Verkaufschance Web 2.0 : Dialoge fördern, Absätze steigern, neue Märkte erschliessen [1. Aufl] 9783834906311, 383490631X [PDF]


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German Pages 164 Year 2007

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Verkaufschance Web 2.0 : Dialoge fördern, Absätze steigern, neue Märkte erschliessen [1. Aufl]
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Zitiervorschau

Martin Knappe | Alexander Kracklauer Verkaufschance Web 2.0

Martin Knappe | Alexander Kracklauer

Verkaufschance Web 2.0 Dialoge fördern, Absätze steigern, neue Märkte erschließen

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Auflage 2007 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Manuela Eckstein Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Satz: ITS Text und Satz Anne Fuchs, Bamberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0631-1

“Web 2.0 – People use it as a meme. It’s an abstract word like »peace«. It doesn’t mean a thing – it’s a mode. A mode where technology can be a catalyst for emergence, spontaneity and openness. It does not come with the flaws of the »old school« openness where the idea that »anything goes« needed to be reinforced by expressively doing ridiculous and artsy things. That’s not needed anymore: the concept is understood. Today we have »conditional openness«” Oliver Wrede – Details of a Digital Brain (Blog)

Vorwort

Was bedeutet Web 2.0 für mein Unternehmen? Die Beantwortung dieser Frage ist derzeit eines der spannendsten Themen im Marketing und in der Unternehmenskommunikation. Allerdings auch eine der schwierigsten: Denn die Auseinandersetzung mit Web 2.0 setzt ein neues unternehmerisches Denken voraus – abseits der 30 Jahre lang verinnerlichten Regeln der Marketing-Kommunikation. Doch bevor die Frage nach den Auswirkungen von Web 2.0 beantwortet werden kann, sollten wir die zunächst einfacher erscheinende Frage „Was ist Web 2.0“?" stellen. Die Antworten darauf sind so vielschichtig wie das Internet – und stark vom jeweiligen Standpunkt abhängig: Kommunikative User werfen den Begriff „Blogs“ in die Runde, der Webmaster eines Online-Portals denkt an „User Generated Content“, der Betreiber eines Online-Shops fürchtet die Meinungsbildung über seine Produkte. Kommunikationstheoretiker reden von der Partizipation des Konsumenten, und der Geschäftsführer fragt: „Gibt es ein Web 1.0?“ Was also ist Web 2.0? Zunächst einmal ist Web 2.0 ein Synonym für eine veränderte Sicht der Dinge. Dem Geschäftsführer darf man getrost antworten: Es gab kein Web 1.0, aber dem Internet und seinen Nutzern standen schon immer alle Bausteine für „Web 2.0“ zur Verfügung – denn ein Grundprinzip des Internets ist seine demokratische Struktur: Jeder kann sowohl Konsument als auch Produzent sein, jeder kann mit jedem in Kontakt treten, Meinungen können sich – Diktaturen ausgenommen – zensurfrei und ungesteuert über den Erdball verbreiten. Erst als die Unternehmen Mitte der 90er Jahre das Web für sich entdeckten und als die unbegrenzten Möglichkeiten der weltweiten MarketingKommunikation alle Fantasien beflügelten, veränderten sich die Kommunikationsstrukturen im Netz. Die Marketingprofis machten das, was sie in den Jahrzehnten zuvor gelernt hatten: Sie gestalteten ihre Kommunikation als Broadcast – das heißt: Das Unternehmen entscheidet über den Inhalt der Botschaft, und es fragt nicht, ob der Kunde die Botschaft überhaupt haben möchte. Die lieben Konsumenten sollen die Botschaften einfach nur passiv und möglichst zahlreich „empfangen“. So entstanden Websites als Werbeplakat, Bannerwerbung, Interstitials und viele andere Werbeprodukte als „alter Wein in neuen Schläuchen“. Diese Methode des

Vorwort

Broadcasts als Marketing-Kommunikation hält sich bis heute hartnäckig. Vor allem die klassischen Werbeagenturen sind als konservative Gralshüter der One-Way-Kommunikation nach wie vor stilprägend. Die eigentliche „Revolution“ kommt erst langsam in Schwung. Seth Godins Standardwerk „Permission Marketing“ initiierte 1999 ein Umdenken in Teilen der Marketing-Community, das heute mit Web 2.0 seinen ersten Höhepunkt erreicht hat. War es zu Beginn insbesondere das E-Mail-Marketing, das sich an die neuen Regeln des Permission Marketing hielt, unterwerfen sich heute viele interaktive Kommunikationsprozesse im Web den neuen Regeln. Den Durchbruch brachten vor allem die neuen, extrem erfolgreichen Businessmodelle, die auf den Grundregeln des Permission Marketing und Web 2.0 fußen. Das erfolgreichste Modell ist Ebay: Das Unternehmen wurde in wenigen Jahren erfolgreicher als alle deutschen Versandhandelsunternehmen der Nachkriegszeit zusammen. Ebay ist Web 2.0 in Vollendung: Der Kunde entscheidet über die Inhalte, macht das Marketing, steuert den Verkaufsprozess und kommuniziert mit anderen Kunden – während das Unternehmen lediglich die technischen Rahmenbedingungen und die Grundregeln des Geschäfts bereitstellt. Web 2.0 ist ein Synonym für eine veränderte Perspektive: Nicht das Unternehmen entscheidet über die Kommunikation und das Warenangebot, sondern der Konsument. Zum ersten Mal ist der Kunde wirklich König. Eine erschreckende Vorstellung? Was bedeutet Web 2.0 also für mein Unternehmen? Das herauszufinden, dabei soll dieses Buch helfen. Eines ist sicher: Es gibt im Zusammenhang mit der Entwicklung von neuen Geschäftsprozessen kaum ein interessanteres Thema. Ich wünsche Ihnen also neben vielen erhellenden Erkenntnissen auch spannende Unterhaltung. Thomas Striegl Vorstand mission eRelations AG Thomas Striegl hat an der FU Berlin Kommunikationswissenschaften studiert und ist Gründer und Vorstand der mission eRelations AG, einer der führenden Online-Dialogagenturen in Europa.

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Bloggen statt Blocken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Von Web 1.0 zu Web 2.0 – eine neue Ära? . . . . . . . . . . . 2.1 Was ist Web 2.0? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Welche Merkmale kennzeichnen Web 2.0? . . . . . . . . . . . .

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3. Phänomen Web 2.0 – multimedialer Wandel . . . . . . . . . . 3.1 Wie sich das Verhalten des Internetnutzers verändert hat . . 3.2 Vergleich Deutschland, Europa, USA . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht? . . . . . . 4.1 Informationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Unterschiede im High-/Low-Involvement-Bereich . 4.1.2 Informationsquellen und Informationsverarbeitung 4.1.3 Der „neue Informationsprozess“ . . . . . . . . . . . . . 4.2 Bewertungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Faktoren der Meinungsbildung . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Marken-/Produktpositionierung . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Der „neue Bewertungsprozess“ . . . . . . . . . . . . . 4.3 Entscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Nachkaufprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Individuelle Nachkaufbewertung . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Der „neue Nachkaufprozess“ . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Was unterscheidet den neuen vom alten Kaufentscheidungsprozess? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Wer ist der „neue Konsument“? . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Welche Trends zeichnen sich im Kaufverhalten ab? . . .

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Inhaltsverzeichnis

5. Herausforderungen für Unternehmen durch den „neue Konsumenten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Im Dialog mit dem neuen Konsumenten . . . . . . . . . 5.2 Wie wichtig ist die Meinung des Nutzers? . . . . . . . . 5.3 Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten . . . . . . 5.3.1 Chancen für Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Risiken für Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Wie Unternehmen auf die Meinungsbildung beim Konsumenten Einfluss nehmen können . . . . . . . . . . 5.5 Was unterscheidet alte und neue Verkaufsprozesse? 6. Tools des Web 2.0 und wie man sie nutzt . . 6.1 Communities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Blogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Podcasts/Vodcasts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Newsletter mit Dialogcharakter . . . . . . . . . . . . 6.5 Web-Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Must-haves für einen erfolgreichen Umgang mit neuen Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Wie kann der Erfolg von Web 2.0 gemessen werden? . . 107 8. Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0 . . . . . . 8.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Fallstudie Hamann-Tuning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Web 2.0-Tools im internen Informationsmanagement 8.4 Web 2.0-Tools im Personalmanagement . . . . . . . . . 8.5 Web 2.0-Tools im CRM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9. Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Ergebnisse: Wie sehen die Konsumenten das Web 2.0? 9.2 Ergebnisse: Wie sehen Unternehmen das Web 2.0? . . . 9.3 Schlussfolgerung für die Nutzung des Web 2.0 . . . . . .

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10. Web 2.0 – Was können Manager tun? . . . . . . . . . . . . . . 149 11. Fazit und Ausblick

Inhaltsverzeichnis

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Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Wichtige Abkürzungen

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Inhaltsverzeichnis

1. Bloggen statt Blocken

Der Wandel vom singulären „Informationskonsumenten“ zum vernetzten „Journalisten in Eigenregie“ ist ein maßgeblicher Aspekt, der sich zunehmend stärker auf (Kauf-)Entscheidungen des Konsumenten auswirkt. Angestoßen wird diese Veränderung vor allem durch neue technische Möglichkeiten im Bereich der elektronischen Kommunikation und die zunehmende Verbreitung von schnellen Internetanbindungen in den Haushalten. „Blogs“, „Tags“ oder „Web 2.0“ sind längst keine kryptischen Szene-Ausdrücke mehr, sondern alltäglich millionenfach verwendete Kommunikationsformen. Für Konsumenten bedeutet dies eine stetig stärker werdende Machtposition gegenüber den Unternehmen. Für Produzenten, Händler, Dienstleister dagegen lässt sich „die Trennung in ,User‘ und ,Konsument‘ nicht länger aufrechterhalten“. Die Grenzen verschwimmen zusehends. Mit dem Reifeprozess des Internets ist eine Generation „neuer Konsumenten“ entstanden, „die sich dieser neuen Techniken bedient, um jenseits von Werbebotschaften Marken und Produkte zu bewerten und bisweilen in Frage zu stellen.“1 Diese Herausforderung wird in Unternehmen rund um den Globus angenommen werden müssen. Zudem tritt anstelle der für den Konsumenten konkret verfügbaren Information immer stärker eine „Informationsunschärfe“ auf, bedingt durch den medialen „Information Overload“. Dieses Phänomen hat seit den ersten Untersuchungen in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil: In der reizüberfluteten Multimedia-Gesellschaft von heute ist die gezielte Meinungsbildung erheblich erschwert. Kontrollverlust schwebt wie ein Damoklesschwert über der Glaubwürdigkeit von Produkten, und ganze Unternehmensleitbilder können in Bedrängnis geraten. Mit oft fatalen Folgen für Image und Börsenkurs, wie aktuelle Beispiele zeigen. Die neuen Kommunikationsformen können hier eine Hilfestellung sein. Und auch dabei spielt die Entwicklung des Konsumenten vom passiven Informationsempfänger zum aktiven Gestalter von Informationen und öffentlichen Meinungsbildner eine maßgebliche Rolle. Große US-amerikanische Unternehmen setzen längst auf diese Entwicklung. Etwa mit eigenen Blogging-Teams, die beim Leser, in der Community und letztlich beim Kunden ein positives Bild vom Unternehmen und seinen Produkten erzeugen sollen. So können die eigenen Pro-

Bloggen statt Blocken

dukte kostengünstig beworben, gegen Konkurrenzprodukte oder negative Strömungen verteidigt und Absätze gesteigert werden. Viele Unternehmen in Deutschland haben das allerdings noch nicht erkannt. Der Wandel beeinflusst sämtliche Unternehmens-/Produktgruppen in unterschiedlicher Intensität. Zudem sämtliche Etappen bis zum Kauf eines Produkts und die Nachkaufprozesse beim Konsumenten. Wer weiterhin erfolgreich verkaufen will, muss sich darauf einstellen und die eigenen Unternehmens- und Kommunikationsstrukturen überdenken. „Bloggen statt Blocken“ könnte die Devise lauten, die in den Marketingabteilungen ankommen muss. Einige Geschäftsmodelle haben bereits erfolgreich bewiesen, dass im Internet heute nachhaltig Geld verdient werden kann. Mit innovativen Techniken und dem Bewusstsein für den „neuen Konsumenten“. Hintergründig findet seit längerem eine Diskussion um den „neuen Konsumenten“ statt, die derzeit durch den Aufstieg der genannten Phänomene eine hohe Aktualität erfährt. In der englischsprachigen Literatur sowie in aktuellen Medien ist eine Vielzahl von kontroversen Beiträgen zu finden. Das Thema ist vor allem für B2C-Unternehmen interessant, die täglich im Dialog mit Kunden und einer interessierten Öffentlichkeit stehen. In diesem Buch soll der Wandel im Informationsprozess beim Konsumenten untersucht und die Folgen für das (Kauf-)Verhalten und die Produktbzw. Unternehmensbewertung aufgezeigt werden. Profile des „neuen Konsumenten“ sollen eine Hilfestellung zur Zielgruppensegmentierung abseits von klassischen Milieus geben. Weiter wollen wir Möglichkeiten aufzeigen, wie Unternehmen dem Wandel begegnen, Chancen effektiv nutzen und Risken minimieren können. Abschließend wird der momentane Status – sowohl seitens der Konsumenten als auch der Unternehmen – ermittelt und ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben.

Bloggen statt Blocken

2. Von Web 1.0 zu Web 2.0 – eine neue Ära?

Angetrieben durch die großflächige Verbreitung schneller Zugänge, aufgeklärte Nutzer und neue multimediale Möglichkeiten erlebt das Internet eine Renaissance. Im Gegensatz zur ersten Phase, in der vor allem die Technik und statische Inhalte im Vordergrund standen, rückt nun der User selbst in den Mittelpunkt. Das Netz dient nicht mehr der eindimensionalen Verbreitung von statischen Inhalten. Vielmehr wandelt es sich zu einer Plattform, in der der „aktive Konsument [...] mit einer Vielzahl von Dienstleistungen aus dem Kommunikations-, Informations-, und Unterhaltungsbereich“ interagiert.2 Dieses neue Internet hat bereits einen Namen: „Web 2.0“ scheint in aller Munde zu sein. Die Marketingfachwelt überschlägt sich derzeit mit Kongressen, Workshops und Diskussionsforen zum Thema. Auf vielen dieser Veranstaltungen scheint eine Goldgräberstimmung zu herrschen, wie zu den besten Zeiten des Dot-Com-Booms vor wenigen Jahren. Manche sehen in dem Trubel gar eine „neue Gründerzeit“ des Internets.3 Und tatsächlich: Es werden wieder wahnwitzige Beträge für Unternehmen bezahlt, deren tatsächlicher materieller Wert gerade mal für einen Bruchteil des Kaufpreises aufkommt. Ob diese Euphorie gerechtfertigt ist, muss sich zeigen. Ohne Zweifel steht aber fest, dass das Phänomen „Web 2.0“ das Informations- und Kaufverhalten von Konsumenten und damit die Strukturen und Strategien von Unternehmen nachhaltig verändert. Nicht zuletzt deshalb sollte jetzt jeder, der noch nicht mitredet, aufhorchen und sich die Frage stellen:

2.1 Was ist Web 2.0? Um klären zu können, was sich genau hinter dem Phänomen Web 2.0 verbirgt, soll zunächst einmal ein Überblick über die wichtigsten Begriffe, die im Zusammenhang mit Web 2.0 stehen, gegeben werden.

Was ist Web 2.0?

Quelle: Ahlers, T. (2006), Web 2.0, S. 8

Abbildung 1: Die drei Arten von sozialen Netzwerken I

Social Networking

Das Prinzip der sozialen Netzwerke steht am Beginn der Diskussion über das Phänomen Web 2.0. Ein solches Netzwerk besteht aus (lose) miteinander verknüpften Teilnehmern und den Beziehungen zwischen diesen.4 Teilnehmer können Menschen, Institutionen, Unternehmen etc. sein. Sie stellen die Grundlage für einen so genannten multilateralen Dialog zwischen Kunden und Unternehmen dar. Zunächst kann man drei verschiedene Arten von sozialen Netzwerken unterscheiden: 䉴 Identitätsgetriebene Netzwerke

Sie beruhen auf der Selbstdarstellung des Individuums; aufgrund ihrer Natur sind sie zur Herstellung von Kontakten aller Art geeignet. Beispiele sind die Datingbörsen Meetic oder parship.de, das Profinetzwerk OpenBC/Xing oder das Studentennetzwerk StudiVZ. 䉴 Themengetriebene Netzwerke

Sie orientieren sich an bestimmten Themengebieten; die Inhalte sind innerhalb des Netzwerks wiederum nach Themenbereichen gegliedert.

Von Web 1.0 zu Web 2.0 – eine neue Ära?

Prominenteste Vertreter dieser Art von Netzwerken sind YouTube für Videos und Flickr für Fotos. 䉴 Kombinierte Netzwerke

Sie präsentieren sich sowohl identitätsgetrieben als auch themengetrieben; hier bieten die Nutzer neben personenbezogenen Inhalten anderen Nutzern auch Inhalte zu bestimmten Themen an. Das amerikanische MySpace ist derzeit das bekannteste dieser Netzwerke. I

Social Software

Als Oberbegriff für alle folgenden Termini steht Social Software für Programme, „die Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit im Internet unterstützen“. Social Software ermöglicht eine „aktive Nutzung des WWW. Die Nutzer können Inhalte produzieren, sich untereinander vernetzen oder über eine Plattform kommunizieren und darstellen.“5 Dies ist der Grundgedanke, auf dem die neue Internetrealität basiert. I

Web 2.0

Der Begriff wird heute schon beinahe inflationär auf alles angewendet, das irgendwie mit Blogs, Wikis, Netzwerken etc. zu tun hat. Dabei steckt durchaus eine greifbare Idee dahinter, auch wenn es schwierig ist, eine einzelne, allgemeingültige Definition zu finden. Tim O’Reilly, Vordenker und Erfinder des Begriffs Web 2.0, definiert diesen als solches: „Web 2.0 is the network as platform, spanning all connected devices; Web 2.0 applications are those that make the most of the intrinsic advantages of that platform: delivering software as a continually-updated service that gets better the more people use it, consuming and remixing data from multiple sources, including individual users, while providing their own data and services in a form that allows remixing by others, creating network effects through an ,architecture of participation’, and going beyond the page metaphor of Web 1.0 to deliver rich user experiences.”6 Der Begriff wurde während einer Brainstorming-Sitzung erfunden und bezeichnete die Veränderungen, die das Web im Vergleich zur frühen Internetphase, dem Dot-Com-Boom in den 90er Jahren, erfuhr. 2004 wurde er mit der ersten „Web 2.0 Conference“ in Kalifornien publik. „2.0“ ist eine Versionsbezeichnung, genutzt in der Softwareentwicklung. Sie verdeutlicht im übertragenen Sinn den Reifegrad, den das neue Web gewonnen hat. Insofern macht sie auch deutlich, dass es sich um eine Entwicklungsstufe in einem fortschreitenden Prozess handelt.

Was ist Web 2.0?

Im weiteren Sinn ist Web 2.0 die Verknüpfung verschiedenster SocialSoftware-Angebote für eine nutzerbasierte und „aktive Nutzungsform des WWW“.7 Dabei spielen vor allem die Dezentralisierung von Inhalten und der Fokus auf Nutzer und nutzergenerierte Inhalte eine große Rolle. Das Web 2.0 stellt eine Plattform dar, die es den vernetzten Usern ermöglicht, sich am Geschehen zu beteiligen und deren Inhalte zu nutzen, wiederzuverwenden und weiterzuentwickeln. Formaler ausgedrückt steht dahinter also die Idee der „gemeinsamen Maximierung kollektiver Intelligenz und der Bereitstellung von Nutzwerten für jeden Teilnehmer durch formalisierte und dynamische Informationsteilung und -herstellung“8. Eine scharfe Abgrenzung für Web 2.0 gibt es nicht. Es existieren vielmehr zahlreiche Tools und Prinzipien, die mittelbar und unmittelbar mit dem Begriff „Web 2.0“ verknüpft sind:

Quelle: Angermeier, M. (2006), Aperto-Blog, online unter: http://nonfiction.ig-gestaltung.de/wp-content/web20map.png [Stand 14.02.2007]

Abbildung 2: Überblick über Prinzipien und Tools von Web 2.0 Die wichtigsten Tools und Prinzipien werden im Folgenden näher beschrieben.

Von Web 1.0 zu Web 2.0 – eine neue Ära?

I

Tags

Die Nutzwertgewinnung im Web 2.0-Umfeld soll unter anderem durch das Taggen von Inhalten ermöglicht werden, d. h. durch Zuordnung von Schlagwörtern, die den jeweiligen Inhalt treffend kennzeichnen. Es handelt sich dabei um eine Form von Feedback. So kann der Nutzer einen Beitrag, ein Foto, Musikstück, eine Produktkritik etc. einfach in ein Gesamtsystem einordnen. Gleichzeitig aggregieren sich die Inhalte zu themenbezogenen Clustern. Diese „Verschlagwortung von Inhalten“9 kann ganz nach Belieben vorgenommen werden, selbst Löschen ist möglich – beispielsweise wenn ein Nutzer der Meinung ist, dass der entsprechende Tag nicht zutrifft. Somit werden die Inhalte von den Usern selbstständig sortiert und automatisch treffenden Kategorien zugeordnet. Die grafische Darstellung so genannter „Tag-Wolken“ bzw. „Tagclouds“ erlaubt eine intuituive Navigation durch die Inhalte. Je beliebter eine Kategorie ist bzw. je mehr Beiträge sich zu einem Thema finden, desto größer wird der entsprechende Tag dargestellt. So ergibt sich eine Gewichtung der Inhalte. Das System funktioniert ab einer gewissen Masse von Nutzern selbstkorrigierend, ist aber von Natur aus trotzdem anfällig für Manipulationen. Populäre Beispiele für Tagging-Systeme sind die Foto-Seite flickr.com oder die Musik-Seite last.fm. Mittlerweile besitzen auch fast alle News-Seiten und die ersten Webshops solche Systeme.

Quelle: FlickR

Abbildung 3: Tag-Wolke

Was ist Web 2.0?

I

Folksonomy

Der Begriff ist eine Wortschöpfung, die sich aus dem englischen Folks (Menschen) und Taxonomy (Klassifizierung/Systematik) zusammensetzt. Im Wesentlichen bezeichnet er den Vorgang der selbstständigen Katalogisierung und Ordnung von Inhalten durch Nutzer – vor allem über das beschriebene Tagging-System. Wichtig ist, dass die Inhalte und deren Tags grundsätzlich der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind. FlickR und die Bookmarking-Seite del.icio.us sind bekannte Beispiele. Sie unterscheiden sich allerdings in ihrer Vorgehensweise: Bei der Fotoseite FlickR handelt es sich um eine so genannte „enge Folksonomy“. d. h. nur jeweils ein Nutzer, der Besitzer des Fotos, vergibt die zutreffenden Tags. Die Tags selbst sind aber auch von allen anderen nutzbar. Beispielsweise taggt der Nutzer, der das Foto einstellt, selbiges mit dem Schlagwort „Heirat“. Andere Anwender können den Tag nicht verändern. Sie können ihn aber ebenfalls nutzen, indem sie ihrerseits die eigenen Heiratsfotos mit diesem Schlagwort kennzeichnen. Im Gegensatz dazu können bei del.icio.us alle Nutzer zu allen Inhalten Tags vergeben. Hier spricht man von einer „breiten Folksonomy“. Beispielsweise vergibt ein Nutzer den Tag „Computertipps“ für einen Link. Ein weiterer Nutzer ergänzt dies mit dem Schlagwort „Windows“, der nächste mit „Performance-Verbesserung“ usw. Auch die Community 43Things.com, auf der die Nutzer sich selbst individuelle Ziele setzen und diese dann mit den anderen Nutzern teilen können, gehört zu den Folksonomy-Seiten. Hier können Nutzer mit denselben Zielen zueinander finden und sich gegenseitig unterstützen. Die StartUp-Firma „Robot Co-op“, die für 43Things verantwortlich zeichnet, wird direkt vom Online-Riesen Amazon.com finanziert.10 Dies lässt vermuten, dass hier die Techniken zur Sortierung und Verwaltung von Inhalten weiterentwickelt werden sollen. Schließlich hat ein Unternehmen wie Amazon.com großes Interesse daran, seinen Kunden die richtige Information zur richtigen Zeit liefern zu können. Eventuell könnte sich aber auch ein Zusammenhang zwischen den auf 43Things geäußerten Zielen der Nutzer und den Buchempfehlungen beim nächsten Besuch auf Amazon.com ergeben.11 I

Blogs

Das wahrscheinlich bekannteste Tool der Web 2.0-Anhänger ist das Blog. Der Begriff steht für ein so genanntes Online-Tagebuch („WebLog“). Es basiert auf Softwareanwendungen, die es dem Nutzer ermöglichen, mit relativ geringem Aufwand Texte, Bilder und Videos online zu stellen. Gra-

Von Web 1.0 zu Web 2.0 – eine neue Ära?

fisch ansprechende Oberflächen, Kommentarfunktionen und Verlinkungen ergänzen das Angebot. Beliebte Blog-Software-Anwendungen sind beispielsweise Wordpress oder Drupal. Daneben gibt es Service-Anbieter, die es erlauben, ohne Installation ein eigenes Tagebuch mit vorgefertigten Designs und integrierten Werkzeugen in Minutenschnelle anzulegen – beispielsweise typepad.com, blog.com oder blogspot.com. Ein Blog kann zu den verschiedensten Themenbereichen gehören: Es gibt private Blogs mit Urlaubsgeschichten oder Erfahrungsberichten, Fachblogs, in denen Experten über Themen und Entwicklungen aus allen möglichen Bereichen diskutieren, sowie Corporate-Blogs, die von Unternehmen geführt werden, oder Meta-Blogs, die Beiträge aus anderen Blogs zusammentragen etc. Blogger, also Internet-User, die ein solches virtuelles Tagebuch führen, verlinken dieses meist mit unzähligen anderen, thematisch passenden Tagebüchern im Netz – dadurch entsteht die „Blogroll“. Diese macht die Blogs zu einem mächtigen Kommunikationsinstrument, da Suchmaschinen wie Google den Rang einer Internetseite auch anhand der Anzahl von Verlinkungen zu dieser Seite vergeben. So kann ein Blog-Syndikat selbst Web-Auftritte von Konzernen schnell auf niedrigere Plätze in den Ergebnislisten verdrängen. Ein weiteres Merkmal ist die Möglichkeit, einen bestimmten Blog mittels RSS zu „abonnieren“. Dies bedeutet, dass der Nutzer bei jeder Aktualisierung des abonnierten Blogs automatisch benachrichtigt wird. Die Blogs leben von der aktiven Teilnahme der User – nicht nur regelmäßige Einträge, sondern Kommentare, Diskussionen und Verlinkungen sind wichtig. Wenn ein Blogger einen fremden Beitrag zitiert, setzt er einen Link zu diesem – den so genannten „Trackback“. So lässt sich der Ursprung eines Zitats durch das Blog-Dickicht zu seinem Urheber zurückverfolgen. Für das Schreiben eines Blogs bzw. Blog-Beitrags gibt es ebenfalls Regeln: So sollten Korrekturen transparent gehalten werden, d. h. geänderte Worte, Sätze oder Abschnitte werden nicht einfach gelöscht und ersetzt, sondern durchgestrichen und der korrigierte Teil dahinter angefügt. Ebenso gilt, dass kein Beitrag kommentarlos aus dem Blog entfernt werden sollte. Bei Kommentaren sollte jeder Autor immer denselben Namen bzw. Alias verwenden, egal in welchem Blog. Im Zuge eines offenen Austauschs sollten in jedem Tagebuch außerdem (ehrliche) Informationen zum Autor öffentlich gemacht werden – so können die Nutzer erkennen, mit wem sie es zu tun haben. Der „PR Blogger“ listet in seinem eigenen Blog weitere hilfreiche Tipps und einige häufige Fehler auf.12 Mittlerweile haben vor allem in den USA, aber auch in Europa, zahlreiche Unternehmen eigene Online-Tagebücher im Dienste der PR und des Marketing geschaffen (siehe Kapitel 6.2, Blogs). Nennenswert sind außerdem

Was ist Web 2.0?

die Watch Blogs, die sich der kritischen Überwachung von Online- und Printmedien verschrieben haben. Der populärste Vertreter dieser Gattung ist der Bild-Blog.13 Eine Google-Suche mit dem Keyword „Blog“ liefert allein im deutschsprachigen Netz ca. 6,7 Millionen Ergebnisse – im gesamten Internet kommt man auf über 1,5 Milliarden Treffer.14 Täglich kommen Tausende hinzu. Dies macht deutlich, welches Gewicht Blogs mittlerweile erreicht haben. I

Podcasts/Vodcasts

Der Begriff des Podcasting setzt sich zusammen aus der Produktbezeichnung des erfolgreichen MP3-Players des amerikanischen Konzerns Apple (iPod) und dem englischen Wort für „Sendung“, „(Rundfunk-)Übertragung“ (Broadcasting). Unter einem Podcast versteht man einen AudioInhalt, der mittels Software automatisch abonniert werden kann (RSSFeed) und zu einem beliebigen Zeitpunkt auf unterschiedlichen Medien wiedergegeben werden kann – beispielsweise auf dem heimischen PC oder unterwegs mittels MP3-Player oder Handy. Diese Möglichkeit zur zeitversetzten Nutzung und der Faktor Mobilität zeichnen maßgeblich verantwortlich für die große Beliebtheit bei den Nutzern. Die Inhalte können meist kostenlos heruntergeladen werden, beispielsweise über Apples iTunes-Store oder große Portale wie podcast.de und podster.de. Die neueste Generation dieser Inhalte kann sogar Videos beinhalten. Man spricht

Quelle: iTunes

Abbildung 4: Podcast „Schlaflos in München“

Von Web 1.0 zu Web 2.0 – eine neue Ära?

dann von einem so genannten „Videopodcast“ oder auch „Vodcast“. Erstellen kann sie jeder, der ein Mikrofon bzw. eine Kamera und einen Computer mit Internetzugang hat. Podcasts/Vodcasts werden mittlerweile vielfältig genutzt. Privat, wie beispielsweise die sehr erfolgreiche Serie „Schlaflos in München“ der Autorin Larissa Vassilian, in der sie ihr Alter Ego Annik Rubens über die alltäglichen Dinge ihres Lebens erzählen lässt – mit enormen Abrufzahlen; auch kommerzielle Inhalte haben sich etabliert, so zum Beispiel der „ProSieben Popstars“ Vodcast. In Kapitel 6.3, Podcasts/Vodcasts, werden weitere kommerzielle Beispiele aufgezeigt und der Einsatz dieses Tools näher erläutert. I

Crowdsourcing

Das Prinzip des Crowdsourcing beschreibt die Auslagerung (Outsourcing) von Tätigkeiten an eine Masse von freiwilligen „virtuellen Mitarbeitern“ (Crowd). Es funktioniert ähnlich wie das vielfach angewendete „Grid Computing“, bei dem rechenleistungsintensive Arbeitsvorgänge auf viele ex-

Quelle: http://www.humangrid.eu [Stand 29.01.2007]

Abbildung 5: HumanGrid

Was ist Web 2.0?

terne Computer verteilt werden. Im Unterschied dazu handelt es sich aber meist um Aufgaben, die besser von Menschen erledigt werden können als von Maschinen, wo also nicht Rechenleistung gefragt ist, sondern ein Denkprozess. Beispielsweise die Ausführung einfacher Forschungs- und Entwicklungsaufgaben oder zeitintensiver administrativer Tätigkeiten. Diese werden auch „Microwork“ genannt. Das Portal HumanGrid setzt als erstes deutsches Portal auf die Microwork-Vermittlung.15 Aber auch komplexere Prozesse, wie die Wissensgenerierung, Konzipierung neuer Tools und Applikationen etc., können an externe Nutzer ausgelagert werden. Bekanntestes freies Beispiel ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Das US-Unternehmen Amazon nutzt Crowdsourcing, um auf diese Weise neue Software-Projekte zu realisieren, allerdings auf kommerzielle Weise.16 Es bietet die menschliche Intelligenz als Ware an. Anbieter können hier Aufgaben ausschreiben, die von den Nutzern erledigt werden sollen, so genannte „Human Intelligence Tasks“. Die Höhe der Bezahlung pro Arbeitseinheit wird dabei vom Unternehmen selbst festgelegt. Meist handelt es sich um relativ niedrige Beträge, die aber ein interessantes Nebeneinkommen darstellen. Virtuelle „Leiharbeiter“ können das Angebot dann wahrnehmen und jeweils Teilstücke der Gesamtaufgabe übernehmen. I

Word of Mouth

Dieser Begriff bezeichnet von Konsumenten an andere Konsumenten weitergegebene Informationen, beispielsweise Produkterfahrungen, Testberichte etc. Das so genannte Word of Mouth kann persönlich oder in Schriftform vorliegen. Es ist extrem glaubhaft, da es als „Stimme des Konsumenten“17 eine Widerspiegelung eigener Erfahrungen darstellt. Basierend auf dem Prinzip des Word of Mouth gibt es verschiedene Marketingansätze, die später genauer dargestellt werden sollen (siehe Kapitel 5.4, Wie Unternehmen auf die Meinungsbildung beim Konsumenten Einfluss nehmen können). I

Long Tail

Der Long Tail – zu deutsch „Rattenschwanz“ – beschreibt die Produkte im Sortiment, die abseits der Charts und Top-Lists stehen. Wenigen sehr erfolgreichen Produkten, so genannten „Blockbustern“, stehen sehr viele weniger erfolgreiche Produkte gegenüber. Vor allem Nischenprodukte, die sich selten verkaufen, finden sich im Long Tail. In Kapitel 5.3.1, Chancen für Unternehmen, wird das Prinzip näher erläutert.

Von Web 1.0 zu Web 2.0 – eine neue Ära?

I

Power Law

So genannte Power Laws sind Verteilungsgesetzmäßigkeiten. In der Anwendung auf soziale Netzwerke beschreiben sie die Ungleichverteilung, bei der eine kleine Gruppe von sehr „erfolgreichen“ Items die meisten Hits auf sich zieht – zum Ende der Rangliste nähern sich die Hits schnell gegen Null. Dies ist die Grundlage des Long-Tail-Phänomens. Beispielsweise verzeichnet die Blog-Suchmaschine Technorati für die Top 10 der internationalen Blogs insgesamt so viele Verlinkungen wie für die nächsten 90 Blogs zusammen.

2.2 Welche Merkmale kennzeichnen Web 2.0? Die wesentlichen Kennzeichen des Web 2.0 sind die vernetzten User und die durch sie integrierten Inhalte. Im MCM Institute St. Gallen wurden in einer aktuellen Studie zum Social Networking die drei wesentlichen Komponenten von Web 2.0 identifiziert. Diese sind: 䉴 Community

Der virtuelle Zusammenschluss von Nutzern durch gemeinsame Interessen. Hier betreiben verschiedene „Interessengruppen“ aktives „Knowledge Sharing“ in einem sozialen Netzwerk. 䉴 Plattform/Tools

Die „technischen Grundlagen“, die es dem Nutzer ermöglichen, mit anderen Nutzern und Dienstleistern zu interagieren. Beispielsweise Directories oder Wikis. 䉴 Online Collaboration

Die Zusammenarbeit einer „geschlossene User-Gruppe“ zu einem bestimmten Thema, mit einem spezifischen Ziel, mittels Online-Applikationen und virtuellem Workflow. Kernprozess des Web 2.0 ist die „Herstellung informations- und kommunikationsbasierter Güter in einem selbstorganisierenden und emergenten Prozess“.18 Diese ist nutzerbasiert und folgt meist dem Open-Source-Prinzip, d. h. sie wird vom User selbstständig geleistet ohne monetäre Hintergründe. Die Kreation und Distribution von Inhalten ohne kommerzielle Interessen ist maßgeblich für den originären Web 2.0-Gedanken.

Welche Merkmale kennzeichnen Web 2.0?

Community

Social Networking

OpenBC/Xing, StudiVZ,…

Knowledge Sharing

Wikis, Search Engines

Interest Group

Web 2.0

Platform

OnlineCollaboration

Xbox Community, …

Directory

Technorati, DMOZ, …

Technology Centric

Wetpaint, Bloglines, …

Online Applications

Yahoo! Pipes, …

Virtual Workflow

Web Logic, VDSee…

Quelle: in Anlehnung an Meckel, M., Wir sind das Web!, S. 9

Abbildung 6: Die drei wesentlichen Komponenten von Web 2.0 Ein wichtiges Charakteristikum ist auch das quantitative Merkmal von Web 2.0: Je mehr User an einem Angebot teilnehmen, desto mehr neue Nutzer werden angezogen. Auf diesem Weg gewinnen sowohl das Angebot selbst als auch seine Inhalte an Bedeutung und Qualität. Feststellen lässt sich dies am besten am Beispiel der erfolgreichen Online-Enzyklopädie „Wikipedia“. Der Zukunftsforscher Mathias Horx stellt neben der kollektiven Co-Produktion von Inhalten noch weitere Charakteristika heraus:19 䉴 „Seamless Distribution“ digitaler Produkte, also medienunabhängi-

ge und medienübergreifende Inhalte für die breite Masse von Nutzern; beispielsweise Podcasts, die zeitversetzt auf verschiedensten Medien zur Anwendung kommen. 䉴 „Meta-morphische Organisationsformen“, die durch permanen-

te Verbesserungsprozesse in einem ständigen Wandel begriffen sind; davon kann neben der Organisationsstruktur sogar das Geschäfts- und Finanzierungsmodell betroffen sein: Dies wurde jüngst am Beispiel des Wandels vom Profinetzwerk OpenBC, das sich auf die Vernetzung von Geschäftsleuten spezialisiert hatte, zum Massenangebot Xing deutlich.

Von Web 1.0 zu Web 2.0 – eine neue Ära?

䉴 „Virtuelle Sozialrealitäten“, in denen die Nutzer ein oder mehrere

Alter Ego bedienen und sich verschiedensten Gruppen anschließen. Aus technischer Sicht sind die Standardisierung von Komponenten durch einheitliche Semantik (CSS, XHTML), die offene Programmierung von Schnittstellen (APIs) und der einfache Datenaustausch (XML, RSS) Erfolgsfaktoren Nummer eins im Web 2.0. Dies ermöglicht maßgeblich die ständige Weiterentwicklung und Neukreation von Angeboten und Dienstleistungen. Stellvertretend dafür stehen die so genannten „MashUps“, also Vermischungen von Systemen und Datenquellen, die wiederum zu ganz neuen Möglichkeiten der Vernetzung führen. Bei Plazes.com beispielsweise entsteht durch die Verbindung des Satellitenkartensystems von Google Maps und den Fotodatenbanken von Flickr eine bebilderte Weltkarte, in die Nutzer eigene Fotos von besuchten Orten, Sehenswürdigkeiten oder ihrer Heimatstadt einpflegen können – selbstverständlich getaggt und verlinkt (siehe Kapitel 8, Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0). Das Portal web2null.de sammelt und kategorisiert deutschsprachige MashUps und gibt einen Überblick über das ständig wachsende Angebot.20 Durch neue Entwicklungen wird versucht, die ständig steigenden Datenmengen, die diese multimedialen Anwendungen erzeugen, zu bewältigen. Selbst Breitbandzugänge stoßen mittlerweile bei manchen Seiten an ihre Kapazitätsgrenzen. Hier sei vor allem AJAX zu erwähnen, ein Prinzip zur asynchronen Datenübertragung, das Daten während der Nutzung stückweise lädt, anstatt vorher die gesamte Anwendung in einem einzigen großen Block zu laden. Vom wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet bietet Web 2.0 den Unternehmen vielfältige Möglichkeiten – sei es durch das Eingreifen in den Informationsprozess beim Konsumenten mit geeigneten Tools, das Ausschöpfen der vollen Produktbandbreite, Struktur- und Prozessoptimierung oder durch neue innovative Geschäftsmodelle. Dies soll in den folgenden Kapiteln näher erläutert werden.

Welche Merkmale kennzeichnen Web 2.0?

3. Phänomen Web 2.0 – multimedialer Wandel

3.1 Wie sich das Verhalten des Internetnutzers verändert hat Der Aufstieg des Phänomens Web 2.0 ist primär mit der großflächigen Verbreitung von schnellen Internetzugängen verknüpft. Allerdings spielen auch die zunehmende Versiertheit der Nutzer im Umgang mit dem Medium Internet und die Offenheit für neue Entwicklungen eine große Rolle. Die Online-Nutzung in Deutschland ist noch immer im Wachstum begriffen, wenn auch leicht abgeschwächt gegenüber den Vorjahren. So nutzten 59,5 Prozent der Deutschen im Jahr 2006 das Internet zumindest gelegentlich. Zum Vergleich: Zu Beginn der ersten Internetphase um 1998 waren es nur 10,4 Prozent. Dabei ist die Verbreitung von DSL-Anschlüssen in Deutschland innerhalb der letzten Jahre sprunghaft angestiegen: Die Hälfte der Online-Nutzer wählen sich mit einem solchen schnellen Zugang ein. Zur Zeit des DotCom-Booms waren DSL-Anschlüsse hierzulande so gut wie gar nicht vorhanden. Interessant ist, dass sich diese Entwicklung durch alle Altersgruppen zieht, wobei die jüngste Nutzergruppe (14 bis 19 Jahre) erwartungsgemäß am stärksten durchdrungen ist. Hier besitzt mit 53 Prozent schon jeder Zweite einen schnellen Anschluss. Die ältesten Nutzergruppen (50 bis 59 Jahre und ab 60 Jahre) sind „Schlusslicht“ – im Schnitt verfügt gut jeder Dritte über 50-Jährige über einen DSL-Zugang. Begründen lässt sich der Anstieg der DSL-Nutzung mit dem Preisverfall bei OnlineTarifen, vor allem preisgünstige Flatrates tragen maßgeblich dazu bei. Mit der Verbreitung der schnellen Zugänge steigt auch die Nutzung multimedialer Anwendungen, speziell in der Gruppe der 14- bis 19-Jährigen: So haben 48 Prozent der jungen Online-Nutzer schon einmal Musikdateien im Internet angehört oder heruntergeladen, 44 Prozent geben an, auch Videos angesehen oder auf den Rechner geladen zu haben. 31 Prozent haben bereits mindestens einmal einen Live-Radio-Stream empfangen, bei Live-Fersehen im Internet sind es noch 9 Prozent. Die älteren Nutzer-

Wie sich das Verhalten des Internetnutzers verändert hat

Phänomen Web 2.0 – multimedialer Wandel n.e. n.e. –

10,4 6,6 61

1998

n.e. n.e. –

17,7 11,2 68

1999

n.e. n.e. –

28,6 18,3 64

2000

n.e. n.e. –

38,8 24,8 36

2001

n.e. n.e. –

44,1 28,3 14

2002

51,5 33,1 –

53,5 34,4 22

2003

52,6 33,9 2

55,3 35,7 4

2004

56,7 36,7 8

57,9 37,5 5

2005

57,6 37,4 2

59,5 38,6 3

2006

Abbildung 7: Entwicklung der Onlinenutzung in Deutschland 1997 bis 2006 (Personen ab 14 Jahre)

Quelle: ARD/ZDF-Online-Studie 2006

Basis: Onlinenutzer ab 14 Jahre in Deutschland (2006: n = 1084; 2005: n = 1075; 2004: n = 1002; 2003: n = 1046; 2002: n = 1011; 2001: n = 1001; 2000: n = 1005; 1999: n = 1002; 1998: n = 1006; 1997: n = 1003.

n.e.: nicht erhoben.

n.e.1 n.e.1 –

Onlinenutzung innerhalb der letzten vier Wochen in % in Mio. Zuwachs gegenüber dem Vorjahr in %

1

6,5 4,1 –

gelegentliche Onlinenutzung in % in Mio. Zuwachs gegenüber dem Vorjahr in %

1997

2003

2004

2005

2006

Gesamt

24

24

36

48

14 20 30 40 50 60

23 36 21 24 23 8

32 29 26 19 17 15

33 41 40 34 34 25

53 52 47 53 36 39

– 19 – 29 – 39 – 49 – 59 Jahre oder älter

Basis: Onlinenutzer ab 14 Jahre in Deutschland. Teilgruppe: Befragte, die das Internet zu Hause nutzen (2006: n = 961; 2005: n = 928; 2004: n = 889; 2003: n = 910). Quelle: ARD/ZDF-Online-Studie 2006

Abbildung 8: DSL-Ausstattung 2003 bis 2006 (in Prozent)

mindestens wöchentlich genutzt

schon mal genutzt

2006

Videos/Videodateien ansehen/herunterladen Audiodateien anhören/herunterladen live im Internet Radio hören live im Internet fernsehen Podcast Vodcast

2006

2003

2004

2005

gesamt

1419 J.

gesamt

1419 J.

10

7

6

7

22

20

44

17

11

11

12

32

29

7

6

6

11

17

24

2 – –

1 – –

1 – –

2 3 1

5 6 3

7 6 3

48 31 9 15 9

Basis: Onlinenutzer ab 14 Jahre in Deutschland (2006: n = 1084; 2005: n = 1075; 2004: n = 1002; 2003: n = 1046). Quelle: ARD/ZDF-Online-Studie 2006

Abbildung 9: Nutzung multimedialer Anwendungen 2003 bis 2006 (in Prozent) gruppen zeigen sich etwas verhaltener, aber auch hier ist ein Anstieg der multimedialen Nutzung zu verzeichnen. Insgesamt haben 2006 außerdem 15 Prozent der 14- bis 19-Jährigen bzw. 6 Prozent aller Onliner bereits Podcasts genutzt und 9 Prozent bzw. 3 Prozent auch Vodcasts. Tendenz steigend.

Wie sich das Verhalten des Internetnutzers verändert hat

männl.

weibl.

14-19 J.

20-29 J.

30-39 J.

40-49 J.

50 J. +

Wikipedia Weblogs Fotogalerien (z. B. Flickr)

Gesamt

Gleichzeitig sind viele Nutzer interessiert daran, sich aktiv im Internet zu bewegen. Auch wenn die Nutzung – speziell von Web 2.0-Angeboten – derzeit noch relativ gering ist, setzt sich die Erkenntnis durch, „dass das Internet mehr als eine [...] Informationsplattform ist“.21 Wikipedia wird immerhin von 32 Prozent aller Onliner genutzt. Fotonetzwerke wie Flickr von 12 Prozent, Weblogs unterhalten oder besuchen 7 Prozent der User. Betrachtet man die jüngste Altersgruppe gesondert, so zeigt sich auch hier wieder eine überdurchschnittliche Nutzungsquote.

32 7

37 8

26 6

57 11

45 9

24 7

27 5

20 4

12

13

12

20

20

11

12

5

Basis: Onlinenutzer ab 14 Jahre in Deutschland (n = 1084). Quelle: ARD/ZDF-Online-Studie 2006

Abbildung 10: Genutzte Internetangebote zu Web 2.0 (in Prozent) Eine aktuelle Studie der ARD/ZDF Media Perspektiven konstatiert, „dass das Mitmach-Internet noch am Anfang ist“. Es zeige sich aber, dass die User im Umgang mit Fotonetzwerken und Weblogs „deutlich aktiver sind“. So haben laut der ARD/ZDF-Online-Studie 2006 42 Prozent der Nutzer von Fotogalerien schon einmal persönliche Galerien im Internet eingerichtet; 35 Prozent der Weblog-Nutzer haben bereits einen eigenen Weblog-Beitrag verfasst. Die Studie führt die (noch) relativ geringen Nutzungszahlen unter anderem auf mangelnde Bekanntheit von Angeboten in Deutschland zurück. Zudem scheinen speziell die älteren Onliner vor Sicherheitsfragen zurückzuschrecken. Der „Internetnutzer des Jahres 2006 steht multimedialen Angeboten offener gegenüber und nutzt diese (zwar noch zögerlich).“22 Trotz einer gewissen Skepsis im Umgang mit Web 2.0 zeichnet sich eine Entwicklung aber bereits deutlich ab: Das Informations- und Kaufverhalten der Nutzer verändert sich. Die Zahl derer, die sich vor dem Kauf eines Produkts online in sozialen Netzwerken oder Blogs ein Bild über Qualität, Preis-Leistungs-Verhältnis oder Ansehen des Produkts in der Community machen, steigt beständig. Zudem wächst die Bandbreite der Produkte, über die sich die Konsumenten informieren, auch wenn Güter von hoher Wertigkeit im Vordergrund stehen. Beim Kauf eines neuen Handys bei-

Phänomen Web 2.0 – multimedialer Wandel

58

Informationen abgerufen

64 92 14

etwas verfasst/ eingestellt

7 0 28 28

beides 7 0

20 Wikipedia

40 Weblog

60

80

100

Fotogalerien, z. B. Flickr

Basis: Onlinenutzer ab 14 Jahre in Deutschland. Teilgruppe: Onlinenutzer, die Wikipedia (n = 343), Weblog (n = 73), Fotogalerien (n = 135) schon mal im Internet besucht haben. Quelle: ARD/ZDF-Online-Studie 2006

Abbildung 11: Art der Nutzung von Web 2.0-Angeboten (in Prozent) spielsweise, holen heute schon über 90 Prozent der Käufer vorher ausgiebig Informationen im Internet ein.23 Die Unternehmenskommunikation indes ist noch mit der Umsetzung der Erkenntnisse aus der letzen Phase beschäftigt. So bequemen sich viele Unternehmen nur zögerlich zum Dialog mit dem Kunden, obwohl dieser schon von den Autoren des viel beachteten „Cluetrain-Manifests“ aus der ersten Internetphase als existenzielle Herausforderung des Internet-Zeitalters betrachtet wurde.24 Nur knapp 10 Prozent der Unternehmen halten konsumentenorientierte PR für wichtiger als Corporate-PR in Bezug auf den Unternehmenserfolg. Um die Kenntnis von Tools zur Kommunikation mit dem Kunden steht es ähnlich: Knapp ein Drittel der unternehmensinternen Pressestellen in Deutschland kann mit dem Begriff „Podcast“ nichts anfangen, weitere 27,5 Prozent halten das Thema schlicht für überbewertet. Jedes zehnte Unternehmen befindet Podcasts als wichtige Innovation, sieht aber wenig Einsatzmöglichkeiten. Immerhin 29 Prozent wollen – und gerade einmal 9 Prozent setzen sich bereits mit Podcasts auseinander.

Wie sich das Verhalten des Internetnutzers verändert hat

Ich halte Podcasting für ... A:

Was ist eigentlich Podcasting?

B:

... ein überbewertetes Thema.

C:

... ein wichtiges Thema, mit dem sich mein Unternehmen noch auseinandersetzen muss.

D:

... ein wichtiges Thema, mit dem sich mein Unternehmen bereits auseinandersetzt.

E:

... eine wichtige Innovation, die aber für die PR wenig Einsatzmöglichkeiten bietet.

30 %

20 % 32,7 27,5 27,2 23,1

25,3 21,4

10 %

15,4 8,8

9,8

8,8

0% Pressestellen (n = 1436)

Agenturen (n = 742)

Quelle: PR-Trendmonitor 1/2006

Abbildung 12: Bedeutung von Podcasting im Unternehmen Zumindest in den größeren Unternehmen sind neue Formen des Kunden-Dialogs schon im Einsatz. So bieten beispielsweise fast alle heimischen Automobilmarken eigene Podcasts, teils ohne kommerzielle Inhalte wie bei Mercedes-Benz und mit unterschiedlich großem Erfolg. Auch von allen namhaften Print- und Onlinemedien können mittlerweile digitale Inhalte abonniert werden. Täglich entstehen außerdem neue Corporate Blogs. Der Tiefkühlkost-Hersteller „Frosta“ hat zum Beispiel erst vor kurzem einen neuen Blog aufgesetzt, der allein im Dienst des transparenten Dialogs mit seinen Kunden stehen soll (siehe Fokus: Blogs, S. 37 f.). Bis zuletzt stellen aber wie erwartet IT-Unternehmen als Lead User die aktivste Blogger-Branche dar. Dass der Schlüssel zum Erfolg nicht mehr in der One-Way-Distribution von Inhalten liegen kann, sondern eine aktive

Phänomen Web 2.0 – multimedialer Wandel

Einbindung der Konsumenten und offener Dialog gefördert werden müssen, kommt in vielen Unternehmen nur langsam an.

3.2 Vergleich Deutschland, Europa, USA Die aktuellen Diskussionen rund um Web 2.0 tragen in ganz Europa zu einer Sensibilisierung der Nutzer für das Thema bei, auch außerhalb von Konferenzräumen und ThinkTanks. Noch haben derzeit nur relativ wenige Deutsche eine klare Vorstellung von dem, was sich hinter dem Begriff „Web 2.0“ verbirgt. Trotzdem: Betrachtet man den Kenntnisstand und die Akzeptanz neuer, multimedialer Anwendungen aus Sicht des Online-Nutzers, liegt Deutschland im gesamteuropäischen Mittelfeld. Die Kenntnis von Blogs betreffend, steht Frankreich nach einer Studie des Marktforschungs-Unternehmens IPSOS an der Spitze – neun von zehn Franzosen kennen den Begriff „Blog“. In Deutschland haben immerhin etwas mehr als die Hälfte der Befragten den Begriff schon einmal gehört. In Spanien und Großbritannien ist der Wert geringer.25 Größtes europäisches Videoportal ist zurzeit mit rund 3 Millionen VideoAbrufen täglich das französische dailymotion.fr; das deutsche Studentennetzwerk StudiVZ verzeichnet, als stärkstes europäisches Social Network, im gesamten deutschsprachigen Raum mittlerweile 800 000 Mitglieder. Unter den monatlichen Top 10 der meistbesuchten Websites in Europa dominieren noch Suchmaschinen und der Softwarehersteller Microsoft die obersten Ränge. In Deutschland findet sich aber immerhin ein Vertreter der neuen Internet-Generation regelmäßig in der Bestenliste: Wikipedia.26 Die Zahlen zeigen: Web 2.0 und seine Tools sickern aus der LeadUser-Sphäre langsam in den europäischen Mainstream. In den USA dagegen hat sich Web 2.0 wie ein Wasserfall über die OnlineCommunities ergossen. Das Video-Portal YouTube und sein Blog-Pendant Myspace verzeichnen gigantische Nutzerzahlen. Vor kurzem registrierte myspace.com den 100-millionsten Account27, auf youtube.com werden täglich 100 Millionen Videos von Usern angeschaut, 65 000 neue Videos werden täglich hochgeladen.28 Auch das amerikanische Studentennetzwerk Facebook ist höchst erfolgreich. So sollen mittlerweile 85 Prozent aller amerikanischen Studenten über ein eigenes Profil auf facebook.com verfügen, über 8 Millionen Mitglieder zählt das Netzwerk.29 Unzählige Klone und MashUps versuchen darüber hinaus, die Aufmerksamkeit der Onliner auf sich zu ziehen. Gleichzeitig werden die amerikanischen Nutzer dieser Angebote älter. Gerade die Altersgruppe der 35- bis 45-Jährigen gewann in den letzen Monaten stark an Bedeutung, während das Wachs-

Vergleich Deutschland, Europa, USA

Quelle: Gartner Group

Abbildung 13: IT-Hypezyklus 2006 (USA) tumspotenzial bei den Jüngeren bereits ausgeschöpft ist. Aus dieser Beobachtung wird deutlich, dass die sozialen Netzwerke hier bereits breit gefächert in den Mainstream eingezogen sind. Das renommierte US-Beratungshaus GartnerGroup sieht Web 2.0 in den Staaten denn auch auf der Spitze des Hype-Zyklus. Maßgeblich mitverantwortlich für den Unterschied in den Nutzerzahlen ist der Sicherheitsaspekt. Die deutschen Nutzer sind aufgeschlossen, legen dabei aber Wert auf die Sicherheit ihrer persönlichen Daten. Dies bremst

Phänomen Web 2.0 – multimedialer Wandel

die Nutzung von Web 2.0-Angeboten, da beim Anmelden und Pflegen eines Accounts meist viele Details preisgegeben werden (müssen). Anders in den USA – hier herrscht eine weniger strenge Mentalität im Umgang mit den eigenen, personenbezogenen Daten. Betrachtet man die kommerzielle Nutzung von Web 2.0, stellt sich das Gefälle ähnlich dar. Während in Europa und speziell in Deutschland bislang nur ein kleiner Teil der Unternehmen die Möglichkeiten der neuen Internetgeneration und deren Tools zu kommerziellen Zwecken nutzt, sind amerikanische Firmen längst im Geschäft. Große Konzerne, wie beispielsweise IBM, haben eigene Abteilungen eingerichtet, die sich aktiv mit „promotional chat“ beschäftigen – also der Verbreitung von Werbebotschaften in Netzwerken. Direkt am Markt und in der Sprache der potenziellen Konsumenten. So werden nicht nur neue Kunden akquiriert, sondern auch Meinungen gelenkt und Absätze von Produkten gesteigert. Podcasts und Blogs gehören längst zum Marketing-Standardrepertoire jedes großen US-Konzerns. Zumindest in diesem Punkt können sich deutsche und europäische Großunternehmen einigermaßen mit den amerikanischen messen. Trotzdem gilt noch immer: Europäische Firmen blocken eher, als dass sie bloggen. Fokus: Blogs Die Web-Tagebücher sind auf dem Vormarsch. Als Kommunikationsmittel und Recherche-Tool sind sie bei vielen Onlinern beliebt. Eine Studie der Universität Leipzig in Kooperation mit der Suchmaschine ask.com stellte fest, dass nur 12,7 Prozent der Internetnutzer in Deutschland nichts mit dem Begriff anfangen können.30 Noch weniger geben an, noch nie einen Blog gelesen zu haben. Etwas mehr als ein Drittel der Blog-Nutzer sind demnach aktiv, das heißt, sie führen beispielsweise ein eigenes Online-Tagebuch. Etwa ein Drittel sind nur Leser. Teilweise schreiben sie auch Kommentare zu den Beiträgen. Als Informationsquelle zu beinahe jedem möglichen Thema sind Blogs unschlagbar, jedoch mangelt es an einem klaren Bild über die genaue Funktion von Blogs. Auch die Nutzungsmotive sind sehr unterschiedlich: Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass aktive Schreiber eher ihr Mitteilungsbedürfnis gegenüber der Öffentlichkeit befriedigen wollen, während die Leser von Blogs vor allem (Produkt-)Informationen gewinnen möchten. Sie sind konsumorientierter als aktive Blogger. In der Studie wurde zudem eine Typologie der deutschen Blog-Nutzer entwickelt. Sie stellt sich folgendermaßen dar:

Vergleich Deutschland, Europa, USA

Social Networker 17,7 %

Wissensdurstige 23,7 %

Selbstdarsteller 17,7 %

Informationssucher 18,9 % Aktive Konsumenten 22,8 %

Blog-Nutzer sind mehrheitlich investigative Multiplikatoren – Konsumenten, die mehr wissen wollen, Informationen aktiv weitergeben und gut vernetzt sind www.blogstudie2007de – Frage: „Warum nutzen Sie Blogs?“, n = 474 Quelle: Zerfaß, A./Bogosyan (2007), Blogstudie 2007, S. 7

Abbildung 14: Typologie der Blognutzer in Deutschland Sehr interessant ist die allgemein hohe Glaubwürdigkeit, die den Blogs zugeschrieben wird. Trotzdem ergeben sich einige signifikante Unterschiede: So werden Fachblogs und Blogs von Medien am glaubwürdigsten eingestuft. Corporate-Blogs dagegen schneiden vergleichsweise schlecht ab: Über ein Viertel der Nutzer hält die Informationen, die dort bereitgestellt werden, für nicht glaubwürdig. Möglicherweise resultiert das Misstrauen aus negativen Erfahrungen, die die Nutzer in der Vergangenheit gemacht haben. Es zeigt sich auch, dass unternehmensgeführte Blogs bislang in der Wahrnehmung der deutschen Nutzer nur eine untergeordnete Rolle spielen. Unternehmen, die erfolgreich bloggen und damit auch beim Konsumenten ankommen wollen, müssen deshalb ehrlich und offen mit dem Instrument umgehen und die Nutzer stärker ansprechen.

Phänomen Web 2.0 – multimedialer Wandel

4. Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

Die angesprochenen Veränderungen im Umgang mit dem Internet und das Phänomen Web 2.0 führen dazu, dass Schlüsselstellen im Informations- und Kaufprozess überdacht und neu formuliert werden müssen. Um sich auf die neue Konsumentengeneration einstellen zu können, wollen wir in diesem Abschnitt den bisherigen Prozess von der Informationsphase bis zur Nachkaufbereitung aus Käufersicht untersuchen. An welchen Stellen treten Änderungen auf, und welche Auswirkungen haben diese? Anschließend stellen wir die neuen Prozessabläufe dar und skizzieren Profile des „neuen Konsumenten“. Die Frage, warum ein Konsument ein bestimmtes Produkt kauft, beschäftigt schon seit jeher Marketer und Forscher. Zunächst muss der Kaufentscheidungsprozess in einzelne Prozessschritte aufgeteilt werden. Hierzu gibt es bereits zahlreiche Publikationen und Analysen, deshalb soll an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick gegeben werden.31 Gemeinhin unterscheidet man fünf verschiedene Phasen: 䉴 Problemerkennung durch interne oder externe Stimuli; führt dazu,

dass ein Kaufwunsch/-bedürfnis entsteht. 䉴 Informationssuche mittels interner und/oder externer Quellen; hier

werden alle relevanten Informationen zum Gegenstand der Begierde aus Bekanntenkreis, öffentlichen Medien, Produktbroschüren etc. zusammengetragen. 䉴 Bewertung der Produktalternativen und Meinungsbildung; diese Pha-

se führt anschließend zur 䉴 Kaufentscheidung für ein bestimmtes Produkt; der Käufer hat sich

entschieden und erwirbt den Wunschgegenstand. 䉴 Nachkaufevaluierung des erworbenen Produkts; durch Gebrauch

und Vergleiche mit Erwartungen und (nicht erworbenen) Alternativen.

Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

Die Problemerkennung ist dabei von den Neuerungen durch Internet und soziale Netzwerke weniger betroffen. Man kann argumentieren, dass der Konsument durch die fortlaufende Vernetzung externen Stimuli stärker bzw. zielgenauer ausgesetzt ist und dadurch mehr Kaufwünsche entstehen könnten. Auf alle weiteren Etappen des Kaufentscheidungsprozesses hat die neue Generation des Netzes jedoch wesentlich größere Auswirkungen. Diese Prozessphasen werden im Folgenden näher untersucht und spezifische Veränderungen für den „neuen Konsumenten“ herausgestellt.

4.1 Informationsprozess Hat der Konsument bereits einen Kaufwunsch entwickelt, beginnt die Informationssammlung. Es werden alle relevanten Informationen zum Gegenstand der Begierde zusammengetragen. Der Käufer definiert Kriterien, die für die persönliche Kaufentscheidung wichtig sind. Die gesammelten Informationen werden dann strukturiert und zugeordnet, sodass die Produkte für ihn vergleichbar werden. Diese Phase dient als Grundlage der Meinungsbildung und Kaufentscheidung.

4.1.1 Unterschiede im High-/Low-Involvement-Bereich Zunächst muss unterschieden werden, um welche Produktkategorie es sich handelt. Maßgeblich ist hier das Involvement des Konsumenten, also der „Grad wahrgenommener persönlicher Wichtigkeit und/oder persönlichen Interesses, der durch einen Reiz in einer bestimmten Situation hervorgerufen wird.“32 Anders ausgedrückt lässt sich Involvement als die Intensität des Denkens beschreiben, die ein Konsument für den Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung einsetzt. Nach dem Grad dieses Denkengagements können verschiedene Typen von Kaufprozessen gegeneinander abgebildet werden:33 䉴 Extensive Kaufentscheidungsprozesse, in denen der Konsument

großen Aufwand in die Identifikation relevanter Entscheidungskriterien und die vergleichende Beurteilung von Alternativen investiert. Dies ist beispielsweise bei einem Neuprodukt der Fall, das für den Konsumenten sehr wichtig ist, in Bezug auf persönliche Wertigkeit, mit dem Produkt verbundenes soziales Ansehen und monetäres Risikoempfinden.

Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

Autos sind ein typisches Beispiel, ebenso teure Uhren oder Urlaubsreisen. 䉴 Begrenzte Kaufentscheidungsprozesse, bei denen dem Konsu-

menten die verfügbaren Marken innerhalb einer bestimmten Produktkategorie nicht bekannt sind. Hier sind die Kriterien bereits im Wesentlichen festgelegt, aber es muss Denkengagement für den Alternativenvergleich investiert werden. Auch diese Produkte sind für den Käufer relativ wichtig. Ein Beispiel ist der Kauf eines neuen Laptops oder Handys. 䉴 Habitualisierte Kaufentscheidungsprozesse, die sich durch ge-

wohnheitsgemäßes Verhalten des Konsumenten beschreiben lassen. Hier sind sowohl die Produktkategorien als auch die Marken bereits bekannt, der Käufer handelt routinemäßig. Das Denkengagement ist gering. Als Beispiel können Gegenstände des täglichen Gebrauchs genannt werden. 䉴 Affektgesteuerte Kaufentscheidungsprozesse, die spontan und

ohne vorherige Informationssammlung geschehen. Solche Käufe tätigt der Konsument direkt am Point of Sale, allein aufgrund von Reizen bestimmter Angebote. Die beiden ersten Kaufprozesstypen beschreibt man auch als High-Involvement. Diese Käufe sind für den Käufer wichtig. Er verwendet relativ viel Zeit für die Sammlung von Informationen, da neben dem finanziellen Risiko aufgrund der hohen Produktpreise auch ein soziales und psychologisches Risiko besteht. Dieses steht in Verbindung mit der persönlichen Wertschätzung und dem Streben nach sozialer Anerkennung.34 Es ist außerdem zu beobachten, dass Konsumenten gerade bei High-Involvement-Gütern, die der Steigerung der Lebensqualität dienen, wie zum Beispiel Urlaubsreisen, die Informationssammlung als „genussvoll“ erachten und diese als eine Art „Ritual“ zelebrieren. Sie wollen so die Freude am Kauf voll ausschöpfen.35 Die letzten beiden Kaufprozesstypen werden als Low-Involvement bezeichnet. Käufe aus diesem Bereich sind nicht sehr wichtig für den Konsumenten. Sie beinhalten wenig oder gar kein Risiko, sodass sich Denkengagement hier nicht lohnt.36 Eine nennenswerte Informationssammlung fand bislang häufig nicht statt. In letzter Zeit lässt sich aber feststellen, dass auch Informationen zu Gütern des täglichen Gebrauchs stärker abgefragt werden. Es gibt zudem situative Ausnahmen, beispielsweise wenn das gewohnte Produkt nicht verfügbar ist. In diesem Fall kann ein habitualisierter Kaufentscheidungsprozess zum begrenzten Kaufentscheidungsprozess werden, da eine andere Marke gewählt werden muss. Dies erfordert wieder ein gewisses Denkengagement und die

Informationsprozess

damit verbundene Informationssammlung. Eine kurze Gegenüberstellung von High- und Low-Involvement-Käufen findet sich unter anderem bei Kuß/Tomczak: High-Involvement-Käufe

Low-Involvement-Käufe

䉴 Umfassende Informationsverarbeitung

䉴 „Lernen“ nach Wiederholung von Botschaften

䉴 Bewusste Informationssuche

䉴 Zufällige Informationsaufnahme

䉴 Auseinandersetzung mit der Werbung

䉴 Berieselung durch Werbung

䉴 Suche nach der besten/nützlichsten Alternative

䉴 Auswahl einer zufrieden stellenden Produktalternative

䉴 Starke Beziehung der Produkte zu Persönlichkeit, Lebensstil etc. des Konsumenten

䉴 Produkte für Persönlichkeit, Lebensstil etc. des Konsumenten unwichtig

䉴 Starker Einfluss von Bezugsgruppen auf Kaufentscheidungen, da das Produkt in Beziehung mit Werten und Normen dieser Gruppe steht

䉴 Geringer Einfluss von Bezugsgruppen auf Kaufentscheidungen, da das Produkt im Hinblick auf Werte und Normen dieser Gruppe keine Rolle spielt

Quelle: in Anlehnung an Kuß, A./Tomczak, T. (2000), Käuferverhalten, S.67

Tabelle 1: Gegenüberstellung High- vs. Low-Involvement Käufe

4.1.2 Informationsquellen und Informationsverarbeitung Auch bezüglich der genutzten Informationsquellen bestehen Unterschiede zwischen High- und Low-Involvement-Käufen. So werden im Low-Involvement-Bereich eher zufällige Quellen genutzt, wie beispielsweise Werbeprospekte oder Verpackungsaufschriften. Der Informationsgehalt dieser Quellen ist relativ gering. Bei Gütern mit hoher Relevanz dagegen werden Informationsquellen gezielt genutzt und die gewonnenen Informationen sorgfältig geprüft. Allgemein kann man zunächst einige Schlüsselinformationen bestimmen, die bei Kaufentscheidungen eine große Rolle spielen. Dies sind „Informationen, die als besonders ,gehaltvoll’ gelten”.37 Markennamen, Herkunftsbezeichnungen, Produktpreise und Testergebnisse sind typische Ausprä-

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gungen. Aus diesen Informationen kann der Konsument Aufschluss über Qualität und Eigenschaften des Produkts gewinnen. Die Quellen können dabei intern oder extern sein. Unter den internen Quellen versteht man bereits im Gedächtnis des Konsumenten gespeichertes Wissen wie etwa Produkterfahrungen. Externe Quellen sind sowohl neutrale Medien wie auch unternehmensbestimmte Materialien oder Erfahrungsberichte und Meinungen Dritter. Wie viele Informationen der Konsument aus diesen Informationsquellen aufnimmt, hängt neben den individuellen, kognitiven Fähigkeiten von den folgenden Faktoren ab: 䉴 Anzahl der Alternativen

Je mehr Produktalternativen zur Verfügung stehen, desto stärker steigt die Nachfrage nach Informationen. Gleichzeitig führt das „Informationsüberangebot“ zu geringerer Sorgfalt bei der Auswertung. Dieses Phänomen wird als „Information Overload“ bezeichnet.38 䉴 Verfügbare Ressourcen und erwarteter Informationsnutzen

Zeit, Geld und Anstrengungen, die investiert werden müssen, limitieren die Beschaffung von Informationen. Zusätzlich müssen diese Ressourcen in einem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen der gewonnenen Informationen stehen. Je geringer die vorhandenen Mittel und der erwartete Nutzen sind, desto stärker wird auf Empfehlungen von Dritten zurückgegriffen.39 Die gesammelten Informationen werden in ein Konstrukt eingeordnet, das, wie bereits erwähnt, einen Alternativenvergleich anhand individuell festgelegter Kriterien erlaubt. Zum genauen Ablauf dieser Informationsverarbeitung gibt es heuristische Ansätze, die beispielsweise bei Kuß/ Tomczak nachzulesen sind.40 Die Informationssammlung geht nahtlos in die Meinungsbildung über.

4.1.3 Der „neue Informationsprozess“ Mit der zunehmenden Verbreitung des Internets und der wachsenden Versiertheit der Konsumenten steigt auch die Nachfrage nach Produktinformationen im Netz. Mit den neuen Möglichkeiten, die sich durch virtuelle soziale Netzwerke ergeben, verändert sich der Informationsprozess. Informationen sind vielfältiger und in größeren Mengen verfügbar als früher. Gleichzeitig erhöht sich die Anzahl der verfügbaren Produktalternativen ständig, und Güter können heute global erworben werden. Dass die

Informationsprozess

gezielte Informationssuche dabei stetig zunimmt, steht außer Frage. Eine Untersuchung des Allensbacher Instituts zeigt den Anstieg über die letzten Jahre deutlich.

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung 14 – 16 Jahre. Quelle: Allensbacher Computer- und Technik-Analysen, ACTA 2005

Abbildung 15: Gezielte Informationssuche im Internet War in der ersten Phase des Internets die Informationssammlung und -verarbeitung noch von Medienbrüchen geprägt – Käufer stöberten auf Unternehmensseiten, ließen sich (Print-)Informationsmaterial zukommen, besuchten Verkaufsstätten, um anschließend Meinungen bei Bekannten einzuholen –, so sind virtuelle Netzwerke heute integraler Bestandteil des Informationsprozesses, der die herkömmliche Vorgehensweise verdrängt. Auch die Ansprüche, die Konsumenten an Produktinformationen stellen, wachsen. So genügen unternehmensbestimmte One-Way-Kommunikationsmaßnahmen wie Prospekte oder einzelne Internetseiten mit Produktinformationen längst nicht mehr. Käufer legen Wert auf objektive Beurteilungen von neutralen Parteien, wie beispielsweise Testberichte in verschiedenen Testmagazinen und Erfahrungen von anderen Konsumenten. Diese finden sie in (virtuellen) sozialen Netzen. Aus einer aktuellen Studie geht hervor, dass schon jetzt gut zwei Drittel aller 21- bis 40-jährigen Verbraucher großen Wert auf unabhängige Ratschläge Dritter legen. Das

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Word of Mouth beeinflusst nicht nur die Wahl des Produkts, sondern auch des Kauforts selbst. Vor allem männliche Konsumenten scheinen empfänglich für Kundenbewertungen zu sein.41 „Social Commerce“ avanciert nicht nur unter den eingefleischten Internetnutzern zum Schlagwort – auch wenn Online-Käufer derzeit noch ein intensiveres Informationsverhalten an den Tag legen als Offline-Käufer. Die schon angesprochene ständige Ausweitung des Produkt- bzw. Alternativenangebots und der damit verbundene „Information Overload“ spielt ebenfalls eine große Rolle im neuen Informationsprozess. Es wird davor gewarnt, „dass die Zunahme der Wahlmöglichkeiten für viele Kunden zum Problem wird.“42 Die Forderung einiger Marketingspezialisten, sich vom „traditionellen“ Blockbuster-Denken zu verabschieden und durch eine immer größere Zahl von Produkten für mehr Umsatz zu sorgen, scheint daher gewagt. Im Dschungel des so genannten „Long Tail“ besteht zunehmend die Gefahr, dass sich die Konsumenten verlieren. Mancher Autor sieht den Käufer gar bereits im „Strom der Reize“ untergehen.43 Hier bieten die „vorgefertigten“ Meinungen anderer einen Rettungsanker. Schenkt man frühen Untersuchungen Glauben, so nutzen Konsumenten ohnehin selbst bei teuren Anschaffungen oft nur einen Bruchteil der verfügbaren Informationen.44 Dieser „Bruchteil“ ist heute noch wesentlich kleiner. Auch diesem Umstand zollen die virtuellen Netze Tribut: Soziale Netzwerke bieten dem Konsumenten so genannte „One-Stop-Lösungen“45 – hier findet er alle Informationen aus einer Hand. Glaubwürdig und schnell können neben kommerziellen Produktinformationen auch nutzergenerierte Testberichte und seit neuestem sogar Videodokumentationen des Gebrauchs abgerufen werden. Ein Beispiel für diese neue Generation von Verbrauchernetzwerken ist Shopwiki.com. Für den Informationsprozess von morgen werden Netzwerke immer wichtiger, um die wachsende Informationsfülle mit der knappen Ressource Zeit optimal bewältigen zu können.

Informationsprozess

4.2 Bewertungsprozess Die gesammelten Informationen werden anschließend vom Konsumenten bewertet. Diese Bewertung erfolgt subjektiv anhand der während des Informationsprozesses individuell festgelegten Kriterien. Die Bewertung der Produktalternativen führt dann zur Meinungsbildung und damit letztlich einer Kaufentscheidung.

4.2.1 Faktoren der Meinungsbildung Die folgenden Faktoren sind die für die Meinungsbildung maßgeblich: 䉴 Persönliche Wertvorstellung

Die Anschaffung stellt für den Konsumenten einen persönlichen Wert dar. Dem subjektiven Wertempfinden können Marken- oder Produkteigenschaften zugeordnet werden. 䉴 Antizipierter Nutzen

Der Käufer erwartet vom Kauf einen bestimmten Nutzen. Dieser kann rein produktbezogen sein. Bei High-Involvement-Gütern spielen aber häufig auch soziale Aufwertung oder gesteigertes Selbstwertgefühl eine Rolle. 䉴 Erlerntes Belohnungsempfinden

Durch ständige Wiederholung hat der Konsument gelernt, dass die Handlung des Kaufs oder Nicht-Kaufs Konsequenzen nach sich zieht. Diese werden entweder als „belohnend“ oder „bestrafend“ empfunden. Hat der Kunde bereits positive oder negative Erfahrungen mit dem Kauf einer Marke oder eines Produkts gemacht, wirkt sich dies zusätzlich auf die Beurteilung aus. Zu den psychologischen Hintergründen der Meinungsbildung gibt es bereits vielfältige Literatur, sodass diese hier nicht näher erläutert werden sollen.46

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4.2.2 Marken-/Produktpositionierung Infolge der Meinungsbildung positioniert der Konsument eine Marke bzw. ein Produkt mit bestimmten Wert- und Qualitätseigenschaften in seinem Gedächtnis. Diese Positionierung spielt beim nächsten Kaufentscheidungsprozess eine wichtige Rolle: Der Käufer hat dann bereits eine „vorgefertigte Meinung“ gegenüber Marke und Produkt ausgebildet. Besonders wichtig wird dies, wenn der vorangegangene Informationsprozess ungenügende Ergebnisse erbracht hat. Beispielsweise aufgrund mangelnder Ressourcen seitens des Konsumenten oder weil zu wenig Informationen verfügbar waren. In diesem Fall kann das Qualitäts- oder Serviceimage (ohne zusätzliche Detailinformationen) entscheidend für den Kauf sein. Außerdem beeinflussen bereits vorhandene Meinungen anderer den uninformierten Käufer stark in der Bewertung und Positionierung. Besonders dann, wenn es sich um Meinungen vertrauenswürdiger Quellen handelt, wie von Verwandten, Bekannten oder Testberichte von unabhängigen Personen.

4.2.3 Der „neue Bewertungsprozess“ Durch das Internet und speziell durch die Tools des Web 2.0 verändert sich der Bewertungsprozess. Angesichts immer knapperer (Zeit-)Ressourcen des Konsumenten bei gleichzeitig ständig steigender Zahl von Wahlalternativen ist eine verstärkte Nutzung von „vorgefertigten Meinungen“ zu beobachten. Gleichzeitig schätzen Konsumenten die Berichte anderer Käufer als sehr glaubhaft ein. Die Bewertungen auf anerkannten Bewertungsportalen und Testberichte anderer Käufer in Blogs und Foren schneiden in Bezug auf Nutzervertrauen wesentlich besser ab als TV-Werbespots und von Unternehmen bereitgestellte Informationen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Nach einer Studie vom Herbst 2006 hat im europäischen Durchschnitt „ein Drittel der Internetnutzer schon einmal eine Dienstleistung nicht in Anspruch genommen oder ein Produkt nicht gekauft, weil sie negative Kommentare oder Kritiken anderer User im Internet gelesen haben.“47 In Deutschland liegt dieser Wert bei 30 Prozent. Dies zeigt deutlich, wie stark soziale Netze die Kaufentscheidungen von Konsumenten bereits beeinflussen. Die Betreiber von Netzwerken und Communities erkennen dies: So hat erst kürzlich das Foto-Netzwerk FlickR beispielsweise ein neues Feature

Bewertungsprozess

Zeitungsartikel

34 %

Bewertungen auf einer anerkannten Bewertungswebsite

28 %

Bewertungen, die von Kunden oder Privatpersonen in Blogs geschrieben wurden

23 %

Bewertungen, die von dem Unternehmen selbst auf der eigenen Website gegeben wurden

22 %

TV-Werbespots

15 %

Bewertungen, die in Form von E-Mails von Unternehmen verschickt werden

14 %

Informationen, die vom Geschäftsführer über sein Unternehmen gegeben werden

11 %

Frage: „Auf einer Skala von 1 bis 10 (10 – absolutes Vertrauen und 0 – absolutes Misstrauen), wie würden Sie Ihr Vertrauen in die folgenden Informationsquellen beurteilen, wenn Sie sich über den Kauf von Produkten und Dienstleistungen informieren?“ (Antworten mit Wert 9 oder 10) Quelle: Ipsos/Hotwire

Abbildung 16: Vertrauen in verschiedene Informationsquellen in Deutschland gestartet, mit dem es seinen Nutzern zusätzliche Entscheidungshilfen für den Digitalkamera- und Handykauf anbietet: FlickR nutzt die Kamerainformationen, die in den von den Nutzern hochgeladenen Fotos gespeichert sind und veröffentlicht diese. So kann nicht nur die Bildqualität einzelner Kameramodelle anhand von zahllosen Beispielfotos bewertet werden, der Konsument kann auch eine Rangliste der meistverwendeten Kameras bzw. Kamerahandys gratis begutachten.

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Quelle: www.flickr.com/cameras/ [Stand 10.02.2007]

Abbildung 17: FlickR Camera Finder Dies gibt zwar keinen Aufschluss über die tatsächlichen Verkaufszahlen – aber glaubt man einer amerikanischen Studie, ist das sowieso nicht maßgeblich: In einem Feldversuch der Columbia University wurde die Auswirkung des „Social Networking“ auf die individuelle Meinungsbildung untersucht. Mit teilweise verblüffenden Ergebnissen. Soziale Einflüsse beeinflussen demnach nicht nur die persönliche Bewertung eines Produkts stark, sondern machen auch die Vorhersage, ob ein bestimmtes Produkt erfolgreich wird, sehr viel schwerer. Die Studie legt den Schluss nahe, „dass nicht die Qualität oder die Attraktivität eines Produkts, also die Übereinstimmung der Produkteigenschaften mit den Vorlieben des Verbrauchers, über dessen Erfolg entscheidet (siehe Fokus: Soziale Einflüsse im individuellen Bewertungsprozess, S. 51). Vielmehr werden Menschen davon beeinflusst, was andere denken, tun oder kaufen.“48 Für den „neuen Bewertungsprozess“ ergibt sich also folgendes Modell:

Bewertungsprozess

Quelle: in Anlehnung an Mohn, P. E. (1997), Beziehungsdiagnostik, S. 63

Abbildung 18: Marken-/Produktpositionierung Gleichzeitig wird durch die beschriebenen Entwicklungen ein folgenschwerer Kreislauf in Gang gesetzt: Die Zunahme der Wahlmöglichkeiten macht es für den Konsumenten immer schwerer, sich für ein bestimmtes Produkt zu entscheiden. Also nutzt er das (virtuelle) soziale Netz, um sich mit Hilfe von Meinungen und Berichten anderer Käufer eine „eigene“ Meinung zu bilden. Dies macht es für Unternehmen immer schwerer, Erfolge vorherzusagen. In der Folge werden Investitionen in so genannte „Blockbuster“, also Spitzenprodukte mit dem Potenzial, sich zur Cash-Cow zu entwickeln, zukünftig zurückgefahren und Budgets auf eine breite Masse von Produkten verteilt werden müssen. Erst wenn sich dann tatsächliche Verkaufserfolge einstellen, können die Investitionen für Produktentwicklung, Werbung etc. erhöht werden. Dieses System ist nicht nur für beide Seiten risikoreich, sondern auch anfällig für Manipulationen. Das bereits erwähnte Paradigma des „Long Tail“ funktioniert nach dem beschriebenen Prinzip und wird bisher vor allem für digital vertreibbare Produkte angewendet.

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Fokus: Soziale Einflüsse im individuellen Bewertungsprozess In einer Studie der Columbia Universität wurde der Einfluss sozialer Faktoren auf die individuellen Bewertungsprozesse untersucht. Die Studie wurde 2004/2005 durchgeführt – ihre Ergebnisse im Februar 2006 veröffentlicht. Im Zuge der Studie wurden zwei Experimente durchgeführt, die klären sollten, in welchem Ausmaß individuelle Bewertungen durch soziale Faktoren beeinflusst werden und wie sich dies auf die Vorhersehbarkeit von Markterfolgen auswirkt.49 Hierzu wurde das Verhalten von jeweils knapp 7 000 Testpersonen untersucht. In den Versuchen sollten freiwillige Testpersonen Musikstücke unbekannter Bands auf einem speziell eingerichteten Portal anhören und auf einer 5-stufigen Skala bewerten. Anschließend hatten sie die Möglichkeit, den bewerteten Song kostenlos herunterzuladen. Die Versuchspersonen wurden von einem vor allem bei jungen Nutzern bekannten Portal über Banner rekrutiert. Nach der Anmeldung wurden sie einer von neun Gruppen zugelost. Eine dieser Gruppen war „unabhängig“, das heißt, den Nutzern wurden keinerlei Informationen über das Bewertungs- und Download-Verhalten anderer Nutzer zur Verfügung gestellt. Die acht verbleibenden Gruppen waren „sozial beeinflusst“ – ihre Nutzer konnten beispielsweise sehen, wie andere Nutzer die Songs vor ihnen bewertet hatten oder wie oft ein Titel schon heruntergeladen wurde. Der Versuchsaufbau selbst war den Testpersonen nicht bekannt. Insgesamt standen 48 verschiedene Lieder zur Auswahl. Jeder Nutzer konnte beliebig viele davon anhören, bewerten und downloaden. In der Auswertung zeigte sich, dass die Unvorhersehbarkeit des Bewertungsverhaltens in den sozial beeinflussten Gruppen deutlich höher lag als in der unabhängigen Gruppe: Bei gleichen Anfangsbedingungen hatten in allen acht „sozial beeinflussten Welten“ unterschiedliche Bands Top-Platzierungen erreicht. Dabei war nicht die Qualität der Titel entscheidend, sondern die Bewertungen und Downloadzahlen. Darum ist davon auszugehen, dass bei der Einbindung weiterer sozialer Faktoren insgesamt mehr Unsicherheit in der Erfolgsvoraussage entstehen würde. Auch die Zunahme der Wahlalternativen begünstigt die Unvorhersehbarkeit. Auffällig ist, dass die Bewertungen nach den ersten hundert bis zweihundert Bewertungsvorgängen wesentlich vorhersehbarer wurden. Die Studie macht deutlich, wie schwierig es ist, Produkterfolge in einer von sozialen Faktoren beeinflussten Umwelt zu planen, und dass es speziell in der Anfangsphase des Verkaufs wichtig ist, die Entwicklung in den sozialen Netzwerken zu beobachten.

Bewertungsprozess

4.3 Entscheidungsprozess Die Kaufentscheidung für bzw. gegen ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung fällt letztlich aufgrund der vorhergehenden Informationssammlung und Meinungsbildung. Auf diese Entscheidung können aber situative Faktoren noch Einfluss nehmen, beispielsweise wenn das gewünschte Produkt nicht verfügbar ist. Auch bei ständiger Verfügbarkeit von Zahlungsmitteln und Produkten erleichtern so genannte „Impulskäufe“ mit spontaner Entscheidungsfindung, die allerdings selten im HighInvolvement-Bereich angesiedelt sind. Zudem ist der Konsument nirgends so nah am Kauf wie bei virtuellen Shopping-Touren – nämlich immer nur „1-Click-Away“ – und gleichzeitig so fern vom monetären Bezug. Denn mittels Online-Zahlungen via e-Banking, Paypal oder ähnlichen Hilfsmitteln wird die Geldtransaktion abstrakt und in Sekundenschnelle abgewickelt. Die lange beschworene Theorie des „Homo oeconomicus“, der rational denkt und nutzenorientiert entscheidet, ist so nicht mehr gültig. Der Konsument lässt sich vielmehr treiben und gibt sich zunehmend spontan den Reizen von außen hin. Es scheint, dass der Überfluss an Produkten und Informationen diese Entwicklung fördert.

4.4 Nachkaufprozess Grundsätzlich durchläuft jeder, der ein Produkt oder eine Dienstleistung erwirbt, den Nachkaufprozess. Hier wird beurteilt, ob die individuellen Erwartungen erfüllt worden sind. Der Kauf wird im Nachhinein bewertet, und es wird festgestellt, ob der Konsument zufrieden ist oder nicht. Dies beeinflusst auch die weitere Verbreitung von Informationen zum erworbenen Produkt.

4.4.1 Individuelle Nachkaufbewertung Zunächst ist die Erwartungshaltung an das Produkt von Bedeutung, die vor dem Kauf aufgrund der gesammelten Informationen und der Marken-/Produktpositionierung gebildet wurde. Bei der Bildung dieser Erwartungen spielen vier Faktoren eine Rolle:50

Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

䉴 Individuelle Bedürfnisse

Diese unterscheiden sich je nach Verwendungszweck und individueller Einstellung, beispielsweise beim Autokauf als Familienauto oder Freizeitwagen, Sprit sparend oder PS-stark. 䉴 Eigene Erfahrungen

Durch vorangegangene Käufe gemachte Erfahrungen mit einem Produkt oder einer Marke prägen jeden Konsumenten unterschiedlich. 䉴 Kommunikationsmaßnahmen des Anbieters

Das durch Werbung suggerierte Marken-/Produktbild und die entsprechende Nutzenvorstellung beeinflussen die individuelle Erwartungshaltung ganz wesentlich. 䉴 Meinungen anderer

Schließlich sind sowohl die bereits vorhandenen Meinungen anderer Käufer als auch die Meinungen von Freunden und Bekannten zum Produkt wichtig. Nach dem Kauf werden Soll-Zustand (Erwartungen) und Ist-Zustand (Leistungswahrnehmung) miteinander verglichen. Erfüllt das Produkt alle Erwartungen, so entsteht beim Konsumenten das Gefühl der Zufriedenheit. Bleibt die wahrgenommene Leistung dagegen hinter dem Soll-Zustand zurück, wird der Kunde unzufrieden sein. In manchen Fällen decken sich Erwartung und Leistungswahrnehmung; das Produkt wird dann indifferenziert bewertet. Diese Informationen gehen in den Erfahrungsschatz des Konsumenten ein und beeinflussen die Meinungsbildung und Kaufentscheidung bei einer Wiederholung des Kaufprozesses. Auch die Serviceleistungen, die der Kunde nach dem Kauf in Anspruch nimmt, sind für die Nachkaufbewertung wichtig. Die Art und Weise, wie Kommunikation mit dem Konsumenten stattfindet, ausgeführte Garantieleistung, gezeigte Kulanz etc., fließen in die Bewertung mit ein und können „im Nachhinein“ noch große Auswirkungen haben.

Nachkaufprozess

Quelle: in Anlehnung an Mohn, P. E. (1997), Beziehungsdiagnostik, S. 63

Abbildung 19: Erweiterte Marken-/Produktpositionierung

4.4.2 Veröffentlichung Im Anschluss erfolgt die Veröffentlichung, das bedeutet, dass die gewonnenen Erfahrungen als interne oder externe Quelle für andere zugänglich gemacht werden. Dies kann traditionell mittels Mund-zu-Mund-Propaganda, in Schriftform als Rezension direkt beim Hersteller und online auf Rezensionsportalen oder als Erfahrungsbericht in Foren und Blogs geschehen. So nimmt der einzelne Konsument direkten oder indirekten Einfluss auf die Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse anderer Interessenten.

Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

4.4.3 Der „neue Nachkaufprozess“ Im „neuen Nachkaufprozess“ spielen vor allem die kommunikativen Möglichkeiten der sozialen Netzwerke eine Rolle. Getreu dem Motto „Ein zufriedener Kunde sagt es nur fünf Personen weiter – ein unzufriedener dagegen fünfundfünfzig“ maximiert sich dieses Phänomen mit zunehmender Vernetzung. Vor allem in Blogs und Foren finden sich unzählige Meinungen und Berichte zu beinahe jedem verfügbaren Produkt. Der „neue Konsument“ hat ein Mitteilungsbedürfnis und die Möglichkeiten, in kürzester Zeit große Massen anderer Kunden und Interessenten zu informieren. Insbesondere wenn seine Erwartungen nicht erfüllt worden sind, greift er verstärkt zu Maßnahmen wie der Erstellung eines kritischen Blogs oder Forenbeitrags. Die große Reichweite kombiniert mit der hohen Glaubwürdigkeit des Word of Mouth macht diese Phase zu einem kritischen Punkt im Prozessablauf. Wenn ein Kunde unzufrieden ist, geht der Veröffentlichung oft eine Kontaktaufnahme mit dem Hersteller voraus, mit dem Bemühen, den Sachverhalt zu klären. Entspricht dieser Kontakt ebenfalls nicht der Erwartung des Konsumenten, fällt die Bewertung oft drastisch schlechter aus und die ergriffenen Maßnahmen werden entsprechend härter. Unternehmen sollten sich sehr darum bemühen, mit dem Kunden in Dialog zu treten und diesen auch positiv zu führen, um eine solche Entwicklung rechtzeitig abzufangen. Wie stark sich Missmanagement in dieser Phase auf ein Unternehmen auswirkt, zeigen zahlreiche Beispiele der jüngeren Vergangenheit, wie etwa der Niedergang des einst führenden europäischen Domainund Webhosters „Strato“ oder die Katastrophe bei „Kryptonite“, dem Hersteller der angeblich „sichersten Schlösser der Welt“ (siehe Kapitel 5.3.2, Risiken).

4.5 Was unterscheidet den neuen vom alten Kaufentscheidungsprozess? Betrachtet man den herkömmlichen Prozessablauf im Vergleich zum neuen Informations- bzw. Kaufentscheidungsprozess, so zeigen sich die Veränderungen deutlich. Bisher war vor allem die individuelle Wahrnehmung maßgeblich für die Meinungsbildung und damit die Kaufentscheidung. Aber auch mediale Beeinflussung, beispielsweise in Form von Testberichten oder instrumentalisierten Erfahrungsberichten, trug in zunehmend stärkerem Maße bei. Für Unternehmen war es wichtig, Marken und Pro-

Was unterscheidet den neuen vom alten Kaufentscheidungsprozess?

dukte innerhalb des Wahrnehmungshorizonts zu platzieren, etwa mittels traditionellem Advertising, um Aufmerksamkeit beim Konsumenten zu erregen und in den Kaufprozess einbezogen zu werden.

Abbildung 20: Herkömmlicher Kaufentscheidungsprozess Heute und in Zukunft werden soziale Netzwerke beim Kaufentscheidungsprozess eine ungleich größere Rolle spielen. Durch die rasante Zunahme an Wahlalternativen und die gleichzeitige Abnahme der frei verfügbaren Zeit gewinnen fertige Meinungen an Gewicht. Durch die Netzwerke können sich Konsumenten mit glaubwürdigen Informationen anderer Verbraucher versorgen. Erfahrungsberichte, Produktkritiken aus erster Hand – das so genannte Word of Mouth – beeinflussen die Kaufentscheidungen von Kunden immer stärker. Zusätzlich verlagert sich ein Teil des Wahrnehmungshorizonts in die virtuellen Netze. Soziale Empfehlungssysteme ersetzen das individuelle Scannen und Filtern von Informationen der realen Welt.

Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

Abbildung 21: Der neue Kaufentscheidungsprozess

4.6 Wer ist der „neue Konsument“? Das Bewusstsein und die Aufgeklärtheit gegenüber unternehmensspezifischen Themen, vor allem aber die zunehmende Vernetzung der Individuen und die globale Verfügbarkeit von Informationen schaffen eine neue Generation von Konsumenten. Heute und in Zukunft werden die Stimmen jedes Einzelnen mächtiger und seine Interessen wichtiger. Doch Konsument ist nicht gleich Konsument. Wie soll man auf einen bestimmten Kunden reagieren, mit welchen Mitteln kann die richtige Zielgruppe erreicht werden? Um eine Hilfestellung bei der Beantwortung dieser Fragen zu geben, sollen verschiedene Profile des „neuen Konsumenten“ aufgezeigt und gegenübergestellt werden. Maßgeblich ist zunächst der Online-Status und der Vernetzungsgrad. Je stärker ein Kunde in (virtuelle) soziale Netze eingebunden ist und je aktiver er sich im virtuellen Umfeld bewegt, desto mehr „Machtpotenzial“ hat er. Nach dem Online-Nutzungsgrad kann man zwei Hauptgruppen abgrenzen, die sich wiederum in sechs Nutzertypen aufteilen lassen:

Wer ist der „neue Konsument“?

Basishabitus

Nutzertypus 䉴 Junger Hyperaktiver 䉴 Junger Flaneur

Aktiv-dynamisch

䉴 E-Consumer 䉴 Routinierter Infonutzer

Selektiv-zurückhaltend

䉴 Selektivnutzer 䉴 Randnutzer

Quelle: vgl. Oehmichen, E./Schröter, C. (2004), OnlineNutzerTypologie, S. 386

Tabelle 2: Nutzertypologie Jedem Nutzertypus können dabei unterschiedliche charakteristische Merkmale zugeordnet werden: Nutzertypus

Charakteristika

Junger Hyperaktiver

䉴 nutzt beinahe alle Anwendungsmöglichkeiten des Netzes intensiv, umfassend und versiert 䉴 verlagert wichtige Teile des sozialen Lebens in den virtuellen Raum 䉴 Kommunikationsaspekt hat zentrale Bedeutung 䉴 Vorreiter in Foren und Blogs 䉴 offen für alle Neuerungen 䉴 täglich über 5 Stunden online 䉴 mehr als die Hälfte der Nutzer befindet sich noch in der Schule, in der Ausbildung oder im Studium 䉴 zu 80 Prozent männlich, 75 Prozent unter 30 Jahre alt

Junger Flaneur

䉴 nutzt viele Anwendungsmöglichkeiten intensiv und versiert 䉴 vorwiegend freizeitbezogene Nutzung mit starkem lokalen Bezug 䉴 klar definiertes Informationsinteresse 䉴 relativ starke virtuelle Abdeckung der Kommunikationsinteressen 䉴 offen für alle Neuerungen im Kommunikationsbereich 䉴 die Hälfte der Nutzer befindet sich noch in der Schule, in der Ausbildung oder im Studium 䉴 zu ca. zwei Drittel weiblich, zwei Drittel unter 30 Jahre alt

Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

Nutzertypus

Charakteristika

E-Consumer

䉴 Produktinformation, Austausch und Transaktion als primäre Nutzungsinteressen 䉴 versierter Umgang mit Onlineshopping-Tools und Electronic Cash 䉴 virtuelles Netz als täglicher Begleiter und Ratgeber 䉴 lässt sich überdurchschnittlich stark von neuen Seiten und Angeboten anregen 䉴 offen für alle Neuerungen im kommerziellen Bereich 䉴 meist voll berufstätig, höherer Bildungsstatus 䉴 ausgeglichene Geschlechterverteilung, Mehrheit 30 bis 39 Jahre alt

Routinierter Infonutzer

䉴 typischer Nutzerschlag vergangener Jahre, geprägt vom Informationsverhalten bei anderen Medien 䉴 primär Informationssammlung im Nachrichten-, Wirtschafts-, Kultur-, Sportbereich, aber auch relevante Serviceinformationen 䉴 versierter Umgang mit bekannten Bereichen 䉴 Übergang zwischen privater und beruflicher Nutzung fließend 䉴 Kommunikations- und Multimediaaspekte zweitrangig 䉴 voll berufstätig, höchster formaler Bildungsstatus 䉴 zu ca. zwei Drittel männlich, Mehrheit 30 bis 50 Jahre alt

Selektivnutzer

䉴 distanziertere Haltung gegenüber dem virtuellen Netz 䉴 reduzierte Umgangsweise, fehlende Web-Kompetenz 䉴 Nutzung bewährter Anwendungen wie E-Mail, Angebote der Provider 䉴 schätzt Möglichkeit des Zugriffs auf aktuelle Informationen 䉴 im Schnitt an 4 Tagen pro Woche online 䉴 vorwiegend männlich, vorwiegend älter (über 40 Jahre)

Randnutzer

䉴 distanzierte Haltung gegenüber dem virtuellen Netz 䉴 reduzierte Umgangsweise, fehlende Web-Kompetenz und Motivation 䉴 relativ geringe Nutzung bewährter Anwendungen wie E-Mail, Angebote der Provider 䉴 kaum Informationsnutzung 䉴 im Schnitt an 3 Tagen pro Woche online 䉴 vorwiegend weiblich, knapp die Hälfte der Nutzer über 40 Jahre Quelle: vgl. ders., S. 389 ff.

Tabelle 3: Nutzertypen und ihre Charakteristika

Wer ist der „neue Konsument“?

Nach der aktuellen Studie der ARD/ZDF waren 2006 45,4 Prozent der Nutzer als aktiv-dynamisch einzustufen, 54,6 Prozent als selektiv-zurückhaltend. Die Aufteilung in die verschiedenen Nutzertypen stellte sich dabei wie folgt dar: Nutzertypus 䉴 Junge Hyperaktive Aktiv-dynamisch

Selektiv-zurückhaltend

Anteil in Prozent 8,1

䉴 Junge Flaneure

10,1

䉴 E-Consumer

12,9

䉴 Routinierte Infonutzer

14,2

䉴 Selektivnutzer

18,7

䉴 Randnutzer

35,9 Quelle: ARD/ZDF Online-Studie 2006

Tabelle 4: Anteile von Nutzertypen Entsprechend der Typologie zeichnen sich die Profile bei der Nutzung von Online-Anwendungen ab. Innerhalb dieser Einteilung anhand der Bedeutung des virtuellen Netzes, den Gewohnheiten und der Praxis im Umgang mit Applikationen und Nutzungsmöglichkeiten gibt es noch weitere Abgrenzungen. Rolke unterscheidet nach dem Aktivitätsgrad vier Gruppen von „neuen Konsumenten“:51 䉴 Mitbeobachter

informieren sich (regelmäßig) über Produkte, Marken, Entwicklungen etc., nehmen aber nicht oder nur selten aktiv am Geschehen teil. 䉴 Mitjournalisten

fühlen sich verpflichtet, Erfahrungen mit Produkten, Unternehmen etc. in die Öffentlichkeit zu tragen. Ihre Werkzeuge sind vor allem Rezensionsportale, Foren und Blogs. Sie wirken an der Meinungsbildung mit. 䉴 Mitmoderatoren

gestalten die Meinungsbildung aktiv, indem sie Foren aufbauen und Netzwerke organisieren. Häufig sind sie gleichzeitig auch Mitjournalisten und/oder Mitaktivisten. 䉴 Mitaktivisten

sie ergreifen über die Berichterstattung und Moderation hinaus aktiv Maßnahmen, die auch in der realen Welt stattfinden. Beispielsweise

Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

organisieren sie, wenn nötig, virtuelle oder reale Verbraucherproteste und koordinieren Boykottaktionen. Diese Ausprägungen finden sich bei allen zuvor beschriebenen aktiv-dynamischen Nutzertypen sowie bei den Selektivnutzern. Randnutzer sind per se fast ausschließlich Mitbeobachter, die sich nicht aktiv einbringen.

4.7 Welche Trends zeichnen sich im Kaufverhalten ab? Verschiedene Trends haben Auswirkungen auf die Veränderungen im Informations- und Kaufprozess beim Konsumenten. Zunächst sind die Nutzungsgewohnheiten des Internets und der (virtuellen) sozialen Netzwerke von Bedeutung. Hier kann man feststellen, dass der größte Teil der jungen und der formal hoch gebildeten Zielgruppen als aktive Nutzer bereits ausgeschöpft sind. Zuwächse kann es folglich nur noch von der Schwellengruppe der Selektivnutzer und von den Randnutzern geben. Innerhalb der bereits genannten Nutzertypen zeichnen sich zudem Verschiebungen ab – so nahm beispielsweise die Gruppe der „Jungen Hyperaktiven“ 2006 im Vergleich zum Vorjahr leicht zu, während der Anteil der „E-Consumer“ und den „Routinierten Infonutzer“ leicht rückläufig war. Auffallend ist, dass die Gruppe der Randnutzer im Vorjahresvergleich am stärksten gewachsen ist und auch Nutzeranteile der anderen Gruppen abgezogen hat. Gründe könnten der verstärkte „Information Overload“ sein sowie die zunehmende Komplexität der Anwendungen, die vor allem ältere Nutzer abschreckt. Allgemein kann man feststellen, dass verstärkt ein „Bedürfnis nach Orientierung und nach fixen Koordinaten (,Leuchtturm’, ,NavigationsGuide’) auszumachen ist.”52 Sicherheitsbedenken spielen eine zusätzliche Rolle: So „befürchten 85 % der Onliner, dass persönliche Daten im Internet weitergegeben werden.“53 Auch hier zeigen sich besonders die älteren Onliner ab 50 Jahren skeptisch – 91 Prozent haben Sicherheitsbedenken. Verstärkt wird dieser Aspekt durch die Möglichkeiten des Identitätsmissbrauchs in sozialen Netzwerken: Da häufig keine Verifizierung der Nutzerdaten stattfindet, steigt der Missbrauch persönlicher Daten, beispielsweise die Erstellung falscher Nutzerprofile in fremdem Namen, stark an (siehe Fokus: Sicherheitsaspekte – Identitätsmissbrauch im Web 2.0, S. 87 f.). Die Vernetzung der aktiven „neuen Konsumenten“ untereinander wird nichtsdestotrotz weiter zunehmen. Dadurch wird der Informationsaustausch für sie in Zukunft noch einfacher und schneller werden.

Welche Trends zeichnen sich im Kaufverhalten ab?

Die Tatsache, dass die Käufer von High-Involvement-Gütern, wie Autos, Reisen etc., in der Mehrheit von den älteren Generationen gestellt werden, wird durch die demografische Entwicklung entschärft. Die „voll erschlossenen“ Jungen sind die kaufkräftigen Konsumenten von morgen. Unterhaltungselektronik, Mobiltelefone, Digitalkameras und dergleichen stehen zudem schon heute auf ihrer Einkaufsliste, wenn auch oft elternfinanziert. Innerhalb des Informationsprozesses ist eine Entwicklung besonders herauszuheben: Die verstärkte Konkurrenz zwischen den Informationsquellen. Nutzergenerierte Inhalte (user generated content) gewinnen gegenüber redaktionell aufbereiteten (media generated content) und unternehmensspezifischen Inhalten (brand generated content) an Boden. Sowohl in Bezug auf Masse als auch auf Qualität und Glaubwürdigkeit setzt sich „user generated content“ immer stärker durch. Vor allem bei den höher gebildeten Zielgruppen ist eine zunehmende „Awareness“ gegenüber den letzten beiden Content-Kategorien festzustellen. Außerdem kann die steigende Zahl von Alternativen wegen fehlender Ressourcen nur noch schwerlich durch den Konsumenten selbst bewertet werden. Rückgriffe auf „vorgefertigte Meinungen“ und Ausblenden der „brand generated contents“ sind verstärkt die Folge. Gerade im LowInvolvement-Bereich, aber auch bei den High-Involvement-Gütern wird diese Entwicklung von der zunehmenden Austauschbarkeit der Produkte bzw. des Markenimages noch begünstigt. Auf all diese Veränderungen müssen Unternehmen sich vorbereiten, wenn Sie die „neuen Konsumenten“ erfolgreich ansprechen möchten. Fokus: Paralleluniversen Ein weiterer Trend ist der Aufbau einer neuen Identiät im virtuellen Raum. Manche Nutzer verfügen sogar über mehrere Alter-Egos in verschiedenen „Welten“. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass immer mehr Menschen Träume und Wünsche virtuell ausleben. Paradebeispiele sind das Online-Spiel „World of Warcraft“ und die Online-Gemeinde „Second Life“. Dabei handelt es sich bei den Nutzern solcher Anwendungen längst nicht mehr nur um die jungen Generationen – mehr und mehr Menschen in der Blüte ihres Lebens und auch die so genannten „Silver Surfer“ entdecken ihren Reiz. Begünstigt durch preiswerte, schnelle Internetzugänge und leistungsfähige Rechner, verlagern einige Menschen ihr gesamtes soziales Leben in dieses Paralleluniversen – manche sogar ihr wirtschaftliches. Die Zahl derer, die mit virtuellen Waren und Dienstleistungen ein Zubrot oder sogar ihren ge-

Etappen beim Kauf – Was bringt Web 2.0 aus Konsumentensicht?

samten Lebensunterhalt verdienen, steigt. Während es sich bei dem überaus beliebten World of Warcraft um ein Rollenspiel handelt, bei dem der Nutzer Aufgaben löst und daher ausschließlich Gegenstände gehandelt werden, die im Spielverlauf nützlich sind, liegt der Sachverhalt bei Second Life anders: Hier erkunden sie die virtuelle Welt frei, kaufen Grundstücke, schaffen beliebige Produkte oder Dienstleistungen an und handeln diese. Täglich werden nach eigenen Angaben ca. 60 000 US-Dollar innerhalb dieser Pixel-Welt umgesetzt. Das derzeit im Spiel gebundene Kapital beträgt 6 742 346 US-Dollar.54 Tendenz steigend. Millionen Menschen haben sich mittlerweile dort angemeldet – darunter auch immer mehr Deutsche. Um die Anwendung selbst haben sich zahllose Communities und Fan-Gemeinden gebildet, und zahlreiche Firmen versuchen Geschäftsmodelle für Second Life zu entwickeln (siehe Kapitel 5.5, Beispiele für innovative Geschäftsmodelle, und Fokus: Avatar-Based Marketing, S. 115 f.). Meist handelt es sich dabei (noch) nicht um tragende Säulen – die virtuelle Welt dient aber als Spielplatz, um Kundenansprache zu proben und passende Kommunikationsstrategien für die Paralleluniversen zu entwickeln. Das deutsche Portal SLinside55 bietet vielfältige Informationen zu Second Life, unter anderem ein Branchenbuch und eine Jobbörse.

Quelle: http://secondlife.com [Stand 19.02.2007]

Abbildung 22: Second Life – ein Paralleluniversum

Welche Trends zeichnen sich im Kaufverhalten ab?

5. Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

Betrachtet man die bereits aufgezeigten Entwicklungen aus Sicht der Unternehmen, so lassen sich weit reichende Folgen erkennen. Die neue Konsumentengeneration nimmt schon heute maßgeblich Einfluss auf Prozesse und Strukturen der Unternehmen. Darüber hinaus wird die Macht zwischen Konsumenten, Mitarbeitern und den Unternehmen neu verteilt. Es ergeben sich Herausforderungen, die mit teilweise erheblichen Risiken, aber auch mit neuen Chancen verbunden sind. Im folgenden Abschnitt sollen diese Veränderungen aufgezeigt und Handlungsmöglichkeiten anhand einer Analyse der Chancen und Risiken dargestellt werden. Maßnahmen zur Messbarkeit und Wirtschaftlichkeit angewendeter Tools und Beispiele für innovative Geschäftsmodelle stellen heraus, wie Unternehmen vom Wandel profitieren können. Abschließend zeigt eine Fallstudie die Anwendung ausgewählter Tools im praktischen Rahmen.

5.1 Im Dialog mit dem neuen Konsumenten Im Unterschied zur Pre-WWW-Zeit und der ersten Phase des Internets verläuft die Kommunikation zwischen Unternehmen und Konsumenten nicht mehr linear. Noch vor wenigen Jahren beschränkten die geringe Verbreitung von Anschlüssen, langsame Übertragungsraten und mangelnde Kenntnisse die Möglichkeiten virtueller Kommunikation ganz erheblich. One-to-one- bzw. One-to-many-Kommunikation waren Standard, abgesehen von einigen eingefleischten Internet-Usern, die sich in den ersten Quasi-Netzwerken der so genannten „Newsgroups“ organisierten. Mit dem Internetboom der späten 90er Jahre kamen E-Commerce und die ersten größeren User-Communities auf, und das Internet verbreitete sich, vor allem in den USA, aber auch in Europa und Asien, zusehends. Viele der großen Unternehmen betrieben zwar schon damals Online-Kommu-

Im Dialog mit dem neuen Konsumenten

nikation und Marketing, allerdings noch in vergleichsweise einfachem Rahmen: Konsumenten konnten auf statischen (Unternehmens-)Internetseiten Informationen abrufen, der Austausch mit anderen Kunden oder den Unternehmen selbst war aber zumeist mühselig und langsam. Heute ist dies anders. Der Käufer kann via Blogs, Podcasts etc. gleichzeitig mit einer beinahe beliebig großen Menge anderer Verbraucher kommunizieren. Er hat sich mittels schneller Anbindung, zunehmend verbreiteten Tools und Know-how „zum Parajournalisten entwickelt“.56 Dadurch entsteht beim Konsumenten auch eine Erwartungshaltung: Alle relevanten Informationen müssen augenblicklich abrufbar sein, Inhalte müssen deutlich positioniert und nutzenorientiert sein. Zudem sollte der Kommunikationsprozess dynamisch sein – der direkte und individuelle Dialog zwischen Verbrauchern und Unternehmen ist mittlerweile ein kritischer Faktor für den Verkaufserfolg. Dazu zählt ein jederzeit verfügbarer (Online-) Support für kundenspezifische Fragen, der heute fast schon zur Pflicht geworden ist. Der Konsument fordert vom Unternehmen aber auch, sich in kommunikativer Hinsicht weiterzuentwickeln. Neben produktbezogenen Informationen werden beispielsweise immer mehr „Rahmeninformationen“ gefordert: Wer etwas verkauft, muss sich als „Berichterstatter“ betätigen – seine Produkte und Dienstleistungen müssen sich in eine Warenwelt einfügen, die den individuellen Wünschen des Kunden entspricht. Um erfolgreich auf den Verbraucher eingehen zu können, sind Unternehmen folglich darauf angewiesen, einen interaktiven Kommunikationsprozess mit Dialogcharakter zu schaffen und innerhalb dessen die richtigen Informationen zu sammeln und zu verwerten. Das bedeutet aber auch, dass nicht nur während der Kommunikationsphase größerer Aufwand betrieben werden muss, sondern auch in der Nachbereitung. So sollte ein Monitoring geschaffen werden, mit dem sich die geführten Dialoge überwachen lassen. In Kapitel 7, Wie kann der Erfolg von Web 2.0 gemessen werden?, wird dies näher beschrieben. Die Nachbereitungsphase ist heute umso wichtiger, als die direkte Kommunikation mit aktiven Konsumenten die Meinungsbildung und damit die Kaufentscheidung vieler anderer potenzieller Käufer beeinflusst.

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

5.2 Wie wichtig ist die Meinung des Nutzers? Lag in der Vergangenheit ein Großteil der Marktmacht bei den Unternehmen, so führt die zunehmende Vernetzung des Individuums zu einer grundlegenden Verschiebung der Machtverhältnisse. Nie zuvor waren Einzelne so stark wie heute. Rolke bezeichnet Individuen, die sich ihrer Macht gegenüber Konzernen, Regierungen oder jeglicher Form von Autorität bewusst sind und die diese auch anzuwenden wissen, als „empowered“.57 Maßgeblich verantwortlich hierfür sind die neuen kommunikativen Möglichkeiten, deren Effekte durch Netzwerke maximiert werden, und die Tatsache, dass negative Erfahrungen viel eher verbreitet werden als positive. Eine Strategiestudie des Consulting-Unternehmens AT Kearney vom Januar 2007 bescheinigt dem „neuen Konsumenten“ daher auch eine nicht zu verachtende „Customer Energy“58. Ein einziger unzufriedener Kunde kann heute den wirtschaftlichen Erfolg eines Produktes oder eines Unternehmen ernsthaft in Gefahr bringen, wenn er seine (virtuellen) sozialen Netzwerke aktiviert und sich gleichzeitig mit den richtigen Tools an die Öffentlichkeit wendet. Massen von gut informierten und organisierten Konsumenten können ganze Konzerne in Bedrängnis bringen. Einige Beispiele hierzu werden im Kapitel 5.3.2, Risiken für Unternehmen, aufgezeigt. Um dem „neuen Konsumenten“ auf Augenhöhe begegnen zu können, müssen Unternehmen den Dialog mit ihm suchen und diesen authentisch führen. Die nachfolgende Grafik zeigt das Spannungsfeld, in dem Unternehmen und Konsumenten heute agieren. Prozesse neu ausrichten und Tools entwickeln, die Auswirkungen von markt- bzw. markenschädigendern Handlungen oder Propaganda gering halten oder sogar schon im Vorfeld abfangen können, sind die wichtigsten Aufgaben für die Zukunft. Problematisch für Unternehmen ist aber auch das Spannungsfeld zwischen Käufern und Mitarbeitern, denn auch der einzelne Mitarbeiter ist zunehmend „empowered“. Diese Macht kann der Mitarbeiter auf verschiedene Weise nutzen: Unzufrieden, beispielsweise mit dem eigenen Chef, den Arbeitsbedingungen oder seiner Position, kann er das Image des Unternehmens nachhaltig schädigen, indem er öffentlich auf Missstände aufmerksam macht. Wozu dies führen kann, zeigt das Beispiel des Unterhaltungskonzerns Disney. Ein unzufriedener Mitarbeiter hatte in seinem virtuellen sozialen Umfeld via MySpace über die schlechte Entlohnung und entwürdigende Arbeitsbedingungen geklagt. Binnen weniger Wochen meldeten sich Hunderte von Mitarbeitern, die dieselben Missstände

Wie wichtig ist die Meinung des Nutzers?

Quelle: Markus, U. (2002), Integration, S. 24

Abbildung 23: Neue Kundenmacht durch Digital Economy anprangerten – sie hatten nur auf einen Auslöser gewartet. Als Folge ging das Image von Disney in den USA in den Keller.59 Ein Mitarbeiter, der sich seiner Macht bewusst ist, könnte aber auch durch gezieltes Fehlverhalten im Dialog mit dem Kunden für großen Schaden sorgen. Wie groß das Potenzial ist, zeigt eine Untersuchung der FAZ, die ergab, dass „90 Prozent aller Angestellten mit ihren Vorgesetzten schon mindestens eine ,tief greifend negative Erfahrung‘ gemacht haben“. Darüber hinaus stellte man fest, dass „jede dritte Anordnung nicht befolgt wird“ und „20 Prozent der Mitarbeiter ihren Chef nicht ausstehen können.“60 Vergleicht man die Studienergebnisse mit den Möglichkeiten, die virtuelle soziale Netzwerke bieten, und der Erkenntnis, „dass bei fast allen großen Skandalen der Bundesrepublik unternehmensinterne Quellen eine wichtige Rolle gespielt haben“61, zeigt sich, wie gefährlich diese Machtverschiebung ist. Noch schwieriger wird es, wenn die Unzufriedenheit nicht auf persönlichen Gründen beruht, sondern ein „Dissens zwischen Handlungsweisen im Unternehmen oder des Unternehmens und deren Beurteilung hinsichtlich Legalität und Legitimität durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“62 besteht. Im Allgemeinen versuchen solche Mitarbeiter, über den regulären Dienstweg zu einer Lösung des Konflikts zu kommen. Schlägt dies fehl, wenden sie sich an die Öffentlichkeit. Dieses Phänomen wird als „Whistleblowing“ bezeichnet. Auch wenn Unternehmen meist über PR-Maßnah-

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

men versuchen, die Glaubwürdigkeit des Mitarbeiters zu untergraben, bleiben seine Aussagen oft sehr authentisch und somit extrem schädlich. Eine weitere Problematik ergibt sich, weil „neuer Konsument“ und „Mitarbeiter“ oft identisch sind. Der Mitarbeiter transferiert Erwartungen, die er als mündiger Konsument an andere Unternehmen stellt, auch in das eigene. Häufig begründet das einen Konflikt zwischen Individualinteressen und der Unternehmenspolitik. Diese schizophrene Situation kann ebenfalls damit enden, dass der betroffene Mitarbeiter seinen Unmut mittels „Whistleblowing“ entlädt.

5.3 Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten In Bezug auf die Auswirkungen von Web 2.0 auf Unternehmensprozesse und -strukturen kann man derzeit verschiedene Formen der Ausrichtung auf den „neuen Konsumenten“ unter Anwendung von Web 2.0 und den entsprechenden Tools feststellen. Beispiel Ebay Platzhirsche wie Ebay sind dabei das eine Extrem. Zwar hätte noch vor kurzem bei Ebay niemand von einem „Web 2.0-Unternehmen“ gesprochen. Faktisch verkörpert aber kein anderes Unternehmen die Prinzipien besser. Hier steht der Kunde im Mittelpunkt. Nicht nur in der Kommunikation, sondern auch in der gesamten Wertschöpfung: Die Nutzer kreieren das Produktangebot, sie kommunizieren untereinander, sie kaufen und verkaufen selbstständig. Ebay stellt dabei nur den Rahmen zur Verfügung. Auch das Prinzip des Long Tails (siehe Fokus: Der „Long Tail“, S. 75 f.) nutzt die Plattform seit langem erfolgreich. Praktisch kein Produkt oder Gegenstand wird nicht über das Auktionshaus gehandelt. Selbst die skurillsten Dinge – und oft gerade diese – werden in alle Herren Länder verkauft. Zusätzlich wird der virale Charakter so mancher Skurillität geschickt genutzt: Jeder wird sich noch an den Hype um den VW-Golf von Josef Kardinal Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., erinnern können, der 2006 für knapp 190 000 Euro „auf Ebay“ versteigert wurde. Im Laufe der Zeit wurde die Plattform immer weiter verbessert. Mit eigenen Shops für die Nutzer inklusive entsprechender Marketingmaßnahmen, der Möglichkeit, Neuwaren direkt zu verkaufen etc. Akquisitionen treiben die Ausrichtung der Unternehmensstruktur auf den vernetzten Konsumenten weiter voran. So ergän-

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

zen mittlerweile das Online-Zahlungssystem Paypal und die Kommunikationsplattform Skype das Portfolio. Insgesamt setzte Ebay 2006 ca. 6 Mrd. US-Dollar um. Es ist eine Online-Erfolgsgeschichte ohnegleichen. Auch Apples iTunes und Amazon entwickeln Modelle im Geiste des Web 2.0-Gedankens: Bei iTunes wird dies beispielsweise durch die Aufnahme von nutzergenerierten Podcasts in das Distributionsportal deutlich. Amazon hingegen weitet sein Sortiment aus, in dem es unabhängigen kleinen und großen Händlern gestattet, ihre Produkte über seine ungemein besucherstarke Webseite zu vertreiben, anstatt mit hohen Investitionen selbst entsprechende Sparten aufzubauen. So entsteht ein neuer gigantischer und hochvernetzter Vollsortimenter mit der Dynamik vieler einzelner Fachhändler – unter tatkräftiger Mitwirkung der Kunden, die mit ihren Produktbewertungen gleichzeitig einen Informationsmehrwert gegenüber den Mitbewerbern schaffen. Für alle genannten Beispiele gilt: Jeder neue Nutzer, Kunde bzw. Rezensent macht den eigenen Apparat noch stärker und erschwert Konkurrenten das Geschäft oder Neulingen den Markteintritt. Beispiel Spreadshirt Neben diesen Riesen gibt es Newcomer wie das deutsche Web 2.0Unternehmen Spreadshirt. Diese sind von Beginn an komplett auf den „Social Commerce“ ausgerichtet. Bei Spreadshirt können sowohl private Nutzer als auch Händler „den Publikumserfolg ihrer Homepage [...] unabhängig vermarkten“.63 Sie haben die Möglichkeit, eigene Shops aufzubauen, zu integrieren und somit „eigene“ Produkte an die Endkunden zu vertreiben. Dabei sind sie am Erlös der Verkäufe mit einer selbst festsetzbaren Provision beteiligt. So können beispielsweise Merchandisingartikel wie T-Shirts, Aufkleber, Buttons usw. selbst designt werden. Die Kunden übernehmen die Gestaltung und das Marketing ihrer Produkte. Das Unternehmen Spreadshirt führt dann bei einer Bestellung alle Schritte der Auftragsabwicklung für den Kunden aus – bis zur Lieferung an die Haustür und die Abrechnung. Das ist nicht nur für kleine Shops mit relativ geringem Absatzvolumen lohnenswert – auch das Jugendmagazin Bravo oder der Fußballverein Borussia Dortmund zählen zu den Kunden von Spreadshirt. Nach eigenen Angaben werden insgesamt mehr als 50 000 verschiedene Artikel im Monat ausgeliefert. Spreadshirt rangiert unter den fünf wachstumsstärksten Unternehmen in Europa. Mittlerweile expandiert es auch nach Amerika und Asien. Das Geschäftsmodell ist ein äußerst erfolgreiches Anwendungsbeispiel für die Web 2.0-Prinzipien im kommerziellen Bereich.

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

Stellt man einmal beide Seiten gegenüber, so zeigt sich, dass sie sich in ihren Grundprinzipien gar nicht so wesentlich unterscheiden: Die Geschäftsmodelle aller wirklich erfolgreichen Web 2.0-Unternehmen beruhen auf dem Prinzip, sich als „Enabler“ zu betätigen, das heißt, die Unternehmen stellen eine Basisplattform oder Rahmen zur Verfügung. Der User selbst füllt diesen Rahmen mit Inhalten. Die Firmen „ermöglichen“ also lediglich die Nutzwertgewinnung. Dabei ist aus Unternehmenssicht nicht einmal der Unterschied zwischen „Kunden“ und „Anbietern“ wichtig (vom notwendigen Gleichgewicht zwischen Käufern und Verkäufern einmal abgesehen). Von Bedeutung ist schlicht, dass ein kritische Masse an Nutzern erreicht wird, um den Markt dominieren zu können. Ist diese Hürde erst einmal überwunden, dann treiben sich „Enabler“ und „Consumer“ quasi symbiotisch gegenseitig weiter an – beide Seiten profitieren ja davon. So entwickeln die Unternehmen beispielsweise neue Features und verbessern ihre Plattformen weiter, während die Nutzer immer neue Produkte, Dienstleistungen, Kommunikations- und Marketingkonzepte entwerfen und sowohl ihre Bekanntheit als auch die der Plattform weiter steigern. Und damit auch die Umsätze. Kennzeichnend für solche Systeme ist, dass einige wenige der „Consumer“ höchst erfolgreich sind – beispielsweise die großen Ebay-Topseller oder Ailin Gräfs Avatar „Anshe Chung“ in Second Life. Ebenso auch diejenigen „Enabler“, die die kritische Masse von Usern für ihre Plattformen akquiriert haben. Die große Masse der Unternehmen ist allerdings nicht auf den „Social Commerce“ ausgerichtet. Sie stehen zwischen den Extremen dieser „Platzhirsche“ und „Freak-Shops“. Hier haben sich traditionelle Strukturen und Prozesse über Jahre hinweg etabliert. Für die meisten dieser Unternehmen ist es schwer, sich auf die neuen Regeln einzustellen. Die Prinzipien, die sich unter dem Paradigma Web 2.0 entwickeln, können aber gerade auch für sie Anwendung finden. Häufig sind nur ein erster Anstoß und ein wenig Mut nötig, um den Wandel positiv zu nutzen. Vor allem aber sollte in den Unternehmen das Bewusstsein über die Eigenschaften des „neuen Konsumenten“ und der sozialen Netzwerke geschärft werden.

5.3.1 Chancen für Unternehmen Unternehmen sollten sich von der neuen Stellung ihrer Kunden und Mitarbeiter innerhalb des Machtgefüges aber nicht verängstigen lassen. Im Gegenteil. Der Wandel entwickelt eine Schlagkraft, die – richtig eingesetzt – eine wirksame Waffe im Kampf um Kunden, Märkte und Mitarbeiter sein

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

kann. Netzwerke und speziell Web 2.0-Anwendungen bieten hier eine Vielzahl von Chancen: Chance

Beispiel

Erschließung neuer Geschäftsfelder

Die multimedialen Eigenschaften von Web 2.0 bieten ein breites Spektrum neuer Geschäftsfelder.

Neue Produkte und Dienstleistungen können, auf Communities abgestimmt, in digitaler Form angeboten werden.

Kundengewinnung

Durch Ansprache über den richtigen Kanal können bisher nicht zugängliche Gruppen erschlossen und Neukunden akquiriert werden.

Podcasts sprechen vor allem aktiv-dynamische Zielgruppen stark an, die oftmals über klassische Medien wie Print und TV nicht mehr erreichbar sind.

Kundenbindung

Aktive Einbindung der Konsumenten führt zu hoher Loyalität innerhalb des Kundenstamms.

Honorierung von Produktbewertungen, Tests etc., Auszeichnung des besten Kundenbeitrags zur Produktverbesserung.

Kundenbetreuung

Mit den gewonnenen Informationen kann eine erhebliche Verbesserung von CRM-Maßnahmen erreicht werden.

Die Nutzungsdaten eines Kunden können ein Profil generieren, das über den Verlauf des Customer Life Cycle weiter detailliert wird. Durch Überlagern von Nutzerprofilen aus anderen Communities kann ein sehr genaues Kundenbild erstellt werden.

Innovative Produktentwicklung

Im Dialog mit dem Kunden können Produkte nah am Markt verbessert oder neu entwickelt werden.

Eigene Communities leisten wertvolle Hilfe bei der Weiterentwicklung in Form von konkreten Verbesserungsvorschlägen.

Crowdsourcing

Kunden können innerhalb der Zur Verfügung gestellte Wertschöpfungskette Arbeitsleistung wie beim Projekt vielfältig eingebunden sheepworld.com werden und sorgen so für Kostenersparnis.

Unterstützung der Entscheidungsfindung

Durch Word of MouthPropaganda kann auf kostengünstiges und extrem glaubhaftes Advertising zurückgegriffen werden.

Große Rezensionsportale wie ciao.com stellen gleichzeitig eine vertrauenswürdige Anlaufstelle für Produktrecherchen und eine kostenlose Werbeplattform für Produkte und Dienstleistungen aller Art dar.

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

Chance

Beispiel

Zielgenaues Mittels Tagging können die Advertising durch relevanten Konsumenten Social Software nach genau definierten Parametern aus einem Pool von Nutzern gefiltert werden. So kann Werbung zielgenau platziert werden.

Spezialisierte DataMiner sammeln freiwillig vom Konsumenten getaggte Interessensgebiete, Markenpräferenzen, aber auch lokal bezogene Informationen. Je nach Skalierung können Werbemaßnahmen so auf beliebig große Kundencluster exakt abgestimmt werden.

Kontrollverlust

Auch das genaue Gegenteil kann sehr erfolgreich sein: Virale Marketingformen verbreiten sich schnell und effizient durch die hochvernetzen Konsumentengemeinschaften.

Mit lustigen oder Aufsehen erregenden Videoclips, die wie eine Lawine durch Communities rollen, kann eine riesige Verbreitung erreicht werden. VW oder Nike beschritten hier erfolgreich neue Wege.

Monitoring/ Steuerung von Aktivitäten

Mit geeigneten Tools kann ein authentisches, sehr genaues und skalierbares Stimmungsbild in Bezug auf Produkte, Marken und Märkte erzeugt werden.

Spezialisierte Software scannt Foren, Communities und Netzwerke mit variablen Parametern und liefert eine Momentaufnahme der aktuellen Stimmungslage. Aktivitäten lassen sich so besser abstimmen.

Absatzsteigerung Nischenprodukte, die sehr bei Nischengenau auf eine spezielle produkten Kundengruppe zugeschnitten sind, bekommen durch Social Networking die Chance, schneller zum Abnehmer zu finden.

Empfehlungssysteme liefern dem Kunden Produktvorschläge anhand der individuellen Vorlieben, aber unabhängig von Absatzzahlen.

Absatzsteigerung Im direkten Dialog mit dem Kunden entfallen teure durch Mass Intermediäre. Das Produkt Customization kann exakt nach den Wünschen des Abnehmers spezifiziert werden.

Kunden können einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung selbst übernehmen, wie etwa beim erfolgreichen „Klamotten“Distributor spreadshirt.net. Mit einem integrierten Franchise-System vertreiben Kunden ihre erstellten Produkte dann zusätzlich unter dem Markendach.

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

Chance

Beispiel

Stärkung Mit Below-the-line-Aktivitäten absatzschwacher können auch Produkte Produkte gestärkt werden, die weniger erfolgreich auf dem Markt sind.

„Promotional Chat“ nutzt die Glaubwürdigkeit des Word of Mouth für Marketingzwecke. Es ist jedoch moralisch fragwürdig.

Nutzung des kommunikativen Potenzials von Mitarbeitern

Mitarbeiter übernehmen als „Botschafter“ ihres Unternehmens häufig kommunikative Rollen. In virtuellen Communities können sie auch außerhalb des Arbeitsplatzes als glaubhafte Fürsprecher auftreten.

In spezifischen Netzwerken wie OpenBC/Xing treten Mitarbeiter sowohl untereinander in Dialog als auch mit Interessenten, Kunden etc. So wird das Unternehmensbild von sehr vertrauenswürdigen Quellen auch nach außen transportiert, und es können beispielsweise neue Mitarbeiter oder Geschäftsbeziehungen gewonnen werden.

Nutzung von User-Profilen im HR-Bereich

Im so genannten „War for Talent“ Identifizierung von geeigneten Mitarbeitern/High können transparente Nutzerprofile hilfreich bei der Suche nach den Potentials. geeignetsten Mitarbeitern sein.

Wissensgenerierung

Die Auswertung von Stimmungsbildern in den eigenen und externen Communities generiert zusätzliches Wissen über den Markt.

Community-Benchmarks liefern Auskunft über die Konkurrenzsituation und zeigen Marktchancen oder Verbesserungsmöglichkeiten.

Tabelle 5: Chancen für Unternehmen durch Internet und Web 2.0 Vor allem die Erschließung neuer Geschäftsfelder und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle spielen im Zusammenhang mit Web 2.0 und dem Wandel im Informations- und Kaufprozess beim Konsumenten eine große Rolle. Beispiele dazu finden sich in Kapitel 8, Innovative Geschäftsmodelle. Die relativ kostengünstigen Maßnahmen erweisen sich häufig gerade für kleinere und mittlere Unternehmen als Chance.

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

Fokus: Der „Long Tail“ Artikel, die sich nur selten verkaufen, haben im klassischen realen Einzelhandel oft keine Chance – nur die Top-Seller bekommen Plätze in den Regalen. In den virtuellen Verkaufsräumen dagegen kann die Masse an weniger gefragten Produkten die Umsätze der Top-Seller bei weitem übertreffen. In der realen Welt würden sie gar nicht erst angeboten werden. Die Möglichkeiten zur Absatzsteigerung durch soziale Netze stellen somit eine wesentliche Chance dar. Das Prinzip funktioniert so: Zunächst machen die virtuellen Netzwerke Produkte und Dienstleistungen für den Konsumenten „sichtbar“. War es früher kaum möglich, über den Tellerrand der breiten Masse zu schauen – was sich (wahrscheinlich) nicht verkaufte, wurde ja nicht angeboten –, so kann heute jeder Nutzer in den Tiefen der Netze beinahe alles finden. Egal, ob Mainstream oder Nische, ganz nach seinem eigenen Geschmack. Geleitet wird der Konsument dabei durch Empfehlungen anderer Kunden und/oder intelligente Shop-Systeme wie beispielsweise bei Amazon. Die verschiedenen Verknüpfungen dienen hier als Cross-Selling-Tools. Hier wird dem Kunden aufgezeigt, dass Kunden, die den von ihm ausgewählten Artikel gekauft haben, sich auch für die anderen Artikel aus dem Sortiment entschieden haben. Darüber hinaus wird ihm noch der Vorschlag unterbreitet, zu dem bereits ausgewählten noch einen weiteren Artikel hinzuzukaufen, um dann zusätzlich noch von einem Vorzugspreis zu profitieren. Statt nur „an der Oberfläche zu kratzen“ arbeitet er sich so wesentlich tiefer in das Sortiment und wird dadurch auch an Nischenprodukte herangeführt. Gleichzeitig ist das digitale Warenlager unbegrenzt verfügbar und quasi umsonst. Durch die stetig sinkenden Kosten für On-Demand-Leistungen und individuell angefertigte Produkte wird es für Unternehmen heute wesentlich rentabler, breitere Sortimente anzubieten als noch bis vor kurzem. Vor allem bei digitalen Produkten, wo Produktions-, Lager-, und Distributionskosten verschwindend gering sind, zahlt sich dies aus. Und noch eine Eigenheit des Long Tail ist bemerkenswert: Oft sind die selten verkauften Artikel, man würde sie in der realen Welt vielleicht auch als „Flops“ bezeichnen, bereits abgeschrieben. Oder die Entwicklungs-, Produktionsbudgets etc. waren von vorneherein nicht sonderlich hoch, da keine großen Erwartungen gehegt wurden. Mit diesen Produkten lassen sich im Gegensatz zu den aufwändig produzierten und stark beworbenen Artikeln dann wesentlich höhere Gewinnspannen erzielen. So kostet bei iTunes beispielsweise jeder Song 99 Cent,

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

egal, ob es sich um den aktuellen Hit von Justin Timberlake handelt, einen Oldie von Led Zeppelin oder den Song einer noch relativ unbekannten Newcomerband. Andere Beispiele finden sich zahlreich bei den großen Online-Shops wie Amazon, iTunes etc. Unique Visitors Top-Hits aller Genres

Portal Produktgruppe

Tanzmusik

Produktebene 2 Produktebene 3 Produktebene 4 Long Tail

Elektronische Musik

House Minimal House, Vocal House, Progressive

Gewinsspanne

Quelle: in Anlehnung an Ahlers, T. (2006), Web 2.0, S. 10

Abbildung 24: Nischenprodukte generieren höhere Gewinnspannen Auch hier wird der zunehmende Wandel zu marktgesteuerten Verkaufsprozessen deutlich. Analog zum Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt ab den 1960er Jahren gewinnen die „Pull-Faktoren“ der Märkte an Einfluss. Die Auswirkungen bekommen vor allem die großen Einzelhändler zu spüren. Wenn es nicht mehr gelingt, den Kunden Kaufwünsche über das Angebot zu diktieren, kommt dies einem Todesstoß gleich. Häufig mangelt es nämlich an der nötigen Flexibilität, um die Wünsche des Marktes befriedigen zu können.64

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

pull

Konsument

MarketingKundenimpulse durch impulse durch Innovation Entwicklung

F&E Marketing

push

Quelle: in Anlehnung an Dohmen, J. (2005), Marketing Innovations, S. 5

Abbildung 25: Push-/Pull-Prinzip Case-Study: Rhapsody – eine Erfolgsstory Das Musikdownload-Portal Rhapsody Online wurde 2001 als Musikangebot von Listen.com aufgesetzt. Heute ist es ein Unternehmen der RealNetworks Incorporated. Das System basiert auf einem so genannten „Subscription Service“, d. h. Kunden müssen sich bei Rhapsody anmelden, um das Angebot nutzen zu können. Die Basismitgliedschaft ist kostenlos, einmal angemeldet, können alle Songs per Stream abgerufen werden. Es ist also möglich, kostenlos Musik zu hören – will man sie jedoch auch auf dem eigenen Rechner speichern oder auf CD brennen, wird ein Betrag von 99 US-Cent pro Titel fällig. Kostenpflichtige Mitgliedschaften umfassen Boni, Rabatte etc. Nach eigenen Angaben umfasst das verfügbare Angebot mehr als eine Million Musiktitel. Vergleicht man diese Angebotsmenge mit dem Standardsortiment großer Einzelhändler, nehmen sich diese geradezu wie „Peanuts“ aus. Rhapsody bietet nämlich im Gegensatz zu den realen Musicstores neben den etablierten Top-Künstlern auch eine riesige Auswahl an Musikstücken von unbekannten oder in Vergessenheit geratenen Interpreten.

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

Die Verkaufszahlen von Rhapsody und von Einzelhändlern ähneln sich stark – die Nachfragekurve sinkt nach den Top-Titeln schnell ab. Bei ca. 40 000 Titeln ist das Sortiment der meisten realen Shops am Ende. Rhapsody dagegen verfügt über ein Vielfaches an Musik. Das Unglaubliche dabei: Von den ersten Hunderttausenden Songs wird jeder einzelne mindestens einmal im Monat abgerufen. Auch wenn die meisten Titel, die bei Rhapsody verfügbar sind, nur wenige Male im Monat gehört bzw. gekauft werden, generiert der Long Tail einen höheren Umsatzanteil als die Top-Seller. Ein typischer Long-Tail-Verkauf sieht beispielsweise so aus: Auf der Haupseite wird ein Top-Titel angepriesen. Daneben finden sich ähnliche Künstler, die sich der Kunde ebenfalls zu Gemüte führen kann. Gefällt dem Nutzer, was er hört, hat er unter anderem die Möglichkeit, wiederum ähnliche Titel anzuhören – aber von unbekannteren Interpreten. So wird der Kunde vom Mainstream in die Nischen geleitet. Die Verknüpfungen zwischen den Interpreten basieren auf dem Know-how menschlicher „Guides“. In einem Experiment mit flexibler Preisgestaltung koppelte Rhapsody die Preise für die Songs an die Nachfrage. Weniger gefragte Titel kosteten über eine gewisse Zeitspanne nur die Hälfte, während die beliebtesten Lieder mit dem vollen Preis berechnet wurden. Ergebnis: Von den günstigen Titeln wurden bei halben Preis drei Mal mehr verkauft. Trotzdem ist ein Faktor kritisch für den Erfolg eines solchen Ansatzes: Das Angebot darf nicht nur aus dem Long-Tail bestehen. Ohne TopSeller, die eine große Menge von Kunden auf das Angebot locken, kann die kritische Masse für den erfolgreichen Absatz von Produkten jenseits des Mainstreams nicht zustande kommen. Die großen Namen fungieren also gewissermaßen als Magnet für die Massen.65

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

5.3.2 Risiken für Unternehmen Leider bieten sich für Unternehmen allerdings nicht nur Chancen, sondern es entstehen auch Risiken, die erhebliche Folgen haben können. Risiko

Begründung

Fehlende Dialog- Aufgrund der zunehmenden bereitschaft Vernetzung des Konsumenten birgt fehlende Dialogbereitschaft oder gar -verweigerung ein erhebliches Risikopotenzial.

Beispiel Kunden, Shareholder etc., die sich nicht ernst genommen fühlen, können über die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit großen Druck ausüben. Siehe auch unten, Beispiel INTEL.

Kontrollverlust

Zusätzlich sorgt die Vernetzung sehr schnell für Schwierigkeiten bei der Kontrolle kommunikativer Maßnahmen oder sogar zum totalen Kontrollverlust.

Informationen breiten sich sehr schnell und oft ohne Zutun durch die Netzwerke aus. Kritische Situationen können eskalieren und Schaden anrichten. Siehe auch unten, Beispiel STRATO.

Hohe Glaubwürdigkeit des Word of Mouth

Qualitative Mängel bei Produkten, Dienstleistungen oder Service können mit zunehmender Vernetzung des Konsumenten sehr viel schneller zu Misserfolg oder Imageschäden führen.

Kunden geben über eine Vielzahl von nutzerstarken Rezensionsportalen und Foren, wie ciao.com, testberichte.de etc. extrem glaubwürdige Rezensionen und Testberichte für beinahe alle Produkte und Dienstleistungen ab. Diese beeinflussen die Kaufentscheidung anderer potenzieller Kunden.

Sinkende Gewinnmargen

Die Vergleichbarkeit der Produkte und Dienstleistungen gewähren dem Kunden eine steigende Transparenz und sorgen für härtere Preiskämpfe.

Der Konsument erkennt durch Online-Recherchen, dass den Margen kein realer Mehrwert im Vergleich zum Konkurrenzprodukt entspricht.

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

Risiko

Begründung

Beispiel

Kommerzielle Vereinnahmung

Versuche, die hochvernetzte Konsumentengemeinschaft durch kommerzielle Botschaften zu vereinnahmen (offen oder anonym), können zu Abwanderung der Konsumenten aus dem Nutzerkreis und Verlust von Glaubwürdigkeit führen.

Wird ein Nutzer als Teil einer Marketingmaßnahme enttarnt, so folgt in vielen Fällen der Boykott seiner Beiträge oder sogar des Unternehmens und dessen Produkten. Die Nachricht über den „Fake“ verbreitet sich unkontrollierbar. Siehe auch unten, Beispiel SONY.

Fehlendes Produktwissen

Vernetzte Konversationen statten den Konsumenten mit einem immensen Produktwissen aus. Im Extremfall wissen Sie mehr über das Produkt/die Dienstleistung als die eigenen Mitarbeiter des Unternehmens – das Image kann Schaden nehmen.

Unbefriedigende oder falsche Antworten auf Anfragen zum Produkt oder der Dienstleistung verärgern Konsumenten. Der zunehmende Vernetzungsgrad führt zu schonungslosem Erfahrungsaustausch, der für das Unternehmensimage gefährlich sein kann.

Fragmentierung der Vertriebskanäle

Die zunehmende Bedeutung des virtuellen Markts zieht eine Aufsplitterung der Vertriebskanäle in physische und virtuelle Kanäle nach sich. Ressourcen müssen aufgeteilt werden.

Viele Händler in der Textilwirtschaft verkaufen über Multi-Channel-Systeme, die das Internet beinhalten. Dabei benutzen die meisten Unternehmen drei Kanäle – stationäre Geschäfte, Internet und Katalog. Fehlende Abstimmung zwischen den Kanälen führt zu Kundenverärgerung und -abwanderung

Tabelle 6: Risiken Ein zusätzliches Risiko besteht in der Tatsache, dass Nutzer-zu-NutzerDialoge auch dazu verwendet werden könnten, Konkurrenten anzugreifen. Mit der systematischen Verbreitung entsprechender „Testberichte“ und „Nutzermeinungen“ könnten Konkurrenzprodukte schlecht gemacht und der Absatz geschädigt werden. Die starke Wirkung von Word of Mouth macht dies durchaus plausibel und die Einfachheit des Identitätsmissbrauchs im anonymen Netz erleichtert solche schädigenden Aktionen (siehe auch Fokus: Sicherheitsaspekte – Identitätsmissbrauch im Web 2.0, S. 87 f.).

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

Einige der aufgeführten Risiken haben bereits zu gefährlichen Krisensituationen, sogar bei weltumspannenden Konzernen, geführt: Beispiel Intel Die amerikanische Intel Corporation weigerte sich beispielsweise in der frühen Phase des Internets, einem Kunden Aufmerksamkeit zu schenken, der dem neuesten Prozessortyp einen Fehler in der Fließkommaberechnung nachweisen konnte. Die fehlende Dialogbereitschaft des Herstellers resultierte in den Jahren 1994/95 in einer handfesten Imagekrise und hohem finanziellen Schaden. Ein Mathematikprofessor hatte während einiger Rechenoperationen festgestellt, dass beim Pentium-Prozessor ein Fehler in der Berechnung bestimmter Fließkomma-Divisionen auftrat. In einer E-Mail wandte er sich an Intel, erhielt aber zunächst keine, später eine unbefriedigende Antwort.66 Der Chip-Hersteller wusste bereits um den Fehler, wies ihn aber als unerheblich zurück. Der verärgerte Kunde verschickte daraufhin E-Mails an einige Bekannte. Wenig später wurde das Problem auf vielen Diskussions-Plattformen im Internet ausgiebig diskutiert. Es entstanden schnell zahlreiche Witz-Seiten, die sich einzig den fehlerhaften Pentium-Prozessoren widmeten. Intel weigerte sich trotzdem weiter, betroffene Chips umzutauschen. Die New York Times veröffentlichte schließlich einen Monat später einen Artikel, in dem das Problem beschrieben wurde und Intel erstmals öffentlich den Fehler zugab.67 Dadurch gewann das Thema nicht mehr nur im Internet, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit an Fahrt. Die Reklamationen häuften sich sprunghaft. Erst einen weiteren Monat darauf entschuldigte sich Intel bei den Kunden. Der Austausch der bis dahin weiter produzierten und verkauften Prozessoren kostete das Unternehmen ca. 450 Mio. Dollar. Heute würde ein solch arrogantes Verhalten mit Sicherheit innerhalb wesentlich kürzerer Zeit noch viel drastischere Folgen nach sich ziehen. Beispiel Strato Wenn schon ein einziger hartnäckiger Konsument einen Großkonzern ins Straucheln bringen kann, was kann dann erst eine mobilisierte Masse von Kunden bewirken? Beim ehemals größten Webhoster Europas, der deutschen Strato AG, war neben internen Problemen die Verweigerung des Dialogs mit ihren Kunden und vor allem der Kontrollverlust Auslöser für eine schwere Krise. Das Unternehmen konnte seine führende Position seither nicht wieder erreichen und verlor massiv

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

Marktanteile, beispielsweise an den Konkurrenten 1+1 Puretec. Roselieb analysiert die Entstehung der Krise detailgenau.68 Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Anfang des Jahres 2000 traten bei Strato Probleme mit der Umsetzung der Werbeversprechen auf: Domains konnten nicht rechtzeitig bereitgestellt werden, beworbene Produkte waren nicht marktreif, Serverausfälle lähmten die Websites der Kunden. Strato reagierte nicht oder mit äußerst knappen Statements auf Anfragen und Beschwerden. Einige der Kunden hatten bereits eine „IG Strato“ gegründet, die in einem eigenen Diskussionsforum auf die schlechte Servicequalität und den teilweise rüden Umgangston der Mitarbeiter hinwies und Hilfestellung für andere Kunden geben sollte. Anfänglich ausgelöst durch interne Faktoren, die für junge (Internet-) Unternehmen recht typisch sind, wie Unklarheit in Bezug auf Hierarchien, nicht vorhandenes Wissensmanagement und das allzuschnelle Wachstum, wurde die Situation bald gefährlich: Als viele der wichtigsten Mitarbeiter, die mit einem bevorstehenden Verkauf des Unternehmens an die Bertelsmann-Gruppe unzufrieden waren, Strato die Loyalität versagten und gleichzeitig weitere schwerwiegende technische Pannen eintraten, wurde die Kundendiskussionsplattform regelrecht

Quelle: http://www.zdnet.de [Stand 22.01.2007]

Abbildung 26: ZDnet Deutschland – Strato-Krise

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

mit Postings besorgter Kunden überschwemmt. Erst viel zu spät ergriff Strato kommunikative Maßnahmen und veröffentlichte, zumindest zeitweise, tägliche Statusberichte im Forum der „IG Strato“. Alle großen Internet-Newsdienste wie ZDNet Deutschland, Internet World griffen spätestens zu diesem Zeitpunkt das Thema auf und nahmen Strato die Kommunikation regelrecht aus der Hand. Viele Kunden fürchteten um ihre Domains, konnten aber keinen Dialog mit dem Unternehmen aufbauen. Chaos und Gerüchte sorgten dafür, dass das Image Stratos innerhalb weniger Monate zerbrach und Kunden massenhaft ihre Verträge kündigten. Über die letzten Jahre konnte das Vertrauen zwar langsam wieder aufgebaut werden, aber die einstige Spitzenposition als „bester Webhoster“ scheint in weite Ferne gerückt.69 Beispiel Kryptonite Jedes der Risken kann allerdings auch kombiniert mit anderen Risiken auftreten und entsprechend größeren Schaden anrichten. Paradebeispiel für die Kombination aus fehlender Dialogbereitschaft, fehlendem Produktwissen und totalem Kontrollverlust ist der Fall des US-Fahrradschlösserherstellers Kryptonite, einem Tochterunternehmen des Mischkonzerns Ingersoll-Rand. Ein Kunde hatte entdeckt, dass die angeblich „sichersten Schlösser der Welt“, die Schlösser der „U-LockSerie“, ganz einfach mit einem Stift geöffnet werden konnten. Nachdem das Unternehmen auf die Hinweise des besorgten Kunden nicht reagierte, stellte dieser den Sachverhalt in ein Forum. Zusätzlich zeichnete er mit einer Videokamera auf, wie das Schließsystem überlistet werden konnte, und stellte die Videoclips der Bike-Community zur Verfügung.70 Zahlreiche andere Communities und News-Sites wie metafil ter.com und engadget.com griffen das Thema auf.71 Kryptonite wurde quasi über Nacht zum Gespött des Netzes. Manche Nutzer kündigten gar an, mit Stiften bewaffnet auf Raubzüge gehen zu wollen. Kurz darauf wurden die Printmedien auf das Thema aufmerksam: Der Boston Globe und die New York Times informierten die breite Öffentlichkeit.72 Das Image war ruiniert – umso mehr, als Kryptonite weiter beharrlich schwieg. Erst Tage später wurde ein Austauschprogramm auf der Kryptonite-Website angekündigt. Schwerwiegend waren auch die finanziellen Folgen für das Unternehmen: Sämtliche Schlösserserien mit dem betroffenen Schließmechanismus mussten kostenlos ausgetauscht werden. Daneben hatte das Unternehmen zahlreiche, auf Grund des Videos gestohlene, Fahrräder zu ersetzen.

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

Eine spezielle Website, über die betroffene Schlösser ausgetauscht und Fahrraddiebstähle gemeldet werden können, macht heute noch das Ausmaß der Krise deutlich.73

Quelle: http://www.engadget.com [Stand 22.01.2007]

Abbildung 27: Kryptonite Evolution 2000 U-Lock hacked by a Bic pen Beispiel Sony Auch die kommerzielle Vereinnahmung der Nutzer durch anonyme „Schleichwerbung“ kann Probleme herbeiführen, wenn diese enttarnt wird. Zwar bleibt das zunächst meist ohne schwerwiegende finanzielle Folgen, aber das Image und die Glaubwürdigkeit leiden. Im aktuellen Fall hatte die japanische Sony Corporation versucht, die amerikanischen Blogger-Communites für die Spielkonsole „Playstation Portable“ (PSP) zu gewinnen. Um den Absatz des Geräts im wichtigen Weihnachtsgeschäft anzukurbeln, gab sich das Team einer eigens engagierten Multimedia-Marketing-Agentur als zwei Hip-Hop-Fans aus, die in einschlägigen Kreisen für ihre angebliche Fan-Seite Werbung machten. Auf der Website alliwantforxmasisapsp.com warben die zwei coolen Jungs in Blog-Beiträgen. Scheinbar stolz zeigten sie selbstgemachte T-Shirts und andere Devotionalien für die PSP. Ziel der von ihnen eingerichteten Seite sei es, die Eltern, Verwandten, Chefs etc. zu überzeugen, dass eine PSP das richtige Weihnachtsgeschenk sei.

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Quelle: http://www.alliwantforxmasisapsp.com [Stand 14.12.2006 – nicht mehr verfügbar]

Abbildung 28: alliwantforxmasisapsp.com – Sonys falscher Blog Die Seite war in Design und Tonalität auf die junge Zielgruppe abgestimmt. Auf YouTube.com erschienen zeitgleich Videos mit Raps über die Spielekonsole. Bald fanden findige Blogger jedoch heraus, dass die Domain auf die besagte Werbeagentur registriert war, zu deren Kunden laut Website auch Sony gehörte. Es folgte ein Aufruhr. Die „Blogosphäre“, wie das Blogger-Universum auch genannt wird, wehrte sich mit zahllosen Gegenblogs gegen die kommerzielle Unterwanderung und stellte Sony bloß. Auch entlarvende Videos wurden ins Netz gestellt.74 Nutzerkommentare auf alliwantforxmasisapsp.com lasen sich beispielsweise wie folgt: „Wow. Could you guys be any more blatant? Printing out a Sony PSP ad? Are you really counting on people to be that gullible. What an insult.“ Sogar ernste Aufforderungen zum ehrlichen Dialog mit den Konsumenten waren zu finden: So schrieb ein Besucher: „Sony ... PLEASE stop trying to be ,hip‘. Please START focusing on product and games and opening a REAL dialogue with your users to make your gaming products better.“75 Das Team hielt jedoch weiter an seiner Strategie fest und antwortete blauäugig: „yo where all u hatas com from ... juz cuz you aint feelin the flow of PSP dun mean its sum mad faek website or summ ... youall be trippin.“76 Bei YouTube.com tauchten schnell erste Video-Parodien auf

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die Playstation-Produktbotschaften auf.77 Der Elektronikkonzern entschloß sich erst einige Tage darauf, alles zuzugeben, und auf der enttarnten Werbeseite stand zu lesen, dass man „ertappt, festgenagelt, erwischt“ worden sei. Die Marketingstrategen gaben zu, dass „die HipHopper Charlie und Jeremy in Wahrheit nicht existierten und es sich um eine von Sony entwickelte Seite handle. Wahrscheinlich sei die Tonalität zu “funky-fresh" gewesen, und man habe versucht, zu clever zu sein. In Zukunft wolle man sich darauf beschränken, coole Produkte zu entwickeln und auf dieser Seite alle Fakten zur PSP präsentieren." Nur wenig später wurden alle Hinweise auf die Existenz dieser Marketingmaßnahme gelöscht – Sonys YouTube-Videos sind nicht mehr verfügbar, die Web-Adresse ist nicht mehr registriert. Trotz des Vertuschungsversuchs: Das Debakel bleibt ein Lehrstück für Marketingspezialisten und wird ausführlich in zahlreichen MarketingCommunities und -Publikationen diskutiert. Ein originalgetreuer Nachbau der Seite mit sämtlichen Kommentaren steht zu Anschauungszwecken im Internet zur Verfügung.78 Diese Beispiele zeigen deutlich, welche Risiken der vernetzte Konsument für Unternehmen mit sich bringt, die nicht in einen ehrlichen Dialog mit ihren Kunden, respektive der Öffentlichkeit, treten wollen. Transparenz und Aufgeschlossenheit sind maßgebliche Faktoren für den Markterfolg – heute und in Zukunft. Möglicherweise kündigt sich bereits ein neuer Kommerzialisierungsversuch an: Der Blog von Comedian Hape Kerkelings Kultfigur „Horst Schlämmer“, der im „einmalig tollen“ Fahrzeug eines deutschen Automobilkonzerns den Führerschein machen will und mit diesem Abenteuer viele Nutzer begeistern soll, könnte im Zeichen einer Werbekampagne stehen.79, 80 Der Automobilkonzern schweigt bislang.

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

Quelle: http://schlaemmerblog.tv/ [Stand 10.02.2007]

Abbildung 29: Schlaemmerblog.tv Fokus: Sicherheitsaspekte – Identitätsmissbrauch in sozialen Netzwerken Längst wird neben der Sicherheit von Online-Transaktionen und Internetbanking auch ein anderes Thema intensiv diskutiert: Der Identitätsmissbrauch in sozialen Netzwerken. Bis vor kurzem war die Identität eines Nutzers im Internet zweitranging. Heute dagegen ist die Selbstdarstellung ein kritischer Faktor für das soziale Leben, für Karrieren, Geschäftsbeziehungen und nicht zuletzt Absätze. Die zunehmende Kommerzialisierung des virtuellen Raums macht es unabdingbar, dass sich die Nutzer eindeutig identifizieren. Nur so kann eine Vertrauensbasis und damit eine langfristige Beziehung aufgebaut werden. Auch das Streben nach sozialer Anerkennung, sei es von Privatpersonen oder Unternehmen, gewinnt in den sozialen Netzen weiter stark an Bedeutung. Dies führt auch zu Problemen: In einen konkreten Fall hatte sich ein Richter am Obersten Verfassungsgericht Australiens ein Pro-

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fil auf der Plattform MySpace eingerichtet. Der Mann genießt hohe soziale Anerkennung im Land, nicht zuletzt durch sein offenes Bekenntnis zur Homosexualität. Als jedoch ein zweites Profil auf der Webseite auftauchte, in dem er sich angeblich selbst als „Zuhälter“ titulierte und auf dem anzügliche Inhalte und Links zu rechtsextremen Gruppen in den USA zu finden waren, drohte sein Ruf erheblichen Schaden zu nehmen.81 Aufgrund dieser boshaften Diffamierung forderte der Richter das Betreiber-Unternehmen auf, gegen die Urheber des Fake-Profils vorzugehen. MySpace weigerte sich, nahm das falsche Profil aber schließlich aus dem Netz. Nach Angaben des Sydney Morning Herald war es über 15 Monate lang frei zugänglich.82 In letzter Zeit häufen sich die Fälle des Identitätsklaus. Auch für Unternehmen könnte dies zu einem ernsthaften Problem werden, wenn beispielsweise falsche Tatsachen in ihrem Namen oder den Namen von Mitarbeitern verbreitet werden. Wie ein Lauffeuer könnten sich diese in kürzester Zeit durch das Web ausbreiten und erheblichen Schaden anrichten. Und es gibt noch einen anderen wichtigen Aspekt: Kommerzielle Plattformen leben unter anderem von den Daten ihrer Nutzer. Die enorm hohen Kaufpreise, die beispielsweise YouTube oder StudiVZ erzielten, begründen sich nicht zuletzt durch die Nutzerdaten. Die Käufer erwarben diese Daten und das Recht zur Nutzung beim Kauf mit. Wenn es sich dabei aber nur um falsche Angaben handeln würde, stünde der Nutzen der Investitionen in Frage. Um dieser Gefahr begegnen zu können, müssen Nutzer und ihre Angaben validiert werden. Dies ist aber extrem aufwändig. Betreiber von Portalen und Netzwerken scheuen deshalb zumeist aus Kostengründen davor zurück. An dieser Stelle könnten so genannte „Identitätsprovider“ Hilfe leisten. Dabei handelt es sich um „Institutionen und Unternehmen, die die Identität einer Person kontrollieren und online überprüfbar machen.“83 Einheitliche Standards gibt es derzeit noch nicht. Staatliche Ansätze fehlen ebenso. Im Rahmen des Projekts „e-government 2.0“ prüft die Bundesregierung aber unter anderem die Einführung eines elektronischen Personalausweises und arbeitet an so genannten „E-Identity“Konzepten.84 Der amerikanische Softwarekonzern Microsoft bietet mit „Cardspace“ für Windows Vista dagegen schon heute ein Sicherheitstool, das es dem Nutzer ermöglichen soll, verschiedene „Identitätskarten“ zu erstellen. So soll willkürlichem Diebstahl und Missbrauch sensibler persönlicher Daten vorgebeugt werden, da mit diesen „Identitätskarten“ immer nur die Informationen weitergegeben werden, die

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

für den jeweiligen Zweck notwendig sind.85 Freilich ist das aber nur dann wirksam, wenn der Anwender nicht freiwillig Daten online stellt. Aber nicht nur das Verwenden von Informationen anderer Nutzer zu unlauteren Zwecken ist kritisch: Eine weitere Problematik ergibt sich durch das bewusste Manipulieren der Netzwerke. Im Gegensatz zum Identitätsklau werden hier falsche Daten eigenhändig vom Nutzer erstellt. Dabei sind aber nicht etwa ein falscher Name oder unwahre Adressdaten gemeint, sondern das soziale Umfeld des Nutzers. Es ist heute möglich, die Selbstdarstellung in Communities und Netzwerken ganz nach Wunsch zu gestalten – inklusive des virtuellen sozialen Lebens. Sich gegen Geld Kontakte oder „Freunde“ zu kaufen, die das eigene Image im Web aufpolieren, mag seltsam sein – ist aber durchaus real. Der Service FakeYourSpace.com bietet falsche virtuelle Freunde auf unterschiedlichen US-Plattformen wie MySpace, FaceBook etc. schon ab 0,99 US-Dollar im Monat. Diese engagieren sich dann in Form von Kommentaren auf der Seite des Nutzers und verbreiten die Illusion eines intakten sozialen Umfelds für andere Betrachter. In Deutschland gibt es einen solchen Service bislang nicht. Es ist aber wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Wie soll man nun mit dem „Identitätsproblem“ umgehen? In den meisten Fällen werden die Nutzerprofile wohl nicht willkürlich von bösartigen Subjekten erstellt sein – die meisten Nutzer werden auch kein Geld ausgeben, um falsche Kontakte zu kaufen. Letztlich ist und bleibt die Authentizität von Profilen und Nutzerdaten im Web aber unsicher. Um Identitätsmissbrauch vorzubeugen, sollte sich jeder Nutzer genau überlegen, wie viel er von seinen persönlichen Daten freigibt. Unternehmen sollten wachsam sein und Netzwerke und Communities aufmerksam beobachten. Möglicherweise kann man schon bald die Identitäten der Nutzer und ihres Netzwerks ebenfalls von einem Service überprüfen lassen – „Un-FakeYourSpace“ sozusagen.

Zwischen Web 2.0 und neuem Konsumenten

5.4 Wie Unternehmen auf die Meinungsbildung beim Konsumenten Einfluss nehmen können Mit dem Aufstieg des Phänomens Web 2.0 und dem Wandel im Informations- und Kaufentscheidungsprozess ergeben sich neue Möglichkeiten für Unternehmen, auf die Meinungsbildung des Konsumenten einzuwirken. Hier spielen vor allem die Dialogorientierung und der virale Charakter der Informationsverbreitung eine Rolle. Das bereits beschriebene Word of Mouth-Prinzip dient dabei als Grundlage für eine Vielzahl von Marketingmaßnahmen, deren Ziel die Verbreitung von produkt- oder markenbezogenen Botschaften von Nutzer zu Nutzer ist. Folgende Maßnahmen sind Teil des Word-of-Mouth-Marketing: Maßnahmen

Beschreibung

Beispiel

Buzz Marketing

Verbreitung von physischem oder elektronischem Entertainment oder News mit Trendsettercharakter. Oft begleitend bei der Produkteinführung genutzt. In anonymer Form auch Stealth Marketing genannt.

z. B. Produktdemonstration der Sony PSP an „In-Spots“, wie im Münchener „P1-Club“.

Virales Marketing

Die Bereitstellung von witzigen oder z. B. VW „V-Dub“ Videoserie in YouTube unterhaltsamen Inhalten (Videos, Bilder, Präsentationen), die sich meist oder über iTunes. in elektronischer Form via E-Mail exponenziell und unkontrolliert verbreiten. Ergänzung zum klassischen Advertising.

Community Marketing

Gründung oder Unterstützung von themengetriebenen Communities, Foren etc., die die Interessen der Marke teilen. Oft Nischencommunities.

z. B. BMW 1er Forum, Revox Fan Forum, Microsoft Xbox Community.

Brand Blogging/ Corporate Blogging

Erstellung von marken-, produktbezogenen Blogs mit Informationen aus erster Hand; fördert den offenen Dialog und die Transparenz.

z. B. FRoSTA-Blog, Logitech bLogitech.

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

Maßnahmen

Beschreibung

Beispiel

Influencer Marketing

Identifikation und direkte Ansprache von Schlüsselcommunities bzw. Lead-Usern. Ausnutzung des Beeinflussungspotenzials.

z. B. Hamann-Tuning (siehe Fallstudie), P&G Tremor.

Seeding

Strategische Platzierung von Inhalten auf vielbesuchten Seiten und in hochfrequentierten Blogs und Communities zur „Aussaat“ von (Produkt-)Botschaften. Komplexe Steuerung notwendig.

z. B. K-Fee, Bree/lonelygirl15 – Projekt.

Grassroots Marketing

Beeinflussung von anderen Nutzern durch Freiwillige aus der Basis.

z. B. Apple iPod „iConsumer Created“.

Referral Programme

Aufbau eines Werber-/Weiterempfeh- z. B. Amazon Affiliates. lungsprogramms, das zufriedenen Kunden die Möglichkeit bietet, Produkte an Freunde, Bekannte, Verwandte weiterzuempfehlen.

Tabelle 7: Formen des Word-of-Mouth-Marketing Viele Aktivitäten können jedoch nicht einer spezifischen Form zugeordnet werden, da die Grenzen oft fließend sind. Auch das umstrittene „Stealth Marketing“ zählt zu den Word-of-Mouth-Marketingmaßnahmen. Hierbei verbreiten Unternehmen ihre Produktbotschaften anonym, d. h. ohne sich der Öffentlichkeit als Werbetreibende preiszugeben. Es ist risikoreich, da die wahre Identität oft schnell von findigen Verbrauchern aufgedeckt wird. Jüngste Beispiele, wie die bereits genannte Sony Werbeseite alliwantforxmasisapsp.com, zeigen, wie sehr das Markenimage durch einen solchen Vertrauensmissbrauch leiden kann. Werden Verbraucher vom Unternehmen dafür bezahlt, Promotion zu betreiben, ohne sich als Werber zu erkennen zu geben, nennt man dies auch „Shilling“. Die amerikanische Federal Trade Commission (FTC) erklärte im Dezember 2006 alle Aktionen, die arglose Verbraucher über den kommerziellen Hintergrund im Unklaren lassen, als „unethisch“. Sie veröffentlichte ein Statement, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass „Aktionen, die bezahlte Verbraucher dazu nutzen, Produkte in der Öffentlichkeit zu benutzen oder vorzuführen, ohne dabei klarzustellen, dass sie dafür bezahlt werden, nicht von den FTC Richtlinien gedeckt werden.“86 Die Organisation Commercial Alert, die sich zum Ziel gesetzt hat, Communities vor Kommerzialisierung zu schützen, fordert indes Sanktionen gegen Unternehmen, die solche Maßnahmen ergreifen, da es sich dabei um „Betrug am Verbrau-

Unternehmenseinfluss auf die Meinungsbildung beim Konsumenten

cher“ handle.87 In den USA haben sich derzeit rund 130 Unternehmen, darunter große Konzerne wie Kraft Foods, Dell und Motorola, der Word of Mouth Marketing Association (WOMMA) angeschlossen, um den ehrlichen und offenen Umgang mit Nutzer-zu-Nutzer-Marketing zu demonstrieren und zu fördern. Die Mitglieder verpflichten sich, unethische Marketingaktivitäten im Umgang mit dem Word of Mouth zu unterlassen.

Quelle: http://www.womma.org/ [Stand 29.01.2007]

Abbildung 30: Word of Mouth Marketing Association Wörtlich heißt es: „WOMMA is absolutely opposed to [...] unethical word of mouth tactics.“88 Neben Stealth Marketing, bzw. Shilling zählen dazu noch die folgenden Taktiken: 䉴 Infiltration

Die Nutzung von so genannten „Fake Identities“ in Communities, Foren, Blogs etc. zur Produktpromotion. Aufgrund fehlender Datenverifizierung wird dies häufig genutzt. 䉴 Falsification

Wissentliche Verbreitung falscher oder irreführender Informationen. 䉴 Spam

Unaufgefordertes Versenden von E-Mails oder anderen Nachrichten.

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

䉴 Comment Spam

Automatisches Veröffentlichen von Kommentaren ohne thematischen Bezug oder mit werblichem Inhalt in Communities, Foren, Blogs etc. (z. B. mit Hilfe so genannter „Bots“). Welche Maßnahmen man auch immer anwendet, fest steht: Durch unangebrachte Verhaltensweisen kann das Vertrauen, das maßgeblich für die Glaubwürdigkeit des Word of Mouth ist, zerstört werden. Dieser Tatsache sollte sich jeder bewusst sein, der Word-of-Mouth-Marketing für sich nutzen will.

5.5 Was unterscheidet alte und neue Verkaufsprozesse? Stellt man den herkömmlichen Verkaufsprozess dem neuen gegenüber, so zeigt sich: Die frühere lineare Form weicht einem zunehmend vernetzten Prozessablauf. Mit der bislang üblichen One-Way-Kommunikation über traditionelles Advertising und Point-of-Sale-Maßnahmen versuchten Unternehmen, ihren Kontrollanspruch zu nutzen. Der Kunde sollte eine Meinung „diktiert“ bekommen, die ihn schließlich zum Kauf führte. Erfahrungsberichte anderer Kunden wurden ebenfalls stark in der Unternehmenskommunikation instrumentalisiert. Im Gegensatz dazu steht im neuen Verkaufsprozess der Kundendialog im Fokus. Der Kommunikationsfluss erfolgt nicht mehr linear, sondern sowohl vom Unternehmen zum Kunden als auch vom Kunden zum Unternehmen. Direkte Dialoge mit Hilfe von Tools und sozialen Netzwerken dienen als Rückkanäle, über die Kunden eingebunden werden können – der Konsument kann sich sogar aktiv an der Wertschöpfung beteiligen. Absatz und Produktentwicklung profitieren davon, aber auch das Image. Das Unternehmen als solches rückt näher an den Markt. Gleichzeitig werden neue Geschäftsmodelle auf Basis des Netzwerkgedankens möglich.

Was unterscheidet alte und neue Verkaufsprozesse?

Abbildung 31: Herkömmlicher Verkaufsprozess Web 2.0 und dessen Tools verknüpfen den Kaufprozesses auf der einen und den Verkaufsprozess auf der anderern Seite. Sie nehmen Schnittstellenpositionen zwischen den Konsumenten und den Unternehmen ein und haben schon heute Einfluss auf alle relevanten Prozessschritte. Mit fortschreitender Vernetzung des Konsumenten gewinnen sie mehr und mehr an Bedeutung. Auch wenn dabei nicht alle Tools grundsätzlich für alle Unternehmen geeignet sind, sollten die Möglichkeiten in jedem Fall geprüft

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

Abbildung 32: Neuer vernetzer Verkaufsprozess werden. Über die Schnittstellen fließen Kommunikationsströme in beide Richtungen – richtig eingesetzt kann daraus eine Win-Win-Situation für Kunden und Unternehmen entstehen.

Was unterscheidet alte und neue Verkaufsprozesse?

Informationssuche

Problemerkenntnis

Soziale Netzwerke

Zielgruppenanalyse

Blogs Podcasts Communities

Kontaktaufnahme

Alternativenevaluierung

Kaufentscheidung

Virale Maßnahmen

Word of Mouth

Akquisition

Verkauf

Nachkaufevaluierung

Service Aftersales

Abbildung 33: Web 2.0-Tools als Schnittstelle zwischen Kauf- und Verkaufsprozess

Herausforderungen für Unternehmen durch den „neuen Konsumenten“

6. Tools des Web 2.0 und wie man sie nutzt

Um die Chancen, die das Web 2.0-Umfeld bietet, auszunutzen, stehen den Unternehmen zahlreiche Tools zur Verfügung, mit denen sich im Idealfall fördernde Dialoge knüpfen, Absätze steigern oder neue Märkte erschließen lassen. Nicht jedes Tools ist allerdings für jede Situation geeignet. Je nach Unternehmens- und Budgetgröße, Zielsetzung und Zeitaufwand sind individuelle Kombinationen vorteilhaft. An dieser Stelle soll ein Überblick über die verfügbaren Tools und deren Anwendung gegeben werden.

6.1 Communities Der Aufbau einer eigenen Kundencommunity dient vor allem dem direkten, unverfälschten Dialog mit dem Kunden. Sie kann dadurch das Vertrauen in die eigene Marke stärken, den Nutzern Entscheidungshilfe beim Produktkauf bieten und Informationen zur Weiterentwicklung von Produkten gewinnen. Es können aber auch themenbezogene Communites kreiert werden, die sich durch spezifische Nutzenaspekte herausstellen. Napster bietet beispielsweise die Möglichkeit, dass Nutzer ihre individuellen Playlists untereinander austauschen und in den Musiksammlungen ihrer Freunde stöbern können. Die Kommunikations-Community Skype zeichnet sich durch die Möglichkeit aus, über das Internet weltweit frei mit anderen Mitgliedern kommunizieren zu können. Beide sind nach einer kostenlosen Startphase mittlerweile erfolgreich in der kommerziellen Phase angelangt und stellen viele (Zusatz-)Dienste nur gegen Bezahlung zur Verfügung. Mit Hilfe von Experten-Communities lassen sich teilweise sogar die Regeln des Marktes neu gestalten – das Betriebssystem Linux ging als Alternative zu proprietären Betriebssystemen aus einer Community von Entwicklern hervor und wurde später von Distributoren wie SUSE, RedHat oder Debian kommerziell vertrieben.

Communities

Quelle: http://www.linux-community.de/ [Stand 29.01.2007]

Abbildung 34: Linux Community

6.2 Blogs Als Kommunikationsform für Unternehmen ist das Bloggen in Deutschland, abgesehen von den großen Konzernen, noch wenig genutzt. Mit geschätzten 300 deutschen Unternehmensblogs liegt ein Großteil des kommerziellen Potenzials bislang brach.89 Dabei bietet sich neben der Möglichkeit zur Selbstdarstellung auch hier eine kostengünstige, aber effektive Maßnahme, mit dem Kunden in Dialog zu treten und wertvolle Informationen zu erhalten. Gegenüber der Community hat ein Blog außerdem den Vorteil, sich wesentlich leichter moderieren zu lassen. Stimmen der Kunden können als Kommentar zu den eigenen Beiträgen aufgefangen werden. Durch die Blogroll, also die Verlinkung mit den Tagebüchern anderer Blogger, kann ein Blog schnell an Bedeutung in Suchmaschinen und somit neue Interessenten gewinnen. Das Payback-Konsortium bezieht die Nutzer sogar in die Gestaltung des Blogs selbst mit ein, um die Realisierung nah am Kunden zu halten.

Tools des Web 2.0 und wie man sie nutzt

Quelle: http://paybackblog.trnd.com [Stand 29.01.2007]

Abbildung 35: Payback Corporate Blog Case-Study: FRoSTA-Blog Eines der erfolgreichsten etablierten deutschen Corporate Blogs gehört dem Tiefkühlkosthersteller Frosta.90 Die Frosta AG mit Sitz in Bremerhaven beschäftigt 1 100 Mitarbeiter. Das Unternehmen verwendet in der Produktion seiner Waren ausschließlich natürliche Zutaten und setzte mit diesem Konzept im Jahr 2005 ca. 269 Mio. Euro um. Die Kommunikation ist offen und transparent gehalten und soll den Konsumenten auf diese Weise überzeugen. Insofern stellt das Blog eine ideale Ergänzung der bisherigen Kommunikationsstrategie dar. Es besteht seit Mitte 2005. Frosta gehört damit zu den ersten Unternehmen außerhalb der IT-Branche, die aktiv bloggen. Nach eigenen Angaben werden 5 000 bis 6 000 Besuche täglich erzielt. Wörtlich heißt es auf der Startseite „Das FRoSTA-Blog ist ein Webtagebuch von FRoSTA-Mitarbeitern. Wir möchten auf diese Weise offen, ehrlich und aus erster Hand über die Marke FRoSTA berichten ...“91 Der Authentizität ist vor allem zuträglich, dass nicht eine Agentur den Blog betreut, sondern Mitarbeiter des Hauses die Beiträge verfassen. Insgesamt 33 Personen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens haben bislang über 500 Beiträge veröffentlicht. Der Vorstand Marketing und Vertrieb, Felix Ahlers, bloggt

Blogs

am häufigsten. Das Tool dient aber nicht nur der Transparenz, indem es den Nutzern einen recht intimen Einblick in das Unternehmen gewährt – der Dialog mit dem Kunden wird aktiv gefördert. So gehen die Mitarbeiter auf Nutzerkommentare ein, diskutieren Sachverhalte mit ihnen aus und klären Fragen. Das findet Anklang in der „Blogosphäre“. Auch eine leichte Krise hat das Image des Blogs bereits überstanden: Eine Mitarbeiterin bezichtigte im Blog fälschlicherweise den Hersteller eines Bio-Getränks, Zutaten zu verwenden, die nicht konform mit der BioVerordnung sind. Der kommentarlosen Löschung des Beitrags folgte kurzzeitig Unmut in der Lesergemeinschaft. Einige Blogger fanden das Vorgehen nicht offen und ehrlich und forderten Aufklärung. Die offizielle Stellungnahme, die einige Tage später im Blog veröffentlicht wurde, beruhigte die Nutzer und führte zu breiter Anerkennung.92

6.3 Podcasts/Vodcasts Die Möglichkeit, neue Zielgruppen anzusprechen, ist ein wichtiger Aspekt dieses Tools. Daneben dient es aus Unternehmenssicht vor allem der Markensteuerung und als Werbeträger. Für die Nutzung von Podcasts oder Video-Podcasts (Vodcasts) gibt es daher unterschiedliche Herangehensweisen. Zum einen können sie zur Selbstdarstellung und der Übermittlung kommerzieller Botschaften genutzt werden. Die Problematik dabei ist, dass meist nur ohnehin sehr produktaffine Interessenten solche spezifischen Produktpodcasts anhören. Gemessen am Aufwand ist der Nutzen daher fraglich. VW stellte beispielsweise anlässlich der New Yorker Automobilmesse 2006 die aktuellen Neuheiten als Podcast vor. Die reinen Produktbotschaften stießen allerdings nur auf wenig Interesse, die Abrufzahlen blieben gering. Andererseits kann durch den Einsatz von Podcasts/Vodcasts ein Mehrwert für die Nutzer geschaffen werden. Mercedes-Benz nutzte diesen Aspekt als einer der ersten deutschen Konzerne. Unter dem Namen „Mixed Tape“ präsentiert der Konzern alle sechs bis acht Wochen eine neue Zusammenstellung von Musikstücken bislang unbekannter Interpreten.93 Eine Auswahl dieser Titel wird seit Kurzem in einen alle zwei Wochen erscheinenden Podcast aufgenommen. Die Abrufzahlen sind enorm, der „Mercedes Podcast“ befindet sich unter den meistgehörtesten iTunes Podcasts.94 Und die Marke profitiert vom frischen Image der Newcomer. Auch VW hat mittlerweile einen auf Lifestyle ausgerichteten Podcast erstellt. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nutzt Podcasts95 – ihre Abrufzahlen sind relativ gering, aber sie „erreicht damit eine Klientel, die

Tools des Web 2.0 und wie man sie nutzt

Quelle: iTunes

Abbildung 36: Mercedes-Benz Podcast

Quelle: http://www.vwpodcast.com [Stand 29.01.2007]

Abbildung 37: VW Podcast Sights & Sounds

Podcasts/Vodcasts

nur noch selten zu den Nutzern der Tageschau gehört.“96 Podcasts/Vodcasts sind wirkungsvolle Instrumente, die in den Netzwerken und Communities viel Aufmerksamkeit erzeugen können. Inhalte, Erscheinungsweise und -zeitraum sollten allerdings genau geplant werden, um die gewünschte Wirkungen zu erzielen.

6.4 Newsletter mit Dialogcharakter Die „klassische“ Form des Newsletters als One-Way-Kommunikationsmittel kann ebenfalls in die neue, dialoggeprägte Generation des Onlinemarketings überführt werden. Anstelle von statischen Informationen, die bestenfalls noch über Links zum Webauftritt des Absenders führen, bietet sich hier die Chance, Kundenprofile zu aktualisieren und gezielte Angebote zu erstellen. Mittels Tagging kann der Nutzer beispielsweise Newsletter-Inhalte nach Relevanz beurteilen. Der Informationsrückstand in Bezug auf die Neigungen und die aktuelle Stimmungslage lässt sich damit je nach Frequenz des Newsletterabos erheblich verkürzen, und der Kunde erhält zukünftig exakt auf sein individuelles Profil zugeschnittene Produktinformationen. Zusätzlich kann der Nutzer auf der Unternehmenswebsite selbst Einstellungen an seinem Kundenprofil vornehmen und sich auf diese Weise mitteilen. Der Online-Versender Amazon detailliert so die Profile Tausender Kunden, unterstützt von einer Data-Mining-Software, die die Bewegungen innerhalb des Web-Angebots verfolgt.

6.5 Web-Monitoring Durch Web-Monitoring können Stimmungen bezüglich bestimmter Produkte oder Marken abgebildet werden, und es lässt sich ein aktuelles, netzwerkübergreifendes Stimmungsbild erzeugen. So ist eine schnelle und glaubwürdige Reaktion auf kritische Entwicklungen möglich. Hauptaufgabe ist daher neben der Identifikation relevanter Communities, Blogs etc., vor allem das Krisenmanagement. Auch bei der Überwachung und Steuerung von Marketingmaßnahmen im Internet ist es enorm hilfreich. Es kann automatisiert, mit Hilfe von Software, oder manuell erfolgen. In welchem Umfang ein solches Monitoring sinnvoll ist, muss anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse für jedes Unternehmen individuell festgelegt werden. Das Funktionsprinzip des Web-Monitoring ist auch in einer Fallstudie näher beschrieben (siehe Kapitel 5.7, Fallstudie Hamann-Tuning).

Tools des Web 2.0 und wie man sie nutzt

6.6 Must-haves für einen erfolgreichen Umgang mit dem neuen Konsumenten Zusammengefasst ergeben sich die folgenden Regeln als Hilfestellung bei der Ausrichtung des Marketings auf den „neuen Konsumenten“: 䉴 Dialogorientierung

Feedback ist schon heute ein wichtiger Aspekt in der Produktentwicklung, Marketingplanung, im Brand Management und vielen weiteren wichtigen Bereichen. Die Ausrichtung der Kommunikationsstrategien auf fruchtbare Dialoge in Augenhöhe mit den Kunden bietet Chancen in Form von Informationsvorsprüngen, Authentizität und Absatzsteigerung. Interaktion anstelle von Kontrollanspruch sorgt für die Einbindung von Kunden in den Wertschöpfungsprozess. Der aktiv geführte Dialog ist für das Unternehmen in jeder Hinsicht nützlich. 䉴 Transparenz und Offenheit

Ehrlichkeit anstelle von Manipulation fördert positive Wachstumsimpulse. Jeder Täuschungsversuch wird unweigerlich aufgedeckt und kann von den Kunden hart bestraft werden. Image und Absatz nehmen durch unangemessene Maßnahmen schnell Schaden. 䉴 Monitoring

Öffentlich zugängliche Foren, Blogs und Communities erlauben zusammen mit Suchmaschinen oder Software Echtzeitmessungen zur Erstellung eines Stimmungsabbilds. Die Reaktion von Individuen und Gruppen auf neue Produkte, Dienstleistungen oder Maßnahmen kann so durchgängig und tagesaktuell abgebildet werden. Gerade im Hinblick auf die Unwägbarkeiten der Märkte durch den venetzten Konsumenten hat dies enorme Bedeutung. 䉴 Einflussfaktoren der sozialen Netzwerke nutzen

Ausgelöst durch den Information Overload und die weiter zunehmende Zahl von Wahlalternativen wird die Meinung anderer Nutzer immer bedeutender für die Kaufentscheidung. Vor allem Word of Mouth ist ein entscheidender Faktor. Maßnahmen müssen so gestaltet sein, dass sie Kunden aktivieren. Diese aktiven Konsumenten können viele Käufe generieren, indem sie anderen als „Leuchtturm“ den Weg zum richtigen Produkt weisen.

Must-haves für den Umgang mit dem neuen Konsumenten

䉴 Analyse und Konzeption

Auch wenn es verlockend erscheinen mag, sofort zur Tat zu schreiten, ist eine eingehende Prüfung vorab unabdingbar. Der Erfolg kann sich nur einstellen, wenn mehr als nur eine schnelle Idee und kurzfristige Konzeption investiert werden. Ansonsten endet das Projekt mit Sicherheit schneller in der digitalen Bedeutungslosigkeit, als den meisten Beteiligten lieb ist. Ein Blog, beispielsweise, ist zwar in Minuten erstellt, aber genauso schnell wird er langweilig, wenn kein Mehrwert für den Kunden vorhanden ist. Alle Maßnahmen sollten außerdem markenadäquat sein. Leider sind die Fehlschläge zahlreicher als langfristig Gewinn bringende Konzepte. Man sollte also genau wissen, was man erreichen will, sonst werden schnell wertvolle Ressourcen verschleudert. Fehlende Konzeption, falsche oder inadäquate Maßnahmen und mangelhafte Umsetzung sind häufig zusätzliche Stolpersteine auf dem Weg zum Erfolg. Die folgende Checkliste soll deshalb einige Anhaltspunkte für erfolgreiche Maßnahmen geben:

Tools des Web 2.0 und wie man sie nutzt

Checkliste



Ziele 䉴 Sind die Ziele klar definiert? 䉴 Sind die Ziele realistisch? 䉴 Ist der Erfolg messbar?

J J J

Konzeption 䉴 Können die Ziele mit den geplanten Maßnahmen erreicht werden? 䉴 Passen die Maßnahmen zum Unternehmen? 䉴 Steht das Konzept? 䉴 Sind die Inhalte klar? 䉴 Ist das Angebot interessant für die Zielgruppe?

J J J J J

Kundenmehrwert und USP 䉴 Bieten die Maßnahmen einen ausreichenden Mehrwert für den Kunden? 䉴 Gibt es einen USP? Hebt sich das Angebot aus der Masse hervor?

J J

Kundenansprache und Dialogorientierung 䉴 Sind die Maßnahmen zielgruppengerecht? 䉴 Kann das Angebot Kunden aktivieren? 䉴 Kann ein fruchtbarer Dialog mit den Kunden zustande kommen? 䉴 Ist die Kommunikation ehrlich und transparent?

J J J J

Messung 䉴 Ist ein Monitoring vorhanden? 䉴 Deckt die Messung alle relevanten Faktoren ab?

J J

Must-haves für den Umgang mit dem neuen Konsumenten

7. Wie kann der Erfolg von Web 2.0 gemessen werden?

Besonders in den USA machen sich Konzerne und Universitäten bereits seit einiger Zeit intensiv Gedanken darüber, wie Marketingmaßnahmen im Web 2.0-Umfeld messbar gemacht und die Wirtschaftlichkeit von Tools und Strategien überwacht werden kann. Budgets sollen zukünftig zielgenau eingesetzt und der Return on Investment (ROI) maximiert werden. Leider sind Unternehmen in Deutschland und Europa vielfach noch nicht so weit, obwohl dies ein fundamentaler Bestandteil jeder Marketingplanung sein sollte. Zunächst müssen relevante Messgrößen definiert werden, mit denen generierte Besucher auf dem eigenen Online-Angebot, getätigte Käufe, verfasste Meinungen etc. zurückverfolgt werden können. Teilweise basieren diese auf den „traditionellen“ Kennzahlen, die sich im E-Commerce bereits bewährt haben: 䉴 Page Impressions/Page Views

Die Gesamtzahl der Seitenabrufe/-besuche auf dem eigenen Internetauftritt; hier kann festgestellt werden, ob und wie stark Aktionen angenommen werden. 䉴 Einstiegsseiten

Die Seiten, auf der Nutzer ihren Besuch beginnen; die Ermittlung dient der Feststellung, welche Informationsangebote Kunden anziehen. Aktivitäten in Foren, Communities, Blogs können so nachverfolgt werden. 䉴 Informationsabrufe/Informationshäufigkeit

Zeigen, wie viele Abrufe einer bestimmten Information auf eigenen Seiten stattfinden und wie häufig diese in Foren, Communities, Blogs vertreten ist. Das Verhältnis von Informationsabrufen zur Informationshäufigkeit gibt Aufschluss über die Informationsqualität der externen Beiträge. Off-Topics, sprich unpassende Beiträge, oder unqualifizierte Beiträge werden beispielsweise weit weniger stark angenommen.

Wie kann der Erfolg von Web 2.0 gemessen werden?

䉴 Betrachtungsdauer

Die Zeitspanne, über die ein Nutzer bestimmte Informationen betrachtet, kann als Gradmesser für das erweckte Interesse betrachtet werden. 䉴 Referrals

Zeigt, welche Seiten Abrufe bzw. Besucher einer bestimmten Information generieren. 䉴 Erzeugte Referrals

Ist eine Aktion erfolgreich, so wird sie neue Referrals erzeugen. Die Zahl und Stärke dieser Referrals gibt Aufschluss über den Erfolgsgrad der Maßnahme. 䉴 Verhältnis von Produktverkäufen in Relation zu

Informationsabrufen/Informationshäufigkeit Die Prinzipien des Cost per Order und der Conversion Rate stellen darauf ab. Speziell für Verkäufe über Online-Shops sind dies wichtige Kennzahlen. Sie geben an, wie stark der Verkauf durch eigene und externe Informationsangebote beeinflusst wird. Die Bestimmung ist auch für einzelne Referrals möglich. Hier spielt auch der so genannte Cost per Click eine Rolle. Mit diesem Verfahren werden die Kosten für eine Online-Werbekampagne nach „Clicks“, also Seitenaufrufen über Banner o. Ä., abgerechnet. Die Erhebung der Messgrößen erfolgt ebenfalls über das Web-Monitoring. Wichtig ist, dass einige der Zahlen explizit interpretiert werden müssen – so kann beispielsweise ein Referral sehr stark sein, d. h. viele Abrufe bzw. Besucher generieren, die Tonalität der Information aber negativ sein. Das Verhältnis von Produktverkäufen zu Informationsabrufen in Relation zu den einzelnen Referrals zu bestimmen ist daher auch aus diesem Aspekt sinnvoll – vor allem für Unternehmen mit großem Produktsortiment. Softwarelösungen für Web-Monitoring können hier unterstützen, wenn sie semiotische Vorgänge beherrschen. Kleinere Unternehmen können die Referrals meist problemlos manuell überprüfen. Das Path-Tracking, also die Beobachtung eines Besuchs im Detail, ist obligatorisch. Es ermöglicht die Rückverfolgung von Käufen, gegebenenfalls bis hin zum Auslöser, d. h. dem Forum, Blog oder der Community, die den Kunden auf das Produkt aufmerksam gemacht hat.

Wie kann der Erfolg von Web 2.0 gemessen werden?

Auf dem theoretischen Sektor gibt es zudem bereits US-Studien, die die Wirtschaftlichkeit von so genanntem „Promotional Chat“, sprich anonymen Marketingaktivitäten oder Stealth-Marketing, auf die Glaubwürdigkeit des Word of Mouth untersuchen. In einer konkreten Studie der Yale School of Management wird konstatiert, dass Stealth-Marketing es den Unternehmen zwar möglich macht, Nutzer-zu-Nutzer-Meinungen direkt zu manipulieren, der Informationswert und der daraus resultierende Kundennutzen aber stark darunter leiden.97 Nur wenn sich authentisches und manipuliertes Word of Mouth in einem „perfekten Gleichgewicht“ befindet, können die Informationen, die ein Konsument empfängt, noch glaubwürdig und damit für das Unternehmen nützlich sein. Im praktischen Umfeld ist es aber de facto nicht möglich, dieses Gleichgewicht allgemeingültig zu bestimmen. Die Wirtschaftlichkeit von Stealth-Marketing-Maßnahmen sinkt daher mit zunehmendem Gebrauch. Ganz abgesehen vom ethischmoralischen Standpunkt und dem möglichen Imageverlust durch Enttarnung.

Wie kann der Erfolg von Web 2.0 gemessen werden?

8. Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

Für die erfolgreiche Anwendung sozialer Netzwerke und ihrer Tools gibt es vor allem in den USA bereits eine große Zahl von Beispielen. Aber auch deutsche Unternehmen bemühen sich um innovative Ansätze. Im Folgenden werden viel versprechende deutsche Geschäftsmodelle vorgestellt:

8.1 Beispiele I

Stern View

Die Online-Foto-Community „View“ des Printmagazins Stern aus dem Verlagshaus Gruner + Jahr wendet die Möglichkeiten von Web 2.0 erfolgreich an. „View“ ist ein gedrucktes Hochglanzmagazin, das „eine unterhaltsame und informative Zusammenfassung des Monatsgeschehens“98 bietet. Die Foto-Community bringt seit November 2005 (kostenlos) eigene Bilder zu den verschiedenen Themen ein, die auch im Printmagazin veröffentlicht werden. In einem eigenen Forum können die Mitglieder über die Themen diskutieren. Nach eigenen Angaben ist view.stern.de mit knapp 250 000 eingestellten Fotos, 20 000 angemeldeten Nutzern und monatlich mehr als 100 000 Besuchern mittlerweile zur zweitgrößten Internetseite des Verlagshauses aufgerückt. I

Plazes.com

Das Web 2.0-Projekt plazes.com verbindet Orte mit Menschen. Es ist ein so genanntes „Mash-Up“. Basis der Anwendung sind die Satellitenbilder von Google Earth. Nutzer können auf den virtuellen Landkarten Informationen und Fotos zu jedem beliebigen Ort der Erde einstellen, die von anderen Nutzern gesehen und kommentiert werden können. Zusätzlich verzeichnet Plazes, von wo aus sich ein Nutzer im Netzwerk anmeldet, und gibt so Aufschluss über die Aufenthaltsorte der Mitglieder. Dies kann sogar per Handy geschehen. „Lokales Marketing“ ist das Schlagwort, das das Projekt zu einem wirtschaftlichen Erfolg machen soll. Die Nutzer kön-

Beispiele

Quelle: http://view.stern.de/ [Stand 01.02.2007]

Abbildung 38: Stern „View“ nen Informationen über Geschäfte, aktuelle Angebote etc. basierend auf ihren Wohnorten oder derzeitigen Aufenthaltsorten erhalten. I

The AvaStar

Mit dem „AvaStar“ hat die Redaktion von bild.t-online.de der Axel Springer AG eine virtuelle Boulevard-Zeitung ins Leben gerufen, die über aktuelle Themen aus der Online-Community „Second Life“ berichtet. Nutzer von Second Life können sich als Reporter betätigen und erhalten für ihre Beiträge Bezahlung in der Währung der Community, die gegen echtes Geld eingetauscht werden kann. Die Zeitung erscheint wöchentlich und kann an verschiedensten Stellen in der virtuellen Welt gekauft werden. Zunächst können einige Ausgaben und einzelne Artikel des „AvaStar“ auch kostenlos über die Webseite von bild.t-online.de heruntergeladen werden. Profile in sozialen Netzwerken wie MySpace, virale Werbekampagnen und Promotions in der realen Welt unterstützen den Ausbau des Be-

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

Quelle: http://beta.plazes.com/ [Stand 01.02.2007]

Abbildung 39: Plazes.com

Quelle: http://www.the-avastar.com/slife/jsp/microsite/pages/index.jsp [Stand 20.02.2007]

Abbildung 40: The AvaStar

Beispiele

kanntheitsgrads. Zusätzlich sollen bald auch Merchandising-Artikel vertrieben werden.99 I

Adidas @ Second Life

Auch der Sportbekleidungshersteller Adidas vertreibt erfolgreich virtuelle Produkte in Second Life. Hierzu wurde in Zusammenarbeit mit einer Agentur ein Flagship-Store in der virtuellen Welt eröffnet, der neben digitalen Ausgaben real existierender Produkte auch eigens designte Artikel verkauft. Beispielsweise den Turnschuh „a3 MICRORIDE“, der dem Nutzer den Mehrwert bietet, die Gesetze der Schwerkraft zu überwinden und Sprünge in schwindelerregende Höhen auszuführen. Etwa 25 000 Paar digitale Schuhe wurden bislang nach eigenen Angaben verkauft. Die FAZ berichtet, dass sich der Umsatz auf 1,15 Millionen Linden-Dollar beläuft.100 Die Spielwährung kann an einer Art virtueller Börse in echte Dollar umgetauscht werden. Derzeit liegt der Kurs bei 269:1.101 Die virtuellen Angebote sind außerdem mit dem Adidas-Online-Shop verlinkt, wo die Nutzer die realen Pendants zu den Spielschuhen kaufen können. Mittlerweile hat auch Reebok eine eigene Filiale in Second Life eröffnet. Außerdem verkaufen etwa Autohersteller wie Toyota und BMW bereits virtuelle Autos gegen reales Geld. Eine Liste der aktuell in Second Life tätigen Unternehmen findet sich im Blog der Unternehmensberatung Corecon.102

Quelle: Linden Lab/Adidas

Abbildung 41: Virtueller Adidas Store in Second Life

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

Fokus: Avatar-Based Marketing Mit den klassischen Methoden des Advertising versuchten Unternehmen bislang dem Kunden die Vision eines Alter-Ego zu verkaufen. Die Produkte sollten es dem Konsumenten ermöglichen, diese Vision in die Realität umzusetzen. Werbung sollte uns glauben machen, dass in jedem von uns dieser erfolgreiche, dynamische, anziehende Typ steckt – und dass man ihn mit den richtigen Accessoires hervorholen kann. Heute kreieren die Konsumenten ihre Alter-Egos selbst. Online. Genau ihren individuellen Vorstellungen und Wünschen entsprechend. Diese setzen sie in grafischer Form um und nutzen sie, stellen sie zur Schau – sei es als Icon im Messenger oder als Spielfigur in einem OnlineRollenspiel. Viele Nutzer identifizieren sich ungemein stark mit diesem virtuellen Vertreter des eigenen Ich und verbringen sehr viel Zeit in Online-Games oder ähnlichen Pixelwelten. Second Life beispielsweise wird mittlerweile von Millionen Mitgliedern genutzt. Genaue Zahlen sind aufgrund des enormen Zuwachses schwer zu ermitteln. Insgesamt dürften es derzeit zwischen drei und vier Millionen angemeldete Accounts sein.103 So mancher Avatar ist dabei 40 Stunden die Woche online im virtuellen Raum. Mit entsprechend hohem Involvement. Das mag manchem verrückt erscheinen. Tatsache ist aber, dass hinter jedem Avatar ein realer Mensch mit real verfügbarem Kapital steckt. Was also liegt näher, als dass sich Marketer auf diese Zielgruppe stürzen? Gemeint sind dabei weniger die bereits bekannten Werbeformen, wie man sie vielleicht schon aus Sportsimulationen kennt. Vielmehr geht es darum, virtuelle Produkte an die Avatare bzw. ihre „Besitzer“ zu verkaufen. Paradoxerweise geschieht dies nicht nach dem Prinzip des E-Commerce, wo Waren einfach über eine Webseite geordert werden, sondern vergleichbar mit einem realen Shopping-Erlebnis: Der Nutzer geht in ein Geschäft, kann sich die verschiedenen Produkte anschauen, vielleicht auch anprobieren und schließlich kaufen. Alles wie im echten Leben. Und: Die Chance, dass der Besitzer eines Avatars das Produkt auch dort kauft, ist nicht zu verachten. Gerade das hohe Involvement im virtuellen Umfeld spricht dafür. Letztlich sind die Nutzerzahlen, speziell bei Intensivnutzern, derzeit aber noch relativ gering. Aber auch für den „normalen“ Surfer bieten sich mittlerweile Möglichkeiten, sich mit einem Avatar auszustatten. Projekte wie die deutsche Community „Zweitgeist“ lassen den Nutzer einen Online-Begleiter erstellen, der beim Surfen von Webseite zu Webseite sichtbar ist. So kann man mit anderen Besuchern kommunizieren, die sich gerade auf derselben Seite aufhalten, man kann Freunde „auf Google“ treffen oder

Beispiele

auf der Seite seiner Lieblingsband. Ähnlich wie in Second Life sollen bald Produkte verkauft werden, mit denen die Nutzer dann ihre Avatare schmücken können. Ganz neu ist die Idee indes nicht: Schon 1998 hatte die Hamburger I-D-Media mit der Kommunikationsplattform Cycosmos auf ähnliche Weise versucht, ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu entwickeln. Nach drei Jahren stellte die Plattform ihren Betrieb aber ein.

8.2 Fallstudie Hamann-Tuning Die Anwendung und Wirkungsweise einiger der genannten Tools im Web 2.0-Umfeld lässt sich konkret am Beispiel des Tuningspezialisten Hamann-Tuning aufzeigen. Dazu soll zunächst ein Überblick über das Unternehmen und die Marktsituation gegeben werden: Das Unternehmen: Hamann-Tuning ist ein süddeutsches mittelständisches Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und den Vertrieb von Premium-Tuningteilen und Fahrwerkskomponenten für eine französische Automarke spezialisiert hat. Die Marke „Hamann-Tuning“ steht für Exklusivität und ist in der Tunerszene außerdem für höchste Qualität und Leistungseigenschaften geschätzt. Hauptvertriebsgebiet ist der deutschsprachige Raum, seit einigen Jahren gewinnt das Unternehmen allerdings erfolgreich Kunden in ganz Europa. Das Marktumfeld: Das Marktvolumen für Tuningteile belief sich nach Angaben des Verbandes Automobiltuning und Zubehör (VATZ) in Deutschland auf 4,5 Mrd. Euro im Jahr 2006. Davon entfielen knapp 3 Prozent auf die französische Zielmarke.104 Der deutschsprachige Markt teilte sich bisher vorwiegend unter insgesamt fünf spezialisierten Konkurrenten auf. In letzter Zeit übernehmen hier Discount-Anbieter zunehmend Marktanteile, und die Umsätze durch traditionellen Katalog-Vertrieb sind rückläufig. Internetbestellungen machten nach Schätzungen des Verbands der deutschen Automobiltuner (VDAT) im Jahr 2006 durchschnittlich unter 5 Prozent des Umsatzes aus.105 Die Automobilsparte eines großen Online-Auktionshauses setzt mittlerweile jeden siebten Euro mit Tuningartikeln um. Tendenz steigend.

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

Die Kundenstruktur: Im Endkundengeschäft machen vorwiegend männliche, junge aktive Autofans (18 bis 28 Jahre), z. T. noch in Ausbildung, sowie gut situierte Stilbewusste (35 bis 49 Jahre) aus Deutschland und den europäischen Nachbarländern einen Großteil des Kundenstamms aus. Die deutsche und europäische Tunerszene organisiert sich zunehmend online in zahlreichen Communities, Foren und Blogs. Innerhalb der Szene besteht ein hoher Vernetzungsgrad. tuningtips.de zählt als größte deutsche Tuning-Community nach eigenen Angaben über 22 000 Mitglieder, daneben gibt es beispielsweise tuning.de, autoextrem.de, tuning-blog.net etc. Die Zielsetzung stellt sich folgendermaßen dar: Um auf dem deutschsprachigen Markt weiterhin eine führende Position behaupten zu können, soll der Vertriebskanal „Internet“ ausgebaut und das Online-Endkundengeschäft gestärkt werden. Gleichzeitig soll der Umsatzanteil der internationalen Kunden steigen. Das Unternehmensimage innerhalb der Communities soll aufgebessert werden. Bisher galt das Unternehmen in Bezug auf Onlineangebot und -aktivitäten als rückständig.

Quelle: http://www.hamann-tuning.de/joomla_1108 [Stand 15.01.2007]

Abbildung 42: Website von Hamann-Tuning

Fallstudie Hamann-Tuning

Zunächst wurde daher eine zeitgemäße, mehrsprachige Umsetzung des Internetauftritts mit einem modernen Content Management System (CMS) realisiert. Diese dient als Basis für den Ausbau des elektronischen Vertriebskanals und die im Folgenden beschriebenen weiteren Aktivitäten. 䉴 Web-Monitoring

Zentraler Aspekt von Web 2.0 und den damit verbundenen Anwendungen ist der Fokus auf nutzergenerierte Inhalte. Diese befinden sich jedoch größtenteils nicht unter der Kontrolle des Unternehmens. Eine der wichtigsten Grundlagen ist deshalb die Einrichtung eines Web-Monitorings. Dabei soll das aktuelle Stimmungsbild im Netz in Bezug auf Unternehmen, bestimmte Produkte, Serviceleistung etc. ermittelt werden. Wichtig ist hier nicht die bloße Reichweite, sondern vor allem das Involvement der Kunden und die Tonalität des Word of Mouth. Zwar gibt es bereits eigenständige Softwarelösungen, die diese Aufgabe übernehmen können, beispielsweise „PropheSEE“ von Initiative Media, „Gridmaster“ von Gridpatrol oder „Clementine“ aus dem Hause SPSS. Für kleinere Unternehmen lohnt sich die Anschaffung aber meist nicht, da ein solches Tool relativ teuer und die Parametrierung aufwändig ist. Problematisch ist auch das Semantikverständnis – Maschinen verstehen die Zusammenhänge komplexer menschlicher Begriffswelten (noch) nicht und können Sprachfeinheiten, beispielsweise Ironie, nicht erkennen. Manuelles Web-Monitoring ist daher oft die wesentlich kostengünstigere und einfachere Alternative. Das Monitoring macht Aktivitäten messbar, indem Verkäufe direkt den einzelnen Maßnahmen zugeordnet werden können. Die ermittelten Messgrößen fließen später auch in die Berechnung des ROI ein (siehe Kapitel 7, Wie kann der Erfolg von Web 2.0 gemessen werden?). Um für Hamann-Tuning ein effizientes Monitoring-System zu entwickeln, wurde zunächst ein Trackingtool in die Website integriert. Dieses Tool gibt unter anderem Aufschluss darüber, über welche Seiten Benutzer auf das Webangebot des Unternehmens gelangt sind, welche Artikel betrachtet wurden und wie lange. Anschließend wurden mit Hilfe der TrackingDaten die für Hamann-Tuning relevanten Communities, Foren und Blogs identifiziert und ein gewichtetes Ranking erstellt. Wesentliche Faktoren waren dabei unter anderem Mitgliederzahl, Reichweite, Verlinkung, Aktivitätsindex der Mitglieder und generierte Besucherzahlen auf der Unternehmenswebsite (Referrals). Anhand des Rankings werden die wichtigsten Seiten nun mehrmals wöchentlich nach Schlüsselworten durchsucht und eine Zusammenfassung erstellt. Das Ranking wird monatlich aktualisiert. Suchergebnisse der verbreitetsten Suchmaschinen, wie Google, Yahoo,

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

Quelle: Hamann-Tuning

Abbildung 43: Web-Monitoring Bericht Altavista, Alltheweb etc., zu denselben Schlüsselworten werden ebenfalls überprüft und fließen in die Berichte mit ein. Eine zusätzliche Maßnahme ist die Blog-Überwachung. Mit Hilfe des frei verfügbaren Services von Technorati lässt sich dies trotz der Unmenge von Blogs einfach und schnell realisieren. Zurzeit durchsucht Technorati ca. 63 Millionen Blogs weltweit106 nach Stichwörtern und stellt die Ergebnisse sogar nach Einfluss gewichtet dar. Das Unternehmen hat so fast alle vorhandenen Blogs und Neueinträge zu bestimmten Artikeln oder Sachverhalten im Blick. Mit diesen relativ einfachen Mitteln wird die fortlaufende Beobachtung aller relevanten Diskussionen und Beiträge in verschiedenen Netzwerken ermöglicht. Treten gefährliche Situationen auf, beispielsweise durch einen unzufriedenen Kunden, kann zeitnah Ursachenforschung betrieben und konkret Abhilfe geschaffen werden. Das zuvor beschriebene Risiko des Kontrollverlusts lässt sich auf diese Weise vermindern. 䉴 Kundendialog

Wie bereits aufgezeigt, ist der Dialog zwischen Unternehmen und Kunden im Zeitalter des „neuen Konsumenten“ ein entscheidender Faktor für den Markterfolg. In einem aktuellen Beispiel zeigt sich die Wirkung eines aktiv geführten Kundendialogs. Zunächst setzte eine Verkettung unglücklicher Umstände eine folgenschwere Entwicklung in Gang: Ein zufriedener Kun-

Fallstudie Hamann-Tuning

de hatte nach dem Einbau einer Fahrwerkskomponente Bilder seines Fahrzeugs an das Unternehmen gesendet, mit der Erlaubnis, diese auf der Website für Werbezwecke zu verwenden. Die Bilder wurden aber fälschlicherweise einem anderen Produkt zugeordnet. Der Kunde bemerkte den Fehler und wies per E-Mail darauf hin. Der zuständige Mitarbeiter übersah die Nachricht und reagierte deshalb nicht sofort. Zwischenzeitlich hatte der Kunde den Fehler in einem Forenbeitrag öffentlich gemacht.107 Innerhalb kurzer Zeit entbrannte Verwirrung in der Community, und zahlreiche Mitglieder meldeten sich teils besorgt zu Wort. Über das WebMonitoring wurde der Beitrag entdeckt. Der Fehler konnte umgehend beseitigt und der Kunde persönlich benachrichtigt werden. Innerhalb weniger Stunden äußerte er sich per E-Mail und auch im Forum positiv und klärte die Sachlage auf. Die Diskussion wurde gestoppt. Der Beitrag wurde zu diesem Zeitpunkt schon über 1 000 Mal gelesen – dies zeigt deutlich, welches Eskalationspotenzial darin steckte. Der Kunde hat durch den persönlichen Dialog einen äußerst positiven Standpunkt eingenommen und „kämpft“ bei Diskussionen regelmäßig zugunsten des Unternehmens. Das Tracking hat zudem gezeigt, dass Käufe bestimmter Artikel auch auf Forenbeiträge dieses Kunden zurückzuführen sind. 䉴 Aktive Einbeziehung des Kunden

Ernstgemeinte Dialoge können dabei helfen, Kunden aktiv einzubinden. Im konkreten Beispiel wurden neue Produktmodelle für den europäischen Markt vorgestellt. Während die Resonanz in Deutschland sowohl in den Medien als auch in den Communities, Foren und Blogs sehr günstig war, fanden die Produkte auf dem wichtigen französischen Markt nur wenig Anklang. Das Web-Monitoring enthüllte schnell, dass die Neuheiten in einem der führenden französischen Foren regelrecht zerrissen wurden. Die Nutzer waren mit dem Produktdesign nicht zufrieden. Innerhalb kurzer Zeit war der kritische Beitrag bereits über 4 800 Mal gelesen worden. Ein Mitarbeiter des Unternehmens griff ein, indem er im Forum Stellung nahm. Dies sorgte für überraschte, aber positive Kommentare von Seiten der Community. Im Folgenden bat er darum, Vorschläge zu machen, wie das Design verbessert werden könnte. Einige Nutzer lieferten bereitwillig und unentgeltlich wertvolle Vorschläge und die Erkenntnis, dass das bisherige Designdenken für den französischen Markt ungeeignet war. Der Wortführer der Diskussion betätigt sich seither regelmäßig als Trendscout für das Unternehmen und unterstützt so die Entwicklung speziell auf den französischen Markt zugeschnittener Produkte.

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

Quelle: Feline 207, www.feline207.net [Stand 15.01.2007]

Abbildung 44: Aktive Kundeneinbindung 䉴 Community-Durchdringung und Authentizität

Um innerhalb der Communities authentisch aufzutreten, setzt HamannTuning auf „Kommunikation auf Augenhöhe“ und beteiligt sich aktiv am Communitygedanken: Mit einem Profil auf dem Web 2.0-Portal stylecars. de, das auf demselben Gedanken aufgebaut ist wie das Profinetzwerk OpenBC/Xing bzw. die Studentenseite StudiVZ, wird der Schulterschluss mit der Online-Gemeinde vollzogen. Zuletzt haben Clips mit kurzen Produktpräsentationen auf dem Video-Portal YouTube für Furore gesorgt. Die Ansprache der Zielgruppe erfolgt markenadäquat und zeitgemäß, vor allem aber nahbar. Hamann-Tuning ist dadurch zu einem Teil der Szene geworden. So berichtet beispielsweise nun auch der „Tuning-Blogger“ aus dem Hause stern.de108 seit kurzem regelmäßig über Produktneuheiten für die Fangemeinde. Das Unternehmensimage hat sich im Netz seit Beginn der Aktivitäten „merklich positiv verändert“.109 Mit messbaren Folgen: Mittlerweile setzt das Unternehmen über 30 Prozent des Endkundengeschäfts im Internet um. Und: Die Vernetzung macht nicht an Ländergrenzen halt. Knapp 20 Prozent der Nutzer und 8 Prozent des Umsatzes kom-

Fallstudie Hamann-Tuning

men von Kunden außerhalb des deutschen Sprachraums. Tendenz steigend. 䉴 Geplante Tools

Für die nahe Zukunft ist ein Rezensionssystem für alle Produktgruppen geplant. Durch das System wird direktes Produkt-Feedback gewonnen, und für die Nutzer bietet sich ein zusätzlicher Informationsmehrwert. So kann einerseits die Weiterentwicklung von Produkten nah am Markt gehalten werden. Das extrem glaubwürdige Word of Mouth bietet andererseits eine Orientierungshilfe für potenzielle Kunden. Diese Maßnahme deckt sich mit den Erkenntnissen aus den vorangegangenen Kapiteln und der empirischen Untersuchung, wonach sich ein Großteil der Konsumenten Maßnahmen zur Informationsverbesserung von Seiten der Unternehmen wünscht (siehe Kapitel 9, Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?). Außerdem soll das System Kaufentscheidungen on-site stützen und Käufe animieren. Zunächst unregelmäßige erscheinende Podcasts/Vodcasts könnten zudem bisher wenig erschlossene Zielgruppen an das Unternehmen Hamann-Tuning führen. 䉴 Nicht angewendete Tools

Einige der zur Verfügung stehenden Tools konnten nicht genutzt werden. Ein eigener Blog war zunächst in Planung, wurde aber wegen der Redundanz zum bestehenden News-System nicht umgesetzt. Die Verlinkung mit dem Großteil der Community ist zudem bereits vorhanden. Von der Einrichtung einer eigenen Community als Diskussionsforum wurde abgesehen. Es war zu diesem Zeitpunkt kein ausreichender Mehrwert ersichtlich. 䉴 Erschließung neuer Geschäftsfelder

Ermutigt vom Erfolg in den virtuellen Netzwerken erwägt Hamann-Tuning, gänzlich neue Geschäftsfelder basierend auf Web 2.0-Anwendungen zu erschließen. Denkbar ist die Erstellung virtueller Tuning-Produkte bzw. Tuningpakete zur Anwendung im Cyberspace. So könnte eine Hamann-Tuning-Dependance in der Online-Welt von „Second Life“ digitale Ausgaben der getunten Fahrzeuge bzw. Fahrzeugteile an stilbewusste Nutzer verkaufen. Am Beispiel von Adidas (siehe Kapitel 8, Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0) zeigt sich, dass lifestyle-affine junge Zielgruppen auch im Cyberspace für Markenbotschaften empfänglich sind und reale Umsät-

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

ze mit virtuellen Produkten generieren. Der zeitliche und finanzielle Aufwand für eine solche Maßnahme ist dabei vergleichsweise gering. Unter Ausnutzung der MashUp-Eigenschaften von Web 2.0 wäre es denkbar, auch bereits bestehende und neue Inhalte anderer Portale einzubinden. Diese Maßnahmen könnten den Bekanntheitsgrad der Marke „HamannTuning“ gerade in der Zielgruppe der umsatzstarken männlichen Onliner zwischen 18 und 35 Jahren weiter steigern. Es würde außerdem noch stärker ein internationales Nutzerspektrum angesprochen werden. Alle Produkte könnten zusätzlich mit dem Internetangebot verknüpft werden und so im Idealfall den Transfer des Kunden aus der virtuellen in die reale Welt erreichen. Das Beispiel zeigt, dass es gerade für kleinere und mittlere Unternehmen schon mit relativ geringem Aufwand möglich ist, Tools der virtuellen sozialen Netzwerke erfolgreich zu nutzen. Obwohl das Unternehmen einen Nischenmarkt bedient, hat es in kurzer Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad in den Communities, Foren und Blogs erlangt. Das Image konnte verbessert, Neukunden gewonnen und Absätze erhöht werden. Einmal mehr wird deutlich, dass Unternehmen den Dialog mit dem Kunden suchen und diesen ernsthaft und auf Augenhöhe führen müssen. Transparenz und Offenheit sind die Gebote der Stunde, nur so kann eine nachhaltige Vertrauensbeziehung geschaffen werden. Dies wird umso wichtiger, als sich der „Wechsel von einem Angebots- zum Nachfragermarkt“110 immer schneller vollzieht.

8.3 Web 2.0-Tools im internen Informationsmanagement Auch für interne Zwecke bieten sich die Tools und Prinzipien von Web 2.0 an. Ein Einsatzbeispiel ist die Nutzung zur Reorganisation des Informationsmanagements im Unternehmen. Das Intranet als betriebliche Schnittstelle zwischen den unterschiedlichen Abteilungen stellt eine Anlaufstelle für Informationen jeder Art und damit ein Wissensportal dar. Hier können Anwender „Daten an zentraler Stelle auf einem Server ablegen und auf sämtliche benötigten Informationen und Dienste zugreifen.“111 Auch die Bearbeitung eingestellter Seiten durch berechtigte Anwender ist möglich. Struktur und Funktionsweise des Intranets gleichen dem Internet, es ist jedoch nur für bestimmte Nutzergruppen zugänglich. Häufig basieren diese Intranets heute auf so genannten Content-Management-Systemen (CMS) – diese sind dynamischer als die früheren HTMLbasierten Versionen, deren Dynamik sich auf Hyperlinks und die Integra-

Web 2.0-Tools im internen Informationsmanagement

tion anderer Dateiformate, wie beispielsweise PDF-Dokumenten beschränkte. Leider zeigen sich die Schwächen solcher Systeme häufig bei der Strukturierung und Verwaltung der eingestellten Informationen. Nicht zuletzt dadurch, dass jeder Anwender eigene Dokumente einpflegen kann, geht die Ordnung schnell verloren. Einheitliche Ablagestrukturen sind zwar meist vorhanden, doch können Informationen oft nicht einer einzelnen bestimmten Untergruppe zugeordnet werden. Damit wird letztlich auch der Nutzen des Intranets als Wissenspool in Frage gestellt – denn wenn die Informationen ungeordnet vorliegen, ist die Suche nach einer bestimmten, vielleicht dringend benötigten Information extrem aufwändig und zeitraubend. Auch die Ressourcen, die für die Verwaltung, speziell der Überwachung der Datenkonsistenz, benötigt werden, sind enorm. Zudem stellt sich die Frage, ob Anwender wirklich bereit sind, die gesamte Taxonomie des Intranetsystems auswendig zu lernen, um ihre Informationen einigermaßen richtig einordnen zu können. Bei einem großen Konzern umfasst die Taxonomie oft mehrere Tausend verschiedene Begriffe – welcher Nutzer kann bei einem derart komplexen System noch den Überblick behalten? Hier kann beispielsweise das bereits vorgestellte Tagging-Prinzip Abhilfe schaffen. Alle Dokumente werden dazu in einer zentralen Datenbank gespeichert. Die Strukturierung erfolgt über die Vergabe von „Tags“ durch den Anwender, der die Information einpflegt. Im weiteren Verlauf können andere Anwender diesem Dokument ihrerseits zutreffende Tags zuordnen. Dadurch aggregieren sich Themengebiete beinahe automatisch, und die Nutzer können auch verwandte Themen schnell erkennen und gegebenenfalls weitere Informationen und Hintergründe einsehen. Bookmarks, also virtuelle Lesezeichen, helfen dann dabei, Inhalte wiederzufinden. Speichert man diese Lesezeichen online an einem zentralen Ort, so kann jeder Nutzer, von jedem Rechner, an jedem Standort auf seine für ihn wichtigen Dokumente zugreifen. Es ist auch möglich, diese Bookmarks für Kollegen, Teammitglieder etc. sichtbar zu machen. Das Informationschaos könnte so vermieden werden. Ein System, das stellvertretend für diese so genannten „Social Bookmarking“-Systeme steht, ist die Website del.icio.us. Konkret könnte die Anwendung zum Beispiel so aussehen: Ein Projektteam arbeitet gemeinsam an einem neuen Projekt. Der Teamleiter stellt die nötigen Informationen zusammen und pflegt sie ins System ein. Er vergibt Tags, enstprechend den Inhalten der Dokumente. Für die Budgetplanung beispielsweise „[Projektname]“, „Finanzen“, „Budgetplanung“,

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

Quelle: http://www.del.icio.us [Stand 15.01.2007]

Abbildung 45: „Social Bookmarking“-System del.icio.us „Projektcontrolling“ etc. – das Teammitglied, das für das Controlling zuständig ist, kann mit wenigen Stichworten schnell auf das richtige Dokument zugreifen. Zusätzlich könnte der Teamleiter dem Budgetverantwortlichen auch alle Bookmarks, die mit der Budgetplanung zusammenhängen, zur Verfügung stellen. Ändert dieser ein Dokument, indem er beispielsweise Posten aktualisiert, so stehen allen anderen Teammitgliedern die aktuellen Informationen sofort in Echtzeit zur Verfügung. Durch die zentrale Verwaltung kann die Zusammenarbeit auf diese Weise auch standortübergreifend einfach und effizient gestaltet werden. Auch Hintergrundinformationen und Projektdetails können „getaggt“ werden, zum Beispiel „Eventmarketing“, „Roadshow“, „lessons learned“. So können ähnliche Projekte und Best-Practice-Tips leicht recherchiert werden. Um ein solches System aufzusetzen ist natürlich ein gewisser Anfangsaufwand nötig. Dieser Aufwand wird durch die Zeitersparnisse bei der Verwaltung und Suche aber schnell wettgemacht. IBM startete 2005 als erster Großkonzern ein Projekt, um das Intranet auf diese Weise zu reorganisieren. 315 000 Mitarbeiter weltweit sollen ihre Dokumente selbst verwalten. Feste Datenbankstrukturen und starre Navigationsbäume würden damit der Vergangenheit angehören. Auch wenn dies auf den ersten Blick erschreckend wirken mag – die Vorteile liegen auf der Hand. „Social Bookmarking“ als „Corporate Bookmarking“ zu verwenden benötigt viel Mut und Innovationsgeist, angesichts des alltäglichen Chaos im Intranet ist es aber durchaus lohnenswert.

Web 2.0-Tools im internen Informationsmanagement

8.4 Web 2.0-Tools im Personalmanagement Auch in der Personalabteilung können Tools aus dem Web 2.0-Umfeld hilfreich sein. Durch die Transparenz der Nutzerprofile in verschiedenen Netzwerken können Personaler nützliche Hintergrundinformationen zu potenziellen neuen Mitarbeitern sammeln. Zwar wird es bei einer Stelle mit Hunderten Bewerbungen allein schon aus Zeitgründen kaum möglich sein, jeden Bewerber genauer zu prüfen – aber bei hochdotierten Stellen oder Stellen mit einem hohen Verantwortungsgrad könnte es sich durchaus lohnen. Gerade bei den jungen Nachwuchskräften von heute, die später beispielsweise Positionen im Top-Management übernehmen sollen, finden sich häufig Selbstdarstellungen und Profile in verschiedensten Communities und Netzen. Auch wenn diese möglicherweise zusätzlich „aufpoliert“ wurden, um bei eventuellen Nachforschungen positiv herauszustechen, führt die Vernetzung mit Profilen anderer Nutzer häufig zu interessanten Zusatzinformationen. Aber auch die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen und das Kommunikationsverhalten in Beiträgen und Kommentaren kann sehr aussagekräftig sein. Das Karrierenetzwerk OpenBC/Xing, beispielsweise, ist eine reichhaltige Informationsquelle. Ebenso das Studentennetzwerk StudiVZ. Oft sind sich die Nutzer der Öffentlichkeit ihrer Daten nicht bewusst, deshalb finden sich vielfach auch Fakten, die der Bewerber im Vorstellungsgespräch nicht erwähnen würde. Wer sich zum Beispiel der Mitgliedschaft in der Gruppe „Meine Schlafzeiten kollidieren mit meinen Vorlesungszeiten“ rühmt und dies dann noch mit einer Darstellung des entsprechenden Tagesablaufs im Forum untermalt, lässt schnell den Eindruck entstehen, dass es an seiner Zuverlässigkeit hapern könnte. Die Gruppe „... Unfreundlich? Ich nenn das ehrlich & direkt!“ dagegen könnte einen Vorgeschmack auf die Kommunikationsfähigkeiten geben. Teilweise finden sich auch Gruppen mit sehr zweifelhaften oder politisch inkorrekten Inhalten. Partyfotos und andere entlarvende Inhalte ergänzen das Bild zusätzlich. Es sei an dieser Stelle aber vor voreiligen oder pauschalen Schlüssen gewarnt. Problematisch könnten vor allem falsche oder diffamierende Profile sein. Auch die moralisch-ethische Fragestellung beim Stöbern in teilweise privaten Daten ist kritisch. Um diese Praxis findet derzeit eine heftige Diskussion in zahlreichen Communities und Blogs statt. Trotzdem: Im „war for talent“ spielt es für Unternehmen durchaus eine große Rolle, ihre zukünftigen Mitarbeiter zu kennen, um die richtige Entscheidung treffen zu können.

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

8.5 Web 2.0-Tools im CRM Speziell im Customer-Relationship-Management (CRM) können Aspekte aus dem Umfeld sozialer Netzwerke genutzt werden. Integrierte Ansätze bieten hier Einsatzmöglichkeiten in allen Phasen des Customer-Lifecycle: 䉴 Kundenidentifizierung

Netzwerke und Communities erlauben es, relevante Zielgruppen zu erkennen. Speziell für Nischenprodukte ist dies sehr interessant. Transparente Profile bieten zudem die Möglichkeit, Kunden besser in die bestehende Segmentierung einzuordnen. 䉴 Kundengewinnung

Im Hinblick auf den Wandel im Informations- und Kaufprozess beim Konsumenten und die verfügbaren Tools können Unternehmen Produkte und Dienstleistungen zielgenauer im „Wahrnehmungshorizont“ des Konsumenten platzieren. 䉴 Kundenbindung

Der Mehrwert, den die Kunden aus den eingesetzten Tools gewinnen, oder auch die positive Wirkung der Dialogorientierung und die Einbindung in Wertschöpfungsprozesse können stark dazu beitragen, dass Kunden sich nachhaltig ans Unternehmen bzw. seine Produkte binden. 䉴 Kundenentwicklung

Mit Hilfe dialogorientierter Kommuniktion und besserem „Customer Insight“ über die Tools können die Kunden „weiterentwickelt“ werden – quasi „vom Erstkäufer zum Fan“ – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Umsatzpotenzial. Softwareseitig bietet Web 2.0 ebenfalls Chancen: So können, wie auch im internen Informationsmanagement, die oft global verstreuten Mitarbeiter von zentraler Datenhaltung und den Möglichkeiten des weltweiten Zugriffs profitieren. CRM-Module auf SaaS-Basis (Software as a Service) erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Die offenen Schnittstellen der Anwendungen erlauben hier relativ einfache Integration der CRM-Daten in andere Bereiche wie Procurement und Buchhaltung. Die Flexibilität in Form von Anpassbarkeit und vor allem Skalierbarkeit übertrumpft die klassische CRM-Software der großen Anbieter. Web-basierte Lösungen sind daher vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen interessant. Bislang gibt es zwar noch wenige wirklich ausgereifte Modelle auf dem

Web 2.0-Tools im CRM

Markt, aber die Entwicklung läuft. Salesforce.com bietet beispielsweise mittlerweile eine breite Palette an Anwendungen für den CRM-Prozess in Unternehmen jeglicher Größenordnung. Die Weiterentwicklung wird dabei maßgeblich von der Nutzercommunity unterstützt, die Anregungen zur Verbesserung liefert und Missstände aufdeckt. Verschiedene Themen-Blogs und ein Forum bieten die Chance, sich mit anderen Anwendern auszutauschen. Nach eigenen Angaben nutzen derzeit knapp 30 000 Kunden und 650 000 Abonnenten die Services des Online-CRM-Anbieters. Andere Anbieter sind beispielsweise NetSuite und RightNow. Die Auslagerung hochsensibler Daten aus dem CRM-Bereich in das Web ist allerdings nicht ohne Risiko – Datenverluste oder Ausfälle sind nie ausgeschlossen. Auch hier sind europäische Anwender kritischer eingestellt als amerikanische.

Innovative Geschäftsmodelle mit Web 2.0

9. Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

Mit Hilfe einer empirischen Untersuchung soll gezeigt werden, welche Rolle soziale Netzwerke und ihre Tools gegenwärtig für Konsumenten und Unternehmen spielen. Die Befragung wurde im Hinblick auf Kenntnisstand und Nutzung, Einfluss auf die Kaufentscheidung, Produkt- und Unternehmensbewertung durchgeführt. Da der aktive Dialog zwischen Unternehmen und ihren Kunden noch mehr an Bedeutung gewonnen hat, soll ermittelt werden, inwieweit das Fremd- und Selbstbild der Unternehmen übereinstimmen. Außerdem soll die weitere Entwicklung und die Bedeutung von Web 2.0 aus Sicht der Konsumenten und der Unternehmen beurteilt und gegenübergestellt werden. Folgende Hypothesen wurden aufgestellt: 1. Kenntnisstand und Nutzung von sozialen Netzwerken und der Einfluss derselben verhalten sich bei Konsumenten entsprechend den aufgezeigten Nutzerprofilen. 2. Große Konzerne sowie Unternehmen mit jungen bzw. internetaffinen Zielgruppen verfügen über den höchsten Kenntnisstand und Nutzungsgrad im Web 2.0-Bereich. 3. Die Erwartungshaltung bei Konsumenten und der Ist-Zustand in den Unternehmen weichen insgesamt deutlich voneinander ab, betreffend: – Kenntnisstand und Nutzung von sozialen Netzwerken und entsprechenden Tools – Einfluss und Gewicht sozialer Netzwerke im Kaufentscheidungsprozess – Einbezug von Konsumenten und Bereitschaft bzw. Möglichkeit zum aktiven Dialog

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

9.1 Ergebnisse: Wie sehen die Konsumenten das Web 2.0? Insgesamt wurden 84 Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren befragt, davon 56 Prozent männlich und 44 Prozent weiblich. Die prozentuale Verteilung entspricht in etwa dem Altersquerschnitt am Befragungsort.

50+ 12%

18-24 14%

35-49 21%

25-34 53%

n=84

Abbildung 46: Altersverteilung der befragten Konsumenten Arbeiter und Angestellte stellen mit 54 Prozent den größten Teil, die Quote der Schüler und Studenten liegt bei 37 Prozent, 7 Prozent sind Unternehmer oder leitende Angestellte und 2 Prozent nannten als berufliche Tätigkeit „andere“. Zunächst wurde der Kenntnisstand zu Begriffen aus dem Web 2.0-Umfeld abgefragt. Dabei zeigte sich, dass alle 84 Befragten mit dem Begriff „Forum“ vertraut waren. Auch „Communities“ waren so gut wie allen 18- bis 49-Jährigen bekannt, lediglich in der Altersstufe 50plus konnten nur wenige Personen etwas mit diesem Begriff verbinden. 62 Personen gaben an „Social Networking“ bzw. „soziale Netzwerke“ zu kennen. Möglicherweise ergab sich hier eine Fehlerquelle, durch das Grouping mit bekannteren Begriffen. Die Tools sind etwas weniger bekannt: So kennen mehr als die Hälfte der Befragten „Blogs“, in etwa die Hälfte weiß auch über „Podcasts“ Bescheid. Diese Ergebnisse decken sich mit denen unter Kapitel 3.1, Wie sich das Verhalten des Internetnutzers verändert hat, genannten Zahlen anderer Studien. Die Weiterentwicklung „Videopodcast“ bzw.

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

„Vodcast“ kennen allerdings nur 24 von 84 Personen. Dasselbe Ergebnis zeigte sich bei tieferführenden Begriffen wie „Tagging“ und „Collective Intelligence“. Der Begriff „Web 2.0“ war knapp der Hälfte der Befragten bekannt. Dies ist vor allem auf die Gruppe der jüngeren Befragten zurückzuführen. Speziell Schüler und Studenten zeigten sich höchst internetaffin, hier gaben 80 Prozent an, den Begriff zu kennen. Kennen und verstehen Sie diese Begriffe? 84 70

62

52 40

40

38 24

m un ity

N C et ol w le or ct ki ive ng In te llig en ce Ta gg in g Po dc as tin g Vo dc as tin g W eb 1. 0 W eb 2. 0

24

So ci al

C

om

Bl og

Fo ru m

24

n=84

Abbildung 47: Bekanntheitsgrad ausgewählter Begriffe aus dem Web 2.0-Umfeld in absoluten Angaben % 80

71,4

18-24

70 60 50

25-34

50,0

35-49 50+

40 30 20

18,2

10

0,0

0 Ich kenne Web 2.0

n=84

Abbildung 48: Bekanntheitsgrad des Begriffs „Web 2.0“ nach Altersgruppen (prozentual)

Ergebnisse: Wie sehen die Konsumenten das Web 2.0?

Bei der Frage nach Bekanntheit und Nutzung verschiedener Communities und Netzwerke wurde deutlich, dass nur wenige deutsche Netzwerke bislang ein hohes Maß an Bekanntheit erreicht haben. Unter den drei bekanntesten Communities und Netzwerken befinden sich mit YouTube und Myspace zwei amerikanische. Bewertungsportale wie Ciao und Dooyoo liegen mit 36 Prozent, bzw. 26 Prozent Bekanntheisgrad im Mittelfeld. Nur ein deutsches Netzwerk hat für alle Altersgruppen große Signifikanz und ist gleichzeitig Spitzenreiter in Bezug auf Bekanntheit und Nutzung: Wikipedia. Knapp 85 Prozent der Befragten kannten die Online-Enzyklopädie und ungefähr drei Viertel gaben an, die Seite auch aktiv zu nutzen. Die Nutzungszahlen der restlichen Netzwerke liegen weit dahinter zurück – an zweiter und dritter Stelle stehen das Karrierenetzwerk OpenBC/Xing und die Videoplattform YouTube. Ciao und das Studentennetzwerk StudiVZ belegen die Ränge vier und fünf. Insgesamt kannten nur 7 Prozent der Befragten gar kein Netzwerk, in etwa ein Fünftel nutzt kein Netzwerk aktiv. Auch hier ist die Altersgruppe 50plus Schlusslicht, während vor allem die 25- bis 34-Jährigen aber auch die 35- bis 49-Jährigen gut informiert und aktiv sind. Welche Communities kennen bzw. nutzen Sie? % 85,7 73,8 64,3

42,9

40,5

38,1

35,7 28,6

31,0

31,0 26,2

26,2

21,4

19,0

16,7 9,5

7,1

4,8

17,9

14,3 7,1

7,1

M yS pa ce Fl ick r Yo u O Tu pe be nB C /X W ing ik ip w ed er -w ia ei ss -w as C ia o D oo yo o St ud iV ke Z in e da vo n An de re

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Ich kenne ...

Ich nutze ...

n=84

Abbildung 49: Bekanntheit und Nutzung ausgewählter Communities und Netzwerke (prozentual)

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

Die relativ große Bekanntheit von YouTube und StudiVZ lässt sich unter anderem auf die Berichterstattung über deren Verkäufe in Online- und klassischen Medien in den zurückliegenden Monaten zurückführen. Speziell die enorm hohen Verkaufssummen waren vielen Befragten im Gedächtnis. Für 5 Prozent der Nutzer sind Netzwerke im täglichen Leben sehr wichtig, sie nutzen vor allem die kommunikativen Aspekte der Communities intensiv und beziehen Informationen zu allen Lebenslagen aus den Netzen. Ein Drittel schätzen Netzwerke als relativ wichtig ein, sie nutzen sie speziell bei der Informationssuche häufig. 35 Prozent geben an, Netzwerke und Communities seien „eher unwichtig“ für ihr tägliches Leben – die Nutzung beschränkt sich auf gelegentliche Recherchen. Ein Viertel der Befragten ist der Meinung, dass Netzwerke für sie keine Rolle im Alltag spielen, sie nutzen sie nur selten. Die Informationsqualität der Beiträge innerhalb der Communities und sozialen Netzwerke wird von der Mehrheit allgemein als „gut“ eingeschätzt. Wenig überraschend ist, dass die überwiegende Mehrheit der Nutzer schon mindestens einmal Communities und Netzwerke beim Produktkauf

Wie beurteilen Sie die Informationsqualität der Beiträge in Communities/Netzwerken allgemein?

weiß nicht / k.A.

sehr gut 50 40 30 20 10 0

sehr schlecht

gut

mittelmäßig

schlecht

n=84

Abbildung 50: Beurteilung der Informationsqualität in Communities/ Netzwerken allgemein (prozentual)

Ergebnisse: Wie sehen die Konsumenten das Web 2.0?

genutzt hat: 72 von 84 Befragten gaben dies an. Das Ergebnis steht im Einklang mit den Erkenntnissen anderer Studien quer durch alle Altersgruppen und Produktkategorien. Vor allem die hohe Verfügbarkeit von Informationen zu beinahe allen denkbaren Produkten und Angst vor einem Fehlkauf wurden als Gründe für die Recherchen genannt. Über 80 Prozent derjenigen, die sich vor dem Kauf im Internet informieren, nutzen Netzwerke beim Kaufentscheidungsprozess „informativ“, d. h. um sich einen Überblick über Angebote zu verschaffen. Knapp 62 Prozent gaben an, die Recherchen „kaufunterstützend“ zu betreiben, beispielsweise um Produktalternativen zu bereits bekannten Marken zu finden. Mehr als jeder Dritte Befragte schließlich fällte seine Kaufentscheidung sogar aufgrund der Informationen aus den Netzen. Das macht das Gewicht der virtuellen Netze innerhalb des Kaufentscheidungsprozesses deutlich. Vor allem bei High-Involvement-Produkten, wie Unterhaltungselektronik, PCs/Laptops, Handys, Automobil und Zubehör sowie Reisen holten die Käufer vorher Informationen ein, führten Produktvergleiche durch und lasen Testberichte und Nutzermeinungen. Dabei nutzte die Mehrheit im Schnitt nur 1 bis 2 verschiedene Netzwerke zur Informationsgewinnung. Für welche(s) Produkt(e) haben Sie Communities/Netzwerke zur Unterstützung beim Produktkauf herangezogen?

% 50

45,2 38,1

40 28,6

30 20 10

33,3 26,2

19,0 11,9

9,5

An de re

R ei se n

M ob U ilt nt el er ef ha on ltu ng se PC le kt /L ro ap ni to k p un d Au Zu to be m hö ob r il un d Zu be hö r

Bü ch er

M us ik

0

n=72

Abbildung 51: Übersicht über Produktkategorien, für die Communities/Netzwerke zur Unterstützung des Kaufentscheidungsprozesses herangezogen werden (prozentual)

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

Ein Drittel der Konsumenten nutzt 3 bis 4 Quellen, und lediglich ein Fünftel gab an, 5 oder mehr verschiedene Informationsquellen zu nutzen. Speziell Erfahrungsberichte und Meinungen anderer Nutzer spielen für viele Käufer eine entscheidende Rolle beim Kaufentscheidungsprozess. Untersucht man die Glaubwürdigkeit, die den nutzergenerierten Informationen in Netzwerken und Communities beigemessen wird, so zeigt sich: Kein einziger Befragter stuft diese als unglaubwürdig ein, nicht einmal 6 Prozent halten sie für „wenig glaubhaft“. Die überwiegende Mehrheit der Nutzer hält Beiträge anderer Kunden für „glaubwürdig“ bis „sehr glaubwürdig“, zusammen über 80 Prozent. Das Word of Mouth zählt für viele Kunden zu den ehrlichsten verfügbaren Produktinformationen. Um so mehr Einfluss nimmt es konkret auf die Kaufentscheidung jedes Einzelnen. Viele Befragte gaben zwar an, ein Produkt wahrscheinlich auch bei mehrheitlich kritischen Stimmen in Foren, Communities etc. kaufen zu wollen – jedoch nur, wenn sie sich vorher schon selbst vom Produkt überzeugt haben – insgesamt ungefähr die Hälfte aller Befragten. Circa ein Drittel der Käufer würde das Produkt dann „eher nicht“ kaufen und knapp 3 Prozent sagen „nein“. Bei kritischen Beiträgen in Bezug auf das Unternehmen bzw. die Marke, sagt beinahe jeder zehnte Befragte klar „nein“, 44 Prozent wollen das Produkt in diesem Fall „eher nicht“ erwerben. Hier zeigt sich, wie wichtig es für Unternehmen ist, die Stimmungsbilder in den Communities möglichst in Echtzeit abzubilden, um eventuell negativen Trends entgegensteuern zu können.

Wie glaubwürdig sind Ihrer Meinung nach die Beiträge in Bewertungsportalen oder Communities? % 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

77,8

n=84

16,7 5,6

2,8 sehr glaubhaft

glaubhaft

wenig glaubhaft

0,0 unglaubwürdig

weiß nicht

Abbildung 52: Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Word of Mouth (prozentual)

Ergebnisse: Wie sehen die Konsumenten das Web 2.0?

Würden Sie sich für ein Produkt entscheiden bei mehrheitlich kritischen Stimmen in Bezug auf ... %

48,6

44,2

50 40 27,9

30 20 10

8,1

32,4

11,6

9,3 2,7

0 ja

das Produkt

wahrscheinlich

eher nicht

nein

das Unternehmen

8,1 7,0

weiß nicht

n=84

Abbildung 53: Einfluss des Word of Mouth auf Kaufentscheidungen beim Kunden Ein Kritikpunkt der virtuellen Kundenempfehlungen via Word of Mouth ist allerdings offensichtlich: Auf die Frage, ob Unternehmen ihrer Meinung nach die Meinungsbildung in Communities und Netzwerken manipulieren, beispielsweise mit falschen Einträgen oder Schleichwerbung, antwortete fast die Hälfte aller Befragten mit „ja“. Nur etwas mehr als jeder Zehnte ist überzeugt, dass Unternehmen keine Manipulationen vornehmen. 41 Prozent gaben an, sich darüber keine Meinung bilden zu können, unter anderem aufgrund der Anonymität des Internets und fehlender Verifizierungsmöglichkeiten. Selbst nutzen die Befragten Feedbackmöglichkeiten in Netzwerken allerdings kaum. Direktes Feedback an Unternehmen wird eher angewendet, beispielsweise mittels Antwortkarten, E-Mails oder telefonischem Kontakt. Allerdings lässt sich eine Unterscheidung treffen: Wenn Kunden mit einem Produkt nicht zufrieden sind, ist die Feedbackrate sowohl indirekt – über Communities und Netzwerke – als auch direkt wesentlich höher. Interessant ist, dass das indirekte Feedback in einem solchen Fall für mehr Kunden das Mittel der Wahl zu sein scheint als das direkte. Auch dies zeigt die große Bedeutung von Web-Monitoring für Unternehmen. Schlecht schneiden die Unternehmen vor allem in Bezug auf die Einbindung der Kunden und ihres Feedbacks ab: 45 Prozent der Befragten gaben an, Firmen würden „nicht“ oder „eher nicht“ auf Bewertungen oder Kritiken in persönlicher Form (z. B. durch Telefonkontakt, Briefe etc.) eingehen. Bei Online-Bewertungen und -Berichten ist dieser Wert ähnlich

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

Nutzen Sie Feedback-Möglichkeiten, wenn Sie mit einem Produkt zufrieden sind? % 70 60 50 40 30 20 10 0

62,2 54,8 42,9

16,2

16,2 2,4

nein

eher nicht wahrscheinlich

Communities/Netzwerke

5,4

0,0

ja

0,0 0,0 weiß nicht

direktes Feedback an den Hersteller/das Unternehmen

n=84

Nutzen Sie Feedback-Möglichkeiten, wenn Sie mit einem Produkt NICHT zufrieden sind? % 70 60 50 40 30 20 10 0

52,4 31,0

26,2

19,0 9,5

14,3

28,6

19,0 0,0 0,0

nein

eher nicht wahrscheinlich

Communities/Netzwerke

ja

weiß nicht

direktes Feedback an den Hersteller/das Unternehmen

n=84

Abbildung 54: Nutzung von Feedback-Möglichkeiten in Abhängigkeit von Kundenzufriedenheit

Ergebnisse: Wie sehen die Konsumenten das Web 2.0?

hoch. Nur 15 Prozent denken, dass persönlicher Kontakt starke Beachtung findet – bei indirektem Feedback via Communities und Netzwerken glaubt sogar nur jeder Zehnte, dass es in den Unternehmen eine Rolle spielt. Anders bei Produktfragebögen – hier denken circa 60 Prozent, dass Firmen „eher stark“ oder „stark“ an der eingesendeten Kundenmeinung interessiert sind. Insgesamt wünschen sich mehr als zwei Drittel der Befragten Konsumenten eine Verbesserung der Community-Ansätze von seiten der Unternehmen. So sollte es Kunden beispielsweise ermöglicht werden, direkt auf den Unternehmens-Websites Bewertungen für Produkte abzugeben und Erfahrungsberichte zu lesen und einzustellen. So könnten Kaufentscheidungen on-site stärkter gefördert werden – gleichzeitig würde mehr Transparenz für Kunden geschaffen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Communities/ Netzwerken in den letzten Jahren? sehr positiv 50 40 weiß nicht

30

positiv

20 10 0

gleichbleibend

sehr negativ

negativ ... in Bezug auf Informationsumfang?

... in Bezug auf Informationsqualität?

Abbildung 55: Entwicklung des Informationsumfangs und der -qualität in den letzten Jahren

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

Wie schätzen Sie die Entwicklung von Communities/ Netzwerken in den kommenden Jahren ein? sehr positiv 50 40 weiß nicht

30 20

positiv

10 0

sehr negativ

gleichbleibend

negativ ... in Bezug auf Informationsumfang?

... in Bezug auf Informationsqualität?

Abbildung 56: Entwicklung des Informationsumfangs und der -qualität in den kommenden Jahren Vielleicht würden die Konsumenten die Informationspolitik und Kundenintegration der Unternehmen dann ähnlich positiv einschätzen wie die Entwicklung des Umfangs und der Qualität von Informationen in Communities und Netzwerken. Nur jeweils 2 Prozent der Befragten schätzen diese über die letzen Jahre als „negativ“ ein. Knapp 80 Prozent, bzw. 60 Prozent beurteilen sie als „positiv“ bis „sehr positiv“. Für die Zukunft sehen Einige aber Probleme bezüglich der Informationsqualität: Manche fürchten, dass die Möglichkeit für jeden, beliebige Inhalte zu verbreiten, die Qualität beeinträchtigen könnte. Bei der Bedeutung von Web 2.0 und seinen Tools dagegen ist das Stimmungsbild weniger klar ausgeprägt: Jeder Dritte gab an, dass Web 2.0 eine Veränderung der Unternehmensprozesse und -strukturen nötig machen wird. Nur 7 Prozent hielten es für irrelevant. Zwei Drittel enthielten sich der Stimme oder gaben an, keine Meinung dazu zu haben.

Ergebnisse: Wie sehen die Konsumenten das Web 2.0?

9.2 Ergebnisse: Wie sehen Unternehmen das Web 2.0? Insgesamt wurden sieben Marketingverantwortliche von Unternehmen aus verschiedenen Branchen befragt. Die Auswertung der gesammelten Daten zeigte, dass die Begriffe aus dem Web 2.0-Umfeld durchaus bekannt sind. So kannten alle Befragten „Foren“ und „Communities“. Auch „Podcasts“ waren allen Unternehmen bekannt. Sechs von sieben Marketingverantwortlichen hatten den Begriff „Blog“ schon einmal gehört bzw. wussten genau über die Web-Tagebücher Bescheid – ebenso bei „Word of Mouth“ und „Web 2.0“. Mit „Tagging“, Videopodcasting/Vodcasting" und „Web 1.0“ waren fünf der Befragten vertraut. „Social Networking“ und „Collective Intelligence“ waren mit vier bzw. zwei Stimmen am wenigsten bekannt. Im Hinblick auf die Kenntnis und Nutzung von Communities zeigten sich die Befragten relativ gut informiert, aber etwas weniger engagiert: Alle Befragten wussten über Wikipedia und YouTube Bescheid, vier bzw. zwei davon gaben an, dies auch aktiv zu nutzen. Fünf Marketingverantwortliche kannten das Karrierenetzwerk OpenBC/Xing und das amerikanische MySpace, genutzt wurde davon aber nur OpenBC/Xing – von einem Befragten. Die Testportale Ciao und Dooyoo waren insgesamt drei Befragten bekannt und einer gab an diese auch zu nutzen. Mit Wer-weiss-was und FlickR konnte nur jeweils eine Person etwas verbinden, jedoch keine nutzte sie aktiv. Lediglich das Studentennetzwerk StudiVZ war keinem einzigen Befragten bekannt. Die Informationsqualität von Communities und Netzwerken allgemein wurde von der überwiegenden Mehrheit als gut bis sehr gut bezeichnet. Nur eine der Personen schätzte sie als mittelmäßig ein. Vor allem Profinetzwerke wurden als sehr verlässliche und qualitativ hochwertige Quellen eingestuft. Für die meisten Befragten spielen Communities und Netzwerke außerdem auch im täglichen Leben eine wichtige Rolle – hier wurden vor allem die Möglichkeiten zur Recherche beim Produktkauf und zur Sammlung von Hintergrundinformationen zu speziellen Themen als Anwendungsgebiete genannt. Auch die Kontaktpflege ist ein wichtiger Aspekt. Sowohl privat als auch geschäftlich kommen die Netzwerke bei allen Befragten im Alltag zum Einsatz – fünf von sieben stufen sie sogar als wichtige alltägliche Begleiter ein. Bei der Frage nach dem Einsatz von Mitteln zur Führung von Kundendialogen stellte sich heraus, dass vor allem die „traditionellen“ Kanäle nach

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

wie vor die wichtigste Rolle in den Unternehmen spielen. Alle befragten Unternehmen setzten vor allem auf telefonischen oder postalischen Kontakt bzw. Kontakt per E-Mail. Jede der Firmen bot zudem kostenlose Newsletter zur Abonnierung an, teilweise auch mit direkten FeedbackMöglichkeiten. Nur eines der Unternehmen hatte eine eigene Community auf der FirmenWebseite eingerichtet, die als Diskussionsplattform für Kunden untereinander sowie als Experten-Community mit professioneller Hilfestellung bei Fragen oder Problemen dient. Zusätzlich soll die Community den Kunden Entscheidungshilfe beim Kauf vom Produkten geben. Vor allem der hohe Betreuungsaufwand im Gegensatz zu geringem antizipiertem Nutzen wurde als Kriterium gegen den Aufbau eigener Communities und Foren angegeben. Zusätzlich stellte einer der Befragten die Frage nach der nötigen Neutralität einer solchen Community, die seiner Meinung nach auf unternehmenseigenen Plattformen nicht ausreichend gewährleistet werden kann. Keines der befragten Unternehmen verfügte über einen Blog. Auch Möglichkeiten zur Bewertung von Produkten oder des Unternehmens allgemein fehlten auf allen Webseiten der befragten Unternehmen. Bewertungsskalen, Rezensionssysteme oder öffentlich zugängliche Kundenerfahrungsberichte waren nicht vorhanden. Nur ein Unternehmen plante konkret die Einführung eines Bewertungssystems, bislang aber ohne sichtbare Ergebnisse. Ein Unternehmen stellte Überlegungen an – die finale Entscheidung steht noch aus. Allerdings wollten sechs von sieben Verantwortlichen nicht ausschließen, dass solche Systeme in näherer Zukunft realisiert und eingesetzt werden könnten. Alle Verantwortlichen gaben an, ihre Unternehmen nutzten die Dialogmöglichkeiten in ausreichender Form, würden aber an weiteren Maßnahmen oder der Verbesserung bestehender Maßnahmen arbeiten. Weniger übereinstimmend zeigte sich das Bild bei der Frage nach der Nutzung von Communities und Netzwerken von Seiten der Kunden. Hier wurde gefragt, zu welchen Zwecken Kunden diese nach Meinung der Verantwortlichen nutzten. Zwei der Befragten gaben an, dass Communities und Netzwerke aufgrund der Kundenstruktur keine Rolle für den Informations bzw. Kaufentscheidungsprozess spielen würden. In einem Fall wurde das Alter des typischen Kunden (40plus) als Grund genannt, im zweiten Fall die Neigung der Kunden „sich selbst vor Ort [im Geschäft] zu überzeugen“. Zwei Befragte unterschieden verschiedene Kundengruppen – hier gaben sie an, vor allem bei den jüngeren Kunden sei die Nutzung von Communities und Netzwerken zu Informationszwecken, zur Alternati-

Ergebnisse: Wie sehen Unternehmen das Web 2.0?

venfindung und auch zur Kaufentscheidung wichtig. Drei Verantwortliche gaben an, Communities und Netzwerke seinen mittlerweile kritische Faktoren bei der Informationssuche und in zwei Fällen auch bei der Entscheidungsfindung ihrer Kunden. Das Word of Mouth, also die Nutzer-zu-Nutzer-Verbreitung von Meinungen, speziell in sozialen Netzwerken war für fünf der sieben Befragten von sehr hoher Bedeutung für die Kaufentscheidungen ihrer Kunden. Vor allem die hohe Glaubwürdigkeit und Authentizität, Transparenz und globale Verfügbarkeit wurden als Gründe angeführt. Ein Verantwortlicher gab an, dies sei für die Kunden seines Unternehmens weniger von Bedeutung. Ausschlaggebend sei der Individualismus des Kunden, also sein „eigener Geschmack“. Ein Befragter enthielt sich einer Bewertung. 1

Hohe Relevanz

1

Keine Relevanz Enthaltung

5

n=7

Abbildung 57: Einschätzung der Relevanz von Word of Mouth für Kaufentscheidungen (absolute Nennungen) Bei zielführenden Maßnahmen im Umfeld sozialer Netzwerke und Communities schätzten vier der Befragen virales Marketing als Erfolg versprechendes Instument ein. Wichtig sei hier vor allem der Inhalt und die Konzeption der Maßnahme. Durch entsprechende Aufbereitung seien die „Selbstläufer“ mitunter jahrelang attraktiv. Das Word of Mouth wurde ebenfalls von der Mehrzahl der Befragten als wirkungsvolles Instrument genannt, hier waren sich die Verantwortlichen allerdings einig, dass dies nicht vom Unternehmen gesteuert werden könne bzw. sollte. Auch anonyme Maßnahmen, sprich Stealth-Marketing, wurden abgelehnt. Vor allem die sehr hohe Gefahr der Enttarnung und des damit verbundenen Authentizitätsverlusts und Imageschadens wurde als wesentlicher Grund

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

genannt. Nur ein Unternehmen setzte auf die Produktion eigener Podcasts, als Mehrwert für den Kunden über das „traditionelle Dialogmarketing hinaus“. Blogs wurden von keinem der Unternehmen als zielführende Maßnahme in Bezug auf Meinungsbildung und Entscheidungshilfe genannt. Einer der Befragten sah das Instrument als „Modeerscheinung“. Nur ein Verantwortlicher gab an, gar keine Maßnahmen im Communityund Netzwerk-Umfeld anzuwenden. 5 4

4

4 3 n=7

2 1

1

1 0 0 Virales Marketing

Word of Mouth

Communities

Podcasts/ Vodcasts

Blogs

Abbildung 58: Zielführende Marketingmaßnahmen im Umfeld sozialer Netzwerke (absolute Nennungen) Zur Überwachung der eingesetzten Instrumente und zur allgemeinen Beobachtung des Stimmungsbilds in den Communities und Netzwerken setzten sechs der sieben befragten Unternehmen Web-Monitoring-Systeme, gleich welcher Art, ein. Vor allem zur Leistungsmessung ergriffener Maßnahmen (Responseraten, Absatzmessung etc.) und zur Abbildung der aktuellen Stimmungslage in Foren und Blogs wird das Monitoring genutzt. In einem Fall gibt es kein Web-Monitoring durch das Unternehmen. Die Einschätzung des Einbezugsgrads von Kundenmeinungen ist in allen Fällen sehr hoch. Alle Befragen gaben an, ihre Unternehmen würden das Feedback der Kunden als wichtiges bzw. wichtigstes Gut ansehen. Die Kundenmeinungen wurden dabei in den meisten Fällen direkt aufgenommen, beispielsweise durch persönlichen Kontakt des Kunden. Händlernetzwerke dienten drei der Unternehmen als Quelle für das Feedback. Speziell auf Bewertungen und Meinungen in Communities und Netzwerken bezogen sich nur zwei der befragten Unternehmen. Zur Entwicklung des Informationsumfangs und der Informationsqualität in sozialen Netzwerken äußerten sich alle Befragten sehr positv, was die zurückliegenden Jahre angeht. Für die Zukunft sehen die meisten Verantwortlichen weiterhin eine sehr positve Entwicklung. Zwei der Befragten

Ergebnisse: Wie sehen Unternehmen das Web 2.0?

äußerten sich kritisch in Bezug auf den Informationsumfang und mögliche Probleme durch zu viele verfügbare Informationen. In der abschließenden Frage zur Einschätzung des zukünftigen Einflusses von Web 2.0 und entsprechenden Tools auf Unternehmensprozesse und -strukturen ist das Bild wiederum indifferenziert: Zwei Befragte gaben an, in Zukunft werde es Veränderungen in den bestehenden Strukturen geben müssen, um sich dem Wandel anzupassen. Speziell der hohe Vernetzungsgrad der Kunden mache dies nötig. Drei Befragte äußerten sich unentschlossen. Zwei der Marketingverantwortlichen gaben an, Web 2.0 würde für die Unternehmen in Zukunft keine wesentliche Rolle spielen.

9.3 Schlussfolgerung für die Nutzung des Web 2.0 Betrachtet man die gewonnenen Erkenntnisse der Umfrage, so kann man zunächst einige Beobachtungen die betreffend Konsumentensicht festhalten: 䉴 Unter Beachtung der demografischen Faktoren (Geschlechtervertei-

lung, Altersstruktur, Bildungsstand etc.) ist vor allem der männlichen jüngeren Gruppe das Umfeld sozialer Netzwerke stark vertraut. Speziell bei den Personenkreisen mit höherem Bildungsstand sind Kenntnisstand und Nutzungsgrad bei den entsprechenden Tools sehr hoch. 䉴 Studenten und Akademiker sind die „Speerspitze“ der aktiven Konsu-

menten, mit einer hohen Affinität zu Communities und Netzwerken. Die Nutzung derselben ist bei dieser Gruppe vor allem zur Gewinnung von Produktinformationen und Entscheidungsgrundlagen relvant. Personenkreise mit niedrigerem Bildungsstand nutzen Communities und Netzwerke weniger stark. 䉴 Speziell der Mangel an der Ressource „Zeit“ ist ein kritischer Faktor für

den Nutzungsgrad. 䉴 Vor

allem für High-Involvement-Produkte (Unterhaltungselektronik, Handys, Automobil und Zubehör, Reisen etc.) werden Communities und soziale Netzwerke zur Informationsgewinnung und Entscheidungshilfe genutzt.

䉴 Möglichkeiten für Feedback werden im Rahmen der Nachkaufevaluie-

rung nur mäßig genutzt. Der direkte Kontakt zum Unternehmen wird

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

gegenüber indirektem Feedback in Communities und Netzwerken allgemein bevorzugt. Die Unternehmenssicht betreffend lassen sich folgende Beobachtungen festhalten: 䉴 Der Kenntnisstand in Bezug auf das Umfeld sozialer Netzwerke ist bei

den Verantwortlichen und Entscheidern ebenfalls sehr hoch. Der Nutzungsgrad fällt dagegen geringer aus. 䉴 Die Mehrheit der Verantwortlichen setzt weiter auf „traditionelle“ Kanä-

le zur Herstellung des Dialogs mit Kunden und zur Information und Entscheidungshilfe im Rahmen des Produktkaufs. Instrumente wie Communities, Blogs, Podcasts etc. werden bislang nur wenig eingesetzt. 䉴 Allgemein werden die Ansätze zum Dialog mit dem Konsumenten als

verbesserungswürdig eingeschätzt. 䉴 Die Einschätzung des Nutzungsverhaltens von Netzwerken und Com-

munities in Bezug auf die Informationsgewinnung und Kaufentscheidung beim Konsumenten ist geteilt. Nur relativ wenige Unternehmen sehen sie als kritischen Faktor. 䉴 Als Erfolg versprechende Marketingmaßnahme im Umfeld sozialer

Netzwerke wird vor allem virales Marketing betrachtet und genutzt. Instrumente wie eigene Communities, Blogs, Podcasts etc. werden bislang relativ selten eingesetzt. 䉴 Die Überwachung des Stimmungsbilds in Bezug auf das eigene Unter-

nehmen und Produkte sowie die Leistungsmessung eingesetzter Mittel in Form von Web-Monitoring wird allgemein als wichtig erachtet und vor allem in großen Unternehmen schon häufig genutzt. Stellt man Konsumenten- und Unternehmenssicht gegenüber, so ergeben sich folgende Beobachtungen: 䉴 Die Glaubwürdigkeit von Meinungen anderer Konsumenten, also des

Word of Mouth, sehen beide Seiten als sehr hoch an. 䉴 Sie beeinflussen auch die Kaufentscheidungen in relativ starkem Aus-

maß. In den meisten Unternehmen wird dies als kritischer Faktor eingeschätzt. 䉴 Rezensionssysteme oder Möglichkeiten, Erfahrungsberichte und Be-

wertungen anderer Nutzer direkt von den Unternehmen zu beziehen, werden von einem großen Teil der Konsumenten gewünscht. Die

Schlussfolgerung für die Nutzung des Web 2.0

meisten Unternehmen bieten derzeit bislang keine oder nur wenige dieser Möglichkeiten an und werden auch in näherer Zukunft keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen. 䉴 Der Einbezugsgrad des Kundenfeedbacks wird von Kunden weit weni-

ger positiv empfunden als von der Unternehmensseite. 䉴 Die weitere Entwicklung in Bezug auf Informationsumfang und -quali-

tät in Communities und Netzwerken wird überwiegend positiv bis sehr positiv eingeschätzt. 䉴 Der zukünftige Einfluss von Web 2.0 und seinen Tools auf Unterneh-

mensstrukturen und -prozesse werden von Konsumenten und Unternehmen gleichermaßen unterschiedlich beurteilt. Lead-User und Unternehmen mit entsprechend affinem Kundenkreis sehen allerdings Veränderungen als notwendig an.

Wird Web 2.0 in Zukunft eine Veränderung der bestehenden Unternehmensprozesse und -strukturen nötig machen? 70

60

60 50 40

43 33

29

29

30 20 7

10 0 ja

nein Konsumenten

weiß nicht Unternehmen

Abbildung 59: Einschätzung des zukünftigen Einflusses von Web 2.0 auf bestehende Unternehmensprozesse und -strukturen (prozentual) Die oben genannten Hypothesen konnten durch die Untersuchung im Wesentlichen bestätigt werden. Web 2.0 und die entsprechenden Tools kommen in Deutschland langsam im Mainstream an. Einige Aspekte wer-

Welche Rolle spielen soziale Netzwerke und ihre Tools?

den bereits stark genutzt. Vor allem im kritischen Bereich der Produktinformation und Entscheidungshilfe. Viele der Tools sind aber noch Domänen von Lead-Usern und sehr affinen Gruppen. Gerade die Unentschlossenheit hinsichtlich des zukünftigen Einflusses, sowohl auf Konsumentenals auch auf Unternehmensseite, zeigt, dass das letzte Wort hier noch lange nicht gesprochen ist.

Schlussfolgerung für die Nutzung des Web 2.0

10. Web 2.0 – Was können Manager tun?

Mit der zunehmenden Bedeutung des Web 2.0 müssen sich Unternehmen ganz neuen Denkansätzen stellen und anderen Anforderungen als zuvor gerecht werden. Hierbei handelt es sich um ein durchaus ernstzunehmendes Thema, immer mehr auch für mittelständische und kleine Unternehmen. Es verlagert sich alles von statischen Websites hin zum sozialen Web. User generieren Inhalte, diese werden von anderen Usern rezipiert. Für Marketingverantwortliche Chance und Risiko zugleich – der Dialog zwischen (potenziellen) Kunden kann Firmen nutzen, ihnen aber auch dramatisch schaden. Dabei sollten die Manager auch an den Kundenlebenszyklus denken – das Web 2.0 kann in allen relevanten Phasen des Kaufentscheidungsprozesses Einfluss nehmen. In der Pre-Sales-Phase verändert sich das Kundeninformationsverhalten am stärksten – die hohe Glaubwürdigkeit von Foren, Communities, Blogs etc. führt zu veränderten Kaufpräferenzen. Aber auch in der Sales-Phase und der AfterSales-Phase sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um Kunden weiterhin für das Produkt zu begeistern. So kann beispielsweise durch die Einrichtung entsprechender Foren in der After-Sales-Phase bei komplexen Produkten der Service verbessert werden. Ein gutes Beispiel ist hier die Firma Graupner, die auf ihrer Robotics-Homepage in einem speziellen Forum zahlreiche Fragen zum Thema Roboter-Programmierung beantwortet. I

Entwickeln Sie Produkte, die auch verkauft werden

Nicht nur in den klassischen Phasen des Absatzprozesses bietet das Web 2.0 Möglichkeiten; Verkauf beginnt bei der Rückinformation an das eigene Unternehmen, welche Leistungsmerkmale durch den Markt gewünscht werden. Schon hier lassen sich durch das Web 2.0 neue Potenziale erschließen. Es gibt zu viele Produkte und Dienstleistungen, die am Markt vorbei produziert werden. So scheitern regelmäßig über 60 Prozent der Neueinführungen im Lebensmitteleinzelhandel – eine enorme Verschwendung von Kapital und Arbeit. Überlegen Sie, ob und wie Sie im Leistungserstellungsprozess die Kunden und potenziellen Kunden mit einbeziehen. Über Crowdsourcing stellen Sie sicher, dass Ihre Kunden zu

Web 2.0 – Was können Manager tun?

Entwicklern werden – und Ihre Produkte den Kundengeschmack treffen. Schauen Sie sich zum Beispiel das Crowdsourcing-Projekt Open Cola im Internet an – und bewerten Sie die Möglichkeiten, die sich für Ihr Unternehmen bieten. Es muss nicht nur Cola sein – eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen können so gestaltet und entwickelt werden. Gerade Ihre Marken-Fans werden dankbar sein, bei Ihrem Unternehmen mitmachen zu können. Nutzen Sie diese Kundenimpulse. I

Steigern Sie Ihre Bekanntheit mit Web 2.0

Das beste Produkt alleine reicht nicht aus – Ihr Unternehmen, Ihre Produkte und Ihre Dienstleistungen müssen zunächst am Markt bekannt sein. Entwickeln Sie virale Kampagnen, die sich rasant über das Internet und darüber hinaus verbreiten. Auch im Rahmen von M-Commerce ergeben sich hier zahlreiche Ansätze. Verbreiten Sie News mit Trendsetter-Charakter, ergänzen Sie Ihre Werbekampagnen mit witzigen und unterhaltsamen Videos, Bildern und Präsentationen, die sich schnell in elektronischer Form verbreiten können. Gründen oder unterstützen Sie Communities, die die Interessen Ihres Unternehmens, Ihrer Marken teilen. Schauen Sie sich zum Beispiel das BMW 1er Forum an, um neue Ideen zu bekommen. Oder Sie binden wiederum Ihre Kunden ein – so haben etwa Unternehmen wie Nike oder Mini das kreative Potenzial ihrer Zielgruppen gekonnt genutzt. Die Kunden wurden aufgefordert, zu bestimmten Themen Videos zu produzieren und auf der Website zu veröffentlichen; die Firma GoDaddy (ein Domain-Registrierungsservice aus den USA) hat in einem ähnlichen Verfahren nach Veröffentlichung der Videos auf der Website die besten Spots sogar landesweit über TV gesendet. I

Machen Sie Ihr Unternehmen und Ihre Marken sympathisch

Unternehmen und Marken müssen nicht nur bekannt sein, sie müssen auch emotional berühren und sympathisch wirken. Prüfen Sie hier, ob Sie mit marken- und produktbezogenen Blogs den offenen Dialog suchen können. Der CEO live im Blog – eine Möglichkeit, die Marke und das Unternehmen emotional aufzuladen und sympathisch zu machen. DocMorris und Frosta sind hier gute Beispiele. Insbesondere bei Suchmaschinen stehen Blogs hoch im Kurs und helfen, die gebloggten Inhalte rasant zu verbreiten. Die RSS-Technologie unterstützt die schnelle Verbreitung von Inhalten. Im Übrigen – Bloggen ist nicht schwer. Sie können in weniger als fünf Minuten bei blog.de Ihr eigenes Weblog einrichten. Oder lesen Sie regelmäßig ein Weblog, das Sie interessiert. So verstehen Sie besser die „Mechanismen“ der Szene.

Web 2.0 – Was können Manager tun?

I

Bleiben Sie auch im Web 2.0 immer authentisch und reagieren Sie schnell

Die meisten Nutzer sind fair – seien Sie es auch. Versuchen Sie nicht, durch „promotional chat“ unter falscher Flagge zu segeln – das rächt sich, siehe das Beispiel Sony. Und geben Sie Ihren Kunden Feedback und bemühen Sie sich, deren Probleme und Ansichten ernst zu nehmen und zeitnah zu reagieren. Firmen wie Strato oder Kryptonite können Ihnen erzählen, was bei Nichtbeachtung dieser Regel passieren kann. Nutzen Sie Ihre Mitarbeiter als glaubwürdige und vertrauenswürdige Botschafter in den verschiedenen virtuellen Communities. Wenn Sie das Ihren Mitarbeitern nicht zutrauen, haben Sie ein ganz anderes Problem als das Web 2.0 ... I

Nutzen Sie das Web 2.0, um über Ihr Image mehr zu erfahren und es zu beeinflussen

Verschaffen Sie sich Klarheit über Ihr Image in den Foren, Communities und Portalen. Wenn Sie bei einem globalen Unternehmen arbeiten: Nutzen Sie die Weblog-Suchmaschine technorati.com. Was wird über Ihr Unternehmen gedacht, geschrieben und verbreitet? Was müssen Sie gegebenenfalls sehr schnell tun? Nutzen Sie auch die Möglichkeiten, über Influencer Marketing oder Seeding Ihre Botschaft zu verbreiten. Denken Sie dabei nicht immer nur an den sofortigen Verkauf. Nutzen Sie wie Mercedes-Benz oder VW Podcasts und Vodcasts, die aus der Sicht der Zielgruppe einen Mehrwert darstellen und deswegen ein positives Image befördern. I

Setzen Sie das Web 2.0 auch im Verkauf ein

Nicht nur im Pre-Sales-Bereich, bei der Markenbildung und -entwicklung sind die Instrumente des Web 2.0 hilfreich. Auch im eigentlichen Verkauf, in der Sales-Phase, können Web 2.0-Tools effizient genutzt werden. Denken Sie einmal darüber nach, wie Sie den Long Tail nutzen können, um Nischenprodukte, Zubehör u. a. m. zu verkaufen und die Profitabilität zu steigern. Die Zeit der planbaren Blockbuster-Produkte ist zwar nicht vorbei – aber die Voraussagbarkeit des Erfolgs wird geringer. Vielleicht können Sie sich zukünftig über Ihren Web-Shop eher als Vollsortimenter positionieren oder einfach nur vom Handel „ungeliebte“ (aufgrund geringer Umschlaghäufigkeit) Produkte verkaufen, die sonst keine Chance am Markt bekommen? Und damit potenziellen Star-Produkten eine Absatzchance geben? Vielleicht gibt es Möglichkeiten, vom Kunden im stationären Handel häufig vemisste Nischenprodukte anzubieten? Schnellere Lie-

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ferzeiten zu garantieren? Und damit den Kaufentscheidungsprozess zu beeinflussen? I

Nutzen Sie Cross-Selling-Potenziale

Cross-Selling ist ein wichtiger Ansatz, um Umsätze und Erträge eines Unternehmens zu optimieren. Empfehlungssysteme können ganz gezielt Nischenprodukte voranbringen oder die Bedürfnisse Ihrer Kunden verstehen und individuelle Angebote erstellen. Der „Klassiker“ ist hier Amazon, lassen Sie sich davon inspirieren. I

Kundenbetreuung und Kundenbindung – auch hier gibt es zahlreiche Ansatzpunkte

Auch im After-Sales-Bereich hat das Web 2.0 einiges zu bieten – recherchieren Sie zum Beispiel in Verbraucherportalen wie cia.com, wie Ihre Produkte „ankommen“ oder wie neu im Markt eingeführte Marken, Produkte oder Dienstleistungen rezipiert werden. In der Kundenbetreuung können Sie die Technologien des modernen CRM einsetzen – generieren Sie Nutzungsdaten Ihrer Kunden aus den Communities und verfeinern Sie diese für den gesamten Kundenlebenszyklus. Machen Sie durch Ihren Customer Insight den potenziellen Kunden zum „Fan“. Nutzen Sie Referral-Programme wie bei Amazon Affiliates, wo zufriedene Kunden die Möglichkeit haben, ihre Produkte an Freunde, Bekannte und Verwandte weiter zu empfehlen. I

Erkunden Sie neue Geschäftsmodelle

Machen Sie sich auf die Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Gibt es Möglichkeiten, Ihre Produkte auch virtuell zu verkaufen? Können Sie Dependancen auch online eröffnen? Adidas zeigt, dass lifestyle-affine junge Zielgruppen auch im Cyberspace für Markenbotschaften empfänglich sind und reale Umsätze mit virtuellen Produkten generieren. Wo hilft Ihnen das Web 2.0, neue Ideen zu verwirklichen? Sehen Sie sich erfolgreiche Unternehmen wie Spreadshirt an; was können Sie tun, um Enabler zu werden und Geld damit zu verdienen? Und schließlich – welche Möglichkeiten gibt es, den virtuellen Kaufinteressenten zum Käufer in der realen Welt zu machen? I

Beobachten Sie Trends und neue Entwicklungen

Es entwickeln sich innerhalb des Web 2.0 bereits neue Trends. Virtuelle Welten breiten sich mehr und mehr aus. Das wohl bekannteste Beispiel für eine solche künstliche Welt ist das Paralleluniversum Second Life. Das

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virtuelle Leben ist auf dem Vormarsch. Selbst unbekanntere Plattformen wie das Hotel Habbo zählen im Monat weltweit 7,5 Millionen Besucher, und in der künstlichen Welt von cyworld.com sind sogar 20 Millionen Mitglieder registriert. Das Web wird immer mehr zum dreidimensionalen Raum, und es treten immer mehr Anbieter mit den verschiedensten Lösungen auf. Die Grenzen zwischen den beiden Welten verschwimmen zusehends. Bild veröffentlicht die Zeitung „The Avastar“ in Second Life. Damit ist nicht genug, selbst TV-Formate nutzen diesen Trend für sich, allen voran die Musiksender. Viva scheint sich dabei auch nicht strikt an die Grenzen zu halten, sondern schickt die Stars direkt aus der TV-Show in das virtuelle Habbo Hotel und ermöglicht es Fans, ihren Stars zumindest in der virtuellen Welt für eine kurze Zeit ganz nah zu sein. Es ist also ein deutlicher Trend zum dreidimensionalen Web und dem virtuellen Leben erkennbar. Wie Unternehmen diesen Trend für sich nutzen können, zeigt das Otto-Versandhaus mit seinem neuen virtuellen Shoppingportal. Nutzer des Betriebssystems Vista bewegen sich durch eine raumähnliche Welt und können sich die aktuelle Mode von Models vorführen lassen. Eine weitere Veränderung durch Web 2.0 zeichnet sich ab und ermöglicht es uns vielleicht schon in kurzer Zeit, mit unserem geschaffenen virtuellen Abbild, dem Avatar, neue virtuelle Welten zu durchlaufen. Vielleicht wird es bald schon selbstverständlich für uns sein, die aktuellen Stücke einer Kollektion virtuell anzuprobieren. Oder wir können sehen, wo sich unsere realen Freunde mit ihren Avataren im Web befinden und sie aufsuchen. Oder wir sehen Firmenvertreter, die ihre Produkte dreidimensional im Internet verkaufen oder ihre Dienstleistungen in Echtzeit im Internet verrichten. Oder, oder, oder ...

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11. Fazit und Ausblick

Die Kommerzialisierung des Internet und seiner Inhalte ist eine Tatsache. Unternehmen dringen zunehmend in die letzten virtuellen Refugien vor. Mit Erfolg. Auch die Nutzer selbst werden über kurz oder lang kommerzialisiert. Der Wandel im Informations- und Kaufentscheidungsprozess durch soziale Netzwerke und ihre Tools beeinflusst Unternehmen bereits heute in zunehmendem Maße. In Zukunft wird die Bedeutung der sozialen Aspekte für kommerzielle Zwecke weiter wachsen. „Social Commerce“ definiert sich vor allem durch die Nutzung des sozialen Kapitals: Der Konsument bringt sich selbst in die unternehmerische Wertschöpfung ein, seine Ressourcen können für beide Seiten Gewinn bringend eingesetzt werden. Glaubwürdigkeit und Transparenz sind dabei Schlüssel zum Aufbau neuer Beziehungsstrukturen – zwischen den Kunden untereinander und zwischen Kunden und Unternehmen. Multilaterale Kommunikation anstelle der bisherigen One-Way-Kommunikation stellt neue Anforderungen an Marketer in aller Welt. Gleichzeitig bietet sie auch die Möglichkeit, Wünsche des Marktes in Echtzeit zu erkennen und Chancen schnell zu ergreifen und umzusetzen. Unternehmen können so näher an den einzelnen Kunden rücken. Trotzdem gibt es Risiken, und nicht alle Maßnahmen sind für alle Unternehmen geeignet. Strategien müssen individuell erarbeitet werden. Eingehende Prüfung vorab und sensibles Vorgehen bei der Umsetzung sind dabei gefordert. Flexibilität ist notwendig, um den Anforderungen des „neuen Konsumenten“ gerecht zu werden. Markterfolge werden weniger vorhersehbar. Mit der Zunahme der Wahlmöglichkeiten für den Konsumenten, abnehmender Verfügbarkeit von Ressourcen und der Angleichung von Produkten und Markenimages steigen die Chancen für Nischenanbieter abseits des Mainstreams. Sicherheit in Form von „geplanten Blockbustern“ mit großem Kapitaleinsatz wird es immer weniger geben. Die Vernetzung der Konsumenten untereinander führt zu einer Unvorhersehbarkeit in der Absatzentwicklung. In Zukunft wird der soziale Faktor hier noch deutlich an Einfluss zugewinnen. Damit spielt vor allem die Nähe zum Kunden eine wesentliche Rolle für jedes Unternehmen – nur so können Entwicklungen rechtzeitig erkannt und Maßnahmen erfolgreich gesteuert werden.

Fazit und Ausblick

Letztlich steht fest: Web 2.0 ist keine „Mode“, sondern ein Modus. Auch wenn einige Ereignisse an die Dot-Com-Blase der späten 90er Jahre erinnern mögen, so zeichnet sich hier eine langfristige Entwicklung ab, die wegweisend ist für die Gestaltung der Verkaufsprozesse der Zukunft. Die Prinzipien, die in der derzeitigen Phase entstehen, werden in das Marketinginstrumentarium eingehen und als selbstverständlich genutzt werden. Wenn auch möglicherweise unter anderen Namen und mit anderen Versionsbezeichnungen. Web 3.0 ist ein Schlagwort, das als nächste Stufe der Entwicklung für semantische Systeme steht, die (sprachliche) Zusammenhänge erkennen können und die Nutzer so als Navigator durch das zunehmende Dickicht zu den relevanten Inhalten leiten sollen.

Fazit und Ausblick

Anmerkungen

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Anmerkungen

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65 66

Kuß, A./Tomczak, T. (2000), Käuferverhalten, S.66, zitiert nach Antil, J.: Conceptualization and Operationalization of Involvement, in: Kinnear, 1984, S. 203-209. Vgl. Mohn, Peter E. (1997), Beziehungsdiagnostik, S. 33. Vgl. Assael, H. (1995), Consumer Behaviour, S. 19 f. Vgl. Rutschmann, M. (2005), Kaufprozesse, S. 63-78. Vgl. Assael, H. (1995), Consumer Behaviour, S. 19 f. Kuß, A./Tomczak, T. (2000), Käuferverhalten, S. 117. Jacoby, J. (1984) Information Overload, S. 432. Vgl. Hoyer, W./MacInnis, D. (1997), Consumer Behaviour, S. 209. Kuß, A./Tomczak, T. (2000), Käuferverhalten, S. 119-129. Vgl. Marketing-Boerse.de (2006), Online-Kauf, online unter http://www.marketingboerse.de/News/details/E-Shopping-Frauen-sehen-beim-Online-Kauf-genauer-hin/ 4485 [Stand 12.12.2006]. Watts, D.J./Hasker, S. (2006), Blockbuster, S. 12 f. Rutschmann, M. (2005), Kaufprozesse, S. 49. Vgl. Newman, J.W. (1977), Buying Behaviour, in: A. G. Woodside (Ed.), Consumer and industrial buying behavior New York, 1977, S. 79-94. Vgl. Neef, A./Schroll, W. (2006), Waffe der Verbraucher, online unter http://www. manager-magazin.de [Stand 04.09.2006]. siehe Hoyer, W./MacInnis, D. (1997), Consumer Behaviour oder Rutschmann, M. (2005), Kaufprozesse. Richter, U. (2006), Blogs beeinflussen Kaufentscheidungen, online unter http:// www.wuv.de [Stand 21.11.2006]. Watts, D.J./Hasker, S. (2006), Blockbuster, S. 12 f. Vgl. Salganik, u.a. (2006), Experimental Study, S. 1 f. Vgl. Kuß, A./Tomczak, T. (2000), Käuferverhalten, S.147 f. Vgl. Rolke, L. (2002a), Neue Öffentlichkeit im Netz, S. 20-21. van Eimeren, B./Frees, B. (2006), neue Nutzer, S. 407. Fisch, M./Gscheidle, C. (2006), Onliner 2006, S. 431-439. Quelle: Linden Lab [Stand 19.02.2007]. Online unter: http://www.slinside.de/ [Stand 19.02.2007]. Rolke, L./Wolff, V. (2002b), Paradigmenwechsel durch das Internet, S. 9-11. Vgl. Rolke, L. (2002a), Neue Öffentlichkeit im Netz, S. 18. Ecin.de (2007), Customer-Energy, online unter http://www.ecin.de/strategie/ customer-energy [Stand 15.01.2007]. Knoke, F. (2006), „Freunde“ übers Internet, online unter http://www.spiegel.de [Stand 05.02.2007]. Linkert, T. (1999), Wenn keiner den Chef leiden kann, S. 31. Rolke, L. (2002a), Neue Öffentlichkeit im Netz, S. 27-28. Leisinger, K.M. (2003), Whistleblowing, S. 17. Spreadshirt Pressemappe, online unter http://www.spreadshirt.net [Stand 06.03. 2007]. Das Prinzip des „Long Tail“ wurde 2004 von Wired-Magazin Chefredakteur Chris Anderson zum ersten Mal beschrieben. Er hat dazu auch ein Buch mit dem Titel „The Long Tail“ veröffentlicht. Vgl. Anderson, C. (2006), Long Tail, online unter http://www.wired.com [Stand 05.02.2007]. Nicely, T. (1994), E-Mail vom 30.10.1994, online unter http://www.risknet.de [Stand 22.01.2007].

Anmerkungen

67

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Anmerkungen

101 Quelle: LindenLab [Stand 20.02.2007]. 102 Corecon (2006), Second Life, online unter http://corecon.de/2006-10-24/ unternehmen-entdecken-second-life/ [Stand 01.02.2007]. 103 Stand: Februar 2007. 104 VATZ (2006), Jahresbilanz 2006, in einer Email vom 11.01.2007. 105 Köninger, H.-J. (2007), Autotuning im Internet, in einer Email vom 08.01.2007. 106 Stand Januar 2007, online unter www.technorati.com/about [Stand 15.01.2007]. 107 Online unter www.peugeotboard.de/modules/newbb/viewtopic.php?topicid= 7134&forum=26&post_id=42870 [Stand 15.01.2007]. 108 Online unter http://www.tuningblogger.de [Stand 15.01.2007]. 109 Hamann, F., Geschäftsführer Hamann-Tuning, in einem persönlichen Interview vom 12.01.2007. 110 Kollmann, T. (2007), Web 3.0, online unter http://www.manager-magazin.de [Stand 15.01.2007]. 111 Bold, M./Wölfer, T. (2006), Informationsmanagement, S. 58.

Anmerkungen

Glossar

Avatar Begriff aus dem Community-Umfeld. Grafisch dargestelltes, virtuelles Alter-Ego. B2C Business-to-Consumer. Bezeichnet die Kommunikations- und Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Endverbrauchern. Bookmark Englisch für Lesezeichen. Begriff aus dem Internet-Umfeld. Ziel des Bookmarkings ist der schnelle Zugriff auf häufig genutze Inhalte und deren Verwaltung. Bot Abkürzend für Robot. Softwareprogramm, das (meist simple) Aufgaben automatisch ausführt. Content Englisch für Inhalt. Bezeichnet im Allgemeinen Inhalte elektronischer Medien. Content-Management-System/CMS Anwendungsprogramm zur medienneutralen Erstellung und Verwaltung von Inhalten. Im Fokus steht die Trennung von Inhalt, Design und technischen Aspekten. Conversion Konvertierung von einem Betrachter einer Online-Marketingmaßnahme zu einem Kunden bzw. qualifizierten Kontakt.

Glossar

Cost per Click/CPC Kosten, die für einen Klick auf eine Online-Werbeform (z. B. themenverwandter Suchmaschineneintrag bei Google) anfallen. Cost per Order/CPO Kennzahl für die Kosten, die für die Generierung eines Kunden oder qualifizierten Kontakts durch Online-Werbeformen anfallen. Customer-Relationship-Management/CRM Englisch für Kundenbeziehungsmanagement. Verwaltung von Kundenbeziehungen. Bezeichnet den Prozess der Kundengewinnung, Kundenbindung und Kundenreaktivierung. Data-Mining Anwendung wissenschaftlicher Methoden zur Mustererkennung innerhalb von Datensammlungen. Directories Webverzeichnisse, die Webseiten nach Themengebieten katalogisieren. Fake Jargonbegriff aus dem Internet-Umfeld. Bezeichnung für eine Fälschung. Involvement Gefühlsmäßige Nähe zwischen einem Konsumenten und einem Produktangebot. Link Kurzbezeichnung für Hyperlink. Begriff aus dem Internet-Umfeld. Ein (Hyper-)Link stellt eine Verknüpfung zwischenen verschiedenen Inhalten, Webseiten etc. her. Messenger Auch: Instant Messenger. Software zur Echtzeitkommunikation mit anderen Nutzern.

Glossar

Mass-Customization Fertigungskonzept zur individualisierten Massenfertigung, häufig unterstützt durch Online-Anwendungen. Online-Applications Online-Anwendungen. Über das Internet nutzbare Software-Anwendungen. Open Source Inhalte, deren Quellen frei zugänglich sind und von jedermann genutzt werden können. Speziell die Erlaubnis zur Weiterverbreitung und Änderung von Open-Source-Inhalten ist bedeutsam. Posting Öffentliche Mitteilung oder Beitrag innerhalb einer Community, eines Forums, Blog etc. Return on Investment/ROI Kennzahl zur Ermittlung der Kapitalrendite. Der Begriff wurde 1919 vom DuPont-Konzern definiert. Really Simple Syndication/RSS Format zur medienunabhängigen Verbreitung von Nachrichten (so genannte RSS-Feeds). Ermöglicht das „Abonnieren“, d. h. automatisches Empfangen von aktuellen Nachrichten bzw. Beiträgen. Semiotik Die Lehre von den Zeichen. Die Anwendung ermöglicht einem Empfänger, eine Nachricht zu interpretieren und zu verstehen. Bestandteile sind Syntax, Semantik und Pragmatik. Subscription Service Angebote oder Online-Inhalte die (kostenpflichtig) abonniert werden können.

Glossar

Stream Kontinuierliche Übertragung von Daten zwischen einem Sender und einem Empfänger. Taxonomie Sprachliche Klassifikation von Gegenständen in Kategorien zur Einbettung in soziale Systeme. Tools Englisch für „Werkzeug“. Häufig werden Anwendungsprogramme als Tools bezeichnet. Unique Selling Proposition/USP Englisch für „Alleinstellungsmerkmal“. Bezeichnet eine einmalige Eigenschaft, die das eigene Angebot gegenüber Konkurrenzangeboten abhebt. Wikis Online verfügbare Sammlung von Seiten, die frei zugänglich und veränderbar sind.

Glossar

Wichtige Abkürzungen

API

Application Programming Interface

AJAX

Asynchronous JavaScript and XML

B2C

Business to Consumer

CSS

Cascading Style Sheets

CMS

Content Management System

DSL

Digital Subscriber Line

PDF

Portable Document File

PR

Public Relations

ROI

Return On Investment

RSS

Really Simple Syndication

WWW

World Wide Web

XML

Extensible Markup Language

XHTML

Extensible Hypertext Markup Language

Wichtige Abkürzungen

Literaturverzeichnis

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Die Autoren

Martin Knappe, Dipl. Informationswirt (FH), studierte an der Fachhochschule NeuUlm Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation. Er berät und betreut Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von Marketing- und Online-Kommunikationskonzepten. Unter seiner Betreuung entstand unter anderem der „BMW Player“, der beim Deutschen Dialogmarketing-Preis 2006 mit der Silbermedaille in der Kategorie Digitale Medien ausgezeichnet wurde. Prof. Dr. Alexander Kracklauer studierte nach der Ausbildung zum Offizier des Heeres bei der Bundeswehr Wirtschaftswissenschaften an der Universität der Bundeswehr München und an der Arizona State University; nach zehnjähriger Dienstzeit und der nebenberuflichen Promotion zum Dr. rer.pol. wechselte er in das internationale Marketing- und Vertriebsmanagement des Konsumgüterherstellers Procter & Gamble. Dort war er in verschiedenen Führungsfunktionen in den USA und Deutschland tätig. Danach erhielt er einen Ruf als Visiting Scholar an die Harvard Business School; als Mitglied der Fakultät für General Management leitete er dort eine Forschungsgruppe zum Thema Customer Relationship Management. Seit 2002 ist Prof. Dr. Kracklauer an der FH Neu-Ulm, wo er das Kompetenzzentrum Marketing & Sales leitet. Außerdem ist er Gründungspartner der Kracklauer & Pätzmann – Gesellschaft für Marken- und Vertriebsberatung mbH. Dort berät er mittelständische Unternehmen insbesondere bei Vertriebsprojekten und coacht als Beirat Vorstände und Geschäftsführer in Marketing- und Vertriebsfragen.

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