krit pa ,krit ¹

−1

[-]

(8.129)

Die Sicherheitsbeiwerte γ in Tabelle 8.25 nach [8.24] sind für Bruchversagen und für Versagen wegen Instabilität angegeben. Sie beziehen sich für Stahlbeton auf die Rechenwerte nach DIN 1045 [8.36] und für Stahl auf die 5-%-Fraktile oder die Mindeststreckgrenze (0,2 %). Es handelt sich dabei um die Werte für die bei Wasserkraftanlagen im Regelfall anzunehmende Sicherheitsklasse A (Gefährdung des Grundwassers, Beeinträchtigung der Nutzung, bei Versagen beachtliche wirtschaftliche Folgen).

8 Druckrohrleitungen

297

Tabelle 8.25: Sicherheitsbeiwerte γ [8.24] Rohrwerkstoff Stahlbeton Stahl

Versagen durch Bruch 1,75 1,5

Versagen durch Instabilität 2,5 2,5

Die bereits erwähnte ÖNORM B 5012 [8.28], deren Grundsätze annähernd denen des ATV-DVWK-Arbeitsblattes 127 [8.24] entsprechen, geht eingehender auf die Überlagerung der Außenbelastung aus Erddruck, Verkehrslast, Eigengewicht und Wasserfüllung und der Belastung aus dem Innendruck ein. Bei der Überlagerung der Außen- und Innenbelastung an eingeerdeten Druckrohrleitungen tritt ein sogenannter Glättungs- oder Reroundingeffekt ein. Das bedeutet, dass die durch die Außenbelastung verformte Rohrschale durch den Innendruck eine Rückverformung erfährt, die eine Spannungsreduktion mit sich bringt. Diese Abminderung der Spannung ist vor allem abhängig von den Elastizitätseigenschaften des Rohres sowie den Einbettungsbedingungen und der Größe der Belastungen. Der Spannungs- und Verformungszustand eines eingeerdeten Druckrohres stellt mithin einen Gleichgewichtszustand zwischen einwirkenden Aktions- und Reaktionskräften dar, der nach den Regeln der Theorie zweiter Ordnung gefunden werden kann. NETZER [8.37] definiert im Hinblick auf die Abschätzung der Überlagerung von Außen- und Innenbelastung ein Verformungsverhältnis η als das Verhältnis der Verkürzung des vertikalen Rohrdurchmessers zur Setzung des Bodenprismas neben dem Rohr, das sich mit den im ATV-DVWK-Verfahren vorgestellten Kennwerten folgendermaßen berechnet: η= η

cv,1 K2 VS

1 − K2 VS

[-]

(8.130)

Verformungsverhältnis Verformungsbeiwert für Durchmesseränderungen s. Tabelle 8.16 Erddruckverhältnis s. Tabelle 8.17 Steifigkeitsverhältnis s. Abb. 8.29a-8.29b

Des Weiteren führt Reroundingeffekts ein: Z= Z

σ zul ER

§r· ⋅¨ ¸ ©s¹

er

einen

Beiwert

Z

zur

[-] [-] [-] [-]

Berücksichtigung

des

2

[-]

Beiwert zur Berücksichtigung des Reroundingeffekts

(8.131) [-]

Anhand dieser zwei Größen ist es möglich, eine Klasseneinteilung vorzunehmen, die sich für den Spannungsnachweis heranziehen lässt (s. Tabelle 8.26): Klasse 1: VRB > 1,0 , η < 0,1 Diese gilt für Druckrohre mit geringer Verformungsfähigkeit, bei denen kein Reroundingeffekt auftritt; für die Bemessung ist die Summe der Spannungen aus der Außenbelastung und aus der Innenbelastung σa + σi maßgebend.

298

8 Druckrohrleitungen

Klasse 2: Z < 4 Anzuwenden für Druckrohre, bei denen ein Reroundingeffekt eintritt, aber die resultierende Spannung größer ist als jede der beiden Einzelspannungen σa und σi; für die Bemessung ist die resultierende Spannung maßgebend, die aus den Diagrammen in Abb. 8.33 schnell ermittelt werden kann. Klasse 3: Z ≥ 4 Darunter fallen Druckrohre mit großer Verformungsfähigkeit, bei denen ein so starker Reroundingeffekt auftritt, dass die resultierende Spannung kleiner ist als die größere der beiden Einzelspannungen σa und σi; für die Bemessung ist die größere der Einzelspannungen maßgebend. 1,0 si/sa= 10,0

nR

si/sa= 8,0 si/sa= 6,0

= /s a si

0,9

05 0,

si/sa= 4,0

0,1

,2

si/sa= 0,6 si/sa= 0,8 si/sa= 1,0

= /s a si

=0 sa

s i/

0,8

s a=

s i/

0,7

0,4

si/sa= 2,0

0,6

h = 1,0 5,00 6,00 7,00 8,00 9,00 10,00

4,00

3,00

2,00

0,50 0,60 0,70 0,80 0,90 1,00

0,40

0,30

0,20

0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10

0,04

0,02

0,03

Z 0,01

0,5

1,0

nR

si/sa= 10,0 si /s = 8 ,0 a

0,9

si /s = a 6,0 i

,1

= /s a si 2,0

h = 4,0

Abb. 8.33:

5,00 6,00 7,00 8,00 9,00 10,00

4,00

3,00

2,00

0,50 0,60 0,70 0,80 0,90 1,00

0,40

0,30

0,20

0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10

0,04

0,03

0,02

Z 0,01

0,5

4,0

,05

,2 =0

a

,4

=0

a

0,6

a

=0 s i/s a

s i/s

s i/s

0,7

s=

=0 sa

s/

si/sa= 0,6 si/sa= 0,8 si/sa= 1,0

s /i

0,8

Spannungsabminderungsfaktoren nR: für η = 1,0 (oben) η = 4,0 (unten) und verschiedene σi / σa und Z [nach 8.37]

8 Druckrohrleitungen

299

Tabelle 8.26: Maßgebende Spannungen für die Bemessung erdverlegter Druckrohrleitungen [8.37] Druckrohre der Klasse Merkmal maßg. Spannung für den Spannungsnachweis

1 VRB > 1,0/η < 0,1 σa + σi

2 Z4 σa oder σi

Die resultierende Spannung σres für Druckrohre der Klasse 2 ist anhand eines Abminderungsfaktors nR folgendermaßen zu ermitteln: σres = nR ⋅ ( σa + σi ) [N/mm2] σres σa σi nR

resultierende Spannung Biegezugspannung aus Außenbelastung nach (8.122) Ringzugspannung aus pi nach (8.71a) Abminderungsfaktor infolge Rohrrückverformung, s. Abb. 8.33

(8.132) [N/mm2] [N/mm2] [N/mm2] [-]

Der Abminderungsfaktor nR lässt sich in Abhängigkeit von Z bzw. (r/s)² und von dem Verhältnis σi / σa aus Diagrammen ablesen, die beispielsweise bei NETZER [8.37] aufgeführt sind. In Abb. 8.33 sind exemplarisch die Werte für Abminderungsfaktoren η = 1,0 und η = 4,0 aufgeführt. Wird nR im durchgezogenen Bereich der Kurven entnommen, so ist die resultierende Spannung größer als die Einzelspannungen. Im strichlierten Bereich ergibt sich dagegen ein σres, das kleiner als die größere der Einzelspannungen ist. Das Rohr ist somit der Klasse 3 zuzuordnen. Die Diagramme sind bei NETZER [8.37] für den Bereich 0,1 < η < 8,0 angegeben, da für η < 0,1 Klasse 1 gilt und für η > 8,0 die Klasse 3 gültig ist. 8.5

Rohrkrümmer, Rohrauflager und Dehnungsausgleicher

8.5.1

Rohrkrümmer

Bei der Berechnung von Rohrbögen unter Innendruck ist zu beachten, dass an der Bogeninnenseite höhere Spannungen als am geraden Rohr auftreten. Die Herleitung eines Beiwertes zur Ermittlung der Wanddicke lässt sich anschaulich anhand des sogenannten Flächenvergleichsverfahrens darstellen. Hierbei werden Belastungsflächen Ap und Materialflächen Aσ definiert, anhand derer mittlere Spannungen durch die Beziehung σ = N/A bestimmt werden können, die in Abb. 8.34a beispielhaft für Bogeninnen- und Bogenaußenseite gegeben sind. Die mittlere Umfangsspannung σϕ,i an der Innenseite des Bogens berechnet sich demnach aus: σϕ ,i = pi ⋅

Ap ,i Aσ ,i

[N/mm2]

(8.133)

wobei

Ap ,i =

π ⋅ 4 ⋅ rB ⋅ di − di2 16

(

)

[mm2]

(8.134a)

300

8 Druckrohrleitungen

Aσ ,i =

π ⋅ 8 ⋅ rB ⋅ sv ,i − 4 ⋅ di ⋅ sv ,i − 4 ⋅ sv2,i 16

(

Ap/Aσ rB

)

[mm2]

(8.134b) [mm2] [mm]

Belastungsfläche/Materialfläche Krümmungsradius des Rohrbogens

Damit ergibt sich an der Bogeninnenseite: σϕ ,i = pi ⋅

di 2 ⋅ sv ,i

§ 2 ⋅ rB − di 2 · ⋅¨ ¸ © 2 ⋅ rB − d i − sv ,i ¹

[N/mm2]

(8.135a)

und unter Anwendung der Schubspannungshypothese nach (8.67): σv ,i = pi ⋅

di § 2 ⋅ rB − di 2 · § p · ⋅¨ [N/mm2] ¸− − 2 ⋅ sv ,i © 2 ⋅ rB − di − sv ,i ¹ ¨© 2 ¸¹

(8.135b)

Setzt man nun statt der Vergleichsspannung die zulässige Spannung σzul ein und löst nach der Wanddicke sv,i auf, erhält man die rechnerische Wanddicke an der Bogeninnenseite unter Innendruckbelastung (mit sv nach (8.74)): sv ,i =

§ 2 ⋅ rB − di 2 pi ⋅ di ⋅¨ 2 ⋅ σ zul − pi © 2 ⋅ rB − di − sv ,i

sv,i

· ¸ = sv ⋅ Bi ¹

[mm]

(8.136a)

rechnerische Wanddicke an der Bogeninnenseite

[mm]

Bei analogem Vorgehen an der Bogenaußenseite ergibt sich dementsprechend die rechnerische Wanddicke an der Bogenaußenseite unter Innendruckbelastung: sv ,a =

§ 2 ⋅ rB + d i 2 · pi ⋅ di ⋅¨ ¸ = sv ⋅ Ba [mm] 2 ⋅ σ zul − pi © 2 ⋅ rB + di + sv ,a ¹

sv,a Ba/Bi

(8.136b)

rechnerische Wanddicke an der Bogenaußenseite Beiwerte zur Ermittlung der Wanddicken unter Innendruck

[mm] [-]

6 5 As,a Ap,a

rB/di 4

Ap,i 3

a Abb. 8.34:

b

0 0,6

0,8

sv/di

sv/di 1,0

1,2

1,4

0,05

1

0

sv,i

0,25 0,25 0,15 0

di

2

1,6

0,20 0,10

rB sv,a

Bi

Ba

1,8

0,15

As,i

2,0 Ba , Bi

Rohrbogen: a) Kräftegleichgewichtsbedingung; b) Beiwerte Ba bzw. Bi zur Ermittlung der Wanddicken unter Innendruck [8.38]

8 Druckrohrleitungen

301

Zur Ermittlung der erforderlichen Wanddicke s sind die bereits vorgestellten Zuschläge c1 und c2 zu addieren (s. (8.77)). Die Beiwerte Bi und Ba können auch aus Abb. 8.34b in Abhängigkeit des bezogenen Krümmerradius r/di und des Verhältnisses der rechnerischen Rohrwanddicke am geraden Abschnitt zum Innendurchmesser sv /di entnommen werden. Für dünnwandige Rohre mit sv /di < 0,02 vereinfachen sich die Bestimmungsgleichungen für die Beiwerte Bi und Ba folgendermaßen: Bi =

2 ⋅ rB − d a 2 > 1 [-] 2 ⋅ rB − d a

(8.137a)

Ba =

2 ⋅ rB + d a 2 < 1 [-] 2 ⋅ rB + d a

(8.137b)

Es ist ersichtlich, dass die Wanddicke an der Innenseite eines Rohrbogens größer sein muss und an der Außenseite kleiner sein darf als die in einem geraden Rohrabschnitt. Die angegebenen Gleichungen stellen dabei Näherungen dar; bei höheren Genauigkeitsanforderungen wird auf die TRD 301, Anlage 2 [8.39] verwiesen. 8.5.2

Fixpunkte und Zwischenauflager

Wie schon in Kapitel 8.1 angesprochen, werden freitragende Rohrleitungen über Fixpunkte und Zwischenauflager gestützt. Um ein Abheben des Rohres in den an Knickpunkten angeordneten Fixpunkten zu vermeiden, ist es notwendig, die Resultierende aus den nachfolgend beschriebenen Kraftkomponenten in den Untergrund abzuleiten. Dies kann entweder durch Rückverankern oder durch eine Erhöhung des Eigengewichtes geschehen. Einige Ausführungsformen sind in Abb. 8.35 gegeben.

SH

Abb. 8.35:

Ausbildungsbeispiele von Fixpunkten [8.4]

Bei den Zwischenauflagern lassen sich Gleitlager, Wälzlager, Pendelstützen und Rollen- oder Kugellager unterscheiden (s. Abb. 8.36). Gleitlager, als einfachste Konstruktionsart stützen das Rohr ab, lassen jedoch Verschiebungen auf einer Gleitfläche zu. Wälzlager werden wegen der geringen Reibungskräfte bevorzugt bei großen Nennweiten und hohen Lagerkräften eingesetzt. Rollen- oder Pendelabstützungen verursachen ebenfalls gegenüber dem Gleitlager verringerte Reibungskräfte, verlangen jedoch einen erhöhten Aufwand in der Herstellung und Wartung. Zur Vermeidung von unzulässigen Radialverformungen werden an den Auflagern häufig Stützrahmen oder Stützringkonstruktionen verwendet.

302

8 Druckrohrleitungen

Lagersattel

Stützrohr

Gleitschuh

j SH

Rollen

a

Abb. 8.36:

b

c

d

Auflagertypen: a) Rollenstütze [8.4]; b) gleitende Abstützung [8.4]; c) Pendelstütze [8.4]; d) Sattelgleitlager [8.40]

Eine vereinfachte Form der Lagerung ist der Rohrsattel. Er besteht in seiner einfachsten Form aus einem gemauerten oder betonierten Stützsockel mit einem schalenförmigen, metallischen Gleitschuh, auf dem das Rohr aufliegt. Eingesetzt werden diese Rohrsättel vor allem bei Rohrleitungen mit kleinem Durchmesser. Sie werden aber auch bei langen, stark beanspruchten Rohren zur Verhinderung des Ausknickens verwendet. Auch bei eingeerdeten Rohrleitungen müssen an Knickpunkten sowie an besonderen Übergangsstellen, z. B. bei Verschlussorganen oder direkt vor dem Krafthaus, Fixpunkte vorgesehenen werden, um die auftretenden Kräfte in den Untergrund abzuleiten, wenn dies nicht durch die vorhandene Überdeckung sichergestellt ist. 8.5.2.1

Auflagerkräfte

Bei der Bemessung der Auflager und Fixpunkte kann man drei verschiedene Lastarten unterscheiden (s. a. [8.41]/[8.42]), wobei eine typische Situation für einen Hangleitungsabschnitt zwischen 2 Fixpunkten in Abb. 8.37 dargestellt ist: a) ständig wirkende Lasten: - Innendruck einschließlich Druckstoß - Eigengewicht und Wasserfüllung - Temperaturänderung b) vorübergehende Lasten: - Füllung und Entleerung - Unterdruck - Wind und Schneelast c) außergewöhnliche Lasten: - Werk- und Montagedruckproben - Versagen von Sicherheitseinrichtungen - Steinschlag, Lawinen, Hangrutschungen Die an den Fixpunkten und Auflagern aufzunehmenden Auflagerkräfte aus dem Eigengewicht des Rohres werden zweckmäßigerweise in eine Komponente GR,senk senkrecht zur Rohrachse und GR,par parallel zur Rohrachse aufgespalten: GR ,senk = qg ⋅ lZw [kN]

(8.138a)

GR , par = ng ⋅ lFix [kN]

(8.138b)

GR,i qg ng lZw lFix

Eigengewichtskomponente senkrecht/parallel zur Rohrachse Eigengewichtskomponente senkrecht zur Rohrachse nach (8.85) Eigengewichtskomponente parallel zur Rohrachse ng = qg ⋅ tan β Leitungslänge zwischen den betrachteten Auflagern Leitungslänge zwischen Fixpunkt und nächstem oberhalb liegendem Dehnungsausgleich

[kN] [kN/m] [kN/m] [m] [m]

8 Druckrohrleitungen oberer Fixpunkt

303

qg

SH

lFix Stopfbuchse

Freib Freak

Freib

b

unterer Fixpunkt

Freak lZw

Freib

b

Freak

Freib Freak

Abb. 8.37:

Freak

Belastung eines Hangleitungsabschnittes infolge Eigengewicht

Die Längskraft Gg,par wird am Fixpunkt aufgenommen, die Reibungskräfte an den zwischenliegenden Gleitlagern wirken dabei entlastend, können aber bei anderen Belastungsfällen wie z. B. Ausdehnung durch Erwärmung auch belastend wirken (siehe auch Kapitel 8.4). Die Auflagerkraft aus dem Gewicht der Wasserfüllung qW (s. (8.86)) ergibt sich entsprechend gemäß: Gw,senk = qw ⋅ lZw [kN]

(8.139)

Der Anteil aus dem Wassergewicht parallel zur Rohrachse nw liefert keinen Beitrag zu Spannungen in der Rohrleitung. In den an den Knickpunkten der Leitung angeordneten Fixpunkten werden zusätzlich die im Kapitel 8.4 aufgeführten Belastungen in Längsrichtung aus behinderter Temperaturdehnung, Ringdehnung, Stopfbuchsenkräften und Rohrverjüngung abgetragen. Diese werden, wie dort schon erwähnt, bei aufgelösten Rohrsystemen durch die an den Stopfbuchsen und Zwischenunterstützungen aktivierten Reibungskräfte begrenzt. Des Weiteren sind Krümmerkräfte aufzunehmen, die sich aus zwei Anteilen zusammensetzen. Zum einen ist die Krümmerkraft aus Drücken zu berücksichtigen. In Abb. 8.38a sind die Kraftkomponenten Wj dargestellt, die sich folgendermaßen berechnen: W j = pi , j ⋅ π ⋅ ri 2 [kN] Wj

(8.140)

Kraftkomponenten s. Abb. 8.38a

[kN]

womit sich die resultierende Druckkraft FK ergibt zu:

FK = W12 + W22 − 2 ⋅ W1 ⋅ W2 ⋅ cos α FK

Krümmerkraft aus Drücken

[kN]

(8.141a) [kN]

für die im Symmetriefall gilt: FK* = 2 ⋅ pi ⋅ π ⋅ r 2 ⋅ sin α

2

[kN]

(8.141b)

304

8 Druckrohrleitungen

W1

r1 pi,1

a

W2

a

FK

Abb. 8.38:

v2

W2 pi,2 W1

SH

a

r2

b

FKi

v1

vZ

Krümmerkraft: a) aus Drücken; b) infolge Impulsänderung

Zum anderen ergibt sich eine Krümmerkraft infolge Impulsänderung, deren Komponenten aus Abb. 8.38b ersichtlich werden: FKi = FKi

γw ⋅Q γ ⋅Q ⋅ vz = w ⋅ v12 + v22 − 2 ⋅ v1 ⋅ v2 ⋅ cos α g g

[kN]

Krümmerkraft infolge Impulsänderung

(8.142) [kN]

wobei sie im Allgemeinen klein gegenüber der aus den Drücken resultierenden Kraft ist, so dass sie bei einer Vorbemessung vernachlässigt werden kann. Einen weiteren Anteil der im Auflager aufzunehmenden Kraft liefert die Schleppkraft FS aus der vom fließenden Wasser auf die Rohrwandung ausgeübten Reibung. Wie schon in Kapitel 8.4 erwähnt, ist dieser Lastanteil gering. Er berechnet sich aus: FS = γ w ⋅ hv ,r ⋅ π ⋅ ri 2 FS

[kN]

Schleppkraft

(8.143) [kN]

Die Vektorsumme aller am Widerlager bzw. Fixpunkt angreifenden Kräfte ergibt eine resultierende Kraft, die vom Widerlager aufgenommen werden muss. Im Allgemeinen wird das Fixpunktfundament so auszubilden sein, dass kein Kippen oder Gleiten eintritt. 8.5.2.2

Beanspruchung der Rohrwandung im Auflagerbereich

Neben den über die Rohrunterstützungen abgetragenen Auflagerkräften ist die Beanspruchung der Rohrwandung im Bereich der Auflager zu betrachten. Während in ausreichendem Abstand von den Unterstützungen die hervorgerufenen Randstörungen keinen Einfluss auf die Spannungen in der Rohrwandung haben, entstehen im unmittelbaren Bereich des Auflagerpunktes zusätzliche Schnittkräfte durch Verformungsbehinderung. Es zeigt sich, dass vor allem bei ringversteiften Rohrleitungen durch die Behinderung der Rohraufweitung über Bandagen oder Stützringe beträchtliche Zusatzspannungen aus der Biegung in Rohrlängsrichtung entstehen. Die bei völliger oder teilweiser Behinderung des zentralsymmetrischen Verformungszustandes entstehenden Zusatzspannungen folgen aus der Betrachtung einer am Rande elastisch eingespannten Zylinderschale (s. Abb. 8.39).

8 Druckrohrleitungen

AS

hS

w0 RS

r

-w

w0

wR

bS

M0 x

SH

Abb. 8.39:

Q0

Q0

s w

305

pi

z

wR,0

M0 z

x

Schnittkräfte durch Verformungsbehinderung

Unter der Annahme, dass der Spant selbst unter dem Innendruck und den Querkräften aufgeweitet wird, ergeben sich bei einer durchlaufenden Leitung folgende Randbedingungen: w0 + w = wR ,0 + wR w0 w

[m]

Aufweitung eines zylindrischen Rohres infolge pi Rohraufweitung durch den Stützring (Verschiebungen nach außen sind positiv definiert) Aufweitung des Ringträgers infolge pi Vergrößerung der Stützringaufweitung infolge Rohrausdehnung

wR,0 wR

(8.144) [m] [m] [m] [m]

Bei Vernachlässigung der Rohrwanddicke (r ≈ ri) ergeben sich mit (8.71b) und dem Hookeschen Gesetz εϕ = (w0 /r) = (σϕ /ER) die Aufweitungen des Rohrs ohne Behinderung aus: w0 =

pi ⋅ r 2 ER ⋅ s

[m]

(8.145a)

und des Stützringes mit der Breite bS dementsprechend aus: wR ,0 =

pi ⋅ bS ⋅ r ⋅ RS ES ⋅ AS

[m]

(8.145b)

Außerdem gilt direkt am Spant:

dw = 0 [-] dx bS RS AS

Breite des Stützringes Stützringradius Querschnittsfläche des Stützringes

(8.146) [m] [m] [m2]

306

8 Druckrohrleitungen

Über eine homogene, lineare Differenzialgleichung vierter Ordnung, die den Biegezustand in einer drehsymmetrisch belasteten Kreiszylinderschale konstanter Wandstärke infolge der Randkräfte oder Randmomente beschreibt, erhält man unter Vernachlässigung des Einflusses der Störung des abgelegenen Randes, bei Rohrleitungen also der nächsten Abstützung, die Gleichung für die Verschiebung zu: −ζ

w = A⋅e A/B

⋅ cos

2

ζ 2

−ζ

+ B⋅e

⋅ sin

2

ζ 2

[m]

(8.147)

Unbekannte aus der Differenzialgleichung

[m]

mit der dimensionslosen Veränderlichen ζ: ζ=

x

4

r⋅s

(

12 ⋅ 1 − μ 2

)

[-]

(8.148)

An der Stelle ζ = 0 erhält man: w = A [m]

(8.149)

woraus sich die Verdrehung dw/dζ ergibt: dw = −A⋅e dζ

−ζ 2

ζ ζ · § + sin −ζ ¨ cos ¸ 2 2 ¸ ⋅¨ − B⋅e 2 ¨ ¸ 2 ¨ ¸ © ¹

−ζ

= −A⋅e

2

ζ

⋅ cos*

2

−ζ

− B ⋅e

2

⋅ sin*

ζ ζ · § + sin ¨ − cos ¸ 2 2¸ ⋅¨ ¨ ¸ 2 ¨ ¸ [rad] (8.150) © ¹

ζ 2

Nach weiterer Differentiation und Verknüpfung mit der Schalensteifigkeit unter Berücksichtigung des Übergangs von x auf ζ erhält man das Moment Mx,w zu: M x ,w = −

=−

d 2 w §¨ ER ⋅ s 3 ⋅ dx 2 ¨ 12 ⋅ 1 − μ 2 ©

(

ER ⋅ s 2

(

r ⋅ 12 ⋅ 1 − μ 2

)

)

· ¸ ¸ ¹

−ζ −ζ § ζ ζ · ¸ ⋅ ¨ A ⋅ e 2 ⋅ sin − B ⋅ e 2 ⋅ cos ¨ 2 2 ¸¹ ©

[kNm/m] (8.151)

und die Querkraft Qx,w mit den Abkürzungen sin* bzw. cos* zu: Qx ,w = −

=

d 3 w §¨ ER ⋅ s 3 ⋅ dx 3 ¨ 12 ⋅ 1 − μ 2 ©

(

− ER ⋅ s 2

(

r s ⋅ r ⋅ 4 12 ⋅ 1 − μ 2

Mx,w Qx,w

)

)

· ¸ ¸ ¹

−ζ −ζ § ζ ζ · ¸ ⋅ ¨ − A ⋅ e 2 ⋅ sin* + B ⋅ e 2 ⋅ cos* ¨ 2 2 ¸¹ ©

Moment infolge Verformungsbehinderung Querkraft infolge Verformungsbehinderung

[kN/m]

(8.152)

[kNm/m] [kN/m]

8 Druckrohrleitungen

307

Aus der Bedingungsgleichung (8.146) folgt für ζ = 0 unmittelbar aus (8.150): A = B [m] (8.153) Analog zu (8.145b) erhält man unter Verwendung von (8.152) und mit der Annahme ES = ER an der Stelle ζ = 0: 2 ⋅ Q0 ⋅ r ⋅ RS −2 2 ⋅ s 2 ⋅ RS ⋅ A = ES ⋅ AS AS ⋅ s ⋅ r ⋅ 4 12 1 − μ 2

wR =

(

[m]

)

(8.154)

Setzt man in die Randbedingung (8.144) für die Stelle ζ = 0 die Verschiebungsanteile ein, so erhält man nach deren Auflösung die Konstante A:

(

)

( r ⋅ AS − bS ⋅ s ⋅ RS ) ⋅ 4 12 ⋅ 1 − μ2 pi ⋅ r r A=− ⋅ ⋅ s ER AS ⋅ s ⋅ r ⋅ 4 12 ⋅ 1 − μ 2 + 2 2 ⋅ s 2 ⋅ RS

(

)

[m]

(8.155)

womit nun die Verschiebung, die Verdrehung, das Moment und die Querkraft an einer beliebigen Stelle x bzw. ζ der Rohrleitung bestimmt werden können. Die zusätzliche Biegespannung in Längsrichtung σl aus der Verformungsbehinderung ergibt sich analog zu (8.122) mit dem Moment Mx,w. a r j xa

RS

xb jA

c

b FA/2

120° b Umschließungswinkel b

Segmentblech

Abb. 8.40:

141,5° b

Bandagen Feder

Gleitfläche

FA/2

Umschließungswinkel b

Gleitfläche Gleitplatte

Fußplatte

a) Stützring: Definitionsskizze für die Beanspruchung; Sattellager für Druckrohrleitungen: b) stählerner Gleitsattel; c) Betonauflagersattel mit Stahleinbauten [8.43]

Die Lasten aus Eigengewicht und Flüssigkeitsfüllung werden vom Rohr durch Schubkräfte auf den Stützring übertragen. Zur Ermittlung der Beanspruchung des Stützringes können die in der Tabelle 8.27 angegebenen Beiwerte herangezogen werden. Sie gelten für das in Abb. 8.40a dargestellte statische System mit Aufnahme der Schubkräfte aus der Rohrwandung über Einzelkräfte und sind aus

308

8 Druckrohrleitungen

Gleichgewichtsbetrachtungen am Ringträger entwickelt. Aus diesen Beiwerten lassen sich die Schnittgrößen M, N und Q im Stützring in Abhängigkeit von der Auflagerkraft FA berechnen. Die Auflagerkraft FA aus Eigengewicht und Wasserfüllung kann über (8.138a) und (8.139) ermittelt werden. Tabelle 8.27: Zahlentafel zur Ermittlung von Mϕ, Nϕ, und Qϕ in Abhängigkeit des Auflagerwinkels ϕA ϕA ϕ1 ϕ2 Mϕ/FA⋅RS (ϕ = 0) min Mϕ/FA⋅ RS (ϕ = ϕ1) Mϕ/FA⋅ RS (ϕ = ϕA) max Mϕ/FA⋅ RS (ϕ = ϕ2) Mϕ/FA⋅ RS (ϕ = π) Nϕ/FA (ϕ = 0) Nϕ/FA (ϕ = ϕ1) Nϕ/FA (ϕ = ϕA) oberhalb

90°

100°

110°

120°

130°

140°

150°

160°

170°

180°

66,7

68,7

73,4

79,8

86,7

93,1

98,3

102,1

104,4

105,2

113,3

111,2

-

-

-

-

-

-

-

-

0,0113 0,0127 0,0173 0,0250 0,0358 0,0480 0,0602 0,0703 0,0770 0,0795 -0,0146 -0,0165 -0,0204 -0,0290 -0,0409 -0,0568 -0,0735 -0,0881 -0,0980 -0,1020 0

0,0135 0,0252 0,0346 0,0470 0,0546 0,0745 0,1087 0,1630 0,2385

0,0146 0,0170

-

-

-

-

-

-

-

-

-0,0113 -0,0121 -0,0121 -0,0104 -0,0024 +0,0170 +0,0489 +0,0957 +0,1592 +0,2385 0,0795 0,0846 0,0984 0,1194 0,1452 0,1728 0,1990 0,2202 0,2339 0,2390 -0,1391 -0,1472 -0,1672 -0,1966 -0,2318 -0,2492 -0,2416 -0,2320 -0,2230 -0,220 -0,250 -0,2882 -0,320 -0,3488 -0,370 -0,3828 -0,3810 -0,3590 -0,3121 -0,2390

unterhalb 0,250 0,2040 0,1492 0,0848 0,0129 -0,0612 -0,1307 -0,1880 -0,2246 -0,2390 Nϕ/FA (ϕ = ϕ2) Nϕ/FA (ϕ = π)

ϕ3 ϕ4

0,1391 0,1486

-

-

-

-

-

-

-

-

-0,0795 -0,0846 -0,0984 -0,1194 -0,1452 -0,1728 -0,1990 -0,2202 -0,2339 -0,2390 37,4

38,4

40,9

44,2

47,6

50,8

53,3

55,1

56,2

56,6

142,6

141,6

139,1

135,8

132,4

-

-

-

-

-

max Qϕ/FA (ϕ = ϕ3) Qϕ/FA (ϕ = ϕA) oberhalb 0,0798 0,1216 0,1617 0,2010 0,2426 0,2892 0,3420 0,3965 0,4520 0,50 0 unterhalb 0,0798 0,0348 -0,0094 -0,0480 -0,0786 -0,0941 -0,0920 -0,0732 -0,0403 -0,0342 -0,0374 -0,0460 -0,0603 -0,0790 max Qϕ/FA (ϕ = ϕ4)

-0,0342 -0,0374 -0,0460 -0,0603 -0,0790 -0,0997 -0,1202 -0,1360 -0,1490 -0,1530

Bei Verformungsmessungen an Sattellagern wurde festgestellt, dass sich als Kontaktreaktion zwischen dem Auflagersattel und dem Rohr als Kreiszylinderschale flächenhafte Pressungen ergeben, die Maximalwerte an den Sattelhörnern aufweisen. Dies wird bei der Definition des Nullzustandes berücksichtigt, so dass sich durch die Superposition einer parallel konstanten Last mit einer parallel veränderlichen bzw. einer radial konstanten mit einer radial veränderlichen die in Abb. 8.41 dargestellten Belastungssysteme I und II ergeben. Verknüpft man dieses System mit den in Kapitel 8.4 angeführten Einheitssystemen, können Beiwerte hergeleitet werden, die ähnlich wie beim Stützring eine einfache und rasche Schnittgrößenermittlung für die Rohrwandung erlauben. Die Schnittgrößen ergeben sich demnach in Abhängigkeit von der Auflagerkraft FA nach folgenden Gleichungen: M ϕ = k M ⋅F A ⋅rm [kNm]

(8.156a)

N ϕ = k N ⋅ FA [kN]

(8.156b)

8 Druckrohrleitungen A

B j

p1

j

=

jA

r

p2u B

C

r

jA

j

=

jA

r

j

- 1x 2

r

jA

p1

p1-p2u 2

II

r

jA

p1

A j

j

- 1x 2

p1-p2u 2

I

Abb. 8.41:

C

r

jA

309

p2u

Superposition von Systemen mit a) vertikalen (Lastfall I) und b) radialen (Lastfall II) Flächenpressungen [8.43]

Die Schnittkraftverläufe für Biegemomente und Normalkräfte in Ringrichtung können für die Belastungsfälle I und II aus Abb. 8.42 entnommen werden. Die Größe sowie die Lage der Extremwerte (ϕM, ϕN) für das Biegemoment und die Normalkraft sind für die zwei Lastfälle in der Tabelle 8.28 angegeben. +

+

kp/2 kM

jA

FA jA

-

-

+

kp/2 kp/2 kM kN

jA -

jA

FA

-

kp

kN

a +

kp/2 kM

-

jA

FA +

b Abb. 8.42:

+

jA

-

kp/2 kM

kp/2

jA

jA

FA

kN -

kp

kp/2 kN

Schnittgrößen: a) vertikale Flächenpressungen; b) radiale Auflagerpressungen [8.43]

310

8 Druckrohrleitungen

Tabelle 8.28: Extremwerte für Biegemoment und Normalkraft für vertikale Flächenpressungen und radiale Auflagerpressungen [8.43] ϕA

ϕM

90° 95° 100° 105° 110° 115° 120° 125° 130° 135° 140° 145° 150° 155° 160° 165° 170° 175° 180°

95° 95° 95° 95° 95° 95° 95° 95° 100° 100° 100° 100° 100° 105° 105° 105° 105° 105° 105°

8.5.3

Lastfall I kM ϕN -0,05510 110° -0,05467 105° -0,05493 105° -0,05601 105° -0,05784 110° -0,06033 115° -0,06335 120° -0,06679 125° -0,07056 130° -0,07494 130° -0,07941 135° -0,08372 135° -0,08776 135° -0,09168 135° -0,09523 135° -0,09812 135° -0,1002 135° -0,1015 135° -0,1020 135°

kN -0,2973 -0,2988 -0,3083 -0,3266 -0,3473 -0,3654 -0,3808 -0,3931 -0,4022 -0,4062 -0,4122 -0,4165 -0,4207 -0,4244 -0,4277 -0,4304 -0,4324 -0,4336 -0,4340

ϕM 20° 45° 60° 70° 75° 80° 85° 90° 95° 95° 100° 100° 100° 105° 105° 105° 105° 105° 105°

Lastfall II kM ϕN -0,01878 -0,01396 -0,01419 -0,01865 -0,02545 -0,03345 -0,04209 -0,05084 -0,05913 -0,06690 -0,07404 135° -0,08056 135° -0,08606 135° -0,09075 135° -0,09485 135° -0,09799 135° -0,1002 135° -0,1015 135° -0,1020 135°

kN -0,4067 -0,4133 -0,4189 -0,4236 -0,4274 -0,4303 -0,4323 -0,4336 -0,4340

Dehnungsausgleicher

Da es bei Triebwasserleitungen aufgrund der möglichst geraden Linienführung meist nicht möglich ist, Dehnungen über die Weichheit des Rohrsystems, also über U-, Lyra-, Z-Bögen etc. aufzunehmen, werden in der Regel besondere Ausgleichsorgane in die Leitungen eingefügt. In aufgelösten Leitungssystemen (siehe Abschnitt 8.1) sind Längskräfte aus Längenänderungen, die sich vor allem durch Temperaturdehnungen, aber auch durch Auflagersetzungen ergeben können, demnach in Dehnungsausgleichern oder Dilatationen zu kompensieren; sie werden deshalb auch Kompensatoren genannt. Für die Aufnahme großer Längenänderungen ist der Einsatz von Stopfbuchsendehnern gebräuchlich, die eingeschweißt oder eingeflanscht werden (s. Abb. 8.43a). Sie sind biegemomentenfrei zu halten, um ein Verklemmen zu verhindern. Die Dichtung soll bei gutem Dichtungsverhalten einen geringen Reibungswiderstand aufweisen. Es ist zu betonen, dass die normalen Stopfbuchsen nur die aus Dehnung entstehenden Reibungskräfte übertragen sollen, andere Längskräfte aus Innendruck oder Eigengewicht sind über Fixpunkte abzutragen. Eine andere Möglichkeit zum Dehnungsausgleich sind Wellrohrkompensatoren, die vor allem bei Nieder- und Mitteldruckanlagen angewandt werden. Ein Vorteil dieser Bauart ist es, dass keine zusätzlichen Dichtungselemente vonnöten sind. Durch innenliegende Leitrohre werden die Strömungsverluste verringert (s. Abb. 8.43b).

8 Druckrohrleitungen

a

Anschweißende

311

Anschlußflansch z

sR

SH

rm,R

c

b Abb. 8.43:

Rohrachse

x

Dehnungsausgleicher: a) Stopfbuchsendehner [8.44]; b) Wellrohrdehnungsausgleicher [8.3]; c) Ringwulstkompensator

Als weitere dichtungslose Ausführungsformen seien hier noch die gewellten Bälge und die Ringwulstkompensatoren genannt, welche auftretende Dehnungen über Ringbiegespannungen und Ringnormalspannungen aufnehmen (s. Abb. 8.43c). In Abhängigkeit der Wanddicke und des mittleren Radius der Ringwulstschale kann für eine Verschiebung u in Rohrlängsrichtung die maximale Biegespannung durch folgende Näherungsgleichung berechnet werden: σb,max = 0,44 ⋅ sR rm,R u E

E ⋅ sR ⋅ u [N/mm²] 2 rm,R

Wanddicke der Ringwulstschale, s. Abb. 8.43c mittlerer Radius der Ringwulstschale, s. Abb. 8.43c Verschiebung in Längsrichtung (Federweg) Elastizitätsmodul der Ringwulstschale

(8.157) [mm] [mm] [mm] [N/mm²]

Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ringnormalspannungen aus dem Innendruck nach der Kesselformel (8.71a) lässt sich somit der mögliche Federweg bestimmen. 8.6

Beurteilung von Schäden und der Sicherheit bestehender älterer Druckrohrleitungen aus Stahl

8.6.1

Allgemeines

Wasserkraftanlagen zeichnen sich durch eine überaus lange Lebensdauer aus. Es gibt eine Vielzahl von Beispielen einer über 100 Jahre hinweg reichenden vollen Funktionsfähigkeit und einer effizienten Betriebsführung. Derartige lange Betriebszeiten von Wasserkraftanlagen setzen eine kontinuierliche Unterhaltung, Instandsetzung und sorgsame Überwachung der verschiedenen Anlagenkomponenten voraus. Hierzu zählen u. a. Druckrohrleitungen, die als Bestandteile von Triebwasserwegen zwischen Stauhaltung bzw. Wasserspeicher und

312

8 Druckrohrleitungen

Krafthaus bzw. Maschinensätzen dienen. Im Laufe des Jahrzehnte umfassenden Kraftwerksbetriebes werden aus technischen und ökonomischen Gründen Sicherheitsüberprüfungen notwendig, fallweise auch Beurteilungen eventuell eingetretener Schäden. Die maßgebenden Beurteilungskriterien zur Überprüfung von Druckrohrleitungen [8.2] werden nachfolgend zusammenfassend dargestellt, wobei sich diese Hinweise primär auf praxisnahe Erfahrungen stützen, aber aufgrund der schwierigen Aufgabenstellung und der keinesfalls leichten Untersuchungsmaterie in jedem Einzelfall individueller Abwägung und Bewertung der augenscheinlichen Sachverhalte bedürfen. 8.6.2

Untersuchungsschritte

Am Anfang stehen die Erhebung der Entwurfs-, Bauausführungs- und Betriebsdaten der Wasserkraftanlage einschließlich der eingesetzten Baumaterialien und Werkstoffe. Es folgen die Analyse der Belastungsannahmen, der Festigkeitsberechnungen und der Sicherheitsnachweise für das den statischen und dynamischen Beanspruchungen ausgesetzte Rohrleitungssystem unter Einbeziehung der Sicherheitseinrichtungen mit Wasserschloss, Schwallkammer, Regel- und Verschlussorganen etc. Eventuell vorhandene Messdaten und Resultate zerstörungsfreier Prüfungen sind neben den betrieblichen Erfahrungen in die Dokumentation mit aufzunehmen. Schadensursachen für Druckrohrleitungen können Wanddickenminderungen infolge Erosion und Korrosion sein, ferner Rissbildungen infolge Werkstoffermüdung oder Korrosion, Spannungsspitzen und plastische Verformungen bis hin zu Leckagen und Rohrbrüchen. Für die Abschätzung des von einer beschädigten Druckrohrleitung ausgehenden Gefahren- bzw. Risikopotenzials bedarf es der Zusammenstellung einzelner, für die betreffende Wasserkraftanlage in Frage kommender Versagensszenarien und Folgewirkungen, ferner des Sicherheitskonzeptes, der betrieblichen Überwachung und der allfälligen Betriebserfahrungen. Die hierbei eventuell zu Tage tretenden Schwachpunkte vermitteln ein Gesamtbild des ebenfalls zu bewertenden Versagensablaufes. 8.6.3

Kennwerte

Für die Festigkeits- und Sicherheitsnachweise und damit der Prüfung des Qualitätszustands einer bestehenden, älteren Druckrohrleitung bilden die Werkstoffkennwerte und einschlägigen Berechnungsverfahren, die aus Richtlinien, DINbzw. EN-Normen und AD-Merkblättern etc. hervorgehenden Grenzwerte sowie die empfohlenen Konstruktionsprinzipien die Grundlage. Hierfür maßgebend ist zunächst die existierende Qualität, die sich aus Werkstoffanalysen und metallographischen Untersuchungen des gewählten Werkstoffes ablesen lässt, ferner die Rohrherstellung, Rohrverlegung und das Leitungssystem an sich. Die möglichen Abweichungen gegenüber den in neuerer Zeit hinzugekommenen Regelwerken, Normen und Vorschriften sind festzustellen. Bisherige zerstörungsfreie Prüfungen sind ebenso heranzuziehen wie die Ergebnisse seitheriger Überwachungen und Betriebserfahrungen, vor allem hinsichtlich Lebens-

8 Druckrohrleitungen

313

zyklen aufgrund dynamischer Belastungen und Lastwechselzahlen. Es sind die zukünftigen Schadensmechanismen abzuschätzen, die sich aus Spannungs-, Ermüdungs- und bruchmechanischen Analysen ergeben. Bruchmechanik bedeutet in erster Linie die statische Risseinleitung, die Ermittlung kritischer Rissgrößen, ferner die Bestimmung höchstzulässiger Belastungen und die Einbeziehung von stabilem und zyklischem Risswachstum. Die Quantifizierung und Beurteilung des Festigkeits-, Verformungs- und Bruchverhaltens angerissener Bauteile erfolgt im Bereich niedriger Zähigkeit (Sprödbruch) durch die linear-elastische Bruchmechanik, im Bereich höherer Zähigkeit (Zähbruch) durch die elastisch-plastische Bruchmechanik und für den vollplastischen Zustand durch die plastische Grenzwertuntersuchung. Hierfür stehen heute eine ganze Reihe mathematisch-physikalischer Simulationsverfahren zur Verfügung. So konnten auch vor wenigen Jahren entwickelte analytische Ansätze für die bruchmechanische Abschätzung von zylindrischen Rohren mit Kerben (Rissen) oder Schlitzen (Längsrissen) durch eine Vielzahl von Versuchen in Materialprüfungsanstalten bestätigt werden. Dasselbe gilt für Bauteile unter wechselnder Belastung mit zyklischem Rissfortschritt [8.45]. Eventuell müssen sich die Untersuchungen auf Eigenspannungen und Zusatzbeanspruchungen, z. B. infolge Auflagersenkungen, Rohrsetzungen und Rohrzwängungen, erstrecken. 8.6.4

Entscheidungskriterien für den Weiterbetrieb von Altanlagen

Führen die zuvor skizzierten Untersuchungen zur befriedigenden Beurteilung der Sicherheit gegen Versagen von bestehenden Druckrohrleitungen und damit zu einer Befürwortung des Weiterbetriebes der Wasserkraftanlage mit Schwerpunkt Triebwasserleitung, sind folgende Gesichtspunkte zu beachten: - Reduzierung stoßartiger, dynamischer Belastungen; - Optimierung der druckstoßmindernden Betriebsweise von Druckreglern, Regelund Verschlussorganen; - wiederholte Messungen verschiedener Betriebszustände mittels Druckaufnehmer, Messverstärker sowie Registrier- und Auswertegeräte zur Erfassung statischer Druckverteilungen und dynamischer Druckänderungen als äußere Belastungen; - die Messungen erhöhen die Aussagekraft gegenüber den zugehörigen numerischen Berechnungen zur Beurteilung der optimalen Betriebsführung; - Verminderung von Zusatzbelastungen infolge Rohrauflagerung, Auflagersetzung, Rohrzwängung, Vereisung; - Schutz gegen Erosion und Korrosion zur Vermeidung von Wandstärkenminderungen; - Vermeiden von Zusatzbelastungen der Rohrleitungen durch neu angeschlossene Bauelemente; - Zuverlässige betriebliche Überwachung.

314

8 Druckrohrleitungen

8.7

Literatur

[8.1] [8.2]

[8.3] [8.4] [8.5] [8.6]

[8.7]

[8.8]

[8.9] [8.10] [8.11] [8.12] [8.13] [8.14]

[8.15] [8.16] [8.17] [8.18] [8.19]

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8 Druckrohrleitungen

315

[8.20] Giesecke, J.; Horlacher, H.-B.: Drosselkurven und Druckstoßentwicklung bei verschiedenen Rohrverschlüssen. In: Wasserwirtschaft 71 (1981), Heft 3, Seite 80-85 [8.21] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) (Hrsg.): Dynamische Druckänderungen in Wasserversorgungsanlagen. In: Merkblatt W 303 des DVGW (1994) [8.22] Norm DIN 2413 Teil 1 Oktober 1993. Stahlrohre - Berechnung der Wanddicke von Stahlrohren gegen Innendruck. [8.23] Verband der Technischen Überwachungs-Vereine e. V. (Hrsg.): ADMerkblatt B6 - Zylinderschalen unter äußerem Überdruck. 1995 [8.24] ATV-DVWK (Hrsg.): Arbeitsblatt A 127 - Statische Berechnung von Abwasserkanälen und -leitungen. 3. Auflage. Hennef, 2000 [8.25] Norm DIN 1072 Dezember 1985. Straßen und Wegbrücken - Lastannahmen [8.26] Norm ANSI B 31.1 2001: Power Piping bzw. 1977: Druckrohrleitungen Rohrleitungen in Kraftanlagen. [8.27] VdTÜV-Merkblatt 1063 Mai 1978, Technische Richtlinie zur statischen Berechnung eingeerdeter Stahlrohre [8.28] Norm ÖNorm B 5012 September 1990. Statische Berechnung erdverlegter Rohrleitungen im Siedlungs- und Industriewasserbau [8.29] Bundesverband Deutsche Beton- und Fertigteilindustrie e. V. (Hrsg.): Handbuch für Rohre aus Beton, Stahlbeton, Spannbeton. Wiesbaden, Berlin: Bauverlag GmbH, 1978 [8.30] Norm DIN EN 1610 Oktober 1997: Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen [8.31] ATV-DVWK (Hrsg.): Arbeitsblatt A 161 - Vortriebsrohre, Statik. Hennef, 1990 [8.32] DWA (Hrsg.): Arbeitsblatt A 125 - Rohrvortrieb und verwandte Verfahren. Hennef, 2008 [8.33] Norm DIN EN 295 Teile 1-7 1995/1999. Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle [8.34] Norm DIN 4032 Betonrohre und Formstücke - Maße und technische Lieferbedingungen [8.35] Norm DIN 19850 Teile 1-3 1996/1990. Faserzement-Rohre und -Formstücke für Abwasserkanäle [8.36] Norm DIN 1045 Teile 1-4 mit Berichtigungen 2001/2002. Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spanbeton [8.37] Netzer, W.; Pattis, O: Überlagerung von Innen- und Außendruckbelastung erdverlegter Rohrleitungen. In: 3R international 28 (1989), Heft 2, Seite 96-105 [8.38] Wagner, W.: Festigkeitsberechnungen im Apparate- und Rohrleitungsbau. 5. Auflage. Würzburg: Vogel-Buchverlag, 1995 [8.39] Technische Regel TRD 301 Oktober 1997. Zylinderschalen unter innerem Überdruck.

316

8 Druckrohrleitungen

[8.40] Müller, W.: Druckrohrleitungen neuzeitlicher Wasserkraftwerke. Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag, 1968 [8.41] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) (Hrsg.): Hinweise und Tabellen für die Bemessung von Betonwiderlagern an Bogen, Abzweigen und Reduzierstücken mit nicht längskraftschlüssigen Verbindungen. In: Merkblatt GW 310/I und 310/II des DVGW (1971/1973) [8.42] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) (Hrsg.): Widerlager aus Beton - Bemessungsgrundlagen. In: Arbeitsblatt GW 310 (Entwurf) des DVGW (2002) [8.43] Mang, F.: Gussrohre und Stahlbehälter - Festigkeits- und Konstruktionsprobleme. Baden-Baden: Verlag für angewandte Wissenschaften GmbH, 1971 [8.44] Schwaigerer, S.: Rohrleitungen. Berlin, Heidelberg, New York: SpringerVerlag, 1967 [8.45] Mackenstein, P.; W. Schmidt: Beurteilung der Festigkeit von fehlerbehafteten Pipelinerohren - Verfahren und Bewertungskriterien. In: 3R international 34 (1995), H. 12, S. 667-673

317

9 9.1

Druckstollen und Druckschächte Konstruktive Ausbildung

Druckstollen kommen bei Wasserkraftanlagen immer dann zur Ausführung, wenn die Topografie des Geländes den Bau einer an der Oberfläche geführten Druckrohrleitung (s. Kapitel 8) nicht zulässt. Dies ist z. B. bei einem Kraftwerk, das aus mehreren Speichern oder benachbarten Einzugsgebieten gespeist wird, der Fall, um so das gesamte Einzugsgebiet der Anlage zu vergrößern. Außerdem kann die besondere Bauart des Kraftwerkes den Bau eines Druckstollens erfordern, z. B. bei einer Kavernenkraftanlage. Ausgeführt werden meistens Druckstollen mit kreisrundem Querschnitt. Dies hat zum einen statische Vorteile hinsichtlich der Baudurchführung und der Belastung aus Innen- und Außendruck sowie hydraulische in Bezug auf die gering zu haltenden Reibungsverluste bei geringstmöglicher Wandungsfläche relativ zum Volumen. Auch der Einsatz von Tunnelbohrmaschinen, die im Vollschnittverfahren arbeiten, führt zu Kreisprofilen. Im bergmännischen Sprachgebrauch werden die horizontalen oder schwach geneigten Teile der Triebwasserzuführung als Druckstollen und die stark geneigten oder vertikalen Teile als Druckschächte bezeichnet. Wenn im Folgenden aus Vereinfachungsgründen nur von Druckstollen die Rede sein wird, so gelten diese Ausführungen jedoch auch gleichermaßen für die Druckschächte. Um die Betriebssicherheit eines Druckstollens während der ganzen Lebensdauer zu gewährleisten, muss er normalerweise mit einer Betonauskleidung versehen werden. Je nach den örtlichen Verhältnissen können sehr unterschiedliche Anforderungen an diese gestellt werden. So kann sie erforderlich sein, um die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit des Stollens zu gewährleisten, in wasserdurchlässigem Gebirge die Dichtigkeit herzustellen oder um die hydraulische Rauheit der Stollenwandung zu verringern. Eine absolute Dichtigkeit der Auskleidung ist nicht in allen Fällen erforderlich. Häufig genügt es, die Wasserverluste klein zu halten. Unbedingt notwendig ist eine Dichtung, wenn eine chemisch-physikalische Zersetzung des Gebirges infolge des Wasserzutrittes zu erwarten ist. Die durch die Rauheit der Stollenwandung verursachten Druckverluste haben auf die Wirtschaftlichkeit der Energiegewinnung aus Wasserkraft einen direkten Einfluss. Die Möglichkeiten zur Ausführung eines unausgekleideten Druckstollens hängen einerseits sehr stark von den mechanischen Eigenschaften des Gebirges und andererseits von den auftretenden Geschwindigkeiten und der damit zusammenhängenden Rauheit ab. Insbesondere bei gefrästen Stollen ist der Verzicht auf eine Auskleidung interessant, da hier die Rauheit in engen Grenzen gehalten werden kann. Sehr große Bedeutung haben die unausgekleideten Druckstollen in Skandinavien, wo ausgezeichnete Felsqualitäten anzutreffen sind. Um die Rauheiten bei Niederdruckstollen oder solchen, die aus statischen Gründen keine Auskleidung benötigen, herabzusetzen, werden seit einigen Jahren auch hochfeste Kunststoffmembrane eingesetzt, die mittels Ankern oder auf der Innenseite angebrachten Ringen o. Ä. im anstehenden Fels befestigt werden.

318

9 Druckstollen und Druckschächte

Für eine überschlägige Abschätzung der notwendigen Felsüberdeckung bei unausgekleideten Druckstollen wird heute noch eine von BROCH [9.1] angeführte, alte Daumenregel verwendet, die folgendermaßen lautet (s. Abb. 9.1a): hG > c ⋅ h [m]

(9.1)

Unter Berücksichtigung des Einfallens des Talhanges ergibt sich [9.1]: L=

γw ⋅ h γ G ⋅ cos β

hG h c

L

γG β

[m]

(9.2)

vertikale Tiefe des betrachteten Punktes i statische Druckhöhe am betrachteten Punkt i Konstante am Punkt i: für Talhänge mit βi ≤ 35°: c = 0,6 für Talhänge mit βi = 35-60°: c = 0,6-1,0 für Talhänge mit βi = 60°: c = 1,0 kürzeste Entfernung zwischen Oberfläche und dem betrachteten Stollenquerschnitt Wichte des Felsens/Gebirges durchschnittliches Einfallen des Talhanges

[m] [m] [-]

[m] [kN/m3] [°]

Ein genaueres Verfahren für die Bestimmung der erforderlichen Überdeckungshöhe in topografisch schwierigen Gebieten wird von BROCH [9.1] aufgeführt. Die Spritzbetonauskleidung kann als Ausbruchsicherung während des Vortriebs des Stollens eingesetzt, aber auch als spezielle Druckstollenauskleidung ausgeführt werden. Die meist 3-10 cm starke Spritzbetonschicht wird in der Regel mit Betonstahlmatten bewehrt hergestellt. Bei konventionellem Ausbruch kann damit die Wandrauheit erheblich vermindert werden, und in geklüftetem, aber sonst tragfähigem Fels bietet der Spritzbeton einen guten Schutz gegen Steinfall. Das Dichtungsvermögen dieser Auskleidung ist allerdings sehr eingeschränkt. Vorauskleidung

Austrittsöffnungen

pi

h

hG

a a

Abb. 9.1:

Bohrloch Betoninnenschale

Muffe

L b

Kernring

Betoninnenschale

Schläuche

Suspension

Suspension Suspension

Ringspalt

b

pi

c

pi

d

a) Definitionsskizze zur Daumenregel [9.1]; Passive Vorspannung von Stollenauskleidungen nach b) KIESER, c) TIWAG, d) WITTKE [9.2]

Mit einer bewehrten Betonauskleidung können die Stabilität eines Stollens gewährleistet und die Reibungsverluste sehr wirkungsvoll vermindert werden. Da jedoch im Beton bei Belastung durch Innendruck sehr schnell Risse entstehen, ist alleine hiermit eine Dichtigkeit nicht zu gewährleisten. Um diese zu erreichen, kann die bewehrte Betonauskleidung passiv vorgespannt werden. KIESER verwendete diese Methode erstmals, indem er die Betonauskleidung mit einem spaltartigen Ringhohlraum zwischen dem sogenannten Kernring und einer Vorauskleidung herstellte, den er hernach verpresste. Hierdurch werden der Gebirgsdruck aktiviert und eine Vorspannung der Auskleidung erreicht. Unter Innendruck bleibt

9 Druckstollen und Druckschächte

319

die Auskleidung zugspannungsfrei, und es tritt damit keine Rissbildung auf (s. Abb. 9.1b). Die Tiroler Wasserkraftwerke AG (TIWAG) entwickelte dieses Verfahren weiter durch Anordnung von Injektionsschläuchen zwischen Gebirge und Auskleidung (s. Abb. 9.1c). Nach WITTKE ist auch eine nachträgliche Injektion über radiale Bohrlöcher möglich (s. Abb. 9.1d). Ein weiterer Vorteil der Injektion einer Zementsuspension in den Spalt zwischen Auskleidung und Gebirge ist häufig eine Verbesserung der Dichtigkeit und Tragfähigkeit des umgebenden Felsens. Ist eine mittragende Wirkung des Gebirges nicht vorhanden, so kann die aktiv vorgespannte Betonauskleidung eine wirtschaftliche Lösung sein. Die schlaff bewehrte Betonauskleidung wird in diesem Fall mit Einzelspanngliedern vorgespannt. Diese können in mehrere Kreiselemente unterteilt sein und über Nocken verankert werden (s. Abb. 9.2a). Eine andere Variante ist das VSL-Vorspannsystem mit 360°-Ringen ohne Zwischenverankerung, die wie Fassreifen wirken (s. Abb. 9.2b), wobei das Spannglied hierzu in einer speziellen Zwischenverankerung zu einem Ring geschlossen wird. Während dem Vorspannen öffnet sich zwischen der Auskleidung und dem Fels ein Spalt, der anschließend ohne Überdruck verfüllt wird. Der Vorteil dieser Bauweise liegt darin, dass sie der Geologie während des Bauverlaufes sehr flexibel anzupassen ist und auch komplizierte Abzweige damit sicher ausgeführt werden können. Außerdem können sich nach einer Überbelastung der Leitung aufgetretene Risse wieder schließen. Theoretisches Ausbruchprofil

Hohlkolbenpresse Krümmer Z-Anker

Ankeraussparung

Aussparung VSL-Spannglied

a Abb. 9.2:

b

Z-Anker

Aktiv vorgespannte Betonauskleidungen: a) Nocken; b) VSL-System [9.3]

Als Sandwichbauweise wird die dünnwandige Panzerung mit Betoninnenring (s. Abb. 9.3a) bezeichnet. Hier wird zwischen dem Fels und dem Beton eine ca. 5 mm dicke Stahlpanzerung eingebaut. Sie erfüllt außer der Abdichtung auch noch statische Funktionen, indem sie einen Teil des Innendrucks aufnimmt. Da die Montage und der Transport der dünnwandigen Stahlschüsse schwierig ist, werden sie oft schon werkseitig mit dem Betoninnenring versehen. Durch Verpressen des Hohlraumes zwischen der Vorauskleidung und der dünnwandigen Panzerung kann eine gewisse Vorspannung des Betoninnenringes erreicht werden. Die Fortentwicklung dieser Variante ist die Anwendung von Dichtungsfolien. Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine Sandwichbauweise. Auf der Vorauskleidung oder bei gefrästen Stollen auch direkt auf der Stollenwandung wird eine dünne, sehr elastische Kunststofffolie befestigt. Anschließend wird die Betonauskleidung eingebaut. Die Folie dient in diesem Fall als Dichtungshaut, sie kann nach Einbau der Betoninnenauskleidung durch eine Vorspanninjektion auch auf der Gebirgsseite eine glatte Einbettung erhalten und muss dabei so dehnbar sein, dass sie Risse im Beton überbrücken kann (s. Abb. 9.3b).

320

9 Druckstollen und Druckschächte dünnwandige Panzerung Injektionsspalt Oberflächensicherung

Panzerung Hinterfüllbeton Oberflächensicherung

Injektionsspalt mit Trennfolie maschinell erzieltes Ausbruchprofil

Betonrohr Gebirge

a

Abb. 9.3:

b

c

a) Dünnwandige Stollenpanzerung; b) Spaltinjektion mit Dichtungsfolie; c) stahlgepanzerter Druckstollen

Die aufwendigste Auskleidung ist die Vollpanzerung aus Stahl (s. Abb. 9.3c). Sie wird daher nur dann eingesetzt, wenn der Innendruck sehr hoch ist oder dem Gebirge keine mittragende Wirkung zugemutet werden kann und keine der anderen Auskleidungsarten in Frage kommt. Das Innere des Druckstollens ist bei dieser Ausführung mit Stahlrohrschüssen ausgekleidet, die miteinander verschweißt sind. Das Stahlrohr ist von einer Betonschale umgeben, muss aber oftmals aufgrund der Inhomogenität und Anisotropie des Gebirges als freies, nicht vom Fels umgebenes, daher die Gesamtlast abtragendes Rohr bemessen werden. Die Vollpanzerung eines Druckstollens mit Stahl ergibt eine völlig dichte Leitung. Bei dieser Methode ist die ausreichende Verankerung der Panzerung im Beton wichtig, um ein Beulen unter dem Bergwasserdruck bei nicht gefülltem Stollen auszuschließen. Ausführungen zur Bemessung sind bei KASTNER [9.4] zu finden. Um die Beulsicherheit eines Druckstollens bzw. vor allem Druckschachtes gegen Außendruck insbesondere im entleerten Zustand, z. B. bei Revisionen, zu erhöhen und dabei weder auf die Mittragwirkung des Gebirges noch auch auf eine Verstärkung oder Versteifung der Stahlpanzerung zurückgreifen zu müssen, kann es auch sinnvoll und wirtschaftlich sein, eine Drainage vorzusehen, die über ein separates Leitungssystem oder auch über Entlastungsventile in den Druckschacht selbst entwässert [9.5]. Die Innendrücke erreichen bei Druckstollen derzeit nahezu 100 bar. Erstaunlicherweise wird ein derart hoher Druck in dem unverkleideten Druckstollen Nyset Steggie in Norwegen bei bester Felsbeschaffenheit schadlos aufgenommen. An Bedeutung gewinnen bei den Auskleidungen zunehmend die vorgespannten Bauweisen. 9.2

Wirtschaftlich optimaler Durchmesser

Analog zu anderen Bauelementen ist die Auslegung von Druckstollen und Druckschächten letztlich von der Wahl des wirtschaftlich optimalen Durchmessers D geprägt (s. Kapitel 8.2.2). Neben den vielfältigen standortbezogenen Randbedingungen, die v. a. im vorausgehenden Kapitel 9.1 erläutert wurden, wird die Optimierung insbesondere durch einerseits das Investitionsvolumen und andererseits die Verluste im Betrieb geprägt. Nachdem im Rahmen der ersten konzeptionellen Überlegungen in der Regel die zahlreichen spezifischen Einflussgrößen noch nicht bekannt sind, bietet es sich wie

9 Druckstollen und Druckschächte

321

auch bei der Bearbeitung von anderen Teilaspekten an, auf empirisch ermittelte Überschlagsformeln zurückzugreifen, die im Stadium der Vorstudien und auch noch der schon tiefer ins Detail gehenden Projektstudien (s. Kapitel 3.1.1) eine ausreichende Genauigkeit widerspiegeln. Für den hier zu behandelnden Fall hat FAHLBUSCH [9.6] auf der Basis einer umfangreichen Analyse von ausgeführten Anlagen aller Bauweisen einschließlich Pumpspeicherkraftwerken zwei Überschlagsformeln entwickelt, deren Ungenauigkeit er mit maximal ±20 % angibt und die damit den Ansprüchen in den genannten relevanten Projektphasen genügen. Da zwischenzeitlich die Tendenz zu etwas niedrigeren Fließgeschwindigkeiten geht, müssen die ermittelten Tunneldurchmesser häufig eher als untere Grenze betrachtet werden, so dass eine Kontrolle der jeweils zulässigen Geschwindigkeiten erfolgen sollte. Für horizontal geführte Druckstollen und geneigte Druckstollen bzw. Druckschächte mit Betonauskleidung wird folgende empirische Gleichung für den wirtschaftlich optimalen Durchmessers D angegeben [9.6]: D = k DS ⋅ Q0 ,48

[m]

(9.3a)

und für stahlgepanzerte Druckstollen und Druckschächte ergibt sich die Formel: D = 1,12 ⋅ h −f 0 ,12 ⋅ Q0 ,45 [m] kDS

9.3

Neigungsbeiwert bei Druckstollen: horizontale Druckstollen: kDS = 0,62 geneigte Druckstollen: kDS = 0,56.

(9.3b) [-]

Statische Bemessung

Unter der konventionellen Druckstollenstatik fasst man die Verfahren zur Stollenberechnung zusammen, die hydraulische Effekte und Belastungen durch Sickerströmungen auf die Stollenauskleidung oder Stollenlaibung vernachlässigen. Es wird ein homogener, isotroper Rohrkörper mit vollkommen elastischem Verhalten vorausgesetzt. Außerdem wird von einer gänzlich dichten Auskleidung des Stollens und einem undurchlässigen Gesteinskörper ausgegangen. Diese vereinfachenden Annahmen sind in vielen Fällen zulässig, können zumindest für eine Vordimensionierung als ausreichend angesehen werden und machen die Druckstollenauskleidung einer analytischen Berechnung zugänglich. Der einfachste Lösungsansatz ist mit den oben formulierten Annahmen über das Gleichungssystem für das dickwandige Rohr gegeben. Dieses wurde schon 1852 von LAMÉ aufgestellt, weshalb auch oft von den Lamé-Gleichungen gesprochen wird. Die Formeln für die Hauptspannungen in dickwandigen Rohren wurden schon in Kapitel 8.4 aufgeführt und sollen hier kurz hergeleitet werden. Betrachtet man ein dickwandiges Rohr, das unter dem Innendruck pi = p1 und dem Außendruck pa = p2 steht, erhält man aus den Gleichgewichtsbedingungen (s. Abb. 9.4a-d): σϕ = σϕ

δ ⋅ ( σr ⋅ r ) δr

[N/mm2]

Ring- oder Tangentialspannung

(9.4) [N/mm2]

322

9 Druckstollen und Druckschächte

Es ist zu beachten, dass positive Spannungen in diesem Fall als Druckspannungen definiert sind. dj

P2 r1

r

r2

dr sjdr

a

dj

sjdr

b

sr rd j + d(sr rd j) dr dr

Abb. 9.4:

r3

p1 p2

p3

r2 r1 M

u

dr

P1

(rotationssymmetrisch)

sjdr

sjdrdj

d

P2

du dr+

P1

sjdr

srrdj

r2

c

r1

r

Kernrohr (mS, ES) Mantelrohr (mG, EG)

e

a)-d): Gleichgewichtsbetrachtung am dickwandigen Rohr [9.7]; e) Doppelrohr mit beidseitiger Belastung [9.8]

Aufgrund der Annahme vollkommen elastischen Verhaltens ergeben sich die Dehnungen zu: εr =

du 1 = − ⋅ ( σr − μ ⋅ σϕ ) [-] dr E

(9.5a)

εϕ =

u 1 = − ⋅ ( σϕ − μ ⋅ σ r ) [-] r E

(9.5b)

u

Verschiebung in Radialrichtung

[mm]

Die Spannungen sind somit:

σr = −

E 1 − μ2

u· § du ⋅¨ + μ ⋅ ¸ [N/mm2] r¹ © dr

(9.6a)

σϕ = −

E 1 − μ2

du · §u ⋅ ¨ + μ ⋅ ¸ [N/mm2] dr ¹ ©r

(9.6b)

Setzt man diese Spannungen in (9.4) ein, erhält man eine Differenzialgleichung 2. Ordnung: d 2 u 1 du u + ⋅ − =0 dr 2 r dr r 2

(9.7)

mit der Lösung: u ( r ) = C1 ⋅ r + C2 ⋅ ( 1 r ) [mm] u(r) C1/C2

Radialverschiebung Konstanten

(9.8) [mm] [mm]/[mm2]

Die Konstanten C1 und C2 ergeben sich nach Einsetzen dieser Lösung (9.8) in die Spannungsgleichungen (9.6a) bzw. (9.6b) aus den Randbedingungen: σr ( r = r1 ) = p1 [N/mm2]

(9.9a)

9 Druckstollen und Druckschächte

σr ( r = r2 ) = p2 [N/mm2]

323

(9.9b)

Nach Ausrechnung der Konstanten folgt für die Radialspannung σr in Abhängigkeit vom Radius r im dickwandigen Rohr: r12 r 2 − r22 r2 r 2 − r12 ⋅ + p2 ⋅ 2 2 2 ⋅ 2 2 r − r1 r r2 − r1 r2

σr = − p1 ⋅

2 2

[N/mm2]

(9.10a)

und entsprechend für die Ring- oder Tangentialspannung: σϕ = − p1 ⋅

r12 r 2 + r22 r22 r 2 + r12 ⋅ + p ⋅ ⋅ 2 r22 − r12 r2 r22 − r12 r2

[N/mm2]

(9.10b)

Die Radialverschiebung ergibt sich zu: u (r ) =

(

1

E ⋅ r22 − r12

)

ª § r2 · ⋅ « p1 ⋅ r12 ⋅ ¨ ( 1 − μ ) ⋅ r + ( 1 + μ ) ⋅ 2 ¸ r ¹ © ¬«

§ r2 − p2 ⋅ r ⋅ ¨ ( 1 − μ ) ⋅ r + ( 1 + μ ) ⋅ 1 r © 2 2

·º ¸» ¹ »¼

[mm]

(9.11)

Am Innenrand r = r1 erhält man damit: σr = p1 [N/mm2] σϕ = − p1 ⋅ u1 =

r12 + r22 2 ⋅ r2 + p2 ⋅ 2 2 2 2 2 r2 − r1 r2 − r1

r1

(

(9.12a)

E ⋅ r22 − r12

)

[N/mm2]

(

(9.12b)

)

⋅ ª p1 ⋅ ( 1 − μ ) ⋅ r12 + ( 1 + μ ) ⋅ r22 −2 ⋅ p2 ⋅ r22 ¼º ¬

[mm]

(9.12c)

und am Außenrand r = r2: σr = p2 [N/mm2] σϕ = − p1 ⋅

u2 =

(

(9.13a)

2 ⋅ r12 r2 + r2 + p2 ⋅ 12 22 2 2 r2 − r1 r2 − r1

r2 2 2

2 1

E⋅ r −r

)

[N/mm2]

(

(9.13b)

)

⋅ ª¬ 2 ⋅ p1 ⋅ r12 − p2 ⋅ ( 1 − μ ) ⋅ r22 + ( 1 + μ ) ⋅ r12 º ¼

[mm]

(9.13c)

Die Bettung einer Druckstollenauskleidung im Fels kann angenähert als ein unendlich dickes Rohr beschrieben werden. Damit wird der Außenradius r2 unendlich groß, und der Außendruck p2 geht gegen Null, so dass gilt:

(

σr = p1 ⋅ r12 r 2

(

)

σϕ = − p1 ⋅ r12 r 2

[N/mm2]

)

[N/mm2]

(9.14a) (9.14b)

324

9 Druckstollen und Druckschächte

1 + μ r 21 (9.14c) ⋅ ⋅ p1 [mm] E r Unter anderem hat auch KIESER [9.8] die Gleichung des unendlich dickwandigen Rohres als Grundlage für die rechnerische Behandlung von Druckstollen verwendet. Er definiert als Ersatzsystem für Fels und Stollenauskleidung ein sogenanntes Doppelrohr, bestehend aus einem Mantelrohr, das ein Kernrohr kraftschlüssig umhüllt (s. Abb. 9.4e). Setzt man den Radius des beeinflussten Gebirgsbereiches r3 = ∞ und nimmt dort p3 = 0 an, so ergibt sich nach (9.14c) die Verschiebung der Felslaibung uG für den Radius r2, also für den inneren Radius des Mantelrohres zu: u (r ) =

uG =

1 + μG r22 1 + μG ⋅ ⋅ p2 = ⋅ r2 ⋅ p2 [mm] EG r2 EG

(9.15)

und nach (9.13c) erhält man die Verschiebung des Außenrandes der Stollenauskleidung uS, also ebenfalls beim Radius r2 mit:

uS = uG uS EG ES

μG μS

(

r2

ES ⋅ r22 − r12

)

(

)

⋅ ¬ª 2 ⋅ p1 ⋅ r12 − p2 ⋅ ( 1 − μ S ) ⋅ r22 + ( 1 + μ S ) ⋅ r12 º ¼

Verschiebung der Felslaibung Verschiebung des Außenrandes der Stollenauskleidung E-Modul des Felsens/Gebirges E-Modul der Stollenauskleidung Querdehnungszahl des Felsens/Gebirges Querdehnungszahl der Stollenauskleidung

[mm]

(9.16)

[mm] [mm] [N/mm2] [N/mm2] [-] [-]

Da aufgrund der Verträglichkeit beide Verschiebungen gleich groß sein müssen, werden die Verschiebungen uG und uS gleichgesetzt: uG = uS [mm]

(9.17)

womit sich der Außendruck p2 aus der Reaktion des umgebenden Gebirges ergibt: p2 =

2 ⋅ p1 ( 1 + μ S )

(1 + μG ) ⋅ ES ⋅ § r22 − 1· + (1 − μ S ) ⋅ r22 + 1 (1 + μ S ) ⋅ EG ¨© r12 ¸¹ (1 + μ S ) r12

[N/mm2]

(9.18)

SCHLEISS [9.3/9.9] hat diesen vom Gebirge aufgenommenen Anteil des Innendrucks für unbewehrte und zusätzlich in Längsrichtung verschiebbare Betonauskleidungen grafisch aufgetragen (s. Abb. 9.5). Dabei wird die Abhängigkeit vom Verhältnis des Außen- zum Innenradius der Auskleidung und von den Felseigenschaften deutlich. Aus dem Diagramm in Abb. 9.5 folgt [9.9]: - Der von der Betonauskleidung auf den Fels übertragene Innendruck ist um so größer, je dünner die Auskleidung und je besser der Fels sind. - Der von der Betonauskleidung übernommene Innendruckanteil nimmt bei mittlerem bis schlechtem Fels (EB /EG = 5-20 N/mm2) bis etwa ra /ri = 1,1 stark und über ra /ri = 1,2 nur noch schwach zu. Wirtschaftliche Auskleidungsdicken sind also zwischen diesen Radiusverhältnissen zu vermuten.

9 Druckstollen und Druckschächte

-

325

Der von der Betonauskleidung übernommene Innendruckanteil nimmt bei guten Felsverhältnissen nahezu linear mit der Vergrößerung der Auskleidungsdicke zu. 100 % Gebirgsanteil p2/p1 80 %

sj zul / p1 = -0,5 1 2

60 % 5

40 %

0% 1,00

⎯⎯ −−−

Abb. 9.5:

-2,0

10 15 20

20 %

-3,0

ES(1+mG) EG(1+mS) 1,05

1,10

-1,0 -1,5

-4,0

1,15

1,20

1,25 1,30 Auskleidungsstärke r2/r1

Gebirgsanteil für verschiedene Beton- und Felseigenschaften (μS = 0,2) Gebirgsanteil für verschiedene zulässige Spannungen im Beton, so dass gerade keine Zugrisse in der Auskleidung auftreten (Bereich oberhalb Kurve)

Reaktionsdruck des Gebirges [9.9]

Ist der Reaktionsdruck p2 bekannt, können die Spannungen aus dem Innenwasserdruck anhand der Gleichungen (9.10a) und (9.10b) für die Auskleidung bzw. (9.14a) und (9.14b) für den Fels ermittelt werden. LAUFFER und SEEBER [9.10] entwickelten, aufbauend auf den vorgestellten Gleichungen und Kompatibilitätsbedingungen, ein grafisches Verfahren für Druckschacht- und Druckstollenauskleidungen. Die Optimierung liegt darin, dass die Gleichung (9.15) für die Verschiebung des Gebirges beim grafischen Verfahren durch eine mit einer Radialpresse gemessene Arbeitslinie ersetzt werden kann. Dadurch konnten erstmals nichtelastische Effekte berücksichtigt werden. Außerdem ist es möglich, die Radialpresse an verschiedenen Querschnitten einzusetzen und durch Verwendung der „schlechtesten“ Arbeitslinie ansatzweise auch die Anisotropie des anstehenden Felsens in die Bemessung einzubeziehen. In Abb. 9.6 ist das Bemessungsdiagramm für Stahlpanzerungen nach SEEBER dargestellt [9.11]. In der oberen Hälfte sind die mit der Radialpresse ermittelte Arbeitslinie bzw. angenommenen Verformungsmoduln des Gebirges VG eingezeichnet. In der unteren Hälfte sind die Arbeitslinien für Stahlpanzerungen mit verschiedenen Blechdicken aufgezeichnet, denen die bekannte Kesselformel (8.71a) zugrunde liegt. Die zugeordnete Stahlspannung σSt ist auf der unteren Abszisse angegeben. Auf der mittleren Abszisse lässt sich die zugehörige Radialdehnung u/r ablesen, die, wie schon bei der Aufstellung der Kompatibilitätsbedingung (9.17) angegeben, für Felslaibung und Stahlauskleidung gleich groß sein muss.

326

9 Druckstollen und Druckschächte -10

-DT: Abkühlen und Schwinden

-20 -30 °C

Gebirgsanteil

e rb A

3

=1 0.0 00 N/ m

ie lin its

² m N/ m

/

0N

=

0 5.0

=

00 3.0

VG

pG = [VG/(1+mG)]·u/r 2

pSt = [ESt/(1-mSt )]·u/r·s/r pi = pG + pSt



VG

2

pG

pG

u

² mm

00 7.5

G

pi

=

ie ch ks l a rK fü

r fe

V

4

V

VG = 2 0 .0

5

u0

r

G

00 N

/mm ²

6

VG

00 = 2.0

N/m



N/m

0 N/mm²

1 Spalt uo/r

Innendruck

s



2

N/mm

V G = 1.00

3

0 5

10

4

20·10

15 Radialdehnung u/r

-4

1 pSt

s/r = 0

,005

Stahlanteil

2 1

2

3

(üb lich e M 0,0 ind 10 estw and dic ke)

4

5

0,

02

30

40

Stahlspannung sSt

0,0

2

N/mm

0,0

= s/r

6

7 0

Abb. 9.6:

100

200

300

0 2

400 N/mm

Bemessungsdiagramm für Stahlpanzerungen [9.11]

Für die Bemessung der Stahlpanzerung kann nun bei einer gegebenen zulässigen Stahlspannung der aufzunehmende Innendruck von der Felsarbeitslinie nach unten abgetragen werden. Die erforderliche relative Wanddicke der Stahlblechauskleidung s/r kann darauf in der unteren Hälfte an den Blecharbeitslinien abgelesen werden. Auf diese Weise lassen sich auch anschaulich die vom Gebirge bzw. von der Panzerung aufgenommenen Druckanteile ablesen. Durch Parallelverschiebung

9 Druckstollen und Druckschächte

327

der Felsarbeitslinien können außerdem Spalte zwischen Auskleidung und Stollenlaibung bzw. temperaturabhängige Verformungen der Panzerung berücksichtigt werden. Zum besseren Verständnis sind in Abb. 9.6 vier Beispiele aufgenommen. Für einen Innendruck pi = 9,7 N/mm2 ergibt sich mit r = 1,55 m und σSt = 200 N/mm2 im Fall (1) ohne Spalt eine relative Wanddicke s/r = 0,022 und damit eine Wanddicke der Stahlauskleidung s = 34 mm und im Fall (2) mit Spalt s/r = 0,285 mm und damit s = 44 mm. Bei einem Innendruck pi = 4,5 N/mm2 ergibt sich mit einer Mindestwanddicke s/r = 0,010 im Fall (3) ohne Spalt eine Stahlspannung σSt = 105 N/mm2 und mit Spalt (4) von σSt = 200 N/mm2.

Verformung -eB -sB GebirgsSpannung Verformung eG

verbleibende Vorspannung

irg eb

de ie in tsl ei rb

Verformung +eB/+eG Ar

BetonVerformung eB

es

Pi ... bezogener Innendruck pi, pG, pB, pinj

durch durch Kriechen Temp. Diff.

Grenze der Gebirgsmitwirkung

A

Injektionsdruck an der Pumpe wirksamer InjektionsDruck im Spalt pinj,0

sG

Druck- Vorspannverlust verlust l · gG · H G 20-30% eKr-40% eD

be

its

lin

ie

de

rA

us

Spaltweite

kle

idu

DRUCKBEREICH Abb. 9.7:

pB

ng

ZUGBEREICH

d

Bemessungsdiagramm für vorgespannte Betondruckstollen [nach 9.7]

Ein nach demselben Prinzip aufgebautes Diagramm wurde von SEEBER auch für hydraulisch vorgespannte Betondruckstollen entwickelt. Wie in Abb. 9.7 hinsichtlich der prinzipiellen Vorgehensweise dargestellt, befinden sich im ersten Quadranten des Achsensystems wiederum die Gebirgsarbeitslinie, im zweiten die der Betonauskleidung für eine bestimmte Wanddicke s. Da durch die Injektion mit Vorspannungswirkung die Felslaibung nach außen gedrückt und der Betonring zusammengepresst werden, sind die Arbeitslinie der Betonauskleidung in den Bereich der negativen Dehnungen verlängert und die Arbeitslinie des Gebirges so weit nach links verschoben, bis diese sich in der Höhe des Injektionsdruckes, der auf der Ordinate abgetragen ist, mit der Arbeitslinie der Betonauskleidung schneidet. Zusätzliche Einflüsse von Kriechen und Temperaturänderungen verschieben die Felsarbeitslinie noch weiter nach rechts, bis die Gleichgewichtslage mit einer Restvorpannung erreicht ist. Zwischen den Arbeitslinien lässt sich nun der bis zum Abbau der noch vorhandenen Vorspannung aufnehmbare Innendruck ablesen.

328

9 Druckstollen und Druckschächte

Bei den bisherigen Betrachtungen wurde von einer völlig dichten Stollenauskleidung ausgegangen. Wenn allerdings bei undichten Auskleidungen und durchlässigem Gebirge Sickerströmungen entstehen, muss zusätzlich eine hydraulische Kraftwirkung in die Bemessung einbezogen werden. Der mit der Sickerströmung verbundene Druckabbau kann nämlich die Belastung auf die Auskleidungsaußenseite des Stollens deutlich reduzieren und die Berücksichtigung dieser Druckminderung zu einer wirtschaftlicheren Bemessung führen. Eine Abschätzung der Belastungsänderung aus hydraulischen Effekten kann nach [9.7] vorgenommen werden. Wie und in welchen Fällen diese zu berücksichtigen ist, wird im Folgenden angegeben. p n-1

a

pn

p i+1

pi

b

p i-1 p0 dj ro

Abb. 9.8:

p1

p2

k1 k2 a1 a2

ki

...

k i+1

pi·ai

...

a1

pi-1·ai-1 ri-1

di

di+1

k2

k1

an

ai ai+1

d1 d2

c

kn

dn

ri

p1

p0

di r0

a2

d1

p2 d2

a) Idealisierung der Sickerströmung; b) resultierende Kraftwirkung; c) zweischichtiges System zur Abschätzung des Einflusses der Sickerströmung [9.7]

Nach DARCY ergibt sich die Geschwindigkeit einer Sickerströmung innerhalb eines durchlässigen Mediums aus dem Produkt eines Durchlässigkeitsbeiwerts k und dem hydraulischen Gefälle I (s. Abb. 9.8a): vi = ki ⋅ I i [m/s]

(9.19)

mit Ii = vi Ii Δhi di pi ki

Δhi ( pi −1 − pi ) γ w = di di

[-]

(9.20)

Strömungsgeschwindigkeit in der Schicht i hydraulisches Gefälle innerhalb der Schicht i Druckhöhendifferenz zwischen den Rändern der Schicht i Dicke der Schicht i Druck am Außenrand der Schicht i Durchlässigkeitsbeiwert der Schicht i

[m/s] [-] [m] [m] [kN/m²] [m/s]

Aus der Kontinuitätsbedingung ergibt sich für den Übergang aus der Schicht i zur Schicht i+1: vi ⋅ rm,i ⋅ d ϕ = vi +1 ⋅ rm,i +1 ⋅ d ϕ

(9.21a)

oder:

ki ⋅

( pi −1 − pi ) di

γw

⋅ rm,i = ki +1 ⋅

( pi − pi +1 ) di +1

γw

⋅ rm,i +1

(9.21b)

und mit der Abkürzung: ki ⋅ rm,i = bi [m/s] di

(9.22)

9 Druckstollen und Druckschächte

329

ergibt sich: pi −1 ⋅ bi − pi ⋅ ( bi + bi + 1 ) + pi +1 ⋅ bi + 1 = 0 bi rm,i

(9.23)

Sickerströmungsparameter mittlerer Radius der Schicht i

[m/s] [m]

Mit den bekannten Drücken p0 und pn als Randbedingungen ist somit ein Gleichungssystem aufstellbar, aus dem an allen Schichtgrenzen die Drücke pi ermittelt werden können. Bei klüftigem Fels ist zusätzlich der Benetzungsgrad α zu berücksichtigen, der den Flächenanteil angibt, in dem der Wasserdruck wirksam wird. Damit stellt sich der resultierende Druck auf die innere Begrenzung der Schicht i nach Abb. 9.8b folgendermaßen dar:

( pi −1 )res ⋅ ri −1 = pi −1 ⋅ αi −1 ⋅ ri −1 − pi ⋅ αi ⋅ ri αi

[kN/m]

Benetzungsgrad in der Schicht i

(9.24) [-]

Das hydraulische Gefälle in jeder Schicht ergibt sich nach (9.20) aus der Druckdifferenz zwischen den Schichtbegrenzungen. Hieraus lässt sich der Wasserverlust QVerl eines Druckstollens pro laufendem Meter berechnen: QVerl = vi ⋅ 2 ⋅ π ⋅ rm,i = ki ⋅ I i ⋅ 2 ⋅ π ⋅ rm,i [m3/s·m] QVerl

Wasserverlust aus dem Stollen pro laufendem Meter

(9.25) [m3/s·m]

SCHWARZ [9.7] wählt für die Abschätzung des Sickerwassereinflusses auf die Druckentwicklung ein zweischichtiges System, dessen innerer Ring z. B. als Betonauskleidung, der äußere als Idealisierung des umgebenden Gebirges bis zur Reichweite der Sickerwasserströmung angesehen werden können (s. Abb. 9.8c). Nach (9.23) lässt sich für das dargestellte System der Druck p1 am Übergang von der Schicht 1 zur Schicht 2 ermitteln zu: p1 =

p0 ⋅ b1 + p2 ⋅ b2 ( b1 + b2 )

[kN/m2]

(9.26a)

Weiterhin nimmt der Autor stark vereinfachend an, dass die Schichten 1 und 2 ähnlich sind, d. h. es kann rm,1/d1 = rm,2/d2 angesetzt werden. Damit ist der Druck p1 aus dem Innendruck p0 und den Durchlässigkeitsbeiwerten k1 und k2 der zwei Schichten zu ermitteln. Wird außerdem der Druck p2 am Außenrand der zweiten Schicht gleich Null gesetzt, ergibt sich für p1: p1 =

p0 ⋅ k1 ( k1 + k2 )

[kN/m2]

(9.26b)

Der resultierende Druck p0,res auf die innere Schicht 1 ist somit nach (9.24): p0 ,res =

1 r0

§ · p ⋅k ⋅ ¨ p0 ⋅ α0 ⋅ r0 − 0 1 ⋅ α1 ⋅ r1 ¸ [kN/m2] ¨ ¸ ( k1 + k2 ) © ¹

(9.27)

330

9 Druckstollen und Druckschächte

Es können dabei zwei Extremfälle unterschieden werden: a) Undurchlässige innere Schicht (k1 = 0): Aus (9.26b) folgt damit p1 = 0, d. h. der Innendruck wird vollständig in der inneren Schicht abgebaut. b) Undurchlässige äußere Schicht (k2 = 0): Aus (9.26b) folgt damit p1 = p0, d. h. der Innendruck steht am Schichtübergang noch voll an und wird erst in der äußeren Schicht abgebaut. Wird dieser resultierende Druck aus (9.27) dimensionslos gemacht, indem man ihn ins Verhältnis zum Ausgangsdruck p0 setzt, erhält man: p0 ,res k ⋅α d · § = 1 − 1 1 ⋅ ¨ 1 + 1 ¸ [-] p0 ( k1 + k2 ) © r 0 ¹

(9.28)

k2/k1

10

-1

d/r = 0,05

10

1

103 0,0 Abb. 9.9:

d/r = 0,5

p0,res/p0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Belastung der Auskleidung im Verhältnis zum Innendruck p0,res /p0 in Abhängigkeit von den Durchlässigkeitsbeiwerten für verschiedene Verhältnisse d/r (α = 1) [9.7]

Diese Gleichung ist in Abb. 9.9 für verschiedene Verhältnisse der Auskleidungsdicke d zum Stollenradius r und einen Benetzungsgrad α = 1 ausgewertet. Es zeigt sich, dass ab einer Auskleidung (Index 1), die ca. 10-mal dichter als der Fels (Index 2) ist, die Sickerstömung kaum Einfluss bezüglich der Druckwirkung auf die Auskleidung hat. Ist der umgebende Fels hingegen dichter als die Auskleidung, ergibt sich schon ab einem Verhältnis k2/k1 = 0,1 der Extremfall b), in dem der gesamte Druck erst an der Felslaibung abgebaut wird. Liegen die Durchlässigkeiten der Auskleidung und des Gebirges im selben Bereich (1/10 < k2/k1 A Th =

1

¦ζ

⋅ S ,0

[m]

(11.60)

l S ,0 ⋅ A S [m2] h f ,0

(11.61)

zu erfüllen. Den minimalen Thoma-Querschnitt ATh findet man vielfach auch in den folgenden Darstellungsweisen: ATh =

QS2,0 lS ⋅ 2g ⋅ AS hv ,S 0 ⋅ h f ,0

A2 ⋅ v 2 = S S ,0 ⋅ 2g ⋅ AS h ⋅ f ,0 ζS,0

hf,0 hv,S0 ATh vS,0

lS

¦ζ

vS2 ,0

S ,0 ⋅ 2 g

=

1

¦ζ

S ,0

Verlustbeiwert im stationären Betrieb Fallhöhe im stationären Betrieb Verlusthöhe im stationären Betrieb Thoma-Querschnitt Geschwindigkeit im stationären Betrieb

l ⋅ S ⋅ AS h f ,0

[m2]

(11.62)

[-] [m] [m] [m2] [m/s]

Die Bedingung, dass die Summe der Strömungsverluste kleiner sein soll als ein Drittel der verfügbaren Fallhöhe hf,0 (s. (11.60)), wird schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit stets erfüllt sein. Die Gleichung (11.61) liefert einen minimalen Wasserschlossquerschnitt in Abhängigkeit der Systemparameter Verlustbeiwerte, Fallhöhe, Länge des von der Schwingung betroffenen Triebwasserleitungsabschnittes sowie des korrespondierenden Triebwasserleitungsquerschnittes. Um ein stabiles System zu erhalten, muss der Wasserschlossquerschnitt größer als ATh sein; üblicherweise wird ein Sicherheits- oder Vergrößerungsfaktor ηTh gewählt, indem die Ungleichung (11.61) in die Gleichung: AW = ηTh ⋅ ATh ηTh

[m2]

Sicherheits- oder Vergrößerungsfaktor

(11.63) [-]

umgeformt wird. Werte von ηTh = 1,5-1,8 sind gebräuchlich [11.9]. Tatsächlich ist der Vergrößerungsfaktor jedoch keine Konstante, sondern er hängt von der Betriebs- bzw. Regelungsweise der Anlage sowie dem Dämpfungsverhalten des Systems ab. JAEGER [11.9] zeigt, dass die Größe ηTh für die Dämpfung, d. h. die zeitliche Verkleinerung der Schwingungsamplituden, zwar eine beachtliche Rolle spielt, allein durch die Festlegung des Faktors ηTh das tatsächliche Dämpfungsverhalten jedoch nicht determiniert werden kann. Wesentlich für einen sicheren Betrieb mit ausreichender Dämpfung der Massenschwingung ist die Erfassung der geometrischen und hydraulischen Systemparameter (z. B. Stollenrauheit oder Schaltfälle).

392

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

11.4.5.2 Beschleunigungs- bzw. Verzögerungszeit ta Aufgrund der geschilderten positiven Rückkopplung bei Anfahrvorgängen darf der Regler nicht zu empfindlich reagieren. Allzu große Trägheit wirkt sich andererseits ungünstig auf die Regelgenauigkeit aus. Wesentliches Kriterium in diesem Zusammenhang ist die Zeitspanne ta, die erforderlich ist, um die Wassermassen im Triebwassersystem beim schnellen Anfahren von der Ruhelage in den stationären Zustand zu versetzen. Mit den beschriebenen Beziehungen lässt sich dies bewerkstelligen, indem man die Bewegungsgleichung (11.3c) für den Triebwasserleitungsabschnitt zwischen - oberwasserseitigem - Wasserschloss und Krafthaus aufstellt, da für diesen Fall die Beschleunigung im Fallschacht, bzw. in der Fallleitung maßgebend ist. Aus (11.3c) entsteht durch Umschreibung unmittelbar: dQT g ⋅ AF = dt lF AF lF dF

§ · l · 1 § ⋅ ¨ hF + z − ¨ ζ v ,e + λ ⋅ F ¸ ⋅ ⋅ QT ⋅ QT ¸ [m3/s2] 2 d F ¹ 2gAF © © ¹

Fallschachtquerschnitt Fallschachtlänge Fallschachtdurchmesser

(11.64a) [m2] [m] [m]

Die Kontinuitätsgleichung lautet entsprechend (11.7b): dz 1 = ( QS − QT ) [m/s] dt AF

(11.65)

Da nur ein Abschnitt der Fallleitung betrachtet wird, ist QS = 0 zu setzen. Zu einer einfachen Abschätzung der Beschleunigungszeit ta gelangt man unter Vernachlässigung der vor allem durch die Rohrreibung bedingten Energieverluste. Somit werden in (11.64a) die Verlustbeiwerte ζv,e und λ gleich null gesetzt, und das Differenzial dQT /dt wird durch endliche Differenzenausdrücke ersetzt: dQT ΔQT QT ,0 − 0 = = dt Δt ta − 0 QT,0 ta

[m3/s2]

stationärer Turbinendurchfluss Beschleunigungs- bzw. Verzögerungszeit

(11.64b) [m3/s] [s]

Damit folgt für z = 0: QT ,0 − 0 g ⋅ AF = ⋅ hF ta − 0 lF

[m3/s2]

(11.64c)

und hieraus für die Zeit ta, die für die Beschleunigung des Betriebsdurchflusses aus der Ruhelage heraus mindestens verstreichen wird: ta =

QT ,0 ⋅ lF g ⋅ hF ⋅ AF

[s]

(11.66a)

Aufgrund der vernachlässigten Energieverluste stellt ta für die Beschleunigungszeit eine Untergrenze dar. Falls die Fallleitung sehr steil ist, kann näherungsweise lF = hF gesetzt werden, so dass ta = QT,0 /(g ⋅ AF) resultiert. Für den Fall, dass eine Druckleitung zwischen Wasserschloss und Krafthaus in einzelne Sektionen unterschiedlicher Längenabschnitte und Querschnitte unterteilt ist, wie es sich bei Abzweigungen zu einzelnen Maschinengruppen oder bei Fall-

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

393

leitungen mit sich verjüngenden Rohrstücken ergibt, so erhält man in vereinfachter Schreibweise mit den Teillängen lF,i und den Rohrquerschnitten AF,i die aus (11.66a) unmittelbar abgeleitete Beziehung: ta = lF,i AF,i

11.4.6

QT ,0 ⋅ g ⋅ hF

n

¦ (l

F ,i

AF ,i ) [s]

(11.66b)

1

Teillänge des Abschnitts i Rohrquerschnitt des Abschnitts i

[m] [m2]

Schwingungsvorgänge

Ungedämpfte, reibungsfreie Schwingungen Die Abb. 11.8 zeigte bereits den charakteristischen sinusförmigen Verlauf der ungedämpften, reibungsfreien Wasserschlossschwingung. Im dazugehörigen Zustandsdiagramm findet dieser Sachverhalt seinen Ausdruck in einem mit wachsender Zeit immer wieder durchlaufenen Oval. Gedämpfte Schwingungen Berücksichtigt man - bei ansonsten gleich gehaltenen geometrischen Parametern die Stollenreibung, so erhält man einen Schwingungsverlauf gemäß Abb. 11.10a (Fall 1). Das Zustandsdiagramm weist mit wachsender Zeit von außen nach innen fortschreitend einen deutlich spiralförmigen Verlauf auf. Um einen Vergleich der verschiedenen Konfigurationen zu erleichtern, wird nicht die tatsächliche stationäre Ausgangslage für die gedämpfte Schwingung des Wasserspiegels berücksichtigt, sondern ein willkürlicher Wert z0,mR = -1 [m]. Die reibungsfreie Referenzschwingung beginnt bei z0,oR = 0 [m]. Gedrosseltes Wasserschloss Der dämpfende Einfluss einer Drossel ist ebenfalls in Abb. 11.10 (Fall 2) zu erkennen. Die Stollenreibung ist nicht berücksichtigt. Überlagert man Drosselwirkung und Stollenreibung, so ergeben sich gedämpfte Schwingungsabläufe gemäß Fall 3 in Abb. 11.10. Das Dämpfungsverhalten wird in beiden Fällen durch die Vorgabe einer asymmetrischen Drosselung nach GSPAN [11.3] insgesamt vorteilhaft beeinflusst. Es fällt auf, dass die erste Maximalamplitude infolge des Reibungseinflusses nur vergleichsweise wenig gegenüber dem ungedämpften Schwingungsfall vermindert wird. Tabelle 11.2: Eingangswerte für die Wasserschlossschwingungen in Abb. 11.10

ζe

λ



k

z0

QS

QT

Fall 1 0,011 0,001 1,3⋅10 0,4 -1,0 12,25 0 Fall 2 0 0 1,3⋅10-6 0 -1,0 12,25 0 Fall 3 0,011 0,001 1,3⋅10-6 0,4 -1,0 12,25 0 -6

Δt dK dS

lS

dD ζD,ein ζD,aus

1,0 7,0 2,5 1825 7,0 0 43,0 7,0 2,5 1825 3,5 1,8 43,0 7,0 2,5 1825 3,5 1,8

0 25 25

394

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

15 z [m]

analytische Lösung

numerische Lösung (Fall 1)

10 5

0

-5

-10

a

-15

numerische Lösung (Fall 3)

numerische Lösung (Fall 2)

0

5

10

15

20

t [min] 25

30

15

15 z [m]

z [m]

10

10

5

5

0

0

-5

-5

-10

-10

b -15 -15

Qs [m³/s] -10

-5

0

5

10

15

c -15 -15

Qs [m³/s] -10

-5

0

5

10

15

Abb. 11.10: a) Schwingungen: einfaches Wasserschloss mit Berücksichtigung von Reibungsverlusten im Stollen (Fall 1); asymmetrisch gedrosseltes Wasserschloss ohne (Fall 2) und mit (Fall 3) Berücksichtigung von Reibungsverlusten im Stollen; Zustandsdiagramme: b) Fall 2; c) Fall 3

11.4.7

Bemessungs- und Optimierungsaufgaben

Gemäß den umrissenen Aufgaben des Wasserschlosses (Schutz von Teilen des Triebwasserleitungssystems gegen hohe dynamische Drücke, Schutz der Maschinen gegen Kavitation durch Bereitstellung genügenden Triebwassers beim Anfahrvorgang etc.) gilt es, einen geeigneten Wasserschlosstyp mit betrieblich sicherem und wirtschaftlich günstigem Bau- bzw. Ausbruchsvolumen zu finden. Dabei bestimmt die im Wasserschloss stattfindende, gedämpfte träge Massenschwingung die folgenden Bemessungsziele: - höchster Spiegelanstieg über Stauziel der Talsperre, - tiefster Spiegelsunk unter Absenkziel der Talsperre, - möglichst großer Dämpfungseffekt, - möglichst gute Reflexion der Druckstoßwellen, - möglichst geringer Felsausbruch bzw. geringe Baumassen, - stabiles Verhalten in allen Betriebsfällen, insbesondere Regelungsbetrieb.

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

11.4.8

395

Überschlagsformeln

Bei einer Berücksichtigung der Stollenreibung wäre die Schwingungsdifferenzialgleichung (11.20) um ein quadratisches Glied der Ableitung dz/dt zu erweitern. Für die Spezialfälle unendlich schnelles Schließen bzw. unendlich schnelles Anfahren der Turbinen lassen sich nach [11.9] oder [11.10] analytische Näherungslösungen für die höchste Aufschwingung bzw. die tiefste Abschwingung angeben. Der höchste Spiegelausschlag max z bei plötzlichem Schließen beträgt somit angenähert: max z = vS ,0 ⋅

AS ⋅ lS − 0,6 ⋅ hv ,S g ⋅ AW

[m]

(11.67a)

bzw. der tiefste Spiegelausschlag min z bei plötzlichem Anfahren der Turbinen: min z = −vS ,0 ⋅ hv,S

AS ⋅ lS hv ,S − g ⋅ AW 8

[m]

(11.67b)

Summe der Reibungs- und Geschwindigkeitsverlusthöhen im Stollen bei stationärem Betrieb

[m]

Zu berücksichtigen sind dabei in einer ersten Näherung die Bemessungsdruckhöhenlinen gemäß Abb. 11.11. Diese geben auch Hinweise auf die Druckverhältnisse in der Triebwasserleitung. Den Drücken aus stationärem Betrieb und den Wasserschlossschwingungen hBem überlagern sich die hochfrequenten Druckschwingungen hE,D infolge Abbremsens oder Beschleunigung der Wassermassen im Druckschacht (s. Abb. 11.11). Druckschacht A

Zuleitungsdruckstollen B Belüftung

max hE,D

SH

max.

max hE,S

Ruhelage min.

Stationärer Beharrungszustand

min hE,S

min hE,D

Abschalten

hBem ,Ab , B

hBem ,Ab , B

hBem ,Ab , A

Anfahren hBem ,Ab , A

Bezugshöhe

Abb. 11.11: Grobe Näherung für Bemessungsdrucklinien von Zuleitungsdruckstollen, Fallleitung und Wasserschloss

396

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

Gleichzeitig müssen die Stabilitätskriterien (maximale Reibungsverluste im Stollen, minimaler Wasserschlossquerschnitt) erfüllt sein, wozu die Gleichungen (11.60) und (11.61) nach THOMA dienen. 11.4.9

Wasserschloss und Triebwasserleitung

11.4.9.1 Gekoppeltes Schwingungsverhalten In der Praxis lassen sich die Vorgänge der niederfrequenten Wasserschloss-Massenschwingung und der hochfrequenten Druckschwingung nicht so ohne weiteres entkoppeln, wie es bisher postuliert wurde. Tatsächlich überlagern sich beide Vorgänge, was insbesondere für die Bemessung der Druckleitungen eine Rolle spielt. Bei gedrosselten Wasserschlössern ist gegebenenfalls zu berücksichtigen, dass die Druckwelle am Wasserschloss nur zum Teil reflektiert und somit der schwach geneigte Zuleitungsdruckstollen für die entsprechenden Druckanteile zusätzlich auszulegen ist. In einer ausführlichen Untersuchung an mehreren großen Wasserkraftanlagen hat LEIN [11.11] nachgewiesen, dass die für die dynamische Druckentwicklung des Triebwasserleitungssystems angestellten Berechnungsverfahren mit Unterteilung in die Teilsysteme Zuleitungsdruckstollen-Wasserschloss und WasserschlossHochdruckleitung-Maschinengruppen nicht in jedem Fall zutreffend sind. Die mit diesem Verfahren zu gewinnenden Ergebnisse sind jedoch für die Wasserspiegelbewegung im Wasserschloss und für die Druckschwankungen an den Turbinen bzw. deren vorgeschalteten Armaturen in vielen Fällen relativ genau. Jedoch ergeben sich um so größere Abweichungen zwischen Theorie und Praxis, je weniger die Druckwellen aus dem Druckstoßablauf am freien Wasserspiegel des Wasserschlosses total reflektiert und so der Verbindungsstollen zwischen Wasserschloss und Talsperre auch durch hochfrequente Druckwellen dynamisch beansprucht wird. Dabei bestehen deutliche Unterschiede in der Frequenz der Druckwellen und der Massenschwingungen. Erstere liegen im Bereich von Sekunden und Minuten, letztere je nach Anlagengröße im Bereich von Stunden. Zunächst befasst man sich eher mit einzelnen ausschlaggebenden Aufgabenstellungen, die auch zyklische Be- und Entlastungsfälle der Turbinen einschließen, im Hinblick auf die Spiegelschwankungen im Wasserschloss und auf die hieraus resultierende Druckbelastung des in erster Näherung horizontalen Stollens, die zum Speicherbecken hin mehr oder weniger linear abnehmen. Für die oberflächennahe oder frei verlegte Fallleitung oder für den schrägliegenden Druckschacht sind in erster Linie die Druckänderungen bei Steuer- und Regelungsvorgängen, bei Abschaltungen, aber auch die Schließgesetze von Verschlussorgan bzw. Leitapparat und die Drehzahländerungen der Turbinen maßgebend. Eine derartige Vorgehensweise ist für Schachtwasserschlösser ohne signifikante Drosselung zwischen Stolleneinlauf am Wasserschloss und Steigschacht berechtigt. Jedoch haben die anderen oben dargestellten Wasserschlosstypen bereits eine ins Gewicht fallende Drosselwirkung, wie sie über die eigentliche Drossel am Einlauf hinaus auch schon durch eine untere Kammer beim Kammerwasserschloss mit anschließendem Schräg- oder Vertikalschacht bis zur oberen Kammer beim Füllen und Entleeren beobachtet werden konnte. Hier werden durch Beschleunigung ein- und ausfließender Wassermassen allein in der erfassten unteren Kammer Druckänderungen wie bei einer Drossel ausgelöst, die mit der Annahme einer

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

397

Totalreflexion der Druckwellen nicht mehr verträglich sind. In diesem Fall pflanzt sich ein Teil der Druckwellen im Stollen fort, der aufgrund seiner Verformungsfähigkeit bzw. seiner elastischen Wandung und der Kompressibilität des Wassers selbst zu einem Schwingungssystem wird. Systematische Untersuchungen zur Fortpflanzung von hochfrequenten Druckstoßwellen in Stollen bei gedrosselten Wasserschlössern sind von MOSONYI und SETH [11.2] vorgenommen worden, aufgrund derer der Grad S der Fortpflanzung der Druckstoßwelle am Wasserschloss abgeschätzt werden kann. Mit dem Druckstoß-Übertragungsparameter N = 4 ⋅ g ⋅ ζD ⋅

1 a2

§ A ·2 ⋅ ¨ S ¸ ⋅ hmax [-] © AD ¹

(11.68a)

und dem Flächenverhältnis rA = AW AS

[-]

(11.69)

ergibt sich der Grad S der in den horizontalen Zuleitungsdruckstollen eindringenden Druckstoßwelle zu [11.2]: 1 S = 1+ N N ȗD AS AD a hmax rA AW S

2 ª º «§¨ 1 + 2 ·¸ − §¨ 1 + 2 ·¸ + 2 ⋅ N » «© » rA ¹ rA ¹ © ¬ ¼

[-]

Druckstoß-Übertragungsparameter bei Teilreflexion am Wasserschloss Verlustbeiwert des gedrosselten Wasserschlosses Querschnittsfläche des horizontalen Zuleitungsdruckstollens Querschnittsfläche der Wasserschlossdrossel Druckwellenfortpflanzungsgeschwindigkeit höchster Druckstoßausschlag im geneigten Hochdruckschacht zwischen Wasserschloss und Maschinengruppen Querschnittsflächenverhältnis Wasserschloss/Triebwasserstollen Wasserschlossquerschnitt Grad der Fortpflanzung des Druckstoßes

(11.70)

[-] [-] [m2] [m2] [m/s] [m] [-] [m2] [-]

Vereinfachend wurde dabei von einheitlichen Querschnitten AS der Triebwasserstollen vor und hinter dem Wasserschloss ausgegangen. Nimmt man gemäß [11.2] an, dass für den Drosselwiderstand im Allgemeinen Werte zwischen 1,3 ” ȗD ” 1,7 und für die Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit in Triebwasser-Stollensystemen a = 1.000 m/s anzusetzen sind, so lässt sich der Druckstoß-Übertragungsparameter N wie folgt abschätzen: N≈

1 1,7 ⋅ 10 4

2

§A · ⋅ ¨ S ¸ ⋅ hmax [-] © AD ¹

(11.68b)

Derjenige Anteil des Druckstoßes, der in den horizontalen Zuleitungsdruckstollen in Abhängigkeit von der Bauweise und Drosselung des Wasserschlosses durchschlägt, beträgt somit: hS ,Stoß = S ⋅ hmax [m] hS,Stoß

Druckstoßhöhe im horizontalen Zuleitungsdruckstollen infolge der Drosselung am Wasserschloss [m]

(11.71)

398

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

Bei hohem Übertragungsgrad S wird die Abschätzung ungenau, da die Druckstoßreflexion im Wesentlichen an der Speicherseeoberfläche der Hochdruckanlage stattfindet. Durch die weit vergrößerte Drucklauflänge (Hochdruckschacht und Druckstollen) ändert sich das Druckschwingungsverhalten grundlegend, so dass mit genaueren Methoden, z. B. dem Charakteristikenverfahren (s. Abschnitt 11.4.9.2), gearbeitet werden muss. Physikalische Modellversuche untermauern das angeführte Abschätzverfahren und dessen Anwendungsgrenzen. Jüngste Forschungsergebnisse und Nachrechnungen in Betrieb befindlicher großer Wasserkraftanlagen unterstreichen die Notwendigkeit, die bisherigen Berechnungsmethoden für die Festlegung und Dimensionierung von Wasserschlössern sowie der anschließenden oberwasserseitigen Stollen- und unterwasserseitigen Fallrohrleitungen wohl beizubehalten, die hierdurch erlangten Auslegungen des Triebwasserleitungssystems mit Wasserschlosseinbindung dann jedoch einer gesamtheitlichen Betrachtung zu unterziehen. Hierfür können bei Festliegen der Maschinengruppen (Turbinentyp, Schwungmassen, Stellzeiten) zur Druckstoßberechnung zwei übergreifende Berechnungsmethoden zur Anwendung kommen, die auf charakteristische Lastfälle ausgerichtet sind. Derartige Lastfälle sind im Allgemeinen die Öffnungs- und Schließvorgänge von Turbinen und Armaturen (auch im Teillastbereich) und Regelungsvorgänge sowie Pumpenabschaltungen bei Pumpspeicherwerken. Die beiden das Gesamttriebwassersystem erfassenden Berechnungsverfahren sind die Frequenzgang- oder Impedanzmethode und die Berechnung im Zeitbereich. Die erstgenannte Methode, die Frequenzgang- oder Impedanzmethode, behandelt sämtliche möglichen Eigenschwingungen des Systems in Einzelpunkten innerhalb des interessierenden Frequenzbereiches, die durch periodische Schwankungen an einer ausgewählten Stelle des Gesamtsystems eingeleitet werden und die Durchflüsse und Druckänderungen an einem beliebigen Ort mit einer zur Amplitude der Eingangsgröße proportionalen Amplitude zur Folge haben. Die zweite Methode, die sogenannte Berechnung im Zeitbereich, vermittelt den zeitlichen Druckverlauf entlang des Leitungssystems für alle Varianten von Steuerungs- und Regulierungsvorgängen der Turbinen und Armaturen. Dazu gehören Öffnungs- und Schließbewegungen, Abschaltungen, Betriebsübergänge, Drehzahl- und Leistungsregelungen. Auch Nichtlinearitäten beliebiger Drosselcharakteristiken, abgestufte Stellgesetze, Turbinenkennfelder usw. lassen sich erfassen. Ausführlichere Einzelheiten und Erläuterungen sind von LEIN in verschiedenen Veröffentlichungen festgehalten worden [11.11], [11.12], [11.13]; die Grundlagen für die gekoppelte Berechnung im Zeitbereich werden im Folgenden angegeben. 11.4.9.2 Gekoppelte Berechnung im Zeitbereich Berücksichtigung der Triebwasserleitung Für die vereinfachte, in den meisten Fällen genügend genaue Annahme der trägen Wasserschloss-Massenschwingung reichte es aus, die Bewegungs- und Kontinuitätsgleichung für den Zuleitungsdruckstollen als Ganzes - bei Nichtverformbarkeit von Wasser und Stollenwand - aufzustellen. Will man die Interaktion von Druckschwingung und Wasserschlossschwingung gemeinsam erfassen, sind die beiden genannten Grundgesetze für einen beliebigen Stollenabschnitt Δx zu formulieren, so wie es in Kapitel 8.3 für die Berücksichtigung der Druckstoßphänomene her-

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

399

geleitet wurde. Die bisher hier getroffene vereinfachende Annahme eines nichtelastischen Systems ist nun aufzugeben. Das darauf aufbauende, in Kapitel 8.3.3 dargelegte Charakteristikenverfahren macht diese transienten Vorgänge einer Berechnung zugänglich. Gekoppelte Druckstoß- und Wasserschlossschwingungen lassen sich ebenfalls mittels des Charakteristikenverfahrens berechnen, wie im Folgenden dargelegt wird. In Ergänzung zum Kapitel 8.3 Druckstoß wird zunächst gemäß [11.17] und Abb. 11.12 im Feld ein Rand eingeführt. Es sind, wie die Abbildung zeigt, verschiedene Nummerierungsschemata gebräuchlich. Die Zusammenstellung der erforderlichen Formeln lässt sich übersichtlich mittels der 2-Rohr-Numerierung bewerkstelligen, wobei sich für die programmiertechnische Ausarbeitung des vorliegenden Anwendungsfalles eine fortlaufende Zählung der Knoten ... Mli-1, Mli, Mli+1, Mli+2 ... als vorteilhaft erwiesen hat. 2.400 m 1.714 m

ds = 2,5 m Qs,0 = 12,25 m³/s ls = 2.400 m

Dt = 0,171 s a = 1.000 m/s

270 m

Wasserschloss SH

1

2

3

4

5

6 7 Wasserschloss

8

9

10

250 m

13

11 12 686 m 14

Dx = 171,4 m Vorwärtscharakteristik

vom Stausee

Qp hm

h1

Qm

Q1

Dx M-1 - Rohr 1 - M Mli-1

hp

0 P

Rückwärtscharakteristik

U

15 zur Turbine

Dx

1 - Rohr 2 - 2

Mli Mli+1 Mli+2

Dt

Mli+3

R

16 0m

2-Rohr-Numerierung (theoretische Herleitung) 1-Rohr-Numerierung (Programmrealisierung)

17

Häufige Kennzeichnung zur Darstellung des Charakteristikenverfahrens

Abb. 11.12: Wasserkraftanlagenkonfiguration für die gekoppelte Wasserschloss-Schwingungsberechnung mit den Randbedingungen des Wasserschlosses im Charakteristikenverfahren

Die aus Kapitel 8.3.3 bekannten Koeffizienten CU, CR, BU und BR berücksichtigen dabei den Einfluss, den Vor- und Nachläuferknoten auf P ausüben: CU = hM −1 + QM −1 ⋅ B [m]

(11.72a)

CR = h2 − Q2 ⋅ B [m]

(11.72b)

BU = B + R ⋅ QM −1

(11.72c)

BR = B + R ⋅ Q2 Ci/Bi Qi

[s/m2] [s/m2]

Koeffizienten an der Stelle i Durchfluss an der Stelle i

(11.72d) [m3/s]

400

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

Die Kompatibilitätsbedingung für die piezometrische Druckhöhe hP in P ergibt mit den Bezeichnungen von Abb. 11.12 für den Knoten P aus der Vorwärtscharakteristik: hP = CU − BU ⋅ QM

[m]

(11.73a)

und aus der Rückwärtscharakteristik: hP = CR + BR ⋅ Q1 [m]

(11.73b)

Hierzu tritt bei Anordnung eines Wasserschlosses im Punkt P die Kontinuitätsbedingung: QM − Q1 − QP = 0 [m3/s]

(11.74)

Im trivialen Fall, dass keine Veränderungen an dem eingeführten Rand stattfinden (QP = 0), stimmt die Berechnung mit dem „randfreien“ Fall überein. Aus obigen Bedingungsgleichungen errechnen sich die Unbekannten Durchfluss Qi und Piezometerhöhe hi an den Randknoten M, P, 1 gemäß: hM =

CU ⋅ BR + CR ⋅ BU = hP = h1 [m] BU + BR

(11.75a)

QM =

hM − CR = Q1 [m3/s] BR

(11.75b)

QP = 0 [m3/s]

(11.73c)

Randbedingung „ungedrosseltes Wasserschloss“ Für den tatsächlichen Fall eines zwischengeschalteten Wasserschlosses folgt aus (11.74) in (11.73a) eingesetzt: Q1 =

CU h − QP − P BU BU

[m3/s]

(11.76)

Diese wiederum in (11.73b) eingesetzt, liefert für den Zusammenhang von Fußpunkt - Druckhöhe hP und Wasserschlossdurchfluss QP: BR ⋅ CU BR BU hP = − ⋅ QP 1 + BR BU 1 + BR BU CR +

[m]

(11.77)

Mit den Abkürzungen: K bb =

CR + BR ⋅ CU BU 1 + BR BU

K aa =

BR 1 + BR BU

[s/m2]

[m]

(11.78a)

(11.78b)

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

401

liefert die Kompatibiltätsbedingung (11.77) der angeschlossenen Triebwasserleitung: hP = K bb − K aa ⋅ QP [m] Kii

(11.79)

Abkürzungen

Andererseits ist der Zusammenhang zwischen der piezometrischen Druckhöhe hP in der Leitung am Wasserschlosseingang und der Wasserspiegellage zP in der Kammer für das ungedrosselte, reibungsfreie Wasserschloss gegeben durch: hP = h0 + z P + 0

[m]

(11.80)

Eine Betrachtung der Volumensänderung dV = AW ⋅ dz = AW ⋅ (zP - z3), die im Wasserschloss von dem vorangegangenen Zeitpunkt (Index 3) bis zum aktuellen Zeitpunkt (Index P) stattgefunden hat, liefert: z P − z3 =

Q p + Q3 ⋅ Δt 2 ⋅ AW

[m]

(11.81a)

Der zwischen den Zeitpunkten 3 und P in die Kammer einfließende Wasserstrom ist im Prinzip eine Funktion der Zeit. In (11.81a) wird er durch die einfache Mittelung der Wasserströme zu Beginn und Ende des Zeitintervalls Δt mittels Qm = (QP + Q3) / 2 angenähert. Die aktuelle Wasserspiegellage zP erhält man damit zu: z P = z3 +

Δt Δt ⋅ Qp + ⋅ Q3 [m] 2 ⋅ AW 2 ⋅ AW

(11.81b)

Setzt man diese in (11.80) ein, so ergibt sich wieder: hP = h0 + z3 +

Δt Δt ⋅ Qp + ⋅ Q3 2 ⋅ AW 2 ⋅ AW

[m]

(11.82)

Mit den Definitionen: Acc = h0 + z3 + Faa =

Δt 2 ⋅ AW

Δt ⋅ Q3 [m] 2 ⋅ AW

(11.83a)

[s/m2]

(11.83b)

nimmt (11.82) die Form: hP = Acc + Faa ⋅ Q p

[m]

(11.84)

an. Die Kombination dieser Gleichung mit (11.79) ergibt: QP = −

Acc − K bb Faa + K aa

Aii/Fii

Abkürzungen

[m3/s]

(11.85)

Ist QP für den aktuellen Zeitschritt bekannt, lassen sich zP aus (11.81b), hP aus (11.79) oder (11.80) sowie die Durchflüsse QM und Q1 der Triebwasserleitung aus den Charakteristiken (11.73a) bzw. (11.73b) gewinnen. Für die piezometrischen Drücke hi müssen die Randbedingungen aus (11.75a) gelten. Damit sind alle Para-

402

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

meter im Zusammenhang mit der Randbedingung „ungedrosseltes Wasserschloss“ bestimmt. Randbedingung „Gedrosseltes Wasserschloss“ Im Falle eines gedrosselten Wasserschlosses gelten die Kompatibilitäts- und Kontinuitätsbedingungen von (11.72a) bis (11.74) sowie die Formulierung von (11.81b) für die Wasserspiegellage zP unverändert. Die Gleichung (11.80) für die piezometrische Druckhöhe hP in der Rohrleitung am Wasserschlosseinlass bzw. Wasserschlossauslass ist um den Drosselverlust: hv ,D = ± hv,D

ζD ⋅ QP2 2 2 ⋅ g ⋅ AD

[m]

(11.86)

Drosselverlust

[m]

zu erweitern. Wegen der Quadrierung von QP geht im Term hv,D die Information über die Fließrichtung verloren. Die erweiterte Gleichung (11.80) muss deshalb für beide Fließrichtungen getrennt aufgestellt werden: hP = h0 + z P ±

ζD ⋅ QP2 2 ⋅ g ⋅ AD2

[m]

(11.87)

Für in die Wasserschlosskammer einströmendes, positives QP wird der Drosselverlust hv,D hinzuaddiert, da sich bezüglich des in der Triebwasserleitung gelegenen Fußpunktes P die Energieverluste in der Drossel zu den Energiehöhen im Wasserschloss addieren. Für aus der Kammer ausströmendes Wasser (negatives QP) wird der Drosselverlust hv,D subtrahiert, da in diesem Fall bezüglich des Fußpunktes P die Drosselverluste von der Energiehöhe (= Spiegelhöhe) im Wasserschloss zu subtrahieren sind. Mit (11.81a), den Kenngrößen Acc und Faa und der weiteren Abkürzung: Fcc =

ζD 2 ⋅ g ⋅ AD2

[s2/m5]

(11.88)

folgt: hP = Acc + Faa ⋅ QP ± Fcc ⋅ QP2

[m]

(11.89)

wobei für in die Kammer einströmendes Wasser (positives QP) der letzte Term addiert und für aus der Kammer ausfließendes Wasser (negatives QP) dieser subtrahiert wird. Die übrigen, linearen Glieder berücksichtigen eine Änderung der Fließrichtung wie bisher automatisch. Die Berücksichtigung der angeschlossenen Triebwasserleitung mittels (11.80) behält auch im Falle des gedrosselten Wasserschlosses uneingeschränkte Gültigkeit. Setzt man die Beziehung von (11.80) in (11.89) ein, so folgt: Fcc ⋅ QP2 ± ( Faa + K aa ) ⋅ QP ± ( Acc − K bb ) = 0

[m]

(11.90)

wobei wiederum für positives, in das Wasserschloss einströmendes Wasser addiert und für negatives subtrahiert wird.

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

403

Mit den Abkürzungen: j1 =

Faa + K aa Fcc

[m3/s]

(11.91a)

j0 =

Acc − K bb Fcc

[m6/s2]

(11.91b)

gilt: QP2 ± j1 ⋅ QP ± j0 = 0 [m6/s2]

(11.92)

woraus sich für positives QP (Addition) folgende Lösung ergibt: 2

QP = −

j1 § j · + ¨ 1 ¸ − j0 2 ©2¹

ji

Abkürzungen

[m3/s]

(11.93)

Für negatives QP soll der elementare Lösungsvorgang aufgezeigt werden: Durch quadratische Ergänzung von (11.92) (Subtraktion) erhält man: 2

2

§ j · § j · QP2 − j1 ⋅ QP + ¨ 1 ¸ = ¨ 1 ¸ + j0 [m6/s2] ©2¹ ©2¹

(11.94a)

was der Darstellung: 2

2

§ j1 · § j1 · 3 ¨ 2 − QP ¸ = ¨ 2 ¸ + j0 [m /s] © ¹ © ¹

(11.94b)

äquivalent ist. Wurzelziehen ergibt: 2

j1 § j · − QP = ¨ 1 ¸ + j0 2 ©2¹

[m3/s]

(11.94c)

woraus nach Umstellung die Lösung für negatives QP gemäß: 2

QP = +

j1 § j · − ¨ 1 ¸ + j0 2 ©2¹

[m3/s]

(11.94d)

folgt. Das Argument der Wurzel von (11.93) gibt Aufschluss darüber, ob die Gleichung für positives oder negatives QP anzusetzen ist. Ebenso wie im Falle des ungedrosselten Wasserschlosses folgen hP, zP, QM, Q1, hM und h1 durch Rückeinsetzen von QP in die weiter oben formulierten Gleichungen. Beispiele zur gekoppelten Wasserschloss-Schwingungsberechnung Anhand einiger Beispiele seien typische Schwingungsmuster der gekoppelten Wasserschlossschwingung aufgezeigt. Die Systemparameter sind Abb. 11.12 zu entnehmen. Die Turbine wird durch einen Schieber in Punkt 17 simuliert. Dieser wird so eingestellt, dass im stationären Betriebsfall QT die Triebwasserleitung durchfließt. Für

404

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

die untersuchten Fälle von Turbinenabschaltungen wird dieses Verschlussorgan innerhalb einer vorgegebenen Zeit gemäß einem definierten Schließgesetz zugefahren. In den folgenden Abbildungen 11.13a sind die piezometrischen Druckhöhen über der Zeit für die Punkte 1 (Talsperre), 5 (Zuleitungsdruckstollen, mittlerer Bereich), 9 (Zuleitungsdruckstollen, hinterer Bereich), 13 (Druckstollen, direkt nach dem Wasserschlossfußpunkt) und 17 (Druckstollen, direkt vor dem Krafthausschieber) aufgetragen. Die Abbildungen 11.13b enthalten die Einhüllenden der maximalen und minimalen Drücke für das oberwasserseitige Stollensystem für den Betrachtungszeitraum. In Abb. 11.13c ist der zeitliche Verlauf des Wasserspiegels im Wasserschloss dokumentiert, Abb. 11.13d zeigt im Zustandsdiagramm den Zusammenhang von Spiegeländerungen und Durchflüssen im Wasserschloss. 300

300

h[m]

h[m] 295

295 h17 h13 h9 h5 h1

290

290

285

285

280

280

275

275

270

270

265

265

Fall 1

260 0

t[s] 200

400

600

h17 h13 h9 h5 h1

Fall 2

260

t[s]

0

800

200

400

300

300

300

h[m]

h[m]

295

h[m] 295

h17 h13 h9 h5 h1

295 290

h17 h13 h9 h5 h1

290

h17 h13 h9 h5 h1

290

285

285 280

280

285

275

275

280

270

270

Fall 3

275 0

t[s] 200

400

265 0

t[s]

Fall 4 200

400

265 t[s]

Fall 5

260 0

200

400

Abb. 11.13: a) Druckschwingung im Schachtwasserschloss: Fall 1: ungedrosselt; Fall 2: symmetrisch „günstige“ Drosselung: dS = dD; Fall 3: symmetrisch „ungünstige“ Drosselung: dD < dS; Fall 4: asymmetrische Drosselung: ζD,ein » ζD,aus; Fall 5: symmetrische „günstige“ Drosselung: ζD,ein « ζD,aus

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

405

310

h [m] 305 300 295

hmax,3

290

hmax,1 hmax,5

hmax,4

285

hmax,2 280

hstat 275

hmin,3 270

hmin,4

zgeo 265

b

hmin,2 hmin,1 hmin,5

i [Stationen]

260 2

4

6 zw[m]

6

8

10

12

14

16

18

20

Fall 1 Fall 2

4

Fall 3 2

Fall 4 Fall 5

0 -2

c -4 6

0

t [s] 200

400

6

zw [m]

Fall 1

4

1000

zw [m]

1200

Fall 5

4

2

0

-2

-2

d

-5

0

5

Fall 2

2

Fall 3

0

-4 -10

800

600

10

15

Qw [m³/s]

-4 -10

Fall 4

d

-5

0

5

10

15

Qw [m³/s]

Abb. 11.13: b) maximale und minimale Druckhöhen; c) Wasserspiegelschwingungen im Wasserschloss; d) Zustandsdiagramme

Die Abbildungsserie 11.13 gibt Aufschluss über das Schwingungsverhalten eines ungedrosselten Schachtwasserschlosses. Wie oben gezeigt wurde, stellt die resultierende Massenschwingung für den Hochdruckstollen eine zeitlich veränderliche Randbedingung dar. Die nur gering gedämpfte Druckstoßschwingung vor dem Schieber (17) erreicht beträchtliche Werte. Die maximale Amplitude des

406

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

Schachtwasserspiegels beträgt beim gewählten Beispiel ca. 10 m; die weiteren Eingangswerte sind der Tabelle 11.3 zu entnehmen. Durch eine symmetrische, „günstige“ Drosselung wird dem schwingfähigen System sehr schnell soviel Energie entzogen, dass sowohl die Massen- als auch die Druckschwingung von vorne herein geringer ausfallen und rasch abklingen (s. Abb. 11.13 Fall 2). Tabelle 11.3: Eingangswerte für die Wasserschlossschwingungen in Abb. 11.13 Fall 1 Fall 2 Fall 3 Fall 4 Fall 5

a 1000 1000 1000 1000 1000

λ 0,018 0,018 0,018 0,018 0,018

H0 280 280 280 280 280

tS 5 5 5 5 5

dK 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0

dD 7,0 2,5 1,7 2,5 2,5

ζD,ein

ζD,aus

0 13 13 25 1,8

0 13 13 1,8 25

Wird noch stärker gedrosselt, so klingen die Schwingungen zwar noch rascher ab und die Wasserspiegelbewegung im Schacht fällt geringer aus. Man erkauft sich dieses Verhalten jedoch mit einer erhöhten anfänglichen Druckstoßphase sowie erhöhten Drücken im schwach geneigten Zuleitungsdruckstollen, da nun die Druckwellen nicht mehr ausreichend am Wasserspiegel des Wasserschlosses reflektiert werden, sondern in diesen hineinschlagen (s. auch MOSONYI und SETH [11.2]). Die letztgenannten Effekte lassen sich in Abb. 11.13 Fall 3 ablesen: Die Druckhöhen des Punktes 5 im Zuleitungsdruckstollen sind während der ersten 200 s von den charakteristischen hochfrequenten Druckschwingungen überlagert, die Einhüllende der Drücke weist gegenüber Abb. 11.13 Fall 2 deutlich erhöhte Werte auf. Eine interessante Variante stellt das asymmetrisch gedrosselte Wasserschloss dar. Im Fall von Abb. 11.13 Fall 4 ist die Eingangsdrosselung wesentlich größer als die Ausgangsdrosselung, umgekehrt ist bei Fall 5 die Ausgangsdrosselung stärker als diejenige für den in das Wasserschloss einfließenden Wasserstrom. Erwartungsgemäß ist eine geringe Eingangsdrosselung bei Maschinenabschaltungen (Lastfall des aufgetragenen Beispiels) mit einer geringeren anfänglichen Dämpfung verbunden als der umgekehrte Fall. Die Frage, in welcher Phase es zur Erzielung einer größtmöglichen betrieblichen Stabilität am günstigsten ist, Energie durch asymmetrische Drosselung aus dem Triebwassersystem zu entnehmen, kann nur im Zusammenhang mit typischen und extremen Schaltfällen der jeweiligen Anlage gelöst werden. 11.4.9.3 Lastvorgaben für die Stollenpanzerung Für eine möglichst wirklichkeitsnahe Bemessung der Stollenpanzerung im Bereich des Wasserschlosses ist es von Vorteil, sich ein Bild über die Häufigkeiten und Intensitäten von Wasserschlossschwingungen zu verschaffen [11.14]. Auf der Grundlage solcher Lastkollektive ist es möglich, die Dauerfestigkeit der Stollenpanzerung in kritischen Bereichen in die Bemessung einzubinden. 11.4.9.4 Wasserschlossüberwachung mittels Fuzzy Logik Verbesserte und erweiterte Regel- und Steuerungsmöglichkeiten des Zusammenspiels zwischen der Anpassung der Maschinenleistung an den Verbraucherbedarf, der Druckbeschränkung im Triebwassersystem und der Kontrolle zulässiger

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

407

Wasserspiegelauslenkungen im Wasserschloss sind insbesondere bei der leistungssteigernden Nachrüstung älterer Wasserkraftanlagen von großer Bedeutung. Da sich meist bauliche Veränderungen aus Kostengründen verbieten, können statt dessen neue betriebliche Anforderungen durch die Kombination bewährter klassischer Regelungssysteme mit fuzzy-basierten Methoden (s. Kapitel 13.2.2) erfüllt werden [11.15]. Die fuzzy-basierte Regelung zielt dabei vor allem darauf ab, eine „gute“ Kompromisslösung zwischen - der Sicherheitsanforderung Verhindern des Leerlaufens des Wasserschlosses - und der betrieblichen Maxime möglichst schnelles Nachfahren von verbraucherbedingten Laständerungen zu finden. Die vorgeschlagene kombinierte Regelungsmethode setzt sich aus den folgenden Komponenten zusammen [11.15]: - grobe Leistungsvorsteuerung (Leitapparat-, Düsennadelstellung etc.) mittels traditionellem PI-Regler; - Einbeziehung des Druckes im Triebwassersystem als Regelgröße für den PIRegler; - fuzzy-kontrollierte Leistungssollwertvorgabe. Im Prinzip wird der Leistungssollwert von einer übergeordneten Leitzentrale aufgrund der Verbrauchernachfrage vorgegeben. Der sicherheitstechnische Gesichtspunkt maximaler bzw. minimaler Spiegelauslenkungen im Wasserschloss erfordert hier jedoch eine auf das vorhandene Wasserschloss zugeschnittene Regelung: - Keine fuzzy-angepasste Weitergabe des übergeordnet vorgegebenen Leistungssollwertes bei Lastabwurf, d. h. die Laständerungsgeschwindigkeit wird nicht beschränkt. - Fuzzy-basierte Anpassung der Laständerungsgeschwindigkeit (Sollwerte) bei Lastaufnahme. Als eine Funktion des Wasserspiegelstands im Wasserschloss, dessen Gradienten, der Spiegelhöhe im oberwasserseitigen Speicher sowie der Abweichung von Ist und Soll der Gesamtleistung wird der Zuwachs des Sollwerts fuzzy-modifiziert. Die schnellsten Lastaufnahmegeschwindigkeiten sind bei hohem und ansteigendem Spiegelstand im Wasserschloss realisierbar, kombiniert mit kleinen erforderlichen Leistungsanforderungen. Die Vorteile einer fuzzy-basierten Sollwertvorgabe sind: - sehr flexible und schnelle Regelung der Lastaufnahmegeschwindigkeit; - vergleichmäßigte und stets monotone Änderung der Lastaufnahmegeschwindigkeit gegenüber konventioneller Regelung; - günstige Möglichkeit der Lastverteilung bei Anlagen mit mehreren, in unterschiedlichen Betriebszuständen befindlichen Maschinensätzen; - der Regelungseingriff bleibt auf die Sollwertvorgabe beschränkt und kann somit ohne große Änderungen an der Regelungs-Gesamtkonzeption einer Anlage verwirklicht werden.

408

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

11.5

Sonderausführungen

11.5.1

Anordnung bei Mitteldruckanlagen

Bei Speicherkraftwerken mit relativ langen Triebwasserleitungen (Dämme mit großer Basisbreite) und vergleichsweise geringen und stark schwankenden Fallhöhen infolge veränderlicher Wasserspiegellagen im Speicher lässt sich der gewünschte Durchfluss bei schnellem Öffnen der Maschinen nur mittels des im Wasserschloss bereitgestellten Wasservolumens erzielen. 11.5.2

Geheiztes Wasserschloss

Unter kalten Klimabedingungen läuft das Wasser im Wasserschloss Gefahr einzufrieren, wodurch dessen Funktion stark eingeschränkt, ja zunichte gemacht werden könnte. Dies zu verhindern, bedient man sich verschiedener Möglichkeiten: - Heizbarer Abschluss des Wasserschlosses am oberen Ende, - Anbringen von Isolationsschichten, - Heizflöße bei kleinen Durchmessern. 11.5.3

Windkessel-Wasserschloss

Einsatz und Bauweisen Bei Deckgebirge, welches entweder schwer zugänglich oder im Vergleich zu den geplanten Drücken nicht ausreichend dick ist, können Windkessel-Wasserschlösser eine wirtschaftlich und betrieblich vorteilhafte Alternative zu konventionellen Wasserschlössern darstellen. Es ist dann beispielsweise möglich, statt der Aufteilung in einen schwach geneigten Zuleitungsdruckstollen und einen steilen Hochdruckstollen einen gleichmäßigen, stärker geneigten OberwasserDruckstollen zur Ausführung zu bringen. Auch in der Trinkwasserversorgung wird dieser Typ zur Druckstoßdämpfung häufig zum Einsatz gebracht. Entkoppelte Wasserschloss-Schwingungsberechnung Die Herleitung der Grunddifferenzialgleichung der entkoppelten Schwingungsberechnung für das Windkessel-Wasserschloss folgt - bei entsprechender Anpassung der Variablen - den Ausführungen von MOSONYI [11.1]. Beim Ansatz der Druckkräfte F1 und F2 (s. Abb. 11.14) auf die Stollenquerschnitte 1 und 2 ist zusätzlich zu den Thermen von Gleichung (11.1a) und (11.1b) die Atmosphärendruckhöhe über dem Speicher: hamb =

pamb ρw ⋅ g

[m]

(11.95)

pWk ρw ⋅ g

[m]

(11.96)

sowie: hWk =

als variabler Druck im Windkessel-Wasserschloss zu berücksichtigen. Man erhält daher mit den Bezeichnungen von Abb. 11.14 und für die anzusetzenden Kräfte: F1 = ρ w ⋅ g ⋅ AS ⋅ ( h0 − hv ,e − hv ,c + hamb ) [N]

(11.97a)

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

409

F2 = ρw ⋅ g ⋅ AS ⋅ ( zWk ,0 + zWk + hWk − hv ,c ) [N]

(11.97b)

Fr = ρ w ⋅ g ⋅ AS ⋅ hv ,r

(11.97c)

[N]

und mit der in unveränderter Weise angesetzten Reibungskraft Fr:

¦F = F − F − F 1

2

r

= ρ w ⋅ g ⋅ AS ⋅ ( h0 + hamb − hv ,e − zWk ,0 − zWk − hWk − hv ,r ) pamb

hamb

[N]

(11.97d)

hv,e hv,c hWk h0-zWk,0

pWk yWk,0

+zWk

h0 A S , dS

zWk,0 SH

-zWk

QWk vWk

QS , vS

Q T , vT AWk , dWk

lS Fr F1

2

1

F2

Abb. 11.14: Definitionsskizze des Windkessel-Wasserschlosses

Für die Aufstellung der Differenzialgleichung der Spiegelschwingung im Windkessel-Wasserschloss ist es vorteilhaft, die folgenden Substitutionen einzuführen (s. Abb. 11.14): y = h0 + hamb − zWk ,0 − zWk [m]

(11.98a)

yS = h0 + hamb − zWk ,0

(11.98b)

[m]

b = yS − yWk ,0 [m]

(11.98c)

C = yS ⋅ yWk ,0

(11.98d)

hamb pamb hWk pWk zWk yWk,0 y/yS b C

[m2]

Atmosphärendruckhöhe Atmosphärendruck Druckhöhe im Windkessel-Wasserschloss Druck im Windkessel-Wasserschloss Koordinate der Wasserspiegelschwingung bezogen auf den Ausgangsruhezustand (s. Abb. 11.14) Höhe des luftgefüllten Teils im Windkessel-Wasserschloss in der Ruhelage Substitutionen Bestimmungsgröße Bestimmungsgröße

[m] [N/m2] [m] [N/m2] [m] [m] [m] [m] [m2]

410

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

Somit erhält man unter Berücksichtigung von (11.97d) das Newtonsche Grundgesetz mit dem Widerstandsbeiwert β analog zu (11.30) in der Form: pWk l dv − y + β ⋅ vS2 = − S ⋅ S ρ⋅ g g dt

[m]

(11.99)

Gemäß dem Boyle-Mariotteschen Gesetz (isotherme Zustandsänderung von Gasen) gilt mit den Indizes 0 für den Ruhezustand: pWk ⋅ VWk = pWk ,0 ⋅ VWk ,0 [Nm] VWk

(11.100)

Volumen des luftgefüllten Teils im Windkessel-Wasserschloss

[m3]

Hierin lässt sich nun bei konstantem Querschnitt des Windkessel-Wasserschlosses VWk ersetzen durch: VWk = ( yWk ,0 − zWk ) ⋅ AWk

[m3]

(11.101)

und folglich gilt für die Luftdruckhöhe im Windkessel-Wasserschloss:

pWk p yWk ,0 yS ⋅ yWk ,0 = Wk ,0 ⋅ = ρ ⋅ g ρ ⋅ g ( yWk ,0 − zWk ) ( yWk ,0 − zWk ) AWk

[m]

Querschnittsfläche im Windkessel-Wasserschloss

(11.102) [m2]

Das Newtonsche Gesetz aus (11.99) erhält damit die Form:

yS ⋅ yWk ,0 l dv − y + β ⋅ vS2 = − S ⋅ S g dt ( yWk ,0 − zWk )

[m]

(11.103a)

bzw. unter Einbeziehung der Bestimmungsgrößen b und C aus (11.98c) bzw. (11.98d): dvS g = dt lS

§ C · ⋅ ¨ y − β ⋅ vS2 − ¸ [m] y −b ¹ ©

(11.103b)

Für den Fall des plötzlichen, vollständigen Schließens des Schiebers jeweils vor den hydraulischen Maschinen lieferte die Kontinuitätsgleichung eine Lösung für vS (11.32a) bzw. nach Differenzieren für dvS /dt (11.32b). Dieser Ansatz ist auch hier gültig, da sich gemäß der Substitution (11.98a) dy/dt = - dzWk /dt ergibt (s. Abb. 11.14). Somit folgt aus (11.103b) unter Einbeziehung der Kontinuitätsgleichung: 2

d2y g A § dy · g A g A C − β ⋅ ⋅ Wk ⋅ ¨ ¸ + ⋅ S ⋅ y − ⋅ S ⋅ = 0 [m/s2] 2 lS AS © dt ¹ lS AWk lS AWk y − b dt

(11.104a)

Diese Gleichung (11.104a) stellt die inhomogene Differenzialgleichung 2. Ordnung für die Druck- bzw. Wasserspiegelschwankungen in einem Windkessel-Wasserschloss bei Annahme isothermer Zustandsänderungen der in der Kammer enthaltenen Druckluft dar.

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

411

Indem zusätzlich zum Dämpfungsbeiwert m (11.35), zu der Winkelgeschwindigkeit ω (11.27a) und der Schwingungsperiode T (11.26) der isotherme Kompressionsfaktor δ eingeführt wird: δ=

g AS ⋅ ⋅ C [m2/s2] lS AWk

(11.104b)

erhält (11.104a) die endgültige Form zu: 2

d 2 y m § dy · δ − ⋅ ¨ ¸ + ω2 ⋅ y − = 0 [m/s2] y −b dt 2 2 © dt ¹ δ

(11.104c) [m2/s2]

isothermer Kompressionsfaktor

Nimmt man anstatt isothermer adiabatische bzw. polytrope Zustandsänderungen der in der Kammer eingeschlossenen Druckluft an, so liefert die Gaszustandsgleichung: γ γ yWk yS ⋅ yWk pWk p ,0 ,0 = Wk ,0 ⋅ = ρ ⋅ g ρ ⋅ g ( yWk ,0 − zWk ) γ ( yWk ,0 − zWk ) γ

γ

[m]

(11.105)

Exponent

Der Exponent γ ergibt sich aus dem Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten bei konstantem Druck bzw. konstantem Volumen der Gase. Für Luft ist der Wert γ = 1,4 charakteristisch. Bei realen Vorgängen - so auch beim Komprimieren und Dekomprimieren des im Windkessel-Wasserschloss eingeschlossenen Luftpolsters - sind jedoch zumeist polytrope Zustandsänderungen zu beobachten, d. h. der Kontrollraum ist weder vollständig isoliert, noch vollständig wärmedurchlässig. Ein solches Verhalten wird mit dem Ansatz, der aus der Zustandsgleichung der idealen Gase [11.16] folgt, für polytrope Zustandsänderungen approximiert: p1 ( t1 ) ⋅ V1 ( t1 ) = p2 ( t2 ) ⋅ V2 ( t2 ) = const. [Nm] n

pj(ti) Vj(ti) n

n

Druck zum Zeitpunkt ti Volumen zum Zeitpunkt ti Polytropenexponent

(11.106) [N/m2] [m3] [-]

wobei der Polytropenexponent n näherungsweise konstant sei. Nach HORLACHER und LÜDECKE [11.17] stellen brauchbare Lösungen für Druckluftwasserkessel Werte von n = 1,2-1,3 dar. GOODALL et al. [11.18] empfehlen für langsame Änderungen (Stunden bis Tage) n = 1 (isotherm), für typische Wasserschlossschwingungen von wenigen Minuten n = γ = 1,4 (adiabatisch). MOSONYI [11.1] zeigt, dass bei Ansatz von (11.103b), d. h. adiabatischer Zustandsänderungen, anstelle von (11.104c) die folgende inhomogene Differenzialgleichung 2. Ordnung folgt: 2

d 2 y m § dy · δa − ⋅ ¨ ¸ + ω2 ⋅ y − = 0 [m/s2] γ 2 2 © dt ¹ dt y − b ( )

(11.107)

412

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

wobei der adiabatische Kompressionsfaktor δa mit der Konstanten Ca zugrunde gelegt wurde: δa =

g AS ⋅ ⋅ Ca lS AWk

[m2/s2]

(11.108a)

γ Ca ≥ yS ⋅ yWk [m2] ,0

δa

Ca

(11.108b) [m2/s2] [m2]

adiabatischer Kompressionsfaktor Konstante (adiabatische Zustandsänderung)

Die Gleichung (11.104a) beschreibt den zeitlichen Verlauf der Druck- bzw. Wasserspiegelschwingungen in der Kammer des Windkessel-Wasserschlosses bei plötzlichem vollständigem Schließen des Krafthausschiebers und adiabatischer Zustandsänderung der in der Kammer eingeschlossenen Luft. Weder (11.104c) noch (11.107) lassen sich analytisch lösen. Numerische Differenzenverfahren, wie z. B. unter 11.4.4.2 oder bei MOSONYI [11.1], bieten sich wiederum zur entkoppelten Berechnung der Schwingungen im WindkesselWasserschloss an. Gekoppelte Berechnung von Wasserschloss- und Druckschwingung Wie bei den gewöhnlichen Wasserschlössern werden Bewegungs- und Kontinuitätsgleichung für einen Stollenabschnitt Δx aufgestellt und die numerisch zu behandelnden Gleichungen nach dem Charakteristikenverfahren formuliert. Die Kompatibilitäts- und Kontinuitätsbedingungen der beiden Stollenabschnitte, zwischen die das Windkessel-Wasserschloss eingeschaltet ist, sind gleichlautend mit (11.72a) bis (11.74) des Freispiegel-Wasserschlosses. Insbesondere gilt wieder der in (11.79) formulierte Zusammenhang zwischen der Druckhöhe hP in der Triebwasserleitung (Fußpunkt P des Druckluft-Wasserschlosses in der Triebwasserleitung) und dem Wasserschlosszufluss bzw. -abfluss. Mit den Bezeichnungen von Abb. 11.14 ergibt sich andererseits aus den Druckhöhen im Wasserschloss für hP: hP = hWk ,P + zWk ,0 + zWk ,P [m]

(11.109)

Die Wasserspiegellage zum Zeitpunkt P ermittelt sich wiederum aus der Wasserspiegellage zum Zeitpunkt 3 plus der Änderung ΔzWk infolge eines einfach gemittelten Wasserzustromes (s. (11.81a)): zWk ,P = zWk ,3 +

Δt Δt ⋅ Q3 + ⋅ QP 2 ⋅ AWk 2 ⋅ AWk

[m]

(11.110)

Mit der Abkürzung Faa = Δt/(2 ⋅ AW) von (11.83b) liefert die Kombination von (11.79), (11.110) und (11.109): hWk ,P = K bb − zWk ,0 − zWk ,3 −

Δt ⋅ Q3 − ( Faa + K aa ) ⋅ QP 2 ⋅ AWk

[m]

(11.111)

Mit den Definitionen: a1 = Faa + K aa [s/m2]

(11.112a)

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

413

a3 = K bb − zWk ,0 − zWk ,3 − ( Δt 2 ⋅ AWk ) ⋅ Q3 [m]

(11.112b)

a11 = ρw ⋅ g ⋅ a1

(11.112c)

a33 = ρ w ⋅ g ⋅ a3

(11.112d)

ergibt (11.111): hWk ,P = a3 − a1 ⋅ QP [m]

(11.113)

und pWk ,P = ρw ⋅ g ⋅ a3 − ρw ⋅ g ⋅ a1 ⋅ QP = a33 − a11 ⋅ QP ai

[N/m2]

(11.114)

Abkürzungen

Für die Einarbeitung der Gaszustandsgleichung werden, zusätzlich zu den Wasserspiegellagen zu den Zeitpunkten 3 und P, die Volumina V3(t3) bzw. VWk,P(tP) der druckluftgefüllten Kammer benötigt. Analog zu (11.110) gilt: V3 = AWk ⋅ ( yWk ,0 − zWk ,3 ) [m3]

(11.115a)

Δt ⋅ Q3 Δt − ⋅ QP [m3] (11.115b) 2 2 Setzt man (11.114) und (11.115b) unter Beachtung der Abkürzungen: VWk ,P = V3 −

b1 =

Δt ⋅ Q3 2

b2 =

Δt 2

[m3]

(11.116a)

[s]

(11.116b)

in die Gaszustandsgleichung pWk,P ⋅ VWk,Pγ = CWk ein, folgt daraus:

( a33 − a11 ⋅ QP ) ⋅ (V3 − b1 − b2 ⋅ QP ) bi

γ

= CWk

[Nm]

(11.117)

Abkürzungen

Da die Gleichung (11.117) nichtlinear in QP ist, wird das Newtonsche Näherungsverfahren zur Berechnung dieser Größe eingesetzt, wobei diese eine Funktion F(QP) sei. Für zwei Punkte P1 und P2 gilt dann: QP2 = QP1 −

F ( QP1 )

F ′ ( QP1 )

[m3/s]

(11.118)

wobei: F ( QP1 ) = ( a33 − a11 ⋅ QP1 ) ⋅ (V3 − b1 − b2 ⋅ QP 1 ) − CWk γ

(11.119)

Mit den Abkürzungen: A ( QP1 ) = a33 − a11 ⋅ QP1

B ( D ( QP1 ) ) = (V3 − b1 − b2 ⋅ QP 1 )

(11.120a) γ

(11.120b)

414

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

nimmt (11.119) die Form:

F ( QP1 ) = A ( QP1 ) ⋅ B ( D ( QP1 ) ) − CWk

(11.121a)

an. Die Ableitung davon lautet:

F ′ ( QP1 ) = A′ ( QP1 ) ⋅ B ( D ( QP1 ) ) + A ( QP1 ) ⋅ B ′ ( D ( QP1 ) ) ⋅ D ′ ( QP1 ) + 0

(11.121b)

Mit den oben eingeführten, dann abgeleiteten Definitionen ergibt sich hieraus: F ′ ( QP1 ) = ( −a11 ) ⋅ (V3 − b1 − b2 ⋅ QP1 )

γ

+ ( a33 − a11 ⋅ QP1 ) ⋅ γ ⋅ (V3 − b1 − b2 ⋅ QP1 ) γ

γ −1

⋅ ( −b2 )

(11.121c)

Die Iterationsvorschrift (11.118) wird - nach Umspeicherung von QP2 auf QP1 solange wiederholt, bis: QP1 − QP2 ≤ ε ε

[m3/s]

(11.122)

Konvergenzkriterium: i. d. R. 0,0001 ≤ ε < 0,001

[m3/s]

Ist dies erfüllt, dann sei F(QP) = 0 und somit QP = QP2. Die übrigen Parameter (hP, zWk, pWk, hWk usw.) lassen sich nach Erhalt von QP wie bisher aus den zuvor aufgestellten Bedingungsgleichungen berechnen. Auch der stationäre Ausgangszustand muss iterativ berechnet werden. Die Höhenkoordinate zvol des mit Druckluft gefüllten Volumens über dem Wasserspiegel berechnet sich im stationären Ausgangszustand gemäß: zvol = yWk ,0 − zWk ,stat [m] zvol

(11.123)

Höhenkoordinate

[m]

Hierin ist zWk positiv angesetzt, zvol muss stets größer 0 sein. Es muss für die Druckhöhen gelten: hstat = zWk ,0 + zWk ,stat + hWk ,stat [m]

(11.124a)

gelten. hstat entspricht dabei der absoluten piezometrischen Druckhöhe im Fußpunkt des Windkessel-Wasserschlosses bei stationärem Betrieb. hstat errechnet sich aus h0 + hamb abzüglich der stationären Rohrreibungsverluste. (11.123) in (11.124a) eingesetzt, ergibt nach Umordnen: hstat = hWk ,stat − zWk ,0 − yWk ,0 + zvol = H aa + zvol

[m]

(11.124b)

Die Gaszustandsgleichung liefert andererseits: n n n hWk ,stat ⋅ ρ w ⋅ g ⋅ AWk ⋅ zvol = hWk ,stat ⋅ H bb ⋅ zvol = CWk

[Nm]

(11.125)

Je nachdem wie schnell Änderungen zwischen stationärem und instationärem Zustand zu erwarten sind, ist der Polytropenexponent mit n = 1-1.4 abzuschätzen. Mit den Ersatzausdrücken Haa, Hbb und Hcc = Haa ⋅ Hbb kann (11.125) zur Berechnung von zvol mit Hilfe des Newtonschen Iterationsverfahrens als Funktion F(zvol) gemäß: n +1 n F ( zvol ) = H bb ⋅ zvol + H cc ⋅ zvol − CWk

(11.126a)

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

415

dargestellt werden. Mit der Ableitung: n n −1 + n ⋅ H cc ⋅ zvol F ′ ( zvol ) = ( n + 1) ⋅ H bb ⋅ zvol

(11.126b)

erhält man die Newtonsche Iterationsvorschrift: zvol ,neu = zvol ,alt −

F ( zvol ,alt ) F ′ ( zvol ,alt )

[m]

(11.127)

Damit sind auch die stationären Ausgangswerte zWk,stat aus (11.123), hWk,stat aus (11.124a) und: V3 = ( yWk ,0 − zWk ,stat ) AWk

[m3]

(11.128)

unter Berücksichtigung absoluter Druckhöhen bestimmt und für die sich anschließende transiente Berechnung bereitgestellt. Stabilität Zur Abschätzung der Stabilität ist es zweckmäßig [11.18], einen äquivalenten Windkessel-Wasserschlossquerschnit AWk,äqui gemäß: AWk ,äqui =

AWk 1 + n ⋅ hWk ,0

[m2]

(11.129a)

yWk ,0

AWk,äqui äquivalenter Windkessel-Wasserschlossquerschnitt

[m2]

zu definieren und für diesen das Thoma-Kriterium von (11.61) sinngemäß anzuwenden. Der Index 0 bezeichnet dabei die Ruhelage. Da üblicherweise 1/AWk im Nenner in (11.129a) deutlich kleiner als der restliche Teil des Nenners ist, kann man für Überschlagsrechnungen diese Gleichung vereinfachen zu: AWk ,äqui =

AWk ⋅ yWk ,0 V = Wk ,0 n ⋅ hWk ,0 n ⋅ hWk ,0

[m2]

(11.129b)

Betriebserfahrungen in Norwegen haben gezeigt, dass bei Windkessel-Wasserschlössern die Stabilität bei Regelvorgängen im Allgemeinen deutlich besser ist als bei konventionellen, offenen Schachtwasserschlössern. Beispiele zum gekoppelten Schwingungsverhalten Für das in Abb. 11.15 skizzierte System mit den Eingangswerten aus Tabelle 11.4 seien einige Merkmale des Schwingungsverhaltens von Triebwassersystemen mit Windkessel-Wasserschlössern bei der gekoppelten Betrachtung von Druck- und Massenschwingungen beispielhaft aufgezeigt. Aufgetragen sind in den folgenden Diagrammen absolute piezometrische Druckhöhen. Bei dem vorliegenden Beispiel handelt es sich um ein ungedrosseltes System, deshalb ist die vorhandene Dämpfung vergleichsweise gering. Der Veranschaulichung möge die Vorstellung dienen, dass das Windkessel-Wasserschloss wie eine Feder wirkt. Diese erweist sich härter bei Verkleinerungen des zur Verfügung stehenden Luftraumes in der druckdichten Kammer oder durch die Annahme adiabatischen (keine Energiedissipation) anstatt isothermen Verhaltens.

416

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

Vergleicht man die Beispielrechnung von Fall 1 (isotherm) mit Fall 2 (adiabatisch) in Abb. 11.16, so lassen sich die folgenden Beobachtungen machen: Im adiabatischen Fall ist die Schwingungsperiode kürzer, die Einhüllende der Drücke im Zuleitungsdruckstollen liegt geringfügig höher, die Druckamplituden im Wasserschlossfußpunkt sind größer, die Wasserspiegelschwankungen sind jedoch kleiner. Die Druckschwingungsamplituden vor der Maschine sind in beiden Fällen etwa gleich, im adiabatischen Fall überlagern sie sich jedoch einer stärker oszillierenden Druckschwingung im Wasserschloss. hamb = 10 m 190 m 10 m 1 2

205 m 3 4

5

14

lS = 3

.500

6 7

8

15 m

13 5m

m

15

205 m

9 10

11 12 13

14 15 16

17

18

19

Abb. 11.15: Systembeispiel für die gekoppelte Berechnung der Massen- und Druckschwingungen in einer Triebwasserleitung mit Windkessel-Wasserschloss

Von überragendem Einfluss auf die Druckschwingung ist bekanntlich die Schließzeit des Schiebers. Dies geht erneut aus einem Vergleich von Fall 1 mit Fall 3 in Abb. 11.16 hervor: Eine Verkürzung des Schließvorganges von tS = 5 s (Fall 1) auf tS = 3 s (Fall 3) bringt eine deutliche Amplitudenvergrößerung der hochfrequenten Druckschwingung vor dem Schieber mit sich. Die weitaus trägere Massenschwingung, beispielsweise charakterisiert durch die Punkte 5 und 9 im Zuleitungsdruckstollen, wird von diesen kurzfristigen Änderungen weder in der Amplitude noch in der Periode merklich beeinflusst. Tabelle 11.4: Eingangswerte für die Wasserschlossschwingungen in Abb. 11.16 Fall 1 (isotherm) Fall 2 (adiabatisch) Fall 3 (isotherm)

a 1000 1000 1000

λ 0,011 0,011 0,011

H0 (relativ) 205 205 205

tS 5 5 3

dWk 23,13 23,13 23,13

yWk 10,0 10,0 10,0

zWk,0 15 15 15

n 1,0 1,4 1,0

Beachtung verdient auch der Umstand, dass das Stabilitätskriterium bei adiabatischer Rechnung einen größeren Wasserschlossquerschnitt als im isothermischen Fall erfordert, d. h. der rechnerische Sicherheitsfaktor bezüglich der hydraulischen Stabilität ist bei konstantem dWk größer.

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

417

260 h17 h13 h9 h5 h1

h[m] 240

220

200

180 Fall 1 0

t[s] 200

400

600

800

h17 h13 h9 h5 h1

260 h[m] 240

220

200

180 Fall 2 0

t[s] 200

400

600

h[m]

800

h17 h13 h9 h5 h1

280

260

240

220

200

180

160 Fall 3 0

t[s] 200

400

600

800

Abb. 11.16: a) Druckschwingung im Windkessel-Wasserschloss: Fall 1: isothermes Verhalten mit tS = 5 s; Fall 2: adiabatisches Verhalten mit tS = 5 s; Fall 3: isothermes Verhalten mit tS = 3 s

418

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

hmax,3

300 h [m]

hmax,2 hmax,1

250

hstat 200

hmin,1 hmin,2 150

hmin,3 zgeo

100

50

b

i [Stationen] 4

2

6

8

10

12

14

16

18

zWk [m]

1

Fall 1 + 3 0 Fall 2

c -1

0

200

400

600 1

800

1000

t [s]

1200

zWk [m]

0,5 0 -0,5

d

3

QWk [m /s]

Fall 3

-20 -15

-10

-5

0

5

10

15

20

25

-1

3

QWk [m /s]

Fall 1 -20 -15

-10

-5

0

5

10

15

20

25

Abb. 11.16: b) maximale und minimale Druckhöhen; c) Wasserspiegelschwingungen im Wasserschloss; d) Zustandsdiagramme (Fall 1 und Fall 3)

Aufrechterhaltung des erhöhten Luftdrucks Der planmäßig erhöhte Luftdruck wird mittels Kompressoren hergestellt. In Abhängigkeit von den Revisionsintervallen kann der Luftdruck Monate bis Jahre aufrecht erhalten werden. Je nach Dichtheit des umgebenden Gebirges ist während des Betriebs nur sehr selten ein Nachjustieren des Druckes mit den Kompressoren erforderlich. Gegebenenfalls sind die Felsbereiche um die Kaverne des WindkesselWasserschlosses zu verpressen oder mit einem unter Druck gehaltenen Wasservorhang zu versehen. Die Druckverluste durch Lösung der Luft in der Kontaktfläche mit dem Triebwasser sind minimal.

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

11.6

419

Literatur

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420

11 Wasserschlösser und Schwallkammern

[11.18] Goodall, D. C.; Kjorholt, H.; Tekle, T.; Broch, E.: Air cushion surge chamber for underground power plants. In: Water Power & Dam Construction 40 (1988), Heft 11, Seite 29-34

421

12

Verschluss- und Regelorgane bei Rohrleitungen

Die Verschluss- und Regelorgane in Rohrleitungen stellen wichtige Elemente jeder wassernutzenden Anlage dar. Sie regulieren die Zuleitung, Verteilung und Abführung von fließenden oder ruhenden Wassermassen, die angesichts der ständig wachsenden Abmessungen und Betriebsdrücke sowie der zunehmenden Ansprüche an möglichst geringem Druckhöhenverlust und Funktionstüchtigkeit hochwertige maschinelle Sonderausführungen darstellen. Ihre Gestaltung ergibt sich aus den mannigfaltigen Forderungen hinsichtlich strömungstechnischen Verhaltens, Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Funktionstüchtigkeit, Betriebseigenschaften und Wirtschaftlichkeit. Zur Gesamtanlage stehen sie daher in enger Wechselwirkung. Als wichtige Elemente der Wasserkraftanlage beherrschen sie den Wasserzufluss zu den Turbinen, ermöglichen die Absperrung oder Entleerung einzelner Leitungsabschnitte, geben bei Entnahmeleitungen und Grundablässen einen einstellbaren Durchfluss an die Unterlieger ab und sorgen bei Entlastungsanlagen für eine wirksame Energieumwandlung der mit großer Geschwindigkeit in das Unterwasser austretenden Wassermassen. Die Betriebssicherheit einer der wassernutzenden Anlage hängt in außerordentlichem Maße von der Zuverlässigkeit der den Wasserdurchfluss regelnden und absperrenden Einrichtungen ab. Ihre Aufgabe ist es also auch, bei Schäden an der Rohrleitung oder an den Maschinen die unterhalb der Schadensstelle befindlichen Anlagenteile und deren weitere Umgebung vor dem unter Umständen mit katastrophaler Wucht austretenden Wasser zu schützen. Vielfach werden die Verschlussorgane für Fernbedienung und automatische Steuerung ausgerüstet. Teilweise übernehmen sie die Aufgaben der Betriebsüberwachung und schließen als Schnellschlussorgane bei Überschreitung einer vorher als höchstzulässig eingestellten Wassergeschwindigkeit selbsttätig. 12.1

Anordnung und Grundformen von Krafthaus- und Grundablassschiebern

12.1.1

Aufgaben und Anordnung

Bei Verschlussorganen unterscheidet man zwischen Absperr- und Regulierorganen. Die ersteren sperren in einer Rohrleitung entweder den Wasserstrom ab oder geben ihn völlig frei. Bei letzteren sind im Gegensatz dazu im Dauerbetrieb sämtliche Zwischenstellungen bzw. Teilöffnungen möglich, ohne dass eine schädigende Wirkung durch Kavitations- und Schwingungserscheinungen eintritt. Beide Typen können auch die Aufgabe haben, den Betrieb zu überwachen, womit eine Messung des Durchflusses verbunden ist. Triebwasserführungen, die sich aus Druckstollen, Wasserschloss und Druckrohrleitung bzw. Druckschacht zusammensetzen, erhalten außer der Absperrvorrichtung am Einlauf (s. Kapitel 5.3) hinter dem Wasserschloss am Übergang vom Stollen zur Fallleitung aus Sicherheitsgründen ein zweites Verschlussorgan. Dieses dient ausschließlich zur völligen Absperrung des Wasserzuflusses und ist stets als Schnellschlusssicherheitsorgan ausgebildet.

422

12 Verschluss- und Regelorgane

Absperrorgane sind auch die am unteren Leitungsende direkt vor den Turbinen befindlichen Verschlüsse, da die veränderliche Beaufschlagung der Turbinen, d. h. die Anpassung des zur Energieerzeugung notwendigen Durchflusses an die jeweilige Netzbelastung, durch die von den Reglern gesteuerten Düsennadeln bei Pelton-Turbinen bzw. den Leitapparat bei Francis-Turbinen bzw. den Leitapparat und die Laufradschaufeln bei Kaplan-Turbinen selbst vorgenommen wird. Die Turbinenabsperrorgane müssen in der Lage sein, bei maximalem Turbinendurchfluss jederzeit gefahrlos zu schließen, sobald der Regler aus irgendeinem Grund den Leitapparat nicht mehr zu betätigen vermag. Demzufolge soll dieser Verschluss unabhängig von der Druckölversorgung der Turbinenregulierung bedient werden können. Im Regelfall werden jedoch die Absperrorgane bei geschlossenem Turbinenleitapparat, d. h. in ruhendem Wasser bei vollem Druckausgleich vor und hinter dem Schieber, geöffnet und geschlossen. In Pumpendruckleitungen, Entnahmeleitungen und Grundablässen ist eine Regelung des geförderten Durchflusses notwendig, weshalb in solchen Leitungen Verschlussorgane zum Einsatz kommen, die neben völligem Öffnen und Schließen den Durchfluss den Betriebserfordernissen mit Zwischenstellungen angleichen. In Pumpendruckleitungen muss ein Drosselorgan vorhanden sein, damit die Pumpe gegen den geschlossenen Schieber angefahren und allmählich schwingungs- und kavitationsfrei durch sukzessives Öffnen des Regulierschiebers in den normalen Betrieb übergeführt werden kann. Ebenso kann bei niedrigen manometrischen Förderhöhen ein sogenannter Drosselbetrieb mit dem Regulierschieber für das kavitationsfreie Arbeiten der Pumpen notwendig werden. Bei Grundablässen und gegebenenfalls auch bei Hochwasserentlastungsanlagen (s. Abschnitt 12.1.4), die das Hochwasser in einem Stollen abführen, tritt das Wasser über Regulierschieber oder gegebenenfalls auch Segmentschützen (s. Kapitel 5.3) am Ende der Leitung ins Freie aus. Aus Sicherheitsgründen sind darüber hinaus bei derartigen Entnahmeanlagen in Fließrichtung immer zwei voneinander unabhängige Verschlüsse anzuordnen, deren Abstand je nach Typ und der daraus resultierenden Strömungscharakteristik so gewählt werden muss, dass keine Schwingungsanregung des zweiten mit negativen Folgen erfolgt (s. Kapitel 12.2.7). Wenn dort Atmosphärendruck herrscht, wird das gesamte Rohgefälle abzüglich der verschiedenen Energieverluste in kinetische Energie umgesetzt, so dass hohe Geschwindigkeiten entstehen. Außerdem kann diese Energieumwandlung durch Auflösen des Wasserstrahles bei zweckmäßiger Schiebergestaltung forciert werden, indem durch Reibung, Luftaufnahme, Stoß, Verwirbelung und Zerstäubung ein großer Teil der Bewegungsenergie schadlos aufgezehrt wird. Je weiter der Wasserstrahl aufgerissen und damit belüftet wird, desto besser ist die Energieumwandlung. Dem kavitations- und stoßfreien Arbeiten der Auslassschieber ist daher besondere Beachtung zu widmen, da sonst gefährliche Rückwirkungen auf das gesamte Bauwerk v. a. durch Schwingungserscheinungen entstehen. Die luftseitige Anordnung des Regulierschiebers ist außer des leichteren Zuganges günstiger als der Standort innerhalb der Entlastungsleitung. Im ersteren Fall herrschen auf der Unterwasserseite eindeutige Druckverhältnisse (Druckhöhe des Unterwassers bzw. Atmosphärendruck). Bei richtiger Gestaltung des Schiebers liegt dieser Druck auch an der regelnden Spaltöffnung vor, womit die Ausfluss-

12 Verschluss- und Regelorgane

423

menge durch Ausflussquerschnitt und Fallhöhe gegeben ist. Im anderen Fall sind die Abflussverhältnisse sehr stark von den jeweiligen Strömungsvorgängen im anschließenden Leitungsabschnitt abhängig, sofern nicht durch eine intensive Belüftung dieses Leitungsteiles der hydraulische Charakter des Endverschlusses erhalten bleibt. Die regelnde Wirkung des innerhalb der Abflussleitung eingebauten Schiebers kommt durch den Übergang vom einstellbaren geringen Schieberdurchflussquerschnitt zu dem großen Querschnitt der Abflusskammer bzw. des Unterwasserstollens zustande, wodurch erhebliche, die Bruttofallhöhe abbauende Energieverluste entstehen. 12.1.2

Grundtypen

Die Grundformen der Absperr- und Regulierorgane ergeben sich aus den mannigfaltigen Forderungen, die an die Verschlüsse gestellt werden: a) möglichst glatter Durchfluss in Offenstellung, damit geringe Energieverluste und geringe Versandungsgefahr; b) Dauerbetriebsfähigkeit in beliebigen Zwischenstellungen bei Regulierschiebern zur Abgabe eines bestimmten Durchflusses, ohne dass Kavitation und Schwingungen auftreten, sowie wirksame Energieumwandlung bei Endverschlüssen; c) tropfdichter Abschluss; d) sichere Betriebsfähigkeit ohne Druckausgleich vor und hinter dem Schieber; e) leichte und schnelle Bedienungsmöglichkeit; f) leichte Auswechselbarkeit der Teile, die dem Verschleiß unterliegen; g) geringe Wartung; h) kleiner Raumbedarf; i) Aufnahme bzw. Weiterleitung der statischen und dynamischen Kräfte; k) Wirtschaftlichkeit. Sämtliche Forderungen können nicht von einem Verschlussorgan gleichzeitig befriedigt werden, jedoch sind eine ganze Reihe guter Konstruktionen entwickelt worden, die bei zweckmäßiger Wahl bestimmten Betriebsaufgaben genügen. In Abb. 12.1 sind die Typen der gebräuchlichsten Absperr- und Regulierschieber dargestellt. Ihre nähere Beschreibung und Untersuchung der hydraulischen Eigenschaften wird in den nächsten Absätzen erfolgen, so dass hier lediglich die charakteristischen Merkmale hervorgehoben werden. Beim Keilschieber bewegt sich der Abschlusskörper senkrecht zur Strömung in der Rohrleitung. Die Drosselklappe enthält als Abschlusskörper eine um die Mittelachse drehbare Scheibe, die in Offenstellung je nach Scheibenstärke eine nahezu vollständige Parallelströmung ermöglicht. Einen vollkommen glatten Durchfluss gestattet ähnlich dem Keilschieber der Kugelschieber, auch als Kugelhahn bezeichnet, in Offenlage, dessen Drehkörper eine Abschlussplatte trägt, die durch den Rohrleitungswasserdruck beim Schließen gegen einen Dichtungsring gepresst wird und einen tropfdichten Abschluss gewährleistet. Diese drei Schiebertypen stellen Absperrorgane dar, da sie sich im Allgemeinen nur für die Funktionen des völligen Schließens bzw. Öffnens eignen.

424

12 Verschluss- und Regelorgane

a

b

c

d

e

f

Abb. 12.1:

Gebräuchliche Typen der Absperr- und Regulierschieber: a) Keilschieber; b) Drosselklappe; c) Kugelschieber; d) Ringschieber; e) Hohlstrahlschieber; f) Kegelstrahlschieber [12.1]

Zu den Regulierorganen zählen die Ring-, Hohlstrahl- und Kegelstrahlschieber, die in allen Zwischenstellungen günstige Strömungsverhältnisse gewähren und daher wesentlich geringere Antriebskräfte erfordern. Beim Ring- bzw. Hohlstrahlschieber wird ein im Wasserstrom zentral vorhandener Abschlusskörper längs der Rohrachse in bzw. entgegengesetzt der Strömungsrichtung bewegt. Der Kegelstrahlschieber enthält einen über Schotte an den Schiebermantel angeschlossenen Kegel, wobei der Abfluss zwischen den Mantelflächen des Kegels und des Tragrohres durch ein in Strömungsrichtung verschiebbares Zylinderschütz geregelt wird. 12.1.3

Schieber in Turbinen- und Pumpenleitungen

Als Abschlussorgan am Übergang vom Stollen zur Rohrleitung unterhalb des Wasserschlosses wird heute nur noch die Drosselklappe verwendet, da sie sich durch Robustheit, einfachen Aufbau, hervorragende Schnellschlusseigenschaften und Betriebssicherheit bei geringem Platzbedarf auszeichnet. Da an dieser Stelle die Fließgeschwindigkeiten bei etwa 2 bis 3 m/s liegen, sind die durch die Drosselklappe bedingten Druckhöhenverluste relativ klein. Anders verhält es sich jedoch bei vor Turbinen angeordneten Verschlüssen. Infolge der höheren Strömungsgeschwindigkeiten ergeben Drosselklappen größere Energieverluste, so dass bei Fallhöhen bis etwa 100 m eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung über die Verwendung der raumsparenden einfachen Drosselklappe oder des wesentlich teureren, aber verlustarmen Kugelschiebers entscheiden muss. Ringschieber werden im Kraftwerksbetrieb nur noch als Regelorgan in Pumpendruckleitungen verwendet. Doch auch hier zeichnet sich eine Entwicklung zum Kugelschieber hin ab. Im Pumpspeicherwerk Glems südlich von Stuttgart werden Kugelschieber sowohl für die Turbinen als auch für die Speicherpumpen als Abschlussorgan eingesetzt. Die Verlustbeiwerte von Ringschiebern und Drosselklappen sind ungefähr gleich groß und betragen ein Vielfaches des für Kugelschieber gültigen Verlustbeiwertes, der kaum höher ist als der Reibungsverlust eines Rohrstückes gleichen Durchmessers und gleicher Baulänge. In älteren Kraftwerken ist der Ringschieber noch als Turbinenabsperrorgan zu finden, da seine

12 Verschluss- und Regelorgane

425

einwandfreie Regulierfähigkeit ein nahezu erschütterungs- und druckstoßfreies Arbeiten ermöglicht. Auch wurde er häufig als Rohrbruchsicherheitsorgan eingesetzt. 12.1.4

Schieber in Grundablässen und Hochwasserentlastungsanlagen

Als Einlaufverschlussorgan gegen die Wasserseite werden vielfach neben Schützen und Klapptafeln je nach Größe der Leitung auch Keilschieber verwendet. Im Gegensatz zu den Turbinenschiebern, die im Normalfall bei Druckausgleich zu bedienen sind, müssen Grundablassschieber stets in strömendem Wasser gegen den vollen einseitigen Wasserdruck bewegt werden. Im Allgemeinen werden aus Sicherheitsgründen in jeden Grundablass und Betriebsauslass außer einem wasserseitigen Notverschluss in Fließrichtung immer zwei voneinander unabhängige Verschlüsse eingebaut. Der luftseitige bildet den Regulierverschluss, der wasserseitige den Absperrverschluss. Der Abstand muss je nach Typ und der daraus resultierenden Strömungscharakteristik so gewählt werden, dass eine Schwingungsanregung des zweiten mit negativen Folgen hinsichtlich Betrieb und Stabilität vermieden wird (s. Kapitel 12.2.7). Beide müssen unabhängig voneinander bedienbar sein, wobei das Absperrorgan bei vollem Druckausgleich betätigt wird. Lediglich im Gefahrenfall ist eine Bewegung in strömendem Wasser ähnlich dem in Triebwasserleitungen angeordneten Rohrbruchsicherheitsorgan nötig. Ist die Leitung nur abzusperren oder freizugeben, so wählt man für die weiteren Verschlüsse Keilschieber oder Drosselklappen. Ringschieber, Hohlstrahl- und Kegelstrahlschieber kommen neben v. a. Segmentschützen (s. Kapitel 5.3) als luftseitiger Betriebsverschluss in Frage, wenn eine Regelung des abzugebenden Durchflusses vorzunehmen ist. Unter Umständen werden in kleineren Anlagen aus wirtschaftlichen Gründen (geringer Platzbedarf, billige Konstruktion) auch bei veränderlicher Wasserabgabe Drosselklappen eingebaut, obwohl sich bei diesen infolge der Schrägstellung des Klappenkörpers ungünstige Strömungsverhältnisse einstellen und sie daher wegen der hierbei großen, auf Klappenscheibe und Antrieb wirkenden hydrodynamischen Momente und der daraus resultierenden Schwingungserscheinungen stark zu bemessen sind (s. Kapitel 12.2.7). Ebenso kann bei geringem Betriebsdruck und kleinerem Rohrdurchmesser ein Keilschieber als Endverschluss an der Luftseite des Grundablasses eingesetzt werden. Die im Allgemeinen in Verbindung mit einer Drosselklappe (als Zweitverschluss) zur Verwendung gelangenden, oben genannten Regulierschieber zeichnen sich durch strömungstechnisch günstige Strahlführung und damit fast erschütterungsfreies Arbeiten aus. Beim Ringschieber fließt der Wasserstrahl in geschlossener Form ab. Bei freiem Austritt löst er sich erst nach einer gewissen Sprungweite auf. Der kompakte Strahl bildet trotz entsprechender Ausbildung des Tosbeckens oft eine unerwünscht hohe Flächenbelastung. Besonders bei beschränkten örtlichen Platzverhältnissen im Unterwasser ist es von Bedeutung, bereits im Schieberinneren einen Abbau der hohen kinetischen Energie einzuleiten und diesen durch Auflockerung des Strahles und der damit verbundenen intensiven Luft- und Wasserreibung zu verstärken. Bei Geschwindigkeiten über 4 m/s wird vom Wasser infolge Unterdruckerscheinungen Luft aufgenommen, so dass die Aufspaltung des abfließenden Strahles in Form eines Hohlstrahles sehr günstig ist. Diese Überlegungen führten zu der Entwicklung des Hohlstrahlschiebers und des

426

12 Verschluss- und Regelorgane

Kegelstrahlschiebers, die beide außer der günstigeren Strahlbildung auch noch höhere Ausflussleistungen als der Ringschieber aufweisen. 12.1.5

Schnellschlussorgane

Zum Schutz einer Wasserkraftanlage gegen unzulässigen Wasseraustritt werden Schnellschlussorgane eingesetzt, die nach Auftreten eines Schadens im Rohrleitungssystem oder an der Maschinenanlage automatisch den Wasserstrom absperren. Als Schnellschlussorgane haben sich Drosselklappen und Ringschieber sehr bewährt. Letzterer wird insbesondere bei Pumpendruckleitungen eingesetzt, wo er die drei Funktionen des Pumpenregelschiebers, des Rückschlagorganes bei Pumpenausfall und des Schnellschlussorganes bei Rohrbruch übernehmen kann. Drosselklappen werden bevorzugt als Rohrbruchklappen in Triebwasserleitungen am Anfang von Gefälleleitungen hinter Staubecken oder Wasserschloss und in Grundablässen eingebaut. Das Schließen des Rohrbruchsicherheitsorganes muss durch eine entsprechende Steuerung so erfolgen, dass der Wasserstrom nicht unmittelbar abgebremst sondern mit Rücksicht auf entstehende Druckstöße allmählich nach festgelegtem Schließgesetz zum Stillstand gebracht wird. Die selbsttätige Auslösung der Rohrbruchsicherungen kann geschwindigkeits-, druck- oder mengenabhängig sein. In den ersten beiden Fällen dienen Staupendelscheiben, Druckdifferenzmessungen in Staurohren, Staublenden, Venturirohre oder andere druckverlusterzeugende Einbauten zur Erfassung der Druckdifferenz, die auf Quecksilberkippwaagen, Druckdifferenzmesser oder Strömungsmesser o. Ä. übertragen wird. Fallgewicht

Auslösevorrichtung

Verriegelung

elektr. betriebene Drosselklappe

Be- und Entlüftungsventil

Stauscheibe

Fallgewicht Drosselklappe

Umlaufleitung Abb. 12.2:

Ölbremse bzw. Druckölantrieb

Apparatekammer mit elektrisch angetriebener (links) und schnellschließender Fallgewichtsdrosselklappe (rechts) [12.1]

Bei Grundablassleitungen finden diese Verfahren weniger Anwendung, da durch die Verunreinigungen des Wassers unbeabsichtigt eine Auslösung herbeigeführt werden kann und außerdem bei kurzen Leitungen die Änderungen der Strömungszustände zu schroff sind. Hier wird die Auslösung des Schnellschlusses häufig durch Magnetbetätigung von der Schaltwarte her besorgt, wobei ein unter elektrischer Spannung gesetzter Magnet die Verriegelung eines Fallgewichtes aufhebt (s. Abb. 12.2). Dessen Fall wird durch eine Öldruckbremse abgefangen und entsprechend den hydraulischen Anlageverhältnissen gesteuert. Hierbei werden

12 Verschluss- und Regelorgane

427

etwa 60 % des Schließweges schnell, der Rest in einem längeren, vorgegebenen Zeitraum zurückgelegt, wodurch wesentliche Druckstöße ausgeschaltet werden. Schnellschlussorgane werden auch mit ölhydraulischem Antrieb unter Verwendung eines Schließservomotors, Öldruck-Gewichtsakkumulators oder Windkessels ausgeführt. Dieser kommt insbesondere bei großen Nennweiten und hohen Betriebsdrücken anstelle von Fallgewichtsantrieb zum Einsatz. Beim Schließservomotor wird die Schließseite des Kraftkolbenantriebes direkt mit einer sicheren Druckquelle verbunden, während die Öffnungsseite gesteuert wird. Bei Druckausfall auf der Öffnungsseite schließt das Absperrorgan selbsttätig. Die in Abb. 12.2 weiters dargestellte elektrisch angetriebene Drosselklappe, die auch von Hand bedient werden kann, dient zum Rohrabschluss im Normalfall. 12.1.6

Be- und Entlüftungsventile

Wie Abb. 12.2 zeigt, gehört zur Ausrüstung der Schieberkammer für Schnellschlussorgane auch ein Belüftungsventil oder ein Luft zuführender Steigschacht, die den bei Entleerung der Leitung auftretenden Unterdruck ausgleichen. Erheblicher Unterdruck kann sich vor allem dann ausbilden, wenn infolge der Drosselung der Armatur der ursprüngliche Abfluss von der Zulaufseite unter dem bestehenden Druckgefälle nicht mehr allein nachläuft und die Anschlussleitung zu saugen beginnt, um die erforderliche Nachströmmenge zu erhalten. Wegen der hierbei unregelmäßigen Strömungsvorgänge entstehen häufig die Rohrleitung gefährdende Erschütterungen und Schwingungen. Hochpunkte und Knickpunkte der Rohrleitung sind ebenfalls durch Unterdruckbildung gefährdet. Aus Strömungsstörungen resultierende, zwischen Überdruck und Unterdruck wechselnde Druckwellen durchlaufen die Rohrleitung und können an diesen Punkten ein Abreißen der Wassersäule herbeiführen. Erstreckt sich der hieraus folgende Unterdruck über längere Rohrabschnitte, so besteht unter Wirkung des Außendruckes Einbeulgefahr. Umgekehrt entstehen gefährliche, steile Druckspitzen beim Zusammenstoßen ursprünglich getrennter Flüssigkeitssäulen. Im heutigen Rohrleitungsbau wird die Festigkeit hochwertiger Bleche voll ausgenutzt, so dass die Rohrstränge beulgefährdeter als früher sind. Damit der Unterdruck hinreichend über der Beulgrenze liegt, ist eine genaue Ermittlung der zur vollständigen Belüftung nötigen Luftmenge und der Widerstandsbeiwerte des Belüftungsventiles bzw. des Steigschaftes unumgänglich. Als zweite Aufgabe haben die Be- und Entlüftungsventile die in der Rohrleitung vorhandenen Gase (Luft, Kohlensäure etc.) entweichen zu lassen, die durch Ansaugen oder durch Ausscheiden aus dem Wasser im Laufe des Betriebes an besonderen Rohrstellen sich angesammelt haben und den freien Strömungsquerschnitt verringern, sowie Energieverluste und ebenso unerwünschte Druckstöße verursachen können. Auch für den Füll- und Entleerungsvorgang sind die Be- und Entlüftungsventile in der Rohrleitung vorzusehen. Entlüftungen sind normalerweise an geodätischen und - in Bezug auf Drucklinie und Leitungsverlauf - hydraulischen Hochpunkten von Rohrleitungssträngen erforderlich, wo es durch Druckerniedrigung oder Temperaturerhöhung zur Ansammlung von Luft kommen kann. Be- und Entlüftungseinrichtungen sind an Leitungsknickpunkten und generell im Abstand von ca. 750 m bei langen ge-

428

12 Verschluss- und Regelorgane

neigten Rohrleitungssträngen vorzusehen. Größe und Anzahl von Entlüftungsventilen richten sich nach Leitungsdurchmesser, Füllvolumen und zulässiger Strömungsgeschwindigkeit (ca. 25 m/s) der Luft im kleinsten Strömungsquerschnitt des Ventils. Im Falle höherer Luftgeschwindigkeit und drohenden Zuschlagens des Schwimmkörpers werden Staudruckbremsen eingebaut. Belüftungsventile sollen spätestens dann aktiviert werden, wenn 0,2 bar Unterdruck unterschritten werden. Der Lufteintritt soll mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 m/s erfolgen; damit hält sich auch der Lärm in Grenzen. Den Be- und Entlüftungsventilen liegt das Schwimmkörperprinzip ohne und mit Hebelverstärkung zugrunde. Für größere Abmessungen kommen auch federbelastete Tellerventile in Frage. Die kleineren Belüftungsventile arbeiten unter Verwendung einer schwimmfähigen Hohlkugel aus Hartgummi. Bei Unterdruckbildung sinkt die Kugel in einem Führungskäfig bis auf eine untere Schale ab und ermöglicht den Lufteintritt. Beim Füllvorgang wird die Kugel durch das ansteigende Wasser wieder angehoben, wobei die austretende Luft durch die Schale so um die Kugel herumgeleitet wird, dass sie diese nicht mitreißen kann und die einwandfreie Entlüftung der Leitung durch einen vorzeitigen Ventilabschluss unterbindet. Bei größeren Rohrnennweiten werden die schwimmfähigen Hohlkugeln durch gewichts- oder federbelastete Ventile ersetzt, die bei Unterdruck ansprechen. Eine Feder oder eine über ein Hebelgestänge wirkende Gewichtsbelastung übernimmt die Rolle des Auftriebes, wobei zur Dämpfung des beim Abschluss sich an den Sitz anlegenden Ventiltellers eine Bremse angeordnet ist. Für die zum Füllvorgang notwendige Entlüftung ist als Zusatzeinrichtung ein kleines, mit einer Hohlkugel ausgestattetes Zusatzventil vorhanden.

a1

Abb. 12.3:

a2

a3

b

Be- und Entlüftungsventile: a) Funktionsweise eines Schwimmkörpers mit Ventilhebelfunktion; b) Kombination eines Schwimmerventiles (links) mit einem Tellerventil (rechts, nur Belüftung) [12.2]

Aus Abb. 12.3a1-a3 ist die Wirkungsweise eines Be- und Entlüftungsventils mit Schwimmkörper und Ventilhebel ersichtlich. Der frei bewegliche Ventilteller ist als Rückschlagventil zu verstehen, das bei positiver Druckwelle die große Düsenöffnung verschließt und die restliche, eingeschlossene Luft nur noch langsam und gesteuert über die kleinen Düsenöffnungen abströmen lässt. Abb. 12.3b zeigt die Kombination eines Be- und Entlüftungsventils mit einem federbelasteten Tellerventil.

12 Verschluss- und Regelorgane

12.1.7

429

Hilfseinrichtungen

Das Füllen entleerter Rohrleitungsabschnitte sowie die leichte Bedienung der Verschlussorgane nach beiderseitigem Druckausgleich bedingt die Einrichtung von Umlauf- und Entleerungsleitungen kleiner Nennweite einschließlich der notwendigen Verschlüsse. Die Füllung der abflussseitigen Rohrleitung vor Öffnen des betreffenden Absperrorganes bzw. die Herstellung des Druckausgleiches bei gefüllter Leitung dient zur Schonung des Antriebes und verhindert beim Öffnungsvorgang sehr große Strömungsgeschwindigkeiten, die zu Beginn der Öffnungsbewegung in den noch kleinen Durchtrittsquerschnitten auftreten. Dadurch werden in den Sitzpartien Kavitationsschäden vermieden. Insbesondere bei Keilschiebern würden wechselnde Strömungskräfte den Schieberkeil zum Flattern bringen. 12.2

Hydraulisches Verhalten

12.2.1

Strömungsvorgänge

Für die Beurteilung der Verschlussorgane spielt deren hydraulisches Verhalten eine ausschlaggebende Rolle, da sie die hydraulische Leistungsfähigkeit einer Rohrleitung beeinflussen. Die Strömungsvorgänge in Armaturen werden durch Drücke, Trägheitskräfte und Reibungskräfte bestimmt. Die durch die Zähigkeit des Wassers bedingten Reibungskräfte vermindern die Bewegungsenergie der strömenden Wasserteilchen und verursachen Totwassergebiete. Diese wiederum folgen aus Ablösungen, welche sich aus dem Druckanstieg bei entsprechender Verzögerung der Wasserteilchen in den Grenzschichten der turbulenten Strömung ergeben. Je ausgeprägter die Totwassergebiete im Vergleich zur Größe des umströmten Abschlusskörpers sind, desto schwieriger ist die Vorherbestimmung der vorhandenen Strömungskräfte und der entstehenden Druckverluste. Die sich aus den Totwassergebieten ablösenden Wirbel erzeugen im Abflussvorgang erhebliche Unstetigkeiten, die zur Unterdruckbildung an ausgezeichneten Stellen unter Einschluss der Kavitationsgefahr führen. Ebenso verursachen ständig wiederholende Ablösungen Erschütterungen und Schwingungen. Druckschwankungen entstehen durch Beschleunigung oder Verzögerung von Wassermassen. Sie werden durch Verschlussorgane beim Öffnen und Schließen verursacht, wobei ihre Größe aber aufgrund festgelegten Bewegungsablaufes auf ein für die Rohrleitung zulässiges Maß beschränkt bleibt. Gefährliche Druckstöße können dann auftreten, wenn die Steuer- und Bremseinrichtungen nicht richtig arbeiten, konstruktive Mängel (z. B. Flattern eines bewegliches Teiles) vorliegen oder ein Bruch am Absperrorgan aufgetreten ist. Der Durchfluss durch Verschlussorgane von Triebwasserleitungen soll bei Offenstellung des Abschlusskörpers mit Rücksicht auf eine wirkungsvolle Energieausbeute der gesamten Wasserkraftanlage einen möglichst geringen Druckund Energiehöhenverlust haben. Die hydraulischen Verhältnisse bei Endverschlüssen von Grundablassleitungen unterscheiden sich von den innerhalb der Rohrleitung befindlichen Absperrorganen dadurch, dass der Regulierquerschnitt

430

12 Verschluss- und Regelorgane

des Grundablasses jeweils die Rohrmündung bildet und zusammen mit dem zur Verfügung stehenden Druckgefälle die Durchflussmenge bestimmt. 12.2.2

Verlusthöhen

Charakteristisch für die hydraulische Leistungsfähigkeit eines Verschlussorganes ist der Druckhöhenverlust in Abhängigkeit vom Durchfluss oder von der mittleren Durchflussgeschwindigkeit. Infolge der Verengung des Strömungskanales durch den Abschlusskörper des Verschlussorganes erfährt der Wasserdurchfluss eine Drosselung, wodurch die Fließgeschwindigkeit im Drosselquerschnitt ansteigt und der Druck gemäß der Bernoullischen Gleichung (2.6) entsprechend abfällt. Hinter der Drosselstelle erweitert sich der Strömungsquerschnitt wieder. Der in den sich vergrößernden Durchflusskanal eintretende geschlossene Strahl kann nicht unmittelbar den ganzen Raum ausfüllen. Erst nach einer gewissen, von dem Querschnittsverhältnis und der Form des Strömungshindernisses abhängigen Strecke wird sich die stark ungleichförmige Geschwindigkeitsverteilung allmählich wieder ausgleichen. Entlang dieser Ausgleichsstrecke ist der Durchflussstrahl von Totwassergebieten umgeben. Wegen der Verzögerung der Wasserteilchen steigt der Druck wieder stark an. Der turbulente Impulsaustausch benachbarter, ungleich schnell bewegter Flüssigkeitsteilchen, die turbulenten Vermischungsvorgänge und die Wirbelablösung bewirken unter großen Energieverlusten den allmählichen Ausgleich des Geschwindigkeitsprofiles. Durch allmähliche Querschnittsänderungen können die vorgenannten Verlusthöhen wesentlich herabgesetzt werden (s. Kapitel 5, 6 und 8). Allmähliche Verengungen verursachen sehr viel kleinere Strömungsverluste als allmähliche Erweiterungen. Im letzten Fall neigt die Strömung infolge Geschwindigkeitsrückgang und Wandreibung immer zu Ablösungen. Bei allmählicher Verengung wird die Vorwärtsbewegung der Flüssigkeit aufgrund des Druckgefälles auch in wandnahen Schichten durch die Reibung kaum beeinflusst. Die an Extremfällen gewonnenen Erkenntnisse können vorteilhaft auf die strömungstechnisch gute Gestaltung der Verschlussorgane angewendet werden. So ist nach Möglichkeit anzustreben, die Fließquerschnitte unterhalb des Drosselquerschnittes nicht wieder zu erweitern sondern eher noch weiter zu verjüngen. Plötzliche Querschnittsänderungen, scharfe Ecken und vorspringende Kanten sind zu vermeiden. Grundsätzlich muss das Anliegen der Wasserströmung an der Gehäusewand in der Offenstellung von Absperrorganen und in sämtlichen Zwischenstellungen von Regulierorganen gewährleistet sein. In Anlehnung an die Gleichung (2.8) wird der Energieverlust in einem Schieber durch das Produkt aus einem Verlustbeiwert ζqs und der Geschwindigkeitshöhe ausgedrückt. Im Gegensatz zu dem für gerade, kreiszylindrische Rohre bestimmbaren Widerstandsbeiwert λ zur Ermittlung der Verlusthöhe hv,r lässt sich ζqs nicht im voraus berechnen. Der Verlustbeiwert hängt bei vollkommen offenen Absperrorganen nicht wie λ nur von der Wandrauheit des Durchflusskanals und der Reynolds-Zahl Re ab, sondern enthält als weiteren Parameter die Formgebung der Durchflussquerschnitte. Bei Regulierschiebern ist auch noch die Gestalt des

12 Verschluss- und Regelorgane

431

Strömungskanales zusätzlich veränderlich und wird von den durch den Öffnungsgrad bzw. Schieberhub s/smax gekennzeichneten Schieberstellungen beeinflusst. Eine theoretische Berechnung des Widerstandsbeiwertes ζqs ist also nicht möglich. Für jedes Verschlussorgan ist durch eingehende Versuche der Verlauf von ζqs in Abhängigkeit von der Reynolds-Zahl, des Durchflusses oder der Schieberstellung zu ermitteln. Die ζqs-Werte nehmen in Abhängigkeit von Re einen immer wiederkehrenden charakteristischen Verlauf an und bleiben je nach Schiebergröße und Schieberart ab einem bestimmten Re-Wert konstant, der das Minimum von ζqs bei voll geöffnetem Schieber ergibt. Mit weiterer Geschwindigkeitssteigerung nimmt bekanntermaßen die Verlusthöhe dann mit v2 bei konstantem ζqs zu. Um eine Vergleichsgrundlage der Durchfluss- und Abflussverhältnisse verschiedener Schiebertypen zu haben, ist es sinnvoll, die Angaben auf die Nennweite der Verschlussorgane zu beziehen. Unter v ist dann die mittlere Strömungsgeschwindigkeit im Nennquerschnitt zu verstehen. Auf diese Weise werden einheitliche Entwurfsgrundlagen geschaffen und eine bessere Beurteilung der hydraulischen Eigenschaften ermöglicht. Jeder Hersteller gibt heute für die jeweiligen Verschluss- und Regelorgane die genauen ζqs-Werte an. 12.2.3

Durchfluss und Ausfluss

Bei bekanntem, auf die Schiebernennweite D bezogenem Widerstandsbeiwert ζqs kann durch Anwendung der Kontinuitätsgleichung auf den Durchfluss von Absperrorganen bzw. Ausfluss von Regulierorganen geschlossen werden, denn es ist: hv ,qs

v 2 ζ qs = ζ qs ⋅ = 2g 2g

§ Q ⋅¨ ¨¨ π ⋅ D 2 4 ©

2 ·2 ¸ = ζ qs ⋅ § Q · [m] ¨ ¸ ¸¸ 2g © AS ¹ ¹

(12.1)

und damit: Q= hv,qs

ζqs D AS

1

1 ζ qs



π ⋅ D2 ⋅ 2g ⋅ hv ,qs = 4

1 ζ qs

⋅ AS ⋅ 2g ⋅ hv ,qs

[m3/s]

Schieberverlust Verlustbeiwert für Querschnittsänderung infolge Schieber Schiebernennweite Nennquerschnitt des Schiebers

ζqs Durchflussbeiwert

(12.2) [m] [-] [m] [m2] [-]

Bei Regulierorganen in Wasserkraftanlagen ist die Energiehöhe hE um ein Vielfaches größer als die geometrischen Abmessungen des Schiebers. Infolgedessen kann für die theoretischen Betrachtungen der Ausfluss aus einem Schieber dem Ausfluss aus einem Gefäß gleichgesetzt werden (s. Abb. 12.4a). Dies ist insbesondere für die rechnerischen Untersuchungen der Ausflussverhältnisse des in seinem Aufbau einfachen und übersichtlichen Kegelstrahlschiebers von Bedeutung.

432

12 Verschluss- und Regelorgane

hE [m]

p0/v0

Qi 2

2

2gm AS

A0 ha p0

hE,n

hs-Shv,i

x

s a s n/ m

Ae v a

za

a

Aa

b

Abb. 12.4:

0

Q

2

2

n

6

2

Q [m /sec ]

a) Definitionsskizze zum Ausfluss aus einem Gefäß; b) Drosselgeraden und Rohrleitungsgeraden zur Bestimmung der zusammengehörigen Abflüsse Q und Energiehöhen hE je Schieberstellung [12.1]

In Anlehnung an das Toricellische Theorem wird die Ausflussgeschwindigkeit va durch: va = ϕ ⋅ 2g ⋅ hv ,qs

[m/s]

(12.3)

mit: ϕ= va

ϕ

hE − hv ,qs hE

[-]

(12.4)

Ausflussgeschwindigkeit Geschwindigkeitsbeiwert

[m/s] [-]

ausgedrückt. Der Querschnitt des austretenden Strahles stimmt in der Regel nicht mit dem der Gefäßöffnung überein. Dies rührt daher, dass die zu der Öffnung hin konvergierenden Stromlinien nicht plötzlich von der vertikalen Richtung in die Richtung der Strahlachse einbiegen können. Die Folge ist eine Einschnürung des Strahles auf einen Querschnitt Ae, der kleiner als der Austrittsquerschnitt Aa ist. Der Ausfluss pro Zeiteinheit beträgt dann: Q = va ⋅ Ae = ψ ⋅ ϕ ⋅ Aa ⋅ 2g ⋅ hE = μ′ ⋅ Aa ⋅ 2g ⋅ hE

[m3/s]

(12.5)

mit: μ′ = ψ ⋅ ϕ = Ae Aa

ψ

μ´

Q Aa ⋅ 2g ⋅ hE

[-]

Querschnitt des eingeschnürten Ausflussstrahles Ausflussquerschnitt Einschnürungs-/Kontraktionsziffer: ȥ = Ae/Aa scharfkantige, kreisförmige Mündungen ψ ≈ 0,61-0,634 (auch nicht kreisförmige) gut gerundete Mündungen ψ ≈ 1 Ausflussziffer, bezogen auf Aa

(12.6) [m2] [m2] [-]

[-]

Bei Verschlussorganen vermittelt der Ausflussbeiwert μ´ einen Einblick in die Strömungsvorgänge des Schiebers. Im idealen Fall müsste μ´ einen für sämtliche Zwischenstellungen des Schieberabschlusskörpers konstanten Wert annehmen, da

12 Verschluss- und Regelorgane

433

mit entsprechender Änderung des Austrittsquerschnittes Aa eine im gleichen Verhältnis stehende Änderung des Ausflusses Q verbunden sein sollte; jedoch sind Druck- und Geschwindigkeitsverteilung im Schieberinneren sowie Strahleinschnürung von Hub zu Hub verschieden und beeinflussen dementsprechend mehr oder weniger den μ´-Wert. Bezieht man den Ausfluss nicht wie in (12.5) auf den Ausflussquerschnitt Aa sondern ebenso wie in (12.2) auf den Einlaufquerschnitt bzw. auf den Nennquerschnitt AS des Schiebers gemäß: Q = μ ⋅ A S ⋅ 2g ⋅ h v ,qs = μ ⋅

π ⋅ D2 ⋅ 2g ⋅ h v ,qs 4

[m3/s]

(12.7)

so lassen sich anhand der zugehörigen Auslaufziffer μ: μ=

μ

Q AS ⋅ 2 ⋅ g ⋅ hv ,qs

=

Q π⋅ D ⋅ 2 ⋅ g ⋅ hv ,qs 4

[-]

Auslaufziffer/Ausflussbeiwert, bezogen auf As

(12.8)

[-]

die Leistungsfähigkeit und Reguliereigenschaften der einzelnen Verschlussorgane gut bewerten. Die Ausflusszahlen μ bzw. μ´ müssen durch Versuche bestimmt werden. Für Ausflussvorgänge aus Gefäßen einfacher geometrischer Gestalt sind jedoch auch auf theoretischem Wege die Ausflussziffern in guter Annäherung erfassbar. Nach Detailuntersuchungen von KIRCHHOFF und TREFFTZ veröffentlichte MISES [12.1] eine ausführliche Darlegung der Berechnung von μ bzw. μ´ für ebene Ausflussströmungen an Schlitzen unendlich tiefer Gefäße. Es kam hierbei die Theorie der Strömung mit freien Strahlen zur Anwendung, wobei die für zweidimensionale Strömungen gewonnenen Ergebnisse auf entsprechende dreidimensionale rotationssymmetrische Strömungen übertragbar sind, wie auch spätere Arbeiten zeigten. Auf dieser Theorie aufbauend können für Kegelstrahlschieber beliebiger Abmessungen die Ausflussziffern, Strahlneigungswinkel und resultierenden Drücke auf den Abschlusskegel ermittelt werden, wobei die theoretischen Ergebnisse überraschend gut mit Versuchswerten übereinstimmen. Zur Beurteilung eines im Grundablass eingebauten Regulierschiebers ist der zu leistende Abfluss von besonderer Bedeutung. Nach (12.7) ist der Ausfluss durch die Fallhöhe und den Schieberquerschnitt bestimmt. Gießt der Schieber ins Freie aus, so herrscht an der Unterwasserseite Atmosphärendruck und die gesamte Energielinienhöhe hE, d. h. die Bruttofallhöhe hf,B abzüglich aller Rohrleitungs- und Schieberverluste, wird im engsten Regulierquerschnitt in die Geschwindigkeitshöhe hc umgewandelt. Die Summe der im Schieber vorhandenen Geschwindigkeitshöhe und sämtlicher Energieverluste, die im Grundablass auftreten, z. B. Eintrittsverlust, Rohrreibungsverlust und Schieberverlust, muss gleich der Bruttofallhöhe hf,B sein.

434

12 Verschluss- und Regelorgane

Mit dem Rohrquerschnitt A0 und dem für ζqs und vs gültigen Schieberbezugsquerschnitt AS für einen bestimmten Hub s/smax ergibt sich unter Einbeziehung der Kontinuitätsgleichung: h f,B = hc + hv ,i = hf,B hc A0 ARS

ª§ v2 l · A2 º v 2 + hv ,i = «¨ ζ e + λ ⋅ ¸ + ( 1 + ζ qs ) ⋅ 20 » ⋅ 2g D¹ ARS ¼ 2g ¬©

Bruttofallhöhe Geschwindigkeitshöhe Rohrquerschnitt Regulierquerschnitt des Schiebers

[m]

(12.9) [m] [m] [m2] [m2]

Der Ausfluss des Grundablasses beträgt daher für eine vorgegebene Öffnungsweite des Regulierschiebers: Q = A0 ⋅ v = A0 ⋅

Die Größe A0 ⋅

2g 1+

¦

2g 1+

¦ζ

ζi

⋅ h f ,B

[m3/s]

(12.10)

bezeichnet man auch als Grundablasscharakteristik. i

Die nähere Betrachtung der Abflussgleichung (12.10) zeigt, dass bei konstanter Bruttofallhöhe hf,B und konstantem Rohrquerschnitt A0 eine Veränderung des Durchflusses nur über die variierbare, von dem Hubverhältnis s/smax abhängige Schieberverlusthöhe hv,qs erreicht werden kann. Die Widerstandszahl ζqs wächst mit zunehmender Drosselung bzw. Verkleinerung von AS. Je ausgeprägter der Schieberverlust gegenüber dem Gesamtverlust hf,B - hc ist, desto wirksamer ist die Mengenänderung. Daher spricht eine kurze Rohrleitung auf eine Querschnittsänderung im Regulierschieber eher an als eine lange Rohrleitung. Ein deutlicher Unterschied des abgeführten Durchflusses ergibt sich bei größeren Schiebern, wenn der Strahl nicht frei, sondern ohne Belüftung unter Wasser austritt. Bei fehlender Belüftung saugt der untertauchende Strahl und führt einen erhöhten Abfluss herbei. Nachteilig ist jedoch die Unterdruckbildung im Schieberinneren mit all ihren Folgeerscheinungen bezüglich Ablösung und Kavitation, sofern sie verstärkt auftritt. In Abb. 12.9a ist als Beispiel eines Absperrorganes eine Drosselklappe dargestellt. Vor und hinter der Klappenscheibe herrschen in den Strömungsquerschnitten 1 und 2 die Druckhöhen h1 und h2 sowie die Fließgeschwindigkeiten v1 und v2. Damit beträgt der Energiehöhenverlust hv,qs, vielfach auch mit Δh bezeichnet, im Drosselorgan: h

v ,qs

§ v2 · § v2 · = ¨ h 1 + 1 ¸ − ¨ h 2 + 2 ¸ = Δh [m] 2g ¹ © 2g ¹ ©

(12.11a)

Wenn der Durchmesser beidseitig der Klappenscheibe gleich groß ist, d. h. D1 = D2, v1 = v2 = v, wird: h

v ,qs

= h1 − h2

[m]

womit sich mit (2.8) wiederum ζqs ergibt.

(12.11b)

12 Verschluss- und Regelorgane

435

Den Kleinstwert erreicht ζqs bei voll geöffnetem Schieber bzw. für α = 0° bei der Drosselklappe (s. Abb. 12.9a). Mit zunehmender Schließtendenz wächst ζqs an und strebt bei geschlossenem Schieber bzw. für α = 90° bei der Drosselklappe gegen Unendlich. Angesichts dieser großen Werteskala ist die genaue Darstellung von ζqs für den gesamten Schieberöffnungsbereich schwierig, falls man nicht für große ζqsWerte die reziproke Angabe 1/ζqs wählt. 12.2.4

Ermittlung der Energiehöhen

Bei Durchfluss- und Ausflussvorgängen in Verschlussorganen sind drei Fälle bezüglich des hinter dem Abschlusskörper herrschenden Druckes voneinander zu unterscheiden: - Atmosphärendruck, - Unterdruck, - positiver Gegendruck. Bei unterstromseitigem Atmosphärendruck tritt das Wasser in Luft aus, und das Verschlussorgan nimmt den Charakter eines Endverschlusses an. Ähnliche Verhältnisse liegen im zweiten Fall des negativen Druckes vor, wenn die Geschwindigkeit im engsten Durchflussquerschnitt so anwächst, dass die kinetische Energie größer wird als die an dieser Stelle herrschende Druckdifferenz und sich Unterdruck bildet. Unterdruck in einem Absperrorgan kann auch durch eine anschließende Gefälleleitung entstehen, z. B. bei einer Schnellschlussdrosselklappe, die sich an der Übergangsstelle vom Druckstollen zur Fallleitung befindet. Hierbei übt bei Nachlassen des Zulaufdurchflusses das bestehende Gefälle eine Saugwirkung aus, und der entstehende Unterdruck kann bei Unterschreiten des Verdampfungsdruckes zum Abreißen der Wassersäule führen. In beiden Fällen wird der Ausfluss durch (12.7) bestimmt, wobei der jeweilige Öffnungsgrad des Verschlussorganes mit der betreffenden Zuordnung von Q und hE zu berücksichtigen ist. Bezeichnen hS die am Schieber vorliegende statische Druckhöhe und ¦hv,i die Summe sämtlicher Energieverluste zwischen Einlauf und Schieber, so beträgt die zur Verfügung stehende Energiehöhe:

hE = hS − hS

¦h

v ,i

[m]

Druckhöhe am Schieber

(12.12) [m]

Andererseits ist nach (12.8) mit dem von s/smax abhängigen Ausflussbeiwert:

hE =

Q2 2g ⋅μ 2 ⋅ AS2

[m]

(12.13)

Wird in einem rechtwinkligen Koordinatensystem Q2 auf der Abszisse und hE auf der Ordinate abgetragen (s. Abb. 12.4b), so bildet (12.13) eine Geradenschar, die sogenannten Drosselgeraden, und (12.12) die Rohrleitungs- oder Zulaufgerade, deren Schnittpunkte für jede Schieberstellung die zusammengehörigen Abflüsse Q und Energiehöhen hE liefern. Im dritten Fall des abflussseitigen positiven Gegendruckes ist die anschließende Rohrleitung gefüllt. Das Verschlussorgan steht unter einem Rückdruck, z. B. beim Einbau hinter einer Pumpe mit ansteigender Förderleitung. Auch herrscht im

436

12 Verschluss- und Regelorgane

Normalbetrieb von Turbinenleitungen an den Verschlussorganen ein positiver Gegendruck. Hierbei steht der Durchfluss des Absperrorganes gemäß (12.2) in Abhängigkeit zur Schieberverlusthöhe hv,qs, wobei hv,qs den Energieunterschied vor und hinter dem Schieber bedeutet. 12.2.5

Kavitation

Die in einem Absperrorgan mögliche Fließbewegung eines Wasserteilchens erfährt verschiedene Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse, die aus der schematischen Skizze (Abb. 12.5) hervorgehen. Im Querschnitt 1 herrscht Überdruck, d. h. der Flüssigkeitsdruck h1 ist größer als der Atmosphärendruck. Durch die Summe ¦hv,1 werden die bis Schnitt 1 aufgetretenen Druckhöhenverluste erfasst. Längs der Strecke 1 - 2 erfolgt eine Beschleunigung der Strömung. Shv,1

Shv,3

2

v1 2g

Kavitation

Drucklinie h1 (Überdruck)

hE,0

1

2

h3 (Unterdruck) z

pabs=0

großer Energieverlust durch Kavitation

2

v3 2g

3 4

Energielinie Ausscheidung gelöster Luft beginnt Atmosphärendruck Drucklinie pamb Rohrachse 5 (Nullinie) hkav » 10 mWS Beginn der Kavitation

geodätischer Horizont

Kavitationsgrenze hDW (Dampfdruck) Kondensation (Austreten der Verdichtungsstöße)

physikalisch unmöglicher Druckverlauf

Abb. 12.5:

Definitionsskizze für Kavitation [12.1]

Mit der Geschwindigkeitssteigerung nimmt der Flüssigkeitsdruck ab und erreicht in dem Punkt 2, dem Schnittpunkt der Drucklinie mit der Rohrachse, den Wert 0. An dieser Stelle ist er gleich dem Luftdruck. Mit weiterem Absinken des Druckes wird zunächst die im Wasser gelöste Luft ausgeschieden. Hierbei werden geringe Luftmengen frei, die an der Hohlraumbildung nur wenig Anteil haben. Die Zone des Unterdruckes ist durch den Verlauf der Drucklinie unterhalb der mit der Rohrachse zusammenfallenden Nulllinie gekennzeichnet. Erreicht der Druckabfall den für die herrschende Temperatur gültigen absoluten Dampfdruck des Wassers, so verliert das Wasser seine Eigenschaft als Flüssigkeit, es beginnt zu verdampfen bzw. zu sieden. Die Blasenbildung längs der Strecke 4 - 5 führt zu einem Gemisch aus Wasser- und Wasserdampfteilchen. Durch die Strömung werden die Dampfblasen fortgetragen und gelangen in Schnitt 5 wieder an die Stelle höheren Druckes, wodurch die Hohlräume schlag-

12 Verschluss- und Regelorgane

437

artig in sich zusammenstürzen und die Dampfblasen wieder kondensieren. Dieser im Bereich der verzögerten Strömung einsetzende Vorgang ist mit starker Geräuschentwicklung (Knattern und Donnern) verbunden. Die Dampfblasen treffen ungedämpft auf die Gehäusewand und erzeugen enorme Verdichtungsstöße, die bei vollkommener Unelastizität von Wasser und Wand unendlich groß werden müssten. Dass sie sehr groß sind, zeigen die Anfressungen von schwammartiger Struktur an den getroffenen Wandungen, die auch bei härtestem Material, z. B. Edelstahl, zu verzeichnen sind. Die Korrosion bzw. der Materialabtrag ist um so stärker, je rauer die Wandoberfläche und je grobkörniger und spröder die Beschaffenheit des Werkstoffes sind. Wie aus Abb. 12.5 weiters hervorgeht, erfolgt nach Schnitt 5 der Druckanstieg ziemlich schroff und verursacht große Energieverluste. Derlei Vorgänge, bei denen dampferfüllte Räume im Innern einer strömenden Flüssigkeit auftreten, fasst man unter dem Namen Kavitation zusammen. Starke, bis an die Kavitationsgrenze heranreichende Druckerniedrigungen können bei Verschlussorganen durch die konstruktive Gestaltung des Durchflusskanals bedingt sein und haben ihre Ursachen in: a) Erweiterungen des Fließquerschnittes, b) krummliniger Wasserbewegung bei abgelenkter Strömung und c) mit Wirbeln durchsetzter Wasserströmung. In Abb. 12.6 sind die Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse bei plötzlicher und allmählicher Rohrerweiterung einander gegenübergestellt. Da bei allmählichem Querschnittsübergang die Energieverluste kleiner als bei plötzlicher Erweiterung sind, kann entweder bei gleicher Druckhöhe h2 im Querschnitt A2 ein bestimmter Durchfluss bei niedrigerer Anfangsenergiehöhe h0 oder bei gleicher Energiehöhe h0 ein größerer Durchfluss gefördert werden. Wie jedoch Abb. 12.6 zeigt, reicht die Drucklinie im Falle des Diffusors näher an die Kavitationsgrenze heran und die Kavitationsgefahr stellt sich daher leichter als beim plötzlich erweiterten Rohr ein. Dieser Umstand ist für die richtige Formgebung der Durchflussquerschnitte im Verschlussorgan von großer Bedeutung. Die krummlinige Wasserbewegung weist infolge der Zentrifugalwirkung quer zur Strömungsrichtung einen veränderlichen Druck- und Geschwindigkeitsverlauf auf. Nach dem Bernoullischen Gesetz verringert sich die Geschwindigkeit mit der Druckzunahme auf der Krümmungsaußenseite, entsprechend umgekehrt auf der Krümmungsinnenseite. Die Druckerniedrigung auf der Krümmungsinnenseite ist um so ausgeprägter, je stärker die Strömung gekrümmt, d. h. je größer die Abbzw. Umlenkung der Stromfäden ist. Sind aus einem Totwassergebiet stammende Wirbel in einer Wasserströmung vorhanden, kann im Wirbelkern bei entsprechend großer Rotationsgeschwindigkeit ein Druckabfall bis auf den Kavitationsdruck auftreten, obwohl im Totwasser des umströmten Schieberverschlusskörpers der Druck noch über der Kavitationsgrenze liegt.

438

12 Verschluss- und Regelorgane

Energielinie hv,12=

2

(v1-v2) 2g

2

Energielinie 2

h0 v1 2g

h0

2

v1 -v2 2g

2

2

v2 2g

Ablösungsgebiet (Wirbelfeld)

d

h2

A1 v1

hv,12»0,20

A2

A2

A1 v1

v2

v2 2g h2 v2

h1 Drucklinie

2

pabs=0

a

1

Abb. 12.6:

h1

v1 2g

hkav

Drucklinie 2

Kavitationsgrenze

b

hkav pabs=0 2

1

Kavitationsgrenze

Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse bei a) plötzlicher und b) allmählicher Rohrerweiterung [12.1]

Die Stellen maximaler Druckerniedrigung sind in der Regel in der Umgebung der größten Querschnittseinschnürung zu finden. Jedes Verschlussorgan bedeutet zumindest bei teilweiser Öffnung eine Querschnittsverengung mit nachfolgender Erweiterung. Hinter dem engsten Spalt muss sich der Flüssigkeitsstrahl auf krummlinigen Bahnen meist unter Ablösungserscheinungen wieder ausdehnen. Kann bei einem Grundablassschieber der Strahl nicht direkt aus dem Spaltquerschnitt ins Freie oder in das Unterwasser austreten, da ein Rohrstück sich anschließt, muss zur Verhinderung von Kavitation dieses so groß ausgelegt werden, dass der Ausflussstrahl allseits von Luft oder Wasser umgeben und kein für die Rohrwand schädlicher Unterdruck mehr wirksam ist. Bei ausreichender Luftzufuhr in die Unterdruckgebiete gelingt es, den Unterdruck genügend hoch über die Kavitationsgrenze anzuheben. Die eingesaugten Luftmengen sind relativ groß und verursachen einen Leistungsrückgang des Verschlussorganes. Auch stellt sich infolge der Kompressibilität angesammelter Luftblasen ein stoßweiser Durchfluss unter starken Druckschwankungen ein, so dass diese Maßnahme im Allgemeinen nur bei Grundablassverschlüssen mit nachfolgender geschlossener Unterwasserleitung empfehlenswert ist. Versuche, Wasser anstelle der kompressiblen Luft in Unterdruckzonen einzuleiten, führten zum Erfolg und Wasserschläge konnten dadurch vermieden werden. Besteht die Möglichkeit, dass geringe Luftmengen von außen her in Unterdruckbereiche gelangen, werden bei Kavitation die Hohlräume sowohl mit Wasserdampf- als auch mit Luftblasen ausgefüllt. Die ersteren ergeben die gefährlichen Verdichtungs- bzw. Druckstöße (s. Kapitel 8.3), die zweiten den unregelmäßigen Durchfluss. Zur rechnerischen Beurteilung der Kavitationsgefahr hat sich die von THOMA in den Turbinenbau eingeführte Kavitationszahl σTh sehr bewährt (s. Kapitel 14.2.5.1). Man ist damit in der Lage, für jedes kavitationsgefährdete Drosselorgan

12 Verschluss- und Regelorgane

439

einen Wert σTh > σTh,krit festzulegen, ab welchem mit Sicherheit Kavitation ausbleibt. Mit zunehmenden Durchflüssen sinkt infolge der steigenden Strömungsgeschwindigkeit der Gegendruck h2 hinter dem Drosselorgan ab. Dadurch verkleinert sich die Kavitationszahl σTh, d. h. Ablösung und Kavitation verstärken sich und erreichen für σTh = 0 ihre größte Auswirkung. Die Kavitationszahl σTh hat für die Durchführung von Modellversuchen im Kavitationsbereich und im kavitationsfreien Betrieb eine ähnliche Bedeutung wie das Reynoldssche Ähnlichkeitsgesetz, welches für mechanisch ähnliche Strömungen unabhängig vom Strömungsmedium und Maßstab der umströmten Körper dasselbe Verhältnis der Trägheitskräfte zu den Reibungskräften voraussetzt. So liefern Modellversuche an Drosselorganen die gleichen Strömungsbilder und charakterisieren den gleichen Betriebszustand wie die tatsächlichen Ausführungen, wenn dieselben Werte σTh eingehalten werden. 12.2.6

Druckstoß

Jede Betätigung von Verschlussorganen, sei es Schließen, Öffnen oder kontinuierliches Regeln, führt als Folge veränderter Durchflussquerschnitte bzw. Durchflussgeschwindigkeiten zu einer Strömungsänderung, die mit einer entsprechenden Druckänderung verbunden ist. Die dadurch bedingten nichtstationären Strömungsverhältnisse bleiben nicht auf den Bereich des Verschlussorganes beschränkt. Sie wirken sich an jeder Stelle der Rohrleitung beiderseits der Störquelle aus, wobei die Strömungsänderung sich um ein gewisses Zeitintervall später bemerkbar macht. Daraus ergibt sich für die Bemessung eines Rohrleitungssystemes eine sorgfältige Überprüfung der dynamischen Druckschwankungen innerhalb des gesamten Systems. Die Druckstoßentwicklung, die durch die Schließ- bzw. Öffnungscharakteristik bestimmt wird, wurde bereits in Kapitel 8.3 erläutert. 12.2.7

Schwingungen

Rhythmische Änderungen des Strömungszustandes in einem Verschlussorgan äußern sich unter dem Einfluss einer Steuerwirkung in Schwingungen des Schieber- oder Rohrleitungssystemes, wenn ihre Frequenz in der Nähe der Eigenfrequenz des schwingungsfähigen Teiles liegt. Sie entstehen beispielsweise durch Flattern eines angeströmten beweglichen Konstruktionsteiles oder aus periodischen Ablösungen in labilen Strömungsgebieten. Bei Ausflüssen ins Freie werden derartige Schwingungen vielfach durch eine unzureichende Luftzufuhr zur Belüftung ausgelöst oder verstärkt. Strömungsablösungen treten in Zwischenstellungen des Verschlusskörpers von Drosselklappen, Keil- und Kugelschiebern auf. Auch in Ring-, Hohlstrahl- und Kegelstrahlschiebern, die als Endverschlüsse einer Entlastungsleitung eingesetzt sind und sich stets durch ein symmetrisches Strömungsbild auszeichnen, können sie innerhalb eines eng begrenzten Hubbereiches vorhanden sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Ausflussstrahl bei einer bestimmten Öffnungsweite nicht mehr ständig an der Schieberwandung anliegt, sondern zwischen Gehäuse und Verschlusskörper hin- und herpendelt. Den periodischen Wechsel behält der Strahl bei, bis nach einer weiteren Öffnung oder Schließung wieder eindeutige Strömungsverhältnisse durch einwandfreie Strahlführung geschaffen sind.

440

12 Verschluss- und Regelorgane

Eine Schwingungsanfachung kann z. B. der Abschlusskolben eines Hohlstrahlschiebers (s. Abb. 12.1) bewirken, indem er unter dem Einfluss einer frequenzähnlich pulsierenden Ausflussströmung glockenartige Schwingungen ausführt, die ihrerseits wieder zu periodischen Druckänderungen längs der umströmten Schieberkopffläche und im Regulierspalt Anlass geben. Ebenso kann die zuflussseitige Rohrleitung als schwingungsfähiges Steuerorgan wirken, wie dies bereits ausführlich im Kapitel 11 erläutert wurde. Eine durch eine geringfügige Bewegung in der Regulieröffnung entstandene Druckwelle wandert infolge der Elastizität des Wassers und der Rohrleitung stromaufwärts, trifft am Leitungsende auf die Wassermasse im Wasserschloss oder in der Talsperre und wird dort reflektiert, wobei sich im Extremfall eine stehende Druckschwingung in der Rohrleitung ausbilden kann. Die Auswirkung der Schwingungen dürfen keinesfalls unterschätzt werden, da sie erhebliche Schädigungen der betroffenen Anlagenteile herbeiführen können. Sofern die aus labilen Strömungszuständen resultierenden Schwingungen nicht von vornherein durch eine verbesserte Konstruktion und Strahlführung ganz zu beseitigen sind, wirkt ihnen eine gute Belüftung entgegen. Auch bei Schützen (s. Kapitel 5.3) treten derartige Phänomene einerseits bei geringem Hub und entsprechender Unterströmung sowie andererseits Überströmung ohne Hinterlüftung auf. 12.3

Gestaltungsgrundsätze

Die Grundsätze für eine richtige Gestaltung der Verschlussorgane ergeben sich aus den genannten Aufgaben. Die gewählte Konstruktion muss den jeweiligen Betriebsanforderungen genügen, sie soll leistungsfähig, unbedingt betriebssicher und wirtschaftlich sein. Zu diesem Ziel führen eine vorteilhafte, nach den Einsatzbedingungen getroffene Werkstoffauswahl und eine nach strömungs-, festigkeitsund bearbeitungstechnischen Gesichtspunkten vorgenommene günstige Formgebung. Selbstverständlich werden auch hier heute numerische Berechnungsmethoden eingesetzt, um die Verschlussorgane von der Durchströmung bis hin zur Fertigung optimal zu gestalten (s. a. Kap. 14.2.7). Die Forderung nach guter Strömungsführung bei allmählichem, keine Ablösungen hervorrufendem Querschnittsübergang bedingt Formen, die sich dem Strömungsweg weitgehend anpassen. Hierbei sind aber durch die technologischen Eigenschaften der verwendeten Werkstoffe, durch die Konstruktionsmöglichkeit und die Antriebsanordnung Grenzen gesetzt. Kreis- bzw. kreisringförmige oder ähnliche Querschnittsausbildung des Durchflusskanals ermöglichen ein günstiges Verhältnis von Querschnittsgröße zum Querschnittsumfang. Die Festigkeitsberechnung hat die statischen und hydrodynamischen Kraftwirkungen (einschließlich Druckstoß) sowie die von der Rohrleitung auf das Verschlussorgan ausgeübten Kräfte zu berücksichtigen. Mögliche Zusatzbeanspruchungen, z. B. durch eventuelle Schwingungsvorgänge (s. Kapitel 12.2.7), und Stabilitätsfragen sind gleichfalls in die Betrachtungen einzubeziehen.

12 Verschluss- und Regelorgane

441

Für die Werkstoffauswahl sind neben Festigkeit und Formänderungsvermögen auch Rostgefahr, Korrosionsbeständigkeit, Verschleißfestigkeit, Widerstandsfähigkeit gegen Kavitation, Bearbeitbarkeit und dergleichen mehr ausschlaggebend. Wichtige Konstruktionsteile der Verschlussorgane stellen die Dichtungen dar, denen besondere Sorgfalt in Anordnung und Ausführung zu widmen ist. Man unterscheidet feste Flanschdichtungen, Stopfbüchsendichtungen für drehende und axiale Bewegungen der abzudichtenden Konstruktionselemente sowie Sitzdichtungen zur Abdichtung der am Gehäusemantel aufsitzenden Abschlusskörper. Besonders die Sitzdichtungen sind großem Verschleiß unterworfen, so dass ein betriebssicheres Arbeiten des Abschlussorganes die Möglichkeit des leichten und schnellen Auswechselns abgenutzter Teile voraussetzt. 12.4

Antrieb und Steuerung

Die durch einen Antrieb eines Verschlussorganes zu überwindenden Kräfte resultieren aus den Kraft- bzw. Momentenwirkungen des strömenden und ruhenden Wassers am Verschlusskörper und den Reibungswiderständen an Führungselementen, Dichtungen und Antriebsgliedern. Für die richtige und wirtschaftliche Bemessung der Antriebsvorrichtung ist eine möglichst genaue Kenntnis der beim Öffnen und Schließen auftretenden Strömungsvorgänge und ihrer Rückwirkung sowohl auf den Antriebsmechanismus als auch auf die ganze Anlage notwendig. So wirkt z. B. bei einer Drosselklappe das Strömungsmoment stets im Schließsinn und ist unabhängig von der Strömungsrichtung. Bei Öffnen gegen den vollen einseitigen Wasserdruck kann das Öffnungsmoment größer als das Schließmoment werden. Andererseits ist beim Öffnen und Schließen eines Abschlussorganes auf die als Folge jeder Strömungsveränderung entstehenden Druckwellen Rücksicht zu nehmen. Die Antriebsarten lassen sich in die beiden Gruppen der mechanischen und hydraulischen Antriebe aufgliedern. Zu den ersten zählen Handantrieb, die mit Elektromotoren ausgestatteten Antriebe und der Fallgewichtsantrieb von Schnellschlussorganen. In die zweite Gruppe werden die mit flüssigen oder gasförmigen Mitteln arbeitenden Antriebe eingereiht. Zur absoluten Sicherung der Wasserkraftanlagen sind die Antriebsvorrichtungen so aufzubauen, dass sie bei Ausfall jeglicher Fremdenergie für Motoren bzw. Pumpen selbsttätig schließen und die zum Schließen notwendige Arbeit bereits beim Öffnen des Verschlussorganes aufgebracht werden muss. Dies kann insbesondere durch Heben eines Fallgewichtes, aber auch durch Spannen einer Feder oder durch Bewegung des Regulierkolbens gegen den Wasserdruck der Rohrleitung geschehen. In allen Fällen, auch bei Turbinenabsperrorganen, ist der Antrieb so zu bemessen, dass die Schließbewegung gegen den vollen Wasserdruck möglich ist. Letzteres ist eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme. Im Normalfall wird eine abflussseitig anschließende Rohrleitung über eine Umführungsleitung gefüllt oder über diese bei vorhandener Füllung ein Druckausgleich hergestellt, so dass die Antriebskräfte niedrig gehalten werden. Bei Auslassschiebern und Regulierendver-

442

12 Verschluss- und Regelorgane

schlüssen ist eine Druckentlastung nicht durchführbar, sie schließen stets unter vollem einseitigen Druck und müssen in jeder Zwischenlage feststellbar sein. Elektrische Antriebe werden in der üblichen Weise ausgeführt, wobei die Elektromotoren das Drehmoment über Kegelrad-, Stirnrad- oder Schneckengetriebe auf die Antriebswelle übertragen. Beim Abstellen müssen die Schwungmassen entweder durch eine Magnetkupplung sofort abgeschaltet oder durch Bremsen angehalten werden, um Nachlaufwege zu vermeiden. Hydraulische Antriebe zeichnen sich durch die Einfachheit der maschinellen Anordnung, Robustheit, Drosselfähigkeit und Anpassungsvermögen an den jeweiligen Kraftbedarf aus. Als flüssige Arbeitsmittel kommen Wasser und Öl in Frage. Nachteilig ist im wartungsfreien Betrieb, dass nach längerem Stillstand ein Versagen durch Verschmutzen der Stellglieder, Kolben oder Zylinder möglich ist und Undichtigkeiten auftreten können, durch die bei Öl Brandgefahr sowie eine Umweltgefährdung durch Verunreinigung des Triebwassers besteht. Bei Anlagen mit Gefällen unter 200 m wird für die Steuerung von Absperrorganen gerne Drucköl, sonst Druckwasser verwendet, weil dadurch die für die Steuerung erforderlichen Druckzylinder oder Servomotoren wirtschaftlicher ausgebildet werden können. Bei genügendem Betriebsdruck und Reinheit kann das Wasser der Druckleitung, sonst einem besonderen Behälter entnommen werden. Die vom Wasser durchströmten Antriebsteile sind entsprechend korrosionsbeständig auszuführen. Bei Verwendung von Drucköl wird dieses aus besonderen Akkumulatoren einer Druckölanlage oder direkt aus dem Reglerwindkessel zugeleitet. Häufig werden Druckwasser von der Rohrleitung und Drucköl von der Reglersteuerung eingesetzt, wobei das Wasser dem Schließzylinder und das Öl dem Öffnungszylinder zufließt. Die Steuerung erfolgt dann nur über den Öffnungszylinder, so dass nach Öldruckausfall der Wasserdruck die Schließung des Absperrorganes herbeiführt. Die Konzentration der Schalt- und Leitwarten setzt die komplette Fernbedienung der einzelnen Verschlussorgane voraus. Hierzu eignen sich die elektrischen und die hydraulischen Antriebe. Daneben sind zusätzliche selbsttätige Abschlussvorrichtungen für Notfälle, wie Rohrbruch, zu schaffen, die mit Fallgewichtsantrieb oder mit automatisch gesteuerten ölhydraulischem Antrieb ausgerüstet werden. Der Fallgewichtsantrieb bietet die größte Sicherheit, da er stets schließbereit ist (s. Kapitel 12.1.5). Der in der Regel mit streckenweise verschiedenen Geschwindigkeiten ablaufende Schließ- bzw. Öffnungsvorgang erfordert eine sorgfältige Ausbildung der Steuerung der einzelnen Bewegungsphasen. Zusätzlich zum Antrieb sind daher als Steuerorgane verschiedene Ventile in Verbindung mit Elektromagneten und Schaltanlagen notwendig. Die automatische Einleitung der Schließbewegung nach Überschreiten der zulässigen Wassergeschwindigkeit erfolgt durch die Staupendelscheibe. Diese löst über einen elektrischen Impuls eines Stromkreises, der meist durch eine Akkumulatorenbatterie gespeist wird, das Fallgewicht aus. Bei einer Stromstörung schließt das Ablassventil ebenfalls die Klappe. Zum Öffnen dient die an einen Elektromotor angeschlossene Pumpe, die das Öl aus dem Ölbehälter in den Öffnungszylinder presst und damit das Fallgewicht wieder anhebt.

12 Verschluss- und Regelorgane

12.5

Typen

12.5.1

Keilschieber und Flachschieber

443

12.5.1.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich Der in Abb. 12.7a dargestellte Keilschieber besteht im Prinzip aus Gehäuse, Haube, Absperrkeil oder Absperrplatten, Spindel und Antrieb. Mit der Spindel wird der keilartige oder plattenförmige Absperrkörper senkrecht zur Rohrachse bewegt, wobei zur Schonung der Dichtung die Dichtflächen nur in dem Bereich der Endschließlage kurzzeitig aufeinandergleiten. Die Keilneigung beträgt im Allgemeinen 5°, entsprechend 8,5 % Steigung. Der Verschlusskörper kann den vollen Rohrquerschnitt für den Durchfluss freigeben. Heute werden Keilschieber in größeren Turbinen- und Pumpenleitungen von Wasserkraftwerken kaum mehr verwendet, häufiger dagegen bei Grundablässen und Entnahmeleitungen mittlerer Abmessungen, insbesondere als Absperrorgan des Einlaufes. Auch in Umlaufleitungen werden mit Rücksicht auf die kleine Nennweite Keilschieber eingebaut. Bei Einlaufschiebern kommen sowohl geschlossene, in Schacht oder Schieberkammer befindliche Keilschieber als auch offene, gehäuselose Talsperrenschieber mit flachem Verschlusskörper zur Verwendung. Letzterer besteht aus einem mit Führungsleisten ausgestatteten Rahmen, in dem durch ein Gestänge ein plattenförmiger Abschlusskörper bewegt wird. Er kann senkrecht oder entsprechend der Mauerneigung schräg angeordnet werden. Da die Flachschieber vor dem Mundstück des Grundablasses angeordnet werden, befinden sich alle Teile einschließlich des Antriebs unter Wasser, worin ein grundsätzlicher Unterschied zu den übrigen Verschlussorganen besteht. AS [%]

zqs

120

26 24

100

22 20

80

18 16

60

14 12

40

10 8

D

zqs AS

6 20

4

s/smax[-]

2

a Abb. 12.7:

b

0

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Keilschieber: a) Schnitt; b) freigegebener Durchflussquerschnitt AS und Verlustbeiwert ζqs in Abhängigkeit der Öffnungsweite s/smax [12.1]

444

12 Verschluss- und Regelorgane

12.5.1.2 Konstruktiver Aufbau Anstelle eines keilförmigen, starren Abschlusskörpers werden vielfach zwei beweglich miteinander verbundene Keilplatten verwendet, die in der Schließstellung durch das Wasser auf die Dichtflächen gedrückt werden und sich unabhängig auf deren Lage einstellen können. Die Gehäusegröße richtet sich nach dem Verschlussstück, das bei Öffnung des Schiebers den ganzen Durchflussquerschnitt freigibt und vom entsprechend geformten Gehäuseoberteil aufgenommen wird. Die Verbindung des oberen und unteren Gehäuseteiles erfolgt durch Flansche. Für die Drehspindelanordnung unterscheidet man Innenspindel und Außenspindel. Die erstere schraubt sich in den Keil hinein (s. Abb. 12.7a), während die Außenspindel drehfest und unverschiebbar mit dem Keil verbunden ist und über eine an der Gehäuseaußenseite angeordnete Antriebsmutter nur in axialer Richtung ohne Drehung bewegt wird. Neben einer Flanschdichtung sind Stopfbüchsen- und Sitzdichtungen notwendig. Die Stopfbüchsendichtung ermöglicht die leckfreie Durchführung der Antriebsspindel nach außen. Die im Gehäuse und am Keil erforderlichen Sitzdichtungen müssen ohne Berücksichtigung eines zusätzlichen Keildruckes eine Flächenpressung erfahren, die etwa dreimal so groß wie der Nenndruck ist. Ein dichter Abschluss setzt allerdings ein ganzflächiges Aufliegen des Verschlusskörpers voraus. Bei starrem Verschlusskörper ist dies kaum zu erreichen, da selbst bei sorgfältigster Bearbeitung durch den Einbau oder im Laufe des Betriebes der Keilneigungswinkel sich ändern kann. Zum Ausgleich sind dann größere Anpresskräfte notwendig, die einen erhöhten Verschleiß verursachen. Diese Schwierigkeiten entfallen beim Flexikeilschieber, bei dem die vorbeschriebenen Keilplatten sich dem Neigungswinkel der Dichtflächen im Gehäuse und am Keil anpassen. Die rein metallische Dichtung wird gerne durch eine elastische, weitgehend unempfindliche Profilgummidichtung ersetzt, da nach längerem Betrieb die Metalldichtung durch Fremdbestandteile des Durchflusswassers in Mitleidenschaft gezogen werden und keinen dichten Abschluss mehr herbeiführen kann. Unangenehm ist, dass sich im Schiebersack des Gehäuses Verunreinigungen (Sand- und Geröll) ansammeln, die eine besondere Spüleinrichtung notwendig machen. Dies kann man durch elastisch verformbare Dichtungsringe am Absperrkeil, die sich beim Abschluss dichtend gegen die Gehäusewandung mit entsprechenden Gegenflächen anlegen, umgehen. Der Antrieb erfolgt in der Regel elektrisch. Der hydraulische Antrieb scheidet in vielen Fällen aus, besonders dann, wenn es sich um Grundablassschieber handelt, die bei Druckwasserentnahme aus dem Staubecken mit abgesenktem Wasserspiegel keinen zur Betätigung genügenden Wasserdruck haben und eine eigene Druckölerzeugungsanlage benötigen würden. 12.5.1.3 Hydraulisches Verhalten Aus der Form des Schieberkeiles und dem Kreisquerschnitt der Rohrleitung ergibt sich für den größten Teil der Schließbewegung ein sichelförmiger Durchflussquerschnitt. Die Wasserströmung innerhalb des Schiebers wird durch die Führungsschlitze auf einer der Keilstärke entsprechenden Länge erheblich gestört, was insbesondere bei den hohen Fließgeschwindigkeiten in Turbinen- und Grundablassleitungen zur Wirbelbildung und großem Druckverlust führt. In Abb. 12.7b ist der Verlauf des freigegebenen Durchflussquerschnittes AS und des auf die Schieber-

12 Verschluss- und Regelorgane

445

nennweite D bezogenen Verlustbeiwertes ζqs für einen Keilschieber angegeben. Beide Größen sind von Gehäuseausbildung und Keilform abhängig, so dass die Angaben nur qualitativer Art sein können. Auffallend ist der nahezu lineare Verlauf des Querschnittswertes AS. Die Widerstandswerte ζqs zeigen in der Nähe der Offenstellung nur geringe Werte und nehmen mit wachsender Schließtendenz zu. Im Allgemeinen werden die Keilschieber mit Umlaufleitungen zum Druckausgleich ausgestattet. Ist eine solche Leitung nicht vorhanden oder tritt sie z. B. bei Rohrbruch unterhalb des Schiebers außer Funktion, so zeigt sich infolge der besonders zu Öffnungsbeginn hohen Fließgeschwindigkeiten am Schieberkeil ein ständig wechselnder Angriff der Strömungskräfte. Der Verschlusskörper wird zum Flattern angeregt, und die entstehenden Schwingungen übertragen sich auf das gesamte Bauwerk. Die gleichen ungünstigen Verhältnisse stellen sich bei teilweiser Schieberöffnung ein, so dass ein Regulieren größerer Durchflüsse mit Keilschiebern oder Flachschiebern nicht möglich ist. Durch sorgfältige Ausbildung der Keil- bzw. Plattenführung werden die Flattererscheinungen in Schieberzwischenstellungen vermindert. 12.5.1.4 Vor- und Nachteile Der Absperrkörper wird bei Öffnen des Schiebers ganz aus dem Durchflussquerschnitt herausgezogen, so dass keine Verengung den Durchfluss behindert. Jedoch ist die Wasserführung längs der Führungsnische des Gehäuses beeinträchtigt, infolgedessen erhebliche Wirbelbildungen mit Druckhöhenverlusten nicht ausbleiben. Bei sorgfältiger Ausführung gewährt der Keilschieber wie auch der Flachschieber einen vollkommen dichten Abschluss. Nachteilig ist der enorme Raumbedarf, der durch Ausziehen und Aufnahme des Verschlusskörpers im oberen Gehäuseteil entsteht. Bei großen Schiebern sind für den Öffnungs- und Schließvorgang lange Bedienungszeiten erforderlich, die nicht beliebig durch steilgängigere Gewindespindeln reduziert werden können, da die Gewindesteigung zur Sicherung des Abdichtungsdruckes nicht zu groß werden darf. Von weiterem Nachteil ist die Gefährdung des dichten Abschlusses durch im Schiebersack eventuell aufgehäufte Verunreinigungen. Für ständige Reguliervorgänge kann der Keil- bzw. Flachschieber, wie erläutert, nicht eingesetzt werden. Bei einem Abschluss ohne Gegendruck hinter dem Schieber, der z. B. im Turbinenbetrieb infolge Durchgehens der Turbinen oder im Falle eines Rohrbruches in einem Leitungsstück notwendig werden kann, sind die Dichtungen hohem spezifischen Druck ausgesetzt und nehmen leicht Schaden. Selbst bei Abschlussvorgängen mit hydraulischer Entlastung und gut ausgebildeten Keilführungen ist die Belastung der Dichtflächen von Schiebern größerer Nennweite und höheren Betriebsdruckes relativ groß. 12.5.2

Drosselklappen

12.5.2.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich Der Sammelbegriff Drosselklappen schließt eine größere Anzahl verschiedener Klappenkonstruktionen ein. Ihnen allen gemeinsam ist ein scheibenartiger, linsenoder kastenförmiger Verschlusskörper mit Kreis- oder Ellipsenquerschnitt, der auf einer zur Rohrachse senkrechten Welle oder mit seitlichen Zapfen horizontal im Klappengehäuse schwenkbar angeordnet ist (s. Abb. 12.8). In der Schließlage steht

446

12 Verschluss- und Regelorgane

die Rohrachse ganz oder annähernd lotrecht zur Klappenmittelebene, während sie in der Offenstellung mit der Mittelebene zusammenfällt oder auch exzentrisch zu ihr liegt. In der Offenstellung bietet die Klappenscheibe mit ihrer schmalen Stirnseite aufgrund der strömungstechnisch günstigen Gestaltung dem fließenden Wasser den kleinsten Widerstand. Die Drosselklappen einschließlich ihrer Sonderausführungen haben in Rohrleitungen mehr und mehr die Keil- und Flachschieber verdrängt. Maßgebend für diese Entwicklung waren in der Hauptsache die im Vergleich zu einem Keilschieber gleicher Nennweite beträchtliche, bis zu 60 % betragende Platzersparnis, die robuste, einfache Konstruktion, die leichte Betätigung, die kurzen Bedienungszeiten und die hohe Wirtschaftlichkeit. Hingegen verursacht die Drosselklappe in Offenstellung wesentlich größere Energiehöhenverluste als der Keilschieber. Sie lässt sich auch für große Nennweiten und mittlere Betriebsdrücke vorteilhaft einsetzen.

Abb. 12.8:

Drosselklappe: Ansicht und Querschnitt [12.3]

Entgegen ihrem Namen werden die Drosselklappen nur in Ausnahmefällen zum Drosseln des Durchflusses eingesetzt. Sie sind mehr als Absperrorgane zum vollkommenen Öffnen oder restlosen Schließen zu betrachten. Die Verwendung als Regulier- bzw. Drosselorgan im vollen oder auch nur im beschränkten Rahmen muss je nach den Anlageverhältnissen und den Rückwirkungen der in Klappenzwischenstellungen ungünstigen Strömungsvorgänge entschieden werden. In Wasserkraftanlagen werden Drosselklappen vorwiegend am Beginn von Turbinenhangleitungen als Schnellschlussorgan und in Entnahme-, Entlastungssowie Grundablassleitungen als Absperrorgan (Zweitverschluss) angewendet. Auch als Turbinenabschluss mit oder ohne besonderer Dichtung kommen sie häufig zum Einsatz. Reparaturarbeiten an Turbinen und Pumpen bedingen oft auch einen Abschluss gegen die Unterwasserseite. Für höhere Drücke, wie sie z. B. bei Speicherpumpen auf der Saugseite auftreten, reicht ein Dammbalkenabschluss nicht mehr aus. Man greift daher gerne zu den platzsparenden, ein Kreisprofil abschließenden Drosselklappen. Sollten zudem die Maschinen gegen die Einwirkung des vollen Wasserdruckes auf der Zulaufseite nach Versagen des bergseitigen Verschlussorganes geschützt werden, kann die Drosselklappe im Unterwasser so aus-

12 Verschluss- und Regelorgane

447

gebildet sein, dass sie schon bei geringem Druckunterschied selbsttätig öffnet und Wasser abströmen lässt, also als Rückschlagklappe eingesetzt wird. 12.5.2.2 Konstruktiver Aufbau Das zylindrische Gehäuse wird besonders bei großen Nennweiten heute aufgrund seiner einfachen Form anstatt in Stahlguss vielfach in Schweißkonstruktion hergestellt. Beiderseits angeordnete Flanschen fügen die Drosselklappe in die Rohrleitung ein und übertragen die im Gehäuse auftretenden Kräfte auf die anschließenden Rohrabschnitte. Axiale Rohrkräfte müssen durch das Gehäuse weitergeleitet werden können, Biegekräfte sind jedoch gesondert durch Rohrfundamente aufzunehmen, wobei das Drosselklappengehäuse als Rohrleitungsfestpunkt nicht eingesetzt werden darf. Zur Übertragung der großen Tellerbelastung kann z. B. bei in Felsen einbetonierten Rohrleitungen der feste Eintrittsflansch des Drosselklappengehäuses mit Versteifungsrippen und guter Verankerung im Beton herangezogen werden. Die Stärke der Klappenscheibe in der Drehachsenebene richtet sich nach dem Klappendurchmesser und der vom Betriebsdruck abhängigen Dicke der Drehachse. Dabei dürfen die zunehmenden Durchflussverluste mit wachsender Tellerstärke infolge der Querschnittschnittsverengung in der Klappenoffenlage und anschließender plötzlicher Querschnittserweiterung hinter dem Teller nicht vernachlässigt werden. Um in Ausnahmefällen diese auch bei hohen Drücken unter Vermeidung allzu großer Durchflussverluste anwenden zu können, wird der Gehäusemittelteil gegenüber der Rohrleitung so erweitert, dass der Durchflussquerschnitt trotz größerer Achsendicke etwa gleich dem Rohrquerschnitt bleibt. Der um eine Drehachse schwenkbare Klappenteller muss zur Verminderung der Druckhöhenverluste eine möglichst strömungsgünstige Form haben und in der Lage sein, große Kräfte und Biegemomente aufzunehmen. Bei geringerer Beanspruchung reicht eine ebene, durch Rippen verstärkte Platte aus. Die Drehachse wird tropfenförmig vom Deckblech umkleidet. Bei zunehmender Drehachsenstärke werden die Strömungsverhältnisse ungünstiger, so dass nur durch einen linsenförmigen, d. h. von der Nabe zum Rand hin sich verjüngenden, doppelwandigen Hohlkörper Abhilfe geschaffen werden kann. Die Abdichtung erfolgt entweder metallisch oder mit elastischer Dichtung am Klappenumfang und metallischem Sitz im Gehäuse. Im ersten Fall spricht man allgemein von Drosselklappen, die nur eine annähernde Dichtigkeit aufweisen. Die mit elastischen Dichtungen am Klappenrand ausgestatteten vielfältigen Sonderkonstruktionen werden unter dem speziellen Namen Abdichtklappen zusammengefasst und zeichnen sich durch absolute Dichtigkeit aus. Die horizontale Achse wird gegenüber der vertikalen Lagerung bevorzugt, sofern nicht aus Platzgründen der an der Achse angreifende Antrieb unmittelbar auf dem Klappengehäuse anzuordnen ist oder strömungstechnische Gesichtspunkte bei Einbau der Drosselklappe hinter Krümmern maßgebend sind. Schwebe- und Sinkstoffe, die sich am Rohrscheitel und an der Rohrsohle ansammeln können, beeinflussen die in Ulmenhöhe liegenden Lager der horizontalen Achse im Gegensatz zum unteren Spurlager bei vertikaler Achse nicht, da diese bei jedem Schließ- und Öffnungsvorgang infolge der gegen Schluss erhöhten Spaltgeschwindigkeit fortgespült werden.

448

12 Verschluss- und Regelorgane

Im Normalfall wird die Achse zentrisch durchgehend durch die Klappenscheibe geführt. Lediglich in Rückschlagklappen und aus Gründen der vollkommenen Abdichtung wählt man auch einen exzentrischen Achsenverlauf. Die Achsenlagerung erfolgt beidseitig in besonderen Lagereinsätzen aus Gusseisen, wobei das eine für den Antrieb bestimmte Achsenende aus dem Gehäuse mit einer Stopfbüchsendichtung oder mit Lippenringen herausgeführt und das andere durch einen Deckel dicht verschlossen wird. Die Bewegung der Drosselklappenscheibe innerhalb des Winkelbereiches von 0 bis 90° erfolgt durch mechanischen oder hydraulischen Antrieb der Klappenwelle. Die Antriebsvorrichtung muss in der Lage sein, den Klappenteller in jeder Zwischenstellung und in der Endlage zu halten; außerdem muss gegen den vollen Wasserdruck geschlossen werden können. Mit Ausnahme der Endverschlussorgane wird erst nach Druckausgleich beiderseits des Klappentellers geöffnet. Das Schließen der Sicherheitsdrosselklappen erfolgt meist durch ein Fallgewicht und das Öffnen mittels des Öldruckes (s. Abb. 12.2). Nach festgelegtem Steuerschema regelt eine Ölbremse mit Drosselventilen die Schließbewegung. Der Bremszylinder dient gleichzeitig als Arbeitszylinder zum Anheben des Fallgewichtes und damit zum Öffnen der Drosselklappe, so dass die Betriebsbereitschaft wieder hergestellt ist. Bei großen Rohrbruchorganen hätten Schließgewichte ungewöhnliche Dimensionen, so dass man in solchen Ausnahmefällen auf autarke Servomotoren mit Differenzialzylinder, deren Drucköl für die Schließbewegung von einem Gewichtsakkumulator oder Druckluft-Windkessel geliefert wird, ohne dass Hilfsenergie notwendig ist, oder auf eine exzentrische Anordnung der Drehachse ausweicht. Die Fixierung der Klappenscheibe in Offenlage erfolgt entweder durch mechanische Verriegelung oder mit Hilfe des Servomotors, wobei letzteres in Anbetracht der leichteren Störanfälligkeit der mechanischen Sperre vorzuziehen ist. 12.5.2.3 Hydraulisches Verhalten Nach Abb. 12.9a stellt die geöffnete Drosselklappe einen unter verschiedenen Neigungswinkeln stehenden umströmten Flügel in einem zylindrischen Rohr dar. Der ankommende Wasserstrom wird in Abhängigkeit der Klappenstellung in zwei ungleich starke Teilströme aufgespalten, deren größerer längs der vorderen Fläche des Klappentellers durch den oberen Querschnitt II abfließt, obwohl die Durchflussquerschnitte I und II gleiche Größe haben. Der Schnitt II wirkt wie eine strömungsgünstig geformte Düse, während im Schnitt I der Wasserstrahl eine schroffe Einschnürung erfährt. In diesen engsten Fließquerschnitten herrschen die größten Strömungsgeschwindigkeiten und damit die niedrigsten Drücke, deren Werte kleiner sind als der Rückdruck h2 im Querschnitt 2. Bei der Erweiterung auf den vollen Rohrquerschnitt A0 tritt eine Verzögerung der Strömung von den Maximalgeschwindigkeiten vI bzw. vII auf die Rohrgeschwindigkeit v2 ein. Bei gleichem Rohrdurchmesser vor und hinter der Klappe ist v2 = v1 und infolge der Durchflussverluste h2 < h1. Die kleinste Störung erfährt die Durchflussströmung bei gänzlicher Offenlage, d. h. für α = 0°. Von einer bestimmten Klappenneigung an löst sich zuerst der untere, kleine Teilwasserstrom von der Scheibenrückseite ab und verursacht ein vom Neigungswinkel α abhängiges Totwassergebiet, das mit der Rohrwandung einen

12 Verschluss- und Regelorgane

449

diffusorartigen Übergang vom Klappenspalt zum ganzen Rohrquerschnitt 2 herstellt. Die Größe der Druckerniedrigung im eingeengten Strömungsquerschnitt bestimmt, ob im Totwasserfeld Wirbel entstehen oder einen teilweise bzw. ganz mit Wasserdampf erfüllten Hohlraum (Kavitation) darstellt. In beiden Fällen unterliegt die Drosselklappe auf die Dauer schädlichen Beanspruchungen. Die sich ablösenden Wirbel werden von der Strömung fortgetragen und erzeugen auf der Tellerrückseite periodische Druckschwankungen, die schon bei geringster Lockerung des Antriebsmechanismus zu erheblichen Schwingungen führen. Bei Kavitation entfallen wohl die Druckänderungen an der Klappenscheibe, jedoch entstehen im anschließenden Rohrstück starke Anfressungen, Erschütterungen und geräuschvolle Wasserschläge, die sich auch der Drosselklappe und ihrem Antrieb mitteilen. Druck auf Linsenvorderfläche

+ h1

AS/A0 m

zqs

1/zqs

-

1,0

10

0,10

2

0,8

8

0,08

v2h2

0,6

6

0,06

0,4

4

0,04

0,2

2

0,02

h2 1

II II

P

v1h1

dP I

a Wirbelfeld

I

1

D

AS/A0 1/zqs

zqs m

2 -

a

Druck auf Linsenrückfläche

Abb. 12.9:

h2

b

a[°]

0 0

10

20

30

40

50

60

70

80 82

Drosselklappe: a) Durchflussschema; b) Öffnungsverhältnis AS/A0, Ausflussbeiwert μ und Verlustbeiwert ζqs in Abhängigkeit des Öffnungswinkels α [12.1]

Das hydraulische Verhalten der Drosselklappe wird durch die Druckverhältnisse an der Scheibenrückseite beeinflusst, wobei die Einflüsse des positiven Rückdruckes, des Atmosphärendruckes und des negativen Rückdruckes (einschließlich Kavitation) zu unterscheiden sind. Gießt die Drosselklappe als Endverschluss einer Leitung ins Freie aus oder wird die Linsenrückseite ausreichend belüftet, so herrscht Atmosphärendruck als Gegendruck und ein Wirbelfeld ist nicht vorhanden. Die Druckfläche auf der Vorderseite ist durch die beschleunigte Strömung gegeben. Insbesondere bei Rohrbruchdrosselklappen kann bei nicht ausreichender Belüftung der negative Gegendruck aus dem positiven Druck entstehen, wenn mit zunehmendem Schließen der Klappe der Durchfluss unter dem von der weiterführenden Rohrleitung abgeleiteten Durchfluss liegt und eine Saugwirkung eintritt, wobei sich das vorerwähnte Ablösungs- und Wirbelfeld zeigt. Bei noch größerem Druckabfall unterhalb des Atmosphärendruckes werden schließlich die Dampfspannung des Wassers (s. Abb. 12.5) erreicht und Kavitation eingeleitet, so dass die Klappe nach Abreißen der Wassersäule im Anschlussrohr in ein Vakuum ausgießt. Den vorteilhaften Einfluss einer ausreichenden Belüftung macht man sich zunutze, wenn die Drosselklappe auch in an sich unerwünschten Zwischenstellungen betrieben werden muss und die dabei erhöhten Beanspruchungen abzumildern sind.

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12 Verschluss- und Regelorgane

Die strömungstechnischen Betrachtungen führen zu Unterscheidungsmerkmalen von Turbinen-, Grundablass- und Schnellschlussdrosselklappen. Die erstgenannten weisen geringe Strömungsgeschwindigkeiten, damit geringe Energieverluste und im Normalfall positiven Gegendruck auf. Die Klappenbewegung erfolgt im ruhenden Wasser bei Druckausgleich. Je nach Verwendung als Not- oder Endverschluss heben sich hiervon die Grundablass- und Schnellschlussdrosselklappen ab. Die Gründe sind hohe Fließgeschwindigkeiten, niedrige positive und etwaige negative Drücke, große Energieverluste und Bewegung in strömendem Wasser gegen vollen einseitigen Druck. Der Druckhöhenverlust ζqs von Drosselklappen ergibt sich als Folge der Umlenkung, Beschleunigung und Verzögerung der Strömung (s. Abb. 12.9a+b). Er ist neben dem Öffnungswinkel α abhängig vom Verhältnis der Linsendicke zum Klappendurchmesser und wird daher stets vom Hersteller detailliert angegeben. In vollkommener Offenstellung wird der freie Rohrquerschnitt je nach Dicke der Klappennabe eingeengt, wodurch das durchströmende Wasser von der Fließgeschwindigkeit v1 im freien Rohrquerschnitt A1 auf die Geschwindigkeit im engsten Fließquerschnitt AS beschleunigt und danach wieder auf v2 im Abflussquerschnitt A2 = A1 = A0 verzögert werden muss. Wie bereits gezeigt, ist die Beschleunigung einer Strömung nahezu verlustfrei, während die Rückwandlung von kinetischer Energie in potenzielle Energie stets Verluste mit sich bringt, deren äußeres Kennzeichen das hinter der Linse sich bildende Wirbelgebiet ist. Diese Verluste verstärken sich, wenn durch den Übergang von der Offenlage in die Schließlage sich das Ablösungsgebiet vergrößert. Sie steigen ebenfalls in der Umgebung der Drehachsenlager und bei Klappentellern, bei denen dieser infolge der wachsenden Betriebsdrücke zum Ausgleich der größeren Nabendicke stärker ausgebildet ist, an. Bei Verwendung der Drosselklappe als luftseitiges Absperrorgan eines Grundablasses, das das Wasser direkt ins Freie abgibt, wechselt der Durchfluss in einen Ausfluss über. Anstelle des Verlustbeiwertes ζqs tritt der Ausflussbeiwert μ bzw. μ´ nach (12.8) bzw. (12.6), wobei für μ die Nennweite A0 und für μ´ der freie Spaltquerschnitt Aa = AS maßgebend ist. Dies gilt, solange an der ganzen Klappenrückseite der Luftdruck wirken kann, auch wenn an die Drosselklappe abflussseitig ein kurzes Rohrstück anschließen sollte. Ist jedoch dieser Rohrschuss mit Wasser gefüllt, so bleibt ζqs maßgebend. Der Übergang vom Durchfluss zum Ausfluss macht sich durch eine plötzliche Änderung des Durchflusses und der Momentenverteilung an der Klappenlinse bemerkbar. Werden zwei Drosselklappen hintereinander angeordnet, so kann der gesamte Druckhöhenverlust mit etwa 80 % der Summe der Einzelklappen-Verluste angesetzt werden. 12.5.2.4 Vor- und Nachteile Drosselklappen sind die leichtesten und am wenigsten Platz beanspruchenden Absperrorgane. Im Vergleich mit Keilschiebern desselben Durchmessers ergibt sich für Drosselklappen großer Nennweiten eine Platzersparnis von bis zu 60 %, wobei dies vor allem bei unterirdischen Anlagen von Bedeutung ist. Der Umfang dieser Verschlussorgane einschließlich ihrer Antriebe ist nicht viel größer als der Anschlussflansch, so dass eine übersichtliche Anordnung möglich ist.

12 Verschluss- und Regelorgane

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Der einfache konstruktive Aufbau erlaubt eine Zusammensetzung aus unkomplizierten, der Festigkeitsberechnung leicht zugänglichen Elementen. Die kreisförmige Querschnittsausbildung fügt dabei die Drosselklappe ohne konstruktive Schwierigkeiten in die Rohrleitung ein. Infolge der kleineren Gewichte und der kleineren Reibungskräfte sind die Antriebskräfte geringer als beim Keilschieber gleicher Nennweite. Da bei Drosselklappen zum Öffnen und Schließen nur eine Drehung der Klappenlinse um 90° erforderlich ist, ergeben sich viel kürzere Bedienungszeiten. Selbst bei großen Klappen betragen diese etwa ein Fünftel derjenigen des Keilschiebers. Der Schließvorgang kann den Erfordernissen hinsichtlich der Druckstoßentwicklung durch abgestufte Schließgesetze angepasst werden. Zur Ausbildung als Schnellschlussorgan bei kleinen und mittleren Gefällen eignen sich die Drosselklappen hervorragend, wobei die guten Schnellschlusseigenschaften auf das hydraulische, stets im Schließsinne wirkende Moment zurückzuführen sind. Da keine empfindlichen Teile im Durchflussquerschnitt sich befinden, ist ein Einsatz auch bei stärker verunreinigtem Wasser möglich. Schwemmsand und sonstige Fremdstoffe können sich wegen der geschlossenen Gehäuseform nicht ansammeln. Ablagerungen im Sitzquerschnitt werden infolge der beim Öffnen und Schließen erhöhten Fließgeschwindigkeiten fortgespült. Das ringförmige Gehäuse bildet keine Unterbrechung der Rohrleitung wie z. B. der Keilschieber. Von ihm werden die Längskräfte in der Druckleitung und der volle auf den Klappenteller wirkende Wasserdruck aufgenommen und weitergeleitet. Es ermöglicht den glatten Durchgang der Strömung und führt zu relativ geringen Druckhöhenverlusten, die jedoch wesentlich höher als die des Keilschiebers ausfallen. Der Durchflussquerschnitt des Rohres wird durch die Klappenlinse je nach Nennweite und Druckhöhe um 25-40 % verringert. Zwischenstellungen der Drosselklappenlinse führen zu ungünstigen Strömungsverhältnissen, Schwingungen und mechanischen Beanspruchungen, die eine allgemeine Verwendung als Regelorgan ausschließen. Teilöffnungen sind daher schnell zu durchfahren. 12.5.3

Kugelschieber

12.5.3.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich Zum Abschluss der Triebwasserleitungen vor den Turbinen wurden anfangs ausschließlich Keilschieber, später Drosselklappen eingesetzt. Diese wurden hernach wegen der hohen Druckhöhenverluste durch den Kugelschieber, der auch als Kugelhahn bezeichnet wird, ersetzt (s. Abb. 12.10). Bei diesem ist in einem kugelförmigen Gehäuse ein um zwei kräftige Zapfen schwenkbares Rohrstück vom gleichen Durchmesser der Rohrleitung eingebaut. Die Längsachse des Drehkörpers fällt in Offenstellung mit der des anschließenden Rohrstranges zusammen, so dass ein vollständig glatter Durchfluss ohne Querschnittseinschnürung mit nahezu vollkommen verlustfreier Strömung möglich ist. In der in Abb. 12.10b dargestellten Schließstellung steht die Achse des Abschlussstückes auf der Rohrachse senkrecht. Eine auf dem Drehkörper angebrachte, axial verschiebbare Abdichtplatte oder Kugelkalotte wird mit ihrer im Allgemeinen metallischen, aber auch mit Thermoplasten und Elastomeren ausgeführten Dichtung durch den Wasserdruck der Rohr-

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12 Verschluss- und Regelorgane

leitung in Strömungsrichtung gegen einen eingelassenen Dichtungsring im Gehäuse gepresst. Der eine durch das Gehäuse hindurchgeführte Zapfen des Rohrstückes stellt den Anschluss zum Antrieb über ein Zahnsegment oder einen Hebel her. Man kann den Kugelschieber so bemessen, dass er in Notfällen bei Versagen des Turbinenreglers oder Turbinenleitapparates den Volllastdurchfluss oder sogar bei Rohrbruch den erhöhten Auslaufdurchfluss abzusperren vermag. Außer der Schnellschlussdrosselklappe am Anfang der Triebwasserleitung bildet er damit ein weiteres Sicherheitsorgan am Ende der jeweiligen Verteilleitung. Ähnlich wie bei Drosselklappen führen Zwischenstellungen durchströmter Kugelschieber zu Kavitationserscheinungen, die die Verwendung als Regulierorgan ausschließen. Dichtplatte

Gehäuse Abschlußplatte zqs

1/zqs

Drehkörper 1,0

10

0,10

0,8

8

0,08

0,6

6

0,06

0,4

4

0,04

0,2

2

0,02

m

a

c b Drehkörper

zqs

m

Drehachse

0

10

20

30

1/zqs

40

50

60

70

80

a[°]

Dichtungsplatte

Abb. 12.10: Kugelschieber: a) geöffnet; b) geschlossen; c) Ausflussbeiwert μ und Verlustbeiwert ζqs in Abhängigkeit des Öffnungswinkels α [12.1]

Kugelschieber sind aufgrund ihres konstruktiven Aufbaues erheblich teurer und besitzen eine größere Baulänge als Drosselklappen. Andererseits sind sie diesen durch den tropfdichten Abschluss in Schließlage und durch die sehr geringen Strömungsverluste in offener Stellung überlegen. Letzteres fällt insbesondere bei den höheren Fließgeschwindigkeiten in den Verteilleitungen kurz vor den Turbinen bzw. Pumpen ins Gewicht. Die Entscheidung zwischen Drosselklappe und Kugelschieber bleibt einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorbehalten. 12.5.3.2 Konstruktiver Aufbau Die kugelförmige Ausbildung des Gehäuses eines Kugelschiebers ist platz- und festigkeitsmäßig sehr günstig. Bei mittlerem Betriebsdruck und großen Dimensionen treten anstelle der üblichen gegossenen Ausführung die vollständig geschweißten Konstruktionen in den Vordergrund, die beträchtliche Gewichtseinsparungen ergeben. Reparaturbedürftige Teile können nach Entfernen eines dem Kugelschieber nachfolgenden Zwischenrohres ausgebaut werden. Zur weiteren Entlastung des Kugelschiebergehäuses wird vielfach der Servomotor nicht mehr dem Gehäuse aufgesetzt.

12 Verschluss- und Regelorgane

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Die asymmetrische Belastung des Drehkörpers durch die Abdichtplatte wird durch ein Gegengewicht auf der gegenüberliegenden Seite ausgeglichen. Die beiden Zapfen des Drehkörpers übertragen den auf ihm lastenden Wasserdruck auf das Gehäuse, wobei mit der Dimensionierung der Konstruktionsteile und Verankerungen die Betriebsaufgaben des Kugelschiebers zu beachten sind (Regeloder Sicherheitsorgan). Für die Abdichtung des Verschlusskörpers von Kugelschiebern sind drei Möglichkeiten entwickelt worden: - Verschieben einer beweglichen Platte im Drehkörper, - Verschieben eines im Gehäuse sitzenden Ringkolbens, - Verschieben des ganzen Drehkörpers. Bei der erstgenannten Konstruktionsform weist der zweite Lagerungszapfen eine Durchbohrung auf, die den Raum zwischen der Dichtungsplatte und dem Rohrmantel, den sogenannten Plattenraum, mit dem abflussseitigen Rohrstrang verbindet und für die leichte Bewegung des Drehkörpers den Druckausgleich beiderseits der Platte ermöglicht. Sobald der Absperrkörper in Schließlage gebracht ist, wird diese Entlastungsleitung durch einen Hilfsschieber unterbrochen. Durch eine weitere Öffnung steht jetzt der Plattenraum mit dem Druckwasser der abzusperrenden Hauptleitung in Verbindung, so dass der volle hydrostatische Druck wirkt und den Dichtungsring der Platte fest auf die Dichtungsfläche des Gehäuses drückt. Beim Öffnen wird ein Druckausgleich zu beiden Seiten der Abdichtplatte hergestellt, wodurch sich der Drehkörper mit geringerem Kraftaufwand drehen lässt. Bei der an zweiter Stelle genannten Dichtungsart wird der in Schließstellung senkrecht zur Rohrachse stehende Drehkörper durch einen im Gehäuse axial verschiebbaren Ringkolben, den der Wasserdruck anpresst, abgedichtet. Zur Öffnung des Kugelschiebers werden der Ringraum entlastet und gleichzeitig die Druckseite belastet, was ein Zurückgehen des Ringkolbens zur Folge hat. Nachteilig sind die verschiedenen Zusatzdichtungen, die das Ringkolbensystem gegenüber der Abdichtplatte in den Hintergrund treten lässt. Bei wechselnder Strömungsrichtung erhalten die Kugelschieber je nach den betrieblichen Belangen eine oder zwei Abdichtplatten. Die Verwendung nur einer Abdichtplatte setzt voraus, dass der Drehkörper um 180° gedreht und sie durch den Wasserdruck stets an der Austrittsseite in axialer Richtung an den Gehäusesitzring angedrückt werden kann. Werden zwei Abdichtplatten gewählt, braucht der Verschlusskörper nur um 90° drehbar zu sein. Die zusätzlich mit einem Neben- bzw. Revisionsverschluss ausgestatteten Kugelschieber besitzen auf der Oberwasserseite einen in axialer Richtung beweglichen metallischen Ring, der durch den Wasserdruck der Rohrleitung oder durch Verstellspindeln auf den entsprechend ausgebildeten Drehkörperansatz gepresst wird und eine Abdichtung herbeiführt. Bei zu großem Sandgehalt des Betriebswassers wird auf jeden Fall ein zweiter vorgeschalteter Kugelschieber oder eine zusätzliche Drosselklappe notwendig, damit zur Wartung nicht nur die Dichtungselemente sondern auch der ganze Drehkörper des Betriebskugelschiebers ausgebaut werden können.

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12 Verschluss- und Regelorgane

Die Schließzeit des Kugelschieberdrehkörpers beträgt in der Regel 60-80 s und ist durch die zulässige Druckstoßentwicklung festgelegt. Aus Gründen der einfacheren Steuerung wird der Öffnungsbewegung die gleiche Zeitspanne zugeordnet. Zur Erhöhung der Betriebssicherheit kommen oft für das Öffnen des Kugelschiebers Drucköl und zum Schließen ungesteuertes Druckwasser zur Anwendung. Die Hilfsschieber werden durch Drucköl geöffnet und durch starke Federn geschlossen. Da der Öffnungsvorgang des Kugelschiebers dem der Turbine vorausgeht, kann bei nicht zu großem Bedarf das notwendige Drucköl von den Ölpumpen des Turbinenreglers geliefert werden. Damit schließt bei Ausfall des Öldruckes nicht nur die Turbine sondern auch der Schieber. Eine eigene Druckölversorgung ist nur bei großen, unter hohem Druck stehenden Kugelschiebern notwendig. 12.5.3.3 Hydraulisches Verhalten Im offenen Kugelschieber befindet sich die Durchflussröhre des Drehkörpers mit der beiderseits anschließenden Rohrleitung in gleicher Flucht. Da die Durchmesser gleich sind, ist eine praktisch störungsfreie Durchflussströmung ohne Querschnittseinschnürung möglich. Lediglich kleine Wirbel können am Ringspalt des Überganges vom Drehkörper zur Rohrleitung sich bilden, die einen vernachlässigbaren Strömungsverlust verursachen. Die Verlustbeiwerte ζqs sind kaum höher als der Reibungsverlust eines gleich langen Rohrstückes. Sehr ungünstige hydraulische Verhältnisse stellen sich jedoch bei Teilöffnungen des Kugelschiebers ein, bei denen die Strömung beim Durchgang durch den Schieber mehrmals umgelenkt wird und sich mehrfach von der Wandung ablöst. Diese Stellen entsprechen Überdruckgebieten. Unterdruckzonen stellen dagegen die in den Totwasserräumen vorhandenen Wasserwalzen dar. Die unterschiedlichen Druckverhältnisse dieser Bereiche üben eine resultierende Drehwirkung auf den Verschlusskörper aus, die vom Antriebsmechanismus aufzunehmen ist. Die mit Walzen erfüllten Unterdruckgebiete sind nicht formbeständig. Hinsichtlich ihrer Ausdehnung und Druckverhältnisse erfahren sie einen ständigen Wechsel, so dass auch die sich bildenden Strahlen fortwährenden Schwankungen unterliegen und zu einer pendelnden Verschiebung der Aufprallstellen führen. Aus dem Wechselspiel der hier auftretenden Kräfte ergeben sich lebhafte Schwingungen der beweglichen Konstruktionsteile, die sich mit zunehmender Durchflussgeschwindigkeit verstärken und längerfristig Ermüdungsbrüche verursachen können. Gefährliche Strömungszustände ergeben sich, wenn der Druckabfall in den zahlreichen Unterdruckgebieten im Gehäuse, im Drehkörper und in der anschließenden Rohrleitung die Kavitationsgrenze unterschreitet. Zu den durch Schwingungen verursachten Geräuschen tritt dann noch die bei Kavitation einsetzende Lärmentwicklung hinzu. Zur Beurteilung des hydraulischen Verhaltens von Kugelschiebern sind verschiedene Betriebszustände zu beachten. Im Normalbetrieb hat der Kugelschieber die Aufgabe, bei Reparatur und Wartungsarbeiten an der Turbine die Triebwasserleitung abzusperren, wobei das Schließen nach Herstellung des Druckausgleiches beiderseits der Abdichtplatte in ruhendem Wasser vollzogen wird. Bei Versagen des Leitapparates oder der dazugehörigen Regeleinrichtung muss der Kugelschieber den strömenden Turbinendurchfluss abschließen, der auch beim

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etwaigen Durchgehen der Turbine infolge Netzabschaltung normalerweise nicht größer als der Turbinenvolllastdurchfluss wird. In manchen Anlagen soll der Kugelschieber bei Rohrbruch oder freiem Auslauf des Wassers aus der Rohrleitung infolge Turbinenschaden sicher schließbar sein. Der hierfür maßgebende Durchfluss kann ein Mehrfaches des Turbinenvolllastdurchflusses betragen, so dass hier die Kavitation am größten ist und die Kennlinien für die Strömungsgrößen Durchfluss, Drehkörperkraft und hydraulisches Moment stark von der Kavitationszahl σTh abhängen. Die entsprechenden Ausflussbeiwerte μ eines Kugelschiebers in Abhängigkeit des Öffnungswinkels α bei freiem Auslauf des Wassers sind in Abb. 12.10c enthalten. 12.5.3.4 Vor- und Nachteile Die Vorzüge des Kugelschiebers liegen in den einfachen und übersichtlichen Konstruktionsgrundlagen, die sich aus der klaren Trennung der Funktionen Durchfluss in Offenstellung, Abdichtung und Aufnahme des Wasserdruckes in Schließstellung ähnlich der Drosselklappe ergeben. Betriebliche Vorteile liegen in der Beherrschung hoher Drücke und Fließgeschwindigkeiten sowie in der uneingeschränkten Molchbarkeit. Den äußerst guten hydraulischen Eigenschaften in Offenstellung - den besten aller Verschlussorgane - stehen jene bei Teilöffnungen infolge der erheblichen Wasserwalzenbildung gegenüber, die noch wesentlich schlechter als bei Drosselklappen sind, so dass Zwischenstellungen rasch zu durchfahren sind. Im Normalfall werden die in Turbinenleitungen eingebauten Kugelschieber daher nur in ruhendem Wasser geschlossen und erst nach Druckausgleich beiderseits der Abdichtplatte wieder geöffnet. In Notfällen ist der gewöhnliche Kugelschieber auch in der Lage, den vollen Turbinenwasserstrom abzusperren. Bei entsprechender kräftigerer und robusterer Ausführung kann der Kugelschieber als zweites, vor der Turbine angeordnetes Rohrbruchsicherheitsorgan neben der Schnellschlussdrosselklappe am Leitungsanfang eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Kugelschieber zusätzlich zu dem auf der Austrittsseite befindlichen Betriebsverschluss, der eine vollkommene metallische Abdichtung erlaubt, auf der Eintrittsseite mit einer zweiten Dichtung, der Revisionsoder Montagedichtung, versehen werden kann, wodurch so je nach den Umständen ein zweites Absperrorgan eingespart werden kann. Verglichen mit dem Keilschieber ist die Bauhöhe des Kugelschiebers erheblich kleiner, seine Vorteile haben ihn an die Stelle des Keilschiebers als Turbinen- und Pumpenabsperrorgan treten lassen. Die Entscheidung zwischen der Verwendung einer Drosselklappe oder des wesentlich teureren, aber in seinen Eigenschaften überlegenen Kugelschiebers ist von der Höhe des Betriebsdruckes, dem noch vertretbaren Energieverlust und der geforderten Dichtigkeit abhängig. 12.5.4

Ringschieber und Hohlstrahlschieber

12.5.4.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich Die bisher betrachteten Verschlussorgane Keilschieber, Drosselklappe und Kugelschieber sind keine geeigneten Regelorgane, da bei diesen in Zwischenstellungen ungünstige Strömungsverhältnisse herrschen. Die Übernahme der Nadelform der Düsennadel einer Freistrahlturbine auf einen im Rohrquerschnitt axial verschieb-

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baren, zentral angeordneten Verschlusskolben, auch Plunger genannt, führte in einer längeren Entwicklungsperiode zu der heutigen Ausbildung des Ringschiebers, wie er in Abb. 12.11 dargestellt ist. Hiernach besteht der Ringschieber aus drei Hauptteilen: Schiebergehäuse, Abschlusskörpergehäuse und Tauchkolben. Hinzu kommt die Antriebsvorrichtung.

Abb. 12.11: Ringschieber (mit Schaufelkranz) [12.3]

Das Schiebergehäuse stellt eine Erweiterung der Rohrleitung dar und hält durch radial angeordnete Rippen das konzentrisch eingesetzte, eiförmige Abschlusskörpergehäuse. Durch diese Formgebung wird der Kreisquerschnitt der Rohrleitung in einen kreisringförmigen, zur Fließrichtung axialsymmetrischen Strömungsquerschnitt übergeführt, wodurch eine ventilähnliche Konstruktion zustande kommt. Der im Abschlusskörpergehäuse gelagerte und in Richtung der Rohrachse verschiebbare Abschlusskörper setzt sich aus einem zylindrischen und einem konischen, in eine Spitze auslaufenden Teil zusammen. Durch seine hydraulisch günstige Ausbildung kann der Ringschieber für sämtliche Regelzwecke eingesetzt werden, ohne dass Wirbelbildung oder Strahlablösung eintreten. In früheren Jahren wurde der Ringschieber als Sicherheits- und Absperrorgan in Turbinenleitungen vor den Maschinen eingebaut. Heute konkurriert er hier mit dem Kugelschieber, da sein Widerstandsbeiwert vergleichsweise größer ist, obwohl er gegenüber Drosselklappe und Kugelschieber den Vorteil der geringeren sowie gleichmäßigeren Antriebskräfte hat. Er ist der Schnellschlussdrosselklappe dort überlegen, wo hohe Drücke bei großen Abmessungen aufzunehmen sind und wo es auf einen tropfdichten Abschluss ankommt.

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Mit Vorliebe werden Ringschieber aufgrund ihrer einwandfreien Regulierfähigkeit als luftseitige Endverschlüsse in Grundablass- und Entlastungsleitungen eingesetzt. Hinter dem Gehäusedichtungsring schließt der Auslaufteil des Schiebergehäuses an ein Betonrohr an, dessen Durchmesser größer als der des Schieberaustrittsquerschnittes ist, wodurch der Strahl ohne Wandberührung bei allseitiger Belüftung frei austreten kann. Die Belüftung geschieht entweder durch den ungehinderten Zutritt der Luft von der Unterwasserseite her oder durch eine abflussseitige Luftzufuhr durch die Hohlrippen des Schiebers. Der Strahl selbst tritt mit hoher Geschwindigkeit geschlossen aus, und die Umwandlung der kinetischen Energie findet erst im Tosbecken statt, das entsprechend der hohen Flächenbelastung ausgebildet werden muss. Angesichts des übermäßigen Angriffes des Tosbeckens wurde der Hohlstrahlschieber, auch Düsenringschieber genannt (s. Abb. 12.12a), entwickelt, bei dem schon beim Austritt aus dem Schieber eine möglichst intensive Energieumwandlung durch Luft- oder Wasserreibung auch im Strahlinneren ohne Beeinträchtigung des Schieberwirkungsgrades veranlasst wird. Bei diesem ist der Abschlusskolben im Unterschied zum Ringschieber nicht stromabwärts sondern stromaufwärts gerichtet. Das Innengehäuse liegt im Innern des Hohlstrahles und wird von ihm nicht berührt. Der Strahldurchmesser ändert sich nicht mit der Schieberstellung. Kolben und Wandung des Außengehäuses, an die sich der Strahl anlegt, erfahren nur positiven Wasserdruck, so dass Ablösungen und Kavitation nicht auftreten. Die Ringform des Austrittsstrahles ermöglicht eine große, der Luftbzw. Wasserreibung ausgesetzte Innen- und Außenfläche, wodurch ein Teil der Bewegungsenergie aufgebraucht und die vom Beruhigungsbecken restlich umzuwandelnde Energie pro Flächeneinheit des Strahles beträchtlich reduziert werden. Durch Schrägstellung der Tragrippen kann darüber hinaus dem Strahl ein auflockernder Drall erteilt werden. Ein weiteres bedeutsames Anwendungsgebiet erschließt sich dem Ringschieber in Pumpenanlagen. Hier wird er als Drossel- und Absperrorgan oberhalb einer Pumpe, vornehmlich einer Speicherpumpe, eingesetzt, die beim Anfahren zunächst gegen den geschlossenen Ringschieber arbeitet, bis sie die Betriebsdrehzahl erreicht hat und durch den allmählich sich öffnenden Schieber ohne Schwingungen und Kavitation in den normalen Betrieb übergeführt werden kann. Bei niedrigem Oberwasser dient der nachgeschaltete Ringschieber zum Drosseln der Pumpe, um Kavitation zu verhüten; oft wird er gleichzeitig als Rückschlagorgan bei Pumpenausfall ausgebildet. Kann infolge der Druckstoßentwicklung ein schneller Abschluss des Rückschlagorganes nicht erfolgen, so ist es möglich, durch einen Nebenauslass unter Umgehung der Pumpen das rückströmende Wasser abzuführen und die Absperrung der Rohrleitung nach einer vorbestimmten, den Druckverhältnissen angepassten Zeitkurve durch einen Ringschieber vorzunehmen. Er kann auch zur Durchflussbestimmung nach dem Venturiprinzip herangezogen werden, wobei in diesem Fall hinter dem Schieber ein Diffusor als Übergang von dem verringerten Austrittsdurchmesser auf die Nennweite der Rohrleitung vorzusehen ist. Der Messringschieber erfüllt also gleichzeitig die Aufgaben eines Mess-, Absperr- und Regelorganes.

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12 Verschluss- und Regelorgane

Des Weiteren kann eine Ringschieberkonstruktion zur Druckminderung in Frage kommen, bei der der axial verschiebbare Verschlusskörper an der Spitze mit einem Lochzylinder ausgestattet ist (s. Abb. 12.12b), durch dessen radiale Bohrungen im Zylinder der Durchfluss in eine Vielzahl von Einzelstrahlen aufgespalten wird und eine wirkungsvolle Energieumwandlung stattfindet. Antrieb Plunger

Schraubenspindel und Kegelrad

Lochblendenzylinder (Chromstahlguss)

Hub

SH

D a

D

m 1,0

1/zqs 0,10

0,8

0,08

0,6

0,06

0,4

0,04

0,2

0,02

SH

konisches Zwischenrohr Auslaufpanzerung

zqs 10 9 8 7 6 5 4 3

Hohlstrahlschieber 1/zqs

m

zqs Ringschieber

2 1

b

c

0

0,2

0,4

0,6

0,8

S/Smax 1,0

Abb. 12.12: a) Ringschieber mit Lochzylinder [12.4]; b) Hohlstrahlschieber [12.1]; c) Verlustbeiwert ζqs und Ausflussbeiwert μ eines Ringschiebers sowie Ausflussbeiwert μ eines Hohlstrahlschiebers in Abhängigkeit des Öffnungsverhältnisses s/smax [12.1]

12.5.4.2 Konstruktiver Aufbau Die Entwicklung des regulierfähigen Ringschiebers geht auf die Düsennadel einer Pelton-Turbine zurück, weshalb der Ringschieber ursprünglich Nadelschieber genannt wurde. In seiner Endform erhielt er erheblich verkürzte, das Innen- und Außengehäuse verbindende Tragrippen. Der in Strömungsrichtung absperrende Verschlusskolben gleitet entlang der Außenfläche des Innengehäuses, wodurch bessere Strömungsbedingungen und kleinere Abmessungen erzielt werden. Für den Ringschieber kommen die üblichen Antriebe in Betracht. Bevorzugt wird der ölhydraulische Antrieb mit innenliegendem Druckölservomotor; möglich ist auch ein mechanischer Antrieb. Zum nahezu vollständigen Druckausgleich zwischen der Innenseite und Außenseite ist die Wandung des Schieberkopfes mit

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einer größeren Anzahl von Bohrungen ausgestattet, daher sind im Wesentlichen nur Reibungswiderstände zu überwinden. Der Verschlusskolben wird durch den Mantel des Innengehäuses und durch die Gehäuseverbindungsrippen geführt. Seine Bewegung erfolgt bei dem in Abb. 12.13 dargestellten Beispiel durch eine Gewindespindel, die über ein Kegelradgetriebe mit einer nach außen führenden Antriebsspindel in Verbindung steht. Da der Hub klein ist, ergeben sich kurze Schließ- und Öffnungszeiten.

a

b

Abb. 12.13: Ringschieber: a) geschlossen; b) geöffnet [12.1]

In Schließstellung legt sich der Kolben mit dem am Zylindermantel angeordneten Dichtungsring an einen entsprechend ausgebildeten Gegenring im Gehäuse an. Der eine der beiden, z. B. aus Bronze gefertigten Dichtungsringe kann für eine vollkommene Abdichtung noch mit einer Gummizwischenlage versehen werden, die sich beim Anpressen elastisch dehnt und vor den Ringspalt legt. Die Dichtungsflächen nutzen sich sehr wenig ab, da sie sich erst in Schließstellung berühren. Zur Abdichtung der zylindrischen Lauffläche des Schließkolbens gegen das Innengehäuse dient eine Manschettendichtung. 12.5.4.3 Hydraulisches Verhalten Die Strömung durch einen Ringschieber ist rotationssymmetrisch. Durch die Kappe des Innengehäuses wird der ankommende Strahl vom vollen Kreisquerschnitt in einen Ringquerschnitt aufgeteilt, der sich hinter dem konisch ausgebildeten Abschlusskörper im Auslaufgehäuse wieder zum Vollkreis schließt. Das an der Eintrittsseite angeströmte Innengehäuse, welches bei eingezogenem Kolben in Längsrichtung einen etwa elliptischen Rotationskörper bildet, erfährt einen Staudruck, dessen Maximum in Rohrachshöhe liegt. In diesem Punkt ist die Geschwindigkeit null, von da steigt sie bis zu einem Maximum an der Stelle der stärksten Einlaufkrümmung an, vermindert sich wieder über den ringzylindrischen Teil und wird schließlich an der stärksten Konkavkrümmung des Kolbens am größten. Längs der Kolbenspitze nimmt sie nahezu stetig bis auf den Wert der Austrittsgeschwindigkeit ab. Entsprechend dem Geschwindigkeitsverlauf entstehen die größten Druckminderungen an der konkaven Kolbenausrundung nach dem Dichtungssitz. Dagegen steigt der Druck im gegenüberliegenden Bereich des

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Außengehäuses infolge der Fliehkräfte an, so dass das Maximum der Geschwindigkeitsverteilung über den Querschnitt des ringförmigen Durchflusskanals aus der Mitte zur Innenwandung hin verschoben wird. Die über den Strömungsweg veränderlichen Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse ergeben insbesondere bei niedrigen Drücken leichte Ablösungen. In solchen Fällen wird der Auslaufquerschnitt gegenüber dem Einlaufquerschnitt verkleinert, um durch die Einschnürung eine gleichmäßig beschleunigte Strömung zu erhalten. Allerdings verursacht diese Maßnahme einen höheren Durchflussverlust und damit eine Verminderung des Durchflusses. In Wasserkraftanlagen liegen im Allgemeinen immer höhere Drücke vor, so dass bei eingebauten Ringschiebern auf eine Einschnürung der Fließquerschnitte zur Beseitigung der Kavitationsgefahr verzichtet werden kann. Beim Grundablasshohlstrahlschieber (s. Abb. 12.12b) herrschen günstige Druckverhältnisse am angeströmten Schieberkopf. Als besonders günstig erwies sich eine pilzförmige, flache Kopfausbildung. Wesentlich ungünstigere Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse stellen sich bei bedecktem, d. h. unbelüftet unter Wasser austretendem Strahl ein. Hierbei entsteht im Strahlkern Unterdruck, wodurch dieser Unterdruck den Hohlstrahl nach Verlassen des Schiebers wieder zu einem Vollstrahl zusammenpresst. Der sich einstellende Gleichgewichtszustand bewirkt, dass die vom Strahl mitgerissene Flüssigkeit durch eine Rückströmung aus dem Strahl selbst ersetzt wird, wobei der Unterdruck im Strahlinneren erhalten bleibt. Durch eine intensive Belüftung kann der Unterdruckbildung im Schiebergehäuse nicht nur begegnet sondern auch die Energieumwandlung im Beruhigungsbecken günstig beeinflusst werden. Andererseits könnte bei Katastrophenhochwasser durch Abstellen der für den Normalfall vorgesehenen Belüftung und durch Ausnutzung der hierdurch bedingten Saugwirkung der Schieberabfluss für eine eng begrenzte Dauer gesteigert werden. Eine solche selten zu nutzende Leistungsreserve erscheint trotz etwaiger Kavitationsschäden wirtschaftlicher als eine kostspielige, zu üppige Dimensionierung der Entlastungsanlage. Der die Durchflusseigenschaften eines normalen Ringschiebers kennzeichnende Verlustbeiwert ζqs ist in Abhängigkeit vom Öffnungsverhältnis s/smax aus Abb. 12.12c zu entnehmen. Hiernach wirkt sich im Bereich s/smax > 0,4 die Gestaltung des Ringschiebers bzw. die Form des Durchflusskanals auf die Höhe der Strömungsverluste aus. Bei Ausflussvorgängen, d. h. wenn der Ringschieber am Ende einer Rohrleitung angeordnet ist und der Schieberregulierquerschnitt die Ausflussöffnung bildet, wird der Abfluss durch den Ausflussbeiwert μ (s. Abb. 12.12c) gemäß (12.7) bestimmt. Dabei zeigen Ringschieber nahezu unabhängig vom jeweiligen Austrittsdurchmesser ein allgemein gleiches Ausflussverhalten. Bei Grundablassringschiebern wird μ häufig auf den engsten Auslaufdurchmesser hinter dem Dichtungssitz bezogen, da dieser die übrigen Schieberabmessungen festlegt und nicht durch die Anschlussverhältnisse an die oberwasserseitige Rohrleitung beeinflusst wird. Bei Hohlstrahlschiebern ist der Einlaufdurchmesser die Bezugsgröße (s. Abb. 12.12c). Der Einsatz von Ringschiebern zur Regulierung der Wasserabgabe führte anfangs zu bösen Überraschungen. Große Kavitationsschäden und starke Er-

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schütterungen traten am Schieber und in der Anschlussleitung auf, die selbst durch nachträglich eingebaute, kostspielige Belüftungseinrichtungen nicht restlos beseitigt werden konnten. Zum einen wurde der ringförmige Durchflusskanal so gestaltet, dass zur Erzielung einer gleichmäßig beschleunigten Strömung die Fließquerschnitte in Strömungsrichtung sich ständig verkleinern und unabhängig vom Öffnungshub stets am Schieberaustritt ihren Minimalwert erreichen. Außerdem wurde der Auslaufquerschnitt gegenüber dem Einlaufquerschnitt um 9,0 % eingeschnürt. Die unveränderliche Lage der kleinsten Durchflussfläche musste durch Wahl einer scharfkantigen Auslassöffnung gesichert werden. Des Weiteren war die gegenseitige Abstimmung der Neigungswinkel von Auslaufgehäuse und Abschlusskegel notwendig, wobei die Neigung des Gehäuses nicht kleiner als die des Verschlusskörpers sein darf. Darüber hinaus stellte man fest, dass der Dichtungsring des Schließkolbens nicht auf dem Kegelmantel sondern am Übergang offen vom zylindrischen zum kegeligen Teil, eingelassen in eine Ringnut, anzuordnen ist. 12.5.4.4 Vor- und Nachteile Ringschieber lassen sich in vielfältiger Weise zugleich als Absperr-, Regulier-, Rückschlag-, Schnellschluss- und Messorgan einsetzen. Die Ring- und Hohlstrahlschieber arbeiten bei richtiger Formgebung und etwa notwendiger Belüftung in beliebigen Zwischenstellungen vollkommen erschütterungsfrei. Ablösungen und Wirbelbildung treten bei keiner Drosselstellung auf. Von Nachteil sind jedoch die mehrfachen Umlenkungen der Durchflüsse, die beim Ringschieber etwa den gleichen Energieverlust wie bei einer offenen Drosselklappe derselben Nennweite ausmachen. Auch bei großen Durchmessern und hohen Betriebsdrücken gewährleisten Ringschieber mit metallischen Sitzringen und einer einfachen Gummihilfsdichtung in jahrelangem Betrieb eine absolute Dichtigkeit. Beim Öffnen und Schließen bewegen sich die Sitzflächen des Verschlusskörpers und Außengehäuses senkrecht zueinander, so dass in keiner Phase ein Aufeinandergleiten stattfindet, die Dichtungen also äußerst geschont werden. Das günstige, rotationssymmetrische Gehäuse bietet bei geringem Werkstoffaufwand eine große Festigkeit. Beim Ringschieber überträgt es große Längskräfte der Rohrleitung. Es ist verhältnismäßig leicht herzustellen und zu bearbeiten. Nachteilig ist die große Baulänge des Ringschiebers, obwohl der Raumbedarf senkrecht zur Rohrachse gering bleibt. Die Schließ- und Öffnungsbewegung erfordert auch unter vollem einseitigen Druck erheblich geringere, gleichmäßigere Antriebskräfte als bei Keilschieber, Drosselklappe und Kugelschieber. Es ist nur ein Verschieben des Abschlusskolbens in axialer Richtung bei ständig symmetrischen Strömungsverhältnissen notwendig. Der Verschlusskörper kann vollständig entlastet werden, und der geringe Hub bedingt kurze Bewegungszeiten. Große Durchflüsse lassen sich daher leicht steuern, so dass sich der Ringschieber mit Fallgewichts- und Kurbelantrieb besonders bei großem Betriebsdruck als Schnellschlussorgan in hervorragender Weise eignet. Der ringförmige Ausflussstrahl des Hohlstrahlschiebers ermöglicht längs der Außen- und Innenfläche eine gute Verwirbelung mit der umgebenden Luft oder dem Wasser. Zerstäubung und Reibung führen eine im Vergleich zum Vollstrahl

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12 Verschluss- und Regelorgane

des Ringschiebers erhöhte Energieumwandlung herbei, so dass die auf das Tosbecken entfallende, zu „vernichtende“ Energie daher kleiner ist. 12.5.5

Kegelstrahlschieber

12.5.5.1 Wirkungsweise und Anwendungsbereich Der Kegelstrahlschieber stellt die ideale Form eines konstruktiv einfachen, leicht zu betätigenden, sehr wirtschaftlichen und hydraulisch äußerst wirksamen Regulierverschlusses am Ende eines Grundablasses oder einer sonstigen Entlastungsleitung dar. Die Entwicklung dieses jüngsten Regulierorganes setzte vor etwa fünf Jahrzehnten ein. Nach Abb. 12.14a ist er im Grunde genommen ein horizontal verlegtes Zylinderschütz, das als Verlängerung über das Ende einer verankerten Rohrleitung ins Freie hinausragt. Die einzelnen Konstruktionselemente des Kegelstrahlschiebers sind das tragende Rohr, der Prallkegel, die Rippen, das Zylinderschütz und der Antrieb. Der kegelförmige Abschlusskörper ist in axialer Richtung durch die radial angeordneten Verbindungsschotte fest an das Tragrohr angeschlossen und bildet mit diesem eine ringförmige Öffnung. In offener Schieberstellung trifft der Wasserstrahl auf den Kegel und wird ähnlich wie beim Hohlstrahlschieber je nach Kegelneigungswinkel schirmartig zu einem sehr breiten, großflächig zerstäubenden Hohlstrahl aufgeteilt, wodurch eine intensive Berührung mit der Außenluft bei hoher Reibung und Verwirbelung mit der Folge beträchtlicher Energieumwandlung zustande kommt. Zylinderschütz geschlossen

1,0 m 0,8

Prallkegel

0,6 a

D

0,4 Antrieb

b

0,2

smax

a

Zylinderschütz geöffnet

b 0

0,2

0,4

0,6

0,8 S/Smax

Abb. 12.14: Kegelstrahlschieber: a) Schnitt: oben geschlossen - unten geöffnet [12.4]; b) Ausflussbeiwert μ eines Kegelstrahlschiebers in Abhängigkeit des Öffnungsverhältnisses s/smax für α = 45°, b = 0 und smax = 0,5 ⋅ D [12.1]

Die Regulierung des Ausflussquerschnittes zwischen Kegelfläche und Mantelfläche erfolgt durch ein das Tragrohr umschließendes Zylinderschütz, das in Längsrichtung auf dem Hauptrohr und den Rippen gleitet und durch Gewindespindeln, Kardanwellen, Hebelgestänge oder dergleichen angetrieben wird. Es kann als einzig beweglicher Schieberteil in jeder beliebigen Zwischenstellung zur Freigabe einer bestimmten Ringöffnung mit festgelegter Wasserabgabe gehalten werden. Die aufzuwendenden Antriebskräfte sind sehr gering, da das Gleitschütz nicht dem Wasserdruck unterliegt und für den Schließ- bzw. Öffnungsvorgang im

12 Verschluss- und Regelorgane

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Wesentlichen nur Reibungskräfte längs der Gleitbahn und innerhalb des Antriebes zu überwinden sind, deren Größe im ganzen Bewegungsbereich sich kaum ändert. In manchen Fällen wird dem Kegelstrahlschieber an der Abflussseite noch ein größeres, die Ringöffnung umhüllendes Überzugsrohr aufgesetzt, das dem konischen Austrittsstrahl eine Führung gibt und ihn in seiner Ausdehnung begrenzt. Da der Kegelstrahlschieber mit beliebiger Nennweite auch für hohe Betriebsdrücke ausgelegt werden kann, findet er als anspruchslosestes Regulierorgan zum Abschluss von Druckrohrleitungen in Grundablässen, Hochwasserentlastungsanlagen, Bewässerungsanlagen und dergleichen mehr Verwendung. 12.5.5.2 Konstruktiver Aufbau Die sichere Abführung großer, regulierbarer Durchflüsse unter hohem Druck setzt eine sorgfältige Konstruktion und Ausführung voraus. Da die Kegelstrahlschieber über eine Flanschverbindung an die im Beton oder Felsen verankerte Rohrleitung angeschlossen sind und im Allgemeinen unmittelbar ins Freie hinausragen, muss außer der örtlichen Lage und den Abflussverhältnissen die Wirkung klimatischer Einflüsse auf die Betriebsbedingungen ganz besonders beachtet werden. Gießt der Kegelschieber zum Schutze der Umgebung vor Spritzwasser und nebelartigem Wasserschleier oder aus sonstigen technischen Gründen in ein Rohr, einen Stollen oder eine Unterwasserkammer aus, so muss eine ausreichende Belüftung Unterdruckbildung und etwaiges Zurückschlagen des Wassers auf die hinteren Schieberpartien verhindern. Des Weiteren muss die Begrenzung einen genügend großen Durchmesser besitzen, damit die Energieumwandlung nicht beeinträchtigt wird. In geschlossener Schieberstellung überträgt der Abschlusskegel den gesamten wirksamen statischen Wasserdruck axial über die Schotte und das unter Innendruck stehende Tragrohr auf dessen Verankerung, zu dem grundsätzlich noch die erheblichen Biegemomente aus Eigengewicht und Wasserlast des auskragenden Kegelschiebers hinzukommen. Der bei teilweiser oder voller Öffnung des Schiebers auftretende dynamische Strömungsdruck liegt in der Regel wesentlich unter dem vollen statischen Wasserdruck, und seine Größe ist von der Kegelneigung und dem Öffnungshub abhängig. Regulierschieber in Grundablässen sind infolge des möglichen Geschiebetransportes Zusatzbeanspruchungen ausgesetzt. Besonders gefährdet sind die den Wasserstrahl umlenkenden bzw. aufteilenden Verschlusskörper, die punktförmige Belastungen durch die mit hohen Geschwindigkeiten aufschlagenden Gesteinsteile erfahren. Eine weitere zusätzliche Beeinträchtigung der an sich symmetrischen, aus der normalen Abflussströmung resultierenden Belastung des Prallkegels sowie der Rippen kann durch Wirbel auftreten, die aufgrund irgend einer oberhalb liegenden Störung bereits in der Zulaufströmung entstanden sind, wodurch ein entsprechender Sicherheitszuschlag notwendig wird. Die hohen Austrittsgeschwindigkeiten, die in der Größenordnung von etwa 30 m/s bzw. 110 km/h bei 100 m Stauhöhe liegen, bedingen eine hydraulisch einwandfreie Formgebung. Diese erstreckt sich neben einer sorgfältigen Bearbeitung der Anströmkanten und Schweißnähte auf eine gute Strahlführung in jeder beliebigen Schieberöffnungslage, bei der keine Ablösungen und Schwingungen verursacht werden. Dies wird durch einen gleich großen Querschnitt der vollen Ring-

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12 Verschluss- und Regelorgane

öffnung wie der Nennquerschnitt der Rohrleitung erreicht. Außerdem muss zur guten Strahlführung der Übergang von der Vorderkante des Tragrohres zu jener des Zylinderschützes so ausgebildet sein, dass der Strahl mit Sicherheit erst an der Schützenstirnfläche abreißt. Die größte Öffnungsweite und der Kegelneigungswinkel werden durch die hydraulischen Anforderungen bestimmt. Die Leistungsfähigkeit des Schiebers ist von der Neigung des konischen Sitztellers abhängig und nimmt für einen Öffnungswinkel von ca. 2 ⋅ α = 120° einen maximalen Wert an. Der Verschluss muss stets betriebssicher arbeiten. Hierzu sind die Teile, die einem Verschleiß unterliegen, leicht auswechselbar und möglichst wartungsfrei auszubilden. In vortrefflicher Weise kann wie bei keinem der anderen Absperrund Regulierorgane den die Konstruktion betreffenden Anforderungen durch die Schweißtechnik Rechnung getragen werden, ohne dass kostspielige und schwere Gusskonstruktionen notwendig sind. Die Dichtigkeit des Kegelstrahlschiebers in der Schließstellung wird durch einen metallischen Dichtungsring mit elastischer Zusatzdichtung auf dem Kegelmantel und einer elastischen Dichtung an der Stirnseite des Schützes hergestellt. Den Dichtungsdruck am Sitzteller überträgt im Allgemeinen ein gesonderter, abschraubbarer Randträger, der hinter dem Abschlusskegel angeordnet ist und ein Auswechseln einer schadhaften Dichtung, sowie im Bedarfsfall ein Herausnehmen des Zylinderschützes erlaubt. Zur Verhinderung einer Wasserströmung zwischen Tragrohr und Zylinderschütz dient z. B. eine ringförmige Lippendichtung, welche durch das infolge Innendruck sich weitende Tragrohr zusätzlich angepresst wird. Die Führung des Zylinderschützes übernehmen bei großen und höher beanspruchten Schiebern axiale Führungsleisten auf dem Umfang des Tragrohres und auf den Kanten der Verbindungsschotte, die leicht abzuschrauben und auszuwechseln sind. Der Verschlusszylinder könnte auch direkt über 50 bis 100 mm breite Dichtungsringe auf dem Tragrohr an seinem vorderen und hinteren Ende aufsitzen, ohne dass besondere Führungsleisten notwendig wären. Der Antrieb erfolgt diametral am Umfang des Schützes und ist möglichst robust auszuführen. Um ein Verkanten und Verklemmen auszuschalten, ist auf eine gleichmäßige Bewegung der beiden Antriebsglieder zu achten. Bei einer abgewandelten Konstruktion des Kegelstrahlschiebers ist der bewegliche Abschlusszylinder in das Innere des Tragrohres verlegt, wodurch eine direkte Lagerung des Schiebers möglich wird. Das Tragrohr wird so zum außen liegenden Schiebergehäuse. Kräftige, axial angeordnete Längsrippen verstärken es und halten über die Ringöffnung hinweg die kegelförmige Prallplatte. Der Gleitzylinder im Schieberinneren wird durch ein zentral gelegenes Kegelrad- oder Schubspindelgetriebe betätigt. 12.5.5.3 Hydraulisches Verhalten Für den Betrieb des Kegelstrahlschiebers sind drei Abflussmöglichkeiten zu unterscheiden: - freier Abfluss, - Abfluss in eine Toskammer mit anschließender Rohr- oder Stollenleitung, - gestauter Abfluss.

12 Verschluss- und Regelorgane

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Der Abfluss ins Freie stellt allgemein die günstigste Abflussform dar. Das unbehindert in die Luft austretende Wasser reißt große Luftmengen mit sich, und der Querschnitt des Strahlkonusses wächst sehr schnell an. In gleichem Maße müsste die Strahlgeschwindigkeit nach dem Kontinuitätsprinzip zurückgehen. Da dies in Anbetracht der großen kinetischen Energie innerhalb der kurzen Strecke nicht möglich ist, zerstäubt der Strahl unter Verwirbelung mit der Luft, wodurch eine rasche Energieumwandlung herbeigeführt wird, da die kinetische Energie mit der vierten Potenz des Strahldurchmessers abnimmt. Durch ein am besten konisch ausgebildetes Hüllrohr kann der Strahl in seiner Ausdehnung begrenzt und darüber hinaus durch eine geeignete Toskammer aufgefangen werden. Hierfür können technische und wirtschaftliche Gründe wie geologische Verhältnisse, Länge der unter Druck stehenden Zuführungsleitung, Zugänglichkeit, Wasserableitung, Umgebungstemperatur etc. maßgebend sein. Die Verwendung einer Toskammer setzt eine gut funktionierende Belüftung voraus, deren erforderliche Menge mittels Modelluntersuchungen festgestellt werden muss, da sie sehr stark von der Ausbildung des Tosbeckens und der Wasserabgabe des Schiebers abhängig ist. Das Hüllrohr dient auch zum besseren Schutz der hinteren Schieberteile (insbesondere der Steuer- und Antriebsorgane) vor dem Zurückschlagen des Austrittswassers. Diese Abdeckhaube sollte nicht fest mit dem beweglichen Zylinderschütz verbunden sein, da sonst eine Motorzusatzkraft aufgebracht werden muss. Der gestaute Abfluss, bei dem der Schieber durch das Unterwasser überstaut ist, stellt die dritte Abflussmöglichkeit dar. Zur Behebung von Hohlsog und Kavitation muss auch hier genügend belüftet werden. Das Leistungsvermögen des Kegelstrahlschiebers wird durch die Betriebsart kaum beeinflusst. Es ist lediglich von der zur Verfügung stehenden Energiehöhe, der Größe des Austrittsquerschnittes sowie dem Belüftungsgrad abhängig. Mit Hilfe der im Kapitel 12.2.3 bereits erwähnten, auf HELMHOLTZ und KIRCHHOFF [12.1] zurückgehenden Theorie der freien Strahlen ist über einen mathematisch-physikalischen Rechengang mit geschlossenen Lösungen eine wirklichkeitsnahe Ermittlung von Ausflusszahlen, Strahlneigungswinkel und resultierenden Drücken möglich [12.5]. Die Ausführung der Kegelstrahlschieber mit einer Prallkegelverlängerung b = 0 über den Schließpunkt des Zylinderschützes hinaus ist die gebräuchlichste (s. Abb. 12.14a). Bei b > 0 geht das Leistungsvermögen zurück, während es sich bei b < 0 naturgemäß erhöht. Der Vorteil des mit Überstand ausgeführten Kegelschiebers liegt jedoch in der längeren Strahlführung und der damit erzielbaren größeren Streubreite mit erhöhter Energieumwandlung. Der Einfluss des Kegelneigungswinkels α auf den Ausflussbeiwert μ ist bei kleinen b-Werten erkennbar, besonders im Bereich kleiner α-Werte. Der für optimalen Abfluss günstigste Winkel liegt bei α = 60°. Dies zeigt sich noch deutlicher, wenn anstelle von α der Ausflussbeiwert μ oder der Öffnungsgrad als Kurvenparameter gewählt werden; auffallend ist die große Abhängigkeit des Wertes μ von α bei festgelegter Schieberöffnung s/d. Ein Kegelstrahlschieber mit einem Kegelöffnungswinkel 2 ⋅ α = 120° hat im Vergleich zu 2 ⋅ α = 90° den Vorteil der kürzeren Baulänge und der größeren Streubreite des Hohlstrahles, daher einer wirksamen Energieumwandlung vereint mit bestem Abflussvermögen.

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Bei sämtlichen im Modell und in der Praxis untersuchten Kegelschiebern wurde die Beobachtung gemacht, dass bei Überschreiten eines bestimmten Öffnungshubes einmal die μ-Kurve trotz größer werdenden Austrittsquerschnittes plötzlich abfiel und zum anderen unvermittelt Schwingungen und Vibrationen auftraten. Letztere ließen wieder nach, sobald das Zylinderschütz noch weiter zurückgezogen wurde. Diese plötzlichen Schwingungen sind mit Ablösungen des Austrittsstrahles zu erklären. Solange die Stirnseite des Zylinderschützes genügend weit über die Stirnfläche des Tragrohres vorsteht, wird der Wasserstrahl zwischen den Innenflächen von Innen- und Außenrohr und der Mantelfläche des Abschlusskegels einwandfrei geführt, so dass er überall anliegt. Wird jedoch mit zunehmender Freigabe der Schieberöffnung die Entfernung zwischen den Stirnseiten beider Rohre (Tragrohr und Gleitrohr) zu klein, so reißt der Strahl wechselweise am Mundstück des Zylinderschützes und an der Vorderkante des Innenrohres ab. Das hierdurch entstehende Flattern hält so lange an, bis wieder eindeutige Abflussverhältnisse geschaffen sind. Auch die Höhe der Ausflussgeschwindigkeit ist hierbei von Bedeutung. Der tatsächliche Größthub smax des Zylinderschützes sollte daher stets kleiner als die maximale Öffnungsweite s zwischen Kegel und Vorderkante Tragrohr sein, wobei der Unterschied etwa das Vierfache der Durchmesserdifferenz zwischen Tragrohr und Gleitrohr betragen sollte. Die prozentuale Größe des Öffnungshubes s/smax, an welchem sich das wechselweise Ablösen des Wasserstrahles einstellt, liegt bei etwa 90-95 %. Das größte Abflussvermögen des Schiebers wird dadurch kaum beeinträchtigt, da die Minderung weniger als ein Prozent ausmacht. Zu den allenfalls erforderlichen Zusatzeinrichtungen von Kegelstrahlschiebern zählen Belüftungsleitungen bei Einbau des Schiebers in eine Schieberkammer, d. h. bei Beschränkung der Strahlausbreitung. Die richtige Bemessung der zuzuleitenden Luftmengen bildet ein besonderes Problem, da der Luftbedarf sehr stark von den örtlichen Verhältnissen abhängig ist. Strahlablenker und Strahlaufreißer, die gerne in Schieberkammern an den Auftreffstellen des Wasserstrahles zur wirksameren Energieumwandlung eingebaut werden, erhöhen den Luftverbrauch beträchtlich. Auch wird infolge der hohen Ausflussgeschwindigkeiten Luft mitgerissen und im Unterwasser abgeführt. Zahlenmäßige Angaben lassen sich daher nur aufgrund von Näherungsberechnungen und Modellversuchen machen, die dann durch spätere Erfahrungen an der ausgeführten Anlage zu ergänzen sind. Als Anhaltswert legt man eine Querschnittsfläche der Belüftungsleitung, die etwa gleich dem Quadrat des Schieberdurchmessers ist, zugrunde. Die Beobachtungen an Modell und Schieber zeigten, dass das Spritzwasser allmählich einen Wasserschleier oberstromseitig der Schieberaustrittsöffnung erzeugt und so die Luftzufuhr von dieser Seite her beeinträchtigt und eine zusätzliche Beanspruchung der hinteren Schieberteile erzeugt. Auch bei besonders extremen Betriebsbedingungen haben sich Kegelstrahlschieber als Regulierorgane glänzend bewährt. Besonders in Klimazonen, in denen in den Wintermonaten die Außentemperaturen über längere Zeit durchweg deutlich unter dem Gefrierpunkt liegen, sind Gegenmaßnahmen gegen Vereisung notwendig.

12 Verschluss- und Regelorgane

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Da die Vereisung des Zylinderschützes durch die feine Versprühung des Wassers begünstigt wird, kann beispielsweise die Strahlauflockerungszone durch Anordnung eines die Ringöffnung umgebenden Konusses vom Schieber weiter weg in die eigentliche Abflusskammer verlegt werden. Um die Vereisung aber vollständig zu unterbinden, ist entweder die Beheizung des Gleitschützes und der Gleitbahn oder die Erwärmung der den Schieber umgebenden Luft auf ca. 0 °C notwendig. Die elektrische Beheizung ist kostenmäßig nur vertretbar, wenn der elektrische Strom in unmittelbarer Nähe der Anlage erzeugt wird. Dagegen lässt sich die Lufterwärmung oft mit bescheidenen Mitteln erreichen, indem z. B. die Luft über eine längere Strecke entlang der Rohrleitung geführt und so auf über 0 °C erwärmt wird. Nebenbei wird hierbei das entstehende Schwitzwasser abgeführt. Um das notwendige Druckgefälle zwischen Anfang und Ende der Leitung zur Deckung des Luftbedarfes zu überprüfen, sollte ein Modellversuch durchgeführt werden. Sinnvollerweise wird außer der Hauptbelüftungsleitung eine Hilfsbelüftung unterhalb der Abflusskammerdecke vorgesehen. 12.5.5.4 Vor- und Nachteile Die bisher gesammelten Erfahrungen mit Kegelstrahlschiebern zeigen, dass diesem Typ von Regulierorganen eine besondere Bedeutung zukommt. Die einfache, unkomplizierte Konstruktion ermöglicht billige Herstellungsverfahren und einen nahezu wartungsfreien Betrieb selbst unter härtesten Einsatzbedingungen. Der Kegelschieber zeichnet sich durch das größte Abflussvermögen aller Regulierorgane aus, da der Ausflussbeiwert je nach Größe der Austrittsöffnung bis zu 95 % betragen kann. Jeder gewünschte Öffnungshub lässt sich ähnlich dem Ringschieber erschütterungsfrei einstellen. Da das Zylinderschütz nur den radial angreifenden dynamischen Strömungskräften und dem Druck an der schmalen Stirnfläche ausgesetzt ist, sind beim Öffnen und Schließen lediglich die geringen Reibungskräfte durch den Antrieb zu überwinden. Steuerung, Antrieb und Getriebe befinden sich im Gegensatz zum Ring- und Hohlstrahlschieber außerhalb des Schiebergehäuses und sind daher leicht einer Inspektion und Wartung zugänglich. Die Wartung ist nur in längeren Zeitabschnitten notwendig, womit der anspruchslose Kegelschieber auch in entlegenen, nur durch Fernbedienung gesteuerten Entlastungsanlagen ohne Schwierigkeiten eingesetzt werden kann. Sehr vorteilhaft ist der Preis, der etwa halb so hoch als wie für eine Drosselklappe liegt. Der hohl ausgebildete Austrittsstrahl, der bei unbehindertem Austritt rasch einen großen Ringdurchmesser annimmt, löst sich unter heftiger Verwirbelung und Durchmischung mit der Luft auf, wodurch die kinetische Energie weitgehend aufgezehrt und ein besonderes Tosbecken entbehrlich werden. Die für die Umgebung nachteilige Weiträumigkeit des Ausflussstrahles kann durch eine im Allgemeinen konische Haube über der Austrittsöffnung oder durch eine mit Prallwänden und Strahlaufreißern ausgestattete Abflusskammer eingeschränkt werden. Allerdings können dann von Fall zu Fall zusätzliche Belüftungseinrichtungen erforderlich werden. Die durch die feine Wasserversprühung geförderte Nebel- und Wasserdampfbildung ist nicht nur für die Anlieger lästig, sondern verändert oft auch die Vegetation, gefährdet die elektrischen Maschinen und Geräte und begünstigt in der kalten Jahreszeit die Vereisung der Schieberanlage.

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12 Verschluss- und Regelorgane

12.6

Literatur

[12.1] Giesecke, J.: Krafthaus- und Grundablaßschieber unter besonderer Berücksichtigung ihrer hydraulischen Wirkungsweise. In: Schriftenreihe des Otto-Graf-Instituts der Universität Stuttgart, Heft 27, Hab., 1966 [12.2] Altenbrandt. E.: Problemlösungen für das Be- und Entlüften von Wasserleitungen. In: 3R international 31 (1992), Heft 1/2, Seite 33-38 [12.3] Erhard-Armaturen, Heidenheim: Persönliche Auskunft. 1996 [12.4] Giesecke, J.: Verschlüsse in Grundablässen - Funktion und Ausführung. In: Wasserwirtschaft 72 (1982), Heft 3, Seite 97-104 [12.5] Giesecke, J.: Berechnung von Ausflusszahlen für Kegelstrahlschiebern. In: Wasserwirtschaft 56 (1966), Heft 10, Seite 315-323

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13

Krafthaus

Beim Krafthaus handelt es sich um jenen Ort einer Wasserkraftanlage, der der Stromerzeugung im eigentlichen Sinne dient. Die hierzu notwendigen Maschinen und Anlagenteile (hydraulische Maschine, Generator und Transformator etc.), die Einrichtungen zur Zu- und Ableitung des Triebwassers (hydraulische Verschlussund Regelorgane, gegebenenfalls Einlaufspirale und Saugschlauch etc.), ferner die maschinellen und elektrischen Hilfseinrichtungen (Steuer- und Regleraggregate, Schaltungen etc.), die Montagevorrichtungen (Kran, Werkstätten etc.) sowie Nebenräume (Schaltwarte, Betriebs- und Sozialräume etc.) sind im Krafthaus selbst bzw. im direkten Anschluss daran angeordnet. Die Anlagenteile eines Krafthauses lassen sich grundsätzlich in die drei wesentlichen Bereiche Mechanik, elektrotechnische Ausrüstung sowie Regelungs- und Leittechnik unterteilen (s. Abb. 13.1). Mit Hilfe mechanischer bzw. maschinentechnischer Einrichtungen (s. Kapitel 14 und 15) wird das Triebwasser durch das Krafthaus geführt und ihm dort seine Energie entzogen. Durch die elektrotechnischen Einrichtungen (s. Kapitel 16) wird die Energie des Wassers letztlich in Strom umgewandelt, der bei vorgegebener Netzfrequenz in der Transformatorenund Schaltanlage auf die gewünschte Netzspannung gebracht und anschließend in das Verbrauchernetz eingespeist wird. Die Regelungs- und Leittechnik (s. Abschnitt 13.2) dient der Steuerung und Regelung der Anlage. Regelungs- und Leittechnik

Richtfunk, Kabel, Lichtleiter Fernwirkeinrichtung

Befehle

Automatik

Rückmeldebild, Zähler, Messung

Gefahrenmeldung

Zufluss

Mechanik Absperrorgan (Schütz, Klappe, Kugelschieber, Drosselklappe)

Elektrotechnische Ausrüstung Hausgenerator o. Dieselnotaggr. Batterieanlage

Generator (Stator, Rotor)

EigenbedarfsTransformator

Erregung

ErregerTransformator

Generatorzelle

MaschinenTransformator

NiederpannungsSchaltanlage 30/20/10 kV

HochspannungsSchaltanlage Netz 220 kV, 400 kV SH

Hydraulische Maschine ggf. Saugrohr

Abb. 13.1:

NS-Eigenbedarf

Welle

Oberwasser

Kabelschacht, Kabeltrasse

Kabelrangierung

Unterwasser Absperrorgan (Schütz, Dammtafel)

Auslaufbauwerk Abfluss

Schematische Bereichsunterteilung eines Krafthauses [nach 13.1]

470

13 Krafthaus

13.1

Krafthaustypen

Neben der grundsätzlichen Klassifizierung der Wasserkraftanlagen, die bereits im Kapitel 4.1 vorgenommen wurde, können auch die Krafthaustypen deutlich unterschieden werden. Zusätzlich zur Unterteilung entsprechend der Fallhöhe und dem Durchfluss (s. Tabelle 4.1) kann man die Bauweisen vor allem nach der relativen Lage des Krafthauses zur Wasserfassung und der Ausgestaltung des Gebäudes selbst in folgende wesentliche Gruppen aufteilen: A Freiluftkrafthaus (s. a. Kapitel 4 und Kapitel 21 sowie Abb. 15.8): A1 getrenntes/freistehendes Krafthaus, bei dem das Triebwasser durch einen Freispiegelkanal zugeführt wird; A2 getrenntes/freistehendes Krafthaus, bei dem das Triebwasser durch eine Druckrohrleitung bzw. -stollen zugeführt wird; A3 Krafthaus integriert in das Sperrenbauwerk, wobei sämtliche Anlagen im Gebäude untergebracht sind (Hallenbauweise); A4 Krafthaus integriert in das Sperrenbauwerk, wobei die Maschineneinrichtungen im Gebäude und der Portalkran außerhalb des Gebäudes untergebracht sind (Flachbauweise); A5 Pfeilerkraftwerk, bei dem die einzelnen Maschinensätze in den Pfeilern untergebracht sind; A6 Krafthaus an Dammfuß oder an ein kurzes Druckrohr anschließend, wobei die Maschinensätze und sonstigen Anlagen vollkommen oder teilweise in das Gebäude integriert sein können; B Unterirdisches Krafthaus (s. Abb. 13.2 sowie Kapitel 21): B1 Kavernenkrafthaus; B2 Schachtkrafthaus, ein unterirdisches Krafthaus mit keiner bzw. geringer Überdeckung, das in offener Bauweise erstellt wurde. Kran Unterbecken

Maschinenkaverne Kugelschieber

SH

Saugschlauch

vertikalachsiger Maschinensatz horizontalachsiger Maschinensatz

B1

Abb. 13.2:

B2

Schematische Darstellung der unterirdischen Krafthaustypen: B1) Kavernenkrafthaus (Säckingen); B2) Schachtkrafthaus (Rönkhausen) [13.2]

Die enge Verknüpfung des Krafthauses mit den jeweiligen hydraulischen Maschinen und dazugehörenden Generatoren, die die Anordnung aller weiteren

13 Krafthaus

471

Anlagenteile entscheidend beeinflussen, ermöglicht eine weitere Einteilung in die beiden Gruppen: C Krafthaus mit liegender/horizontaler Turbinenwelle und D Krafthaus mit stehender/vertikaler Turbinenwelle. Im Prinzip können alle Turbinentypen sowohl mit horizontaler als auch mit vertikaler Welle angeordnet werden. Ausgenommen sind davon die beiden speziellen horizontalachsigen Maschinen Durchström- und Rohrturbine, wobei letztere auch schwach geneigt sein kann, sowie die Wasserräder und Wasserkraftschnecken. Die weiteren Details und Voraussetzungen der einzelnen Typen von hydraulischen Maschinen, die zur Entscheidung für eine Anordnungsart führen, werden in den nachfolgenden Kapiteln 14 und 15 genauer erläutert, so dass an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden muss. 13.1.1

Grundlegende Unterscheidungsmerkmale der Krafthaustypen

Eine wesentliche Rolle bei der Konzeption des Krafthauses spielt die Grundregel, dass der Wasserweg zwischen Wasserfassung und Krafthaus so kurz wie möglich sein sollte. Vor allem aber sind die wirtschaftlichen Aspekte, wie bereits im Kapitel 3.3 neben den weiteren Planungsgrundlagen erläutert, im Rahmen der Konzeption eines Krafthauses von besonderer Bedeutung und bei der Wahl der auszuführenden Variante häufig ausschlaggebend. Im Rahmen der Planung einer Wasserkraftanlage werden konsequenterweise zahlreiche Varianten untersucht, um allen gestellten Anforderungen nachzukommen, zu denen auch eine größere Anzahl von unterschiedlichen Krafthaustypen gehören. In vielen Fällen kann der Planungsaufwand durch einen Vergleich der zu realisierenden Anlage mit bereits existierenden deutlich reduziert werden. Einige Beispiele hierzu sind nachfolgend und insbesondere im Kapitel 21 aufgeführt. Grundsätzlich ist der Aufwand infolge des Variantenstudiums gerechtfertigt, da schon geringe Abweichungen von einer optimalen Lösung sich im Laufe der jahrzehntelangen Betriebsdauer sehr schnell zu unverhältnismäßig hohen Kapitalverlusten aufsummieren können, durch die die anfangs hoch erscheinenden Planungskosten bei weitem gerechtfertigt werden. Die räumliche Dimensionierung des Krafthauses hängt im Wesentlichen davon ab, welcher Bautyp zur Ausführung kommt. Dabei stehen die festgelegten hydraulischen Maschinen und Generatoren sowie deren Anzahl im Vordergrund, die gemäß ihrer Funktionalität und entsprechend der äußeren Bedingungen (Topografie, Baugrund etc.) gruppiert werden müssen. Die hierfür notwendigen turbinenspezifischen Auswahlkriterien sowie die konstruktionsbedingten Einflüsse auf das Krafthaus werden aus systematischen Gründen in den nachfolgenden Kapiteln 14 und 15 im Zusammenhang mit den hydraulischen Maschinen genauer beschrieben werden. Normalerweise ist man bestrebt, die hydraulischen Maschinen am tiefstmöglichen Punkt im Krafthaus anzuordnen, um eine optimale Kavitationssicherheit zu erzielen. Hiernach richten sich Anordnung und Höhenlage von Einlaufschacht bzw. Einlaufspirale zur Triebwasserzuführung und ebenso von Unterwasserschacht

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13 Krafthaus

bzw. Saugrohr zur Triebwasserableitung. Wie diese werden Verschluss- und Regelorgane tunlichst innerhalb des Krafthauses untergebracht. Gleiches gilt für die darüber hinaus notwendigen Anlagenteile wie insbesondere: - Turbinenregler, - Generator, - Schalt- und Regeleinrichtungen, - Kabelkanäle, - eventuell Transformatoren etc., - Drainagesysteme, Belüftungs- und Kühlanlagen, - Kräne, - Steuereinrichtungen incl. Notstromversorgung für die Gesamtanlage. Der Raumbedarf für: - Werkstätten, - Lagerräume, - Sozialräume, Erste-Hilfe-Räume, Büros, - Gänge, Treppen, Aufzüge etc. bestimmt zusätzlich die Abmessungen des Krafthausgebäudes. Von besonderer Bedeutung bei der Krafthausplanung ist die Berücksichtigung der guten und gefahrlosen Zugänglichkeit aller Anlagenteile für Montage und Wartungsarbeiten, da nach der Erstmontage vor allem während des Betriebes regelmäßige Inspektionen bzw. Revisionen in vorgegebenen Intervallen eine komplette Demontage der Maschineneinrichtungen notwendig machen. Die hierzu notwendigen Hebevorrichtungen (Flaschenzüge, Kräne mit Kranbahnen etc.), die normalerweise dauerhaft im Krafthaus installiert werden und die meist für die Bauwerkshöhe bei geschlossenen Bauwerken ausschlaggebend sind, müssen bereits bei der Planung mit ihren eigenen Abmessungen sowie denen der zu bewegenden Lasten berücksichtigt werden. Stets wird die Höhe der Kräne durch die Abmessungen der zu hebenden Maschinen- oder Verschlussteile bestimmt, wobei jedoch durch ein Umgreifen oder spezielle Hilfseinrichtungen für einen tieferen Angriffspunkt die Bauhöhe verringert werden kann. Darüber hinaus sind die notwendigen aufzunehmenden Kräfte und deren Ableitung zu beachten und müssen bei der Bauwerksplanung einkalkuliert werden. Bei kleinen Anlagen kann v. a. aus Kostengründen auch auf fest montierte Kräne verzichtet werden, wenn die Zugänglichkeit die Nutzung eines Mobilkranes in Verbindung mit einer entsprechenden Dachöffnung bzw. einem abhebbaren Dach für die doch selteneren größeren Revisionen erlaubt; für Kleinrevisionen sind üblicherweise Flaschenzüge o. Ä. ausreichend. Die im Kapitel 16 näher beschriebenen Transformatoren und Hochspannungsschaltanlagen werden nicht zuletzt aus Kostengründen gerne außerhalb des Krafthauses im Freien aufgestellt. Dies gilt auch für Kavernenkraftwerke, wobei in einigen Fällen eine unterirdische Anordnung der Transformatoren etc. aus technischen, energetischen oder wirtschaftlichen Zwängen notwendig wird. In diesem Fall werden diese Hochspannungsanlagen zur Sicherheit (Arbeitsschutz, Brand- und Explosionsschutz etc.) jedoch in einer separaten Kaverne oder einem abgeschlossenen Kavernenteil angeordnet. Der hierzu notwendige Platzbedarf ist zu berücksichtigen.

13 Krafthaus

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Die Freiluftkrafthäuser werden heute zumindest im wasserberührten Bereich nahezu ausschließlich aus wasserdichtem Stahlbeton, zum Teil mit Vorspannung darunter auch in Skelettbauweise -, hergestellt, wobei einzelne Bauelemente auch als Fertigteile vorgefertigt werden können (z. B. Wehrbrücken etc.). Betonbauten bedürfen bei einer fachgerechten Herstellung nahezu keiner laufenden Unterhaltung und besitzen eine hohe Dauerhaftigkeit. Bauteile aus Stahl hingegen müssen infolge des andauernden direkten oder indirekten Wasserkontaktes permanent unterhalten und z. B. durch Anstriche, Aus- und Umkleidungen geschützt werden, um Korrosion zu vermeiden und so die langfristige Haltbarkeit zu gewährleisten, sofern nicht teure, gleichzeitig aber pflegearme Edelstahlsorten zum Einsatz gelangen. Vorrangige Verwendung finden Stähle unterschiedlicher Legierungen im maschinentechnischen Bereich sowie im Rohrleitungs-, Druckstollen- und Druckschachtbau, wo die Vorteile dieses Werkstoffes angesichts der hohen Beanspruchungen (Druckverhältnisse, Strömungsgeschwindigkeiten etc.) besonders wichtig sind. Heute spielt eine gute Einfügung des Bauwerkes in die Landschaft und dessen Umgebung eine wichtigere Rolle denn je, so dass bereits bei der Planung auf die ästhetischen Anforderungen Rücksicht genommen werden muss (s. Kapitel 18). Im Rahmen der Planungsarbeiten kommt der möglichst genauen Erfassung der statischen, dynamischen und hydraulischen Belastungen der Bau- und Maschinenelemente eine wichtige Rolle zu, da diese die Bemessung und Auslegung des Krafthauses letztlich bestimmen. Die resultierenden statischen und dynamischen Lasten der Maschinen- und Anlagenteile sind üblicherweise bei den entsprechenden Herstellern und Lieferfirmen in Erfahrung zu bringen. Die hydraulische Belastung, d. h. die auf die Bauelemente der Triebwasserzu- und ableitung wirkenden hydrodynamischen und hydrostatischen Kräfte des Triebwassers in den unterschiedlichen Betriebsphasen (Anfahren, Betrieb, Abschalten, plötzliche Leistungsänderungen etc.), erfordert eine sehr sorgfältige, alle möglichen Betriebszustände berücksichtigende Untersuchung. Dabei spielen eventuelle Schwingungsvorgänge bis hin zu Resonanzschwingungen für die baustatischen Bemessungen eines Krafthauses eine bedeutende Rolle. Typische, periodisch auftretende Ursachen sind vor allem folgende: - Druckstöße in Druckrohrleitungen als Folge rasch sich ändernder Strömungsvorgänge (s. Abschnitt 8.3). - Schwall- und Sunkvorgänge in Saugrohren von Turbinen. - Wirbelinduzierte Beanspruchungen v. a. infolge hydraulisch ungünstiger Ausbildung von Bauwerkselementen im Triebwasserweg (Einlaufbauwerksgeometrie, Rechen, Pfeiler, Krümmungen etc., s. v. a. Kap. 5) oder zu hoher bzw. zu hoch ausgelegter Strömungsgeschwindigkeiten in diesen Bereichen. - Druckänderungen als Folge unausgewogener Überlagerung von Turbinendetails, wie vor allem Umdrehungsgeschwindigkeit, Anzahl der Stütz-, Leitrad- und Laufradschaufeln, Formgebung von Laufradkontur und -nabe, Ausbildung des Saugrohres sowie Länge der Triebwasserzuführung. Allgemein gültige Aussagen über die hieraus jeweils resultierenden Schwingungsfrequenzen sind kaum möglich.

474

-

13 Krafthaus

Periodische Bewegungs- und Kräfteabläufe aufgrund von Exzentrizitäten rotierender Maschinenkomponenten, speziell der Turbinen- oder Pumpenlaufräder, der Welle, der Rotoren von Generatoren oder nicht korrekt ausgebildeter bzw. beschädigter Lager. Auch durch Nebeneinrichtungen, wie beispielsweise Kompressoren, können Krafthausschwingungen ausgelöst werden. - Schwingungen der Laufradschaufeln insbesondere bei großen Abmessungen, wofür Wirbelbildungen in der Abström- bzw. Ablösezone hinter den jeweiligen Turbinenschaufeln maßgebend sind. Die Frequenzen liegen häufig im Bereich zwischen 50 und 170 Hz. Die durch Schwingungen an Maschineneinbauten auf das Bauwerk ausgelösten Kräfte äußern sich durch induzierte Verformungen und gegebenenfalls anschließende Beschädigungen (Risse, Sprödbrüche etc.). Entspricht dabei die Anregerfrequenz der Eigenfrequenz des Bauwerks, so entstehen Resonanzschwingungen, die zu bedeutenden Beschädigungen bis hin zum Versagen der Tragwerksstrukturen führen können. Schließlich ist entsprechend der geologischen Zone, in der die Bauwerke errichtet werden, auch auf eine ausreichende Sicherheit gegenüber tektonischen Störungen und natürlichen Erdbeben als Schwingungsverursacher zu achten (s. a. Kapitel 18.5). Um dementsprechend derartigen Beschädigungen vorzubeugen, erhalten die ermittelten Lasten und Beanspruchungen einen Sicherheitszuschlag, dessen Größe sich nach der Exaktheit der rechnerischen Untersuchungen der Kräfte und Spannungen ergibt. Beispielsweise werden für den dynamischen Sicherheitsbeiwert bei exakt erfassten Maschinenlasten Werte von 1,2-1,5 angewandt. Konstruktiv haben derartige Belastungen bei Krafthäusern insbesondere größere Bauwerksmassen zur Folge. Neben der Erhöhung der Bauwerksmasse können auch weitere zusätzliche schwingungsdämpfende Maßnahmen sinnvoll und notwendig sein, um einerseits dauerhaften Schäden an Krafthauselementen sowie andererseits auch den daraus resultierenden Lärm- und Schwingungsemissionen und damit Beeinträchtigungen sowohl des Personals im Kraftwerk als auch Dritter im Umfeld vorzubeugen (s. Kapitel 13.3.1.3 und 13.3.1.4). Bei diesen Emissionen und der Wahl geeigneter Gegenmaßnahmen ist sowohl auf die Art der Quelle mit relevanter Frequenz und Amplitude als auch auf den Übertragungsweg zu achten, wobei sich in Abhängigkeit von Letztgenanntem im Wesentlichen folgende Mittel anbieten: - Körperschall über Bauwerk, Untergrund, Leitungssysteme etc.: - Verwendung von elastischen oder gar frei beweglichen Lagersystemen direkt an den Anlagenkomponenten mit Federn, Elastomeren o. Ä.; - Einbau von aufgelösten Rohrverbindungen als Dämpfungselement bzw. zur Unterbrechung der Fortpflanzung von Schwingungen; - Installation einer flächigen, horizontalen elastischen Lagerung von ganzen Bauteilen bzw. Bauwerken mittels horizontaler Sandwich-Bauweise; - Entkopplung von Bauteilen bzw. Bauwerken durch Einbau von Dämmmatten in vertikalen Fugen;

13 Krafthaus

-

475

Schallübertragung über die Luft: - Kapselung mittels Hauben, Decken- und Wandverkleidungen, Schutzwänden etc.; - Gezielte Luftführung im Zusammenhang mit der Klimatisierung. Infolge des meist relativ komplexen Aufbaues mit zahlreichen, größeren Durchdringungen und Hohlräumen wird das Krafthaus bei der statischen Berechnung gerne in abgegrenzte Bereiche mit spezifischen Konstruktionsmerkmalen unterteilt. Mittels der modernen Finite-Elemente- bzw. Finite-Volumen-Methoden lassen sich vielfältige Konfigurationen von Lastfällen für Statik und Konstruktion, aber auch für Strömungsabläufe sowie schwierige Untergrundverhältnisse erfassen und einer numerischen Weiterverarbeitung vor allem mittels netzfreier Methoden, wie z. B. der Galerkin- oder der Smooth-Particles-Hydrodynamics-Methode zuführen. Da es sich beim Einlaufbereich ebenso wie beim Auslaufbereich (Saugrohr bzw. Saugschlauch etc.) in der Regel um ein Rechteck- bzw. Kreisprofil mit kontinuierlich abnehmenden bzw. zunehmenden Abmessungen der Strömungsberandung in Fließrichtung handelt, bietet es sich an, diesen als geschlossenen Rahmen bzw. als rotationssymmetrisches Schalentragwerk auszubilden und zu berechnen. Bei größeren Querschnitten müssen eventuell axial angeordnete, biegesteife Zwischenwände zur Versteifung eingezogen werden (s. Kapitel 14.3). Beim Einsatz von Turbinen wird deren direktes Umfeld, also insbesondere die Einlaufspirale und die Maschinenhausdecke, als quer zur Fließrichtung gespannte Platte oder als Trägerrost ausgebildet, wobei die aus dem Maschinenbetrieb herrührenden Massenschwingungen hier von besonderer Bedeutung sind. Bei der Kraftübertragung auf das Fundament können bei Francis- und Kaplan-Turbinen mit vertikaler Wellenanordnung je nach Turbinentyp die festen Stützschaufeln mit einbezogen werden. Grundsätzlich sollte auf Schwächungen der tragenden Querschnitte durch Leitungsöffnungen nach Möglichkeit verzichtet werden. Im Übrigen folgt die statisch-konstruktive Durchbildung des Krafthauses den bekannten Grundsätzen von Stahl- bzw. Betonbauwerken. Um die Bauwerkslasten und die beachtlichen dynamischen Kräfte sicher auf den Baugrund übertragen zu können, sind genaueste Bodenuntersuchungen als Voraussetzung für eine standortgerechte und risikolose Gründung erforderlich. Die statischen Berechnungen zur Gründung des Krafthauskörpers erstrecken sich dabei vor allem auf Bodenpressungen sowie Gleit- und Kippsicherheit. Für die Gleitsicherheit sind jene Lasten zu ermitteln, die einerseits die größten horizontalen Kräfte in einer Richtung und andererseits hierbei den Minimalwert der vertikalen Belastung erfassen. Der letztgenannte Belastungsfall ergibt sich beispielsweise, wenn die Turbinenkammer und der Einlaufschlauch und Saugschlauch mit Dammbalken auf der Ober- und Unterwasserseite abgesperrt und leergepumpt sind. Weiter trägt zur Minimierung der vertikalen Belastung der vorübergehende Ausbau und die seitliche Lagerung des Maschinensatzes für Überholungsarbeiten bei. Die größte horizontale Kraftwirkung tritt bei höchstem Stauspiegel auf der Oberwasserseite und kleinster Wasserführung ein, da sich dann der größte Spiegelunterschied zwischen Ober- und Unterwasser einstellt. Wind- und Eislasten sind fallweise auftretende Zusatzkräfte in horizontaler Richtung. Die Kippsicherheit ergibt sich aus der Gegenüberstellung der links- und rechtsdrehenden Momente um einen beliebig wählbaren Momentenbezugspunkt unter

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13 Krafthaus

Einbindung aller relevanten vertikalen und horizontalen Kräfte bzw. deren Komponenten. Der Nachweis der zulässigen Bodenpressungen ist anhand der Kräftebilder und der maßgebenden bodenmechanischen Eigenschaften des Baugrundes zu führen. Von großer Bedeutung ist dabei der Auftrieb, der einerseits durch eine längs der Oberwasserseite eingebrachte Dichtungsschürze und andererseits durch ein System von Entlastungsdränagen beträchtlich herabgesetzt werden kann. Zur Gründung bieten sch insbesondere folgende Bauweisen an: - Die Flachgründung als Flächengründung auf Fundamentplatten mit begrenzter Einbindetiefe ohne Einspannwirkung, die am weitesten verbreitet ist, wie beispielsweise beim Rheinkraftwerk Iffezheim (s. Abb. 13.3a). - Die Troggründung, bei der durch Injektionen eine wasserdichte Wanne bzw. ein derartiger Trog erstellt wird, in dessen Schutz der Aushub und die Bauwerksgründung im Trockenen erfolgen. Das Gewicht des Bauwerkes erhöht sich durch das Gewicht der im Trog eingeschlossenen Bodenmassen. - Der Einsatz von Senkkästen, die vor allem bei nicht standfestem Untergrund, wie beispielsweise Flusssand, genützt werden, bei denen tragfähige Bodenschichten durch anderweitige Gründungen, wie z. B. Pfahlgründungen, nicht erreichbar sind, wie beispielsweise beim Wehr des Hochrheinkraftwerks Augst-Whylen. - Die Tiefgründung auf standfestem, nicht fließempfindlichem Untergrund, wie z. B. beim Hochrheinkraftwerk Albbruck-Dogern (s. Abb. 13.3b). - Die Pfahlgründung, bei der die Lasten entweder in eine tragfähige Schicht abgeleitet oder bei schwebenden Pfählen über die Mantelreibung in den Untergrund abgeführt werden. Damit vor allem Setzungen, Verschiebungen, Verdrehungen, Grundbruch und Auftrieb auch bei außergewöhnlichen Lastfällen und Gründungsbedingungen zuverlässig verhindert werden, kann zusätzlich eine Verfestigung und Abdichtung des Baugrundes mit beispielsweise Zementinjektionen notwendig werden. Die Tiefe der Gründung ist außer von der Baugrundbeschaffenheit und den zu übertragenden Lasten auch vom Maschinentyp abhängig; so liegen beispielsweise Maschinensätze mit Propeller- und Pumpturbinen als Überdruckturbinen mit erforderlichem Gegendruck oft deutlich unter dem Unterwasserspiegel. Bei größeren Abmessungen des Krafthauses erfolgt eine Unterteilung mittels Dehnungs- bzw. Trennfugen zur Beschränkung der Abmessungen der einzelnen Bauwerksteile sowie der Bauwerksmassen, letztere zur besseren Beherrschung der abzuleitenden Kräfte und Biegemomente. Auf die sorgfältige Ausbildung der Dichtungen im Bereich dieser Bauwerksfugen und Anschlüsse ist ein besonderes Augenmerk zu legen. In den meisten Fällen wird der Einbau von Kontrollschächten oder anderweitigen Kontrollmöglichkeiten (Sickerrohre etc.) sinnvoll sein, um Dichtungsschäden frühzeitig erkennen und beheben zu können. Zur Abführung der letztlich stets unvermeidlichen Sicker- und Leckagewasser sind geeignete Drainagesysteme vorzusehen. Diese können im einfachsten Fall bei Kleinwasserkraftanlagen nur einen am tiefsten Punkt im Krafthaus angeordneten Pumpensumpf umfassen, in dem ein Wasserstandssensor zur Alarmierung sowie eine schlichte Tauchpumpe eingebaut werden. In größeren Krafthäusern mit eventuell darüber hinaus verbundenen weiteren Wasserbauwerken, wie beispielsweise Wehranlagen, sind umfangreichere Systeme mit Sammelleitungen, -schächten und

13 Krafthaus

477

ausreichend dimensionierten Pumpen vorzusehen. Dabei sind diese Drainagesysteme mit entsprechenden Sensoren zur Überwachung (Durchfluss, Ölwarnmelder etc.) zu versehen, um sich anbahnende Gefahrenlagen oder gar Störfälle möglichst frühzeitig erkennen und diesen begegnen zu können (s. a. Kapitel 13.3.1.6).

14,30

a

29,60

27,50 57,10

30,0

SH

b Abb. 13.3:

Gründungsbeispiele: a) Flachgründung: Rheinkraftwerk Iffezheim [13.3]; b) Tiefgründung: Hochrheinkraftwerk Albbruck-Dogern [13.4]

Eine ausreichende Klimatisierung des Krafthauses und seiner Einrichtungen, das heißt vor allem Belüftung, Beheizung oder Kühlung sowie Entstaubung, ist die Voraussetzung für eine gleichmäßige Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit. Zum einen werden dadurch Schäden vor allem infolge Schwitzwasserbildung an metallischen Anlagenteilen und Beeinträchtigungen elektrischer Einrichtungen vermieden sowie gleichzeitig bessere Arbeitsbedingungen für das Bedienungspersonal geschaffen. Zum anderen muss die im Bereich der hydraulischen Maschinen und Generatoren entstehende Wärme abgeführt werden, wobei diese besonders in der kälteren Jahreszeit gleichzeitig zur Beheizung des Krafthauses herangezogen werden kann. Dies geschieht meist mittels einer Luft- oder Wasser-

478

13 Krafthaus

kühlung, mittels derer auch gezielt Temperaturgefälle im Gebäude genutzt und so der zusätzlich einzusetzende Energieaufwand reduziert werden kann. Lediglich im Bereich der Maschinenlagerungen mit hoher Abwärme kann auf die sonst aus Umweltschutzgründen nur ausnahmsweise angewandte Ölkühlung häufig nicht verzichtet werden. Unterirdische Kraftwerke besitzen hier den Vorteil der gleichmäßigen atmosphärischen Bedingungen über das ganze Jahr hinweg, der besonders in kälteren Gegenden mit ausschlaggebend für die Wahl dieses Krafthaustypes sein kann. Die Führung der elektrischen Leitungen und die Positionierung der elektrischen Einrichtungen sind neben anderen Versorgungsleitungen ebenfalls bereits im Planungsstadium zu berücksichtigen, da diese unter Umständen beachtenswerte Ausmaße annehmen können. Aus Gründen der Arbeitssicherheit müssen die Leitungen in separaten Schächten und Kabelkanälen verlegt werden. Zugleich ist eine ausreichende, gleichmäßige und nicht blendende Beleuchtung des gesamten Gebäudes zu berücksichtigen. Des Weiteren muss im Bereich des Krafthauses die Möglichkeit der nachfolgend genannten hydrografischen Beobachtungen und Messungen als wesentliche Eingangsgrößen für die Anlagensteuerung (s. Kapitel 13.2) gesichert sein: - laufende Überprüfung aller relevanten Betriebsdaten; - laufende Registrierung der hydrologischen Ausgangsdaten; - Überprüfung der hydraulischen und leistungsspezifischen Kenngrößen; - regelmäßige Funktionsprüfung der Verschluss- und Regelorgane einschließlich der Stauanlage. Zu diesem Zweck werden Messeinrichtungen zur Wasserstandsbestimmung (Pegelanlagen etc.) und Durchflussmessung (Druckunterschieds-, Strömungswiderstands-, Fließgeschwindigkeitsmessung, magnetisch-induktive Durchflussmessung etc.) installiert, die permanent diese hydrologischen und hydraulischen Daten an die Steuer- und Leitzentrale übermitteln, wo sie aufgezeichnet und direkt ausgewertet werden. Gleiches gilt für sämtliche Leistungsdaten der Maschinengruppen und der elektrotechnischen Anlagenteile. Sollte je nach Standort der Wasserkraftanlage ein Anschluss an ein öffentliches Versorgungsnetz nicht möglich sein, müssen eine eigene Wasseraufbereitungsanlage (Trink- und Kühlwasser etc.) erstellt und eine entsprechende Abwasserentsorgung sichergestellt werden. Die Datenfernübertragung sowohl für Kommunikations- als auch für Steuerungszwecke wird vielfach bereits nicht mehr über Leitungen sondern je nach Topografie des Geländes und Entfernung über Richtfunk oder gar über Satellitenanlagen abgewickelt. Schließlich sind bei Planung, Bau und Betrieb noch die verschiedenartigen Aspekte aus den Anforderungen aus der Betriebs-, Anlagen- und Arbeitssicherheit zu berücksichtigen (s. Kapitel 13.3.1). Zusammenfassend lässt sich eine vereinfachte, schrittweise Ermittlung der erforderlichen Bauwerksdimensionen angeben, die in Abb. 13.4 anhand eines Beispieles verdeutlicht wird und folgende Punkte einschließt: 1. Ermitteln der Abmessungen der hydraulischen Maschine und der Triebwasserzuführung (s. Kapitel 15 und 14.3); 2. Bestimmen der Ausdehnung der Triebwasserableitung (s. Kapitel 14.3);

13 Krafthaus

479

3. Entwickeln der Betonkonstruktion zur Auflagerung der Maschinengruppe und der Zusatzeinrichtungen, mit: - Einberechnung einer Einbautoleranz von ca. 0,5-1,0 m im Bereich der Turbinenspirale bei Stahlspiralen im Falle von Propeller-, Kaplan- und Francis-Turbinen; - Berücksichtigung notwendiger Durchlässe für Versorgungsleitungen, Dehnungsausgleichern, Verschlussorgane etc.; Triebwasserleitung

Turbine

Saugrohr

1+2 Rohrleitungspassstück

Einbautoleranz

Generator Durchgang Durchlass

Rohbeton Durchlass Füllbeton Stahlkrümmer (falls notwendig)

3

Saugschlauchstützpfeiler (falls notwendig)

Maschinenlager Rohre und Kabel

4

Zufahrtsfläche für Transformatorenaustausch Transformator Stromschiene Generatorenschutzeinrichtungen

Oberbau

Durchgang SH

Unterbau

5 Abb. 13.4:

6+7 Schematische, schrittweise Ermittlung der Krafthausabmessungen am Beispiel eines Freiluftkrafthauses mit stehender Turbinenwelle

4. Errechnen der Abmessungen der gesamten Maschinenanlagen (incl. Generator und Turbinenwelle), mit Berücksichtigung beidseitiger ca. 2-3 m breiter Durchgänge für Rohrleitungen, mechanische und elektrische Steuereinrichtungen sowie für ausreichende Verkehrs- und Abstellflächen; 5. Anordnen der Transformatoren und Schaltanlagen etc. und der notwendigen Zwischenwände; 6. Berechnen der Mindesttraglast, der notwendigen Hubhöhe, der Lauflänge und des Schwenkbereichs des Kranes und Anordnen desselben mit allen Zusatzeinrichtungen incl. Zwischenlagerungs- und Abstellflächen;

480

13 Krafthaus

7. Ermitteln der Höhenlage der Triebwasserzuführung einschließlich der Verzweigungssysteme mit Armaturen und Triebwasserableitung, in Abhängigkeit vom Maschinentyp und Unterwasserstand; 8. Konzipieren der Betriebsräume, Werkstätten, Zugangsflächen etc.; 9. Konstruktive Durchbildung und architektonische Gestaltung des gesamten Kraftwerksgebäudes; 10. Einplanen außenseitiger Lager- und Montageflächen mit direkter Zufahrtsmöglichkeit von öffentlichen Verkehrswegen, Parkflächen, Informationsstandorten etc. 13.1.2

Besondere Aspekte bei unterschiedlichen Wasserkraftanlagentypen

Die grundsätzlichen Anordnungsmöglichkeiten des Krafthauses im Zusammenhang mit dem genutzten Gewässer wurden bereits im Kapitel 4 erläutert, so dass an dieser Stelle hauptsächlich auf das Bauwerk selbst eingegangen werden soll. Neben der Unterscheidung der Wasserkraftanlage nach Fallhöhe und Durchfluss spielt bei der Gestaltung des Krafthauses die bereits genannte Anordnung der Turbinenwelle (Gruppe C und D) eine bedeutende Rolle. Die bei vertikaler Wellenanordnung grundsätzlich vertikale Gliederung des Krafthauses stellt sich folgendermaßen dar: 1. unterer Teil mit Unterwasserschlauch und -stollen bzw. -schacht; 2. mittlerer Teil mit Turbineneinlaufspirale bzw. Turbinenkammer und Turbine; 3. oberer Teil mit Generatoren und den meisten Steuer-, Regel- und Versorgungseinrichtungen. Bei horizontaler Wellenanordnung fallen die obengenannten Teilbereiche 2 und 3 prinzipiell zu einem zusammen. Die weiteren Unterschiede und die daraus folgenden Auswahlkriterien zwischen horizontaler und vertikaler Anordnung der Turbinenwelle werden im Zusammenhang mit den Maschinentypen in den nachstehenden Kapiteln abgehandelt werden. Bei den Niederdruckanlagen wird in der Regel eine enge Verbindung der Stauhaltung mit dem Krafthaus angestrebt, wobei es sich fast ausschließlich um Freiluftkraftwerke handelt, bei denen sowohl hydraulische Maschinen mit horizontaler bzw. leicht geneigter als auch mit vertikaler Turbinenwelle je nach Höhe der Staustufe zum Einsatz kommen (Gruppe A3-A5). In diesen Krafthäusern fügen sich die oben bereits erwähnten Bauteile zu einem einheitlichen Bauwerk zusammen (s. Abb. 13.2): 1. Wasserfassung: je ein Einlaufschlauch pro Maschinensatz, zu dem folgende zusätzlichen Bau- bzw. Maschinenteile gehören: Einlaufschwelle, Rechen und Turbinen- bzw. Einlaufschütze; 2. Turbineneinlaufspirale bzw. Turbinenkammer mit der Turbine; 3. Saugrohr bzw. Saugschlauch im Anschluss an die Turbine; 4. Maschinenhaus mit den dazugehörigen Bauten. Wurden in früheren Jahrzehnten vor allem vertikale Francis- und KaplanTurbinen in derartigen Wasserkraftanlagen eingebaut, so wurden in den letzten Jahren neben den reinen, schwach geneigten Rohrturbinen mit gleichachsigem

13 Krafthaus

481

Kapselgenerator vermehrt auch Rohrturbinen mit Außenkranzgenerator, den sogenannten Straight-Flow- bzw. kurz Straflo-Turbinen, eingesetzt. Bei Flusskraftwerken (A3 bzw. A4) und Pfeilerkraftwerken (A5) empfiehlt sich meist ein Außenkran, da dieser außer zu Montagearbeiten an den Maschinensätzen auch zum Setzen der Notverschlüsse vor den Turbineneinläufen sowie zu Montagearbeiten an den Wehrfeldern herangezogen werden kann (s. Abb. 13.2). Des Weiteren kann die Rechenreinigungsmaschine mit dem Kran zu einer Betriebseinheit kombiniert werden. Infolge des hierdurch wegfallenden Hallenbaues und des damit geringer aufragenden Bauvolumens, unter Umständen noch durch den Einsatz von Rohrturbinen verstärkt, wirken derartige Krafthäuser in Flachbauweise weitaus weniger störend und können besser in die Flusslandschaft eingebunden werden. Bei der extrem flachen Ausführung dieses Bauwerkstyps mit Außenkran müssen dann jeder Maschinensatz mit einem abnehmbaren Dach versehen und ein separater Montageraum, der in seinen Abmessungen mindestens der Größe eines Maschinensatzes entsprechen und befahrbar sein sollte, vorgehalten werden. Nachteilig ist die sich dadurch ergebende Wetterabhängigkeit bei Reparaturarbeiten, bei denen der Einsatz des Kranes und damit das Abheben des Daches notwendig wird. Andererseits ist jedoch auch eine Flachbauweise mit Innenkran möglich, die im Vergleich zur klassischen Bauweise mit vertikalen Kaplan-Turbinen (z. B. Moselkraftwerk Koblenz) bei Verwendung von Rohrturbinen bedeutend geringere Bauwerksabmessungen ermöglicht (z. B. Moselkraftwerk Trier). Bei nahezu gleichen äußeren Bedingungen (Durchfluss, Fallhöhe etc.) ergibt sich bei den genannten Moselkraftwerken beispielsweise eine Betonersparnis von 31 %, eine Verkleinerung der Krafthausgrundfläche um 38 % sowie eine Verringerung des Höhenunterschiedes zwischen Krafthausdach und Oberwasserspiegel um 44 % [13.5]. Die Hochbauweise (A1) wurde in früheren Jahren, z. B. am Hochrhein, deshalb gerne gebaut, da vor allem Maschinen mit senkrechter Turbinenwelle montiert wurden und die Herstellung eines größeren Gebäudes infolge der geringen Lohnkosten nicht sehr kostenintensiv war und darüber hinaus diese Ingenieurbauwerke damals nicht als störend angesehen wurden. Auch hier ist wiederum ein Montageraum vorzusehen, dessen Anordnung sich an einem der beiden Ufer in gerader Verlängerung des restlichen Krafthauses anbietet. Als typisches Beispiel für ein Umleitungskraftwerk in Hochbauweise ist nachfolgend das Hochrheinkraftwerk Rheinau gezeigt (s. Abb. 13.5), das die Rheinschleife bei Rheinau durch einen Stollen abkürzt und in Verbindung mit einem aus vier Wehrfeldern mit Sektorwehren bestehenden Stauwehr eine Fallhöhe von 8,012,4 m je nach Wasserführung des Rheins nutzt. Das Maschinenhaus ist in direkter Verlängerung des Stauwehres am linksrheinischen Ufer angeordnet. Die beiden vertikalen Kaplan-Turbinen können bei einem Ausbaudurchfluss von 400 m³/s je 18,15 MW erzeugen, so dass die mittlere Jahresproduktion der Anlage bei ca. 237 Mio. kWh/a liegt. In der Ausleitungsstrecke, in die stets ein Mindestwasserabfluss von 5 m³/s abgegeben werden muss, sind zur Aufrechterhaltung der Kleinschifffahrt zwei Hilfswehre angeordnet. Die höhere Fallhöhe (15-50 m) führt bei Stauhaltungen von Mitteldruckanlagen in Flussläufen bereits zu Betonstaumauern oder Erdstaudämmen, bei denen das

482

13 Krafthaus

Krafthaus meist als sogenanntes Speicher- bzw. Talsperrenkraftwerk unmittelbar im Anschluss daran oder seitlich davon angeordnet ist (s. Abb. 4.10 bzw. 13.6).

369,50 7,5 90 t 10,50

28

B

Schnitt A-A

22

C 29

90 t 7,5

21

10,50

15

362,00

15

B

358,00

16 5

29

352,50

7

14

7

14

8

Schnitt B-B

C

345,50

8

17

17

12

9

25

C 5

25 24

358,00

27

26

24

358,00

26 362,00

49,00

8

8

358,00

21

29 16

A

7

7 6 6

A

6

5

Schnitt C-C

20 3

3 1

10,15

364,50

5

25 24

12

354,90

20,00

C

4

6,15

21

13

B

362,00

1 6,00

20,00

max. Stau 359,00

19 358,0

15

B

18 23

17 2

348,12

6

5

20 22

24 t

A

1

11

Wsp. = 400 m³/s

7

14

3

345,50

6

19,88

10 6,21

8 333,50

9

A Abb. 13.5:

Rheinkraftwerk Rheinau: 1) Einlauf; 2) Dammbalkenschlitze; 3) Einlaufrechen; 4) Rechenreinigungsmaschine; 5) Geschwemmselrinne; 6) Zwischenwände; 7) Einlaufspirale; 8) Saugrohr; 9) Entwässerung; 10) Stollen; 11) Schwallraum; 12) Stollenbelüftung; 13) unterw. Schütz; 14) Kaplan-Turbine; 15) Generator; 16) Reguliereinrichtung; 17) Ölkühler; 18) Erreger-Umformer-Gruppe; 19) Druckluftbehälter; 20) Zufahrtsebene; 21) Montageplatz; 22) Hauptkran; 23) Generatorschaltanlage; 24) Haupttransformatoren; 25) 50kV-Schaltanlage; 26) Eigenbedarfstransformatoren; 27) Leitwarte; 28) Werkstatt; 29) Dienst- und Sozialräume [13.6]

Bei Betonstaumauern ist das Krafthaus entweder direkt am Sperrenfuß angeordnet und somit in das Bauwerk integriert oder mit einem kurzen Druckrohrstück mit dieser verbunden (A6). In engen Tälern kann es bei geeignetem Baugrund (Felsformationen) auch in einer seitlichen Krafthauskaverne (B1) angeordnet

13 Krafthaus

483

werden, um vor allem die Hochwasserabfuhr im Talquerschnitt ohne Beeinträchtigung der Anlage zu ermöglichen, oder die Hochwasserabfuhr muss über das der Talsperre vorgelagerte Krafthaus mittels einer Schussrinne mit Sprungschanze selbst möglich sein. Bei Hochdruckanlagen ist das Krafthaus hingegen in den meisten Fällen von der Talsperre getrennt angeordnet, wobei zur Vergrößerung der Fallhöhe dessen Standort unabhängig von der Entfernung optimiert sein kann. Bei beiden Anlagentypen (Mittel- und Hochdruckanlagen) kommen sowohl Freiluftkrafthäuser (Gruppe A) als auch unterirdische Krafthäuser (Gruppe B) zur Ausführung, wobei mit zunehmender Fallhöhe je nach Einbeziehung von Druckstollen und Fallschächten vermehrt unterirdische Anlagen anzutreffen sind. Diese sind hinsichtlich Sicherheit und Landschaftsschutz, oft auch wegen verkürzter Triebwasserwege und optimaler Anordnung in Bezug auf die Talsperre vorteilhafter. Die bisher genannten Kriterien für Freiluftkrafthäuser sind bei allen Anlagentypen gleichermaßen relevant. Das in Abb. 13.6 gezeigte Krafthaus Châtelot an der Doubs (französisch-schweizerische Grenze) stellt ein repräsentatives Freiluftkrafthaus einer Hochdruckanlage dar, das getrennt vom 3 km entfernten Stauraum mit Bogenstaumauer angeordnet ist. Die Verbindung wird durch einen knapp 3 km langen horizontalen Druckstollen mit zwischengeschaltetem Schachtwasserschloss mit einer Oberkammer sowie einer Apparatekammer und einem anschließenden schrägen Druckschacht hergestellt. Im Krafthaus befinden sich zwei horizontale Maschinensätze mit je zwei fliegend montierten Francis-Turbinen und dazwischen liegendem Generator. Die Turbinen erreichen bei einer Fallhöhe von 67-97 m je nach Staukote und einem Durchfluss von jeweils 10 m³/s eine Leistung von 8,1 MW. 13,70

47,30

Doubs Freiluftschaltanlage 150 kV

Kommandoraum 625,20

635,20

2 Dreiwicklungstransformatoren 8/60/150 kV

60kV

45 t

W.C.

Innenraumschaltanlage 60 kV

11,50 7,28 5,80

625,20

625,20

2 Transformatoren 8/60/150 kV 625,20

2,20

3,60

Standseilbahn

4,22

Belüftung

622,52

1,50

Duobs

N

4,80

Turbinen-Ausläufe 0

Abb. 13.6:

10

20 m

Krafthaus Châtelot, Doubs, französisch-schweizerische Grenze [13.6]

Schachtkrafthäuser (B2) sind bereits bei geringerer Fallhöhe anzutreffen (s. Abb. 13.2). Wie schon der Name direkt zum Ausdruck bringt, sind die Anlagenteile dieses unterirdischen Krafthauses in einem in offener Bauweise erstellten Schacht angeordnet, wobei aus bautechnischen Gründen normalerweise Turbinen mit stehender Welle zum Einsatz gelangen. Diese Sonderform kam bisher fast ausschließlich bei Pumpspeicheranlagen infolge des erforderlichen hohen Pumpenzulaufdruckes und damit der verhältnismäßig tiefen Lage gegenüber dem Unterwasserspiegel zum Einsatz. Im meist aus statischen Gründen kreisrunden Schacht befinden sich über den Maschinensätzen die Hilfseinrichtungen, es folgen die Be-

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13 Krafthaus

triebsräume und Zugangswege, ebenso die Hubeinrichtungen. Ein Hallenbau für die Krananlage und die Montageplätze schließt das Schachtkrafthaus nach oben ab. Kavernenkrafthäuser (B1) werden heute insbesondere aus betrieblichen, wirtschaftlichen sowie den Landschaftsschutz und die Sicherheit betreffenden Gründen gebaut (s. Abb. 13.2 und 13.7 sowie Kapitel 21). Bei geeigneten geologischen Verhältnissen ermöglicht die unterirdische Trassierung die kürzeste, eventuell sogar die geradlinige Verbindung zwischen Wasserfassung bzw. Einlaufbecken, Krafthaus und Unterwasserauslauf. Die sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage auswirkenden Faktoren sind vor allem: - Verzicht auf äußeren Einflüssen ausgesetzte oberirdische Druckrohrleitungen (Hangrohrleitungen); - Verkürzung des Triebwasserweges und damit geringere Energieverluste; - Verzicht auf ein Wasserschloss infolge verkürzter Triebwasserwege und geringerer Wassermassen; - Verringerung der Druckstollenwandung infolge geringerer statischer und dynamischer Beanspruchungen; - Unabhängigkeit von Witterungseinflüssen bei der Durchführung der Baumaßnahmen und beim Betrieb der Anlage. Die dagegen aufzuwiegenden Nachteile sind insbesondere die Mehrkosten des Kavernenbauwerkes mit Zugangs-, Belüftungs- und Kabel- bzw. Energieableitungsstollen sowie die Aufwendungen für eine eventuell notwendige zweite Kaverne für Verschlussorgane und Transformatoren. Beim abschließenden Wirtschaftlichkeitsvergleich müssen jedoch die - in der Regel günstigeren - Betriebskosten bei einer viele Jahrzehnte betragenden Lebensdauer der Wasserkraftanlage der hohen Investition derselben gegenübergestellt werden, woraus sich eine günstigere Relation zwischen beiden Kostenarten ergeben kann. Der heutige Stand der Technik erlaubt normalerweise den großmaschinellen Vortrieb der Stollen und Kavernen, wodurch der zeitliche und vor allem finanzielle Aufwand für Kavernenkraftwerke im Vergleich zu Freiluftkraftwerken weitgehend ausgeglichen werden kann. Wurden in früheren Jahren neben den meist senkrechten Energieableitungs-, Kabel- und gegebenenfalls Belüftungsstollen auch senkrechte Zugangsstollen gebaut, so ist man heute dazu übergegangen, letztere fast immer horizontal oder leicht geneigt vorzutreiben, damit ein direkter Zugang ohne weitere Hilfseinrichtungen und so eine Zufahrt mit Fahrzeugen möglich ist. Das beim Vortrieb anfallende Ausbruchsmaterial sollte nach Möglichkeit in der direkten Umgebung sinnvoll eingebaut werden, wobei es sich anbietet, mit diesem z. B. einen Damm für ein Unter- oder Ausgleichsbecken aufzuschütten. Eine Begrünung desselben gleichermaßen wie der während der Bauphase benötigten Flächen für die Baustelleneinrichtungen gilt heute als selbstverständlich. Grundsätzlich können in den Kavernen alle Maschinentypen entsprechend deren Betriebsweisen zum Einsatz gelangen, wobei aus Kostengründen meist die Wahl auf platzsparende Alternativen mit dem geringeren notwendigen Ausbruchsvolumen bzw. -querschnitt unter Beachtung der Felsbeschaffenheit fallen wird, ohne dass energiewirtschaftliche Einbußen hingenommen werden müssen. Neben dem tragenden Gewölbe und den Krafthauswänden, die je nach vorhandenem Bergdruck und der örtlichen Gesteinsstabilität von einer einfachen

13 Krafthaus

485

Spritzbetonschicht bis hin zur massiven Betonauskleidung sowie zu Verankerungen reichen können, wird oftmals eine Zwischendecke bzw. -wand zum Schutz vor aus der Decke bzw. den Wänden austretendem Sickerwasser sowie sich bildendem Schwitzwasser notwendig. Zur Unterbindung von Schwitzwasser wird die erwärmte Abluft bevorzugt durch diese Zwischenräume geführt, während für das Sickerwasser entsprechende Sammelrinnen und -systeme mit Messeinrichtungen zur Beobachtung vorgesehen werden müssen. Dabei kann das Wasser unter Umständen durch gelöste Mineralien und Schadstoffe etc. äußerst aggressiv sein und spezielle Abdichtungsmaterialien notwendig machen.

Schieberkaverne Transformatorenkaverne

Abb. 13.7:

Verteilrohrleitung

Maschinenkaverne

Kavernenkrafthaus Bieudron, Grande Dixence, Schweiz [13.7]

Beispielhaft sei das neue Kavernenkrafthaus Bieudron, Grande Dixence, Schweiz, genannt, das 1998 in Betrieb ging und die Energieausbeute aus dem Dixence-Stausee durch die drei Kraftwerke Chandoline, Fionnay und Nendaz ergänzt. Das neue Krafthaus im Rhône-Tal (s. Abb. 13.7) ist mit dem Stausee durch einen 15,9 km langen horizontalen Druckstollen und einem anschließenden, 4,2 km langen, geneigten Druckschacht verbunden. Am Übergang vom Druckstollen zum Druckschacht ist ein 300 m hohes Wasserschloss angeordnet. Die drei vertikalen Pelton-Turbinen erzeugen bei einer Bruttofallhöhe von 1883 m bzw. einer nutzbaren Fallhöhe von 1.869 m jeweils 423 MW (s. auch Kapitel 15.3.1). Infolge des Bruchs einer Längsschweißnaht der Panzerung der Druckrohrleitung, der offensichtlich durch Kaltrisse initiiert wurde, und einem anschließenden bedeutenden Wasserverlust mit enormen Schäden steht die Anlage seit Dezember 2000. Nach einer aufwendigen Schadenserforschung und anschließender Sanierung wird die Anlage voraussichtlich Anfang 2010 wieder in Betrieb gehen. Die Instandsetzung besteht aus der zusätzlichen Stahlauskleidung des existierenden, betroffenen Rohrabschnittes (Relining) über eine Länge von 4.050 m und dem Neubau eines knapp 200 m langen Bypass’ im Bereich der Schadenszone. Durch diese Instandsetzung wird der Druckschacht hier einen Sicherheitskoeffizient zwischen 1,8 und 2,0 anstatt desjenigen der branchenüblichen Norm von 1,5 erreichen und somit einem um 80-100 % über der Maximalbelastung liegenden Druck stand-

486

13 Krafthaus

halten können. Das Budget beläuft sich auf 365 Mio. CHF; unberücksichtigt sind dabei die Stillstands- und Ausfallkosten für die Zeit des Stillstandes der Anlage. Bei Mitteldruckanlagen und Hochdruckanlagen erfolgt die Triebwasserzufuhr zur Turbine fast immer durch Rohrleitungen oder Druckstollen, die sich vor dem Krafthaus in die der Turbinenanzahl entsprechende Anzahl von Verteilrohrleitungen (s. Kapitel 10) aufgliedern. In diesen Verteilrohrleitungen sind vor der Turbine stets Verschlussorgane angeordnet (s. Kapitel 12). Da im Regelfall der Fließquerschnitt nur vollständig zu öffnen bzw. zu schließen ist, eignen sich am besten Drosselklappen oder Kugelschieber. In größeren Krafthäusern werden die Verteilrohrleitungen und vor allem die Verschlüsse vom Turbinenraum getrennt in eigenständigen Apparatekammern oder -stollen untergebracht. Bei Kleinwasserkraftanlagen (s. v. a. Kapitel 4.3.2), die letztlich in allen Fallhöhenbereichen und in sämtlichen Bauweisen anzutreffen sind, gelten grundsätzlich alle genannten Kriterien gleichermaßen. Aufgrund der normalerweise jedoch geringeren Dimensionen vor allem hinsichtlich der Durchflüsse und der daraus resultierenden Belastungen sowie der Energieerzeugung und damit auch des Ertrages werden diese Anlagen in der Regel so einfach und kostengünstig wie möglich errichtet. Hinzu kommt, dass die betrieblichen Ansprüche meist geringer sind und somit die Nebeneinrichtungen einfacher ausgeführt werden können oder gar auf diese teilweise verzichtet werden kann. Auch für Pumpspeicher- und Gezeitenkraftwerke (s. Kapitel 17 bzw. 4.4.1) sind die obengenannten Richtlinien entsprechend der vorhandenen, nutzbaren Fallhöhe grundsätzlich gültig. Bei den Pumpspeicherkraftwerken ist allerdings auf die notwendige Zulaufdruckhöhe vom Unterwasser her und damit die Höhenlage der Pumpe gegenüber dem Unterwasserspiegel für den Pumpenbetrieb zu achten, auf die in den nachfolgenden Kapiteln im Zusammenhang mit den Turbinentypen noch näher eingegangen werden wird. 13.2

Regelungs- und Leittechnik für den Wasserkraftanlagenbetrieb

13.2.1

Grundprinzipien der Regelungs- und Leittechnik

In einer Wasserkraftanlage konzentrieren sich die Aufgaben der Regelungs- und Leittechnik auf das Steuern, Regeln und Überwachen der zur Betriebsführung notwendigen Anlagenteile sowie auf die Erfassung der für den Betrieb notwendigen externen Daten (Wasserstände, Zu- und Abflüsse, Stellung von Verschlüssen und Maschinen, Temperaturhöhen, Druckverhältnisse, Leistungs- und Maschinendaten etc.; s. a. Kapitel 4.2.1.1) [13.8]. Damit dient diese Technik einem sicheren Anlagenbetrieb und soll Risiken verschiedenster Art soweit möglich vorbeugen bzw. dem Betreiber die Möglichkeit eröffnen, diesen bereits in einem frühen Stadium präventiv begegnen und damit Schaden von der Anlage sowie von Dritten abwenden zu können. Wurden in den Anfangsjahren der Energieerzeugung derartige Steuerungsaufgaben fast ausschließlich vor Ort durch rein mechanische Regler vorgenommen, so werden heute nahezu durchgehend elektronische Steuergeräte eingesetzt, die neben einer Vor-Ort-Bedienung fast immer die Möglichkeit der Fernsteuerung besitzen.

13 Krafthaus

487

Da die Anlagen und die Bedürfnisse der jeweiligen Betreiber verschieden sind, muss die jeweilige Leittechnik vielfach individuell angepasst werden. Dabei gilt es, in einem ersten Schritt die Ziele der Betriebsführung mit allen maßgeblichen Einflussgrößen zu erfassen und anschließend diese in ein individuelles Leittechnikkonzept einschließlich der Systemarchitektur einzubetten. In den meisten Fällen bieten heute die Turbinenhersteller auch Leittechniksysteme an, die eine anlagenspezifische Zusammenstellung einzelner Komponenten erlauben. Die Grundlage für die Regelungs- und Leitaufgaben stellen die unterschiedlichen Messgrößen dar, die zur Überwachung für den Betrieb des Kraftwerkes permanent ermittelt werden, wobei mit der zunehmenden Größe und Bedeutung der Wasserkraftanlage auch die Kategorien, der Umfang und die Typen der erfassten Daten anwachsen. Neben den externen Messdaten, wie z. B. den Pegelständen im gesamten Einflussbereich von oberhalb der Stauwurzel über das Oberwasser im Entnahmebereich bis hin zum Unterwasser, dem Durchfluss, dem Leistungsbedarf im Netz, werden auch anlageninterne Daten mit Hilfe zahlreicher Mess- und Gebereinrichtungen aufgezeichnet. Dabei lassen sich letztere wiederum einerseits in die Primärgrößen, wie beispielsweise die Rechenbelegung, die Stellung der Verschluss- und Regelorgane (s. Kapitel 14.4.1), die Maschinendrehzahl, die Lagertemperaturen, die Schwingungsfrequenzen, die Generatorschutzeinrichtungen (s. Kapitel 16.3.5), die Wehrstellung, die Konfiguration der Schaltanlagen, und andererseits die Sekundärgrößen, z. B. Anlageneigenbedarf, Kühlwasserbedarf sowie Haustechnik, unterscheiden. Die erfassten Daten werden in der übergeordneten Leitebene (s. Abb. 13.8) zusammengeführt und mit Hilfe von Steuerungsmodulen, z. B. Turbineneinzelregelung, Optimierungsmodule für die Anzahl der erforderlichen Maschinen (sogenannte Joint-Control-Funktion) oder für Laufrad-Leitrad-Zusammenhang, Kavitationsüberwachung, Schwingungsdiagnose, aufbereitet sowie weiterverarbeitet. Dabei kommen neben den klassischen Arbeitsschritten Datenerfassung, Steuern und Regeln der übergeordneten Automatisierungssysteme im Kraftwerk heute noch die Aufgaben der Diagnose und Optimierung sowie unter Umständen sogar Simulation hinzu. Für diese Aufgaben werden heute zunehmend auch Fuzzy-Logik-Ansätze verwendet (s. Kapitel 13.3.2). Diese Methode eignet sich beispielsweise sehr gut zur Drehzahl- oder Leistungsregelung im Zusammenhang mit der Turbinensteuerung (s. Kapitel 14.4) und ergänzt oder ersetzt gar dabei die bewährte konventionelle Regelungstechnik [13.9]. Besonders vorteilhaft ist eine fuzzy-basierte Regelung bei Anfahrvorgängen von hydraulischen Maschinen. Auch bei der Abflussregelung als Teilaufgabe der Wasserhaushaltsautomatik hat sich der Einsatz der Fuzzy Logik bei Wasserkraftanlagen bereits bewährt, wie diese z. B. im Kraftwerk Wildegg-Brugg an der Aare/Schweiz eingesetzt wird. [13.10]. Schließlich werden im Bereich der übergeordneten Leitebene alle Daten archiviert, um bei Problemfällen eine Ursachenforschung betreiben zu können, mit dem Ziel, die Steuerung aber auch die Anlagenkomponenten und deren Einsatzdauer (s. a. Kapitel 13.3.2) selbst für einen optimierten Betrieb der Wasserkraftanlage fortzuentwickeln.

488

13 Krafthaus

Bei den Steuerungen handelt es sich im einfachsten Fall, z. B. bei Kleinwasserkraftanlagen, um einzelne speicherprogrammierbare Steuerungsmodule, sogenannte SPS-Module, die zu einer Regelungseinheit zusammengefügt sind. Bei größeren Wasserkraftanlagen sind dies heute sehr umfassende digitale, computergestützte Steuerungs- und Diagnosesysteme, die zur Bewältigung der komplexen Aufgaben der Zustandskontrolle, Trendbeobachtung, Steuerung und Schadensdiagnose notwendig sind. Diese zentralen Systeme, die die gesamte Installationen überwachen, visualisieren sowie steuern und regeln, werden heute auch als SCADA-System (Supervisory Control and Data Acquisition) bezeichnet. Um die oftmals große Datenmenge mittels moderner Steuerungen mit all ihren Vorteilen bewältigen zu können, kann der Einsatz eines systematischen, logischen und eindeutigen Kennzeichnungssystemes für alle Anlagenkomponenten und deren Messgrößen notwendig werden. Auch kann die funktionelle Unterteilung in einzelne Prozessabschnitte sinnvoll sein, indem im jeweiligen Abschnitt eine Datenvorverarbeitung erfolgt, wodurch die zentralen Einrichtungen entlastet und die Verfügbarkeit der Gesamtanlage erhöht werden. Zusätzlich werden dadurch die Betriebsführung für das Personal klarer und besser nachvollziehbar, was gerade bei Störungsbeseitigung von besonderer Bedeutung ist. Kraftwerk

Schaltanlagen

Nebenanlagen

Übergeordnete Leitebene Leitgrößenregelung (Pegel-/Durchfluss-/ Leistungsregelung) Maschinengruppensteuerung Wehrsteuerung Rechenreinigersteuerung

Vor-Ort-Steuerebene Abb. 13.8:

Leitwarte Fernwirken Steuerung der Schaltanlagen

Registrierung Steuern der Nebenanlage Eigenbedarfssteuerung Kühlwassersteuerung Drainagesteuerung Steuerung Haustechnik

Schema der Regelungs- und Leittechnik bei Wasserkraftanlagen [nach 13.11]

Nach der Bearbeitung der Daten werden Steuerungsimpulse an die Reguliereinrichtungen in der Vor-Ort-Steuerebene geschickt (s. Abb. 13.8). Durch die permanente Aufnahme von Messdaten und Abgabe von Steuerungsimpulsen wird in einem iterativen Prozess der Anlagenbetrieb an die vorgegebenen Richtgrößen angenähert und eventuellen Schwankungen, z. B. des Durchflusses oder des Netzbedarfes, entgegengesteuert. Sowohl bei kleineren als auch bei größeren Wasserkraftanlagen können die beiden Steuerebenen räumlich getrennt sein, also die übergeordnete Leitebene sich nicht im Krafthauskomplex befinden, d. h. die Anlage wird dann über eine Fernsteuerung betrieben. Dies bietet sich vor allem in den Fällen an, in denen mehrere Wasserkraftanlagen eines oder durchaus auch unterschiedlicher Betreiber über eine gemeinsame, permanent besetzte (Leit-) Warte oder eine übergeordnete Kraftwerkseinsatz-

13 Krafthaus

489

zentrale (s. a. Kapitel 16.7.2) betrieben werden. Da an den Gewässersystemen, wie beispielsweise einer Flusskraftwerkskette, stets eine Abhängigkeit voneinander, d. h. zwischen Ober- und Unterliegern, vorhanden ist, gilt es, derartige Systeme mittels geeigneter Werkzeuge und Methoden zur Analyse und zum Management derselben optimal v. a. hinsichtlich Wasserständen, Durchflussverteilung und nicht zuletzt Energieerzeugung zu steuern (s. a. Kapitel 18.2.1.3) [13.8]. Diese EDVbasierten Bewirtschaftungssysteme müssen dabei auch die Regelung von besonderen Betriebsweisen und Ereignissen meistern können, wie z. B. Hochwasserereignisse oder Schwellbetrieb zur Spitzenstromerzeugung (s. Kapitel 4.2.1.1). So wurde zum Beispiel für die zentrale Steuerung der vier Donau-Laufwasserkraftanlagen der Stadtwerke Ulm mit Schwellbetrieb eine Studie durchgeführt, um die Energie-Zukaufskosten zu minimieren [13.12]. Die Steuerung würde mittels eines Schwellbetriebsfahrplans erfolgen, in den Prognosen über den Leistungsbzw. Energiebedarf der Verbraucher eingehen. Diese Prognosen würden auf den langjährigen Erfahrungen hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Wetter, Tages- und Jahreszeiten sowie dem Energiebedarf etc. basieren. Eine Optimierung und Teilautomatisierung könnte dabei über eine Fuzzy-Logik-Steuerung erfolgen (s. Kapitel 13.3.2), in der die komplexen Zusammenhänge der Einflussgrößen integriert werden können. Bisher konnte diese neue Steuerung jedoch aufgrund nicht fassbarer Randbedingungen vor allem im Oberlauf der Donau nicht umgesetzt werden. Neben dem Betrieb mit dem Ziel einer optimalen Energieausbeute ist bei der Fernsteuerung auch die Personalkostenoptimierung von Bedeutung, wodurch der Anlagennutzen gesteigert und die erzeugte Energie verhältnismäßig preiswerter werden. Bei dieser Betriebsart muss allerdings dafür Sorge getragen werden, dass zum einen die Anlage im Störungsfall automatisch in einen sicheren Zustand überführt wird, d. h. in der Regel vom Netz genommen und heruntergefahren wird. Zum anderen muss ein Notdienst permanent zur Verfügung stehen, der die Anlage bei aufgezeigten Gefahren- oder Störungssituationen innerhalb einer bestimmten Zeit erreichen kann. Dabei ist es sinnvoll, bei mittelgroßen und größeren Anlagen auf jeden Fall im Krafthaus selbst eine weitere Leitwarte vorzuhalten, von der aus die komplette Steuerung, darunter insbesondere das Anfahren nach Störungen, vorgenommen werden kann. Stets befindet sich jedoch für Gefahrensituationen, aber auch für Revisionsfälle eine Reguliereinrichtung vor Ort, durch die in den Prozess eingegriffen werden kann. Dabei besitzt diese Vor-Ort-Steuerung stets Priorität und kann aus Sicherheitsgründen durch Steuerimpulse von übergeordneten, in der Steuerungshierarchie jedoch tiefer eingestuften Leitebenen nicht beeinflusst werden. Auch bei Kleinwasserkraftanlagen ist der automatische Betrieb unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten äußerst bedeutsam, doch wird man bei diesen in Bezug auf die Netzeinspeisung relativ untergeordneten Anlagen meist auf aufwendige und kostenintensive Fernsteuerungen verzichten. Durch die heute existierenden Möglichkeiten bei der Automatisierung, Regelung und Fernüberwachung kann ein unbemannter Betrieb über mehrere Tage hinweg in einem wirtschaftlich realisierbaren Rahmen verwirklicht werden. Regeleinrichtungen für die Drehzahl, den Ober- oder Unterwasserspiegel sowie den Durchfluss gehören -

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13 Krafthaus

auch in Kombination miteinander - zu den gängigen Ausrüstungen. Ebenso können An- und Abschaltvorgänge sowie die Rechenreinigungsanlage in die Automatisierung mit einbezogen werden. Bei einer Überschreitung der in den Steuermodulen vorgegebenen Grenzwerte oder einer Störung gehen derartige Anlagen im Regelfall selbstständig vom Netz und übermitteln eine entsprechende Störmeldung über das Telefonnetz oder über eine Funkanlage an den Anlagenbetreiber. Dieser kann sich mit Hilfe von EDV-Programmen und gegebenenfalls von Videokameras über den Betriebszustand der Anlage informieren und eine erste Diagnose treffen. Sollte ein Ferneingriff nicht möglich sein, so muss Betriebspersonal zur Anlage, dort die Störung beheben und anschließend vor Ort die Maschinensätze wieder anfahren. Die bisher in den Leitwarten verwandten großflächigen Wandschalttafeln und Stellpulte werden zunehmend durch eine reine Rechnersystemsteuerung über Bildschirme abgelöst, wobei vielfach zusätzliche konventionelle Rückmelde- und Gefahrenmeldetafeln zur Verdeutlichung des aktuellen Geschehens dienen. Aus Sicherheitsgründen sollten dabei normalerweise beide Systeme jeweils mit einer anderen Spannungsversorgung, z. B. 220 V beim Rechnersystem und 24 V beim konventionellen System, sowie mit getrennten Informationswegen versehen sein, so dass im Störungsfall die Probleme erkannt und für eine Vor-Ort-Steuerung Sorge getragen werden kann (s. a. Kapitel 16.6.3). Bildschirmarbeitsplätze besitzen dabei den wesentlichen Vorteil, dass stets aktuelle Prozessbilder, Ereignisse, Messwerttabellen und -kurven etc. dargestellt und direkt bearbeitet werden können. 13.2.2

Fuzzy Logik zur Abbildung von Steuerungs- und Regelungsvorgängen

Im Bereich der Steuerung und Regelung von technischen Anlagen sowie zur Datenanalyse oder Modellierung von komplizierten Vorgängen hat die Fuzzy Logik (fuzzy (engl.) = unscharf) seit Anfang der 1990er Jahre in vielfältigen Disziplinen Einzug gefunden. Auch im Wasserbau kommen vermehrt fuzzybasierte Methoden als Ergänzung oder als Alternativen zu konventionellen Steuerungs- und Regelmechanismen zum Einsatz. Im Bereich der Wasserkraftanlagen wird diese Methode vor allem für die Bewältigung von Steuerungs- und Regelungsaufgaben (s. Kapitel 4.2.1.1 und 13.2) eingesetzt, darunter beispielsweise die Kraftwerkseinsatzplanung (s. Kapitel 16.7.2), die Regelung von Pumpspeicherkraftwerken (s. Kapitel 17.6) oder die Überwachung von Wasserschlossschwingungen (s. Kapitel 11.4.9.4). Fuzzy-logische Ansätze ermöglichen es darüber hinaus, komplexe Prozesse, wie diese beispielsweise zahlreich in der Natur vorhanden sind, zu beschreiben. Klassische Verfahren sind dazu nicht geeignet, da derartige Prozesse durch unzählige interne, oft unbekannte Abhängigkeiten miteinander in Verbindung stehen. Die Fuzzy Logik kann vorhandenes Wissen von Experten, das oft nur in Form von sprachlichen Formulierungen vorliegt, integrieren und macht somit auch schwer fassbare Zusammenhänge einer Modellierung zugänglich, wie dies in Kapitel 19 bzw. 19.4.3.3 beispielhaft für das Lebensraumangebot von Fischen in Fließgewässern beschrieben ist. Auch in der Klimaforschung, in hydrologischen Fragestellungen und in Modellierungen von anderweitigen ökologischen Prozessen finden fuzzy-logische Ansätze vermehrt Einzug.

13 Krafthaus

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Bei der Fuzzy-Modellierung gilt allerdings zu beachten, dass die Ergebnisse nicht sofort überprüft werden können, sondern dies erst zeitverzögert durch eine Validierung möglich ist. Es handelt sich also nicht um eine geschlossene Schleife, wie beispielsweise bei der Fuzzy-Control. Die Validierung ist für die Kalibrierung der gewählten Ansätze einer Fuzzy-Modellierung wesentlich und muss bei deren Entwicklung durchgeführt werden, um später aussagefähige Prognosen erstellen zu können. An dieser Stelle sollen nun die Grundlagen der Fuzzy Logik in knapper und einfacher Form beschrieben werden, um Einblicke in die unscharfe Mathematik zu gewähren, und um Anregungen zu schaffen, diese Methode als eine Alternative bei der Lösung verschiedenster Problemstellungen mit zu berücksichtigen. Für die konkrete Anwendung der Fuzzy-Theorie im Einzelfall wird dem Leser weiterführende Literatur empfohlen. 13.2.2.1 Grundlagen der Fuzzy Logik Als Begründer der Fuzzy Logik gilt Prof. L. A. Zadeh von der Universität Berkeley in Kalifornien vor allem mit seiner 1965 veröffentlichten Arbeit über „Fuzzy Sets“, d. h. über unscharfe Mengen [13.13]. Die Fuzzy Logik konnte sich zunächst jedoch nicht durchsetzen, da bei den damals zu lösenden Problemen in Verbindung mit der aufkommenden Computertechnik exakte, scharfe Zustände wie ja/nein, wahr/falsch oder 0/1 gefordert wurden. Für viele Fragestellungen ist eine solche scharfe Zuordnung von Werten zur einen oder anderen Menge aber nicht sinnvoll. Ordnet man beispielsweise Menschen von über 190 cm Körpergröße der Menge „groß“ zu, so wäre jemand mit einer Körpergröße von 191 cm zwar „groß“, jemand der eine Körpergröße von 189 cm aufweist, gehört jedoch eindeutig nicht der Menge „groß“ an. Dies entspricht keineswegs dem menschlichen Empfinden. Um die Denkweise und Erfahrung von Menschen in computergesteuerte Regelungsabläufe zu integrieren, wurde Fuzzy Logik Ende der 1980er Jahre in breiterem Umfang eingesetzt. Japan war Vorreiter in der weiteren Entwicklung der Fuzzy-Theorie und überraschte den Westen mit spektakulären Lösungen, wie das völlig ruckfreie Anfahren und Abbremsen der vollautomatischen U-Bahn in Sendai oder verschiedenste Elektronikartikel, die mit Fuzzy-Control geregelt wurden. Fuzzy Logik stellt eine Methode dar, die es einem Computer ermöglicht, menschliche Verhaltensweisen zu imitieren, Expertenwissen und Teilwahrheiten mit Hilfe linguistischer Formulierungen numerisch zu verarbeiten und daraus konkrete Ergebnisse abzuleiten, die dann zur Steuerung bzw. Regelung oder zur Entscheidungsfindung herangezogen werden können. Wichtig ist dabei eine deutliche Abgrenzung der Fuzzy Logik zur Wahrscheinlichkeitstheorie, wie dies am „Apfel-im-Kühlschrank-Problem“ anschaulich dargestellt werden kann [13.14]. Trifft man vor einem geschlossenen Kühlschrank die Aussage: „In dem Kühlschrank befindet sich ein Apfel“, so kann dieser Aussage ein Wahrheitsgehalt von 50 % zugewiesen werden, denn entweder befindet sich ein Apfel im Kühlschrank oder nicht. Wird der Kühlschrank nun geöffnet, war die Aussage entweder wahr oder falsch, die Wahrscheinlichkeit beträgt dann also 100 % oder 0 %. Liegt im Kühlschrank ein halber Apfel, so wäre die Wahrscheinlichkeit der Aussage weiterhin 0 %. Betrachtet man die Situation jedoch mit Fuzzy Logik, so ergäbe sich beim Vorfinden eines halben Apfels ein Wahrheitsgehalt der

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ursprünglichen Aussage von 50 %. Es handelt sich dabei um eine Teilwahrheit. Mit dem fuzzy-logischen Ansatz ist also die Beschreibung des tatsächlichen Zustandes möglich, während sich die Wahrscheinlichkeit auf die Zukunft oder auf eine Erwartung bezieht. Ein weiterer Unterscheidungspunkt zwischen Fuzzy Logik und Wahrscheinlichkeitstheorie ist, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit stets komplementär zur NichtEintrittswahrscheinlichkeit ist. Die Summe der beiden Alternativen muss immer eins ergeben. In der Fuzzy Logik ist diese Bedingung nicht gegeben. Wegen des sprachlich beschreibenden Charakters der Eingangsgrößen, der Rechenregeln und der Ausgabegrößen kann die Lösungsfindung darüber hinaus verständlich dargestellt werden. Heute finden fuzzy-logische Ansätze immer mehr Akzeptanz. Auf vielen Gebieten könnte durch den Einsatz von Fuzzy Logik der Tendenz der Verkomplizierung entgegengewirkt werden [13.15]. 13.2.2.2 Unscharfe Ansätze in der Fuzzy Logik Die klassische Mathematik ist Bestandteil der unscharfen Mathematik, und sie stellt im Prinzip eine Sonderform des üblichen unscharfen Falles dar. Scharfe Zustände werden durch exakt umrissene Grenzen definiert, während dies bei unscharfen Sachverhalten nicht möglich ist [13.15]. Als Beispiel für scharfe Werte sei die Zahl π genannt, wohingegen die Menge der „großen Menschen“ als Beispiel für eine „unscharfe Menge“ dienen soll, denn der Übergang ist fließend und lässt sich nicht exakt abgrenzen. Eine wichtige Grundlage der Fuzzy-Theorie ist die Definition, dass es Zwischenstufen bzw. Teilwahrheiten zwischen Grenzwerten geben kann. Diese Zwischenstufen können durch die sogenannte Zugehörigkeit quantitativ erfasst werden. Zugehörigkeitsgrad und Zugehörigkeitsfunktion Der Zugehörigkeitsgrad wird im Allgemeinen mit dem Buchstaben μ abgekürzt. Fuzzy-Sets, also unscharfe Mengen, werden durch die Zugehörigkeitsfunktion μA(x) begrenzt, welche den Zugehörigkeitsgrad μ einer Größe x zu einer FuzzyMenge A angibt [13.16]. Am Beispiel der Wassertemperatur einer Badewanne werden unterschiedliche Alternativen aufgezeigt [nach 13.15]: Die „Wohlfühltemperatur des Badewassers“ in einer Badewanne beträgt 35 °C. Nun lassen sich unterschiedlich scharfe und unscharfe Zustände der Wunschtemperatur des Badewassers linguistisch beschreiben, die beispielsweise die Grundlage für die Regelung der Zulauftemperatur aus dem Wasserhahn bilden könnte (s. Abb. 13.9). Der Vergleich der jeweiligen Zugehörigkeitsgrade μ bei einer vorhandenen Badewassertemperatur von 32 °C macht die Unterschiede gemäß Abb. 13.9 deutlich: a) Singleton (Zweiwertige Logik): „Die Wassertemperatur soll exakt 35 °C betragen“ μ = 0,00 b) Crisp-Set (Zweiwertige Logik): „Die Wassertemperatur soll zwischen 30 °C und 40 °C betragen“ μ = 1,00 c) Fuzzy-Set dreiecksförmig: „Die Wassertemperatur soll ca. 35 °C betragen“ μ = 0,40

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d) Fuzzy-Set trapezförmig: „Die Wassertemperatur soll ungefähr zwischen 33 °C und 37 °C betragen“ μ = 0,67 e) Fuzzy-Set nach Gauß-Verteilung: „Die Wassertemperatur soll ca. 35 °C betragen“ μ = 0,32 f) Fuzzy-Set individuell: „Die Wassertemperatur soll ca. 35 °C betragen, eher etwas mehr“ μ = 0,20 Dieses Beispiel veranschaulicht, dass Zugehörigkeitsfunktionen menschliches Empfinden und individuelle Denkweisen repräsentieren kann. m [-] 1,0

a

b

0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 20 m [-] 1,0

25

30 32 35 40 45 Wassertemperatur [°C]

20

c

25

30 32 35 40 45 Wassertemperatur [°C]

25

30 32 35 40 45 Wassertemperatur [°C]

25

30 32 35 40 45 Wassertemperatur [°C]

d

0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 20 25 m [-] e 1,0

30 32 35 40 45 Wassertemperatur [°C]

20 f

0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 20

Abb. 13.9:

25

30 32 35 40 45 Wassertemperatur [°C]

20

Typische Zugehörigkeitsfunktionen μA(x) am Beispiel der Badewassertemperatur

Linguistische Variablen Linguistische Variablen ermöglichen es, auch komplexe Sachverhalte, die durch sprachliche Ausdrücke von Experten beschrieben werden können, in Berechnungen einzubeziehen. Eine linguistische Variable kann durch mehrere Modifikatoren charakterisiert sein. Diese Modifikatoren lassen sich durch Fuzzy-Sets ausdrücken. Ein Beispiel für den Aufbau einer linguistischen Variablen enthält Tabelle 13.1.

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Tabelle 13.1: Beispiel für den Aufbau einer linguistischen Variablen Linguistische Variable Primärterm Antonym

Hauptterme Modifikatoren

„Temperatur“ warm kalt sehr, ziemlich, etwas, kaum, nicht, ...

Dabei kommen häufig dreiecksförmige, sich überlappende Fuzzy-Sets zur Anwendung. Die Überlappung ermöglicht die gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren Bereichen, wodurch oft vorteilhafte, unscharfe Abgrenzungen möglich sind. Außerdem spiegelt dieser Verlauf meist gut das intuitive Empfinden wider, und die symmetrische Form erleichtert die numerische Behandlung (s. Abb. 13.10). m [-] 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0

sehr kalt kalt

etwas ziemlich ziemlich etwas kalt normal warm warm warm kalt

sehr warm

Temperatur [°C]

0

Abb. 13.10: Grafische Darstellung einer linguistischen Variablen mit Modifikatoren

Fuzzy-Control-Schema Fuzzy-Control verwendet die Kenntnisse der Fuzzy Logik zur Regelung und Steuerung von komplexen Problemen. Das prinzipielle Schema der Fuzzy-Control ist in Abb. 13.11 dargestellt. Scharfe Eingangsgrößen werden zunächst fuzzifiziert und anschließend in der Inferenzmaschine mit dem Regelwerk gekoppelt. Nach der Defuzzifizierung der Ergebnisse erhält man wiederum eine scharfe Ausgangsgröße, die z. B. als Stellgröße zur Regelung herangezogen werden kann. Regelwerk WENN - DANN

Fuzzifizierung scharfe Eingangsgröße

Defuzzifizierung Inferenzmaschine S

scharfe Ausgangsgröße

Abb. 13.11: Prinzip des Fuzzy-Control-Schemas

Fuzzifizierung Unter Fuzzifizierung („Unscharfmachen“) versteht man die Zuweisung von Zugehörigkeitsfunktionen und linguistischen Variablen an die Eingangsgrößen eines Regelungssystems oder eines Modells. Am obigen Beispiel der Badewassertemperatur soll die Vorgehensweise dargestellt werden. In einem ersten Schritt müssen die einzelnen unscharfen Mengen festgelegt werden (hier: kalt, kühl, warm, heiß). Danach wird der Verlauf der Zugehörigkeitsfunktionen, d. h. der Fuzzy-Sets, von sachkundigem Personal bzw. von

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Experten anhand von Erfahrungen oder Messungen aufgestellt und gegebenenfalls sinnvoll modifiziert (s. Abb. 13.12). Ebenso müssen auch für die Ausgangsgrößen (hier: die Regelung der Zulauftemperatur des Wassers aus dem Wasserhahn) Zugehörigkeitsfunktionen definiert werden. Der letzte Arbeitsschritt im Rahmen der Fuzzifizierung ist die Bestimmung der Zugehörigkeitsgrade der scharfen Eingangsgrößen. Diese können, wie in Abb. 13.9 dargestellt, abgelesen oder auch berechnet werden, falls die mathematische Formulierung der Zugehörigkeitsfunktionen bekannt ist. m [-] 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0

kalt

15

kühl

20

25

warm

30

heiß

35 40 Wassertemperatur [°C]

Abb. 13.12: Zugehörigkeitsfunktionen der Badewassertemperatur

Regelwerk Dem Regelwerk kommt innerhalb der Fuzzy-Control eine entscheidende Bedeutung zu, und es muss daher sorgfältig aufgestellt werden. In das Regelwerk fließen Erfahrungen und Expertenwissen ein, wobei der Aufbau sehr einfach strukturiert ist: - WENN UND/ODER/GAMMA UND/ODER/GAMMA ... DANN Bestandteile dieser Regeln sind Argumente in Form von unscharfen Fuzzy-Mengen, die unterschiedlich miteinander in Beziehung stehen können und schließlich eine Folgerung bilden, die dann ebenso unscharf vorliegt. Ein einfaches Regelwerk könnte beispielsweise für die Badewassertemperatur folgendermaßen aussehen: - WENN ODER DANN - WENN DANN - WENN DANN Wichtig bei der Aufstellung des Regelwerks ist, dass alle möglichen Zustände erfasst werden. Hilfreich ist dabei eine übersichtliche, tabellarische Darstellung des Regelwerks, die dann in einfacher Weise numerisch weiterverarbeitet werden kann.

496

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Inferenzmaschine Das Regelwerk wird anschließend in der sogenannten Inferenzmaschine (inference (engl.) = Folgerung, Schlussfolgerung) auf die Zugehörigkeitsgrade der Eingangswerte, welche im Rahmen der Fuzzifizierung ermittelt wurden, angewendet. Die hiefür notwendigen Verknüpfungen UND/ODER/GAMMA müssen rechnerisch verarbeitet werden können. Dazu sind Operatoren auszuwählen, welche die zu untersuchende bzw. die zu regelnde Problemstellung am besten widerspiegeln. Für jede Verknüpfung existieren mehrere Ansätze, die je nach Sachverhalt die Verknüpfung mehr oder weniger gut repräsentieren (s. z. B. [13.15]/[13.17]/ [13.18]/[13.19]). Nachfolgend sollen exemplarisch einige mögliche Operatoren vorgestellt werden. Für die UND-Verknüpfung und die ODER-Verknüpfung werden häufig folgende Operatoren verwendet: - UND-Operator: - Minimum-Operator (s. Abb. 13.13a): μC ( x ) = min ( μ A ( x ) ,μ B ( x ) ) [-]

-

(13.1)

Algebraisches Produkt: μC ( x ) = μ A ( x ) ⋅ μ B ( x ) [-]

-

(13.2)

Beschränktes Produkt: μC ( x ) = max ( 0,μ A ( x ) + μ B ( x ) − 1) [-]

-

(13.3)

ODER-Operator: - Maximum-Operator (s. Abb. 13.13b): μC ( x ) = max ( μ A ( x ) ,μ B ( x ) ) [-]

-

(13.4)

Algebraische Summe: μC ( x ) = μ A ( x ) + μ B ( x ) − μ A ( x ) ⋅ μ B ( x ) [-]

-

(13.5)

Beschränkte Summe:

μC ( x ) = min ( 1,μ A ( x ) + μ B ( x ) ) [-] μi

Zugehörigkeitsgrad

(13.6) [-]

Der Minimum-Operator entspricht dabei der Definition der Schnittmenge in der klassischen Mengenlehre, der Maximum-Operator stellt entsprechend die Vereinigungsmenge dar (s. Abb. 13.13).

13 Krafthaus

m [-] 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0

a

μB(x)

μA(x)

μC(x) x

0

m [-] 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0

b

497

μB(x)

μA(x)

μC(x) x

0

Abb. 13.13: Grafische Darstellung des a) Minimum- und b) Maximum-Operators

Oft jedoch sind diese einfachen Verknüpfungen nicht ausreichend, um spezielle Zusammenhänge zu repräsentieren, so dass Zwischenformen gefunden werden müssen. In der Fuzzy Logik werden hierfür sogenannte kompensatorische Operatoren verwendet. Die geringe Zugehörigkeit zu einer Menge kann dabei durch die stärkere Zugehörigkeit zu einer anderen Menge kompensiert werden. So wird beispielsweise ein Personalchef auf der Suche nach einem „jungen und kompetenten“ Mitarbeiter ein einige Jahre über der ursprünglichen Vorstellung liegendes Alter akzeptieren, wenn der Bewerber ein besonders herausragendes Fachwissen aufweist. Zwei wichtige kompensatorische Operatoren sind der LAMDA- und der GAMMA-Operator: - LAMDA-Operator: μ AλB = λ ⋅ ( μ A ⋅μ B ) + ( 1 − λ ) ⋅ ( μ A + μ B − μ A ⋅ μ B ) [-], mit λ ∈ [0;1]

-

Mit λ = 0 erhält man den ODER-Operator (algebraische Summe), mit λ = 1 den UND-Operator (algebraisches Produkt). Es ist also möglich, beliebige Zwischenstufen zwischen diesen beiden Verknüpfungen zu wählen und an die problemspezifischen Anforderungen anzupassen. GAMMA-Operator: ⋅ (1 − (1 − μ A ) ⋅ (1 − μ B ) )

μ AγB = ( μ A ⋅μ B )

1−γ

-

(13.7)

γ

[-], mit γ ∈ [0;1]

(13.8)

γ = 1 führt zu dem reinen ODER-Operator (algebraische Summe), und γ = 0 ergibt den reinen UND-Operator (algebraisches Produkt). Der GAMMAOperator kann zusätzlich mit Gewichten versehen werden, um eine bestimmte Menge zu bevorzugen. Im genannten Beispiel könnte die fachliche Kompetenz ein höheres Alter eher kompensieren, als ein niedriges Alter fehlendes Fachwissen auszugleichen vermag. GAMMA-Operator (gewichtet):

(

μ AγB = μ AδA ⋅ μ B δB λ/γ/δ

)

Operatoren

1−γ

(

⋅ 1 − (1 − μ A ) ⋅ (1 − μ B ) δA

δB

)

γ

[-]

(13.9)

mit δA,B > 0; δA + δB = 1 [-]

Bei der Auswahl der Operatoren spielt die praktische Erfahrung und die Intuition des Betrachters ebenso eine Rolle, wie beispielsweise die Rechnerkapazitäten. Die Ergebnisse geben letztendlich Aufschluss darüber, ob die Wahl des Operators der Anforderung entspricht, oder ob er ausgetauscht bzw. modifiziert werden muss.

498

13 Krafthaus

Für die Berechnung der Zugehörigkeitsgrade der Ergebnismengen stehen unterschiedliche Inferenzmethoden zur Verfügung. Exemplarisch seien hier die Maximum-Minimum-Methode und die MaximumProdukt-Methode genannt, die anhand des Badewasser-Beispieles erläutert werden sollen. Für die erforderliche Zulauftemperatur des Wassers aus dem Wasserhahn wurden folgende Zugehörigkeitsgrade ermittelt: μkalt = 0, μkühl = 0,5; μwarm = 0,7 und μheiß = 1,0. Bei der Maximum-Minimum-Methode (s. Abb. 13.14a) werden die Zugehörigkeitsfunktionen in Höhe des zugeordneten Zugehörigkeitsgrades abgeschnitten und die jeweiligen Einzelflächen zu einer Gesamtfläche zusammengefasst. Bei der Maximum-Produkt-Methode (s. Abb. 13.14b) werden die Zugehörigkeitsfunktionen mit dem zugeordneten Zugehörigkeitsgrad multipliziert und die jeweiligen Einzelflächen ebenfalls zu einer Gesamtfläche vereinigt. m [-] 1,0 0,8

kalt

kühl

warm

heiß

m2

0,6 0,4

a

kühl

warm

heiß

0,4 A2

A1 20

kalt

0,6 S

m1

0,2 0,0

m [-] 1,0 0,8

30

50 60 37 40 Wassertemperatur [°C]

0,2 0,0

b

20

30

40 50 60 Wassertemperatur [°C]

Abb. 13.14: Grafische Darstellung der a) Maximum-Minimum- und b) Maximum-ProduktMethode

Defuzzifizierung Unter Defuzzifizierung versteht man gemäß Abb. 13.11 die Umwandlung der aus der Inferenzmaschine resultierenden Ergebnismengen in konkrete Zahlenwerte bzw. Steuerungs- oder Regelungsanweisungen. Auch hier sind vielfältige Methoden möglich, von denen drei kurz vorgestellt werden sollen: - Maximum-Mittelwert- bzw. MOM-Methode (mean of maximum): In diesem Fall wird derjenige Abszissenwert als scharfer Ausgangswert herangezogen, der sich in der Mitte des maximalen Zugehörigkeitswertes der Ergebnisflächen befindet. Im Beispiel in Abb. 13.14a ist der maximale Zugehörigkeitswert μ2 = 0,7. Die Mitte der zugeordneten Ergebnisfläche A2 befindet sich bei einem Abszissenwert von 40 °C. Eine Änderung der Ergebnisfläche A1 wirkt sich bei dieser Methode nicht auf die scharfe Ausgangsgröße aus. - Schwerpunkt- bzw. COG-Methode (center of gravity): Hierbei wird als scharfer Endwert der Abszissenwert M (Kges) des Schwerpunktes der Ergebnisfläche verwendet: M ( K ges ) =

³ x ⋅μ ( x ) dx ³ μ ( x ) dx K

[-]

(13.10)

K

M (Kges) Schwerpunktwert der Ergebnisfläche

[-]

13 Krafthaus

-

499

Im obigen Beispiel lässt sich für die COG-Methode anhand der Ergebnisfläche der Maximum-Minimum-Methode (s. Abb. 13.14a) eine Temperatur des einzustellenden zulaufenden Wassers von 37 °C bestimmen. Die Überlappung der Einzelflächen wird bei dieser Methode nicht mit berücksichtigt. Die analytische Berechnung des Flächenschwerpunktes kann je nach Einzelflächen sehr komplex sein und wird in der Regel über eine numerische Integration bestimmt, wodurch der Rechenaufwand entsprechend hoch wird. Für die meisten Echtzeitaufgaben ist die COGMethode daher nicht geeignet. Maximum-Schwerpunkt- bzw. HM- bzw. COM-Methode (height method bzw. center of maximum): Bei dieser Variante wird der Ansatz verwendet, dass jede Teilergebnisfläche abhängig von dem Zugehörigkeitsgrad μi ist, der auch als Höhe der einzelnen Fläche dargestellt werden kann. Der Zugehörigkeitsgrad μi dient in der Folge als Gewichtung des Abszissenwertes Xi, der jeweils im Schwerpunkt der Einzelfläche Ai liegt (s. Abb. 13.14a). Dadurch wird eine aufwendige Integration vermieden, wie sie beispielsweise bei der COG-Methode erforderlich ist: X =

¦ ( X ⋅ μ ) = 30 ⋅ 0,5 + 40 ⋅ 0,7 = 35,8 °C 0,5 + 0,7 ¦μ i

i

[-]

(13.11)

i

Xi

Abszissenwert der Einzel- bzw. Ergebnisfläche

[-]

Diese Methoden lassen sich hinsichtlich der Stetigkeit und des Rechenaufwandes gemäß Tabelle 13.2 klassifizieren. Unter Stetigkeit einer Defuzzifizierungsmethode versteht man, dass kleine Änderungen einer beliebigen Eingangsgröße nie einen Sprung in der Ausgangsgröße hervorrufen dürfen. Dies ist insbesondere bei der Steuerung und Regelung von technischen Prozessen wichtig. Unter den vorgestellten Methoden kann die MOM-Methode dieses Kriterium nicht erfüllen, deren geringer Rechenaufwand jedoch häufig von Vorteil ist. Tabelle 13.2: Klassifizierung der Defuzzifizierungsmethode [nach 13.20] Defuzzifizierungsmethode Stetigkeit Rechenaufwand

COG ja sehr hoch

HM bzw. COM ja niedrig

MOM nein sehr niedrig

500

13 Krafthaus

13.3

Betrieb und Unterhalt von Wasserkraftanlagen

13.3.1

Betriebs-, Anlagen- und Arbeitssicherheit bei Wasserkraftanlagen

Unter einem sicheren Betrieb einer Wasserkraftanlage werden heute eine Vielzahl von sich überlappenden Wirkungsbereichen verstanden, die unterschiedlich eingeteilt werden können. Zum einen bietet sich die Aufteilung nach den Betroffenen an: - dem Betreiber und seinem Personal, - den temporär im Bereich der Anlage anwesenden Personen, wie beispielsweise Fremdfirmen oder - Dritten einschließlich der angrenzenden Umgebung, z. B. Anwohnern oder die angrenzende Flora und Fauna (s. a. Kapitel 18). Zum anderen kann eine Einteilung nach den Betriebszuständen vom Regelbetrieb über Revisionszustände bis hin zu Störungen erfolgen. In der Kombination dieser Einteilungen und unter Berücksichtigung weiterer Aspekte ergeben sich damit vor allem drei Bereiche mit jeweils fließenden Übergängen, wie dies auch aus der nachfolgenden Darstellung ersichtlich werden wird: - Betriebssicherheit, die einen kontinuierlichen Betrieb aller Komponenten mit dem Ziel der maximal möglichen Energieerzeugung fordert; - Anlagensicherheit, durch die einerseits die Gefährdung und Störung des die Wasserkraftanlage umgebenden Umfeldes minimiert (s. a. Kapitel 18.6.2) und andererseits die Anlage vor Schäden durch Dritte (Einbruch, Vandalismus etc.) geschützt werden soll; - Arbeitssicherheit, im Rahmen derer durch organisatorische und gestalterische Vorgaben der Schutz der körperlichen und geistigen Unversehrtheit der im Bereich der Anlage tätigen Personen sichergestellt werden soll. 13.3.1.1 Betriebssicherheit Im Hinblick auf die Betriebssicherheit kommt neben der technischen Ausstattung einem gut geschulten, erfahrenen Personal die entscheidende Rolle zu. Trotz der möglichen, fast vollständigen Automatisierung einer Wasserkraftanlage bleibt dieses unverzichtbar, da gerade bei außergewöhnlichen Betriebszuständen, wie z. B. Störungen, die Grenzen der technischen Einrichtungen und darunter insbesondere der Leit- und Regelungstechnik erreicht werden können und der direkte Eingriff des Personals unabdingbar ist. Auch ersetzen die zahlreichen Messwertaufnehmer eine regelmäßige Überprüfung vor Ort keinesfalls, da erfahrenes Personal Gefahrensituationen oftmals in einem früheren Stadium erkennen kann, als dies einem Prozessrechner mit seinem stets begrenzten Wissen möglich ist. Um derartigen außergewöhnlichen, jedoch nie gänzlich auszuschließenden Betriebszuständen entgegenzuwirken, sollte einerseits der technische Zustand der Anlagen auf einem auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglichst optimalen Niveau gehalten werden. Andererseits sind durch technische und organisatorische Vorkehrungen, die gleichzeitig auch die Bereiche der Anlagen- und Arbeitssicherheit betreffen, der Umfang und die Auswirkungen derartiger Zustände einzugrenzen sowie deren Handhabung zu erleichtern.

13 Krafthaus

501

Zu den technischen Vorkehrungen gehören vor allem: - Notstrom- bzw. Eigenversorgung (s. Abschnitt 16.6.3); - Brandmelde- und Feuerlöschsysteme einschließlich ggf. Entrauchung; - Blitz- und Überspannungsschutzeinrichtungen mit Erdungssystemen (s. a. Kapitel 16.3.5); - Einrichtungen zur Druckstoß- und Wasserstandsregelung; - Öl- und Leckagemelder. Durch organisatorische Vorgaben schließlich werden dem Betriebspersonal, aber auch externen Einsatzkräften genaue Vorgaben für deren Verhalten bei außergewöhnlichen Betriebsfällen, z. B. Brandfall, Ölalarm, Hochwasser etc., in Form von schriftlichen Einsatzplänen an die Hand gegeben, deren praktische Anwendung möglichst im Rahmen von (regelmäßigen) Übungen erprobt wird. 13.3.1.2 Allgemeine Anlagen- und Arbeitssicherheitsanforderungen Im Bereich von Wasserkraftanlagen, bei denen es sich in arbeitsrechtlicher Hinsicht im Grunde um Industrie- bzw. Gewerbebetriebe handelt, sind eine Vielzahl von Bestimmungen, Bauordnungen und technischen Richtlinien zu einzelnen Einrichtungen und Arbeiten bis hin zu Unfallverhütungsvorschriften gültig (s. a. Abschnitt 3.4). Die daraus resultierenden Anforderungen sind neben den nachfolgend detaillierter erläuterten insbesondere: - bauliche Vorkehrungen: Durchgangshöhen, Abdeckungen, Fluchtwege, Absturzsicherungen, Verkleidungen etc.; - Kennzeichnung von Fluchtwegen, gefährdenden Stoffen, Gefahrenzonen etc.; - Vorhalten einschlägiger Ausrüstungen: Löschmittel, Erste-Hilfe-Ausrüstung, Rettungsringe, Schwimmwesten etc.; - Ausbildung und permanente Schulung des Personals hinsichtlich v. a.: Erster Hilfe einschließlich Wasserrettung, Brandschutz, Einsatz von Sicherheitskleidung und -ausrüstung je nach Tätigkeit und Gefährdungsbereich, Arbeiten in gefährlichen Bereichen u. a. mit Leitern, Gerüsten, Hebewerkzeugen o. Ä. (Schächte, Maschinengehäuse, Rohrleitungen etc.), Arbeiten unter Spannung bzw. in sonst spannungsführenden Bereichen (Freischaltevorgänge, Erdungsmaßnahmen etc.), Umgang mit Maschinen und Arbeitstechniken unterschiedlicher Art (Motorsäge, Motorsense, Schweißgeräte, lösemittelhaltige Farben und Lacke etc.), gesundheitsfördernde Arbeitstechniken (Heben, Tragen etc.). Aber auch dem Schutz von Dritten vor Gefahren, die von der Wasserkraftanlage und deren Betrieb ausgehen, muss beginnend bei Pflichten bei öffentlichen Verkehrswegen im Betriebsbereich (Winterräumdienst etc.) über Vorkehrungen zum unbefugten Betreten (Zäune etc.) bis hin zu geeigneten präventiven Maßnahmen (Ausstiegshilfen an Kanälen, Vorhalten von Rettungsringen etc.) gebührend Rechnung getragen werden (s. a. Kapitel 18.6.2).

502

13 Krafthaus

13.3.1.3 Lärmemissionen Neben den Auswirkungen der Schwingungsvorgänge auf die Bauwerksgestaltung unter statischen Gesichtspunkten (s. Kapitel 13.1.1) darf heute der Aspekt der Lärmemissionen keinesfalls außer Acht gelassen werden, da einerseits eine stärkere Beeinträchtigung der Kraftwerksumgebung nicht hingenommen werden kann und andererseits der Betreiber für den Gesundheitsschutz seiner Mitarbeiter verantwortlich ist. Dabei versteht man unter Lärm einen Schallvorgang, der störend oder auf das Gehör schädigend wirkt. Bei diesem Schallvorgang handelt es sich um einen durch eine Schallwelle erzeugten Wechseldruck, der sich dem herrschenden atmosphärischen Druck überlagert und dementsprechend nur relativ zum Atmosphärendruck wahrgenommen werden kann. Diesen Druckunterschied erfasst man als logarithmisches Maß, den sogenannten Schalldruckpegel, der in Dezibel (dB) angegeben wird. Da das Schallempfinden durch das menschliche Gehör zusätzlich frequenzabhängig ist, wird der Schalldruckpegel auf der Basis von Frequenzbewertungskurven gewichtet und so einheitliche Werte für die Einschätzung der Lärmbelastung angegeben. Hierfür wird überwiegend die ABewertung mit der Einheit dB (A) verwendet. Aus den Rechenregeln für Logarithmen ergeben sich für die Pegelrechnung folgende einfache Zusammenhänge: - eine Verdopplung des Schalldruckes ergibt eine Erhöhung des Schalldruckpegels um 6 dB (A); - eine Erhöhung des Pegels um 10 dB (A) wird als doppelt so laut empfunden; - zwei gleichlaute Schallquellen sind im Gegensatz zu einer einzelnen um 3 dB (A) lauter; - drei gleichlaute Schallquellen sind im Gegensatz zu einer einzelnen um 5 dB (A) lauter. Für den Betrieb lärmerzeugender Anlagen sind die Immissionsrichtwerte (s. Tabelle 13.3) aus den jeweils relevanten Lärmschutzbestimmungen entscheidend, die am Immissionsort, also an dem Ort, an dem die Geräusche wahrgenommen werden, eingehalten werden müssen. In Mischgebieten können Zwischenwerte gebildet und darüber hinaus durch behördliche Lärmschutzanordnungen modifizierte Werte relevant werden. Tabelle 13.3: Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Deutschland Gebietstyp Industriegebiet Gewerbegebiete Kerngebiete, Dorf- und Mischgebiete allgemeine Wohn-, kleine Siedlungsgebiete reine Wohngebiete Kurgebiete, Krankenhäuser etc.

tags [dB (A)] 65 60 55 50 45

nachts [dB (A)] 70 50 45 40 35 35

Der individuelle Schallpegel in einem Krafthaus und in dessen Nachbarschaft ist naheliegenderweise vom Zusammenspiel und der Anzahl der Lärmerzeuger ab-

13 Krafthaus

503

hängig. In der Literatur findet man folgende, auf einer Vielzahl von Messungen basierende Innenschallpegelangaben bei Wasserkraftanlagen: - Gesamtpegel in Maschinenhäusern ohne Lärm mindernde Maßnahmen: ca. 100 dB (A); - Maschinensaal in Abhängigkeit von den Wandoberflächen und der Raumgröße: ca. 90 dB (A). - Turbinen unterschiedlicher Bauart: 95-105 dB (A); - Generatoren: bis zu 95 dB (A), wobei die erzeugte Schallleistung stark durch die Art der Kühlsysteme, vor allem bei Luftkühlung, beeinflusst wird; - Kavitation: temporärer Lärmpegelanstieg um 40 dB (A) möglich; Aus Gründen der Arbeitssicherheit sollte der Schalldruckpegel im Krafthaus möglichst unter der Schädigungsgrenze von ca. 85 dB (A) gehalten bzw. infolge des notwendigen Nachbarschutzes sollten die obengenannten Grenzwerte im Anlagenumfeld beachtet werden. Ist der jeweilige Wert nicht zu erreichen, so muss versucht werden, durch konstruktive Maßnahmen (Körperschallentkopplung durch elastische Maschinenlagerung, Einkapseln durch Gehäuse oder mit Hilfe von Dämmmaterialien, Einfügen von Trennwänden, Trennung bzw. Dämpfung von Rohrverbindungen etc.) die Lärmemissionen zu mindern. In Bereichen im Krafthaus, in denen dies nicht oder nur unzureichend möglich ist, ist das Tragen von Gehörschutz eventuell in Verbindung mit einer Aufenthaltsdauerbeschränkung entsprechend vorzuschreiben. 13.3.1.4 Schwingungen Analog zu den Lärmemissionen können die stets von Maschinen erzeugten Schwingungen je nach Frequenz und Dauer zu Belästigungen oder gar Schädigungen führen. Im Hinblick auf die Arbeitssicherheit unterscheidet man zwischen Ganzkörperund Hand-Arm-Schwingungen, die je nach Intensität und Dauer zu Erkrankungen führen können. Dementsprechend sind vorbeugende Maßnahmen durch technische und organisatorische Vorkehrungen zu ergreifen. Auch im Umfeld der Wasserkraftanlagen können Schwingungen negative Auswirkungen haben, wenn diese sich durch Bauwerke oder den Untergrund (Körperschall) fortpflanzen und im Extremfall zu Resonanzschwingungen führen. In derartigen Fällen sind dämpfende Maßnahmen analog derjenigen bei Lärmemissionen zu ergreifen (s. Kapitel 13.1.1). 13.3.1.5 Elektromagnetische Felder und elektrische Anlagen In der Umgebung nahezu aller elektrischer Geräte und Anlagen treten elektromagnetische Felder auf. In Wasserkraftanlagen sind weniger die statischen Felder, die beispielsweise von Permanentmagneten ausgehen, als vielmehr die niederfrequenten elektromagnetischen Felder im Bereich von Hochspannungsanlagen (Energieableitung von Generatoren, Transformatoren, Freileitungen etc.) als gesundheitsgefährdende Anlageneinflüsse zu beachten. Aus Gründen der Arbeitssicherheit sollte daher die Aufenthaltsdauer in diesen Bereichen so gering wie möglich entsprechend den einschlägigen Vorschriften gehalten und Arbeiten nach Möglichkeit nur bei abgeschalteten Anlagen vorgenommen werden.

504

13 Krafthaus

Auch bei Arbeiten an elektrischen Anlagen sollten diese entsprechend den geltenden Regeln nach Möglichkeit in spannungsfreiem Zustand vorgenommen werden. Ist dies nicht machbar, so darf nur hinreichend ausgebildetes Fachpersonal die Arbeiten unter Spannung bzw. in der Nähe unter Spannung stehender Teile vornehmen. Des Weiteren ist im Rahmen der vorbeugenden Sicherheitsmaßnahmen ein umfangreiches Erdungssystem zum Blitz- und Überspannungsschutz vor allem im Krafthaus, aber auch an Wehranlagen etc. vorzusehen, an die alle aus leitendem Stahl gefertigten Bauelemente von Maschinen über Schaltschränke bis hin zu Handläufen und Kabelpritschen angeschlossen sein sollten. Bei Störfällen und insbesondere bei der Brandbekämpfung im Bereich elektrischer Anlagen ist auf den Einsatz entsprechend geeigneter Löschmittel (CO2, Löschpulver etc.) sowie ausreichende Sicherheitsabstände zu achten. Darüber hinaus besteht in derartigen Fällen eine besondere Gefährdung durch beschädigte, frei herumliegende Hochspannungsleitungen, so dass dem Spannungsfreischalten oder Erden durch Fachpersonal eine wichtige Bedeutung zukommt. 13.3.1.6 Gewässerschutz und Gefahrgüter Beim Betrieb und Unterhalt von Wasserkraftanlagen kommen verschiedenartige Roh- oder Hilfsstoffe zum Einsatz, bei denen es sich vor allem um unterschiedliche Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten handelt. Aber auch Kühl- und Lösungsmittel, Batterieflüssigkeiten etc. können je nach Anlagenalter und eingesetzten Komponenten angetroffen werden. Da sich Wasserkraftanlagen stets an einem Gewässer befinden, ist dem Umgang mit derartigen wassergefährdenden Stoffen ein besonderes Augenmerk zu schenken und möglichen Gefährdungen beim Umgang mit diesen Stoffen vom Lagern und Transportieren über Verwenden bis hin zum Entsorgen durch technische und organisatorische Maßnahmen vorzubeugen. Hierzu zählen insbesondere folgende Aspekte (s. a. Kapitel 3.4 bzw. 14.3.3): - Drainagewasser: Im Idealfall sollten sämtliches anfallendes Drainagewasser sowie die Restentleerungen von Einlaufspiralen, Turbinenkammern und Saugrohren über ein System gesammelt und abgeführt werden (s. a. Kapitel 13.1.1). Da jedoch die Dimensionierung der in diesen Systemen notwendigen Ölabscheidern mit Ölwarnmeldern häufig Probleme bereitet, ist zumindest das Drainagewasser komplett zu erfassen und zu reinigen. Kann eine ausreichende Reinigung sichergestellt werden, kann das Wasser in den Vorfluter abgegeben werden. Andernfalls ist es über die öffentliche Kanalisation zu entsorgen. - Schmiermittel und Hydraulikflüssigkeiten: Neben den technischen vorbeugenden Maßnahmen in Form von beispielsweise geschlossenen Kreisläufen, Auffangbehältern und Leckagemeldern kann darüber hinaus versucht werden, umweltverträgliche Flüssigkeiten einzusetzen. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass diese Flüssigkeiten - und darunter insbesondere natürliche Öle und Ester, zum Teil auch als biologisch abbaubare Schmiermittel bezeichnet - die notwendige Schmiereigenschaft sowie Alterungs- und Dauerbeständigkeit auch bei höheren Temperaturen und Wassereintrag aufweisen, um die Anlagenkomponenten nicht zu be-

13 Krafthaus

-

-

505

schädigen. Hierbei sind dann entsprechende Vorkehrungen (Filter, Wasserabscheider etc.) vorzusehen, oder es muss gar auf deren Einsatz verzichtet werden (s. a. Kapitel 14.3.3). Kühlmittel: Vielfach wurden in Kühlkreisläufen von elektrischen Anlagenkomponenten, wie z. B. Transformatoren, PCB-haltige Stoffe als Brandschutzmittel dem Öl zugesetzt, deren Austausch und gesicherte Entsorgung heute ratsam ist, um Gefährdungen des Personals oder Gewässerverunreinigungen im Leckagefall vorzubeugen. Isolierungs- und Korrosionsschutzmaterialien: In früheren Jahren war es üblich, zur Isolierung von elektrischen und maschinellen Anlagenteilen sowie des Bauwerkes selbst Asbest- und Polychlorin-Biphenyl-Materialien (PCB) einzusetzen (s. a. Kapitel 8.1.1). Nach heutigen Erkenntnissen ist dagegen anzustreben, diese Materialien infolge ihrer gesundheitsschädlichen Auswirkungen insbesondere bei Beschädigungen durch Abrieb, Brand etc. im Rahmen von Renovierungsmaßnahmen zu entfernen, wobei dann allerdings besondere Schutzmaßnahmen für Personal und Umwelt zu treffen sind.

13.3.2

Instandhaltung und Erneuerung von Wasserkraftanlagen

Aufgrund der hohen Sicherheits- und Zuverlässigkeitsansprüche an Energieerzeugungsanlagen muss der Gewährleistung eines kontinuierlichen Betriebes bei gleichzeitigem Erhalt der Leistungsfähigkeit der Anlage eine besondere Beachtung geschenkt werden (s. Kapitel 3.1.2 mit Abb. 3.2). Es ist daher von großer Bedeutung, dass alle Elemente einer Wasserkraftanlage regelmäßig einer strengen, systematischen und optimalen Instandhaltung unterzogen werden, um damit die Verfügbarkeit der Anlage unabhängig äußerer Einflüsse hoch und die Instandhaltungskosten so gering wie möglich zu halten [13.21]. Ziel dieser regelmäßig auf der Basis entsprechender Pläne vorgenommenen Maßnahmen zur Minimierung möglicher Risiken ist, den Erhalt aller Anlagenteile zu gewährleisten, Ausfällen vorzubeugen oder im Schadensfalle diesen rasch zu beheben [13.22]/[13.23], wobei man unterscheidet zwischen: - der zustands- und risikoorientierten Instandhaltung, bei der der jeweilige Zustand der Bauteile regelmäßig erfasst und zum bestmöglichen, aufgrund von Erfahrungswerten unter Einsatz von Expertensystemen ermittelten Zeitpunkt eine Maßnahme eingeleitet wird, um Eingriffe bei Verschleiß-, Ermüdungs- oder sonstigen Erscheinungen vornehmen zu können: - Überwachung aller relevanten Betriebsgrößen, wie beispielsweise Temperaturen, Schwingungen, Lagerspiele, Drücke und Durchflüsse in Maschinen und Hilfsaggregaten etc., - Störungsaufzeichnung und deren Analyse;

506

-

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der vorbeugenden Instandhaltung, die prophylaktisch zur Kosten- und Bauteillebensdaueroptimierung erfolgt (Revision): - Überprüfen der Sicherheitseinrichtungen (elektrische Schutzschalter, Temperaturfühler, Druckmessgeber, Leckage- und Drainagesysteme, Erdungssysteme, Brandschutz etc.), - Reinigen von Anlagenkomponenten, Austausch von Filtern etc., - Schmierprogramme, - Nachjustierungen und Regulierungen, - Vermessen und Austausch von Verschleißteilen, - Kontrolle und Erneuerung des Korrosionsschutzes (Farbbeschichtung, Korrosionsschutzanlagenwartung (s. a. Kapitel 8.1.1) etc.) aller Komponenten aus nicht korrosionsbeständigen Metallen, wie z. B. der Turbinen, Verschlussorgane, Rohrleitungen, - Kontrolle von elektrischen Kontakten, Schaltern, Erregereinrichtungen etc., - allgemeine Kontrolle, - Verbesserungs- und Optimierungsmaßnahmen etc.;

ereignisorientierter Instandhaltung, die nach aufgetretenen Funktionsstörungen bzw. Schadensereignissen vorgenommen wird. - Pannenbeseitigung, - Reparatur. In Anbetracht des komplexen Zusammenwirkens aller Anlagenteile ist die Wahl einer einzigen Methode nicht zielführend. Daher sollte in allen Anlagen die ereignisorientierte sowie die vorbeugende Instandhaltung angewandt werden. Die aufwendigere, einen höheren Mess- und Geräteaufwand fordernde zustands- und risikoorientierte Instandhaltung kommt hingegen nur bei Neuanlagen sowie bei größeren Anlagen zum Einsatz, bei denen es die Wirtschaftlichkeit erlaubt. Mittlerweile bieten auch zahlreiche Turbinenhersteller die Möglichkeit der Ferndiagnose durch den Hersteller selbst an, indem über entsprechende Schnittstellen auf das lokale Steuerungs- und Leitsystem zugegriffen und unter Umständen vor allem Probleme in der rechnergestützten Steuerung behoben werden können. Bei allen Instandhaltungsmaßnahmen kommt der detaillierten Dokumentation derselben im Zusammenhang mit einer Archivierung aller wesentlichen Mess- und Betriebsdaten eine wichtige Rolle zu, da damit zum einen die Nachvollziehbarkeit für eine eventuell notwendige Schadenserforschung gegeben wird. Zum zweiten können darüber hinaus sowohl die Instandhaltungsintervalle als auch die vorzunehmenden Maßnahmen aufgrund vorliegender Erfahrungswerte hinsichtlich Trends bei Verschleiß, Alterung o. Ä. optimiert werden, wobei hierzu heute besonders bei größeren Anlagen automatische Diagnose-Systeme (Condition Monitoring and Diagnosis Systems, CMD-Systeme) zur frühzeitigen Erkennung von sich abzeichnenden Schäden eingesetzt werden. Schließlich müssen stets alle wesentlichen Konstruktionspläne und Dokumentationen in der Anlage selbst zur Verfügung stehen.

-

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507

Je nach Größe und energiewirtschaftlicher Bedeutung der Wasserkraftanlage muss für die Instandhaltung ein gewisser Materialbestand bevorratet werden. Hierunter fallen vor allem folgende Komponenten: - Verschleißteile (Gleitflächen, Bremsen, Ringe, Bolzen etc.); - Teile mit beanspruchungsabhängiger Lebensdauer (Lager, Dichtungen, Kontakte etc., aber unter Umständen auch ganze Laufräder); - Material zur systematischen Wartung bzw. Revision (Kleinmaterial wie Schrauben, Lagerbuchsen, Isolier- und Verbrauchsmaterial etc.); - Schmiermittel; - Teile mit langer, unsicherer Lieferzeit oder auslaufende, künftig nicht mehr gefertigte Produkte, wie beispielsweise elektronische Bauteile; - Sonderanfertigungen für die Anlage. Die jeweilige Menge der Einzelteile sollte aufgrund der Angaben des jeweiligen Herstellers sowie der Erfahrungen des Betreibers selbst ermittelt werden. Im Rahmen der Instandhaltung können auch über die leistungserhaltenden Erneuerungsmaßnahmen hinaus auch leistungssteigernde durchgeführt werden, indem beispielsweise neue Laufräder mit optimierter Geometrie eingesetzt oder eine neue Steuerungs- und Regelungstechnik eingebaut wird.

13.4

Literatur

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508

13 Krafthaus

[13.12] Kochs, H.-D. et al.: Einsatz wissensbasierter Techniken zur Teilautomatisierung des Schwellbetriebs von Laufwasserkraftwerken. In: Elektrizitätswirtschaft 94 (1995), Heft 11, Seite 633-638 [13.13] Zadeh, L. A.: Fuzzy Sets. In: Information and Control (1965), Vol. 8, S. 338-353 [13.14] McNeill, D.; Freiberger, P.: Fuzzy Logic. München: D. Knaur, 1994 [13.15] Traeger, D. H.: Einführung in die Fuzzy Logik. 2. Auflage. Stuttgart: Verlag B. G. Teubner, 1994 [13.16] Schneider, M.: Habitat- und Abflussmodellierung für Fließgewässer mit unscharfen Berechnungsansätzen. In: Mitteilungen des Institutes für Wasserbau der Universität Stuttgart (2001), Heft 108 [13.17] Friedrich, A.: Logik und Fuzzy Logik. Renningen: Expert-Verlag, 1997 [13.18] Biewer, B.: Fuzzy-Methoden. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 1997 [13.19] Bardossy, A.; Duckstein, L.: Fuzzy Rule-Based Modeling with Applications to Geophysical, Biological and Engineering Systems. New York, London, Tokio: CRC Press, 1995 [13.20] Lin, J.-C.: Überwachung von Wasserschlössern in Wasserkraftwerken mit Fuzzy-Control. In: Mitteilungen des Institutes für Strömungsmechanik und Hydraulische Strömungsmaschinen der Universität Stuttgart (2000), H. 19 [13.21] Heimerl, S.: Systematische Beurteilung von Wasserkraftprojekten. In: Mitteilungen des Institutes für Wasserbau der Uni. Stuttgart, 2002, Heft 112 [13.22] Comte, B.: Betrieb und Wartung von Wasserkraftwerken. Verbandszeitschrift des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes, Band 57, Baden, 1998 [13.23] Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e. V. (VDEW) (Hrsg.): Leitfaden für die Instandhaltung von maschinentechnischen Einrichtungen in Wasserkraftanlagen. In: VDEW-Materialien, Frankfurt, Nr. M-15/2000

509

14

Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

Unter hydraulischen Maschinen versteht man im Allgemeinen Maschinen, durch die dem durchströmenden Wasser über das Laufrad, Wasserrad o. Ä. Energie entzogen und diese über eine Welle sowie gegebenenfalls über ein Getriebe durch einen Generator in elektrische Energie umgewandelt wird. Auch die direkte Nutzung zum Antrieb von anderweitigen Maschinen oder Einrichtungen, wie dies beispielsweise in Mühlen oder Hammerwerken der Fall ist, zählt hierzu, sie ist heute jedoch bekanntermaßen seltener anzutreffen. Aber auch Pumpen bzw. Pumpenturbinen zählen zu den hydraulischen Maschinen, bei denen Energie zur Erhöhung der mechanischen Strömungsenergie eines Fluids oder Gases eingesetzt wird und die damit im Grunde das Gegenteil von Turbinen darstellen. Zu den Maschinen im engeren Sinne zählt man auch die das Laufrad umgebenden Konstruktionselemente, die für die Strömungsführung von besonderer Bedeutung sind. Hierzu zählen bei Überdruckturbinen das Spiralgehäuse, das Leitrad sowie das nach dem Laufrad angeordnete Saugrohr bzw. der Saugschlauch. Entsprechend werden für Messungen an den Maschinen - überwiegend Druck- und Geschwindigkeitsmessungen - der Anfangsquerschnitt der Einlaufspirale sowie der Austrittsquerschnitt des Saugrohres als Kontrollquerschnitte herangezogen [14.1]/[14.2]. In gleicher Weise werden bei Gleichdruckturbinen der direkte Zulauf, die Regulierorgane sowie das Gehäuse der Maschine zugeordnet. Die einschlägigen Messungen bedienen sich in diesem Fall einerseits des Zulaufquerschnittes direkt vor dem jeweiligen Regelorgan sowie andererseits nach dem Austrittsquerschnitt bzw. deren Mittelwerte bei mehreren Düsen auf der Austrittsseite (s. a. Kapitel 2.1.3). Bei der Vordimensionierung und der Auswahl der jeweiligen Maschinen ist es von besonderer Bedeutung, dass der Planer bzw. Anlagenbetreiber im eigenen Interesse die notwendigen grundlegenden Daten (Fallhöhe, Durchfluss bzw. Abflussdauerlinie, örtliche Lage, ggf. vorhandene Bauteile etc.) möglichst genau aufnimmt. Insbesondere bei der Angebotseinholung liegt die Verantwortung für diese Angaben alleinig beim Auftraggeber [14.1]. Der auftragnehmende Turbinenhersteller übernimmt die Garantie für die Anlage nur auf der Basis der vorgegebenen Werte; allerdings ist dieser gleichzeitig verpflichtet, auf offensichtliche Problembereiche und nicht plausible Werte hinzuweisen. In diesem Kapitel sollen nun die Grundlagen der hydraulischen Maschinen einschließlich deren Bauteile sowie der Pumpen und Pumpenturbinen beschrieben werden, während im nachfolgenden Kapitel 15 auf die unterschiedlichen Maschinentypen zur Energieerzeugung näher eingegangen werden wird. 14.1

Unterscheidungsmerkmale

Man unterscheidet hinsichtlich der Betriebsweise nach DIN 4320 [14.3] zwischen Gleichdruckturbinen (Pelton-Freistrahlturbine, Durchströmturbine etc.) und Überdruckturbinen (Propeller-, Kaplan-, Rohr-, Straflo-, Francis-Turbine etc.). Bei Gleichdruckturbinen wird das Laufrad der Turbine druckfrei - abgesehen vom Atmosphärendruck - umströmt; die infolge der Fallhöhe vorhandene Druck-

510

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

höhe wird am Laufradeintritt vollständig in Geschwindigkeitshöhe umgesetzt. Des Weiteren wird das Laufrad nicht vollständig vom zugeleiteten Wasser erfasst, sondern lediglich nur ein Teil; bei Pelton-Turbinen sind es im Allgemeinen nur einzelne Becher des Laufrades. Bei diesem Maschinentyp ist darauf zu achten, dass das Laufrad nicht im Unterwasser „watet“, also in das Wasser eintaucht. SH

a Abb. 14.1:

b

c

d

Hydraulischen Maschinen zur Energieerzeugung: Gleichdruckturbinen: a) Pelton-Turbine; b) Durchströmturbine; Überdruckturbinen: c) FrancisTurbine; d) Kaplan-Turbine [nach 14.3]

Überdruckturbinen hingegen werden vollständig von dem durchfließenden Wasser umströmt, an Stelle eines Frei- bzw. Überhanges über dem Unterwasser tauchen sie in dieses ein und erfahren dort einen Gegendruck; die Druckhöhe wird am Laufradeintritt nur teilweise in Geschwindigkeitshöhe umgesetzt. Bei diesen Turbinen kommt es zum Druckabfall innerhalb des Laufrades, welcher mit Hilfe eines sogenannten Saugrohres oder Saugschlauches zum großen Teil zurückgewonnen werden kann. 14.1.1

Bauweise hinsichtlich Wellenausrichtung und Wasserzuführung

Die Wellenlage wird meist horizontal oder vertikal eingerichtet. Bei Anlagen im Nieder- sowie Mitteldruckbereich wird die Welle im Falle von Rohrturbinen (Propeller-, Kaplan-Turbinen) oder Straflo-Turbinen zur Verbesserung der Anströmung vielfach leicht gegen die Horizontale geneigt (s. Abb. 14.2d). Die Wasserzuführung geschieht entweder durch Einlaufspiralen aus Beton oder mittels in Beton eingebetteter, geschweißter Stahlbetonkonstruktionen (s. Abb. 14.2b+c) oder direkt durch Zuleitung in einem Schacht (s. Abb. 14.2a) bzw. bei Freistrahlturbinen durch radial ausgerichtete Düsen.

a Abb. 14.2:

b

c

d

Einteilung nach der Wasserzuführung: a) Schachtturbine; b) Turbine mit Betonspirale; c) Spiralturbine; d) Rohrturbine [nach 14.3]

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

14.1.2

511

Einteilung nach der Regelungsart

Es bestehen folgende Möglichkeiten der Durchflussregelung bei Turbinen: - einfach geregelt: - Leitradregelung (Francis-Turbine, Propellerturbinen, Straflo-Turbinen); - Laufradregelung (kleine leitradlose Kaplan-Turbinen, Diagonalturbinen, diagonale Pumpturbinen); - Düsenregelung (Pelton-Turbine); - doppeltgeregelt: - Regelung der Leitrad- und Laufradschaufelstellung (Kaplan-Turbine oder Kaplan-Rohrturbine); - Düsen- und Strahlablenkerregelung (Pelton-Turbine). 14.1.3

Einteilung in Abhängigkeit des Durchflusses Q und der Fallhöhe hf

Aufgrund der Fallhöhe hf und des zur Verfügung stehenden Durchflusses Q ergeben sich für bestimmte Einsatzbereiche die einzelnen Turbinentypen, die aus Abb. 14.4 entnommen werden können. Einteilung in Abhängigkeit der spezifischen Drehzahl nq und der Fallhöhe hf

14.1.4

Ein weiteres Unterscheidungskriterium ergibt sich durch die unterschiedlichen Einsatzbereiche infolge der Fallhöhe hf und der spezifischen Drehzahl nq, einer Vergleichsgröße, die in Abb. 14.3 dargestellt ist und auf die im nachfolgenden Abschnitt 14.2.3 noch ausführlich eingegangen wird. 2000 1000 Pelton-Turbinen 1/2/4/6 Düsen

500 200

Francis-Turbinen

100 hf [m]

50 20 10 5 Durchströmturbinen Kaplan-Turbinen

2 0 1020 40

Abb. 14.3:

60 80 100

-1

nq [min ]

Kaplan-Rohrturbinen

Wasserräder

150

200

250

300

SH

350

400

450

Einsatzbereiche unterschiedlicher hydraulischen Maschinen zur Energieerzeugung in Abhängigkeit der Fallhöhe hf und der spezifischen Drehzahl nq

512

Abb. 14.4:

2000

Fallhöhe hf [m]

700 500

Le ist un g

Pelton-Turbinen

300

Francis-Turbinen

200 140 100

10

40

Diagonalturbinen

70 50

00

M

0M

W

W

Kaplan-Turbinen 30 20 14 10

10

Durchströmturbinen

7 5

0M

W

Rohr-Turbinen Wasserräder

3 2 1 0

SH

3

0,1

Durchfluss Q [m /s]

M

0,2 W

M

W

0,4

M

W

0,6

M

W

1M

W

2M

W

4M

W

6 M 10 M W W

SH

0,05

0,1

0,2

0,3

0,5

1

2

3

5

10

20

30

50

100

200 300

500

1000

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

Einsatzbereiche der unterschiedlichen hydraulischen Maschinen in Abhängigkeit der Fallhöhe hf und des Durchflusses Q [nach 14.4]

1400 1000

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

14.1.5

513

Langsam-, Mittel-, Schnelläufigkeit

Durch die spezifische Drehzahl nq wird des Weiteren noch eine Aussage hinsichtlich der Umdrehungsgeschwindigkeit und der Eigenschaften des jeweiligen Turbinentyps gemäß Tabelle 14.1 ermöglicht. Tabelle 14.1: Laufgruppen aufgrund der spezifischen Drehzahl nq

nq [min-1] 10-30 30-60 50-150 110-500

14.1.6

Bezeichnung Langsamläufer Normalläufer Schnellläufer Schnellstläufer

Eigenschaften kleine Drehzahl oder kleine Schluckfähigkeit mittlere Drehzahl oder mittlere Schluckfähigkeit große Drehzahl oder große Schluckfähigkeit größte Drehzahl oder größte Schluckfähigkeit

Einteilung nach dem Verwendungszweck und der Betriebsart

Aus den unterschiedlichen Anforderungen an Wasserkraftanlagen lassen sich folgende Betriebsarten ableiten: 1. Ausschließlicher Turbinenbetrieb zur Stromerzeugung; 2. Turbinenbetrieb zur Stromerzeugung und in Umkehrung Pumpenbetrieb bei Pumpspeicheranlagen mit getrennter Turbine und Pumpe; 3. Einsatz von kombinierten Pumpturbinen in einer einzigen Strömungsmaschine mit umkehrbarer Laufrichtung; 4. Einsatz einer Isogyre-Pumpturbine als nicht reversible Strömungsmaschine, also ohne Änderung der Umdrehungsrichtung bei Betriebsartenwechsel, in Pumpspeicherwerken. 14.2

Bemessungsgrundlagen

14.2.1

Turbinendrehmoment

In Turbinen interessiert in erster Linie das auf das Kontrollvolumen wirkende Drehmoment, welches das durchfließende Wasser in den rotierenden Kontrollräumen des Laufrades, also den Räumen zwischen den einzelnen Turbinenlaufradschaufeln und dem jeweiligen Ein- und Austrittsquerschnitt, über die Laufradschaufeln auf die Turbinenachse ausübt. Aus dem 1. Impulssatz und dem Drallsatz der Srömungslehre, erhält man unter Berücksichtigung des Newtonschen Grundgesetzes von „actio = reactio“ das Moment MT, welches das durchströmende Wasser auf die Turbinenachse ausübt, als Reaktion der von der festen Wandung, also den Laufradschaufeln, ausgehenden Reaktionskraft S auf das Kontrollvolumen (s. Abb. 14.5), wobei diese Gleichung auch als Eulersche Turbinengleichung bezeichnet wird: M T = − M S = ρ ⋅ Q ⋅ ( c2u ⋅ r2 − c3u ⋅ r3 ) [Nm]

(14.1)

514

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

mit den Absolutgeschwindigkeiten ci , die sich aus den relativen Flüssigkeits- bzw. Meridiangeschwindigkeiten wi im bewegten Kontrollraum und den Kontrollraumbzw. Umfangsgeschwindigkeiten ui zusammensetzen (s. Abb. 14.5): ci = wi + ui MT MS ci

[m/s]

(14.2)

Drehmoment auf die Turbinenachse infolge des Wassers Reaktionsmoment der Kontrollraumbegrenzungskraft S Vektor der Absolutgeschwindigkeiten

[Nm] [Nm] [m/s]

ciu cir tangentialer/radialer Absolutgeschwindigkeitsvektor

[m/s]

wi ui

Vektor der Wasser- bzw. Meridiangeschwindigkeiten

[m/s]

Vektor der Kontrollraum- bzw. Umfangsgeschwindigkeiten

[m/s]

u2 w2

2 c2

2 Laufradeintritt A2

u2

c2r

c2

Kontrollraum S

w3

r3 SH

c3

3 Laufradaustritt A3

3

u3

w3

r2

c3r c3

Achse Laufradschaufel

Abb. 14.5:

w2

c2u

u3

c3u

Grundlegende Definitionsskizzen für die Turbinendurchströmung

Die vom Laufrad abgegebene theoretische Leistung Ptheo ergibt sich dann zu: Ptheo = ω⋅ M T = Ptheo

ω n

2 ⋅ π ⋅ n ⋅ MT 60

[Nm/s = W]

theoretische Leistung des Laufrades Winkelgeschwindigkeit Drehzahl

(14.3) [Nm/s = W] [s-1] [min-1]

Im betrachteten ebenen Fall spielen Volumenkräfte keine Rolle. Momente, welche die Vektoren der Druckkräfte P2 und P3 auf die jeweiligen Kontrollquerschnitte A2 bzw. A3 sowie die radialen Anteile c2r und c3r der absoluten Ein- bzw. Austrittsgeschwindigkeiten beinhalten, verschwinden ebenfalls, da sie im rotationssymmetrischen Bezugssystem durch die Achse O keinen Hebelarm besitzen. Während die Einströmgeschwindigkeit c2 durch entsprechende Vorrichtungen (Düsen in Pelton-Turbinen, Leitschaufelkranz bei Francis-, Propeller- und KaplanTurbinen) erzwungen werden kann, ist die Ausströmgeschwindigkeit c3 und das daraus resultierende Turbinenmoment MT vom Betriebszustand der Anlage abhängig. Wie aus Abb. 14.5 ersichtlich, fallen bei stillstehender, aber durchflossener

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

515

Turbine die Relativ- und die Absolutgeschwindigkeit wi und ci zusammen. Die Strömungsumlenkung und folglich MT sind maximal. Bei lastfrei drehender Turbine haben sich c2 und c3 angeglichen, so dass keine Impulsmomentabgabe stattfindet, MT wird deshalb Null. Zur Optimierung der erzielbaren Leistung ist anzustreben, dass am Laufradeintritt die Relativgeschwindigkeit w2 tangential zu den Schaufelenden verläuft, so dass kein Stoßverlust auftritt. Wie aus (14.1) ersichtlich ist, sollte die tangentiale Abströmgeschwindigkeit c3u sehr klein sein. 14.2.2

Fallhöhe, Energiehöhe, spezifische Stutzenarbeit

Wesentliche Grundgrößen für die Turbinenauslegung sind die Bemessungsfallhöhe hf (s. Kapitel 2.1.3), auch nur als Fallhöhe bezeichnet, und der Bemessungsdurchfluss Q, gewöhnlich als Durchfluss bezeichnet, bei denen die Nennleistung der Turbine erreicht wird, die im Allgemeinen wiederum dem höchsten Wirkungsgrad zugeordnet ist. Aus der allgemeinen Bernoullischen Gleichung (2.7) lässt sich eine Beziehung zwischen der Energiehöhe unmittelbar vor Laufradeintritt (2), also vor dem Energieliniensprung, und der Energiehöhe direkt nach Laufradaustritt (3) aufstellen, die die durch die Turbine abarbeitbare Energiehöhendifferenz ΔhE,T darstellt. In dieser Gleichung müssen bekanntermaßen die Energieverluste hv,i infolge Reibung, Regulier- und Absperrorgane, Krümmer, Ein- und Auslauf, Maschinengruppe etc. einbezogen werden (s. a. Abb. 2.3):

ΔhE ,T = ( z2 − z3 ) + ΔhE,T

p2 − p3 c22 − c32 + − hv ,i ρ⋅ g 2g

Energiehöhendifferenz in der Turbine

[m]

(14.4) [m]

Für die einzelnen Turbinentypen lassen sich nun einige Aussagen zu den einzelnen, für sie jeweils ausschlaggebenden Faktoren in (14.4) treffen: 1. Differenz der geodätischen Höhe Δzi: Wesentlicher Anteil bei oberschlächtigen Wasserrädern, der bei Turbinen gering gehalten wird. 2. Druckdifferenz Δpi: Wesentlicher Anteil bei Francis- und Kaplan-Turbinen, da sich die Geschwindigkeitsbeträge beim Durchlaufen des Laufrades kaum ändern. Durch den Abbau der Druckenergie nach Durchlaufen des Laufrades ist dieser Teil bei Überdruckturbinen maßgebend. Bei PeltonTurbinen nimmt der Strahl nach Verlassen der Düse den Umgebungsdruck an, womit die Druckdifferenz etwa gegen Null geht. 3. Geschwindigkeitsdifferenz Δvi2 bzw. Δci2: Wesentlicher Anteil bei PeltonTurbinen, da die gesamte Energie des Strahls nach Verlassen der Düse in Geschwindigkeitsenergie umgewandelt wird. Bei Francis- und KaplanTurbinen ist dieser Anteil verschwindend gering.

516

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

Die zwischen dem Eintrittsquerschnitt (2) und dem Austrittsquerschnitt (3), vielfach als Saug- und Druckstutzen bezeichnet, maximal nutzbare spezifische mechanische Energie wird auch als die spezifische Stutzenarbeit Y bezeichnet, wobei hier von idealen Zuständen ohne Verluste ausgegangen wird: Y = hf ⋅ g Y

[m2/s2 = Nm/kg]

spezifische Stutzenarbeit

14.2.3

(14.5) [Nm/kg]

Spezifische Drehzahl, Drehzahl, Synchrondrehzahl

Da Turbinen nicht ständig unter Volllast betrieben werden und damit das Verhalten bei Teilbeaufschlagung ebenso von Interesse ist, werden zur optimalen Gestaltung eines Turbinenlaufrades Leistungsmessungen der Maschine durchgeführt. Infolge der hohen Kosten derartiger Versuche nützt man die geometrischen und hydraulischen Ähnlichkeitsgesetze aus und verwendet hierzu kleine Modelle mit einem Laufraddurchmesser von ca. 300-500 mm. Die Ergebnisse der Modellversuche können anschließend anhand von dimensionslosen Kennzahlen auf die Naturausführung übertragen werden (s. a. Kapitel 14.2.6.3). Eine der gebräuchlichsten Kennzahlen bei Turbinen stellt dabei die spezifische Drehzahl nq dar, unter der man die Drehzahl einer geometrisch ähnlichen, fiktiven Strömungsmaschine mit dem Durchfluss Q1* = 1 m3/s und der Fallhöhe h1 = 1 m versteht. Dabei bedeutet ein gleiches nq nur, dass die Maschinen geometrisch ähnlich sind, also die Form der Laufradschaufeln sowie deren Schaufelwinkel übereinstimmen; die Turbinengröße, d. h. der Laufraddurchmesser kann jedoch variieren. Die Herleitung der spezifischen Drehzahl nq einer fiktiven Turbine erfolgt nach MOSONYI in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird die Fallhöhe dieser Turbine auf h1 = 1 m geändert. Über das Verhältnis der Drehzahlen zu den Durchflüssen (n1 /n) = (Q1 /Q) und die aus (12.5) folgende Proportionalität Q ~ h f ergibt sich: Q1 = Q ⋅

h1 hf

[m3/s]

(14.6a)

und gleichermaßen lässt sich das Drehzahlverhältnis darstellen: n1 = n ⋅ n n1 hf h1 Q Q1

h1 hf

[min-1]

Turbinendrehzahl (s. Kapitel 16.3.3 bzw. (14.7)) Drehzahl der fiktiven Turbine bei h1 = 1 m Fallhöhe geänderte Fallhöhe der fiktiven Turbine: h1 = 1 m Turbinendurchfluss Durchfluss der fiktiven Turbine bei h1 = 1 m

(14.6b) [min-1] [min-1] [m] [m] [m3/s] [m3/s]

Im zweiten Schritt wird vorausgesetzt, dass diese Turbine, die jetzt unter einer Fallhöhe von h1 = 1 m arbeitet, geometrisch vollständig ähnlich soweit verändert wird, dass ihr Durchfluss genau nur Q1* = 1 m3/s beträgt. Die so definierte fiktive Turbine hat unter der Berücksichtigung der Kontinuitätsgleichung (2.10) einen

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

517

verkleinerten Laufraddurchmesser D3* und dreht sich bei gleichbleibender Umdrehungsgeschwindigkeit mit einer spezifischen Drehzahl nq, woraus sich folgendes Verhältnis ergibt: D3 nq = D3* n1

[-]

(14.6c)

Dieses Laufraddurchmesser-Verhältnis ergibt sich ebenso direkt aus der Änderung des Durchflusses auf Q1* = 1 m3/s zu: Q1 D3 = * D3 Q1*

[-]

(14.6d)

Werden (14.6c) und (14.6d) zu nq = n1 ⋅ D3 D3* = n1 ⋅ Q1

Q1* gleichgesetzt

und anschließend (14.6a) und (14.6b) darin eingefügt, so ergibt sich mit h1 = 1 m und Q1* = 1 m3/s:

nq = n1 ⋅

Q1 * 1

Q

= n⋅

h1 h 1 ⋅ ⋅ Q⋅ 1 * hf hf Q1

3

3

Q h4 Q Q m4 = n ⋅ 3 ⋅ 1 = n ⋅ 3 ⋅1 = n ⋅ 3 ⋅ cn 1 * 2 h f 4 Q1 hf 4 hf 4 m3 s

[min-1]

(14.6e)

( )

D3

Laufraddurchmesser

D3*

[m] Laufraddurchmesser der fiktiven Turbine bei Q1* = 1 m3/s

nq

[m] spezifische Drehzahl

Q1

[min-1] geänderter Durchfluss der fiktiven Turbine: Q1* = 1 m3/s

cn

[m3/s] Dimensionskorrekturfaktor: cn = 1 m3/4/(m3/s)1/2

*

[m3/4/(m3/s)1/2]

Im Allgemeinen wird diese Gleichung der spezifischen Drehzahl nq einer Turbine weltweit ohne den Dimensionskorrekturfaktor cn in der dimensionsunechten Form eingesetzt:

nq = n ⋅

Q h

0 ,75 f

[min-1]

(14.6f)

Aus dieser Herleitung wird deutlich, dass die spezifische Drehzahl nq nicht nur für die geometrisch-hydromechanisch ähnlichen Maschinen gleich ist, sondern sie charakterisiert innerhalb einer Turbinenart (Kaplan-, Francis-, Pelton-Turbine etc.)

518

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

einen durch ihre geometrische Gestaltung hydromechanisch eindeutig definierten Turbinentyp. Daraus folgt, dass bei einer Änderung der Geometrie durch Verändern der Stellung des Leitapparates, der Laufradschaufeln oder der Düsenöffnung etc. auch die spezifische Drehzahl variiert, d. h. dass zu jedem Arbeitspunkt des Arbeitsfeldes einer Turbine eine spezifische Drehzahl gehört. Darüber hinaus folgt aus dieser Gleichung (14.6f), dass die Drehzahlen n und nq dann gleich sind, wenn Q1/2/hf3/4 = 1 bzw. Q = hf3/2 ist. Damit wird deutlich, dass sich bei Niederdruckturbinen mit Q > hf3/2 für die Drehzahlen nq > n und bei Hochdruckturbinen mit Q < hf3/2 für die Drehzahlen nq < n ergeben. In der internationalen Praxis ist es üblich, dass eine Turbine durch eine einzige spezifische Drehzahl gekennzeichnet wird, wozu sich zwei Alternativen mit häufiger Bevorzugung der ersteren anbieten: - die spezifische Drehzahl wird auf den Bemessungspunkt (s. Abb. 14.12) bezogen, bei dem die Turbine ihre Nennleistung bringt, oder - als Bezugswert dient der optimale Turbinenwirkungsgrad. Zur Turbinenbemessung können aus der Abb. 14.3 diese spezifischen Drehzahlen nq in Abhängigkeit der unterschiedlichen Fallhöhen hf ermittelt werden, wodurch wiederum eine Aussage über die mögliche, einsetzbare Turbinenart getroffen werden kann. Bei Mühlrädern bewegen sich die spezifischen Drehzahlen vergleichsweise im Bereich von nq = 2-12 min-1. Da der Generator bei Turbinen meist direkt auf einer Welle mit der Strömungsmaschine selbst angeordnet ist, muss, wie im Kapitel 16.3.3 näher ausgeführt wird, die Generatorendrehzahl mit der Drehzahl der Turbine übereinstimmen (s. auch Tabelle 16.2): n = nsyn = nsyn f n p

f ⋅ 60 [min-1] p

Synchrondrehzahl zur Netzfrequenz Netzfrequenz, in Deutschland i. d. R. f = 50 Hz Drehzahl der hydraulischen Maschine bzw. Maschinengruppe Polpaarzahl des Generators s. auch Tabelle 16.2

(14.7) [min-1] [Hz] [min -1] [-]

Früher war auch die spezifische Drehzahl ns gebräuchlich, die sich auf die Turbinenleistung PT nach (2.11) anstatt auf den Durchfluss Q einer geometrisch ähnlichen Turbine bezieht, die bei einer Fallhöhe von hf = 1 m die Leistung von PT = 1 kW erzeugt: ns = n ⋅ ns

P

h

T 54 f

[min-1]

spezifische Drehzahl bezogen auf die Turbinenleistung

(14.8a) [min-1]

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

519

Von dieser Beziehung ausgehend lässt sich ein unmittelbares Bild über den Zusammenhang von Turbinenleistung PT und Fallhöhe hf einerseits und von der Turbinendrehzahl n und der spezifischen Drehzahl ns andererseits gewinnen, der aus der Abb. 14.6 hervorgeht. Trägt man die Fallhöhe über der Turbinenleistung auf, so trennt die für: PT = h5f 2 ⋅ 1

kW m5 2

[kW]

(14.8b)

aufgetragene, dimensionskorrigierte Kurve zwei Bereiche: Der oberhalb der Kurve liegende Bereich kennzeichnet spezifische Drehzahlen, die unter der Turbinendrehzahl (ns < n) liegen, dagegen verhält es sich mit dem unteren Bereich gerade umgekehrt, indem hier ns > n ist.

200

566

hf [m]

ns < n

150 276 ns = n für PT = hf5/2 · 1 · (kW/m5/2) 100 ns > n 50

18 SH

100 Abb. 14.6:

200

300

400

500 PT [MW]

Zusammenhang zwischen Turbinendrehzahl und spezifischer Drehzahl [nach 14.5]

Da in der Turbinenleistung PT jedoch der Turbinenwirkungsgrad ηT enthalten ist, ist eine Vergleichbarkeit nicht unbedingt gegeben. Darüber hinaus lässt sich dieser Wert ns im Gegensatz zu nq nicht gleichermaßen für Turbinen und Pumpen benutzen. Der Zusammenhang zwischen beiden spezifischen Drehzahlen ergibt sich für Turbinen mit einem angenommenen Turbinenwirkungsgrad von ηT ≈ 0,95 zu: ns = 3,13 ⋅ ηT ⋅ nq ≈ 2,97 ⋅ nq [min-1]

(14.9a)

und für Pumpen zu: ns = 3,13 ⋅ nq

14.2.4

[min-1]

(14.9b)

Dimensionslose Kennwerte

Neben den bereits erwähnten dimensionslosen Kennwerten Reynolds-Zahl Re und Froude-Zahl Fr kommen bei der Berechnung von Strömungsmaschinen einige weitere Kennwerte gelegentlich zur Anwendung.

520

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

14.2.4.1 Druckzahl ψ Die Druckzahl ψ gibt das Verhältnis zwischen der spezifischen Stutzenarbeit zur Umfangsgeschwindigkeit u3 an, wobei hier vor allem auf die einheitliche, vergleichbare Festlegung der Umfangsgeschwindigkeit geachtet werden muss: ψ=

2g ⋅ h f 2Y 2g ⋅ h f = = 2 2 2 [-] 2 2 u3 u3 π ⋅ n ⋅ D3

u3 D3

(14.10)

Umfangsgeschwindigkeit des Wassers am Laufradaustritt Laufradaußendurchmesser

[m/s] [m]

Bei Gleichdruckturbinen ergeben sich Werte für ψ zu ψ = 4,5-5,5 und bei Überdruckturbinen zu ψ = 2,0-3,5. 14.2.4.2 Durchflusszahl ϕ Die Durchflusszahl ϕ, gelegentlich auch als Lieferzahl ϕ bezeichnet, ist das Verhältnis der Meridiangeschwindigkeit w zur Umfangsgeschwindigkeit u: ϕ=

w Q Q 4 Q 4 ⋅Q = = = ⋅ = u A3 ⋅ u3 A3 ⋅ π ⋅ D3 ⋅ n D32 ⋅ π π ⋅ D3 ⋅ n D32 ⋅ π2 ⋅ n

A3

Querschnittsfläche des Laufradaustrittes

[-]

(14.11) [m2]

14.2.4.3 Leistungszahl Π Mit Hilfe von Π kann die Leistung P einer Anlage dimensionslos angegeben werden. Unter Beachtung der Gleichung der Druckzahl ψ, welche proportional zur Stutzenarbeit Y ist, und der Gleichung der Durchflusszahl ϕ, welche proportional zum Durchfluss Q ist, folgt unter Einbeziehung des Wirkungsgrades ηT für Turbinen: Π = ϕ ⋅ ψ ⋅ ηT

[-]

(14.12a)

und für Pumpen: Π = ( ϕ ⋅ ψ ) ηP Π

[-]

(14.12b)

Leistungszahl

[-]

14.2.4.4 Laufzahl σL Bei der Dimensionierung von Strömungsmaschinen, im besonderen bei der strömungstechnisch relevanten Berechnung der Laufräder und der Abschätzung der Kavitation, hat die Laufzahl σL, welche auch unter der Bezeichnung Schnelllaufzahl bekannt ist, eine große Bedeutung. Zwischen der Laufzahl σL und der spezifischen Drehzahl nq besteht folgender Zusammenhang: σL = σL

nq ϕ1 2 = ψ 3 4 157,8 Laufzahl

[-]

(14.13) [-]

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

521

14.2.4.5 Durchmesserzahl δ Während die Druckzahl ψ, die Durchflusszahl ϕ, die Leistungszahl λ Kenngrößen für das Betriebsverhalten sind, kennzeichnen die Laufzahl σL und die Durchmesserzahl δ die Bauart des Turbinentyps: δ=

ψ1 4 2Y π = D3 ⋅ 4 2 ⋅ 12 2 Q ϕ

δ

[-]

(14.14)

Durchmesserzahl

14.2.5

[-]

Druckkennzahlen zur Kavitationsbeurteilung

Zur Vermeidung von Kavitationsschäden im Anlagenbereich der Turbine allgemein, sowie insbesondere an den Laufradflächen der Kraftmaschine selbst, sind die Thoma-Zahl σTh und die Saugkennzahl Sq wichtige Beurteilungsparameter. 14.2.5.1 Thoma-Beiwert σTh Kavitation tritt bekanntermaßen immer dort auf, wo der Flüssigkeitsdruck infolge hoher Strömungsgeschwindigkeit kleiner als der Dampfdruck im Wasser wird, also bei Strömungsmaschinen insbesondere im Bereich der Laufradrückseite sowie der Abriss- bzw. Abströmkante (s. Kapitel 12.2.5). Um nun den kavitationsfreien Betrieb von Strömungsmaschinen einschätzen zu können, bedient man sich des von THOMA gefundenen, in Experimenten nachgewiesenen Thoma- oder Kavitationsbeiwertes σTh, der die Strömungsverhältnisse auf der Laufradrückseite zusammenfasst und der für Turbinen in Abb. 14.7 wiedergegeben ist. Anwendung findet dieser Beiwert beispielsweise bei der Ermittlung der Saughöhe bzw. der Turbinenlage bezüglich des Unterwassers, wie dies in (14.37) im Abschnitt 14.3.1.2 beschrieben ist. 0,5 Pumpen (~ Pumpenturbinen)

sTh

2,5 sTh 2,0

0,4

1,5

0,3

große Schluckfähigkeit

1,0 0,2 0,5

Francis-Turbinen

0

0,1

0

kleine Schluckfähigkeit 150

200

250

nq

300

b

a 30

Abb. 14.7:

50

100

nq

140

Thoma-Beiwert σTh für Turbinen in Abhängigkeit von nq: a) Francis-Turbinen und Pumpenturbinen; b) Rohr- und Kaplan-Turbinen [nach 14.6]

522

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

Der dimensionslose Thoma-Beiwert σTh ist im Wesentlichen von folgenden Faktoren abhängig: - spezifische Drehzahl nq; - Oberflächenausbildung und Profilform des Laufrades; - Wirkungsgrad ηT der Turbine; - Gasgehalt und Temperatur des Wassers; - Laufzahl σL. Aus der Vielzahl der Einflussfaktoren wird ersichtlich, dass ein eindeutiger Kavitationsbeiwert für eine bestimmte spezifische Drehzahl nicht ermittelt werden kann (s. Abb. 14.7). Grundsätzliches Ziel bei der Kavitations- und damit Schadensvermeidung an Bauteilen muss eine derartige strömungstechnische Ausgestaltung sein, die den unvermeidbaren Luftblasenzerfall von der Berandung weg hin in die Strömungsmitte verlagert (s. Kapitel 14.2.7). 14.2.5.2 Saugkennzahl Sq Eine weitere Kennzahl in diesem Zusammenhang ist die Saugkennzahl Sq, die sich im Gegensatz zum Thoma-Beiwert auf die Strömungsverhältnisse auf der Laufradsaugseite bezieht. In der Tabelle 14.2 sind einige Werte für Sq in Abhängigkeit von nq für Volllastdurchfluss angegeben. Tabelle 14.2: Saugkennzahl Sq in Abhängigkeit von nq Francis-Turbine Kaplan-Turbine

nq [min-1] Sq [-] nq [min-1] Sq [-]

30 0,98 140 0,82

60 0,96 170 0,76

90 0,91 200 0,70

120 0,86 230 0,64

14.2.5.3 Zusammenhang zwischen σTh und Sq Über die jeweilige Definition der Kennzahlen σTh und Sq, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, lässt sich ein Zusammenhang zwischen beiden herstellen, durch den gleichzeitig die Empfindlichkeit der Laufräder gegenüber Kavitation sowohl von der Ausführung der Saugseite als auch von der Laufradgestalt insgesamt verdeutlicht wird: σTh =

1 ⋅ ( nq Sq )4 / 3 2.304,3

[-]

(14.15)

14.2.5.4 NPSH-Wert Im englischen Sprachraum wird vor allem bei Pumpen und zunehmend auch bei Turbinen anstelle der Haltedruckhöhe der Begriff „Net positive suction head“ bzw. NPSH verwandt. Bei Pumpen gibt dieser Wert die Druckhöhe an, die über dem Sättigungsdruck des Wassers am Pumpensaugstutzen vorhanden sein muss, damit keine Kavitation auftritt. Der Anlagenwert gibt die tatsächlich vorhandene Druckhöhe am Pumpensaugstutzen an. Um einen kavitationsfreien Betrieb zu gewährleisten, muss der Anlagenwert also über dem Pumpenwert liegen (s. auch Kapitel 14.5.1.3).

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

14.2.6

523

Turbinenkennlinien

14.2.6.1 Turbinenwirkungsgrad Da ein Teil der Energie sich bekanntermaßen infolge Reibung irreversibel in Wärmeenergie verwandelt und des Weiteren Verluste direkt am Leitapparat bzw. an der Freistrahldüse sowie im Laufradbereich einer Turbine auftreten, wird die vollständige, theoretisch vorhandene Energie nicht nutzbar sein. Diese Differenz erfasst man mit der Definition des Turbinenwirkungsgrades ηT als Verhältnis zwischen der effektiv erreichbaren Leistung P (2.11) und der theoretisch erzielbaren Leistung Ptheo (14.3): ηT = P P theo [-]

(14.16)

der sich analog für Pumpen ergibt. Zur Verdeutlichung sind in der nachfolgenden Abbildung 14.8a einige Werte für die Wirkungsgrade unterschiedlicher Turbinen in Abhängigkeit des Durchflusses wiedergegeben. Aus dieser Abbildung werden auch gleichzeitig die unterschiedlichen Einsatzbereiche der verschiedenen Turbinentypen deutlich. Mit den im Kapitel 14.1.2 bereits aufgeführten unterschiedlichen Möglichkeiten der Durchflussregelung bei Turbinen kann der Wirkungsgradverlauf einer Turbine beeinflusst werden, wie dies aus Abb. 14.8b erkennbar wird. Es wird aus dieser Abbildung ersichtlich, dass Propeller- bzw. Rohrturbinen (s. Abb. 14.8b, Kurve C), bei denen nur die Leitschaufeln verstellbar sind und damit zur Durchflussregelung herangezogen werden können, vor allem bei Wasserkraftanlagen mit sehr gleichmäßigem Durchfluss eingesetzt werden sollten, da außerhalb des optimalen Bereiches der Wirkungsgrad stark abfällt. Dieser steile Abfall der Wirkungsgradlinie wird insbesondere durch den starken Drall des die Turbine verlassenden Wassers hervorgerufen, der sich aus dem ungünstigen Anströmwinkel bei Teilbeaufschlagung ergibt. Durch die gleichzeitige Verstellmöglichkeit der Leit- und Laufradschaufeln bei Kaplan-Turbinen (s. Abb. 14.8b, Kurve A) kann auch bei veränderlicher Beaufschlagung mit guter Annäherung ein Austritt des Triebwassers ohne Drall erreicht werden, wodurch wiederum die Verluste sowohl im Laufrad als auch im Saugschlauch sinken und die Wirkungsgradkurve einen weitaus flacheren Verlauf erhält. Durch diese Regelung kann für einen sehr viel größeren Beaufschlagungsbereich eine gute Energieausbeute erzielt werden. Der Wirkungsgradverlauf der mit festen Leitschaufeln ausgerüsteten KaplanTurbine (s. Abb. 14.8b, Kurve B) verläuft zwischen denen für Propeller- und normalen Kaplan-Turbinen. Diese Kurve liegt dabei näher an der Kurve der doppelt regulierbaren Kaplan-Turbinen, da bei kleiner Beaufschlagung dank der feststehenden Leitschaufeln zwar Verluste auftreten, aber die Austrittsgeschwindigkeit und der Austrittsdrall infolge der Verstellbarkeit der Laufradschaufeln auf ein wesentlich geringeres Maß als bei Propellerturbinen vermindert werden können.

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

90 80

a

on elt lan e p in rb ,5) tu 37

P Di K a an gon a al cis (n q F r an = cis (nq =7 Fran 5) cis (nq =1 05 ) P ro pel ler (n q = Pro 15 pel 0) ler (nq =2 00)

524

70

Fr

60 hT 50 [%] 40 30 20 10

Beaufschlagung Q 0 100

1/4

1/2

3/4

b

90

A

80

B

70 60

C

hT 50 [%] 40

A: verstellbare Laufradschaufeln und verstellbare Leitschaufeln (Kaplan-Turbine) B: verstellbare Laufradschaufeln und feste Leitschaufeln (Kaplan-Turbine) C: feste Laufradschaufeln und verstell bare Leitschaufeln (Propellerturbine)

30 20 10 0

Abb. 14.8:

1/1

PT [%] 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100 110 120

a) Wirkungsgrade von Turbinen [14.7]; b) Vergleich der Wirkungsgrad-Kennlinien bei Propeller- und Kaplan-Turbinen bei unterschiedlicher Regelungsart [14.5]

Der Unterschied bzw. der Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Wirkungsgradkurven von Propeller- und Kaplan-Turbinen wird aus der Abb. 14.9 deutlich, in der die Wirkungsgradverläufe unterschiedlicher Propellerturbinen dargestellt sind (η1- bis η4-Kurven), deren feste Laufradschaufeln in Abhängigkeit von der Beaufschlagung in verschiedenen Winkeln βi gestaffelt sind. Wie aus dem Diagramm deutlich wird, gibt jede Propellerturbine bei gleichbleibender Fallhöhe bei einer bestimmten Leitradöffnung ai den günstigsten Wirkungsgrad an. Eine optimal konstruierte Kaplan-Turbine kann nun durch die beweglichen Laufradschaufeln und den beweglichen Leitapparat einen Wirkungsgradverlauf erzielen, der sich quasi aus den Maximalwerten der einzelnen Propellerturbinen ergibt (ηKurve in Abb. 14.9). Da es jedoch nicht möglich ist, eine über einen weiten Bereich optimal arbeitende doppelt regulierte Kaplan-Turbine zu konstruieren, muss die Turbinenkonstruktion und damit insbesondere die Schaufelform für eine be-

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

525

stimmte Fallhöhe ausgelegt werden, so dass die Turbine innerhalb genügend weiter Grenzen mit möglichst geringen Verlusten infolge Ausströmdrall arbeitet. Die Wirkungsgradlinie einer Kaplan-Turbine mit fester Leitapparatöffnung a0 ergibt sich durch die Projektion von den einzelnen Öffnungslinien auf die entsprechenden Wirkungsgradkurven (η0-Kurve in Abb. 14.9). Leitradöffnung ai [mm] Wirkungsgrad hT [%] Staffelungswinkel bi [°]

100 h Kaplan-Turbine 80

h1 Propellerturbine

h0 a Kaplan-Turbine

60

a0 a4

a1 Propellerturbine

a2

40

b

a3 b1

20 b3

b4 0

Abb. 14.9:

h2

h3

h4

0

20

40

b

b2

60 80 100 Beaufschlagung Q [%]

120

Ableitung der Wirkungsgradkennlinie der Kaplan-Turbine aus den Kennlinien von Propellerturbinen mit unterschiedlichen Laufradschaufelstellungen ȕ [14.5]

Die Wirkungsgradkurve von Pelton-Turbinen (s. Abb. 14.8a), die über eine Düsen- und gegebenenfalls noch eine Strahlablenkerregelung verfügen, verläuft im Vergleich zu den anderen Turbinentypen am flachsten. Der beste Wirkungsgrad liegt je nach Maschinengröße und spezifischer Drehzahl zwischen 88 % und 91 %. Voraussetzung für einen besonders guten Wirkungsgrad ist, wie später im Kapitel 15.3 noch ausführlicher erläutert wird, dass die spezifische Drehzahl eine obere Grenze nicht überschreitet bzw. das Strahlverhältnis nicht unter einer unteren Grenze liegt. Gewöhnlich verschlechtert sich der Wirkungsgrad sowohl mit steigender spezifischer Drehzahl als auch mit dem Sinken der Leistung. Der flache, überaus günstige Wirkungsgradverlauf erklärt sich hauptsächlich dadurch, dass sich in Freistrahlturbinen die Eintrittsgeschwindigkeit bei gleichbleibender Fallhöhe, aber veränderlichem Durchfluss kaum ändert. Francis-Turbinen, bei denen stets nur der Leitapparat zur Regulierung herangezogen werden kann, sind innerhalb des Bereiches von nq = 30-60 min-1 durch günstige Wirkungsgradlinien gekennzeichnet (s. Abb. 14.8a) und erreichen im Bereich von nq = 40-60 min-1 maximale Werte. Bei Beaufschlagungen von 65-95 % kann der Wirkungsgrad in Abhängigkeit der Maschinengröße und der spezifischen Drehzahl Werte im Bereich von 90-93 % erreichen, womit dieser Turbinentyp über den Werten der Pelton-Turbine (ca. 88-91 %) liegt. Die Verhältnisse ver-

526

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

schlechtern sich mit steigender spezifischer Drehzahl zusehends, um ab Werten von nq = 60 min-1 steiler abzufallen und ab nq = 90 min-1 einen ausgesprochen spitzen Verlauf einzunehmen, wobei diese Abnahme vor allem aus dem zunehmenden Diffusorverlust resultiert. Eine Steigerung des Wirkungsgrades kann bei über oder unter dem optimalen Bereich liegender spezifischer Drehzahl durch eine zweistromige Ausführung, unter Umständen durch Fortlassen des Außenkranzes oder beides erreicht werden. Eine Übergangsform zwischen der Kaplan- und der Francisturbine stellt schließlich die in Kapitel 15.1.1.3 näher beschriebene Diagonalturbine dar, deren Wirkungsgradverlauf aufgrund der regelbaren Laufradschaufeln über dem einer Francis-Maschine liegt. Der Wirkungsgradverlauf bei Durchströmturbinen hängt von der Beaufschlagung der Maschine ab und kann überschlägig im gesamten Arbeitsbereich mit 80 % angesetzt werden, wobei Werte bis zu 86 % erreicht werden können. Weitere Details hierzu insbesondere im Zusammenhang mit der Beaufschlagung sind im nachfolgenden Kapitel 15.4, insbesondere in Abb. 15.28 aufgeführt. In der Entwicklung werden heute die meisten Maschinensätze, vor allem bei größeren Ausführungen, mit Hilfe von numerischer Strömungssimulation oder Modellversuchen optimiert sowie anhand von Erfahrungswerten ähnlicher Maschinen ausgelegt (s. a. Abschnitt 14.2.7). Die Hersteller gewährleisten dann die aufgrund dieser Untersuchungen ermittelten Wirkungsgradwerte für den Betrieb, deren Erreichen im Rahmen der Abnahmemessungen nachgewiesen wird. Bei der Modernisierung älterer Maschinensätze ist beispielsweise allein durch die optimierte Laufraderneuerung ein Gewinn von 5 % bis über 50 % der jährlichen Energieproduktion zu erreichen. Bei Anlagen mit mehreren Maschinensätzen müssen deren Betriebsverhalten so optimiert werden, dass das Hinzuschalten eines weiteren Maschinensatzes dann erfolgt, wenn der Gesamtwirkungsgrad der bisher in Betrieb befindlichen Maschinensätze niedriger wird als der um den weiteren Maschinensatz veränderte neue Gesamtwirkungsgrad. Gleiches gilt in umgekehrter Weise beim Abschalten einzelner Maschinensätze, so dass sich der Wirkungsgradverlauf der Gesamtanlage innerhalb eines Bandes bewegt, das nach oben durch den maximalen Wirkungsgrad und nach unten durch Wirkungsgrad beim Zu- bzw. Abschalten eines Maschinensatzes begrenzt wird. Ziel muss dabei stets ein optimaler Wirkungsgrad der Gesamtanlage sein. 14.2.6.2 Leistungs-, Wirkungsgrad- und Drehmomentenkennlinie Die Leistungsabgabe der Turbine lässt sich aus dem gemessenen Drehmoment MT an der Turbinenachse und der zugehörigen Drehzahl n ermitteln. Dabei werden die Fallhöhe hf und die Leitschaufelöffnung a0 konstant gehalten (s. Abb. 14.10). Kennzeichnend für die Turbinen ist der annähernd parabelförmige Verlauf der Leistungskennlinie P(n) und Wirkungsgradkennlinie ηT(n); die Drehmomentenkennlinie MT(n) zeigt hingegen einen nahezu linearen Verlauf auf.

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

Pmax, theo MT,max » 2 MT (nn)

527

1,00

hT,opt hT

Q 0,75 P

P MT Q

0,50 MT (nn)

hT 0,25 MT

0

nn

n

nd

0

Abb. 14.10: Leistungs-, Wirkungsgrad- und Drehmomentenkennlinie einer Turbine in Abhängigkeit von n bei hf = const. und a0 = const. [nach 14.8]

Folgende charakteristischen Eigenschaften lassen sich aus Abb. 14.10 festhalten: Stillstandsmoment Bis zum Stillstand der abgebremsten Turbine (n = 0) aus der Nenn- bzw. Betriebsdrehzahl n = nn ergibt sich ein Maximum für das Drehmoment von MT (n = 0) ≈ 2⋅MT (n = nn). Dabei gehen die Turbinenleistung und folglich auch der Wirkungsgrad der Anlage gegen Null. Durchgangsdrehzahl Fällt die Last an einer Turbine beispielsweise infolge eines Kurzschlusses plötzlich ab und bleibt dabei die Öffnung der Turbine nahezu unverändert, so stellt sich die für die Turbine typische höchstmögliche Drehzahl ein, da auch in diesem Fall zur Vermeidung von Druckstößen die Abschlussorgane nur mit einer relativ langsamen Schließgeschwindigkeit geschlossen werden können. Versagen nun darüber hinaus auch die Regler und Notverschlussorgane, so kommt es zum sogenannten Durchgehen der Maschine, bei dem die verfügbare Energie innerhalb der Maschine vollständig in Energieverluste (Wärme, Schall) umgesetzt wird. Dieser Belastung müssen die hydraulischen Maschinen und Generatoren (s. Kapitel 16.5.6) standhalten können. Bei einem Maximalwert der Drehzahl (nT ≈ 2⋅nn) ergibt sich der kleinste Wert des Drehmomentes (MT = 0), wobei auch hierbei Turbinenleistung und Wirkungsgrad gegen Null gehen (s. auch Abb. 14.11b). Bei Francis-Turbinen beträgt die Durchgangsdrehzahl nd = kd ⋅ nn ca. das 1,6- bis 2,0-fache, selten auch das 2,2-fache der Betriebsdrehzahl nn, bei Pelton- und Durchströmturbinen etwa das 1,8- bis 1,9-fache, bei Kaplan-Turbinen rund das 2,2bis 2,7-fache, bei Propellerturbinen ca. das 1,8- bis 2,2-fache und bei Pumpen im Turbinenbetrieb etwa das 1,4- bis 1,8-fache.

528

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

Leistungsmaximum Die maximale Leistung Pmax nach (14.3) unter Berücksichtigung des Wirkungsgrades nach (14.16) und der maximale, also optimale Wirkungsgrad ηopt werden erreicht, wenn die Betriebsdrehzahl nn, für welche die Turbine konzipiert wurde, eintritt (s. auch Abb. 14.11b). 14.2.6.3 Muschelkurven und Muscheldiagramme Die in Modellversuchen (s. Kapitel 14.2.3) bei unterschiedlichen Stellungen der Regulierorgane gemessenen Modellgrößen QM, hM, nM, ηM sowie σTh, nq werden für eine geometrisch ähnliche, fiktive Einheitsturbine umgerechnet, die einen Laufraddurchmesser von D11 = 1 m besitzt und unter einer Fallhöhe h11 = 1 m arbeitet, damit die verschiedenen Turbinentypen in der Praxis einheitlich charakterisiert werden können. Aus diesen Vorgaben erhält man über die Einheitsgrößen den Einheitsdurchfluss Q11 als Funktion der Modellgrößen: Q11 = QM ⋅

h11 ⋅ D112 2 M

hM ⋅ D

=

QM hM ⋅ DM2

[m3/s]

(14.17)

[min-1]

(14.18)

sowie die Einheitsdrehzahl n11: n11 = nM ⋅ Q11/QM D11 DM h11 hM n11/nM

h11 DM D ⋅ = nM ⋅ M D11 hM hM

Einheits-/Modelldurchfluss Laufraddurchmesser der Einheitsturbine: D11 = 1 m Laufraddurchmesser der Modellturbine Fallhöhe der Einheitsturbine: h11 = 1 m Fallhöhe der Modellturbine Drehzahl der Einheitsturbine/des Modells

[m3/s] [m] [m] [m] [m] [min-1]

wobei diese in der Praxis gebräuchlichen Schreibweisen der Gleichungen den Schönheitsfehler haben, dass die Einheitswerte als Kennzahlen dimensionsbehaftet und die Gleichungen damit letztlich nicht dimensionsecht sind (s. Kapitel 14.2.3) [14.7]. Die nun aus Modellversuchen gewonnenen Verläufe von Q11(n11) bei konstant gehaltener Leitradöffnung a0 bzw. konstant gehaltenen Regulierorganen sowie die Turbinenwirkungsgrade ηT(n11) werden in einem ηT-n11-Diagramm aufgetragen. Projiziert man anschließend jeweils Punkte gleichen Wirkungsgrades - in Abb. 14.11 exemplarisch die Punkte 1 - 6 - auf die ihnen jeweils zugeordneten a0-Linien und verbindet diese Punkte gleichen Wirkungsgrades mit einer Linie, so erhält man im Q11-n11-Diagramm die sogenannten Muschelkurven entsprechend ihrem Aussehen, deren Schar wiederum das Muscheldiagramm bildet. Durch Verwendung der Einheitsgrößen für n11 und Q11 können diese Diagramme auf Naturausführungen angewandt werden und als Grundlage zur Dimensionierung der Turbinen dienen.

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

529

Berücksichtigt man neben den genannten Proportionalitätsbeziehungen weiter die aus der Geometrie folgenden Proportionalitäten, so lässt sich der Durchfluss Q wie folgt darstellen: Q = Q11 ⋅ h f ⋅ D32

[m3/s]

(14.19)

und ebenso die Drehzahl n: hf

n = n11 ⋅

[min-1]

D3

(14.20)

Mit Hilfe dieser Gleichung (14.19) kann man nun die spezifische Drehzahl nq ausdrücken, wenn man sämtliche Einheitswerte sowohl für nq nach (14.6f) als auch für n11 berücksichtigt: nq = n ⋅

Q h0f ,75

=

n11 ⋅ h f D3

Q11 ⋅ D32 ⋅ h f



= n11 ⋅ Q11

h0f ,75

1,0 0,8

1

2

4 3

= ei a 0 Q 11 b

2,0

5 a 0 = 0,7

5

0,6

1,6 Q11 1,2 [m3/s]

i a0

be

0,8

a0=

,0

=1

bei

ei a 0

a0 = 0,50

hT

0,2

hT b

0,4

5

0,7

,5

=0

0,4 0 a0 = 1,0

2,4 6’

1,6

3’

Q11 3 [m /s]

(14.21) 2,4

1,0

hT

hT

6

hT = 0,75

[min-1]

a0 = 0,75

5’

1’ 4’

0,8

2’

a0 = 0,5

hT = 75 % n11 [min-1] SH

0

160 120 200 80 Abb. 14.11: Muscheldiagramm: Konstruktion aus den Wirkungsgradlinien ηT bei unterschiedlicher Leitradöffnung a0. [nach 14.9] 40

Mit Hilfe der Gleichungen (14.19), (14.20) und (14.21) und einem Muscheldiagramm stehen gleichzeitig die Grundgrößen D3, n und nq für die Turbinenvorbemessung (s. Kapitel 15) zur Verfügung, da durch die angestrebte optimale Auslegung nn und damit Q11 (s. Abb. 14.12) gegeben sind.

530

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

Da die Verluste bzw. der Wirkungsgrad η im Gegensatz zu den anderen Größen und Kennwerten nicht genau dem Froudeschen Ähnlichkeitsgesetz folgen, muss zum Ausgleich dieses Maßstabeffektes bei der Umrechnung eine halbempirische Formel verwandt werden, wie beispielsweise die häufig angewandte Formel von HUTTON [15.1], in die die Reynolds-Zahl Eingang findet: 1− η § Re · = 0,3 + 0,7 ⋅ ¨ M ¸ 1 − ηM © Re ¹

0 ,125

[-]

(14.22)

Aus einem Muscheldiagramm können einige charakteristische Betriebszustände einer Anlage abgelesen werden. In Abb. 14.12 ist das Muscheldiagramm einer Francis-Turbine beispielhaft aufgeführt, aus dem Folgendes entnommen werden kann: - optimaler Durchfluss Q11, um den Maschinensatz im Bereich der Nenndrehzahl nn zur Frequenzhaltung sowie mit optimalem Wirkungsgrad ηT zu fahren; - Betriebsbereichsbegrenzung durch hmin /hmax bzw. Qmin /Qmax (beispielsweise durch Hochwasser); - Betriebsbereichsbegrenzung durch Leerlauf- und Volllastlinie; - Anfahren der Turbine mit n11 = 0; - Durchgangsdrehzahl bzw. Leerlauf für ηT = 0. Q11,max

Vollastgrenze

Bemessungspunkt hopt hmax

hmin

SH

a0 = 1,0 Q11,opt

aufsteigendes sTh

100 99 97

Q11 [m³/s]

95

a0 = const.

90 85 80

sth = const. nq = const.

70 60 h = 30 % h= 0

Durchgangsdrehzahl nd,max Leerlauf

n11,min n11,opt= nn

n11,max

-1

n11 [min ]

Abb. 14.12: Muscheldiagramm: charakteristische Betriebszustände (Francis-T.) [14.5]

In Abb. 14.13 sind zum Vergleich für vier unterschiedliche Turbinentypen die jeweiligen charakteristischen Muscheldiagramme gezeigt. Es wird daraus nochmals deutlich, dass zu jedem Turbinentyp ein spezielles Muscheldiagramm gehört, das in Modellversuchen ermittelt werden muss.

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen 200

20 40 60

180 160 140

20

300 300 250 250

80 90 95 98 hhT ·100 60 4020 0 T,max

40 60

80

531

90 95 98

80 60

100

100

hT ·100 hT,max

90

40

120

200

Q11 100 [l/s] 80

Q11 150 [l/s]

60

100

20

40

50

20

a

0 80

60 40 20 1,2

95 98 100

1.200

1,0 0,9

1.000

0,8 0,7

800

80

2.500 hT ·100 hT,max

2.000

0,5

26°

22°

18°

98

90

14°

80 60

Q11 [l/s]1.000

0,5 = a0

90 95

1.500

0,6

Q11 600 [l/s] 400

70

d

1,1

°

40

90

30

20

80

b 0 3.000

=

1.400

60

SH

j

1.600

20

100

10°

40



hT ·100 hT,max

200 0

1,15 1,0 = a0 0,9 0,8 0,6 0,5 0,4

0

50

100 150 (n/n(hmax))·100

500 2°

c 200



0

0

50

100 150 (n/n(hmax))·100

200

Abb. 14.13: Muscheldiagramme: a) Pelton-Turbine nq = 16,3 min-1; b) Francis-Langsamläufer nq = 23 min-1; c) Francis-Schnellläufer nq = 90 min-1; d) Kaplan-Turbine nq = 160 min-1 [14.7]

Auch andere Formen der Muschelkurven sind möglich. So kann der Wirkungsgrad ηT in Abhängigkeit von der Fallhöhe hf oder der Leitradstellung a0 aufgetragen werden oder auch die Turbinenleistung P in Abhängigkeit der Einheitsgrößen n11 und Q11. Grundbedingung auch hier ist die Einhaltung der hierfür geltenden Modellgesetze. 14.2.7

Numerische Strömungsberechnung

Heute stellen numerische Strömungsberechnungen mit Hilfe von Strömungsmodellen und der FE- bzw. Finite-Volumen-Methode eine kostengünstige Alternative zu den in der Regel aufwendigen und kostenintensiven Modellversuchen zur optimalen Turbinenauslegung auch bei kleineren Wasserkraftanlagen dar. Mit diesem Hilfsmittel können die für eine bestmögliche Energieausbeute entscheidenden Strömungsverhältnisse im gesamten Krafthaus- bzw. Maschinenbereich simuliert und durch iterative Veränderungen optimiert werden. Dabei ist die Ausbildung einer gleichmäßigen Durchströmung aller Maschinenbauteile, also beginnend beim Einlaufbereich einschließlich der Rechenanströmung (s. Kapitel

532

14 Funktionsweise von hydraulischen Maschinen

5.1.4) über die Leiträder und Turbinenschaufeln bis hin zum Saugschlauch ohne verlustintensive Verwirbelungen und Rückströmungen ausschlaggebend. Vergleichende Modell- und Feldversuche haben gezeigt, dass die numerischen Methoden ausreichend genaue Ergebnisse liefern, um auf diese Weise Problemlösungen zu erarbeiten (s. a. Kapitel 3.1) [14.10]/[14. 11]. Neben einer Optimierung der Energieausbeute kann so auch beispielsweise eine Verminderung der Abrasionsschäden erzielt werden, indem virtuelle Sandpartikel durch die Turbine geschickt und anschließend die Strömungsberandung