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German Pages 332 Year 2007
Harald Pechlaner, Hans H. Hinterhuber, Wolf von Holzschuher, Eva-Maria Hammann (Hrsg.) Unternehmertum und Ausgründung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Harald Pechlaner,
Hans H. Hinterhuber, Wolf von Holzschuher, Eva-Maria Hammann (Hrsg.)
Unternehmertum und Ausgründung Wissenschaftliche Konzepte und praktische Erfahrungen
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Au 1. Auflage März 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0709-3
Vorwort der Herausgeber
Eine hohe Innovationsfähigkeit bei gleichzeitiger Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Unternehmen ist von zentraler Bedeutung in einer zunehmend dynamischen und unsicheren Unternehmensumwelt, die von rapidem technologischen Wandel und intensivem Wettbewerb in globalisierten Märkten geprägt ist. Ausgründungen stellen dabei ein probates Mittel dar, die Wettbewerbsfähigkeit etablierter Unternehmen zu steigern, indem eine stärkere Fokussierung auf die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten bei einer erhöhten Sensibilisierung auf das unternehmerische Umfeld ermöglicht wird. Ausgründungen stellen ein Instrument der Reorganisation und Restrukturierung von Geschäftsprozessen dar, und sind dabei nicht zuletzt das Ergebnis der herausragenden unternehmerischen Initiativen einzelner Mitarbeiter. Innovationen, deren Potenzial in den ursprünglichen organisatorischen Strukturen unterschätzt wurde, sind mittels Ausgründung zum Teil überhaupt erst zu ermöglichen oder zumindest effektiver umzusetzen. Der wesentliche Aspekt eines erfolgreichen Ausgründungsmanagements ist aber, dass unternehmerisches Potenzial „freigesetzt“ wird, indem die Initiativen einzelner Mitarbeiter unterstützt werden und dadurch letzten Endes eine positive Rückkoppelung durch eine „Entrepreneurship-Kultur“ im gesamten Unternehmen ermöglicht wird. So betrachtet, können Ausgründungen als wichtige Säulen einer auf Entrepreneurship ausgerichteten Führungsstrategie bezeichnet werden. In der jüngeren Vergangenheit war eine Zunahme der von Universitäten und Fachhochschulen angebotenen Lehrveranstaltungen zum Thema „Entrepreneurship“ zu verzeichnen. Um diesen positiven Trend zu unterstützen, ist es in der Überzeugung der Herausgeber sinnvoll, auch dem Phänomen „Ausgründungen“ im Zusammenhang mit seiner Bedeutung für die Schaffung und Förderung von mehr Unternehmertum und Innovation ein Buchprojekt zu widmen. Das Ziel der vorliegenden Publikation „Unternehmertum und Ausgründung“ besteht darin, wichtige Fragestellungen im Zusammenhang mit Ausgründungen aufzugreifen, und mögliche Problem- und Spannungsfelder sowie wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von Ausgründungen so hervorzuheben, dass den Lesern Erfahrungen und Know-how für ein erfolgreiches Ausgründungsmanagement vermittelt werden. Die ausgewählten Beiträge beinhalten neben theoretischem Grundlagenwissen und Konzepten im Kontext von Ausgründungen in Bereichen der Unternehmensführung wie beispielsweise Strategieformulierung, Prozessmanagement, Kompetenz- und
Kooperationsmanagement auch Erfahrungswissen aus der Unternehmenspraxis, das anhand konkreter Beispiele verdeutlicht wird, und einen unmittelbaren Einblick in die reale Ausgründungspraxis gewährt.
Eichstätt/ Ingolstadt/ Innsbruck, im Februar 2007
Harald Pechlaner Hans H. Hinterhuber Wolf von Holzschuher Eva-Maria Hammann
Vorwort des Sponsors
Der Innovationspark TIS mit seinem Gründerzentrum beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Ausgründungen von Unternehmen. Gerade innovative Unternehmer sind davon überzeugt, dass die Fokussierung auf eine Kernkompetenz grundlegend ist, um strategisch zu wachsen und sich am Markt mit Erfolg zu positionieren. Neue Ideen und Projekte, welche sich außerhalb dieses Fokus befinden, verschwinden somit meist in einer Schublade und werden vernachlässigt. Aktivitäten außerhalb des Themenfokus, auch wenn sie zur Innovation des traditionellen Geschäftsmodells beitragen, haben kaum Chancen richtig zu wachsen und sich am Markt zu behaupten. Nur mittels Ausgründungen wird dem „Neuen“ Kraft gegeben, um sich zu entwickeln, eine Eigenständigkeit herauszuarbeiten, die nötigen Ressourcen zu finden und schlussendlich erfolgreich zu sein. Aus diesem Grund unterstützen wir jeden Ansatz zur Ausgründung, die wie eine Neugründung eines Unternehmens professionell geplant sein will.
Bozen, im Februar 2007 Hubert M. Hofer Direktor TIS innovation park
Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber................................................................................................ v Vorwort des Sponsors.. ................................................................................................. vii Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................... ix
Teil I – Wissenschaftliche Konzepte Harald Pechlaner, Eva-Maria Hammann & Wolf von Holzschuher Corporate Entrepreneurship – Anforderungen & Möglichkeiten einer erfolgreichen Umsetzung vor dem Hintergrund von Ausgründungen ........................... 3 Hans H. Hinterhuber Auslagerung als strategische Entscheidung.................................................................. 27 Wolf von Holzschuher & Harald Pechlaner Wie sollen Ausgründungen ablaufen? – Realisierung von Ausgründungen im Rahmen eines prozessbezogenen Transformationskonzeptes ...................................... 41 Claus Steinle & Kirstin Schmidt Bedeutung von Ausgründungen zur Unternehmensvitalisierung – Perspektiven, Ressourcenstrommodell und Gestaltungsherausforderungen....................................... 55 Jörg Freiling Kooperationsnetzwerke bei Ausgründungen als zentraler Erfolgsfaktor? ................... 87 Hans-Georg Gemünden & Franka Birke Patentbasierte Messung von technologischer Kompetenz junger technologieorientierter Unternehmen ............................................................................................ 107
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INHALTSVERZEICHNIS
Rainer Harms & Erich J. Schwarz Die Lead User-Methode zur Integration von Kunden in den Neuproduktentwicklungsprozess – Ein Instrument für Spin-Offs aus Hochschulen?................... 125 Felix Riesenhuber, Michael Auer, Achim Walter & Friedemann Wolf Technologische Ressourcen und das Wachstum akademischer Spin-Offs ................ 141 Peter Kreutter, Albert H. Savelberg & Jürgen Weigand Spin-Offs und die Evolution von Industrien............................................................... 165
Teil II – Praktische Erfahrungen Christian Mathes Universitäre Ausgründungen als Motor einer dynamischen Innovationslandschaft ................................................................................................................... 199 Stefan Ulrich Schutzrechte als Voraussetzung für Ausgründungen ................................................. 215 Thomas Doppelberger & Tobias Schwind Erfolgskriterien, Probleme und Perspektiven bei Ausgründungen im Team ............. 229 Johann Pacher & Eva-Maria Hammann Ausgründung als Strategie in Technologiemärkten – Das Beispiel der Halbleiterindustrie im asiatischen „Silicon Valley“ Hsin Chu................................................... 245 Jürg Meier Wie man Ausgründungen zum Erfolg führt – Die Sicht des Finanziers ................... 263
INHALTSVERZEICHNIS
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Hubert M. Hofer Ausgründungen in Gründer- und Technologie-zentren – Worauf kommt es an? ..... 285 Joachim A. Kappel Welche Herausforderungen stellen Ausgründungen für Unternehmensführer dar?.............................................................................................................................. 297 Thomas Rainer Ausgründungen als Instrument zur Bündelung von Ressourcen und Know-how in einem Gemeinschaftsunternehmen ......................................................................... 303
Die Herausgeber ......................................................................................................... 319 Die Autoren................................................................................................................. 321
TEIL I Wissenschaftliche Konzepte
Corporate Entrepreneurship – Anforderungen & Möglichkeiten einer erfolgreichen Umsetzung vor dem Hintergrund von Ausgründungen Harald Pechlaner, Eva-Maria Hammann & Wolf von Holzschuher
Inhaltsverzeichnis 1 2
Einleitung ................................................................................................................ 4 Corporate Entrepreneurship..................................................................................... 5 2.1 2.2 2.3
3
Corporate Entrepreneurship als strategisches Managementinstrument ................ 11 3.1 3.2 3.3
4
Unternehmerisch-strategisches Verhalten ................................................................ 12 Die unternehmerische Initiative, ihre Bewertung & Verflechtung ........................... 15 Strategische Entwicklungsrichtungen unternehmerischer Initiativen....................... 16
Konkrete Maßnahmen zur Förderung von CE ...................................................... 19 4.1 4.2 4.3
5 6
Definition .................................................................................................................... 5 Dimensionen von Corporate Entrepreneurship........................................................... 6 Perspektiven von Corporate Entrepreneurship ........................................................... 7
Fokussiertes Entrepreneurship .................................................................................. 19 Organisationsübergreifendes Entrepreneurship ........................................................ 20 Institutionalisierung von CE ..................................................................................... 21
Fazit ....................................................................................................................... 23 Literatur ................................................................................................................. 23
Abstract In einer wettbewerbsintensiven und dynamischen Umwelt wird Corporate Entrepreneurship zunehmend als Möglichkeit gesehen, den Erfolg und die Entwicklung etablierter Unternehmen sicherzustellen. Zentrales Element allen unternehmerischen Engagements sind dabei die Akteure im Unternehmen, und zwar unabhängig davon, auf welcher hierarchischen Ebene sie tätig sind. Je nach Art und strategischer Bedeutung der unternehmerischen Initiativen sind unterschiedliche Entwicklungsrichtungen von Corporate Entrepreneurship denkbar, die im Rahmen dieses Beitrags thematisiert werden. Ziel des Beitrags ist, Corporate Entrepreneurship als strategisches Führungsinstrument zu diskutieren, das insbesondere auch im Hinblick auf die Frage nach der Ausgründung von Unternehmensbereichen Anwendung finden kann.
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1 Einleitung Zahlreiche Herausforderungen, die sowohl im externen Umfeld als auch im Inneren von etablierten Unternehmen zu finden sind, zwingen diese, ihre Flexibilität und Innovationsfähigkeit der frühen Jahre zurückzuerlangen. Beschleunigter technologischer Wandel, die Intensivierung des internationalen Wettbewerbs, die zunehmende Fragmentierung von Märkten und sozialer Wandel, aber auch die durch hierarchische Strukturen und bürokratische Organisationsabläufe resultierende Trägheit von Unternehmen stellen „Strategic Issues“1 für Unternehmen dar. Um diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können, müssen die Letztentscheidungsträger neue Wege beschreiten, die eine Steigerung des unternehmerischen und innovativen Potenzials von Mitarbeitern und Führungskräften auf allen Ebenen des Unternehmens ermöglichen. Sie müssen eine Strategie verfolgen, die dem folgenden Anspruch gerecht wird: „a vision-directed, organization-wide reliance on entrepreneurial behavior that purposefully and continuously rejuvenates the organization and shapes the scope of its operations by recognizing and exploiting entrepreneurial opportunities that are oriented to innovation”2. Ohne neue Ideen und Innovationen sind Unternehmen langfristig weder überlebensfähig noch können sie profitabel wachsen, weshalb Wege gefunden werden müssen, die das unternehmerische Leistungsvermögen in allen Organisationsmitgliedern freisetzen. Neue Methoden, Prozesse, Technologien, Produkte und Dienstleistungen müssen entdeckt und entwickelt werden, die schließlich die innere Entwicklung des Unternehmens vorantreiben, oder in Form von Spin-offs und Joint Ventures nach außen wirken können.3 Innovation bedeutet für Unternehmen jedoch in beiden Fällen, gewisse Risiken einzugehen: Neue Produkt- und Servicemöglichkeiten nicht zu erkennen oder weiterzuverfolgen ist für Unternehmen ebenso riskant wie radikal zu innovieren, und damit Markt und Kunden unter Umständen zu überfordern. Nach Hamel sollte das Top-Management deshalb eine Innovationskultur pflegen, in der interne Unternehmer Freiraum erhalten, um innovativen Projekten nachzugehen, in der Innovation als Fähigkeit aller verstanden wird, und in der Innovation ein Prozess ist, der sicherstellt, dass Ideen nicht nur entwickelt, sondern ausgearbeitet, bewertet und schließlich intern oder durch die Gründung neuer Geschäftseinheiten jenseits der Unternehmensgrenzen 1 2 3
Vgl. u. a. Hinterhuber et al. (2000), S. 1358. Ireland et al. (2006), S. 11. Vgl. Morris/Kuratko (2002), S. 121; Roberts (1980), S. 134ff.
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realisiert werden.4 Auf diese Weise kann ein ausbalanciertes Portfolio an innovativen Projekten entstehen, das zu nachhaltigen Innovationen führt.5 Ein möglicher Weg zur Etablierung einer unternehmerischen Unternehmenskultur und damit zur Förderung einer nachhaltigen Innovationsfähigkeit ist die Umsetzung von Corporate Entrepreneurship im Unternehmen. Der vorliegende Beitrag thematisiert Corporate Entrepreneurship als strategisches Managementinstrument zur nachhaltigen Sicherung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bestehender Unternehmen. Das Ziel dieses strategischunternehmerischen Ansatzes ist dabei nicht nur die interne Erneuerung oder Transformation eines Unternehmens, sondern insbesondere auch der Aufbau neuer Geschäftsfelder jenseits des vorhandenen Portfolios des Unternehmens durch Ausgründung.
2 Corporate Entrepreneurship 2.1 Definition Der Fähigkeit von etablierten Unternehmen, den unternehmerischen Geist ihrer Gründerjahre wieder in der Unternehmenskultur zu verankern, ist in den vergangenen Jahren zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt worden. Trotz dieser Einigkeit über die wachsende Bedeutung von Corporate Entrepreneurship für die Wettbewerbsfähigkeit und den langfristigen Erfolg von Unternehmen, herrscht vielfach noch immer Uneinigkeit darüber, was unter dem Begriff Corporate Entrepreneurship zu verstehen ist. Burgelman definierte Corporate Entrepreneurship beispielsweise als Prozess, in dem Unternehmen diversifizieren, dadurch dass sie neue Ressourcenkombinationen einsetzen, um die bestehenden Aktivitäten durch den Eintritt in neue oder nur teilweise verwandte Geschäftsfelder zu erweitern.6 Biggadike hingegen wählte für unternehmerisches Verhalten in etablierten Unternehmen den Begriff ’Corporate Venturing’ und beschrieb es als „marketing a product or service that the parent company has not previously marketed and that requires the parent company to obtain new equipment or new people or new knowledge”7. Frank versteht Corporate Entrepreneurship als ein „organisationales Phänomen […], in dessen Mittelpunkt ein proaktives Innovations4 5 6 7
Vgl. Hamel (2002); Wittmann et al. (2006). Vgl. Hamel/Prahalad (1991), S. 90. Vgl. Burgelman (1983), S. 1349. Biggadike (1979), S. 104.
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verhalten steht, welches in der Kultur und Strategie verankert ist und durch personelle und finanzielle Ressourcen gestützt wird, wobei die Entwicklung der organisationalen Kompetenzbasen die Wahrnehmung von Geschäftschancen und die damit verbundene Veränderungsbereitschaft fördert und die Bereitschaft zu Innovation und Veränderung durch verfügbare Ressourcen und Kompetenzen nicht massiv beschränkt wird.“8 Diese Definition geht konform mit den Überlegungen von Guth & Ginsberg, die Corporate Entrepreneurship auch mit Transformation und Veränderung von Unternehmen assoziieren, die sich schließlich in zwei Arten von Phänomenen bzw. Prozessen zeigen, und zwar einerseits in der Entstehung neuer Unternehmen innerhalb eines bereits bestehenden Unternehmens sowie andererseits im Wandel eines Unternehmens durch die Erneuerung seiner zentralen Tätigkeitsfelder.9 Auf die hier bereits anklingende Richtung von Corporate Entrepreneurship wird später eingegangen, da zunächst die dem Konzept zugrunde liegenden Dimensionen der unternehmerischen Orientierung erörtert werden sollen. Zu diesen werden in der Regel zwischen drei und fünf Dimensionen gezählt10, wobei heute Konsens darüber herrscht, dass sich unternehmerische Anstrengungen in etablierten Unternehmen auf das Ausmaß beziehen, „to which top managers are inclined to take business-related risks (risk-taking dimension), to favor change and innovation to obtain a competitive advantage for their firm (the innovation dimension), and to compete aggressively with other firms (the proactiveness dimension)”11. Insofern klingt hier bereits die Bedeutung der unternehmerisch denkenden und handelnden Akteure an.
2.2 Dimensionen von Corporate Entrepreneurship Die drei zentralen Eigenschaften des Unternehmertums – Risikobereitschaft, Innovationsfähigkeit und Proaktivität – stellen die zentralen Dimensionen von Corporate Entrepreneurship dar. Sie treten in der Regel in unterschiedlicher Intensität auf, da nicht jedes unternehmerische Verhalten gleichermaßen innovativ, proaktiv und riskant ist.12 Nichtsdestotrotz unterstreichen Covin & Miles, dass Innovation der Kern unter8
Frank (2006), S. 18. Vgl. Guth/Ginsburg (1990), S. 5f. 10 Lumpkin & Dess erweiterten die drei auf Miller (1983) zurückgehenden, zentralen Dimensionen Proaktivität, Risikobereitschaft und Innovationsfähigkeit um die Dimensionen „Autonomie“ und „Aggressivität gegenüber Wettbewerbern“. 11 Covin/Slevin (1988), S. 217. 12 Vgl. Morris/Kuratko (2002), S. 46. 9
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nehmerischen Engagements ist.13 Je größer dann der Anspruch eines etablierten Unternehmens an seine Innovationsfähigkeit ist, desto wahrscheinlicher führt Corporate Entrepreneurship auch zu organisationalen Veränderungsprozessen, deren Ausgang nicht immer klar vorherzusehen ist.14 Wie bereits in der Einleitung deutlich wurde, sind derartige Neuerungen in einem bestehenden Unternehmen zumeist mit Risiken verbunden. Aus diesem Grund steht Risikobereitschaft in engem Zusammenhang mit der Suche nach wirtschaftlichen Chancen und innovativen Ideen, welche jedoch nicht immer zu Erfolg, sondern auch zu betriebswirtschaftlichen Misserfolgen führen können. Eine realistische Einschätzung der möglichen finanziellen, technischen und persönlichen Risiken ist daher sowohl für Unternehmen als auch für Individuen ein veritabler Pfad, um das Risiko innovativer Projekte zu begrenzen. Je nach Art der Innovation, die von kleinen Produktund Prozessverbesserungen hin zu vollkommen neuen Produkt- und Prozesslösungen reicht, steigt oder sinkt das Risiko. In engem Zusammenhang mit der Art der Innovation, die ein Unternehmen hervorbringt, steht seine Proaktivität, da Imitationen beispielsweise eher als reaktive, denn proaktive Innovationsstrategie gedeutet werden müssen. Proaktive Unternehmen übertreffen ihre Konkurrenten im Punkto Innovation, betonen Wachstum und Entwicklung und versuchen, ihr Wettbewerbsumfeld aktiv zu beeinflussen.15 Dazu muss unternehmerisches Denken und Handeln kulturell und strukturell verankert werden und auch strategisch gewünscht sein.16 Unternehmen innovieren erfolgreich, indem sie nach kreativen, ungewöhnlichen und neuen Problemlösungen durch neue Produkte, Dienstleistungen und Prozesse suchen und dabei gleichzeitig ein Innovationsportfolio bilden, das sich stark an den Kundenbedürfnissen sowie den Fähigkeiten und der Motivation der Mitarbeiter, innovative Ideen weiterzuentwickeln, orientiert.17
2.3 Perspektiven von Corporate Entrepreneurship Wie bereits eingangs erwähnt wurde, sind nach Guth & Ginsberg zwei grundsätzliche Ausprägungen von Corporate Entrepreneurship denkbar: die strategische Erneuerung 13
Vgl. Covin/Miles (1999). Vgl. hierzu u. a. Frank (2006), S. 18. 15 Vgl. Miller (1987), S. 7ff. 16 Vgl. Güttel (2006), S. 18. 17 Vgl. Ireland et al. (2006); Morris/Kuratko (2002). 14
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sowie die (Aus-)Gründung neuer Unternehmen, wobei letztere im Fokus dieser Arbeit steht. 2.3.1 Strategische Erneuerung
Um im hyperkompetitiven und schnelllebigen Wettbewerbsumfeld ihr Überleben zu sichern, muss etablierten Unternehmen der Spagat zwischen Veränderung und Stabilität gelingen. Um diesem Paradox begegnen zu können, sind grundsätzlich drei Wege denkbar: a) das Unternehmen weigert sich, sich zu ändern, b) es akzeptiert das Spannungsverhältnis von Stabilität und Veränderung und lagert die Veränderung aus oder c) es versucht, das Paradox durch interne Anpassung zu lösen.18 Die dritte Variante ist unter dem Begriff strategische Erneuerung („strategic renewal“) bekannt. Sie umfasst alle Anstrengungen eines Unternehmens, die Beziehungen zu seinen Märkten und Wettbewerbern neu zu definieren, indem die Art, wie das Unternehmen agiert, vollkommen verändert wird.19 Neben der Akquisition und Nutzung neuen Wissens kann innovatives Verhalten zu einer Veränderung der (Kern-) Kompetenzen sowie der Produkt-/Markt-Kombinationen des Unternehmens führen. Floyd & Lane gliedern den strategischen Erneuerungsprozess in drei Unterprozesse: a) den Prozess der Definition, b) den Prozess der Modifikation sowie c) den Prozess des Einsatzes der Kernkompetenzen des Unternehmens, in denen den Akteuren im Unternehmen unterschiedliche Rollen zukommen.20 Zentrales Element der strategischen Erneuerung ist dabei der Blick auf das Unternehmen in seinem Kontext, um Strategien und Strukturen so auszurichten, dass die Schnittstellen zwischen dem Unternehmen und seinem Umfeld den wirtschaftlichen Erfordernissen entsprechen, d. h. dass die Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens besser als zuvor genutzt oder Geschäftsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden können. Damit ist nicht gemeint, dass nur jene Firmen, die durch Veränderungen ihres Wettbewerbsumfeldes in Bedrängnis geraten sind, eine strategische Erneuerung anstreben sollten, sondern dass ein Unternehmen mit dieser Strategie seine Vormachtstellung im Markt zu sichern in der Lage ist. Strategische Erneuerung führt zu langfristigen Wettbewerbsvorteilen, und zwar nicht nur auf der Gesamtunternehmensebene, sondern es ist auch dazu geeignet, Geschäftseinheiten neu zu beleben. Zusammenfas-
18
Vgl. Baden-Fuller/Volberda (1997), S. 97. Vgl. Covin/Miles (1999), S. 52. 20 Vgl. Floyd/Lane (2000), S.155ff. 19
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send repräsentiert die strategische Erneuerung das Streben nach einer neuen strategischen Richtung. 2.3.2 Schaffung neuer Unternehmenseinheiten
Ihre Anpassung an die Dynamik des wirtschaftlichen Umfeldes bewerkstelligen bereits lange Jahre existierende Unternehmen nicht allein dadurch, dass sie ihre Strategien und Organisationsstrukturen ändern, sondern indem sie Unternehmenseinheiten auslagern, die sich beispielsweise in einer Krise und Reifephase befinden, um ihnen als eigenständige Einheiten die Flexibilität zu geben, die für die Verfolgung innovativer Projekte notwendig ist.21 Diese Vorgehensweise wird im Allgemeinen unter „Corporate Venturing“ als der Schaffung neuer Geschäftsfelder innerhalb oder außerhalb der Organisationsstrukturen des Unternehmens zusammengefasst. Die wesentlichen Kennzeichen des Corporate Venturing sind:22 Es handelt sich um eine für die Organisation bzw. das Mutterunternehmen neue Aktivität. Das Vorhaben wird intern initiiert bzw. koordiniert. Es liegt ein signifikant höheres Risiko des Scheiterns vor als in den sonstigen operativen Geschäftseinheiten des Mutterunternehmens. Zumindest für einen gewissen Zeitraum erfolgt die unternehmerische Führung des Ventures außerhalb der Organisationsstruktur des Mutterunternehmens. Ziel ist eine Verbesserung von Umsatz, Ertrag, Produktivität oder Qualität. Sharma & Chrisman unterscheiden dabei zwischen zwei Ausprägungen von Corporate Venturing, nämlich zwischen dem „internal corporate venturing“ als der Schaffung neuer Geschäftseinheiten innerhalb des Unternehmens und dem „external corporate venturing“, das alle Aktivitäten umfasst, die mit der Entstehung von (teil-) autonomen Unternehmen enden. Zum externen Corporate Venturing werden Joint Ventures, Spin-offs und Venture Capital-Initiativen gezählt.23
21
Baden-Fuller/Volberda (1997). Vgl. Block/MacMillan (1993), S. 14. 23 Vgl. Sharma/Chrisman (1999), S. 19. 22
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Internes Corporate Venturing ist zwar in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig abgegrenzt, im Vordergrund steht hier aber prinzipiell die Unterstützung von Innovationsentwicklungen innerhalb des eigenen Unternehmens, um das Potenzial für Neuentwicklungen von Produkten oder Dienstleistungen im Wettbewerb mit der Konkurrenz zu stärken.24 Internes Corporate Venturing resultiert in der Schaffung neuer Unternehmenseinheiten, die nicht aus dem Unternehmen ausgegliedert werden sollen. Internes Corporate Venturing kann anhand von vier Dimensionen charakterisiert werden: a) die Dimension der strukturellen Autonomie, die von vollkommener Integration zu totaler Selbständigkeit der betreffenden Einheit ohne Verflechtungen mit anderen organisationalen Einheiten reicht, b) die Dimension der (Nicht-) Verwandtheit mit existierenden Geschäftsfeldern, c) die Dimension des Innovationsgrads, sowie d) die Dimension des Sponsorships, mit dem der Grad der offiziellen Unterstützung der Innovationsaktivitäten gemeint ist.25 Externes Corporate Venturing wird in der Arbeit von Sharma & Chrisman definiert als: “Corporate Venturing activities that result in the creation of semi-autonomous or autonomous organizational entities that reside outside the existing organizational domain.”26 Externes Corporate Venturing wird in der betriebswirtschaftlichen Forschung als Überbegriff verwendet und kann daher in die Untergruppen Venture Allianzen, Corporate Venture Capital und transformationale Vereinbarungen unterteilt werden. Unter den Venture Allianzen sind Kooperationsvereinbarungen zwischen Unternehmen zu verstehen mit der Zielsetzung, neue Geschäftsfelder zu erschaffen. Der Fokus liegt hier eher auf einer engen Zusammenarbeit im beidseitigen Interesse als in einer Kapitalbeteiligung zwischen den Unternehmen. Wenn es zu einer Minderheitsbeteiligung kommt, dann um die Umsetzung einer bestimmten Unternehmensstrategie zu unterstützen.27 Hingegen kommt es bei einem Joint Venture zur Gründung einer eigenständigen organisatorischen Einheit mit einer eigenen rechtlichen Struktur. Der Sammelbegriff Corporate Venture Capital bezeichnet das Kapital, das vom Unternehmen selbst oder von unternehmenseigenen Beteiligungsgesellschaften bereitgestellt wird, wobei hier neben strategischen Zielen auch rein renditeorientierte Ziele stehen.28
24
Vgl. hierzu Freese (2005), S. 18. Vgl. Sharma/Chrisman (1999). 26 ebenda, S. 19. 27 Vgl. Freese (2005), S. 19; Keil (2002), S. 206. 28 Vgl. Keil (2002), S. 206. 25
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Spin-Offs bzw. Ausgründungen und Unternehmenskäufe werden innerhalb des externen Corporate Venturing unter dem Sammelbegriff transformationale Vereinbarungen subsumiert. Hier wird dem Begriff „Ausgründung“ also eine rein technischstrukturelle Dimension zugeordnet.29 In der Tat bedarf es einer Unterscheidung zwischen Ausgründungen als rein technisches Instrument der Unternehmensrestrukturierung, wenn beispielsweise einzelne Unternehmensteile aus großen Konzernstrukturen herausgelöst und in der Folge als vom ehemaligen Mutterunternehmen separierte Unternehmen weitergeführt werden, und andererseits dem Phänomen „unternehmerische Ausgründung“ bzw. „Entrepreneurial Spin-Off“ als Resultat der individuellen Initiative einer Gruppe unternehmerisch denkender Mitarbeiter mit dem Ziel der Schaffung eines neuen, eigenständigen Unternehmens zur erfolgreichen Umsetzung eines innovativen Geschäftspotenzials.30 Im Folgenden beschäftigt sich dieser Artikel mit Corporate Entrepreneurship als Instrument, um das unternehmerische und innovative Potenzial der Mitarbeiter in der gesamten Organisation zu fördern und mit den damit einher gehenden, wesentlichen Aufgaben und Anforderungen an die Führungskräfte, um die damit verbundenen Strukturen und Prozesse im Unternehmen mit nachhaltigem Erfolg aufzubauen bzw. zu steuern.
3 Corporate Entrepreneurship als strategisches Managementinstrument Corporate Entrepreneurship wird als Prozess innerhalb eines Unternehmens verstanden, der inkrementalen und radikalen Innovationen sowohl strategische Bedeutung im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit als auch taktische Bedeutung in Bezug auf interne Abläufe und Prozesse beimisst.31 Innovationen entstehen dabei innerhalb eines komplexen Netzwerks, das aus involvierten Personen besteht, die relevante Informationen austauschen.32 Unternehmerisches Denken und Handeln muss als ein wichtiges Instrument des strategischen Managements eines Unternehmens verstanden werden, da die Schaffung von Werten durch neuartige Kombinationen von Ressourcen innerhalb und außerhalb der bestehenden Unternehmensgrenzen ermöglicht wird. Das Unternehmen betreibt in diesem Sinne durch die interne Entwicklung neuer Ressourcen29
Vgl. Glatzel (2003), S. 12 ff. sowie Bühner (2004), S. 6 ff. Vgl. hierzu die Definition des „Entrepreneurial Spin-Off“ Lehmair (2002), S. 14. 31 Vgl. Kemelgor (2002), S. 68. 32 Vgl. hierzu Vem (1986). 30
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kombinationen eine Art Diversifikationsstrategie, wobei Corporate Entrepreneurship letzten Endes als das Ergebnis der Vernetzung unternehmerischer Initiativen verschiedener Akteure innerhalb des Unternehmens verstanden werden kann.33 Insofern ist es entscheidend, die Managementpraktiken so auszurichten, dass unternehmerisches Verhalten entstehen kann.
3.1 Unternehmerisch-strategisches Verhalten Ein Modell für die dynamischen Wechselwirkungen zwischen strategischem Verhalten, den unternehmensinternen Prozessen und dem übergreifenden strategischen Konzept eines Unternehmens bei der Umsetzung von Corporate Entrepreneurship hat Burgelman entwickelt. Er unterscheidet hierin zwischen autonomem strategischen Verhalten und induziertem strategischen Verhalten: Das induzierte strategische Verhalten steht für den traditionellen Ansatz des vom Top-Management initiierten strategischen Verhaltens, das als Resultat eines strategischen Planungsprozesses innerhalb der einschränkenden Umweltbedingungen des Unternehmens entwickelt wurde. Es steht in enger Wechselwirkung mit dem übergreifenden strategischen Konzept des Unternehmens und wird innerhalb eines strukturellen Kontexts konstituiert, der vor allem verschiedene Kontroll- und Selektionsmechanismen vorsieht, mittels derer das Management die Einhaltung der strategischen Ziele auf den einzelnen operativen Stufen des Unternehmens gewährleistet. Alle erfolgreichen Unternehmen haben ihren eigenen, den Unternehmenscharakteristika angepassten Weg eines effektiven und effizienten Ablaufs des induzierten strategischen Verhaltens gefunden.34 Im Gegensatz zum induzierten strategischen Verhalten drückt das autonome strategische Verhalten das zuvor weitestgehend ungenutzte Potenzial unternehmerischer Initiativen auf den verschiedenen operativen Ebenen in komplexen Organisationen aus. So versuchen Mitarbeiter, auf den operativen Produkt-/Markt-Ebenen des Unternehmens oder in der mittleren Management-Ebene unternehmerische Opportunitäten auszunutzen. Diese autonomen strategischen Initiativen entwickeln sich nicht im strukturellen Kontext der Selektions- und Kontrollmechanismen und gehen nicht notwendigerweise konform mit dem festgelegten übergreifenden strategischen Konzept des Un33 34
Vgl. hierzu Burgelman (1983) sowie Russel (1995). Vgl. Burgelman (1983).
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ternehmens, sondern führen zu einer Neudefinition der relevanten Umwelt des Unternehmens und erweitern möglicherweise die Ausrichtung des Portfolios an Geschäftseinheiten. Dennoch bedarf es einer Integration dieser autonomen Initiativen in das übergreifende strategische Konzept des Unternehmens, um eine Akzeptanz im gesamten Unternehmen zu gewährleisten. Diese Integrationsleistung und Überwindung von unternehmensinternen Konflikten zwischen hierarchischen Entscheidungsstrukturen und autonom agierenden Innovatoren im Unternehmen stellt eine zentrale Anforderung an das strategische Management und die Entscheidungsträger im Unternehmen dar. Abbildung 1 greift Burgelmans Ausprägungen des strategischen Verhaltens auf und setzt sie in Beziehung zu unternehmerischen Projekten bzw. Initiativen, die ihrerseits je nach Grad ihrer strategischen Bedeutung nach innen gerichtet zu strategischer Erneuerung oder nach außen orientiert zur Ausgründung in eigenständigen Unternehmenseinheiten führen können. Im Verlauf dieses unternehmerischen Prozesses kommt dann den verschiedenen Führungsebenen unterschiedliche Bedeutung zu. Schließlich ist Corporate Entrepreneurship sowohl von den Fähigkeiten der unteren Managementebenen abhängig, die nah am Markt arbeiten und dort wirtschaftliche Chancen erkennen, als auch von der oberen Führungsebene, die erkennen muss, dass unternehmerische Initiativen für die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens wichtig sind.35 Darüber hinaus gehen entscheidende Impulse von der mittleren Management-Ebene aus, was zur Folge hat, dass das Verhalten des Top-Managements für ein nachhaltiges Corporate Entrepreneurship letztlich immer im Wechselspiel mit diesen unternehmerischen Impulsen aus dieser mittleren Management-Ebene erfolgt.36
35 36
Vgl. ebenda, S.1355. Vgl. Ferreira (2002).
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Strategischer Kontext
Oberste Führungsebene/ Top Management
Corporate Entrepreneurship
Mittleres Management
Untere Führungsebene
Hohe strategische Bedeutung
Induziertes strategisches Verhalten
Autonomes strategisches Verhalten
Strategische Erneuerung
Projekte
Niedrige strategische Bedeutung
Ausgründung
Struktureller Kontext
Abb. 1:
Strategisches Verhalten, Kontext und Wirkungen von Corporate Entrepreneurship
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Burgelman (1984).
In Anlehnung an Floyd & Lane nehmen die Führungskräfte der verschiedenen hierarchischen Ebenen unterschiedliche strategische Rollen im Hinblick auf unternehmerisches Engagement innerhalb ihres Unternehmens ein. Die Führungskräfte der obersten Hierarchiestufe haben die Aufgabe, die strategische Richtung vorzugeben, strategische Potenziale zu erkennen und Pläne so zu formulieren, dass qualifizierte Akteure der mittleren und unteren Hierarchiestufe wirtschaftliche Chancen erkennen und unternehmerische Projekte entwickeln können. Die Unterstützung durch Ressourcenzuteilung und Kontrolle der Projekte obliegt ebenfalls dem Top-Management. Mittlere Manager erfüllen eine integrierende Funktion, wobei sie nicht nur unternehmerische Initiativen der unteren Führungsebene an das Top-Management bzw. umgekehrt Anweisungen von oben nach unten kommunizieren, sondern auch selbst Herausforderungen im internen und externen Unternehmensumfeld identifizieren, Anpassungsmöglichkeiten suchen und kontrollieren. Dadurch dass sie ihre Mitarbeiter zu unternehmerischem Verhalten motivieren und inspirieren, zeigen sie sowohl autonomes wie auch induziertes strategisches Verhalten. Die Akteure auf der unteren Hierarchiestufe hingegen zeichnen sich durch Experimentieren mit möglichen Lösungen für wirtschaftliche Herausforderungen aus und initiieren insofern organisationales Lernen und kontinuierliche Verbesserung bestehender Prozesse, Produkte, Leistungen und Geschäftspraktiken im gesamten Unternehmen.
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Da nicht alle unternehmerischen Initiativen strategisch sinnvoll sind, soll nachfolgend auf die Bewertung der Initiativen durch die obere Führungsebene nochmals im Detail eingegangen werden.
3.2
Die unternehmerische Initiative, ihre Bewertung & Verflechtung
Wie sollte das Top-Management die strategische Relevanz unternehmerischer Initiativen bewerten? Dies ist eine der wesentlichen Fragen, mit denen sich die Unternehmensführung auseinandersetzen muss. Dabei erscheint es sinnvoll, sich mit kritischen Punkten im Einzelnen auseinander zu setzen und dadurch die Bedeutung für das gesamte Unternehmen abzuleiten. Burgelman schlägt hierzu einige Fragen vor:37 Wie trägt diese Initiative dazu bei, beim Erhalt unserer Fähigkeiten in neue Wettbewerbsfelder zu expandieren, in denen sich unsere Wettbewerber schon befinden? Wie trägt diese unternehmerische Initiative dazu bei, zu erfahren, wohin wir nicht expandieren sollten? Wie können wir mittels dieser unternehmerischen Initiative neue Marktnischen erfassen bzw. verteidigen und die gesamte Organisation flexibler gestalten? Welche Risiken sind mit dieser unternehmerischen Initiative verbunden? Der zweite zentrale Aspekt ist die Fragestellung, inwiefern die unternehmerischen Initiativen organisatorische bzw. operative Fähigkeiten erfordern, die im Unternehmen nicht vorhanden sind oder nicht die zentralen Eigenschaften des Unternehmens wiedergeben. Oft verbinden die autonomen, unternehmerischen Initiativen Fähigkeiten und Ressourcen aus verschiedenen Bereichen im Unternehmen auf eine völlig neue Weise. Wichtige Fragen, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden sollten, sind:38 Welches sind die zentralen Fähigkeiten, die für den Erfolg des Projekts notwendig sind? Wie können diese Fähigkeiten erlernt werden, wenn sie noch nicht im Unternehmen vorhanden sind? 37 38
Vgl. Burgelman (1984). Vgl. Burgelman (1983).
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Welche anderen Unternehmen verfügen schon über diese Fähigkeiten? Welche Auswirkungen haben diese Fähigkeiten auf andere wichtige Kompetenzen im Unternehmen? Im Gegensatz zum klassischen Management, bei dem die strategische Planung auf der Basis der verfügbaren Ressourcen stattfindet, verfolgen die „Unternehmer in Unternehmen“ wirtschaftliche Chancen auch dann, wenn die Verfügbarkeit von Ressourcen und Fähigkeiten noch nicht vollkommen geklärt werden kann und diese unter Umständen noch akquiriert werden müssen. Wie unternehmerische Initiativen im Hinblick darauf konkret umgesetzt werden können, zeigt das folgende Kapitel.
3.3 Strategische Entwicklungsrichtungen unternehmerischer Initiativen Aufgrund des Zusammenwirkens von strategischer Bedeutung und dem Grad an operativer Übereinstimmung und Ergänzung ergeben sich verschiedene mögliche Gestaltungsformen für eine organisatorische Umsetzung von Corporate Entrepreneurship im Unternehmen. Wenn beispielsweise eine hohe strategische Bedeutung der unternehmerischen Initiative festgestellt wurde, liegt eine enge Einbindung in die vorhandenen Organisationsstrukturen nahe. Eine geringe strategische Bedeutung der unternehmerischen Initiative sollte die Überprüfung von Auslagerungskonstellationen, wie beispielsweise in Form einer Ausgründung und deren optimale Gestaltung zur Folge haben, um langfristig von dieser zu profitieren. Die verschiedenen Entwicklungsrichtungen von Corporate Entrepreneurship sind in der folgenden Abbildung 2 dargestellt:
Operative Verflechtung
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Keine Verflechtung
3. Spezielle Geschäftsbereiche
6. Unabhängige Geschäftseinheit
9. Komplette Ausgründung
Teilweise Verflechtung
2. Neue Geschäftseinheit
5. Neue VentureDivision
8. Contracting
Starke Verflechtung
1. Direkte Integration
4. Neue VentureAbteilung
7. Inkubatorleistung/ Contracting
Hohe Bedeutung
Unsicher
Keine Bedeutung
Strategische Bedeutung Abb. 2:
Organisatorische Gestaltungsformen des Corporate Entrepreneurship
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Burgelmann (1983).
Diese einzelnen Gestaltungsalternativen implizieren verschiedene Maßnahmen der Letztentscheidungsträger im „Mutterunternehmen“: Direkte Integration: Eine hohe strategische Bedeutung und operative Verflechtung bedingen ein starke administrative und operative Einbindung. Der Bedarf einer direkten Integration ist vor allem in stark integrierten Unternehmen gegeben, wo radikale Veränderungen in Produktkonzepten oder Prozesstechnologien die gesamte strategische Ausrichtung des Unternehmens beeinflussen können.39 Neue Geschäftseinheit: Eine hohe strategische Bedeutung und eine teilweise operative Verflechtung erfordern eine Kombination aus starken administrativen und mittelstarken operativen Verflechtungen. Dies kann durch die Schaffung einer eigenen Einheit, die unternehmerische Projekte verfolgt, erreicht werden. Spezielle Geschäftsbereiche: Eine hohe strategische Bedeutung bei einer gleichzeitig geringen operativen Verflechtung sprechen für die Realisierung von speziellen Geschäftsbereichen, die einer hohen administrativen Kontrolle unterlie-
39
Vgl. Cooper/Schendel (1976)
18
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gen. Zu einem späteren Zeitpunkt können diese speziellen Geschäftsbereiche in neue operative Bereiche in der Organisationsstruktur eingegliedert werden. Neue Venture-Abteilung: Unsicherheit bezüglich der zukünftigen strategischen Bedeutung bei einer gleichzeitig hohen operativen Verflechtung sind typisch für „periphere“ Projekte, die sich regelmäßig in den operativen Geschäftsbereichen entwickeln. In diesen Fällen sollte die administrative Kontrolle vergleichsweise locker sein, während die operative Einbindung signifikant sein sollte, um auf diese Weise von den entstehenden Fähigkeiten im gesamten Unternehmen zu profitieren. Neue Venture-Division: Diese Gestaltungsform erlaubt es, eine eigene interne „Umwelt“ für Projekte zu schaffen, die sich zu bedeutenden zukünftigen Geschäftsfeldern für das Unternehmen entwickeln können. Durch die Integration innerhalb einer eigenen Division bzw. innerhalb eines eigenen Bereichs, können übergreifende Strategien für die verschiedenen Projekte entwickelt werden, die von dem zuständigen Management begleitet werden.40 Unabhängige Venture-Einheit: Die Unsicherheit bezüglich der strategischen Bedeutung und eine vernachlässigbare operative Verflechtung machen eine zunehmende Externalisierung der Venture-Aktivitäten attraktiv. Bei einer eigenständigen Gesellschaftsstruktur der Venture-Einheit kann durch eine entsprechende Kapitalbeteiligung auch eine hinreichende Kontrolle ohne starke administrative Verflechtung mit anderen Unternehmensbereichen erreicht werden. Inkubatorleistungen / Contracting: In manchen Fällen kann eine unternehmerische Initiative als unbedeutend für die strategische Ausrichtung des Gesamtunternehmens beurteilt werden, aber gleichzeitig starke Verflechtungen mit den operativen Kompetenzen und Eigenschaften des Unternehmens aufweisen. Die von dieser unternehmerischen Initiative anvisierte Marktnische ist für das Mutterunternehmen zu klein, mag aber für ein kleines Unternehmen ein interessantes Betätigungsfeld darstellen. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, die unternehmerische Initiative durch Inkubatorleistungen weiter zu begleiten und anstelle einer Kapitalbeteiligung durch langfristig ausgerichtete Vertragsbeziehungen Hilfestellung zu leisten.
40
Vgl. hierzu Fast (1979).
CORPORATE ENTREPRENEURSHIP VOR DEM HINTERGRUND VON AUSGRÜNDUNGEN
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Contracting: Es kann für das Mutterunternehmen ebenso sinnvoll sein, sich auf das Erzielen und Ausnutzen von Lerneffekten durch langfristig angelegte Contracting-Beziehungen zu fokussieren und eine lose operative Verflechtung aufrecht zu halten. Komplette Ausgründung: Wenn die unternehmerische Initiative durch die internen Gründerpersonen in eine eigene, unabhängige Unternehmensform münden kann, stellt die Ausgründung ein interessantes Instrument dar, damit das unternehmerische Potenzial sich in Form von innovativen Produkten und Services frei entfalten kann. Die Gestaltungsvariante der kompletten Ausgründung bietet sich dann an, wenn aus Sicht des Mutterunternehmens der unternehmerischen Initiative weder eine hohe strategische Bedeutung zugeordnet wird noch eine nennenswerte operative Verflechtung vorliegt. Nach der Betrachtung der verschiedenen alternativen Entwicklungsrichtungen unternehmerischen Engagements in etablierten Unternehmen stellt sich die Frage, welche Maßnahmen eingeleitet werden können, um unternehmerisches Denken und Handeln auf allen Ebenen des Unternehmens zu fördern. Überlegungen hierzu werden im folgenden Kapitel angestrebt.
4 Konkrete Maßnahmen zur Förderung von CE 4.1 Fokussiertes Entrepreneurship Viele Unternehmen verlieren ihren „Entrepreneurial Spirit“, nachdem sie die StartUp-Phase hinter sich gelassen und sich als erfolgreiche Anbieter am Markt etabliert haben. Dieser unternehmerische Geist zeichnet sich insbesondere durch die Fähigkeit aus, Opportunitäten zu erkennen und konsequent auszunutzen. Um nicht die gesamte bewährte Organisationsstruktur einer kompletten Veränderung zu unterwerfen, tendieren größere Unternehmen dazu, Corporate Entrepreneurship an geeigneter Stelle zu „injizieren“, indem in einzelnen Abteilungen ausgewählte, unternehmerisch agierende Mitarbeiter mit der Bildung neuer Teams („Venture Teams“) beauftragt werden, in die sie andere Kollegen aufnehmen können, die sich ebenfalls durch unternehmerische Initiativen in der jeweiligen Abteilung hervor getan haben. Dennoch muss ein Ziel des Unternehmens sein, Corporate Entrepreneurship in der gesamten Unternehmenskultur fest zu verankern, auch wenn es stets Unternehmensbereiche geben wird, die sich be-
20
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sonders initiativ verhalten und naturgemäß andere, die in besonderem Maße reaktiv sind, zum Beispiel weil sie bestimmte Kontroll- oder Revisionsfunktionen übernehmen. In diesem Zusammenhang darf es nicht zu „Surface Entrepreneurship“ im Sinne oberflächlicher und kurz greifender Initiativen, sondern es sollte zu gelebtem (internen) Unternehmertum bzw. zu „Deep Entrepreneurship“ kommen.41 Durch die Förderung einzelner unternehmerischer Initiativen von Entscheidungsträgern kann eine nachhaltige Erneuerung bzw. Vitalisierung der gesamten Organisation und in Verbindung damit eine führende Position in ihren Branchen erreicht werden.42
4.2 Organisationsübergreifendes Entrepreneurship Im Gegensatz zum fokussierten Entrepreneurship wird bei organisationsübergreifendem Entrepreneurship die Qualität „Unternehmertum“ in allen Bereichen der Organisation angestrebt, diese prägt alle wesentlichen Charakteristiken des Unternehmens, wie z. B. das unternehmerische Leitbild, die Vision, die Strategie, die Strukturen und Prozesse aber auch die Zielvorgaben und Ausbildungsprogramme der Mitarbeiter. Neue organisatorische Strukturen können sich hier schnell und ohne Widerstände innerhalb der flexiblen Unternehmensgrenzen bilden.43 Es gibt vor diesem Hintergrund vier verschiedene Methoden bzw. „Set of Practices“44, um eine Organisation zu schaffen, die auf das Finden und die unternehmerische Nutzung von Opportunitäten ausgerichtet ist. Zunächst sind dies „Climate-SettingPractices“ wie eine verstärkte Ausrichtung von Aufmerksamkeit, Ressourcen und talentierten Mitarbeitern auf die Identifikation von wirtschaftlichen Möglichkeiten. Im zweiten Schritt bedarf es der Orchestrierung der Instrumente, die im Suchprozess nach Opportunitäten und bei der Umsetzung verwendet werden. Dazu gehört neben der Einschätzung des Ausmaßes und der möglichen zukünftigen Vermarktungsformen der angestrebten Innovationen eine gewisse Disziplin der Sparsamkeit, um die Kosten dieses Prozesses bis zur Umsetzung des Potenzials der Innovationen im Rahmen zu halten. Daran schließt sich die Institutionalisierung analytischer Prozesse an, um wirtschaftliche Möglichkeiten zu identifizieren für deren Umsetzung das Unternehmen im besonderen Maße qualifiziert ist und auf deren Basis es eine marktführende Position aufbauen kann. Abschließend bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit den Fehlern 41
Vgl. Sathe (1988). Vgl. Stopford/Baden-Fuller (1994). 43 Vgl. Stevenson/Jarillo (1990). 44 Vgl. hier und im weiteren McGrath/MacMillan (2000). 42
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und Gründen für das Scheitern von Innovationsprojekten im Rahmen eines institutionalisierten Analyseprozesses. Übergreifend über diese vier Methoden bedarf es einer aktiven Unterstützung durch das Top-Management des Unternehmens. Der Vorteil dieses Vorgehens ist die Generierung neuer Fähigkeiten im Unternehmen, die sich in drei Gruppen differenzieren lassen.45 Die erste Gruppe neuer Fähigkeiten betrifft die aktuellen Aktivitäten des Unternehmens und ist von wesentlicher Bedeutung für die laufende Verbesserung der Produkte und die Erweiterung der Produktpalette bzw. des Leistungsangebots des Unternehmens. Diese Fähigkeiten sind typischer Weise technischer Natur und reichen für sich allein in der Regel nicht aus, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil aufzubauen. Die zweite Gruppe neuer Fähigkeiten ist integrativer Natur und betrifft den Mehrwert, der durch die Verknüpfung der für das Unternehmen charakteristischen Fähigkeiten entsteht. Diese zweite Gruppe integrativer Fähigkeiten hebt das Unternehmen in der Wahrnehmung seiner Fähigkeiten und Innovationen für den Kunden gegenüber den Wettbewerbern hervor. Corporate Entrepreneurship kann darüber hinaus zur Entwicklung einer dritten Gruppe von Fähigkeiten beitragen, nämlich dann, wenn neue Wege entwickelt werden, um die technischen und integrativen Fähigkeiten des Unternehmens zu nutzen. Dies betrifft insbesondere neue Ansätze für die Kommerzialisierung neuer Produkte und Serviceleistungen.46 4.3 Institutionalisierung von CE Folgende Initiativen für das strategische Handeln sollten von den Führungskräften verinnerlicht werden, wenn sie Corporate Entrepreneurship in ihren Unternehmen erfolgreich institutionalisieren wollen: Die regelmäßige selektive Rotation talentierter Manager, um sie neuen Situationen innerhalb des Unternehmens auszusetzen, damit ihre Fähigkeiten, spontane Opportunitäten auszunützen, geformt werden. Die Schaffung einer mehrstufigen Ressourcen-Allokation im Unternehmen. Die klare Kommunikation eines offenen und langfristigen Commitments der Unternehmensführung zur Förderung von Unternehmertum.
45 46
Vgl. Zahra et al. (1999). Vgl. Zahra et al. (1995).
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Die Schaffung einer „konstruktiven“ Fehlerakzeptanz im Unternehmen, die sich auf das Lernen aus gescheiterten Projekten fokussiert. Wenn Corporate Entrepreneurship als wesentliches Unternehmensziel bei allen Vertretern der Unternehmensführung verinnerlicht wurde, dann müssen unternehmerisch orientierte Strategien nachhaltig verfolgt werden. Dies impliziert insbesondere die folgenden Maßnahmen innerhalb des Unternehmens, die vor allem vom TopManagement vorgelebt werden müssen:47 Der Aufbau einer Organisation, die der autonomen Generierung von unternehmerischen Initiativen im Unternehmen förderlich ist. Dies beinhaltet vor allem auch eine Kultur, die den unternehmerischen Versuch und auch das unternehmerische Scheitern auf allen Ebenen als die wesentlichen Eigenschaften von Corporate Entrepreneurship akzeptiert. Das Vorgeben einer unternehmerischen Vision, die für alle Initiativen im Unternehmen als Richtmaß bzw. als Leitbild fungiert. Das Sicherstellen, dass Initiativen mit einem viel versprechenden Potenzial den nötigen Rückhalt in der Organisation finden und Zugang zu den entsprechenden Ressourcen erhalten. Die Führungskräfte müssen sich als Aufgabe setzen, Strukturen und Prozesse im Unternehmen so zu gestalten, dass der Austausch von Informationen über die Abteilungsgrenzen hinweg reibungslos verläuft, so dass in diesem innovationsorientierten Milieu des Unternehmens ein besonderes Know-how entsteht.48 Dazu muss Corporate Entrepreneurship über eine gewisse „Tiefe“ in der Organisation verfügen, d. h. es sollte eine klare Verankerung in den Werten und Zielen des Unternehmens stattfinden. Führungskräfte müssen außerdem für eine klare Rollenverteilung mit gemeinsam verfolgten Zielen bei den Mitarbeitern sorgen. Es bedarf dazu auch der Möglichkeit, Konflikte offen und konstruktiv im Unternehmen austragen zu können. Dies ist die wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Teamgeist unter den Mitarbeiter, vor allem dann, wenn riskante und hochinnovative Projekte verfolgt werden.49
47
Vgl. Mintzberg (1983). Vgl. Alvarez/Busenitz (2001). 49 Vgl. hierzu McGrath et al. (1995). 48
CORPORATE ENTREPRENEURSHIP VOR DEM HINTERGRUND VON AUSGRÜNDUNGEN
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5 Fazit Eine nachhaltige Entwicklung von Innovationen im Unternehmen ist die wesentliche Motivation einer auf die Etablierung von Corporate Entrepreneurship ausgerichteten Strategie. Dies ist vor dem Hintergrund des stets zunehmenden Wettbewerbs in einer dynamischen Umwelt umso wichtiger. Letztlich bieten sich viele mögliche Wege der Umsetzung von Corporate Entrepreneurship, da einerseits die besonderen Charakteristika der Unternehmenskultur, aber auch die internen Prozesse, Strukturen sowie andererseits die Mitarbeiter eines jeden Unternehmens es unmöglich machen, einen allgemein verbindlichen Königsweg zu definieren. Für die Umsetzung von Corporate Entrepreneurship sind einige Faktoren substanziell und müssen daher vom TopManagement in die Wege geleitet werden. Dazu gehört vor allem der Aufbau eines Klimas, das Unternehmertum als Suche nach Opportunitäten versteht, das dabei stets mit Risiken und den Gefahren des Scheiterns verbunden ist. Dadurch dass unternehmerische Initiativen sowohl zu strategischer Erneuerung als auch zu Entstehung neuer Unternehmen bzw. Einheiten führen, ist Corporate Entrepreneurship als ein strategisches Instrument der Unternehmensführer zu sehen, mittels dessen den zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfolgreich begegnet werden kann.
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Auslagerung als strategische Entscheidung Hans H. Hinterhuber
Inhaltsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7
Einleitung .............................................................................................................. 28 Das Kompetenz-Portfolio des Unternehmens ....................................................... 29 Alternative Koordinationsformen zwischen Eigenfertigung und Auslagerung .... 32 Die Auslagerung als Komponente der Strategie des Unternehmens..................... 35 Die Strategie als integrierendes Gesamtkonzept zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmen ......................................................................... 36 Zusammenfassung und Ausblick........................................................................... 38 Literaturverzeichnis............................................................................................... 39
Keywords Insourcing, Kernkompetenz, Kompetenz-Portfolio, Offshoring, Outsouring, Strategie
28
HINTERHUBER
1 Einleitung Lass dich nie in einen Wettkampf ein, in dem zu siegen nicht in deiner Macht steht. Epiktet
In der instabilen Wirtschaft unserer Zeit ist die Strategie der zunehmend wichtigere Begriff, um einen praktikablen Aktionskurs für das Unternehmen festzulegen und alle Tätigkeiten danach auszurichten. Die Formulierung der Strategie ist eine nicht delegierbare Führungsaufgabe. Die Strategie ist ein integrierendes Gesamtkonzept zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens. Outsourcing (= Kauf von Vorprodukten und/oder Dienstleistungen bei in- oder ausländischen Lieferanten) und Offshoring (= Errichtung von eigenen Fertigungsbetrieben im Ausland) sind zwei Wege, auf denen die Unternehmen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern können. Im Zug einer rasant fortschreitenden Internationalisierung produzieren zum Beispiel japanische Autohersteller mehr Fahrzeuge in ausländischen Werken als in Japan. Der Auslagerung von Stufen der Wertschöpfung bis zur Herstellung des Endproduktes liegen sehr unterschiedliche Motive zugrunde. Die wichtigsten sind: Effizienz, Effizienz, Effizienz, die Nähe zum Kunden und die Anpassung der Produktion an marktspezifische Bedürfnisse. Die Ausführungen zeigen, dass Auslagerungen umso mehr zum Erfolg des Unternehmens beitragen, je besser sie in die Strategie des Unternehmens eingebunden sind. Dies soll in vier Abschnitten geschehen. Erstens wird mit Hilfe des Kompetenz-Portfolios ein Vorgehen beschrieben, wie sich die Stufen der Wertschöpfung ermitteln lassen, die für Eigenfertigung oder Auslagerung in Frage kommen. Zweitens werden alternative Koordinationsformen zwischen Eigenfertigung und Auslagerung dargestellt. Drittens wird gezeigt, dass die Auslagerung eine der Komponenten der Strategie ist und in ein strategisches Gesamtkonzept eingebunden werden muss. Viertens wird ein Modell entwickelt, in dem Leadership, Strategie und Aktionspläne integriert und auf die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens ausgerichtet werden.
AUSLAGERUNG ALS STRATEGISCHE ENTSCHEIDUNG
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Die zentrale Botschaft des Beitrages lautet: Eine selbständige, unabhängige Auslagerungsstrategie kann es nicht geben. Voraussetzung für eine erfolgreiche Auslagerung ist eine klare, konsequent durchgearbeitete Unternehmensstrategie.
2 Das Kompetenz-Portfolio des Unternehmens Man kann nie mehr als drei Prozent dessen messen, worauf es ankommt. W. Edward Deming
Ausgangspunkt für Auslagerung, d. h. für Outsourcing/Offshoring ist das KompetenzPortfolio des Unternehmens (Abbildung 1).1 Wenn das Unternehmen eine hohe Kompetenzstärke relativ zu seinen Konkurrenten besitzt und den Kompetenzen heute und in Zukunft ein hoher Kundenwert zugemessen wird, kann von einer Kernkompetenz (Abbildung 1, Quadrant I) gesprochen werden. Die Kernkompetenz bestimmt das Unternehmensprofil. So wie der Motor das Auto antreibt, hält die Kernkompetenz den Wertsteigerungsmechanismus eines Unternehmens in Schwung. Die strategische Vorstellung der Konzentration auf Kernkompetenzen ist unabdingbar mit der Bündelung von eigenen dynamischen Fähigkeiten und Ressourcen gegenüber den Schwächen der Konkurrenten verbunden. Aufgrund des mehr oder weniger umfassenden und komplexen Musters des internen Bündelns und Abstimmens können sie von Konkurrenten nur schwer, wenn überhaupt, imitiert werden und ermöglichen folglich den Aufbau von auf Dauer haltbaren Wettbewerbsvorteilen (Abbildung 1, Quadrant I). Je höher die Bedeutung einer Kompetenz für den Kundenwert und je stärker die relative Stellung einer Kompetenz ist, desto intensiver muss sie im Unternehmen gepflegt und weiterentwickelt werden; ihr „Insourcing“ ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens.
1
Siehe ausführlich Hinterhuber (2004), S. 119ff.
30
HINTERHUBER
Kundenwert
IV
I KompetenzLücken
(+)
III
(-)
Kernkompetenz
II KompetenzStandards
(-)
KompetenzPotenzial
(+)
Dynamische Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens (Kompetenzen) Abb. 1:
Das Portfolio der Kompetenzen eines Unternehmens
Quelle:
eigene Darstellung.
Die Kompetenz-Standards (Abbildung 1, Quadrant III) weisen einen niedrigen Kundenwert und eine geringe relative Kompetenzstärke auf. Sie haben in den Augen der Kunden keine große Bedeutung und werden von den Konkurrenten gleich gut oder besser beherrscht. Mit ihnen können keine Wettbewerbsvorteile aufgebaut werden. Beispiele sind: bestimmte Motorkomponenten, Facility-Management, Halbfertigfabrikate und dgl. mehr. Hier bieten sich große Möglichkeiten für Outsourcing oder Offshoring an. So können Standard-Komponenten (z. B. für die Entwicklung gängiger Teile) oftmals ohne große Koordinationsaufwand günstig von spezialisierten Lieferanten bezogen werden.2 Damit werden Managementkapazitäten und operative Kapazitäten für gesamtunternehmerisch vorrangige Aktivitäten freigesetzt und durch den Bezug „erstklassiger“ Kompetenzen die Wettbewerbsvorteile insgesamt verbessert. Im Hinblick auf die Outsourcings-Vorgehensweise lässt sich folgender Zwischenstand zusammenfassen: Mit dem Kompetenz-Portfolio können durch eine Identifikation a) der Kernkompetenzen die maßgebliche Eigenerstellung („Insourcing“) und b) der Kompe2
Vgl. Pechlaner et al. (2005).
AUSLAGERUNG ALS STRATEGISCHE ENTSCHEIDUNG
31
tenz-Standards die Outsourcingbereiche bestimmt werden. Für die anderen Fälle sind noch zusätzliche Überlegungen in Richtung eines zukünftigen In-/ Outsourcings anzustellen, um festzustellen, wann welche Alternative vorteilhaft ist.3 Den Kompetenz-Lücken (Abbildung 1, Quadrant IV) wird von den Kunden eine hohe Bedeutung zugemessen, während das Unternehmen aber nur eine relativ geringe Kompetenzstärke gegenüber den Konkurrenten besitzt. Folglich besteht eine Lücke zwischen dem, was der Markt fordert und dem, was das Unternehmen kann. Hier ist zu entscheiden, ob die Kompetenz-Lücken aus eigenen Kräften, durch Unternehmenskäufe oder durch Outsourcing oder Offshoring geschlossen werden sollen. Im Hinblick auf ein strategisches Outsourcing vergeben häufig erfolgreiche Unternehmungen nicht nur periphere Aktivitäten an Dritte, sondern in manchen Fällen auch "Schlüssel"Aktivitäten, die Wettbewerber bereits kostengünstiger und effizienter herstellen können. Wichtig ist dabei, die strategischen Schritte des Prozesses unter Kontrolle zu halten. Apple hat z. B. die Entwicklung und Produktion der Mikroprozessoren an Motorola ausgelagert, während es die knappen Ressourcen auf die Entwicklung eines "benutzerfreundlichen" Betriebssystems und Produktkonzepts sowie auf die Logistik und Montage konzentrierte. Damit wurden alle wichtigen Schlüsselelemente der Wertschöpfungskette kontrolliert. So konnte Apple den strategischen Fokus auf die Kernkompetenzen, die der Kunde fordert, erheblich intensivieren. Das Beispiel zeigt, dass bei "marktgängigen" Kompetenzen Outsourcing oftmals zum kritischen Erfolgsfaktor wird, da auch die Konkurrenten Zugang zu diesen Fähigkeiten haben und das "window of advantage" relativ eng ist. Andererseits müssen aber bei neuen, innovativen – und somit weniger marktgängigen – Kompetenzbereichen, die einen hohen gegenwärtigen und vor allem zukünftigen Kundenwert versprechen, Insourcing-Überlegungen angestellt werden, um eventuell "inhouse" wiederum schwer imitierbare Kernkompetenzen entwickeln zu können. Bei den Kompetenz-Potenzialen (Abbildung 1, Quadrant II) besitzt das Unternehmen eine führende Position, die allerdings vom Kunden gering eingeschätzt wird. Viele dieser Anstrengungen verpuffen wirkungslos, weil die Unternehmen den Kundenbedarf nicht richtig verstehen oder Produkte freigeben, ohne die Problemwelten der Nutzer sorgfältig zu bedenken. Hierunter fällt auch das klassische "R&D-Syndrom", wobei technikverliebte Überperfektionierungen angestrebt werden, die der Kunde gar nicht honoriert (”Overengineering”). Des Weiteren können in diesen Quadranten auch 3
Vgl. Abfalter/Hinterhuber (2005), S. 151-160.
32
HINTERHUBER
Kompetenz-Potenziale eingeordnet werden, deren Märkte sich gewandelt haben oder sich bereits in einem reifen Stadium befinden. Insgesamt muss hier angestrebt werden, die vorhandenen Potenziale (Stärken) mit den Marktentwicklungen (Chancen) zu verbinden. Die entscheidende Frage ist, ob die Kompetenz-Potenziale in zukünftige Wettbewerbsvorteile umgesetzt werden können oder nicht. Ist das der Fall, bieten sich zwei Alternativen an: Zum einen kann man die vorhandenen relativen Kompetenzstärken durch weitere Investitionen "verteidigen" und ausbauen, um möglicherweise neue Kernkompetenzen aufbauen zu können. Voraussetzung dafür ist die Bewältigung des Schnittstellenproblems zwischen F&E und Marketing. Zum anderen können aber auch Outsourcing-Überlegungen in Betracht gezogen werden, wobei im Rahmen von vertikalen Partnerschaften sich ein Know-how-Transfer zum Zulieferer hin anbietet. Das ist insbesondere dann eine Alternative, wenn es absehbar ist, dass diese Kompetenzen in Zukunft aufgrund von Imitationen und Standardisierung kein gravierendes Differenzierungspotenzial mehr bieten.
3 Alternative Koordinationsformen zwischen Eigenfertigung und Auslagerung Wer weiß, wie man günstige Gelegenheiten nutzt, wird oft finden, dass er solche auch selbst schaffen kann, und was man erreichen kann, hängt weniger von dem Maß an Zeit ab, über das man verfügt, als davon, wie man die Zeit nützt. John Stuart Mill
Bei strategischen Outsourcing-Entscheidungen sind nicht nur die interorganisationalen, sondern auch die zwischenbetrieblichen Beziehungen zu berücksichtigen. Die Optimierung der internen Organisation, Prozesse und Leistungstiefe ist nur ein Teil der Gesamtlösung. Einsparungen in diesem Bereich dürfen nicht durch erhöhten Beschaffungs- und Koordinationsaufwand der Zulieferer überkompensiert werden. Generell gilt: Je höher die Transaktionskosten, umso enger sollte die optimale Einbindungs- bzw. Koordinationsform sein – und umgekehrt. Beispielhaft ist in Abbildung 2 ein Alternativenspektrum mit möglichen Koordinationsformen dargestellt. Zwischen den Alternativen "reine Eigenfertigung" und "reiner Fremdbezug" gibt es für die Praxis eine Reihe interessanter Mischformen, die alle auf der Idee der vertikalen Partnerschaft beruhen.
AUSLAGERUNG ALS STRATEGISCHE ENTSCHEIDUNG
33
Zwischen den Alternativen „reine Eigenerstellung“ und „reiner Fremdbezug“ gibt es noch eine Reihe partnerschaftlicher Kooperationsformen zunehmend marktliche Koordination (Fremdbezug)
zunehmend hierarchische Koordination (Eigenerstellung)
Vertikale Partnerschaften
Make Eigenerstellung
Tochtergesellschaft
Insourcing (Bezug aus eigener Unternehmung)
JointVenture
langfristige Kooperationen
langfristige Rahmenverträge
Ausgliederung (Bezug von verbundenen Unternehmen)
Buy kurz-, mittelfristige vertragliche Regelungen
Fremdbezug
Auslagerung = Outsourcing i.e.S. (Bezug von externen Unternehmen)
Abb. 2:
Beispiele für alternative Koordinationsformen zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug
Quelle:
eigene Darstellung.
Die Transaktionen beschränken sich unter strategischen Gesichtspunkten nicht ausschließlich auf produktbezogene Transfers, in die lediglich die Vertriebsabteilungen der Lieferunternehmung und die Einkaufsabteilung des Abnehmers involviert sind. Es werden vielmehr langfristige Strukturen im Sinne von strategischen Netzwerken angestrebt, die durch eine spinnwebartige Vernetzung der Kompetenzen der Transaktionspartner verbunden werden.4 Mit der Zusammenlegung und kollektiven Optimierung von Kompetenzen gelangt man zu einer Verflechtung der aufeinander folgenden (Unternehmungs-) Wertschöpfungsketten. Der Leitgedanke eines strategischen Outsourcing liegt nicht in der bloßen Abfolge von einzelnen Transaktionen, sondern in der fortdauernden Verbindung von Kompetenzen. Das vorrangige Ziel ist die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aller beteiligten Unternehmungen. Im Gegensatz zu klassischen Marktbeziehungen sollen Partnerschaften und Netzwerke sog. "NullSummen-Spiele" verhindern sowie die Vorteile bei den Abnehmern und Lieferanten die Nachteile (z. B. aus der Abhängigkeit) überkompensieren. Abbildung 3 veranschaulicht eine Vorgehensweise für den Ablauf von Outsourcing-Entscheidungen in der Form eines Entscheidungsbaumes.
4
Vgl. Stadler/Hinterhuber (2005), S. 467-484.
34
HINTERHUBER
Ziel: Kernkompetenzen sichern – Transaktionskosten reduzieren Vision Strategie
Strategische Analysen - Kundenwert der Kompetenzen - Relative Kompetenzstärke Kompetenzportfolio Ja Achsen: Hoch/Hoch ? Insourcing
Achsen: Hoch/ Hoch Quadrant I Kernkompetenzen
Nein Überprüfung auf Outsourcing
Hoch/ Niedrig Niedrig/ Hoch Quadrant IV KompetenzGaps
Quadrant II KompetenzPotenziale
Niedrig/ Niedrig Quadrant III KompetenzStandards
Transaktionskostenanalyse - Spezialität - Strategische Relevanz - Häufigkeit - Unsicherheit
Insourcing
zunehmend marktliche Koordination (Fremdbezug) zunehmend hierarchische Koordination (Eigenerstellung) Eigenstellung
Alternative Koordinationsformen: Vertikale Partnerschaften
Abb. 3:
Eine Vorgehensweise für das strategische Outsourcing/Offshoring
Quelle:
eigene Darstellung.
Fremdbezug
AUSLAGERUNG ALS STRATEGISCHE ENTSCHEIDUNG
35
4 Die Auslagerung als Komponente der Strategie des Unternehmens Die Strategie ist die Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen. Helmuth von Moltke
Der durch die Globalisierung zunehmend härtere Druck auf die Erträge und das dadurch geschärfte Kostenbewusstsein machen Auslagerungen zu einer strategic issue der Unternehmensleitungen. Outsourcing und Offshoring müssen in ein strategisches Gesamtkonzept eingebaut werden, wenn sie zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens beitragen sollen. In der Folge wird gezeigt, wie die Auslagerung fest in die Unternehmensstrategie eingebunden werden kann. Eine selbständige, unabhängige Auslagerungsstrategie kann es nicht geben. Unerlässliche Voraussetzung ist, dass eine klare, konsequent durchgearbeitete Unternehmensstrategie existiert. So selbstverständlich diese Forderung sein mag, so hat doch ihre Nichtbeachtung in der Vergangenheit zu bedeutenden unternehmerischen Misserfolgen geführt. Abbildung 4 zeigt die Hauptkomponenten der Strategie5. Im Zentrum steht der Kunde, dem ein Mehrwert geboten werden oder dessen Lebensqualität verbessert werden muss. Eine Strategie, die nicht in einer unmittelbaren Beziehung zum Kunden steht, ist zum Scheitern verurteilt. Die Strategie hat anzugeben: Die Märkte, auf denen das Unternehmen tätig sein will und den Kernauftrag, den es in Bezug auf die Kunden erfüllen will, die Produkte und Dienstleistungen für diese Märkte, die Vorgehensweise, für die sich folgende Möglichkeiten anbieten: interne Entwicklung, Akquisition, Fusion, Lizenzierung und Auslagerung, die Differenzierung, d. h. die Leistungs- und Begeisterungsfaktoren für die Kunden, die die Produkte und Dienstleistungen positiv von denen der Konkurrenten unterscheiden, die zeitliche Abfolge der Hauptschritte, und
5
Vgl. Hambrick/Frederickson (2005), S. 51-62.
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HINTERHUBER
die Art, wie die Strategie zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens beiträgt. Zwei Möglichkeiten bieten sich an: Kostenführerschaft in den Fällen, in denen keine Eintrittsbarrieren bestehen oder Differenzierung.6
Wertsteigerung
Abfolge der Hauptschritte
Märkte
Kunde
Differenzierung
Produkte/ Dienstleistungen
Vorgehen Auslagerung
Abb. 4:
Die Hauptkomponenten der Strategie
Quelle:
eigene Darstellung in Anlehnung an Hambrick/Frederickson (2005).
Die sechs Komponenten der Strategie müssen sich gegenseitig verstärken. Auslagerungsentscheidungen sind nur eine Komponente der Strategie, die mit den anderen Komponenten abgestimmt werden muss.
5 Die Strategie als integrierendes Gesamtkonzept zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmen Verkehre nur mit Leuten, die dich bessermachen können, und lass solche sich an dich anschließen, die du besser machen kannst. Seneca
Abbildung 5 zeigt ein integrierendes Gesamtkonzept für die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens. Leadership heißt:7
6
Vgl. Greenwald/Kahn (2005).
AUSLAGERUNG ALS STRATEGISCHE ENTSCHEIDUNG
37
Möglichkeiten entdecken, die andere nicht sehen und mit den internen dynamischen Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens umsetzen, die Mitarbeiter inspirieren und in die Lage versetzen, sich für die gemeinsame Aufgabe zu engagieren.
Leadership
Externe Möglichkeiten
Interne dynamische Fähigkeiten und Ressourcen
Wertsteigerung
Kunde
Differenzierung
Produkte /Dienstleistungen
Erfolgscontrolling
Timing
Märkte
Vorgehen
Aktionspläne, funktionale Politiken, Organisation, Prozesse, Controlling …
Ziele/Ergebnisse
Abb. 5:
Die Strategie als integrierendes Gesamtkonzept zur Erreichung von Zielen
Quelle:
eigene Darstellung.
Leadership bestimmt die Strategie, in der, wie erwähnt, Märkte, Produkte/ Dienstleistungen, Vorgehen, in unserem Fall Auslagerung, Differenzierung, Abfolge der 7
Vgl. Hinterhuber (2004).
38
HINTERHUBER
Hauptschritte und Methoden der Wertsteigerung zu einem kohärenten Ganzen integriert werden. „Strategy follows people; the right person leads to the right strategy“, wurde Jack Welch nicht müde zu betonen. Die Strategie ist kein Aktionsplan; sie ist ein integrierendes Gesamtkonzept zur Erreichung von Zielen und bestimmt die Aktionspläne, die funktionalen Politiken, die Organisation, die Prozesse usw., mit denen die Ziele erreicht und die Ergebnisse erzielt werden.
6 Zusammenfassung und Ausblick Der Nomade kehrt immer wieder zu dem Ort zurück, von dem er aufgebrochen ist. Arabisches Sprichwort
Im Zug einer immer schneller voranschreitenden Internationalisierung verlagern immer mehr Unternehmen jeder Größenordnung Stufen der Wertschöpfung an in- oder ausländische Lieferanten. Die im Inland verbleibenden Fertigungsbetriebe spezialisieren sich immer stärker auf die Fertigung von Produkten mit besonders fortgeschrittener und komplexer Technologie. Die Hauptergebnisse der Arbeit sind: Das Unternehmen muss seine Eigenfertigung auf die Bereiche konzentrieren, die für die Kunden einen hohen Wert besitzen und in denen es gegenüber den Konkurrenten eine hohe Kompetenzstärke hat. Für Stufen der Wertschöpfung mit niedrigem Kundenwert und niedriger Kompetenzstärke bieten sich große Möglichkeiten für eine Auslagerung an. In den beiden anderen Fällen sind eine Reihe partnerschaftlicher Kooperationsformen zu prüfen. Die Auslagerung ist einer der Komponenten der Strategie des Unternehmens. Das Ziel der Strategie ist, mit Hilfe von Auslagerung die Kunden noch wettbewerbsfähiger zu machen und dabei mindestens die Kapitalkosten zu verdienen. Leadership, Strategie und Aktionspläne sind in einem Gesamtkonzept auf die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens auszurichten.
AUSLAGERUNG ALS STRATEGISCHE ENTSCHEIDUNG
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Die Auslagerung geht allerdings nicht völlig problemlos vonstatten. Es gilt dies vor allem mit Blick auf die Qualitätssicherung, die im Inland in der Regel bis zur Perfektion verfeinert wird, die im Ausland, vor allem in Niedriglohnländern aber oft schwieriger durchzusetzen ist.
7 Literaturverzeichnis Abfalter, D./Hinterhuber, H.H. (2005): Outsourcing und Offshoring. Gewinner und Verlierer in einer globalisierten Welt. In: Engelhardt-Nowitzki, C./Wolfbauer, J. (Hrsg.): Gelebtes Netzwerkmanagement. Göttingen, S. 151-160. Greenwald, B./Kahn, J. (2005): Competition Demystified. A Radically Simplified Approach to Business Strategy. New York. Hambrick, D.C./Frederickson, J.W. (2005): Are you sure you have a strategy? In: Academy of Management Executive 19, S. 51-62. Hinterhuber, H.H./Pechlaner, H./ Fischer, E./Hammann, E.M. (2004): Innovative Führung von Tochtergesellschaften. Arbeitshefte der Europäischen Akademie Bozen, Bd. 41, Bozen. Hinterhuber, H.H. (2004): Strategische Unternehmensführung. 7. Aufl., Berlin. Hinterhuber, H.H. (2004): Leadership. Strategisches Denken systematisch schulen von Sokrates bis Jack Welch. 3. Aufl., Frankfurt am Main. Matzler, K./Rier, M./Hinterhuber, H.H./Renzl, B./Stadler, Ch. (2005): Methods and concepts in management: Significance, satisfaction and suggestions for further research: Perspectives from Germany, Austria and Switzerland. In: Journal of Strategic Change, 14 (1) S. 1-13. Pechlaner, H./Hinterhuber, H.H./Hammann, E.-M. (2005): Unternehmertum und Unternehmensgründung – Grundlagen und Fallstudien. Wiesbaden. Stadler, Ch./Hinterhuber, H.H. (2005): Shell, Siemens and DaimlerChrysler: Leading Change in Companies with Strong Values. In: Long Range Planning 38, S. 467-484.
Wie sollen Ausgründungen ablaufen? – Realisierung von Ausgründungen im Rahmen eines prozessbezogenen Transformationskonzeptes Wolf von Holzschuher & Harald Pechlaner
Inhaltsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8
Einleitung .............................................................................................................. 42 Definition der Ziele aus Sicht des Mutterunternehmens....................................... 43 Evaluierung und Selektion von Ausgründungsprojekten...................................... 46 Umsetzung der Ausgründung................................................................................ 47 Begleitung der weiteren Entwicklung der Ausgründung ...................................... 48 Institutionalisierung bzw. Beendigung der Ausgründung..................................... 49 Zusammenfassung und Ausblick........................................................................... 52 Literaturverzeichnis............................................................................................... 52
Abstract Ausgründungen werden als ein geeignetes Instrument betrachtet, um auf exogene Veränderungen des Unternehmens zu reagieren und um der Notwendigkeit nach mehr organisatorischer Flexibilität zu entsprechen. Im Vordergrund stand dabei oftmals die Forderung nach Kostenreduzierungen als wesentliches Zielkriterium erfolgreicher Ausgründungen. Bei einem lediglich auf kurzfristige Kostenreduzierungen ausgerichteten Ausgründungsmanagement besteht jedoch die Gefahr, dass die Interdependenzen zwischen den betroffenen Unternehmensbereichen und die wesentlichen Schnittstellen vernachlässigt werden und dadurch wichtige Kompetenzen verloren gehen bzw. das entstehende Potenzial der Ausgründung nicht hinreichend ausgeschöpft wird. Daher ist ein nachhaltig geplantes und klar strukturiertes Transformationskonzept für die Umsetzung von Ausgründungsvorhaben im Unternehmen umso wichtiger. Im Folgenden sollen wichtige Komponenten eines derartigen Transformationskonzepts dargestellt werden.
42
VON HOLZSCHUHER | PECHLANER
1 Einleitung Als eine Antwort auf die Herausforderungen durch dynamischen Wettbewerb, verändertes Konsumentenverhalten und eine zunehmend komplexere Umweltdynamik, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen, wurde in den letzten Jahren die konsequente Ausrichtung der Unternehmensressourcen auf die eigenen Kernkompetenzen und strategischen Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten gefordert. Als Folge aus dieser Fokussierung sollen jene Unternehmensbereiche ausgegliedert werden, die nicht in unmittelbarer Verbindung mit den Kernkompetenzen des Unternehmens stehen, um dadurch mehr strategische und operative Flexibilität zu erhalten und um somit eine langfristig höhere Wertsteigerung zu generieren. Ausgründungen werden vor diesem Hintergrund von der Unternehmensleitung als ein geeignetes Instrument angesehen, um auf diese exogenen Veränderungen zu reagieren. Im Fokus steht hier aber vor allem die Möglichkeit umfassender Kostenreduktionen durch die Auslagerung von Unternehmensteilen in die Selbständigkeit. Diese einseitige Einschränkung der Potenziale von Ausgründungen auf die Reduktion von Kosten birgt aber auch Gefahren, wenn die langfristigen Potenziale in den ausgelagerten bzw. ausgegründeten Unternehmensteilen unterschätzt wurden und somit die Möglichkeiten einer nachhaltigen Wertschöpfung z. B. durch Kooperationen zwischen Muttergesellschaft und Ausgründungsunternehmen nicht mehr genutzt werden können. Außerdem kann durch ein falsch umgesetztes Ausgründungsmanagement die Komplexität der Interdependenzen zwischen verschiedenen Unternehmensebenen falsch abgebildet werden oder es werden die Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation und -qualifikation nicht ausreichend antizipiert. Darüber hinaus können durch kurzsichtig umgesetzte Ausgründungsprozesse wichtige Schnittstellen innerhalb des Unternehmens verloren gehen, deren besondere Bedeutung als Nährboden für die unternehmensindividuellen Fähigkeiten als Basis der zukünftigen Kernkompetenzen sich erst in Zukunft voll entfalten kann. Vor diesem Hintergrund erscheint ein geplantes und klar strukturiertes Transformationskonzept für die Umsetzung von Ausgründungsvorhaben im Unternehmen umso wichtiger. Im Folgenden sollen die wichtigsten Komponenten eines prozessbezogenen Transformationskonzepts dargestellt und deren Wechselwirkungen mit den Schnittstellen zur Unternehmensführung skizziert werden. Den weiteren Ausführungen liegt die Arbeitsdefinition der „unternehmerisch geprägten“ Ausgründung bzw. des „entrepreneurial Spin-Off“ zugrunde:
WIE SOLLEN AUSGRÜNDUNGEN ABLAUFEN?
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Durch die Ausgründung wird eine neue, rechtlich und wirtschaftlich selbständige organisatorische Einheit geschaffen, die aus einer bestehenden Mutterorganisation hervorgegangen ist und deren Gründung in ursächlichem Zusammenhang mit dieser Mutterorganisation steht. Es handelt sich hierbei um originäre Unternehmensgründungen, d. h. es werden neue und zuvor nicht bestehende Strukturen geschaffen. Der Anstoß, die Umsetzung und die Kontrolle dieser neuen organisatorischen Einheit beruht auf der individuellen Initiative der Gründungspersonen. Diese Gründungspersonen handeln dabei „unternehmerisch“ bzw. im Sinne des Corporate Entrepreneurship. Es handelt sich um eine ökonomische Organisationsform, deren Ziel insbesondere die erfolgreiche Umsetzung von innovativen Potenzialen ist. Es erfolgen Transferleistungen des Mutterunternehmens an die ausgegründete Einheit - dazu zählen vor allem der Transfer von Personen und der Transfer von technologischem Know-How.
2 Definition der Ziele aus Sicht des Mutterunternehmens Grundlegend aus der Perspektive des Mutterunternehmens muss die Hinterfragung der eigenen Ziele in Verbindung mit einer geplanten Ausgründung sein. So können mögliche Ziele die „Exploration“ bzw. die „Eploitation“ der eigenen Kompetenzen sein. Unter Exploration ist in diesem Zusammenhang die Erschließung neuer Optionen für das Unternehmen zu verstehen, während die Exploitation die zusätzliche wirtschaftliche Verwertung vorhandener Ressourcen und Fähigkeiten in neuen Kombinationen bzw. Märkten beschreibt.1 Grundsätzlich betreffen Ausgründungen verschiedene Ebenen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens, die verschiedene Ziel- bzw. Wirkungsrichtungen haben:2 Unternehmensumwelt: Beziehungen des Unternehmens zu seinen „Stakeholdern“ und seiner mittelbaren und unmittelbaren Umwelt, z. B. der Gesellschaft,
1 2
Vgl. hierzu Keil (2002), der an die Arbeiten von March (1991) anknüpft. Vgl. hierzu Lehmair (2002).
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VON HOLZSCHUHER | PECHLANER
der Gesetzgebung, wichtigen Institutionen (Universitäten, öffentlichen Ämtern, Verbänden). Corporate (Unternehmen selbst): Aufbau eines Portfolios an neuen attraktiven Geschäftsfeldern durch Ausgründungen. Verbesserte Synergieeffekte, Zugriff auf neue Ressourcen; Verbesserung bestehender bzw. Aufbau zukünftiger Kernkompetenzen, die im gesamten Unternehmen gepflegt werden. Einzelne Geschäftseinheit: Nutzung der kreativen Potenziale der Mitarbeiter durch unternehmerisches Engagement im Rahmen von Ausgründungen; Zugang zu komplementären Ressourcen zwischen den Geschäftseinheiten und der Ausgründung. Größere Nähe zum Markt und höhere Flexibilität, um auf Veränderungen in der Branche zu reagieren in Bezug auf Produkteigenschaften bzw. technologische Entwicklungen sowie Konsumentenverhalten. Bestimmte Betriebsfunktionen: durch Ausgründungen kann es zu Effizienzsteigerungen in einzelnen Unternehmensbereichen, wie Einkauf, Produktion, Marketing und Vertrieb kommen, indem Zugang zu neuen, externen Ressourcen geschaffen wird, die dem Unternehmen zuvor nicht zur Verfügung standen. Die Ausgründung kann in ihrer organisatorischen Struktur so ausgerichtet sein, dass Unternehmensbereiche des Mutterunternehmens unterstützt werden. Als ein weiteres Ziel von Ausgründungen kann die grundsätzliche Schaffung und Etablierung von unternehmerischem Denken bei den Mitarbeitern in dem Gesamtunternehmen, also einer Kultur des „Corporate Entrepreneurship“ gesehen werden. Ausgründungen können dann als motivierendes Beispiel für erfolgreiches Risikobewusstsein, proaktives Handeln und das Streben nach marktfähigen Innovationen betrachtet werden.3 Die Erkundung von Ausgründungspotenzialen im Unternehmen muss somit im Wechselspiel mit den zuvor definierten Zielen des Unternehmens und ihren verschiedenen Wirkungsebenen erfolgen. Im Folgenden sind Konstellationen skizziert, deren erfolgreiche Umsetzung von Unternehmen angestrebt werden kann und die Ausgangssituationen für Ausgründungsvorhaben im Unternehmen schaffen können: „Disruptive Innovationen“: Die Bildung eines völlig neuen Marktes durch die Entwicklung innovativer Produkte, dessen Entstehung nicht in der Unterneh3
Vgl. Zahra/Covin (1995), S. 46.
WIE SOLLEN AUSGRÜNDUNGEN ABLAUFEN?
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mensplanung abgebildet wurde, wird in der Forschungsliteratur als „Disruptive Innovation“ bezeichnet. Diese „radikalen“ Innovationen können oft nicht effektiv und effizient genug von großen Unternehmen aufgrund ihrer komplexen Organisations- und Entscheidungsstrukturen, ihren Wertschöpfungsprozessen oder ihrer Ressourcenausstattung erfasst werden, so dass diese auf besonders dynamischen Wettbewerbsschauplätzen zurück fallen. Durch Ausgründungen kann eine Abkoppelung von diesen Strukturen und Entscheidungsprozessen im Großunternehmen erfolgen und eine größere Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit erreicht werden.4 Schnittstelle zu Markt- und Umweltveränderungen in Zukunfts-Märkten: Durch Ausgründungen lassen sich Strukturen für die Entwicklung und schrittweise Vermarktung von zukunftsfähigen Produkten und Technologien schaffen, um innerhalb des Mutterunternehmens den Fokus auf die vorhandenen Kernkompetenzen setzen zu können, aber gleichzeitig nicht Gefahr zu laufen, den Anschluss an zukünftig bedeutende Märkte zu verpassen. In der Literatur wird diese Konstellation auch als „Satelliten- bzw. Horchposten-Funktion“ bezeichnet.5 Katalysator für Innovationen in reiferen Branchen: Vor allem große Organisationsstrukturen streben nach Effizienz und klar definierten Abläufen im Unternehmen. Gerade diese Straffung der Organisation kann aber die Entwicklung von fundamentalen Innovationen im Unternehmen hemmen, da sich Innovationen nicht in engen Strukturen und Hierarchien entfalten können. Solche hocheffizienten Organisationen in reiferen Branchen werden in der betriebswirtschaftlichen Forschung als „Mainstream-Organizations“ bezeichnet.6 Die Identifikation von Unternehmensbereichen, die ein besonderes Potenzial für eine Ausgründung aufweisen, kann auch innerhalb des Unternehmens durch eine eigene Stabstellen bzw. eine unabhängige Einheit institutionalisiert werden. Diese Einheiten werden als „Inkubatoren“ im Rahmen von so genannten „Corporate Venturing“Programmen bezeichnet. Zu den wesentlichen Aufgaben dieser Inkubatoren zählt neben der Auswahl die aktive Unterstützung und operative wie auch strategische Aus-
4 5 6
Vgl. Christensen/Overdorf (2000), S. 70 ff. und Lehmair (2002), S. 86 f. Lehmair (2002), S. 88. Vgl. Strebel (1987), S. 119 f.
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richtung von Unternehmensbereichen, die ausgegründet werden sollen sowie die Betreuung dieser Bereiche nach erfolgter Ausgründung.7
3 Evaluierung und Selektion von Ausgründungsprojekten Die wirtschaftliche Attraktivität verschiedener Ausgründungspotenziale im Unternehmen und deren Erfolgswahrscheinlichkeit lässt sich systematisch im Rahmen eines Business Plans für die einzelnen Projekte erfassen. Neben der erwarteten Umsatz- und Kostenentwicklung sollen hier die wichtigsten Schnittstellen zu den Einflussfaktoren auf den wirtschaftlichen Erfolg der Ausgründung abgebildet werden. Dazu gehören: die Kennzeichen und die abschätzbare Entwicklung der angestrebten Absatzmärkte, die Beziehungen zu Lieferanten, die wichtigsten Wettbewerber, Personal- und Produktionsstrukturen, das zukünftige Vertriebsnetz sowie die Fähigkeiten und Erfahrungen des Gründerteams.8 Als Basis der Evaluierung dient die Ableitung von konkreten Erfolgskriterien der Ausgründungsprojekte und deren Konformität mit den aus Sicht des Mutterunternehmens wesentlichen Zielebenen bei gleichzeitiger Übereinstimmung mit den Zielerwartungen aus Ebene der ausgegründeten Einheit bzw. auf Ebene der Gründer. Dies sei auch in der folgenden Graphik verdeutlicht:
7 8
Vgl. Block/MacMillan (1993), S. 77 sowie Burgelman/Sayles (1988). Vgl. hierzu Lehmair (2002), S. 98 und Block/MacMillan (1993), S. 164.
WIE SOLLEN AUSGRÜNDUNGEN ABLAUFEN?
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gering
hoch
Zielerreichung aus Sicht der Gründer Einseitige Zufriedenheit – nur bei den Gründern
Beidseitige Unzufriedenheit – völliges Scheitern
gering
Idealsituation – Höchstmaß an gegenseitiger Wertschöpfung
Einseitige Zufriedenheit – nur beim Mutterunternehmen
hoch
Zielerreichung aus Sicht des Unternehmens
Abb. 1:
Ebenen der Zufriedenheit bei Ausgründungen
Quelle:
eigene Darstellung.
4 Umsetzung der Ausgründung Im Zentrum des Ausgründungsprozesses steht die Frage, welchen zukünftigen Einfluss das Mutterunternehmen sich auf den ausgegründeten Unternehmensteil sichern möchte. Bei Ausgründungen, die von einer unternehmerischen Initiative einzelner Mitarbeiter des Mutterunternehmens ausgehen, wird nach Umsetzung des Ausgründungsprozesses die unmittelbare Einflussnahme des Mutterunternehmens entsprechend eingeschränkt sein – die zuvor voll integrierte Geschäfteinheit stellt nun ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen dar, das von einem eigenen Management kontrolliert wird. Die Möglichkeiten des Mutterunternehmens, weiterhin Einfluss auf die Ausgründung auszuüben kann, dann durch formale Mechanismen wie Eigentumsanteile am Gesellschaftskapital der Ausgründung bzw. vertraglich vereinbarte Mitspracherechte und Kooperationsvereinbarungen oder durch informale Mechanismen wie enge persönliche Kontakte zu den ehemaligen Mitarbeitern erreicht werden. Grundsätzlich gibt es zwei Ebenen, auf denen ein Interessensausgleich zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft angestrebt werden muss:
48
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Die strategische Ebene („Strategic Fit“), die durch eine wechselseitige Ergänzung der Kernkompetenzen beider Unternehmen und eine Kompatibilität der mittelfristigen Unternehmensziele erreicht wird. Die operative Ebene („Operational Fit“), also die Strukturen und Prozesse beider Unternehmen, die deren Geschäftsbetrieb prägen. Die operative Verflechtung zwischen Mutterunternehmen und Ausgründung lässt sich zum Beispiel an dem Ressourcenfluss, wie etwa der Nutzung, sowie dem Zugang zu Patenten, Netzwerken, Kooperationspartnern und dem Austausch von Mitarbeitern messen. Darüber hinaus sind organisatorische Schnittstellen, z. B. einheitliches Kontroll- und Berichtwesen oder wechselseitige Verflechtungen in wichtigen funktionalen Bereichen wie Forschung, Entwicklung, Produktion oder Vertriebdenkbar.9 Um eine auch mittel- und langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Mutterunternehmen und Ausgründung zu ermöglichen, bedarf es von Beginn des Ausgründungsprojekts an einer strategischen und operativen Abstimmung mit dem Ziel einer weitestgehenden Übereinstimmung und Ergänzung der wichtigsten Prozesse und Strukturen beider Unternehmen. Dies schlägt sich auch in der Kompatibilität der Unternehmenskulturen bzw. der gemeinsamen Wertvorstellungen der Mitarbeiter nieder, z. B. hinsichtlich des Stellenwerts von Hierarchien, des Vorhandenseins offener Kommunikationswege, des Grades der Arbeitsqualität oder hinsichtlich der Formen der Konfliktbewältigung im Unternehmen etc.10
5 Begleitung der weiteren Entwicklung der Ausgründung In der Phase des Wachstums und der Etablierung der Ausgründung im Markt stellt sich die Frage, inwiefern die Ausgründung sich im Rahmen der ursprünglichen Planung und damit zielkongruent entwickelt und inwiefern neue, unvorhersehbare Veränderungen in der Unternehmensumwelt oder innerhalb beider Unternehmen eine Adap-
9 10
Vgl. hierzu Lehmair (2002), S. 110 f. sowie Nathusius (1979), S. 89 f. Vgl. bzgl. der Konfliktursachen in unterschiedlichen Organisationskulturen Niederkofler (1989), S. 91.
WIE SOLLEN AUSGRÜNDUNGEN ABLAUFEN?
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tion erforderlich machen. Untersuchungen belegen, dass dem Mutterunternehmen in diesen Situationen eine substanzielle Rolle zukommt.11 Die Begleitung der weiteren Entwicklung der Ausgründung durch das Mutterunternehmen wirft auch die Frage auf, inwieweit die Strukturen und Prozesse in den Organisationen aufeinander abgestimmt werden müssen, ohne dabei die Autonomie und flexible Entfaltung der unternehmerischen Potenziale in der Ausgründung zu unterbinden. Gerade die Unterschiedlichkeit der Entwicklungsphasen, in denen sich das reife und etablierte Mutterunternehmen und die junge Ausgründung befinden, stellt hierbei ein mögliches Hindernis dar.12 In diesem Zusammenhang ist auch die Analyse und das Verständnis für Unterschiede in den Managementpraktiken und in den Unternehmenskulturen von Mutterunternehmen und Ausgründung sowie die Fragestellung von Bedeutung, inwiefern auf eine Anpassung dieser kulturellen Unterschiede hingewirkt werden soll, oder ob vielmehr in der Unterschiedlichkeit ein besonderes Potenzial liegt, von dem beide Unternehmen profitieren können. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass je mehr Vorteile aus einer langfristigen Kooperation mit der ausgegründeten Einheit entstehen, desto wichtiger ist eine intensive und nachhaltige Begleitung der weiteren Entwicklung der Ausgründung aus strategischer Sicht des Mutterunternehmens.
6 Institutionalisierung bzw. Beendigung der Ausgründung Sobald sich die Ausgründung am Markt etabliert hat und sich als unabhängiges und autonomes Unternehmen weiterentwickeln kann, stellt sich aus Sicht des Mutterunternehmens die Grundsatzfrage, welche Bedeutung und Form das Verhältnis zwischen Mutterunternehmen und Ausgründung mittel- und langfristig hat bzw. welcher Handlungsbedarf sich aus diesem Verhältnis ergibt. Dazu bedarf es eines Abgleichs der ursprünglichen Ziele, die mit der Ausgründung erreicht werden sollten und der faktischen Entwicklung der ausgegründeten Einheit. 11
Vgl. Block/MacMillan (1993), S. 197: „…in any venture, there will always be unanticipated and unpredictable contingencies – those events, good or bad, that suddenly need to be dealt with by different functions in the organization. So, the two purposes of linking mechanisms are (1) to facilitate the transfer of information and know-how to the venture and (2) to supply the knowledge and assistance required to deal with contingencies that will inevitably arise as the venture gets under way.” 12 Vgl. Nathusius (1979).
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Je nach Erreichung der Planungsziele bieten sich dann drei grundsätzliche Optionen an: die Institutionalisierung der Kooperation zwischen Mutterunternehmen und Ausgründung, der schrittweise oder sofortige Rückzug aus der Ausgründung oder eine ReIntegration der Ausgründung in das Mutterunternehmen. Die Umsetzung dieser drei Grundoptionen muss stets durch eine offene Kommunikation zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern auf Ebene des Mutterunternehmens und auf Ebene der Ausgründung sowie in Verbindung mit einem hohen Maße an organisatorischer Flexibilität erfolgen. Die meisten Vorteile und der ursprüngliche Sinn des Ausgründungsprojekts liegen aber in der Festigung einer intensiven und langfristigen Kooperationsbeziehung.13 Die Ausgestaltungsmöglichkeiten der Kooperationsbeziehungen zwischen Mutterunternehmen und Ausgründung hängen von der ursprünglichen Intention und Gestaltungsform der Ausgründung ab, d. h. ob es sich dabei um eine horizontale oder eine vertikale Ausgründung gehandelt hat. Im Fall vertikaler Ausgründungen bieten sich die folgenden Ebenen der Zusammenarbeit an: Lediglich informelle Kontakte, deren Zweck der regelmäßige Austausch von Erfahrungen und Informationen, z. B. über Markt- und Technologieentwicklungen oder Tendenzen im Verhalten der Kunden und Konsumenten ist. Formalisierte Beziehungen, bei denen die Ausgründung als Informationsschnittstelle und Ideengenerator in besonders dynamischen und innovativen Branchen und Märkten fungiert. Die Entwicklung von Pilot-Projekten oder Vorprodukten für die Produktion des Mutterunternehmens. Die Etablierung der Ausgründung als „Premium-Zulieferer“, der besonders kritische und innovative Produkte bzw. Komponenten für das Mutterunternehmen entwickelt. Da beide Unternehmen auf demselben Markt bzw. in derselben Branche tätig sind, ergibt sich im Fall horizontaler Ausgründungen eine breite Anzahl von Kooperationsmöglichkeiten: 13
Eine umfassende Aufarbeitung und Darstellung der Effizienzvorteile durch Kooperationsbeziehungen zwischen Mutterunternehmen und Ausgründung findet sich bei Maselli (1997), S. 177.
WIE SOLLEN AUSGRÜNDUNGEN ABLAUFEN?
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Wie im Fall vertikaler Ausgründungen lediglich informelle Kontakte, deren Zweck der regelmäßige Austausch von Erfahrungen und Informationen, z. B. über Markt- und Technologieentwicklungen oder Tendenzen im Verhalten der Kunden und Konsumenten ist. Ein formalisierter wechselseitiger Informationsaustausch, bei dem sich Ausgründung und Mutterunternehmen entsprechend ihrem Zugang zu Informationen über Wettbewerb, Kundenpräferenzen und technologischen Veränderungen ergänzen. Die Vergabe von Auftragsarbeiten des Mutterunternehmens an die Ausgründung im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Die Vereinbarung eines wechselseitigen Technologietransfers sowie die Anstrengung gemeinsamer Entwicklungsleistungen auf zuvor definierten Gebieten. Die wechselseitige Nutzung bestimmter Funktionen und organisatorischer Bereiche wie z. B. der Logistik oder des Vertriebsapparats des Mutterunternehmens oder der Marketingabteilung der Ausgründung. An dieser Stelle sei auch auf andere Forschungsansätze in der Betriebswirtschaft verwiesen, die sich mit den verschiedenen Wirkungsebenen von Ausgründungen beschäftigen und zwischen „X-Koalitionen“ und „Y-Koalitionen“ unterscheiden. Bei XKoalitionen handelt es sich um eine Zusammenarbeit von Unternehmen, die sich aufgrund ihrer asymmetrischen Kompetenzverteilung ergänzen: ein Partner ist auf einem bestimmten Gebiet führend, auf dem der andere Partner im Vergleich schwächer ist. Diese Ergänzung verschiedener Kompetenzen kann vor allem bei der Entwicklung von Innovationen von Vorteil sein. Von den X-Koalitionen, die auf einer arbeitseiligen Ergänzung von Kompetenzen beruhen, sind so genannte Y-Koalitionen abzugrenzen, bei der die Partner auf einem bestimmten Gebiet gemeinsam arbeiten, um ihre Kompetenzen zur Erreichung gleicher Ziele zu bündeln. Solche Y-Koalitionen sind zum Beispiel bei gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekten oder bei gemeinsam durchgeführten Marketingmaßnahmen denkbar.
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Y-Koalitionen sind im Gegensatz zu den meist genau formalisierten und vertraglich dokumentierten X-Koalitionen auch auf Basis informeller Kontakte möglich.14 In Untersuchungen haben sich Y-Koalitionen aufgrund der ähnlichen Ziele der Partner, ihrer intensiveren Zusammenarbeit und der gleichwertigen Beiträge der Partner als stabiler erwiesen.15
7 Zusammenfassung und Ausblick Der besondere Vorteil der Kooperation zwischen Mutterunternehmen und Ausgründungen liegt in der gegenseitigen Kenntnis und der Vielzahl persönlicher und organisatorischer Schnittstellen, die sich aus den im Rahmen des Ausgründungsprozesses gewachsenen Strukturen ergeben. Dies sind Gründe, die für ein hohes Maß an Stabilität dieser Kooperationsbeziehungen sprechen. Die Stabilität dieser Kooperationsbeziehung zwischen Mutterunternehmen und Ausgründung wird durch die Gleichwertigkeit der Beiträge der Partner erhöht - es ist jedoch festzuhalten, dass die Zusammenarbeit zwischen Mutterunternehmen und Ausgründung kein „sozialer Akt“ ist, sondern der Saldo aus erhaltenem und geschaffenem Nutzen auf beiden Seiten mittelfristig ausgeglichen sein muss. Auch wenn das Mutterunternehmen in der Startphase und während der Etablierung der Ausgründung am Markt Unterstützungsleistungen ohne unmittelbare Gegenleistung erbringt, geschieht dies immer unter dem Aspekt zukünftiger Mehrwerte durch die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen aufgrund der Zusammenarbeit mit der Ausgründung.
8 Literaturverzeichnis Block, Z./MacMillan, I.C. (1993): Corporate Venturing: creating new businesses within the firm, Boston, MA 02163. Burgelman, R./Sayles, L. (1988): Inside Corporate Innovation, Strategy, Structure and Management Skill, The Free Press, New York, NY. Christensen, C. M./Overdorf, M. (2000). Meeting the challenge of disruptive change. In: Harvard Business Review 78, S. 66-76. 14
Vgl. für eine umfassender Darstellung dieser Kooperationsmodelle Bartlett (1989), S. 389 sowie Maselli (1997), S. 186, die ihre Ausführungen auf den Arbeiten von Porter und Fuller aufbaut. 15 Vgl. Bartlett (1989), S. 382.
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Keil, T. (2002): External Corporate Venturing: Strategic Renewal in Rapidly Changing Industries, Quorum Books, Westport, Connecticut. Lehmair, E. (2002): Wertschöpfung durch Entrepreneurial Spin-Offs, Mensch & Buch Verlag, Berlin. March, J. G. (1991): Exploration and exploitation in organizational learning. In: Organizational Science 2(1), S. 71-78. Maselli, A. (1997): Spin-Offs zur Durchführung von Innovationen, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden. Nathusius, K. (1979). Grundsatz und Formen des Venture Managements. In. Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, S. 507-526. Nathusius, K. (1979): Venture Management, Duncker & Humblot Verlag, Berlin. Niederkofler, M. (1989): Exernal Corporate Venturing: Strategic Partnerships for Competitive Advantage, St. Gallen. Porter, M. E./Fuller, M. B. (1989). Koalitionen und globale Strategien. Globaler Wettbewerb - Strategien der neuen Internationalisierung. In: Porter, M. E., Wiesbaden, S. 364-399. Strebel, P. (1987). Organizing for Innovation over an Industry Cycle. In: Strategic Management Journal 8, S. 117-124. Zahra, S. A./ Covin, J. G. (1995). Contextual influences on the corporate entrepreneurship - performance relationship: A longitudinal analysis. In: Journal of Business Venturing (Nr. 10), S. 43-58
Bedeutung von Ausgründungen zur Unternehmensvitalisierung – Perspektiven, Ressourcenstrommodell und Gestaltungsherausforderungen Claus Steinle & Kirstin Schmidt
Inhaltsverzeichnis 1 2
Perspektivenweitung im strategischen Management durch Unternehmungsvitalisierung ................................................................................. 56 Ausgründungen als Option einer modular-flexiblen Unternehmungsentwicklung ........................................................................................................... 58 2.1 2.2
3
Ausgründungsmanagement zur Unternehmungsvitalisierung: Ressourcenströme als Gestaltungsobjekte ........................................................................................... 63 3.1 3.2
4 5
Systementwicklung durch Restrukturierungs- und Redimensionierungsmanagement .............................................................................................................. 58 Entscheidungsfelder bei Ausgründungen: Unternehmungsziele und Ausgründungsmotive im Überblick......................................................................... 61
Ein Ressourcenstrommodell im Überblick ............................................................... 63 Charakterisierung von Produkt-/Marktströmen, Finanz-Strömen, WissensStrömen sowie Personal-Strömen ............................................................................. 68
Ausblick: Identifikation und Ausschöpfung des vitalisierungsbezogenen Nutzens von Ausgründungen als Gestaltungsherausforderung........................................... 77 Literaturverzeichnis............................................................................................... 79
Abstract Die beiden Autoren entwickeln ein vitalisierungsorientiertes Ausgründungskonzept, das sowohl die Perspektive der Ursprungsunternehmung als auch die der ausgegründeten Einheit fokussiert. Ausgangspunkt ist dabei die Arbeitshypothese, dass Ausgründungen bei einer entsprechenden Gestaltung einen nachhaltigen Beitrag zur Vitalisierung von Unternehmungen erbringen können. Zur Erfassung entsprechender Netzwerkbeziehungen dienen vier Ressourcenströme, die von der Wirkrichtung, Nutzungsintensität und Fließgeschwindigkeit her variabel sind und von denen vitale Effekte ausgehen können. Hierbei handelt es sich um Produkt-/Markt-Ströme, Finanz-Ströme, Wissens-Ströme und Personal-Ströme. Sie können mittelbar auch die Ressourcenströme innerhalb der Ursprungsunternehmung tangieren, was durch die partielle Neustrukturierung interne Vitalisierungspotenziale konstituiert.
56
STEINLE | SCHMIDT
Entsprechende Folgen für Ursprungsunternehmung und Ausgründung werden jeweils strombezogen eruiert. Einige Überlegungen zur Identifikation des vitalisierungsbezogenen Nutzens von Ausgründungen beschließen den Beitrag.
1 Perspektivenweitung im strategischen Management durch Unternehmungsvitalisierung Das Forschungsfeld „strategische Unternehmungsführung“ bzw. „strategisches Management“ hat sich in den letzten Dekaden zu einem Thema mit hoher Relevanz in der betriebswirtschaftlichen Diskussion entwickelt.1 Planungsdeterminierte Grundkonzeptionen, die auf den Prämissen der Mach- und Steuerbarkeit2 aufbauen, sind dabei zunehmend in den Hintergrund getreten. An Bedeutung gewonnen haben dagegen evolutionäre Denkrichtungen und darauf aufbauende Change Management-Konzeptionen.3 Ungeachtet dieser richtungweisenden Entwicklungstendenzen bleibt die originäre Forschungsaufgabe, mit konzeptionellen Überlegungen „Neuland“4 zu betreten und zukünftige betriebliche Erfordernisse zu antizipieren weiterhin von hoher Relevanz und Aktualität. Ob der vorgestellte Ansatz der Unternehmungsvitalisierung zurecht als „Neuland“ tituliert werden kann bzw. darf, sei hier dahingestellt, da er auf vorhandene inhaltliche Anknüpfungspunkte Bezug nimmt. Zumindest kann ihm die Funktion einer „Perspektivenöffnung und -weitung“ im strategischen Management zugesprochen werden. Dies insofern, als er bislang noch weitgehend isoliert behandelte ChangeAspekte, z. B. in den Bereichen Innovations- und Flexibilitätsmanagement, unter der konzeptionellen Leitidee der Vitalität zusammenführt. Damit wird zumindest partiell 1
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3
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Der nachfolgende Beitrag basiert auf Schmidt (2003) und führt diese Überlegungen konzentriert und aktualisiert fort. Vgl. zur Schwerpunktverlagerung im strategischen Management Gerybadze (2000), S. 32ff. Zu den Entwicklungsstufen strategischer Managementkonzepte vgl. vertiefend Steinle (2005), S. 223ff. Grenzen des klassischen Steuerungsmodells sind u.a. in den externen Gegebenheiten zu identifizieren, sowie in den institutionellen Merkmalen des Systems Unternehmung (vgl. Schreyögg (2000), S. 394). Steinle akzentuiert hierbei den Paradigmawechsel, der von „... einer eher strikt geplanten, einen vorgebenen ... Zweck erfüllenden Grundhaltung und einer überwiegend linearen Vorgehensmethodik hin zu einer eher entwicklungsoffenen („geplant-evolutionären“) Grundhaltung, die von der „Illusion“ der Plan- und Machbarkeit zunehmend Abstand gewinnt und als Vorgehensmethodik eher zirkular-vernetzte Prozessschemata unterstellt“ (Steinle (2000c), S. 4), ausgeht. Ein Resümee zu den Merkmalen strategischen Denkens und Handelns bei Steinle (2005), S. 256ff. Unternehmungen sind aufgefordert, „... eine Pionierrolle bei der Implementierung des neuartigen Denkens zu übernehmen. 'Neuland' erschließen setzt das koordinierte Handeln der Wirtschaftsunternehmen sowie den Uebergang von der strategischen zur meta-strategischen Führung voraus“ (Wüthrich (1991), S. 344).
BEDEUTUNG VON AUSGRÜNDUNGEN ZUR UNTERNEHMENSVITALISIERUNG
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eine „Neuaufstellung“ des strategischen Managements in der Unternehmung ermöglicht, wie die nachfolgend angeführten Aspekte verdeutlichen: Einseitige Perspektiven, dokumentiert durch die markt- oder kompetenzbasierte Sichtweise5, werden zugunsten einer integrativen Betrachtungsweise aufgegeben.6 Das bislang sehr abstrakt erscheinende Ziel der Sicherung der Überlebensfähigkeit wird durch den Vitalisierungsansatz und dessen konkreten Implementierungsanspruch „greifbar(er)“ und „erfahrbar(er)“ für die Unternehmungsmitglieder auf allen Unternehmungsebenen. Die Zusammenführung isolierter Einzelaspekte verleiht der Vitalitätsorientierung mehr Nachdruck, was sich dann auch auf der strategischen Ebene niederschlägt (z. B. erhöhte Relevanz von Flexibilitäts- und Innovationsstrategien). Die dargelegten Überlegungen zeigen, dass der Ansatz der Unternehmungsvitalisierung durchaus neue Erkenntnisse und Einsichten hervorbringt und damit die Diskussion zum strategischen Management bereichert. Im Mittelpunkt der Vitalisierungsidee steht dabei die Förderung der (Über-)Lebensfähigkeit des Systems Unternehmung, wie dies in Assoziationen zu lebendigen Gefügen mit Lebens- und Entwicklungsenergie, Spannkraft, Schwung, Elan und „Biss“ verdeutlicht werden kann. Der Vitalisierungsansatz korrespondiert dabei in starkem Maße mit einem „neuen“ Verständnis von strategischem Management. Strategiemanagement ist danach weniger auf die gezielte Steuerung und Determinierung von Zielen und Maßnahmen ausgerichtet, sondern hat vielmehr die Aufgabe „... den Humus für neue strategische Ideen zu schaffen und das Erkennen, Fördern und Kultivieren geeigneter Ansätze“7 zu ermöglichen, wenn auch mit Begriffen wie „neu“ etc. vorsichtig umgegangen werden sollte.
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Vgl. hierzu Gerybadze (2000), S. 3 sowie Steinle (2005), S. 254f. Hahn/Simanek akzentuieren in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit der Genese eines systemübergreifenden „Fits“ (vgl. Hahn/Simanek (2000), S. 19). Schreyögg (2000), S. 402.
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Insgesamt kann der derzeitige Forschungsstand8 zum Thema Unternehmungsvitalisierung mit einer „Baum“-Metapher umschrieben werden9: Die „Wurzeln“ sind mit den theoretischen Analogiebildungen aus dem biologisch-systemischen Bereich sowie einer pragmatischen Herleitung des Stellenwerts von Vitalität gelegt, der „Stamm“ hat sich in Form tragender (robuster) Konzepte (etwa der doppelten Prozesskettenvorstellung von Steinle (2000b), S. 28 ff.) gebildet, nur das „Astwerk“ im Sinne konkreter Umsetzungsinstruktionen zur Vitalisierung könnte noch stärker im Sinne von systemtragend(er) ausgebildet sein, um „rückkoppelnd“ wieder das Gesamtgebilde weiter zu „festigen“. Als ein solcher „Hauptast“ wird hier ein „Ausgründungsmanagement“ betrachtet, das gezielt eingesetzt und entsprechend gestaltet zu einer umfassenden Unternehmungsvitalisierung beitragen kann. Hinführend auf diese Überlegungen sollen im nächsten Abschnitt zunächst die zentralen Entwicklungslinien der Ausgründungsdiskussion nachgezeichnet werden.
2 Ausgründungen als Option einer modular-flexiblen Unternehmungsentwicklung 2.1 Systementwicklung durch Restrukturierungs- und Redimensionierungsmanagement Die systemtheoretisch vorgeprägte Überlegung einer Neukonfiguration von Unternehmungen zur Verbesserung ihrer Entwicklungsfähigkeit korrespondiert in hohem Maße mit dem aus der Change-Diskussion10 hervorgegangenen Handlungsfeld „Re8
Im Rahmen der Analyse des aktuellen Diskussionsstandes zum Phänomen „Unternehmungsvitalisierung“ sind hierbei die Konzepte von Gouillart/Kelly (1995) sowie Mink et al. (1994), Booz.Allen & Hamilton (1997), Fuchs (1999), Scholz (2000) sowie Steinle (2000) herauszustellen, von denen zwar keines den Kriterien einer erfolgreichen und ganzheitlichen Unternehmungsvitalisierung bisher voll entspricht. Insgesamt wird deutlich, dass die genannten Ansätze eher den konzeptionellen Rahmen für eine breitgefächerte Unternehmungsvitalisierung abstecken, als ihn bereits inhaltlich zu füllen. Dies ist für ein junges Forschungsfeld durchaus charakteristisch, hat doch die „erste Welle“ an Beiträgen oftmals die vorrangige Aufgabe, den Stellenwert eines Themas herauszuarbeiten und zu weiteren Forschungsbemühungen anzuregen. Diese müssten sich dann folgerichtig auf konkrete(re) Aussagesysteme konzentrieren, wie denn eine Unternehmungsvitalisierung herbeigeführt werden kann. Die in der Arbeit von Schmidt (2003) fokussierte Ausgründungsthematik stellt exemplarisch einen solchen Ansatzbereich dar. 9 Diese Metapher wird in etwas abgewandelter Form von Prahalad/Hamel (1991), S. 7ff. sowie Eggers/Ahlers (2000), S. 274 verwendet. 10 Zu den Entstehungsursachen gehören Veränderungen in der Konzernstrategie, die sich z. B. in Konzentrationstendenzen (wegfallende Geschäfte), Revitalisierung (bestehender Geschäfte) sowie Innovationsforcierung (hinzukommende Geschäfte) reflektieren (vgl. vertiefend Reiß (2000b), S. 13).
BEDEUTUNG VON AUSGRÜNDUNGEN ZUR UNTERNEHMENSVITALISIERUNG
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strukturierungsmanagement.“11 Analog zur Systemtheorie basiert dieser ChangeAnsatz (speziell bei der Akzentuierung evolutionärer Aspekte) auf einem Verständnis von Unternehmungen als autopoietische Systeme12, die in einem kontinuierlichen Prozess das eigene System selbst erzeugen und ständig aus sich heraus neu erschaffen. Gegenüber dem recht abstrakten und abstrahierenden Systemansatz weist diese Akzentuierungsform des Change Managements aber einen höheren Konkretisierungsgrad auf, was sich insbesondere in der Analyse praxisnaher Restrukturierungsformen widerspiegelt. Da in der Wirtschaftspraxis und der wissenschaftlichen Literatur Restrukturierungs-Konzepte vielfach synonym bzw. nicht einheitlich verwendet werden und eine klare Abgrenzung zu Ausgründungen damit noch aussteht, gibt die Abbildung 1 die zentralen Inhalte übersichtsartig wieder.13
11
Der Begriff „Restrukturierungsmanagement“ wird z. B. von Reiß im Zusammenhang mit Strategien zur Förderung des Unternehmertums in Prozessen verwandt (vgl. Reiß (2000b), S. 12). Ohne ihn explizit zu definieren, bringt Reiß diesen Begriff mit Handlungen, wie 'Aufspaltung' und 'Aufteilung', in Verbindung, was eine bestimmte (Be-)Deutung von Redimensionierung nahe legt (vgl. Reiß (2000b), S. 13). In diesem Zusammenhang sind ebenfalls gesellschaftliche Transformationsprozesse - der Wandel der Unternehmungsumwelt - zu betrachten (vgl. hierzu MarkUngericht/Thaller (2001), S. 224 ff.). 12 Vgl. Geiselhart (1995), S. 27 ff. Hier knüpft auch die im Rahmen der Vitalisierungsdiskussion verstärkt thematisierte Analogiebildung zu biologischen Systemen an (vgl. insbesondere Abschnitt 2.2 der Arbeit von Schmidt (2003)). 13 Eine Differenzierung der Alternativen unter Einbezug der systemisch vorgeprägten Überlegungen zur Neukonfiguration sowie Neudimensionierung von Systemstrukturen führt zu der Erkenntnis, dass weder Outsourcing noch Venture Spin-offs geeignete Konzepte im Sinne der Genese neuer Systemdimensionen darstellen. Denn die Auslagerung von Leistungen an Dritte bzw. die Gründung einer neuen selbstständigen Unternehmung durch mehrere Muttergesellschaften zieht nicht zwangsläufig eine Veränderung der Systemgrenzen nach sich und weist damit kein oder nur wenig Vitalisierungspotenzial auf. Anders gestaltet sich dies bei Ausgründungen in dem hier konzedierten Sinne.
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gering Definition
Ziel
Rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit
Entwicklung von Unternehmertum
Outsourcing
- dauerhafte Auslage- - Kostenoptimierung, - bei Auslagerung: rung von Leistungen Effizienz, Nutzung Fremdvergabe mit der Übertragung von externem Know- - bei Ausgliederung: von Handlungsverhow sowie rechtlich und antwortung an Exter- Flexibilitätszuwachs wirtschaftlich ne im Sinne langeigenständig/nicht fristiger Externalieigenständig sierung bestimmter Teilleistungen
- Schaffung von Unternehmertum außerhalb bzw. am Rande des Konzerns
Venture Spin-off
- Gründung einer - neue und innovative - rechtliche und wirtneuen selbstständigen Aufgaben und schaftliche AbspalUnternehmung durch Risiken werden aus tung einer Tochtermehrere Mutterder Ursprungsgesell- unternehmung von gesellschaften schaft in das Venture einem Konzern Spin-off verlagert
- Unternehmertumentwicklung außerhalb bzw. am Rande des Konzerns
- Revitalisierung einer - Übertragung eines bestehenden UnterTeilvermögens einer nehmung (aus der bestehenden UnterPerspektive dieses nehmung auf eine Beitrages) durch aus der alten Gesellschaft hervorgehendimensionsbezogene den neu zu gründen- Neukonfiguration den Einheit einzelner Einheiten oder des gesamten Systems
- Förderung eines Inbzw. Near-theCorporationEntrepreneuring
Ausgründung
- wirtschaftlich und rechtlich selbstständig/ teilselbstständig/ unselbstständig
hoch Vitalisierungspotenzial
Abb. 1:
Restrukturierungskonzepte mit Externalisierungsbezug im Überblick
Quelle:
eigene Darstellung.
Eine Differenzierung der Alternativen unter Einbezug der systemisch vorgeprägten Überlegungen zur Neukonfiguration sowie Neudimensionierung von Systemstrukturen führt zu der Erkenntnis, dass weder Outsourcing noch Venture Spin-offs14 geeignete Konzepte im Sinne der Genese neuer Systemdimensionen darstellen. Konstitutiv für Ausgründungen – als einzelne Redimensionierungsstrategie im Sinne der Bestimmung neuer Systemgrenzen – ist hingegen die Überlegung, dass die Entwicklungsfähigkeit von Unternehmungen nachhaltig nur durch eine dimensionsbezogene Neukonfiguration einzelner Einheiten oder des gesamten Systems zu sichern ist. Die größenbezogene Zielrichtung dieser Re- bzw. Neudimensionierungsaktivitäten 14
Bewusst wird hier differenziert zwischen einem Spin-off - der als Objekt der Ausgründung von zentraler Bedeutung ist und insbesondere im anglo-amerikanischen Raum verstärkt fokussiert wird und einem Venture Spin-off, der aufgrund der Verflechtung mit anderen Unternehmungen nicht in den Interessenfokus der (Re-)Vitalisierung von Großunternehmungen rückt. Denn „ein spin-off stellt eine Ausgründung einer speziellen Abteilung oder Funktion einer Unternehmung in eine eigene rechtliche Einheit dar“ (Piber (2000), S. 66).
BEDEUTUNG VON AUSGRÜNDUNGEN ZUR UNTERNEHMENSVITALISIERUNG
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von Unternehmungen zeigt in den letzten Jahren durchaus indifferente Tendenzen auf. So zielt die Nutzung von Synergieeffekten bei Unternehmungszusammenschlüssen durch die Zusammenlegung von Abteilungen auf den ersten Blick in eine andere Richtung, als die aus Flexibilitäts- und Innovationsgründen forcierte Schaffung kleiner(er) Handlungseinheiten. Insofern prägt der strategische Anlass die Zielrichtung des dimensionsbezogenen Restrukturierungsmanagements.15 Aus diesen Überlegungen lässt sich eine Arbeitsdefinition von Ausgründungen extrahieren, die nachfolgend dem Beitrag zugrunde liegt: Ausgründungen sind eine strategische Entscheidung der ausgründenden Unternehmung, bewusst ein Systemteil aus dem etablierten Unternehmungsgefüge herauszulösen, diesen wieder als formal-rechtlich selbstständige Einheit (bei kapitalbezogener Beteiligung) außerhalb der Ursprungseinheit (neu) zu gründen und hierbei auch im laufenden Geschäft ressourcenbezogen zu unterstützen, dabei die Option zu haben, die ursprünglichen Dimensionen und Konturen der (Alt- und Neu-)Einheit weitgehend zu belassen bzw. grundlegend zu verändern, um dadurch vitalisierende Wirkungen für das neue Konfigurationsgefüge durch eine notwendige Neustrukturierung der Binnenorganisation sowie durch einen innovativen Transfer mit dem Ausgründungs-Start-up erzielen zu können.
2.2 Entscheidungsfelder bei Ausgründungen: Unternehmungsziele und Ausgründungsmotive im Überblick Zentrales Ziel16 unternehmerischer Tätigkeit ist die Existenzerhaltung, erfolgreiche Weiterentwicklung sowie Fortschrittsfähigkeit des Systems Unternehmung. Eng damit verknüpft (da zur Erreichung dieser Grundziele notwendig) sind die originären be15 16
Vgl. Peters (1993), S. 93ff. „Als Ziel wird ein erstrebenswerter Zustand verstanden, der in der Zukunft liegt und dessen Eintritt von Handlungen oder Unterlassungen abhängig ist“ (Jung (1997), S. 27). Ein Zielsystem verkörpert eine Elementenmenge, zwischen denen Beziehungen und Wechselwirkungen bestehen oder hergestellt werden können (vgl. Peters/Brühl/Stelling (1997), S. 18). Die unternehmungsbezogene Zielgesamtheit wird auch als eine aus den Zielkategorien Strategie-/Steuerungsziele, Leistungsziele, Personalziele und Finanzziele gebildete Zielkonzeption bezeichnet (vgl. Steinle (2005), S. 130ff). Siehe auch Schierenbeck (2003), S. 57ff. sowie Kupsch (1979) und Meyer (1994), die explizit das Phänomen „Unternehmungsziele“ diskutieren.
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triebswirtschaftlichen Ziele 'Gewinnerzielung' bzw. 'Wertsteigerung'.17 In einer dynamischen Umwelt lassen sich diese wiederum nur erreichen, wenn ein hoher Innovations- und Flexibilitätsgrad vorliegt.18 Diese deduktive Zielherleitung ermöglicht die betriebswirtschaftliche Legitimation von Ausgründungen aus Sicht der ausgründenden Unternehmung. Mit Ausgründungen kann – je nach Intention der initiierenden Unternehmung – ein breit gefächertes Spektrum an Zielen verbunden sein. Es lässt sich unter Berücksichtigung von Unschärfen bei der Abgrenzung auf drei zentrale Bereiche eingrenzen, die untereinander enge Interdependenzen aufweisen (vgl. Abbildung 2).
erun g als Z ie l Wer tsteig Strategische-marktorientierte Ausgründungsmotive
2)
3)
1) Veränderung von Produkt- bzw. Marktstrategie Detailziele Konzentration auf Kernkompetenzen - Genese/Identifikation von Kernkompetenzen sowie Aufbau von Wettbewerbsvorteilen - Bündelung von Ressourcen in Geschäftsfeldern, die Kosten- und Differenzierungsvorteile aufweisen Handlungsspielraumerhöhung - Erweiterung des Vertriebsspektrums - Verbesserung der Kooperationsmöglichkeiten durch leichteren und schnelleren Zugang zu Wachstumsmärkten Erhöhung der Mitarbeitermotivation durch verbesserte Erfolgszurechnung - Positive Beeinflussung von “Motivatoren” (Arbeitsinhalt, Verantwortung, Leistung und Anerkennung) kleinere flexiblere Einheiten - Finanzwirtschaftliche Transparen z ermöglicht verbesserte Erfolgszurechnung Verstärkte Kundenorientierung - Kundenbedürfnisse können durch erhöhte Marktnähe besser identifiziert und befriedigt werden
Rechtliche Ausgründungsmotive Reduktion von Unternehmungsrisiken - “Haftungsseparation” durch Ausgründungen - Reduzierung des unternehmerischen Risikos der Ursprungsgesellschaft, da Gläubiger des Ausgründungs-Start-ups nicht auf sie zurückgreifen können - Ausgründungs-Start-up trägt alleine unternehmerisches Risiko für alle getätigten Geschäfte sowie Entwicklungs- als auch Markteinführungsrisiken
durch
Finanzwirtschaftliche Ausgründungsmotive Steigerung des Shareholder Value - Schaffung eines höheren Gesamtwerts durch Verbund aus Ursprungsgesellschaft und Ausgründungs-Start-up durch - Ergebnisverbesserung durch erhöhte Flexibilität und Handlungsfähigkeit - Erhöhung des Umsatzwachstums durch fokussierte strategische Ausrichtung - Finanzwirtschaftliche Vorteile durch Erhöhung der Marktnähe
Abb. 2:
Ausgründungsmotive aus Sicht der Ursprungsunternehmung im Überblick
Quelle:
eigene Darstellung.
17
Vgl. vertiefend hierzu Hopfenbeck (1997), S. 357ff.; Schwinn (1996), S. 36 sowie Ulrich/Fluri (1995), S. 97. Vgl. auch zu generellen Motiven und Anlässen von Ausgliederungsprozessen Selchert (1971), S. 55ff. 18 Vgl. Steinle (2000a), S. 9ff.
BEDEUTUNG VON AUSGRÜNDUNGEN ZUR UNTERNEHMENSVITALISIERUNG
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Die konkrete Aktivierung und Bedeutungszumessung der Ziele ist hierbei nur einzelfalladäquat zu bestimmen. Bezogen auf den hier im Fokus stehenden Vitalisierungsaspekt kann aber in den letzten Jahren von einer gemäßigten „Trendwende“ gesprochen werden. Während ursprünglich primär kostenzentrierte Motive als ausschlaggebender Faktor für Ausgründungen im Vordergrund standen, hat sich der Zielkanon in den letzten Jahren nicht nur in Richtung eines damit verbundenen Innovations- und Flexibilitätsanspruchs erweitert, sondern zum Teil auch von der Akzentuierung her verschoben, d. h. hin zu der Vorstellung, sich innerhalb des Zeit-, Kostenund Innovationswettbewerbs vitaler aufzustellen.19
3 Ausgründungsmanagement zur Unternehmungsvitalisierung: Ressourcenströme als Gestaltungsobjekte 3.1 Ein Ressourcenstrommodell im Überblick Der Begriff „Ressourcenströme“ ist aus zweifacher Hinsicht mit „Bedacht“ gewählt worden: Zum einen nimmt er die für den Vitalisierungsbereich charakteristische Analogiebildung auf und führt sie themenzentriert fort, um einer eigenen Modellkonstruktion ihren Namen zu geben. Zum anderen treffen ihn durch seine Anknüpfungspunkte zur gängigen betriebswirtschaftlichen Terminologie die möglichen Gefahrenpunkte einer „... »überbrodelnden« Umdefinition des Unternehmens als Organismus ...“20 nicht. Ihre „Versorgungsfunktion“ im Sinne der Ressourcenzuführung etwa der ausgegründeten durch die ausgründende Unternehmung wäre eine zielgerichtete Handlung. Die „Pulsfrequenz“ äußert sich in der Intensität bzw. der Volumina der transferierten Ressourcen. Vergleichbar in der Physik, wo ein Akzelerator den Stromfluss beschleunigt21, kann durch bewusste Entscheidungsakte eine solche Funktion wahrgenommen werden. Die Ressourcenströme können bei entsprechender Ausprägung damit als Vitalisierungsakzelerator fungieren, denn durch Volumina und Intensität der Ressourcenströme kann die Vitalität beschleunigt oder auch reguliert bzw. restringiert werden. In der vorliegenden Ausgründungsliteratur werden Phasenkonzepte zur Beschreibung des Ausgründungsprozesses präferiert.22 Eine solche Herangehensweise tritt hier 19
Vgl. Reiß (1993), S. 48. Steinle (2000b), S. 23. 21 Vgl. hierzu das Standardwerk von Daniel (1997), S. 379ff. 22 Vgl. ausführlich Schmidt (2003), S. 80ff. 20
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gegenüber der Ressourcenstrombetrachtung zurück, wenn sie in dessen Rahmen auch als Sekundärstruktur wieder aufscheint. Diese Vorgehensweise ist durch das spezielle Forschungsanliegen bedingt: Nicht die einzelnen Schritte einer erfolgreichen Ausgründung stehen per se im Vordergrund, sondern vitalisierende Impulse inter- und intrasystemischer Zusammenarbeitsformen und Neukonfigurationen im Gefolge der Ausgründung aus Sicht der ausgründenden Unternehmung. Diese bisher nicht ein- und wahrgenommene Perspektive im Forschungsfeld Ausgründungen ist durch Ressourcenströme besser abzubilden. Ein entsprechendes „Ressourcenstrommodell“ - vor dem Hintergrund der rahmengebenden Faktoren „Ausgründungen“ und „Vitalisierung“ - fokussiert die nachfolgenden Phänomene: die Analyse der gegenseitigen materiellen und immateriellen Interaktionsbeziehungen zwischen ausgründender und ausgegründeter Einheit zu beiderseitigem (Vitalisierungs-)Nutzen (Win-Win-Situation), wobei dabei neben der nahe liegenden interorganisatorischen auch eine intraorganisatorische Perspektive eingenommen wird, die auf die Neuordnung von Ressourcenströmen innerhalb des ausgründenden Systems nach erfolgter Ausgründung gerichtet ist; als Vorgehensmethodik wird eine Ressourcen- statt Phasenbetrachtung präferiert, da so vitalisierende Impulse durch eine Differenzierung von Intensitätsgraden, z. B. des Wissensaustausches, besser abgebildet werden können, was in eine Ressourcenströme-Analyse in bewusster Analogie zu Anknüpfungspunkten etwa in der Physik und Medizin einmündet, die Strömungs-Frequenzen und Intensitäten als Gestaltungsparameter interpretiert, wobei bei dieser Idee die Praxis zunächst nicht unmittelbar „Pate“ steht, sondern der modellhafte und dabei analytische Charakter (Analysemodell) handlungsleitend ist. Als konstitutiv für das Ressourcenstrommodell werden die nachfolgenden Ströme erachtet: Produkt-/Markt-Ströme Finanz-Ströme Wissens-Ströme
BEDEUTUNG VON AUSGRÜNDUNGEN ZUR UNTERNEHMENSVITALISIERUNG
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Personal-Ströme Eine Fokussierung von Produkt-Markt-Strömen ist bei Ausgründungen essenziell, da gerade der Erfolg des Ausgründungs-Start-ups sich letztlich über den Markt – im Sinne eines marktfähigen Leistungsspektrums – definiert. Die Ursprungsunternehmung kann durch Auftragszuteilung und -garantien hier entscheidende Start- und Aufbauhilfen leisten.23 Der vitalisierende Aspekt zeigt sich z. B. in dem oft ausgeprägten Innovationsverständnis24 und -anspruch der Neugründung, von dem Impulse auch für die ausgründende Unternehmung ausgehen können. Auch impliziert eine Ausgründung oft eine partielle Neukonfiguration der internen Leistungsaustauschströme in der Ursprungsunternehmung, was zu vitaleren Prozessstrukturen genutzt werden kann. Die Regulierung von Finanzströmen, etwa von Gewinnabführungen, ist vor kritischer Bedeutung für die (Über-)Lebensfähigkeit von Ausgründungs-Start-ups. Restringierende Regelungen stehen hier Vitalisierungsbestrebungen eher entgegen. So kann beispielsweise durch Auftragsgarantien die Ursprungsunternehmung die finanzielle Basis der Neugründung zumindest für die Anlaufzeit absichern, woran sie auch aufgrund der engen Verflechtungen und der Außenwahrnehmung durch Banken und Aktionären ein ausgeprägtes eigenes Interesse haben dürfte. Ein zu geringes, aber auch ein zu „üppiges“ Finanzpolster der Ausgründungseinheit stehen den intendierten Vitalisierungsbestrebungen eher entgegen. Im Bereich der immateriellen Ressourcen haben Wissens-Ströme eine herausragende Bedeutung beim Ausgründungsmanagement. Im Gegensatz zu den materiellen Ressourcen ist hier schneller auch an einen Re-Transfer von der ausgegründeten zur ausgründenden Unternehmung zu denken. In der neu gegründeten Einheit ist oft einerseits durch die Überschaubarkeit und bürokratische Unbelastetheit der Strukturen und andererseits durch das Erfordernis zur Neupositionierung an Märkten ein „fruchtbarer Nährboden“ für eine intensive Wissensgenerierung bereitet. Aufgrund der engen personellen Verflechtungen und durch institutionalisierte Kommunikationsmodule kann davon auch die ausgründende Unternehmung profitieren.
23 24
Vgl. Hall (1984), S. 36f. Vgl. zu den zentralen Einflussfaktoren auf Innovationen van Waarden (2001), S. 765ff. Käser/Miles betonen explizit, dass „innovation ... will be the 21st Century´s key economic driver“ (Käser/Miles (2002), S. 9). Hierbei ist Innovation „... more encompassing and includes the process of developing and implementing a new idea” (van de Ven/Angle (2000), S. 12).
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Die ausgeprägte Bedeutung von Personal-Strömen kann durch den Vitalisierungsaspekt selbst begründet werden: „Lebendigkeit“ ist trägergebunden und muss entsprechend von Mitarbeitern ausgehen, auch bezogen auf ausgründungsbezogene Sachverhalte. Ausgründungsvorhaben können dabei in zweifacher Hinsicht den Intrapreneurship-Gedanken im neu entstehenden Interaktions- und Kooperationsverbund fördern: Die Start-up-Einheit wird bewusst mit unternehmerisch denkenden Mitarbeitern besetzt, die „ihre“ Unternehmung voranbringen sollen. Auch den verbleibenden Einheiten in der ausgründenden Unternehmung selbst wird mit dem Ausgründungs-Akt die Notwendigkeit des internen Unternehmertums mittelbar verdeutlicht, realisierbar innerhalb und außerhalb der Systemgrenzen. Die genannten Ressourcenströme sind auf vielfältige Weise miteinander verflochten: So bedeutet z. B. ein Personaltransfer zwischen ausgründender und ausgegründeter Einheit zugleich auch einen trägerbezogenen Wissenstransfer. Die Trennung der einzelnen Ressourcenströme ist insofern eher von analytischer als von realer Natur. Die vielfältigen Zusammenhänge lassen es sinnvoll erscheinen, von einem Ressourcennetzwerk zu sprechen, von dem vor, während und nach Ausgründungen vitalisierende Handlungen ausgehen (können). Das Ressourcennetzwerk stellt damit eine inhaltliche Konkretisierung des von Reiß explizit benannten „Ausgründungsnetzwerkes“ dar.25 Dies deutet schon darauf hin, dass sich zwei Analyse-Perspektiven herausbilden, die aus Vitalisierungsgesichtspunkten beim Ressourcenstrommodell näher zu betrachten sind: Nahe liegend ist bei Ausgründungen zunächst eine „Outside-Perspektive“ aus Sicht der ausgründenden Unternehmung im Sinne der Fokussierung der ressourcenbezogenen Beziehungen zur ausgegründeten Einheit. Zwei Systeme suchen hier nach einer optimalen Form der Zusammenarbeit26, die für beide zu einer erhöhten Systemvitalität führt. Daneben – und nicht minder wichtig, wird die ausgründende Unternehmung als Analyseobjekt betrachtet – stellt sich die Frage, wie sich die Ressourcenströme in der Ursprungsgesellschaft nach erfolgter Ausgründung neu konstituieren. Dieser As25
Vgl. Reiß (2000b), S. 11ff. Vgl. ferner zum allgemeinen „Netzwerkgedanken“ Mueller (1988), S. 31ff. sowie den Herausgeberband von Wesely (2001). „Networks offer benefits through means such as providing access to information, creating shared understandings that facilitate decision-making, and sharing resources in order to gain scale and scope economies“ (Swaminathan/Hoetker/Mitchell (2002), S. 1). 26 Vgl. zu den Formen kooperativer Beziehungen bspw. Hungenberg (1999), S. 3 ff.; Türck (1999), S. 59ff. sowie Fleischmann (1999), S. 167, zum Management kooperativer Beziehungen Sydow/Windeler (1999), S. 211 sowie Hess/Schumann (1999), S. 347 und zu den Wettbewerbs- und Rahmenbedingungen von Kooperationen v. Pierer (1999), S. 373 sowie Kirchner (1999), S. 445.
BEDEUTUNG VON AUSGRÜNDUNGEN ZUR UNTERNEHMENSVITALISIERUNG
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pekt, der in der Ausgründungsliteratur bisher nicht thematisiert wurde, soll hier als „Inside-Perspektive“ benannt werden. Gerade durch die notwendige Neuordnung der Systembeziehungen ergeben sich Möglichkeiten zur Unternehmungsvitalisierung.27 Die folgende Abbildung 3 stellt noch einmal übersichtsartig die zentralen Ressourcenströme zwischen Ursprungsunternehmung und ausgegründeter Einheit dar. Im Rahmen der intraorganisatorischen Perspektive und der damit verbundenen Systemelementausgliederung in Folge einer Ausgründung kommt es auf die Art und das Objekt der Ausgründung an, inwiefern dann Schnittstellen zu anderen Systemelementen bestehen. Beziehungs- und schnittstellenextensive Ausgründungen (z. B. Lohnbuchhaltung) ziehen dabei nur in geringem Maße Neustrukturierungen nach sich, so daß auch kaum Vitalisierungseffekte im Inneren entstehen. Auf der anderen Seite des Kontinuums sind schnittstellenintensive Ausgründungen angesiedelt. In diesem Fall führen Ausgründungen – neben der notwendigen Zusammenarbeit mit dem Ausgründungs-Start-up – zu einer Neuordnung der Ressourcenströme auch innerhalb der ausgründenden Unternehmung. Diese Formen der Ausgründungen stellen die Unternehmung einerseits zwar vor große gestalterische Herausforderungen, um eine innere Systemkonsistenz wiederherzustellen. Andererseits bietet diese Variante aber ein großes Vitalisierungspotenzial, da eine Reihe von Neuformierungen innerhalb des Systems notwendig werden, die gezielt auch zur Vitalisierung genutzt werden können. Als Beispiel kann die Ausgründung einer „Kreativabteilung“ bzw. unter bestimmten Voraussetzungen auch der Personalfunktion angeführt werden, da hier Querfunktionen über alle Bereiche hinweg tangiert werden.28 Viele Ausgründungen von Einheiten werden eine mittlere Beziehungs- und Netzwerkintensität zu den verbleibenden Systemeinheiten aufweisen. Hier sind selektive Vitalisierungspotenziale zu vermuten, die es punktuell auszuschöpfen gilt. Im Gegensatz zum skizzierten intraorganisationalen Aspekt von Ausgründungen liegen zum interorganisationalen Aspekt, also zur Kooperation29 zwischen ausgründender und ausgegründeter Unternehmung, erste Anknüpfungspunkte in der Literatur
27
Denn „Systeme sind keine abgeschlossenen Einheiten, sondern korrespondieren durch Inputs und Outputsmit der sie umgebenden Umwelt. Es findet ein ständiger Austausch mit der Systemumgebung statt, der im Gleichgewicht ist (Fließgleichgewicht), wenn Input- und Outputprozesse im Lot sind“ (Wagner/Beenken/Gräser (1995), S. 20). 28 Vgl. z. B. Uhlig (1998), S. 22ff. 29 Vgl. hierzu Child/Faulkner (1998), S. 1ff. sowie zu den Vor- und Nachteilen Blumberg (2001), S. 826f.
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vor. Speziell die Überlegungen von Reiß et al. zu Ausgründungsnetzwerken sind in diesem Zusammenhang zu nennen.30 Diese Gedankengänge werden hier auf das generierte Ressourcenstrommodel angewendet und dabei aus Vitalisierungsgesichtspunkten erweitert.
Ursprungsunternehmung als Element von Systemeinheiten Produ kt-Ma rk
t-S tr ö me
Finanz-Ströme
AusgründungsStart-up
e Wissens-Ström na Perso
me l-S tr ö
Prozess der Ausgründung
Abb. 3:
Ressourcenströme innerhalb des Ausgründungsverbunds
Quelle:
eigene Darstellung.
Charakterisierung von Produkt-/Marktströmen, Finanz-Strömen, Wissens-Strömen sowie Personal-Strömen
Zunächst werden die möglichen (vitalen) Folgen31 einer Ausgründung für die ausgründende Einheit anhand des Produkt-/Marktstroms analysiert.32 Die Veränderungen im materiellen und immateriellen Leistungsstrom zu internen und externen Marktpartnern und die damit möglichen Ansatzpunkte für eine Vitalisierung hängen von ihrer Intensität her speziell von der Ausgründungsform ab. Wird z..B. erst eine sich im Aufbau befindliche Geschäftseinheit mit einer neuen Produktpalette ausgegründet, damit sich diese „frei“ entwickeln kann, so werden sich die Folgen für die verbleibenden Systemelemente aufgrund der bisher nur ansatzweise gewachsenen und etablierten Netzwerk30
Vgl. z. B. den Herausgeberband von Reiß (2000a) zu Netzwerk-Unternehmern. Reiß differenziert bei der Diskussion von potenziellen Folgen von Ausgründungen zwischen „Zerstörung“ „Aufgeben“, „Wertvernichtung“, „Arbeitsplatzabbau“), „Schöpferische Zerstörung“ („Strukturwandel“, „marktliche versus soziale Sicherheit“, „Flexibilitätsgewinne/ Synergieverluste“) sowie „Schöpfung“ („Revitalisierung“, „Wertsteigerung“, „Innovation“). Vgl. hierzu Reiß (2000b), S. 14. Der letztgenannte Aspekt wird im Folgenden verstärkt fokussiert. 32 Vgl. hierzu auch die organisatorischen Motive der Produkt-/Marktbereichsstrategie bei Schultze (1998), S. 107. 31
BEDEUTUNG VON AUSGRÜNDUNGEN ZUR UNTERNEHMENSVITALISIERUNG
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strukturen in Grenzen halten. Anders sieht es aus, wenn ein angestammter Produktbereich ausgegründet wird, um dadurch eine verstärkte Konzentration auf Kerngeschäftsfelder/Kernkompetenzen33 zu erreichen, andererseits aber ein Verkauf nicht in das strategische Kalkül passt.34 Dadurch gehen der Unternehmung auf der einen Seite Marktteilnehmer verloren, was gerade bei Kopplungsgeschäften über mehrere Bereiche hinweg zu Problemen führen kann, die neue Lösungen verlangen. Auf der anderen Seite kann die kompetenzorientierte Fokussierung und die damit verbundene Optimierung der Wertschöpfungskette innerhalb der ausgründenden Unternehmung und die vorteilhafte Nutzung der Netzwerkkooperation mit dem Ausgründungs-Start-up zu einer verbesserten marktbezogenen Präsenz führen.35 Aus Vitalisierungsgesichtspunkten können auch vom „mentalen Effekt“ einer Ausgründung auf die verbleibenden Systemeinheiten wichtige Impulse ausgehen. Ist die Ausgründung speziell unter dem Gesichtspunkt einer flexibleren Leistungserbringung bzw. Marktbedienung erfolgt und entsprechend auch unternehmungsintern so kommuniziert worden, vermag sie ein ausgeprägtes Eigeninteresse der Subsysteme auslösen, durch selbstinitiierte Schritte zu einer optimierten und vitaleren Leistungserbringung beizutragen, um nicht als nächste Einheit zur Disposition zu stehen. Dies ist gerade dann der Fall, wenn die Ausgründung als unvorteilhaft von Führungskräften und Mitarbeitern der betreffenden Einheit speziell aus anreizpolitischen Erwägungen eingeschätzt wird (neue Tarifstrukturen durch Ausgründungen; Verlust sozialer Leistungen selbst bei Übergangsregelungen). Weitere offenkundige Vorteile auf Seiten des Ausgründungs-Start-ups bestehen in der Anknüpfung an bestehende Marktbeziehungen der Ursprungsunternehmung, die den Austausch des marktfähigen Leistungsspektrums im Sinne eines Markttransfers ermöglichen und begünstigen.36
33
Vgl. zu “Core Competence of the Corporation” näher Prahalad/Hamel (1990), S.79 ff., Prahalad/Hamel (1991), S. 7 ff. sowie zusammenfassend Steinle (2005), S. 251ff. 34 Vgl. hierzu das Ausgründungskonzept der Freudenberg Forschungsdienste bei Heimerl (2000), S. 47ff. Vgl. ferner auch die generelle Diskussion bei Angehrn (1999), S. 199ff. 35 Vgl. Reiß (2000b), S. 16f. 36 Späth/Simm (1996), S. 124 akzentuieren, dass Start-up-Einheiten oftmals von vornherein in das Netzwerk der ausgliedernden Unternehmung eingebunden werden. Vgl. hierzu den Zwiespalt zwischen „Abhängigkeit“ und „Selbstständigkeitsstreben“ bei Reiß (1996), S. 200f. Im Rahmen von Fallstudien in den Bereichen Biotechnologie und Umwelt wurden die Auswirkungen von Netzwerkstrukturen auf den Erfolg von Start-ups analysiert und abgebildet. Vgl. vertiefend Heimerl/Reiß (1998), S. 239ff.
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Wird die Annahme zugrunde gelegt, dass Ursprungsgesellschaft und ausgegründete Einheit unterschiedliche komparative Wettbewerbsvorteile besitzen, dann ermöglichen Kooperationen einen Stärken-Schwächen-Ausgleich zwischen den beiden Objekten. Diese Überlegung mündet in eine klassische „Win-Win-Situation“37 für die Kooperationspartner (hier ausgründende Einheit und Ausgründungs-Start-up) ein.38 Ein markantes und in der Praxis vielfach in Anspruch genommenes Anwendungspotenzial einer marktbezogenen Zusammenarbeit von ausgründender und ausgegründeter Unternehmung ist ferner die gemeinsame Nutzung vorhandener Vertriebswege.39 Die Vorteile liegen hier nach der Ausgründung zunächst auf Seiten der Start-upUnternehmung, die den vertrauten Vertriebsapparat der Ursprungsunternehmung bis zum Aufbau eigener Strukturen (mit) nutzen kann. Die zentralen Wirkungsrichtungen der akzentuierten Produkt-Markt-Ströme im Ausgründungsverbund werden noch einmal durch Abbildung 4 dargestellt:
Ursprungsunternehmung Pr o d ukt
-Ma r Win-Win-Situation kt -S t röm - Auftragsgarantien e - Weitergabe marktbezogener Kenntnisse - Transfer und Re-Transfer von Ideen -> zweiseitige Kooperationsmuster Folgen - Konzentration auf Kernkompetenzen -> Optimierung der Wertschöpfungskette - Veränderung interner Leistungsströme - mentale Effekte im Sinne einer optimierten und vitaleren Leistungserbringung
Finanz-Ströme e s-Ström W issen me -Strö onal Pers
Abb. 4:
Folgen der Produkt-Marktströme im Ausgründungsverbund
Quelle:
eigene Darstellung.
37
AusgründungsStart-up
Folgen: - Einbindung in existentes Marktbeziehungsnetzwerk - flexiblere und innovativere Leistungserbringung
„Hinter der Forderung nach einem strategischen Fit steht die Idee, daß eine Kooperation nur dann funktionieren kann, wenn sie für beide Partner eine Win-Win-Situation bietet“ (Büchel/Prange/Probst/Rüling (1997), S. 73). Vgl. ferner Büchel/Prange/Probst/Rüling (1997), S. 207. 38 Vgl. hierzu Goyder (1999), S. 219. 39 Vgl. die Praxisbeispiele im Herausgeberband von Reiß (2000a).
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Ausgründungen sind mit unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Finanzströme40 in der ausgründenden Unternehmung verbunden. Unmittelbaren Charakter haben finanzielle Aufbauhilfen (auch in Form von Aufträgen) und ein langfristiges Kapitalengagement gegenüber der Start-up-Unternehmung41, die in einer späteren Phase in einen Re-Transfer in Form von Gewinnabschöpfungen einmünden (können).42 Zu akzentuieren ist an dieser Stelle jedoch, dass der Ausgründungs-Start-up mittel- bis langfristig nach dem sogenannten „at-the-arms-lenghtprinciple“ zinsorientiert aus Perspektive der Ursprungsunternehmung wie ein außenstehender Dritter zu behandeln ist.43 Mittelbar und damit in einem weiteren Zusammenhang interpretiert, können von Ausgründungen – wie auch für die anderen Ressourcenströme gültig – Impulse in Richtung einer Neustrukturierung der Finanzströme innerhalb der ausgründenden Unternehmung ausgehen. Hierin ist auch das „Einfallstor“ für die intendierte Unternehmungsvitalisierung zu sehen. „Überholte“ Budgetierungsstrukturen können so in Frage gestellt und die begrenzten finanziellen Mittel nach veränderten – auch vitalisierungsaffinen – Kriterien wie z. B. strategisches Entwicklungspotenzial verteilt werden. Ausgründungen können insofern Auslöser für eine generelle Neubestimmung des finanziellen Verteilungsschlüssels in den ausgründenden Unternehmungen sein. Für junge (Wachstums-)Unternehmungen ist die Sicherung der finanziellen Basis sicherlich eine der drängendsten und virulentesten Herausforderungen, wie im Umkehrschluss aus den Finanzierungsproblemen vieler Start-ups geschlossen werden kann.44 Dabei weisen Ausgründungs-Start-ups gegenüber originären Gründungen hin-
40
Vgl. zu Geld- und anderen Lenkungsströmen auch Herder-Dorneich (1973), S. 32f. Im Rahmen theoretischer Betrachtungen von Strömungsmodellen und Lenkungsströmen wird vielfach auch von der Theorie der „Scheine“ gesprochen (vgl. Herder-Dorneich (1973), S. 33). Vgl. ferner auch zu finanzwirtschaftlichen Motiven Schultze (1998), S. 120ff. 41 Vgl. zu den Einflussfaktoren auf die Kapitalausstattung und die Hebelwirkungen des Eigenkapitals Ertl (2000), S. 285. 42 Als weitere Vorteile kristallisieren sich ferner Kostensenkungspotenziale im Bereich der Selbstbindungs-Kosten, der Monitoring-Kosten sowie der Kosten des (Residual-)Verlustes heraus (vgl. vertiefend hierzu Schultze (1998), S. 93). 43 „Die Verzinsung nach Marktgesichtspunkten schließt auch ein, dass vergleichbare Referenzzinssätze (z. B. EURIBOR) verwendet werden. Auch bei der Festlegung von Verrechnungspreisen ... im Konzern muss dafür gesorgt werden, dass eine schuldrechtlich anzuerkennende Vertragsbeziehung ... begründet wird. Ansonsten handelt es sich um eine Beziehung auf gesellschaftsrechtlicher Ebene mit der Folge, dass entweder eine verdeckte Kapitalzuführung oder eine verdeckte Gewinnausschüttung (mit entsprechenden steuerlichen Konsequenzen) anzunehmen wäre“ (Ertl (2000), S. 97). 44 Vgl. Texido (1986), S. 51ff. sowie Hakansson/Tröger (2000), S.128 ff.
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sichtlich der Kapitalversorgung45 deutliche Vorteile auf, da sie nur bedingt auf externe Kapitalgeber angewiesen sind.46 Vielfach stellt die ausgründende Unternehmung die für die Anlaufphase erforderlichen Betriebsmittel kostengünstig bereit und stattet den Start-up mit Eigenkapital oft in Form von Corporate Venture Capital (CVC)47 aus. Als weiterer Vorteil ist die durch das (vorhandene) Renommee der Ursprungsunternehmung erleichterte Fremdkapitalaufnahme zu identifizieren. Der Transfer von Finanzen von der Ursprungsunternehmung zum Ausgründungs-Start-up sollte zeitlich versetzt einen Mittel-Re-Transfer in Form von Erfolgsbeteiligungen nach sich ziehen. Diese Überlegung mündet in eine gegenseitige Vorteilsbeziehung48 für die Kooperationspartner (hier ausgründende Einheit und Ausgründungs-Start-up) ein, da beide Verbundteilnehmer von dem Finanzaustausch profitieren (können).49 Die zentralen Wirkrichtungen und Auswirkungen der Finanzströme im Ausgründungsverbund werden noch einmal durch Abbildung 5 wiedergegeben.
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Eine „gesunde“ Eigenkapitalbasis stellt hierbei eine Voraussetzung für die Fremdkapitalbeschaffung dar, da es eine „Voraushaftungsfunktion“ übernimmt und damit die Risiken für Fremdkapitalgeber mindert (vgl. Tanski/Schreier/Thoma (1999), S. 77 f.). 46 Vgl. Mettler (2000), S. 73. 47 Hierbei handelt es sich um externes Kapital, das ohne Sicherheit in wachstumsträchtige Unternehmungen investiert wird. Infolgedessen werden finanzielle Mittel von außerhalb des Finanzsektors bereitgestellt (vgl. vertiefend Nittka (2000), S. 253). 48 Vgl. hierzu auch die „Win-Win-Situation“ bei der DaimlerChrysler Venture GmbH bei Hofmann/Albrecht (2000), S. 236. 49 Relativierend ist aber anzumerken: „Not every relationship can be win-win. But success in relationship is about increasing the scope for conflict. Where there is conflict, the most succesful organizations are those which set such conflict in the context of a wider interdependence, and create common goals to which all participants can ultimately comit” (Goyder (1999), S. 219).
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Ursprungsunternehmung Prod u kt-M a rktStrö Finanz me -Ström e
Folgen - Überdenken der Finanzverteilungsschlüssel im Rahmen der Budgetierung - Haftungsseparation - “Freisetzung” von betrieblichem Wagniskapital für neue innovative Vorhaben
Win-Win-Situation - Transfer und Re-Transfer von Finanzmitteln - dosiertes Einsetzen der Informations-, Mitsprache- und Kontrollrechte
e s-Ström W issen e Ström onalPers
Abb. 5:
Auswirkungen der Finanzströme im Ausgründungsverbund
Quelle:
eigene Darstellung.
AusgründungsStart-up
Folgen: - solide Finanzbasis durch Eigenkapitalbereitstellung und Gewinnüberlassung - Profitieren von Kontakten und Finanzgebern
Ausgründungen tangieren unmittelbar die organisationale Wissensbasis, da mit der Ausgliederung von Systemeinheiten auch Wissenselemente und -vorräte externalisiert werden.50 Der damit verbundene Wissensverlust wird die Systemintelligenz im Sinne von organisationaler Problemlösungsfähigkeit dann nicht oder nicht merklich beinträchtigen, wenn das die Systemgrenzen verlassende Wissen nicht spezifisch und überlebenskritisch ist und unproblematisch von Dritten erworben werden kann, wie es beim klassischen Outsourcing der Fall ist oder der Wissenstransfer mit der Ausgründungseinheit sichergestellt ist bzw. aufgrund der Neukonfiguration sogar innovative Impulse von ihr ausgehen, wie im vorliegenden Arbeitskontext unterstellt wird. Vitalität und ihre Ausprägungsformen, wie systemische Innovationsfähigkeit und Flexibilitätskraft, sind eng mit der Wissensbasis von Unternehmungen verbunden. Dabei ist weniger der Quantitätsaspekt als der Qualitätsaspekt ausschlaggebend, da von einer bestimmten Anordnung von Wissenselementen Impulse und Handlungsvollzüge
50
In diesem Zusammenhang stellt auch Neumann fest: „RE-VITALISIERUNG – Ressourcen kombinieren und erweitern“ (Neumann (2000), S. 370). Vgl. hierzu auch Amelingmeyer, die die Veränderung der Verfügbarkeit von Wissensträgern näher betrachtet (vgl. Amelingmeyer (2000), S. 93).
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in Richtung einer Unternehmungsvitalisierung ausgehen können.51 Ausgründungen können hierzu – teilweise unmittelbar, stärker aber mittelbar – den Anstoß geben, da durch die notwendige partielle Neuordnung der verbleibenden Subeinheiten das Wissenssystem in Teilen zur Disposition gestellt und evtl. neu angeordnet werden kann. Aufgrund des immateriellen Charakters bieten gerade WissensübertragungsProzesse52 zwischen dem Ausgründungs-Start-up und der Ursprungsunternehmung in Abhängigkeit zu der Kooperationsintensität53 die Möglichkeit der Realisierung einer „Win-Win-Situation“ im Sinne eines „symmetrischen“ Know-how-Transfers. Zur Begründung dieser Ausgangsthese bietet sich eine Auffächerung in drei Wissenskategorien an, die auch einen Entwicklungsverlauf im Ausgründungsnetzwerk widerspiegeln54: Transfer von „Aufbauwissen“ zu Standardabläufen im Geschäftsprozess von der Ausgründungs- in die Start-up-Unternehmung direkt nach der Ausgründung, gegenseitiger Transfer von marktrelevantem Wissen zwischen den Kooperationspartnern, wobei dieser Part von der ausgegründeten Unternehmung erst nach
51
Vgl. zur Messung des intellektuellen Kapitals Picot/Scheuble (2000), S. 24ff. Vgl. zu intraorganisationalen und interorganisationalen Informationsbeziehungen Kirchmann (1994), S. 62ff. 53 Bezüglich der Kooperationsintensität gibt es verschiedenste Variationsoptionen: 1) bei einer „Stand alone-Position“ steht die Fortführung der Unabhängigkeit der Unternehmungen auf Basis ihrer separierten Wissenssysteme im Fokus, 2) Partielle Integration nutzt zwar sich ergebende Synergiepotenziale in den sich überschneidenden Bereichen, jedoch werden zwei in ihren Kernbereichen weiterhin (selbstständig) agierende Unternehmungen beibehalten, 3) Chancen liegen hingegen in der „Verschmelzung der Wissenspotenziale“, wenn Wachstum, Innovationen und weiterführende Lernprozesse angestrebt werden (vgl. vertiefend hierzu Woyde-Köhler (1999), S. 46). Vor diesem Hintergrund der Weiterentwicklung des „Besten“ von beiden Einheiten („best-of-both“ durch Übernahme von Best Practices als Ideenbasis (vgl. Jansen (2000), S. 389ff.)) soll Innovationskraft im Sinne der Vitalitätsidee gewonnen werden. Vgl. auch zu Wissensströmen in Innovationsprozessen bzw. zu Formen der Wissensübertragung Peritsch (2000), S. 171ff. 54 Unter Bezugnahme auf das von Argyris/Schön (1978), S. 18ff. entwickelte Modell des Lernens sind hier zwei verschiedene Perspektiven näher zu betrachten: Das Single-Loop-Lernen des Start-ups fokussiert zunächst einmal den Wissenserwerb, der sich in einer Adaption des lokalen Umfelds – dabei kann sowohl operatives beinhaltet z. B. spezielle Technologien) wie auch kulturelles (reflektiert sich in der Unternehmungskultur) Wissen erworben werden – niederschlägt. Double-Loop-Lernen wird hierbei als Strategie des Wissenserwerbs über geographisch-kulturelle Distanzen hinweg interpretiert. Diese Lern-Form beruht auf der Fähigkeit des Start-ups, Wissen zu vermitteln sowie der Ursprungsunternehmung, Wissen aufzunehmen. Auch hier stehen der Erwerb von operativem und kulturellem Wissen erneut im Fokus, „... wobei letzter einen paradigmatischen Wandel der Unternehmenskultur der Muttergesellschaft auslöst“ (Bendt (2000), S. 120). Vgl. ferner Richter (1995), S. 227f. 52
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einer gewissen Assimilationszeit am Markt substanziell wahrgenommen werden kann, Ideentransfer von der Start-up- in die Ursprungsunternehmung, der aber auch erst nach einer gewissen Anlaufzeit der Neugründung das erhoffte Nutzenpotenzial insbesondere in Richtung einer Vitalisierung der Ursprungseinheit erbringen kann. Um das intendierte Vitalisierungsziel bezogen auf die Ausgründungsunternehmung zu erreichen, ist der Wissenstransfer selbst möglichst „vital“ zu gestalten. Hierbei wird eine hohe Beziehungsqualität der Kooperationspartner und eine geringe institutionelle Distanz bei einem gleichzeitig hohen Maß an Unabhängigkeit des Start-ups eine solche Konstellation begünstigen. Abbildung 6 gibt noch einmal die wissensstrombezogenen Beziehungs- und Austauschmuster im Ausgründungsverbund wieder.
Ursprungsunternehmung
Prod u
kt-Ma rkt-S tröm e Finanz -S tröme
Wissens-Ströme Win-Win-Situation Folgen - Lern- und Innovationsimpulse durch Wissenstransfer - Wissensverlust versus Neuformierung - Institutionalisierung von der Wissensbasis - Bildung neuer “Arrangements” im Sinne Austauschforen innovativer Wissensnetzwerke und me l-Strö Erschließung von Wissenssynergien rsona
Pe
AusgründungsStart-up
Folgen: - Schaffung wissensförderlicher Rahmenbedingungen - Aufbau einer eigenen Wissensbasis
Abb. 6:
Folgewirkungen der Wissensströme im Ausgründungsverbund
Quelle:
eigene Darstellung.
Die im letzten Abschnitt vorgenommene Akzentuierung der Neukonfiguration von Wissensströmen als mittelbare und unmittelbare Folge von Ausgründungen lenkt das Augenmerk mit den Wissensträgern auf die originäre Quelle von Vitalisierungsaktivitäten: den Mitarbeiter von Unternehmungen als Impulsgeber für neue Ideen zur verstärkten Nutzung latenter Innovations- und Flexibilisierungspotenziale und damit auf Personalströme.
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Wie bei den skizzierten intrasystemischen Folgeeffekten der anderen Ströme auch kann konstatiert werden, dass Ausgründungen mittelbar vitale Effekte im Rahmen der verbliebenen Mitarbeiterschaft auslösen bzw. zumindest auslösen können. Denn Ausgründungen haben auch „Rückstrahleffekte“ in die Ursprungsunternehmung hinein, wobei diese bisher noch kaum Gegenstand der Forschung waren.55 Personalpolitisch relevante Implikationen in Ausgründungen, die in Richtung Vitalisierung zielen, lassen sich insbesondere an der Start-up-Unternehmung nachvollziehen. Denn die Förderung unternehmerischen Denkens und Handelns stellt gerade für die ausgegründete Start-up-Einheit einen zentralen Erfolgsfaktor zur Genese neuer Lebendigkeit dar.56 Speziell die Ursprungsunternehmung kann sich vom Re-Transfer von innovativen Ideen vitale Impulse erhoffen. Die bislang betrachteten Produkt-/Markt-, Finanz- und Wissensströme sind apersonaler Art, da das materielle Transfergut im Vordergrund steht. Dieses lenkt das Augenmerk auf die Potenziale eines Personaltransfers zwischen ausgründender und ausgegründeter Unternehmung, damit die „Denkwelten“57 beider Einheiten verknüpft werden. Ein Personaltransfer hat dabei eine andere Dimension als beispielsweise ein Wissenstransfer, da über das Personal auch kulturelle Werte Eingang in das jeweils andere System finden können. Ein Personaltransfer innerhalb bestehender Unternehmungsgrenzen zählt unter der Bezeichnung „Rotationsprogramm“58 zu den arrivierten Maßnahmen im Bereich der Personalentwicklung. Diese dienen entwicklungsbezogen der „Perspektivenerweiterung“ der Mitarbeiter, gesamtunternehmungsbezogen aber auch der Verbin55
Vgl. auch Bleicher/Fischer/Gensior/Steiner (2002), S. 403ff. Die weitreichend formulierte These Macraes, wonach „... successful big corporations should devolve into becoming confederations of entrepreneurs” (Macrae (1976), S. 42), lässt schon die hohe Bedeutung des internen Unternehmertums in Großkonzernen erkennen. Unternehmer ist dabei nicht gleich Unternehmer, sondern es ist eine differenzierte Betrachtung notwendig. Dem traditionellen Verständnis nach ist eine „klassische“ Differenzierung in den „Schumpeter Unternehmer“ (vgl. vertiefend hierzu Schumpeter (1980)) und den „Eigentümer Unternehmer“ (vgl. Reiß (2000b), S. 3) vorzunehmen. Innovative Konzepte von Unternehmertum hingegen reflektieren sich in dem „Kunstwort“ Intrapreneurship („Unternehmertum in der Unternehmung“; vgl. Draeger-Ernst (2003)). 57 Bewusst ist hier die Terminologie „Denkwelt“ verwandt worden, da die Kulturunterschiede zwischen der Ursprungsunternehmung und der Start-up-Einheit eminent sein können. Diese Verschiedenartigkeit beruht einerseits auf dem Alter der Einheiten, andererseits auf der Größe der Unternehmungen, welche erheblichen Einfluss auf ihre Kreativität, Innovationskraft und Agilität nimmt. 58 Vgl. speziell zu Rotationsmodellen z. B. Drumm (2005), S. 721 sowie S. 727f. Vgl. ferner das Beispiel eines Rotationsplans bei Stopp (2001), S. 251. „The advantage of job rotation ... is that it reduces the boredom and monotony of doing one simplified task, through diversifying the worker´s activities“ (Bratton (1999), S. 107f.). 56
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dung unterschiedlicher „Denkwelten“ in den Fachbereichen, um eine bereichsübergreifende Kommunikation nicht abreißen zu lassen. In Abbildung 7 sind noch einmal die Personalströme im Ausgründungsverbund und deren Auswirkungen zusammengefasst worden.
Ursprungsunternehmung
Prod u
kt-Ma rkt-S tröm e Finanz -S tröme AusgründungsStart-up
Wissens-Ströme Folgen - Induzierung der Vitalisierungsbereitschaft der verbleibenden Mitarbeiter - Ziel ist die “gelebte” Vitalität auch in der Ursprungsunternehmung
e Personal -Ström
ter tarb ei e r Mi fer s er isch atio n ns n-Situ unte rn ehm es R e-Tra i W Win sfe r (mit) l ich ke it d g - Tr an tuelle Mö - punk
Folgen: - Genese eines internen Unternehmertums - Förderung unternehmerischer Denk- und Verhaltensweisen
Abb. 7:
Personalströme im Ausgründungsverbund und deren Auswirkungen
Quelle:
eigene Darstellung.
Die in den vorangegangenen Abschnitten dominierende monistische Betrachtung der einzelnen Ressourcenströme, die das auf Vitalität abzielende Kooperationsgeflecht zwischen ausgründender und ausgegründeter Unternehmung prägen, erfolgte aus analytischen Gründen. In der Realität ist eine enge Vernetzung der Ressourcenströme bei Ausgründungen zu konstatieren, was z. B. die schon angedeuteten affinen Wirkbezüge zwischen Wissens- und Personalströmen verdeutlichen.
4 Ausblick: Identifikation und Ausschöpfung des vitalisierungsbezogenen Nutzens von Ausgründungen als Gestaltungsherausforderung Wie bereits eingangs festgestellt wurde, können die einer Ausgründung zugrunde liegenden Motive als sehr vielgestaltig angenommen werden; daraus folgt die Erkenntnis, „Ausgründungen sind nicht gleich Ausgründungen.“ Mit diesem Satz lässt sich vereinfacht ein – wenn nicht das zentrale – Ergebnis der empirischen Beleuchtung des Ressourcen-Strommodells im Rahmen einer Expertenbefragung (16 Ursprungsunterneh-
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mungen und 17 Ausgründungs-Start-ups) durch Schmidt umschreiben.59 Dieses spiegelt sich im breit gefächerten Nutzenspektrum von Ausgründungen wider. Exemplarisch können hier die Akquisition von Drittkunden, die Konzentration auf Kernkompetenzen, eine Fixkostenreduktion sowie das Aufbrechen starrer und bürokratischer Strukturen etc. aufgeführt werden. Diese unterschiedlich gelagerten Ausgründungsmotive ermöglichen eine Clusterung in innovations- über marktlich zentrierte bis hin zu rechtlich und ökonomisch-kostenrechnungsorientierten Ausgründungen. Insofern kann der Erfolg der Externalisierung nur vor dem Hintergrund der ihr zugrunde liegenden speziellen Ausgründungsmotive beurteilt werden. Fokussierungspunkte, wie z. B. die in diesem Beitrag im Vordergrund stehende Vitalisierungsperspektive, dürfen damit nicht als unreflektierter genereller Bewertungsmaßstab für Ausgründungen herangezogen werden, da ein nicht unwesentlicher Teil von ihnen anders gelagerte Ziele z. B. im Bereich Kostenoptimierung verfolgt. Es kann und (sollte) aber hinterfragt werden, ob Ausgründungen (latente) Vitalisierungspotenziale aufweisen, die bisher noch nicht bzw. zu wenig akzentuiert wurden. Das Phänomen „Vitalisierung“ fordert die Praxis generell – mutmaßlich auch wegen einer Übersättigung mit neuen Konzepten, Musterbegriffen und Anglizismen – zu Widerspruch unterschiedlicher Provenienz heraus. So existieren qua Terminologie schon viele Vorbehalte in der Praxis gegenüber dem Begriff Vitalisierung und deren Inhalten, die sich z. B. in dem Einwand „alter Wein in neuen Schläuchen“ äußern. Wenn wir uns von dem Begriff lösen und speziell die damit verbundenen Inhalte wie Innovationskraft und Flexibilität fokussieren, dann kann eine sachliche Verständigungsbasis erreicht werden, der eine weitgehend ungeteilte Zustimmung zur Wichtigkeit dieses Phänomens inhärent ist. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Vitalisierung bzw. genauer die darunter subsumierten Sachverhalte durchaus ein wichtiges Thema für die Praxis sind. Dieses gilt auch – wenn allerdings primär für die innovations- und abgeschwächt für die marktzentrierten Ausgründungen – für den Zusammenhang zwischen Vitalisierung und Ausgründung. Deutlich wird dabei, dass nur für einen Teil der befragten Unternehmungen die Grundthese dieses Beitrags Gültigkeit besitzt, der zufolge Ausgründungen zur Unternehmungsvitalisierung beitragen (können). Dabei werden innovative Elemente primär den ausgegründeten Einheiten zugesprochen, während die postulierten „Rückstrahlungseffekte“ und die damit verbundenen Binnenwirkungen mit Blick auf die Ursprungsunternehmungen nur vereinzelt und eher im Sinne von „Spurenelementen“ Wahrnehmung finden. Allerdings – und das ist eine 59
Vgl. Schmidt (2003), S. 149ff.; 189f.
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richtungsweisende Erkenntnis – wird dieser Gedankengang auch nicht ausdrücklich verworfen, sondern – zumindest von einem Teil der Gesprächspartner – als sehr „überlegenswert“ eingestuft. Insgesamt kristallisiert sich heraus, dass noch ein „gutes Stück Wegstrecke“ zu bewältigen ist, um den Phänomenen der Vitalisierung und Ausgründung – im Zusammenhang gesehen – mit all ihren Facetten Rechnung tragen zu können. Infolgedessen besteht die Herausforderung für mögliche Gestaltungsempfehlungen darin, den vitalisierungsbezogenen Nutzen von Ausgründungen zu identifizieren und dann auch „gestaltungsreif“ aufzuarbeiten.60 Es ist in diesem Zusammenhang auch wichtig zu betonen, dass es sich dabei nicht nur um eine theoretisch konstruierte Fragestellung handelt. Vielmehr haben die dahinter stehenden Ziele und Inhalte realen Charakter, auch wenn sie noch nicht in größerem Umfang in der Praxis umgesetzt worden sind – dort aber zumindest in Umrissen erkannt werden.
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Kooperationsnetzwerke bei Ausgründungen als zentraler Erfolgsfaktor? Jörg Freiling
Inhaltsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7
Problemstellung..................................................................................................... 88 Untersuchungsrelevante Grundlagen von Ausgründungen................................... 88 Eine evolutionstheoretische Perspektive auf Ausgründungen .............................. 91 Erfolg, Erfolgspotenziale und Erfolgsfaktoren von Ausgründungen im evolutionstheoretischen Kontext ........................................................................... 94 Das Management von Kooperationen und Kooperationsnetzwerken im Ausgründungskontext............................................................................................ 98 Fazit ..................................................................................................................... 100 Literaturverzeichnis............................................................................................. 101
Abstract Trotz zahlreicher Unterschiede in den Startbedingungen von Ausgründungen, die im Rahmen des vorliegenden Beitrags mitbehandelt werden, lassen sich zahlreiche Gemeinsamkeiten identifizieren. Es wird betont, wie stark Ausgründungen in den einzelnen Phasen der organisationalen Entwicklung bis zu ihrer Etablierung von der Inkubatororganisation geprägt werden und wann die Notwendigkeit besteht, netzwerkartige Kontakte zu anderen Organisationen der Unternehmensumwelt aufzubauen. Dabei wird auf die Notwendigkeit einer evolutorischen Betrachtung verwiesen und deren Vorzüge herausgestellt. Wie weit Kooperationsnetzwerke von Ausgründungen als Erfolgsfaktor und als Erfolgspotenzial zu verstehen sind, ist Kernfrage des vorliegenden Beitrags und zugleich Orientierungspunkt für die Ableitung von Handlungsimplikationen aus der Sicht von Ausgründungen.
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1 Problemstellung Die Gründungsdynamik im deutschsprachigen Bereich bewegt sich seit mehreren Jahren auf einem wenig zufrieden stellenden Niveau und konzentriert sich vor allem in Deutschland stark auf die sog. Necessity-Gründungen1. Eine Belebung des Gründergeschehens könnte auf vielfältige Weise erfolgen. Zu den diesbezüglichen Hoffnungsträgern zählen auch die Ausgründungen aus bestehenden Institutionen (Inkubatororganisationen). Um jedoch die entsprechenden Potenziale abzurufen, sind Quantität und Qualität der Ausgründungen zu steigern. Insbesondere die Bestandsfestigkeit und somit die qualitative Dimension stehen im Vordergrund des vorliegenden Beitrags. Im Schwerpunkt wird unter Bezugnahme auf die Diskussion von Erfolgsfaktoren im Gründungskontext2 untersucht, welcher Stellenwert kooperativer Tätigkeit und insbesondere Kooperationsnetzwerken im Kontext von Ausgründungen zufällt. Bei der Bearbeitung wird der organisationalen Entwicklung der Ausgründung besondere Bedeutung beigemessen. Diese Akzentuierung ist damit zu begründen, dass die Ausgründung aus der Mutterinstitution einen – mehr oder weniger abrupten – Einschnitt für das Venture darstellt, den es zur Erreichung von Wettbewerbsfähigkeit3 zu bewältigen gilt. In diesem Zusammenhang stellt sich die für den Beitrag zentrale Frage, welche Bedeutung einem Netzwerk aus Kooperationspartnern zufällt, das nach der Ausgründung auf- bzw. auszubauen und zu nutzen ist. Die Frage wird aus der Perspektive des ausgegründeten und damit eine neue Entität repräsentierenden Unternehmens betrachtet.
2 Untersuchungsrelevante Grundlagen von Ausgründungen Ausgründungen fallen in den in jüngerer Zeit zunehmend stärker beachteten Bereich des Corporate Entrepreneurship4. Von Ausgründungen (insbesondere Spin-offs) wird gesprochen, wenn ein oder mehrere Beschäftigte einer bestehenden Organisation aus ihr heraus ein Gründungsvorhaben beginnen und dadurch eine neue Geschäftsgrundla1 2 3
4
Vgl. Sternberg/Lückgen (2005). Vgl. hierzu ausführlicher Fallgatter (2002). Dabei wird Wettbewerbsfähigkeit im Sinne von Schneider (1997), S. 68, konzeptualisiert. Sie setzt sich aus der Bewährung in Marktprozessen mit der Marktgegenseite und der Behauptung gegenüber Rivalen und Bedrohungen aus dem Umfeld bei Einhaltung der geltenden Marktregeln zusammen. Vgl. hierzu insbesondere Burgelman (1983); Bitzer (1991); Stopford/Baden-Fuller (1994); Maselli (1997); Birkenshaw (1997); Barringer/Bluedorn (1999); Sharma/Chrisman (1999); Morris/Kuratko (2002); Steinle/Draeger (2002); Haid (2004); Elfring (2005); Frank (2006).
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ge schaffen. Konstitutiv für eine Ausgründung sind zwei Merkmale5: Erstens findet ein personeller Transfer vom Stamm- zum neu gegründeten Unternehmen statt, der zumindest den bzw. die Unternehmer umfasst. Zweitens erfolgt ein Transfer von Ideen, Technologien und/oder Produkten von der Inkubatororganisation zur Ausgründung, wobei es sich hierbei um Objekte handelt, die (noch) nicht zum Kerngeschäft der Inkubatorinstitution zählen, aber dennoch als erfolgsträchtig und zukunftsfähig angesehen werden. Da die denkbare und zu beobachtende Vielfalt von Ausgründungstätigkeit erheblich ist6, liegt es nahe, sich nachfolgend auf zwei besonders wichtige Erscheinungsformen zu konzentrieren. Es sind dies die technologieorientierten Ausgründungen und die Ausgründungen im Bereich wissensintensiver Dienstleistungen. Zur Strukturierung wichtiger Erscheinungsformen von Ausgründungstätigkeit erscheint es überdies sinnvoll, die Inkubatororganisation gesondert zu betrachten. In diesem Zusammenhang ist zwischen akademischen7 und nicht-akademischen Ausgründungen8 zu differenzieren. Im Falle akademischer Ausgründungen ist eine wissensstarke Inkubatororganisation die Regel, was auch bei nicht-akademischen Ausgründungen möglich ist. Für die letztgenannte Kategorie charakteristischer ist hingegen der hohe ökonomische Professionalisierungsgrad in Verbindung mit der finanziellen Substanz des Inkubators. Insofern sind die Startbedingungen in den genannten Fällen recht unterschiedlich und die weitere Entwicklung mitbestimmend. Gleiches gilt übrigens auch für die Rolle des Inkubators im Gründungsprozess, die zwischen stärkerer ideeller und materieller Unterstützung und einer passiven, ggfs. sogar abgeneigten Haltung zum Gründungsvorhaben streuen kann. Vor diesem Hintergrund wird zugleich deutlich, warum Ausgründungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt: Durch die Tätigkeit in der Inkubatororganisation werden fortlaufend neue Ideen kreiert, von denen einige über Erfolgsaussichten außerhalb des „strategisch relevanten“ Korridors der eigenen Geschäftstätigkeit verfügen. Nicht selten äußern die Urheber neuer Ideen den Wunsch, sie unabhängig von der strategischen Linie und der damit verbundenen Zwänge einer Inkubatororganisation weiterzuverfolgen. Dies ist zugleich kennzeichnendes Merkmal für Ausgründungen:
5 6
7 8
Vgl. hierzu Knecht (1998), S. 24; Zahn et al. (2001), S. 166f.; Freiling (2006), S. 30ff. Vgl. hierzu etwa Frank (2006), S. 20f., der sich auf die konfigurationstheoretischen fundierte Unterscheidung von Mugler (2005) bezieht, und daneben auch Tübke (2004). Vgl. z. B. Hemer et al. (2006). Vgl. z. B. Nokia, Deutsche Telekom oder Siemens, die – wie auch Elfring (2005) betont – im Ausgründungsbereich besonders aktiv sind. Vgl. daneben auch Frank (2006).
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Es reicht nicht, eine aussichtsreiche Idee zu generieren, wie sich dies z. B. Bernewitz9 entnehmen lässt. Sie muss vielmehr mit der Absicht verbunden werden, darauf aufbauend eine neue Entität zu gründen.10 Während oben die Inkubatororganisation als Rahmen gebender Faktor des Ausgründungsprozesses identifiziert wurde, müssen auch die externen Rahmenbedingungen in der Betrachtung berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist mit Blick auf die Kooperationsthematik dieses Beitrags zu unterscheiden, welche Kontextbedingungen für ein Networking bestehen. In diesem Zusammenhang hat Sydow eine wichtige Unterscheidung getroffen11. Sydow verweist auf Beispiele räumlicher Agglomerationen und bezieht sich hierbei vor allem auf Netzwerke in der italienischen Provinz Emilia Romagna. In regionalen Netzwerken von bereits etablierten Jungbetrieben wird oftmals eine weiterhin hohe Gründungsdynamik beobachtet, die erstens darauf zurückzuführen ist, dass sich neue Entrepreneure von den erfolgreich gestarteten angezogen fühlen. Zweitens ist seitens der bereits etablierten Jungbetriebe eine recht hohe Rate an Ausgründungen festzustellen12. Gerade für Jungbetriebe und noch im Gründungsprozess befindliche Vorhaben ist die Ansiedlung in regionalen Netzwerken – mit anderen Jungbetrieben, zum Teil aber auch mit etablierten Organisationen13 – vorteilhaft, um leichteren Zugang zu gründungsrelevanter Infrastruktur zu erhalten, darüber Mittelengpässe zu beseitigen, Anschauungsobjekte für die (erfolgreiche) Gestaltung des Gründungsprozesses zu gewinnen und von netzwerkbezogenen Reputationswirkungen zu profitieren. Nicht selten finden regionale Netzwerke auch besondere Unterstützung durch staatliche Stellen.14 Die Beziehungen unter den Beteiligten einer räumlichen Agglomeration sind im Regelfall recht lose, weswegen auch von einer polyzentrischen Struktur gesprochen wird. Die vorhandenen Beziehungen werden genutzt, um Größenvorteile zu erzielen, den Flexibilitätsgrad zu erhöhen, die Innovationskraft zu stärken und die vorhandenen Mittel der Beteiligten wirksamer als im Falle eines autonomen Vorgehens einzusetzen. Aus mesoökonomischer Sicht ist der Sachverhalt bedeutsam, dass derartige Agglomerationen eine spezifische Kultur ausprägen, welche die Koordination innerhalb des Netzwerks und mit Außenstehenden erleichtert. Thornton und Flynn verweisen auf 9
Vgl. Bernewitz (1987), S. 9. Vgl. Meyer/Beer (1999), S. 8. 11 Vgl. Sydow (1992) und (2001). 12 Vgl. Sydow (1992), S. 47, daneben Freiling (2006), S. 62f. 13 Vgl. Reiß et al. (2003), S. 288. 14 Vgl. Sydow (2001), S. 302. 10
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den Aufbau von sozialem Kapital15 und stellen heraus, dass dadurch nicht nur der Informationsaustausch zwischen den Jungbetrieben gefördert und die Unsicherheit reduziert wird, sondern vielmehr auch ein Innovationen fördernder Effekt auftreten kann. Weiterhin bieten räumliche Agglomerationen von Jungbetrieben ein größeres Attraktionspotenzial gegenüber Kapitalgebern. Vor allem die eher lokal bzw. regional ausgerichteten Venture-Capital-Gesellschaften sind räumlichen Gründernetzwerken gegenüber aufgeschlossener als im Falle der finanziellen Unterstützung einzelner Entrepreneure. Der ausgründungsseitige Zugang zu Netzwerken lässt sich somit bereits auf Basis dieser Überlegungen als wichtiger Faktor identifizieren. Gleichwohl ist es für Ausgründungen bei weitem keine Selbstverständlichkeit, dass Ventures Zugang zu Technologie- und/oder Gründerzentren suchen. Der Grund dafür liegt in dem noch immer geltenden Einfluss der Inkubatororganisation, die oftmals Mittel für den Start-up zur Verfügung stellt und dabei die Hoffnung hegt, auf längere Sicht von einem Mittelfluss in umgekehrter Richtung zu profitieren. Aus Sicht der Ausgründung nimmt die Stamminstitution überdies häufig die Rolle ein, die ansonsten gewerblichen Inkubatoren bzw. Unternehmensbrutstätten zuteil würde.16
3 Eine evolutionstheoretische Perspektive auf Ausgründungen Die obigen Überlegungen offenbaren bereits die evolutorische Dimension von Ausgründungen. Im Kontext der evolutorischen Ökonomik17 ist festzustellen, dass getroffene Entscheidungen Folgehandlungen beeinflussen. Durch entscheidungsbedingte Festlegungen begeben sich Betriebe auf einen organisationalen Entwicklungspfad, dem sie mehr oder weniger stark verpflichtet sind und somit nur in Grenzen sowie unter Inkaufnahme von Kosten verlassen können.18 Aus Sicht von Ausgründungen gestaltet sich die Pfadbezogenheit der organisationalen Entwicklung grob entlang der VorAusgründungsphase, der Startphase und der Etablierungsphase. Die Ausgründung verfügt über eine Vergangenheit in der Inkubatororganisation, die sich in der Vor-Ausgründungsphase manifestiert. Hier wurden im Rahmen der organisationalen Eingebundenheit bereits erste geschäftliche Grundlagen für die Ausgrün15
Vgl. Thornton und Flynn (2003), S. 425, daneben auch ähnlich Maurer (2004), S. 190ff. Vgl. Hering/Vincenti (2005), S. 278. 17 Vgl. u.a. Witt (1987); Schneider (1997). 18 Vgl. Ghemawat (1991); Schreyögg et al. (2003); Freiling et al. (2006). 16
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dung geschaffen. Dabei wird oftmals davon ausgegangen, dass innovative Geschäftsideen und/oder Geschäftskonzepte innerhalb etablierter Organisation aufgrund geltender Regelsysteme ungünstige Ausgangsbedingungen finden19, was Überlegungen in Richtung auf Ausgründungen Nachdruck verleiht. Die geltenden Rahmenbedingungen seitens der Inkubatororganisation haben auf die geschäftlichen Grundlagen der Ausgründung bereits Einfluss genommen. Es kann demnach erstens sein, dass sich die geschäftliche Idee nicht in der Weise entwickeln konnte, wie es in einem neuen Unternehmen möglich gewesen wäre. Zweitens profitiert die Geschäftsgrundlage der Ausgründung von der Mittelausstattung der Inkubatororganisation. Wenn demnach technologieorientierte Gründungen und wissensintensive Dienstleistungen in der Ausgründungstätigkeit einen zentralen Stellenwert aufweisen, so ist dies nicht zuletzt auf technologisches Know-how sowie die Wissensposition bzw. die Spezialisierung der Inkubatororganisation zurückzuführen. Entsprechend prägt die Mittelausstattung des Inkubators die organisationale Entwicklung der Ausgründung beträchtlich. Zumindest in der Startphase der Ausgründung nach Ausgliederung aus der Inkubatororganisation bleibt der oben beschriebene Einfluss in der Regel auch noch erhalten, wobei sich über die Zeit hinweg allerdings Verschiebungen zu Gunsten anderer Organisationen ergeben können. Nichtsdestotrotz nimmt in der Vor-Ausgründungs- und in der Startphase die Inkubatororganisation aus Sicht der Ausgründung eine zentrale Netzwerkposition im Beziehungsgeflecht ein. Dies ist auch und vor allem mit Blick auf die zentrale Frage des vorliegenden Beitrags zu beachten. Die beschriebenen Einschnitte durch die Startphase lassen sich an zwei Faktoren festmachen: Erstens bewirkt die Ausgründung im pfadbezogenen Kontext zunächst insoweit ein „Framing“, als der Mittelzufluss durch die Inkubatororganisation im Regelfall deutlich zurückgefahren wird. Dies gilt ungeachtet der oftmals erfolgenden Ausstattung der Ausgründung mit so genanntem Corporate Venture Capital20 und dem nicht notwendigerweise endenden Zufluss an Technologien und Wissen aus Sicht der Ausgründung. Das Framing bezieht sich vielmehr auf den Sachverhalt, dass die Mittelbeschaffung durch die Ausgründung spätestens mit der Startphase auf marktlichem Wege herbeizuführen ist, was nicht zuletzt aufgrund der damit einhergehenden Umorientierung mit Engpässen einhergehen kann. Neben dem Framing stellt das „Unleashing“ einen zweiten Einschnittsfaktor dar. Es beruht auf der Übergabe der dispositiven Freiräume an die Führung der Ausgründung, was sich in einer Wahrnehmung unter19 20
Vgl. Burgelman (1983); Sharma/Chrisman (1999); Elfring (2005). Vgl. Schween (1996); Knyphausen-Aufseß (2003); Witt (2005); Henderson/Leleux (2005).
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nehmerischer Funktionen primär durch die Ausgründung und nicht durch den Inkubator niederschlägt. Drucker geht davon aus, dass durch diese dispositive „Entfesselung“ innovativer Vorhaben eine gedeihlichere Entwicklung des Ventures eintritt.21 Die Wahrnehmung unternehmerischer Funktionen wirft die Frage nach Zweck und Inhalt auf. Mit Blick auf Abbildung 1 kann festgestellt werden, dass es durch die Ausgründung nahezu zeitgleich zur selbstständigen Wahrnehmung eines aufeinander aufbauenden Geflechts unterschiedlicher Unternehmerfunktionen kommt, die erstens der Systemschaffung und Systemerneuerung (Innovationsfunktion), zweitens der Nutzung der Systemvoraussetzungen im Innenverhältnis (Koordinationsfunktion) und im Außenverhältnis (Arbitragefunktion) und drittens der Absicherung (Risikomanagementfunktion) dienen.
Systemerneuerung
Systemnutzung
Systemabsicherung
Innovation
Koordination
Arbitrage RisikoManagement
Abb. 1:
Das System von Unternehmerfunktionen im Gründungskontext
Quelle:
eigene Darstellung nach Freiling (2006), S. 91. Vgl. daneben auch Freiling (2005), S. 142.
Die eigenständige Wahrnehmung von Unternehmerfunktionen durch die Ausgründung stellt eine zentrale Herausforderung der Start- und der anschließenden Etablierungsphase dar, die aus erstgenannter fließend hervorgeht. Die Etablierungsphase dient der Schaffung nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit und somit der Verankerung der Ausgründung unter marktlichen Bedingungen. Dies erfordert eine auf die geltenden Rahmenbedingungen abgestimmte und zugleich aktiv-kreative ausgerichtete Wahr21
Vgl. Drucker (1985). Ähnlich argumentieren auch Sharma/Chrisman (1999) und Elfring (2005).
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nehmung der genannten Unternehmerfunktionen. Während die Wahrnehmung der Innovationsfunktion an den Innovationsimpulsen der Vor-Ausgründungsphase anknüpft und zur Umsetzung der Ausgangsinnovation sowie zur Generierung neuer Geschäftsgrundlagen dient, wird die Risikomanagementfunktion zu einer zentralen Herausforderung für das Venture, da bedingt durch die Ausgründung das unternehmerische Risiko auf das neue Unternehmen übergeht. Darüber hinaus ist neben der nach innen gerichteten Koordinationsfunktion die Arbitragefunktion wahrzunehmen, die sich auf erfolgreiche Transaktionen in Beschaffungs- und Absatzmärkten richtet. Kooperationsnetzwerke werden somit maßgeblich, aber nicht ausschließlich durch sie beeinflusst. Mit der Wahrnehmung von Unternehmerfunktionen vollzieht sich der Aufbau führungsund wertschöpfungsbezogener Kompetenzen, die – wie der kompetenzorientierte Ansatz belegt22 – für die Etablierung und den Erfolg der Ausgründung von zentraler Bedeutung sind.23
4 Erfolg, Erfolgspotenziale und Erfolgsfaktoren von Ausgründungen im evolutionstheoretischen Kontext Erfolg kann in unterschiedlicher Weise konzeptualisiert und operationalisiert werden. In vielen betriebswirtschaftlich relevanten Fällen bietet es sich an, auf finanzielle Erfolgsgrößen wie etwa den Gewinn oder den Deckungsbeitrag zu rekurrieren. Im Entrepreneurship-Kontext ist mehrfach betont worden, dass sich gerade in den Frühphasen der organisationalen Entwicklung zumeist noch keine Gewinne einstellen, weil in erheblichem Maße in die Geschäftstätigkeit investiert werden muss. Entsprechend werden Größen wie die Bestandsfestigkeit der Organisation in diesem spezifischen Kontext vorgezogen.24 Versteht man den Erfolg als die abhängige Variable, so stellt sich die Frage, welche Größen auf sie Einfluss nehmen. Hier setzt die Erfolgsfaktorenforschung an, die in der Betriebswirtschaftslehre auf viel Aufmerksamkeit, aber auch Skepsis25 gestoßen ist: Erfolgsfaktoren geben Aufschluss über die Größen, die maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg nehmen. Sie können grundsätzlich die strategische und operative Dimension betreffen und sich auf die Unternehmensumwelt ebenso wie auf das Unternehmen 22
Vgl. hierzu etwa Barney (2002); Freiling et al. (2006). Vgl. Kelley et al. (2005). 24 Vgl. Frank/Korunka (1996), S. 948; Wanzenböck (1998), S. 14f.; Fallgatter (2002), S. 150; Schulte (2004), S. 203. 25 Vgl. Nicolai/Kieser (2002), S. 579ff. 23
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selbst beziehen. In der Managementforschung haben sich Schulen gebildet, welche den Erfolg eher auf marktliche Kontextfaktoren (Market-based View) oder eher auf unternehmungsinterne Gegebenheiten (Resource-based View) zurückführen.26 Dass letztendlich beide Seiten Erklärungsrelevanz besitzen, lässt sich anhand der Beziehung von Erfolgsfaktoren und Erfolgspotenzialen erkennen. Hierzu sei auf Abbildung 2 verwiesen, anhand derer sich auch nachvollziehen lässt, wie sich Erfolgsfaktoren in allgemeiner Form strukturieren lassen.
Unternehmensbezogene Erfolgsfaktoren
• Marktanteil • Marken-, Firmenimage • Produktqualität etc.
Interne und externe Erfolgspotenziale
Wertschöpfungsprozess
• Qualifikation • Motivation • Fluktuation etc. • Anlagenkapazität • Anlagenflexibilität • Kapitalintensität etc. • FuE-Intensität • FuE-Ressourcen • Patente, Datenbanken etc. • Führungssysteme • Organisationsstrukturen • Standort • Rechtsform
Personal
Humane Potenziale
Infrastruktur
Technische Potenziale
Technologische Basis
Informationelle Potenziale
Interne Strukturen Konstitutive Faktoren
• Kapitalstruktur • Steuervorteile etc.
Wettbewerb (WB)
• WB-Intensität • WB-Konzentration • WB-Regeln • Mobilitätsbarrieren etc.
Absatzmärkte
• Marktvolumen • Marktwachstum • Produktlebenszyklus • Nachfrageelastizität etc.
Marktposition ProduktMarktPotenziale
• relative Kostenposition • Erfahrungskurveneffekte • Kostenstruktur etc.
Umweltbezogene Erfolgsfaktoren
Strukturelle Potenziale
Kapital- u. Finanzströme
Finanzielle Potenziale
externe Erfolgspotenziale
Abb. 2:
Erfolgspotenziale und Erfolgsfaktoren
Quelle:
Breid (1994), S. 37.
Gesamtwirtschaft und Gesellschaft
• Konjunktur, Wachstum • Gesetze, Subventionen • Soziodemographische und soziokulturelle Trends
Arbeitsmarkt
• Angebots- und Nachfragestruktur • Arbeitsgesetzgebung
Technologische Entwicklung
• Technologischer Wandel • Technologische Komplexität • Technologietransfer
Beschaffungsmärkte
• Lieferantenkonzentration • Substitutionsmöglichkeiten • Gefahr der Vorwärtsintegration
Gesellschaft
• Steuergesetze • Umweltschutzgesetze • Subventionen etc.
Kapitalmarkt
• Zinsniveau • Wechselkurse
interne Erfolgspotenziale
Den externen wie internen Erfolgsfaktoren ist gemein, dass sie mit den Erfolgspotenzialen in Verbindung stehen, wie Abbildung 2 ebenfalls erkennen lässt. Erfolgspotenziale sind als Steuerungsgrößen zu verstehen, die der Erzielung finanziellen Erfolgs vorgelagert sind, weswegen ihnen auch eine Vorsteuerungsfunktion zugewiesen wird. Sie stellen Möglichkeiten für die gegenwärtige, vor allem aber für die zukünftige Ge26
Vgl. etwa Rühli (1994).
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schäftstätigkeit und -entfaltung der Unternehmung dar und setzen sich aus einer marktlichen und einer internen Komponente zusammen. Aus interner Sicht repräsentieren sie Gestaltungsobjekte in Form von Ressourcen, Kompetenzen, Prozessfolgen und strategischen Geschäftsfeldern, die das Kosten- und Leistungspotenzial (internes Erfolgspotenzial) bestimmen. Diese Gestaltungsobjekte sind unter marktlichen Gesichtspunkten durch eine Verwertbarkeit gekennzeichnet, die zur Erschließung des Marktpotenzials (externes Erfolgspotenzial) beiträgt. Dies verdeutlicht den intermediären Charakter von Erfolgspotenzialen bezüglich des Verhältnisses von Markt und Unternehmen: Erfolgspotenziale verschaffen dem Unternehmen eine stärkenbasierte Positionierung in Märkten27, die sich auf unternehmerische Aktivitäten gründet, welche sich auf das Wertschöpfungssystem, dessen Output und Märkte richten. Insofern ist auch ersichtlich, dass der Status eines Erfolgspotenzials stets abhängig ist von den Rahmenbedingungen, die im Unternehmen, im Markt und im marktlichen Umfeld gelten. Betrachtet man die Systematisierung von Erfolgsfaktoren und Erfolgspotenzialen mit Blick auf Abbildung 2, so fällt auf, dass im Sinne dieses Beitrags Kooperationsnetzwerke – als langfristig angelegte, lose gekoppelte Beziehungen zu Kooperationspartnern28 – nicht sichtbar in Erscheinung treten. Dies könnte ein Indiz für die allgemeine und besondere Irrelevanz dieser Größe als Erfolgsfaktor (und auch als Erfolgspotenzial) sprechen. Eine derartige Sichtweise greift hingegen viel zu kurz. Erstens wird schon bei näherem Hinsehen deutlich, dass sich Kooperationsnetzwerke hinter mehreren der in Abbildung 2 aufgeführten Größen verbergen. Dies sei anhand folgender Beispiele verdeutlicht: Mit Blick auf den Absatz kann nur dann zum Aufbau von Erfolgspotenzialen beigetragen werden, wenn es gelingt, stabile Beziehungen zur Kundschaft aufzubauen, was durch die Ausübung der Arbitragefunktion erfolgt. Im Bereich der technischen und informationellen Potenziale ist von einem Transfer von Technologie (und Wissen) die Rede. Ein derartiger Transfer ist ohne Kooperationsnetzwerke undenkbar. Entsprechend ist auch die Innovationsfunktion stark von Kooperationsnetzwerken tangiert. Weiterhin sind die Beziehungen zu den Lieferanten und zur Öffentlichkeit (ebenfalls Arbitragefunktion i.w.S.) zumindest implizit innerhalb von Abbildung 2 erfasst. Zweitens ist die Rolle, die Kooperationsnetzwerken gerade im Kontext von Ausgründungen zufällt, grundsätzlicher als Abbildung 2 dies in vorliegender Struktur zum Ausdruck zu bringen vermag. Kooperationsnetzwerke stehen in diesem System auf ei27 28
Zur Strategischen Positionierung vgl. Freiling (2002). Vgl. zu einer Netzwerkdefinition Sydow (1992).
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ner Metaebene. Sie betreffen schlussendlich alle betrieblichen Erfolgspotenziale, da durch sie stets die Möglichkeit besteht, Hemmnisse auf Basis eigener Mittelknappheit zu kompensieren. Sanchez et al. verweisen in diesem Kontext auf die Erschließung von so genannten „firm-addressable resources“29 – also von Mitteln, die der Unternehmung nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen, die aber durch Einflussnahme auf Partner in der Außenwelt zu eigenen Zwecken erschlossen werden können. Gerade diese Problematik betrifft Ausgründungen in besonderer Weise: Das oben beschriebene Framing kann durch derartige Kooperationsnetzwerke, in welchen auch die Inkubatororganisation eine zentrale Rolle einnehmen kann, abgemildert oder sogar aufgelöst werden. Entsprechende Überlegungen finden Unterstützung durch empirische Untersuchungen. Allerdings ist der Einfluss, der von Kooperationsnetzwerken auf den Erfolg ausgeht, offenbar abhängig von der Ausgründungsphase:30 In der Startphase ist der Einfluss von Kooperationsnetzwerken im Vergleich zur Etablierungsphase schwächer, was mit der in der Startphase noch immer starken Abhängigkeit der Ausgründung von der Inkubatororganisation zu erklären ist. Im Kontext der evolutorischen Ökonomik sind derartige Befunde dadurch zu erklären, dass die Sondierung geeigneter Partner und die Schaffung einer tragfähigen Kooperationsgrundlage einen zeitintensiven Prozess darstellt, der zudem noch darunter leidet, dass kooperationsbezogene Kompetenzen seitens der Ausgründung im Allgemeinen noch schwach ausgeprägt sind, mit Erweiterung der Wissensbasis aber zunehmen. Im Kontext der ressourcenbasierten Theorie des Strategischen Managements wird in diesem Zusammenhang von „asset mass efficiencies“ gesprochen.31 Mit zunehmendem kooperationsbezogenem Wissen, wachsender Zahl an Kooperationspartnern unterschiedlichster Art sowie sich entwickelnder Kooperationskompetenz wird es möglich, durch die sich verstärkende Grundmasse an Mitteln Entwicklungsgrenzen zu überschreiten und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit deutlich zu stärken. Nach diesen Ausführungen zur Rolle von Kooperationsnetzwerken im Erfolgskontext dient das Folgekapitel einem weiteren Zweck: Die nachfolgenden Überlegungen thematisieren, wie zur Erschließung des erfolgsrelevanten Potenzials mit Kooperationsnetzwerken umzugehen ist. Dabei wird erneut auf eine evolutionstheoretische Basisargumentation abgestellt.
29
Vgl. Sanchez et al. (1996). Vgl. hierzu und im Folgenden Hemer et al. (2006). 31 Vgl. Dierickx/Cool (1989). 30
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5 Das Management von Kooperationen und Kooperationsnetzwerken im Ausgründungskontext Die auch für Managementfragen relevanten organisationalen Rahmenbedingungen für (Corporate-) Venturing-Aktivitäten lassen sich anhand dreier wichtiger Faktoren strukturieren:32 (1) Organisationsmodus, (2) dispositive Rollenverteilung und (3) unternehmerische Kultur. Der Organisationsmodus der Ausgründung betrifft bei weitem nicht nur die interne Koordination des Ventures, sondern auch die Fragen der institutionellen Einbettung des Ventures in die Umwelt. In diesem Zusammenhang steht nicht nur die Ausübung der Koordinationsfunktion an, sondern auch und vor allem die Risikomanagementfunktion. So ist mit Blick auf den Aufbau und die Pflege geschäftlicher Beziehungen die Grundsatzentscheidung zu treffen, in welchem Umfang auf formellem bzw. informellem Wege koordiniert werden soll. Entsprechend ist über den Einsatz absichernder Institutionen wie Vertrag oder Vertrauen im Rahmen bestehender Kooperationen zu entscheiden. Die Beantwortung der Frage ist in hohem Maße erfolgsrelevant, weil dadurch nicht nur das Niveau an Koordinationskosten, sondern auch die Verwundbarkeit bei opportunistischem Verhalten der Gegenseite bestimmt wird. Dass auch die Innovationsfunktion mit Blick auf den Organisationsmodus relevant werden kann, lässt sich an dem Bedarf ablesen, im Falle neuartiger Partnerkonstellationen auch innovative Koordinationsmodi zu finden. Die dispositive Dimension und die damit verbundene Rollenverteilung der Ausgründung erweist sich im Kontext von Kooperationsnetzwerken in mehrfacher Weise als relevant. Ohne Vollständigkeit zu beanspruchen, wird hier unter primär strategischen Gesichtspunkten und in Anknüpfung an die Ausführungen zum Organisationsmodus auf die Netzwerktypen abgestellt. Je nach Ausgangssituation der Ausgründung und den damit verbundenen Problemen und Zielsetzungen können mit Gersch et al. drei Netzwerktypen identifiziert werden, welche einer aktiv-kreativen Verbesserung der Ausgangssituation dienen.33 Es sind dies im Einzelnen: „Closing Gap“-Allianzen, die an vorhandenen oder/und auftretenden Mittelengpässen ansetzen und diese durch Kooperationstätigkeit zu vermeiden suchen,
32 33
Vgl. Burgelman (1983); Wielemaker et al. (2003); Elfring (2005). Vgl. Gersch et al.( 2006).
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„Optionsnetzwerke“, die zur Vorbereitung von Reaktionen auf Entwicklungen in der Umwelt begründet werden, und „Steering Alliances“, die zur Einflussnahme auf das relevante Umfeld der Unternehmungen dienen. Closing-Gap-Allianzen sind für Ausgründungen allein deswegen von Belang, weil Mittelengpässe im Zuge der organisationalen Entwicklung als eine zentrale Herausforderung bis zum Zustand der nachhaltigen Etablierung zu betrachten sind.34 Optionsnetzwerke greifen in ihrer Intention gedanklich über die engpassorientierten Kooperationen hinaus und dienen dazu, auch in Anbetracht bestehender Commitments in der Zukunft neue Entwicklungspfade offen zu halten und ggfs. zu erschließen. Gerade technologieorientierte Ausgründungen und solche wissensintensiver Art sind zumeist in dynamische Umfelder eingebettet, weswegen ein diesbezügliches Management strategischer Optionen eine zentrale, wenngleich im operativen Alltag oftmals vernachlässigte Führungsaufgabe darstellt. Steuerungsallianzen dienen dazu, Potenziale verschiedener Unternehmungen zusammen zu legen, um dadurch Machtdefizite kompensieren und Weichen in eine günstige Richtung stellen zu können. Derartige Kooperationen können sogar darauf abzielen, den politischen Raum zu beeinflussen, was z. B. bei der Durchsetzung bestimmter Technologien unerlässlich sein kann. Während die oben genannten Closing-Gap-Allianzen zumeist auf Partner gerichtet sind, die in einem direkten Wertschöpfungszusammenhang zur Ausgründung stehen, greifen die beiden anderen Netzwerktypen zumeist weit darüber hinaus und verlangen ein Stakeholder-Management in einem umfassenden Sinne. Neben die primär strategischen Überlegungen tritt die Fähigkeit eines ausgegründeten Unternehmens, wichtige externe Mittel zu identifizieren und in ihrem Potenzial so umfassend wie möglich zu erschließen. Genau diese Überlegungen finden Eingang in das so genannte „Absorptionsvermögen“, welches von Cohen und Levinthal in die Diskussion eingeführt wurde.35 Das Absorptionsvermögen bezieht sich in der Fassung von Cohen und Levinthal auf die Aufnahme von Wissen und setzt sich aus drei Komponenten zusammen: die Fähigkeit zur Identifikation relevanten Wissens („recognition“), die Fähigkeit zu dessen Integration („integration/assimilation“), 34 35
Vgl. auch Freiling (1998). Vgl. Cohen/Levinthal (1990), die von der so genannten „absorptive capacity“ sprechen.
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die Fähigkeit zu dessen wirkungsvoller Nutzung („exploitation“). Mit zunehmendem Absorptionsvermögen steigen die Möglichkeiten, Kooperationsnetzwerke zu einem wirksamen Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb zu nutzen. Bezüglich der kulturellen Dimension sind sowohl unternehmungsinterne als auch kooperationsbezogene Kulturfaktoren von Belang. Mit Blick auf die interne Seite besteht eine kulturelle Prägung durch die Inkubatororganisation, die durch den personellen Transfer fortgeschrieben werden kann. Um Kooperationsnetzwerke wirkungsvoll zu gestalten, ist auf einen kulturellen Fit zwischen der Ausgründung und den Kooperationspartnern im kooperationsbezogenen Kontext hinzuwirken. Dies setzt Übereinstimmungen nicht nur in den Zielen, sondern auch in den Werten voraus.
6 Fazit Die eingangs gestellte Untersuchungsfrage lässt sich in Ermangelung einschlägiger empirischer Untersuchungen zwar nicht eindeutig beantworten. Allerdings ist gerade im evolutorischen Kontext, der für diesen Beitrag den Hauptankerpunkt darstellt, eine Vermutung dahingehend äußern, dass Kooperationsnetzwerke für Ausgründungen gerade deswegen zur Erreichung nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit zentral sind, weil durch sie die oftmals auftretenden Lücken an überlebenswichtigen Mitteln unterschiedlichster Art kompensiert werden können. Die Vermutung gilt insbesondere mit Blick auf den Aufbau eines Netzwerks zu unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen, um auf diese Weise im Falle des Auftretens unterschiedlichster Engpässe gerüstet zu sein. Im Einzelnen können sich Kooperationsnetzwerke dahingehend auf die untersuchungsrelevante Erfolgsgröße der Wettbewerbsfähigkeit auswirken, dass erstens durch Kooperationen mit Kunden und Lieferanten eine Bewährung in Marktprozessen erfolgt, was die Arbitrageaussichten verbessert. Bezüglich der Behauptung gegenüber der Konkurrenz sind Kooperationsnetzwerke hilfreich, um Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit durch „firm-addressable resources“ zu überwinden. Wenn und soweit sich Kooperationsnetzwerke als Erfolgsfaktor nachweisen lassen, ist unabhängig davon, ob er auf einer Metaebene anzusiedeln ist, darauf hinzuweisen, dass der grundlegende Charakter von Entrepreneurship gerade darauf ausgerichtet ist, ständig neue erfolgsrelevante Grundlagen zu generieren. Es ist zu betonen, dass hierzu auch und gerade im Bereich der Kooperationsnetzwerke vielfältige Ansatzpunkte bestehen.
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Patentbasierte Messung von technologischer Kompetenz junger technologieorientierter Unternehmen Hans Georg Gemünden & Franka Birke
Inhaltsverzeichnis 1 2
Einleitung ............................................................................................................ 108 Technologische Kompetenz ................................................................................ 109 2.1 2.2
3
Messansätze......................................................................................................... 111 3.1 3.2 3.3 3.4
4
Ausgaben für F&E .................................................................................................. 113 Humankapital.......................................................................................................... 113 Expertenbewertung ................................................................................................. 114 Patente..................................................................................................................... 114
Patentanalyse ....................................................................................................... 116 4.1 4.2 4.3
5 6
Definition ................................................................................................................ 109 Dimensionen ........................................................................................................... 110
Patentkennzahlen .................................................................................................... 116 Patentportfolios ....................................................................................................... 117 Diskussion............................................................................................................... 119
Fazit ..................................................................................................................... 121 Literaturverzeichnis............................................................................................. 121
Abstract Junge Technologieunternehmen dürfen sich nicht auf das Potenzial der Technologien verlassen, mit denen sie einmal den Markt betreten haben. Um technologischen Trends folgen und am Markt bestehen zu können, müssen junge Technologieunternehmen kontinuierlich an der Generierung neuen technologischen Wissens arbeiten. Einen großen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit übt die technologische Kompetenz aus. Ziel dieses Beitrags ist es, einen Ansatz zur Messung vorzustellen. Da Kompetenzen latente Konstrukte sind, stellt dieses Vorhaben eine große Herausforderung dar. Verschiedene Messgrößen werden beschrieben und kategorisiert. Die Durchführung der Messung mit Patendaten wird empfohlen.
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1 Einleitung Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Innovationsfähigkeit eines Landes von größter Bedeutung für seine wirtschaftliche Stärke und Wettbewerbsfähigkeit. Innovation und technischer Fortschritt werden als Antrieb einer Volkswirtschaft bezeichnet. In diesem Zusammenhang leisten Technologieunternehmen einen großen Beitrag, da sie das Potenzial besitzen, zukünftige innovative Problemlösungen hervorzubringen und neue Industrien und Anwendungsgebiete zu schaffen. Indem Technologieunternehmen neue Produkte und Prozesse hervorbringen, die auf der Verwertung innovativer Technologien beruhen, fördern sie technischen Fortschritt und Wandel und sorgen für dynamischen Wettbewerb.1 Damit üben sie aus gesamtwirtschaftlicher Sicht einen positiven Einfluss auf das zukünftige Wirtschaftswachstum eines Landes aus. Junge Technologieunternehmen sind Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Verwertung einer Erfindung basiert. Sie weisen ein Produkt- und Leistungsprogramm auf, das ein erheblich höheres Innovationsniveau besitzt als es bei anderen Unternehmen der Fall ist. Die rechtzeitige Beherrschung und wirtschaftliche Nutzung neuer Technologien stellt eine zentrale Bedingung für die Wettbewerbsfähigkeit und die Erhöhung der Überlebenschancen junger Technologieunternehmen dar.2 Da Produkte und Dienstleistungen durch kürzer werdende Produkt- und Technologielebenszyklen immer schneller veralten, besteht zudem die Notwendigkeit, kontinuierlich neue Möglichkeiten der Technologieentwicklung zu erschließen.3 Vor allem junge Unternehmen sollten sich nicht auf das Potenzial der Technologien verlassen, mit denen sie einmal den Markt betreten haben, sondern kontinuierlich an der Generierung neuen Wissens arbeiten. Die Fähigkeit, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, zeigt sich in der technologischen Kompetenz eines Unternehmens. Besonders in dynamischen und unsicheren Industrien erhöht das Vorhandensein technologischer Kompetenz die Wahrscheinlichkeit für die Schaffung überlebensnotwendiger technologischer Innovationen.4 Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse zu analysieren, wie dieses Konstrukt gemessen werden kann. Dafür ist es zunächst wichtig zu verstehen, was sich hinter dem Begriff technologische Kompetenz verbirgt. Die Bestimmung von technologischer Kompetenz stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar, da es sich 1 2 3 4
Vgl. Werner (2000) S. 5 ff. Vgl. de Jong/Marsili (2006), S. 213. Vgl. Brockhoff (1999). Vgl. Tyler (2001), S. 1.
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hierbei um ein latentes aus immateriellen Ressourcen bestehendes Gebilde handelt. Ziel dieses Beitrags ist es, einen Ansatz zur Kompetenzmessung vorzustellen, der das Konstrukt greifbarer machen kann. Um nachfolgend eine Zusammenfassung geeigneter Messmethoden vorstellen zu können, wird in Abschnitt 2 zunächst der Begriff der technologischen Kompetenz präzisiert. In Abschnitt 3 werden verschiedene Arten der Messung zur Diskussion gestellt, bevor dann in Abschnitt 4 mehrere Dimensionen des Outputindikators Patente betrachtet werden.
2 Technologische Kompetenz Erst wenn klar ist, was das Wesen der technologischen Kompetenz ausmacht, kann eine Messmethode entwickelt werden. Aus diesem Grunde wird das Konstrukt zunächst erläutert.
2.1 Definition Nach Stephan (2003) stellen technologische Kompetenzen unternehmensspezifische Ansammlungen von Fähigkeiten und Erfahrungswissen dar, welche im Rahmen von Lernprozessen bei der Akkumulation technologischen Wissens sowie dessen Nutzung gewonnen wurden.5 Im Gegensatz dazu ordnen Granstrand und Sjölander (1990) sowie Malerba und Marengo (1995) der technologischen Kompetenz auch das akademisch angeeignete Wissen zu. Dabei handelt es sich um theoretisches Wissen, welches die Mitarbeiter bzw. Gründer in Form von Fachwissen ins Unternehmen eingebracht bzw. durch interne Weiterbildung erworben haben.6 Die Autoren übernehmen das dynamische Kompetenzverständnis von Stephan (2003), da technologische Kompetenz das Potenzial eines Unternehmens beschreibt, sich wandelnden Umweltbedingungen anzupassen, technologischen Trends zu folgen und die Wettbewerbsposition aufrecht zu erhalten bzw. verbessern zu können. In diesem Kontext erscheint akademisch angeeignetes Wissen nicht zweckmäßig. Es veraltet schnell und spiegelt höchstens die Qualifikationen der Mitarbeiter wieder, die sie im Rahmen einer standardisierten Ausbildung erworben haben. Kompetenz zeigt sich dagegen in realen Lebenssituationen und erfordert Erfahrungen, also praktisch angeeignetes Wissen. Dieses Erfahrungswissen ist auf individueller Ebene und auf Team- bzw. Organisationsebene in organisatori5 6
Vgl. Stephan (2003), S. 146. Vgl. Malerba/Marengo (1995), S. 463; Stephan (2003), S. 146.
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schen Routinen angesiedelt. Es ist ein sehr spezielles, mit der Organisation verbundenes Wissen, das außerhalb des Unternehmenskontextes schnell an Wert verliert.7 Technologische Kompetenzen schließen zwei voneinander abzugrenzende Komponenten ein: Zum einen werden sie an den Fähigkeiten eines Unternehmens ausgemacht, Instrumente, Prozeduren und Technologien eines Fachgebiets erfolgreich einsetzen und verbessern zu können.8 Die Verbesserung von Fähigkeiten erfolgt im Zusammenhang mit der Nutzung des technologischen Wissens, wodurch das Unternehmen kontinuierlich neue Erfahrungen sammeln und umsetzen kann. Vor allem in komplexen technologischen Zusammenhängen lassen sich durch unternehmensspezifisches Erfahrungswissen Markteintrittsbarrieren und Wettbewerbsvorteile aufbauen. Zum anderen liegen technologische Kompetenzen aber auch in den Fähigkeiten begründet, technologische Veränderungen rechtzeitig identifizieren, bewerten und integrieren sowie vollkommen neues technologisches Wissen aufbauen zu können. Kompetenzen selbst sind nicht darstellbar, manifestieren sich jedoch in den vom Unternehmen entwickelten materiellen technologischen Ressourcen (Artefakte, Produkte, Dienstleistungen).
2.2 Dimensionen Technologische Kompetenz kann anhand der Dimensionen Breite (Diversifikation) und Tiefe (Konzentration) beschrieben werden. Die Breite bzw. Diversifikation ist dabei als das Ausmaß der internen technologischen Wissensbasis in neue Technologiebereiche zu verstehen.9 Die Breite technologischer Kompetenz wird auch von der Fähigkeit eines Unternehmens repräsentiert, den Wert neuer und externer Informationen zu erkennen und zu nutzen.10 Die Zunahme der Breite bedeutet immer einen Anstieg in der Vielfalt der technologischen Vermögenswerte des Unternehmens.11 Das Sammeln von Erfahrungen und die Entwicklung neuen Wissens auf einem dem Unternehmen gut bekannten Gebiet erhöht dagegen die Tiefe oder Konzentration der bereits vorhandenen technologischen Kompetenz. Hierbei handelt es sich um die Intensivierung der verfügbaren Kompetenzen in vom Unternehmen bereits besetzten 7
Vgl. Galende (2006), S. 302. Zum gesamten Absatz vgl. Stephan (2003), S. 146. 9 Vgl. Stephan (2003), S. 6. 10 Zu letzterem Punkt vgl. Cohen/Levinthal (1990). 11 Vgl. Stephan (2003), S. 187. 8
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111
Technologiebereichen.12 Es stellt sich nun die Frage, welche dieser Dimensionen einen höheren Beitrag zur Verbesserung der technologischen Kompetenz leistet.
3 Messansätze Obwohl eine Vielzahl an empirischen und konzeptionellen Arbeiten existiert, die den Versuch unternommen haben, technologische Kompetenzen zu messen, ist eine direkte Messgröße bislang nicht verfügbar. Die Messung von Kompetenzen ist aufgrund ihrer latenten und auf Aktivitäten bezogenen sowie unternehmensspezifischen Erscheinung mit Schwierigkeiten behaftet.13 Das Konzept ist „ […] zu abstrakt, um als Objekt oder Ereignis angemessen beobachtet und charakterisiert werden zu können“.14 Es ist zweckmäßig, eine Kategorisierung der Möglichkeiten der Messung vorzunehmen. Man differenziert zunächst subjektive und objektive Verfahren. Die aus dem Messvorgang resultierenden Messergebnisse objektiver Messverfahren sind unabhängig vom Durchführenden.15 Idealerweise stehen Daten zur Verfügung, die auf Grundlage strenger, gleichmäßig angewandter Normen erhoben werden.16 Bei subjektiven Messverfahren können Messergebnisse dagegen von den Wahrnehmungen und Wertungen des Betrachters beeinflusst werden und deshalb verzerrt sein. Des Weiteren wird zwischen den Ressourcen unterschieden, die einen Beitrag zur Bildung der technologischen Kompetenz leisten und jenen, die das Ergebnis darstellen. Diese werden als Näherungsgrößen eingesetzt und als input- bzw. outputbezogene Messgrößen bezeichnet. Als Inputfaktoren oder auch Quellen für die technologische Kompetenz werden personelle und finanzielle Ressourcen sowie soziales Kapital in Form von Netzwerken definiert. Diese dienen der Bildung und Aufrechterhaltung des notwendigen technologischen Erfahrungswissens. Die Nutzung von Input basierten Indikatoren ergibt sich auch aus der Vermutung, dass technologische Neuerungen, fußend auf technologischer Kompetenz, das unumgängliche Ergebnis eines Innovationsprozesses darstellen. Unter Outputfaktoren werden die Artefakte, Produkte bzw. Dienstleistungen des Unternehmens verstanden. Die Verwendung von outputbezogenen Indikatoren wird damit begründet, dass sich technologische Kompetenz in mate12
Zu letzterem Punkt vgl. Henderson/Cockburn (1994). Vgl. Erpenbeck/von Rosenstiel (2003) 14 Stephan (2003), S. 174. 15 Vgl. Homburg/Krohmer (2003), S.223. 16 Vgl. Brockhoff (1994), S. 57. 13
112
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riellen Ressourcen manifestiert. Der Zusammenhang zwischen input- und outputbezogenen Messgrößen sowie der technologischen Kompetenz ist in Abbildung 1 dargestellt.
Input
Humankapital
Output
Technologische Fähigkeiten und Erfahrungen (Kompetenzen)
Finanzielle Ress.
Artefakte
Produkte Technologisches Wissen
Soziales Kapital
Abb. 1:
Input- und Outputfaktoren technologischer Kompetenz
Quelle:
eigene Darstellung.
Expertenmeinung
Die input- und outputbezogenen Messgrößen, die in diesem Beitrag betrachtet werden, sind die bedeutendsten Indikatoren aus Studien zur Identifizierung innovativer Unternehmen bzw. der Messung des Erfolgs aus Forschung und Entwicklung. Sie werden im Folgenden auf das Konstrukt der technologischen Kompetenz übertragen. Diese lassen sich in einer Vier-Felder-Matrix darstellen, die sich aus den Dimensionen Messverfahren (subjektiv vs. objektiv) und Messgrößen (Input- vs. Outputindikatoren) zusammensetzt (siehe Abbildung 2). Die Indikatoren Humankapital sowie Expertenbeurteilungen werden den subjektiven Messverfahren zugeordnet, Patente und Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) den objektiven Messverfahren.
PATENTBASIERTE MESSUNG TECHNOLOGISCHER KOMPETENZ
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Inputfaktoren
Outputfaktoren
Subjektiv
Humankapital
Experten
Objektiv
F&E-Ausgaben
Patente
Abb. 2:
Übersicht der Input- und Outputfaktoren
Quelle:
eigene Darstellung.
3.1 Ausgaben für F&E Ein beliebter auf objektiven Maßen beruhender Indikator für die technologische Innovationsaktivität eines Unternehmens basiert auf Informationen zu Ausgaben für Forschung und Entwicklung.17 Dazu zählen die Ausrüstung, Räumlichkeiten und finanzielle Ressourcen. Junge technologieorientierte Unternehmen können über ihre F&EAusgaben jedoch nur selten Auskunft geben, da viele von ihnen kein offizielles F&EBudget, geschweige denn eine formelle F&E-Abteilung besitzen. Ausgaben für F&E werden nur selten bilanziert und Entwicklungsarbeit vermischt sich häufig mit anderen Aktivitäten bzw. wird außerhalb der regulären Arbeitszeit durchgeführt.18 Da sich die Gefahr der Unterbewertung von F&E in kleinen Unternehmen ergibt, wird der Gebrauch dieses Indikators nicht empfohlen.
3.2 Humankapital Ein weiterer möglicher Indikator für die technologische Kompetenz ist das vorhandene Humankapital des Unternehmens.19 Die Verwendung von Humankapital ergibt sich aus der Annahme, dass die Mitarbeiter in den ingenieurwissenschaftlichen Bereichen einer Organisation die wichtigsten Träger technologischen Erfahrungswissens sind.20 Humankapital kann über Bildungsstatistiken erhoben werden, die aber nur das theore17
Man unterscheidet absolute Größen, wie z. B. das F&E-Budget bzw. jährliche F&E-Ausgaben oder relativen Größen, wie z. B. die F&E-Intensität. Vgl. Stephan (2003), S. 175. 18 Vgl. Kleinknecht (1987). 19 Es wird die absolute bzw. relative Mitarbeiterzahl gemessen, die für Forschungs- und Entwicklungsarbeit zuständig ist. Vgl. Flor/Oltra (2004). 20 Vgl. Stephan (2003), S. 177.
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tische Wissen der Mitarbeiter abbilden. Eine vollständige und wertungsfreie Erfassung ihres Erfahrungswissens ist nicht möglich, weshalb dieser Indikator den subjektiven Bewertungsmethoden zugeordnet wird. Die Messung von Humankapital stellt für junge technologieorientierte Unternehmen, die keine formelle F&E-Abteilung besitzen, einen besseren Indikator dar. Allerdings sind in kleinen Unternehmen häufig viele freie Mitarbeiter tätig, die vom Unternehmen offiziell nicht mit aufgeführt werden und damit auch nicht erfasst werden können. Aus diesem Grunde wird auch von diesem Indikator abgeraten.
3.3 Expertenbewertung Bei diesem Indikator werden Experten einer Branche gebeten, sektorspezifische Fähigkeiten des Unternehmens sowie die technologische Komplexität seiner Produkte bzw. Dienstleistungen zu beurteilen, um damit auf die technologische Kompetenz zu schließen.21 Diese Methode ist insbesondere für die Erforschung der technologischen Kompetenz junger Technologieunternehmen geeignet, die in durch eine niedrigere Patentierneigung gekennzeichneten Branchen tätig sind. Auf diesem Wege können auch nicht patentierte Inventionen berücksichtigt sowie implizites Wissen bewertet werden. Die Analysen durch Experten zeichnen sich allerdings durch einen stark subjektiven Charakter aus, der die Aussagekraft dieses Indikators einschränkt. Als eine Spezialform der Expertenbewertung gilt der Literatur basierte OutputIndikator (LBOI).22 Der Verwendung des LBOI zur Bestimmung von technologischer Kompetenz liegt die Annahme zugrunde, dass Unternehmen an der Bekanntmachung ihrer neuen Produkte in Handels- bzw. Technik-Magazinen interessiert sind. Da die Darstellung neuer Produkte mit einer kurzen technischen Beschreibung einhergeht, werden auch hier Bewertungen der technologischen Kompetenzen durch Experten möglich.
3.4 Patente Häufig ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte junger Technologieunternehmen mit bedeutenden Erfindungen verbunden. Patente gelten allgemein als 21 22
Vgl. Flor/Oltra (2004), S. 327; Walsh/Linton (2002). Vgl. Acs/Audretsch (1988); Coombs et al. (1996); Santarelli/Piergiovanni (1996).
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das Resultat technisch erfolgreicher F&E-Aktivitäten und als ein Beweis dafür, dass Organisationen neues technologisches Wissen geschaffen haben.23 Sie stellen einen objektiven Maßstab zur Beurteilung von technologischen Positionen dar.24 Die Erteilung von Patenten erfolgt durch unabhängige Patentämter nach festgelegten Attributen, so dass bei der Bewertung der Patentqualität auf subjektive Befunde verzichtet werden kann. Im Gegensatz zu den wenig aussagekräftigen oder nicht vorhandenen Angaben von Unternehmen über ihre F&E-Aufwendungen und Humankapital sind sie nach ihrer Offenlegung über Datenbanken leicht verfügbar.25 Sie repräsentieren zwar in erster Linie kodifiziertes Wissen, da aber jede Form von Wissen technologischen Lernprozessen entsprungen ist, werden auch andere Wissensbestandteile, wie z. B. das für die technologische Kompetenz so entscheidende Erfahrungswissen, indirekt beschrieben.26 Es muss einschränkend erwähnt werden, dass Patente nicht das gesamte Repertoire der F&E-Aktivitäten von Unternehmen erfassen. Sie reflektieren nur jene Bestandteile des technologischen Fortschritts, die zu wirtschaftlichen Wachstum führen sollen.27 Die Aussagefähigkeit von Patenten wird ferner davon geschmälert, dass zum einen nicht alle patentierfähigen Neuerungen auch tatsächlich zum Patent angemeldet werden. Die Neigung zur Patentanmeldung hängt von der Schutzwirkung von Patenten und dem bestehenden Imitationsrisiko in der jeweiligen Branche ab.28 Zum anderen sind nicht alle technologischen Neuerungen patentierbar, wie es z. B. bei der Grundlagenforschung der Fall ist. Inputfaktoren stellen zwar eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für den Erfolg der Entwicklung überragender Technologien dar. Ein hoher Ressourceneinsatz symbolisiert nicht unbedingt erfolgreiche Innovationsaktivität, da der Innovationsprozess von Ineffizienzen bestimmt sein kann.29 Auch verbleibt der Level an technologischer Komplexität der produzierten Produkte, der technologische Kompetenz anzeigt, oftmals im Verborgenen. Angesichts der Mängel der Inputfaktoren wird empfohlen, die technologische Kompetenz über eine direkte Messung des Outputs durchzuführen. Da die über subjektive Messverfahren ermittelten Ergebnisse von Werturteilen der Betrachter verzerrt sind, werden objektive Messverfahren befürwortet. Unter 23
Vgl. Ernst (1998). Vgl. Griliches (1990); Patel/Pavitt (1997). 25 Vgl. Ernst (1998). 26 Vgl. Stephan (2003), S. 178. 27 Vgl. Griliches (1990), S. 1669. 28 Vgl. Stephan (2003), S. 179. 29 Vgl. Flor/Oltra (2004). 24
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der Annahme, dass Unternehmen das Schutzrecht Patent auch zur Absicherung ihrer technologischen Wettbewerbsvorteile nutzen, stellen Patente eine geeignete Informationsquelle für die Generierung objektiver Messdaten dar. Es wird davon ausgegangen, dass dies gerade bei jungen Technologie-unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Verwertung technologischer Innovationen basiert, der Fall ist. Um sich am Markt etablieren und behaupten zu können, müssen vor allem junge Technologieunternehmen ihre Technologien durch Patente schützen.30 Die Nachteile der Patente können bei Konzentration der Untersuchung auf Branchen, bei denen die Patentierneigung hoch ist, ausgeblendet werden (z. B. in der Biotechnologie und Medizintechnik).
4 Patentanalyse Patente üben neben ihrer Schutzfunktion zum Zwecke der optimalen Verwertung technologischen Wissens eine im Bewusstsein der Öffentlichkeit zunehmend stärker werdende Informationsfunktion aus. Die Generierung von Patentkennzahlen sowie die Zuordnung von Patenten zu unterschiedlichen Analyseobjekten, wie z. B. strategischen Geschäftseinheiten, Produkten und Technologiefeldern, ermöglicht zahlreiche detaillierte Auswertungen.31
4.1 Patentkennzahlen Seitdem die Benutzerfreundlichkeit von Patentdatenbanken zugenommen hat, wurde in der Literatur eine Vielzahl von Patentkennzahlen entwickelt. Die Aussagefähigkeit dieser Kennzahlen unterscheidet sich allerdings stark. Man differenziert beispielsweise zwischen Aktivitäts- und Qualitätskennzahlen.32 Die Aktivität kann z. B. über Patentanmeldungen gemessen werden. Sie spiegelt die Auffassung des Patentanmelders wider, eine als schützenswert angesehene Invention erfolgreich vermarkten zu können. Bei Aktivitätskennzahlen werden Patente jedoch nicht nach ihrer Qualität beurteilt. Mehrere empirische Studien konnten zeigen, dass die Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Patenten groß sein können.33 Aus diesem Grunde wurden auch Qualitätskennzahlen entwickelt. Die Patentqualität kann z. B. technologisch über die erteil30
Vgl. Spero (1990), S. 58. Vgl. Ernst (1998). 32 Vgl. Ernst (1996), S. 37. 33 Vgl. Griliches (1990), S. 1666. 31
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ten Patente sowie ökonomisch über die Patentlaufzeit, Auslandsanmeldungen sowie über Patentzitate erfasst werden.34 Qualitätskennzahlen ermöglichen die Realisierung effektiverer Untersuchungen.
4.2 Patentportfolios Bei der Einteilung von Patentdaten in Technologiefelder können zweidimensionale Patentportfolios erstellt werden, die die Patentposition eines Unternehmens im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern über die einbezogenen Technologiefelder darstellen (siehe Abbildung 3).35 Die Abszisse des Portfolios stellt die relative Patentposition eines Unternehmens dar. Hier wird die Menge der Patente eines Unternehmens in Relation zu der Patentanzahl seines aktivsten Wettbewerbers in einem bestimmten Technologiefeld gesetzt. Die Ordinate zeigt die Attraktivität der in die Bewertung einbezogenen Technologien an. Dabei handelt es sich um die relative Wichtigkeit des betrachteten Technologiefeldes, gemessen an den erteilten Patenten in allen Technologiefeldern. Die Größe des Technologiefeldes reflektiert die relative Anzahl an Patenten in einem Technologiefeld im Verhältnis zu allen Patenterteilungen des Unternehmens und gibt damit die Bedeutung an, die die einzelnen Technologiefelder für das Unternehmen haben. Je größer das einzelne Technologiefeld, desto bedeutender ist dieses für das Unternehmen.
34 35
Vgl. Ernst (1996), S. 271. Vgl. Brockhoff (1992), S. 41.
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Technologieattraktivität hoch
mittel
niedrig
schwach
mittel
stark
Relative Patentposition
Abb. 3:
Beispiel für ein Patentportfolio
Quelle:
Ernst (2003).
Durch den Vergleich der Positionen von Unternehmen in einem bestimmten Technologiefeld ermöglichen Patentportfolios die Identifikation von überlegenem technologischem Wissen. Ein qualitativ hochwertiges Patentportfolio symbolisiert höhere technologische Kompetenz. Der Aufbau und die Aufrechterhaltung von Wissen in relevanten Technologiefeldern und eventuell einhergehende Anpassungen des Patentportfolios an technologische Trends erfordern technologische Fähigkeiten und Knowhow. Ernst (1998) konnte mit empirischen Untersuchungen in der Branche der Elektroindustrie zeigen, dass Unternehmen, die einen relativ hohen Anteil ihrer F&EAufwändungen in die Forschung investierten, ein höherwertiges Patentportfolio vorwiesen als Unternehmen, die im Verhältnis dazu mehr in die Entwicklung investierten.36 Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass das alleinige Zählen von Patenten, auch wenn diese nach Technologiefeldern kategorisiert werden, nicht zwischen tech-
36
Vgl. Ernst (1998).
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nologischem und ökonomischem Gehalt der Patente unterscheidet.37 Daher sollten die bereits angesprochenen Maße für die Patentqualität (Patenterteilungen, Patentzitate, internationale Patentanmeldungen) in dieses Untersuchungsinstrument integriert werden. Es gibt zahlreiche empirische Studien, die belegen, dass lediglich qualitativ hochwertige Patente und somit auch nur ein qualitativ hochwertiges Patentportfolio einen nachweislichen Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens besitzen.38 Unternehmen sollten daher weniger Wert auf eine hohe Anzahl an Patentanmeldungen als auf qualitativ hochwertige Patente legen.
4.3 Diskussion Direkte Indikatoren für die Messung der Dimensionen der technologischen Kompetenz (Breite und Tiefe) sind nicht verfügbar. Ein Rückgriff auf Näherungsgrößen, die aus Patentdaten gebildet werden, ist allerdings möglich. Dies stellt einen großen Vorteil der Patentanalyse im Vergleich zu anderen Messverfahren dar. Ein einfaches Diversifikationsmaß ist z. B. die Anzahl der Patentklassen, in denen ein Unternehmen tätig ist. Die Technologiebereiche sollten zuvor gewichtet werden, damit ihre relative Bedeutung mit berücksichtigt wird. Unternehmen, die ihre technologischen Aktivitäten gleichmäßig auf die Technologiebereiche in einem relativ kleinen Patentportfolio verteilt haben, sind danach stärker diversifiziert als Unternehmen mit einem großen Portfolio aber gleichzeitig einseitiger Konzentration der Aktivitäten auf wenige Technologiebereiche.39 Die Tiefe der technologischen Kompetenz kann über die relative Patentposition des Unternehmens in den einzelnen Technologiefeldern gemessen werden. Wissenschaftler, die sich mit der Messung von technologischer Breite und Tiefe beschäftigt haben, schreiben der Diversifikation einen durchweg positiven Beitrag auf die Verbesserung der technologischen Kompetenz zu.40 Granstrand et al. (1997) merken z. B. an, dass Unternehmen, die neue aus technologischen Durchbrüchen stammende Trends erforschen und kommerziell nutzen wollen, Wissen aufbauen sollten, das sich außerhalb ihrer technologischen Kernkompetenz befindet.41 Gambardella und Torrisi (1998) zeigen empirisch, dass der Erfolg eines Unternehmens in positivem Zu37
Vgl. Brockhoff (1992), S. 48. Vgl. Austin (1993) ; Ernst (1996); Lerner (1994); Shane (2001). 39 Vgl. Stephan (2003), S. 190. 40 Vgl. Granstrand et al. (1997), S. 21; Stephan (2003); Granstrand/Sjölander (1990); Fai (2003). 41 Vgl. Granstrand et al. (1997), S. 8. 38
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sammenhang mit der Breite seiner technologischen Basis steht. Der positive Einfluss technologischer Breite auf den Erfolg begründet sich darin, dass die Entwicklung neuer Kompetenzen die strategischen Optionen eines Unternehmens erweitert, so dass neue Märkte oder Konsumenten erschlossen werden können.42 Es wird daher angenommen, dass die Dimension der technologischen Breite einen größeren Beitrag zur Verbesserung der technologischen Kompetenz leisten kann. Diese Aussage muss allerdings noch empirisch untersucht werden. Die zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zur Breite technologischer Kompetenz entstammen ausnahmslos Studien über die technologische Diversifikation von Großunternehmen. Die meisten großen Unternehmen sammeln über ihre Kernkompetenzen hinaus Erfahrungen auf mehreren Technologiefeldern.43 Der Effekt der ansteigenden technologischen Diversifikation intensiviert sich noch mit zunehmendem Alter der Organisation. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Entwicklung auch bei jungen und noch relativ kleinen Unternehmen, denen weniger Ressourcen für die Erforschung neuer Technologiefelder zur Verfügung stehen, beobachtet werden kann. George und Zheng haben Breite und Tiefe von technologischer Kompetenz bei jungen Technologieunternehmen in der Biotechnologie untersucht.44 Das Ergebnis ihrer Studie ist, dass junge Unternehmen aufgrund ihrer beschränkten Ressourcenbasis zwischen Erweiterung bzw. Vertiefung ihrer Wissensbasis wählen müssen. Allerdings ist ein Muster zu erkennen: Wenn Unternehmen entstehen, konzentrieren sie sich noch vollkommen auf die Vertiefung ihrer technologischen Stärke, die auch Grundlage für die Gründung des Unternehmens war. Mit wachsender Erfahrung forschen Organisationen effektiver und effizienter, was es ihnen ermöglicht, mit neuen Fähigkeiten zu experimentieren und ihre technologischen Kompetenzen zu erweitern.
42
Vgl. Zahra et al. (1999), S. 17. Die technologische Diversifikation großer Unternehmen reflektiert die komplexe und vielschichtige Natur ihrer Produkte und Produktionsmethoden, die das Erforschen von Wissen und die Ansammlung von Kompetenz in den unterschiedlichsten Technologiefeldern erforderlich macht. Vgl. Patel/Pavitt (1997), S. 141 und 144. 44 Vgl. für den restlichen Absatz George/Zheng (2004), S. C1 f. 43
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5 Fazit In diesem Beitrag wurde auf die Bedeutung des Konstrukts der technologischen Kompetenz für junge Technologieunternehmen eingegangen. Aus der Definition ergibt sich, dass Kompetenz ein latentes Gebilde ist, das man am besten mit dem Erfahrungswissen in der Anwendung und der Akkumulation von Technologien erklären kann und das bisher nicht darstellbar ist.45 Keine der vorgeschlagenen Messgrößen kann technologische Kompetenz vollständig erfassen. Aufgrund der überwiegenden Nachteile Input basierter Indikatoren bei der Messung technologischer Kompetenz junger Unternehmen wird eine Bewertung mit Hilfe von Patentkennzahlen empfohlen. Patentinformationen sollten dabei allerdings nicht nur bezogen auf den jeweiligen Einzelfall analysiert werden, sondern in Relation zu anderen Unternehmen gesetzt werden. Es bietet sich die Bildung eines Patentportfolios mit Hilfe qualitativer Patentkennzahlen an. Technologisch kompetente Unternehmen zeichnen sich im Vergleich zu ihren Wettbewerbern dadurch aus, in den für die jeweilige Branche entscheidenden Technologiefeldern breit aufgestellt zu sein. Zusätzlich können mit Patentdaten die Dimensionen der technologischen Kompetenz ermittelt werden. Empirische Untersuchungen dazu stehen allerdings noch aus.
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45
Vgl. Stephan (2004), S. 174.
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Die Lead User-Methode zur Integration von Kunden in den Neuproduktentwicklungsprozess – Ein Instrument für Spin-Offs aus Hochschulen? Rainer Harms & Erich J. Schwarz
Inhaltsverzeichnis 1 2 3
Einleitung ............................................................................................................ 126 Anforderungen an den Neuproduktentwicklungsprozess von Spin-Offs............ 127 Mitwirkung von Kunden im Neuproduktentwicklungsprozess .......................... 129 3.1 3.2
4 5
Open Innovation: Eine Notwendigkeit für Spin-Offs? ........................................... 129 Die Anwendung der Lead User-Methode durch Spin-Offs .................................... 131
Herausforderungen .............................................................................................. 136 Literaturverzeichnis............................................................................................. 138
Abstract Die frühe Integration innovativer Kunden in den Neuproduktentwicklungsprozess ist eine viel diskutierte Möglichkeit zur Gestaltung eines effektiven und effizienten Innovationsmanagements. Insbesondere für Spin-Offs aus Hochschulen, die über geringe finanzielle Mittel verfügen und wenige Informationen über Kundenwünsche haben, ist eine frühe Kundenintegration sinnvoll. Die Lead User-Methode ist ein Prozess, in dem innovative Kunden gemeinsam mit einem Hersteller neuartige Produktkonzepte entwickeln. In diesem Beitrag wird diskutiert, in wie weit die Lead User-Methode auch von Spin-Offs angewendet werden kann.
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1 Einleitung Die Bedeutung neuen Wissens für Wachstum und Strukturwandel einer Volkswirtschaft ist unumstritten. Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen leisten hier einen wesentlichen Beitrag.1 Um diese positiven Effekte zu erzielen, reicht es allerdings nicht aus, ausschließlich Grundlagenforschung zu betreiben. Vielmehr müssen Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte bzw. Dienstleistungen umgesetzt werden. Bei der Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen spielen SpinOffs eine bedeutende Rolle. Spin-Offs sind Unternehmensgründungen auf Basis einer Technologie aus der Hochschule, bei denen Wissenschaftler die Hochschule verlassen2, um selbständig tätig zu werden. Spin-Offs sind in der Regel technologieorientierte Gründungen3, die mit hoher technischer Unsicherheit und hoher Marktunsicherheit konfrontiert sind. Das führt dazu, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit von Spin-Offs eher gering ist. So berichtet Shane4, dass von 50 aller zwischen 1980 und 1996 am MIT gegründeten Spin-Offs im Jahre 1997 nur 17 bereits ein Produkt auf dem Markt bzw. in klinischen Tests hatten. Der Markterfolg innovativer Produkt von Spin-Offs dürfte im Vergleich zu Neuprodukten etablierter Unternehmen noch einmal geringer sein.5 Daher sollte der Schritt von Forschungsergebnissen zu marktfähigen Produkten (Neuproduktentwicklungsprozess) so gestaltet werden, dass die Wahrscheinlichkeit des Innovationserfolgs und damit letztlich des Spin-Offs selbst erhöht wird. Weil Ergebnisse aus der universitären Forschung in der Regel noch einen hohen Weiterentwicklungsbedarf haben, bevor sie kommerziell nutzbar sind, sind Techniken zur Gewinnung von kundenbezogenen Informationen (Informationen über Kundenwünsche und über bereits von Kunden realisierte Lösungen) für den Neuproduktentwicklungsprozess von Interesse. In der gewerblichen Wirtschaft wird mit der Lead User-Methode eine Technik für die Gewinnung von bedürfnis- und lösungsbezogenem Wissen angewendet. In diesem Beitrag wird diskutiert, in wie weit die Lead User-Methode auch von Spin-Offs, die im
1 2 3 4 5
Vgl. Brockhoff (1999), S. 80ff. Vgl. Riesenhuber et al. (2006), Zahn et al. (2003). Vgl. Steinle/Schumann (2003). Vgl. Shane (2004), S. 190-91. Vgl. Crawford (1987), Berggren /Nacher (2001)
DIE LEAD USER-METHODE ZUR INTEGRATION VON KUNDEN
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Vergleich zu etablierten Unternehmen noch nicht über Kundenbeziehungen verfügen, genutzt werden kann.
2 Anforderungen an den Neuproduktentwicklungsprozess von Spin-Offs Forschungsergebnisse können insbesondere durch Verkauf, durch Lizenzierung an externe Partner und durch Spin-Offs wirtschaftlich genutzt werden. Technologien in einem frühen Entwicklungsstadium sind jedoch in der Regel noch nicht an externe Partner lizenzierbar.6 Wenn eine solche Technologie kommerzialisiert werden soll, besteht die Möglichkeit, dass die beteiligten Forscher ein Spin-Off gründen, in dem die Technologie zum Produkt weiterentwickelt und vermarktet wird. Da die (Grundlagen-)Forschung häufig keinen konkreten Anwendungsbezug hat, müssen die Ergebnisse erst durch einen Neuproduktentwicklungsprozess in marktfähige Produkte transformiert werden. Dieser Prozess ist recht zeitaufwändig.7 Brockhoff führt beispielsweise an, dass Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung erst nach 25 Jahren in Produkte umgesetzt werden8, und Shane ermittelt, dass die Ergebnisse universitärer Forschung im Schnitt erst vier Jahre nach der Spin-Off-Gründung in den Markt gelangen.9 Im Neuproduktentwicklungsprozess müssen eine Reihe von Aspekten bearbeitet werden, um den Anforderungen zukünftiger Kunden Rechnung zu tragen. Shane thematisiert beispielsweise (a) das Finden und Verbessern von Produkteigenschaften, (b) die Verbesserung der Reliabilität, und (c) die Verbesserung der Bedienbarkeit.10 Finden und Verbessern von Produkteigenschaften: Neue Technologien haben in der Regel einen geringeren Wirkungsgrad als etablierte Technologien. Dem Konzept der technologischen S-Kurve nach kann eine Weiterentwicklung der neuen Technologie aber zu höheren Grenzerträgen führen als die Weiterentwicklung der alten Technologie. So kann die neue Technologie ein höheres absolutes Leistungsniveau11 und ein besseres Preis-Leistungsverhältnis als die alte Technologie erreichen. Daher ist eine
6
Vgl. Shane (2004), S. 113. Vgl. Brockhoff (1999), S. 48ff. 8 Vgl. Brockhoff (1999), S. 54. 9 Vgl. Shane (2004), S. 186. 10 Vgl. Shane (2004). 11 Vgl. Brockhoff (1999), S. 185 ff. 7
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der Aufgaben im Neuproduktentwicklungsprozess, die Leistungsfähigkeit der Kerntechnologie des Spin-Offs zu steigern. Neben dem technischen Wirkungsgrad sind für eine erfolgreiche Kommerzialisierung weitere Leistungsmerkmale nötig, die für die Forschung selbst wenig relevant sind. Produktionskosten, Gewicht, Größe, Wartbarkeit und ähnliches sind Aspekte, die zwar für den Kunden relevant sein können, in der (Grundlagen-) Forschung jedoch kaum Beachtung finden. Verbesserung der Reliabilität: Die Bedingungen, die in universitären Labors herrschen, können sich grundlegend von den Einsatzbedingungen in der Industrie unterscheiden. Dort werden in der Regel längere ausfallsichere Einsatzzeiten gefordert, die Umgebungen sind häufig durch Verunreinigungen belastet, und das Personal wird nicht so qualifiziert und flexibel sein wie in der Forschung. Shane illustriert dies mit der Aussage eines MIT-Gründers. „When you bring this technology to market, you don’t have five graduate students around tweaking the instruments. When you sell them, they have to live on their own and operate on their own in a nasty environment that requires it to operate 24 hours a day, 7 days a week. In the lab, you can have a graduate student stay up till four in the morning tweaking things until they work, but in a real application, you don’t have that kind of time.“12 Die Reliabilität eines technischen Produkts hängt von den physikalischen Einsatzbedingungen wie Temperatur, Staub, Druck, Vibrationen und von der Art der Endnutzer wie Experten, ungelerntes Personal oder Privatkunden ab. Um ein Produkt ausfallsicher zu konstruieren, sind daher Kenntnisse über die Einsatzbedingungen beim Endkunden nötig. Verbesserung der Bedienbarkeit: In der Wirtschaft werden Produkte nicht von Forschern, sondern von Nutzern verwendet.13 Daher wird es nötig sein, die Bedienbarkeit zu vereinfachen. Bereits Rogers formuliert, dass Produktmerkmale wie hohe Kompatibilität, geringe Komplexität, Erprobbarkeit und Kommunizierbarkeit die Entscheidung für die Adoption einer Innovation erleichtern.14 So müssen beispielsweise 12
Shane (2004), S. 194-95. Vgl. auch im Folgenden Shane (2004), S. 197ff. 14 Vgl. Rogers (1983). 13
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de-facto und de-jure Branchenstandards berücksichtigt werden, die auch bei Zertifizierungen der Produktsicherheit eine große Rolle spielen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Bedienbarkeit ist die Produktdokumentation, denn ohne diese werden Anwender Schwierigkeiten im Umgang mit der Technologie haben.
3 Mitwirkung von Kunden im Neuproduktentwicklungsprozess 3.1 Open Innovation: Eine Notwendigkeit für Spin-Offs? Dem bislang dominanten Paradigma der Neuproduktentwicklung, dem „ManufacturerActive Paradigm“ (künftig: MAP), nach geht die Initiative zur Innovation von Herstellern aus, die versuchen, manifeste und latente Bedürfnisse von Kunden zu identifizieren und anschließend danach trachten, durch Innovationen die Wünsche der Kunden zu befriedigen. Durch Trial-und-Error wird die Innovation immer weiter an die Kundenbedürfnisse angenähert. Dieser Prozess ist zeitintensiv, und weist hohe Flopraten auf. Von Hippel propagiert im Gegensatz zum MAP das „Customer-Active Paradigm“ (künftig: CAP), in dem fortschrittliche Kunden Initiatoren des Innovationsprozesses sind. Im Rahmen des CAP entwickeln Kunden selbst eine funktionsfähige Problemlösung, die von einem Hersteller aufgegriffen und für einen breiten Markt kommerzialisiert wird.15 Ein Unternehmen braucht sich jedoch nicht auf die Suche nach bereits funktionsfähigen Nutzerinnovationen zu beschränken, um das kreative Potenzial von innovativen Kunden nutzbar zu machen. Im Open Innovation-Ansatz werden innovative Kunden durch Techniken wie beispielsweise der Lead User-Methode (vgl. Abschnitt 3.2) in den Neuproduktentwicklungsprozess eingebunden, um gemeinsam mit dem Unternehmen neuartige Problemlösungen zu entwickeln16. Dabei liefern Kunden bedürfnisbezogene Informationen und lösungsbezogene Informationen wie Ideen, Skizzen oder Prototypen, die aufgegriffen und gemeinsam zu einem Endprodukt weiterentwickelt werden.17 Anwendungsbeispiele bei Konsumgütern18 und Investitionsgütern19 zeigen,
15
Vgl. Reichwald/Piller (2006), S. 123. Vgl. Reichwald/Piller (2006), S. 131f. 17 von Hippel (1988). 18 Vgl. Lilien et al. (2002) am Beispiel von 3M. 19 Vgl. Herstatt/von Hippel (1992) am Beispiel von Hilti. 16
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dass sich durch eine frühe Integration von Kunden in den Neuproduktentwicklungsprozess Zeit und Kosten sparen lassen und dass die Produktakzeptanz erhöht wird. In bisherigen Beispielen zur Kundenintegration waren die Adressaten auf der Herstellerseite bereits etablierte Unternehmen. Fraglich ist jedoch, ob eine frühe Kundenintegration auch von Startups, insbesondere von Spin-Offs, angewendet werden kann. Im Vergleich zu etablierten Unternehmen weisen Spin-Offs einige Besonderheiten auf. Wie junge Unternehmen allgemein sind viele Spin-Offs klein und ressourcenschwach.20 Sie werden häufig von Forschern oder Forschergruppen gegründet. Deren Spezialisierung bringt mit sich, dass das Ausmaß und die Qualität der Praxiskontakte als ausbaufähig eingeschätzt werden.21 Zudem haben Spin-Offs direkt nach der Gründung häufig noch keine Kunden. Die den Spin-Offs zugrunde liegende Geschäftsidee zeichnet sich meist durch einen hohen Innovationsgrad und eine geringe technologische Reife aus.22 Aus diesen Eigenschaften leitet sich die Notwendigkeit einer frühen Kundenintegration ab. Wegen der geringen technologischen Reife muss die Kerntechnologie von SpinOffs häufig weiterentwickelt werden. Dabei führt die Ressourcenschwäche dazu, dass Fehlentwicklungen weitgehend vermieden werden sollten. Weil im Vergleich zu etablierten Unternehmen das Verständnis für die Probleme der Praxis häufig mangelhaft ist, müssen Informationen von potenziellen Kunden erst beschafft werden. Shane illustriert den Bedarf von Spin-Offs an kundenorientierten Informationen am Beispiel der Aussage eines MIT-Gründers. „We had a technology in search of a market. We thought we had some neat technology. We had some patents to cover that technology. And we had only a vague idea about what specific needs were out there that this technology could fulfill.“23 Dass Spin-Offs häufig nur eine „vage Idee“ über die Kundenwünsche haben, unterstreicht die Notwendigkeit, Kunden bereits frühzeitig in den Neuproduktentwicklungsprozess zu integrieren. Bedürfnis- und lösungsbezogene Informationen von Kundenseite können beim Finden und Verbessern von Produkteigenschaften, beim Verbessern der Reliabilität und der Bedienbarkeit genutzt werden. Diese Informationen sind 20
Vgl. Helm/Mauroner (2004), S. 15f. Vgl. Helm/Mauroner (2004), S. 10. 22 BMBW (2002). 23 Shane, 2004, S. 204. 21
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dem Spin-Off in der Regel nicht direkt zugänglich, umso weniger, je geringer der Praxisbezug der Gründer ist. Daher sind kostengünstige Instrumente, die Spin-Offs früh mit relevanten Kundenwünschen und Kundenlösungen in Kontakt bringen, von Interesse für diese Unternehmen.
3.2 Die Anwendung der Lead User-Methode durch Spin-Offs Eine Möglichkeit, frühzeitig an relevante Kundeninformationen zu gelangen, ist die Lead User (künftig: LU) -Methode. LU sind Nutzer, (a) die bereits heute ein Bedürfnis haben, das der Großteil der potenziellen Nutzer erst in Zukunft haben wird, und (b) die von einer Lösung dieses Problems einen signifikanten Vorteil haben.24 Aus (a) folgt, dass der Markt für die Lösung des Problems in Zukunft eine gewisse Größe haben kann. Aus (b) folgt, dass sich diese Unternehmen bereits intensiv mit diesem Problembereich auseinandergesetzt und dort Kompetenzen aufgebaut haben. Einem engeren Begriffsverständnis nach haben LU bereits ein ausgereiftes Produktkonzept, welches sie gemeinsam mit einem Hersteller vermarkten (beispielsweise bei Waveboards, www.surftech.com) oder unter Umgehung etablierter Hersteller produzieren lassen (beispielsweise beim Kitesurfing). Wir folgen hier einer weiteren Definition, nach der LU durch die bei Urban und von Hippel genannten Elemente gekennzeichnet sind. Die Lead User-Methode25 ist ein vierstufiger Prozess in dessen Verlauf Trends (1) und LU (2) identifiziert werden. Gemeinsam mit dem Hersteller werden innovative Produktkonzepte erarbeitet (3), die abschließend an repräsentativen Kunden getestet werden (4). Bei der Beschreibung dieses Prozesses wird diskutiert, in wie weit diese Methode für Spin-Offs geeignet ist. Der LU-Prozess 1: Identifikation von Trends Der erste Schritt des LU-Prozesses ist die Identifikation von Trends, d. h. von langfristig in die Zukunft gerichteten Entwicklungslinien eines Marktes. Wenn ein neues Produkt einen Trend aufgreift, kann es in Zukunft mit einem steigenden Marktpotenzial rechnen. Der Initiator des LU-Prozesses wählt zur Identifikation von Trends Personen aus, die am Markt eine Expertenrolle einnehmen. Aus Gesprächen mit diesen Personen
24 25
In Anlehnung an Urban/von Hippel (1988). Vgl. Lüthje (2000), Lüthje/Herstatt (2004).
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werden Branchentrends ermittelt. Beispielsweise wurden als Experten im Markt „Befestigungssysteme von Versorgungsleitungen“ Architekten und Gebäudemanager als Experten befragt, die als Trends die leichte Kombinierbarkeit von Systemkomponenten, die Sicherheit und die Verwendung leichter, belastbarer Materialien identifizierten.26 Auf den ersten Blick scheint es problematisch zu sein, hochinnovative Technologien einem Trend zuzuordnen, denn häufig können solche Technologien (wie beispielsweise im Bereich der Informationstechnologien, Nanotechnologie oder Gentechnologie) einen Trend erst kreieren. Auf einer abstrakten Begriffsebene ist es jedoch möglich, Beziehungen zu Trends wie Miniaturisierung, Modularisierung, Kombinierung (etwa von Subsystemen) und anderen herzustellen. Spin-Offs haben gegenüber etablierten Herstellern bei der Identifikation und Nutzung von Trends einige Vorteile. Gründer von Spin-Offs sind häufig gut in Forschungsnetzwerke eingebunden und stehen damit im Dialog mit Kollegen auch außerhalb der Hochschule. Fachkonferenzen, die auch von Praktikern besucht werden, sind ein guter Anknüpfungspunkt. Insbesondere junge Unternehmen sind in der Lage, eine größere Zahl an Trends als Geschäftsmöglichkeit zu nutzen, denn sie sind im Gegensatz zu etablierten Herstellern nicht in Wertschöpfungsnetzwerke eingebunden, die durch Sunk Costs das Suchfeld einengen.27 Zudem können Spin-Offs auch Geschäftsmodelle auf Basis von Nischentrends umsetzen, die wegen des geringeren Umsatzpotenzials für Großunternehmen nicht interessant erscheinen.28 Der LU-Prozess 2: Identifikation von LU In einem zweiten Schritt geht es bei der LU-Methode darum, Nutzer zu finden, die in zentralen Trends eine führende Position einnehmen. Da LU schwerer zu identifizieren sind als Branchenexperten, bietet sich dafür eine Art Schneeballsystem an. Ausgangspunkt sind beispielsweise Kundendatenbanken oder sonstige externe Kontakte, über die fortschrittliche Kunden identifiziert werden. Diese geben weitere Personen an, die ihrer Meinung nach auch zu LU zählen. Dieser Vorgang wird so lange fortgesetzt, bis eine ausreichende Zahl an LU gefunden wurde. Gerade für Spin-Offs ist ein Kontakt zur gewerblichen Wirtschaft wichtig, denn ihre Gründer haben in der Regel einen Forschungs- und kaum einen Anwendungshinter26
Vgl. Herstatt/von Hippel (1992). Vgl. Christensen (1997). 28 Vgl. Christensen (1997). 27
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grund und müssen daher erst Praxiskontakte aufbauen. Weil das Spin-Off in der Regel nicht die Kerntechnologie, sondern ein Bündel von Komponenten bzw. Einzeltechniken als Produkt am Markt anbietet,29 sind Informationen über die Anwendungsumgebung beim Kunden notwendig. Lösungsbezogene Informationen sind vor allem bei Systemkomponenten zu erwarten, denn im Bereich der Kerntechnologie wird das Spin-Off selbst führend sein. Insbesondere wenn die LU über eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung verfügen, ist ein Austausch mit diesen Partnern wertvoll. Zum einen ist dann die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese Unternehmen bereits lösungsbezogene Informationen zur Verfügung stellen können. Zum anderen werden solche Unternehmen auch eher in der Lage sein, die (fortgeschrittene) Technologie des Spin-Offs nachzuvollziehen30 und darauf basierende Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren.31 Betrachten wir zum Beispiel ein Spin-Off, das an einer neuen Technologie des Rapid Prototyping arbeitet. Zur Fertigung von komplexen Prototypen wird neben dem Fertigungsmaterial ein Stützmaterial verwendet, das nachher ausgewaschen werden muss.32 Hat ein Nutzer von Rapid Prototyping-Maschinen ein Verfahren zum Auswaschen des Stützmaterials entwickelt, könnte er dieses in einen LU-Prozess einbringen. Eine solche Nutzerinnovation ist eher wahrscheinlich, wenn der Nutzer selbst über eine F&E-Abteilung verfügt. Zwar werden Spin-Offs als junge Unternehmen in der Regel nicht über Kundendatenbanken verfügen. Allerdings hat ein Spin-Off andere Möglichkeiten, LU zu identifizieren. Erstens sind Forscher im Hochschulsystem in der Regel auch mit Forschern außerhalb der Hochschule vernetzt.33 Zweitens können Spin-Offs Kontakte von Business Angles und Venture Capitalists nutzen, wenn sich diese bei ihnen engagieren. Drittens stehen Spin-Offs in vielen Fällen die materielle und immaterielle Unterstützung durch Inkubatoren zur Verfügung.34
29
Vgl. Riesenhuber et al. (2006). Zur “Absorptive Capacity” vgl. Cohen/Levinthal (1990). 31 Zur “Entrepreneurial Alertness” vgl. Ardichvili et al. (2003). 32 Vgl. Neef et al. (2006). 33 Vgl. Colyvas et al. (2002). 34 Vgl. Schwarz/Harms (2006). 30
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Der LU-Prozess 3: Workshops zur Generierung von Produktkonzepten In einem dritten Schritt werden ausgewählte LU zu LU-Workshops eingeladen, um gemeinsam eine kommerziell umsetzbare Lösung zu erarbeiten, die den vorab identifizierten Trend aufgreift.35 LU-Workshops bieten für Spin-Offs die Möglichkeit, einen intensiven, persönlichen Kontakt mit der Wirtschaft herzustellen. Durch diese Kontakte wird bedürfnis- und lösungsbezogenes Wissen ausgetauscht und universitäre Forscher werden für Lösungsmöglichkeiten und Probleme der Praxis sensibilisiert. Persönliche Kontakte sind besonders deshalb wichtig, weil das Wissen auf Seiten des Spin-Offs, aber auch auf Seiten der Anwender, zum Teil nicht formalisierbar ist.36 Ein bereits früh stattfindender intensiver Austausch zwischen den Partnern könnte einige Iterationen zwischen Innovator und Anwender im Neuproduktentwicklungsprozess zu einem späteren Zeitpunkt ersparen. Eine besondere Chance von LU-Workshops besteht darin, potenzielle Nutzer aus verschiedenen Anwendungsfeldern zu versammeln. Weil sich Informationen und Anregungen aus unterschiedlichen Nutzergruppen kaum überschneiden,37 lassen sich aus solchen Workshops viele nicht-redundante Informationen für die Neuproduktentwicklung gewinnen. Ein weiterer Vorteil eines LU-Workshops im Vergleich mit herkömmlichen Marktforschungsmethoden sind die geringen Kosten.38 Eine Gefahr von LU-Workshops könnte darin liegen, dass die dort entwickelten Produktkonzepte die Kerntechnologie des Spin-Offs nicht benötigen. Es ist nicht unüblich, dass Spin-Offs auf Basis von Technologien gegründet werden, die momentan noch nicht nachgefragt werden. Ein Spin-Off Gründer aus dem MIT beschreibt. „In fact, interesting feedback that we came up with was that we had designed a product that was too advanced. We went to Seagate and the guys there said, ’You know, we’ll need this in five years, but we have this problem today’.“39 Die Wahrscheinlichkeit, dass Produktkonzepte entwickelt werden, die nicht auf der Kerntechnologie des Spin-Offs basieren, kann dadurch verringert werden, dass die Zielsetzung des LU-Workshops die Anwendung der Kerntechnologie zur Vorausset35
Vgl. Herstatt/von Hippel (1992). Vgl. Polanyi/Brühmann (1985). 37 Vgl. Lüthje et al. (2003). 38 Vgl. Herstatt/von Hippel (1992). 39 Shane (2004), S. 212. 36
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zung macht. Auch wenn Produktkonzepte ohne Berücksichtigung der Kerntechnologie gefunden werden, profitiert ein Spin-Off noch von den bedürfnisbezogenen Informationen. Wenn das Spin-Off fähig ist, das aktuelle Kundenproblem zu lösen, bzw. das neue Produktkonzept umzusetzen, können bereits erste Kunden gewonnen werden. Sollten die dafür benötigten Kompetenzen momentan nicht im Unternehmen vorliegen und nicht selbst entwickelt werden können, sind Innovationskooperationen mit Dritten denkbar. Auf jeden Fall erhöht sich durch einen Erstkontakt die Wahrscheinlichkeit, die Kerntechnologie zu einem späteren Zeitpunkt an die Workshopteilnehmer zu vermarkten. Zusätzlich zu den beschriebenen Vorteilen können bedürfnis- und lösungsbezogene Informationen in Bezug auf Subsysteme und Anwendungsumgebungen gewonnen werden, die zur Weiterentwicklung der Kerntechnologie zu einem marktfähigen Produkt benötigt werden. Der LU-Prozess 4: Akzeptanztest bei Normalnutzern Damit ein Leistungsangebot wirtschaftlich tragfähig ist, muss es nicht nur von LU sondern auch von normalen Kunden akzeptiert werden. Um dies herauszufinden, wird eine weitgehend repräsentative Gruppe von Nutzern befragt, ob sie sich für die neuartige Leistung interessieren und ob sie noch Änderungswünsche haben. Bei diesem Schritt muss die Schützbarkeit des Konzepts gewährleistet sein. Basiert das LUKonzept auf der Basis der Technologie des Spin-Offs, wird dieses in der Regel bereits durch Schutzrechte abgesichert sein. Zudem ist es möglich, Geheimhaltungsverpflichtungen einzusetzen. Der Akzeptanztest bei Normalnutzern ist von Spin-Offs relativ problemlos durchzuführen. Akzeptanztests von etablierten Unternehmen zeigen, dass dieser Schritt mit geringem finanziellem und methodischem Aufwand verbunden ist. Am Beispiel von Hilti berichten Herstatt und von Hippel von einem finanziellen Aufwand von circa 4.000$40. Dies liegt deutlich unter den Kosten für eine Testmarkteinführung, und trägt den knappen Ressourcen von Spin-Offs Rechnung.
40
Vgl. Herstatt/von Hippel (1992).
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Probleme der LU-Methode Neben pragmatischen Problemen, die bei den einzelnen Prozess-Schritten auftreten können (fehlerhafte Trendprognose, unvollständige LU-Identifikation, fehlerhafte Durchführung des LU-Workshops und des Akzeptanztests) sind weitere grundsätzliche Probleme zu beachten.41 Durch eine allzu starke Fokussierung auf (wenige) LU kann es zur Entwicklung von Nischenlösungen kommen, die kein nachhaltiges Marktpotenzial bieten. Zudem könnte es Problemen mit der Geheimhaltung und den Verwertungsrechten der in einem LU-Workshop entstandenen Produktkonzepte geben, denn diese sind allen Workshopteilnehmern bzw. einigen Normalnutzer (nach Akzeptanztests) bekannt. Bei etablierten Unternehmen sind innerbetriebliche Widerstände (wie beispielsweise das „not invented here“-Syndrom) zu beachten. Weil Spin-Offs jedoch aufgrund ihrer geringen Größe oft gar nicht in der Lage sind, alle Komponenten selbst zu entwickeln, dürfte dieses Problem in geringerem Maße auftreten.
4 Herausforderungen Die Kundenintegration in den Neuproduktentwicklungsprozess könnte auch für SpinOffs systematisch zum Gründungserfolg beitragen. Diese Vermutung bietet die Grundlage für eine Reihe interessanter Forschungsfragen. Der akademische Hintergrund von Spin-Offs führt dazu, dass Informationen über die Bedürfnisse der Praxis häufig fehlen. Um Produkte nicht an Kundenbedürfnissen vorbei zu entwickeln, müssen sich Spin-Offs daher verstärkt um Praxiskontakte bemühen. Weil eine Technologie im Frühstadium noch flexiblere Entwicklungsmöglichkeiten haben kann als eine ausgereiftere Technologie, sollten diese Kundenkontakte möglichst früh aufgebaut werden. Zudem kann durch eine langfristige Innovationspartnerschaft Vertrauen geschaffen werden, welches die Grundlage für eine Geschäftsbeziehung – dann eventuell mit einem Produkt auf Basis der Kerntechnologie – ist. Proposition 1: Spin-Offs, die Kunden frühzeitig in den Neuproduktentwicklungsprozess einbinden, sind erfolgreicher als Spin-Offs, die dies nicht tun. Nicht nur der Zeitpunkt sondern auch die Qualität der Kundenintegration, wie beispielsweise die allgemeine Netzwerkkompetenz42 und die situationsangepasste, fehler41 42
Vgl. Urban/von Hippel (1988), S. 580f. Vgl. Ritter, zitiert nach Riesenhuber et al. (2006).
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freie Umsetzung von Instrumenten der Kundenintegration, beeinflusst den Erfolg des Innovationsprozesses. So konnte nachgewiesen werden, dass ein gutes Netzwerkmanagement die negative Erfolgswirkung von technologischer Unsicherheit abschwächt. Ebenso wichtig ist die fehlerfreie Umsetzung von Instrumenten zur Kundenintegration. Werden maßgebliche Experten bei der Trendidentifikation vernachlässigt, stehen potenziell interessante LU nicht zur Verfügung, oder wird ein LU-Workshop nicht professionell geleitet, gehen dem Initiator wertvolle Informationen verloren und es kommt zu Fehleinschätzungen. Proposition 2: Je höher die Qualität der Kundenintegration, desto höher wird der Erfolg des Spin-Offs sein. Damit das Spin-Off in der Lage ist, die LU-Produktkonzepte umzusetzen, ist ein hohes Maß an fachlicher Qualifikation nötig, unabhängig davon, ob das LU-Produktkonzept auf der Kerntechnologie des Spin-Offs aufbaut oder nicht. Es ist denkbar, dass Spin-Offs anfänglich Leistungen anbieten, die keinen direkten Bezug zur Kerntechnologie haben. Damit werden erste Umsätze generiert, aus denen beispielsweise die Weiterentwicklung der Kerntechnologie finanziert wird, oder die Zeit überbrückt wird, bis sich ein Kunde für die Kerntechnologie findet. Um solche Andersleistungen anbieten zu können, sollte das Spin-Off in der Lage sein, flexibel auf Kundenwünsche zu reagieren. Sollte das LU-Produktkonzept auf der Kerntechnologie des Spin-Offs aufsetzen, müssen dennoch Anpassungen vorgenommen und der Technologie weitere Komponenten hinzugefügt werden, die durch eine Systemarchitektur mit der Kerntechnologie zu verbinden sind (beispielsweise die Ergänzung der Kerntechnologie durch eine intuitiv zu bedienenden Benutzerschnittstelle). Bei der Neuproduktentwicklung sollte das Spin-Off daher auch Kenntnisse über die Systemarchitektur und die Zusatzkomponenten haben. Dies setzt eine umfangreiche technische Qualifikation voraus. Proposition 3: Je breiter die technische Qualifikation des Gründerteams, desto stärker wird die positive Auswirkung der Kundenintegration auf den Erfolg des SpinOffs sein. Weitere Forschungen zur LU-Methode könnten Vorbedingungen und flankierende Maßnahmen analysieren, deren Berücksichtigung zu einer erfolgreichen Neuproduktentwicklung beitragen kann. Da anzunehmen ist, dass hochschulbasierte Innovationen
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auch in Zukunft eine große Rolle spielen werden, sind vor allem Untersuchungen in Bezug auf diese Spin-Offs von Interesse.
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Technologische Ressourcen und das Wachstum akademischer Spin-Offs Felix Riesenhuber, Michael Auer, Achim Walter & Friedemann Wolf
Inhaltsverzeichnis 1 2
Einleitung ............................................................................................................ 142 Technologische Ressourcen als WachstumsPotenzial akademischer Spin-offs . 144 2.1 2.2 2.3
3 4 5 6 7
Unternehmerische Orientierung und die Entdeckung und Nutzung von Chancen ............................................................................................................... 149 Wachstumsprofile akademischer Spin-offs......................................................... 151 Untersuchungsdesign........................................................................................... 153 Befunde................................................................................................................ 154 Zusammenfassung und Implikationen................................................................. 155 7.1 7.2 7.3
8
Der Wert technologischer Ressourcen.................................................................... 146 Seltenheit und Nicht-Imitierbarkeit technologischer Ressourcen........................... 147 Substituierbarkeit technologischer Ressourcen ...................................................... 148
Implikationen für die Forschungseinrichtung ......................................................... 155 Implikationen für das Management von Spin-offs ................................................. 157 Implikationen für die Forschung............................................................................. 158
Literatur ............................................................................................................... 159
Abstract Ausgründungen sind eine wichtige Form des Technologietransfers aus öffentlichen Forschungseinrichtungen. Zurzeit ist jedoch wenig darüber bekannt, wann eine Technologie als Grundlage einer Unternehmensgründung geeignet ist und unter welchen Bedingungen das kommerzielle Potenzial dieser Technologie realisiert wird. Auf der Grundlage des ressourcenbasierten Ansatzes entwickeln wir einen Bezugsrahmen zur Bewertung der technologischen Ressourcen (TR) eines akademischen Spin-offs. Wir argumentieren, dass die TR das Wachstumspotenzial des Spin-offs bestimmen. Unter Bezugnahme auf Erkenntnisse der Entrepreneurship-Forschung argumentieren wir weiter, dass eine unternehmerische Orientierung (UO) des Spin-offs die Realisierung des kommerziellen Potenzials seiner technologischen Ressourcen fördert. T-Tests einer Stichprobe von 72 akademischen Spin-offs unter sieben Jahren zeigen, dass bei geringer UO keine signifikanten Wachstumsunterschiede zwischen Unternehmen mit TR hoher und geringer Qualität bestehen. Bei hoher UO zeigen Unternehmen mit gering-
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wertigen TR jedoch negatives Wachstum und bei hochwertigen TR positives Wachstum. Dieser Unterschied ist signifikant. Hieraus schließen wir, dass die TR zum einen die Fähigkeit des Spin-offs bestimmen, erfolgreich zu innovieren, zum anderen aber eine hohe UO notwendig ist, um Wachstumschancen der Kerntechnologie des Spinoffs zu erkennen und zu realisieren. Auf der Basis dieser Ergebnisse leiten wir Implikationen für das Management akademischer Spin-offs und für die ausgründende Herkunftsorganisation ab und geben Anregungen für die zukünftige Forschung.
1 Einleitung Im Zuge des Strukturwandels entwickelter Volkswirtschaften hin zu wissensintensiven Ökonomien kommt dem Technologietransfer aus öffentlichen Forschungseinrichtungen eine zentrale Bedeutung in wirtschaftlicher Erneuerung und der Schaffung von Arbeitsplätzen zu.1 Gängige Kanäle des Technologietransfers sind Veröffentlichungen, Beratung, Forschungskooperationen, Ausbildung, Personal-austausch und Lizenzierung.2 Für die regionale wirtschaftliche Entwicklung gilt jedoch der Technologietransfer über Spin-off-Gründungen als besonders wirksam.3 Spin-offs aus Forschungseinrichtungen, auch akademische Spin-offs genannt, sind Unternehmen, die (1) von einem oder mehreren Angestellten einer Forschungseinrichtung gegründet werden und die (2) ihre Kerntechnologie aus dieser Forschungseinrichtung beziehen.4 Zusammen mit Spin-offs aus etablierten High-tech-Unternehmen bilden sie die Mehrheit neuer technologiebasierter Firmen.5 Die Ausgangssituationen von akademischen und privatwirtschaftlichen Spin-offs unterscheiden sich jedoch grundlegend.6 Privatwirtschaftliche Spin-offs werden von industrieerfahrenen Angestellten auf der Grundlage spezieller Branchenkenntnisse gegründet.7 Hiermit verfügen privatwirtschaftliche Spin-offs bei Gründung häufig bereits über ein marktreifes Produkt oder eine entwickelte Technologie und über klare Vorstellungen von Zielmarkt und Kun-
1 2 3 4 5 6 7
Vgl Etzkowitz/Leydesdorf (2002). Vgl. Agrawal (2001). Vgl. Lockett et al. (2003) ; Chrisman et al. (1995); Dorfman (1983). Vgl. Steffensen et al (1999). Vgl. Dahlstrand (1997). Im Folgenden werden akademische Spin-offs und Spin-offs synonym verwendet. Vgl. Garvin (1983).
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denbedürfnissen.8 Bei akademischen Spin-offs sind Technologie und Gründer dagegen von einem Forschungshintergrund geprägt. Hinsichtlich der Eigenschaften der Technologien, die von akademischen Spin-offs kommerzialisiert werden, fand Shane, dass vom MIT an neu gegründete Unternehmen lizenzierte Technologien weniger Bezug zu bestehendem technologischen Wissen und einen stärkeren Grundlagencharakter aufweisen, als an etablierte Unternehmen lizenzierte.9 Andere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass von akademischen Spinoffs lizenzierte Technologien meist kaum über den „Proof of Concept“ hinausgehen und noch umfangreiche Entwicklungsarbeit bis zur Marktreife benötigen.10 Die Entwicklung junger, sehr neuartiger Technologien und die Vermarktung technologiebasierter Produkte sind jedoch mit hohen Unsicherheiten verbunden.11 So ist bei einem Technologietransfer aus öffentlicher Forschung, und speziell bei von Spin-offs typischerweise verfolgten „technology push“-Innovationen zunächst oft unklar, wer von der Technologie am meisten profitiert (Markt) und in welcher Form potentielle Kunden an der Technologie interessiert wären (Produkt).12 Neben diesen technischen Schwierigkeiten stehen dem kommerziellen Erfolg des Spin-offs fehlende Industrieund Managementerfahrung entgegen, und es mangelt akademischen Gründern oft an einer angemessenen Marktorientierung.13 Daher ist es nicht überraschend, wenn Shane in einer Untersuchung der Lizenzeinnahmen des MIT über einen Zeitraum von 10 Jahren feststellt, dass bei vergleichbarer Patenteffektivität Spin-offs mit höherer Wahrscheinlichkeit die Lizenzvereinbarung vorzeitig beenden, mit geringerer Wahrscheinlichkeit die Erfindung bis zur Marktreife entwickeln und die Forschungseinsrichtung durch Spin-offs pro Erfindung weniger Lizenzeinnahmen generiert als durch etablierte Unternehmen.14 Trotzdem gibt es bekannte Beispiele akademischer Spin-offs, wie Genentech, Bose oder Qiagen, die bis heute höchst erfolgreich ihre Kerntechnologie kommerzialisieren und dabei bestehende Industrien grundlegend erneuern oder zur Entstehung neuer Industrien beitragen. Diese Art des Unternehmertums und die einhergehenden dynamischen technologischen Entwicklungen konzentrieren sich oft in bestimmten Regionen, wie z. B. dem 8
Vgl. Christensen/Browner (1996); Garvin (1983). Vgl. Shane (2001a). 10 Vgl. Jensen/Thursby (2001); Colyvas et al.(2002). 11 Vgl. Malhorta et al. (2004). 12 Vgl. Ardichvili et al. (2003), Herstatt/Lettl (2004). 13 Vgl. Meyer (2003); Franklin et al. (2001); Samson/Gurdon (1993). 14 Vgl. Shane (2002). 9
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Silicon Valley und der Route 128 in den USA oder Martinsried bei München. Venkataraman führt diese Konzentration von High-tech-Unternehmertum auf das Zusammenspiel neuer Ideen, unternehmerischer Personen und einer Kultur der Risikobereitschaft und des Wettbewerbs zurück.15 Letztere definiert er als entscheidenden Unterschied zwischen boomenden High-tech Regionen und subventioniertem „low-quality entrepreneurship“. Vor diesem Hintergrund argumentieren wir, dass die Kerntechnologie eines akademischen Spin-offs Wachstumschancen birgt, die Entdeckung und Realisierung dieser Chancen jedoch von seiner unternehmerischen Orientierung (UO) abhängt. Die UO eines akademischen Spin-offs ist bestimmt durch seine Risikoneigung, Proaktivität im Verfolgen unternehmerischer Chancen, Aggressivität im Umgang mit Wettbewerbern, Innovationsstreben und die internen Handlungsfreiräume seiner Mitarbeiter. Die Qualität der technologischen Ressourcen (TR) ergibt sich aus der Werthaltigkeit, der Seltenheit, der Nicht-Imitierbarkeit und der Nicht-Substituierbarkeit der Kerntechnologie des akademischen Spin-offs. Die folgenden Abschnitte führen die skizzierte Argumentation aus. Im nächsten Abschnitt definieren wir zunächst die zentralen Kriterien, welche die Qualität der TR und die Ausprägung der UO des Spin-offs bestimmen. Hierauf aufbauend formulieren wir vier Wachstumsprofile, die wir anschließend an einem Datensatz von 72 akademischen Spin-offs überprüfen. Der Beitrag schließt mit Implikationen der Ergebnisse für Praxis und Forschung.
2 Technologische Ressourcen als WachstumsPotenzial akademischer Spin-offs Zur Beurteilung des WachstumsPotenzials eines akademischen Spin-offs muss seine technologische Wissensbasis von der verfolgten Innovation getrennt werden. Eine Innovation ist eine Idee, eine Methode oder ein Objekt, das von der adoptierenden Einheit als neu wahrgenommen wird.16 Im Falle akademischer Spin-offs ist dies das Produkt oder die Dienstleistung, die es auf dem Markt einführt. Für die Entwicklung des Produkts benötigt das Spin-off technologisches Wissen, d. h. Wissen über UrsacheWirkungs-Zusammenhänge zur Lösung praktischer Probleme.17 Dieses Wissen ist produktspezifisch und muss zum Teil erst noch im Rahmen der Produktentwicklung 15
Vgl. Venkatamaran (2004). Vgl. Rogers (2003), S. 12; für unterschiedliche Innovationen vgl. Hauschildt (2004), S. 4ff. 17 Vgl. Rogers (2003), S. 13; Specht et al (2002), S. 12. 16
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erworben werden. Das Wissen, das zur Gründung des Spin-offs geführt hat, definieren wir als seine Kerntechnologie. Die Kerntechnologie ist eingebettet in die technologische Basis, welche die gesamten technologischen Wissensbestände des Spin-offs umfasst.18 Die technologische Basis kann in expliziter (z. B. Rezepte, Formeln oder Pläne) oder impliziter Form (z. B. Erfahrungswissen im Umgang mit bestimmten Techniken) vorhanden und teilweise durch rechtliche Mechanismen wie Patente oder Urheberrechte geschützt sein.19 Eine einzige Technologie kann unterschiedliche Kundenbedürfnisse auf unterschiedlichen Märkten unterschiedlich gut bedienen.20 Das bedeutet, dass ein akademisches Spin-off mit seiner technologischen Basis unterschiedliche Innovationen verfolgen kann und die Verbindung der Kerntechnologie mit einer geeigneten Marktchance eine zentrale Herausforderung in der Gründungsphase darstellt.21 Ob das akademische Spin-off von seiner technologischen Basis profitieren kann, hängt folglich sowohl von den Eigenschaften der Kerntechnologie als auch von der Innovation ab, für die sie verwendet wird.22 Innovationsmaße23 oder Innovationstypologien und -charakterisierungen24 untersuchen die Anwendung von Technologien und damit das Ergebnis unternehmerischen Handelns. Für die Beurteilung der Ausgangssituation eines akademischen Spin-offs bei noch unbekannten Anwendungen ist es deshalb sinnvoll, die Eigenschaften einer Technologie zu bewerten, die es wahrscheinlicher machen, dass eine geeignete Anwendung bzw. Innovation identifiziert, entwickelt und über einen längeren Zeitraum geschützt werden kann. Der Ressourcenbasierte Ansatz (RBV) liefert hierfür eine nützliche Heuristik. Nach dem RBV ist eine Ressource dann Grundlage eines langfristigen Wettbewerbsvorteils, wenn sie wertvoll, selten, schwer imitierbar und nicht durch strategisch gleichwertige Ressourcen ersetzbar ist, die ihrerseits weder selten noch schwer imitierbar sind.25 Im Folgenden wenden wir diese Kriterien auf die technologische Basis eines akademischen Spin-offs an.
18
Vgl. Roberts (1991). Vgl. Teece (1986). 20 Vgl. Shane (2000); Ardichvili et al. (2003). 21 Vgl. Bond/Houston (2003); Vohora et al. (2004). 22 Vgl. Teece (1986). 23 Z. B. Gatignon et al. (2002); Green et al. (1995). 24 Z. B. Henderson/Clark (1990); Albernathy/Clark (1984); Tushman/Anderson (1986); Tornatzki/ Klein (1982). 25 Vgl. Barney (1991). 19
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2.1 Der Wert technologischer Ressourcen Um Wert zu schaffen, muss die technologische Basis in ein Produkt übersetzbar sein, das spezifische Kundenbedürfnisse bedient. Das heißt, dass (1) das Produkt technisch funktioniert, (2) die Funktion von Kunden geschätzt wird, (3) sich die Kerntechnologie des Spin-offs in dieser Produktfunktion von anderen technologischen Alternativen positiv differenziert und (4) die Technologie von dem Spin-off weiterentwickelt werden kann und damit zukünftige Produktgenerationen ermöglicht. Inwieweit diese Ziele erreicht werden können, wird durch technische und markbezogene Unsicherheiten bestimmt. Je geringer diese Unsicherheiten und je größer das MarktPotenzial möglicher Anwendungen ist, desto höher ist der Wert der Ressource. Die technischen Unsicherheiten beschreiben das Ausmaß, in dem zukünftige Produktdefinitionen, -funktionen und -kosten bei Entwicklungsbeginn nicht vorhersehbar sind.26 Sie wird durch das Entwicklungsstadium der Kerntechnologie bestimmt. Je jünger die Technologie, desto höher sind die mit ihr verbundenen Unsicherheiten in der Produktentwicklung. Technische Unsicherheit verringert sich in dem Maße, in dem die Funktionsprinzipien der Technologie theoretisch verstanden,27 komplementäre Technologien für die Produktentwicklung ex ante klar definierbar sind (Meyer und Roberts 1986)28 und Entwicklungszeit und -kosten klar vorhersagbar sind.29 Marktbezogene Unsicherheiten ergeben sich aus einem Mangel an Informationen über Konkurrenten, potentielle Kunden und Anwendungen der Technologie.30 Der Wettbewerb zwischen Unternehmen spielt sich auf den Ebenen der Anwendung und der Technologie selbst ab. Technologien mit ähnlichen Anwendungen wie die Kerntechnologie des Spin-offs stellen den technischen Leistungsmaßstab dar. Firmen, die solche Technologien beherrschen, sind potentielle Wettbewerber. Auf Ebene des Produktes stellen Technologien, die gegenwärtig in etablierten Produkten im anvisierten Markt genutzt werden, den marktbezogenen Leistungsmaßstab dar. Unternehmen, die diese Produkte herstellen, sind die direkten Wettbewerber. Hiermit erhöhen sich marktbezogene Unsicherheiten in dem Maße, in dem Kunden, Konkurrenten, Konkurrenztechnologien und Leistungskriterien, nach denen die Technologie am Markt beurteilt wird, ex ante nicht klar identifizierbar sind. 26
Vgl. Lynn/Akgün (1998). Vgl. O’Connor et al. (2002); Green et al. (1995). 28 Vgl. Meyer/Roberts (1986). 29 Vgl. Lynn/Akgün (1998). 30 Vgl. Herstatt/Lettl (2004). 27
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Eine grobe Schätzung des MarktPotenzials der Kerntechnologie ergibt sich aus der absehbaren Breite ihrer Anwendbarkeit in Kombination mit dem jeweiligen Marktvolumen der einzelnen Anwendungen. Unsicherheiten stellen eine Hürde bei der Identifikation und Umsetzung geeigneter Verwendungsmöglichkeiten der Kerntechnologie des Spin-offs dar. Je geringer die Unsicherheiten in der Gründungsphase ausgeprägt sind, desto klarer ist die Definition des Geschäftsmodells und desto einfacher gestaltet sich die Kommunikation der Vorzüge der Kerntechnologie an zukünftige Kunden und Investoren. Geringere Unsicherheiten fördern daher die Planung und Durchführung des Aufbaus eines profitablen Geschäfts auf Basis der Kerntechnologie. Längerfristig stellt sich jedoch die Frage, wie lange das Spin-off in der Lage ist, von seiner Innovation zu profitieren. Hiermit beschäftigt sich der folgende Abschnitt.
2.2 Seltenheit und Nicht-Imitierbarkeit technologischer Ressourcen Eine Ressource stellt dann die Grundlage eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils dar, wenn sie selten ist und nicht von beliebig vielen Wettbewerbern genutzt werden kann. Seltenheit wird durch (1) die Verfügbarkeit technologischen Wissens, (2) die Fähigkeit anderer Unternehmen, externes technologisches Wissen aufzunehmen und anzuwenden, und (3) den rechtlichen Schutz der Kerntechnologie des Spin-offs bestimmt. Die Diffusion technologischen Wissens hängt von seiner Form ab. Implizites Wissen wird zwischen Personen durch Sozialisation in einem Prozess der genauen Beobachtung und Nachahmung weitergegeben; dies hemmt eine schnelle Verbreitung. Kodifiziertes Wissen kann dagegen durch Print- oder elektronische Medien zu geringen Kosten weitergegeben werden. Die Kosten der Kodifizierung steigen mit der Komplexität des betreffenden Gegenstandes und mit der Verfügbarkeit eines Codes, der seine effiziente Beschreibung ermöglicht. Über neues Wissen, das in technologischen Durchbrüchen entsteht, verfügt zunächst nur die Gruppe der beteiligten Wissenschaftler, und es existiert kein Code zu seiner effizienten Beschreibung.31 Ebenso wird in langer Forschungsarbeit auf einem bestimmten Themengebiet implizites Expertenwissen gesammelt, das sich nur sehr aufwendig oder gar nicht kodifizieren lässt. Expertenstatus auf einem bestimmten Technologiegebiet und die Beteiligung an technologischen Durchbrüchen der Gründer eines Spin-offs sowie die Verbreitung des Wis-
31
Vgl. Zucker et al. (2002).
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sens hinsichtlich der Kerntechnologie in der Wissenschaft bestimmen damit die Menge und Exklusivität des impliziten technologischen Wissens des Start-ups.32 Auch wenn Wissen hinsichtlich der Kerntechnologie des Spin-offs aus öffentlichen Quellen verfügbar ist (z. B. in Form von wissenschaftlichen Publikationen), ist es nicht für jede Firma gleichsam nützlich. Die „Absorptive Capacity“ beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, Wissen aus externen Quellen aufzunehmen und zu nutzen.33 Abhängig von dem bereits vorhandenen, verwandten Wissen der jeweiligen Firma kann die gleiche Information daher von sehr unterschiedlichem Wert für unterschiedliche Firmen sein. Langfristig bestimmt daher die Leichtigkeit, mit der Konkurrenten Wissen über den praktischen Umgang mit der Kerntechnologie des Spin-offs aus öffentlichen Quellen erlernen können, ihre Seltenheit. Neben diesen natürlichen Schutzmechanismen kann die Seltenheit der Kerntechnologie auch durch rechtliche Schutzmechanismen, wie beispielsweise Patente, gewährleistet werden. Mit Umfang und Durchsetzbarkeit der Patente eines akademische Spinoffs erhöht sich der Aufwand, den Wettbewerber zu ihrer Überwindung betreiben müssen. Dies gewährleistet längerfristige Seltenheit und erhöht die Chancen des Spinoffs, von seiner Kerntechnologie zu profitieren.34 Neben der Gefahr der Imitation des Produktangebotes des Spin-offs durch Übernahme und Verwendung seiner Kerntechnologie durch Konkurrenten, stellt sich auf lange Sicht die Frage, wann die Kerntechnologie durch eine leistungsfähigere Technologie ähnlicher Funktion ersetzt wird. Hiermit beschäftigt sich der folgende Abschnitt.
2.3 Substituierbarkeit technologischer Ressourcen Die Leistungsfähigkeit einer Technologie ist eine “S”- förmige Funktion der kumulierten Investitionen in ihre Weiterentwicklung. In der Nähe ihrer natürlichen Leistungsgrenze nimmt der Grenzertrag weiterer Investitionen in ihre Leistungsfähigkeit stark ab. An diesem Punkt wird sie von einer neuen Technologie in der betreffenden Produktfunktion bzw. Anwendung ersetzt, die zunächst eine geringere Leistungsfähigkeit, aber einen steileren Leistungsanstieg aufweist. Im Zuge dieses Entwicklungszyklusses einer Technologie variiert ihre Wettbewerbsrelevanz; sie entwickelt sich von einer Schrittmachertechnologie über eine Schlüsseltechnologie bis hin zu einer allgemein 32
Vgl. Zucker et al. (2002). Vgl. Cohen/Levinthal (1990). 34 Vgl. Teece (1986); Shane (2001a). 33
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verfügbaren Basistechnologie ohne nennenswerten Einfluss auf die Wettbewerbsposition eines Unternehmens.35 Je bedeutender eine Technologie für die Wettbewerbsposition ist, desto stärker konkurrieren Unternehmen um die Führungsposition auf dem Gebiet dieser Technologie. Dadurch diffundiert das Wissen über ihre Anwendung in der Branche.36 Als Ergebnis durchschreiten auch Branchen Entwicklungsphasen, in denen sich die Natur ihres Wettbewerbs mit den ihnen zugrunde liegenden Technologien verändert.37 Damit stellen sich unterschiedliche Branchen unterschiedlich attraktiv für neue Firmen dar und variieren dementsprechend in ihren Gründungsraten.38 Technologische Entwicklung, Diffusion technologischen Wissens, Natur des Wettbewerbs und der Eintritt neuer Firmen in eine Branche sind damit stark voneinander abhängig bzw. durcheinander bedingt. Die Anzahl der Unternehmen und Forschergruppen, die sich auf dem Technologiegebiet eines Spin-offs engagieren, und die Dynamik, mit der sich ein Technologiegebiet entwickelt, bestimmen daher die Wahrscheinlichkeit einer Substitution der Kerntechnologie auf längere Sicht. Das Zusammenspiel aus Wert, Seltenheit, Substituierbarkeit und Imitierbarkeit bestimmt die Qualität der TR. Wert und Seltenheit erhöhen die Qualität, Substituierbarkeit und Imitierbarkeit vermindern sie dagegen. Eine höhere Qualität der TR schlägt sich in einem höheren WachstumsPotenzial nieder. Unter welchen Bedingungen aus diesen Möglichkeiten eine Realität werden kann, untersucht der folgende Abschnitt.
3 Unternehmerische Orientierung und die Entdeckung und Nutzung von Chancen Unternehmertum wird auf unterschiedlichen Ebenen unter jeweils unterschiedlichen Annahmen und Definitionen untersucht. Volkswirte sehen im Unternehmertum den Motor wirtschaftlicher Entwicklung. Der Unternehmer bewegt sich dabei zwischen der Rolle eines Innovators, der etablierte Marktgleichgewichte durch die Einführung neuer Zweck-Mittel-Beziehungen zerstört und neue Märkte erschafft,39 oder eines Arbitrageurs, der Marktungleichgewichte erkennt, ausnutzt und damit zur Effizienz bestehender Märkte beiträgt.40 Soziologen und Psychologen definieren den Unternehmer häufig 35
Vgl. Erickson et al. (1990). Vgl. Ford/Ryan (1981). 37 Vgl. Anderson/Tushman (1986); Utterback/Albernathy (1975). 38 Vgl. Shane (2001b). 39 Vgl. Schumpeter (1934). 40 Vgl. Kirzner (1997). 36
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als Firmengründer oder -eigentümer und untersuchen die sozialen Umstände und individuellen Charaktereigenschaften und Wahrnehmungen, die Gründungen auslösen oder das Verhalten von Firmengründern bestimmen.41 Die Managementforschung versteht das unternehmerische Verhalten von Organisationen als eine strategische Orientierung oder eine kulturelle Eigenschaft, die das Hervorbringen und Durchsetzen von Innovationen fördert. Sie untersucht die Dimensionen einer unternehmerischen Orientierung, ihre praktischen Konsequenzen und Managementpraktiken, die dieses Verhalten steuern.42 Als übergeordneter Rahmen stellt ein neuerer Ansatz, der sog. „Individual-Opportunity-Nexus“ (ION), die unternehmerische Chance (Opportunity) in den Mittelpunkt und beschäftigt sich mit ihrer Entstehung, Entdeckung und Nutzung durch unternehmerische Personen.43 Dieser Ansatz ist für die Untersuchung akademischer Spin-offs besonders geeignet. Die Technologietransfer-Situation akademischer Spin-offs charakterisiert eine vorhandene Lösung in Form einer Technologie mit noch unbekanntem oder schwach definiertem geeigneten Industrieproblem bzw. Kundennutzen.44 Der ION unterscheidet „schumpeterische“ Chancen, die aus technologischen Entwicklungen entstehen, und „kirznerische“ Chancen, die sich aus dem unterschiedlichen Zugang zu Informationen ergeben. Schumpeterische Chancen beinhalten die Schaffung neuer Mittel-ZweckBeziehungen, die von den gewohnten Verhaltens- oder Verfahrensweisen abweichen und Marktgleichgewichte zerstören.45 Aufgrund ihres Neuigkeitsgehaltes ist ihre Realisierung sowohl mit höheren Risiken und Widerständen als auch mit der Chance auf höhere Wertschöpfung verbunden. Werte werden dann geschaffen, wenn die zu transferierende Technologie mit einem definierten Kundennutzen bzw. Industrieproblem in Verbindung gebracht und in marktreife Produkte überführt werden kann. Eine Technologie außerhalb eines solchen Systems von Mittel-Zweck-Beziehungen schafft keinen Wert. Die Übersetzung roher Technologie in marktfähige Produkte, das heißt die Entwicklung von Mittel-Zweck-Verbindungen, ist mit hohen Unsicherheiten und Barrieren verbunden,46 kann daher nur begrenzt geplant werden und beinhaltet unter Um-
41
Vgl. Mitchell et al. (2002); Birley (1985). Vgl. Stevenson/Jarillo (1990); Covin/Slevin (1991); Zahra (1993); Barringer/Bluedorn (1999). 43 Vgl. Shane (2003) ; Shane/Venkataraman (2000). 44 Vgl. Ardichvili et al. (2003). 45 Vgl. Shane (2003), S. 20. 46 Vgl. Bond/Houston (2003). 42
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ständen viele Fehlschläge.47 Im Zuge der Überwindung dieser Barrieren bewegt sich das Spin-off durch Wachstumsphasen, deren Anfänge jeweils spezifische krisenhafte Ereignisse prägen.48 Die Bewältigung von Krisen und Wachstumsbarrieren setzt das unbedingte Streben des Managements voraus, Marktchancen der Kerntechnologie des Spin-offs zu entdecken und zu verfolgen. Stevenson und Jarillo definieren diese Hartnäckigkeit im Verfolgen von Chancen unabhängig von den gegenwärtig kontrollierten Ressourcen als Wesen des Unternehmertums.49 Im Verfolgen der Chance zeigt der Unternehmer unterschiedliche Verhaltensweisen, die in ihrer Gesamtheit die unternehmerische Orientierung einer Person oder einer Organisation definieren.50 Unter Bezugnahme auf grundlegende Modelle unternehmerischen Verhaltens von Organisationen,51 haben Lumpkin und Dess fünf Merkmale definiert, welche die unternehmerische Orientierung einer Organisation beschreiben:52 Autonomie, Risikobereitschaft, Innovationsneigung, Initiative und Wettbewerbsaggressivität. Die Autonomie beschreibt das Ausmaß, in dem Teams oder Individuen in einer Organisation frei Entscheidungen treffen und Chancen verfolgen können. Die Risikobereitschaft spiegelt sich in der Neigung eines Unternehmens wider, kapitalintensive Projekte mit unsicherem Ausgang zu unterstützen. Die Innovationsneigung bezeichnet die Förderung kreativer Prozesse und Ideen mit dem Ziel der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Die Wettbewerbsaggressivität beschreibt die Neigung, zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition Konkurrenten direkt herauszufordern. Die Initiative definiert sich als das Ausmaß, in dem eine Organisation vor Anderen Neuerungen aufnimmt oder auf dem Markt einführt.
4 Wachstumsprofile akademischer Spin-offs Entsprechend der Annahme, dass eine höhere Qualität der TR bessere Wachstumschancen bietet und eine UO notwendig ist, um diese Chancen der Kerntechnologie zu realisieren, ergeben sich vier hypothetische Wachstumspfade akademischer Spin-offs.
47
Vgl. Lynn et al. (1996). Vgl. Vohora et al. (2004). 49 Vgl. Stevenson/Jarillo (1990). 50 Vgl. Lumpkin/Dess (1996). 51 z. B. Covin/Slevin (1990, 1991); Miller (1983); Miller/Friesen (1978); Mintzberg (1973). 52 Vgl. Lumpkin/Dess (1996). 48
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+ II
I Unternehmerische Orientierung
- “Das Beste draus machen” Moderates Wachstum
- “Take-off” Hohes Wachstum
III - “Zufallsgründung” Kein oder geringesWachstum
IV - “Warten auf den Markt” Geringes bis moderates Wachstum
-
+ Technologische Ressourcen
Abb. 1:
Hypothesen über das Wachstum akademischer Spin-offs als Funktion ihrer UO und TR.
Quelle:
eigene Darstellung.
Das erste Segment beinhaltet Firmen, die eine hohe UO haben, aber über TR von nur geringer Qualität verfügen. Wir nehmen an, dass diese Unternehmen ein moderates Wachstum aufweisen. Es gelingt ihnen, ihre Technologie in marktfähige Produkte zu überführen und Kunden zu gewinnen, aber die niedrige Qualität ihrer Kerntechnologie hindert sie, langfristig bzw. überregional zu wachsen. Spin-offs im zweiten Segment weisen eine hohe UO in Kombination mit qualitativ hochwertigen TR auf. Wir nehmen an, dass diese Firmen über großes WachstumsPotenzial verfügen und dieses aufgrund ihrer hohen UO realisieren können und stark wachsen. Ohne eine hohe UO werden Unternehmen generell länger benötigen, eine geeignete Verwendung ihrer Kerntechnologie zu finden und entsprechende Kunden zu gewinnen. Wenn diese geringe UO mit TR geringer Qualität kombiniert wird, stellt sich ein geringes oder gar kein Wachstum ein (Segment III). Dies kann der Fall bei Spin-offs sein, die ohne eine spezielle Kerntechnologie auf Grundlage einer einmaligen Auftragsarbeit oder Kundenanfrage gegründet wurden und in Nebenbeschäftigung betrieben werden. Interessante Fälle finden sich dagegen im vierten Segment: Diese Spinoffs beherrschen eine hochwertige Kerntechnologie, zeigen jedoch nur geringe UO und schaffen es daher nicht, das WachstumsPotenzial ihrer Technologie zu realisieren. Eine solche Konstellation kann auftreten, wenn akademische Spin-offs ausschließlich von Wissenschaftlern geführt werden. Die Gründer sind sich zwar ihrer technologi-
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schen Expertise bewusst, ermangeln jedoch der UO, über Märkte zu lernen, potentielle Kunden zu suchen und ihre Kerntechnologie in marktgerechte Produkte zu überführen. Stattdessen konzentrieren sie sich auf die Weiterentwicklung ihrer Kerntechnologie und erwarten, dass etablierte Firmen den Wert dieser Technologie für deren Produkte von sich aus entdecken und auf das Spin-off zukommen.
5 Untersuchungsdesign Die empirische Untersuchung wurde in Zusammenarbeit mit der Steinbeis-Stiftung im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts durchgeführt, dass die Gründung und Entwicklung akademischer Spin-offs untersuchen sollte. Untersuchungsobjekt waren so genannte Steinbeis-Transferzentren (STZ). Steinbeis-Transferzentren sind Organisationen im Steinbeis-Verbund, die mit dem Ziel der Kommerzialisierung von Technologien aus Forschungseinrichtungen gegründet wurden, d. h. am Markt eigenverantwortlich als Anbieter technologiebasierter Produkte und Services auftreten.53 In der Untersuchung wurden nur Spin-offs aus deutschen Hochschulen berücksichtigt. Daten wurden aus drei unterschiedlichen Quellen gewonnen. Zwischen 1998 und 1999 wurden akademische Gründer von 227 akademischen Spin-offs kontaktiert und gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Insgesamt wurden von 198 akademischen Gründern ausgefüllte Fragebögen zurückgeschickt. In die folgende Analyse gehen die Aussagen der Gründer zu der unternehmerischen Orientierung des akademischen Spin-offs ein. Die unternehmerische Orientierung wurde durch die im Unternehmen herrschende Risikobereitschaft, Proaktivität, Wettbewerbsaggressivität, Innovationsneigung und Freiheit von Mitarbeitern im Verfolgen von Chancen innerhalb des Unternehmens gemessen. Im Steinbeisverbund werden bei allen Spin-off-Gründungen TechnologietransferExperten (TT-Experten) hinzugezogen, die in der Gründungsphase eng mit den akademischen Gründern zusammenarbeiten. Im Jahr 2003 wurde in einer zweiten Erhebung über die Zentrale der Steinbeis-Stiftung ein Fragebogen mit einem beiliegenden Informationsschreiben, das die Ziele der Studie erläuterte sowie die Vertraulichkeit der Antworten zusicherte, an TT-Experten verschickt. Sie wurden darin zu Eigenschaften der Kerntechnologie und des Technologiegebiets der von ihnen betreuten Spin-offs in der Phase der Gründung befragt. In den Index der technologischen Ressourcen gingen 53
Vgl. Löhn (1995).
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positiv der Grundlagencharakter der Kerntechnologie bzw. die Breite ihrer Anwendbarkeit, ihr rechtlicher Schutz, das Expertenwissen der Gründer und die eigenständige Weiterentwickelbarkeit der Kerntechnologie durch das Spin-off ein. Belastet wurde der Index durch die mit der Produktentwicklung verbundenen Unsicherheiten, die Verbreitung des Wissens hinsichtlich der Funktionsweise der Kerntechnologie in Wissenschaft und Wirtschaft und die Konkurrenz auf dem Technologiegebiet. Nach der Zusicherung absoluter Vertraulichkeit wurden in einer dritten Umfrage im Jahr 2004 die Umsätze der jeweiligen Hochschulausgründungen für die Jahre 2000 bis 2003 direkt aus der Buchhaltung der akademischen Spin-offs erhoben. Für die vorliegende Untersuchung konnten vollständige Datensätze für 72 Spin-offs ausgewertet werden. Spin-offs wurden aus der Studie ausgeschlossen, wenn einer der Respondenten nicht sämtliche für die Analyse relevante Fragen beantwortet hatte, das Spin-off weniger als eine Person neben dem Gründer permanent beschäftigte und wenn Spin-offs zum Zeitpunkt unserer ersten Erhebung älter als sechs Jahre waren. Die vorliegende Studie soll ausschließlich die frühe Entwicklungsphase akademischer Spin-offs untersuchen.
6 Befunde Um die Zusammenhänge unseres Modells zu überprüfen, wurden durch Mediansplits der Variablen „Unternehmerische Orientierung“ und „Technologische Ressourcen“ vier annährend gleichgroße Gruppen gebildet und deren logarithmiertes durchschnittliches Umsatzwachstum über drei Perioden (log sales00_03) durch t-Tests verglichen. Wie erwartet zeigte sich in Segment II (hohe UO und TR) das höchste Wachstum über den Beobachtungszeitraum (log sales00_03 = 0,2). Ebenso bestätigen sich unsere Erwartungen hinsichtlich des Segments III (geringe UO und TR), das eine schwach positive Umsatzentwicklung aufweist (log sales00_03 = 0,089). Das prognostizierte Wachstumsprofil in Segment IV (geringe UO und hohe TR) stützen die Daten dagegen nicht. Im Gegenteil zeigt sich in diesem Segment sogar schwach negatives Wachstum (log sales00_03 = -0,095). Ein überraschender Befund zeigt sich in Segment I (hohe UO und geringe TR) mit einer deutlich negativen Umsatzentwicklung über den Beobachtungszeitraum (log sales00_03 = -0,23). T-Tests der Segmente zeigen einen signifikanten Unterschied der Segmente I und III (p < 0,1), I und II (p < 0,01) und II und IV (p < 0,05). Der Wachstumsunterschied der Segmente III und IV ist nicht signifikant. Bei geringer UO wachsen akademische Spin-offs mit TR geringer und hoher Qualität
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damit nicht signifikant unterschiedlich. Bei hoher UO hingegen haben die TR starken Einfluss auf die Umsatzentwicklung.
7 Zusammenfassung und Implikationen Die Studie untersuchte den Einfluss technologischer Ressourcen und einer unternehmerischen Orientierung auf das Umsatzwachstum akademischer Spin-offs. In das Konstrukt der TR gingen als positive Einflüsse der Grundlagencharakter der Kerntechnologie bzw. die Breite ihrer Anwendbarkeit, ihr rechtlicher Schutz, das Expertenwissen der Gründer und die eigenständige Weiterentwickelbarkeit der Kerntechnologie durch das Spin-off ein. Gemindert wurde die Qualität der TR dagegen durch die mit der Produktentwicklung verbundenen Unsicherheiten, die Verbreitung des Wissens hinsichtlich der Funktionsweise der Kerntechnologie in Wissenschaft und Wirtschaft sowie durch die Konkurrenz auf dem Technologiegebiet. Die UO des akademischen Spin-offs beschreibt seine Neigung, Innovationen und kreative Prozesse im Unternehmen zu fördern, seine Initiative im Einführen neuer Produkte und Verfahren, seine Wettbewerbsaggressivität und seine Neigung, risikoreiche Projekte zu unterstützen. Die Ergebnisse zeigen, dass bei wachstumsstarken akademischen Spin-offs eine hohe UO auf qualitativ hochwertige TR treffen. Eine hohe UO gepaart mit TR geringer Qualität finden wir in der Gruppe, die über den Beobachtungszeitraum eine deutlich negative Umsatzentwicklung aufweist. Bei einer geringen UO konnte kein signifikanter Wachstumsunterschied zwischen den Gruppen mit TR hoher und geringer Qualität festgestellt werden. Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass sich (1) akademische Spin-offs hinsichtlich ihrer Ausstattung mit Technologie zum Zeitpunkt der Gründung deutlich unterscheiden und dass (2) diese Ausstattung die Unternehmensentwicklung und die Wirksamkeit von strategischen Orientierungen beeinflusst. Hieraus ergeben sich bedeutende Implikationen für die Forschungseinrichtung und das Management von Spin-offs.
7.1 Implikationen für die Forschungseinrichtung Öffentliche Forschungseinrichtungen können erheblich von Ausgründungen profitieren. Bisherige Forschung konnte zeigen, dass Spin-offs Technologien in wirtschaftliche Anwendungen überführen, die ansonsten nicht oder weniger erfolgreich verwertet worden wären. Derartige Technologien zeichnen sich durch ein frühes Entwicklungs-
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stadium und einer hohen Neuartigkeit aus.54 Folglich können sie nur durch das Engagement ihrer Erfinder bzw. Entwickler in ein marktfähiges Produktangebot überführt werden.55 Hierdurch werden zum einen Arbeitsplätze für Absolventen geschaffen und zum anderen, bei der Verwendung von Patenten, Lizenzeinahmen für die Forschungseinrichtung generiert, die auf anderen Wege nicht zustanden kommen würden. Darüber hinaus engagieren sich Spin-offs in der Rolle als Industriepartner zusammen mit ihrer Herkunftsorganisation in der Einwerbung von Drittmitteln. Neben diesen materiellen Vorteilen ergeben sich immaterielle Vorteile für Forschungseinrichtungen durch akademische Spin-offs. Durch den Ausweis wirtschaftlich verwertbarer Ergebnisse und der Schaffung von Arbeitsplätzen rechtfertigen Forschungseinrichtungen ihre öffentliche Förderung. Erfolgreiche akademische Spin-offs sind zudem ein Beleg für die Qualität der Forschung ihrer Mutterorganisation. Weltweit werben forschungsstarke Universitäten nicht nur mit exzellenter Wissenschaft, sondern auch mit den daraus entstandenen Unternehmen. Auch hierzulande gehen vermehrt Pressemeldungen durch die Medien, die von einer unternehmerischen Tätigkeit führender Forscher berichten. Vor diesem Hintergrund erscheint es lohnend, dass öffentliche Forschungseinrichtungen an Entstehung und Erfolg von Spin-offs interessiert sind. Die Untersuchungsergebnisse legen hierfür zwei Ansatzpunkte nah: an Schwerpunkten orientierte Forschung und die Gewährung unternehmerischer Handlungsspielräume. Eine fokussierte Verwendung des Forschungsbudgets trägt dazu bei, dass eine kritische Masse erreicht wird und es damit eher zu technologischen Durchbrüchen kommt. Diese können für potentielle akademische Spin-offs aufgrund des Grundlagencharakters ihrer Kerntechnologie sowie der einzigartigen Expertise der Gründer auf dem Technologiegebiet einen langfristigen Wettbewerbsvorteil darstellen. Darüber hinaus betont das Konzept der TR die Bedeutung einer sinnvollen Patentierung für Spin-offs. Diese zeigt sich beispielsweise darin, dass manche Erfindungen bewusst nicht oder nur in den Teilen patentiert werden, die Wettbewerbern eine Imitation auf Grundlage des Patents nicht ermöglichen. Häufig kann diese spezielle Expertise nicht von Mitarbeitern der Forschungseinrichtung oder des Technologietransfers vorgehalten werden. Deshalb empfiehlt sich hier ein direkter Kontakt zwischen Wissenschaftler und Patentexperten in seinem Technologiegebiet.
54 55
Vgl. Shane (2000a); Jensen/Thursby (2001). Vgl. Zucker et al. (2002).
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Neben der Erhöhung der Einzigartigkeit und dem Schutz der Technologie kann die Forschungseinrichtung die Qualität der TR auch durch eine Reduktion von verwendungsbezogenen Unsicherheiten erhöhen. Diese Unsicherheiten entstehen aus einem Mangel an Informationen hinsichtlich geeigneter Märkte und Vermarktungsformen (Produktdefinitionen) der Kerntechnologie des Spin-offs. In diesem Zusammenhang ist die Zusammenarbeit des Gründers mit einer Technologietransferorganisation wichtig, die vielfältige Beziehungen in die Wirtschaft unterhält. Neue Ideen können so schnell auf ihre Tragfähigkeit überprüft und akademische Gründer zielgerichtet an Industriepartner vermittelt werden. Die Wirkung einer Industrievernetzung der Technologietransferorganisation auf die Profitabilität von Spin-offs konnte bereits Fallstudien nachgewiesen werden.56 Andere Studien zeigen, dass die Fähigkeit der Technologietransferorganisation, Technologien und Marktbedürfnisse zu verbinden, die Geschwindigkeit des Technologietransfers deutlich erhöht.57 Darüber hinaus kann die Forschungseinrichtung den Mangel an Marktinformationen reduzieren, indem sie die direkte Zusammenarbeit der Wissenschaftler mit der Wirtschaft fördert bzw. bürokratische Hindernisse aus dem Weg räumt. Die Vermutung, dass hierdurch die wissenschaftliche Qualität leidet, konnten bisherige Studien nicht bestätigen, sondern fanden, im Gegenteil, eine Befruchtung der Wissenschaft mit neuen Ideen.58 Des Weiteren wird durch eine frühzeitige Zusammenarbeit mit der Forschungseinrichtung eventuelle Skepsis reduziert, die potentielle Kunden und Lieferanten sehr neuartigen technologiebasierten Produkten und akademischen Gründern entgegenbringen.59 Die Geschwindigkeit der Umsetzung einer rohen Technologie in ein marktfähiges Produkt hängt unter anderem von den unternehmerischen Freiheiten des Gründers ab. Hier ist sinnvoll, wenn die Forschungseinrichtung klare Regelungen mit ihren wissenschaftlichen Angestellten trifft, die ein Engagement in einem Spin-off und eine anschließende Rückkehr in die Wissenschaft oder das parallele Vorantreiben einer Ausgründung neben der Beschäftigung an der Forschungseinrichtung ermöglichen.
7.2 Implikationen für das Management von Spin-offs Für das Management von Spin-offs legen die Ergebnisse nahe, dass Spin-offs mit TR von geringer Qualität nicht über technologische Innovationen mit ihren Wettbewer56
z. B. Clarysee et al. (2005). Vgl. Markman et al. (2005). 58 Vgl. Looy et al. (2004). 59 Vgl. Aldrich/Fiol (1994). 57
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bern konkurrieren sollten. Für diese Unternehmen könnten eher eine starke Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft auf der Grundlage guter persönlicher Beziehungen und ein exzellenter Kundendienst eine mögliche Alternative sein. Auch hier ist die Vermittlung der Technologietransferorganisation oder auch die frühe Zusammenarbeit mit Kunden im Rahmen der Tätigkeit an der Forschungseinrichtung hilfreich. Spinoffs mit TR von hoher Qualität haben dagegen große Wachstumschancen auf Grundlage ihrer Kerntechnologie. Für diese Unternehmen zeigen die Ergebnisse jedoch, dass sich der Schritt von einer rohen Technologie bzw. technologischer Expertise zu einem marktreifen Produkt und einem erfolgreichen Geschäft nicht von selbst vollzieht. Vielmehr hängt die Realisierung des WachstumsPotenzials vom Engagement des Managements und dessen Bereitschaft ab, über Anwendungen der Kerntechnologie vom Markt zu lernen, auf potentielle Kunden zuzugehen und Fehlschläge als notwendiges Übel auf dem Weg zum marktfähigen Produkt zu verstehen. Studien weisen in diesem Zusammenhang auf die Wirksamkeit extern rekrutierter professioneller Unternehmer als Geschäftsführer hin, die Marktwissen und Management-Know-how mitbringen.60 Oft zeigen sich jedoch aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen Wissenschaftlern und professionellen Managern Akzeptanz- und Verständigungsprobleme sowie Unklarheit über die Rollenverteilung, die den Unternehmensaufbau stören können.61 Die Ergebnisse unterstützen damit die Bedeutung der frühzeitigen Vermittlung von Grundzügen unternehmerischen Denkens und Handelns in der Ausbildung von Wissenschaftlern und Ingenieuren, wie sie bereits an vielen Universitäten gepflegt wird.
7.3 Implikationen für die Forschung Das Konstrukt der TR beinhaltete sowohl positiv als auch negativ wirkende Facetten, die in dieser Studie gleichwertig gewichtet wurden. Unklar bleibt dabei, welche dieser Faktoren für eine geringe Qualität der Kerntechnologie ausschlaggebend sind und wie das Management mit spezifischen Schwächen der Kerntechnologie umgehen kann, um trotzdem erfolgreich zu sein. In einer anderen Studie konnten wir in diesem Zusammenhang beispielsweise zeigen, dass Spin-offs durch gezieltes Netzwerkmanagement die negative Auswirkung von Unsicherheit hinsichtlich der Verwertung der Kerntechnologie und der Planbarkeit der Produktentwicklung ausgleichen konnten.62 Des Weiteren bleibt bisher unklar, wie sich die Facetten im Sinne einer gegenseitigen Verstär60
Vgl. Franklin et al. (2001). Vgl. Samson/Gurdon (1993); Meyer (2003). 62 Vgl. Riesenhuber et al. (2006). 61
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kung oder Kompensation zueinander verhalten, ob also eine hohe Unsicherheit bei der Vermarktung z. B. durch starke Patente oder eine hohe technologische Expertise ausgeglichen werden kann. Darüber hinaus könnten sich zukünftige Forschungsbemühungen damit befassen, wie eine unternehmerische Orientierung in einem akademischen Spin-off entsteht, wie man sie fördern kann und welche weiteren Strategien und Rahmenbedingungen zur Realisierung des Potenzials hochwertiger TR beitragen.
8 Literatur Abernathy, W.J./Clark, K.B. (1985): Innovation: Mapping the Winds of Creative Destruction. In: Research Policy, 14: S. 3-22. Agarwal, A. (2001): University-to-Industry Knowledge Transfer: Literature Review and Unanswered Questions.In: International Journal of Management Reviews, 3, 4: S. 285-302. Aldrich, H.E./Fiol, C.M. (1994): Fools Rush In? The Institutional Context of Industry Creation. In: Academy of Management Review, 19 (4): S. 645-670. Anderson, P./Tushman, M.L. (1990). Technological Discontinuities and Dominant Designs: A Cyclical Model of Technological Change. In: Administrative Science Quarterly, 35: S. 604-633. Ardichvili, A./Cardozo, R./Ray, S. (2003): A Theory of Entrepreneurial Opportunity Identification and Development. In: Journal of Business Venturing, 18: S. 105-123. Barney, J. (1991): Firm Resources and Competitive Advantage. In: Journal of Management, 17, 1: S. 99-120. Birley, S., (1985): The Role of Networks in the Entrepreneurial Process. In: Journal of Business Venturing, 1: S. 107-117. Bond, E.U./Houston, M.B. (2003): Barriers to Matching New Technologies and Market Opportunities in Established Firms. In: Journal of Product Innovation Management, 20: S. 120-135.
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Spin-Offs und die Evolution von Industrien Peter Kreutter, Albert H. Savelberg & Jürgen Weigand
Inhaltsverzeichnis 1 2
Ausgründungen von IT-Töchtern – ein Modell ohne Zukunft?.......................... 166 ‚Spin-offs’ im Kontext der industrieökonomischen Forschungen zum Industrielebenszyklus .......................................................................................... 167 2.1 2.2
3
Evolution der IT Outsourcing-Industrie in Deutschland von 1990 bis 2005: Industrielebenszyklus-Muster und Spin-off-Dominanz? .................................... 175 3.1 3.2
4 5
Stilisierte Fakten zur Evolution von Industrien: Der Industrielebenszyklus .......... 169 Der Rolle von Pre-Entry-Know-how als Erfolgsfaktor im Industrielebenszyklus : Spin-offs im Vorteil ................................................................................................ 173
Eine kurze Geschichte der IT Outsourcing-Industrie in Deutschland .................... 178 IT-Ausgründungen – ein Modell ohne Zukunft...................................................... 185
Zusammenfassung und Ausblick......................................................................... 191 Literaturverzeichnis............................................................................................. 192
166
KREUTTER | SAVELBERG | WEIGAND
1 Ausgründungen von IT-Töchtern – ein Modell ohne Zukunft? Ausgründungen und Spin-offs1 haben sich in vielen Industriebereichen als probates Instrument zur dynamischen Anpassung von Unternehmensstrukturen an veränderte Umweltbedingungen und zur Revitalisierung unternehmerischen Handelns bewährt. Erfolgsbeispiele wie der Spin-off von Lucent durch AT&T unterstreichen das Potenzial, welches die ‚Befreiung’ einzelner Unternehmensbereiche und Wissenskomponenten aus den engen, verwobenen Strukturen großer Unternehmenskonglomerate freisetzen kann.2 Die Motive für Ausgründungen sind vielfältig. Kapitalmarktgetriebene Überlegungen zur Erhöhung des Unternehmenswertes durch Carve-outs, wie beim Börsengang der DPAG-Tochter Postbank, sind einer der Gründe. Kartellrechtlichregulatorische Anforderungen, Neustrukturierung des Geschäftsfeld-Portfolios oder schlicht die Reduzierung von Haftungsrisiken finden sich als weitere Aspekte auf der langen Liste von Treibern entsprechender Handlungsschritte.3 Jedoch wäre es zu kurz gesprungen Spin-offs als strategisches Allheilmittel zur Steigerung von Effektivität und Effizienz zu betrachten. Beispiele wie SAP SI oder TOnline, bei denen binnen kurzer Zeit die – ursprünglich als Spin-off an die Börse gebrachten - Töchter wieder in den Mutterkonzern reintegriert wurden, zeigen eine andere Seite der Medaille. Für das Top-Management von Konzernen bedeutet dies, sich bei der Entscheidungsfindung über die Sinnhaftigkeit einer Ausgründung neben den Vorteilen vor allem auch der mögliche Hemmnisse und Barrieren bewusst zu werden. Auf eine besondere Konstellation, in der Konzerne mit massiven strategischen Hemmnissen konfrontiert werden, geht dieser Beitrag ein. Am konkreten Beispiel von ausgegründeten IT-Töchtern wird diskutiert, warum die Ausgründung von Back-OfficeFunktionen mit fortschreitender Evolution der entsprechenden Industrie vielfach zu ei-
1
2 3
Im Sinne einer vorläufigen Definition soll - in Anlehnung an Promitheas (2006) - bis zu einer genaueren definitorischen Abgrenzung in Kapitel 2.2. unter Spin-off verstanden werden: ‚When a corporation divides its assets, resulting in an independent company in general as well as the case in particular where an employee, or a group of employees, leaves the parent company to establish a new entity that is legally and technically independent from the parent’. Ausgründungen und Spinoffs werden im Weiteren synonym verwendet. Vgl. Malik (2003), S. 185ff. Siehe für einen Überblick über entsprechende Motive beispielsweise Garvin (1983).
SPIN-OFFS UND DIE EVOLUTION VON INDUSTRIEN
167
nem ‚Modell ohne Zukunft’4 wird; ein Umstand, der sich an diversen Beispielen wie u.a. RAG Informatik, Triaton oder Gedas belegen lässt.5 Der Beitrag ist wie folgt gegliedert. Zu Beginn wird mit dem Industrielebenszklus im industrieökonomischen Verständnis der grundlegende Bezugsrahmen skizziert (Kapitel 2.1). Gleichzeitig werden ausgewählte, neuere Forschungsergebnisse zur Rolle von Spin-offs im Kontext der Evolution von Industrien vorgestellt (Kapitel 2.2). Kapitel 3 widmet sich dann ausführlich der Entwicklung der IT-Outsourcing-Industrie in Deutschland. In Teilkapitel 3.1. wird detailliert die Entwicklung der Industrie mit ihren spezifischen Ein- und Austrittsmustern von 1990 bis 2005 diskutiert. Dies erlaubt zum einen die Beantwortung der Frage, ob die Entwicklung der IT-OutsourcingIndustrie in Deutschland dem Industrielebenszyklusmuster folgt. Zum anderen wird die Position klar, die IT-Ausgründungen im Rahmen dieser Entwicklung eingenommen haben. Der Diskussion spezifischer Ursachen für die beobachtete Situation widmet sich das anschließende Kapitel 3.2. Eine Zusammenfassung und ein Ausblick auf mögliche weitere Forschungsansätze in diesem Bereich bilden in Kapitel 4 den Abschluss des Beitrages.
2 ‚Spin-offs’ im Kontext der industrieökonomischen Forschungen zum Industrielebenszyklus Aus wissenschaftlicher Sicht hat das Phänomen ‚Spin-off’ in jüngerer Zeit erheblich gestiegenes Interesse erfahren.6 Nicht nur in den Forschungsbereichen des strategischen Managements und der Unternehmensführung steigt die Anzahl der relevanten Publikation hierzu. Auch die Industrieökonomie – und hier besonders das Feld der ‚Evoutionary Economics’ – widmet Spin-offs bereits seit Ende der 1990er gezielte Aufmerksamkeit. Wie Klepper und Thompson in einer Reihe ausgewählter Case-Studies jüngst zeigen, sind es vor allem Spin-offs, die sehr erfolgreich die strukturelle Ent-
4
5
6
Vgl. hierzu den gleichnamigen Beitrag in der Branchenzeitschrift Computerwoche (Kreutter/Marjan (2004)). Man denke in diesem Zusammenhang nur an die seit längerem stattfindende, öffentliche Diskussion um die Zukunft der krisengeschüttelten Siemens IT-Tochter Siemens Business Services. Vgl. hierzu z. B. Kroker (2005). So fördert beispielsweise die Schlagwortsuche zum Begriff Spin-off in einer einschlägigen akademischen Datenbank für den Zeitraum ab 2002 mehr als 200 relevante Artikel zu Tage.
168
KREUTTER | SAVELBERG | WEIGAND
wicklung neuer Industrien im Sinne des Industrielebenszyklus prägen.7 Diesen Kontext gilt es in einem ersten Schritt etwas näher zu beleuchten. Im Kontext ‚Industrielebenszyklus’ diskutiert die Industrieökonomie konkret die Frage, wie sich die Anzahl der Unternehmen auf der Anbieterseite entwickelt bis sich ein längerfristiges, strukturelles Gleichgewicht der Industriestruktur einstellt.8 Dies spiegelt mithin eine gänzlich andere Perspektive wieder, als diejenige die häufig im Bereich des Marketing oder Strategischen Managements unter dem Begriff ‚Produktlebenszyklus’ vorzufinden ist.9 Der Fokus liegt dort im Wesentlichen auf der schematischen Vorhersage und Prognose der langfristigen Entwicklung von Marktvolumen und damit primär der Nachfrageseite.10/11 Abbildung 1 stellt in verschiedenen Dimensionen überblicksartig die unterschiedlichen Perspektiven des Strategischen Managements und der Industrieökonomie gegenüber.12
7
Vgl. Klepper/Thompson (2006). Klepper/Graddy (1990) umschreiben dies wie folgt: ‚[...] how factors governing the early evolution of industries may shape their market structure at maturity.’ 9 Siehe zum Produktlebenszyklus aus einer Vielzahl von Veröffentlichungen McAfee (2002), S. 91112. 10 Die empirische und theoretische Belastbarkeit dieser nachfrageseitigen Ansätze ist in der Literatur mehr als umstritten. Einige Autoren kritisieren insbesondere den Determinismus, der mit dem Modell einher geht und Unternehmen jede Möglichkeit zur Revitalisierung von Märkten und Nachfrage abspricht. Dhalla/Yuspeh (1976) kommen hierbei in einem Beitrag im Harvard Business Review zu einem klaren Ergebnis: ‚Forget the product life cycle concept!’ 11 Porter (1980), S. 157f. weist auf den Umstand hin, dass die Begriffe Produkt- und Industrielebenszyklus in der Managementwissenschaft häufig auch synonyme Verwendung finden. 12 Vgl. Höft (1992) für einen umfassenden Überblick über Lebenszykluskonzepte. Nach seinen Analysen war es insbesondere die Unternehmensberatung Arthur D. Little, die den Begriff Industrielebenszyklus im Management-Bereich – und gleichzeitig auch in der Management-Forschung - erfolgreich etabliert hat. 8
SPIN-OFFS UND DIE EVOLUTION VON INDUSTRIEN
Charakteristika des Produktlebenszyklus-Ansatzes
169
Charakteristika des Industrielebenszyklus-Ansatzes
Æ Ursprung in der Marketing- und Managementforschung
Æ Entwickelt durch die Industrial OrganisationsForschung
Æ Verschiedenste Aggregationsebenen bzgl. des Produktes bzw. Produktvarianten in der Literatur vorzufinden
Æ Einheitliche Analyseebene
Æ Empirische Untermauerung vielfach nur bedingt gegeben Æ Dominanz nachfragegetriebener Argumente, i. S. der Diffusionstheorie
Æ Empirische Analyse der jeweiligen Industrie in aller Regel erster Ausgangspunkt Æ Integration technologischer sowie wettbewerbsseitiger Argumente Æ Direkte Analyse der Evolution von Industrie- und Anbieterstruktur
Æ Implikationen für Industrie- und Anbieterstruktur nur indirekt ableitbar
Abb. 1:
Gegenüberstellung von Produktlebenszyklus und Industrielebenszyklus
Quelle:
eigene Darstellung.
Trotz prinzipieller Ähnlichkeiten bzw. scheinbarer Komplementarität ist jedoch die Integration beider Perspektiven und eine gegenseitige Überführung von (Teil-) Ergebnissen nur sehr bedingt möglich. Im weiteren Verlauf dieses Beitrages wird daher - sofern nicht explizit anders vermerkt – stets die industrieökonomischevolutorische Perspektive eingenommen, aus der heraus sich der ‚Industrielebenszyklus’ wie folgt definieren und weiter detaillieren lässt.
2.1 Stilisierte Fakten zur Evolution von Industrien: Der Industrielebenszyklus Auf Basis grundlegender, empirischer Studien von Gort, Klepper und Graddy sowie nachfolgender Arbeiten u.a. von Simons und Agarwal haben sich eine Reihe von stilisierten Fakten13 als robuste Merkmale des Entwicklungspfades neuer Industrien her-
13
Stilisierte Fakten sind mit Kaldor (1961), S. 177ff. zusammengefasste Regelmäßigkeiten eines bestimmten ökonomischen Sachverhaltes, die sich auf einer Fülle von Beobachtungen ergeben. ‚Dabei ist es zwangsläufig so, dass immer auch bei den stilisierten Fakten widersprechende Beobachtungen zu finden sind: wesentlich ist also, sorgfältig zwischen Regelmäßigkeiten und Ausnahmen zu trennen.’ (Münter 1999), S. 11.
170
KREUTTER | SAVELBERG | WEIGAND
auskristallisiert.14 Das häufig vorzufindende Grundmuster in der strukturellen Entwicklung neuer Industrien lässt sich wie folgt skizzieren: ‚Die Zahl der Unternehmen steigt bis zu einem Maximum an, geht dann deutlich zurück und stabilisiert sich auf niedrigem Niveau’.15 Dieses Verlaufsmuster wird als Industrielebensyzklus (oder englisch: Industry Life Cycle (ILC)) bezeichnet. Der starke Rückgang der Gesamtzahl von Unternehmen in der Industrie ist hierbei eines der zentralen Merkmale, für den sich der spezielle Begriff des ‚Shakeout’ etabliert hat.16
Anzahl Unternehmen
Phase des Shakeouts
Zeit (historisch, i.S.d. der Evolution der Industrie)
Abb. 2:
Der schematische Verlauf des Industrielebenszyklus auf Basis stilisierter Fakten
Quelle:
Klepper/Graddy (1990).
Was auf den ersten Blick wie ein scheinbar triviales, intuitiv zu erwartendes Ergebnis wirkt, ist bei genauerer Analyse in zweierlei Hinsicht höchst bemerkenswert. Zum einen, weil der deutliche Rückgang der Anbieterzahl nicht aus einem Rückgang resp. dem Einbruch der Nachfrage resultiert. Empirische Ergebnisse in unterschiedlichen 14
Siehe hierzu insbesondere Gort & Klepper (1982), Klepper/Graddy (1990), Agarwal/Gort (1996) und Simons (2003). 15 Münter (1999), S. 33. 16 Wie Klepper/Simons (1996) hinweisen, beträgt der Rückgang der Anzahl der Unternehmen mehr als 50% im Vergleich zum Höchstwert. Für einzelne Industrien wurden sogar Werte bis zu 90% beobachtet.
SPIN-OFFS UND DIE EVOLUTION VON INDUSTRIEN
171
Industrien belegen, dass im Gegenteil der stärkste Rückgang der Anbieterzahl in einer Situation stattfindet, in der das Marktvolumen weiter stetig wächst.17 Dies steht im Widerspruch zum Produktlebenszyklus-Verständnis in Teilen des strategischen Managements und der Marketing-Forschung. Dort wird angenommen, dass der Shakeout unter den Anbietern in der Phase stattfindet, die in Phasenkonzepten üblicherweise als ‚Maturity’ oder ‚Decline’ bezeichnet wird und in der das Marktvolumen stark zu schrumpfen beginnt.18 Zum anderen spiegelt dieses Ergebnis einmal mehr die Richtigkeit und Notwendigkeit der konzeptionellen Wende wider, die seit Anfang der 1980er in der Industrieökonomie Einzug gehalten hat. Bis dahin dominierte eine statische Sichtweise, die auf Basis des Structure-Conduct-Performance (SCP) Paradigmas die Marktstruktur als fixen, exogen vorgegebenen Faktor verstand, die das Wettbewerbsverhalten und damit die Performance determiniert.19 Nelson und Winter’s Publikation ‚An Evolutionary Theory of Economic Change’ aus dem Jahre 1982 steht stellvertretend für einen Paradigmenwechsel hin zu einer dynamisch-evolutorischen Ausrichtung. Dieser ging zwangsläufig mit einer Renaissance der Ideen der Ökonomen Joseph A. Schumpeter und Friedrich-August von Hayek einher, die bereits in den frühen Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts für dynamische Sichtweisen plädiert hatten.20 Gort und Klepper’s Analyse der Evolution von 46 Produktindustrien aus dem Jahr 1982 muss als wichtiger, inhärenter Bestandteil dieser Entwicklungen gesehen werden.21 Sie lieferte dabei nicht nur erste, wesentliche stilisierte Fakten, vielmehr etablierte sie einen eigenen Forschungsstrom, der ein neues Spektrum an empirischen und theoretischen Forschungsfragen zur Industrieentwicklung thematisiert.22 Zwei resultierende Themenkomplexe sollen an dieser Stelle exemplarisch herausgegriffen und vorgestellt werden: Die Erklärung der Ursachen von Shakeouts einerseits sowie Erkenntnisse über die Rolle von Spin-offs im Industrielebenszyklus andererseits.
17
Siehe hierzu auch Hopenhayn (1993). Vgl. zu Strategien in ‚Declining Industries’ Harrigan (1980) sowie Harrigan & Porter (1983). 19 Vgl. zu Entwicklung, Grundlagen sowie Anwendung des Structure-Conduct-Performance (SCP) Konzept beispielsweise Carlton/Perloff (2005). 20 Vgl. u. a. Schumpeter (1934, 1942). Ein erster, überblicksartiger Einstieg in den Bereich der ‚Evolutionary Economics’ findet sich bei Fargerberg (2002). 21 So die Einschätzung von Jovanovic (1998), S. 331. 22 In Baum/McGahan (2004) findet sich ein interessantes Spektrum dieser unterschiedlichen Fragestellungen sowie ein Überblick über jüngere Forschungsergebnisse. 18
172
KREUTTER | SAVELBERG | WEIGAND
Bei der Frage nach den Ursachen von Shakeouts gehen technologische Erklärungen, so z. B. das Entstehen eines ‚Dominanten Designs’23 einher mit Ansätzen auf Basis theoretischer Modelle, die u.a. eine Verlangsamung des Nachfragewachstums in Verbindung mit temporären Kapazitätslücken24 als nicht-technologische Erklärung heranziehen.25 Im ersten Fall entwertet das Dominante Design wesentliche Know-how-Teile etablierter Anbieter, die einem anderen technologischen Pfad gefolgt sind und zwingt diese dadurch vielfach zum Austritt. Gleichzeitig stellt das bestehende Know-how von Unternehmen, deren Lösung sich als Dominantes Design etabliert hat, eine Markteintrittsbarriere für alle Unternehmen dar, die neu in den Markt eintreten wollen. Die Kombination einer konzentrierten Vielzahl von Austritten sowie eine deutliche Reduzierung der Eintritte in die Industrie aufgrund der Marketeintrittsbarrieren führt zum Shakeout. Im zweiten Erklärungsansatz wird der Shakeout darauf zurückgeführt, dass bestehende Kapazitätsengpässe als Folge hohen Nachfragewachstums etablierte Unternehmen sowie neue Wettbewerber zum Aufbau von zusätzlichen Kapazitäten zwingen. Da der Markt kurzfristig zwar noch stark wächst, langfristig sich jedoch abflachende Wachstumsraten einstellen, führt dysfunktionales Planungsverhalten der Unternehmen zu Überkapazitäten; ein Umstand, der in der Literatur teils mit ‚Extrapolationsfalle’ oder ‚Overshooting the market’ umschrieben wird.26 Viele kleine Unternehmen scheiden aufgrund von Kostennachteilen aus, neue Unternehmen treten mit Blick auf die hohe Wettbewerbsintensität nur sehr bedingt in den Markt ein. Auch dieser theoretische Erklärungsansatz führt in der Konsequenz beider Faktoren zu einem ShakeoutMuster. Neben Fragen zu den Ursachen von Shakeouts wird von der Forschung andererseits auch der Einfluss des ‚Pre-Entry-Know-hows’ auf den Überlebenserfolg von Unternehmen im Kontext des Industrielebenszyklus diskutiert. Pre-Entry Know-how manifestiert sich dabei in unterschiedlicher Form und aufgrund unterschiedlicher Ursachen, so z. B. als Folge in Spin-offs.
23
Vgl. u. a. Suarez/Utterback (1995). Vgl. Hopenhayn (1993). 25 Vgl. für eine Übersicht über die wesentlichen theoretischen Ansätze zur Erklärung von Shakeouts Kreutter (2006). 26 Vgl. Weiss (1989). 24
SPIN-OFFS UND DIE EVOLUTION VON INDUSTRIEN
173
2.2 Der Rolle von Pre-Entry-Know als Erfolgsfaktor im Industrielebenszyklus : Spin-offs im Vorteil Generell ist zu berücksichtigen, dass die Unternehmensformen und –entwicklungspfade, die sich in der Literatur unter dem Begriff ‚Spin-off’ finden, teils sehr heterogen sind.27 Da eine Einheitsdefinition, wie in so vielen anderen Fällen, nicht zu erreichen sein wird, muss ein fallabhängiges Systematisierungsraster zwangsläufig die Voraussetzung zur Herausarbeitung wesentlicher Unterschiede schaffen.
Parential support Full
Corporate Spin-off
Entrepreneurial Spin-off Traditional start-ups
Spin-out
None
Resource sharing None
Abb. 3:
Systematisierung verschiedener Spin-off Typen
Quelle:
in Anlehnung an Koster (2004).
Full
Obiger Systematisierungsansatz basiert auf konzeptionellen Überlegungen des ‚Resource-based View’ und unterscheidet abhängig nach Unterstützung durch das Mutterunternehmen sowie der Möglichkeit dessen Ressourcen zu übernehmen in (a) Entrepreneurial Spin-offs, (b) Spin-outs sowie (c) Corporate Spin-offs. Während
27
Vgl. hierzu die Übersicht über verschiedene Definitionsansätze bei Van de Velde/Clarysse (2006).
174
KREUTTER | SAVELBERG | WEIGAND
Corporate Spin-offs28 sowie Spin-outs29 qua definitionem Teile der Ressourcenbasis des Mutterunternehmens mitübernehmen resp. nutzen können,30 bleibt dies Start-ups und Entrepreneurial Spin-offs zwangsläufig vielfach verwehrt. Entrepreneurial Spin-offs werden - insbesondere in Abgrenzung zu ‚einfachen’ Start-ups – dabei als Neugründungen verstanden, bei denen Einzelpersonen bzw. Teams ein bestehendes Unternehmen verlassen, da die wirtschaftliche Verwertung bestimmter vorhandener oder neuer Ideen in diesem organisatorischen Kontext nicht oder nur limitiert möglich ist.31 Unter der Prämisse, dass entsprechende Trennungen häufig aufgrund von Meinungsverschiedenheiten erfolgen,32 kann letztlich nur das intra-personelle Know-how in Person des or der Gründer(s) auf die neue Organisation transferiert werden. Klassische Beispiele entsprechender Entrepreneurial Spin-offs finden sich z. B. in der Chipindustrie. Legion sind hier die ‚Fairchildren’, zu denen eine Vielzahl von erfolgreichen Unternehmen wie u.a. Intel gehören, die als Entrepreneurial Spin-offs aus dem Unternehmen Fairchild Semiconductors entstanden sind. Dieses Muster scheint in vielen jungen Technologie-Industrien kein Einzelfall zu sein, wie Klepper & Thompson in einer aktuellen empirischen Studie für die Automobilund Laserindustrie belegen.33 Zentrale Ergebnisse empirischer Studien zu Entstehen, Ursachen sowie der Erfolgswahrscheinlichkeit von Spin-offs im Kontext von Industrielebenszyklen sind in nachfolgender Abbildung stichpunktartig zusammengefasst.
28
Im Gegensatz zum Spin-out bleiben beim Spin-off auch nach Ausgründung eines rechtlichselbständigen Tochterunternehmens enge Beziehungen zwischen Mutter-Tochtergesellschaft bestehen, teils auf Ebene des operativen Geschäftes. In der Praxis lässt sich oft nur noch bedingt zwischen einem strategisch motivierten Spin-off, rein rechtlich-organisatorischer Umstrukturierung sowie bloßen Diversifikationsschritten und Submarkenbildung in Kernmärkten unterscheiden. 29 Unter Spin-outs werden hier Ausgründungen in rechtlich, eigenständige Unternehmen verstanden, bei denen die Bindung an die Muttergesellschaft zumeist rein kapitalmäßiger Natur ist, häufig in Form einer Minderheitsbeteiligung. Siemens und dem Spin-out von Infineon kann als ein entsprechendes Beispiel genannt werden. 30 Mit Barney (1991), S. 101 lassen sich drei unterschiedliche Typen von Ressourcen unterscheiden, die von zentraler Bedeutung für Etablierung, Erweiterung sowie Sicherung des Unternehmenskonstruktes sind: ‚Physical capital resources [...], human capital resources [...], and organizational capital resources.’ 31 Insofern orientiert sich diese Überlegung an den Ideen des frühen Schumpeter. Vgl. Nelson/Winter (1982), S. 31ff. 32 Argumente hierfür finden sich z. B. bei Klepper/Thompson (2005). 33 Vgl. Klepper/Thompson (2006).
SPIN-OFFS UND DIE EVOLUTION VON INDUSTRIEN
1
The probability of a spinoff first rises and then falls with firm age, making middle age the most likely time for spinoffs
2
Spinoffs perform better than other de novo entrants and comparably if not better than diversifying entrants
3
Better performing firms have better performing spinoffs
4
Better performing firms spawn spinoffs at a higher rate
5
Firms that are acquired have a higher rate of spinoffs around the time of their acquisition, particularly when they are acquired by firms in other industries
Abb. 4:
Spin-off Regularities
Quelle:
Klepper/Thomson (2006).
175
3 Evolution der IT Outsourcing-Industrie in Deutschland von 1990 bis 2005: Industrielebensyzklus-Muster und Spin-off-Dominanz? Die industrieökonomisch-evolutorische Forschung kann wie kurz skizziert auf ein robustes Spektrum etablierter, stilisierter Fakten zum Lebenszyklus zurückgreifen, die die Ausgangsbasis für vielfältige theoretische Überlegungen bilden. Als bestehender, limitierender Faktor muss jedoch der Umstand gesehen werden, dass die grundlegenden empirischen Studien (a) vielfach ‚technologically progressive manufacturing industries’ zum Gegenstand der Analyse haben und (b) unter regionalen Gesichtspunkten zumeist einen Schwerpunkt auf den USA haben.34 Es war daher die Intention für die Erarbeitung einer empirischen Studie zur Evolution der IT-Outsourcing Industrie in Deutschland,35 einen kleinen Beitrag zur Schließung dieser Lücke zu leisten, in dem
34 35
Vgl. Buenstorf (2005). Vgl. Kreutter (2006).
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(a) eine der bis dato eher selten untersuchten Service-Industrien36 sowie (b) mit Deutschland ein regionaler Kontext gewählt wurde, der sich in diversen Faktoren teils erheblich von den USA unterscheidet.37 Konkret stand die Forschungsfrage ‚Does the IT-Outsourcing Industry in Germany (ITOIG) follow the Industry Life Cycle (ILC)?’ im Mittelpunkt, die es zu beantworten galt. Diese Industrie ist darüber hinaus auch für Analysen zu Spin-offs ein interessantes Spielfeld, als gerade in den vergangenen Jahren viele ausgegründete IT-Töchter großer Konzerne aus dieser Industrie ausgeschieden sind. Dass es sich hierbei um Corporate Spin-offs handelt, ist umso interessanter, als bis dato im Kontext der Industrielebenszyklus-Forschung zumeist Entrepreneurial Spin-offs in den Untersuchungsfokus gerückt waren. In Anlehnung an IDC sowie Loh & Venkatraman lässt sich IT-Outsourcing dabei definieren als:38 A long-term, contractual arrangement in which a service provider takes ownership of and manages a client's information systems operations or department. IT outsourcing therefore is seen from a contractual perspective. An outsourcing contract is long-term in nature and can include data center computing, distributed or client/server environment computing, local and wide area network operations, help desk operations, applications development and maintenance, and related consulting and systems integration activities. Along with activities performed by existing employees, the outsourcing contract will include ongoing capital spending for new equipment. IT outsourcing in this understanding, does not include cases, where the IT infrastructure is transferred to a wholly-owned subsidiary as the mode of governance is still ’hierarchical’ as opposed to ‘market’.
Mithin lassen sich alle Unternehmen, die IT-Outsourcing im Sinne obiger Definition mit langfristigen Verträgen, Asset- und Personalübernahme sowie den beschriebenen IT-Leistungen im deutschen Markt bereitstellen, unter ‚IT-Outsourcing Industrie in
36
Vgl. Audretsch et al. (2004.). Die nur relativ selten stattfindende Analyse von Dienstleistungsindustrien ist insofern überraschend, als diese seit mehreren Jahrzehnten dominierende Wachstumstreiber in modernen Volkswirtschaften sind. Auf deren Bedeutung haben u.a. Fuchs (1965) und Porter (1990) explizit hingewiesen. 37 Für die im Mittelpunkt der Untersuchung stehende Industrie lassen sich z. B. unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen für die Personalübernahme anführen. 38 Vgl. IDC (2000) sowie Loh/Venkatraman (1992), S. 336.
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Deutschland’ subsumieren.39/40 Wenngleich sich bereits ab Anfang der 1980er vereinzelte Unternehmen finden lassen, deren Aufgabe der Betrieb von IT-Lösungen für Dritte war,41 kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer Industrie im engeren Sinne gesprochen werden.42 Üblicherweise wird das Jahr 1990 - und hier konkret die Gründung der Daimler-Benz Service-Tochter debis – in der Literatur als der ‚Urknall’ interpretiert, durch den die IT-Outsourcing-Industrie in Deutschland letztlich mit aus der Taufe gehoben wurde.43 Dieses Jahr bildet auch den Startpunkt in einem eigens entwickelten Datensatz, der den kompletten Zeitraum von Beginn der Industrieentwicklung in 1990 bis Ende 2005 umfasst44 und somit eine detaillierte Analyse des Industrielebenszyklus-Musters erlaubt. Angereichert um qualitative Daten aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen bildete dieser auch den Bezugsrahmen für eine korrespondierende Case Study. Im nachfolgenden Teilkapitel werden nun in komprimierter Form zentrale Ergebnisse der Auswertung des Datensatzes sowie wichtige Episoden der Industrieentwicklung vorgestellt, bevor in Kapitel 3.2 die Eingangsfrage beantwortet wird, ob (und wenn ja warum) IT Ausgründungen ein Modell ohne Zukunft sind.
39
Dies folgt dem Ansatz einer engen Industrieabgrenzung, wie in Studien zum Industrielebenszyklus üblich. Vgl. Buenstorf (2005). Desweiteren folgt das generelle Industrieverständnis Porter (1980), S. 5, der Industrie als ‚group of firms producing products that are close substitutes for each other’ definiert. Zu beachten ist hierbei, dass nicht nur Unternehmen berücksichtigt werden, die ihre Herkunft in Deutschland haben, sondern alle - d.h. auch ausländische - Unternehmen, die im deutschen Markt aktiv sind. 40 Zur Abgrenzung der IT-Outsourcing Industrie, insb. zu IT-Consulting & Systemintegration, siehe Schlaberg/Kreutter (2005). 41 Als Beispiel lässt sich hier die DATEV anführen, die im März 1984 mit den Programmen des DATEV-Verbundsystems DVS ihren Kunden die Verbindung der Vorteile einer Rechenzentrumsverarbeitung mit der Im-Haus-Verabeitung in der Kanzlei anbot. Vgl. DATEV (2006). 42 Carroll/Hannan (2000) setzen im Sinne der Organizational Ecology Forschung bei den Unternehmen auch eine nach Außen vertretene, gemeinsame Identität voraus, anhand derer sich die Industrie gegen konkurrierende Populationen abgrenzt. 43 Vgl. Cunningham/Fröschl (1995). Als weiterer Beleg für die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens darf die Tatsache gesehen werden, dass das amerikanische Unternehmen EDS, welches als ‚Mutter aller IT-Outsourcer’ angesehen werden darf, ebenfalls erst im Jahre 1990 im externen Markt in Deutschland aktiv wurde. Bis dahin stellte es seine Dienste lediglich der Muttergesellschaft General Motors, resp. deren deutscher Tochtergesellschaft Opel bereit. Letzteres fällt jedoch explizit nicht unter die o.g. Definition von IT Outsourcing. 44 Das Endjahr 2005 ergibt sich als zwangsläufige Folge des zeitlichen Rahmens der Erhebung der Daten. Eine laufende, jährliche Weiterentwicklung des Datensatzes ist jedoch geplant.
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3.1 Eine kurze Geschichte der IT Outsourcing-Industrie in Deutschland 3.1.1 1990 bis 1993 – Gründerjahre einer Industrie
Es ist bezeichnend für die Rolle, die Spin-offs im Rahmen der Entwicklung der IT Outsourcing Industrie in Deutschland einnehmen, dass deren Beginn und die debis Ausgründung durch Daimler-Benz in direkte Verbindung gebracht werden. Der ITOutsourcing Markt entwickelte sich generell in Deutschland erst erheblich später und strukturell losgelöst zu anderen großen Industrienationen, wie die USA oder Großbritannien. Multinationale Informationstechnologie-Konglomerate wie IBM oder fokussierte IT-Dienstleister wie EDS konnten dort bereits seit Mitte der 1980er auf eine signifikante Anzahl von Vertragsabschlüssen im IT-Outsourcing Umfeld zurückblicken. In den USA schloss IBM beispielsweise mit Eastman Kodak bereits 1989 einen 10Jahresvertrag dessen Volumen die 250 Millionen USD Grenze überschritt. Anders gestaltete sich das Bild in Deutschland zu Anfang der 1990er. Die Zahl von Anbietern für IT-Outsourcing war überschaubar und in ihrem Profil heterogen. Deutsche Anbieter waren oft mittelständisch geprägt und ihre Aktivitäten im ITOutsourcing teils nur als Zusatzgeschäft zu anderen IT-Aktivitäten im Hard- oder Software-Bereich bzw. zum Projektgeschäft der IT-Beratung entstanden. Große internationale Anbieter waren mit IT-Outsourcing Angeboten entweder nicht vertreten oder unternahmen gerade erste zaghafte Schritte. So konnte z. B. EDS im Jahr 1990 mit dem Maschinenbauer KHD Klöckner-Humboldt-Deutz den ersten OutsourcingVertrag im externen Markt verbuchen.45 IBM Deutschland hingegen brachte erst Anfang 1993 ein eigenständig firmierendes Outsourcing-Unternehmen auf den Weg:46 Die ‚IBM Systeme und Netze GmbH’ konnte im Jahr der Gründung sofort einen großvolumigen Komplettoutsourcing-Vertrag mit FAG Kugelfischer gewinnen. Die frühe Phase, in der sich die Industrie befand, lässt sich allein schon daran erkennen, dass mit EDS ein einziger Mitwettbewerber für diese Transaktion vorhanden war.47 Bis Ende 1993 war die Anzahl von IT-Outsourcing-Anbietern jedoch bereits auf 24 Unternehmen angewachsen. Dies bedeutet eine Steigerung um 60 Prozent gegenüber dem Wert von 1990. Dabei waren es nicht nur internationale Unternehmen, die mit be45
Wie bereits erwähnt, war EDS bereits seit 1986 in Deutschland mit einer Niederlassung vertreten. Diese bediente mit Opel eine andere GM-Tochter. Im Sinne der hier gewählten Outsourcing Definition sind jedoch nur Verträge im externen Markt Ordnungskriterium für die Industriezugehörigkeit, konzerninterne Lieferbeziehungen wurden bewusst ausgeklammert. 46 Vgl. IBM (2006). 47 Vgl. o.V. (1994).
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reits vorhandenem IT-Outsourcing Know-how und durch Gründung lokaler Gesellschaften in den attraktiven deutschen Markt drängten. Nahezu 50 Prozent aller von Ende 1990 bis Ende 1993 in den Markt eingetretenen Anbieter waren Corporate Spinoffs deutscher Konzerne. Diese häufig auch als ‚captive Outsourcer’ bezeichneten Unternehmen entstanden vielfach aus der Motivation heraus, eigenes Know-how und vorhandene Skaleneffekte im IT-Betrieb gezielt zu bündeln und marktfähig zu machen. Hieraus versprach man sich auf Seiten der Konzernmutter einerseits eine bessere Effizienz durch den Zwang, Kostenstrukturen direkt an Marktpreisen zu orientieren sowie weitere Skaleneffekte durch Hereinnahme von externem Zusatzgeschäft. Andererseits schien vielfach die Aussicht verlockend, sich aktiv in einer Wachstumsindustrie zu positionieren und so ggf. attraktive neue Geschäftsfelder für den Gesamtkonzern entwickeln zu können.48 Im Gegensatz zur beachtlichen Anzahl von Eintritten fanden in dieser frühen Phase Austritte nur äußerst selten statt und wenn, stets ausschließlich im Zuge von Übernahmen, d.h. nicht wie in anderen Industrien zu beobachten durch Insolvenzen.49 Beispielhaft sind die Fälle der Industrie Daten (Idee) GmbH & Co. KG, mit deren Akquisition in 1993 EDS seine deutsche Marktposition ausbaute, sowie der ComputerService Magdeburg GmbH, die 1992 durch die Deutsche Telekom übernommen wurde, zu nennen. 3.1.2 1994 bis 2000 – Wachstum bis zum Absturz
Ab dem Jahr 1994 sah die IT-Outsourcing-Industrie einen weiteren, erheblichen Anstieg der Anbieterzahl. Allein 1994 traten 9 Unternehmen neu in den Markt ein, darunter internationale Schwergewichte wie Hewlett-Packard, Computer Sciences Corp., Origin oder Unisys. Die überwiegende Mehrheit bildeten jedoch erneut Corporate Spin-offs deutscher Konzerne (nachfolgend als ‚Captives’ klassifiziert). Hierunter war auch die ThyssenInformatik, das Vorgängerunternehmen der ThyssenKrupp IT-Tochter Triaton, die spätestens ab 1999 zum Aushängeschild für die Chancen der Captives werden sollte. Insgesamt erhöhte sich im Zeitraum bis 2000 die Anbieterzahl auf 58, was nahezu eine Verzweieinhalbfachung gegenüber 1993 bedeutet. Interessant für diesen Betrachtungszeitraum ist die Tatsache, dass neben Captives sowie internationalen Adressen (‚Internationals’) noch zwei weitere Typen von Unternehmen den Weg ins Outsourcing48 49
Vgl. Rüter/Pritsch (2002). Vgl. Fein (1998).
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Geschäft suchten, die im folgenden als ‚National Diversifiers’ und ‚De Novo Entrants’ bezeichnet werden.50
1 8
Captives Internationals 20 12
National Diversifiers De Novo Entrants
Abb. 5:
Anzahl von Eintritten in die Industrie im Zeitraum von 1994 bis 2000 unterschieden nach Typus
Quelle:
eigene Darstellung.
Unter ‚De Novo Entrants’ werden dabei in der Literatur üblicherweise Unternehmen verstanden, die wie z. B. EinsteiNet, komplette Neugründungen einzelner engagierter und motivierter Einzelakteure sind. Dieses Unternehmen war 1999 vom Entrepreneur Martín Varsavsky unter Mithilfe von Finanzinvestoren, u.a. Goldman Sachs, J.P. Morgan und Dresdner Kleinwort Capital gegründet worden und hatte rd. 700 Mio. DM in zwei eigene Rechenzentren und Glasfasernetze investiert.51 Die relativ hohen Investitionssummen, die mit dem IT-Outsourcing-Geschäft verbunden sind, mögen einer der Gründe sein, warum sich neben EinsteiNet jedoch kein weiterer De Novo Entrant im skizzierten Zeitraum findet.52 Die zweite Gruppe, National Diversifiers, drängte vor allem ab 1997 verstärkt in den Markt (siehe Abbildung 8). Hierunter subsumiert werden all diejenigen ITUnternehmen, die zwar im breiten Umfeld des IT-Dienstleistungsgeschäftes, jedoch
50
Wir folgen mit den Bezeichnungen in Allgemeinen sowie ‚de novo’ im Speziellen der üblicherweise verwendeten Diktion in diesem Bereich. Vgl. z. B. Buenstorf (2005) oder Carroll/Hannan (2000). 51 Vgl. o.V. (2002). 52 Eine entsprechende Argumentation genereller Natur hierfür findet sich u.a. bei Garvin (1983), S. 13f.
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noch nicht im IT Outsourcing aktiv sind.53 Mit dem Eintritt ins IT-Outsourcing verfolgen diese zumeist eine Strategie der Diversifikation auf Ebene ihrer Geschäftsfelder.54 Gerade für diese Unternehmen, die bis dato entweder im Bereich IT Projektgeschäft mit seinen hohen Umsatzschwankungen oder im margenschwachen HardwareVertrieb aktiv waren, bot das IT-Outsourcing-Geschäft mit seinen stabilen Umsatzströmen sowie relativ hohen Margen zu diesem Zeitpunkt eine attraktive Zukunftsperspektive. Beispielhaft sei hier die Systematics AG genannt, die sich durch die Konzentration aufs IT-Outsourcing vom ‚Kistenschieber’55-Image verabschieden konnte und sich letztlich strategisch komplett neu positionierte.56 Ähnlich wie bereits im Zeitraum von 1990 bis 1993 waren auch von 1994 bis 2000 Austritte aus der Industrie eher die Ausnahme. Deren Gesamtzahl belief sich insgesamt auf lediglich neun Unternehmen. Im Jahr 2000 deutet sich bei genauerer Betrachtung jedoch bereits eine Veränderung dieses Musters an. Während in den Vorjahren seit 1990 die Relation ‚Austritte in Prozent der Eintritte’ im Durchschnitt stets unter 20 Prozent lag, stieg dieser Wert im Jahr 2000 auf nahezu 60 Prozent an. Ein weiterer Aspekt fällt rückblickend ins Auge. Im Oktober 2000 übernahm die Deutsche Telekom von DaimlerChrylser deren Tochter debis, und führte diese anschließend Anfang 2001 mit ihren eigenen IT-Outsourcing-Aktivitäten unter dem Schirm der T-Systems zusammen. Mit anderen Worten: debis, das Unternehmen, das Sinnbild für Etablierung und Wachstum der IT Outsourcing-Industrie in Deutschland war, verschwand als eigenständiges Unternehmen vom Markt. 3.1.3 2001 bis 2005 - Jahre des Shakeouts
Das Jahr 2000 markiert im Rückblick den Peak hinsichtlich Anzahl von Firmen in der deutschen IT-Outsourcing-Industrie, wie aus Abbildung 6 ersichtlich wird. Diese grafische Darstellung der Anzahl von Anbietern im Zeitraum von 1990 bis 2005 erlaubt gleichzeitig die – zumindest vorläufige – Beantwortung der Frage, ob hier ein Industrielebensyzklus-Muster vorliegt. Zur Erinnerung: dieses war als starker Anstieg 53
Auf einem generellen Level wird gewöhnlich von der ITC (information technology and communications) Industrie gesprochen, die sich in die Hauptsegmente Hardware, Software und Services unterteilt. So zum Beispiel auch durch die EITO, die seit 1995 jährliche Analysen zum Europäischen ITC Markt bereitstellt. Vgl. EITO (2005). 54 Vgl. Cunningham/Fröschl (1995). 55 Als ‚Kistenschieber’ werden im IT-Branche - etwas despektierlich - all die Unternehmen bezeichnet, die im wesentlichen nur Hardware verkaufen und umsatzseitig nur einen sehr geringen Anteil an ergänzenden Dienstleistungen aufweisen. 56 Vgl. o.V. (2000).
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der Zahl der Unternehmen bis zu einem Maximum mit anschließendem deutlichen Rückgang bis auf ein niedriges Niveau definiert worden, auf welchem eine Stabilisierung stattfindet. Wenngleich aus heutiger Sicht ein Stabilisierungsniveau noch nicht erkennbar ist, lassen sich sowohl der kontinuierliche Anstieg wie auch die ShakeoutPhase klar identifizieren.
60
50
40
30
20
10
19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05
0
Abb. 6:
Entwicklung von Unternehmen in der IT Outsourcing Industrie in Deutschland von 1990bis 2005
Quelle:
eigene Darstellung.
Ein baldiges Ende des Shakeouts scheint dabei fraglich, glaubt man den wiederkehrenden Gerüchten in der Wirtschaftspresse des Jahres 2006 über anstehende Verkäufe weiterer Captives. So dürfte die Wahrscheinlichkeit groß sein, dass verbliebene Unternehmen wie z. B. Lufthansa Systems, Deutsche Börse Systems oder Siemens Business Services das gleiche Schicksal wie debis, Rheinmetall Informationssysteme oder RAG Informatik erleiden: die Übernahme und damit formal-analytisch den Exit aus der Industrie.57
57
Für die Deutsche Börse Systems wird gerüchteweise über einen Verkauf an Atos Origin nachgedacht. Atos Origin wurde zudem - ebenso wie Computer Sciences Corp.- aber auch als potentieller Käufer für die angeschlagene Siemens IT-Tochter Siemens Business Services gehandelt. Schließlich
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Ein Blick auf die konkreten Zahlen zeigt dabei die diametrale Veränderung der Industriedynamik, die sich nach 2000 vollzog. Mit 25 Unternehmen schieden in nur fünf Jahren (2001 bis 2005) doppelt so viele Unternehmen aus dem Markt aus, wie im gesamten Jahrzehnt zuvor. Auch das Markteintrittsverhalten änderte sich radikal. Traten von 1994 bis 2000 durchschnittlich 6 Unternehmen pro Jahr neu in den Markt ein, ging dieser Wert von 2001 bis 2005 auf im Schnitt lediglich 1,2 zurück. Eine Vitalisierung der Industrie durch neue Anbieter findet seitdem faktisch nicht mehr statt. Man ist nun intuitiv und schnell geneigt, den Shakeout auf den im Jahr 2000 stattgefundenen Crash an den Kapitalmärkten im Allgemeinen und das Platzen der Technologieblase im Speziellen zurückzuführen. Wie an anderer Stelle ausführlich gezeigt wird, ist dem jedoch nicht so.58 So wuchs die Nachfrage nach IT-Outsourcing von 2001 bis 2005 weiter im guten, zweistelligen Bereich.59 Vor diesem Hintergrund wäre daher im Gegenteil eher zu erwarten gewesen, dass verstärkt Eintritte von denjenigen Unternehmen stattfinden, die in ihren Industrien mit Problemen zu kämpfen haben, wie z. B. die IT Consulting und Systemintegrations-Industrie. Letztlich findet sich mit Pironet aber nur ein Fall einer entsprechenden ‚Ausweichtaktik’. Das 1995 gegründete Unternehmen war ursprünglich als Anbieter von Content-Management Software gestartet und vollzog im Februar 2000 den Börsengang am Neuen Markt. Konfrontiert mit einem schwierigen Branchen- und Kapitalmarktumfeld übernahm Pironet im Jahr 2003 das Datacenter sowie 20 Kunden des mittlerweile insolventen De Novo Entrants EinsteiNet und legte somit den Grundstein für eine erfolgreiche Diversifikation ins IT-Outsourcing.60 Pironet ist heute neben TDS einer der etablierten Anbieter für IT-Outsourcing insbesondere bei mittelständischer KundenKlientel. Auch in Bezug auf die stattgefundenen Austritte finden sich nur in Einzelfällen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Ende der New Economy-Blase und dem beginnenden Shakeout in der IT-Outsourcing Industrie. Eine Analyse zeigt, dass 63 Prozent der ausscheidenden Unternehmen aus dem Segment der Captives stammt, die in aller Regel ausreichend über die Konzernmutter finanziert sind. Nur für zwei von 25 Austritten im diskutieren Zeitraum besteht ein direkter Zusammenhang zwi-
wurde in 2006 von verschiedenen Seiten über eine Trennung der Lufthansa von der Lufthansa Systems spekuliert und IBM als möglicher Käufer ins Spiel gebracht. 58 Vgl. Kreutter (2006). 59 Vgl. Grimme/Kreutter (2006). 60 Vgl. Grimme (2005).
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schen Kapitalmarktschwäche und Ausscheiden aus dem Markt: Systematics und EinsteiNet. Im Fall von Systematics scheiterten aufgrund des schwierigen Kapitalmarktumfeldes Pläne, die fremdfinanzierte Übernahme durch eine Kapitalerhöhung umzuschulden. Der Branchenriese EDS kam als Helfer in der Not und übernahm Systematics zum weiteren Ausbau seines deutschen IT-Outsourcing-Geschäftes. Für EinsteiNet kam in 2003 die Insolvenz. Trotz Anschubfinanzierung von Venture Capitalisten in dreistelliger Millionenhöhe gelang es dem Unternehmen nicht, profitables Geschäft zu entwickeln. Mit Blick auf die bisherige schlechte Geschäftsentwicklung des Unternehmens sowie aufgrund der ungünstigen Kapitalmarktbedingungen fanden sich schließlich keine weiteren neuen Investoren mehr, um die die Finanzierung sicherzustellen. Das investitions- und kostenintensive Rechenzentrum ging aus der Insolvenzmasse zu einem Bruchteil der ursprünglichen Kosten an Pironet. Schließt man jedoch generell das Kapitalmarktumfeld als zentrale Ursache für den Shakeout aus, müssen andere Faktoren Treiber dieser Entwicklung sein und die vor allem Captives betreffen. Entscheidend für den Rückschluss ist die Tatsache, dass Captives mit über 70 Prozent eine doppelt so hohe Failure-Rate (Anteil gescheiterter Unternehmen in Relation zu eingetretenen Unternehmen dieser Gruppe) haben wie National Diversifiers und Internationals, die beide auf ähnlichem Niveau liegen.61 Ausschließen lassen sich dabei spezifische Faktoren wie Eintrittszeitpunkt oder Unternehmensgröße, da – wie eine Analyse gezeigt hat - die gescheiterten captiven Unternehmen hinsichtlich, Größe und Markteintrittszeitpunkt sehr heterogen sind.62 Damit liegt eher der Verdacht nahe, dass - pointiert formuliert – das gemeinsame ‚konzernfamiliäre Umfeld’ häufig Ursache für ein Scheitern ist.
61
Das Ergebnis für ‚De Novo Entrants’ wurde insofern ausgeklammert, als sich dieses auf nur ein Unternehmen bezieht und daher keine allgemeingültigen Rückschlüsse zulässt. 62 So konnte in verschiedenen Industrien teils ‚Liability of Smallness’ bzw. ‚Late Entry’ als Ursache höherer Failure-Rates identifiziert werden. Vgl. u.a. Agarwal et al. (2002).
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Failure-Rate in %
80 80
70,6 70,6%%
70 70 60 60 50 50
36,0 36,0%%
35,3 % 35,2%
Internationals
National Diversifiers
40 40 30 30 20 20 10 10 00
Captives
Abb. 7:
Failure-Rate in der deutschen IT Outsourcing Industrie unterschieden nach Teilgruppen
Quelle:
eigene Darstellung.
3.2 IT-Ausgründungen – ein Modell ohne Zukunft Auf den ersten Blick mag die vorangegangene Überlegung zweifelsohne überraschend scheinen, ist es doch gerade das durch den Konzernhintergrund vorhandene Pre-Entry Know-how, welches den erfolgreichen Eintritt und damit die ersten Schritte in der Industrie erst möglich macht. Wie nachfolgend gezeigt wird, liegt hierin paradoxerweise gleichzeitig die Ursache, die aus IT Ausgründungen in der Tendenz ein Modell ohne Zukunft macht. 3.2.1 Konzern-Hintergrund der Captives als kurzfristiger Vorteil für den Eintritt in
die Industrie Unternehmen, die ihre Informationstechnologie an spezialisierte Dienstleister outzusourcen, treffen damit eine Entscheidung strategischer Natur, die weit reichend in die Wertschöpfungsarchitektur eingreift.63 Die abgeschlossenen Verträge erstrecken sich mit üblicherweise fünf bis zehn Jahren über einen sehr langen Zeithorizont, sind in Struktur sowie konkreter Umsetzung komplex und repräsentieren ein Kostenvolumen 63
Vgl. für eine aktuelle Analyse Cohen/Young (2006).
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von bis zu mehreren Milliarden Euro. Entsprechend hoch sind folglicherweise die Anforderungen an potenzielle Dienstleister, die in der Entscheidungsfindung und den Auswahlkriterien Berücksichtigung finden müssen. Mit anderen Worten: Nur die wenigsten Kunden werden das Risiko auf sich nehmen, die Partnerschaft mit einem unerfahrenen Branchen-Newcomer einzugehen. Dies erklärt auch, warum es nahezu keine De Novo Entrants in dieser Industrie gibt.64 Verstärkend wirkt hierbei, dass trotz des hohen Technologienanteils IT-Outsourcing stets eine Dienstleistung ist, deren tatsächliche Qualität vor Vertragsunterzeichnung und tatsächlicher Inanspruchnahme nicht gemessen werden kann.65 SignalingFaktoren, wie Reputation, bisherige Erfahrung in ähnlichen Projekten sowie Industrieund Branchenexpertise, spielen daher zwangsläufig eine zentrale Rolle.66 Für Unternehmen, die als neue Anbieter in die IT-Outsourcing-Industrie eintreten wollen, resultiert hieraus eine Art von ‚Henne-Ei-Problem’: Das Gewinnen erster OutsourcingVerträge – mithin der erfolgreiche Einstieg in die Industrie – ist nur möglich, wenn die genannten Signaling-Faktoren gegeben sind. Diese können wiederum jedoch nur dann glaubhaft vermittelt werden, wenn bereits bestehende Outsourcing-Verträge vorhanden sind. Captive Anbieter können hier aus einer sehr komfortablen Position heraus agieren. Bei ihnen dient der Konzernhintergrund als wichtiger Signaling- und Reputationsfaktor. Da captive Anbieter per definitionem die Informationstechnologie für den Mutterkonzern bereitstellen und betreiben, müssen sie zwangsläufig über die langjährige Erfahrung, die personelle und technologische Know-how-Basis sowie die grundlegenden Skaleneffekte verfügen, ohne die erfolgreiche Outsourcing-Vorhaben prinzipiell nicht möglich sind.67 Ergänzend kann die etablierte Marke eines Mutterkonzerns über allgemeine Spill-over-Effekte die subjektive Wahrnehmung der Tochtergesellschaft bei 64
Garvin (1983), S. 13f. hat bereits 1983 eine Reihe verschiedener Ursachen skizziert, die für klassische Start-ups resp. De Novo Entrants logische Markteintrittsbarrieren darstellen können. Hierunter fallen z. B. Skaleneffekte und hohe Investitionsanforderungen. 65 Kotler et al. (2002), S. 13f. bringen dies treffend auf den Punkt: ‚Before buying a product, a customer can assess what he or she is buying. For example, before purchasing an automobile, a customer can test drive it. But services are different. They are first sold, then produced and consumed at the same time. One cannot be sure that an architect grasps a client’s need until the construction drawings come back.’ 66 Vgl. zum Signaling den Überblick bei McAfee (2002), S. 324ff. 67 Dies zeigt sich u.a. daran, wie aktiv captive IT-Outsourcer diesen Umstand marketingtechnisch einsetzen. So findet sich beispielsweise auf der Homepage der BASF IT Services folgende Aussage: ‚BASF IT Services, a BASF Group company, is among the leading IT service providers for the process industry in Europe. [...]This expertise is based on years of experience in providing solutions to the world’s leading chemical company, BASF.’ (BASF IT Services (2006)).
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Dritten positiv beeinflussen. Dieser originäre Startvorteil hilft langfristig allerdings nur bedingt weiter, wie die Diskussion limitierender Faktoren zeigt. 3.2.2
Konzern-Hintergrund als langfristiger Nachteil und Ursache für hohe Failure-Rates
Die limitierenden Faktoren stellen sich vielfach bereits im Tagesgeschäft ein. Captives besitzen neben generellem IT-Know-how tiefe Kenntnisse der Geschäftsprozesse und Abläufe in den Industrien, in denen der Mutterkonzern tätig ist.68 Die Ausnutzung dieses unter Differenzierungsgesichtspunkten wertvollen Know-hows ist im Markt in zweierlei Hinsicht nur bedingt möglich. Zum einen werden viele Kunden der entsprechenden Branchen aus strategischen Überlegungen heraus nur wenig Interesse haben, dem Tochterunternehmen eines möglichen Wettbewerbers Einblick in die eigenen, geschäftskritischen Prozesse zu geben.69 Zum anderen wird sich auch der Mutterkonzern vorbehalten, der Tochtergesellschaft die Vermarktung bestimmter Know-how-Teile zu untersagen, die im eigenen Kerngeschäft strategische Differenzierungspotenziale bieten. Für die IT-Tochter ist dies in beiden Fällen ein nicht zu unterschätzendes Problemfeld, das vom CEO eines Captives einmal sehr deutlich als ‚kastriertes Leistungsprofil’ bezeichnet wurde. Faktisch zeigen sich hierin die unterschiedlichen Rollen, die ausgegründete ITTochter aus Konzernperspektive stets einnehmen: Interne Support und Back OfficeFunktion einerseits sowie Portfolio-Unternehmen und Geschäftsfeld andererseits. Das resultierende Spannungsfeld aus Eigeninteressen der Konzernmutter zur internen Optimierung und dem Bestreben des Tochterunternehmens nach Erfolg am Markt wird auch in den heterogenen Zielsystemen von CEO/CFO und CIO des Mutterkonzerns sowie dem Management-Team der ausgegründeten IT-Tochter deutlich. Trotz steigender Bedeutung des Chief Information Officer (CIO) sowie dezentraler Führungsstrukturen, die dem Management von Tochtergesellschaften große Freiheiten einräumen, dürfte unstrittig sein, dass letztlich CEO und CFO als Vertreter der Unternehmensstrategie die stärkste Position und damit dominierende Perspektive haben.
68
So sieht die Lufthansa Systems ihr spezifisches Differenzierungsmerkmal im Airline-Know-how: ‚Das umfangreiche Leistungsangebot von Lufthansa Systems für die die Airline- und Aviation Industrie basiert auf langjähriger Projekterfahrung, tiefgreifendem Verständnis der luftfahrtspezifischen Prozesse und eines fundierten Technologie-Know-Hows.’ (Lufthansa Systems (2006)). 69 Zu einer formal-theoretischen Diskussion entsprechender Spannungsfelder im Kontext vertikaler Desintegration von Wertschöpfungsnetzwerken vgl. Chen (2005).
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CIO
CEO / CFO IT-Tochter
Optimierung des Portfolios unter Make-or-BuyGesichtspunkten
Interne Support & Back Office Funktion
Management der IT-Tochter
PortfolioUnternehmen
Optimierung des Geschäftsfeldportfolios unter Größen-, Ertrags- und Wachstumsperspektiven
Sicherung und ggf. Ausbau des Stammgeschäftes mit der Muttergesellschaft Reduzierung der Abhängigkeit vom Konzern durch Wachstum im externen Markt
Abb. 8:
Zielsysteme unterschiedlicher Managementfunktionen in Konzernmutter und IT-Ausgrün dung
Quelle:
eigene Darstellung.
Nimmt man deren Zielsystem als Referenzpunkt, lässt sich der hohe Prozentsatz der im Rahmen der Industrieentwicklung ausscheidenden Captives systematisch erklären. Es zeigt sich, dass sowohl (a) ein erfolgreicher Entwicklungspfad der IT-Tochter wie auch (b) nur bedingter Erfolg bzw. Misserfolg, i.S. eines geringen Anteils externen Geschäfts am Gesamtumsatz, regelmäßig zum gleichen Ergebnis führen muss: einem Rückzug aus der IT Outsourcing-Industrie durch Re-Integration oder Verkauf.
(a) Szenario I: Exit trotz ‚Erfolgs im Drittmarkt’ Wie das Beispiel ThyssenKrupp Triaton zeigt, können IT-Ausgründungen sehr erfolgreich in die IT-Outsourcing-Industrie eintreten und dort eine führende Rolle spielen.70 Mit zunehmendem Anteil externer Kunden am Gesamtumsatz verändert sich dann zwangsläufig sowohl das Eigenverständnis der Tochter wie auch die Sichtweise der Konzernmutter auf die Ausgründung. Die Tochter wird auf Basis erster Erfolge verstärkt unternehmerische Freiheiten fordern sowie finanzielle Mittel für weiteres 70
Exemplarisch hierfür ist der Entwicklungspfad der aus den IT-Sparten von Thyssen, Hoesch, Krupp sowie entstandenen Triaton. Das Management-Team um Dr. Peter Chylla entwickelte Thyssens interne IT-Abteilung nach Ausgründung in die Thyssen Informatik GmbH zu einem der Top-10 Anbieter in der deutschen IT-Outsourcing-Industrie.
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Wachstum benötigen. Aus dem ursprünglichen Cost-Center und später Profit-Center wird ein Portfolio-Unternehmen im Sinne der Geschäftsstrategie; dies sowohl rechtlich-formal wie auch in der internen und externen Wahrnehmung. Für das Mangement der IT-Tochter bedeutet dies aber, dass es sich als Portfolio-Unternehmen im internen Wettbewerb gegen andere Geschäftsfelder behaupten muss. Stellt die Konzernleitung das Konzern-Portfolio unter Größen- und Wachstumsgesichtspunkten auf den Prüfstand - was nicht nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten geschehen sollte - finden sich Captives regelmäßig auf den Desinvestmentlisten. Der Grund hierfür ist einfach. Selbst captive Anbieter, die über die Jahre aggressiv durch große Übernahmen gewachsen sind, nehmen im internen Größenvergleich mit anderen Geschäftsfeldern nur Randpositionen ein. Um auf Augenhöhe etablierter Konzernbereiche zu kommen, wären über viele Jahre hohe Wachstumsraten und entsprechende Investments notwendig, die zwangsläufig zu Lasten der anderen Konzerngesellschaften gehen würden. Die Umsatzbasis, von der aus IT-Töchter in aller Regel bei Ausgründung starten müssen, ist nicht zufällig, sondern strukturell bedingt, spiegelt diese doch letztlich doch nur die allgemeinen Backoffice-Kostenstrukturen der jeweiligen Branche wider. Die Relation von Umsatz zu IT-Ausgaben überschreitet dabei nur in den wenigsten Branchen 4 bis 5 Prozent.71. Wie schwierig es ist, von einer solchen Ausgangsbasis die Entwicklung einer dominanten Position im Konzern zu erreichen, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel. Geht man beispielsweise davon aus, dass eine Konzern-Tochter bei Ausgründung 2 Prozent des Konzernumsatzes als IT-Ausgaben auf sich vereinigt, wäre selbst nach sieben Jahren und bei einem stetigen Wachstum von 30 Prozent p.a. ihr Anteil am Konzernumsatz immer noch unterhalb der 10 Prozentmarke.72
71
So geht die META Group (2004) beispielsweise von folgenden Branchenwerten für IT Ausgaben in Relation zum Umsatz aus (Auswahl): Construction 0,79%, Retail 1,94 %, Utilities 2,53%, Manufacturing 4,22%, Financial Services 5,96% oder Telecommunications 9,32%. 72 Eine Bündelung aller IT-Ausgaben eines Konzerns in der IT-Tochter sind ein theoretischer Fall. Als Faustregel sind in der Praxis selten mehr als ca. 50 bis 60 Prozent möglich.
190
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Unternehmen
Jahr
Konzernumsatz in Mrd. Euro
Umsatz ITTochter in Mio. Euro
Anteil IT-Tochter am Konzernumsatz in Prozent
Vorwerk
2002
1,6
0,02
1,40
ThyssenKrupp
2003
36,1
0,37
1,03
BASF
2005
42,7
0,36
0,85
Deutsche Lufthansa
2005
18,1
0,64
3,50
Deutsche Telekom
2005
59,6
12,9
21,64
Siemens
2005
75,5
5,4
7,15
Volkswagen
2005
95,3
0,61
0,64
Abb. 9:
Relative Umsatzbedeutung der IT-Tochter im Konzernkontext
Quelle:
eigene Darstellung.
Voranstehende Zahlenbeispiele illustrieren das in aller Regel marginale Gewicht von IT-Töchtern im Konzern-Portfolio. Der hohe Anteil der Telekom IT-Tochter TSystems am Konzernumsatz darf als die sektorspezifische Ausnahme gesehen werden, die die Regel bestätigt. Die Bespiele von ThyssenKrupp sowie Volkswagen hingegen machen deutlich, dass geringe relative Größe selbst mit guter Performance nicht ausgeglichen werden kann. In beiden Fällen wurde die ausgegründete IT-Tochter im Zuge von Portfolio-Maßnahmen an andere IT-Outsourcing-Unternehmen veräußert und schied damit letztlich aus der Industrie aus. Auch Vorwerk ging mit ihrer ITAusgründung Zeda den Weg des Verkaufs, wobei laut Presseberichten deren unbefriedigende Performance die Entscheidung mit ausgelöst haben soll.73
(b) Szenario II: Exit mangels Erfolg im Drittmarkt Unabhängig von der Frage der relativen Größe, hat negative wirtschaftliche Performance des Spin-offs natürlich direkte Auswirkungen auf seine Überlebenschance. 73
Siehe o.V. (2003).
SPIN-OFFS UND DIE EVOLUTION VON INDUSTRIEN
191
Auch hier gibt es mit der Frage des Anteils von externem zu internem Geschäft eine konzernspezifische Dimension der Betrachtung. Umsatzgenerierung im externen Markt ist stets mit Kosten für Markteintritt (z. B. Aufbau einer angepassten Organisations- und Deliverystruktur) sowie laufenden Ausgaben, z. B. für Markting oder Vertriebsaktivitäten verbunden. Dies sind Kosten, die dem Konzern bei einem rein intern als Cost-Center strukturiertem IT-Bereich nicht anfallen würden. Je weniger nun die IT-Tochter Erfolge am Markt zeigen kann und je mehr damit der Konzern die ‚Markt’Kosten mittragen muss, desto lauter werden erfahrungsgemäß die konzerninternen Rufe, das ‘Abenteuer Markt’ zu beenden. Eine Rückfokussierung auf den internen ITBetrieb wäre eine denkbare Variante, die aus Sicht der IT-Outsourcing Industrie bereits das Ausscheiden eines Anbieters wäre. Wie unsere empirischen Analysen zeigen, gehen die Konzernmütter vielfach noch einen Schritt weiter. Sie verkaufen die ITTochter an einen spezialisierten Dienstleister, der gleichzeitig die Verantwortung für den kompletten Betrieb oder bestimmter Teile der Konzern-IT übernimmt. Der vom Verkauf betroffene Unternehmensteil wehrt sich in dieser Situation häufig mit dem Pauschalargument, dass IT ja Kernkompetenz des Konzerns ist, die man nicht outsourcen sollte. Dies mutet aus externer Perspektive jedoch insofern paradox an, als seine früheren Vertriebsaktivitäten im Markt zwangsläufig unter dem Credo stehen mussten: ‚IT ist heute Commodity, die am besten vom spezialisierten externen Dienstleister bereitgestellt wird.’
4 Zusammenfassung und Ausblick Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, folgt die Entwicklung der ITOutsourcing Industrie bis dato dem in der industrieökomischen Forschung empirisch identifizierten Industrielebenszyklus. Weiterhin wurde sichtbar, dass Ausgründungen großer Konzerne gerade aufgrund ihres Konzernhintergrundes überproportional stark vom Shakeout betroffen sind resp. hierzu beitragen. Die zugrunde liegende Mechanik, die in der speziellen Konzern-Tochter-Konstellation und ihren Auswirkungen zu suchen ist, wurde anhand zweier möglicher Szenarien skizziert und diskutiert. Auf Basis dieser Überlegungen und Ergebnisse eröffnen sich für die Zukunft weitere empirische und theoretische Forschungsfragen zum Industrielebenszyklus. So wäre interessant zu überprüfen, ob den hiesigen Ergebnissen ähnliche Entwicklungsmuster in anderen Ländern und Regionen gegenüberstehen. Neben IT-Outsourcing könnten auch andere Service-Industrien im allgemeinen und Outsourcing-Industrien im speziel-
192
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len untersucht werden, inwieweit sie dem Industrielebenszyklus folgen und ob hier ebenfalls Konzernausgründungen unter dem skizzierten ‚Mutter-Komplex’ leiden. Zu beobachtende Einzelfälle im Bereich Facility-Management oder Zahlungsverkehr/Wertpapierabwicklung bei Banken lassen dies bereits vermuten. Abschließend stellt sich mit Blick auf die wenig ermunternden Aussichten für entsprechende Ausgründungen zwangsläufig eine fundamentale Frage, warum vielleicht dennoch diesen Schritt wagen? Ein gewichtiges Argument liefert DaimlerChrysler mit debis. Letztlich darf hier die Veräußerung nicht fälschlicherweise auf ein Scheitern im IT Outsourcing-Markt oder bloße Portfolio-Bereinigung reduziert werden. Mit der Ausgründung wurden aus Konzernsicht Unternehmenswerte geschaffen, die bei noch genügend Wachstumsfantasie und zum richtigen Zeitpunkt durch den Verkauf monetär realisiert wurden. Der Umstand, der die Entwicklung der debis dabei erst möglich gemacht hat, ist die zweite Antwort auf die Frage ‚warum dennoch?’ Der große Stratege Clausewitz hat sie einmal wie folgt beschrieben: ‚Sooft Kühnheit auf die Zaghaftigkeit trifft, hat sie notwendig die Wahrscheinlichkeit des Erfolges für sich, weil Zaghaftigkeit schon ein verlorenes Gleichgewicht ist74’ Mit anderen Worten: in letzter Konsequenz ist es stets nur unternehmerischer Wille und Mut, der auch in schwierigen Konstellationen Grundlagen jeden Erfolges ist.
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Teil II Praktische Erfahrungen
Universitäre Ausgründungen als Motor einer dynamischen Innovationslandschaft Christian Mathes
Inhaltsverzeichnis 1 2 3 4 5
Einleitung ............................................................................................................ 200 Steigerung des Wettbewerbsdruckes führt zu Innovationsdruck ........................ 200 Start ups und Spin Offs sind die Treiber des Strukturwandels ........................... 204 Fazit ..................................................................................................................... 210 Literaturverzeichnis............................................................................................. 211
Abstract Europas Wirtschaft befindet sich durch die Globalisierung in einem sehr dynamischen Strukturwandel. Die Produktlebenszyklen werden zunehmend kürzer und der Druck auf die Unternehmen, in immer kürzeren Abständen neue Produkte auf den Markt zu bringen, wird immer größer. Die damit einhergehende Dynamik stellt vor allem für Neugründungen eine große Chance dar, da diese Unternehmen schneller technologische Neuerungen oder Innovation aufgreifen und im Unternehmen integrieren, oder ihr Geschäftskonzept auf diese neuen Chancen aufbauen können. „Universitäre Ausgründungen“ oder Spin Offs besitzen zudem durch die Nähe zur „Alma Mater“ in der Regel einen direkteren Zugang zu hoch qualifizierten Arbeitskräften, zur universitären Infrastruktur, zur Forschungsleistung der Hochschulen, zu IPRs und wissenschaftlichen Netzwerken, die ihnen eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit sichern. Durch universitäre Neugründungen entsteht wiederum ein gewisser Wettbewerbsdruck auf die etablierte Industrie, ebenfalls diesen technologischen Wandel mit zu gestalten, um den „technologischen Anschluss“ und damit Marktanteile nicht zu verlieren.
200
MATHES
1 Einleitung Der Bereich „Universitäre Ausgründungen“ ist ein Teilbereich des Technologietransfers im Allgemeinen zwischen akademischen Hochschulen und Wirtschaft. Daneben unterscheiden wir „Technologietransfer durch Humankapital“ und „Forschungs- und Entwicklungskooperationen“ (F&E Kooperationen). Beim letztgenannten Bereich kam es in vielen Ländern Europas in den vergangenen Jahren zu einer Neuregelung hinsichtlich der Rechte von Hochschulen am geistigen Eigentum (intellectual property rights, IPR). Hatten früher die Erfinder in den Hochschulen das Recht an ihren Erfindungen, so wurden nach und nach in vielen Ländern diese Rechte an die zuständige Hochschule übertragen. Als Vorbild diente der so genannte „Patent and Trademark Amendments Act“ der USA aus dem Jahre 1980. Besser bekannt ist diese, von den beiden Senatoren Birch Bayh und Bob Dole eingebrachte Gesetzesvorlage als „BayDole Act“. Durch dieses Gesetz bekamen die amerikanischen Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen erstmals die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse selbst zu kommerzialisieren, auch wenn die zu Grunde liegende Forschung durch Bundesgelder finanziert wurde. In Europa ist ein ähnlicher Prozess erst seit wenigen Jahren im Gange. Allerdings bemerkt man durch diese Neuregelungen bereits eine dynamischen Entwicklungen im Bereich der F&E Kooperationen, weil die Hochschulen, in Zeiten von knappen Ressourcen, immer stärker eine Hinwendung zur Wirtschaft vollziehen, um durch Auftragsforschung oder Lizenzierungen von „gewerblichen Schutzrechten“ zusätzliche Budgetmittel einwerben versuchen. Dieser Beitrag soll hauptsächlich den Sonderfall des Technologietransfers durch „Universitäre Firmenausgründungen“ beleuchten, auch wenn in der Praxis der universitäre Technologietransfer ein weites Feld abdeckt, das von der einfachen Weitergabe von Wissen (know-how Transfer) über die Auslizenzierung von Schutzrechten bis hin zur Gründung von Firmen im universitären Umfeld reicht.
2 Steigerung des Wettbewerbsdruckes führt zu Innovationsdruck Die Globalisierung hat vor allem im Wirtschaftsbereich grundlegende Änderungen hervorgerufen. Aus europäischer Sicht ist ein starker Wettbewerbsdruck auf das produzierende bzw. verarbeitende Gewerbe entstanden. Daraus ergeben sich zwei grundlegende Phänomene: 1.) Eine starke Abwanderung von Produktionsstätten in Niedrig-
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201
lohnländer und 2.) eine Produktivitätssteigerung der bestehenden Industrie durch die Nutzung von neuen Technologien. Durch diesen zunehmenden Wettbewerbsdruck kommt es zu einem immer intensiver werdenden Innovationsdruck, da sich nur durch innovative Produkte außerhalb der Niedriglohnländer ausreichende Margen erwirtschaften lassen. Im Gegenzug bringt diese Entwicklung auch neue Chancen, weil es zum Entstehen neuer Märkte führt, die vor allem von jungen, innovativen Firmen als Chance genutzt werden können. Diesen dringend erforderlichen Strukturwandel wollte die europäische Politik mit den „Lissabon Vorgaben“ (März 2000) unterstützen. Dazu stellte sie einen Maßnahmenkatalog auf, der Europa bis zum Jahr 2010 „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt“ machen soll. Spätestens seit den „Koks-Berichten“ (November 2004, Wim Kok ist der Vorsitzende der Arbeitsgruppe) war klar, dass sich die Position Europas, vor allem gegenüber den USA und Asien nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert hat. Die Abbildung 1 zeigt deutlich, dass in den Bereichen Wirtschaftswachstum, Arbeitsproduktivität und Ausgaben für Forschung und Entwicklung der Abstand zu den USA noch größer wurde. In den anderen Bereichen kann man von fast identen Abständen sprechen.
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Abb. 1:
Vor und nach Lissabon
Quelle.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 255, 01.11.2004, Seite 13.1
Die Modifikation der Ziele (Verwirklichung der Wissensgesellschaft, Vollendung des Binnenmarktes und Förderung des Wettbewerbs, Schaffung eines günstigen Wirtschaftsklimas für Unternehmen, Schaffung eines anpassungsfähigen und inklusiven Arbeitsmarktes und vehemente Förderung von „Win-win-orientierten“ umweltfreundlichen Wirtschaftsstrategien) ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass Europa tatsächlich in einem tiefen Strukturwandel steckt und die Wirtschaft sich den neuen Herausforderungen stellen muss. Ein zentraler Aspekt dieses Strukturwandels liegt im Bedeutungsgewinn von Wissen für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Nicht nur der Einsatz neuer 1
http://www.faz.net/s/Rub050436A85B3A4C64819D7E1B05B60928/Doc~EC57D4027E0624A C0A6F4E8 6EA9D5A1B~ATpl~Ecommon~Scontent.html
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203
Technologien in der Wirtschaft, sondern vor allem die Entwicklung der Technologien selbst erfordert ein hohes Maß an Know-how. Für die Geschwindigkeit des Strukturwandels spielen Neugründungen eine entscheidende Rolle. Meist greifen junge Unternehmen technologische Neuerungen und Innovation auf, integrieren diese in ihre Geschäftsidee oder bauen gar ihr Geschäftskonzept auf diesen Neuentwicklungen auf. Als Folge bringen gerade junge, innovative Unternehmen neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt und fordern damit etablierte Unternehmen heraus. Dieser Innovationswettbewerb und die sich mit ihm stetig wandelnden Marktgegebenheiten sind der Motor, der den notwendigen Strukturwandel vorantreiben wird. Die Geschwindigkeit mit der sich unser gesellschaftliches Leben, aber auch das Wirtschaftsleben verändert, hängt im hohen Masse auch von der Integration neuer Technologien ab.
Zeit in Jahren bis 50 Mio. Benutzer erreicht wurden Internet
TV
4 13
Radio
38
Abb. 2:
Zeit in Jahren bis 50 Mio. Benutzer erreicht wurden
Quelle:
Vortrag von Prof. Alan Barrell, am Innovationstag der Tiroler Zukunftsstiftung; 11. Oktober 2005; Plenarvortrag: Regional Economic Development – Lessons from the Cambridge Model.
Einen weiteren Beleg für den derzeit offenkundigen Technologiewandel, kann man auch aus der folgenden Grafik ableiten. In dieser ist dargestellt, wie viel Volumina in den verschiedenen Parametern an einem Tag im Jahre 2003 in die Tat umgesetzt wurden. So sind an einem Tag 2003 so viele internationale Telefongespräche geführt worden, wie im ganzen Jahr 1971. Es wurden an einem Tag 2003 gleich viele Passagiere mit Flugzeugen transportiert, wie im ganzen Jahr 1975; gleich viele Mobiltelefongespräche wie 1984, gleich viele E-Mails wie im Jahre 1992 und es wurden an einem Tag 2003 gleich viele SMS verschickt wie im ganzen Jahr 1998:
204
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Mengenaufkommen an einem Tag im Jahre 2003
Alle internationalen Telefongespräche
1971
Alle Flugzeugpassagiere
1975
Alle Gespräche mit Mobiltelefonen
1984
Alle Emails
1992
1998
Alle SMS
Abb. 3:
Mengenaufkommen an einem Tag im Jahre 2003
Quelle:
Vortrag von Prof. Alan Barrell, am Innovationstag der Tiroler Zukunftsstiftung; 11. Oktober 2005; Plenarvortrag: Regional Economic Development – Lessons from the Cambridge Model.
3 Start ups und Spin Offs sind die Treiber des Strukturwandels Es sind vor allem zwei Gründe warum junge und kleine Unternehmen die neuen Herausforderungen schneller annehmen:
1.) Organisationsgröße des Unternehmens: Schlankere Unternehmensstrukturen erleichtern generell die Einführung von Innovationen, weil dort die meist notwendigen Organisationsänderungen einfacher umzusetzen sind. Im Gegensatz dazu müssen größere Unternehmen ihren Fokus stärker auf standardisierte Prozesse und Abläufe legen, um die Koordination und Kommunikation zwischen ihren Organisationseinheiten gewährleisten zu können. Dadurch sind Veränderungen in der Organisation (Ablauf- und/oder Aufbauorganisation) naturgemäß nur mit größerem Ressourceneinsatz und längeren Projektlaufzeiten möglich.
2.) Flexibilität als Unternehmensstrategie bei jungen Unternehmen: Neben der organisatorischen Flexibilität, besitzen kleinere Einheiten auch die Fähigkeit, schneller auf äußere Einflüsse (z. B. Trends oder neue Technologien) zu reagieren. Dabei sind der geringe Komplexitätsgrad, die hohe Risikobereitschaft und eine dynamische Unternehmenskultur die wichtigsten Treiber. In der Regel sind daher Neu-
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gründungen oder kleinere Unternehmen leichter in der Lage, ihr Geschäftskonzept auf neue Technologie aufzubauen. Obwohl Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts IBM praktisch den gesamten Computermarkt beherrschte, wurde die Entwicklung der Mikrocomputer (später Personal Computer oder PC) von kleinen Unternehmen bzw. Neugründungen vorangetrieben. Auch als IBM Anfang der 80er Jahre die bereits rasante Entwicklung des PCMarktes realisierte und ein sehr erfolgreiches Produkt auf dem Markt platzierte, den IBM 5150, konnte das Unternehmen dennoch seine bislang dominante Stellung im Computermarkt nicht länger verteidigen und musste letztlich den PC-Markt den kleineren, innovativeren Unternehmen überlassen. Neben den Ausgründungen aus Unternehmen (Corporate Spin Offs) und den Start ups, spielen die universitären Ausgründungen (sog. University Spin Offs)“, vor allem bei technologieorientierten Gründungen, durch ihre Nähe zu den Hochschulen, eine besondere Rolle. Die akademischen Hochschulen und insbesondere die Universitäten haben seit jeher vor allem zwei Aufgaben: Lehre und Forschung. Doch die rasanten Veränderungen in unserer Gesellschaft haben auch vor den akademischen Hochschulen nicht halt gemacht. Den klassischen „Elfenbeinturm“, in dem Wissen des Wissens wegen gelehrt wurde, gibt es nicht mehr. Bis in die 90er Jahre hinein bestand die ökonomische Legitimation der öffentlichen Förderung von Grundlagenforschung - und damit der Finanzierung von Universitäten und außeruniversitären öffentlichen Forschungseinrichtungen - in der Erzeugung positiver externer Effekte in Form von Publikationen und gut ausgebildeten Humanressourcen. Inzwischen verlagert sich der politische Fokus in den meisten OECDLändern mehr auf den direkten Wissens- und Technologietransfer aus dem öffentlichen in den privaten Sektor. In einer „wissensbasierten Gesellschaft“ stehen naturgemäß jene Einrichtungen des öffentlichen Sektors im Mittelpunkt des Interesses, an denen Wissen geschaffen, entwickelt und letztlich durch Technologietransfer kommerziell verwertet wird. Die Hauptargumente für einen solchen Technologietransfers liegen darin, dass inaktive Staatsmittel (Forschungsergebnisse der akademischen Einrichtungen) von privaten Entwicklern zum öffentlichen Wohl genutzt und aktiviert werden. Die Wirtschaft erzielt daraus Profit und schafft neue Arbeitsplätze, Studenten erhalten eine praxisnahe Ausbildung und die Hochschulen können, durch die Generierung zusätzlicher Ein-
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nahmen, sowohl Forschung als auch Lehre verbessern. Letztlich werden davon also beide profitieren – sowohl die Forschungseinrichtungen, die Wissen transferieren als auch die Unternehmen, die dieses Wissen kommerzialisieren – da ein intensiver Technologietransfer Beiden im internationalen Vergleich Wettbewerbsvorteile verschaffen wird. Der Innovationsprozess selbst lässt sich in vier Bereiche unterteilen: Grundlagenforschung Angewandte Forschung Entwicklung Produktion und Vermarktung In Europa wird die Grundlagenforschung fast ausschließlich von öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen betrieben. Auch dies ist eine Konsequenz des oben diskutierten wirtschaftlichen Strukturwandels. Durch die zunehmende Globalisierung und den damit einhergehenden steigenden Konkurrenzkampf und Kostendruck, haben sich viele Unternehmen aus der Grundlagenforschung zurückgezogen oder zumindest die eingesetzten Mittel drastisch reduziert. Geblieben ist die angewandte Forschung, als der Bereich, in dem sich sowohl die Hochschulen als auch die Industrie stark engagieren. Die beiden letztgenannten Bereiche – Entwicklung sowie Produktion und Vermarktung - sind jene Entwicklungsfelder, die nahezu ausschließlich von der Wirtschaft geleistet werden. Dieser Veränderungsprozess dürfte allerdings noch nicht abgeschlossen sein. So versuchen die Hochschulen immer stärker neben dem angewandten Forschungsbereich, in den Entwicklungsbereich zu diffundieren. Im Gegenzug dazu ist ein stärkerer Trend bei den Unternehmen in die Bereiche Entwicklung und Vermarktung feststellbar ist. Die Unternehmen profitieren von einem Rückzug aus der Grundlagenforschung und aus Teilen der angewandten Forschung durch eine Reduzierung der Kosten und vor allem durch eine Senkung der Entwicklungsrisiken, da gerade in frühen Phasen des Innovationsprozesses das Risiko hoch ist. Für die Hochschulen, eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, über Auftragsforschung zusätzliche Einnahmen zu generieren. Historisch bedingt sind es vor allem die amerikanischen Hochschulen, die in diesem Bereich die größten Einnahmen erzielen. Dem AUTM Licensing Survey 1999 zufolge erzielte die Forschungsverwertung in den USA im Jahr 1999 einen Umsatz von ca. 40 Mrd. US$ und trägt somit ca. 270.000 Arbeitsplätze. Die Produkte, die auf akademi-
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scher Forschung basieren, führten im gleichen Jahr in den USA zu einem Steueraufkommen von ca. 85 Mrd. US$. Im selben Zeitraum, führten Entdeckungen und Erfindungen aus akademischer Forschung in den USA zur Gründung von 340 neuen Unternehmen. Man geht heute allgemein davon aus, dass diese Entwicklung in dem oben erwähnten Bayh-Dole Act ihren Ursprung nahm. Eine Gesetzesänderung, die in Erwartung eines sich verschärfenden globalen Wettbewerbs, einer zu befürchtenden Kürzung der staatlichen Forschungsförderung, sowie unter dem Druck der Verschlankung der Strukturen und dem daraus resultierenden erhöhten Bedarf an akademischer Forschung für die Wirtschaft, erlassen wurde. Inzwischen nimmt auch die europäische Politik die Universitäten immer mehr in die Pflicht, ihren „gesellschaftlichen Verpflichtungen“ nachzukommen. Damit rückten aber auch die Hochschulen immer stärker in den Fokus des Strukturwandels. Um diesem Wandel gerecht zu werden, kam es auch in Europa zu verschiedenen grundlegenden Entwicklungen, wie beispielsweise: Gründung von Fachhochschulen und Business Schools Kürzung von Regelbudgets an Universitäten Etablierung von Maßnahmen zur Steigerung der Drittmittelquote Neuregelung der Eigentumsrechte an Erfindungen Schaffung eines gemeinsamen, europäischen Hochschulraums (Bologna Prozess) Grundsätzlich dienen die meisten Maßnahmen zu zwei neuen Entwicklungstendenzen: Entwicklung eines einheitlichen europäischen Hochschulsystems (Bologna Prozess) Stärkere Kommerzialisierung der Hochschulen Der Bologna Prozess beispielsweise, soll in Europa zu einem einheitlichen Hochschulsystem führen. Einen zentralen Stellenwert nehmen dabei die Bemühungen um die Beseitigung von Mobilitätshindernissen für Studierende, Lehrende und Forschende ein. Ebenso soll damit dem im stärkerem „brain drain“ – d.h. der Abwanderung von Spitzenforschern vor allem in die USA – entgegengewirkt werden. Letztlich geht es, wie in den „Lissabon Vorgaben“ (März 2000) bereits festgelegt wurde, um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen gegenüber dem amerikanischen und
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dem asiatischen Raum. Im internationalen Wettbewerb herrscht eine harte „Konkurrenz um die besten Köpfe“. In diesem Wettbewerb wird nur eine „europäische Universität“ wirklich bestehen können. Gleichzeitig ist jedoch ist in den letzten Jahren immer deutlicher geworden, dass Europa weder als Studienraum noch als Forschungsraum die Attraktivität besitzt, die wünschenswert wäre. Dementsprechend steht der tertiäre Bildungsbereich derzeit in nahezu allen europäischen Ländern in einem sehr dynamischen Reformprozess. Dabei werden auch die Rahmenbedingungen für den Technologietransfer und die universitären Ausgründungen, die so genannten Spin Offs, neu geregelt. In diesem Reformprozess kommt den Regelungen über die „Rechte geistigem Eigentums“ eine besondere Bedeutung zu. Wie oben bereits erwähnt, geht der internationale Trend eindeutig in jene Richtung, die es den Hochschulen erlauben soll, die Rechte an den Erfindungen oder Entdeckungen der Forscher und Forscherinnen aufzugreifen und selbst zu verwerten. Grundsätzlich kann man festhalten, dass die Hochschulen in Europa (mit Ausnahme des Königreiches Großbritannien) noch wenig Erfahrung im Technologietransfer und bei Spin Offs besitzen. Dementsprechend unterschiedlich sind die nationalen Ausprägungen an Regeln und Rahmenbedingungen. Generell gilt jedoch, dass gerade universitäre Ausgründungen einige Sonderheiten besitzen, die ihnen gegenüber nichtuniversitären Ausgründungen (Corporate Spin Offs) zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen können: Human Capital: Es gibt eine Reihe von Studien die belegen, dass technologieorientierte Unternehmen als wichtigsten Erfolgsfaktor qualifizierte Arbeitskräfte ansehen. Die Nähe von Spin Offs zu den Hochschulen führt zu einer Auswahl der „besten“ Nachwuchskräfte bevor diese auf dem Arbeitsmarkt für andere Unternehmen sichtbar bzw. verfügbar werden. Ressourcen Infrastruktur: Sehr oft kennen die Forscher von Spin Offs den Maschinenpark ihrer „Alma Mater“, die Verantwortlichen für diese Geräte und die Regelungen für die Nutzung solcher Geräte sehr genau. Dadurch können Kooperationen über die Nutzung solcher Geräte von diesen Unternehmen viel leichter abgeschlossen werden. Dies ist besonders für forschungsintensive Bereiche sehr interessant, wenn teuere Maschinen mit relativ geringem Auslastungsgrad benötigt werden. Dadurch
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können gerade universitäre Spin Offs in der Startphase die Investitionskosten erheblich senken. Netzwerk/Inkubator: Das wissenschaftliche Netzwerk der Forscher aus den Hochschulen ist meist sehr gut ausgeprägt, während Netzwerke zur Wirtschaft (Unternehmen, Banken, Finanziers, u.ä.) meist unterrepräsentiert sind. In vielen Hochschulen haben sich deshalb in den letzten Jahren Serviceeinrichtungen (z. B. Technologietransfereinrichtungen) gebildet, die dieses Manko ausgleichen sollen. Eine Sonderform sind dabei die so genannten Inkubatoren. In diesen Einrichtungen sollen die Jungunternehmen vor allem in der schwierigen Anfangsphase mit Beratung und mit Bereitstellung von Infrastruktur und Geld so lange unterstützt werde, bis „stabile“ Unternehmen entstanden sind. Zusätzlich bekommen junge Unternehmen i.d.R. auch ein großes betriebswirtschaftliches Netzwerk durch den Inkubator zur Verfügung gestellt. Auftragsforschung: Durch die wissenschaftliche Nähe dieser Unternehmen zur „ehemaligen“ Universität vergeben diese Spin Offs häufig Forschungsaufträge an die Universität. Der Vorteil für das Unternehmen liegt meist darin, dass mit geringeren finanziellen Mitteln risikoreiche Erstversuche an den Forschungseinrichtungen durchgeführt werden können oder Prototypen noch an der Hochschule weiterentwickelt werden. Erst nach der erfolgreichen Vorphase werden diese Erfindungen bzw. die Erfindungsrechte vom Unternehmen einlizenziert. Geistiges Eigentum (IPR): Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sensibilisierung der Hochschulen für die Bedeutung von IPRs in der Produktentwicklung. In vielen Ländern Europas wurde an den Hochschulen mit diesem Prozess begonnen. Dadurch sind auch in den Ausgründungen in der Regel die Bedeutung der IPRs als Marktbarriere für Konkurrenten bzw. die Effizienzsteigerung durch aktives IPR-Management bekannt und werden auch angewendet. Diese Entwicklung bzw. die Bedeutung von IPRs ist aber im Allgemeinen gerade bei den europäischen KMUs noch sehr stark unterentwickelt. Der Grad der hier aufgezählten Wettbewerbsvorteile von Spin Offs hängt allerdings nicht zuletzt von den spezifischen Regelungen der Hochschulen bei Unternehmensgründungen ab. Nachdem die Hochschulen in Europa, wie oben bereits erwähnt, in einem dynamischen Reformprozess stehen, sind auch diese Regelungen nicht nur in den verschiedenen Nationalstaaten sehr unterschiedlich gesetzlich verankert, sondern auch
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die Hochschulen in einem Land unterscheiden sich sehr in der Ausgestaltung der „Technologietransferregelungen“. Die ökonomische Bedeutung von Spin Offs für eine Volkswirtschaft können sehr groß sein. Als eines der erfolgreichsten Beispiele kann die Arbeit des Massachusetts Institute of Technology (MIT) herangezogen werden. Studenten, Absolventen und Mitarbeiter des Institutes gründeten rund 4.000 Firmen und erwirtschafteten damit alleine im Jahre 1994 einen Gesamtumsatz von ca. 232 Mrd. US-Dollar und beschäftigten im gleichen Jahr weltweit ca. 1,1 Mio. Mitarbeiter (733.000 in den USA).
- 733.000 Arbeitsplätze - 1 von 170 Arbeitsplätzen in den USA - darunter viele hochqualifizierte Jobs
Unternehmensgründung durch Studenten und Mitarbeiter
4.000 Firmen
US$ 232 Mrd. Umsatz
Volkswirtschaftlich bilden die MIT-Alumni die Nr. 24. in der Welt, wären sie eine unabhängige Nation! Quelle: Studie des MIT und der Bank of Boston (1999), aus Hot-Hightech-Cities der Welt, von BCG
Abb. 4:
Die ökonomischen Daten der Universitären Ausgründungen von MIT
Quelle:
http://web.mit.edu/newsoffice/founders/summary.html
4 Fazit Europas Wirtschaft befindet sich in einem sehr dynamischen Strukturwandel. Der Einsatz neuer Technologien in der Wirtschaft wird zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsfaktor. Die Produktlebenszyklen werden zunehmend kürzer und der Druck auf die Unternehmen, in immer kürzeren Abständen neue Produkte auf den Markt zu bringen wird immer größer. Diesem globalen Wettbewerbsdruck kann nur durch Erhöhung der Produktivität, durch Einsatz neuester Technologien und durch Entwicklung innovativer Produkte begegnet werden. Die damit einhergehende Dynamik stellt vor allem
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für Neugründungen eine große Chance dar, da diese Unternehmen schneller technologische Neuerungen oder Innovation aufgreifen und im Unternehmen integrieren, oder ihr Geschäftskonzept auf diesen neuen Chancen aufbauen können. „Universitäre Ausgründungen“ oder Spin Offs besitzen zudem durch die Nähe zur „Alma Mater“ in der Regel einen direkteren Zugang zu hoch qualifizierten Arbeitskräften, zur universitären Infrastruktur, zur Forschungsleistung der Hochschulen, zu IPRs und wissenschaftlichen Netzwerken, die ihnen eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit sichern. Durch universitäre Neugründungen entsteht wiederum ein gewisser Wettbewerbsdruck auf die etablierte Industrie, ebenfalls diesen technologischen Wandel mit zu gestalten. Um den „technologischen Anschluss“ nicht zu verlieren, kann es für die etablierte Industrie durchaus interessant sein, gezielt die Nähe zu Innovationszentren zu suchen, die in ihrer Entwicklung bereits weit fortgeschritten sind und eine entsprechende „kritische Masse“ an innovativen Unternehmen aufweisen. Wenn es einer Region gelingt, eine „gesunde Mischung“ aus technologieorientierten Gründungen und etablierten Unternehmen zu generieren, kann ein international beachteter und wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort entstehen, der für weitere Unternehmen ähnlicher Branchen eine Sogwirkung erzeugen, und eine dynamische sich selbst tragende Entwicklung hervorrufen kann.
5 Literaturverzeichnis Borowski, K. (2001): Technologie und Wissenstransfer an amerikanischen Universitäten. Die Technologietransferstellen der Boston University und des Massachusetts Institute of Technology, Leipzig, Diplomarbeit. Europäische Kommission (2003.): GRÜNBUCH – Unternehmergeist in Europa. [online]. Verfügbar unter: http://ec.europa.eu/comm/off/green/index_de.htm, Abfragedatum: 18.9.2006. Gübeli, M. H./Doloreux, D. (2005): An empirical study of university spin-off development. In: European Journal of Innovation Management, 8, 3, S. 269-282. Herbig, P./Golden, J.E./ Dunphy, S.(1994): The Relationship of Structur to Entrepreneurial and Innovative Success. In: Marketing Intelligence & Planning, 12, 9, S. 3748.
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Schutzrechte als Voraussetzung für Ausgründungen Stefan Ulrich
Inhaltsverzeichnis 1 2
Einleitung ............................................................................................................ 216 Beispielsfälle aus der Praxis................................................................................ 218 2.1 2.2 2.3
3
LipoFIT Analytic GmbH, Regensburg ................................................................... 218 OPTOCRAFT GmbH, Erlangen............................................................................. 221 MusicTrace GmbH, Erlangen ................................................................................. 224
Zusammenfassung ............................................................................................... 228
Abstract Das Kapitel untersucht anhand von drei Beispielunternehmen, der LipoFIT Analytic GmbH, der OPTOCRAFT GmbH und der MusicTrace GmbH, die Wichtigkeit und die Rolle von Schutzrechten bei einer Unternehmensgründung im Wege einer Ausgründung. Es handelt sich bei den Beispielunternehmen um zwei Ausgründungen aus einer Universität und in einem Fall aus einem Forschungsinstitut. Die Leistungen der Unternehmen berühren unterschiedliche Branchen wie Optik, Medizintechnik, Medizin und Medien.
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1 Einleitung Grundsätzlich kann zwischen technologieorientierten und nicht-technologieorientierten Unternehmen unterschieden werden. Kernthese ist, daß eine technologieorientierte Ausgründung ein gewisses Alleinstellungsmerkmal benötigt, um den Markteinstieg schaffen und sich auf dem Markt etablieren zu können. Dieses Alleinstellungsmerkmal fordert entweder der Kunde, um sich überhaupt mit den Leistungen des Unternehmens zu beschäftigen, oder der Kapitalgeber, um sein Investitionsrisiko zu beschränken, ein. Die Ausgründung wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Produkte / Leistungen von Kunden nachgefragt werden. Dies ist grundsätzlich erst dann möglich, wenn ein Kundenbedürfnis nach der Leistung und ein Kundennutzen durch die Leistung vorliegen. Der Kundennutzen lässt sich anhand der Dimensionen Qualität, Kosten und Zeit herleiten. Der Nutzen ist das, was der Kunde konkret gebrauchen kann. Kundenbedürfnis ist das Verlangen des Kunden genau nach einer Verwendung oder einem Vorteil, der durch das Produkt geboten wird. Nutzen und Bedürfnis können dabei auseinanderfallen. Hier setzt das Alleinstellungsmerkmal an. Das Alleinstellungsmerkmal ist ein Zeitraum, auch wenn dies sprachlich nicht ganz passt. Und zwar genau der Zeitraum, den der Unternehmer als einziger in der Lage ist, das Kundenbedürfnis zu befriedigen. Nur dann ist er „alleine“ auf dem Markt, kann seine Kunden zufrieden stellen und Umsätze erzielen. Dieser Zeitraum kann sehr kurz sein. Dienstleistungen können zum Beispiel sofort nach Bekanntwerden kopiert werden. Hier beträgt das Alleinstellungsmerkmal nur wenige Tage oder Wochen. Man kann sich einen Straßenmusiker vorstellen, dessen Leistung (besondere Musik, besondere Verkleidung, besonderes Motto) am nächsten Tag schon von anderen nachgemacht wird. Ein anderes Beispiel, was in die Richtung eines Produktes geht, sind erfolgreiche Fernsehserien, die innerhalb weniger Monate von anderen Sendern in ähnlicher Form kopiert werden. Dieser Zeitraum kann aber auch von Anfang an lang sein. Ein natürliches Alleinstellungsmerkmal sind persönliche Qualifikationen, die kein anderer hat und sich auch nicht angeeignet werden können. Beispiele sind ein hervorragenden Arzt, dessen operativen Fähigkeiten einzigartig sind, Models in der Modebranche, deren Ausstrahlung / Aussehen nicht kopierbar ist oder im Jahr der Fußballweltmeisterschaft ein Fußballer, der geniale Pässe schlägt.
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Dieser Zeitraum kann andererseits künstlich geschaffen werden. Schutzrechte haben das Ziel, einen anderen daran zu hindern, gewisse Dinge zu tun. Hier liegt der Kern, warum Schutzrechte für technologieorientierte Unternehmensgründungen wichtig sind. Durch die Anmeldung und den Erhalt von Schutzrechten wird der Zeitraum verlängert, in dem das Unternehmen ein Kundenbedürfnis als einziges befriedigen kann. Die Wettbewerber werden daran gehindert, den Kunden sofort mit gleichen Leistungen zu bedienen. Der Wettbewerb muss das Schutzrecht anderweitig umgehen. Dies kostet Zeit und ist teilweise gar nicht möglich. Das Unternehmen sichert sich ein Alleinstellungsmerkmal. Damit sinkt das Risiko des Scheiterns. Bei einem technologieorientierten Unternehmen müssen Grundvoraussetzungen erfüllt sein, bevor über eine Ausgründung nachgedacht werden kann. Die Technik muss bereits oder wird wahrscheinlich funktionieren, die Innovation abgesichert sein, ein Handlungsspielraum bezogen auf andere Schutzrechte der Wettbewerber bestehen sowie ein Markt vorhanden sein. Mit Technik ist einmal die tatsächliche technische Funktionsfähigkeit gemeint. Dazu gehört, daß ein Produkt reproduzierbar und skalierbar ist. Im Bezug auf das Alleinstellungsmerkmal ist wichtig, daß die Innovation überhaupt schützbar ist. Dies kann durch Schutzrechte oder Geheimhaltung geschehen. Der Markt ist in der Regel vorhanden, wenn die Unternehmer einen besonderen Kundenutzen bieten, dieser auf ein Kundenbedürfnis trifft und der Wettbewerb den Markteinstieg nicht sofort massiv behindern kann. Auch hier spielen Schutzrechte gerade in Bezug auf den Wettbewerb eine entscheidende Rolle. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so kann die Ausgründung weiter betrieben werden. Sollten Investoren notwendig sein, um den Start und das Wachstum zu finanzieren, so sind Schutzrechte in der Regel notwendig. Der Geldgeber wird nur dann das Risiko tragen, wenn das Unternehmen eine gewisse Zeit lang, alleine mit einem besonderen Produkt auf dem Markt auftreten kann, daß heißt ein Alleinstellungsmerkmal vorliegt. Da der Geldgeber als externer Dritter sich nie so tief in der technischen Welt auskennen wird wie die Unternehmensgründer und auch deren Kompetenz nicht zu 100% wird einschätzen können, muss er sich auf „harte Faktoren“ verlassen. Ein solch harter Faktor ist in der Regel das Vorliegen von abgesicherten und bestandsfesten Schutzrechten.
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2 Beispielsfälle aus der Praxis 2.1 LipoFIT Analytic GmbH, Regensburg 2.1.1
Firma und Beschreibung des Unternehmens
Die LipoFIT Analytic GmbH entwickelt innovative Analyseverfahren auf der Basis von NMR-Spektroskopie. Das langfristige Ziel dieser Entwicklungen besteht darin, die momentan dominanten chemischen Analysemethoden durch aussagekräftigere und preiswertere physikalische Messverfahren zu ersetzen. Momentan liegt der Fokus der Firmenaktivitäten auf der Erprobung und Entwicklung eines neuartigen Mess– und Analyseverfahrens, das es erstmals erlaubt, das komplette Lipoproteinprofil eines Patienten zu ermitteln. Die genaue Kenntnis der Lipoproteinverteilung eines Menschen ist von großer Bedeutung. Neuere Studien belegen, daß das Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen eng mit dem Auftreten von Abnormalitäten in dieser Lipoproteinverteilung korreliert. Der bisher für die Abschätzung des Arterioskleroserisikos verwendete Cholesterinwert besitzt dagegen eine weit geringere Aussagekraft. Das firmeneigene Testverfahren wendet sich momentan primär an Kliniken und an die pharmazeutische Industrie. In absehbarer Zeit soll das Verfahren aber auch Privatpersonen zur Abschätzung ihres persönlichen Arterioskleroserisikos angeboten werden. Daneben werden Messdienstleistungen in den Gebieten Labormedizin, Pharma und Biotechnologie angeboten. 2.1.2 Entstehung der schutzrechtsrelevanten Idee
Die Kernidee ist am Institut für Biophysik und physikalische Biochemie der Universität Regensburg entstanden. Im Institut beschäftigt man sich seit mehr als 10 Jahren mit der Erforschung von Proteinstrukturen mittels NMR-Spektroskopie. Basis für die Innovation war der Gedanke, daß die NMR-Technologie auch für Anwendungen im Bereich der medizinischen Analytik gewinnbringend einsetzbar sein müsste. Daher hat man gezielt auf diese Anwendungen hin geforscht. Als sich herausstellte, daß der Gedanke richtig war, wurden für die Erfindungen Patente angemeldet. Die beteiligten Wissenschaftler haben ihre Idee geschützt, weil sie von Anfang an, nach dem sich herausgestellt hatte, daß die Verfahren funktionieren, eine wirtschaftliche Verwertung angestrebt haben.
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2.1.3 Management des Schutzrechtes
Die Rechte am Patent lagen bei der Universität Regensburg als Arbeitgeber der drei beteiligten Wissenschaftler. Die Rechteinhaberin, also die Universität Regensburg, stellte es den Erfindern frei, welche Verwertungsart angestrebt wird. Sehr früh stand fest, daß die Verwertung des Patents durch die Gründung eines eigenen Unternehmens erfolgen sollte. Von Anfang an wurden die Erfinder durch Mitarbeiter der Universität (FUTUR Forschungs- und Technologietransfer der Universität Regensburg) betreut und bei der Umsetzung der Patentideen unterstützt. Die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Ideen wurde in Zusammenarbeit mit BayernPatent, dem IP-Management Büro für die Bayerischen Hochschulen, evaluiert. Durch diese Unterstützung waren die Erfinder in der Lage, sich primär der Erfindung und deren Weiterentwicklung zu widmen. 2.1.4 Unternehmensgründung
Die LipoFIT Analytic GmbH wurde 2004 als „spin-off“ aus der Universität Regensburg gegründet. Kernleistung ist die Durchführung NMR-technischer Analysen im Kundenauftrag. Weiter bietet das Unternehmen die individuelle Entwicklung kundenspezifischer Lösungen für analytische Fragestellungen an. Da hochauflösende NMRSpektrometer extrem teuer sind und nur durch Fachpersonal bedient werden können, sieht das Geschäftsmodell vor, daß Messungen und Analysen für Kunden in Regensburg vorgenommen werden. Entsprechende Proben werden vom Kunden geschickt, analysiert und dann entsprechend zurückgeschickt oder vernichtet. Als zweite Leistung sind Auftragsmessungen bei Kunden möglich. Dies bietet sich dann an, wenn Kunden die geeignete NMR-Geräte im Bestand haben, Proben nicht außer Haus geben wollen (Geheimhaltung), aber das Know-how fehlt, um entsprechende Messungen durchzuführen. Die Alleinstellung des Unternehmens steht auf drei Säulen. Zum einen sind dies die Patente. Die Patente schützen insbesondere den Bereich der Identifizierung und Quantifizierung von Bestandteilen allgemein in Lösungen, im Besonderen in Körperflüssigkeiten. Neben den Patenten ist für die Leistungserbringung eine selbstentwickelte Software notwendig. Diese Software wird bewusst geheim gehalten und bietet daher ebenfalls einen Schutz. Dritter Pfeiler für die Alleinstellung ist das Know-how der Firmengründer, die sich nun seit insgesamt ca. 50 Mannjahren mit der Technologie beschäftigen.
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Alle drei Know-how-Träger sind zeitgleich die Unternehmensgründer. Das bloße Patent alleine, genügt nicht. Es kommt zusätzlich auf das Know-how der handelnden Personen an. Dr. Fritz Huber arbeitet als Geschäftsführer für die LipoFIT Analytic GmbH. Nach dem Studium der Physik promovierte er am Institut für Biophysik und physikalische Biochemie der Universität Regensburg im Bereich der Strukturbestimmung von Proteinen mittels hochaufgelöster NMR-Spektroskopie. Nach der Promotion führte er verschiedene Projekte zur Patentreife. PD Dr. Werner Kremer ist technischer Leiter für die LipoFIT Analytic GmbH. Er studierte Physik (Diplom) und promovierte am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL). Nach einem Forschungsaufenthalt am Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL) habilitierte er an der Universität Regensburg. Neben anderen biophysikalischen Methoden liegt sein Schwerpunkt besonders auf der NMRSpektroskopie. Prof. Dr. Dr. Hans- Robert Kalbitzer ist wissenschaftlicher Leiter der LipoFIT Analytic GmbH. Er promovierte in Physik und Medizin und ist Facharzt für Biochemie. Seit 1997 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Biophysik am Institut für Biophysik und Physikalische Biochemie. 2.1.5 Einigung mit dem ursprünglichen Rechteinhaber
Für die LipoFIT Analytic GmbH war es von vornherein wichtig, die Patente als Wirtschaftsgut in das Unternehmen einzubringen. Die Universität Regensburg war dazu auch bereit. Problematisch war bei der Ausgründung, daß kein Geld vorhanden war, um die Patente einfach zu kaufen. Die Einigung erfolgte in der Form, daß die Patente übertragen wurden. Im Gegenzug erwarb die Universität Unternehmensanteile an der GmbH und erhält eine Beteiligung auf Umsätze, die unter Verwendung der Schutzrechte gemacht werden. 2.1.6 Finanzierung
Die Leistungen der LipoFIT Analytic GmbH können nur mit entsprechenden NMRGeräten durchgeführt werden. Da die Geräte sehr teuer sind, musste Eigenkapital eingeworben werden. Als Investoren konnten die KfW Bankengruppe und die Bayern Kapital GmbH gewonnen werden. Beide Investoren haben ihre Entscheidung davon abhängig gemacht, daß Schutzrechte, die dem Unternehmen gehören, vorhanden sind.
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Für die Investoren sind die Patente der einzige harte Faktor, um ein Alleinstellungsmerkmal zu verteidigen. Ein Patent ist zählbar. Das Know-how der Firmengründer ist eben nicht bzw. schwer messbar. 2.1.7 Wichtigkeit der Schutzrechte beim Unternehmensaufbau
Neben dem Finanzierungsaspekt, daß ohne Patente kein Investor eingestiegen wäre, sind auch die Leistungen von der Benutzung der geschützten Technologien abhängig. Das Kernpatent beschäftigt sich mit der Lipoproteinbestimmung. Der Aufbau des Unternehmens wird aber gerade mit Leistungen auf den Gebieten der Pharmazeutik (Messung von Stoffwechselprodukten und strukturellen Charakterisierung von Wirkstoffen) und Physik sowie Biochemie (Strukturaufklärung, z. B. von Proteinen) erfolgen. Das heißt, daß die Technologie insgesamt wichtig ist, nicht so sehr das wichtigste Patent für eine bestimmte Anwendung. Die Kernidee wird im Unternehmen kontinuierlich weiterentwickelt. Verschiedene Ideen stehen vor der Patentanmeldung. Ziel ist es, gerade auch auf anderen Anwendungsfeldern Patentschutz zu erhalten, um dann in diese Marktsegmente einsteigen zu können und einen gewissen Schutz vor der Konkurrenz zu haben bzw. mittelfristig eine beherrschende Marktstellung zu erreichen.
2.2 OPTOCRAFT GmbH, Erlangen 2.2.1 Firma und Beschreibung des Unternehmens
Die OPTOCRAFT GmbH ist ein technologieorientiertes Unternehmen. Sie entwickelt und fertigt Meßsysteme für die Qualitätsüberprüfung in der Optik- und der LaserIndustrie. Mit Hilfe dieser Meßsysteme können Optiken bzgl. ihrer abbildenden Eigenschaften oder Oberflächenbeschaffenheit sowie Laserstrahlen bzgl. ihres Ausbreitungsverhaltens geprüft werden. Typische Prüflinge sind zum Beispiel: Linsen und Objektive für Handy-Kameras, Linsen und Objektive für automobile Anwendungen, Mikro-Optiken für die Telekommunikation, Intra-Okular-Linsen für die Behandlung des Grauen Stars, Kontakt-Linsen, Ferngläser, Zielfernrohre, Laser-Systeme und Laser-Theodoliten-Systeme. Wesentlicher Bestandteil der Produktpalette von OPTOCRAFT ist der Shack-Hartmann-Sensor SHSLab, der in einer Vielzahl verschiedener Anwendungen in Optik- und Laser-Industrie sowie in der Ophthalmologie eingesetzt wird.
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2.2.2 Entstehung der relevanten Idee und Schutzrechtsrelevanz
Die relevante Idee für die Unternehmensgründung ist am Lehrstuhl für Optik an der Universität Erlangen-Nürnberg entstanden. Dadurch, dass am Lehrstuhl mehrfach sog. „Drittmittel“ der Bayerischen Forschungsstiftung eingeworben wurden, bestand immer die Notwendigkeit, Industriepartner in die Forschungen einzubinden. Folge war, daß die Forschungsergebnisse anwendungsnah und mögliche Pilotkunden für das eigene Unternehmen vorhanden waren. Daher hat man sich zu einer Unternehmensgründung entschlossen. Die Leistungen des Unternehmens beruhen nicht direkt auf eigenen Schutzrechten. Vielmehr werden bestehende Technologien eingesetzt, um kundenspezifische Lösungen zu finden. Der Sensorkopf als Hauptelement war mit der entsprechenden Software bereits entwickelt. Know-how und Erfahrung war durch die Firmengründer im Laufe der jahrelangen Forschung vorhanden. 2.2.3 Unternehmensgründung
Die OPTOCRAFT GmbH wurde im Jahr 2001 gegründet. Die Gründer der Optocraft GmbH, Dr. Johannes Pfund, Dr. Mathias Beyerlein, Dr. Norbert Lindlein und Prof. Dr. Johannes Schwider sind Absolventen bzw. Angestellte des Lehrstuhls für Optik (Prof. G. Leuchs) der Universität Erlangen, der heute ein Teil der Max-PlanckForschungsgruppe für Information und Photonik ist. Das Geschäftsmodell sieht zum einen die Fertigung von Produkten und zum anderen Dienstleistungen für Kunden vor, die auf technologischer Basis beruhen. Im Kern sind alle Leistungen individuell und auf ein bestimmtes Kundenproblem zugeschnitten. Ein Alleinstellungsmerkmal besteht durch die Kombination von Fachkompetenz sowie der Erfahrung der Gründer, der Technik, die aus Sensor sowie Software besteht, und dem ständigen Austausch von Wissen mit alten Forschungspartnern aus der Lehrstuhlzeit. Die Geschäftsführer, Dr. Johannes Pfund, Dr. Mathias Beyerlein, besitzen langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der optischen Messtechnik, der diffraktiven Optik und dem Optik-Design. Sie beschäftigten sich während ihrer universitären Arbeiten mit Prüftechnik für Optiken und Laser-Strahlen, sowie mit mikro-optischen und diffraktiven Bauelementen. Die Promotionen wurden innerhalb der Arbeitsgruppe ODEM (Optical Design und Metrology) geschrieben.
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2.2.4 Finanzierung
Die OPTOCRAFT GmbH konnte den Firmenausbau mit eignen Mitteln finanzieren. In den ersten beiden Geschäftsjahren wurde Optocraft durch finanzielle Mittel des Bayerischen Flügge-Programms unterstützt. Fremdkapital oder extern eingeworbenes Eigenkapital wurde für die Firmenentwicklung bislang nicht herangezogen. Das Firmenwachstum (2005: 7 Mitarbeiter) wurde aus dem laufenden Cash-flow finanziert. 2.2.5 Wichtigkeit der Schutzrechte beim Unternehmensaufbau
Seit der Gründung wurden die Produkte von Optocraft konsequent weiterentwickelt. So konnte in der ersten Zeit nach der Gründung der von den Gründern entwickelte Wellenfront-Sensor SHSLab an verschiedene namhafte Kunden verkauft werden. In dieser Zeit wurde unter anderem die selbst programmierte Mess-Software weiterentwickelt und an die Anforderungen in der industriellen Praxis angepasst. Für die bisherigen Leistungen war der Kunde insbesondere an der im Einzelfall bestehenden Problemlösungskompetenz der Unternehmer interessiert. Da es sich um eine seit längerer Zeit bekannte Technologie handelt (Hartmann-Technologie 1904, ShackHartmann-Technologie 1971), war die Schutzrechtslage eher von untergeordneter Bedeutung. Andererseits war eine Reaktion der Konkurrenz festzustellen, die bis zum Nachbau von Details der Optocraft- Geräte geht. Diese Details waren allerdings selbst so nicht schutzrechtsfähig. Nach fünf Jahren Geschäftstätigkeit sind allerdings in der OPTOCRAFT GmbH Innovationen entstanden, die patentrechtlich geschützt worden sind. Ein weiterer großer Schritt soll nun in Form der Gründung einer Medizintechnik-Tochterfirma erfolgen. Dabei soll die von Optocraft in den letzten Jahren selbst konzipierte und bis zu einem Funktionsmuster entwickelte ISAFE-Technologie in ein Produkt überführt werden. Die ISAFE-Technologie ermöglicht in der Augenheilkunde, verschiedene Messungen, die bislang nur in getrennten Geräten möglich waren, in nur einem Gerät zu vereinen. Die ISAFE-Technologie wurde bislang aus dem Cash-Flow der Optocraft und einem BayTOU Projekt, Bayerisches Programm zur Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen, finanziert. Die Patentanmeldung für die neue Erfindung wurde firmenintern mit Unterstützung eines Patentanwalts durchgeführt. Auf technischer Ebene wurde hinsichtlich der Patentanmeldung mit Prof. Dr. Schwider, vom Lehrstuhl für Optik, zusammen gearbeitet.
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Da die Innovationen um die ISAFE-Technologie Grundlage für Produkte sind, die weltweit in Massenmärkten eingesetzt werden, herrschen andere Bedingungen wie bei der ursprünglichen Technologie. Zum einen spielt das personengebundene KernKnow-how der Gründer nicht mehr die entscheidende Rolle, sobald in Serie produziert wird. Zum anderen ist möglich, daß die Ausgründung mit externem Eigenkapital finanziert wird. Um in Verhandlungen mit Finanzinvestoren eine bessere Position zu haben, wurde konsequent der Weg über Schutzrechte eingeschlagen. Die Bedeutung des Schutzrechts wächst.
2.3 MusicTrace GmbH, Erlangen 2.3.1 Firma und Beschreibung des Unternehmens
Die MusicTrace GmbH ist ein technologieorientiertes Unternehmen, das Informationen über die Verwertung von Musik und Werbung in den Medien Rundfunk und Internet erfasst, analysiert und aufbereitet an seine Kunden weiter gibt. Im Bereich Rundfunküberwachung überwacht die Firma mit Hilfe seiner Broadcast Monitoring Anlage rund um die Uhr das Radio- und Fernsehprogramm. Mit Hilfe der erfassten Informationen können Sendelisten erstellt und der Musik-/Sprachanteil bestimmt werden. Dies ermöglicht zum einen eine genaue Tantiemenverteilung; zum anderen kann auf Basis dieser Daten überprüft werden, zu welchen Zeiten geschaltete Werbespots ausgestrahlt wurden. Zudem bietet MusicTrace Softwareprodukte an, die eine Einbettung von digitalen Wasserzeichen in Audiosignale vornehmen. Mit Hilfe dieser Produkte ist es möglich, zusätzliche Informationen, wie zum Beispiel eine Transaktionsnummer, versteckt mit der Musik zu übertragen. Auf diese Weise können unterscheidbare Kopien ein und desselben Musiktitels oder Hörbuchs hergestellt und im Rahmen einer Vorbemusterung oder eines Download-Angebots an Empfänger verteilt werden. Werden diese Titel später im Internet aufgefunden, kann mit Hilfe des Wasserzeichens der ursprüngliche Empfänger ermittelt werden. 2.3.2 Entstehung der schutzrechtsrelevanten Idee
Das Audio-Fingerprintingverfahren AudioID® und das zum Einsatz kommende AudioWasserzeichenverfahren wurden am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen
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IIS in Erlangen und dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnik IDMT in Ilmenau entwickelt. Die beteiligten Wissenschaftler haben ihre Idee geschützt, weil die Fraunhofer Gesellschaft grundsätzlich vielversprechende Ansätze frühzeitig patentiert. Die Entscheidung zur Patentierung liegt dabei jeweils im Institut. Im vorliegenden Fall sollten die Schutzrechte den bestehenden Pool an Audio-/Multimediapatenten erweitern. Langfristig ist der Grund der Patentierung die wirtschaftliche Verwertung, häufig durch Lizenzierung der Schutzrechte, weniger durch den Verkauf. 2.3.3 Management des Schutzrechtes
Schutzrechte werden meist in Zusammenarbeit mit einer externen Kanzlei erstellt, die im betreffenden Bereich spezialisiert ist. Recherchen übernimmt entweder die Kanzlei oder die Patentstelle der Fraunhofer Gesellschaft. Aufgabe der Mitarbeiter ist es, eine Kurzzusammenfassung ihrer Erfindung zu erstellen, aus der der Patentanwalt die eigentliche Patentschrift entsprechend allen Vorschriften erstellt. Alle formalen Vorgänge werden von der Kanzlei durchgeführt. Die interne sachliche Betreuung neuer Schutzrechte wird von erfahrenen Mitarbeitern der Fachabteilungen übernommen. Die Rechte am Patent lagen bei der Fraunhofer Gesellschaft als Arbeitgeberin der drei beteiligten Wissenschaftler. Für die Unternehmer stand sehr früh fest, daß die Verwertung des Patents durch die Gründung eines eigenen Unternehmens erfolgen sollte. Die Rechteinhaberin, also die Fraunhofer Gesellschaft, machte von Anfang an klar, dass ein Verkauf der Schutzrechte in die neu zu gründende Firma aufgrund interner Richtlinien nicht möglich sein wird. Dennoch hat die Fraunhofer Gesellschaft die Firma MusicTrace mit besonders günstigen Beteiligungs- und Lizenzierungsbedingungen bedient. 2.3.4 Unternehmensgründung
Die MusicTrace GmbH wurde im August 2004 als Spin-Off des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen in Erlangen gegründet. Dieses Institut ist unter anderem für seine maßgebliche Arbeit an der Entwicklung von MP3 bekannt. Das Geschäftsmodell sieht Leistungen für Kunden vor, die auf technologischer Basis beruhen. Aufgrund der eingesetzten Technologien besteht ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, auch wenn für den Kunden eine reine Dienstleistung (mit Abweichungen bei der Einbettung von digitalen Wasserzeichen) erbracht wird. Entscheidend ist
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neben der durch Schutzrechte geschützten Technologie das Know-how der Firmengründer. Dr. Christian Neubauer hat an der Universität Erlangen-Nürnberg Elektrotechnik studiert und war von 1995 bis 2004 am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen beschäftigt. Von 1998 bis 2001 promovierte er über das Thema „Digitale Wasserzeichen für Audiosignale“. Dr. Neubauer ist Autor von über 20 Veröffentlichungen im Bereich Audio-Wasserzeichen und ist als Erfinder an mehr als zehn Patenten beteiligt. Herr Ralph Kulessa hat im Fachbereich Elektrotechnik der Fachhochschule Düsseldorf und der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf den Studiengang Ton- und Bildtechnik absolviert. Dabei hat er u.a. guten Einblick in die Produktions- und Sendeabläufe der Rundfunk- und Fernsehanstalten erlangt. Im Juni 1999 begann er seine Tätigkeit am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen und beschäftigte sich v.a. mit der Entwicklung von Wasserzeichenverfahren und alternativen Technologien zum Urheberrechtsschutz. Herr Kulessa ist Mitautor mehrerer Veröffentlichungen und als Erfinder an 6 Patenten beteiligt. Herr Frank Siebenhaar hat sich bereits im Rahmen seiner Diplomarbeit mit neuen Technologien für die Wasserzeicheneinbettung beschäftigt. Nach Abschluss seines Studiums der Elektrotechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg im Jahre 1999 wurde er Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen und war dort in der Gruppe „Multimedia Sicherheitstechnologien" tätig. Er bearbeitete zahlreiche Projekte aus dem Bereich Audio-Wasserzeichen und alternativen Technologien zum Urheberrechtsschutz. Er ist Mit- und Hauptautor von über 10 Veröffentlichungen und Miterfinder mehrerer Patente. Aufgrund der Tatsache, dass die Firmengründer bei der Entwicklung der Technologie maßgeblich beteiligt waren, lag die Kompetenz zur Nutzung der Technologie, die durch Schutzrechte geschützt waren, sofort im Unternehmen vor. 2.3.5 Einigung mit dem ursprünglichen Rechteinhaber
Für die MusicTrace GmbH war es für die Verwirklichung der Geschäftsidee notwendig, die beiden Kerntechnologien, die im Eigentum der Fraunhofer Gesellschaft waren, nutzen zu können. Wie bei den meisten Unternehmensgründungen war kein Geld vorhanden, um durch Kauf der Patente, Patenteigner zu werden. Zudem wäre dies auch nicht im Sinne der Fraunhofer Gesellschaft gewesen.
SCHUTZRECHTE ALS VORAUSSETZUNG FÜR AUSGRÜNDUNGEN
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Die Einigung erfolgte in der Form, dass Lizenzen übertragen wurden. Im Gegenzug erwarb die Fraunhofer Gesellschaft Unternehmensanteile an der GmbH und erhält eine Beteiligung auf Umsätze, die unter Verwendung der Schutzrechte gemacht werden. 2.3.6 Finanzierung
Die MusicTrace GmbH konnte den Firmenaufbau mit eigenen Mitteln finanzieren. Computer und weitere Hardware konnte mit Barmitteln erworben werden. Aufgrund der Gestaltung der Lizenzverträge mit der Fraunhofer Gesellschaft sind keine Initialausgaben für die Schutzrechte angefallen. Räume und Geräte wurden vom Fraunhofer Institut zur Verfügung gestellt. Zudem konnten mit dem ehemaligen Arbeitgeber weitere Vereinbarungen getroffen werden, die die Liquidität der neuen Gesellschaft geschont haben. 2.3.7 Wichtigkeit der Schutzrechte beim Unternehmensaufbau
Die MusicTrace Produkte basieren auf den zwei Basistechnologien AudioFingerprinting und Audio-Wasserzeichen. Die Audio-Fingerprinting Technologie ermöglicht die automatisierte Wiedererkennung von Musikstücken und Werbespots mit Hilfe eines Computers. So wie der Mensch einmal gehörte Musik aufgrund bestimmter Merkmale wieder erkennt, kann auch ein Computer anhand bestimmter Signalstatistiken - dem sogenannten Fingerprint - einen vorab eintrainierten Titel wieder erkennen. Es handelt sich hierbei um eine rein inhaltsbasierte Erkennung, die Tonspur muss vorab nicht besonders bearbeitet werden. Im Gegensatz zu den Audio-Fingerprinting Technologien modifizieren AudioWasserzeichenverfahren das Nutzsignal, um in dem Signal Zusatzinformationen übertragen zu können. Diese Änderung ist so geringfügig, dass das Original und das mit dem Wasserzeichen versehene Stück für den Menschen gleich klingen. Ein Computer kann jedoch anhand dieser Information beispielsweise Kopien ein und desselben Titels unterscheiden. Das von MusicTrace eingesetzte Verfahren bettet die Wasserzeichen so robust ein, dass die Wasserzeichen auch nach einer Analogwandlung des Signals noch auslesbar sind. Für jedes neue Unternehmen ist elementar wichtig, eine gewisse Kundenakzeptanz zu haben. Bei der Firma MusicTrace GmbH ist dies zu Beginn auf zwei Wegen sehr gut erreicht worden. Dadurch, daß die Unternehmensgründer manchen Kunden schon
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durch die Tätigkeit bei der Fraunhofergesellschaft bekannt waren, lag ein Vertrauen der Kunden in das Know-how der Firma vor. Die Unternehmensgründer waren aufgrund ihrer Fähigkeiten absolut glaubhaft. Zudem half zu Beginn das Renommee des Fraunhofer Instituts. Der ehemalige Arbeitgeber vermittelte direkt Kunden, die beim Institut angefragt hatten, und erleichterte die Kontaktaufnahme zu MusicTrace durch Hinweise auf der Homepage. Hier half die Schutzrechtsinhaberin also direkt, Vertrauen beim Kunden zu schaffen. Innerhalb der Firma MusicTrace wurde die Kernidee weiterentwickelt und mittlerweile ein eigenes Patent angemeldet. Klares Ziel ist, durch ein breites Schutzrechtsportfolio (seitens Fraunhofer und eigener Rechte) die Konkurrenz fernzuhalten und sich die Alleinstellung zu bewahren.
3 Zusammenfassung Die drei Beispielfälle zeigen drei verschiedene Varianten technologieorientierter Unternehmensgründungen. Dabei spielen Schutzrechte unterschiedliche Rollen. Im Falle der LipoFIT GmbH werden die Schutzrechte als Wirtschaftsgut im Unternehmen benötigt. Zum einen um die Leistungserstellung zu gewährleisten und zum anderen, um für Eigenkapitalinvestoren attraktiv zu sein. Für die MusicTrace GmbH ist es wichtig, fremde Schutzrechte nutzen zu dürfen und noch wichtiger, zu wissen, daß keine Konkurrenzfirma die gleichen Rechte so schnell nutzen darf. Ob die Schutzrechte in der Firma liegen, spielt keine Rolle. Bei der OPTOCRAFT GmbH wurden für das Geschäftsmodell überhaupt keine Schutzrechte benötigt. Die relevanten Erfindungen und Patente waren Jahrzehnte bekannt. Bei den Eigenentwicklungen ändert sich die Lage. Nun werden andere Märkte mit einem anderen Geschäftsmodell bedient und Schutzrechte erlangen Bedeutung. In allen drei Fällen ist aber absolut entscheidend, daß die Unternehmensgründer die Know-how-Träger sind und die zugrundeliegende Technologie im Unternehmen einsetzen können. Die bloßen Schutzrechte alleine hätten kaum eine Chance, sinnvoll verwertet zu werden. Erst durch die Kombination mit der Erfahrung und dem Fachwissen entwickeln die Schutzrechte einen Wert für die Unternehmensgründungen.
Erfolgskriterien, Probleme und Perspektiven bei Ausgründungen im Team Thomas Doppelberger & Tobias Schwind
Inhaltsverzeichnis 1 2
Einführung........................................................................................................... 230 Vom Forschungsprojekt zur Ausgründung ......................................................... 230 2.1 2.2 2.3
3
Erfolgskriterien für Teams .................................................................................. 233 3.1 3.2
4
Teamrelevante Problemfelder ................................................................................. 235 Probleme durch externe Faktoren ........................................................................... 237
Perspektiven für Gründungsmitglieder ............................................................... 239 Organisatorische und rechtliche Aspekte bei der Gründung............................... 240 6.1 6.2 6.3
7
Vision und Mission sowie Ziel und Strategie ......................................................... 233 Definition, Verteilung und Ergänzung von Kompetenzen ..................................... 234
Problemfelder ...................................................................................................... 235 4.1 4.2
5 6
Forschungsprojekte ................................................................................................. 231 Businessplanerstellung............................................................................................ 231 Gründung und Gründungsteam............................................................................... 232
Rechtsform.............................................................................................................. 241 Gesellschafterstruktur ............................................................................................. 241 Beirat....................................................................................................................... 242
Empfehlung ......................................................................................................... 242
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1 Einführung Erfolgskriterien, Probleme und Perspektiven bei Ausgründungen in Teams sind sehr vielseitig. Eine umfassende Betrachtung aller Aspekte innerhalb dieses Beitrags war nicht möglich. Vor diesem Hintergrund sind die sachlichen und persönlichen Fragestellungen während des Gründungsprozesses für Teamgründungen in den einzelnen Kapiteln teilweise gemeinsam dargestellt. Ausgründungen im Team haben den meisten Studien zufolge eine größere Erfolgschance als Ausgründungen durch Einzelpersonen. Viele Gründer starten mit einer großen Euphorie und stellen fest, dass die Gründung im Team andere Anforderungen stellt als die Umsetzung der Gründungsidee allein. So bringt eine Teamgründung neben den großen Chancen auch einige Risiken mit sich, die einen effizienten Unternehmensaufbau gefährden können. Sobald sich mehrere Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Charakteren zusammenschließen, wachsen auch die Anforderungen an jeden Einzelnen, um die gemeinsamen Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Die nachfolgenden Kapitel geben einen Überblick über die Entstehung von Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen, deren Erfolgskriterien, Problemfelder, Perspektiven und organisatorischen Aspekte. Dabei wird kurz auf die möglichen Ergebnisse von Forschungsprojekten, die Businessplanerstellung und die organisatorisch notwendigen Punkte bei der Gründungphase eingegangen. Im Anschluss werden die Vision und Mission sowie Ziele und Strategie als die wichtigsten Erfolgskriterien betrachtet. Bei der Berücksichtigung von Problemfeldern trennen wir zwischen teamund marktrelevanten Einflussgrößen, die zum Erfolg oder Misserfolg von Ausgründungen beitragen können. Die Perspektiven geben einen kurzen Einblick welche Faktoren Teams bzw. Teammitglieder zu einer Ausgründung bewegen. Vor der Zusammenfassung gehen wir auf organisatorische Aspekte ein, die ebenfalls für eine wirtschaftlich erfolgreiche Ausgründung relevant sind.
2 Vom Forschungsprojekt zur Ausgründung Im Rahmen von Entwicklungsprojekten entstehen im Forschungsteam oft Geschäftsideen dessen wirtschaftliche Tragfähigkeit bei der Businessplanerstellung überprüft wird, bevor die notwendigen rechtlichen Maßnahmen für die Gründung gestartet werden. Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick der Schritte, die bis zur tatsächlichen Ausgründung durchlaufen werden.
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2.1 Forschungsprojekte Forschungsprojekte unterscheiden sich durch eine Vielzahl von Faktoren, wie bspw. Laufzeit, Teamgröße, Zielvorgaben, Budget, Partneranzahl, Technologiesegment, etc. In Abhängigkeit der oben genannten Einflussgrößen stellen die Forschungsergebnisse ganz unterschiedliche Verwertungsmöglichkeiten dar. Entweder können die Ergebnisse über Schutzrechte an die Industrie lizenziert werden, oder sie werden als Akquiseinstrument genutzt um F&E-Aufträge von der Industrie zu erhalten. Ein weiterer, immer öfter in Betracht gezogener Weg ist die Verwertung über Spin-offs. Dieser Weg kommt jedoch nur in Betracht, wenn einzelne Personen oder Teammitglieder die Chance der Verwertung über Ausgründungen erkennen und persönlich dazu bereit sind für diesen Zweck ein Unternehmen zu gründen. Bevor jedoch die eigentliche Gründung erfolgt, setzen sich die Wissenschaftler und Forscher im Rahmen der Businessplanerstellung intensiv mit Strategie, Marktpotenzial und Kapitalbedarf auseinander. Sind die Wissenschaftler selbst nicht bereit, ein Unternehmen zu gründen, gibt es neben den drei oben genannten Verwertungswegen auch Mischformen wie bspw. JointVenture mit der Industrie und das Zusammenführen von Technologie und externem Management als Basis für eine neue Unternehmensgründung. Dies bietet den Vorteil, dass vorhandene Strukturen und Markterfahrungen des Industriepartners genutzt werden können. Derartige Partner können jedoch beim Unternehmensaufbau strategische statt wirtschaftliche Kriterien bevorzugen.
2.2 Businessplanerstellung Bevor Ausgründungen am Markt professionell und erfolgreich auftreten, durchlaufen die Teammitglieder in der Gründungsphase einen komplexen Prozess. Der Gründungsidee folgt in der Regel die Erstellung eines Grobkonzeptes, welches die Umsatz- und GewinnPotenziale darstellt und deren Wahrscheinlichkeit bewerten kann. Wird die Idee weiter verfolgt, beginnt die detaillierte Ausarbeitung des Businessplans. Die Diskussionen im Rahmen der Businessplanerstellung lassen schnell die Stärken und Schwächen bzw. die Defizite zur Umsetzung des Vorhabens erkennen. Vielen Ausgründungen fehlt von Beginn an ein kaufmännisch durchdachtes Geschäftsmodell. Klar definierte Unternehmensziele, Kenntnisse über Marktpotenzial, Wettbewerbssituation, Konkurrenzprodukte, Marktanteil etc. sind elementar und im Rahmen der Businessplanerstellung zu ermitteln. Grundsätzlich gibt es für Businesspläne kein „Schema F“. Dennoch sollte ein gutes Konzept 40 Seiten nicht wesentlich unter- oder über-
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schreiten. Der frühzeitige Zusammenschluss zu einem Gründerteam, in dem sich technische und unternehmerische Kenntnisse ergänzen und Aufgaben verteilt werden, erleichtert die sachgerechte Bearbeitung. Im Rahmen des Projekts „Businessplan“ besteht immer die Gefahr, sich in Einzelanalysen zu verlieren. Manchmal lohnt es sich deshalb, aus der Distanz kritisch abzuwägen, ob die bisherigen Informationen ausreichen oder weitere Analysen Nutzen bringen. Die Herausforderung in der Gründungsphase liegt daher bei der richtigen Einschätzung des Markteintritts und der Umsetzung der dazu notwendigen Aufgaben, v. a. der Aufbau des Unternehmens, die Produktentwicklung und die Erzielung erster Umsätze. Hilfreich sind in diesem Prozess auch auf Start-Up spezialisierte Berater, die selbst den Prozess von der Idee zur Unternehmensgründung über die Finanzierung erfahren haben und neben Coaching-Dienstleistungen auch praktische Finanzplanungsvorlagen und Businessplananleitungen zur Verfügung stellen. Während der Diskussion bzgl. Strategie, Geschäftsmodell und Finanzplanung kommt es nicht selten zu unterschiedlichen Vorstellungen und Meinungen, die das Team in Form von Kompromissen zu lösen hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Teammitglieder unterschiedliche Erfahrungen (Wissenschaft/Industrie) und Qualifikationen (Technologie/Betriebswirtschaft) besitzen. Die Phase der Businessplanerstellung hat somit die positiven Effekte, einerseits gegenseitiges Verständnis für das Vorhaben aufzubauen und andererseits die Einstellung jedes Einzelnen klar zu erkennen.
2.3 Gründung und Gründungsteam Während oder nach Fertigstellung des Businessplans ist zu klären, wer das Unternehmen gründet. Dabei sind die Gesellschafterstruktur und die Geschäftsführung zu bestimmen. Da Spin-Offs aus Forschungseinrichtungen in der Regel nicht sofort über notwendige Industrieerfahrung bzw. kaufmännischen Fähigkeiten (v.a. in den Bereichen Finanzen, Marketing, Vertrieb) im Team verfügen bzw. entsprechend notwendiges Personal einstellen können, empfiehlt es sich von Beginn an, Gesellschaftsanteile für zukünftige Geschäftsführer und/oder wichtige Mitarbeiter zu reservieren oder im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen vorzusehen. In diesem Zusammenhang ist die steuerliche Problematik mit entsprechenden Experten zu klären. Unabhängig davon ist es notwendig, dass das Gründungsteam die richtige Rechtsform wählt und Spielregeln der Unternehmung definiert.
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In der entscheidenden Phase der Businessplanerstellung und den ersten Monaten nach der Unternehmensgründung wird jedes aktive Gründungsmitglied feststellen, ob seine persönlichen Vorstellungen bezogen auf die Tätigkeit, Verantwortung und Perspektive nach wie vor zutreffen oder abweichen. Bei starken Abweichungen, die zur Unzufriedenheit führt sollte dies den restlichen Teammitgliedern umgehend mitgeteilt werden, um mögliche Gegenmaßnahmen gemeinsam abzustimmen.
3 Erfolgskriterien für Teams Ein perfekter Businessplan oder eine umfassende Definition der vertraglichen Spielregeln sind nicht die eigentlichen Erfolgskriterien für Teamausgründungen, sondern stellen die notwendigen Rahmenbedingungen dar. Vielmehr ist das gemeinsame Verständnis der einzelnen Teammitglieder für die Vision und Mission sowie Ziel und Strategie eine entscheidende Erfolgsgröße. Die Qualifikation sowie die Verteilung und Ergänzung von Kompetenzen für den Unternehmensaufbau sind ebenfalls wichtige Kriterien und werden in den beiden nächsten Kapiteln behandelt.
3.1 Vision und Mission sowie Ziel und Strategie Gerade Teamgründungen haben das Potenzial, die einzelnen Stärken der Teammitglieder zu nutzen. Bekanntlich ist Teamgeist der zwölfte Mann einer Fußballmannschaft. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das ganze Team an einem Strang zieht. Dies ist dann möglich, wenn gemeinsam eine Vision definiert wurde. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu klären, wo die einzelnen Teammitglieder sich selbst und das Unternehmen in zwei, fünf und zehn Jahren sehen und welchen Beitrag das Unternehmen bzw. die einzelnen Teammitglieder leisten können, damit die Vision langfristig auch erreichbar ist. Darüber hinaus ist es notwendig, Ziele zu setzen, um erkennen zu können wie das Unternehmen seine Zukunft gestalten möchte und welche Meilensteine anzustreben sind. Potenzielle Partner und Investoren schenken realistischen und ehrlichen Einschätzungen mehr Glauben als reinen Ableitungen von Marktstudien. Die Ziel- und Finanzplanung muss sowohl dem Top-Down- als auch dem BottomUp-Prinzip standhalten. Das Top-Down-Prinzip beginnt mit der Betrachtung des Potenzials auf Grundlage von Markzahlen- und -studien. Davon werden Annahmen für die Finanzplanung getroffen, wie bspw. X% Markanteil, der einen Umsatz von Y Euro impliziert. Zur Erzielung des Umsatzes werden dann Planungen für die benötigten Ka-
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pazitäten (Mitarbeiter/Maschinen, etc.) aufgestellt. Das Buttom-Up-Prinzip startet bei den vorhandenen Ressourcen und berechnet die damit möglichen Umsätze. Auf dieser Grundlage wird der notwendige Kapitalbedarf für den Ausbau der Kapazitäten berechnet, der das Umsatzziel ermöglichen soll. D. h. nicht, dass große Visionen unrealistisch sind, der aufgezeigte Weg muss nachvollziehbar sein. Sich mit der ChancenRisiken-Analyse im Vorfeld zu befassen erleichtert außerdem die weitere Unternehmertätigkeit enorm. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, eine gemeinsame Strategie zu definieren, die mit operativen Maßnahmen und Konzepten hinterlegt ist, mit deren Hilfe die beschriebenen anvisierten Ziele erreicht werden können. Denn die beste Idee entwickelt nur die Hälfte des Potenzials bzw. verpufft, wenn sie nicht von allen Teammitgliedern getragen wird. Neue Mitarbeiter sind in die Ziele, Strategie und Mission einzubinden, damit alle das gleiche Gesamtziel verfolgen.
3.2 Definition, Verteilung und Ergänzung von Kompetenzen Am Anfang der unternehmerischen Aktivitäten sind die Aufgaben noch überschaubar, jedoch nimmt die Komplexität nach einiger Zeit deutlich zu. Das technische Fachwissen und die Erfahrungen der Gründer aus deren Forschungstätigkeit sowie eventuelle Kompetenzen aus den Bereichen Projektmanagement und Personalführung können in das eigene Unternehmen positiv eingebracht werden. Die Erfahrungen in öffentlichen oder halböffentlichen Institutionen sind allerdings nicht deckungsgleich mit den Erfordernissen der Industrie und können deshalb Experten aus den Bereichen Finanzen und Vertrieb nicht ersetzen. Das perfekte Gründungsteam benötigt neben dem Technikexperten also auch Finanz- und Vertriebsspezialisten. Jeder Mitarbeiter erhält seinen Verantwortungsbereich, den er eigenverantwortlich ausgestaltet. So können unter anderem die Kompetenzbereiche Produktentwicklung/Technik, Vertrieb/Marketing und Finanzen aufgeteilt werden. Bei der Verteilung von Aufgaben kann es zur fehlerhaften Selbsteinschätzung kommen. Oft werden hohe Ziele definiert, die mit dem bestehenden Team oder den vorhandenen finanziellen Mitteln und Ressourcen nicht oder nicht schnell genug erreicht werden. Deshalb ist es nützlich zu überlegen, wer sich eher für operative, extrovertierte Aufgaben und wer sich eher für Verwaltungsaufgaben eignet. Meistens gibt es Tendenzen und Merkmale, die eher für die Ausübung von introvertierten oder ex-
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trovertierten Aufgaben sprechen. Zu beachten ist, dass gerade in der Gründungsphase strategische Aufgaben Teamaufgaben sind.
4 Problemfelder Probleme bei Teamausgründungen entstehen nicht nur aufgrund interner persönlicher Konflikte. Oft liegt die Ursache bei externen Faktoren, die jedoch das Verhalten der einzelnen Teammitglieder unterschiedlich beeinflussen und somit wieder zu persönlichen Problemen führen können.
4.1 Teamrelevante Problemfelder 4.1.1 Selbsteinschätzung und Einstellung der Teammitglieder
Entscheidend für den Erfolg eines Gründers und Unternehmers ist die Fähigkeit, sich selbst managen und einschätzen zu können. Dazu zählt die Eigenmotivation, die eigenen Emotionen, den Optimismus, den Selbstzweifel und die eigenen Stärken und Schwächen selbst kontrollieren zu können. Eine Voraussetzung um andere zu führen ist es, sich selbst führen können. Die meisten erfolglosen Unternehmer scheitern in erster Linie aufgrund von Selbstüberschätzung oder anderen Fehleinschätzungen der eigenen Fähigkeiten und nicht an externen Faktoren. Ein erfolgreicher Unternehmer muss mit Leib und Seele von seiner Tätigkeit überzeugt sein. Wer mit Begeisterung an seine Aufgabe herangeht, wird langfristig erfolgreicher sein als derjenige, der nur mit Fachwissen ausgestattet ist, denn Fachwissen kann man sich mit der entsprechenden Begeisterung aneignen, aber es hat sich noch niemand mit Fachwissen Begeisterung aneignen können. Der gute Unternehmer zeigt Commitment gegenüber den Menschen, sowie Zielstrebigkeit, Entschlossenheit, Durchsetzungsfähigkeit und großen zeitlichen sowie emotionalen Einsatz. Nicht Unternehmen arbeiten zusammen, sondern Menschen als Vertreter von Unternehmen. Der Erfolg als Unternehmer korreliert deshalb stark mit der persönlichen Kommunikationsfähigkeit. Die Summe der Einstellungen und der damit verbundenen Leistungen eines jeden Einzelnen ergibt das Teamergebnis. Jeder im Team muss sich entsprechend einbringen und nicht nur am Team mitarbeiten, sondern auch an sich selbst arbeiten. Als Teamgründer empfiehlt es sich, nicht nur im Team zu arbeiten sondern auch als Einzelper-
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son sichtbar zu sein. Wichtig ist ein offener Umgang im Team. Um ein gemeinsames Verständnis über die Einstellung und Leistungsbereitschaft der einzelnen Mitglieder zu erhalten empfiehlt es sich, die nachfolgenden Fragen vor und nach der Gründungsphase gemeinsam zu besprechen: Welches Risiko sind die Gründer bereit einzugehen? Würden Sie Kredite privat absichern oder unter Umständen auch auf Gehälter verzichten? Was wollen Sie in den nächsten drei Jahren erreichen? Wie hoch soll das Jahreseinkommen sein und welche Aufgaben möchten Sie im Tagesgeschäft ausüben? Bevorzugen Sie, Aufgaben an Mitarbeiter zu delegieren, oder lieber die Fäden selbst in der Hand zu halten? Welches sind Ihre eigenen Werte? Möchten Sie sich persönlich verwirklichen? Möchten Sie ihre Idee aufgrund von Idealismus realisieren, oder geht es primär darum möglichst viel Geld zu verdienen? Wenn Sie sich zwischen Geld und Selbstverwirklichung entscheiden können, was würden Sie wählen? Was darf in den nächsten 3 Jahren auf keinen Fall eintreten? Stellen Sie Fragen, um über die familiären Rahmenbedingungen der Partner einen Eindruck zu bekommen? Unterstützt der Lebensgefährte die Ausgründung, oder befürchtet er, dass diese einer Familienplanung eher im Wege steht? Protokollieren Sie die Antworten der einzelnen Mitglieder und fragen sich gemeinsam, welche Konsequenzen unterschiedliche Ziele haben können Stellen Sie diese Fragen auch nach den ersten Monaten der Gründung. Bei zu unterschiedlichen Vorstellungen ist eine Teamgründung nicht empfehlenswert bzw. sollten Möglichkeiten berücksichtigt werden, die den Ausstieg eines Mitglieds im Einvernehmen ermöglichen. 4.1.2 Unternehmensführung, Personalverantwortung, Motivation
Zur Unternehmensführung gehört insbesondere die Definition der Ziele und Umsetzung der davon abgeleiteten Strategien zur Zielerreichung. Das Führungsteam sollte nicht nur auf operativer Ebene das Tagesgeschäft besprechen, sondern auch monatlich die Liquidität reflektieren und Quartalsweise Ziele und Strategien diskutieren, um notwendige Anpassungen schnell durchführen zu können.
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Gerade in der Startphase wird die Grundlage für eine klare Personalführung und Unternehmenskultur gelegt. In Start-ups mit einer visionären Kultur werden die Mitarbeiter nicht im Ungewissen gelassen. Im Gegenteil, sie werden vielmehr in der Überzeugung bestärkt, dass sie Teil einer aufregenden Zukunft sind. Sie kommen mit einer inneren positiven Emotion zur Arbeit, die auf Grundlage von klarer Führungs- und Kommunikationspolitik gebildet wird, die jeder Mitarbeiter versteht. Jeder Beschäftigte weiß, was er zur Zukunft des Unternehmens beitragen kann. Beim Aufbau der Führungsgepflogenheiten ist es wichtig, die Personalressourcen optimal einzusetzen. Ebenfalls empfiehlt sich, Ursachen von Fehlern zu suchen anstatt mit Schuldzuweisungen zu arbeiten. Ein zusätzlicher Tipp für Führungskräfte ist, Fragen an die Mitarbeiter zu stellen und nicht selbst auf alles eine Antwort zu geben. 4.1.3 Unternehmens- und Managementkrisen
Unternehmenskrisen kündigen sich in der Regel langsam an, werden jedoch oft verdrängt, da man die finanzielle Situation oder sonstige Auslöser nicht wahrhaben möchte. Bei Teamgründungen ist dieses Risiko eher gering, da es meistens einen Gesellschafter gibt, der dies aufgrund seiner Aufgabe rechtzeitig bemerkt und thematisiert. Die Herausforderung des verzögerten Markteintritts und des oft höheren Kapitalbedarfs bzw. der Liquiditätskrise erfolgreich zu meistern, gelingt einfacher, wenn sich die einzelnen Teammitglieder auf diese Situation persönlich vorbereitet haben und zu persönlichen finanziellen Kompromissen und Risiken bereit sind. Auch wenn diese Bereitschaft im Vorfeld abgestimmt wurde, reagieren die einzelnen Teammitglieder auf eine andere Art und Weise als besprochen, wenn die Situation tatsächlich eintritt. Dies kann zur Resignation, Fehlersuche bei Kollegen, Frustration und Aufgabe des Glaubens an die Ziele, Strategie und gemeinsame Vision führen. Derartiges Verhalten ist zwar nicht ungewöhnlich, kann aber in dieser schwierigen Phase die notwendigen Aktivitäten blockieren. Probleme im Team haben oft ihre Ursache in fehlender oder unklarer Kommunikation der wesentlichen Dinge. Um derartige Situationen zu vermeiden bzw. schnell zu lösen, sind kontinuierlich offene Gespräche zu führen, die auch eine Ausstiegsklausel für alle Teammitglieder berücksichtigt.
4.2 Probleme durch externe Faktoren Trotz sorgfältiger Planung und Businessplanerstellung kommt es in fast jeder Ausgründung zu Überraschungen bzw. Abweichungen, die im Vorfeld nicht erkennbar
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waren. Insbesondere treten gerade bei jungen technologieorientierten Unternehmen eine verzögerte Marktentwicklung, höherer Kapitalbedarf oder Meinungsunterschiede im Management auf, für die das Team Flexibilität, Ausdauer und Entschiedenheit benötigt. 4.2.1 Verzögerte Marktentwicklung
Neue innovative Technologien können nicht wie Konsumgüter verkauft werden. Vom Kundenerstkontakt über den Auftrag bis zum Zahlungseingang kann es oft bis zu 1 1/2 Jahren dauern. Dies liegt unter anderem daran, dass die Kunden selbst erst von der Technologie und dem Kosten-Nutzen-Verhältnis überzeugt werden müssen. Dazu bedarf es einer Vielzahl von Gesprächen mit unterschiedlichen Ansprechpartnern. Auch hier ist es für das Gründungsteam wichtig, dem Kunden die jeweiligen Verantwortungsbereiche der Gründungsmitglieder mitzuteilen und intern entsprechend zu organisieren. Wurden alle Ansprechpartner bzw. Entscheider beim Kunden überzeugt, wird nicht automatisch eine Bestellung ausgelöst. Vielmehr ist dann die Kundenpflege wichtig, damit die oft schon verteilten Budgets beim Kunden entweder neu verteilt werden oder der Kunde bei der nächsten Budgetplanung das innovative Produkt mit einplant, da oft noch kundenspezifische Änderungen durchgeführt werden müssen, die Zeit und Kapital benötigen. Die Vermarktung neuer Technologien kann neben der langen Akquisitionszeit auch auf einen Markt zurückgeführt werden, der noch nicht bereit ist, in Innovationen zu investieren. Das Team ist also gefordert, den Markt aktiv aufzubauen, die Ressourcen entsprechend in den Vertrieb zu investieren und sich nicht nur auf die Produktentwicklung zu konzentrieren, denn weitere Produkteigenschaften werden die Kaufentscheidung oder den Markteintritt nicht automatisch positiv beeinflussen. 4.2.2 Höherer Kapitalbedarf
Ein verzögerter Markteintritt verursacht gleichzeitig einen höheren Liquiditätsbedarf. Daher empfiehlt es sich, unterschiedliche Liquiditätsszenarien aufzustellen, die auch für jedes Teammitglied unterschiedliche finanzielle und zeitliche Auswirkungen haben können. Gespräche mit Kunden bringen neue Erkenntnisse über deren Bedürfnisse und Bereitschaft, Innovationen einzusetzen. Nicht selten sind noch weitere Entwicklungen notwendig, die der Kunde nicht bereit ist zu finanzieren, so dass dies auf eigenes Risiko von der Ausgründung zu übernehmen ist. Sicherlich ist nicht zu empfehlen jeden Kundenwunsch sofort auf eigene Kosten ohne Sicherheiten zu entwickeln.
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Um ein besseres Verständnis für Markt, Kunden und Produkt bzw. den Wert der neuen Technologie zu erhalten, bietet es sich an, Gespräche mit Kunden nicht immer allein, sondern anfänglich und bei wichtigen Terminen im Team bzw. mindestens zu zweit zu führen. Auf Grundlage dieser Informationen kann der Kapitalbedarf und Liquiditätsplan der Ausgründung genauer erstellt werden. 4.2.3 Kundennutzen und Wettbewerb
Die Innovation und das damit verbundene Angebot/Produkt für den Markt bei HighTech-Gründungen ist relativ schnell zu erkennen. Schwieriger gestaltet sich die Analyse des tatsächlichen Kundennutzens. Dieser mag bei einer ersten Untersuchung eindeutig erscheinen. Bei genauer Betrachtung der Kaufentscheidung des Kunden geben der Entscheidungsprozess und die jeweiligen Entscheidungskriterien Aufschluss über den eigentlichen Kundennutzen. Insbesondere bei technisch neuen Produkten, die am Anfang der Wertschöpfungskette liegen, können die Prozesse und Kriterien bei der Kosten-Nutzen-Analyse während der Businessplanerstellung zwar theoretisch richtig angenommen werden, sich jedoch in der Praxis ganz anders darstellen. So liefert das Produkt einen hohen Kundennutzen, jedoch ist die Umstellung von den bestehenden Technologien, Lieferanten bzw. die Anpassung des Gesamtsystems auf eine neue Komponente so aufwendig und kostenintensiv, dass eine Kaufentscheidung sehr viel Zeit benötigt oder erst gar nicht in Betracht genommen wird. Zur Vermeidung derartiger Fehleinschätzungen empfiehlt es sich, schon während der Businessplanerstellung intensive Gespräche mit Kunden nicht nur über das Produkt zu führen, sondern auch über die Entscheidungsfindung vom Angebot zum Auftrag über die Lieferung bis zur Zahlung und den Kosten-Nutzen-Aspekten. Bei diesen Gesprächen wird erkennbar, wie sich das Gründungteam mit seinem Vorhaben gegenüber dem Wettbewerb positioniert und wie der Kunde den Wettbewerbsvorsprung bzw. das Alleinstellungsmerkmal einschätzt. Je nach Innovationsgrad, Wettbewerbsumfeld ist der Kunde mehr oder weniger bereit, schnell eine positive Kaufentscheidung aufgrund des Kundennutzens zu treffen.
5 Perspektiven für Gründungsmitglieder Die Perspektiven für Gründer sind sehr vielseitig. Einerseits gibt es persönliche und anderseits rein monetäre Perspektiven. Die persönlichen Perspektiven können in der Motivation des Unternehmensaufbaus, Eigenverantwortung, Personalverantwortung,
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und Managementaufgaben liegen. Derartige positive Herausforderungen kommen insbesondere dann zur Geltung, wenn es sich um das "eigene" Unternehmen handelt. Die Umsetzung von eigenen Visionen und der Transfer von selbst entwickelten Technologien in den Markt sind persönliche Perspektiven und Motive für Gründer. Weitere Perspektive des Unternehmertums für Wissenschaftler ist der Aufbau von Know-How und Erfahrung in den Bereichen Recht und Betriebswirtschaft. Mit diesen Themen hat sich jeder Unternehmer u.a. bei Vertragsverhandlungen, der Marketing- und Werbeplanung, der Buchhaltung oder dem Erstellen des Jahresabschlusses auseinander zu setzen. Neben Eigenverantwortung, Entscheidungsfreiheit, Know-How-Aufbau und der Umsetzung von Visionen haben Unternehmensgründer die Perspektive, eine finanzielle Unabhängigkeit durch unterschiedliche Art und Weise zu erreichen. Vorab sei aber angemerkt, dass die finanzielle Unabhängigkeit auf sehr unterschiedlichen Vorstellungen beruhen kann und einen langen Atem über viele Jahre benötigt. Die Gründer partizipieren vorerst direkt nur durch ihre Gehälter, die in Abhängigkeit von Umsätze und Gewinn stark variieren können. An dieser Stelle zeigt die Erfahrung, dass Gehälter bei Gründung des Unternehmens mit der Gehaltsstruktur des wissenschaftlichen Umfelds vergleichbar sind und nach einigen Jahren oder entsprechender Finanzierung durch Dritte deutlich höher liegen. Geduld bei Ausgründungen ist bei Gewinnausschüttungen bzw. Dividenden notwendig, da in den ersten Jahren die Gewinne, sofern es welche gibt, in die Kapitalrücklagen für den weiteren Unternehmensaufbau gestellt werden bzw. dessen Absicherung für verlustbringende Jahre gebildet wird. Eine zusätzliche Möglichkeit, sich nach erfolgreichem Unternehmensaufbau finanziell abzusichern bzw. unabhängig zu werden, kann der Verkauf des Unternehmens oder von Unternehmensanteilen sein. Dabei können die Gesellschafter interessante Erlöse aus dem Anteilsverkauf erzielen.
6 Organisatorische und rechtliche Aspekte bei der Gründung Bei Ausgründungen im Team ist die Definition von Spielregeln Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern. Diese regeln die Verantwortung bzw. Rechte und Pflichten zwischen den Gesellschaftern und der Geschäftsführung. In diesem Zusammenhang ist die richtige Rechtsform und Verteilung der Gesellschafterstruktur zu finden. Zusätzlich bietet sich auch die Bildung eines Beirats an, wie in den nachfolgenden Kapiteln ausgeführt.
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6.1 Rechtsform Da es sich bei Ausgründungen meist um innovative Technologien handelt, die noch nicht oder nur unzureichend markterprobt sind, ist die eine Kapitalgesellschaft, wie die GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) oder die AG (Aktiengesellschaft) eine geeignete Rechtsform im Vergleich zu Personengesellschaften (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) wie bspw. die GbR ohne Haftungsbegrenzung oder die OHG (Offene Handels Gesellschaft ohne Haftungsbegrenzung). Die GmbH haftet gegenüber ihren Gläubigern nur mit ihrem Stammkapital (mind. 25.000€). Private Haftungsrisiken können somit weitgehend ausgeschlossen werden, sofern für Bankdarlehen etc. keine persönlichen Sicherheiten bzw. Bürgschaften erbracht werden müssen und bei den Geschäftsaktivitäten nicht grob fahrlässig gehandelt wird. Für die Gründung der GmbH ist eine Satzung bzw. ein Gesellschaftsvertrag erforderlich, der notariell zu beurkunden ist. Dort sind unter anderem der Geschäftszweck, die Gesellschafterstruktur, die Geschäftsführung und das Wettbewerbsverbot für Gesellschafter geregelt. Darüber hinaus regelt er den Ablauf von Gesellschafterversammlungen und die Herbeiführung von Gesellschafterbeschlüssen. Es empfiehlt sich, neben dem Gesellschaftervertrag auch eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer abzuschließen, um Rechte und Pflichten festzuhalten bzw. die von der Gesellschafterversammlung zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäfte einzugrenzen. Eine GmbH kann relativ einfach in eine Aktiengesellschaft gewandelt werden, die ebenfalls eine Kapitalgesellschaft ist und nur in Höhe des Grundkapitals haftet. Die AG wird von vielen Partnern, vor allem Venture-Capital Unternehmen, im Rahmen von Exitszenarien präferiert bzw. ist für einen möglichen geplanten Börsengang (IPO) erforderlich.
6.2 Gesellschafterstruktur Bei der Gesellschafterstruktur ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass die Gesellschafter nicht zu viele unterschiedliche Interessen verfolgen. Eine überschaubare Gesellschafterstruktur ist von Vorteil, um die im Businessplan formulierten Ziele nachhaltig zu unterstützen. Bei einer hohen Anzahl von Teammitgliedern / Gesellschaftern bietet sich eine Stimmbündelung an. Dies hat den Vorteil, dass sich eine bestimmte Gruppe von Gesellschaftern im Vorfeld von Beschlüssen berät und einen Vertretungsbevollmächtigen für die Stimmabgabe entsenden kann und somit lange Diskussionen bei Gesellschafterversammlungen vermeidet. Das Festhalten an Geschäftsanteilen zum Schutz der eigenen Anteilsquote kann die Einbindung von Inves-
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toren, Know-How-Trägern als gewinnbringende Gesellschafter verhindern. Diese sind jedoch möglichst früh mit einbeziehen, um deren Kapital, Netzwerk, Erfahrung und technisches Markt-Know-how für den Unternehmensaufbau zu nutzen.
6.3 Beirat In jedem Unternehmen, unabhängig von der Unternehmensphase, gibt es Zeiten, in denen Entscheidungen getroffen werden müssen oder Probleme auftreten, die einen strategischen und weit reichenden Charakter haben. Dies kann sowohl im Umgang mit Kundenprojekten, Lieferanten, Technologie-, Produktentwicklung, Marketing als auch im Personal- und Gründungsteam der Fall sein. Die Einschätzung, Lösung und das Ausmaß derartiger Probleme sind jedoch oft nicht eindeutig erkennbar oder werden aufgrund von mangelnder Erfahrung nicht ernst genommen. Daher ist es ratsam, einen Beirat zu einzurichten, der über die aktuellen und wichtigsten Entwicklungen des Unternehmens in Kenntnis gesetzt wird. Er soll weniger als Kontrollfunktion, sondern mehr als Beratungsgremium verstanden und genutzt werden. Die Anzahl sollte nicht mehr als drei Mitglieder übersteigen. Wünschenswert ist ein Beirat der zu den Bereichen Technologie, Finanzierung und Markt möglichst viel Erfahrung und Kontakte aktiv in das Unternehmen einbringt. In Abhängigkeit der Unternehmensphase kann sich ein Wechsel einzelner Beiratsmitglieder oder die Erweiterung anbieten, um Kompetenzen und Schwerpunkte je nach Unternehmensentwicklung abdecken zu können. Neben den genannten Vorteilen bei der freiwilligen Errichtung eines Beirates bei der GmbH, ist die Installation eines Aufsichtrates bei der AG vom Aktiengesetz vorgeschrieben.
7 Empfehlung Eine Unternehmensgründung im Team ist ein komplexer Ablauf. Teams sollten sich auf Krisen vorbereiten und Gehaltsstrukturen in der Seed-Phase klären. Des Weiteren sind die Funktions- und Verantwortungsbereiche innerhalb des Teams klar abzugrenzen. Mit den vorhandenen Ressourcen ist von Beginn an schonend umzugehen. Um Konflikte vorzubeugen benötigt das Team Konsens bei der Anteilsverteilung und dem damit verbundenen Beitrag jedes Einzelnen an der Geschäftsidee und deren Umsetzung. Um den aufgeführten internen und externen Problemfeldern vorzubeugen empfiehlt es sich, gerade im Management darauf zu achten, dass die Positionen Technik,
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Marketing und Finanzierung von erfahrenen Mitgliedern besetzt bzw. schnellstmöglich ergänzt werden. Die Erstellung von Protokollen bei Gesellschafterversammlungen und -beschlüssen ist für das Einhalten der im Gesellschaftsvertrag definierten Spielregeln Vorraussetzung und für Dokumentationszwecke notwendig. Die Umsetzung der Idee zum profitablen Unternehmen kann mehrere Jahre benötigen. Ausgründungen im Team sind insbesondere zwei Herausforderungen gegenüber gestellt. Einerseits müssen die Gründer den Unternehmensaufbau und das Wachstum managen und andererseits die unterschiedlichen Aufgaben aller Beteiligten so verteilen bzw. selbst durchführen, dass das Gesamtziel erreicht wird. Jedes Mitglied benötigt Ausdauer, Disziplin, Idealismus und ein überdurchschnittliches Maß an Eigenmotivation. Das gegenseitige gleiche Verständnis für Vision, Ziel und Strategie sowie eine offene Kommunikation innerhalb der Gründer sind Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Ausgründung im Team.
Ausgründung als Strategie in Technologiemärkten – Das Beispiel der Halbleiterindustrie im asiatischen „Silicon Valley“ Hsin Chu Johann Pacher & Eva-Maria Hammann
Inhaltsverzeichnis 1 2
Einführung........................................................................................................... 246 Ausgründung / Spin-off....................................................................................... 246 2.1 2.2
3
Die Halbleiterindustrie – „Made in Taiwan“ ...................................................... 247 3.1 3.2 3.3 3.4
4
Die Geschichte der Halbleiterindustrie ................................................................... 248 Technologische Spin-offs der Halbleiterindustrie in Taiwan ................................. 249 Das Foundry-Modell und die vernetzte IT-Industrie in Taiwan ............................. 250 Die Halbleiterzulieferindustrie................................................................................ 251
Integrated Plasma Inc. oder die Stationen eines Ausgründers – Ein Interview . 251 4.1 4.2 4.3
5 6
Definition ................................................................................................................ 246 Ausgründung als Strategie und der Unternehmer als Hauptakteur......................... 247
Zur Person............................................................................................................... 252 Zur Unternehmensidee............................................................................................ 254 Die Umsetzung........................................................................................................ 257
Schlussfolgerung ................................................................................................. 260 Literaturverzeichnis............................................................................................. 260
Abstract Der Beitrag thematisiert „Ausgründung“ am Beispiel eines technologie-orientierten, volatilen Marktes, nämlich der Halbleiterindustrie in Taiwan. Dabei werden nicht spezifische Erfolgsfaktoren von Ausgründungen diskutiert, vielmehr soll das Ausgründen unter Einbezug kultureller Gesichtspunkte beleuchtet werden, um Unterschiede zu erkennen und Gemeinsamkeiten entdecken zu können. Jenseits möglicher kultureller Unterschiede dienen Ausgründungen privaten wie öffentlichen Organisationen als Strategie zur Entwicklung und zum Aufbau neuer Technologien, Industrien und selbständiger Unternehmen. Welche zentrale Rolle der Unternehmer in diesem Zusammenhang spielt, wird in einem Interview mit einem Unternehmer deutlich, der mehrere Ausgründungen in der Halbleiterindustrie Taiwans miterlebt hat.
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1 Einführung Ausgründungen sind in wachsenden Märkten keine Seltenheit. Die Ausgründung als Strategie zur Unternehmensgründung ist vor allem in technologiegetriebenen Unternehmen beliebt, wird aber auch von Regierungen zur Unterstützung von Unternehmensgründungen in strategisch wichtigen Industrien zur so genannten „industry formation“ verwendet.1 Bei technologieintensiven Industrien spielen auch öffentliche Forschungsinstitutionen und Universitäten – als Teil eines „institutional entrepreneurship“2 – eine wesentliche Rolle. Die Ausgründung als Gründungsstrategie sorgt unter anderem für den Transfer von Technologie und Know-how und wurde insbesondere in Taiwan beim Aufbau der Halbleiterindustrie durch diverse Forschungsinstitutionen (ITRI3, ERSO4) erfolgreich angewendet.5
2 Ausgründung / Spin-off 2.1 Definition Eine Ausgründung bezeichnet die Gründung entweder aus einem bereits bestehenden Unternehmen oder einer wissenschaftlichen Forschungsrichtung heraus. Nach Lankford & Parsa ist darunter auch die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen zu verstehen, die außerhalb einer Organisation stattfindet.6 Spin-offs stellen rechtlich selbständige und von der Mutterunternehmung vollkommen abgetrennte Unternehmungen dar, die jedoch mit einer Technologie ausgestattet sind, die in der ehemaligen Mutterunternehmung entwickelt worden ist. Je nachdem, wie vielfältig die Ressourcen sind, die transferiert werden, können verschiedene Typen von Spin-offs unterschieden werden: Technologie-Spin-offs, Gründer-Spin-offs sowie Venture Capital-Spin-offs.7 Nach Lindholm können unternehmerische Spin-offs wiederum in drei Klassen einge-
1 2 3 4 5 6 7
Spencer et al. (2005). Zimmermann/Zeitz (2002). Industrial Taiwan Research Institute. Electronic Research and Service Organization. Tu et al. (2006). Vgl. Lankford/Parsa (1999). Davenport et al. (2002), S. 242.
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teilt werden: a) Spin-offs aus Universitäten (USOs), b) Spin-offs aus Unternehmen (CSOs) und c) institutionelle Spin-offs.8 Im weiteren Verlauf werden die Begriffe „Spin-off“ und „Ausgründung“ synonym verwendet. Die Ausgründung wird dabei vorrangig als Strategie eines Unternehmens verstanden, einen bestimmten Geschäftsbereich entweder aus strategischen Gründen oder im Sinne einer Erweiterung der Geschäftstätigkeit in die Selbständigkeit zu führen. Im Zusammenhang mit der Halbleiterindustrie in Taiwan soll diese Definition unter technologischen, innovationsbezogenen und interventionistischen Aspekten betrachtet werden.
2.2 Ausgründung als Strategie und der Unternehmer als Hauptakteur Sieht man von rechtlichen Unternehmensgründungen innerhalb eines bestehenden Konzerns ab, sind Ausgründungen von der Führungsperson der Tochterunternehmung geprägt. Dies bedeutet nicht, dass Ausgründung nicht auch eine durch die Letztentscheidungsträger eines Konzerns induzierte Strategie im unternehmerischen Sinne sein kann. Wesentlich bleibt jedoch die Person des Unternehmensgründers, welcher letztlich die Kontrolle über das neu gegründete Unternehmen erlangt und sich fortan wie ein echter Entrepreneur verhalten wird.9 Sein unternehmerisches Verhalten ist für den Erfolg oder Misserfolg des nun selbständigen Unternehmens verantwortlich. Daher soll eine Ausgründung im Hinblick auf die Rolle des Unternehmers und seinem Einflusses auf den Unternehmenserfolg des ausgegründeten Unternehmens betrachtet werden. Die Abspaltung eines Unternehmensteils in ein rechtlich unabhängiges Unternehmen unter eigenem Management wird dabei als notwendig, nicht jedoch als hinreichend angesehen.
3 Die Halbleiterindustrie – „Made in Taiwan“ Die Halbleiterindustrie wurde – wie ihre „Schwester“, die Softwareindustrie – im Laufe ihrer Geschichte von Innovationen und Pionierunternehmern geprägt. Computer,
8 9
Vgl. Lindholm (1997). Vgl. Schumpeter (1942).
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Ipod’s, Mobiltelefone und die moderne Infrastruktur beinhalten IC’s10, deren Entwicklung und Produktion die Halbleiterindustrie ausmacht. Die Innovationen der Halbleiterindustrie gehen dabei ebenso auf Unternehmer zurück, wie die Softwareindustrie von Bill Gates, Steve Jobs und den Google-Gründern, Sergey Brin & Larry Page, geprägt wurde. Im Kontext der Halbleiterindustrie sind besonders Bob Noyce und Jack Kilby hervorzuheben – die Erfinder kompakter Computerchips.
3.1 Die Geschichte der Halbleiterindustrie11 Die Halbleiterindustie – durch die Erfindung des Shockley Transistors12 initiiert und unterstützt durch die Lösung des Problems der „Tyranny of Numbers“ durch Kilbys und Noyces IC – stellt den wichtigsten materiellen Teil der modernen Informationsgesellschaft, das Gehirn eines jeden informationsverarbeitenden Gerätes zur Verfügung: den Mikrochip. Bekannt als Moore’s Gesetz sollte sich alle 18 Monate die Anzahl der Transistoren auf einem Mikrochip verdoppeln. Moore, ein Kollege von Bob Noyce bei FAIRCHILD SEMICONDUCTORS und ein späterer Mitbegründer von INTEL, sollte Recht behalten. Heute befinden sich über 1 Billion Transistoren auf einem 256K Chip.13 Die Integration und Verbreitung von Informationen in allen Bereichen des menschlichen Lebens haben der Halbleiterindustrie seit ihren Anfängen im Jahr 1959 ein steiles Wachstum beschert. Die Halbleiterindustrie produzierte im Jahr 2005 weltweit IC’s im Wert von 227.5 Mrd. US$. Trotz einiger Schwankungen wächst die Halbleiterindustrie jährlich noch immer durchschnittlich um 5-10%.14 Neben den Designern von modernen IC’s ist insbesondere die Zulieferindustrie zum wesentlichen Bestandteil des Wachstums der gesamten Branche geworden. Forschungsinstitute, Maschinenbau, Beratung und Services, die Weiterentwicklung von Rohstoffen oder Chemikalien multiplizieren die innovativen Leistungen und machen die technologischen und wirtschaftlichen Sprünge der Halbleiterindustrie erst möglich.15
10
IC steht für „Integrated Circuit“, eine technische Integration von Transistoren, Dioden und anderen für die logische, digitale Informationsverarbeitung notwendigen elektronischen Elementen in einem Baustein. 11 Vgl. Raid (1985). 12 Vgl. Bardeen (1956). 13 Vg. Reid (1985), S. 153. 14 Vgl. STATS (2006). 15 Siehe http://www.semicon.org, http://www.vlsi.org, http://www.chiphistory.org (alle 15.7.2006).
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3.2 Technologische Spin-offs der Halbleiterindustrie in Taiwan Spin-offs können nach ihrer Art und den strategischen Motiven der Ausgründung unterschieden werden. In der Halbleiterindustrie entstehen Spin-offs auf Grund ihres hohen Grads an kapitalintensiver Technologie. Nationale Regierungen fördern die Entwicklung von Technologie aus verschiedensten Interessen, was sich auch auf Forschungsprojekte der Halbleiterindustrie auswirkt. So initiierten Universitäten und öffentlich finanzierte Forschungsinstitutionen die Entwicklung des Transistors und der ersten Microchips und legten damit den Grundstein für die Entstehung der Halbleiterindustrie.16 Auch die Taiwanesische Halbleiterindustie ist durch technische Spin-offs gekennzeichnet. So war ITRI, der operative Arm des MOEA17, für die Implementierung der Industrial Formation in der taiwanesischen Halbleiterindustrie verantwortlich. UMC, TSMC und andere Halbleiterproduzenten sind ebenso Spin-offs von ITRI, wie Unternehmen der Halbleiterzulieferindustrie. Erwähnt seinen hier beispielhaft die Firmen DESTINY TECHNOLOGY CORP., REALTEK, WELTEND oder die TAIWAN MAKS CORP.18 Diese Spin-offs entstanden in Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen (ERSO, CCL19, PIDC20 und dem Zong Sang Sientific Research Center) sowie zahlreichen Universitäten, etwa die National Tsing Hua Universität in Hsin-Chu. Ihren Anfang nahm die Halbleiterindustrie Taiwans bereits zu Beginn der 70er Jahre, als die Regierung sich für die Industrialisierung ihrer feudalen Ökonomie entschied. Um den Umstieg auf die zukunftsorientierte Elektro- und Halbleiterindustrie zu ermöglichen, wurde 1973 ITRI gegründet. Die Geschichte der Halbleiterindustrie in Taiwan ist die Geschichte des ITRI. Das Koreanische Forschungsmodell vor Augen, nutzte Taiwan seine starke Bindung an die USA und setzte dabei auf die an amerikanischen Universitäten ausgebildeten Taiwanesen, um unzählige Forschungs- und Technologietransfer-Projekte zu initiieren. Beginnend mit der Etablierung der „Made in Taiwan“-Elektronikindustrie (in Zusammenarbeit mit ERSO und CCL) begann ITRI Mitte der 70er Jahre, ihr Angebot mit der Entwicklung von Halbleitern abzurunden. Wesentliche Komponenten der Elektronikindustrie sollten auf der Insel selbst produ-
16
Vgl. Raid (1985). Ministry of Economical Affairs. 18 Vgl. Wang (2005). 19 Computing and Communication Lab. 20 Plastics Industry Development Center. 17
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ziert werden.21 Die dafür notwendigen Ingenieure waren Heimkehrer aus Amerika. Unter ihnen der Senior Vice President der Firma TEXAS INSTRUMENTS, Morris Chang, der die Taiwanesische Halbleiterindustrie an die Spitze der Welt katapultieren sollte. Er wurde 1986 Vorsitzender von ITRI und förderte über viele Jahre die Gründung mehrerer Halbleiterproduzenten. Er favorisierte die Privatisierung der Halbleiterindustrie und gründete Halbleitermanufakturen, die als „Foundries“ bekannt wurden. Das größte dieser Unternehmen ist heute TSMC22, dem er später als CEO vorstehen sollte.23 Unterstützt durch die Taiwanesische Regierung zählt die Halbleiterindustrie in Taiwan heute zu den drei größten Halbleiterindustrien der Welt und gehört daher zu den wichtigsten Industrien des Landes. 24 Im Jahr 2005 betrug ihr Volumen NT$1.117.9 Billion. Ihr ist zu verdanken, dass Wissenschafts- und Industrieparks (z. B. Hsin Chu Sience Park, Tainan Sience Park) entstanden, die für die Weiterentwicklung bestehender, ausländischer Technologien (zumeist aus den USA und Europa) sowie die Erschaffung vollkommen neuer Technologien sorgten.25 Ob die Halbleiterindustrie in Taiwan ohne ITRI und Morris Chang dieselbe globale Dominanz erlangt hätte, bleibt spekulativ. Es ist jedoch nicht zu verneinen, dass die institutionelle Gründungsaktivität des ITRI als Erfolgsmodell stellvertretend für die „Halbleiterindustrie in Taiwan“ gesehen werden kann.
3.3
Das Foundry-Modell und die vernetzte IT-Industrie in Taiwan
Das in Taiwan entstandene und vorherrschende Geschäftsmodel der Halbleiterindustrie ist das so genannte „Foundry“-Modell. Bis zur Entstehung von Foundries war es üblich, dass das Design und die Produktion von Microchips organisatorisch unter einem Dach zusammengefasst waren. Im Gegensatz zu einem klassischen Halbleiterproduzenten konzentriert sich eine Foundry auf die effiziente Manufaktur von Microchips, die sie im Auftrag von so genannten „Microchip Design Houses“ herstellt. Dafür ist eine hohe Flexibilität und effiziente Produktion notwendig, für die vor allem
21
Vgl. Tu et al. (2006). Taiwan Semiconductor Manufacturing Cooperation 23 Vgl. Moore (1999); Peng (2006); http://www.semiseeknews.com (26.6.2006). 24 Vgl. WSTS (2006). 25 Vgl. Saxenian (2001). 22
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Taiwan heute bekannt ist.26 Flexibilität und Anpassungsfähigkeit auf Veränderungen der Marktbedingungen und Kundenansprüche konnte zudem durch die bewusste Vernetzung von Halbleiterproduzenten mit ihren Kunden in anderen IT-Segmenten Taiwans oder im amerikanischen Silicon Valley erreicht werden.27
3.4 Die Halbleiterzulieferindustrie Wie die Automobilindustrie ist auch die Halbleiterindustrie von einer starken Zulieferindustrie abhängig. Sie reicht von Beratungs-, Forschung-, Logistik- und Instandhaltungsdienstleistungen über die Bereitstellung von Rohstoffen und Betriebsanlagen bis hin zu Netzwerk- und Verkaufsservices, die sich über die gesamte Wertekette erstrecken und in alle Bereiche des Lebenszyklus von Microchips wirken. Ein für die Manufaktur von Microchips technologisch wesentlicher Bereich der Halbleiterzulieferindustrie sind Maschinenbau und die Bereitstellung von Technologien für Infrastruktur und Entsorgung.28 Die vernetzte Struktur von mehreren innovativen klein- und mittelständischen Halbleiterzulieferern mit der Halbleiterindustrie in Taiwan entlang der Wertekette unterstützt die Flexibilität durch effizienten und raschen Know-howTransfer.29 Ähnlich wie in Taiwans Halbleiterindustrie selbst nehmen auch in ihrer Zulieferindustrie öffentliche Forschungseinrichtungen eine bedeutende Rolle ein und fungieren als wichtige Partner von Technologieunternehmen.30
4 Integrated Plasma Inc. oder die Stationen eines Ausgründers – Ein Interview Das Interview mit Johnson Wu fand am 5. Juni 2006 in Hsin-Chu City, Taiwan, statt. Thematisch war das Interview in drei Teile gegliedert: Person, Idee und Umsetzung. Da sich das Interview als lockeres Gespräch gestaltete und sich eine wortwörtliche Übersetzung aus dem Englischen und Chinesischen als schwierig erwies, wurden die zentralen Aussagen zusammengefasst.
26
Vgl. ebenda. Vgl. Meany (1994). 28 Siehe http://www.semicon.org (15.7.2006). 29 Vgl. Ernst (1998). 30 Vgl. Saxenian (2001). 27
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4.1 Zur Person 4.1.1 Persönlicher Hintergrund
Johnson Wu wurde 200 km südlich von Hsinchu geboren, studierte „Nuclear Engineering“ an der Dung Hua University in Hsinchu und absolvierte sein Masterdiplom im Jahr 1975. Mit der Förderung der Technologieindustrie durch die Taiwanesische Regierung in den 60er und 70er Jahren boten sich für junge Taiwanesen wie Johnson Wu unzählige Möglichkeiten. Vielen gelang der Sprung in die USA, wo sie studierten und Erfahrungen sammeln konnten, andere blieben in ihrer Heimat und studierten dort. Viele der heute in Taiwan erfolgreichen Unternehmer haben so ihre Laufbahn begonnen. Nach dem Studium arbeitete Wu fünf Jahre bei PIDC, einer von der Regierung betriebenen Forschungseinrichtung. Während dieser Zeit verbrachte er ein halbes Jahr in den USA, wo er Englisch lernte. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. 4.1.2 Erfahrungen
Wu wechselte 1980 zu UNITED MICRO COOPERATION, einem 1979 entstandenen Spinoff von ITRI. Ein Freund aus der Studienzeit, der selbst bei UMC31 arbeitete, hatte ihn von diesem Wechsel überzeugt. Insgesamt war Wu schließlich zehn Jahre in verschiedenen Abteilungen von UMC beschäftigt. Während dieser Zeit sammelte er Erfahrungen als Ingenieur und Manager. Er lernte die Technologien, die darauf basierenden Produkte und die damit zusammenhängenden Herausforderungen im Detail kennen. Technologische und organisatorische Verbesserungsmöglichkeiten veranlassten ihn zum Schritt in die Selbstständigkeit, die ihm dank seiner jahrelangen Beschäftigung und seiner fundierten Kenntnisse über die technologischen und komplexen organisatorischen Abläufe einer Massenproduktion machbar erschien. 4.1.3 Motivation
In den Jahren 1989/90 kam es zu mehreren Gründungen von IC-Produzenten in Hsin Chu. Im Zuge dessen beteiligte sich Wu an einem MBO32, d. h. einem Unternehmen, das von einem ehemaligen UMC-Manager aufgebaut wurde. Nach anfänglichem Er31 32
United Microchip Cooperation. Management Buy Out
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folg kam es mit der Zeit aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen bezüglich wichtiger Entscheidungen zum Zerwürfnis zwischen dem ehemaligen UMC-Manager, der die Unternehmung wie ein Familienunternehmen führte, und Wu. Er entschloss sich deshalb, seinen ersten eigenen Spin-off in der Halbleiterindustrie zu wagen. Dabei bediente er sich seiner Beziehungen, die er im Laufe der Zeit aufgebaut hatte. Er entschied sich, Geld zu investieren und ein Joint Venture mit einer Tochterunternehmung von PLASMATEC, der britischen INTEGRATED PLASMA INTERNATIONAL INC. (IPI) in Taiwan zu starten. PLASMATEC war ein Unternehmen der OXFORD GROUP, ein Zulieferunternehmen für die Halbleiterindustrie, das Plasma-Ätzer und Vaccum Equipment produzierte, welche beim sog. „Trockenätzen“, einem chemischen Prozess im Rahmen der Halbleiterproduktion, eingesetzt werden. Der Kontakt zu dieser Firma entstand über die Beziehung zu einem Briten, der für die OXFORD GROUP arbeitete. Die Chung Hua University, an der Wu studiert hatte, war sehr an diesem Projekt interessiert und unterstützte das Projekt durch die Entsendung von zwei Personen nach Großbritannien, um den Technologietransfer zu vollziehen. Dabei sollte zum einen die technische Integration vorangetrieben werden, zum anderen sollte eine der beiden entsandten Personen das Britische Unternehmen kennen lernen, Netzwerke aufbauen und die organisatorische Integration forcieren. Kulturell unterschiedliche Auffassungen führten nach und nach zu Konflikten. So musste auch Wus Unternehmen im Laufe der Integration die Erfahrung machen, dass die Anforderungen im Bereich Organisation, Management und Kundenorientierung in Taiwan und Europa sehr unterschiedlich sind. Da Taiwanesische Firmen sich von ihren Mitarbeitern längere Arbeitszeiten und erhöhten Einsatz erwarten, war das Taiwanesisch-Britische Joint Venture insbesondere bei der Einhaltung von Lieferzeiten im Vergleich zu den inländischen Wettbewerbern nicht konkurrenzfähig. Dies veranlasste Wu dazu, sich ein weiteres Mal von einem Partner zu lösen, sich aus dem Joint Venture zurückzuziehen und wieder auf eigenes unternehmerisches Risiko tätig zu werden. Die Entscheidung erwies sich als richtig, zumal ein Jahr später der Britische Partner geschlossen wurde. Obwohl Wu auch eigenes Kapital in die Firma investierte, waren es nun vor allem Freunde, die ihm und seinem neuen Unternehmen finanziell unter die Arme griffen. Wu nennt die Geschäftsbeziehung unter ehemaligen Arbeits- und Studienkollegen ein sehr ’Taiwanesisches Modell’. Networking und die Pflege von Beziehungen sind in Taiwan generell und speziell in der Halbleiterindustrie keine Seltenheit und von großer
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Bedeutung, da sehr viele Schul- und Studienkollegen in dieser Industrie arbeiten.33 Das Netzwerk von Wu geht nach eigenen Angaben zu etwa 50% auf seine Zeit bei UMC zurück, obwohl diese Zeit schon viele Jahre zurückliegt und sich die organisatorischen Strukturen geändert haben, wobei die relevanten Entscheidungsträger bis heute dieselben geblieben sind. Ihr Einfluss und ihre Kenntnis der Kundenerwartungen sind in der stark markt- und kundenorientierten Halbleiterindustrie erfolgsentscheidend. Ohne informelle Netzwerke können, so Wu, die Probleme des Kunden nicht ohne den - in Taiwan bekannten - gegenseitigen Gesichtsverlust gelöst werden. Die ersten drei Jahre von Wus Unternehmen waren verlustreich. Anfangs konzentrierte man sich auf kleine Systeme, die vorwiegend in Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen eingesetzt wurden. Der Plasma-Markt war zu klein, weshalb mit neuen Produkten neue Märkte erschlossen werden sollten. So war es im Jahr 1996 wieder ein Freund (‘Freund A’34), der Wu die Türen zu neuen Märkten eröffnete. ‘Freund A’ verkaufte Instrumente und Messgeräte in der Halbleiterindustrie, hatte jedoch keine Erfahrung im Verkauf von Zubehör (etwa den sog. „Scrubbern“), welches von einer Amerikanische Firma nachgefragt wurde. Ein weiterer Freund ‘B’ arbeitete bei TELATECH, einem großen Scrubber-Produzenten, der zwar noch während der Verhandlungen über eine Zusammenarbeit vom größten Equipmentzulieferer der Halbleiterindustrie aufgekauft wurde, die Kooperation mit Wus Firma dennoch einfädelte. Die Produktion von Scrubbern wurde sodann nach Taiwan verlagert und bis heute von IPI, Wus Unternehmen, betrieben.
4.2 Zur Unternehmensidee 4.2.1 Das Produkt
Das eigentliche Produkt stellt die technische Problemlösung für den Kunden dar. Kundenprobleme zu erkennen und passende Lösungen schneller als die Konkurrenz zur Verfügung zu stellen, ist die Kernaufgabe eines Technologielieferanten. Insbesondere die Betreuung nach der Installation ist notwendig und unwiderruflich mit dem langfris-
33 34
Vgl. Ernst (1998). Um das Freundschaftsnetzwerk verständlich zu erklären und dabei soviel Klarheit wie möglich zu gewährleisten, werden in diesem Artikel die beteiligten Personen der Einfachheit halber mit „Freund …“ bezeichnet.
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tigen Absatz verbunden.35 So bietet IPI seinen Kunden eine umfassende Lösung bei Abgasproblemen. Dabei werden für die jeweiligen, verwendeten Chemikalien Entsorgungskonzepte erstellt, Technologien entwickelt und zur Verfügung gestellt. Auch die Installation und die Instandhaltung mittels der Bereitstellung von Ersatzteilen und effizienzsteigernden Upgrades werden von IPI bereitgestellt. Konkret heißt dies, dass IPI neben „Plasma-Ätzern“ vor allem „Scrubber“ entwickelt, produziert und vertreibt. Diese Technologie wird bei der Entsorgung hochkonzentrierter toxischer Gase, die bei der chemischen Oberflächenbearbeitung entstehen, eingesetzt. Dabei werden Gase, ähnlich wie bei einem Katalysator, von toxischen zu umweltverträglichen Gasen umgewandelt, um sie schließlich in die Atmosphäre entlassen zu können.36 Wu hat auch über einen IPO nachgedacht. Allerdings hat sein Unternehmen dafür noch nicht die kritische Größe erreicht. Vielmehr konzentriert sich Wu auf die Expansion seines Unternehmens in andere Märkte. Seine Technologie lässt sich nach eigenen Angaben auch in anderen Industrien anwenden. So denkt er daran, Produkte für den Bildschirmmarkt (LCD37 und TFT38) zu entwickeln. Allerdings bedarf es dabei viel Zeit, um die notwendigen Beziehungen in diesen Märkten aufzubauen. Obwohl eine Expansion in die chemische und petrochemische (Kunststoff-) Industrie für ein Umwelttechnologieunternehmen nahe liegt, erweist sich diese momentan als nicht aussichtsreich. Im Unterschied zur Halbleiterindustrie sind Abgase in der chemischen Massenproduktion weniger konzentriert, weshalb sich bei den niedrigen Grenzwerten in Taiwan und China, IPI’s wichtigsten Märkte, und den kostenorientierten Geschäftsmodellen der Unternehmen, aufwendige Abgasreinigungstechnologien oft nicht rechnen. 4.2.2 Die Branche
Die gesamte Halbleiterindustrie ist durch aggressive Konkurrenz gekennzeichnet, vor allem in Bezug auf Ressourcen und qualifiziertes Personal. Neben hohen Materialkosten sind die Lohnkosten des technischen Personals die größten Kostenverursacher. Die hohe Fluktuation von Personal und die lange Lernkurve erzeugt Kosten, die kaum kal-
35
Schon Jack Kilby hat den Ingenieur vom Wissenschaftler durch den Drang zur Lösung technischer Probleme unterschieden und dies vor allem für Erfolg in der Halbleiterindustrie vorausgesetzt (vgl. hierzu Reid (1985)). 36 Siehe http://www.ipi-tbc.com.tw (15.7.2006). 37 Liquid Crystal Display. 38 Thin Film Transistor.
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kuliert werden können. Ingenieure benötigen mehrere Monate bis sie voll einsatzfähig sind. Die Bereitstellung von Trainings- und Fortbildungsmöglichkeiten sowie das Halten von Schlüsselkräften stellt eine hohe Herausforderung an das Human Ressource Management aller Halbleiterproduzenten dar. Differenzierung ist nur durch Zusatzservice und ständige Weiterentwicklung möglich. IPI beschäftigt 60 Arbeitnehmer, von denen 12 ausschließlich für Forschung und Entwicklung zuständig sind. Die Firma unterhält Forschungsprojekte mit ITRI, ZONG SANG und PIDC, die zu gegenseitigem Know-how Transfer führen. Die Basistechnologie wurde von TELATECH zur Verfügung gestellt und musste auf den Taiwanesischen Markt abgestimmt und ständig weiterentwickelt werden. Wie beim Transfer der Britischen Plasmatechnologie nach Taiwan war es auch bei der Scrubber-Technologie notwendig, Ingenieure in die USA zu senden, sich mit der Technologie vertraut zu machen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um in Besitz der Technologie zu kommen. Dies erforderte viel Zeit und war zu Beginn von hohen Kosten begleitet. Langfristige Absatzplanung im Gegenzug ist durch die Volatilität des Marktes schwer möglich und daher der Einstieg mit hohem Risiko verbunden. 4.2.3 Der Kunde
IPI zählt alle großen Halbleiterproduzenten Taiwans zu seinen Kunden. Auch sein früherer Arbeitgeber UMC, zu dem Wu noch immer unzählige Kontakte hat, gehört mittlerweile zu den Kunden. Ein intensiver Kontakt zu den Kunden ist für den Erfolg in der Halbleiterindustrie in Taiwan essentiell, um ihre Bedürfnisse, Entscheidungsmechanismen und Prozesse genau zu kennen. Durch die Schnelllebigkeit und die intensive Konkurrenz sind kurze Kommunikationswege zwischen Kunde und Zulieferer erforderlich. „Sein Ohr beim Kunden haben - mit ihm gemeinsam Lösungen zu finden“ ist der Schlüssel zum Erfolg. 4.2.4 Die Zukunft des Geschäftsmodells
Wu sieht gute Entwicklungsmöglichkeiten für sein Unternehmen in der Zukunft. Das Umweltbewusstsein in Taiwan und anderen asiatischen Ländern nimmt vor allem unter jungen Menschen sehr stark zu. Dabei sieht er auch Möglichkeiten in der Lebensmittelbranche. Hunderttausende Garküchen und kleine Straßenrestaurants blasen ihre Abgase ohne Behandlung in die Luft, was eine hohe Geruchbelastung und Luftverschmutzung zur Folge hat. Wu kann sich sehr gut vorstellen, dass ein auf seiner Tech-
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nologie basierendes kostengünstiges Produkt auch in Europa und Amerika, wo die gesetzlichen Grenzen der Abgas- und Geruchsbelastung viel strenger sind, Absatz finden kann.
4.3 Die Umsetzung 4.3.1 Kritische Erfolgsfaktoren
Wu war von Freiheit und Unabhängigkeit getrieben. Natürlich war auch die Aussicht auf finanziellen Erfolg ein wesentlicher Antrieb, jedoch in den Anfangsjahren wenig hervorstehend. Deshalb war der Schritt zurück ins Angestelltenverhältnis eines etablierten Unternehmens der Halbleiterindustrie nie ganz ausgeschlossen, v. a. weil dort attraktive Gehälter gezahlt wurden und viele Kollegen Wus, die ebenfalls versucht hatten, sich selbständig zu machen, wieder zu UMC zurückgekehrt waren. Seine eigenen Ideen zu verwirklichen, führten Wu jedoch immer wieder zu der Entscheidung, an der Selbständigkeit festzuhalten, auch wenn dies hieß, sich von seinen Partnern zu trennen und wieder eigene Wege zu gehen. Dies galt für alle seine Spin-offs, bei denen er immer Glück gehabt habe. „Man muss dem Glück auch eine Chance geben und es auch ergreifen wollen“, stellt Wu rückblickend fest. Für ihn war es nicht reiner Zufall, dass er immer wieder gefragt wurde, mit Firmen in den USA und Europa zusammenzuarbeiten. Seine konstante Pflege von Beziehungen und der Bekanntheitsgrad innerhalb der Industrie sind harte Arbeit. Wu unterscheidet aus seiner Erfahrung in der Taiwanesischen Halbleiterindustrie drei wesentliche Bereiche, die den Erfolg eines Unternehmers ausmachen. Er differenziert dabei nicht zwischen Neu- oder Ausgründung, denn sie werden viel mehr als strategische Option denn als eigentliches Ziel gesehen. Networking Durchhaltevermögen, Ausdauer und Geduld Erfahrungen aus langer Tätigkeit in der Industrie Ohne Networking – kein Business. Dies gilt für die Umsetzung von Geschäftsideen, für die Nähe zum Kunden und für die schnelle Lösung von Problemen. Beziehungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, Geschäfte machen zu können und schaffen das not-
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wendige Vertrauen. Ohne Vertrauen, das durch tiefe und enge Beziehungen entsteht, kommt man nicht einmal in die Situation, sein Produkt anbieten zu können. Obwohl die Geschäftsorientierung in Taiwan generell und in der Halbleiterindustrie speziell sehr schnelllebig sind und zu einer intensiven Wettbewerbssituation führen, ist eine langfristig ausgerichtete Orientierung unabdingbar. Gerade die Entwicklung von innovativen Technologien ist oft erst nach Jahren von Erfolg gekrönt. Ein marktreifes Produkt zu entwickeln und die Beziehungen zum Kunden aufzubauen, erfordert viel Geduld und Kosten. IPI war über mehrere Jahre nicht profitabel. Ausdauer und Geduld trennen schlussendlich die erfolgreichen von den erfolglosen Unternehmern. Schließlich lassen sich auch die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht von heute auf morgen aufbauen. Dies führt auch dazu, dass sämtliche Strategien insbesondere in Taiwan und in China langfristig ausgerichtet sein sollten. Produktlösungen erstrecken sich beispielsweise in der Regel auf die gesamte Wertekette und enden nicht mit dem Verkauf einer Maschine. Das Produkt an sich bedeutet eigentlich nur den Start in das eigentliche, auf lange Sicht angelegte Geschäft. 4.3.2 Unterstützung durch das soziale, berufliche & politische Umfeld
Wenn Wu bei seinen Unternehmensgründungen von Spin-offs spricht, dann sieht er dies vor allem im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung innerhalb der Halbleiterindustrie. Obwohl seine vorhergehenden Arbeitgeber sich nie finanziell beteiligten, so profitierte er dennoch von ihnen, indem er im Verlauf seiner dortigen Tätigkeiten technologisches Know-how akquirieden, berufliche Erfahrung sammeln und persönliche Beziehungen innerhalb der Industrie aufbauen konnte. Sein ehemaliger Arbeitsgeber UMC wurde später einer seiner wichtigsten Kunden. Ohne für mehrere Jahre selbst Teil dieser Unternehmung gewesen zu sein, hätte er mit seinem Unternehmen nicht bestehen können. Besonders das Wissen über Kunden, ihre Bedürfnisse an Systeme und Prozesse und die intensiven Beziehungen zu Akteuren innerhalb von UMC waren – so Wu – für den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens ausschlaggebend. Die Familie war neben dem Freundeskreis ein wichtiger Faktor während der gesamten Zeit der selbständigen Tätigkeit. In Taiwan ist es üblich, dass sich Freunde an der Gründung und dem Aufbau von Unternehmen beteiligen. Auch bei der Gründung von IPI griff Wu auf die finanzielle und emotionale Unterstützung von Freunden zurück. Da viele seiner Freunde selbst in der Halbleiterindustrie tätig waren, waren sie auch mit einem stimmigen Geschäftskonzept leicht zu überzeugen.
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Eine wichtige Komponente bei der Umsetzung von Geschäftsideen in der Halbleiterindustrie ist die Unterstützung der Taiwanesischen Regierung. Sobald ein Projekt in einer strategisch wichtigen Industrie entstehen soll, greift die öffentliche Hand unterstützend ein und beteiligt sich entweder in Form von finanziellen Zuwendungen oder mittels Steuererleichterungen an der Gründung von Unternehmen. Dies war auch bei der Gründung von TSMC und UMC der Fall. Der für eine technologieorientierte Industrie wohl wichtigste Bereich ist die Forschung und Entwicklung, wie durch die Gründung verschiedenster Forschungseinrichtungen und der Vernetzung von technologieorientierten Universitäten mit Unternehmen in Science- und Industrieparks unterstützt wird. Dies führt zu praxisnaher Forschung und zu Technologietransfer. Anderseits bilden Universitäten die für die Knowhow intensive Halbleiterindustrie notwendigen Arbeitskräfte aus. 4.3.3 Guangxi – Die asiatische Form des Networking
Wie Wus eigener Werdegang zeigt, ist die Beziehungspflege in der Taiwanesischen Halbleiterindustrie eine der wichtigsten Management- und Verkaufsaufgaben. In Taiwan und China befindet man sich in einem ständigen Spiel aus Geben und Nehmen. So erhält man den Zugang zu wichtigen Informationen über Geschäftsmöglichkeiten nur dann, wenn Vertrauen zwischen Geschäftspartnern besteht und über lange Jahre aufgebaut wurde. Dazu gehört auch, sich hin und wieder einen Gefallen zu tun, um die nüchternen Geschäftsbeziehungen in emotionale Beziehungen zu verwandeln. Mit jedem erfolgreichem Geschäftsabschluss wird dann die Basis für weitere Geschäfte stabiler. Je größer das Netzwerk ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit im entscheidenden Moment, in geschäftliche Projekte einbezogen zu werden oder Unterstützung zu erhalten. Heute arbeiten einige von Wus früheren Kollegen mit ihm an der Entwicklung neuer Produktlösungen und eröffnen dabei selbst wieder Möglichkeiten, die eigenen Netzwerke zu erweitern. Wu unterhält deshalb auch engen Kontakt zu Interessensverbänden und zu öffentlichen Institutionen innerhalb und außerhalb der Industrie. Dies ermöglicht ihm wie vielen Taiwanesen zuvor auf dem Chinesischen Festland, das im Vergleich zu Taiwan technologisch noch recht unterentwickelt ist, beratend tätig zu werden.
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5 Schlussfolgerung Ein Spin-off stellt ein strategisches Instrument dar, das vor allem in Wachstumsmärkten und in technologisch hoch entwickelten Industrien angewandt wird. Die Halbleiterindustrie ist dabei eine Industrie mit überdurchschnittlich hohen Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Um hier den technologischen Fortschritt langfristig sicherzustellen, werden Spin-offs geschaffen, um den Wissens- und Know-how-Transfer zwischen Akteuren aus den verschiedensten Ländern herzustellen. Dies stellt jedoch hohe Anforderungen an die betreffenden Unternehmer, wie die Geschichte von Wu gezeigt hat. Einen kurzen Einblick in die Taiwanesische Halbleiterindustrie zu gewähren und den Werdegang eines ihrer Entrepreneurs, der verschiedene Spin-offs miterlebt hat, zu beschreiben, war Ziel dieses Beitrags.
6 Literaturverzeichnis Bardeen, J. (1956): The Semiconductor Research leading to the Point Contact Transistor, Nobel lecture. Davenprot, S./Carr, A./Bibby, D. (2002): Leveraging talent. In: Spin-off Strategy at Industrial Research, R&D Management, Vol. 32 (3), S. 241-254. Ernst, D. (1998): What permits small Firms to compete in high-tech Industries? – The Dynamics of inter-organizational Knowledge Creation in the Taiwanese Computer Industry. In: DRUID conference “Competencies, Governance and Entrepreneurship”, June 9-1, 1998, Dept. of Industrial Economics and Strategy, Copenhagen Business School & The Berkeley Roundtable on the International Economy (BRIE), University of California at Berkeley. http://www.chiphistory.org (25.08.2006) http://investintaiwan.nat.gov.tw/en/env/land/ind_parks_overview.html (6.8.2006) http://www.ipi-tbc.com.tw (25.08.2006) http://law.moj.gov.tw/Eng (25.08.2006) http://www.semicon.org (25.08.2006) http://www.semiseeknews (25.08.2006)
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Wie man Ausgründungen zum Erfolg führt – Die Sicht des Finanziers Jürg Meier
Inhaltsverzeichnis 1 2
Einleitung ............................................................................................................ 264 Erfolgsfaktoren und Risiken................................................................................ 264 2.1 2.2 2.3 2.4
3 4
Personal- und Managementfragen bei Mutter- und Tochtergesellschaft ................ 265 Technologietransfer (Patente, Know-how) ............................................................. 266 Finanzielle Abgeltung für Technologien und andere Vorleistungen...................... 267 Zuteilung von Gründeranteilen an die Muttergesellschaft...................................... 268
Praktische Beispiele und Lehren ......................................................................... 270 Schlussfolgerungen und Ausblick ....................................................................... 282
Abstract Ausgründungen sind ein innovatives, Unternehmertum förderndes Instrument bei der strategischen Fokussierung und Neuorientierung einer Firma. Ein Finanzier betrachtet eine solche strategisch bedingte Ausgründung (nicht aber einen verdeckten Sozialabbau oder eine Auslagerung von Problemen) als Opportunität, da sowohl die ausgelagerten Mitarbeiter, Technologien und Services meist etwas „reifer“ und risikoloser scheinen als dies bei anderen Neugründungen der Fall ist. Andererseits wird der Finanzier sehr skeptisch alle Beziehungen, Verträge, Kontrollmechanismen, Rechte und Pflichten zwischen der Muttergesellschaft und deren Ausgründung prüfen, um in diesem Dreiecksverhältnis nicht sein Geld zu verlieren. Erfolgsfaktoren, wie die Hilfestellung durch einen firmeneigenen Venture Fund, und spezielle Risiken solcher Ausgründungen werden im Folgenden besprochen und an neun konkreten Beispielen illustriert.
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1 Einleitung Ausgründungen (Spin-Offs oder Management Buyouts) unterscheiden sich in zwei Aspekten von normalen Neugründungen (Start-Ups), wobei der Finanzier den einen eher als Vorteil den anderen aber als Nachteil betrachtet. So schätzt der Investor den Umstand, dass eine Ausgründung im allgemeinen „reifer“ ist, bereits einen bewährten Inhalt hat und oft auch auf bereits erfahrene Mitarbeiter zählen kann. Eine Ausgründung hat meist gewisse Vorteile und einen Vorsprung in Sachen Technologie, Entwicklung, Markterfahrung, Kenntnisse über mögliche Konkurrenz und wie erwähnt die Erfahrung und das Know-how einiger Mitarbeiter. Andererseits ist eine Ausgründung in einem gewissen Sinne nicht mehr so neu und „unbefleckt“ wie z. B. eine auf einer universitären Innovation beruhende Neugründung. Die Nachteile für den Investor beruhen hauptsächlich auf der Existenz und den möglichen Komplikationen mit der Mutterfirma der Ausgründung wie: Mögliche konkurrierende Elemente mit der Mutterfirma Korrekte juristische Loslösung und Trennung der Ausgründung von der Mutterfirma Mögliche finanzielle Überschneidungen und Ungereimtheiten All diese Punkte stimmen den Finanzier kritisch und vorsichtig, wenn er einen Geschäftsplan einer Ausgründung erhält und evaluiert.
2 Erfolgsfaktoren und Risiken Grundsätzlich sind die Erfolgsfaktoren für Ausgründungen dieselben, wie sie generell für Neugründungen gelten: Die Qualität des Managements Innovative Technologien, Produkte oder Dienstleistungen Gute Chancen am Markt oder andere Konkurrenzvorteile Realistische Finanzierbarkeit und attraktive Renditemöglichkeit für die Investoren
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Der Finanzier (Investor, Venture Kapitalist, Business Angel etc.), der solche Neugründungen unterstützt, kennt diese Faktoren und weiß sie gezielt zu untersuchen und zu bewerten. Die obigen Punkte sind deshalb die wichtigsten Kapitel in den sog. Due Diligence Berichten der Risikokapitalgeber. Zusätzlich zu diesen generellen Punkten sind bei Ausgründungen zu beachten: Personal- und Managementfragen bei Mutter- und Tochtergesellschaft Technologietransfer (Patente, Know-how) Finanzielle Abgeltung für Technologie und andere Vorleistungen Zuteilung von Gründeranteilen an die Muttergesellschaft
2.1 Personal- und Managementfragen bei Mutter- und Tochtergesellschaft Bei Ausgründungen gibt es im Gegensatz zu Neugründungen zwei Bereiche von Personal- und Management-Interessen, nämlich die der Muttergesellschaft, welche die Ausgründung initiiert, und die der Tochtergesellschaft (in diesem Fall der Ausgründung). Die Interessen dieser beiden Bereiche sind naturgemäß nicht gleich gelagert. Der Finanzier interessiert sich natürlich mehr für die Situation bei der Tochtergesellschaft, die er ja erfolgreich und profitabel gestalten möchte. Ob das Management der Muttergesellschaft speziell innovativ und unternehmerisch mit der Idee dieser Ausgründung handelt, nützt dem Investor wenig. Er wird jedoch sehr gut prüfen, ob die Ausgründung nicht nur ein getarnter Sozialabbau oder sonst eine Auslagerung von „Problemen“ auf Kosten einiger Investoren darstellt. Die Muttergesellschaft könnte nämlich versuchen, der Tochtergesellschaft viel Ballast mitzugeben, z. B. überzählige Mitarbeiter, finanzielle Schulden und Belastungen irgendwelcher Art oder der indirekte Verkauf von obsoleten Technologien, Laborinventar oder Produktionsanlagen. In diesem Fall wäre die Ausgründungsaktion eine hoch gepriesene strategische Fokussierungsübung für die Muttergesellschaft zum Nachteil der Tochtergesellschaft und auf Kosten des Finanziers. Dieser wird sich also hüten, einen solchen allfälligen Zwist zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft und generell soziale Umstrukturierungen, getarnt als „Förderung des Unternehmertums“ kostspielig und verlustreich zu finanzieren. Oft fehlt ein gutes Management für die geplante Tochtergesellschaft. Wie für alle Neugründungen ist das Know-how, der Elan und die Motivation des Managements entscheidend. Ein solch qualifiziertes Management kann dann entweder von außen
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rekrutiert werden, wobei dies aufgrund der internen Know-how Situation oft schwierig ist, oder das Management wird intern von der Muttergesellschaft gestellt. In diesem idealen Fall begleiten Know-how-Träger der Muttergesellschaft die Leitung der Tochtergesellschaft. Die Schwierigkeit ist jedoch oft, dass gute Mitarbeiter in sicherer Stellung bei der Muttergesellschaft nur ungern in die ungewisse und risikovolle Zukunft der Ausgründung wechseln möchten. Dies ist beim Management-Buyout nicht der Fall, da ja hier die Manager die treibende Kraft zur Abspaltung sind. Fehlen solche internen Triebkräfte, ist die Rekrutierung von außen notwendig. Dies ist deshalb nicht leicht, da Ausgründungen meist auf bewährten Technologien der Mutterfirma basieren, die neben schützenden Patenten vor allem auf internem Know-how von Mitarbeitern beruhen, die externen Bewerbern fehlen.
2.2 Technologietransfer (Patente, Know-how) Auch bei Ausgründungen bringen nur gute, innovative Technologien, Produkte oder Dienstleistungen eine Chance für den Erfolg einer Neugründung. „Ladenhüter“ der Muttergesellschaft und andere nicht erfolgreiche Technologieplattformen eignen sich nicht für Ausgründungen. Andererseits ist eine bewährte Technologie oder eine durch die Mutterfirma über Jahre mit viel Aufwand und Geld entwickelte Plattform, die nun aus internen strategischen Überlegungen der Mutterfirma aufgegeben wird, die Hauptattraktion für den Geldgeber. In diesen Fällen kommt ja neben dem Verkauf von Patenten und der Technologien eben auch die Variante mit der Ausgründung dieses Know-hows in eine eigene neue Firma in Frage. Know-how beinhaltet neben speziellem Wissen und praktischer Erfahrung immer auch entsprechende Mitwisser und Mitarbeiter. Technologien beinhalten hier auch gute Dienstleistungen, Marktkenntnisse, Kundenstämme und andere Konkurrenzvorteile, die für eine Firma einen Erfolgsfaktor darstellen können. Für den Finanzier ist die Investition in eine solche Ausgründung deshalb attraktiv, da die zur Diskussion stehende Technologie professionell und meist mit großen Finanzmitteln entwickelt wurde. Das Technologie-Risiko kann für den Finanzier meist geringer eingestuft werden, und der Preis für die Technologie ist je nach Pre-money-Bewertung oft günstig. Bei normalen Neugründungen müssen ja vergleichsweise frühe Technologien mit teuerem Risikokapital und Zeitaufwand erst selbst auf dieses Niveau entwickelt werden. Die Übergabe oder der Verkauf der Technologie von der Mutter- zur Tochterfirma wird in einem sog. Technologie-Transfer-Vertrag geregelt. Im Idealfall für den Inves-
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tor und für die Ausgründung geht das zur Diskussion stehende Technologiesegment ganz und vollständig von der Mutter zur Tochter über, da dann die Verträge relativ einfach sind. Schlecht bewährt haben sich Lösungen mit dem Teilverkauf von Rechten oder mit gewünschten Rückkaufsrechten (Call-back options) der Mutterfirma, die in komplizierten Verträgen geregelt werden müssen. Noch unklarer werden die Verhältnisse, falls die Muttergesellschaft in Teilen der auslizensierten Technologie selbst weiter forscht und entwickelt. In diesem Fall kann sogar eine Konkurrenzsituation zwischen Mutter- und Tochterfirma mit komplexen technischen und juristischen Schnittstellen und Interessekonflikten entstehen. Auf jeden Fall meidet ein Investor solche Konstruktionen und potentielle Zukunftsprobleme. Der Finanzier investiert gerne in die Weiterentwicklung einer interessanten Technologie aber nicht in gerichtliche Auseinandersetzungen über vertragliche Unklarheiten. Auch investiert er ungern in eine Technologie, auf die jemand (eben z. B. die Mutterfirma) noch Sonderrechte oder Rückkaufsrechte besitzt.
2.3 Finanzielle Abgeltung für Technologien und andere Vorleistungen Unbestritten hat die Muttergesellschaft der Ausgründung ein legitimes Recht, irgendwie für die früher erarbeitete und nun ausgegründete Technologie honoriert zu werden. Dasselbe gilt für die Bezahlung von Laborgeräten, Produktionsanlagen und evtl. sogar Immobilien, welche die Tochter- von der Muttergesellschaft übernimmt. Die Abgeltung kann erfolgen durch: Direkte Bezahlung Lizenzgebühren Eigenkapital-Anteile Die direkte Bezahlung (bar oder als Kredit) ist gar nicht im Sinne und Interesse des Finanziers: Wieso soll sein teueres Risikokapital statt in die Weiterentwicklung der interessanten Technologie und den weiteren Ausbau der Ausgründung in die Taschen der sich sanierenden Muttergesellschaft gehen? Zudem befindet sich die neue Firma ja noch in der risikoreichen Anfangsphase, in der irgendwelche finanzielle Erfolgsausschüttungen verfrüht sind. In der Praxis hat sich deshalb diese Lösung wenig durchgesetzt, außer der Technologietransfer beinhaltet konkrete, kurzfristig realisierbare Werte, wie eine Marktzulassung oder einen Kundenstamm. Für Materialien, Laborausrüstungen oder Produkte am Lager ist eine direkte Abgeltung jedoch vertretbar.
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Auch Lizenzgebühren in Prozenten vom zukünftigen Umsatz oder Gewinn haben in der Praxis Hacken und funktionieren nur, falls die lizenzierte Technologie klare vom Rest des Geschäftes abgrenzbare Verkäufe erlaubt. Oft sind aber alte und neue, zugekaufte und selbst entwickelte Technologien so im Umsatz verschmolzen, dass eine Herausdefinierung von Umsatzanteilen auf gewisse Technologieaspekte unmöglich wird. Meist treten diese Probleme allerdings erst auf, falls die Firma verkauft wird oder mit einer anderen Firma fusionieren möchte. Am einfachsten und für den Finanzier am besten akzeptierbar ist die Abgabe von Eigenkapital als Gründeranteile an die Muttergesellschaft als Abgeltung für den Transfer. In diesem Fall profitiert die Muttergesellschaft wie der Finanzier nur im Erfolgsfalle der Ausgründung. Dies schätzt der Investor aus zwei Gründen: erstens, die erworbene Technologie kostet nur im Erfolgsfalle etwas und auch dann recht spät in der Wertzuwachskette und zweitens behält die Muttergesellschaft ein Interesse und Wohlwollen an der Ausgründung und deren zukünftigen Entwicklung.
2.4 Zuteilung von Gründeranteilen an die Muttergesellschaft In normalen Neugründungen sind die Gründeranteile nach der ersten Finanzierungsrunde eher unter 50 % – natürlich je nach Pre-money-Wert und Wert des aufgenommenem Risiko-Kapitals. Dies deshalb, da Neugründungen „neu“ und die Verfahren der Geschäftsidee noch wenig weit gediehen sind. Ausgründungen sind in der Regel eher etwas reifer und entsprechend ist der Pre-money-Wert höher und damit sind die Gründeranteile eher höher und nach der ersten Finanzierungsrunde über 50 %. Bei Ausgründungen ist nun aber der Gründer nicht einfach eine Personengruppe oder ein Universitätsprofessor, sondern die Mutterfirma der Ausgründung. Da bei Ausgründungen der Einfluss und die Macht der Mutterfirma immer ein Problem für den Finanzier darstellen, ist die Aufteilung von Macht (Anzahl von Stimmen und Aufsichtsratsmitgliedern) und Bewertung (Aktienanteile) ein entscheidender Problemkreis für eine mögliche Finanzierung. Auf jeden Fall möchte der Finanzier nicht als Minderheitsaktionär in einem Dreiecksverhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft und Geldgebern sein Risikokapital verlieren. Auf der anderen Seite hat, wie erwähnt, auch die Muttergesellschaft ein legitimes Recht, anständig für ihre früheren Aufwendungen und den Technologie-Transfer honoriert zu werden. Zudem wird die Muttergesellschaft kaum mehr in zukünftigen Finanzierungsrunden nachfinanzieren – das würde
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nach der Ausgliederung keinen strategischen Sinn mehr machen. Deshalb werden aber die ursprünglich hohen Gründeranteile der Mutterfirma mit jeder Finanzierungsrunde kontinuierlich verdünnt. Dies schmerzt natürlich die Mutterfirma, die über viele Jahre und mit grossen Mitteln zum Aufbau des wichtigen Know-hows beigetragen hat. Der neue Finanzier jedoch schaut in die Risiken der Zukunft und honoriert alte Aufwendungen ungern. Letztlich geht es bei diesem Verteilprozess nicht nur um eine wertmässige Verteilung der Eigenkapitals-Anteile (hier ist das Interesse der Mutterfirma hoch), sondern auch um die zukünftige operative Kontrolle der Ausgründung (hier ist das Interesse des externen Kapitalgebers hoch). Um beide berechtigte Anliegen zu befriedigen, gibt es u.a. folgende Kompromiss-Lösungen: Die Schaffung von stimmrechtslosen Aktien (sog. Partizipationsscheinen), die der Muttergesellschaft zwar die Mitbestimmung in der Zukunft der Ausgründung verwehren, finanziell aber sowohl beim Verkauf, beim Börsengang oder in jedem Erfolgsfall den vollen Anteil am Gewinn sicherstellen. Die Schaffung von sog. leichten und schweren Aktien, d.h. von Aktien mit verschiedenen Nominalwerten. Da jede Aktie in diesem Falle ein Stimmrecht hat, hat die Mutterfirma mit den schweren Aktien einen entsprechend hohen finanziellen Anteil, jedoch wenig operativen Einfluss aufgrund der tiefen Stimmkraft pro Wertanteil. Die Form des Darlehens mit Rangrücktritt ist eine weitere Möglichkeit, der Muttergesellschaft eine finanzielle Abgeltung zu geben, ohne ihr via Aufsichtratsmandat oder Stimmrechte an der Generalversammlung zuviel Einfluss zu gewähren. Diese Abgeltung in Fremdkapital (allerdings mit nachrangiger Priorität) gibt der Mutterfirma eine fixe Abgeltung für ihre Beiträge. Für die ausgegründete Firma hat dieses Darlehen mit Rangrücktritt bilanztechnisch Eigenkapital-Charakter. Auch werden so keine Stimmrechte abgegeben. Nicht bewährt haben sich in der Praxis Lösungen, bei denen der Mutterfirma nicht-verdünnbare Eigenkapitals-Anteile abgeben werden. Dabei werden der Mutterfirma zwar geringe Anteile (mit entsprechend geringer Stimmkraft) für ihren Technologietransfer gegeben, allerdings können diese Anteile bei FolgeInvestitionen nicht verdünnt werden. Im Erfolgsfalle erhält dann die Muttergesellschaft für wenige Prozente von einer hohen Schlussbewertung einen guten finanziellen Return. Das Problem mit diesen Konstruktionen liegt bei den neuen
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Investoren in den zukünftigen Finanzierungsrunden, die eine solche Konstruktion einfach ablehnen und nicht übernehmen wollen. In einem Käufermarkt, wie es die letzten Jahre der Fall war, wollen die Finanziers mit wertvollem neuem Geld nur investieren, falls die Bewertung klein ist und falls das neue Geld eine hohe Liquidationspräferenz hat. Dabei werden ungern alte Werte und Verdienste von Gründern und Geldgebern honoriert. Die Akzeptierung von unverdünnbaren Gründungsanteilen passt da gar nicht dazu.
3 Praktische Beispiele und Lehren In diesem Kapitel werden eine Reihe von grossen und kleinen Ausgründungen im Gebiet Pharma und Biotech beschrieben. Von der Ausgangslage bis zur heutigen Situation sollen dabei die vorigen Erfolgs- und Risikofaktoren dieser Firmen verglichen werden. Um eine gewisse Homogenität zu haben und um die eigene, langjährige Erfahrung mit Ausgründungen einbringen zu können, wird als Mutterfirma immer die Novartis AG in Basel gewählt. Bei der Gründung dieses Grosskonzerns vor zehn Jahren stellten Ausgründungen mit verschiedensten Motivationen und Zielsetzungen ein wichtiges strategisches Element für die moderne und auch erfolgreiche Fokussierung und Neuausrichtung dar. Novartis AG (www.novartis.com) Im Frühjahr 1996 wurde die geplante Gründung des neuen Großkonzerns Novartis AG als Zusammenschluss (Merger) zwischen den ehemaligen Konzernen Sandoz AG und Ciba AG bekannt gegeben. Dies war eine Fusion im großen Stile, bei dem zwei Firmen mit je etwa 50'000 Mitarbeitern zu einer neuen Firma mit etwa 80'000 Mitarbeitern zusammenrückten. Erleichternd war, dass die beiden fusionierenden Konzerne ähnliche Strukturen und Geschäftsfelder hatten und auch lokal (südlich und nördlich vom Rheinknie in Basel) und mit ähnlichen Firmenkulturen gut zusammenpassten. Trotzdem gab es weltweit viele strategische und operative Fragen und Probleme zu lösen, die für eine erfolgreiche, gut fokussierte und operativ effiziente neue PharmaWeltfirma entscheidend waren. Ausgründungen spielten dabei eine wichtige Rolle und waren generell erfolgreich. Vorerst wurden ganze Sparten zu neuen Konzernen ausgelagert, wie beispielsweise die Chemikaliensparte als Firma Ciba Spezialitätenchemie AG (www.cibasc.com) oder die Agrosparte als Syngenta AG (www.syngenta.
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com). Schon vor dieser Fusion hatte auch Sandoz AG ihre Chemikaliensparte als Clariant AG (www.clariant.com) ausgegründet. Neben diesen grossen Ausgründungen waren aber viele kleinere Ausgründungen, die das Hauptgeschäft fokussieren sollten, zu erwarten. Zu diesem Zwecke – und auch generell um das Unternehmertum und die Idee für eine eigene Firma zu stärken – wurde ganz am Anfang in der Gründungphase 1996 von Novartis AG der Novartis Venture Fund mit einem Anfangskapital von 100 m CHF gegründet.
Novartis Venture Fund (www.venturefund.novartis.com) Die ursprüngliche Zielsetzung dieses sog. Corporate Venture Funds waren bei der Gründung im Jahre 1996: Förderung des Unternehmertums in den Life Sciences, und zwar sowohl in firmeneigenen Ausgründungen (Spin-offs), wie auch in firmenunabhängigen externen Neugründungen. Erhaltung oder Neuschaffung von Arbeitsplätzen. Förderung von innovativen Technologien und Projekten in den Life Sciences. Finanzielle Rückflüsse und Gewinne können für neue Risikoinvestitionen verwendet werden (sog. evergreen Prinzip) Diese Erwartungen an den Venture Fund wurden in den vergangenen zehn Jahre gut erfüllt oder zum Teil weit übertroffen: Es wurden zirka 50 Ausgründungen unterstützt und in weitere 80 Neugründungen weltweit investiert. Mit diesen frühen Finanzierungen waren auch immer Beratungen und andere Hilfestellungen verbunden. Deshalb wird solches frühes Seedkapital auch als „smart money“ bezeichnet, da eben neben Kapital auch Erfahrung und viele Ratschläge für diese Neugründungen nützlich sind. Mit diesen rund 130 Neugründungen wurden über 2000 neue, innovative und nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen oder vor allem bei Ausgründungen erhalten. Zirka 20 der so geförderten Technologien oder Projekte/Produkte waren so gut, dass sie später in irgendeiner Form in die Mutterfirma Novartis Pharma AG zurückflossen, sei es durch Kauf der Firma, Lizenzierung eines Projektes oder
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auch Ausübung einer sog. call back option“ (siehe als Beispiel unten das Produkt SPP100 der Speedel AG). Als finanzielle Rendite des Funds ergab sich ein langjähriger Durchschnitt von 11 % IRR (internal rate of return). Zusammen mit diesen Rückflüssen, Gewinnen und weiteren Aufstockungen durch die Mutterfirma ist das Fondsvolumen inzwischen auf über 400 m CHF gewachsen. Nach dieser Kurzdarstellung der Mutterfirma Novartis AG und des speziell auch für Ausgründungen konzipierten firmeneigenen Novartis Venture Funds, sollen nun einige Beispiele solcher Ausgründungen beschrieben werden.
Genedata AG (www.genedata.com) Bei der Fusion von Sandoz und Ciba und mit der Gründung und Konzipierung der Novartis AG wurden auch verschiedene Bereiche und Aufgaben, die nicht essentiell schienen, ausgegliedert. Dies war auch teilweise der Fall mit dem Service und der Unterstützung der Computer- und Informationstechnologie. Dadurch fühlte sich eine kleinere Abteilung, die am Aufbau einer modernen Bioinformatik und an der Genforschung durch Computer arbeitete, bedroht und entschied, sich selbständig zu machen. Dr. Othmar Pfannes war damals der entscheidende Wissenschafter und Gründer, und er ist auch heute noch der CEO und Geschäftsführer. Die Erfolgsgeschichte dieser Ausgründung wird in einigen Punkte kurz zusammengefasst: Von anfänglich 9 Mitarbeitern ist die Firma in 9 Jahren auf über 90 Mitarbeiter gewachsen. Die Firma ist weltweit bekannt und präsent mit Niederlassungen in Basel, München, Boston und San Francisco). Zu den weltweiten Kunden gehören über 40 Firmen (etwa 20 pharmazeutische Firmen, dann Agro- und Biotechfirmen, aber auch eine grosse Zahl von Forschungs- und Universitätsinstituten). Zu den Erfolgsfaktoren gehören neben dem hohen technologischen Know-how von Management und Mitarbeitern das innovative Kombinieren von biologischen Gen-Daten mit den neuesten Computer- und Software-Möglichkeiten.
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Ultravetis East Africa Ltd. Bei der Auslagerung der Agrosparte von Novartis zur neuen Syngenta (www.syngenta. com) entstand ein Problem in Ostafrika mit einem Vertriebssystem, das früher sowohl für die Cibasparten Agro wie Tiergesundheit gearbeitet hatte. Diese Organisation in Kenya war nun für die Agro von Syngenta nicht mehr notwendig und für die Tiergesundheit von Novartis alleine zu groß und stand vor der Schliessung. Zwei aktive, junge, gutausgebildete Afrikaner dieser Organisation machten dann den Vorschlag zu einem Management Buyout und zur Ausgründung dieses Lagers und Vertriebssystems in eine neue, unabhängige Firma. Firmenziel waren der Vertrieb von Agro- und Tiergesundheitsprodukte vieler Firmen (mit einer gewissen Präferenz der Novartis Produkte) in Kenya, Uganda, Tanzania, Somalien, Rwanda und Burundi. Da die Geschäftsidee solide war und das Management Duo (ehemalige Novartis Manager) mit Begeisterung bei der Sache waren, hat der Novartis Venture Fund diese Ausgründung mit einem Darlehen mit einem Zinssatz von 6 % in CHF finanziert. Eine Beteiligung in Eigenkapital in einem Entwicklungsland wurde als zu kompliziert erachtet. Die Vorteile für die Mutterfirma Novartis waren: Die ganzen Lagerbestände der Mutterfirma konnten so rasch abverkauft und liquidiert werden; Mit Ultravetis wurden die Vertriebsinteressen der Mutterfirma zufriedenstellend weiter betreut. Diese Ausgründung war personell, marktmässig und finanziell ein Erfolg: das Darlehen wurde nach 2 Jahren mit Zinsen vollständig zurückbezahlt. Die Erfolgsfaktoren können hier wie folgt zusammengefasst werden: Ausgezeichnetes, lokales Management, das durch diesen Management Buyout stark motiviert war; Synergien zwischen Mutter- und Tochterfirma; Kundenstamm, Produkte und Marktpenetration waren gut und solide; Flexibilität in der Finanzierung: Risikokapital konnte als Darlehen legal ohne Komplikationen bezahlt werden.
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Solvias AG (www.solvias.com) Eine der größten Ausgründung der Novartis war die der Solvias AG mit anfänglich 200 Mitarbeitern, die alle aus der Mutterfirma übernommen wurden. Diese Ausgründung wurde notwendig, da die zentralen Dienste der ehemaligen Ciba wie Analytik, Katalyse, Synthese etc. in der Novartis nach der Fusion keinen Platz mehr fanden. Dies hatte nichts mit der Qualität der Dienste zu tun, jedoch mit Strategie, die in einer modernen Firma möglichst keine zentralen Dienste und Kosten vorsieht. In Großkonzernen mit verschiedenen Geschäftsfeldern gibt es im Prinzip zwei Philosophien, entweder mit starken zentralen Diensten, die Synergien zwischen den Geschäftsfeldern bringen sollen, oder wie in diesem Falle möglichst ohne zentralen Dienste, um die Geschäftsfelder selbstverantwortlich, kostengünstig und im Markt konkurrenzfähig zu gestalten. Diese Ausgründung ist anfänglich gut gestartet, da viele Mitarbeiter aber auch ein Großteil des Managements und dadurch des Know-hows sich mit dieser Ausgründung und „Verselbständigung“ identifizierten. Das Problem war anfänglich, wie man plötzlich bei 200 Mitarbeitern die Löhne bereitstellen sollte. Finanziell wurde die Ausgründung mit Darlehen und nachrangigen Darlehen der Mutterfirma und Eigenkapital des Novartis Venture Funds ausgestattet. Zusätzlich haben sich viele Mitarbeiter und alle Manager auch finanziell mit Eigenkapital beteiligt. So konnte Solvias AG als eine Firma etabliert werden, die zu über 50 % den Mitarbeitern und dem Management gehörten. Es wurden dazu auch leichte und schwere Aktien geschaffen (zu nominal CHF 100 für die Mitarbeiter und zu nominal CHF 300 für den Venture Fund), um die Selbständigkeit der Mitarbeiter in den Aktienstimmen zu verstärken. Die Mutterfirma hat zusätzlich zu Darlehen auch gewisse Mindestabnahmemengen von Services garantiert, um wenigstens in der schwierigen Anfangsphase die finanzielle Liquidität sicherzustellen. In der siebenjährigen Geschichte hat sich diese Ausgründung gut entwickelt, sie hatte aber auch einige Schwierigkeiten zu überwinden. Ein anfängliches Problem war die Mentalität der Mitarbeiter, die noch lange auf die Sicherheit, den Komfort und die Lohnerhöhungen der grossen Pharmafirma ruhte und die sich nur langsam an die Unsicherheit, die Hektik und die Sparsamkeit einer Neugründung gewöhnte. Dazu kamen rezessionsbedingte Umsatzeinbussen, ein kostspieliger Ausbau des USA-Geschäftes und andere widrige Umstände, die zu Verlusten, Mitarbeiterabbau und Aufgabe einiger nicht profitabler Services führten. Zudem wurde die schlankere Firma organisatorisch und führungsmässig neu ausgerichtet und die Bilanzstruktur verbessert.
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Heute steht diese Ausgründung Solvias AG gut da, hat konkurrenzfähige Services und spezielles Know-how in der Katalyse-Technik, wieder einen Personalbestand von über 200 Mitarbeitern und arbeitet mit Gewinnen. Die Vorteile der Mutterfirma bei dieser Ausgründung waren rückblickend: Eine größere Restrukturierung und Auslagerung von Services konnte ohne Probleme mit den Sozialpartnern und ohne Imageschaden durchgeführt werden. Eleganter Personalabbau und Auslagerung von Services, die man lieber nur einkaufen will, wenn man sie braucht. Verkauf von gebrauchten teueren Geräten (Analytik, physikalische Chemie, Syntheseanlagen) an die Ausgründung. Die Mutterfirma kann die ausgelagerten Dienstleistungen und Expertisen weiterhin zu einem kompetitiven Preis-/Leistungsverhältnis beziehen. So ist Novartis Pharma AG immer noch der grösste Einzelkunde von Solvias AG. Die ehemaligen Mitarbeiter profitierten auch, indem sie die von ihnen meist selbst initiierten und betreuten Projekte ausserhalb der Mutterfirma weiterführen konnten. Zur Gründung ihrer eigenen Firma gab es finanzielle Starthilfe. Wesentlich für die Motivation der Mitarbeiter war die Tatsache, dass sie nicht mehr Mitglieder einer Abteilung waren, deren Tätigkeit nicht mehr zu den Kernaktivitäten des Unternehmens gehörte. Mit Solvias AG haben sie ihre eigenes Geschäft, für das sie selber verantwortlich sind und an dessen Erfolg sie direkt beteiligt sind. Die Erfolgsfaktoren für diese Ausgründungen waren zusammenfassend: Die wesentlichen Know-how Träger von Mitarbeitern und Managern haben sich mit diesem Risiko aber auch dieser Opportunität der eigenen Firma identifiziert. Neben guten Services hat die Firma auch wesentliche Patente und spezielles Know-how in der Katalyse, in der Analyse der Polymorphie von Wirkstoffen, in der Proteinanalytik und in der kundenspezifischen Synthese – und das alles auf dem hohen Niveau der Pharmastandards. Mit Jahresumsätzen von über 40 m CHF und in den sieben Geschäftsjahren mit mehr Gewinnen als Verlusten, musste Solvias nie eine private Nachfinanzierung mit teuerem Venture Kapital machen. In diesem Falle war es auch von Vorteil, Eigenkapital von einem firmeneigenen Venture Fund zu haben, der nicht ständig an einen profitablen Ausstieg denkt und der auch in schwierigen
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Zeiten der Firma die Stange hält. Die meisten Darlehen konnten bis heute zurückbezahlt werden. Die Mitarbeiter sollten neben Lohn und Bonus hoffentlich auch bald Dividenden auf ihre Mitarbeiteraktien erhalten!
Speedel AG (www.speedel.com) Rückblickend war diese Ausgründung oder Neugründung von 1998 die finanziell erfolgreichste. Sie basierte auf einem von Novartis Pharma AG nicht mehr weiterentwickelten Projekt SPP100 und einer äusserst initiativen Mitarbeiterin der Entwicklungsabteilung, Frau Dr. Alice Huxley. Sie gründete mit diesem Projekt anfänglich eine virtuelle Entwicklungsfirma (Speedel steht für „speedy development“) und führte später ihre Firma mit viel Eigeninitiative zu einer selbständigen, neuen und börsennotierten Pharmafirma. Beim Projekt SPP100 handelte es sich um den ersten erfolgreichen Renininhibitor zur Senkung des Blutdruckes aus dem Entwicklungsportfolio der früheren Ciba AG. Das Projekt stand am Ende der präklinischen Entwicklung und hatte noch einige Probleme in der Synthese, in einer stabilen Formulierung und generell in den Herstellkosten. Da zu diesem Zeitpunkt die Muttergesellschaft auch keinen Schwerpunkt in den kardiovaskulären Erkrankungen hatte (wenig eigene Ansatzpunkte und gering erachteter medizinischer Bedarf für weitere Blutdrucksenker), wurde das Projekt im Jahre 1997 nicht ins Projektportfolio aufgenommen und zur Auslizenzierung (mit call-back Option) freigegeben. Die Firmenidee der Gründerin war, mit Investorengeld das pharmakologisch sehr innovative Projekt weiter zu entwickeln und nach der Lösung der Entwicklungsprobleme und dem Erhalt von positiven Wirksamkeitsstudien am Menschen wieder zurück zu lizenzieren oder zu verkaufen. Anfänglich war es schwierig, Finanziers zu finden, da recht große Summen für die kostspielige Entwicklung gebraucht wurden und zweitens da die Investoren ungern in ein internes Novartis Netzwerk investierten: das Projekt, die Gründerin, die call back Option, das erste Seedkapital – alles war Novartis bezogen. Mit einem für die externen Investoren verbesserten Lizenzvertrag und wiederum mit der Hilfe des firmeneigenen Novartis Venture Funds hat dann Speedel nach einigen Verzögerungen doch endlich abgehoben. Neben der erfolgreichen und „speedy“ Entwicklung von SPP100 wurden andere Entwicklungsprojekte im Fokus „Herz-Kreislauferkrankungen und Blutdruckregulierung“ einlizenziert. Es wurde auch eine eigene Chemie für die Findung von neuen innovativen Molekülen für diese Indikation aufgestellt. Weitere Finanzierungsrunden mit Privatinvestoren ver-
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liefen dann viel einfacher und erfolgreicher. Der Firmenwert konnte ständig verbessert werden. Auch in der Mutterfirma, Novartis Pharma AG, ergaben sich über die Jahre Verbesserungen und Fortschritte in den Produkten und in der Bedeutung der kardiovaskulären Indikation. Deshalb wurde das Projekt SPP100 nach der erfolgreichen klinischen Phase 2 von Speedel gemäß Vertrag mit der Mutterfirma zurücklizenziert. Novartis Pharma AG konnte dann effizient und erfolgreich auch die dritte klinische Phase von SPP100 gestalten: das Produkt steht heute mit großen Erwartungen kurz vor der Marktzulassung. Speedel wiederum darf auf gute Lizenzerträge von ihrem ehemaligen Entwicklungsprojekt hoffen und hat ihr eigenes innovatives Projektportfolio etabliert. Der Börsenwert von Speedel AG ist heute über einer Milliarde Schweizerfranken. Davon hat auch der Novartis Venture Fund profitiert. Die Erfolgsfaktoren für diese Firmengründung waren: Entwicklungserfahrung und Know-how des Managements und vor allem der Gründerin, gepaart mit viel Initiative und zähem Durchhaltewillen auch in schwierigen Phasen. Ein innovatives Molekül mit einem neuen pharmakologischen Wirkungsmechanismus (Reninhemmung) am Anfang; dann klare Fokussierung des Portfolios auf weitere Projekte in der Indikation Herz-Kreislauferkrankungen. Gute, verlässliche, private Investoren wie auch der Novartis Venture Fund, welche die Firma und die Gründerin bis zum unkonventionellen Börsengang im Jahre 2005 begleiteten.
Zeptosens AG (www.zeptosens.ch) Die Zeptosens AG wurde 1998 als Ausgründung der Firma Novartis Pharma AG gegründet. Kerngeschäft des Unternehmens waren die Entwicklung, Produktion und der Vertrieb eines hochsensitiven Biochip-Systems basierend auf Fluoreszenzdetektion an der Oberfläche eines planaren optischen Wellenleiters. „Zepto“ bezieht sich hier auf Zeptomol, was einer winzigen Menge von zirka 600 Molekülen auf einer Chipstelle entspricht. Diese ultrasensitive Analytik mit den Microarrays für Proteine und Nukleinsäuren werden in der Genom- und Proteomforschung an Universitäten sowie in der Pharmaindustrie eingesetzt.
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Diese Mikrochip-Technologie wurde ursprünglich von der ehemaligen Ciba AG über Jahre und mit fast 30 Mio. CHF Aufwand entwickelt, da diese Technologie für verschiedene Sparten des Unternehmens interessant war, u.a. für Pharma, Agro, Kunststoffe, Chemikalien und Optik. Nach der Fusion 1997 gab es nur noch die internen Interessen der Novartis Pharma AG. Aber auch hier passte so eine analytische Chip- und Geräte-Entwicklung strategisch und operativ schlecht dazu. Da jedoch die erarbeitete Technologie wertvoll und der damaligen Konkurrenz in Sensitivität klar voraus war, entschloss man sich zu einer Ausgründung. Von den ursprünglichen 28 Mitarbeitern konnten 20 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz in der Ausgründung Zeptosens behalten. Mit einer größeren Startfinanzierung durch den Novartis Venture Fund konnten dann auch externe Finanziers gefunden werden. Die Mitarbeiter und das Management waren technisch sehr gut und motiviert, in ihrer eigenen Firma zu arbeiten. Nach 5 erfolgreichen Jahren gab es aber leider trotzdem große Probleme, die im Jahre 2004 zum Konkurs der Firma führten. Die wichtigsten Misserfolgsfaktoren waren: Der ursprüngliche Technologie-Transfer-Vertrag zwischen Mutter- und Tochterfirma führte zu Streitigkeiten und juristischen Konfrontationen. Die Mutterfirma hatte nach der Ausgründung gewisse Anwendungen der Technologie intern und erfolgreich weiterentwickelt. Es war nun unklar oder umstritten, ob diese Innovationen und Anwendungen der Mutterfirma gehörten oder aber im auslizenzierten Technologiepaket der Ausgründung eingeschlossen waren. In den schwierigen Venturejahren 2003/2004 war es unmöglich, weiteres Venturekapital für diese Firma zu finden. Neue externe Investoren fand man nicht, und die ursprünglichen Investoren waren nicht mehr bereit, ständig weiter zu finanzieren. Der Firma (mit den guten Technologieleuten) fehlte die notwendige Markt- und Verkaufserfahrung, um die Innovation zeitgerecht als Chip, Mikroarray oder Gerät zu vermarkten. Durch die vorigen Punkte belastet, schmolz der Konkurrenzvorteil mit der Zeit dahin. Bei dieser Firmenliquidation verloren die Investoren ihren finanziellen Einsatz. Die immer noch interessante Technologie und einige Mitarbeiter und Know-how-Träger wurden später durch die Bayer Technology Services GmbH (www.bayertechnology. com) übernommen.
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ANTEQ AG Diese Ausgründung basierte auf einem Service Konzept mit transgenen Mäusen. Die Mutterfirma Novartis Pharma AG entwickelte mit internen Spezialisten über Jahre die Möglichkeit, Tiere zu züchten, die sich genetisch leicht aber definiert von der Norm unterscheiden. Durch die Fortschritte im humanen Genomprojekt konnten immer mehr Gene identifiziert und zugeordnet werden. Für die Pharmaforschung und die Entwicklung neuer Medikamente mit neuem Wirkungsmechanismus wurden so transgene Tiere immer wichtiger. Eine Technologie, um solche transgenen Mäuse zu züchten, war die Mikroinjektionsmethode. Dabei werden gewisse DNA-Moleküle in die Eizellen einer Maus injiziert, die dann mit einer gewissen Ausbeute in den Jungtieren exprimiert werden. Im Jahre 1999 wurde der Leiter der Gruppe als Universitätsprofessor berufen und hat die Firma verlassen. Die übrigen 3 Mitarbeiter der erfolgreichen Forschungsgruppe beschlossen daraufhin, sich selbständig zu machen und ihre Technologie als Service für die Mutterfirma aber auch generell an Forschungsinstitute und Biotechfirmen gegen Serviceaufträge und Bezahlung zur Verfügung zu stellen. Die so gegründete Firma ANTEQ AG mietete leer stehende Räumlichkeiten der Mutterfirma und erhielt vom Novartis Venture Fund das notwendige Startkapital, teils als Eigenkapital, teils als Darlehen. Es handelte sich um kleinere Summen unter einer Mio. CHF, da Servicefirmen in der Regel nur wenige Mittel über eine kurze Anfangsphase benötigen. Leider musste nach 2 Jahren der anfänglich gut gestartete Betrieb geschlossen und liquidiert werden, ein eigentlicher Konkurs konnte vermieden werden. Diesmal war der Misserfolgsfaktor technologisch bedingt: Das subtile Mikroinjektionsverfahren konnte plötzlich nicht mehr kontrolliert mit guten Ausbeuten und Resultaten reproduziert werden. Entweder konnte die DNA nicht mehr mit guten Ausbeuten in die Eizelle gebracht werden oder aber die Ausbeute an transgenen Jungtieren war zu klein. Immer mehr Kunden haben die Firma verlassen, da sie zu spät und mit zu wenigen Tieren bedient werden konnten. Die abnehmenden Umsätze führten schnell zu Liquiditätsengpässen. Bevor die technologischen Probleme behoben werden konnten, war ANTEC AG zahlungsunfähig.
EMIcon Erfolgreicher verlief die Ausgründung EMIcon, das für Emissionskontrolle steht. Auch diese Ausgründung war mitarbeitermotiviert und -getrieben. Vier Laboranten,
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die bei der ehemaligen Ciba AG die Emissionen maßen und kontrollierten und den Behörden mitteilten, hatten die Idee und die Motivation, sich selbständig zu machen. Sie kamen mit diesem Schritt wohl auch einer von der Firma initiierten Ausgründung zuvor, da es wirklich nicht viel Sinn macht, wenn eine große Pharmafirma eigene Emissionsmessungen und –Kontrollen durchführt. Viel besser und glaubwürdiger sind da doch externe, unabhängige und validierte Messungen. Für die vier Laboranten (alles junge Familienväter, kaum dreißig Jahre alt) war ein solcher Schritt in die Selbständigkeit und der Verzicht auf den sicheren Monatslohn zuerst schon risikovoll, da sie zwar gute und auch von den Behörden anerkannte Fachleute waren, die aber noch keine Geschäftserfahrung besaßen und keinen Kundenstamm hatten. Auch hier hat die Startfinanzierung durch den Novartis Venture Fund wesentlich zum Erfolg beigetragen. Wo sonst könnten vier junge, betriebswirtschaftlich unerfahrene Burschen Geld herkriegen: nicht von Banken, da die Firma noch keine Umsätze und finanzielle Geschichte hat; kaum von Business Angels, für die ein solches Unternehmen zuwenig hohe Renditen verspricht; nicht von eigentlichen Venture Kapitalisten, da diesen eine solche Firma zu klein und der Due Diligence Prozess relativ zu gross ist. Da bleiben für die Finanzierung nur noch die „Friends and Family“ oder eben wie in diesem Fall der Venture Fund der Mutterfirma. Malergeschäft Hofer Noch kleiner aber mit zwei guten Lehrpunkten verlief die Auslagerung von Malerarbeiten aus der Pharma Produktion. Malermeister Hofer war kein Unternehmertyp, aber jung und gut ausgebildet. Er war einer von hundert Leuten in der Pharmaproduktion. Als Maler hielt er in zwei Produktionsgebäuden alle Kessel, Leitungen, Schrauben etc. mit gutem Farbanstrich ständig auf Topstandard, wie das eben in einer modernen, sauberen Pharmaproduktionsanlage auch von den ständig kontrollierenden Behörden erwartet wird. Eines Tages kam eine Beraterfirma der Mutterfirma mit der Idee, dass man eigentlich in der Pharmaproduktion nur Chemiekanten anstellen sollte und artfremde Arbeiten wie Malerarbeiten in Regie vergeben sollte, vor allem auch weil solche externen Auftragsarbeiten in den schlechteren Zeiten recht günstig und ohne „Kopfzahlbelastung“ zu haben waren. So war der Malermeister Hofer vor der unguten Alternative, entweder eine Umschulung als Chemiekant zu machen, was er aber nicht wollte, da er stolz auf seinen Malerberuf war, oder die Firma zu verlassen, was als junger Familienvater auch nicht leicht gewesen wäre. Zufälligerweise wurde gerade zu dieser Zeit im Heimatdorf von Malermeister Hofer ein Malergeschäft frei und kam
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zum Verkauf, da der vorige Besitzer in den Ruhestand trat. Diese Opportunität wurde im Jahre 1999 genutzt: der Novartis Venture Fund gab ein kleines Darlehen, damit Herr Hofer den Betrieb (mit Lokalität und einem kleinen Farblager) kaufen konnte; die Mutterfirma Novartis Pharma Produktion, die schließlich von dieser Restrukturierungsübung profitierte, gab die Zusicherung, für 3 Jahre Malerleistungen in abnehmendem Masse zu abnehmendem Preis zu beziehen. Dies gab eine gewisse gesicherte Auslastung und einen sicheren anfänglichen Umsatz. Das Ganze ist gut angelaufen, die Sache kam in Schwung; die Mutterfirma, die ausgegründete Firma und der Geldgeber waren zufrieden. Die Hälfte der Darlehen wurde zurückbezahlt. Dann kam es leider in der Familie von Malermeister Hofer zu Problemen. Diese führten zu Schulden und schließlich zum Konkurs der Firma. Die zwei Lehrpunkte aus dieser Geschichte sind: Die Mutterfirma kann ihre Ausgründung auch indirekt fördern und unterstützen, in dem eine gewisse anfängliche Zusammenarbeit oder gewisse Lieferungen garantiert werden. Je kleiner die Firma, desto schneller und direkter schlagen persönliche und familiäre Probleme auf den Geschäftsgang aus. Ein Finanzier sollte bei der Analyse von „Leuten“ (Management, Mitarbeiter, Know-how-Träger) auch private Aspekte wie Gesundheit und familiäres Umfeld beachten.
Nabriva GmbH (www.nabriva.com) Anfangs 2006 wurde diese neueste Ausgründung von Novartis AG, resp. der Division Sandoz GmbH zusammen mit dem Hauptinvestor, Nomura Phase4 Ventures, in Wien gegründet. Das Geschäftsfeld dieser Ausgründung ist die Forschung und Entwicklung von neuen, innovativen Antibiotika mit breitem Spektrum und möglichst hoher bakterieller Resistenz. Durch die früheren Arbeiten dieses antibiotischen Forschungsinstitutes in Wien gibt es bereits vier fortgeschrittene, präklinische Produkte im Forschungsportfolio, u.a. je ein Pleuromulin- und ein Cephalosporin-Derivat, die bald klinisch getestet werden können. Der Grund für die Auslagerung dieser antibiotischen Forschungseinheit war eine neue strategische Ausrichtung im Umfeld dieser Forschungseinheit: Ursprünglich gehörte diese Einheit zur Biochemie in Kundl (Teil der weltweiten Novartis AG), die Antibiotika im großen Maßstab produzierte und deshalb auch ständig um Innovationen bemüht war. Dann wurde die Biochemie Ges.m.b.H in Kundl inkl. dieser Forschungs-
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einheit in Wien in die neu geschaffene Generikasparte Sandoz AG (www.sandoz.com) integriert. Da bei Generika nur wenig Umsatzprozente für F&E zur Verfügung stehen, war für eine solche Forschungseinheit (mit ca. 50 Mitarbeitern und ca. 10 Mio. EUR Kosten pro Jahr) kein Platz mehr, umso mehr eine Generikafirma nicht neue Produkte erforschen und entwickeln, sondern patentabgelaufene Wirkstoffe rasch und kostengünstig auf den Markt bringen soll. Es ist zu früh, den Erfolg dieser Ausgründung Nabriva GmbH zu beurteilen, da dieser stark vom Erfolg der Entwicklungsprojekte abhängen wird. Erfolgreich war aber sicher die Startphase dieser doch umfangreichen Ausgründung mit einer großen ersten Finanzierungsrunde von 42 Mio. EUR, die von den Nomura Phase4 Ventures (www.nomura.com) geleitet und mit verschiedenen Co-Investoren u.a. auch mit dem Novartis Venture Fund finanziert wurde. Die Mutterfirma Sandoz hat für ihre Vorleistungen und die Einbringung der Entwicklungsprojekte entsprechende Gründerprozente erhalten und auch einen Sitz im Aufsichtsrat. Für einen Grossteil der früheren Mitarbeiter wurden so interessante und unternehmerische Arbeitsplätze erhalten oder neu geschaffen und die innovativen antibiotischen Projekte können weiterentwickelt werden.
4 Schlussfolgerungen und Ausblick Ausgründungen sind ein innovatives Instrument, um Firmen strategisch neu auszurichten, um „Ballast“ abzuwerfen, um Unternehmen zu straffen und zu fokussieren. Die Ausgründung ist aber wie jede Neugründung ein „zartes Pflänzchen“, das mit viel Umsicht, Unterstützung und Wohlwollen gepflegt und gehegt werden muss. Der Finanzier ist sehr auf das Wohlergehen und die Zukunftschancen der Ausgründung bedacht, da er ja direkt finanziell gewinnen oder verlieren kann, je nachdem die Ausgründung erfolgreich ist oder liquidiert werden muss. Der Erfolg der Ausgründung ist der Erfolg auch des Finanziers. Im „Dreiecksverhältnis“ Mutter – Tochter – Finanzier teilt also der Finanzier mehr die Interessen der Tochter als der Mutter. Andererseits haben sowohl Mutter als auch die Ausgründung gemeinsam den Wunsch, einen guten Finanzier oder eine Gruppe von Investoren zu finden, welche die Ausgründung mit externen Mitteln finanziert und damit auch validiert. Im Erfolgsfalle ist die Ausgründung eine auf eigenen Beinen stehende, unabhängige neue Firma und keine „Tochtergesellschaft“ mehr! Eine vollständige interne Finanzierung einer Ausgründung durch die Muttergesellschaft würde keinen strategischen oder finanziellen Sinn machen, da dann
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außer einigen legalen Komplikationen keine Verbesserung zur Ausgangslage vor der Ausgründung erzielt wäre. Die teilweise Finanzierung einer Ausgründung durch einen Venture Fund der Firma (sog. Corporate Venture Fund) kann jedoch sehr hilfreich und nützlich sein. Dies gilt z. B. bei sehr kleinen Ausgründungen, die eher Darlehen als Aktienkapital benötigen, und bei größeren Ausgründungen, um das Engagement der Mutterfirma zu dokumentieren und die Ausgründung zu validieren und risikokapitalfähig zu machen. In jedem Fall soll das Dreiecksverhältnis Mutterfirma, Ausgründung und Finanzier fair sein, und die wesentlichen kritischen Punkte (wie TechnologieTransfer-Vereinbarung, die Abgeltung von Vorleistungen der Mutterfirma, Rückkaufsrechte, organisatorische Freiheit der Ausgründung usw.) müssen stimmen und korrekt und klar geregelt sein. Eine Ausgründung kann auch nicht halbherzig gemacht werden, d.h. ausgründen aber doch etwas Kontrolle behalten, um im Erfolgsfall „absahnen“ zu können. Die Risiko- und Erfolgsfaktoren für Ausgründungen wurden besprochen und an vielen Beispielen dokumentiert. Zusätzlich zu den Faktoren, die bei jeder Neugründung entscheidend sind, ist einfach immer an die zusätzliche Dimension und Verknüpfung mit der Nabelschnur zur Muttergesellschaft zu denken. Dies betrifft sowohl die Kerntechnologie, die Marktsituation, die mannigfachen legalen Verknüpfungen, die Aufteilung von Mitarbeitern und Management und die Verpflichtungen ihnen gegenüber, und schließlich alle finanziellen Aspekte (Pre-money-Bewertung, Gründeranteile, Barzahlungen, Meilensteinzahlungen, Lizenzzahlungen u.s.w.). Mehr und mehr wissen Finanziers den Wert und die Opportunität von Ausgründungen zu schätzen. Generell ist einfach das Risiko für eine solche Neugründung etwas tiefer, und das in Bezug auf das meist bewährte Management und deren Mitarbeiter, auf die oft sehr weit entwickelte technologische Plattform (mit oder ohne konkreten Produkten und Projekten), und auf bestehende Markterfahrungen. Für den Finanzier geht es darum, unter den Opportunitäten, die durch die vielen strategischen Umstrukturierungen geschaffen werden, die Perlen herauszulesen. Solche positiven Beispiele von Ausgründungen im Gesundheitswesen und im Raume Basel waren kürzlich die Firmen Speedel AG, Basilea AG, Actelion AG und Arpida AG – heute alle börsennotiert und erfolgreich. Für die Grossunternehmen wird es auch in Zukunft darum gehen, flexibel zu bleiben und sich situativ den neuen globalen Anforderungen zu stellen. Dabei können gezielte und gut orchestrierte Ausgründungen die strategischen Fokussierungen positiv gestalten helfen. Ausgründungen müssen auch immer im Blickwinkel der Förderung
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von Unternehmertum gesehen werden: Wir alle und die Wirtschaft haben ein Interesse, nicht nur bestehende Betriebe „gesund zu schrumpfen“ sondern auch neue Unternehmen und Arbeitsplätze zu schaffen: Ausgründungen sind oft solche goldene Opportunitäten.
Ausgründungen in Gründer- und Technologiezentren – Worauf kommt es an? Hubert M. Hofer
Inhaltsverzeichnis 1
Die Rolle der Gründer- und Technologiezentren im modernen Wirtschaftsleben .................................................................................................. 286 1.1 1.2 1.3
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Ausgründungen: Eine große Herausforderung für die GTZ ............................... 292 2.1 2.2 2.3
3 4
Gründer- und Technologiezentren zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit .......... 286 Gründerzentren ....................................................................................................... 288 Technologiezentren................................................................................................. 289 Die kontinuierliche Zunahme an Dienstleistungen................................................. 292 Die Notwendigkeit der Umstrukturierung betriebsinterner Prozesse ..................... 292 Unterstützung durch Technologiezentren ............................................................... 293
Zusammenfassung ............................................................................................... 295 Literaturverzeichnis............................................................................................. 295
Abstract Durch den stetig steigenden Wettbewerbsdruck sind viele Unternehmen gezwungen, ihre Produkte und Dienstleistungen zu optimieren, um weiterhin erfolgreich am Markt tätig zu sein. In diesem Zusammenhang stellt die Durchführung von Innovationstätigkeiten ein maßgebendes Mittel dar, durch welches neue Geschäftsfelder erschlossen, neue Zielgruppen angesprochen und eine Umsatzsteigerung generiert werden kann. Jedoch sind beide Handlungsmöglichkeiten – die Durchführung von Innovationen sowie die Erschließung von neuen Geschäftsfeldern – mit hohem Risiko behaftet. Durch den Entschluss zu einer Ausgründung1 kann dieses gesenkt werden. Sowohl Start-upUnternehmen als auch bereits am Markt etablierte Unternehmen werden bei Innovationsvorhaben vor maßgebende Entscheidungen gestellt, denn die innerbetrieblichen Prozesse müssen überdacht werden. In dieser Phase bietet sich die Zusammenarbeit mit einem Gründer- und Technologiezentrum an, welches aktiv Unterstützungsarbeit leistet.
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„Gründung eines neuen Unternehmens aus einem bereits bestehenden Unternehmen oder einer wissenschaftlichen Einrichtung“ Definition aus: www.dhgp.de/media/xpress/xpress9/bericht9.html
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1 Die Rolle der Gründer- und Technologiezentren im modernen Wirtschaftsleben 1.1 Gründer- und Technologiezentren zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Nicht nur Innovationen, sondern auch die kontinuierliche Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen, sind für ein starkes Wirtschaftswachstum sowie für die Wettbewerbsfähigkeit - sei es auf regionaler als auch auf nationaler und internationaler Ebene - unerlässlich. Um den Mut zur Innovation2 von Personen mit einer kreativen, neuen Idee zu belohnen und die konkrete Umsetzung dieser Idee in ein Produkt bzw. eine Dienstleistung voranzutreiben, werden Gründerzentren eingerichtet. Für bereits etablierte Unternehmen stehen hingegen Technologiezentren zur Verfügung, welche ihnen in verschiedenen Bereichen beratend und unterstützend zur Seite stehen. Es lässt sich deutlich erkennen, dass sich diese beiden Arten von Zentren an unterschiedliche Zielgruppen wenden. Vor allem Gebiete, in denen eine Steigerung der Produktion in traditionellen Wirtschaftszweigen nicht mehr erreicht werden kann, profitieren enorm durch die Ansiedlung solcher Gründer- und Technologiezentren (im folgenden GTZ). Sie beleben besonders das lokale Wirtschaftsgeschehen neu und sorgen für Aufschwung. Die Verlagerung der Produktion, weg von der traditionellen und hin zu einer neuen, innovativen Produktion von Gütern und Dienstleistungen und die Erschließung von neuen Geschäftsfeldern soll gefördert, sowie ein innovatives Umfeld mit positivem Ausstrahlungseffekt innerhalb der Region geschaffen werden.3. GTZ sind in der Regel öffentliche Einrichtungen, können aber auch Mischformen mit privater Beteiligung darstellen, welche mittels staatlicher Hilfe bzw. EU-Gelder mitfinanziert werden. Ebenso ist es möglich, die Funktionen der beiden Zentren, in einer einzigen Struktur zu vereinen, wodurch erhebliche Einsparungen erzielt werden können (man denke zum Beispiel an Personalkosten)4. Gemeinsam ist den beiden Zentren die regionale Verteilung auf gesamtstaatlicher Ebene, womit die durchgeführten Aktivitäten voll und ganz auf die vorhandenen Bedürfnisse am lokalen Markt ausgerichtet werden, und somit eine optimale Betreuung 2
3 4
Vgl. Weisman, Hippach, (2005). Vgl. Gorman Gary G., McCarthy S., (2006). Das TIS – Techno Innovation Südtirol – Bozen (ex BIC Südtirol) fungiert sowohl als Gründer- als auch als Technologiezentrum. Information zu den angebotenen Dienstleistungen des TIS finden Sie auf der Internetseite http://www.bic-suedtirol.com/.
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der Zielgruppen vor Ort gewährleistet wird. Das Leistungspaket der Zentren kann zwar stark variieren, jedoch werden in der Regel bestimmte Grunddienstleistungen von allen Zentren angeboten.5 Dadurch kann sich ein motivierter Erfinder auf nationaler Ebene frei bewegen und sich jenen Standort aussuchen, der ihm am meisten Vorteile bietet, ohne befürchten zu müssen, nicht bestmöglich betreut zu werden. So ist es für ein Start-up-Unternehmen, das im Bereich „Herstellung von Wintersportartikeln“ erfolgreich sein möchte ratsam, sich im Alpenraum anzusiedeln. Dieser stellt nicht nur einen idealen Standort für die Forschung und Entwicklung dar, sondern garantiert zudem die räumliche Nähe zu Kunden und Lieferanten und stellt das Unternehmen „glaubwürdiger“ dar, da Produkt und Standort gut zusammenpassen. Durch die Unterstützung des dort ansässigen Gründerzentrums wird sowohl die Gründung des Unternehmens als auch die Kontaktaufnahme zu Ansprechpartnern (z. B. potentiellen Kunden, Lieferanten, Technologie- und Finanzpartnern) erleichtert.6 Dasselbe gilt für bereits existierende Unternehmen, welche bei einer Verlegung ihres Standortes ein Technologiezentrum in der Nähe des neu gewählten Firmensitzes vorfinden und die angebotenen Dienstleistungen des Zentrums in Anspruch nehmen können. Die Tätigkeit der GTZ ist auf Effizienz und nicht auf Gewinn ausgerichtet, und verfolgt gemeinnützige Zwecke7. Die Einnahmen setzen sich hauptsächlich aus Mieten, angebotenen Dienstleistungen und Projekten, sowie verschiedenen Förderungen zusammen. Den größten Teil an Ausgaben stellen die Personalkosten dar. Die Zentren verfolgen einen gemeinnützigen Zweck, werden unabhängig von jeglichen privaten Interessen geführt und zeichnen sich durch ihre Kompetenz aus8. Im folgenden Teil werden einige allgemeine Ziele und Aktivitäten, einerseits der Gründerzentren und andererseits der Technologiezentren, kurz dargestellt. Es sei jedoch vorausgeschickt, dass eine klare Trennung der angebotenen Dienstleistungen dieser Zentren nicht möglich ist und somit eine Überschneidung der Aktivitäten nicht ausgeschlossen werden kann.
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Vgl. Geser (2005). Die Nature Inside GmbH mit Sitz in Bozen/Italien stellt innovative Sportartikel - wie z. B. Skistöcke - her. Dabei orientiert sich das Unternehmen, welches im TIS angesiedelt ist, an Eindrücken aus der Pflanzen- und Tierwelt und setzt diese Erkenntnisse erfolgreich in Produkte um, welche aus modernsten Materialen bestehen. Dabei hat die Nature Inside bewusst Südtirol als Standort gewählt, um erfolgreicher am Markt zu agieren. Vgl. http://www.natureinside.com/ [Stand 11-07-2006] Vgl. TIS Südtirol: “Satzung” [Stand 11-07-2006]. Vgl. Geser (2005).
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1.2 Gründerzentren Die Rolle eines Gründerzentrums kann mit der Rolle einer Mutter verglichen werden, die sich liebevoll um das Neugeborene kümmert. Ebenso kümmert sich das Gründerzentrum um Personen mit kreativen und innovativen Ideen, welche diese durch die Gründung eines Unternehmens verwirklichen wollen.9 Ein speziell für innovative Jungunternehmen ausgearbeitetes Leistungspaket sowie Infrastrukturen werden den technologieorientierten innovativen Unternehmen bereit gestellt und zugänglich gemacht. Das Zentrum will zum ökonomischen Erfolg der Innovationen beitragen und begleitet die Jungunternehmer nicht nur auf ihrem langen Weg von der Idee bis hin zur kommerziellen Vermarktung, sondern auch im späteren Verlauf nach erfolgtem Austritt aus dem Gründerzentrum. Es steht ihnen mit seinem fachkompetenten Wissen jederzeit zur Seite. Zentrale Aufgabe eines Gründerzentrums ist es also, die Neugründung von innovativen Unternehmen voranzutreiben sowie die eingesiedelten Jungunternehmen zu unterstützen und die regional vorhandenen InnovationsPotenziale zu vernetzten.10 Die Effizienz eines Gründerzentrums kann anhand der Anzahl der Neugründungen gemessen werden. Zudem wird die Wirtschaftslage gestärkt, und eine Exportsteigerung sowie ein Pull-Effekt durch die Bereitstellung von neuen Arbeitsplätzen generiert.11 Die angebotenen Dienstleistungen eines Gründerzentrums können sich auf folgende Bereiche erstrecken: Die Entwicklung und Durchführung von Programmen zur Förderung von Innovationen, die Verbreitung von innovativen Finanzierungsmodellen, die Sicherung des Zugangs zu diesen Modellen sowie die Zusammenarbeit mit lokalen, nationalen und internationalem Forschungseinrichtungen. Zudem bietet eine Einmietung in die Struktur des Gründerzentrums weitere Vorteile. Der Hauptnutzen für das Unternehmen besteht dabei, dass es sofort operativ ist. Es muss sich nicht um grundlegende Sachen (wie z. B. den Stromanschluss) kümmern. Weiters unterstützt das Gründerzentrum die Unternehmen, um eine reibungslose Kontaktaufnahme zu potentiellen Kunden, Lieferanten und Kapitalgebern zu gewährleisten.12 Auch eine Senkung der laufenden Kosten sowie die Möglichkeit einer flexiblen und unkomplizierten Umsiedelung innerhalb des Gründerzentrums ist gegeben.13 Angehende Unternehmer sollen 9
Vgl. Aernoudt (2004). Vgl. Istituto per la Promozione Industriale (2005). 11 Vgl. Geser (2005). 12 Das Günderzentum nimmt während der Kontaktaufnahme eine Art Coaching-Funktion ein. 13 Vgl. http://www.bic-suedtirol.com [Stand 11.07.2006] 10
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außerdem zum Erfahrungsaustausch angeregt werden. Ziel ist es, eine Verbesserung der innerbetrieblichen Prozesse zu gewährleisten, eine Erhöhung der Effizienz voranzutreiben, sowie Anregungen zu unternehmensinternen Problembehandlungen zu geben.14 Gründerzentren stellen den Jungunternehmern Büro-, Labor- und Workshopflächen, sowie Ausstellungs- und Gemeinschaftsräume zur Verfügung, welche jedoch aus Kostengründen nicht großflächig angelegt werden. Zudem wird Unterstützung im Bereich der Organisation, der Strategie- und Finanzplanung, der Informatik, des Vertriebs, des kaufmännischen Bereichs, der Personalentwicklung und allen anderen Bereichen der Unternehmensführung angeboten, welche bei Bedarf von den Start-ups genutzt werden können. Dafür werden qualifizierte Experten eingesetzt, die die Unternehmen coachen. Das Leistungspaket der Gründerzentren kann auch Sekretariats- und Verwaltungsdienstleistungen zu Gunsten der Benutzer der oben angeführten Räumlichkeiten umfassen.15 Weiters fungieren Gründerzentren als Berater hinsichtlich Patenten, Lizenzen sowie Warenzeichen und anderen Schutzrechten16. Durch die Erstellung des Businessplans können sowohl die Markt- und Wettbewerbssituation als auch die Erfolgsaussichten beschrieben und eine konkrete Analyse der Kosten für angesiedelte Unternehmen vorgenommen werden. Ein regelmäßig durchgeführter Businessplan-Wettbewerb dient hingegen als Impulsgeber für Innovationstätigkeiten, wobei sich der Wettbewerb meist in mehrere Phasen (Idee, grober Businessplan, detaillierter Businessplan) gliedert und der Gewinner pro Phase eine Prämie erhält. Dadurch soll die Ansiedelung weiterer Unternehmer im Gründerzentrum vorangetrieben werden. Das Zentrum veranstaltet Workshops, Gründerstammtische, Seminare und Unternehmerforen. Um den Bekanntheitsgrad der angebotenen Produkte zu steigern, werden die Unternehmen für eine Teilnahme an Fachmessen motiviert, sowie aktiv in dessen Vorbereitungsphase unterstützt. 17
1.3 Technologiezentren Technologiezentren sind das Bindeglied zwischen Forschungs- und Unternehmerwelt und fungieren als Mediator zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.
14
Vgl. Geser (2005). Vgl. www.bic-suedtirol.com/, „Satzung“ [Stand 11-07-2006]. 16 Vgl. Società Italiana Brevetti (2005). 17 Vgl. Geser (2005). 15
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Zielgruppen sind – im Unterschied zu denen des Gründerzentrums – nicht Start-ups, sondern etablierte Unternehmen aus der Region. Die Entwicklung bestehender technologieorientierter Unternehmen in den Sektoren Industrie, Handwerk und Dienstleistungen - vor allem für das verarbeitende Gewerbe und den IT-Bereich - soll gefördert werden. Unterstützt werden diese Unternehmen bei der Bewertung von Prozessen sowie bei der Entscheidungsfindung und bei der Suche nach individuellen Problemlösungen. Das Technologiezentrum hat die Aufgabe, das Unternehmen sowohl im Hinblick auf strategische Fragen als auch bei Entscheidungen zur Unternehmensentwicklung aktiv zu unterstützen.18 Ein weiteres angestrebtes Ziel dieser Zentren ist die Verbreitung von wissenschaftlichen und technologischen Kenntnissen sowie der Transfer von Technologien zwischen universitären, institutionellen und auf Forschung ausgerichteten Einrichtungen und Unternehmen. Weiters sollen die Voraussetzungen für den Auf- und Ausbau von Netzwerken zwischen Unternehmen, Freiberuflern, Kapitalgebern19 usw. geschaffen und gefördert werden, sowie die Zusammenarbeit mit anderen ähnlichen Betriebsformen und Netzwerken gestärkt werden.20 Synergien – sowohl zwischen Unternehmen mit ähnlicher als aber auch unterschiedlicher Betriebsgröße – sollen hervorgehoben und verstärkt werden, damit möglichst viele Akteure in der Wirtschaft davon profitieren. Die Definition von Stärkesektoren der einzelnen Regionen ist unumgänglich und stellt eine der größten Herausforderung für die Technologiezentren dar. Diese Sektoren werden über verschiedene Cluster sowie Kompetenzzentren belebt21, wodurch die Unternehmen zur Kooperation angeregt werden und durch eine Anreicherung von F&E Aktivitäten wettbewerbsfähiger gemacht werden. Das primäre Ziel der Kooperationsförderung kann durch eine Zusammenarbeit der beteiligten Akteure sowohl in nationalen als auch internationalen Netzwerken erzielt werden. Das Zentrum stellt die erforderlichen Kompetenzen in den Netzwerken sicher und übt verschiedene Tätigkeiten aus, um eine Vertrauensbildung zwischen den Netzwerkmitgliedern (Partnerunternehmen) herbeizuführen. Andererseits sollen durch Netzwerkregeln Verbindlichkeiten zwischen den Partnern geschaffen werden, sowie der Informationsfluss nicht nur innerhalb des Netzwerkes, sondern auch nach außen hin sichergestellt werden. Jedoch zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass vor allem 18
Vgl. Geser H. (2005). Beispiel: Business-Angels-Netzwerke; in diesen Netzwerken treffen Kapitalgebende - und Kapitalsuchende Personen aufeinander und es finden Kooperationen statt. 20 Vgl. TIS – Südtirol, „Satzung“ [Stand 11-07-2006] 21 CAN – Cluster Alpine Network, „CAN Südtirol hat es sich zum Ziel gesetzt, branchenübergreifende Netzwerke zur Stärkung der Innovationskraft und internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Südtiroler Unternehmen zu schaffen.“ 19
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die Inhaber klein- und mittelständischer Unternehmen nur schwer von den Vorteilen einer solchen Kooperation, auch wenn sie nur von kurzer Dauer ist, zu überzeugen sind. Ein möglicher Grund ist die Angst vor dem Verlust der persönlichen Autonomie.22 Durch eine aggressive Öffentlichkeitsarbeit soll versucht werden, das Interesse der Unternehmen an einer solchen Zusammenarbeit zu wecken und bestehende Vorurteile abzubauen. Seitens der Zentren werden Technologieberatungen sowie verschiedene Servicepakete angeboten, die von den Unternehmen genutzt werden können, um vorhandene Schwachstellen im Unternehmen frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Durch die gezielte Zusammenarbeit zwischen Zentrum, unabhängigen Fachexperten und Unternehmen kann eine gezielte und effiziente Beratung, abgestimmt auf die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens, gewährleistet werden. Um den Wissensaufbau sowie den Austausch von Wissen zu fördern, werden Veranstaltungen, Konferenzen und Treffen zu aktuellen Themen für Unternehmer organisiert. Innerhalb dieser Veranstaltungen sollen möglichst viele Informationen ausgetauscht werden, entweder direkt von Unternehmer zu Unternehmer oder aber zwischen Unternehmer und Wissenschaftler. Ziel ist dabei die Optimierung der Prozesse innerhalb eines Unternehmens, bzw. das Auslösen von Impulsen für die Einführung von Neuprodukten oder die Verbesserung bestehender Prozesse im Unternehmen. Ebenfalls soll ein – meist durch staatliche Fördermittel unterstützter – Technologietransfer zwischen Unternehmen stattfinden und zwar nicht nur zwischen Mutter- und Tochterunternehmen, sondern auch zwischen Mitstreitern und Betrieben aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen. Weiters kann durch den Zugang zu nationalen und internationalen Datenbanken das vorhandene betriebsinterne Know-how ausgebaut werden. Im Rahmen eines durchgeführten Krisenmanagements und der Förderung von Unternehmen, übt das Technologiezentrum jedoch auch konstruktive Kritik aus, um die jeweilige Unternehmensleitung zum Umdenken zu bewegen, und Prozessabläufe innerhalb des Unternehmens positiv zu beeinflussen.23
22 23
Vgl. Universität Kassel [Stand 11-07-2006]. Vgl. Geser (2005).
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2 Ausgründungen: Eine große Herausforderung für die GTZ 2.1 Die kontinuierliche Zunahme an Dienstleistungen Durch das Wachstum des Dienstleistungsbereiches und der damit verbundenen Schrumpfung des primären Sektors, fand eine Umqualifizierung der Arbeitskräfte statt, welche nun überwiegend nicht mehr materielle Güter herstellen, sondern für Banken, Versicherungen, öffentliche Einrichtungen usw. arbeiten.24 Auch wenn in früherer Zeit diese Umschichtung nur langsam stattgefunden hat, schießen heutzutage neue Dienstleistungsunternehmen wie „Pilze aus dem Boden“. Immer neue Dienstleistungen werden angeboten, und das nicht nur in urbanen Zentren, sondern auch in ländlichen Gegenden. Die unmittelbare Folge ist eine stark steigende Anzahl an neu gegründeten Unternehmen in Bereichen wie Informations- und Kommunikationstechnologie und Produkte mit starken Forschungs- und Entwicklungsanteil. Vor allem diese wissens- und technologieintensiven Unternehmen zählen zu der Zielgruppe, welche ein Technologiezentrum erreichen möchte. 25
2.2 Die Notwendigkeit der Umstrukturierung betriebsinterner Prozesse Der Weg von der Idee bis zum vollendeten und marktreifen Produkt ist mühsam und dauert oftmals Jahre. Aber schon kurz nachdem das Produkt erfolgreich am Markt eingeführt wird, besteht die Gefahr eines massiven Verdrängungswettbewerbs26. Im Zeitalter des technologischen Wandels mit immer kürzer werdenden Lebenszyklusphasen stellen bestehende und potentielle Konkurrenten innerhalb kürzester Zeit Imitationsprodukte her und versuchen in den Markt einzudringen. Aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks muss das Produkt ständig verbessert werden, um den Konkurrenzprodukten quantitativ, qualitativ und/oder preislich überlegen zu sein. Nur mit einem überlegenen Produkt und den richtigen strategischen Entscheidungen im richtigen Moment ist ein Unternehmen wettbewerbsfähig. Primäres Ziel ist jedoch die Kundenbindung. Unternehmer werden dadurch gezwungen, die internen Unternehmensprozesse zu überdenken und diese gegebenenfalls an die geänderten Rahmenbedingungen anzupas-
24
Vgl. Geser (2005). Vgl. Pleschak (2006). 26 Vgl. ICE – Istituto nazionale per il Commercio Estero (2006). 25
AUSGRÜNDUNGEN IN GRÜNDER- UND TECHNOLOGIEZENTREN
293
sen und auf den Kunden „maßzuschneidern“, um weiterhin erfolgreich am Markt bestehen zu können.27
2.3 Unterstützung durch Technologiezentren Eine mögliche Lösung, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, und einen Verlust der Kontrolle gegenüber Wettbewerbern zu vermeiden, stellt der Schritt zu einer Ausgründung dar.28 Auch die Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes, kann Anlass zu einer Ausgründung sein. Die „Initiierung von Ausgründungen“29 und deren Begleitung ist eine der Kernkompetenzen eines Technologiezentrums. Damit innerhalb des Unternehmens die richtige Entscheidung getroffen wird und eine erfolgreiche Umstrukturierung derselben stattfindet, bietet sich eine Kooperation mit einem neutral handelnden Technologiezentrum an. Bereits am Markt existierende Unternehmen können auf diese Weise Beratungsdienstleistungen in Anspruch nehmen und zudem werden über das Technologiezentrum Kontakte zu unabhängigen Fachexperten geknüpft. Angefangen von der richtigen Wahl der Rechtsform, kann in weiteren Schritten der gesamte Ablauf der Ausgründung samt anfallender Kosten geplant und durchgeführt werden.
Beispiel aus der Praxis: Die Leistungen der Firma XY umfassen unter anderem Programmierung, Beratung, Webdesign und Suchmaschinen-Optimierung. Der Inhaber des Unternehmens hatte die Idee Eye-Tracking-Analysen für Internetseiten anzubieten, durch welche präzise festgestellt werden kann, welche Objekte der Webseite vom Internetnutzer in welcher Reihenfolge betrachtet werden und ob die Elemente optimal positioniert sind. Er wandte sich an ein Technologiezentrum, um seine Idee der Ausgründung für dieses neue Geschäftsfeld vorzustellen. Grund für seine Entscheidung war ein befürchteter Imageverlust für die bestehende Firma, da die neu angebotene Dienstleistung ausschließlich aus Forschungs- und Analysetätigkeiten besteht. Das auf diese Weise gegründete Unternehmen Z ist im Bereich Webforschung und –analyse tätig. Ein Imageverlust für das bestehende Unternehmen hat nicht stattgefunden und es gelang sogar
27
Vgl. Weissman/Hippach (2005). Vgl. Chemmanur/Yan (2006). 29 Vgl. Symposion, digitale Fachbibliothek Innovationsmanagement. 28
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Mitstreiter des Mutterunternehmens als Kunden des ausgegründeten Unternehmens zu gewinnen.30 Technologiezentren unterstützen aber nicht nur die Ausgründung aus Unternehmen, sondern auch jene aus Forschungseinrichtungen und fördern dadurch indirekt die Kooperation der beteiligten Akteure. Dies ist vor allem im medizinischen Forschungsbereich der Fall.31 Engagierte Mitarbeiter, können ein sehr stark ausgeprägtes Bedürfnis entwickeln, ihre Ideen zu verwirklichen und zu diesem Zweck ein eigenes Unternehmen gründen, um vom Markterfolg der Erfindung zu profitieren. Sie begeben sich durch die angestrebte Unternehmensgründung auf Neuland. Auch wenn sie innerhalb des Unternehmens als Angestellte sehr gute Arbeit geleistet haben, muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie sich auch als Unternehmer am Markt behaupten können.32 Ein eigenes Unternehmen zu gründen ist meist mit hohem Risiko behaftet, viele Forscher sind sich dessen oft nicht bewusst und unterschätzen zudem den bürokratischen und organisatorischen Aufwand, der durch die Neugründung eines Unternehmens hervorgerufen wird. Man sagt, dass die beste Idee nur 1 % wert ist. Das Management macht die restlichen 99 % aus und ist ausschlaggebend für den Markterfolg. Durch die Kontaktaufnahme zum Technologiezentrum wird die Mehrzahl der Forscher, die anfangs von ihrer Idee begeistert sind, auf Hürden und mögliche Komplikationen hingewiesen, denen sie sich stellen müssen. Damit wird das vorhandene Defizit hinsichtlich betriebswirtschaftlicher Themen kompensiert und der „Schritt in die Selbständigkeit“ erleichtert. Zu den Vorbereitungen zählt auch die Suche nach potentiellen Investoren, um die Finanzierung zu sichern. Der Mangel an finanziellen Mitteln stellt eine der größten Herausforderungen im gesamten Gründungsprozess dar. Um die Finanzierung zu sichern liegt nichts näher, als sich an den ehemaligen Arbeitgeber zu wenden und diesen um finanzielle Unterstützung zu beten. Als Gegenleistung erhält dann letzterer meist Anteile am neu gegründeten Unternehmen. Auch organisiert das Technologiezentrum in regelmäßigen Abständen Veranstaltungen, um das Interesse der potentiellen Unternehmen an Ausgründungen zu wecken und bereits im Vorfeld Informationen zu liefern. Weiters liegt es im Interesse des Zentrums, Ausgründungen aus Hochschulen und Universitäten zu fördern. Zentrale Rolle ist dabei, dass dem Hochschul- bzw. Universitätsabgänger der Zutritt zu Bildungseinrichtungen, bis zur endgültigen Gründung des 30
Vgl. Medialine. URL: http://www.media-line.it/ [Stand 11.07.2006] Vgl. Chemmanur/Yan (2006). 32 Vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg (2005). 31
AUSGRÜNDUNGEN IN GRÜNDER- UND TECHNOLOGIEZENTREN
295
Unternehmens, gestattet wird. 33 Das Technologiezentrum übernimmt auch in diesem Fall die Funktion eines Mediators und führt im Prinzip ähnliche Tätigkeiten durch wie bei der Ausgründung aus Forschungseinrichtungen.
3 Zusammenfassung Gründer- und Technologiezentren sind eine ideale Anlaufstelle für Ausgründungen. Die Aktivitäten dieser Zentren sind vielseitig und müssen nicht nur an Bedürfnisse und Ziele der betreuten Akteure, sondern auch an sich ständig ändernde äußere Rahmenbedingungen angepasst werden. Im Mittelpunkt stehen jedoch stets die Förderung des Wachstums sowie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auf regionaler Ebene, auch in ländlichen- und wachstumsschwachen Gebieten. Eine Möglichkeit, um Regionen wettbewerbsfähiger zu machen, stellen betriebliche Ausgründungen sowie jenen aus Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen dar. Dabei übernehmen GTZ eine Art Vermittlungsfunktion. Sie verschaffen sich einen ersten Eindruck über die Situation und tragen maßgebend zur Entscheidung für oder gegen eine Ausgründung bei.
4 Literaturverzeichnis Aernoudt, R. (2004): Incubators: Tool for Entrepreneurship? In: Small Business Economics, September 2004, S. 127-135. URL: http://www.springerlink.com/ media/n49bcyqgmq6jtg6vkyvm/contributions/j/g/5/6/jg56q6r706q6nrj5.pdf TIS – Techno Innovation Südtirol: URL: http://www.bic-suedtirol.com/ [Stand 11-072006]. CAN – Cluster Alpine Network -, URL: http://www.can-suedtirol.it/ [Stand 11-072006]. Chemmanur, T.J./Yan, A. (2006): A Theory of Corporate Spin-Offs. In: Journal of Financial Economics, Mai 2006, S. 259-290. URL:http://scienceserver.cilea.it/ pdflinks/06061214472301593.pdf [Stand 11-07-2006].
33
Vgl. Walter (2004).
296
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Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg (2005): Schule für Ausgründer/ Innen, (2005), URL: www.krebsgesellschaft.de/download/2003-1_Aktuelles. pdf, [Stand 11-07-2006]. Geser H. (2005): Die Schweiz als Schnittfeld pluraler Unternehmens- und Betriebskulturen. URL: http://socio.ch/work/geser/09.pdf [Stand 11-07-2006]. Gorman G.G./McCarthy S. (2006): Business Development Support and KnowledgeBased Business. In: The Journal of Technology Transfer, 2005 Springer Science + Business Media, Inc. Manufactured in The Netherlands. ICE – Istituto nazionale per il Commercio Estero: ricerca e sviluppo. URL: www. ice.gov.it/editria/bollettino/studi/Scheda%205.%20Ricerca%20e%20Innovazione.p df [Stand 11-07-2006]. Instituto per la Promozione Industriale (2005): Indagine sui centri per l’innovazione e il trasferimento tecnologico in Italia. Rom. Landesparteitag am 8. April 2006 in Bad Düben: Förderung von Ausgründungen aus Hochschulen bzw. Außeruniversitären Forschungseinrichtungen. URL: http://fdp sachsen.de/cms/portals/fdp/media/doc/21536.pdf [Stand 11-07-2006]. Medialine. URL: http://www.media-line.it/ [Stand 11-07-2006]. Nature Inside, URL: http://www.natureinside.com/ [Stand 11-07-2006]. Pleschak F.: Schwerpunkte der künftigen Entwicklung von Technologie- und Gründerzentren. Symposion - digitale Fachbibliothek Innovationsmanagement, URL: http://62.8.198.34/s/WebObjects/s.woa/wa/i?shopID=9310&kapitelID=null [Stand 11-07-2006]. Società Italiana Brevetti (2005): Patente und Marken steigern den Wert Ihres Unternehmens. Universität Kassel: Netzwerke für Unternehmenskooperationen. URL:http://www.inf. wirtschaft.uni-kassel.de/schmalenbach/www_netz.htm [Stand 11-07-2006]. Weissman/Hippach (2005): Mut zur Innovation – Über die Kunst, sich ständig erfolgreich zu erneuern. URL: http://www.weissman.de [Stand: 11.07.2006].
Welche Herausforderungen stellen Ausgründungen für Unternehmensführer dar? Joachim A. Kappel
Inhaltsverzeichnis 1 2
Einleitung ............................................................................................................ 298 Ausgründung und ihre Herausforderungen in der Praxis.................................... 298 2.1 2.2
3
Mayr-Melnhof Karton AG ...................................................................................... 298 SynGroup ................................................................................................................ 300
Zusammenfassung ............................................................................................... 302
Abstract Der nachstehende Beitrag befasst sich anhand eines konkreten Beispieles (MayrMelnhof Gruppe), ausgehend von grundsätzlichen Feststellungen und Erfahrungswerten, mit der Fragestellung, ob bzw. inwieweit sogenannte Corporate Spin-offs eine wirkliche Weiterentwicklung oder auch Erneuerung bedeuten und behandelt somit auch die Wertschöpfungsaspekte der Managementstruktur von Ausgliederungen. Neben klassischen Neugründungen spielen die sogenannten Spinoffs, eine relativ neue Form der Unternehmensausgründung seit Mitte der 90er-Jahre, eine immer bedeutendere Rolle. Somit erhebt sich die Frage nach der strategischen Bedeutung der Ausgründungen sowohl für die Inkubator-Organisation, das heißt das ausgründende Unternehmen, als auch den Spinoff selbst. An dem in diesem Beitrag angeführten Bespiel zeigt sich, daß die Initiierung, Gestaltung und der Ausbau von Kooperationen mit eigenen Spin-offs für alle eine zusätzliche und dauerhafte Werterhöhung erzeugt.
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1 Einleitung Ausgründungen stellen natürlich ein reizvolles Phänomen dar, sowohl in Theorie als auch Praxis. Theoretisch handelt es sich bei Ausgründungen gleichzeitig um das treibende Element und das Ergebnis eines organisatorischen Wandels; dies ermöglicht, ein bestimmtes Gebiet, einen Bereich zu untersuchen, in dem Unternehmen grundsätzlich Erfahrungen austauschen. In der Realität handelt es sich bei den sogenannten Corporate Spinoffs um häufige und auch erfolgreiche Prozesse.
2 Ausgründung und ihre Herausforderungen in der Praxis 2.1 Mayr-Melnhof Karton AG Bei der Mayr-Melnhof Gruppe handelt es sich um den europäischen Marktführer in den Geschäftsbereichen Recyclingkarton und Faltschachteln, wobei sich die Geschäftstätigkeit ausschließlich auf diese beiden Kernbereiche, die in zwei Divisionen, Karton und Packaging, geführt werden, konzentriert. Strategisch wird die Positionierung des Konzerns als Marktführer bei kontinuierlicher Steigerung des Unternehmenswertes und Verfolgung der Kostenführerschaft mittels laufender Produkt- und Prozesserbesserung angestrebt. Insgesamt wurde im Geschäftsjahr 2005 ein konsolidierter Umsatz von rund € 1,42 Mrd. erzielt, wobei der Anteil der Kartondivision volumensmäßig ca. 55% und beim Ergebnis etwa 75% betrug. Die operative Unternehmensführung besteht aus einem dreiköpfigen Vorstand, der sich aus dem Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Hörmanseder, Andreas Blaschke für den Vertrieb Packaging und Franz Rappold für den Vertrieb Karton zusammensetzt. Schnelle Entscheidungsprozesse sowie ein ausgeprägtes unternehmerisches Denken waren und sind hier die Voraussetzungen für den Erfolg des Mayr-Melnhof Konzerns. Dazu zählt auch die Konsequenz in der Unterstützung von Unternehmensausgründungen, um auf eventuelle Marktgegebenheiten besser eingehen und bei Nutzung von Synergien und bestehenden Wissens für die dann ausgelagerten Dienstleistungen auch marktgerechte Preise zu erzielen. Neben der SynGroup (gesondert behandelt) zählen noch die Management Transport und Logistik GmbH (MTL) und die FreeCom GmbH dazu. Alle drei wurden seitens des jetzigen Vorstandsvorsitzenden (und bei der Gründung der SynGroup 1995 Finanzvorstands), Wilhelm Hörmanseder, in die Wege geleitet, um auch dem unternehmerischen Charakter der geschäftlich Verantwortlichen
UNTERNEHMERTUM UND AUSGRÜNDUNG
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Rechnung zu tragen. Helmut Zink, Geschäftsführer der MTL, sieht in der Ausgründung seines Bereichs eine echte Weiterentwicklung: Mit heute 60 Mitarbeitern deckt er zum einen die Aufgabenfelder im Speditions- und Logistikbereich als Full-ServiceDienstleister für Mayr-Melnhof ab, steht aber auch Drittkunden zur Verfügung; MayrMelnhof profitiert wiederum davon, bei möglichen Engpässen aufgrund der Marktsituation nicht ins Hintertreffen zu gelangen und keiner zusätzlichen finanziellen Belastung ausgesetzt zu sein; die MTL, wie Helmut Zink betont, kann wiederum das Drittgeschäft forcieren. Bei der SynGroup (und bei den anderen Mayr-Melnhof Spinoffs) handelt es sich um eine Unternehmensausgründung, die mit Mitarbeitern und gewissem Kapital des Inkubatorunternehmens ausgestattet waren bzw. sind, somit nicht als Desinvestitionen oder sogenanntes Outsourcing bezeichnet werden können. Laut einer Studie der Universität Lüneburg (Projektseminar "Corporate Spinoffs") kennzeichnet der Begriff Inkubator (auch Mutterunternehmen oder Mutter) einen physischen Ort, an welchem jungen Startup-Unternehmen geeignete Rahmenbedingungen geboten werden, um eine vielversprechende Geschäftsidee umsetzen zu können, wobei der Spinoff (auch Tochter) rechtlich gesehen nicht zwingend eine Tochtergesellschaft des Inkubators sein muss. Hier steht zum einen die Konzentration der Muttergesellschaft auf das Kerngeschäft, zum anderen die bessere Verwertung der Technologie über die Ausgründung im Vordergrund. Die möglichen Konflikte, die durch die Verflechtung von Inkubator und Tochterunternehmen entstehen, äußern sich unter anderem in unterschiedlichen Meinungen bezüglich des Ausmaßes der Beteiligung am Spinoff oder der Zuständigkeiten; die Einflussnahme des Inkubators auf den Spinoff stellt eine prinzipielle Problematik dar. Grundsätzlich spielen sogenannte Corporate Spinoffs eine Schlüsselrolle für Innovationen und die Wettbewerbsfähigkeit, vor allem in entwickelten Volkswirtschaften, und stellen vor allem in den sogenannten High and Low Technology Industries eine Voraussetzung für die Gründung und Entwicklung neuer Unternehmen dar. Eine „conditio sine qua non“ für die Ausgliederungen besteht zweifelsohne in der unternehmerischen Ausrichtung (Entrepreneurship) des Gründers zum einen sowie der kongenialen Ausrichtung der verantwortlichen Unternehmensführung der Ausgründung zum anderen. Somit ermöglicht der Ausgründer diesem Spinoff den Zugang zu "Anlagevermögensbestandteilen" wie Kundenbasis, Markenname, Lieferantenbeziehungen, Vertriebs- und Marketingwissen sowie zu besonderen Kenntnissen allgemeiner Führungsaufgaben. Firmeninterne Beweggründe für Ausgründungen können zum einen
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darin liegen, daß das ausgegliederte Unternehmen wenig zusätzliche Wertschöpfung/Wert zur Geschäftsidee des ausgründewilligen Angestellten beisteuert, oder daß das Unternehmen nicht über die Ressourcen verfügt, eine entsprechende Geschäftsidee zu verfolgen bzw. zu entwickeln. Folgt man nun den Entwicklungsstufen bis hin zur Ausgründung, so steht am Anfang eine Geschäftsidee, ein Projekt; der "Unternehmer" (das heißt derjenige, der die Idee gebar) kann nun das Projekt innerhalb des Unternehmens entwickeln, oder aber auch seinem unternehmerischen Können vertrauen und eine Ausgründung vornehmen. Wann also kommt es zu solchen Ausgründungen? Wenn man das Faktum annimmt, daß die Ausgründungen vor allem in innovativen Großunternehmen auftreten, stellt dies der Muttergesellschaft Mayr-Melnhof ein eindrucksvolles, positives Zeugnis aus – im europäischen Marktumfeld eher Mittelständler, kann hier das innovative Element herausgestrichen werden, das vor allem für die eher traditionelle Papier- und Verpackungsindustrie wohl als einzigartig zu bewerten ist. Somit schafft es Mayr-Melnhof in überzeugender Weise, ungeachtet der Konzentration auf das Kerngeschäft, im Unternehmen ursprünglich entwickelte, aber am Markt nicht direkt und auch nicht optimal veräußerbare Produkte und Dienstleistungen gewinnbringend und effizient zu verwerten. Weiters gilt auch für Mayr-Melnhof die wohl allgemein gültige Feststellung, daß ungeachtet der Verflechtung mit der Muttergesellschaft der Gründer weitgehend autonom bleibt und entsprechend handeln kann; dessen ungeachtet genießt der Spinoff den klaren Vorteil der Zusammenarbeit mit dem Inkubator und der Möglichkeit, an der Übertragung immaterieller Ressourcen zu profitieren.
2.2 SynGroup Die SynGroup wurde 1995 gegründet und ging aus der Muttergesellschaft, der MayMelnhof Gruppe, als Betriebs- und Produktivitätsberatung hervor; 38% der Anteile an der Stammgesellschaft werden vom Inkubator gehalten, während sich 62% im eigentum des Managements der SynGroup befinden. In den vergangenen elf Jahren expandierte die SynGroup kontinuierlich aufgrund der strategischen Partnerschaften mit internationalen Konzernen, wie zum Beispiel der Mayr-Melnhof Gruppe, aber auch mit anderen, "externen" Gruppen; die Schwerpunkte der Tätigkeit liegen in der Ergebnisverbesserung und im Projektmanagement komplexer Aufgabenstellungen. Heute erzielt die SynGroup mit etwa 30 Mitarbeitern einen konsolidierten Umsatz von rund € 6
UNTERNEHMERTUM UND AUSGRÜNDUNG
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Mio., wobei etwa 70% des Volumens mit Mayr-Melnhof sowie 30% extern generiert werden. Zu namhaften Kunden zählen unter anderem AVL, Greiner und Tyrolit. Vom Basiswissen ausgehend, erfolgt eine Analyse (detaillierte Ausarbeitung der Potenziale) bis zur Konzeption, das heißt der Erzielung eines gemeinsamen Verständnisses für weiterführende Maßnahmen aufgrund der engen Zusammenarbeit. Dem schließen sich Umsetzung sowie Erfolgskontrolle an. Für die SynGroup bedeutete die Ausgründung, die de facto eine Neugründung war, tatsächlich eine dann auch genutzte Chance der Weiterentwicklung. Wenngleich die Abhängigkeit vom Kernkunden Mayr-Melnhof – bei aller grundsätzlichen Sicherheit für ein gewisses Geschäftsaufkommen – ein potentielles Risiko darstellt, erlaubt andererseits das Verständnis für diese Gruppe ein für beide Seiten sehr effizientes, lösungsorientiertes und letztendlich auch kostengünstiges Zusammenarbeiten. Dies betont Wolfgang Hillerbrand als Geschäftsführender Gesellschafter der SynGroup, der vor der Gründung seines Unternehmens bereits substantielle Industrie- und Beratungserfahrung sammeln konnte. Weiters unterstreicht er die Wichtigkeit dieser relativen Unabhängigkeit im Hinblick auf die Gewinnung neuer Kräfte, die wiederum den externen Blickwinkel und somit eine neue Sichtweise einbringen; so gelingt es, für Ausgründungen auch besser qualifizierte Persönlichkeiten und Führungskräfte zu gewinnen: „You attract much better managers to a spinoff than to a division of a big company – people can see they are really making a difference .....!“462. Im Sinne der Wertschöpfung verfügt die SynGroup als quasi externer Kooperationspartner über eine gesteigerte Effizienz und erzielt somit eine höhere Potenzialrealisierung bei Einsparungsmaßnahmen. Dies ergibt im Verhältnis SynGroup zu MayrMelnhof eine grundsätzliche "Win-Win"-Situation, die auf beiden Seiten das unternehmerische Element betont. Können nun diese Spinoffs, zumindest in manchen Fällen, das etablierte Unternehmen schädigen? Nun, zum einen könnte der Spinoff den Wettbewerb im direkten Markt bzw. verwandten Branchen verstärken – dies war bzw. ist hier wohl nicht der Fall; zum anderen werden nun Wachstumsmöglichkeiten, die ursprünglich intern geschaffen und auch finanziert worden waren, nun von einem anderen Unternehmen genutzt. Während dies sicherlich auf alle drei Ausgründungen der Mayr-Melnhof Gruppe zutrifft, gewährleistet doch der jeweils nach wie vor beträchtliche Gesellschaftsanteil an den Ausgründungen diesen Schritt. 462
Shane Tully (2005): Warren Bats, Fortune Magazine, 07.03.2005.
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3 Zusammenfassung Wie am Beispiel Mayr-Melnhof ganz klar ersichtlich, besteht für Spinoffs eine hohe Wahrscheinlichkeit unter der Voraussetzung, daß das etablierte Unternehmen äußerst erfolgreich am Markt agiert. Ein sich kontinuierlich in praktisch allen Kennzahlen weiterentwickelndes Unternehmen wie Mayr-Melnhof verfügt nun einmal über eine Bandbreite an relevanten und vielversprechenden Projekten; mit immer begrenzten Ressourcen kann das Unternehmen wiederum sich nur auf die profitabelsten konzentrieren. Somit sind durchaus profitable andere interne Projekte aufgrund von Kapazitätsschranken nicht verfolgt und öffnen sich dann als sogenannte „Windows of Opportunity“ für unternehmerisch ausgerichtete Mitarbeiter. Weiters zeigt das Beispiel der Mayr-Melnhof Spinoffs, daß Ausgliederungen oftmals in Nischen-Märkten bzw. sehr spezifischen Bereichen erfolgen, die aufgrund ihrer Besonderheiten bzw. überschaubaren Größe nicht unbedingt von etablierten und vorwiegend in anderen Kernbereichen tätigen Firmen bedient werden. Dies trifft vermutlich auf alle drei Ausgründungen (SynGroup, FreeCom und MTL) zu: Sogenannte Schnittmengen bzw. komplementäre Eigenschaften dieser Projekte mit internen Ressourcen waren eher gering, sodass das seitens des Vorstands vollinhaltlich unterstützte "Ausscheiden" aus der Mayr-Melnhof Gruppe interne Bereiche freisetzt, die dann für andere Aufgaben bzw. das Kerngeschäft besser genutzt werden können.
Ausgründungen als Instrument zur Bündelung von Ressourcen und Know-how in einem Gemeinschaftsunternehmen Thomas Rainer
Inhaltsverzeichnis 1 2
Das Unternehmen ................................................................................................ 304 Globalisierung und Konzentration auf die Kernkompetenzen als Initialzündung für die Expansion ........................................................................ 306 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8
3 4
Ausgründung als optimale Organisationsform für das Projekt............................... 307 Organisationsform: Die Alternativen...................................................................... 308 Entscheidung für die Ausgründung: Intrapreneurship als Motor ........................... 309 Übertragung der Kernkompetenzen an die neue Ausgründungsgesellschaft.......... 311 Starke Marke (Affichage Holding und JCDecaux)................................................. 311 Internationale Vernetzung (Referenzen)................................................................. 312 Innovative Produkte (Stadtmöbel) und die hohe Qualität des Wartungsservice .... 313 Outsourcing der Produktion.................................................................................... 314
Zusammenfassung und Ausblick......................................................................... 317 Literaturverzeichnis............................................................................................. 317
Abstract Der Weltmarktführer im Bereich Stadtmöblierung und Flughafenwerbung und Nummer zwei der Außenwerbung, JCDecaux aus Frankreich (über deren österreichische Tochter Gewista) und die weltweite Nummer sechs der Außenwerbung, die Schweizer Affichage Holding, sind die Besitzer des Fifty-Fifty-Joint-Ventures Europlakat International. Die Gründer der Gesellschaft wählten 1990 die Strategie der Ausgründung für ihr Gemeinschaftsunternehmen zur Eroberung des zentral- und osteuropäischen Außenwerbemarktes. Sie erachteten die Ausgründung als die konsequenteste und durchschlagskräftigste Option für den „Export“ der Kernkompetenzen der Mütter von deren erfolgreichen Heimmärkten in diese neue, risikobehaftete Region. Europlakat International war das erste internationale Unternehmen der Branche, das sich zu so früher Stunde in diese Märkte wagte, und hatte deshalb den „First-Mover-Advantage“. Intrapreneure sollten die Märkte eigenverantwortlich, gleichzeitig aber mit allen von ihnen gewünschten Unterstützungen der Mütter, bearbeiten. Dank des Startkapi-
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RAINER
tals der Mutterunternehmen, der erfolgreichen Übertragung von deren Kernkompetenzen und deren Anpassung an die lokalen Gegebenheiten, hat sich Europlakat International zum führenden Außenwerbeunternehmen in Zentral- und Osteuropa entwickelt.
1 Das Unternehmen Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit Ausgründungen als Instrument dafür, Ressourcen gezielt und erfolgreich zu bündeln, und behandelt dieses Thema an einem konkreten Beispiel: der Europlakat International WerbegesmbH (EPI) mit Sitz in Wien. Zum besseren Verständnis soll deshalb einleitend ein kurzer Blick auf die Geschichte und die Entwicklung dieses Unternehmens geworfen werden. Die EPI wurde 1990 von der Firma Gewista (heute im mehrheitlichen Eigentum von JCDecaux) zum Zweck gegründet, als erstes internationales Unternehmen die traditionelle Außenwerbung in Zentral- und Osteuropa zu erobern. Unter Außenwerbung oder „Out-of-Home-Werbung“ versteht man die Werbung im Freien, an öffentlichen Plätzen, Straßen oder Gebäuden. Außenwerbung bildet mit etwa sieben Prozent der weltweiten Werbeausgaben neben Fernsehen (23 %), Print (57 %) und Radio (12 %) den wesentlichen Bestandteil des Mediamix. Die Hauptsegmente der Außenwerbung bilden mit einem Anteil von 48 Prozent die Großflächen (klassische Plakate), die Verkehrsmittelwerbung (an Straßenbahnen, U-Bahnen, Bussen, etc.) mit 26 Prozent und die Werbung an Stadtmöbeln (an Buswartehallen, Kiosken, Litfasssäulen, etc.) mit 18 Prozent. 2002 verschoben sich die Geschäftsanteile zwischen den Eigentümern und die EPI wurde zu einer „Fifty-fifty“-Joint-Venture-Holdinggesellschaft zwischen zwei börsennotierten Branchengrößen, dem französischen Weltmarktführer für Stadtmöblierung und Flughafenwerbung, JCDecaux, Paris, und dem Schweizer Marktführer und der weltweiten Nummer sechs in der Außenwerbung, Affichage Holding, Genf.1 Mittlerweile ist die EPI ein starker Marktführer in der MOE-Region mit einer direkten Präsenz in sieben Ländern (Ungarn, Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro, Bosnien & Herzegowina sowie Bulgarien), 280 Städten über 10.000 Einwohnern und mit 20 lokalen Gesellschaften, die rund 32.000 Werbeflächen betreiben. Der Umsatz
1 2 3
Vgl. Europlakat International WerbegesmbH (EPI): Homepage: www.europlakat.com, Wien (2006). Vgl. Europlakat, Homepage. Vgl. Affichage Holding (2005).
AUSGRÜNDUNGEN ALS INSTRUMENT ZUR BÜNDELUNG VON RESSOURCEN
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liegt bei über 60 Millionen Euro. Über Partnerunternehmen der Mütter ist die EPI auch in Tschechien, der Slowakei, Polen und Rumänien vertreten. Neben der Großflächenwerbung aller Formate konzentriert sich EPI verstärkt auf die Stadtmöblierung und hilft den Partnerstädten, den öffentlichen Raum mit Wartehallen, Stadtinformationsanlagen, Litfasssäulen, Kiosken oder Telefonkabinen zu gestalten und mittels Werbung zu finanzieren. Das Konzept ist denkbar klar und einfach – die Anlagen werden den Städten und Gemeinden, ebenso wie anderen Vertragspartnern, kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Investition sowie die laufende Pflege und Wartung der Stadtmöbel, ausgeführt durch das geschulte Fachpersonal von EPI, werden in der Regel durch die Vermarktung von Werbeflächen refinanziert. Das bedeutet, dass die Partner EPI - im Gegenzug zur kostenlosen Zurverfügungstellung von Stadtmöblierung – die Werberechte innerhalb eines gewissen Territoriums abtreten, die dann wiederum von EPI mit Plakatflächen ausgestattet und an Kunden vermietet werden.2 Noch ein Wort zu den Muttergesellschaften: Affichage Holding, der Schweizer Markführer, ist mit seinen über 100 Jahren (gegründet 1900, seit 1904 an der Börse notiert) eines der ältesten und traditionellsten Häuser der Branche und mittlerweile außerhalb der Schweiz und der „EPI-Region“ auch in Griechenland, Italien und Rumänien tätig. Affichage Holding hat es in diesen Jahren geschafft, den Außenwerbeanteil im Heimmarkt Schweiz auf über 15 Prozent zu bringen, eine Größe die weltweit einzigartig ist. Das Unternehmen hat bei 300 Millionen Schweizer Franken Umsatz rund 660 Mitarbeiter.3 JCDecaux, gegründet 1964 von Jean-Claude Decaux und immer noch mehrheitlich in Familienbesitz, verfügt weltweit über mehr als 700.000 Werbeflächen in 3400 Städten und 45 Ländern, die von 170 Millionen Menschen täglich gesehen werden. Außerdem betreibt JCDecaux Airport die Werbung in 154 Flughäfen in 13 verschiedenen Ländern bei einer Abdeckung von 61 Prozent des täglichen Flugverkehrs (eine Milliarde Menschen pro Jahr). Dies alles bei einem Umsatz von 1.750 Millionen Euro und 7.900 Mitarbeitern.4
2 3
4
Vgl. Europlakat, Homepage. Vgl. Affichage Holding (2005).
Vgl. JCDecaux (2005).
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2 Globalisierung und Konzentration auf die Kernkompetenzen als Initialzündung für die Expansion Probleme, Ideen und Lösungen sind heutzutage global. Globalisierung und Spezialisierung sind zwei Hauptgründe für das Thema der Ausgründungen. So auch in unserem Fall, denn speziell durch die Globalisierung wird deutlich, dass nur solche Unternehmen langfristig eine Überlebenschance haben, die verfügbare RationalisierungsPotenziale ausschöpfen . Die fortschreitende Deregulierung, die gewonnene Transparenz über das Geschehen an den Märkten sowie der rasante technologische Fortschritt sind die gestaltenden Kräfte im Markt. Die Aggressivität der Märkte, die Virtualisierung, die globale Vernetzung, die allgemeine Beschleunigung führt zur Konzentration auf das Kerngeschäft eines jeden erfolgreichen Unternehmens in der heutigen Zeit.5 In den 90er-Jahren wurde das Schlagwort der Konzentration auf die Kernkompetenzen geprägt. Die Kernkompetenzen sind Fähigkeiten, die es dem Unternehmen ermöglichen, bestimmte Wertschöpfungsaktivitäten besser zu erfüllen, als die Konkurrenz. Daraus entstehen die Wettbewerbsvorteile, die einen starken Player oder Marketleader von einem Mitläufer unterscheiden.6 Dies war auch das Grundprinzip, das für die Gründer von EPI im Vordergrund stand, als es um die Frage ging, wie man einen neuen, bisher unbekannten und mit vielen Risiken behafteten Markt bearbeiten sollte. Das heißt konkret: Welche sind unsere tatsächlichen Kernkompetenzen? Was unterscheidet uns von den Mitbewerbern am Markt? Worin sind wir besser, schneller oder billiger als diese? Diese Kernkompetenzen – einmal definiert - müssen auch auf neue Märkte übertragen werden können, müssen dort als Erfolgsfaktor eingesetzt werden und als solche funktionieren. Für das Projekt „Markteintritt in die MOE-Ländern“ hießen die konkreten Fragen demnach: Was soll zentral zur Verfügung gestellt werden? Oder anders: Was ist sinnvoll, von den Müttern zu übernehmen und als strategischer Wettbewerbsvorteil zu nutzen? Was ist besser lokal, sprich: vor Ort, aufgehoben? Oder anders: Was muss vor Ort direkt getätigt oder produziert werden? 5 6
Vgl. Scheuss (2004). Vgl. Weissman/Gleißner (2003).
AUSGRÜNDUNGEN ALS INSTRUMENT ZUR BÜNDELUNG VON RESSOURCEN
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Was soll am besten ausgegliedert werden? Oder anders: Was kann, besser und/oder billiger von einer Fremdfirma vor Ort erledigt werden, auch weil es keine strategische Toppriorität hat?
2.1 Ausgründung als optimale Organisationsform für das Projekt In Frage Nummer eins ging es demnach um die konkreten Kernkompetenzen, die speziellen Fähigkeiten der Muttergesellschaften von EPI also, die in den innovativen Produkten (Stadtmöbel) und der hohen Qualität des Wartungsservice derselben durch interne Wartungsfachleute, der internationalen wirtschaftlichen und politischen Vernetzung (Referenzen) sowie den starken Marken JCDecaux und Affichage Holding verortet wurden. Nach der Definition der Kernkompetenzen stand konzernintern die Frage an, wie man diese unbestreitbaren Wettbewerbsvorteile optimal in einen neuen, bisher unbekannten geographischen Markt transferieren könne. Wie sicherte man sich also die Vorteile der starken Mütter, die Kernkompetenzen, von denen man wusste, dass sie am Heimatmarkt erfolgreich waren und auf die man auch im Ausland nicht verzichten mochte, weil sie zur Unternehmenskultur und zu dessen Erfolg gehören? Die Kernkompetenzen entstehen häufig aus der Verknüpfung von hochwertigem, meist patentgeschütztem Wissen, mit den speziellen Fähigkeiten und Erfahrungen einer eingespielten Gruppe von Mitarbeitern des Unternehmens. Eine Kompetenz wird zu einer Kernkompetenz, wenn sie nur schwer vom Mitbewerber kopiert werden kann, für den Markt bedeutsam ist und dem Kunden einen eindeutigen Nutzen erbringt. Sie sollen den Unternehmenserfolg auf Dauer sichern, aber das können sie nur, wenn sie auch auf Dauer Kundennutzen stiften. All dies traf im Fall von EPI auf die drei genannten Kernkompetenzen zu.
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2.2 Organisationsform: Die Alternativen Nach dem Grundgedanken „Structure-follows-strategy“ musste nun entschieden werden, welche Unternehmensform die geeignetste für das Projekt „Markteintritt der MOE-Ländern“ sei, denn bei weit reichenden Restrukturierungen oder Neuausrichtungen ist eine rationale Organisationsgestaltung nur unter Berücksichtigung der Strategie möglich. Die Gestaltungsaufgabe bezieht sich also auf die Organisation (Strukturen, Prozesse, Schnittstellen), die Mitarbeiterführung (Qualifikation und Motivation), sowie das Steuerungssystem (Controlling). 7 Welche Organisationsform sollte also für das Projekt gewählt werden? Folgende Optionen standen zur Diskussion: Eine Kooperation mit einem bereits am Markt tätigen Unternehmen Eine Ausgliederung möglicherweise in Form eines „Profit Centers“ mit starkem Mutterbezug Eine Ausgründung, das heißt die Herauslösung des Teilbetriebes, der sich mit dem neuen Projekt befassen sollte, in Form einer Firmenneugründung. Gegen eine Kooperation mit einem bestehenden Marktteilnehmer sprach, dass man nicht gewillt war, die eigenen Kernkompetenzen zu verwässern oder einem Dritten zugänglich zu machen. Dazu würde der Entscheidungsfindungsprozess durch die Absprache mit einem weiteren Partner verlangsamt, Kompromisse wären notwendig. Daher verwarf man Variante eins. Variante zwei, die Ausgliederung in Form eines Profit Centers, wurde abgelehnt, da man die Eigenständigkeit der Unternehmung und von deren Entscheidungsträger fördern und nicht nur halbherzig versuchen wollte, aus Unternehmensteilen organisatorisch selbständige Aktionseinheiten zu machen. Die Mütter der EPI hielten sich demnach an G. Hamel8: “When you set up a new unit, be careful that you steer a line between two paths: totally isolating it, which is fine if it isn’t at all related to what you’re doing, and giving it a bear hug, were you hold on to it so tight that it can never escape the gravitational pull of old beliefs. Never be afraid of the new business competing with the old business.” Sie entschieden sich
7 8
Vgl. Kucher, S.: "Von der Strategie zur Struktur", www.simon-kucher.com Hamel (2000).
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daher für die „radikalste“ und konsequenteste Variante, für die Ausgründung, das heißt die Gründung einer selbstständigen Entität mit gezieltem Intrapreneurship-Gedanken.
2.3 Entscheidung für die Ausgründung: Intrapreneurship als Motor Die Leistung, die für die Umsetzung des Projektes „Markteintritt der MOE-Ländern“ zu erbringen ist, muss das neue Unternehmen eigenverantwortlich und auf eigene Rechnung erbringen. Durch die Ausgründung war gesichert, dass sich das neue Unternehmen auf das Grundlegende beschränken und sich auf die eigentliche Kernaufgabe konzentrieren konnte, um diese dadurch besser und effizienter wahrzunehmen. Die Antwort der Ausgründung auf die Frage der Wahl der Unternehmensform war also eine konsequente, erachtete man diese doch als die effektivste für das Vorhaben. Man gründete eine neue Gesellschaft, die von allen Vorteilen der großen und starken Mütter profitierte, gleichzeitig aber auch von einer jungen, unbürokratischen, schnellen und flexiblen lokalen „Bodentruppe“ von Intrapreneuren geleitet werden konnte. So wollte man einer Schwäche zahlreicher Unternehmen vorbeugen, die darin liegt, dass ihre Mitarbeiter zu wenig unternehmerisch denken und handeln. Nicht nur die Kosten des Unternehmens sind so unnötig hoch, auch die Fähigkeit, Innovationen zu entwickeln und Kernkompetenzen optimal zu nutzen, ist eingeschränkt.9 Den Entscheidungsträgern der EPI wurde die Möglichkeit geboten, aktiv die Unternehmensgestaltung in die Hand zu nehmen. Damit wurde einerseits mehr unternehmerische Selbstverantwortung übertragen, andererseits auch mehr Selbständigkeit, Eigeninitiative und weitreichende Entscheidungsbefugnisse, indem die Kernmitarbeiter sich so verhalten sollten, als ob sie selbst der Unternehmer wären und ihnen die Gesellschaft gehöre. Sie sollten darauf aufbauend, ein starkes unternehmerisches Grundverständnis innerhalb der gesamten Unternehmung fördern und implementieren. Konkret hieß das für die Unternehmensführung der EPI, das unternehmerische Mitdenken auf allen Ebenen zu fördern und jeden Mitarbeiter den strategischen Sinn seiner Handlungen regelmäßig überprüfen zu lassen. Jeder Mitarbeiter soll demnach ein strategisches und betriebswirtschaftliches Verantwortungsgefühl für seine Arbeit bekommen und eine ganzheitliche Perspektive einnehmen. Oder mit Nietzsche: „Wer ein Warum im Leben hat, erträgt auch beinahe ein jedes Wie.“10
9 10
Vgl. Deutsches Institut für kleine und mittlere Unternehmen (DIKMU) (2006). Vgl. Rep (2006).
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Der Weg zur Konkurrenzfähigkeit wurde so durch den heutigen Begriff des „Intrapreneurship“ bei EPI garantiert. Nachdem nun im Laufe des Ausgründungsprozesses die Geschäftsidee tiefenanalysiert, der Businessplan optimiert und mit allen Beteiligten abgesprochen wurde, begann die Gestaltung des rechtlichen Rahmens. Durch die Gründung einer zentralen Managementholding, einer österreichischen GmbH, wurde nun sichergestellt, dass die Kernkompetenzen der Muttergesellschaften auch tatsächlich als solche in die einzelnen Länder transponiert wurden. Konkret wurde eine Finanz- und Managementholding EPI in Wien gegründet. Man wählte den Standort Wien, da Wien mittlerweile der „Hub“ für die MOE-Länder geworden ist. Vieles ist leicht per Auto zu erreichen und der Flughafen bietet die optimalsten Verbindungen in die Region. In Wien platzierte man die Geschäftsführung, die die Koordination, Kontrolle und Führung der lokalen Gesellschaften innehat. Sie ist das Verbindungsstück zwischen dem lokalen Markt in Zentral- und Osteuropa und den Muttergesellschaften in der Schweiz und in Frankreich. Die Geschäftsführung hat mehrere Fachkräfte in Wien zur Verfügung, die für die jeweiligen Kernprozesse zuständig sind, d.h. in diesem Fall eine Finanz-, eine Technische und eine Verkaufsabteilung. Diese Abteilungen sind dafür geschaffen, in den einzelnen Ländergesellschaften die jeweilige Abteilung mit den gängigen Standards auszustatten bzw. die Kernkompetenzen zu überwachen und zu koordinieren. Sie funktionieren als Zwischenstück zwischen Muttergesellschaften und lokalen Entitäten und führen nach dem Prinzip des Intrapreneurs. Zur Beantwortung der anfänglich gestellten zweiten Frage - was ist besser lokal, sprich: vor Ort aufgehoben – hatte man folgende Überlegung angestellt: Da, wie Darwin uns bereits lehrt, nicht die stärkste Spezies überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die sich am raschesten anpassen kann, und man das daily business selbstverständlich nicht aus Wien leiten kann, gründete man in jedem Land Gesellschaften, die vor Ort flexibel und schnell die einzelnen Stadtkontakte pflegen und die Werbeträger vermieten, die Plakatierung organisieren und die Stadtmöbel warten und pflegen. Das hieß für uns direkt vor Ort präsent zu sein getreu dem gängigen Dogma des „Glocals“ - „Think global, act local“.
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2.4 Übertragung der Kernkompetenzen an die neue Ausgründungsgesellschaft Nach der Gründung der lokalen Gesellschaften ging es für EPI darum, seine Potenziale und Ressourcen so zu konzentrieren, dass dadurch ein eindeutiger Wettbewerbsvorteil in den neu zu bearbeitenden Ländern entstand, ein Wettbewerbsvorteil, mit dem die Konkurrenz nicht Schritt halten konnte und die dem Unternehmen die heutige Marktführerschaft erbringen sollte.11 Zuallererst definierte man ein Investitionsbudget, das der Gesellschaft in den nächsten zehn Jahren für den Aufbau einer starken Organisation bzw. für Akquisitionen von bereits bestehenden Außenwerbegesellschaften in den zentral- und osteuropäischen Märkten zur Verfügung stehen sollte. Damit war ein erster, bereits sehr wichtiger Startvorteil gegenüber den lokalen Playern geschaffen. EPI verfügte über mehr „Spielgeld“ als alle anderen Marktteilnehmer und konnte dadurch eine tatkräftige, qualitativ hochwertige lokale Organisation aufbauen und wichtige Akquisitionen tätigen. Außerdem wurde man mit genügend Kapital ausgestattet, um bei den wichtigsten Vertragspartnern vorzusprechen und entsprechend hochqualitative Produkte anzubieten. Somit war zumindest gesichert, dass dem Unternehmen nicht, wie so vielen anderen „Greenfield-Operations“ die Luft bereits vor dem eigentlichen Take-off ausging. Das Investment in diese Ausgründung wurde für beide Unternehmen als strategisch betrachtet und daher auch langfristig ausgelegt. Mit anderen Worten: Man war sich bewusst, dass die Früchte des Projektes nicht in den ersten Jahren zu ernten waren. Die Basis der Organisation geschaffen, konnten sofort mit der Übertragung der eigentlichen Kernkompetenzen begonnen werden:
2.5 Starke Marke (Affichage Holding und JCDecaux) Zwei international so bedeutende Unternehmen der Branche als Mütter im Rücken, genoss EPI am Markt und vor allem bei Behörden Glaubwürdigkeit. EPI verkörperte den Westen, die Topprodukte, die auch andere internationale Städte wie London, Paris, Chicago, Los Angeles, Sydney, Mailand oder Zürich verwendeten. Obwohl man absichtlich nicht mit den international bewährten Marken der Mütter auftreten wollte, konnte man den Behörden leicht klar machen, wer hinter EPI steht. Gleichzeitig vermittelte man den Verantwortlichen der Städte, EPI könne diesen mit seinem Stadtmobiliar ein Aussehen verleihen, das demjenigen der oben genannten Städte entsprechen 11
Vgl. Weissman (2003).
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würde. Die Marken der Mütter waren eine optimale Eintrittskarte bei den Behörden, sie verkörpern geronnene Zeit, signalisieren Erfahrung, Bewährung und Vertrauen.12 Die beiden Marken im Hintergrund garantierten das Original und Originale kennt man, man sucht sie, man vertraut ihnen und man kauft sie schlussendlich und bleibt ihnen treu.13 Den Markennamen „Europlakat International“ wählte man bewusst, da er zum einen auf das in den als Operationsgebiet ins Auge gefassten Märkten besonders beliebte „Europa“ verwies, zum anderen den Begriff „International“ beinhaltet, der Größe und Bedeutung signalisiert. Dass die beiden Marken nun mit einem neuen Brand, Europlakat International, in den Märkten unterwegs waren, sprach sich selbstverständlich auch bei den großen internationalen Kunden schnell herum, bei Medienagenturen und Brands, die in Zentralund Osteuropa einen verlässlichen Partner in Sachen Außenwerbung suchten und die selbe Qualität wie im restlichen Europa erwarteten. Diese Kunden konnten somit erstmals auch in diesem Teil der Welt bedient werden. Das hieß, dass sowohl auf der Beschaffungsseite, beim Erlangen von Stadtwerbeverträgen, als auch auf der Verkaufsseite, den Agenturen und internationalen Kunden, die Marken, also eine der Kernkompetenzen, indirekt ins Ausland exportiert werden konnten.
2.6 Internationale Vernetzung (Referenzen) Über die Marken hinaus, sollte von den bestehenden internationalen Kundenbeziehungen der Muttergesellschaften profitiert werden. Hierfür gaben sowohl die Schweizer Key Accounter, als auch die Franzosen ihre Kontaktpersonen in Agenturen und bei Großkunden mit Referenzen weiter und bestehende Kundenexklusivverträge wurden auf die Region ausgeweitet. Somit konnte EPI die einzigartige Möglichkeit ausnutzen, auf die Kundenkarteien bzw.- verträge von zwei großen internationalen Firmen zugreifen und diese nutzen zu können. Auch bei den Städten konnte man auf Referenzprojekte der Mütter in der ganzen Welt verweisen, die sich jeder Entscheidungsträger der kontaktierten Städte direkt vor Ort ansehen konnte. Das heißt, dass hinter den Stadtverträgen, die EPI gewinnen konnte, auch die vielen tausend Referenzstädte der Mütter in aller Welt stehen. Wenn einer 12 13
Vgl. Simon (2004). Vgl. Scheuss (2004).
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der Stadtväter von einer Geschäftsreise oder dem Urlaub aus Wien, Zürich, London oder sonst einer Metropole zurückkam und ihn die Stadtmöblierung in dieser oder jener Stadt gefallen hatte, er sie also auch gerne für seine Stadt gehabt hätte, konnte EPI diesen Wunsch in den allermeisten Fällen erfüllen, konnte die Stadt mit den gewünschten Einrichtungen bedienen und langjährige Stadtverträge mit den größten und wichtigsten Städten der Region abschließen, also etwa mit den Millionenmetropolen Belgrad und Budapest, aber auch mit Zagreb, Ljubljana oder Pristina. Gleichzeitig etablierte sich EPI als langfristiger Partner mit diesen Städten und schuf damit die notwendige Basis für eine erfolgreiche Außenwerbefirma.
2.7 Innovative Produkte (Stadtmöbel) & die hohe Qualität des Wartungsservice Die Übertragung der Spitzenprodukte in diese Länder stellte wohl die größte Herausforderung der Gesellschaft dar. Generell kann festgestellt werden, dass - und dies gilt für alle Branchen - die Produkte weltweit nicht nur immer besser werden, sondern auch immer gleicher.14 Um daher aus dem Schatten der „Gleichen“ zu treten, setzten die Mütter von EPI auf Differenzierung und Innovation, um somit dem normalen Verdrängungswettbewerb zu entkommen, denn mit „Business-as-usual“ gehört man heute kaum mehr zu den Gewinnern. Durch die Partnerschaft mit JCDecaux war und ist es EPI möglich, seinen Vertragspartnern komplette oder individuell zugeschnittene Konzepte und Lösungen für die Stadtmöblierung aus dem JCDecaux-Sortiment anzubieten. Die breite Produktpalette mit internationalem Know-how ist innovativ, multifunktional und wartungsfähig. Viele Stadtmöbel werden von international namhaften Architekten und Designern, etwa Sir Norman Foster, Phillip Starck, Jean-Michel Wilmotte oder Philip Cox, entworfen und entwickelt. JCDecauxs Forschung- und Entwicklungsteam verfügt über 110 eigene Ingenieure und Designer, die täglich die Funktionalität und das Design der Stadtmöbel verbessern. Da nun diese Produkte (z. B. Buswartehallen, automatische öffentliche Toilettenanlagen, Fahrradsysteme, Telefonkabinen, Internetsäulen, Parkbänke, etc.) qualitativ äußerst hochwertig sind, von den besten Designern der Welt entworfen werden und daher in der Herstellung sehr teuer sind, waren sie von vornherein für Märkte bestimmt, in denen man die Investition ob der hohen Werbepreise amortisieren konnte. Da allerdings die zu erzielenden Werbepreise in den MOE-Ländern deutlich unter jenen Westeuropas oder den USA lagen, musste ein neues Businessmodell über14
Vgl. Scheuss (2004).
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legt werden, das in der Dimension „hohe Qualität“ konkurrenzfähig blieb, in der Dimension „niedrige Kosten“ konkurrenzfähig wurde.
2.8 Outsourcing der Produktion Greifen wir die Überlegungen auf, die hinter der Entwicklung eines neuen Businessmodells stehen, kommen wir zur Beantwortung der eingangs dieses Kapitels gestellten dritten Frage: Was sollte am besten ausgegliedert werden, weil es keine strategische Toppriorität hat, keinen Wettbewerbsvorteil darstellt und besser und/oder billiger von einer Fremdfirma lokal erledigt werden kann? Wohl wissend, dass osteuropäische Städte mit Recht die selben Bedürfnisse und Ansprüche an einen Stadtmöblierer richten wie westeuropäische oder amerikanische, konnte man weder an der Funktionalität noch am Design und schon gar nicht an der Qualität sparen. Gespart werden musste vielmehr bei den Produktionskosten, am besten durch ein gezieltes Outsourcing. Der Begriff des Outsourcings (zu deutsch: Auslagerung) stammt aus der amerikanischen Formulierung „Outside Resource Using“. Er beinhaltet den Rückgriff auf außerhalb des Verantwortungsbereiches eines Unternehmens liegende Quellen und unterscheidet sich von der üblichen Auftragsvergabe dadurch, dass es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die vorher vom Unternehmen selbst intern erbracht worden sind.15 Outsourcing als längerfristiger Bezug externer Dienstleitungen im Partnerschaftsverhältnis lässt erkennen, dass es sich hierbei vor allem um die Optimierung von Unternehmensfunktionen und -prozessen handelt. Im beschriebenen Fall handelte es sich bei der Grundlage des Outsourcings allerdings nicht um die klassische Philosophie des Lean-Managements, indem die Produktion verschlankt werden sollte, um die Rationalisierung der Geschäftsprozesse oder die Reduzierung der Prozesskomplexität zu erreichen, sondern einzig und allein um dem Kostengedanken, dem schlichten Kostendruck, der durch die „Übersiedlung“ nach Osteuropa entstand, Rechnung zu tragen. Es handelt sich also um eine Weiterentwicklung der klassischen Managerentscheidung „Make or Buy“, der Frage nach Eigenerstellung oder Fremdbezug. Da also in Westeuropa produzierte Möbel zu teuer waren, machte man sich auf die Suche nach lokalen Lieferanten, die fähig und bereit waren, die auszulagernde Pro15
Vgl. Brütsch (2002).
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duktion zu übernehmen. Dieser Markt ist teilweise unübersichtlich und Leistungen und Preise intransparent, daher galt: nun prüfe, wer sich bindet. Es gab daher einen breiten Selektionsprozess zwischen den Lieferanten, die nicht nur die Kapazitäten, das Know-how und den Willen hatten zu produzieren, sondern deren Unternehmenskulturen auch mit derjenigen von JC Decaux, Affichage Holding und EPI überein stimmte.16 Den optimalen Lieferanten gefunden, produzierte dieser nach den Angaben, Patenten, Plänen und anfänglich unter der Aufsicht der französischen Ingenieure. Dies hatte den Vorteil, dass die Möbel genauso wie in Westeuropa aussahen, den selben Qualitätsstandard aufwiesen, jedoch durch die niedrigeren Löhne, die wegfallenden Zölle und Transportkosten zu einem wettbewerbsfähigen Preis angeboten werden konnten. Häufig wurde auch in Westeuropa gebrauchte Ware recycelt und als solche den Städten angeboten. Um dem häufig gesehenen Outsourcing-Fehlprozess, Idee – Euphorie – Umsetzung – Verwunderung – Desillusionierung – Einsicht – Rollback (Resourcing), entgegenzuwirken, war man sich den anspruchsvollen Gestaltungsaufgaben bewusst, und die französischen Ingenieure definierten bis ins kleinste Detail die Leistungsspezifikationen der zu produzierenden Güter. Die Verantwortlichkeiten zwischen den Partnern wurden minutiös festgelegt und selbstverständlich nicht zuletzt die Zielpreise.17 Somit konnte hier gezielt durch Outsourcing die Wettbewerbsfähigkeit im Kernbereich des Unternehmens aufrecht erhalten und gestärkt werden, indem die Kosten für die Produkte marktfähig gehalten werden konnten, die Qualität jedoch Firmenstandard entsprach. Outsourcing wurde also in diesem Fall nicht als Option angesehen, unwichtige Prozesse auszulagern, sondern als Möglichkeit, die Kernkompetenzen und Kernprozesse des Unternehmens zu verstärken und deren Wert zu optimieren.18 Zudem konnte für die Mütter ein „Leverage-Effekt“ erzielt werden, indem eine interessante Produktionsschiene auch für ihre Heimmärkte eröffnet werden konnte. Es war schließlich möglich, zukünftig einen Teil der westeuropäischen Heimmärkte mit in Osteuropa gefertigten Produkten zu beliefern. Somit profitierten erstmals auch die Mütter der ausgegründeten Unternehmung von deren lokalen Aktivitäten. Man hat demnach an der Kernkompetenz der Produkte (und Patente) festgehalten, aber um sie in diese Region Europas zu transferieren, nicht den einfachen Weg des Exports gewählt. Dies deshalb, weil der Export unweigerlich die Kernkompetenz als 16
Vgl. Bünemann (2005). Vgl. Asendorf (2005). 18 Vgl. Brütsch (2002). 17
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solche in Frage gestellt hätte, hätte er doch jegliches vernünftige Finanzierungsmodell verunmöglicht. Man entschied sich - trotz der Kernkompetenz - für ein partielles Outsourcing, indem man sich den geeigneten Partner vor Ort ausgesucht hatte und von ihm unter strenger Aufsicht und unter ebensolchen Auflagen produzieren ließ. Um die hohe Qualität der den Städten gelieferten Möblierung über Jahre beizubehalten, legen die Muttergesellschaften großen Wert auf professionelle und akribische Wartung – auch dies eine der weiteren Kernkompetenzen in den Heimmärkten. Mit eigenem, eigens dafür bereitgestelltem und geschultem Personal werden die Stadtmöbel jeder Stadt weltweit wöchentlich penibelst gereinigt und behalten somit über Jahre hinweg die geforderte Qualität. Darüber hinaus macht die Stadt einen wesentlich sauberen Eindruck und – nicht zuletzt – ist es auch für Werber wesentlich attraktiver, ob des besseren Images und der höheren Aufmerksamkeit an gereinigten, neu wirkenden Möbeln zu werben. EPI entschied sich, auch diese Kernkompetenz in seiner Region zu nutzen und ließ auch in diesem Fall die Wartungsgruppenführer aus den Heimmärkten der Mütter einfliegen, damit diese dem lokalen osteuropäischen Personal alle Tipps und Tricks vermitteln konnten, wie moderner Stadtmöblierung zu ihrem Glanz verholfen werden kann. Außerdem wurden immer wieder Wartungsseminare in den verschiedenen Ländern der Mutterfirmen organisiert, die vordergründig als Benchmark dienen sollten und als schöner Nebeneffekt als Incentivereise (Motivation) für die lokalen Wartungsleute genutzt wurden. Die Übertragung dieser Kernkompetenz war die einfachste der drei, da das Problem der personalintensiven Wartung in den Heimmärkten in der EPIRegion ob der vergleichsweise niedrigen Personalkosten kein Thema war. Nun waren die Kernkompetenzen übertragen, welche weiteren Aktivitäten wurden aber zusätzlich vor Ort angesiedelt? Neben der eben erwähnten Wartungsaktivität, hat man selbstverständlich lokal auch eine Verkaufsequipe geschaffen, die - mit konzeptioneller und referentieller Unterstützung der Mütter – den jeweiligen lokalen Agenturen- und Direktkundenmarkt bearbeitet haben. Darüber hinaus gibt es in jeder Landesgesellschaft eine Finanzorganisation, die für die Buchhaltung, das Controlling und das Reporting zuständig ist. Außerdem managt der lokale Geschäftsführer all diese Aktivitäten und fungiert als Bindeglied zwischen Lokalgesellschaft und Managementholding in Wien.
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3 Zusammenfassung und Ausblick Ausgründungen schaffen Shareholder Value. Eine Studie von Lehman Brothers zeigt, dass die Summen der einzelnen Sparten meist mehr wert sind als der ganze Konzern: Seit 1990 entwickelten sich die abgespalteten US-Unternehmen im ersten Jahr der Selbständigkeit um 13,3 Prozent besser als der Gesamtmarkt. Die Aktien der Mutterfirmen konnten den Index im selben Zeitraum der Ausgliederung sogar um 14,4 Prozent übertreffen. Europäische Firmen ließen die Konkurrenz um 27 Prozent hinter sich und die eigenständigen Töchter liefen nach Berechnungen von Morgan Stanley den Börsenwettbewerbern um 32 Prozent den Rang ab.19 1990 wagten die Muttergesellschaften der EPI mit dem Ziel der „Eroberung“ der zentral- und osteuropäischen Außenwerbemärkte den Sprung ins kalte Wasser. Man gründete eine eigenständige Gesellschaft aus, bestückte sie mit einigen wenigen Intrapreneuren und stattete sie mit genügend finanziellen Mitteln aus, um erfolgreich aus den Startlöchern zu kommen. Die Mütter sahen die Investition in diese neue Gesellschaft als mittel- bis langfristig an und verlangten von ihr nicht sofort knallharte Gewinne, sondern ließen sie schaffen und reifen. EPI nutzte die Zeit, um sich in den ins Auge gefassten Ländern zu etablieren und damit die Basis dafür zu legen, dass das Unternehmen heute der unumschränkte Marktführer der Branche in den MOE-Ländern nicht mehr aus der Werbelandschaft der Region wegzudenken ist. Der „First-Mover-Advantage“ und der Mut, diesen ersten Zug zu wagen, wurden belohnt. Heute ist es für die vielen internationalen Mitbewerber, die mit Argusaugen auf diese aufstrebenden Märkte blicken, ungemein schwierig und nur mit sehr viel Management- und Finanzaufwand möglich, dort Fuß zu fassen und die langjährige Partnerschaft EPIs mit den Städten zu brechen.
4 Literaturverzeichnis Affichage Holding (2005): Geschäftsbericht. Asendorf, S. (2005): "Outsourcing - was sind die Alternativen", Helbling Management Consulting.
19
Vgl. Zschäpitz, (2006).
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Brütsch, H. (2002): "Auslagerungen von Geschäftsprozessen und Informationen - Eine Analyse zu Kosten, Nutzen und Sicherheit von Auslagerungen im Internet", Diplomarbeit, Institut für Informatik Universität Zürich. Bünemann, F. (2005) : "Auslagerungen gehören auch in Deutschland bald zum Alltag", www.faz.net, 28.01.2005. Deutsches Institut für kleine und mittlere Unternehmen (DIKMU): Homepage: www.dikmu.de, 2006. Europlakat International WerbegesmbH (EPI): Homepage: www.europlakat.com, Wien, 2006. Hamel, G. (2000): "Intrapreneurship - Spinning off a new company", www.inc.com. JCDecaux (2005): Annual Report. Kucher, S. (2006): "Von der Strategie zur Struktur", www.simon-kucher.com. Rep, I. (2006): "Intrapreneurship - Persönlichkeitsmerkmale und andere erfolgskritische Voraussetzungen", www.curiosity-network.de. Scheuss, R. (2004): "Business Update!", Metropolitan, Regensburg. Simon, H. (2004): "Think!Strategische Unternehmensführung statt Kurzfrist-Denke", Frankfurt:Campus. Weissman, A./Gleißner, W (2003): "Kursbuch - Unternehmenserfolg", Gabal Management, Offenbach. Zschäpitz, H. (2006): "Börsianer honorieren Firmenabspaltungen", "Die Welt - Finanzen", 09.08.2006.
Die Herausgeber Prof. Dr. Harald Pechlaner Prof. Dr. Harald Pechlaner (geb. 1965 in Meran/ Südtirol) ist Inhaber des Stiftungslehrstuhls Tourismus und Leiter des Zentrums für Entrepreneursh!p an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Daneben ist er wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Regionalentwicklung und Standortmanagement der Europäischen Akademie Bozen (EURAC research). Er ist Verfasser zahlreicher Publikationen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Strategischen Management, Entrepreneurship sowie Destinations- und Standortmanagement. Er ist u. a. Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft (DGT e.V.). Email: [email protected] Em. o. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber Dr. rer. oec. (Universität Cà Foscari, Venedig), Dipl.-Ing. (Montanuniversität, Leoben). War von 1963 bis 1970 in leitenden Positionen in der italienischen Industrie tätig. Von 1970-1974 o.Univ.-Prof. und Vorstand des Instituts für Industriebetriebslehre der TU Graz, von 1974-2005 Vorstand des Instituts für Unternehmungsführung der Universität Innsbruck; seit 1992 Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Bocconi in Mailand und seit Jänner 2006 Vorstand des Instituts für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck. Er hat zahlreiche Publikationen auf den Gebieten der strategischen Unternehmensführung und des Führungsverhaltens verfasst. Kontakt: [email protected] Mag. Wolf von Holzschuher Wolf von Holzschuher, Mag.rer.soc.oec., verfügt über eine mehrjährige Berufserfahrung bei zwei führenden Unternehmen der Finanzbranche mit den Tätigkeitsfeldern „Structured Finance“ und „Investment-Banking“. Er promoviert bei Prof. Dr. H. Pechlaner und ist als externer wissenschaftlicher Mitarbeiter insbesondere am Aufbau des Zentrums für Entrepreneursh!p der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt beteiligt. Kontakt: [email protected]
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DIE HERAUSGEBER
Mag. Eva-Maria Hammann Eva-Maria Hammann, Mag.rer.soc.oec., absolvierte an der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck das Studium der Internationalen Wirtschaftswissenschaften. Während dieser Zeit verbrachte sie u. a. auch ein Auslandsjahr in den USA. Seit Februar 2004 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Stiftungslehrstuhl Tourismus sowie am Zentrum für Entrepreneursh!p der Katholischen Universität EichstättIngolstadt. Sie promoviert bei em. o. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber (Institut für Strategisches Management, Marketing & Tourismus) zum Thema „Dezentrales Leadership“. Ihre Forschungsinteressen sind Strategisches Management, Leadership sowie (Corporate) Entrepreneurship. Kontakt: [email protected]
Die Autoren Prof. Dr. Michael Auer Prof. Dr. Michael Auer begann seine berufliche Laufbahn nach seinem Studium der Elektrotechnik (Uni Stuttgart) als Entwicklungsingenieur im Bereich der Lasertechnik. Seit 1990 ist er in unterschiedlichen Funktionen im Wissens- und Technologietransfer für die Steinbeis-Stiftung tätig. Nach dem nebenberuflichen Studium des Wirtschaftsingenieurwesens (Süddeutsche Hochschule für Berufstätige Lahr) und Promotion (Universität Karlsruhe, wirtschaftwissenschaftliche Fakultät) erhielt er 2002 zusätzlich eine Professur an der Hochschule der Steinbeis-Stiftung. Dipl.-Kffr. Franka Birke Dipl.-Kffr. Franka Birke ist seit Oktober 2004 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement an der Technischen Universität in Berlin beschäftigt. Zuvor studierte sie Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Entrepreneurship/Innovationsmanagement an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Forschungs- und Interessenschwerpunkte liegen in den Bereichen Gründungsforschung und Kompetenzmessung. Sie leitet das Projekt Venture Campus, das technologische Unternehmensgründungen aus der Universität heraus unterstützt. Dipl.-Kfm/-Vw. Thomas Doppelberger Thomas Doppelberger ist seit 1998 bei der Fraunhofer-Gesellschaft. Er ist seit Gründung der Venture-Gruppe im Jahre 1999 für diese tätig und leitet sie seit Sommer 2000. Die Fraunhofer-Venture-Gruppe ist zuständig für den Bereich Ausgründungen und Technologietransfer der 58 Fraunhofer-Institute. Thomas Doppelberger hat Betriebs- und Volkswirtschaft an der Universität Augsburg studiert und erste Praxiserfahrung in den Bereichen betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Controlling in der Industrie gesammelt. Prof. Dr. Jörg Freiling Univ.-Prof. Dr. Jörg Freiling (geb. 1964 in Bückeburg, Studium, Promotion und Habilitation an der Ruhr-Universität Bochum) ist Inhaber des Lehrstuhls für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship im Fachbereich 7 der Universität Bremen.
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DIE AUTOREN
Gast- und Vertragsprofessuren hatte Professor Freiling an der Freien Universität Bozen (2000-2002), an der Staatsuniversität St. Petersburg (2002) sowie an der Universität Innsbruck (2001) inne, Lehrstuhlvertretungen, Lehraufträge und Gastdozenturen nahm er an der Universität Paderborn, an der Universität Kaiserslautern, an der FH Bochum sowie an der FH Kufstein wahr. Er ist Vorsitzender des Masterprogramms „Business Studies“ der Universität Bremen. Themenschwerpunkte: KernkompetenzManagement, Entrepreneurship & Gründungsmanagement, KMU-Management, Strategisches Management, Dienstleistungs-Management und Change Management. Prof. Dr. Hans Georg Gemünden Prof. Dr. Hans Georg Gemünden leitet den Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement an der Technischen Universität in Berlin. Seine Forschungsgebiete umfassen interorganisationale Innovationsprobleme, Promotoren und Teams, Projektmanagement, Prozessinnovationen, Unternehmensgründungen und radikale Innovationen. Vor seiner Tätigkeit in Berlin war Prof. Dr. Hans Georg Gemünden Leiter des Instituts für Angewandte Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung der Universität Karlsruhe. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und Psychologie in Saarbrücken (Abschluss: Diplomkaufmann) und promovierte dort zum Dr. rer. oec. über das Thema „Innovationsmarketing“. In Kiel habilitierte er sich mit einer Arbeit über „Informationsverhalten und Effizienz“. Er publizierte mehrere Bücher und zahlreiche Artikel auf den Gebieten Technologie- und Innovationsmanagement, Unternehmensführung, Organisation, Marketing, Personal und Rechnungswesen. Dr. Rainer Harms Dr. Rainer Harms studierte Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. Dort promovierte er im Jahre 2003 am Institut für Unternehmensgründung und –entwicklung im Fach Betriebswirtschaftslehre. Seit Ende 2003 ist Rainer Harms als Universitätsassistent an der Universität Klagenfurt, Abteilung für Innovationsmanagement und Unternehmensgründung beschäftigt und arbeitet dort an seiner Habilitation. Rainer Harms hat als Gastdozent an der TU Berlin, der Universität Dortmund und der ICN Nancy unterrichtet. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Schnittstelle von Innovation und Organisation, das Management von Wachstumsunternehmen sowie Gründungsmanagement.
VERZEICHNIS
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Dott. Hubert M. Hofer Hubert M. Hofer startete seine berufliche Karriere im Jahre 1977 bei den Unternehmen Volke und Eckard und arbeitete anschließend von 1982 bis 1987 bei der Thurner Hofer und Hofer GmbH, ebenfalls mit Sitz in Deutschland, als technischer Designer im Bereich Fahrzeugbau. Gleichzeitig studierte Herr Hofer Betriebswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck und beendete sein Studium im Jahre 1987. Nach seinem Studienabschluss war er – von 1987 bis 1989 – als CAD-Designer und im Controlling für die Hofer Ingenieurtechnik GmbH/München tätig. Anschließend startete Hubert Hofer seine unternehmerische Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer. Ab 1994 – 1996 war Hofer Unternehmenssanierer mit der Meta GmbH München. Seit 1996 ist Herr Hofer Direktor des TIS – Techno Innovation South Tyrol – Bozen/Italien. Dr. jur. Joachim A. Kappel Dr.jur. (Universität Innsbruck), Master of Laws LLM (University of Michigan, Ann Arbour/USA), geb. 1960. War nach juristischer Praxis am Landesgericht Innsbruck und in einer Anwaltskanzlei in München beim US-amerikanischen Konzern Procter & Gamble im Bereich Marketing zunächst in Wien und dann in Athen tätig. Seit 1991 bei Egon Zehnder International (und seit 1996 als Partner) war er unter anderem für den Aufbau der Büros Wien und Athen verantwortlich; parallel hatte bzw. hat er Sonderaufgaben für Budapest, Moskau und Prag/Preßburg inne, legt einen starken Fokus auf die Entwicklung der Aktivitäten in Südosteuropa und konzentriert sich jetzt – neben der operativen Klientenbetreuung in Österreich - auf Rumänien. Andere Funktionen sind unter anderem: Mitglied des Wissenschaftsrates der Republik Österreich, regelmäßiger Lektor am Institut für Unternehmensführung der Universität Innsbruck sowie Stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Österreichischen Nationalbibliothek. ([email protected]) Dipl.-Kfm. Peter Kreutter Peter Kreutter, CFA (37) ist Mitglied des Institute for Industrial Organization der WHU - Otto Beisheim School of Management in Vallendar. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der langfristigen Entwicklung von Industrien und strategischer Handlungsoptionen für Technologieunternehmen in diesem Kontext. Nach Banklehre
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sowie Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universtität Nürnberg und Politik am Trinity College Dublin war er mehrere Jahre u.a. für die Deutsche Bank im Bereich Corporates and Real Estate sowie Sal. Oppenheim jr. & Cie. im Bereich Investmentbanking tätig. Mag. Christian Mathes Christian Mathes absolvierte das Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Personal- und Unternehmensführung sowie Marketing an der LeopoldFranzens-Universität in Innsbruck. Zusätzlich absolvierte er dort den Hochschullehrgang Exportkaufmann. Seine berufliche Karriere startete er als Stützpunktleiter eines Zeitungsverlages (Mediaprint), ehe er 1990 in den neuen Bundesländern als Sanierungsberater tätig wurde. Sein nächster Schritt war die Gründung und der Aufbau eines eigenen Beratungsunternehmens, das er mit Partnern bis 1996 führte. Anschließend arbeitete Christian Mathes in einem produzierenden Textilunternehmen, wo er für den Aufbau der Marketingund Vertriebsabteilung verantwortlich war. Anschließend übernahm er als Interimsgeschäftsführer die Agenden in einem Handelshaus in Salzburg. Im Dezember 1999 nahm er seine Tätigkeit bei der Innovation & Venture Partners GmbH als VC-Catalyst in Berlin und München auf. Im Juli 2002 kehrte Christian Mathes als Geschäftsführer der neu gegründeten CAST Gründungszentrum GmbH (Center for Academic Spin-offs Tyrol) nach Innsbruck zurück. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des CAST, das er bis heute leitet, war er auch als Interimsgeschäftsführer des Technologietransferunternehmens der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, dem TransIT Entwicklungs- und Transfercenters GmbH, in den Jahren 2004 und 2005 verantwortlich. Dr. Jürg Meier Zur Zeit ist Jürg Meier, Dr. sc.techn. ETH, in einigen Aufsichtsräten von Neugründungen vertreten und betreut als Forschungsrat des Schweizerischen Nationalfonds einige Projekte der nationalen Forschungsschwerpunkte. Von 1998 – 2006 leitete er als Geschäftsführer den Novatis Venture Fund. Dabei wurden mit CHF 175 Mio. plus USD 100 Mio. über 120 Firmengründungen (Ausgründungen von Novartis AG und universitäre Neugründungen in den Life Sciences) weltweit ermöglicht. Zuvor war Jürg Meier über 25 Jahre in der Pharma Forschung und biotechnologischen Entwicklung tätig und dabei mit verschiedenen internationalen Managementaufgaben betraut:
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Leitung des Pharmageschäftes der ehemaligen SANDOZ AG in Japan, Leiter der weltweiten Forschung und Entwicklung von SANDOZ Pharma AG, Forschungsleiter von SANDOZ Pharma AG in den USA, Forschungsleiter des Biotechnologieunternehmens BIOCHEMIE Ges.m.b.H in Tirol. Mag. Johann Pacher Johann Pacher (geboren 1975 in Villach, Österreich) studierte Internationale Wirtschaftswissenschaften an der Universität Innsbruck sowie an der Stirling University, Schottland. Nach dem Studium begann er seine Beschäftigung bei der SEZ AG als Liquidator einer Betriebstätte in Deutschland. Nach Abschluss dieses Projektes folgte der Wechsel nach Asien. Dort ist er seither verantwortlich für das Controlling der Geschäftseinheit „Asia“, die Standorte in Singapur, China, Korea, Taiwan und Malaysien unterhält. Als Mitglied der European Chamber of Commerce in Taiwan (ECCT) engagiert er sich für die Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Taiwan und Europa. Dott. Thomas Rainer Thomas Rainer, Dott./ Mag.rer.soc.oec., geb. am 29.11.1971 in Zürich, Studium der Betriebswirtschaftslehre in Venedig und Innsbruck. Zunächst Unternehmensberater bei der französischen Managementberatung „Bossard Consultants“ (später „Cap Gemini“), 1998 bis 2002 Gründungspartner und Geschäftsführer der Managementberatungsgesellschaft „Lexington Consulting“, verantwortlich für Projekte in Italien, Deutschland und Österreich. Zwischen 1999 und 2003 auch Gründungspartner der Personal- und Firmenberatungsgesellschaft „Business Pool International GmbH“. Seit 2002 Generaldirektor der „Europlakat International WerbegesmbH“ in Wien, seit 2005 Vizepräsident des Weltverbandes der Außenwerbung, FEPE International. Dipl.-Wi.-Ing. Felix Riesenhuber Felix Riesenhuber studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe (TH) und Biotechnologie und Mikrobiologie an der University of Massachusetts. 2003 beendete er sein Studium in Karlsruhe mit Auszeichnung. Seitdem ist er Assistent am Lehrstuhl für Gründungs- und Innovationsmanagement und Mitglied des Graduiertenkollegs „Betriebswirtschaftliche Aspekte lose gekoppelter Systeme und Electronic Bu-
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siness“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. In seiner Promotion beschäftigt er sich Erfolgsfaktoren akademischer Spin-offs. Dipl.-Kfm. Albert H. Savelberg Albert H. Savelberg (42) ist Managing Partner von SSC Consult. Dort verantwortet er den Geschäftsbereich Corporate Finance/M&A. Bis 2002 war er als Bereichsleiter und Direktor/Senior Vice President im Investment Banking von Sal. Oppenheim jr. & Cie. tätig. Als Vorstand eines internationalen Technologieunternehmens hat er zuvor u.a. den Bereich Corporate Development verantwortet. Herr Savelberg ist DiplomKaufmann und studierte nach einer Banklehre Wirtschaftswissenschaften in Aachen und Fribourg/Schweiz. Dr. Kirstin Schmidt (geb. 1974), war nach der Ausbildung zur Sparkassenkauffrau in der Stadtsparkasse Hannover und nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover dort vier Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Unternehmensführung und Organisation, von Professor Dr. Claus Steinle. Sie promovierte dort zum Themenfeld „Unternehmungsvitalisierung durch Ausgründungsmanagement“. Seit 2000 ist sie als Mentorin der Bankakademie Frankfurt e.V. tätig und seit 2005 Mitarbeiterin der LBS Nord im Risikocontrolling. Sie betreut dort das Adressenausfallrisiko vor dem Hintergrund aufsichtsrechtlicher und ökonomischer/ betriebswirtschaftlicher Anforderungen. Dipl.-Betriebswirt/MBA Tobias Schwind Tobias Schwind ist seit Juni 2001 bei der Fraunhofer-Venture-Gruppe als InvestmentManager tätig. Zuvor unterstützte er Wachstumsunternehmen bei der Vorbereitung für den Börsengang und Venture Capital Finanzierungen bei einer auf Corporate Finance spezialisierten Beratungsgesellschaft. Während seiner beruflichen Tätigkeit sammelte er mehrer Jahre Erfahrung in den Bereichen Business Development und Beteiligungsmanagement in westeuropäischen Ländern bei der Drescher GmbH. Tobias Schwind absolvierte sein MBA Studium in Paris und studierte Betriebswirtschaft an der Berufsakademie Stuttgart.
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Prof. Dr. Erich J. Schwarz Univ.-Prof. Dr. Erich J. Schwarz absolvierte an der Montanuniversität Leoben das Studium des Gesteinshüttenwesens. Von 1991 bis 1999 war er Univ.-Ass. bzw. a.o. Univ.-Prof. am Institut für Innovationsmanagement an der Universität Graz. Nach der Promotion im Fach Wirtschaftsingenieurwesen im Jahr 1994 erfolgte 1998 die Habilitation für das Fach Betriebswirtschaftslehre. Seit Juni 1999 ist er Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Innovationsmanagement und Unternehmensgründung, an der Universität Klagenfurt. In den letzten Jahren war er Gastprofessor an den Universitäten Essen, Leoben, Graz und am Internationalen Hochschulinstitut in Zittau sowie mehrfach Gastdozent an der Universität Maribor. Die Entwicklung und Führung junger, innovativer KMU sowie das Management von Innovationen bilden seinen wissenschaftlichen Interessensschwerpunkt. Prof. Dr. Claus Steinle Geboren 1946, Diplom-Volkswirt an der Universität Freiburg, wurde 1974 bei Jürgen Wild promoviert. Von 1977-1986 Tätigkeit als Hochschulassistent und Habilitation an der Technischen Universität Berlin. Im Jahre 1986 erfolgte die Berufung auf die Professur „Unternehmensführung und Organisation“ an der Leibniz Universität Hannover, wo er heute Direktor des Instituts für Unternehmensführung und Organisation ist. Seine Hauptarbeitsgebiete liegen auf den Gebieten Ganzheitliches Management, Planung, Kontrolle und Controlling, Organisation und Projektmanagement, Personalführung sowie Change-Management. Bisher veröffentlichte er zu den genannten Themenfeldern 17 Bücher und über 130 Buch- und Zeitschriftenbeiträge. 1992-1994 führte er eine Panel-Studie zu den Faktoren wirtschaftlichen Erfolgs, seit 1994 empirische Untersuchungen zur Ökologieorientierung von Unternehmungen durch. 1999 Projektstudie „Ökologieorientiertes Anreiz- und Entwicklungsmanagement in Produktionsunternehmungen“, seit 2000 „Technologieorientierte Unternehmungsgründungen“, ab 2004 „Entwicklung junger Unternehmungen“ (Panelstudie). RA Stefan Ulrich Stefan Ulrich ist Unternehmensberater im netzwerk|nordbayern und leitet den Bereich Hochschulkontakte sowie das Projekt Technologie-Scouting an der Universität Erlangen-Nürnberg und am Universitätsklinikum Erlangen. Das netzwerk|nordbayern unter-
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stützt insbesondere technologieorientierte kleinere mittelständische Unternehmen und Unternehmensgründer bei der Unternehmensplanung und -finanzierung. Ein Schwerpunkt ist der Hochschulbereich, in dem intensiv mit Wissenschaftlern zusammen Geschäftskonzepte entwickelt werden. Er studierte Rechtswissenschaften in Köln und Clermont-Ferrand, Frankreich, (19921997) und legte sein 2. Juristisches Staatsexamen in Bayern (1999) ab. Nach Tätigkeiten als Unternehmensberater übernahm er 2001 den Hochschulbereich im netzwerk|nordbayern. Stefan Ulrich hat einen Lehrauftrag an der Universität Würzburg zum Thema „Wirtschaftliche Verwertung von Innovationen“ sowie einen an der Fachhochschule Nürnberg zum Thema „Technologieorientierte Unternehmensgründung“ und ist Referent im Fortbildungsprogramm zum „Rating-Analyst“ am GSO Management-Institut der Fachhochschule Nürnberg. Prof. Dr. Achim Walter Prof. Dr. Achim Walter begann seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung zum Industriekaufmann, ehe er an der Universität Karlsruhe (TH) ein Studium zum Wirtschaftsingenieur aufnahm. Im Anschluss war er zwei Jahre als Unternehmensberater im Bereich der Innovationsförderung tätig. Im Sommer 1997 erfolgte die Promotion an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Karlsruhe (TH). Im Februar 2002 habilitierte er sich mit dem Thema "Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft" an der Fakultät für Wirtschaft und Management der Technischen Universität Berlin. Im Sommer 2002 führte ihn eine Gastprofessur an die Copenhagen Business School. Seit März 2003 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Gründungs- und Innovationsmanagement der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Prof. Dr. Jürgen Weigand Jürgen Weigand (42) ist seit 2000 Lehrstuhlinhaber am Institute for Industrial Organization der WHU - Otto Beisheim School of Management in Vallendar. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Wettbewerbsstrategie (Markteintrittsstrategie und strategische Positionierung von Unternehmen). In diesem Bereich sowie zu Fragen der Corporate Governance, Fusionskontrolle und Regulierung berät er seit langen Jahren namhafte nationale und internationale Unternehmen. Nach Promotion und Ha-
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bilitation an der Universtität Nürnberg war er von 1999-2000 Senior Researcher für das CFB Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis, Competition and Regulation Unit, Den Haag tätig, für das er heute noch als Berater aktiv ist. Dipl.-Kfm./-Vw. Friedemann Wolf Friedemann Wolf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel mit Aufenthalten an Universitäten in den USA und Spanien. Während des Studiums war er am Lehrstuhl für Gründungs- und Innovationsmanagement angestellt. In seiner Diplomarbeit befasste er sich mit Erfolgsfaktoren technologieorientierter Unternehmen.