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German Pages 207 [215] Year 2009
Ulrich Viebahn
Technisches Freihandzeichnen Lehr- und Übungsbuch 7. Auflage
1C
Dr.-Ing. Ulrich Viebahn An der Höhe 2a 51643 Gummersbach [email protected]
ISBN 978-3-642-02433-7 e-ISBN 978-3-642-02434-4 DOI 10.1007/978-3-642-02434-4 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1993, 1996, 1999, 2002, 2004, 2007, 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: eStudio Calamar S.L., Figueres/Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort zur siebten Auflage Ein Dokumenten-Scanner hat meine Skizzier-Arbeit vervielfacht und effizienter gemacht. Jetzt lassen sich per e-mail komplexe Sachverhalte schnell, farbig und hochauflösend mitteilen. Die Zeichnungen lassen sich für Dokumente nachbearbeiten, wiederverwenden und in CAD-Ordnern abspeichern. Das Zeichnen mit dem Füller ist wegen des einfachen Wechsels zum Schreiben und wegen des schönen Kontrastes in den Vordergrund getreten. Ein paar Empfehlungen dazu habe ich im Kap. 2 „Handwerkliche Grundlagen“ eingefügt. Dem Springer-Verlag möchte ich für seine geduldige und freundliche Betreuung meines Buches danken. Gummersbach, im Mai 2009
Ulrich Viebahn
Vorwort zur zweiten Auflage Zum Thema „Technisches Freihandzeichnen“ habe ich von den Fachkollegen viele einhellig zustimmende Zuschriften erhalten. Ich habe mich aber auch über die Reaktionen einiger gefreut, die keinen technischen Beruf haben, sondern „nur“ von der einfachen, ästhetischen und unbeschwerten Seite des Freihandzeichnens fasziniert waren. Ihnen allen möchte ich für ihre Anregungen und ihre Anerkennung herzlich danken. Die 2. Auflage gibt mir Gelegenheit, die Themenfolge der ersten Auflage, die bei nicht ganz einfachen Illustrationen plötzlich endete, doch wieder am eigentlichen Ziel des Freihandzeichnens zu orientieren: der schnellen Verständigung durch Bilder – unbelastet durch Sprache und effizient. Ein Kapitel mit den Lösungen der Übungsaufgaben soll den Leser ermuntern, aktiv zu werden und seine verborgenen Fähigkeiten zu entdecken – für alle Aufgaben zusammen braucht man etwa 50 Stunden. Fortgeschrittenen Zeichnern ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Sie finden dort Hinweise, wie sie schwierig erscheinende Zeichnungen angehen können. Es zeigt auch, wie sich die Techniken des Freihandzeichnens weiterentwickeln lassen. Dem Springer-Verlag möchte ich für seine vorzügliche und freundliche Betreuung meines Buches danken. Gießen, im März 1996
Ulrich Viebahn
Vorwort zur ersten Auflage Der Gedanke, das Freihandzeichnen in der vorliegenden Form zu bearbeiten, ist in mehreren Etappen gereift. Am Anfang stand die Beobachtung, daß sich unerwartet viele Studenten in den Konstruktionsübungen schwertaten, ihre Ideen als Handskizzen darzustellen – aus Furcht vor krummen Linien. So ergab sich die Notwendigkeit, das Skizzieren gezielt lehren zu müssen. Dabei bin ich immer wieder auf bestimmte wirksame Angewohnheiten und Techniken gestoßen, die ich daraufhin systematisiert habe. Außerdem machte ich die Erfahrung, daß die meisten Studenten schon nach einer kurzen Einführung und wenigen grundlegenden Übungen überraschend präzise wirkende Handskizzen anfertigen konnten. Das war für mich der Hinweis, daß das Freihandzeichnen nicht Drill und lange Übung voraussetzt, sondern über die Erschließung natürlicher und in der Schule erworbener Fähigkeiten lehrbar ist. Zugleich wurde erkennbar, daß sich die Konstruktionsforschung den elementaren Techniken des Konstruierens zuwandte und dabei auf die zentrale Rolle des Zeichnens bei der Lösungssuche aufmerksam wurde. Die Aufgabe, das Freihandzeichnen einem breiteren Publikum in Form eines Lehrbuches zu erschließen, drängte sich also geradezu auf. Die vorgestellten Techniken machen es möglich, sich beim Konstruieren von den motorischen und mentalen Belastungen durch den Zeichenvorgang zu befreien. Je weniger man darüber nachdenken muß, wie man etwas darstellt, desto wirksamer kann man sich dem widmen, was man darstellen will. Zu manchen nützlichen Techniken, wie der in den USA sehr gebräuchlichen Schattierung oder auch dem Zeichnen mit Markern, habe ich leider noch keinen Zugang gefunden. Für entsprechende Hinweise und sonstige Anregungen und Verbesserungsvorschläge wäre ich dankbar. Ich danke Professor Pahl für seine immer noch fortwirkende Konstruktionsausbildung, für seine außergewöhnliche Unterstützung und für seine wertvollen Hinweise. Ich danke dem Springer-Verlag, daß er diesem Buchprojekt von Anfang an so aufgeschlossen gegenüberstand. Gießen, im Dezember 1992
Ulrich Viebahn
Inhaltsverzeichnis
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen der Freihandzeichnung Probleme lösen und Freihandzeichnen CAD und Freihandzeichnen . . . . . . . Methodische Überlegungen . . . . . . . Selbststudium. . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 2 3 5 7 9
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Handwerkliche Grundlagen . . . . . . . . Was man zum Freihandzeichnen braucht Linienbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinematik des Armes . . . . . . . . . . . . . Wie man den Stift hält . . . . . . . . . . . . . Das Sehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie man eine gerade Linie zieht . . . . . .
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11 11 15 16 17 19 20
3 3.1 3.2
Gerade durch zwei Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Non-Stop-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Stützpunktmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
4 4.1 4.2 4.3
Rechtecke . . . . . . . . . . . . . . . . . Große Rechtecke . . . . . . . . . . . . Mittlere Rechtecke (20 bis 50 mm) Kleine Rechtecke (unter 20 mm) . .
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25 25 27 31
5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 5.11
Augenmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . Abmessungen schätzen . . . . . . . . . Abmessungen ableiten . . . . . . . . . . Proportionen schätzen . . . . . . . . . . Halbieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verdoppeln . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winkel konstruieren . . . . . . . . . . . Winkel teilen . . . . . . . . . . . . . . . . Kreisumfang durch 5, 7 und 9 teilen. Trigonometrische Konstruktionen . .
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32 32 34 34 35 38 40 42 44 46 47 49
6 6.1 6.2
Technische Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Formen erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Formen erzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
7 7.1 7.2
Bogen und Kreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Kreisdurchmesser 50 bis 200 mm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Kreisdurchmesser unter 50 mm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
x
Inhaltsverzeichnis
8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6
Konstruieren . . . . . . . . . . . . . . . Dimensionierung . . . . . . . . . . . . . Freihändige Fertigungszeichnungen. Arbeitsfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . Maßstäbliche Konstruktionen . . . . . Kopfrechnen . . . . . . . . . . . . . . . . Schematische Darstellungen . . . . . .
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66 68 70 72 75 76 78
9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6
Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorteile der Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . Projektionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blickrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Richtung und Länge der Achsen . . . . . . . . . . . Genaue Konstruktion des Koordinatendreibeins. Orientierung in der Perspektive . . . . . . . . . . . .
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82 84 85 86 89 94 99
10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5
Geometrische Konstruktionen . . Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchstoßpunkte und Schnittlinien Modellierung in der Perspektive . .
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101 101 102 103 106 109
11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7
Ellipsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ellipsendurchmesser 100 bis 200 mm. Ellipsendurchmesser 30 bis 100 mm . Ellipsendurchmesser unter 30 mm . . . Formfehler von Ellipsen erkennen . . . Einfachheit der Isometrie . . . . . . . . . Drehteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderprobleme mit Ellipsen . . . . . .
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113 115 116 118 119 121 123 128
12
Standardformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
13 13.1 13.2
Perspektivische Fertigungszeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Schnitte, Ausbrüche, Details. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Bemaßung und Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
14 14.1 14.2 14.3
Zeichnen für Fortgeschrittene Bauteile und Baugruppen . . . . . Anschaulichkeit verbessern . . . Schnell zeichnen. . . . . . . . . . .
15
Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
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150 150 159 167
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
1
Einführung
Freihandzeichnen hat etwas mit Freiheit zu tun. Wie oft befindet man sich in einer Situation, wo eine schnelle kleine Zeichnung es einem ersparen würde, zu langen vergeblichen Erklärungen auszuholen oder sich zeitraubender, teurer Hilfsmittel bedienen zu müssen. Man müht sich mit Lineal und Tusche, mit Fotografien, neuerdings auch mit Grafikprogrammen, meist mit dem Erfolg, daß die damit verbundene Mühe und Mehrarbeit hinterher nicht einmal gewürdigt wird. Die Mühe und die fehlende Anerkennung führen dann dazu, daß man, so oft es irgend geht, vor der Mitteilung eines schwer darzustellenden Zusammenhanges oder einer neuen Idee zurückschreckt. Man sollte sich darüber klarwerden, daß es gerade die vielseitigen und komplexen Dinge sind, an deren Gestaltung man als Ingenieur mitarbeitet. Wie leicht schließt man sich aber von der Entwicklung interessanter Dinge aus, wenn man seine Ideen und Arbeitsbeiträge nicht entsprechend oder zu selten mitteilt. Man fühlt sich unfrei, weil man auf dem Weg zur fertigen Lösung schon bei den Fragen „Kann ich es überhaupt darstellen?“, „Kann ich jemand anderes dafür interessieren?“ steckenbleibt. Dabei oder deswegen gibt es viele, meist erfahrene und erfolgreiche Ingenieure, die tagtäglich mit kleinen spontanen Zeichnungen und Handskizzen arbeiten: x in Verhandlungen mit Kunden x beim Konstruieren x in Besprechungen mit den eigenen Mitarbeitern x in Berichten und Studien Befragt man sie, so haben sie sich die entsprechenden Fähigkeiten erst nach dem Studium als Folge beruflicher Zwänge langsam angeeignet, man könnte fast sagen: angewöhnt. Ohne nun danach zu fragen, warum das so ist, drängen sich zwei Gedanken geradezu auf: Erstens: Es wäre effektiver, das Freihandzeichnen „richtig“, also unter Anleitung, zu lernen. Zweitens: Für jeden Ingenieurstudenten wäre die Beherrschung des Freihandzeichnens eine bedeutende Erleichterung – ganz vordergründig durch den Zeitgewinn und nicht zuletzt durch seine verbesserten Ausdrucksmöglichkeiten in Lehrveranstaltungen und Prüfungen. Dieses Buch führt den Interessierten systematisch und rasch zu seinen im Verborgenen „schlummernden“ Zeichenfähigkeiten. Darüberhinaus hat es an den Hochschulen neue und wirkungsvollere Lehrformen der Konstruktionsausbildung möglich gemacht.
2
1.1
1 Einführung
Anwendungen der Freihandzeichnung
Meistens zwingen einen die Umstände, freihändig zu zeichnen. Man kann das Freihandzeichnen aber auch bewußt pflegen, einerseits wegen „harter“ Argumente wie der Zeitersparnis und der hohen Informationsdichte, andererseits wegen „weicher“ Argumente wie der Genuß von Ästhetik, Einfachheit, Geschicklichkeit, Unabhängigkeit. Freihandzeichnungen können unterschiedlich aussehen. Das liegt an der jeweiligen Mischung von Informationsgehalt, Genauigkeit und Schnelligkeit. 1.
Skizze (Beispiel S. 167): Sie besteht aus wenigen Strichen zur Verdeutlichung einer Anordnung, eines Prinzips, einer Form; mit Füller oder Kugelschreiber; mit geringstem Aufwand übermittelt sie große Informationsmengen pro Zeit; man verwendet sie in Situationen, wo Worte ungeeignet sind oder nicht zur Verfügung stehen (Sprachbarrieren); sie begleitet ein Gespräch und dient als Gedankenstütze; mit einem Dokumentenscanner läßt sie sich an e-mails anhängen.
2.
Konstruktionsskizze (Beispiele S. 108, 170): Sie ist vollständiger und detaillierter als die Skizze und hat meistens einen technischen Bezug; persönliche Arbeitsunterlage eines Technikers, bevorzugt räumlich, um sich etwas zu verdeutlichen; sie dient als Kristallisationspunkt und Anregung für neue Ideen oder als Ausgangssituation einer systematischen Variation der Gestalt; sie kann als gewachsene Skizze ein Diskussionsergebnis darstellen; bei Maßaufnahmen dient sie der Dokumentation einer Situation: Gebäudelayout, Anschlußmaße, Versuchsaufbau, etc.
3.
Zeichnung (Beispiele S. 79, 173ff, 196ff): Sie wird freihändig und nach den Regeln des Technischen Zeichnens auf Papier DIN A4 angefertigt, wenn eine Tuschezeichnung wegen Zeitdruck, Erklärungsaufwand oder fehlendem Zeichner nicht sinnvoll ist; sie ist die typische Fertigungsunterlage für Musterbau, Entwicklung, Vorrichtungsbau, Versuchsabteilungen, bei Änderungen; sie ist der kürzeste Weg von der Idee zum fertigen Muster; perspektivische Zeichnungen werden leichter verstanden – es dürfen nur nicht zuviel Maße eingetragen werden.
4.
Illustration (Beispiele S. 152, 158, 166): Sie ist eine Freihandzeichnung, bei der der Zeitgewinn gegenüber der Tuschezeichnung nicht mehr im Vordergrund steht: Wenn der Zweck einerseits Vollkommenheit, Schönheit und Verständlichkeit erfordert, andererseits aufwendige Techniken wegen der begrenzten Auflage oder Bedeutung übertrieben wirken würden: bei Lehrunterlagen, Versuchsberichten, wissenschaftlichen Arbeiten. Man findet die freihändige Illustration oft auch in Prospekten. Verständlichkeit und Unterhaltsamkeit erfordern häufig eine räumliche Darstellung.
1.2 Probleme lösen und Freihandzeichnen
1.2
3
Probleme lösen und Freihandzeichnen
Wenn erfahrene Ingenieure mit einem technischen Problem konfrontiert werden, greifen sie unwillkürlich nach Stift und Papier. In den dann folgenden Skizzen arbeiten sie der Kern des Problems heraus, zerlegen sie das Problem in einfachere Unterprobleme und zum Schlußprobieren sie verschiedene Lösungsideen dur ch. Dieser Drang, etwas aufzumalen , wird an einem Modell des Denken s verständlich, das unt er den Kon struktionsforschern recht populär ist. Zur Informationsverarbeitung hat der Mensch ein Langzeitgedächtnis (LZG) und ein Kurzzeitgedächtnis (KZG). Die Sinnesorgane liefern Wahrnehmungen, die im KZG in ziemlich kurzen Takten (0,1 Sek. ) zu sinnvollen Informationseinheiten - nennen wir sie "Objekte" - verarbeitet werden. Die se Objekte können einerseits Daten sein (was man weiß , Fakten, Inhalte) , andererseits aber auch Methoden (wie man etwas macht, Instruk tionen, Logik). Leider ist die Speicherkapazität des KZG gering: Der durchschnittlicheMensch schafft es mit Anstrengung gerade, 7 dieser Objekte gleichzeitig im KZG zu halten - sehr ähnlich einem Jongleur.
Bild 1.1. Langzeitgedächtni s (LZG) und Kurzzeitgedächtnis (KZG)
Weil einem das Jonglieren viel Konzentration abverlangt, legt man Objekte in anderen Speichern ab. Man kann sich die Objekte z.B. im Langzeitgedächtnis merken. Die Speicherkapazität des LZG scheint unbegrenzt zu sein , hat aber ihren Preis : Das Ab speichern in einem Netz von Assoziationen und Esel sbrücken und das W iederhervorholen erfordern Intelligenz und vor allem Zeit: Man braucht man für das Erinnern 1 Sekunde (im besten Fall ), oft 10 Sekunden, manchmal auch Minuten und Stunden. Das kann ziemlich mühsam sein - sonst würden mehr Leute Schach spielen und ihre Reden frei halten .
4
1 Einführung
Weil das KZG sowohl den Transport als auch die bewußte Verarbeitung der Objekte besorgt, begrenzen sich beide gegenseitig: Großer Datenverkehr behindert den kreativen Umgang mit den Objekten und umgekehrt. Je nachdem, ob Bilder, Text oder Sprache transportiert werden, ist der für Daten zur Verfügung stehende Raum im KZG verschieden groß. Während Bilder praktisch ohne bewußte Denkvorgänge aufgenommen werden können, ist für das Lesen von Text schon ein höherer Denkaufwand nötig, und die höchste Konzentration ist wohl notwendig, um einem Gespräch folgen zu können. In der umgekehrten Richtung gilt das gleiche: Das Reden und das Formulieren von Text erfordern hohe Konzentration, weil Gedanken zu treffenden Worten und korrekten Sätzen seriell geordnet werden müssen. Beim Zeichnen und Kritzeln von technischen Dingen gibt es keine Belastung durch Formulierung, weil das „Vokabular“ aus sehr wenigen geometrischen Grundformen besteht und keine Zeichenreihenfolge organisiert werden muß. Viele Ingenieure sagen, daß ihnen Gedanken und Vorstellungen als Zeichnung oder Kritzelei „aus der Hand fließen“. Das Skizzieren ist mehr als nur ein Abspeichern auf Papier: 1.
Zur Arbeitserleichterung möchte sich der Zeichner auf das Wesentliche beschränken; weil er dabei ständig Unwesentliches wegläßt, schleppt er bei seinen Überlegungen keinen Ballast mit.
2.
Um überhaupt etwas zeichnen zu können, muß man eine persönliche Auffassung des Dinges entwickelt haben: aus welchen Grundkörpern oder Objekten man es zusammensetzt/modelliert. Diese intellektuelle Leistung ist so intensiv, daß man Dinge, die man einmal gezeichnet hat, aus dem LZG immer wieder als fertige Bilder abrufen kann: Zeichnen ist gleichzeitig ein Lernen.
3.
Eine Skizze ist ein motivierender Arbeitsfortschritt; das Gedächtnis ist entlastet und man kann sich auf den nächsten Arbeitsschritt konzentrieren.
4.
Eine Skizze wirkt auch als Kristallisationskeim, an dem sich weitere Einfälle geordnet anlagern. So wie Meinungen und Argumente erst in der Diskussion mit einem Gesprächspartner sich entwickeln und reifen, so reifen Konzepte und Gestalten in der Wechselwirkung mit einer Skizze.
5.
Eine Zeichnung zwingt den Ingenieur, sich festzulegen, Proportionen einzuhalten und Logik zu beachten. Denk- und Konstruktionsfehler und Auslassungen fallen in einer Zeichnung schneller auf als in Texten und Zahlenkolonnen. Eine Zeichnung ist kritische Instanz für Machbarkeit und Qualität.
1.3 CAD und Freihandzeichnen
1.3
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CAD und Freihandzeichnen
CAD-Programme erwarten von Beginn an die Eingabe von allen Abmessungen und Eigenschaften des zu konstruierenden Gebildes, weil sie unvollständig gefüllte Datenstrukturen nicht verarbeiten können. Durch die Bindung an vorgegebene Informationselemente und Grundfunktionen ist man außerdem gezwungen, nach einer bestimmten Generierungsstrategie vorzugehen. Um also die eigentliche Bildschirmarbeit nicht ständig durch Überlegungen unterbrechen zu müssen, muß man sich vorher über die Grobgestalt und die Modellierung des zu konstruierenden Gebildes klargeworden sein. Diese Vorarbeit kann man am sinnvollsten und schnellsten mit einer perspektivischen, teilweise bemaßten Freihandzeichnung leisten. Die Eingabe und Manipulation der Informationen, aus denen ein Gebilde im Rechner beschrieben wird, wird durch unnatürliche, rechner- und problemnahe Benutzeroberflächen (Kommandosprachen) behindert. Die Beherrschung eines CAD-Programms setzt immer noch ständige Übung und erheblichen Schulungsaufwand voraus, der aus einer einmaligen Grundausbildung und dann mehrfacher Auffrischung oder Fortbildung infolge neuer Versionen besteht. Die Zahl der potentiellen oder gelegentlichen, aber aktiven CAD-Nutzer in einem Unternehmen ist wesentlich größer als die der CAD-Zeichner. Für diese gelegentlichen Nutzer gibt es wegen der mangelnden „Intuitivität“ der Benutzeroberflächen und der natürlichen Vergeßlichkeit kein sinnvolles Schulungskonzept. Ein großer Anwenderkreis kann gar nicht in die technischen Möglichkeiten des CAD integriert werden. Selbst bei einem geübten CAD-Zeichner nehmen Kommandosprache und verschachtelte Menüs erhebliche mentale Kapazität in Beschlag. Aus der bekannten Erfahrung, daß man sich vorher genau überlegen muß, was man mit dem CADProgramm „konstruiert“, darf man ableiten, daß CAD-Programme sich für spielerischen Umgang und Versuch-und-Irrtum-Techniken, die elementare Bestandteile jeden kreativen Vorgehens sind, noch nicht eignen. Das gleiche galt bis in die 70er Jahre für die Textverarbeitung mit der Schreibmaschine: Um schneller als von Hand zu schreiben, mußte man geübt sein, und der zu schreibende Text mußte vor dem Schreiben ausformuliert sein. Die Schreibmaschine galt nicht als besonders kreativitätsfördernd und der Satz eines Textes erst recht nicht. Man erkannte als erstes bei Xerox, daß die Methode, über eine Kommandosprache mit Software zu kommunizieren, für „normale“ Büroangestellte unnatürlich und fremd ist und die Verbreitung des Computereinsatzes im Büro behindern würde. Xerox studierte in seinem PARC (Palo Alto Research Center) die typischen Elemente der Büroarbeit und setzte sie teils über direkte Entsprechungen (Schreibtisch, Dokumente, Ordner, Ablage, Ausschneiden, Kopieren, Einkleben, Verschieben, etc.) teils über nicht mehr als solche wahrgenommene Zwischenkonstrukte (Fenster, Menüs, Maus, Maustastenclicks) in die Benutzeroberfläche STAR um.
6
1 Einführung
Die Tastatur diente fast nur noch zur (unvermeidlichen) Eingabe von Text. Die Manipulation von Textblöcken und Datenstrukturen dagegen geschah wie bei konventioneller Arbeitstechnik mit der Hand: Textbruchstücke, Bilder, Dokumente, Ordner, Programme, Werkzeuge, Schreibtischzubehör konnten mit einem Cursor auf dem Bildschirm z.B. aktiviert, bewegt, kopiert, abgelegt, umbenannt werden. Der Bildschirm stellte die Schreibtischoberfläche und der Cursor die Hand mit einigen ihrer Fähigkeiten (draufdrücken, greifen, festhalten, loslassen, zeigen, zusammenraffen etc.) dar. Die Maus war lediglich der ergonomisch günstigste Manipulator für die Steuerung des Cursors. Ohne das große Verdienst derer zu schmälern, die die darauf abgestimmten Computersysteme entwickelten und gleichzeitig den heute gültigen de-facto-Standard für grafische Benutzeroberflächen schufen, ermöglichte das Prinzip einer grafischen und intuitiven Benutzeroberfläche allen, die schriftlich etwas mitzuteilen hatten, den Inhalt (Text) und sogar die Form (Satz) ihres Textes in bis dahin ungeahnter Leichtigkeit und Schnelligkeit zu gestalten und zu ändern. Mit der Verbreitung dieses sogenannten Desktop-Publishing wurde die Kreativität und Produktivität der ehemaligen Schreibmaschinenbenutzer erheblich gesteigert. Strikte Intuitivität, Einheitlichkeit der Benutzeroberfläche und die Leichtigkeit der Bedienung erschlossen darüberhinaus zwei neue und große Anwendergruppen: Die Gruppe der gelegentlichen Anwender (die Personen, deren Tätigkeiten so differenziert sind, daß nur Teiltätigkeiten von einem Computerprogramm erledigt oder unterstützt werden können) und die Gruppe der Mehrfachanwender (Personen, die abwechselnd mit verschiedenen Programmen (z.B. Textverarbeitung, Grafik, Tabellenkalkulation) arbeiten). In diesem Rahmen reiften die Programme so, daß sie auf dem Bildschirm schon nach 2 bis 3 Jahren qualitativ und quantitativ mindestens das konnten, was in der Realität auch ohne sie schon möglich war – nur viel schneller. Eine weitere Steigerung des Nutzens bestand darin, daß sie Dinge konnten, die zwar in der Realität nicht, aber in der Vorstellung des Benutzers sinnvoll möglich sind, wie z.B. das Ungeschehenmachen. Ein Durchbruch wie in der Textverarbeitung steht bei den CAD-Programmen noch aus. Zwischen dem, was CAD-Programme können und dem, was in der Realität beim problemlösenden und kreativen Konstruieren abläuft, gibt es nur geringe Überschneidungen. Die Benutzer(oberflächen) werden von der Menge der Daten und der Art der Eingabe überfordert. Wenn man das „Design“ (Konstruktion, Entwurf) in CAD unterstützen wollte, müßte man sich an den typischen Denkvorgängen eines Konstrukteurs orientieren. Die wiederum erkennt man an der Art, wie ein Konstrukteur eine komplexe Skizze aufbaut: CAD-Programme müssen dem Konstrukteur die Objekte zur Verfügung stellen, aus denen er sich seine mentalen Modelle zusammenbaut: Nicht nur geometrische Grundkörper, Flächen, Linien und Punkte, sondern auch Verfahren, Werkzeuge, Bearbeitung, Stoffeigenschaften, Montagevorgänge, Transport, Lager, Kräfte, Momente, Energie, Verformungen, etc. Als nächstes erwartet man als Konstrukteur das gewohnte Instru-
1.4 Methodische Überlegungen
7
mentarium, das es einem erlaubt, diese Objekte zu kombinieren und zu verändern. In Analogie zur Schreibtischoberfläche wäre das eine Werkstatt mit der zugehörigen oder benötigten Ausstattung. Jeder Arbeitsplatz in der Werkstatt hätte seinen eigenen „Screen“. Es wäre wichtig, daß der Konstrukteur sich die Darstellung der Ausstattung (wirklichkeitsnah oder stilisiert) und die Detaillierung (Fräsvorgang – Paßfedernut – fertige Welle) selbst einstellen kann. Mit dem Cursor – dem verlängerten eigenen Arm – könnte man Objekte (Werkstücke wie Werkzeuge) hervorholen, verändern, benutzen, positionieren, spannen und vor allem wieder in ihren Ursprungszustand zurückversetzen. Keine Funktion eines Programmes hat aber einen praktischen Wert für das Konstruieren, wenn sie für den Anwender nicht intuitiv und leicht zugänglich ist. Das Zeichnen hat diese Eigenschaften des Intuitiven, des Leichten und hat einen positiven Einfluß auf das Konstruktionsergebnis. Man sollte immer wieder die Frage stellen: Wie gestaltet man eine CAD-Funktion, daß man sie so selbstverständlich beherrscht wie Papier und Bleistift? Das Verständnis des Zeichnens und der dazu notwendigen Denkleistungen ist der Schlüssel zu einer wirklichen Verbesserung der Benutzeroberflächen von CAD-Programmen.
1.4
Methodische Überlegungen
Es wird von den Studenten allgemein als Überforderung und als bremsend empfunden, gleichzeitig Wissen (Regeln des Technischen Zeichnens) und Fertigkeit (Bedienung des Computers) erwerben zu müssen. Um möglichst bald realistische Übungen machen zu können, drängt sich insbesondere am Anfang einer Lehrveranstaltung der Stoff. Das führt dazu, daß bestimmte elementare Fehler nicht mit der notwendigen Konsequenz behandelt werden. Baut man den Einstieg in die Konstruktionstechnik auf das Freihandzeichnen auf, läßt sich das Wissen gleichmäßiger und intensiver vermitteln. Es ist empfehlenswert, wechselnde Schwerpunkte zu setzen: 1.
In den ersten 4 Doppelstunden werden die Grundlagen des Freihandzeichnens vermittelt (Wie man eine gerade Linie zieht, Strecken teilen, Rechtecke, Kreise). Es genügen meist wenige Versuche, um bestimmte Körperhaltungen und Techniken zu verankern. Die Übungen nehmen leicht einen sportlichen Charakter an. Das Übungsziel ist Handfertigkeit.
2.
In weiteren 8 bis 12 Doppelstunden lassen sich die wichtigsten Regeln des Technischen Zeichnens (Projektionsmethoden, Linienarten, Zeichnungssymbolik, Darstellung, Maßeintragung, Tolerierung) und einige Normteile erklären und auf der Basis von Freihandzeichnungen üben.
8
1 Einführung
Durch die Schnelligkeit der Freihandzeichnung werden die Übungsbeispiele nicht langweilig, und Fehler können durch Neuanfertigung ganzheitlich korrigiert werden. Durch den Zeitgewinn können Sachzusammenhänge viel besser behandelt werden. Als (erwünschtes) Nebenprodukt nimmt die Zeichengeschicklichkeit rasch zu. Das Übungsziel ist Fachwissen. 3.
Nachdem die Regeln des Technischen Zeichnens beherrscht werden, kann man in den folgenden Stunden die instrumentelle Seite der Technischen Zeichnung: Computer. Übungsziel ist das Zusammenführen von Gewandheit und Fachwissen. Man kann in diesem 3. Block das Freihandzeichnen bis zur Perspektive entwickeln. Perspektivisches Freihandzeichnen ist unbedingte Voraussetzung für das Arbeiten mit 3D-CAD.
4.
In diesem Block bearbeitet man – unabhängig von der Darstellungstechnik – reale Aufgaben, wie Modellaufnahmen und einfache Konstruktionen.
Der Gedanke, Ingenieurstudenten schon zu Studienbeginn in das Freihandzeichnen einzuführen, hat folgende Konsequenzen: x Alle Lehrveranstaltungen der Konstruktionstechnik, die auf der Grundlage des Freihandzeichnens durchgeführt werden, setzen keine besondere Ausstattung oder Räumlichkeiten voraus. x Mit der zeichnerischen Ausdrucksfähigkeit steigt der Lernerfolg und die Kreativität in den konstruktiven Fächern. x Die Studenten können den Vorlesungen besser folgen, wenn sie Tafelbilder schnell und richtig übernehmen können. x Studien- und Diplomarbeiten lassen sich eindrucksvoll und vor allem zeitsparend freihändig illustrieren. x Die Studenten sind besser auf ihren Einstieg in den Beruf vorbereitet: In der Industrie werden immer mehr interdisziplinäre Teams gebildet. In dieser Umgebung müssen Ideen, Vorschläge, Sachverhalte, etc. mit Nichtingenieuren und unter widrigen Umständen schnell und bequem ausgetauscht werden. Skizzen ermöglichen bessere Kommunikation und schnellere Entscheidungen. Je höher ein Ingenieur in der betrieblichen Hierarchie angesiedelt ist, desto weniger Zeit wird er zur Gestaltung formal perfekten Bildmaterials haben. Selbst wenn er sie delegieren wollte, müßte er erst eine Skizze machen. Das Buch ist so fein gegliedert, daß je nach Bedarf kleine oder größere, einfache oder schwierigere Themeneinheiten herausgegriffen werden können. Am Anfang ist allerdings auf die richtige Reihenfolge zu achten. Es ist immer daran zu erinnern, daß man beim Freihandzeichnen auf bereits vorhandene, in der Schule entwickelte Fähigkeiten zurückgreift (Gefühl für Geradheit, Kreisform, Tangentenbedingung, Rechte Winkel, Symmetrie, etc.), und gute Ergebnisse der bewußten Vermeidung von Störeinflüssen verdankt.
1.5 Selbststudium
9
Der behandelte Stoff orientiert sich an geometrischen Grundformen und einigen typischen Formen von Maschinenelementen, aus denen dann nach Bedarf und Vorliebe Gebilde verschiedener Ingenieurdisziplinen entwickelt werden können. Die Übungsaufgaben sollten möglichst auf Illustrationsiveau bearbeitet werden, um die Formelemente und die Konstruktionsprinzipien eines Dinges gründlich zu erfassen und als fertige Form im Langzeitgedächtnis zur schnellen Wiederverwendung zu speichern. Im beruflichen Alltag ist Illustrationsniveau selten angebracht – wichtig sind Vereinfachung und Schnelligkeit. Schnelligkeit erreicht man nur zu einem kleinen Teil mit dem Verzicht auf Zirkel, Lineal und Radieren. Ob man für eine Skizze 10 Sekunden, 1 Minute oder 1 Stunde braucht, hängt davon ab, wie gut man den inneren Aufbau des Dinges kennt und wie genau man sich das Ding vorstellen kann. Bei neuen, zunächst unbekannten Teilen kommt es darauf an, wie schnell man sie aus bekannten Grundformen in der Vorstellung modellieren kann. Wer mit der Schnelligkeit unzufrieden ist, hat eigentlich Schwierigkeiten, sich das zu zeichnende Ding vorzustellen.
1.5
Selbststudium
Es gibt viele Gründe, als Schüler, Lehrling, Handwerker, Verkäufer, Ingenieurstudent oder als Ingenieur (nachträglich) richtig skizzieren zu lernen. Allerdings erschließen sich einem die grundlegenden Zeichentechniken nicht von allein. In diesem Buch sind deshalb alle wesentlichen Überlegungen und Techniken zum Freihandzeichnen zusammengefaßt, die Ingenieure im Alltag benötigen. Der behandelte Stoff ist so fein gegliedert, daß man in Einheiten von maximal 1 Stunde vorgehen kann. Die Übungsaufgaben sind kurz und dienen eigentlich nur der Entdeckung oder Bestätigung vorhandener Fähigkeiten. Die beste Übung ist, das Gelernte dann im Alltag einzusetzen. In den ersten Kapiteln erfährt man, daß man mit der vorhandenen Zeichengeschicklichkeit ziemlich genau wirkende Formen zeichnen kann, wenn man bestimmte Fehlerquellen vermeidet. Die Übungsaufgaben nehmen nicht viel Zeit in Anspruch und dienen eher dazu, den Zusammenhang zwischen Fehlervermeidung und Genauigkeit bewußt zu machen. Danach werden einzelne Techniken besprochen, die die Genauigkeit steigern. Die meisten Techniken muß man nur kennen (z.B. Winkel konstruieren) und ein paar wenige muß man üben (z.B. Kreise ziehen). Es werden häufig mehrere Alternativen vorgestellt. Die Übungsaufgaben sollen also auch zum Experimentieren anregen, bis man einen eigenen Stil gefunden hat.
10
1 Einführung
Am Ende der ersten Hälfte des Buches wird man Fertigungszeichnungen freihändig zeichnen können, die geplotteten Zeichnungen ebenbürtig sind (mit dem Unterschied, daß man freihändig viel schneller ist). Das erreichte Niveau reicht für die meisten Situationen – vor allem bei der Verständigung von Technikern untereinander – völlig aus. Übrigens: Die Bedeutung und Wirkung perfekter Bilder wird von denen, die sie produzieren, überschätzt. Häufig fragen sich nämlich die Adressaten perfekten Bildmaterials im Stillen, ob der Aufwand für die Perfektionierung nicht besser in kreative Arbeit geflossen wäre. Die zweite Hälfte des Buches behandelt die perspektivische Darstellung – für die Fälle, bei denen es auf Anschaulichkeit besonders ankommt: Bei Schweißteilen, Gußteilen, Verrohrung, Verkabelung, Transportproblemen, räumlicher Verträglichkeit, beim Modellieren im 3D-CAD. Zunächst werden die Grundlagen der Abbildung und die Konstruktion beliebiger Koordinatendreibeine (= Betrachtungsrichtungen) vorgestellt. Danach wird die perspektivische Darstellung der geometrischen Grundkörper besprochen, aus denen sich immer kompliziertere Formen und vielteilige Baugruppen modellieren lassen. Zum Schluß geht es um Zeichentechniken, die die Teile plastischer und natürlicher erscheinen lassen. Die Beispiele zeigen, daß man Kompliziertheit mit Selbstvertrauen und schrittweisem Vorgehen meistern kann.
2
Handwerkliche Grundlagen
2.1 Was man zum Freihandzeichnen braucht 1.
Bleistift mit nicht zu feiner Spitze Feinminenstift 0,7 ist genau richtig. Härtegrad HB oder H. Die Minenführung darf nicht federn und nicht wackeln. Am besten keine Clips.
2.
Weißes Schreibpapier DIN A4 ohne Karos Karos, Linien oder Millimeterteilung helfen nicht – sie schaden! Sie verleiten zu ungünstigen Einteilungen und Maßstäben, irritieren das Auge und lenken von den gedanklich projizierten Formen ab. Kopiererpapier hat den Vorteil, fast immer verfügbar zu sein. Optimal: DIN A3.
3.
Radiergummi Die Größe des Radiergummis in den Stiften sei ein Hinweis darauf, so wenig wie möglich zu radieren: Etwa bei Details von umfangreicheren, fast fertigen Zeichnungen oder bei vorgezeichneten Tinten-Zeichnungen. Radieren unterbricht störend den Ablauf des Zeichnens und kostet Zeit. Radierfussel stören auf der Arbeitsfläche.
4.
Glatte, nicht zu harte Unterlage Schreibunterlage, Reste von Bodenbelag. Freie Fläche von mindestens 500 × 700. Ellbogenfreiheit.
5.
Gute Beleuchtung Gute Allgemeinbeleuchtung und Licht von links. Bei Tischlampen unbedingt Schlagschatten vermeiden.
6.
Geduld, Konzentration, beruhigter Kreislauf, nicht fettende und trockene Zeichenhand.
7.
Großes Geodreieck Nur zum Üben. Zum Freihandzeichnen gelangt man über die ständige Bestätigung, wie genau man auch ohne die gewohnten Hilfsmittel zeichnen kann. Diese Bestätigung erhält man durch das sofortige Nachmessen und Prüfen von gezeichneten Formen.
für Fortgeschrittene: 8.
Kolbenfüller mit M-Feder und schwarzer Tinte; Patronenfüller nerven, weil sie schnell leer sind; zweiter Füller mit roter Tinte.
9.
Weißer Korrekturlack.
12
2 Handwerkliche Grundlagen
Der gelegentliche und überlegte Gebrauch von Zirkel und Lineal oder improvisierten Hilfsmitteln schadet dem Freihandzeichnen nicht. Sehr effektiv sind Kopieren, Ausschneiden und Zusammenkleben. Auf Kopien kann man weiterzeichnen. Man kann auch mehrere Skizzen auf DIN A3 kleben und danach wieder kopieren. Radieren: Der Vorteil des Freihandzeichnens liegt gerade darin, daß durch eine bewußte Rücknahme der Vollkommenheit der Form bedeutende Gewinne hinsichtlich Zeichengeschwindigkeit und Ausdrucksfähigkeit erzielt werden. Radiert man nun in einer Zeichnung, dann wendet man sich doch wieder der Vollkommenheit der Form zu und verliert unbewußt die eigentlichen Vorteile des Freihandzeichnens aus dem Blick. Hinzu kommt, daß die durch Radieren erzielbaren Verbesserungen meist in keinem Verhältnis zur Radierzeit stehen. An einer verunglückten oder verunglückenden Zeichnung sollte man – auch im fortgeschrittenen Stadium – nicht weiterarbeiten. Wenn sich Zeichenfehler häufen, ist das ein Hinweis, mehr zu üben. Warum dann nicht auf einem neuen Bogen? Man kann die guten Teile einer Zeichnung pausen (Kopiererpapier läßt Bleistiftlinien gut durchscheinen) und auf dieser Grundlage weiterarbeiten. Man kann die Zeichnung auch völlig neu beginnen. Dann hat man mehr Freiheit bei der Neuanlage der Zeichnung und kann bis dahin angesammelte Fehler bei der Blattaufteilung oder den Proportionen gleich mit korrigieren. Zeichnen mit Füller: Wolfgang Richter (s. Literaturverzeichnis) empfiehlt aus den vorgenannten Gründen, mit einem Füller zu zeichnen und kleinere Fehler mit flüssigem Tipp-Ex zu korrigieren. Der schwarze Tintenstrich hat einen überzeugenden Kontrast, mit dem die Skizzen deutlicher werden. Zusätzlich kann man einen zweiten Füller mit roter Tinte verwenden, um wichtige Details hervorzuheben. Mit dem Füller kann man bequem schreiben und übergangslos zum Skizzieren wechseln. Skizzen mit Tinte eignen sich wunderbar, um e-mails rasch mit Informationen zu ergänzen, die man schwer in Worte fassen kann. Man benötigt neben dem Rechner (oder unter dem Tisch) einen Dokumentenscanner, und man muß sich eine Ordnerstruktur für die gescannten Skizzen überlegen. Tinten-Zeichentechnik: x Mit dem Füller kann man breite Linien ziehen, indem man ihn normal hält, und schmale Linien, indem man ihn senkrecht hält:
2.1 Was man zum Freihandzeichnen braucht
13
x Beim Füller kann man nicht radieren und deshalb muß man sich eine grobe Blatteinteilung (dünn) mit Bleistift machen, die man hinterher wegradiert.
x Damit die Linien nicht verschmieren, muß man bei der Zeichenreihenfolge in eine bestimmte Richtung (von links nach rechts oder von innen nach außen) arbeiten. Wie schnell die Tinte trocknet, hängt von der Papiersorte ab. Den Füller weit aus der Hand ragen lassen (s. Bild 2.3).
x Man muß sich von vorneherein vorstellen können, welche Linien unsichtbar bleiben. Das gelingt, indem man eine Skizze mit den vorne liegenden Bauteilen beginnt und dann schichtenweise nach hinten arbeitet.
14
2 Handwerkliche Grundlagen
x An das Problem der unsichtbaren Linien muß man besonders bei perspektivischen Skizzen denken. Weil man anfangs noch nicht weiß, wo sich Linien treffen, zeichnet man sie vorsichtshalber zu kurz und flickt sie hinterher aus. Zu lange Linien kann man mit frischem Tipp-Ex abdecken. Auf diesen Abdeckungen hält die Tinte nicht mehr.
2.2 Linienbreiten
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2.2 Linienbreiten Mit einem Feinminenstift 0,7 lassen sich alle Linien mit einer Breite von 0,1 bis 1 mm kontrolliert zeichnen. Ein kompletter Satz Stifte ist unnötig. Der gleichzeitige Gebrauch versch iedener Minen behindert die Entwicklung eines Gefühles für den richtigen Anpreßdruck. Ausnahme: Natürliche Formen können nicht konstruiert werden - man muß ihre Darstellung zeichnend ausprobieren. Um nicht dauernd zu radieren, müssen die probierten Linien sehr fein sein . Das gelingt am besten mit einer 0,3er Mine - weil sie durch Abbrechen daran erinnert, daß man dünn zeichnen soll. Illustrationen gehorchen den Regeln für eine Tuschezeichnung und verlangen nach deutli ch abgestuften Linienbreiten. Die Linien müssen schwarz sein. Skizzen kommen mit einer Linienbreite aus. Die Linien können dann auch grau sein. 1 mm erreicht man durch die Neigung des Stiftes und das Flachschleifen der Mine. Die Mine schleift sich flach, wenn sie nicht gedreht wird. Man sollte sie absichtlich auf einem Stück Schmierpapier abschleifen.
0,1 mm erreicht man, wenn man die Mine flachschleift und sie dann (d.h . den ganzen Stift) etwas dreht. Allerdings wird die Linie schon nach wenigen cm breiter. H-Minen halten ihre "Schärfe" etwas länger. Für kurze dünne Linien kann man auch den Stift flacher halten. Der Strich wird leicht grau, weil man nicht so stark aufdrücken darf.
Für gute Kopierbarkeit und für Faxe ist vor allem ein intensiv schwarzer Strich wichtig, den man mit betontem Druck erhält. Die Zeichenunterlage muß aber so hart sein, daß die Mine sich nicht eingräbt.
Bild 2.1. Beeinflussung der Linienbreite
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2 Handwerkliche Grundlagen
2.3 Kinematik des Armes Das Haupthindernis, mit dem Freihandzeichnen zu beginnen, ist die irrige Annahme, ohne Lineal keine gerade Linie ziehen zu können. Wenn man sich die Kinematik des Armes bewußt macht, lassen sich die Störfaktoren, die eine Gerade wellig oder krumm machen, ausschließen. Mit wenig Übung lassen sich Geradheiten von mindestens 1% erreichen (Toleranzzone von 3 mrn auf 300 mm Länge). Diese Genauigkeit ermöglicht die Verwendung als Bezugselement (Mittellinie, O-Niveau, Hilfslinie) und wird auch visuell als nicht verbesserungsbedürftig empfunden. Langweilige Richtungsänderungen werden wesentlich störender empfunden als kurzweilige Verzitterungen.
Falsch: Wenn der Unterarm geschwenkt wird, wirkt er als Zirkel.
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Richtig: Nur den Oberarm schwenken. Unterarm und Hand bleiben starr. Die Zeichenhand wird in Richtung des Körpers gezogen. (Ziehen ist mechanisch stabiler als sch ieben.) Die Beurteilung der Geradheit gelingt am leichtesten, wenn die Gerade in Richtung Nase zeigt. Bild 2.2. Falsche und richtige Armbewegung beim Ziehen langer Geraden
2.4 Wie man den Stift hält
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2.4 Wie man den Stift hält: Vorzeichnen. Beim Vorzeichnen wird die gewünscht e Form erzeugt. Es kommt also vorwiege nd auf Genauigkei t an. Die über das Papier gezogene, leicht angespannte Hand dämpft Zittern und zufällige Schwankungen der Muskelspannung . Dieser Reibung sdämpfer wirkt nur dann , wenn die Hand sauber und nicht fettig ist und mögli chst großflächig aufliegt. Die Handkante und der Kleine Finger sollten auf dem Papier aufliegen. Die anderen Finger stützen sich auf dem Kleinen Finger ab.
. Bild 2.3. Die trockene und saubere Hand muß großflächig auf dem Papier aufliegen
Der Stift muß weit (40 bis 60 mm) aus der Hand herausragen , um die Papieroberfläche überhaupt zu errei chen (wenn der Stift , wie üblich , zwischen Daumen, Mittelfinger und Zeigefing er gehalten wird ). Das Ende des Stiftes muß andererseits in der Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger abge stützt sein. Bleistiftstummel sind also zum Zeichnen nicht geeignet. Durch den langen Hebel erreicht man einen geringeren und gleichmäßigeren Minendruck, wie er für die dünnen und grauen Linien beim Vorzeichnen erwünscht ist. Diese Handhaltung ermöglicht einen ungestörten Blick auf die Umgebung der zu zeichnenden Linie. Durch die große Spannweite zwischen Mine und Hand ist die Gefahr des Verschmierens von schon vorhandenen Linien gering. Je nach individueller Anatomie oder Angewohnheit kann die Stift- und Handhaltun g abweichen. Es ist darauf zu achten , daß die Handmuskulatur nicht längere Zeit angespannt oder verkrampft ist, da der Körper die unterbrochene Blutzirkulation durch Zittern wieder in Gang bringt.
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2 Handwerkliche Grundlagen
Bild 2.4. Diese Stifthaltung erm öglicht einen ungestörten Blick auf die Umgebung der zu zeichnenden Linie
Ausziehen. Nachdem mit dem Vorzeichnen die gewünschte Form in dünnen grauen Linien erzeugt worden ist, müssen erstens die gültigen Linien hervorgehoben und zweitens die verschiedenen Linienarten nach ihrer Bedeutung unterschieden werden. Es geht also darum, die Linien kräftig schwarz, aber unterschiedlich breit und mit verschiedenen "Mustern" nachzuziehen. Dazu wird der Stift kürzer gefaßt, steiler gehalten und kräftig aufgedrückt.
Bild 2.5. Mit dieser Stifthaltung erhält man einen kräftig schwarzen Strich .
Die Hand liegt fest auf, und die Stiftbewegung kommt nur aus den Fingern. Daß man deshalb häufiger absetzen muß, ist nicht schlimm - die Form liegt ja schon vorgezeichnet fest.
2.5 Das Sehen
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2.5 Das Sehen Das Sehen spielt die wichtigste Rolle bei der Führung der Zeichenhand. Leider gibt es auf sogenannten optischen Täuschungen beruhende Störeinflüsse. Der Sehvorgang besteht nicht nur aus der optischen Abbildung eines Gegenstandes auf der Netzhaut, vielmehr werden die empfangenen Signale noch mehrfach (und von Person zu Person verschieden) nachbearbeitet und verändert, bis sie dann zur Steuerung der Zeichenhand zur Verfügung stehen. Die Nachbearbeitung durch das Gehirn kann z.B. darin bestehen, daß eine gerade Form, die nach den Regeln der Optik im Auge selbst als gebogen abgebildet wird, hinterher wieder als gerade ausgegeben wird. Es ist z.B. auch bekannt, daß die optische Verkleinerung der Gegenstände mit der Sehentfemung teilweise vom Gehirn kompensiert wird - sonst wären die Personen auf den Urlaubsfotos nicht immer so klein. Eine andere typische Täuschungssituation: Kommt man beim Ziehen einer Geraden an einem anderen Objekt vorbei, wird der Stift unwillkürlich von diesem Objekt abgestoßen oder angezogen. Besonders kritisch sind das Überqueren oder auch nur die Nähe geneigter Geraden und Kreisbögen. Für das Freihandzeichnen bedeutet das, daß man erstens die für Täuschungen anfälligen Situationen vermeiden und zweitens kritische Seh-Operationen immer unter bestimmten ungefährlichen Standardbedingungen durchführen sollte. So läßt sich die Geradheit einer Linie zuverlässig beurteilen, wenn sie mit der Nase des Betrachters fluchtet. Dieselbe Lage ist aber ganz schlecht, wenn man Symmetrie oder Proportionen beurteilen will: Da müssen die Strecken quer vor dem Betrachter liegen. Da auch schwache Brillen das gesehene Bild am Rand stark verzerren, muß man als Brillenträger ganz genau auf das symmetrisch-quer-vor-einem-liegen und das Fluchten achten. Der Winkel, in dem das Auge etwas scharf sieht, beträgt nur etwa I bis 2°. Fixiert man nun die Spitze des Stiftes, verliert man unwillkürlich weiter weg gelegene Bezugsobjekte aus den Augen. Ein Hin- und Herpendeln des Blickes wirkt sich störend aus. Es ist deshalb beim Zeichnen von Parallelen, beim Teilen von Strecken, beim Verbinden von Punkten, etc. vorteilhaft, ohne scharfzustellen zwischen die beiden zu koordinierenden Dinge zu blicken, quasi "ins Leere zu starren". So behält man beide Dinge im Auge und kann die Zeichenhandentsprechend führen. Man sollte beim Üben unmittelbar nach jeder Schätzoperation mit dem Geodreieck nachmessen, um aufoptische Täuschungen aufmerksam zu werden und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken.
20
2 Handwerkliche Grundlagen
2.6 Wie man eine gerade Linie zieht Lange Geraden werden beim Freihandzeichnen zwar relativ selten benötigt, dienen aber fast immer als Bezugselement. Es schadet also nicht, sie immer mit Bedacht und Konzentration zu ziehen. 1. Platz schaffen auf der Zeichenunterlage. 2. Auf dem Papier sollte möglichst noch nichts drauf sein. Das Auge wird irritiert durch plötzlich auftauchende Objekte. Unschädlich sind allerdings Parallelen oder Geraden im Rechten Winkel. 3. Das Papier so drehen, daß die Gerade in Richtung Nase gezogen werden kann. Die gespreizte linke Hand hält das Papier. 4. Den Stift wie empfohlen oder geübt oder erprobt fassen und an den Ausgangspunkt (oder davor; s.u.) der Geraden bringen. 5. Leicht durchatmen, Atem anhalten, die Muskulatur in eine leichte Starre versetzen. 6. mit mäßiger Geschwindigkeit (s.u.) die Gerade ohne abzusetzen von oben nach unten durchziehen. Die Bewegung darf nur aus dem Oberarm kommen. 7. Bei sehr langen Geraden (bei Plakaten) ist es vortei lhaft, zu stehen und den Gesamtweg auf Oberarm und den pendelnden Körper aufzuteilen. Das geht natürl ich nur, wenn man sich nicht aufstützt.
Bild 2.6. Die Linie sollte mit der Nase fluchten
8. Am Anfang der Geraden erhält man durch den "Anfahrvorgang" fast unweigerlich einen "Wackler". Wenn man einige cm vor dem gewünschten Punkt startet, kann man den Wackler wegradieren.
Zur Gesc hwindigkeit: Eine wichtige Einflußgröße auf die Dämpfung zwischen Hand und Papier ist die Zeichengeschwindigkeit. Als Grundlage für eigene Versuche seien folgende Richtwerte gegeben: Unter ca. 100 mm/sec erhält man eine ruckende Bewegung ("stick-slip"). Über ca. 300 mm/sec kann man nicht mehr rechtzeitig auf sich abzeichnende "Fehlentwicklungen" der Form reagieren.
21
2.6 Wie man eine gerade Linie zieht Übungsaufgabe 2.1 :
• Ziehen Sie auf etwas gedrehtem Papier (DIN A3 hoch) lange Geraden . • Abstand der Linien untereinander mindestens 40 mm. Sie müssen nicht parallel sein. • Wenn Sie merken, daß eine Linie krumm wird, fangen Sie eine neue an. • Bestimmen und notieren Sie imme r gleich die Geradheit Ihrer Geraden .
1 \
I
\ Bild 2.7. Lange Geraden auf DINA3 ziehen .
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Bild 2.8. Bestimmung der Geradheit
3 Gerade durch zwei Punkte
Es ist schwierig, eine gerade Linie zu ziehen und gleichzeitig dabei einen bestimmten Punkt zu treffen. Wenn eine Gerade durch einen Punkt gelegt werden soll, dann sollte man deshalb die Gerade an diesem Punkt beginnen. Gelegentlich müssen auch zwei entfernte Punkte (Abstand ca. 100 bis 300 mm) durch eine Gerade verbunden werden. Dafür gibt es zwei Methoden:
3.1 Non-Stop-Methode Die Non-Stop-Methode ist schnell , aber nicht einfach und risikoreich . Sie erfordert ständige Übung. 1. Sich etwas zurücklehnen und das Papier so drehen , daß die zu verbindenden Punkte mit der Nase fluchten. 2. Die Verbindungsstrecke mehrfach mit den Augen abfahren, einprägen oder vorstellen. 3. Mit dem Stift (Armbewegung und Haltung wie beim Zeichnen langer Geraden) die Punkte mit einigen "Leerhüben" in der Luft verbinden, um zu sehen, ob man das Zieikreuz trifft. Die Abweichung läßt sich verringern, indem man danach das Papier mit der Linken entspechend dreht , die Ziehrichtung aber beim nächsten Versuch beibehält. 4. Mit mäßiger Geschwindigkeit die Gerade ohne abzusetzen von oben nach unten durchziehen. ü bungsa ufga be 3.1: • Zeichn en Sie auf einem Papier DIN A4 oder A3quer oben und unten in unregelm äßigen Abständ en (20 bis 30 mm) Kreuze (10 mm ). • Die Kreuze müssen deutli ch, d.h. dünn und schwarz sein. • Verb inden Sie imm er zwei Kreuze durch eine gerade Linie • Arbeiten Sie von links nach rechts fortschreitend. • Wenn Sie merken, daß Sie das Ziel verfehlen, versuchen Sie nicht , die Linie hinzub iegen - es wäre keine Gerade mehr. • Messen und not ieren Sie die Ge radheit der Linie und die Abwe ichun g vom Zie lkreuz.
3.\
23
Non-Stop-Methode
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1/
Bild 5.4. Halbierun g der Seiten von Parallelogrammen ist schwierig
Die Hälften an den spitzen Winkeln werden zu lang. Das Halbieren von Parallelogrammen kommt beim perspektivischen Zeichnen so häufig vor, daß man sich mit dieser Unzulänglichkeit nicht zufrieden geben kann. (In Abschn. 10.3 wird eine Lösung des Problems gegeben.) Unter bestimmten Betr achtungswinkeln gibt es eine gewisse Unsicherheit darüber, ob eine Strecke direkt oder über die Halbie rung des Blickwinkels halbiert wird. Beides führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Um diesen Konflikt zu verm eiden, sollte die zu halbierende Strecke immer quer ("horizontal ") vor dem Betrachter liegen.
t t
l1iTTE ~ Bild 5.5. Nicht schräg auf eine Strecke sehen, die halbiert werden soll
36
5 Augenmaß
Eine gute Methode zur Herstellung von Symmetrie ist, aus der zu halbierenden Strecke und dem Zeichenstift ein "T" zu bilden. Es gibt mehrere Ansätze, um die Täuschung durch Unsymmetrie weiter zu mildern: Die Zeichenhand möglichst weit weg bringen oder sie symmetrisch halten oder sie mit der anderen symmetrisch ergänzen.
Bild 5.6. Symmetrie mit Hand und Stift herstellen
37
5.4 Halbieren
Bei langen Strecken und in den Fällen, wo es auf Genauigkeit ankommt, trägt man von beiden Enden der Strecke gleiche Beträge ab (s. Abschn. 5.5 "Verdoppeln") und halbiert dann mit Augenmaß den verbliebenen Rest:
Bild 5.7. Lange Strecken halbieren
übungsaufgabe 5.3:
• Zeichnen Sie unregelmäßig verteilte Strecken mit einer Länge von 80 - 180 mm. • Halbieren Sie die Strecken nach Augenmaß. • Die zu halbierende Strecke sollte quer ("horizontal") vor Ihnen liegen. • Messen Sie jedesmal die beiden Hälften nach und notieren Sie die Werte .
5'1
46
Bild 5.8. Strecken halbieren
4-2.
38
5 Augenmaß
5.5 Verdoppeln Das Verdoppeln ist dem Halbieren sehr ähnlich, weil man beim Schätzen wieder zwei Hälften vergleicht. Es gibt allerdings Situationen, in denen die Genauigkeit des Verdoppelns kritisch ist. (Beim Vervielfachen akkumulieren sich die Schätzfehler.) Dann ist es angebracht, die zu vervielfachende Strecke auf einem gefalt eten Papierstreifen oder an der Kante eines Papierbogens zu markieren und auf der verlängerten Strecke abzutragen.
Bild 5.9. Papierstreifenmethode zum Verv ielfachen von Strecken
Schneller ist die Methode, den Stift zum Abgreifen einer Strecke zu verwenden. Den Stift parallel zur Strecke legen, und zwar so, daß die Spitze über der linken Begrenzung der Strecke liegt. Mit der rechten Hand greifen und an die Stelle transportieren, an der das Maß benötigt wird. Mit dem linken Daumennagel auf dem Papier mark ieren.
Bild S.10. Abgreifen und Übertragen von Strecken
39
5.5 Verdoppeln ü bungsaufgabe 5.4:
• Zeichnen Sie Strecken mit einer Länge von 30 bis 80 mm, und zwar so, daß noch genügend Platz zum Verdoppeln bleibt. • Verlängern Sie zunächst die Strecke nach einer Seite hin. Damit die Verlängerung fluchtet , muß die Strecke auf Ihre Nase zeigen (das Papier drehen). • Markieren Sie die doppelte Länge nach Augenmaß. Die zu verdoppe lnde Strecke sollte quer ("horizontal") vor Ihnen liegen (das Papier drehen). • Messen Sie die beiden Hälften nach und notieren Sie die Werte . • Was ist einfacher bzw. genauer, Halbieren oder Verdoppeln?
G2.
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36
Bild 5.11. Strecken verdoppeln
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4-2.
40
5 Augenmaß
5.6 Dritteln Dritt eln ist schwieriger als Halbieren und Verdo ppeln, besond ers, wenn die Strec ken größe r als ca. 30 mm we rde n. I. Die zu drittelnde Strecke sollte quer vor dem Zeichner liegen. 2. Der Zeichenstift sollte weit aus der Hand ragen, um nichts zu verdecken und um nicht abzulenken. 3. In einer ersten Schätzung werden die Drittel mit dünnen Punkten unterhalb der Strecke markiert. 4. Die Zeichenhand wird zurückgezogen, und die Dritt el werden miteinander verglichen - das linke Drittel mit dem mittleren und das mittlere mit dem rechten - als ob man die Gen auigkeit einer Halbierung beurteilen würde. Eine andere Methode ist, ein Drittel halb so lang zu schätzen wie die sich ergebende Reststrecke. 5. Ist die Drittelung nicht zufriedenstellend. werden die Punkte ausradiert, um beim näch sten Versuch nicht abzulenken. 6. Sind die notwendigen Korrekturen klein, markiert man die endg ültige Einteilung mit kleinen Strichen auf der Strecke. ü b ungsa u fga be 5.5:
• Zeichnen Sie Strecken mit einer Länge von 60 bis 180 mm • Die Strecken sollen leicht gegeneinander geneig t sein. • Dritteln Sie die Seiten mit dem beschrie benen Verfahren. • Messen Sie die Drittel nach und notieren Sie die Werte.
4-9 ~
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1. 2.1\
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~6 2.8 Bild 5.12. Strecken dritteln
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