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German Pages 196 Year 2007
Peter Stebel Verhaltenssteuerung durch Anreize im Dienstleistungscontrolling
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Quantitatives Controlling Herausgegeben von Professor Dr. Carsten Homburg, Universität zu Köln
Die Schriftenreihe dient als Forum für hervorragende Forschungsergebnisse auf dem Gebiet des Controlling. Ihr liegt ein weites Controllingverständnis zugrunde, das über Problemstellungen der traditionellen internen Unternehmensrechnung hinaus geht und beispielsweise auch Aspekte der Verhaltenssteuerung einschließt. Der Schwerpunkt der Reihe liegt auf quantitativen Analysen aktueller Controllingfragen. Hierbei werden formal-analytische ebenso wie empirisch ausgerichtete Arbeiten in Betracht gezogen.
Peter Stebel
Verhaltenssteuerung durch Anreize im Dienstleistungscontrolling Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Carsten Homburg
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität zu Köln, 2007
1. Auflage August 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Brich Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0879-3
Geleitwort Im Fokus der vorliegenden Dissertationsschrift steht mit dem Dienstleistungscontrolling eine aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Dienstleistungen für die Betriebswirtschaftslehre zentrale Fragestellung. Konkreter geht es um die Verhaltenssteuerung durch Anreize im Rahmen komplexer Dienstleistungen. Wegen der für Dienstleistungen typischen Immaterialität und Integrativität lassen sich Ergebnisse aus dem Industriebereich kaum übertragen. Dennoch gibt es vergleichsweise wenige Arbeiten zum Dienstleistungscontrolling. Um die Beziehung zwischen Dienstleister und Kunde zu untersuchen, greift die Arbeit auf die PrinzipalAgenten-Theorie zu. Hierdurch können theoretisch fundierte Empfehlungen zur Verhaltenssteuerung bei Dienstleistungen gegeben werden, die auch empirisch untersucht werden. Das Koordinationsproblem bei Dienstleistungen wird als hierarchisches System dargestellt. Dabei werden die Ebenen Dienstleistungsunternehmer und Mitarbeiter, Dienstleistungsunternehmer und Kunde sowie Mitarbeiter und Kunde unterschieden. Für diese drei Ebenen arbeitet der Verfasser Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung und deren spezifische Probleme heraus. Hinsichtlich der Verhaltenssteuerung des Mitarbeiters ist dabei von Bedeutung, dass dieser von zwei Prinzipalen beeinflusst wird, nämlich vom Dienstleistungsunternehmer und vom Kunden. Dies wird als Common-Agency-Problem bezeichnet. Zusätzlich tritt ein DoubleMoral-Hazard-Problem auf, da sowohl der Mitarbeiter als auch der Kunde durch ihren jeweiligen Input das Ergebnis der Dienstleistung beeinflussen. Selbst bei einem gut messbaren Ergebnis kann daher der Dienstleistungsunternehmer bei dieser Form der Koproduktion aus dem Ergebnis nicht ohne Weiteres auf das Verhalten des Mitarbeiters schließen. Die Arbeit stellt eine kompetente Analyse komplexer formaler Modelle und zugleich eine empirische Studie dar. Es werden zahlreiche interessante Ergebnisse für professionelle Dienstleistungen erzielt. Dies gilt sowohl aus praktischer als auch aus theoretischer Sicht. Daher wünsche ich der Arbeit eine gute Aufnahme in der Controlling-Community.
Prof. Dr. Carsten Homburg
V
Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand während meiner Zeit als externer Doktorand am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Controlling an der Universität zu Köln. Während des Erstellungsprozesses der Dissertation habe ich von vielen Seiten Unterstützung erhalten. Diesen Personen möchte ich an dieser Stelle danken. Auf das spannende Thema des Dienstleistungscontrolling wurde ich durch meinen Doktorvater und akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Carsten Homburg aufmerksam. Für seine Betreuung und viele wertvolle Hinweise, die wesentlich zum Gelingen der vorliegenden Arbeit beigetragen haben, danke ich ihm sehr herzlich. Herrn Prof. Dr. Ludwig Kuntz danke ich sehr herzlich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Dirk Sliwka für den Vorsitz bei der mündlichen Prüfung. Für die sehr angenehme Zusammenarbeit während meiner gesamten Promotionszeit danke ich Marcus Berghäuser, Ute Bonenkamp, Ulf Brüggemann, Dr. Cordula Ebeling, Dominika Gödde, Stefan Henschke, Michael Lorenz, Julia Nasev, Dr. Peter Scherpereel, Dr. Jörg Stephan, Dr. Matthias Weiß und Nikolaus Wrede. Dank sagen möchte ich ebenso Elisabeth Eich, zugleich Sekretärin und gute Seele des Seminars. Im privaten Bereich möchte ich mich bei meiner Freundin Claudia bedanken, die mich durch alle Phasen der Dissertation begleitet hat. Für zahlreiche anregende Diskussionen zu diesem spannenden Thema danke ich Dr. habil. Dennis Kundisch. Der allergrößte Dank gebührt jedoch meinen lieben Eltern. Durch ihre fortwährende Unterstützung, Begleitung und ihren Zuspruch in jeder Phase meines bisherigen Lebensweges haben sie mir alles ermöglicht. In Liebe und Dankbarkeit widme ich ihnen dieses Buch.
Peter Stebel
VII
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................XIII Tabellenverzeichnis...............................................................................................................XV Symbolverzeichnis............................................................................................................. XVII 1
2
3
Einleitung ........................................................................................................................... 1 1.1
Motivation und Fragestellungen ................................................................................ 1
1.2
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ........................................................................... 4
Stand der Dienstleistungsforschung ................................................................................ 7 2.1
Definition von Dienstleistungen ................................................................................ 7
2.2
Charakteristika der Dienstleistungsproduktion.......................................................... 8
2.3
Ergebnis der Literaturrecherche .............................................................................. 12
Koordination in Dienstleistungsunternehmen.............................................................. 17 3.1
Koordination als Aufgabe des Controlling .............................................................. 17
3.2
Darstellung des Modellrahmens .............................................................................. 19 3.2.1 Hierarchische Controllingkonzeption .......................................................... 19 3.2.2 Entscheidungsebenen in der Dienstleistungsproduktion ............................. 21
3.3
Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen.............................................. 23 3.3.1 Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung ...................................................... 23 3.3.2 Probleme der Verhaltenssteuerung des Mitarbeiters ................................... 26 3.3.3 Probleme der Verhaltenssteuerung des Kunden .......................................... 29
4
Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Mitarbeiter ......................................... 31 4.1
Beschreibung der Prinzipal-Agenten-Beziehung .................................................... 31 IX
4.2
Messprobleme bei immateriellen Leistungen.......................................................... 34
4.3
Der Anreizvertrag im allgemeinen Fall ................................................................... 37 4.3.1 Modellbeschreibung und Annahmen ........................................................... 37 4.3.2 Allgemeine Lösung...................................................................................... 42
4.4
Der Anreizvertrag bei verifizierbarem Dienstleistungsergebnis ............................. 49
4.5
Der Anreizvertrag bei Einsatz von Hilfsgrößen zur Ergebnismessung ................... 51
4.6
Der Anreizvertrag bei unterschiedlich gut messbaren Leistungsdimensionen........ 56
4.7
Der Anreizvertrag bei Einsatz subjektiver Ergebnisgrößen .................................... 60
4.8
Der Anreizvertrag bei relativer Leistungsbewertung .............................................. 64 4.8.1 Modellbeschreibung und Annahmen ........................................................... 65 4.8.2 Eigenschaften relativer Ergebnisgrößen ...................................................... 73
4.9 5
Zwischenergebnis .................................................................................................... 76
Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Kunde.................................................. 79 5.1
Charakteristika integrativer Leistungen................................................................... 79
5.2
Das Double-Moral-Hazard-Problem bei integrativen Leistungen........................... 82
5.3
Der Anreizvertrag im statischen Fall....................................................................... 84 5.3.1 Modellbeschreibung und Annahmen ........................................................... 84 5.3.2 Ergebnisdiskussion und Hypothesen ........................................................... 91
5.4
Der Anreizvertrag im dynamischen Fall.................................................................. 94 5.4.1 Modellbeschreibung und Annahmen ........................................................... 94 5.4.2 Ergebnisdiskussion und Hypothesen ........................................................... 97
5.5 X
Empirische Untersuchung...................................................................................... 101
5.5.1 Datenerhebung und Datengrundlage.......................................................... 101 5.5.2 Operationalisierung und Messung der Konstrukte .................................... 102 5.5.3 Datenanalyse .............................................................................................. 106 5.5.4 Bewertung der Messmodelle...................................................................... 107 5.5.5 Bewertung des Strukturmodells................................................................. 111 5.6 6
Zwischenergebnis .................................................................................................. 115
Teilhierarchie Mitarbeiter – Kunde ............................................................................ 117 6.1
Das Common-Agency-Problem............................................................................. 118
6.2
Der Anreizvertrag ohne Berücksichtigung der Common-Agency-Situation......... 124 6.2.1 Modellbeschreibung und Annahmen ......................................................... 124 6.2.2 Ergebnisdiskussion .................................................................................... 134
6.3
Der Anreizvertrag mit Berücksichtigung der Common-Agency-Situation ........... 141 6.3.1 Modellbeschreibung und Annahmen ......................................................... 141 6.3.2 Ergebnisdiskussion .................................................................................... 145
7
6.4
Der Anreizvertrag bei Einsatz von Hilfsgrößen zur Ergebnismessung ................. 152
6.5
Zwischenergebnis .................................................................................................. 156
Schlussbemerkungen..................................................................................................... 159
Anhang: Konstrukte und Indikatoren der empirischen Untersuchung ......................... 163 A.1: Reflektiv gemessene Konstrukte............................................................................. 163 A.2: Formativ gemessene Konstrukte ............................................................................. 165 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 167
XI
Abbildungsverzeichnis Abbildung 2.1:
Generische Typen von Dienstleistungen ..................................................... 11
Abbildung 3.1:
Top- und Basis-Ebene als Koordinations- und Ausführungsebene ............. 19
Abbildung 3.2:
Antizipation der Ausführungsebene ............................................................ 20
Abbildung 3.3:
Dienstleistungshierarchie............................................................................. 22
Abbildung 4.1:
Zeitlicher Ablauf der Vertragsbeziehung..................................................... 32
Abbildung 4.2:
Charakteristika der Ergebnismessung, differenziert nach Dienstleistungstyp........................................................................................ 36
Abbildung 4.3:
Kongruenz und Präzision der verfügbaren Performancemaße .................... 53
Abbildung 4.4:
Beispiel für zwei Dichtefunktionen ............................................................. 70
Abbildung 5.1:
Zeitlicher Ablauf der Vertragsbeziehung..................................................... 86
Abbildung 5.2:
Variation des optimalen Anteilsfaktors v in Abhängigkeit vom Integrativitätsindikator W .............................................................................. 89
Abbildung 5.3:
Effizienzverlust im Second-Best-Fall in % des First-Best-Ergebnisses in Abhängigkeit vom Integrativitätsindikator W ........................................... 91
Abbildung 5.4:
Hypothesenmodell ..................................................................................... 100
Abbildung 5.5:
Ergebnisse der Kausalanalyse mit PLS...................................................... 112
Abbildung 6.1:
Zeitlicher Ablauf der sequentiellen Common-AgencyVertragsbeziehung ..................................................................................... 123
Abbildung 6.2:
Kongruenz der Zielvektoren von Dienstleister und Kunde ....................... 127
Abbildung 6.3:
Prämiensätze des Dienstleisters in Abhängigkeit von der Kongruenz der Zielgrößen............................................................................................ 129
Abbildung 6.4:
Prämiensätze des Kunden in Abhängigkeit von der Kongruenz der Zielgrößen .................................................................................................. 135 XIII
Abbildung 6.5:
Erwartungsnutzen des Kunden in Abhängigkeit von der Kongruenz der Zielgrößen für den Fall, dass der Dienstleister das Kundenangebot nicht berücksichtigt.................................................................................... 137
Abbildung 6.6:
Erwartungsnutzen des Dienstleisters in Abhängigkeit von der Kongruenz der Zielgrößen für den Fall, dass der Dienstleister das Kundenangebot nicht berücksichtigt.......................................................... 139
Abbildung 6.7:
Summe des Erwartungsnutzens von Dienstleister und Kunden für den Common-Agency-Fall und den Fall exklusiver Verträge mit dem Agenten ...................................................................................................... 140
Abbildung 6.8:
Summe der Prämiensätze von Dienstleistungsunternehmer und Kunde in der Common-Agency-Lösung ............................................................... 146
Abbildung 6.9:
Optimale Prämiensätze des Dienstleistungsunternehmers und des Kunden....................................................................................................... 147
Abbildung 6.10: Maximaler Erwartungsnutzen des Dienstleisters in Abhängigkeit von der Kongruenz der Zielgrößen ................................................................... 149 Abbildung 6.11: Erwartungsnutzen des Dienstleisters in Abhängigkeit von der Kongruenz der Zielgrößen für den Fall, dass der Dienstleister das Kundenangebot berücksichtigt................................................................... 150 Abbildung 6.12: Erwartungsnutzen des Kunden in Abhängigkeit von der Kongruenz der Zielgrößen für den Fall, dass der Dienstleister das Kundenangebot berücksichtigt............................................................................................. 150 Abbildung 6.13: Summe des Erwartungsnutzens von Dienstleister und Kunde für den Common-Agency-Fall und den Fall exklusiver Verträge mit dem Agenten ...................................................................................................... 151 Abbildung 6.14: Kongruenz der Zielvektoren von Dienstleister und Kunde ....................... 153
XIV
Tabellenverzeichnis Tabelle 4.1:
Allgemeines Ergebnis im First-Best- und im Second-Best-Fall.................. 46
Tabelle 4.2:
First-Best-Lösung in Abhängigkeit von der technischen Abhängigkeit der Teilleistungen......................................................................................... 47
Tabelle 4.3:
Second-Best-Lösung bei Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses x........................................................................ 49
Tabelle 4.4:
Second-Best-Lösung bei Einsatz einer Hilfsgröße (y1 z x) zur Ergebnismessung ......................................................................................... 51
Tabelle 4.5:
Second-Best-Lösung bei zwei Performancemaßen y1 und y2, die jeweils unterschiedliche Leistungsdimensionen erfassen............................ 56
Tabelle 4.6:
Second-Best-Lösung bei einem eindimensionalen Performancemaß y1 und technischer Abhängigkeit der Teilleistungen (c z 0)............................ 58
Tabelle 5.1:
Vergleich der First-Best- und Second-Best-Arbeitseinsätze bei Double Moral Hazard ............................................................................................... 90
Tabelle 5.2:
Fragebogenrücklauf, differenziert nach Umsatz und Mitarbeiteranzahl der befragten Unternehmensberatungen .................................................... 101
Tabelle 5.3:
Fragebogenrücklauf, differenziert nach Geschäftsfeldern und Anzahl der Geschäftsfelder der befragten Unternehmensberatungen .................... 102
Tabelle 5.4:
Informationen über die Messinstrumente auf Konstruktebene.................. 109
Tabelle 5.5:
Korrelationen und Wurzeln der durchschnittlich erfassten Varianz auf Konstruktebene .......................................................................................... 109
Tabelle 5.6:
Vergleich der Pfadkoeffizienten je Honorarform ...................................... 114
Tabelle 5.7:
Effektgrößen der Konstrukte je Honorarform............................................ 115
Tabelle 6.1:
Common-Agency-Lösung des Dienstleisters für den Fall, dass der Dienstleister das Kundenangebot nicht berücksichtigt .............................. 128
XV
Tabelle 6.2:
Common-Agency-Lösung des Kunden für den Fall, dass der Dienstleister das Kundenangebot nicht berücksichtigt .............................. 134
Tabelle 6.3:
Common-Agency-Lösung des Dienstleisters und des Kunden für den Fall, dass der Dienstleister das Kundenangebot berücksichtigt................. 145
XVI
Symbolverzeichnis Nachfolgende Aufstellung gibt eine Übersicht über die in der Arbeit verwendeten Symbole. Zur Übersichtlichkeit wird teilweise auf die detaillierte Angabe der jeweils unterschiedenen Indizes verzichtet. Die im 5. und 6. Kapitel verwendeten Symbole werden im Folgenden nur dann separat aufgeführt, wenn sich deren Bedeutung gegenüber dem 4. Kapitel geändert hat.
Verwendete Symbole in Kapitel 4: ai
a
Anstrengungsniveau des Agenten für Teilleistung i
a1 , a2
t
Vektor der Anstrengungsniveaus des Agenten
Eab
Winkel, den zwei Vektoren a und b im \ 2 einschließen
C
Kostenfunktion des Agenten
C
Kostenkoeffizientenmatrix
CE A
Sicherheitsäquivalent des Agenten
cos
Kosinus
di
Grenzertrag des Prinzipals aus dem Anstrengungsniveau des Agenten für Teilleistung i
d
d1 , d 2
t
Vektor der Grenzerträge des Prinzipals
d
Norm des Vektors d
's
Siegprämie in einem Leistungsturnier
E
Erwartungswert des Ausdrucks
H
Exogene Zufallsvariable
F
Festgehalt des Agenten XVII
h
Dichte der Verteilungsfunktion H
H
Verteilungsfunktion der zusammengesetzten Zufallsvariablen -
i = 1, 2
Teilleistung, die vom Agenten ausgeführt wird
I
Einheitsmatrix
L
Effizienzverlust bzw. Agency-Kosten
P ji
Sensitivität eines Performancemaßes j auf Änderungen des Anstrengungsniveaus des Agenten für Teilleistung i
ȝj
P
j1
, P j2
t
Norm des Vektors ȝ j
ȝj
M
Vektor der Sensitivitäten eines Performancemaßes j
Matrix der Sensitivitäten der Performancemaße
ª¬ P ji º¼
r
Arrow-Pratt-Maß der absoluten Risikoaversion des Agenten
s
Entlohnungsfunktion des Agenten
sL
Prämie (Festgehalt ) für den Verlierer eines Leistungsturniers
sH
Prämie für den Gewinner eines Leistungsturniers
S
„Signal-to-Noise-Ratio“ eines Performancemaßes
V2
Varianz
V ij
Kovarianz zwischen zwei Zufallsvariablen i und j
T
Exogene Zufallsvariable
ș
T1 ,!,T m
Pi XVIII
t
Vektor der exogenen Zufallsvariablen Gewinnwahrscheinlichkeit von Agent i in einem Leistungsturnier
Agentenspezifischer exogener Zufallseinfluss auf Agent i in einem Leis-
\i
tungsturnier
I
Agentenunabhängiger exogener Zufallseinfluss in einem Leistungsturnier
-
Zusammengesetzte Zufallsvariable aus den individuellen exogenen Zufallsvariablen zweier Agenten in einem Leistungsturnier
UP
Risikonutzenfunktion des Prinzipals
UA
Risikonutzenfunktion des Agenten
U 0A
Reservationsnutzen des Agenten
v
Prämiensatz der variablen Vergütung des Agenten
x
Dienstleistungsergebnis
yj
Performancemaß j 1,..., m
y
y1 ,..., ym
t
Vektor der m verfügbaren Performancemaße
Verwendete Symbole in Kapitel 5: a
Anstrengungsniveau des Dienstleistungsunternehmers
E
Pfadkoeffizient zwischen zwei endogenen Variablen
c
Kostenfunktion des Kunden
cc
1. Ableitung der Kostenfunktion des Kunden
C
Kostenfunktion des Dienstleistungsunternehmers
C c
1. Ableitung der Kostenfunktion des Dienstleistungsunternehmers
GD , GK
Produktivität des Dienstleistungsunternehmers (D) bzw. des Kunden (K)
XIX
g a, k
Gemeinsames Anstrengungsniveau von Dienstleistungsunternehmer und Kunde
ga , gk
Partielle Ableitungen von g nach a bzw. k
J
Pfadkoeffizient zwischen exogener und endogener Variablen
1 i
Diskontierungsfaktor des Dienstleistungsunternehmers
k
Anstrengungsniveau des Kunden
p
Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Vertragsbeziehung zwischen Dienstleistungsunternehmer und Kunde zu Beginn einer Folgeperiode t t 1 endet
p
Irrtumswahrscheinlichkeit bei Signifikanztest
R2
Bestimmtheitsmaß einer endogenen Variablen
Q2
Stone-Geisser-Kriterium
tt0
Betrachtete Periode der Vertragsbeziehung zwischen Dienstleistungsunternehmer und Kunde (aktuelle Periode: t
0)
W
Indikator für die Integrativität der Dienstleistung
U 0K
Reservationsnutzen des Kunden
Verwendete Symbole in Kapitel 6: 'D
Differenz des Erwartungsnutzens des Dienstleistungsunternehmers
'K
Differenz des Erwartungsnutzens des Kunden
ki
Grenzertrag des Kunden aus dem Anstrengungsniveau des Agenten für Teilleistung i
XX
k1 , k2
k
t
Vektor der Grenzerträge des Kunden
k
Norm des Vektors k
K
Kosten des Kunden für einen eigenen Anreizvertrag
w
Wechselprämie des Kunden an den Agenten
xD
Dienstleistungsergebnis für den Dienstleistungsunternehmer
xK
Dienstleistungsergebnis für den Kunden (z. B. v D )
Kennzeichnung für Vertragsparameter, falls der Agent einen exklusiven Vertrag mit einem Prinzipal abschließt
(z. B. v K )
Kennzeichnung für Vertragsparameter, falls der Dienstleister die Common-Agency-Situation nicht berücksichtigt
ˆ (z. B. vˆ D )
Kennzeichnung für Vertragsparameter, falls der Dienstleister die Common-Agency-Situation berücksichtigt
XXI
1
Einleitung
1.1
Motivation und Fragestellungen
Heutige moderne Volkswirtschaften zeichnen sich dadurch aus, dass Dienstleistungsunternehmen, gemessen an der Anzahl der Beschäftigten und dem Anteil am Bruttoinlandsprodukt, zunehmend an Bedeutung gewinnen.1 Das Wachstum des Dienstleistungssektors wird dabei zum einen durch die wachsende Nachfrage seitens der Privathaushalte, zum anderen durch eine steigende Nachfrage nach und Auslagerung von Dienstleistungen seitens der Industrie bestimmt.2 Steigender Wettbewerbsdruck hat dazu geführt, dass viele Sachgüter- bzw. Industrieunternehmen zunehmend nicht mehr nur reine Sachgüter (z. B. LKW), sondern vermehrt ganze Leistungspakete mit bedeutenden Dienstleistungsanteilen (z. B. Finanzierung, Fuhrparkmanagement) verkaufen.3 Die Grenzen zwischen Dienstleistungs- und Sachgüterunternehmen sind daher mittlerweile fließend. Die wachsende volkswirtschaftliche Bedeutung von Dienstleistungen hat sich auch auf die betriebswirtschaftliche Forschung ausgewirkt. Bereits Mitte der 1970er Jahre wurde erkannt, dass die Dienstleistungsproduktion aufgrund der Immaterialität und Integrativität der Leistung besondere Problemstellungen aufweist, auf die Lösungen aus dem industriellen Bereich nur bedingt angewendet werden können. Seitdem wurde eine Vielzahl von Artikeln und Monographien veröffentlicht, die sich mit Fragen der Dienstleistungsproduktion, des Dienstleistungsmanagements und des Dienstleistungsmarketings auseinandersetzen.4 Gegenüber zahlreichen Beiträgen zu den oben genannten Themenbereichen gibt es jedoch relativ wenige Arbeiten zum Thema Dienstleistungscontrolling.5 Neben branchenspezifischen Controllingansätzen, z. B. für Banken, Versicherungen und Handelsunternehmen,6 wurden
1 2 3 4
5 6
Vgl. für Deutschland Fischer (2000), S. 1 ff., Haller (2001), S. 1 ff., für die USA Fitzsimmons/Fitzsimmons (2001), S. 5 ff., und Lovelock (2002), S. 7 ff. Vgl. Albach (1989), S. 403 ff. Vgl. Engelhardt et al. (1993) und Frese et al. (1999). Einen Überblick über in den letzten Jahren im Fokus stehende Forschungsfragen zum Thema Dienstleistungsproduktion findet man bei Nie/Kellogg (1999). Einen Literaturüberblick zum Bereich Dienstleistungsmarketing bieten Fisk et al. (1993). Vgl. z. B. die Literatur-Reviews zum Controlling (bzw. Management Accounting) von Lowry (1990, 1993), Otley (1994) und Shields (1997). Vgl. zum Controlling in Banken z. B. Hörter (1998) und Schierenbeck/Moser (1995); zum Controlling in Versicherungen z. B. Ennsfellner (1993); zum Controlling in Handelsunternehmen z. B. Ahlert/Olbrich (1997) und Graßhoff (2000).
1
bisher insbesondere „messtechnische“ und planerische Probleme, die durch die Immaterialität und Integrativität der Leistung entstehen, untersucht. Zu nennen ist hier beispielsweise die Data Envelopment Analysis (DEA), die speziell für die Produktivitätsmessung in öffentlichen Verwaltungen und Dienstleistungsunternehmen entwickelt wurde.7 Neuere Beiträge zur Kostenrechnung behandeln Fragen der Anwendbarkeit von Kostenrechnungsverfahren, wie z. B. der Prozesskostenrechnung und des Target Costing, für Dienstleistungsunternehmen.8 Im Rahmen des Ertragsmanagements wurden Optimierungs- und Simulationsmodelle zur dynamischen Preis- und Kapazitätssteuerung in Dienstleistungsunternehmen entwickelt.9 Trotz der gewonnenen Erkenntnisse bleibt noch eine Reihe zentraler Forschungsfragen offen.10 Insbesondere wurde im Rahmen des Controlling bisher vernachlässigt, welche Auswirkungen eine eingeschränkte Messbarkeit des Leistungsergebnisses sowie eine mangelnde Strukturierbarkeit (Standardisierbarkeit) des Leistungserstellungsprozesses auf die Gestaltung von Koordinationsinstrumenten zur Steuerung und Kontrolle der an der Leistungserstellung beteiligten Personen haben. Neben den Mitarbeitern des Dienstleistungsunternehmens ist hierbei auch der so genannte externe Faktor, d. h. in vielen Fällen der Kunde selbst, von Bedeutung.11 Dieser kann bei vielen Dienstleistungen durch seine Beteiligung an der Leistungserstellung sowohl Einfluss auf den Leistungsprozess als auch auf das Leistungsergebnis nehmen. KÜPPER beschreibt dies wie folgt: „Durch den großen Einfluss von Menschen auf diese Prozesse erhalten das Personalführungssystem und dessen Anreiz- und Motivationskomponenten eine besondere Bedeutung. Für das Controlling haben deshalb die Beziehungen zu diesem Führungsteilsystem noch mehr Gewicht als bei industriellen Prozessen. Koordination und Steuerung hängen in hohem Maße davon ab, in welchem Umfang es gelingt, die für eine Unternehmung tätigen Personen und diejenigen zu beeinflussen, für welche die Dienstleistung durchgeführt wird.“ 12
7 8 9 10 11
12
2
Die DEA wurde erstmals von CHARNES, COOPER und RHODES vorgestellt; vgl. Charnes et al. (1978). Einen Überblick über unterschiedliche Verfahren der DEA und deren Anwendungsbereiche gibt Schefczyk (1996). Vgl. z. B. Fischer (2000), Kap. 5, und Reckenfelderbäumer (1998), S. 404 ff. Für einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand im Ertrags- bzw. Yield-Management siehe Tscheulin/Lindenmeier (2003). Vgl. z. B. Lowry (1990). Der externe Faktor kann in drei Ausprägungen auftreten: (1) aktive Beteiligung des Kunden, (2) passive Beteiligung des Kunden, und (3) materielle und/oder immaterielle Güter oder Tiere. Vgl. Maleri (1994), S. 131. Im Rahmen dieser Arbeit steht die erste Ausprägung im Vordergrund. Küpper (1998), S. 380.
Bei der Gestaltung von Controllinginstrumenten zur Koordination der Dienstleistungsproduktion ist daher die Frage der Verhaltenssteuerung von besonderer Bedeutung.13 Das Problem der Verhaltenssteuerung existiert dabei für beliebige arbeitsteilige Beziehungen mit mindestens zwei Personen (oder Personengruppen), bei denen die Beteiligten unterschiedliche Ziele verfolgen und/oder Informationsasymmetrie zwischen den Beteiligten besteht. Aus Sicht des Dienstleistungsunternehmers besteht das Ziel der Verhaltenssteuerung darin, das Entscheidungsverhalten der Beteiligten auf die Zielsetzung der Unternehmung hin auszurichten.14 Besteht dabei zwischen den Beteiligten lediglich das Problem der Informationsasymmetrie, könnte die Verhaltenssteuerung allein dadurch geschehen, zusätzliche Informationen bereitzustellen, um die Informationsasymmetrie abzubauen. Bei Vorliegen divergierender Ziele zwischen den Beteiligten müssen zur Verhaltenssteuerung zusätzlich Anreize geschaffen werden, die sicherstellen, dass die Beteiligten ihre Entscheidungen auf die Ziele der Unternehmung hin ausrichten. Mit der Prinzipal-Agenten-Theorie steht ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dessen Hilfe Anreizprobleme analysiert werden können, um auf diese Weise zu Empfehlungen über die Gestaltung von Controllinginstrumenten zu gelangen.15 Prinzipal-Agenten-Modelle eignen sich dabei für die Analyse aller Beziehungen, bei denen eine Vertragspartei (der Prinzipal) eine andere Partei (den Agenten) damit beauftragt, für ihn eine bestimmte Tätigkeit auszuführen. Im Rahmen dieser Modelle wird formal analysiert, welcher Anreizvertrag den Erwartungsnutzen des Prinzipals maximiert und damit für diesen optimal ist. Eine wesentliche Annahme in den meisten dieser Modelle ist, dass der Prinzipal zwar das Verhalten (bzw. das Anstrengungsniveau) des Agenten nicht beobachten kann, stattdessen aber die Auswirkung dieses Verhaltens in Form des Ergebnisses (bzw. des Outputs).16 Diese Annahme ist allerdings aufgrund der eingeschränkten Messbarkeit des Leistungsergebnisses sowie einer mangelnden Strukturierbarkeit (Standardisierbarkeit) des Leistungsprozesses für viele Dienstleistungen nicht ohne Weiteres erfüllt. Daher ist die Übertragbarkeit bisheriger Ergebnisse zur Gestaltung anreiz- bzw. verhaltensorientierter Controllinginstrumente auf Dienstleistungsunternehmen nicht selbstverständlich.
13 14 15 16
Dies gilt insbesondere für Dienstleistungsunternehmen, die personalintensive und hoch integrative Dienstleistungen anbieten, wie z. B. Unternehmensberatungen. Vgl. Hofmann (2001), S. 5, Homburg (2001), S. 12, und Horváth (2001), S. 155. Vgl. Hofmann (2001), S. 6, und Küpper (2001), S. 56 ff. Vgl. Budde (2000), S. 4.
3
Im Rahmen dieser Arbeit soll daher untersucht werden, welche Auswirkungen die besonderen Charakteristika von Dienstleistungen auf die Gestaltung anreizorientierter Controllinginstrumente haben. Insbesondere liegt der Fokus dabei auf Dienstleistungen, die sich durch eine hohe Personalintensität und Integrativität auszeichnen, da hier die Frage der Verhaltenssteuerung besonders relevant ist.
1.2
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Im Rahmen dieser Arbeit soll ein Beitrag zur Beantwortung folgender Forschungsfragen geleistet werden: 1. Welche Auswirkungen besitzen die Charakteristika der Dienstleistungsproduktion (eingeschränkte Messbarkeit des Leistungsergebnisses und Integration des externen Faktors in den Prozess der Leistungserstellung) auf die optimale Gestaltung von Anreizverträgen zur Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen? 2. Von welchen Determinanten (situativen Faktoren) hängt die Wahl eines bestimmten Anreizvertrages ab? Die erste Forschungsfrage wird anhand theoretischer Überlegungen auf Basis von PrinzipalAgenten-Modellen beantwortet. Das Standardmodell einer Agency-Beziehung zwischen einem Prinzipal und einem Agenten, dem die Annahme messbarer und verifizierbarer Performancemaße zugrunde liegt, wird in mehrere Richtungen erweitert. Zum einen werden die Anreizprobleme analysiert, die sich aufgrund der Immaterialität der Leistung und der damit verbundenen Probleme bei der Messbarkeit und Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses ergeben. Zum anderen werden die Anreizprobleme analysiert, die aus der Integrativität der Leistung resultieren. Hierzu zählt die Situation, dass sowohl der Dienstleister als auch der Kunde einen produktiven Arbeitsbeitrag leisten müssen (Double Moral Hazard), und auch die Situation, dass zwei Prinzipale das Verhalten eines Agenten steuern (Common Agency). Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wurde eine empirische Untersuchung bei Unternehmensberatungen durchgeführt. Für deren Auswahl war der hohe Grad der Integrativität ausschlaggebend, durch den sich Beratungsleistungen neben ihrer Komplexität und Immaterialität auszeichnen. Dies hat zur Folge, dass die Qualität der Beratungsleistung zum einen häufig nur schwer messbar ist und zum anderen sowohl von den Arbeitseinsätzen der Unterneh4
mensberatung als auch des Kunden abhängt. Da beide Vertragsparteien während der Leistungsbeziehung Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten haben, ist zu vermuten, dass Double-Moral-Hazard-Probleme in diesem Dienstleistungsbereich besonders schwerwiegend sind.17 Geeignete Anreizverträge können opportunistisches Verhalten einer Vertragspartei zumindest einschränken. Die auf Basis theoretischer Ergebnisse generierten Hypothesen hinsichtlich der Determinanten des Einsatzes bestimmter Anreizverträge bei Vorliegen einer Double-Moral-Hazard-Situation werden anhand der empirischen Daten getestet. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Im zweiten Kapitel werden Dienstleistungen definiert und die Charakteristika der Dienstleistungsproduktion dargestellt. Auf Basis einer Literaturanalyse wird auf bisherige Erkenntnisse der Dienstleistungsforschung eingegangen und es werden offene Fragen hinsichtlich der Gestaltung von Koordinationsinstrumenten zur Verhaltenssteuerung aufgezeigt. Im dritten Kapitel werden die Entscheidungsebenen und Entscheidungsprozesse bei Dienstleistungen beschrieben. Als einheitlicher Modellrahmen dient dabei die hierarchische Controllingkonzeption von HOMBURG.18 Im vierten Kapitel werden Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung innerhalb der Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Mitarbeiter formal analysiert. Insbesondere stehen hier die Implikationen im Vordergrund, die sich aufgrund der eingeschränkten Messbarkeit des Dienstleistungsergebnisses für die Gestaltung von Anreizverträgen in Dienstleistungsunternehmen ergeben. Auf der Grundlage eines Prinzipal-Agenten-Modells mit Multitasking des Agenten werden verschiedene Ausprägungen von Messproblemen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die optimale Gestaltung von Anreizverträgen untersucht. Hierbei wird gezeigt, dass zur Steuerung komplexer und schlecht strukturierbarer Aufgaben der alleinige Einsatz objektiver, d. h. verifizierbarer, Performancemaße und deren Koppelung an Prämienzahlungen unter bestimmten Bedingungen nicht ausreicht, um das gewünschte (First-Best-) Verhalten zu induzieren. Abhängig von den Spezifika der Dienstleistung bieten sich insbesondere Anreizinstrumente an, mittels derer auch nicht-verifizierbare Leistungsdimensionen
17 18
Zu Beispielen für opportunistisches Verhalten sowohl des Beratungsunternehmens als auch des Kunden vgl. Kaas (1992), S. 889 f. Vgl. Homburg (2001).
5
incentiviert werden können, um mögliche Fehlallokationen des Arbeitseinsatzes des Agenten zu reduzieren. Das fünfte Kapitel befasst sich mit den Auswirkungen der Integrativität von Dienstleistungen auf die Gestaltung von Anreizverträgen innerhalb der Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Kunde. Auf Basis eines statischen (einperiodigen) und eines dynamischen (mehrperiodigen) Double-Moral-Hazard-Modells wird analysiert, welche Determinanten für die Wahl eines bestimmten Anreizvertrages im Rahmen der Leistungsbeziehung zwischen einem Dienstleistungsunternehmer und seinem Kunden bestimmend sind. Die gewonnenen theoretischen Erkenntnisse dieses Abschnitts werden im Rahmen einer empirischen Untersuchung für Unternehmensberatungen getestet. Im sechsten Kapitel werden Anreizprobleme innerhalb der Teilhierarchie Mitarbeiter – Kunde formal analysiert. Im Fokus steht dabei die Verhaltenssteuerung eines Mitarbeiters, der sich den Anforderungen zweier Prinzipale (Dienstleistungsunternehmer und Kunde) gegenübersieht. Grundlage der Analyse ist ein Common-Agency-Modell, welches die modellendogene Berücksichtigung unterschiedlicher Zielvorstellungen von Dienstleistungsunternehmer und Kunde ermöglicht. Das siebte Kapitel beschließt die Arbeit mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und einem Ausblick auf weitere Forschungsfragen.
6
2
Stand der Dienstleistungsforschung
In diesem Kapitel werden die Grundlagen der Dienstleistungsproduktion beschrieben. Zu Beginn wird in Abschnitt 2.1 der Begriff Dienstleistungen definiert. Anschließend werden in Abschnitt 2.2 die Charakteristika der Dienstleistungsproduktion dargestellt. In Abschnitt 2.3 werden auf Basis einer Literaturrecherche bisherige Erkenntnisse der Dienstleistungsforschung vorgestellt und offene controllingrelevante Fragen aufgezeigt.
2.1
Definition von Dienstleistungen
In der Literatur finden sich vielfältige Vorschläge zur Definition von Dienstleistungen.19 Im Rahmen dieser Arbeit werden Dienstleistungen anhand folgender konstitutiver Merkmale, über die mittlerweile in der neueren Literatur Konsens besteht, definiert:20 x
Immaterialität der Leistung: Bei Dienstleistungen handelt es sich um Tätigkeiten oder Prozesse, wobei das Ergebnis eines Dienstleistungsprozesses immateriell (z. B. Beratung) oder materiell (z. B. geschnittene Haare) sein kann.21 Während das Dienstleistungsergebnis in vielen Fällen (wenn auch nicht immer) gespeichert werden kann (z. B. Bericht als Ergebnis eines Beratungsgesprächs), ist dies für die Dienstleistung selber meist nur eingeschränkt möglich.22
x
Integration des externen Faktors:23 Die Erstellung von Dienstleistungen erfordert einen direkten oder indirekten Kontakt zwischen dem Kunden und dem Dienstleister. Die Integration des externen Faktors in den Prozess der Leistungserstellung bedingt die Simultanität von Produktion und Absatz24 (Uno-Actu-Prinzip), d. h., damit eine Dienstleistung end-
19 20
21 22 23 24
Für einen Überblick und eine Diskussion verschiedener Definitionsvorschläge siehe z. B. Corsten (2001), S. 19-30, und Maleri (1994), S. 1-42. Vgl. z. B. Corsten (2001), S. 27, Fitzsimmons/Fitzsimmons (2001), S.5, und Hentschel (1992), S. 26. Eine der ersten Definitionen auf Basis konstitutiver Merkmale stammt von Rathmell (1966). Ihr liegen auch viele der späteren Definitionen zugrunde. Vgl. Fischer (2000), S. 46. SASSER, OLSEN und WYCKOFF drücken dies folgendermaßen aus: „While the consumer cannot retain the actual service after it is produced, the effect of the service can be retained.“ Vgl. Sasser et al. (1978), S. 8. Als externer Faktor wird der Kunde oder ein Objekt des Kunden bezeichnet. Beispiele für Objekte sind Tiere beim Tierarztbesuch oder Schuhe bei der Schuhreparatur. Vgl. Haller (2001), S. 7. Genauer: Der Absatz muss vor der Produktion stattfinden. Vgl. Maleri (1994), S. 37.
7
gültig produziert werden kann, muss ein Kunde da sein.25 Lediglich die Leistungsbereitschaft kann im Vorfeld geschaffen werden, die eigentliche (End-)Produktion kann erst zusammen mit dem Kunden erfolgen. Eine klare Unterscheidung zwischen Sachgütern und Dienstleistungen ist in der Praxis allerdings oft nicht einfach zu treffen, da viele Sachgüter mit (zusätzlichen) Dienstleistungen (z. B. Beratung, Installation) verkauft werden und der Kauf vieler Dienstleistungen auch Sachleistungen (z. B. Essen in einem Restaurant) beinhaltet.26 Somit handelt es sich bei den meisten Produkten streng genommen um Leistungsbündel, bei denen Sach- und Dienstleistungen in unterschiedlichen Anteilen kombiniert werden. Daher ist die Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und Sachgütern auf Basis konstitutiver Merkmale nicht als eindeutige Dichotomie, sondern vielmehr als Kontinuum zu verstehen.27
2.2
Charakteristika der Dienstleistungsproduktion
Aufgrund der Immaterialität der Leistung und der Integration des externen Faktors in den Prozess der Leistungserstellung zeichnet sich die Dienstleistungsproduktion durch eine Reihe besonderer Charakteristika aus: x
Schwankungen der Nachfrage haben direkten Einfluss auf die Dienstleistungsproduktion: Durch die Integration des externen Faktors und die dadurch bedingte Simultanität von Produktion und Absatz haben die meisten Dienstleistungsunternehmen nicht die Möglichkeit, Nachfrageschwankungen über ein Lager auszugleichen.28 Stochastische Schwankungen der Nachfrage wirken sich bei vielen Dienstleistungen daher direkt auf die Dienstleistungsproduktion aus.29 Die Planung der Produktionskapazität von Dienstleistungsunternehmen ist daher in vielen Fällen besonders problematisch. Wird diese am potentiellen Spitzenbedarf ausgerichtet, ergeben sich in nachfrageschwachen Zeiten Leer-
25
26 27 28 29
8
Der Dienstleister kann lediglich im Vorfeld ein Leistungspotential aufbauen. Die endgültige Fertigstellung der Dienstleistung kann erst durch Integration des externen Faktors erfolgen. Dienstleistungen können daher nicht für den „anonymen“ Markt auf Lager produziert werden. Vgl. Fitzsimmons/Fitzsimmons (2001), S. 21. Vgl. Engelhardt et al. (1993), S. 395 ff. Vgl. Fitzsimmons/Fitzsimmons (2001), S. 27. Diese können systematisch auftreten, wie bei saisonalen, tages- oder auch tageszeitbedingten Schwankungen, oder auch unsystematisch. Größere Planungsprobleme ergeben sich aufgrund unsystematischer Schwankungen der Nachfrage.
kapazitäten und Leerkosten, wird sie dagegen an einer „Normalnachfrage“ ausgerichtet, ergeben sich bei überdurchschnittlicher Nachfrage längere Wartezeiten für Kunden (mit möglicherweise unzufriedenen Kunden) oder entgangene Umsätze (sofern Kunden nicht bedient werden können). x
Koproduktion der Leistung: Durch die Integration des externen Faktors in den Prozess der Leistungserstellung wirkt der Kunde an der Dienstleistungsproduktion mit. Dies wird in der Literatur auch als Koproduktion bezeichnet.30 Die Indeterminiertheit hinsichtlich des zeitlichen, mengenmäßigen und qualitativen Auftretens des externen Faktors führt dazu, dass Dienstleistungsunternehmen keine völlige Autonomie hinsichtlich des Dienstleistungsprozesses und des Dienstleistungsergebnisses haben.31 Daraus ergibt sich die besondere Anforderung an Dienstleistungsunternehmen, neben dem Einsatz interner Produktionsfaktoren auch den Einsatz des externen Faktors zu koordinieren.
x
Heterogenität der Leistung: Viele Dienstleistungen zeichnen sich im Vergleich zu Sachgütern durch eine größere Heterogenität der Leistung aus.32 Diese ergibt sich zum einen aufgrund der Beteiligung des Kunden an der Leistungserstellung, zum anderen aber, insbesondere bei personalintensiven Dienstleistungen, auch aufgrund der Variabilität des Produktionsfaktors Mensch. Menschen sind keine homogenen Produktionsfaktoren, sondern unterscheiden sich z. B. hinsichtlich ihrer Qualifikation, ihrer Motivation und ihres freundlichen Auftretens. Dadurch ergeben sich für viele Dienstleistungsunternehmen im Vergleich zu Sachgüterunternehmen größere Probleme bei der Standardisierung sowohl des Prozessablaufs als auch des Prozessergebnisses.33
x
Eingeschränkte Messbarkeit der Leistung: Aufgrund der Immaterialität von Dienstleistungen sind die in der Sachgüterproduktion üblichen Verfahren wie Messen, Wiegen und Zählen für die Ermittlung des quantitativen und qualitativen Outputs vieler Dienstleistungen nicht oder nur bedingt geeignet.34 Beispielsweise kann bei den Dienstleistungen von Ärzten, Rechtsanwälten und Unternehmensberatern zwar die Anzahl der Kundenkontakte gezählt werden, es ist aber nur schwer zu ermitteln, wie viel Gesundheit oder Beratung
30 31 32 33 34
Vgl. beispielsweise Meyer et al. (2000), S. 52. Vgl. Corsten (2001), S. 167 ff. Beispiele für potentielle Probleme bei der Dienstleistungsproduktion durch „Fehlverhalten“ von Kunden gibt Haller (2001), S. 17. Personenbezogene Dienstleistungen variieren häufig von Kunde zu Kunde. Vgl. Schneeweiß (2002b), S. 310. Vgl. Maleri (1994), S. 102.
9
tatsächlich produziert wurde.35 Auch für die Bewertung der erbrachten Qualität lassen sich objektive Kriterien häufig nur schwer finden. Qualitätsurteile über Dienstleistungen weisen daher meist mehr subjektive Komponenten als Urteile über Sachgüter auf.36 Trotz gemeinsamer konstitutiver Merkmale bilden Dienstleistungen eine sehr heterogene Gruppe von Produkten, wodurch allgemeingültige Aussagen nur schwer möglich sind. Daher muss einschränkend zu den oben genannten Charakteristika ergänzt werden, dass diese nicht für alle Dienstleistungsunternehmen im gleichen Maße gelten. Für eine differenzierte Analyse von Problemen der Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen bietet es sich daher an, im Vorfeld zu spezifizieren, für welche Dienstleistungsunternehmen die zu treffenden Aussagen gelten sollen. Nach einer empirischen Untersuchung von SILVESTRO et al. lassen sich drei Grundtypen von Dienstleistungen unterscheiden:37 Professionelle Dienstleistungen, „Dienstleistungswerkstätten“ und Massendienstleistungen. Die Differenzierung basiert auf sechs Kriterien: (1) Personal- versus Kapitalintensität, (2) Fokus auf Front- versus BackOffice, (3) Produkt- versus Prozessorientierung, (4) Individualisierungsgrad der Dienstleistung, (5) Entscheidungsfreiheit des Kundenkontaktpersonals, und (6) Interaktionszeit zwischen Kunden und Mitarbeitern. Abbildung 2.1 gibt die Ausprägungen der Kriterien für die drei Dienstleistungstypen wieder.
35
36 37
10
Vgl. Haller (2001), S. 20, und Maleri (1994), S. 104. In der Praxis werden häufig Hilfsgrößen zur Messung der erbrachten Leistung eingesetzt. Beispielsweise könnte die Leistung eines Rechtsanwalts am Streitwert, bei Ärzten anhand des abgerechneten Leistungsumfangs gemessen werden. Vgl. Haller (1993), S. 21. Diese Grundtypen wurden von SILVESTRO et al. auf Basis einer empirischen Untersuchung englischer Dienstleistungsunternehmen identifiziert; vgl. Silvestro et al. (1992). Eine ähnliche Einteilung verwendet auch Friedl (1998), S. 471 f. FRIEDL bezeichnet Massendienstleistungen als Typ I, „Dienstleistungswerkstätten“ als Typ II, und Professionelle Dienstleistungen als Typ III. Für einen Überblick über andere DienstleistungsTypologien siehe Corsten (2001), S. 31-53.
Hoch Professionelle Dienstleistungen (4) Individualisierungsgrad der Dienstleistung (5) Entscheidungsfreiheit des Kundenpersonals (6) Interaktionszeit zwischen Kunden u. Mitarbeitern
(1) Personalintensiv (2) Fokus auf Front-Office (3) Prozessorientiert
„Dienstleistungswerkstätten“
kein klarer Fokus bei den Kriterien (1) bis (6)
(1) Kapitalintensiv (2) Fokus auf Back-Office (3) Produktorientiert
Massendienstleistungen Niedrig Niedrig
Hoch Anzahl bedienter Kunden pro Tag
Abbildung 2.1:
Generische Typen von Dienstleistungen38
Professionelle Dienstleistungen (Professional Services) sind meist personalintensiv, zeichnen sich durch einen hohen Grad der Interaktion zwischen Kunden und Mitarbeitern sowie eine hohe Individualisierung der Leistung aus. Die Anzahl bedienter Kunden pro Tag ist niedrig. Aufgrund der meist komplexen und schwierigen Aufgaben werden hohe Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter gestellt. Da weder Prozessablauf noch das Ergebnis ex ante feststehen, haben Mitarbeiter bei der Erbringung der Dienstleistung hohe Freiheitsgrade und Entscheidungsbefugnisse. Beispiele hierfür sind Unternehmensberatungen, Rechtsanwaltskanzleien und Arztpraxen.
Massendienstleistungen (Mass Services) zeichnen sich durch eine hohe Anzahl bedienter Kunden aus, wodurch die Interaktionszeit zwischen Kunden und Mitarbeitern eher kurz ist. Sowohl die Prozesse als auch das Ergebnis sind weitgehend standardisiert. Da ein Großteil der Leistung meist im Back-Office erbracht wird, sind diese Dienstleistungen häufig auch kapitalintensiv. Mitarbeiter im Front-Office mit direktem Kundenkontakt sind meist niedrig qualifiziert und haben aufgrund standardisierter Abläufe relativ geringe Entscheidungsfreiheiten. Beispiele hierfür sind Logistikunternehmen, Fluggesellschaften und OnlineInformationsdienste.
38
Angelehnt an Silvestro et al. (1992), S. 73.
11
„Dienstleistungswerkstätten“ (Service Shops) liegen bezüglich ihrer Personalintensität, der Anzahl bedienter Kunden, der Individualisierung der Leistung und der Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter zwischen professionellen Dienstleistungen und Massendienstleistungen. Die Abläufe und Ergebnisse sind meist weniger standardisiert als bei Massendienstleistungen. Mitarbeiter im Front-Office verfügen über entsprechende Qualifikationen, um Kunden zu beraten und nach dem Kauf zu betreuen. Beispiele hierfür sind Banken für „NormalPrivatkunden“, Hotels und spezialisierte Logistikanbieter. Im Rahmen dieser Arbeit soll der Fokus auf personalintensive Dienstleistungen mit einem hohen Integrativitätsgrad gelegt werden, da anzunehmen ist, dass dort die Problematik der Verhaltenssteuerung besonders komplex ist. Dies gilt insbesondere für professionelle Dienstleistungen. Im Rahmen der empirischen Untersuchung soll für ausgewählte theoretische Ergebnisse überprüft werden, welche Determinanten einen Einfluss auf den Einsatz bestimmter Anreizverträge zur Verhaltenssteuerung haben.
2.3
Ergebnis der Literaturrecherche
Die meisten Arbeiten über Dienstleistungen lassen sich den Themenbereichen Dienstleistungsmanagement und Dienstleistungsmarketing zuordnen. Innerhalb des „Oberthemas“ Dienstleistungsmanagement wurden insbesondere Fragen zur Dienstleistungsproduktion und innerhalb des Dienstleistungsmarketings Fragen zur Dienstleistungsqualität betrachtet. Während zu Beginn der Forschungen über Dienstleistungen in den 1960er und 1970er Jahren noch Definitionsfragen von Dienstleistungen und die Identifizierung von Unterscheidungsmerkmalen zwischen Dienstleistungen und Sachgütern im Vordergrund standen, stehen seit Mitte der 1980er Jahre bis heute folgende Fragen im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten:39 x
Design und Management von Dienstleistungsprozessen: Klassifizierung von Dienstleistungsprozessen (bzw. Dienstleistungsunternehmen)40, Erfassung von Kundenaktivitäten durch Service Blueprinting und Service Mapping zur Effizienzsteigerung und Stan-
39
40
12
Eine Bestandsaufnahme der englischsprachigen Literatur zum Dienstleistungsmarketing findet sich bei Fisk et al. (1993). Da viele dieser Arbeiten in interdisziplinären Teams erarbeitet wurden, handelt es sich nicht nur um Arbeiten zu klassischen Marketingfragen, sondern zu allen oben genannten Themenbereichen. Eine neuere Bestandsaufnahme wurde von Nie/Kellogg (1999) erarbeitet. Vgl. beispielsweise Silvestro et al. (1992).
dardisierung von Dienstleistungsprozessen41 sowie allgemeine Arbeiten zum Dienstleistungsmanagement42 und zur Dienstleistungsproduktion43. x
Messung von Dienstleistungsqualität: Identifizierung der Dimensionen von Dienstleistungsqualität und Erarbeitung geeigneter Messinstrumente.44
x
Management der Interaktion zwischen Mitarbeitern und Kunden (der so genannte Service Encounter45): Identifizierung der Dimensionen der Interaktion46, Management der Interaktion zwischen Mitarbeitern und Kunden47, Rolle des Kunden im Rahmen der Dienstleistungsproduktion48, Rolle des Mitarbeiters49 und Einfluss der physischen Rahmenbedingungen auf die Kundenzufriedenheit50.
Gegenüber den zahlreichen Beiträgen zu den oben genannten Themenbereichen gibt es vergleichsweise wenige Arbeiten zum Thema Dienstleistungscontrolling.51 Bisherige Beiträge untersuchten insbesondere „messtechnische“ und planerische Probleme bei Dienstleistungen: x
„Messtechnische“ Probleme: Zum einen resultieren aus der Immaterialität von Dienstleistungen Schwierigkeiten bei der Erfassung und Messung der Quantität und Qualität der erbrachten Dienstleistung.52 Zum anderen sind Dienstleistungen schwerer zu standardisieren, da durch die Beteiligung des Kunden an der Leistungserstellung und die Heterogeni-
41 42 43 44
45 46 47 48 49 50 51
52
Vgl. z. B. Kingman-Brundage (1991) und Shostack (1984). Vgl. z. B. Corsten (2001), Fitzsimmons/Fitzsimmons (2001), Grönroos (1994), Gummesson (1994), Haller (2001), Lovelock (2002) und Sasser et al. (1978). Vgl. z. B. Maleri (1994). Ein grundlegendes Modell zur Messung der Dienstleistungsqualität, das so genannte Gap-Modell, wurde von ZEITHAML et al. veröffentlicht; vgl. Zeithaml et al. (1990). Weitere Arbeiten zur Dienstleistungsqualität stammen z. B. von Bitner (1990), Bitner et al. (1990) und Crosby et al. (1990). Deutschsprachige Arbeiten gibt es z. B. von Bruhn/Stauss (2000), Haller (1993), Hentschel (1992, 2000) und Scharitzer (1994). Vgl. Solomon et al. (1985). Vgl. z. B. Chandon et al. (1997). Vgl. z. B. Czepiel et al. (1985), Fließ (2001) und Mills (1990). Vgl. z. B. Chase (1984), Gabbott/Hogg (1999), Goodwin (1990), Kelley et al. (1990), Larsson/Bowen (1989), Lovelock/Young (1984) und Mills/Morris (1986). Vgl. Bowen/Lawler (1992). Vgl. Bitner (1990). LOWRY vermutet hierfür folgende Gründe: Erstens sind die meisten Dienstleistungsunternehmen klein, wodurch institutionalisierte Koordinationsinstrumente wie Budgetierungs- und Verrechnungspreissysteme weniger relevant sein könnten. Zweitens limitiert das Fehlen standardisierter Prozesse und Outputs die Nutzbarkeit quantitativer Modelle. Drittens gibt es eine Zurückhaltung, Erkenntnisse aus anderen Bereichen zu übernehmen. Vgl. Lowry (1990), S. 180 ff. Vgl. Maleri (1994), S. 102.
13
tät des Produktionsfaktors Mensch53 sowohl der Leistungsprozess als auch das Leistungsergebnis bei jeder Dienstleistung variieren. Aus der eingeschränkten Messbarkeit der Leistung ergeben sich weitreichende Probleme im Rahmen der Leistungsbeurteilung.54 Ein Ansatz, der speziell für die Produktivitätsmessung für öffentliche Verwaltungen und Dienstleistungsunternehmen entwickelt wurde, ist die Data Envelopment Analysis (DEA). Hierzu gibt es mittlerweile weit über 1.000 Beiträge mit Anwendungsbeispielen und Weiterentwicklungen des ursprünglichen Modells.55 Das Fehlen standardisierter Prozesse und Leistungen bzw. Produkte wirkt sich auch auf die Gestaltung der Kostenrechnung aus, da die meisten Kostenrechnungsverfahren klar definierte Prozesse und Produkte voraussetzen.56 Aktuellere Beiträge zur Kostenrechnung für Dienstleistungsunternehmen behandeln insbesondere Fragen der Anwendbarkeit neuerer Kostenrechnungsverfahren, wie der Prozesskostenrechnung und des Target Costing, für Dienstleistungsunternehmen.57 x
Planungsprobleme: Durch die Integration des externen Faktors und die dadurch bedingte Simultanität von Produktion und Absatz haben die meisten Dienstleistungsunternehmen nicht die Möglichkeit, Nachfrageschwankungen über ein Lager auszugleichen.58 Stochastische Schwankungen der Nachfrage wirken sich daher direkt auf die Dienstleistungsproduktion aus. Dienstleistungsunternehmen stehen vor der schwierigen Aufgabe, ihre Kapazitäten ex ante bezüglich des Zeitpunktes und des Ortes der Nachfrage optimieren zu müssen.59 Ansätze zur dynamischen Preis- und Kapazitätssteuerung wurden im Rahmen von Arbeiten zum Ertragsmanagement entwickelt.60
Trotz der erkannten Bedeutung der Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen61 gibt es bisher nur wenige Arbeiten, die sich diesem Thema widmen. Eine Arbeit hierzu wurde von
53
54 55 56 57 58 59 60 61
14
Menschen unterscheiden sich z. B. hinsichtlich ihrer Qualifikation, ihrer Motivation und ihres Auftretens. Hierbei gibt es nicht nur Unterschiede zwischen Personen, sondern auch je nach Tagesform Schwankungen bei ein und derselben Person. Vgl. Corsten (2001), S. 152. Allgemein zur Performancemessung in Dienstleistungsunternehmen siehe Brignall/Ballantine (1996) und Fitzgerald et al. (1994). Vgl. Charnes/Cooper/Rhodes (1978). Ein Überblick über unterschiedliche Verfahren der DEA und Anwendungsbereiche findet sich z. B. bei Schefczyk (1996) und Westermann (1999). Zu Kostenrechnungsproblemen bei Dienstleistungsunternehmen vgl. z. B. Brignall (1997), Brignall et al. (1991), Dearden (1978) und McDonald/Stromberger (1969). Vgl. Fischer (2000), Kap. 5, und Reckenfelderbäumer (1998). Vgl. Fitzsimmons/Fitzsimmons (2001), S. 27. Sachgüterunternehmen haben dagegen meist den Vorteil, aufgrund der Ausgleichsfunktion des Lagers nicht zeitpunkt-, sondern lediglich zeitraumbezogen optimieren zu müssen. Vgl. Tscheulin/Lindenmeier (2003). Vgl. Küpper (1998), S. 380.
MODELL vorgestellt, der auf Basis zweier detaillierter Fallstudien (einer öffentlichen Zahnarztklinik und einer privaten Wirtschaftsprüfung) Fragen der Verhaltenssteuerung im Rahmen des Responsibility Accounting untersucht hat.62 Aufgrund der rein deskriptiven Herangehensweise und nur zweier Fallstudien ist eine Verallgemeinerung der gefundenen Ergebnisse allerdings problematisch. Etwas ältere Arbeiten von Organisationsforschern, insbesondere EISENHARDT und OUCHI, untersuchen geeignete Instrumente zur Verhaltenssteuerung auf Basis agency- und organisationstheoretischer Modelle.63 Nach OUCHI sind Zweifel hinsichtlich der Eignung rechnungswesenbasierter Steuerungsinstrumente für viele Dienstleistungen angebracht. Der Steuerung auf Basis von ex ante festgelegten Spezifikationen der Prozesse und Leistungsstandards und einer ex post durchgeführten Leistungsbeurteilung sind aufgrund der Charakteristika der Dienstleistungsproduktion häufig Grenzen gesetzt. Für Dienstleistungen, bei denen weder der Prozessablauf noch das Ergebnis ex ante feststehen, schlägt er informelle bzw. soziale Steuerungsmechanismen (so genannte Clan Controls64) vor, die innerhalb einer Gruppe von Professionals das Verhalten Einzelner steuern.65 Da der ausschließliche Einsatz informeller Steuerungsmechanismen in der Praxis nicht unproblematisch ist,66 wird in der Literatur auf die Relevanz formaler Steuerungsmechanismen auch für Unternehmen mit komplexen Dienstleistungen hingewiesen.67 Neben der Frage nach geeigneten Steuerungsmechanismen für interne Mitarbeiter stellt sich auch die Frage der Steuerung des externen Faktors.68 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Thema Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen weiterhin relevant ist. Neuere Arbeiten zur Prinzipal-Agenten-Theorie (insbesondere zum Problem des Double Moral Hazard und der Common Agency) bieten einen geeigneten formalen Rahmen, der die Analyse dienstleistungsspezifischer Fragen der Verhaltenssteuerung aus Sicht des Controlling ermöglicht. Dies soll im Rahmen dieser Arbeit versucht werden.
62 63 64 65 66
67 68
Vgl. Modell (1998). Vgl. Eisenhardt (1985) und Ouchi (1977, 1979). Hierunter fallen z. B. geteilte Normen, Werte und Einstellungen, die durch die Mitglieder einer Gruppe bzw. Clans durchgesetzt werden. Vgl. zu Clan-Organisationen z. B. Picot et al. (1999), S. 72. Vgl. Ouchi (1979), S. 835 f. Vgl. Simons (1995). Probleme, die entstehen, wenn Kontroll- und Steuerungsmechanismen nicht eingesetzt werden oder nicht funktionieren, kann man an einer Reihe von Skandalen in der Vergangenheit (z. B. Arthur Andersen, Enron) erkennen. Vgl. Lowry (1990) und Mills/Posner (1982). Fragen zur Steuerung des externen Faktors werden auch beispielsweise im Rahmen des Supply Chain Managements und des Supply Chain Controlling diskutiert.
15
3
Koordination in Dienstleistungsunternehmen
In diesem Kapitel wird der Modellrahmen für die weitere Analyse dargestellt. Hierzu wird in Abschnitt 3.1 auf die Ursachen von Koordinationsproblemen in Unternehmen und die Koordinationsfunktion des Controlling eingegangen. In Abschnitt 3.2 wird die hierarchische Controllingkonzeption von HOMBURG skizziert und für die Dienstleistungsproduktion konkretisiert. Abschnitt 3.3 widmet sich der Frage, welche Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung grundsätzlich existieren und welche spezifischen Probleme aus Sicht des Dienstleistungsunternehmers im Rahmen der Verhaltenssteuerung des Mitarbeiters und des Kunden auftreten können.
3.1
Koordination als Aufgabe des Controlling
Koordinationsprobleme entstehen in Unternehmen durch die Zerlegung komplexer Entscheidungsfelder in interdependente partielle Entscheidungsfelder. Zur Ausrichtung partieller und interdependenter Entscheidungen auf ein angestrebtes Gesamtziel besteht die Notwendigkeit, Koordinationsinstrumente einzusetzen, die eine Abstimmung zwischen den separierten Entscheidungsfeldern sicherstellen.69 Das betriebliche Führungssystem lässt sich in die Kernelemente (Teilsysteme) Planung, Kontrolle, Organisation, Personalführung und Informationsversorgung zerlegen. Die originäre Aufgabe des Controlling besteht nach herrschender Meinung in der Koordination dieser Teilsysteme.70 Im Rahmen dieser Arbeit wird unter Controlling die Summe aller Maßnahmen verstanden, die dazu dienen, die Teilsysteme des betrieblichen Führungssystems so aufeinander abzustimmen, d. h. zu koordinieren, dass die Ziele der Unternehmung optimal erreicht werden. Das Grundproblem des Controlling besteht daher in der Bereitstellung von Bewertungsinformationen, die eine Koordination im Hinblick auf ein übergeordnetes, im Allgemeinen monetäres Gesamtziel ermöglichen.71 Die Bedeutung und Notwendigkeit zur Koordination nimmt mit dem Grad der Interdependenzen und dem Ausmaß der Zerlegung der Entscheidungsfelder zu. Nach Art der vorliegenden Interdependenzen kann man zwischen Sachinterdependenzen und Verhaltensinterdependen-
69 70 71
Vgl. Küpper (2001), S. 34. Vgl. Homburg (2001), S. 6, und Wöhe (2002), S. 205. Vgl. Homburg (2001), S. 6.
17
zen unterscheiden. Sachinterdependenzen zeichnen sich dadurch aus, dass sie unabhängig von der Aufteilung der Aufgaben an konkrete Personen auftreten. Man unterscheidet zwischen Mittel-, Ziel- und Risikointerdependenzen.72 Mittelinterdependenzen entstehen, falls eine nur begrenzt verfügbare Ressource von mehreren Abteilungen gemeinsam genutzt wird. Zielinterdependenzen entstehen z. B. bei einem Erfolgsverbund73, bei dem substitutive oder komplementäre Beziehungen zwischen Produkten bestehen. Risikointerdependenzen liegen z. B. bei stochastischen Beziehungen zwischen Divisionsgewinnen vor.
Verhaltensinterdependenzen hängen dagegen von der Zuteilung der Aufgaben an bestimmte Personen ab.74 Hierbei lassen sich Zielkonflikte und Informationsasymmetrien als Ursachen für Verhaltensinterdependenzen unterscheiden. Zielkonflikte entstehen, falls sich die Handlungen von Personen gegenseitig beeinflussen und diese Personen nicht die gleichen Ziele verfolgen. Informationsasymmetrie bedeutet, dass Entscheidungsträger in unterschiedlichen Unternehmensbereichen das Verhalten und die Handlungen von Entscheidungsträgern in anderen Unternehmensbereichen nicht (vollständig) beobachten können. Als Konsequenz von Verhaltensinterdependenzen kann man Ressortegoismus, die Manipulation von Informationen und eine verminderte Gesamtzielerreichung durch kurz- anstelle von langfristiger Zielorientierung beobachten.75 Die Aufgabe des Controlling besteht darin, vorhandene Sach- und Verhaltensinterdependenzen zu identifizieren und deren negative Auswirkungen durch Koordinationsinstrumente wie z. B. Kennzahlen- und Zielsysteme, Budgetierungssysteme und Verrechnungspreissysteme zu minimieren. Der nächste Abschnitt widmet sich der Darstellung des Modellrahmens für die Analyse von Problemen der Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen.
72 73 74 75
18
Vgl. Homburg (2001), S. 12, und Küpper (2001), S. 32 ff. Vgl. Laux/Liermann (2005), S. 192. Vgl. Homburg (2001), S. 12. Vgl. Kah (1994), S. 56.
3.2
Darstellung des Modellrahmens
3.2.1 Hierarchische Controllingkonzeption Für die Spezifikation des Modellrahmens wird auf die Theorie hierarchischer Systeme zurückgegriffen. Das Konzept zur Analyse für allgemeine hierarchische Systeme wurde von SCHNEEWEISS entwickelt und von HOMBURG für das Controlling konkretisiert.76 Die Grundidee besteht darin, die Entscheidungssituation separat für jede Entscheidungsebene zu modellieren, um so die Wechselwirkungen der Entscheidungen der Ebenen darstellen, analysieren und aufeinander abstimmen zu können.77 Hierbei besteht zwischen (mindestens) zwei Entscheidungsebenen eine hierarchische Beziehung, d. h., es wird zwischen einer Top-Ebene und einer Basis-Ebene unterschieden. Die Top-Ebene stellt dabei die Instanz dar, deren Aufgabe in der Koordination der Basis-Ebene besteht, während die Basis-Ebene die Ausführungsebene ist.78 Abbildung 3.1 gibt den Zusammenhang zwischen Top- und Basis-Ebene wieder.
Top-Ebene = Koordinationsebene Top-Entscheidung = Koordinationsentscheidung Basis-Ebene = Ausführungsebene Basis-Entscheidung = Ausführungsentscheidung Ergebnis der Ausführungsentscheidung
Abbildung 3.1:
Top- und Basis-Ebene als Koordinations- und Ausführungsebene79
Die Aufgabe der Top-Ebene (z. B. Geschäftsführung) besteht darin, durch die Auswahl einer geeigneten Koordinationsentscheidung die Basis-Ebene (z. B. Bereichsleiter) so zu beeinflus-
76 77 78 79
Vgl. Homburg (2001) und Schneeweiß (2003). Vgl. Schneeweiß (2002a), S. 204. Vgl. Homburg (2001), S. 23. Angelehnt an Homburg (2001), S. 24.
19
sen, dass die Ausführungsentscheidung im Sinne der Top-Ebene getroffen wird. Es wird also explizit berücksichtigt, dass durch die Koordinationsentscheidung zum einen die Basis-Ebene beeinflusst wird (Top-down-Einfluss), zum anderen beeinflusst aber auch die Basis-Ebene durch die Ausführungsentscheidung die Top-Ebene (Bottom-up-Einfluss). Damit die TopEbene eine, bezüglich ihres Zielsystems, optimale Koordinationsentscheidung treffen kann, muss sie die Reaktion der Basis-Ebene, d. h. den Einfluss der Koordinations- auf die Ausführungsentscheidung, antizipieren. Dies geschieht, indem die Top-Ebene die Auswirkungen möglicher Koordinationsentscheidungen auf ein antizipiertes Basis-Modell abschätzt und dies als Entscheidungsgrundlage für die tatsächliche Koordinationsentscheidung nutzt. Abbildung 3.2 gibt diesen Zusammenhang wieder.
Koordinationsebene Top-Modell Mögliche Koordination
Antizipierte Ausführung Antizipiertes Basis-Modell Tatsächliche Koordination
Basis-Ebene (Ausführungsebene) Basis-Modell
Tatsächliche Ausführung Ergebnis der Ausführungsentscheidung
Abbildung 3.2:
Antizipation der Ausführungsebene80
Im folgenden Abschnitt werden die Entscheidungsebenen bei der Produktion von Dienstleistungen dargestellt.
80
20
Angelehnt an Homburg (2001), S. 29.
3.2.2 Entscheidungsebenen in der Dienstleistungsproduktion Wie bereits dargestellt wurde, besteht ein wesentliches Charakteristikum der Dienstleistungsproduktion in der Integration des externen Faktors in die Leistungserstellung. Dieser externe Faktor ist dabei nicht nur passiv an der Leistungserstellung beteiligt, sondern wirkt bei vielen Dienstleistungen aktiv daran mit. Somit zeichnet er sich nicht nur durch eine Stochastizität bezüglich seines quantitativen, qualitativen und zeitlichen Auftretens aus, sondern ist als aktiver Entscheidungsträger aufzufassen, der die Dienstleistungserstellung in seinem Sinne beeinflussen kann.81 Für die formale Analyse von Koordinationsproblemen in Dienstleistungsunternehmen wird daher ein hierarchisches System mit drei Entscheidungsebenen zugrunde gelegt. Zum einen wird zwischen der Ebene des Dienstleistungsunternehmers und der Ebene des Mitarbeiters unterschieden, um Koordinationsprobleme innerhalb des Dienstleistungsunternehmens zu analysieren. Zum anderen gibt es die Ebene des Kunden als externem Faktor, um Koordinationsprobleme zwischen Dienstleistungsunternehmen und Kunden zu analysieren. Der Dienstleistungsprozess kann in drei Phasen eingeteilt werden: (1) Aufbau der Leistungsbereitschaft, (2) Vereinbarung der Leistung und (3) Erstellung der Leistung.82 Da der Aufbau der Leistungsbereitschaft im Wesentlichen mit derjenigen in Sachgüterunternehmen übereinstimmt, soll der Fokus im Folgenden auf Phase (2) und (3) liegen.83 Die Aufgabe des Dienstleistungsunternehmens besteht nun darin, eine Koordinationsentscheidung zu treffen, um die zieloptimale Erstellung (Implementierung) der vereinbarten Dienstleistung in Phase (3) sicherzustellen. Die Dienstleistungsvereinbarung in Phase (2) kann als Vertrag aufgefasst werden, der aufgrund der Beteiligung des externen Faktors häufig unter Unsicherheit bezüglich der späteren Implementierung abzufassen ist. Der Dienstleistungsunternehmer wird nun versuchen, durch Antizipation des operativen Einflusses des externen Faktors geeignete Koordinationsmaßnahmen zu ergreifen, um die Implementierungsunsicherheit zu reduzieren.84 Da der Dienstleistungsunternehmer in Phase (3) die Dienstleistung annahmegemäß nicht selbst ausführt, sondern die Ausführung (Exekution) an einen (oder mehrere) Mitarbeiter delegiert, besteht zwischen Dienstleistungsunternehmer und Mitarbeiter ein Prinzipal-
81 82 83
84
Vgl. Schneeweiß (2002a), S. 207. Vgl. Schneeweiß (2002a), S. 201. Auch in einem Sachgüterunternehmen müssen vor Produktionsbeginn Leistungspotentiale aufgebaut werden, z. B. indem Mitarbeiter eingestellt und Produktionsmaschinen beschafft werden. Unterschiede bestehen allerdings je nach Unternehmen darin, welche Leistungspotentiale relevant sind. Vgl. Schneeweiß (2002a), S. 211.
21
Agenten-Verhältnis. Im Rahmen seiner Koordinationsentscheidung muss der Dienstleistungsunternehmer daher mögliche Informationsasymmetrien und Zielkonflikte zwischen ihm (dem Prinzipal) und seinem Mitarbeiter (dem Agenten) berücksichtigen, die bei opportunistischem Verhalten des Mitarbeiters zum Problem des Moral Hazard führen. Abbildung 3.3 gibt den Gesamtzusammenhang zwischen den drei Entscheidungsebenen aus Sicht des Dienstleistungsunternehmers wieder. Gestrichelte Pfeile kennzeichnen die Antizipation des Verhaltens der anderen Entscheidungsebenen, durchgezogene Pfeile die tatsächliche Koordinationsentscheidung. Hierbei ist zu beachten, dass auch der Mitarbeiter im Rahmen der Leistungserbringung (Exekution) ebenfalls das Verhalten des Kunden antizipieren und darauf reagieren muss. Somit wird über die Steuerung des Mitarbeiters die Implementierungsunsicherheit bezüglich der Dienstleistungsvereinbarung im Allgemeinen durch den Einfluss des Mitarbeiters bereits reduziert.85
Dienstleistungsunternehmen
Dienstleistungsunternehmer (Koordinationsebene) Delegation
Dienstleistungsvereinbarung
Mitarbeiter (Ausführungsebene) Exekution Kunde (externer Faktor)
Legende: Top-down-Einfluss Bottom-up-Einfluss
Abbildung 3.3:
Dienstleistungshierarchie86
Die Analyse der Koordinationsprobleme und der Wirkung von Koordinationsinstrumenten erfolgt für die folgenden drei Teilhierarchien:
85 86
22
Vgl. Schneeweiß (2002a), S. 213. Angelehnt an Schneeweiß (2002a), S. 207.
x
Dienstleistungsunternehmer – Mitarbeiter
x
Dienstleistungsunternehmer – Kunde
x
Mitarbeiter – Kunde.
Vor der Darstellung der jeweiligen Probleme der Verhaltenssteuerung innerhalb dieser drei Teilhierarchien wird im nächsten Abschnitt beschrieben, welche grundsätzlichen Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung existieren.
3.3
Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen
3.3.1 Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung Unter Verhaltenssteuerung versteht man sämtliche Maßnahmen, die dazu dienen, die Entscheidungssituation eines Entscheidungsträgers so zu beeinflussen, dass dieser seine Entscheidung in der von der Koordinationsebene gewünschten Weise trifft. Grundsätzlich kann die Verhaltenssteuerung von Entscheidungsträgern auf drei unterschiedliche Arten erfolgen:87 x
Direkte Verhaltenssteuerung (explizite Verhaltensnormen): Bei dieser Art der Steuerung werden die Verhaltensmöglichkeiten des Entscheidungsträgers durch Einschränkung seines Entscheidungsfeldes beeinflusst. Dies kann zum einen durch explizite Verhaltensnormen geschehen, die unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit festlegen, welches Verhalten erwünscht und welches nicht erwünscht ist. Zum anderen können für konkrete Tätigkeiten Standardabläufe definiert werden, an die sich Personen halten müssen. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, das Verhalten nicht ex ante festzulegen, sondern über die Bereitstellung bestimmter Ressourcen zu steuern88 oder die Person während der Tätigkeit zu beobachten und bei Bedarf korrigierend einzugreifen. Voraussetzung hierfür ist, dass die eingreifende Instanz Kenntnisse über zielkonformes Verhalten besitzt und Abweichungen hiervon erkennen kann.
87 88
Vgl. Eisenhardt (1985), S. 135 f., Emmanuel et al. (1995), S. 112 ff., Laux/Liermann (2005), S. 16 ff., Ouchi (1979), S. 843 ff., und Ouchi (1977), S. 97 ff. Beispielsweise über die Budgetierung von Ressourcen. Vgl. Hofmann/Homburg (2004), S. 565.
23
x
Ergebnissteuerung (implizite Verhaltensnormen): Der Entscheidungsträger erhält bei dieser Art der Verhaltenssteuerung keine direkten Verhaltensvorgaben, sondern wird implizit über die Beurteilung der erzielten Ergebnisse gesteuert. Hierzu werden für bestimmte Tätigkeiten Zieldimensionen und Leistungsstandards definiert; nach deren Durchführung wird das Ergebnis bezüglich der Zieldimensionen gemessen und mit den Leistungszielen verglichen. Hierbei wird erwartet, dass sich der Entscheidungsträger trotz fehlender Verhaltensvorgaben so verhält, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit die festgelegten Leistungsziele bestmöglich erreicht. Bei Zielabweichungen werden im Rahmen von Abweichungsanalysen die Ursachen dieser Abweichungen untersucht, um daraus Rückschlüsse auf das Verhalten des Entscheidungsträgers ziehen zu können. Abhängig davon, ob sich dieser zielkonform verhalten hat oder nicht, wird er belohnt oder sanktioniert. In der Praxis findet man diese Art der Steuerung häufig in Form von Kennzahlen- und Zielsystemen, die an entsprechende Anreize und Sanktionen gekoppelt sind.
x
Individuelle und soziale Selbststeuerung: Neben expliziten Verhaltens- oder Zielvorgaben wird das Verhalten von Personen auch durch die soziale Interaktion mit anderen Personen beeinflusst. Viele Personen möchten unabhängig von konkreten Vorgaben ihre Aufgabe zufrieden stellend erledigen. Diese individuelle Selbstkontrolle führt dazu, dass Personen Verhaltensweisen unterlassen, die aus ihrer persönlichen Sicht zu einem schlechteren Ergebnis führen würden. Neben der individuellen Selbstkontrolle gibt es auch eine soziale Steuerung durch Mitglieder der (Arbeits-)Gruppe. Innerhalb einer Gruppe werden Abweichungen vom erwünschten Verhalten durch die Mitglieder sanktioniert. Unternehmen können die individuelle und soziale Selbststeuerung durch Etablierung einer starken Unternehmenskultur89, geeignete Personalauswahl und Teamzusammensetzung verstärken.
Welche Art der Verhaltenssteuerung geeignet ist, das gewünschte Verhalten zu implementieren, hängt von einer Reihe situativer Faktoren ab. Diese Faktoren lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: (1) Charakteristika der Tätigkeit: Im Hinblick auf die Verhaltenssteuerung lassen sich Tätigkeiten danach unterscheiden, inwieweit geeignete Bewertungskriterien bzw. Performancemaße zur Verfügung stehen, um das Leistungsergebnis messen und bewerten zu können.
89
24
Vgl. Dobni et al. (2000), S. 105.
Während es beispielsweise bei einfachen manuellen Tätigkeiten häufig relativ problemlos möglich ist, geeignete Performancemaße zu finden und deren Realisierung zu messen, ist dies bei komplexen und schlecht strukturierbaren Aufgaben meist deutlich schwieriger. Um eine Leistung bewerten zu können, ist neben der Messbarkeit auch ein Verständnis über den Zusammenhang zwischen Input und Output notwendig. Komplexe und schlecht strukturierbare Aufgaben zeichnen sich häufig dadurch aus, dass erst im relativen Vergleich eine Aussage darüber getroffen werden kann, ob ein erzieltes Ergebnis gut oder schlecht ist. (2) Charakteristika des Entscheidungsträgers: Individuen unterscheiden sich darin, wie sie auf bestimmte Anreize reagieren.90 Inwieweit eine bestimmte Person auf Anreizinstruktionen reagiert, hängt neben Präferenzen für eine bestimmte Anreizart (z. B. monetäre versus nichtmonetäre Anreize) auch von Faktoren wie der Risikoaversion oder der Kostenfunktion der Person ab. Je niedriger die (mentalen oder physischen) Grenzkosten einer Person für eine bestimmte Tätigkeit sind, desto geringere Anreize reichen ceteris paribus aus, um einen bestimmten Arbeitseinsatz zu implementieren. In bestimmten Fällen sind Personen auch so sozialisiert, dass keine expliziten Anreize notwendig sind, um ein bestimmtes Verhalten zu induzieren.91 (3) Charakteristika des Arbeitsumfeldes: Zum Arbeitsumfeld zählen insbesondere Interaktionen mit Kollegen und Vorgesetzten, die einen Einfluss auf das Verhalten einer Person haben. Neben kulturellen und sozialen Normen und Werten spielt auch die gelebte Unternehmenskultur eine wichtige Rolle dabei, inwieweit von Entscheidungsträgern Freiräume für opportunistisches Verhalten genutzt oder nicht genutzt werden. Je nach Ausprägung dieser Faktoren sind bestimmte Arten der Verhaltenssteuerung besser oder schlechter geeignet, gewünschtes Verhalten zu induzieren. Unternehmen nutzen meist nicht nur eine Art der Verhaltenssteuerung, da z. B. die Selbststeuerung allein häufig nicht ausreicht, um das Verhalten der Mitarbeiter (bzw. Entscheidungsträger) in der gewünschten Richtung zu beeinflussen, sondern kombinieren mehrere Arten.92 Die Wahl eines geeigneten Steuerungsmechanismus bzw. einer geeigneten Kombination hängt sowohl davon ab, inwie-
90 91 92
Dies wird im Rahmen des Behavioral Accounting thematisiert. Vgl. z. B. Süßmair (2000). Vgl. hierzu Abernethy/Stoelwinder (1995), die die Rolle professioneller Selbstkontrolle und Autonomie zur Verhaltenssteuerung von Ärzten in Krankenhäusern untersucht haben. Der kombinierte Einsatz mehrerer Koordinationsinstrumente erfordert, dass diese aufeinander abgestimmt werden. Unter welchen Bedingungen bestimmte Kombinationen von Anreiz- und Budgetierungssystemen optimal sind, wurde von HOFMANN und HOMBURG analysiert. Vgl. Hofmann/Homburg (2004), S. 576 ff.
25
weit diese geeignet sind, in einer bestimmten Situation bzw. für eine bestimmte Tätigkeit das gewünschte Verhalten herbeizuführen, als auch von deren Implementierungskosten.93 Welche Probleme es im Rahmen der Verhaltenssteuerung des Mitarbeiters und des Kunden geben kann, wird im Folgenden aus Sicht des Dienstleistungsunternehmers dargestellt.
3.3.2 Probleme der Verhaltenssteuerung des Mitarbeiters Innerhalb des Dienstleistungsunternehmens besteht zwischen dem Dienstleistungsunternehmer und dem Mitarbeiter ein Prinzipal-Agenten-Verhältnis. Der Prinzipal beauftragt den Agenten damit, für ihn eine Tätigkeit auszuführen. Damit ein Anreizproblem vorliegt, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: (1) Zwischen Prinzipal und Agent gibt es einen Zielkonflikt. (2) Der Prinzipal kann die Tätigkeit des Agenten nicht oder nur zu hohen Kosten vollständig beobachten und/oder beurteilen.94 Liegt Bedingung (1) nicht vor, gibt es auch kein Anreizproblem. Der Agent wird von sich aus im Sinne des Prinzipals handeln, so dass dieser das „Wollen“ des Agenten nicht durch zusätzliche Anreize herbeiführen muss.95 Liegt Bedingung (2) nicht vor, kann der Prinzipal den Vertrag auf das Verhalten96 des Agenten konditionieren und einen so genannten Forcing Contract vereinbaren. Der Prinzipal vereinbart das für ihn optimale Verhalten mit dem Agenten und entlohnt den Agenten für das ihm hierdurch entstehende Arbeitsleid. Weicht der Agent von dem vereinbarten Verhalten ab, greifen entsprechende Sanktionen.97 Im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie wird die Möglichkeit analysiert, die Zielkonflikte zwischen Prinzipal und Agent durch eine Erfolgsbeteiligung zu entschärfen. Damit der Prinzipal Abweichungen vom vereinbarten Vertrag feststellen kann, muss dieser auf vom Prinzipal (und vom Agenten) beobachtbaren und verifizierbaren Größen beruhen. In den meisten Prinzipal-Agenten-Modellen wird davon ausgegangen, dass der Prinzipal zwar den
93 94 95
96 97
26
Vgl. Emmanuel et al. (1995), S. 116. Vgl. z. B. Eisenhardt (1989), S. 58. Lediglich das „Können“ des Agenten kann dazu führen, dass dieser ein gesetztes Ziel nicht erreicht. Das Problem der Auswahl geeigneter Agenten kann z. B. über Screening-Maßnahmen gelöst werden. Vgl. Macho-Stadler/Pérez-Castrillo (2001), S. 101 ff. Dies wird im Folgenden nicht weiter thematisiert. Verhalten steht hier zusammenfassend für alle relevanten Aspekte der Arbeit des Agenten, z. B. sein Anstrengungsniveau, seine Sorgfalt bei der Arbeit, seine Freundlichkeit gegenüber Kunden etc. Damit Sanktionen eine wirksame Abschreckung darstellen, müssen Verhaltensabweichungen gegenüber dritten Parteien, z. B. einem unabhängigen Gericht, nachweisbar sein. Vgl. Macho-Stadler/Pérez-Castrillo (2001), S. 5 f.
Arbeitseinsatz des Agenten nicht beobachten und damit die First-Best-Lösung nur unter bestimmten Bedingungen98 implementieren kann, ihm aber das (meist) monetäre und zufallsbehaftete Ergebnis des Arbeitseinsatzes des Agenten als Vertragsgrundlage zur Verfügung steht (Second-Best-Lösung). Es wurde gezeigt, dass sich die Second-Best-Lösung verbessern lässt, falls weitere Signale verfügbar sind, die zusätzliche Informationen über den Arbeitseinsatz des Agenten liefern.99 Für die herkömmliche Prinzipal-Agenten-Theorie ist die Messung des Leistungsergebnisses (bzw. der Zielgrößen) weder für den Prinzipal noch für den Agenten ein Problem. Es liegt die Annahme zugrunde, dass alle für die Entscheidungen relevanten Konsequenzen im Ergebnis vollständig abgebildet werden und dieses in irgendeiner Form (evtl. mit einem Messfehler behaftet) messbar ist.100 Aufgrund der beschriebenen Charakteristika der Dienstleistungsproduktion ist diese Annahme aus Standardmodellen der Prinzipal-Agenten-Theorie nicht ohne Weiteres auf Vertragsbeziehungen in Dienstleistungsunternehmen übertragbar. Die Beobachtbarkeit und die Messbarkeit des Ergebnisses stellen beispielsweise in folgenden Fällen ein Problem dar:101 x
Langfristige Wirkungen: Falls das Ziel des Prinzipals z. B. in der Maximierung des Unternehmenswertes besteht, hängt dieser nicht nur von den Cashflows in der Vertragsperiode, sondern auch von denen in zukünftigen Perioden ab. Beispielsweise führen schlechte Beratungsleistungen bei einer Unternehmensberatung nicht notwendigerweise sofort zu sinkenden Umsätzen, da der Kunde die Qualität der Beratung unter Umständen erst nach Implementierung der Empfehlungen erkennt und erst für zukünftige Beratungsprojekte eine andere Unternehmensberatung beauftragt. Der Prinzipal steht daher vor dem Problem, Erfolgsgrößen zu ermitteln, die eine hohe Übereinstimmung (Kongruenz) mit den langfristigen Unternehmenszielen haben.102 Dies ist häufig nur mit gewissen Einschränkungen möglich.
98 99 100 101 102
Das First-Best-Ergebnis ist unter den beschriebenen Bedingungen nur bei Risikoneutralität des Agenten implementierbar sowie im (trivialen) Fall, dass der geringstmögliche Arbeitseinsatz des Agenten optimal ist. Vgl. z. B. Holmström (1979), S. 83 ff. Vgl. Budde (2000), S. 4. Für einen Überblick über Prinzipal-Agenten-Modelle vgl. z. B. Baiman (1990), Bamberg/Spremann (1987) und Macho-Stadler/Pérez-Castrillo (2001). Diese Probleme können auch in Sachgüterunternehmen auftreten. Probleme der Zielkongruenz von Kennzahlen wurden von Feltham/Xie (1994) untersucht.
27
x
Bewertung von Mitarbeitern unterer Hierarchieebenen: Während die Leistungen von Topmanagern wie Vorständen und Bereichsleitern meist (zumindest näherungsweise) monetär bewertet werden können, ist dies auf unteren Hierarchieebenen aufgrund von Arbeitsteilung und Spezialisierung nicht ohne Weiteres möglich.103 Im Rahmen von Prinzipal-Agenten-Modellen werden allerdings meist Situationen betrachtet, in denen entweder einem einzelnen Entscheidungsträger oder aber Teams monetäre Zielgrößen zugeordnet werden können. Falls dies nicht möglich ist, ergibt sich die Frage, welche alternativen (nicht-monetären) Zielgrößen für diese Mitarbeiter definiert werden können und wie diese gemessen werden sollen.
x
Nicht-monetäre Zielgrößen: Da monetäre Oberziele (z. B. Shareholder Value) für die Verhaltenssteuerung häufig einen zu hohen Aggregationsgrad aufweisen, werden aus ihnen oftmals weniger aggregierte monetäre Kennzahlen (z. B. Kosten und Leistungen) und auch nicht-monetäre Kennzahlen (z. B. Produktivitäts-, Qualitäts- und Kundenzufriedenheitsziele) abgeleitet.104 Nicht-monetäre Kennzahlen sind insbesondere zur operativen Steuerung von Prozessen notwendig, haben aber im Vergleich zu monetären Zielgrößen meist den Nachteil einer schlechteren Messbarkeit. Beispielsweise können Zielgrößen wie Kundenzufriedenheit oder Dienstleistungsqualität häufig nicht problemlos operationalisiert und gemessen werden.105
Die Annahme messbarer und verifizierbarer Ergebnisgrößen als Grundlage von Verträgen stellt daher eine Beschränkung der Prinzipal-Agenten-Theorie dar. Dies hängt damit zusammen, dass schlecht messbare und/oder nicht-verifizierbare Größen sowohl dem Agenten als auch dem Prinzipal Möglichkeiten zur Verfälschung der Ergebnisgrößen geben können. Der Agent hat einen Anreiz, das Ergebnis verfälscht darzustellen, um möglichst gut dazustehen, der Prinzipal könnte versuchen, durch „Schlechtreden“ des Ergebnisses die Entlohnung des Agenten zu senken. Zur Vermeidung der resultierenden Ineffizienz aufgrund der Manipulierbarkeit nicht messbarer und verifizierbarer Erfolgsmaße werden in der Literatur verschiedene Möglichkeiten diskutiert. Eine besteht darin, zumindest die Manipulation der Erfolgsmaße zu minimieren,
103 104 105
28
Eine Ausnahme können beispielsweise Vertriebsmitarbeiter darstellen. Vgl. Homburg (2001), S. 7. Ein Beispiel hierfür ist die Balanced Scorecard. Zum Problem der Leistungsmessung mit nicht-monetären (soften) Kennzahlen in einer Prinzipal-AgentenSituation vgl. Faure-Grimaud et al. (2003).
indem dritte unabhängige Parteien mit deren Messung beauftragt werden.106 Eine weitere Möglichkeit besteht darin, im Vertrag des Entscheidungsträgers eine rangordnungsabhängige Entlohnung vorzusehen.107 Bei dieser Art der Entlohnung legt sich der Prinzipal im Vorfeld auf einen Gesamtbetrag für die Entlohnung mehrerer Agenten fest. Die Leistungsmessung hat dann zwar einen Einfluss auf die Entlohnung eines einzelnen Agenten, nicht aber auf den Gesamtentlohnungsaufwand. Dadurch bleiben zwar die Probleme der Manipulierbarkeit und Nicht-Verifizierbarkeit weiterhin bestehen, ein rational handelnder Prinzipal hat nun allerdings kein Interesse daran, Erfolgsmaße zu manipulieren, da der Gesamtentlohnungsaufwand bereits feststeht.
3.3.3 Probleme der Verhaltenssteuerung des Kunden Neben der Steuerung des Mitarbeiters besteht aus Sicht des Dienstleistungsunternehmers auch die Notwendigkeit, das Verhalten des Kunden zu steuern.108 Hierzu muss er das Interaktionsverhalten zwischen Mitarbeiter und Kunden antizipieren. Bei der Interaktion zwischen Mitarbeiter und Kunden ist zu berücksichtigen, dass der Mitarbeiter (Agent) für zwei Prinzipale arbeitet (Common Agency109). Zum einen ist das der Dienstleistungsunternehmer, der die Exekution der Dienstleistung an einen (oder mehrere) Mitarbeiter delegiert hat, zum anderen ist das der Kunde, für den die Dienstleistung erstellt wird. Da die Dienstleistungsvereinbarung häufig nur einen allgemeinen Rahmen für die geplante Dienstleistung darstellt, hat der Mitarbeiter die Aufgabe, diese zu operationalisieren, d. h. in konkrete Arbeitspakete und Teilschritte zu zerlegen, und die Interaktion mit dem Kunden zu steuern. Da Dienstleistungsunternehmer und Kunde nicht notwendigerweise die gleichen Ziele verfolgen, ergibt sich bei der Operationalisierung der Dienstleistungsvereinbarung für den Agenten das Problem, dass er zwischen den Zielen dieser beiden Prinzipale abwägen muss. Für den Dienstleistungsunternehmer bedeutet das, dass er bei seiner Koordinationsentscheidung auch mögliche Anreize des Kunden berücksichtigen muss, der unter Um-
106 107 108 109
Wobei sich dann das Problem der „Kontrolle des Kontrolleurs“ bzw. des unabhängigen Dritten ergibt. Vgl. Budde (2000), S. 64. Vgl. zur Problematik der Steuerung von Kundenintegrationsprozessen Fließ (2001), S. 82 ff. Vgl. allgemein zum Common-Agency-Problem Bernheim/Whinston (1986), im Rahmen der Dienstleistungsproduktion Raman/Pashupati (1995).
29
ständen ebenfalls versucht, die Operationalisierung und Exekution der Dienstleistung in seinem Sinne zu beeinflussen. Neben dem Common-Agency-Problem ist auch das Double-Moral-Hazard-Problem zu berücksichtigen.110 Dieses entsteht dadurch, dass sowohl Mitarbeiter als auch Kunde einen nicht beobachtbaren Input leisten, der sich auf das Ergebnis der Dienstleistungsproduktion auswirkt. Aus Sicht des Dienstleistungsunternehmers kann aufgrund der Koproduktion der Leistung daher nicht mehr ohne Weiteres aus dem Dienstleistungsergebnis (selbst wenn dieses messbar ist) auf das Verhalten (bzw. das Anstrengungsniveau) des Mitarbeiters geschlossen werden. Somit verschärft sich dadurch die Anreizproblematik aus Sicht des Dienstleistungsunternehmers zusätzlich. Die folgende formale Analyse von Möglichkeiten und Problemen der Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen ist in zwei Teile gegliedert. In Kapitel 4 werden Auswirkungen der Immaterialität von Dienstleistungen auf Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung untersucht. Die Kapitel 5 und 6 untersuchen Fragen der Verhaltenssteuerung, die sich aus der Integrativität von Dienstleistungen ergeben.
110
30
Zu Problemen des Double Moral Hazard vgl. z. B. Agrawal (2002), Bhattacharyya/Lafontaine (1995), Cooper/Ross (1985), Demski/Sappington (1991) und Kim/Wang (1998).
4
Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Mitarbeiter
In diesem Kapitel werden die Anreizprobleme innerhalb der Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Mitarbeiter formal analysiert. In Abschnitt 4.1 wird zunächst das grundlegende Anreizproblem zwischen einem Dienstleistungsunternehmer und dessen Mitarbeiter beschrieben. In Abschnitt 4.2 werden mögliche Probleme bei der Messung des Dienstleistungsergebnisses dargestellt, die sich aufgrund der Immaterialität der Leistung ergeben können. Auf der Grundlage eines Prinzipal-Agenten-Modells mit Multitasking des Agenten, das in Abschnitt 4.3 dargestellt wird, werden in den Abschnitten 4.4 bis 4.6 die optimalen Anreizverträge in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit verifizierbarer Performancemaße analysiert. In Abschnitt 4.7 werden die Einsatzmöglichkeiten subjektiv gemessener und damit nicht-verifizierbarer Performancemaße im Rahmen von Anreizverträgen betrachtet. Abschnitt 4.8 widmet sich Anreizverträgen bei relativer Leistungsbewertung. Abschnitt 4.9 fasst die wesentlichen Erkenntnisse dieses Kapitels in einem Zwischenergebnis zusammen.
4.1
Beschreibung der Prinzipal-Agenten-Beziehung
Im Folgenden wird die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen einem Dienstleistungsunternehmer (dem Prinzipal) und dessen Mitarbeiter (dem Agenten) betrachtet. Der Prinzipal delegiert die (einmalige) Ausführung einer Dienstleistung an den Agenten und schließt mit diesem einen (Anreiz-)Vertrag ab, der im Wesentlichen zwei Punkte regelt:111 (1) Verantwortlichkeiten der Beteiligten: Neben der inhaltlichen Definition der durchzuführenden Aufgabe wird festgelegt, wer welche Produktionsfaktoren in die Vertragsbeziehung einbringt. Im Allgemeinen ist der Prinzipal derjenige, der die Produktionstechnologie zur Verfügung stellt, der Agent derjenige, der seine Arbeitskraft einbringt. (2) Entlohnung der Beteiligten: Der Agent erhält für die Einbringung seiner Arbeitsleistung eine Entlohnung s. Zur Durchsetzbarkeit der vertraglichen Vereinbarung wird die Entlohnung auf Basis einer von beiden Parteien beobachtbaren und verifizierbaren Größe (beispielsweise
111
Vgl. Lambert (2001), S. 6, und Budde (2000), S. 17 f.
31
dem Dienstleistungsergebnis x oder einem alternativen Performancemaß y) festgelegt.112 Der Prinzipal erhält den Residualgewinn, d. h. die Differenz aus dem monetären Gegenwert des Dienstleistungsergebnisses x und der Entlohnung s des Agenten. Der zeitliche Ablauf der Vertragsbeziehung sei wie folgt (siehe Abbildung 4.1): Der Prinzipal bietet dem Agenten einen Vertrag mit einem Entlohnungsschema s an, den dieser annehmen oder ablehnen kann. Bei Annahme des Vertrages führt der Agent die Dienstleistung aus und wählt seinen, vom Prinzipal nicht beobachtbaren, Arbeitseinsatz. Nach Fertigstellung der Dienstleistung beobachten Prinzipal und Agent die Realisierung der Ergebnisgröße(n) und der Agent wird auf Basis des vereinbarten Entlohnungsschemas entlohnt. Der Prinzipal erhält den Residualgewinn x s .
t=0
t=1
t=2
t=3
t=4
Prinzipal bietet Vertrag s() an
Agent nimmt Vertrag an oder lehnt ab
Agent wählt nicht beobachtbaren Arbeitseinsatz
Prinzipal und Agent beobachten die Realisierung der Ergebnisgröße(n)
Agent wird gem. s() entlohnt; Prinzipal erhält Residualgewinn x - s()
Zeit
Abbildung 4.1:
Zeitlicher Ablauf der Vertragsbeziehung
Damit im Rahmen der Vertragsbeziehung zwischen dem Prinzipal und dem Agenten ein Anreizproblem besteht, müssen zwei Bedingungen vorliegen.113 Die erste Bedingung betrifft divergierende Zielgrößen von Prinzipal und Agent. Würden die Zielgrößen von beiden Vertragsparteien übereinstimmen, würde der Agent auch ohne explizite Anreize im Sinne des Prinzipals agieren. Unterschiedliche Ziele bestehen allerdings häufig allein dadurch, dass der Prinzipal bei gegebener Entlohnung an einem möglichst hohen Arbeitseinsatz des Agenten interessiert ist, während dieser bei gegebener Entlohnung sein Arbeitsleid bzw. seine Arbeits-
112
113
32
Die Verifizierbarkeit einer Vertragsgröße erfordert neben der Beobachtbarkeit durch die Vertragsparteien auch die Beobachtbarkeit durch eine unabhängige dritte Partei, beispielsweise ein Gericht. Vertragliche Vereinbarungen auf der Grundlage nicht-verifizierbarer Vertragsgrößen wären im Streitfall kaum durchsetzbar und werden daher meist im Rahmen formaler Verträge nicht eingesetzt. Vgl. Macho-Stadler/Pérez-Castrillo (2001), S. 5 f. Vgl. Jost (2001), S. 14.
kosten minimieren möchte. Die zweite Bedingung betrifft die fehlende Möglichkeit des Prinzipals, den Arbeitseinsatz des Agenten direkt zu beobachten. Wäre diese Möglichkeit gegeben, könnte der Prinzipal den Arbeitseinsatz des Agenten vertraglich verbindlich festlegen und mit diesem einen so genannten Forcing Contract abschließen. Anreizprobleme würden dann nicht auftreten. Kann der Prinzipal den Arbeitseinsatz (bzw. das Anstrengungsniveau oder den Effort) des Agenten nicht beobachten, liegt eine asymmetrische Informationsverteilung vor und der Prinzipal muss bei der Wahl eines Anreizvertrages sowohl die Teilnahmeals auch die Anreizbedingung des Agenten berücksichtigen. Die Teilnahmebedingung stellt sicher, dass der Erwartungsnutzen des Agenten mindestens seinem Reservationsnutzen entspricht, so dass er den Vertragsabschluss mit dem Prinzipal einer alternativen Beschäftigung vorzieht. Die Anreizbedingung berücksichtigt das Entscheidungskalkül des Agenten, der bei der Wahl seines Arbeitseinsatzes seinen eigenen Erwartungsnutzen maximiert. Das Optimierungsproblem des Prinzipals lautet allgemein wie folgt:114
Programm 4.0: Agency-Problem des Prinzipals bei Informationsasymmetrie (ZF-P)
max
u. d. N.
(AB-A)
Anreizbedingung des Agenten ist erfüllt
(TB-A)
Teilnahmebedingung des Agenten ist erfüllt.
Erwartungsnutzen des Prinzipals
Um verschiedene für die weitere Analyse relevante Anreizsituationen in einem einheitlichen Modellrahmen analysieren zu können, wird der Fall einer Dienstleistung betrachtet, für deren Erbringung mehrere Teilleistungen des Agenten notwendig sind. In der Literatur wird dies auch als Multitasking des Agenten bezeichnet.115 Diese Teilleistungen können dabei als unterschiedliche Leistungsdimensionen, wie z. B. Quantität und Qualität, der zu erbringenden Dienstleistung interpretiert werden. Durch die formale Abbildung jeder Leistungsdimension als separater Teilleistung kann im Folgenden die Incentivierbarkeit jeder Leistungsdimension differenziert analysiert werden. Aus Sicht des Prinzipals besteht das Anreizproblem bei Multitasking des Agenten darin, dass der Agent nicht nur zu einem insgesamt hohen Arbeitseinsatz
114 115
Vgl. Lambert (2001), S. 9. Grundlegende Arbeiten zu Prinzipal-Agenten-Modellen mit Multitasking des Agenten sind Feltham/Xie (1994) und Holmström/Milgrom (1991).
33
motiviert werden soll, sondern dass dieser seinen Arbeitseinsatz auch im, aus der Sicht des Prinzipals, optimalen Verhältnis auf die Teilleistungen aufteilt.116 Im nächsten Abschnitt werden zunächst die Messprobleme konkretisiert, die bei immateriellen Leistungen auftreten können. Die Auswirkungen der identifizierten Messprobleme auf die Gestaltung des optimalen Anreizvertrages werden dann im nächsten Schritt analysiert.
4.2
Messprobleme bei immateriellen Leistungen
Aufgrund der Immaterialität der Leistung können sowohl Messprobleme hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität der erbrachten Dienstleistung auftreten. Die praktischen Messprobleme bei Dienstleistungen lassen sich in vier Kategorien einordnen, die jeweils unterschiedliche Implikationen auf die Gestaltung von Anreizverträgen haben: x
Dienstleistungsergebnis nur mit Hilfsgrößen messbar: Bei der Messung der Quantität bzw. des Umfangs einer erbrachten Dienstleistung besteht häufig das Problem darin, dass die in der Sachgüterproduktion üblichen Verfahren wie Messen, Wiegen und Zählen für viele Dienstleistungen nicht oder nur bedingt geeignet sind.117 Beispielsweise kann man bei Dienstleistungen von Ärzten, Rechtsanwälten, Unternehmensberatern und Ausbildern zwar sehr wohl die Anzahl der Kundenkontakte im Zuge der Leistungserstellung zählen, es ist aber sehr viel schwerer zu ermitteln, wie viel Gesundheit, Beratung oder Ausbildung tatsächlich produziert wurde. In der Praxis behilft man sich häufig mit Näherungen oder Hilfsgrößen zur quantitativen Messung der erbrachten Dienstleistung, wie z. B. dem monetären Streitwert bei Rechtsanwälten oder der Anzahl Patiententage im Krankenhaus.118 Diese sind allerdings meist nur ein grober Indikator für den Umfang der erbrachten Dienstleistung.
116 117
118
34
Vgl. Holmström/Milgrom (1991), S. 25. In der Literatur gibt es eine Vielzahl von Beiträgen, die sich mit der Frage der Ergebnismessung bei Dienstleistungen beschäftigen. Vgl. allgemein zur Messung des Dienstleistungsergebnisses z. B. Corsten (2001), S. 141 ff., und Maleri (1994), S. 102-114. Zum Problem der Messung der Dienstleistungsqualität z. B. Fitzsimmons/Fitzsimmons (2001), S. 43-82, und Parasuraman et al. (1985). Vgl. Maleri (1994), S. 102 ff. In den Bereichen der Dienstleistungsproduktion, in denen eine exakte Erfassung des quantitativen Outputs möglich ist, knüpfen die eingesetzten Verfahren in der Regel an der über die Integration des externen Produktionsfaktors in die jeweiligen Produktionsprozesse eingebrachten Materie an. Beispiele hierfür sind Personen-Kilometer (Personentransport), Tonnen-Kilometer (Gütertransport), Anzahl Übernachtungen (Hotels) oder Besucherzahlen (Veranstaltungen).
x
Einzelne Leistungsdimensionen nicht bzw. nur schwer messbar: Während zur Messung mancher Leistungsdimensionen geeignete Hilfsgrößen bzw. Indikatoren definiert werden können, gibt es auch Leistungsdimensionen, für die das nicht oder nur schwer möglich ist. Man denke beispielsweise an die Messung und Bewertung der fachlichen Qualität der Beratung eines Rechtsanwalts.119
x
Dienstleistungsergebnis nur subjektiv messbar: Die Bewertung vieler Dienstleistungen zeichnet sich aufgrund der Immaterialität der Leistung durch ein hohes Maß an Subjektivität aus. Dies gilt insbesondere für die Messung der Qualität einer erbrachten Dienstleistung, da sich objektive Bewertungskriterien oftmals nur schwer finden lassen. Beispielsweise sind Aussagen über die Qualität ärztlicher Leistungen häufig nicht einfach objektiv nachprüfbar. Qualitätsurteile über Dienstleistungen sind daher meist stärker subjektiv geprägt als entsprechende Urteile über die Qualität von Sachgütern.120
x
Dienstleistungsergebnis nur relativ (ordinal) messbar: Für viele Dienstleistungen ist es schwierig oder unmöglich, eine Bewertung auf Basis einer Kardinalskala durchzuführen.121 Typisches Beispiel ist die Kundenzufriedenheit, die meist nur ordinal (bzw. auf einer Intervallskala) messbar ist.
Die beschriebenen Messprobleme gelten dabei nicht für alle Dienstleistungen in gleichem Umfang. Aufgrund der Heterogenität von Dienstleistungen lassen sich hier lediglich Tendenzaussagen formulieren. Während es bei Massendienstleistungen aufgrund weitgehend standardisierter und homogener Leistungen häufig möglich ist, absolute und objektive Leistungsstandards und Ergebnisgrößen zu definieren und zu messen, sind professionelle Dienstleistungen meist sehr kundenspezifisch und deutlich schlechter standardisier- und strukturierbar. Die Leistungsmessung bei professionellen Dienstleistungen ist dadurch stärker subjektiv geprägt und häufig nur auf Basis relativer Vergleiche möglich. Abbildung 4.2 stellt den tendenziellen Schwerpunkt der Leistungsmessung für professionelle Dienstleistungen, „Dienstleistungswerkstätten“ und Massendienstleistungen dar.
119 120
121
Dies wird insbesondere in Fällen deutlich, in denen ein Mandant eventuell trotz exzellenter Beratung durch seinen Rechtsanwalt vor Gericht verliert. Vgl. Rueschemeyer (1983), S. 42. Vgl. Haller (1993), S. 21. Hinzu kommt, dass durch die Integration des externen Faktors weder der Prozess der Leistungserbringung noch das Dienstleistungsergebnis vollständig vom Dienstleistungsanbieter kontrolliert werden können. Vgl. zu den Eigenschaften verschiedener Skalenniveaus z. B. Stier (1999), S. 42 f.
35
Verifizierbarkeit Quantifizierbarkeit
objektiv (= verifizierbar)
absolut
Massendienstleistungen
subjektiv (= nicht-verifizierbar)
TE ND EN Z
„Dienstleistungswerkstätten“ relativ (ordinal)
Abbildung 4.2:
Professionelle Dienstleistungen
Charakteristika der Ergebnismessung, differenziert nach Dienstleistungstyp
Abhängig davon, welches Messproblem bei einer Dienstleistung tatsächlich vorliegt, ergeben sich unterschiedliche Implikationen für die Gestaltung von Anreizverträgen. Im Folgenden werden die Auswirkungen der beschriebenen Messprobleme auf die Gestaltung von Anreizverträgen untersucht. Zunächst wird in Abschnitt 4.3 das für die weitere Analyse grundlegende Prinzipal-AgentenModell bei Multitasking des Agenten beschrieben. Auf dieser Grundlage wird in Abschnitt 4.4 der optimale Anreizvertrag für den Fall der Verifizierbarkeit und Messbarkeit des Dienstleistungsergebnisses dargestellt. Abschnitt 4.5 widmet sich der Frage, inwieweit verifizierbare Hilfsgrößen im Rahmen von Anreizverträgen geeignet sind, das gewünschte Verhalten zu implementieren, wenn die direkte Messung des Dienstleistungsergebnisses nicht möglich ist. Hierbei steht insbesondere die Frage der Zielkongruenz einer Hilfsgröße mit dem (nicht messbaren) Dienstleistungsergebnis im Mittelpunkt. In Abschnitt 4.6 wird die Frage analysiert, welche Anreizprobleme entstehen, wenn die zur Erfassung verschiedener Leistungsdimensionen verfügbaren Performancemaße unterschiedlich gut messbar sind. Insbesondere ist dabei von Interesse, inwieweit der Einsatz dieser Performancemaße im Rahmen von Anreizverträgen zu Fehlallokationen des Arbeitseinsatzes des Agenten führen kann. Beim Einsatz subjektiver Messkriterien zur Bewertung des Dienstleistungsergebnisses ergibt sich
36
das Problem, dass diese per Definition nicht-verifizierbar sind und daher auch nicht Grundlage von expliziten Verträgen sein können.122 Daraus ergibt sich die Frage, inwieweit es überhaupt möglich ist, subjektiv gemessene Performancemaße im Rahmen der Verhaltenssteuerung einzusetzen. Gleiches gilt für den Einsatz relativ (ordinal) gemessener Ergebnisgrößen. In Abschnitt 4.7 werden die Einsatzmöglichkeiten subjektiver Ergebnisgrößen, in Abschnitt 4.8 die von relativ gemessenen Ergebnisgrößen untersucht.
4.3
Der Anreizvertrag im allgemeinen Fall
4.3.1 Modellbeschreibung und Annahmen Die folgende Darstellung des Prinzipal-Agenten-Modells ist angelehnt an FELTHAM und XIE, die im Rahmen ihres Modells den Wert von Informationssystemen bei Multitasking des Agenten untersucht haben.123 Die Erweiterung zum Modell von FELTHAM/XIE besteht in der expliziten Berücksichtigung möglicher technischer Abhängigkeiten der betrachteten Leistungsdimensionen. Da jede Leistungsdimension als eigenständige Tätigkeit interpretiert werden kann, können im Rahmen des erweiterten Modells Anreizprobleme analysiert werden, die sich aus der Kombination unterschiedlicher Tätigkeiten ergeben. Das Prinzipal-Agenten-Modell ist als so genanntes LEN-Modell spezifiziert und geht von einem linearen Entlohnungsschema des Agenten (L), einer exponentiellen Risikonutzenfunktionen des Agenten (E) und einem normalverteilten Produktionsergebnis (N) aus.124 Auf Basis dieser Annahmen wird das Rechnen mit Sicherheitsäquivalenten ermöglicht, wodurch die Analyse deutlich vereinfacht wird. Der Hauptvorteil dieser Modellierung besteht darin, dass die optimalen Parameter des linearen Entlohnungsvertrages für konkrete Problemstellungen explizit berechnet werden können und damit die Interpretation der Modellergebnisse erleichtert wird.125
122 123 124 125
Vgl. hierzu Fußnote 112. Vgl. Feltham/Xie (1994). Das LEN-Modell geht auf Spremann (1987), S. 17 ff., zurück. Die Annahme linearer Entlohnungsverträge ist Standard in der Literatur zu Multitasking-Modellen. Vgl. z. B. Baker (2002), Feltham/Xie (1994) und Holmström/Milgrom (1991). Die Optimalität linearer Verträge, deren Einsatz in dem oben dargestellten Grundmodell in der Regel nicht optimal wäre, wurde in einer Arbeit von HOLMSTRÖM und MILGROM auf Basis eines wesentlich komplizierteren Modells nachgewiesen. Sie modifizieren das Standardmodell derart, dass der Agent nicht einmalig seinen Arbeitseinsatz a wählt, sondern über
37
Folgende Annahmen liegen der Leistungsbeziehung zwischen dem Prinzipal und dem Agenten zugrunde:126 (1) Produktionsfunktion: Der Agent ist für die Ausführung einer Dienstleistung verantwortlich, für deren Realisierung zwei Teilleistungen ai t 0 , i 1, 2 zu erbringen sind. Hierbei kann der Agent seinen Arbeitseinsatz frei auf beide Teilleistungen verteilen. Es sei angenommen, dass sich das Dienstleistungsergebnis x additiv aus der Summe der Teilergebnisse der beiden Teilleistungen sowie einer exogenen, vom Agenten nicht beeinflussbaren Zufallsgröße
H zusammensetzt. Die Grenzerträge der Arbeitseinsätze des Agenten je Teilleistung für das Dienstleistungsergebnis seien gegeben mit di t 0 , i 1, 2 . Die exogene Zufallsgröße H sei normalverteilt mit N 0, V H2 . Das Dienstleistungsergebnis ergibt sich somit gemäß x a1 , a2
d1 a1 d 2 a2 H ,
bzw. kompakt in Matrix-Notation x a dt a H ,
mit a
a1 , a2
t
und d
d1 , d 2
(2.1)
t 127
.
(2) Kostenfunktion des Agenten: Die Kostenfunktion des Agenten für die Erbringung der beiden Teilleistungen sei quadratisch und gegeben mit: C a1 , a2
bzw.
126
127
38
1 a12 2 c a1 a2 a22 , 2
C a
1 t a Ca , 2
(2.2)
den Zeitraum einer Periode variieren kann. Das Ergebnis des Produktionsprozesses ist in ihrem Modell nicht das Ergebnis eines einmaligen zufallsabhängigen Ereignisses, sondern folgt einem stochastischen Prozess, der vom Agenten gesteuert wird. Vgl. Holmström/Milgrom (1987). Die Optimalität linearer Verträge hängt auch damit zusammen, dass diese in vielen Fällen robuster sind als nicht-lineare Verträge, die aufgrund von strategischem Verhalten des Agenten suboptimal werden können. Eine empirische Bestätigung dafür, dass sich Agenten strategisch verhalten, findet man beispielsweise bei Oyer (1998). Dieser hat den Einfluss von an Quoten gekoppelten Bonuszahlungen auf die Umsatzsaisonalität von Unternehmen analysiert. Die folgenden Annahmen sind weitgehend identisch mit Feltham/Xie (1994), S. 431 ff. Der wesentliche Unterschied besteht in der Berücksichtigung möglicher technischer Abhängigkeiten der Leistungsdimensionen der Dienstleistung in der Kostenfunktion des Agenten. Das t steht bei Vektoren und Matrizen für „transponiert“.
§1 c · 128 mit der Kostenkoeffizientenmatrix C ¨ ¸ , mit 1 c 1 . Der multiplikative Term ©c 1¹ 2 c a1 a2 berücksichtigt die Möglichkeit technischer Abhängigkeiten der beiden Teilleistungen. Aus c
w 2C folgt, dass für c z 0 die Grenzkosten des Agenten für dessen Arbeitseinwa1wa2
satz für eine Teilleistung von dem gegebenen Arbeitseinsatzniveau für die jeweils andere Teilleistung abhängen. Es lassen sich zwei Fälle unterscheiden. Für c 0 stellen beide Teilleistungen Komplemente dar, d. h., die Grenzkosten des Agenten für die Ausübung einer Teilleistung sind niedriger, wenn die andere Teilleistung bereits ausgeführt wird. Bei c ! 0 handelt es sich dagegen um Substitute, d. h., die Grenzkosten für die Ausübung einer Teilleistung sind höher, wenn die andere Teilleistung bereits ausgeführt wird. Bei c
0 sind beide Teil-
129
leistungen technisch unabhängig.
(3) Informationssystem und Performancemaße: Es sei angenommen, dass dem Prinzipal ein Informationssystem mit m verifizierbaren Performancemaßen y
y1 ,..., ym
t
zur Verfü-
gung steht. Die Anzahl verfügbarer Performancemaße kann dabei größer, kleiner oder gleich der Anzahl der Teilleistungen des Agenten sein, und es sei die Möglichkeit eingeschlossen, dass das Dienstleistungsergebnis x Element von y ist. Zwischen dem Arbeitseinsatz a des Agenten und der Realisierung eines Performancemaßes y j , j 1,! , m sei ein linearer Zusammenhang gegeben: y j a1 , a2
P j1 a1 P j 2 a2 T j .
Hierbei bezeichnen P j1 und P j 2 die jeweilige Sensitivität eines Performancemaßes j auf Änderungen des Arbeitseinsatzes des Agenten für eine der beiden Teilleistungen i 1, 2 . Die Ausprägung jedes Performancemaßes hängt neben dem Arbeitseinsatz des Agenten auch von der Realisierung exogener und vom Agenten nicht kontrollierbarer, normalverteilter Zufallseinflüsse T j ~ N 0,V 2j ab, die einen Erwartungswert von null haben und im Vektor ș
128 129
T1 ,...,T m
t
zusammengefasst sind. Fasst man die Sensitivitäten P ji aller m verfügbaren
Die Einschränkung des Wertebereichs von c erfolgt aufgrund der Normalisierung der beiden anderen Kostenkoeffizienten auf eins. Vgl. Holmström/Milgrom (1991), S. 33 f.
39
Performance in einer Matrix M zusammen, kann man den funktionalen Zusammenhang zwischen dem Arbeitseinsatz des Agenten und den Performancemaßen y kompakt mit y
Ma ș ,
(2.3)
beschreiben. Durch die Varianz V 2j der Zufallsvariablen T j wird zum einen erfasst, wie gut der Agent die Ausprägung eines Performancemaßes y j durch die Wahl seines Arbeitseinsatzes a beeinflussen kann, zum anderen aber auch die Schwierigkeit des Prinzipals, auf Basis dieses Performancemaßes auf den Arbeitseinsatz a des Agenten zu schließen. Des Weiteren sei angenommen, dass die Zufallsvariablen auch korreliert sein können. Varianzen und Kovarianzen der Zufallsvariablen T j sind in der Kovarianzmatrix ȈT erfasst.130 Im Rahmen der weiteren Analyse werden lediglich Fälle mit maximal zwei verfügbaren Performancemaßen betrachtet, d. h. ȈT
§ V 12 V 12 · . ¨ 2 ¸ © V 12 V 2 ¹
(4) Entlohnungsfunktion des Agenten: Grundlage der Entlohnung s des Agenten sei ein linearer Vertrag, auf dessen Basis der Agent für seinen Arbeitseinsatz ein Festgehalt F sowie eine variable Entlohnung erhält. Als Bemessungsgrundlage für die variable Entlohnung kann grundsätzlich jedes Performancemaß y j y , j 1,!, m eingesetzt werden. Wird ein Performancemaß y j als Bemessungsgrundlage gewählt, so ergibt sich die variable Entlohnung des Agenten aus der Multiplikation eines Prämiensatzes v j mit der realisierten Ausprägung des jeweiligen Performancemaßes. Die Gesamtentlohnung des Agenten ergibt sich somit gemäß s y
mit v
v1 ,! , vm
t
F vt y ,
(2.4)
als Vektor der Prämiensätze. Zu beachten ist, dass der Prinzipal nicht alle
Performancemaße im Rahmen der Entlohnung berücksichtigen muss, da es durchaus optimal sein kann, nur einen Teil der Performancemaße im Rahmen der Entlohnung einzusetzen.
130
40
Es sei angenommen, dass ȈT positiv definit ist und somit die Umkehrmatrix ȈT1 existiert.
(5) Risikonutzenfunktion des Prinzipals: Der Prinzipal sei risikoneutral und sein Nutzen gleich dem erwarteten Residualgewinn, der sich aus der Differenz des erwarteten Dienstleistungsergebnisses E x dt a und der Entlohnung s y des Agenten ergibt: UP
E U P d t a s y .
(2.5)
(6) Risikonutzenfunktion des Agenten: Der Agent sei risikoavers mit r ! 0 als Arrow-PrattMaß seiner konstanten absoluten Risikoaversion. Die Risikonutzenfunktion des Agenten sei negativ exponentiell und multiplikativ separierbar in Einkommen und Arbeitskosten: UA
exp r ª¬ s y C a º¼ .
(2.6)
Die Maximierung der Risikonutzenfunktion des Agenten ist äquivalent zur Maximierung seines Sicherheitsäquivalents CE A . Das Sicherheitsäquivalent gibt den Nutzen des Agenten aus einer sicheren Entlohnung an, der dem Erwartungsnutzen einer risikobehafteten Entlohnung entspricht. Bei linearer Entlohnungsfunktion, exponentieller Risikonutzenfunktion und normalverteilten Zufallsvariablen lautet das Sicherheitsäquivalent des Agenten:131 CE A
1 E ¬ª s y ¼º C a r Var ¬ª s y ¼º 2 1 1 F v t y at Ca r v t ȈT v . 2 2
(2.7)
Im nächsten Abschnitt wird der optimale Anreizvertrag zwischen dem Prinzipal und dem Agenten auf der Grundlage der beschriebenen Annahmen ermittelt. Da im Folgenden die Auswirkungen der identifizierten Messprobleme auf die Gestaltung des optimalen Anreizvertrages analysiert werden sollen, wird der optimale Anreizvertrag zunächst allgemein in Abhängigkeit von einem verfügbaren Informationssystem y (charakterisiert durch die Matrizen M und ȈT ) ermittelt. Die in Abschnitt 4.2 beschriebenen Messprobleme lassen sich dann als
Variationen des verfügbaren Informationssystems y darstellen.
131
Vgl. Holmström/Milgrom (1991), S. 29.
41
4.3.2 Allgemeine Lösung
Als Referenz und Vergleichsmaßstab wird zunächst die First-Best-Lösung ermittelt, die dann erzielbar wäre, wenn der Arbeitseinsatz des Agenten beobachtbar und verifizierbar ist und somit für den Prinzipal kein Anreizproblem vorliegt. In diesem Fall kann der Prinzipal den Agenten mittels eines Forcing Contract auf die Wahl des für ihn optimalen Arbeitseinsatzvektors a FB verpflichten. Ein zusätzlicher Anreiz in Form einer variablen Entlohnung ist in diesem Fall nicht notwendig ( v
0 132). Der Prinzipal maximiert bei Beobachtbarkeit des
Arbeitseinsatzes des Agenten seinen Erwartungsnutzen, indem er die Entlohnung des Agenten bei gegebenem Arbeitseinsatz minimiert. Aufgrund der Risikoaversion des Agenten bedeutet dies, dass es für den Prinzipal optimal ist, den Agenten gegen mögliche Einkommensschwankungen abzusichern und ihm unabhängig vom realisierten Ergebnis ein Festgehalt zu bezahlen. Bei der Bestimmung des Festgehalts F muss der Prinzipal die Teilnahmebedingung des Agenten (TB-A) berücksichtigen. Damit der Agent den Anreizvertrag des Prinzipals annimmt, muss F so gewählt werden, dass der Agent nach Abzug seiner Arbeitskosten C a FB mindestens seinen Reservationsnutzen U 0A erreicht.133 Für den Prinzipal ergibt sich die FirstBest-Lösung aus folgendem Optimierungsproblem: Programm 4.1: Anreizproblem bei symmetrischer Informationsverteilung max
E U P d t a F
(2.8)
(TB-A)
1 F at Ca t U 0A 2
(2.9)
F ,a
u. d. N.
Da im Optimum die Teilnahmebedingung des Agenten als Gleichung erfüllt ist,134 lässt sich Programm 4.1 einfach durch Auflösen von (2.9) nach F und Einsetzen in die Zielfunktion des Prinzipals lösen. Es ergibt sich folgendes restriktionsfreie Optimierungsproblem:
t
132
Bei 0 handelt es sich um einen Vektor mit Nullen, d. h. 0
133
Der Reservationsnutzen beschreibt das Nutzenniveau, das der Agent mindestens erreichen muss, damit er die Teilnahme an der Leistungsbeziehung mit dem Prinzipal anderen Handlungsalternativen, wie z. B. anderen Beschäftigungsverhältnissen oder Freizeit, vorzieht. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Würde der Agent ein Nutzenniveau oberhalb seines Reservationsnutzens erzielen, würde der Prinzipal, der den Residualgewinn aus der Vertragsbeziehung mit dem Agenten erhält, auf einen Teil seines erzielbaren Nutzens verzichten. Der Prinzipal maximiert daher seinen Nutzen
134
42
0, 0 .
max a
1 E U P dt a at Ca U 0A . 2
Durch Ableiten nach a ergibt sich der First-Best-Arbeitseinsatzvektor a FB
(2.10)
C1d , der von
dem Grenznutzen des Prinzipals für jede Teilleistung sowie der Inversen der Kostenkoeffizientenmatrix des Agenten abhängt. Auf Basis des First-Best-Arbeitseinsatzes des Agenten realisiert der Prinzipal einen Erwartungsnutzen von E ª¬U P a FB º¼
1 t 1 d C d U 0A . 2
(2.11)
Der Agent erhält im First-Best-Fall als Entlohnung ausschließlich ein Festgehalt von s FB
F FB
1 t 1 d C d U 0A . 2
(2.12)
Kann der Prinzipal den Arbeitseinsatz des Agenten nicht beobachten, ist die Vereinbarung eines Festgehalts für den Prinzipal nicht mehr optimal. Der Prinzipal muss nun berücksichtigen, dass der (unbeobachtete) Agent bei gegebener Entlohnung den Arbeitseinsatz wählt, der seinen Erwartungsnutzen maximiert, d. h., er muss im Fall der Informationsasymmetrie auch die Anreizbedingung des Agenten (AB-A) berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der Teilnahme- und der Anreizbedingung des Agenten ergibt sich bei asymmetrischer Informationsverteilung folgendes Optimierungsproblem für den Prinzipal: Programm 4.2: Anreizproblem bei asymmetrischer Informationsverteilung
E U P dt a F v t Ma
(2.13)
(AB-A)
1 1 a arg max F v t MĮ Į t CĮ r v t ȈT v 2 2 Į
(2.14)
(TB-A)
1 1 F v t Ma at Ca r v t ȈT v t U 0A 2 2
(2.15)
max F , v ,a
u. d. N.
(bzw. Residualgewinn) dadurch, dass er die Entlohnung des Agenten so wählt, dass dieser genau seinen Reservationsnutzen erhält.
43
Damit Programm 4.2 gelöst werden kann, muss die Anreizbedingung (2.14) operationalisiert werden, indem man diese durch die Bedingung 1. Ordnung ersetzt:135 a
C1M t v .
(2.16)
Gleichung (2.16) beschreibt den Arbeitseinsatz des Agenten, den dieser auf Basis seines Entscheidungskalküls wählt. Da im Optimum die Teilnahmebedingung des Agenten als Gleichung erfüllt ist, ergibt sich durch Einsetzen von a gemäß (2.16) in die Teilnahmebedingung des Agenten und die Zielfunktion des Prinzipals folgendes restriktionsfreie Optimierungsproblem: max v
1 1 dt C1M t v v t MC1M t v r v t ȈT v U 0A . 2 2
(2.17)
Der optimale Prämiensatzvektor v ergibt sich nun durch Nullsetzung der 1. Ableitung von (2.17) nach v und lautet: v
1
ª¬MC1M t r ȈT º¼ MC1d .
(2.18)
Aus (2.18) folgt, dass der optimale Prämiensatzvektor v sowohl von den Charakteristika der verfügbaren Performancemaße (M und ȈT ) als auch von den technischen Abhängigkeiten ( C1 ) und den Grenzerträgen der Teilleistungen (d) abhängt. Bei gegebenem Prämiensatzvektor wählt der Agent gemäß (2.16) einen Arbeitseinsatz von a SB
C1M t v .136 Der Erwar-
tungswert des Dienstleistungsergebnisses ist dann E x SB dt C1M t v .
(2.19)
Die Gesamtentlohnung des Agenten für seinen Arbeitseinsatz a SB setzt sich zusammen aus dem Erwartungswert der variablen Entlohnung von E ª¬ v t y º¼
135
136
44
v t MC1M t v ,
(2.20)
Die hinreichende Bedingung für ein optimales Anstrengungsniveau des Agenten ist erfüllt, da das Sicherheitsäquivalent unter den genannten Annahmen konkav ist. Vgl. Kleine (1995), S. 59 f. Um die Darstellung der Ergebnisse möglichst kompakt zu halten, wird im Folgenden nur v anstelle des entsprechenden Ausdrucks in (2.18) geschrieben.
und einem Festgehalt von 1 1 1 v t MC M t
v v t MC1M t v r v t ȈT v U 0A 2 2 variable Entlohnung
F SB
Arbeitskosten
Risikoprämie
1 t v ª¬ MC1M t r ȈT º¼ v U 0A . 2
(2.21)
Aus (2.21) folgt, dass das Festgehalt des Agenten mit der Höhe seiner variablen Entlohnung sinkt, dieser aber für die (teilweise) Übernahme des Ergebnisrisikos eine Risikoprämie erhält, die von den Prämiensätzen v und von ȈT abhängt. Die erwartete Gesamtentlohnung des Agenten beträgt somit E ª¬ s SB y º¼
E ª¬ v t y º¼ F SB
1 t 1 t d C M v U 0A .137 2
(2.22)
Der Erwartungsnutzen des Prinzipals entspricht dem Residualgewinn, d. h. der Differenz des erwarteten Dienstleistungsergebnisses und der erwarteten Gesamtentlohnung des Agenten, und beträgt: E ª¬U P a SB º¼
1 t 1 t d C M v U 0A . 2
(2.23)
Tabelle 4.1 fasst die Ergebnisse für den First-Best- und Second-Best-Fall zusammen.138
137
138
Hierbei ist zu beachten, dass der Erwartungswert der Gesamtentlohnung eines risikoaversen Agenten nicht mit dessen Nutzenniveau übereinstimmt. Das Nutzenniveau des Agenten entspricht, gemäß dessen Sicherheitsäquivalent, im Optimum immer seinem Reservationsnutzen. Die Ergebnisse sind, wenn man die Kostenkoeffizientenmatrix C durch eine Einheitsmatrix ersetzt, identisch mit Feltham/Xie (1994), S. 432 ff.
45
First-Best-Lösung
Prämiensatzvektor Arbeitseinsatzvektor des Agenten Erwartungswert Dienstl.ergebnis Festgehalt des Agenten Gesamtentlohnung des Agenten Erwartungsnutzen des Prinzipals Tabelle 4.1:
Second-Best-Lösung 1
keine variable Entlohnung
v
ª¬MC1M t r ȈT º¼ MC1d
a FB
a SB
C1M t v
C1d
E x FB dt C1d F FB s FB
1 t 1 d C d U 0A 2 F FB
1 t 1 d C d U 0A 2
E ª¬U P a FB º¼
1 t 1 d C d U 0A 2
E x SB dt C1M t v F SB
1 t v ª¬ MC1M t r ȈT º¼ v U 0A 2
E ª¬ s SB y º¼
1 t 1 t d C M v U 0A 2 1 t 1 t d C M v U 0A 2
E ª¬U P a SB º¼
Allgemeines Ergebnis im First-Best- und im Second-Best-Fall
Aus der Differenz von First-Best- und Second-Best-Erwartungsnutzen des Prinzipals ergibt sich der Effizienzverlust L, den der Prinzipal aufgrund der Nichtbeobachtbarkeit des Arbeitseinsatzes des Agenten in Kauf nehmen muss:139 E L
E ª¬U P a FB º¼ E ª¬U P a SB º¼ 1 1 t 1 d C I M t ª¬MC1M t r ȈT º¼ MC1 d , 2
^
`
(2.24)
wobei I für die Einheitsmatrix steht. Der Effizienzverlust ist dann positiv, wenn die Differenz 1
der Einheitsmatrix I und des Ausdrucks M t ª¬MC1M t r ȈT º¼ MC1 in der geschweiften Klammer positiv ist. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die verifizierbaren Performancemaße nicht alle relevanten Leistungsdimensionen abdecken (d. h., mindestens eine komplette Spalte in der Matrix M besteht nur aus Nullen) und/oder mit Messfehlern behaftet sind (d. h. Werte z 0 in der Matrix ȈT ).
139
46
In der Literatur wird auch der Begriff Agency-Kosten zur Bezeichnung des Effizienzverlustes L verwendet. Vgl. Wagenhofer (1996), S. 160.
Wie in den Annahmen beschrieben, erfolgen alle weiteren Berechnungen auf der Grundlage folgender Vektoren und Matrizen: a
ȈT
§ V 12 V 12 · , und v ¨ 2 ¸ © V 12 V 2 ¹
t
a1 , a2 ,
d1 , d 2
d
t
§1 c · , C ¨ ¸, M ©c 1¹
§ P11 ¨ © P21
P12 · , P22 ¸¹
t
v1 , v2 . Des Weiteren wird der Reservationsnutzen des Agenten
ohne Einschränkung der Allgemeinheit gleich null gesetzt, d. h. U 0A
0.
Für die weitere Analyse dient die First-Best-Lösung als Vergleichsmaßstab zur Darstellung der Anreizprobleme, die sich bei unterschiedlichen Messproblemen ergeben. In Tabelle 4.2 ist die First-Best-Lösung sowohl für den allgemeinen Fall 1 c 1 als auch für c stellt. Da die Gesamtentlohnung des Agenten für U
A 0
0 darge-
0 dem Erwartungsnutzen des Prinzi-
pals entspricht, wird diese nicht weiter aufgeführt. First-Best-Lösung für 1 c 1 , c z 0
First-Best-Lösung für c 0
Prämiensatz bzw. -sätze Arbeitseinsatz des Agenten je Teilleistung Erwartungswert Dienstleistungsergebnis Erwartungsnutzen des Prinzipals Tabelle 4.2:
keine variable Entlohnung
keine variable Entlohnung
a1FB
d1
a1FB
a2FB
d2
E x FB
a2FB d12 d 22
E ª¬U P a FB º¼
d1 c d 2 1 c2 d 2 c d1 1 c2
E x FB
1 d12 d 22 2
d12 2 c d1 d 2 d 22 1 c2
E ¬ªU P a FB ¼º
1 § d12 2 c d1 d 2 d 22 · ¨ ¸ 2 © 1 c2 ¹
First-Best-Lösung in Abhängigkeit von der technischen Abhängigkeit der Teilleistungen
Bei technischer Unabhängigkeit ( c
0 ) entspricht die Allokation des Arbeitseinsatzes des
Agenten auf beide Teilleistungen dem Verhältnis der Grenzerträge jeder Teilleistung zum Gesamtergebnis:
a1FB a2FB
d1 . Bei technischer Abhängigkeit der beiden Teilleistungen hängt die d2
Allokation des Arbeitseinsatzes dagegen von c ab und weicht von der bei technischer Unabhängigkeit der Teilleistungen ab:
a1FB a2FB
d1 c d 2 . d 2 c d1
47
Vergleicht man den Erwartungsnutzen des Prinzipals für den Fall technisch unabhängiger Teilleistungen mit dem Fall der technischen Abhängigkeit beider Teilleistungen, so ergibt sich eine Differenz von:
E ª¬U P acFB0 º¼ E ª¬U P a cFBz 0 º¼
2 c d1 d 2 c 2 d12 d 22 2 1 c 2
.
(2.25)
Es sind zwei Fälle zu unterscheiden: (1) Für 0 c 1 führt die gemeinsame Ausführung beider Teilleistungen zu höheren Grenzkosten für den Agenten im Vergleich zu der Ausführung lediglich einer Teilleistung. Der Ausdruck in (2.25) ist für 0 c 1 immer positiv, d. h., der Erwartungsnutzen des Prinzipals ist niedrigerer, wenn der Agent beide Teilleistungen gemeinsam ausführt. Der Prinzipal wird daher, sofern möglich, lediglich eine Teilleistung an den Agenten delegieren, da er dadurch seinen Erwartungsnutzen erhöhen kann.140 (2) Für 1 c 0 führt die gemeinsame Ausführung beider Teilleistungen dagegen zu niedrigeren Grenzkosten für den Agenten. Der Ausdruck in (2.25) ist für 1 c 0 immer negativ, d. h., der Prinzipal kann bei technischer Abhängigkeit der beiden Teilleistungen einen höheren Erwartungsnutzen realisieren, wenn der Agent beide Tätigkeiten gemeinsam ausführt. Im Folgenden werden die Auswirkungen verschiedener Messprobleme, die sich durch unterschiedliche Spezifikationen von M und ȈT abbilden lassen, auf den optimalen Anreizvertrag analysiert. Im nächsten Abschnitt erfolgt zunächst die Darstellung des optimalen Anreizvertrages bei Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses.
140
48
Diesen Fall betrachtet WAGENHOFER. Vgl. Wagenhofer (1996), S. 162 f.
4.4
Der Anreizvertrag bei verifizierbarem Dienstleistungsergebnis
Steht das Dienstleistungsergebnis x als einziges Performancemaß zur Verfügung und gibt es keine technischen Abhängigkeiten zwischen den Teilleistungen, so ergibt sich durch Einsetzen der spezifizierten Matrizen in die allgemeine Lösung (siehe Tabelle 4.1) die Second-BestLösung in Tabelle 4.3.
§1 0· Spezifikation der Matrizen: C ¨ ¸, M ©0 1¹
§ d1 d 2 · ¨ ¸ , ȈT ©0 0¹
§ V H2 ¨ © 0
Second-Best-Lösung ( y1 2 1
v y1
Arbeitseinsatz des Agenten je Teilleistung
a1SB
Erwartungswert Dienstleistungsergebnis
E x SB
Erwartungsnutzen des Prinzipals
E ª¬U P a SB º¼
Tabelle 4.3:
x
x
v y1
SB 2
0)
v
x
d1
y1 x
d2
v y1
x
d12 d 22 1 vy 2 1
x
d12 d 22
Second-Best-Lösung bei Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses x
Der optimale Prämiensatz v y1 0 v y1
x , y2
2 2
d d d12 d 22 r V H2
Prämiensatz141
a
0· ¸ 0¹
x
ist immer positiv und kann maximal eins werden, d. h.
d 1 . Wie in Tabelle 4.3 zu ersehen, ist der optimale Prämiensatz dabei umso niedri-
ger, je höher die Risikoaversion r des Agenten und je höher die Varianz der exogenen Zufallsvariablen V H2 ist. Daraus folgt, dass der Agent für beide Tätigkeiten einen niedrigeren Arbeitseinsatz wählt als im First-Best-Fall ( a SB a FB ). Da nur ein Performancemaß zur Verfügung steht, können beide Teilleistungen im Second-Best-Fall nur in einem festen Verhältnis von
a1SB a2SB
d1 zueinander induziert werden.142 Verglichen mit dem First-Best-Fall kommt es d2
bei Einsatz des Dienstleistungsergebnisses x im Rahmen des Anreizvertrages nicht zu einer Fehlallokation der Arbeitseinsätze, d. h., der Agent teilt seinen Arbeitseinsatz im Verhältnis
141 142
Das Subskript bei einem Prämiensatz bezeichnet im Folgenden das zugrunde liegende Performancemaß. Vgl. Feltham/Xie (1994), S. 442.
49
der Grenznutzen auf beide Tätigkeiten auf. Der Vergleich mit der First-Best-Lösung (für c
0 ) zeigt allerdings, dass bei asymmetrischer Informationsverteilung der Trade-off zwi-
schen Risikoallokation und Anreiz nicht mehr kostenlos lösbar ist, sondern zu einem Effizienzverlust für die Agentur führt: E L
1 ª¬ r V H2 d12 d 22 º¼ . 2 d12 d 22 r V H2
(2.26)
Präzisionsverlust
Die Höhe des Effizienzverlustes hängt, bei gegebener Risikoaversion des Agenten, von der Varianz des Dienstleistungsergebnisses ab. Da der Kehrwert der Varianz ( 1 V H2 ) die Präzision eines Performancemaßes beschreibt, wird dieser Verlust auch als Präzisionsverlust bezeichnet.143 Der Prinzipal hat mehrere Möglichkeiten, den Präzisionsverlust zu reduzieren. Eine Möglichkeit besteht darin, die bestehende Informationsasymmetrie bezüglich des Arbeitseinsatzes des Agenten abzubauen. Dies könnte beispielsweise durch eine stärkere Überwachung des Agenten bei der Ausführung seiner Tätigkeiten geschehen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das verfügbare Informationssystem zu verbessern. Hierbei sind zum einen Performancemaße geeignet, die im Vergleich zum Dienstleistungsergebnis informativer hinsichtlich des gewählten Arbeitseinsatz des Agenten sind. Zum anderen könnte der Effizienzverlust durch Einsatz von Performancemaßen gesenkt werden, die informativ in Bezug auf die exogene Zufallsvariable H sind.144 Beispielsweise könnte im Rahmen der Leistungsbewertung eines Arztes der Gesundheitszustand der Patienten vor einer Behandlung erfasst werden. Da ein Arzt häufig nur wenig Einfluss auf seine Patientenstruktur hat, wäre dies ein exogener Zufallsfaktor, der eventuell sehr gute Behandlungsleistungen überdeckt.145 Gleiches gilt für Unternehmensberater, die im Rahmen von Sanierungsprojekten auch bei guter Beratungsleistung scheitern können. Im nächsten Abschnitt wird analysiert, welche Auswirkungen der Einsatz von Hilfsgrößen auf die Gestaltung des Anreizvertrages hat.
143 144 145
50
Vgl. Wagenhofer (1996), S. 160. Vgl. Feltham/Xie (1994), S. 439, und das dort angegebene Beispiel. Vgl. zur Klassifizierung von Patienten in Risikogruppen z. B. Modell (1998), S. 113.
4.5
Der Anreizvertrag bei Einsatz von Hilfsgrößen zur Ergebnismessung
In der Praxis stellt sich häufig das Problem, dass die eigentliche Zielgröße des Prinzipals nicht direkt messbar ist, sondern lediglich Näherungen bzw. Hilfsgrößen verfügbar sind. Diese Situation lässt sich in dem hier vorgestellten Modellrahmen dadurch abbilden, dass anstelle des Dienstleistungsergebnisses x nur eine Hilfsgröße y1 z x gemessen werden kann. Weitere Performancemaße stehen nicht zur Verfügung. Gemäß den Annahmen in Abschnitt 4.3.1 sei y1 a
P11a1 P12 a2 T1 .
§1 0· Spezifikation der Matrizen: C ¨ ¸, M ©0 1¹
§ P11 ¨ © 0
P12 ·
¸ , ȈT 0 ¹
§ V 12 ¨ © 0
0· ¸ 0¹
In Tabelle 4.4 ist die Second-Best-Lösung bei Einsatz einer Hilfsgröße zur Messung des Dienstleistungsergebnisses dargestellt. Second-Best-Lösung ( y1 z x , y2 v
Arbeitseinsatz des Agenten je Teilleistung
a1SB
v y1 P11
SB 2
v y1 P12
Erwartungswert Dienstleistungsergebnis
E x SB
Erwartungsnutzen des Prinzipals
E ª¬U P a SB º¼
Tabelle 4.4:
a
0)
d1 P11 d 2 P12 P112 P122 r V 12
Prämiensatz
y1
v y1 d1 P11 d 2 P12
1 v y d1 P11 d 2 P12 2 1
Second-Best-Lösung bei Einsatz einer Hilfsgröße (y1 z x) zur Ergebnismessung
Der Einsatz einer Hilfsgröße zur Incentivierung des Agenten hat eine Reihe von Implikationen für den Prinzipal. Zum einen hat die Varianz des Dienstleistungsergebnisses ( V H2 ) keinen Einfluss auf den optimalen Anreizvertrag, da die Entlohnung des Agenten ausschließlich von der Varianz der Hilfsgröße ( V 12 ) abhängt.146 Zum anderen kann der Prinzipal beide Teilleistungen nur in einem festen Verhältnis von
146
a1SB a2SB
P11 induzieren. Die Allokation des ArP12
Vgl. Wagenhofer (1996), S. 159.
51
beitseinsatzes weicht dann vom First-Best-Fall ab, wenn das zugrunde liegende Performancemaß nicht perfekt kongruent zur Zielgröße des Prinzipals ist (
P11 d1 z ). Je geringer die P12 d 2
Kongruenz der Hilfsgröße y1 mit dem Dienstleistungsergebnis x ist, desto größer ist der Effizienzverlust für die Agentur. Umformen von gen Grenzerträge nur für d1 P12 d 2 P11
P11 P12
d1 zeigt, dass das Verhältnis der jeweilid2
0 gleich ist. Der erwartete Effizienzverlust für den
Prinzipal bei Einsatz einer Hilfsgröße besteht nun aus einem Präzisionsverlust und einem Kongruenzverlust:147
E L
½ 2° ° ® ª¬ r V 12 d12 d 22 º¼ d1 P12 d 2 P11 ¾ .
° 2 P P r V °
Kongruenzverlust Präzisionsverlust ¯ ¿ 1
2 11
2 12
2 1
(2.27)
Die Ursachen des Effizienzverlustes lassen sich für den hier betrachteten Fall zweier Teilleistungen auch graphisch darstellen (siehe Abbildung 4.3). Die Grenzerträge d1 und d 2 beschreiben einen Vektor d vom Nullpunkt zum Punkt a FB x . Analog beschreiben P11 und P12 den Vektor ȝ1 . Steht das Dienstleistungsergebnis x als Performancemaß zur Verfügung, kann der Prinzipal alle Arbeitseinsätze des Agenten implementieren, die auf der Linie, die durch den Nullpunkt und den Punkt a FB geht, liegen. Je präziser x ist, desto mehr nähert sich die x FB an. Steht dem Prinzipal allerdings nur Second-Best-Lösung a SB x an die First-Best-Lösung a x
das nicht kongruente Performancemaß y1 zur Incentivierung des Agenten zur Verfügung, so selbst bei hoher Präzision von y1 nicht induzieren. Lediglich Arbeitseinsätze auf kann er a FB x der Linie, die durch den Nullpunkt und a y1 geht, sind implementierbar.
147
52
Vgl. Feltham/Xie (1994), S. 442. In Prinzipal-Agenten-Modellen mit nur einer Aktion des Agenten kann ein Kongruenzverlust dagegen nicht auftreten, da jedes Performancemaß, das informativ hinsichtlich des gewählten Anstrengungsniveaus des Agenten ist, per Definition kongruent ist. Vgl. Wagenhofer (1996), S. 161.
Teilleistung a2
durch x induzierbare Aktionen
a FB x d2
a SB x
vx d 2
P12
a
v y1 P12
durch y1 induzierbare Aktionen
d
Edȝ
1
P1
vx d1 d1
Abbildung 4.3:
a y1
SB y1
v y1 P11 P11
Teilleistung a1
Kongruenz und Präzision der verfügbaren Performancemaße148
Kann der Prinzipal zwischen dem Dienstleistungsergebnis x und dem Performancemaß y1 zur Incentivierung des Agenten wählen, so zeigt ein Vergleich der jeweiligen Effizienzverluste in (2.26) und (2.27), dass es durchaus zu einem Trade-off zwischen Kongruenz und Präzision kommen kann. Berücksichtigt man, dass die Norm bzw. die Länge eines Vektors d gegeben ist mit d
n
¦d
2 i
und dass für das Skalarprodukt der beiden Vektoren d und P1 die Bezie-
i 1
hung d t ȝ1
d ȝ1 cos Edȝ1 gilt,149 so lassen sich die Effizienzverluste in (2.26) und (2.27)
umschreiben zu: E Lx
E Ly1
148 149
1
1
2
2 ȝ1 r V 12
2
2 d r V H2
2
ª r V H2 d º ¬ ¼
(2.28)
Präzisionsverlust
½ 2 2 2 ° ° ® ª r V 12 d º ª d ȝ1 1 cos 2 Edȝ1 º ¾ . ¬ ¼ ¬ ¼ ° ° Kongruenzverlust ¯ Präzisionsverlust ¿
(2.29)
Angelehnt an Feltham/Xie (1994), S. 436. Vgl. Opitz (1995), S. 191. Hierbei bezeichnet E dȝ1 den Winkel, den beide Vektoren im \ 2 einschließen.
53
Der Effizienzverlust bei Einsatz der Hilfsgröße ist dann geringer als der Effizienzverlust bei Einsatz des Dienstleistungsergebnisses, wenn gilt: 1 S y1 E Lx 0 cos 2 E dȝ1 , 1 1 r Sx 1 r
E Ly1
mit S x
d
2 2
VH
und S y1
ȝ1
V
(2.30)
2
2 1
. Bei S x und S y1 handelt es sich respektive um das „Signal-to-
Noise-Ratio“ des Dienstleistungsergebnisses und der Hilfsgröße, welches (ähnlich wie die Präzision) erfasst, wie stark die Ausprägung eines Performancemaßes durch den Arbeitseinsatz des Agenten im Vergleich zu exogenen Faktoren beeinflusst wird.150 S x und S y1 sind somit Indikatoren für den Informationsgehalt der beiden Performancemaße hinsichtlich des Arbeitseinsatzes des Agenten. Bei perfekter Kongruenz der beiden Vektoren d und P1 ist
Edȝ
1
0D und damit cos Edȝ1
1 . In diesem Fall ist es für den Prinzipal optimal, das Perfor-
mancemaß mit dem höheren „Signal-to-Noise-Ratio“ zu wählen. Ist allerdings E dȝ1 ! 0D , so bedeutet dies, dass beide Performancemaße nicht perfekt kongruent sind. Da der Kosinus für
Edȝ ! 0D kleiner eins ist, ergibt sich bei Einsatz einer Hilfsgröße y1 nur dann ein niedrigerer 1
Effizienzverlust für den Prinzipal im Vergleich zum direkten Einsatz des Dienstleistungsergebnisses x, wenn der Kongruenzverlust (gemessen durch cos 2 Edȝ1 ) durch den Präzisionsgewinn (gemessen durch das Verhältnis der „Signal-to-Noise-Ratios“ S y1 und S x ) mindestens ausgeglichen werden kann. Ist eine nicht perfekt kongruente Hilfsgröße dagegen nicht informativer als das Dienstleistungsergebnis (d. h. S y1 d S x ), so ist der Effizienzverlust für die Agentur bei Einsatz der Hilfsgröße immer höher als im Fall eines verifizierbaren Dienstleistungsergebnisses. Stehen dem Prinzipal sowohl das Dienstleistungsergebnis x als auch das Performancemaß y2 zur Verfügung, dann kann er den Effizienzverlust, der sich bei Einsatz jeweils nur einer der beiden Performancemaße ergibt, unter bestimmten Umständen dadurch reduzieren, dass er beide Performancemaße jeweils mit eigenen Prämiensätzen berücksichtigt. Der Wert des zu-
150
54
Vgl. Baker (2002), S. 732.
sätzlichen Performancemaßes y2 hängt dabei zum einen davon ab, ob dieses die Menge implementierbarer Aktionen erweitert (d. h. informativ hinsichtlich einer Teilleistung ist, die bisher nicht gemessen werden konnte), zum anderen von seinen statistischen Eigenschaften (Optimierung der Risikoallokation).151 Der Einsatz von Hilfsgrößen im Rahmen der Verhaltenssteuerung kann in der Praxis zu erheblichen Problemen führen, wie zahlreiche Beispiele eindrucksvoll belegen.152 Das Ausmaß dieser Probleme hängt insbesondere von der Höhe des Kongruenzverlustes ab, der aus der Fehlallokation der Arbeitsleistung des Agenten resultiert. Ein wesentlicher Nachteil von Hilfsgrößen ergibt sich in der Praxis daraus, dass diese häufig nur einen Teil der relevanten Leistungsdimensionen eines Mitarbeiters abdecken. Beispielsweise könnte zur Bewertung der Leistung eines angestellten Rechtsanwalts die Summe der monetären Streitwerte aller von ihm bearbeiteten Rechtsfälle herangezogen werden. Diese Hilfsgröße würde allerdings die Qualität der erbrachten Rechtsberatung vernachlässigen. Zu welchen Auswirkungen dies im Rahmen der Verhaltenssteuerung führt, wird im nächsten Abschnitt untersucht.
151 152
Vgl. Feltham/Xie (1994), S. 443. Vgl. exemplarisch Corsten (2001), S. 153, und Kerr (1975).
55
4.6
Der Anreizvertrag bei unterschiedlich gut messbaren Leistungsdimensionen
Zur Darstellung unterschiedlich gut messbarer Leistungsdimensionen sei nun davon ausgegangen, dass zwei Performancemaße verfügbar sind, die jeweils nur eine der beiden Leistungsdimensionen erfassen. Weiterhin sei angenommen, dass die exogenen Zufallsgrößen der beiden Performancemaße unabhängig voneinander sind, d. h. V 12
§1 0· Spezifikation der Matrizen: C ¨ ¸, M ©0 1¹
v y1
Prämiensätze v y2
a1SB
v y1 P11
SB 2
v y2 P22
Erwartungswert Dienstleistungsergebnis
E x SB
Erwartungsnutzen des Prinzipals
E ª¬U P a SB º¼
Tabelle 4.5:
0 · , Ȉ P22 ¸¹ T
§ V 12 0 · ¨ 2¸ © 0 V2 ¹
Second-Best-Lösung ( y1 und y2 erfassen jeweils eine Leistungsdimension) d1 P11 P112 r V 12 d 2 P22 P222 r V 22
Arbeitseinsatz des Agenten je Teilleistung
a
§ P11 ¨ © 0
0.
v y1 d1 P11 v y2 d 2 P22 1 v y1 d1 P11 v y2 d 2 P22 2
Second-Best-Lösung bei zwei Performancemaßen y1 und y2, die jeweils unterschiedliche Leistungsdimensionen erfassen
Aus Tabelle 4.5 folgt, dass beide Prämiensätze v y1 und v y2 weiterhin von der Präzision des jeweiligen Performancemaßes abhängig sind, allerdings, aufgrund der linearen Unabhängigkeit beider Performancemaße, nur noch von den Grenzerträgen und den Sensitivitäten des Arbeitseinsatzes des Agenten für jeweils eine der beiden Teilleistungen. Im Optimum ist die Allokation der Arbeitseinsätze des Agenten auf beide Teilleistungen gegeben mit
a1SB a2SB
56
1 § ¨1 r S y2 ¨ 1 ¨ 1 r ¨ S y1 ©
· ¸ ¸ d1 , ¸ d2 ¸ ¹
(2.31)
mit S y1
ȝ1
V
2
2 1
P112 und S y V 12
ȝ2 2
V
2 1
2
P222 . Diese hängt nun neben den Grenzerträgen der V 22
jeweiligen Teilleistung auch vom Verhältnis der (reziproken) „Signal-to-Noise-Ratios“ der beiden verfügbaren Performancemaße ab. Der Prinzipal könnte zwar, aufgrund der linearen Unabhängigkeit der beiden Performancemaße, die First-Best-Allokation der Arbeitseinsätze implementieren, für S y1 z S y2 ist dies allerdings nicht optimal. Tendenziell erhält das Performancemaß die höhere Gewichtung, d. h. den höheren Prämiensatz, welches den besseren Informationsgehalt hinsichtlich des Arbeitseinsatzes des Agenten aufweist. Der Effizienzverlust für den Prinzipal lautet: E L
1 1 r V 12 d12 r V 22 d 22 . 2 r V 22
2 P112 r V 12 2 P22 Präzisionsverlust 1
(2.32)
Präzisionsverlust 2
Steht nur eines von beiden Performancemaßen zur Verfügung, beispielsweise nur y1 (d. h.
P 22
0 ), kann der Prinzipal den Agenten nicht zu einem positiven Arbeitseinsatz für die
zweite Teilleistung incentivieren. Der Agent wählt dann a2SB
0 und der Effizienzverlust für
153
den Prinzipal steigt auf:
E L
1 1 r V 12 d12 d 22 . 2 2 P112 r V 12
(2.33)
In dieser Situation kann es für den Prinzipal eventuell vorteilhafter sein, ganz auf eine Incentivierung des Agenten zu verzichten. Dies wäre dann der Fall, wenn der Agent auch ohne explizite Anreize einen positiven Arbeitseinsatz wählen würde.154 Dann hätte ein positiver Anreiz für die erste Teilleistung den Effekt, dass sich der Agent ausschließlich auf diese Teilleistung konzentriert, während er die nicht messbare zweite Teilleistung vernachlässigt. Die Incentivierung der gut messbaren Teilleistung würde somit zu einer stärkeren Fehlallokation des Arbeitseinsatzes des Agenten führen als ein kompletter Verzicht auf Leistungsanreize.155
153 154 155
Vgl. Feltham/Xie (1994), S. 442. Vgl. Holmström/Milgrom (1991), S. 26. Vgl. Holmström/Milgrom (1991), S. 34.
57
Nun wurde bisher noch nicht betrachtet, wie der optimale Anreizvertrag bei technischer Abhängigkeit der beiden Teilleistungen aussieht. Es sei weiterhin nur das eindimensionale Performancemaß y1 verfügbar, zusätzlich sei aber c z 0 . §1 c · Spezifikation der Matrizen: C ¨ ¸, M ©c 1¹
§ P11 0 · ¨ ¸ , ȈT © 0 0¹
§ V 12 ¨ © 0
0· ¸ 0¹
Second-Best-Lösung ( y1 erfasst eine Leistungsdimension, zusätzlich c z 0 ) v y1
Prämiensatz
Arbeitseinsatz des Agenten je Teilleistung
d1 c d 2 P11 P r V 12 1 c 2 2 11
P11
a1SB
v y1
a2SB
v y1
1 c 2
c P11
1 c
Erwartungswert Dienstleistungsergebnis
E x SB
Erwartungsnutzen des Prinzipals
E ª¬U P a SB º¼
Tabelle 4.6:
2
v y1 1 c 2 d1 c d 2 P11 2
1 d1 c d 2 P112 2 2 ª P11 r V 12 1 c 2 º 1 c 2 ¬ ¼
Second-Best-Lösung bei einem eindimensionalen Performancemaß y1 und technischer Abhängigkeit der Teilleistungen (c z 0)
Wären in diesem Fall beide Teilleistungen technisch unabhängig ( c
0 ), könnte der Prinzipal
die zweite Teilleistung auf Basis des eindimensionalen Performancemaßes y1 nicht incentivieren und der Agent würde ein Anstrengungsniveau von a2SB
0 wählen. Kann der Prinzipal
aber eine Teilleistung an den Agenten delegieren, die in einer technischen Abhängigkeit zur zweiten Teilleistung steht, so kann er diese indirekt über den Prämiensatz für die erste Teilleistung incentivieren. Je stärker die komplementäre Beziehung der beiden Teilleistungen ( c 0 ), d. h. je niedriger c ist, desto höher ist der Erwartungsnutzen des Prinzipals. Bei substitutiven Teilleistungen ( c ! 0 ) kommt es dagegen auf die Spezifikation der Grenzerträge und die Varianz der exogenen Zufallsvariable an. Für d 2 d1 sinkt der Erwartungsnutzen des Prinzipals mit steigendem c. Für d 2 d1 dagegen ist v y1 im Optimum negativ und der Agent wählt lediglich für die zweite Teilleistung einen positiven Arbeitseinsatz. In diesem Fall steigt der Erwartungsnutzen des Prinzipals mit c. Das Beispiel zeigt, dass das Tätigkeitsprofil des Agenten ein wichtiges Steuerungsinstrument für den Prinzipal sein kann. Dies gilt insbeson58
dere für Tätigkeiten, für die es keine oder nur ungenaue Performancemaße gibt. Durch Delegation einer Tätigkeit an den Agenten, deren Ergebnis gut messbar ist und die in einer komplementären oder substitutiven technischen Beziehung zu der schwer messbaren Tätigkeit steht, kann der Prinzipal „Carry-over-Effekte“ nutzen und beim Agenten einen positiven Arbeitseinsatz für beide Teilleistungen induzieren.156 Hängt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit von Folgeaufträgen von der nur schwer messbaren Qualität bisher erbrachter Leistungen ab und wäre ein Mitarbeiter gleichzeitig für die Ausführung bestehender Kundenaufträge als auch für die Akquisition neuer Kundenaufträge verantwortlich, könnte die ausschließliche Incentivierung der Akquisitionstätigkeit auch für einen hohen Arbeitseinsatz bei der Auftragsausführung ausreichen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Prinzipal im Fall des Multitasking bzw. im Falle multidimensionaler Tätigkeiten neben dem Risiko-AnreizProblem auch die Frage der Allokation des Arbeitseinsatzes auf Tätigkeiten berücksichtigen muss. Sind bestimmte Leistungsdimensionen im Vergleich zu anderen schwerer messbar, führt dies zu einer Fehlallokation im Vergleich zum First-Best-Fall. Werden nur einzelne beobachtbare Aspekte der Leistung entlohnt, während andere nur schwer beobachtbare, aber ebenfalls wichtige Aspekte nicht entlohnt werden, kann dies zu dysfunktionalem Verhalten des Agenten führen.157 Ein Grund für die beschriebenen Fehlallokationen des Arbeitseinsatzes eines Mitarbeiters besteht darin, dass im Dienstleistungsbereich wesentliche Leistungsdimensionen häufig nicht objektiv und damit verifizierbar messbar sind. Dies gilt insbesondere für Qualitätsurteile. Stehen dem Dienstleistungsunternehmer aber subjektive und damit nicht-verifizierbare Performancemaße zur Verfügung, z. B. aus Kundenumfragen oder eigenen Beobachtungen, könnte er diese eventuell nutzen, um mögliche Fehlallokationen zu vermeiden. Inwieweit dies möglich ist, wird im nächsten Abschnitt analysiert.
156
157
Eine Reihe von Beiträgen in der Literatur basieren auf dieser Idee. Vgl. z. B. Itoh (1994), der in einem Multitasking-Modell den Fall analysiert, dass Performancemaße nur für Kombinationen von Tätigkeiten verfügbar sind. Khalil et al. (2006) und Malcomson (2004) analysieren die Möglichkeit, einen Agenten zum Erwerb nicht-verifizierbarer Informationen zu incentivieren, indem dieser zusätzlich Tätigkeiten ausführen muss, bei denen diese Informationen eingesetzt werden. Kerr (1975) beschreibt dies in seinem Beitrag „On the folly of hoping for A, while paying for B“.
59
4.7
Der Anreizvertrag bei Einsatz subjektiver Ergebnisgrößen
In den bisherigen Ausführungen wurde angenommen, dass alle verfügbaren Performancemaße verifizierbar sind und daher als Bemessungsgrundlage für die variable Entlohnung des Agenten dienen können. Verifizierbarkeit eines Performancemaßes setzt voraus, dass nicht nur die beteiligten Vertragsparteien, sondern auch eine unabhängige dritte Partei (z. B. ein Gericht) die Realisierung dieses Performancemaßes überprüfen kann. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann dies dazu führen, dass vertragliche Vereinbarungen im Streitfall nicht durchgesetzt werden können. Die Voraussetzung der Verifizierbarkeit stellt für den Prinzipal allerdings in zweifacher Hinsicht eine Beschränkung dar. Zum einen wird dadurch implizit angenommen, dass sich der Prinzipal im Rahmen der Vertragsgestaltung auf den gleichen Informationsstand wie ein unabhängiger Dritter beschränken muss. Verfügt der Prinzipal dagegen über besondere Expertise oder beziehungsspezifisches Wissens, so hat er zwar nicht notwendigerweise den gleichen Informationsstand wie der Agent, verfügt aber doch in vielen Fällen über bessere Informationen als eine externe Person.158 Die Nicht-Verifizierbarkeit dieser Informationen würde in dem bisher dargestellten Modellrahmen bedeuten, dass der Prinzipal nicht von seinem Informationsvorsprung profitieren kann. Weiterhin bedeutet die Annahme der Verifizierbarkeit, dass nur Performancemaße eingesetzt werden können, deren Ausprägung objektiv feststellbar ist. Insbesondere bei Dienstleistungen ist die Festlegung objektiver Leistungs- und Qualitätskriterien aufgrund der Immaterialität der Leistung oftmals sehr viel schwerer als im Sachgüterbereich oder sogar gänzlich unmöglich. Aufgrund dieser Schwierigkeit besteht in der Dienstleistungsforschung heute weitgehend Einigkeit darüber, dass die Beurteilung der Dienstleistungsqualität stark subjektiv geprägt und das Dienstleistungsergebnis auch bei Beobachtbarkeit durch die Vertragsparteien Dritten gegenüber häufig nicht-verifizierbar ist.159 Man denke beispielsweise an das Problem, die Qualität der Leistung von Ärzten oder Unternehmensberatern objektiv zu bewerten.160 Für die Verhaltenssteuerung im Dienstleistungsbereich hätte die Beschränkung auf verifizierbare Performancemaße daher zur Folge, dass wesentliche Leistungsdimensionen nicht Grundlage eines Anreizvertrages sein können.
158 159 160
60
Vgl. Hermalin/Katz (1991), S. 1735. Einen Überblick über Methoden zur Messung der Dienstleistungsqualität bietet beispielsweise Haller (1993). Dies zeigt auch die Diskussion über Beraterverträge im öffentlichen Bereich. Sowohl Auftraggeber als auch Unternehmensberatungen können nur schwer nachweisen, welche Qualität die erbrachte Dienstleistung hat.
Es stellt sich die Frage, ob nicht-verifizierbare Performancemaße nicht doch unter bestimmten Voraussetzungen Anreizwirkungen haben können. In der Literatur wurde diese Frage im Rahmen impliziter Verträge analysiert.161 Im Unterschied zu expliziten Verträgen zeichnen sich implizite Verträge dadurch aus, dass diese aufgrund der fehlenden externen Durchsetzbarkeit selbstdurchsetzend sein müssen.162 Damit dies der Fall ist, müssen die Vertragsparteien auch ex post ein Interesse an der Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen haben, d. h., ein Vertragsbruch muss negative zukünftige Auswirkungen haben. Für die Analyse der Anreizwirkungen nicht-verifizierbarer Performancemaße ist daher eine Erweiterung des bisher betrachteten einperiodigen Prinzipal-Agenten-Modells auf mehrere Vertragsperioden notwendig.163 BULL hat gezeigt, dass Vereinbarungen auf Basis nichtverifizierbarer Performancemaße dann durchsetzbar sind, wenn sie ein teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht in einem wiederholten bilateralen Verhandlungsspiel darstellen.164 Die Anreizwirkung ergibt sich dabei aus der Möglichkeit einer Vertragspartei, abweichendes Verhalten der jeweils anderen Vertragspartei in der Zukunft bestrafen zu können. In der Praxis sind implizite Verträge für eine Vielzahl von Vertragssituationen relevant. Beispielsweise ergibt sich bei Mitarbeitern mittlerer und unterer Hierarchieebenen häufig das Problem, dass verfügbare objektive Performancemaße nur einen Teil der relevanten Leistungsdimensionen abbilden. Werden solche unvollkommenen Performancemaße als alleinige Grundlage von Anreizverträgen eingesetzt, kann dies zu dysfunktionalem Verhalten des Agenten, wie beispielsweise mangelnder Zusammenarbeit mit Kollegen, führen. Hierbei liegt das Problem nicht an einer leistungsorientierten Bezahlung per se, sondern vielmehr an den zugrunde liegenden Performancemaßen und der vom Prinzipal nicht intendierten Weise, in der Agenten ihre Entlohnung maximieren. Um dysfunktionale Effekte durch den alleinigen Einsatz objektiver, aber unvollkommener Performancemaße zu vermeiden, setzen viele Unternehmen objektive und subjektive Performancemaße kombiniert ein. Beispielsweise kann
161
162 163
164
Frühe Arbeiten zu impliziten Verträgen stammen von Azariadis (1975), Baily (1974) und Bull (1987). Supply Chains basieren häufig auf impliziten Vereinbarungen, die dann greifen, wenn unvorhergesehene bzw. vertraglich nicht vereinbarte Ereignisse eintreten, auf die die Vertragsparteien reagieren müssen. Vgl. zum Begriff der Selbstdurchsetzbarkeit z. B. Myerson (1991), S. 249 ff. In einem statischen (einperiodigen) Modell können nicht-verifizierbare Performancemaße keine Anreizwirkung haben, da Vertragsbrüche einer Vertragspartei nicht durch die andere sanktioniert werden können. Da dies von beiden Vertragsparteien antizipiert wird, sind implizite Verträge in einem statischen Modell wirkungslos. Vgl. Bull (1987), S. 149. BULL definiert implizite Verträge als zusätzliche Nash-Gleichgewichte (bzw. teilspielperfekte Gleichgewichte) in einem wiederholten bilateralen Verhandlungsspiel neben dem NashGleichgewicht bei einmaliger Durchführung des Spiels.
61
der Bonus sowohl von der Erreichung objektiver Ziele als auch von subjektiven Leistungsbewertungen von Vorgesetzten abhängen. Beobachtbares dysfunktionales Verhalten kann dann durch einen entsprechend niedrigeren Gesamtbonus berücksichtigt werden.165 Aus vertragstheoretischer Sicht werfen implizite Verträge das Problem auf, dass der Prinzipal erst zu einem Zeitpunkt über die Entlohnung des Agenten entscheidet, zu dem der Agent seine Leistung bereits erbracht hat. Für den Prinzipal besteht dann ein Anreiz, die Leistung des Agenten schlechtzureden, um dadurch dessen Entlohnung zu senken. Somit muss bei der Vereinbarung impliziter Verträge auch die Gefahr des Moral Hazard beim Prinzipal berücksichtigt werden. Damit implizite Anreize implementierbar sind, muss der Prinzipal den kurzfristigen Gewinn eines Vertragsbruches niedriger einschätzen als beispielsweise den langfristigen Verlust durch eine schlechtere Reputation auf dem Arbeitsmarkt oder einen zukünftigen suboptimalen Arbeitseinsatz des Agenten.166 Neben impliziten Verträgen wurden in der Literatur auch die Anreizwirkungen unvollständiger Verträge analysiert.167 Unvollständige Verträge sind dadurch charakterisiert, dass diese relevante Vertragsgrößen vernachlässigen. Als Ursachen hierfür werden neben beschränkter Rationalität der Vertragsparteien168 insbesondere Transaktionskosten für das Schreiben vollständiger Verträge und die fehlende Verifizierbarkeit von Vertragsgrößen genannt.169 Implizite Verträge sind daher ein Spezialfall unvollständiger Verträge, da bei diesen auch relevante Vertragsgrößen nicht explizit im Vertrag festgelegt werden, die Ursache aber nicht Transaktionskosten oder mangelnde Rationalität ist, sondern vielmehr deren Nicht-Verifizierbarkeit.
165
166 167 168 169
62
Eine wichtige Erkenntnis aus der Praxis ist hierbei, dass die Unvollkommenheit eines Performancemaßes keine intrinsische Eigenschaft darstellt, sondern häufig erst dann auftritt, wenn dieses Performancemaß als Grundlage monetärer Anreize genutzt wird. Viele Unternehmen trennen aus diesem Grund die Leistungsbeurteilung von der Entlohnung. Vgl. Prendergast (1999), S. 30. Ein Beispiel aus dem Non-Profit-Bereich über dysfunktionales Verhalten von Lehrern gibt Baker (2002), S. 6. Vgl. Holmström (1981), S. 311 ff., und Bull (1987), S. 157. Einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand über die Eigenschaften impliziter Verträge gibt Tirole (1999). Hierbei ist anzumerken, dass bisherige Versuche einer modelltheoretischen Abbildung beschränkter Rationalität bisher nicht erfolgreich waren. Vgl. Salanié (1997), S. 175, und Tirole (1999), S. 744. Vgl. Tirole (1999), S. 743 f.
Die Bedingungen für den Einsatz subjektiver Performancemaße im Rahmen (impliziter) Anreizverträge wurden formal von BAKER et al. analysiert. Insbesondere hängt deren Einsetzbarkeit von folgenden Faktoren ab:170 x
Verfügbare objektive Performancemaße dürfen nicht „zu gut“ sein, d. h., der Effizienzgewinn durch den Einsatz subjektiver Performancemaße muss hinreichend hoch sein. Ist dies nicht der Fall, kann es für den Prinzipal vorteilhafter sein, den impliziten Vertrag mit dem Agenten nicht einzuhalten. Da der Agent dies antizipieren würde, wäre die Verwendung eines subjektiven Performancemaßes im Rahmen eines Anreizvertrages nicht mehr möglich.
x
Die negative Auswirkung eines Vertragsbruches muss für den Prinzipal hinreichend hoch sein. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Vertragsbeziehung zwischen dem Prinzipal und dem Agenten mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum fortbestehen würde. Die Nichteinhaltung des impliziten Vertrages würde somit für den Prinzipal bedeuten, dass dessen Erwartungsnutzen in zukünftigen Perioden aufgrund des dann niedrigeren Arbeitseinsatzes des Agenten kleiner wird.
x
Der Diskontierungsfaktor für zukünftigen Erwartungsnutzen aus der Vertragsbeziehung darf nicht zu hoch sein.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass subjektive Performancemaße unter bestimmten Bedingungen im Rahmen von Anreizverträgen einsetzbar sind. Allerdings beschränkt sich deren Einsetzbarkeit auf Vertragsbeziehungen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum bestehen oder bei denen ein Vertragsbruch deutliche negative Folgen für die vertragsbrüchige Partei hat. In der Praxis dürfte es daher eine Reihe von Prinzipal-Agenten-Beziehungen geben, bei denen die Voraussetzungen für den Einsatz subjektiver Performancemaße nicht erfüllt sind. Dies stellt allerdings eine wesentliche Einschränkung im Dienstleistungsbereich dar. Im nächsten Abschnitt wird der Anreizvertrag bei Einsatz relativer Leistungsbewertungen untersucht. Wie sich zeigen wird, haben diese eine Reihe spezifischer Vorteile im Vergleich zu individuellen Anreizverträgen, unter anderem auch, dass subjektive Performancemaße ohne weitere Ein-
170
Vgl. Baker et al. (1994), S. 1127 ff. Das Problem nicht-verifizierbarer Performancemaße wurde auch bei Fairburn/Malcomson (1994) und Malcomson (1984) analysiert.
63
schränkungen genutzt werden können. Dadurch sind relative Leistungsbewertungen für den Einsatz im Dienstleistungsbereich besonders interessant.
4.8
Der Anreizvertrag bei relativer Leistungsbewertung
Die Bewertung des Dienstleistungsergebnisses ist aufgrund der Immaterialität der Leistung in vielen Fällen nicht unproblematisch. Sind objektive und verifizierbare Performancemaße nicht verfügbar, dann können, wie in Abschnitt 4.7 beschrieben wurde, unter bestimmten Umständen auch subjektive und damit nicht-verifizierbare Performancemaße zur Verhaltenssteuerung des Agenten eingesetzt werden. In der Praxis ergibt sich im Rahmen der Leistungsmessung häufig noch ein weiteres Problem, das in den bisherigen Ausführungen noch nicht adressiert wurde: Der Prinzipal muss die Leistung des Agenten nicht nur messen, sondern auch beurteilen. Während dies bei repetitiven und gut verstandenen Aufgaben unproblematisch erscheint,171 ist es bei komplexen Aufgaben nicht ohne Weiteres möglich zu beurteilen, was eine gute Leistung ist, da häufig der (absolute) Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe unbekannt ist. Arbeiten mehrere Agenten unter ähnlichen Umweltbedingungen an vergleichbaren Aufgaben, besteht eine Lösungsmöglichkeit darin, die Leistung eines Agenten relativ zu der eines anderen zu bewerten. Relative Leistungsbeurteilungen haben im Vergleich zu absoluten Leistungsbeurteilungen den Vorteil, dass sie auch dann zur Anreizsetzung geeignet sind, wenn die Schwierigkeit einer Aufgabe unbekannt ist, oder wenn exogene Zufallsvariablen das Leistungsergebnis mehrerer Agenten in gleicher Weise beeinflussen. In diesem Abschnitt soll analysiert werden, inwieweit relative Anreizverträge, d. h. Verträge, bei denen die Vergütung des Agenten lediglich vom relativen Rang seines Ergebnisses abhängt, für die Verhaltenssteuerung in Dienstleistungsunternehmen geeignet sind. In der Literatur werden Situationen, in denen mehrere Mitarbeiter relativ zueinander bewertet und damit in Konkurrenz zueinander stehen, als Leistungsturniere (so genannte Rank-Order-Tournaments) bezeichnet.172 Die Beurteilung eines Agenten auf Basis seiner relativen Leistung zeichnet sich insbesondere durch eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aus, was insbesondere in dynamischen
171 172
64
Vgl. zu Merkmalen von Aufgaben Picot et al. (1999), S. 214 f. Vgl. zu Leistungsturnieren z. B. Green/Stokey (1983), Lazear/Rosen (1981), McLaughlin (1988) und Nalebuff/Stiglitz (1983).
Umwelten und bei Tätigkeiten relevant ist, für die ein absoluter Standard nur schwer definiert werden kann. Eine ex ante nicht antizipierte Verbesserung oder Verschlechterung relevanter Umweltvariablen im Zeitablauf führt dazu, dass individuelle Anreizverträge immer wieder angepasst werden müssten. Eine Leistungsbewertung auf Basis eines relativen Vergleichs der erzielten Ergebnisse mehrerer Agenten trägt diesem Problem Rechnung. Ist eine Tätigkeit für alle Agenten besonders einfach oder sind die Rahmenbedingungen günstig, sinkt automatisch die Entlohnung pro Ergebniseinheit, da alle Agenten ein höheres Ergebnisniveau erreichen. Sind die Rahmenbedingungen dagegen besonders schwierig, erhöht sich die Entlohnung pro Ergebniseinheit.173 Im Folgenden soll der Fokus auf den Anreizwirkungen von Leistungsturnieren liegen, Selektionseffekte werden nicht betrachtet.174
4.8.1 Modellbeschreibung und Annahmen Leistungsturniere lassen sich anhand folgender Faktoren beschreiben: x
Gewinnfunktion (Contest Success Function): Auf Basis der gemessenen Leistungskriterien ergibt sich für jeden Agenten i eine Gewinnfunktion, durch die seine Gewinnwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren wie z. B. seinem Arbeitseinsatz oder seinem Talent sowie den Arbeitseinsätzen und Talenten der anderen n am Leistungsturnier teilnehmenden Agenten bestimmt wird.
x
Turnierpreise für Gewinner ( sH ) und Verlierer ( sL ): Die Anreizstärke für einen Agenten, einen hohen Arbeitseinsatz zu wählen, ergibt sich in einem Leistungsturnier zum einen aus der Differenz 's
sH sL zwischen dem Preis für den (oder die) Gewinner und
dem Preis für den (oder die) Verlierer des Leistungsturniers.175 Zum anderen ist die Anreizstärke aber auch davon abhängig, inwieweit der Agent das Ergebnis durch seinen Arbeitseinsatz beeinflussen kann.
173
174 175
Im Vergleich zu Leistungsturnieren haben Entlohnungsverträge, die dem Agenten eine feste variable Entlohnung pro Outputeinheit gewähren, den Nachteil, dass sie in Bezug auf Änderungen der Rahmenbedingungen während der Vertragslaufzeit nicht flexibel sind. Vgl. Nalebuff/Stiglitz (1983), S. 22. Zu Selektionseffekten von Leistungsturnieren siehe z. B. Clark/Riis (2001). Der Fall von mehr als zwei Preisen wird im Folgenden nicht betrachtet. Zu Leistungsturnieren mit mehr als zwei Preisen vgl. z. B. Nalebuff/Stiglitz (1983), S. 37 f.
65
x
Teilnehmerfeld: Neben der Anzahl n der Teilnehmer bestimmt die Zusammensetzung des Teilnehmerfeldes, insbesondere die Heterogenität oder Homogenität der Turnierteilnehmer, deren Verhalten und damit auch das Ergebnis des Leistungsturniers.
x
Anzahl der Turnierrunden: Es lassen sich einstufige und mehrstufige Leistungsturniere unterscheiden. Bei einstufigen Leistungsturnieren wird der Sieger bereits nach einer Turnierrunde ermittelt, während in mehrstufigen Leistungsturnieren mehrere Turnierrunden durchgeführt werden.
Für den Prinzipal sind diese Faktoren Gestaltungsparameter, die er bei der Implementierung eines Leistungsturniers in seinem Sinne festlegen kann. Im Folgenden werden die besonderen Charakteristika relativer Leistungsbewertungen und deren Eignung für die Verhaltenssteuerung in der Dienstleistungsproduktion untersucht. Grundlage hierfür ist ein einfaches Modell eines einperiodigen Leistungsturniers zwischen zwei homogenen Agenten. Die folgende Darstellung basiert im Wesentlichen auf einem Modell von LAZEAR und ROSEN,176 wobei das Modell analog zu FRANCKX et al. auf den Multitasking-Fall erweitert wird.177 Folgende Annahmen liegen dem Leistungsturnier zugrunde. Diese orientieren sich eng an Abschnitt 4.3.1, wobei nun von einem risikoneutralen Prinzipal und zwei risikoaversen Agenten
i 1, 2 ausgegangen wird. (1) Produktionsfunktion: Beide Agenten sind für die Ausführung von zwei vergleichbaren Teilleistungen verantwortlich. Das Ergebnis x i eines Agenten sei abhängig von dessen Arbeitseinsatzvektor ai sowie von exogenen Zufallseinflüssen, die der Agent nicht beeinflussen kann. Hierbei wird zwischen agentenspezifischen, individuellen Zufallseinflüssen \ i , i 1, 2 sowie agentenunabhängigen, allgemeinen Zufallseinflüssen I unterschieden. Bei \ i handelt es sich beispielsweise um das Talent des Agenten bzw. dessen komparative Vor- oder Nachteile hinsichtlich der Ausführung der betrachteten Dienstleistung, während mit I beispielsweise die allgemeine wirtschaftliche Lage oder die Schwierigkeit einer Aufgabe erfasst
176
177
66
Vgl. Lazear/Rosen (1981). Ihr Beitrag war einer der ersten, in dem die Anreizwirkung relativer Leistungsbewertung im Rahmen von Leistungsturnieren formal untersucht und mit individuellen Anreizverträgen verglichen wurde. Vgl. Franckx et al. (2004).
wird, die beide Agenten gleichermaßen betrifft. Analog zu den bisherigen Annahmen sei eine lineare und additive Produktionsfunktion angenommen: xi ai dt ai \ i I .
(2.34)
Alle Zufallsgrößen seien unabhängig normalverteilt. Die Erwartungswerte sind gegeben mit E \ i 0 und E I 0 , die Varianzen V\2i und V I2 jeweils positiv. Es sei angenommen,
dass alle Informationen sowohl über die Verteilung der Zufallsvariablen als auch über die Parameter der Produktionsfunktion allgemein bekannt sind. (2) Kostenfunktion der Agenten: Die Arbeitskosten bzw. der Disnutzen eines Agenten i aus der Wahl eines Arbeitseinsatzvektors ai seien gegeben durch die quadratische Funktion C ai
1 t ai Cai . 2
(2.35)
Es sei angenommen, dass beide Agenten bei der Wahl eines bestimmten Arbeitseinsatzvektors die gleichen Arbeitskosten haben, d. h., C ist identisch für beide Agenten. (3) Informationssystem und Performancemaße: Es sei angenommen, dass das Dienstleistungsergebnis nicht-verifizierbar und nur subjektiv messbar ist. Weitere Performancemaße stehen nicht zur Verfügung. Die Gewinnfunktion ist somit gegeben durch xi . (4) Entlohnung der Agenten: Jeder Agent erhält ein Festgehalt sL , der Sieger erhält eine Entlohnung von sH , die sich aus dem Festgehalt sL plus einer Siegprämie von 's
sH s L
zusammensetzt. (5) Risikonutzenfunktion des Prinzipals: Der Prinzipal sei risikoneutral und maximiert seinen Erwartungsnutzen aus den Leistungsergebnissen der beiden Agenten abzüglich der zu zahlenden Entlohnung für den Sieger und den Verlierer des Leistungsturniers: E U P
§ 2 · E ¨ ¦ xi ¸ sH sL . ©i 1 ¹
(2.36)
(6) Risikonutzenfunktion des Agenten: Beide Agenten haben eine in Einkommen und Arbeitskosten separierbare exponentielle Risikonutzenfunktion und sind risikoavers mit r ! 0 als Arrow-Pratt-Maß ihrer konstanten absoluten Risikoaversion: 67
Ui
exp r ª¬ si C ai º¼ .
(2.37)
Das Optimierungsproblem des Dienstleisters besteht nun darin, unter Berücksichtigung der Teilnahme- und Anreizbedingungen der Agenten die optimalen Turnierpreise festzulegen. Agent i erhält die Siegprämie dann, wenn sein Dienstleistungsergebnis höher als das Dienstleistungsergebnis von Agent j ist. Auf Basis der spezifizierten Produktionsfunktion ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Agent i gewinnt, eine Funktion seines Arbeitseinsatzes und des Arbeitseinsatzes des anderen Agenten j, d. h. Pi Pi ai , a j
Pi ai , a j :178
Pr xi ! x j Pr dt ai \ i I ! dt a j \ j I Pr ª¬dt ai a j ! \ j \ i º¼ .
(2.38)
Aus (2.38) folgt, dass die gemeinsame Zufallsvariable I für die Gewinnwahrscheinlichkeit von Agent i nicht relevant ist. Die zusammengesetzte Zufallsvariable - { \ j \ i der beiden individuellen Zufallsvariablen sei gemäß H verteilt und hat die Dichte h. Die Gewinnwahrscheinlichkeit für Agent i lautet somit: Pi ai , a j
H ª¬dt ai a j º¼ .
Der Erwartungswert der Entlohnung von Agent i ist E si Var si
(2.39) sL Pi 's und die Varianz
2
Pi 1 Pi 's . Mit Hilfe des Erwartungswertes der Entlohnung und deren Vari-
anz lässt sich bei exponentieller Risikonutzenfunktion und konstanter Risikoaversion r das Sicherheitsäquivalent eines Agenten i näherungsweise wie folgt bestimmen:179
178 179
Vgl. Lazear/Rosen (1981), S. 845. Gleichung (2.40) wäre genau erfüllt, wenn die erwartete Entlohnung der Agenten normalverteilt wäre und nicht wie hier nur zwei Werte ( sL und sH ) annehmen könnte. In Lazear/Rosen (1981) wird das Sicherheitsäquivalent des Agenten mit einem Taylorpolynom zweiten Grades an der Stelle der erwarteten Entlohnung E si sL 's 2 approximiert; vgl. Lazear/Rosen (1981), S. 852. Die Bestimmung des Sicherheitsäquivalents in Gleichung (2.40) basiert auf dem gleichen Ansatz.
68
CEi ai
1 E si C ai r Var si 2 1 2 sL Pi 's C ai r Pi 1 Pi 's . 2
(2.40)
Daraus ergibt sich die Teilnahmebedingung von Agent i: 1 2 sL Pi 's C ai r Pi 1 Pi 's t U 0A . 2
(TB-Ai)
(2.41)
Die Anreizbedingung des Agenten i ergibt sich aus der Maximierung von CEi nach ai :
ai
(AB-Ai)
1 2º ª h ª¬dt ai a j º¼ « 's r 1 2 Pi 's » C1d . 2 ¬ ¼
(2.42)
Da beide Agenten annahmegemäß identisch sind, gilt im symmetrischen Nash-Gleichgewicht a i
a j
a .180 Somit ist h ª¬dt ai a j º¼
Agenten ist Pi
Pj
h 0 und die Gewinnwahrscheinlichkeit beider
H 0 1 2 . Einsetzen in die Anreizbedingung (2.42) ergibt folgende
Funktion für den Arbeitseinsatz von Agent i: (AB-Ai)
ai
h 0 's C1d .
(2.43)
Die Teilnahmebedingung von Agent i lautet nun: (TB-Ai)
sL
1 1 1 2 's at Ca r 's t U 0A . 2 2 8
(2.44)
Gleichung (2.43) beschreibt das symmetrische Gleichgewicht eines Leistungsturniers in Abhängigkeit von der Dichte h 0 der Zufallsvariable - und dem erzielbaren Nutzenzuwachs bei Gewinn der Siegprämie 's . Gleichung (2.43) definiert somit das optimale Anstrengungsniveau eines Agenten, das ceteris paribus im Gleichgewicht umso höher ist, je größer 's und h 0 sind. Betrachtet man die zwei Dichtefunktionen h1 - und h2 - in Abbildung 4.4,
dann hat ein Agent ceteris paribus einen umso höheren Anreiz, ein hohes Anstrengungsniveau zu wählen, je kleiner die Varianz der Dichtefunktion ist. Dies bedeutet, dass der Anreizeffekt
180
Vgl. Lazear/Rosen (1981), S. 852.
69
für den Agenten umso größer ist, je weniger das Ergebnis des Leistungsturniers von individuellen Zufallsgrößen abhängt.
h -
h1 -
h2 - h 0 Abbildung 4.4:
- { \ j \ i
Beispiel für zwei Dichtefunktionen
Aus (2.43) folgt, dass der Prinzipal bei der Implementierung eines Leistungsturniers zwei Hebel zur Steuerung der Anreizstärke hat. Zum einen ist dies die Wahl der Siegprämie 's , zum anderen die Beeinflussung der Varianz von - . Bei gegebener Verteilung und Dichte von maximiert der Prinzipal seinen Erwartungsnutzen durch die geeignete Wahl von sL und 's , unter Beachtung der Teilnahmebedingung und der Anreizbedingung jedes Agenten. Da beide annahmegemäß identisch sind, wird das Optimierungsproblem des Prinzipals lediglich für einen Agenten betrachtet. Programm 4.3: Anreizproblem bei relativer Leistungsbewertung max sL , 's
u. d. N.
70
1 E U P dt a sL 's 2 h 0 's C1d
(AB-A)
a
(TB-A)
sL
1 1 1 2 's at Ca r 's t U 0A 2 2 8
(2.45)
(2.46)
(2.47)
Im Optimum ist die Teilnahmebedingung der Agenten als Gleichung erfüllt. Einfügen der Anreizbedingung in die Teilnahmebedingung und Zielfunktion des Prinzipals ergibt folgendes restriktionsfreie Optimierungsproblem: 1 1 2 2 2 max h 0 's dt C1d h 0 's dt C1d r 's U 0A . 's 2 8
(2.48)
Aus der 1. Ableitung von (2.48) nach 's ergibt sich die optimale Siegprämie:181
's
4 h 0 dt C1d 2
4 h 0 dt C1d r
.
(2.49)
Die optimale Siegprämie im Multitasking-Fall sinkt mit zunehmender Risikoaversion r der Agenten. Der Einfluss der Dichte der zusammengesetzten Zufallsvariable - { \ j \ i an der Stelle null auf die optimale Siegprämie 's ist dagegen nicht eindeutig: w's wh 0
2 4 ª r 4 h 0 dt C1d º dt C1d ¬ ¼ . 2 ª 4 h 0 2 dt C1d r º ¬ ¼
(2.50)
Je höher h 0 ist, desto weniger ist die Gewinnwahrscheinlichkeit eines Agenten von individuellen Zufallsgrößen wie z. B. Glück abhängig. Ist die Risikoaversion des Agenten nicht zu 2
hoch, d. h. für r 4 h 0 dt C1d , kann ceteris paribus bei einem Anstieg von h 0 die Siegprämie im Optimum gesenkt werden ( w's wh 0 0 ). Ist der Einfluss individueller Zufallsgrößen auf die Gewinnwahrscheinlichkeit eines Agenten dagegen hoch, d. h., h 0 ist klein, und hat der Agent gleichzeitig eine hohe Risikoaversion, dann steigt die Siegprämie im Optimum ( w's wh 0 ! 0 ).182 Auf Basis der optimalen Siegprämie 's wählt der Agent einen Arbeitseinsatz von a SB
h 0 's C1d . Bei positiver Risikoaversion des Agenten ist
h 0 's 1 , d. h., der Arbeitseinsatz des Agenten ist niedriger als im First-Best-Fall
181 182
Zum Ergebnis im Single-Tasking-Fall vgl. McLaughlin (1988), S. 231. Vgl. McLaughlin (1988), S. 231.
71
( a FB
C1d 183). Damit die Teilnahmebedingung des Agenten erfüllt ist, erhält dieser im Op-
timum ein Festgehalt von
sL
2 h 0 dt C1d 2 ª¬ h 0 dt C1d º¼
2
2
4 h 0 dt C1d r
U 0A .
(2.51)
Der Erwartungsnutzen des Prinzipals entspricht dem Residualgewinn und beträgt: 2
E U P
2 h 0 dt C1d 2
2
4 h 0 dt C1d r
U 0A .
(2.52)
Verglichen mit der First-Best-Lösung (siehe Seite 45) ergibt sich für den Prinzipal ein Effizienzverlust von: E L
E ª¬U P a FB º¼ E ª¬U P a SB º¼ dt C1d r 2
2 ª 4 h 0 dt C1d r º ¬ ¼
.
(2.53)
Bei gegebener Risikoaversion r des Agenten hängt die Höhe des Effizienzverlustes insbesondere von h 0 ab. Je geringer der Einfluss individueller Zufallsgrößen auf die Gewinnwahrscheinlichkeit eines Agenten ist, desto kleiner ist ceteris paribus der Effizienzverlust.184 Wäre das Dienstleistungsergebnis entgegen der getroffenen Annahme verifizierbar, könnte der Prinzipal auch einen individuellen Anreizvertrag mit dem Agenten vereinbaren. Ob ein individueller Anreizvertrag im Vergleich zu einem Leistungsturnier zu einem geringeren Effizienzverlust führt, lässt sich allgemein nicht beantworten. Bei gegebener Risikoaversion r des Agenten hängt dies insbesondere vom Einfluss des gemeinsamen Zufallseinflusses I auf das Dienstleistungsergebnis ab. Während dieser im Rahmen von Leistungsturnieren gefiltert wird
183 184
Zum Ergebnis im First-Best-Fall siehe Seite 42. Hierbei ist zu beachten, dass h 0 nicht beliebig hoch werden kann. Damit ein Leistungsturnier implementiert werden kann, muss die Varianz der zusammengesetzten Zufallsvariable - hinreichend hoch sein. Vgl. Lazear/Rosen (1981), S. 845.
72
und damit keine Rolle spielt, hängt die Höhe des Effizienzverlustes im Falle eines individuellen Anreizvertrages von der Varianz von I ab.185 Im folgenden Abschnitt werden die wesentlichen Eigenschaften von Leistungsturnieren diskutiert.
4.8.2 Eigenschaften relativer Ergebnisgrößen
Eine wesentliche Eigenschaft relativer Ergebnisgrößen und Leistungsbeurteilungen sind die geringeren Informationsanforderungen im Vergleich zu individuellen Anreizverträgen. Während es bei individuellen Anreizverträgen notwendig ist, dass die dem Vertrag zugrunde liegenden Performancemaße verifizierbar und kardinal skaliert sind, reichen bei Leistungsturnieren ordinal skalierte Performancemaße aus. Verifizierbarkeit der Performancemaße ist dagegen nicht notwendig, sofern sich der Prinzipal vor der Leistungserbringung der Agenten verbindlich auf die Turnierpreise festlegen kann. Dadurch wird es auch wesentlich leichter möglich, subjektive Kennzahlen in die Leistungsbeurteilung einzubeziehen, da der Prinzipal die Lohnsumme nicht durch eine Verfälschung der Performancemessung senken kann. Dies lässt sich durch folgende Überlegung im Falle eines Leistungsturniers mit zwei Agenten verdeutlichen. Angenommen, nur der Prinzipal kann die Realisierung der Performancemaße x1 und x2 beider Agenten beobachten: Im Falle individueller ergebnisabhängiger Verträge hat er nach dem so genannten Revelationsprinzip186 dann einen Anreiz seinen Ergebnisbericht x1c, x2c an die Agenten zu verfälschen, wenn er dadurch seinen Erwartungsnutzen erhöhen kann. Im Falle individueller ergebnisabhängiger Anreizverträge wäre dies für
x1c, x2c x1 , x2
gegeben.
Können die Agenten die tatsächliche Realisierung von x1 , x2 nicht beobachten, besteht die Gefahr des Moral Hazard nicht nur auf Seiten der Agenten in Bezug auf deren Anstrengungsniveau, sondern auch auf Seiten des Prinzipals in Bezug auf die Entlohnung der Agenten. In diesem Fall ist auch der Einsatz subjektiver Performancemaße wie in Abschnitt 4.7 nicht
185 186
Vgl. Lazear/Rosen (1981), S. 856 f., und McLaughlin (1988), S. 233. Vgl. Myerson (1979).
73
möglich, da ein Agent einen Falschbericht und damit Vertragsbruch des Prinzipals nicht erkennen könnte. Die Besonderheit von Leistungsturnieren besteht nun darin, dass diese auch dann anreizkompatibel sind, wenn nur der Prinzipal die Ergebnisse der Agenten beobachten kann. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Preise ex ante verbindlich festgelegt wurden. Ist dies erfüllt, dann kann der Residualgewinn des Prinzipals als Funktion seines Ergebnisberichts wie folgt dargestellt werden: E ¬ªU P x1c, x2c ¼º
E x1 x2 sH x1c, x2c sL x1c, x2c .
(2.54)
Da sowohl sL als auch sH ex ante festgelegt wurden, folgt, dass der Erwartungsnutzen des Prinzipals unabhängig von seinem Ergebnisbericht ist, d. h. wE >U P @ wxc2
wE >U P @ wxc1
0
und
0 . Der Prinzipal hat somit keinen Anreiz, seinen Ergebnisbericht zu verfäl-
187
schen.
Die geringeren Anforderungen an das Skalenniveau und die Kontrahierbarkeit der eingesetzten Performancemaße stellen eine wesentliche Vereinfachung im Vergleich zu individuellen Anreizverträgen dar. Insbesondere gilt dies für Situationen, in denen ein holistisches Performancemaß zur Verfügung steht, das die Erstellung einer Rangordnung erlaubt. Ist die Leistung des Agenten multidimensional oder ist dieser für mehrere Aufgaben verantwortlich, dann ergibt sich die Frage der optimalen Gewichtung der einzelnen Leistungsdimensionen, um ein Gesamtranking zu erstellen. Dies ist insbesondere dann ein Problem, wenn es keinen Agenten gibt, der den anderen Agenten klar dominiert. Leistungsturniere sind zwar grundsätzlich auch im Multitasking-Fall einsetzbar, allerdings ergäbe sich, ähnlich wie bei individuellen Anreizverträgen, ein Präzisions- bzw. Kongruenzverlust, wenn bestimmte Leistungsaspekte im Rahmen des Gesamtrankings vernachlässigt werden. Exogene Zufallseinflüsse, die beide Agenten betreffen, werden allerdings bei relativer Leistungsbewertung „gefiltert“ und führen nicht zu einem Effizienzverlust für die Agentur. Daher eignen sich relative Bewertungsgrößen insbesondere für Dienstleistungsunternehmen, in denen Agenten vergleichbare Tätigkeiten ausüben und dabei den gleichen exogenen Zufallseinflüssen ausgesetzt sind.
187
74
Vgl. Carmichael (1983), S. 60.
In der Praxis finden sich Leistungsturniere insbesondere in Form von Beförderungsanreizen. Ein Argument dafür, dass Agenten im Rahmen von Leistungsturnieren anstelle eines Geldbetrages eine Beförderung bekommen, liegt in möglichem dysfunktionalem Verhalten derjenigen, die Mitarbeiter im Rahmen von Leistungsturnieren bewerten müssen. In empirischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass Bewertungen von Vorgesetzten in vielen Fällen zu wenig zwischen guten und schlechten Leistungen differenzieren.188 Durch die Beförderung von Mitarbeitern soll verhindert werden, dass bei Leistungsbewertungen zu wenig differenziert wird, da sich Vorgesetzte bei schlechten Entscheidungen eventuell selbst schaden, wenn der Mitarbeiter in seiner neuen Rolle nicht die gewünschte Leistung erbringt. Gleiches gilt auch für Mitarbeiter, die im Rahmen von Leistungsturnieren entlassen werden müssen. Da Fehlentscheidungen des Vorgesetzten schwerwiegende persönliche Folgen für den Betroffenen haben, hat der Vorgesetzte einen Anreiz, seine Entscheidung so fundiert wie möglich zu treffen.189 Eine spezielle Form von Leistungsturnieren sind Turniere, bei denen Sieger und Verlierer nicht nur die entsprechenden Turnierpreise bekommen, sondern der Verlierer das Unternehmen verlassen muss („Out“) und der Sieger befördert wird („Up“). Diese Art von Leistungsturnieren findet sich beispielsweise im akademischen Bereich, wo wissenschaftliche Mitarbeiter innerhalb einer bestimmten Zeit den Sprung zur Professur schaffen müssen, da sie ansonsten keine Vertragsverlängerung mehr bekommen und die Universität verlassen müssen. Im Dienstleistungsbereich finden sich Leistungsturniere mit „Up-or-Out“ beispielsweise in Unternehmensberatungen oder Anwaltskanzleien.190
188 189
190
Vgl. Prendergast (1999), S. 30, und die dort zitierte Literatur. In vielen Unternehmen werden Entscheidungen über die Beförderung oder Entlassung von Mitarbeitern nicht durch einen einzelnen Vorgesetzten, sondern durch Gremien getroffen. Dies gilt beispielsweise auch im universitären Bereich. Vgl. zu Leistungsturnieren mit „Up-or-Out“ Kahn/Huberman (1988). Eine empirische Studie bei Rechtsanwaltskanzleien wurde von Morris/Pinnington (1998) durchgeführt.
75
4.9
Zwischenergebnis
Zusammengefasst ergeben sich aus der formalen Analyse folgende Implikationen für die Verhaltenssteuerung innerhalb der Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Mitarbeiter: (1) Ist der Prinzipal (d. h. der Vorgesetzte bzw. Dienstleistungsunternehmer) in der Lage, das Verhalten des Agenten zu beobachten, zielkonformes Verhalten zu beurteilen, und wird der Prozess der Leistungserstellung gut verstanden, dann ist eine direkte Verhaltenssteuerung vorteilhaft (First-Best-Lösung). Direkte Formen der Verhaltenssteuerung können beispielsweise durch konkrete Regeln und Verhaltensvorgaben implementiert werden, durch die der Entscheidungsraum des Agenten einschränkt wird und diesem nur begrenzte Freiräume im Rahmen der Leistungserstellung bleiben. (2) Kann der Prinzipal dagegen das Verhalten des Agenten nicht bzw. nur in Teilaspekten beobachten oder ist die Beurteilung zielkonformen Verhaltens schwierig, können unter der Voraussetzung, dass zielkongruente Performancemaße verfügbar sind, indirekte Formen der Verhaltenssteuerung eingesetzt werden. In Abhängigkeit von der Verfügbarkeit verifizierbarer Performancemaße erfolgt die Entlohnung auf Basis individueller Beurteilungen oder im Rahmen von Leistungsturnieren. Je besser die Verifizierbarkeit der verfügbaren Performancemaße und je geringer der Einfluss exogener Zufallseinflüsse ist, desto eher kann die Entlohnung auf Basis individueller Anreizverträge erfolgen. Je subjektiver die Leistungsbewertung oder je größer der Einfluss exogener Zufallsvariablen ist, desto eher bietet sich der Einsatz von Leistungsturnieren bzw. relativen Leistungsbeurteilungen an. (3) Kann der Prinzipal das Verhalten des Agenten nicht beobachten und stehen für wesentliche Leistungsdimensionen weder objektive noch subjektive Performancemaße zur Verfügung, sind Anreizverträge in der beschriebenen Form nicht mehr möglich. Zur Verhaltenssteuerung können dann lediglich Maßnahmen eingesetzt werden, die eine zielkonforme Selbststeuerung von Mitarbeitern oder die soziale Steuerung innerhalb der Arbeitsgruppe fördern.191 Beispiele hierfür sind die Anwendung bestimmter Einstellungskriterien bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter im Rahmen des Recruiting sowie Sozialisierungsmaßnahmen innerhalb des Unternehmens wie Trainings oder regelmäßige Unternehmensveranstaltungen, durch die eine starke Unternehmenskultur etabliert werden soll. Die Stärkung der sozialen Steuerung inner-
191
76
Vgl. Abernethy/Stoelwinder (1995), S. 3 f., und Ouchi (1979), S. 98.
halb der Arbeitsgruppe kann beispielsweise durch gezielte Eingriffe in die Gruppenzusammensetzung erfolgen. Wie gezeigt wurde, ist der alleinige Einsatz objektiver Performancemaße und deren Koppelung an Prämienzahlungen in vielen Fällen nicht ausreichend, das gewünschte (First-Best-) Verhalten bei einem Agenten zu induzieren. Insbesondere gilt dies für komplexe und schlecht strukturierbare Tätigkeiten, beispielsweise bei professionellen Dienstleistungen. Die Herausforderung des Dienstleistungsunternehmers besteht darin, verschiedene Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung geeignet zu kombinieren.192 Im nächsten Kapitel wird die Interaktion zwischen Dienstleistungsunternehmer bzw. dessen Mitarbeiter und dem Kunden aus ökonomischer Sicht analysiert. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, wie der Dienstleistungsanbieter sicherstellen kann, dass sich die Interaktion zwischen ihm bzw. seinem Mitarbeiter und dem Kunden im Rahmen der Dienstleistungsproduktion in der von ihm gewünschten Weise vollzieht.193 Nicht betrachtet wird dagegen die vorgelagerte Entscheidung eines Nachfragers oder Anbieters, ob eine solche Interaktion bzw. die Inanspruchnahme der Leistung überhaupt stattfinden soll oder nicht.194 Ebenfalls nicht betrachtet wird die Frage, mit welchem Anbieter bzw. welchem Nachfrager eine Interaktion stattfinden soll. Somit wird weder die nachfragerseitige Kaufentscheidung195 thematisiert noch die Entscheidung des Dienstleistungsanbieters, für welche Kunden die Leistungen erbracht werden sollen. Es wird daher im Folgenden davon ausgegangen, dass die Beteiligten willens sind, eine Leistungsbeziehung einzugehen.196
192
193
194 195 196
Hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit bestimmter Kombinationen von Koordinationsinstrumenten gibt es bisher nur wenige Arbeiten. Zum kombinierten Einsatz von Anreiz- und Budgetierungssystemen im Rahmen der Verhaltenssteuerung vgl. Hofmann/Homburg (2004). Hierbei steht die „technische“ Qualität der Dienstleistung und der Leistungserstellung im Vordergrund. Zur Unterscheidung zwischen der technischen Dienstleistungsqualität und der Qualität der Interaktion von Dienstleistungsanbieter und Kunden (funktionale Qualität), vgl. Grönroos (1984), S. 38 f. Im Rahmen dieser Arbeit wird von psychologischen Aspekten und Fragen der sozialen Interaktion zwischen Dienstleistungsanbieter bzw. dessen Mitarbeitern abstrahiert. In der Praxis können diese neben ökonomischen Aspekten durchaus relevante Auswirkungen haben, man denke beispielsweise an persönliche Sympathien oder Antipathien, die einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Dienstleistungsqualität haben können. Die Teilnahme der Beteiligten ist eine notwendige Nebenbedingung der Interaktion. Diese wird von der Kaufverhaltensforschung thematisiert. Vgl. z. B. Kroeber-Riel/Weinberg (1999). Das Problem der Nachfragegenerierung wird im Rahmen des Dienstleistungsmarketings betrachtet.
77
5
Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Kunde
In diesem Kapitel werden die Anreizprobleme, die sich aus der Integrativität von Dienstleistungen ergeben, innerhalb der Teilhierarchie Dienstleistungsunternehmer – Kunde analysiert. In Abschnitt 5.1 werden zunächst die Charakteristika integrativer Leistungen beschrieben. Da sowohl der Dienstleistungsunternehmer als auch der Kunde an der Leistungserstellung beteiligt sind, ergibt sich das so genannte Double-Moral-Hazard-Problem, das in Abschnitt 5.2 dargestellt wird. In Abschnitt 5.3 wird der optimale Anreizvertrag bei Vorliegen von Double Moral Hazard zunächst für den Fall einer statischen (einperiodigen) Vertragsbeziehung ermittelt. Im Anschluss erfolgt in Abschnitt 5.4 die Analyse für den Fall einer dynamischen (mehrperiodigen) Vertragsbeziehung. Auf Basis der gewonnenen theoretischen Ergebnisse werden Hypothesen hinsichtlich der Determinanten des Einsatzes bestimmter Anreizverträge bei professionellen Dienstleistungen entwickelt, die in Abschnitt 5.5 in einer empirischen Studie für Unternehmensberatungen getestet werden. Abschnitt 5.6 fasst die wesentlichen Erkenntnisse dieses Kapitels in einem Zwischenergebnis zusammen.
5.1
Charakteristika integrativer Leistungen
Die Produktion von Dienstleistungen zeichnet sich durch das konstitutive Merkmal der Integrativität aus, d. h., ohne die Integration eines externen Faktors ist die Erstellung von Dienstleistungen nicht möglich. Unter externen Faktoren versteht man hierbei (Produktions-) Faktoren des Kunden, die zeitlich begrenzt und beschränkt auf einen konkreten Leistungserstellungsprozess in den Verfügungsbereich des Dienstleistungsanbieters gelangen und von diesem mit internen Produktionsfaktoren kombiniert werden, um die vereinbarte Dienstleistung zu erbringen.197 Externe Faktoren können dabei in verschiedenen Formen auftreten: Personen (z. B. der Nachfrager selbst), sachliche Objekte, Rechte, Nominalgüter (z. B. Geld) und Informationen.198 Informationen können zum einen als eigenständige externe Faktoren auftreten, an denen eine Leistung erbracht wird, indem sie verarbeitet bzw. verändert werden. Zum anderen treten sie auch als andere externe Faktoren begleitende Produktionsfaktoren auf, die
197 198
Vgl. Corsten (2001), S. 124 f., Engelhardt et al. (1993), S. 401, und Fließ (2001), S. 18. Vgl. Corsten (2001), S. 125, Kleinaltenkamp/Marra (1995), S. 103 f., und Maleri (1994), S. 164.
79
für die Steuerung eines Leistungserstellungsprozesses notwendig sind, selbst aber nicht verändert werden. Der wesentliche Unterschied zu internen Produktionsfaktoren besteht für den Dienstleistungsanbieter darin, dass er nicht autonom über die zeitliche und mengenmäßige Bereitstellung des externen Faktors (bzw. der externen Faktoren) disponieren kann.199 Erst durch die Interaktion mit dem Kunden gelangen die externen Faktoren in den Verfügungsbereich des Dienstleisters.200 Allgemein bezeichnet Interaktion den mittelbaren oder unmittelbaren Kontakt zwischen zwei oder mehreren Akteuren, deren jeweilige Verhaltensweisen sich gegenseitig beeinflussen.201 Aus ökonomischer Sicht findet Interaktion dann statt, wenn die Beteiligten von dieser Interaktion einen Nutzengewinn erwarten. Unterstellt man den Beteiligten das Ziel der Nutzenmaximierung202, bedürfen diese Interaktionen jedoch bestimmter Regeln, um konfliktäre Interessen203 der Akteure aufeinander abzustimmen. Hierunter fallen beispielsweise Vereinbarungen darüber, welchen Beitrag jeder Beteiligte im Rahmen der Leistungserstellung erbringen muss. Für den Dienstleistungsanbieter hat die Notwendigkeit der Interaktion mit dem Kunden bzw. dem externen Faktor zur Folge, dass die erfolgreiche Erbringung der Dienstleistung (auch) von seiner Fähigkeit abhängt, das Kundenverhalten in der von ihm gewünschten Weise zu steuern.204 Die Bedeutung dieser Frage wurde bereits früh in der Dienstleistungsforschung erkannt, und insbesondere der dyadische Charakter der Leistungsbeziehung wurde herausgestellt: „The interaction of the two persons ... depends upon the economic, social, and personal
199
200
201 202 203
204
80
Vgl. Corsten (2001), S. 136, und Rosada (1990), S. 24. Die Integration des externen Faktors trennt den autonom durch den Dienstleister gestaltbaren Bereich des Anbieterpotentials von dem Leistungserstellungsprozess. Vgl. Kleinaltenkamp (1997), S. 103. Interaktion steht hier allgemein für den Austausch aller zur Erbringung der Leistung notwendigen Informationen und Produktionsfaktoren. Ob diese Interaktion ein hohes Maß an sozialer Interaktion erfordert, hängt von der Art der zu erbringenden Leistung und von der Art des externen Faktors ab. Vgl. Macharzina (1999), S. 399. Die Nutzenmaximierung ist eine der Grundannahmen ökonomischen Handelns. Damit Interaktion zustande kommt, muss ein Mindestmaß an gemeinsamen Interessen vorliegen, insbesondere der Wille zur Durchführung einer Transaktion. Ansonsten können die Ziele der Beteiligten durchaus gegensätzlich sein, wie man beispielsweise an den Zielen eines Käufers (niedriger Verkaufspreis) und eines Verkäufers (hoher Verkaufspreis) sehen kann. Vgl. Solomon et al. (1985), S. 101. Daneben sind natürlich auch andere Fragen wie z. B. die Festlegung des Dienstleistungsdesigns, Leistungsstandards, die Auswahl und das Training der Mitarbeiter wichtig. Dies wird hier jedoch nicht weiter thematisiert.
characteristics of each of them. To understand the process, however, it is necessary to look at both parts of the sale as a dyad, not individually.“205 Dienstleistungen lassen sich hinsichtlich der Interaktionssituation und des Interaktionsgrades zwischen Anbieter und Nachfrager unterscheiden. Abhängig von der zu erbringenden Leistung kann man zwischen einer aktiven und passiven Teilnahme des externen Faktors unterscheiden.206 Des Weiteren kann unterschieden werden, ob der externe Faktor direkt oder indirekt an der Leistungserstellung teilnimmt (präsenzbedingte Integration) oder ob es sich um eine informatorische Mitwirkung des Nachfragers (informationsbedingte Integration) handelt, beispielsweise in Form von Informationen über dessen konkreten Bedarf.207 Im Folgenden stehen Dienstleistungen im Vordergrund, bei denen der Kunde an der Realisierung der Problemlösung mitarbeitet208 und sowohl den Prozess der Leistungserstellung als auch das Dienstleistungsergebnis beeinflussen kann. Der Kunde hat hier eine Doppelfunktion. Zum einen ist er der Abnehmer der Dienstleistung, zum anderen wirkt er als externer Faktor direkt an der Dienstleistungsproduktion mit.209 Hierzu zählen beispielsweise die Dienstleistungen von Unternehmensberatungen, Rechtsanwaltskanzleien, Werbeagenturen und Individualsoftwareanbietern. Neben dem Charakteristikum der Mitwirkung des Kunden, die zumindest die Spezifizierung der zu erbringenden Leistung umfasst, zeichnen sich diese Dienstleistungen dadurch aus, dass sie in vielen Fällen komplex und hochwertig sind.210
205
206 207 208 209 210
Evans (1963), S. 76. Einer der ersten Beiträge, der einen theoretischen Rahmen zur Analyse dyadischer Interaktionen auf Basis der Rollentheorie vorstellt, stammt von Solomon et al. (1985). In deren Beitrag wird die Bedeutung der sozialen Interaktion zwischen den Beteiligten untersucht. Vgl. Maleri (1994), S. 133 ff. Vgl. Corsten (2001), S. 127. Die Zusammenarbeit des Anbieters und Nachfragers bei der Leistungsfindung und -erstellung wird in der Literatur auch als „Customer Integration“ bezeichnet. Vgl. Kleinaltenkamp/Marra (1995), S. 103. TOFFLER prägte hierfür den Begriff des „Prosumers“. Vgl. Toffler (1980), S. 274. KAAS bezeichnet diese Güter auch als Kontraktgüter. Vgl. Kaas (1992), S. 885.
81
5.2
Das Double-Moral-Hazard-Problem bei integrativen Leistungen
Die Exekution der Dienstleistung setzt eine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zwischen Dienstleister und Kunde voraus, in der die zu erbringende Leistung festgelegt wird. Bei professionellen Dienstleistungen wie den von Unternehmensberatungen liegt allerdings häufig zu Beginn der Leistungserstellung eine unstrukturierte Bedarfssituation vor und viele Details können erst im Laufe der Leistungserstellung spezifiziert werden. Da der Dienstleister und der Kunde über eine in der Zukunft zu erbringende Leistung disponieren müssen, ergeben sich für beide Vertragsparteien sowohl exogene als auch endogene Unsicherheitsprobleme:211 x
exogene Unsicherheit: Diese entsteht aufgrund unvollkommener Informationen der Be-
teiligten über zukünftige Zustände der Umwelt. Hierzu zählen unvorhergesehene Schwierigkeiten der Aufgabe als auch Veränderungen der Rahmenbedingungen (z. B. Erkrankung eines kritischen Know-how-Trägers), durch die vorgesehene Inputs der Vertragsparteien verteuert, in ihrer Qualität verändert oder unmöglich gemacht werden. x
endogene Unsicherheit: Diese ergibt sich aufgrund der asymmetrischen Informationsver-
teilung zwischen dem Dienstleister und dem Kunden hinsichtlich der Charakteristika ihrer jeweiligen Inputs. Das Ausmaß der bestehenden bilateralen Unsicherheit hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Hierzu zählen insbesondere die Spezifität der Leistung und der Komplexitätsgrad der zu lösenden Aufgabe.212 Spezifität bezieht sich auf den Grad, zu dem eine Leistung an die Anforderungen eines bestimmten Kunden angepasst wird bzw. werden muss. Je weniger eine Unternehmensberatung vorhandene eigene Erfahrungen zur Lösung der Kundenprobleme nutzen kann, desto höher ist die anbieterseitige Unsicherheit. Komplexität bezieht sich auf die Strukturier- und Programmierbarkeit einer Aufgabe.213 Je schlechter eine Aufgabe ex ante strukturiert und programmiert werden kann, desto höher ist das Implementierungsrisiko für den Dienstleister. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass der Dienstleister den Leistungswillen und die Leistungsfähigkeit des „Co-Produzenten“ Kunde ex ante nicht ohne Weiteres beurteilen kann. Für den Kunden ergibt sich analog ein Ergebnisrisiko, da er ex ante nur schwer be-
211 212 213
82
Vgl. Kaas (1992), S. 886. Kaas führt die Verhaltensunsicherheit als spezielle Form der endogenen Unsicherheit separat auf und nennt daher drei Arten der Unsicherheit. Vgl. Kaas (1992), S. 887. Vgl. zum Begriff der Programmierbarkeit Picot et al. (1999), S. 234 f.
urteilen kann, ob die vereinbarte Leistung ex post auch die gewünschten Eigenschaften aufweist.214 Aufgrund der bestehenden Informationsasymmetrien haben beide Vertragsparteien vor und während der Leistungsbeziehung Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten. Vor der Vertragsunterzeichnung kann der Dienstleister seine Qualifikation und Erfahrung zu positiv darstellen, um den Auftrag zu erhalten; der Kunde hingegen kann die Schwierigkeit der Aufgabe herunterspielen oder seine Mitarbeit zu positiv darstellen. Während der Leistungserstellung besteht die Gefahr, dass beide Vertragsparteien den eigenen Arbeitseinsatz unbeobachtet reduzieren. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass ein Unternehmensberater Ergebnisse aus anderen Projekten ohne ausreichende Anpassung an die Klientensituation übernimmt oder dass der Klient weniger qualifizierte Mitarbeiter für das Projekt einsetzt. Ist die Leistung erbracht, besteht die Gefahr, dass der Dienstleister diskretionäre Spielräume bei der Leistungsabrechnung in seinem Sinne ausnutzt, indem er beispielsweise vermeintliche Zusatzleistungen separat abrechnet. Auf Klientenseite besteht die Gefahr, dass der Klient Leistungen nicht abnimmt bzw. aufgrund vorgetäuschter Unzufriedenheit den Rechnungsbetrag kürzt.215 Ein wesentliches Ziel von Verträgen ist es, Möglichkeiten für opportunistisches Verhalten zumindest einzuschränken. Angelehnt an ein Modell von BHATTACHARYYA und LAFONTAINE
216
wird im folgenden Abschnitt zunächst der optimale Anreizvertrag bei Vorliegen
von Double Moral Hazard für den Fall einer einperiodigen Vertragsbeziehung (statischer Fall) analysiert. In Abschnitt 5.4 erfolgt die Erweiterung auf den Fall einer mehrperiodigen Vertragsbeziehung (dynamischer Fall).
214 215 216
Vgl. Kleinaltenkamp/Marra (1995), S. 105. Vgl. Kaas (1992), S. 889 f. Vgl. Bhattacharyya/Lafontaine (1995).
83
5.3
Der Anreizvertrag im statischen Fall
5.3.1 Modellbeschreibung und Annahmen
Anreizprobleme in Situationen, in denen beide Vertragsparteien einen produktiven Beitrag leisten müssen, werden in der Literatur als Situationen mit Double Moral Hazard bezeichnet. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass beide Beteiligte das Anstrengungsniveau bzw. den Input der jeweils anderen Partei nicht beobachten können.217 Neben theoretischen Beiträgen, die sich mit dem optimalen Vertragsverlauf (linear versus nicht-linear) beschäftigen, wurden in der Literatur Double-Moral-Hazard-Modelle beispielsweise zur Analyse von Anreizverträgen zwischen Franchisenehmern und Franchisegebern, Landbesitzern und ihren Pächtern, Partnern in einem Corporate Venture sowie zur optimalen Festlegung von Garantieleistungen genutzt.218 Die folgende Analyse erfolgt aus Sicht des Dienstleistungsunternehmers, der dem Kunden auf der Basis einer Anfrage ein Vertragsangebot unterbreitet. Vereinfachend sei angenommen, dass der Dienstleistungsunternehmer die Leistung selbst erbringt bzw. dass es bei Delegation an einen Mitarbeiter keine Informationsasymmetrie zwischen Mitarbeiter und Dienstleistungsunternehmer gibt. Sowohl der Dienstleistungsunternehmer (D) als auch der Kunde (K) müssen respektive eine Aktion a aus der Menge A K
> 0, a @ \
bzw. k aus der Menge
ª¬0, k º¼ \ möglicher Arbeitseinsätze wählen. Damit ein Anreizproblem vorliegt, sei
angenommen, dass lediglich das Dienstleistungsergebnis x verifizierbar ist, die Wahl der jeweiligen Arbeitseinsätze (bzw. der Umfang der Anstrengungen) dagegen nicht. Weiterhin sei angenommen, dass der Nutzen der Dienstleistung lediglich dem Kunden zukommt und nicht transferierbar ist, wohl aber der monetäre Betrag, der diesem Nutzen entspricht. Der Erwartungsnutzen des Kunden ergibt sich somit aus der Differenz zwischen dem monetären Nutzen der Dienstleistung und der Entlohnung des Dienstleisters. x sei eine Zufallsvariable, die von den kombinierten Anstrengungen der Beteiligten, g
g a, k , sowie
von der Realisation einer normalverteilten Zufallsvariablen H abhängt. Beide Arbeitseinsätze
217 218
84
Wäre dies für mindestens eine Partei gegeben, dann hätte man eine Situation mit einfachem Moral Hazard. Vgl. Bhattacharyya/Lafontaine (1995), Chi (1996), Cooper/Ross (1985), Dybvig/Lutz (1993), Eswaran/Kotwal (1985), Kim/Wang (1998), Lal (1990), Reid (1977) und Rubin (1978). Im Vergleich zum einseitigen Moral Hazard ist die Literatur zu Double Moral Hazard allerdings deutlich weniger umfangreich.
sind produktiv, d. h. g a a, k ! 0 und g k a, k ! 0 , und haben abnehmende Grenzerträge, d. h. g aa a, k 0 und g kk a, k 0 .219 Zur Abbildung der Integrativität der Leistung sei angenommen, dass die Arbeitseinsätze komplementär sind, d. h., es sei g ak a, k ! 0 . Ist z. B. Leistung 1 integrativer als Leistung 2, so gilt g 1ak ! g ak2 . Es sei weiterhin angenommen, dass beide Arbeitseinsätze für eine positive Dienstleistungsproduktion notwendig sind, d. h. g a,0
g 0, k
0 . Die Zufallsvariable H sei normalverteilt mit einem Erwartungswert von
null und einer Varianz von V 2 , d. h. H ~ N 0, V 2 . Das Dienstleistungsergebnis ergibt sich gemäß x
g a, k H .220 Da im Folgenden der Fokus auf der Analyse von Anreizproblemen
liegt, wird vom Problem der Risikoallokation abstrahiert, und es sei angenommen, dass beide Vertragsparteien risikoneutral sind.221 Beide erfahren durch ihren Arbeitseinsatz einen Nutzenentgang, wobei der Disnutzen des Dienstleisters durch die Kostenfunktion C a und der des Kunden durch c k erfasst wird. Beide Parteien sind strikt effortavers, d. h., es gilt C c a ! 0 , C cc a ! 0 , cc k ! 0 und ccc k ! 0 . Es sei C 0 c 0 0 . Weiterhin sei angenommen, dass ein linearer Vertrag ab-
geschlossen wird, bei dem der Dienstleister für seine Anstrengungen eine Entlohnung s erhält, die sich aus einem Festpreis F und einem variablen Anteil v > 0,1@ zusammensetzt. Im Falle risikoneutraler Vertragsparteien ist dies keine Einschränkung der Allgemeinheit, da lineare Verträge eine von mehreren optimalen Möglichkeiten der Vertragsgestaltung sind.222 Da das Dienstleistungsergebnis x annahmegemäß die einzige beobachtbare und verifizierbare Größe ist, muss der variable Anteil der Entlohnung des Dienstleisters auf x basieren, d. h. s
s x
F v x . Der zeitliche Ablauf der Vertragsbeziehung ist in Abbildung 5.1 darge-
stellt. Der Dienstleister bietet dem Kunden einen Vertrag an, den dieser ablehnen oder an-
219 220 221
222
Das Subskript bezeichnet die partielle Ableitung des Gesamtarbeitseinsatzes nach dem jeweiligen individuellen Arbeitseinsatz. Zur Vereinfachung der Notation steht im Folgenden x sowohl für die Realisierung des Ergebnisses als auch für die noch nicht realisierte zufallsbehaftete Variable x. Die Annahme risikoaverser Vertragsparteien würde die Ergebnisse qualitativ nicht wesentlich verändern. Die Aufteilung des Ergebnisses im Optimum würde dann allerdings auch von der Risikoaversion der Vertragsparteien abhängen und nicht nur vom Integrativitätsgrad der Leistung. Der Fall, dass eine Vertragspartei risikoavers ist, wird bei Kim/Wang (1998) betrachtet. Vgl. Bhattacharyya/Lafontaine (1995), S. 768, und Kim/Wang (1998), S. 347. Ist der Kunde risikoavers, dann ist der optimale Vertrag dagegen im Allgemeinen nicht linear. Vgl. Kim/Wang (1998), S. 353. Dieser Fall wird hier allerdings nicht betrachtet.
85
nehmen kann. Nimmt dieser den Vertrag an, so entscheiden beide simultan über ihren jeweiligen Arbeitseinsatz a und k. Beide Vertragsparteien beobachten die Realisation des Ergebnisses x, das neben den Arbeitseinsätzen auch von der Zufallsvariablen H abhängt. Die Auszahlung der Beteiligten erfolgt auf der Basis des geschlossenen Vertrages.
t=0
t=1
t=2
t=3
t=4
Dienstleister bietet Vertrag an
Kunde nimmt Vertrag an oder lehnt ab
simultane Wahl der Aktionen a und k durch Dienstleister und Kunde
Dienstleister und Kunde beobachten die Realisation des Dienstleistungsergebnisses x
Auszahlung der Beteiligten gem. Vertrag
Zeit
Abbildung 5.1:
Zeitlicher Ablauf der Vertragsbeziehung
Als Referenz wird zunächst die First-Best-Lösung ermittelt, die bei symmetrischer Informationsverteilung realisierbar wäre. In diesem Fall können der Dienstleister und der Kunde einen verbindlichen Vertrag (Forcing Contract) hinsichtlich der jeweils zu erbringenden Arbeitseinsätze vereinbaren. Anreize in Form eines ergebnisabhängigen Honorars sind nicht notwendig. Der Dienstleister erhält ausschließlich einen Festpreis F für seine Leistung, dem Kunden verbleibt der Residualgewinn aus dem monetären Nutzen des Dienstleistungsergebnisses x und dem zu zahlenden Festpreis F. Unter Beachtung der Teilnahmebedingung des Kunden (TBK), die sicherstellt, dass der Erwartungsnutzen des Kunden mindestens seinem Reservationsnutzen U 0K entspricht, ergibt sich die First-Best-Lösung gemäß folgendem Optimierungsproblem: Programm 5.1: Double Moral Hazard bei symmetrischer Informationsverteilung max
E U D
F C a
(5.1)
(TB-K)
E U K
F g a, k c k t U 0K
(5.2)
F ,a ,k
u. d. N.
Im Optimum ist die Teilnahmebedingung (TB-K) des Kunden bindend. Einsetzen der Nebenbedingung in die Zielfunktion des Dienstleisters und partielles Ableiten ergeben die FirstBest-Arbeitseinsätze:
86
g a a FB , k FB C c a FB und g k a FB , k FB
cc k FB .
(5.3)
Aus (5.3) folgt, dass im Falle symmetrischer Informationsverteilung (First-Best-Lösung) beide Vertragsparteien den Arbeitseinsatz wählen, bei dem jeweils Grenznutzen und Grenzkosten der Beteiligten gleich sind. Der Erwartungsnutzen des Dienstleisters ist dann maximal und der Kunde erhält seinen Reservationsnutzen U 0K . Ist das Anstrengungsniveau der Beteiligten dagegen nicht beobachtbar, beispielsweise aufgrund prohibitiv hoher Monitoringkosten, so ist ein Festpreisvertrag nicht mehr optimal. Zwar hat der Kunde als Nutzer des Dienstleistungsergebnisses einen Anreiz für ein hohes Anstrengungsniveau, der Dienstleister dagegen besitzt aufgrund des Festpreises einen Anreiz, nur den minimalen Arbeitseinsatz zu wählen. Um dies zu verhindern, muss die Entlohnung des Dienstleisters von der Realisierung einer verifizierbaren Größe abhängig gemacht werden, aus der ein Rückschluss auf dessen gewählten Arbeitseinsatz möglich ist. Annahmegemäß ist das Dienstleistungsergebnis das einzige verifizierbare Performancemaß. Der Dienstleister erhält somit neben einem Festpreis F einen variablen Anteil v am Dienstleistungsergebnis. Die Arbeitseinsätze der jeweiligen Vertragsparteien ergeben sich dann als Nash-Gleichgewicht eines nicht-kooperativen Spiels aus den Anreizbedingungen: a arg max E U D ac
k arg max E U K kc
F v g ac, k C ac
(5.4)
F 1 v g a, k c c k c .
(5.5)
Durch partielles Ableiten von (5.4) und (5.5) ergibt sich, dass im Gleichgewicht gelten muss: (AB-D) (AB-K)
v g a a, k C c a
1 v g k a, k
cc k .
(5.6) (5.7)
Wegen der getroffenen Annahmen über die Funktionsverläufe von g, C und c folgt aus (5.6) und (5.7), dass das Anstrengungsniveau a des Dienstleisters mit v steigt, das Anstrengungsniveau k des Kunden hingegen sinkt. Somit entsteht durch die Aufteilung des Leistungsergebnisses zwischen den Beteiligten ein Trade-off zwischen einem hohen Arbeitseinsatz des Dienstleisters und einem hohen Arbeitseinsatz des Kunden. Da v annahmegemäß im Intervall
>0,1@
liegt, folgt weiterhin, dass das gemeinsame Anstrengungsniveau im Second-Best-Fall
87
asymmetrischer
Informationsverteilung
kleiner
ist
als
im
First-Best-Fall,
d. h.
g a SB , k SB g a FB , k FB . Unter Berücksichtigung der Anreizbedingungen (5.6) und (5.7) sowie der Teilnahmebedingung für den Kunden (5.2) ergibt sich folgendes Optimierungsproblem für den Dienstleister:
Programm 5.2: Double Moral Hazard bei asymmetrischer Informationsverteilung max
F ,v ,a ,k
u. d. N.
E U D
F v g a, k C a
(AB-D)
v g a a, k C c a
(AB-K)
1 v g k a, k cc k
(TB-K)
E U K
(5.8) (5.9)
0 0
(5.10)
F 1 v g a, k c k t U 0K
(5.11)
Dieses Programm lässt sich nun mithilfe eines Lagrangeansatzes lösen. BHATTACHARYYA und LAFONTAINE zeigen, dass der Anteilsfaktor v im Fall asymmetrischer Information (SecondBest-Fall) im offenen Intervall @ 0,1 > liegen muss, damit eine positive Dienstleistungsproduktion g a, k ! 0 stattfinden kann, d. h., das Ergebnis wird zwischen dem Dienstleister und dem Kunden aufgeteilt.223 Dies gilt trotz der hier betrachteten Risikoneutralität der Beteiligten und stellt einen der wesentlichen Unterschiede zu Situationen mit einseitigem Moral Hazard dar. Der optimale Anteilsfaktor lässt sich nun prinzipiell gemäß dem obigen Programm ermitteln. Allerdings ergibt sich ohne eine Konkretisierung der Produktionsfunktion und der Kostenfunktionen der Beteiligten keine geschlossene Lösung. Zur Konkretisierung wird im Folgenden von einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion ausgegangen, da diese mit g ak ! 0 die Bedingung der Komplementarität der Inputs erfüllt. Die Produktionsfunktion für das Dienstleistungsergebnis sei gegeben mit x
223
88
g a, k H
a1W k W H ,
Vgl. Bhattacharyya/Lafontaine (1995), S. 770, Korollar 1.
(5.12)
wobei 0 W 1 ein Indikator für die Integrativität der Leistung ist. Je größer W ist, desto wichtiger wird der Input des Kunden. Bei identischem Arbeitseinsatz a male Integrativitätsgrad für W
k wird dabei der maxi-
1 2 erreicht, da dann die Kreuzableitung g ak als Funktion von
W maximal ist. Die Kostenfunktionen seien quadratisch: 1 G D a 2 und c k 2
C a
1 G K k 2 . 2
(5.13)
Unterschiede in den Arbeitskosten des Dienstleisters und des Kunden werden durch G D ! 0 und G K ! 0 erfasst. Je kleiner G D und G K sind, desto höher ist die jeweilige Produktivität. Beide Beteiligten sind weiterhin risikoneutral und die Entlohnung des Dienstleisters ist linear. Für diese Konkretisierung erhält man aus Programm 5.2:224
v
ª «1 «¬
1
W 1 W º » . 2 W 1 W »¼
(5.14)
Aus (5.14) folgt, dass der optimale Anteilsfaktor bzw. Prämiensatz v mit zunehmendem W sinkt, da wv wW 0 ist (siehe Abbildung 5.2).
1,0
Anteilsfaktor
v
0,5
0,0 0,0
0,5 Integrativitätsindikator
Abbildung 5.2:
224
1,0
W
Variation des optimalen Anteilsfaktors v in Abhängigkeit vom Integrativitätsindikator W
Vgl. Bhattacharyya/Lafontaine (1995), S. 772, in Verbindung mit den hier vorgenommenen Konkretisierungen (5.12) und (5.13).
89
Es zeigt sich, dass im Fall der asymmetrischen Informationsverteilung derjenige den höheren Anreiz bekommen sollte, dessen Leistungsbeitrag, entsprechend dem Integrativitätsindikator
W, einen stärkeren Einfluss auf das Dienstleistungsergebnis hat. Insbesondere gilt, dass der optimale Anteilsfaktor v für 0 W 1 immer strikt größer null und kleiner eins ist, d. h., das Ergebnis wird geteilt. Tabelle 5.1 stellt die Arbeitseinsätze der First-Best-Lösung denen der Second-Best-Lösung gegenüber.
First-Best-Fall Arbeitseinsatz Dienstleister
Arbeitseinsatz Kunde Tabelle 5.1:
a
FB
k
FB
§ GD · ¨ ¸ ©1W ¹
§W · ¨ 1¸ ©2 ¹
§W · ¨ ¸ © GK ¹
§W 1 · ¨ ¸ 2¹
§ G D ·© 2 ¨ ¸ ©1W ¹
§W · ¨ ¸ ©2¹
§W 1 · ¨ ¸ 2¹
§ W ·© 2 ¨ ¸ © GK ¹
Second-Best-Fall §W · ¨ ¸
a
SB
k
SB
a
FB
k
FB
§ 1 v ·© 2 ¹ v ¨ ¸ © v ¹
§W 1 · ¨ ¸ 2¹
§ 1 v ·© 2 v ¨ ¸ © v ¹
Vergleich der First-Best- und Second-Best-Arbeitseinsätze bei Double Moral Hazard
Für 0 W 1 gilt dabei 0 a SB a FB und 0 k SB k FB , was zu einem Effizienzverlust in Höhe von L
E U DFB U KFB E U DSB U KSB E x FB C a FB c k FB ª¬ E x SB C a SB c k SB º¼ W
W 1 W §W · ª 1 § GD · §1 v · º ¨ ¸ ¨ ¸ «1 2 W 2 W v v v ¨ ¸ » 2 ©1W ¹ © v ¹ »¼ © GK
¹ «¬
(5.15)
Erwartungswert First-Best-Ergebnis
führt. Einsetzen von v aus (5.14) in den Ausdruck in der eckigen Klammer zeigt, dass dieser für 0 W 1 immer größer null und somit der Effizienzverlust L immer positiv ist. In Abbildung 5.3 wird der Effizienzverlust in Abhängigkeit vom Integrativitätsindikator W dargestellt. Der Effizienzverlust steigt zunächst kontinuierlich mit W an, bis bei W
1 2 (maximaler
225
Integrativitätsgrad ) der maximale Effizienzverlust erreicht wird.
225
90
Der Integrativitätsgrad g ak hängt neben dem Integrativitätsindikator W auch vom Verhältnis der Arbeitseinsätze a und k ab. Für W d 1 2 und G D | G K (der Dienstleister hat eine vergleichbare Produktivität wie der Kunde) gilt im Optimum allgemein, dass g ak mit W steigt und bei W 1 2 maximal ist.
30% 25% Effizienzverlust im Second-Best-Fall in % des First-BestErgebnisses
20% 15% 10% 5% 0% 0,0
0,5 Integrativitätsindikator
Abbildung 5.3:
1,0
W
Effizienzverlust im Second-Best-Fall in % des First-Best-Ergebnisses in Abhängigkeit vom Integrativitätsindikator W
5.3.2 Ergebnisdiskussion und Hypothesen
Aus dem statischen Modell ergeben sich eine Reihe von Folgerungen und Hypothesen, die sich im Rahmen der empirischen Untersuchung überprüfen lassen. Wie gezeigt wurde, führt die Aufteilung des Dienstleistungsergebnisses zwischen beiden Vertragsparteien bei integrativen Leistungen zu einem Effizienzverlust für die Agentur.226 Die einzige Möglichkeit, den Effizienzverlust bei gegebenem Integrativitätsgrad zu vermeiden, besteht darin, den Arbeitseinsatz einer Vertragspartei verbindlich festzulegen, was dessen Beobachtbarkeit und Verifizierbarkeit voraussetzt. Wäre dies möglich, könnte der Kunde mit dem Dienstleister verbindlich dessen First-Best-Arbeitseinsatz a FB vereinbaren und ihm hierfür als Honorar einen Festpreis F bezahlen. Daraus ergibt sich die Hypothese, dass die Wahrscheinlichkeit für direkte Formen der Verhaltenssteuerung steigt, während die Wahrscheinlichkeit für den Einsatz ergebnisabhängiger Honorare sinkt, je besser die Verifizierbarkeit des Dienstleisterverhaltens ist:
226
Dieses Ergebnis gilt allgemein. Wie HOLMSTRÖM bei der Analyse optimaler Teamanreize gezeigt hat, kann es im Falle nicht beobachtbarer Arbeitseinsätze keine Verteilungsregel geben, die den gesamten Gewinn zwischen den Teammitgliedern verteilt (budget balancing constraint) und das First-Best-Ergebnis implementiert. Vgl. Holmström (1982), S. 326.
91
H1: Die Verifizierbarkeit des Dienstleisterverhaltens hat einen negativen Einfluss auf den
Einsatz ergebnisabhängiger Honorare. Damit ein Kunde das Dienstleisterverhalten durch Vorgaben steuern kann, ist es notwendig, dass er zielkonformes Verhalten sowie Abweichungen hiervon erkennen kann. Je komplexer eine Dienstleistung ist, desto schwieriger ist es, zielkonformes Verhalten zu bestimmen und zu verifizieren:227 H2: Die Komplexität der Dienstleistung hat einen negativen Einfluss auf die Verifizierbarkeit
des Dienstleisterverhaltens. Im statischen Modell wird das Dienstleistungsergebnis im Optimum aufgrund der Integrativität der Leistung zwischen beiden Vertragsparteien aufgeteilt, d. h. 0 v 1 . Aus (5.14) folgt, wegen wv* wW 0 , dass im Optimum der variable Anteilsfaktor v des Dienstleisterhonorars ceteris paribus mit zunehmendem Integrativitätsgrad sinkt. Daneben führt der Einsatz eines ergebnisabhängigen Honorars zu einem Effizienzverlust für die Agentur (siehe Abbildung 5.3). Beschränkt man sich im Folgenden auf den realistischen Fall, dass der Input des Dienstleisters für das Dienstleistungsergebnis mindestens so relevant wie der des Kunden ist (0 W d
1 ), so wird der Einsatz ergebnisabhängiger Honorare mit steigendem Integrativitäts2
grad einer Dienstleistung unattraktiver. Es ergeben sich folgende zwei Hypothesen: H3a: Der Integrativitätsgrad der Dienstleistung hat einen negativen Einfluss auf den Einsatz
ergebnisabhängiger Honorare. H3b: Je höher der Integrativitätsgrad der Dienstleistung ist, desto niedriger ist der variable
Anteil der Entlohnung des Dienstleisters. Damit ergebnisabhängige Honorare überhaupt eingesetzt werden können, müssen verifizierbare Ergebnisgrößen zur Leistungsmessung verfügbar sein. Je besser die Verfügbarkeit verifizierbarer Ergebnisgrößen ist, desto eher werden ceteris paribus ergebnisabhängige Honorare eingesetzt:
227
92
In der Organisationsliteratur wird dies auch als Wissen über den Transformationsprozess bezeichnet. Vgl. Eisenhardt (1985), S. 135, und Kirsch (1996), S. 4.
H4: Die Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses hat einen positiven Einfluss auf den
Einsatz ergebnisabhängiger Honorare. Eine wesentliche Annahme im statischen Modell ist die Verifizierbarkeit und Kontrahierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses. Diese Annahme ist allerdings insbesondere bei komplexen Dienstleistungen problematisch. Verifizierbarkeit setzt voraus, dass das Ergebnis nicht nur von den Vertragsparteien beobachtet und bewertet werden kann, sondern auch von einer unabhängigen, dritten Partei. Aufgrund ihrer Immaterialität zeichnen sich Dienstleistungen häufig dadurch aus, dass objektive Qualitätskriterien nur schwer zu definieren und Qualitätsurteile bei Dienstleistungen im Vergleich zu Sachgütern daher stärker subjektiv geprägt sind.228 Hieraus ergibt sich die Hypothese, dass die Schwierigkeit, geeignete und verifizierbare Ergebnisgrößen zu finden, mit der Komplexität der Dienstleistung steigt: H5: Die Komplexität der Dienstleistung hat einen negativen Einfluss auf die Verifizierbarkeit
des Dienstleistungsergebnisses. Je besser das Verständnis über zielkonformes Verhalten ist, desto eher ist die Verifizierbarkeit des Dienstleisterverhaltens und des Kundenverhaltens möglich. Gleichzeitig wird es auch leichter, verifizierbare Ergebnisgrößen zur Leistungsmessung zu definieren: H6: Die Verifizierbarkeit des Dienstleisterverhaltens hat einen positiven Einfluss auf die
Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses. H7: Die Verifizierbarkeit des Kundenverhaltens hat einen positiven Einfluss auf die Verifi-
zierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses. Ist weder die Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses noch die der Arbeitseinsätze der Beteiligten gegeben, dann sind ergebnisabhängige Verträge in einem statischen, einperiodigen Modell nicht mehr möglich. In einer Vertragsbeziehung, die lediglich einmal stattfindet und in der Fehlverhalten keinerlei Auswirkungen auf die Zukunft hätte, wäre es für den Kunden (der den Residualgewinn aus der Vertragsbeziehung erhält229) rational, das Dienstleistungsergebnis schlechtzureden, um die Entlohnung des Dienstleisters zu drücken. Da der Dienstleister dies antizipieren würde, könnte im Extremfall keine Dienstleistungsproduktion
228 229
Vgl. Haller (1993), S. 21. In dem betrachteten Modell ist der Residualgewinn im Optimum allerdings gleich null, da die Teilnahmebedingung des Kunden als Gleichung erfüllt ist.
93
stattfinden und es käme zu einem Marktversagen nach AKERLOF.230 In der Realität sind Märkte und Vertragsbeziehungen allerdings meist nicht von vornherein zeitlich begrenzt und auch nicht anonym. Gerade bei professionellen Dienstleistungen spielt eine gute Reputation eine wichtige Rolle und ist oftmals die Voraussetzung dafür, dass Verträge zwischen zwei Parteien zustande kommen.231 Im nächsten Abschnitt wird das statische Double-Moral-Hazard-Modell daher auf den Fall mehrerer Vertragsperioden erweitert, um langfristige Wirkungen von Entscheidungen der Vertragsparteien analysieren zu können.
5.4
Der Anreizvertrag im dynamischen Fall
5.4.1 Modellbeschreibung und Annahmen
Es sei angenommen, dass beide Vertragsparteien vor Realisierung der Zufallsvariablen H ein Signal über das Ergebnis ihrer gemeinsamen Anstrengungen beobachten können, aus dem auf das Anstrengungsniveau der jeweils anderen Vertragspartei geschlossen werden kann.232 Der Einfachheit halber sei g a, k direkt beobachtbar, aber nicht-verifizierbar. Es sei weiterhin angenommen, dass der Dienstleister ausschließlich einen Festpreis F und der Kunde den gesamten Residualgewinn r F erhält. Ein solcher Vertrag wäre in einem anonymen Markt und bei einmaliger Durchführung nicht durchsetzbar. Der Kunde hätte zwar bei gegebenem Arbeitseinsatz a des Dienstleisters einen Anreiz, den First-Best-Arbeitseinsatz k FB zu leisten, da er hierdurch seinen Erwartungsnutzen E U K
F g a, k c k gemäß seiner An-
reizbedingung g k a, k
cc k
(5.16)
maximiert; allerdings hätte der Dienstleister aufgrund des Festpreises keinen Anreiz für ein positives Anstrengungsniveau, da sein Erwartungsnutzen unabhängig von seinem Arbeitseinsatz wäre. Die Besonderheit einer langfristigen Vertragsbeziehung besteht nun darin, dass beide Vertragsparteien die Möglichkeit haben, ihre jeweiligen Entscheidungen in einer Periode t von den Handlungen der anderen Vertragspartei in den Vorperioden ( 1,..., t 1 ) abhängig
230 231 232
94
Vgl. Akerlof (1970). Vgl. Kaas (1992), S. 894 f. Zur Begründung dieser Annahme siehe Abschnitt 5.4.2.
zu machen. Insbesondere wird es dann möglich, Vertragspartner für nicht kooperatives Verhalten in der Vergangenheit zu bestrafen. In der Spieltheorie werden Strategien, die abhängig von der Kooperation eines Vertragspartners (bzw. Spielers) zwischen eigener Kooperation und Nicht-Kooperation wechseln, auch als Trigger- bzw. Tit-for-Tat-Strategien bezeichnet.233 Eine (einfache) Variante einer Trigger-Strategie besteht darin, dass jede Vertragspartei in einer Periode t kooperiert, solange die andere Vertragspartei in allen Vorperioden (1,..., t 1 ) kooperiert hat. Weicht eine Vertragspartei einmal in einer Periode t c von dem vereinbarten kooperativen Verhalten ab, dann verhält sich die andere Partei für alle folgenden Perioden t ! tc nicht-kooperativ.
Übertragen auf die oben beschriebene Vertragssituation könnte eine Trigger-Strategie wie folgt aussehen: Der Kunde hat in einem Festpreisvertrag mit dem Dienstleister gemäß seiner Anreizbedingung (5.16) einen Anreiz, den First-Best-Arbeitseinsatz k FB zu wählen, da hierdurch sein Erwartungsnutzen maximiert wird. Das Anreizproblem liegt somit ausschließlich beim Dienstleister. Da annahmegemäß der gemeinsame Arbeitseinsatz g a, k zwar nichtverifizierbar, aber beobachtbar ist, können beide (implizit) vereinbaren, jeweils den FirstBest-Arbeitseinsatz zu leisten. Mit H ~ N 0, V 2 ist das erwartete Dienstleistungsergebnis g a FB , k FB . Die Teilnahmebedingung des Kunden ist im Optimum weiterhin als Gleichung erfüllt, d. h. F g a FB , k FB c k FB U 0K . Somit lautet der maximale Festpreis, zu dem der Kunde bereit ist, diesen Vertrag abzuschließen: F
g a FB , k FB c k FB U 0K .
(5.17)
Damit der Vertrag selbstdurchsetzend ist, muss er teilspielperfekt sein. Der Dienstleister steht in jeder Periode vor der Wahl, (einmalig) den Festpreis einzunehmen und einen Arbeitseinsatz von 0 ac a FB zu wählen, was zur Beendigung der Vertragsbeziehung führt, oder zu kooperieren und den vereinbarten First-Best-Arbeitseinsatz a FB zu erbringen. Der Anreiz des
233
Vgl. Baker et al. (1994), S. 1134, und allgemein zu Trigger-Strategien z. B. Fudenberg/Tirole (1991), S. 179 ff., und Myerson (1991), S. 325 f. Hierbei wird eine Erkenntnis aus der Spieltheorie genutzt, die als „FolkTheorem“ bekannt ist. Bei wiederholten Spielen und hinreichend geduldigen Spielern kann (fast) jedes Gleichgewicht durchgesetzt werden, vorausgesetzt, es sichert jedem Spieler mindestens sein MinimaxNutzenniveau. Dies wurde von FUDENBERG und MASKIN bewiesen, war in der Spieltheorie aber schon lange vorher bekannt, allerdings ohne Verfasser, weshalb sich der Begriff „Folk-Theorem“ etabliert hat. Vgl. Fudenberg/Maskin (1986).
95
Dienstleisters zur Nicht-Kooperation ergibt sich aus der Differenz zwischen seinem Erwartungsnutzen bei Nicht-Kooperation und dem bei Kooperation. Zur Vereinfachung wird angenommen, dass das hier betrachtete wiederholte Spiel eine zeit-invariante, stationäre Struktur besitzt, d. h., in jeder Periode wird das gleiche Spiel gespielt und die Auszahlungen der Vertragsparteien hängen ausschließlich von den gewählten Aktionen der jeweiligen Periode ab.234 Somit ist der maximale Anreiz zur Nicht-Kooperation, E U DNK , für den Dienstleister in jeder Periode gleich hoch und lautet: E U DNK
ª¬ F C 0 º¼ ª¬ F C a FB º¼ C a FB C 0 C a FB .
(5.18)
Da der Disnutzen des Dienstleisters bei Wahl des First-Best-Arbeitseinsatzes a FB positiv ist, C a FB ! 0 , bedeutet dies, dass er dann die Nicht-Kooperation wählt, wenn die Opportunitätskosten kleiner sind als der Nutzen durch die Einsparung des Arbeitseinsatzes. Die Opportunitätskosten für den Dienstleister ergeben sich nun aus dem Entgang zukünftigen Nutzens aus der Vertragsbeziehung mit dem Kunden, da dieser ab der Folgeperiode ebenfalls die Nicht-Kooperation wählen würde und somit keine Dienstleistungsproduktion mehr stattfinden könnte. Es sei angenommen, dass der Nutzen des Dienstleisters in jeder Periode der Differenz zwischen dem Festpreis F und seinen Arbeitskosten C a FB entspricht.235 Der Diskontierungsfaktor des Dienstleisters für zukünftigen Nutzen aus der Vertragsbeziehung sei mit 1 i gegeben. Weiterhin sei angenommen, dass die Laufzeit der Vertragsbeziehung prinzipiell unbegrenzt ist, aber mit positiver Wahrscheinlichkeit p zu Beginn jeder Folgeperiode t t 1 enden kann. Dies ist ein Standardvorgehen in der Spieltheorie, um zu verhindern, dass es eine bekannte letzte Periode gibt. Ist dies der Fall, dann lässt sich durch Rückwärtsinduktion zeigen, dass keine Kooperation möglich ist. Alternativ könnte auch ein unendlich wiederholtes Spiel betrachtet werden. Der Erwartungsnutzen des Dienstleisters bei Kooperation für alle Folgeperioden lautet somit:
234 235
96
Vgl. zur Struktur dynamischer Spiele z. B. Fudenberg/Tirole (1991), S. 70 ff. Zusätzlich könnte beispielsweise der Nutzen des Dienstleisters bei der Akquisition von Neukunden erfasst werden, wenn er bereits eine langfristige Kundenbeziehung nachweisen kann.
E U DK
f
1 p
t
§ · ¦ ©¨ 1 i ¹¸ ª¬ F C a º¼ t 1
FB
§ 1 p · FB ¨ ¸ ª¬ F C a º¼ . ©i p¹
(5.19)
Der Dienstleister kooperiert nur dann, wenn sein Erwartungsnutzen bei Kooperation größer (oder gleich) ist als der bei Nicht-Kooperation. Hieraus erhält man: 1 p °°! 1 i F C a ® °d 1 p F ¯° 1 i
Nicht-Kooperation
FB
(5.20) Kooperation
Das Ergebnis lässt sich wie folgt interpretieren: Bei gegebenem Festpreis F, der sich gemäß (5.17) ergibt, wägt der Dienstleister zwischen seinem Nutzen bei Nicht-Kooperation, der dem eingesparten Arbeitsaufwand einer Periode entspricht, und den Opportunitätskosten, die sich aus dem entgangenen zukünftigen Nutzen der Vertragsbeziehung mit dem Kunden ergeben, ab. Aus (5.20) folgt, dass der Dienstleister umso eher kooperiert, je größer die Wahrscheinlichkeit der Beziehungsfortsetzung 1 p und je kleiner sein Diskontierungsfaktor 1 i ist. Im Fall der Kooperation ist ein Festpreisvertrag und damit die First-Best-Lösung implementierbar. Ist der Erwartungsnutzen des Dienstleisters bei Kooperation dagegen niedriger als der bei Nicht-Kooperation, so folgt aus (5.20), dass dieser bereits in der ersten Vertragsperiode die Nicht-Kooperation wählt. Da der Kunde dies antizipieren würde, wäre ein Festpreisvertrag und damit die First-Best-Lösung nicht mehr implementierbar.236 In diesem Fall ist der optimale Anreizvertrag identisch mit dem im statischen Fall, d. h., es wäre lediglich ein ergebnisabhängiger Vertrag und damit die Second-Best-Lösung implementierbar.
5.4.2 Ergebnisdiskussion und Hypothesen
In einem dynamischen Modell sind Festpreisverträge in der Lage, das Anreizproblem bei Double Moral Hazard zu lösen. Es ist sogar die First-Best-Lösung implementierbar – ein Er-
236
Hier sei vereinfacht angenommen, dass der Kunde den Diskontierungsfaktor des Dienstleisters kennt.
97
gebnis, das im Falle einer ergebnisabhängigen Entlohnung nicht möglich ist.237 Die interessante Eigenschaft eines Festpreisvertrages besteht darin, dass der Kunde durch Erhalt des Residualgewinns den maximal möglichen Anreiz hat, seinen First-Best-Arbeitseinsatz zu leisten, während der Dienstleister durch die Aussicht auf den Nutzen einer langfristigen Vertragsbeziehung diszipliniert wird. Voraussetzung für die hier dargestellte Lösung ist, dass beide Vertragsparteien den gemeinsamen Arbeitseinsatz, g a, k , beobachten und beurteilen können (Verifizierbarkeit ist dagegen nicht notwendig). Kann der Kunde dagegen lediglich das zufallsabhängige Ergebnis x beobachten, so kann er bei einem schlechten Dienstleistungsergebnis nicht mit Sicherheit auf einen niedrigen Arbeitseinsatz des Dienstleisters schließen. Dies liegt daran, dass aufgrund der Normalverteilungsannahme von H schlechte Ergebnisse auch aufgrund ungünstiger Umfeldbedingungen entstanden sein können, obwohl der Dienstleister einen hohen Arbeitseinsatz erbracht hat. FUDENBERG et al. haben für diesen Fall des so genannten Imperfect Public Monitoring gezeigt, dass die First-Best-Lösung nur dann implementierbar ist, wenn unterschiedliche Kombinationen der Arbeitseinsätze der Vertragsparteien zu unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen des Dienstleistungsergebnisses führen.238 Ist diese Annahme dagegen nicht erfüllt, wird der Dienstleister mit einer positiven Wahrscheinlichkeit bestraft und die Vertragsbeziehung beendet. Dies führt dazu, dass der Erwartungsnutzen des Dienstleisters im Gleichgewicht niedriger als im First-Best-Fall ist und er einen entsprechend niedrigeren Arbeitseinsatz wählt. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aufgrund der Modellannahme, dass die Vertragsbeziehung über mehrere (prinzipiell unendlich viele) Perioden bestehen muss, damit ein Festpreisvertrag eine positive Anreizwirkung entfalten kann, was in der Praxis in vielen Fällen nicht erfüllt sein dürfte. Diverse Untersuchungen zu Marktmechanismen für Unternehmensberatungen zeigen allerdings, dass Reputation einer der wichtigsten Faktoren bei der Akquisition von Neukunden ist.239 Liegt keine eigene Projekterfahrung mit einer Unternehmensberatung vor, dann spielen Empfehlungen von Vertrauenspersonen aus dem Netzwerk des potentiellen Kunden für diesen eine wichtige Rolle bei der Unsicherheitsreduktion in Bezug auf die Leis-
237 238 239
98
Diese Aussage gilt uneingeschränkt allerdings nur für den hier betrachteten Fall, dass das gemeinsame Anstrengungsniveau zwar nicht-verifizierbar, aber beobachtbar ist. Vgl. Fudenberg et al. (1994), S. 1020. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 278 f., Kaas/Schade (1995), S. 1076, und Meffert (1990), S. 188.
tungsfähigkeit dieser Unternehmensberatung. Eine Unternehmensberatung hat somit unter der Voraussetzung, dass sie längerfristig am Markt aktiv sein will, auch bei einmaligen Projekten einen Anreiz, einen hohen Arbeitseinsatz zu wählen, um weiterempfohlen zu werden. Die Wirksamkeit eines solchen Anreizes hängt dabei vom Vernetzungsgrad des Kundenunternehmens sowie der Geschwindigkeit des Informationsflusses im Markt ab. Neben indirekten Reputationsanreizen können Kunden noch einen weiteren Hebel nutzen, um Leistungen zu incentivieren, die nur wenige Male oder sogar nur einmal durchgeführt werden. In den bisherigen Ausführungen wurde angenommen, dass die Dienstleistung quasi in einem Schritt komplett erbracht wird und der Kunde entweder vor oder nach erbrachter Leistung den gesamten vereinbarten Preis entrichtet. Kennzeichnend für viele komplexe und professionelle Dienstleistungen ist dagegen, dass diese in mehreren Teilschritten (Projektphasen) erbracht werden. Im Unterschied zu Dienstleistungen, die nur eine kurze Interaktion zwischen den Vertragspartnern erfordern und bei denen das Ergebnis bereits nach kurzer Zeit zur Verfügung steht, haben beide Vertragspartner die Gelegenheit, sich quasi Schritt für Schritt kennen zu lernen. Dadurch wird die Möglichkeit opportunistischen Handelns zumindest teilweise eingeschränkt. Zwischenergebnisse und neue Erkenntnisse können genutzt werden, um beispielsweise die Ressourcenausstattung anzupassen oder erkanntem Fehlverhalten der anderen Vertragspartei entgegenzuwirken. Ist die Weiterführung des Projektes von dem erfolgreichen Abschluss einer Projektphase oder eines Meilensteins abhängig, kann die Aussicht auf die Folgephasen die oben beschriebenen Anreizwirkungen entfalten. Zusammengefasst ergeben sich aus dem dynamischen Modell folgende Hypothesen in Bezug auf den Einsatz ergebnisabhängiger Verträge: H8: Die Höhe des Erwartungsnutzens einer langfristigen Kundenbeziehung hat einen negati-
ven Einfluss auf den Einsatz ergebnisabhängiger Honorare. H9: Die Reputation des Dienstleisters hat einen negativen Einfluss auf den Einsatz ergebnis-
abhängiger Honorare. Abbildung 5.4 gibt einen Gesamtüberblick über alle Hypothesen des statischen und des dynamischen Modells. In Klammern wird die erwartete Richtung des Zusammenhangs angegeben.
99
H2 (-)
Verifizierbarkeit Dienstleisterverhalten
H1 (-)
H6 (+) Komplexität der Dienstleistung
H5 (-)
Verifizierbarkeit Kundenverhalten
H7 (+)
Integrativitätsgrad der Dienstleistung
Erwartungsnutzen Kundenbeziehung
Reputation des Dienstleisters
Abbildung 5.4:
Verifizierbarkeit Dienstleistungsergebnis
H4 (+)
Ergebnisabhängigkeit des Honorars
H3a/b (-)
H8 (-)
H9 (-)
Hypothesenmodell
In der nachfolgend vorgestellten empirischen Studie werden die Hypothesen überprüft. Zunächst wird die Erhebung und Zusammensetzung der Stichprobe beschrieben. Im Anschluss daran erfolgt die Konzeptualisierung und Operationalisierung der Konstrukte, die die Determinanten für den Einsatz ergebnisabhängiger Verträge bilden.
100
5.5
Empirische Untersuchung
5.5.1 Datenerhebung und Datengrundlage
Die Datenerhebung dieser Untersuchung konzentrierte sich auf den deutschen Markt für Unternehmensberatungen und wurde per Online-Fragebogen durchgeführt. Im Vorfeld wurde eine Vorversion des Fragebogens einem Pretest mit Partnern und Mitgliedern der Unternehmensleitung aus drei Unternehmensberatungen unterzogen. Die Anmerkungen und Kommentare des Pretests wurden in die finale Version des Fragebogens eingearbeitet. Insgesamt wurden 700 Unternehmensberatungen in Deutschland per E-Mail kontaktiert, wobei die ca. 350 größten Unternehmensberatungen vor der Versendung auch telefonisch um ihre Teilnahme an der Umfrage gebeten wurden. Die Kontaktdaten der Unternehmensberatungen stammen aus öffentlich verfügbaren Datenbanken (Hoppenstedt Firmenprofile und Beraterverzeichnis 2005 des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e.V.). In der E-Mail wurde der Hintergrund der Befragung beschrieben und ein Link auf den Online-Fragebogen im Internet angegeben. Die Befragung wurde anonym durchgeführt, wobei ein unternehmensindividueller Zugangscode sicherstellte, dass kein Unternehmen mehrfach an der Umfrage teilnahm. Insgesamt nahmen 81 Unternehmensberatungen an der Umfrage teil. Nach einer Bereinigung um nicht vollständig ausgefüllte Fragebögen konnten 76 Fragebögen in die Auswertung einbezogen werden. Dies entspricht einer Rücklaufquote von insgesamt 11,6 % bzw. bereinigt von 10,9 %. Tabelle 5.2 gibt einen Überblick über den Rücklauf der Fragebögen, differenziert nach Umsatz und Mitarbeiteranzahl der befragten Unternehmensberatungen. Die Verteilung der Unternehmensberatungen, die an der Umfrage teilgenommen haben, lässt keine größeren Verzerrungen in Bezug auf die Stichprobe erkennen. Umsatz (in Mio. €) d 1,00 1,01 - 5,00 5,01 - 10,00 10,01 - 20,00 t 20,01
MitarbeiterStichRücklauf anzahl probe (% der UBs) 1-5 7,6 % 8,0 % 6 - 10 13,7 % 13,3 % 11 - 25 23,7 % 34,7 % 26 - 50 28,0 % 24,0 % 51 - 100 13,4 % 12,0 % 101 - 500 12,1 % 5,3 % 1,5 % 2,7 % t 501 Gesamt 100 % 100 % Gesamt 100 % 100 % n 700 75* n 700 75* Anmerkungen: * Jeweils ein Unternehmen hat keine Angaben zum Umsatz bzw. zur Mitarbeiteranzahl gemacht; UBs = Unternehmensberatungen
Tabelle 5.2:
Stichprobe 13,8 % 47,2 % 17,2 % 11,8 % 10,0 %
Rücklauf (% der UBs) 12,0 % 60,0 % 8,0 % 8,0 % 12,0 %
Fragebogenrücklauf, differenziert nach Umsatz und Mitarbeiteranzahl der befragten Unternehmensberatungen
101
Insgesamt 34,2 % der Unternehmensberatungen gaben an, dass sie in lediglich einem Geschäftsfeld, und 65,8 %, dass sie in mindestens zwei Geschäftsfeldern operieren. Am häufigsten wurden hierbei die Strategieberatung (41 Nennungen) und die Organisationsberatung (39 Nennungen) genannt. Der Gesamtüberblick findet sich in Tabelle 5.3. Anzahl der Rücklauf Geschäftsfeld Rücklauf Geschäftsfelder (% der UBs) (Anzahl UBs) 1 34,2 % Strategieberatung 41 2 28,9 % IT-Beratung/-Services 28 3 28,9 % Organisationsberatung 39 4 2,6 % HR-Beratung 24 5,3 % Sonstige 31 t5 Gesamt 100 % Gesamt --* n 76 n 76 Anmerkungen: * Da Mehrfachantworten möglich waren, wird die Summe über die Geschäftsfelder nicht angegeben; UBs = Unternehmensberatungen
Tabelle 5.3:
Fragebogenrücklauf, differenziert nach Geschäftsfeldern und Anzahl der Geschäftsfelder der befragten Unternehmensberatungen
Insgesamt gaben 69,3 % der Befragten als Position Partner bzw. Geschäftsführer an, 18,7 % waren Berater bis einschließlich Projektleiter.240 Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Befragten einen hinreichend guten Überblick über die eingesetzten Honorarformen der jeweiligen Unternehmensberatung hat.
5.5.2 Operationalisierung und Messung der Konstrukte
Soweit möglich, wurde auf in der Literatur verfügbare Skalen zurückgegriffen, die entsprechend dem Kontext Unternehmensberatung angepasst wurden. Alle Indikatoren und Skalen sind im Anhang aufgeführt. In der folgenden Beschreibung der Skalen zu den Konstrukten wird der jeweilige Indikator in Klammern angegeben. Die Skala zur Messung der Komplexität der Dienstleistung umfasst fünf Indikatoren, die in Anlehnung an VAN DE VEN und FERRY241 gebildet wurden und Komplexität anhand der Strukturierbarkeit (kom1 und kom2) sowie der Variabilität und Spezifität einer Dienstleistung (kom3 bis kom5) erfassen. Strukturierbarkeit bezieht sich auf das vorhandene Wissen eines
240 241
12 % bekleiden eine andere Position in der Unternehmensberatung (z. B. Leiter/in Controlling/Finanzen, Mitarbeiter/in Personalabteilung oder Mitarbeiter/in Marketingabteilung). Vgl. Van de Ven/Ferry (1980).
102
Dienstleisters über den funktionalen Zusammenhang zwischen Arbeitseinsatz (Input) und Dienstleistungsergebnis (Output). Dieses Wissen ist die Voraussetzung dafür, dass eine Aufgabe so in Lösungsschritte zerlegt werden kann, dass das gewünschte Dienstleistungsergebnis mit hinreichender Sicherheit realisierbar ist. Bei gut strukturierbaren Dienstleistungen sind das angestrebte Ergebnis und die hierzu notwendigen Inputs und Lösungsschritte bekannt. Bei schlecht strukturierbaren Aufgaben ist es dagegen ex ante nicht einfach möglich, die Lösungsschritte so zu bestimmen, dass ein gewünschtes Ergebnis erzielt wird. Variabilität bezieht sich auf die Anzahl an Ausnahmen, die im Rahmen der Leistungserbringung auftreten und zu deren Lösung unterschiedliche Methoden und Herangehensweisen notwendig sind.242 Zur Variabilität trägt insbesondere die Spezifität einer Dienstleistung bei. Je spezifischer eine Dienstleistung ist, d. h., je höher der Umfang notwendiger Anpassungen einer Dienstleistung an individuelle Bedürfnisse eines Kunden ist, desto weniger kann eine Unternehmensberatung auf bisherige Erfahrungen zurückgreifen und desto höher ist die Leistungsunsicherheit und Komplexität.243 Der Integrativitätsgrad der Dienstleistung wird anhand von sechs Indikatoren gemessen. Obwohl die Integrativität der Leistung als konstitutives Merkmal von Dienstleistungen eine lange Tradition in der Dienstleistungsliteratur hat, gibt es unseres Wissens nach bislang keine Skala, die alle für diese Studie relevanten Aspekte von Integrativität abbildet.244 Bei der Erarbeitung der Skala wurden daher im Vorfeld auf der Grundlage einer Literaturrecherche mögliche Indikatoren erfasst und mit Experten aus Unternehmensberatungen diskutiert. Da die Indikatoren jeweils unterschiedliche Aspekte von Integrativität abdecken, wurde zur Messung eine formative Skala gewählt.245 In der Literatur wird der Integrativitätsgrad einer Dienstleistung anhand des Einflusses eines Kunden auf den Dienstleistungsprozess und auf das Dienstleistungsergebnis charakterisiert.246 In Anlehnung an VAN DE VEN und FERRY wurde der Abhängigkeitsgrad der Unternehmensberatung von der Mitarbeit und Kooperation des Kunden erfasst.247 Der Einfluss eines Kunden auf den Dienstleistungsprozess (int1 bis int3) wird als
242 243 244 245 246 247
Vgl. Van de Ven/Ferry (1980), S. 392. Vgl. Gresov (1989), S. 452, Kaas (1992), S. 887, und Van de Ven/Ferry (1980), S. 392. In der Literatur verfügbare Skalen erfassen lediglich einzelne Aspekte der Integrativität, wie z. B. die Intensität des Kundenkontakts. Vgl. Kellogg/Chase (1995). Kriterien zur Unterscheidung zwischen formativen und reflektiven Konstrukten wurden von Jarvis et al. (2003) entwickelt. Vgl. auch Fassott (2006), S. 71. Vgl. z. B. Corsten (2001), S. 27 f. und S. 125, Fitzsimmons/Fitzsimmons (2001), S. 5, und Kleinaltenkamp/Marra (1995), S. 103 f. Vgl. Van de Ven/Ferry (1980), S. 402.
103
umso größer angenommen, je mehr Informationen und Unterlagen eine Unternehmensberatung von einem Kunden im Rahmen der Leistungserstellung benötigt und je öfter sie sich mit ihrem Kunden während der Leistungserstellung abstimmen muss. Der Einfluss des Kunden auf das Dienstleistungsergebnis (int4 und int5) wird als umso größer angenommen, je umfangreicher dessen Aufgaben im Rahmen der Leistungserstellung sind und je stärker die Qualität des Dienstleistungsergebnisses von der Mitarbeit des Kunden abhängt. Im Rahmen der Experteninterviews wurde darauf hingewiesen, dass der Integrativitätsgrad je nach Hierarchieebene im Kundenunternehmen (Senior Management, Mittleres Management, Sachbearbeiter) differieren kann. Drei Indikatoren (int1, int2 und int4) wurden daher differenziert nach Hierarchieebene erhoben. Die Ausprägung dieser drei Indikatoren ergibt sich aus dem Mittel der jeweiligen Werte für die drei Hierarchieebenen. Ein weiterer Indikator erfasst den zeitlichen Umfang der Arbeit der Unternehmensberatung vor Ort beim Kunden (int6). Die Verifizierbarkeit des Dienstleisterverhaltens wird anhand von drei Indikatoren gemessen. Durch diese wird erstens erfasst, wie einfach es für einen Kunden ist, das Verhalten des Dienstleisters während der Leistungserstellung zu beurteilen (vub1), zweitens, ob ein Kunde hierzu das notwendige Wissen und die notwendigen Informationen hat (vub2), und drittens, wie hoch der notwendige Ressourcenaufwand auf Seiten des Kunden ist (vub3). Die Skala zur Messung der Verifizierbarkeit des Kundenverhaltens umfasst zwei Indikatoren. Durch sie wird ermittelt, wie umfassend im Vorfeld die Anforderungen an den Kunden definiert werden (vku1) und wie gut die Einhaltung dieser Vereinbarungen von der Unternehmensberatung beurteilt werden kann (vku2). Die Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses hängt von der Verfügbarkeit geeigneter Ergebnisgrößen ab, durch die möglichst alle relevanten Leistungsdimensionen der Dienstleistung abgedeckt werden (ver1).248 Deren Realisierungen sollten möglichst objektiv von den Vertragsparteien feststellbar sein (ver2), um mögliche spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Weiterhin spielt auch der Zeitraum zwischen dem Projektende und der Realisierung des Projekterfolgs eine wichtige Rolle (ver3). Je länger dieser Zeitraum ist, desto schwieriger wird
248
Analog zum einfachen Moral-Hazard-Fall wird angenommen, dass es zu Anreizproblemen führt, wenn nur ein Teil der relevanten Leistungsdimensionen verifizierbar ist. Dies wurde bisher allerdings noch nicht formal für den Double-Moral-Hazard-Fall gezeigt. Vgl. zu Anreizproblemen bei Multitasking im Fall von einfachem Moral Hazard z. B. Holmström/Milgrom (1991).
104
bei der Bewertung des Dienstleistungsergebnisses die Abgrenzung zwischen der Beratungsleistung und anderen Einflussfaktoren.249 Der Erwartungsnutzen einer langfristigen Kundenbeziehung ergibt sich zum einen aus der Wahrscheinlichkeit für einen Kunden Folgeprojekte durchführen zu können, und zum anderen aus der Bedeutung und dem Wert eines Kunden bei der Akquisition von Neukunden. Da dies jeweils unterschiedliche Komponenten des Erwartungsnutzens sind, wird dieses Konstrukt mittels einer formativen Skala gemessen. Die Wahrscheinlichkeit für Folgeprojekte wird durch den Anteil derjenigen Kunden im Portfolio einer Unternehmensberatung erfasst, mit denen diese eine langfristige Kundenbeziehung hat (erw1). In empirischen Studien wurde gezeigt, dass Unternehmensberatungen ca. 60 bis 70 % ihres Umsatzes mit Folgeaufträgen für bestehende Kunden erzielen.250 Ein Indikator für den Wert eines Kunden für die Akquisition von Neukunden ist die Relevanz von Referenzen (erw2). Eine Reihe empirischer Studien zeigt, dass für Kunden die Weiterempfehlung durch Geschäftspartner eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für die Auswahl einer Unternehmensberatung ist.251 Fällt ein Kunde als Referenz aufgrund (evtl. auch nur subjektiv durch den Kunden wahrgenommener) schlechter Beratungsleistung aus, kann dies deutlich negative wirtschaftliche Folgen für die Unternehmensberatung haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Transparenz des Marktes hoch ist und Kunden sich untereinander hinsichtlich ihrer Zufriedenheit mit einer Unternehmensberatung austauschen (erw3). Die beiden letzten Indikatoren sind an GIERL angelehnt.252 Die Reputation des Dienstleisters wurde in Anlehnung an BANERJEE und DUFLO durch das Alter der Unternehmensberatung operationalisiert (rep).253 Je älter eine Unternehmensberatung ist, desto eher kann man darauf schließen, dass sie eine gute Reputation aufbauen konnte. Zur Messung der Ergebnisabhängigkeit des Honorars wurde nach der Relevanz verschiedener Honorarformen für die betreffende Unternehmensberatung gefragt. Hierbei wurde zwischen vier Honorarformen unterschieden:254 Festpreishonorar (fes), Zeithonorar (zei), ergeb-
249 250 251 252 253 254
Vgl. Larew/Deprosse (1997), S. 108. Vgl. Kaas/Schade (1995), S. 1082. Vgl. Glückler/Armbrüster (2003), S. 286. Vgl. Gierl (2000), S. 135. Vgl. Banerjee/Duflo (2000), S. 994. Bei der Auswahl der Honorarformen wurde die Einteilung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. übernommen. Vgl. BDU (2003), S. 9.
105
nisabhängiges Honorar (erg1) und „Consulting for Equity“ (con). Während die beiden erstgenannten Honorarformen ergebnisunabhängig sind, sind die beiden letztgenannten ergebnisabhängig. Da „Consulting for Equity“ für die meisten der befragten Unternehmensberatungen keine (90,2 %) oder nur eine geringe Rolle (7,9 %) spielt, wird diese Honorarform aus den weiteren Betrachtungen ausgeklammert. Für den Fall, dass eine Unternehmensberatung mit ihren Kunden ergebnisabhängige Honorare vereinbart, wurde zusätzlich erfasst, wie viel Prozent des Gesamthonorars von der Erreichung vertraglich festgelegter Ziele abhängig sind (erg2). Im Rahmen der Kausalanalyse wird die Ergebnisabhängigkeit des Honorars durch zwei Indikatoren (erg1 und erg2), die beiden anderen Honorarformen werden lediglich durch einen Indikator (fes oder zei) gemessen. Es wurden zwei Kontrollvariablen erhoben. Zum einen kann die Größe der Unternehmensberatung, gemessen am Umsatz und der Mitarbeiteranzahl, einen Einfluss auf die gewählte Honorarform haben. Je größer eine Unternehmensberatung ist, desto eher verfügt sie über die notwendige Marktmacht, um bestimmte, aus ihrer Sicht unvorteilhafte Honorarformen zu verhindern. Zum anderen kann der Fokus bzw. das Leistungsspektrum einer Unternehmensberatung eine Rolle bei der Auswahl der Honorarform spielen. Stark spezialisierte Unternehmensberatungen können eventuell aufgrund ihrer Erfahrung vorhandene Leistungsrisiken besser abschätzen bzw. haben durch die geringere Heterogenität der Leistung eine geringere Leistungsunsicherheit als Beratungen mit einem größeren Leistungsspektrum. Gemessen wird der Fokus einer Unternehmensberatung anhand der Anzahl an Geschäftsfeldern, in denen diese tätig ist.
5.5.3 Datenanalyse
Die Datenanalyse wurde mit der Methode der Kausalanalyse auf der Basis des Partial-LeastSquares-(PLS)-Verfahrens durchgeführt. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren der Varianzanalyse, das im Vergleich zu kovarianzbasierten Verfahren für die vorliegende Untersuchung einige Vorteile aufweist. Während kovarianzbasierte Verfahren einen relativ hohen Mindest-Stichprobenumfang erfordern, damit das untersuchte Modell identifizierbar ist und die Parameterschätzung zu stabilen Ergebnissen führt, ist das PLS-Verfahren auch bei relativ
106
kleinen Stichproben einsetzbar.255 Des Weiteren erfolgt die Beurteilung der Güte eines PLSModells auf der Basis von Resampling-Verfahren (hierzu zählen die Jackknifing- oder die Bootstrapping-Methode), die keine parametrischen Voraussetzungen erfordern.256 Die Schätzverfahren in LISREL setzen dagegen eine multivariate Normalverteilung der manifesten Variablen voraus.257 Hinzu kommt, dass die Analyse formativer Konstrukte im Rahmen der Kovarianzstrukturanalyse nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, da das Modell ansonsten unter Umständen nicht identifizierbar ist.258 Da zum einen der vorliegende Stichprobenumfang mit 76 Datensätzen unterhalb der empfohlenen Stichprobengröße für den Einsatz von LISREL liegt259 und zum anderen formative Konstrukte verwendet werden, wurde für diese Untersuchung dem PLS-Verfahren der Vorzug gegeben. Die Datenanalyse wurde unter Verwendung von Smart PLS 2.0 durchgeführt. Im nächsten Abschnitt erfolgt die Bewertung der reflektiven bzw. formativen Messmodelle und im Anschluss daran die Bewertung des Strukturmodells.
5.5.4 Bewertung der Messmodelle
Zur Beurteilung der reflektiven Messmodelle werden zunächst die Indikatorreliabilitäten auf Basis der Faktorladungen der Indikatoren geprüft (siehe Anhang). Hierbei wird eine Faktorladung von t 0, 7 gefordert, d. h., mindestens 50 % der Varianz eines Indikators soll durch die zugrunde liegende latente Variable erklärt werden. Reflektive Indikatoren sollten dann eliminiert werden, wenn deren Faktorladung im PLS-Gesamtmodell kleiner als 0,4 ist.260 Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Faktorladungen größer als 0,7 und auf dem 1%-Niveau signifikant. Da alle Faktorladungen deutlich über 0,4 liegen, wurden diese wenigen Ausnahmen als
255 256 257
258 259
260
Vgl. Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 721. Vgl. Efron/Tibshirani (1993). Vgl. Fornell/Bockstein (1982), S. 289. Einschränkend zu der Forderung nach multivariater Normalverteilung ist zu sagen, dass die in LISREL verwendeten Schätzverfahren relativ robust gegenüber moderaten Verletzungen dieser Annahme sind. Vgl. Jöreskog/Sörbom (2001), S. 26. Vgl. Jarvis et al. (2003), S. 213. Für LISREL gilt die Faustregel, dass die Stichprobengröße mindestens das Fünf- bis Zehnfache der Zahl der zu schätzenden Parameter betragen sollte. Vgl. Scholderer/Balderjahn (2005), S. 97. Zu den Parametern zählen die Ladungen und Messfehler aller Indikatoren in den Messmodellen sowie die Pfadkoeffizienten zwischen den endogenen und exogenen latenten Variablen. Je nach Spezifikation ergeben sich für das hier vorliegende Kausalmodell insgesamt ca. 30 zu schätzende Parameter. Der notwendige Stichprobenumfang für LISREL läge somit mindestens bei ca. 150 Datensätzen. Vgl. Hulland (1999), S. 198.
107
nicht problematisch angesehen, und es wurden keine Indikatoren eliminiert. Von größerer Bedeutung für die Gütebeurteilung der reflektiven Messmodelle sind die Konstruktreliabilitäten, die die interne Konsistenz eines Konstrukts erfassen. Auf Basis des Cronbach’schen Alphas sowie der Faktorreliabilität wird bewertet, ob die Indikatoren, die dem gleichen Konstrukt zugeordnet sind, eine starke Beziehung untereinander aufweisen. Hierbei werden Mindestwerte für das Cronbach’sche Alpha von 0,7 und für die Faktorreliabilität von 0,6 gefordert.261 Wie aus Tabelle 5.4 ersichtlich ist, werden diese Anforderungen bis auf zwei Ausnahmen beim Cronbach’schen Alpha (Verifizierbarkeit des Dienstleisterverhaltens und Verifizierbarkeit des Kundenverhaltens) von allen Konstrukten erfüllt. Da die Faktorreliabilität aber im Gegensatz zum Cronbach’schen Alpha die aktuellen Faktorladungen bei der Gewichtung der Indikatoren berücksichtigt262 und mit 0,78 bzw. 0,84 deutlich über dem geforderten Schwellenwert von 0,6 liegt, kann insgesamt von reliablen Messungen der Konstrukte ausgegangen werden. Des Weiteren wurde die Diskriminanzvalidität der Konstrukte auf Basis des Fornell-LarckerKriteriums überprüft.263 Hierdurch soll sichergestellt werden, dass unterschiedliche Konstrukte inhaltlich unterschiedliche Aspekte erfassen. Geprüft wird dabei, ob für je zwei Konstrukte gilt, dass die Wurzel der durchschnittlich erfassten Varianz jedes einzelnen Konstrukts größer ist als die Korrelation zwischen diesen beiden Konstrukten. Aus Tabelle 5.5 wird ersichtlich, dass diese Anforderung für jedes (reflektiv) gemessene Konstruktpaar erfüllt ist.
261 262 263
Vgl. Bagozzi/Yi (1988), S. 82, und Nunnally (1978). Das Cronbach’sche Alpha gewichtet alle Indikatoren gleich. Vgl. Bagozzi/Yi (1988), S. 82. Vgl. Fornell/Larcker (1981), S. 45 f.
108
Konstrukt
Messmodell
Anzahl Items
Cronbach’s Alpha (Standardisiert) 0,78
Faktorreliabilität
DEV
1. Komplexität der R 5 0,83 0,50 Dienstleistung 2. Verifizierbarkeit des R 3 0,62 0,78 0,54 Dienstleisterverhaltens 3. Verifizierbarkeit des R 2 0,68 0,84 0,73 Kundenverhaltens 4. Verifizierbarkeit des R 3 0,72 0,84 0,64 Dienstleistungsergebnisses 5. Integrativitätsgrad der F 6 ---Dienstleistung 6. Erwartungsnutzen der F 3 ---Kundenbeziehung 7. Reputation des R 1 -1,00 1,00 Dienstleisters 8. Ergebnisabhängigkeit R 2 0,82 0,91 0,83 des Honorars Anmerkungen: R = Reflektives Messmodell; F = Formatives Messmodell; DEV = Durchschnittlich erfasste Varianz; alle Kennzahlen werden nur für reflektiv gemessene Konstrukte angegeben Tabelle 5.4:
Informationen über die Messinstrumente auf Konstruktebene
Konstrukt 1. Komplexität der Dienstleistung 2. Verifizierbark. des Dienstl.verh. 3. Verifizierbark. des Kundenverh. 4. Verifizierb. des Dienstl.ergeb. 5. Integrativitätsgrad der Dienstl. 6. Erwart.nutzen der Kundenbezieh. 7. Reputation des Dienstleisters 8. Ergebnisabh. des Honorars Anmerkungen: *** =
1 0,71
2
3
4
5
6
7
-0,15
0,74
-0,10
0,21
0,86
-0,41***
0,22
0,29**
0,80
0,31***
0,05
-0,03
-0,29**
-- (F)
0,05
0,39***
0,29***
-0,03
0,20
-- (F)
0,11
-0,10
-0,22
0,03
-0,07
-0,10
1,00
-0,09
-0,24**
-0,13
0,31***
-0,31**
-0,45***
-0,04
8
0,91
p 0, 01 ; ** = p 0, 05 ; in der Diagonalen ist fettgedruckt die Wurzel der durchschnitt-
lich erfassten Varianz angegeben ( DEV ) Tabelle 5.5:
Korrelationen und Wurzeln der durchschnittlich erfassten Varianz auf Konstruktebene
Bei der Bewertung der formativ gemessenen Konstrukte (Integrativitätsgrad und Erwartungsnutzen) ist zu beachten, dass für diese herkömmliche Reliabilitäts- und Validitätskriterien
109
nicht anwendbar sind.264 Der Grund liegt in der Umkehrung der Kausalbeziehung zwischen der latenten Variablen und deren Indikatoren. Während bei reflektiven Messmodellen die latente Variable die Ausprägungen der Indikatoren verursacht, verursachen bei formativen Messmodellen die Indikatoren die latente Variable. Daher ist die Beurteilung der Modellgüte anhand der internen Konsistenz der Indikatoren nicht mehr sinnvoll, da die Indikatoren untereinander nicht mehr hoch positiv korreliert sein müssen.265 Anstelle der Reliabilität wird bei formativen Messmodellen die Indikatorrelevanz auf Basis der Indikatorgewichte beurteilt.266 Diese zeigt an, welche Indikatoren am stärksten zu der Bildung eines Konstrukts beitragen. Zur Bewertung der Konstruktvalidität formativer Messmodelle wird in der Literatur die Bewertung der nomologischen Validität vorgeschlagen.267 Die Überprüfung erfolgt dabei auf Basis der Signifikanz, Stärke und Richtung des Zusammenhangs zu anderen latenten Variablen im betrachteten Modellrahmen.268 Da formative Messmodelle auf dem Prinzip der multiplen Regressionsanalyse beruhen, müssen deren Indikatoren zunächst auf Multikollinearität hin geprüft werden. Multikollinearität führt bei formativen Messmodellen zu steigenden Standardfehlern der Koeffizienten, wodurch die Effekte der einzelnen Indikatoren auf die latente Variable verzerrt werden können.269 Die Überprüfung der beiden formativ gemessenen Konstrukte ergab keine Hinweise auf eine bedenkliche Multikollinearität.270 Eine Betrachtung der Gewichte der Indikatoren des Konstruktes Integrativitätsgrad der Dienstleistung (siehe Anhang) zeigt, dass zwei Gewichte annähernd null sind (int2 und int5) und daher kaum Relevanz für dieses Konstrukt besitzen. Weiterhin zeigt sich, dass lediglich die Gewichte zweier Indikatoren (int3 und int6) auf dem 5 %- bzw.
264
265 266 267 268 269 270
Vgl. Bollen (1989) und Diamantopoulos/Winklhofer (2001). Zu unterschiedlichen Validitätsansprüchen von formativen und reflektiven Konstrukten vgl. Bollen/Lennox (1991), Chin/Gopal (1995) und Cohen et al. (1990). Die Indikatoren in formativen Messmodellen können positiv, negativ oder überhaupt nicht miteinander korreliert sein. Vgl. Bollen/Lennox (1991), S. 307, und Chin (1998), S. 306. Vgl. Chin (1998), S. 307. Vgl. Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 729 f., und Reinartz et al. (2004), S. 298 f. Die Signifikanztests werden anhand approximierter, durch Resampling generierter t-Statistiken vorgenommen. Vgl. Chin (1998), S. 318-320. Vgl. Fornell/Bockstein (1982), S. 292. Die Prüfung auf Multikollinearität erfolgt anhand folgender Kennzahlen: a) Korrelationskoeffizienten der Indikatoren eines Konstruktes (Werte nahe eins deuten auf Multikollinearität; vgl. Eggert/Fassott (2003), S. 7); b) Toleranzen der Indikatoren (Werte kleiner 0,1 deuten auf Multikollinearität; vgl. Hair et al. (1998), S. 208); c) Konditionsindex der Indikatoren (Werte zwischen 10 und 30 deuten auf mäßige, Werte über 30 auf starke Multikollinearität; vgl. Belsley et al. (1980), S. 117 ff.). Es ergaben sich folgende Werte: Integrativitätsgrad der Dienstleistung: a) zwischen 0,05 und 0,69; b) zwischen 0,45 und 0,81; c) zwischen 5,76 und 21,06; Erwartungsnutzen einer langfristigen Kundenbeziehung: a) zwischen 0,30 und 0,44; b) zwischen 0,75 und 0,85; c) zwischen 8,93 und 15,48. Alle Berechnungen wurden mit SPSS 13.0 durchgeführt.
110
10 %-Niveau (einseitiger Test) signifikant sind. Beim Konstrukt Erwartungsnutzen der Kundenbeziehung haben zwei der drei Indikatoren signifikante und positive Gewichte (erw1 und erw3). Ein Indikator (erw2) hat ein negatives Gewicht und ist nicht signifikant. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Gewichte der Indikatoren aus ihrer Beziehung zu anderen Konstrukten ergeben. In dem hier betrachteten Modell ist das lediglich das Konstrukt Ergebnisabhängigkeit des Honorars. Somit deuten niedrige und/oder nicht signifikante Gewichte nicht grundsätzlich auf die fehlende Relevanz eines Indikators hin, sondern zeigen, dass dieser Indikator keinen Erklärungsbeitrag für das Konstrukt Ergebnisabhängigkeit des Honorars leistet.271
5.5.5 Bewertung des Strukturmodells
Bei der Bewertung des Strukturmodells besitzt PLS im Vergleich zu kovarianzbasierten Verfahren den Nachteil, dass zur Messung der Gesamtgüte des betrachteten Modells keine inferenzstatistischen Tests durchgeführt werden können. Dies liegt an den weniger restriktiven Verteilungsannahmen für die manifesten Variablen. Stattdessen kann das Strukturmodell lediglich auf Basis nicht-parametrischer Tests bewertet werden. Die Beurteilung des Strukturmodells erfolgt dabei auf Basis der Bestimmtheitsmaße R 2 der endogenen Variablen sowie auf Basis der Vorzeichen und Signifikanzen der Pfadkoeffizienten.272 Das Bestimmtheitsmaß R 2 gibt den Anteil der erklärten Varianz des Konstrukts wieder und misst die Anpassungsgüte einer Regressionsfunktion an die empirisch gewonnenen manifesten Variablen. Die Prognoserelevanz des Modells wird anhand des nicht-parametrischen Stone-Geisser-Tests überprüft.273 Das Modell besitzt dann Prognoserelevanz, wenn dieses Gütekriterium größer null ist. Das Ergebnis der Kausalanalyse mit PLS ist in Abbildung 5.5 dargestellt. Aus dem Bestimmtheitsmaß der Ergebnisabhängigkeit des Honorars von R 2
0,36 folgt, dass rund 36 %
der Varianz dieses Konstrukts durch das Modell erklärt werden. Im Vergleich zu anderen
271 272 273
Da formative Indikatoren das Konstrukt gemeinsam definieren, sollten „unpassende“ Indikatoren nicht allein auf Basis einer geringen oder nicht signifikanten Gewichtung eliminiert werden. Vgl. Rossiter (2002), S. 315. Vgl. Chin (1998), S. 316. Vgl. Fornell/Cha (1994), S. 71-73.
111
Studien liegt dieser Wert in einem zufrieden stellenden Bereich.274 Das Stone-GeisserKriterium belegt, dass die Prognoserelevanz des Modells mit Q 2
H2 (-) J11 = -0,15 (ns)
Verifizierbarkeit Dienstleisterverh. K1 (R2=0,02; Q2=0,01)
Komplexität der Dienstleistung [1
H5 (-) J21 = -0,37***
Verifizierbarkeit Dienstleistungserg. K2 (R2=0,24; Q2=0,15)
Verifizierbarkeit Kundenverhalten [2
H7 (+) J22 = 0,23***
Integrativitätsgrad der Dienstleistung [3
H3a (-) J33 = -0,20**
Erwartungsnutzen Kundenbeziehung [4
H8 (-) J34 = -0,34***
0, 25 insgesamt gut ist.
H1 (-) E31 = -0,19**
H6 (+) E21 = 0,12 (ns)
Reputation des Dienstleisters [5
H9 (-) J35 = -0,12*
H4 (+) E32 = 0,32***
Ergebnisabhängigkeit des Honorars K3 (R2=0,36; Q2=0,25)
-0,13*
-0,02
Fokus
Größe
Kontrollvariablen
Angabe standardisierter Parameterschätzer *** = p