Unternehmensreputation und Kaufverhalten : methodische Aspekte komplexer Strukturmodelle
 9783835004726, 3835004727 [PDF]

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Zitiervorschau

Markus Eberl

Unternehmensreputation und Kaufverhalten

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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ~iber abrufbar.

Dissertation Universit~it M~inchen, 2006

1. Auflage September 2006 Alle Rechte vorbehalten 9 Deutscher Universit~its-Verlag I GWV Fachverlage GmbH,Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Stefanie Brich Der Deutsche Universit~its-Verlag ist ein Unternehmenvon Springer Science+Business Media. www.duv.de ~~ ~. ~

Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich gesch~itzt. Jede Verwertung aul3erhalb der engen Grenzendes Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.gs unzul~issig und strafbar. Das gilt insbesondere f~ir Vervielffiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen,Warenbezeichnungenusw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w~iren und daher von jedermann benutzt werden d~irften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Schel~litz Gedruckt auf s~iurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0472-7 ISBN-13 978-3-8350-0472-6

Geleitwort Betrachtet man die Ergebnisse einschl~giger Fehrungskr~ftebefragungen

(vorneh-

mend in den USA), die eine hohe Unternehmensreputation zu den zentralen strategischen Erfolgsfaktoren z~hlen, so I~sst sich ableiten, dass die Pflege immaterieller Firmenwerte in der Praxis der Unternehmensfehrung zunehmend an Stellenwert gewinnt. Dieser Trend spiegelt sich auch im Bereich der wissenschaftlichen Gemeinde wider, wie sich an einer zunehmenden Zahl diesbezOglicher Publikationen in referierten und nicht-referierten Journalen zeigt. Beim Sichten der (popular-) wissenschaftlichen Literatur wird deutlich, dass zwar in nahezu jeder Arbeit zum Thema Unternehmensreputation deren positive Effekte hervorgehoben werden, dass jedoch nur wenige Akteure versucht haben diese Effekte zu quantifizieren oder zumindest mit Hilfe empirischer Untersuchungen deren grunds~tzliche Existenz nachzuweisen. Die vorliegende Arbeit behandelt eine besonders interessante Fragestellung, indem sie die Auswirkungen der Unternehmensreputation auf Kaufentscheidungen von Konsumenten untersucht. Markus Eberl versteht in seiner Arbeit Reputation als zweidimensionales Konstrukt, das als Informationssurrogat in Kaufentscheidungen von Konsumenten wirken soil. Diese zwei Dimensionen der Reputation k0nnen seinem hypothetischen Modell zufolge direkt auf die Einstellung zum Produkt wirken und damit die Kaufabsicht beeinflussen. Unter Zuhilfenahme einschl~giger Theorien wird jedoch auch begrendet, dass mit der Identifikation (verstanden als wahrgenommene 0bereinstimmung des Selbstbildnisses der Person mit dem Gesamtbild des Unternehmens), dem ProduktUnternehmens-Fit, und der Wahrnehmung der Produktattribute m0glicherweise relevante mediierende Variablen vorliegen. Bei n~herer Betrachtung der Literatur zum Thema I~sst sich ferner vermuten, dass Reputation nicht unter allen Rahmenbedingungen identische Wirkungen ausl0st. Herr Eberl fehrt deswegen die Verf0gbarkeit von Produktattributen, das Produktwissen, und das Produktinvolvement als Moderatorvariablen in sein Modell ein. Im Unterschied zu bestehender Literatur berecksichtigt er das Involvement hierbei als kontinuierliche Variable, da in realen Anwendungen nicht davon auszugehen ist, dass die beiden Extrema ,,hohes" bzw. ,,niedriges" Involvement vorliegen. In methodischer Hinsicht setzt sich die Arbeit mit der Frage auseinander, welche 0ber Plausibilit~tseberlegungen hinausgehenden - Hinweise der Forscher auf die richtige Spezifikationsform for latente Variablen erhalten kann. Der Autor schliel~t

VI

Geleitwort

sich dabei nicht kritiklos den Auffassungen Rossiters an, sondern bringt in diesen, in jengster Zeit viel beachteten Bereich des Scale-Development eigene Ideen ein. Um die Forschungshypothesen zu eberprefen, entwickelt Herr Eberl ein 2x2 Reversed-Treatment-Experimentaldesign mit Pre- und Posttest. Die empirische 0berprefung erfolgt mittels wahlbasierter Conjoint-Verfahren und PLS-Pfadmodellierung. AIs Kernergebnis wird gezeigt, dass Reputation Einfluss auf die Einstellung zum Produkt ausebt und auch die Preisbereitschaft positiv beeinflusst. Das trifft sowohl for die kognitive als auch for affektive Dimension des Reputationskonstruktes zu, wobei die affektive Beurteilung in ihrer Bedeutung stark vom Vorliegen weiterer Informationen (wie zum Beispiel Produktwissen oder konkreten Produktinformationen) abh~ngt. Der Autor kann nicht nur zeigen, dass Unternehmen mit hoher Reputation ein Preispremium auf ihre Produkte verlangen k0nnen, er kann Ober sein Modell auch detailliert erkl,~ren, wie dieses Preispremium zustande kommt. Er folgert aus seiner Analyse, dass sich Reputation als attribut&hnliche Information in die Gesamtheit der beim Individuum bereits vorliegenden Informationen einbetten I~sst. Sie steht somit dem Individuum als Schlesselinformation in der Evaluationsentscheidung zur Verfegung und dient als Informationssurrogat bei Kaufentscheidungen. Markus Eberl hat mit dieser Arbeit ein beeindruckendes Werk zur empirischen Forschung im Managementbereich vorgelegt. Neben den methodischen Erweiterungen im Bereich der Strukturgleichungsanalyse werden in der Arbeit jedoch auch inhaltlich bedeutsame Implikationen for das Stakeholder-Management in Unternehmen abgeleitet. Ich wensche der Arbeit, dass sie zahlreiche Leser in Wissenschaft und Praxis findet, neue Diskussionen anst01~t und weitere Forschungsarbeiten nach sich zieht.

Prof. Dr. Manfred Schwaiger

VII

Vorwort Die empirische Marketingforschung sieht sich derzeit einem Bewusstwerdungsprozess gegeneber, dem ZOge eines Paradigmenwechsels anhaften. Dies betrifft inhaltliche wie auch methodische Aspekte. Seit ihrer Einfehrung in die Marketingforschung haben sich Strukturgleichungsmodelle als ~ul~erst leistungsf~hige Verfahrensklasse erwiesen. Sie erm0glichen es, Zusammenh~nge zwischen Variablen zu untersuchen, die unbeobachtbar (latent) sind, weil sie sich einer direkten Beobachtung von aul~en entziehen (wie beispielsweise Einstellungen)- eine Eigenschaft, die insbesondere auf Untersuchungsgegenst~nde des Marketing zutrifft. Um die latenten Variablen messbar zu machen, ist eine Operationalisierung mittels Indikatoren n0tig. In den letzten Jahren wurde hierbei meist eine reflektive Spezifikation angewendet, bei der die Indikatoren als kausale Folgen des Konstrukts behandelt werden. Bei n~herer inhaltlicher Betrachtung dieser Konstrukte ist dies jedoch nicht immer zu rechtfertigen -

eine formative Spezifikation ist oftmals sinnvoller. Erst in jengerer Vergangenheit hat hier der angesprochene Bewusstwerdungsprozess eingesetzt. Von besonderer Bedeutung ist dies deshalb, weil damit auch die Anwendung des kovarianzbasierten

Ansatzes der Kausalanalyse nicht mehr immer m0glich ist. In methodischer Hinsicht ergibt sich damit die Frage, wie eberhaupt zwischen reflektiver und formativer Spezifikation der Konstrukte entschieden werden kann. Diese Arbeit soil einen Beitrag zur derzeitigen Auseinandersetzung in der Literatur zu diesem Thema leisten, indem sie eine strukturierte Entscheidungshilfe entwickelt, um die inhaltliche Entscheidung statistisch zu unterstetzen. Die Marketingforschung ver~ndert sich allerdings auch in inhaltlicher Sicht. Zunehmend werden immaterielle Verm0gensgegenst~nde einer Quantifizierung unterworfen. Hier stellt die Reputation eines Unternehmens eine der interessantesten Gr01~en dar. Die Literatur 0ber das Ansehen von Unternehmen fOhrt eine Vielzahl positiver Auswirkungen guter Reputation an: Hohes Ansehen erleichtere die Akquisition und Bindung f~higer Mitarbeiter, st~rke das Vertrauen der Kunden, sorge sogar for niedrigere Beschaffungspreise und generelle Vorteile in Verhandlungen. Insbesondere im Bereich der Wirkungen auf private Endkunden kommen diese Aussagen eber Postulate aber nicht hinaus. Die vorliegende Arbeit versucht diese LOcke in theoretischer und empirischer Hinsicht zu schliel~en. Hierzu werden die Wirkungen von Reputation in eine umfassende Theorie des Konsumentenverhaltens eingebettet und Hypothesen eber die Wirkung positiver Reputation auf die Zahlungsbereitschaft sowie die

VIII

Vorwort

Einstellung zu den Produkten des Unternehmens hergeleitet. Im Anschluss wird ein Experimentaldesign entwickelt und einer empirischen 0berprefung zugefehrt, welches dieses Preispremium mittels wahlbasierter Conjoint-Analyse quantifiziert. Weiterhin werden Einflussgr06en identifiziert, welche die Beziehung der Reputation auf die Produkteinstellung vermitteln bzw. in Richtung und Ausma6 determinieren (Mediatoren bzw. Moderatoren). Diese werden im Rahmen eines PLS-Strukturgleichungsmodells nachgewiesen. Die Arbeit entstand w~hrend meiner T~tigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut for Marktorientierte Unternehmensfehrung (IMM) der Ludwig-MaximiliansUniversit~t Menchen und wurde im Sommersemester 2006 vom Promotionsausschuss der Fakult~t for Betriebswirtschaft als Dissertation angenommen. Ich m0chte an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei all denjenigen zu bedanken, die mich bei dieser Arbeit unterstetzt haben. An erster Stelle gilt mein Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Manfred Schwaiger. Seine stetig unterstetzende und f0rdernde Haltung vermittelten mir die Neugier auf ein interessantes Themenfeld; die Diskussionen mit ihm waren eine wichtige Stetze dieser Arbeit und ermutigten mich, das Thema in methodischer und inhaltlicher Hinsicht weiter zu verfolgen. Herrn Prof. Dietmar Harhoff, Ph.D. m0chte ich for die 0bernahme des Zweitgutachtens und das entgegengebrachte Interesse an der Arbeit danken. Daneben gilt mein Dank allen Kollegen am IMM for die gute Zusammenarbeit und stete Diskussionsbereitschaft. Hierbei danke ich insbesondere Frau Gabriela Latinjak, die nicht nur eine kompetente Kritikerin des Manuskripts war, sondern durch ihre stets freundliche Unterstetzung mir 0ber manche Zweifel w~ihrend der Bearbeitungszeit hinweggeholfen hat. Auch allen Hilfskr~ften am Institut m0chte ich for die Formatierungsarbeiten an zahllosen Abbildungen danken. Mein gr0&ter Dank gebehrt allerdings meiner Familie und meinen Freunden, ohne die diese Arbeit nicht entstanden w~re. Ihr Verst~ndnis und ihr Reckhalt bilden die Basis dieser Arbeit. Herausheben m0chte ich hier insbesondere meine Eltern, Hildegard und Walter Eberl, meine Schwester Melanie, sowie meinen Freund, Stefan Heckmaier. Meinen Eltern, denen ich meine Ausbildung zu verdanken habe und die mir in jeder Hinsicht die Kraft for diese Arbeit gegeben haben, m6chte ich diese Arbeit widmen. Markus Eberl

IX

InhaltsQbersicht 1

Motivation ........................................................................................................... 1

2

Reputation als unternehmerische Zielgr~l~e .................................................. 7

3

Die Relevanz von Unternehmensreputation for unternehmerisches Handeln ............................................................................................................ 21

4

Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte fQr die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse ............................................................................ 73

5

Ein Untersuchungsdesign for die Kundenwirkung von U nternehmensreputation .............................................................................. 113

6

Ergebnisse der empirischen Untersuchung ............................................... 155

7

Implikationen und Ausblick .......................................................................... 193

Anhang ....................................................................................................................

199

Literaturverzeichnis ............................................................................................... 233

Xl

Inhaltsverzeichnis 1

Motivation ...........................................................................................................1

2

Reputation als unternehmerische Zielgr61~e .................................................. 7 2.1

Shareholder-Value oder Stakeholder-Value? Zur zunehmenden Bedeutung eines Reputationsmanagements .....................................................................7

2.2

Definitionen und Begriffsbestimmung ..............................................................9

2.2.1

Konzeptualisierung von Reputation ........................................................ 10

2.2.2 Reputation und Image ............................................................................. 11 2.3

Messkonzepte ...............................................................................................12

2.3.1

Fortune's Most Admired Companies (AMAC/GMAC) ............................. 12

2.3.2 Reputation Quotient (RQ) ....................................................................... 13 2.3.3 Weitere praxisorientierte Messinstrumente ............................................. 14 2.3.4 Eine mehrdimensionale Betrachtungsweise ........................................... 15 2.4

3

Determinanten der Unternehmensreputation: F_in F_rkl~rungsmodell ............ 15

Die Relevanz von Unternehmensreputation f~ir unternehmerisches Handeln ............................................................................................................

21

3.1

Der Zusammenhang yon Reputation und unternehmerischen Zielgr~lSen ... 21

3.2

Reputation als Ressource des Unternehmens .............................................. 22

3.3

Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Unternehmensreputation fQr finale Zielgruppen .....................................................................................24

3.3.1

Stand der Forschung zur Kundenverhaltenswirkung der Unternehmensreputation ........................................................................ 25

3.3.2 Kaufverhalten von Endkonsumenten - ein theoretischer Bezugsrahmen ....................................................................................................28 3.3.2.1 Zug~nge zum Individuum: Beobachten vs. Verstehen ..................... 28 3.3.2.2 Konstituierende Merkmale des Kaufentscheidungsprozesses ......... 29 3.3.2.3 Entscheidungstypen und Vereinfachungen ...................................... 31 3.3.2.4 Alternativenauswahl .........................................................................33 3.3.2.5 Die Bedeutung der Einstellung ......................................................... 36 3.3.3 Unternehmensreputation in Kaufentscheidungsprozessen .................... 40

Xll

Inhaltsverzeichnis

3.3.3.1 Zu bestehenden Ans~itzen von Unternehmensreputation als Signal fi~r Produktqualit~t ............................................................................ 40 3.3.3.2 Unternehmensreputation als Informationssurrogat bei Kaufentscheidungen ......................................................................... 43 3.3.3.3 Intervenierende (mediierende) Variablen bei der Kaufentscheidung ............................................................................. 52 3.3.3.4 Determinanten der Einflussst~irke der untersuchten Zusammenh~inge (moderierende Variablen) .................................... 59 3.3.4 Nachgelagerte Effekte von Reputation ................................................... 68 3.3.5 Zusammenfassung: Ein Strukturmodell der Wirkung von Unternehmensreputation im Kaufentscheidungsprozess ....................... 70

Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte fLir die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse ............................................................................ 73 4.1

Arten der Spezifikation yon Konstrukten ....................................................... 73

4.1.1

Reflektive Spezifikation ........................................................................... 74

4.1.2 Formative Spezifikation ........................................................................... 76 4.2

Formative und reflektive Spezifikation im Operationalisierungsprozess ....... 80

4.3

Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse ............................................................................ 82

4.3.1

Kovarianzstrukturanalyse (CBSEM) ....................................................... 83

4.3.1.1 Grundlegende Charakteristika und formale Bestandteile ................. 83 4.3.1.2 Mbglichkeiten und Grenzen des Verfahrens fiJr unterschiedliche Konstruktspezifikationen ................................................................... 84 4.3.1.3 G(Jtebeurteilung ................................................................................. 86 4.3.2 Partial Least Squares (PLS-Pfadmodellierung) ...................................... 87 4.3.2.1 Grundlegende Charakteristika eines PLS-Modells ........................... 88 4.3.2.2 Formale Bestandteile ........................................................................ 89 4.3.2.3 Das PLS-Iterationsverfahren ............................................................ 89 4.3.2.4 G0tebeurteilung ................................................................................ 92 4.3.2.5 Mbglichkeiten und Grenzen des Verfahrens f0r unterschiedliche Konstruktspezifikationen ................................................................... 95 4.4

Validierung reflektiv und formativ spezifizierter Konstrukte ........................... 96

4.5

Weitere Auswirkungen von Fehlspezifikationen ............................................ 98

X lll

Inhaltsveczeichnis

4.5.1 Auswirkung irrt0mlich formativer Spezifikation ....................................... 98 4.5.2 Auswirkungen irrt0mlich reflektiver Spezifikation .................................... 99 4.5.3 Fehlspezifikation als Forschungsproblematik ....................................... 101 4.6

Bestimmung der Spezifikationsart ............................................................... 102

4.6.1

Gewinnung der Spezifikationshypothese aus der Theorie ................... 104

4.6.2 0berpr0fung mit Hilfe der Korrelationsstruktur der Daten ..................... 106

Ein Untersuchungsdesign f~ir die Kundenwirkung von U nternehmensreputation .............................................................................. 113 5,1

Methodischer Rahmen ................................................................................ 114

5.2

Ausgew~hlte methodische Aspekte der Modellierung ................................. 116

5.2.1

Indirekte Erfassung der Unternehmensreputation in Kaufentscheidungen ............................................................................. 116

5.2.2 Das Experiment als Forschungsmethode ............................................. 121 5.2.2.1 Experimentelle Versuchspl,~ne ....................................................... 121 5.2.2.2 St(~reinflQsse und Techniken zu ihrer Kontrolle .............................. 124 5.2.3 Mediierende und moderierende Effekte in PLS-Strukturgleichungsmodellen ...............................................................................................

126

5.2.3.1 Die PrQfung mediierender Variablen in PLS-Modellen ................... 126 5.2.3.2 Die Pr0fung moderierender Variablen in PLS-Modellen ................. 127 5.2.3.3 Zwischenfazit: Die Eignung des PLS-Verfahrens for komplexe Strukturmodelle .............................................................................. 133 5.3

Untersuchungsrahmen ................................................................................ 134

5.3.1

Untersuchungsgegenstand und Untersuchungssubjekte ..................... 135

5.3.2 Experimentaldesign .............................................................................. 137 5.3.3 Design der wahlbasierten Conjoint-Analyse ......................................... 139 5.3.4 Ablauf der Untersuchung ...................................................................... 141 5.3.5 Gestaltung der Treatments ................................................................... 144 5 . 4 0 p e r a t i o n a l i s i e r u n g und Spezifikationshypothese der Modellkonstrukte .... 145 5.4.1 Vorgehen bei der Operationalisierung .................................................. 145 5.4.2 Aspekte der Indikatorbildung ................................................................ 147

XlV

Inhaltsverzeichnis

Ergebnisse der empirischen Untersuchung ............................................... 155

6 6.1

Beschreibung tier Stichprobe ...................................................................... 155

6.2

Validierung des Erhebungsdesigns ............................................................. 156

6.3

Indirekte Erfassung der Unternehmensreputation in Kaufentscheidungen ...........................................................................................

6.4

162

Das detaillierte Wirkungsmodell der Unternehmensreputation ................... 167

6.4.1

0berprOfung der Spezifikationshypothesen .......................................... 168

6.4.2 Validierung und Beurteilung der ModellgOte ......................................... 170 6.4.2.1 Messmodelle ..................................................................................

170

6.4.2.2 Strukturmodell ................................................................................

172

6.4.3 Pr0fung der Hypothesen ....................................................................... 176 6.4.3.1 Haupteffekte ...................................................................................

177

6.4.3.2 Mediierende Effekte ........................................................................ 179 6.4.3.3 Moderierende Effekte ..................................................................... 182 6.5 7

Zusammenfassende Diskussion ................................................................. 189

Implikationen und Ausblick .......................................................................... 193 7.1

Implikationen for das Corporate Behaviour und Stakeholder Management ...............................................................................................

7.2

193

Methodische Implikationen fQr die empirische Forschung .......................... 195

Anhang ....................................................................................................................

199

Anhang 1:

Rohindikatoren zur Operationalisierung der Modellkonstrukte ........... 200

Anhang 2:

Treatments ..........................................................................................

Anhang 3:

Messinstrument Voruntersuchung ...................................................... 214

Anhang 4:

Messinstrument Nachuntersuchung ................................................... 220

Anhang 5:

Deskriptive Ergebnisse der Untersuchung ......................................... 224

Anhang 6:

Haupteffektmodell/Gesamt: PLS-Sch~itzergebnisse ........................... 228

Anhang 7:

Haupteffektmodell/pre: PLS-Sch~itzergebnisse .................................. 230

204

Literaturverzeichnis ...............................................................................................233

XV

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Aufbau derArbeit .................................................................................. 6 Abbildung 2: Abbildung 3:

Anspruchsgruppen des Unternehmens ............................................... 9 Hauptstr~mungen in der Abgrenzung des Konstrukts Corporate Reputation von Corporate Image ........................................................ 11

Abbildung 4:

Grundmodell der Determinanten von Unternehmensreputation ......... 19

Abbildung 5:

Totalmodell des Konsumentenverhaltens .......................................... 31

Abbildung 6:

Einflussfaktoren und Strategien der Produktbeurteilung bei beschr~nkter Rationalit~t .................................................................... 34

Abbildung 7:

Theory of Reasoned Action ................................................................ 38

Abbildung 8:

Theorie des geplanten Verhaltens ...................................................... 39

Abbildung 9:

Ged~chtnismodell zur Darstellung elementarer kognitiver Prozesse.43

Abbildung 10: Mediierte Wirkbeziehung zwischen einer Unabh~ngigen und einer Abh~ngigen ......................................................................................... 53 Abbildung 11: Einfluss moderierender Variablen auf die Wirkbeziehung zweier Variablen ............................................................................................. 60 Abbildung 12: Dimensionen des Involvementkonstrukts und Konsequenzen auf wesentliche Informationsverarbeitungsprozesse ................................ 64 Abbildung 13: Stufen kognitiver Verarbeitung im Elaboration Likelihood Model (ELM) .................................................................................................. 65 Abbildung 14: Strukturmodell der Untersuchungshypothesen ................................... 71 Abbildung 15: Reflektives Messmodell ...................................................................... 74 Abbildung 16: Formatives Messmodell ...................................................................... 77 Abbildung 17: Beispielhaftes CBSEM-Pfaddiagramm ............................................... 84 Abbildung 18: Beispielhaftes PLS-Pfadmodell .......................................................... 88 Abbildung 19: PLS-Schritt 1: Sch~tzung der latenten Variablen ............................... 91 Abbildung 20: MSgliche Spezifikationsfehler ............................................................. 98 Abbildung 21: Vorgehensweise zur Bestimmung der Spezifikationsart .................. 103 Abbildung 22: Ans~tze zur Erfassung von Preisbereitschaft ................................... 117

Abbildungsverzeichnis

XVl

Abbildung 23: Bildung von Interaktionsvariablen zur 0berpr(Jfung auf Moderationseffekte ........................................................................... 128 Abbildung 24: Bildung von Interaktionstermen in Strukturgleichungsmodellen bei reflektivem Moderator und Pr&diktor ................................................. 130 Abbildung 25: Experimentelles Untersuchungsdesign ............................................ 138 Abbildung 26: Beispielhaftes Choice-Set des conjoint-experimentellen Designs der Messung CBC 1 ......................................................................... 139 Abbildung 27: Skala zur Messung von identity overlap ........................................... 149 Abbildung 28: Reputationsindikatoren in den Gruppen vor und nach Treatmentverabreichung ................................................................... 160 Abbildung 29: Preis-Nachfragefunktionen der vier Unternehmen (,,Share of Preference"-Pr~iferenzfunktion) ....................................... 165 Abbildung 30: Ver~nderung der Preis-Nachfragefunktion infolge der Reputationsver~nderung in Gruppe A .............................................. 166 Abbildung 31: Haupteffektmodell ............................................................................. 174 Abbildung 32: Aufbau der Untersuchungsschritte zur Pr(Jfung der Hypothesen ..... 176 Abbildung 33: Ergebnisse des PLS-Haupteffektmodells/pre ................................... 178 Abbildung 34: Produktwissen-lnteraktionsmodell .................................................... 186

XVII

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Praxisorientierte Reputationsrankings .................................................... 15

Tabelle 2:

Treiberkonstrukte der Unternehmensreputation ..................................... 16

Tabelle 3:

Grundtypen von Kaufentscheidungen nach Zahl und Typus der beteiligten Entscheidungstr~ger .............................................................. 27

Tabelle 4:

Globale Anpassungsmal~e und typische Schwellenwerte for CBSEM .. 87

Tabelle 5:

G(3tekriterien fC~rPLS-Strukturmodelle .................................................... 93

Tabelle 6:

Lokale G0tekriterien zur Beurteilung reflektiv spezifizierter Konstrukte.. 97

Tabelle 7:

Lokale G0tekriterien zur Beurteilung formativ spezifizierter Konstrukte. 98

Tabelle 8:

Entscheidungsfragen zur Unterscheidung zwischen formativer und reflektiver Spezifikation ......................................................................... 105

Tabelle 9:

Beispielhafte Anwendung (H0: Indikatoren sind reflektiv) ..................... 110

Tabelle 10: Beispiel 1: Vergleich von reflektiver und formativer Spezifikation mit dem PLS-Algorithmus ..................................................................... 112 Tabelle 11: Formulierte Hypothesen ........................................................................ 113 Tabelle 12: Kontrollgruppenordnung mit Vor- und Nachuntersuchung .................... 122 Tabelle 13: Posttest-Only-ControI-Group-Design .................................................... 122 Tabelle 14: Solomon-Vier-Gruppen-Design ............................................................. 123 Tabelle 15: Reversed-Treatment-Design mit Pretest und Posttest ......................... 124 Tabelle 16: StSrfaktoren in Experimenten ............................................................... 125 Tabelle 17: Techniken zur Vermeidung von St(Sreinfl(3ssen in Experimenten ......... 125 Tabelle 18: Rahmendaten des wahlbasierten Conjoint-Designs ............................. 140 Tabelle 19: Operationalisierung und Spezifikationshypothese der Modellkonstrukte ................................................................................... 152 Tabelle 20: Hauptbankverbindungen der Befragten ................................................ 156 Tabelle 21: Demografische Verteilung der Gruppen A und B .................................. 156 Tabelle 22: Multivariate ANOVA zum Nachweis des Manipulationserfolgs: Indikatoren der Reputation .................................................................... 158

XVlll

Tabellenverzeichnis

Tabelle 23: Vergleich der Mittelwerte zwischen den beiden Experimentagruppen mittels t-Tests ....................................................................................... 161 Tabelle 24: Reputationsindizes der vier Unternehmen vor und nach Verabreichung der Treatments ............................................................. 162 Tabelle 25: HierarchicaI-Bayes-Teilnutzenwerte des CBC-Experiments ................. 163 Tabelle 26: 0berpr0fung der Spezifikationshypothesen: Tetrad-Test (I) ................. 168 Tabelle 27: 0berpr0fung der Spezifikationshypothesen: Tetrad-Test (11)................ 169 Tabelle 28: Lokale G(Jtekriterien for die reflektiven Modellkonstrukte ..................... 171 Tabelle 29: Pr(Jfung auf Diskriminanzvalidit~it der reflektiven Konstrukte mittels FornelI-Larcker-Kriterium ...................................................................... 172 Tabelle 30: G(Jtemal~e R 2 und f2 fiJr das Gesamtmodell ........................................ 175 Tabelle 31: Quantifizierung der mediierenden Effekte ............................................. 181 Tabelle 32: Modellvergleich bei wenig verfLigbarer Attributinformation (Experimentalgruppe) und viel Attributinformation (Kontrollgruppe) ..... 184 Tabelle 33: Moderierende Einfl(Jsse von Produktinvolvement (IVSK), Situationsinvolvement (IVSG) und Produktwissen auf die Bedeutung der Reputation und anderer Mediierender auf Produkteinstellung ....... 187 Tabelle 34: Ergebnisse der Hypothesenpr0fung ..................................................... 191 Tabelle 35: Rohindikatoren zur Operationalisierung der Modellkonstrukte ............. 203 Tabelle 36: Indikatoren der formativen Treiberkonstrukte von Reputation .............. 203 Tabelle 37: Vorher-/Nachher-Vergleich der Mittelwerte in den Gruppen: Indikatoren der Reputation ................................................................... 224 Tabelle 38: Vorher-/Nachher-Vergleich der Mittelwerte in den Gruppen: Reputationstreiber ................................................................................. 226 Tabelle 39: Multivariate ANOVA zum Nachweis des Manipulationserfolgs: Reputationstreiber ................................................................................. 227 Tabelle 40: Gewichte und Ladungen des Haupteffektmodells/Gesamt ................... 229 Tabelle 41: Gewichte und Ladungen des Haupteffektmodells/pre .......................... 231 Tabelle 42: Haupteffektmodell/pre: Sch~ltzungen der Pfadkoeffizienten und Ergebnisse der Resampling-Prozedur .................................................. 232

XlX

Abk~i rzu ngs ve rzeich n is AMAC

America's Most Admired Companies

Anm. d. Verf.

Anmerkung des Verfassers der vorliegenden Arbeit

Bd.

Band

CBC

choice-based (wahlbasierte) Conjoint-Analyse

CBSEM

Covariance-Based Structural Equation Modelling

ELM

Elaboration Likelihood Model

GLS

generalized least squares

GMAC

Global Most Admired Companies

GoF

Goodness-of-Fit

HB

Hierarchical Bayes

i.d.R.

in der Regel

IVSG

Involvement Studiengeb0hren (Situationsinvolvement)

IVSK

Involvement Studienkredite (Produktinvolvement)

Jg.

Jahrgang

KI

Konditionsindex

LISREL

linear structural relationships

LV

latente Variable

MV

manifeste Variable

ML

maximum likelihood

n/v

nicht verfOgbar

OLS

ordinary least squares

PLS

partial least squares

RLH

Root Likelihood

RQ

Reputation Quotient

SEM

structural equation modelling

ULS

unweighted least squares

0bers. d. Verf.

0bersetzung des Verfassers der vorliegenden Arbeit

VAF

variance accounted for

vgl.

vergleiche

VIF

variance inflation factor

Vol.

Volume

XXI

Symbolverzeichnis [nxl] t/

latente (exogene) Variable/n

[mxl] latente (endogene) 1 Variable/n [mxl] Messfehlerterm (St6rterm) der latenten Variablen F/

x

[qxl] Vektor der manifesten Variablen zur Messung der latenten exogenen

y

[pxl] Vektor der manifesten Variablen zur Messung der latenten endogenen

Variablen

Variablen A 2

[qxl]

r 2

[qxl]

Regressionskoeffizienten zwischen x und ~ (reflektiv) bzw.,,innerhalb" eines Konstrukts (Ax [qxn] und Ay [pxm]) Regressionskoeffizienten zwischen ~/und x (formativ) bzw.

[mxn] zwischen exogenen und endogenen Gr61~en [i~

[qxl]

Regressionskoeffizienten zwischen ~ und x (formativ)in PLS

[l n

[pxl]

Regressionskoeffizienten zwischen q und y (formativ)in PLS

B

[ m x m ]Regressionskoeffizienten zwischen endogenen Gr61~en untereinander [qxl] Vektor der Messfehler (St6rvariablen) der manifesten Variablen x

=;

[pxl] Vektor der Messfehler (St6rvariablen) der manifesten Variablen y

vr

[nxl] Vektor der Regressionsresiduen bei formativer Spezifikation einer latenten exogenen Variablen (nur PLS) [mxl] Vektor der Regressionsresiduen bei formativer Spezifikation einer latenten endogenen Variablen (nur PLS)

o~

[nxq] LV-Gewicht der beobachteten x auf die latenten endogenen ~ (nur PLS)

(J~j/

[mxp] LV-Gewicht der beobachteten y auf die latenten endogenen t/(nur PLS)

P

[(m+n)x(m+n)]

R

[qxq] Korrelationsmatrix der beobachteten Variablen

au

Innere Gewichte (nur PLS)

Kovarianz zwischen beobachteter Variable i undj Tetrade (Kovarianzdifferenz) der beobachteten Variablen i, j, k und I

1 Im vorliegenden Text werden auch endogene Konstrukte, die formativ spezifiziert sind, mit dem Symbol r/bezeichnet, um deren nicht-faktorenanalytischenCharakterzu unterstreichen. 2 Obwohles sich im Falle einer Latenten nur um einen Vektor handelt, wurde die Notation als Matrix (mit Gror~buchstaben)vorgenommen, da diese Erweiterung im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen die 0bliche Notation darstellt.

1 Motivation Seit langem befinden sich Unternehmen auf der Suche nach strategischen, also nachhaltigen und schwer kopierbaren Wettbewerbsvorteilen. Steigende Mediakosten, kerzer werdende Produktlebenszyklen und eine zunehmende Verfeinerung der Zielgruppensegmente zeigen die verst~rkte Intensit~t des Wettbewerbs in vielen Branchen (vgl. MARWlCK/FILL 1997, S. 396). Gerade immaterielle Wertgegenst~nde eines Unternehmens scheinen zunehmend an Bedeutung zu gewinnen, weil diese Vorteile nur schwer von anderen Unternehmen 0bernommen werden k0nnen. Sie erkl&ren den Teil des Firmenwerts, der 0ber den Buchwert der Anlagen hinausgeht (vgl. HALL 1992, S. 135). Die Literatur beschreibt die Reputation eines Unternehmens als einen besonders interessanten immateriellen Firmenwert 1 (vgl. ebenda, S. 136, WILSON 1985, S. 27 oder WEIGELT/CAMERER 1988, S. 443). W~hrend grol~e Anstrengungen in der Vergangenheit in die Konzeptualisierung, Definition und Messung von Reputation geflossen sind, wendet sich das Interesse dieser Arbeit insbesondere den Konsequenzen von Reputation zu. Vielfach wurde postuliert, dass das Ansehen eines Unternehmens auf verschiedene Weise positiv auf die unterschiedlichen Anspruchsgruppen des Unternehmens wirken kann. Empirisch fundierte Erkenntnisse wurden jedoch bislang lediglich in Bezug auf privates Anlageverhalten gewonnen (vgl. SCHOTZ 2005). W~ihrend auch erste Erkenntnisse vorliegen, dass Unternehmen hoher Reputation tendenziell finanziell erfolgreicher als Konkurrenten mit geringerem Ansehen sind (vgl. EBERL/SCHWAIGER2005), fehlt bislang die Betrachtung einer der for das Unternehmen bedeutendsten Anspruchsgruppen: der Kunden. 2 Wie die Arbeit zeigen wird, ber0cksichtigen bestehende Kaufverhaltensmodelle bislang zu wenige Effekte, die vom Unternehmen als Ganzes ausgehen und insbesondere in Kaufentscheidungssituationen wirken k0nnen, in denen unvollst~ndige Informationen eber die Alternativen vorliegen; letztere sind in realen Situationen eher die Regel denn die Ausnahme.

1 KENNEDYstellt bereits 1977 fest: "It is clear that when there are no obvious differences in price, quality, design and features, the purchase decision may increasingly be influenced by a positive reputation of the brand and of the manufacturer"(KENNEDY1977, S. 130). 2 Die Arbeit fokussiert sich dabei insbesondere auf die privaten Endverbraucherund ist damit in einem B2C-Kontextangesiedelt.

2

1 Motivation

Wie die meisten anderen immateriellen GrS~en stellt auch die Reputation ein theoretisches Konstrukt dar, welches a priori nicht beobachtbar ist. 3 Beim Umgang mit derartigen latenten Variablen und in methodischen Konsequenzen ist es jedoch von enormer Bedeutung, ob das Konstrukt formativ oder reflektiv spezifiziert wird. 4 0 b wohl seit I~ingerem bekannt, wurde diesem Themengebiet in j(3ngerer Vergangenheit sehr wenig Beachtung geschenkt. H,~ufig wurde eine f0r den jeweiligen Fall theoretisch zweifelhafte, aber methodisch besser handhabbare reflektive Spezifikation gew~ihlt (vgl. BOLLEN 1989, S. 65). Damit stellt sich die Frage, ob diese Fehlspezifikation 0berhaupt for den empirischen Forschungsprozess relevant ist; also ob die Gefahr falscher Schlussfolgerungen und verzerrter Ergebnisse droht. W&re dies nicht der Fall, kSnnte die Spezifikationsfrage als theoretische Fragestellung ohne empirische Relevanz abgetan werden. Die vorliegende Arbeit wird jedoch aufzeigen, dass die Konsequenzen aus der Wahl eines formativen bzw. reflektiven Messmodells eine Vielzahl methodischer Konsequenzen mit sich bringt. Vor allem im Zuge des Operationalisierungsprozesses (und hier im Speziellen der Skalenbereinigung) kann mit der Annahme einer falschen Spezifikationshypothese die inhaltliche Validit~t einer Messung verloren gehen. Dar0ber hinaus ist mit der Fragestellung nach der Spezifikation insbesondere auch die methodische Frage zwischen verschiedenen Verfahrensklassen der Strukturgleichungsanalyse verbunden. Insofern bilden die SchlagwSrter reflektiv vs. formativLISREL vs. PLS eine schwer trennbare Einheit. Die bisherige Forschung hat sich zusammen mit der reflektiven Spezifikation oftmals der Kovarianzstrukturanalyse (,,Covariance Based Structural Equation Modelling", kurz CBSEM) verschrieben, deren Anwendung insbesondere in der Marketingforschung nach herrschender Meinung wohl nicht zuf,~llig mit der Verf(~gbarkeit handhabbarer Software einhergeht. Die konkurrierende varianzbasierte Modellierung mittels PLS path modelling 5 (,,Partial Least Squares") erf~hrt dagegen geringere Aufmerksamkeit. Die relative Vorteilhaftigkeit von CBSEM oder PLS geht jedoch 0ber die F,~higkeit im Umgang mit reflekti-

3 Zur Begriffsabgrenzung des Terminus ,,Konstrukt" sei im vorliegenden Rahmen auf EDWARDS/BAGOZZI(2000, S. 156 f.) sowie SCHNELL/HILL/ESSER(2005, S. 127) verwiesen. 4 Der Begriff der Spezifikation wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht im Sinne von SCHNELL/HILL/ESSER(2005, S 128 f.) verstanden (vgl. hierzu unten Kapitel 2.4). 5 Die Entwicklung des urspr0nglichen PLS-Algorithmus wurde in zwei Richtungen vorangetrieben, weswegen die Unterscheidung zwischen PLS-Pfadmodellierung und PLS-Regression von grSl~ter Bedeutung ist. Im Folgenden sei unter der Bezeichnung PLS regelm~l~igerstgenannterAbsatz verstanden.

1 Motivation

3

ver bzw. formativer Spezifikation hinaus und muss daher erneut im Lichte des aktuell grol~en Interesses der wissenschaftlichen Gemeinde diskutiert werden. Die konkrete Anwendung der Strukturgleichungsanalyse wirft zudem Probleme im Umgang mit mediierenden und moderierenden Effekten auf, die in typischen empirischen Fragestellungen existieren. Die Probleme, die sich an die Entscheidung zugunsten einer reflektiven bzw. formativen Spezifikation anschliel~en, sind methodisch relativ gut behandelbar, auch wenn ihre Anwendung auf Marketingfragestellungen Neuigkeitsgrad besitzt. Eine schl0ssige Beantwortung der Frage, ob eine latente Variable reflektiv oder formativ zu spezifizieren ist, findet sich in der Literatur bislang allerdings kaum. Methodische Fragen ergeben sich in dieser Arbeit aus der inhaltlichen Fragestellung heraus. Es muss daher f0r bislang unbeantwortete methodische Fragen eine theoretisch zufriedenstellende Antwort gegeben werden, um auch inhaltlich zu sinnvollen Erkenntnissen zu gelangen. Vorliegende Arbeit bewegt sich daher bewusst auf zwei Ebenen, die sich gegenseitig bedingen: (1) Die inhaltliche Ebene befasst sich mit den konkreten Fragestellungen dieser Arbeit, wie Unternehmensreputation auf das Verhalten von Kunden in Kaufentscheidungssituationen wirkt. Es soil damit die Frage beantwortet werden, ob Unternehmensreputation auf Kundenverhalten wirkt und welche weiteren Umfeldvariablen diese Beziehung beeinflussen. Hierzu werden aus der Theorie der Unternehmensreputation, ihrer Konzeptualisierung in dieser Arbeit sowie der Theorie des Kundenverhaltens verschiedene Hypothesen entwickelt. Diese sollen im Rahmen einer empirischen Untersuchung anhand eines konkreten Fallbeispiels 0berpr0ft werden. (2) Die methodische Ebene der Arbeit ergibt sich in ihrer Notwendigkeit aus dem Untersuchungsmodell der inhaltlichen Ebene. Die aufgeworfenen Fragen sind jedoch allgemeiner Art und bleiben keineswegs auf das bier untersuchte Modell der Unternehmensreputation beschr~inkt. Vielmehr treten die methodischen Fragen der Spezifikation und der Anwendbarkeit der Strukturgleichungs-Algorithmen, der Evaluation von Modellen und der mSglichen Schlussfolgerungen aus diesen Modellen in praktisch jeder empirischen Untersuchung mit latenten Variablen auf. Damit ist die methodische Ebene dieser Arbeit durchaus von breiterem Interesse und leistet damit einen Beitrag f0r die empirische Forschung mit latenten Variablen im AIIgemeinen. Mit der Spezifikation von Konstrukten als reflektiv bzw. formativ im Zentrum des Inte-

4

1 Motivation

resses wird eine Vorgehensweise zur strukturierten Entwicklung und statistisch unterst0tzten 0berprQfung einer Spezifikationshypothese ebenso vorgestellt wie die sich anschliel~ende Diskussion der Vorteilhaftigkeit von Strukturgleichungsverfahren angesichts dieser Spezifikation. Zudem impliziert das noch vorzustellende Untersuchungsdesign die Behandlung experimenteller Daten sowie moderierender und mediierender Variablen innerhalb eines Strukturgleichungsmodells. Die inhaltliche Ebene der Unternehmensreputation und ihrer Wirkung auf das Kaufverhalten ist also sowohl Ausgangspunkt der methodischen Fragestellungen als auch deren Demonstration in einem empirischen Anwendungsfall. Die Sensibilisierung des Lesers f0r die inhaltlichen und methodischen Fragestellungen liegt ebenso im Interesse der Arbeit wie deren Beantwortung in theoretischem und empirischem Zusammenhang. In den folgenden Kapiteln geht die Arbeit dabei wie folgt vor: In Kapitel 2 werden konzeptionelle Grundlagen des Reputationskonstrukts dargestellt. Es erfolgt die Begriffsbestimmung und die kritische Diskussion einschl~giger Konzeptualisierungen und Messans~tze. Besonderer Wert wird dabei auf ein Messkonzept mit adressierbaren Treibern gelegt, das in dieser Studie Verwendung finden soil. Kapitel 3 stellt den Kern der inhaltlichen Ebene dieser Arbeit dar. Darin wird zun~ichst die Bedeutung der Unternehmensreputation f(~r Unternehmen auf einer globalen Ebene anhand einer empirischen Vorstudie beleuchtet, um die Relevanz der Reputation fQr Unternehmenserfolg zu verdeutlichen. Daran schliel~t sich eine kritische Diskussion der bestehenden Literatur an, die im Wesentlichen Auswirkungen auf verschiedene Stakeholdergruppen postuliert, ohne diese theoretisch oder empirisch zu fundieren. Daraus wird die besondere Relevanz der Kundengruppe fer ein Reputationsmanagement entwickelt, die auch den inhaltlichen Gegenstand der weiteren theoretischen Betrachtung darstellt. Um die Wirkungen von Unternehmensreputation in der Kundengruppe zu verankern, wird zun~chst ein theoretischer Bezugsrahmen des Kaufverhaltens entwickelt, der eine Einordnung der Untersuchungshypothesen erlaubt, die darin entwickelt werden. Die Hypothesen umfassen dabei sowohl Haupteffekte (also direkte Wirkungen von Unternehmensreputation auf Kaufentscheidungsvariablen) als auch mediierende und moderierende Effekte.

1 Motivation

5

Kapitel 4 erschlieBt sich parallel zu Kapitel 2 und 3 und stellt den Kern der methodischen Forschungsbeitr~ge dieser Arbeit dar. Darin werden - zun~chst Iosgel0st vom konkreten inhaltlichen Bezug- die Grundlagen der Spezifikation sowie ihre vor- und nachgelagerten methodischen Fragestellungen erl~utert. Aus den theoretischen Eigenschaften reflektiver bzw. formativer Indikatoren wird schlieBlich eine strukturierte Vorgehensweise entwickelt, welche eine fundierte Spezifikationsentscheidung erm0glicht und statistisch unterstetzt. Diese wird auch anhand eines simulierten Datenbeispiels verdeutlicht. Kapitel 5 kann als erste Zusammenfehrung der inhaltlichen und der methodischen Ebene verstanden werden, in der die generelle Vorgehensweise, die zur 0berpr0fung der Hypothesen aus Kapitel 3 verwendet werden soil, erl~utert wird. Konkret handelt es sich dabei um ein experimentelles Design im Rahmen der Kaufentscheidung eines Kreditprodukts. Die Besonderheiten der Hypothesen erfordern dareber hinaus die Vertiefung einiger methodischer Aspekte (betreffend die generelle Vertr~glichkeit von Experiment und Strukturgleichungsverfahren, die Messung von Preisbereitschaften und die Prefung moderierender und mediierender Effekte in Strukturmodellen). Diese sind zwar spezifisch auf das vorliegende Untersuchungsdesign entwickelt, k0nnen jedoch auf ~hnlich strukturierte Fragestellungen problemlos ebertragen werden. Das Kapitel schlieBt mit dem konkreten Erhebungsrahmen und der konkreten Operationalisierung der Konstrukte for diese Studie. Kapitel 6 pr~sentiert und diskutiert schlieBlich die Ergebnisse der empirischen Untersuchung, bevor Kapitel 7 die Arbeit mit einem Ausblick auf die weitere Forschung in sowohl inhaltlicher als auch methodischer Hinsicht beschlieBt. Abbildung 1 zeigt das Zusammenwirken der Abschnitte dieser Arbeit in einer 0bersicht.

6

Abbildung 1" Aufbau derArbeit

1 Motivation

2 Reputation als unternehmerische Zielgr61~e Der Shareholder-Value-Ansatz geh~rt zu den bekanntesten und am st~rksten in der Offentlichkeit diskutierten F0hrungskonzepten der Betriebswirtschaftslehre. Es f~illt auf, dass das Verst~indnis dieses Konzepts und der daraus abgeleiteten normativen Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns keineswegs einheitlich ist. Interessanterweise werden dabei auch die Grenzen zu den zun~ichst als kontr~r positionierten Ans~tzen der Stakeholder-Value-Orientierung zunehmend aufgeweicht. 2.1

Shareholder-Value oder Stakeholder-Value? Zur zunehmenden Bedeutung eines Reputationsmanagements

Der Kern des Shareholder-Value-Ansatzes stellt die Interessen der EigentQmer von Unternehmen in den Fokus der Unternehmensf0hrung: Er fordert eine klare Zielhierarchie, bei der im Wesentlichen der Wert f0r die Eigent(~mer maximiert werden soil (vgl. RAPPAPORT 1981, 1986). Wird unter Eigent0merwert dabei der Marktwert des Eigenkapitals verstanden, wird dem Ansatz eine zu einseitige Orientierung der Unternehmensf0hrung an kurzfristigen Aktienkursgewinnen vorgeworfen (vgl. ZIMMERMANN/JOHNK 1998, S. 277; KORSTEN2000, S. 360). Dar0ber hinaus wird eine interessensmonistische Ausrichtung auf die Eigent0mer kritisiert (vgl. WAGNER 1997, S. 475). Diese Kritik hat sowohl eine gesellschaftspolitische Dimension (vgl. HILL 1996, S. 412; BOHNER/TUSCHKE1997, S. 500) als auch eine (Ekonomische. So zeigt

KORSTEN, dass eine ausschliel~liche Maximierung des Marktwertes des Unternehmens nicht zwangsl~ufig im Interesse der Aktion~re liegen muss und spricht deshalb von einer ,,Schieflage" der Diskussion (vgl. KORSTEN2000, S. 367). Zudem w~ire eine reine Orientierung am Marktwert eine zu starke Einengung des eigentlichen Prinzips, ,,im Unternehmen Wert zu schaffen". Weiterhin w(~rde tendenziell die zunehmende Diskussion 0ber die Bedeutung immaterieller Verm5gensgegenst~nde ausgeschlossen (vgl. HALL 1992). In der Literatur wird daher unter Shareholder-Value oftmals das Prinzip der Maximierung des Unternehmensgesamtwertes, also ein Prinzip der wertorientierten Unternehmensf(3hrung, verstanden (vgl. KORSTEN2000, S. 361; WESNER 2000, S. 309; ALBACH 2001, S. 644 f.). Damit entspricht zumindest langfristig das Prinzip gesamtwertorientierter Unternehmensf(~hrung dem Prinzip der Stakeholderorientierung (vgl. ALBACH 2001, S. 645; KORSTEN 2000, S. 361) - d.h. der pluralistischen Ber(~cksichtigung der Interessen aller am Unternehmensprozess Beteiligten (vgl. FREEMAN/REED 1983, S. 89; HILL

8

2 Reputation als untemehmerische Zielgr513e

1996, S. 415 f.). Die pluralistische Betrachtung der Anspreche der Stakeholder des Unternehmens ist damit wesentliches Ziel f0r Unternehmen und langfristig kritischer Erfolgsfaktor, dessen Pflege unter anderem auch im Sinne der Eigentemer ist (vgl. DONALDSON/PRESTON1995, S. 71 ). Die Reputation eines Unternehmens ist als Ma6 for diese Stakeholderorientierung eines Unternehmens eine handlungsrelevante Zielgr01~e. FOr Unternehmen stellt sich jedoch die Frage, wer eberhaupt als Stakeholder und damit als Adressat der Unternehmensreputation zu bezeichnen ist. Da der Begriff der Reputation nicht von dem Begriff der Stakeholder trennbar ist, muss letztgenannter im vorliegenden Rahmen zumindest kurz expliziert werden. Die Literatur kennt unterschiedlich weitgreifende Definitionen des Stakeholderbegriffs (vgl. MITCHELL/AGLEANOOD 1997). Urspr0ngliche Abgrenzungen definieren Anspruchsgruppen dabei als jedes Individuum bzw. jede Gruppe von Individuen, die von den Zielen des Unternehmens beeinflusst wird (vgl. FREEMAN 1984, S. 46). Damit k0nnen zwar fast alle denkbaren Betroffenen des Unternehmens einbezogen werden, gleichzeitig ist diese Abgrenzung aber wenig operational, da die Gruppe der Stakeholder eines Unternehmens nahezu beliebig grol~ ist und sich insbesondere einer priorisierenden Ansprache entzieht. Line Gewichtung und ein Ausgleich dieser Interessen im Rahmen des Managements sind damit unm0glich (vgl. WEI-SKILLERN 2004, S. 715). Daher scheint eine einschr~nkende Definition sinnvoller: CLARKSON umrei6t Stakeholder als alle Gruppen, die vom Handeln des Unternehmens positiv oder negativ betroffen sind - unabh~ngig davon, ob diese Stakeholder durch explizite oder implizite Vertr~ge an das Unternehmen gebunden sind (vgl. CLARKSON1995). Damit lassen sich also Investoren, Angestellte und Kunden ebenso als Stakeholdergruppe ausweisen wie indirekt Betroffene (bspw. das gesellschaftliche Umfeld des Unternehmens). Abbildung 2 zeigt eine Systematisierung der Stakeholdergruppen, ohne dabei auf m0gliche 0berlappungen einzugehen.

2.2 Definitionen und Begriffsbesfimmung

9 i

Unternehmensextern

Unternehmensintern

Nicht-Marktbezogen 9 Unternehmenseinheiten 9 Gesellschaft 9 Abteilungen 9 Verbraucher9 Tochterunternehmen organisationen 9 Medien 9 Eigenkapitalgeber 9 B0rgerinitiativen 9 Aktion~re 9 Kirche 9 Gesellschafter 9 Bildungswesen 9 Einzelunternehmer etc. 9 Kulturelle Institutionen 9 Mitarbeiter (unterschieden 9 Umweltorganisationen nach:) 9 Zuk0nftige Generationen 9 Hierarchieebenen 9 T~tigkeitsfeld 9 Staat (im Bereich:) 9 Demographika 9 Legislative 9 Exekutive 9 Jurisdiktion

Marktbezogen 9 Kunden 9 Grol~handel 9 Einzelhandel 9 Konsumenten etc. 9 Lieferanten 9 direkte 9 indirekte 9 Konkurrenten 9 Fremdkapitalgeber 9 Sonstige Dienstleister des Unternehmens 9 Berater 9 Support Services 9 Selbst~ndige 9 Kooperationspartner

Abbildung 2: Anspruchsgruppendes Unternehmens (in Anlehnung an MEFFERT2000, S. 297) Ausgehend von diesem Ansatz der Unternehmensf0hrung kann nun der Frage nachgegangen werden, ob Reputation eine sinnvolle Steuerungsgr5l~e im Rahmen eines Stakeholder-Managements darstellt. Hierzu sind Determinanten und Konsequenzen von Reputation gleicherma~en zu betrachten. Zun~chst ist jedoch vor dem Hintergrund des Bezugsrahmens ,,Stakeholder-Management" der Frage nachzugehen, wie der Begriff Unternehmensreputation konzeptualisiert und definiert werden kann.

2.2

Definitionen und Begriffsbestimmung

Die seit Beginn der 1980er Jahre existierende empirische Reputationsforschung wurde anfangs eher von Seiten der Praxis vorangetrieben, wie auch aus der Darstellung der Messkonzepte in Abschnitt 2.3 ersichtlich werden wird. AIs problematisch erwies sich bis in die j0ngste Vergangenheit die Tatsache, dass eine geschlossene Definition und Abgrenzung zu verwandten Konstrukten nicht geleistet wurde (vgl. bspw. FOMBRUN/VAN RIEL 1997, S. 5). Der Reputationsbegriff wird in einer Vielzahl verschiedener Disziplinen mit unterschiedlicher Ausrichtung v e r w e n d e t - bspw. der Soziologie, der Spieltheorie, der Psychologie etc. Dieser Umstand erschwert die Bildung einer einheitlichen Begrifflichkeit zus~tzlich zur ohnehin problematischen Konzeptualisierung (vgl. DEEPHOUSE 2000, S. 1093). So stellen GOTSI/~MILSON (2001, S. 24) fest: ,,[T]here is no unambiguous, generally accepted definition for the term corporate reputation". Sie fQhren diese

10

2 Reputation als untemehmerische ZielgrEf3e

Tatsache auch auf zwei grunds&tzlich unterschiedliche Denkschulen der Reputationsforschung zureck, die sich einerseits in ihrer Abgrenzung zum Konstrukt ,,Corporate Image", anderseits in Bezug auf die Disziplin der Forscher unterscheiden. 8 2.2.1 K o n z e p t u a l i s i e r u n g y o n R e p u t a t i o n Die Sichtweise, Corporate Reputation und Corporate Image als identische Konstrukte anzusehen, wird dabei haupts~chlich in frehen Arbeiten zum Imagekonstrukt zugrunde gelegt. 9 Hingegen scheint der gr0Bere Teil der Literatur von einer abgrenzenden Definition eberzeugt, welche jedoch einen Bezug zum Image eines Unternehmens aufweist. Unter dem Begriff ,,Unternehmensimage" werden dabei regelm~Big Abbildungen von Realit~t verstanden (vgl. bspw. NORMANN 1984, S. 72 f.), die auf Annahmen, Einstellungen und Eindrecken der Stakeholder eines Unternehmens basieren (vgl. BARICH/KOTLER 1991, S. 95). In Erg~nzung hierzu wird als konstitutiver Bestandteil von Reputation im AIIgemeinen eine erfahrungsbasierte Einsch~tzung eines Unternehmens verstanden (vgl. etwa HALL 1992, S. 138 oder YOON/GUFFEY/KIJEWSKI 1993, S. 218). DOZIER (1993, S. 320) argumentiert dagegen, dass diese Einsch~tzung auch auf verarbeiteten Kommunikationsbotschaften grenden kann. 1~ Daraus folgt die Auffassung, dass sich Reputation nicht nur innerhalb abgegrenzter Stakeholdergruppen konstituiert, sondern grunds~tzlich in der Gesamtheit aller Personen, die ein Unternehmen auch nur dem Namen nach kennen (was bereits die erste erhaltene Kommunikationsbotschaft w~re). Diese Einsch~tzung schl~gt sich auch als schlussfolgernde Begriffsfassung in der Metastudie von GOTSI/VVILSON nieder: ,,A corporate reputation is a stakeholder's overall evaluation of a company over time. This evaluation is based on the stakeholder's direct experiences with the company, any other form of communication and symbolism that provides information about the firm's actions and/or a comparison with the actions of other leading rivals" (GOTSI/VVILSON 2001, S. 27 f.).

8 Im Rahmen institutionen0konomischer Modelle (vgl. etwa WILSON 1985, S. 28; SHAPIRO1982, S. 660 f., 1983, S. 21 f.; MOORTHY1985, S. 277; HERBIG/MILEWlCZ1993, S. 19) wird Reputation meist als Signal for vergangene bzw. kOnftige Produktqualit~t verstanden. Diese Sichtweise widerspricht zumeist nicht den hier dargestellten eher marketingorientierten Ans~tzen. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch die breitere Sichtweise der Marketingwissenschaft angelegt werden soil, wird im Weiteren nicht auf diese Ans~itze eingegangen. 9 Zu nennen sind die Arbeiten von KENNEDY(1977), ABRATT (1989), BERNSTEIN(1984), BICHTER (1985), BOWLING(1993) sowie BUTTON/BUKERICH/HARQUAIL(1994). 10 Diese Auffassung wird auch von MAHON(2002, S. 431) geteilt und steht in Einklang mit der Sichtweise von FISHBEIN:"[Attitudes are] obtained from direct experiences with objects and from communications about them received from other sources" (LOUDON/DELLABITTA1993, S. 433).

11

2.2 Definitionen und Begriffsbesfimmung

2.2.2

Reputation

und Image

Innerhalb dieser Begriffsauslegung unterscheiden GOTSI/VMILSON (2001, S. 24-26) drei Gruppen von Definitionen, die sich nach dem 0berlappungsgrad von Image und Reputation unterscheiden. Die dargestellten Ans~itze sind in Abbildung 3 zusammengefasst.

I

I Corp. Image = Corp. Reputation

I

I

I I Corp. Image # Corp. Reputation I

BROMLEY(1993), KENNEDY(1977), ABRATT(1989), BERNSTEIN(1984), DICHTER(1985), DOWLING (1993), DUTTON/DUKERICH/HARQUAIL(1994), SHENKAR/YUCHTMAN-YAAR(1997)

I Keine 0berlappung von Image und Reputation BROWN/DACIN(1997), GRUNIG(1993), SEMONS(1998), WEISS/ANDERSON/MACINNIS(1999)

I Reputation als Determinante von Image BARICH/KOTLER(1991), MASON(1993)

I Reputation als Summevon Imagebildungsprozessen aller Stakeholder FOMBRUN(1996), FOMBRUN/SHANLEY(1990), GRAY/BALMER(1998), SAXTON(1998), GOTSI/WILSON(2001)

Abbildung 3: Hauptstr~mungenin der Abgrenzung des Konstrukts Corporate Reputation von Corporate Image (in Anlehnung an GOTSI/WILSON2001, S. 24-27) Die Literatur scheint demnach eher zu Definitionen zu tendieren, die Reputation zumindest als vom Image isoliertes, jedoch ~ihnliches Konstrukt auffassen. Die Abgrenzung wird in Bezug auf die zeitliche Stabilit~it einerseits und die Kommunikationsleistung seitens des Unternehmens andererseits m~glich. So wird Unternehmensimage meist als ein auch kurzfristig wandelbares und insbesondere auf kommunizierte Botschaften des Unternehmens aufbauendes Abbild verstanden (vgl. GRAY/BALMER 1998, S. 696). 11 Im Gegensatz hierzu beschreibt die Reputation st~irker ein ,,realistisches" Bild des Unternehmens, welches durch direkte Erfahrungen (und deren Kommunikation) determiniert wird. Dadurch entstammen Reputationsurteile st~irker der Pers5nlichkeit der Einsch~tzenden als das (kommunizierte) Image, welches dadurch gepr~igt ist, wie das Unternehmen im Lichte seiner Kommunikation ,,sein soil".

11 Zum Imagebegriff im AIIgemeinen vgl. TROMMSDORFF(2004, S. 168 ft.); KROEBER-RIEL/VMEINBERG (2003, S. 197).

12

2 Reputation als untemehmerische ZielgrEI3e

Dem strikten Realit~itsbezug tr> eine starker denotativ gepr~gte Ausrichtung Rechnung. Die Abgrenzung von Image und Reputation zeigt durchaus Parallelen zur Diskussion um die Abgrenzung von Image und Einstellung (vgl. bspw. TROMMSDORFF 1975, S. 77-79). Ausgehend von der Abgrenzung von MAZANEC(1978, S. 59-62) und in 0bereinstimmung mit SCHWAIGER (2004, S. 50) kann Reputation damit als einstellungs~hnliches Konstrukt definiert werden, das analog zu Einstellungen 12 ausschliel~lich durch denotative Merkmale zu erfassen ist. ~3Auch hier zeigt sich ein Unterschied zur g,~ngigen Image-Forschung, welche Image als mit konnotativen Merkmalen erfassbar beschreibt (vgl. MAZANEC1978, S. 60-62; GENSCH 1978, S. 385 f.). Mit der getroffenen Definition von Reputation als einstellungs~ihnlich ergibt sich unmittelbar eine Annahme Ober die Mehrdimensionalit~it des Konstrukts: Die in der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegte Konzeptualisierung des Konstrukts zerf~illt daher in Anlehnung an SCHWAIGER (2004, S. 57)in eine kognitive und eine affektive Komponente. 14 2.3 Messkonzepte

,

Die zu Beginn der Reputationsforschung vorherrschende Problematik der BegriffSfassung, die sich in der oben dargestellten definitorischen Vielfalt widerspiegelt, I~sst sich auch an den stark unterschiedlichen Messinstrumenten zur Quantifizierung des Konstrukts Reputation ablesen. Im Folgenden soil eine Auswahl kurz dargestellt werden. 15

2.3.1 Fortune's Most Admired Companies (AMAC/GMAC) Das amerikanische Fortune-Magazin publiziert seit 1983 eine Rangliste von ,,America's Most Admired Companies" (AMAC) (vgl. z.B. HUTTON 1986). Grundlage ist ein Indexwert (der Overall Reputation Score, ORS), der sich als Mittelwert aus acht Ein12 Einstellungen lassen sich definieren als relativ stabile, gelernte Pr~dispositionen, sich gegenOber einem Einstellungsobjekt konsistent zu verhalten (vgl. HAWKINS/BEST/CONEY2004, S. 386 f.). Zur Einordnung des Einstellungsbegriffs in die Theorie vgl. Abschnitt 3.3.2 dieser Arbeit. 13 SELNES(1993, S. 20) argumentiert ~hnlich auf einer organisational niedrigeren Stufe. 14 Erste empirische Hinweise auf Zweidimensionalit~t eberraschten auch in der Studie von HILDEBRANDT/SCHWALBACH (2000) (vgl. auch DUNBARJSCHWALBACH 2000, S. 6 sowie RIAHIBELKAOUI/PAVLIK1992, S. 1 f.). 15 FOr eine detaillierte Darstellung weiterer Konzepte vgl. EIDSON/MASTER(2000), die 0bersichtsarbeit von NERB (2002, S. 50-67) oder den 0berblick bei SCHWAIGER(2004, S. 51-57).

2.3 Messkonzepte

13

zelitems zusammensetzt (vgl. BROMLEY 1993, S. 176). Brancheninterne Ffihrungskr~fte und Analysten bewerten die Unternehmen jeweils anhand dieser Items auf einer 10er Skala (vgl. McGUIRE/SCHNEEWEIS/BRANCH1990, S. 169 f.). Eine Erweiterung der AMAC-Studie stellt die ,,Global Most Admired Companies" (GMAC)Untersuchung dar. Sie ist analog aufgebaut, umfasst jedoch einen zus~tzlichen Indikator, der den Grad der Internationalit~it des Unternehmens auffangen soil. Durch die langj&hrige Erhebung steht mittlerweile eine akzeptable Zahl an Zeitreihendatens&tzen for 5konometrische Untersuchungen bereit, die an mancher Stelle in der Literatur auch trotz massiver konzeptioneller Bedenken Verwendung finden (vgl. etwa ANTUNOVICH/LASTERJMITNICK 2000; VERGIN/QORONFLEH 1998; BROWN/DACIN 1997; ROBERTS/DOWLING 2002; CORDEIRONELIYATH/ERAMUS2000). Sowohl AMAC als auch GMAC sind in konzeptioneller als auch messtheoretischer Hinsicht ais hochgradig problematisch zu sehen, weswegen sie mit dem Reputationskonzept der vorliegenden Studie nur schwer in Einklang zu bringen sind. Ein wesentlicher Kritikpunkt betrifft dabei die Fokussierung auf nur eine bzw. eine zu enge Auswahl an Stakeholdergruppen (FQhrungskr~fte und Analysten). Daneben fehlt eine grundlegende Auseinandersetzung mit den konzeptualen und definitorischen Grundlagen des Reputationsbegriffs vEIlig, was letztlich zu einer Eindimensionalit~t desjenigen Konstrukts f0hrt, das von den verwendeten Indikatoren gemessen wird. Betrachtet man moderne Begriffsfassungen von Reputation, offenbart sich sehr schnell die mangelnde Inhaltsvalidit~t dieser Messung. Diese konzeptionellen Einw~nde finden ihren Niederschlag nicht zuletzt in einem finanziellen Halo-Effekt, der die Eigenst~ndigkeit von AMAC und GMAC als Reputationsmessinstrument deutlich in Frage stellt (vgl. FOMBRUN/SHANLEY 1990, S. 252; SOBOL/FARELLY/TAPER 1992, S. 12; HERREMANS/AKATHAPORN/MCINNES 1993; BROMLEY 1993, S. 176; BROWN/PERRY 1994, S. 1357 f.; FRYXELL/VVANG1994, S. 11-13; ROWE ET AL. 2003, S. 194).

2.3.2 Reputation Quotient (RQ) Der Reputation Quotient geht auf die gemeinsame Entwicklung von FOMBRUN und HARRIS INTERACTIVEzurfick und ist das erste Messinstrument jQngerer Zeit, das zumindest als teilweise wissenschafflich fundiert gelten kann (vgl. bspw. GARDBERG/FOMBRUN2002, S. 305 f.). Das Konstrukt ,,Reputation" wird zwar auch hier nicht aus der theoretischen Diskussion um Begriff und Konzeptualisierung abgeleitet, jedoch liegt erstmals eine mehrdimensionale Vorstellung zugrunde. Die Reputation wird Ober sechs sie tragende ,,S~ulen" (Obergruppen fQr 20 Items) operationalisiert

14

2 Reputation als untemehmerische ZielgrSI3e

(vgl. FOMBRUN2001, S. 24), die Ergebnis einer ,,wissenschafUich begleiteten Instrumentkonstruktion" (FOMBRUN/MVIEDMANN2001, S. 9) seien: Produkte & Services, Soziale Verantwortung, Arbeitsplatzzufriedenheit, Financial Performance, Vision & FQhrung und Emotional Appeal (vgl. FOMBRUN/GARDBERG/SEVER2000). Die genaue Vorgehensweise bei der Operationalisierung dieser Indikatoren kann jedoch mangels Dokumentation nicht beurteilt werden. Sie werden mit insgesamt 20 Indikatoren operationalisiert (vgl. FOMBRUN/VANRIEL 2004). Zur DurchfQhrung internationaler Vergleiche wird eine Anpassung des Instruments an jeweilige nationale Eigenheiten vorgeschlagen (vgl. FOMBRUN/MVIEDMANN2001, S. 12-14), was eine internationale Vergleichbarkeit erschwert. Der Zusammenhang der Items und ihre Erkl~rungsbeitr~ige f(~r das Konstrukt ,,Reputation" bleiben jedoch im Unklaren und werden nicht dokumentiert. Auch wird dem Konzept ein gewisses theoretisches Defizit entgegengehalten: So stellt GROENLAND(2002, S. 308) fest: ,,[..] a rigorous conceptual definition still lacks in this study". Die Vorgehensweise bei bisherigen RQ-Erhebungen ist jeweils zweistufig aufgebaut (vgl. FOMBRUN/VMIEDMANN2001; FOMBRUN/VAN RIEL 2004): In einer ,,Nominierungsphase" werden zun~ichst Unternehmen identifiziert, die eine hohe spontane Bekanntheit aufweisen (vgl. GARDBERG/FOMBRUN2002, S. 303-307; WIEDMANN 2002, S. 339; VAN RIEL/FOMBRUN 2002, S. 299-302), bevor in der eigentlichen Haupterhebung die Einsch~itzung der Befragten zu diesen Unternehmen eingeholt wird. Dadurch sind zwar Rankings von Unternehmen m5glich, eine Identifikation von Treibern wird aber nur schwerlich erreichbar sein. Kausale Beziehungen werden bislang in keiner Weise untersucht, auch Beziehungen der sechs S~iulen untereinander finden keine BenJcksichtigung. Eine substanzielle messtheoretische Validierung dieser Hauptdimensionen wurde bislang zudem nicht dokumentiert: ,,[..] the construct validity of the construct remains unclear' (GROENLAND2002, S. 308). 16

2.3.3 Weitere praxisorientierte Messinstrumente Mit der so genannten ,,Gesamtreputation" ver~ffentlicht das ManagerMagazin seit 1987 einen Indexwert f(Jr die 100 bedeutendsten deutschen Unternehmen (vgl. RIEKER/SCHLOTE 1996, S. 50-52). Obwohl andere Items zur Operationalisierung dienen, ist der Index prinzipiell analog zum AMAC bzw. GMAC aufgebaut. Insofern ist diesere Instrument mit denselben Vorbehalten zu begegnen.

16 GROENLAND(2002, S. 308) berichtetjedoch von qualitativenVersucheneiner Validierung.

2.4 Determinanten der Untemehmensreputation: Ein Erklarungsmodell

15

,~hnliche Probleme bereiten auch praxisorientierte Rankings anderer Zeitschriften, wie sie in Tabelle 1 dargestellt sind.

Tabelle 1:

Praxisorientierte Reputationsrankings (vgl. SCHWAIGER/CANNON2004a, S. 70)

2.3.4 Eine mehrdimensionale Betrachtungsweise Dagegen w~hlt SCHWAIGER (2004) einen anderen Zugang: Die explorative Studie verfolgt nicht nur das Ziel einer Operationalisierung des Zielkonstrukts ,,Reputation", sondern dar(Jber hinaus werden Einfl0sse durch andere Konstrukte exploriert, die eine Treiberanalyse erlauben. Anders als bei den o.g. Messkonzepten ist die gew~hlte Vorgehensweise bei der Operationalisierung transparent und wissenschaftlich nachvoilziehbar (vgl. auch die Darstellung

des Messkonzeptes bei SCHWAI-

GER/CANNON 2004b). Damit ist der Ansatz einerseits auf die Operationalisierung von Reputation im eigentlichen Sinne angelegt und geht andererseits auch dar0ber hinaus. Durch die Identifikation von Konstrukten, welche die Unternehmensreputation beeinflussen, kbnnen auf einer weiteren Verfeinerungsstufe der Betrachtung konkrete Treiber benannt werden, die die Reputation letztlich positiv bzw. negativ beeinflussen. Dies ermbglicht auch Hinweise for das Management der Reputation. 17 2.4 Determinanten der Unternehmensreputation: Ein Erkl~rungsmodell Auch wenn bisher wenige verl~ssliche empirische Erkenntnisse zu den Konsequenzen auf unternehmerische Zielvariablen vorliegen, ist die Handlungsrelevanz des Konzepts doch in der theoretischen Literatur unzweifelhaft (vgl. Abschnitt 3.1). Insofern stellt sich noch in einer vorgelagerten Betrachtung die Frage nach Bestimmungsgrb~en, also welche Variablen beeinflussend auf die Unternehmensreputation

17 FOr beispielhafte Anwendungen und weitere Validierungen des Modells vgl. etwa SCHWAIGERJZINNBAUER(2003) sowie ZINNBAUERJBAKAY/SCHWAIGER(2004).

16

2 Reputation als untemehmerische ZielgrOl3e

wirken. Diese sind gleichsam die Basis einer Treiberanalyse und Ausgangspunkt for die Ableitung von Handlungsempfehlungen.

Tabelle 2:

Ergebnisseder Metastudie: Treiberkonstrukteder Unternehmensreputation

Den Ausgangspunkt for die Identifikation von Konstrukten, welche die Reputation beeinflussen, stellt die breit gef~cherte Literatur zum Konstrukt Reputation dar. Hierzu wurde eine Vielzahl von Quellen untersucht. Darin genannte GrSBen, aus denen sich Reputation ergibt oder durch die Reputation beeinflusst werden, sind in Tabelle 2 dargestellt. Es f&llt auf, dass die Variablen teilweise beobachtbare (objektive), teilweise a priori unbeobachtbare GrSBen darstellen. Reputation als Einstellung wird

2.4 Determinanten der Untemehmensreputation: Ein Erkl~rungsmodell

17

von jedem Individuum unterschiedlich wahrgenommen. Insofern spielen auch bei der Bildung der Reputation weniger tats~chliche Grbl~en als vielmehr deren Wahrnehmung eine Rolle. Tabelle 2 macht deutlich, aus wie vielen Blickwinkeln eine Ann&herung an das Konstrukt mbglich ist. Dennoch weisen die angef0hrten Aussagen zu Treibern von Reputation gewisse ,~,hnlichkeiten auf. Es sind mehrere Dimensionen erkennbar, die die Reputation eines Unternehmens bestimmen kbnnen. Beispielsweise bef0rwortet eine Vielzahl der Autoren eine Dimension, die auf die Qualitit der Leistungen des Unternehmens eingeht. Die Signalling-Perspektive (insb. SHAPIRO 1982, 1983; ROGERSON 1983) beschQftigt sich in diesem Zusammenhang mit Ein-Produkt-Unternehmen und impliziert also eine Identit~t von Unternehmens- und Produktmarke und -bild. Es muss jedoch bei der Betrachtung der Unternehmensreputation realer Mehrmarkenunternehmen auf die Qualit~t aller erstellten Produkte und Dienstleistungen abstrahiert werden. Dennoch ist QualitQt aber als ein unverzichtbares Konstrukt zu sehen, welches die Reputation eines Unternehmens beeinflusst. Ebenso wenig bestehen in der gesichteten Literatur Zweifel dar0ber, dass die finanzielle Performance der Vergangenheit eine Determinante der Reputation eines Unternehmens darstellt. Der wahrgenommene wirtschaftliche Erfolg bestimmt offenbar die EinschQtzung des Rufs, den die Organisation geniel~t (vgl. insb. McGulRE/SCHNEEWEIS/BRANCH 1990; CORDEIRO/SCHWALBACH 1999;

FOMBRUN/SHANLEY

1990; ROBERTS/DOWLING 2002). Diese Dimension stellt zweifelsfrei auch den von FRYXELL/VMANG (1994, S. 11), McGUIRE/SCHNEEWEIS/BRANCH (1990, S. 178)oder BROWN/PERRY (1994, S. 1358) festgestellten finanziellen Faktor dar. Die zitierten Studien legen die Vermutung nahe, dass ,,Reputation", wie sie mit den FortuneIndizes AMAC und GMAC (vgl. Abschnitt 2.3) gemessen wird, ausschliel~lich aus diesem Konstrukt besteht. Im Lichte der oben getroffenen Definition von Reputation und in Einklang mit Tabelle 2 ist jedoch augenfQIlig, dass der (bkonomische) Erfolg einer Organisation zwar eine wichtige Einflussgrbl~e f0r die Reputation ist, keinesfalls jedoch die einzige sein kann. Hier ist auch von Bedeutung, dass ,,bkonomischer Erfolg" in diesem Zusammenhang eine a priori unbeobachtbare Einsch~tzung darstellt. Die Tatsache, dass neben finanziellen Einflusskonstrukten ebenso nichtfinanzielle Gr61~en von Bedeutung f0r die Zusammensetzung einer Reputation sind, wird anschaulich von FREEMAN (1984, S. 32) beschrieben, der auch die Bedeutung nicht-

18

2 Reputation als untemehmerische Zielgr513e

6konomischen Unternehmenserfolgs f(~r die Beurteilung des Unternehmens durch seine Stakeholder hervorhebt. Begriffe wie ,,fairness" (SHENKAR/YUCHTMAN-YAAR 1997), ,,meritorious identity over time" (GRAY/BALLMER 1998), ,,credibility" (WEISS/ANDERSON/MACINNIS 1999) oder ,,corporate social responsibility" (FOMBRUN/SHANLEY 1990; HERREMANS/AKATHAPORN/MCINNES 1993)lassen sich zu einer Dimension zusammenfassen, die eine soziale Verantwortung des Unternehmens widerspiegelt. Da die gefundene Definition von Reputation neben den kognitiven auch affektive Bestandteile umfasst, ist es nicht verwunderlich, dass die Literatur mit dieser Komponente auch ein tendenziell eher affektiv gepr~gtes Konstrukt als beeinflussende GrbI~e annimmt. Eine letzte Gr61~e kann schliel~lich mit Sichtbarkeit oder Wahrnehmbarkeit fi.ir die Stakeholder identifiziert werden (vgl. etwa FOMBRUN/SHANLEY 1990; WEISS/ANDER-

SON/MACINNIS 1999; KOTHA/RAJGOPAL/RINDOVA2001). Bei manchen der in Tabelle 2 genannten Autoren wird dabei aber lediglich auf eine objektive Sichtbarkeit im Sinne yon Pr~isenz abgestellt. Dies ist als Determinante yon Reputation zwar a priori nicht sinnlos, jedoch scheint eine Erweiterung angebracht. Beispielsweise I~sst sich durch kognitives Wissen 0ber Pr&senz in den Medien noch keine Aussage 0ber die Richtung des Einflusses dieser Sichtbarkeit auf die Reputation machen. Da letztere aber als Einstellungskonstrukt konzipiert ist, mag auch bei der Konzeption yon Sichtbarkeit eines Unternehmens die Hinzunahme einer Beurteilung durch die Stakeholder in das Konzept sinnvoll sein. Letztlich kann also auch hier darauf verwiesen werden, dass es eher auf die Einsch~tzung (im Sinne eines a priori nicht beobachtbaren Einstellungskonstrukts) durch die Stakeholder ankommt, als auf die beobachtbare Gr6I~e ,,Pr~senz". Insofern scheint die yon FOMBRUN/SHANLEY(1990, S. 239)verwendete Begrifflichkeit Attraktivit~t f•r dieses Konstrukt zweckm~il~iger. Bei der Suche nach den beeinflussenden Gr61~en der Reputation wurde in der explorativen Studie von SCHWAIGER (2004, S. 57 f.) auf die Befragung von Experten zur0ckgegriffen. Aus der Vielzahl dort gewonnener Einzelnennungen auf die Frage ,,was beeinflusst Reputation" wurde dort mittels explorativer Faktorenanalyse ein Gerest aus ebenfalls vier beeinflussenden Faktoren ermittelt, die denjenigen Konstrukten, die f0r die vorliegende Studie aus der Theorie gewonnen wurden in weiten Teilen ~ihneln. Damit best~tigt sich im Nachhinein, dass die empirische Studie in der Lage war, Faktoren zu ermitteln, die die Breite der Literatur zum Thema ,,Einflussfaktoren auf Unternehmensreputation" abdecken k6nnen. Das von SCHWAIGER(2004, S. 62 f.) ermittelte Erkl~rungsmodell, in dem die vier Konstrukte die beiden Dimensio-

19

2.4 Determinanten der Untemehmensreputation: Ein Erkl~rungsmodell

nen yon Unternehmensreputation erkl~iren, ist in Abbildung 4 dargestellt und soil daher auch im Folgenden einen messtheoretischen Rahmen for diese Arbeit liefern. TM

/

Kompetenz

Qualit~t

Performance

Abbildung 4:

Attraktivit~t

Verantwortung

Grundmodell der Determinanten von Unternehmensreputation (in Anlehnung an SCHWAIGER2004, S. 65 f.)

18 Bevor weitere Schritte in der Erkl~rung dieser Gr61~en durch beobachtbare Variablen vorgenommen werden k6nnen, steht auch im Fall dieses Reputationsmodells die grundlegende Frage an, ob und welche Konstrukte dabei als formativ bzw. reflektiv zu behandeln sind. Die Beantwortung dieser Frage soil zun~chst bis zu Kapitel 5.2 zur0ckgestellt werden.

21

3 Die Relevanz von Unternehmensreputation f~ir unternehmerisches Handeln Marketingaktivit~ten auf Ebene des Gesamtunternehmens oder allgemein auf h6heren Aggregationsstufen als die bislang betrachtete Einzelmarkenebene wird als eines der interessantesten

aktuellen Forschungsfelder der Marketingwissenschaft be-

schrieben (vgl. BALMER2001, 2003). Dies ist vor allem deshalb der Fall, da die Reputation als mediierender Faktor Unternehmensziele positiv wie negativ beeinflussen kann. Die Handlungsrelevanz des Reputationskonzepts soil zun~chst im folgenden Abschnitt anhand einer empirischen Vorstudie allgemein an einer finanziellen Zielgr6Be des Unternehmens demonstriert werden. Aufbauend darauf wird in den weiteren Abschnitten erarbeitet werden, ob und wie diese Effekte auf das Gesamtunternehmen sowie auf das Verhalten der Kunden von Unternehmen zur0ckzuf0hren sind. Eine Literaturdurchsicht offenbart ein Forschungsdefizit in theoretischer und empirischer Hinsicht, das durch die systematische Ableitung von Hypothesen geschlossen werden soil, die als Basis for die weitere Untersuchung in inhaltlicher Sicht dienen.

3.1 Der Zusammenhang von Reputation und unternehmerischen Zielgr6Ben In einem ersten Zugriff auf die Wirkungsweise von Reputation soil zun~chst der Fragestellung nachgegangen werden, ob Unternehmen hoher Reputation auf einer globalen Ebene im monet~ren Sinne als erfolgreicher zu bezeichnen sind und damit gegenf3ber Konkurrenten im Vorteil sind, deren Ruf als schlechter zu bezeichnen ist. Die Literatur hat in der Vergangenheit oftmals aus verschiedenen Sichtweisen versucht, Zusammenh~nge zwischen hoher Reputation und finanziellem Unternehmenserfolg herzustellen. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass Unternehmen mit hoher Reputation typischerweise auch diejenigen Unternehmen sind, die eine bessere finanzielle Performance aufweisen und am Aktienmarkt h6her bewertet sind (vgl. ANTUNOVICH/LASTERJMITNICK 2000;

HAMMOND/SLOCUM 1996; MCGul-

RE/SUNDGREN/SCHNEEWEIS 1988; MCMILLAN/JOSHI 1997; ROBERTS/DOWLING 1997; SRIVASTAVAET AL. 1997; VERGIN/QORONFLEH 1998; SHRUM/VVUTHNOW1988, S. 909). Die Arbeit von EBERL/SCHWAIGER (2005) konnte diese mehrfach hypothetisierten Zusammenh~nge auch empirisch for deutsche GroBunternehmen nachweisen. Im Rahmen einer repr&sentativen telefonischen Befragung wurden 1.012 Befragte um

22

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr unternehmerisches Handeln

ihre Einsch~tzung zu jeweils zwei Unternehmen des DAX30-Aktienindex gebeten, sodass insgesamt 1.782 Unternehmensurteile vorlagen. Der finanzielle Erfolg wurde durch die Gewinngr0&e ,,net income" der letzten Jahre operationalisiert. In einem ersten Schritt wurde die Reputation durch Regressionsmodelle um den Zirkeleffekt bereinigt, der sich dadurch ergibt, dass finanziell erfolgreiche Unternehmen insbesondere in kognitiver Hinsicht besser beurteilt werden (vgl. ROBERTS/DOWLING 2002). Line darauf aufbauende Regression zeigte schliel~lich einen hochsignifikanten Einfluss der Reputation. Es konnte dareber hinaus gezeigt werden, dass die kognitive und die affektive Reputationsdimension in gegens~tzlicher Richtung auf den Unternehmenserfolg wirken k0nnen. Damit erh~ilt ein Management der Unternehmensreputation also st~rkere Bedeutung for den Unternehmenserfolg als dies aus der theoretischen Literatur hervorgeht, da die m0glichen negativen (Teil-)effekte einer hohen Reputation vernachl~issigt wurden. 3.2 Reputation als Ressource des Unternehmens Die von EBERL/SCHWAIGER (2005) ermittelten Zusammenh~nge Oberraschen angesichts der Aussagen in der Literatur nicht, die seit langem Zusammenh~nge zwischen Reputation und weiteren Zielgr0Ben des Unternehmens in theoretischen und empirischen Untersuchungen herstellen. N~hert man sich aus dem Blickwinkel des Unternehmens und seinen F~higkeiten (also dem so genannten Resource-BasedView 19, vgl. WERNERFELT 1984; BARNEY 1986, 1991; PRAHALAD/HAMEL1991), SO ist Reputation als eine intangible Ressource - also ein immaterieller Verm0gensgegens t a n d - des Unternehmens zu charakterisieren (vgl. TEECE/PISANO/SHUEN 1997, S. 521; SHRUM/MMUTHNOW1988, S. 909; CANNON/SCHWAIGER2005, S. 190). Immaterielle Verm0gensgegenst~inde erlauben es dem Unternehmen, Wettbewerbsvorteile zu realisieren, die in letzter Konsequenz die Performance des Unternehmens positiv beeinflussen (vgl. HUNT/MORGAN 1995, S. 7 f.; AMBROSINI/BOWMAN2001, S. 813 f.). Reputation kann als eine derartige Ressource charakterisiert werden, da sie nicht eber Faktorm~rkte handelbar ist (vgl. WEIGELT/CAMERER 1988, S. 443; HALL 1992, S. 135 f.; HUNT/MORGAN 1995, S. 7; CARUANA 1997, S. 109). Da sie auf einer unternehmensindividuellen Vergangenheit von Interaktions- und Transaktionsbeziehungen Tit Stakeholdern (oder deren Kommunikationsbotschaften) beruht, ist Reputation zudem

19 Im Rahmendieser Betrachtungsweisewird der Unternehmenserfolginsbesondereals Konsequenz unterschiedlicher, unternehmensindividueller Ressourcenprofile erkl~rt (vgl. weiterfOhrend auch AMIT/SCHOEMAKER1993; PETERAF1993; REED/DEFILLIPP11990).

3.2 Reputation als Ressource des Untemehmens

23

als Investition zu kennzeichnen, die nur unvollst~ndig yon Konkurrenten nachvollzogen oder imitiert werden kann (vgl. BARNEY 1991, S. 115; HUNT/MORGAN 1995, S. 12 f.; KOTHAJRAJGOPAL/RINDOVA2001, S. 573; MAHON 2002, S. 423). Zusammenfassend besitzt also ein Unternehmen besserer Reputation einen relativen Wettbewerbsvorteil gegeneber seinen Konkurrenten. Da Reputation wie oben dargestellt kaum imitierbar ist, kann sie sogar als strategischer Wettbewerbsvorteil 2~ bezeichnet werden, der langfristig gegen Konkurrenten eingesetzt werden kann (vgl. SHAMSIE 2003, S. 200 f.).21 In Bezug auf konkrete Anspruchsgruppen des Unternehmens wird argumentiert, dass Mitarbeiter starker intrinsisch motiviert sind, for ein hochreputiertes Unternehmen zu arbeiten (vgl. ARGENTI/DRUCKENMILLER2004, S. 368; GANESAN 1994, S. 5; ANDERSON/MVEITZ 1992); dadurch fallen geringere Vertragsschluss- und Monitoringkosten an (vgl. ROBERTS/DOWLING2002, S. 1079). STIGLER (1962, S. 102) spricht gar von sinkenden Steckkosten. Auch die Stakeholder des

Kapitalmarkts werden als vonder Reputation beeinfluss-

bar betrachtet. So argumentieren BEATTY/RITTER (1986, S. 216 f.), dass Unternehmen hoher Reputation erleichterten Zugang zum Kapitalmarkt bekQmen und zudem genstigere Finanzierungskonditionen erhielten (vgl. auch VERGIN/QORONFLEH 1998, S. 19). Dies wird beispielsweise dadurch erreicht, dass Investoren tendenziell for Unternehmen mit guter Reputation eine for das Unternehmen genstigere RisikoeinschQtzung treffen (vgl. SRIVASTAVAET AL. 1997). In einer j0ngeren Untersuchung hat sich SCHOTZ (2005) ausf0hrlich mit der Bedeutung von Unternehmensreputation im Kapitalmarkt auseinandergesetzt. Er zeigt mittels breit angelegter experimenteller Untersuchungen for Anlageentscheidungen privater Anleger, dass Unternehmensreputation als Marktanomalie im Rahmen von BehaviouraI-Finance-Ans~tzen aufgefasst werden kann. So kann eine Verbesserung der Unternehmensreputation im Vergleich zur Reputation anderer Unternehmen dazu fehren, dass die Aktie des Unternehmens relativ mehr Gewicht in der Anlagestrategie von privaten Anlegern erhQIt. Bei unerwarteten und negativen Verl~ufen des Aktienmarktes verst~rkt sich dieser Effekt. SCHOTZ geht davon aus, dass hier eine Unsicherheitsreduktionsfunktion von 20 Vgl. auch die Bemerkungen zur nachhaltigen Sicherung komparativer Wettbewerbsvorteile bei HARHOFF/GRUBER(2002). 21 Zu Eigenschaften strategischer Wettbewerbsvorteile vgl. DIERICKX/COOL(1989, S. 1507); BARNEY (1991); REED/DEFILLIPPI( 1990); PETERAF(1993).

24

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

Reputation zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig weisen den Ergebnissen zufolge bestehende Reputationsurteile eine deutliche Persistenz auf, da Anleger dazu tendieren, eine bestehende Einsch~tzung nur geringfOgig anzupassen, wenn eine ,~,nderung des Urteils n0tig w~ire. In Bezug auf Wettbewerber wird Reputation oft in einer verkerzten Konzeptualisierung als die Summe vergangener Verhaltensweisen charakterisiert und in der Folge als Signal for k0nftiges strategisches Verhalten gegeneber Wettbewerbern interpretiert (vgl. CLARK/MONTGOMERY 1998, S. 63-65). Die Literatur nennt dar0ber hinaus weitere Konsequenzen hoher Reputation, wie z.B. im Umgang mit anderen An$pruchsgruppen des Unternehmens (vgl. bspw. ROBERTS/DOWLING 1997, S. 72 oder SRIVASTAVAET AL. 1997, S 62 f.).22 Auch in Bezug auf die for das Unternehmen zentrale Stakeholdergruppe der Kunden zeigt eine Literaturdurchsicht Erkl~irungsans~tze. Diese werden im folgenden Abschnitt n~her erl~utert, der sich ausfehrlich mit den Wirkungsweisen auf finale Zielgruppen besch~ftigt und daraus die zu untersuchenden Zusammenh~nge identifiziert. 3.3

K u n d e n im Fokus: Die b e s o n d e r e R e l e v a n z von U n t e r n e h m e n s r e putation for finale Z i e l g r u p p e n

Unter der Vielzahl der Anspruchsgruppen, die das Umfeld des Unternehmens konstituieren, stellen zweifelsohne die Kunden eine besondere Gruppe dar, da sie die direkten Austauschpartner des Unternehmens sind und damit das absatzmarktseitige 0berleben sicherstellen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass kundenbezogenen Zielen regelm~il3ig hoher Stellenwert in der unternehmerischen Zielhierarchie einger~iumt wird (vgl. BECKER 1998, S. 14-16). FOr Managemententscheidungen ist daher die Kenntnis eber Konsequenzen in Bezug auf die Abnehmer der Produkte - also bestehende und potenzielle Kunden - von Bedeutung. Hierzu ist insbesondere Wissen Ober das Verhalten potenzieller Nachfrager gegeneber den Produkten des Unternehmens n0tig. 23

Ein ausf0hrlicher Literatur0berblick 0ber die Wirkungen von Reputation findet sich bei SCHWAIGER (2004, S. 50 f.). 23 Unter dem Begriff des Kunden- bzw. K~iuferverhaltenssollen im Folgenden alle Reaktionen und Entscheidungen von Kunden in Bezug auf das Unternehmen selbst sowie dessen Produkte verstanden werden. Damit fokussiert der Begriff haupts~chlich auf den gesamten Prozess der Kauf-

22

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fDr finale Zielgruppen

25

3.3.1 Stand der Forschung zur Kundenverhaltenswirkung der Unternehmensreputation Mit Blick auf die Kunden wird Reputation beispielsweise unterstellt, dass sie - vermittelt durch die indirekten oder direkten Erfahrungen mit dem Unternehmen - als Instrument zur Risikoreduktion fungiert (vgl. BARNEY 1991, S. 115; KOTHA/RAJGOPAL/ RINDOVA 2001, S. 573; DOWLING 2001, S. 12 f.). Dadurch k6nne es bei Kunden zu einem grSl~eren Deckungsgrad von erwarteter und wahrgenommener erhaltener Leistung kommen. Dies w~re wiederum gleichbedeutend mit gr(51~erer Nachkauf- und Nachverwendungszufriedenheit (vgl. AAKER 1991, S. 16) und kSnne sich daher in einem Preispremium widerspiegeln, das ein Unternehmen guter Reputation f0r seine Produkte erzielen kann (vgl. KLEIN/LEFFLER1981, S. 634; MILGROM/ROBERTS1986, S. 817; PODOLNY 1993, S. 866 f.). Dieser Zusammenhang wird insbesondere von Vertretern des Signalling-Ansatzes postuliert (vgl. SHAPIRO 1982, S. 23, 1983, S. 678; MOLLER 1996, S. 108 f., 152). Die vorliegende Arbeit wird zeigen, dass diese Argumentation jedoch zumeist von einer fr0hen Sichtweise der Reputation ausgeht und angesichts des heute weiteren Verst&ndnisses von Reputation keine Erkl~rungskraft mehr besitzt. Eine Ann~herung aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht kommt dagegen bisher 0ber Andeutungen in der Literatur nicht hinaus. Eine begr0ndete Auseinandersetzung erfolgt nicht; auch eine Verankerung der Reputationsforschung in der Kundenverhaltensforschung ist bisher nicht geleistet. Sp~tere Abschnitte werden sich mit diesen Fragestellungen ausf0hrlich besch~ftigen. Eine andere Argumentationslinie verfolgt ROGERSON(1983, S. 509) mit der Aussage, dass durch hohe Reputation im Vergleich weniger Kunden das Unternehmen verlassen und zugleich mehr Neukunden gewonnen werden k(Snnen. Dadurch st0nde eine gr(51~ere und gebundenere Kundenbasis zur Verf0gung (vgl. auch ALLEN 1984, S. 311 f.; CLARK/MONTGOMERY1998, S. 65 f.; CAMINITI 1992, S. 49; HERBIG/MILEWICZ 1993, S. 21; PREECE/FLEISHER/TOCCACELLI1995, S. 88; PODOLNY/STUART/HANNAN1996, S. 683; BENJAMIN/PODOLNY1999, S. 564; VERGIN/QORONFLEH1998, S. 19). Die erw~hnten Ans~tze geben jedoch in mehrfacher Hinsicht Anlass zu Kritik. So liegt den getroffenen Aussagen zumeist eine verkC~rzte Konzeptualisierung der Begrifflichkeiten zugrunde, die Reputation im Sinne eines Qualit~tsversprechens auf-

entscheidung (vonder Produktwahrnehmungbis zum Produktkauf) und entsprichtdamit einer weiten Begriffsfassungdes Kaufentscheidungsverhaltensvon KROEBER-RIEL/VVEINBERG(2003, S. 368) oder MEFFERT(2000, S. 101).

26

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

fasst, damit wesentliche Eigenschaften der modernen Begriffsauffassung aul~er Acht I~sst und letztlich nicht auf Unternehmensreputation, sondern auf Produktimage abstellt (vgl. etwa SHAPIRO 1982, 1983; MOLLER 1996; AAKER 1991; MILGROM/ROBERTS 1986; BARNEY 1991). Die formulierten Konsequenzen werden dareber hinaus kaum in ein theoretisches Verst~ndnis des Kundenverhaltens eingebettet und erheben auch zumeist nicht den Anspruch auf den Rang einer in der K~uferverhaltensforschung fundierten Theorie (vgl. bspw. ALLEN 1984, S. 311 f.; CAMINITI 1992, S. 49; PREECE/FLEISHERJTOCCACELLI 1995, S. 88; PODOLNY/STUART/HANNAN 1996, S. 683; BENJAMIN/PODOLNY 1999, S. 564; ROGERSON 1983, S. 509). Dies fehrt auch dazu, dass die in der Literatur genannten Wirkungen auf Kunden kaum explizit zwischen finalen und subfinalen Zielgruppen unterschieden werden. 24 Diese Vermischung erschwert ein dezidiertes VerstQndnis der Wirkungsweise auf die polymorphe Anspruchsgruppe ,,Kunden", deren Entscheidungsverhalten sich insbesondere darin unterscheidet, ob der Kunde ein Individuum oder eine andere Organisation ist. Existierende Entscheidungsmodelle eber Kaufverhalten lassen sich nach Zahl und Typus der beteiligten Entscheidungstr~ger zu vier verschiedenen Grundtypen verdichten, die insbesondere unterschiedliche Grade an Rationalit~it im Entscheidungsprozess implizieren (vgl. MEFFERT 1992, S. 28). Diese sind in Tabelle 3 dargestellt. In einem ersten Erkenntnisschritt soil es der vorliegenden Arbeit genOgen, sich im Folgenden auf individuelle Kaufentscheidungen zu beschr~inken. 25 DarOber hinaus sind Kaufentscheidungen, bei denen Unternehmen bzw. Institutionen die Endkunden darstellen, zum 0berwiegenden Teil kollektive Kaufentscheidungen (vgl. o.V. 1982, S. 41; MEFFERT 2000, S. 137). Damit erscheint die Einschr~nkung auf die Kaufentscheidungen von privaten Endkunden (Konsumenten) for den weiteren Verlauf der Betrachtung eine sinnvolle Fokussierung der vorliegenden Arbeit. 26

24 Unterfinalen Zielgruppen lassen sich diejenigen Einzelwirtschaften verstehen, die in Bezug auf ein angebotenes Objekt als letzte Nachfrager bzw. Verwenderangesprochen werden sollen (vgl. MEYER 1996, S. 70). Unter dem Begriff subfinale Zielgruppe werden im Wesentlichen Marktmittlerverstanden, die als Zwischenanbieter und Zwischennachfrager die Realisierung einer marktlichen Transaktion an die finalen Zielgruppen erst erm0glichen, wobei die Definition im Prinzip auch die restlichen Anspruchsgruppen des Unternehmens als direkt bzw. indirekt beeinflussende Teilnehmer einer Transaktion zul&sst (vgl. ebenda). 25 Empirische gesicherte Erkenntnisse in Bezug auf die Kundenbindungswirkungvon Reputation im Markt der Haushaltsstromkunden sowie der Bankdienstleistungen liefern SCHWAIGEPJZINNBAUER (2003) sowie ZINNBAUERJBAKAY/SCHWAIGER(2004). 26 Zum Begriff des Konsumentenverhaltensvgl. auch SOLOMON/BAMOSSY/ASKEGAARD (2001, S. 22 f.) sowie KROEBER-RIEL/VMEINBERG(2003, S. 3, 368).

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Unternehmensreputation for finale Zielgruppen

Individuum Kollektiv Tabelle 3:

Haushalt

Unternehmen bzw. Institution

Kaufentscheidungen des Konsumenten

Kaufentscheidungen des Repr~sentanten

I

27

Kaufentscheidungen Kaufentscheidungen von Familien des Einkaufsgremiums Grundtypen von Kaufentscheidungennach Zahl und Typus der beteiligten Entscheidungstr~ger (in Anlehnungan MEFFERT1992, S. 38)

Die Reputationsliteratur zeigt darOber hinaus eine weitere Problematik, die durch den Mangel eines geschlossenen theoretischen Bezugsrahmens for die kundenbezogenen Konsequenzen der Unternehmensreputation hervorgerufen wird: Die Kaufverhaltenstheorie 27 geht von einer Vielzahl m0glicher Bestimmungsfaktoren bei der Kaufentscheidung aus. Ob und inwieweit diese Determinanten einen potenziellen Zusammenhang zwischen Reputation und dem Verhalten von Kunden in Existenz und Ausmal~ beeinflussen (moderieren), bleibt jedoch in den zitierten Arbeiten undiskutiert. Doch auch eber konzeptionelle Gesichtspunkte hinaus ist die bestehende Literatur zu den kundenbezogenen Konsequenzen hoher Unternehmensreputation kritisch zu sehen. So wurde in den genannten Arbeiten eine empirische 0berpr0fung der get~tigten Aussagen eber die Konsequenzen hoher Reputation auf Kunden nicht vorgenommen, die Aussagen kommen in manchen F~llen eber den Status von PlausibilitQts0berlegungen nicht hinaus. Es zeigt sich also ein deutliches Forschungsdefizit im Bereich der theoretischen Fundierung und empirischen 0berprefung der Wirkung von Reputation auf Konsumentenverhalten. In den folgenden Abschnitten wird daher zun&chst ein theoretischer Bezugsrahmen vorgestellt, der die Untersuchung der Wirkungen von Reputation erlaubt. Diese Wirkungen werden sodann in Abschnitt 3.3.3 in Form empirisch eberprefbarer Hypothesen abgeleitet und zu einem Gesamtmodell der Kaufverhaltenswirkung der Unternehmensreputation verdichtet.

27 FOr einen 0berblick eber die g~ngigen Theorien des KQufer- und Konsumentenverhaltens sei bspw. auf HAWKINS/BEST/CONEY(2004), FOSCHT/SWOBODA(2004), TROMMSDORFF(2004) oder KROEBER-RIEL/WEINBERG(2003) sowie die dort zitierten Quellen verwiesen.

28

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

3.3.2 Kaufverhalten von E n d k o n s u m e n t e n - ein theoretischer Bezugsrahmen

Ziel dieses Abschnitts soil es zun~chst sein, den Stand der breit gef~cherten Forschung im Bereich der Konsumentenverhaltensforschung in einem fQr die vorliegende Arbeit geeigneten Rahmen darzustellen. Im ersten Schritt wird auf die vertiefte Betrachtung ausgew~hlter intervenierender Variablen verzichtet werden, da diese im Kontext der sp~iteren Abschnitte in einen sinnvolleren Zusammenhang gestellt werden kSnnen. 3.3.2.1 Zug~inge zum Individuum: Beobachten vs. Verstehen

Konsumentenverhalten I~sst sich grunds~tzlich auf zwei verschiedene Arten modellieren. Die so genannten Blackbox-(Stimulus-Response)-Ans&tze modellieren dabei lediglich die beobachtbaren Determinanten und Ergebnisse der Kaufentscheidung und verzichten bewusst auf eine Betrachtung der Vorg(~nge im Individuum (vgl. STANDOP/HEMPELMANN/KLINGER 1991; NIESCHLAG/DICHTL/HORSCHGEN2002, S. 589). Eine Erkl~rung der Wirkungsweise von Marketingmal~nahmen auf das Entscheidungsverhalten ist damit nicht m6glich, weswegen derartige Ans&tze fer den vorliegenden Zweck keinen tauglichen Erkl~rungsrahmen bieten k(Snnen. Dagegen stellen S-O-R-Ans~itze (Stimulus-Objekt-Response)-Ans~tze 28 ,,echte" Verhaltensans~tze dar, indem sie die psychischen Vorg~nge innerhalb des Individuums in die Modellierung von Verhalten aufnehmen. KROEBER-RIEL/VVEINBERG(2003, S. 4952) unterteilen diese komplexen psychischen Prozesse ebenso wie andere Autoren in kognitive (Wahrnehmen, Denken, Lernen, Entscheiden) und aktivierende Komponenten (Emotionen, Motive, Einstellungen) (vgl. auch KOTLER/KELLER2006, S. 200; MEFFERT 2000, S. 132 f.; TROMMSDORFF2004, S. 160; FOSCHT/SWOBODA2004, S. 1114; ARNOULD/PRICE/ZINKHAN 2004, S. 263). Wie sp~ter noch in tieferem Detaillierungsgrad dargestellt wird, kSnnen diese Komponenten je nach Entscheidungssituation und dem Grad der kognitiven Steuerung dabei unterschiedliche Wirkungen auf das beobachtbare Verhalten entfalten. Werden die psychischen Vorg~nge in Form von latenten Variablen und ihren Beziehungen untereinander modelliert, lassen sich diese Modelle als Strukturmodelle des Konsumentenverhaltens definieren, die in der

28 TROMMSDORFF(2004, S. 160) spricht in diesem Zusammenhangvon einer S-I-R-Perspektive (Stimulus - IntervenierendeVariablen- Response).

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fDr finale Zielgruppen

29

Konsumentenforschung eine dominante Rolle innehaben (vgl. MAZANEC 1978, S. 25, 27-29; KROEBER-RIEL/VVEINBERG2003, S. 374).

3.3.2.2 Konstituierende Merkmale des Kaufentscheidungsprozesses Die vielf~ltigen Beziehungen und Wirkungsmechanismen der intraindividuellen Vorg~nge w~ihrend der Informationsverarbeitung des Individuums werden in der Regel entweder als Partial- oder Totalmodelle dargestellt, die auch als Strukturmodelle des Konsumentenverheltens bezeichnet werden. W~hrend Partialmodelle jeweils auf einen Teilausschnitt des Konsumentenverhaltens abstellen, versuchen Totalmodelle den gesamten Entscheidungsprozess des Individuums zu modellieren und dabei m(Eglichst

vollst~ndig

die

ablaufenden

Vorg~nge

abzubilden

(vgl.

NIESCHLAG/DICHTL/HORSCHGEN 2002, S. 629). Auf einem relativ hohen Aggregationsniveau lassen sich beispielsweise Phasenmodelle des Kaufprozesses identifizieren (vgl. bspw. KOTLER/KELLER 2006, S. 191; SOLOMON/BAMOSSY/ASKEGAARD 2001, S. 248; KROEBER-RIEL/n~/VEINBERG2003, S. 374). Der Kaufentscheidungsprozess setzt sich demnach grob aus den folgenden Stufen zusammen: 9

Problemerkenntnis

9

Informationssuche

9

Informationsverarbeitung

9 Alternativenbewertung und-auswahl 9

Kaufentscheidung und Nachkaufverhalten

Diese vereinfachenden Phasen gehen im Wesentlichen auf das Erkl~rungsmodell des Konsumentenverhaltens von ENGEL/BLACKWELL/KOLLAT (1978, S. 32) zur(Jck, das in der Literatur weite Verbreitung gefunden hat. Es baut im Kern auf den drei Hauptkomponenten Entscheidungs-, Informationsverarbeitungs-und Bewertungsprozess auf (vgl. BERKMAN/GILSON 1981, S. 41 f.; B,&NSCH 1998, S. 131-133; MEFFERT 2000, S. 132). 29 Derartige Totalmodelle sind insbesondere bei detaillierter Fokussierung auf

29 Daneben muss in diesem Zusammenhang auch auf die h~ufig zitierten Totalmodelle von HOWARD/SHETH(1969, S. 30 ff.), sowie BETTMAN(1979) und BETTMAN/ZINS(1977) hingewiesen werden, deren Eignung als theoretischer Bezugsrahmen for die Aussagen, die in der vorliegenden Arbeit gewonnen werden sollen, prinzipiell auch m(~glichw~re, da sich die theoretischen Schlussfolgerungen in der folgenden Detailanalyse des Entscheidungsprozesses nicht widersprechen. Diese Modelle sind jedoch bereits vielfach in der Literatur zitiert und diskutiert. Fine ausf0hrliche Darstellung der Modelle w0rde f(Jr die vorliegende Fragestellung keinen zus~tzlichen Erkenntnisgewinn bedeuten und unterbleibt daher. Der interessierte Leser sei auf die Ausf0hrungen von MAZANEC (1978), WEINBERG (1981), FARLEY/RING (1974), BEHRENS (1991), MOLLER-HAGEDORN(1986),

30

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

Teilaspekte nur bedingt geeignet, weswegen das Modell eher als ,,solider Unterbau" des Bezugsrahmens for die vorliegende Arbeit verstanden werden soil. 3~ Das Gesamtmodell in der Adaption ENGEL/BLACKWELL/MINIARDS (1990, S. 482) ist in Abbildung 5 dargestellt und soil zusammen mit dem Verweis auf die Urheber des Modells und deren Kritiker zun~chst im Ganzen for sich sprechen. Im Folgenden wird der Fokus der Betrachtung im Sinne der Darstellung eines Bezugsrahmens auf Mikroebene auf diejenigen Teilaspekte gelegt werden, die for die vorliegende Arbeit von besonderer Relevanz sind. AIs Kernfrage des Konsumentenverhaltens I~sst sich die Frage nach den Determinanten und dem Ablauf des konkreten Entscheidungsprozesses der Konsumenten identifizieren. Sie bildet auch im soeben vorgestellten Totalmodell den inhaltlichen Kern. Nicht nur das Erkl~rungsmodell von ENGEL/BLACKWELL/KOLLAT (1978) stellt die VorgQnge der Alternativenevaluation und -auswahl in das Zentrum der Betrachtung, auch in den anderen erw~hnten Kaufverhaltensmodellen nehmen sie eine zentrale Rolle ein. Nachdem in vorigen Schritten der Informationssuche ein Set von in Frage kommenden Produktalternativen ausgew~hlt wurde, impliziert das Modell, dass die konkrete Produktwahl als Folge zweier getrennter Vorg~nge anzusehen ist: ZunQchst findet die Beurteilung und Bewertung der Alternativen statt. 31 Daran schliel~t sich die konkrete Auswahl einer Alternative an, also die Entscheidung im eigentlichen Sinne. Es I~sst sich jedoch argumentieren, dass die in diesen beiden Stufen ablaufenden Informationsverarbeitungsvorg~nge nicht so klar voneinander abgrenzbar sind, wie es diese modelltheoretische Vorstellung impliziert (vgl. HAWKINS/BEST/CONEY 2004, S. 566 f.; KROEBER-RIEL/MVEINBERG2003, S. 386).

BANSCH (1998), MEFFERT (2000, S. 135), KROEBER-RIEL/WEINBERG(2003, S. 375 f.), BETTMAN/LUCE/PAYNE(1998) sowie LUCE/BETTMAN/PAYNE(2001) verwiesen. 3o So stellt bspw. TROMMSDORFF(2004, S. 29 f.) mit Blick auf das ENGEL/BLACKWELL/KOLLAT-Modell fest: ,,Modelle wie diese sind in der Darstellung pr~zise. Die Konstrukte sind aber nicht eindeutig mit Messvorschriften versehen, die Einflesse sind nur teilweise in Form von bewQhrten Hypothesen erfasst. Die Beziehungen sind nicht n~iherbestimmt, geschweige denn funktional festgelegt und es fehlen (bis auf eher unzulQnglicheVersuche, z.B. FARLEY/RING/WINSTON1974) empirische Best~tigungen unter universellen Rahmenbedingungen". Ebenso wird die implizite Annahme eines relativ hohen Grades kognitiver Steuerung bzw. hohen Involvements kritisiert, was wiederum die AIIgemeingeltigkeit des theoretischen Ansatzes in Frage stellt und ihn damit eher als Bezugsrahmen denn als testbare Theorie des Verhaltens nutzbar macht (vgl. BAGOZZl1979, S. 177). 31 KROEBER-RIELJVMEINBERG (2003, S.

386) bezeichnen die Beurteilung und Bewertung zusammenfassend auch als ,,Produktwahrnehmung".

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation for finale Zielgruppen

~'1 Need 4 Recognition :"

i

Stimuli 9 Marketer dominated

~~Pe~~i~~

4, "

I ~-~ Internal Search

i~

Compr~hensio Memory

9O t h e r

Acceptance1 ~

, I etent'on I

I

t

I External I. Search "

....................................

Abbildung5:

HT[I lI

Environmental Influences

Search

Alternative

31

-' Be~efst Attitude]

9 Culture 9 Social Class 9 Personal Influence 9 Family 9 Situation

Differences I va,ua,ion ,ntet,onJ Individual 9 Consumer [ Puroha~e i-: ~

I

"'~"

[ Outoomes [,

.-i--

I

"

Ressources 9 Motivation and Involvement 9 Knowledge 9 Attitudes 9 Personality 9 Lifestyle 9 Demographics

t Oissa,is,action I1 Sat,s,act,on t~ L ................................

J

Totalmodell des Konsumentenverhaltens (in Anlehnung an ENGEL/BLACKWELL/KOLLAT 1978, S. 32; ENGEL/BLACKWELL/MINIARD 1990, S. 482)

3.3.2.3 Entscheidungstypen und Vereinfachungen Je nach der ,,allgemeinen Motivierung" und der Bedeutung des konkreten Problems fQr das Individuum werden Entscheidungen als yon grb6erer oder geringerer Wichtigkeit wahrgenommen. Dementsprechend erhalten kognitive Prozesse im Rahmen der Kaufentscheidung st~irkere bzw. geringere Bedeutung (vgl. KROEBER-RIEL/WEIN-

BERG2003, S.

369). 32 Im vorgestellten Kaufverhaltensmodell erhalten entsprechend

einzelne Vorg~inge bzw. Entscheidungen jeweils unterschiedliches Gewicht im Gesamtprozess der Kaufentscheidung - davon betroffen sind insbesondere die Informationssuche, die Alternativenbewertung und die Produktauswahl.

Die normative Entscheidungstheorie gibt Regeln der Entscheidungslogik vor, welche eine rationale und bezogen auf den Erwartungsnutzen optimale Entscheidung erbringen sollen (vgl. bspw. BAMBERG/COENENBERG2004). In realen Entscheidungssituationen sind jedoch die grundlegenden Rationalit~itsaxiome kaum gegeben (vgl. TROMMSDORFF 2004, S. 308). Ein unterschiedlicher Grad kognitiver Beteiligung ist nicht zuletzt auf die begrenzte Rationalit~it von Konsumenten zurQckzufehren (vgl. JACOBY/SPELLER/KOHN 1974, S. 63). Durch Kapazit~itsbeschr~inkungen ist das Individuum meist nicht in der Lage, vollst~indig die Vielzahl verf(Jgbarer Informationen auf-

32 Um den Rahmen des vorliegenden Abschnitts nicht zu weit auszudehnen soil zun~chst der Involvementbegriff mit ZAICHKOWSKY (1985, S. 341) wie folgt verstanden werden: ,,a person's perceived relevance of the object based on inherent needs, values and interest". Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Involvementbegriff wird in Abschnitt 3.3.3.3 gef0hrt.

32

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

zunehmen und zu verarbeiten. So zeigen JACOBY/SPELLER/KOHN(1974, S. 63 f.) und JACOBY/CHESTNUT/FISHER(1978, S. 533 f.), dass Konsumenten aus Effizienzgrenden nur einen geringen Teil der angebotenen Informationen zu ihrer Entscheidung verwenden. 33 Diese Strategie stellt eine kognitive Vereinfachung der Entscheidung dar, die es dem beschrQnkt rationalen Individuum erlaubt, eine ,,subjektiv rationale" Entscheidung zu treffen (vgl. SIMON 1957, S. 243; OZANNE/BRUCKS/GREWAL 1992, S. 453). Je nach Grad der kognitiven Beteiligung sind demnach verschiedene Typen von Kaufentscheidungen zu identifizieren, in deren Rahmen unterschiedliche Entscheidungsregeln angewandt werden. Die Kategorisierung verschiedener Typen von Entscheidungen ist dabei gr01~tenteils willkerlich. Verbreitet ist beispielsweise die Einteilung in extensive, limitierte, habitualisierte und impulsive Entscheidungen (vgl. KROEBER-RIEL/VMEINBERG2003, S. 370 ff.).34 TROMMSDORFF(2004, S. 319-325) sieht diese Abgrenzung kritisch und pl~diert dagegen eher for ein Kontinuum an Informationsverarbeitung for den Kauf, das die Extrema Impulskauf und perfekten Involvementkauf kennt. Diese Vorgehensweise scheint nicht nur sinnvoller, sondern auch realit~tsn~her als eine idealtypische Darstellung verschiedener Entscheidungstypen, weswegen ihr in dieser Arbeit gefolgt wird. Beim Involvementkauf (extensiver Kaufentscheidung) werden alle relevanten Informationen verarbeitet: Es findet ein vollst~ndig rationaler Bewertungs- und Entscheidungsprozess nach strukturierten Regeln statt. Das impulsive Ende des TROMMSDORFF-Kontinuums spiegelt sich dagegen in geringer bis kaum vorhandener kognitiver Informationsverarbeitung wider. Dabei wird auch kaum auf rationales AbwQgen oder bewusste Entscheidungsregeln abgestellt (vgl. TROMMSDORFF2004, S. 320-322). Die Entscheidungstypen unterscheiden sich also insbesondere darin, ob und ggf. in welchem Umfang eberhaupt Entscheidungsregeln oder Auswahlheuristiken angewandt werden. 35 In Auswahlentscheidungen, die zuf~llig, impulsiv oder gewohnheitsm~i~ig erfolgen, finden sie tendenziell keine Anwendung (vgl. hierzu HAWKINS/BEST/CONEY 2004, S. 557-560), weswegen im Folgenden auf die Entscheidungen mit h0herer kognitiver Beteiligung fokussiert wird.

33 Zu ~hnlichen Ergebnissen kommen bspw. auch JACOBY/CHESTNUT/FISHER(1978) oder KNAPPE (1981). Eine 0bersicht pr~sentiertBLEICKER(1983, S. 16). 34 Einteilungenwurden danebenauch von ENGEL/BLACKWELL/MINIARD(1990, S. 482), HOWARD/SHETH (1969) sowie MEYER(1973, S. 100-103)vorgenommen.

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fEir finale Zielgruppen

33

Der Grad kognitiver Steuerung der Entscheidung beeinflusst insbesondere die Zahl und die Art der zur Beurteilung der Produktalternativen verwendeten Merkmale. 36 Diese k0nnen entweder bereits im Bewusstsein des Individuums gespeichert sein oder im Kontext der Entscheidung durch Informationssuche erworben werden (vgl. hierzu die vorgelagerten Prozesse im Totalmodell, Abbildung 5 auf S. 31 sowie im Modell der Entscheidungsstrategien in Abbildung 6 auf S. 34). Wie bereits erw~ihnt, nimmt die Zahl der herangezogenen Produktmerkmale mit der kognitiven Steuerung der Entscheidung ab (vgl. JACOBY/SPELLER/KOHN 1974, S. 63 f., RATCHFORD/VAN RAAIJ 1980; KNAPPE 1981). Dareber hinaus stellt die deskriptive Entscheidungstheorie fest, dass auch die Art der verwendeten Merkmalsinformationen variieren kann (vgl. OZANE/BRUCKS/GREWAL 1992, S. 453; PAVIA 1994, S. 195 f.; ECKMEN/VVAGNER 1994, S. 560 f.; ENDERS 1997, S. 9-11). Sie kann beispielsweise auf das Produkt oder auf andere Marketingaspekte (bspw. den Preis) bezogen sein. Aul~erdem kann danach unterschieden werden, ob das verwendete Merkmal eine Prim~irinformation (von auI~en beobachtbare Produkteigenschaft) oder eine Schlesselinformation darstellt (vgl. KROEBER-RIEL/MVEINBERG 2003, S. 280 f.). TROMMSDORFF (2004, S. 310) definiert Schlesselinformationen als ,,gebendelte Prim~irinformationen mit Entlastungsfunktion". Diese werden auch als ,,information chunks" bezeichnet und im Zusammenhang mit der Frage nach dem Einfluss von Unternehmensreputation (Abschnitt 3.3.3) ausf0hrlicher dargestelit. 37

3.3.2.4 Alternativenauswahl Nach der Beurteilung findet die Auswahl einer Alternative statt. Hierbei stellt sich die Frage, wie die einzelnen Merkmale gewichtet und zu Beurteilungen zusammenge-

35

KROEBER-RIEL/MVEINBERG(2003, S. 386) sprechen hierbei von ,,kognitiven Programmen".

36 Im Zusammenhang mit Entscheidungsregeln unter kognitiver Steuerung ist insbesondere auch die Prospect Theory zu erw~ihnen (vgl. KAHNEMAN/TVERSKY1979; SCHOEMAKER1982; STRAHILEVITZJZINKHAN 1998). Allerdings ist davon auszugehen, dass Konsumenten in der eberwiegenden Zahl von Entscheidungssituationen mehr als ein Attribut heranziehen werden. In derartigen Mehrzielsituationen ist eine Gewichtung der verschiedenen Zieldimensionen n0tig, es sind trade-offs zu treffen. ARNOULD/PRICE/ZINKHAN(2004, S. 656) halten for derartige Situationen fest: ,,Prospect theory doesn't offer a coherent way to account for this kind of consumer experience, and it doesn't provide a way to explain how consumers make trade-offs when more than one attribute is involved". Daher verzichtet diese Arbeit auf eine Vorstellung der Prospect Theory als 0konomisches Erkl~rungsmodell for Konsumentenverhalten. 3~ 0brigens wird die Bedeutung der unterschiedlichen Produktmerkmale nicht nur vom Typus der Entscheidungssituation abh&ngen, sondern insbesondere davon, welche dieser Informationen 0berhaupt verfegbar sind oder wie hoch der Grad des empfundenen Risikos bei der Produktauswahl ist (Vorkaufrisiko) und wie grol~ wiederum die Bedeutung dieses Risikos nach dem Kauf eingeschtitzt wird (Nachkaufrisiko).

34

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation for untemehmerisches Handeln

fasst werden und schliel~lich die Pr~ferenz for eine Alternative gebildet wird. KROEBER-RIEL/VMEINBERG (2003, S. 280, S. 386-394) unterscheiden in ihrer 0bersichtsdarstellung hierzu lediglich in komplexe und einfache Programme (Denkschablonen). Gerade in Bezug auf die vereinfachenden kognitiven Heuristiken ist die Systematik jedoch zu grob, da in der deskriptiven Entscheidungstheorie mehr Entscheidungsregeln differenziert werden und eine Erweiterung der Unterscheidung n6tig machen, wie sie Abbildung 6 zeigt.

I

I

-

I

aktuelle Information I

II

I

I

I

gespeicherte Information I

I

Produktbeurteilung

l

i

t

(affektive Entscheidungsmodelle)

I

Programme zur Informationsverarbeitung

9 9 9 9

nachAlternativen nachAttributen nach Einstellungen weitereHeuristiken

9 nachAlternativen 9 nachAttributen

Abbildung 6: Einflussfaktoren und Strategien der Produktbeurteilung bei beschr~nkter Rationalit~t (in Anlehnung an KROEBER-RIEL/WEINBERG2003, S. 280; TROMMSDORFF2004, S. 312 f.; ARNOULD/PRICE/ZINKHAN2004, S. 650-659; HAWKINS/BEST/CONEY 2004,S. 557-565) Im Wesentlichen lassen sich drei Typen von Auswahlentscheidungen unterscheiden: 38 Die Produktauswahl nach Alternativen, die Produktauswahl nach Attributen und die Produktauswahl nach Einstellungen. Die beiden erstgenannten Strategien k6nnen auch bei relativ grol~em kognitiven Aufwand durchgef(Jhrt werden (,,komplexe Programme" in Abbildung 6), die Produktwahl nach Einstellungen wird dagegen aufgrund ihrer Eigenheiten lediglich als vereinfachendes Programm diskutiert. Das Modell der Produktauswahl nach Alternativen geht davon aus, dass das Individuum jede Alternative zun~ichst separat anhand aller als relevant erachteter Beurteilungsmerk38 Die Kombination von Entscheidungsregeln (bspw. schrittweise Entscheidungen und Eliminationen) ist konzeptionell m6glich,jedoch nicht abgebildet (vgl. KOTLER/KELLER2006, S. 197).

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

35

male bewertet, dieses Zwischenergebnis speichert und schliel~lich alle get~tigten Produktevaluationen miteinander vergleicht. Dagegen werden bei der Produktauswahl nach Attributen jeweils alle Alternativen Merkmal for Merkmal miteinander verglichen. Im Rahmen der komplexen Entscheidungsvorg~nge versucht das Individuum, die Entscheidung auf Basis m0glichst vollst&ndiger Alternativenbewertungen nach Attributen bzw. Alternativen durchzufehren und kommt damit den Regeln der normativen Entscheidungstheorie relativ nahe - es bleibt jedoch bei subjektiver ,,Psycho-Logik" (vgl. KROEBER-RIEL/VVEINBERG2003, S. 297). Ein Beispiel for ein derartiges Vorgehen stellt die ,,kognitive Algebra" dar (vgl. KAAS 1977, S. 52 f.; BETTMANN 1979, S. 6 f.). Hierfer werden in der Modellvorstellung Merkmalsauspr~gungen als kognitive Variablen mit Bewertungen bzw. Merkmalsgewichtungen als motivationale Variablen verkn0pft und zu einem Gesamturteil aggregiert (vgl. TROMMSDORFF 2004, S. 313). Durch die Verwendung einer additiven Verknepfungsregel k0nnen schlechter bewertete Auspr~gungen eines Merkmals durch die Auspr~gungen anderer Merkmale kompensiert werden; daher werden die komplexen Entscheidungsvorg~nge auch als kompensatorische Entscheidungsregeln bezeichnet (vgl. SOLOMON/BAMOSSY/ASKEGAARD 2001, S. 275). Die kognitiven Anforderungen an den Entscheider sind allerdings vergleichsweise hoch, sodass diese komplexen Programme in der Realit~t von geringerer Relevanz sein werden als die Vereinfachungsmechanismen der Denkschablonen und Heuristiken. Neben Beschr~nkungen in der Verarbeitungskapazit~t der Individuen ist es dareber hinaus in vielen Situationen auch nicht m0glich, alle Produktattribute vor der Entscheidung zu beobachten. 39 Zur Vereinfachung der Entscheidung werden in der Regel nicht alle Alternativen vollst~ndig anhand aller Attribute verglichen, was u.a. durch die schrittweise Elimination von Alternativen bzw. (nur) paarweise Vergleiche geschehen kann. Abh&ngig davon, ob einerseits attribut- oder alternativenweise und andererseits schrittweise eliminierend oder akzeptierend vorgegangen wird, lassen sich die (1)lexikografische Eliminierung, (2) die konjunktive Eliminierung, (3) die lexikografische Akzeptierung und (4)

39 In diesem Zusammenhang lassen sich zureckgehend auf NELSON(1974, S. 730)derartige Inspektionseigenschaften (welche schon vor dem Kauf beobachtetwerden k0nnen) von Erfahrungseigenschaften (welche erst durch Ge- und Verbrauch des Produktes erkennbar werden) und Vertrauenseigenschaften (welche nur zu hohen Kosten bzw. gar nicht beobachtbar sind) unterscheiden (vgl. auch KAAS1994, S. 252 sowie die 0bersicht bei TROMMSDORFF2004, S. 316-319). Zur Bedeutung globaler Einsch~tzung in diesem Zusammenhangvgl. PODOLNY/FELDMAN(1997, S. 10).

36

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

die disjunktive Akzeptierung unterscheiden (vgl. BETTMAN 1979, S. 180-184). 4o Daneben nennen KROEBER-RIEL/MVEINBERG(2003, S. 390) das Dominanzprinzip und die attributweise Elimination. Dar(Jber hinaus werden in der Literatur sowohl theorieals auch empiriegeleitet weitere Vereinfachungsheuristiken genannt, welche die Entscheidungszeit erheblich verringern (vgl. HOWARD 1977, S. 9, 56): (1) Verk(Jrzungen bei der Informationssuche, die zu einer kleineren Zahl zu bewertender Alternativen f(Jhrt, (2) der Ersatz eigener Auswahlentscheidungen durch die Kaufempfehlungen der Umwelt sowie (3) die Auswahl einer dem Anspruchsniveau entsprechenden n~ichstbesten Alternative. 41 Besonders hervorgehoben werden soil, dass auch bestehende Einstellungen Verwendung finden kSnnen, um die Entscheidung zu vereinfachen (vgl. HOWARD 1977, S. 9, 56; KOTLERET AL. 2003, S. 327; SANBONMATSU/FAZIO1990, S. 6t5; BERGER/MITCHELL 1989, S. 270 f.). MANTEL/KARDES fassen diese Entscheidungsheuristik sogar noch weiter: ,,Attitude-based processing involves the use of general attitudes, summary impressions, intuitions, or heuristics: no specific attribute-by-attribute comparisons are performed at the time of judgment" (MANTEL/KARDES 1999, S. 336). Auch die Prospect Theory (vgl. KAHNEMAN/TVERSKY 1979; SCHOEMAKER 1982) geht von Vereinfachungsmechanismen bei der Entscheidungsfindung aus und ist daher in Zusammenhang mit den Denkschemata zu nennen: Sie postuliert, dass die Alternativen nicht absolut, sondern im Verh,~ltnis zu einem relativen Referenzpunkt bewertet werden, was ebenso zu einer Vereinfachung der Entscheidung fehrt. Zur Problematik der Prospect Theory for den vorliegenden Kontext sei aber auf die Ausf(Jhrungen in Fur~note 36 verwiesen.

3.3.2.5 Die Bedeutung der Einstellung Allen bisher genannten Ans~itzen - sowohl der Psycho-Logik als auch der Vereinfachungsstrategien - i s t gemein, dass die Beurteilung der Alternativen und die Auswahlentscheidung jeweils auf dem Zusammenspiel kognitiver (Merkmalsauspr~igungen) und motivationaler Variablen (Bewertungen) aufbauen. Diese Dualit,~t der psychischen Vorg~nge innerhalb des Individuums zeigt deutliche Parallelen zum theore-

4o Vgl. hierzu auch den 0berblick bei BIEHALJCHAKRAVARTI(1986, S. 383-386). 41 KOTLERJKELLER (2006, S. 201 f.) nennen daneben die Verf0gbarkeits- und die Repr~isentativit~itsheuristik sowie das so genannte ,,anchoring and adjustment". Die dort beschriebenen Vorg,~nge lassen sich als Teilmengeder hier bereits genannten Heuristikenauffassen.

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

37

tischen Ger0st des Einstellungsbegriffs. So werden Einstellungen als kognitive Beliefs 42 (Wissenskomponente) in Verbindung mit einer motivationalen Beurteilung betrachtet (vgl. TROMMSDORFF 2004, S. 159). 43 Die Handlungsrelevanz von Einstellungen selbst wird insbesondere bei der Produktwahl nach Einstellungen (vgl. oben) offenbar, geht jedoch dar0ber hinaus, da anzunehmen ist, dass Einstellungen als gelernte Pr~dispositionen auch bei den anderen Bewertungen von Relevanz sein werden. 44 Der Zusammenhang von Einstellungen und Verhalten 4~ kommt in der EinstellungsVerhaltens-Hypothese zum Ausdruck (vgl. KROEBER-RIEL/MVEINBERG 2003, S. 171; TROMMSDORFF 2004, S. 160). 46 Die darin formulierte direkte Verhaltensrelevanz von Einstellungen besitzt allerdings nur unter bestimmten Bedingungen (bspw. externe Einfl0sse) G01tigkeit: Hier ist bspw. die Bedingung zu nennen, dass die Einstellung gegen0ber einer Handlung hinreichend spezifisch sein muss (vgl. AJZEN/FISHBEIN

42 TROMMSDORFF(2004, S. 159) pl~diert daf0r, den in der angels~chsischen Literatur verwendeten Begriff der Beliefs anstelle der deutschen 0bersetzung ,,0berzeugungen" zu verwenden, da der deutsche Begriff hohe Sicherheit bzw. sogar Involvement suggeriere. 43 Insofern kann in dieser Arbeit auch der Definition TROMMSDORFFSgefolgt werden, derzufolge Einstellung ,,als Zustand einer gelernten und relativ dauerhaften Bereitschaft, in einer entsprechenden Situation gegen0ber dem betreffenden Objekt regelm~,6ig mehr oder weniger stark positiv bzw. negativ zu reagieren" (TROMMSDORFF2004, S. 159) interpretiert werden kann. Die an sp&terer Stelle verwendete Begrifflichkeit der Pr~ferenz I~sst sich als relativierte Einstellung beim Vergleich und der Bewertung mehrerer Einstellungsobjekte definieren. ,~,hnlich dazu ist auch die Definition von KROEBER-RIEL/VMEINBERG(2003, S. 54), die Einstellung als Predisposition zu konsistenter Reaktion gegen0ber einem Einstellungsobjekt bezeichnet. 44 Diese Arbeit geht wie die zitierten Autoren von einer Ausdifferenzierung der Verhaltensabsicht als eigenst~ndiges hypothetisches Konstrukt aus, das in vielf~ltigen Wechselwirkungen mit den entsprechenden Einstellungen steht (vgl. auch BAGOZZI/BURNKRANT1979, S. 914, 928; BEARDEN/SHIMP 1982, S. 233). Im Gegensatz hierzu stehen fr0here Konzeptualisierungen von Einstellungen mittels Drei-Komponenten-Ans~tzen (vgl. IRLE 1975, S. 278; KRECH/CRUTCHFIELD/BALLACHEY1962, S. 149; STAHLBERG/FREY1996, S. 220). Diese gehen davon aus, dass die Einstellung aus einer affektiven, kognitiven und konativen (intentionalen) Komponente besteht und damit die Verhaltensabsicht integraler Bestandteil des Einstellungskonstrukts selbst ist. Alleine die MSglichkeit, externe Einfl0sse ber0cksichtigen zu kSnnen, welche eine unmittelbare Wirkung auf das Verhalten haben k~nnen, I~sst jedoch die konzeptuale LoslSsung des Konstrukts Verhaltensabsicht von Einstellung 0berlegen erscheinen. Diese Konzeptualisierung I~sst die MSglichkeit often, eine zweikomponentige Einstellung als fokales Konstrukt einer Kundenbetrachtung zu installieren, wie in dieser Arbeit sp~,ter klar werden wird (zu Zwei-Komponenten-Ans~tzen vgl. SCHIEFELE1990, S. 6 f.; KATZ 1967, S. 459 f.). 4s Einen 0berblick 0ber die Begriffsbildungen zu Handlungsabsicht und Verhalten bietet OHLWEIN (2001, S. 273-275). 46 Einschr~nkend muss erw~hnt werden, dass dieser Zusammenhang nur unter der Bedingung ausreichend hoher kognitiver Kontrolle der Entscheidungssituation aufrecht zu erhalten ist. Eine umgekehrte Wirkungsrichtung I~,sst sich insbesondere bei Impulsk~ufen nachweisen. Der Leser sei hierzu auf die Darstellungen bei KROEBER-RIEL/MMEINBERG(2003, S. 171-174) verwiesen.

38

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

1977, S. 912 f." STROEBE 1980, S. 169). 47 Wenn dies erf(Jllt ist, I~sst sich der Zusammenhang auch empirisch nachweisen (vgl. FREY/STAHLBERG/GOLLWITZER 1993; STAHLBERG/FREY 1996, S. 239). Insgesamt gilt die Verhaltensrelevanz von Einstellungen aus theoretischer und empirischer Sicht als gesichert. Damit ist der bislang vorgestellte Bezugsrahmen in hohem Grade vertr~glich mit der Theory-of-Reasoned-Action (TORA), die vor allem im Bereich der angels~chsischen Literatur ein paralleles Erkenntnisziel verfolgt und deren Grundz0ge in Abbildung 7 dargestellt sind. St~rke des Beliefs

Bewertung des Beliefs

!instellun,

Normativer Belief

Motivation, nachzugeben

;ubjektive Norn

9 ,&nderungder Absichten 9 Vorl~iufigkeitderAbsichten 9 Faktoren,die zu einer Absichts~inderung f0hren w0rden 9 Stimmungund Emotionen 9 MoralischeVerpflichtungen Abbildung 7: Theoryof Reasoned Action

(in Anlehnung an ARNOULD/PRICE/ZINKHAN2004, S. 644) Die Theory-of-Reasoned-Action kann als Vorstufe zur Theorie des geplanten Verhaltens (vgl. AJZEN 1991; BREHM/KASSIN 1996, S. 375; FREY/STAHLBERG/GOLLWlTZER 1993, S. 379) aufgefasst werden. Die Theorie des geplanten Verhaltens postuliert neben der Verhaltensabsicht zus~tzlich die wahrgenommene Kontrolle der Situation als

Determinante

des

konkreten

Verhaltens. 48 Dieser Zusammenhang

ist in

Abbildung 8 dargestellt.

47 FOr empirische Nachweise der Verhaltensrelevanz yon Einstellungen in Entscheidungssituationen unter hoher kognitiver Beteiligung vgl. bspw. BAGOZZI(1982a, S. 570-582). 48 Daneben werden beispielsweise reaktive Effekte der Messung im Rahmen empirischer Erhebungen genannt, welche diese Beziehung zus~tzlich (Jbersch~tzen (vgl. CHANDON/MORWlTZ/REINARTZ 2005, S. 1 f.).

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

-~

Einstellung zum Verhalten

Subjektive Norm

~~

39

Intention

Verhalten

Subjektive Verhaltenskontrolle

Abbildung8: Theoriedes geplantenVerhaltens (in Anlehnung an BREHM/KASSIN1996, S. 375; FREY/STAHLBERG/GOLLWlTZER1993, S. 379; NIESCHLAG/DICHTL/HORSCHGEN2002, S. 598) Den beiden Ans~tzen gemeinsam ist die Aussage, dass Einstellung zwar durchaus als handlungsrelevantes Konstrukt angesehen werden sollte. Allerdings verspricht die zus~tzliche Betrachtung der Verhaltensabsicht gr61%eren Erkenntnisgewinn in Bezug auf reales K~uferverhalten, da sie noch unbeeintr~chtigter von externen Faktoren ist. Daher wird allgemein empfohlen, auch auf die Verhaltensabsicht als Zielgr6I~e von Kaufverhaltensmodellen abzustellen (vgl. NIESCHLAG/DICHTL/HORSCHGEN 2002, S. 599). Zudem wird in der Regel erwartet, dass die ge~iul~erte Kaufabsicht neben der Einstellung auch antizipierte Einflesse der Kaufsituation enth~lt (vgl. KROEBER-RIEL/VVEINBERG2003, S. 176). Werde in einem Kaufverhaltensmodell allerdings die Verhaltensintention alleine for sich betrachtet, w~ire wiederum ein Reckschritt in Richtung S-R-Modelle erreicht, welche die Determinanten von Verhalten bewusst ausblenden. Insofern sollten also in einem praktikablen und doch hinreichend genauen Modell des K&uferverhaltens sowohl Einstellungen als auch Verhaltensabsichten Ber0cksichtigung finden. Dennoch sind Einstellungen gegen0ber dem Produkt oft Zielgr61&e von Marketingaktivit&ten (vgl. hierzu die Ausf0hrungen zum Elaboration-Likelihood-Model in Abbildung 13, Seite 65), da sie im Gegensatz zu der gro~en Vielfalt weiterer Verhaltensdeterminanten eine der wenigen Gr61~en darstellen, die durch Marketingaktivit~ten beeinflussbar sind und damit unternehmerische Handlungsrelevanz besitzen. Auch wenn in empirischen Untersuchungen der gemessene Einfluss von Einstellungen for tats~chliches Verhalten zwar gering ist,49 stellt Einstellung doch eine nach49 In diesem Zusammenhang sei auch auf die Kritik von ALWlN (1973, S. 256-262) an denjenigen Messungen hingewiesen,welche vermeintlich eine geringe Korrelation von Einstellung und Verhalten ermittelt haben.

40

3 Die Relevanz von Untemehmensreputationf(JruntemehmerischesHandeln

weisbare Verhaltensdeterminante dar und nimmt wegen ihrer gut steuerbaren Beeinflussbarkeit durch Marketingaktivit~ten eine vorrangige Stellung als Zielvariable ein (vgl. auch TROMMSDORFF 2004, S. 166 f.). Die fokalen Zielkonstrukte dieser Arbeit sollen daher sowohl die Einstellung zum Produkt 5~ als auch die Kaufverhaltensabsicht darstellen, um wahres Kaufverhalten hinreichend gut zu approximieren. 51

3.3.3 Unternehmensreputation in Kaufentscheidungsprozessen Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten ein theoretischer Bezugsrahmen f0r den Ablauf der K a u f e n t s c h e i d u n g bei Konsumenten erarbeitet wurde, k0nnen sich die folgenden Ausf0hrungen der eigentlichen Fragestellung dieser Arbeit widmen. In den folgenden Abschnitten sollen hierzu Hypothesen abgeleitet werden, welche sich mit der direkten Beziehung von Unternehmensreputation auf die Einstellung zum Produkt 52 einerseits und die Kaufabsicht andererseits besch~ftigen. Uber die ausschliel~liche Best~tigung eines derartigen Zusammenhangs hinaus soil auch eine Quantifizierung der Einflussst~irke hypothetisiert werden, da die EinflQsse der kognitiven und der affektiven Reputationskomponente unterschiedlich stark ausgepr,~gt sein k0nnen. Dar0ber hinaus sollen auch weitere Variablen betrachtet und in die Quantifizierung des Zusammenhangs einbezogen werden. Hierbei werden zum einen Einfl0sse mediierender Variablen und zum anderen Einfl0sse moderierender Variablen in Betracht gezogen. 53 Bevor jedoch diese Verfeinerungsstufe erreicht wird, soil zun~ichst der Frage nachgegangen werden, wie ein Einfluss von Unternehmensreputation auf Kundenverhalten 0berhaupt hypothetisiert werden kann.

3.3.3.1 Zu bestehenden Ans~itzen von Unternehmensreputation als Signal for Produktqualit~it Einen ersten Zugriff auf den Zusammenhang zwischen Reputation und Kaufentscheidung bieten die Arbeiten der bestehenden Literatur. Diese wurden bereits in Abschnitt 3.3.1 dargestellt. 54 Soweit darin 0berhaupt auf die Fragestellung eingegan5o Stellenweisewird auch der Begriff Pr~iferenzverwendet; zur Abgrenzungvgl. Ful~note43. 51 Die vielfach diskutierten Interaktionen zwischen Konsument und Marke bei Kaufentscheidungen bleiben davon unber0hrt. Eine Kernabsicht dieser Arbeit stellt dagegen die Beleuchtungvon weniger produktgetriebenen Dimensionen unternehmerischen Handelns auf die Produkteinstellungdar, weswegen derartige Produktaspektebewusst ausgeblendetwerden. 52 Unter dem Terminus Produkt sollen im Rahmen dieser Arbeit auch Dienstleistungen verstanden werden. 53 Zur Unterscheidungvon Mediatorenund Moderatorenvgl. Abschnitte 3.3.3.3 und 3.3.3.4. 54 Vgl. in diesemZusammenhangauch die empirischeAnalyse von ERDEM(1998).

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation ffJr finale Zielgruppen

41

gen wird, wie Reputation im Prozess der Kaufentscheidung wirken kann, wird zumeist eine informations(Skonomische Perspektive eingenommen: Mit der Grundannahme der Rationalit~it wird dem Individuum im Zuge der Kaufentscheidung ein Kosten-Nutzen-Kalk01 als wesentliche Basis der Entscheidung unterstellt. Neben der Unvollst~indigkeit verf0gbarer Informationen werden von diesen Ans~itzen keine weiteren Irrationalit~iten (wie zum Beispiel motivationale Prozesse im Individuum) ber0cksichtigt. Diese rigide Annahme ist wie bereits diskutiert kaum realit~itsnah und kann in Anbetracht der bewussten Ausblendung der psychischen Prozesse beim Individuum de facto als S-R-Modell bezeichnet werden. 55 In diesem Zusammenhang sind 0brigens auch die in Verbindung mit Markentransfer genannten lerntheoretischen Prozesse der Reizgeneralisierung zu erw~hnen (vgl. MOLLER 1996, S. 157; H~,TTY 1989, S. 128; KROEBER-RIEL/MVEINBERG2003, S. 327; WISWEDE 1985, S. 551). Das Lernprinzip der Generalisierung erlaubt, kognitiv erlernte und gespeicherte Reize mit ~ihnlichen Reizen zu verkn0pfen und eine gleiche Reaktion auszul5sen. Damit ist letztlich auch Einstellungserwerb erkl~rbar (vgl. hierzu TROMMSDORFF/SCHUSTER 1981, S. 745-747). Allerdings wird auch hier lediglich auf eine kognitive Sichtweise abgestellt, eine Erkl~rung des Verhaltens und des Zustandekommens von Auswahlentscheidungen wie im vorgestellten Bezugsrahmen wird damit nicht m~glich (vgl. auch KROEBER-RIELPVVEINBERG2003, S. 325). Dar0ber hinaus sind diese Prinzipien nicht in der Lage, den Prozess der Informationsverarbeitung (der in diesem Zusammenhang als Lernen bezeichnet wird) zu beschreiben. Damit k5nnen auch keine Erkl~irungen f0r m(Sgliche intervenierende Variablen abgeleitet werden. Die Lerntheorien k(Snnen somit zwar Informationsaufnahme im Vorfeld des eigentlichen Verarbeitungs- und Evaluationsprozesses (und damit auch eher die Wahrnehmung von Signalen) erkl~ren. Sie sind jedoch insbesondere nicht geeignet, Hinweise darauf zu gewinnen, wie Reputation als Einstellungskonstrukt im Ged~ichtnis des Rezipienten abgelegt wird. Reputation wird in diesen Ans~itzen als Signal f0r positive Produktqualit~it interpretiert, die wiederum als die einzige Determinante des Produktkaufs angesehen wird (vgl. SHAPIRO 1982, S. 23; SHAPIRO 1983, S. 678; MOLLER 1996, S. 108 f., 152; KLEIN/LEFFLER 1981, S. 618; SCHWALBACH 2004, S. 1266; SPREEMANN 1988; MAI-

5s AIs Gegenpol kSnnen die Corporate Association-Ans~itzegenannt werden (bspw. BROWN/DACIN 1997; SEN/BHATTACHARYA2001; MADRIGAL2000; KLEIN/DAWAR2004), die lediglich auf affektive Evaluierungen abstellen.

42

3 Die Relevanz von Unternehmensreputation f(~r unternehmerisches Handeln

LATH/SAMUELSON2001, S. 415; LANDON/SMITH 1998, S. 628 f.). Vor dem Hintergrund des zuvor diskutierten Bezugsrahmens der Kaufverhaltenstheorie geht damit also ein sehr rationales Bild des Alternativenbewertungsprozesses einher, das auf dem Gedankenbild des homo oeconomicus basiert. Damit werden die in Abschnitt 3.3.2 diskutierten affektiven Bewertungen von Konsumenten nicht ber(Jcksichtigt, welche die Entscheidung mal~geblich beeinflussen k(Snnen. Zudem wird in den SignallingAns~itzen auch eine verk(Jrzte Konzeptualisierung des Reputationsbegriffs offenbar, da Reputation als Erfahrung vergangener Produktqualit~t angenommen wird und auch hier affektive Bestandteile keine Ber(Jcksichtigung finden (vgl. KLEIN/LEFFLER 1981, S. 618; SCHWALBACH2004, S. 1266). Selbst wenn derartige affektive Bestandteile in den dort verwendeten Reputationsbegriff Eingang finden w(Jrden, wird doch die Wirkung dieser affektiven Komponente mit der wahrgenommenen Produktqualit~t als fokales Konstrukt nicht abzubilden sein. Letztlich leidet also die Erkl~rung der Unternehmensreputation als Signal for Produktqualit~t an einem doppelten Defizit: (1) einerseits an einer verk0rzten Konzeptualisierung von Reputation, welche den Aufbau von Reputation rein produktgetrieben versteht und im 0brigen auch Nachkaufprozesse nicht zufrieden stellend erkl~ren kann und (2) andererseits an einem verk0rzten Verst~indnis des Auswahlprozesses der Konsumenten, das affektive Bewertungen vollst~ndig ausblendet. Die Auffassung von Reputation bleibt auf einer der eigentlichen Kaufentscheidung vorgelagerten Stufe stehen. Die Einstellungsbildung beruht hier zwar auf der kognitiven Einsch~tzung von Produktattributen. Jedoch wird damit vernachl&ssigt, ob und inwieweit affektive Komponenten der Unternehmensreputation auch auf verhaltensrelevante affektive Prozesse der Produktbeurteilung wirken. Die Auffassung, Unternehmensreputation als Signal for Produktqualit~it zu interpretieren, kann damit nur f(Jr einen engen Teilbereich der Kaufentscheidung von Konsumenten zufrieden stellende Erkl~rungen liefern und wird insbesondere mit dem Grad der kognitiven Steuerung einer Kaufentscheidung steigende Relevanz aufweisen. In den folgenden Abschnitten soil diese Auffassung jedoch eine Erweiterung erfahren.

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fEtrfinale Zielgruppen

43

3.3.3.2 Unternehmensreputation als Informationssurrogat bei Kaufentscheidungen Wie in Abschnitt 3.3.2 dargestellt, werden im Zuge des Informationsverarbeitungsprozesses die vom Konsumenten erhobenen kognitiven Informationen 56 mit affektiven Bewertungen verkn0pft, und schliel~lich wird diejenige Produktalternative ausgew~ihlt, welche die subjektiv maximale Bewertung erh~ilt. Dieser Verarbeitungsprozess wird beispielsweise anschaulich bei KROEBER-RIEL/VVEINBERG (2003, S. 225 ft.) dargestellt. Der vorliegende Rahmen beschr~inkt sich in der Darstellung dabei auf ausgew~ihlte Aspekte. Informationen k(Ennen sowohl im Moment der Entscheidungssituation erhoben werden als auch bereits im Ged~chtnis (Langzeitspeicher) abgelegt sein und im Zuge der Informationsverarbeitung in den verarbeitenden Kurzzeitspeicher abgerufen werden. Das elementare Ged~chtnismodell nach KROEBERRIEL/MVEINBERG (2003, S. 226)ist in Abbildung 9 dargestellt. 57 I I

I

SiS:

i sensorischer Reiz

Informations-

(,,Information")[,,,speicher

I I

KZS" Kurzzeitspeicher

Speicherung

-~ Output Verarbeitung

(und Interaktion mit aktivierenden Prozessen)

LZS" Langzeitspeicher

t ...... J

Abbildung9: Ged~ichtnismodellzur Darstellung elementarer kognitiver Prozesse (vgl. KROEBER-RIEL/VVEINBERG2003, S. 226) ES kann angenommen werden, dass f(~r Ged~chtnisleistungen ein Sparsamkeitsprinzip gilt, nach dem Verarbeitung nur dann stattfindet, wenn eine Motivation hierzu vor-

56 Unter Informationen sollen im Folgenden Beliefs, Einstellungen und Verhaltensabsichten verstanden werden (vgl. auch FELDMAN/LYNCH1988, S. 422). KELLER(1987, S. 317) spricht von kognitiven als auch affektiven ,,evaluative reactions", die als Information abgespeichert sein kEnnen (vgl. auch PETTY/OSTROM/BROCK 1981; WRIGHT 1980; BATRA/RAY 1986; SILK/VAVRA 1974; HUTCHINSON/MOORE 1984). Zur Begriffsdifferenzierung von Reiz und Information vgl. KROEBER-

RIEL/MMEINBERG(2003, S. 227). 5~ Die Ausf(~hrungen basieren dar0ber hinaus auf dem Ged~chtnismodell von WYERJSRULL(1986) und den Anmerkungen von KELLER(1987).

44

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr unternehmerisches Handeln

liegt (vgl. bspw. FELDMAN/LYNCH 1988, S. 422; WYER/SRULL 1986, S. 336 f.).58 Die gespeicherten Informationen unterscheiden sich darQber hinaus in ihrer Zug~nglichkeit in dem Zeitpunkt, zu dem sie abgerufen werden sollen. So sind bspw. Informationen im Langzeitspeicher weniger leicht abrufbar als im Kurzzeitspeicher (vgl. LINDSAY/NORMAN 1981, S. 239). Die Zug~nglichkeit von Informationen im Verarbeitungsprozess beeinflusst in der Folge, ob eine Information abgerufen wird oder nicht. Dar0ber hinaus gehen FELDMAN/LYNCH in ihrer vielfach zitierten Theorie davon aus, dass in der Regel aus Vereinfachungsgr0nden bestehende Einstellungen und Beurteilungen verwendet werden: Wenn bereits eine Information in Form einer Einstellung zu einer Alternative vorliegt und diese abrufbar ist, so wird diese ,,fertige" Einstellung verwendet, statt eine neue Einstellung mit weiteren Informationen zu generieren (vgl. FELDMAN/LYNCH 1988, S. 421 f.).59 Ob eine bestehende Einstellung abrufbar ist h~ngt im Rahmen dieser Vorstellung dabei ebenso von externen und internen Hinweisreizen 6~ ab, wie die Frage, welche und wie viele Informationen in die Auswahlentscheidung von au&en einbezogen (gesucht) oder aus dem Ged&chtnis abgerufen werden. Die gespeicherte EinstellungsgrS~e ,,Unternehmensreputation" kann nun als eine derartige Information aufgefasst werden, die im Speicher des ausw~hlenden Individuums abgelegt ist und ggf. abgerufen werden kann. Auf den Prozess des Einstellungserwerbs an sich muss dazu an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden (vgl. dazu TROMMSDORFF/SCHUSTER 1981, S. 745-747; KROEBER-RIEL/MVEINBERG 2003, S. 325 sowie die Ausf0hrungen zum Prinzip der Reizgeneralisierung in Abschnitt 3.3.1), da die Darstellung mit der kognitiven und affektiven Sichtweise von Reputation analog zu der Argumentation mit dem herk(Smmlichen Einstellungsbegriff verliefe. Die Konzeptualisierung von Reputation als einstellungs~hnlich impliziert auch, dass Reputation eine gelernte Information darstellt (vgl. WISWEDE 1985, S.

58

WYER/SRULLformulieren dies als so genanntes heuristic postulate: "No more information is retrieved for use in attaining a processing objective than is sufficient to allow the objective to be attained. When this minimal amount has been retrieved, the search terminates" (WYER/SRULL 1986, S. 336).

59 Die Theorie wird von den Autoren dabei insbesondere in Bezug auf Effekte bei der Messung von Einstellungen entwickelt, erhebt dar(3ber hinaus aber auch allgemeine G{31tigkeit (vgl. FELDMAN/LYNCH1988, S. 431). Die Entscheidung nach Einstellungen ist dabei von den affect referralAns~itzen abzugrenzen, welche eine Entscheidung auf Basis gespeicherter Urteile i.e.S, postulieren und als methodische Vorl~ufer der Entscheidung nach Einstellungen gelten (vgl. WRIGHT1975, S. 66; BETTMAN1979, S. 179). 6o Die englische Literatur verwendet den Begriff cue (vgl. WYERJSRULL1986, S. 328; SRULL 1983; WINTER/ULEMAN1984).

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fEirfinale Zielgruppen

45

553). 61 Sie basiert zudem wie in Abschnitt 2.2.1 erw~hnt auf direkter Erfahrung (oder kommunikativen Surrogaten). Bereits in der Vergangenheit konnten bspw. FAZIO/ZANNA (1978, 1981), FAZIO ET AL. (1982) oder SMITH/SWINYARD (1983) in verschiedenen Zusammenh~ngen empirisch nachweisen, dass Menschen eher dazu neigen, Einstellungen zu einem Objekt zu bilden und zu speichern, wenn sie direkte Erfahrungen mit dem Objekt haben. 0bertragen auf das Einstellungsobjekt ,,Unternehmen" w0rde dies die Konzeptualisierung von Reputation als eine im Ged~chtnis abgelegte

Information

(in

Form

einer

Einstellung)

zus~tzlich

untermauern.

FELDMAN/LYNCH (1988, S. 424) formulieren dies noch drastischer: ,,If, following direct experience or receipt of information, measures of attitude are collected, attitudebehavior correlations are stronger for those with direct experience. Our interpretation of these results is that persons with direct experiences have already formed and rehearsed overall attitude judgements prior to attitude measurement". Im Zuge des Produktauswahlprozesses bestehen nun for den Entscheider prinzipiell zwei Mbglichkeiten: Entweder kann eine bereits bestehende Einstellung oder ein anderes ,,higher level encoding" (FELDMAN/LYNCH 1988, S. 429) 62 abgerufen werden, oder die Information wird neu aus Teilinformationen, also aus Kognitionen und entsprechenden affektiven Bewertungen, berechnet. Welche der beiden Vorgehensweisen w~hrend der Entscheidung zum Einsatz kommt basiert letztlich auf dem kognitiven bkonomischen Prinzip und entscheidet sich nach FELDMAN/LYNCH (1988, S. 424) in Abh~ngigkeit von drei Faktoren: 63 Der Diagnostizit~t des gespeicherten Urteils f0r das anstehende Entscheidungsproblem 64 Der Verf0gbarkeit des gespeicherten Urteils, also wie leicht das gespeicherte Urteil aus dem Speicher abgerufen werden kann

61 FOr die geschlossene Darstellung einer Lerntheorie sei auf den gesamten zitierten Beitrag WISEDES verwiesen. 62 Aus Gr0nden der kognitiven Vereinfachung werden im Zuge von Lernprozessen Stellvertreterinformationen (engl. information chunks) gebildet, welche ein als ,,Globalmerkmal" verstanden werden kbnnen, das die Informationen der einzelnen Merkmale b0ndelt (vgl. TROMMSDORFF2004, S. 103; KROEBER-RIEL/~MEINBERG2003, S. 281,284; BETTMAN1979, S. 272 f.). 63 Einen 0berblick vermitteln auch LYNCH/MARMORSTEIN/VVEIGOLD(1988 S. 170-173) 64 Unter Diagnostizit~t (engl. diagnosticity) ist diejenige Eigenschaft einer Information zu verstehen, die angibt, wie gut sie zwischen mbglichen gedanklichen Zust&nden zu unterscheiden hilft (vgl. REIPS1998).

46

3 Die Relevanz yon Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

Der Verf0gbarkeit alternativer Informationen, welche ersetzend oder erg~nzend zum gespeicherten Urteil in die gerade anstehende Urteilsbildung einflieBen k~nnen Diese Aspekte sollen nun in der gebotenen K0rze Tit Blick auf das spezielle Beispiel der Unternehmensreputation ais gespeicherter Information und einer anstehenden Produktwahl als zu bildendem Urteil umrissen werden. Die vom Konsumenten wahrgenommene Diagnostizit~it einer gespeicherten Reputationsinformation for ein zu f~illendes Urteil stellt auf die Eignung dieses Reputationsurteils ab, dem Entscheider einen Hinweis f(Jr die Wahl einer Alternative zu geben. In diesem Zusammenhang kEnnen die in Abschnitt 3.3.3.1 dargestellten rein 5konomischen Signalling-Ans~tze interessante Erkl~rungen liefern, indem sie auf die Signalfunktion von Unternehmensreputation for Produktattribute abstellen. Die Reputation als Summe gelernter Erfahrungen Tit dem Unternehmen 0bertr~gt sich somit im Sinne einer Generalisation auf die anderen Eigenschaften des Produktes. Reputation kann damit als Stellvertreter die Rolle anderer Informationen einnehmen. Diese Vermutung ist Tit weiten Teilen der Literatur vertr&glich. So stellen bspw. KIRMANI/RAO (2000, S. 69) ebenso wie HAWKINS/BEST/CONEY (2004, S. 568-570) fest, dass Konsumenten im Entscheidungsprozess dazu neigen, bereits bekannte Informationen als Indikator for a priori unbeobachtbare Produktattribute zu verwenden. Der Einsatz dieser Informationssurrogate h~ngt insbesondere davon ab, ob die Information in der Einsch~tzung des Entscheiders sowohl Vorhersagewert als auch Verl~isslichkeit for die Entscheidung aufweist (vgl. DAWAR/PARKER1994, S. 82; KLEIN/ DAWAR 2004, S. 2 0 5 ) - also Diagnostizit&t beinhaltet. Der Vorhersagewert einer Information bezieht sich auf den Zusammenhang Tit den nicht erhobenen oder beobachtbaren Produkteigenschaften. FOr die Frage, ob eine Information als Stellvertreterinformation verwendet wird, ist aber ihre Spezifit~t von grEBerer Bedeutung - also der Grad, in dem die Information die zu beurteilenden Alternativen voneinander unterscheidbar macht (vgl. DAWAR/PARKER 1994, S. 84). Diese Eigenschaft wurde insbesondere for Marken empirisch nachgewiesen (AKERLOF 1970; DARBY/KARNI 1973; OLSON 1977; ROSS 1988), auch wenn die Ergebnisse allgemein als wenig generalisierbar kritisiert wurden (vgl. RAO/MONROE 1989, S. 351). DICK/CHAKRAVARTI/BIEHAL (1990, S. 91) weisen im Zuge eines Konsumentenexperiments darauf hin, dass 0bergeordnete Evaluationen insbesondere dann ais hochgradig diagnostisch wahrgenommen werden kEnnen, wenn wenig Kontextinformation vorhanden ist. Auch dem

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

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herstellenden Unternehmen und damit der Information ,,Reputation" I~isst sich wohl in der Regel ein hoher Grad an Spezifit~it bescheinigen, was die Reputation als durchaus diagnostische Information erscheinen I~sst. Ob ein gespeichertes Urteil wie die Reputation im Zuge einer Auswahlentscheidung herangezogen wird oder ein neues Urteil berechnet wird, I~isst sich dar(Jber hinaus nach FELDMAN/LYNCH (1988) an der VerfLigbarkeit des gespeicherten (Reputations-) Urteils beurteilen. 65 Wie leicht das gespeicherte Urteil abgerufen werden kann, ist wiederum von verschiedenen Faktoren abh~ngig: (1) vonder Zeit seit dem letzten Abruf des Urteils (vgl. WYER/SRULL 1986, S. 323, 329) und der Menge ,~hnlicher Informationen, die seit dem letzten Abruf gespeichert wurden 66 (vgl. WYER/SRULL 1986, S. 324,. 329; KELLER 1987, S. 318), (2) vonder AusfQhrlichkeit der gespeicherten Information (vgl. Ross ET AL. 1977; SHERMAN ET AL. 1978), (3) yon Motivationsaspekten (BIEHAL/CHAKRAVARTI 1983, S. 2), (4) von Eigenschaften der Information, welche die Leichtigkeit des Abrufs direkt beeinflussen und (5) (entsprechend dem Theoriegebilde des Informationsabrufs nat0rlich) von Hinweisen (,,cues"), welche sowohl intern durch Vorwissen oder extern durch Hinweisreize generiert sein kSnnen (vgl. BETTMAN/SUJAN 1987, S. 143) und den Informationsabruf erst ermSglichen (vgl. WYER/SRULL 1986, S. 332; KELLER 1987, S. 316; BIEHAL/CHAKRAVARTI 1986, S. 383 f.).87 Im vorliegenden Rahmen soil das Augenmerk auf die Charakteristika (1) und (4) gelegt werden. Die Zeit seit dem letzten Abruf einer Information und die Menge an InterferenzInformationen (LYNCH/SRULL 1982; CROWDER 1976; MCGEOCH 1942, S. 457-460; POSTMAN/UNDERWOOD 1973), die seitdem gespeichert wurden, I~sst die Zug~inglichkeit gespeicherter Informationen mit zunehmender Zeit verfallen und impliziert damit, dass Reputation und ihre Effekte wie alle anderen Kognitionen einem zeitlichen Verfall untediegen. Jedoch kommt mit Eigenschaft (4) zum Ausdruck, dass gerade diese Effekte insbesondere von der Art der gespeicherten Information abh~ingen. Wie bereits erw~ihnt, fasst die Einsch~tzung einer Unternehmensreputation eine Vielzahl

6s Ahnlichargumentieren bspw. auch BIEHAIJCHAKRAVARTI(1983, S. 1 f.). 66 WYER/SRULL(1986, S. 327 f.) postulieren eine Ged~chtnisstruktur, in der ~ihnliche Kognitionen in ,,Beh~iltern" (engl. bins) in der Reihenfolge ihres Eingehensgespeichertwerden. 67 L,~sstman f~lschliche Attributionen auger Acht, kann im Folgenden ohne vertiefte Darstellung davon ausgegangen werden, dass Produktinformation einen derartigen Hinweis auf die gespeicherte Information 0ber das herstellende Unternehmen darstellt. Zu Attributionen vgl. etwa WEINER (1980).

48

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation fEir untemehmerisches Handeln

weiterer Informationen (direkte Erfahrungen und kommunikative Surrogate) zusammen und kann daher als 0bergeordnetes Urteil oder Abstraktion mehrerer Einzelinformationen aufgefasst werden. CHATTOPADHYAY/ALBA(1988, S. 3) definieren Abstraktionen als ,,inferences or judgments that summarize multiple implicit or explicit facts or that generalize a single fact". Derartige Informationen hSherer Aggregationsebenen treten an die Stelle mehrerer Teilinformationen und sind in der Folge als globale Urteile, die bereits einen Generalisierungsprozess im Ged~ichtnis durchlaufen haben, leichter abrufbar. Mehrere Studien konnten nachweisen, dass derartige Abstraktionen im Ged~ichtnisspeicher langsamer verfallen (also nach gleicher Zeit leichter zug~inglich sind) als diejenigen Informationen, aus denen sie urspr0nglich entwickelt wurden (vgl. CHRISTIAANSEN 1980; KINTSCH/VAN DIJK 1978; NEISSER 1981; CARSLTON 1980; HIGGINS/KING 1981; LINGLE ET AL. 1979). CHATTOPADHYAY/ALBAstel-

len als Ergebnis ihrer empirischen Untersuchung fest: ,,Of particular interest was the emergence of abstractions as significant predictors of attitude" (CHATTOPADHYAY/ALBA 1988, S. 10). FELDMAN/LYNCHfassen ihre Aussage sogar noch weiter: ,,memory for overall evaluations and other summary judgements decays less rapidly than does memory for the original information on which these were based [...] this might make it more likely that behaviour will be guided by attitudes and intentions than by beliefs and evaluations" (FELDMAN/LYNCH 1988, S. 428). Auch BETTMAN/SUJAN stellen mit Blick auf den Prozess der Auswahlentscheidung fest: ,,when no decision criterion is provided externally and consumers do not have previously formed decision criteria on which to rely, more abstract attributes and fewer concrete ones will be used in choice processes. [...] What guides this prediction is the ready availability of a decision criterion versus the need to construct one, rather than the difference between comparable versus noncomparable alternatives" (BETTMAN/SUJAN1987, S. 143 f.). 0bertragen auf die Unternehmensreputation als Aggregationseinsch~itzung bedeutet dies also, dass Reputation insgesamt eine im Zeitablauf stabile und durch ~ihnliche Interferenzinformationen vergleichsweise gering 0berlagerbare Schl(Jsselinformation darstellt, die bei Entscheidungsprozessen leichter zug~inglich ist als alternative Informationen, die potenziell fer die Entscheidung abgerufen werden kSnnten. Reputation kann damit als Informationssurrogat bezeichnet werden, das anstelle detaillierter Informationen in eine Produktauswahlentscheidung einbezogen werden kann. Die dritte Determinante in der Theorie FELDMAN/LYNCHS(1998) stellt schliel~lich die

Verf(igbarkeit dem gespeicherten Urteil alternativer Informationen dar. Die Abrufbarkeit alternativer Informationen wird a priori von der Abrufbarkeit des gespei-

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fDr finale Zielgruppen

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cherten Urteils (also im vorliegenden Fall der Reputationseinsch~itzung) beeinflusst, deren Determinanten in den vorangegangenen Abs~tzen diskutiert wurden. Konsistent mit dem o.g. Postulat bkonomischer informationsverarbeitung geht mit erleichterter ZugQnglichkeit einer Information ein ,,Ausblenden", also eine geringere Zug~nglichkeit alternativer Informationen einher. Dies trifft in besonderem Mal~e auf Informationen gleichen Inhalts aber niedrigerer Aggregationsstufe zu und wird auch als ,,output interference" bezeichnet (vgl. FISCHHOFFET AL. 1980, S. 127). ,,Together, these retrieval dynamics produce a situation in which the most accessible cognition sufficient to determine a response is used [..]" (FELDMAN/LYNCH1988, S. 429). Nicht nur eine bessere Abrufbarkeit spricht for die Reputation als Informationssurrogat: FELDMAN/LYNCH(1988, S. 429 f.) gehen weiter davon aus, dass die Abrufbarkeit von Informationen nicht nur von ihrer Zug~nglichkeit, sondern auch von ihrer DiagnostizitQt beeinflusst werden: ,,Therefore, inputs of modest diagnosticity may be ignored if more diagnostic ones are accessible, but may be used if this is not the case" (FELDMAN/LYNCH 1988, S. 429). Damit ist klar, dass eine Information hbherer Diagnostizit~t nur dann leichter abrufbar ist und auch verwendet wird, wenn und soweit keine alternativen Informationen zur Verf0gung stehen, die in der konkreten Entscheidungssituation herangezogen werden kbnnen. Reputation und andere gespeicherte Informationen hoher Aggregation sind damit nicht automatisch leichter abrufbar als andere Informationen, sondern nur dann, wenn die zur Verf0gung stehenden sonstigen Informationen als weniger diagnostisch erachtet werden. Wenn alternative Informationen jedoch aufgrund zeitlicher oder inhaltlicher 0berlagerungen nicht mehr zug~nglich sind (also ,,vergessen" wurden), kann ein derartiges Informationssurrogat (das ja als solches geringerem Verfall unterliegt)- auch wenn es nur geringe DiagnostizitQt besitzt- entscheidungsrelevant werden (vgl. FELDMAN/LYNCH 1988, S. 429). Dies schliel~t den Einbezug von Reputationsurteilen bei Vorliegen weiterer Informationen (wie es typischerweise bei Entscheidungen unter hoher kognitiver Beteiligung der Fall sein wird, in denen unter grol~em Aufwand weitere Informationen gesucht wurden) freilich nicht grundsQtzlich aus, da lediglich widersprechende Informationen im Zuge von ,,output interference"-Effekten unterdrQckt werden w0rden (vgl. FISCH-

50

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

HOFF ET AL. 1980, S. 127). 68 Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Reputationsurteil in Situationen nicht abgerufen wird, in denen es der diagnostischeren Information, die im Rahmen einer High-lnvolvement-Kaufentscheidung erhoben wurde, widerspricht. Allerdings ist nicht von einer vollst~ndigen Verdr~ngung des Reputationsurteils auszugehen, sodass es sinnvoller ist, von einer Abmilderung des Einflusses von Reputation auf die Einstellung zum Produkt auszugehen (vgl. FELDMAN/LYNCH 1988, S. 430). 69 Die Sichtweise von FELDMAN/LYNCH (1988) wurde von LYNCH/MARMORSTEIN/MVIEGOLD (1988) mit einem breit angelegten experimentellen Design empirisch eberpr0ft und konnte entsprechend

den hier dargestellten

Annahmen

best~itigt werden

(vgl.

LYNCH/MARMORSTEINP~/EIGOLD 1988, S. 182 f.).70 Sie wird daneben auch von einer Vielzahl weiterer Untersuchungen gest0tzt, welche sich mit den ReckschlOssen ~1 von Konsumenten auf unbeobachtbare Produktattribute auseinandersetzen (vgl. etwa HUBER/MCCANN 1982, S. 326, 332; JOHNSON/LEVIN 1985, S. 170 f., 177; ROSS/CREYER 1992, S. 24; SANBONMATSU/KARDES/SANSONE 1991, S. 546, 551; KIVETZJSIMONSON 2000; DICKJCHAKRAVARTI/BIEHAL 1990; BOUSH ET AL. 1987, S. 234). So weisen bspw. SANBONMATSU/FAZIO (1990, S. 620) mittels Experimenten nach, dass auch Einstellungen als Informationen h0herer Ordnung in Konsumentenentscheidungen herangezogen werden, um Ersatzwerte for unbekannte Attributauspr~gungen zu gewinnen. 72 NISBETT/VVILSON konnten bereits frQh zeigen, dass auch bei 68 Auch BARLEY/GROSS(1983, S. 27 f.) zeigen im Zusammenhang mit der Einstellung zu Personen, dass es zu konfirmatorischer Informationsaufnahme kommt. Zu den dahinter stehenden Grundlagen des Konsistenzmotivs vgl. FREY(1981, hier insb. S. 287). 69 Bass die Zug~nglichkeit von Reputation nicht vollst~ndig ausgeschaltet wird, ist auf die affektive Dimension des gespeicherten Reputationsurteils zurOckzufOhren. Die empirische Forschung hat in vielen Studien nachgewiesen, dass Urteile, die mit affektiven Bestandteilen verknepft sind a priori deutlich leichter zug~nglich sind als rein kognitive Beliefs (vgl. TAJFEL 1969, S. 361 f.; BARSALOU 1987; HIGGINS/BARGH/LOMBARDI1985, S. 132). Dies wird im AIIgemeinen darauf zureckgefehrt, dass affektive Bestandteile von Einsch~tzungen auch in anderen Zusammenh~ngen der ,,allt~glichen" Informationsverarbeitung 0fter verwendet werden und damit diese Bestandteile tendenziell leichter zug~nglich sind (vgl. FELDMAN/LYNCH1988, S. 430). T0 Insbesondere konnte nachgewiesen werden, dass die einstellungs~hnlichen ebergeordneten Beurteilungen eine wesentliche Rolle im Entscheidungsprozess auch dann spielen, wenn die Entscheidungsinformationen nicht nur aus dem Langzeitspeicher abgerufen werden, sondern auch unter hoher kognitiver Beteiligung im Kurzzeitspeicher gesucht wurden (vgl. LYNCH/MARMORSTEIN/VMEIGOLD1988, S. 182). Zu diesen insofern ,,gemischten" Auswahlentscheidungen vgl. auch BIEHAL/CHAKRAVARTI(1983,1986), sowie BICK/CHAKRAVARTI/BIEHAL(1990, S. 82). 71 Die zitierte englischsprachige Literatur verwendet den Terminus ,,inference making". 72 Wenn diese Einstellungen gen0gend diagnostisch sind, k0nnen sie nach den Ergebnissen von SANBONMATSU/FAZIO(1990, S. 620) sogar dann abgerufen und far die Entscheidung verwendet werden, wenn Attributinformation verfegbar ist.

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

51

der Gewogenheit gegen0ber Personen Einstellungen und globale Einsch~tzungen die Beurteilung detaillierter Attribute der Person beeinflussen (vgl. NISBETT/VVILSON 1977). BAGOZZI (1996, S. 238, S. 258) zeigt diesen Effekt im Kontext von Handlungender Befragten ebenso wie OSTERHUS (1997, S. 26 f.). WANSIK (1989, S. 403) wies nach, dass die konsumentenseitige Einsch~tzung der Kundenorientierung eines Unternehmens (und damit die globale Einsch~tzung einer Unternehmenseigenschaft) Einfluss auf die Produkteinstellung hat. Auch BECKWlTH/LEHMANN (1975, S. 273) konnten mit einer repr~sentativen Befragung unter 2.000 Fernsehzuschauern zeigen, dass Attributeinsch~tzungen selbst dann von 0bergeordneten Einstellungen beeinflusst sein kEnnen, wenn bereits persEnliche Erfahrung mit den Alternativen vorliegt. MAHESWARAN/MACKIE/CHAIKEN(1992, S. 330-333) ermittelten in einer experimentellen Untersuchung im Bereich der Produktauswahlentscheidungen, dass einstellungs~hnliche Einsch~tzungen im Rahmen von Entscheidungsheuristiken herangezogen werden, um unbekannte Produktattribute zu sch~tzen. Dies konnte nicht nur for den Fall best~tigt werden, wenn die Motivation gering ist, groBen kognitiven Aufwand zu betreiben. Auch in Entscheidungen mit groBer kognitiver Beteiligung konnte ein Einfluss dann nachgewiesen werden, wenn die Einstellung mit den erhobenen Produktattributen vertr~glich war. ~3 KLEIN/DAWAR (2004, S. 215 f.) und KLEIN (2004, S. 102 f.) zeigen, dass globale Evaluierungen bei der Generierung von Attributionen in Krisenfallen Verwendung finden k5nnen, auch wenn dies nur for affektive Konstrukte untersucht wurde. Zusammen mit KARDES/POSAVAC/CRONLEY (2004, S. 246) kann festgestellt werden: ,,Attitudes are often more accessible than attributes, and, consequently, attitudebased inferences often dominate attribute-based inferences". Insgesamt zeigt sich, dass Reputation als gespeicherte Abstraktion, als zusammenfassende Information einer hEheren Aggregationsstufe leicht abgerufen werden kann, um als Informationssurrogat im Zuge einer zu treffenden Auswahlentscheidung herangezogen zu werden und damit die Entscheidung zu beeinflussen. Zudem ist aus kognitionstheoretischer Sicht begrC~ndet, dass diese Abstraktionen auch im zeitlichen Ablauf leichter abrufbar bleiben als die detaillierten Informationen und Erfahrungen, aus denen sie berechnet

73 BROWN/DACIN(1997, S. 76 f.) konnten zeigen, dass es im umgekehrten Fall einer Diskrepanz zwischen Einstellung und wahrgenommenenAttributen sogar zu Kontrasteffekten kommt und die Einstellung zum Produkt in die jeweilige Richtung (sowohl positiv als auch negativ) extremer ausf~llt als im Falle der Kongruenz von globaler Einsch~tzung und Evaluation der Produktattribute. Diese Ergebnisse konnten auch in gr0Berem Rahmen von SEN/BHATTACHARYA(2001, S. 238) repliziert werden.

52

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

wurden - eine weitere Eigenschaft, die mit der zeitlichen Stabilit~it in der Konzeptualisierung des Reputationskonstrukts in Abschnitt 2.2.1 korrespondiert. Eine ,,Produktauswahl nach Reputation" kann damit also als weitere Entscheidungsheuristik in den Bezugsrahmen von Abbildung 6 (S. 34) eingef(Jgt werden. Leitender Gedanke aller Hypothesen ist daher die Annahme:

Reputation (verstanden als zweidimensionales Konstrukt) wirkt als Informationssurrogat in Kaufentscheidungen von Konsumenten. Die Aussagen dieses Abschnitts werden daher zu folgender Hypothese 0ber Haupteffekte verdichtet: H1

Die

Unternehmensreputation

eines

herstellenden

Unternehmens

oder

Dienstleisters beeinflusst die Einstellung zum Produkt in Kaufentscheidungen von Konsumenten positiv. Da Reputation jedoch wie ausgef(Jhrt als Informationssurrogat wirkt, wird die St~irke dieses Einflusses von verschiedenen Faktoren der Entscheidungssituation abh~ingen. So wurde beispielsweise bereits angedeutet, dass der Einfluss von Unternehmensreputation auf die Einstellung zum Produkt geringer sein wird, wenn mehr Produktattribute in der Kaufentscheidung verarbeitet werden. Aussagen dieser Art werden als Moderationseffekte bezeichnet. Diese werden in Abschnitt 3.3.3.4 ausf~Jhrlich diskutiert. DarOber hinaus zeigt eine Literaturdurchsicht, dass viele weitere GrSl~en die Einstellung zum Produkt und die Kaufabsicht beeinflussen kSnnen, die selbst wiederum von Reputationsurteilen abh~ingen k5nnen. Die wichtigsten dieser Variablen werden in den folgenden Abschnitten eingehend beleuchtet.

3.3.3.3 Intervenierende (mediierende) Variablen bei der Kaufentscheidung Mediierende Effekte gehen auf die Vorstellung von intraindividuellen Transformationsprozessen zur0ck, die neben einer direkten Beziehung einer Eingabe und dem Ergebnis der Verarbeitung vermitteln (vgl. BARON/KERRY 1986, S. 1176). Abbildung 10 zeigt diesen Zusammenhang. Daraus wird auch klar, dass eine Variable dann als Mediator fungiert, wenn (1) Ver~:inderungen der unabh~ingigen Variablen zu Ver~nderungen der Mediatorvariablen f(~hren (es also eine Wirkbeziehung auch kausaler Natur gibt) und (2) eine ebensolche kausale Beziehung auch von der Mediatorvariablen zur Abh~ngigen existiert. Beispielsweise kann auch das S-O-R-Modell derartig auf-

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fEir finale Zielgruppen

53

gefasst werden: Der Einfluss eines Stimulus f0hrt nicht direkt zu einem beobachtbaren Ergebnis, sondern die Beziehung zwischen Stimulus und Response wird durch den Verarbeitungsprozess des Individuums vermittelt. Dieser Extremfall perfekter Mediation schliel~t eine direkte Wirkbeziehung aus, welche neben der Beziehung 0ber die Verarbeitung existieren k0nnte (Pfad ,,c" in Abbildung 10 gleich Null). Dies ist ein Extremfall der dritten Bedingung for das Vorliegen einer mediierten Beziehung: (3) Eine Variable wird als Mediator bezeichnet, wenn die formulierte direkte Beziehung c ohne die explizite Formulierung des indirekten Effekts a x b signifikant gr01~er wQre (da in diesem Fall die beobachtete direkte Beziehung auch den indirekten Effekt einschliel~en w0rde) (vgl. BARON/KENNY1986, S. 1176 f.).74

Mediator exogene/ Variable

c

" ~

endogene "~ Variable

Abbildung10: MediierteWirkbeziehung zwischeneiner UnabhQngigenund einerAbh~ngigen (in Anlehnung an BARON/KENNY1986, S. 1176)

Nach umfangreicher Literaturdurchsicht lassen sich for die unterstellte Beziehung zwischen Unternehmensreputation und Produkteinstellung bei Kaufentscheidungen privater Konsumenten drei relevante Konstrukte identifizieren: Diese werden einerseits selbst von gespeicherten Unternehmensreputationsurteilen beeinflusst und in der Literatur andererseits als relevante Einflussgr01~en der Produkteinstellung aufgef0hrt. Bei diesen Konstrukten handelt es sich um (1) die Einsch~itzung der personellen Selbst~ihnlichkeit zum Unternehmen (im Folgenden ,,Identifikation"), (2) die EinschQtzung des Zusammenpassens von Produkt und Unternehmen (im Folgenden ,,Produkt-Unternehmens-Fit") und (3) die Beurteilung der wahrgenommenen Produktattribute selbst. Diese Konstrukte werden im Folgenden in Bezug auf ihren mediierenden Einfluss kurz vorgestellt. Ein Grol~teil der Iogischen Ableitungen wurde dabei bereits in Abschnitt 3.3.3.2 mit Aspekten der Haupteffekte verbunden und wird daher im Folgenden nicht mehr explizit aufgef0hrt, um dem Leser redundante Argumentation zu ersparen.

~4 Zum Nachweissignifikanter Mediation vgl. Abschnitt 5.2.3.1.

54

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

3.3.3.3.1 Identifikation Unter Identifikation I~sst sich die wahrgenommene 0bereinstimmung des Selbstbildnisses der Person Tit dem Gesamtbild des Unternehmens verstehen, die auch als ,,Identit~ts-Unternehmens-Fit" bezeichnet werden kann (vgl. ASHFORTH/MAEL1989, S. 21; BERGAMI/BAGOZZI2000, S. 557; DUTTON/DUKERICH/HARQUAIL1994, S. 242; KRISTOF 1996, S. 3-5; SEN/BHATTACHARYA2001, S. 227 f.). Die Konzeptualisierungen der Literatur stellen dabei auf die Identifikation zwischen Person und Unternehmen ab, die sich durch die 0bereinstimmung sowohl geteilter Werte als auch persEnlichkeitsbeschreibender Attribute ergibt, z5 Die Identifikation, also das AuSTRia, in dem eine Person das Unternehmen als ,,zu sich passend" beschreiben w0rde, wurde dabei oftmals vor dem Hintergrund der ZugehErigkeit zum Unternehmen untersucht. Sie war also haupts~chlich eine Fragestellung der Personalwirtschaft und weniger des Marketing. Die Theorie sozialer Identit~t setzt jedoch weder Interaktion noch starke interpersonale Beziehungen for die Identifikation voraus (vgl. BREWER 1991, S. 475), die dann als ,,kognitiver Zustand der Selbsteinordnung" (BERGAMI/BAGOZZI 2000, S. 557, 0bers. d. Verf.) aufgefasst werden kann. Insofern betrifft der Zustand der Identifikation ebenso Mitglieder wie Nichtmitglieder von Organisationen (vgl. SCOTT/LANE 2000, S. 50 f.; PRATT 1998). 76 Dies trifft in besonderem Mal~e auch auf Kunden von Unternehmen zu: ,,However, as consumers learn more about and develop relationships with not just products but also the producing organizations, they may identify with

such

organizations

even

in

the

absence

of

formal

membership"

(SEN/BHATTACHARYA2001, S. 228). Insofern ist Identifikation also auch ein relevantes Konstrukt im konsumentenorientierten Kontext dieser Arbeit. Der Grad der Identifikation Tit dem Unternehmen kann als Ausdruck eines Abgleichsprozesses zwischen der Selbstwahrnehmung der Identit~t der einsch~tzenden Person und der Identit~t des Unternehmens dargestellt werden. Diese ,,wahrgenommene Unternehmensidentit&t" bezieht sich also entsprechend der o.g. Konzeptualisierung auf die Summe der Erfahrungen der einsch~tzenden Person Tit dem Unternehmen. Dass damit genau die Konzeptualisierung von Unternehmensreputation S. 554) stellt auf die globale ,~,hnlichkeitTit dem eigenen Selbstbild bzw. Selbstideal ab. ~6 Der Auffassung yon SCOTT/LANE(2000, S. 50) zufolge ist auch das Zustandekommenvon Identifikation eine Funktion der kognitiven Zug~nglichkeitvon Informationen s das Unternehmen. Diese ist bei Mitgliedern nat~3rlicherweisegrEI3er,jedoch keineswegs auf diese beschr~nkt. BHATTACHARYA/SEN(2003, S. 79) stellen fest, dass insbesonderedie Austauschbeziehungender Kunden die Zug~nglichkeitdieser unternehmensbezogenenInformationenerhEhen. 75 WISWEDE (1985,

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation ffJr finale Zielgruppen

55

dieser Arbeit getroffen wird, ist spQtestens dann offensichtlich, wenn man der Auffassung BERGAMI/BAGOZZIS(2000, S. 561 f.) sowie BHATTACHARYA/SENS(2003, S. 77 f.) folgt, wonach die bestimmenden Determinanten der Einsch~itzung der Unternehmensidentit~t einerseits wahrgenommene Eigenschaften (kognitive Komponente) des Unternehmens als auch affektive Determinanten darstellen (vgl. auch DAVIES ET AL. 2003, S. 152). Ohne in grundlegende Aspekte der Pers0nlichkeitspsychologie dringen zu messen, ist einsichtig, dass eine positive Reputationseinsch~tzung auch tendenziell eher zu hoher Identifikation mit dem Unternehmen fehrt: ,,[T]he greater the attractiveness of the perceived identity of an organization, the stronger [is] a person's identification with it" (DUTTON/DUKERICH/HARQUAIL1994, S. 244). Dieser positive Zusammenhang wird auch im Bezugsrahmen von BHATTACHARYA/SEN(2003, S. 81 f.) hergestellt. Insofern kann also Identifikation auch als die individuelle Valenz der Unternehmensreputation bezeichnet werden. Konsequenzen hoher Identifikation mit dem Unternehmen im Kontext von Konsumentenentscheidungen wurden bislang nicht empirisch untersucht. 7~ Die Identifikation mit dem Unternehmen stellt im Kontext des zuvor entwickelten Bezugsrahmens also eine weitere Information dar, welche in der Regel best~tigenden Charakter for die EinschQtzung der Unternehmensreputation hat. Insofern wird die ZugQnglichkeit bei der internen Informationsaufnahme zumindest nicht durch gegenl~iufigen Inhalt behindert (vgl. die Ausf0hrungen zu ,,output interference" oben) und kann also zur Evaluation im Rahmen von Auswahlentscheidungen ebenso als globales Kriterium herangezogen werden wie die Reputation selbst. Identifikation geht jedoch nicht zwangsl~iufig mit der Existenz von Reputation einher, sondern kommt nur im Falle relativ umfangreicher Erfahrungen mit dem Unternehmen zustande. Deshalb wird Identifikation den Einfluss von Reputation for die Produkteinstellung zwar nicht vollst~indig mediieren, aber zumindest for einen Teil dieses Zusammenhangs Erkl~irungsgehalt besitzen. Es wird daher hypothetisiert:

77 BHATTACHARYA/SEN(2003, S. 83) hypothetisieren zwar, dass ein hoher Grad an Identifikation zu hOherer Loyalit~it dem Unternehmen gegeneber fehrt, fehren hierfer aber weder empirische Hinweise noch theoretische Argumente an. BRUNEL/TIETJE/GREENWALD(2004, S. 397) interpretieren ihre Ergebnisse zu impliziten Assoziationen von Konsumenten dahingehend, dass diese auf eine hohe Ubereinstimmungvon Unternehmenmit der Identit~itdes Konsumentenzureckzufehrensind. ..

56 H2

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation fEir untemehmerisches Handeln

Die Beziehung zwischen Unternehmensreputation und 'Einstellung zum Produkt wird vom Grad der Identifikation des Entscheiders mit dem Unternehmen mediiert: a.

Reputation beeinflusst die wahrgenommene 0bereinstimmung zwischen eigener Identit~t und dem Unternehmen positiv. Die wahrgenommene 0bereinstimmung zwischen eigener Identit~t und dem Unternehmen beeinflusst die Einstellung zum Produkt in Auswahlentscheidungen positiv.

Wie alle formulierten Hypothesen differenziert auch H 2 terminologisch nicht zwischen dem Einfluss der beiden Reputationskomponenten Kompetenz und Sympathie, da Reputation als zweidimensional angenommen wird und die Richtung des Zusammenhangs for beide Konstrukte auch dann dieselbe ist, wenn die absoluten Einsch&tzungen von Kompetenz und Sympathie divergieren. Davon ist aber weder die Hypothesenableitung noch deren Formulierung betroffen. 3.3.3.3.2 Produkt-Unternehmens-Fit Neben der Pers5nlichkeit des Individuums sind f(Jr die Auswahlentscheidung insbesondere Produktmerkmale von Bedeutung. Aus der Markentransferliteratur ist hinI~nglich bekannt, dass ein Zusammenpassen von Produktattributen und Markenversprechen positiven Einfluss auf die Produkteinstellung hat (vgl. AAKER/KELLER 1990, S. 38; KELLER/AAKER 1992, S. 42; TAUBER 1988, S. 28; BOUSH ET AL. 1987, S. 229). Dies I~sst sich auch auf den Grad der 0bereinstimmung von Unternehmensbild und Produktattributen 0bertragen (vgl. MADRIGAL 2000, S. 81). Diese Transferprozesse lassen sich insbesondere bei neuen, bislang unbekannten Produkten feststellen. Es gibt jedoch keine grunds~tzlichen konzeptualen Einw~inde dagegen, dass diese auch dann zur Wirkung kommen, wenn das Produkt nur fQr den Konsumenten neu ist und es zu einer erstmaligen Erhebung der relevanten Produktattribute kommt. Line hohe 0bereinstimmung zwischen der Wahrnehmung des Produkts und der Wahrnehmung des Unternehmens kann im Sinne der Argumentation von Abschnitt 3.3.3.2 die Zug~nglichkeit der Reputationsinformation f(Jr die anstehende Produktbeurteilung erhShen, da die Reputationsinformation letztlich als diagnostischer gesehen wird. BOUSH/LOKEN (1991, S. 17 f.) argumentieren zwar knapp aber ~ihnlich wie in Abschnitt 3.3.2, dass die Verarbeitung der wahrgenommenen Produktinformationen

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fEir finale Zielgruppen

57

kategoriebasiert abl~uft: In einem ersten Schritt wird dabei versucht, eine bestehende Information abzurufen, die beispielsweise ein bereits gespeichertes Urteil einer hSheren Aggregationsstufe darstellen kann. BOUSH/LOKEN (1991, S. 25) konnten in ihrer experimentellen Untersuchung eine direkte Beziehung des Zusammenpassens einer Markenerweiterung zur bestehenden Marke und der Einstellung zum Produkt nachweisen. Es ist also davon auszugehen, dass der durch einen hohen Fit verursachte Effekt eigenst&ndig ist (vgl. auch BOUSH/LOKEN 1991, S. 19; BOUSH ET AL. 1987, S. 233 f.). Der Einfluss der wahrgenommenen 0bereinstimmung von Produkt und Unternehmen kann damit zun~chst als unabh~ngig vonder St~irke der direkten Beziehung zwischen Reputation und Produkteinstellung gesehen werden, weswegen die Formulierung als mediierende EinflussgrSl~e eher in Frage kommt als in Form einer Moderierenden (vgi. hierzu Abschnitt 3.3.3.4). Dies wird auch der Vorstellung des Verarbeitungsprozesses ,,Bildung einer ,&hnlichkeitseinsch~tzung basierend auch auf dem Reputationsurteil" besser gerecht. Insofern ist Reputation eine der Determinanten der Einsch~tzung des Zusammenpassens von Unternehmen und Produkt. Es ist davon auszugehen, dass Reputation als Information in die Einsch&tzung der ,~,hnlichkeit von Produkt und Unternehmen eingehen wird und damit ein Vorl~ufer dieses Konstrukts ist. Allerdings ist a priori nicht klar, ob und welche Reputationsdimension positiven bzw. negativen Einfluss hat. Daher wird die Richtung des Zusammenhangs zwischen Reputation und Produkt-Unternehmens-Fit zun~chst often hypothetisiert, wohingegen in 0bereinstimmung mit den empirischen Ergebnissen von BOUSH/LOKEN (1991, S. 25) von einem positiven Einfluss des wahrgenommenen Fits auf die Produkteinstellung ausgegangen wird: H3

Die Beziehung zwischen Unternehmensreputation und Einstellung zum Produkt wird vom Grad des wahrgenommenen Zusammenpassens von Produkt und Unternehmen (Produkt-Unternehmens-Fit) mediiert: a. Reputation beeinflusst den wahrgenommenen Produkt-Unternehmens-Fit. b. Der wahrgenommene Produkt-Unternehmens-Fit beeinflusst die Einstellung zum Produkt in Auswahlentscheidungen positiv.

Die Teilhypothesen von H 3 beziehen sich wiederum auf beide Dimensionen des Reputationskonstrukts. Insbesondere H 3 a hat eher explorativen Charakter als die bisher formulierten Hypothesen.

58

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

3.3.3.3.3 Wahrnehmung der Produktattribute Bereits in Abschnitt 3.3.2 wurde ein ausfehrlicher Bezugsrahmen entwickelt, der den Verarbeitungsprozess bei der eigentlichen Produktauswahl in Entscheidungsprozessen darstellt. Reputation kann im Zuge einer Entscheidungsheuristik durchaus ein kaufentscheidendes Kriterium sein. Wie erw~hnt, werden je nach Entscheidungstyp auf einem Kontinuum unterschiedlich viele Informationen for die Produktentscheidung herangezogen. Insofern w~re es eine unzul~issige Vereinfachung des Bezugsrahmens, davon auszugehen, eine Auswahlentscheidung des Konsumenten k0nne ausschlie61ich entweder auf Basis der Entscheidungsheuristik ,,nach Reputation" oder mit attributweiser Evaluation stattfinden. Mischformen werden in der Realit~t eher die Regel denn die Ausnahme sein. Dareber hinaus sind die Ausfehrungen in Abschnitt 3.3.3.2 auch so zu interpretieren, dass die gespeicherte Information ,,Reputation" im Sinne eines Halo-Effekts die Einsch~itzungen der konkreten Produktattribute beeinflusst bzw. als Informationssurrogat ersetzt. Werden daher Oberhaupt Einsch~tzungen von Produktattributen gebildet, so werden diese zumindest stark von Reputation beeinflusst sein (vgl. hierzu insbesondere FELDMAN/LYNCH 1988, S. 429 sowie Abschnitt 3.3.3.2). Die Verarbeitung der wahrgenommenen Produktattribute und die affektive Evaluation derselben findet also vor dem Hintergrund der abgerufenen Reputationsinformation statt. Je diagnostischer und je leichter abrufbar die Reputation in diesem Zusammenhang ist, desto st~irker wird sie diesen Effekt auf die Einsch~tzung der konkreten Produktattribute entfalten. Allerdings ist hier zu beachten, dass dies eher wahrscheinlich ist, wenn die Valenz des Reputationsurteils und der Einsch~tzung der Produktattribute zumindest von ~hnlicher Richtung sind (vgl. die Ausfehrungen zu Output-lnterference-Effekten und FISCHHOFF ET AL. 1980, S. 127). Insofern wird also - wenn eberhaupt - ein positiver Zusammenhang zwischen Reputation und der Einsch~itzung wahrgenommener Produktattribute zu beobachten sein. Dass Letztere eine positive Wirkung auf die Einstellung zum Produkt hat, ergibt sich unmittelbar aus dem Bezugsrahmen (Abschnitt 3.3.2) und den Ausf0hrungen zur Einstellungsgenerierung in Abschnitt 3.3.3.2 und ist als Effekt trivial. Zus~tzlich zur direkten Wirkung von Reputation auf die Einstellung zum Produkt wird also auch immer ein ,,indirekter Weg" der Verarbeitung zu hypothetisieren sein, welcher die Wirkung von Reputationsurteilen nicht nur direkt als Entscheidungsheuristik, sondern auch indirekt im Sinne eines Halo-Effekts 0ber die Produktattribute erkl~rt. W~hrend sich erstgenannter Weg bereits in H 1 manifestiert, findet der indirekte Zusammenhang Ausdruck in folgender Formulierung:

59

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

H4

Die Beziehung zwischen Unternehmensreputation und Einstellung zum Produkt wird fiber einen Halo-Effekt der Reputation auf die Produktattribute vermittelt: a. Reputation beeinflusst die Einsch~tzung der wahrgenommenen Produktattribute positiv. b. Die wahrgenommene Einsch~tzung der Produktattribute beeinflusst die Einstellung zum Produkt in Auswahlentscheidungen positiv.

Neben den vermittelnden Effekten lassen sich aber noch weitere Effekte benennen, welche als Moderatoren die Wirkung von Reputation auf die Produkteinstellung beeinflussen. Mit diesen besch~iftigt sich der folgende Abschnitt.

3.3.3.4 Determinanten der Einflussst~irke der untersuchten Zusammenh~inge (moderierende Variablen) Im Unterschied zu Mediator-Variablen sind Moderatoren nicht selbst Teil einer Einflussbeziehung, sondern beeinflussen die St~irke einer Beziehung: ,,In general terms, a moderator is a qualitative (e.g., sex, race, class) or quantitative (e.g., level of reward) variable that affects the direction and/or strength of the relation between an independent

or

predictor

variable

and

a

dependent

or

criterion

variable"

(BARON/KENNY 1986, S. 1174). In einer gereiften Forschungsdisziplin wie der Marketingforschung wird es zunehmend schwierig, neue und nichttriviale Erkenntnisse zu gewinnen, wenn ausschliel~lich auf Haupteffekte abgestellt wird. Daher differenziert sich die Disziplin zunehmend aus und wendet sich insbesondere denjenigen Effekten zu, welche die bekannten Effekte moderieren oder erheblich mitbestimmen. 7s Abbildung 11 zeigt einen derartigen Zusammenhang in einem Strukturmodell. 79

78 Auch wenn HOMBURG/GIERING(2001, S. 47) beispielsweise Forschungsbedarf f0r die Betrachtung moderierender Effekte zwischen Zufriedenheit und Loyalit~t identifizieren kann schon nach kurzer Literaturdurchsicht der Auffassung von EGGERT/FASSOTT/HELMnicht gefolgt werden, wonach ,,moderierende Wirkbeziehungen in der betriebswirtschaftlichen Forschung vergleichsweise selten untersucht" werden (EGGERT/FASSOTT/HELM2005, S. 104 f.). Das Gegenteil scheint in der letzten Dekade der Fall: Mit Stand November 2005 wurden im Social Sciences Citation Index (vgl. o.V. 2005a) etwa 6.300 Zitationen des Grundlagenartikelsvon BARON/KENNY(1986) gez~ihlt. z9 Zur Modellierung und 0berpr0fbarkeit derartiger Effekte vgl. Abschnitt 5.2.3.2.

60

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

moderierende Variable

exogene ~ Variable

endogene Variable

Abbildung11:Einfluss moderierender Variablen auf die Wirkbeziehung zweier Variablen (in Anlehnung an BARON/KENNY1986, S. 1174)

Analog zum Vorgehen in Abschnitt 3.3.3.3 wurden nach einer umfangreichen Literatursichtung und Vor0berlegungen zu den fokalen Konstrukten der Arbeit wesentliche Variablen identifiziert, welche als relevant for die St,~rke der Wirkbeziehung von Unternehmensreputation auf die Zielkonstrukte ,,Einstellung zum Produkt" bzw. die Kaufabsicht anzusehen sind. Diese sind (1) die Verf0gbarkeit von Produktattributen in der Kaufentscheidungssituation, (2) das Involvement und (3) das Ausma~ objektiven Produktwissens bei der Kaufentscheidung. 8~ Diese werden im Folgenden in gebotener K0rze ausf0hrlicher begr0ndet. Wiederum werden redundante Argumentationen vermieden, da ein betr~chtlicher Teil der Argumentation bereits in Zusammenhang mit der Ableitung von H 1 ausgef0hrt wurde. 3.3.3.4.1 Verf0gbarkeit von Produktattributen In Abschnitt 3.3.3.2 wurde bereits abgeleitet, dass Unternehmensreputation als Informationssurrogat in Kaufentscheidungen Verwendung finden kann. Globale Evaluationen wie die Reputation sind in Entscheidungssituationen oft diagnostischer und damit leichter zug~inglich als konkrete Attribute (vgl. etwa KARDES/POSAVAC/CRONLEY 2004, S. 246). Die Verf0gbarkeit von Informationen, die alternativ zu dem gespeicherten Informationsurteil Verwendung finden k0nnten, spielt jedoch nach FELDMAN/LYNCH (1988, S. 424) eine wesentliche Rolle bei der Beantwortung der Frage, welche Umst~inde der Entscheidungssituation die Verwendung der gespeicherten Reputationsinformation beeinflussen k0nnen. So k0nnen einerseits ,,output interference"-Effekte die Abrufbarkeit von Informationen h0herer Aggregationsstufe direkt negativ beeinflussen, wenn die aufgenommenen Hinweisreize Informationen niedrigerer Aggregationsstufe (also Produktattribute) diagnostischer erscheinen lassen und letztere zuerst abgerufen werden (vgl. DARLEY/GROSS 1983, S. 27 f.; FISCHHOFF

8o Interaktionenzwischen diesen einzelnen moderierenden Effekten werden bewusst im vorliegenden Rahmen nicht betrachtet.

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

61

ET AL. 1980, S. 127; FELDMAN/LYNCH 1988, S. 429). Dies wird in der Regel der Fall sein, da Generalisierung zu Globalurteilen per se Diagnostizit~t senkt. 81 Auch MANTEL/KARDES (1999, S. 336) weisen darauf hin, dass die Abrufbarkeit detaillierter Produktattribute eher eine attributweise Informationsverarbeitung induziert. Ob derartige Informationen for die Entscheidung verf0gbar sind, h~ngt einerseits davon ab, ob durch Hinweisreize gespeicherte Informationen auf Attributebene zug~nglich sind oder ob andererseits induziert durch den Grad kognitiver Steuerung lnformationen gesucht werden. 82 Im zweiten Fall erhebt das Individuum beispielsweise in Entscheidungen mit hohem kognitivem Aufwand Informationen 0ber relevante Produktattribute und deren Auspr~gungen. Damit stehen alternative Informationen zum gespeicherten Reputationsurteil zur Verf0gung, die in der Entscheidung potenziell gr5&ere Bedeutung gewinnen werden. Die Verwendung von Reputationsurteilen ist dadurch freilich nicht ausgeschlossen (vgl. BIEHAL/CHAKRAVARTI 1983, S. 2 f.; DICK/CHAKRAVARTI/BIEHAL 1990, S. 82). Auch MANTEL/KARDES (1999, S. 336) stellen fest: ,,Of course, attributes may be used as heuristic cues or as cues to form general attitudes before the preference judgment is formed". Es ist jedoch von einer Abmilderung ihres Einflusses auf die Einstellung auszugehen (vgl. FELDMAN/LYNCH 1988, S. 430, sowie S. 49 f. der vorliegenden Arbeit), wenn und soweit in einer konkreten Entscheidungssituation (1) Informationen 0ber Produktattribute zur Verf(Jgung stehen (also vom entscheidenden Individuum unter dem gegebenen Suchaufwand gefunden werden kSnnen) und (2) die Entscheidung unter entsprechend hoher kognitiver Beteiligung abl~uft, sodass 0ber die Entscheidungsheuristik ,,nach Reputation" hinaus eine Informationssuche stattfindet, um eine Entscheidung zumindest unter Einbezug attributbezogener Information zu erm(Sglichen.83 Die zweite Bedingung stellt im Wesentlichen darauf ab, dass eine Information ais gen~gend diagnostisch for die Entscheidung erachtet wird. In einer gegeben Entscheidungssituation ist die Bedingung als konstant zu betrachten, womit lediglich die Verf0gbarkeit von Produktattributen zum Wesensmerkmal folgender Hypothese wird:

81 Vgl. zu diesen Ausfi3hrungen aber ausf(JhrlichAbschnitt 3.3.3.2. 82 Vgl. die Hinweise in Abschnitt 3.3.3.4.2. 83 Ein hoher Grad an Involvement bei der Entscheidung erh(Shtalso lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu attributweiserAlternativenbewertung kommt, wenn Informationen zur Verf0gung stehen (vgl. auch MANTEL/KARDES1999, S. 338; SANBONMATSU/FAZIO1990, S. 620).

62 H5

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr unternehmerisches Handeln

Der Einfluss von Unternehmensreputation auf die Einstellung zum Produkt wird vom Grad der Verf0gbarkeit alternativer produktbezogener Attribute moderiert: In Auswahlentscheidungen, in denen alternative Informationen herangezogen werden, ist die Bedeutung der Reputation fiJr die Produkteinstellung geringer als in Entscheidungen, in denen dies nicht der Fall ist.

Dabei ist es durchaus plausibel, dass die hypothetisierten Unterschiede zwischen hoher und geringer VerfOgbarkeit von Produktattributinformation wiederum unterschiedlich stark bei dem Einfluss der beiden Reputationsdimensionen ausfallen. Auf eine Hypothese 0ber dieses Verh~ltnis wird jedoch im vorliegenden Rahmen verzichtet. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass durch so genannte ,,inference effects" AIternativen alleine deswegen schlechter bewertet werden k6nnen, weil unvolist~ndige Informationen vorliegen (vgl. SIMMONS/LYNCH 1991, S. 477 f.). Die empirischen Untersuchungen von SIMMONS/LYNCH(1991) deuten jedoch nicht darauf hin, dass es zu einer verzerrenden Wirkung auf die relative Vorziehensw0rdigkeit kommt, wenn dies auf alle Alternativen zutrifft. Daher ist im Rahmen einer empirischen 0berpr0fung eine Kontrolle derartiger Effekte n6tig. 3.3.3.4.2 Involvement Ob die erw~hnten alternativen Informationen in Form konkreter Produktattribute vorliegen, ist auch eine Funktion der Entscheidungssituation und des Ausmal~es ihrer kognitiven Steuerung. Wie mehrfach erw~ihnt, ist das Involvement eine der wesentlichen Bestimmungsfaktoren for den Typus der Entscheidungssituation (vgl. KRUGMAN 1965, S. 355 f.). Damit steuert es in letzter Konsequenz auch den Informationsbedarf des Individuums und den Grad, in dem Entscheidungsheuristiken zum Einsatz kommen oder R(~ckschlesse 0ber unbekannte Produktattribute durch Einstellungsurteile gezogen werden. MANTEL/KARDES (1999, S. 317) argumentieren, dass zwar jegliche verf0gbare und wahrgenommene Information die Informationsverarbeitung in der Entscheidung in Richtung attributweiser Beurteilung verschiebt, diese ,,reine VerfClgbarkeit" jedoch nur eine interne Motivation darstellt. Ohne externe Motivation, also Involvement, findet eine attributweise Verarbeitung nicht statt. MANTEL/KARDES (1999, S. 336) stellen fest: ,,A large number of studies have reported that individuals process information more thoroughly with higher levels of involvement."

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

63

Bevor jedoch die Bedeutung des Involvement for die Beziehung ReputationProdukteinstellung ausgef0hrt werden kann, muss zun~chst der Involvementbegriff genauer umrissen werden. 84 Der Begriff des Involvement wird im AIIgemeinen auf die Arbeiten von SHERIF/CANTRIL (1947, insb. S. 92-116) zur(~ckgef0hrt. Ein Problem der Konzeptualisierung von Involvement ist darin zu sehen, dass der Begriff in der bestehenden Literatur nicht in einheitlichen Zusammenh~ingen verwendet wird und dass unterschiedliche Arten von Involvement differenziert werden. Schon eine oberfl~chliche Auseinandersetzung mit der Literatur offenbart ~ul~erst unterschiedliche Definitionen des Konstrukts Involvement (vgl. LAURENT/KAPFERER 1985a, S. 42). 85 Im Kern der meisten Definitionen steht jedoch die pers5nliche Relevanz eines Urteils oder eines Objekts, 0ber das das Urteil gef~llt wird (vgl. PETTY/CACIOPPO/SCHUMANN 1983, S. 136-138). KROEBER-RIEL/MVEINBERG verstehen darunter ,,Ich-Beteiligung bzw. gedankliches Engagement und die damit verbundene Aktivierung, mit der sich jemand einem Sachverhalt oder einer Aktivit~t zuwendet" (KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 345). In ~hnlicher Weise beschreibt FELSER (2001, S. 56) das Involvement als ,,das Mal~ an innerer Beteiligung sowie die Tiefe und Qualit~t der Informationsverarbeitung [...] mit denen sich der Kunde einer Werbe- und Kaufsituation zuwendet". Mit dem Involvement kann also diejenige Determinante des Informationsverarbeitungsverhaltens beschrieben werden, welche die Motivst~rke zur Informationssuche,-aufnahme, -verarbeitung und -speicherung beschreibt (vgl. TROMMSDORFF 2004, S. 56) und auf die in den vorangegangenen Abschnitten immer wieder verwiesen wurde. Betrachtet man die Determinanten des Involvements, I~sst sich das Konstrukt weiter differenzieren. Je nach personen-, produkt-, mediums-, botschafts- oder situationsspezifischen Faktoren einer Entscheidung kann es jeweils eher hohe oder niedrige Auspr~gung einnehmen und einen entsprechenden Grad kognitiver Steuerung der Entscheidung induzieren (vgl. TROMMSDORFF2004, S. 58). 86

84

BAUMGARTHbeschreibt ein Problem der breit gef~cherten Involvementforschung: ,,Obwohl das Involvement eines der zentralen Konstrukte der Konsumentenforschung darstellt, herrscht noch keine Einigkeit 0ber den Begriff" (BAUMGARTH2001, S. 36).

8s Zu verschiedenen Begriffsdefinitionen vgl. die Metastudie von COSTLEY(1988) sowie weitere Begriffsfassungen bei LAURENT/KAPFERER(1985b, S. 48 f.); ZAICHKOWSKY(1985, S. 341); GELsI/OLSON (1988, S. 211); RICHINS/BLOCH(1986, S. 280 f.); RICHINS/BLOCH/MCQUARRIE(1992, S. 144-148); SWlNYARD(1993, S. 271 f.). 86 Eine ~hnliche Differenzierung bietet FELSER(2001, S. 59 f.), der zus~tzlich nach der zeitlichen Dimension differenziert: W~hrend ein pers(Snliches Involvement 0ber I~ngere Zeit besteht, existiert ein so genanntes Situationsinvolvement nur zeitlich beschr~nkt. Das Produktinvolvement ist dage-

64

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation for untemehmerisches Handeln

(x Person ~ ~

(/

....

Stimulus~ spezifische ~" Medium ~ Faktoren ~

r

Informations-7 aufnahme

I ------2 Inf~176 7 verarbeitung

~ Botschaft \ v

~

~

/

~ Situation

~

Informations-~'~

speicherung

Abbildung 12: Dimensionendes Involvementkonstruktsund Konsequenzenauf wesentliche Informationsverarbeitungsprozesse (in Anlehnung an TROMMSDORFF2004, S. 58) Abbildung 12 fasst diese Dimensionen des Konstrukts und die wesentlichen Abl~ufe des Entscheidungsprozesses in einem Strukturmodell zusammen und ermbglicht damit einen zweckm~il~igen Bezugsrahmen f(Jr die Bestimmungsgrbl~en von Involvement und die davon betroffenen Entscheidungsvorg~inge. Nach CELSI/OLSON (1988, S. 211)ist das Produktinvolvement dann besonders groin, wenn eine Person ihre eigenen Ziele und Werte mit den Eigenschaften des Produkts assoziiert. ZAICHKOWSKY vertritt eine ~hnliche Auffassung und definiert Produktinvolvement als die Bedeutung, die eine Person einem Objekt aufgrund von Wertvorstellungen, Interesse und persbnlichen Bed(Jrfnissen zuschreibt (vgl. ZAICHKOWSKY1985, S. 342). Die wesentliche Bedeutung des Konstrukts Involvement erschlie&t sich, sobald der Blick auf die Konsequenzen von Involvement in Kaufentscheidungen f~llt. Involvement als Motivst~rke zur Informationsaufnahme, -verarbeitung, und -speicherung ist eine wesentliche Determinante der vorgenommenen Alternativenbewertung. Hohes Involvement f(Jhrt tendenziell eher zu Entscheidungen, welche unter hoher kognitiver Beteiligung und weniger unter Verwendung von Entscheidungsheuristiken getroffen

gen unabh&ngigvom Zeitfaktor. In Zusammenhang mit dem Produktinvolvementwird davon ausgegangen, dass sich ein Produkt entweder als ,,low-" oder als ,,high-interest"-Produkteinordnen I~sst. Allerdings wird einschr~nkend hinzugef0gt, dass auch Produkte existieren, die for verschiedene Personen unterschiedlichinteressant sind und die aufgrund der breiten Streuung hinsichtlich der ihr zugeschriebenenBedeutung nicht eindeutig einer der beiden Gruppen zugeordnetwerden kbnnen.

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(~r finale Zielgruppen

65

werden (vgl. HAUGTBEDT/VVEGENER 1994, S. 214; JOHNSON/EAGLY 1989, S. 309; MAHESWARAN/MACKIE/CHAIKEN 1992; PETTY/CACIOPPO/SCHUMANN 1983, S. 143 f.; RATNEHSWAPJCHAIKEN 1991, S. 60; ENDERS 1997, S. 52-54). Obwohl auch hier wiederum ein Kontinuum zwischen den Extremen von Auswahlentscheidungen eher der Realit~it entsprechen d0rfte, kann in diesem Zusammenhang das Elaboration Likelihood Model eine anschauliche Verdeutlichung der beiden Extreme der Informationsverarbeitung liefern (vgl. ausf(Jhrlich PETTY/CACIOPPO/SCHUMANN 1983, S. 138 f.; PETTY/CACIOPPO 1986 sowie die Diskussion des ELM im Involvementkontext bei SWlNYARD 1993, S. 272). Es ist in Abbildung 13 dargestellt. Central route to persuasion

Peripheral route to p e r s u a s i o n

I

I

High involvement with product, message, or decision

Low involvement with product, message, or decision

Strong attention focused on central, productrelated features and factual information

Limited attention focused on peripheral, nonproduct features and feelings

Conscious thoughts about product attributes and use outcomes; considerable elaborative activities

Low or nonconscious information processing;

Persuasion generally alters product beliefs, which influence brand attitude, which influences purchase intentions

few or no elaborative activities

Persuasion operates through classical conditioning; affect change, attitude toward the ad, and nonconscious belief changes lead to a behavioural and attitude change

Abbildung 13: Stufen kognitiver Verarbeitung im Elaboration Likelihood Model (ELM)

(in Anlehnung an HAWKINS/BEST/CONEY2004, S. 400, vgl. auch PETTY/CACIOPPO/ SCHUMANN1983, S. 136-138) Kernaussage ist, dass bei Vorliegen hohen Involvements (mit dem Produkt, der Entscheidung oder der zu verarbeitenden Information) eine zentrale, also stark kognitiv gepr~igte Verarbeitung stattfindet. Dabei kommt es insbesondere Much zu einem Abruf grol~er Mengen bestehenden Wissens (Jber die aufgenommenen Reize hinaus. In diesem Fall wird die Produkteinstellung im Rahmen einer Auswahlentscheidung also bewusst - Much unter Einbezug bestehender Informationen - gebildet. Dabei ist die M5glichkeit des zus~tzlichen Einbezugs globaler Einstellungsurteile wie der Unternehmensreputation nicht ausgeschlossen (vgl. LYNCH/MARMORSTEIN/VVEIGOLD 1988,

66

3 Die Relevanz von Unternehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

S. 172). Allerdings wird dies wiederum nur unter der Abwesenheit von ,,output interference" wahrscheinlich sein, also wenn das Reputationsurteil konsistent mit den kognitiv verarbeiteten Informationen und daher zug~nglich ist. Im umgekehrten Fall eher niedrigen Involvements wird dagegen eine eher periphere Route zur Entscheidung postuliert. Dabei wird auf die explizite Verarbeitung aufgenommener Reize verzichtet. Die Rolle gespeicherter Globalurteile wie der Reputation ist damit deutlich gr01~er, da deren Diagnostizit~t vergleichsweise gr01~er eingesch~itzt wird (vgl. ebenda). Die bereits in Abschnitt 3.3.3.2 getroffenen Aussagen d0rften damit gr01~ere Relevanz erhalten als im Falle der zentralen Verarbeitungsroute unter h0herem Involvement. Auch MANTEL/KARDES(1999, S. 350) konnten experimentell nachweisen, dass Entscheidungen unter niedrigem Involvement tendenziell eher mittels einstellungsbasierter Heuristiken ablaufen als bei hohem Involvement. Damit ist also klar, dass die Bedeutung globaler Einsch~tzungsurteile wie Unternehmensreputation in Kaufentscheidungen umso starker sein wird, je geringer der Grad kognitiver Kontrolle der Entscheidung ist (welche wiederum direkt auf geringeres Involvement zurOckgeht). Ob sich das Involvement dabei auf das Produkt oder die Entscheidungssituation bezieht ist a priori unerheblich. Es I~sst sich also hypothetisieren: H6

Der Einfluss von Unternehmensreputation auf die Einstellung zum Produkt wird vom Grad des Involvements in der Entscheidung moderiert: Je h0her das Involvement und damit der Grad kognitiver Verarbeitung in einer Auswahlentscheidung, desto geringer ist die Bedeutung der Reputation for die Produkteinstellung.

Die Hypothese ist dabei bewusst als Kontinuum formuliert, da realistischerweise nicht davon auszugehen ist, dass die Idealtypen ,,hohes bzw. niedriges Involvement" im Rahmen von Marketingentscheidungen operationale und relevante Gr01~en sind. 3.3.3.4.3 Produktwissen Eine weitere Determinante in Entscheidungssituationen, welche konzeptual dem Involvement ~hnlich ist, I~sst sich mit dem Begriff ,,Grad des Produktwissens" benennen. Unter Wissen im AIIgemeinen lassen sich alle gespeicherten Informationen verstehen, unter Produktwissen im Speziellen Alternativenkenntnis und Merkmalskenntnis im Zusammenhang mit einer Produktkategorie (vgl. SELNES/GRONHAUG 1986, S. 67; KROEBER-RIEL/MVEINBERG2003, S. 229; TROMMSDORFF2004, S. 37, S. 99). Pro-

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jrfinale Zielgruppen

67

duktwissen fokussiert damit im vorliegenden Rahmen im Wesentlichen auf das Produktkategoriewissen. Die Menge und der Detaillierungsgrad dieses Wissens determinieren in direkter Konsequenz den Grad der Sicherheit, mit der eine Auswahlentscheidung durch Konsumenten getroffen wird (vgl. MEYER 1981, S. 429; WANSIK 1989, S. 399). Damit ist die Begrifflichkeit ,,Produktwissen" wie sie in diesem Zusammenhang verstanden werden soil, klar gegen(~ber dem in Abschnitt 3.3.3.3.3 diskutierten Begriff der wahrgenommenen Produktattribute abzugrenzen, welcher auf inhaltliche Aspekte des Wissens 0ber das konkrete Produkt abstellt. 8~ Die nun verwendete Konzeptualisierung folgt einem Verst~ndnis von Produktwissen als Produkterfahrung. 88 Die Einsch~tzung wahrgenommener Produktattribute ist eher eine GrEBe, die for den Prozess der externen Informationsaufnahme in den Entscheidungsprozess von Relevanz i s t - das Produktwissen steuert dagegen das Verh~ltnis der externen Informationsaufnahme zur internen Aktivierung gespeicherten Wissens for den Entscheidungsprozess und nimmt damit eine ~hnliche Funktion wie das eben diskutierte Involvement ein. 89 Eine Vielzahl von Untersuchungen konnte positive Zusammenh~nge zwischen Erfahrung mit einem Produkt und der Informationssuche nachweisen (vgl. JACOBY/CHESTNUT/FISHER 1978, S. 540-542; JOHNSON/RUSSO1984, S. 549; NEWMAN/STAELIN 1972, S. 249 f.; SELNES/TROYE 1989, S. 411 f.; URBANY/DICKSON/KALAPURAKAL1996, S. 101; BAUER/SAUER/KOHLER2003, S. 259, 264). Zun~chst mag kontraintuitiv erscheinen, dass grEBere Erfahrung mit einer Produktkategorie in st~rkere Informationssuche m~Jndet. Bei genauerer Betrachtung lassen sich die empirischen Erkenntnisse jedoch auch theoretisch untermauern: Erfahrene K~ufer lassen sich als ,,professioneller" im Umgang mit der Produktkategorie beschreiben, weswegen insbesondere die Art und Relevanz der zu erhebenden Produktattribute bereits gespeichert ist. Sie wissen daher bereits, welche Informationen gesucht werden m0ssen, was die kognitive Barriere zur Suche senkt (vgl. RATCHFORD2001, S. 409).

8~ WahrgenommeneProduktattribute lassen sich als Teilbereich von Produktwissensdefinitionenauffassen (vgl. bspw. SELNES/GRONHAUG1986, S. 67). 88 Eine theoretische Abgrenzung zwischen ,,product knowledge" und ,,productfamiliarity" wird in der Regel jedoch nicht vorgenommen(vgl. hierzu BAUER/SAUER/KOHLER2003, S. 249). 89 Die hier konzeptualisierte Sicherheit des Wissens ist damit eher Rahmenbedingungdes Entscheidungsprozesses als ein in diesem Zusammenhangablaufender Prozess. Daher ist diese Variable auch im Gegensatzzu den mediierenden wahrgenommenen Produktattributen als moderierender Effekt zu charakterisieren.

68

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(~r untemehmerisches Handeln

So konnte bspw. MEYER (1981, S. 430 f., S. 440) empirisch nachweisen, dass in Entscheidungssituationen gespeicherte interne Informationen nicht nur dann verwendet werden, wenn kaum externe Information vorhanden ist (also wenig Attribute zur Verfegung stehen, wie bereits in H 5 zum Ausdruck kommt), sondern auch wenn der Grad des Produktwissens in der Kategorie positivist. In einem jengeren Beispiel mit hochinvolvierten

Versuchspersonen

konnte

dieser

Effekt

auch

von

BAU-

ER/SAUER/KOHLER (2003, S. 264) nachgewiesen werden. Die Untersuchung findet jedoch ausschlie~lich am Untersuchungsobjekt Automobil statt. Die Ergebnisse alleine sind daher a priori nicht auf alle Involvement-Situationen generalisierbar. Frehere Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Informationsaufnahme und Erfahrung auch im Zusammenhang mit geringem Involvement auftritt und daher unabh~ingig yon der pers0nlichen Wichtigkeit ist. Auch JACOBY/CHESTNUT/FISHER (1978, S. 540-542) weisen einen positiven Zusammenhang zwischen externer Informationssammlung und vergangener Erfahrung in der Produktkategorie nach. Ihre Untersuchung findet im Zusammenhang mit typischen LowInvolvement-Getern des t~iglichen Bedarfs statt (vgl. ebenda, S. 535). Werden mehr detaillierte Informationen auf Attributebene erhoben, tritt wiederum der bekannte Effekt zu Tage, dass die Bedeutung globaler Evaluationen for die Kaufentscheidung abnimmt und die Kaufentscheidung eher zum Typus ,,attributweise" tendieren wird. Umgekehrtes I~isst sich auch fQr einen eher geringen Grad an Produktwissen folgern: Liegt wenig detailliertes Produktwissen vor, kommt es tendenziell eher zur Zusammenfassung von Wissen zu Schlesselmerkmalen (vgl. TROMMSDORFF 2004, S. 103) und damit zu einer Entscheidungssituation, in der tendenziell globale Urteile wie die Unternehmensreputation von Bedeutung sein k0nnen. Das bedeutet: H7

Der Einfluss yon Unternehmensreputation auf die Einstellung zum Produkt wird vom Grad des Produktwissens moderiert: Je h0her die Produkterfahrung, desto geringer ist die Bedeutung der Reputation for die Produkteinstellung.

3.3.4 Nachgelagerte Effekte von Reputation In Abschnitt 3.3.1 wurde bereits darauf hingewiesen, dass weitere for Unternehmen relevante Zielgr0r~en von Marketingentscheidungen positiv durch Reputation beeinflusst werden k0nnen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere eine erh0hte Zahlungsbereitschaft for ein Produkt zu nennen, das von einem Unternehmen h0herer

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation fElr finale Zielgruppen

69

Reputation produziert wird (vgl. auch KLEIN/LEFFLER 1981, S. 634; MILGROM/ROBERTS 1986, S. 817; PODOLNY 1993, S. 866 f.)90. Der Preis eines Gutes ist im Rahmen einer Kaufentscheidung als ein Attribut im Rahmen der Alternativenevaluation aufzufassen (vgl. ZEITHAML 1988, S. 4), das im Rahmen der gesamten Evaluation prinzipiell mit einem negativen Nutzenwert eingeht. 91 Wie im Bezugsrahmen in Abschnitt 3.3.2 dargestellt, trifft das Individuum dabei letztlich eine Abw~gung, die in der eberwiegenden Zahl der F~lle kompensatorisch stattfindet. 92 Betrachtet man das im Zuge des Entscheidungsprozesses berechnete ,,Ergebnis"- die Einstellung/Pr~ferenz gegeneber dem P r o d u k t - als gegeben, so kann also bei einem wie auch immer gearteten kompensatorischen Zusammenhang von Preis und restlichen entscheidungsrelevanten Attributen davon ausgegangen werden, dass ein h0herer negativer Nutzen (durch einen h0heren Preis) im Gesamtergebnis dann nicht negativ wirkt, solange ein entsprechender Ausgleich an positiven Evaluationskriterien vorliegt. Wie in den vorigen Abschnitten ausfehrlich dargelegt, k0nnen globale Urteile wie die Unternehmensreputation durchaus positive Wirkungen auf die Einstellung zum Produkt entfalten. Dieser zus~tzliche Nutzen des Konsumenten kann nun durch einen erh0hten Preis vom herstellenden Unternehmen abgesch0pft werden, ohne der Pr~ferenz for das Produkt zu schaden. In einer Entscheidungssituation, in der das Individuum zwischen Produkten mehrerer herstellender Unternehmen zu entscheiden hat, wird also die Reputation eines hochreputierten Unternehmens - nach Mal~gabe der in H 2 bis H 7 erw~hnten Konstrukte -

als positiver Aspekt in die Produktbeurteilung eingehen und damit Spielraum for einen erh0hten Preis bieten ohne die Pr~ferenzreihenfolge der dargebotenen Produkte zu ver~ndern. 93 Wird umgekehrt dagegen ein unver~nderter Preis for das Produkt eines Unternehmens vergleichsweise h0herer Reputation angenommen, ent9o Die aufgefehrten Autoren beleuchten diese Aussage jedoch wie bereits diskutiert aus einer rein kognitiven Signalling-Perspektive. In ihren 0konomischen Analysen wird zumeist vom unrealistischen Fall eines Ein-Produkt-Unternehmens ausgegangen, bei der die Qualit~t des Produkts stets perfekt beobachtbar ist. Empirische 0berpr0fungen anhand realistischer Merkmale finden dareber hinaus nicht statt. 91 Mit dieser Betrachtung von ,,Preis" als Gestaltungsvariable wird die Ceteris-Paribus-Bedingung der vorangegangenen Abschnitte insofern aufgegeben, als nun eher die Sichtweise des Unternehmens als Akteur betont wird, welches ein Produktattribut (den Preis) vertindert. Der Bezugsrahmen verliert damit jedoch nicht seine Geltigkeit. Die Preisbereitschaft kann insofern als monet~rer Ausdruck des wahrgenommenen Wertes des Produkts aufgefasst werden (vgl. hierzu auch BALDERJAHN2003, S. 389 f.; KALISH/NELSON1991, S. 328). 92 Die Art des Zusammenhangs (linear oder nichtlinear) ist dabei freibleibend. 93 Dies ist auch vertr~glich mit der Sichtweise ZEITHAMLS(1988, S. 3-5), die yon subjektiver Qualit~tseinsch~tzung als Kaufdeterminante ausgeht.

70

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

steht durch die hShere Reputation unter den dargestellten Wirkzusammenh~ngen ein grSl~erer Nettonutzen, also eine positivere Einstellung. In Auswahlentscheidungen kann es dadurch zu einer hSheren Pr&ferenz f(~r das Produkt dieses Unternehmens kommen. Letztlich steigt also die Kaufwahrscheinlichkeit for das Produkt dieses Unternehmens. Diese Wirkungen sind also Ausdruck nur eines Zusammenhangs und kSnnen im vorliegenden Bezugsrahmen als der Einstellung zum Produkt nachgelagerte Wirkungen aufgefasst werden. AIs isolierte Zusammenh~nge sind sie im Rahmen der Marketingforschung wenig neu (vgl. die Ausf(Jhrungen zur Verhaltensrelevanz von Einstellungen in Abschnitt 3.3.2), jedoch im Kontext des zur Einstellung f(Jhrenden Reputationsmodells im Gesamtzusammenhang dieser Untersuchung durchaus von Relevanz. Daher lassen sich als Nebenhypothesen formulieren: H8

Die Einstellung zum Produkt beeinflusst die Kaufabsicht positiv.

sowie H9

Die Unternehmensreputation kann (~hnlich wie andere Produktmerkmale) negative Produktattribute kompensieren. Die Zahlungsbereitschaft for Produkte steigt ceteris paribus mit der Unternehmensreputation des herstellenden Unternehmens.

3.3.5 Zusammenfassung: Ein Strukturmodell der Wirkung von Unternehmensreputation im Kaufentscheidungsprozess Die Hypothesens~itze 1 bis 8 charakterisieren die wesentlichen Effekte bei der Kaufentscheidung und betten die Reputationsforschung in den theoretischen Bezugsrahmen der Kaufentscheidungsforschung ein. Hypothese 9 vervollst~ndigt dagegen ein Modell der Kaufverhaltenswirkung von Reputation. Im Kontext dieser Arbeit nimmt Hypothese 9 eine gewisse Sonderstellung ein. W~hrend alle anderen Hypothesen durch die konstante Ceteris-Paribus-Bedingung prinzipiell simultan getestet werden kSnnen, kann Hypothese 9 im Rahmen einer gesonderten Studie mittels dekompositioneller Verfahren gut quantifiziert werden, da hierzu Methodiken zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft besonders gut geeignet sind. H 9 befindet sich zudem auf einer theoretisch weniger tiefgreifenden Ebene und kann daher als Zusatzhypothese verstanden werden, welche die Erkenntnisse der anderen Hypothesens~itze vertieft und

3.3 Kunden im Fokus: Die besondere Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr finale Zielgruppen

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weitere Konsequenzen aufzeigt. Daher wird sie im Folgenden im Rahmen des Untersuchungsdesigns separat betrachtet werden. Aile anderen Hypothesen bilden jedoch ein geschlossenes theoretisches Modell, das in der folgenden Abbildung 14 in Form eines Strukturmodells dargestellt ist. Darin wird auch klar, dass sich die Hypothesens~itze in Bezug auf das Reputationskonstrukt jeweils separat auf die kognitive und die affektive Reputationsdimension beziehen. In der Abbildung sind mediierende und moderierende Variablen grau hinterlegt, die visualisierten Einflesse der Moderatoren sind aus Grenden der 0bersichtlichkeit nur einmal dargestellt, werden jedoch im Modell for jeden Moderator separat untersucht. 94

Abbildung 14: Strukturmodeilder Untersuchungshypothesen

Wie bereits aus Abbildung 14 klar wird, ist das Wirkungsmodell, welches in diesem Kapitel entwickelt wurde, relativ komplex. Zudem verschliel~en sich die hier hypothetisierten Variablen einer unmittelbaren Beobachtung; es handelt sich um latente Variablen. Soil dieses Modell nun einer empirischen Uberpr0fung zugefehrt werden, ist zun~chst die Messbarmachung dieser Variablen im Zuge einer Operationalisierung

94 Im sp~teren Verlauf der Untersuchung werden den Variablen Kompetenz und Sympathie die vier Treiberkonstrukte nach Qualit&t, Performance, Attraktivit~t und Verantwortung (vgl. Abschnitt 2.4 sowie SCHWAIGER2004) als Determinanten zugeordnet werden, um einerseits eine Replikation der Ergebnisse SCHWAIGERSZU erm0glichen und andererseits die M0glichkeit der Treiberanalyse zu er0ffnen. Dies stellt jedoch nicht den inhaltlichen Kern der Hypothesenprefung dar und ist deshalb auch nicht in Abbildung 14 visualisiert.

72

3 Die Relevanz von Untemehmensreputation f(Jr untemehmerisches Handeln

nStig. Ohne das Untersuchungsdesign in Kapitel 5 vorwegzunehmen, wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ein Strukturgleichungsverfahren zur Anwendung kommen, um die hypothetisierten Zusammenh~nge des Gesamtmodells simultan 0berpr0fen zu kSnnen. Obwohl die Methodik der Strukturgleichungsmodelle keineswegs neu in der empirischen Marketingforschung ist, findet derzeit ein Paradigmenwechsel im Umgang mit latenten Variablen im AIIgemeinen und Strukturgleichungsmodellen im Speziellen statt. Insbesondere die Spezifikation von latenten Variablen steht dabei im Mittelpunkt des Interesses. Daher wendet sich die Arbeit nun in Kapitel 4 zun~chst methodischen Aspekten zu und entwickelt hierzu einige Beitr~ge und Erweiterungen. Erst in einem zweiten Schritt werden diese dann auf das zu entwickelnde Untersuchungsdesign dieser Untersuchung angewendet, das in Kapitel 5 und 6 die Hypothesen dieses Kapitels ausf0hrlicher empirischer 0berpr(Jfung zuf0hrt.

73

4 Konstruktspezifikation" Methodische Aspekte for die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse Spricht man von theoretischen Konstrukten wie im vorigen Kapitel ausgef0hrt, hendelt es sich dabei um a priori nicht direkt messbare Gr06en. Um Beziehungen zwischen diesen Variablen in einem Strukturmodell abbilden zu k0nnen, ist in einem vorausgehenden Schritt die Operationalisierung mittels eines Messmodells n0tig (vgl. ANDERSON/GERBING 1982, S. 453). Hierzu sind dem jeweils interessierenden Konstrukt in der Hegel mehrere beobachtbare Variablen zuzuordnen, ,,um so etwaige Verzerrungen in einzelnen Indikatoren aufzufangen" (HOMBURG/DOBRATZ 1991, S. 214). Die beobachtbaren Gr06en werden dabei meist als Indikatoren oder manifeste Variablen bezeichnet, die nicht direkt beobachtbaren Gr01~en als latente Variablen (vgl. HOMBURG/GIERING 1996, S. 6). Letztere lassen sich grunds~tzlich auf zwei verschiedene Arten operationalisieren (spezifizieren): mittels eines formativen oder eines reflektiven Messmodells (vgl. bspw. BOLLEN/LENNOX1991, S. 305 f.; CHIN/GOPAL 1995; HOMBURG 1995, S. 72 f.; LAW/VVONG 1999, S. 144-146; DIAMANTOPOULos/MVINKLHOFER 2001, S. 269). Diese beiden M0glichkeiten, Messmodelle zu spezifizieren, sollen im Folgenden zun~chst 0berblickartig dargestellt werden. Dabei wird klar werden, dass die Spezifikationsart eines Konstrukts insbesondere eine Funktion der gew~hlten Indikatoren ist (da in vorliegender Studie gemischt-spezifizierte Konstrukte nicht betrachtet werden).

4.1

Arten der Spezifikation 9~ von Konstrukten

Vielfach wird in der neueren Literatur beklagt, dass in der Vergangenheit ein Gro6teil von Untersuchungen mit latenten Variablen ausschlie61ich und ohne weitere Diskussion

dem

reflektiven

Messmodell

zugesprochen

hat

(vgl.

DIAMANTOPOU-

Los/VVINKLHOFER 2001, S. 269). 96 BOLLEN stellt schon relativ fr0h fest: ,,Most researchers in the social sciences assume that indicators are effect [reflektive, Anm. d. Verf.] indicators. Cause [formative, Anm. d. Verf.] indicators are neglected despite their appropriateness in many instances" (BOLLEN 1989, S. 65). 97 Derartige Appelle 9s Der Begriff der Spezifikation ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit im weiten Sinne zu verstehen. Sowohl die zugrunde liegende, ,,reale" Kausalbeziehungder Konstrukte und ihrer Indikatoren als auch die vom Forscher im Rahmen eines Messmodells hypothetisierte Kausalbeziehungwerden mit dem Begriff Spezifikation angesprochen. 96 Neuere Ausnahmen stellen bspw. BEUTIN (2000), CANNON/HOMBURG (2001) oder REINARTZJKRAFFT/HOYER(2004) dar. 97 Vgl. auch die Hinweisevon CHIN/NEWSTED(1995) sowie MACKENZIE(2003).

74

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte for die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

zu einer ,,reflektierteren" Konstruktspezifikation verhallten jedoch ungeh6rt. Der folgende kurze Blick auf die Eigenschaften des reflektiven Messmodells mag erste Erkl~rungen iiefern.

4.1.1 Reflektive Spezifikation Ein beispielhaftes reflektives Messmodell ist in Abbildung 15 dargestellt. Dabei findet die in der Literatur zu Strukturgleichungsmodellen Qbliche Nomenklatur Verwendung. mit:

X1

a2

"J

x2

a,

J

X3

"1

"1

I-m /~2~

latente Variable x Vektordermanifesten Variablen [qxl] A Regressionskoeffizienten von x auf ~ [q• 1] (Faktorladungen) Vektor der Messfehlerterme (St6rvariablen)[qxl]

Abbildung 15: Reflektives Messmodell (in Anlehnung an EDWARDS/BAGO7712000,S. 161) Die reflektive Spezifikationsart zeichnet sich dadurch aus, dass die Auspr~gungen der beobachtbaren Variablen kausa198 durch die Latente verursacht werden. Damit einher aeht die Untej'~tell_una. dass Ver~[}_derunaen der unbeobachtbaren__Vadable zu VerQnderungen aller beobachteten Indikatoren gleichermal~en (unter Vernachl~ssigung von Messfehlern) fQhren. Daher werden diese Indikatoren als ,,reflektiv" (FORNELL/BOOKSTEIN 1982a, S. 441 f.), ,,effects" (BOLLEN/LENNOX 1991, S. 305 f.)oder auch ,,eliciting" (RoSSITER 2002, S. 316) bezeichnet. Sie sind ,,beispielhafte Manifestierungen" (ebenda, 0bers. d. Verf.) einer Latenten, stellen mithin also a priori austauschbare Messungen for sie dar (vgl. BOLLEN/LENNOX 1991, S. 308). AIs Beispiel fQr reflektive Indikatoren kann das Konstrukt Kundenzufriedenheit genannt werden. Wiederkauf- und Weiterempfehlungsabsicht als beispielhafte Indikatoren ver~indern sich immer in Folge und kausal verursacht durch den dahinter stehenden Faktor Zufriedenheit. Diese Vorstellung entspricht dem so genannten Domain-Sampling-Model (NUNNALLY 1967, S. 175-181; NUNNALLY/BERNSTEIN 1994, S. 216-220), nach dem die Definition eines hypothetischen Konstrukts gleichzeitig seine Domain (definitorisches Feld) um-

98

Zur Definition von Kausalit~t zwischen Konstrukt und Messmodell und ausf0hrliche Diskussion des Kausalit~itsbegriffs in diesem Zusammenhangvgl. EDWARDS/BAGOZZI(2000, S. 157-160).

4.1 Arten der Spezifikation von Konstrukten

75

reil~t. Es wird angenommen, dass dieses definitorische Umfeld dabei alle beobachtbaren Variablen umfasst, die das unbeobachtbare Konstrukt konzeptionell ausmachen. Bei der Erfassung eines Konstrukts messte daher darauf abgestellt werden, alle Items dieser Domain zusammenzutragen (vgl. NUNNALLY 1967, S. 175 f.). SCHNELL/HILL/ESSER (2005, S. 133 f.) sprechen in diesem Zusammenhang vom ,,Indikatorenuniversum" eines Konstrukts. Es f~llt nicht schwer, die Praktikabilit~t dieser Annahme for die Operationalisierung in Frage zu stellen, da damit for jedes einzelne Konstrukt ein unendlicher Pool an Items impliziert wird. Das Domain-Sampling-Model macht sich jedoch die Annahme zu Nutze, dass diese unendlich vielen Indikatoren ein und desselben definitorischen Umfeldes einen gemeinsamen Kern haben (vgl. CHURCHILL 1979, S. 67 f.), was zu Korreliertheit dieser Items f0hrt (vgl. LEY 1972, S. 111 f.). Damit wird unterstellt, dass alle Items a priori den gleichen Grad an Validit~t besitzen und bei gleichem Grad an Reliabilit~t for die Messung des Konstrukts beliebig austauschbar sind (vgl. JARVIS/MACKENZIE/PODSAKOFF2003, S. 200). Im Falle der Abwesenheit von Messfehlern (8 = 0) werde das reflektive Modell wie in Abbildung 15 also perfekte Korrelation zwischen den Indikatoren implizieren. Damit wird auch klar, warum for die Beurteilung der GOte eines Messmodells reflektiver Pr~gung zu fordern ist, dass die Indikatoren hochgradig korreliert sein sollten (vgl. BOLLEN/LENNOX 1991, S. 308). Im Umkehrschluss wird gefolgert, dass nicht oder nur wenig korrelierende Items nicht aus dem Indikatorenuniversum des Konstrukts stammen k0nnen und daher nicht zur Operationalisierung des Konstrukts taugen (vgl. CHURCHILL 1979, S. 68). An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass diese Sichtweise von Konstrukten auf der klassischen Testtheorie basiert, welche davon ausgeht, dass die Variation einer Messvariablen sich aus der Variation der ,,wahren" (nicht beobachtbaren) Konstruktvariablen plus Messfehler zusammensetzt (vgl. etwa JARVIS/MACKENZIE/PODSAKOFF 2003, S. 199). Dies ist auch Iogisch gleichbedeutend mit der Annahme einer kausalen Beeinflussung der Messvariablen durch das Konstrukt (vgl. BOLLEN 1989, S. 182). Basierend auf dieser reflektiven Annahme entwickelte CHURCHILL (1979, S. 66) eine exemplarische Vorgehensweise zur Operationalisierung von Konstrukten. Die in seinem Grundlagenartikel vorgeschlagenen Methoden zur Beurteilung von Reliabilit~t und Validit~it eines Messinstrumentes (u.a. Coefficient Alpha und Faktorenanalyse (vgl. CHURCHILL 1979, S. 68-72)) wurden zwar in der Folge vielf~ltig erweitert (bspw. durch die konfirmatorische Faktorenanalyse (vgl. GERBING/ANDERSON 1988)), den-

76

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte f(~rdie Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

noch basieren sie aber letztlich auf dem Paradigma des Domain-Sampling und beurteilen die G0te eines Messinstruments im Wesentlichen unter Zuhilfenahme der Korrelationen zwischen Items. Damit zeigt sich bereits, dass der gesamte Operationalisierungs- und Skalenbereinigungsprozess nach dem Paradigma von CHURCHILL (1979) nur dann und nur soweit sinnvoll ist, wie die Annahme einer Kausalit~it vom hypothetischen Konstrukt zum Item (also der Spezifikation des Konstrukts auf reflektive Art) sinnvoll und gerechtfertigt ist. Die vorgenannten Aussagen zeigen sich auch in der mathematischen Formulierung des reflektiven Messmodells (vgl. EDWARDS/BAGOZZI 2000, S. 161): xi = hi ( + &i (i = 1..... n)

(1)

wobei in diesem System linearer Gleichungen jede einzelne manifeste Variable xi auf der Seite der Abh&ngigen als (mit einer Ladung ;~i) gewichtetes Abbild der Latenten darstellbar ist. Zuf~llige und systematische Messfehler jeder Manifesten werden durch je eine StOrvariable &~ modelliert. Line Alternative zu diesem faktorenanalytischen Weltbild stellt die formative Spezifikation dar, welche im Folgenden vorgestellt wird.

4.1.2 Formative Spezifikation Im Gegensatz zum reflektiven Modell ist das wesentliche Kennzeichen eines formativen Messmodells eine ver~nderte Beziehungsrichtung: Hier verursachen die beobachteten Indikatoren 99 die Latente. Abbildung 16 zeigt ein beispielhaftes formatives Messmodell mit einer latenten und drei manifesten Variablen. 1~176 Die Denkweise formativer Messmodelle geht auf CURTIS/JACKSON (1962, S. 199) zur0ck. Sie stellt eine Erweiterung der ,,operational definition"-Ans~itze dar. Diese reduzieren theoretische Konzepte definitorisch auf die Bedeutung ihrer Messvariablen (vgl. BAGOZZI 1982b, S. 14-16). Dieser strikte Operationalismus wurde mit dem An-

99 Wegen dieses Unterschiedes zum reflektiven Messmodell darf auch der Terminus Indikator/en fer die folgenden Ausf0hrungen nicht im konventionell faktorenanalytischen Sinn verstanden werden. "Rather, they are exogenous measured variables that influence the composite defined as a causally indicated variable" (MACCALLUM/BROWNE1993, S. 534). lo0 Das hier abgebildete Messmodell ist im Rahmen eines CBSEM-Strukturgleichungsmodells statistisch unteridentifiziert. F0r die Ausf0hrungen in diesem Abschnitt soil dies jedoch zun~chst vernachl~ssigt werden. Die Konsequenzen dieser Tatsache werden in Abschnitt 4.3.1 ausf~hrlich diskutiert.

77

4.1 Arten der Spezifikation von Konstrukten

satz

multiattributiver

formativer

Messung

weiterentwickelt

(vgl.

DIAMANTOPOU-

Los/VVINKLHOFER 2001, S. 270). l~ mit:

X1

r13

X2

I I

x,

q latente Variable Messfehlerterm (St6rterm) x Vektorder manifesten Variablen [qxl] F Regressionskoeffizienten von y/auf x [qxl] R Korrelationsmatrixder beobachteten Variablen [qxq]

Abbildung 16: Formatives Messmodel1102 (in Anlehnung an EDWARDS/BAGOZZ12000,S. 162)

In diesem Modell konstituiert sich also das Konstrukt aus den Indikatoren, die es beeinflussen. Damit stehen diese der latenten Variablen auch kausal vor. Ver~nderungen eines einzelnen Indikators f0hren zu einer Ver~inderung der Latenten. Ob und inwieweit sich damit gleichzeitig auch die anderen Indikatoren ver~indern, ist nur durch die Korrelationen zwischen den beobachteten Indikatoren b e s t i m m t - Kausalit~it oder eine Wirkungsrichtung wird durch die Spezifikationsart nicht hypothetisiert. Dies gilt auch umgekehrt: Ver~ndert sich die Latente, so geht dies nicht notwendigerweise mit einer Ver~inderung aller oder auch nur einiger Indikatoren einher (vgl. bspw. JARVIS/MACKENZIE/PODSAKOFF 2003, S. 201 f.). Es ist durchaus m6glich, dass sich mit der Ver~inderung der Latenten nur die Ver~inderung eines Indikators beobachten I~isst. Im Rahmen dieses Modells stellen die Indikatoren also ,,Bausteine" des Konstrukts dar: ,,[..] they 'make the attribute [latente Variable, Anm. d. Verf.] appear'" (RoSSITER 2002, S. 314). Deshalb werden diese Indikatoren als ,,formativ" (bspw. FORNELL/BOOKSTEIN 1982a, S. 441 f.; BAGOZZl 1994, S. 332 oder EDWARDS/BAGOZZI 2000, S. 162), ,,causes" (BLALOCK 1964, S. 163 f.; BOLLEN/LENNOX 1991, S. 306 f.) oder auch ,,formed" (RoSSITER 2002, S. 314) bezeichnet. Oft zitiert wird das Beispiel des sozio6konomischen Status (SES) von NAUSEa (1973, S. 268): Die Indikatoren Bildung, Einkommen und Prestige des Berufs m0ssen nicht notwen-

101Auf eine wissenschaftstheoretische Diskussion des formativen Messmodells wird an dieser Stelle verzichtet. Der interessierte Leser sei auf BAGOZZI(1984, insb. S. 22 f.) verwiesen. 102Auch wenn sich die Nomenklatur in diesem Beispiel und im Folgenden nur auf exogene Indikatoren x bezieht, k6nnen formative Indikatoren ohne jede Einschr~nkung auch als Indikatoren einer latenten endogenen Variablen in einem Strukturgleichungsmodellverwendetwerden.

78

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte f(Jr die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

digerweise korrelieren und bilden doch definitorische Bestandteile des Konstrukts ,,Status". Die Indikatoren einer latenten Variablen stellen in diesem Modell in der Regel keine austauschbaren Messungen dar, auch wenn diese M5glichkeit explizit zugelassen wird (vgl. DIAMANTOPOULOS/MVINKLHOFER2001, S. 271). Sie k(Snnen untereinander unabh~ngig sein, da kausal von jedem Indikator nur das Konstrukt abh~ngt. Damit ist also - anders als bei den hochgradig korrelierten reflektiven Messvariablen - keine Aussage 0ber Korrelationen zwischen formativen Indikatoren mSglich. Die Korrelationskoeffizienten r~-(i=] .... q;j=] .... q) k~nnen alle Werte im zul~ssigen Intervall [-1;+1] annehmen, ohne dass dies eine Aussage 0ber die G(3te ihrer Eignung zur Erkl~rung des Konstrukts oder der kausalen Beziehung zum Konstrukt mSglich macht. Auch vSIlige Unkorreliertheit ist mSglich. BOLLEN (1984, S. 377) spricht in diesem Zusammenhang von einer ,,no necessary relationship"-Sichtweise. Sp~testens mit dieser Aussage ist klar, dass das Domain-Sampling-Model bei formativen Indikatoren nicht angebracht ist. Die einzelnen Indikatoren sind - auch wenn sie korreliert sind - unabh~ngig voneinander inhaltlich fQr das Konstrukt bestimmend. Daher k(Snnen sie i.d.R, nicht ohne Validit~tsverlust fQr das Konstrukt ausgetauscht werden. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen, da die ,,klassischen" multivariaten Verfahren zur Beurteilung von Reliabilit~t und Validit~t eines Messmodells nicht mehr angewendet werden derfen. Die bei reflektiven Indikatoren verwendbaren Tools Faktorenanalyse und Coefficient Alpha stellen u.a. im Prozess der Skalenbereinigung und Itemselektion auf die Korreliertheit der Indikatoren eines Konstrukts ab. Da im formativen Fall die Indikatoren jedoch nicht beliebig austauschbare Messungen ein und desselben Sachverhaltes darstellen, w(~rde eine Itemselektion mittels Korrelationsmaven das Konstrukt als solches (also die Inhaltsvalidit~t) ver~ndern. ,,Unfortunately, traditional validity assessments and classical test theory do not cover cause indicators" (BOLLEN 1989, S. 222). BAGOZZI (1994, S. 333) zeigt, dass ein grunds~tzlich anderes Verst~ndnis von G0te einer Messung verlangt ist: ,,Reliability in the internal consistency sense and construct validity in terms of convergent and discriminant validity are not meaningful when indexes are formed as a linear sum of measurements". BOLLEN (1984, S. 381) f0gt hinzu: ,,Indeed, use of internal-consistency checks on cause-indicators may lead researchers to discard valid measures improperly".

79

4.1 Arten der Spezifikation von Konstrukten

Die kausale Richtung von den Indikatoren hin zu der latenten Variablen bedeutet also, dass sich das Konstrukt (als Linearkombination) aus den Indikatoren ergibt. 1~ Ein wesentliches Merkmal des formativen Messmodells ist daher die Tatsache, dass die Indikatoren keine Fehlerterme besitzen (da sie ja die kausalen Bestandteile des Konstrukts sind). W~hrend eine reflektiv spezifizierte latente Variable in einem einfachen Messmodell wie in Abbildung 15 keinen direkten Messfehlerterm aufweist 1~ ist dies jedoch beim analog einfachen formativen Messmodell allgemein der Fall. Messfehler werden also im formativen Fall bei der Latenten aufgefangen. Dies ebersetzt sich in folgende Darstellung (vgl. BOLLEN/LENNOX 1991, S. 306): r/= 21Xl + 22x2 + ... + 2qXq+ ~"

(2)

Anders als in (1) ist hier also die Latente r/als Linearkombination der Manifesten x dargestellt, was im Wesentlichen dem klassischen multivariaten Regressionsmodell entspricht. Die Regressionskoeffizienten 1~ sind auch als Koeffizienten for die Validit~t des Indikators for das Konstrukt interpretierbar (vgl. BOLLEN 1989, S. 222). Messfehler existieren nur auf Ebene der Latenten und werden mit (dargestellt. Der Fehlerterm 1~ wird dabei als mit den Indikatoren unkorreliert angenommen (cov[xi,q=0) (vgl. DIAMANTOPOULOS/MVINKLHOFER2001, S. 271 ). Die Erkenntnis, mit formativen Indikatoren zu arbeiten, also die Spezifikation eines Konstrukts auf formative Weise, hat Auswirkungen auf den Forschungsprozess. Die unmittelbarste - n~mlich die Entscheidung zwischen dem formativen und dem reflektiven Messmodell- ist bislang am wenigsten erforscht. Der Bedarf hierfer wird jedoch in den folgenden Abschnitten klar werden, die sich mit den Konsequenzen der Festlegung der Spezifikationsart befassen. Eine Verallgemeinerung der Operationalisierung nach CHURCHILL ist unvermeidbar.

103Deshalb wird im Zusammenhang mit formativen Indikatoren auch oftmals eher von einem Index als einem (formativen) Konstrukt gesprochen (vgl. DIAMANTOPOULOS/VVlNKLHOFER2001, S. 269). FOr Zwecke der vorliegenden Arbeit werden diese Begriffe jedoch synonym verwendet. 104Dies ~ndert sich freilich, sobald die latente Variable als Teil eines umfassenderen Strukturgleichungsmodells als Endogene auftritt (vgl. JORESKOG/SORBOM2001, S. 2). 105BAGOZZl/FORNELL(1982, S. 34) formulieren eine Spezifikation ohne Fehlerterm: # = ,~]Xl+ ,~2x2+ ... + ;L#n. Dies w~re wiederum vertr~glich mit der Vorgehensweise im Hauptkomponentenmodell (vgl. EDWARDS/BAGOZZI2000, S. 162), weil auch daf0r die Annahme von fehlerfreien Messvariablen x zu treffen ist. Dies ist also eine eher technisch getriebene Aussage als eine mit den Aussagen eber Kausalrichtungen zwischen Messvariable und Konstrukt vertr~gliche Annahme.

80 4.2

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte f(Jr die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

Formative

und

reflektive

Spezifikation

im

Operationalisierungs-

prozess Betrachtet man die Eigenschaften formativer Indikatoren und ihre Abgrenzung zum reflektiven Pendant, ergeben sich andere Schwerpunkte im ,,klassischen" Operationalisierungsprozess. DIAMANTOPOULOS/VVINKLHOFER(2001, S. 271-274)entwerfen eine entsprechende Vorgehensweise, die jedoch streckenweise nicht unproblematisch ist (vgl. die kritischen Anmerkungen bei ROSSITER 2002, S. 315) und daher nur als Basis des folgenden Vorschlags dienen kann. Hiernach sind insbesondere die folgenden vier Schritte von Bedeutung: (1) Inhaltliche Ausgestaltung, (2) Indikatorausgestaltung, (3) Umgang mit Multikollinearit,~t und (4)externe Validit~t: Analog zum Vorgehen bei CHURCHILL (1979) stellt eine umfassende Definition des zu untersuchenden Konstrukts den ersten Schritt dar. Dies entspricht auch hier im Wesentlichen der Bestimmung des definitorischen Umfelds. Die Bedeutung der Definition fQr die weiteren Schritte ist bei formativen Indikatoren jedoch ungleich grSBer. Bei der Auswahl der Indikatoren ist anders als bei reflektiven Indikatoren vorzugehen. Line Vollerhebung des gesamten Indikatorenuniversums ist nStig, um keinen Teil des Konstrukts zu vernachl~ssigen (vgl. BOLLEN/LENNOX 1991, S. 308). l~ Die 0berpr0fung von Reliabilit~iten im Sinne von Item-to-TotaI-Korrelationen ist hier also kontraproduktiv gegen~3ber den inhaltlichen Gesichtspunkten. Einzig sinnvolles G(Jtekriterium auch im Rahmen der Indikatorenbereinigung ist die externe Validit~it. 1~ W,~hrend hohe Korrelation zwischen den Items eines reflektiven Messmodells gew0nscht ist (faktorenanalytisches Weltbild) und for die Validit~t der Messung spricht, ist dies bei einem formativen Messmodell problematischer. Durch hohe Multikollinearit~it sind die Regressionskoeffizienten nicht mehr eindeutig bestimmbar, was for die Pr0fung der IndikatorvaliditQt problematisch ist. Dennoch werden Mal~e zur Beurteilung der Eindeutigkeit der Zuordnung von Indikatoren zum jeweiligen Konstrukt sowie der inhaltlichen Relevanz vorgeschlagen. ANDERSON/GERBING (1991 S. 733 f.) 106Mit dem Terminus Vollerhebung ist hier die Vollst~ndigkeit in Bezug auf alle definitorischen Bestandteile gemeint. Line Skalenbereinigung bleibt trotzdem mSglich. ,,Inhaltliche Vollst~ndigkeit" bleibt jedoch freilich wenig greifbar. 107Zur Indikatorvalidierungwerden genannt: Korrelation mit einem externen Kriterium, MIMIC-Modelle (JORESKOG/GOLDBERGER1975) oder die Berechnung eines Strukturgleichungsmodells, in dem ein reflektiv spezifiziertes Konstrukt hereingenommen wird, welches (bspw. aus Voruntersuchungen) bekanntermaBen vom interessierenden Konstrukt beeinflusst wird. Die Existenz eines derartigen ,,bekannten" und validierten externen Konstruktes ist jedoch in den meisten praktischen Anwendungsf~llen mehr als fraglich.

4.2 Formative und reflektive Spezifikation im Operationalisierungsprozess

81

geben hierzu je einen Index (ps,,und csv) an, der auf Aussagen von Experten oder einem Pretest-Sample der Grundgesamtheit basiert. Mit der Annahme von formativen Indikatoren zeigen sich also bei der Entwicklung von Messinstrumenten Probleme der inhaltlichen Validierung, die bei der Skalenbildung nach CHURCHILL (1979) nicht vorhanden sind oder mittels relativ leicht objektivierbarer KenngrSBen (insbesondere den MaBen der internen Konsistenz) 15sbar sind. Dagegen fallen gerade die beim Umgang mit formativen Indikatoren ungleich wichtigeren Validierungsfragen als ebenso schwerer und schlechter objektivierbar auf. Um diesen Problemen entgegenzutreten, schl~gt ROSSITER (2002) ein verallgemeinertes Operationalisierungsparadigma vor, welches auch formative Indikatoren mit einbezieht. Die wesentlichen Schritte dieser ,,C-OAR-SE" genannten Vorgehensweise sind: (1) Konstruktdefinition, (2) Klassifizierung des Objekts, auf welches sich das Konstrukt bezieht, (3) Klassifizierung und Ermittlung der ,,Attribute", also Indikatoren, (4) Identifikation der Beurteilungssubjekte, (5) Skalenbildung und -bereinigung sowie (6) Aggregation zum Gesamtwert for ein Konstrukt. Von Bedeutung ist hier insbesondere, dass die Klassifizierung von Indikatoren als formativ/reflektiv, ihre Selektion im Rahmen der Skalenbereinigung sowie deren initiale Generierung mittels Experteninterviews oder einem Sample von Befragten aus der Grundgesamtheit (im Folgenden ebenso als Experten bezeichnet) vorgenommen werden soil (vgl. ROSSITER 2002, S. 315). Dies bedeutet insbesondere bei der Bereinigung von Skalen einen radikalen Bruch mit der stark kennziffernorientierten Vorgehensweise nach CHURCHILL (1979). Die Sichtweise ROSSITERS ist jedoch nicht unkritisch zu sehen, da zugunsten einer vermeintlich hSheren Validit~t der gesamte Operationalisierungsprozess in die H~nde des Untersuchenden gelegt wird. Ein Mangel an Objektivit~t und an intersubjektiver Nachvollziehbarkeit der Operationalisierung ist jedoch extrem kritisch zu hinterfragen (vgl. auch DIAMANTOPOULOS2005, S. 8). Weiter w~re die Verneinung jeglicher statistischer Methoden im Zuge der Operationalisierung gleichbedeutend mit der Verweigerung, Korrelation als kausale Konsequenz eines wie auch immer gearteten Zusammenhangs von Informationen zu betrachten. Damit wird in einer strengen Befolgung von C-OAR-SE also auf einen GroBteil der Informationen verzichtet, der aus der Korrelationsstruktur der Daten gewonnen werden kann.

82

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte f(Jr die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

Unter Gewichtung der G0tekriterien empirischer Forschung scheint eine Operationalisierung auch formativer Indikatoren zumindest unter umsichtiger Anwendung statistischer Kennzahlen sinnvoller. Aspekte der Inhaltsvalidit~t wie die grSl~ere Bedeutung der Definition formativer Indikatoren werden damit nicht vernachl~ssigt und sind dar0ber hinaus auch im Operationalisierungsstreit zwischen ROSSITER (2005), DIAMANTOPOULOS (2005) und FINN/KAYANDE (2005) unstrittig. AIs problematisch ist in diesem Zusammenhang die Skalenbereinigung anzusehen, da eine Elimination gering-korrelierender Indikatoren (mittels Cronbach's Alpha) im Falle formativer Indikatoren zum Verlust an Inhaltsvalidit,~t f(~hren kann. Da das formative Messmodell der Gedankenwelt multivariater Regression entstammt, ist im Umkehrschluss jedoch eine Interpretation von Korrelation als Informationsredundanz a priori nicht ausgeschlossen. ~~ Konsequenzen aus der Art der Spezifikation eines Konstruktes zeigen sich jedoch nicht nur bereits bei der Operationalisierung, sondern mCissen insbesondere in Betracht gezogen werden, wenn das interessierende Konstrukt als Teil einer hypothesenpr0fenden Untersuchung betrachtet wird. 0blicherweise werden Beziehungen zwischen latenten Variablen in Strukturgleichungsmodellen modelliert. Da eine latente Variable im Rahmen dieser Modelle nicht isoliert von ihren Indikatoren zu betrachten ist, spielt auch die Richtung der kausalen Beziehung zwischen Latenter und Indikator eine Rolle. 4.3

Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse

Die Spezifikationsart eines Konstrukts impliziert bereits in der Regel die Empfehlung f•r eine Methode zur Sch,~tzung von Strukturgleichungsmodellen. Dies ist mit spezifischen Vorteilen wie auch Problemen behaftet. Verfahren der Strukturgleichungsanalyse haben seit ihrer Einf0hrung in die Marketingwissenschaft (vgl. BAGOZZI 1980) eine starke Verbreitung gefunden, da sie in der Lage sind, prognoseorientierte 6konometrische Verfahren mit dem eher psychometrisch fokussierten Konzept der latenten Variablen zu verbinden. BAUMGARTNER/HOMBURG(1996, S. 140 f.) stellen in ihrer 108Sind zwei Indikatoren hoch miteinander korreliert, kann auch im formativen Fall auf einen der beiden verzichtet werden, ohne die Messung substanziell zu ver~ndern. Entsprechenddem Grad der Korrelation w0rde eine 0berlappende Messung desselben Sachverhaltes stattfinden. Die Bildung eines Index ist prinzipiell ebenso denkbar. Vorgeschlagenwird in diesem Zusammenhangauch die vorherige Anwendung von PLS-Regression - eines vonder hier behandelten PLS-Pfadanalyse verschiedenen Regressionsverfahrens,das die Ber0cksichtigungvon gemeinsamen Komponenten der Variablen erlaubt (vgl. TENENHAUS1998).

83

4.3 Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse

Metastudie internationaler Journals eine 0berragende Rolle der Strukturgleichungsmodelle bei der Untersuchung von Zusammenh~ingen zwischen beobachtbaren und nicht beobachtbaren Variablen fest. Innerhalb der Verfahrensgruppe ,,Strukturgleichungsmodelle" (,,Structural Equation Models" oder kurz SEM) lassen sich zwei wesentliche Str(Smungen identifizieren: Die Verfahren der Kovarianzstrukturanalyse (Covariance-Based SEM, kurz CBSEM) einerseits und das Verfahren partieller kleinster Quadrate (Partial Least Squares, kurz PLS) 1~ andererseits. Die folgende knappe Darstellung der beiden Methoden zeigt auch auf, wie die Spezifikationsart eines zu untersuchenden Konstrukts die Wahl des geeigneten Sch~itzverfahrens bestimmt.

4.3.1 Kovarianzstrukturanalyse (CBSEM) Die Verfahren der Kovarianzstrukturanalyse sind in ihrer Entstehung insbesondere auf die Entwicklungen von JORESKOG (1973) zur0ckzuf0hren. Die V e r f O g b a r k e i t des ebenfalls

von

JORESKOG entwickelten

Softwarepakets

LISREL

(bspw.

JO-

RESKOG/SORBOM 2001) hat in der Folge maBgeblich zur Verbreitung dieses Ansatzes beigetragen. Daneben existieren mit EQS, CALLS, SEPATH oder AMOS Softwarealternativen, die im Kern vergleichbar sind. 11~

4.3.1.1 Grundlegende Charakteristika und formale Bestandteile Innerhalb eines CBSEM wird unterschieden zwischen den Beziehungen von beobachteten Variablen und Konstrukten einerseits (Messmodelle f(Jr die latenten Exogenen bzw. Endogenen) sowie den Beziehungen der Konstrukte untereinander anderseits (Strukturmodell). Diese werden 0blicherweise in Form eines Pfaddiagramms wie in Abbildung 17 dargestellt und wie folgt formalisiert (vgl. JORESKOG/SORBOM 2001, S. 2): Strukturmodell: Messmodell endogen:

q = Bq + 1~ + ~ y - Ayq § =r

(3) (4)

Messmodell exogen:

x = Ax~ + ~

(5)

lO9 FORNELL (1989, S. 166) spricht in diesem Zusammenhang auch von Verfahren der Varianzstruk-

turanalyse. Diese Bezeichnung ist jedoch im Rest der Literaturwenig 0blich. 110Die Unterschiede der Ans~tze sind eher auf einer tieferen Verfahrensebene angesiedelt, als im vorliegenden Rahmen diskutiert wird. Im Folgenden wird daher LISREL als Synonym f0r die Verfahren der Kovarianzstrukturanalyseverwendet. F0r die Betrachtung von LISREL und EQS sei der interessierte Leser bspw. auf BALDERJAHN(1986, S. 100 f.) verwiesen.

84

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte fClrdie Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

Durch die Ausgestaltung des Strukturmodells werden - unter der Hypothese, dass das Modell g i l t - theoretische Kovarianzbeziehungen zwischen den beobachteten Variablen in AbhQngigkeit der Strukturparameter impliziert. Der Kern der Verfahrensklasse beruht auf einem Vergleich dieser modellimplizierten Kovarianzmatrix Z mit der empirischen Kovarianzmatrix Z, welche die empirischen Beziehungen der Daten beschreibt (vgl. BOLLEN 1989, S. 323-326). Durch Minimierung einer Diskrepanzfunktion f(Z;-T_.,) lassen sich Werte for die Modellparameter auf Basis der vorliegenden Daten bestimmen. 111 Hierzu stehen verschiedene Sch~itzverfahren zur Verf0gung (ML, GLS, ULS u.a.) 112, wobei 0blicherweise die Maximum-Likelihood-Sch~itzung zur Anwendung kommt.

7'23

Abbildung 17: BeispielhaftesCBSEM-Pfaddiagramm (in Anlehnung an JORESKOG/SORBOM2001, S. 6) 4.3.1.2 M@glichkeiten und Grenzen des Verfahrens for unterschiedliche Konstruktspezifikationen Eine SchQtzung statt einer genauen Berechnung ist deshalb n~tig, da ein Modell in der Regel keine exakte LOsung impliziert, also nicht jeder Modellparameter genau aus den empirischen Daten bestimmbar ist. ,,Existiert genau eine SchQtzfunktion for einen Parameter, so ist dieser Parameter exakt identifiziert" (BALDERJAHN 1986, S. 89). In der Anwendungsrealit~t liegt dagegen meist der Fall vor, dass ein Parameter 111Mit der Beurteilung der Anpassungsg0te von hypothetisiertem Modell und empirischer Kovarianzmatrix ist die Beurteilung des Gesamtmodells oder einzelner Teilaspekte m5glich. Zur Diskussion g~ngiger G0temal~evgl. Abschnitt4.3.1.3. 112Vgl. ausf0hrlich BOLLEN(1989, S. 104-116).

4.3 Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse

85

nicht exakt aus den modellimplizierten Gleichungen und Daten berechnet werden kann (Unteridentifikation) oder der Fall, dass das Strukturgleichungssystem mehrere zul~ssige L0sungen for einen Parameter ergibt (0beridentifikation) (vgl. BALDERJAHN 1986, S. 88-98). Der erstgenannte Fall ist zweifelsohne problematisch, wohingegen im Falle der 0beridentifikation die Minimierung der Diskrepanzfunktion angewendet wird. Daher ist es von besonderer Bedeutung for die Durchfehrbarkeit einer Kovarianzstrukturanalyse, bereits im Vorfeld die Identifikation sicher zu stellen (vgl. auch BOLLEN 1989, S. 326-333). 113 Das h~ufig auftretende Problem der Unteridentifikation einzelner Parameter ist genau der Problemfall im Falle formativ spezifizierter Konstrukte. Die Ausgestaltung der Messmodelle sowie die sich daraus ergebenden Strukturgleichungen in Abh~ngigkeit der Beziehungsparameter zwischen Konstrukt und Messvariable schliel~en den Fall formativer Indikatoren explizit nicht aus. Betrachtet man jedoch die Spezifikationsgleichungen der Messmodelle, f~llt auf, dass im Falle reflektiver Indikatoren n Gleichungen (Gleichung 1, S. 76), im Falle formativer Indikatoren jedoch nur eine Gleichung (Gleichung 2, S. 79) je Konstrukt impliziert werden. Damit wird klar, dass es bei Vorliegen von formativen Indikatoren weniger wahrscheinlich wird, die Bedingung zu erfellen, nach der mindestens eine Gleichung zur Identifikation eines Parameters n0tig ist. Wie in Ful~note 100 (S. 76) erw&hnt, ist ein einfaches Messmodell wie in Abbildung 16 (S. 77) ohne weitere Betrachtung von endogenen (reflektiv spezifizierten) Konstrukten im Rahmen eines Strukturgleichungsmodells nicht identifiziert. Das bedeutet, dass Parameter formativer Indikatoren nur unter gewissen Umst~nden im Rahmen der Kovarianzstrukturanalyse bestimmbar sind. 114 Ein weiteres Problem formativer Indikatoren innerhalb der Kovarianzstrukturanalyse ist die Problematik der Korrelationen zwischen exogenen Variablen im Rahmen eines Strukturgleichungsmodells. W~hrend es dem eblichen Vorgehen entspricht, Korrelationen zwischen latenten exogenen Variablen zuzulassen (vgl. JARVIS/MACKENZIE/ PODSAKOFF 2003, S. 215), messte dies konsequenterweise auch for die exogenen 113FOr die Identifizierbarkeit eines Gesamtmodells lassen sich lediglich notwendige oder hinreichende Bedingungen angeben (vgl. hierzu BOLLEN1989, S. 88-104). Die folgende Aussage von BALDERJAHN hat jedoch nichts an Aktualit~t verloren: ,,AIIgemein ist das Problem der Identifikation [auf Ebene des Gesamtmodells, Anm. d. Verf.] nicht gel0st" (BALDERJAHN1986, S. 91). 114Einer dieser Spezialf~lle sind sog. MIMIC-Modelle (vgl. JORESKOG/GOLDBERGER1975, S. 631). Hierzu muss jedoch ein und dasselbe Konstrukt mit formativen und reflektiven Indikatoren gemessen werden. MACCALLUM/BROWNE(1993, S. 538-540)empfehlen u.a. dareber hinaus, dass for Identifizierbarkeit mindestens zwei Pfade von einem formativ spezifizierten Konstrukt ausgehen sollten. Die Empfehlung basiertjedoch eher auf empirischen Erfahrungswertenals auf Beweisen.

86

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte f(Jr die Anwendbarkeff der Strukturgleichungsanalyse

formativen Indikatoren gelten. Der Forscher steht insofern vor einem Dilemma: Werden einerseits die Korrelationen nicht spezifiziert, die Kovarianz also auf 0 fixiert (und damit die Annahme v011iger Unkorreliertheit getroffen), fehrt dies in der Realit~it fast unweigerlich zu einer Reduktion der Anpassungsg0te des Modells, da in der Realit~it aus verschiedenen Grenden mit Korrelation zwischen beobachtbaren Variablen zu rechnen ist (vgl. MACCALLUM/BROWNE 1993, S. 539), selbst wenn es sich dabei nur um Erhebungsartefakte handelt (vgl. JARVIS/MACKENZIE/PODSAKOFF 2003, S. 215). Werden andererseits alle denkbaren Korrelationsbeziehungen zwischen den formativen Indikatoren des Modells zugelassen, steht man vor dem Problem, viele Parameter mit dem Modell sch~tzen zu mOssen, die aber for die untersuchten Hypothesen nicht von Interesse sind. Die Forderung nach Sparsamkeit der Modellparameter (vgl. BOLLEN 1989, S. 72) wird insofern ausgehebelt (vgl. MACCALLUM/BROWNE 1993, S. 539). Die Kovarianzstrukturanalyse setzt dar0ber hinaus weitere ,,harte" Annahmen: So muss gelten, dass die Beobachtungen unabh~ingig und die Variablen identisch verteilt sind (vgl. bspw. BOLLEN 1989, S. 114). Im Falle der ML-Sch~itzung der Diskrepanzfunktion kommt zus~itzlich die Anforderung hinzu, dass die Variablen einer multivariaten Normalverteilung gehorchen (vgl. JORESKOG 1973, S. 88, S. 105 f.). Obwohl die ML-Sch~itzer den Vorteil der Konsistenz haben, darf nicht vergessen werden, dass dies nur unter stark restriktiven und in der Realit~it hochproblematischen Annahmen gilt. 115

4.3.1.3 G0tebeurteilung Die relativ harten Verteilungsannahmen er0ffnen jedoch die M0glichkeit, inferenzstatistische G0temal~e zu berechnen. Deren Vielzahl und die M0glichkeit, die Ergebnisse eines Modells mit Signifikanzaussagen zu belegen, lassen sich als gr0~ter Vorteil des CBSEM-Ansatzes bezeichnen. Die vorhandenen G0tekriterien sind dabei in zwei Gruppen aufzuteilen: (1)Iokale Anpassungsmal~e, welche insbesondere die G0te der Messmodelle beurteilen aber auch Inferenzaussagen eber einzelne Pfadkoeffizienten umfassen und (2) globale Anpassungsmal~e, welche das hypothetisierte Strukturmodell als Ganzes beurteilen. Freilich gehen die verfegbaren Mal~e implizit von reflektiven Messmodellen aus. Wie bereits erw~ihnt, sind gerade for formative Indikatoren aber die Getekriterien, die auf 115FOreine ausf0hrliche Kritik am praktischen Einsatzder CBSEM-Methodikvgl. CHIN/TODD(1995).

4.3 Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse

87

die Korreliertheit der Indikatoren eines Konstrukts abstellen, nicht anwendbar. Dieser Aspekt wird in Abschnitt 4.4 ausf0hrlicher dargestellt. Die Annahme von Verteilungseigenschaften der Ausgangsdaten erm6glicht die Berechnung von t-verteilten Teststatistiken for die einzelnen Strukturparameter, welche letztlich die 0berprfifung der hinter den modellierten Pfadkoeffizienten stehenden Hypothesen 0ber Zusammenh~inge der Modellvariablen testen. Dies ist dann m6glich, wenn auch das Gesamtmodell akzeptable Anpassung erzielt, also die gesch~itzte Kovarianzmatrix nicht zu stark vonder empirischen abweicht. Die meisten der verf0gbaren globalen G0temal~e setzen auf diesem Prinzip auf. Tabelle 4 stellt diese im 0berblick dar. Eine detaillierte Darstellung der G0temal~e und Anwendungsbeispiele unterbleibt an dieser Stelle mit dem Verweis auf die ausf0hrliche 0bersichtsliteratur (vgl. bspw. ZINNBAUER/EBERL 2005; EBERL/ZINNBAUER2005).

GOtemaR

Schwellenwert Quelle

x2/df

__0,9 > 0,9 n/v >_200

RMSEA GFI AGFI NFI CFI AIC Hoelter's N

BYRNE(1989, S. 55) HOMBURG/GIERING(1996, S. 13) WHEATONETAL. (1977, S. 84 ft.) BROWNE/CUDECK(1993, S. 144) HOMBURG/BAUMGARTNER(1995, S. 172 f.) BAGOZZdYI(1988, S. 82) BENTLER/BONETT(1980, S. 600) HOMBURG/BAUMGARTNER(1995, S. 172 f.) AKAIKE(1987, S. 317) HOELTER(1983, S. 325)

i

Tabelle 4:

Globale Anpassungsmal~eund typische Schwellenwertefor CBSEM (in Anlehnung an ZINNBAUER/EBERL2004, S. 21)

4.3.2 Partial Least Squares (PLS-Pfadmodellierung) Das Verfahren der Partiellen Kleinsten Quadrate (Partial Least Squares) stellt eine alternative Methode zur Analyse von Strukturgleichungsmodellen dar und ist im Wesentlichen der Entwicklung von WOLD (1982a, S. 327-339; 1982b, S. 6-24) zuzuschreiben. PLS und die Verfahren der Kovarianzstrukturanalyse kOnnen auf viele Modelle alternativ angewendet werden (vgl. BALDERJAHN 1986, S. 137), sie gehen jedoch von unterschiedlichen Hintergrfinden 116 und AnnahmegerQsten aus. 117 Wegen

116Zur wissenschaftstheoretischen Beleuchtung der Abgrenzung vgl. bspw. WOLD (1982a, S. 325 f.) oder FORNELL (1989, S. 162 -166). FOr einen aktuellen 0berblick vgl. GOTZ/LIEHR-GOBBERS (2004a).

88

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte f(Jr die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

der noch darzustellenden Verteilungsfreiheit wird im Zusammenhang mit PLS auch oft abgrenzend von ,,soft modelling" gesprochen (vgl. WOLD 1982a, S. 343; BOOKSTEIN 1982, S. 349). 4.3.2.1 Grundlegende Charakteristika eines PLS-Modells Auch PLS-Modelle werden Qblicherweise als Pfadmodelle dargestellt (vgl. beispielhaft Abbildung 18). Die wesentlichen Bestandteile sind analog, ihre Handhabung in Nomenklatur und Analyseschritten unterscheidet sich jedoch yon den CBSEMVerfahren (vgl. CHIN 1995, S. 315-318). So er0brigt sich beispielsweise die Darstellung yon Kovarianzmatrizen zwischen den Konstrukten, da hiereber keine explizite Hypothesenbildung vor Durchf0hrung des Verfahrens n0tig ist und keine anderen zentralen Matrizen durch die parameterbestimmten Kovarianzen impliziert werden.

.(r/)

Abbildung 18: BeispielhaftesPLS-Pfadmodell (in Anlehnung an FORNELL/CHA1994, S. 57; BARCLAY/THOMPSON/HIGGINS1995, S. 291) Die Grundidee von PLS ist, dass (iterierend) ein Teil der Parameter bei der Sch~tzung als bekannt angenommen und konstant gehalten wird, w~hrend der restliche Teil gesch~itzt wird. Damit wird die gesamte Parametermenge in kleinere Einheiten zerlegt, und Kleinst-Quadrate-Sch&tzer in Bezug auf unterschiedliche Parameter werden bestimmt. Auf dieser Grundlage ful~t ein simultaner Ansatz, der die gesamte Information der Stichprobe und aller Variablenbeziehungen einbezieht (vgl. FORNELL/CHA 1994, S. 62 f.).

11TEinen ausfehrlichen Methodenvergleich zwischen CBSEM und PLS bietet etwa SCHNEEWEII~(1990) oder SCHOLDERER/BALDERJAHN(2005).

89

4.3 Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse

4.3.2.2 Formale Bestandteile Die so genannte ,,outer relation" gibt den Zusammenhang zwischen beobachteten und latenten Variablen wieder. 118 Neben reflektiver Spezifikation endogen:

y = A~q + I~

(6)

exogen:

x = Ax~ + ~

(7)

wird explizit auch die MSglichkeit formativer Indikatoren in die Modellentwicklung mit einbezogen119: endogen:

11= l-l,y + v,

(8)

exogen:

~ = 1-[~x + v~

(9)

Die ,,inner relation" stellt die durch die ~uBeren Beziehungen gebildeten BIScke von Variablen zueinander in Beziehungen und stellt damit ein Strukturmodell der hypothetischen Konstrukte dar (vgl. FORNELL/CHA 1994, S. 58):

~ = B~ + r~, +r,

(10)

Dritter Bestandteil eines PLS-Modells sind schlieBlich die so genannten ,,Gewichtsrelationen" (LOHMOLLER 1992, S. 352 f.) (engl. ,,weight relations"), also Gewichte zwischen den latenten Variablen und ihren jeweiligen Indikatoren. Diese werden verwendet, um Fallwerte for die Latenten zu sch~tzen: endogen:

~1= e),y

(11)

exogen"

~ = e)~x

(12)

4.3.2.3 Da$ PL$-Iterationsverfahren Das iterative Sch~tzverfahren, welches bei PLS zum Einsatz kommt, I~sst sich in letzter Konsequenz auf die Logik der multivariaten Regression zur0ckf(]hren und umfasst im Wesentlichen drei Phasen zur Sch~itzung der Strukturparameter, Regressi-

118Wie aus den folgenden Gleichungen ersichtlich, m(Jssen in einem PLS-Modell latente Variablen immer mit mindestens einer manifesten Variable verbunden sein. Dennoch bietet auch PLS die MSglichkeit, Messmodelle zweiter Ordnung zu konstruieren. Im ,,hierarchical component model" werden die Indikatoren der Konstrukte, die als Dimensionen dienen, auf Ebene des Gesamtkonstrukts wiederholt (vgl. hierzu ausf0hrlich LOHMOLLER1989, S. 130-133). 119 In der formalen Literatur zu PLS werden die Messfehlervariablen der Indikatoren von endogenen und exogenen Konstrukten 0blicherweise nicht wie in LISREL-Notation nomenklatorisch unterschieden (vgl. bspw. FORNELL/CHA1994, S. 59 f.). Vielmehr ist es 0blich, die Messfehlerterme formativ und reflektiv spezifizierter Konstrukte unterschiedlich zu benennen. Die in Gleichungen (8) und (9) verwendeten Residuen v entsprechen dem in Gleichung (2) (S. 79) verwendeten Regressionsresiduum ~'. Da im Rahmen eines PLS-Modells das Symbol # zudem bereits for den StSrterm der inneren Beziehung vergeben ist, wurde die Bezeichnung v verwendet, um die Unterschiedlichkeit zum LISREL-Konzept an dieser Stelle zu verdeutlichen.

90

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte f(Jr die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

onskoeffizienten sowie der Fallwerte und Kovarianzen der Latenten (vgl. hierzu und im Folgenden WOLD 1982a, S. 333-339 sowie LOHMOLLER 1989a, S. 27-31): (1) die iterative Sch~tzung der latenten Variablen unter Berecksichtigung der gesamten Strukturbeziehungen, (2) die Bestimmung der inneren und ~ul~eren Beziehungsgewichte (Ladungen und Regressionskoeffizienten) auf Basis multipler Regressionen und (3) die Sch~tzung von Lageparametern der latenten Variablen. Die impliziten Annahmen eines Verfahrens sind von enormer Bedeutung for die Bewertung seiner Vertr,~glichkeit mit dem Konzept der formativen Indikatoren. Um diese Bewertung vornehmen zu k0nnen, ist also eine detailliertere Betrachtung der Ablaufschritte unumg~nglich, soil jedoch auf das N0tigste beschr~inkt bleiben. Schritt (1)ist der zentralste und zugleich rechenaufwendigste im ganzen Verfahren. Ziel hierbei ist es, ~ - also Sch~tzungen for die F allwerte der latenten Variablen - zu bestimmen. In jeder Iterationsrunde wird dabei ein Set aus ,,~ur~eren Gewichten ''12~ o~h (welche die Messmodelle approximieren) wie auch von ,,inneren Gewichten" pji (weiche als Sch~itzungen for die Parameter ~ bzw. ,8 die Strukturbeziehungen der Latenten untereinander approximieren) simultan gesch~itzt. Auf diese Art und Weise enthalten die Sch~tzwerte jeder Latenten sowohl die Information des ,,eigenen" Messmodells wie auch (mittelbar 0ber die Beziehungen zu den anderen Latenten) die gewichtete Information der restlichen Manifesten. Die Iterationen werden gestoppt, sobald sich die Sch~tzungen for die ~ul~eren Gewichte nur noch geringfegig im Vergleich zum vorigen Lauf ver~indern. Abbildung 19 gibt einen 0berblick 0ber das Grundmodell des prinzipiellen Ablaufs nach WOLD (1982a, S. 333-339). Aufbauend auf dem Grundmodell erfolgten Weiterentwicklungen des Algorithmus insbesondere bei der Bestimmung der inneren Gewichte (lterationsschritt 1). Die in Abbildung 19 dargestellte Methode stellt die rechnerisch einfachste dar. 121

120In der PLS-Literatur wird eblicherweise formelm~l~ig nicht zwischen endogenen und exogenen Konstrukten unterschieden. Die in vorliegender Arbeit ansonsten getroffene Unterscheidung wird an dieser Stelle aus Vereinfachungsgr0nden fallen gelassen, da sie rechnerisch keine Ver~inderung des Verfahrens implizieren werde. FOr die folgenden Aussagen gilt also: exogene wie endogene Latente werden mit # bezeichnet. 121Wtihrend beim ,,centroid weighting scheme" lediglich das Vorzeichen der Korrelation der Latenten mit ihren Nachbarn berecksichtigt wird, verwendet das ,,factor weighting scheme" den Korrelationskoeffizient selbst. Beim ,,path weighting scheme" wird der Korrelationskoeffizient gewichtet, je nachdem, ob die Latente Anfangs- oder Endpunkt einer Strukturbeziehung ist. Insofern bildet es den Denkansatz des gerichteten Zusammenhangs bei Strukturmodellen am ehesten ab (vgl. CHIN/NEWSTED1999 S. 317 f.). Anwendungen zeigen allerdings oftmals keine nennenswerten Unterschiede in den Sch~itzergebnissen (vgl. LOHME)LLER1989a, S. 41 f.).

4.3 Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse

H~

91

Zahl der Indikatoren for die k-te latente Variable Zahl der latenten Variablen (p+q) Zahl der Beobachtungen

Setze Abbruchschranke s (Empfehlung" 0,0001 (CHIN/NEWSTED 1998, S. 320)). Setze Iterationsz~hler a=0. Initialisiere Startwerte for alle Latenten (wie Qul~ere Approximation, vgl. unten): Hk

~o) = ~.,(oykh Xkh,) "

,, ( 0 )

..~ (0) mit '~,h = 1 V k,h

h=l

Iteriere

a=a+l

(1) Innere Gewichte (weighting scheme, hier: centroid):

{ogn(rji)

fallsPfadvonLatenterizujexistiert

Pji =

sonst

(2) Innere Approximation (Hereinnahme der Strukturinformation):

E.~ ~ ~(o~(o-l~ m + n

-~j

=

Pij" ~ j

i=1

(3) ,~,ul~ere Gewichte for jede latente Variable ~ als Regressionskoeffizienten (Einfachregressionen bei reflektiver, multiple Regression bei formativer Spezifikation): - falls die L V j reflektiv spezifiziert ist:

-

falls die L V j formativ spezifiziert ist:

-'(~ =

-

"kh--" (~ = (X;,Xk)-~''k'~k Y' #"(~

(4) ,a,ul~ere Approximation (Messinformation): -,

~k,/;(")= f~")~,--(,~(-) kh v.~kh,)

mit f~") als Skalar so, dass Var ~") = 1

h=l

Solange tOkh -" (")

- -

-'("-]) tUkh

>s

- -

V k,h

Ende Schritt 1 Abbildung 19: PLS-Schritt 1" SchQtzung der latenten Variablen

92

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte fDr die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

Sobald Fallwerte for die latenten Variablen vorliegen, k0nnen im zweiten Schritt der PLS-Prozedur die eigentlichen Sch~itzer for A, 1-1,r und B durch OLS-Regressionen bestimmt werden. 122 Hierzu wird zun~ichst die ~iu~ere Beziehung gesch~tzt. Diese Parameter dienen zusammen mit den Fallwerten der Latenten zur Bestimmung der Strukturparameter der inneren Beziehung. Da die Konstrukte bis zu diesem Zeitpunkt als standardisiert angenommen wurden, k0nnen unstandardisierte Fallwerte aus den Lagemal~en der Latenten berechnet werden. Der interessierte Leser sei hierzu auf WOLD (1982a, S. 337) verwiesen.

4.3.2.4 GOtebeurteilung Mit der OLS-Orientierung des PLS-Ansatzes geht eher die M0glichkeit einher, Prognosewerte for Latente zu bestimmen aber weniger zu 0berpr0fen, ob das hypothetisierte Modell zu den empirischen Daten ,,passt". Dennoch I~isst sich auch die Anpassungsg0te eines PLS-Modells angeben. Die Ermittlung von G0tekriterien ist Gegenstand der neueren Forschung im PLS-Bereich (vgl. CHIN 1998a, S. 316-321). Die Abwesenheit von Verteilungsannahmen hat zur Folge, dass die G0tebeurteilung von PLS-Modellen auf Strukturebene im Wesentlichen auf erkl~irte Varianzanteile und die Prognoserelevanz des Modells abstellt (vgl. hierzu und im Folgenden MATHES 1993, S. 36-38; CHIN 1998a, S. 316-321). Endogene Konstrukte k0nnen mit dem aus der multiplen Regression bekannten G0temal~ R2 (mit allen damit verbundenen Einschr~inkungen) untersucht werden. Der substanzielle Erkl~irungsbeitrag eines exogenen Konstrukts kann durch die ,~nderung in R2 des zugeh0rigen endogenen Konstrukts beurteilt werden, die durch das exogene Konstrukt verursacht wird. Dieser Erkl~irungsbeitrag kommt in der Effektst~irke f2 zum Ausdruck (vgl. Tabelle 5). Die Prognoserelevanz kann daneben als Ausdruck der prognostischen Kraft des Modells wiedergeben, wie gut die empirischen Daten durch das gesch~itzte Modell prognostizierbar sind. Hierzu client alas STONE-GEISSER-Testkriterium Q2 (vgl. STONE 1974; GEISSER 1975), welches basierend auf der Blindfolding-Technik errechnet wird und damit ein Kreuzvalidierungsmal~ darstellt (vgl. hierzu CHIN 1998a, S. 317; LOHMOLLER 1989b, S. 11).123 In Q2 for das Konstrukt j geht dann sowohl die Quadrat-

Neuere Entwicklungen schlagen als Alternative hierzu die Verwendung von PLS-Regressionstatt OLS vor (vgl. TENENHAUS1998). 123Dabei werden Datenpunkte ausgeblendet und mit den gesch~itzten Modellparametern prognostiziert. DieserVorgang wird n mal wiederholt, wobei n den Stichprobenumfangangibt. 122

93

4.3 Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse

summe der Prognosefehler (bezeichnet als s

bei Verwendung der Prognose mit

dem gesch~tzten Modell als auch die Fehlerquadratsumme bei Verwendung des Mittelwerts als Prognose (bezeichnet als Ojk) ein (vgl. Tabelle 5). In der Literatur wird (22, das auch als Redundanz bezeichnet wird, zwar oftmals in Zusammenhang mit PLS dokumentiert, in Anwendungen mit empirischen Daten wird es jedoch selten berichtet, da die Bootstrapping-Kriterien meist aussagekr~ftiger sind. 124 Kriterium

Definition

Ausmar~ und Signifikanz der Pfadkoeffizienten

St~rke der Wirkungsbezieh- Interpretierbarals ,,standardisierte Betas" ung zwischen Konstrukten 0berpr0fungder Reliabilit~t anhand der t-Statistik (aus Resampling-Prozedur)

Methoden & Kriterien

Bestimmtheitsmal~ Anteil der erkl~rten Varianz Interpretierbarwiebei multipler Regression des Konstrukts Substanzieller Er- SubstanziellerEinfluss der Effektgr~6e: ! kl~rungsbeitrag exogenenVariablen auf die f 2 __ ei2ncl - R2xc, endogenen Variable >0 l - Ri2ncl Prognoserelevanz Anpassung der STONE-GEISSER-Kriterium(Redundanz) empirischen Daten E EJk , an das Modell ~ >0 for das Konstruktj: Q~ = ] EOJk

R2

k ii

Tabelle 5:

i

G0tekriterienfor PLS-Strukturmodelle (0berblick in Anlehnung an KRAFFT/GOTZ/LIEHR-GOBBERS2005, S. 85)

Die St~rke der Wirkbeziehung kann durch inhaltliche Interpretation der Pfadkoeffizienten ermittelt werden. Eine 0berpr0fung ihrer Signifikanz im strengen inferenzstatistischen Sinne w0rde wiederum eine grundlegende Verteilungsannahme erfordern. Um dennoch zumindest eine Beurteilung der Stabilit~t der Ergebnisse zu erm~glichen, wird typischerweise auf das Bootstrapping-Verfahren zur0ckgegriffen, welches die Sch~tzung von t-Werten erm5glicht (vgl. CHIN 1998a, S. 320). Typischerweise werden bei dieser Resampling-Prozedur genauso viele Bootstrap-Stichproben aus den Ausgangsdaten gezogen (Modell mit Zur0cklegen) wie die originale Stichprobe umfasst. 125 Das PLS-Modell wird for jede Wiederholung erneut gesch~tzt, was im Ergebnis zu einer empirischen Verteilung aller Modellparameter und insbesondere der Pfadkoeffizientensch~tzer f0hrt. Die empirische Standardabweichung der Sch~t-

124Zudem verweist CHIN (1998a, S. 320) darauf, dass die Bootstrapping-Prozedur genauer ist und Blindfolding sich asymptotisch den Bootstrapping-Ergebnissen ann~ihert. 12~Aufgrund der asymptotischen Eigenschaften des Bootstrapping ist jedoch bei grol~en Fallzahlen davon auszugehen, dass auch 300 Bootstrap-Ziehungen in der Hegel ausreichend stabile Ergebnisse liefern werden (vgl. EFRON/TIBSHIRANI 1993). FOr einen 0berblick 0ber BootstrappingMethoden vgl. BOLLEN/STINE(1993); WERNECKE(1993).

94

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte for die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

zer (Standardfehler) kann in der Folge zur Beurteilung der Signifikanz der Modellparameter verwendet werden. Tabelle 5 fasst die G0tekriterien in einem 0berblick zusammen. Insbesondere CBSEM-Anwender stellen sich oft zun~ichst die Frage nach GQtekriterien auf globaler Ebene des Modells. Daher wird PLS oftmals mit Skepsis begegnet, weil ein derartiges globales G0temal~ problematisch ist. ESPOSITOVINZI (2004, S. 7379) hat den so genannten Goodness-of-Fit-Index (GoF) entwickelt, der die GOte aller Messmodelle und die ErklQrungskraft des inneren Modells in einem GQtemal~ zusammenfasst (vgl. auch AMATO/ESPOSITOVINZI/TENENHAUS2004, S. 17 f.):

~pj

9

" C~

ER2(~j,~i explaining Yj)

Zahlendog 9 LV a l l e e n d o g e n e n

(13)

LV

J

Dabei bezeichnet pj die Zahl der manifesten Variablen f0r die Latente j. Damit gibt der erste Wurzelterm eine mittlere Kommunalit~it (Korrelation zwischen Indikator und Konstrukt) im gesamten Strukturmodell wieder und ist als G0temal~ f0r das Qul~ere Modell charakterisiert. Der zweite Wurzelterm stellt den Mittelwert der Re-Werte aller endogenen latenten Variablen dar und ist damit als Ausdruck der Erkl~rungsg0te der endogenen Variablen ein mittleres GOtemal~ fQr das innere Modell. Das gesamte Mal~ GoF beurteilt also simultan alle ~iul~eren und inneren Beziehungen eines PLSModells. Problematisch ist, dass die vorliegende Konzeption wie in Gleichung (13) ein absolutes GOtemal~ darstellt, das nicht auf einen Maximalwert normiert ist. EsPosm VINZl (2004, S. 80 f.) schl~igt hierzu zwei m6gliche Normierungen vor; als Bezugsgr61~e k6nne ein maximal erreichbarer Wert der Messmodelle einerseits und das innere Modell andererseits dienen. GoF steht jedoch noch zu Beginn seiner Entwicklung und sieht sich der generellen Kritik gegen0ber, wenig aussagekr~iftig zu sein. Da PLS als nicht-parametrisches Verfahren keine globale Zielfunktion optimiert, kann auch GoF nicht auf eine derartige Funktion aufsetzen und in der Folge nicht nachweisbar die definitorisch nicht existente Anpassungsg0te des Modells beurteilen. AIs Trade-off-GQtekriterium kann es jedoch gute Dienste insbesondere bei Modellvergleichen leisten.

95

4.3 Formative und reflektive Spezifikationen in Verfahren der Strukturgleichungsanalyse

4.3.2.5 M6glichkeiten und Grenzen des Verfahrens for unterschiedliche Konstruktspezifikationen Wie aus Abbildung 19 (S. 91) ersichtlich, basiert das PLS-Verfahren im Wesentlichen auf der Logik einfacher oder multipler OLS-Regressionen. Damit werden weniger harte Annahmen als bei der Kovarianzstrukturanalyse getroffen. Insbesondere ist keine Annahme eber die Unabh~ngigkeit der Beobachtung n6tig. Daneben wird auch explizit keine Annahme eber die Verteilung der beobachteten Variablen getroffen (vgl. WOLD 1982a, S. 343). Gerade die Annahme der multivariaten Normalverteilung bei der Kovarianzstrukturanalyse macht deren Anwendung auf empirische Datens~tze oft problematisch. Line wesentliche Annahme des Verfahrens ist jedoch die Spezifikation der bedingten Erwartungen (LOHMOLLER 1989a, S. 28, 1992, S. 350), welche for die Sch~tzung annimmt, dass die Fehlerterme in den Messmodellen (also ~, 8, v,~ und v~ in Gleichungen 6 bis 9) sowie im Strukturmodell (also ~; in Gleichung 10) gleich 0 sind. Diese Annahme wird auch mit dem Begriff Pr&diktorenspezifikation bezeichnet (vgl. LOHMOLLER 1989a; S. 71 ): - Ely I x] = a + gx

(14)

Unbenommen der Tatsache, dass diese Annahme auch in der OLS-Regression so getroffen wird, um die Regressionskoeffizienten zu bestimmen, ist dies eine starke theoretische Aussage. Insbesondere im Falle formativer Indikatoren wird also implizit von Fehlerfreiheit der Messung ausgegangen (wie bspw. auch bei der Formulierung formativer Indikatoren bei BAGOZZI/FORNELL (1982, S. 34), vgl. Ful~note 105, S. 79), was eine inferenzstatistische 0berprefbarkeit erschwert 126 und unausweichlich dazu fehrt, dass die Sch~tzer streng genommen nicht konsistent sind. Die Konstruktwerte ergeben sich konzeptionell als Linearkombination ihrer Indikatoren, wobei Messfehler nicht explizit modelliert werden. In der Konsequenz enthalten also die gesch~tzten Fallwerte der latenten Variablen die Messfehler der manifesten Variablen und sind damit inkonsistent im Gegensatz zu den SchQtzern der Kovarianzstrukturanalyse (vgl. DIJKSTRA 1983, S. 88). Die Sch~tzwerte for die latenten Variablen umfassen teilweise die Messfehler ihrer manifesten Indikatoren (vgl. LOHMOLLER 1989a, S. 207212). Dadurch wird der Einfluss der Indikatoren im Messmodell tendenziell 0ber126Um dies abzumildern, werden neben den globalen Modellg0temal~en R2 und Q2 insbesondere Pseudo-t-Statistiken zur Beurteilung der Signifikanz einzelner Pfadkoeffizienten vorgeschlagen (vgl. CHIN1998a, S. 316-320).

96

4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte f(Jr die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

sch~tzt, die Koeffizienten im Strukturmodell dagegen eher untersch~tzt (FORNELL/CHA 1984, S. 67). Diese Inkonsistenz f0hrt also dazu, dass PLS tendenziell als konservativer als CBSEM anzusehen ist (vgl. CHIN/NEWSTED 1999, S. 329; FORNELL/CHA1984, S. 67). ARESKOUG (1982, S. 106 f.) konnte sogar nachweisen, dass sich die 0ber- und Untersch~tzung gegenseitig aufheben, sodass die prognostizierte Korrelation zwischen Indikatoren unterschiedlicher latenter Variablen wiederum konsistent ist. Der Bias geht dareber hinaus mit steigender Zahl der Beobachtungen und steigender Zahl von Indikatoren gegen Null (vgl. FORNELL/CHA 1994, S. 66 f.). Diese Eigenschaft der Sch~tzer wird auch als ,,consistency at large" bezeichnet (vgl. SCHNEEWEII~1990, S. 114-118). Neben dieser nachweisbaren asymptotischen Eigenschaft ist zudem eine empirische Vertr~glichkeit der Sch&tzungen von CBSEM und PLS in Bezug auf Rangfolge und Relation der Sch~tzer eines Konstrukts zu beobachten (vgl. WHEATON Em AL.

1977; EBERL/MITSCHKE-COLLANDE2006).

Auch die PLS-Methode kann also generell nicht als unproblematisch gesehen werden. Dennoch ist sie in vielen Fallen formativer Modellierung wegen ihrer grunds~tzlichen Ausrichtung konkurrenzlos. Das in Abschnitt 4.3.1.2 diskutierte Dilemma implizierter Nullkovarianzen, das bei Kovarianzstrukturmodellen mit formativen Indikatoren auftritt und eine starke wie fragw0rdige theoretische Annahme darstellt, ist bei PLS per Definition nicht vorhanden (vgl. CHIN 1998b, S. 9 f.). Ebenso wenig existiert das Identifikationsproblem (vgl. WOLD 1982C, S. 200 f.). Damit ist klar, dass die Wahl der Spezifikation der theoretischen Konstrukte im Rahmen eines umfassenderen Erkl~rungsansatzes die Wahl zwischen CBSEM und dem PLS-Verfahren mal~geblich beeinflusst. In den Fallen komplexerer Modelle mit formativen Strukturen muss die Wahl auf PLS fallen. ,,[I]f the causal structure relating constructs to measures is specified incorrectly, relationships among constructs cannot be meaningfully tested" (EDWARDS/BAGOZZI 2000, S. 156). Fehlspezifikationen sind also potenzielle Fehlerquellen nicht nur im soeben vorgestellten Sinne der Sch~tzverfahren. 4.4 Validierung reflektiv und formativ spezifizierter Konstrukte Im Zusammenhang mit der Diskussion um die m0gliche Fehlspezifikation soil kurz auf die eblicherweise verwendeten Getekriterien zur Validierung von Konstrukten eingegangen werden. Wie aus den Ausfehrungen dieses Kapitels klar wird, messen

4.4 Validierung reflektiv und formafiv spezifizierter Konstrukte

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dabei for reflektive Konstrukte andere Kriterien Verwendung finden als dies for formativ spezifizierte Konstrukte der Fall sein kann. Im Einklang mit der weiten Verbreitung des reflektiven Messmodells wurde eine Vielzahl von Getekriterien entwickelt, die letztlich auf die Eigenschaft reflektiver Indikatoren abstellen, im Idealfall korreliert zu sein. In diesem Fall ist die Beurteilung der Reliabilit~t mittels statistischer Mal~zahlen als absolut sinnvoll zu bezeichnen. Ohne im Detail auf die an anderer Stelle ausf0hrlich beschriebenen G0temal~e einzugehen (vgl. for einen ausfehrlichen 0berblick ZINNBAUER/EBERL 2005 sowie EBERL/ZINNBAUER 2005), fasst Tabelle 6 die eblichen Getemal%e mit den dazugeh0rigen Schwellenwertempfehlungen zusammen. GOtemaR

Schwellenwert Quelle

,,

Reliabilit~it

Cronbachs Alpha bei 2-3 Indikatoren Item-to-Total Korrelation Indikatorreliabilit~t bei grol~en Stichproben (n>l.000)

_>0,7 > 0,4 >_0,5 _>0,4 > 0,1 bis 0,2

NUNNALLY(1978, S. 245) PETER(1997, S. 180) BEARDEN/NETEMEYER/TEEL(1989, S. 475) BAGOZZI/BAUMGARTNER(1994, S. 402) BALDERJAHN(1986, S. 117)

_>0,5 > 0,5

PETER(1997, S. 180) BACKHAUSETAL. (2003, S. 331)

Explorative Faktorenanalyse

Erkl~rter Varianzanteil Faktorladung

Konfirmatorische Faktorenanalyse

Faktorreliabilit~t _>0,6 BAGOZZI/YI(1988, S. 82) Durchschnittlich erfasste Varianz _>0,5 BAGOZZI/YI(1988, S. 82) Signifikanztest der Faktorladungen t _>2,00 b. 1,96 BACKHAUSETAL. (2003, S. 74) abh. von Fallzahl hier: 5%-Niveau 60 bis 1000 Diskriminanzvalidit~it

z2-Differenztest 5%-Niveau > 3,841 ,Fornell/Larcker-Kriterium DEV(~), DEV(~)> r2(#i,~) Tabelle 6:

HOMBURG (2000, S. 94) FORNELL/LARCKER(1981, S. 46)

LokaleGetekriterien zur Beurteilung reflektiv spezifizierter Konstrukte (0berblick in Anlehnung an ZINNBAUER/EBERL2004, S. 21)

Zur Validierung formativ spezifizierter Konstrukte muss dagegen wie dargestellt auf die Anwendung statistischer Kennzahlen zur Beurteilung der Reliabilit~t in jedem Fall verzichtet werden, da diese nicht notwendigerweise korrelieren messen. Die wesentlichen Aspekte, wie formative Indikatoren eberhaupt in inhaltlicher Hinsicht beurteilt werden k0nnen, wurden in Abschnitt 4.2 dargestellt. GOTZ/LIEHR-GOBBERS (2004, S. 729 f.) schlagen daneben die Interpretation der H0he der Konstruktgewichte vor. Die potenziell problematische Multikollinearit,~t der Indikatoren kann mit den eblichen Getemal%en VIF oder dem Konditionsindex beurteilt werden. Tabelle 7 fasst diese G0tekriterien zusammen.

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4 Konstruktspezifikation: Methodische Aspekte for die Anwendbarkeit der Strukturgleichungsanalyse

G0teart

Definition

Methoden & Kriterien

Inhaltliche Spezifikation

Ausmal~ der 0bereinstimmung zwischen a priori beabsichtigter und tats~chlicher Indikatorzuordnung

Im Rahmen des Pretest: nc 9 Eindeutigkeit der Zuordnung: Dsa =

N ftc

--

9 Inhaltliche Relevanz: c s v - -

f/O

N

Indikatorrelevanz 0berpr0fung der Indikatoren auf ihren Beitrag zur Konstruktbildung

Interpretation der Gewichte (nicht der Ladungen) Indikatorelimination nur bei Multikollinearit~it Pr0fung auf Multikollinearit~t durch 9 Korrelationsmatrix (paarweise) 9 Varianzinflationsfaktor (VIF