Strömungslehre: Einführung in die Theorie der Strömungen [7ed.]
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Zitiervorschau

Springer-Lehrbuch

Joseph H. Spurk Nuri Aksel

Strömungslehre Einführung in die Theorie der Strömungen 7. Auflage Mit Aufgaben und Übungsbeispielen auf CD-ROM und 231 Abbildungen

123

Prof. Dr.-Ing. Joseph H. Spurk (em.) TU Darmstadt Institut für Technische Strömungslehre Petersenstraße 30 64287 Darmstadt Deutschland

Prof. Dr. rer. nat. Nuri Aksel Universität Bayreuth Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften Lehrstuhl für Technische Mechanik und Strömungsmechanik 95440 Bayreuth Deutschland

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN-10 3-540-38439-1 7. Aufl. Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-38439-7 7. Aufl. Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 3-540-26293-8 6. Aufl. Springer Berlin Heidelberg New York

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist nicht Urheber der Daten und Programme. Weder Springer noch der Autor übernehmen die Haftung für die CD-ROM und das Buch, einschließlich ihrer Qualität, Handels- und Anwendungseignung. In keinem Fall übernehmen Springer oder der Autor Haftung für direkte, indirekte, zufällige oder Folgeschäden, die sich aus der Nutzung der CD-ROM oder des Buches ergeben. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1987, 1989, 1993, 1996, 2004, 2006 und 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuziehen. Satz: Da-TEX Gerd Blumenstein, Leipzig Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier

SPIN: 11837763

7/3100/YL - 5 4 3 2 1 0

Vorwort

Vorwort zur 7. Auflage Auch die sechste Auflage war rasch vergriffen, so daß fr¨ uhzeitig Gelegenheit bestand, die Druckfehler, die durch die Umstellung auf elektronische Datentr¨ager verursacht wurden, zu korrigieren.

Bad K¨ onig, im Sommer 2006

J. H. Spurk N. Aksel

VI

Vorwort

Vorwort zur 6. Auflage Die f¨ unfte Auflage war rasch vergriffen, so daß der Verleger mit dem Wunsch nach einer neuen Auflage an mich heran getreten ist. So erfreulich die gute Aufnahme des Buches f¨ ur mich auch ist, so bereitet eine Neuauflage doch einen erheblichen Aufwand ohne die Unterst¨ utzung, die mir vorher als Lehrstuhlinhaber in rein technischer Hinsicht gew¨ahrt wurde. Mehr Sorge hat mir die gew¨ unschte Erweiterung bereitet: In den Rezensionen der vorhergehenden Auflagen wurde der Stoffumfang u ur ein ¨ berwiegend als angemessen f¨ einf¨ uhrendes Lehrbuch an wissenschaftlichen Hochschulen bezeichnet, und im pers¨ onlichen Gespr¨ ach mit Kollegen wurde von einer K¨ urzung des bisherigen Stoffes abgeraten. Auf der anderen Seite wurde mir von einigen Rezensenten auch die Aufnahme neuer Kapitel empfohlen und besonders eine Darstellung ,,Schleichender Str¨ omungen“. Den Ausschlag, ein Kapitel u ¨ ber dieses Thema einzuf¨ ugen, hat aber Herr Prof. Dr. rer. nat. Nuri Aksel gegeben, der auf diesem Gebiet aktiv forscht, und der mich schon bei den fr¨ uheren Auflagen unterst¨ utzt hat. Das Kapitel ,,Hydrodynamische Schmierung“ ist auf sein Anraten ebenfalls um lokale Schichtenstr¨ omungen erweitert worden und enth¨alt ein Beispiel, das von ihm beigesteuert wurde. Hier erscheint auch eine bisher unver¨ offentlichte Arbeit u ¨ber Partikelfilter, die aus meiner Beratert¨atigkeit entstanden ist. In einigen Rezensionen wurde Klage gef¨ uhrt, daß das Lehrbuch keine ¨ ¨ Ubungsaufgaben enthielte. In der Tat: aus Gr¨ unden der Ubersichtlichkeit und des Stoffumfangs wurde darauf verzichtet. Statt dessen hatte ich eine dem Stoff des Lehrbuches zugeordnete Aufgabensammlung verfaßt, die im selben Verlag bereits 1993 erschienen ist. Offensichtlich ist der Aufgabenband in weiten Leserkreisen unbekannt geblieben. Der Verleger hat sich nun entschieden, die zweite Auflage dieser Aufgabensammlung in Form einer CD dem vorliegenden Band beizuf¨ ugen. Ich habe diesen Schritt begr¨ ußt, weil damit unmittelbar die M¨ oglichkeit gegeben ist, den Stoff des Lehrbuches durch ¨ ¨ Ubungsbeispiele zu vertiefen. Viele Ubungsaufgaben wurden durch Industriekontakte angeregt und ich hoffe, daß die Sammlung auch nach dem Studium noch n¨ utzliche Anregungen f¨ ur die Praxis geben m¨oge. art, eventuelle zuk¨ unftige Auflagen des Herr Prof. Aksel hat sich bereit erkl¨ Lehrbuches zu besorgen, wof¨ ur ich ihm sehr dankbar bin. Aus diesem Grund erscheint auch sein Name als Autor ab dieser Auflage. F¨ ur alle Fehler und Unterlassungen in der vorliegenden Auflage bin ich aber allein verantwortlich.

Bad K¨ onig, im Fr¨ uhjahr 2005

J. H. Spurk

Inhaltsverzeichnis

Kontinuumsbegriff und Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Eigenschaften der Fl¨ ussigkeiten, Kontinuumshypothese . . . . . . 1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Materielle und Feldbeschreibungsweise . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Bahnlinie, Stromlinie, Streichlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Zeitableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 1.2.4 Bewegungszustand, Anderung materieller Linien-, Fl¨ achen- und Volumenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 1.2.5 Zeitliche Anderung materieller Integrale . . . . . . . . . . . . .

18 31

2

Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Erhaltungssatz der Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Impulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Drallsatz oder Drehimpulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Impuls- und Drallsatz im beschleunigten Bezugssystem . . . . . . 2.5 Anwendungsbeispiele aus dem Turbomaschinenbau . . . . . . . . . 2.6 Bilanz der Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Bilanz der Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Thermodynamische Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 39 47 49 58 69 73 76

3

Materialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

4

Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze . . . . . . 4.1 Newtonsche Fl¨ ussigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Navier-Stokessche Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Wirbeltransportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Einfluß der Reynoldsschen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Eulersche Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Bernoullische Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Wirbels¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Integration der Energiegleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Anfangs- und Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Vereinfachung der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1 1 8 8 10 15

101 101 101 104 107 113 113 114 120 147 150 154

VIII

Inhaltsverzeichnis

5

Hydrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Hydrostatische Druckverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Hydrostatischer Auftrieb, Kraft auf W¨ande . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Freie Oberfl¨ achen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161 161 167 172

6

Laminare Schichtenstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Couette-Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Couette-Poiseuille-Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Filmstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.4 Str¨ omung zwischen zwei konzentrisch rotierenden Zylindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.5 Hagen-Poiseuille-Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.6 Str¨ omung durch nichtkreisf¨ ormige Rohre . . . . . . . . . . . . 6.2 Instation¨ are Schichtenstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Die periodisch in ihrer Ebene bewegte Wand . . . . . . . . . 6.2.2 Die pl¨ otzlich in Gang gesetzte Wand . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Schichtenstr¨ omungen Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten . . . . . . 6.3.1 Station¨ are Str¨ omung durch ein gerades Kreisrohr . . . . . 6.3.2 Station¨ are Schichtenstr¨ omung zwischen einer rotierenden Scheibe und einer festen Wand . . . . . . . . . . 6.3.3 Instation¨ are Schichtenstr¨ omung einer Fl¨ ussigkeit zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Schichtenstr¨ omungen bei Bingham-Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Druck-Schlepp-Str¨ omung eines Bingham-Materials . . . . 6.4.2 Rohrstr¨ omung eines Bingham-Materials . . . . . . . . . . . . .

179 180 180 181 184

205 210 210 216

7

uge turbulenter Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundz¨ 7.1 Stabilit¨at und Entstehung der Turbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Reynoldssche Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Turbulente Scherstr¨ omung in der N¨ ahe einer Wand . . . . . . . . . 7.4 Turbulente Str¨ omung in glatten Rohren und Kan¨alen . . . . . . . 7.5 Turbulente Str¨ omung in rauhen Rohren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219 219 222 228 238 241

8

Hydrodynamische Schmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Reynoldssche Gleichung der Schmiertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Statisch belastete Gleitlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Unendlich langes Radiallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Unendlich kurzes Radiallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Endlich langes Radiallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Dynamisch belastete Gleitlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Unendlich langes Radiallager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Gleitstempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Quetschstr¨ omung eines Bingham-Materials . . . . . . . . . . 8.4 Filmstr¨ omung u ber halbunendliche Wand . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨

245 245 248 248 255 255 256 257 258 263 265

186 188 192 196 196 199 201 201 203

Inhaltsverzeichnis

IX

8.5 Str¨ omung durch Partikelfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 8.6 Str¨ omung durch ein por¨ oses Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 8.7 Hele-Shaw-Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 9

Stromfadentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 9.1 Inkompressible Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 9.1.1 Die Kontinuit¨ atsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 9.1.2 Die reibungsfreie Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 9.1.3 Die reibungsbehaftete Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 9.1.4 Anwendung auf Str¨ omungen durch Rohre mit ver¨ anderlichem Querschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 9.1.5 Der viskose Strahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 9.2.1 Str¨ omung durch Rohre mit ver¨anderlichem Querschnitt 298 9.2.2 Str¨ omung durch Rohre mit konstantem Querschnitt . . 310 9.2.3 Gleichungen des senkrechten Verdichtungsstoßes . . . . . . 314 9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

10 Potentialstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 10.1 Eindimensionale Schallausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 10.2 Station¨ are kompressible Potentialstr¨omung . . . . . . . . . . . . . . . . 345 10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 10.3.1 Einfache Beispiele f¨ ur Potentialstr¨omungen . . . . . . . . . . 349 10.3.2 Virtuelle Massen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 10.4 Ebene Potentialstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 10.4.1 Beispiele f¨ ur inkompressible, ebene Potentialstr¨omungen379 10.4.2 Komplexes Potential f¨ ur ebene Str¨omungen . . . . . . . . . . 383 10.4.3 Blasius-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 10.4.4 Kutta-Joukowsky-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 10.4.5 Konforme Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 10.4.6 Schwarz-Christoffel-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 10.4.7 Freistrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 10.4.8 Str¨ omung um Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 10.4.9 N¨ aherungsl¨ osung f¨ ur schlanke Profile in inkompressibler Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 10.4.10Schlanke Profile in kompressibler Str¨omung . . . . . . . . . . 422 ¨ 11 Uberschallstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Schr¨ ager Verdichtungsstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Abgel¨ oster Verdichtungsstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Reflexion schr¨ ager St¨ oße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 11.4 Uberschall-Potentialstr¨ omung um schlanke Profile . . . . . . . . . . 11.5 Prandtl-Meyer-Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Stoß-Expansions-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

425 426 429 429 431 434 440

X

Inhaltsverzeichnis

12 Grenzschichttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.1 Ebene Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.2 Keilstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.3 Instation¨ are Staupunktstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.4 Allgemeines Umstr¨ omungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Temperaturgrenzschicht bei erzwungener Konvektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Temperaturgrenzschicht bei nat¨ urlicher Konvektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Integralmethoden der Grenzschichttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Turbulente Grenzschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Schleichende Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨omungen . . . . . . . . . . . . . 13.1.1 Beispiele ebener Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1.2 Das Umstr¨ omungsproblem in ebener schleichender Str¨ omung (Stokessches Paradoxon) . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1.3 Schleichende Str¨ omung um eine Kugel . . . . . . . . . . . . . .

445 449 450 454 457 458 460 466 469 473 483 483 485 498 499

A

Einf¨ uhrung in die kartesische Tensorrechnung . . . . . . . . . . . . 505 A.1 Summationskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 A.2 Kartesische Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506

B

Krummlinige Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.1 Kartesische Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.2 Zylinderkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B.3 Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C

Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung . . . . . 533

D

Stoffwerte von Luft und Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

517 524 526 529

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

1.1 Eigenschaften der Flu ¨ ssigkeiten, Kontinuumshypothese Die Str¨ omungslehre befaßt sich mit dem Verhalten von Fl¨ ussigkeiten, d. h. von Materie, die sich unter dem Einfluß von Scherkr¨aften unbegrenzt verformt. Die zur Verformung eines fl¨ ussigen K¨ orpers notwendigen Scherkr¨afte gehen gegen null, wenn die Verformungsgeschwindigkeit gegen null geht. Diese Eigenschaft dient als Definition einer Fl¨ ussigkeit und beruht auf ihrer Z¨ahigkeit (Viskosit¨ at). Im Gegensatz dazu gehen beim festen K¨orper die zu einer bestimmten Verformung notwendigen Kr¨ afte gegen null, wenn die Verformung selbst gegen null geht. Zur Veranschaulichung kann ein zwischen zwei parallelen Platten befindliches und an diesen haftendes Material dienen, welches durch die Scherkraft F belastet ist (Abb. 1.1). Wenn die Erstreckung des Materials in Richtung senkrecht zur Zeichenebene und in x-Richtung sehr viel gr¨oßer ist als in yRichtung, so zeigt die Erfahrung, daß bei vielen festen K¨orpern (Hookesche Festk¨ orper) die auf die Plattenfl¨ ache bezogene Kraft τ = F/A proportional zur Auslenkung a und umgekehrt proportional zum Plattenabstand h ist. Schon aus Dimensionsgr¨ unden muß aber wenigstens noch eine dimensionsbehaftete materialtypische Gr¨ oße auftreten, die Gleitmodul G genannt wird. Der Zusammenhang zwischen Scherwinkel γ = a/h und τ τ = Gγ

(γ  1)

Abbildung 1.1. Scherung zwischen parallelen Platten

(1.1)

2

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

erf¨ ullt die Definition des festen K¨ orpers, d. h. die bezogene Kraft τ geht nur gegen null wenn die Verformung γ selbst gegen null geht. Im allgemeinen ist der Zusammenhang von allgemeinerer Natur z. B. τ = f (γ), wobei aber gilt f (0) = 0, wenn das Material ein fester K¨ orper sein soll. Ist das Material eine Fl¨ ussigkeit, so vergr¨oßert sich die Auslenkung im Laufe der Zeit unter dem Einfluß einer konstanten Scherkraft immer mehr, d. h. es besteht keine Relation zwischen ihr und der Auslenkung. Hingegen zeigt die Erfahrung, daß bei vielen Fl¨ ussigkeiten die Kraft proportional zur ¨ zeitlichen Anderung der Auslenkung, also proportional zur Geschwindigkeit ist, mit der die Platte geschleppt wird, und wieder umgekehrt proportional zum Abstand der Platten ist. Man denkt sich dabei die Platte mit konstanter Geschwindigkeit geschleppt, damit die Eigenschaft des Materials, tr¨age Masse zu besitzen, nicht ins Spiel kommt. Die aus Dimensionsgr¨ unden notwendige Gr¨oße ist die Scherz¨ahigkeit (Scherviskosit¨at) η, so daß der gesuchte Zusammenhang nunmehr mit U = da/dt lautet: τ =η

U = η γ˙ , h

(1.2)

oder, wenn die Scherrate γ˙ gleich du/dy gesetzt wird, auch τ (y) = η

du . dy

(1.3)

τ (y) ist die Schubspannung an einem Fl¨ achenelement parallel zu den Platten an der Stelle y. Bei der sich einstellenden Einfachen Scherstr¨omung ist nur die x-Komponente der Geschwindigkeit von null verschieden und eine lineare Funktion von y. Obiger Zusammenhang war Newton bekannt, und er wird f¨alschlicherweise zuweilen zur Definition Newtonscher Fl¨ ussigkeiten benutzt. Es gibt aber auch Nicht-Newtonsche Fl¨ ussigkeiten, die bei dem hier ins Auge gefaßten einfachen Spannungszustand eine lineare Relation zwischen der Schubspannung τ und der Scherrate γ˙ zeigen. Allgemein lautet der Zusammenhang τ = f (γ) ˙ mit f (0) = 0, wenn das Material eine Fl¨ ussigkeit sein soll. Wenngleich eine Vielzahl von wirklichen Materialien diesen Klassifizierungskriterien gen¨ ugt, so gibt es eine Reihe von Stoffen, die dualen Charakter zeigen. Zu ihnen geh¨ oren die glasartigen Materialien, die ebenso wie die tropfbaren Fl¨ ussigkeiten keine Kristallstruktur zeigen. Unter langfristiger Belastung beginnen diese Stoffe zu fließen, d. h. sich unbegrenzt zu verformen. Bei kurzfristiger Belastung zeigen sie dagegen das Verhalten fester K¨orper. Asphalt ist hierf¨ ur ein vielzitiertes Beispiel: Man kann auf Asphalt laufen, ohne Eindr¨ ucke zu hinterlassen (kurzfristige Belastung), bleibt man aber auf Asphalt l¨ angere Zeit stehen, so sinkt man schließlich ein. Unter sehr kurzfristigen Belastungen, wie z. B. durch einen Hammerschlag, zersplittert

1.1 Eigenschaften der Fl¨ ussigkeiten, Kontinuumshypothese

3

Abbildung 1.2. p-v-Diagramm

Asphalt, was seine strukturelle Verwandtschaft zu Glas besonders deutlich macht. Andere Materialien verhalten sich bei Belastung unterhalb einer bestimmten Schubspannung auch langfristig wie ein fester K¨orper, oberhalb dieser Spannung aber wie Fl¨ ussigkeiten. Der typische Vertreter dieser Stoffe (Bingham-Materialien) ist Farbe, die offensichtlich dieses Verhalten zeigen muß, damit auf Fl¨ achen parallel zur Schwerkraft u ¨ berhaupt eine Farbschicht haften bleibt. Definiert man eine Fl¨ ussigkeit in obigem Sinne, so umfaßt dieser Begriff tropfbare Fl¨ ussigkeiten und Gase, da beide keinen Widerstand gegen Form¨ anderungen zeigen, wenn die Form¨ anderungsgeschwindigkeit gegen null geht. Fl¨ ussigkeiten im engeren Sinne, also tropfbare Fl¨ ussigkeiten, bilden durch Kondensation eine freie Oberfl¨ ache und f¨ ullen im allgemeinen den zur Verf¨ ugung stehenden Raum, z. B. in einem Gef¨aß, nicht aus. Gase hingegen f¨ ullen den zur Verf¨ ugung stehenden Raum vollst¨andig aus. In der Dynamik unterscheidet sich das Verhalten zwischen Gasen und tropfbaren Fl¨ ussigkeiten aber nicht, solange sich das Volumen beim dynamischen Vorgang nicht uckbarkeit von Gasen liegt in der Tat ¨andert. In der leichten Zusammendr¨ der wesentliche Unterschied dieser zu den tropfbaren Fl¨ ussigkeiten. Bei Erhitzung u ussig¨ber die kritische Temperatur hinaus verliert die tropfbare Fl¨ keit die F¨ ahigkeit zu kondensieren und ist dann in einem thermodynamischen Zustand, der sich auch erreichen l¨ aßt, indem man Gas oberhalb der kritischen Temperatur komprimiert, bis es dieselbe Dichte besitzt. In diesem Zustand l¨ aßt sich auch das Gas nicht mehr leicht“ zusammendr¨ ucken. ” Unterscheidendes Merkmal f¨ ur das dynamische Verhalten ist also nicht der Aggregatzustand (gasf¨ ormig oder fl¨ ussig), sondern der Widerstand, den die Fl¨ ussigkeit einer Volumen¨ anderung entgegenstellt. Aufschluß u ¨ ber die zu er-

4

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

wartende Volumen- bzw. Temperatur¨ anderung f¨ ur vorgegebene Druck¨anderung liefert eine graphische Darstellung der Zustandsgleichung f¨ ur reine Stoffe F (p, T, v) = 0 in der bekannten Form des p-v-Diagramms mit T als Parameter (Abb. 1.2). Diese Darstellung zeigt, daß bei dynamischen Vorg¨angen ¨ mit wesentlichen Anderungen von Druck und Temperatur die Ver¨anderlichkeit des Volumens zu ber¨ ucksichtigen ist. Der Zweig der Str¨omungslehre, der sich aus der Ber¨ ucksichtigung der Volumen¨anderung entwickelt hat, ist die Gasdynamik , die die Dynamik der Str¨ omung mit großen Druck¨anderungen als Folge großer Geschwindigkeits¨ anderungen beschreibt. Aber auch in anderen Zweigen der Str¨ omungslehre ist die Volumen¨anderung nicht zu vernachl¨ assigen, u. a. in der Meteorologie; dort als Folge der durch die Wirkung der Schwerkraft hervorgerufenen Druck¨ anderungen in der Atmosph¨are. Das bisher beschriebene Verhalten von festen K¨orpern, tropfbaren Fl¨ ussigkeiten und Gasen erkl¨ art sich aus der molekularen Struktur, der thermischen Bewegung der Molek¨ ule und der Wechselwirkung zwischen den Molek¨ ulen. Mikroskopisch besteht der Hauptunterschied zwischen Gasen einerseits, Fl¨ ussigkeiten und Festk¨ orpern andererseits, im mittleren Abstand zwischen den Molek¨ ulen. Bei Gasen betr¨ agt der Abstand im Normzustand (273,2 K; 1,013 bar) etwa zehn effektive Molek¨ uldurchmesser. Bis auf gelegentliche Zusammenst¨oße bewegen sich die Molek¨ ule auf praktisch geraden Bahnen, d. h. nur w¨ahrend eines Zusammenstoßes von in der Regel zwei Molek¨ ulen findet eine Wechselwirkung statt. Die Molek¨ ule ziehen sich zun¨ achst schwach an und stoßen sich dann stark ab, wenn der Abstand merklich kleiner als der effektive Durchmesser wird. Die freie Wegl¨ange ist im allgemeinen gr¨oßer als der mittlere Abstand, unter Umst¨ anden sogar betr¨ achtlich gr¨oßer. Bei Fl¨ ussigkeiten und festen K¨ orpern betr¨agt der mittlere Abstand etwa einen effektiven Durchmesser. Hier besteht immer eine Wechselwirkung zwischen den Molek¨ ulen. Der große Widerstand, den Fl¨ ussigkeiten und feste K¨ orper Volumen¨ anderungen entgegensetzen, erkl¨art sich aus der Tatsache, daß sich die Molek¨ ule stark abstoßen, wenn der Abstand merklich kleiner als der effektive Molek¨ uldurchmesser wird. Auch Gase setzen Volumen¨anderungen einen Widerstand entgegen, der allerdings im Normzustand viel kleiner und proportional zur kinetischen Energie der Molek¨ ule ist. Erst wenn das Gas so hoch komprimiert ist, daß die Abst¨ ande vergleichbar werden mit den mittleren Molek¨ ulabst¨ anden einer tropfbaren Fl¨ ussigkeit, wird der Widerstand gegen Volumen¨ anderung so groß wie bei Fl¨ ussigkeiten, und dann aus demselben Grund. Echte Festk¨ orper zeigen eine Kristallstruktur; die Molek¨ ule sind git¨ terf¨ ormig angeordnet und schwingen um ihre Ruhelage. Beim Uberschreiten des Schmelzpunktes zerf¨ allt dieses Gitter, und in der Fl¨ ussigkeit sind die Molek¨ ule mehr oder weniger ungeordnet, sie f¨ uhren noch oszillatorische Bewegungen aus, tauschen ihre Pl¨ atze aber oft aus. Die hohe Mobilit¨at der ussigkeiten Molek¨ ule liefert die Erkl¨ arung f¨ ur die leichte Verformbarkeit der Fl¨ unter dem Einfluß von Scherkr¨ aften.

1.1 Eigenschaften der Fl¨ ussigkeiten, Kontinuumshypothese

5

Es erscheint zun¨ achst naheliegend, die Bewegung eines ins Auge gefaßten Teiles der Materie durch Integration der Bewegungsgleichung der ihn ausmachenden Molek¨ ule zu berechnen. Wegen der im allgemeinen sehr großen Zahl von Molek¨ ulen eines technisch interessierenden Teils der Materie ist dieses Verfahren schon aus rechnerischen Gr¨ unden unm¨oglich. Es ist aber auch grunds¨ atzlich nicht durchf¨ uhrbar, da sich Ort und Impuls eines Molek¨ uls nicht gleichzeitig angeben lassen (Heisenbergsche Unsch¨arferelation), und somit die Anfangsbedingungen f¨ ur die Integration nicht vorliegen. Im u brigen w¨ a re die detaillierte Information u ¨ ¨ ber die molekulare Bewegung technisch nicht unmittelbar anwendbar und m¨ ußte in geeigneter Weise gemittelt werden. Es ist daher zweckm¨ aßiger, von vornherein mittlere Gr¨oßen eines Molek¨ ulhaufens zu betrachten, also z. B. die mittlere Geschwindigkeit 1 ci , n 1 n

u =

(1.4)

wenn ci die Molek¨ ulgeschwindigkeiten und n die Anzahl der Molek¨ ule im Molek¨ ulhaufen sind. Dieser Molek¨ ulhaufen ist der kleinste Teil der Materie, den wir betrachten wollen, wir nennen ihn Fl¨ ussigkeitsteilchen. Um diesen Namen zu rechtfertigen, muß das Volumen, das der Molek¨ ulhaufen einnimmt, klein im Vergleich zu dem Volumen sein, das der gesamte, technisch interessierende Teil der Fl¨ ussigkeit einnimmt. Auf der anderen Seite muß die Zahl der Molek¨ ule im Molek¨ ulhaufen so groß sein, daß die Mittelung sinnvoll, d. h. unabh¨ angig von der Anzahl der Molek¨ ule wird. Wenn man bedenkt, daß die Zahl der Molek¨ ule in einem Kubikzentimeter Gas im Normzustand 2, 7 ∗ 1019 (Loschmidtsche Zahl ) betr¨ agt, so wird ersichtlich, daß diese Bedingungen bei vielen technischen Anwendungen erf¨ ullt sind. Auf diese Weise l¨ aßt sich die wichtigste Eigenschaft eines Kontinuums, die der Massendichte ρ einf¨ uhren. Sie ist definiert als das Verh¨altnis der Summe der Molek¨ ulmassen im Haufen zum eingenommenen Volumen mit der Maßgabe, daß das Volumen bzw. seine lineare Abmessung groß genug sein muß, damit die Dichte des Fl¨ ussigkeitsteilchens von seinem Volumen unabh¨ angig ist. Die lineare Abmessung des Volumens muß aber andererseits klein gegen die makroskopisch interessierende L¨ ange sein. Es wird sogar zweckm¨aßig sein, das Volumen des Fl¨ ussigkeitsteilchens als unendlich klein im Vergleich zu dem Volumen anzunehmen, das der gesamte interessierende Fl¨ ussigkeitsteil einnimmt. Diese Annahme bildet die Basis der Kontinuumshypothese. Im Rahmen dieser Hypothese betrachten wir das Fl¨ ussigkeitsteilchen als einen materiellen Punkt und die Dichte (oder andere Gr¨ oßen) im betrachteten Teil der Fl¨ ussigkeit als stetige Funktion des Ortes und der Zeit. Der der Betrachtung unterzogene Teil der Fl¨ ussigkeit besteht aus unendlich vielen materiellen Punkten, und wir erwarten, daß die Beschreibung der Bewegung dieses Kontinuums im allgemeinen auf partielle Differentialgleichungen f¨ uhren wird. Die Annahmen,

6

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

die uns von der Materie zum idealisierten Modell des Kontinuums gef¨ uhrt haben, sind allerdings nicht in allen technischen Anwendungen erf¨ ullt. Ein Beispiel ist das Umstr¨ omungsproblem bei sehr niedrigen Gasdichten, wie es beim Flug in sehr großen H¨ ohen auftritt. Die zur sinnvollen Mittelung n¨otige Anzahl von Molek¨ ulen nimmt dann ein so großes Volumen ein, daß dieses vergleichbar mit dem Volumen des Flugk¨ orpers selbst wird. Zur Beschreibung der Vorg¨ ange innerhalb eines Verdichtungsstoßes (siehe Kapitel 9), wie er in der Gasdynamik h¨ aufig auftritt, ist die Kontinuumstheorie u. U. ebenfalls nicht geeignet. Solche St¨oße haben Dicken in der Gr¨ oßenordnung der freien Wegl¨ ange, so daß die linearen Abmessungen des zur Mittelung notwendigen Volumens vergleichbar mit der Dicke des Stoßes werden. Noch ist die thermische Bewegung der Molek¨ ule nicht in das Modell des Kontinuums eingeflossen. Diese Bewegung ist aber bei Gasen die alleinige Ursache f¨ ur die Fl¨ ussigkeitseigenschaften der Z¨ahigkeit. Selbst wenn die durch (1.4) gegebene makroskopische Geschwindigkeit null ist, sind ja die Molek¨ ulgeschwindigkeiten ci bekanntlich nicht gleich null. Dies hat zur Folge, daß die Molek¨ ule im Fl¨ ussigkeitsteilchen aus diesem herauswandern und durch Molek¨ ule, die ins Fl¨ ussigkeitsteilchen hineinwandern, ersetzt werden. Dieser Austauschvorgang gibt Anlaß zu makroskopischen Fl¨ ussigkeitseigenschaften, die als Transporteigenschaften bezeichnet werden. Es ist unmittelbar einleuchtend, daß dieser Austausch Molek¨ ule ins Fl¨ ussigkeitsteilchen bringt, die andere molekulare Eigenschaften (z. B. Molek¨ ulmassen) als die urspr¨ unglich im Fl¨ ussigkeitsteilchen befindlichen Molek¨ ule besitzen. Man stelle sich zur Veranschaulichung ein Gas vor, das aus zwei Molek¨ ularten besteht, ule pro Volumen im sagen wir O2 und N2 . Es sei nun die Zahl der O2 -Molek¨ Fl¨ ussigkeitsteilchen gr¨ oßer als in der Umgebung. Die Zahl der herauswandernden O2 -Molek¨ ule ist proportional zur Zahlendichte im Fl¨ ussigkeitsteilule proportional zur chen, w¨ ahrend die Zahl der hineinwandernden O2 -Molek¨ Zahlendichte in der Umgebung ist. Der Nettoeffekt ist der, daß mehr O2 Molek¨ ule auswandern als O2 -Molek¨ ule einwandern, d. h. die O2 -Zahlendichte paßt sich der Umgebung an. Der besprochene Vorgang stellt aus der Sicht der Kontinuumsbetrachtung die Diffusion dar. Ist nun die Kontinuumsgeschwindigkeit u nach (1.4) im Fl¨ ussigkeitsteilchen gr¨ oßer als die der Umgebung, so tragen die herauswandernden Molek¨ ule den Anteil der Molek¨ ulgeschwindigkeit, der Anlaß zu u gibt, mit sich. Die sie ersetzenden einwandernden Molek¨ ule haben Molek¨ ulgeschwindigkeiten mit einem geringeren Anteil an der Kontinuumsgeschwindigkeit u. Als Folge findet ein Impulsaustausch durch die Oberfl¨ache des Fl¨ ussigkeitsteilchens statt, der sich als Kraft an der Oberfl¨ ache ¨außert. Bei der Einfachen Scherstr¨ omung ist diese Kraft pro Fl¨ ache an einem Fl¨achenelement parallel zu den Platten durch (1.3) gegeben. Das Vorzeichen dieser Schubspannung ist dabei so, daß die Spannung die Geschwindigkeit zu vergleichm¨aßigen sucht. Hier wird die ungleichm¨ aßige Geschwindigkeit und damit der Impulstransport aber durch die Kraft an der oberen Platte aufrechterhalten.

1.1 Eigenschaften der Fl¨ ussigkeiten, Kontinuumshypothese

7

Dieser Impulstransport verk¨ orpert vom Standpunkt der Kontinuumstheorie die innere Reibung, d. h. die Viskosit¨at . Der Impulsaustausch liefert u ¨brigens nur die Erkl¨ arung f¨ ur die Viskosit¨ at bei Gasen; bei Fl¨ ussigkeiten stehen die Molek¨ ule st¨ andig in Wechselwirkung. Der Platzwechsel, der zwar f¨ ur die Verformbarkeit verantwortlich ist, wird aber durch die Anziehungskr¨afte der Nachbarmolek¨ ule erschwert, und wie wir wissen, umso mehr, je schneller die Form¨ anderung abl¨ auft. Der Beitrag dieser intermolekularen Kr¨afte u ¨ber ein Element der Oberfl¨ ache des Fl¨ ussigkeitsteilchens ist sogar gr¨oßer als der Beitrag des Impulsaustausches. Daher sinkt auch die Viskosit¨at von Fl¨ ussigkeiten bei steigender Temperatur, denn die Platzwechsel werden durch die st¨arkere Bewegung der Molek¨ ule beg¨ unstigt. Bei Gasen hingegen, wo der Impulsaustausch praktisch die alleinige Ursache f¨ ur die Viskosit¨at ist, steigt diese mit der Temperatur, weil mit steigender Temperatur die thermische Geschwindigkeit der Molek¨ ule zunimmt, und damit der Impulsaustausch beg¨ unstigt wird. Das besprochene Austauschmodell f¨ ur Diffusion und Viskosit¨at kann auch zur Erkl¨ arung des dritten Transportprozesses, dem der W¨armeleitung dienen. Bei Gasen f¨ uhren die aus dem Fl¨ ussigkeitsteilchen herauswandernden Molek¨ ule ihre kinetische Energie mit und tauschen sie durch St¨oße mit den Umgebungsmolek¨ ulen aus. Die einwandernden Molek¨ ule tauschen ihrerseits oße ihre Energie mit den Molek¨ ulen im Fl¨ ussigkeitsteilchen aus, so durch St¨ daß die mittlere kinetische Energie (d. h. die Temperatur) in der Fl¨ ussigkeit vergleichm¨ aßigt wird. Neben die bereits erw¨ ahnten Differentialgleichungen f¨ ur die Beschreibung der Kontinuumsbewegung m¨ ussen also noch Beziehungen treten, die den Austausch von Masse (Diffusion), von Impuls (Viskosit¨at) und von kinetischer Energie (W¨ armeleitung) beschreiben. Diese Beziehungen stellen im allgemeinsten Sinne einen Zusammenhang zwischen Konzentration und Diffusionsstrom, zwischen Kr¨ aften und Bewegung, sowie zwischen Temperatur und W¨ armestrom her. Diese Zuordnungen spiegeln aber nur die haupts¨achlichen Gr¨ unde f¨ ur Ursache“ und Wirkung“ wider. Es ist aber aus der kinetischen ” ” Gastheorie bekannt, daß dort eine Wirkung mehrere Ursachen haben kann. So h¨ angt beispielsweise der Diffusionsstrom (Wirkung) von den Inhomogenit¨ aten des Konzentrations-, Temperatur- und Druckfeldes (Ursachen), sowie u. U. noch von ¨ außeren Kr¨ aften ab. Daher m¨ ussen die angesprochenen Beziehungen die Abh¨ angigkeit der Wirkung von mehreren Ursachen zulassen. Solche Beziehungen nennt man Materialgleichungen. Sie spiegeln das durch die molekularen Eigenschaften gepr¨ agte Verhalten der Materie wider. Die Kontinuumstheorie ist aber ph¨ anomenologischer Natur: F¨ ur das betrachtete makroskopische Materialverhalten werden mathematische und daher idealisierte Modelle entwickelt. Dies ist sogar n¨ otig, da sich das reale Materialverhalten nie genau beschreiben l¨ aßt. Aber selbst wenn diese M¨oglichkeit unterstellt wird, w¨ are die Erfassung von Materialeigenschaften, die f¨ ur ein vorliegendes technisches Problem nicht wesentlich sind, eine unn¨ utze Besch¨aftigung. Die Kontinuumstheorie arbeitet deshalb nicht mit realen Materialien, son-

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1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

dern mit Modellen, die in der jeweiligen Anwendung das wirkliche Verhalten gen¨ ugend genau beschreiben sollten. Das Modell des idealen Gases wird sich z. B. f¨ ur viele Anwendungen als sehr n¨ utzlich erweisen, obwohl man ideales Gas nicht kaufen kann! Grunds¨ atzlich lassen sich Modelle allein aus Experimenten und Erfahrungen konstruieren, ohne dabei auf den molekularen Aufbau einzugehen. Die Beachtung der mikroskopischen Struktur vermittelt aber Einsichten, die f¨ ur die Modellvorstellung und f¨ ur die Anwendungsgrenzen eines Modells wichtig sein k¨ onnen.

1.2 Kinematik der Flu ¨ ssigkeiten 1.2.1 Materielle und Feldbeschreibungsweise Die Kinematik ist die Lehre von der Bewegung der Fl¨ ussigkeit oder Teilen davon ohne Ber¨ ucksichtigung der Kr¨ afte, die diese Bewegung verursachen, d. h. ohne Ber¨ ucksichtigung der Bewegungsgleichungen. Es ist naheliegend, die Kinematik des Massenpunktes unmittelbar auf die Kinematik des Fl¨ ussigkeitsteilchens zu u ¨bertragen. Mit der Angabe des zeitabh¨angigen Ortsvektors eines Fl¨ ussigkeitsteilchens x(t) ist dessen Bewegung bez¨ uglich des gew¨ahlten Koordinatensystems gegeben. Im allgemeinen interessiert die Bewegung eines endlich großen Teils der Fl¨ ussigkeit (oder der gesamten Fl¨ ussigkeit), der aus unendlich vielen Fl¨ ussigkeitsteilchen besteht. Deshalb m¨ ussen die einzelnen Teilchen identifizierbar bleiben. Zur Identifikation eignet sich z. B. die Form des Teilchens nicht, da diese sich ja aufgrund der unbegrenzten Verformbarkeit im Laufe der Bewegung st¨ andig ¨ andert. Nat¨ urlich m¨ ussen die linearen Abmessungen trotz der Verformung w¨ ahrend der Bewegung im bereits diskutierten Sinne klein bleiben, was wir durch die Idealisierung des Fl¨ ussigkeitsteilchens als materiellen Punkt sicherstellen. Zur Identifizierung ordnen wir nun jedem materiellen Punkt einen Vektor ξ zu, der f¨ ur ihn charakteristisch ist. F¨ ur ξ kann man z. B. den Ortsvektor x  Die Bewegung der zu einer bestimmten Zeit t0 nehmen, dann ist x(t0 ) = ξ. gesamten betrachteten Fl¨ ussigkeit wird somit durch  t) oder xi = xi (ξj , t) x = x(ξ,

(1.5)

beschrieben. (Wir benutzen dasselbe Symbol f¨ ur die vektorwertige Funktion auf der rechten Seite, wie f¨ ur ihren Wert auf der linken Seite). F¨ ur ein festes, den materiellen Punkt charakterisierendes ξ gibt (1.5) die Bahn dieses materiellen Punktes an (Abb. 1.3). F¨ ur andere ξ ist (1.5) die Gleichung der Bahnkurve der entsprechenden Fl¨ ussigkeitsteilchen. Die Geschwindigkeit u = dx/dt

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

9

Abbildung 1.3. Materielle Beschreibungsweise

und die Beschleunigung b = d2 x/dt2 eines materiellen Punktes ξ werden auch in der Form     ∂x ∂xi  u(ξ, t) = oder ui (ξj , t) = , ∂t ξ ∂t ξj     ∂ui b(ξ,  t) = ∂u oder bi (ξj , t) = ∂t ξ ∂t ξj

(1.6) (1.7)

geschrieben, wobei Ableitung bei festem ξ “ andeutet, daß die Ableitung f¨ ur ”  den ξ-ten“ materiellen Punkt genommen wird. Mißverst¨andnisse bez¨ uglich ” der Ableitung nach t k¨ onnen nicht enstehen, da ξ ein zeitlich unver¨anderlicher Vektor ist. Mathematisch beschreibt (1.5) f¨ ur festes t eine Abbildung des Gebietes, das der betrachtete Fl¨ ussigkeitsteil zur Zeit t0 innehatte, auf das Gebiet, das dieser Fl¨ ussigkeitsteil zur Zeit t einnimmt. Man spricht auch von der Abbildung der Referenzkonfiguration auf die aktuelle Konfiguration. Die Benutzung der Unabh¨ angigen ξ und t nennt man materielle oder Lagrangesche Beschreibungsweise, und deshalb bezeichnet man ξ unmittelbar einleuchtend als materielle Koordinaten. Obwohl die Wahl von ξ und t als unabh¨ angige Ver¨anderliche naheliegt und in manchen Zweigen der Kontinuumsmechanik bevorzugt wird, ist die materielle Beschreibungsweise in der Str¨ omungslehre, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht zweckm¨ aßig. Den meisten Problemen ist eine Betrachtungsweise angepaßt, bei der man feststellt, was am festen Ort oder in einem festen Gebiet im Laufe der Zeit passiert. Die unabh¨angigen Ver¨anderlichen sind dann der Ort x und die Zeit t. Denkt man sich die Gleichung (1.5) nach ξ aufgel¨ ost, erh¨ alt man  x, t) , ξ = ξ(

(1.8)

also den materiellen Punkt, der sich zur Zeit t am Ort x befindet. Mit (1.8) l¨ aßt sich ξ aus (1.6) eliminieren:

10

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

   t) = u ξ(  x, t), t = u(x, t) . u(ξ,

(1.9)

F¨ ur festes x stellt (1.9) die Geschwindigkeit am Ort x als Funktion der Zeit dar. F¨ ur festes t gibt (1.9) das Geschwindigkeitsfeld zur Zeit t an. Man nennt x die Feldkoordinate und die Benutzung der unabh¨angigen Ver¨anderlichen x und t die Eulersche oder Feldbeschreibungsweise. Mit Hilfe von (1.8) kann man jede Gr¨ oße, die in materiellen Koordinaten gegeben ist, auch in Feldkoordinaten angeben; oder umgekehrt mit (1.5) jede Gr¨ oße, die in Feldkoordinaten gegeben ist, in materielle Koordinaten umrechnen. Diese Umrechnung muß eindeutig sein, da am Ort x zur Zeit t nur ein materieller Punkt ξ ist. Die Transformationen (1.5) und (1.8) m¨ ussen daher eindeutig umkehrbar sein, was bekanntlich bei nicht verschwindender Funktionaldeterminante J = det(∂xi /∂ξj ) der Fall ist. Wenn die Geschwindigkeit in Feldkoordinaten gegeben ist, f¨ uhrt die Integration der Differentialgleichungen dx = u(x, t) oder dt

dxi = ui (xj , t) dt

(1.10)

 t). mit den Anfangsbedingungen x(t0 ) = ξ auf die Bahnlinien x = x(ξ, Wenn das Geschwindigkeitsfeld und alle anderen abh¨angigen Gr¨oßen (z. B. die Dichte oder die Temperatur) von der Zeit unabh¨angig sind, nennt man die Bewegung station¨ar , sonst instation¨ar . Die Bevorzugung der Feldbeschreibungsweise begr¨ undet sich auf der einfacheren, den Problemen der Str¨ omungslehre besser angepaßten Kinematik. Man stelle sich nur ein Windkanalexperiment vor, bei dem die Umstr¨omung eines K¨ orpers untersucht wird. Hierbei handelt es sich in der Regel um eine station¨ are Str¨omung. Die Bahnen der Fl¨ ussigkeitsteilchen, d. h. woher ein Teilchen kommt und wohin es letztlich fließt, ist eine Frage von untergeordneter Bedeutung. Desweiteren ist z. B. die experimentelle Bestimmung der Geschwindigkeit als Funktion der materiellen Koordinate (1.6) sehr schwierig. Dagegen bereitet es keine Schwierigkeiten, die Geschwindigkeit nach Gr¨oße und Richtung an jedem Ort zu messen und so experimentell das Geschwindigkeitsfeld u = u(x) oder das Druckfeld p = p(x) festzustellen. Insbesondere l¨aßt sich die Druckverteilung am K¨ orper bestimmen. 1.2.2 Bahnlinie, Stromlinie, Streichlinie Die Differentialgleichung (1.10) zeigt, daß die Bahn des materiellen Punktes u ¨berall tangential zu seiner Geschwindigkeit ist. In dieser Interpretation ist die Bahnlinie Tangentenkurve zu den Geschwindigkeiten desselben materiellen Punktes zu verschiedenen Zeiten. Die Zeit ist der Kurvenparameter der Bahn, und die den materiellen Punkt und somit die Bahn kennzeichnende materielle Koordinate ξ ist der Scharparameter. In der Feldbeschreibungsweise tritt ihrer Bedeutung nach an Stelle der Bahnlinie die Stromlinie: Das Geschwindigkeitsfeld zur Zeit t ordnet jedem

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

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Abbildung 1.4. Stromlinie und Bahnlinien

Punkt x einen Geschwindigkeitsvektor zu. Die Kurven, deren Tangentenrichtungen mit den Richtungen der Geschwindigkeitsvektoren u ¨bereinstimmen, sind die Stromlinien. Sie vermitteln ein anschauliches Bild des Str¨omunsverlaufes zur Zeit t. Die Interpretation der Stromlinien als Tangentialkurven zu den Geschwindigkeitsvektoren verschiedener materieller Teilchen zum gleichen Zeitpunkt macht den Unterschied zu den Bahnlinien in der o. a. Interpretation deutlich: Es besteht keine Beziehung zwischen Bahnlinien und Stromlinien, was nicht ausschließt, daß beide Linien unter Umst¨ anden auf dieselbe Kurve fallen. Der aus dem Geschwindigkeitsvektor u gebildete Einheitsvektor u/|u| ist nach der Definition der Stromlinien gleich dem Tangenteneinheitsvektor τ = dx/|dx| = dx/ds der Stromlinie, wenn dx ein Vektorelement der Stromlinie ist. Daher lauten die Differentialgleichungen der Stromlinie dx u(x, t) = ds |u|

,

(t = const)

(1.11a)

oder in Indexschreibweise dxi ui (xj , t) = √ ds uk uk

,

(t = const) .

(1.11b)

Integration dieser Gleichungen unter der Anfangsbedingung“, daß die Strom” linie durch den Ort x0 geht, also x(s = 0) = x0 , f¨ uhrt auf die Parameterdarstellung der Stromlinie x = x(s, x0 ). Die Bogenl¨ange s, gemessen von x0 ab, ist Kurvenparameter, und x0 ist Scharparameter. Die Bahnlinie eines materiellen Punktes ξ ber¨ uhrt die Stromlinie am Ort x, an dem er sich zur Zeit t befindet. Dieser Sachverhalt ist in Abb. 1.4 dargestellt. Zur Zeit t ist der Geschwindigkeitsvektor des materiellen Punktes per definitionem dort tangential zu seiner Bahn. Zu einer anderen Zeit sind Stromlinien im allgemeinen andere Kurven.

12

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

In station¨ arer Str¨ omung, wo das Geschwindigkeitsfeld zeitunabh¨angig ist (u = u(x)), sind die Stromlinien immer dieselben Kurven wie die Bahnlinien. Die Differentialgleichungen der Bahnlinien lauten dann dx/dt = u(x), wobei im Unterschied zu (1.10) die Zeit t auf der rechten Seite nicht mehr explizit auftritt. Das Element der Bogenl¨ ange l¨angs der Bahn ist dσ = |u|dt, und die Differentialgleichungen f¨ ur die Bahnlinien sind dieselben wie f¨ ur die Stromlinien dx u(x) = , dσ |u|

(1.12)

da die Bezeichnung des Parameters irrelevant ist. In der Interpretation der Integralkurven von (1.12) als Stromlinien sind diese wie bisher Tangentialkurven zu den Geschwindigkeitsvektoren verschiedener materieller Teilchen zur selben Zeit t. Da die Teilchen, die den allgemeinen Ort x passieren, dort immer dieselbe Geschwindigkeit haben, bleiben die Tangentialkurven zeitlich unver¨ andert. Die Interpretation der Integralkurven von (1.12) als Bahnlinien bedeutet, daß sich ein materielles Teilchen im Laufe der Zeit l¨angs der Stromlinie bewegen muß, da es keine Geschwindigkeitskomponente normal zu dieser Kurve erf¨ ahrt. Das hier zun¨ achst f¨ ur station¨ are Geschwindigkeitsfelder Gesagte gilt unver¨ andert f¨ ur solche instation¨ aren Felder bei denen die Richtung des Geschwindigkeitsvektors nicht von der Zeit abh¨ angt, also f¨ ur instation¨are Geschwindigkeitsfelder der Form u(x, t) = f (x, t) u0 (x) .

(1.13)

Besonders in der experimentellen Str¨ omungslehre ist noch die Streichlinie von Bedeutung. Zur festen Zeit t verbindet die Streichlinie alle materiellen Punkte, die zu irgendeiner Zeit t den festen Ort y passiert haben (oder passieren werden). L¨ aßt man am Ort  y z. B. Farbe in die Fl¨ ussigkeit austreten, wie dies oft zur Sichtbarmachung der Str¨ omung geschieht, so bildet sich ein Farbfaden aus. Eine Momentaufnahme des Farbfadens zur Zeit t ist eine Streichlinie. Beispiele f¨ ur Streichlinien sind Rauchfahnen oder sich bewegende Wasserstrahlen, wie man sie bei Wasserspielen beobachtet. Im konkreten Beispiel sei das Feld u = u(x, t) gegeben. Man berechnet die Bahnlinien gem¨ aß (1.10) und l¨ ost diese nach ξ auf. Setzt man in (1.8) x = y und t = t ,  die zur Zeit t am Ort y waren. Die so erh¨ alt man die materiellen Punkte ξ, Bahnkoordinaten dieser Teilchen erh¨ alt man, wenn man die entsprechenden ξ in die Bahngleichungen einsetzt, also    y , t ), t x = x ξ( (1.14) bildet. Zu festen Zeiten t ist t Bahnparameter einer Raumkurve, die durch den festen Punkt  y geht, daher ist diese Raumkurve Streichlinie (Abb. 1.5). (In station¨ arer Str¨ omung fallen Streichlinien, Stromlinien und Bahnlinien auf eine Kurve.)

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

13

Abbildung 1.5. Streichlinie und Bahnlinien

Abbildung 1.6. Stromfl¨ ache und Stromr¨ ohre

Mit den bisher besprochenen Linien lassen sich Fl¨achen einf¨ uhren, die durch die Menge der Linien gebildet werden, die durch eine Kurve C gehen und mit ihr nicht mehr als einen Punkt gemeinsam haben. Ist die Kurve C geschlossen, so bilden die Linien eine R¨ ohre (Abb. 1.6). Von besonderer technischer Bedeutung sind die Stromr¨ohren. Da definitionsgem¨aß der Geschwindigkeitsvektor tangential zur Wand der Stromr¨ohre gerichtet ist, tritt keine Fl¨ ussigkeit durch die Wand der Stromr¨ ohre hindurch. Das heißt aber, daß Kan¨ ale mit festen W¨ anden Stromr¨ ohren bilden. Man kann oft das Verhalten der ganzen Str¨omung durch ihr Verhalten auf einer mittleren“, f¨ ur die gesamte Str¨ omung repr¨asentativen Stromli”

14

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

Abbildung 1.7. Beispiele f¨ ur Stromr¨ ohren

nie beschreiben. Sind die Str¨ omungsgr¨ oßen an den Stellen, an denen sie ermittelt werden sollen, u ¨ ber den Querschnitt der Stromr¨ohre wenigstens n¨ aherungsweise konstant, so wird man auf eine einfache Berechnungsmethode gef¨ uhrt: die sogenannte Stromfadentheorie. Da bei festen W¨anden die Stromr¨ ohre zeitlich unver¨ anderlich ist, sind die Str¨omungsfelder in fast trivialer Weise solche, bei denen sich die Richtung der Geschwindigkeit nicht andert. Daher lassen sich auch instation¨ are Str¨omungen im Rahmen der ¨ Stromfadentheorie verh¨ altnism¨ aßig einfach berechnen. Str¨ omungen, bei denen der ganze interessierende Str¨omungsraum als eine Stromr¨ ohre interpretiert werden kann, trifft man in der Str¨omungslehre h¨aufig an. Man denke nur an Str¨ omungen in Rohren ver¨anderlichen Querschnitts, insbesondere an D¨ usen- und Diffusorstr¨ omungen, aber auch an Str¨omungen in Gerinnen. Der Str¨ omungsraum in Turbomaschinen kann ebenfalls oft als Stromr¨ ohre aufgefaßt werden, und selbst die Str¨omung zwischen engstehenden Schaufeln von Turbinen und Verdichtern l¨aßt sich auf diese Weise n¨aherungsweise behandeln (Abb. 1.7). Der Nutzen dieser quasieindimensionalen Betrachtung des ganzen Str¨omungsraumes wird dadurch erh¨ oht, daß sich oft Korrekturen f¨ ur den mehrdimensionalen Charakter der Str¨ omung angeben lassen. Station¨ are Str¨ omungen haben gegen¨ uber den instation¨aren neben dem Vorzug, raumfeste Stromlinien zu besitzen, auch noch den offensichtlichen anderlichen um eins verangigen Ver¨ Vorteil, daß sich die Anzahl der unabh¨ mindert, wodurch die Berechnung erheblich vereinfacht wird. Man wird daher immer bestrebt sein, ein Bezugssystem zu verwenden, in dem die Str¨omung station¨ ar ist. Betrachtet man z. B. einen K¨ orper, der mit konstanter Geschwindigkeit durch eine im Unendlichen ruhende Fl¨ ussigkeit bewegt wird, so ist die Str¨ omung bez¨ uglich eines ortsfesten Systems instation¨ar, dagegen in bezug auf ein mit dem K¨ orper fest verbundenes System station¨ar.

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

15

Abbildung 1.8. Instation¨ are Str¨ omung f¨ ur einen ruhenden Beobachter, station¨ are Str¨ omung f¨ ur einen mitbewegten Beobachter

Abb. 1.8 macht diesen Sachverhalt am Beispiel einer (reibungsfreien) Str¨ omung, die durch einen von rechts nach links gef¨ uhrten Kreiszylinder verursacht wird, deutlich. Die obere H¨ alfte des Bildes zeigt die instation¨are Str¨ omung bez¨ uglich eines ruhenden Beobachters in dem Augenblick t = t0 , in dem der Zylinder den Ursprung passiert. Die untere Halbebene zeigt dieselbe Str¨ omung bez¨ uglich eines mit dem Zylinder mitbewegten Beobachters. In diesem System wird der Zylinder von links angestr¨omt, und die Str¨omung ist station¨ ar. Aus dem Bereich der t¨ aglichen Erfahrung entspricht das erste Bezugssystem dem eines Beobachters, der an einer Straße steht und eine instation¨are Str¨ omung feststellt, wenn ein Fahrzeug vorbeif¨ahrt. Das zweite System enspricht dem eines Beobachters, der sich im Fahrzeug befindet, und der, z. B. durch Heraushalten einer Hand, eine station¨ are Str¨omung feststellt. 1.2.3 Zeitableitungen In der Feldbeschreibungsweise wird die Aufmerksamkeit auf die Vorg¨ange am ¨ Ort x zur Zeit t gerichtet. Die zeitliche Anderung z. B. der Geschwindigkeit u am Ort x ist aber im allgemeinen nicht die Beschleunigung, die der materielle Punkt erf¨ ahrt, der den Ort x zur Zeit t passiert. Dies ist am Beispiel der station¨ aren Str¨ omung unmittelbar einsichtig, denn dann ist die zeitliche ¨ Anderung am festen Ort null; ein materieller Punkt erf¨ahrt aber im allge¨ meinen eine Anderung der Geschwindigkeit, also eine Beschleunigung, wenn er vom Ort x zum Ort x + dx weiterr¨ uckt. (dx ist das Vektorelement der Bahn des materiellen Punktes.) In den Bilanzs¨atzen der Mechanik sind aber ¨ die Anderungen, die ein materieller Punkt oder ein anderer beliebig großer Teil der Fl¨ ussigkeit erf¨ ahrt, von grunds¨ atzlicher Bedeutung, und nicht die ¨ an einem festen Ort oder in dem Raumgebiet, das die zeitlichen Anderungen

16

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

Fl¨ ussigkeit einnimmt. Wenn die Geschwindigkeit (oder eine andere Gr¨oße) in materiellen Koordinaten gegeben ist, so ist die materielle oder substantielle Ableitung bereits durch (1.6) gegeben. Liegt die Geschwindigkeit aber in Feldkoordinaten vor, so denkt man sich in u(x, t) den Ort x durch die Bahnkoordinaten des am Ort x befindlichen Teilchens ersetzt und bildet die  zeitliche Ableitung bei festem ξ:

⎫ ⎧  du ⎨ ∂u x(ξ, t), t ⎬ = , ⎩ ⎭ dt ∂t

(1.15a)

ξ

oder dui = dt



∂ui {xj (ξk , t), t} ∂t

 .

(1.15b)

ξk

Man kann aber die materielle Ableitung in Feldkoordinaten ohne direkten R¨ uckgriff auf die materiellen Koordinaten erhalten. Als Beispiel m¨oge das Temperaturfeld T (x, t) dienen: Als totales Differential verstehen wir den Ausdruck dT =

∂T ∂T ∂T ∂T dt + dx1 + dx2 + dx3 . ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3

(1.16)

¨ Der erste Term ist die zeitliche Anderung der Temperatur am festen Ort, ¨ ¨ d. h. die lokale Anderung. Die letzten drei Terme geben die Anderung der Temperatur an, die durch Vorr¨ ucken um das Vektorelement dx vom Ort x ¨ zum Ort x + dx, d. h. die konvektive Anderung, verursacht wird. Die letzten drei Terme lassen sich zusammenfassen als dx · ∇T oder in ¨aquivalenter Form dxi ∂T /∂xi . Wenn dx ein Vektorelement der Bahn des Fl¨ ussigkeitsteilchens am Ort x ist, so gilt (1.10), und daher ist dT ∂T = + u · ∇T dt ∂t

(1.17a)

oder dT ∂T ∂T ∂T ∂T ∂T ∂T = + ui = + u1 + u2 + u3 dt ∂t ∂xi ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3

(1.17b)

¨ die zeitliche Anderung der Temperatur des materiellen Teilchens, das den Ort ¨ x passiert, d. h. die materielle Anderung der Temperatur. Man erh¨alt also in ¨ Feldkoordinaten einen recht komplizierten Ausdruck f¨ ur die materielle Anderung, der auch in der mathematischen Behandlung zu Schwierigkeiten f¨ uhrt. Dies wird besonders deutlich, wenn wir in analoger Weise die Beschleunigung ¨ des Teilchens, also die materielle Anderung der Geschwindigkeit, anschreiben: ∂u ∂u du = + (u · ∇) u = + (u · grad) u , dt ∂t ∂t

(1.18a)

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

17

oder dui ∂ui ∂ui = + uj . dt ∂t ∂xj

(1.18b)

(Der Operator d/dt = ∂/∂t + (u · ∇) ist, obwohl symbolisch geschrieben, zun¨ achst nur in kartesischen Koordinaten erkl¨art. Zwar ist er bei entsprechender Definition des Nabla-Operators auch f¨ ur krummlinige Koordinatensysteme g¨ ultig, seine Anwendung auf Vektoren ist jedoch wegen der Ver¨anderlichkeit der Basisvektoren nicht einfach. Wir werden sp¨ater f¨ ur die materielle Ableitung der Geschwindigkeit eine Form kennenlernen, die sich neben der partiellen Zeitableitung nur aus bekannten Gr¨oßen, wie der Rotation des Geschwindigkeitsfeldes und dem Gradienten der kinetischen Energie, zusammensetzt und daher f¨ ur krummlinige Koordinaten zweckm¨aßiger ist.) Man u berzeugt sich u ¨ ¨ brigens leicht, daß aus (1.15) durch Differentiation nach der Kettenregel und unter Benutzung von (1.6) die materielle Ableitung gem¨ aß (1.18) hervorgeht. Die letzten drei Terme in der i-ten Komponente von (1.18) sind nichtlinear (quasilinear), weil hier die Produkte der Funktion uj (x, t) mit ihren ersten Ableitungen ∂ui (x, t)/∂xj auftauchen. Aufgrund dieser Terme werden die Bewegungsgleichungen in Feldkoordinaten nichtlinear, was die mathematische Behandlung schwierig macht. (Aber auch die Bewegungsgleichungen in materiellen Koordinaten sind nichtlinear, worauf wir aber nicht weiter eingehen wollen.) Aus der auf (1.17) f¨ uhrenden Betrachtung ergibt sich auch die allgemeine ¨ Zeitableitung, bei der wir z. B. nach der zeitlichen Anderung der Temperatur fragen, die ein Schwimmer feststellt, der sich relativ zur Str¨omungsgeschwindigkeit u mit der Geschwindigkeit w,  also bez¨ uglich des festen Bezugssystems mit der Geschwindigkeit u + w  bewegt. Offensichtlich ist das Vektorelement ¨ dx seiner Bahn dx = (u + w)  dt und somit die zeitliche Anderung der Temperatur, die der Schwimmer feststellt: dT ∂T = + (u + w)  · ∇T , dt ∂t

(1.19)

wobei selbstverst¨andlich der Operator ∂/∂t + (u + w)  · ∇ oder ∂/∂t + (ui + ¨ wi ) ∂/∂xi , angewandt auf andere Feldgr¨ oßen, die zeitlichen Anderungen angibt, die der Schwimmer in diesen Gr¨ oßen feststellt. Zur Unterscheidung der allgemeinen Zeitableitungen von der materiellen Ableitung f¨ uhren wir jetzt f¨ ur letztere das Symbol D ∂ ∂ ∂ = + ui = + (u · ∇) Dt ∂t ∂xi ∂t

(1.20)

ein. (In mathematischer Hinsicht besteht nat¨ urlich kein Unterschied zwischen d/dt und D/Dt.) Der konvektive Anteil des Operators D/Dt l¨aßt sich mit Hilfe des Tangenteneinheitsvektors der Bahnlinie

18

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

t = dx = dx |dx| dσ

(1.21)

auch schreiben: u · ∇ = |u| t · ∇ = |u|

∂ , ∂σ

(1.22)

so daß ∂/∂σ die Ableitung in Richtung von t ist und f¨ ur den Operator D/Dt der Ausdruck D ∂ ∂ = + |u| Dt ∂t ∂σ

(1.23)

ensteht. Wir benutzen diese Form, um den Beschleunigungsvektor in nat¨ urlichen Koordinaten anzugeben. In diesem System werden die Einheitsvektoren des begleitenden Dreibeins einer Raumkurve als Basisvektoren des Koordinatensystems σ, n und b benutzt. σ ist die Koordinate in Richtung von t, n die Koordinate in Richtung der Hauptnormalen nσ = R dt/dσ und b die Koordinate in Richtung der Binormalen bσ = t × nσ . R ist der Kr¨ ummungsradius der Bahnlinie in der Schmiegebene, die durch die Vektoren t und nσ aufgespannt wird. Bezeichnen wir die Komponente von u in t-Richtung mit u (u = |u|), dann liefert (1.23) den Ausdruck   D  ∂u ∂u  u2 (ut ) = +u t+ nσ . (1.24) Dt ∂t ∂σ R Bei der Zerlegung nach der nat¨ urlichen Richtung der Stromlinie (τ , ns , bs ) zur Zeit t ist die konvektive Beschleunigung dieselbe wie in (1.24), da die Stromlinie durch den Ort x die Bahnlinie des sich dort befindlichen materi¨ ellen Teilchens ber¨ uhrt. Die lokale Anderung enth¨alt aber Terme normal zur Stromlinie. Die Komponenten der Geschwindigkeit normal zur Stromlinie ub ¨ und un sind zwar null, nicht aber ihre lokalen Anderungen, daher gilt ∂u ∂u ∂un ∂ub  = τ + ns + bs , ∂t ∂t ∂t ∂t

(1.25)

und die Zerlegung des Beschleunigungsvektors nach der nat¨ urlichen Richtung der Stromlinie lautet:     Du ∂u ∂u ∂un u2 ∂ub  = +u τ + + ns + bs . (1.26) Dt ∂t ∂s ∂t R ∂t Wenn die Stromlinien raumfest sind, reduziert sich (1.26) auf (1.24). ¨ 1.2.4 Bewegungszustand, Anderung materieller Linien-, Fl¨ achenund Volumenelemente Mit der Geschwindigkeit am Ort x gewinnen wir die Geschwindigkeit am unendlich benachbarten Ort x + dx aus der Taylorreihen-Entwicklung zu

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

ui (x + dx, t) = ui (x, t) +

∂ui dxj . ∂xj

19

(1.27a)

F¨ ur jede der drei Geschwindigkeitskomponenten ui gibt es drei Ableitungen nach den kartesischen Koordinatenrichtungen, so daß das Geschwindigkeitsfeld in der unmittelbaren N¨ ahe des Ortes x durch diese neun r¨aumlichen Ableitungen festgelegt ist. Die Gesamtheit dieser neun Ableitungen bildet einen Tensor zweiter Stufe, den Geschwindigkeitsgradienten ∂ui /∂xj . In symbolischer Schreibweise benutzt man das Symbol ∇u oder gradu (definiert durch (A.40) im Anhang A) und schreibt (1.27a) auch in der Form u(x + dx, t) = u(x, t) + dx · ∇u . Wir zerlegen den Tensor ∂ui /∂xj mittels der Identit¨at     ∂ui 1 ∂ui ∂uj 1 ∂ui ∂uj = + + − ∂xj 2 ∂xj ∂xi 2 ∂xj ∂xi in einen symmetrischen Tensor   1 ∂ui ∂uj eij = + , 2 ∂xj ∂xi

(1.27b)

(1.28)

(1.29a)

bzw. in symbolischer Schreibweise E = eij ei ej =

 1 (∇u) + (∇u)T , 2

und einen antisymmetrischen Tensor   1 ∂ui ∂uj Ωij = − , 2 ∂xj ∂xi

(1.29b)

(1.30a)

bzw. symbolisch wegen (A.40) Ω = Ωjieiej =

 1 (∇u) − (∇u)T . 2

(1.30b)

Damit erhalten wir aus (1.27) ui (x + dx, t) = ui (x, t) + eij dxj + Ωij dxj ,

(1.31a)

bzw. u(x + dx, t) = u(x, t) + dx · E + dx · Ω .

(1.31b)

Der erste Anteil in (1.31) ist durch die Translation der Fl¨ ussigkeit mit der Geschwindigkeit ui in der N¨ ahe von x gegeben. Der zweite repr¨asentiert die Geschwindigkeit, mit der die Fl¨ ussigkeit in der Umgebung von x verformt

20

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

Abbildung 1.9. Zur physikalischen Deutung der Diagonalelemente des Verzerrungstensors

wird, der dritte Anteil l¨ aßt sich als eine augenblickliche lokale Starrk¨orperrotation deuten. Den Tensoren eij und Ωij , die ganz unterschiedliche Beitr¨age zum Bewegungszustand liefern, kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Die Reibungsspannungen in der Fl¨ ussigkeit treten definitionsgem¨aß nur bei Form¨ anderungsgeschwindigkeiten auf, so daß die Reibungsspannungen nicht vom Tensor Ωij abh¨ angen k¨ onnen, der ja lokal eine Starrk¨orperbewegung darstellt. Zur Deutung der Tensoren eij und Ωij berechnen wir die zeitli¨ chen Anderungen eines materiellen Linienelementes dxi , also eines Vektorelementes, welches immer aus einer linienhaften Verteilung derselben mate¨ riellen Punkte besteht. Die materielle Anderung wird gem¨aß   D Dx (dx) = d = du (1.32) Dt Dt als Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Endpunkten des Elementes berechnet. Die Vektorkomponente duD in Richtung des Elementes ist offensichtlich die Geschwindigkeit, mit der das Element im Laufe der Bewegung gedehnt, bzw. gestaucht wird (Abb. 1.9). Mit dem Einheitsvektor dx/ds in Richtung des Elementes ist der Betrag dieser Komponente du ·

dx dxi dxi = dui = (eij + Ωij )dxj , ds ds ds

(1.33)

und da Ωij dxj dxi = 0 ist (was man durch Ausschreiben und Vertauschen der stummen Indizes leicht zeigt), wird diese Verzerrung des Elementes nur durch den symmetrischen Tensor eij bestimmt. Man nennt eij den Verzerrungstensor , oft auch den Dehnungs- oder Deformationsgeschwindigkeitstensor , und die auf die L¨ ange des Elementes bezogene Geschwindigkeit die Dehnungsgeschwindigkeit . Es gilt dui dxi D(dxi ) dxi 1 D(ds2 ) = ds−1 = ds−2 ds ds Dt ds 2 Dt

(1.34)

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

21

Abbildung 1.10. Zur physikalischen Deutung der Nichtdiagonalelemente des Verzerrungstensors

und weiter mit (1.33) dui dxi D(ds) dxi dxj = ds−1 = eij . ds ds Dt ds ds

(1.35)

Da dxi /ds = li die i-te und dxj /ds = lj die j-te Komponente des Einheitsvektors in Richtung des Elementes ist, ergibt sich f¨ ur die Dehnungsgeschwindigkeit des Elementes schließlich: ds−1

D(ds) = eij li lj . Dt

(1.36)

Mit (1.36) ist die physikalische Interpretation der Diagonalelemente des Tensors eij gegeben. Betrachtet man n¨ amlich statt der allgemeinen Orientierung des materiellen Elementes dx eine Orientierung parallel zur x1 -Achse, so hat der Einheitsvektor in Richtung des Elementes die Komponenten (1,0,0), und von den neun Summanden in (1.36) ist nur einer von null verschieden. F¨ ur diesen Fall lautet (1.36) mit ds = dx1 : dx−1 1

D(dx1 ) = e11 . Dt

(1.37)

Die Elemente der Diagonalen sind also die Dehnungsgeschwindigkeiten von materiellen Elementen parallel zu den Achsen. Zur Deutung der restlichen Elemente des Dehnungsgeschwindigkeitstensors eij betrachten wir zwei senkrecht aufeinander stehende materielle Linienelemente dx und dx (Abb. 1.10). F¨ ur den Betrag der Komponente duR senkrecht zu dx, also in Richtung des Einheitsvektors l = dx /ds und in der von dx und dx aufgespannten Ebene, erh¨ alt man du · dx /ds . Durch Division mit ds folgt damit die Winkelgeschwindigkeit, mit der sich das materielle Linienelement dx im mathematisch positiven Sinne dreht: du dx dui dxi Dϕ =− ·  =− . Dt ds ds ds ds

(1.38)

22

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

Entsprechend erh¨ alt man f¨ ur die Winkelgeschwindigkeit, mit der sich dx dreht: Dϕ du dx du dxi = −  · (− ) = i . Dt ds ds ds ds

(1.39)

¨ Die Differenz ergibt die zeitliche Anderung des augenblicklich rechten Winkels zwischen den materiellen Elementen dx und dx ; sie stellt ein Maß f¨ ur die Scherungsgeschwindigkeit dar. Wegen dui ∂ui dxj = ds ∂xj ds

und

dui ∂ui dxj =  ds ∂xj ds

erh¨ alt man f¨ ur die Differenz der Winkelgeschwindigkeiten   D(ϕ − ϕ ) ∂ui ∂uj dxi dxj =− + = −2eij li lj . Dt ∂xj ∂xi ds ds

(1.40)

(1.41)

Hierbei wurde zweimal von der Umbenennung der stummen Indizes Gebrauch gemacht. W¨ ahlt man dx parallel zur x2 -Achse, dx parallel zur x1 -Achse, also l = (0, 1, 0) und l = (1, 0, 0), und bezeichnet den eingeschlossenen Winkel mit α12 , so erkl¨ art (1.41) das Element e12 als die H¨alfte der Geschwindigkeit, mit der sich α12 zeitlich ¨ andert: Dα12 = −2e12 . Dt

(1.42)

Alle anderen Nichtdiagonalelemente von eij lassen sich entsprechend physikalisch deuten. Der Mittelwert der Winkelgeschwindigkeiten der beiden materiellen Linienelemente ergibt die Winkelgeschwindigkeit, mit der sich die von ihnen aufgespannte Ebene dreht:   1 D 1 ∂ui ∂uj dxj dxi  (ϕ + ϕ ) = − − = Ωji li lj . (1.43) 2 Dt 2 ∂xj ∂xi ds ds Hierbei ist wieder der stumme Index zweimal umbenannt und die Eigenschaft des antisymmetrischen Tensors Ωij = −Ωji verwendet worden. Die Gleichung (1.43) liefert den Betrag der Komponente der Winkelgeschwindigkeit ω  senkrecht zur von dx und dx aufgespannten Ebene. Der Einheitsvektor senkrecht zu dieser Ebene dx dx   × =l ×l  ds ds

(1.44)

l¨aßt sich in der Indexnotation mit Hilfe des Epsilon-Tensors ijk auch als li lj ijk schreiben, so daß wir die rechte Seite von (1.43) folgendermaßen umschreiben k¨ onnen:

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

Ωji li lj = ωk li lj ijk .

23

(1.45)

Aus dieser Gleichung folgt die Zuordnung des Vektors ω, bzw. seiner Komponenten zum antisymmetrischen Tensor Ωij : ωk ijk = Ωji .

(1.46)

Gleichung (1.46) dr¨ uckt die bekannte Tatsache aus, daß ein antisymmetrischer Tensor auch als axialer Vektor darstellbar ist. Der Beitrag Ωij dxj zum Geschwindigkeitsfeld in der N¨ ahe des Ortes x ist daher derselbe wie die ite Komponente kji ωk dxj der Geschwindigkeit ω × dx, den ein am Ort x mit der Winkelgeschwindigkeit  ω rotierender starrer K¨orper am Radiusvektor dx hervorruft. Das Tensorelement Ω12 z. B. ist dann zahlenm¨aßig gleich der Komponente der Winkelgeschwindigkeit senkrecht zur x1 -x2 -Ebene in die negative x3 -Richtung. Man nennt Ωij den Drehgeschwindigkeitstensor . Aus (1.46) erhalten wir die explizite Darstellung der allgemeinen Komponente des Vektors  ω mit der Identit¨ at

ijk ijn = 2 δkn

(1.47)

(wobei δkn das sogenannte Kronecker-Delta ist) durch Multiplikation mit ijn zun¨ achst ωk ijk ijn = 2ωn = Ωji ijn .

(1.48)

Da eij ein symmetrischer Tensor, also ijn eij = 0 ist, gilt allgemein: ωn =

1 ∂uj

ijn . 2 ∂xi

(1.49a)

Der entsprechende Ausdruck in symbolischer Schreibweise ω= 

1 1 ∇ × u = rotu 2 2

(1.49b)

f¨ uhrt noch den Wirbelvektor rotu ein, der gleich der doppelten Winkelgeschwindigkeit  ω ist. Wenn dieser Wirbelvektor im ganzen interessierenden Str¨ omungsfeld verschwindet, spricht man von einem wirbelfreien oder rotationsfreien Str¨omungsfeld. Die Rotationsfreiheit eines Feldes vereinfacht die mathematische Behandlung wegen der M¨ oglichkeit der Einf¨ uhrung eines Geschwindigkeitspotentials Φ erheblich. Die im allgemeinen zun¨achst unbekannten Funktionen ui ergeben sich dann aus der Gradientenbildung nur einer unbekannten skalaren Funktion Φ: ui =

∂Φ ∂xi

oder u = ∇Φ .

(1.50)

Man nennt rotationsfreie Str¨ omungen deshalb auch Potentialstr¨omungen. Die drei Komponentengleichungen von (1.50) sind gleichbedeutend mit der Existenz eines totalen Differentials

24

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

dΦ =

∂Φ dxi = ui dxi . ∂xi

(1.51)

F¨ ur diese Existenz ist es notwendig und hinreichend, daß u ¨ berall im Feld folgende Gleichungen f¨ ur die gemischten Ableitungen erf¨ ullt sind: ∂u1 ∂u2 = , ∂x2 ∂x1

∂u2 ∂u3 = , ∂x3 ∂x2

∂u3 ∂u1 = . ∂x1 ∂x3

(1.52)

Wegen (1.50) entsprechen diese Beziehungen aber genau dem Verschwinden des Wirbelvektors rotu. Analog zu den Stromlinien, Stromfl¨ achen und Stromr¨ohren lassen sich in einer rotationsbehafteten Str¨ omung Wirbellinien als Tangentialkurven zum Wirbelvektorfeld einf¨ uhren und mit diesen dann Wirbelfl¨achen und Wirbelr¨ ohren bilden. Bekanntlich l¨ aßt sich jede symmetrische Matrix auf Diagonalform bringen. Dasselbe l¨ aßt sich auch f¨ ur einen symmetrischen Tensor aussagen, da Tensoren und Matrizen sich nur durch das Transformationsverhalten ihrer Maßzahlen unterscheiden, sonst aber den gleichen Rechenregeln unterliegen. Die Reduktion des symmetrischen Tensors eij auf Diagonalform ist physikalisch gleichbedeutend mit der Aufgabe, ein Koordinatensystem zu finden (ein sogenanntes Hauptachsensystem), in dem keine Scherung auftritt, sondern nur Dehnung bzw. Stauchung in den Koordinatenrichtungen. Da eij ein Tensorfeld ist, muß auch das Hauptachsensystem vom Ort x abh¨angen. Wenn l bzw. li der Einheitsvektor bez¨ uglich eines gegebenen Koordinatensystems ist, in dem eij ein nicht diagonaler Tensor ist, so f¨ uhrt obiges Problem darauf, diesen Vektor so zu bestimmen, daß er proportional zu dem durch eij gegebenen Anteil eij dxj an der Geschwindigkeits¨anderung ist. Wir beziehen ¨ diese Anderungen noch auf ds und werden wegen dui dxj = eij = eij lj ds ds

(1.53)

auf die Eigenwertaufgabe eij lj = e li

(1.54)

gef¨ uhrt. Die L¨ osung von (1.54) ist nur m¨ oglich, wenn die zun¨achst willk¨ urliche Proportionalit¨ atskonstante e ganz bestimmte Werte annimmt, die man Eigenwerte des Tensors eij nennt. Schreibt man n¨amlich die rechte Seite von (1.54) mit Hilfe des Kronecker-Symbols als e lj δij , so erkennt man das homogene Gleichungssystem (eij − e δij )lj = 0 ,

(1.55)

das nichttriviale L¨ osungen f¨ ur den gesuchten Einheitsvektor in Hauptachsenrichtung nur hat, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix verschwindet:

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

det(eij − e δij ) = 0 .

25

(1.56)

Dies ist eine Gleichung dritten Grades, die als charakteristische Gleichung bezeichnet wird. Wir schreiben sie kurz als −e3 + I1e e2 − I2e e + I3e = 0 .

(1.57)

I1e , I2e , I3e sind die erste, zweite und dritte Dehnungsinvariante, die wir nach den folgenden Formeln berechnen: I1e = eii ,

I2e =

1 (eii ejj − eij eij ), 2

I3e = det(eij ) .

(1.58)

Diese Gr¨ oßen sind die Invarianten, weil sich bei Wechseln des Koordinatensystems ihre Zahlenwerte nicht a ¨ndern. Sie werden deshalb die Grundinvarianten des Tensors eij genannt. Nat¨ urlich a ¨ndern sich auch die Wurzeln von (1.57), also die Eigenwerte des Tensors eij , nicht. Bei einer symmetrischen Matrix sind die Eigenwerte stets reell, und falls drei verschiedene Eigenwerte vorliegen, liefert (1.54) drei Gleichungssysteme f¨ ur die je drei   Komponenten des Vektors l. Durch die Forderung, daß l ein Einheitsvektor sein soll, ist die L¨ osung des homogenen Gleichungssystems eindeutig. Bei reell-symmetrischen Matrizen stehen die drei Einheitsvektoren senkrecht aufeinander und bilden das Hauptachsensystem, in dem eij Diagonalform besitzt. Damit l¨ aßt sich die Aussage der Gleichung (1.31) in Worte fassen: Das augenblickliche Geschwindigkeitsfeld in der Umgebung des Or” ¨ tes x ergibt sich als Uberlagerung der Translationsgeschwindigkeit der Fl¨ ussigkeit mit der Dehnungsgeschwindigkeit in Richtung der Hauptachsen und der Rotationsgeschwindigkeit um diese Achsen.“ (Fundamentalsatz der Kinematik ) Durch Ausschreiben der ersten Invarianten I1e unter Beachtung von (1.37) und entsprechender Ausdr¨ ucke erhalten wir die Gleichung eii = dx−1 1

D(dx1 ) D(dx2 ) D(dx3 ) + dx−1 + dx−1 . 2 3 Dt Dt Dt

(1.59)

¨ Rechts steht die auf das Volumen dV bezogene zeitliche Anderung des ma¨ teriellen Volumens dV , also die materielle Anderung des infinitesimalen Volumens eines Fl¨ ussigkeitsteilchens. Wir schreiben (1.59) daher auch in der Form eii = ∇ · u = dV −1

D(dV ) . Dt

(1.60)

In Str¨ omungen, bei denen D(dV )/Dt null ist, ¨ andert sich das Volumen eines Fl¨ ussigkeitsteilchens nicht (wohl aber seine Gestalt). Solche Str¨omumgen nennt man volumenbest¨andig und die zugeh¨ origen Geschwindigkeitsfelder divergenz - oder quellenfrei. Die Divergenz ∇ · u und die Rotation ∇ × u des

26

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

Geschwindigkeitsfeldes sind Gr¨ oßen von fundamentaler Bedeutung, denn die Vorgabe ihrer Verteilungen sagt schon viel u ¨ber das Geschwindigkeitsfeld aus. Sind z. B. diese Verteilungen in einem einfach zusammenh¨angenden Bereich (Gebiet, in dem sich jede geschlossene Kurve auf einen Punkt zusammenziehen l¨ aßt) bekannt, und liegt die Normalkomponente von u auf der den Bereich begrenzenden Oberfl¨ ache fest, so ist der Vektor u(x) an jedem Ort x nach einem bekannten Satz der Vektoranalysis eindeutig bestimmt. ¨ Wir vermerken auch noch die zeitliche Anderung eines gerichteten materiellen Fl¨ achenelementes ni dS, welches also immer aus einer fl¨achenhaften Verteilung derselben Fl¨ ussigkeitsteilchen besteht. Mit dV = ni dSdxi folgt aus (1.60) zun¨ achst D (ni dSdxi ) = ni dSdxi ejj , Dt

(1.61)

oder D (ni dS)dxi + dui ni dS = ni dSdxi ejj Dt

(1.62)

und schließlich D ∂uj ∂uj (ni dS) = ni dS − nj dS . Dt ∂xj ∂xi

(1.63)

Nach Multiplikation mit ni und unter Beachtung, daß D(ni ni )/Dt = 0 ist, gewinnen wir hieraus die spezifische Dehnungsgeschwindigkeit des materiellen Fl¨achenelementes dS 1 D(dS) ∂uj = − eij ni nj . dS Dt ∂xj

(1.64)

Bezogen auf die Euklidische Norm (elk elk )1/2 des Dehnungsgeschwindigkeitstensors wird sie als lokales Maß f¨ ur die Durchmischung“ verwendet: ”   D(lndS) ∂uj /(elk elk )1/2 = − eij ni nj /(elk elk )1/2 . (1.65) Dt ∂xj In der Theorie der Materialgleichungen Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten spielen auch h¨ ohere materielle Ableitungen von Linienelementen eine Rolle. Diese f¨ uhren auf kinematische Tensoren, die sich leicht anhand der bisherigen Ergebnisse darstellen lassen. Aus (1.35) lesen wir die materielle Ableitung des Quadrates des Linienelementes ds zu D(ds2 ) = 2eij dxi dxj Dt ab, woraus sich durch nochmalige materielle Ableitung der Ausdruck

(1.66)

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

27

Abbildung 1.11. Kinematik der Einfachen Scherstr¨ omung

D2 (ds2 ) = Dt2



D(2eij ) ∂uk ∂uk + 2ekj + 2eik Dt ∂xi ∂xj

 dxi dxj

(1.67)

ergibt. Bezeichnet man den Tensor in der Klammer mit A(2)ij und 2eij mit A(1)ij , (symbolisch A(2) bzw. A(1) ), dann erkennt man das Bildungsgesetz auch der h¨ oheren Ableitungen: Dn (ds2 ) = A(n)ij dxi dxj , Dtn

(1.68)

wobei A(n)ij =

DA(n−1)ij ∂uk ∂uk + A(n−1)kj + A(n−1)ik Dt ∂xi ∂xj

(1.69)

die Operation (Oldroydsche Ableitung) angibt, aus der der Tensor A(n) aus dem Tensor A(n−1) hervorgeht. Die Bedeutung der Tensoren A(n) , die man auch Rivlin-Ericksen-Tensoren nennt, liegt darin, daß schon bei sehr allgemeinen Nicht-Newtonschen Fl¨ ussigkeiten die Reibungsspannungen nur von diesen Tensoren abh¨ angen k¨ onnen, sofern die Deformationsgeschichte gen¨ ugend glatt ist. Das Auftreten entsprechend hoher Zeitableitungen ist eher st¨ orend, weil in der Praxis oft nicht feststellbar ist, ob die geforderten Ableitungen tats¨ achlich existieren. Bei kinematisch besonders einfachen Str¨ omungen, den sogenannten Schichtenstr¨ omungen, von denen die Scherstr¨ omung der Abb. 1.1 ein Beispiel ist, sind aber die Tensoren A(n) f¨ ur n > 2 in station¨ aren Str¨ omungen gleich null. In vielen technisch relevanten F¨allen mit Nicht-Newtonschen Fl¨ ussigkeiten handelt es sich aber gerade um solche Schichtenstr¨ omungen oder um zumindest verwandte Str¨omungen. Die bisher besprochenen kinematischen Gr¨ oßen berechnen wir am Beispiel dieser Einfachen Scherstr¨ omung (Abb. 1.11), deren Geschwindigkeitsfeld mit u1 = γ˙ x2 , u2 = 0 , u3 = 0

(1.70)

gegeben ist. Das materielle Linienelement dx wird in der Zeit dt offensichtlich um den Winkel dϕ = −(du1 / dx2 )dt gedreht; daher ist Dϕ/Dt = −γ. ˙ Das materielle

28

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

¨ Linienelement dx bleibt parallel zur x1 -Achse. Die zeitliche Anderung des ¨ urspr¨ unglich rechten Winkels ist daher −γ. ˙ Die Ubereinstimmung mit (1.41) best¨ atigt man sofort, da e12 = e21 = γ/2 ˙ ist. Diese Komponenten sind die einzigen von null verschiedenen Komponenten des Tensors eij . Der Mittelwert der Winkelgeschwindigkeiten der beiden materiellen Linien ist −γ/2 ˙ in ¨ Ubereinstimmung mit (1.43). Um die Drehungen der Elemente zu erhalten, die ihre Ursache nur in der Scherung haben, ziehen wir die Starrk¨orperdrehung −γ/2 ˙ dt von der oben berechneten gesamten Drehung (−γ˙ dt und 0) ab und erhalten −γ/2 ˙ dt f¨ ur die Drehung infolge Scherung f¨ ur das Element dx, sowie +γ/2 ˙ dt f¨ ur die Drehung infolge Scherung f¨ ur dx . Damit k¨ onnen wir uns diese Str¨ omung veranschaulichen: Sie besteht aus einer Translation des gemeinsamen Punktes beider materieller Linien um die Strecke u1 dt, einer Starrk¨ orperdrehung beider Linienelemente um den Winkel −γ/2 ˙ dt und einer Scherung, die das Element dx um den Winkel +γ/2 ˙ dt dreht (so daß dessen Drehung insgesamt null ist) und die das Element dx um den Winkel −γ/2 ˙ dt dreht (so daß seine Drehung insgesamt −γ˙ dt ist). Wegen A(1)ij = 2eij hat der erste Rivlin-Ericksen-Tensor ebenfalls nur zwei von null verschiedene Komponenten: A(1)12 = A(1)21 = γ. ˙ Die Matrixdarstellung von A(1)ij lautet also: ⎡ ⎤ 0 γ˙ 0   A(1) = ⎣γ˙ 0 0⎦ (1.71) 000 Die Auswertung von (1.69) mit den Komponenten von A(1)ij ergibt nur eine nicht verschwindende Komponente f¨ ur den zweiten Rivlin-Ericksen-Tensor (A(2)22 = 2γ˙ 2 ), so daß die entsprechende Matrixdarstellung durch ⎡ ⎤ 0 0 0   A(2) = ⎣0 2γ˙ 2 0⎦ (1.72) 0 0 0 gegeben ist. Alle h¨ oheren Rivlin-Ericksen-Tensoren verschwinden. Ein Element dx, dessen Einheitsvektor dx/ds die Komponenten (cos ϑ, sin ϑ, 0) hat, also mit der x1 -Achse den Winkel ϑ einschließt (l3 = 0), erf¨ahrt nach (1.36) die Dehnungsgeschwindigkeit: 1 D(ds) = eij li lj = e11 l1 l1 + 2e12 l1 l2 + e22 l2 l2 . ds Dt

(1.73)

Wegen e11 = e22 = 0 ergibt sich die Dehnungsgeschwindigkeit schließlich zu 1 D(ds) γ˙ γ˙ = 2 cos ϑ sin ϑ = sin 2ϑ ; ds Dt 2 2

(1.74)

sie wird f¨ ur ϑ = 45◦ , 225◦ maximal und f¨ ur ϑ = 135◦ , 315◦ minimal. Diese Richtungen stimmen mit den positiven bzw. negativen Richtungen der Hauptachsen in der x1 -x2 -Ebene u ¨ berein.

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

29

Abbildung 1.12. Verformung eines fl¨ ussigen Quadrates in der Einfachen Scherstr¨ omung

Die Eigenwerte des Tensors eij berechnen sich nach (1.57), wobei sich zun¨ achst die Grundinvarianten zu I1e = 0, I2e = −γ˙ 2 /4 und I3e = 0 ergeben. Aus I1e = eii = divu = 0 schließen wir, daß die Str¨omung volumenbest¨ andig ist. (Das Verschwinden der Invarianten I1e und I3e des Tensors eij ist im u ur sogenannte viskometrische Str¨omungen, ¨ brigen notwendig f¨ d. h. Str¨ omungen, die lokal Einfache Scherstr¨omungen sind.) Die charakteristische Gleichung (1.55) lautet somit e(e2 − γ˙ 2 /4) = 0 mit den Wur(3) zeln e(1) = ˙ e(2) = 0. Die dazugeh¨origen √ −e √ = γ/2, √ Eigenvektoren √ n(1) = (1/ 2, 1/ 2, 0), n(2) = (0, 0, 1) und n(3) = (1/ 2, −1/ 2, 0) geben bis auf das Vorzeichen die entsprechenden Hauptdehnungsrichtungen an. (Dabei wurde die an und f¨ ur sich willk¨ urliche Indizierung der Eigenwerte so gew¨ ahlt, daß e(1) > e(2) > e(3) ist.) Die zweite Hauptdehnungsrichtung hat die Richtung der x3 -Achse; die zugeh¨ orige Hauptdehnungsgeschwindigkeit e(2) ist null, da das Geschwindigkeitsfeld eben ist. Die Verformung und Drehung eines quaderf¨ ormigen Fl¨ ussigkeitsteilchens ist in Abb. 1.12 skizziert. In diesem besonderen Fall sind die Eigenwerte und Eigenvektoren nicht vom Ort abh¨ angig. Das Hauptachsensystem ist f¨ ur alle Fl¨ ussigkeitsteilchen dasselbe. Daher ist die Abb. 1.12 auch f¨ ur einen großen quaderf¨ormigen Teil der Fl¨ ussigkeit richtig. Wir kehren jetzt zur Darstellung der Beschleunigung (1.18) als Summe aus lokaler und konvektiver Beschleunigung zur¨ uck. Die Umformung von (1.20) in Indexnotation f¨ uhrt mit der Identit¨ at   Dui ∂ui ∂ui ∂ui ∂ui ∂uj ∂uj = + uj = + uj − + uj (1.75) Dt ∂t ∂xj ∂t ∂xj ∂xi ∂xi und der Definition (1.30) auf Dui ∂ui ∂ uj uj

= + 2Ωij uj + . Dt ∂t ∂xi 2 Mit (1.46) erh¨ alt man schließlich

(1.76)

30

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

Dui ∂ui ∂ uj uj

= − 2 ijk ωk uj + , Dt ∂t ∂xi 2 oder in symbolischer Schreibweise mit (1.49b):   Du ∂u u · u = − u × (∇ × u) + ∇ . Dt ∂t 2

(1.77)

(1.78)

Diese Form zeigt explizit den Beitrag der Rotation ∇ × u des Feldes zur Beschleunigung. In station¨ arer und rotationsfreier Str¨omung ist die Beschleunigung als Gradient der kinetischen Energie (pro Masse) darstellbar. Wir werden ¨ ofters auch rechtwinklig krummlinige Koordinatensysteme (z. B. Zylinder- und Kugelkoordinaten) verwenden, bei denen die materielle Ableitung der Geschwindigkeit in der Form (1.78) zweckm¨aßiger ist als (1.18), da man die Komponenten der Beschleunigung in diesen Koordinaten unmittelbar durch Anwendung des in diesen Koordinatensystemen definierten Nabla-Operators ∇ und unter Ber¨ ucksichtigung der Rechenregeln f¨ ur das Skalar- und Vektorprodukt erh¨ alt. Aus (1.78) gewinnen wir auch ein dimensionsloses Maß f¨ ur den Beitrag der Rotation zur Beschleunigung: |u × (∇ × u)|   . WD =   ∂  u + ∇ u · u   ∂t 2 

(1.79)

Dieses Verh¨ altnis wird dynamische Wirbelzahl genannt. Es ist f¨ ur rotationsfreie Str¨ omungen im allgemeinen null, w¨ ahrend es f¨ ur beschleunigungsfreie, station¨ are Str¨ omungen den Wert 1 annimmt. Ein als kinematische Wirbelzahl bezeichnetes Maß erh¨ alt man, indem man die euklidische Norm, d. h. den Betrag der Rotation |∇ × u | mit der euklidischen Norm des Dehnungsgeschwindigkeitstensors vergleicht: |∇ × u | WK = √ . eij eij

(1.80)

Die kinematische Wirbelzahl ist null f¨ ur eine rotationsfreie Str¨omung und unendlich f¨ ur eine Starrk¨ orperbewegung, wenn wir die reine Translation ausschließen, f¨ ur die ja beide Normen null sind. Wir vergleichen auch noch die lokale Beschleunigung mit der konvektiven Beschleunigung durch das Verh¨ altnis    ∂u     ∂t    . S =  (1.81)  −u × (∇ × u) + ∇ u 2· u  F¨ ur station¨ are Str¨ omung ist S = 0, wenn nicht zugleich die konvektive Beschleunigung null ist. S = ∞ kennzeichnet in instation¨arer Str¨omung einen f¨ ur die Anwendungen wichtigen Sonderfall, weil dann die konvektive Beschleunigung null ist. Diese Bedingung bildet u. a. die grundlegende Vereinfachung der Akustik, aber beispielsweise auch bei der Behandlung instation¨arer Schichtenstr¨ omungen.

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

31

¨ 1.2.5 Zeitliche Anderung materieller Integrale Wir betrachten im folgenden immer dasselbe St¨ uck der Fl¨ ussigkeit, das vom Rest der Fl¨ ussigkeit durch eine st¨ uckweise glatte, geschlossene Fl¨ache abgetrennt ist. Der eingeschlossene Teil der Fl¨ ussigkeit, der auch K¨orper“ ” genannt wird, besteht immer aus denselben Fl¨ ussigkeitsteilchen (materiellen Punkten); sein Volumen ist also ein materielles Volumen, seine Oberfl¨ache eine materielle Oberfl¨ ache. Im Laufe der Bewegung ¨andert sich die Gestalt des materiellen Volumens und nimmt fortlaufend neue Gebiete im Raum ein. Das Gebiet, welches der ins Auge gefaßte Teil der Fl¨ ussigkeit zur Zeit t einnimmt, bezeichnen wir mit (V (t)). Die Masse m des abgegrenzten St¨ uckes der Fl¨ ussigkeit ist die Summe der Massenelemente dm u ¨ ber die Menge (M ) der materiellen Punkte im K¨ orper:  m=

dm .

(1.82)

(M)

Da die Dichte im Rahmen der Kontinuumstheorie eine stetige Funktion des Ortes ist, k¨ onnen wir die Masse auch als Integral der Dichte u ¨ ber den vom K¨ orper eingenommenen Bereich (V (t)) ausdr¨ ucken:  m=

  dm =

(M)

ρ(x, t) dV .

(1.83)

(V (t))

Dasselbe gilt sinngem¨ aß f¨ ur jede stetige Funktion ϕ, die ein Skalar oder auch ein Tensor beliebiger Stufe sein kann: 

  ϕ dm =

(M)

ϕρ dV .

(1.84)

(V (t))

Im linken Integral denkt man sich ϕ als Funktion der materiellen Koordinaten ξ und t, im rechten als Funktion der Feldkoordinaten x und t. Von beson¨ derem Interesse sind die zeitlichen Anderungen dieser materiellen Integrale. Auf eine besonders einfache Ableitung des entsprechenden Ausdrucks werden wir gef¨ uhrt, wenn wir schon an dieser Stelle den Erhaltungssatz der Masse einf¨ uhren, demzufolge die Masse des abgegrenzten St¨ uckes der Fl¨ ussigkeit zeitlich konstant ist: Dm =0. Dt

(1.85)

Nat¨ urlich gilt dieser Erhaltungssatz auch f¨ ur die Masse des materiellen Punktes: D (dm) = 0 , Dt

(1.86)

32

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

da ja der betrachtete Teil der Fl¨ ussigkeit immer aus denselben materiellen ¨ Punkten besteht. Bilden wir jetzt die zeitliche Anderung des Integrals auf der linken Seite von (1.84), so ist der Integrationsbereich konstant, und wir m¨ ussen das Integral nach dem Parameter t ableiten. Da ϕ und Dϕ/Dt stetig sind, kann die Differentiation unter (!) dem Integralzeichen ausgef¨ uhrt werden (Leibnizsche Regel ), so daß die Gleichung D Dt





Dϕ dm Dt

ϕ dm = (M)

(1.87)

(M)

entsteht. Die Integration auf der rechten Seite k¨onnen wir durch eine Integration u ucken und erhalten mit (1.84): ¨ ber den Raumbereich (V (t)) ausdr¨ D Dt

 ϕ dm =

D Dt

(M)

 

 

Dϕ ρ dV . Dt

ϕρ dV = (V (t))

(1.88)

(V (t))

Das Ergebnis der Integration im letzten Integral a¨ndert sich auch nicht, wenn wir anstatt des zeitlich ver¨ anderlichen Bereiches (V (t)) einen festen Bereich (V ) w¨ ahlen, der zur Zeit t mit dem ver¨ anderlichen Bereich zusammenf¨allt. ¨ In dieser Interpretation ersetzt die letzte Gleichung die zeitliche Anderung des Integrals von ϕ u ¨ber einen sich verformenden und bewegenden K¨orper durch ein Integral u ¨ ber einen festen Bereich! Obwohl dieses Ergebnis unter ausdr¨ ucklicher Benutzung des Erhaltungs¨ satzes der Masse hergeleitet wurde, ist die Zur¨ uckf¨ uhrung der zeitlichen Anderung eines materiellen Volumenintegrals auf ein festes Volumenintegral rein kinematischer Natur. Man erkennt das, wenn man durch nochmalige Anwendung des Erhaltungssatzes der Masse eine zu (1.88) ¨aquivalente Formel schafft, in der die Dichte ρ nicht auftritt. Wir betrachten dazu die zeitliche ¨ Anderung eines materiellen Integrals u ¨ ber eine auf das Volumen bezogene Fl¨ ussigkeitseigenschaft, die wir wieder ϕ nennen: D Dt

 



D ϕ dV = Dt

(V (t))

 ϕv dm =

(M)

D (ϕ v) dm . Dt

(1.89)

(M)

Hierin ist v = 1/ρ das spezifische Volumen. F¨ uhrt man die Differentiation im Integranden aus und ersetzt Dv/Dt dm durch D(dV )/Dt (was aus (1.86) folgt), so erh¨ alt man die Gleichung D Dt

 

  ϕ dV =

(V (t))

(V )

Dϕ dV + Dt

  ϕ

D(dV ) , Dt

(1.90)

(V )

wo wir den ver¨ anderlichen Bereich (V (t)) auf der rechten Seite ohne Einschr¨ ankung der Allgemeinheit durch den mit ihm zusammenfallenden festen

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

33

¨ Bereich (V ) ersetzt haben. Diese Formel zeigt, daß man die zeitliche Anderung von materiellen Integralen berechnen kann, indem man die Reihenfolge von Integration und Differentiation vertauscht! Man erkennt auf einen Blick, daß nach dieser allgemeinen Regel auch die Gleichung (1.88) entsteht, wenn man ber¨ ucksichtigt, daß nach (1.86) D(ρ dV )/Dt = 0 ist. Einen anderen Zugang zu (1.90), aus dem auch die rein kinematische Natur dieser wichtigen Formel deutlich wird, gewinnt man mittels (1.5) durch Einf¨ uhren der neuen Integrationsver¨ anderlichen ξi statt xi . Dies entspricht einer Transformation des aktuellen Integrationsbereiches (V (t)) auf den Bereich (V0 ), den der betrachtete Teil der Fl¨ ussigkeit zur Referenzzeit innehatte. Mit der Funktionaldeterminanten J der Transformation (1.5) gilt nach den Regeln der Integralrechnung dV = J dV0 , ¨ woraus sich zun¨ achst die Formel f¨ ur die materielle Anderung der Funktionaldeterminante J D(dV ) DJ = dV0 Dt Dt

(1.91a)

ableitet, da V0 ein zeitlich unver¨ anderlicher Bereich ist. Mit (1.60) folgt die als Eulersche Formel bekannte Beziehung DJ ∂ui = eii J = J . Dt ∂xi

(1.91b)

Mit den letzten beiden Gleichungen ensteht dann       D D Dϕ DJ ϕ dV = (ϕJ) dV0 = J +ϕ dV0 , Dt Dt Dt Dt (V (t))

(V0 )

(V0 )

was nach R¨ ucktransformation unmittelbar auf (1.90) f¨ uhrt. Mit (1.91b) und R¨ ucktransformation werden wir auf die Umformungen       D Dϕ ∂ui ϕ dV = +ϕ dV , (1.92) Dt Dt ∂xi (V (t))

(V )

bzw. D Dt

  

  ϕ dV = (V (t))

 ∂ϕ ∂ + (ϕ ui ) dV . ∂t ∂xi

(1.93)

(V )

gef¨ uhrt. Wenn ϕ wie bisher ein Tensorfeld beliebiger Stufe ist, welches in (V ) zusammen mit seinen partiellen Ableitungen stetig ist, dann gilt der Gaußsche Integralsatz :

34

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

 



∂ϕ dV = ∂xi

(V )

ϕ ni dS .

(1.94)

(S)

S ist die orientierte Begrenzungsfl¨ ache von V , der Normalenvektor ni ist positiv nach außen zu z¨ ahlen. Der Gaußsche Satz verwandelt ein Gebietsintegral in ein Integral u ¨ ber die begrenzende, orientierte Fl¨ache, sofern der Integrand sich als Divergenz“ (im verallgemeinerten Sinne) des Feldes ϕ schreiben l¨aßt. ” Von diesem wichtigen Satz werden wir h¨ aufig Gebrauch machen. Er ist eine Verallgemeinerung der bekannten Beziehung b

df (x) dx = f (b) − f (a) . dx

(1.95)

a

Die Anwendung des Gaußschen Satzes auf das letzte Integral in (1.93) liefert die als Reynoldssches Transporttheorem bekannte Beziehung D Dt

 

  ϕ dV =

(V (t))

∂ϕ dV + ∂t

(V )

 ϕui ni dS ,

(1.96)

(S)

¨ welche die zeitliche Anderung des materiellen Volumenintegrals zur¨ uckf¨ uhrt ¨ auf die zeitliche Anderung der Gr¨ oße ϕ, integriert u ¨ ber einen festen Bereich (V ), der mit dem ver¨ anderlichen Bereich (V (t)) zur Zeit t zusammenf¨allt, und den Fluß der Gr¨ oße ϕ durch die begrenzende Oberfl¨ache. Wir vermerken hier, daß beim raumfesten Bereich (V ) die Leibnizsche Regel gilt, d. h. die Differentiation kann unter (!) dem Integralzeichen erfolgen: ∂ ∂t

 

  ϕ dV =

(V )

∂ϕ dV . ∂t

(1.97)

(V )

¨ Zur Berechnung des Ausdrucks f¨ ur die zeitliche Anderung eines gerichteten materiellen Fl¨ achenintegrals machen wir von der M¨oglichkeit Gebrauch, die Reihenfolge der Integration und der Differentiation zu vertauschen. Wenn (S(t)) der zeitlich ver¨ anderliche, fl¨ achenhafte Bereich ist, der von der materiellen Oberfl¨ ache im Laufe der Bewegung eingenommen wird, so schreiben wir in v¨ olliger Analogie zu (1.90) D Dt



 ϕ ni dS =

(S(t))

(S)

Dϕ ni dS + Dt

 ϕ

D (ni dS) . Dt

(1.98)

(S)

Bei den Integralen auf der rechten Seite k¨ onnen wir uns wiederum den Integrationsbereich (S(t)) durch einen festen Bereich (S) ersetzt denken, welcher

1.2 Kinematik der Fl¨ ussigkeiten

35

zu Zeit t mit dem ver¨ anderlichen Bereich zusammenf¨allt. Nach Umformung des letzten Integrals mit Hilfe von (1.63) entsteht die Formel D Dt



 ϕ ni dS =

(S(t))

Dϕ ni dS + Dt

(S)



∂uj ni ϕ dS − ∂xj

(S)



∂uj nj ϕ dS . ∂xi

(S)

(1.99) Es sei (C(t)) der zeitlich ver¨ anderliche, linienhafte Bereich, den eine materielle Kurve im Laufe ihrer Bewegung einnimmt, und ϕ wie bisher eine (ten¨ sorielle) Feldgr¨ oße. Die zeitliche Anderung des materiellen Kurvenintegrals von ϕ wird dann durch die Gleichung D Dt



 ϕ dxi =

(C(t))

Dϕ dxi + Dt

(C)





Dxi ϕd Dt

 (1.100)

(C)

beschrieben, woraus mit (1.10) folgt: D Dt



 ϕ dxi =

(C(t))

Dϕ dxi + Dt

(C)

 ϕ dui .

(1.101)

(C)

Wichtige Anwendungen findet diese Formel f¨ ur ϕ = ui . Dann ist u u  i i ϕ dui = ui dui = d 2

(1.102)

ein totales Differential, und das letzte Kurvenintegral auf der rechten Seite von (1.101) ist vom Wege“ unabh¨ angig, d. h. allein durch Anfangspunkt A ” und Endpunkt E bestimmt. Dasselbe gilt offensichtlich auch f¨ ur das erste Kurvenintegral auf der rechten Seite, wenn sich Dϕ/Dt = Dui /Dt, d. h. die Beschleunigung, als Gradient einer skalaren Funktion schreiben l¨aßt: Dui ∂I = . Dt ∂xi

(1.103)

Dann (und nur dann) ist auch das erste Kurvenintegral wegunabh¨angig:  (C)

Dϕ dxi = Dt

 (C)

∂I dxi = ∂xi

 dI = IE − IA .

(1.104)

(C)

Das Kurvenintegral von ui u ¨ ber eine geschlossene materielle Kurve (im mathematisch positiven Drehsinn)  Γ = ui dxi (1.105)

36

1 Kontinuumsbegriff und Kinematik

wird Zirkulation genannt. Wir werden sp¨ ater die Bedingungen besprechen, unter denen sich die Beschleunigung als Gradient einer skalaren Funktion ausdr¨ ucken l¨ aßt, entnehmen aber jetzt schon (1.101), daß dann die zeitliche ¨ Anderung der Zirkulation null ist. Dies folgt unmittelbar aus der Tatsache, daß Anfangs- und Endpunkt einer geschlossenen Kurve zusammenfallen, und aus unserer stillschweigend gemachten Voraussetzung, daß I und ui stetige Funktionen sind. Die Tatsache, daß die Zirkulation eine Erhaltungsgr¨oße ist, ¨ also ihre zeitliche Anderung null ist, liefert in vielen F¨allen eine Erkl¨arung f¨ ur das eigenartige und unerwartete Verhalten von Wirbeln und Wirbelbewegungen.

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

2.1 Erhaltungssatz der Masse Der Erhaltungssatz der Masse wurde bereits im letzten Kapitel postuliert. Wir machen jetzt von den dortigen Ergebnissen Gebrauch, indem wir mit (1.83) den Erhaltungssatz (1.85) unter Verwendung von (1.93) in die Form       D ∂ ∂  dV = + ( ui ) dV = 0 (2.1) Dt ∂t ∂xi (V (t))

(V )

bringen. Diese Gleichung gilt bei jeder beliebigen Form des Volumens, das von der betrachteten Fl¨ ussigkeit eingenommen wird, d. h. bei jeder beliebigen Wahl des Integrationsbereichs (V ). Nun ließe sich zwar (2.1) u. U. auch f¨ ur nicht verschwindenden Integranden erf¨ ullen, nicht aber bei beliebiger Wahl des Integrationsbereichs. Wir schließen also, daß der stetige Integrand selbst verschwindet, und werden so auf die lokale bzw. differentielle Form des Erhaltungssatzes der Masse gef¨ uhrt: ∂ ∂ + ( ui ) = 0 . ∂t ∂xi

(2.2)

Diese Beziehung wird auch als Kontinuit¨atsgleichung bezeichnet. Benutzt man noch die materielle Ableitung (1.20), so erh¨alt man D ∂ui + =0, Dt ∂xi

(2.3a)

oder in symbolischer Schreibweise: D +  ∇ · u = 0 , Dt

(2.3b)

was auch unmittelbar aus (1.86) in Verbindung mit (1.60) folgt. Wenn D ∂ ∂ = + ui =0 Dt ∂t ∂xi

(2.4)

ist, so ¨ andert sich die Dichte eines einzelnen materiellen Teilchens im Laufe seiner Bewegung nicht. Diese Bedingung ist gleichbedeutend mit

38

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

divu = ∇ · u =

∂ui =0, ∂xi

(2.5)

d. h. die Str¨ omung ist volumenbest¨ andig. H¨ aufig benutzt man auch die Bezeichnung inkompressible Str¨omung und meint damit eine Str¨omung, bei der die str¨ omende Materie - sei es nun Gas oder eine tropfbare Fl¨ ussigkeit - als inkompressibel betrachtet werden kann. Wenn also (2.4) erf¨ ullt ist, so nimmt die Kontinuit¨ atsgleichung die einfachere Form (2.5) an, in der keine Ableitungen nach der Zeit auftreten, die aber selbstverst¨andlich auch f¨ ur instation¨are Str¨ omungen gilt. Die Bedingungen, unter denen die Annahme D/Dt = 0 gerechtfertigt ist, k¨ onnen wir erst im vierten Kapitel sachgerecht besprechen; es sei aber hier schon ausdr¨ ucklich darauf hingewiesen, daß unter vielen technisch wichtigen Bedingungen auch Gasstr¨ omungen als inkompressibel betrachtet werden k¨ onnen. In der Regel ist die Bedingung D/Dt = 0 bei tropfbaren Fl¨ ussigkeiten erf¨ ullt, aber es gibt Str¨ omungen, bei denen die Volumen¨anderung selbst bei tropfbaren Fl¨ ussigkeiten entscheidendes Merkmal ist. Dies ist der Fall bei instation¨ aren Str¨ omungen, wie sie auftreten, wenn Absperrorgane in Rohrleitungen schnell geschlossen bzw. ge¨ offnet werden. Solche Str¨omungen werden z. B. in hydraulischen Leitungen von Kraftwerken, aber auch in Leitungssystemen von Kraftstoffeinspritzungen angetroffen. Volumenbest¨ andigkeit einer Str¨ omung bedeutet nicht, daß die Dichte von Teilchen zu Teilchen konstant bleibt: Man denke nur an Meeresstr¨omungen, die zwar inkompressible Str¨ omungen sind (also D/Dt = 0 gilt), bei denen aber die Dichte der Teilchen infolge unterschiedlicher Salzkonzentrationen verschieden sein kann. Ist die Dichte u ¨ berhaupt konstant, also auch ∇ = 0, so spricht man von einem homogenen Dichtefeld. Dann sind bei inkompressibler Str¨omung die vier Terme in (2.4) nicht nur in ihrer Summe null, sondern jeder Summand ist f¨ ur sich selbst identisch null. Indem wir jetzt noch den Erhaltungssatz der Masse (1.85) mit Hilfe des Reynoldsschen Transporttheorems (1.96) umformen, gewinnen wir die Integralform der Kontinuit¨atsgleichung: Dm D = Dt Dt

 

   dV =

(V (t))

oder   (V )

∂ ∂ dV = ∂t ∂t

∂ dV + ∂t

(V )

 ui ni dS = 0

(2.6)

(S)

 

  dV = −

(V )



 ui ni dS .

(2.7)

(S)

In dieser Gleichung betrachten wir also einen festen Integrationsbereich, ein sogenanntes Kontrollvolumen, und interpretieren diese Gleichung wie folgt:

2.2 Impulssatz

39

¨ Die zeitliche Anderung der Masse im Kontrollvolumen ist gleich der Differenz der pro Zeiteinheit durch die Oberfl¨ ache des Kontrollvolumens ein- und ausfließenden Massen. Diese h¨ ochst anschauliche Interpretation dient oft als Ausgangspunkt f¨ ur die Erl¨ auterung des Erhaltungssatzes der Masse. In station¨ arer Str¨ omung ist ∂/∂t = 0, und die Integralform der Kontinuit¨atsgleichung lautet:   ui ni dS = 0 , (2.8) (S)

d. h. es muß in das Kontrollvolumen ebensoviel Masse pro Zeiteinheit ein- wie ausfließen.

2.2 Impulssatz Als ersten die Erfahrungen der klassischen Mechanik zusammenfassenden aber unbeweisbaren Satz (Axiom) besprechen wir die Bilanz des Impulses: ¨ In einem Inertialsystem ist die zeitliche Anderung des Impulses eines K¨orpers gleich der auf diesen K¨ orper wirkenden Kraft: DI = F . Dt

(2.9)

Es wird im folgenden also nur darauf ankommen, dieses Axiom explizit umzuformen. Der K¨ orper ist, wie bisher, ein St¨ uck der Fl¨ ussigkeit, das immer aus denselben materiellen Punkten besteht. Wir berechnen den Impuls des K¨ orpers analog zu (1.83) als Integral u ¨ ber den vom K¨orper eingenommenen Bereich:   I =  u dV . (2.10) (V (t))

Die Kr¨ afte, die am K¨ orper angreifen, zerfallen grunds¨atzlich in zwei Klassen, n¨ amlich in Massen- bzw. Volumenkr¨afte und Oberfl¨achen- bzw. Kontaktkr¨afte. Massenkr¨ afte sind Kr¨ afte mit großer Reichweite, sie wirken auf alle materiellen Teilchen im K¨ orper und haben in der Regel ihre Ursache in Kraftfeldern. Das wichtigste Beispiel ist das Erdschwerefeld. Die Gravitationsfeldst¨ arke g wirkt auf jedes Molek¨ ul im Fl¨ ussigkeitsteilchen, und die Summe der Kr¨ afte stellt die auf das Teilchen wirkende Schwerkraft dar:  ∆F = g mi = g ∆m . (2.11) i

Die Schwerkraft ist also proportional zur Masse des Fl¨ ussigkeitsteilchens. Im Rahmen der Kontinuumshypothese vollziehen wir, wie bisher, den Grenz¨ ubergang zum materiellen Punkt und bezeichnen die auf die Masse bezogene Kraft

40

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

Abbildung 2.1. Zur Erl¨ auterung der Volumen- und Oberfl¨ achenkr¨ afte

 k = lim ∆F ∆m→0 ∆m

(2.12)

als die Massenkraft und speziell im Fall des Erdschwerefeldes (k = g) als Massenkraft der Schwere. Die Volumenkraft ist die auf das Volumen bezogene Kraft, also ∆F f = lim , ∆V →0 ∆V

(2.13)

(vgl. Abb. 2.1) speziell im Fall der Schwerkraft also: ∆m f = lim g = g . ∆V →0 ∆V

(2.14)

Andere technisch wichtige Massen- bzw. Volumenkr¨afte treten aufgrund elektromagnetischer Felder auf oder sind sogenannte Scheinkr¨afte (wie z. B. die Zentrifugalkraft), wenn die Bewegung auf ein beschleunigtes Bezugssystem bezogen wird. Die Kontakt- bzw. Oberfl¨ achenkr¨ afte werden von der umgebenden Fl¨ ussigkeit oder allgemeiner von der unmittelbaren Umgebung auf die Oberfl¨ache des betrachteten Teils der Fl¨ ussigkeit ausge¨ ubt. Wenn ∆F das Element der Oberfl¨ achenkraft ist und ∆S das Fl¨ achenelement am Ort x, an dem die Kraft angreift, so nennen wir die Gr¨ oße  t = lim ∆F ∆S→0 ∆S

(2.15)

den Spannungsvektor am Ort x (vgl. Abb. 2.1). Der Spannungsvektor ist aber nicht nur vom Ort x und der Zeit t abh¨ angig, sondern auch von der Orientierung des Fl¨ achenelementes am Ort x, d. h. vom Normalenvektor n des Fl¨achenelementes, und ist im allgemeinen nicht parallel zum Normalenvektor gerichtet. Vielmehr nennen wir die Projektion von t in Richtung der Fl¨achennormalen Normalspannung und die Projektion in die Ebene senkrecht zu n die Tangentialspannung.

2.2 Impulssatz

41

Die gesamte Kraft, die an dem betrachteten Teil der Fl¨ ussigkeit angreift, erhalten wir durch Integration u ber das von der Fl¨ u ssigkeit eingenommene ¨ Volumen, bzw. u ber dessen Oberfl¨ a che zu ¨  

 k dV +

F = (V (t))

t dS ,

(2.16)

(S(t))

so daß der Impulssatz folgende Form annimmt:  

D Dt

 

(V (t))

 k dV +

u dV = (V )

t dS .

(2.17)

(S)

Wie schon vorher sind auf der rechten Seite die zeitlich ver¨anderlichen Bereiche ohne Einschr¨ ankung der Allgemeinheit durch feste Bereiche ersetzt worden. Die Anwendung von (1.88) auf die linke Seite f¨ uhrt dann auf die Form      Du k dV + t dS ,  dV = (2.18) Dt (V )

(V )

(S)

der wir eine wichtige Folgerung entnehmen: Dividiert man diese Gleichung durch l2 , wobei l die typische Ausdehnung des Integrationsbereiches ist, also etwa l ∼ V 1/3 , und betrachtet dann den Grenz¨ ubergang l → 0, so verschwinden die Volumenintegrale, und wir erhalten ⎡ ⎤  ⎢ t dS ⎥ lim ⎣l−2 (2.19) ⎦=0. l→0

(S)

Gleichung (2.19) bedeutet, daß die Oberfl¨ achenkr¨afte lokal im Gleichgewicht sind. Offensichtlich ist (2.19) f¨ ur nichtverschwindendes t m¨oglich, weil t kein Feld im u ¨ blichen Sinne darstellt, sondern neben x auch noch von n abh¨angt. Wir benutzen daher diese Beziehung um zu zeigen, in welcher Weise der Spannungsvektor am festen Ort x vom Normalenvektor n abh¨angt. Dazu betrachten wir den Tetraeder der Abb. 2.2. Der Normalenvektor der schr¨agen Fl¨ ache sei n, die anderen Fl¨ achen seien parallel zu den Koordinatenebenen; ihre Normalenvektoren lauten also −e1 , −e2 und −e3 . Wenn ∆S der Fl¨acheninhalt der schr¨ agen Fl¨ ache ist, so sind die anderen Fl¨acheninhalte der Reihe nach ∆S n1 , ∆S n2 und ∆S n3 . F¨ ur den zur schr¨agen Fl¨ache geh¨origen Spannungsvektor schreiben wir t (n) , f¨ ur die anderen t (−e1 ) , t (−e2 ) und t (−e3 ) . Die Anwendung des lokalen Gleichgewichts (2.19) ergibt dann

42

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

Abbildung 2.2. Zum Zusammenhang zwischen Normalen- und Spannungsvektor

⎡ ⎢ lim ⎣l−2



l→0

 lim

l→0

⎤ t dS ⎥ ⎦=

(S)

 ∆S  (−e1 ) (− e2 ) (− e3 ) ( n)    t n + t n + t n + t =0 1 2 3 l2

(2.20)

oder t (n) = −t (−e1 ) n1 − t (−e2 ) n2 − t (−e3 ) n3 ,

(2.21)

da ja ∆S wie l2 verschwindet. In (2.21) sind alle Spannungsvektoren am selben Punkt, n¨ amlich dem (willk¨ urlichen) Ursprung des Koordinatensystems der Abb. 2.2, zu nehmen. Setzen wir n = e1 , also n1 = 1, n2 = n3 = 0, so zeigt (2.21), daß t (e1 ) = −t (−e1 )

(2.22)

gilt, oder durch analoge Schlußweise: t (n) = −t (−n) .

(2.23)

Das heißt aber, daß die Spannungsvektoren, die auf gegen¨ uberliegenden Seiten desselben Fl¨ achenelementes angreifen, denselben Betrag und entgegengesetzte Vorzeichen besitzen. Damit schreiben wir anstatt (2.21) auch t (n) = t (e1 ) n1 + t (e2 ) n2 + t (e3 ) n3 .

(2.24)

2.2 Impulssatz

43

Der Spannungsvektor ist also eine lineare Funktion der Komponenten des Normalenvektors. Den zur Fl¨ ache mit dem Normalenvektor e1 geh¨origen Spannungsvektor zerlegen wir in seine Komponenten t (e1 ) = τ11e1 + τ12e2 + τ13e3

(2.25)

und verabreden, daß der erste Index die Richtung des Normalenvektors angibt, und der zweite Index die Richtung der Komponente bestimmt. Die Spannungsvektoren der anderen Koordinatenfl¨achen und der schr¨agen Fl¨ache zerlegen wir ebenfalls in Komponenten und setzen sie dann in (2.24) ein. Aus der Darstellung der resultierenden Gleichung im Schema t1e1 + n1 (τ11e1 + τ12e2 + τ13e3 )+ t (n) = t2e2 + = n2 (τ21e1 + τ22e2 + τ23e3 )+ t3e3 n3 (τ31e1 + τ32e2 + τ33e3 )

(2.26)

lesen wir die Komponentengleichung in die erste Richtung ab: t1 = τ11 n1 + τ21 n2 + τ31 n3 ,

(2.27)

wobei der Superscript n jetzt und im folgenden weggelassen wird. Allgemein gilt demnach f¨ ur die Komponente in die i-te Richtung: ti = τ1i n1 + τ2i n2 + τ3i n3 .

(2.28)

Gleichung (2.28) schreiben wir mit der Einsteinschen Summationskonvention k¨ urzer ti (x, n, t) = τji (x, t)nj

(i, j = 1, 2, 3) ,

(2.29a)

wobei wir explizit die Abh¨ angigkeit von x, n und t angegeben haben. Die neun Gr¨ oßen, die zur Angabe des Spannungsvektors an einem Fl¨achenelement mit dem beliebigen Normalenvektor n am Ort x n¨otig sind, bilden einen Tensor zweiter Stufe. Die physikalische Bedeutung der allgemeinen Komponente τji wird aus (2.26) klar. τji ist der Betrag der i-ten Komponente des Spannungsvektors am Element der Koordinatenfl¨ ache mit dem Normalenvektor in die j-te Richtung. W¨ ahrend ti kein Vektorfeld im u ¨ blichen Sinne ist, da ti neben x auch noch vom Vektor n (allerdings nur linear) abh¨ angt, ist τji (x, t) ein Feld, genauer ein Tensorfeld. Mathematisch gesprochen ist (2.29a) eine lineare, homogene Abbildung des Normalenvektors n auf den Vektor t. In symbolischer Schreibweise lautet (2.29a) t = n · T , wobei die Matrixdarstellung des Spannungstensors T ⎤ ⎡ τ11 τ12 τ13 [T] = ⎣τ21 τ22 τ23 ⎦ τ31 τ32 τ33

(2.29b)

(2.30)

44

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

ist. Die Elemente der Hauptdiagonalen sind die Normalspannungen, die Nichtdiagonalelemente sind die Schubspannungen. Wie wir sp¨ater zeigen werden, ist der Spannungstensor eine symmetrischer Tensor zweiter Stufe und daher diagonalisierbar. An jedem Ort x lassen sich daher drei zueinander senkrechte Fl¨ achenelemente angeben, an denen nur Normalspannungen auftreten. Diese Fl¨ achenelemente sind parallel zu den Koordinatenfl¨achen des Hauptachsensystems. In einer zum Dehnungsgeschwindigkeitstensor analogen Betrachtungsweise finden wir die Normalenvektoren zu diesen Fl¨achenelementen, indem wir nach den Vektoren fragen, die parallel zum Spannungsvektor sind, also die Gleichung ti = τji nj = σ ni = σ nj δji

(2.31)

erf¨ ullen. Wenn die charakteristische Gleichung −σ 3 + I1τ σ 2 − I2τ σ + I3τ = 0 ,

(2.32)

dieses homogenen Gleichungssystems, in der die Invarianten analog (1.58) mit den Elementen des Spannungstensors auszuwerten sind, drei verschiedene Wurzeln (Eigenwerte) hat, so gibt es nur ein Hauptachsensystem. Bei einer Fl¨ ussigkeit in Ruhe, bei der definitionsgem¨ aß alle Reibungsspannungen verschwinden, sind alle drei Eigenwerte gleich, d. h. σ (1) = σ (2) = σ (3) = −p. Jedes orthogonale System von Achsen ist dann Hauptachsensystem. Den Spannungszustand, der durch den Spannungstensor in der kugelsymmetrischen Form τji = −p δji

(2.33)

gekennzeichnet ist, nennt man hydrostatisch. Den Spannungsvektor erhalten wir dann zu ti = τji nj = −p δji nj = −p ni ,

(2.34a)

bzw. symbolisch t = −p n .

(2.34b)

Der Betrag dieses Spannungsvektors ist der Druck p, der eine skalare, von n unabh¨ angige Gr¨oße ist. Zuweilen wird im allgemeinen Fall der Spannungstensor aufgespalten τij = −p δij + Pij ,

(2.35)

und Pij der Tensor der Reibungsspannungen genannt. Er hat dieselben Hauptachsen wie der Tensor τij . Als mittlere Normalspannung bezeichnen wir den Ausdruck p=

1 τii , 3

(2.36)

2.2 Impulssatz

45

der im allgemeinen ungleich dem negativen Druck ist. Wenn wir den Ausdruck (2.29) f¨ ur den Spannungsvektor in den Impulssatz (2.18) einsetzen und das entstehende Oberfl¨ achenintegral nach dem Gaußschen Satz in ein Volumenintegral umwandeln, so erhalten wir in Indexschreibweise     Dui ∂τji  −  ki − dV = 0 . (2.37) Dt ∂xj (V )

Wegen der vorausgesetzten Stetigkeit des Integranden und des beliebigen Integrationsbereiches (V ) ist (2.37) gleichbedeutend mit der Differentialform des Impulssatzes: 

Dui ∂τji =  ki + , Dt ∂xj

(2.38a)

oder symbolisch geschrieben 

Du =  k + ∇ · T . Dt

(2.38b)

Auf eine andere Form dieser als Erste Cauchysche Bewegungsgleichung bekannten grundlegenden Beziehung werden wir gef¨ uhrt, wenn wir die linke Seite von (2.17) zun¨ achst mit dem Reynoldsschen Transporttheorem (1.93) umformen und dann die analoge Schlußweise anwenden: ∂ ∂ ∂ ( ui ) + ( ui uj ) =  ki + (τji ) . ∂t ∂xj ∂xj

(2.39)

Die Cauchysche Bewegungsgleichung gilt f¨ ur jedes Kontinuum, also auch f¨ ur jede Fl¨ ussigkeit, gleichg¨ ultig wie die speziellen Materialeigenschaften beschaffen sein m¨ ogen. Sie ist der Ausgangspunkt f¨ ur die Berechnung str¨omungsmechanischer Probleme. Durch die Angabe der Materialgleichung, also eines Zusammenhangs zwischen dem Spannungstensor und der Bewegung (z. B. dem Deformationsgeschwindigkeitstensor) wird die Cauchysche Bewegungsgleichung spezialisiert zu einer Bewegungsgleichung f¨ ur das betrachtete Material. Der Integralform des Impulssatzes kommt in der technischen Anwendung insbesondere dann eine erhebliche Bedeutung zu, wenn sich die auftretenden Integrale als Oberfl¨ achenintegrale schreiben lassen. Dazu formen wir zun¨ achst den Impulssatz (2.17) mit dem Reynoldsschen Transporttheorem in der Form (1.96) um und erhalten   (V )

∂( u) dV + ∂t



 

(S)

  k dV +

 u(u · n) dS = (V )

t dS . (S)

(2.40)

46

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

Das erste Integral auf der linken Seite kann nicht in ein Oberfl¨achenintegral umgewandelt werden. Daher hat der Impulssatz in integraler Form die erw¨ ahnte Bedeutung nur, wenn dieses Integral verschwindet, d. h. bei station¨ arer Str¨ omung oder bei solchen instation¨aren Str¨omungen, die in den zeitlichen Mittelwerten wieder station¨ ar sind, wie es bei turbulenten station¨ aren Str¨ omungen der Fall ist. (Bei station¨ arer turbulenter Str¨omung muß in (2.40) der zeitlich gemittelte Impulsfluß eingesetzt werden, der sich von dem mit der gemittelten Geschwindigkeit gebildeten Impulsfluß unterscheidet. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf Kapitel 7.) Das erste Integral auf der rechten Seite kann als Oberfl¨achenintegral geschrieben werden, wenn die Volumenkraft  k als Gradient einer skalaren Funktion berechnet werden kann, d. h. wenn die Volumenkraft ein Potential besitzt. Das Potential der Volumenkraft bezeichnen wir mit Ω (f =  k = −∇Ω), das der Massenkraft mit ψ (k = −∇ψ). (Zur Veranschaulichung denke man an das wichtigste Potential, das der Volumen- bzw. Massenkraft der Schwere (Ω = − gi xi , ψ = −gi xi ).) In Analogie zu unseren Bemerkungen zum Geschwindigkeitspotential ist ∇ × ( k) = 0 notwendige und hinreichende Bedingung f¨ ur die Existenz des Potentials der Volumenkraft. In diesem Zusammenhang ist nur der Fall von Bedeutung, f¨ ur den  konstant ist und die Massenkraft k ein Potential hat. Dann l¨ aßt sich das Volumenintegral als Oberfl¨ achenintegral schreiben:       k dV = − ∇Ω dV = − Ω n dS , (2.41) (V )

(V )

(S)

und der Impulssatz (2.40) lautet nunmehr 

  u(u · n) dS = −

(S)

(S)

 t dS .

Ω n dS +

(2.42)

(S)

Die Bedeutung des Impulssatzes wird einsichtig, wenn man bedenkt, daß mit der Kenntnis des Impulsflusses und des Potentials Ω nun die Kraft an der Oberfl¨ ache des Kontrollvolumens bekannt ist. Oft will man u ¨ berhaupt nur die Kraft wissen, die vom Impulsfluß herr¨ uhrt, und dann nimmt der Impulssatz die am h¨ aufigsten benutzte Form an:   t dS .  u(u · n) dS = (2.43) (S)

(S)

Umgekehrt ist mit (2.43) der Impulsfluß bekannt, wenn die Kraft gegeben ist. Die oft unbekannten (oft auch nicht berechenbaren) Str¨omungsvorg¨ange im Inneren des Kontrollvolumens treten beim Impulssatz (2.43) nicht in Erscheinung, lediglich die Gr¨ oßen an der Oberfl¨ache sind von Bedeutung und, da das Kontrollvolumen frei w¨ ahlbar ist, wird man im konkreten Fall die

2.3 Drallsatz oder Drehimpulssatz

47

Oberfl¨ ache so legen, daß sich die Integrale m¨ oglichst einfach auswerten lassen. Oft kann man die Oberfl¨ ache so legen, daß der Spannungsvektor dieselbe Form annimmt wie bei einer Fl¨ ussigkeit in Ruhe, d. h. t = −p n. Dann ist es m¨ oglich, aus (2.43) allgemeine Schl¨ usse zu ziehen, ohne daß ein spezielles Materialgesetz herangezogen werden muß.

2.3 Drallsatz oder Drehimpulssatz Als zweiten, vom Impulssatz unabh¨ angigen Erfahrungssatz der klassischen Mechanik besprechen wir die Bilanz des Dralles. Im Inertialsystem ist die ¨ zeitliche Anderung des Dralles gleich dem auf den K¨orper wirkenden Moment der ¨ außeren Kr¨ afte: D   . (D) = M Dt

(2.44)

 als Integral u Wir berechnen den Drall D ussigen K¨orper ein¨ber den vom fl¨ genommenen Bereich zu    = D

x × ( u) dV .

(2.45)

(V (t))

Der Drall nach (2.45) ist auf den Ursprung des Koordinatensystems bezogen; auf denselben Bezugspunkt m¨ ussen wir das Moment der ¨außeren Kr¨afte  

 x × ( k) dV +

 = M (V (t))

x × t dS

(2.46)

(S(t))

beziehen, betonen aber, daß die Wahl des gemeinsamen Bezugspunktes unwesentlich ist. Der Drallsatz nimmt also die Form      D x × ( u) dV = x × ( k) dV + x × t dS (2.47) Dt (V (t))

(V )

(S)

an, wobei wir aus bekannten Gr¨ unden den zeitlich ver¨anderlichen Bereich auf der rechten Seite bereits durch den festen Bereich ersetzt haben. Wir wollen nun zun¨ achst zeigen, daß die differentielle Form des Drallsatzes die Symmetrie des Spannungstensors nach sich zieht, und f¨ uhren den Ausdruck (2.29) in das Oberfl¨ achenintegral ein, welches wir dann als Volumenintegral schreiben k¨ onnen. In Indexnotation erhalten wir somit    ∂

ijk xj τlk nl dS =

ijk (xj τlk ) dV , (2.48) ∂xl (S)

(V )

48

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

und nach Anwendung von (1.88) auf den Term der linken Seite von (2.47) schreiben wir als Zwischenergebnis     D ∂

ijk  (xj uk ) − (xj τlk ) − xj  kk dV = 0 , (2.49) Dt ∂xl (V )

was nach Ausf¨ uhrung der Differentiationen und entsprechender Zusammenfassung auf   

   Duk ∂τlk

ijk xj  − −  kk +  ijk uj uk − ijk τjk dV = 0 Dt ∂xl

(V )

(2.50) f¨ uhrt. Der Ausdruck in der mittleren Klammer verschwindet, wenn der Impulssatz (2.38) erf¨ ullt ist; damit wird auch der Ortsvektor xj aus der Gleichung eliminiert, was die oben erw¨ ahnte Unabh¨angigkeit des Drallsatzes von der Wahl des Ursprunges als Bezugspunkt beweist. Das Außenprodukt

ijk uj uk veschwindet ebenfalls, weil u nat¨ urlich zu sich selbst parallel ist, so daß sich der Drallsatz auf  

ijk τjk dV = 0 (2.51) (V )

reduziert. Da das Tensorfeld τjk stetig ist, ist (2.51) gleichbedeutend mit

ijk τjk = 0 ,

(2.52)

das heißt, daß τjk ein symmetrischer Tensor ist, also gilt: τjk = τkj .

(2.53)

Wie dem Impulssatz in integraler Form kommt auch der Integralform des Drallsatzes in den technischen Anwendungen eine besondere Bedeutung zu. Wir interessieren uns dabei nur f¨ ur das Moment, das auf den Drallfluß durch die Kontrollfl¨ ache zur¨ uckzuf¨ uhren ist, und beschr¨anken uns auf station¨are bzw. auf instation¨ are Str¨ omungen, die im zeitlichen Mittel im bereits besprochenen Sinne station¨ ar sind. Mit dem Reynoldsschen Transporttheorem (1.96) gewinnen wir aus (2.47) den Drallsatz in einer Form, in der nur Oberfl¨ achenintegrale auftreten: 



ijk xj uk  ul nl dS =

(S)

ijk xj tk dS , (S)

oder in symbolischer Schreibweise:

(2.54a)

2.4 Impuls- und Drallsatz im beschleunigten Bezugssystem



 x × u  u · n dS =

(S)

49

x × t dS .

(2.54b)

(S)

Eine spezielle Form des Drallsatzes (2.54) ist als Eulersche Turbinengleichung bekannt (siehe Abschnitt 2.5) und bildet den wichtigsten Satz in der Theorie der Turbomaschinen.

2.4 Impuls- und Drallsatz im beschleunigten Bezugssystem Die bisher besprochenen Bilanzs¨ atze des Impulses und des Drehimpulses gelten nur in Inertialsystemen. Als Inertialsystem der klassischen Mechanik kann ein Koordinatensystem gelten, dessen Achsen raumfest sind (also z. B. nach den Fixsternen ausgerichtet sind), und das als Zeiteinheit den mittleren Sonnentag benutzt, der ja gerade die Grundlage unserer Zeitrechnung bildet. Alle Bezugssysteme, die sich in diesem System gleichf¨ormig, d. h. unbeschleunigt bewegen, sind gleichberechtigt und daher Inertialsysteme. In Bezugssystemen, die relativ zu Inertialsystemen in beschleunigter Bewegung sind, gelten die Bilanzs¨ atze nicht. Die Tr¨agheitskr¨afte, die aus der ungleichf¨ ormigen Bewegung herr¨ uhren, sind aber oft so klein, daß Bezugssysteme n¨ aherungsweise als Inertialsysteme betrachtet werden k¨onnen. Auf der anderen Seite m¨ ussen in der Technik oft Bezugssysteme verwendet werden, in denen die oben erw¨ ahnten Tr¨ agheitskr¨ afte nicht vernachl¨assigbar sind. Zur Veranschaulichung betrachten wir beispielsweise eine horizontale, mit der Winkelgeschwindigkeit Ω rotierende Scheibe. Auf dieser Scheibe befindet sich ein mit ihr rotierender Beobachter, der u ¨ber einen Faden einen auf der Scheibe im Abstand R vom Drehpunkt liegenden Stein festh¨alt. Der Beobachter wird eine Kraft (die Zentrifugalkraft) im Faden feststellen. Da aber der Stein in seinem Koordinatensystem ruht, und daher die Beschleunigung in diesem Bezugssystem null ist, die Impuls¨ anderung also verschwindet, so m¨ ußte nach dem Impulssatz (2.9) auch die Kraft im Faden verschwinden. Der Beobachter schließt zu Recht, daß in seinem Bezugssystem der Impulssatz nicht gilt. Bei der rotierenden Scheibe handelt es sich in der Tat um ein beschleunigtes Bezugssystem. Einem neben der Scheibe befindlichen Beobachter ist der Ursprung der Fadenkraft unmittelbar klar. Er sieht, daß sich der Stein auf einer Kreisbahn bewegt, also eine Beschleunigung zum Kr¨ ummungsmittelpunkt der Bahn erf¨ ahrt, und daß daher nach dem Impulssatz eine ¨ außere Kraft auf den Stein wirken muß. Die Beschleunigung ist die bekannte Zentripetal - oder Normalbeschleunigung, die hier mit Ω 2 R gegeben ist. Die nach innen gerichtete Kraft ist die Zentripetalkraft, die genau der vom rotierenden Beobachter festgestellten Zentrifugalkraft die Waage h¨alt. In diesem Beispiel kann das Bezugssystem des ruhenden Beobachters, also die Erde, als Inertialsystem betrachtet werden. In anderen F¨allen zeigen sich

50

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

aber Abweichungen von den Aussagen des Impulssatzes, die darauf zur¨ uckzuf¨ uhren sind, daß die rotierende Erde eben kein Inertialsystem ist, und daher der Impulssatz in einem fest mit der Erde verbundenen Bezugssystem strenggenommen nicht gilt. Bez¨ uglich eines mit der Erde fest verbundenen Koordinatensystems beobachtet man z. B. die bekannte Ostablenkung beim freien Fall oder die Drehung der Schwingungsebene beim Foucaultschen Pendel . Beide Erscheinungen (neben vielen anderen) sind mit der G¨ ultigkeit des Impulssatzes in dem gew¨ ahlten Bezugssystem Erde nicht vereinbar. F¨ ur die meisten terrestrischen Vorg¨ ange kann aber ein Koordinatensystem als Inertialsystem gelten, welches seinen Ursprung im Erdmittelpunkt hat, und dessen Achsen nach den Fixsternen ausgerichtet sind. Die oben erw¨ahnte Ostablenkung erkl¨ art sich dann daraus, daß der K¨orper in seiner Anfangslage infolge der Erddrehung eine etwas h¨ ohere Umfangsgeschwindigkeit hat als am n¨ aher zum Erdmittelpunkt liegenden Auftreffpunkt. Zur Erkl¨arung des Foucaultschen Pendels f¨ uhren wir uns vor Augen, daß das Pendel bez¨ uglich des Inertialsystems im Einklang mit (2.9) seine Schwingungsebene beibeh¨alt. Das mit der Erde verbundene Bezugssystem, z. B. das Laboratorium, in dem das Pendel aufgeh¨ angt ist, dreht sich aber um diese Ebene. Ein Beobachter im Laboratorium stellt dann bez¨ uglich seines Systems eine Drehung der Schwingungsebene fest. Die Beschreibung der Bewegung im Inertialsystem ist von wenig Interesse f¨ ur den Beobachter, ihm muß es vielmehr darum gehen, die Bewegung in seinem System zu beschreiben, denn nur in diesem System kann er Messungen ausf¨ uhren. In vielen Anwendungen wird die Benutzung eines beschleunigten Bezugssystems unvermeidbar und von der Sache her aufgezwungen. So will man z. B. in meteorologischen Problemen nat¨ urlich die Windstr¨omungen nur bez¨ uglich der Erde, also dem rotierenden System wissen. Aber auch in technischen Problemen ist es oft zweckm¨ aßig und u. U. f¨ ur die L¨osung absolut n¨otig, ein beschleunigtes Koordinatensystem zu verwenden. Bei der Berechnung der Kreiselbewegung ist die Erde ein gen¨ ugend gutes Inertialsystem, aber in diesem System ist der Tensor der Tr¨agheitsmomente zeitabh¨ angig. Daher ist es besser, ein mit dem Kreisel fest verbundenes Bezugssystem zu w¨ ahlen, in dem der Tensor der Tr¨agheitsmomente zeitlich konstant ist, das dann aber ein beschleunigtes System darstellt. Bei omungstechnischen Problemen bietet sich ein beschleunigtes Bezugssystem str¨ immer dann an, wenn die Berandung des Str¨omungsgebietes bez¨ uglich des beschleunigten Systems in Ruhe ist. Als Beispiel sei die Str¨omung in den Str¨ omungskan¨ alen einer Turbomaschine erw¨ ahnt. In einem mit dem L¨aufer fest verbundenen und daher rotierenden Koordinatensystem ist nicht nur der Rand in Ruhe, sondern die Str¨ omung selbst in guter N¨aherung station¨ar, was die analytische Behandlung stark vereinfacht. Es wird also im folgenden darum gehen, die nur in Inertialsystemen g¨ ultigen Erhaltungss¨ atze f¨ ur Impuls und Drall so zu formulieren, daß in ihnen nur noch Gr¨ oßen auftreten, die im beschleunigten System festgestellt werden k¨ onnen. Als selbstverst¨ andlich nehmen wir die Annahme hin, daß die Kr¨afte

2.4 Impuls- und Drallsatz im beschleunigten Bezugssystem

51

Abbildung 2.3. Bewegtes Bezugssystem

und Momente f¨ ur jeden Beobachter dieselben sind, gleichg¨ ultig ob sich dieser im beschleunigten System oder im Inertialsystem befindet. Die zeitliche ¨ ¨ Anderung des Impuls- bzw. Drallvektors oder auch die zeitliche Anderung der Geschwindigkeit sind abh¨ angig vom Bezugssystem, wie u ¨ berhaupt die ¨ Anderung eines jeden Vektors (mit einer Ausnahme, wie wir sehen werden) ¨ davon abh¨ angt, ob diese Anderung im Inertialsystem oder im beschleunigten Bezugssystem beobachtet wird. Wir wenden uns zun¨ achst der differentiellen Form des Impulssatzes und des Drallsatzes im beschleunigten System zu und betrachten ein raumfestes Bezugssystem (Inertialsystem) und ein dazu beschleunigtes System (Abb. 2.3), das gegen¨ uber dem Inertialsystem eine Translation mit der Ge schwindigkeit v (t) und eine Rotation mit der Winkelgeschwindigkeit Ω(t) ¨ ausf¨ uhrt. Die zeitliche Anderung des Ortsvektors x eines materiellen Teilchens beobachtet im beschleunigten System bezeichnen wir in naheliegender Weise mit   Dx =w  (2.55) Dt B und nennen w  die Relativgeschwindigkeit. Im Inertialsystem hat das betrach¨ tete Teilchen den Ortsvektor x + r, und seine Anderung im Inertialsystem ist die Absolutgeschwindigkeit:   D (x + r) = c . (2.56) Dt I In Anlehnung an die im Str¨ omungsmaschinenbau u ¨bliche Symbolik wird die Absolutgeschwindigkeit mit c bezeichnet. Die Absolutgeschwindigkeit ergibt sich aus der vektoriellen Summe der Relativgeschwindigkeit w,  der Geschwindigkeit des Ursprungs des bewegten Koordinatensystems (F¨ uhrungsgeschwindigkeit )

52

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik



Dr v = Dt

 (2.57) I

und der durch Drehung des Koordinatensystems am Ort x erzeugten Um × x zu fangsgeschwindigkeit Ω  × x + v . c = w  +Ω

(2.58)

Aus (2.55) bis (2.58) erh¨ alt man die grundlegende Formel f¨ ur die zeitliche ¨ Anderung des Vektors x in den zwei Bezugssystemen:     Dx Dx  × x . = +Ω (2.59) Dt I Dt B Offensichtlich gilt diese Formel nicht nur f¨ ur den Vektor x, sondern ganz allgemein. Betrachtet man n¨ amlich den allgemeinen Vektor b, der bez¨ uglich des beschleunigten Systems die kartesische Zerlegung b = b1e1 + b2e2 + b3e3 = biei ¨ habe, so ist seine im Inertialsystem beobachtete Anderung   Db Dbi Dei = ei + bi . Dt Dt Dt

(2.60)

(2.61)

I

¨ Die ersten drei Terme stellen die Anderung des Vektors b im beschleunigten Koordinatensystem dar. In diesem System sind die Basisvektoren ei fest. Im Inertialsystem aber werden diese Einheitsvektoren zum einen durch die Translationsbewegung parallel verschoben, was die Vektoren aber nicht andert, und zum anderen gedreht. Wir interpretieren vor¨ ubergehend Dei /Dt ¨ als die Geschwindigkeit eines materiellen Teilchens mit dem Ortsvektor ei . Da ei ein Einheitsvektor ist, kann es sich bei der Geschwindigkeit nur um die  × ei handeln, so daß wir auf die Gleichung Umfangsgeschwindigkeit Ω Dei  × ei =Ω Dt

(2.62)

gef¨ uhrt werden. Damit erh¨ alt man aus (2.61) sofort die (2.59) entsprechende Gleichung     Db Db  × b . = +Ω (2.63) Dt Dt I

B

 so stimmen die Anderungen ¨ Ist speziell b = Ω, im Inertialsystem und im Relativsystem u ¨ berein:        DΩ dΩ DΩ = = . (2.64) Dt Dt dt I

B

2.4 Impuls- und Drallsatz im beschleunigten Bezugssystem

53

 (bzw. f¨ Dies gilt offensichtlich nur f¨ ur die Winkelgeschwindigkeit Ω ur Vekto ren, die immer parallel zu Ω sind). ¨ F¨ ur die Cauchysche Gleichung (2.38) ben¨ otigen wir die Anderung der Absolutgeschwindigkeit [Dc/Dt]I . Die rechte Seite ist, wie bereits bemerkt, vom Bezugssystem unabh¨ angig. Wenn wir noch (2.58) benutzen, so ergibt sich zun¨ achst die Gleichung          × x) Dc Dw  D(Ω Dv = + + , (2.65) Dt I Dt I Dt Dt I I

aus der durch Anwendung von (2.63) und (2.64) die Gleichung        Dc Dw  Dx    = +Ω×w  + Ω× + Ω × x Dt I Dt B Dt B      DΩ Dv + × x + Dt Dt I

(2.66)

B

entsteht. Schreibt man f¨ ur die F¨ uhrungsbeschleunigung (Dv /Dt)I = a und ersetzt (Dx/Dt)B gem¨ aß (2.55) durch w,  so l¨ aßt sich die Beschleunigung im Inertialsystem durch Gr¨ oßen im beschleunigten System ausdr¨ ucken: 

Dc Dt





I

Dw  = Dt

 B

  ×w  × (Ω  × x) + dΩ × x + a . +2Ω  +Ω dt

(2.67)

In die Cauchysche Gleichung, die (wie wir nochmals betonen) nur im Inertialsystem g¨ ultig ist, kann entsprechend nur die Beschleunigung im Inertialsystem eingesetzt werden. Aber unter Benutzung von (2.67) kann diese Absolutbeschleunigung durch Gr¨ oßen im beschleunigten System ausgedr¨ uckt werden, so daß wir schließlich die Gleichung 

Dw   Dt

 B

    ×w  × (Ω  × x) +  dΩ × x =  k + ∇ · T −  a + 2 Ω  + Ω dt (2.68)

erhalten. (Hier ist zu bemerken, daß (2.68) eine Vektorgleichung ist, in der k und ∇ · T eine vom Koordinatensystem unabh¨angige Bedeutung haben. Als Matrizengleichung geschrieben, m¨ ussen die Komponenten nat¨ urlich durch die im Anhang A hergeleiteten Beziehungen auf das beschleunigte System transformiert werden.) Bis auf die Glieder in der runden Klammer hat (2.68) die Form der Cauchyschen Gleichung im Inertialsystem. Diese Glieder wirken im beschleunigten System wie zus¨ atzliche Volumenkr¨afte, die zu den ¨außeren Kr¨ aften hinzukommen. Sie sind reine Tr¨agheitskr¨afte, die sich aus der

54

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

Bewegung des Bezugssystems relativ zum Inertialsystem ergeben, also nur scheinbare“ a afte (daher auch ihr Name Scheinkr¨afte). ¨ußere Kr¨ ” Der Term − a wird als F¨ uhrungskraft (pro Volumeneinheit) bezeichnet; er fehlt, wenn der Ursprung des Relativsystems in Ruhe ist oder sich mit kon ×w stanter Geschwindigkeit bewegt. Der Term −2 Ω  ist die Corioliskraft; sie verschwindet, wenn der materielle Punkt im beschleunigten System ruht.  × (Ω  × x) dargestellt; dieser Die Zentrifugalkraft wird durch das Glied − Ω Term ist auch dann vorhanden, wenn der materielle Punkt im beschleunigten System ruht. Der vierte Ausdruck hat keinen speziellen Namen. Mit (2.68) haben wir die differentielle Form des Impulssatzes im beschleunigten Bezugssystem gewonnen. Wenn dieser Satz erf¨ ullt ist, dann treten in ¨ der differentiellen Form des Drehimpulssatzes keine zeitlichen Anderungen der Geschwindigkeit auf (vgl. (2.50)), so daß dieser Satz in allen Bezugssystemen g¨ ultig ist, was die Symmetrie des Spannungstensors in allen Bezugssystemen ausdr¨ uckt. Somit ¨ außern sich die Scheinkr¨afte in den differentiellen Formen der Erhaltungss¨ atze f¨ ur Impuls und Drall nur im Impulssatz. Die durch die Erddrehung hervorgerufenen Scheinkr¨afte k¨onnen Bewegungsvorg¨ ange nur dann wesentlich beeinflussen, wenn die r¨aumliche Erstreckung der betrachteten Bewegung in die Gr¨oßenordnung des Erdradius kommt, oder ihre Dauer die Gr¨ oßenordnung von Stunden hat. Daher wird ihr Einfluß in rasch ablaufenden Str¨ omungsvorg¨angen mit kleiner Erstreckung kaum wahrgenommen und kann vernachl¨assigt werden. Ihr Einfluß wird aber wesentlich bei Meeresstr¨ omungen und in noch st¨arkerem Maße bei omungen in der Atmosph¨ are. Die Erde dreht sich in einem Sterntag (der Str¨ mit 86164 s etwas k¨ urzer ist als ein Sonnentag mit 86400 s) um 2π, also mit der Winkelgeschwindigkeit von Ω = 2π/86164 ≈ 7, 29 ∗ 10−5 s−1 . Da die Winkelgeschwindigkeit konstant ist, verschwindet der letzte Term in (2.68). Außerdem kann der Einfluß der Drehung um die Sonne vernachl¨assigt werden, so daß nur Coriolis- und Zentrifugalkraft als Scheinkr¨afte wirken. Die ¨ Zentrifugalkraft am Aquator betr¨ agt etwa 0,3% der Erdanziehung. Da sich bei Messungen die Zentrifugalkraft von der Erdanziehung kaum trennen l¨aßt, faßt man beide Kr¨ afte zusammen. Die Resultierende beider Kr¨afte pro Masseneinheit bezeichnet man als Erdbeschleunigung g . Der Vektor g steht normal zum Geoid und ist nicht genau zum Mittelpunkt der Erde gerichtet. Wir betrachten nun ein Luftteilchen, das sich in nord-s¨ udlicher Richtung be aus der Erde heraus. wegt (Abb. 2.4). Auf der n¨ ordlichen Halbkugel zeigt Ω  ×w  und senkrecht auf w Die Corioliskraft −2 Ω  steht senkrecht auf Ω  und dr¨ angt das Fl¨ ussigkeitsteilchen in Richtung seiner Bewegung gesehen nach rechts ab. Dasselbe gilt auch f¨ ur ein Teilchen, welches sich in s¨ ud-n¨ordlicher Richtung bewegt: Es wird ebenfalls in Richtung seiner Bewegung nach rechts abgedr¨ angt. In der Tat werden Teilchen unabh¨angig von der Geschwindigkeitsrichtung auf der n¨ ordlichen Erdhalbkugel nach rechts, auf der s¨ udlichen Halbkugel nach links abgelenkt. Ohne Ber¨ ucksichtigung der Corioliskraft in der Cauchyschen Gleichung w¨ urde man schließen, daß die Luft in Richtung des Druckgradienten, also normal zu den Isobaren str¨omt. Vernachl¨assigt

2.4 Impuls- und Drallsatz im beschleunigten Bezugssystem

55

Abbildung 2.4. Beeinflussung der Teilchenbahn durch die Corioliskraft

Abbildung 2.5. Tief auf der n¨ ordlichen Erdhalbkugel

man n¨ amlich die Reibung, so folgt aus (2.35) τij = −p δij .

(2.69)

Betrachtet man ferner nur die Bewegung parallel zum Geoid, so daß die Schwerkraft  g keine Komponente in Bewegungsrichtung hat, so liefert (2.68) in Indexnotation

56

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik



Dwi ∂(−p δij ) ∂p = =− , Dt ∂xj ∂xi

(2.70)

d. h. die Luft w¨ urde nur in Richtung des Druckgradienten beschleunigt, also radial in ein Tiefdruckgebiet einstr¨ omen. Infolge der Corioliskraft wird aber die Luft auf der n¨ordlichen Halbkugel nach rechts abgelenkt und str¨omt gegen den Uhrzeigersinn fast tangential zu den Isobaren ins Tief (Abb. 2.5), da die Beschleunigung im Relativsystem klein gegen die Coriolisbeschleunigung ist, sich also Druckgradient und Corioliskraft fast die Waage halten (BuysBallotsche Regel ). Als Folge der Corioliskraft ist bei Fließgew¨ assern auf der n¨ordlichen Halbkugel mit einer Rechtsablenkung und etwas h¨ oherem Wasserstand am rechten Ufer zu rechnen. Diese als Baersches Gesetz bezeichnete Erscheinung ist bei durchstr¨ omten Binnenseen als erwiesen anzusehen. Auch bei einigen Fl¨ ussen wird eine st¨ arkere Untersp¨ ulung des rechten Ufers beobachtet. Insgesamt scheinen bei Fl¨ ussen aber andere Einfl¨ usse, so z. B. der wechselnde Widerstand des Flußbettes, morphologisch bedeutsamer zu sein. Auf der Erde ist die Corioliskraft zwar sehr klein, aber wie die Beispiele zeigen, nicht immer vernachl¨ assigbar. Selbst bei Geschwindigkeiten von u = 1000 m/s, wie sie z. B. bei Geschossen angetroffen wird, betr¨agt die maximale Coriolisbeschleunigung nur 2Ω u ≈ 2∗7, 29∗10−5 ∗1000 ms−2 ≈ 0, 015 g. Trotzdem ist ihr Einfluß auf die Flugbahn ganz betr¨achtlich. (Die Winkelabweichung von der Bahn ist u ¨ brigens dabei von der Geschwindigkeit fast unabh¨ angig.) In den technischen Anwendungen sind die Bilanzs¨atze des Impulses und des Drehimpulses in integraler Form oft in Bezugssystemen anzuwenden, die mit rotierenden Maschinenteilen fest verbunden sind. Wie bereits bemerkt, ist die Str¨ omung dann meistens station¨ ar. Ausgangspunkt ist der Impulssatz (2.17). Die darin auftretende Geschwindigkeit ist nat¨ urlich die Absolutgeschwindigkeit c : ⎡ ⎤      D ⎢ ⎥ t dS .  c dV ⎦ =  k dV + (2.71) ⎣ Dt (V (t))

I

(V )

(S)

Auf die Impuls¨ anderung im Impulssatz wenden wir die grundlegende Formel ¨ (2.63) an, um diese Anderung durch Gr¨ oßen im beschleunigten Bezugssystem auszudr¨ ucken. Es ergibt sich zun¨ achst ⎡ ⎤        D ⎢ ⎥   t dS , (2.72)   c dV + Ω ×   c dV =  k dV + ⎣ ⎦ Dt (V (t))

B

(V )

(V )

(S)

wobei wir im zweiten Integral der linken Seite schon den ver¨anderlichen Bereich durch den festen Integrationsbereich ersetzt haben. Auf den ersten

2.4 Impuls- und Drallsatz im beschleunigten Bezugssystem

57

Term k¨ onnen wir ohne weiteres das Reynoldssche Transporttheorem anwenden, welches ja eine rein kinematische Aussage ist und daher in allen Bezugssystemen gilt. Es folgt die Gleichung ⎡ ⎤      ∂ ⎢ ⎥ ×  c dV ⎦ +  c (w  · n) dS + Ω  c dV ⎣ ∂t (V )

B

(S)

 

(V )



 k dV +

= (V )

t dS .

(2.73)

(S)

In dieser Gleichung treten sowohl die Absolutgeschwindigkeit c als auch die Relativgeschwindigkeit w  auf. Letztere tritt auf, weil der Impuls im relativen System mit der Relativgeschwindigkeit w  durch die Oberfl¨ache des im relativen System festen Kontrollvolumens transportiert wird. In den Anwendungen ist die Str¨ omung im Relativsystem in der Regel station¨ar, so daß f¨ ur den technisch wichtigen Sonderfall konstanter Drehgeschwindigkeit und verschwindender F¨ uhrungsbeschleunigung der erste Term auf der linken Seite wegf¨ allt. Beschr¨ ankt man sich auf die Aussage des Impulssatzes ohne Volumenkr¨ afte, so ergibt sich aus (2.73) 

 

(S)

  × c dV = Ω

 c (w  · n) dS + (V )

t dS ,

(2.74)

(S)

 in das Volumenintegral gezogen haben. wobei wir den konstanten Vektor Ω Das Volumenintegral kann f¨ ur inkompressible Str¨omung in ein Oberfl¨achenintegral verwandelt werden. Wir nehmen aber davon Abstand, weil in den  Anwendungen meist nur die Komponente des Impulssatzes in Ω-Richtung  Ω|  interessiert. Bei innerer Multiplikation mit dem Einheitsvektor eΩ = Ω/|  f¨allt das Volumenintegral heraus, da Ω × c immer senkrecht zu eΩ ist. Die  Komponentengleichung in Ω-Richtung lautet also    eΩ · c (w  · n) dS = eΩ · t dS . (2.75) (S)

(S)

Das Auftreten sowohl der Relativ- als auch der Absolutgeschwindigkeit muß beachtet werden. In den Anwendungen st¨ ort dies aber nicht weiter, und wir verzichten darauf, c mittels (2.58) zu ersetzen. ¨ Dieselben Uberlegungen wenden wir nun auch auf den Drallsatz an. Mit ¨ der Formel (2.63) wird zun¨ achst die zeitliche Anderung im Inertialsystem ¨ durch die Anderung im Relativsystem ausgedr¨ uckt und auf diese dann das Reynoldssche Transporttheorem angewendet. Im Relativsystem sei nun die Str¨ omung station¨ ar. Bleibt weiterhin das Moment der Volumenkr¨afte unber¨ ucksichtigt, so wird die integrale Form des Drallsatzes

58

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik



  × (x × c )(w  · n) dS + Ω

(S)

 (x × c) dV =

(V )

x × t dS .

(2.76)

(S)

Der mittlere Term enth¨ alt ein Volumenintegral, ist aber null, wenn der Drall die Richtung von Ω  hat. Turbomaschinen werden so ausgebildet, vektor D daß dies der Fall ist. Nur bei extremen Betriebsbedingungen, z. B. wenn der Durchfluß stark gedrosselt wird, kann es sein, daß die Str¨omung nicht mehr rotationssymmetrisch zur Drehachse ist, der Drallvektor also nicht mehr die Richtung der Achse hat. Dies entspricht einer dynamischen Unwucht, die sich als periodisches R¨ uttelmoment auf die Lagerung auswirkt. Betrachtet  (aus der man aber nur die Komponente des Drallsatzes in Richtung von Ω sich das im Turbomaschinenbau haupts¨ achlich interessierende Drehmoment berechnen l¨ aßt), so erh¨ alt man in jedem Fall eine Gleichung, in der das Volumenintegral nicht mehr auftritt:   (x × c )(w  · n) dS = eΩ · x × t dS . (2.77) eΩ · (S)

(S)

Auch hier tritt sowohl die Absolutgeschwindigkeit c als auch die Relativgeschwindigkeit w  auf.

2.5 Anwendungsbeispiele aus dem Turbomaschinenbau Typische Anwendungen des Impulssatzes und des Drehimpulssatzes ergeben sich in der Theorie der Turbomaschinen. Wesentliches Element aller Turbomaschinen ist ein in axialer oder radialer Richtung kranzartig mit Schaufeln versehener Rotor. Wenn von der Fl¨ ussigkeit eine Kraft auf die sich bewegenden Schaufeln ausge¨ ubt wird, dann leistet die Fl¨ ussigkeit Arbeit, die an die Welle abgegeben wird. Man spricht in diesem Fall auch von Turbokraftmaschinen (Turbinen, Windr¨ ader). Wenn die sich bewegenden Schaufeln Kraft auf die Fl¨ ussigkeit aus¨ uben und damit Arbeit an der Fl¨ ussigkeit verrichten, also deren Energie erh¨ ohen, so spricht man von Turboarbeitsmaschinen (Gebl¨ase, Kompressoren, Pumpen, Propeller). Sehr h¨ aufig ist der Rotor von einem Geh¨ause umgeben, das ebenfalls kranzartig mit Schaufeln versehen ist. Da diese Schaufeln station¨ar sind, wird an ihnen keine Arbeit geleistet. Sie haben die Aufgabe, den auf dem Rotor befindlichen Laufschaufeln die Str¨ omung in geeigneter Weise zu- oder auch von diesen abzuleiten. Man bezeichnet sie deshalb als Leitschaufeln. Einen Leit- und den dazugeh¨ origen Laufschaufelkranz nennt man eine Stufe. Eine Turbomaschine kann aus einer oder mehreren solcher Stufen aufgebaut sein. Denkt man sich den Mittelschnitt der in Abb. 2.6 gezeigten Axialstufe abgewickelt, so entstehen zwei gerade Schaufelgitter . Die gezeigte Anordnung entspricht einer Turbinenstufe, bei der das Leitgitter in Str¨omungsrichtung gesehen vor dem Laufgitter angeordnet ist.

2.5 Anwendungsbeispiele aus dem Turbomaschinenbau

59

Abbildung 2.6. Axialturbinenstufe

Die Gitter haben offensichtlich die Aufgabe, die Str¨omung umzulenken. Wenn die Umlenkung so erfolgt, daß der Betrag der Geschwindigkeit sich nicht ¨ andert, so ist das Gitter ein reines Umlenk- oder Gleichdruckgitter , da sich (in reibungsfreier Str¨ omung!) dann auch der Druck nicht ¨andert. Meist ¨andert sich mit der Umlenkung aber auch der Betrag der Geschwindigkeit und damit auch der Druck. Wird der Betrag der Geschwindigkeit vergr¨oßert, so handelt es sich um ein Beschleunigungsgitter , wird er verkleinert, bezeichnet man es als Verz¨ogerungsgitter . Wir betrachten das Gitter als eine streng periodische Schaufelanordnung, d. h. als eine unendlich lange Schaufelreihe, die wir uns dadurch erzeugt denken, daß wir ein und dasselbe Schaufelprofil um die Teilung t in Gitterrichtung versetzen. Damit ist auch die Str¨ omung streng periodisch. Es wird im folgenden darum gehen, f¨ ur gegebene Gitterablenkung und gegebenen Druckabfall die auf das Gitter bzw. auf eine einzelne Schaufel wirkende Kraft zu berechnen. Wir nehmen hierzu an, daß die Str¨omung eben sei, d. h. in allen Schnitten parallel zur Zeichenebene der Abb. 2.6 wird die-

60

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

Abbildung 2.7. Geschwindigkeitsdreiecke

selbe Str¨ omung angetroffen. Die Str¨ omung erweitert bzw. verengt sich in Wirklichkeit parallel zur Zeichenebene, so daß die Annahme der ebenen Gitterstr¨ omung den Grenzfall r → ∞ bei konstanter Schaufelh¨ohe darstellt. F¨ ur das Laufgitter bedeutet dies u ¨ brigens, daß bei gegebener Umfangsgeschwin × x| = Ωr die Winkelgeschwindigkeit in dem Maße gegen null digkeit |Ω strebt, wie r gegen unendlich geht. Dann streben Zentrifugal- und Coriolisbe × w|  × (Ω  ×x)| = Ω 2 r und |2Ω  sind, ebenfalls schleunigung, deren Betr¨ age |Ω mit Ω gegen null. Die Annahme ebener Str¨ omung zieht also die Annahme nach sich, daß das Laufgitter ein Inertialsystem ist! Jeder Punkt des Laufgitters bewegt sich in dieser N¨ aherung mit derselben, u ¨ ber der Schaufelh¨ohe und auch zeitlich konstanten Geschwindigkeit, ist auch von daher also ein Inertialsystem. Der Impulssatz bezogen auf ein Inertialsystem ist folglich sowohl auf das Leit- als auch auf das Laufgitter anwendbar. Wird das Laufgitter behandelt, so ist aber darauf zu achten, daß die Anstr¨omung zum Laufgitter nicht gleich der Abstr¨ omung vom Leitgitter ist. Bewegt sich n¨amlich das  ×x nach unten, Laufgitter wie in Abb. 2.6 mit der Umfangsgeschwindigkeit Ω so sp¨ urt ein Beobachter im Bezugssystem des Laufgitters einen Fahrtwind,  × x. Diese Geschwindigkeit der mit dem gleichen Betrag nach oben bl¨ ast −Ω  × x ist zur Abstr¨ omgeschwindigkeit aus dem Leitgitter zu addieren, d. h. Ω ist abzuziehen, um die Anstr¨ omgeschwindigkeit zum Laufgitter zu ermitteln. Um die Abstr¨ omung aus dem Laufgitter bez¨ uglich des raumfesten Systems zu  × x zur Austrittsgeschwindigkeit im Relativsystem zu berechnen, ist dann Ω addieren. In Abb. 2.7 sind die resultierenden Geschwindigkeitsdreiecke dargestellt. Dabei wurde von der Bezeichnungsweise des Turbomaschinenbaus  × x mit u bezeichGebrauch gemacht, und die Umfangsgeschwindigkeit Ω net. (Außer in den Anwendungsbeispielen des Turbomaschinenbaus ziehen  × x f¨ wir aber weiterhin die Bezeichnungsweise Ω ur die Umfangsgeschwindigkeit vor. Besteht kein Anlaß f¨ ur eine Unterscheidung zwischen Absolut- und Relativgeschwindigkeit, so ist u wie bisher der allgemeine Geschwindigkeitsvektor.) Die Geschwindigkeitsvektoren c, w  und u erf¨ ullen im Einklang mit

2.5 Anwendungsbeispiele aus dem Turbomaschinenbau

61

Abbildung 2.8. Kontrollvolumen zur Anwendung des Impulssatzes

(2.58) bei allen Geschwindigkeitsdreiecken die leicht zu merkende Gleichung c = w  + u ,

(2.78)

die die Konstruktion der Geschwindigkeitsdreiecke erlaubt, ohne gedanklich das Bezugssystem wechseln zu m¨ ussen. Wir betrachten nun das ruhende Einzelgitter der Abb. 2.8. Die folgenden Gleichungen gelten jedoch genauso f¨ ur umlaufende Gitter von Axialmaschinen, da nach den bisherigen Ausf¨ uhrungen jedes gerade Schaufelgitter ein Inertialsystem darstellt. (Die Absolutgeschwindigkeit c ist dann nur durch die im mitbewegten Bezugssystem meßbare Relativgeschwindigkeit w  zu ersetzen.) In einiger Entfernung vom Gitter sind Zustr¨omung ce und Abstr¨omung aumlich konstant, d. h. homogen. Homogene Verh¨altnisse vor und insbeca r¨ sondere hinter dem Gitter werden strenggenommen erst in unendlich großer Entfernung erreicht. Die Str¨ omung ist aber bereits nach kurzen Strecken praktisch ausgeglichen. F¨ ur die Anwendung des Impulssatzes in der Form (2.43) benutzen wir das in Abb. 2.8 eingezeichnete Kontrollvolumen. Einund Austrittsfl¨ achen (pro Einheit der Gitterh¨ohe) Ae und Aa entsprechen gerade der Teilung t. Als obere und untere Begrenzung des Kontrollvolumens w¨ ahlen wir je eine Stromlinie. Desweiteren nehmen wir den Gitterfl¨ ugel selbst durch einen sehr engen Schlitz (der ganz beliebig angeordnet ist) aus dem Kontrollvolumen heraus. Anstatt der Stromlinien als obere und untere Begrenzung sind auch beliebige andere Linien m¨oglich, f¨ ur die wir voraus-

62

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

setzen, daß die obere Begrenzung durch Verschieben um die Teilung t aus der unteren Begrenzung hervorgeht. Da die Str¨omung periodisch ist, stellen wir dadurch sicher, daß an entsprechenden Punkten der oberen und unteren Begrenzung genau dieselben Str¨ omungsverh¨ altnisse herrschen. Da die Normalenvektoren an entsprechenden Punkten genau entgegengesetzt sind, und daher dasselbe f¨ ur die Spannungsvektoren gilt (vgl. (2.23)), heben sich alle Integrale u ber die obere und untere Begrenzung heraus. Genauso gilt f¨ ur ¨ den Schlitz, daß sowohl Normalen- als auch Spannungsvektor auf dem oberen Ufer genau den negativen Vektoren auf a ¨quivalenten Punkten des unteren Ufers entsprechen. Da beide Ufer unendlich dicht beieinander liegen, heben sich auch hier alle Integrale heraus. Die Integration braucht also nur u ¨ber Ein- und Austrittsfl¨ ache (Ae , Aa ), sowie u ¨ ber den Teil der Kontrollfl¨ache ausgef¨ uhrt werden, der den Fl¨ ugel umschließt (Af ). Ersetzt man in (2.43) die Bezeichnungsweise f¨ ur die Absolutgeschwindigkeit, so ergibt sich 

  c (c · n) dS +

(Ae )

 c (c · n) dS + (Aa )



 t dS +

(Ae )

 (2.79)

(Af )

 t dS +

(Aa )

 c (c · n) dS =

t dS . (Af )

Diese Gleichung vereinfacht sich weiter, wenn wir beachten, daß c · n an der Eintrittsfl¨ ache durch −c1e und an der Austrittsfl¨ache durch +c1a gegeben ist. An der Schaufel selbst verschwindet c · n, da das Profil nicht durchstr¨ omt wird, die Normalkomponente der Geschwindigkeit also sicher null ist. Die Str¨ omung an Ein- und Austrittsfl¨ ache ist voraussetzungsgem¨aß homogen. Dann verschwinden aber die Reibungsspannungen in Newtonschen Fl¨ ussigkeiten (Wasser, Gase), die ja in der Anwendung haupts¨achlich in Frage kommen. Aber auch bei allgemeineren Materialgesetzen ist dies der Fall, wenn die Str¨ omung u oßeren Bereich homogen ist. Damit l¨aßt sich der ¨ ber einen gr¨ Spannungsvektor dort t = −pn schreiben. Das letzte Integral schließlich stellt die gesuchte Kraft dar, die von der Schaufel auf die Str¨omung ausge¨ ubt wird (bzw. das Negative der Kraft, die die Str¨ omung auf die Schaufel aus¨ ubt). Die Aufl¨ osung nach der gesuchten Kraft (pro Einheit der Gitterh¨ohe) ergibt unter Beachtung der Konstanz der Str¨ omungsgr¨ oßen u ¨ber Ae und Aa zun¨achst F = −ce e c1e t + ca a c1a t + pe ne t + pa na t .

(2.80)

Zerlegt man die Komponenten in e1 - und e2 -Richtung erh¨alt man mit ne = −e1 , na = e1 F · e1 = F1 = −e c21e t + a c21a t − pe t + pa t ,

(2.81)

F · e2 = F2 = −e c1e c2e t + a c1a c2a t .

(2.82)

2.5 Anwendungsbeispiele aus dem Turbomaschinenbau

63

Die Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur station¨ are Str¨ omung in integraler Form (2.8) f¨ uhrt auf    c · n dS +  c · n dS = 0 , (2.83) (Ae )

(Aa )

oder mit dem Begriff des Massenstroms auf 

  c · n dS = −

m ˙ = (Aa )

 c · n dS .

(2.84)

(Ae )

Die im Schrifttum gebr¨ auchliche Bezeichnung m ˙ ist aber ungl¨ ucklich gew¨ahlt: ¨ Es handelt sich nicht etwa um die zeitliche Anderung der Masse - diese ist ja null - sondern gem¨ aß der Definition in (2.84) um den Fluß der Masse durch eine Fl¨ ache. Aus (2.84) folgt f¨ ur den Massenstrom pro Einheit der Gitterh¨ohe m ˙ = e c1e t = a c1a t .

(2.85)

Bei inkompressibler Str¨ omung und der angenommenen Homogenit¨at der Zustr¨ omung ist die Dichte u ¨ berhaupt konstant (e = a = ), und aus (2.85) wird mit V˙ = m/ ˙ V˙ = c1e t = c1a t .

(2.86)

V˙ ist der Volumenstrom (hier pro Einheit der Gitterh¨ohe), der bei inkompressibler Str¨ omung oft statt des Massenstroms verwendet wird. Man erh¨ alt schließlich die Kraftkomponenten zu ˙ 1a − c1e ) + t(pa − pe ) , F1 = m(c

(2.87)

F2 = m(c ˙ 2a − c2e ) ,

(2.88)

wobei f¨ ur inkompressible Str¨ omung noch der erste Term der rechten Seite von (2.87) wegf¨ allt. Wenn man den Integrationsweg l¨ angs des Fl¨ ugels in Abb. 2.8 wegl¨aßt, so stellt sich die Oberfl¨ ache (pro H¨ oheneinheit) des Kontrollvolumens wieder als geschlossene Linie dar, innerhalb derer sich der Fl¨ ugel befindet, so daß wir das Kurvenintegral  Γ = c · dx (2.89) mit mathematisch positivem Umlaufsinn bilden k¨onnen, das wir bereits mit (1.105) eingef¨ uhrt haben. Wir bezeichnen dieses Kurvenintegral, auch wenn die Kurve wie hier raumfest ist (also keine materielle Kurve ist), als Zirkulation und benutzen daf¨ ur wieder das Symbol Γ . F¨ ur die Auswertung dieses Integrals stellen wir fest, daß auf entsprechenden Punkten der oberen und

64

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

unteren Begrenzung in Abb. 2.8 c nat¨ urlich denselben Wert hat, w¨ahrend das Kurvenelement dx an a quivalenten Punkten entgegengesetztes Vorzei¨ chen hat. Daher heben sich die Beitr¨ age der oberen und unteren Begrenzung zum Kurvenintegral heraus. Die beiden Geradenst¨ ucke liefern bei mathematisch positivem Umlaufsinn −c2e t und c2a t, also wird Γ = (c2a − c2e ) t ,

(2.90)

und daher gilt F2 = e c1e Γ = a c1a Γ .

(2.91)

Es liegt auf der Hand, daß Gitter so ausgebildet werden, daß die Verluste m¨ oglichst gering sind. Da Verluste letztlich durch die Reibungsspannungen verursacht werden (sieht man einmal von eventuellen Verlusten durch W¨ armeleitung ab), so wird man versuchen, Gitter zu realisieren, wie man sie aufgrund der Theorie reibungsfreier Str¨ omungen berechnet. Setzt man reibungsfreie Str¨ omung voraus und, was dann keine große Einschr¨ankung bedeutet, Potentialstr¨ omung, so l¨ aßt sich auch noch die Komponente F1 der Kraft durch die Zirkulation ausdr¨ ucken. Man gelangt dann zu dem Ergebnis, daß die gesamte Kraft proportional zur Zirkulation ist. Wir machen von dieser Annahme hier noch keinen Gebrauch, weil es uns auf die Allgemeing¨ ultigkeit der Aussagen des Impulssatzes (2.87) und (2.91) ankommt. Wir weisen aber auf die wichtige Tatsache hin, daß bei gegebener Gitterablenkung die Wirkung von Verlusten auf die Komponente F1 der Kraft beschr¨ankt bleibt. Als weiteres Anwendungsbeispiel betrachten wir die Berechnung des Momentes auf ein Schaufelgitter einer einstufigen Radialmaschine mit Hilfe des Drehimpulssatzes in integraler Form. Kraft- und Arbeitsmaschinen haben einen ¨ ahnlichen Aufbau wie in Abb. 2.9 dargestellt. Kraftmaschinen (Francisturbinen, Abgasturbinen) werden in der Regel von außen nach innen durchstr¨ omt, w¨ ahrend Arbeitsmaschinen (Pumpen, Kompressoren) immer von innen nach außen durchstr¨ omt werden. Das Leitgitter ist also bei Arbeitsmaschinen in Str¨ omungsrichtung gesehen hinter dem Laufrad angeordnet. Das skizzierte Leitrad entspricht dem Leitrad einer Arbeitsmaschine. Das Gitter ist fest, das Bezugssystem also ein Inertialsystem, so daß der Drallsatz in der Form (2.54) anzuwenden ist. Das Kontrollvolumen legen wir wie in Abb. 2.9 skizziert: Beginnend auf der Austrittsfl¨ache Aa u ¨ ber das eine Ufer des Schlitzes zur Schaufel, dicht um die Schaufel herum und auf dem anderen Ufer des Schlitzes zur¨ uck zur Austrittsfl¨ ache. Diese wird u ¨ ber die benetzten Radseitenfl¨ achen mit der Eintrittsfl¨ ache Ae verbunden, und damit das Kontrollvolumen geschlossen. Die benetzten Fl¨ achen (Schaufeln und Radseiten) fassen wir unter Aw zusammen. Aus den schon bei der Anwendung des Impulssatzes besprochenen Gr¨ unden liefert die Integration u ¨ ber den Schlitz keinen Beitrag, und wir erhalten mit (2.54), wenn wir noch c statt u schreiben    (x × c )(c · n) dS = x × t dS . (2.92) (Ae ,Aa ,Aw )

(Ae ,Aa ,Aw )

2.5 Anwendungsbeispiele aus dem Turbomaschinenbau

65

Abbildung 2.9. Radialmaschine mit Kontrollvolumen in der Leitgitterstr¨ omung

Links liefert die Integration u ¨ ber Aw keinen Beitrag, da die benetzten Fl¨achen nicht durchstr¨ omt werden. An Ein- und Austrittsfl¨achen sei die Geschwindigkeit homogen, so daß dort der Spannungsvektor durch t = −pn gegeben ist. Dies stimmt aber beim Radialgitter schon deswegen nicht genau, weil sich die Str¨ omung ja erweitert. Allerdings sind die aus dieser Inhomogenit¨at resultierenden Reibungsspannungen viel kleiner als die Druckspannung. Die Integration u achen auf der rechten Seite liefert kei¨ ber Ein- und Austrittsfl¨ nen Beitrag zum Moment, da auf diesen Fl¨ achen n immer parallel zu x steht. Man sieht dies auch unmittelbar ein: Der Spannungsvektor −pn ist auf diesen Fl¨ achen zum Mittelpunkt des Gitters oder von diesem weg gerichtet, so daß kein Moment bez¨ uglich des Mittelpunktes entstehen kann. Der verblei , welches bende Anteil auf der rechten Seite ist aber das gesuchte Moment M  ist dann das von der benetzten Fl¨ ache auf die Str¨ omung ausge¨ ubt wird. −M Moment, das die Fl¨ ussigkeit auf das Gitter aus¨ ubt. Wir erhalten also    (x × c )(c · n) dS = M (2.93) (Ae ,Aa )

und bemerken, daß der Vektor x × c u ¨ ber Ein- und Austrittsfl¨ache jeweils konstant ist, also vor das Integralzeichen gezogen werden kann. Benutzen wir

66

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

dann noch die Kontinuit¨ atsgleichung in der Form (2.84), so erhalten wir das Moment bereits in der Form der ber¨ uhmten Eulerschen Turbinengleichung:  = m( M ˙ xa × ca − xe × ce ) .

(2.94)

F¨ ur das betrachtete rotationssymmetrische Problem hat diese Gleichung nur eine Komponente in Richtung der Symmetrieachse. Durch skalare Multiplikation von (2.94) mit einem Einheitsvektor eΩ in diese Richtung ergibt sich die im Schrifttum u ¨bliche Komponentenform M = m(r ˙ a cua − re cue ) ,

(2.95)

in der das Moment M , welches das Leitrad auf die Fl¨ ussigkeit aus¨ ubt, sowie die Umfangskomponenten der Geschwindigkeit cua und cue in einem festzulegenden Drehsinn positiv zu z¨ ahlen sind. Die u ¨ berraschend einfache Gleichung (2.95) werden wir auch f¨ ur die axiale Komponente des Drehmomentes am Rotor finden. Sie ist das Kernst¨ uck der Theorie der Turbomaschinen. Wenn die Fl¨ ussigkeit kein Drehmoment erf¨ ahrt (z. B. wenn keine Schaufeln im Leitrad sind, und die Reibungsmomente an den Radseitenfl¨achen vernachl¨assigbar sind), so ist ra cua − re cue = 0 ,

(2.96)

oder rcu = const ,

(2.97)

d. h. in einer kreisenden Fl¨ ussigkeit, auf die keine ¨außeren Momente wirken, nimmt die Umfangskomponente als Folge des Drallsatzes wie 1/r ab. Zur Berechnung des Drehmomentes auf den Rotor ist der Drallsatz bez¨ uglich eines rotierenden Bezugssystems anzuwenden. In diesem mit dem Rotor fest verbundenen System ist die Str¨ omung dann station¨ar. Wir nehmen an, daß an den Ein- und Austrittsfl¨ achen, aber nat¨ urlich nur dort, die Reibungsspannungen aus den schon mehrfach erl¨auterten Gr¨ unden vernachl¨ assigbar sind. Dann ergibt sich aus (2.77) die Komponente des Drehmomentes in Richtung der Drehachse eΩ zu    · n) dS + (2.98)  eΩ · (x × c) (w p eΩ · (x × n) dS = M . (Ae ,Aa )

(Ae ,Aa )

M ist das vom Rotor auf die Fl¨ ussigkeit, −M das von der Fl¨ ussigkeit auf den Rotor ausge¨ ubte Moment. Die Ein- und Austrittsfl¨achen sind Rotationsfl¨ achen (Abb. 2.10), dann ist x × n ein Vektor senkrecht zu eΩ , und die Druckintegrale liefern keinen Beitrag zum Moment, was ja auch unmittelbar einleuchtend ist. Zur weiteren Auswertung zerlegen wir den Ortsvektor und den Geschwindigkeitsvektor bez¨ uglich der Radial-, Umfangs- und Drehachsenrichtung, also:

2.5 Anwendungsbeispiele aus dem Turbomaschinenbau

67

Abbildung 2.10. Halbaxialer Rotor

x = r er + xΩ eΩ ,

(2.99)

c = cr er + cu eϕ + cΩ eΩ .

(2.100)

Das Außenprodukt x × c lautet x × c = −xΩ cuer − (rcΩ − xΩ cr )eϕ + rcueΩ

(2.101)

in dieser Zerlegung, so daß f¨ ur die Komponente in Drehrichtung eΩ · (x × c) = rcu

(2.102)

folgt, denn die Einheitsvektoren er , eϕ und eΩ sind ja orthogonal. Damit vereinfacht sich (2.98) auf   · n) dS = M .  rcu (w

(2.103)

(Ae ,Aa )

¨ Wenn rcu auf Ae und Aa konstant oder die Anderungen vernachl¨assigbar klein sind, dann l¨ aßt sich das Drehmoment in Drehachsenrichtung mit Hilfe der Kontinuit¨ atsgleichung im rotorfesten System 

 w  · n dS = −

m ˙ = (Aa )

w  · n dS

(2.104)

(Ae )

in Form der Eulerschen Turbinengleichung schreiben: M = m(r ˙ a cua − re cue ) .

(2.105)

68

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

Abbildung 2.11. Kontrollvolumen zur Berechnung des Axialschubes

Der Massenfluß durch den Rotor ist mit der Normalkomponente der Relativgeschwindigkeit zur durchstr¨ omten Fl¨ ache w  · n zu bilden. Oft stimmen die Normalkomponenten von Relativ- und Absolutgeschwindigkeit u ¨berein. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Fl¨ achen wie im vorliegenden Fall Rotationsfl¨achen sind. Der zweite Term auf der rechten Seite von c · n = w  · n + u · n

(2.106)

ist dann null, weil die Umfangsgeschwindigkeit senkrecht auf n steht. Wir interpretieren nun die in die Drehachse fallende Komponente des Momentes als Arbeit pro Einheit des Drehwinkels. Die vom Moment geleistete Arbeit ist also Moment mal Drehwinkel und die Leistung P entsprechend Moment mal Drehgeschwindigkeit. Tragen wir noch dem vektoriellen Charakter der Gr¨ oßen Rechnung, so schreiben wir f¨ ur die Leistung des Rotors  ·Ω  = Ω m(r P =M ˙ a cua − re cue ) .

(2.107)

Bilden die Vektoren des Moments und der Drehgeschwindigkeit einen spitzen Winkel, so wird die Leistung des Rotors der Fl¨ ussigkeit zugef¨ uhrt (Arbeitsmaschine). Wir berechnen schließlich noch die Kraft in axialer Richtung, die vom Rotor auf die Fl¨ ussigkeit, bzw. von der Fl¨ ussigkeit auf den Rotor u ¨bertragen wird. Diese Kraft wird in der Regel durch besondere Axiallager aufgefangen. Es muß Konstruktionsziel sein, diese Axialkraft m¨oglichst klein zu halten. Aus diesem Grund beaufschlagt man auch die Rotorseiten ganz oder teilweise mit Fl¨ ussigkeit. Bei geeigneter Wahl der benetzten Fl¨achen l¨aßt sich die Axialkraft in gew¨ unschter Weise beeinflussen. Das Kontrollvolumen ist dann so zu gestalten, daß diese Fl¨ achen Bestandteil der Kontrollfl¨ache werden. Wir f¨ uhren das Kontrollvolumen direkt an den Rotorseiten bis auf

2.6 Bilanz der Energie

69

den gew¨ unschten Radius herunter und, einen Schlitz bildend, zu den Einbzw. Austrittsfl¨ achen zur¨ uck (Abb. 2.11). Von diesen ausgehend wird in bekannter Weise das Kontrollvolumen so verlegt, daß die benetzten Fl¨achen (Schaufeln und Deckfl¨ achen) Teile der Kontrollfl¨ache sind. Wir gehen dann von der Komponentengleichung (2.75) des Impulssatzes im beschleunigten Bezugssystem aus. Auf der linken Seite dieser Gleichung ist die Integration nur u ache auszuf¨ uhren, da die benetzten Fl¨achen ¨ ber die Ein- und Austrittsfl¨ einschließlich der benetzten Seitenfl¨ achen und der ihnen gegen¨ uberliegenden omt werden. Unter der Annahme, daß auf Ae , Aa Fl¨ achen As nicht durchstr¨ und As die Reibungsspannungen vernachl¨ assigbar sind, erhalten wir    · n) dS = − (2.108)  eΩ · c (w p eΩ · n dS + Fa , (Ae ,Aa )

(Ae ,Aa ,As )

ussigkeit u wobei Fa die vom Rotor auf die Fl¨ ¨ bertragene Axialkraft ist. Weitere Vereinfachungen ergeben sich nat¨ urlich, wenn der Integrand u ¨ ber die angegebenen Fl¨ achen konstant ist, und weil in praktischen F¨allen der Impulsfluß u achen Ae und Aa oft viel kleiner ist als die auftretenden ¨ ber die Fl¨ Druckkr¨ afte.

2.6 Bilanz der Energie Die Tatsache, daß mechanische Energie in W¨ arme und W¨arme in mechanische Energie umgewandelt werden kann, zeigt, daß die bisher besprochenen Bilanzs¨ atze der Mechanik f¨ ur eine vollst¨ andige Beschreibung der Fl¨ ussigkeitsbewegung nicht ausreichen. Neben die schon behandelten S¨atze tritt deshalb als dritter grundlegender Erfahrungssatz die Bilanz der Energie: ¨ Die zeitliche Anderung der gesamten Energie eines K¨orpers ist gleich ” der Leistung der ¨ außeren Kr¨ afte plus der pro Zeiteinheit von außen zugef¨ uhrten Energie.“ Dieser Satz kann aus dem bekannten Ersten Hauptsatz der Thermodynamik und einer aus der Cauchyschen Gleichung (2.38) folgenden mechanischen Energiegleichung abgeleitet“ werden. Wir ziehen es vor, die Bilanz der ge” samten Energie zu postulieren und die einschr¨ankenden Aussagen des Ersten Hauptsatzes daraus zu folgern. Die Grundlagen der klassischen Thermodynamik setzen wir als bekannt voraus. Die klassische Thermodynamik befaßt sich mit Prozessen, bei denen die Materie in Ruhe ist, und alle auftretenden Gr¨oßen unabh¨angig vom Ort (homogen), also letztlich nur Zeitfunktionen sind. Ein wesentlicher Schritt zur Thermodynamik irreversibler Prozesse, wie sie in der Fl¨ ussigkeitsbewegung auftreten, besteht einfach in der Anwendung der klassischen Gesetze auf ein materielles Teilchen. Wenn e hier die innere Energie pro Masseneinheit bedeutet, dann ist die innere Energie eines materiellen Teilchens durch

70

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

e dm gegeben, und wir berechnen die innere Energie E eines K¨orpers, d. h. die eines abgegrenzten Teils der Fl¨ ussigkeit, wie vorher als Integral u ¨ ber den vom K¨ orper eingenommenen Bereich:   E= e  dV . (2.109) (V (t))

Um die gesamte Energie des betrachteten Fl¨ ussigkeitsteils zu erhalten, ist zu (2.109) die in der klassischen Theorie nicht auftretende kinetische Energie hinzuzuf¨ ugen. Die kinetische Energie des materiellen Teilchens ist (u2 /2) dm, und entsprechend lautet die kinetische Energie K des K¨orpers   ui ui K=  dV . (2.110) 2 (V (t))

Als ¨ außere Kr¨ afte treten die bei der Besprechung des Impulssatzes eingef¨ uhrten Oberfl¨ achen- und Volumenkr¨ afte auf. Die Leistung der Oberfl¨achenkraft t dS ist u · t dS, die der Volumenkraft k dV entsprechend u · k dV . Die Leistung der ¨ außeren Kr¨ afte am K¨ orper lautet dann:    P =  ui ki dV + ui ti dS . (2.111) (V (t))

(S(t))

Analog zum Volumenstrom u · n dS durch ein Element der Oberfl¨ache f¨ uhren wir den W¨ armestrom durch das Element der Oberfl¨ache mit −q · n dS ein und bezeichnen  q als den W¨armestromvektor . Das negative Vorzeichen wird gew¨ ahlt, damit einfließende Energie ( q und n bilden einen stumpfen Winkel) positiv gez¨ ahlt wird. Wir beschr¨ anken uns zwar im weiteren auf die W¨ armezufuhr durch W¨ armeleitung, grunds¨ atzlich aber k¨onnen in q auch andere Arten der W¨ armezufuhr, z. B. die W¨ armestrahlung durch Hinzunahme des Poyntingschen Vektors, erfaßt sein. Der Zusammenhang zwischen dem W¨ armestromvektor q und dem Temperaturfeld (oder auch anderen Gr¨ oßen) h¨ angt vom betrachteten Material ab. Er ist daher eine Materialgleichung, die wir aber noch offen lassen. Mit der dem K¨ orper pro Zeiteinheit zugef¨ uhrten W¨armemenge  ˙ Q=− qi ni dS (2.112) (S(t))

schreiben wir f¨ ur die Bilanz der Energie D (K + E) = P + Q˙ , Dt oder ausf¨ uhrlicher

(2.113)

2.6 Bilanz der Energie

71

        ui ui + e dV = ui ki  dV + ui ti dS − qi ni dS . 2

D Dt

(V (t))

(V )

(S)

(S)

(2.114) Rechts haben wir die ver¨ anderlichen Bereiche bereits durch die festen Bereiche V und S ersetzt. Dies ist nach Anwendung von (1.88) auch links m¨oglich. Dr¨ ucken wir noch den Spannungsvektor im ersten Oberfl¨achenintegral durch den Spannungstensor aus, so lassen sich beide Oberfl¨achenintegrale nach dem Gaußschen Satz in Volumenintegrale umwandeln. Die Gleichung (2.114) l¨aßt sich dann wie folgt umstellen:      D  ui ui ∂ ∂qi  + e −  ki ui − (τji ui ) + dV = 0 (2.115) Dt 2 ∂xj ∂xi (V )

Da der Integrand als stetig vorausgesetzt wird und der Integrationsbereich beliebig ist, muß der Integrand verschwinden, und nach Ausf¨ uhrung der Differentiation mit der Produktregel gewinnen wir die differentielle Form des Energiesatzes  ui

Dui De ∂τji ∂ui ∂qi + =  ki ui + ui + τji − . Dt Dt ∂xj ∂xj ∂xi

(2.116)

Mit der Zerlegung des Spannungstensors (2.35), der Definition der Enthalpie h=e+

p 

(2.117)

und der Kontinuit¨ atsgleichung (2.3) l¨ aßt sich die Energiegleichung auf die oft benutzte Form  ∂p D  ui ui ∂ ∂qi  +h = +  ki ui + (Pji ui ) − (2.118) Dt 2 ∂t ∂xj ∂xi bringen. Wegen (2.38) heben sich die mit ui multiplizierten Glieder in (2.116) ¨ heraus, und wir werden f¨ ur die zeitliche Anderung der inneren Energie eines materiellen Teilchens auf die Gleichung De τji ∂ui 1 ∂qi = − Dt  ∂xj  ∂xi

(2.119)

gef¨ uhrt, die das kontinuumsmechanische Analogon des Ersten Hauptsatzes der klassischen Thermodynamik ist. Im Ersten Hauptsatz de = δw + δq

(2.120)

¨ ist de die Anderung der inneren Energie in der Zeit dt, δw die in dieser Zeit verrichtete Arbeit und δq die in dieser Zeit zugef¨ uhrte W¨arme (jeweils pro

72

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

Masseneinheit). In der Anwendung der klassischen Gesetze auf ein materielles Teilchen ersetzen wir den Operator d“ durch D/Dt“, m¨ ussen dann aber auf ” ” der rechten Seite δw durch die pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit ersetzen, die wir mit δ w˙ bezeichnen. Entsprechend ersetzen wir δq durch δ q, ˙ so daß der Erste Hauptsatz in der Form De = δ w˙ + δ q˙ Dt

(2.121)

geschrieben werden muß. Diese Gleichung gilt genauso wie (2.120) uneingeschr¨ ankt f¨ ur reversible als auch f¨ ur irreversible Prozesse. Speziell f¨ ur reversible Prozesse liefert die klassische Thermodynamik δw = −pdv

(2.122)

und δq = T ds ,

(2.123)

oder δ w˙ = −p

Dv Dt

(2.124)

Ds . (2.125) Dt Hierin ist v = 1/ das spezifische Volumen und s die spezifische Entropie. Aus dem Vergleich von (2.121) mit (2.119) gewinnen wir zwei uneingeschr¨ ankt g¨ ultige Formeln zur Berechnung der geleisteten Arbeit δ q˙ = T

δ w˙ =

τji ∂ui  ∂xj

(2.126)

und der zugef¨ uhrten W¨ arme δ q˙ = −

1 ∂qi ,  ∂xi

(2.127)

jeweils pro Zeit- und Masseneinheit. Die Arbeit pro Zeit- und Masseneinheit l¨aßt sich noch in die oben aufgef¨ uhrte reversible und eine irreversible Arbeit aufspalten. Dieser letztgenannte Anteil wird durch den Einfluß der Reibungsspannungen irreversibel in W¨ arme umgewandelt. Setzt man n¨amlich f¨ ur den Spannungstensor seine Zerlegung gem¨ aß (2.35) ein, so erh¨alt man zun¨achst δ w˙ = −

p ∂ui 1 + Pij eij ,  ∂xi 

(2.128)

wobei der letzte Ausdruck aus Pji ∂ui /∂xj entsteht, weil der Reibungsspannungstensor Pij ebenso wie τij ein symmetrischer Tensor ist. Dieser Term

2.7 Bilanz der Entropie

73

stellt die irreversibel in W¨ arme umgewandelte Deformationsarbeit dar. Die Deformationsarbeit pro Zeit- und Volumeneinheit Pij eij bezeichnet man u ¨ blicherweise als Dissipationsfunktion Φ Φ = Pij eij .

(2.129)

Sie h¨ angt ab vom Zusammenhang zwischen den Reibungsspannungen und der Bewegung, d. h. vom Materialgesetz, und wir stellen daher die explizite Ausrechnung bis zur Vorgabe eines Materialgesetzes zur¨ uck. F¨ ur reibungsfreie Str¨ omung oder f¨ ur ruhende Fl¨ ussigkeit ist dieser Ausdruck aber null. Den ersten Term identifizieren wir mit Hilfe der Kontinuit¨atsgleichung (2.3) als den aus (2.124) bekannten reversiblen Anteil der Arbeit: −

p ∂ui p D Dv = 2 = −p ,  ∂xi  Dt Dt

(2.130)

so daß wir f¨ ur die Arbeit pro Zeit- und Masseneinheit nunmehr den Ausdruck δ w˙ = −p

Dv Φ + Dt 

(2.131)

erhalten.

2.7 Bilanz der Entropie Wir gehen von der Gleichung T ds = de + pdv ,

(2.132)

aus, die als Gibbssche Relation bekannt ist. Wir geben sie hier f¨ ur den speziellen Fall eines einkomponentigen Materials an, bei dem also keine Phasen¨ anderungen und keine chemischen Reaktionen auftreten, und auf das wir uns im folgenden beschr¨ anken wollen. Davon abgesehen gilt diese Gleichung uneingeschr¨ ankt sowohl f¨ ur reversible als auch f¨ ur irreversible Prozesse. Ihre G¨ ultigkeit f¨ ur reversible Prozesse entnimmt man dem Ersten Hauptsatz in Verbindung mit (2.122) und (2.123). Ihre Akzeptanz f¨ ur irreversible Prozesse ist die fundamentale Annahme der Thermodynamik dieser Prozesse. Wir werden diese Annahme nicht weiter rechtfertigen, sondern begn¨ ugen uns damit, daß die Folgerungen aus dieser Annahme mit der Erfahrung u ¨bereinstimmen. Auf die Gibbssche Relation wird man auch von der kinetischen Theorie her gef¨ uhrt, wobei allerdings die Ergebnisse der kinetischen Gastheorie auf kleine Abweichungen vom thermodynamischen Gleichgewicht und auf einatomige, verd¨ unnte Gase beschr¨ ankt bleiben. Diese Ergebnisse k¨onnen also weder als Beweis“ der Gibbsschen Relation dienen, noch besitzen sie ” die Allgemeing¨ ultigkeit, in der wir diese Relation verwenden werden. Die Gibbssche Relation f¨ ur ein materielles Teilchen f¨ uhrt auf die Gleichung

74

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

Ds De Dv = +p , Dt Dt Dt

T

(2.133)

¨ in der wir die materielle Anderung der inneren Energie mit Hilfe der Energiegleichung (2.121) und unter Benutzung von (2.127), (2.131) ersetzen, so daß die Beziehung 

Ds Φ 1 ∂qi = − Dt T T ∂xi

(2.134)

entsteht. Den letzten Term der rechten Seite formen wir mittels der Identit¨at ∂  qi  1 ∂qi qi ∂T = − 2 (2.135) ∂xi T T ∂xi T ∂xi um und erhalten die Bilanzgleichung der Entropie 

Ds Φ qi ∂T ∂  qi  = − 2 − . Dt T T ∂xi ∂xi T

(2.136)

¨ In dieser Gleichung erscheint die zeitliche Anderung der Entropie eines materiellen Teilchens aufgespalten in zwei Beitr¨ age: Eine Entropieproduktion mit der Rate 

D Φ qi ∂T s(irr) = − 2 , Dt T T ∂xi

(2.137)

die immer gr¨ oßer oder gleich null ist und eine Divergenz eines Entropiestromes qi /T , die gr¨ oßer, gleich oder kleiner null sein kann: 

D ∂  qi  s(rev) = − . Dt ∂xi T

(2.138)

Der erste Teil wird im Fl¨ ussigkeitsteilchen durch die irreversiblen Vorg¨ange der Reibung und der W¨ armeleitung erzeugt. Hinreichend f¨ ur die Ungleichung D s(irr) ≥ 0 Dt

(2.139)

sind offensichtlich die Bedingungen Φ≥0

(2.140)

und qi

∂T ≤ 0. ∂xi

(2.141)

Die erste Ungleichung dr¨ uckt die Erfahrung aus, daß durch den Einfluß der Reibung mechanische Energie in W¨ arme dissipiert werden kann, aber umgekehrt aus W¨ arme keine mechanische Energie durch Dissipation entstehen

2.7 Bilanz der Entropie

75

kann. Die zweite Ungleichung sagt aus, daß der W¨armestromvektor mit dem Temperaturgradienten einen stumpfen Winkel bilden muß, spiegelt also die Tatsache wider, daß W¨ arme in Richtung fallender Temperatur fließt. (2.138) stellt die Entropie¨ anderung dar, die das Teilchen durch seine Umgebung erf¨ ahrt, denn die Divergenz des Entropiestromes ist die Differenz zwischen ein- und ausfließendem Entropiestrom. Diese Differenz kann nat¨ urlich positiv, null oder auch negativ sein. Wird die Funktion Φ/T aus (2.134) und (2.137) eliminiert, so erh¨ alt man (2.139) in der Form 

D Ds 1 ∂qi qi ∂T s(irr) =  + − 2 ≥ 0, Dt Dt T ∂xi T ∂xi

die als Clausius-Duhem-Ungleichung bekannt ist. Die Entropie¨anderung eines abgegrenzten Teils der Fl¨ ussigkeit erhalten wir durch Integration von (2.136) u ussigkeit eingenomme¨ ber den von der Fl¨ nen Bereich. Auf das Integral der linken Seite wenden wir das Reynoldssche Transporttheorem an und formen das letzte Integral auf der rechten Seite mit Hilfe des Gaußschen Satzes um. Damit gewinnen wir f¨ ur die Bilanz der Entropie des betrachteten K¨ orpers die Gleichung        D Φ qi ∂T qi ni s  dV = − 2 dV − dS . (2.142) Dt T T ∂xi T (V (t))

(V )

(S)

Wie besprochen ist das Volumenintegral auf der rechten Seite nie negativ, wir k¨ onnen also die Aussage des Zweiten Hauptsatzes    D qi ni s  dV ≥ − dS (2.143) Dt T (V (t))

(S)

ablesen. Das Gleichheitszeichen gilt nur, wenn der im K¨orper ablaufende Prozeß reversibel ist. Alle in der Natur vorkommenden Prozesse sind aber irreversibel, f¨ ur sie gilt demnach das Ungleichheitszeichen. Wird dem K¨orper W¨arme weder zu- noch abgef¨ uhrt, verschwindet das Oberfl¨achenintegral auf der rechten Seite. Der im K¨ orper ablaufende Prozeß ist dann adiabat , und (2.142) dr¨ uckt dann folgenden Sachverhalt aus: Bei einem adiabaten Prozeß kann die Entropie nicht abnehmen.“ ” Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik ist nat¨ urlich, genau wie der Erste Hauptsatz, ein Erfahrungssatz. In unserer Diskussion ergibt sich der Zweite Hauptsatz als Folge der in (2.140) und (2.141) eingef¨ uhrten und auf der Erfahrung basierenden Annahmen. H¨ atten wir stattdessen den Zweiten ¨ Hauptsatz (2.143) postuliert, so h¨ atten wir f¨ ur den Ubergang zur Gleichung (2.142) auf die notwendige Bedingung schließen m¨ ussen, daß bei beliebigem Integrationsbereich der Integrand des Volumenintegrals der rechten Seite von (2.142) nie negativ ist. Die Gleichungen (2.140) und (2.141) sind hierf¨ ur sogar hinreichend.

76

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

2.8 Thermodynamische Zustandsgleichungen Die im Kapitel 2 bisher besprochenen Prinzipien bilden die Grundlage der Kontinuumsmechanik. Diese Prinzipien stellen die Zusammenfassung unserer Erfahrung u orpern gemeinsame Verhalten dar. Alle ¨ ber das allen K¨ Festk¨ orper und Fl¨ ussigkeiten (egal ob Newtonsche oder Nicht-Newtonsche Fl¨ ussigkeiten) unterliegen diesen universellen Gesetzen. Die unterscheidenden Merkmale sind festgelegt durch die Materialien, aus denen sie bestehen. Diese Merkmale werden durch Materialgleichungen abstrahiert. Sie definieren ideale Materialien, sind also Modelle des wirklichen Materialverhaltens. Neben diese Materialgleichungen im engeren Sinne, die z. B. die Zusammmenh¨ ange zwischen Spannungszustand und Bewegung oder zwischen W¨ armestromvektor und Temperatur herstellen, treten die Zustandsgleichungen der Thermodynamik. Die Materialgleichungen im engeren Sinne f¨ uhren ¨ wir im n¨ achsten Kapitel ein, besprechen aber schon jetzt die Ubertragung der aus der klassischen Thermodynamik bekannten Zustandsgleichungen auf das Kontinuum und ihre Anwendung zur Bestimmung der thermodynamischen Zust¨ ande eines materiellen Teilchens. Es ist eine Erfahrungstatsache der klassischen Thermodynamik, daß ein thermodynamischer Zustand durch eine bestimmte Zahl unabh¨angiger Zustandsgr¨ oßen eindeutig bestimmt ist. Bei einem einkomponentigen Material, auf das wir uns ja beschr¨ anken wollen, sind hierzu zwei unabh¨angige Zustandsgr¨ oßen notwendig. Diese zwei unabh¨angigen, sonst aber beliebig w¨ahlbaren Zustandsgr¨ oßen, legen somit auch den Wert jeder anderen Zustandsgr¨ oße eindeutig fest. Eine Zustandsgleichung ist ein Zusammenhang, der auch in Form von Diagrammen oder Tafeln gegeben sein kann, bei dem zwei Zustandsgr¨ oßen als unabh¨ angige Ver¨ anderliche eine dritte als abh¨angige Ver¨ anderliche bestimmen. F¨ ur eine kleine Klasse von Materialien, insbesondere f¨ ur Gase, k¨onnen Zustandsgleichungen unter Zugrundelegung gewisser Molek¨ ulmodelle mit den Methoden der statistischen Mechanik und Quantenmechanik ermittelt werden. Wir wollen hier jedoch nicht auf den Ursprung der Zustandsgleichungen eingehen, sondern sie als gegeben hinnehmen. Eine Zustandsgleichung zwischen p,  und T nennen wir eine thermische Zustandsgleichung, also etwa p = p (, T ) .

(2.144)

Die Zustandsgleichung p = RT

(2.145)

definiert z. B. das thermisch ideale Gas. Wenn die sogenannten kalorischen Zustandsgr¨oßen wie innere Energie e, Enthalpie h oder Entropie s als abh¨ angige Ver¨ anderliche auftreten, so bezeichnen wir Beziehungen wie z. B. e = e(, T )

(2.146)

2.8 Thermodynamische Zustandsgleichungen

77

als kalorische Zustandsgleichung. F¨ ur ein thermisch ideales Gas nimmt die kalorische Zustandsgleichung bekanntlich die einfache Form e = e(T )

(2.147)

bzw. h = h(T )

(2.148)

an. Die Zustandsgleichung e = cv T (bzw. h = cp T ) mit konstanter spezifischer W¨ arme cv (bzw. cp ) definiert dann auch das kalorisch ideale Gas. Im allgemeinen legt aber eine Zustandsgleichung nicht notwendigerweise auch die andere fest. Zwischen der kalorischen und der thermischen Zustandsgleichung bestehen zwar Reziprozit¨ atsbeziehungen, diese sind aber Beziehungen zwischen partiellen Differentialen, so daß die Bestimmung der anderen Zustandsgleichung eine Integration erfordert, bei der dann unbestimmte Funktionen als Integrationskonstanten“ auftreten. Eine Zustandsgleichung, ” aus der die andere allein durch Differentiation und Elimination gewonnen werden kann, heißt kanonische oder fundamentale Zustandsgleichung. Wenn wir das Differential der kanonischen Zustandsgleichung e = e(s, v)     ∂e ∂e de = ds + dv (2.149) ∂s v ∂v s mit der Gibbsschen Relation (2.132) vergleichen, so lesen wir   ∂e T = ∂s v und



∂e p=− ∂v

(2.150)

 (2.151) s

ab. In (2.150) und (2.151) steht rechts eine Funktion von s und v. Denkt man sich beide Beziehungen nach s aufgel¨ ost, so entstehen die Gleichungen s = s(v, T ) und s = s(p, v). Elimination von s ergibt einen Zusammenhang zwischen T , p und v, also die thermische Zustandsgleichung. Das aus den Anwendungen bekannte Mollier-Diagramm ist die graphische Darstellung der kanonischen Zustandsgleichung h = h(s, p), in der h als Funktion von s mit p als Scharparameter aufgetragen ist. Spezifisches Volumen und Temperatur lassen sich dann durch Vergleich des Differentials der kanonischen Zustandsgleichung h = h(s, p)     ∂h ∂h ds + dp (2.152) dh = ∂s p ∂p s mit der Gibbsschen Relation in der Form

78

2 Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik

T ds = dh − vdp

(2.153)

aus  v=

∂h ∂p

 (2.154) s

und 

∂h T = ∂s

 (2.155) p

ermitteln, indem man sich z. B. l¨ angs einer Isentrope s = const die zugeh¨origen Werte h und p notiert und die Steigung numerisch bzw. aus einer graphischen Darstellung h = h(p) bestimmt. F¨ ur ein kalorisch und thermisch ideales Gas l¨ aßt sich die kanonische Form f¨ ur die Enthalpie aber leicht explizit angeben: h = const ∗ cp exp (s/cp ) p(R/cp ) .

(2.156)

Der wesentliche Schritt, der von der klassischen Thermodynamik reversibler homogener Prozesse zur Thermodynamik irreversibler Prozesse der Kontinuumsmechanik f¨ uhrt, ist die Annahme, daß genau dieselben Zustandsgleichungen, wie sie f¨ ur das ruhende Material gelten, auch f¨ ur einen bewegten materiellen Punkt des Kontinuums gelten. Das bedeutet beispielsweise, daß sich die innere Energie e eines materiellen Teilchens aus der Vorgabe von s und v allein berechnen l¨ aßt, ganz unabh¨ angig davon, wo sich das Teilchen befindet und welche Bewegung es ausf¨ uhrt. Diese Annahme ist daher gleichbedeutend mit der Annahme, daß die Gibbssche Relation auch f¨ ur irreversible Prozesse G¨ ultigkeit besitzt. Denn wenn der Zusammenhang e = e(s, v) immer gilt, so folgt aus der substantiellen Ableitung dieses Zusammenhangs     De ∂e Ds ∂e Dv = + , (2.157) Dt ∂s v Dt ∂v s Dt wenn man (2.150) und (2.151) als Definitionen der Temperatur und des Druckes betrachtet, unmittelbar die Gibbssche Relation (2.133). Das bedeutet aber auch, daß sich an jedem Ort und zu jeder Zeit die innere Energie angeben l¨ aßt, wenn man s und v an diesem Ort und zu dieser Zeit kennt. Obwohl sich also der thermodynamische Zustand von Ort zu Ort ¨andert, h¨angt der thermodynamische Zustand nicht vom Gradienten der Zustandsgr¨oßen ab.

3 Materialgleichungen

Wie bereits im vorangegangenen Kapitel u ¨ber die Grundgleichungen der Kontinuumsmechanik erl¨ autert, verhalten sich K¨ orper erfahrungsgem¨aß so, daß die universellen Bilanzgesetze der Masse, des Impulses, der Energie und der Entropie erf¨ ullt sind. Aber nur in wenigen Ausnahmef¨allen, z. B. beim Massenpunkt oder beim starren K¨ orper ohne W¨ armeleitung, reichen diese Gesetze alleine aus, um das Verhalten zu beschreiben. In diesen Ausnahmef¨allen sind die allen K¨ orpern eigenen Kennzeichen Masse“ und Masseverteilung“ ” ” die allein wichtigen Merkmale. F¨ ur die Beschreibung eines deformierbaren Mediums muß jedoch das Material, aus dem es besteht, charakterisiert sein, denn es ist offensichtlich, daß die Deformation oder die Deformationsgeschwindigkeit bei vorgegebener Belastung vom Material abh¨angt. Auch den Bilanzs¨ atzen selbst entnimmt man, daß im allgemeinen eine Spezifizierung des Materials durch Beziehungen, die die Abh¨ angigkeit des Spannungs- und W¨armestromvektors von anderen Feldgr¨ oßen beschreiben, notwendig ist. Die Bilanzs¨ atze enthalten n¨ amlich mehr Unbekannte als unabh¨angige Gleichungen. Die zusammenfassende Aufstellung der Bilanzs¨atze der Masse (2.2) ∂ ∂ + ( ui ) = 0 , ∂t ∂xi des Impulses (2.38) 

Dui ∂τji =  ki + , Dt ∂xj

des Drehimpulses (2.53) τij = τji und der Energie (2.119) 

De ∂ui ∂qi = τij − Dt ∂xj ∂xi

enth¨ alt siebzehn unbekannte Funktionen (, ui , τij , qi , e) in nur acht zur Verf¨ ugung stehenden Gleichungen. Man kann anstatt der Energie- auch die Entropiebilanz (2.134) heranziehen, die dann die unbekannte Funktion

80

3 Materialgleichungen

s statt e einf¨ uhrt. Die Differenz der Anzahl von unbekannten Funktionen und Gleichungen ver¨ andert sich dadurch aber nicht. Man k¨onnte dieses Gleichungssystem nat¨ urlich l¨ osen, indem man neun der unbekannten Funktionen willk¨ urlich vorschreibt. Die erhaltene L¨ osung kann dann aber nicht L¨osung eines speziellen technischen Problems sein. Es kommt nat¨ urlich vor, daß die mechanischen“ Bilanzs¨atze f¨ ur Mas” se, Impuls und Drehimpuls von der Energiegleichung entkoppelt sind. Dann gen¨ ugen sechs Materialgleichungen, um das reduzierte System f¨ ur , ui und τij zu vervollst¨ andigen. Wenn das Feld der inneren Energie nicht interessiert, k¨ onnte man es ja willk¨ urlich vorgeben, ohne beispielsweise das Geschwindigkeitsfeld zu ¨ andern. In solchen F¨ allen ist die innere Energie nicht als unbekannte Funktion zu z¨ ahlen, und die Energiegleichung er¨ ubrigt sich. Wir erwarten auch dann, wenn keine mathematischen Beweise f¨ ur die Eindeutigkeit der L¨ osung bekannt sind, daß die L¨osung eines physikalischen Problems eindeutig ist, wenn die Zahl der unbekannten Funktionen mit der Zahl der Gleichungen u ¨ bereinstimmt und dem Problem angepaßte Anfangsund Randwerte vorliegen. Wir setzen ferner als selbstverst¨andlich voraus, daß alle Gleichungen durch das Problem selbst vorgegeben sind, daß also neben den universellen Bilanzs¨ atzen nur Materialgleichungen auftreten, wie sie durch Spezifizierung des fließenden Materials entstehen. Prinzipiell k¨ onnen Materialgleichungen aus der molekularen Theorie der Gase und Fl¨ ussigkeiten ermittelt werden. F¨ ur strukturell einfache Molek¨ ule und insbesondere f¨ ur Gase hat diese Theorie Materialgleichungen zur Verf¨ ugung gestellt, die mit experimentellen Ergebnissen sehr gut u ¨ bereinstimmen. F¨ ur tropfbare Newtonsche Fl¨ ussigkeiten ist das in solchem Maße bisher nicht gelungen; umso weniger f¨ ur Nicht-Newtonsche Fl¨ ussigkeiten. Die bisher erhaltenen Ergebnisse der molekularen Theorien stehen aber nicht im Widerspruch zu den ph¨ anomenologischen Modellen der Kontinuumstheorie, vielmehr zeigen sie, daß diese Modelle den geeigneten Rahmen f¨ ur die Beschreibung des Materialverhaltens auch Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten abgeben. Die Kontinuumstheorie ist in der Tat zum großen Teil eine Theorie der Materialgleichungen geworden. Sie entwickelt mathematische Modelle, welche mit experimentellen Befunden korrelieren, und die dann in anderen, allgemeineren Umst¨ anden das Verhalten des wirklichen Materials zwar idealisiert, aber doch m¨ oglichst genau beschreiben. Wir nehmen die Materialgleichungen als gegeben hin und stellen uns auf den Standpunkt des Str¨ omungsmechanikers, der die Str¨omung einer gegebenen Fl¨ ussigkeit bei Vorgabe der Materialgleichungen aus den Bilanzs¨atzen vorhersagt. Wie bei den thermodynamischen Materialgleichungen (Zustandsgleichungen) gehen wir nicht tiefer auf die Herleitung ein, bemerken aber dennoch, daß f¨ ur die Formulierung der Materialgleichungen gewisse Axiome grundlegende Bedeutung haben. Einige dieser Axiome sind im Laufe der Weiterentwicklung der Kontinuumsmechanik entstanden, und so erf¨ ullen besonders ¨ altere Materialgleichungen, die oft zur Erkl¨arung nur eines bestimmten

3 Materialgleichungen

81

Aspektes vorgeschlagen wurden, diese Axiome nicht. Materialgleichungen, die diese Axiome erf¨ ullen m¨ ussen unter anderem a) konsistent mit den Bilanzs¨ atzen und dem zweiten Hauptsatz sein (sie sind aber keine Folge dieser S¨ atze), b) in allen Koordinatensystemen G¨ ultigkeit besitzen (d. h. sie sind als Tensorgleichungen zu formulieren), c) deterministisch sein (die Geschichte der Bewegung und der Temperatur bis zur Zeit t legt z. B. die Spannungen am materiellen Teilchen zur Zeit t fest), d) lokal wirksam sein (d. h. an einem herausgegriffenen materiellen Teilchen h¨ angt z. B. die Spannung von der Bewegung aller in direkter Nachbarschaft befindlichen Teilchen ab), e) die Symmetrieeigenschaften des Materials widerspiegeln und f) in allen Bezugssystemen g¨ ultig, d. h. objektiv sein. Die letzte Forderung ist hierbei von besonderer Bedeutung, denn wie aus Abschnitt 2.4 bekannt ist, sind die Bewegungsgleichungen (Impulsbilanz) in diesem Sinne nicht objektiv. Im beschleunigten Bezugssystem sind bekanntlich die Scheinkr¨afte einzuf¨ uhren, und nur das Axiom der Objektivit¨at stellt ¨ ¨ sicher, daß dies die einzige Anderung beim Ubergang vom Inertial- zum Relativsystem bleibt. Es ist aber unmittelbar einsichtig, daß ein Beobachter im beschleunigten Bezugssystem dieselben Materialeigenschaften feststellt wie im Inertialsystem. In einem anschaulichen Experiment w¨ urde ein Beobachter f¨ ur vorgegebene Auslenkung einer masselosen Feder im rotierenden Bezugssystem genau dieselbe Kraft feststellen wie im Inertialsystem. Bei den sogenannten Einfachen Fl¨ ussigkeiten wird angenommen, daß die Spannung am materiellen Punkt zur Zeit t durch die Geschichte der Deformation, genauer des relativen Deformationsgradienten, festgelegt und das Materialverhalten isotrop ist. Zu dieser Gruppe geh¨oren praktisch alle NichtNewtonschen Fl¨ ussigkeiten. Die einfachste Materialgleichung f¨ ur den Spannungstensor einer viskosen Fl¨ ussigkeit ist ein linearer Zusammenhang zwischen den Komponenten des Spannungstensors τij und denen des Deformationsgeschwindigkeitstensors eij . In fast trivialer Weise erf¨ ullt diese Materialgleichung alle oben aufgef¨ uhrten Axiome. Die Materialtheorie zeigt, daß der allgemeinste lineare Zusammenhang dieser Art von der Form τij = −p δij + λ∗ ekk δij + 2η eij ,

(3.1a)

bzw. in symbolischer Schreibweise mit dem Einheitstensor I T = (−p + λ∗ ∇ · u) I + 2η E

(3.1b)

(Cauchy-Poisson-Gesetz ) sein muß, so daß der Tensor der Reibungsspannungen unter Beachtung der Zerlegung (2.35) durch Pij = λ∗ ekk δij + 2η eij ,

(3.2a)

82

3 Materialgleichungen

bzw. P = λ∗ ∇ · u I + 2η E

(3.2b)

gegeben ist. Wir bemerken zun¨ achst, daß die Reibungsspannungen am Ort x durch den Tensor der Dehnungsgeschwindigkeiten eij am Ort x gegeben sind und nicht explizit vom Ort x abh¨ angen. Da der Reibungsspannungstensor Pij am Ort x die Spannung festlegt, die auf das am Ort x befindliche materielle Teilchen wirkt, schließen wir, daß die Spannung am Teilchen nur vom augenblicklichen Wert des Deformationsgeschwindigkeitstensors abh¨angt und nicht von der Vorgeschichte der Deformation beeinflußt wird. Man beachte, daß f¨ ur eine ruhende Fl¨ ussigkeit oder allgemeiner f¨ ur eine Fl¨ ussigkeit, die eine Starrk¨ orperbewegung ausf¨ uhrt, eij = 0 ist, und (3.1) sich auf (2.33) reduziert. Die Gr¨ oßen λ∗ und η sind materialtypische skalare Funktionen des thermodynamischen Zustandes. (3.1) ist die Verallgemeinerung des Newtonschen Fließgesetzes τ = η γ, ˙ wie wir es im Zusammenhang mit der einfachen Scherstr¨ omung kennengelernt haben. Die außerordentliche Bedeutung des linearen Zusammenhangs (3.1) liegt darin begr¨ undet, daß er das wirkliche Materialverhalten der meisten technisch wichtigen Fl¨ ussigkeiten sehr gut beschreibt. Darunter fallen praktisch alle Gase, insbesondere Luft und Wasserdampf, aber auch Gasgemische und alle Fl¨ ussigkeiten mit niedrigem Molekulargewicht, also Wasser, aber auch alle Mineral¨ ole. Wie bereits bemerkt, entspricht f¨ ur eij = 0 der Spannungszustand dem einer Fl¨ ussigkeit in Ruhe oder in einer Starrk¨ orperbewegung. Bei kompressiblen Fl¨ ussigkeiten ist der Druck p dann durch die thermische Zustandsgleichung p = p(, T ) festgelegt. Dieselbe Zustandsgleichung gilt aber auch f¨ ur das bewegte materielle Teilchen, d. h. der Druck ist f¨ ur jeden Ort des Teilchens und f¨ ur jeden Zeitpunkt allein durch  und T bestimmt. In inkompressibler Fl¨ ussigkeit ist der Druck keine Funktion des thermodynamischen Zustandes, sondern eine fundamentale abh¨angige Ver¨anderliche. Wie schon aus der Cauchyschen Gleichung (2.38) in Zusammenhang mit (3.1) ersichtlich ist, und wie wir sp¨ ater ausf¨ uhrlich zeigen werden, geht nur der Gradient des Druckes in die Cauchysche Gleichung ein. In inkompressibler Str¨ omung kann man demnach zum Druck eine beliebige Konstante addieren, ohne die Bewegungsgleichungen zu beeinflussen. Wenn der Druck nicht durch eine Randbedingung festgelegt ist, bleibt er immer nur bis auf eine additive Konstante bestimmt. Anders ausgedr¨ uckt lassen sich aus der Theorie der inkompressiblen Str¨ omung nur Druckdifferenzen berechnen. F¨ ur die Summe der mittleren Normalspannung und des Druckes erh¨alt man wegen (2.36) und (3.1) die Gleichung p+p=

1 2 τii + p = eii (λ∗ + η) . 3 3

(3.3)

In inkompressibler Str¨ omung gilt nach (2.5) eii = 0, d. h. die mittlere Normalspannung entspricht gerade dem negativen Druck. Dies gilt in kompressibler

3 Materialgleichungen

83

Str¨ omung nur, wenn die sogenannte Druckz¨ahigkeit ηD = λ∗ +

2 η 3

(3.4)

verschwindet. Die kinetische Gastheorie zeigt, daß die Druckz¨ahigkeit deshalb entsteht, weil die kinetische Energie der Molek¨ ule auf deren innere Freiheitsgrade u ¨bertragen wird. Daher ist die Druckz¨ahigkeit bei einatomigen Gasen, die ja keine inneren Freiheitsgrade besitzen, null. Die Druckz¨ahigkeit ist proportional zur charakteristischen Zeit, in der diese Energie¨ ubertragung stattfindet. Dieser Effekt kann f¨ ur die Struktur der Stoßwellen wichtig sein, ist aber sonst von untergeordneter Bedeutung, und deshalb wird meistens auch bei mehratomigen Gasen von der Stokesschen Hypothese ηD = 0

(3.5)

Gebrauch gemacht. Die Vorgabe des Materialgesetzes erlaubt nun auch die explizite Berechnung der Dissipationsfunktion Φ. Aus (2.129) folgt Φ = Pij eij = λ∗ ekk eii + 2η eij eij ,

(3.6a)

bzw. in symbolischer Schreibweise Φ = λ∗ (spE)2 + 2η spE2 ,

(3.6b)

und man u ¨ berzeugt sich durch Ausschreiben und geeignete Umbenennung der stummen Indizes, daß die Ungleichung (2.140) erf¨ ullt ist, wenn f¨ ur die Scherz¨ ahigkeit η und die Druckz¨ ahigkeit ηD die Ungleichungen η ≥ 0 , ηD ≥ 0

(3.7)

gelten. Wie bereits bemerkt, h¨ angt die Z¨ ahigkeit vom thermodynamischen Zustand ab, also η = η(p, T ), wobei die Druckabh¨angigkeit gering ist. Die kinetische Gastheorie sagt f¨ ur verd¨ unnte Gase sogar eine alleinige Abh¨angigkeit von√der Temperatur voraus: F¨ ur das Modell kugelf¨ormiger Molek¨ ule ist η ∼ T . Im ph¨ anomenologischen Modell bleibt die Abh¨angigkeit von p und T frei, sie muß aus Experimenten bestimmt werden. Die Scherviskosit¨at (Scherz¨ ahigkeit, dynamische Viskosit¨ at) η taucht h¨aufig in der Kombination η/ = ν auf, die als kinematische Viskosit¨ at (kinematische Z¨ahigkeit) bezeichnet wird und nat¨ urlich stark von der Dichte bzw. dem Druck abh¨angt. Mit Hilfe der kinetischen Gastheorie l¨ aßt sich bei Vorgabe realistischer molekularer Potentiale die Z¨ ahigkeit η quantitativ sehr genau vorhersagen. Die weniger entwickelte kinetische Theorie der Fl¨ ussigkeiten ist dazu noch nicht in der Lage. Die Temperaturabh¨ angigkeit der Z¨ahigkeit tropfbarer Fl¨ ussigkeiten wird dort mit η ∼ exp(const/T ) angegeben, d. h. sie f¨allt exponentiell mit wachsender Temperatur. Dieses Verhalten wird auch bei den

84

3 Materialgleichungen

meisten tropfbaren Fl¨ ussigkeiten im Experiment qualitativ best¨atigt. Tropfbare Fl¨ ussigkeiten zeigen also entgegengesetztes Z¨ahigkeitsverhalten wie Gase, bei denen die Z¨ ahigkeit mit wachsender Temperatur zunimmt. Der Grund hierf¨ ur liegt in der unterschiedlichen molekularen Struktur und wurde bereits in Abschnitt 1.1 erl¨ autert. Der linearen Materialgleichung (3.1) f¨ ur die Spannungen entspricht auch eine lineare Materialgleichung f¨ ur den W¨ armestromvektor. Dieser lineare Zusammenhang ist als Fouriersches Gesetz bekannt und lautet f¨ ur isotrope Materialien qi = −λ

∂T ∂xi

oder  q = −λ ∇ T .

(3.8)

Hierin ist λ eine positive Funktion des thermodynamischen Zustandes und wird als W¨armeleitf¨ahigkeit bezeichnet. Das negative Vorzeichen steht hierbei im Einklang mit der Ungleichung (2.141). Experimente zeigen, daß dieses lineare Gesetz das wirkliche Materialverhalten sehr gut beschreibt. Die Abh¨ angigkeit der W¨ armeleitf¨ ahigkeit von p und T bleibt in (3.8) ebenfalls offen und ist experimentell zu bestimmen. F¨ ur Gase liefert die kinetische Theorie das Ergebnis λ ∼ η, so daß die W¨ armeleitf¨ahigkeit die gleiche Temperaturabh¨ angigkeit wie die Scherz¨ ahigkeit zeigt. (F¨ ur tropfbare Fl¨ ussigkeiten findet man auf theoretischem Wege, daß die W¨ armeleitf¨ahigkeit proportional zur Schallgeschwindigkeit der Fl¨ ussigkeit ist.) Im Grenzfall η, λ∗ = 0 erh¨ alt man aus dem Cauchy-Poisson-Gesetz die Materialgleichung der reibungsfreien Fl¨ ussigkeit τij = −p δij .

(3.9)

Der Spannungstensor ist also wie bei einer ruhenden Fl¨ ussigkeit allein durch den Druck p festgelegt. Bez¨ uglich des Spannungszustandes liefert der Grenzfall η, λ∗ = 0 dasselbe Ergebnis wie eij = 0. Konsistent mit η, λ∗ = 0 ist auch der Fall λ = 0: Die Vernachl¨ assigung der Reibungsspannungen zieht die Vernachl¨ assigung der W¨ armeleitung nach sich. Die Vermutung liegt nahe, daß der Bedingung η, λ∗ , λ = 0 keinerlei technische Bedeutung zukommt. Das Gegenteil ist aber der Fall! Viele technisch wichtige, reale Str¨ omungen werden unter dieser Annahme recht genau beschrieben. Im Zusammenhang mit der Str¨ omung durch Turbomaschinen ist dies bereits betont worden. Aber auch Umstr¨omungsprobleme, also z. B. Str¨ omungen um Flugk¨ orper, k¨ onnen bei entsprechender Ausbildung dieser K¨ orper mit der Annahme reibungsfreier Str¨ omung vorhergesagt werden. Der Grund hierf¨ ur ist nat¨ urlich darin zu sehen, daß die bei diesen Anwendungen in Frage kommenden Fl¨ ussigkeiten (meistens Luft oder Wasser) nur kleine“ ” Z¨ahigkeiten besitzen. Nun ist aber die Z¨ ahigkeit eine dimensionsbehaftete Gr¨ oße, und die Aussage kleine Z¨ ahigkeit“ ist vage, denn der Zahlenwert ” der physikalischen Gr¨ oße Z¨ ahigkeit“ l¨ aßt sich ja durch geeignete Wahl der ” Einheiten in der Dimensionsformel beliebig ver¨andern. Die Frage, ob die

3 Materialgleichungen

85

Z¨ ahigkeit als klein anzusehen ist, l¨ aßt sich nur in Zusammenhang mit dem vorgelegten Problem kl¨ aren; dies ist aber schon anhand einfacher Dimensionsbetrachtungen m¨ oglich. Bei inkompressibler Str¨omung oder Annahme der Stokesschen Relation (3.5) geht nur die Scherz¨ahigkeit in die Materialgleichung (3.1) ein. Ist zus¨ atzlich das Temperaturfeld homogen, gehen keine thermodynamischen Gr¨ oßen in das Problem ein, und die Anstr¨omung ist durch die Geschwindigkeit U , die Dichte  und die Scherviskosit¨at η festgelegt. Den umstr¨ omten K¨ orper charakterisieren wir durch seine typische L¨ ange L und k¨ onnen dann die dimensionslose Gr¨oße Re =

U L UL = η ν

(3.10)

bilden, die als Reynoldssche Zahl bezeichnet wird. Sie ist die wichtigste Kennzahl der Str¨ omungsmechanik und ein geeignetes Maß f¨ ur den Einfluß der Z¨ ahigkeit. Wenn η gegen null geht, strebt die Reynoldssche Zahl gegen unendlich. Die Annahme reibungsfreier Str¨ omung ist also nur dann gerechtfertigt, wenn die Reynoldssche Zahl sehr groß ist. Hat man z. B. in einer Wasserturbine mit der Schaufeltiefe L = 1 m eine Gitterstr¨ omung mit einem Betrag der Anstr¨omgeschwindigkeit von U = 10 m/s, so ist bei einer kinematischen Viskosit¨at des Wassers von ν = 10−6 m2 /s die Reynoldssche Zahl bereits Re = 107 , also in der Tat sehr groß. Die Berechnung auf der Basis einer reibungsfreien Theorie ist dann durchaus sinnvoll. Aus der einfachen Dimensionsbetrachtung folgt noch eine weitere Tatsache, die im Zusammenhang mit reibungsbehafteter Str¨omung wichtig ist: Betrachtet man z. B. die Widerstandskraft W des umstr¨omten K¨orpers, so l¨aßt sich dieser Widerstand mit den Daten des vorliegenden Problems dimensionslos machen, indem man den sogenannten Widerstandsbeiwert W cw =  (3.11) U 2 L2 2 bildet. Der Widerstandsbeiwert als dimensionslose Gr¨oße kann nat¨ urlich nur von anderen dimensionslosen Gr¨ oßen abh¨ angen, und die einzige, die sich mit den obigen Daten bilden l¨ aßt, ist die Reynoldssche Zahl. Wir werden zwangsl¨ aufig auf den Zusammenhang cw = cw (Re)

(3.12)

gef¨ uhrt. In nahezu unz¨ ahligen Versuchen ist dieser Zusammenhang immer wieder best¨ atigt worden. Er stellt das vielleicht u ur ¨berzeugendste Argument f¨ die Anwendbarkeit der Materialgleichung (3.1) f¨ ur reine, niedrig molekulare Fl¨ ussigkeiten dar. Die Materialgleichungen f¨ ur die lineare viskose Fl¨ ussigkeit (3.1) und f¨ ur die reibungsfreie Fl¨ ussigkeit (3.9) decken den weitaus gr¨oßten Teil der technischen Anwendungen ab. Wir werden uns im folgenden fast ausschließlich mit Str¨ omungen dieser Fl¨ ussigkeitsklassen besch¨aftigen. Es gibt aber

86

3 Materialgleichungen

eine Reihe technischer Anwendungen, in denen Nicht-Newtonsche Fl¨ ussigkeiten eine Rolle spielen. Zu nennen w¨ aren hier die Kunststoffherstellung, die Schmiertechnik, die Lebensmittelherstellung und die Farbverarbeitung. Typische Vertreter Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten sind tropfbare Fl¨ ussigkeiten, die ganz oder teilweise aus Makromolek¨ ulen (Polymeren) aufgebaut sind, und Zweiphasenmaterialien, wie z. B. Suspensionen fester Teilchen hoher Konzentration in einer tropfbaren Tr¨ agerfl¨ ussigkeit (Aufschlemmungen). Bei den meisten dieser Fl¨ ussigkeiten nimmt die Scherz¨ahigkeit mit wachsender Scherrate ab, man spricht von scherverd¨ unnenden Fl¨ ussigkeiten. Dabei kann die Scherz¨ ahigkeit sogar um mehrere Gr¨ oßenordnungen abnehmen. Dies ist eine Erscheinung, die in der Kunststoffindustrie sehr wichtig ist: Man wird bem¨ uht sein, Kunststoffschmelzen mit hoher Schergeschwindigkeit zu verarbeiten, um so die dissipierte Energie klein zu halten. Wenn die Scherz¨ ahigkeit mit wachsender Scherrate zunimmt, spricht man von scherverdickenden Fl¨ ussigkeiten. Diese Bezeichnungsweise ist aber keineswegs einheitlich. Oft werden scherverd¨ unnende Fl¨ ussigkeiten pseudo” plastisch“, strukturviskos“ oder auch scherentz¨ahend“ genannt. F¨ ur scher” ” verdickende Fl¨ ussigkeiten findet man auch die Bezeichnungsweise dilatant“ ” und scherverz¨ ahend“. ” Bei der Einfachen Scherstr¨ omung inkompressibler Fl¨ ussigkeiten(Abb. 1.1), die dem linearen Gesetz (3.1) gehorchen, sind die Normalspannungen (Hauptdiagonalglieder in der Matrixdarstellung des Tensors T) alle gleich. Ausschreiben der Gleichung (3.1) ergibt τ11 = −p + 2 η ∂u1 /∂x1 , τ22 = −p + 2 η ∂u2 /∂x2 , τ33 = −p + 2 η ∂u3 /∂x3 . Da das Geschwindigkeitsfeld u1 = γ˙ x2 , u2 = u3 = 0 ist, folgt τ11 = τ22 = τ33 = −p . Offensichtlich gilt dies auch f¨ ur allgemeinere Str¨omungen mit u1 = u1 (x2 ) , u2 = u3 = 0. In der Tat verschwindet die Differenz der Normalspannungen bei allen Schichtenstr¨ omungen, die dem linearen Gesetz (3.1) folgen. Bei Nicht-Newtonschen Fl¨ ussigkeiten ist dies im allgemeinen aber nicht der Fall. Sie zeigen sogenannte Normalspannungseffekte, von denen wohl der bekannteste der Weissenbergeffekt ist: An einem senkrecht zur freien Oberfl¨ ache eingetauchten rotierenden Zylinder steigt die Nicht-Newtonsche Fl¨ ussigkeit im Gegensatz zur Newtonschen Fl¨ ussigkeit hoch. Dieser Effekt (der nur bei gen¨ ugend kleinem Zylinderradius auftritt) kann z. B. beim R¨ uhren von Farbe oder Sahne festgestellt werden. Er beruht auf den nichtverschwindenden Normalspannungsdifferenzen. Ein anderer Normalspannungseffekt ist die Strahlaufweitung: Beim Ausstr¨ omen aus einer D¨ use wird der

3 Materialgleichungen

87

Strahl dicker als der D¨ usendurchmesser. Dieses Ph¨anomen ist beim Extrudieren von Kunststoffschmelzen wichtig, denn abh¨angig vom Extrusionsdruck kann der Strangdurchmesser mehr als das Doppelte des D¨ usendurchmessers betragen (Bei kleineren Reynolds-Zahlen beobachtet man auch f¨ ur Newtonsche Fl¨ ussigkeiten eine, allerdings kleine, Strahlaufweitung, die ihre Ursache in der Umgestaltung der Geschwindigkeitsprofile hat). Die Normalspannungseffekte sind Ausdruck einer Fl¨ ussigkeitselastizit¨at“, die sich auch in ” einer elastischen R¨ uckdeformation a ußert, wenn die Belastung pl¨otzlich weg¨ genommen wird. Diese Erscheinungen k¨ onnen qualitativ aus der Struktur der polymeren Fl¨ ussigkeit erkl¨ art werden. Polymere sind Makromolek¨ ule, die aus langen Ketten bestehen, und deren einzelne Glieder aus Monomeren entstanden sind und noch eine ¨ ahnliche Struktur zeigen. Silicon¨ole (Polydimethylsiloxane) beispielsweise bestehen aus Kettenmolek¨ ulen der Form CH3 CH3 CH3 Si O Si O Si O

,

CH3 CH3 CH3 welche durch Polymerisation aus Monomeren mit der Formel CH3 OH Si OH CH3 entstehen. Diese langen Ketten enthalten unter Umst¨anden viele tausend Molek¨ ule, so daß das Molekulargewicht, d. h. das Gewicht von 6, 0222 · 1023 Molek¨ ulen (Loschmidtsche Zahl) entsprechend groß ist und Werte bis 106 g/mol erreicht. Typische Nicht-Newtonsche Effekte werden bei Molekulargewichten von u ussigkeiten k¨onnen ganz andere ¨ ber 103 g/mol beobachtet. Polymere Fl¨ physikalische Eigenschaften als entsprechende monomere Fl¨ ussigkeiten haben. Dies ist auch darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, daß sich die Ketten (die u ¨ brigens nicht alle gleich lang sind) leicht verkn¨ aulen k¨ onnen. Infolge der thermischen Bewegung l¨ osen und bilden sich st¨ andig neue Verkn¨aulungen. Unter Scherbelastung werden die Ketten aber ausgerichtet, so daß sie leichter aneinander vorbeigleiten k¨ onnen, was als grobes Modell zur Erkl¨arung des Z¨ahigkeitsabfalls mit wachsender Scherrate dienen kann. Die bei verschwindender Scherrate vorhandene Z¨ ahigkeit ist die sogenannte Nullviskosit¨at , die fast proportional zum Molekulargewicht der Fl¨ ussigkeit ist. Die orientierten Molek¨ ule streben danach, sich wieder zu verkn¨ aulen, wenn dies aber verhindert wird, entstehen zus¨ atzliche Normalspannungen. Beim Extrusionsprozess werden die Molek¨ ule in der D¨ use ebenfalls orientiert. Aus diesem Zustand gr¨oßerer Ordnung verkn¨ aulen sich die Molek¨ ulketten nach dem Austritt aus der D¨ use wieder und weiten so den Strang wieder auf. Im Einklang mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik streben sie also einen Zustand gr¨oßtm¨oglicher Unordnung d. h. maximaler Entropie an. Auf ¨ahnliche Weise l¨aßt sich auch

88

3 Materialgleichungen

die oben erw¨ ahnte elastische R¨ uckdeformation veranschaulichen. Wir betonen aber, daß diese Form von Elastizit¨ at einen g¨anzlich anderen Charakter als die Elastizit¨ at eines Festk¨ orpers besitzt. Bei einem Festk¨orper werden die Atome durch die Dehnung weiter voneinander entfernt. Die bei der Dehnung verrichtete Arbeit ist dann als potentielle Energie im Festk¨orper gespeichert. Bei Entlastung geht die Dehnung sofort zur¨ uck, wenn man einmal von der Tr¨agheit des Materials absieht. Die Elastizit¨ at eines polymeren Fluids ist eine Folge der thermischen Bewegung (R¨ uckverkn¨ aulung) und braucht daher eine gewisse Zeit, worin auch der Grund zu sehen ist, daß die Strahlaufweitung nicht immer unmittelbar hinter der D¨ use beginnt. Neben den bisher besprochenen Ph¨ anomenen weisen Nicht-Newtonsche Fl¨ ussigkeiten eine Reihe von weiteren, manchmal sehr u ¨ berraschenden Effekten auf, und es ist daher nicht zu erwarten, daß eine einzige Materialgleichung diesen verschiedenartigen Ph¨ anomenen Rechnung tragen kann. Vom technischen Standpunkt aus erscheint die Scherverd¨ unnung besonders wichtig, denn viele technische Str¨ omungen sind Scherstr¨ omungen oder mit diesen eng verwandt. Die starke Abh¨ angigkeit der Z¨ ahigkeit von der Scherrate kann dann einen erheblichen Einfluß haben. Dies ist z. B. bei Gleitlager- und Rohrstr¨ omungen Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten, wie bei der bereits erw¨ahnten Kunststoffverarbeitung, der Fall. Bei der einfachen Scherstr¨ omung hatten wir f¨ ur Nicht-Newtonsche Fl¨ ussigkeiten bereits das Materialgesetz τ = τ (γ) ˙ angegeben, das wir jetzt als τ = η(γ) ˙ γ˙

(3.13)

schreiben. Eine Erweiterung dieses Gesetzes f¨ ur den allgemeinen Spannungszustand erh¨ alt man, wenn man in (3.1) ebenfalls eine Abh¨angigkeit der Scherz¨ ahigkeit vom Deformationsgeschwindigkeitstensor zul¨aßt. Da η ein Skalar ist, kann η aber nur von den Invarianten des Tensors abh¨angen. F¨ ur inkompressible Str¨ omung ist die erste Invariante (vgl. (1.58)) I1e = eii ohnehin null, die dritte Invariante I3e = det(eij ) verschwindet f¨ ur die Einfache Scherstr¨ omung, und die zweite Invariante ergibt sich f¨ ur inkompressible Str¨omung zu 2 I2e = −eij eij . Hiermit f¨ uhren wir eine verallgemeinerte Scherrate ! γ˙ = −4 I2e (3.14) ¨ ein, so daß sich f¨ ur die Einfache Scherstr¨ omung in Ubereinstimmung mit (1.3) wieder γ˙ = du/dy

(3.15)

ergibt. Dann folgt aus dem Cauchy-Poisson-Gesetz (3.1) f¨ ur inkompressible Str¨ omung das Materialgesetz der verallgemeinerten Newtonschen Fl¨ ussigkeit: τij = −p δij + 2 η(γ) ˙ eij .

(3.16)

F¨ ur die Fließfunktion η(γ) ˙ findet man in der Spezialliteratur zahlreiche empirische oder halbempirische Modelle, von denen wir hier nur das oft benutzte Potenzgesetz

3 Materialgleichungen

η(γ) ˙ = m |γ| ˙ n−1 ,

89

(3.17)

mit den Experimenten anzupassenden Parametern m und n erw¨ahnen, weil dies in einfachen F¨ allen noch geschlossene L¨ osungen zul¨aßt. Offensichtlich ist m ein Parameter, dessen Dimension von dem dimensionslosen Parameter n abh¨ angt. F¨ ur n > 1 wird scherverdickendes, f¨ ur n < 1 scherverd¨ unnendes Verhalten beschrieben. F¨ ur γ˙ → 0 geht die Fließfunktion im ersten Fall gegen null, im zweiten gegen unendlich, so daß (3.17) dann unbrauchbar ist, wenn im Str¨ omungsfeld γ˙ = 0 angetroffen wird. Diese Schwierigkeit kann mit einer Modifikation des Modells (3.17) mit drei freien Parametern vermieden werden: " η0 f¨ ur γ˙ ≤ γ˙ 0 η= . (3.18) n−1 η0 |γ/ ˙ γ˙0 | f¨ ur γ˙ > γ˙ 0 Hierin ist γ˙ 0 die Scherrate, bis zu der Newtonsches Verhalten mit der Nullviskosit¨ at η0 festgestellt wird. Die verallgemeinerten Newtonschen Fl¨ ussigkeiten zeigen keine Normalspannungseffekte. Diese werden erst von einem umfassenderen Modell f¨ ur station¨ are Scherstr¨ omungen erfaßt, auf das wir hier nicht eingehen werden, das aber die verallgemeinerten Newtonschen Fl¨ ussigkeiten als Spezialfall enth¨ alt. F¨ ur instation¨are Str¨ omungen, bei denen sich die Fl¨ ussigkeitselastizit¨at besonders bemerkbar macht, werden oft lineare viskoelastische Modelle verwendet, deren Ursprung auf Maxwell zur¨ uckgeht. Das mechanische Analogon zum linearen viskoelastischen Modell ist die Serienschaltung einer Feder und eines D¨ ampfers (Abb. 3.1). Identifiziert man die Auslenkung der Feder mit der Scherung γF , die des D¨ ampfers mit γD und die Kraft mit τ21 , so folgt aus dem Kr¨ aftegleichgewicht τ21 = G γF = η γ˙ D .

(3.19)

Die gesamte Auslenkung γF + γD bezeichnen wir mit γ, so daß aus (3.19) die Gleichung τ21 = η γ˙ −

η τ˙21 G

(3.20)

entsteht, die wir mit η/G = λ0 , γ˙ = du/dy = 2 e12 f¨ ur die einfache Scherstr¨ omung auch in der Form τ21 + λ0 τ˙21 = 2 η e12

(3.21)

schreiben k¨ onnen. Die tensorielle Verallgemeinerung dieser Gleichung ist das Materialgesetz der linear viskoelastischen Fl¨ ussigkeit: Pij + λ0

∂Pij = 2η eij . ∂t

(3.22)

90

3 Materialgleichungen

Abbildung 3.1. Maxwellsches Modell der linear elastischen Fl¨ ussigkeit

Man kann die charakteristische Zeit λ0 als Ged¨achtniszeit“ der Fl¨ ussigkeit ” alt man aus (3.22) das f¨ ur Newtonsche Fl¨ ussigkeiauffassen. F¨ ur λ0 → 0 erh¨ ten g¨ ultige Materialgesetz (3.2), wenn wir dort ekk = 0 setzen (inkompressible Str¨ omung). In diesem Sinne ist die Newtonsche Fl¨ ussigkeit eine Fl¨ ussigkeit ohne Ged¨ achtnis. Gleichung (3.22) erf¨ ullt aber weder das Axiom der Objektivit¨ at, noch beschreibt sie das Ph¨ anomen der Scherverd¨ unnung bzw. Scherverdickung. Das Materialgesetz kann aber auf eine objektive Form gebracht werden (wenn die partielle Zeitableitung durch eine objektive Zeitableitung wie die in (1.69) angegebene Oldroydsche oder die Jaumannsche Ableitung, von der (2.63) ein Spezialfall ist, ersetzt wird) und beschreibt dann im allgemeinen auch das scherverd¨ unnende Verhalten. Materialgleichungen beschreiben Eigenschaften des materiellen Punktes und sollten daher in einem Bezugssystem formuliert werden, welches sich mit dem materiellen Teilchen mitbewegt und mit ihm rotiert. Damit ist sichergestellt, daß das Materialverhalten von der Rotation und Translation unabh¨ angig ist, die ja lokal reine Starrk¨ orperbewegungen darstellen. Wenn die Spannung am materiellen Teilchen nur vom augenblicklichen Wert des Deformationsgeschwindigkeitstensors abh¨ angt, wie das z. B. beim CauchyPoissonschen Gesetz der Fall ist, ist auch ein, vorl¨aufig als raumfest bezeichnetes, Beobachter-Bezugssystem zul¨ assig, weil das Materialgesetz auch bei zeitabh¨ angiger Transformationsmatrix aij (t) dort genau dieselbe Form annimmt wie im mitrotierenden System, wovon man sich sofort u ¨ berzeugen kann, wenn man nach den Regeln des Anhangs A von dem einen System in das andere System transformiert. Geht hingegen die Deformationsgeschichte in

3 Materialgleichungen

91

den Spannungszustand ein, z. B. wenn die Materialgleichungen die Form von Differentialgleichungen annehmen, so ist das raumfeste System kein zul¨assi¨ ges System, da die zeitlichen Anderungen von Tensoren i. allg. nicht den Transformationsregeln des Anhangs A gen¨ ugen, d. h. keine objektiven Tensoren sind. Als solche bezeichnen wir Tensoren, die auch bei zeitabh¨angiger Transformationsmatrix (also bei sich drehendem, nicht nur gedrehtem System) den Transformationsregeln gew¨ ohnlicher Tensoren gehorchen, was offensichtlich n¨ otig ist, damit die Materialgleichungen in allen Systemen die gleiche Form haben. Eine Materialgleichung der Form (3.22) gilt daher nur im mitrotierenden System, wobei die partielle Ableitung in (3.22) dann die materielle Ableitung ist. Es liegt zun¨ achst nahe, f¨ ur die Berechnung einer Str¨ omung mit zeitabh¨ angigem Materialverhalten die Bewegungsgleichungen in das mit dem materiellen Teilchen mitrotierende Bezugssystem zu transformieren. Aus mehreren Gr¨ unden ist dieser Weg nicht gangbar: Abgesehen davon, daß i. allg. die Winkelgeschwindigkeiten verschiedener materieller Teilchen verschieden sind und die Randbedingungen eines konkreten Problems st¨ andig zu transformieren w¨ aren, ist es auch nahezu unm¨oglich, Messungen in den unterschiedlich mitrotierenden Systemen auszuf¨ uhren. In der Regel werden Messungen und Rechnungen im raumfesten System durchgef¨ uhrt, in dem in der Regel auch der Rand des Str¨ omungsfeldes fest ist. In der Tat sind diese Gesichtspunkte f¨ ur die Wahl des Bezugssystems entscheidend. Daher wird man versuchen, die nur im mitrotierenden System g¨ ultigen Materialgleichungen durch Gr¨ oßen, die auf das feste System bezogen sind, auszudr¨ ucken. Es gen¨ ugt dabei, die partielle Ableitung in (3.22) als Ableitung im mitrotierenden System zu interpretieren und diese Ableitung in Gr¨oßen und Komponenten des raumfesten Systems darzustellen, da die anderen Tensoren bereits auf das feste System bezogen sind. Die gesuchte Formel f¨ ur die Ableitung erhalten wir, wenn wir ausgehend von der Transformation (A.29)  Pij = aik ajl Pkl ,

(3.23)

 in der Pkl die Komponenten im mitrotierenden System sind, die materielle Ableitung    DPij Daik Dajl DPkl  = ajl + aik Pkl + aik ajl (3.24) Dt Dt Dt Dt

bilden. Offensichtlich ist es der Klammerausdruck, der die Objektivit¨at der ¨ zeitlichen Anderung des Tensors verhindert. Die Zeitableitung der orthogonalen Transformationsmatrix aij = ei ·ej  (t) ergibt sich mit (2.62), in der die  sinngem¨ Winkelgeschwindigkeit Ω aß durch die Winkelgeschwindigkeit ω  des Teilchens zu ersetzen ist, zu Daij = ei · ( ω × ej  ) = ei · ( ω × em )amj , Dt

(3.25)

wobei der letzte Ausdruck mit (A.23) entsteht und nur noch Terme im raumfesten System enth¨ alt. Wir u ¨bertragen das Spatprodukt in die Indexnotation

92

3 Materialgleichungen

ei · ( ω × em ) = (ei )k εkln ωl (em )n ,

(3.26)

und da die k-te Komponente ei · ek = (ei )k des i-ten Basisvektors dem Kronecker-Delta entspricht, gewinnen wir mit (1.46) den Ausdruck Daij = εilm ωl amj = −Ωmi amj , Dt

(3.27)

der (3.24) in die Form aik ajl

 DPkl DPij = + Pmj Ωmi + Pim Ωmj Dt Dt

(3.28)

¨ bringt, deren rechte Seite bereits die gesuchte zeitliche Anderung des Tensors  Pkl im mitrotierenden System ist, zerlegt in Komponenten des raumfesten Systems. Diese Ableitung, die oben erw¨ ahnte Jaumannsche Ableitung, kennzeichnen wir mit dem Symbol D/Dt: DPij DPij = + Pmj Ωmi + Pim Ωmj . Dt Dt

(3.29)

Die Jaumannsche Ableitung eines objektiven Tensors erzeugt wieder einen objektiven Tensor. Daher kann das oben als raumfest bezeichnete Bezugs¨ system auch ein Relativsystem sein. Die zeitliche Anderung (DP/Dt)B im Relativsystem ist dieselbe wie im Inertialsystem (DP/Dt)I , w¨ahrend sich die Komponenten nach (A.28) transformieren. Materialgleichungen, in denen nur objektive Tensoren auftreten, sind dann in allen Bezugssystemen g¨ ultig und erf¨ ullen das Axiom der Objektivit¨at. Sie haben dieselbe Form im Relativ- und Inertialsystem. Mit der Jaumannschen Ableitung eng verwandt ist die bereits mit (1.67) eingef¨ uhrte Oldroydsche Ableitung, die auf den Reibungsspannungstensor angewandt den Ausdruck δPij DPij ∂um ∂um = + Pmj + Pim δt Dt ∂xi ∂xj

(3.30)

ergibt, den man erh¨ alt, wenn man zur rechten Seite der Gleichung (3.29) den objektiven, symmetrischen Tensor Pmj emi + Pim emj addiert. Dann geht neben der Drehgeschwindigkeit des Teilchens nun auch die Deformationsgeschwindigkeit ein. In der Tat: die Oldroydsche Ableitung stellt die zeitliche ¨ Anderung eines Tensors im k¨ orperfesten“ System dar, in einem Bezugssy” stem also, das die Rotation und Deformation des Teilchens mitmacht, wieder zerlegt in Komponenten des raumfesten Systems. Die Oldroydsche Ableitung eines objektiven Tensors ist ebenfalls objektiv, und daher sind die aus Abschnitt 1.2.4 bekannten Rivlin-Ericksen-Tensoren objektive Tensoren. Ein Zusammenhang zwischen dem Spannungstensor und den Rivlin-EricksenTensoren stellt daher immer eine objektive Materialgleichung dar. Der Nutzen dieser objektiven Ableitungen (und auch anderer) liegt darin, daß sie zeitabh¨ angiges Materialverhalten, welches im raumfesten System

3 Materialgleichungen

93

bei vernachl¨ assigter Deformationsgeschichte ermittelt wurde, auf beliebige große Deformationen verallgemeinern. F¨ ur gen¨ ugend kleine Deformationsgeschwindigkeiten, was i. allg. auch kleine Drehgeschwindigkeiten bedeutet, reduzieren sich (3.29) und (3.30) wieder auf die partielle Zeitableitung, und Gleichung (3.22) leistet daher gute Dienste zur Beschreibung oszillierender Fl¨ ussigkeitsbewegungen bei kleiner Amplitude. Die beiden bisher besprochenen Modelle sind Beispiele einer Vielzahl von Nicht-Newtonschen Fl¨ ussigkeitsmodellen, die im Grunde alle empirischer Natur sind. Ausgehend von der einfachen Fl¨ ussigkeit kann man eine Reihe dieser Materialgleichungen in eine Systematik einordnen. Wir verweisen hier auf die Spezialliteratur, besprechen aber noch zwei Modelle, die zahlreiche technische Anwendungen gefunden haben, weil die allgemeine funktionale Abh¨angigkeit des Reibungsspannungstensors von der Geschichte des relativen Deformationsgradienten in diesen F¨ allen eine explizite Form gefunden hat. Der Reibungsspannungstensor ist eine tensorwertige Funktion (mit neun bzw. wegen Symmetrie sechs Komponenten) dieser Geschichte. Die Geschichte ist eine Funktion der Zeit t , die den Verlauf des relativen Deformationsgradiententensors angibt. Der Wertebereich von t erstreckt sich von −∞ bis zur aktuellen Zeit t. Der Tensor der Reibungsspannungen ist also eine tensorwertige Funktion, deren Argumente wiederum tensorwertige Funktionen sind; man spricht von einer Funktionenfunktion oder von einem Funktional . Der relative Deformationsgradiententensor Cij (x, t, t ) beschreibt die Deformation, die das Teilchen, das sich zur aktuellen Zeit t am Ort x befindet, zur Zeit t erfahren hat.  t) ist der Ort eines materiellen (In einer Fl¨ ussigkeitsbewegung x = x(ξ,      Punktes ξ zur Zeit t < t durch x = x(ξ, t ) gegeben. Ersetzen wir hierin  x, t), so erhalten wir die Relativbewegung x = x(x, t, t ), ξ durch ξ = ξ( in der die aktuelle Konfiguration (t = t) als Referenzkonfiguration benutzt wird. Zur festen aktuellen Zeit t und mit neuem Parameter t − t ≥ 0 beschreibt die Relativbewegung die Geschichte der Fl¨ ussigkeitsbewegung. Der symmetrische Tensor (∂xl /∂xi )(∂xl /∂xj ), gebildet aus dem relativen Deformationsgradienten ∂xl /∂xi , ist der relative Deformationsgradiententensor Cij (x, t, t ), der auch als relativer Rechts-Cauchy-Green-Tensor bezeichnet wird (siehe auch (3.45).) Wir betrachten den Fall, f¨ ur den sich die Geschichte Cij (x, t, t ) in eine Taylorreihe entwickeln l¨ aßt. Es zeigt sich, daß die Entwicklungskoeffizienten die durch (1.68) definierten Rivlin-Ericksen-Tensoren sind, so daß f¨ ur die Geschichte die Entwicklung 1 Cij (x, t, t ) = δij + (t − t) A(1)ij + (t − t)2 A(2)ij + . . . 2 gilt. (Um die Gleichheit des Ausdrucks  n  D Cij A(n)ij = Dtn t =t

(3.31)

94

3 Materialgleichungen

zu zeigen, differenzieren wir das Quadrat des Linienelementes ds nach t    Dn ds2 Dn ∂xl ∂xl Dn Cij ∂xi ∂xj   = dx dx = dx dx . i j Dtn Dtn ∂xi ∂xj Dtn ∂xk ∂xm k m Andererseits gilt nach (1.68) Dn ds2 = A(n)ij dxi dxj , Dtn so daß wir f¨ ur t = t die Gleichung  n  D Cij δik δjm dxk dxm = A(n)ij dxi dxj Dtn t =t und somit die obige Behauptung erhalten.) Wenn man die Reihe mit dem n-ten Glied abbrechen kann (entweder weil die h¨ oheren Rivlin-Ericksen-Tensoren sehr klein werden, was nach (1.68) dann ¨ der Fall ist, wenn die Anderung des Quadrates des materiellen Linienelementes gen¨ ugend langsam erfolgt, oder wenn die Kinematik so eingeschr¨ankt ist, daß die h¨ oheren Tensoren identisch verschwinden, wie das bekanntlich bei station¨ aren Schichtenstr¨ omungen oder etwas allgemeiner bei viskometrischen Str¨ omungen f¨ ur n > 2 der Fall ist), so ist der Reibungsspannungstensor keine Funktion einer Funktion mehr, sondern eine Funktion der n RivlinEricksen-Tensoren, die man aus dem Geschwindigkeitsfeld berechnen kann. Die Materialgleichung lautet dann τij = −p δij + ϕij {A(1)kl , . . . , A(n)kl } ,

(3.32a)

oder in symbolischer Schreibweise T = −p I + ϕ{ A(1) , . . . , A(n) } ,

(3.32b)

wobei ϕ eine tensorwertige Funktion der n Tensorver¨anderlichen A(1) bis A(n) ¨ ist. Speziell f¨ ur Schichtenstr¨ omungen f¨ uhrt der Ubergang vom Funktional auf die exakte Gleichung T = −p I + ϕ{A(1) , A(2) } .

(3.33)

Unter Schichtenstr¨omungen verstehen wir Str¨omungen, bei denen in einem geeigneten (nicht notwendigerweise kartesischen) Koordinatensystem nur eine Geschwindigkeitskomponente von null verschieden ist und diese sich nur senkrecht zur Str¨ omungsrichtung a ¨ndert. Diese Klasse von Str¨omungen l¨aßt wegen der besonders einfachen Kinematik oft geschlossene L¨osungen zu und wird im Kapitel 6 ausf¨ uhrlich behandelt. Kennzeichnen wir die Str¨ omungsrichtung mit dem Einheitsvektor e1 , die Richtung der Geschwindigkeits¨ anderung mit e2 und die zu beiden rechtsh¨ andige Normale mit e3 , so nehmen der erste und zweite Rivlin-EricksonTensor die aus Abschnitt 1.2 bekannte Form der Einfachen Scherstr¨omung

3 Materialgleichungen

95

(1.71) und (1.72) an. Da die Komponenten von A(1) und A(2) nur Funktionen von γ˙ sind, gewinnen wir aus (3.33) die Gleichung ˙ . τij = −p δij + ϕij (γ)

(3.34)

Die Spannungen τ13 = τ31 und τ23 = τ32 sind in Schichtenstr¨omungen null, und die Matrixdarstellung von (3.34) lautet ⎡ ⎤ ϕ11 (γ) ˙ − p ϕ12 (γ) ˙ 0   ⎦ . T = ⎣ ϕ12 (γ) ˙ ϕ22 (γ) ˙ −p 0 (3.35) ˙ −p 0 0 ϕ33 (γ) Um den bei inkompressibler Str¨ omung unbestimmten Druck zu eliminieren, bilden wir die Differenz der Normalspannungen: ˙ τ11 − τ22 = N1 (γ) , ˙ τ22 − τ33 = N2 (γ)

(3.36)

die zusammen mit der Schubspannung τ12 = τ (γ) ˙

(3.37)

das Verhalten der einfachen Fl¨ ussigkeit bei Schichtenstr¨omungen vollst¨andig festlegen. N1 (γ) ˙ wird die erste Normalspannungsfunktion, N2 (γ) ˙ die zweite Normalspannungsfunktion und τ (γ) ˙ die Schubspannungsfunktion genannt. ˙ τ ist eine ungerade Funktion von γ. ˙ N1 und N2 sind gerade Funktionen von γ, Alle diese Funktionen h¨ angen nat¨ urlich vom Material ab. Zwei verschiedene Fl¨ ussigkeiten mit gleichen Normal- und Schubspannungsfunktionen k¨onnen aber in anderen Str¨ omungen als Schichtenstr¨ omungen v¨ollig verschiedene Verhalten zeigen. ¨ Wir betrachten nun den Fall, daß die Anderung von ds2 in (1.68) gen¨ ugend langsam erfolgt, was bei langsamen und langsam ver¨anderlichen Bewegungen der Fall ist, und sagen A(1) ist von erster, A(2) von zweiter Ordnung: A(n) ∼ O( n ) .

(3.38)

Beschr¨ anken wir uns auf Glieder erster Ordnung in , so l¨aßt sich (3.32) in der Form T = −p I + η A(1) ,

(3.39a)

bzw. τij = −p δij + η A(1)ij

(3.39b)

schreiben. Da A(1)ij = 2eij ist, erkennt man das Cauchy-Poisson-Gesetz (3.1) f¨ ur inkompressible Newtonsche Fl¨ ussigkeiten, das wir hier f¨ ur den Grenzfall sehr langsamer und langsam ver¨ anderlicher Bewegung erhalten haben.

96

3 Materialgleichungen

Langsame Ver¨ anderlichkeit“ bedingt aber eine Ver¨anderung mit einem typi” schen Zeitmaßstab, der groß im Vergleich zur Ged¨achtniszeit der Fl¨ ussigkeit ist. Wie wir im Zusammenhang mit (3.22) bereits erw¨ahnt haben, hat die Newtonsche Fl¨ ussigkeit kein Ged¨ achtnis, so daß der im Sinne der N¨aherung“ ” (3.39) zul¨ assige Zeitmaßstab beliebig klein sein kann. Ber¨ ucksichtigt man Glieder bis zur zweiten Ordnung in , so erh¨alt man aus (3.32b) die Definition einer Fl¨ ussigkeit zweiter Ordnung T = −p I + η A(1) + β A2(1) + γ A(2) .

(3.40)

Die Koeffizienten η, β und γ sind hierin materialabh¨angige Konstanten (wobei sich γ aus Messungen als negativ erweist). Die G¨ ultigkeit dieses Materialgesetzes ist nicht kinematisch eingeschr¨ ankt und kann allgemein auch f¨ ur instation¨ are, dreidimensionale Str¨ omungen eingesetzt werden. Die Einschr¨ ankung ist die erforderliche Langsamkeit“ der betrachteten Prozesse, ” wobei die Bedeutung von langsam“ im konkret vorliegenden Problem zu ” kl¨ aren ist. Die Fl¨ ussigkeit zweiter Ordnung ist das einfachste Modell, das in einfacher Scherstr¨ omung zwei verschiedene Normalspannungsfunktionen zeigt, die (wie es sein muß) mit γ˙ 2 anwachsen. Allerdings wird dann die in Experimenten immer beobachtete Scherverd¨ unnung nicht beschrieben. Trotzdem wird dieses Modell in sehr vielen Untersuchungen verwendet, und es ist auch in der Lage, die meisten Nicht-Newtonschen Effekte qualitativ, wenn auch nicht immer quantitativ, vorherzusagen. Schließlich kann man dieses Materialgesetz, welches alle am Anfang dieses Kapitels aufgef¨ uhrten Axiome f¨ ur Materialgleichungen erf¨ ullt, losgel¨ ost von seiner Ableitung als zul¨assiges ¨ Fl¨ ussigkeitsmodell sehen, dessen Ubereinstimmung mit dem realen Materialverhalten sowieso experimentell zu u ufen ist (wie man es auch beim ¨ berpr¨ Cauchy-Poisson-Gesetz tut). Die bisher besprochenen Materialien sind reine Fl¨ ussigkeiten, d. h. Materialien, bei denen die Scherkr¨ afte verschwinden, wenn die Verformungsgeschwindigkeit gegen null geht. Wie bereits erw¨ahnt, hat man es oft mit Stoffen zu tun, die dualen Charakter haben. Von diesen Stoffen besprechen wir hier das Bingham-Material , das als Modell f¨ ur das Materialverhalten von Farbe dienen kann oder allgemeiner f¨ ur Suspensionen fester Teilchen hoher Konzentration in Newtonschen Fl¨ ussigkeiten. Wenn die festen Teilchen und die Fl¨ ussigkeit dielektrisch, d. h. elektrisch nicht leitend sind, so k¨onnen diese Dispersionen unter starkem elektrischem Feld Bingham-Charakter annehmen auch wenn sie ohne Feld reines Fl¨ ussigkeitsverhalten zeigen. Diese elektrorheologischen Fl¨ ussigkeiten, deren Materialverhalten sich ohne großen Aufwand und recht schnell ver¨ andern l¨ aßt, k¨ onnen Anwendung z. B. bei der Bek¨ ampfung unerw¨ unschter Schwingungen finden. Durch geeignete Maßnahmen kann man es erreichen, daß sich das Verhalten selbst¨andig den Anforderungen anpaßt, so daß sich die elektrorheologischen Fl¨ ussigkeiten zu intelligenten“ Materialien umformen lassen, die zunehmend an Interesse ge” winnen. Auch das Verhalten von Fetten, die besonders bei Rollkontakten

3 Materialgleichungen

97

Abbildung 3.2. Bingham-Materialverhalten

als Schmiermittel eingesetzt werden, l¨ aßt sich mit dem Bingham-Modell beschreiben. Besonders einsichtig wird das Bingham-Verhalten in einfacher Scherstr¨ omung: Wenn das Material fließt, hat man f¨ ur die Schubspannung τ ≥ϑ.

τ = η1 γ˙ + ϑ ;

(3.41)

Andernfalls verh¨ alt sich das Material wie ein elastischer Festk¨orper, und die Schubspannung ist τ = Gγ ;

τ < ϑ,

(3.42)

wobei ϑ die Fließspannung und G der Schubmodul ist. Bei einem allgemeineren Spannungszustand erh¨ alt die Fließspannung Tensorcharakter und an Stelle von ϑ tritt ϑij , so daß das Fließkriterium nicht unmittelbar einsichtig ist. Wir f¨ uhren im folgenden das tensoriell verallgemeinerte Binghamsche Materialgesetz ein und beschreiben zun¨ achst das elastische Verhalten. Dabei schließen wir an (1.5) und (1.8) an und betrachten ξ als die Teilchenposition im spannungsfreien Zustand und x als die Position desselben Teilchens im deformierten Zustand. Ein undeformiertes materielles Vektorelement steht mit dem deformierten Element dx in der Beziehung dxi =

∂xi dξj , ∂ξj

(3.43)

die unmittelbar aus (1.5) folgt und in der ∂xi /∂ξj der Deformationsgradient ist. Wir schreiben daher f¨ ur das Quadrat des L¨angenelementes |dx| dxi dxi =

∂xi ∂xi dξj dξk ∂ξj ∂ξk

sowie f¨ ur die Differenz   ∂xi ∂xi 2 2  |dx| − |dξ| = − δjk dξj dξk ∂ξj ∂ξk

(3.44)

(3.45)

und bezeichnen die H¨ alfte der Gr¨ oße in der Klammer, neuerem Sprachgebrauch zur Folge, als Lagrangeschen Dehnungstensor Ejk . F¨ ur diesen Tensor ist auch die Bezeichnung Greenscher Verzerrungstensor in Gebrauch.

98

3 Materialgleichungen

Hier soll aber der, offensichtlich symmetrische, Tensor (∂xi /∂ξj )(∂xi /∂ξk ) in (3.44) als Greenscher Deformationstensor bezeichnet werden. Gleichung (1.5) erm¨ oglicht auch die Darstellung von (3.45) u ¨ber den Zwischenschritt    2 = ∂xi ∂xi − δjk ∂ξj dxl ∂ξk dxm |dx|2 − |dξ| (3.46) ∂ξj ∂ξk ∂xl ∂xm in Feldkoordinaten:   ∂ξk ∂ξk 2 2  |dx| − |dξ| = δlm − dxl dxm . ∂xl ∂xm

(3.47)

Entsprechend bezeichnet man den halben Klammerausdruck in (3.47) als Eulerschen Dehnungstensor lm , der auch Almansischer Verzerrungstensor genannt wird. Der symmetrische Tensor (∂ξk /∂xl )(∂ξk /∂xm ) ist der Cauchysche Deformationstensor , der das Eulersche Gegenst¨ uck zum Greenschen Deformationstensor ist. Die Dehnungstensoren dr¨ ucken wir auch unter Verwendung des Verschiebungsvektors y = x − ξ

(3.48)

aus und erhalten mit dem Greenschen Deformationstensor ∂xi ∂xi ∂yi ∂yi ∂yk ∂yj = + + + δkj ∂ξj ∂ξk ∂ξj ∂ξk ∂ξj ∂ξk f¨ ur den Lagrangeschen Dehnungstensor den Ausdruck   1 ∂yi ∂yi ∂yj ∂yk Ejk = + + , 2 ∂ξj ∂ξk ∂ξk ∂ξj

(3.49)

(3.50)

der sich f¨ ur gen¨ ugend kleine Deformationen, d. h. bei Vernachl¨assigung quadratischer Glieder, zu   1 ∂yj ∂yk Ejk = + (3.51) 2 ∂ξk ∂ξj vereinfacht. Aus (3.48) folgt ∂yj ∂ξj = δkj − ∂xk ∂xk

(3.52a)

und f¨ ur kleine Deformationen, d. h. ∂yj /∂xk  ∂ξj /∂xk , dann ∂ξj ≈ δkj , ∂xk

(3.52b)

so daß wir mit der (auch (3.46) zu entnehmenden) Transformation Ejk

∂ξj ∂ξk = lm ∂xl ∂xm

(3.53)

3 Materialgleichungen

99

auf Elm ≈ lm

(3.54)

gef¨ uhrt werden. In diesem Fall verschwindet der Unterschied zwischen dem Lagrangeschen und Eulerschen Dehnungstensor. Im weiteren beschr¨anken wir uns auf kleine Deformationen und gewinnen aus der substantiellen Ableitung des Dehnungstensors lm = 1/2(∂yl /∂xm + ∂ym /∂xl ) auch noch den Dehnungsgeschwindigkeitstensor (1.29a): D lm 1 = Dt 2



∂ul ∂um + ∂xm ∂xl

 = elm .

(3.55)

Es ist in der Rheologie u ¨ blich, die negative mittlere Normalspannung als Druck zu bezeichnen, und wir schließen uns diesem Brauch hier an, verweisen aber darauf, daß die mittlere Normalspannung i. allg. isotrope Anteile enth¨alt, die von der Bewegung abh¨ angen. Bei inkompressiblem Material, auf das wir uns beschr¨ anken, ist der Druck aber ohnehin eine unbekannte Funktion, die aus der L¨ osung der Bewegungsgleichungen folgt, und der Unterschied ist nicht von Bedeutung. Wir schreiben daher f¨ ur das Materialgesetz τij = −p δij + τij ,

1 p = − τkk . 3

(3.56)

Der Tensor τij ist nach obigem ein Deviator, d. h. die Spur des Tensors verschwindet. Wenn eij und ij die deviatorischen Anteile des Dehnungsgeschwindigkeits- und Dehnungstensors sind, so gilt an der Fließgrenze eij = 0 und τij = 2G ij = ϑij .

(3.57)

Wir nehmen an, daß Fließen gem¨ aß der v. Mises Hypothese auftritt, d. h. wenn die als Folge der deviatorischen Spannungen im Material gespeicherte Energie einen vorgegebenen Wert erreicht: 1  

τ = const . 2 ij ij

(3.58)

Mit (3.57) ist die potentielle Energie an der Fließgrenze dann 1 1 2 ϑij ϑij = const = ϑ , 4G 2G

(3.59)

so daß wir das Materialgesetz des Bingham-Materials in der Form τij = 2ηeij und

wenn

1   τ τ ≥ ϑ2 2 ij ij

(3.60)

100

3 Materialgleichungen

τij = 2G ij

wenn

1   τ τ ≤ ϑ2 2 ij ij

(3.61)

mit η = η1 + ϑ/(2eij eij )1/2

(3.62)

gewinnen. Das inkompressible Bingham-Material wird durch die drei Materialgr¨ oßen G, ϑ und η1 festgelegt. Dort wo es fließt verh¨alt es sich wie eine Fl¨ ussigkeit mit ver¨ anderlicher Viskosit¨ at η, die von der zweiten Invari anten des Dehnungsgeschwindigkeitsdeviators I2e abh¨angt. Es verh¨alt sich also dort wie eine verallgemeinerte Newtonsche Fl¨ ussigkeit. Das zu (3.60) bzw. (3.61) geh¨orige Fließkriterium enth¨ alt nur die zweite Invariante des Spannungsdeviators, ist also koordinateninvariant. Bei der einfachen Scher2 str¨ omung ist τij τij = 2τxy , und die Gleichungen (3.60) und (3.61) gehen mit 1  (3.62) wegen exy = 2 du/dy in die Gleichungen (3.41) und (3.42) u ¨ ber. Oft wird statt des elastischen Festk¨ orperverhaltens in Bereichen wo 12 τij τij < ϑ2 ist, Starrk¨ orperverhalten angenommen. Das Materialgesetz nimmt dann die Form τij = 2ηeij

ij = 0

wenn

1   τ τ ≥ ϑ2 2 ij ij

(3.63)

wenn

1   τ τ ≤ ϑ2 2 ij ij

(3.64)

an. Bei numerischen Rechnungen wird das Binghamsche Materialgesetz auch durch ein Zwei-Viskosit¨aten-Modell approximiert, das sich numerisch einfacher handhaben l¨aßt und wohl auch Vorteile bei der Lokalisierung der Gleitfl¨ achen bietet. In diesem Modell wird das Starrk¨orperverhalten (3.64) durch ein Newtonsches Fließverhalten mit sehr großer Viskosit¨at η0 (η0 η1 ) ersetzt. Statt (3.64) haben wir dann das Gesetz τij = 2η0 eij

wenn

1   τ τ ≤ ϑ2 , 2 ij ij

welches f¨ ur η0 → ∞ d. h. eij → 0 in (3.64) u ¨ bergeht.

(3.65)

4 Bewegungsgleichungen fu ¨r spezielle Materialgesetze

Wir spezialisieren nun die universell g¨ ultigen Cauchyschen Gleichungen (2.38) und die Energiegleichung (2.119) auf die beiden technisch wichtigsten F¨alle: Newtonsche Fl¨ ussigkeiten und reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten. Die Kontinuit¨atsgleichung (2.2) (Massenbilanz) und die Symmetrie des Spannungstensors (2.53) (Drehimpulsbilanz) bleiben von der Wahl der Materialgleichung unbeeinflußt.

4.1 Newtonsche Flu ¨ ssigkeiten 4.1.1 Navier-Stokessche Gleichungen Wir beginnen mit der Newtonschen Fl¨ ussigkeit, die durch das Materialgesetz (3.1) definiert ist, und erhalten durch Einsetzen von (3.1) und (1.29) in (2.38) die Navier-Stokesschen Gleichungen:      Dui ∂ ∂ ∂ui ∂uj  ∗ ∂uk  =  ki + −p + λ + η + , (4.1) Dt ∂xi ∂xk ∂xj ∂xj ∂xi wobei wir von der Austauscheigenschaft des Kronecker-Deltas δij Gebrauch gemacht haben. Mit dem aus (3.1) resultierenden linearen Gesetz f¨ ur die Reibungsspannungen (3.2) und dem linearen Gesetz f¨ ur den W¨armestromvektor (3.8) spezialisieren wir auch die Energiegleichung auf den Fall Newtonscher Fl¨ ussigkeiten: De p D ∂  ∂T   − =Φ+ λ , (4.2) Dt  Dt ∂xi ∂xi wobei die Dissipationsfunktion Φ durch (3.6) gegeben ist. Genauso verf¨ahrt man mit den f¨ ur bestimmte Probleme oft zweckm¨aßigeren Formen (2.116) und (2.118) der Energiegleichung. Eine andere gebr¨auchliche Form der Energiegleichung (4.2) entsteht durch Einf¨ uhrung der Enthalpie h = e + p/. Wegen 

De p D Dp Dh = − + Dt Dt  Dt Dt

(4.3)

102

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

kann f¨ ur (4.2) auch 

Dh Dp ∂  ∂T  − =Φ+ λ Dt Dt ∂xi ∂xi

(4.4)

geschrieben werden. Als Folge der Gibbsschen Relation (2.133) kann an die Stelle von (4.2) auch die Entropiegleichung f¨ ur Newtonsche Fl¨ ussigkeiten treten: Ds ∂  ∂T  T = Φ+ λ . (4.5) Dt ∂xi ∂xi W¨ ahlt man die Energiegleichung (4.2), so stehen mit dieser, der Kontinuit¨atsgleichung und den Navier-Stokesschen Gleichungen f¨ unf partielle Differentialgleichungen f¨ ur sieben unbekannte Funktionen zur Verf¨ ugung. Hinzu treten aber noch die thermische Zustandsgleichung p = p(, T ) und die kalorische Zustandsgleichung e = e(, T ). Dieser Gleichungssatz bildet den Ausgangspunkt f¨ ur die Berechnung der reibungsbehafteten kompressiblen Str¨omung. Die Form (4.1) der Navier-Stokesschen Gleichungen ist auf kartesische Koordinatensysteme beschr¨ ankt. In vielen technischen Anwendungen werden aber durch die Str¨ omungsberandung krummlinige Koordinatensysteme nahegelegt. Betrachtet man z. B. die Schichtenstr¨omung zwischen rotierenden Zylindern (Abb. 6.5), so ist in Zylinderkoordinaten nur eine von null verschiedene Geschwindigkeitskomponente zu berechnen, w¨ahrend in kartesischen Koordinaten zwei Komponenten zu ermitteln w¨aren. Es empfiehlt sich dann, von der in allen Koordinatensystemen g¨ ultigen, symbolischen Schreibweise Gebrauch zu machen. Hierzu setzen wir die Materialgleichung (3.1b) in die Cauchysche Gleichung (2.38b) ein: 

Du =  k − ∇ p + ∇(λ∗ ∇ · u) + ∇ · (2 ηE) , Dt

(4.6)

wobei man die materielle Ableitung zweckm¨ aßigerweise in der Form (1.78) einsetzt. In den Gleichungen (4.2) bis (4.5) ist der Operator ∂/∂xi entsprechend durch den Nabla-Operator ∇ zu ersetzen und zu beachten, daß die Dissipationsfunktion in der symbolischen Schreibweise (3.6b) einzusetzen ist. Die wichtigsten krummlinigen Koordinatensysteme sind rechtwinklig, und man kann mit Kenntnis der jeweiligen Definition des Nabla-Operators die Komponentengleichungen von (4.6) im betrachteten Koordinatensystem direkt ausrechnen. Der Rechengang ist im Anhang B erl¨autert, wo sich auch die Komponentenformen der Navier-Stokesschen Gleichungen (f¨ ur inkompressible Str¨ omung) in den gebr¨ auchlichsten Koordinatensystemen finden lassen. F¨ ur isotherme Felder oder bei Vernachl¨ assigung der Temperaturabh¨angigkeit von η und λ∗ l¨ aßt sich der letzte Term der rechten Seite von (4.1) umformen. In kartesischer Indexschreibweise folgt dann     2  ∂ ∂uj  ∂ ui ∂  ∂uk  ∂ui η + + =η , (4.7) ∂xj ∂xj ∂xi ∂xj ∂xj ∂xi ∂xk

4.1 Newtonsche Fl¨ ussigkeiten

103

wobei wir in einem Zwischenschritt die Reihenfolge der Differentiationen vertauscht haben, so daß aus (4.1) die von Navier und Stokes angegebene Form entsteht:  ∂2u  Dui ∂p ∂  ∂uk  i  =  ki − + (λ∗ + η) +η . (4.8a) Dt ∂xi ∂xi ∂xk ∂xj ∂xj In symbolischer Schreibweise lautet diese Gleichung 

Du =  k − ∇p + (λ∗ + η) ∇(∇ · u) + η ∆u . Dt

(4.8b)

Hierin ist ∆ = ∇ · ∇ der Laplace-Operator , dessen explizite Form f¨ ur verschiedene Koordinatensysteme ebenfalls im Anhang B zu finden ist. F¨ ur inkompressible Str¨ omung (∂uk /∂xk = ∇ · u = 0) reduziert sich (4.8) auf 

Dui ∂p ∂ 2 ui =  ki − +η Dt ∂xi ∂xk ∂xk

(4.9a)

Du =  k − ∇p + η ∆u . Dt

(4.9b)

bzw. 

Oft ist die Dichteverteilung  zu Beginn eines inkompressiblen Str¨omungsvorganges homogen. Wegen D/Dt = 0 bleibt diese Homogenit¨at f¨ ur alle Zeiten erhalten, so daß die Bedingung inkompressible Str¨omung“ durch die Bedin” gung konstante Dichte“ ersetzt werden kann. Wir nehmen dies im folgenden ” immer an, wenn nicht ausdr¨ ucklich das Gegenteil gesagt wird (siehe hierzu auch Diskussion in Abschnitt 2.1). Mit (4.9) und der Kontinuit¨atsgleichung (∂ui /∂xi = 0) stehen vier Differentialgleichungen f¨ ur die vier unbekannten Funktionen ui und p zur Verf¨ ugung, wobei p jetzt eine abh¨angige Ver¨anderliche des Problems ist. Anschaulich interpretieren wir die Gleichung (4.9) folgendermaßen: Links steht das Produkt aus der Masse des materiellen Teilchens (pro Volumeneinheit) und seiner Beschleunigung, rechts die Summe aus der Volumenkraft k, der Nettodruckkraft pro Volumeneinheit −∇p, d. h. der Differenz der Druckkr¨ afte am materiellen Teilchen (Divergenz des Tensors der Druckspannungen −∇ · (p I)), und der Nettoreibungskraft pro Volumeneinheit η∆u, d. h. der Differenz der Reibkr¨ afte am Teilchen (Divergenz des Tensors der Reibungsspannungen in inkompressibler Str¨ omung: 2η∇ · E). Mit der bekannten Vektoridentit¨ at ∆u = ∇(∇ · u) − ∇ × (∇ × u) ,

(4.10)

die man in Indexnotation leicht beweist, und die die Anwendung des LaplaceOperators auch in allgemeinen Koordinaten auf Operationen mit ∇ reduziert, folgt wegen ∇ · u = 0

104

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

η ∆u = −2 η ∇ ×  ω.

(4.11)

Diese Gleichung macht deutlich, daß in inkompressibler und rotationsfreier Str¨ omung (∇ × u = 2  ω = 0) die Divergenz des Reibungsspannungstensors verschwindet. Die Reibungsspannungen selbst sind aber nicht null, sie leisten nur keinen Beitrag zur Beschleunigung des Teilchens. Aus der Tatsache, daß auf der rechten Seite die Winkelgeschwindigkeit auftritt, darf man aber nicht schließen, daß die Reibungsspannungen von  ω abh¨angen, was ja unm¨oglich ist, sondern nur, daß ∆u in inkompressibler Str¨ omung durch −2∇×ω ausgedr¨ uckt werden kann. 4.1.2 Wirbeltransportgleichung Da sich die viskose inkompressible Fl¨ ussigkeit in Gebieten mit ω = 0 wie eine reibungsfreie Fl¨ ussigkeit verh¨ alt, stellt sich die Frage nach der Differentialgleichung f¨ ur die Verteilung von ω  . (Diese Frage ergibt sich nat¨ urlich nicht, wenn wir das Geschwindigkeitsfeld u als gegeben betrachten, denn dann l¨aßt sich  ω gem¨ aß (1.49) aus dem Geschwindigkeitsfeld berechnen.) Wir gewinnen die erw¨ ahnte Beziehung, indem wir die Rotation der Gleichung (4.9b) bilden, sprich den Operator ∇× auf diese Gleichungen anwenden. Aus Gr¨ unden der ¨ Ubersichtlichkeit ziehen wir hier die symbolische Schreibweise vor. Wir nehmen wieder an, daß k ein Potential besitzt (k = −∇ψ), und verwenden die Identit¨ at (4.11) in Gleichung (4.9b). Wenn wir noch von (1.78) Gebrauch machen, gewinnen wir die Navier-Stokesschen Gleichungen in der Form 1 ∂u 1  p u · u  − u ×  ω=− ∇ ψ+ + − ν ∇ × ω . 2 ∂t 2  2

(4.12)

Die Operation ∇× angewandt auf (4.12) liefert mit der Identit¨at (Beweis in Indexnotation) ∇ × (u ×  ω) =  ω · ∇u − u · ∇ ω− ω ∇ · u + u ∇ · ω

(4.13)

die neue linke Seite ∂ ω /∂t− ω ·∇u +u ·∇ ω  , wobei schon ber¨ ucksichtigt wurde, daß die Str¨ omung inkompressibel ist (∇ · u = 0), und daß die Divergenz der Rotation immer verschwindet: 2∇ ·  ω = ∇ · (∇ × u) = 0 ,

(4.14)

was man in Indexnotation beweist oder vereinfachend dadurch erkl¨art, daß der symbolische Vektor ∇ orthogonal zu ∇ × u ist. Auf der rechten Seite verschwindet der Term in Klammern, da der symbolische Vektor ∇ parallel zum Gradienten ist. Den auf der rechten Seite verbleibenden Term −ν ∇×(∇×ω ) formen wir mit der Identit¨ at (4.10) um und erhalten wegen (4.14) die neue rechte Seite ν ∆ ω . Wir werden so auf die sogenannte Wirbeltransportgleichung gef¨ uhrt:

4.1 Newtonsche Fl¨ ussigkeiten

∂ ω + u · ∇ ω=ω  · ∇u + ν ∆ ω  , ∂t

105

(4.15)

f¨ ur die man wegen ∂/∂t + u · ∇ = D/Dt k¨ urzer D ω =ω  · ∇u + ν ∆ ω  Dt

(4.16)

schreiben kann. Diese Gleichung tritt an die Stelle der Navier-Stokesschen Gleichung und wird oft als Ausgangspunkt insbesondere numerischer Rechnungen gew¨ ahlt. Wegen 2  ω = rot u stellt (4.16) eine Differentialgleichung alleine in u dar; der in (4.12) noch enthaltene Druck tritt nicht mehr auf. In ebener Str¨ omung ist  ω · ∇u null, so daß f¨ ur (4.16) dann D ω = ν ∆ ω Dt

(4.17)

geschrieben werden kann. Wir behandeln vor¨ ubergehend den Fall reibungsfreier Fl¨ ussigkeit (ν = 0), f¨ ur den (4.16) die Form D ω =ω  · ∇u Dt

(4.18a)

oder in Indexnotation Dωi ∂ui = ωk Dt ∂xk

(4.18b)

annimmt. Wir k¨ onnen (4.18) nach Ausschreiben der materiellen Ableitung als Differentialgleichung f¨ ur das Feld  ω (x, t) betrachten, aber auch als Differen t) des materiellen Teilchens tialgleichung f¨ ur die Winkelgeschwindigkeit ω  (ξ,  ξ. So betrachtet hat (4.18) eine einfache L¨ osung: Statt des unbekannten  t) f¨ Vektors  ω(ξ, uhren wir mit (1.5) xi = xi (ξj , t) den unbekannten Vektor  t) durch die Abbildung c(ξ, ω i = cj

∂xi ∂ξj

(4.19)

ein. Der Tensor ∂xi /∂ξj ist aus (3.43) bekannt, wo er die Abbildung dxi =

∂xi dξj , ∂ξj

(4.20)

zwischen dem deformierten Element dx und dξ vermittelt; er ist nicht singul¨ ar, da die Funktionaldeterminante J = det(∂xi /∂ξj ) ungleich null ist, was ja schon f¨ ur die in Abschnitt 1.2 besprochene Aufl¨osung (1.8) und f¨ ur die Betrachtung des Bingham-Materials in Kapitel 3 n¨otig war. Die materielle Ableitung von (4.19) f¨ uhrt uns auf die Beziehung

106

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Dωi Dcj ∂xi D  ∂xi  = + cj , Dt Dt ∂ξj Dt ∂ξj

(4.21)

deren letzten Term wir durch die erlaubte Vertauschung der Reihenfolge der Differentiationen umformen: D  ∂xi  ∂ui cj = cj . (4.22) Dt ∂ξj ∂ξj Hierin ist ∂ui /∂ξj der Geschwindigkeitsgradient in der materiellen Beschrei t). Wie in (1.9) denken wir uns (1.5) eingesetzt, also bungsweise u = u(ξ,  u = u{ x(ξ, t), t}, so daß nach Anwendung der Kettenregel auf (4.22) die Gleichung D  ∂xi  ∂ui ∂xk cj = cj , (4.23) Dt ∂ξj ∂xk ∂ξj oder mit (4.19) auch D  ∂xi  ∂ui cj = ωk Dt ∂ξj ∂xk

(4.24)

folgt. Unter Beachtung von (4.18) schreiben wir schließlich statt (4.21) Dcj = 0, Dt

oder

 . cj = cj (ξ)

(4.25)

Das heißt der Vektor cj ¨ andert sich f¨ ur ein materielles Teilchen (ξ = const) nicht. Wir bestimmen diesen noch unbekannten Vektor aus der Anfangsbedingung f¨ ur ω :  ∂xi  ωi (0) = ω0i = cj = cj δij = ci (4.26)  ∂ξj  t=0

und erhalten so aus (4.19) auch die gesuchte L¨osung ωi = ωoj

∂xi , ∂ξj

(4.27)

die uns im Vergleich mit (4.20) zeigt, daß der Vektor ω  derselben Abbildung gehorcht wie dx. W¨ ahlen wir den Vektor dξ tangential zu ω  , so daß dξ gleichzeitig ein Vektorelement auf der Wirbellinie ist, so zeigt dieser Vergleich, daß dasselbe materielle Element zur Zeit t, sprich dx, immer noch tangential zum Vektor der Winkelgeschwindigkeit  ω ist, also Wirbellinien materielle Linien sind. Da sich der Vektor der Winkelgeschwindigkeit ω genauso ¨andert wie das materielle Element dx, muß der Betrag der Winkelgeschwindigkeit gr¨oßer werden, wenn |dx| sich vergr¨ oßert, das materielle Linienelement also gestreckt wird. Wir schließen daraus einen, auch f¨ ur das Verhalten turbulenter Str¨ omungen wichtigen Satz:

4.1 Newtonsche Fl¨ ussigkeiten

107

Die Winkelgeschwindigkeit eines Wirbelfadens nimmt zu, wenn die” ser gestreckt wird, und nimmt ab, wenn er gestaucht wird.“ Wir werden auf diese Aspekte reibungsfreier Str¨omung im Zusammenhang mit den Helmholtzschen Wirbels¨atzen genauer eingehen und entnehmen (4.27) die hier wichtige Feststellung, daß die Winkelgeschwindigkeit eines materiellen Teilchens f¨ ur alle Zeiten null bleibt, wenn sie es zur Zeit t = 0 war. Eine reibungsfreie Str¨ omung bleibt demnach (wenn k ein Potential hat) f¨ ur alle Zeiten rotationsfrei, wenn sie zur Referenzzeit rotationsfrei war. Man h¨atte diesen Schluß auch aus (4.18) zusammen mit der Anfangsbedingung ziehen k¨ onnen, (4.27) zeigt aber deutlich, daß auch der Deformationsgradient ∂xi /∂ξj endlich bleiben muß. 4.1.3 Einfluß der Reynoldsschen Zahl ¨ In reibungsbehafteter Str¨ omung stellt der Term ν ∆ ω  die Anderung der Winkelgeschwindigkeit dar, die durch die Nachbarteilchen verursacht wird. Anschaulich gesprochen wird das Teilchen von seinen Nachbarn u ¨ ber Reibungsmomente in Rotation versetzt und u ¨ bt nun seinerseits Momente auf andere Nachbarteilchen aus, versetzt diese also in Rotation. Das Teilchen leitet demnach den Vektor der Winkelgeschwindigkeit ω nur weiter, so wie die Temperatur bei der W¨ armeleitung oder die Konzentration bei der Diffusion nur weitergeleitet wird. Man spricht daher auch von der Diffusion“ des Vektors ” der Winkelgeschwindigkeit ω  oder des Wirbelvektors rot u = ∇×u = 2ω . Aus dem bisher Gesagten schließen wir, daß im Innern inkompressibler Fl¨ ussigkeiten Winkelgeschwindigkeit nicht erzeugt werden kann, sondern h¨ochstens durch Diffusion von den R¨ andern des Fl¨ ussigkeitsgebietes ins Innere gelangt. Str¨ omungsgebiete, in denen die Diffusion des Wirbelvektors vernachl¨assigbar ist, lassen sich nach den Gesetzen der reibungs- und rotationsfreien Fl¨ ussigkeit behandeln. Bekanntlich m¨ ussen Gleichungen, die physikalische Zusammenh¨ange ausdr¨ ucken und dimensionshomogen sind (nur solche sind in den Ingenieurwissenschaften interessant), sich auf Zusammenh¨ange zwischen dimensionslosen Gr¨ oßen reduzieren lassen. Mit der durch das Problem gegebenen typischen Geschwindigkeit U , der typischen L¨ ange L und der in inkompressibler Str¨ omung konstanten Dichte  f¨ uhren wir die dimensionslosen abh¨angig Ver¨ anderlichen u+ i =

ui U

(4.28)

p+ =

p  U2

(4.29)

und die unabh¨ angigen Variablen x+ i =

xi L

(4.30)

108

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

U (4.31) L in die Navier-Stokesschen Gleichungen ein und erhalten (ohne Volumenkr¨afte) t+ = t

2 + ∂u+ ∂u+ ∂p+ −1 ∂ ui i i + u+ , j + =− + + Re + + ∂t ∂xj ∂xi ∂xj ∂x+ j

(4.32)

wobei Re die bereits bekannte Reynoldssche Zahl Re =

UL ν

ist. Zusammen mit der dimensionslosen Form der Kontinuit¨atsgleichung f¨ ur inkompressible Str¨ omung ∂u+ i =0 ∂x+ i

(4.33)

und den dimensionslosen Gr¨ oßen, die die Form der Str¨omungsberandung (z. B. ein umstr¨ omtes Profil) festlegen, ist das Problem mathematisch sachgem¨ aß formuliert. Die erhaltenen L¨ osungen, beispielsweise das dimensions+ lose Geschwindigkeitsfeld u+ i und das dimensionslose Druckfeld p , werden sich dann nicht ¨andern, wenn der umstr¨ omte K¨orper geometrisch ¨ahnlich vergr¨ oßert wird, und gleichzeitig die kinematische Viskosit¨at ν oder die Geschwindigkeit U so angepaßt werden, daß die Reynoldssche Zahl konstant bleibt, denn an der mathematischen Formulierung hat sich ja nichts ge¨andert. Damit ¨ andern sich aber auch die aus der L¨ osung zu berechnenden Gr¨oßen, wie beispielsweise der dimensionslose Widerstand cw , nicht. Der Widerstandsbeiwert ¨ andert sich nur, wenn die Reynoldssche Zahl ver¨andert wird, wie auch dem aus Dimensionsbetrachtungen gewonnenen Gesetz (3.12) zu entnehmen ist. Ein besonderes und weitgehend ungel¨ ostes Problem der Str¨omungsmechanik ist die Abh¨ angigkeit der L¨ osung der Navier-Stokesschen Gleichungen (4.32) und der Kontinuit¨ atsgleichung (4.33) von der nur als Parameter auftretenden Reynoldsschen Zahl. Diese Problematik wird schon bei so einfachen Str¨ omungen wie den in Kapitel 6 besprochenen Schichtenstr¨omungen sichtbar. Die angegebenen laminaren Str¨ omungen werden nur unterhalb einer bestimmten kritischen Reynolds-Zahl realisiert. Wird diese Reynolds-Zahl u ahigkeit, so stellt sich eine ganz ¨berschritten, z. B. durch Verringern der Z¨ andere Str¨ omung ein. Diese Str¨ omung ist immer instation¨ar, dreidimensional und rotationsbehaftet. Mißt man die Geschwindigkeit an einem festen Ort, so stellt man fest, daß sie unregelm¨ aßig um einen Mittelwert schwankt: Geschwindigkeit und Druck sind Zufallsgr¨ oßen. Man bezeichnet solche Str¨omungen als turbulent . Die Berechnung turbulenter Str¨omungen ist bisher nur f¨ ur einfache Str¨ omungen durch numerische Integration gelungen. Die Ergebnisse dieser direkten numerischen Simulation erlauben wichtige Einblicke in die

4.1 Newtonsche Fl¨ ussigkeiten

109

Turbulenzstrukturen. Die Methoden sind aber f¨ ur die in den Anwendungen auftretenden Str¨omungen zu rechenintensiv, weshalb man f¨ ur absehbare Zeit weiter auf halbempirische N¨ aherungsmethoden angewiesen sein wird, die nur die (allerdings technisch wichtigen) Mittelwerte der Str¨omungsgr¨oßen liefern k¨ onnen. Wir haben die Reynoldssche Zahl u ¨ ber eine Dimensionsbetrachtung eingef¨ uhrt. Man kann sie u. a. auch als Verh¨ altnis der typischen Tr¨agheitskraft zur typischen Z¨ ahigkeitskraft deuten. Die typische Tr¨agheitskraft ist das (negative) Produkt aus Masse (pro Volumen) und Beschleunigung, also das erste Glied in den Navier-Stokesschen Gleichungen (4.1). Das typische Tr¨agheitsoßenordnung  U 2 /L, das charakteristische glied  u1 ∂u1 /∂x1 ist von der Gr¨ 2 2 Z¨ ahigkeitsglied η ∂ u1 /∂x1 hat die Gr¨ oßenordnung η U/L2 . Das Verh¨altnis der beiden Gr¨ oßenordnungsglieder ist die Reynoldssche Zahl: ( U 2 /L) / (η U/L2 ) =  U L/η = U L/ν = Re .

(4.34)

Die Reynoldssche Zahl l¨ aßt sich aber auch als das Verh¨altnis der charakteristischen L¨ ange L zur viskosen L¨ange ν/U deuten; eine Interpretation, die besonders zweckm¨ aßig ist, wenn die Tr¨ agheitskr¨afte aufgrund besonders einfacher Str¨ omungen identisch verschwinden, wie dies bei station¨aren Schichtenstr¨ omungen der Fall ist. Wenn die Reynoldssche Zahl gegen unendlich oder gegen null geht, ergeben sich Vereinfachungen in den Navier-Stokesschen Gleichungen, die die L¨ osung eines Problems oft erst erm¨ oglichen. Diese Grenzf¨alle werden in der Realit¨ at zwar nie erreicht, sie f¨ uhren aber auf N¨aherungsl¨osungen, die um so besser sind, je gr¨ oßer bzw. kleiner die Reynoldssche Zahl wird (asymptotische L¨ osungen). Wir besprechen zun¨ achst den Grenzfall Re → 0, der realisiert wird, a) wenn U sehr klein ist, b) wenn  sehr klein ist (z. B. Str¨ omung von Gasen in evakuierten Leitungen), c) wenn η sehr groß ist (also allgemein bei Str¨omungen sehr z¨aher Fl¨ ussigkeiten), d) wenn die typische L¨ ange sehr klein ist (Umstr¨omungen sehr kleiner K¨ orper, z. B. Staubk¨ orner, Nebeltr¨ opfchen usw., treten bei allen Zweiphasenstr¨ omungen auf, wenn die eine Phase gasf¨ormig, die andere fl¨ ussig oder fest ist, aber auch wenn kleine Festk¨orperpartikel sich in tropfbarer Fl¨ ussigkeit befinden. Str¨ omungen durch por¨ose Medien, z. B. Grundwasserstr¨ omungen, geh¨ oren auch in diese Klasse.) ¨ Nach (4.34) charakterisiert Re → 0 das Uberwiegen der Z¨ahigkeitskr¨afte und den zur¨ ucktretenden Einfluß der Tr¨ agheitskr¨afte. Der Grenz¨ ubergang Re → 0 in (4.32) zeigt dies auch auf formalem Wege: Die gesamte linke Seite dieser Gleichung kann gegen den Term Re−1 ∆u vernachl¨assigt werden. Der Druckgradient ∇p darf im allgemeinen aber nicht ebenfalls vernachl¨assigt

110

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

werden , denn er ist neben dem Geschwindigkeitsvektor u die andere wesentliche Ver¨ anderliche der Differentialgleichungen (4.32) und (4.33). Erst die L¨ osung f¨ ur vorgegebene Randbedingungen entscheidet u ¨ ber die relative Gr¨ oße des Druckes, genauer der Druckdifferenz, weil ja bekanntlich der Druck durch (4.32) und (4.33) nur bis auf eine additive Konstante festgelegt ist. Man erkennt aus (4.29) auch unmittelbar, daß der Druckgradient wie Re−1 gegen unendlich strebt, wenn der Grenz¨ ubergang Re → 0 durch  → 0 realisiert wird. Die Vernachl¨ assigung der Tr¨ agheitsterme f¨ uhrt zu wesentlichen Erleichterungen in der mathematischen Behandlung, da mit diesen Termen die nichtlinearen Glieder wegfallen. Die nach Ausf¨ uhrung des Grenz¨ uberganges aus (4.32) entstehende Gleichung ist also linear und lautet in dimensionsbehafteter Form ∂p ∂ 2 ui =η . ∂xi ∂xj ∂xj

(4.35)

F¨ ur den zweiten Grenzfall Re → ∞ verschwinden die Reibungsterme in (4.32). Die resultierende Gleichung ist als Eulersche Gleichung bekannt und beschreibt die reibungsfreie Str¨ omung. Wir werden sp¨ater auf diese Gleichung eingehen (Abschnitt 4.2.1). L¨ age nicht der experimentelle Befund vor, daß die Newtonsche Fl¨ ussigkeit an der Wand haftet, so w¨aren die reibungsfreie Str¨ omung und die Str¨ omung bei großen Reynolds-Zahlen identisch. Setzt man eine Str¨ omung von vornherein als reibungfrei (ν ≡ 0) voraus, ergibt sich im allgemeinen ein anderes Str¨ omungsbild als bei einer reibungsbehafteten Str¨ omung f¨ ur den Grenz¨ ubergang ν → 0. Der Grund f¨ ur dieses singul¨are Verhalten ist in mathematischer Hinsicht der, daß die h¨ochste Ableitung in Gleichung (4.32) f¨ ur ν = 0 verlorengeht. Wir wollen an dieser Stelle nicht weiter auf die rein mathematische Seite dieses Problems eingehen, sondern veranschaulichen uns den Sachverhalt an einem Beispiel: Bei der einfachen Scherstr¨ omung (oder einer anderen station¨aren Schichtenstr¨ omung) ist das in Abb. 1.11 gezeigte Geschwindigkeitsfeld von der Reynoldsschen Zahl vollkommen unabh¨ angig (vorausgesetzt wir halten U konstant und die laminare Str¨ omung schl¨ agt nicht in turbulente Str¨omung um). Theoretisch bleibt diese Geschwindigkeitsverteilung auch f¨ ur Re → ∞ erhalten. H¨ atte man aber von vornherein ν = 0 gesetzt, w¨are die Schubspannung an der oberen Wand null, und die Str¨omung h¨atte u ¨ berhaupt nicht in Gang gesetzt werden k¨ onnen, d. h. die Geschwindigkeit der Fl¨ ussigkeit w¨ are identisch null. Es bleibt daher zu kl¨ aren, unter welchen Umst¨anden eine Str¨ omung mit großer Reynolds-Zahl derjenigen entspricht, die man aufgrund der Annahme v¨ ollig reibungsfreier Fl¨ ussigkeit (ν ≡ 0) berechnet. Die Beantwortung dieser Frage h¨ angt vom vorgelegten Problem ab, und eine allgemeing¨ ultige Antwort kann nicht gegeben werden. Der Einfluß der Reibung bei großer Reynoldsscher Zahl wird anhand eines anderen einfachen Beispiels einsichtig: Eine sehr d¨ unne Platte, die mit der oge, wird in x1 -Richtung mit der Gepositiven x1 -Achse zusammenfallen m¨

4.1 Newtonsche Fl¨ ussigkeiten

111

Abbildung 4.1. Zur Erl¨ auterung der Grenzschichtdicke

schwindigkeit U angestr¨ omt. Die materiellen Teilchen der Anstr¨omung sollen rotationsfrei sein, so daß sie in reibungsfreier Str¨omung (vgl. (4.27)) auch rotationsfrei bleiben. Unter der Voraussetzung der Reibungsfreiheit bildet die Platte dann kein Hindernis f¨ ur die Str¨ omung; wohl aber in reibungsbehafteter Str¨ omung. Die Randbedingung Haften an der Wand“ bedeutet, daß ” sich in der N¨ ahe der Wand große Geschwindigkeitsgradienten aufbauen, und wir erwarten, daß die materiellen Teilchen durch die Reibung in Drehung versetzt werden. Aus der Diskussion der Wirbeltransportgleichung (4.16) ist bekannt, daß dies auch in reibungsbehafteter Str¨omung nur durch Diffusion der Winkelgeschwindigkeit  ω von der Wand her geschehen kann. Die Gr¨ oßenordnung der typischen Zeit τ f¨ ur die Diffusion der Winkelgeschwindigkeit von der Platte bis zu einem Punkt im Abstand δ(x1 ) l¨aßt sich aus (4.17) absch¨ atzen: ω ω ∼ν 2 , τ δ (x1 ) bzw. aufgel¨ ost nach τ : τ∼

δ 2 (x1 ) . ν

(4.36)

Ein vom Diffusionsprozess noch nicht erfaßtes Teilchen, das nach dieser Zeit genau am Ort δ(x1 ) eintrifft, hat die Strecke U τ = x1 zur¨ uckgelegt (Abb. 4.1). Daher ergibt sich die Gr¨ oßenordnung des Abstandes, bis zu dem die Diffusion bei gegebenem x1 vordringen kann, aus der Gleichung x1 = U τ ∼ U

δ 2 (x1 ) ν

oder aufgel¨ ost nach δ(x1 )/x1 : ! ! δ(x1 )/x1 ∼ ν/(U x1 ) = 1/Re .

(4.37)

(4.38)

Der Diffusionseinfluß bleibt also auf ein Gebiet beschr¨ankt, dessen Ausdeh√ nung zwar wie x1 w¨ achst, das aber f¨ ur große Reynolds-Zahlen sehr schmal

112

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

wird. Außerhalb dieser sogenannten Grenzschicht ist 2ω = rot u null, und nach (4.11) machen die Reibungskr¨ afte dort sowieso keinen Beitrag zur Beschleunigung, so daß wir ebensogut reibungsfreie Potentialstr¨omung annehmen k¨ onnen. Berechnet man die a ¨ußere Str¨omung unter dieser Annahme uhrt), so macht (was hier zum trivialen Ergebnis u(x1 , x2 ) = U = const f¨ man nur einen kleinen, mit wachsender Reynolds-Zahl verschwindenden Fehler, weil die Str¨ omung in Wirklichkeit nicht die unendlich d¨ unne, sondern nur eine sehr schlanke Platte sp¨ urt, von der sie etwas seitlich abgedr¨angt wird. Zur Berechnung der Str¨ omung innerhalb dieser Grenzschicht ist die Reibung aber auf jeden Fall zu ber¨ ucksichtigen. (Es ist allerdings m¨ oglich, daß die Außenstr¨omung aus einem anderen Grund rotationsbehaftet ist. So werden die Fl¨ ussigkeitsteilchen in hypersonischer Str¨ omung beim Durchgang durch einen gekr¨ ummten Stoß“ in Drehung ” versetzt. Auch wenn die Fl¨ ussigkeit schon weit vor dem umstr¨omten K¨orper in Rotation versetzt wurde, kann man meistens noch unter der Annahme der Reibungsfreiheit rechnen, die Str¨ omung ist aber keine Potentialstr¨omung mehr.) Die am Beispiel der ebenen Platte gemachten Aussagen gelten qualitativ auch f¨ ur die Umstr¨ omung allgemeinerer K¨orper und in kompressibler Str¨ omung, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sich die Str¨omung nicht vom K¨ orper abl¨ ost. Bei Abl¨ osung bleibt im allgemeinen der Einfluß der Reibung nicht auf eine d¨ unne Schicht beschr¨ankt, mit ihr ist also auch ein Anstieg des Widerstandes und somit der Verluste verbunden, so daß man Abl¨ osungen durch geeignete Formgebung zu vermeiden sucht. Wie schon in Abschnitt 2.5 angesprochen, ist damit die Voraussetzung gegeben, die reibungsbehaftete Str¨ omung bei großen Reynolds-Zahlen unter der Annahme reibungsfreier Str¨ omung, insbesondere reibungsfreier Potentialstr¨omung, zu berechnen. Jetzt ist auch eine genauere Erkl¨ arung daf¨ ur m¨oglich, warum bei der Einfachen Scherstr¨ omung (Abb. 1.11) auch im Grenzfall Re → ∞ nicht die reibungsfreie Str¨ omung realisiert wird: Im Abstand x2 von der unteren Platte ist die Winkelgeschwindigkeit f¨ ur alle Teilchen gleich, da das Feld angt. Das Teilchen, das zum betrachteten Zeitpunkt den nur von x2 abh¨ aßt, tr¨ agt daher genausoviel Winkelgeschwindigkeit mit sich Ort (x1 , x2 ) verl¨ stromabw¨ arts, wie das Teilchen, das es an diesem Ort ersetzt. Die von der oberen, bewegten Wand bis zur Linie x2 diffundierte Winkelgeschwindigkeit wird also nicht stromabw¨ arts getragen (konvektiert), wie es bei der Grenzschichtstr¨ omung der Fall ist, sondern breitet sich bis zur unteren Wand aus, so daß die Str¨ omung im ganzen Spalt auch f¨ ur Re → ∞ als reibungsbehaftete Str¨ omung zu behandeln ist. Neben den Schichtenstr¨ omungen kann man viele weitere Beispiele anf¨ uhren, die alle belegen, daß die reibungsfreie Str¨ omung nicht unbedingt mit der reibungsbehafteten Str¨ omung bei großen Reynolds-Zahlen u ¨bereinstimmt. Es wird also immer wieder sorgf¨ altig zu pr¨ ufen sein, ob eine unter der Annahme der Reibungsfreiheit berechnete Str¨ omung in der Natur auch realisiert wird.

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

113

Andererseits hat die Diskussion dieses Problems auch gezeigt, daß bei typischen Umstr¨ omungsproblemen (aber nicht nur bei diesen) die Annahme der Reibungsfreiheit eine realistische Beschreibung der Str¨omung zul¨aßt.

4.2 Reibungsfreie Flu ¨ ssigkeiten 4.2.1 Eulersche Gleichungen Wie wir bereits im Abschnitt 4.1.3 gesehen haben, entsteht f¨ ur Re = ∞ aus der Navier-Stokesschen Gleichung (4.8) die Eulersche Gleichung, die aber auch ein Spezialfall der Cauchyschen Gleichung (2.38) ist, wenn in diese das spezielle Materialgesetz f¨ ur reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten (3.9) eingesetzt wird. Wir erhalten die Eulersche Gleichung 

Dui ∂ =  ki + (−p δij ) Dt ∂xj

(4.39)

oder 

Dui ∂p =  ki − , Dt ∂xi

(4.40a)

die uneingeschr¨ ankt f¨ ur alle reibungsfreien Str¨ omungen gilt. In symbolischer Notation schreiben wir 

Du =  k − ∇ p . Dt

(4.40b)

Aus (4.40b) erhalten wir auch die Eulerschen Gleichungen in nat¨ urlichen Koordinaten, indem wir die Beschleunigung nach (1.24) einsetzen. Bez¨ uglich  der Basisvektoren t in Bahnrichtung, nσ in Hauptnormalenrichtung und bσ in Binormalenrichtung haben die Vektoren ∇ p und k die Komponentenzerlegungen ∇p =

∂p  ∂p ∂p  t+ nσ + bσ , ∂σ ∂n ∂b

k = kσ t + kn nσ + kb bσ ,

(4.41) (4.42)

und die Komponentenform der Eulerschen Gleichung in nat¨ urlichen Koordinaten ergibt sich mit u = |u| zu ∂u ∂u +u = kσ − ∂t ∂σ u2 = kn − R

1 ∂p ,  ∂σ 1 ∂p  ∂n 1 ∂p 0 = kb − .  ∂b

(4.43) (4.44) (4.45)

114

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Wie bereits bemerkt, zieht die Vernachl¨ assigbarkeit der Reibung physikalisch auch die Vernachl¨ assigbarkeit der W¨ armeleitung nach sich, so daß wir das Materialgesetz f¨ ur den W¨ armestromvektor in der Form qi = 0

(4.46)

schreiben. Damit erh¨ alt man aus der Energiegleichung (2.118) die Energiegleichung der reibungsfreien Str¨ omung:   D 1 ∂p  ui ui + h = +  ki ui . (4.47) Dt 2 ∂t Wird statt der Energiegleichung die Entropiegleichung (2.134) benutzt, so lautet diese nunmehr Ds =0, Dt

(4.48)

d. h. die Entropie eines materiellen Teilchens ¨andert sich in reibungs- und w¨ armeleitungsfreier Str¨ omung nicht. (Hierbei schließen wir wie bisher andere Nichtgleichgewichtsprozesse aus, wie sie durch Anregung innerer Freiheitsgrade oder chemische Reaktionen entstehen k¨onnen.) Die Gleichung (4.48) kennzeichnet eine isentrope Str¨omung. Wenn die Entropie zus¨atzlich homogen ist, also ∇s = 0 ,

(4.49)

sprechen wir von homentroper Str¨omung. F¨ ur kalorisch ideales Gas l¨aßt sich (4.48) durch D (p −γ ) = 0 Dt

(4.50)

und (4.49) durch ∇ (p −γ ) = 0

(4.51)

ersetzen. 4.2.2 Bernoullische Gleichung Unter wenig einschr¨ ankenden Voraussetzungen ist es m¨oglich, sogenannte Erste Integrale der Eulerschen Gleichungen zu finden, die dann Erhaltungss¨atze darstellen. Das wichtigste erste Integral der Eulerschen Gleichungen ist die Bernoullische Gleichung. Wir nehmen an, daß die Massenkraft ein Potential hat (k = −∇ ψ), welches f¨ ur die Massenkraft der Schwere ψ = −gi xi lautet. Wir multiplizieren die Eulersche Gleichung (4.40a) mit ui , bilden also das Innenprodukt mit u und erhalten zun¨ achst die Beziehung

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

ui

∂ui ∂ui 1 ∂p ∂ψ + ui uj = − ui − ui . ∂t ∂xj  ∂xi ∂xi

115

(4.52)

Nach Umformung des zweiten Terms der linken Seite und Umbenennung der stummen Indizes ergibt sich ∂uj ∂  ui ui  1 ∂p ∂ψ uj + uj = − uj − uj . (4.53) ∂t ∂xj 2  ∂xj ∂xj Im Prinzip k¨ onnen wir diese Gleichung l¨ angs einer beliebigen, glatten Kurve integrieren, aber ein besonders einfaches und wichtiges Ergebnis erh¨alt man bei der Integration l¨ angs einer Stromlinie. Aus den Differentialgleichungen f¨ ur die Stromlinie (1.11) erhalten wir mit u = |u| uj = u dxj /ds ,

(4.54)

so daß uj

∂ dxj ∂ d =u =u ∂xj ds ∂xj ds

gilt, und wegen uj ∂uj /∂t = u ∂u/∂t kann f¨ ur (4.53)  2 ∂u d u 1 dp dψ + =− − ∂t ds 2  ds ds

(4.55)

(4.56)

geschrieben werden. Integration u uhrt ¨ber die Bogenl¨ange der Stromlinie f¨ uns auf die Bernoullische Gleichung in der Form   ∂u u2 dp ds + + +ψ =C , (4.57) ∂t 2  oder bestimmt integriert vom Anfangspunkt A zum Endpunkt E: E

∂u 1 ds + u2E + ∂t 2

A

E

1 dp 1 ds + ψE = u2A + ψA .  ds 2

(4.58)

A

F¨ ur die Auswertung der Integrale m¨ ussen die Integranden im allgemeinen als Funktion der Bogenl¨ ange s vorliegen. Das erste Integral l¨aßt sich nicht als Integral eines totalen Differentials schreiben und ist daher vom Integrationsweg abh¨ angig. In inkompressibler Str¨ omung homogener Dichte ist dp/ ein totales Differential und daher vom Weg unabh¨angig (siehe Bemerkungen zu (1.102)). Dies ist aber auch in sogenannter barotroper Str¨omung der Fall, in der die Dichte nur eine Funktion des Druckes ist:  = (p) .

(4.59)

Dann ist dP = dp/(p) ein totales Differential, und die sogenannte Druckfunktion

116

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

 P (p) =

dp (p)

(4.60)

l¨ aßt sich ein f¨ ur alle Male (notfalls numerisch) berechnen. Barotrope Str¨omungen liegen offensichtlich dann vor, wenn die Zustandsgleichung in der Form  = (p, T ) gegeben ist und das Temperaturfeld homogen ist oder wenn der technisch besonders wichtige Fall vorliegt, daß die Zustandsgleichung  = (p, s) gegeben und die Str¨ omung homentrop ist. Wenn die Schwere als einzige Massenkraft auftritt, lautet die Bernoullische Gleichung f¨ ur inkompressible Str¨ omung homogener Dichte  ∂u u2  ds +  + p +  g x3 = C , (4.61) ∂t 2 wobei wir angenommen haben, daß die x3 -Richtung antiparallel zum Vektor g der Erdbeschleunigung ist. F¨ ur station¨ are, inkompressible Str¨omungen reduziert sich die Bernoullische Gleichung auf 

u2 + p +  g x3 = C . 2

(4.62)

Da f¨ ur station¨ are Str¨ omungen Strom- und Bahnlinien zusammenfallen, ist  auch bei inhomogenem Dichtefeld (∇  = 0) wegen D/Dt = 0 l¨angs der Stromlinie konstant, und (4.62) gilt auch f¨ ur station¨are, inkompressible Str¨ omungen mit inhomogenem Dichtefeld. Bei kompressiblen Str¨ omungen sind die Geschwindigkeiten meistens so groß, daß das Potential der Schwerkraft ψ = g x3 nur dann ber¨ ucksichtigt werden muß, wenn in der Str¨ omung sehr große H¨ohenunterschiede auftreten (Meteorologie). In den technischen Anwendungen kann ψ in (4.57) normalerweise vernachl¨assigt werden, und diese Gleichung nimmt f¨ ur barotrope Str¨ omung die Form  ∂u u2 ds + +P =C , (4.63) ∂t 2 an. Ist die Str¨ omung dann zus¨ atzlich station¨ ar, vereinfacht sich (4.63) weiter: u2 +P =C . 2

(4.64)

Die Integrationskonstante C ist im allgemeinen von Stromlinie zu Stromlinie verschieden. Die Bernoullische Gleichung stellt demnach nur eine Beziehung zwischen den Str¨ omungsgr¨ oßen an einer Stelle E der Stromlinie und der Stelle A auf derselben Stromlinie dar. F¨ ur die Anwendung der Bernoullischen Gleichung muß also eigentlich die Stromlinie bekannt sein. Deren Berechnung setzt aber die Kenntnis des Geschwindigkeitsfeldes voraus, wozu aber das Problem schon vor der Anwendung der Bernoullischen Gleichung gr¨oßtenteils gel¨ ost sein m¨ ußte. Dies schr¨ ankt die Anwendung der Gleichung

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

117

nat¨ urlich drastisch ein. In zwei technisch sehr wichtigen F¨allen entf¨allt diese Einschr¨ ankung jedoch: Der erste Fall ist die Anwendung der Bernoullischen Gleichung in der Stromfadentheorie (siehe Diskussion im Zusammenhang mit Abb. 1.7). Im Rahmen dieser Theorie liegt der mittlere“ Stromfaden durch die Gestalt der ” zeitlich unver¨ anderlichen Stromr¨ ohre fest, die Stromlinie ist also bekannt und auch in instation¨arer Str¨ omung raumfest (vgl. (1.13)). Der zweite Fall ist die Anwendung der Bernoullischen Gleichung auf Potentialstr¨omungen. Wir haben aus der Diskussion im Zusammenhang mit der Wirbeltransportgleichung gesehen, daß in vielen praktisch wichtigen Problemen die reibungsfreie Str¨ omung auch rotationsfrei ist. In reibungsfreien Potentialstr¨ omungen hat die Bernoullische Konstante aber auf allen Stromlinien denselben Wert: Die Bernoullische Gleichung (4.57) gilt also zwischen zwei beliebigen Punkten A und E im Str¨ omungsfeld. F¨ ur das rotationsfreie Feld gilt bekanntlich rot u = 2 ω = 0 ,

(4.65)

oder wegen (1.46) Ωij =

1  ∂ui ∂uj  − =0. 2 ∂xj ∂xi

(4.66)

Mit der dann g¨ ultigen Beziehung ∂ui ∂uj = ∂xj ∂xi

(4.67)

kann man die Eulersche Gleichung (4.40a) auf die Form ∂ui ∂  uj uj  1 ∂p ∂ψ + + + =0 ∂t ∂xi 2  ∂xi ∂xi

(4.68)

bringen. Nach Einf¨ uhrung des Geschwindigkeitspotentials Φ gem¨aß (1.50), ui =

∂Φ , ∂xi

erhalten wir aus (4.68) ∂2Φ ∂  1 ∂Φ ∂Φ  1 ∂p ∂ψ + + + =0. ∂xi ∂t ∂xi 2 ∂xj ∂xj  ∂xi ∂xi

(4.69)

In barotroper Str¨omung l¨ aßt sich die gesamte linke Seite dieser Gleichung als Gradient einer skalaren Funktion darstellen   ∂ ∂Φ 1 ∂Φ ∂Φ ∂f + +P +ψ = , (4.70) ∂xi ∂t 2 ∂xj ∂xj ∂xi

118

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

und der Ausdruck df =

∂f dxi ∂xi

ist ein totales Differential. Daher ist das Linienintegral     ∂ ∂Φ 1 ∂Φ ∂Φ + + P + ψ dxi = df ∂xi ∂t 2 ∂xj ∂xj

(4.71)

(4.72)

wegunabh¨ angig, und wir erhalten sofort die Bernoullische Gleichung f¨ ur Potentialstr¨ omungen ∂Φ 1 ∂Φ ∂Φ + + P + ψ = C(t) . ∂t 2 ∂xi ∂xi

(4.73)

Die Bernoullische Konstante“ kann, wie angedeutet, eine Funktion der Zeit ” t sein. Dies ist aber unerheblich, da sie ohne Einschr¨ankung der Allgemeing¨ ultigkeit in das Potential mit einbezogen werden kann: ∗

t

Φ =Φ−

C(t ) dt .

(4.74)

0

Dann gilt weiterhin ui = ∂Φ∗ /∂xi , und aus (4.73) entsteht ∂Φ∗ 1 ∂Φ∗ ∂Φ∗ + +P +ψ =0 . ∂t 2 ∂xi ∂xi

(4.75)

Die Gleichung (4.73) (bzw. (4.75)) ist u ¨brigens auch in reibungsbehafteter, inkompressibler Potentialstr¨ omung ein Erstes Integral, da dann die zu integrierende Gleichung wegen (4.12) mit (4.68) u ¨bereinstimmt. Der durch (4.73) erreichte Fortschritt kann gar nicht hoch genug eingesch¨ atzt werden. An die Stelle der drei nichtlinearen Eulerschen Gleichungen in Komponentenform tritt in der Theorie der Potentialstr¨omungen die Bernoullische Gleichung, die in station¨arer Str¨omung sogar einen rein algebraischen Zusammenhang zwischen dem Betrag der Geschwindigkeit, dem Potential der Massenkraft und der Druckfunktion (in inkompressibler Str¨ omung dem Druck) herstellt. Zur Anwendung der Bernoullischen Gleichung in der Potentialtheorie brauchen die Stromlinien also nicht bekannt zu sein. Die damit verbundenen Erleichterungen in der mathematischen Behandlung sowie die praktische Bedeutung der Potentialstr¨omungen haben diese zu einem wichtigen Gebiet der Str¨ omungslehre gemacht. Wir haben bereits gesehen, daß in den technischen Anwendungen, insbe rotierende Bezugssysondere im Turbomaschinenbau, oft gleichm¨ aßig mit Ω steme eingef¨ uhrt werden. Die Eulersche Gleichung f¨ ur diese Bezugssysteme erhalten wir durch Einsetzen des Materialgesetzes f¨ ur reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten (3.9) in die Cauchysche Gleichung (2.68) und Ausdr¨ ucken der Relativbeschleunigung mittels (1.78):

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

119

Abbildung 4.2. Zur Bernoullischen Gleichung im rotierenden Bezugssystem



 w ∇ p  ∂w   ·w   ×w  × (Ω  × x) . −w  × (∇ × w)  +∇ =− − k + 2 Ω  +Ω ∂t 2  (4.76)

Statt der Ableitung der Bernoullischen Gleichung gem¨aß (4.52) zu folgen, bilden wir gleich das Linienintegral l¨ angs einer Stromlinie. Wenn dx ein Wegelement entlang der Stromlinie ist, so gilt {w  × (∇ × w)}  · dx = 0 und  × w}  ×w {2Ω  · dx = 0, da w  × (∇ × w)  und Ω  senkrecht auf w  und somit auch senkrecht auf dx stehen. Insbesondere die Corioliskraft hat also keine Komponente in Stromlinienrichtung. Die Zentrifugalkraft l¨aßt sich mittels der Umformung    × (Ω  × x) = −∇ 1 (Ω  × x)2 Ω (4.77) 2  × x)2 (Beweis in Indexnotation) als Gradient der skalaren Funktion 12 (Ω schreiben, sie hat also ein Potential. Das Linienintegral der Eulerschen Gleichung lautet dann, wenn wir, wie schon vorher, Barotropie und ein Potential f¨ ur die Massenkraft annehmen,      ∇ p ∂w  w  ·w  1  · dx + ∇ − (Ω × x)2 + ψ + · dx = 0 . (4.78) ∂t 2 2  Mit |dx| = ds und |w|  = w erhalten wir die Bernoullische Gleichung f¨ ur ein gleichm¨ aßig rotierendes Bezugssystem:  ∂w w2 1  ds + + ψ + P − (Ω × x)2 = C . (4.79) ∂t 2 2 Eine spezielle Form dieser Gleichung f¨ ur inkompressible Str¨omung ergibt sich, wenn die Massenkraft die Schwerkraft ist, der Einheitsvektor e3 in x3 Richtung g entgegengerichtet ist und das Bezugssystem um die x3 -Achse mit Ω = const rotiert (Abb. 4.2). Das Quadrat des Kreuzproduktes lautet dann mit r2 = x21 + x22

120

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

 × x)2 = (Ω x1 e2 − Ω x2 e1 )2 = Ω 2 r2 , (Ω und (4.79) reduziert sich auf  ∂w w2 p 1 ds + + + g x3 − Ω 2 r2 = C . ∂t 2  2

(4.80)

(4.81)

Erg¨ anzend weisen wir darauf hin, daß eine Str¨omung, die im Inertialsystem eine Potentialstr¨ omung ist, bez¨ uglich eines rotierenden Systems keine Potentialstr¨ omung mehr ist. Die Vorteile, die mit der Berechnung der Str¨ omung im Rahmen der Potentialtheorie verbunden sind, u ¨ berwiegen unter Umst¨ anden gegen¨ uber jenen, die sich aus der Wahl eines rotierenden Bezugssystems ergeben, und es kann dann zweckm¨ aßiger sein, das Inertialsystem beizubehalten. 4.2.3 Wirbels¨ atze Wir betrachten jetzt die Zirkulation einer geschlossenen materiellen Linie, wie sie in (1.105) eingef¨ uhrt wurde:  Γ = u · dx . (C(t))

¨ Deren zeitliche Anderung berechnet sich nach (1.101) zu    DΓ D Du = u · dx = · dx + u · du . Dt Dt Dt (C(t))

(C)

(4.82)

(C)

Das zweite Rundintegral verschwindet, da u · du = d(u · u/2) das totale Differential einer eindeutigen Funktion darstellt, das Linienintegral also wegunabh¨ angig ist, und der Anfangspunkt der Integration mit dem Endpunkt zusammenf¨ allt. Wir schließen an die im Zusammenhang mit Gleichung (1.102) gef¨ uhrte Diskussion an und fragen nach den Bedingungen f¨ ur das Verschwinden der zeitlichen Ableitung der Zirkulation einer materiellen Linie. Es wurde schon gezeigt, daß unter diesen Umst¨ anden die Beschleunigung Du/Dt ein Potential I besitzen muß, was aber jetzt nicht im Mittelpunkt unserer Betrachtungen stehen soll. ¨ Mit der Eulerschen Gleichung (4.40) gewinnen wir die zeitliche Anderung des Linienintegrals u ber den Geschwindigkeitsvektor in der Form ¨   DΓ ∇p k · dx − = · dx (4.83) Dt  (C)

(C)

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

121

und schließen daraus, daß DΓ/Dt verschwindet, wenn k · dx und ∇ p/ · dx als totale Differentiale geschrieben werden k¨ onnen. Wenn die Massenkraft k ein Potential besitzt, ist das erste Rundintegral null, denn es gilt k · dx = −∇ ψ · dx = −dψ .

(4.84)

Bei homogenem Dichtefeld oder barotroper Str¨omung verschwindet wegen ∇p dp · dx = = dP  (p)

(4.85)

auch das zweite Integral. Die letzten drei Gleichungen bilden den Inhalt des Thomsonschen Wirbelsatzes oder Kelvinschen Zirkulationstheorems: DΓ =0. Dt

(4.86)

In Worten: Die Zirkulation einer geschlossenen materiellen Linie bleibt in einer ” reibungsfreien und barotropen Fl¨ ussigkeit f¨ ur alle Zeiten konstant, wenn die Massenkraft ein Potential besitzt.“ Wir benutzen dieses Theorem als Ausgangspunkt f¨ ur die Erl¨auterung der ber¨ uhmten Helmholtzschen Wirbels¨atze, die eine anschauliche Interpretation von Wirbelbewegungen erm¨ oglichen und die dar¨ uber hinaus grundlegende Bedeutung in der Aerodynamik besitzen. Zuvor f¨ uhren wir uns aber noch die Entstehungsursachen der Zirkulation um ein Tragfl¨ ugelprofil in ebener reibungsfreier Potentialstr¨omung vor Augen, denn das Kelvinsche Zirkulationstheorem scheint der Entstehung dieser Zirkulation zu widersprechen. Wir haben bereits im Zusammenhang mit Gleichung (2.91) darauf hingewiesen, daß die Kraft auf ein Tragfl¨ ugelprofil in ebener Potentialstr¨ omung proportional zur Zirkulation ist. Einsicht in den Zusammenhang zwischen Zirkulation und Auftrieb (Kraft senkrecht zur ungest¨ orten Anstr¨ omrichtung) bringt der Vergleich eines symmetrischen mit einem unsymmetrischen (bzw. einem gegen¨ uber der Anstr¨omung an” gestellten“ symmetrischen) Profils in ebener Str¨omung. Die Str¨omung ist im ersten Fall ebenfalls symmetrisch, und man erwartet aus diesem Grund keine Kraft senkrecht zur Anstr¨ omrichtung. Der Zirkulationsbeitrag des Linienintegrals u ber die obere Profilh¨ alfte ist genauso groß wie der Beitrag der ¨ unteren H¨ alfte, hat aber entgegengesetztes Vorzeichen, d. h. die Zirkulation um das symmetrische Profil ist null. Bei dem in Abb. 4.3 gezeichneten unsymmetrischen Profil ist die Str¨ omung ebenfalls unsymmetrisch, der Beitrag des Linienintegrals u ¨ ber die Profiloberseite ist dem Betrag nach gr¨oßer als der Beitrag der Profilunterseite, die Zirkulation ist demnach ungleich null. Die Geschwindigkeit l¨ angs einer Stromlinie, die direkt entlang der Profiloberseite verl¨ auft, ist im Mittel gr¨ oßer als die Geschwindigkeit l¨angs einer Stromlinie an der Profilunterseite. Nach der Bernoullischen Gleichung (4.62) ist dann

122

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.3. Zur Erkl¨ arung der Zirkulation um ein Tragfl¨ ugelprofil

der mittlere Druck an der Oberseite kleiner als an der Unterseite (der Term  g x3 spielt f¨ ur den dynamischen Auftrieb keine Rolle), so daß insgesamt eine Kraft nach oben resultiert. Betrachtet man zun¨ achst einen Tragfl¨ ugel in ruhender Fl¨ ussigkeit, so ist die Zirkulation einer geschlossenen Kurve um das Profil nat¨ urlich null, weil die Geschwindigkeit null ist. Die Zirkulation dieser Kurve, die immer aus denselben materiellen Teilchen besteht, muß, auch wenn die reibungsfreie Fl¨ ussigkeit in Bewegung gesetzt wird, nach dem Kelvinschen Zirkulationstheorem immer null bleiben. Die Erfahrung lehrt aber, daß auf den Fl¨ ugel eine Auftriebskraft wirkt. Wie kann aber der Tragfl¨ ugel einen Auftrieb erhalten, ohne daß dem Kelvinschem Satz widersprochen wird? Zur Kl¨arung dieser Frage betrachten wir den Tragfl¨ ugel der Abb. 4.4 und legen eine Reihe geschlossener Kurven in die Fl¨ ussigkeit. Die Fl¨ ussigkeit sei in Ruhe. Die Zirkulation ist null f¨ ur alle Kurven, auch f¨ ur die umschließende Linie. Wir setzen die Str¨ omung in Bewegung und erhalten, da die Kurven materielle Linien sind, die Konfiguration in Abb. 4.5. Das Tragfl¨ ugelprofil durchschneidet“ die Str¨omung, und durch das Zu” sammenfließen der von Ober- und Unterseite kommenden Fl¨ ussigkeiten bildet sich von der Hinterkante ausgehend eine Trennfl¨ache. Bei unsymmetrischem Fl¨ ugelprofil ist die Geschwindigkeit ober- und unterhalb dieser Trennfl¨ache verschieden. Es liegt eine Unstetigkeit in der Tangentialgeschwindigkeit vor, die in Abb. 4.6 skizziert ist. Die Unstetigkeitsfl¨ ache ist nur im Grenzfall verschwindender Reibung (η = 0) m¨ oglich. Wenn auch nur geringe Reibung vorhanden ist, wird diese ¨ Diskontinuit¨ at in einer Ubergangsschicht ausgeglichen. Die Rotation ∇ × u ist in dieser Schicht ungleich null, was aber dem Thomsonschen Wirbelsatz

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

123

Abbildung 4.4. Materielle Kurven bei ruhendem Profil

Abbildung 4.5. Materielle Kurven nach Anfahren des Profils

Abbildung 4.6. Trennfl¨ ache hinter dem Fl¨ ugel

¨ nicht widerspricht, da die Unstetigkeitsfl¨ ache, bzw. die Ubergangsschicht, nicht Teil der geschlossenen materiellen Kurven ist. Die Unstetigkeitsfl¨ache ist prinzipiell instabil: Sie rollt sich in einen Wirbel auf, der sich so lange vergr¨ oßert, bis die Geschwindigkeiten an der Hinterkante gleich sind - dann ist der Anfahrvorgang beendet. Die Entstehung der Unstetigkeitsfl¨ ache verhindert die Umstr¨omung der Hinterkante, die in wirklich reibungsfreier Str¨ omung (η = 0) unendlich ( ! ) große Geschwindigkeiten hervorrufen w¨ urde. Im ersten Augenblick des Anfahrvorganges wird die Hinterkante tats¨achlich mit sehr großer Geschwindigkeit umstr¨ omt, die Str¨omung l¨ost aber an der Profiloberseite ab. Wir werden sp¨ ater sehen, daß dies auf die sehr starke Verz¨ ogerung der von der Hinterkante (hohe Geschwindigkeit) auf den Stau-

124

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.7. Anfahrvorgang

Abbildung 4.8. Die Zirkulation des Anfahrwirbels und die des gebundenen Wirbels sind betragsm¨ aßig gleich

punkt (Geschwindigkeit gleich null) zufließenden Fl¨ ussigkeit zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Diese Str¨ omung l¨ ost selbst bei noch so kleiner Reibung (η → 0) von ¨ der Oberfl¨ ache ab und bildet die angesprochene Ubergangsschicht, die im Grenzfall η = 0 eine Unstetigkeitsfl¨ ache ist. Außerhalb dieser Schicht ist die Str¨ omung rotationsfrei. Die Abb. 4.7 zeigt die einzelnen Phasen des Anfahrvorganges. Eine geschlossene Kurve, die Fl¨ ugel und Wirbel umfaßt (Abb. 4.8), hat nach dem Thomsonschen Wirbelsatz immer noch die Zirkulation null. Eine geschlossene Linie, die den Wirbel alleine umfaßt, hat eine bestimmte Zirkulation, muß aber notwendigerweise die Unstetigkeitsfl¨ache kreuzen. Daher gilt f¨ ur diese Linie der Thomsonsche Wirbelsatz nicht. Eine Kurve, die nur den Tragfl¨ ugel umschließt, hat dieselbe Zirkulation wie der Wirbel, nur mit umgekehrtem Vorzeichen, der Fl¨ ugel erf¨ahrt also auch einen Auftrieb. Man nennt den Wirbel auch Anfahrwirbel oder freien Wirbel und verbindet die Zirkulation um das Profil mit einem im Fl¨ ugel liegenden Wirbel, den man als gebundenen Wirbel bezeichnet. Außerdem bemerken wir, daß sich bei jeder Geschwindigkeits¨ anderung der Auftrieb ebenfalls ¨andert, und folglich ein freier Wirbel abschwimmen muß. (In einer Fl¨ ussigkeit mit

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

125

Abbildung 4.9. Zur Zirkulation eines Maschennetzes

Abbildung 4.10. Zuordnung des Umlaufsinnes zur Fl¨ achennormalen im Stokesschen Integralsatz

Reibung k¨ onnen Zirkulation und Wirbel auf viele Arten, beispielsweise durch Grenzschichtabl¨ osung, entstehen, ohne daß hierzu scharfe Kanten notwendig ¨ w¨aren.) Ubrigens haben wir in der obigen Diskussion bereits den leicht einzusehenden Satz verwendet, daß die Zirkulation einer geschlossenen Linie gleich der Summe der Zirkulation des von der Kurve umschlossenen Maschennetzes ist (Abb. 4.9):  Γi (4.87) Γges = oder auch  Γ = dΓ .

(4.88)

Zur Besprechung der Helmholtzschen Wirbels¨atze ben¨otigen wir den Stokesschen Integralsatz . S sei ein beliebig geformtes, aber einfach zusammenh¨ angendes Fl¨ achenst¨ uck (d. h. jede beliebige, geschlossene Kurve auf der Fl¨ ache l¨ aßt sich auf einen Punkt zusammenziehen), das als Berandung die Kurve C besitzt, und u ein beliebiger# Vektor. Die Aussage des Stokesschen Satzes ist dann: Das Linienintegral u · dx um die geschlossene Kurve C ## ist gleich dem Fl¨ achenintegral (∇ × u) · n dS u ¨ber jede beliebig geformte Fl¨ ache, die C als Berandung hat, also

126

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.11. Wirbelr¨ ohre



 u · dx = (C)

(rot u) · n dS .

(4.89)

(S)

Der Stokessche Satz u uhrt demnach ein Linienintegral in ein Fl¨achenin¨berf¨ tegral. Die Fl¨ achennormale n in (4.89) ist so zu w¨ahlen, daß der Umlaufsinn von der positiven Seite der Fl¨ ache aus gesehen im Gegenuhrzeigersinn positiv gez¨ ahlt wird (siehe Abb. 4.10). Der Erste Helmholtzsche Wirbelsatz hat folgenden Inhalt: Die Zirkulation einer Wirbelr¨ ohre ist l¨ angs dieser R¨ohre konstant.“ ” Wir bilden die Wirbelr¨ ohre in v¨ olliger Analogie zu den Stromr¨ohren aus Wirbellinien, die Tangentiallinien zum Wirbelvektorfeld rot u (bzw. ω ) sind (Abb. 4.11). Die Wirbellinien, die durch eine geschlossene Kurve C gehen, bilden eine Wirbelr¨ ohre. Nach dem Stokesschen Satz verschwindet das Linienintegral u ber die geschlossene Kurve der Abb. 4.12, denn der Integrand ¨ auf der rechten Seite von (4.89) ist null, da rot u nach Voraussetzung senkrecht auf n steht. Die Integrationsanteile der beiden unendlich dicht beieinander liegenden Kurvenst¨ ucke C3 und C4 heben sich gerade heraus, und wir werden auf die Gleichung   u · dx + u · dx = 0 (4.90) C1

C2

gef¨ uhrt. Wegen des unendlich kleinen Abstandes der Kurven C3 und C4 ¨ k¨onnen wir C1 und C2 aber als geschlossene Kurven betrachten. Andern wir noch den Umlaufsinn der Integration u ¨ ber C2 , wodurch das Vorzeichen des

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

127

Abbildung 4.12. Zum Beweis des Ersten Helmholtzschen Wirbelsatzes

zweiten Integrals wechselt, erhalten wir den Ersten Helmholtzschen Wirbelsatz :   u · dx = u · dx . (4.91) C1

C2

Aus der Ableitung wird die kinematische Natur dieses Satzes deutlich. Einen anderen Zugang zu diesem wichtigen Satz erhalten wir durch R¨ uckgriff auf die Gleichung (4.14), derzufolge die Divergenz des Wirbelvektors verschwindet. Man kann also das Feld des Wirbelvektors rot u auch als Geschwindigkeitsfeld einer neuen inkompressiblen Str¨ omung betrachten, d. h. die Wirbelr¨ohre wird zur Stromr¨ ohre des neuen Feldes. Auf ein St¨ uck dieser Stromr¨ohre wenden wir die Kontinuit¨ atsgleichung in integraler Form (2.8) an und denken uns dabei u durch rot u ersetzt. Da die Str¨ omung inkompressibel ist, folgt zun¨ achst ganz allgemein  (rot u) · n dS = 0 , (4.92) (S)

d. h. f¨ ur jede geschlossene Fl¨ ache S ist der Fluß des Wirbelvektors null. Wenden wir (4.92) auf ein St¨ uck der Wirbelr¨ ohre an, dessen geschlossene Oberfl¨ ache aus der Mantelfl¨ ache und zwei beliebig geformten Querschnittsfl¨achen A1 und A2 besteht, erhalten wir   (rot u) · n dS + (rot u) · n dS = 0 , (4.93) (A1 )

(A2 )

## da ja das Integral u ache verschwindet. Das Integral (rot u)· ¨ ber die Mantelfl¨ n dS wird oft als Wirbelst¨arke bezeichnet. Es ist nat¨ urlich identisch mit der Zirkulation, und die Aussage von (4.93) lautet in Worten:

128

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Die Wirbelst¨ arke einer Wirbelr¨ ohre ist konstant.“ ” (Die Bezeichnungsweise ist aber in der Literatur nicht einheitlich, oft wird auch der Betrag von rot u oder auch  ω Wirbelst¨arke genannt.) Der Stokessche Satz unter Beachtung des Umlaufsinnes der Linienintegrale u uhrt (4.93) in den Ersten Helmholtzschen Satz (4.91). Aus dieser ¨ berf¨ Darstellung ziehen wir folgerichtig den Schluß, daß die Wirbelr¨ohre, genauso wie die Stromr¨ ohre, im Innern einer Fl¨ ussigkeit nicht enden kann, da die Fl¨ ussigkeitsmenge, die pro Zeiteinheit durch die R¨ohre fließt, am Ende der R¨ohre nicht einfach verschwinden kann. Entweder reicht die R¨ohre ins Unendliche oder endet an den Grenzen der Fl¨ ussigkeit oder schließt sich in sich selbst und bildet im Falle der Wirbelr¨ ohre einen Wirbelring. Von besonderer Bedeutung in der Aerodynamik sind die sogenannten Wirbelf¨aden. Unter einem Wirbelfaden verstehen wir eine sehr d¨ unne Wirbelr¨ ohre. F¨ ur einen Wirbelfaden l¨ aßt sich der Integrand des Fl¨achenintegrals im Stokesschen Satz (4.89) 

 u · dx = C

(rot u) · n dS = Γ

(4.94)

∆S

vorziehen, und wir erhalten (rot u) · n ∆S = Γ

(4.95)

oder 2 ω · n ∆S = 2 ω ∆S = const ,

(4.96)

woraus wir schließen, daß die Winkelgeschwindigkeit mit abnehmendem Querschnitt des Wirbelfadens gr¨ oßer wird. Im Zweiten Helmholtzschen Wirbelsatz werden wir sp¨ater sehen, daß Wirbelr¨ ohren materielle R¨ ohren sind. Machen wir schon jetzt von dieser Tatsache Gebrauch, dann f¨ uhrt (4.96) auf die gleiche Aussage wie (4.27): Wird der Wirbelfaden gestreckt, sein Querschnitt also verkleinert, nimmt die Winkelgeschwindigkeit zu. Die Aussage (4.27) war der Ableitung entsprechend auf inkompressible Str¨ omung beschr¨ ankt, w¨ ahrend die Schlußfolgerung hier (wegen der Benutzung des Zweiten Helmholtzschen Satzes) allgemein f¨ ur barotrope Str¨ omung gilt. Ein oft gebrauchtes idealisiertes Bild eines Wirbelfadens ist eine Wirbelr¨ ohre mit unendlich kleinem Querschnitt, dessen Winkelgeschwindigkeit dann gem¨ aß (4.96) unendlich groß wird: ω ∆S = const fu ¨r ∆S → 0

(4.97) und ω → ∞ .

Außerhalb des Wirbelfadens sei das Feld rotationsfrei. Wenn wir also die Lage eines Wirbelfadens und seine Wirbelst¨ arke durch Γ angegeben haben,

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

129

Abbildung 4.13. Wirbelfaden

wird damit die r¨ aumliche Verteilung von rot u festgelegt. Wenn wir außerdem div u vorgeben (z. B. div u = 0 bei inkompressibler Str¨omung), ist nach dem bereits erw¨ ahnten Fundamentalsatz der Vektoranalysis das Geschwindigkeitsfeld u (das ins Unendliche reichen m¨ oge) eindeutig bestimmt, wenn wir noch verlangen, daß die Normalkomponente der Geschwindigkeit im Unendlichen asymptotisch gen¨ ugend stark verschwindet und keine inneren R¨ander auftreten. (An inneren R¨ andern sind Randbedingungen zu erf¨ ullen, auf die wir erst in Abschnitt 4.3 eingehen werden.) Die Aussage des Fundamentalsatzes ist außerdem rein kinematischer Natur und deshalb nicht auf reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten beschr¨ ankt. Wir setzen den Vektor u aus zwei Anteilen zusammen: u = uD + uR ,

(4.98)

von denen der erste ein rotationsfreies Feld ist, d. h. rot uD = ∇ × uD = 0 ,

(4.99)

und der zweite ein divergenzfreies Feld ist, also div uR = ∇ · uR = 0 .

(4.100)

Das zusammengesetzte Feld ist also im allgemeinen weder rotations- noch divergenzfrei. Das Feld uD ist eine Potentialstr¨omung, daher gilt nach (1.50) uD = ∇Φ. Wir bilden die Divergenz von u , die wir als gegebene Funktion q(x) des Ortes betrachten, und erhalten wegen (4.100) div u = ∇ · uD = q(x) oder auch

(4.101)

130

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

∇ · ∇Φ =

∂2Φ = q(x) . ∂xi ∂xi

(4.102)

(4.102) ist eine inhomogene Laplacesche Gleichung, die man auch Poissonsche Gleichung nennt. Die Theorie dieser beiden partiellen Differentialgleichungen ist Gegenstand der Potentialtheorie, die in vielen Zweigen der Physik, so auch in der Str¨ omungslehre, eine große Rolle spielt. Greift man auf die Ergebnisse dieser Theorie zur¨ uck, erh¨ alt man die L¨ osung von (4.102) zu 1 Φ(x) = − 4π



q(x ) dV  , |x − x |

(4.103)

(∞)

wobei x f¨ ur den Ort steht, an dem das Potential Φ berechnet wird, und x die Abk¨ urzung f¨ ur die Integrationsver¨ anderlichen x1 , x2 und x3 (dV  =    dx1 dx2 dx3 ) ist. Der Bereich (∞) deutet an, daß die Integration u ¨ber den unendlich ausgedehnten Raum auszuf¨ uhren ist. Den L¨osungsweg werden wir am Ende unserer Betrachtungen kurz skizzieren, wollen hier aber die L¨osung zun¨ achst als gegeben hinnehmen. Zur Berechnung von uR bemerken wir, daß (4.100) sicher erf¨ ullt ist, wenn wir uR als Rotation eines noch unbekannten neuen Vektorfeldes a darstellen: uR = rota = ∇ × a ,

(4.104)

denn nach Gleichung (4.14) ist ∇ · (∇ × a) = ∇ · uR = 0 .

(4.105)

Wir bilden die Rotation von u und erhalten wegen (4.99) die Gleichung ∇ × u = ∇ × (∇ × a) ,

(4.106)

die wir mit (4.10) weiter umformen k¨ onnen: ∇ × u = ∇ (∇ · a) − ∆a .

(4.107)

Bisher haben wir an den Vektor a nur die Forderung (4.104) gestellt, die aber den Vektor noch nicht eindeutig festlegt, denn wir k¨onnten zu a noch den Gradienten einer willk¨ urlichen Funktion f addieren, ohne daß (4.104) ge¨andert w¨ urde (∇ × ∇ f ≡ 0). Fordern wir f¨ ur a zus¨atzlich verschwindende Divergenz (∇ · a = 0), gewinnen wir aus (4.107) die einfachere Gleichung ∇ × u = −∆a .

(4.108)

In (4.108) betrachten wir ∇ × u als gegebene Vektorfunktion b(x), die durch die Wahl des Wirbelfadens und seiner St¨ arke (Zirkulation) festgelegt ist. Dann liefert die kartesische Komponentenform der Vektorgleichung (4.108) drei Poissonsche Gleichungen, n¨ amlich:

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

∆ai = −bi .

131

(4.109)

F¨ ur jede der Komponentengleichungen k¨ onnen wir die L¨osung (4.103) der Poissonschen Gleichung verwenden. Wir fassen die Ergebnisse wieder vektoriell zusammen und schreiben f¨ ur die L¨ osung von (4.108) kurz 1 a = + 4π



b(x ) dV  . |x − x |

(4.110)

(∞)

Damit ist die Berechnung des Geschwindigkeitsfeldes u(x) f¨ ur vorgegebene Verteilung q(x) = div u und b(x) = rot u auf Integrationsprozesse, die notfalls numerisch ausgef¨ uhrt werden m¨ ussen, zur¨ uckgef¨ uhrt: ⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ 1  div u(x ) ⎬ ⎨ 1  rot u(x ) ⎬   u(x) = −∇ dV + ∇ × dV . ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ |x − x | |x − x | ⎩ 4π ⎭ ⎩ 4π ⎭ (∞)

(∞)

(4.111) Der Vollst¨ andigkeit halber skizzieren wir den L¨osungsweg f¨ ur Gleichung (4.103). Wir gehen vom Gaußschen Satz (1.94)  

∂ϕ dV = ∂xi

(V )

 ϕ ni dS

(4.112)

(S)

aus und setzen f¨ ur die allgemeine Funktion ϕ ϕ=U

∂V ∂U −V , ∂xi ∂xi

(4.113)

wobei U und V zun¨ achst beliebige Funktionen sind, f¨ ur die wir nur die Stetigkeitseigenschaften voraussetzen, wie sie f¨ ur die Anwendung des Gaußschen Satzes verlangt werden. Dann liefert der Gaußsche Satz die als die Zweite Greensche Formel bekannte Beziehung  

∂V ∂U U −V ∂xi ∂xi

(S)



   ni dS =

∂2V ∂2U U −V ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi

 dV .

(V )

(4.114) Wir w¨ ahlen jetzt f¨ ur U die Potentialfunktion Φ und f¨ ur V V =

1 1 = . |x − x | r

(4.115)

Die Funktion 1/r ist eine Fundamental- oder Hauptl¨osung der Laplaceschen Gleichung. Man nennt sie so, weil man mit ihrer Hilfe (wie ja schon (4.103)

132

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.14. Integrationsbereich

zeigt) durch Integrationsprozesse allgemeine L¨osungen aufbauen kann. Die Fundamentall¨ osungen nennt man auch singul¨are L¨osungen, da sie die Laplacesche Gleichung u ullen, außer an einer singul¨aren Stelle, hier z. B. ¨berall erf¨ r = 0, wo die Funktion 1/r unstetig ist. Wir werden der Funktion 1/r sp¨ater eine anschauliche Bedeutung geben und dann auch durch formales Ausrechnen zeigen, daß sie die Laplacesche Gleichung bis auf die Stelle x = x , d. h. r = 0 erf¨ ullt. Weil 1/r f¨ ur r = 0 nicht stetig ist, m¨ ussen wir diesen Punkt aus dem Bereich (V ) ausschließen, denn der Gaußsche Satz ist nur f¨ ur stetige Integranden g¨ ultig. Wie in Abb. 4.14 dargestellt, umgeben wir den singul¨aren Punkt mit einer kleinen Kugel (Radius a), so daß der fl¨achenhafte Integrationsbereich (S) aus der Oberfl¨ ache einer sehr großen Kugel (Radius ∞) und einer sehr kleinen Kugel, die den singul¨ aren Punkt umschließt, besteht. Der Integrand der rechten Seite von (4.114) ist nun regul¨ar, und der erste Term verschwindet u ¨ berall im Integrationsbereich, da V = 1/r die Laplacesche Gleichung erf¨ ullt. Im zweiten Term denken wir uns ∆U = ∆Φ wegen (4.102) durch q(x) ersetzt, so daß rechts jetzt das Integral  −

q(x) dV |x − x |

(∞)

entsteht. Auf der linken Seite f¨ uhren wir zuerst die Integration u ¨ber die große Kugel aus und bemerken, daß (∂V /∂xi ) ni die Ableitung von V in Richtung des Normalenvektors ni der Kugel ist, also         ∂V ∂V ∂ −1 ni = = (r ) = − r−2 (4.116) ∂xi ∂r ∞ ∂r r→∞ ∞ ∞ wie 1/r2 verschwindet. Die Integrationsoberfl¨ ache w¨achst aber wie r2 , so daß sich die Abh¨ angigkeit von r heraushebt. Nach Voraussetzung verschwindet U = Φ im Unendlichen, und daher macht das erste Glied der linken Seite keinen Beitrag. Der zweite Term verschwindet aber ebenfalls, denn (∂Φ/∂xi ) ni

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

133

ist die Komponente des Vektors u in Normalenrichtung der Fl¨ache, welche ebenfalls gen¨ ugend stark, d. h. eben gerade so stark abklingen soll, daß auch der zweite Term verschwindet. Es bleibt also nur das Oberfl¨achenintegral u ¨ber die kleine Kugel. Der Normalenvektor der kleinen Kugel zeigt aber in negative Radialrichtung, daher ist     ∂V ∂V ni = − = +a−2 (4.117) ∂xi ∂r a r=a und 

∂Φ ni ∂xi



 =

r=a



∂Φ ∂r

 .

(4.118)

a

F¨ ur das Element der Oberfl¨ ache schreiben wir a2 dΩ , wobei dΩ das Oberfl¨ achenelement der Einheitskugel ist. Dann folgt f¨ ur die linke Seite von (4.114)   ∂Φ 2 Φ a−2 a2 dΩ + a−1 a dΩ . (4.119) ∂r (K)

(K)

Das zweite Integral verschwindet f¨ ur a → 0, das erste liefert 4π Φ(x ), und daher erhalten wir aus (4.114)   1 q(x)  Φ(x ) = − dV . (4.120) 4π |x − x | (V )

Wenn wir weiter x durch x ersetzen, was die Funktion G(x, x ) = −

1 1 4π |x − x |

(4.121)

nicht ¨ andert, erhalten wir die L¨ osung (4.103). Man nennt G(x, x ) u ¨ brigens die Greensche Funktion, die hier in der speziellen Form f¨ ur den unendlich ausgedehnten Raum auftritt. Bei ebenen Problemen lautet die Greensche Funktion f¨ ur die unendlich ausgedehnte Ebene G(x, x ) =

1 ln |x − x | . 2π

(4.122)

Wir kehren jetzt zur Gleichung (4.111) zur¨ uck und berechnen den divergenzfreien Geschwindigkeitsanteil uR , der in inkompressibler Str¨omung ohne innere R¨ ander der einzige Anteil ist. Da wir ein Feld betrachten, das außerhalb des Wirbelfadens (Abb. 4.15) rotationsfrei ist, ist das Geschwindigkeitsfeld außerhalb des Fadens durch ⎡ ⎤   rot u(x ) ⎥ ⎢ 1 uR (x) = ∇ × ⎣ dV  ⎦ (4.123) 4π |x − x | (Faden)

134

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.15. Zum Biot-Savartschen Gesetz

gegeben. Die Integration ist dabei voraussetzungsgem¨aß nur u ¨ber das Volumen des Wirbelfadens auszuf¨ uhren, dessen Volumenelement dV  = dS n · dx

(4.124)

ist, mit dx = n ds als dem vektoriellen Linienelement des Wirbelfadens. Durch einfache Umstellung erhalten wir mit n = rot u/|rot u| dann dV  = dS

rot u · n ds , |rot u|

(4.125)

also auch dV  = (rot u) · n dS und damit f¨ ur (4.123) ⎡ ⎢ 1 uR (x) = ∇ × ⎣ 4π

ds |rot u|



(4.126)

⎤ (rot u) · n dS  ⎥ dx ⎦ , |x − x |

(4.127)

(Faden)

wobei wir rot u ds = n ds = dx |rot u|

(4.128)

gesetzt haben. Wir integrieren zun¨ achst u ¨ ber die kleine Querschnittsfl¨ache ¨ ∆S und vernachl¨assigen f¨ ur ∆S → 0 die Anderung des Vektors x u ¨ ber diese  Fl¨ache, ziehen also 1/|x − x | vor das Fl¨ achenintegral: " %     1 1  uR (x) = ∇ × (4.129) (rot u) · n dS dx . 4π |x − x |

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

135

Nach dem Stokesschen Satz ist das Fl¨ achenintegral aber gleich der Zirkulation Γ , und diese ist nach dem Ersten Helmholtzschen Satz l¨angs eines Wirbelfadens konstant, also unabh¨ angig von x . Daher folgt aus (4.129)  Γ dx uR (x) = ∇× . (4.130) 4π |x − x | Die weitere Rechnung l¨ aßt sich einfacher in Indexnotation erledigen, in der sich die rechte Seite von (4.130)  Γ ∂ 1 

ijk dx 4π ∂xj r k schreibt. Man erkennt jetzt unmittelbar, daß der Operator ijk ∂/∂xj ins Integral gezogen werden kann. Der Term ∂(r−1 )/∂xj ergibt sich mit ri = xi − xi und r = |r| zu ∂(r−1 ) 1 ∂r 1 1 =− 2 = − 2 (xj − xj ) = −rj r−3 . ∂xj r ∂xj r r

(4.131)

Ersetzen wir (4.131) durch den entsprechenden Ausdruck in symbolischer Schreibweise, liefert (4.130) schließlich das ber¨ uhmte Biot-Savartsche Gesetz :  Γ dx × r uR (x) = , (4.132) 4π r3 (Faden)

mit r = x − x , welches insbesondere in der Aerodynamik Anwendung findet. Das Biot-Savartsche Gesetz ist ein rein kinematischer Satz, der urspr¨ unglich auf experimentellem Wege in der Elektrodynamik gefunden wurde. Der Wirbelfaden entspricht dort dem elektrischen Leiter, die Wirbelst¨arke der Stromst¨ arke und das Geschwindigkeitsfeld dem Magnetfeld. Die Herkunft des Gesetzes erkl¨art auch den in der Aerodynamik u ¨blichen Sprachgebrauch, daß der Wirbelfaden am Ort x eine Geschwindigkeit u induziert“. Als Bei” spiel berechnen wir die von einem geraden, beidseitig ins Unendliche reichenden Wirbelfaden induzierte Geschwindigkeit im Abstand a vom Wirbelfaden. Die Geschwindigkeit uR steht immer senkrecht auf der von dx und r aufgespannten Ebene, ist also Tangente an den Kreis mit Radius a in der zum Wirbelfaden senkrechten Ebene. Der Betrag der induzierten Geschwindigkeit ergibt sich aus (4.132) mit den Bezeichnungen aus Abb. 4.16 zu Γ |uR | = 4π

+∞ 

−∞

sin ϕ  ds . r2

(4.133)

Abb. 4.16 entnehmen wir noch den Zusammenhang s = −a cot ϕ ,

(4.134)

136

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.16. Durch geraden Wirbelfaden induzierte Geschwindigkeit

so daß s = −∞ ϕ = 0 und s = +∞ ϕ = π entspricht und ds = +

a dϕ sin2 ϕ

(4.135)

wird. Mit r = a/ sin ϕ folgt dann Γ |uR | = 4πa

π 0

π  Γ Γ sin ϕ dϕ = − cos ϕ = . 4πa 2πa 0

(4.136)

Das Ergebnis gilt in allen Ebenen senkrecht zum Wirbelfaden. Die ebene Str¨ omung mit diesem Geschwindigkeitsfeld heißt Potentialwirbel , auf den wir sp¨ater noch ausf¨ uhrlich eingehen werden. Gleichung (4.136) stimmt nat¨ urlich mit (2.97) u ¨ berein, die wir dort aus dem Drallsatz erhalten haben. Dasselbe Ergebnis h¨ atten wir auch mit der plausiblen Annahme konstanter Geschwindigkeit am Radius a und durch Berechnung der Zirkulation erhalten:  Γ = a

2π uR · dx = u · eϕ a dϕ = |uR | a 2π .

(4.137)

0

F¨ ur den Beitrag eines endlich langen, geraden Wirbelfadens zur induzierten Geschwindigkeit am Punkt P , dessen Lage durch den Abstand a und die Winkel ϕ1 und ϕ2 festgelegt ist (Abb. 4.17), findet man aus (4.136) nach Integration von ϕ1 bis ϕ2 |uR | =

Γ (cos ϕ1 − cos ϕ2 ) . 4πa

(4.138)

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

137

Abbildung 4.17. Endlich langer Wirbelfaden

F¨ ur ϕ1 = 0 und ϕ2 = π/2 (halbunendlicher Wirbelfaden) ist die induzierte Geschwindigkeit in der senkrechten Ebene durch |uR | =

Γ 4πa

(4.139)

gegeben und betr¨ agt gerade die H¨ alfte des Wertes f¨ ur den beidseitig unendlichen Wirbelfaden, wie man es aus Symmetriegr¨ unden auch erwartet. Solche endlich oder halbunendlich langen St¨ ucke eines Wirbelfadens k¨onnen nach dem Ersten Helmholtzschen Wirbelsatz nicht isoliert bestehen, sondern m¨ ussen Teilst¨ ucke eines in sich geschlossenen oder beidseitig unendlichen Wirbelfadens sein. In der Diskussion im Zusammenhang mit Abb. 4.8 haben wir gesehen, daß die Zirkulation um ein Tragfl¨ ugelprofil in ebener Str¨omung durch einen gebundenen Wirbel darstellbar ist. Diesen gebundenen Wirbel k¨onnen wir uns als geraden, beidseitig unendlichen Wirbelfaden (Potentialwirbel) vorstellen. Bez¨ uglich des Auftriebs kann man sich sogar das gesamte Profil durch den geraden Wirbelfaden ersetzt denken. (Das Geschwindigkeitsfeld in der N¨ ahe des Tragfl¨ ugels unterscheidet sich nat¨ urlich vom Feld eines querangestr¨omten Wirbelfadens, aber mit gr¨oßer werdender Entfernung vom Profil stimmen beide Felder immer besser u ¨ berein.) Der Anfahrwirbel kann ebenfalls als gerader Wirbelfaden idealisiert werden, der bei plus und minus unendlich mit dem gebundenen Wirbel verbunden ist. Die Zirkulation des gebundenen Wirbels legt den Auftrieb fest, und die Auftriebsformel, die den Zusammenhang zwischen Zirkulation und Auftrieb pro Breiteneinheit in reibungsfreier Potentialstr¨omung herstellt, ist das Kutta-Joukowsky-Theorem A = − Γ U∞ ,

(4.140)

138

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

wobei U∞ die sogenannte ungest¨ orte“ Anstr¨ omgeschwindigkeit, d. h. die Ge” schwindigkeit ist, die sich nach Entfernen des K¨orpers aus der Str¨omung einstellen w¨ urde. (Mit Breite oder Spannweite eines Tragfl¨ ugels meint man u brigens die Erstreckung normal zur Zeichenebene der Abb. 4.3 ff. , w¨ahrend ¨ die Fl¨ ugell¨ ange die L¨ ange des Profilquerschnitts ist. Das negative Vorzeichen in allen Auftriebsformeln entsteht durch den mathematisch positiv definierten Umlaufsinn der Zirkulation!) Die Kutta-Joukowskysche Formel l¨aßt sich mit dem Impulssatz und der Bernoullischen Gleichung auf a¨hnliche Weise herleiten, wie wir schon die Kraft auf ein Profil im Gitterverband berechnet haben. Von dieser Herleitung nehmen wir hier jedoch Abstand, weil wir die Kutta-Joukowskysche Formel sp¨ ater auf anderem Wege berechnen wollen. Wir betonen in diesem Zusammenhang aber ausdr¨ ucklich, daß die Kraft auf ein Einzelprofil in reibungsfreier Potentialstr¨omung senkrecht auf der Anstr¨ omrichtung steht, der Tragfl¨ ugel also nur Auftrieb und keinen Widerstand erf¨ ahrt! Dieses Ergebnis steht nat¨ urlich nicht im Einklang mit der Erfahrung und ist u. a. auf die Vernachl¨ assigung der Reibung zur¨ uckzuf¨ uhren. Das Kutta-Joukowsky-Theorem in der Form (4.140) mit konstantem Γ gilt nur f¨ ur den unendlich breiten Fl¨ ugel, d. h. in ebener Str¨omung. Nat¨ urlich haben alle Tragfl¨ ugel endliche Breite, aber solange die Spannweite sehr viel gr¨oßer ist als die Fl¨ ugeltiefe, l¨ aßt sich der Auftrieb mit der Annahme konstanter Zirkulation u ¨ber der Spannweite absch¨atzen. N¨aherungsweise erh¨alt man so f¨ ur den Auftrieb des ganzen Fl¨ ugels mit der Breite b A = − Γ U∞ b .

(4.141)

In Wirklichkeit aber werden die Fl¨ ugelenden umstr¨omt, denn der Druck auf der Unterseite des Fl¨ ugels ist gr¨ oßer als auf der Oberseite, so daß nach der Eulerschen Gleichung die Fl¨ ussigkeit unter dem Einfluß des Druckgradienten von der Unter- auf die Oberseite str¨ omt, um den Druckunterschied auszugleichen. Damit geht der Wert der Zirkulation an den Fl¨ ugelenden gegen null, die Zirkulation ist also u ¨ ber der Spannweite ver¨anderlich, und der Auftrieb berechnet sich nach +b/2 

A = − U∞

Γ (x) dx ,

(4.142)

−b/2

wenn der Ursprung in Fl¨ ugelmitte liegt und x l¨angs der Breite gez¨ahlt wird. Aber selbst wenn wir annehmen, daß Γ u ugeltiefe konstant ist, erge¨ ber der Fl¨ ben sich schon deshalb Schwierigkeiten, weil der Fl¨ ugel, was seinen Auftrieb betrifft, nicht durch ein endliches St¨ uck eines Wirbelfadens ersetzt werden kann. Nach dem Ersten Helmholtzschen Wirbelsatz, der als rein kinematische Aussage auch f¨ ur den gebundenen Wirbel gilt, kann das isolierte St¨ uck Wirbelfaden nicht existieren. Es kann aber auch nicht geradlinig ins Unendliche fortgesetzt werden, da die Fl¨ ussigkeit dort nicht vom Fl¨ ugel zerschnitten

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

139

Abbildung 4.18. Vereinfachtes Wirbelsystem eines endlichen Trag߬ ugels

Abbildung 4.19. Zur Erl¨ auterung des induzierten Widerstandes

wird, also keine Unstetigkeitsfl¨ ache erzeugt wird, die f¨ ur den Zirkulationsaufbau notwendig ist. An beiden Fl¨ ugelenden m¨ ussen also freie Wirbel ansetzen, die von der Str¨ omung nach hinten getragen werden. Diese freien Wirbel bilden zusammen mit dem gebundenen Wirbel und dem Anfahrwirbel einen in sich geschlossenen Wirbelring, der das vom Fl¨ ugel durchschnittene Fl¨ ussigkeitsgebiet einrahmt (Abb. 4.18). Ist seit dem Anfahrvorgang eine sehr lange Zeit vergangen, so liegt der Anfahrwirbel im Unendlichen, und der gebundene Wirbel bildet mit den Randwirbeln einen sogenannten Hufeisenwirbel , der zwar nur ein sehr grobes Modell der Wirkung eines endlichen Tragfl¨ ugels darstellt, aber mit dem schon qualitativ gezeigt werden kann, daß der endliche Tragfl¨ ugel auch in reibungsfreier Str¨ omung einen Widerstand erf¨ahrt. Die von den beiden Randwirbeln in der Mitte des Tragfl¨ ugels induzierte Geschwindigkeit (induzierter Abwind ), die u ¨ blicherweise mit dem Buchstaben w bezeichnet wird, betr¨ agt das Doppelte des Abwindes eines halbunendlichen Wirbelfadens im Abstand b/2, also nach (4.139) w=2

Γ 1 Γ = 4π (b/2) b π

(4.143)

und ist nach unten gerichtet. Der Fl¨ ugel sp¨ urt“ also in der Mitte nicht allein ” die Anstr¨ omgeschwindigkeit U∞ , sondern eine Geschwindigkeit, die sich aus U∞ und w zusammensetzt (Abb. 4.19). In reibungsfreier Str¨omung steht der Vektor der Kraft senkrecht auf dieser neuen lokalen Anstr¨omrichtung, hat also eine Komponente parallel zur ungest¨orten Anstr¨omung, die sich als induzierter Widerstand Wind ¨ außert:

140

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.20. Verfeinertes Wirbelsystem des Trag߬ ugels

Wind = A

w . U∞

(4.144)

Allerdings w¨ urde (4.144) nur dann gelten, wenn der von beiden Randwirbeln induzierte Abwind u ¨ ber der Spannweite konstant w¨are. Der Abwind ¨andert sich aber, denn im Abstand x von der Fl¨ ugelmitte induziert der eine Wirbel den Abwind Γ Γ , bzw. , 4π (b/2 + x) 4π (b/2 − x) insgesamt also w=

Γ b , 4π (b/2)2 − x2

und man erkennt, daß der Abwind in der Fl¨ ugelmitte am kleinsten ist (damit w¨ urde man mit (4.144) den Widerstand untersch¨atzen) und an den Fl¨ ugelenden gegen unendlich strebt. Dieser unrealistische Wert tritt nicht auf, wenn die Zirkulationsverteilung zu den Enden hin abnimmt, wie es ja sein muß. F¨ ur eine halbelliptische Zirkulationsverteilung u ¨ber der Spannweite erh¨alt man eine konstante Abwindverteilung, und Gleichung (4.144) ist anwendbar. Der Erste Helmholtzsche Wirbelsatz verlangt nun wieder, daß bei einer ¨ infinitesimalen Anderung der Zirkulation in x-Richtung dΓ =

dΓ dx dx

ein freier Wirbel derselben infinitesimalen St¨ arke von der Hinterkante abfließen muß. Wir werden so auf das verfeinerte Wirbelsystem der Abb. 4.20 gef¨ uhrt. Die freien Wirbel bilden nunmehr eine Unstetigkeitsfl¨ache in der Geschwindigkeitskomponente parallel zur Hinterkante, die sich in der in Abb. 4.21 skizzierten Weise in den Randwirbel aufrollt. Diese Randwirbel m¨ ussen beim Vorr¨ ucken des Fl¨ ugels kontinuierlich neu gebildet werden, so daß die kinetische Energie in diesen Wirbeln st¨andig neu nachgeliefert werden muß. Die hierzu notwendige Leistung wird gerade vom induzierten Widerstand erbracht. Manifestationen des Ersten Helmholtzschen Wirbelsatzes lassen sich auch oft im t¨aglichen Leben beobachten.

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

141

Abbildung 4.21. Die Unstetigkeits߬ ache rollt sich zu Randwirbeln auf

Abbildung 4.22. Wirbel am Kaffeel¨ offel

Erinnert sei nur an die trichterf¨ ormigen Vertiefungen in der freien Oberfl¨ache des Kaffees, die man in einer Tasse erzeugen kann, wenn man den Kaffeel¨offel pl¨ otzlich vorw¨ arts bewegt und dann herauszieht (Abb. 4.22). Durch das Zusammenfließen der Fl¨ ussigkeiten von Vorder- und Hinterseite bildet sich l¨angs des L¨ offelrandes eine Trennfl¨ ache. Die Unstetigkeitsfl¨ ache rollt sich zu einem Wirbelbogen auf, dessen Endpunkte an der freien Oberfl¨ ache die trichterf¨ ormigen Vertiefungen bilden. Da die Str¨ omung außerhalb des Wirbelfadens eine Potentialstr¨omung ist, gilt die Bernoullische Gleichung (4.62) 1  u2 + p +  g x3 = C 2 nicht nur l¨ angs einer Stromlinie, sondern zwischen zwei beliebigen Punkten im Feld. An der freien Oberfl¨ ache ist der Druck u ¨ berall gleich dem Umgebungsdruck p0 , in einiger Entfernung vom Wirbel ist die Geschwindigkeit null, und die Oberfl¨ ache hat sich nicht abgesenkt, was x3 = 0 entsprechen m¨oge. Dann ist die Bernoullische Konstante gleich dem Umgebungsdruck (C = p0 ), und wir erhalten 1  u2 +  g x3 = 0 . 2

142

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.23. Zum zweiten Helmholtzschen Wirbelsatz

In der N¨ ahe der Wirbelendpunkte nimmt die Geschwindigkeit nach der Formel (4.139) zu, daher muß x3 negativ werden, d. h. die freie Oberfl¨ache senkt sich ab. Die Querschnittsfl¨ ache des Wirbelfadens ist nat¨ urlich nicht unendlich klein, so daß wir in (4.139) nicht den Grenz¨ ubergang a → 0 machen d¨ urfen, f¨ ur den die Geschwindigkeit u gegen unendlich geht. Die vom Wirbelfaden induzierte Geschwindigkeit ist aber doch so groß, daß es zu einer deutlichen Ausbildung der trichterf¨ ormigen Vertiefungen kommt. In diesem Zusammenhang wollen wir vermerken, daß ein unendlich d¨ unner Wirbelfaden in einer wirklichen Str¨ omung nicht auftreten kann, denn der Geschwindigkeitsgradient des Potentialwirbels geht f¨ ur a → 0 gegen unendlich, so daß die Reibungsspannungen auch bei noch so kleiner Z¨ahigkeit nicht mehr vernachl¨ assigbar klein sind. Wie wir aus Gleichung (4.11) wissen, beschleunigen sie in inkompressibler Potentialstr¨ omung das Teilchen nicht, sie leisten aber Deformationsarbeit, liefern also einen Beitrag zur Dissipation. Die in W¨ arme dissipierte Energie stammt aus der kinetischen Energie des Wirbels. Die in mathematischer Hinsicht sehr n¨ utzliche Idealisierung eines realen Wirbelfadens als Faden mit unendlich kleinem Querschnitt bleibt nat¨ urlich sinnvoll. Wir besprechen jetzt den Zweiten Helmholtzschen Wirbelsatz : Eine Wirbelr¨ ohre besteht immer aus denselben Fl¨ ussigkeitsteilchen.“ ” Eine Wirbelr¨ ohre ist also eine materielle R¨ ohre. Wir haben diesen Satz unter Benutzung materieller Koordinaten schon durch Gleichung (4.27) bewiesen, wollen ihn hier aber nochmals als unmittelbare Folge des Kelvinschen Zirkulationstheorems darstellen. Zur Zeit t0 betrachten wir eine Wirbelr¨ohre und eine beliebige geschlossene Kurve C auf ihrer Mantelfl¨ache (Abb. 4.23). Nach dem Stokesschen Integralsatz ist die Zirkulation der geschlossenen Kurve null. Die Zirkulation der Kurve, die aus denselben materiellen Teilchen besteht, hat zu einem sp¨ ateren Zeitpunkt nach dem Kelvinschen Zirkulationstheorem (DΓ/Dt = 0) immer noch den Wert null. In Umkehrung der obigen Schluß-

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

143

Abbildung 4.24. Zwei Wirbelringe u ¨ berholen sich gegenseitig

weise folgt aus dem Stokesschen Satz, daß sich diese materiellen Teilchen auf der Mantelfl¨ ache einer Wirbelr¨ ohre befinden m¨ ussen: Was zu beweisen war. Bei der Betrachtung von Rauchringen wird die Tatsache, daß Wirbelr¨ ohren materielle R¨ ohren sind, deutlich: Der Rauch bleibt offensichtlich im Wirbelring und wird mit ihm transportiert, d. h. der Rauch selbst ist Tr¨ager der Rotation. Diese Aussage gilt nur unter den Einschr¨ankungen der Barotropie und Reibungsfreiheit. Die bei Rauchringen zu beobachtende langsame Aufl¨ osung ist auf Reibung und Diffusion zur¨ uckzuf¨ uhren. Ein Wirbelring, der aus einem unendlich d¨ unnen Wirbelfaden besteht, induziert auf sich selbst eine unendlich große Geschwindigkeit (¨ahnlich wie wir es schon beim Hufeisenwirbel gesehen haben), so daß sich der Ring mit unendlich großer Geschwindigkeit fortbewegen w¨ urde. Die in der Mitte des Ringes induzierte Geschwindigkeit bleibt (ebenso wie beim Hufeisenwirbel) endlich, und man kann sie leicht aus dem Biot-Savartschen Gesetz (4.132) zu |u| =

Γ 4π

2π

a2 dϕ Γ = a3 2a

0

ausrechnen. Auf die unrealistische, unendlich große Geschwindigkeit am Wirbel selbst wird man nat¨ urlich nur durch die Annahme unendlich kleinen Querschnitts gef¨ uhrt. Setzt man einen endlichen Querschnitt voraus, bleibt auch die auf sich selbst induzierte Geschwindigkeit, d. h. die Geschwindigkeit mit der sich der Ring fortbewegt, endlich. Allerdings ist der wirkliche Querschnitt nicht bekannt und h¨ angt wohl davon ab, wie der Ring entstanden ist. In der Praxis beobachtet man, daß sich der Ring mit einer Geschwindigkeit fortbewegt, die langsamer als die in der Mitte induzierte Geschwindigkeit ist. Es ist wohl bekannt, daß zwei hintereinanderlaufende Ringe sich abwechselnd u upft. ¨berholen, wobei jeweils der eine durch den anderen hindurchschl¨

144

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.25. Wirbelring an einer Wand

Dieses Verhalten l¨ aßt sich aus der Richtung der vom einen auf den anderen Wirbelring induzierten Geschwindigkeit und durch die o. a. Formel f¨ ur die Geschwindigkeit in der Ringmitte einsichtig machen und ist in Abb. 4.24 skizziert. Auf dieselbe Weise l¨ aßt sich erkl¨ aren, warum sich ein auf eine Wand zulaufender Wirbelring erweitert und gleichzeitig seine Geschwindigkeit reduziert, w¨ahrend sich ein von der Wand weglaufender Ring zusammenzieht und seine Geschwindigkeit erh¨ oht (Abb. 4.25). Der Bewegungsablauf l¨ aßt sich ohne Kenntnis der Wirbelquerschnitte nicht ermitteln, und die Rechnung f¨ ur unendlich d¨ unne Ringe scheitert, weil Ringe - wie alle gekr¨ ummten Wirbelf¨ aden - auf sich selbst unendlich große Geschwindigkeiten induzieren. Bei geraden Wirbelf¨aden, also f¨ ur ebene Str¨ omungen gelingt eine einfache Beschreibung der Wirbeldynamik“ unter ” der Annahme unendlich d¨ unner F¨ aden, da hier die selbstinduzierte Translationsgeschwindigkeit verschwindet. Da Wirbelf¨aden materielle Linien sind, gen¨ ugt es, in der x-y-Ebene senkrecht zu den F¨aden die Bahnen der Fl¨ ussigkeitsteilchen, die Tr¨ ager der Rotation sind, gem¨aß (1.10) zu berechnen, d. h. die Bahnen der Wirbelzentren zu ermitteln. Der Betrag der Geschwindigkeit, den ein am Ort x(i) befindlicher, gerader Wirbelfaden am allgemeinen Ort x induziert, ist aus (4.136) bekannt. Wie dort erl¨ autert steht die induzierte Geschwindigkeit senkrecht auf dem Abstandsvektor a(i) = x − x(i) , hat also die Richtung ez × a(i) /|a(i) | , so daß die vektorielle Form von (4.136) lautet: uR =

x − x(i) Γ ez × 2π |x − x(i) |2

F¨ ur x → x(i) wird die Geschwindigkeit zwar unendlich, aber aus Symmetriegr¨ unden kann der Wirbel nicht durch sein eigenes Geschwindigkeitsfeld ver-

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

145

schoben werden; die induzierte Translationsgeschwindigkeit ist wie erw¨ahnt null. Die induzierte Geschwindigkeit von n Wirbeln mit der Zirkulation Γ(i) (i = 1 . . . n) erhalten wir durch Summation der vektoriellen Form von (4.136) zu uR =

x − x(i) 1  Γ(i) ez × , 2π i |x − x(i) |2

wobei wir die Summationskonvention nicht gebrauchen, da der Summationsbereich die Anzahl der Wirbel ist. Wenn keine inneren R¨ander vorhanden sind oder die Randbedingungen wie in Abb. 4.25 durch Spiegelung erf¨ ullt sind, beschreibt die letzte Gleichung bereits das gesamte Geschwindigkeitsfeld, und mit (1.10) lautet die Bewegungsgleichung“ des k-ten Wirbels: ” dx(k) x(k) − x(i) 1  = Γ(i) ez × . (4.145) dt 2π |x(k) − x(i) |2 i i = k Der Wirbel i = k wird aus den oben erl¨ auterten Gr¨ unden von der Summation ausgeschlossen. Mit (4.145) liegen 2n Gleichungen f¨ ur die gesuchten Bahnkoordinaten vor. Die Dynamik der Wirbel besitzt Invarianten der Bewegung, die in gewisser Analogie zu den Erhaltungsgr¨ oßen eines Punktmassensystems stehen, auf das keine a ußeren Kr¨ a fte einwirken. Zun¨ achst entspricht & die durch die Helm¨ holtzschen S¨ atze bedingte Erhaltung der Wirbelst¨arken ( Γ(k) = const) der Erhaltung der Gesamtmasse des Punktmassensystems. Multipliziert man die Bewegungsgleichung (4.145) mit Γ(k) und summiert u ber k, so erh¨ alt man durch Ausschreiben zun¨ achst ¨  dx(k) dx(1) dx(2) dx(3) Γ(k) = Γ(1) + Γ(2) + Γ(3) + ... = dt dt dt dt k

 x(1) − x(2) x(1) − x(3) 1 ez × Γ(1) Γ(2) + Γ(1) Γ(3) + ...+ 2π |x(1) − x(2) |2 |x(1) − x(3) |2 +Γ(2) Γ(1) +Γ(3) Γ(1)

x(2) − x(1) x(2) − x(3) + Γ(2) Γ(3) + ...+ 2 |x(2) − x(1) | |x(2) − x(3) |2  x(3) − x(1) x(3) − x(2) + Γ Γ + . . . . (3) (2) |x(3) − x(1) |2 |x(3) − x(2) |2

Man erkennt unmittelbar, daß sich die Summanden der rechten Seite paarweise aufheben, so daß die Gleichung  k

Γ(k)

dx(k) =0 dt

146

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.26. M¨ ogliche Bahnlinien eines geraden Wirbelpaares

entsteht, deren Integration auf   Γ(k) x(k) = xs Γ(k) k

(4.146)

k

f¨ uhrt. Die auftretenden Integrationskonstanten haben wir aus Dimensionsgr¨ unden in der Form der Schwerpunktskoordinate“ xs geschrieben. Wir ” interpretieren das Ergebnis: Der Schwerpunkt der Wirbelst¨ arken bleibt erhalten!“ ” Der entsprechende Satz (Impulserhaltung) f¨ ur ein System von Massenpunkten f¨ uhrt auf die Aussage, daß bei fehlenden ¨außeren Kr¨aften die Schwerpunktsgeschwindigkeit eine Erhaltungsgr¨ oße ist. & F¨ ur Γ(k) = 0 liegt der Schwerpunkt im Unendlichen, so daß z. B. zwei Wirbel mit Γ(1) = −Γ(2) eine geradlinige Bewegung auf parallelen Bahnen ausf¨ uhren m¨ ussen (d. h. sich um einen unendlich fernen Punkt drehen). Ist Γ(1) + Γ(2) = 0, so drehen sich die Wirbel um einen im Endlichen liegenden Schwerpunkt (Abb. 4.26). ¨ Dem in Abb. 4.24 erl¨ auterten Uberholvorgang zweier Wirbelringe ent¨ spricht hier der Uberholvorgang zweier gerader Wirbelpaare. Die Bahnen der Wirbelpaare ergeben sich aus der numerischen Integration von (4.145) und sind in Abb. 4.27 dargestellt. Die Analogie von (4.146) findet ihre Fortsetzung im Drallsatz der Wir” bel“ und l¨ aßt sich auch auf kontinuierliche Wirbelverteilungen u ¨bertragen. Wir wollen darauf aber nicht eingehen, sondern den Unterschied zur Punktmechanik herausstellen: F¨ ur die Bewegung eines Wirbels unter dem Einfluß des u ¨ brigen Systems von Wirbeln ist (1.10) die maßgebende Gleichung. Die Bewegung eines Massenpunktes unter dem Einfluß des restlichen Systems, d. h. unter dem Einfluß ¨ außerer Kr¨ afte, wird dagegen durch das Zweite Newtonsche Gesetz beschrieben! Der Dritte Helmholtzsche Wirbelsatz lautet: Die Zirkulation einer Wirbelr¨ ohre bleibt zeitlich konstant.“ ”

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

147

Abbildung 4.27. Bahnlinien zweier gerader Wirbelpaare

Er folgt unmittelbar aus dem Zweiten Helmholtzschen Satz in Verbindung mit dem Kelvinschen Zirkulationstheorem, denn die eine Wirbelr¨ohre bildende geschlossene Linie (Abb. 4.11) ist nach dem Zweiten Helmholtzschen Satz eine materielle Linie, deren Zirkulation nach dem Kelvinschen Satz konstant bleibt. Der Zweite und Dritte Helmholtzsche Satz gelten f¨ ur barotrope und reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten. Die Aussagen dieser S¨atze sind auch in Gleichung (4.27) enthalten, dort aber unter der weiter einschr¨ankenden Annahme inkompressibler Str¨ omung. 4.2.4 Integration der Energiegleichung In station¨ arer und reibungsfreier Str¨ omung mit vernachl¨assigbarer W¨armeleitung l¨ aßt sich ein f¨ ur die Anwendungen sehr n¨ utzliches Integral der Energiegleichung angeben. Wir nehmen an, daß ki ein zeitunabh¨angiges Potential besitzt und denken dabei immer an die Massenkraft der Schwere. Dann l¨aßt sich die Arbeit der Massenkraft (pro Zeiteinheit) wegen Dψ ∂ψ = ui = −ui ki Dt ∂xi

(4.147)

auch als materielle Ableitung des Potentials schreiben und aus der Energiegleichung (4.47) entsteht mit u = |u|   D u2  +h+ψ =0 , (4.148) Dt 2 aus der wir schließen, daß die Summe der Terme in der Klammer f¨ ur ein materielles Teilchen eine Erhaltungsgr¨ oße ist, also u2 +h+ψ =C 2

(4.149)

148

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

l¨angs einer Bahnlinie und wegen der Einschr¨ ankung auf station¨are Str¨omungen auch l¨ angs einer Stromlinie gilt. Die auftretende Integrationskonstante ist im allgemeinen von Stromlinie zu Stromlinie verschieden. Der Wert dieser Konstanten h¨ angt davon ab, wie diese Str¨omung entstanden ist, und offensichtlich ist die Konstante f¨ ur alle Stromlinien dieselbe, wenn die Energie im Unendlichen homogen ist. Bei den meisten technisch interessierenden Str¨ omungen ist diese Konstante f¨ ur alle Stromlinien gleich, und man nennt sie deshalb homenergetisch. Homenergetische Str¨ omungen m¨ ussen insbesondere nicht wirbelfrei sein, sie sind also kinematisch nicht so stark eingeschr¨ankt. Dagegen ist, wie bereits besprochen, die Bernoullische Konstante nur in wirbelfreien (rotationsfreien) Feldern (und auf Feldern mit ω ×u = 0, die aber bei weitem nicht die technische Bedeutung der wirbelfreien Str¨omung besitzen) auf jeder Stromlinie dieselbe. Die Gleichung (4.149) findet ihre Hauptanwendung in der Gasdynamik, wo das Potential der Massenkraft oft vernachl¨assigt werden kann, und die Energiegleichung die Form u2 + h = ht 2

(4.150)

annimmt, die einen algebraischen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Enthalpie herstellt, der unabh¨ angig vom speziellen Problem immer in station¨ arer und reibungsfreier Str¨ omung, also auch bei Str¨omungen mit chemischen Reaktionen, bei denen Ds/Dt = 0 ist, gilt. Ist das Enthalpiefeld bekannt, so folgt unmittelbar der Betrag der Geschwindigkeit im Feld und umgekehrt. F¨ ur eine andere Form der Energiegleichung, in der die Abh¨angigkeit von der Enthalpie nicht ausdr¨ ucklich vorkommt, muß man die Annahme isentroper Str¨ omung explizit machen. Aus der Gibbsschen Relation (2.133) folgt dann De p D − 2 =0 Dt  Dt

(4.151)

oder mit (4.3) auch Dh 1 Dp − =0. Dt  Dt

(4.152)

Hiermit gewinnen wir aus (4.148) die Energiegleichung in der Form   D u2 1 Dp +ψ + =0. (4.153) Dt 2  Dt In station¨ arer Str¨ omung k¨ onnen wir den Operator D/Dt wegen (1.23) durch |u| ∂/∂σ bzw. |u| ∂/∂s ersetzen. Die Integration von (4.153) l¨angs der Bahnbzw. Stromlinien f¨ uhrt uns zur¨ uck auf die Bernoullische Gleichung (4.57) in der f¨ ur station¨ are Str¨ omung g¨ ultigen Form

4.2 Reibungsfreie Fl¨ ussigkeiten

u2 +ψ+ 2



dp =C . 

149

(4.154)

Wir identifizieren die Bernoullische Gleichung daher auch als eine Energiegleichung. In der Tat wurde in der Ableitung, die zur Bernoullischen Gleichung (4.57) f¨ uhrte, das Innenprodukt der Geschwindigkeit u mit der Bewegungsgleichung gebildet, also eine mechanische Energiegleichung“ geschaf” fen. (Das Integral ist u uhren; ist es ¨ ber die Strom- bzw. Bahnlinie auszuf¨ aber wegunabh¨ angig, nennt man (4.154) die starke Form“ der Bernoulli” schen Gleichung.) Im u ¨ brigen finden unter den eingangs gemachten Voraussetzungen oft auch die Entropiegleichungen“ (4.151) und (4.152) statt der Energieglei” chung Anwendung, allerdings tritt in beiden Formeln die kinetische Energie nicht explizit auf. Zur Kl¨ arung des bereits angesprochenen Zusammenhangs zwischen homenergetischer und wirbelfreier Str¨ omung ben¨otigen wir den Croccoschen Wirbelsatz , der allerdings nur in station¨ arer Str¨omung gilt. Wir k¨onnen ihn herleiten, indem wir aus der kanonischen Zustandsgleichung h = h(s, p) die Form     ∂h ∂h ∂s ∂h ∂p = + (4.155) ∂xi ∂s p ∂xi ∂p s ∂xi oder unter Benutzung der Gleichungen (2.154) und (2.155) auch −

1 ∂p ∂s ∂h =T −  ∂xi ∂xi ∂xi

(4.156)

bilden. Mit dieser Formel gehen wir in die Eulersche Gleichung (4.40a), dr¨ ucken dort den Beschleunigungsterm durch (1.77) aus und erhalten f¨ ur station¨ are Str¨ omung die als Croccoschen Wirbelsatz bekannte Gleichung  ∂  uj uj ∂s −2 ijk uj ωk + +h+ψ =T , (4.157) ∂xi 2 ∂xi wobei wir angenommen haben, daß die Massenkraft ein Potential besitzt. In homenergetischer Str¨ omung hat die in (4.149) auftretende Integrationskonstante C auf allen Stromlinien denselben Wert, d. h. der Gradient von C verschwindet, und f¨ ur diese Klasse von Str¨ omungen gilt  2  ∂C ∂ u = +h+ψ =0 . (4.158) ∂xi ∂xi 2 Aus dem Croccoschen Wirbelsatz folgt dann f¨ ur diese Klasse, daß wirbelfreie Str¨ omungen homentrop sein m¨ ussen. Auf der anderen Seite sehen wir, daß nicht homentrope aber homenergetische Str¨omungen wirbelbehaftet sind. Dieser Fall wurde bereits in 4.1.3 angesprochen (gekr¨ ummter Stoß) und ist deswegen interessant, weil Rotation im Innern des Str¨omungsfeldes erzeugt

150

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Abbildung 4.28. Gekr¨ ummter Stoß

wird und nicht, wie bei inkompressibler Str¨ omung, durch Diffusion von den R¨andern her ins Innere gelangt. Beim Durchgang durch einen gekr¨ ummten Stoß (Abb. 4.28), wie er in Hyperschallstr¨omungen auftreten kann, wird die Entropie auf den einzelnen Stromlinien unterschiedlich erh¨oht. Hinter der Stoßfl¨ ache ist daher die Entropie nicht mehr homogen, und infolge des Croccoschen Wirbelsatzes kann die Str¨ omung dann nicht mehr wirbelfrei sein. Dem Croccoschen Wirbelsatz entnehmen wir desweiteren die Aussage, daß eine ebene homentrope (und homenergetische) Str¨omung notwendigerweise rotationsfrei sein muß, denn in ebener Str¨omung steht ω immer senkrecht auf u, so daß der erste Term in (4.157) nicht deswegen verschwinden kann, weil ω  und u parallele Vektoren sind.

4.3 Anfangs- und Randbedingungen Wir haben in Kapitel 4 bisher allgemeing¨ ultige Aussagen gemacht, wie sie f¨ ur jedes Str¨ omungsproblem Newtonscher oder reibungsfreier Fl¨ ussigkeiten zutreffen. Damit sind aber die allgemein g¨ ultigen Betrachtungen zun¨achst abgeschlossen, und weiterer Fortschritt in einem vorliegenden Problem verlangt Angaben u ¨ ber die Art der Berandung des interessierenden Str¨omungsgebietes und die Angabe der Bedingungen, welche die Str¨omung an dieser Berandung erf¨ ullen muß. Mathematisch gesprochen handelt es sich hierbei um Randbedingungen. Bei instation¨ aren Problemen sind außerdem die Anfangsbedingungen, also die Feldgr¨ oßen zu Beginn des interessierenden Zeitabschnitts, anzugeben. Wir werden zun¨ achst die Str¨ omungsberandung f¨ ur den Fall der undurchl¨ assigen Wand (den wir gegebenenfalls auf durchl¨assige W¨ande verallgemeinern k¨ onnen) und den Fall der freien Oberfl¨ache betrachten. Technisch interessant sind auch Berandungen, die Unstetigkeitsfl¨achen sind. Bekanntestes Beispiel daf¨ ur sind die schon erw¨ ahnten Bedingungen an Stoßfl¨achen,

4.3 Anfangs- und Randbedingungen

151

auf die wir aber erst eingehen k¨ onnen, wenn der Begriff Stoß“ selbst gekl¨art ” ist. Die Erfahrung lehrt, daß Newtonsche Fl¨ ussigkeiten an W¨anden haften. F¨ ur eine undurchl¨ assige Wand bedeutet dies, daß sowohl Tangential- als auch Normalgeschwindigkeit von Fl¨ ussigkeit und Wand an jedem Punkt der Wand u bereinstimmen m¨ u ssen. Der Geschwindigkeitsvektor u der Fl¨ ussigkeit an ¨ der Wand muß gleich dem Vektor der Wandgeschwindigkeit uw sein: u = uw

(an der Wand) .

(4.159)

Ist die Wand in Ruhe (uw = 0), so lautet die Randbedingung u = 0 (a. d. W.) ,

(4.160)

bzw. un = ut = 0 (a. d. W.) .

(4.161)

Der Index n steht hierin f¨ ur die Normal-, der Index t f¨ ur die Tangentialkomponente der Geschwindigkeit. In reibungsfreier Str¨ omung ist es im allgemeinen nicht mehr m¨oglich, sowohl Normal- als auch Tangentialgeschwindigkeit an der Wand vorzuschreiben. Da an einer undurchl¨ assigen Wand jedenfalls die Normalkomponenten von Wand- und Str¨ omungsgeschwindigkeit u ussen - ande¨ bereinstimmen m¨ renfalls w¨ urde die Wand ja durchstr¨ omt -, behalten wir diese Randbedingung bei und fordern f¨ ur reibungsfreie Str¨ omung u · n = uw · n

(a. d. W.)

(4.162a)

bzw. (u − uw ) · n = 0

(a. d. W.)

(4.162b)

oder in Indexnotation (ui − ui(w) ) ni = 0 (a. d. W.) .

(4.162c)

Diese Bedingung nennt man die kinematische Randbedingung, w¨ahrend (4.159) dynamische oder physikalische Randbedingung genannt wird. In reibungsfreier Str¨ omung muß die dynamische Randbedingung aufgegeben werden, weil die Eulerschen Gleichungen von niedrigerer Ordnung in den Ableitungen sind als die Navier-Stokesschen Gleichungen. In den Eulerschen Gleichungen fehlen die Terme zweiter Ordnung (η ∆u im inkompressiblen Fall). Aus der Theorie der gew¨ ohnlichen Differentialgleichungen ist bekannt, daß die Ordnung der DGl. die Anzahl der erf¨ ullbaren Randbedingungen festlegt. Genauso legt die Ordnung einer partiellen DGl. die Zahl der am Rand erf¨ ullbaren Funktionen fest. Da in reibungsfreier Str¨omung nur die

152

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Randbedingung an die Normalkomponente der Geschwindigkeit gestellt werden kann, ergeben sich im allgemeinen verschiedene Tangentialkomponenten von Wand- und Str¨ omungsgeschwindigkeit: Die dynamische Randbedingung wird also verletzt. Jetzt verstehen wir auch, warum die reibungsbehaftete Str¨ omung f¨ ur ν → 0 allgemein nicht in die L¨ osung mit ν ≡ 0 u ¨bergeht: Beide Str¨ omungen erf¨ ullen verschiedene Randbedingungen, in denen die Z¨ahigkeit ν nicht explizit auftritt, die also vom Grenz¨ ubergang ν → 0 nicht beeinflußt werden. Wir weisen in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, daß auch in den F¨ allen, in denen die reibungsfreie L¨ osung eine gute N¨aherung der reibungsbehafteten Str¨ omung f¨ ur große Reynolds-Zahlen darstellt, die L¨osung in unmittelbarer Wandn¨ ahe (d. h. in der Grenzschicht) versagt. Reicht das Str¨ omungsfeld um einen endlichen K¨orper bis ins Unendliche, muß die St¨ orung, die durch den K¨ orper verursacht wird, im Unendlichen abklingen. Die Ordnung, mit der die St¨ orung verschwindet, h¨angt vom konkreten Problem ab und soll erst im Zusammenhang mit diesem besprochen werden (siehe Abschnitt 10.3). Maßgebend f¨ ur die Anwendung der kinematischen Randbedingung ist die Normalkomponente der Eigengeschwindigkeit der Wand des K¨orpers, der sich durch das Str¨ omungsfeld bewegt. Die Oberfl¨ ache dieses K¨orpers sei in der impliziten Form F (x, t) = 0

(4.163)

gegeben, in der x der Ortsvektor eines allgemeinen Punktes der Ober߬ache ist. Der Normalenvektor zur Ober߬ ache ist (bis auf das festzulegende Vorzeichen) n =

∇F , |∇F |

(4.164)

so daß wir die kinematische Randbedingung auch in der Form u · ∇F = uw · ∇F

(an F (x, t) = 0)

(4.165)

schreiben k¨ onnen. Ein Punkt der Oberfl¨ ache mit dem Ortsvektor x erf¨ ullt per definitionem f¨ ur alle Zeiten die Gleichung (4.163). F¨ ur einen Beobachter auf der Oberfl¨ ache, dessen Ortsvektor x ist, ¨ andert sich also (4.163) nicht; es folgt dF =0, dt

(4.166)

wobei diese Zeitableitung die mit der Gleichung (1.19) eingef¨ uhrte allgemeine Zeitableitung ist, da sich der Beobachter auf der Fl¨ache mit der Geschwindigkeit uw bewegt, die nicht gleich der Geschwindigkeit eines materiellen Teilchens am selben Ort ist. Gleich sind nach (4.162a) nur die Normalkomponenten. Aus dF ∂F = + uw · ∇F = 0 dt ∂t

(4.167)

4.3 Anfangs- und Randbedingungen

153

Abbildung 4.29. Spannungsvektor an einer Trenn߬ ache

gewinnen wir durch Division mit |∇F | zun¨ achst eine bequeme Formel f¨ ur die Berechnung der Normalgeschwindigkeit eines K¨orpers: uw ·

∇F 1 ∂F = uw · n = − , |∇F | |∇F | ∂t

(4.168a)

f¨ ur die wir in Indexnotation auch ui(w) ni =

−∂F/∂t (∂F/∂xj ∂F/∂xj )1/2

(4.168b)

schreiben. Zu einer besonders pr¨ agnanten Form der kinematischen Randbedingung werden wir gef¨ uhrt, wenn wir (4.167) in (4.165) einsetzen: u · ∇F = −

∂F ∂t

(an F (x, t) = 0) .

(4.169)

Mit der Definition der substantiellen Ableitung (1.20) gilt dann ∂F DF + u · ∇F = =0 ∂t Dt

(an F (x, t) = 0) .

(4.170)

Die letzte Gleichung erlaubt die folgende Interpretation: Der Ortsvektor x eines Fl¨ ussigkeitsteilchens an der Oberfl¨ ache des K¨orpers erf¨ ullt f¨ ur alle Zeiten die Gleichung (4.163) der Oberfl¨ ache, d. h. das materielle Teilchen bleibt immer auf der Oberfl¨ ache. Diese Tatsache ist der Inhalt des Lagrangeschen Theorems: Die Oberfl¨ ache besteht immer aus denselben Fl¨ ussigkeitsteilchen!“ ” Diese zun¨ achst u ¨ berraschende Aussage ist die logische Konsequenz der Forderung, daß die Normalkomponenten der Oberfl¨ achengeschwindigkeit und der Fl¨ ussigkeitsgeschwindigkeit an der Oberfl¨ ache u ussen. ¨ bereinstimmen m¨ Die kinematische Randbedingung gilt auch an der freien Oberfl¨ache und an Trennfl¨ achen zweier Fl¨ ussigkeiten oder allgemeiner an materiellen Unstetigkeitsfl¨ achen. Da die Form einer freien Oberfl¨ache als Teil der L¨osung zun¨ achst unbekannt ist, sind Probleme mit freier Oberfl¨ache meist schwierig zu berechnen. Neben die kinematische Randbedingung tritt in diesen

154

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Problemen noch die dynamische Randbedingung, die die Kontinuit¨at des Spannungsvektors verlangt. Die Spannungsvektoren t(1) und t(2) am selben Punkt der Trennfl¨ ache mit den Normalen n(1) = n in der Fl¨ ussigkeit (1) und n(2) = −n in der Fl¨ ussigkeit (2) m¨ ussen (2.23) erf¨ ullen: t (n) = −t (−n) (1) (2)

(4.171)

Wegen n(1) = n = −n(2) gilt mit (2.29b) auch n · T(1) = n · T(2)

(an F (x, t) = 0) .

(4.172)

In reibungsfreier Fl¨ ussigkeit (T = −p I) erhalten wir aus (4.172) eine Bedingung f¨ ur den Druck an der Trennfl¨ ache: p(1) = p(2)

(an F (x, t) = 0) .

(4.173)

Da man in reibungsfreier Str¨ omung keine Randbedingung an die Tangentialkomponente der Geschwindigkeit stellen kann, ergibt sich im allgemeinen an einer Trennfl¨ ache ein Sprung in der Tangentialgeschwindigkeit. Man spricht von tangentialen Unstetigkeitsfl¨ achen“. Die schon besprochene Unstetig” keitsfl¨ ache hinter einem Tragfl¨ ugel ist von dieser Art.

4.4 Vereinfachung der Bewegungsgleichungen In diesem Kapitel haben wir bis jetzt die Gleichungen und Randbedingungen besprochen, mit denen die Str¨ omung einer Newtonschen Fl¨ ussigkeit ohne Einschr¨ ankungen und f¨ ur allgemeine Geometrien der Str¨omungsberandung im Prinzip berechnet werden k¨ onnen. Die Gleichungen (4.1), (4.2) und (2.3) stellen aus mathematischer Sicht ein System gekoppelter partieller Differentialgleichungen dar, dessen L¨ osung sich im allgemeinen als ein sehr schwieriges Problem erweist. Die Schwierigkeiten bei der Integration liegen zum einen darin begr¨ undet, daß diese Gleichungen im Gegensatz zu den meisten partiellen Differentialgleichungen der Physik nichtlinear sind. Daher kann man einmal gefundene L¨ osungen nicht u ¨berlagern“, um aus ihnen neue L¨osungen ” aufzubauen, wie dies bei linearen Gleichungen m¨oglich ist und wie wir es bereits am Beispiel der Poissonschen Gleichung gesehen haben. Zum anderen ist das System durch die Kopplung der Gleichungen und durch die hohen Ableitungen, die in den Reibungstermen auftreten, von hoher Ordnung. Es wird also bei einem vorliegendem Problem darauf ankommen, dieses so zu vereinfachen, daß eine L¨ osung m¨ oglich wird und gleichzeitig der wesentliche Kern des Problems erhalten bleibt. Dies ist bei allen technischen Str¨ omungsproblemen auch in mehr oder weniger großem Umfang m¨oglich. Wenn beispielsweise die Annahme inkompressibler und isothermer Str¨ omung n¨ aherungsweise gerechtfertigt ist, l¨aßt sich die Kopplung der

4.4 Vereinfachung der Bewegungsgleichungen

155

Navier-Stokesschen mit der Energiegleichung aufheben. F¨ ur diesen Fall (Gleichungssystem (4.9) und (2.5)) ist bereits eine Reihe von exakten L¨osungen bekannt, von denen einige grundlegende Bedeutung in den technischen Anwendungen haben. Exakte L¨ osungen ergeben sich entweder, wenn die nichtlinearen Glieder aus kinematischen Gr¨ unden identisch verschwinden, wie dies bei den Schichtenstr¨ omungen der Fall ist, oder weil aufgrund großer Symmetrien des Problems die unabh¨ angigen Ver¨ anderlichen immer in einer Kombination auftreten, die dann als neue unabh¨ angige Ver¨ anderliche die R¨ uckf¨ uhrung des Systems partieller Differentialgleichungen auf ein System gew¨ohnlicher DGln. ¨ gestattet (Ahnlichkeitsl¨ osungen). Die Zahl der exakten L¨osungen ist aber klein, und es ist auch nicht damit zu rechnen, daß zuk¨ unftige Erkenntnisse den Vorrat an exakten L¨ osungen wesentlich vergr¨oßern werden. Eine grunds¨ atzlich andere Situation wird bei den numerischen Verfahren sichtbar. Hier kann man erwarten, daß durch die schnell fortschreitende Entwicklung sehr leistungsf¨ ahiger (oft speziell auf str¨omungsmechanische Aufgabenstellungen zugeschnittener) Rechenanlagen Probleme auch ohne einschneidende Vereinfachungen in immer gr¨ oßer werdendem Umfang l¨osbar werden. Diese Entwicklung rechtfertigt auch die ausf¨ uhrliche Darstellung der allgemeinen Grundlagen in den vorangegangenen Kapiteln. Wir wollen nicht weiter auf numerische Verfahren eingehen, betonen aber, daß auch die numerische L¨ osung dieser Gleichungen ganz erhebliche Schwierigkeiten bereitet und keineswegs ein gel¨ ostes Problem“ darstellt, selbst dann ” nicht, wenn man die mit turbulenten Str¨ omungen verbundenen Komplikationen von der Betrachtung ausschließt. Auch wenn stabile Algorithmen f¨ ur numerische Berechnungen vorliegen, wird man im Interesse kosteng¨ unstiger und schneller Durchf¨ uhrung der Rechnungen alle Vereinfachungen, die das Problem zul¨ aßt, aussch¨ opfen m¨ ussen. Schließlich ist der Prozeß der Vereinfachung, der Abstraktion und der Konzentration auf den wesentlichen Aspekt eines Problems notwendige Vorarbeit zum Verst¨andnis jedes physikalischen Vorganges. In den folgenden Kapiteln werden wir daher Str¨omungen betrachten, die alle in gewisser Weise idealisiert bzw. spezialisiert sind, und wir besprechen nur den unter den gegebenen Umst¨ anden wichtigsten Aspekt der Str¨omung. Die Idealisierungen ergeben sich unter vereinfachenden Annahmen aus den Gleichungen (4.1), (4.2) und (2.3) f¨ ur Newtonsche Fl¨ ussigkeiten oder auch aus den allgemeineren Gleichungen (2.38), (2.119), (2.3) und den entsprechenden Materialgleichungen im Falle Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten. Die Theorien“ der Str¨ omungslehre bauen auf solchen vereinfachenden ” Annahmen auf. So f¨ uhrt die Vernachl¨ assigung der Reibung und der W¨armeleitung zur Theorie der reibungsfreien Str¨ omungen“, die durch die Euler” schen Gleichungen beschrieben werden (Abschnitt 4.2). Weitere Vereinfachungen f¨ achern diese Theorie in inkompressible und kompressible, reibungsfreie Str¨ omungen auf. Letztere k¨ onnen je nach dem Wert des Verh¨altnisses der typischen Str¨ omungsgeschwindigkeit U zur Schallgeschwindigkeit a in

156

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

¨ Unterschallstr¨ omungen, transsonische Str¨ omungen und Uberschallstr¨ omungen eingeteilt werden. Es ist zweckm¨aßig, m¨ ogliche Vereinfachungen in ein Ordnungsschema einzupassen, das sowohl die Klassifikation eines vorgelegten Problems erm¨oglicht als auch Hinweise f¨ ur zul¨ assige und dem Problem angepaßte Vereinfachungen liefert. Ein derartiges Ordnungsschema kann unter den Gesichtspunkten der Vereinfachungen a) im Materialgesetz b) in der Dynamik c) in der Kinematik erfolgen. In die Klasse a) sind die bereits besprochene Vernachl¨assigung der Reibung und der W¨armeleitung, aber auch die Annahmen der inkompressiblen Str¨ omung (die der besonderen Zustandsgleichung D/Dt = 0 gehorcht), der Barotropie und der Isentropie einzureihen. Zu b) geh¨ oren die Vereinfachungen, die sich aus der Annahme station¨arer Str¨ omung und den schon aufgef¨ uhrten Grenzf¨allen Re → ∞ oder Re → 0 ergeben. Dazu z¨ ahlen auch die Besonderheiten der Str¨omungen im subsonischen, transsonischen, supersonischen und hypersonischen Bereich. Unter c) ist beispielsweise die Wirbelfreiheit rot u = 0 einzuordnen. Erhebliche kinematische Vereinfachungen ergeben sich auch aus Symmetrieeigenschaften: Bei Rotationssymmetrie kann durch Verwendung eines Zylinderkoordinatensystems die Zahl der notwendigen Raumkoordinaten auf zwei (r = (x21 + x22 )1/2 , x3 ) reduziert werden, so daß es sich um ein zweidimensionales Problem handelt. Kugelsymmetrische Probleme sind eindimensional, da in einem Kugelkoordinatensystem eine Koordinate (r = (xj xj )1/2 ) als Ortsangabe gen¨ ugt. F¨ ur Anwendungen besonders wichtig sind Str¨omungen, die von einer Koordinate eines kartesischen Koordinatensystems unabh¨angig sind und deren Geschwindigkeitskomponente in diese Richtung verschwindet. Sie sind im obigen Sinne zweidimensionale, zus¨ atzlich aber ebene Str¨omungen. Bei entsprechender Wahl des Koordinatensystems werden in allen Ebenen x3 = const die gleichen Str¨ omungsgr¨ oßen angetroffen. Ebene Str¨omungen treten zwar in der Natur nie auf, sind aber oft gute N¨aherungen f¨ ur r¨aumliche Probleme. Zu c) geh¨ oren auch die vereinfachenden Annahmen der Stromfadentheorie, die auf eine eindimensionale Beschreibungsweise f¨ uhren, sowie die Theorie schlanker K¨orper , bei denen das Verh¨altnis typischer L¨angen (z. B. Dickenverh¨ altnis D/L eines umstr¨ omten K¨ orpers, Neigung α der Stromlinien) sehr klein ist. Es treten nat¨ urlich auch Kombinationen der verschiedenen Klassen des Ordnungsschemas auf: Mach-Zahl M = U/a > 1 charakterisiert beispiels¨ weise eine Uberschallstr¨ omung, D/L  1 einen schlanken K¨orper und ¨ M D/L  1 die lineare Uberschallstr¨ omung. Der Grenzwert α Re → 0

4.4 Vereinfachung der Bewegungsgleichungen

157

kennzeichnet die Vereinfachungen, die zur Theorie der hydrodynamischen Schmierung f¨ uhren. Die angegebenen Beispiele sind nat¨ urlich weder vollst¨andig noch ist die Einordnung in die drei Klassen eindeutig. So l¨aßt sich der Fall inkompressibler Str¨ omung unter der vereinfachenden Annahme der Zustandsgleichung D/Dt = 0 sowohl in a), wegen der durch div u = 0 gegebenen kinematischen Einschr¨ ankung aber auch unter c) einordnen. Die Inkompressibilit¨at l¨ aßt sich aber genauso unter b) einordnen, denn der Grenzfall U/a → 0 in station¨ arer Str¨ omung entspricht, wie wir noch sehen werden, dem Fall der inkompressiblen Str¨ omung. Viele der m¨ oglichen Vereinfachungen sind beim konkreten Problem in unmittelbar einleuchtender Weise zu rechtfertigen, andere, beispielsweise die Annahme reibungsfreier Fl¨ ussigkeit, bed¨ urfen sorgf¨altiger Pr¨ ufung. Neben der Idealisierung der Reibungsfreiheit ist die der Inkompressibilit¨at die einschneidendste Vereinfachung, denn selbst bei Str¨omungen tropfbarer Fl¨ ussigkeiten ist diese Annahme unter Umst¨ anden nicht zul¨assig, wie die in Zusammenhang mit Gleichung (2.5) erw¨ ahnten Beispiele zeigen. Auf Kriterien f¨ ur die Zul¨ assigkeit dieser Vereinfachung werden wir gef¨ uhrt, wenn wir zun¨achst aus der Zustandsgleichung p = p(, s) die Form   Dp D ∂p Ds = a2 + (4.174) Dt Dt ∂s Dt bilden, wobei wir als aus der Thermodynamik bekannt vorausgesetzt haben, daß die Zustandsgr¨ oße (∂p/∂)s gleich dem Quadrat der Schallgeschwindigkeit a ist:   ∂p = a2 . (4.175) ∂ s Wir bringen (4.174) durch Multiplikation mit der typischen Konvektionszeit L/U und Division mit  in die dimensionslose Form   1 L D L 1 Dp L 1 ∂p Ds = − (4.176) 2 2  U Dt U  a Dt U a ∂s Dt ¨ und erkennen, daß die relative Anderung der Dichte eines Fl¨ ussigkeitsteilchens vernachl¨ assigbar ist, wenn die rechte Seite verschwindet, wobei im allgemeinen (wenn sich die beiden Terme nicht zuf¨allig aufheben) jeder Term der rechten Seite f¨ ur sich verschwinden muß. Zun¨achst bemerken wir, daß im Fall starker Fremderw¨ armung, wenn also der Fl¨ ussigkeit W¨arme von außen zugef¨ uhrt wird, die irreversible Entropieproduktion nach (2.137) zur¨ ucktritt, und die Entropie¨ anderung im wesentlichen schon durch (2.138) gegeben ist. Bei starker Fremderw¨ armung ist dieser Term allein so groß, daß die relative Dichte¨ anderung nicht vernachl¨ assigt werden kann.

158

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

Bei Eigenerw¨armung ist aber die irreversible Entropieproduktion (2.137) maßgebend, und wir sch¨ atzen den letzten Term unter der Annahme kalorisch idealen Gases ab, wof¨ ur nach einfacher Rechnung der Zusammenhang   ∂p R = T (4.177) ∂s cv folgt. Bei Gasen ist die dimensionslose Kennzahl Pr =

cp η λ

(4.178)

(Prandtl-Zahl ) ungef¨ ahr gleich eins. F¨ ur P r ≈ 1 sind die Glieder Φ/T und T −2 qi ∂T /∂xi in (2.137) von gleicher Gr¨ oßenordnung, und es gen¨ ugt, den Term Φ/T zu betrachten. (F¨ ur tropfbare Fl¨ ussigkeiten ist in der Regel P r 1 , und der zweite Term auf der rechten Seite von (2.137) ist entsprechend klein im Vergleich zum ersten.) Mit (4.177) entsteht so die Gleichung   L 1 ∂p Ds L R Φ = . (4.179) 2 U a ∂s Dt U cv  a 2 Ist L die maßgebliche L¨ ange, so gewinnen wir mit O(Φ) = O(η U 2 /L2 ) die Absch¨ atzung L R Φ L ν U2 M2 ∼ ∼ , U cv  a 2 U L 2 a2 Re

(4.180)

wobei M die mit der typischen Str¨ omungsgeschwindigkeit und der Schallgeschwindigkeit gebildete Machsche Zahl M = U/a ist. In den meisten realen Str¨ omungen ist M 2 /Re sehr klein, und der letzte Term kann aus den weiteren Betrachtungen entfallen. (Wenn die typische L¨ange in der Dissipationsfunktion Φ die Grenzschichtdicke δ ist, so ist der fragliche Term in dieser Gleichung von der Ordnung M 2 , wie sp¨ ater im Kapitel 12 gezeigt wird.) Da Dp/Dt die Druck¨ anderung ist, die das materielle Teilchen erf¨ahrt, kann der verbleibende Term auf der rechten Seite im allgemeinen nur verschwinden, wenn a2 in geeignetem Maße sehr groß wird. F¨ ur die qualitative Absch¨atzung dieses Terms wollen wir die Reibung nicht ber¨ ucksichtigen, setzen dann gleich Rotationsfreiheit voraus und berechnen den Term −1 Dp/Dt = DP/Dt aus der Bernoullischen Gleichung in der Form (4.75). Es entsteht zun¨achst der Term Dψ/Dt , den wir f¨ ur den wichtigsten Fall der Massenkraft der Schwere ¨ absch¨ atzen. Die Anderung, die ein materielles Teilchen in der Gr¨oße ψ = −gi xi erf¨ ahrt, wird nur durch die Konvektion des Teilchens verursacht, da das ¨ Schwerefeld zeitunabh¨ angig ist. Daher ist die typische Zeit der Anderung die Konvektionszeit L/U , und wir werden unter Ber¨ ucksichtigung des Vorfaktors L/U in Gleichung (4.176) auf die Gr¨ oßenordnungsgleichung L 1 Dψ L U gL gL ∼ = 2 2 2 U a Dt U L a a

(4.181)

4.4 Vereinfachung der Bewegungsgleichungen

159

gef¨ uhrt. Eine notwendige Bedingung f¨ ur das Verschwinden dieses Beitrags zum ersten Term auf der rechten Seite ist also gL 1, a2

(4.182)

wobei diese Bedingung erf¨ ullt ist, wenn die typische L¨ange L im Problem sehr viel kleiner als a2 /g ist. F¨ ur Luft unter Normalbedingungen ist a2 /g = 11500 m , und (4.182) ist f¨ ur alle Str¨omungen in den technischen Anwendungen erf¨ ullt, nicht aber f¨ ur Probleme, wie sie in der Meteorologie auftreten k¨ onnen! Der n¨ achste Beitrag zu −1 Dp/Dt aus der Bernoullischen Gleichung ist der Term  2 1 D ∂Φ∗ 1 Du2 = . 2 Dt ∂xi 2 Dt ¨ In station¨ arer Str¨ omung ist die typische Zeit der Anderung weiterhin die Konvektionszeit L/U , so daß wir den Beitrag dieses Gliedes zum ersten Term auf der rechten Seite von (4.176) der Gr¨ oßenordnung nach zu L 1 1 D(u2 ) L 1 U 2 U2 ∼ U = 2 U a2 2 Dt U a2 L a

(4.183)

absch¨ atzen. Daraus folgt die zweite notwendige Bedingung f¨ ur die Vernachl¨ assigung der Kompressibilit¨ at U2 = M2  1 . a2

(4.184)

In instation¨ arer Str¨ omung tritt neben die Konvektionszeit L/U im allgemei¨ nen noch eine weitere typische Zeit als Maßstabsfaktor der zeitlichen Anderung, z. B. f −1 , wenn f die typische Frequenz der Bewegung ist. Die Einschr¨ ankungen, die sich daraus ergeben, werden durch den dritten Beitrag zu −1 Dp/Dt aus der Bernoullischen Gleichung, also D(∂Φ∗ /∂t)/Dt, erfaßt. Φ∗ ist wegen   ∗ ∗ Φ = ∇Φ · dx = u · dx (4.185) von der Gr¨ oßenordnung U L , und wenn die maßgebliche Zeit die Konvektionszeit L/U ist, so ergibt sich durch die Absch¨atzung L 1 D(∂Φ∗ /∂t) L U2 U L U2 ∼ = U a2 Dt U L 2 a2 a2

(4.186)

dieselbe Einschr¨ankung wie durch (4.184). Wenn die maßgebliche Zeit aber f −1 ist, so erhalten wir mit L 1 D(∂Φ∗ /∂t) L 2UL L2 f 2 ∼ f = U a2 Dt U a2 a2

(4.187)

160

4 Bewegungsgleichungen f¨ ur spezielle Materialgesetze

eine dritte notwendige Bedingung: L2 f 2 1. a2

(4.188)

Im allgemeinen sind alle drei notwendigen Bedingungen zu erf¨ ullen, wenn die Annahme der inkompressiblen Str¨ omung gerechtfertigt sein soll. Am wichtigsten ist die Bedingung (4.184), die in station¨arer Str¨omung bei technischen Anwendungen auch hinreichend ist. Danach muß die Mach-Zahl der Str¨ omung gen¨ ugend klein sein, um Kompressibilit¨atseffekte vernachl¨assigen zu k¨ onnen. Wir weisen darauf hin, daß die Bedingung (4.188) in der Akustik nicht erf¨ ullt ist. Bei Schallschwingungen ist die typische L¨ange L gleich der Wellenl¨ ange λ, und es gilt λf =1. a Die Akustik geh¨ort also in das Gebiet der kompressiblen Str¨omung.

(4.189)

5 Hydrostatik

5.1 Hydrostatische Druckverteilung Die Hydrostatik ist die Lehre vom Verhalten der ruhenden Fl¨ ussigkeit. Ruhe ist die sch¨ arfste kinematische Einschr¨ ankung und der einfachste Sonderfall des allgemeinen Str¨ omungsproblems. Wir k¨ onnen die Gesetze der Hydrostatik aus den Bilanzs¨ atzen erhalten, wenn wir dort u ≡ 0

(5.1)

setzen. Aus der Bilanz der Masse folgt dann unmittelbar ∂ =0, ∂t

(5.2)

d. h. die Dichte muß zeitlich konstant sein, was durch die Integralform (2.7) besonders anschaulich gemacht wird. Anstatt die Bilanzs¨atze zu benutzen, k¨onnen wir auch gleich auf die Ersten Integrale des Kapitels 4 zur¨ uckgreifen. Auf triviale Weise ist in der Hydrostatik das Geschwindigkeitsfeld rotationsfrei, so daß die Bernoullische Konstante u ¨berall im Feld denselben Wert besitzt, und wir entnehmen (4.79) bereits die grundlegende, allgemeine Beziehung zwischen Druckfunktion und Potential der Massenkraft f¨ ur ein rotierendes Bezugssystem, in dem die Fl¨ ussigkeit in Ruhe ist: ψ+P −

1  (Ω × x)2 = C . 2

(5.3)

Diese Beziehung kann leicht f¨ ur den Fall verallgemeinert werden, daß sich der Ursprung des Bezugssystems mit der Beschleunigung a bewegt. Dazu denkt man sich das Potential a · x der Massenkraft −a (Scheinkraft, die wegen rota = 0 ein Potential hat) zu ψ addiert. Wir betonen, daß (5.3) nur unter den Voraussetzungen gilt, die auch zu (4.79) gef¨ uhrt haben: Die gesamte Massenkraft hat ein Potential, und der Druck p ist eine eindeutige Funktion der Dichte p = p() (Barotropie). Dies bedeutet, daß Linien gleichen Druckes auch Linien konstanter Dichte sind, oder anders ausgedr¨ uckt, daß Druck- und Dichtegradient parallel sind. Als Folge der thermischen Zustandsgleichung (z. B. p =  R T f¨ ur thermisch ideales Gas) sind Linien gleichen Druckes dann

162

5 Hydrostatik

auch Linien gleicher Temperatur. Nur unter diesen Bedingungen kann hydrostatisches Gleichgewicht herrschen. Sind diese Bedingungen nicht erf¨ ullt, so muß sich die Fl¨ ussigkeit zwangsl¨ aufig in Bewegung setzen. Wir gewinnen diese wichtige Aussage auch aus der (5.3) entsprechenden Differentialform, die aus der Cauchyschen Gleichung (2.38) zusammen mit dem kugelsymmetrischen Spannungszustand (2.33) oder gleich aus den Navier-Stokesschen bzw. Eulerschen Gleichungen (4.1) bzw. (4.40) hervorgeht, wenn wir dort u ≡ 0 setzen: ∇p =  k .

(5.4)

Wenn man die Rotation dieser als hydrostatische Grundgleichung bezeichneten Beziehung bildet, also den Operator ∇× auf (5.4) anwendet, so verschwindet die linke Seite, und wir werden auf die Bedingung ∇ × ( k) = ∇ × k +  ∇ × k = 0

(5.5)

gef¨ uhrt, die (wie wir im Zusammenhang mit (2.42) bemerkt haben) notwendig und hinreichend f¨ ur die Existenz eines Potentials Ω der Volumenkraft (f =   k = −∇Ω) ist. Offensichtlich ist (5.5) erf¨ ullt, wenn die Massenkraft k ein Potential besitzt (k = −∇ ψ) und wenn ∇ parallel zu k (oder null) ist. Wegen (5.4) ist ∇ dann parallel zu ∇p , und wir gelangen wieder zu obiger Aussage. Ein Beispiel f¨ ur diesen Sachverhalt ist die nat¨ urliche Konvektionsstr¨omung an einem Heizk¨ orper. Durch W¨ armekonduktion wird die Luft in der N¨ahe der senkrechten Heizfl¨ ache erw¨ armt. Temperatur- und Dichtegradient stehen dann senkrecht auf der Heizfl¨ ache und damit senkrecht zum Vektor der Schwerkraft. Die hydrostatische Gleichgewichtsbedingung ist damit verletzt, die Luft muß sich zwangsl¨ aufig in Bewegung setzen. (Die Bewegung der Luft bewirkt eine Verbesserung des W¨ arme¨ ubergangs, die es u ¨ berhaupt erst gestattet, R¨ aume auf diese Weise zu beheizen.) Bei der Anwendung der Gleichung (5.3) zur Berechnung der Druckverteilung in der Atmosph¨ are beachten wir, daß die Zentrifugalkraft bereits in der Erdbeschleunigung enthalten ist (vgl. Abschnitt 2.4), und w¨ahlen ein kartesisches Koordinatensystem (vernachl¨ assigen also die Erdkr¨ ummung), dessen x3 -Achse von der Erdoberfl¨ ache weg gerichtet ist. Wir werden die kartesischen Koordinaten xi (i = 1, 2, 3) auch oft mit x, y und z bezeichnen, so daß das Potential der Schwerkraft ψ = g z lautet. Gleichung (5.3) lautet dann 1 z2 − z1 = − g

p2

dp . 

(5.6)

p1

Betrachten wir den Fall, bei dem die Barotropie die Folge homogener Temperaturverteilung ist, so gilt f¨ ur thermisch ideale Gase

5.1 Hydrostatische Druckverteilung

RT z2 − z1 = g

p1 p2

bzw.



dp RT p1 = ln , p g p2

1 p2 = p1 exp − hg RT

163

(5.7)

 ,

(5.8)

wobei wir die H¨ ohendifferenz z2 − z1 mit h bezeichnet haben. Gleichung (5.8) ist als barometrische H¨ohenformel bekannt. Ist die Barotropie Folge der Homentropie (4.49), so lautet wegen  γ p1 1 = (5.9) p  die (5.7) entsprechende Formel γ−1 R T1 −( γ ) z2 − z1 = p1 g

p1

p−1/γ dp

(5.10)

p2

oder

⎧ ⎫  ( γ−1 ) ⎬ γ γ R T1 ⎨ p2 z2 − z1 = 1− , ⎭ γ−1 g ⎩ p1

(5.11)

wobei wir in einem Zwischenschritt von der thermischen Zustandsgleichung Gebrauch gemacht haben. Mit 

p2 p1

( γ−1 ) γ

=

T2 T1

(5.12)

k¨onnen wir (5.11) auch in Abh¨ angigkeit der Temperatur ausdr¨ ucken: z2 − z1 = −

γ R (T2 − T1 ) . γ−1 g

(5.13)

Nicht alle Dichteschichtungen, die statisch m¨oglich sind, sind auch stabil. Eine notwendige Bedingung f¨ ur die Stabilit¨ at ist eine mit zunehmender H¨ohe abnehmende Dichte. Diese Bedingung ist aber nicht hinreichend. Vielmehr muß die Dichte wenigstens so stark wie in der homentropen Dichteschichtung abnehmen. Diese ist gerade eine neutrale Schichtung: Wird n¨amlich durch eine St¨ orung eine Luftmenge angehoben (Reibung und W¨armeleitung seien vernachl¨ assigbar), so dehnt sich diese Luft dem neuen Druck entsprechend aus, ihre Dichte verringert sich bei konstanter Entropie gerade so, daß Dichte und Temperatur dem neuen Umgebungsdruck entsprechen. Wenn die Dichte

164

5 Hydrostatik

Abbildung 5.1. Kommunizierende R¨ ohren

in der neuen Lage niedriger ist, dann steigt die Luftmenge weiter hoch, die Schichtung ist instabil. Ist hingegen die Dichte h¨oher, so sinkt die Luftmenge wieder nach unten, die Schichtung ist stabil. Nach (5.13) berechnen wir den Temperaturgradienten der neutralen Schichtung zu dT γ−1 g =− = −9, 95 ∗ 10−3 K/m dz γ R

(5.14)

(f¨ ur Luft mit R ≈ 287 J/(kg K) , γ ≈ 1, 4), d. h. die Temperatur f¨allt um etwa 1 K pro 100 m. Die Schichtung ist instabil, wenn die Temperatur st¨arker abnimmt, sie ist stabil, wenn die Temperatur schw¨acher abnimmt. Steigt die Temperatur mit wachsender H¨ ohe, was z. B. vorkommt, wenn sich w¨armere Luftmassen u altere Bodenluft schieben, so spricht man von Inversion. ¨ ber k¨ Sie stellt eine besonders stabile Luftschichtung dar und hat zur Folge, daß schadstoffreiche Luft in Bodenn¨ ahe verbleibt. Wir beschr¨anken uns im folgenden auf homogene Dichtefelder und insbesondere auf tropfbare Fl¨ ussigkeiten. In dem Koordinatensystem der Abb. 4.2 kommt die Bernoullische Gleichung in der Form (4.81) zum Tragen, der wir f¨ ur w = 0 die hydrostatische Druckverteilung in einer Fl¨ ussigkeit homogener Dichte zu p 1 + g z − Ω 2 r2 = C  2

(5.15)

entnehmen. Im Inertialsystem (Ω = 0) lautet also die Druckverteilung p = p0 −  g z ,

(5.16)

wobei p0 der Druck in der H¨ ohe z = 0 ist. Wir erkennen, daß der Druck mit wachsender Tiefe (z < 0) linear zunimmt. An Stellen gleicher H¨ohe ist der

5.1 Hydrostatische Druckverteilung

165

Abbildung 5.2. Zum Pascalschen Paradoxon

Druck konstant. Daraus folgt das Gesetz der kommunizierenden R¨ohren: In kommunizierenden R¨ ohren (Abb. 5.1) steht der Fl¨ ussigkeitsspiegel u ¨berall gleich hoch, weil der Druck u ussigkeitsspiegel u ¨ber dem Fl¨ ¨ berall gleich dem Umgebungsdruck p0 ist. Eine weitere Folge ist das Pascalsche Paradoxon. Der Druck auf die B¨ oden der in Abb. 5.2 dargestellten Beh¨alter ist gleich. Sind die Bodenfl¨ achen der Gef¨ aße gleich groß, so sind es auch die Kr¨afte, v¨ollig unabh¨ angig vom Gesamtgewicht der Fl¨ ussigkeit in den Gef¨aßen. Mit Gleichung (5.16) l¨ aßt sich auch die Wirkungsweise der oft verwendeten U-Rohr-Manometer erl¨ autern (Abb. 5.3). Man ermittelt den gesuchten Druck pB im Beh¨ alter, indem man zun¨ achst von p0 ausgehend den Zwischendruck pZ in der Manometerfl¨ ussigkeit in der Tiefe ∆h zu pZ = p0 + M g ∆h

(5.17)

bestimmt. Damit ist zugleich der Druck unmittelbar unter der linken Spiegelfl¨ ache bekannt, denn in derselben Fl¨ ussigkeit ist der Druck auf gleicher H¨ohe derselbe. Von hier ab nimmt der Druck in der Beh¨alterfl¨ ussigkeit bis auf den gesuchten Druck pB ab, also p B = p Z − B g H ,

(5.18)

so daß mit (5.17) der gesuchte Druck aus den L¨angen ∆h und H zu   B H pB = p0 + M g ∆h 1 − (5.19) M ∆h bestimmt werden kann. Oft ist die Dichte der Manometerfl¨ ussigkeit M (z. B. Quecksilber) viel gr¨ oßer als die Dichte der Beh¨ alterfl¨ ussigkeit B (z. B. Luft). Wenn dann H nicht sehr viel gr¨ oßer als ∆h ist, vernachl¨assigt man den zweiten Term in der Klammer von (5.19) und liest die Druckdifferenz pB − p0 direkt aus dem Manometerausschlag ∆h ab: pB − p0 = M g ∆h .

(5.20)

Dies macht auch einsichtig, warum als Druckeinheiten oft Millimeter Wassers¨ aule (1 mm WS = 9, 81 Pa = 9, 81 N/m2) oder Millimeter Quecksilbers¨ aule (1 mm QS = 1 Torr = 133, 3 Pa) verwendet werden.

166

5 Hydrostatik

Abbildung 5.3. U-Rohr-Manometer

Abbildung 5.4. Freie Oberfl¨ ache im rotierenden Beh¨ alter

Wir betrachten nun die Druckverteilung bez¨ uglich eines um die z-Achse rotierenden Bezugssystems (z. B. im Beh¨ alter der Abb. 5.4, der um die zAchse rotiert, aber nicht rotationssymmetrisch sein muß). (5.15) zeigt, daß der Druck bei konstantem Abstand von der Drehachse mit wachsender Tiefe linear und bei konstanter H¨ ohe mit wachsendem Radius r quadratisch zunimmt. Wir verf¨ ugen u ber die Integrationskonstante in (5.15), indem wir ¨ den Druck p an der Stelle z = 0, r = 0 mit p0 bezeichnen und schreiben dann p = p0 −  g z +

1  Ω 2 r2 . 2

(5.21)

Die Fl¨ achen gleichen Druckes (p = C) sind Rotationsparaboloide: z=

1 1 (p0 − C +  Ω 2 r2 ) , g 2

(5.22)

5.2 Hydrostatischer Auftrieb, Kraft auf W¨ ande

167

und da freie Oberfl¨ achen immer Fl¨ achen gleichen Druckes sind, bildet die Oberfl¨ ache ebenfalls einen Rotationsparaboloiden (C = p0 ): z=

1 2 2 Ω r . 2g

(5.23)

5.2 Hydrostatischer Auftrieb, Kraft auf W¨ ande Bei tropfbaren Fl¨ ussigkeiten, insbesondere bei Wasser, ist die Dichte so hoch, daß die von der hydrostatischen Druckverteilung hervorgerufenen Belastungen von Beh¨ alterw¨ anden, Staumauern u. ¨ a. wichtig werden. Die Kraft auf eine Fl¨ ache S l¨ aßt sich mit Kenntnis der Druckverteilung an der Fl¨ache (z. B. nach Gleichung (5.15)) aus   F =− p n dS (5.24) (S)

(notfalls numerisch) berechnen, indem man an den Punkten der Fl¨ache Normalenvektor und Druck feststellt und die Vektoren p n dS aufaddiert, bis die gesamte Fl¨ ache S ausgesch¨ opft ist. Mit Hilfe des Gaußschen Satzes l¨aßt sich aber die Bestimmung von Kr¨ aften an Fl¨ achen (insbesondere an gekr¨ ummten Fl¨ achen) auf die Berechnung des hydrostatischen Auftriebs zur¨ uckf¨ uhren, der bekanntlich durch das Archimedessche Prinzip gegeben ist: Ein K¨ orper erf¨ ahrt in einer Fl¨ ussigkeit eine scheinbare Gewichtsver” minderung (Auftrieb), die dem Gewicht der verdr¨angten Fl¨ ussigkeit entspricht.“ Dieser wichtige Satz l¨ aßt sich unmittelbar aus dem Gaußschen Satz und der hydrostatischen Grundgleichung (5.4) folgern: Der K¨orper sei ganz eingetaucht, S ist dann eine geschlossene Fl¨ ache, und die gesamte hydrostatische Kraft ist durch (5.24) gegeben. Anstatt das Oberfl¨achenintegral direkt auszurechnen, formen wir es mit dem Gaußschen Satz in ein Volumenintegral um. Man denkt sich den eingetauchten K¨ orper nun durch Fl¨ ussigkeit ersetzt, die nat¨ urlich im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung ist. Den im Volumenintegral stehenden Druckgradienten ersetzen wir daher nach (5.4) durch die Volumenkraft der Schwere und erhalten      F = − p n dS = − ∇p dV = −  g dV = − g V . (5.25) (S)

(V )

(V )

Der Term ganz rechts ist gerade das Gewicht der verdr¨angten Fl¨ ussigkeit. Das negative Vorzeichen zeigt an, daß diese Kraft der Gewichtskraft entgegengerichtet, also eine Auftriebskraft ist. Da die Gewichtskraft am Schwerpunkt angreift, greift auch der hydrostatische Auftrieb am Schwerpunkt der verdr¨ angten Fl¨ ussigkeit an.

168

5 Hydrostatik

Abbildung 5.5. Zur Kraft auf eine ebene Fl¨ ache

Ist nun die Fl¨ache S, an der die Kraft zu berechnen ist, nicht die Gesamtoberfl¨ ache eines K¨ orpers, so kann sie durch andere, zun¨achst frei w¨ahlbare Fl¨achen zur Oberfl¨ ache eines Ersatzk¨orpers erg¨anzt werden. Aus der Kenntnis des Auftriebs dieses Ersatzk¨ orpers und der Kr¨afte auf die Erg¨anzungsfl¨ achen l¨ aßt sich dann die gesuchte Kraft auf die Fl¨ache S berechnen. Als Erg¨ anzungsfl¨ achen im beschriebenen Sinne w¨ahlen wir ebene Fl¨achen und stellen deshalb die Berechnung der Kr¨ afte auf ebene Fl¨achen dem allgemeinen Problem voran. Wir betrachten dazu eine beliebig berandete und beliebig orientierte, aber ebene Fl¨ ache A , die vollst¨ andig benetzt ist (Abb. 5.5). Wir w¨ahlen ein im Fl¨ achenschwerpunkt angeheftetes Koordinatensystem x , y  , z  , dessen z  Achse normal zur Fl¨ ache steht, dessen in der Fl¨ache liegende y  -Achse parallel zur freien Oberfl¨ ache (also senkrecht zur Massenkraft) verl¨auft, und dessen x Achse so gew¨ ahlt ist, daß x , y  und z  ein rechtsh¨andiges Koordinatensystem bilden. In diesem gestrichenen Koordinatensystem lautet das Potential der Massenkraft der Schwere: ψ = −g · x = −(gx x + gz z  ) ,

(5.26)

da g ja keine Komponente in y  -Richtung hat. Wie vorher gewinnen wir die hydrostatische Druckverteilung aus der Bernoullischen Gleichung, indem wir die Geschwindigkeit zu null setzen. Ausgehend von (4.57) erhalten wir somit f¨ ur inkompressible Fl¨ ussigkeit p+ ψ = C

(5.27)

oder p −  (gx x + gz z  ) = ps ,

(5.28)

wobei ps der Druck im Fl¨ achenschwerpunkt (x = y  = z  = 0) ist, der sich aus (5.16) zu ps = p 0 +  g hs

(5.29)

5.2 Hydrostatischer Auftrieb, Kraft auf W¨ ande

169

ergibt. F¨ ur den Druck an der Fl¨ ache A (z  = 0) erhalten wir mit der Komponente von g in die x -Richtung (gx = −g sin ϕ) schließlich p = ps −  g sin ϕ x

(5.30)

und damit f¨ ur die Kraft auf die Fl¨ ache   F = − p n dS = −n (ps −  g sin ϕ x ) dA (S)

(5.31)

(A)

oder 



F = −n ps A −  g sin ϕ

 x dA .

(5.32)

(A)

Da der Koordinatenursprung im Fl¨ achenschwerpunkt (xs = ys = 0) liegt und die Schwerpunktskoordinaten definitionsgem¨ aß den Gleichungen  A xs = (5.33) x dA , (A)

A ys



y  dA

=

(5.34)

(A)

gen¨ ugen, verschwindet das Integral in (5.32), und es ergibt sich f¨ ur die Kraft F = −n ps A .

(5.35)

In Worten: Der Betrag der Kraft auf eine ebene Fl¨ ache ist das Produkt aus dem ” Druck im Fl¨achenschwerpunkt und der Fl¨ ache.“ Wir berechnen noch das Moment der Druckverteilung bez¨ uglich eines beliebigen Punktes P (xp = xp ex  + yp ey  ) auf der Fl¨ache A:  p = − M

(x − xp ) × n p dA .

(5.36)

(A)

Durch Auswerten des Kreuzproduktes erh¨ alt man wegen n = ez   p = M (A)

   (x − xp ) ey  − (y  − yp ) ex  p(x ) dA .

(5.37)

170

5 Hydrostatik

Einsetzen der Druckverteilung nach (5.30) liefert unter Ber¨ ucksichtigung der Schwerpunktsdefinitionen (5.33), (5.34) und xs = ys = 0 die Gleichung        Mp =  g sin ϕ x y dA + yp ps A ex  (A)





−  g sin ϕ

 2

x dA +

xp

ps A ey  .

(5.38)

(A)

Die in (5.38) auftretenden Fl¨ achenmomente zweiter Ordnung sind zum einen das Fl¨ achentr¨ agheitsmoment bez¨ uglich der y  -Achse  Iy =

x2 dA

(5.39)

(A)

und zum anderen das gemischte Fl¨ achentr¨ agheitsmoment  I

x y 

=

x y  dA .

(5.40)

(A)

Sie entsprechen den aus der technischen Biege- und Torsionstheorie bekannten Gr¨ oßen Fl¨ achentr¨ agheitsmoment und Deviationsmoment. Mit diesen Definitionen schreiben wir (5.38) auch als  p = ( g sin ϕ Ix y + yp ps A) ex  − ( g sin ϕ Iy + xp ps A) ey  . M

(5.41)

 p verschwindet bez¨ Das Moment M uglich eines speziellen Punktes, den wir Druckpunkt nennen (Abb. 5.6), der als gedachter Angriffspunkt der Kraft F zu deuten ist. Seine Koordinaten xd erhalten wir durch Nullsetzen des Momentes zu xd = −

 g sin ϕ Iy ps A

(5.42a)

 g sin ϕ Ix y . ps A

(5.42b)

und yd = −

Um nun die Kraft auf eine allgemein gekr¨ ummte Fl¨ache S zu berechnen, erg¨ anzen wir S zu einer geschlossenen Oberfl¨ ache, indem wir von jedem Punkt des Randes C von S das Lot auf die Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache f¨allen (Abb. 5.7). Wir benutzen nun das Ergebnis (5.25); dort entspricht S der gesamten Oberfl¨ ache, die sich hier zusammensetzt aus der allgemein gekr¨ ummten Fl¨ache S und den Erg¨ anzungsfl¨ achen M und Az . M ist die durch die Lote erzeugte

5.2 Hydrostatischer Auftrieb, Kraft auf W¨ ande

171

Abbildung 5.6. Schwerpunkt und Druckpunkt

Mantelfl¨ ache und Az die Abschlußfl¨ ache des Ersatzvolumens auf der Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache. Dann folgt aus (5.25)  −

 p n dS = −

(S+M+Az )





p n dS −

(S)

p n dA − (Az )

p n dS = − g V . (M)

(5.43) Aus (5.43) gewinnen wir die Komponente der Kraft auf S in die positive z-Richtung zu    Fz = − p n · ez dS = p n·ez dA+ p n · ez dS− g ·ez V . (5.44) (S)

(Az )

(M)

Auf Az ist n = ez und p = p0 ; auf M ist n · ez = 0 , da n senkrecht auf ez steht. Ferner ist −g · ez = g , und wir werden daher unmittelbar auf die Komponente der Kraft in z- Richtung gef¨ uhrt: Fz = p0 Az +  g V .

(5.45)

F¨ ur die Komponente der Kraft in die x-Richtung erhalten wir   p n · ex dS = −sgn (n · ex ) p dA , Fx = − (S)

(5.46)

(Ax )

ache S in x-Richtung ist und die Signumfunktion wobei Ax der Bildwurf der Fl¨ das Vorzeichen regelt. (Wechselt das Vorzeichen von ex · n auf der Fl¨ache, so ist diese l¨ angs ex · n = 0 aufzuteilen.) Die Aufgabe, die Kraft auf eine ebene Fl¨ ache zu berechnen, ist aber bereits durch die Gleichungen (5.35) und (5.42) erledigt. F¨ ur die Komponente der Kraft in die y-Richtung folgt ganz analog   Fy = − p n · ey dS = −sgn (n · ey ) p dA . (5.47) (S)

(Ay )

172

5 Hydrostatik

Abbildung 5.7. Zur Kraft auf gekr¨ ummte Fl¨ achen

Bez¨ uglich des Momentengleichgewichts am Ersatzk¨orper treten die Kraftkomponenten Fx und Fy nicht in Erscheinung, da sie sich im Gleichgewicht mit den entsprechenden Kraftkomponenten an der Mantelfl¨ache M befinden. Das Gewicht  g V , die Kraft p0 Az und Fz liegen in einer vertikalen Ebene, da sie f¨ ur sich im Gleichgewicht stehen. Die Wirkungslinien des Auftriebs (durch den Schwerpunkt der verdr¨ angten Fl¨ ussigkeit) und der Kraft p0 Az (durch den Fl¨ achenschwerpunkt von Az ) legen diese Ebene fest. Aus einem Momentengleichgewicht, beispielsweise um den Schwerpunkt, ergibt sich die Wirkungslinie von Fz . Die Wirkungslinien der beiden Horizontalkomponenten Fx und Fy sind mit den entsprechenden Bildw¨ urfen Ax und Ay aus (5.42) zu berechnen. Die drei Wirkungslinien schneiden sich im allgemeinen nicht in einem Raumpunkt.

5.3 Freie Oberfl¨ achen Tropfbare Fl¨ ussigkeiten bilden eine freie Oberfl¨ache. Freie Oberfl¨achen zeigen das Ph¨ anomen der Oberfl¨ achen- oder Kapillarspannungen. Diese Kapillarspannungen k¨ onnen unter noch zu erl¨ auternden Umst¨anden auch in technischen Problemen wichtig werden. Aus mikroskopischer Sicht beruht dieses Ph¨anomen darauf, daß Molek¨ ule an der freien Oberfl¨ ache oder an einer Trennfl¨ache zwischen zwei verschiedenen Fl¨ ussigkeiten anderen Verh¨ altnissen unterliegen als Molek¨ ule im Innern einer Fl¨ ussigkeit. Die Kr¨ afte zwischen den Molek¨ ulen sind bei den in Frage kommenden mittleren Abst¨ anden (vgl. Abschnitt 1.1) anziehende (unter Umst¨ anden aber auch abstoßende) Kr¨ afte. Ein Molek¨ ul im Inneren der

5.3 Freie Ober߬ achen

173

Abbildung 5.8. Zur Erl¨ auterung der Kapillarspannung

Fl¨ ussigkeit erf¨ ahrt nach allen Seiten die gleiche Anziehung von seinen Nachbarmolek¨ ulen. An der freien Oberfl¨ ache wird es von seinen Nachbarn der gleichen Art ins Innere gezogen, weil die Anziehungskr¨afte auf der freien Seite fehlen oder jedenfalls anders sind. Daher befinden sich auf der freien Oberfl¨ache nur gerade soviel Molek¨ ule, wie zur Bildung der Oberfl¨ache absolut n¨otig sind. Die Oberfl¨ ache hat also das Bestreben, sich zu verkleinern. Makroskopisch ¨ außert sich das wie die Spannung in einer gespannten Haut. Die Kapillarkraft an einem Linienelement ist ∆F = σ ∆l ,

(5.48)

wobei σ der Spannungsvektor der Kapillarspannung ist, der durch ∆F dF = ∆l→0 ∆l dl

σ = lim

(5.49)

definiert ist. Im allgemeinen hat der in der Oberfl¨ache liegende Spannungsvektor eine Komponente normal zum Linienelement und eine Komponente tangential dazu (Abb. 5.8). Wenn die Fl¨ ussigkeitsteilchen, die die freie Oberfl¨ ache bilden, in Ruhe sind, verschwindet die Tangentialkomponente, und es gilt σ = C m  ,

(5.50)

wobei m  der in der freien Oberfl¨ ache liegende Normalenvektor zum Linienelement dl ist. Der von m  unabh¨ angige Betrag des Kapillarspannungsvektors, die Kapillarkonstante C ist eine von der Paarung Fl¨ ussigkeit-Gas oder im Falle der Trennfl¨ ache von der Paarung Fl¨ ussigkeit-Fl¨ ussigkeit abh¨angige Gr¨oße. Die bekannteste Manifestation der Kapillarspannungen ist die Kugelform kleiner Tropfen. Denkt man sich die Oberfl¨ ache des Tropfens als H¨ ulle eines Luftballons, der unter dem Innendruck pi steht, so greift an einer H¨alfte der Oberfl¨ ache einmal die durch die Druckdifferenz pi − p0 hervorgerufene Kraft an, zum anderen die an der Schnittstelle wirkende Kraft durch die Oberfl¨ achenspannung (Abb. 5.9). Die Kraft durch die Oberfl¨achenspannung ist 2π r C m  und die Gleichgewichtsbedingung f¨ uhrt auf

174

5 Hydrostatik

Abbildung 5.9. Gleichgewicht an der freien Ober߬ ache eines Tropfens

 2π r C m  −

(p0 − pi ) n dS = 0 .

(5.51)

(S)

Bildet man die Komponentengleichung in die Richtung von m  (dies ist aus Symmetriegr¨ unden die einzige von null verschiedene Komponente), so erh¨alt man mit m  · n dS = −dA 2π r C + (p0 − pi ) π r2 = 0

(5.52)

oder ∆p = pi − p0 = 2 C/r .

(5.53)

F¨ ur sehr kleine Tropfen kann der Drucksprung u ¨ber der Oberfl¨ache ganz erheblich werden. F¨ ur eine allgemeine Fl¨ ache ergibt sich aus einer einfachen ¨ Uberlegung, die wir hier aber u ur den Drucksprung der Zu¨ bergehen, daß f¨ sammenhang   1 1 ∆p = C + (5.54) R1 R2 gelten muß, in dem R1 und R2 die Hauptkr¨ ummungsradien, d. h. die Extremwerte der Kr¨ ummungsradien an einem Punkt der Fl¨ache, sind. Die Gr¨ oße (1/R1 + 1/R2 ) wird mittlere Kr¨ ummung genannt und ist im Gegensatz zur Kr¨ ummung selbst eine skalare Gr¨ oße. F¨ ur eine ebene Oberfl¨ache (R1 = R2 → ∞) verschwindet der Drucksprung. Effekte der Kapillarspannung machen sich also nur bei gekr¨ ummten Oberfl¨achen bemerkbar. Kr¨ ummungen der freien Oberfl¨ achen treten oft an R¨andern auf, wenn drei verschiedene Fl¨ ussigkeiten oder zwei Fl¨ ussigkeiten mit festen W¨anden zusammentreffen. In Abb. 5.10 trifft die Trennfl¨ ache zwischen den Fl¨ ussigkeiten (1) und (2) auf eine feste Wand. F¨ ur die explizite Darstellung der Gleichung der Trennfl¨ ache schreiben wir z = z(x, y)

(5.55)

5.3 Freie Ober߬ achen

175

Abbildung 5.10. Oberfl¨ ache einer schweren Fl¨ ussigkeit

und erhalten f¨ ur den Drucksprung u ¨ ber die Oberfl¨ache p2 − p1 = (1 − 2 ) g z(x, y) oder wegen (5.54) auch   1 1 C + = (1 − 2 ) g z(x, y) . R1 R2

(5.56)

(5.57)

Wir beschr¨ anken uns auf den ebenen Fall, d. h. z = z(y) , R1 → ∞ , R2 = R und nehmen weiter an, daß die Fl¨ ussigkeit (2) ein Gas sei, also  = 1 2 . Damit vereinfacht sich (5.57) zu C/R =  g z(y) .

(5.58)

Dieser Gleichung entnehmen wir eine Gr¨ oße a mit der Dimension einer L¨ange: ' C a= . (5.59) g Man kann daher erwarten, daß Kapillareffekte sich dann besonders bemerkbar machen, wenn die typischen Abmessungen eines interessierenden Bereiches in die Gr¨ oßenordnung dieser L¨ ange kommen. Die als Laplacesche L¨ange bezeichnete Gr¨ oße a betr¨ agt f¨ ur Wasser etwa 0,3 cm. Dies erkl¨art im Grunde schon, warum Wasser aus einem hochgehaltenen Gartenschlauch ohne weiteres abfließt, w¨ ahrend es aus einem Schlauch, dessen Durchmesser mit der Laplaceschen L¨ ange vergleichbar ist, nicht mehr frei unter dem Einfluß der Schwerkraft abfließt, sondern als Folge der Kapillarspannungen in Form von Wasserpfropfen h¨ angen bleibt. Mit dem bekannten Ausdruck f¨ ur die Kr¨ ummung R−1 einer Kurve z(y) R−1 = (z 2 + 1)−3/2 z  ,

(5.60)

in dem der Strich an z die Ableitung nach y bedeutet, gewinnen wir aus (5.58) eine gew¨ ohnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung f¨ ur die unbekannte Form z(y) der Oberfl¨ ache:

176

5 Hydrostatik

Abbildung 5.11. Zur Erkl¨ arung des Randwinkels

(z 2 + 1)−3/2 z  − a−2 z = 0 ,

(5.61)

deren spezielle L¨ osung die Vorgabe zweier Randbedingungen erfordert. Einmalige Integration f¨ uhrt auf die Gleichung (z 2 + 1)−1/2 +

1 −2 2 a z =1, 2

(5.62)

wobei wir die auf der rechten Seite auftretende Integrationskonstante mit der Randbedingung z(∞) = 0 zu 1 bestimmt haben. Die weitere Integration erfordert als Randbedingung die Kenntnis des Randwinkels α , der aus der Gleichgewichtsbetrachtung der Kapillarkonstanten am Rand folgt. Neben der Kapillarspannung der Paarung Fl¨ ussigkeit-Gas C12 treten noch zwei weitere Kapillarspannungen der Paarung Fl¨ ussigkeit-Wand C13 und Gas-Wand C23 auf. Die Gleichgewichtsbedingung normal zur Wand interessiert hier nicht, da die feste Wand beliebige Spannungen aufnehmen kann. Gleichgewicht in Wandrichtung (vgl. Abb. 5.11) liefert C23 = C13 + C12 cos α

(5.63a)

oder cos α =

C23 − C13 . C12

(5.63b)

Die Fl¨ ussigkeit steigt oder f¨ allt also an der Wand, bis die Bedingung (5.63a) erf¨ ullt ist. Wenn C23 − C13 aber gr¨ oßer ist als C12 , dann l¨aßt sich die Gleichgewichtsbedingung (5.63) nicht erf¨ ullen, und die Fl¨ ussigkeit u ¨berzieht die ganze Wand (z. B. Petroleum in Metallgef¨ aßen). Mit der Randbedingung z  (y = 0) = − cot α lautet dann die L¨ osung von (5.62) in impliziter Form ! ! y/a = arcosh (2a/z)−arcosh (2a/h)+ 4 − (h/a)2 − 4 − (z/a)2 , (5.64) wobei das Quadrat der Steigh¨ ohe h = z(y = 0) aus (5.62) als h2 = 2a2 (1 − sin α) zu entnehmen ist. Eine ebenfalls oft zu beobachtende Erscheinung

5.3 Freie Ober߬ achen

177

Abbildung 5.12. Kapillarerhebung in einem R¨ ohrchen

ist die Kapillarerhebung in kleinen R¨ ohrchen (Abb. 5.12). Es ist unmittelbar einsichtig, daß der Drucksprung ∆p u ¨ber die Oberfl¨ache gleich  g h sein muß! Nimmt man f¨ ur die freie Oberfl¨ ache die Form einer Kugelkalotte an, so folgt wegen R1 = R2 = R aus (5.54) 2

C = gh . R

(5.65)

Bei bekanntem Randwinkel α l¨ aßt sich der Kr¨ ummungsradius R durch r/ cos α ersetzen, so daß man f¨ ur die Steigh¨ ohe h=

2 C cos α rg

(5.66)

erh¨ alt. F¨ ur sehr kleine r kann die Steigh¨ ohe sehr groß werden, und dies erkl¨ art, warum Feuchtigkeit in por¨ osem Mauerwerk hochsteigt. Ist α > π/2 , so wird die Steigh¨ ohe negativ, d. h. die Fl¨ ussigkeit wird heruntergedr¨ uckt; das bekannteste Beispiel hierf¨ ur ist Quecksilber.

6 Laminare Schichtenstro ¨mungen

F¨ ur die Klasse der Schichtenstr¨ omungen ergeben sich ganz bedeutende Vereinfachungen in den Bewegungsgleichungen, die selbst f¨ ur Nicht-Newtonsche Fl¨ ussigkeiten einfache L¨ osungen zulassen. Wie schon in Abschnitt 4.4 diskutiert wurde, beruht diese L¨ osbarkeit auf der besonders einfachen Kinematik dieser Str¨ omungen. Wir wollen uns hier auf inkompressible Str¨omungen beschr¨anken, f¨ ur die bekanntlich nur Druckdifferenzen berechnet werden k¨onnen, falls im interessierenden Str¨ omungsbereich keine freie Oberfl¨ ache auftritt. An einer freien Oberfl¨ ache w¨ urde u ¨ber die Randbedingung (4.171) an den Spannungsvektor auch der absolute Wert des Druckes in das Problem eingehen. Ohne freie Oberfl¨ achen l¨ aßt sich der Einfluß der Massenkraft aus dem Problem entfernen, wenn man sich darauf beschr¨ ankt, Druckdifferenzen relativ zur hydrostatischen Druckverteilung zu berechnen. Wir demonstrieren dies am Beispiel der Navier-Stokesschen Gleichungen und setzen f¨ ur den Druck p = pst + pdyn ,

(6.1)

wobei der hydrostatische Druck pst die hydrostatische Grundgleichung (5.4) erf¨ ullt. Aus (4.9b) folgt dann 

Du =  k − ∇pst − ∇pdyn + η ∆u , Dt

(6.2)

wegen (5.4) also 

Du = −∇pdyn + η ∆u . Dt

(6.3)

In dieser Gleichung taucht die Massenkraft nicht mehr auf. pdyn ist die Druckdifferenz p − pst und r¨ uhrt nur von der Bewegung der Fl¨ ussigkeit her. Wir schreiben f¨ ur pdyn weiterhin einfach p und verstehen in allen Problemen, in denen keine freie Oberfl¨ ache auftritt, unter p die Druckdifferenz p− pst . In Problemstellungen mit freier Oberfl¨ ache machen wir dann ohne weitere Erkl¨ arung von den Bewegungsgleichungen Gebrauch, in denen die Massenkraft (falls vorhanden) explizit ber¨ ucksichtigt wird.

180

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

6.1 Station¨ are Schichtenstro ¨mungen 6.1.1 Couette-Str¨ omung Die Einfache Scherstr¨omung oder Couette-Str¨omung ist eine ebene Str¨omung, deren Geschwindigkeitsfeld bereits mehrfach erl¨autert worden ist. Die Komponenten u, v, w der Geschwindigkeit in einem kartesischen Koordinatensystem mit den Achsen x, y, z lauten (vgl. Abb. 6.1a) u=

U y, h

v=0,

w=0.

(6.4)

In allen Ebenen z = const ist das Str¨ omungsfeld also identisch. Die allen Schichtenstr¨ omungen gemeinsame Eigenschaft, daß die einzige nicht verschwindende Geschwindigkeitskomponente (hier u) sich nur senkrecht zur Str¨ omungsrichtung a ¨ndert, ist eine Folge der Kontinuit¨atsgleichung (2.5) ∇ · u =

∂u ∂v ∂w + + =0, ∂x ∂y ∂z

(6.5)

aus der wir wegen v = w = 0 ∂u = 0 oder ∂x

u = f (y)

(6.6)

erhalten, wovon (6.4) ein Sonderfall ist. Die x-Komponente der NavierStokesschen Gleichungen lautet  2  ∂u ∂u ∂u 1 ∂p ∂ u ∂2u ∂2u u +v +w =− +ν + + . (6.7) ∂x ∂y ∂z  ∂x ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 Wegen (6.4) verschwinden alle konvektiven (nichtlinearen!) Terme auf der linken Seite von (6.7). Auch dies ist eine allen Schichtenstr¨omungen gemeinsame Eigenschaft. Wir h¨ atten nat¨ urlich alle Ableitungen nach z von vorneherein null setzen sollen, da es sich um eine ebene Str¨omung handelt, und wir wollen dies in Zukunft auch tun. Da in dem hier betrachteten Sonderfall der Couette-Str¨omung u eine lineare Funktion von y ist, verschwinden auch alle Terme in der Klammer auf der rechten Seite, und wir werden auf die Gleichung ∂p = 0 oder ∂x

p = f (y)

(6.8)

gef¨ uhrt. Die Komponente der Navier-Stokesschen Gleichungen in y- Richtung  2  ∂v ∂v 1 ∂p ∂ v ∂2v u +v =− +ν + 2 (6.9) ∂x ∂y  ∂y ∂x2 ∂y liefert sofort

6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen

∂p =0, ∂y

181

(6.10)

zusammen mit (6.8) also schließlich p = const .

(6.11)

Das Feld (6.4) erf¨ ullt die Randbedingung (4.159), wir haben es somit mit der einfachsten nichttrivialen, exakten L¨ osung der Navier-Stokesschen Gleichungen zu tun. 6.1.2 Couette-Poiseuille-Str¨ omung Eine Verallgemeinerung der Einfachen Scherstr¨omung wird durch (6.6) nahegelegt: Wir betrachten das Geschwindigkeitsfeld u = f (y) ,

v=w=0.

(6.12)

Die x-Komponente der Navier-Stokes-Gleichungen vereinfacht sich dann zu ∂p ∂2u =η 2 , ∂x ∂y

(6.13)

und die y-Komponente lautet 0=−

1 ∂p .  ∂y

(6.14)

Als Folge der letzten Gleichung kann p nur eine Funktion von x sein. Wegen (6.13) ist ∂p/∂x aber keine Funktion von x , denn die rechte Seite von (6.13) ist nach Voraussetzung keine Funktion von x . Demnach ist ∂p/∂x eine Konstante, die wir −K nennen wollen. Aus (6.13) erhalten wir somit eine Differentialgleichung zweiter Ordnung f¨ ur die gesuchte Funktion u(y): η

d2 u = −K . dy 2

(6.15)

Zweimalige Integration von (6.15) f¨ uhrt uns auf die allgemeine L¨osung u(y) = −

K 2 y + C1 y + C2 . 2η

(6.16)

Die gesuchte Funktion u(y) muß gem¨ aß (4.159) die beiden Randbedingungen u(0) = 0 ,

(6.17a)

u(h) = U

(6.17b)

erf¨ ullen, so daß wir die Integrationskonstanten zu

182

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

Abbildung 6.1. Ebene Schichtenstr¨ omung

C1 =

U K + h, h 2η

C2 = 0

(6.18)

bestimmen. Die L¨ osung des Randwertproblems lautet damit u(y) y K h2  y y = + 1− . U h 2ηU h h

(6.19)

F¨ ur K = 0 erh¨alt man hiermit wieder die Einfache Scherstr¨omung (6.4), f¨ ur U = 0 und K = 0 eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung (ebene Poiseuille-Str¨omung) und f¨ ur den allgemeinen Fall (U = 0 , K = 0) die Druck-Schlepp-Str¨omung oder Couette-Poiseuille-Str¨omung (Abb. 6.1). Wie aus (6.19) unmittelbar ersichtlich, ist der allgemeine Fall also eine ¨ Uberlagerung der Couette- und der Poiseuille-Str¨omung. Da die Schichtenstr¨ omungen durch lineare Differentialgleichungen beschrieben werden, ist die ¨ Uberlagerung auch anderer Schichtenstr¨ omungen m¨oglich. Der Volumenstrom pro Tiefeneinheit ist h V˙ =

u(y) dy ,

(6.20)

0

so daß sich f¨ ur die durch die Gleichung U=

V˙ h

(6.21)

definierte mittlere Geschwindigkeit der Druck-Schlepp-Str¨omung ergibt: U=

U K h2 + . 2 12 η

(6.22)

Die maximale Geschwindigkeit f¨ ur die reine Druckstr¨omung berechnet sich mit (6.19) zu:

6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen

183

Abbildung 6.2. Konzentrisch rotierender Zapfen

Abbildung 6.3. Exzentrisch rotierender Zapfen

Umax =

K h2 3 = U . 8η 2

Da die Ausdehnung in x-Richtung ins Unendliche reicht und die Str¨omungen eben sind, werden sie in den Anwendungen nat¨ urlich nicht exakt realisiert. Sie k¨ onnen aber in vielen F¨ allen als gute N¨ aherung sehr n¨ utzlich sein. So wird z. B. die Einfache Scherstr¨ omung als Str¨ omung zwischen zwei unend” lich“ langen Zylindern im Grenzfall h/R → 0 angetroffen. Die Str¨omung der Abb. 6.2 l¨ aßt sich zwar auch ohne den Grenz¨ ubergang h/R → 0 l¨osen, sie ist n¨ amlich ebenfalls eine Schichtenstr¨ omung, die Scherstr¨omung ist aber wesentlich einfacher zu berechnen. Die Str¨ omung wird u ¨ brigens in Gleitlagern, wo die Bedingung h/R → 0 gut erf¨ ullt ist, n¨ aherungsweise realisiert. Reibmoment und Reibleistung pro Einheit der Lagertiefe lassen sich dann sofort absch¨atzen: du U Ω = 2π R2 η = 2π R3 η dy h h 3 2 ≈ 2π R η Ω /h .

MReib ≈ 2π R2 η PReib

(6.23) (6.24)

Allerdings gibt Abb. 6.2 noch nicht das richtige Bild eines Gleitlagers wieder. Da der Zapfen in Abb. 6.2 konzentrisch in der Lagerschale rotiert, kann er aus Symmetriegr¨ unden keine Last aufnehmen. Gleichung (6.8) besagt, daß der Druck in x- Richtung (Umfangsrichtung) konstant ist, am Zapfen also kei-

184

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

ne Nettokraft angreifen kann. Unter Belastung nimmt der Zapfen aber eine exzentrische Lage in der Schale ein (Abb. 6.3). Die sich im Schmierspalt“ ” einstellende Str¨ omung ist aber lokal gerade eine Druck-Schlepp-Str¨omung, wie wir im Kapitel 8 noch ausf¨ uhrlicher zeigen werden. Die zugeh¨orige Druckverteilung erzeugt eine Nettokraft, die mit der Lagerbelastung im Gleichgewicht ist. 6.1.3 Filmstr¨ omung Mit der Druck-Schlepp-Str¨ omung nahe verwandt ist die Filmstr¨omung an einer geneigten Wand, obwohl hier eine freie Oberfl¨ache auftritt (Abb. 6.4). Die Volumenkraft spielt hier die Rolle des Druckgradienten ∂p/∂x , der, wie wir noch sehen werden, hier null ist. Die Str¨omung wird nicht durch den Druckgradienten, sondern durch die Volumenkraft der Schwere getrieben, deren Komponenten fx =  kx =  g sin β ,

(6.25a)

fy =  ky = − g cos β

(6.25b)

sind. Die Navier-Stokesschen Gleichungen (4.9b) vereinfachen sich wegen (6.6) und v = 0 zu ∂p ∂2u −  g sin β = η 2 ∂x ∂y

(6.26)

und ∂p = − g cos β . ∂y

(6.27)

Wir erhalten also zwei Differentialgleichungen f¨ ur die unbekannten Funktionen u und p . An der Wand (y = 0) ist die Haftbedingung u(0) = 0

(6.28)

zu erf¨ ullen, w¨ ahrend an der freien Oberfl¨ ache die Bedingung (4.172) in Kraft tritt, die wir hier in Indexnotation schreiben wollen: nj τji(1) = nj τji(2) .

(6.29)

Aus (3.1) folgt mit nj = (0 , 1 , 0) die Randbedingung in der Form     − p δ2i + 2η e2i = − p δ2i + 2η e2i , (1)

(6.30)

(2)

wobei der Index (2) f¨ ur die Fl¨ ussigkeit, der Index (1) f¨ ur die Luft stehen m¨oge. Die Komponentengleichung in y-Richtung f¨ uhrt uns auf die Randbedingung

6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen

185

Abbildung 6.4. Filmstr¨ omung an einer geneigten Wand

p(1) = p(2) = p0 , und die Komponentengleichung in x-Richtung liefert     ∂u ∂u η = η . ∂y (1) ∂y (2)

(6.31)

(6.32)

Wenn wir den Einfluß der Luftreibung vernachl¨ assigen, verschwindet die linke Seite in (6.32), und diese Randbedingung lautet  ∂u  0=η . (6.33) ∂y y=h Aus der Integration von (6.27) folgt p = − g y cos β + C(x) ,

(6.34)

und mit der Randbedingung (6.31) p(2) = p(y = h) = p0 auch p = p0 +  g cos β (h − y) .

(6.35)

Daher ist p keine Funktion von x , und Gleichung (6.26) vereinfacht sich zu − g sin β = η

∂2u . ∂y 2

(6.36)

186

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

Das ist dieselbe Differentialgleichung wie (6.13), wenn man sich dort ∂p/∂x durch − g sin β ersetzt denkt. Die allgemeine L¨osung lesen wir also aus (6.16) ab (K =  g sin β): u=−

 g sin β 2 y + C1 y + C2 2η

(6.37)

und bestimmen die Konstanten aus den Randbedingungen (6.28) und (6.33) zu C2 = 0 ,

C1 =

 g sin β h. η

(6.38)

Die L¨ osung des Randwertproblems ist demnach u(y) =

 g sin β 2  y y h 2− . 2η h h

(6.39)

6.1.4 Str¨ omung zwischen zwei konzentrisch rotierenden Zylindern Dieser Str¨ omung ist ein Zylinderkoordinatensystem r, ϕ, z mit den zugeh¨origen Geschwindigkeitskomponenten ur , uϕ , uz angepaßt, denn damit lassen sich die R¨ ander des Str¨ omungsfeldes durch Koordinatenfl¨achen r = RI bzw. r = RA angeben. In axialer Richtung sei der Str¨omungsraum unendlich ¨ ausgedehnt. Anderungen von Str¨ omungsgr¨ oßen in axialer Richtung m¨ ussen dann entweder verschwinden oder periodisch sein, um unendlich große Werte im Unendlichen zu vermeiden. Den Fall der Periodizit¨at wollen wir hier ausklammern, wir setzen also in Zylinderkoordinaten ∂/∂z = 0 und außerdem uz = 0 . Die Str¨ omung ist in allen Schnitten z = const identisch. Da die Normalkomponente der Geschwindigkeit, d. h. ur an r = RI und r = RA (Abb. 6.5) wegen der kinematischen Randbedingung verschwinden muß, set¨ zen wir ur ≡ 0 . Auch die Anderung in Umfangsrichtung muß entweder verschwinden oder periodisch sein; wir beschr¨ anken uns auf den ersten Fall. Wegen ∂/∂z = ∂/∂ϕ = 0 und ur = uz = 0 folgt dann aus den NavierStokesschen Gleichungen in Zylinderkoordinaten (siehe Anhang B) f¨ ur die r-Komponente 

u2ϕ ∂p = r ∂r

und f¨ ur die ϕ-Komponente  2  ∂ uϕ 1 ∂uϕ uϕ 0=η + − , ∂r2 r ∂r r2

(6.40)

(6.41)

w¨ ahrend die z-Komponente identisch verschwindet. Der Term u2ϕ /r in (6.40) ¨ entsteht durch die substantielle Anderung der Komponente uϕ und entspricht

6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen

187

Abbildung 6.5. Str¨ omung zwischen konzentrisch rotierenden Zylindern

der Zentripetalbeschleunigung. Offensichtlich bildet sich die Druckverteilung p(r) gerade so aus, daß der Zentripetalkraft die Waage gehalten wird. Gleichung (6.40) ist von (6.41) entkoppelt: Ist die Geschwindigkeitsverteilung nach (6.41) ermittelt, so folgt die dazugeh¨ orige Druckverteilung aus (6.40). (6.41) ist eine lineare, gew¨ ohnliche Differentialgleichung mit ver¨anderlichen Koeffizienten, die vom Eulerschen Typ ist und durch den Ansatz uϕ = r n gel¨ ost wird. Aus (6.41) ergibt sich damit n = ±1 , so daß die allgemeine L¨osung uϕ = C1 r +

C2 r

(6.42)

lautet. Der innere Zylinder m¨ oge sich mit der Winkelgeschwindigkeit ΩI , der ¨ außere mit ΩA drehen (Abb. 6.5). Dann bestimmen sich die Konstanten aus der Haftbedingung uϕ (RI ) = ΩI RI ,

uϕ (RA ) = ΩA RA

(6.43)

zu C1 =

2 ΩA RA − ΩI RI2 , 2 RA − RI2

C2 =

2 (ΩI − ΩA ) RI2 RA . 2 2 RA − RI

(6.44)

F¨ ur den Sonderfall C1 = 0 , d. h. ΩA /ΩI = (RI /RA )2

(6.45)

ist die Geschwindigkeitsverteilung nach (6.42) die des geraden Potentialwirbels. Die Winkelgeschwindigkeiten von innerem und ¨außerem Zylinder

188

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

Abbildung 6.6. Str¨ omung im geraden Kreisrohr

m¨ ussen also in einem bestimmten Verh¨ altnis zueinander stehen, damit die Str¨ omung im Spalt rotationsfrei ist. Ein f¨ ur die Anwendung wichtiger Sonderfall, n¨amlich das Problem des rotierenden Zylinders bei unendlicher Spalth¨ohe, ergibt sich, wenn wir in (6.45) RA gegen unendlich gehen lassen: ΩA geht dann gegen null. Der Potentialwirbel erf¨ ullt in diesen F¨ allen nicht nur die Navier-Stokesschen Gleichungen (dies gilt f¨ ur alle inkompressiblen Potentialstr¨omungen), sondern auch die Haftbedingung an der Wand. Es handelt sich also um eine exakte L¨ osung des Str¨ omungsproblems: Grenzschichten, in denen die Geschwindigkeitsverteilung vom potentialtheoretischen Wert abweicht, treten nicht auf. F¨ ur ΩI = 0 , r = RI + y und y/RI → 0 erh¨ alt man aus (6.42) und (6.44) die Couette-Str¨ omung (6.4). 6.1.5 Hagen-Poiseuille-Str¨ omung Die Str¨ omung durch ein gerades Kreisrohr oder Hagen-Poiseuille-Str¨omung, die wichtigste aller Schichtenstr¨ omungen, ist das rotationssymmetrische Gegenst¨ uck zur Kanalstr¨ omung. Dem Problem sind wieder Zylinderkoordinaten angepaßt, in denen sich die Wand des Kreisrohres durch die Koordinatenfl¨ache r = R beschreiben l¨ aßt (Abb. 6.6). An der Wand ist ur = uϕ = 0 , und wir setzen ur und uϕ im ganzen Str¨ omungsfeld identisch null; außerdem sei die Str¨ omung rotationssymmetrisch (∂/∂ϕ = 0). Der Kontinuit¨atsgleichung in Zylinderkoordinaten (siehe Anhang B) entnehmen wir dann ∂uz =0 ∂z

oder uz = uz (r) .

(6.46)

Die r-Komponente der Navier-Stokesschen Gleichung liefert 0=

∂p ∂r

oder p = p(z) .

(6.47)

Alle Terme der Navier-Stokes-Gleichung in ϕ-Richtung verschwinden identisch, w¨ ahrend uns die z-Komponente auf die Gleichung

6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen

∂p +η ∂z

0=−



∂ 2 uz 1 ∂uz + ∂r2 r ∂r

189

 (6.48)

f¨ uhrt. (6.48) entnehmen wir unmittelbar, daß ∂p/∂z nicht von z abh¨angt, der Druck p also eine lineare Funktion von z ist. Wie vorher setzen wir ∂p/∂z = −K und schreiben (6.48) in der Form   K 1 d duz − = r , (6.49) η r dr dr die nach zweimaliger Integration auf uz (r) = −

K r2 + C1 ln r + C2 4η

(6.50)

f¨ uhrt. Da uz (0) endlich ist, folgt sofort C1 = 0 . Die Haftbedingung verlangt uz (R) = 0 ,

(6.51)

also C2 =

K R2 . 4η

(6.52)

Wenn wir den Index z ab sofort weglassen, lautet die L¨osung des Randwertproblems u(r) =

K (R2 − r2 ) . 4η

(6.53)

Die maximale Geschwindigkeit wird bei r = 0 erreicht, und damit schreiben wir u(r) = Umax {1 − (r/R)2 } .

(6.54)

Mit dem Volumenstrom V˙ durch das Rohr f¨ uhren wir allgemein die mittlere Geschwindigkeit U=

V˙ V˙ = A π R2

(6.55)

ein und finden wegen 2πR V˙ =

u(r) r dr dϕ = 2π Umax 0

R2 4

(6.56)

0

auch U=

1 Umax , 2

(6.57)

190

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

bzw. K R2 . 8η

U=

(6.58)

Da der Druckgradient konstant ist, schreiben wir auch K=

∆p p1 − p2 = l l

(6.59)

und meinen mit ∆p den Druckabfall im Rohr u ¨ ber der L¨ange l . Der Druckabfall ist positiv, wenn der Druckgradient ∂p/∂z negativ ist. Es ist zweckm¨aßig, diesen Druckabfall dimensionslos darzustellen: ∆p ζ=  2 . U 2

(6.60)

Die sogenannte Verlustziffer ζ kann mit (6.58) auch in der Form ζ=

16 l η l η = 64 2 d R U dU

(6.61)

geschrieben werden, wobei d = 2R ist und wir die dimensionsbehafteten Gr¨ oßen in zwei dimensionslose Gruppen l/d und  d U /η = Re geordnet haben. Speziell bei Rohrstr¨ omungen f¨ uhrt man auch die Widerstandszahl λ=ζ

d l

ein, so daß die dimensionslose Form des Widerstandsgesetzes des geraden Kreisrohres entsteht: ζ=

l 64 d Re

bzw.

λ=

64 . Re

(6.62)

Aus (6.55), (6.58) und (6.59) folgt die Hagen-Poiseuillesche Gleichung: π R4 ∆p V˙ = . 8η l

(6.63)

Die Proportionalit¨ at des Volumenstromes zur vierten Potenz des Radius wird f¨ ur laminare Str¨ omung experimentell mit großer Genauigkeit best¨atigt und dient zugleich als Best¨ atigung der Haftbedingung (4.160). Die HagenPoiseuillesche Gleichung (6.63) ist auch Grundlage der experimentellen Bestimmung der Scherz¨ ahigkeit η . Zu einer verallgemeinerten Hagen-Poiseuilleschen Str¨omung (Abb. 6.7) wird man gef¨ uhrt, wenn man die allgemeine L¨osung (6.50) den Randbedingungen u(RA ) = 0 ,

(6.64a)

6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen

191

Abbildung 6.7. Verallgemeinerte Hagen-Poiseuille-Str¨ omung

u(RI ) = U

(6.64b)

unterwirft. Die resultierende Str¨ omung stellt offensichtlich die Druck-SchleppStr¨ omung im Ringspalt dar und ist durch " %   K 4 η U ln(r/R ) A 2 2 u(r) = RA − r2 − RA − RI2 − (6.65) 4η K ln(RI /RA ) gegeben. Diese l¨ aßt sich mit dem Geschwindigkeitsfeld (6.42) u ¨ berlagern und beschreibt dann den Fall, daß die Zylinder zus¨ atzlich rotieren. Man u ¨ berzeuge sich, daß mit RA − RI = h und RA − r = y im Grenzfall h/RA → 0 die ebene Druck-Schlepp-Str¨ omung (6.19) entsteht. F¨ ur die reine Druckstr¨ omung (U = 0) erhalten wir f¨ ur die durch (6.55) definierte mittlere Geschwindigkeit   K 1 2 2 U= RA + RI2 + (RA − RI2 ) , (6.66) 8η ln(RI /RA ) was f¨ ur RI → 0 mit dem bekannten Ergebnis (6.58) u ¨ bereinstimmt. F¨ ur Rohre mit nichtkreisf¨ ormigem Querschnitt f¨ uhrt man im Vergleich mit dem Druckverlust des Kreisrohres den ¨ aquivalenten oder hydraulischen Durchmesser dh ein: dh =

4A , s

(6.67)

wobei A die Querschnittsfl¨ ache und s die benetzte Umfangsl¨ange des Querschnittes ist. F¨ ur den Kreisquerschnitt ist dh = d , f¨ ur den Ringquerschnitt gilt dh =

2 4π (RA − RI2 ) = dA − dI . 2π (RA + RI )

(6.68)

192

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

Die Verlustziffer ζ schreiben wir zun¨ achst in der Form ζ=

∆p (dA − dI )2 ,  2 2 U dh 2

(6.69)

in der wir ein U durch (6.66) unter Verwendung von (6.59) ersetzen und so 

2   dI dI ln 64 η l dA dA ζ=  2  "  2 %  U dh dh dI dI dI 1− + ln 1+ dA dA dA 1−

(6.70)

erhalten. Mit Hilfe der Reynolds-Zahl Re =  U dh /η k¨ urzen wir ab: ζ=

64 l f (dI /dA ) . Re dh

(6.71)

Der dimensionslose Faktor f (dI /dA ) ist ein Maß f¨ ur die Abweichung der Verlustziffer eines nichtkreisf¨ ormigen Rohres von der Widerstandszahl des Kreisrohres, wenn als Referenzl¨ ange der hydraulische Durchmesser verwendet wird. F¨ ur dI /dA = 0 wird f (dI /dA ) = 1 , und f¨ ur dI /dA = 1 , was offensichtlich der Kanalstr¨ omung entspricht, erhalten wir nach wiederholter Anwendung der l’Hospitalschen Regel f (dI /dA ) = 1, 5 . Man best¨atigt dieses Ergebnis auch leicht, wenn man ausgehend von (6.22) die Formel (6.71) bildet. Wie ersichtlich, ist der Druckabfall f¨ ur das Kreisrohr doch stark vom Druckabfall f¨ ur den Ringspalt verschieden, auch wenn man ihn auf den hydraulischen Durchmesser bezieht. Dies ist f¨ ur turbulente Str¨omung nicht der Fall, dort ist die Verlustziffer f¨ ur den Ringspalt praktisch identisch mit der des Kreisrohres. Dies gilt auch f¨ ur Rohre mit Rechteckquerschnitt und f¨ ur die meisten anderen technisch interessanten Querschnittsformen, wie z. B. ¨ gleichschenklige Dreiecke (f¨ ur nicht zu kleine Offnungswinkel). 6.1.6 Str¨ omung durch nichtkreisf¨ ormige Rohre Bei der Behandlung von laminaren Str¨ omungen in unendlich langen, geraden Rohren mit nichtkreisf¨ ormigen Querschnitten treten die gleichen kinematischen Vereinfachungen auf wie schon bei der Hagen-Poiseuille-Str¨omung in Kreisrohren. Die einzige nicht verschwindende Geschwindigkeitskomponente ist die in Rohrachsenrichtung. Sie ist von der Koordinate in diese Richtung unabh¨ angig, so daß die nichtlinearen konvektiven Glieder in den Bewegungsgleichungen wegfallen. Da man an jedem Punkt im Rohrquerschnitt ein lokal g¨ ultiges Koordinatensystem angeben kann, in dem der Spannungstensor die Form (3.27) hat, handelt es sich ebenfalls um Schichtenstr¨omungen.

6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen

193

Abbildung 6.8. Kan¨ ale mit Rechteck- und Dreieckquerschnitt

In einem Koordinatensystem, dessen z-Achse parallel zur Rohrmittelachse verl¨ auft, folgt f¨ ur station¨ are Str¨ omung aus (6.3) f¨ ur die einzige Geschwindigkeitskomponente (die wir wieder mit u bezeichnen wollen) die Poissonsche Gleichung ∆u = −

K , η

(6.72)

deren inhomogener Term wegen K = −∂p/∂z = const eine Konstante ist. Diese Form der Poissonschen Gleichung tritt in vielen technischen Problemen auf, u. a. bei der Torsion gerader St¨ abe und bei gleichm¨aßig belasteten Membranen. Man kann daher aus der Elastomechanik bekannte L¨osungen direkt u osungen dieser Gleichung in Form von Polynomen entspre¨bernehmen. L¨ chen u. a. der Torsion von St¨ aben mit Dreiecksquerschnitt und entsprechen daher Str¨ omungen durch Rohre mit Dreiecksquerschnitt. Mit elementaren Integrationsmethoden lassen sich auch Querschnitte behandeln, deren Berandungen Koordinatenfl¨ achen sind, wenn die Poissonsche Gleichung in diesen Koordinatensystemen separabel ist. Wir skizzieren als typisches Beispiel den L¨osungsweg f¨ ur den technisch wichtigen Fall des Rohres mit Rechteckquerschnitt (Abb. 6.8). Aus (6.72) erh¨ alt man uz (x, y) = u(x, y) die Differentialgleichung ∂ 2 u ∂ 2u K + 2 =− ∂x2 ∂y η

(6.73)

mit den Randbedingungen b u(± , y) = 0 , 2 c u(x, ± ) = 0 . 2 F¨ ur die L¨ osung der linearen Gleichung (6.73) setzen wir u = uP + uH ,

(6.74a) (6.74b)

(6.75)

194

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

wobei uH die homogene Gleichung erf¨ ullt, und uP irgendeine Partikul¨arl¨osung ist. Setzt man beispielsweise u = uP (y) , so folgt aus (6.73) unmittelbar die L¨ osung uP = −

K 2 y + C1 y + C2 , 2η

die wir der Randbedingung (6.74b) unterwerfen, so daß   K 1 2 2 uP = c −y 2η 4

(6.76)

(6.77)

entsteht. Der Separationsansatz uH = X(x) Y (y)

(6.78)

f¨ uhrt auf die L¨ osung uH = Dn (emx + e−mx ) cos(my) = 2Dn cosh(mx) cos(my) ,

(6.79)

mit m=

π (2n − 1) , c

(6.80)

bei der die Symmetrieeigenschaften des Problems bereits ausgenutzt wurden und welche die Randbedingung (6.74b) f¨ ur n = 1, 2, 3, . . . erf¨ ullt. Die allgemeine L¨ osung ergibt sich wegen der Linearit¨at von (6.73) zu u=

∞ 

2Dn cosh(mx) cos(my) + uP (y) .

(6.81)

n=1

Die Randbedingungen (6.74a) f¨ uhren auf die Gleichung ∞ 

2Dn cosh(m b/2) cos(my) + uP (y) = 0 .

(6.82)

n=1

Zur Bestimmung der Koeffizienten Dn muß uP ebenfalls als Fourier-Reihe dargestellt werden, deren Koeffizienten durch c/2

2 an = c

K 2η



 1 2 c − y 2 cos(my) dy 4

(6.83)

−c/2

gegeben sind. Ausf¨ uhrung der Integration f¨ uhrt auf die Fourier-Entwicklung uP = −

 ∞  2K  c 2 cos(m c/2) − sin(m c/2) cos(m y) . η c n=1 m2 m3

(6.84)

6.1 Station¨ are Schichtenstr¨ omungen

195

Wegen mc π = (2n − 1) 2 2

(6.85)

verschwindet der erste Term in der Klammer, der zweite lautet −2m−3 sin(m c/2) = 2m−3 (−1)n .

(6.86)

Ein Vergleich zwischen (6.84) und (6.82) liefert Dn =

2K (−1)n , 3 η c m cosh(m b/2)

und daher lautet die L¨ osung " % ∞ K c2 8  (−1)n cosh(m x) 2 u= −y + cos(m y) , 2η 4 c n=1 m3 cosh(m b/2) aus der sich die mittlere Geschwindigkeit nach (6.55) zu " % ∞ K c2 1 c 64  tanh(m b/2) U= − 4η 3 b π 5 n=1 (2n − 1)5

(6.87)

(6.88)

(6.89)

ergibt. F¨ ur die auf den hydraulischen Durchmesser dh =

2bc b+c

(6.90)

bezogene Verlustziffer erh¨ alt man ζ=

64 l f (c/b) Re dh

(6.91)

mit "  2  %−1 ∞ c 1 c 64  tanh(m b/2) f (c/b) = 2 +1 − . b 3 b π 5 n=1 (2n − 1)5

(6.92)

Der ebenen Kanalstr¨ omung entspricht c/b = 0 und wie es sein muß ergibt sich f (c/b) = 3/2 . F¨ ur c/b = 1 wird f (c/b) = 0, 89 . F¨ ur ein gleichseitiges Dreieck der H¨ ohe h (Abb. 6.8) ist die Geschwindigkeitsverteilung u=

K 1 (y − h) (3x2 − y 2 ) η 4h

und die mittlere Geschwindigkeit

(6.93)

196

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

1 K h2 . 60 η

U=

(6.94)

Mit dem hydraulischen Durchmesser dh =

2 h 3

(6.95)

erh¨ alt man f¨ ur die Verlustziffer ζ=

64 l 5 . Re dh 6

(6.96)

Die Geschwindigkeitsverteilung in einem elliptischen Rohr, dessen Querschnitt durch die Ellipsengleichung  x 2 a

+

 y 2 b

=1

beschrieben wird, lautet   K a2 b 2 x2 y2 u= 1− 2 − 2 . 2 η a2 + b 2 a b

(6.97)

(6.98)

Dieser Gleichung entnimmt man unmittelbar, daß die Haftbedingung an der Wand erf¨ ullt ist. Die mittlere Geschwindigkeit ergibt sich zu U=

K a2 b 2 . 4 η a2 + b 2

(6.99)

Da der Umfang der Ellipse sich nicht geschlossen darstellen l¨aßt (elliptisches Integral!), verzichten wir auf die Einf¨ uhrung des hydraulischen Durchmessers. Es empfiehlt sich, den Druckabfall direkt aus (6.99) zu berechnen.

6.2 Instation¨ are Schichtenstr¨ omungen 6.2.1 Die periodisch in ihrer Ebene bewegte Wand Die bisher besprochenen L¨ osungen lassen sich auf den instation¨aren Fall erweitern. Wir betrachten zun¨ achst harmonische Zeitfunktionen, aus denen sich allgemeine Zeitfunktionen durch Fourierreihen-Darstellung aufbauen lassen. Der Einfachen Scherstr¨ omung entspricht dann die Str¨omung zwischen zwei ebenen, unendlich ausgedehnten Platten (Abstand h), von denen die eine (untere) Platte eine Schwingung in ihrer Ebene ausf¨ uhrt, so daß die Wandgeschwindigkeit durch ˆ cos(ωt) uw = U (t) = U

(6.100)

6.2 Instation¨ are Schichtenstr¨ omungen

197

gegeben ist. Unter Verwendung der komplexen Schreibweise lautet die Wandgeschwindigkeit ˆ eiωt , uw = U (t) = U

(6.101)

wobei nur der Realteil (eiωt ) physikalische Bedeutung besitzt. Anstatt (6.12) erhalten wir nun u = f (y, t) ,

v=0

(6.102)

und statt (6.13) dann ∂u 1 ∂p ∂2u =− +ν 2 . ∂t  ∂x ∂y

(6.103)

Wir setzen ∂p/∂x = 0 , d. h. die Str¨ omung wird nur durch die Wandgeschwindigkeit u ¨ber die Haftbedingung ˆ eiωt u(0, t) = uw = U

(6.104a)

in Gang gehalten. An der oberen Wand lautet die Haftbedingung u(h, t) = 0 .

(6.104b)

Wir interessieren uns nur f¨ ur den eingeschwungenen Zustand, so daß die Formulierung einer Anfangsbedingung u(y, 0) entf¨allt. Die Randbedingung (6.104a) legt den Ansatz ˆ eiωt g(y) u(y, t) = U

(6.105)

nahe, wobei g(y) den Randbedingungen g(0) = 1 ,

(6.106a)

g(h) = 0

(6.106b)

gen¨ ugen muß. Mit dem Ansatz (6.105) entsteht aus der partiellen DGl. (6.103) die gew¨ohnliche Differentialgleichung mit konstanten (komplexen) Koeffizienten g  −

iω g=0 ν

(6.107)

mit g  = d2 g/dy 2 . Aus dem Ansatz g = eλy folgt das charakteristische Polynom λ2 −

iω =0, ν

dessen L¨ osung

(6.108)

198

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

( √ ! ω λ = i ω/ν = ±(1 + i) 2ν

(6.109)

lautet. Die allgemeine L¨ osung l¨ aßt sich durch entsprechendes Zusammenfassen der Konstanten in der Form ! ! g(y) = A sinh{ (1 + i) ω/2ν y } + B cosh{ (1 + i) ω/2ν y } (6.110) darstellen, aus der wir mit den Randbedingungen (6.106) die spezielle L¨osung ! sinh{ (1 + i) ω/2ν (h − y) } ! g(y) = (6.111) sinh{ (1 + i) ω/2ν h } bestimmen. Die Geschwindigkeitsverteilung ergibt sich damit gem¨aß (6.105) zu " % ! 2 /2ν (1 − y/h) } sinh{ (1 + i) ωh iωt ˆ e ! u(y, t) = U . (6.112) sinh{ (1 + i) ωh2 /2ν } Wir diskutieren zwei Grenzf¨ alle: ω h2 /ν  1 ,

(6.113)

ω h /ν 1

(6.114)

2

und beachten, daß h2 /ν die typische Zeit f¨ ur die Diffusion der Rotation u ber die Kanalh¨ o he h ist. Im ersten Fall ist diese Zeit viel kleiner als die ¨ typische Schwingungszeit 1/ω , d. h. die Diffusion sorgt daf¨ ur, daß sich zu jedem Zeitpunkt das Geschwindigkeitsfeld einstellt, welches dem einer station¨ aren Scherstr¨ omung mit der augenblicklichen Wandgeschwindigkeit uw (t) entspricht. Man spricht dann von quasi-station¨arer Str¨omung. Mit dem ersten Glied der Entwicklung des hyperbolischen Sinus f¨ ur kleine Argumente erhalten wir dieses Ergebnis explizit, da aus " % ! ωh2 /2ν (1 + i) (1 − y/h) iωt ˆ ! u=U e (6.115) ωh2 /2ν (1 + i) sofort das Ergebnis ˆ cos(ωt) (1 − y/h) = U (1 − y/h) u=U

(6.116)

folgt, welches (6.4) entspricht, wo ja die obere Platte die bewegte Wand darstellt. Diesen Grenzfall gewinnt man auch, wenn die kinematische Z¨ahigkeit ν gegen unendlich strebt. Wie aus (6.103) ersichtlich, verschwindet dann der instation¨ are Term. Der Grenzfall ν → ∞ entspricht aber auch bei festem η dem Grenz¨ ubergang  → 0 und l¨ auft daher auf die Vernachl¨assigung der Tr¨ agheitsterme hinaus, f¨ allt also im Ordnungsschema des Abschnitts 4.4 in die Rubrik b).

6.2 Instation¨ are Schichtenstr¨ omungen

199

Abbildung 6.9. Geschwindigkeitsverteilung u ¨ ber der oszillierenden Wand

Im Grenzfall ω h2 /ν 1 benutzen wir die asymptotische Form des hyperbolischen Sinus und schreiben (6.112) in der Form  √  √ ˆ  e− ω/2ν y ei(ωt− ω/2ν y) , u=U (6.117) oder ˆ e− u=U



ω/2ν y

cos(ωt −

! ω/2ν y) .

(6.118)

In (6.118) erscheint der Abstand h nicht mehr. Gemessen in Einheiten ! λ = 2ν/ω ist die obere Wand ins Unendliche ger¨ uckt. Auch bez¨ uglich der Ver¨ anderlichen y haben die L¨ osungen Wellenform; man spricht von Scherwellen der Wellenl¨ ange λ . 6.2.2 Die pl¨ otzlich in Gang gesetzte Wand Mit (6.118) kann man prinzipiell auch die L¨ osung der ruckartig auf die Geschwindigkeit U beschleunigten Wand aufbauen. Es ist aber instruktiver, einen anderen Weg zu gehen, der direkt von der partiellen Differentialgleichung ∂u ∂2u =ν 2 ∂t ∂y

(6.119)

200

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

ausgeht. Diese DGl. beschreibt auch die instation¨are eindimensionale W¨armeleitung (ν muß dann durch die Temperaturleitzahl a ersetzt werden), die gesuchte L¨ osung findet sich also auch bei W¨armeleitungsproblemen. Die Haftbedingung an der Wand liefert u(0, t) = U

fu ¨r t > 0 .

(6.120)

Die zweite Randbedingung wird ersetzt durch die Bedingung u(y, t) = 0

fu ¨r y → ∞ .

(6.121)

Außerdem stellen wir die Anfangsbedingung u(y, t) = 0

fu ¨r t ≤ 0 .

(6.122)

(6.119) ist eine lineare Gleichung, und da U nur linear u ¨ ber die Randbedingung (6.120) eingeht, muß das Feld u(y, t) proportional zu U sein, d. h. die L¨ osung muß von der Form u/U = f (y, t, ν)

(6.123)

sein. Da links eine dimensionslose Funktion steht, muß auch f dimensionslos sein, was aber nur m¨ oglich ist, wenn auch das Argument der Funktion dimensionslos ist. Die einzige linear unabh¨ angige, dimensionslose Gr¨oße ist aber eine Kombination y 2 /(νt) . Wir setzen η=

1 y √ 2 νt

(6.124)

¨ und haben es bei η mit einer sogenannten Ahnlichkeitsvariablen zu tun, denn die L¨ osung kann sich nicht ¨ andern, wenn y und t so ver¨andert werden, daß η konstant bleibt. Wir schreiben statt (6.123) jetzt u/U = f (η)

(6.125)

und gewinnen damit aus (6.119) die gew¨ ohnliche Differentialgleichung −2 η f  = f 

(6.126)

mit f  = df /dη . Zweimalige Integration ergibt die allgemeine L¨osung η f = C1

2

e−η dη + C2 .

(6.127)

0

F¨ ur y = 0 ist η = 0 , und (6.120) entspricht der Randbedingung f (0) = 1 ,

(6.128)

6.3 Schichtenstr¨ omungen Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten

201

und daher folgt C2 = 1 . Unterwerfen wir (6.127) mit C2 = 1 der Randbe” dingung“ (6.121), so muß gelten ∞ 1/C1 = −

2

e−η dη .

(6.129)

0

Das uneigentliche Integral hat den Wert √ C1 = −2/ π ,

1 2

√ π , daher ist (6.130)

und die L¨ osung lautet √ u/U = 1 − 2/ π



2

e−η dη

fu ¨r

t≥0.

(6.131)

0

Das Integral √ erf (η) = 2/ π



2

e−η dη

(6.132)

0

ist die Fehlerfunktion. F¨ ur t = 0 folgt η → ∞ und u/U = 0 ; damit ist auch die Anfangsbedingung erf¨ ullt.

6.3 Schichtenstr¨ omungen Nicht-Newtonscher Flu ¨ ssigkeiten 6.3.1 Station¨ are Str¨ omung durch ein gerades Kreisrohr Zur Berechnung der Str¨ omung Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten greifen wir auf die Cauchyschen Gleichungen zur¨ uck. Wie bei der entsprechenden Str¨omung Newtonscher Fl¨ ussigkeiten ist aus kinematischen Gr¨ unden die einzige nicht verschwindende Geschwindigkeitskomponente die in axialer Richtung; diese h¨ angt nur von r ab. Es handelt sich also um eine Schichtenstr¨omung, und der Spannungstensor hat in Zylinderkoordinaten die Form (3.27), wobei der Index 1 der z-Richtung, der Index 2 der r-Richtung und der Index 3 der ϕ-Richtung entspricht. Da die tensorwertige Funktion ϕij in (3.27) dem Reibungsspannungstensor Pij entspricht, der nur von γ˙ = du/dr , d. h. nur von r, abh¨ angt, schreiben wir den Spannungstensor in folgender Matrixdarstellung: ⎡ ⎤ Pzz − p Prz 0   0 ⎦ . T = ⎣ Pzr Prr − p (6.133) 0 0 Pϕϕ − p

202

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

Die substantielle Ableitung Du/Dt verschwindet, und wenn wir unter p wieder nur den Druck relativ zur hydrostatischen Druckverteilung verstehen, erhalten wir aus (2.38b) 0 =∇·T .

(6.134)

In Komponentendarstellung (siehe Anhang B) und unter Ber¨ ucksichtigung von Pij (r) ergibt sich f¨ ur die r-Komponente   ∂p 1 ∂ = (r Prr ) − Pϕϕ , (6.135) ∂r r ∂r f¨ ur die ϕ-Komponente ∂p =0 ∂ϕ

(6.136)

und f¨ ur die z-Komponente ∂p 1 ∂ = (r Prz ) . ∂z r ∂r

(6.137)

Die rechten Seiten von (6.135) und (6.137) sind nur Funktionen von r . Aus (6.136) und (6.137) schließen wir auf p = z g(r) + h(r) und aus (6.135) dann g  (r) = 0 , d. h. p ist wegen der Integrationskonstanten h(r) nicht notwendigerweise von r unabh¨ angig, jedoch ist ∂p/∂z = −K = ∆p/l eine Konstante. Aus der Integration der Gleichung (6.137) gewinnen wir die Verteilung τrz = Prz = −

Kr C + , 2 r

(6.138)

in der wir C = 0 setzen, da die Reibungsspannung in Rohrmitte nicht unendlich werden kann. Statt K f¨ uhren wir mit τrz (R) = −τw = −

KR 2

(6.139)

die Schubspannung an der Rohrwand ein und schreiben (6.138) auch in der Form r τrz = −τw , (6.140) R aus der wir die f¨ ur alle Materialgesetze g¨ ultige Feststellung treffen, daß die Schubspannung τrz eine lineare Funktion von r ist. Diese Aussage gewinnt man aus dem Impulssatz zwar einfacher, hier aber kommt es uns auf die beispielhafte Anwendung der Cauchyschen Gleichung an. Wir verwenden jetzt speziell das Potenzgesetz (3.17) und nehmen an, daß γ˙ = du/dr u ¨ berall kleiner als null ist, was ja nicht genau richtig ist, weil in der Rohrmitte γ˙ aus Symmetriegr¨ unden gleich null sein muß. Mit (3.13) entsteht aus (6.140) die Gleichung

6.3 Schichtenstr¨ omungen Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten

 n−1 du du r τrz = m − = −τw . dr dr R

203

(6.141)

Wir erhalten f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung R u = R (τw /m)1/n (r/R)1/n (dr/R) ,

(6.142)

r

bzw. nach Ausf¨ uhrung der Integration   1 τ   r  n+1 n n w n u= R 1− . m n+1 R

(6.143)

F¨ ur den Volumenstrom ergibt sich V˙ =

n (τw /m)1/n π R3 3n + 1

(6.144)

und f¨ ur die mittlere Geschwindigkeit demnach U = V˙ /(π R2 ) =

n (τw /m)1/n R . 3n + 1

Aus (6.144) und (6.139) folgt schließlich noch der Druckabfall:  n l V˙ 3n + 1 ∆p = p1 − p2 = 2 m . R π R3 n

(6.145)

(6.146)

6.3.2 Station¨ are Schichtenstr¨ omung zwischen einer rotierenden Scheibe und einer festen Wand Wir betrachten die Str¨ omung mit dem Geschwindigkeitsfeld uϕ = r Ω(z) ,

uz = ur = 0 ,

(6.147)

der Abb. 6.10, dessen Form durch die Haftbedingung an der rotierenden Platte uϕ (h) = r ΩR

(6.148)

nahegelegt wird. Wir fragen zun¨ achst, unter welchen Bedingungen das Feld (6.147) die Cauchyschen Gleichungen erf¨ ullt. Die skizzierte Str¨omung wird in einer besonderen Bauart von Viskosimetern erzeugt und geh¨ort zu den sogenannten viskometrischen Str¨omungen. Die Berechnung des Dehnungsgeschwindigkeitstensors (Anhang B) f¨ uhrt auf die Matrixdarstellung ⎡ ⎤ ⎡ ⎤   eϕϕ eϕz eϕr 0 γ˙ 0   1 1 E = ⎣ ezϕ ezz ezr ⎦ = A(1) = ⎣γ˙ 0 0⎦ (6.149) 2 2 erϕ erz err 000

204

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

Abbildung 6.10. Scherstr¨ omung zwischen rotierender Scheibe und fester Wand

mit γ˙ = 2 eϕz = r dΩ/dz , so daß der erste Rivlin-Ericksen-Tensor in der Tat dieselbe Darstellung wie in einer Schichtenstr¨omung hat. Der Spannungstensor hat daher die Form (3.35), wobei hier e1 in die ϕ-Richtung, e2 in die z-Richtung und e3 in die r-Richtung zeigt. Unter Ber¨ ucksichtigung des Spannungstensors und der Symmetriebedingung ∂/∂ϕ = 0 ergeben sich die Komponenten der Cauchyschen Gleichungen in Zylinderkoordinaten zu r:

1 ∂p 1 ∂Prr 1 + + 2 (Prr − Pϕϕ ) , r ∂r r ∂r r ∂Pzϕ 0= , ∂z ∂p ∂Pzz 0=− + . ∂z ∂z

− Ω 2 (z) = −

ϕ: z:

(6.150) (6.151) (6.152)

Die Reibungsspannungen h¨ angen nach (3.35) nur von γ˙ ab. (6.151) entnehmen wir aber, daß Pzϕ = τzϕ keine Funktion von z und aus Symmetriegr¨ unden auch keine von ϕ ist. Die Schubspannung τzϕ ist also nur eine Funktion von r ; damit also auch γ˙ = r dΩ/dz : r

dΩ = g(r) dz

(6.153)

oder integriert uϕ = r Ω(z) = z g(r) + C .

(6.154)

Die Haftbedingung an der festen Wand verlangt uϕ (0) = r Ω(0) = 0 ,

(6.155)

also C = 0 . Aus (6.148) folgt uϕ (h) = r ΩR = h g(r) und daher g(r) = ΩR r/h , so daß die L¨ osung lautet:

(6.156)

6.3 Schichtenstr¨ omungen Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten

uϕ = r ΩR z/h .

205

(6.157)

Durch den Vergleich dieser L¨ osung mit der Einfachen Scherstr¨omung (6.4) erkennen wir, daß am Radius r mit der Wandgeschwindigkeit U = r ΩR sich die Einfache Scherstr¨ omung einstellt. Die Integration von (6.152) f¨ uhrt uns auf p = Pzz + C(r) ,

(6.158)

wobei die Integrationskonstante wie angedeutet aus Symmetriegr¨ unden keine Funktion von ϕ sein kann. Der Druck ist also nur eine Funktion von r, und die ganze rechte Seite der Gleichung (6.150) ist damit nur eine Funktion von r . Links steht aber eine Funktion von z . Daher kann das berechnete Geschwindigkeitsfeld nur im Grenzfall  → 0 , d. h. bei Vernachl¨assigung der Tr¨agheitsglieder, existieren. Ist die Tr¨ agheit der Fl¨ ussigkeit nicht vernachl¨assigbar, so bilden sich Sekund¨ arstr¨ omungen aus, und der Ansatz (6.147) ist unzul¨assig. Neben die kinematische Einschr¨ ankung (Rubrik c) in 4.4) tritt noch eine dynamische Einschr¨ ankung (Rubrik b) in 4.4), w¨ ahrend keinerlei Einschr¨ankungen bez¨ uglich des Materialgesetzes notwendig wurden. F¨ uhrt man (6.158) in (6.150) ein, so l¨ aßt sich C(r) durch die Normalspannungsdifferenzen ausdr¨ ucken. Wir erw¨ ahnen nur, daß durch Messung der Kraft auf die Platte mit Radius R und des Druckes bei r = 0 die Normalspannungen einer Fl¨ ussigkeit in einem Viskosimeter bestimmt werden k¨ onnen, welches nach der Prinzipskizze Abb. 6.10 gebaut ist. 6.3.3 Instation¨ are Schichtenstr¨ omung einer Fl¨ ussigkeit zweiter Ordnung Wir erweitern das in (6.147) gegebene Geschwindigkeitsfeld auf den Fall, daß die Scheibe eine Drehschwingung ϕR = ϕˆR eiωt

(6.159)

ausf¨ uhrt, schreiben also statt (6.147) nunmehr ˆ uϕ = r Ω(z) eiωt .

(6.160)

(Wie in (6.101) benutzen wir die komplexe Schreibweise und weisen die physikalische Bedeutung dem Realteil zu.) Die Komponente der Cauchyschen Gleichungen in ϕ-Richtung (6.151) beinhaltet bei der vorliegenden instation¨ aren Str¨ omung zus¨ atzlich den Tr¨ agheitsterm  ∂uϕ /∂t auf der linken Seite. Da wir Tr¨ agheitsglieder vernachl¨ assigen, verschwindet aber auch dieser Term im Grenzfall  → 0 . Die Gleichungen (6.150) bis (6.157) besitzen deshalb weiterhin ihre G¨ ultigkeit, da keinerlei Einschr¨ ankung bez¨ uglich des Materialgesetzes gemacht wurde. Seinen instation¨ aren Charakter erh¨alt das Problem bei Vernachl¨ assigung der Tr¨ agheitsglieder nur u ¨ ber die Randbedingung. Mit

206

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

ΩR = ϕ˙ R = i ω ϕˆR eiωt

(6.161)

erhalten wir aus (6.157) unmittelbar das instation¨are (genauer quasi-station¨ are) Geschwindigkeitsfeld zu uϕ = r i ω ϕˆR

z iωt e , h

(6.162)

woraus wir durch Vergleichen mit (6.160) ablesen: z ˆ Ω(z) = i ω ϕˆR . h

(6.163)

Wir berechnen nun das Moment, das an der oszillierenden Scheibe mit dem Radius R infolge der Schubspannung τzϕ angreift: R τzϕ r2 dr .

M = 2π

(6.164)

0

Da die Str¨ omung bei festem r eine Einfache Scherstr¨omung (vgl. (6.4)) ist, bei der die z-Richtung der x2 - und die ϕ- der x1 -Richtung entspricht, gen¨ ugt zur Berechnung von τzϕ die Bestimmung von τ12 in Einfacher Scherstr¨omung einer Fl¨ ussigkeit zweiter Ordnung, die sich aus (3.40) zu τ12 = η A(1)12 + β A(1)1j A(1)2j + γ A(2)12

(6.165)

ergibt. Den ersten Rivlin-Ericksen-Tensor haben wir in Abschnitt 1.2.4 zu A(1)12 = 2 e12 =

∂u1 (x2 ) ∂x2

(6.166)

angegeben. In instation¨ arer Scherstr¨ omung ist aber A(2)12 ungleich null und wird aus (1.69) berechnet:   D ∂u1 (x2 ) ∂uj ∂uj A(2)12 = + A(1)j2 + A(1)1j . (6.167) Dt ∂x2 ∂x1 ∂x2 Da u2 = u3 = 0 und u1 nur eine Funktion von x2 ist, lautet A(2)12 dann A(2)12 =

∂ 2 u1 . ∂x2 ∂t

(6.168)

Mit (6.162) und (6.165) erhalten wir daher die Schubspannung τzϕ = τ12 = i ω ϕˆR

r (η + i ω γ) eiωt h

und schließlich das Moment zu

(6.169)

6.3 Schichtenstr¨ omungen Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten

207

Abbildung 6.11. Drehschwingungsd¨ ampfer

R M = i ω ϕˆR (η + iω γ) e

iωt



r3 π R4 dr = i ω ϕˆR (η + iω γ) eiωt . h 2h

0

(6.170) Diese Gleichung findet Anwendung bei der D¨ ampfung der Drehschwingungen von Kurbelwellen. Der D¨ ampfer besteht aus einem Geh¨ause, das an die Kurbelwelle angeschlossen wird und in dessem Inneren sich eine drehbar gelagerte Scheibe befindet (Abb. 6.11). Wenn das Geh¨ ause Drehschwingungen ϕG = ϕˆG eiωt

(6.171)

ausf¨ uhrt, hinkt die im Geh¨ ause drehbar gelagerte Scheibe infolge ihrer Drehtr¨agheit Θ der Geh¨ ausebewegung hinterher. Die im Geh¨ause befindliche viskoelastische Fl¨ ussigkeit, von der wir annehmen, daß sie sich wie die idealisierte Fl¨ ussigkeit zweiter Ordnung verh¨ alt, wird durch die Relativbewegung zwischen Geh¨ ause und Scheibe geschert. Wenn ϕD die Drehschwingung der Scheibe beschreibt, so lautet die Relativbewegung ϕR = ϕˆR eiωt = (ϕˆG − ϕˆD ) eiωt .

(6.172)

Vernachl¨ assigen wir der Einfachheit halber das Moment an der Umfangsfl¨ache, so greift an jeder Seite der Scheibe das Moment nach (6.170)

208

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

M=

1 χ i ω ϕˆR (η + iωγ) eiωt 2

(6.173)

an, wobei χ=

π R4 h

(6.174)

ein Geometriefaktor ist. Dann gilt Θ ϕ¨D = 2 M

(6.175)

oder −ω 2 Θ ϕˆD = i ω ϕˆR (η + iωγ) χ . Aus (6.176) folgt χ γ χη  ϕˆD = −i ϕˆR . Θ Θω

(6.176)

(6.177)

Ohne Einschr¨ ankung der Allgemeinheit setzen wir ϕˆR als rein reell voraus. Dann ist der Phasenwinkel von ϕˆD durch  χ η   χ γ −1 η tan α = − =− Θω Θ ωγ

(6.178)

gegeben. Da γ < 0 ist, bewegt sich α zwischen 3π/2 und π . Aus (6.177) folgt χη ! |ϕˆD |/|ϕˆR | = 1 + (ω γ/η)2 (6.179) Θω oder mit (6.178) auch √ χ η tan2 α + 1 χη 1 |ϕˆD |/|ϕˆR | = = . Θω tan α Θ ω | sin α|

(6.180)

Wegen (6.172) gewinnen wir noch die Beziehung ϕˆG /ϕˆR = 1 + ϕˆD /ϕˆR

(6.181)

und bei nochmaliger Benutzung von (6.177) die Gleichung  χ γ 2  χ η 2 |ϕˆG /ϕˆR |2 = 1 + + , Θ Θω

(6.182)

die wir sp¨ ater ben¨ otigen werden. Vorher berechnen wir aber noch die von dem Moment 2M pro Schwingungsperiode T = 2π/ω geleistete Arbeit W , wobei wir beachten, daß nur der Realteil der Gr¨oßen physikalische Bedeutung hat. Wir erhalten das Integral

6.3 Schichtenstr¨ omungen Nicht-Newtonscher Fl¨ ussigkeiten

209

T (2M ) (ϕ˙ R ) dt ,

W =

(6.183)

0

dessen Integranden wir mit (6.175) zu (2M ) (ϕ˙ R ) = −ω 2 Θ (ϕˆD eiωt ) (i ω ϕˆR eiωt )

(6.184)

umformen. F¨ ur den komplexen Winkel ϕˆD schreiben wir wegen (6.178) ϕˆD = |ϕˆD | eiα ,

(6.185)

und da ϕˆR rein reell ist ϕˆR = |ϕˆR | ,

(6.186)

entsteht aus (6.184) der Ausdruck (2M ) (ϕ˙ R ) = Θ ω 3 |ϕˆD | |ϕˆR | (cos α cos ωt sin ωt + | sin α| sin2 ωt) . (6.187) (6.183) liefert nach Ausf¨ uhrung der Integration das Ergebnis W = π Θ ω 2 |ϕˆR | |ϕˆD | | sin α| , welches wir mit der Bezugsarbeit

W

+

(6.188) π Θ ω 2 |ϕˆG |2 in die dimensionslose Form 2

2χη 2W Θω = =  χ η 2  χ γ 2 π Θ ω 2 |ϕˆG |2 + 1+ Θω Θ

(6.189)

bringen, wobei wir von (6.180) und (6.182) Gebrauch gemacht haben. W + ist eine Funktion der zwei dimensionslosen Gruppen (χ η)/(Θ ω) und χ γ/Θ , stellt also eine Fl¨ ache dar, die in Abb. 6.12 zusammen mit dem Bildwurf in die (χ η)/(Θ ω)-W + -Ebene f¨ ur negative χ γ/Θ-Werte gezeigt ist. Auf der Fl¨ ache W + liegen die Betriebspunkte aller denkbaren D¨ampfer, die als dissipierendes Medium Fl¨ ussigkeit verwenden. Besonders interessant sind die zwei ausgezeichneten Kurven γ = 0 , die einer Newtonschen Fl¨ ussigkeit entspricht, und χ γ/Θ = −1 , die offensichtlich optimal im folgenden Sinne ist: F¨ ur gegebenes (χ η)/(Θ ω) wird auf dieser Kurve die h¨ochst m¨ogliche D¨ ampfung erreicht. Sie nimmt bei (χ η)/(Θ ω) = 1 gerade den zweifachen Wert der maximalen D¨ ampfung an, die mit Newtonscher Fl¨ ussigkeit m¨oglich ist. F¨ ur Fl¨ ussigkeiten zweiter Ordnung ist die Abstimmung“ χ γ/Θ = −1 , ” die man bei vorgegebener Materialkonstante γ durch konstruktive Wahl von Θ oder χ immer erreichen kann, sogar frequenzunabh¨angig, d. h. der D¨ampfer erzielt im ganzen Frequenzbereich die h¨ ochste D¨ampfung. Wirkliche

210

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

Abbildung 6.12. Zum Drehschwingungsd¨ ampfer mit Fl¨ ussigkeit zweiter Ordnung

Fl¨ ussigkeiten gehorchen nur n¨ aherungsweise f¨ ur gen¨ ugend kleine Frequenzen (Ged¨ achtniszeit der Fl¨ ussigkeit klein gegen¨ uber der Periodendauer) diesem Gesetz, so daß γ mehr oder weniger stark von ω abh¨angig ist, und man kann daher nur u ¨ ber ein begrenztes Frequenzband mit der optimalen Abstimmung arbeiten.

6.4 Schichtenstr¨ omungen bei Bingham-Verhalten 6.4.1 Druck-Schlepp-Str¨ omung eines Bingham-Materials Wir betrachten die station¨ are, ausgebildete Str¨omung eines Bingham-Materials durch einen ebenen Kanal der H¨ ohe h und setzen voraus, daß der Druck-

6.4 Schichtenstr¨ omungen bei Bingham-Verhalten

211

gradient ∂p/∂x = −K negativ ist, daß die obere Wand (y = h) mit der Geschwindigkeit U in positive x-Richtung geschleppt wird und daß die Wandschubspannung an der unteren Wand (y = 0) gr¨oßer als die Fließspannung ist. Alle anderen F¨ alle lassen sich auf diesen Fall zur¨ uckf¨ uhren. Die x- und y-Komponenten der Cauchy-Gleichung vereinfachen sich zu  ∂τxy ∂p = ∂x ∂y

(6.190)

und  ∂τyy ∂p = , ∂y ∂y

(6.191)

da in der ausgebildeten Str¨ omung die Komponenten des Spannungsdeviators keine Funktionen von x sind. Aus (6.191) schließen wir auf  p = τyy + f (x)

(6.192)

und mit (6.190) dann auf f  (x) = const = −K, so daß  τxy = −Ky + τw

(6.193)

entsteht, wobei τw die Schubspannung an der unteren Wand (y = 0) ist. Wegen τw > ϑ fließt das Material in der N¨ ahe der Wand, bis die Fließspannung ϑ bei einer H¨ ohe y = κ1 h = (τw − ϑ)/K

(6.194)

unterschritten und das Material fest wird. F¨ ur gr¨oßer werdende y wird die Schubspannung schließlich negativ, bis bei y = κ2 h = (τw + ϑ)/K

(6.195)

 die negative Schubspannung −τxy gleich der Fließspannung ist, von wo ab das Material wieder fließt. Offensichtlich ist du/dy in der ersten Fließzone positiv, wie man dem Materialgesetz (3.60) und (3.62) entnimmt, das in der vorliegenden Schichtenstr¨ omung die Form   du du  τxy = η1 + ϑ sgn (6.196a) dy dy  τyy =0

(6.196b)

hat. Aus (6.193) und (6.196) gewinnen wir mit der Randbedingung u(0) = 0 die Geschwindigkeitsverteilung in der ersten Fließzone zu   u Kh2 ) y *2 y =− − 2κ1 , (6.197) U 2η1 U h h

212

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

die f¨ ur κ1 ≥ 1 bereits die Verteilung im gesamten Kanal ist. In der zweiten Fließzone ist du/dy negativ, und die Geschwindigkeitsverteilung ergibt sich zu   ) y *2 ) u Kh2 y* =1+ 1− − 2κ2 1 − , (6.198) U 2η1 U h h wobei die Randbedingung u(h) = U benutzt wurde. An den Fließfl¨achen verschwindet du/dy erwartungsgem¨ aß. Die Geschwindigkeit an den Fließfl¨achen y = κ1 h und y = κ2 h ist gleich der Festk¨ orpergeschwindigkeit, die sich aus (6.197) zu UF =

Kh2 κ21 2η1

(6.199)

und aus (6.198) zu UF = U +

Kh2 (1 − κ2 )2 2η1

(6.200)

ergibt. Aus (6.199) und (6.200) folgt die Gleichung κ21 − (1 − κ2 )2 =

2U η1 , Kh2

(6.201)

die zusammen mit (6.194) und (6.195) die Str¨omung bei gegebenem Druckgradienten −K, Schleppgeschwindigkeit U und Material η1 und ϑ eindeutig festlegt. Wir betrachten zun¨ achst den Fall, daß kein Festk¨orper gebildet wird, (6.197) also die gesamte Geschwindigkeitsverteilung darstellt, die mit der Bedingung u(y = h) = U f¨ ur die Schubspannung τw die Form τw = ϑ +

U η1 Kh + h 2

(6.202)

liefert. Man u ur nichtverschwindendes K die Ge¨ berzeugt sich leicht, daß f¨ schwindigkeitsverteilung (6.19) der Druck-Schlepp-Str¨omung erhalten wird. Aus (6.194) und (6.202) schließen wir, daß sich kein Festk¨orper bildet, wenn 2η1 U/(Kh2 ) > 1 ist. Wenn die zweite Fließzone im Kanal nicht gebildet wird, aber ein Festk¨orper entsteht, so haftet dieser unter den getroffenen Annahmen an der oberen ! Wand, und wegen (6.200) ist κ2 = 1, w¨ahrend (6.201) den Wert κ1 = 2U η1 /(Kh2 ) ergibt, der mit (6.194) die Schubspannung an der Wand festlegt und mit (6.197) die Geschwindigkeitsverteilung f¨ ur diesen Fall liefert. Beim oben schon erl¨ auterten allgemeinen Fall bildet sich der Festk¨orper zwischen den beiden Fließzonen. Mit den dimensionslosen Kennzahlen ur die wir abk¨ urzend A bzw. B schreiben, be2U η1 /(Kh2 ) und 2ϑ/(Kh), f¨ stimmen wir mit Hilfe von (6.194), (6.195) und (6.201) den Ort der Fließfl¨achen zu:

6.4 Schichtenstr¨ omungen bei Bingham-Verhalten

213

Abbildung 6.13. Druck-Schlepp-Str¨ omung bei Bingham-Verhalten

κ1 =

A + (1 − B)2 2(1 − B)

(6.203)

A + (1 − B 2 ) . 2(1 − B)

(6.204)

und κ2 =

Da 0 < κ1 < κ2 < 1 ist, schließt man auf die Ungleichungen 1>

2ϑ >0 Kh

und  2 2ϑ 2U η1 1− > , Kh Kh2

(6.205)

(6.206)

F¨ ur reine Druckstr¨ omung (U = 0) und 2ϑ/(Kh) ≥ 1 f¨ ullt der Festk¨orper den ganzen Kanal aus. In den Gr¨ oßen A und B stellt sich der Volumenstrom (pro Tiefeneinheit) durch die Gleichung 12V˙ η1 3 1 3 3A2 3A2 = 1 + 3A − B + B + − Kh3 2 2 2(1 − B)2 2(1 − B)

(6.207)

dar, die sich f¨ ur die reine Druckstr¨ omung (A = 0) auf 12V˙ η1 = Kh3

  3 1 1 − B + B3 2 2

(6.208)

reduziert und f¨ ur B = 0 den Volumenstrom der newtonschen Druck-SchleppStr¨ omung: 12V˙ η1 = 3A + 1 Kh3

(6.209)

214

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

bzw. U h Kh3 V˙ = + 2 12η1

(6.210)

ergibt. Abschließend bemerken wir, daß die Gleichungen (6.197) bis (6.201) und (6.203) bis (6.210) f¨ ur beliebiges Vorzeichen von U und K gelten, sofern man f¨ ur B jeweils den Betrag einsetzt. In Anwendung der hergeleiteten Beziehungen betrachten wir einen Stoßd¨ampfer , der mit elektro-rheologischer (oder magneto-rheologischer) Fl¨ ussigkeit gef¨ ullt ist, die wie in Kapitel 3 besprochen, unter starkem elektrischen (magnetischen) Feld Bingham-Charakter annimmt, auch wenn sie sich ohne Feld newtonsch verh¨ alt. F¨ ur das Kontrollvolumen, das in der Prinzipskizze eines solchen D¨ ampfers (Abb. 6.14) eingezeichnet ist, folgt aus (2.8) f¨ ur die inkompressible Fl¨ ussigkeit  u · n dS = 0 , (6.211) A−R,R,A

wobei A die Querschnittsfl¨ ache des Innenzylinders ist, R die Querschnittsfl¨ ache des Ringkanals und A−R die Stirnfl¨ ache des Kolbens. Wir nehmen an, daß die Ringfl¨ ache des Ringkanals sehr viel kleiner ist als die Querschnittsfl¨ache des Zylinders, also R/A  1 und daher A − R ∼ = A ist. Dann entsteht aus (6.211) der Zusammenhang −Auk + V˙ +

dVG dp = 0, dp dt

(6.212)

hierin ist −Auk das durch den Kolben mit der Geschwindigkeit uk pro Zeiteinheit verdr¨ angte Volumen, V˙ der durch den Ringkanal abfließende Volu¨ menstrom, und der dritte Term in (6.212) stellt die Anderung des Volumens VG der Gaskammer pro Zeiteinheit dar, die sich aus der Verschiebung des Zwischenbodens ergibt, der mit dem durch ihn abgetrennten Gasraum eine Gasfeder“ bildet. Man beachte, daß der Druckunterschied u ¨ ber den (masse” losen) Zwischenboden verschwindet. dVG /dp ist die Volumennachgiebigkeit dieser Gasfeder, ihr Kehrwert wird als Volumensteifigkeit bezeichnet. Man findet leicht den entsprechenden Ausdruck f¨ ur die Volumennachgiebigkeit, wenn man bedenkt, daß der Zwischenboden gasdicht ist und daher die Gasmasse in der Feder konstant ist, also VG d +  dVG = 0

(6.213)

gilt. Die Zustands¨ anderung in der Gasfeder erfolgt isentrop, und da die Gasgeschwindigkeit praktisch null ist, sogar homentrop, so daß aus (4.174) die Form dp = a2 d

(6.214)

6.4 Schichtenstr¨ omungen bei Bingham-Verhalten

215

entsteht, mit der f¨ ur die Volumennachgiebigkeit der Ausdruck dVG VG = 2 dp a

(6.215)

erhalten und f¨ ur kleine Volumen¨ anderungen des Gasraumes mit den ungest¨ orten Gr¨ oßen ausgewertet wird. F¨ ur dieBerechnung des Volumenstromes durch die Ringkammer kann man die Wandgeschwindigkeit, d.h. die Kolbengeschwindigkeit, vernachl¨ assigen, da das Verh¨altnis der Kolbengeschwindigkeit zur Geschwindigkeit im Ringkanal von der Gr¨oßenordnung R/A ist. Dann herrscht im Kanal eine reine Druckstr¨ omung, und wenn man, konsistent mit der Annahme R/A  1, auch fordert, daß die Kanalh¨ohe h klein ist im Vergleich zum mittleren Radius rm des Ringkanals, so l¨aßt sich die Str¨ omung im Ringkanal nach den Gesetzen der ebenen Str¨omung ermitteln und (6.207) anwenden. In (6.207) ist der Volumenstrom auf die Tiefeneinheit bezogen; f¨ ur den Volumenstrom durch den Ringkanal ergibt sich daher   h3 3 1 V˙ = 2πrm ∆p 1 − B + B 3 ; f¨ ur B < 1 12η1 L 2 2 (6.216) ˙ und V = 0 ; f¨ ur B ≥ 1 mit ∆p = KL, dem Druckunterschied p − p0 u ¨ ber den Kolben und B = 2ϑL/(∆ph). Da p0 ein zeitlich unver¨ anderlicher Druck ist, gewinnen wir aus (6.212) die nichtlineare DGl f¨ ur die Druckdifferenz ∆p:   ) *3  h3 3 2ϑL 1 2ϑL Auk (t) − 2πrm ∆p 12η 1 − + 2 ∆p h 2 ∆p h 1L d(∆p) = ; dt dVG /dp f¨ ur B < 1 und

d(∆p) Auk (t) = ; f¨ ur B ≥ 1 dt dVG /dp

F¨ ur eine vorgegebene Kolbenbewegung, xk = x0 sin (ωt); x˙ = uk (t) etwa, ist diese DGl numerisch zu l¨ osen, womit die Kraft auf den Kolben F (t) = A∆p(t) f¨ ur die vorgegebene Bewegung bekannt ist. Es ist u ¨ blich, das Verhalten eines Stoßd¨ ampfer durch die graphische Darstellung F (uk ) zu charakterisieren, da die umschriebene Fl¨ ache ein Maß f¨ ur die dissipierte Energie ist. Abb. 6.15 zeigt diese Darstellung f¨ ur ein Bingham Material mit der Fließspannung ϑ = 5000 N/m2 und ϑ = 0 N/m2 (Newtonsche Fl¨ ussigkeit). Der Vergleich ist aber insofern nicht zutreffend, als D¨ampfer, die mit Newtonschen Fl¨ ussigkeit arbeiten, nicht nach dem Prinzip der Abb. 6.14 gebaut werden. Statt des Ringkanales haben diese D¨ ampfer Drossel¨offnungen (Blenden) mit druckabh¨ angigen Querschnitten. Die Arbeit der Kolbenbewegung wird in kinetische Energie eines Teiles der Fl¨ ussigkeit umgewandelt, die anschließend dissipiert und einen Verlust mechanischer Energie darstellt. Dieses D¨ampferverhalten ist dadurch praktisch von der Viskosit¨at unabh¨angig, obwohl diese nat¨ urlich die Dissipation verursacht.

216

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

Abbildung 6.14. Aufbau des betrachteten Stoßd¨ ampfers

Abbildung 6.15. D¨ ampferkennlinie

6.4.2 Rohrstr¨ omung eines Bingham-Materials Bei der station¨ aren, ausgebildeten Str¨ omung eines Bingham-Materials durch ein kreiszylindrisches Rohr mit dem Radius R handelt es sich aufgrund der kinematischen Einschr¨ ankung ebenfalls um eine Schichtenstr¨omung. Wie in Abschnitt 6.3.1 erl¨ autert, erh¨ alt man f¨ ur beliebiges Materialverhalten eine in r lineare Schubspannungsverteilung im Rohr: τrz = −τw

r , R

(6.217)

6.4 Schichtenstr¨ omungen bei Bingham-Verhalten

217

Abbildung 6.16. Rohrstr¨ omung eines Bingham-Materials

wobei hier wieder τw = KR/2 > 0 und K = −∂p/∂z ist. Dort, wo das Material fließt, sind τrz bzw. τzr die einzigen von null verschiedenen Komponenten des Spannungsdeviators, f¨ ur dessen zweite Invariante man 1   2 τ τ = τrz 2 ij ij

(6.218)

erh¨ alt. Mit (6.217) und (6.218) schließen wir, daß die Fl¨ ussigkeit im gesamten Rohr nicht fließt, solange die Wandschubspannung (3.61) kleiner als die Fließspannung, also τw < ϑ, ist. F¨ ur τw > ϑ fließt ein Teil der Fl¨ ussigkeit, und die Spannung −τrz erreicht den Wert der Fließspannung am Radius r = a: a ϑ = . R τw

(6.219)

Im Gebiet r > a fließt daher das Material, und aus dem Materialgesetz (3.60) folgt τrz = η1

du −ϑ , dr

(6.220)

wobei das negative Vorzeichen auftritt, weil du/dr < 0 ist. Mit (6.217) entsteht eine Gleichung f¨ ur du/dr, deren Integration mit u(r = R) = 0 die Geschwindigkeitsverteilung  ) r *2  ϑR ) ) r ** τw R u(r) = 1− − 1− (6.221) 2η1 R η1 R liefert, die f¨ ur ϑ = 0 in die bekannte Form f¨ ur Newtonsche Fl¨ ussigkeit u ¨bergeht. Im Gebiet r < a erh¨ alt man aus (6.221) die konstante Geschwindigkeit in Rohrmitte zu  2 τw R ) a *2 τw R ϑ 1− umax = = 1− (6.222) 2η1 R 2η1 τw

218

6 Laminare Schichtenstr¨ omungen

und gewinnt schließlich den Volumenstrom zu   4 πτw R3 4 ϑ 1 ϑ ˙ V = 1− + . 4η1 3 τw 3 τw

(6.223)

7 Grundzu ¨ge turbulenter Stro ¨mungen

7.1 Stabilit¨ at und Entstehung der Turbulenz Wir schließen an die Diskussion der laminaren Rohrstr¨omung an. Dort hatten wir festgestellt, daß der Druckabfall proportional dem Volumenstrom ist, ein Ergebnis, das mit den Experimenten nur bei Reynoldsschen Zahlen u ¨ber¨ einstimmt, die kleiner sind als die kritische Reynolds-Zahl. Beim Uberschreiten dieser kritischen Reynolds-Zahl steigt der Druckabfall stark an und wird schließlich proportional zum Quadrat des Durchflusses. Gleichzeitig tritt eine ¨ auff¨ allige Anderung der Str¨ omungsform auf. Unterhalb der kritischen Reynolds-Zahl beobachtet man geradlinige, zur Rohrwand parallele Teilchenbahnen mit einem schichtenf¨ormigen oder laminaren Str¨ omungsverlauf, der dieser Str¨ omungsform den Namen laminare Str¨omung gegeben hat. Die Teilchenbahnen lassen sich bei der Str¨omung durch Glasrohre sichtbar machen, indem man an einem Punkt die Fl¨ ussigkeit anf¨ arbt, also eine Streichlinie erzeugt, die in station¨arer Str¨omung mit der Bahnlinie zusammenf¨ allt. In laminarer Str¨omung bildet sich ein feiner Faden aus, der nur durch den geringen Einfluß der molekularen Diffusion verbreitert wird. Wird die kritische Reynolds-Zahl gen¨ ugend weit u ¨berschritten, so wird die Str¨ omung ganz deutlich instation¨ ar: Der Faden schwankt hin und her und l¨ ost sich viel st¨ arker auf, als man es aufgrund der molekularen Diffusion erwarten w¨ urde. Schon in kurzem Abstand hinter der Einleitungsstelle hat sich der Faden mit der Str¨ omung vermischt. Man nennt diese Str¨omungsform turbulente Str¨omung. Ein kennzeichnendes Merkmal der turbulenten Str¨ omung ist also die stark erh¨ ohte Diffusion, die sich in der raschen Verbreiterung des Farbfadens a ußert. Andere Merkmale haben wir bereits fr¨ uher ¨ erw¨ ahnt: Dreidimensionalit¨ at und Instationarit¨at der immer wirbelbehafteten Str¨ omungen und stochastisches Verhalten der Str¨omungsgr¨oßen. Der Umschlag zur Turbulenz tritt nat¨ urlich nicht nur bei der Rohrstr¨ omung auf, sondern bei allen laminaren Str¨omungen, insbesondere auch bei laminaren Grenzschichten. Soweit die bisher besprochenen laminaren Str¨ omungen exakte L¨ osungen der Navier-Stokesschen Gleichungen sind, gelten diese L¨ osungen zun¨ achst f¨ ur beliebig große Reynolds-Zahlen. Damit aber diese L¨ osungen von der Natur realisiert werden, m¨ ussen sie nicht nur die Navier-Stokesschen Gleichungen erf¨ ullen, sondern die Str¨omungen m¨ ussen

220

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

auch stabil gegen kleine St¨ orungen sein. Dies ist aber oberhalb der kritischen Reynolds-Zahl nicht mehr der Fall. Selbst eine noch so kleine St¨orung gen¨ ugt oberhalb der problemspezifischen kritischen Reynolds-Zahl, den Umschlag von der laminaren zur turbulenten Str¨ omungsform auszul¨osen. Bei den einigen der angegebenen laminaren Str¨omungen l¨aßt sich auf theoretischem Wege die Reynoldssche Zahl ermitteln, unterhalb derer alle kleinen St¨ orungen abklingen. Bei anderen, insbesondere bei der HagenPoiseuilleschen Str¨ omung findet man keine kritische Reynolds-Zahl: Diese Str¨ omung ist also theoretisch bei allen Reynoldsschen Zahlen stabil. In der Natur tritt aber auch hier die turbulente Str¨omungsform auf, die ja oben gerade am Beispiel der Rohrstr¨ omung beschrieben wurde. Auch historisch hat die Untersuchung turbulenter Str¨omungen von der Rohrstr¨ omung ausgehend begonnen (Reynolds 1883). Es ist wahrscheinlich, daß die Instabilit¨ at der Rohrstr¨ omung sich aus der St¨orung im Rohreinlauf entwickelt, wo sich noch keine ausgebildete Rohrstr¨omung mit parabolischem Geschwindigkeitsprofil eingestellt hat. Die experimentell bestimmte kritische Reynolds-Zahl h¨ angt in der Tat stark von den Bedingungen im Einlauf und der Zustr¨ omung ab. F¨ ur besonders st¨ orungsfreie Zustr¨omung sind kritische Reynolds-Zahlen bis 40000 gemessen worden, w¨ahrend bei den in technischen Anwendungen u aufen die kritische Reynolds-Zahl ¨ blichen unberuhigten Zul¨ auf etwa 2300 absinkt. Bei Reynoldsschen Zahlen kleiner als 2000 bleibt die Rohrstr¨ omung auch bei stark gest¨ ortem Zulauf laminar. Als Richtwert f¨ ur die kritische Reynolds-Zahl unter technischen Anwendungsbedingungen gilt Rekrit = (U d/ν)krit = 2300 .

(7.1)

Bei Reynoldsschen Zahlen Re < Rekrit empfiehlt es sich, den Druckabfall nach den Gesetzen der laminaren Rohrstr¨ omung zu ermitteln, w¨ahrend f¨ ur Re > Rekrit der Druckabfall aus den noch zu besprechenden Gesetzen der turbulenten Rohrstr¨ omung folgt. Die Verh¨ altnisse bei der Rohrstr¨ omung machen aber deutlich, daß die Reynoldssche Zahl, bei der eine Str¨ omung turbulent geworden ist, von der Reynoldsschen Zahl zu unterscheiden ist, bei der die Str¨omung zum ersten Mal instabil wird. Beide Reynoldssche Zahlen werden oft als kritische Reynolds-Zahl bezeichnet, ihre Unterscheidung ist aber wichtig, denn die Instabilit¨ at einer Str¨ omung bez¨ uglich kleiner St¨orungen bedeutet nicht unbedingt und unmittelbar den Umschlag zur turbulenten Str¨omung. Es stellt sich in der Regel eine neue, kompliziertere aber noch laminare Str¨omung ein, die bei Vergr¨oßerung der Reynoldsschen Zahl ihrerseits instabil wird und m¨oglicherweise wieder in eine neue, laminare Str¨omung u ¨ bergeht oder aber in ¨ Turbulenz umschl¨ agt. Der Ubergang von der instabilen zur voll turbulenten Str¨ omung ist bisher nur durch direkte Simulationsrechnungen zug¨anglich. Experimentelle Untersuchungen werden dadurch erschwert, daß die Str¨omung besonders empfindlich gegen unvermeidbare und oft unbekannte St¨or¨ einfl¨ usse ist, die aber das Ubergangsverhalten entscheidend ver¨andern k¨onnen.

7.1 Stabilit¨ at und Entstehung der Turbulenz

221

Oft liegen die Reynolds-Zahlen der Stabilit¨ atsgrenze und des Turbulenzbeginns nahe beisammen, insbesondere dann, wenn starke St¨oreinfl¨ usse vorliegen. Ein Beispiel f¨ ur einen großen Unterschied beider Reynolds-Zahlen bietet aber die laminare Str¨ omung zwischen zwei rotierenden Zylindern, deren erste Instabilit¨ at auch deswegen interessant ist, weil sie mit der Instabilit¨at der Dichteschichtung eng verwandt ist: Eine kleine Fl¨ ussigkeitsmenge, die vom Radius r durch eine kleine St¨ orung auf den Radius r1 > r hochgehoben wird, bringt bei Abwesenheit von Reibungskr¨ aften den Drehimpuls D = r uϕ mit sich. Die Geschwindigkeit der Fl¨ ussigkeitsmenge auf der neuen Bahn r1 ist D/r1 und ihre Zentripetalbeschleunigung D2 /r13 . Sie ist dort einem von der Umgebung aufgepr¨ agten Druckgradienten ausgesetzt, der wegen (6.40) durch  u2ϕ1 D2 ∂p   =  31 = (7.2) r1 r1 ∂r r1 festgelegt ist. Die Str¨ omung ist stabil, wenn die Fl¨ ussigkeitsmenge durch diesen Druckgradienten auf den Ausgangsradius r zur¨ uck gedr¨ uckt wird. Wir werden daher auf die notwendige Bedingung  ∂p  D2 D2 =  31 >  3 (7.3)  ∂r r1 r1 r1 oder r1 uϕ1 > r uϕ

(7.4)

gef¨ uhrt. Der Potentialwirbel mit r uϕ = const ist offensichtlich gerade die neutrale“ Geschwindigkeitsverteilung. Die Geschwindigkeitsverteilung ist ” aber instabil, wenn r uϕ auf dem kleineren Radius gr¨oßer ist als auf dem gr¨ oßeren, also z. B. dann, wenn der ¨ außere Zylinder steht, und nur der innere rotiert. ¨ Diese Uberlegungen gelten nur f¨ ur reibungsfreie Fl¨ ussigkeit. Ber¨ ucksichtigt man die Reibung, so ergibt sich f¨ ur diesen Fall die kritische Reynolds-Zahl zu ( h RI ΩI RI = 41, 3 . (7.5) ν h Oberhalb dieser Reynolds-Zahl bildet sich eine neue laminare Str¨omung aus: Es treten regelm¨ aßige, abwechselnd links und rechts drehende Wirbel auf, deren Symmetrieachse in Richtung der Zylinderachse weist (TaylorWirbel ). Der Umschlag zur turbulenten Str¨ omung erfolgt erst bei viel gr¨oßerer Reynolds-Zahl, die etwa f¨ unfzig mal gr¨ oßer ist als die Reynolds-Zahl der Stabilit¨ atsgrenze. Dieses Str¨ omungsph¨ anomen ist auch von technischem Interesse, da es u ¨berall dort auftreten kann, wo Wellen in einer Bohrung laufen, so z. B. in Radial-Gleitlagern und Dichtspalten.

222

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

7.2 Reynoldssche Gleichungen In der ausgebildeten turbulenten Str¨ omung, d. h. nach abgeschlossenem Umschlag, sind die Str¨ omungsgr¨ oßen Zufallsgr¨ oßen. Man kann sich die Str¨omung ¨ als Uberlagerung einer Grund- oder Hauptstr¨ omung mit einer ungeordneten, stochastischen Schwankungsgeschwindigkeit denken. Das Geschwindigkeitsfeld l¨ aßt sich dann folgendermaßen darstellen: ui (xj , t) = ui (xj , t) + ui (xj , t) .

(7.6)

Diese Aufteilung wird dann besonders zweckm¨aßig sein, wenn die Schwankungsgeschwindigkeit ui viel kleiner als die Grundgeschwindigkeit ui ist. Die Grundgeschwindigkeit entspricht dem Mittelwert der Geschwindigkeit. Auch im allgemeinsten Fall kann man die mittlere Geschwindigkeit ui (xj , t) und sinngem¨ aß auch andere mittlere Gr¨ oßen durch 1  (k) ui (xj , t) n→∞ n n

ui (xj , t) = lim

(7.7)

k=1

bilden, indem man den Str¨ omungsablauf n mal realisiert und jeweils am selben Ort xj zur selben Zeit t die Geschwindigkeit ui (xj , t) feststellt. F¨ ur Str¨ omungen, bei denen diese Mittelwerte zeitunabh¨angig sind, d. h. bei statistisch station¨aren Prozessen, tritt an die Stelle der theoretisch immer m¨oglichen Mittelwertbildung nach (7.7) die einfachere Mittelwertbildung gem¨aß der Formel 1 ui (xj ) = lim T →∞ T

t+T  /2

ui (xj , t) dt .

(7.8)

t−T /2

Wir beschr¨ anken uns im folgenden auf inkompressible und im Mittel station¨are Str¨ omungen. Wir setzen jetzt die Zerlegung (7.6) und die entsprechende Zerlegung des Druckes p = p + p

(7.9)

in die Kontinuit¨ atsgleichung (2.5) sowie in die Navier-Stokesschen Gleichungen in der Form (4.9a) ein und unterwerfen die resultierende Gleichung der Mittelwertbildung gem¨ aß (7.8). Beachtet man die aus (7.8) bzw. (7.6) folgenden Rechenregeln f¨ ur die Mittelwerte zweier beliebiger Zufallsgr¨oßen g und f : g=g ,

(7.10a)

g+f =g+f ,

(7.10b)

g f = gf ,

(7.10c)

7.2 Reynoldssche Gleichungen

∂g , ∂s   f ds = f ds , ∂g/∂s =

223

(7.10d) (7.10e)

wobei s irgendeine der unabh¨ angigen Ver¨ anderlichen xi oder t sei, so folgt zun¨ achst aus der Kontinuit¨ atsgleichung ∂ui =0, ∂xi

(7.11)

da ui als Folge von (7.8) und deshalb wegen (7.10d) auch ∂ui /∂xi verschwindet. Hieraus folgt aber auch f¨ ur die Schwankungsgeschwindigkeiten ∂ui =0. ∂xi

(7.12)

Aus demselben Grund verschwinden in den Navier-Stokesschen Gleichungen nach der Mittelung alle in den Schwankungsgr¨oßen linearen Glieder, ∂ui ∂ 2 ui ∂p ∂ui = = = uj =0, ∂t ∂xj ∂xj ∂xi ∂xj

(7.13)

und wir erhalten die Gleichung  uj

∂ui ∂u ∂p ∂ 2 ui +  uj i =  ki − +η , ∂xj ∂xj ∂xi ∂xj ∂xj

(7.14)

die wir mit der aus der Kontinuit¨ atsgleichung folgenden Beziehung ∂ ∂ (ui uj ) = uj (u ) ∂xj ∂xj i in die zuerst von Reynolds angegebene Form umschreiben: ) *  u 2 ∂  u i j ∂ui ∂p ∂ ui  uj =  ki − +η − . ∂xj ∂xi ∂xj ∂xj ∂xj

(7.15)

(7.16)

Physikalisch bedeutet das Verschwinden der gemittelten linearen Glieder, daß die Beitr¨ age der entsprechenden Gr¨ oßen sich im Integral (7.8) aufheben, oder anders ausgedr¨ uckt: im Mittel sind diese Schwankungsgr¨oßen genauso oft positiv wie negativ. Dies ist f¨ ur die nichtlinearen Glieder (z. B. : ui uj ) nicht der Fall: F¨ ur die Komponenten des Tensors ui uj auf der Hauptdiagonalen, also   u1 u1 , u2 u2 , u3 u3 , ist das offensichtlich. Aber auch die Terme u1 u2 usw., die Geschwindigkeitskomponenten in zwei verschiedene Richtungen beinhalten, sind im allgemeinen nicht null. Das w¨ aren sie nur, wenn es sich um statistisch unabh¨ angige Gr¨ oßen handelte. Die Komponenten der Geschwindigkeit sind

224

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

aber korreliert. Als Maß f¨ ur die Korrelation zweier Schwankungsgr¨oßen g  und f  dient der Ausdruck gf  R= + , g2 f 2

(7.17)

hier also ui uj Rij (xk , t) = + , 2 2  ui uj

(7.18)

bzw. allgemeiner f¨ ur die Korrelation zweier Geschwindigkeitskomponenten ui (xk , t) und uj (xk + rk , t + τ ) ui (xk , t) uj (xk + rk , t + τ ) Rij (xk , t, rk , τ ) = + . ui 2 (xk , t) uj 2 (xk + rk , t + τ )

(7.19)

¨ (Uber die Indizes i und j in (7.18 und 7.19) wird nicht summiert!) Die speziellen Formen der r¨ aumlichen bzw. zeitlichen Korrelation (Autokorrelation) entstehen aus (7.19) f¨ ur τ = 0 bzw. rk = 0. Wenn der Abstand |r| zwischen x und x + r, an denen die Geschwindigkeitskomponenten in (7.19) zu nehmen sind, gegen unendlich strebt, werden die Geschwindigkeitskomponenten statistisch unabh¨ angig, und die Korrelation verschwindet. Ein Maß f¨ ur die Reichweite der Korrelation zwischen zwei Geschwindigkeitskomponenten in x1 -Richtung, mit Abstand r auf der x1 -Achse und zur selben Zeit (τ = 0) genommen, ist das Integral-L¨ angenmaß ∞ L(x, t) =

R11 (x, t, r, 0) dr ,

(7.20)

0

welches die typische Abmessung einheitlich bewegter Fl¨ ussigkeitsmassen, der Turbulenzballen, darstellt. F¨ ur τ → ∞ geht die Korrelation ebenfalls gegen null. In zu (7.20) analoger Weise l¨ aßt sich auch ein Integral-Zeitmaß einf¨ uhren. Die station¨ are Grundstr¨ omung ui kann nat¨ urlich auch kinematisch eingeschr¨ ankt sein. Beispiele sind hier insbesondere die Schichtenstr¨omungen, aber auch ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen. Die u ¨ berlagerte Schwankungsbewegung ui ist aber immer dreidimensional und selbstverst¨andlich instation¨ ar. Die station¨ are Grundstr¨ omung muß die Reynoldsschen Gleichungen (7.16) und die Kontinuit¨ atsgleichung (7.11) erf¨ ullen. Diese Gleichungen reichen aber zur Bestimmung der Grundstr¨ omung nicht aus, denn die durch die Mittelung hervorgerufenen Terme − ui uj treten als Unbekannte auf. Diese

7.2 Reynoldssche Gleichungen

225

Terme stellen gemittelte Impulsfl¨ usse (pro Fl¨ acheneinheit) dar und rufen an der Fl¨ ache mit der Normalen in i-Richtung eine Kraft in j-Richtung hervor. Diese Glieder sind deshalb auch als Reynoldssche Spannungen oder turbulente Scheinspannungen bekannt. Der Tensor dieser Spannungen ist offensichtlich symmetrisch, da die Reihenfolge der Indizes aus der beliebigen Reihenfolge der Faktoren resultiert. Wir fassen den gesamten Spannungstensor in der Form Tij = τ ij −  ui uj

(7.21)

oder f¨ ur die vorausgesetzte inkompressible Str¨omung (∂uk /∂xk = 0) wegen (3.1a) auch in Tij = −p δij + 2η eij −  ui uj

(7.22)

zusammen und schreiben f¨ ur die Reynoldsschen Gleichungen ohne Volumenkr¨ afte  uj

∂ui ∂Tji = . ∂xj ∂xj

(7.23)

Die Divergenz der Reynoldsschen Spannungen (letztes Glied der rechten Seite von (7.16)) wirkt auf die Grundstr¨ omung wie eine zus¨atzliche aber unbekannte Kraft (pro Volumeneinheit). Diese Kraft ist in turbulenter Str¨ omung im allgemeinen viel gr¨ oßer als die Divergenz der Reibungsspannungen, der ja in der hier vorausgesetzten inkompressiblen Str¨omung das Glied η ∂ 2 ui /(∂xj ∂xj ) entspricht. Nur in unmittelbarer N¨ahe fester W¨ande fallen die Schwankungsgeschwindigkeiten und damit die Reynoldsschen Spannungen auf null ab, da die Schwankungsgeschwindigkeiten ebenso wie die mittleren Geschwindigkeiten der Haftbedingung gen¨ ugen m¨ ussen, so daß in unmittelbarer Wandn¨ ahe, in einer als viskose Unterschicht bezeichneten Zone, die Reibungsspannungen u ¨ berwiegen. Es liegt nun auf der Hand, sich f¨ ur die unbekannten Reynoldsschen Spannungen auf systematischem Wege Differentialgleichungen zu beschaffen, die dann zusammen mit den Reynoldsschen Gleichungen (7.16) und der Kontinuit¨ atsgleichung (7.11) ein vollst¨ andiges Gleichungssystem bilden. Um die entsprechenden Gleichungen zu erhalten, f¨ uhrt man die Zerlegung (7.6) und (7.9) in die Navier-Stokes-Gleichung (4.9a) ein und subtrahiert die Reynoldssche Gleichung (7.16). Man wird so auf die Gleichung f¨ ur die Schwankungsbewegung  

∂ui ∂u ∂u ∂ui + uk i + uk i + uk ∂t ∂xk ∂xk ∂xk

 =−

∂p ∂ ∂ 2 ui + ( ui uk ) + η ∂xi ∂xk ∂xk ∂xk (7.24)

gef¨ uhrt. Man kann nun diese Gleichung mit uj multiplizieren und eine weitere entsprechende Gleichung schaffen, in der i und j vertauscht sind. Addition

226

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

dieser Gleichungen liefert nach der Mittelung Gleichungen f¨ ur die Reynoldsschen Spannungen. Wir f¨ uhren hier diese Rechnungen nicht aus, denn es ist klar, daß die Multiplikation von (7.24) mit uj Terme der Form uj uk ui als neue Unbekannte in das Problem einf¨ uhrt. Schafft man wiederum f¨ ur diese Dreifach-Korrelationen neue Differentialgleichungen, so enthalten diese Vierfach-Korrelationen usw. Es gelingt also auf diese Weise nicht, das Gleichungssystem zu schließen. Das Problem der Schließung des Gleichungssystems stellt das bisher ungel¨oste Problem der vollausgebildeten turbulenten Str¨ omung dar! Alle bisher bekannten Methoden, das Gleichungssystem zu schließen, beruhen auf zum Teil starken Vereinfachungen und Hypothesen. Auf der untersten Stufe wird die Schließung des Gleichungssystems durch Beziehungen zwischen den scheinbaren Spannungen und dem mittleren Geschwindigkeitsfeld bewerkstelligt. Diese halbempirischen Beziehungen stellen Turbulenzmodelle dar, die die Form von algebraischen Beziehungen oder von Differentialgleichungen annehmen k¨ onnen, und die nach der Zahl der Differentialgleichungen eingeordnet werden. Sie alle enthalten - worauf die Bezeichnung halbempi” risch“ hinweist - Gr¨ oßen, die experimentell bestimmt werden m¨ ussen. Durch die turbulente Schwankungsbewegung wird aber nicht nur der Impulsfluß vermehrt (ausgedr¨ uckt durch die Reynoldsschen Spannungen), sondern auch der W¨ arme- und Diffusionsfluß. Zur Besprechung des turbulenten W¨ armeflusses gehen wir von der Energiegleichung (4.2) aus, in der ¨ wir zun¨ achst die materielle Anderung der Dichte D/Dt nicht gleich null setzen d¨ urfen, wenn Fremderw¨ armung der Fl¨ ussigkeit vorliegt, wie dies ja bei W¨ arme¨ ubertragungsproblemen der Fall ist. Zwar l¨aßt sich bei tropfbaren Fl¨ ussigkeiten die Dichte¨ anderung auch dann noch vernachl¨assigen, nicht aber bei Gasen. F¨ ur die tropfbare Fl¨ ussigkeit erh¨ alt man bei Vernachl¨assigung der Dichte¨ anderung aus (4.2) wegen de = cdT unmittelbar eine Gleichung f¨ ur das Temperaturfeld:   DT ∂ ∂T c = Φ+ λ . (7.25) Dt ∂xi ∂xi Die f¨ ur Gase verbleibenden Vereinfachungen ergeben sich aus (4.176), wenn wir dort die Dichte¨ anderung infolge Druck¨ anderungen vernachl¨assigen, da die hierf¨ ur notwendigen Bedingungen (4.182),(4.184) und (4.188) erf¨ ullt sind. Die Entropie¨ anderung in (4.176) darf bei Fremderw¨armung nicht vernachl¨assigt werden und gibt Anlaß zu einer Dichte¨ anderung. F¨ ur kalorisch ideales Gas f¨ uhrt (4.176) unter Benutzung von (4.177) auf die Gleichung 1 D 1 Ds =− ,  Dt cp Dt

(7.26)

aus der mit der Gibbsschen Relation (2.133) der Ausdruck 1 D 1 DT =−  Dt T Dt

(7.27)

7.2 Reynoldssche Gleichungen

227

folgt, den man auch unmittelbar aus der thermischen Zustandsgleichung  = (p, T ) gewinnt, wenn man bedenkt, daß die Zustands¨anderung des materiellen Teilchens ja isobar verl¨ auft, wenn die Dichte¨anderung infolge Druck¨ anderung vernachl¨ assigt wird. Mit (7.27) nimmt die Energiegleichung (4.2) f¨ ur Gase bei niedrigen Str¨ omungsgeschwindigkeiten (M → 0) die Form   DT ∂ ∂T  cp =Φ+ λ (7.28) Dt ∂xi ∂xi an. Im Einklang mit (4.180) ist die Dissipation unter den getroffenen Voraussetzungen vernachl¨ assigbar, oder anders ausgedr¨ uckt: Die irreversibel in W¨ arme umgewandelte Deformationsarbeit (pro Zeit- und Volumeneinheit) Φ tr¨ agt kaum zur Temperaturerh¨ ohung bei. Wir vermerken aber, daß die Dissipation als Verlust in der Bilanz der mechanischen Energie der turbulenten Str¨ omung eine entscheidende Rolle spielt und dort keinesfalls vernachl¨ assigt werden darf. (Die entsprechende Bilanzgleichung f¨ ur die kinetische Energie der Schwankungsbewegung wird u brigens aus (7.24) erhalten, ¨ wenn wir diese Gleichung mit ui multiplizieren und dann den Mittelungsprozeß durchf¨ uhren.) Wir setzen nun (7.6) und die entsprechende Zerlegung f¨ ur die Temperatur T = T + T

(7.29)

in (7.25) (oder f¨ ur Gase in (7.28)) ein, wobei, wie erl¨autert, die Dissipationsfunktion vernachl¨ assigt und außerdem λ als konstant angenommen wird:    ∂(T + T  ) ∂ 2 (T + T  )  ∂(T + T ) c + (ui + ui ) =λ . (7.30) ∂t ∂xi ∂xi ∂xi Unter Beachtung der Rechenregeln (7.10) f¨ uhrt die Mittelung auf die Gleichung f¨ ur die mittlere Temperatur  c ui

∂T ∂T  ∂ 2T = − c ui +λ , ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi

die wegen (7.12) auch in die Form ∂T ∂ )  * ∂2T  c ui = − c ui T + λ ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi

(7.31)

(7.32)

gebracht werden kann. In Analogie zu den Reynoldsschen Spannungen tritt hier ein turbulenter W¨ armestromvektor“ ” qi =  c ui T  (7.33) auf, der ebenso wie die Reynoldsschen Spannungen unbekannt ist und die L¨ osung von (7.32) vereitelt. Das im Zusammenhang mit den Reynoldsschen Gleichungen Gesagte gilt sinngem¨ aß auch hier: Die Schließung des Gleichungssystems geschieht durch halbempirische Beziehungen zwischen dem turbulenten W¨armestromvektor und dem mittleren Geschwindigkeits- und Temperaturfeld.

228

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

7.3 Turbulente Scherstro ahe einer Wand ¨mung in der N¨ In den technischen Anwendungen spielen turbulente Scherstr¨omungen eine herausragende Rolle, weil sie in den Kanal- und Rohrstr¨omungen sowie in den turbulenten Grenzschichtstr¨ omungen angetroffen werden. Im Vordergrund stehen dabei die Profile der mittleren Geschwindigkeiten und die Widerstandsgesetze. Wir k¨ onnen bereits wichtige Einsichten in das Verhalten turbulenter Scherstr¨ omungen gewinnen, wenn wir den einfachsten Fall einer Schichtenstr¨ omung bei verschwindendem Druckgradienten l¨angs einer ebenen und glatten Wand betrachten. In laminarer Str¨ omung vereinfachen sich die Navier-Stokesschen Gleichungen bei verschwindendem Druckgradienten und den der Schichtenstr¨omung zugrundeliegenden Annahmen (u1 = f (x2 ), u2 = u3 = 0) auf 0=η

d2 u1 , dx2 2

(7.34)

woraus auf konstante Schubspannung τ21 = P21 = η du1 /dx2 und auf die bekannte lineare Geschwindigkeitsverteilung der einfachen Scherstr¨omung zu schließen ist. Mit derselben Annahme, daß die gemittelten Gr¨oßen, d. h. die nicht verschwindende Geschwindigkeitskomponente u1 und die Reynoldsschen Spannungen, nur von x2 abh¨ angen, gewinnen wir aus den Reynoldsschen Gleichungen (7.23) zun¨ achst noch allgemein 0=

∂Tji . ∂xj

(7.35)

Mit der gebr¨ auchlichen Bezeichnungsweise f¨ ur kartesische Koordinaten x, y, z und kartesische Geschwindigkeitskomponenten u, v und w erhalten wir aus der ersten dieser Gleichungen bei verschwindender Komponente des Druckgradienten in x-Richtung   d du 0= η −  u v  , (7.36) dy dy w¨ ahrend die beiden anderen Komponentengleichungen jetzt nicht interessieren. Aus der Integration von (7.36) const = τw = η

du −  u v  dy

(7.37)

folgt die Aussage, daß die gesamte Schubspannung T21 , d. h. die Summe aus der Reibungsspannung P21 = τ21 = η du/dy und der Reynoldsschen Spannung − u v  konstant, also unabh¨ angig von y ist. Die Integrationskonstante haben wir dabei schon als Schubspannung τw an der Wand identifiziert, denn f¨ ur y = 0 verschwinden die Reynoldsschen Spannungen als Folge der Haftbedingung. Wegen der in (7.36) auftretenden (unbekannten!) Reynoldsschen

7.3 Turbulente Scherstr¨ omung in der N¨ ahe einer Wand

229

Spannungen ist die Verteilung der mittleren Geschwindigkeit u = f (y) keine lineare Funktion mehr. Im Hinblick auf technische Anwendungen, insbesondere f¨ ur die ausgebildete turbulente Kanal- bzw. Rohrstr¨ omung, stellt sich die Frage nach der praktischen Bedeutung des Ergebnisses (7.37). In diesen Str¨omungen (ebenso wie in den meisten Grenzschichtstr¨ omungen) verschwindet ja der Druckgradient nicht, sondern ist bei den Kanal- und Rohrstr¨omungen sogar die alleinige Ursache der Bewegung. Genau wie bei den laminaren Str¨omungen ist die Schubspannung dann nicht konstant, sondern eine lineare Funktion von y (Kanalstr¨ omung) bzw. r (Rohrstr¨ omung). Bei nicht verschwindendem Druckgradient folgt n¨ amlich aus der ersten Komponentengleichung von (7.35)   ∂p d du 0=− + η −  u v  , (7.38) ∂x dy dy und aus der zweiten Komponentengleichung 0=−

* ∂p d ) + − v  2 , ∂y dy

(7.39)

w¨ahrend die dritte ∂p/∂z = 0 liefert. Aus (7.39) schließen wir, daß die Summe aus p und  v  2 nur eine Funktion von x ist, und damit, daß ∂p/∂x nur eine Funktion von x ist, da die Reynoldssche Spannung − v  2 nach Voraussetzung nur von y abh¨ angt. Da der zweite Term in (7.38) nicht von x abh¨angt, folgern wir auch noch, daß ∂p/∂x eine Konstante ist. Die gesamte Schubspannung, f¨ ur die wir jetzt kurz τ =η

du −  u v  dy

(7.40)

schreiben, ist also (wie im laminaren Fall) eine lineare Funktion von y: τ=

dp y + const . dx

(7.41)

Die Integrationskonstante bestimmt sich aus der Forderung, daß in Kanalmitte (y = h) die Schubspannung verschwindet, denn dort ist du/dy und u v  aus Symmetriegr¨ unden null. Daher schreiben wir (7.41) in der Form τ =−

) ∂p ) y* y* h 1− = τw 1 − , ∂x h h

(7.42)

wobei wir die Schubspannung an der unteren Wand mit τw bezeichnet haben. F¨ ur die turbulente Rohrstr¨ omung ergibt sich ebenfalls eine lineare Schubspannungsverteilung, wie man durch eine Betrachtung analog zum laminaren Fall (6.138) bzw. (6.140) zeigt. (Da die Ergebnisse dieses Abschnitts aber

230

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

nicht nur f¨ ur die Rohrstr¨ omung gelten, bezeichnen wir abweichend von (6.140) die Koordinate in Achsenrichtung mit x.) Wir entnehmen (7.42), daß in der N¨ ahe der Wand (y/h  1) die gesamte Schubspannung in der Tat fast konstant ist, dort also eine Schicht existiert, in der der Einfluß des Druckgradienten vernachl¨assigt werden kann, und die einfache Gleichung (7.37) zum Tragen kommt. Dies gilt nicht nur f¨ ur die angesprochenen Kanal- und Rohrstr¨ omungen, sondern auch f¨ ur turbulente Grenzschichtstr¨ omungen. In allen diesen Str¨ omungen existiert eine wandnahe Schicht, in der die a ußeren Abmessungen der Str¨omung, z. B. die H¨ohe des ¨ Kanals oder die Grenzschichtdicke nicht eingehen, in der die Str¨omung von diesen Gr¨ oßen also unabh¨ angig ist. Man erkennt die Konsequenzen, wenn man (7.37) zun¨ achst in die Form τw du =ν − u v   dy

(7.43)

bringt, der man unmittelbar entnimmt, daß τw / die Dimension des Quadrates einer Geschwindigkeit hat. F¨ uhrt man daher als Bezugsgr¨oße f¨ ur die Geschwindigkeit die Schubspannungsgeschwindigkeit ( τw u∗ = (7.44)  ein, deren physikalische Bedeutung auch darin liegt, daß sie ein Maß f¨ ur die turbulenten Schwankungsgeschwindigkeiten ist, so l¨aßt sich (7.43) nunmehr in der Form 1=

d (u/u∗ ) u v  − 2 d(y u∗ /ν) u∗

(7.45)

schreiben. Daher ist die mittlere Geschwindigkeit u bezogen auf u∗ nur eine Funktion der dimensionslosen Koordinate y u∗ /ν, in der als Bezugsl¨ange die viskose L¨ange ν/u∗ auftritt. (W¨ urde neben dieser L¨ange als Bezugsl¨ange weiterhin h eingehen, so m¨ ußte u/u∗ zus¨ atzlich von der dimensionslosen Gr¨oße h u∗ /ν abh¨ angen, oder anders ausgedr¨ uckt: Die Vorg¨ange in der wandnahen Schicht w¨ urden vom Abstand zur gegen¨ uberliegenden Wand abh¨angen.) Wir entnehmen (7.45) das sogenannte Wandgesetz ) u * u ∗ =f y (7.46) u∗ ν und entsprechend auch ) u * u v  ∗ = g y . u2∗ ν

(7.47)

Das Wandgesetz wurde von Prandtl (1925) angegeben und stellt eines der wichtigsten Ergebnisse der Turbulenztheorie dar. Aus dem Gesagten wird

7.3 Turbulente Scherstr¨ omung in der N¨ ahe einer Wand

231

klar, daß die Funktionen f (y u∗ /ν) und g(y u∗ /ν) universelle Funktionen sind, also f¨ ur alle turbulenten Str¨ omungen dieselben sind. Gleichung (7.45) eignet sich allein noch nicht, die Form der universellen Funktion f zu finden, da diese Gleichung die unbekannten Reynoldsschen Spannungen enth¨alt. Wie bereits mehrfach erw¨ ahnt, klingen in unmittelbarer N¨ahe der Wand die Reynoldsschen Spannungen ab. Es gelingt dort, die universelle Funktion f als Taylorreihenentwicklung um y = 0 zu gewinnen. Zur Vereinfachung f¨ uhren wir y∗ = y

u∗ ν

(7.48)

ein und schreiben, da u(0) = 0 ist,   u(y∗ ) d (u/u∗ )  d2 (u/u∗ )  1 2 = y + y + ··· . ∗ u∗ dy∗ 0 dy∗ 2 0 2 ∗

(7.49)

Aus (7.45) folgt der erste Koeffizient zu  d (u/u∗ )  =1, dy∗ 0

(7.50)

da u v  |0 = 0 ist. Die anderen Koeffizienten gewinnen wir durch wiederholtes Differenzieren der Gleichung (7.45) und Auswerten an der Stelle y = 0 zu ,    d2 (u/u∗ )  1 d u v  dy 1 ν ∂u  ∂v   = 2 = 2 v + u = 0 , (7.51) dy∗ 2 0 u∗ dy dy∗ u∗ u∗ ∂y ∂y 0 wobei die null auf der rechten Seite entsteht, weil u und v  immer an der Stelle y = 0 verschwinden. F¨ ur die dritte Ableitung folgt    2  2  d3 (u/u∗ )  1 ν ∂ u  ∂u ∂v  ∂ 2 v  = 2 v +2 + u = 0 . (7.52) dy∗3 0 u∗ u∗ ∂y 2 ∂y ∂y ∂y 2 0

Der erste und der letzte Klammerausdruck verschwinden, weil die Schwankungsgeschwindigkeiten an der Wand null sind. Da dann nat¨ urlich auch deren Ableitungen in die x- und z-Richtung null sind, folgt aus der Kontinuit¨atsgleichung (7.12) auch das Verschwinden von ∂v  /∂y an der Wand. Nochmalige ¨ Ableitung von (7.52) unter Beachtung dieser Uberlegung liefert f¨ ur die vierte Ableitung    3  d4 (u/u∗ )  1 ν ∂u ∂ 2 v  = 2 3 . (7.53) dy∗4 0 u∗ u∗ ∂y ∂y 2 0

Die Auswertung dieses Ausdruckes w¨ urde die Kenntnis der Schwankungsbewegung voraussetzen. Da er aus rein kinematischen Gr¨ unden aber nicht verschwinden muß, gehen wir davon aus, daß er im allgemeinen ungleich null ist. Aus der Taylorentwicklung (7.49) folgern wir

232

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

u = y∗ + O(y∗4 ) . u∗

(7.54)

Die Schwankungsbewegung beeinflußt das Geschwindigkeitsprofil also erst in den Termen der Gr¨ oßenordnung O(y∗4 ). Demnach existiert eine Schicht, in der die Schwankungsbewegungen zwar selbst nicht null sind, die Verteilung der mittleren Geschwindigkeit aber trotzdem durch die viskosen Schubspannungen gepr¨ agt wird, so daß der in der Literatur u ¨ bliche Name viskose Unterschicht gerechtfertigt ist. Die Dicke dieser Schicht muß aus Dimensionsgr¨ unden von der Gr¨oßenordnung der viskosen L¨ ange ν/u∗ sein. Da keine andere typische L¨ange zur Verf¨ ugung steht, setzt man f¨ ur die Dicke der viskosen Unterschicht δv = β ν/u∗ , wobei β eine aus Experimenten zu bestimmende Zahl ist. ¨ Der Ubergang der viskosen Schicht in das Gebiet, in dem die Reynoldssche Spannung − u v  an Einfluß gewinnt, ist aber fließend. Mit gr¨oßer werdendem Abstand (aber noch im Bereich des Wandgesetzes) verschwindet der Einfluß der Viskosit¨ at schließlich ganz, und die Geschwindigkeitsverteilung wird allein durch die Reynoldsschen Spannungen festgelegt. Diese Tatsache erst erm¨ oglicht es, auch in diesem Bereich die universelle Funktion f anzugeben. Zun¨ achst folgt f¨ ur die Schubspannung in diesem Bereich aus (7.40) das Ergebnis τw = τt = − u v  ,

(7.55)

wobei wir τt schreiben um auszudr¨ ucken, daß es sich nur um die turbulente Schubspannung handelt. Aus (7.55) l¨ aßt sich die Verteilung der Geschwindigkeit allerdings nicht berechnen, da der Zusammenhang zwischen der Reynoldsschen Spannung und dem gemittelten Geschwindigkeitsfeld fehlt. Es ist naheliegend, diesen Zusammenhang u ¨ ber ein Turbulenzmodell herzustellen. Ein derartiges Turbulenzmodell stellt die Boussinesqsche Formulierung f¨ ur die Reynoldsschen Spannungen − u v  = A

∂u ∂y

(7.56)

dar, in der A die turbulente Austauschgr¨ oße, bzw. t = A/ die sogenannte Wirbelviskosit¨at ist. Die Boussinesqsche Formel ist offensichtlich der Beziehung τ = η ∂u/∂y f¨ ur die viskose Schubspannung nachgebildet und verschiebt das Problem nur auf die unbekannte Austauschgr¨oße, die nun die unbekannte Reynoldssche Spannung ersetzt. Die einfachste Annahme, die man treffen kann, ist A konstant zu setzen; eine Annahme, die aber im vorliegenden Fall nicht zutreffen kann, da die Reynoldssche Spannung bei Ann¨ aherung an die Wand verschwinden muß. F¨ ur sogenannte freie turbulente Scherstr¨ omungen“ - darunter versteht man ” solche turbulenten Felder, die nicht durch eine feste Wand begrenzt sind, und wie sie typischer Weise bei turbulenten Freistrahlen angetroffen werden - ist die Annahme konstanter Wirbelviskosit¨ at allerdings recht brauchbar.

7.3 Turbulente Scherstr¨ omung in der N¨ ahe einer Wand

233

Prandtl hat mit dem als Mischungswegformel“ bekannten Turbulenzmo” dell einen Zusammenhang zwischen Wirbelviskosit¨at t und dem mittleren Geschwindigkeitsfeld geschaffen. Dabei wird davon ausgegangen, daß die turbulenten Scheinspannungen durch makroskopischen Impulsaustausch auf dieselbe Weise entstehen wie die viskosen Reibungsspannungen durch molekularen Impulsaustausch. Der molekulare Impulsaustausch geschieht ja so, daß ein Molek¨ ul, das am Ort y eine Geschwindigkeit u in x-Richtung hat, durch die thermische Bewegung auf einen Ort y − l gelangt, wo die Geschwindigkeit u − du ist. Das Molek¨ ul u agt also die Geschwindigkeitsdifferenz ¨ bertr¨ du = ldu/dy, wobei l der Abstand in y-Richtung zwischen zwei molekularen Zusammenst¨ oßen ist. Diese Bewegungen gehen in beiden Richtungen vonstatten, es wird also von der schnelleren Schicht in die langsamere u ¨ bertragen und umgekehrt. Die parallel zur y-Achse in ±y-Richtungen sich bewegende Teilchenzahl (pro Volumeneinheit) sei 1/3 der Gesamtzahl, dann bewegt sich je 1/3 auch parallel zur x- und z-Achse. Die Molek¨ ule bewegen sich mit der thermischen Geschwindigkeit v, der Massenfluß pro Volumeneinheit ist daher 1/3 v. Der molekulare Impulsfluß, der sich makroskopisch als viskose Schubspannung τ21 = η du/dy ¨ außert, ist demnach 1/3 l v du/dy. Obwohl in dieser extrem vereinfachten Ableitung alle Molek¨ ule dieselbe thermische Geschwindigkeit v haben, sich außerdem bis auf Zusammenst¨oße nicht gegenseitig beeinflussen und sich nur parallel zu den Koordinatenachsen bewegen sollen, ergibt diese Formel bereits einen sehr guten Wert f¨ ur die Z¨ahigkeit (η = 1/3l  v) verd¨ unnter Gase. ¨ In der Ubertragung auf die turbulente Austauschbewegung wird nun angenommen, daß sich Turbulenzballen, d. h. sich einheitlich bewegende Fl¨ ussigkeitsmassen, wie Molek¨ ule verhalten, sich also von der Umgebung unbeeinflußt u ¨ ber den Abstand l bewegen, sich mit der neuen Umgebung vermi” schen“ und so ihre Identit¨ at verlieren. Die Schwankungen u in der L¨angsgeschwindigkeit sind nach der obigen Betrachtung betragsm¨aßig proportional zu l du/dy. Die Vermischung“ zweier Turbulenzballen erzeugt durch ihre ” Verdr¨ angungswirkung die Quergeschwindigkeit v  , die dem Betrage nach also auch proportional zu ldu/dy zu setzen ist. (Dies im Gegensatz zum molekularen Impulsaustausch, wo die thermische Geschwindigkeit von du/dy unabh¨ angig ist.) Daher wird die scheinbare Schubspannung τt , wenn man die Proportionalit¨ atsfaktoren in dem ohnehin unbekannten Mischungsweg l absorbiert,  τt = − u v  =  l2

du dy

2 .

(7.57)

Der Vorzeichenwechsel in (7.57) findet seine Berechtigung darin, daß die von oben kommenden Fl¨ ussigkeitsballen (v  negativ) meistens ein positives u mit sich bringen. Tr¨agt man noch der Tatsache Rechnung, daß das Vorzeichen vom τt demjenigen von du/dy entspricht, so schreiben wir die Prandtlsche Mischungswegformel

234

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

    du τt =  l   dy dy 2  du 

und f¨ ur die Wirbelviskosit¨ at    du 

t = l2   , dy

(7.58)

(7.59)

die nach dem Prandtlschen Mischungswegmodell also vom Geschwindigkeitsgradient abh¨ angt. In (7.59) ist zun¨ achst nur die unbekannte Wirbelviskosit¨at durch den unbekannten Mischungsweg ersetzt worden. Letzterer ist aber der physikalischen Anschauung leichter zug¨ anglich, so daß vern¨ unftige“ Annahmen ” f¨ ur den Mischungsweg vermutlich leichter zu machen sind. Bisher ist aber auch f¨ ur den Mischungsweg keine allgemeing¨ ultige Darstellung gefunden worden. Dem Mischungswegansatz liegt die offensichtlich nicht zutreffende Annahme zugrunde, daß der Turbulenzballen, dessen typische Abmessung von der Gr¨ oßenordnung des Mischungsweges l ist, diesen Abstand l ohne Beeinflussung durch die Umgebung zur¨ ucklegt. Die Mischungswegformel kann schon deswegen nur eine sehr grobe Beschreibung der Scherturbulenz vermitteln. Sie hat wie alle algebraischen Turbulenzmodelle den Nachteil, daß die Reynoldsschen Spannungen nur vom lokalen mittleren Geschwindigkeitsfeld abh¨ angen, w¨ ahrend allgemein die Reynoldsschen Spannungen von der Geschichte des Geschwindigkeitsfeldes abh¨ angen und eine Formulierung erfordern, die in Analogie zu den Materialgleichungen Nicht-Newtonscher, viskoelastischer Fl¨ ussigkeiten steht. Obwohl es typische Experimente gibt, die klar mit der Mischungswegformel unvereinbar sind, ist sie doch f¨ ur viele praktische Probleme ein sehr n¨ utzliches, einfach zu handhabendes Modell, das selbst Modellen h¨oheren Grades, die die Geschichte des Geschwindigkeitsfeldes ber¨ ucksichtigen, durchaus gleichwertig ist. Das Modell kann auch tensoriell verallgemeinert werden; wir wollen darauf aber nicht eingehen, sondern wenden uns der Anwendung des Wandgesetzes zu. Da die Reynoldsschen Spannungen an der Wand verschwinden m¨ ussen, w¨ ahlen wir l proportional zu y: l = κy .

(7.60)

Diese Wahl wird auch aus Dimensionsgr¨ unden vorgeschrieben, denn in der N¨ahe der Wand, also im G¨ ultigkeitsbereich des Wandgesetzes, aber außerhalb der viskosen Unterschicht, tritt keine typische L¨ange auf, und alle physikalisch relevanten L¨ angen m¨ ussen proportional zu y sein. Dann entsteht aus der Mischungswegformel, da die Schubspannung konstant, also gleich der Wandschubspannung ist (τ = const = τw =  u2∗ ), die Beziehung u∗ = κ y

du , dy

(7.61)

7.3 Turbulente Scherstr¨ omung in der N¨ ahe einer Wand

235

deren Integration die gesuchte universelle Geschwindigkeitsverteilung, das sogenannte Logarithmische Wandgesetz liefert: u 1 = ln y + C . u∗ κ

(7.62)

Man gelangt zu diesem wichtigen Ergebnis auch ohne R¨ uckgriff auf die Prandtlsche Mischungswegformel allein aufgrund von Dimensionsbetrachtungen. Da die Viskosit¨ at im interessierenden Bereich keinen Einfluß hat, werden die Fl¨ ussigkeitseigenschaften nur durch die Dichte  beschrieben. In den Zusammenhang zwischen der konstanten Schubspannung und der Geschwindig¨ keitsverteilung u = f (y) k¨ onnen aber neben der Dichte nur Anderungen von u mit y eingehen, da ja der mit der Schubspannung verbundene Impulsfluß nur auftritt, wenn die Geschwindigkeit ver¨ anderlich ist, also im gesuchten Zusammenhang u selbst nicht auftauchen darf. Die einzigen auftretenden Gr¨oßen sind also die Schubspannung τt = τw ,  und die Ableitungen dn u/dy n der Geschwindigkeitsverteilung, zwischen denen der funktionelle Zusammenhang   dn u f τt , , n = 0 (7.63) dy besteht. Diese Beziehung muß sich auf einen Zusammenhang zwischen dimensionslosen Gr¨ oßen zur¨ uckf¨ uhren lassen. Geht man davon aus, daß die ersten beiden Ableitungen du/dy und d2 u/dy 2 die Verteilung charakterisieren, so l¨ aßt sich mit den dimensionsbehafteten Gr¨oßen nur eine dimensionslose Gr¨ oße, n¨ amlich , 2 -2 d u/dy 2 τt Π1 = 4  (du/dy)

(7.64)

finden. Bei Beschr¨ ankung auf die ersten zwei Ableitungen lautet also der gesuchte Zusammenhang f (Π1 ) = 0 ,

bzw. Π1 = const ,

(7.65)

v¨ollig gleichwertig zu (7.63). Wir bezeichnen die auftretende absolute Konstante Π1 mit κ2 und erhalten aus (7.64)  τt =  κ2

du/dy d2 u/dy 2

2 

du dy

2 .

(7.66)

Dieser Formel entnehmen wir im Vergleich mit der Mischungswegformel (7.57) den dimensionsanalytisch gewonnenen Ausdruck f¨ ur den Mischungsweg    du/dy   , l = κ 2 (7.67) d u/dy 2 

236

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

von dem wir aber im weiteren keinen Gebrauch machen wollen. Aus (7.66) gewinnen wir mit τt = τw =  u2∗ eine Differentialgleichung f¨ ur die Verteilung der mittleren Geschwindigkeit:  2 d2 u κ du + =0, (7.68) dy 2 u∗ dy ¨ wobei das Vorzeichen des zweiten Terms beim Ubergang von (7.66) positiv gew¨ ahlt wurde, weil bei Str¨ omungen in positive x-Richtung die Kr¨ ummung des Geschwindigkeitsprofils negativ ist. (7.68) hat als L¨osung das Logarithmische Wandgesetz (7.62) u 1 = ln y + C . u∗ κ Diese Geschwindigkeitsverteilung gilt nicht f¨ ur y → 0, sondern nur bis an den Rand einer wandnahen Schicht, die wir unterteilen in die schon besprochene ¨ viskose Unterschicht und in eine Ubergangsschicht, in der die Reynoldsschen Spannungen zunehmen, w¨ ahrend die viskosen Spannungen abnehmen. Die Geschwindigkeit am Rande dieser Schicht h¨ angt also von der Viskosit¨at ab. Die Konstante in (7.62) dient dazu, die Geschwindigkeit im logarithmischen Teil des Wandgesetzes an diese Geschwindigkeit anzupassen, und h¨angt daher auch von der Viskosit¨ at ab. Die zweite Integrationskonstante, die bei der L¨ osung von (7.68) auftritt, ist so bestimmt, daß du/dy gegen unendlich strebt, wenn y gegen null geht. Dort gilt zwar (7.62) nicht mehr (wie gerade besprochen), aber der Grenz¨ ubergang y → 0 in (7.62) entspricht einer sehr d¨ unnen viskosen Unterschicht, in der dann du/dy entsprechend groß werden muß. Wir setzen die Konstante C dann C=B+

1 u∗ ln κ ν

(7.69)

und erhalten (7.62) in der dimensionshomogenen Form des logarithmischen Wandgesetzes: u 1 ) u∗ * = ln y +B . (7.70) u∗ κ ν Diese wichtige Geschwindigkeitsverteilung wird bei jeder turbulenten Str¨omung in der N¨ ahe einer glatten Wand angetroffen, also sowohl bei der Kanalund Rohrstr¨ omung aber auch bei allen turbulenten Grenzschichtstr¨omungen. (7.70) gilt in einem Bereich, der durch die Ungleichung ν yδ u∗

(7.71)

beschrieben wird, in der δ f¨ ur die Grenzschichtdicke, bzw. die halbe Kanalh¨ ohe oder den Rohrradius steht. Die Konstanten κ und B sind ableitungsgem¨ aß von der Viskosit¨ at und damit von der Reynoldsschen Zahl (etwa

7.3 Turbulente Scherstr¨ omung in der N¨ ahe einer Wand

237

Abbildung 7.1. Universelle Geschwindigkeitsverteilung im logarithmischen Maßstab

u∗ δ/ν) unabh¨ angig! Sie sind bei glatter Wand absolute Konstanten und m¨ ussen durch Experimente bestimmt werden. Aus verschiedenen Meßergebnissen ergeben sich gewisse Streuungen in diesen Werten, die zum Teil darauf zur¨ uckzuf¨ uhren sind, daß voll turbulente Str¨ omung nicht realisiert war, bzw. die Konstanz der Schubspannungen als Folge eines sehr großen Druckgradienten (siehe (7.41)) nicht gen¨ ugend genau verwirklicht wurde. F¨ ur den Bereich u∗ 30 ≤ y ≤ 1000 (7.72) ν ¨ erh¨ alt man eine sehr gute Ubereinstimmung f¨ ur κ ≈ 0, 4 und B ≈ 5. (Die in der Literatur angegebenen Werte schwanken f¨ ur κ etwa zwischen 0,36 und 0,41 und f¨ ur B etwa zwischen 4,4 und 5,85. F¨ ur die Anwendungen gen¨ ugt es v¨ ollig, die runden Werte κ = 0, 4 (1/κ = 2, 5) und B = 5 zu w¨ahlen.) Das gesamte Wandgesetz l¨ aßt sich aufgrund von Messungen in drei Be¨ reiche aufteilen, wobei der Ubergang zum jeweils n¨achsten Bereich nat¨ urlich fließend ist: Viskose Unterschicht (linearer Bereich) 0 < y u∗ /ν < 5 , ¨ Ubergangsbereich 5 < y u∗ /ν < 30 , Logarithmischer Bereich y u∗ /ν > 30 . In Abb. 7.1 sind das Geschwindigkeitsprofil in der viskosen Unterschicht und das logarithmische Profil im logarithmischen Maßstab skizziert. Abb. 7.2 zeigt dieselben Profile im linearen Maßstab. ¨ F¨ ur den Ubergangsbereich sind eine Reihe von analytischen Ausdr¨ ucken angegeben worden, die den Charakter von Interpolationsformeln zwischen dem linearen und dem logarithmischen Gesetz haben, aber auch solche, die den gesamten Wandbereich beschreiben. Wir gehen hierauf nicht weiter ein,

238

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

Abbildung 7.2. Universelle Geschwindigkeitsverteilung im linearen Maßstab

weil die im folgenden zu besprechenden Widerstandsgesetze den genauen Ver¨ lauf der mittleren Geschwindigkeit im Ubergangsbereich nicht erfordern. Dieser Verlauf ist aber bei W¨ arme¨ ubergangsproblemen unter Umst¨anden wichtig.

7.4 Turbulente Str¨ omung in glatten Rohren und Kan¨ alen Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, daß das universelle Wandgesetz f¨ ur alle turbulenten Str¨ omungen gilt, aber auf einen Abstand beschr¨ankt ist, der klein im Vergleich zur halben Kanalh¨ ohe h bzw. zum Rohrradius ist. In gr¨oßerem Abstand von der Wand wird der Einfluß der gegen¨ uberliegenden Wand sp¨ urbar, und wie bereits bemerkt, h¨ angt dann die Geschwindigkeitsverteilung auch von der Reynoldsschen Zahl u∗ R/ν ab, wobei R stellvertretend f¨ ur eine der o. a. typischen L¨ angen steht, so daß die dem Wandgesetz entsprechende Verteilung die Form   u R y = F u∗ , u∗ (7.73) u∗ ν ν annimmt, in der y von der Wand gez¨ ahlt wird, also beim Kreisquerschnitt y = R − r ist. Wenn wir bei festem u∗ /ν den Grenz¨ ubergang u∗ R/ν → ∞ betrachten, so verschwindet mit u∗ R/ν auch R selbst aus dem Zusammenhang (7.73), und wir erhalten wieder das Wandgesetz. Beim Grenz¨ ubergang u∗ R/ν → ∞ bei festem R verschwindet auch die Abh¨angigkeit von y aus der Beziehung. Wir bilden daher die dimensionsanalytisch ¨aquivalente Form   u R y = F u∗ , . (7.74) u∗ ν R

7.4 Turbulente Str¨ omung in glatten Rohren und Kan¨ alen

239

F¨ ur den Grenzfall u∗ /ν → ∞ bei festem R verschwindet wegen u∗ R/ν → ∞ der Einfluß der Reynolds-Zahl und damit der Einfluß der Viskosit¨at auf die Verteilung der mittleren Geschwindigkeit außerhalb des Wandbereiches: )y* u =F . (7.75) u∗ R In dieser Gleichung a at nur indirekt in u∗ durch die ¨ußert sich die Viskosit¨ Schubspannung an der Wand und durch die Bedingung, daß (7.75) an den Wert der Geschwindigkeit angepaßt werden muß, die vom Wandgesetz vorgeschrieben wird. F¨ ur die Ermittlung der unbekannten Funktion F gelten ¨ dieselben Uberlegungen, die zu (7.70) f¨ uhrten, nur daß die Schubspannung τt nunmehr von y abh¨ angt. Statt in analoger Weise der Ableitung zu folgen, die zum Logarithmischen Wandgesetz f¨ uhrte, bestimmen wir die Funktion F (y/R) so, daß sie mit dem Wandgesetz f (u∗ y/ν) in dem Gebiet u ¨bereinstimmt, f¨ ur das die beiden Verteilungen ineinander u ussen, d. h. ¨ bergehen m¨ f¨ ur y/R  1 und gleichzeitig u∗ y/ν 1. Da der Betrag der Geschwindigkeit im Gegensatz zur Verteilung direkt von der Reynoldsschen Zahl abh¨angig ist, ¨ stellen wir an die Ableitungen die Bedingung, daß sie im Uberlappungsgebiet y∗ 1, y/R  1 u ¨ bereinstimmen: du u∗ dF u2 df = = ∗ , dy R dη ν dy∗

(7.76)

wobei y∗ = y u∗ /ν und η = y/R ist. Diese Ver¨anderlichen sind voneinan¨ der unabh¨ angig, da Anderungen von R beispielsweise y∗ unbeeinflußt lassen. Durch Multiplikation mit y/u∗ entsteht η

dF df = y∗ = const , dη dy∗

(7.77)

da die Gleichung nur bestehen kann, wenn beide Seiten gleich einer Konstanten sind. So erhalten wir auf einem v¨ ollig anderen Weg durch Integration das Logarithmische Wandgesetz (7.70): f=

u 1 y u∗ = ln +B , u∗ κ ν

und ebenfalls ein logarithmisches Gesetz f¨ ur den Bereich, in dem sich R bemerkbar macht: F =

u 1 y = ln + const . u∗ κ R

(7.78)

Setzt man in (7.78) y = R, so folgt wegen u(R) = Umax y u − Umax 1 = ln , u∗ κ R

(7.79)

240

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

wobei aber zu bemerken ist, daß (7.78) dann eigentlich außerhalb des G¨ ultigkeitsbereiches angewendet wird, der ableitungsgem¨aß auf y/R  1 beschr¨ ankt ist. Die (7.79) entsprechende allgemeinere Form )y* u − Umax =f u∗ R

(7.80)

ist als Mittengesetz bekannt. Aus der Subtraktion von Wandgesetz und (7.79) gewinnen wir den Ausdruck   Umax 1 R = ln u∗ +B , (7.81) u∗ κ ν der explizit aufzeigt, wie die Maximalgeschwindigkeit von der Reynoldsschen Zahl u∗ R/ν abh¨angt. F¨ ur gegebene Umax und R ist (7.81) eine implizite Funktion f¨ ur u∗ bzw. f¨ ur die Schubspannung und damit auch f¨ ur den Druckgradienten K, (K = −∂p/∂x). Daher ist (7.81) bereits ein Widerstandsgesetz. Wir bringen es in die Form (6.60) und benutzen als Bezugsgeschwindigkeit die u ¨ ber den Querschnitt des Rohres gemittelte Geschwindigkeit, die wir mit U bezeichnen: R u(R − y) dy .

2

π R U = 2π

(7.82)

0

Mit dem durch (7.79) gegebenen Verlauf der mittleren Geschwindigkeit u, der bereits eine gute Beschreibung des gesamten Geschwindigkeitsverlaufes u alt man ¨ber den Rohrquerschnitt darstellt, erh¨ U = Umax − 3, 75u∗

(7.83)

und daher mit (7.81) U 1 u∗ R = ln + B − 3, 75 , u∗ κ ν

(7.84)

eine Beziehung zwischen der Geschwindigkeit U und der Wandschubspannung. Mit τw =  u2∗ =

KR 2

(7.85)

wird ζ= oder

l p1 − p2 Kl u2 l λ= 2 = 2 = 4 2∗ , d U /2 U /2 U R

(7.86)

7.5 Turbulente Str¨ omung in rauhen Rohren

λ=8

u2∗ U

2

,

241

(7.87)

wobei d = 2R ist. Damit schreiben wir die Gleichung (7.84) in der Form  ( ( 2 1 1 Ud λ 2 = ln + B − 3, 75 . (7.88) λ κ 4 ν 2 Wenn wir noch statt des nat¨ urlichen Logarithmus den Briggschen (dekadischen) Logarithmus einf¨ uhren, erhalten wir schließlich ) √ * 1 √ = 2, 03 lg Re λ − 0, 8 (7.89) λ mit der Reynoldsschen Zahl Re = U d/ν. entspricht dabei √ Die Konstante -0,8√ nicht dem rechnerischen Wert −[ln(4 2)/κ − B + 3, 75]/(2 2), sondern ist Experimenten angepaßt. Man u ur den ebenen Kanal der H¨ohe 2h ¨ berzeugt sich leicht, daß sich f¨ dieselbe Abh¨ angigkeit ergibt, wie in (7.89), wenn die Reynoldssche Zahl mit dem in (6.67) eingef¨ uhrten hydraulischen Durchmesser (hier dh = 4h) gebildet wird. Allerdings erh¨ alt die Konstante in der (7.83) entsprechenden Beziehung einen etwas anderen Wert: U = Umax − 2, 5u∗

(7.90)

Experimente zeigen, daß die Formel f¨ ur das Kreisrohr, wie bereits festgestellt, auch den Widerstand f¨ ur nichtkreisf¨ormige Querschnitte gut beschreibt, wenn die Reynolds-Zahl mit dem hydraulischen Durchmesser gebildet wird. Tats¨ achlich ist aber die turbulente Str¨omung nur in Kreisrohren und in Ringspalten eine Schichtenstr¨ omung. Im Gegensatz zur laminaren Str¨ omung Newtonscher Fl¨ ussigkeiten ist die ausgebildete turbulente Str¨ omung durch Rohre mit allgemeineren Querschnittsformen keine Schichtenstr¨ omung mehr. Es bildet sich eine Sekund¨arstr¨omung mit Geschwindigkeitskomponenten quer zur Achsenrichtung aus. Diese Sekund¨arstr¨omung transportiert Impuls in die Ecken“ (Abb. 7.3), der auch dort große Ge” schwindigkeiten erzeugt. Das Ergebnis ist, daß die Schubspannung l¨angs der gesamten benetzten Fl¨ ache fast konstant ist, was als Voraussetzung f¨ ur die Anwendbarkeit des hydraulischen Durchmessers anzusehen ist. Daher ist auch nicht zu erwarten, daß die Formel f¨ ur das Kreisrohr anwendbar bleibt, ¨ wenn beispielsweise der Offnungswinkel eines Dreieckquerschnitts zu klein wird, um eine effektive Sekund¨ arbewegung zu erm¨oglichen.

7.5 Turbulente Str¨ omung in rauhen Rohren Die in der Technik verwendeten Rohre sind stets mehr oder weniger rauh“. ” W¨ ahrend die Wandrauhigkeit in laminarer Str¨omung die Widerstandszahl

242

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

Abbildung 7.3. Sekund¨ arstr¨ omung in einem Rohr mit Dreieckquerschnitt

kaum beeinflußt, ist im turbulenten Fall ihr Einfluß dann ganz erheblich, wenn die mittlere Rauhigkeitserhebung k gr¨ oßer ist als die Dicke der viskosen Unterschicht. (Dabei sei angenommen, daß die Rauhigkeit durch k bzw. k/R allein gekennzeichnet ist, wie es bei dicht stehenden“ Rauhigkeiten der Fall ” ist.) Maßgeblicher Parameter ist das Verh¨ altnis der Rauhigkeitserhebung k zur viskosen L¨ ange ν/u∗ . Wenn die Rauhigkeitserhebung k im linearen Bereich des Geschwindigkeitsprofiles liegt, also u∗

k ≤5 ν

(7.91)

ist, so ist der Einfluß auf die Widerstandszahl gering: Man spricht von einer hydraulisch glatten Oberfl¨ ache. Sind die Rauhigkeitserhebungen erheblich ¨ gr¨ oßer als die Dicke des Ubergangsbereiches, so spricht man von einer vollkommen rauhen Oberfl¨ ache, die durch die Ungleichung u∗

k ≥ 70 ν

(7.92)

charakterisiert ist. Experimente zeigen, daß dann die Viskosit¨at, d. h. die Reynolds-Zahl auf die Widerstandszahl keinen Einfluß mehr hat. Wie wir im Zusammenhang mit (7.69) bzw. (7.70) gesehen haben, tritt der Reibungseinfluß nur u ¨ ber die Integrationskonstante C im logarithmischen Wandgesetz auf. Im Fall der vollkommen rauhen Wand existiert die viskose Unterschicht nicht mehr. Die Konstante C ist nunmehr so zu bestimmen, daß eine dimensionshomogene Form der Geschwindigkeitsverteilung entsteht, in der die Viskosit¨ at nicht mehr erscheint. Wir setzen daher C=B−

1 ln k κ

(7.93)

und werden so auf das logarithmische Wandgesetz u 1 y = ln + B u∗ κ k

(7.94)

7.5 Turbulente Str¨ omung in rauhen Rohren

243

f¨ ur vollkommen rauhe Oberfl¨ achen gef¨ uhrt. Die Konstante B ergibt sich aus Messungen: B = 8, 5 .

(7.95)

Das Mittengesetz (7.79) wird durch die Wandrauhigkeit nicht beeinflußt; diese Gleichung gilt weiterhin ebenso wie die Gleichung (7.83). Daher erhalten wir die (7.84) entsprechende Gleichung zu U 1 R = ln + 8, 5 − 3, 75 . u∗ κ k

(7.96)

Mit (7.87) gewinnen wir sofort das Widerstandsgesetz des vollkommen rauhen Rohres zu  −2 R λ = 8 2, 5 ln + 4, 75 (7.97) k oder wenn man wieder den Briggschen Logarithmus einf¨ uhrt λ=

 −2 R 2 lg + 1, 74 , k

(7.98)

wobei die sich rechnerisch ergebende Konstante 1,68 durch den Wert 1,74 ¨ ersetzt ist, der eine bessere Ubereinstimmung mit den Experimenten ergibt. Wir geben noch die Colebrookesche Widerstandsformel an:   1 k 18, 7 √ = 1, 74 − 2 lg √ + , (7.99) R Re λ λ die den ganzen Bereich von hydraulisch glatt“ bis vollkommen rauh“ gut ” ” interpoliert. Man u ur Re → ∞ (also verschwin¨berzeugt sich leicht, daß f¨ denden Z¨ ahigkeitseinfluß) Gleichung (7.98) erhalten wird, und f¨ ur k/R → 0 die Widerstandsformel des glatten Rohres (7.89) entsteht. F¨ ur praktische Zwecke ist in Abb. 7.4 eine graphische Darstellung der Colebrookeschen Formel gegeben. Mit wachsender Reynolds-Zahl wird die viskose L¨ange ν/u∗ und damit auch die Rauhigkeitserhebung immer kleiner, ab der das Rohr als vollkommen rauh anzusehen ist (d. h. (7.98) g¨ ultig wird). Setzt man (7.92) mit dem Gleichheitszeichen in (7.98) ein und ersetzt dann mit (7.87) u∗ durch U (λ/8)1/2 , so erh¨ alt man die Grenzkurve λG = f (Re), die in Abb. 7.4 als gestrichelte Linie eingetragen ist.

244

7 Grundz¨ uge turbulenter Str¨ omungen

Abbildung 7.4. Widerstandszahl f¨ ur Kreisrohre

8 Hydrodynamische Schmierung

8.1 Reynoldssche Gleichung der Schmiertheorie Geometrisch kennzeichnendes Merkmal der im Kapitel 6 besprochenen Schichtenstr¨ omungen ist ihre unendliche Ausdehnung in Str¨omungsrichtung und die Tatsache, daß der Str¨ omungsquerschnitt in Str¨omungsrichtung unver¨anderlich ist. Aufgrund dieser kinematischen Einschr¨ankungen verschwinden die nichtlinearen Glieder in den Bewegungsgleichungen, was die mathematische Behandlung stark vereinfacht. Schichtenstr¨ omungen treten in der Natur zwar nie wirklich auf, sie sind aber gute Modelle f¨ ur Str¨omungen, deren Abmessungen in Str¨ omungsrichtung viel gr¨ oßer sind als in Querrichtung, welche oft in den Anwendungen angetroffen werden. H¨ aufig ist aber der Querschnitt nicht konstant, sondern ¨ andert sich, wenn auch nur schwach, in Str¨omungsrichtung. Neben den Kanal- und Rohrstr¨ omungen mit schwach ver¨anderlichem Querschnitt ist das typische Beispiel die Gleitlagerstr¨omung der Abb. 6.3, wo durch Verlagerung des Zapfens ein Str¨ omungskanal mit leicht ver¨anderlichem Querschnitt entsteht. Wir suchen jetzt ein Kriterium f¨ ur die Vernachl¨ assigbarkeit der konvektiven Glieder und betrachten den in Abb. 8.1 dargestellten Schmierspalt, der aus dem Str¨ omungskanal der einfachen Scherstr¨ omung entsteht, wenn die obere Wand unter einem kleinen Winkel α zur x-Achse geneigt ist. Da die Fl¨ ussigkeit an der Wand haftet, wird sie in den sich verengenden Spalt gezogen, so daß sich dort ein Druck aufbaut, der f¨ ur h/L  1 ganz betr¨ achtlich wird und z. B. eine Last tragen kann, die auf die obere Wand wirkt.

Abbildung 8.1. Schmierspalt

246

8 Hydrodynamische Schmierung

Die weiteren grunds¨ atzlichen Betrachtungen u ¨ ber die Vernachl¨assigbarkeit der konvektiven Glieder k¨ onnen unter der Annahme ebener und station¨ arer Str¨ omung gef¨ uhrt werden. An der unteren Wand verschwindet die Wandnormalkomponente der Geschwindigkeit (hier die y-Komponente) infolge der kinematischen Randbedingung. Genau dasselbe gilt nat¨ urlich an der oberen Wand, infolge der Haftbedingung ist die Komponente der Geschwindigkeit in y-Richtung dann v = −α U und ist auch u ¨ berall im Schmierspalt h¨ochstens von der Gr¨ oßenordnung α U . Dann ergibt sich aus der Kontinuit¨ atsgleichung ∂u ∂v + =0 ∂x ∂y f¨ ur die hier vorausgesetzte ebene, inkompressible Str¨omung die Absch¨atzung ∂u U ∼α , ∂x h

(8.1)

so daß aus der ersten Komponente der Navier-Stokesschen Gleichung (4.9a) bei Vernachl¨ assigung der Volumenkr¨ afte die Gr¨oßenordnungsgleichung     U2 U2 ∂p U U  α +α ∼− + η α2 2 + 2 (8.2) ∂x h h h h entsteht. Hierbei ist h ein mittlerer Abstand zwischen der unteren und der oberen Wand, der bei Gleitlagern typischerweise von der Gr¨oßenordnung h ∼ αL

(8.3)

ist. F¨ ur α  1 vernachl¨ assigen wir den ersten Term in der Klammer auf der rechten Seite und erhalten f¨ ur das Verh¨ altnis der konvektiven Terme zum verbleibenden Reibungsterm den Ausdruck  α U 2 /h η U/h

2

= α Re ,

(8.4)

wobei Re =

U h η

(8.5)

die mit mittlerem Wandabstand und Wandgeschwindigkeit gebildete Reynoldssche Zahl ist. Folglich sind die konvektiven Terme, in station¨arer Str¨omung also alle Tr¨ agheitsglieder, zu vernachl¨ assigen, wenn gilt α Re  1 .

(8.6)

Wir betonen, daß eine kleine Reynolds-Zahl zwar hinreichend aber nicht notwendig f¨ ur (8.6) ist. Tats¨ achlich k¨ onnen in Gleitlagern so hohe ReynoldsZahlen erreicht werden, daß die Str¨ omung turbulent wird. Wir wollen uns aber in diesem Kapitel auf die laminare Str¨ omung beschr¨anken.

8.1 Reynoldssche Gleichung der Schmiertheorie

247

Das Kriterium (8.6) ist auch f¨ ur instation¨ are Str¨omungen g¨ ultig, wenn die typische Zeit τ von der Gr¨ oßenordnung L/U bzw. h/(α U ) ist, da dann die lokale Beschleunigung von derselben Gr¨ oßenordnung wie die konvektive ist. Unter der Bedingung (8.6) m¨ ussen sich die von α freien Glieder in (8.2) die Waage halten, und die x-Komponente der Navier-Stokesschen Gleichungen reduziert sich auf ∂p ∂2u =η 2 . ∂x ∂y

(8.7)

Aus der Komponente der Navier-Stokesschen Gleichungen in y-Richtung entsteht mit (8.1) wegen v ∼ α U die Gr¨ oßenordnungsgleichung     2 2 ∂p U 2U 2U 3 U  α +α ∼− +η α 2 +α 2 , (8.8) ∂y h h h h aus der wir auf die Gleichung 0=

∂p ∂y

(8.9)

schließen. (8.7) und (8.9) entsprechen aber genau den Differentialgleichungen der Druck-Schleppstr¨ omung (6.13) und (6.14). Wir k¨onnen daher sofort die L¨osung u ¨ bernehmen (wobei wegen α  1 die x-Komponente der Wandgeschwindigkeit gleich U ist):   u y ∂p h2 (x) y y = − 1− . (8.10) U h(x) ∂x 2η U h(x) h(x) Da die Spalth¨ ohe h von der Koordinate x abh¨angt, ist die Str¨omung nur lokal“ eine Druck-Schleppstr¨ omung. ” Wir berechnen nun den Volumenstrom in x-Richtung pro Tiefeneinheit (d. h. pro L¨ angeneinheit in z-Richtung) h(x) 

V˙ x =

h(x) 

u · ex dy = 0

u dy ,

(8.11)

0

der f¨ ur die hier betrachtete ebene Str¨ omung unabh¨angig von x sein muß. Aus (8.11) folgt wie bei der Kanalstr¨ omung 1 ∂p h3 (x) V˙ x = U h(x) − , 2 ∂x 12η

(8.12)

und die anschließende Differentiation nach x ergibt eine Differentialgleichung f¨ ur die Druckverteilung im ebenen Spalt:   ∂ h3 ∂p ∂h . (8.13) = 6U ∂x η ∂x ∂x

248

8 Hydrodynamische Schmierung

Diese Gleichung ist die f¨ ur die ebene Str¨ omung g¨ ultige Form einer allgemeineren Gleichung, die wir jetzt entwickeln, und die ebenfalls als Reynoldssche Gleichung bezeichnet wird, aber selbstverst¨ andlich von Gleichung (7.16) zu unterscheiden ist, die denselben Namen tr¨ agt. Existiert zus¨atzlich auch eine Str¨ omung in z-Richtung, so tritt zu (8.7) die Gleichung ∂p ∂ 2w =η , ∂z ∂y 2

(8.14)

die dieselbe Form hat wie (8.7). Um den Volumenstrom pro Tiefeneinheit V˙ z in z-Richtung zu berechnen, gen¨ ugt es deshalb, in (8.12) ∂p/∂x durch ∂p/∂z zu ersetzen und f¨ ur die Wandgeschwindigkeit in z-Richtung W zu schreiben: 1 ∂p h3 (x, z) V˙ z = W h(x, z) − , 2 ∂z 12η

(8.15)

wobei wir zugelassen haben, daß die Spalth¨ ohe nunmehr zus¨atzlich von z abh¨ angt. Im allgemeinen Fall lassen wir auch in (8.12) die Abh¨angigkeit h(x, z) zu. Die beiden Volumenstr¨ ome V˙ x und V˙ z fassen wir vektoriell in ˙ = V˙ e + V˙ e V x x z z

(8.16)

zusammen. Dieses ebene Feld muß offensichtlich die Kontinuit¨atsgleichung ∂ V˙ x ∂ V˙ z + =0 ∂x ∂z

(8.17)

erf¨ ullen, was man sich leicht veranschaulicht, wenn man die Kontinuit¨atsgleichung in integraler Form (2.8) auf ein zylindrisches Kontrollvolumen der Grundfl¨ ache dx dz anwendet. Mit (8.12) und (8.15) entsteht aus (8.17) unmittelbar die Reynoldssche Gleichung       ∂ h3 ∂p ∂ h3 ∂p ∂(h U ) ∂(h W ) + =6 + . (8.18) ∂x η ∂x ∂z η ∂z ∂x ∂z Wenn die Platten starre K¨ orper sind, verschwinden auf der rechten Seite die Ableitungen ∂U/∂x und ∂W/∂z. Außerdem ist in der Regel auch die Plattengeschwindigkeit W in die z-Richtung null.

8.2 Statisch belastete Gleitlager 8.2.1 Unendlich langes Radiallager F¨ ur das in z-Richtung unendlich ausgedehnte Radiallager der Abb. 8.2 gehen wir direkt von (8.12) aus. Der Halbmesser der Lagerschale sei

8.2 Statisch belastete Gleitlager

249

Abbildung 8.2. Geometrie des Radiallagers

  h RS = R + h = R 1 + , R

(8.19)

wenn h die mittlere H¨ ohe des Schmierspaltes (radiales Spiel) und R der Halbmesser des Lagerzapfens ist. Typische Werte des relativen Lagerspiels ψ=

RS − R h = R R

(8.20)

liegen im Bereich von 10−3 . Wenn der Mittelpunkt des Lagerzapfens um die Strecke e auf der Linie ϕ = 0 versetzt ist, so ist der Abstand zur Zapfenoberfl¨ache gemessen vom Mittelpunkt der Lagerschale f¨ ur e/R  1 ) * e r = R + e cos ϕ = R 1 + cos ϕ , (8.21) R und der Abstand zwischen Zapfenoberfl¨ ache und Lagerschale ergibt sich wegen ψ  1 zu h(ϕ) = RS − r = h(1 − cos ϕ) ,

(8.22)

wobei

=

e h

(8.23)

die relative Exzentrizit¨at ist. Die Tatsache, daß der Schmierspalt gekr¨ ummt ist, spielt bei sehr kleinen ψ keine Rolle; wir denken uns den Schmierspalt abgewickelt (Abb. 8.3) und setzen dx = Rdϕ. (8.12) schreiben wir mit den eingef¨ uhrten Bezeichnungen in der Form

250

8 Hydrodynamische Schmierung

Abbildung 8.3. Schmierspalt des Radiallagers

V˙ x ΩR 1 ∂p = 2 − , h3 (ϕ) 2h (ϕ) 12η R ∂ϕ

(8.24)

integrieren diese Gleichung von 0 bis 2π und erhalten wegen p(0) = p(2π) den (konstanten) Volumenstrom V˙ x zu

ΩRh V˙ x = 2

2π

h h(ϕ)

0

2

⎛ 2π ⎞−1 3   h dϕ ⎝ dϕ⎠ . h(ϕ)

(8.25)

0

Die auftretenden Integrale lassen sich durch die Substitution h(ϕ) 1 − 2 = 1 − cos ϕ = 1 + cos χ h

(8.26)

elementar auswerten, wir bezeichnen sie aber vorl¨aufig mit den Abk¨ urzungen I2 und I3 : 1 I2 V˙ x = Ω R2 ψ . 2 I3 Der Druckgradient folgt damit aus (8.12) zu   ∂p 1 ∂p ηΩR h I2 = =6 2 1− . ∂x R ∂ϕ h (ϕ) h(ϕ) I3

(8.27)

(8.28)

Von besonderem technischen Interesse ist die von der Fl¨ ussigkeit auf den Zapfen ausge¨ ubte Kraft, bzw. die Tragkraft“ des Lagers, die dem Negativen ” dieser Kraft pro Tiefeneinheit entspricht: F =

2π t R dϕ ,

(8.29)

0

wobei t der Spannungsvektor mit den Komponenten tX und tY im X-Y Koordinatensystem der Abb. 8.2 ist. Zur Berechnung des Spannungsvektors betrachten wir zun¨ achst die Komponenten des Spannungstensors im xy-System des Schmierspaltes, wo die Str¨ omung lokal eine Schichtenstr¨omung

8.2 Statisch belastete Gleitlager

251

ist, also die Komponenten τxx = τyy = −p und τxy = τyx = η ∂u/∂y hat, f¨ ur deren Verh¨ altnis wegen (8.28) die Gr¨ oßenordnungsgleichung 2

τxx η U R/h R 1 ∼ = = τxy ψ η U/h h

(8.30)

gilt. Es gen¨ ugt also nur die Normalspannungen −p zu betrachten. Der Spannungsvektor am Zapfen hat also die Form t = −p n, wobei n die Komponenten nX = cos ϕ und nY = sin ϕ besitzt. Daher ist 2π FX = −

p cos ϕ R dϕ

(8.31)

p sin ϕ R dϕ .

(8.32)

0

und 2π FY = − 0

Da cos ϕ eine gerade Funktion ist, sind auch h(ϕ) und alle Potenzen davon gerade Funktionen. Nach (8.28) ist dann auch ∂p/∂ϕ eine gerade Funktion, und der Druck selbst muß eine ungerade Funktion von ϕ sein. Daher verschwindet die X-Komponente der Kraft. Die Y -Komponente h¨alt der auf den Zapfen wirkenden Belastung die Waage, und der Zapfen verlagert sich senkrecht zur Richtung der angreifenden Kraft. Partielle Integration der Gleichung (8.32) liefert 2π FY = R p

cos ϕ|2π 0

−R

∂p cos ϕ dϕ . ∂ϕ

(8.33)

0

Der erste Term der rechten Seite verschwindet, und wir erhalten ηΩR FY = −6 ψ2

2π 0

h h(ϕ)

2

I2 − I3



h h(ϕ)

3 cos ϕ dϕ .

(8.34)

Das erste Teilintegral bezeichnen wir mit I4 , das zweite mit I5 und bringen (8.34) in die Form So = FY

ψ2 I2 I5 − I3 I4 =6 . ηΩR I3

(8.35)

Links steht nun eine dimensionslose Kraft, die als Sommerfeld-Zahl bezeichnet wird. Oft wird in der Definition 2R statt R benutzt, also So = FY ψ 2 /(2ηΩR); damit ergibt sich f¨ ur die in der amerikanischen Literatur verwendete Sommerfeld-Zahl S der Zusammenhang S = 1/(2πSo).

252

8 Hydrodynamische Schmierung

Schließlich berechnen wir noch das Reibungsmoment, das durch die Schubspannung auf den Zapfen u ur ¨ bertragen wird. Zun¨achst ergibt sich f¨ die Schubspannung aus (8.10)    ∂u  1 ∂p h τxy = η = η U + , (8.36) ∂y h h ∂x 2 η U mit (8.28) dann  2 Ω h I2 h τxy = η 4 −3 ψ h I3 h2

,

(8.37)

damit dann f¨ ur das Reibungsmoment 2π M =R

2

τxy dϕ =

η Ω R2 ψ

0

  I2 4I1 − 3 2 , I3

(8.38)

bzw. M

ψ 4I1 I3 − 3I22 = . 2 ηΩR I3

(8.39)

Wir geben noch der Reihe nach die Integrale an: 2π I1 = (1 − cos ϕ)−1 dϕ =

2π ; (1 − 2 )1/2

(8.40)

2π ; (1 − 2 )3/2

(8.41)

2π π(2 + 2 ) I3 = (1 − cos ϕ)−3 dϕ = ; (1 − 2 )5/2

(8.42)

0

2π I2 = (1 − cos ϕ)−2 dϕ = 0

0 2π

I4 =

cos ϕ (1 − cos ϕ)−2 dϕ =

I2 − I1 ;

(8.43)

cos ϕ (1 − cos ϕ)−3 dϕ =

I3 − I2 .

(8.44)

0

2π I5 = 0

Die Gleichungen (8.27), (8.35) und (8.39) lassen sich nun auch explizit als Funktion der relativen Exzentrizit¨ at darstellen:

8.2 Statisch belastete Gleitlager

253

Abbildung 8.4. Druckverteilung im Schmierspalt

1 − 2 V˙ x (Ω R2 ψ)−1 = , 2 + 2 12π So = FY ψ 2 (η Ω R)−1 = √ , 1 − 2 (2 + 2 ) 4π(1 + 2 2 ) M ψ(η Ω R2 )−1 = √ . 1 − 2 (2 + 2 )

(8.45) (8.46) (8.47)

Aus (8.46) entnehmen wir, daß die Exzentrizit¨at sehr klein wird ( → 0), wenn das Lager entweder nur schwach belastet ist, oder aber die Drehzahl (∼ Ω) sehr groß wird. Man spricht dann von schnell laufenden Lagern“. Im ” Grenzfall → 0 folgt f¨ ur das Reibmoment M = 2π η Ω

R2 ; ψ

(8.48)

ein Ergebnis, das wir schon fr¨ uher erhalten haben und das als Petroffsche Formel bekannt ist. Wir entnehmen den Gleichungen weiter, daß mit kleiner werdender Z¨ ahigkeit η sowohl die Tragf¨ ahigkeit als auch das Reibmoment abnehmen. Die Druckverteilung l¨ aßt sich aus (8.28) mit der Substitution (8.26) durch Quadratur ermitteln. Man erh¨ alt schließlich p=C −6

ηΩ sin ϕ(2 − cos ϕ)

. ψ 2 (2 + 2 )(1 − cos ϕ)2

(8.49)

Da wir bisher nur Randbedingungen an die Geschwindigkeit gestellt haben, ist der Druck (wie immer in inkompressibler Str¨omung) nur bis auf eine Konstante bestimmt. Diese Konstante kann physikalisch festgelegt werden, wenn an einer Stelle ϕ = ϕA (meistens ϕA = π) der Druck pA durch eine axiale

254

8 Hydrodynamische Schmierung

¨ Schmiernut vorgeschrieben wird, in der der Druck z. B. durch den Olpumpen¨ unter Umgebungsdruck zugef¨ druck aufrechterhalten wird oder in der Ol uhrt wird. Ist dieser Druck zu niedrig, so wird der Druck im Lager theoretisch negativ (Abb. 8.4). Fl¨ ussigkeiten im thermodynamischen Gleichgewicht k¨onnen aber keine Zugspannungen (d. h. negative Dr¨ ucke) u ¨ bertragen. Bekanntlich beginnt die Fl¨ ussigkeit zu verdampfen, wenn der Dampfdruck pD (T ) unterschritten wird. Man spricht dann davon, daß die Fl¨ ussigkeit kavitiert“, ” d. h. Hohlr¨ aume bildet, die mit Dampf gef¨ ullt sind. (Diese Erscheinung tritt nat¨ urlich nicht nur in Gleitlagern auf, sondern immer, wenn bei Str¨omungen tropfbarer Fl¨ ussigkeiten der Druck in der Str¨ omung unter den Dampfdruck absinkt.) Diese Zweiphasenstr¨omung ist so schwierig, daß bisher keine L¨osung f¨ ur dieses Kavitationsgebiet bekannt ist. Man beobachtet experimentell, daß beim Erreichen der Kavitationsgrenze der Fl¨ ussigkeitsfilm aufreißt und sich Fl¨ ussigkeitsstr¨ ahnen“ bilden, w¨ ahrend die Hohlr¨aume mit Dampf bzw. mit ” eingedrungener Luft gef¨ ullt sind, wenn das Lager an seinen Enden der Atmosph¨ are ausgesetzt ist. Auf jeden Fall bleibt festzuhalten, daß die Fl¨ ussigkeit den sich erweiternden Spalt nicht mehr ausf¨ ullt, und daher die Kontinuit¨atsgleichung in der Form (8.17) in diesem Gebiet nicht erf¨ ullt ist. Folglich gelten auch alle Schl¨ usse, die auf dieser Gleichung beruhen, insbesondere die Antisymmetrie der Druckverteilung sowie das Verschwinden der X-Komponente der Kraft dann nicht mehr. Wie Experimente zeigen, ist der Druck in diesem Gebiet praktisch konstant und beim bel¨ ufteten“ Lager gleich dem Atmo” sph¨ arendruck. Aufgrund dieses experimentellen Befundes empfiehlt es sich also, den Druck im Kavitationsgebiet gleich dem Umgebungsdruck, bzw. den Druckunterschied zur Umgebung, der alleine einen Beitrag zur Tragf¨ahigkeit macht, null zu setzen. Die Ausdehnung des Kavitationsgebietes ist aber zun¨ achst unbekannt und muß zusammen mit der Druckverteilung berechnet werden. Auf ein etwas einfacheres Problem wird man gef¨ uhrt, wenn man die sogenannten Reynoldsschen Randbedingungen zugrunde legt. Hierbei wird angenommen, daß das Kavitationsgebiet immer an der dicksten Stelle des Schmierfilms endet (ϕ = π), dort also der Druckaufbau beginnt, so daß die zugeh¨ orige Randbedingung p(π) = 0

(8.50)

lautet. Im allgemeinen wird man diese Randbedingung nur erf¨ ullen, wenn an ¨ drucklos (d. h. mit Umgebungsdruck) dieser Stelle u ¨ber eine Schmiernut Ol zugef¨ uhrt wird. Das Ende der Druckverteilung, also der Beginn des Kavitationsgebietes ist durch das gleichzeitige Erf¨ ullen der beiden Bedingungen  dp  p(ϕE ) = 0 , =0 (8.51) dϕ ϕE zu ermitteln. Gemessene Druckverteilungen stimmen gut mit Berechnungen auf Grundlage dieser Randbedingungen u ¨ berein, wobei sich auch zeigt, daß die Position des Druckanfangs nicht kritisch ist.

8.2 Statisch belastete Gleitlager

255

8.2.2 Unendlich kurzes Radiallager Der andere Grenzfall von erheblichem Interesse ist das unendlich kurze Radiallager, dessen Breite B sehr viel kleiner ist als der Zapfendurchmesser. Bei diesem Lager ist der Volumenfluß infolge des Druckgradienten in x-Richtung vernachl¨ assigbar, nicht aber die reine Schleppstr¨omung in diese Richtung. Folglich f¨ allt der Term ∂p/∂x in (8.18) heraus, und die Integration u ¨ ber z f¨ uhrt uns auf die Gleichung p=6

η Ω R dh z 2 + C1 z + C2 . h3 dx 2

(8.52)

Die Integrationskonstanten bestimmen sich aufgrund der Randbedingung     B B p z=+ =p z=− =0, (8.53) 2 2 so daß sich die Druckverteilung zu  2  ηΩ B

sin ϕ 2 p = −3 2 2 −z R ψ 4 (1 − cos ϕ)3

(8.54)

ergibt, die wieder antisymmetrisch und f¨ ur 0 < ϕ < π negativ ist. In der Praxis wird dann der Druck in diesem Gebiet gleich null gesetzt. Diese als Halbe Sommerfeld-Randbedingung bezeichnete Maßnahme, negative Dr¨ ucke zu eliminieren, wird zuweilen auch beim unendlichen Radiallager angewendet, sie liefert aber Ergebnisse, die mit den Experimenten weniger gut u ¨bereinstimmen als die theoretischen Ergebnisse, die auf den Reynoldsschen Randbedingungen basieren. Aus (8.31) und (8.32) lassen sich, wenn man zus¨atzlich u ¨ ber die Lagerbreite integriert, mit der Substitution (8.26) die Kraftkomponenten explizit ermitteln: η Ω B3

2 , 2 ψ R (1 − 2 )2

(8.55)

η Ω B3 π . 2 4ψ R (1 − 2 )3/2

(8.56)

FX = − FY =

8.2.3 Endlich langes Radiallager Es ist bemerkenswert, daß sich auch f¨ ur das endliche Radiallager eine analytische L¨ osung auf Basis der Sommerfeldschen Randbedingungen finden l¨aßt, die allerdings ebenfalls eine antisymmetrische Druckverteilung mit negativen Dr¨ ucken liefert, die im Lager aber nicht realisiert werden. Die Berechnung des Lagers unter den realistischeren Reynoldsschen Randbedingungen erfordert numerische Methoden, da der Druckauslauf, also die Kurve, an der p = dp/dϕ = 0 angetroffen wird, unbekannt ist.

256

8 Hydrodynamische Schmierung

Wenn an der Stelle ϕ = π keine Schmiernut vorhanden ist, die dort den Druck festlegt, so erfolgt auch der Beginn der Druckverteilung l¨angs einer zun¨ achst unbekannten Kurve, die durch die Randbedingungen an den Druck (p = 0) und an den Druckgradienten (∂p/∂n = 0) festgelegt ist. Experimentelle Befunde zeigen aber, daß diese Randbedingungen den Druckbeginn bzw. den Druckauslauf nicht sehr genau (f¨ ur die meisten Anwendungen jedoch genau genug) beschreiben. Die tats¨ achlichen Randbedingungen w¨ urden die Behandlung der Str¨omung im drucklosen“ Gebiet erfordern, wo die Str¨omung ” sehr verwickelt ist und auch Kapillarspannungen eine erhebliche Rolle spielen.

8.3 Dynamisch belastete Gleitlager Eine dynamische Lagerbelastung tritt dann auf, wenn der Zapfenmittelpunkt eine Bewegung ausf¨ uhrt. Die so verursachten Kr¨afte k¨onnen unter Umst¨ anden die Zapfenbewegung vergr¨ oßern. Man spricht dann von Hydrodynamischer Instabilit¨at , die typischerweise bei einer Frequenz auftritt, die der halben Drehfrequenz der Welle entspricht. Damit sind die weiter oben besprochenen Voraussetzungen (τ ∼ Ω −1 ∼ R/U ) f¨ ur die Vernachl¨assigung der lokalen Beschleunigung ∂u/∂t gegeben, und es ist nur der Einfluß der Zapfenbewegung auf die Kontinuit¨ atsgleichung (8.17) zu ber¨ ucksichtigen. Die Bewegung des Zapfens verursacht einen Volumenstrom (pro Fl¨acheneinheit) in y-Richtung, der durch u · n festgelegt ist, wobei u die Str¨omungsgeschwindigkeit am Zapfen, also an der oberen Wand des Schmierspaltes ist. Die Spalth¨ ohe h ist nun eine Funktion der Zeit, im allgemeinsten Fall also durch die Gleichung y = h(x, z, t) ,

(8.57)

bzw. in impliziter Form F (x, y, z, t) = y − h(x, z, t) = 0 ,

(8.58)

zu beschreiben. Die kinematische Randbedingung (4.170) DF/Dt = 0 ergibt sofort u · n = − oder da |∇F | =

∂F/∂t , |∇F |

' 1+



∂h ∂x

(8.59)

2

 +

∂h ∂z

2 ≈1

ist, auch u · n =

∂h . ∂t

(8.60)

8.3 Dynamisch belastete Gleitlager

257

Dieser Term ist auf der linken Seite von Gleichung (8.17) hinzuzuf¨ ugen, so daß dann die Reynoldssche Gleichung       ∂ h3 ∂p ∂ h3 ∂p ∂(h U ) ∂(h W ) ∂h + =6 + +2 (8.61) ∂x η ∂x ∂z η ∂z ∂x ∂z ∂t zu integrieren ist. 8.3.1 Unendlich langes Radiallager Wir ben¨ utzen (8.61) f¨ ur das unendlich ausgedehnte Lager, berechnen aber jetzt nur den Anteil des Druckfeldes, der von der Zapfenbewegung entlang der X-Achse herr¨ uhrt. Die Gleichung der Spaltfunktion (8.22) nimmt nun die Form h(ϕ, t) = h[1 − (t) cos ϕ]

(8.62)

¨ an (Abb. 8.2), aus der die Anderung der Spalth¨ohe mit ˙ = d /dt zu ∂h = −h ˙ cos ϕ (8.63) ∂t folgt. Wie vorher setzen wir dx = R dϕ und erhalten durch Integration von (8.61) h3 ∂p = −12 η R ∂ϕ

ϕ h ˙ cos ϕ R dϕ = −12R h ˙ sin ϕ ,

(8.64)

0

da aus Symmetriegr¨ unden  ∂p  =0 ∂ϕ ϕ=0 ist. Nochmalige Integration f¨ uhrt zun¨ achst auf  sin ϕ p = −12η h ˙ R2 dϕ + const h3

(8.65)

und mit dh = h sin ϕ dϕ sofort auf   η ˙ R2 1 p = 12 +C . (8.66) 2 2 (1 − cos ϕ)2 h Wir vermerken, daß p hier eine gerade Funktion von ϕ ist, daher verschwindet die Y -Komponente der Kraft nach (8.32), und (8.31) liefert zusammen mit der Integrationsformel (8.43) f¨ ur die X-Komponente der Kraft pro Tiefeneinheit, die von der Fl¨ ussigkeit auf den Zapfen ausge¨ ubt wird: 2π FX = −

p cos ϕ R dϕ = −12π η R3 0

˙ 2

h (1 − 2 )3/2

.

(8.67)

258

8 Hydrodynamische Schmierung

Abbildung 8.5. Geometrie des Gleitstempels

8.3.2 Gleitstempel Bei der Anwendung von (8.61) auf den in Abb. 8.5 dargestellten Gleit” stempel“, der in z-Richtung unendlich ausgedehnt ist, entsteht durch zweifache Integration u ¨ ber x ⎡ p(x, t) = 6η U ⎣

x

1 2 dx + h2 U

0

x 0

⎛ x ⎞ ⎤  x 1 ⎝ ∂h ⎠ C 1 dx dx + dx⎦ . h3 ∂t 6U h3 0

0

(8.68) Dabei wurde eine der auftretenden Integrationskonstanten durch die Randbedingung p(x = 0) = p(h1 ) = 0

(8.69)

bereits bestimmt, w¨ ahrend die Konstante C durch die zweite Randbedingung p(x = L) = p(h2 ) = 0

(8.70)

festgelegt ist. Weiterer Fortschritt in der Berechnung verlangt auch hier die Angabe der Spaltfunktion. F¨ ur gerade und starre Begrenzungsw¨ande, also h(x, t) = h1 (t) − α x = h1 (t) −

h1 (t) − h2 (t) x L

(8.71)

l¨aßt sich die Integration u uhren, und nach Bestimmung der Inte¨ ber h ausf¨ grationskonstanten nimmt (8.68) mit der Abk¨ urzung ∂h h˙ = ∂t die Form

8.3 Dynamisch belastete Gleitlager

259

Abbildung 8.6. Druckverteilung im Schmierspalt des Gleitschuhes (h˙ = 0) f¨ ur verschiedene Neigungswinkel α

Abbildung 8.7. Druckverteilung im Quetschspalt (U = 0) f¨ ur verschiedene Neigungswinkel α

260

8 Hydrodynamische Schmierung

ηU p(x, t) = 3 α h0



2h˙ 1− αU



h0 −1 h1

2

 −

h0 −1 h(x, t)

2 (8.72)

an. Der Druck bleibt also null bei positiver Stempelbewegung h˙ = 1/2 α U . An der ausgezeichneten Spalth¨ ohe h0 = 2

h1 h2 h1 + h2

(8.73)

wird jeweils das Extremum der Druckverteilung angetroffen. Dort ist auch die Geschwindigkeitsverteilung linear u ur h˙ = 0 erh¨alt ¨ ber der Spalth¨ohe. F¨ man die Druckverteilung des Gleitschuhes“ (Abb. 8.6), w¨ahrend f¨ ur U = 0 ” die Formel f¨ ur die reine Quetschstr¨ omung (Abb. 8.7) entsteht, die f¨ ur den Sonderfall α = 0, also h = h(t) in den Ausdruck p(x, t) = −6

η h˙ L2 ) x* x 1− 3 h L L

(8.74)

u ¨bergeht. Die Integration der Druckverteilung liefert die Tragkraft des Gleitstempels (pro Tiefeneinheit) zu    ηU 2h˙ h1 1 − h1 /h2 Fy = 6 2 1 − ln +2 . (8.75) α αU h2 1 + h1 /h2 Aus (8.75) gewinnen wir f¨ ur U = 0 durch den Grenz¨ ubergang α → 0 die Formel Fy = −

η h˙ L3 , h3

(8.76)

die auch aus der direkten Integration von (8.74) folgt. Im Grenzfall h(t) → 0 liefert (8.76) eine dem Betrag nach unendlich große Kraft. Bei gegebener Kraft stellt (8.76) eine Differentialgleichung f¨ ur die Bewegung h(t) des Stempels dar, deren L¨osung auf den Zusammenhang t=

η L3 1 + const 2Fy h2

(8.77)

f¨ uhrt. Wir verf¨ ugen u ¨ber die Integrationskonstante durch die Anfangsbedingung h(t = 0) = hA und erhalten   η L3 1 1 t= − ; 2Fy h2 h2A

(8.78)

(8.79)

8.3 Dynamisch belastete Gleitlager

261

d. h. unter endlicher Kraft kann der Stempel die Wand nicht in endlicher Zeit erreichen. Wird der Stempel in die positive y-Richtung bewegt (∂h/∂t > 0), so entsteht ein Unterdruck im Spalt, und die Fl¨ ussigkeit beginnt zu verdampfen, wenn der Druck unter den Dampfdruck absinkt. Dies begrenzt die Kraft, die notwendig ist, den Stempel von der Wand zu entfernen. Die Verdampfung ist allerdings ein dynamischer Vorgang, der Zeit beansprucht. Zun¨achst bilden sich ausgehend von Kavitationskeimen“ (oft in Form von kleinen Feststoff” partikeln) Blasen, die im Bestreben thermodynamisches Gleichgewicht herzustellen anwachsen. Das Blasenwachstum wird aber durch die Tr¨agheit der umgebenden Fl¨ ussigkeit und die Leitung der zum Verdampfen notwendigen W¨ arme zu den Blasen beeinflußt. Bei sehr kurzfristiger Belastung k¨onnen daher ganz erhebliche Kr¨ afte zur Trennung des Stempels von der Wand erforderlich sein. Wenn anschließend der Stempel der Wand wieder gen¨ahert wird und der Druck steigt, fallen die Blasen in sich zusammen. Das die Blase umgebende Druckfeld l¨ aßt sich bei Annahme inkompressibler Str¨omung unschwer ermitteln: Danach steigt der Druck vom Wert p∞ weit weg von der Blase auf einen maximalen Wert in der N¨ ahe des Blasenrandes an, um dann auf den Druck in der Blase abzufallen. Dabei k¨ onnen sehr hohe Spitzendr¨ ucke erreicht werden, die in inkompressibler Str¨ omung sogar gegen unendlich streben, wenn der Blasenradius gegen null geht. Die Gesamtheit der beschriebenen Vorg¨ ange der Blasenbildung und des Zusammenfallens der Blasen wird unter dem Begriff Kavitation zusammengefaßt. Wie bereits erw¨ ahnt ist mit dieser Erscheinung nicht nur im Schmierspalt zu rechnen, sondern immer dann, wenn der Dampfdruck unterschritten wird, beispielsweise auch bei der Umstr¨ omung von K¨orpern, wo der Druck in der N¨ ahe der dicksten Stelle unter den Umgebungsdruck absinkt (siehe Abb. 10.14) und durchaus Werte unter dem Dampfdruck erreichen kann. Es ¨ k¨ onnen sich dann Blasen im Unterdruckgebiet bilden, die ins Uberdruckgebiet abschwimmen und zusammenfallen, so daß die Oberfl¨ache des K¨orpers dort einer andauernd wechselnden Druckbelastung ausgesetzt ist, was schließlich zur Zerst¨ orung der Oberfl¨ ache f¨ uhrt. Der Blasenkollaps ist mit einem laut prasselnden Ger¨ausch verbunden, was ein erster Hinweis auf die Kavitation z. B. in hydraulischen Maschinen ist. Kavitation im Schmierspalt der Fingergelenke ist in diesem Zusammenhang vermutlich auch die Ursache des Fingerknackens“: Beim Zug an einem ” Finger wird Unterdruck in der Gelenkfl¨ ussigkeit erzeugt, und es bildet sich u. U. eine Blase, die beim Zusammenfallen eine Druckwelle hervorruft, die als knackendes Ger¨ ausch wahrgenommen wird. Auch in Ventilsitzen bildet sich die besprochene Quetschstr¨omung aus, und es kann auch hier zu Kavitationserscheinungen kommen, wenn das Ventil zu schnell ge¨ offnet wird.

262

8 Hydrodynamische Schmierung

Wir weisen noch auf die mathematische Verwandtschaft zwischen der reinen Quetschstr¨ omung bei parallelen W¨ anden und der station¨aren druckgetriebenen Schichtenstr¨ omung hin. Da f¨ ur α = 0 die Spalth¨ohe keine Ortsfunktion ist, tritt die Reynoldssche Gleichung in der Form der Poissonschen Gleichung ∇ · ∇p = ∆p =

12η ∂h h3 ∂t

(8.80)

f¨ ur den Druck auf, deren rechte Seite als Konstante zu werten ist, da wie bisher die Zeit nur parametrisch auftritt. Voraussetzung hierf¨ ur ist weiterhin die Vernachl¨ assigbarkeit der lokalen Beschleunigung, also die Bedingung h˙ h 1. ν Gleichung (8.80) entspricht (6.72) ∆u = −

K , η

und deren L¨ osungen aus Abschnitt 6.1 lassen sich unmittelbar u ¨bertragen, ˙ 3 ersetzt. (Bei den Ergebnissen wenn man u durch p und −K/η durch 12η h/h ist zu beachten, daß die Koordinaten y, x senkrecht zur Str¨omungsrichtung aus Abschnitt 6.1 hier durch die Koordinaten x, z zu ersetzen sind, die Kanalh¨ ohe h also hier der Stempell¨ ange L entspricht.) Offensichtlich entspricht in dieser Analogie der Volumenstrom V˙ der Kraft und die mittlere Geschwindigkeit U dem u ¨ ber den Stempelquerschnitt gemittelten Druck. So u ¨bertragen wir z. B. die durch den Druckgradienten verursachte Geschwindigkeitsverteilung aus (6.19) auf die Druckverteilung (8.74) und den Volumenstrom aus (6.21) auf die Tragkraft (8.76). Unter einem zylindrischen Stempel mit Kreisquerschnitt A = π R2 ergibt sich aus der Analogie mit (6.53) die Druckverteilung p(r, t) = −

3η h˙ 2 (R − r2 ) h3

(8.81)

und mit (6.55), (6.58) die Tragkraft Fy = −

3π η h˙ 4 R . 2h3

(8.82)

Ganz analog gewinnen wir aus dem Druckstr¨ omungsanteil der Geschwindigkeitsverteilung (6.65) die Druckverteilung unter einem Stempel mit Kreis2 ringquerschnitt A = π(RA − RI2 ) p(r, t) = −

  3η h˙ 2 2 2 2 ln r/RA R − r − (R − R ) A A I h3 ln RI /RA

(8.83)

8.3 Dynamisch belastete Gleitlager

und schließlich aus (6.66) die Tragkraft   2 3π η h˙ (RA − RI2 )2 4 4 Fy = − R − R + . A I 2h3 ln RI /RA

263

(8.84)

Wir verzichten darauf, auch noch die Ergebnisse f¨ ur die Kanalstr¨omung durch Rechteck-, Dreieck- und elliptische Querschnitte auf Druckverteilung und Tragkraft unter Stempeln entsprechender Querschnitte zu u ¨ bertragen, weisen aber darauf hin, daß auch hier bekannte L¨ osungen aus der Elastomechanik u onnen. ¨bernommen werden k¨ 8.3.3 Quetschstr¨ omung eines Bingham-Materials Wie im vorhergehenden gezeigt wurde, laufen die Annahmen der Schmiertheorie darauf hinaus, daß die Quetschstr¨ omung lokal als Schichtenstr¨omung betrachtet werden kann. Deshalb gelten die Bewegungsgleichungen in der Form (6.190) und (6.191), die sich dort, wo das Material fließt, auf (8.7) und (8.9) reduziert, da sich das Material dann wie eine verallgemeinerte Newtonsche Fl¨ ussigkeit verh¨ alt. Die Wandschubspannung τw h¨angt aber nun parametrisch von x ab und wegen (6.192) und (6.193) notwendigerweise auch der Druckgradient −K sowie die dimensionslosen Positionen κ1 und κ2 der Gleitfl¨ achen in den Geschwindigkeitsverteilungen (6.197) und (6.198). Wie im Zusammenhang mit den Gleichungen (8.17) und (8.61) erl¨autert wurde, lautet die Kontinuit¨ atsgleichung in integraler Form f¨ ur die ebene instation¨are Quetschstr¨ omung ∂ V˙ ∂h + =0. ∂x ∂t

(8.85)

Der Volumenstrom verschwindet an der Stelle x = L/2 des Spaltes aus Symmetriegr¨ unden, so daß die Integration von (8.85) die Beziehung   L V˙ = −h˙ x − (8.86) 2 liefert. Da der lokale Volumenstrom V˙ (x) aber gleich dem Volumenstrom (6.208) der reinen Druckstr¨ omung ist, wenn dort der lokale Druckgradient eingesetzt wird, entsteht aus (8.86) unmittelbar eine nichtlineare Gleichung f¨ ur den Druckgradienten: ⎧ ⎫     −1   −1 3 ⎬ h3 ∂p ⎨ ϑ ∂p ϑ ∂p L 1+3 −4 = h˙ x − (8.87) ⎭ 12η1 ∂x ⎩ h ∂x h ∂x 2 bzw. 

h ∂p ϑ ∂x



3 +

3−

˙ 12η1 hL 2 ϑh



x 1 − L 2

 

h ∂p ϑ ∂x

2

−4=0 ,

(8.88)

264

8 Hydrodynamische Schmierung

wobei wir uns, wegen der angesprochenen Symmetrie, auf den Bereich L/2 ≤ x ≤ L beschr¨ ankt haben. Die Berechnung der Druckverteilung aus dieser Differentialgleichung erfordert zun¨ achst die Aufl¨ osung der kubischen Gleichung nach dem Druckgradienten und dann eine Entscheidung, welche der drei Wurzeln physikalisch sinnvoll ist. F¨ ur beliebige Werte der Quetschgeschwindigkeit und der Kanalabmessungen wird man die Aufl¨ osung nicht auf analytischem Wege erreichen k¨ onnen und ist dann auf eine numerische L¨ osung bei vorgegebenem x ange¨ wiesen. Wir verschaffen uns einen Uberblick, indem wir N¨aherungsl¨osungen f¨ ur große und kleine Werte von C=−

˙ 12η1 hL 2 ϑh

mit

C>0

(8.89)

suchen. Es ist unmittelbar ersichtlich, daß (h/ϑ)∂p/∂x = −2 eine Wurzel der Gleichung (8.88) f¨ ur C = 0 ist. Bei diesem Wert fließt das Material gerade noch nicht, d. h. die dadurch gegebene Last senkt die obere Platte noch nicht ab. F¨ ur kleine Werte von C gewinnen wir eine asymptotische Entwicklung f¨ ur den Druckgradienten, indem wir h ∂p = −2 + ε ϑ ∂x

(8.90)

schreiben und dies in (8.88) einsetzen. Der Vergleich von Gliedern derselben Gr¨ oßenordnung f¨ uhrt auf die Gleichung  1/2 2 x 1 ε = ± √ C 1/2 − (8.91) L 2 3 und damit auf

  1/2  1/2 h ∂p C x 1 = −2 1 + − ϑ ∂x 3 L 2

fu ¨r

C→0,

(8.92)

wobei wir das Vorzeichen in (8.91) so w¨ ahlen, daß die Last, bzw. der Druckgradient dem Betrag nach mit wachsendem C gr¨oßer wird. F¨ ur sehr große C entnimmt man (8.88) unmittelbar den Druckgradienten   h ∂p x 1 = −C − , (8.93) ϑ ∂x L 2 der dem Newtonschen Grenzfall aus (8.74) entspricht. Wie vorher suchen wir eine asymptotische Entwicklung und setzen   h ∂p x 1 = −C − +ε . (8.94) ϑ ∂x L 2 Damit gewinnen wir aus (8.88) unter der Voraussetzung C(x/L − 1/2) ε die Gleichung

8.4 Filmstr¨ omung u ¨ ber halbunendliche Wand

   h ∂p x 1 =− 3+C − , ϑ ∂x L 2

265

(8.95)

die allerdings nicht in unmittelbarer N¨ ahe von x = L/2 gilt. Die Integration der Gleichungen (8.92) und (8.95) f¨ uhrt mit der Randbedingung p(x = L) = 0 auf die Druckverteilung (relativ zum Umgebungsdruck)   1/2   3/2 √ 2ϑL x 1 C x 1 p= 1− + 1− − 2 2 fu ¨r C → 0 h L 3 6 L 2 (8.96) bzw. p=

3ϑL h

   x C ) x *2 x 1− − − L 6 L L

fu ¨r

C→∞

und damit auf die Tragkraft (pro Tiefeneinheit)  ( L ϑL2 4 C F =2 p dx = 1+ fu ¨r C → 0 2h 5 6

(8.97)

(8.98)

L/2

und 3ϑL2 F = 4h



C 1+ 9

 fu ¨r C → ∞ .

(8.99)

Zum Schluß weisen wir noch auf einen kinematischen Widerspruch in dieser L¨ osung hin: Da der Druckgradient und damit die Positionen der Gleitfl¨achen parametrisch von x abh¨ angen, sind die Geschwindigkeiten an den Gleitfl¨ achen Funktionen von x. Der Widerspruch wird offensichtlich, wenn wir das Bingham-Verhalten gem¨ aß (3.63) und (3.64) zugrunde legen. Da der dann starre Festk¨ orper hier nur eine Translation ausf¨ uhrt, ist die Geschwindigkeit an der Festk¨ orperseite der Gleitfl¨achen aber von x unabh¨angig und damit die Haftbedingung (4.159) verletzt. Numerische Rechnungen (f¨ ur den rotationssymmetrischen Fall) zeigen nun, daß die Druckverteilung, die Tragkraft und die Geschwindigkeitsverteilungen durch die Schmiertheorie im wesentlichen richtig vorhergesagt werden. Die Gleitfl¨achen werden nicht richtig vorhergesagt. Allerdings a achen nach der Schmiertheorie ¨hneln die Gleitfl¨ den Fl¨ achen konstanten Wertes der Spannungsinvarianten, wenn diese den von ϑ geringf¨ ugig verschiedenen Wert (τij τij /2)1/2 ∼ 1.05ϑ annimmt. Die L¨osung auf der Basis der Schmiertheorie ist daher f¨ ur die meisten Ingenieursanwendungen ausreichend.

8.4 Filmstr¨ omung u ¨ber halbunendliche Wand Die Annahmen die zur Theorie der hydrodynamischen Schmierung f¨ uhren, sind oft auch in anderen technisch wichtigen Str¨omungen erf¨ ullt, die vor-

266

8 Hydrodynamische Schmierung

Abbildung 8.8. Filmstr¨ omung u ¨ ber eine horizontale Platte

dergr¨ undig nichts mit der Lagerschmierung gemeinsam haben. Kennzeichnendes Merkmal dieser Str¨ omungen ist ja die geringe Abweichung von der reinen Schichtenstr¨ omung, so daß die L¨ osungen f¨ ur die Schichtenstr¨omungen lokal g¨ ultig sind. Als Beispiel f¨ ur diese Klasse von Str¨omungen betrachten wir zun¨ achst die ebene station¨ are Filmstr¨ omung u ¨ ber eine halbunendliche Wand und kn¨ upfen an die entsprechende Filmstr¨omung l¨angs einer unendlich langen Wand in Abschnitt 6.1.3 an. Wir halten die Bezeichnungen dieses Abschnittes bei und legen den Ursprung des Koordinatensytems, dessen Lage ja an der unendlich langen Wand willk¨ urlich ist, an die Vorderkante mit der negativen x- Richtung l¨ angs der Oberfl¨ ache. Der Einfachheit halber setzen wir den Neigungswinkel β der Platte zu null. Die Str¨ omung wird durch geeigneten Zufuhr eines Volumenstromes aufrechterhalten. Die Fl¨ ussigkeit muß u ¨ber die Vorderkante abstr¨omen und wir erwarten, daß die Oberfl¨ ache des Fl¨ ussigkeitsfilmes sich zur Kante hin absenkt. Die Form der Oberfl¨ ache ist im Gegensatz zur Schichtenstr¨omung unbekannt und muß als Teil der L¨ osung gefunden werden. Die Differentialgleichungen, die von der L¨ osung erf¨ ullt werden, k¨ onnen direkt aus Abschnitt 6.1.3 u ¨bernommen werden ((6.26) und (6.27)) und lauten mit β = 0: ∂p ∂2u =η 2 ∂x ∂y

(8.100)

∂p = −ρ g. ∂y

(8.101)

Auch die Haftbedingung (6.28) und die Stetigkeit des Spannungsvektors an der freien Oberfl¨ ache (6.29) behalten ihre G¨ ultigkeit: u(0) = 0,

(8.102)

nj τji(1) = nj τji(2)

(8.103)

Allerdings ergibt sich hier der Normalenvektor der!freien Oberfl¨ache y = ! h(x) nach (4.164) zu nj = (−h (x)/ 1 + h2 (x), 1/ 1 + h2 (x), 0). Da im Rahmen der Schmiertheorie aber die Neigung der Oberfl¨ache h (x) sehr klein ist, schreiben wir f¨ ur den Normalenvektor auch nj = (0, 1, 0), der damit

8.4 Filmstr¨ omung u ¨ ber halbunendliche Wand

267

dieselbe Form annimmt wie im Abschnitt 6.1.3. Daher gelten auch dieselben Randbedingungen an der freien Ober߬ ache y = h(x) (Gleichung (6.31) und Gleichung (6.33)): p1 = p2 = p0

(8.104)

∂u = 0. ∂y

(8.105)

Auch die Druckverteilung, Gleichung (6.35), kann sofort u ¨ bernommen werden: p(x, y) = p0 + ρ g (h(x) − y),

(8.106)

wobei im Gegensatz zur reinen Schichtenstr¨ omung die Filmh¨ohe ja jetzt eine noch unbekannte Funktion von x ist. Die Integration von (8.100) unter Beachtung der Randbedingungen (8.102) und (8.105) f¨ uhrt auf das Ergebnis   1 ∂p 2 y y u(x, y) = − h (x) 2 − , (8.107) 2η ∂x h(x) h(x) mit (8.106) auch auf u(x, y) = −

  g  y y h (x)h2 (x) 2 − 2ν h(x) h(x)

.

(8.108)

Zur Berechnung der Filmh¨ ohe gehen wir von der kinematischen Randbedingung (4.170) aus, die sich im vorliegenden ebenen Fall auf u · ∇F = 0 = −v(x, y) + h (x)u(x, y)

(8.109)

bzw. h (x) =

v(x, y) an y = h(x) u(x, y)

(8.110)

reduziert. Aus der Kontinuit¨ atsgleichung (2.5) f¨ ur ebene Str¨omung ∂u/∂x + ∂v/∂y = 0 folgt f¨ ur die v-Komponente der Geschwindigkeit an der freien Oberfl¨ ache h(x) 

v(x, h(x)) = −

∂u g 2 g 3  dy = h (x)h2 (x) + h h (x) ∂x 2ν 3ν

(8.111)

0

und daher mit u(x, h(x)) h (x) = −

h(x) h (x) 3h (x)

(8.112)

268

8 Hydrodynamische Schmierung

oder ∂  [h (x) h3 (x)] = 0. ∂x

(8.113)

Wegen (8.106) l¨ aßt sich die Differentialgleichung zur Berechnung der Filmh¨ ohe h = h(x) aber auch unmittelbar aus der Reynoldsschen Gleichung der Schmiertheorie gewinnen. Wir schließen an die Herleitung dieser Gleichung f¨ ur den ebenen Fall in Abschnitt 8.1 an und ersetzen in (8.13) ∂p/∂x durch ρ g h (x) und gewinnen f¨ ur U = 0 und konstantes η so die Gleichung (8.113). Ausgangspunkt f¨ ur die Herleitung der Reynoldsschen Gleichung im Abschnitt 8.1 ist der Ausdruck f¨ ur den konstanten Volumenstrom, der f¨ ur die Filmstr¨ omung die Form h(x) 

V˙ x =

u dy = −

g 3 h (x)h (x) 3ν

(8.114)

0

annimmt und offensichtlich das Ergebnis der ersten Integration der Differentialgleichung (8.113) darstellt. Damit ist die zugeh¨orige Integrationskonstante zu V˙ x 3 ν/ g identifiziert. Diese Gr¨ oße hat die Dimension [L¨ ange]3 und offenbart die charakteristische L¨ ange 1 L = (ν V˙x / g) 3

des Problems. Nochmalige Integration von (8.113) f¨ uhrt auf die Darstellung h4 /L4 = 12(−x/L + c),

(8.115)

die den selben Verlauf der Filmh¨ ohe f¨ ur alle Filmstr¨omungen ergibt, welche dieselbe charakteristische L¨ ange haben, unabh¨ angig vom speziellen Wert, den der Volumenstrom oder die Dichte, Viskosit¨ at oder in der Tat die Massenkraft der Schwere annimmt. Die Integrationskonstante kann im Rahmen dieser Theorie nicht bestimmt werden. Sie spiegelt die Unkenntnis der Str¨ omung an der Vorderkante wieder, wo die Neigung der freien Oberfl¨ ache nicht mehr klein und die L¨osung daher nicht mehr g¨ ultig ist. Zwar kann man eine L¨osung in der N¨ahe der Vorderkante konstruieren, sie h¨ angt aber i. allg. von der Reynolds-Zahl direkt ab. Es ist jedoch aus der Form der L¨ osung klar, daß die Filmh¨ohe weit weg von der Vorderkante nicht empfindlich von der Filmh¨ohe an der Vorderkante abh¨ angt, (was daran liegt, daß die Filmh¨ohe sehr rasch ansteigt) so daß man die Konstante null setzen kann, was der Annahme h(0) = 0 entspricht. An der Vorderkante ist die L¨ osung ohnehin falsch, aber weit weg von der Kante ist der dadurch verursachte relative Fehler in der H¨ohe klein, was auch durch Experimente best¨ atigt wird. F¨ ur h¨ohere Genauigkeitsanspr¨ uche kann man die Konstante aus dem Experiment bestimmen. Mit der Reynoldsschen Zahl Re = u(x, h)h/ν ergibt sich f¨ ur α Re = h (x)Re = (9/2) V˙ x2 /(h3 g) unabh¨ angig von der Viskosit¨ at.

8.5 Str¨ omung durch Partikelfilter

269

8.5 Stro ¨mung durch Partikelfilter Partikelfilter werden eingesetzt, um aus dem Abgas von Dieselmotoren feinste Rußpartikel zu entfernen, die gesundheitlich als bedenklich gelten. Bei manchen Ausf¨ uhrungsformen bestehen die Partikelfilter aus B¨ undeln langer, meist rechteckiger Kan¨ ale, deren W¨ ande aus por¨osem Keramikmaterial bestehen. Je ein Zuf¨ uhrkanal hat seine vier Seitenw¨ande gemeinsam mit vier Nachbarkan¨ alen, die Abf¨ uhrkan¨ ale darstellen. Jeder Abf¨ uhrkanal hat seinerseits vier Zuf¨ uhrkan¨ ale als Nachbarn. Der Querschnitt des Partikelfilters zeigt also ein schachbrettartiges Muster, bei dem die schwarzen Felder z.B. die Querschnitte der Zuf¨ uhrkan¨ ale sind, die weißen Felder dann die Querschnitte der Abf¨ uhrkan¨ ale. Die Zuf¨ uhrkan¨ ale sind am Ende des Filters verschlossen, die Abf¨ uhrkan¨ ale am Anfang. Das mit Partikeln beladene Gas tritt in den Zuf¨ uhrkanal ein und die Gasphase str¨ omt durch die Zwischenr¨ aume der por¨osen W¨ande in die Abf¨ uhrkan¨ ale, w¨ ahrend selbst auch feine Partikel zu groß sind, um in die Zwischenr¨ aume einzudringen und deshalb im Zuf¨ uhrkanal zur¨ uckgehalten werden. Sie lagern sich an den W¨ anden des Zuf¨ uhrkanales ab und vergr¨oßern damit die effektive por¨ ose Schichtdicke (Wanddicke und Dicke der Ablagerungsschicht) und damit auch den Druckunterschied, der n¨otig ist, um den gleichen Volumenstrom der Gasphase durch die Schicht zu treiben. Wenn der Druckverlust so groß wird, daß er Leistung und Wirkungsgrad des Motors empfindlich beeintr¨ achtigt, wird das Filter regeneriert, d.h. der Ruß wird durch kurzfristige Temperaturerh¨ ohung im Filter verbrannt. Die entstehende Asche verbleibt in den Zuf¨ uhrkan¨ alen, die dann nach einer gewissen (m¨ oglichst langen) Laufzeit gereinigt werden. Typische Werte des Verh¨ altnisses Kanalh¨ ohe zur Kanall¨ange betragen et¯ c2 muß wa c/L ≈ 4 ∗ 10−3 . Der in den Kanal eintretende Volumenstrom U ¯ c2 = 4V¯ Lc und der Neidurch die vier Seitenw¨ ande abfließen, daher ist U ¯ ≈ 10−3 . Wegen der sehr geringen gungswinkel der Stromlinien ungef¨ ahr V¯ /U Neigung, nehmen wir an, daß die Str¨ omung lokal eine Schichtenstr¨omung ist. Die Schichtenstr¨omung durch einen viereckigen Kanal (wie auch die durch einen Dreieckskanal, der in einigen Ausf¨ uhrungsformen genutzt wird) ist aus Abschnitt 6.1.6 bekannt. F¨ ur die mittlere Geschwindigkeit (6.89) ergibt sich nach Auswertung der schnell konvergierenden unendlichen Reihe der Ausdruck 2 ¯ = − ∂p(x) c 0, 4217, U ∂x 4 η

(8.116)

wobei der Druckgradient jetzt eine Funktion von x ist, die es zu ermitteln gilt. Der u ange dx durch die W¨ande abfließende ¨ ber die infinitesimale Kanall¨ Volumenstrom im Zuf¨ uhrkanal ist nach obigen Ausf¨ uhrungen −4 V¯ cdx und ¯zu c2 , also: ¨ gleich der Anderung des Volumenstroms im Zuf¨ uhrkanal dU ¯zu dU = −4 V¯ /c, (8.117) dx

270

8 Hydrodynamische Schmierung

w¨ahrend die Zunahme der mittleren Geschwindigkeit an der entsprechenden Stelle x im Abf¨ uhrkanal ¯ab dU = 4 V¯ /c dx

(8.118)

ist. Der lokale Volumenstrom pro Fl¨ acheneinheit (Geschwindigkeit) V¯ durch die por¨ ose Wand an der Stelle x steht mit dem Druckunterschied pzu (x) − pab (x) im Zusammenhang k (pzu − pab ) V¯ = η s

.

(8.119)

Die Beziehung (8.119) wurde von Darcy 1856 auf Grund von Experimenten angegeben und wird als Darcysches Gesetz bezeichnet. Wir werden sp¨ ater hierauf zur¨ uckkommen und dann die theoretische Basis des Gesetzes plausibel machen, begn¨ ugen uns hier aber mit der Feststellung, daß die Permeabilit¨at k eine weitgehend empirische Konstante ist, welche die Zahl, Gr¨oße und Form der Zwischenr¨ aume charakterisiert, und s die Dicke der por¨osen Schicht. Mit (8.116) entstehen aus (8.117) und (8.118) und dem Darcyschen Gesetz die zwei gekoppelten linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung f¨ ur die Druckverteilungen pzu (x)und pab (x): ∂ 2 pzu = 16k(pzu − pab )/(s c3 0, 4217) ∂x2 ∂ 2 pab = −16k(pzu − pab )/(s c3 0, 4217) ∂x2

(8.120)

denen man unmittelbar entnimmt, daß die Summe der Dr¨ ucke im Zu- und Abf¨ uhrkanal eine lineare Funktion des Ortes ist. Das System ist vierter Ordnung und ein Randwertproblem, f¨ ur das Randbedingungen an x = 0 und x = L vorgegeben sind. Aus dem Volumenstrom durch das gesamte Filter und die Zahl der Zuf¨ uhrkan¨ ale l¨ aßt sich der Anfangsvolumenstrom v˙ in einem Zuf¨ uhrkanal bestimmen, was mit (8.116) auf die Randbedingung ∂pzu (0) 4 η v˙ = 4 ∂x c 0, 4217

(8.121)

f¨ uhrt. An der Stelle x = L ist der eingetretene Volumenstrom durch die Seitenw¨ ande entwichen. Daher gilt dort ∂pzu (L) = 0. ∂x

(8.122)

An x = 0 des Abstr¨ omkanals ist die mittlere Geschwindigkeit Null, also ∂pab (0) = 0, ∂x

(8.123)

8.5 Str¨ omung durch Partikelfilter

271

Abbildung 8.9. Druckverlauf in Partikelfilter

w¨ahrend an x = L der Druck p0 vorgegeben ist, der sich aus dem Umgebungsdruck und den Verlusten (im Abgasstrang etwa) bis zur Stelle x = L zusammensetzt. Daher gilt pab (L) = p0 .

(8.124)

Bekanntlich wird das lineare Gleichungssystem durch den Ansatz pzul,ab = Azul,ab eλ x gel¨ ost. Da es sich, wie schon ausgef¨ uhrt, um ein Randwertproblem hoher Ordnung handelt, stellt sich die analytische L¨osung recht un¨ ubersichtlich dar und soll hier nicht angegeben werden. Man kann die L¨osung aber mit Hilfe allgemein verf¨ ugbarer Computeralgebrasysteme leicht ermitteln und dann auch gleich numerisch auswerten. (Bei einer rein numerischen Integration des Randwertproblems werden besondere Algorithmen n¨otig.) Wir beschr¨ anken uns daher auf die graphische Darstellung des Druckverlaufes (Abb. 8.9) im Zu- und Abf¨ uhrkanal f¨ ur einen typischen Anwendungsfall. Offensichtlich gibt es f¨ ur einen gegebenen Massenstrom und sonst gegebene Filtergeometrie eine Filterl¨ ange, bei welcher der gesamte Druckverlust ein Minimum wird. Eine gr¨ oßere L¨ ange f¨ uhrt ja zu kleineren Geschwindigkeiten V¯ und damit zu kleinerem Druckabfall u ¨ ber die por¨ose Wand. Allerdings steigt dann der Druckunterschied zwischen Kanalende und Kanalanfang, weil die Schubspannungen an der Wand u ¨ ber eine gr¨oßere L¨ange zu u ¨ berwinden sind. Die aus Abb. 8.9 ersichtliche L¨ ange ist so ermittelt, daß der gesamte Druckverlust m¨ oglichst klein wird. Der Eintritt in den Zuf¨ uhrkanal entspricht wegen der endlichen Stegdicke s zwischen den Kan¨ alen f¨ ur die ankommende Str¨omung einer pl¨otzlichen Querschnittsverengung (Abb. 9.8), die zu Verlusten f¨ uhrt, wie sie im

272

8 Hydrodynamische Schmierung

Zusammenhang mit Abb. 9.8 besprochen werden. Diese Verluste sind hier vernachl¨ assigbar, sie mindern sogar die Eintrittsverluste der Einlaufstr¨omung (Abb. 9.3), weil sie die Geschwindigkeit am Eintritt erh¨ohen und damit die zus¨ atzliche Arbeit der Druckkr¨ afte zu Erzielung des voll ausgebildeten Geschwindigkeitsprofils im Kanal verringern (s. Abschnitte 9.1.3 und 9.1.4).

8.6 Str¨ omung durch ein por¨ oses Medium Die individuellen Str¨ omungskan¨ ale eines por¨ osen Mediums stellen Kan¨ale mit mehr oder weniger rasch ver¨ anderlichem Querschnitt dar, so daß der typische Neigungswinkel α der Stromlinien nicht mehr klein ist. Daher kann man die Vernachl¨ assigung der konvektiven Glieder in den Bewegungsgleichungen nicht l¨ anger durch die Annahme gen¨ ugend kleiner Werte von αRe rechtfertigen, sondern muß fordern, daß die Reynoldszahl selbst (in einem noch n¨ aher zu erl¨ auternden Sinn) gen¨ ugend klein ist. Der Grenzfall Re → 0, dessen technische Bedeutung in Abschnitt 4.1.3 dargestellt wurde, f¨ uhrt auf die Gleichungen (4.35), die zusammen mit der Kontinuit¨atsgleichung die schleichenden Str¨ omungen beschreiben, und auf die wir im Kapitel 13 n¨ aher eingehen werden. Aus den anschließend aufgef¨ uhrten Gr¨ unden kann die Berechnung der Str¨ omung durch por¨ ose Medien aber nicht ausgehend von (4.35) und der Kontinuit¨ atsgleichung erfolgen, sondern f¨ uhrt auf Bewegungsgleichungen, die eng mit den Bewegungsgleichungen von Schichtenstr¨omungen bzw. Schmierstr¨ omungen verwandt sind. Aus diesem Grund und nicht nur aus dem Anlaß, der sich aus dem letzten Abschnitt ergibt, werden sie hier erl¨autert, obwohl es sich formal um schleichende Str¨ omungen handelt. Ein por¨ oses Medium ist eine Struktur, die oft aus k¨ornigen oder faserf¨ ormigen Festk¨ orpern besteht, die irregul¨ are, miteinander verbundene Zwischenr¨ aume bilden. Die Querabmessungen der Zwischenr¨aume sind in der Regel so klein, daß die Reynoldssche Zahl gebildet mit der typischen Querussigen Phase in den abmessung d und der typischen Geschwindigkeit u der fl¨ Zwischenr¨ aumen klein ist, also u d ρ/η  1 gilt. Die genaue Geometrie der Zwischenr¨ aume ist nat¨ urlich unbekannt, aber selbst bei bekannter Geometrie w¨ are eine Berechnung des Geschwindigkeitsfeldes oder des Druckfeldes mit vertretbarem Aufwand nicht m¨ oglich, weil schon die Beschreibung der Geometrie bei der Vielzahl von Zwischenr¨ aumen viel zu komplex ausfiele. Man muß sich daher darauf beschr¨ anken, Mittelwerte u ¨ber eine Vielzahl von Zwischenr¨ aumen zu betrachten, etwa den Volumenstrom pro Fl¨acheneinheit durch ein Fl¨ achenelement, den wir als lokale Geschwindigkeit im por¨osen Material interpretieren. Entsprechend sind die Geschwindigkeitskomponenten Volumenstr¨ ome pro Fl¨ acheneinheit durch die Bildw¨ urfe des Fl¨achenelementes in die Koordinatenrichtungen. Die linearen Abmessungen des Fl¨achenelementes sind nach dem Gesagten groß im Vergleich zu d, m¨ ussen aber

8.6 Str¨ omung durch ein por¨ oses Medium

273

klein im Vergleich zu den linearen Abmessungen des interessierenden Gebietes sein, damit der Mittelwert noch als lokale Geschwindigkeit gelten kann. Entsprechend betrachten wir auch Mittelwerte des Druckes p¯, in einem Volumenelement dessen H¨ ohe groß im Vergleich zu d ist und das betrachtete Fl¨achenelement etwa als Grundfl¨ ache hat. Da die Tr¨agheitskr¨afte als Folge der kleinen Reynolds-Zahl klein sind und auch die Gleichungen (4.35) linear sind, kann man erwarten, daß der Druckgradient der mittleren Geschwindigkeit proportional ist, wie es bei Schichtenstr¨omungen, und den besprochenen lokalen Schichtenstr¨ omungen (Schmiertheorie) der Fall ist. In diesen Str¨ omungen spielen ja Tr¨ agheitskr¨ afte ebenfalls keine Rolle, wenn auch aus anderen Gr¨ unden als hier: bei den laminaren Schichtenstr¨omungen verschwinden die Tr¨ agheitskr¨ afte aus kinematischen Gr¨ unden, also unabh¨angig von der Reynoldsschen Zahl; bei den lokalen Schichtenstr¨omungen, weil das Produkt Reynolds-Zahl mal Stromlinienneigung klein ist und im vorliegenden Fall, weil die Reynoldszahl selbst klein ist. In den Zusammenhang zwischen Druckgradient und mittlerer Geschwindigkeit muß die Viskosit¨ at eingehen, weil nur die Reibungskr¨afte (pro Volumen) dem Druckgradienten entgegen stehen, und außerdem eine Gr¨oße mit der Dimension [L¨ ange]2 . Bei den Schichtenstr¨omungen ist dies das Quadrat der Querabmessung, etwa das Quadrat der Kanalh¨ohe. Aus dem Grund k¨ onnte man unmittelbar auch hier das Quadrat der Querabmessung einf¨ uhren, wovon wir zun¨ achst noch absehen, um eine gr¨oßere Allgemeing¨ ultigkeit zu erreichen. Wie man aus einer Dimensionsbetrachtung leicht zeigen kann, ist dann der Zusammenhang ¯i = − kij ∂ p¯ U η ∂xj

(8.125)

zwingend. Der Tensor kij ist konstant, wenn die gemittelten Eigenschaften des por¨ osen Mediums homogen sind, also unabh¨angig vom Ort. F¨ ur ein isotropes Medium nimmt er die Form kij = kδij ,

(8.126)

an, dann gilt ¯i = − k ∂ p¯ U η ∂xi

(8.127)

bzw. ¯ = − k ∇¯ U p, η

(8.128)

also formal derselbe Zusammenhang zwischen mittlerem Druckgradient und mittlerer Geschwindigkeit, wie er aus der Schmiertheorie (8.12) und Schichtenstr¨ omung (6.58) bekannt ist, wo er allerdings f¨ ur die lokalen Gr¨oßen gilt.

274

8 Hydrodynamische Schmierung

Man nennt k Permeabilit¨ at. Bei Ablagerung (Sedimentation) hat sie oft Tensorcharakter, folglich ist der Widerstand abh¨angig von der Str¨omungsrichtung und i. allg. gr¨ oßer in Richtung senkrecht zur Ablagerung. Das scheint der Fall zu sein bei den angesprochenen Rußablagerungen in Partikelfiltern, wo bereits eine d¨ unne Rußschicht den Druckverlust merklich erh¨oht. Die Filterkeramik selbst gilt als isotrop. Beim unbeladenen Filter kommt daher (8.127) zum Tragen, und die Integration in x2 −Richtung ergibt mit p(x2 = 0) = pzu ; p(x2 = s) = pab Gleichung (8.119), wobei wie u ur p¯, ¨blich, f¨ ¯2 , V¯ gesetzt wurde und aus Symmetriegr¨ ¯ ist. p und f¨ ur U unden V¯ = W Es gibt eine Reihe von Modellvorstellungen f¨ ur die Struktur des por¨osen Mediums, an Hand derer man die Permeabilit¨at rechnerisch erfassen will. In der einfachsten Vorstellung betrachtet man ein B¨ undel von kreisrunden Rohren. Dann ist die u ache F im obigen Sinne gemittelte Ge¨ ber eine Fl¨ schwindigkeit 4 ¯ = V˙ ges /F = N π R ∂ p¯ /F U 8 η ∂x

,

(8.129)

wobei N die Zahl der R¨ ohren in der Fl¨ ache F und der aus (6.63) bekannte Volumenstrom durch eine Einzelr¨ ohre benutzt ist. Das Verh¨altnis N/F stellt auch gleichzeitig das Verh¨ altnis des gesamten R¨ohrenvolumens N π R2 L zu dem Gesamtvolumen F L dar, wenn L die L¨ ange der R¨ohren ist. Dieses Verh¨ altnis ist die Por¨osit¨at n des Mediums. Daher schreiben wir (8.127) auch in der Form 2 2 ¯ = n R ∂ p¯ = n d ∂ p¯ U 8 η ∂x 32 η ∂x

(8.130)

und identifizieren die Permeabilit¨ at zu k = n d2 1/32.

(8.131)

Der Faktor 1/32 gilt nur f¨ ur das (unrealistische) Model von B¨ undeln gerader Rohre. Man ersetzt ihn deshalb durch einen Formfaktor f (s) und die Por¨ osit¨ at durch eine Funktion von n und gewinnt so die allgemeinere Form k = f (s) f (n) d2 ,

(8.132)

wobei d dann eine typische Querabmessung der Zwischenr¨aume ist (oft auch der Korngr¨ oße, wenn das por¨ ose Material aus k¨ornigen Festk¨orpern besteht) und sowohl der Formfaktor wie auch der Por¨ osit¨atsfaktor Experimenten angepaßt wird. Messungen zeigen, daß das Darcysche Gesetz etwa bis zu Reynoldschen ¯ d ρ/η ≈ 10 g¨ Zahlen von Re = U ultig ist. Dies ist zun¨achst u ¨ berraschend, da wir das Gesetz unter der ausdr¨ ucklichen Annahme sehr kleiner Tr¨ agheitskr¨ afte abgeleitet haben. Diese Forderung, ebenso wie die Forderung αRe  1, die den lokalen Schichtenstr¨ omungen zu Grunde liegt, wurde aus

8.6 Str¨ omung durch ein por¨ oses Medium

275

den Bewegungsgleichungen begr¨ undet ohne auf die Ausdehnung und Form des Str¨ omungsgebietes und die Randbedingungen einzugehen. Bei relativ kleinen Querabmessungen im Vergleich zur L¨ ange des Str¨omungsgebietes diffundiert der Wirbelvektor 2  ω praktisch unbeeinflußt durch die Konvektion von der Wand (wo die Haftbedingung durch die Reibung erzwungen und wo der Wirbelvektor erzeugt wird) in die Kanalmitte oder zur gegen¨ uberliegenden Begrenzung des Str¨ omungsbereiches. Wie die Darstellung der Reibungskr¨afte (pro Volumen) in (4.11) aber zeigt, sind die Reibungskr¨afte dort von großer Bedeutung, wo der Wirbelvektor 2 ω groß ist. In r¨ aumlich beschr¨ ankten Str¨ omungsgebieten pr¨agt die Diffusion das Feld des Wirbelvektors, und wir sehen darin den Grund, weshalb Reibungseinfl¨ usse sich auch bei Reynoldszahlen durchsetzen, die gr¨oßer sind als die, welche man auf Grund der Bewegungsgleichungen allein erwarten w¨ urde. Aus der Diskussion in Abschnitt 4.1.3 ist bekannt, daß bei fehlendem Einfluß der Konvektion die Str¨ omung insgesamt nur durch die Reibung bestimmt ist, v¨ollig unabh¨ angig von der Reynoldszahl. Aus diesem Grund gelten die Ergebnisse , die unter Annahmen Re  1 oder αRe  1 ermittelt wurden, auch wenn diese Kennzahlen merklich gr¨ oßer als eins werden. Die Grenze h¨angt sicherlich vom speziellen Problem ab, aber im Bereich 1 < Re < 10 weichen die experimentellen Ergebnisse allm¨ ahlich von den Voraussagen ab. Wenn der Einfluß der Tr¨ agheitsterme bedeutend wird, ist auch oft die Stabilit¨atsgrenze erreicht und man befindet sich im Umschlagbereich zur Turbulenz. In der Regel wird man aber bei technischen Apparaten einen gen¨ ugenden Abstand zu turbulenter Str¨ omung suchen, um die Druckverluste gering zu halten. Aus mathematischer Sicht vermerken wir noch, daß bei homogener isotroper Permeabilit¨ at, also wenn (8.127) gilt, diese Gleichung eine notwendige und hinreichende Bedingung darstellt, daß das Feld der mittleren Geschwin¯ (x) eine Potentialstr¨ digkeit U omung ist. Wie im Abschnitt 1.2.4 erl¨autert, ist ¯ = 0. Die Kontinuit¨atsgleidas Geschwindigkeitsfeld rotationsfrei d.h. rot U chung f¨ ur inkompressible Fl¨ ussigkeit gilt unver¨andert auch f¨ ur die mittlere Str¨ omung: ¯i ∂U = 0. ∂xi

(8.133)

Mit (8.127) folgt daraus die Potentialgleichung f¨ ur den mittleren Druck ∂ 2 p¯ = 0. ∂xi ∂xi

(8.134)

¯ (x) rotationsfrei Wir betonen, daß nur die mittlere Geschwindigkeit U ist. Das tats¨ achliche Geschwindigkeitsfeld u(x) ist selbstverst¨andlich nicht rotationsfrei, im Gegenteil: Die Diffusion des Wirbelvektors innerhalb der Zwischenr¨ aume oder in den Schmierspalten oder ¨ahnlichen Konfigurationen

276

8 Hydrodynamische Schmierung

pr¨ agt ja gerade den Charakter dieser Str¨ omungen. Auf die Potentialstr¨omungen im engeren Sinne, bei denen also das Feld u(x) u ¨berall rotationsfrei ist, werden wir in Kapitel 10 Potentialtheorie ausf¨ uhrlich eingehen, weil es das Kernst¨ uck der klassischen Str¨ omungslehre ist. Es gen¨ ugt hier darauf hinzuweisen, daß die L¨ osungsmethoden der Potentialtheorie im vorliegenden Fall auch anwendbar sind. Damit steht ein großer Vorrat an mathematischen L¨osungsmethoden auch f¨ ur Str¨ omungen durch por¨ose Medien zur Verf¨ ugung, sofern die Voraussetzungen an die Permeabilit¨at erf¨ ullt sind. Str¨omungen durch por¨ ose Medien werden in der Natur sehr h¨aufig angetroffen. Man denke nur an Grundwasserstr¨ omungen oder Str¨ omungen von Erd¨ol oder Erdgas durch Sand oder Gestein, etwa Sandstein oder Kalkstein.

8.7 Hele-Shaw-Str¨ omung Die Str¨ omung zwischen eng stehenden Platten um einen K¨orper, etwa um einen Zylinder beliebiger Querschnittsform mit einer charakteristischen Querabmessung d, der sich zwischen den Platten befindet und dessen Erzeugende senkrecht zu den Platten steht, ist mit den bisher besprochenen L¨osungen eng verwandt. Die ungest¨ orte Str¨ omung besteht hier aus der Poiseuille Str¨omung (Abschnitt 6.1.2) mit mittleren Geschwindigkeitskomponenten in x- und zRichtung. Die x-Komponente entnimmt man sofort (6.22) zu 2 ¯ = − h ∂p U 12 η ∂x

(8.135)

¯ und findet die z-Komponente indem man ∂p/∂x durch ∂p/∂z ersetzt und U ¯ durch W , also 2 ¯ = − h ∂p . W 12 η ∂z

(8.136)

In der ungest¨orten Str¨ omung ist der Druckgradient bekanntlich eine Konstante, aber bei Vorhandensein des Zylinders ist der Druckgradient nicht ¯ h/ν) mehr konstant. F¨ ur gen¨ ugend kleine Werte von Re (h/d) aber (Re = U ist der Zusammenhang zwischen Druckgradient und mittlerer Geschwindigkeit auch bei ver¨ anderlichem Druckgradienten noch lokal g¨ ultig (h/d spielt hier die Rolle der Stromlinienneigung α). Dann folgt wiederum aus der Kontinuit¨ atsgleichung ¯ ¯ ∂U ∂W + =0 ∂x ∂z

(8.137)

eine Potentialgleichung f¨ ur den Druck ∂2p ∂2p + 2 = 0. ∂x2 ∂z

(8.138)

8.7 Hele-Shaw-Str¨ omung

277

Die Randbedingung f¨ ur den Druck an der K¨orperkontur F (x, z) = 0 = −z + f (x) = 0 ergibt sich aus der Randbedingung f¨ ur das Geschwindigkeitsfeld (4.169) zu ¯ · ∇F = ∇p · ∇F = 0. U

(8.139)

¯ · ∇F = 0 folgt Aus U ¯ /U ¯ an z = f (x) f  (x) = W

(8.140)

was zun¨ achst nur zeigt, daß die K¨ orperkontur Stromlinie ist. Betrachtet man aber das Geschwindigkeitsfeld als gegeben, dann stellt (8.140) die Differentialgleichung f¨ ur die Stromlinien dar, die sich auch aus ((1.11a)) durch Elimination des Kurvenparameters s gewinnen ließe. Da das Feld der mittleren Geschwindigkeiten rotationsfrei ist, entsprechen die Stromlinien denen einer Potentialstr¨ omung. Dieselbe Differentialgleichung gilt auch f¨ ur alle Stromlinien des lokalen Geschwindigkeitfeldes u(x, y, z) in Ebenen y = const. Man erkennt das unmittelbar, wenn man das Verh¨ altnis w/u mit Gleichung (6.19) und der entsprechenden Gleichung f¨ ur w (Wandgeschwindigkeit U = 0) bildet und (8.140) benutzt. Daher sind die Stromlinien in allen Ebenen y = const. zueinander kongruent. Eine Versuchsanordnung, die auf der beschriebenen Geometrie beruht, wurde von Hele Shaw 1889 benutzt, um Stromlinienbilder von Potentialstr¨ omungen um verschiedene zylindrischer K¨orper, insbesondere stumpfe K¨ orper zu erzeugen (bei Str¨ omungen mit großer Reynoldszahl, sind Potentialstr¨ omungen um stumpfe K¨ orper praktisch nicht realisierbar, weil die Str¨ omung abl¨ ost). Wir vermerken noch, daß die kinematische Randbedingung am K¨ orper durch die L¨ osungen zwar erf¨ ullt wird, aber nicht die Haftbedingung. Da die Fl¨ ussigkeit aber am Zylinder haftet, gelten die Gleichungen (8.139) und (8.140) in einem Abstand der Gr¨oßenordnung h von der Zylinderkontur nicht mehr. Der Fehler l¨ aßt sich durch Verringern des Plattenabstandes beliebig verkleinern, was aber nochmals kleine Reynoldszahlen ultigkeit der L¨osung und kleine Werte Re (h/d) zur Folge hat, so daß die G¨ sich hier wegen Verletzung der Haftbedingung auf Reynoldszahlen Re ≤ 1 beschr¨ ankt. Deutliche Abweichungen der Stromlinienbilder von den theoretischen Voraussagen auf Basis der Potentialtheorie werden bei Re (h/d) ≈ 4 festgestellt.

9 Stromfadentheorie

9.1 Inkompressible Str¨ omung Wir schließen an die fr¨ uhere Feststellung an, daß sich f¨ ur eine Reihe von technisch interessanten Problemen das ganze Str¨omungsgebiet als eine einzige Stromr¨ ohre darstellen l¨ aßt, und daß das Verhalten der Str¨omung durch ihr Verhalten auf einer mittleren Stromlinie charakterisiert ist. Die Str¨omungsgr¨ oßen sind in dieser Beschreibungsweise nur Funktionen der Bogenl¨ange s und unter Umst¨ anden der Zeit t. Es wird also angenommen, daß die Str¨ omungsgr¨ oßen u ¨ ber den Querschnitt der Stromr¨ohre konstant sind. Diese Annahme muß aber nicht f¨ ur die gesamte Stromr¨ohre erf¨ ullt sein (jedenfalls nicht bei station¨ arer Str¨ omung), sondern nur f¨ ur die Abschnitte der Stromr¨ ohre, die man in der angegebenen Weise als quasi-eindimensionale Str¨omung berechnen will. Die Str¨ omung muß also wenigstens st¨ uckweise ausgeglichen, d. h. praktisch konstant u ¨ber den Querschnitt sein und darf sich auch in Stromlinienrichtung nicht zu stark ¨andern, was voraussetzt, daß der Querschnitt eine langsam ver¨ anderliche Funktion ist. Zwischen diesen ausgeglichenen Abschnitten kann die Str¨ omung durchaus dreidimensionalen Charakter aufweisen, sie l¨ aßt sich dort aber nicht mit den hier zu besprechenden Methoden berechnen. Die Annahme konstanter Gr¨ oßen u ¨ber den Querschnitt setzt voraus, daß der Reibungseinfluß gering ist, denn wie aus Kapitel 6 bekannt, ¨andern sich die Str¨ omungsgr¨ oßen u ¨ber den Querschnitt von Stromr¨ohren mit festen W¨anden ganz betr¨ achtlich, wenn die Str¨ omung, wie bei der ausgebildeten Rohrstr¨ omung, stark durch Reibungseinfl¨ usse gepr¨agt ist. Aber auch auf solche Str¨ omungen l¨ aßt sich das Konzept der Stromfadentheorie u ¨ bertragen, allerdings muß dann die Verteilung der Str¨ omungsgr¨oßen u ¨ ber den Querschnitt bekannt sein, oder es m¨ ussen sich vern¨ unftige Annahmen u ¨ ber diese Verteilung machen lassen. Sorgfalt ist insbesondere bei der Berechnung von mittleren Gr¨ oßen geboten: So ist es nicht zul¨ assig, mit der nach der Kontinuit¨ atsgleichung gemittelten Geschwindigkeit nach (6.55), die wir als typische Geschwindigkeit im Widerstandsgesetz benutzt haben, auch im Impuls- oder Energiesatz zu rechnen, da z. B. der mit dieser mittleren Geschwindigkeit 2 gebildete Impulsfluß  U A beim Kreisrohr nur 75% des tats¨achlichen bei laminarer Str¨ omung durch den Kreisquerschnitt fließenden Impulses ausmacht.

280

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.1. Zur Erl¨ auterung der Kontinuit¨ atsgleichung der Stromfadentheorie

In turbulenter Str¨ omung sind die Geschwindigkeitsprofile viel v¨olliger, der Unterschied zwischen maximaler und mittlerer Geschwindigkeit ist also viel kleiner. Die Annahme konstanter Geschwindigkeit u ¨ ber den Querschnitt ist daher bei turbulenten Str¨ omungen eine bessere N¨aherung als bei laminaren. 9.1.1 Die Kontinuit¨ atsgleichung Wir bringen zun¨ achst die Kontinuit¨ atsgleichung in eine f¨ ur die Stromfadentheorie zweckm¨ aßigere Form. Wir nehmen dazu an, daß die Querschnittsfl¨ ache der Stromr¨ ohre in der Form A = A(s, t) gegeben sei und alle Str¨ omungsgr¨ oßen nur von der Bogenl¨ ange s und der Zeit t abh¨angen. F¨ ur das St¨ uck der Stromr¨ ohre in Abb. 9.1 lautet die Kontinuit¨atsgleichung L

∂ A ds − 1 u1 A1 + 2 u2 A2 + ∂t

0

  u · n dS = 0 .

(9.1)

(Sw )

Wenn der Querschnitt der R¨ ohre zeitlich unver¨anderlich ist, entf¨allt das Integral u ¨ber die Wandung Sw . Im anderen Fall denken wir uns die Fl¨ache Sw durch die Gleichung r = R(t, ϕ, s) ,

(9.2)

bzw. durch ihre implizite Form F (t, ϕ, s, r) = r − R(t, ϕ, s) = 0 ,

(9.3)

gegeben. Aus der kinematischen Randbedingung (4.170) gewinnen wir die Normalkomponente der Str¨ omungsgeschwindigkeit an der sich bewegenden Wand zu

9.1 Inkompressible Str¨ omung

u · n = u ·

∇F 1 ∂R = |∇F | |∇F | ∂t

281

(9.4)

und bemerken, daß 1/|∇F | die Komponente nr der Fl¨achennormalen in rRichtung ist. Damit schreiben wir das Integral u ¨ber Sw in der Form 

  u · n dS =

(Sw )

∂R  nr dS = ∂t

(Sw )

L 2π  0

∂R R dϕ ds , ∂t

(9.5)

0

da nr dS = R dϕ ds die Projektion des Fl¨ achenelementes dS in radiale Richtung ist. Aus 2πR A=

r dr dϕ 0

(9.6)

0

folgt ∂A = ∂t

2π R

∂R dϕ ∂t

(9.7)

0

und damit f¨ ur die Kontinuit¨ atsgleichung schließlich L 0

∂ A ds + ∂t

L 

∂A ds − 1 u1 A1 + 2 u2 A2 = 0 . ∂t

(9.8)

0

Diese Gleichung gilt ganz allgemein in der Stromfadentheorie. In den meisten technischen Anwendungen ist aber der Stromr¨ohrenquerschnitt zeitlich unver¨ anderlich, so daß das zweite Integral gleich null ist. Das erste Integral verschwindet in inkompressibler Str¨omung, wenn wir im weiteren wieder davon ausgehen, daß Inkompressibilit¨at auch Konstanz der Dichte nach sich zieht (siehe Diskussion auf Seite 103). Daher gilt f¨ ur station¨ are und instation¨ are inkompressible Str¨omung, wenn A zeitlich unver¨ anderlich ist u1 A1 = u2 A2 .

(9.9)

In kompressibler Str¨ omung verschwindet das erste Integral in (9.8) nur bei station¨ arer Str¨ omung. 9.1.2 Die reibungsfreie Str¨ omung Inkompressible, reibungsfreie Str¨ omungen lassen sich bereits mit Hilfe der Bernoullischen Gleichung (4.61) bzw. (4.62) und der Kontinuit¨atsgleichung

282

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.2. Zur Ausflußformel

berechnen. Wir zeigen die Anwendung am Beispiel des station¨aren Ausflusses aus dem Gef¨ aß der Abb. 9.2 und betrachten den gesamten Str¨omungsraum als Stromr¨ ohre. Die Darstellung der Abb. 9.2 zeigt offenkundig, daß die An¨ nahmen der Stromfadentheorie nur im Bereich des Uberganges vom großen Querschnitt A1 auf den kleineren Querschnitt A2 nicht erf¨ ullt sind. Wir nehmen an, daß sich die Spiegelh¨ ohe h nicht ¨ andert, was durch einen Zulauf oder durch ein gen¨ ugend großes Verh¨ altnis A1 /A2 erreicht werden kann. Dann ist die Str¨ omung station¨ ar, und aus der Bernoullischen Gleichung (4.62) folgt u21 u2 +gh= 2 , 2 2

(9.10)

wobei schon von der Tatsache p1 = p2 = p0 Gebrauch gemacht wurde. Die Aufl¨ osung nach u2 unter Verwendung der Kontinuit¨atsgleichung (9.9) liefert die Ausflußgeschwindigkeit ' 2g h u2 = . (9.11) 1 − (A2 /A1 )2 F¨ ur A2 /A1 → 0 erh¨ alt man die ber¨ uhmte Torricellische Ausflußformel ! u2 = 2g h . (9.12) F¨ ur A2 /A1 → 1 hingegen erh¨ alt man u2 → ∞, was nach (9.9) und auch (9.10) u1 → ∞ nach sich z¨ oge. Dieses unrealistische Ergebnis ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, daß bei endlich vorausgesetztem Zulauf u1 und u2 f¨ ur A2 /A1 → 1 nicht gleichzeitig die Gleichungen (9.9) und (9.10) erf¨ ullen k¨onnen. In diesem Fall kann die Fl¨ ussigkeit den Querschnitt A2 nicht ganz ausf¨ ullen, so daß die

9.1 Inkompressible Str¨ omung

283

Annahmen, die (9.9) zugrunde liegen, verletzt sind. Nach (9.10) ergibt sich bei gegebenem u1 + u2 = u21 + 2g h (9.13) und damit aus der Kontinuit¨ atsgleichung der gr¨oßtm¨ogliche Querschnitt A2 , der noch eine ausgeglichene Str¨ omung zul¨ aßt, zu A1 A2 = ! . 1 + 2g h/u21

(9.14)

F¨ ur gr¨ oßere Austrittsquerschnitte l¨ ost sich die Fl¨ ussigkeit von der Rohrwand ab. Man beobachtet dann einen unruhigen und ungleichm¨aßigen Austrittsstrahl. Das Gesagte liefert auch die Erkl¨ arung, warum an Trichtern das Abflußrohr konisch ausgef¨ uhrt wird. Betrachtet man A2 als Funktion von z, so ergibt sich die Querschnittsform, die gerade kein Abl¨osen l¨angs des gesamten Rohres hervorruft, zu A1 A2 (z) = ! . 1 + 2g (h − z)/u21

(9.15)

F¨ ur diese Querschnittsform ist der Druck p in der Fl¨ ussigkeit als Funktion von z gleich dem Umgebungsdruck p0 . Ein in der H¨ ohe h austretender kreisrunder Freistrahl nimmt diese Querschnittsverteilung an, da seine Geschwindigkeit unter dem Einfluß der Schwerkraft mit wachsendem (h − z) zunimmt. Wir betrachten nun den instation¨ aren Ausfluß und nehmen der Einfachheit halber ein Verh¨ altnis A2 /A1 → 0 an. F¨ ur t < 0 sei der Querschnitt bei (2) geschlossen; f¨ ur t = 0 wird er pl¨ otzlich voll ge¨offnet. Zu jedem Zeitpunkt t gilt die Bernoullische Gleichung f¨ ur instation¨are Str¨omung (4.61):  ∂u u2  ds +  + p+ gz = C , (9.16) ∂t 2 in der das Integral l¨ angs der hier raumfesten Stromlinie von der Spiegelh¨ohe ¨ h bis zur Austrittsfl¨ ache zu bilden ist. Im Ubergangsbereich ist die Str¨omung aber dreidimensional und nicht im Rahmen der Stromfadentheorie beschreibbar. F¨ ur A1 /A2 → ∞ liefert jedoch das Rohrst¨ uck den gr¨oßten Beitrag zum Integral, und wir ber¨ ucksichtigen nur diesen. Dann folgt aus (9.16), da wieder p1 = p2 = p0 ist, l

∂u u2 u2 ds + 2 = g h + 1 , ∂t 2 2

(9.17)

0

und, da u im Rohr keine Funktion von s ist (u = u2 ), auch l

du2 u2 =gh− 2 , dt 2

(9.18)

284

9 Stromfadentheorie

wobei wir den Term u21 /2 wegen A1 /A2 → ∞ vernachl¨assigt haben. Die Integration von (9.18) mit der Anfangsbedingung u2 (0) = 0 f¨ uhrt auf die L¨ osung √  ! 2g h u2 (t) = 2g h tanh t , (9.19) 2l die zeigt, daß die maximale Ausflußgeschwindigkeit f¨ ur t → ∞ erreicht wird und gleich der station¨ aren Torricelli-Geschwindigkeit ist. Eine genauere ¨ Ber¨ ucksichtigung der Str¨ omung im Ubergangsbereich h¨atte eine etwas andere effektive L¨ ange l ergeben, und dadurch w¨ are nur die Zeitkonstante τ=√

2l 2g h

(9.20)

beeinflußt worden. F¨ ur t = 3τ ist praktisch die station¨are Geschwindigkeit erreicht, w¨ ahrend dieser Zeit hat sich aber der Wasserspiegel bei endlichem aber großem A1 /A2 kaum abgesenkt. Die weitere Ausstr¨omung erfolgt quasistation¨ ar, d. h. die Austrittsgeschwindigkeit kann aus (9.12) mit der zur Zeit t vorhandenen Spiegelh¨ ohe h(t) berechnet werden. Wir bestimmen damit die Zeit, die n¨ otig ist, um den Spiegel von h0 auf die aktuelle H¨ohe h(t) abzusenken. Aus der Kontinuit¨ atsgleichung und der Torricellischen Formel A1 /A2 → ∞ ergibt sich die Differentialgleichung f¨ ur die Spiegelh¨ohe u1 = −

dh A2 ! = 2g h(t) , dt A1

deren L¨ osung mit h(0) = h0 lautet: ( * ! A1 2 )! t= h0 − h(t) . A2 g

(9.21)

(9.22)

Der andere Grenzfall A1 /A2 → 1, d. h. l → h, liefert aus (9.17) das Ergebnis du/dt = g, (freier Fall), was anschaulich ist, da die Berandung auf die Fl¨ ussigkeit keine Kraft aus¨ ubt. 9.1.3 Die reibungsbehaftete Str¨ omung W¨ahrend f¨ ur nicht zu große Rohrl¨ angen l die Reibung noch vernachl¨assigbar ist, machen sich bei l¨ angeren Rohren Reibungsverluste bemerkbar. Diese sind im Rahmen der Stromfadentheorie nur ph¨anomenologisch zu erfassen und werden als zus¨ atzlicher Druckabfall gem¨ aß Gleichung (6.60) eingef¨ uhrt: ∆pv =  bzw.

u2 l λ , 2 dh

(9.23a)

9.1 Inkompressible Str¨ omung

285

Abbildung 9.3. Laminare Einlaufstr¨ omung

∆pv = ζ 

u2 , 2

mit

ζ=λ

l . dh

(9.23b)

Die Formeln (9.23) entsprechen dem Druckverlust bei Rohren konstanten Querschnitts. F¨ ur nicht konstante Querschnitte denkt man sich diese Formel lokal angewendet: d(∆pv ) = 

u2 (s) λ(s) ds , 2 dh (s)

(9.24)

so daß f¨ ur den Druckverlust zwischen zwei Stellen (1) und (2) die Gleichung u2 ∆pv =  1 2

2 

A1 A(s)

2

λ(s) ds dh (s)

(9.25)

1

gilt, die wir wieder u ucken wollen: ¨ ber die Verlustziffer ζ ausdr¨ ∆pv = 

u21 ζ , 2

(9.26)

mit 2  ζ=

A1 A(s)

2

λ(s) ds . dh (s)

(9.27)

1

Wir beziehen dabei die Verlustziffer immer auf den dynamischen Druck  u21 /2 vor der Verluststelle. (Im Schrifttum wird zuweilen ζ auf den dynamischen Druck hinter der Verluststelle bezogen!) F¨ ur gen¨ ugend lange Rohre k¨ onnen die Widerstandszahlen f¨ ur ausgebildete Rohrstr¨ omung (vgl. Kapitel 6 und 7) verwendet werden. Es ist aber zu bedenken, daß sich die voll ausgebildete Rohrstr¨omung erst nach einem

286

9 Stromfadentheorie

gewissen Abstand vom Rohreinlauf eingestellt hat. Vom Einlauf her bildet sich zun¨ achst eine Grenzschicht aus, deren Dicke mit wachsender Laufl¨ange vom Einlauf zunimmt, bis die Grenzschicht schließlich zusammenw¨achst und den gesamten Querschnitt ausf¨ ullt. Erst hinter dieser Stelle stellt man eine ausgebildete Rohrstr¨ omung fest, deren Geschwindigkeitsprofil sich im weiteren Verlauf nicht mehr a ¨ndert (vgl. Abb. 9.3). Da der Volumenstrom V˙ von s unabh¨ angig ist, wird die von der Reibung noch nicht erfaßte Fl¨ ussigkeit beschleunigt. Der Druckabfall in station¨ arer Str¨omung u ber die Einlaufl¨ ange ¨ lE berechnet sich aus der Bernoullischen Gleichung f¨ ur verlustfreie Str¨omung auf der von der Reibung noch nicht beeinflußten Stromlinie in der Mitte des Kanals:   2 2 2 p1 − p2 = (4U − U ) = 3 U . (9.28) 2 2 Selbst wenn man annimmt, daß der Druckabfall infolge der Reibungsspannungen an der Rohrwand in der Einlaufstrecke derselbe ist wie bei voll ausgebildeter Str¨ omung, so ergibt sich ein gr¨ oßerer Druckabfall, weil der Fluß der kinetischen Energie am Eintritt kleiner ist als im Bereich ausgebildeter Rohrstr¨ omung. Wir sch¨ atzen diese zus¨ atzliche Arbeit aus der Energiegleichung (2.114) ab, wobei wir die dissipierte Energie vernachl¨assigen. Dann ist in inkompressibler und adiabater Str¨ omung De/Dt = 0, und es folgt 3

U −π R  + π 2

R u3 (r) r dr = π R2 (p1 − p2 )kin U .

2

(9.29)

0

Nach Ausf¨ uhrung der Integration ergibt sich f¨ ur den Druckabfall infolge der Erh¨ ohung der kinetischen Energie (p1 − p2 )kin =

 2 U . 2

(9.30)

Zu diesem ist noch der Druckabfall infolge der Wandschubspannungen hinzuzuf¨ ugen. Letzteren sch¨ atzen wir so ab, als gelte die Formel f¨ ur ausgebildete Str¨ omung auch in der Einlaufstrecke, so daß der gesamte Druckabfall ∆pges = (p1 − p2 )kin + ζ

 2 U 2

(9.31)

bzw. mit (6.61) ∆pges =

   2 lE 64 U 1+ 2 d Re

(9.32)

wird. Der gesamte Druckabfall entspricht dem Druckabfall auf der Stromlinie gem¨ aß (9.28). Aus der Gleichheit von (9.28) und (9.32) gewinnen wir eine Absch¨ atzung f¨ ur die Einlaufl¨ ange im laminaren Fall: lE (laminar) =

Re d. 32

(9.33)

9.1 Inkompressible Str¨ omung

287

Es handelt sich hierbei nur um eine grobe Absch¨atzung; in Wirklichkeit ¨ verl¨ auft der Ubergang asymptotisch. Numerische L¨osungen der Navier¨ Stokesschen Gleichungen zeigen in Ubereinstimmung mit Messungen, daß bei der oben angegebenen Einlaufl¨ ange die Geschwindigkeit in Kanalmitte erst 90% des maximalen Wertes erreicht hat. (99% der Maximalgeschwindigkeit werden schließlich bei l/d = 0, 056Re erreicht.) In turbulenter Str¨ omung ist das Geschwindigkeitsprofil v¨olliger, und die maximale Geschwindigkeit ist nur um etwa 20% gr¨oßer als die mittlere Geschwindigkeit (vgl. (7.83), (7.87) und (7.89) bei Re ≈ 105 ). Daher ist die Arbeit zur Erh¨ ohung der kinetischen Energie im Einlauf vernachl¨assigbar, und es l¨ aßt sich die Widerstandsformel (7.89) f¨ ur voll ausgebildete Str¨omung auch im Einlaufbereich verwenden. Die Einlaufl¨ange selbst kann aus lE (turbulent) = 0, 39Re1/4 d

(9.34)

ermittelt werden; sie ist sehr viel kleiner als bei laminarer Einlaufstr¨omung. Wir erweitern nun die Bernoullische Gleichung (4.62) ph¨anomenologisch um die Druckverluste: 

u21 u2 + p1 +  g z1 − ∆pv =  2 + p2 +  g z2 , 2 2

(9.35)

wobei wir u statt U schreiben, da in der Stromfadentheorie immer die mittlere Geschwindigkeit gemeint ist. Der Druckverlust in instation¨arer Str¨omung ist nur in wenigen Spezialf¨ allen bekannt, und es ist im allgemeinen nicht zul¨ assig, (9.35) auch auf instation¨ are Str¨ omungen unter Beibehaltung der station¨ aren Verlustziffern anzuwenden. Aus (9.35) folgt nun statt (9.11) f¨ ur die Ausflußgeschwindigkeit des Beispiels von Abb. 9.2 ' 2( g h − ∆pv ) u2 = . (9.36)  (1 − (A2 /A1 )2 ) Da aber der Verlust praktisch nur im Rohr mit der Querschnittsfl¨ache A2 entsteht, wo die Eintrittsgeschwindigkeit ebenfalls u2 ist, schreiben wir ∆pv = ζ 

u22 2

(9.37)

und damit ' u2 =

2g h , 1 + ζ − (A2 /A1 )2

(9.38)

wobei zu bedenken ist, daß ζ im allgemeinen von der Reynolds-Zahl und damit von u2 abh¨ angt, so daß (9.38) noch keine explizite Darstellung der Austrittsgeschwindigkeit ist. Nimmt man z. B. an, daß u ¨ ber die gesamte L¨ange voll ausgebildete laminare Rohrstr¨ omung herrscht, also

288

9 Stromfadentheorie

ζ=

64 l Re d

gilt und vernachl¨assigt (A2 /A1 )2 , so folgt die explizite Darstellung ' ηl 2g h u2 = 8 2 1+ . 2 −1 R  [(8η l)/(R2 )]

(9.39)

Bei u ur großes ζ erh¨alt ¨ berwiegendem Einfluß der Verluste im Rohr, d. h. f¨ man durch Entwickeln des Wurzelausdruckes auch gh 2 u2 = R , (9.40) 8η l ein Ergebnis, das man auch direkt aus (9.38) gewinnt. Um die durch die Str¨ omung hervorgerufene Kraft auf das Gef¨aß zu berechnen, ziehen wir den Impulssatz in der Form (2.40) heran und wenden ihn auf das St¨ uck der Stromlinie in Abb. 9.1 an. Wenn τ der Tangenteneinheitsvektor der raumfesten mittleren Stromlinie ist, entsteht unter den Annahmen der Stromfadentheorie die Gleichung L

∂( u) τ A ds − 1 u21 A1 τ1 + 2 u22 A2τ2 + ∂t

0

  u τ (u · n) dS = (Sw )



= p1 A1 τ1 − p2 A2τ2 +

t dS . (9.41) (Sw )

Verabredungsgem¨ aß ist die Str¨ omung an den Stellen (1) und (2) ausgeglichen, so daß die Reibungspannungen dort (und nur dort) vernachl¨assigt werden. Das letzte Integral stellt die von der Wandung auf die Str¨omung ausge¨ ubte Kraft dar. Die gesuchte Kraft der Str¨ omung auf die Wandung entspricht also gerade dem negativen Wert dieses Integrals. Das Oberfl¨achenintegral auf der linken Seite von (9.41) verschwindet, wenn der Querschnitt A zeitlich unver¨ anderlich ist. Ansonsten berechnen wir die Normalkomponente u · n an Sw gem¨ aß (9.4) und erhalten in einer zu (9.5) und (9.6) v¨ollig analogen ¨ Uberlegung die Gleichung 

L  u τ (u · n) dS =

 u τ

∂A ds , ∂t

(9.42)

0

(Sw )

so daß sich der Impulssatz in der Form L 0

∂( u) τ A ds + ∂t

L  u τ

∂A ds − 1 u21 A1τ1 + 2 u22 A2 τ2 = ∂t

0

= p1 A1τ1 − p2 A2 τ2 − F

(9.43)

9.1 Inkompressible Str¨ omung

289

ergibt, die im Rahmen der Stromfadentheorie allgemein g¨ ultig ist. Bei der Anwendung von (9.43) auf das Ausflußgef¨aß stoßen wir bei instation¨ arer Str¨ omung auf die bekannte Schwierigkeit, daß die Auswertung der Integrale die Kenntnis der Str¨ omungsgr¨ oßen l¨angs der Stromlinie erfordert. ¨ Im Bereich des Ubergangs vom großen Querschnitt A1 auf den kleinen A2 sind die Gr¨ oßen aber unbekannt. F¨ ur A1 /A2 → ∞ aber liefert das Rohrst¨ uck wieder den gr¨ oßten Beitrag. Das zweite Integral entf¨allt, da die Querschnittsfl¨ ache keine Funktion der Zeit ist. Ferner ist sowohl u als auch τ l¨angs des Rohres konstant, und wir erhalten schließlich wegen 1 = 2 =    du2 2 2  F = τ − A2 l +  u1 A1 −  u2 A2 + p1 A1 − p2 A2 , (9.44) dt wobei p1 = p2 = p0 noch nicht benutzt wurde. In station¨arer Str¨omung entf¨ allt noch der erste Term in der Klammer. Wegen A2 /A1 → 0 kann der Impulsfluß  u21 A1 =  u22 A1

A22 A21

vernachl¨ assigt werden. (Sind die Geschwindigkeiten, wie bei voll ausgebildeter, laminarer Str¨ omung, u ¨ber den Querschnitt nicht konstant, so sind die Impulsfl¨ usse aus der Integration u ¨ ber die tats¨achliche Verteilung zu ermitteln.) 9.1.4 Anwendung auf Str¨ omungen durch Rohre mit ver¨ anderlichem Querschnitt Die Ergebnisse sind im allgemeinen auf Leitungen mit sich in s-Richtung verengendem Querschnitt anwendbar, wie sie h¨ aufig in Form von D¨ usen in den Anwendungen auftreten. D¨ usen dienen z. B. bei Turbomaschinen in Leit- und Laufr¨ adern zur Umwandlung von Druckenergie in kinetische Energie. In einer D¨ use f¨ allt also der Druck in Str¨ omungsrichtung, außerdem sind D¨ usen fast immer sehr kurz, so daß sich keine voll ausgebildete Str¨omung einstellen kann. Diese beiden Tatsachen lassen den Einfluß der Reibung zur¨ ucktreten, der aber unter Umst¨ anden durch eine gesonderte Grenzschichtbetrachtung ber¨ ucksichtigt werden kann. In diesen Anwendungen treten keine freien Oberfl¨achen auf, und wenn wir den Druck relativ zur hydrostatischen Druckverteilung nehmen, lautet die Bernoullische Gleichung in station¨arer Str¨omung 

u21 u2 + p1 =  2 + p2 . 2 2

Anstatt (9.11) erhalten wir dann ' 2∆p/ u2 = 1 − (A2 /A1 )2

(9.45)

(9.46)

290

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.4. D¨ usenstr¨ omung

f¨ ur die Geschwindigkeit an der Stelle (2), die zeigt, daß die treibende Kraft“ ” der Str¨ omung die Druckdifferenz ∆p = p1 − p2 ist. Der Betrag der Kraft auf die D¨ use der Abb. 9.4 l¨ aßt sich mit (9.44) und (9.45) in Gr¨oßen der Stelle (1) ausdr¨ ucken: "  %  2  2  A1 u21 A1 2 2 F =  u1 A1 −  u1 A2 + p1 A1 − A2  1− + p1 . A2 2 A2 (9.47) Wesentlich komplizierter stellen sich die Str¨ omungsvorg¨ange in sich erweiternden Leitungen dar, die als Diffusoren Anwendungen finden und zur Umwandlung von kinetischer Energie in Druckenergie dienen. Da u2 kleiner wird, nimmt hier der Druck in Str¨ omungsrichtung zu, und selbst bei kurzen Leitungsst¨ ucken (sogar gerade bei kurzen!) kann es zur Grenzschichtabl¨ osung an der Wand kommen, die die gesamte Str¨omung beeinflußt, wenn das Fl¨ achenverh¨ altnis A2 /A1 groß ist. In einem Diffusor m¨ ussen die Fl¨ ussigkeitsteilchen in Gebiete gr¨ oßeren Druckes vordringen, was ihnen nur aufgrund ihrer kinetischen Energie gelingt. In Wandn¨ahe bildet sich aber auch bei großen Reynolds-Zahlen eine Grenzschicht aus, in der die Teilchengeschwindigkeit kleiner ist als die mittlere Geschwindigkeit. Die Teilchen in der Grenzschicht haben einen Teil ihrer kinetischen Energie durch Dissipation verloren. Die verbleibende kinetische Energie reicht aber nicht mehr aus, den ansteigenden Druck zu u ¨ berwinden, die Teilchen kommen zum Stillstand und werden schließlich unter dem Einfluß des Druckgradienten entgegen ihrer urspr¨ unglichen Bewegungsrichtung getrieben. Die Gesamtheit der beschriebenen Vorg¨ ange stellt das Ph¨ anomen der Grenzschichtabl¨osung dar. Im abgel¨ osten Gebiet bilden sich Wirbel, die durch Reibungsspannungen und turbulente Scheinspannungen von der nicht abgel¨osten Str¨omung in Gang gehalten werden. Die abgel¨ oste Str¨ omung ist meistens instation¨ar. Eine typische Str¨ omungsform ist in Abb. 9.5 skizziert. Infolge der Verdr¨angungswirkung der abgel¨ osten Grenzschicht erf¨ ahrt die gesunde“ innere Str¨omung ” eine geringere Querschnittserweiterung als es der Kanalgeometrie entspricht,

9.1 Inkompressible Str¨ omung

291

Abbildung 9.5. Grenzschichtabl¨ osung im Diffusor

Abbildung 9.6. Diffusor¨ offnungswinkel

wodurch der Druckaufbau reduziert wird. Durch Impuls¨ ubertragung von der gesunden auf die abgel¨ oste Str¨ omung wird meistens weit stromabw¨arts von der Abl¨ osestelle die Str¨ omung wieder ausgeglichen. Die durch die Arbeit der Reibungsspannungen verursachte Dissipation f¨ uhrt zu einem zus¨atzlichen Druckverlust. Das Verh¨ altnis des tats¨ achlich im Diffusor erreichten Druckanstiegs zu dem theoretisch (d. h. nach der verlustfreien Bernoulli-Gleichung) erreichbaren Druckanstieg wird als Diffusorwirkungsgrad bezeichnet: ηD =

(p2 − p1 )real /2 (u21 − u22 ) − ∆pv = , (p2 − p1 )ideal /2(u21 − u22 )

(9.48)

wobei wir f¨ ur den Druckverlust ∆pv im Diffusor ebenfalls ∆pv = ζ 

u21 2

setzen, so daß die Gleichung ηD = 1 − ζ

1 1 − (A1 /A2 )2

(9.49)

entsteht, in der zus¨ atzlich von der Kontinuit¨ atsgleichung (9.9) Gebrauch ge¨ macht wurde. Der Wirkungsgrad h¨ angt vom Offnungswinkel δ des Diffusors ¨ ab (Abb. 9.6). Die h¨ ochsten Wirkungsgrade werden bei Offnungswinkeln 5◦ < δ < 10◦

(9.50)

292

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.7. Pl¨ otzliche Querschnittserweiterung

¨ erreicht und betragen dann etwa 85%. Bei kleineren Offnungswinkeln wird bei gegebenem Fl¨ achenverh¨ altnis der Diffusor so lang, daß die Wandreibungs¨ verluste bedeutsam werden; bei gr¨ oßeren Offnungswinkeln tritt Grenzschichtabl¨ osung auf. Als ideal schlechter“ Diffusor kann eine pl¨otzliche Querschnittserweite” rung (Abb. 9.7) dienen. Hier liegt die Abl¨ osestelle an der Querschnittserweiterung. Der Druck ist an der Stelle (1) u ussigkeitsquerschnitt ¨ ber den Fl¨ praktisch konstant, da die Stromlinienkr¨ ummung sehr klein ist (vgl. (4.44) ∂p/∂n ≈ 0). Bei den vorliegenden Unterschallstr¨omungen ist dann der Druck im Strahl generell gleich dem Umgebungsdruck. (Wir werden sp¨ater sehen, daß in kompressibler Str¨ omung Wellen im Strahl auftreten k¨onnen, als deren Folge der Druck im Strahl anders sein kann als der Umgebungsdruck.) Derselbe Druck wirkt also auch auf die Stirnfl¨ ache der Querschnittserweiterung. An der Stelle (2) sei die Str¨ omung ausgeglichen, dort herrsche der Druck p2 . Bei Anwendung des Impulssatzes auf das eingezeichnete Kontrollvolumen erh¨alt man aus (9.44) F =  u21 A1 −  u22 A2 + p1 A1 − p2 A2 .

(9.51)

Hierbei wurden noch keine u ¨ ber die Stromfadentheorie hinausgehenden Vereinfachungen gemacht. Vernachl¨ assigt man den Beitrag der Schubspannungen an der Rohrwand zur Kraft F , so ist diese einfach das Produkt −p1 (A2 − A1 ) aus Druck und Stirnfl¨ ache an der Querschnittserweiterung, und es ergibt sich f¨ ur die Druckdifferenz   A1 A1 (p2 − p1 )real =  u21 1− . (9.52) A2 A2 Die Druckdifferenz bei verlustfreier Str¨ omung ergibt sich aus der Bernoullischen Gleichung (9.45) zu   u21 A21 (p2 − p1 )ideal =  (9.53) 1− 2 , 2 A2 und somit lautet der Druckverlust

9.1 Inkompressible Str¨ omung

293

Abbildung 9.8. Pl¨ otzliche Querschnittsverengung

∆pv C = (p2 − p1 )ideal − (p2 − p1 )real

u2 = 1 2

 2 A1  1− = (u1 − u2 )2 , A2 2 (9.54)

den man als Carnotschen Stoßverlust bezeichnet. Man beachte aber, daß auch hier eine Druckerh¨ ohung stattfindet! F¨ ur A1 /A2 → 0, d. h. bei Austritt in einen unendlich großen Raum, erh¨ alt man aus (9.54) den Austrittsverlust ∆pv A = 

u21 . 2

(9.55)

Dies ist gerade die kinetische Energie, die n¨ otig ist, um die Str¨omung durch die Leitung aufrechtzuerhalten. Dieser Austrittsverlust l¨aßt sich durch einen Diffusor am Austritt verringern. Ein a otzlichen Kanalerweiterung, tritt ¨hnlicher Verlust, wie bei der pl¨ auch bei Kanalverengungen (Abb. 9.8) auf. Der Grund hierf¨ ur ist in der Abl¨ osung an der scharfen konvexen Kante der Kanalverengung zu sehen, der die Str¨ omung nicht folgen kann. Es kommt zu einer Strahleinschn¨ urung auf den Querschnitt A3 = α A2 , wobei α eine vom Querschnittsverh¨altnis A1 /A2 abh¨ angige Gr¨ oße ist, die Kontraktionsziffer genannt wird. Die Verluste entstehen in der Hauptsache w¨ ahrend der Strahlaufweitung und lassen sich deshalb durch den Carnotschen Stoßverlust absch¨atzen:  2  2 u23 A3 u22 1 − α ∆pv C =  1− = . (9.56) 2 A2 2 α Die Kontraktionsziffer α l¨ aßt sich f¨ ur A1 /A2 → ∞ auf theoretischem Wege ermitteln. F¨ ur einen ebenen Spalt ergibt sich α = 0, 61 mit den Methoden der ¨ Funktionentheorie (Abschnitt 10.4.7), f¨ ur eine kreisrunde Offnung α = 0, 58 auf numerischem Wege. Die Strahleinschn¨ urung und damit der auftretende Verlust lassen sich durch Abrunden der Kanten des Querschnitts¨ ubergangs vermindern. Auch bei Kr¨ ummern kommt es infolge der starken Umlenkung zur Abl¨osung (haupts¨ achlich an der Kr¨ ummerinnenseite) und Kontraktion des Haupt-

294

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.9. Vermischung

strahls. Gen¨ ugend weit hinter dem Kr¨ ummer stellt sich wieder eine ausgeglichene Str¨ omung ein. Kontraktionserscheinungen treten auch bei Rohrabzweigungen und Absperrorganen auf und damit verbunden Verluste beim anschließenden Geschwindigkeitsausgleich. Die Str¨omungen sind meistens so verwickelt, daß sich die Verluste nicht absch¨atzen lassen und man fast ausschließlich auf empirische Daten angewiesen ist. F¨ ur die entsprechenden Verlustziffern verweisen wir wegen der Vielzahl der geometrischen Formen auf Herstellerdaten und Handb¨ ucher. Mit der pl¨ otzlichen Querschnittserweiterung verwandt ist der Vermischungsvorgang der Abb. 9.9. Aus der Anwendung des Impulssatzes ergibt sich bei Vernachl¨assigung der Schubspannungen an der Wand f¨ ur den durch den Vermischungsvorgang verursachten Anstieg des Druckes p2 − p1 =  u21 (1 − n) +  u21 (1 − )2 n −  u22 .

(9.57)

Aus der Kontinuit¨ atsgleichung folgt u2 = u1 (1 − n ) ,

(9.58)

und daher gilt f¨ ur den Druckanstieg p2 − p1 = n(1 − n) 2  u21 ,

(9.59)

der wegen n ≤ 1 immer positiv ist. F¨ ur = 1 ergibt sich das Ergebnis (9.52), wenn man dort A1 durch (1 − n)A2 ersetzt. 9.1.5 Der viskose Strahl Die bisherigen Ausf¨ uhrungen u ¨ ber die Auswirkung der Viskosit¨at betrafen die Str¨ omung in Kan¨ alen und Leitungen, wo schon die Forderung, daß die Fl¨ ussigkeit an der Wand haftet, Anlaß zu Reibungsspannungen gibt. Wir fragen jetzt nach dem Einfluß der Reibung in Strahlen, wie sie etwa beim Ausfluß unter der Wirkung der Schwerkraft auftreten, deren Geschwindigkeits- und Querschnittsverl¨ aufe bei reibungsfreier Str¨ omung mit (9.13) und (9.15) bereits bekannt sind. Bei freien Oberfl¨ achen kann man den Einfluß der Luftreibung meist vernachl¨ assigen, wie wir das schon bei der Filmstr¨omung mit

9.1 Inkompressible Str¨ omung

295

(6.33) getan haben. Dann treten im ganzen Strahl als Folge der Reibung keine Schubspannungen, sondern nur Normalspannungen auf. In eindimensionaler Str¨ omung in z-Richtung ist die viskose Normalspannung in Newtonscher inkompressibler Fl¨ ussigkeit (3.2a) Pzz = 2ηezz . Weil hier aber der Strahl kontrahiert, treten Dehnungsgeschwindigkeiten zus¨atzlich in r-Richtung und ϕ -Richtung auf, die Anlaß zu entsprechenden Normalspannungen geben. Im Rahmen der Stromfadentheorie aber, wo alle Gr¨oßen nur Funktionen von z sind, setzen wir f¨ ur die ph¨ anomenologische Normalspannung im Strahl σ = ηT

du , dz

(9.60)

und nennen ηT die Trouton-Viskosit¨at oder die Dehnviskosit¨at. Wir bestimmen sie aus der Forderung, daß die pro Zeiteinheit, gem¨aß der Stromfadentheorie, dissipierte Energie σ du dz gleich der Energie Pzz ezz + Prr err + Pϕϕ eϕϕ ist, die in 3-dimensionaler Str¨ omung durch die Dehnungsgeschwindigkeiten in die z-, r-, ϕ -Richtungen dissipiert wird. Aus der Kontinuit¨ atsgleichung (9.9) in der Form uA = const. mit A = πr2 (z) folgt du u dA 2 dr 2 =− =− u = − ur , dz A dz r dz r

(9.61)

wo ur die Geschwindigkeit in r-Richtung ist, die aus der substantiellen Ableitung von r entstanden ist: Dr dr =u . Dt dz

ur =

Die Dehnungsgeschwindigkeit in z-Richtung ezz ist, (1.37) folgend, du/dz und entsprechend die Dehnungsgeschwindigkeit in r-Richtung: err =

dur 1 du 1 =− = − ezz . dr 2 dz 2

(9.62)

Die Dehnungsgeschwindigkeit in ϕ -Richtung eϕϕ ist die Geschwindigkeit der Umfangs¨ anderung bezogen auf den Umfang, 2πur /(2πr), also ebenfalls −1/2 ezz . (Genau dieselben Ergebnisse h¨ atte man auch aus Anhang B2 erhalten). Da die Dehnungsgeschwindigkeiten in die r- und ϕ -Richtungen gleich sind, sind es auch die viskosen Normalspannungen: Prr = Pϕϕ . Die Forderung bez¨ uglich der dissipierten Energien f¨ uhrt dann auf die Beziehung  ηT

du dz

2

= Pzz ezz − Prr err ,

296

9 Stromfadentheorie

oder ηT e2zz = Pzz ezz − Prr err , die zuweilen zur Definition“ der Trouton-Viskosit¨at bei Nicht-Newtonschen ” Fl¨ ussigkeiten dient. F¨ ur Newtonsche Fl¨ ussigkeiten erh¨ alt man mit (3.2a) ηT e2zz = 2ηe2zz + ηe2zz

oder

ηT = 3η . Um die Bewegungsgleichung f¨ ur den Strahl in einer Form zu gewinnen, die den Annahmen der Stromfadentheorie entspricht, gehen wir von der Impulsgleichung (2.18) aus und w¨ ahlen Adz als Integrationsbereich f¨ ur die Volumenintegrale. Dann sind die Integranden der Volumenintegrale u ¨ ber den infinitesimalen Integrationsbereich konstant und k¨onnen vor das Integral gezogen werden. Dies ist nicht der Fall beim Oberfl¨achenintegral , bei dem sich ja der Spannungsvektor auch u ¨ber den infinitesimalen fl¨achenhaften Integrationsbereich dS ¨ andert. Der Spannungsvektor der gesamten Normalspannung ist (−p + σ)n und daher ist die Oberfl¨ achenkraft  (−p + σ)n dS . A+dA,A,dM

Die Integration des Druckes u ¨ ber die geschlossene Fl¨ache A+dA, A, dM liefert keinen Beitrag, da der Druck im Strahl gleich dem Druck auf dem Element der Mantelfl¨ ache dM ist. Mit der z-Richtung antiparallel zum Vektor der Massenkraft der Schwere g , wie in Abb. 9.2, ist auf A + dA der Normalenvektor n = ez und die viskose Normalspannung σ + dσ, auf A ist n = −ez und die Normalspannung σ. Man beachte, daß ein Beitrag der viskosen Normalspannung an der Mantelfl¨ ache nicht erscheint, weil σ dort verschwindet. Daher ist die Kraft ((A + dA)(σ + dσ) − Aσ)ez und (2.18) nimmt die Gestalt 

Du Adz = d(Aσ)ez + kAdz Dt

(9.63)

an. Mit u = −uez , k = −gez und (9.60), sowie den (9.61) und (9.62) zu entnehmenden Beziehungen, bringen wir (9.63) auf die Form: d2 u 1 − dz 2 u



du dz

2

 + 3η

  du u −g = 0. dz

(9.64)

Im Gegensatz zur Differentialgleichung f¨ ur den reibungsfreien Strahl (die man aus (9.64) im Grenzfall η → 0 erh¨ alt), ist (9.64) eine Differentialgleichung zweiter Ordnung, zu deren L¨ osung zwei Anfangsbedingungen bzw. zwei Randbedingungen n¨ otig sind. Die nichtlineare Differentialgleichung muß

9.1 Inkompressible Str¨ omung

297

Strahlgeschwindigkeit [m/s]

7 6 5 4 3 η=100 Pas η=0 Pas

2 1 0 0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

0.8

1

Strahldurchmesser [m]

z [m]

0.03 η=100 Pas η=0 Pas

0.02

0.01

0

0

0.2

0.4

0.6 z [m]

Abbildung 9.10. Geschwindigkeit und Durchmesser des Strahls

numerisch gel¨ ost werden, und es empfiehlt sich das Problem als Anfangswertproblem zu behandeln. Dann ist (9.64) von der Strahlm¨ undung bis zur Fadenl¨ ange L zu integrieren. Zweckm¨ aßig w¨ahlt man dann die positive zRichtung in Str¨ omungsrichtung, also parallel zum Vektor g. Das l¨auft darauf hinaus, in obigen Gleichungen den Einheitsvektor ez durch −ez zu ersetzen, was aber (9.64) nicht ¨ andert. Eine Anfangsbedingung ist aus Angabe des Massenstromes bzw. der Geschwindigkeit an der Strahlm¨ undung bekannt. Eine zweite Anfangsbedingung kann man aber aus der Impulsgleichung in integraler Form (2.40) gewinnen: F¨ ur einen Strahl, dessen M¨ undung bei z = 0 liegen m¨ oge und die L¨ ange L hat, erh¨ alt man f¨ ur ein Kontrollvolumen, das aus den beiden Fl¨ achen A(0) und A(L) und der die Fl¨achen verbindenden Mantelfl¨ ache M besteht, den Impulssatz in der Gestalt −u(0)A(0)u(0) + u(L)A(L)u(L) = −σ(0)A(0)ez + σ(L)A(L)ez + g V , (9.65)

298

9 Stromfadentheorie

in dem V =

#L

A(ζ)dζ das Volumen des Strahls ist und ez jetzt in Str¨omungs-

0

richtung zeigt. Mit der Kontinuit¨ atsgleichung (9.9) und den bereits eingef¨ uhrten Beziehungen folgt u(0)A(0)(u(0) − u(L)) − 3η(u (0)A(0) − u (L)A(L)) + gV = 0 , (9.66) in der u die Ableitung von u nach z ist. Die L¨osung des Gleichungssystems kann so erfolgen, daß man zun¨ achst (9.64) mit der Anfangsbedingung u(0) = U (wobei U aus gegebenem  U A(0), mit dem gegebenen Austrittsquerschnitt A(0), bekannt ist) und einem gesch¨atzten u (0) numerisch l¨ost. Dann kann u uft werden, ob der Impulssatz (9.66) erf¨ ullt wird. In der ¨ berpr¨ einfachsten Form des Verfahrens probiert man solange verschiedene Werte von u (0), bis dies der Fall ist. In der Abb. 9.10 ist der so ermittelte Geschwindigkeitsverlauf und der Durchmesserverlauf eines Strahls aus fl¨ ussigem Glas (ηGlas = 100 Pas, zumV ergleich : ηWassser = 10−3 Pas) mit den entsprechenden Verl¨ aufen des reibungsfreien Strahls verglichen. Einfachere Formen von (9.65) ergeben sich, wenn das Gewicht des Strahls und der Impuls vernachl¨ assigt werden, diese finden Anwendung beim Fadenspinnen.

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung 9.2.1 Str¨ omung durch Rohre mit ver¨ anderlichem Querschnitt Wir beschr¨ anken uns zun¨ achst auf station¨ are Str¨omungen, bei denen nach der Absch¨ atzung (4.184) Kompressibilit¨ atseffekte zu erwarten sind, die Ungleichung M 2  1 also nicht mehr erf¨ ullt ist. Es treten dann eine Reihe von Eigenschaften der Str¨ omung hervor, die in inkompressibler Str¨omung fehlen. In station¨ arer, homentroper Str¨ omung, die ja barotrop ist, lassen sich mit Hilfe der Bernoullischen Gleichung (4.64) und der aus (9.8) folgenden Form der Kontinuit¨ atsgleichung 1 u1 A1 = 2 u2 A2

(9.67)

weiterhin die Str¨ omungsgr¨ oßen an der Stelle (2) der Stromr¨ohre aus den gegebenen Gr¨ oßen an der Stelle (1) berechnen, wobei an die Stelle der Bernoullischen Gleichung auch die Energiegleichung zusammen mit der Bedingung, daß die Entropie auf der Stromlinie konstant ist, treten kann. W¨ahrend bei inkompressibler, verlustbehafteter Str¨ omung die mechanische Verlustenergie, die in W¨ arme dissipiert wurde, verloren ist, also nicht mehr in mechanische Energie umgewandelt werden kann, ist in kompressibler Str¨omung die in W¨ arme umgewandelte Energie noch nutzbar. Man erkennt aus der Energiegleichung (4.2) f¨ ur adiabate inkompressible Str¨omung Φ De = , Dt 

(9.68)

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

299

daß die ganze dissipierte Energie in die Erh¨ ohung der inneren Energie fließt, die u brigens nicht von der Dichte abh¨ a ngt, da diese in inkompressibler ¨ Str¨ omung nicht als Zustandsgr¨ oße, sondern als Konstante auftritt. F¨ ur kompressible Str¨ omung lautet die entsprechende Gleichung De Dv Φ +p = , Dt Dt 

(9.69)

die zeigt, daß ein Teil der dissipierten Energie bei Expansion als Arbeit abgegeben werden kann. Der irreversible Vorgang der Dissipation erh¨oht die Entropie, so daß die Bernoullische Gleichung nicht mehr anwendbar ist. An ihre Stelle tritt die Energiegleichung (2.114), die wir zun¨achst in eine Form bringen wollen, die der Stromfadentheorie angepaßt ist. Wir nehmen wieder an, daß an den Stellen (1) und (2) ausgeglichene Str¨omung herrscht, dort also die Reibungsspannungen und die Temperaturgradienten verschwinden. Wie schon vorher lassen wir aber Reibung und W¨armeleitung zwischen diesen Stellen zu. Wir setzen die Rohrwand als ruhend voraus, lassen aber im Innern bewegte Fl¨ achen Sf (z. B. Laufr¨ ader von Turbomaschinen) zu. Ferner vernachl¨ assigen wir aus den schon erw¨ ahnten Gr¨ unden die Arbeit der Volumenkr¨ afte und erhalten f¨ ur das St¨ uck der Stromr¨ohre in Abb. 9.1 L

∂ ∂t

 2   2   2  u u1 u2  +  e A ds − + e1 1 u1 A1 + + e2 2 u2 A2 + 2 2 2

0

 −p1 u1 A1 + p2 u2 A2 =

 ui ti dS −

(Sf )

qi ni dS . (Sw )

(9.70) F¨ ur die u uhrte W¨ arme schreiben wir kurz Q˙ und ¨ ber die Rohrwand zugef¨ f¨ ur die durch bewegte Fl¨ achen zugef¨ uhrte Leistung P . Wir spezialisieren die Gleichung noch auf station¨ are Str¨ omung und benutzen zus¨atzlich die Kontinuit¨ atsgleichung (9.67) u22 p2 u2 p1 Q˙ + P + e2 + = 1 + e1 + + . 2 2 2 1 1 u1 A1

(9.71)

Mit der Definition der Enthalpie (2.117) schreiben wir u22 u2 + h2 = 1 + h1 + q + w , 2 2

(9.72)

wobei wir zur Abk¨ urzung q= und

Q˙ 1 u1 A1

(9.73)

300

9 Stromfadentheorie

w=

P 1 u1 A1

(9.74)

gesetzt haben. F¨ ur adiabate Str¨ omung (q = 0) ohne Leistungszufuhr (w = 0) nimmt die Energiegleichung dann formal die gleiche Gestalt an, wie Gleichung (4.150) f¨ ur reibungsfreie Str¨ omung u21 u2 + h1 = 2 + h2 = ht . 2 2

(9.75)

Man beachte aber, daß (9.75) nur zwischen zwei Stellen gilt, die Gleichgewichtszust¨ ande darstellen, d. h. keine Temperatur- und Geschwindigkeitsgradienten aufweisen. Die Energiegleichung f¨ ur isentrope Str¨omung gilt dagegen in jedem Punkt der Stromlinie. Da in isentroper Str¨omung jeder Punkt der Stromlinie einen Gleichgewichtszustand darstellt, geht (9.75) unmittelbar in (4.150) u ¨ ber. Das Ergebnis (9.75) wird auch anschaulich, wenn man sich vor Augen f¨ uhrt, daß die Reibungsspannungen zwar im Inneren des Kontrollvolumens Arbeit leisten, diese aber in W¨ arme umgewandelt wird und demnach keine Netto¨ anderung der Energie bedeutet. Weitere Unterschiede der kompressiblen Str¨omung zur inkompressiblen ergeben sich aus dem Einfluß der Machschen Zahl . Wir werden sehen, daß auch ¨ in station¨ arer Uberschallstr¨ omung (M > 1) Unstetigkeitsfl¨achen m¨oglich sind, u ber die sich Str¨ o mungsgr¨ oßen sprunghaft ver¨andern. Die wichtigste ¨ dieser Unstetigkeitsfl¨ achen wurde bereits im Zusammenhang mit Abb. 4.28 erw¨ ahnt. Zun¨ achst aber untersuchen wir den Einfluß der Mach-Zahl auf den Zusammenhang zwischen Querschnittsfl¨ ache A und Geschwindigkeit u f¨ ur isentrope Str¨ omung. Dieser Zusammenhang ist bei inkompressibler Str¨omung aus der Kontinuit¨ atsgleichung u A = const

(9.76)

unmittelbar einsichtig: Bei gr¨ oßer werdendem A muß u abnehmen und umgekehrt. Die Kontinuit¨ atsgleichung kompressibler Str¨omung  u A = const

(9.77)

enth¨ alt aber zus¨atzlich noch die Ver¨ anderliche , so daß mit einem anderen Verhalten zu rechnen ist. Wenn wir die Bogenl¨ange l¨angs der Stromlinie x nennen, um Verwechslungen mit der Entropie s vorzubeugen, erhalten wir durch logarithmisches Ableiten von (9.77) nach x zun¨achst den Ausdruck 1 du 1 dA 1 d + + =0. u dx A dx  dx

(9.78)

F¨ ur isentrope Str¨omung, also p = p(), folgt aus der Definition der Schallgeschwindigkeit

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

 a2 =

∂p ∂

301

 (9.79) s

speziell dp/d = a2 und daher aus (9.78) 1 du 1 dA 1 dp + + 2 =0. u dx A dx a  dx

(9.80)

Mit der Komponente der Eulerschen Gleichungen in Stromlinienrichtung u

∂u ∂p =− ∂x ∂x

(9.81)

entsteht dann die Gleichung 1 du 1 dA u du + = 2 , u dx A dx a dx

(9.82)

die wir noch zusammenfassen: 1 du 1 dA (1 − M 2 ) = − . u dx A dx

(9.83)

F¨ ur M < 1 erhalten wir qualitativ dasselbe Verhalten wie bei inkompressibler Str¨ omung: Zunehmender Querschnittsfl¨ ache (dA/dx > 0) entspricht abnehmende Geschwindigkeit (du/dx < 0) und umgekehrt. F¨ ur M > 1 zeigt (9.83) aber, daß bei zunehmender Querschnittsfl¨ ache (dA/dx > 0) auch die Geschwindigkeit zunimmt (du/dx > 0) bzw. bei abnehmender Fl¨ache auch die Geschwindigkeit abnimmt. Verschwindet dA/dx, hat also die Querschnittsfl¨ache ein Extremum, so ist entweder M = 1 oder u(x) hat ebenfalls ein Extremum. Da du/dx endlich bleiben muß, wird die Mach-Zahl M = 1 nur an der Stelle erreicht, an der der Verlauf der Querschnittsfl¨ache ein Extremum und zwar ein Minimum hat. Ist die Mach-Zahl an dieser engsten Stelle“ von eins ” verschieden, so hat die Geschwindigkeit dort ein Extremum. Die m¨oglichen Str¨ omungen in konvergent-divergenten Kan¨ alen sind in Abb. 9.11 skizziert. Die jeweils dargestellten Str¨ omungsformen stellen sich nur ein, wenn u ¨ber den gesamten konvergent-divergenten Kanal das zur jeweiligen Str¨omung geh¨orige Druckverh¨ altnis eingestellt wird. F¨ ur die D¨ usenstr¨omungen, wie sie in den Anwendungen bei Turbomaschinen oder Strahltriebwerken auftreten, ergibt sich meistens eine der folgenden Aufgabenstellungen: Entweder ist der Querschnitt A(x) der D¨ use gegeben, und es sind die Str¨omungsgr¨oßen als Funktion von x gesucht (direktes Problem), oder es wird ein Geschwindigkeitsverlauf u(x) vorgegeben, und der zugeh¨ orige Querschnittsverlauf ist gesucht (indirektes Problem). F¨ ur kalorisch ideale Gase und isentrope Str¨omung lassen sich hierf¨ ur geschlossene Formeln angeben. Wir besprechen aber zun¨ achst die allgemeinere L¨osung f¨ ur reale Gase und nehmen an, daß die Zustandsgleichungen in der bekannten Form des Mollier-Diagramms vorliegen. Den thermodynamischen Zustand des Gases

302

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.11. M¨ ogliche Str¨ omungsformen in konvergent-divergenten Kan¨ alen

charakterisieren wir durch die Ruhegr¨oßen: Str¨omt das Gas aus einem großen Kessel, so wird dieser Ruhezustand des Gases im Kessel angetroffen, man nennt ihn deshalb auch Kesselzustand. Er dient, insbesondere bei kalorisch idealen Gasen, als bequemer Referenzzustand, den man an jedem Punkt in der Str¨ omung als den Zustand definieren kann, der sich einstellen w¨ urde, wenn man das Gas isentrop zur Ruhe br¨ achte. Wir entnehmen der Energiegleichung (9.75), daß bei adiabater Str¨omung die Ruheenthalpie ht denselben Wert hat, egal ob das Gas isentrop oder nicht isentrop zur Ruhe gebracht wird. Wir nennen ht eine Erhaltungsgr¨oße. ur die RuheDasselbe gilt bei kalorisch idealem Gas wegen h = cp T auch f¨ temperatur Tt . Der Druck dagegen h¨ angt davon ab, wie das Gas zur Ruhe gebracht wurde, d. h. von der Art der Zustands¨anderung. Der Kessel- oder Ruhedruck wird nur wieder erreicht, wenn diese Zustands¨anderung isentrop ist. In diesem Sinne ist der Ruhedruck also keine Erhaltungsgr¨oße. Er ¨andert sich, wenn sich die Entropie ¨ andert, also beispielsweise beim Durchgang durch einen Verdichtungsstoß. Als Ausgangsgleichungen f¨ ur die Auslegung der D¨ use verwenden wir neben der Kontinuit¨ atsgleichung uA = m ˙

(9.84)

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

303

die Energiegleichung, die in isentroper Str¨ omung f¨ ur jeden Punkt der Stromlinie gilt u2 + h = ht . 2

(9.85)

In der Problemstellung seien neben ht und pt das Druckgef¨alle p1 − p2 u ¨ ber die D¨ use und der Massenstrom m ˙ gegeben. F¨ ur das direkte Problem bilden wir zun¨ achst die Gr¨ oße u =

m ˙ , A(x)

(9.86)

deren rechte Seite als Funktion von x vorliegt. Sodann notieren wir die Wertepaare h und  l¨ angs der Isentropen st , die durch ht und pt festgelegt ist, und setzen (9.86) sowie den erhaltenen Zusammenhang h() in die Energiegleichung ein. So gewinnen wir eine Bestimmungsgleichung f¨ ur (x): h() +

1 22



m ˙ A(x)

2 = ht ,

(9.87)

die wir graphisch oder numerisch f¨ ur ein gegebenes A(x) aufl¨osen. Mit bekanntem (x) findet man auf der Isentropen st die restlichen Zustandsgr¨oßen h(x), T (x) und p(x). Mit (9.86) liegt dann auch die Geschwindigkeit u(x) im Querschnitt A(x) fest. Auf diese Weise l¨ aßt sich der gesamte Str¨omungsverlauf ermitteln. Die Schallgeschwindigkeit a wird ermittelt, indem man p und  l¨ angs der Isentropen st notiert und die Ableitung dp/d = a2 notfalls zeichnerisch bildet. Damit l¨ aßt sich dann auch der Mach-Zahl-Verlauf M (x) angeben. Beim indirekten Problem berechnet man aus der vorgelegten Verteilung u(x) zun¨ achst h(x) und findet auf der Isentropen st alle anderen zugeh¨origen Zustandsgr¨ oßen. Mit dem jetzt bekannten (x) wird dann der Querschnittsverlauf A(x) aus der Kontinuit¨ atsgleichung (9.84) ermittelt. Bei kalorisch idealem Gas lassen sich f¨ ur den Verlauf der Str¨omungsgr¨oßen geschlossene Gleichungen angeben. Wir gehen dabei so vor, daß wir zun¨achst die Str¨ omungsgr¨ oßen und dann die Querschnittsfl¨ache der D¨ use als Funktion der Mach-Zahl angeben. Vorher geben wir aber noch die Bernoullische Gleichung f¨ ur kalorisch ideales Gas an. Aus der Isentropenbeziehung f¨ ur kalorisch ideales Gas p = C γ berechnen wir die Druckfunktion P zu  dp γ P = = C 1/γ p(γ−1)/γ .  γ−1 Ersetzt man C durch (9.88) ausgewertet am Referenzzustand, also

(9.88)

(9.89)

304

9 Stromfadentheorie

C = p1 −γ , 1 so erh¨ alt man P (p) =

γ p1 γ − 1 1



p p1

(γ−1)/γ ,

(9.90)

oder durch direkte Anwendung der Isentropenbeziehung (9.88) P =

γ p . γ −1 

(9.91)

Damit nimmt die Bernoullische Gleichung dieselbe Form wie die Energiegleichung an: u2 γ p + = const , 2 γ−1 

(9.92)

w¨ahrend (9.90) u2 γ p1 + 2 γ − 1 1



p p1

(γ−1)/γ = const

(9.93)

bzw. u21 γ p1 u2 γ p1 + = 2+ 2 γ − 1 1 2 γ − 1 1



p2 p1

(γ−1)/γ (9.94)

liefert. Speziell die letzte Form bezeichnen wir als Bernoullische Gleichung f¨ ur kompressible Str¨ omungen kalorisch idealer Gase. Die Ausflußgeschwindigkeit aus einem großen Kessel erhalten wir nun zu 2  3  (γ−1)/γ 3 γ p1 p2 4 u2 = 2 1− . (9.95) γ − 1 1 p1 Gleichung (9.95) entspricht der Torricellischen Formel f¨ ur inkompressible Str¨ omung und wird Ausflußformel von Saint-Venant-Wantzel genannt. Die gr¨oßte Geschwindigkeit in station¨ arer Str¨ omung wird bei p2 = 0 also bei Expansion ins Vakuum erreicht: ( γ p1 umax = 2 . (9.96) γ − 1 1 Wird Luft unter Normalbedingungen ins Vakuum expandiert, so erh¨alt man eine Maximalgeschwindigkeit von etwa umax ≈ 735m/s .

(9.97)

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

305

Zur Darstellung der thermodynamischen Gr¨ oßen als Funktion der Mach-Zahl formen wir die Bernoullische Gleichung (9.92) mit dem aus (9.88) folgenden Ausdruck a2 = γ

p 

(9.98)

um und erhalten u2 1 1 + a2 = a2 2 γ−1 γ−1 t

(9.99)

oder f¨ ur das Verh¨ altnis der totalen zur lokalen Temperatur Tt ) at *2 γ−1 2 = = M +1 . T a 2

(9.100)

Mit der Isentropenbeziehung (9.88) und der Zustandsgleichung f¨ ur thermisch ideale Gase p =  R T erhalten wir dann pt = p



Tt T

γ/(γ−1)

 =

γ−1 2 M +1 2

γ/(γ−1) (9.101)

und t = 



Tt T

1/(γ−1)

 =

γ−1 2 M +1 2

1/(γ−1) .

(9.102)

Die Werte, die bei M = 1 angetroffen werden, nennt man kritische Gr¨oßen; wir kennzeichnen sie mit dem Superscript *. Sie unterscheiden sich von den Ruhegr¨ oßen nur durch konstante Faktoren und werden daher ebenfalls als Bezugsgr¨ oßen verwendet. Speziell f¨ ur zweiatomige Gase (γ = 1, 4) erh¨alt man a∗ = at p∗ = pt ∗ = t

  

2 γ +1 2 γ+1 2 γ+1

1/2 = 0, 913 ,

(9.103)

γ/(γ−1) = 0, 528 ,

(9.104)

= 0, 634 .

(9.105)

1/(γ−1)

Im folgenden dreht es sich darum, die angek¨ undigte Beziehung zwischen Mach-Zahl und Querschnittsfl¨ ache zu gewinnen. Aus der Kontinuit¨atsgleichung folgt m ˙ =  u A = ∗ u∗ A∗ = ∗ a∗ A∗ ,

(9.106)

306

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.12. Fl¨ achenverh¨ altnis und Zustandsgr¨ oßen als Funktion der MachZahl f¨ ur station¨ are Str¨ omung eines idealen, zweiatomigen Gases (γ = 1, 4)

in der A∗ der Querschnitt ist, an dem M = 1 erreicht wird. Wir benutzen diesen Querschnitt auch dann als Bezugsquerschnitt, wenn die Mach-Zahl M = 1 in der D¨ use gar nicht erreicht wird, und definieren ihn mit dem angegebenen Massenstrom m ˙ zu A∗ =

m ˙ ∗ a∗

.

(9.107)

In A ∗ t a∗ = A∗ t  u

(9.108)

ersetzen wir a∗ /u mittels der Energiegleichung (9.99) u2 +

2 2 γ + 1 ∗2 a2 = u ∗ 2 + a∗ 2 = a , γ−1 γ−1 γ−1

(9.109)

t / und ∗ /t ersetzen wir durch (9.102) bzw. (9.105) und erhalten schließlich die gesuchte Beziehung  2   (γ+1)/(γ−1) A 1 2 γ−1 2 = 2 1+ M . (9.110) A∗ M γ+1 2 Sind Massenfluß, Ruhegr¨ oßen und Querschnittsverl¨aufe gegeben, so ist mit (9.110) der Mach-Zahl-Verlauf bekannt. Mit (9.100), (9.101) und (9.102) kennen wir dann den Temperatur-, Druck- und Dichteverlauf. Der Geschwindigkeitsverlauf folgt dann aus (9.108). Die angesprochenen Beziehungen sind

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

307

Abbildung 9.13. Richtig expandierende D¨ use

¨ f¨ ur γ = 1, 4 im Anhang C tabelliert und in Abb. 9.12 dargestellt. In Uberein¨ stimmung mit den qualitativen Uberlegungen zeigt Abb. 9.12, daß zum Er¨ reichen von Uberschallgeschwindigkeiten der Querschnitt wieder zunehmen muß. Konvergent-divergente D¨ usen wurden zuerst in Dampfturbinen eingesetzt und werden nach ihrem Erfinder de Laval als Lavald¨ usen bezeichnet. Sie finden aber viele andere Anwendungen, beispielsweise in Raketentriebwerken, ¨ D¨ usen in Uberschallwindkan¨ alen usw. ¨ Zur Erzeugung von Uberschallgeschwindigkeiten ist aber auch ein hinreichend großer Druckabfall in der D¨ use notwendig. Wir besprechen die m¨oglichen Betriebszust¨ ande der Lavald¨ use ausgehend vom Normalfall, bei dem der ahlt ist, daß er mit dem durch das Fl¨achenverh¨altnis Außendruck pa so gew¨ A∗ /Ae gegebenen Druck pe am D¨ usenausgang u ¨bereinstimmt (Abb. 9.13). Wird der Umgebungsdruck erh¨ oht, dann spricht man von einem u ¨ berexpandierenden Strahl, weil das Gas in der D¨ use st¨ arker expandiert wird als es dem use ¨andert sich Umgebungsdruck entspricht: pe < pa . Die Str¨omung in der D¨ dadurch zun¨ achst nicht (Kurve 1 in Abb. 9.15). Außerhalb der D¨ use ist die Str¨ omung nicht l¨anger quasi-eindimensional, l¨ aßt sich also im Rahmen der Stromfadentheorie nicht diskutieren. Wir beschr¨ anken uns auf eine qualitative Beschreibung der Str¨omung. Dabei machen wir bereits vom Begriff des Stoßes Gebrauch, der erst im Abschnitt 9.2.3 ausf¨ uhrlich behandelt wird. F¨ ur die Diskussion hier gen¨ ugt der Hinweis, daß der Stoß eine Unstetigkeitsfl¨ ache von Druck und Temperatur darstellt. Eine derartige Stoßfl¨ ache geht vom D¨ usenrand aus, die den niedrigen D¨ usenaustrittsdruck unstetig auf den Außendruck anhebt. Die Stoßfl¨ache u ¨berschneidet sich und wird am Strahlrand als station¨are Expansionswelle reflek¨ tiert (Abb. 9.14). Es entsteht ein f¨ ur Uberschallstrahlen charakteristisches Rhombenmuster im Strahl, das man mit bloßem Auge bei Raketenstrahlen

308

9 Stromfadentheorie

¨ Abbildung 9.14. Uberexpandierter Strahl

beobachten kann, weil die Temperatur der Fl¨ ussigkeitsteilchen beim Durchgang durch den Stoß erh¨ oht und beim Durchgang durch die Expansionswellen erniedrigt wird, wodurch sich das Eigenleuchten des Strahles in entsprechender Weise ¨ andert. Wird der Umgebungsdruck weiter erh¨ oht, so wandert der Stoß in die D¨ use, es bildet sich ein gerader Verdichtungsstoß in der D¨ use aus. Diese unstetige Druckerh¨ ohung positioniert sich gerade so in der D¨ use, daß der geforderte Umgebungsdruck erreicht wird. Hinter dem Stoß herrscht Unterschallstr¨ omung, wie wir anschließend noch zeigen werden. Der D¨ usenabschnitt hinter dem Stoß wirkt daher wie ein Unterschalldiffusor, der den Druck hinter dem Stoß theoretisch bis auf den Außendruck anhebt. Praktisch aber kommt es zu einer Str¨ omungsabl¨ osung, und der Druckgewinn ist so gering, daß der Druck direkt hinter dem Stoß ungef¨ ahr schon dem Außendruck entspricht. Der Unterschallstrahl kann keine station¨ aren Wellen tragen, und bei (fast) parallelem Austritt muß auch der Druck im Strahl gleich dem Außendruck sein (Kurve 2 in Abb. 9.15). Wird der Außendruck weiter erh¨ oht, so wandert der Stoß weiter in die D¨ use und wird schw¨ acher, da die Mach-Zahl vor dem Stoß geringer wird. Wenn er durch weitere Erh¨ ohung des Außendruckes schließlich die engste Stelle der D¨ use erreicht hat, dann ist seine St¨arke auf null abgeklungen, in der ganzen D¨ use herrscht dann Unterschall (Kurve 3 in Abb. 9.15). Erh¨oht man pa noch weiter, so hat die Mach-Zahl an der engsten Stelle ein Maximum, M = 1 wird aber nicht mehr erreicht (Kurve 4 in Abb. 9.15): Der Wert der Mach-Zahl an der engsten Stelle l¨ aßt sich dann aus der Fl¨achenbeziehung (9.110) ermitteln, wenn A = Amin gesetzt wird; A∗ ist dann nur noch eine Referenzfl¨ ache, die in der D¨ use nicht realisiert wird. usenaustritt gr¨oßer Beim unterexpandierten Strahl ist der Druck pe am D¨ als der Außendruck pa . Der Druck wird u ¨ ber einen station¨aren Expansionsf¨acher auf den Außendruck reduziert (Abb. 9.16). Die Str¨omung in der D¨ use bleibt dadurch unbeeinflußt. Die Expansionswelle durchdringt sich selbst und wird am Strahlrand als Kompressionswelle“ reflektiert, die sich oft zu einem ” Stoß umbildet. Dadurch formt sich wieder ein Rhombenmuster im Strahl, das dem Muster im u ¨ berexpandierten Strahl entspricht.

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

309

¨ Abbildung 9.15. Uberexpandierende D¨ use

Abbildung 9.16. Unterexpandierter Strahl

In einer rein konvergenten D¨ use kann sich nach dem bisher Gesagten ¨ keine station¨ are Uberschallstr¨ omung aufbauen. Solange der Außendruck pa gr¨ oßer ist als der kritische Druck p∗ , ist der Druck pe im Strahl gleich dem Außendruck pa (Abb. 9.17). Wenn die Mach-Zahl M = 1 im engsten Querschnitt erreicht wird, so ist pe = p∗ , und der Umgebungsdruck kann unter diesen Druck abgesenkt werden ¨ (pa < pe ). Es findet dann eine Nachexpansion im freien Strahl statt: Uber Expansionswellen wird der Druck am D¨ usenausgang auf den Außendruck pa expandiert (Abb. 9.18).

310

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.17. Unterschalld¨ use und Unterschallstrahl

Abbildung 9.18. Unterschalld¨ use mit Nachexpansion im Strahl

9.2.2 Str¨ omung durch Rohre mit konstantem Querschnitt Als weitere Anwendung der Stromfadentheorie betrachten wir die station¨are Str¨ omung in einem Rohr mit gleichbleibendem Querschnitt, ohne bewegte innere Fl¨ achen, ohne Reibung, aber mit W¨ armezu- oder -abfuhr durch die Rohrwand. Dann gilt (9.72) u22 u2 + h2 = 1 + h1 + q . 2 2

(9.111)

F¨ ur die Anwendung des Impulssatzes nehmen wir an, daß an der Wand keine Reibung auftritt. Aus (9.43) erh¨ alt man wegen F = 0 und A1 = A2 2 u22 + p2 = 1 u21 + p1 .

(9.112)

Mit der Kontinuit¨ atsgleichung 2 u 2 = 1 u 1

(9.113)

und der Zustandsgleichung h = h(p, ), z. B. f¨ ur kalorisch ideales Gas h=

γ p , γ −1 

(9.114)

stehen vier Gleichungen f¨ ur vier Unbekannte zur Verf¨ ugung. F¨ ur reales Gas kann man dieses Gleichungssystem iterativ l¨ osen, f¨ ur ideales Gas l¨aßt sich die

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

311

L¨osung explizit angeben. Wir wollen hier aber nur eine wichtige Eigenschaft dieser Str¨ omung aufzeigen: Aus dem Impulssatz  u2 + p = C1

(9.115)

und der Kontinuit¨ atsgleichung  u = C2

(9.116)

gewinnt man den Zusammenhang C22 + p = C1 . 

(9.117)

(9.117) gilt in reibungsfreier Str¨ omung, unabh¨angig davon, ob W¨arme zuoder abgef¨ uhrt wird. Die graphische Darstellung dieser Gleichung p = p() nennt man Rayleigh-Kurve. Man kann nun allgemein f¨ ur die Enthalpie und die Entropie einer Substanz die Zustandsgleichungen h = h(p, ) und s = s(p, ), gegebenenfalls in Form eines Diagramms, angeben. F¨ ur ideales Gas gelten bekanntlich die Gleichungen (9.114) und    −γ p  s = s0 + cv ln . (9.118) p 0 0 Mit diesen beiden Zustandsgleichungen l¨ aßt sich nun die Rayleigh-Kurve in ein h-s-Diagramm u ¨bertragen (Abb. 9.19). Wenn man dem Gas W¨arme zuf¨ uhrt, erh¨ oht man seine Entropie und bewegt sich daher auf der Kurve von links nach rechts. Die Geschwindigkeit im Rohr erhalten wir durch Differentiation von (9.117) und Einsetzen von (9.116) zu u2 d = dp oder

 2

u =

dp d

(9.119)

 ,

(9.120)

R

¨ wobei der Index R andeuten soll, daß die Anderung des Druckes mit der Dichte l¨ angs der Rayleigh-Kurve zu nehmen ist. Bei gen¨ ugend hoher W¨armezufuhr erreicht man den Punkt, an dem (ds/dh)R = 0 ist und der auf der Isentropen s = const liegt. F¨ ur diesen Punkt gilt also     dp ∂p u2 = = = a2 , (9.121) d R ∂ s und man erkennt, daß dieser Punkt M = 1 entspricht. Falls das Gas gek¨ uhlt wird, verringert sich seine Entropie, und man bewegt sich auf der Kurve von rechts nach links. Auf dem oberen Teil der Kurve (Unterschallzweig) wird die

312

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.19. Rayleigh-Kurve f¨ ur ideales, zweiatomiges Gas (γ = 1, 4)

Abbildung 9.20. Rohrstr¨ omung mit W¨ armezufuhr

Mach-Zahl infolge der Entropieerh¨ ohung bei W¨armezufuhr vergr¨oßert, und man erkennt, daß es einen Bereich gibt, bei dem mit zunehmender Entropie die Enthalpie abnimmt. Das heißt bei einem idealen Gas nimmt dort die Temperatur mit steigender Entropie ab! Offenbar kann man weder vom Unterschall- noch vom ¨ Uberschallzweig her kommend durch W¨ armezufuhr den Punkt M = 1 durchlaufen, da sonst die Entropie bei W¨ armezufuhr abnehmen m¨ ußte. Allerdings kann man, z. B. vom Unterschallbereich kommend, W¨arme zuf¨ uhren ¨ bis M = 1 erreicht ist und dann durch W¨ armeabfuhr in den Uberschallzweig gelangen. Wenn bei der Rohrstr¨ omung in der Abb. 9.20 am Austritt (2) die Mach-Zahl M = 1 erreicht ist, so ist bei einem gegebenen Massenstrom die gr¨ oßtm¨ ogliche W¨ arme zugef¨ uhrt. Steigert man trotzdem die W¨armezufuhr weiter, ¨ andern sich die Str¨ omungsverh¨ altnisse an der Stelle (1): Der Massen-

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

313

Abbildung 9.21. Fanno-Kurve f¨ ur ideales, zweiatomiges Gas (γ = 1, 4)

strom und damit die Mach-Zahl werden so verringert, daß sich f¨ ur die erh¨ohte W¨ armezufuhr gerade wieder M = 1 an der Stelle (2) einstellt. Wir betrachten jetzt den Fall, daß in einem Rohr konstanten Querschnitts keine W¨ armezufuhr von außen, daf¨ ur aber Reibung auftritt. Aus der Kontinuit¨ atsgleichung (9.116) und der Energiegleichung u2 + h = C3 , 2

(9.122)

die man bei Vernachl¨ assigung von Reibungsnormalspannungen analog zu (9.72) aus (2.114) ableitet, erhalten wir die Fanno-Kurve h = h(): 1 2



C2 

2 + h = C3 .

(9.123)

Auch diese kann man mit der Zustandsgleichung s = s(, h) wieder in ein h-s-Diagramm u ur eine Rohrstr¨omung ¨ bertragen (Abb. 9.21). Die Kurve gilt f¨ ohne W¨ armezufuhr, unabh¨ angig davon, wie groß die Wandreibung ist. Auch bei dieser Kurve gibt es wieder einen Punkt mit (ds/dh)F = 0, durch den die Isentrope f¨ uhrt. Aus der Gibbsschen Relation T ds = dh −

dp 

folgt f¨ ur diesen Punkt

(9.124)

314

9 Stromfadentheorie



dp dh



 ==

F

∂p ∂h

 .

(9.125)

s

Mit (9.123) und (9.116) folgt weiter u2 d = dh  oder 

dh d

 F

u2 = = 

(9.126)



∂h ∂

 (9.127) s

und wegen  = (∂p/∂h)s schließlich       ∂p ∂h ∂p 2 u = = = a2 . ∂h s ∂ s ∂ s

(9.128)

Die diesem Punkt entsprechende Geschwindigkeit ist wieder die Schallgeschwindigkeit. Der obere Teil der Kurve ist der Unterschallzweig, der untere ¨ der Uberschallzweig. Da bei einer reibungsbehafteten Str¨omung die Entropie nur zunehmen kann, nimmt die Mach-Zahl auf dem Unterschallzweig bis ¨ M = 1 immer zu, auf dem Uberschallzweig dagegen immer ab, bis ebenfalls die Mach-Zahl M = 1 erreicht ist. Die Schallgeschwindigkeit wird wieder am Rohrende erreicht. Vergr¨ oßert man den Reibungseinfluß, z. B. durch Verl¨ angerung des Rohres, so muß sich im Unterschallbereich der Massenstrom ¨ verringern. Im Uberschallgebiet tritt f¨ ur den Fall, daß die Rohrl¨ange gr¨oßer ist als diejenige, bei der M = 1 am Austritt erreicht wird, ein Verdichtungsstoß auf, der die Str¨ omung auf Unterschallgeschwindigkeit bringt. 9.2.3 Gleichungen des senkrechten Verdichtungsstoßes Der im Zusammenhang mit der D¨ usenstr¨ omung besprochene Verdichtungs¨ ¨ stoß, d. h. der unstetige Ubergang der Uberschallzur Unterschallgeschwindigkeit, findet in supersonischer Str¨ omung sehr h¨aufig statt. Wir wollen hier den senkrechten Verdichtungsstoß besprechen, bei dem die Stoßfl¨ache senkrecht auf der Geschwindigkeit steht. Aus den Ergebnissen lassen sich aber auch die allgemeineren Beziehungen des schr¨agen Verdichtungsstoßes gewinnen. F¨ ur die meisten Zwecke gen¨ ugt es, den Verdichtungsstoß als Unstetigkeitsfl¨ ache zu betrachten, u ber den sich die Str¨ omungsgr¨oßen sprunghaft a¨ndern. ¨ Im folgenden wollen wir daher aus den Erhaltungss¨atzen Beziehungen herleiten, aus denen sich die Gr¨ oßen hinter dem Stoß aus den entsprechenden Gr¨ oßen vor dem Stoß bestimmen lassen. Der Stoß selbst ist allerdings strenggenommen keine Unstetigkeit. Die Gr¨ oßen ¨ andern sich kontinuierlich u ¨ber eine Strecke, die aber von der Gr¨ oßenordnung der freien Wegl¨ange ist, also in

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

315

Abbildung 9.22. Senkrechter Verdichtungsstoß

fast allen technischen Problemen als unendlich klein angesehen werden kann. Innerhalb des Stoßes spielen W¨ armeleitungs- und Reibungseffekte eine entscheidende Rolle, und man kann die Stoßstruktur unter anderem auf Grund¨ lage der Navier-Stokesschen Gleichungen ermitteln. F¨ ur kleine UberschallMach-Zahlen stimmen die erhaltenen theoretischen Ergebnisse gut mit den Experimenten u ¨ berein. Wir verzichten hier aber auf die Berechnung der Stoߨ struktur, da es in der Praxis gen¨ ugt, die Anderung der Gr¨oßen u ¨ ber den Stoß zu kennen. ¨ Wir nehmen an, daß vor und nach dem Stoß die Anderungen von Geschwindigkeit und Temperatur verschwinden oder jedenfalls sehr viel kleiner sind als im Stoß selbst. Da die Stoßdicke sehr klein ist, vernachl¨assigen wir bei der Anwendung der Erhaltungss¨ atze auf den Stoß alle Volumenintegrale. (Dies gilt insbesondere bei der sp¨ ater zu besprechenden instation¨aren Str¨ omung.) Außerdem vernachl¨ assigen wir die von außen zugef¨ uhrte W¨arme, da die Integrationsfl¨ ache Sw im Energiesatz (9.70) gegen null geht. Dann erhalten wir aus der Kontinuit¨ atsgleichung (9.8), dem Impulssatz (9.41) und dem Energiesatz (9.70) der Reihe nach: 1 u 1 = 2 u 2 ,

(9.129)

1 u21 + p1 = 2 u22 + p2 ,

(9.130)

u21

u22

+ h1 = + h2 , (9.131) 2 2 wobei der Index 1 die Position unmittelbar vor und der Index 2 die Position direkt hinter dem Stoß kennzeichnet (Abb. 9.22). Da die Stoßdicke nach Voraussetzung unendlich klein ist, stimmen die Fl¨achen A1 und A2 auch bei ver¨ anderlichem Querschnitt u ¨ berein. Die Erhaltungss¨atze liefern drei Gleichungen zur Bestimmung der vier Unbekannten u2 , 2 , p2 und h2 . Zus¨atzlich setzen wir die Zustandsgleichung p = p(, h)

(9.132)

in Form eines Mollier-Diagramms, bzw. f¨ ur ideales Gas p = h

γ−1 , γ

(9.133)

316

9 Stromfadentheorie

als gegeben voraus. Damit l¨ aßt sich bei gegebenem Zustand vor dem Stoß der Zustand hinter dem Stoß ermitteln. Die Stoßstruktur selbst braucht dazu nicht bekannt zu sein. Es k¨ onnen im allgemeinen nur Verdichtungsst¨oße auftreten (2 > 1 ); Verd¨ unnungsst¨ oße k¨ onnen nach dem zweiten Hauptsatz nur auftreten, wenn die Ungleichung (∂ 2 p/∂v 2 )s < 0 gilt, was beispielsweise in der N¨ahe des kritischen Punktes m¨ oglich ist. Wir gehen im weiteren nur von Verdichtungsst¨oßen aus und besprechen zun¨ achst die Anwendung der Erhaltungss¨ atze f¨ ur ein reales Gas, dessen Mollier-Diagramm vorliegt. Wenn wir die Kontinuit¨atsgleichung (9.129) in die Bilanzen des Impulses (9.130) und der Energie (9.131) einsetzen, erhalten wir   1 2 p 2 − p 1 = 1 u 1 1 − (9.134) 2 und   2  u21 1 h2 − h1 = 1− . 2 2

(9.135)

Die weitere Rechnung erfolgt zweckm¨ aßigerweise so, daß man bei gegebenem Zustand vor dem Stoß eine Sch¨ atzung des Dichteverh¨altnisses 1 /2 u ¨ ber den Stoß anstellt, da dieses im Gegensatz zum Druck- oder Temperaturverh¨altnis auch bei einem sehr starken Stoß endlich bleibt. Aus (9.134) und (9.135) gewinnt man unmittelbar ein Wertepaar (h2 , p2 ) und mit diesem aus dem Mollier-Diagramm ein neues 2 f¨ ur eine genauere Absch¨atzung des Dichteverh¨ altnisses 1 /2 . Meistens gen¨ ugen wenige Iterationen, um den Zustand hinter dem Stoß gen¨ ugend genau zu bestimmen. F¨ ur kalorisch ideales Gas lassen sich dagegen wieder geschlossene Beziehungen angeben. Man eliminiert zun¨ achst die Geschwindigkeit u1 aus (9.134), (9.135) und erh¨ alt eine Beziehung zwischen rein thermodynamischen Gr¨oßen, die sogenannte Hugoniot-Relation:   1 1 1 h2 − h1 = (p2 − p1 ) + , (9.136) 2 1 2 die noch allgemein gilt. F¨ ur ideales Gas ergibt sich mit (9.133) die Beziehung p2 (γ + 1)2 /1 − (γ − 1) = , p1 (γ + 1) − (γ − 1) 2 /1

(9.137)

zwischen dem Druck und dem Dichteverh¨ altnis, der man auch f¨ ur p2 /p1 → ∞ das maximale Dichteverh¨ altnis   2 γ+1 = (9.138) 1 max γ−1

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

317

Abbildung 9.23. Hugoniot-Kurve f¨ ur ideales, zweiatomiges Gas (γ = 1, 4)

entnimmt. Im Gegensatz zu dieser Hugoniot-Zustands¨anderung (Abb. 9.23) ergibt sich bekanntlich f¨ ur die isentrope Zustands¨anderung  γ p2 2 = (9.139) p1 1 f¨ ur den Grenzfall p2 /p1 → ∞ ein unendlich großes Dichteverh¨altnis 2 /1 . Das maximale Dichteverh¨ altnis durch einen Stoß betr¨agt bei zweiatomigen Gasen mit γ = cp /cv = 7/5 dann 2 /1 = 6, bei voll angeregten inneren Freiheitsgraden der Molek¨ ulschwingungen (γ = 9/7) 2 /1 = 8 und bei einatomigen Gasen (γ = 5/3)2 /1 = 4. Wir bemerken, daß wegen p =  R T p2 2 T 2 = p1 1 T 1

(9.140)

gilt, also f¨ ur den Grenzfall p2 /p1 → ∞ auch T2 /T1 gegen unendlich geht. L¨ ost man (9.134) nach der Geschwindigkeit auf, so folgt   −1 p1 p2 1 u21 = −1 1− (9.141) 1 p 1 2 und mit a2 = γ p/ f¨ ur kalorisch ideales Gas auch  2   −1 u1 1 p2 1 = M12 = −1 1− , a1 γ p1 2

(9.142)

318

9 Stromfadentheorie

aus der man mittels der Hugoniot-Beziehung (9.137) noch 1 /2 eliminieren kann. Man gewinnt so eine Bestimmungsgleichung f¨ ur das Druckverh¨altnis 

p2 −1 p1

2

γ −2 (M 2 − 1) γ+1 1



p2 −1 p1

 =0,

(9.143)

die neben der trivialen L¨ osung p2 /p1 = 1, die sich ohne Stoß einstellen w¨ urde, die L¨ osung p2 γ =1+2 (M 2 − 1) p1 γ+1 1

(9.144)

zul¨ aßt und einen expliziten Zusammenhang zwischen dem Druckverh¨altnis u ur M1 = 1 ¨ber den Stoß und der Mach-Zahl vor dem Stoß M1 liefert. F¨ gehen beide L¨ osungen ineinander u ¨ ber, der Stoß entartet in eine Schallwelle. Gleichung (9.144) zeigt, daß f¨ ur einen Verdichtungsstoß (p2 /p1 > 1) die Mach-Zahl M1 > 1 sein muß und daß f¨ ur einen sehr starken Stoß (M1 → ∞) das Druckverh¨ altnis unendlich wird. Ersetzt man in (9.144) p2 /p1 mit Hilfe der Hugoniot-Beziehung (9.137), so entsteht die Gleichung f¨ ur den Dichtesprung 2 (γ + 1)M12 = , 1 2 + (γ − 1)M12

(9.145)

die f¨ ur M1 → ∞ wieder auf das Ergebnis (9.138) f¨ uhrt. Wegen (9.140) ist mit (9.144) und (9.145) jetzt auch der Temperatursprung bekannt: T2 p 2 1 [2γM12 − (γ − 1)][2 + (γ − 1)M12 ] = = . T1 p 1 2 (γ + 1)2 M12

(9.146)

Zur Berechnung der Mach-Zahl hinter dem Stoß setzen wir unter Benutzung der Kontinuit¨ atsgleichung (9.129) und a2 = γp/  M22 =

u2 a2

2

 = u21

1 2

2

2 p 1 1 = M12 , γ p2 p 2 2

(9.147)

woraus mit (9.144) und (9.145) schließlich M22 =

γ + 1 + (γ − 1)(M12 − 1) γ + 1 + 2γ(M12 − 1)

(9.148)

entsteht. Man entnimmt dieser Gleichung, daß beim senkrechten Verdichtungsstoß wegen M1 > 1 die Mach-Zahl hinter dem Stoß immer kleiner als 1 ist. Im Grenzfall des sehr starken Stoßes (M1 → ∞) erreicht M2 den Grenzwert ( 1 γ−1 M2 |(M1 →∞) = . (9.149) 2 γ

9.2 Station¨ are kompressible Str¨ omung

319

Abbildung 9.24. Mach-Zahl und Zustandsgr¨ oßen nach dem Stoß als Funktion der Mach-Zahl vor dem Stoß

Die Stoßbeziehungen sind f¨ ur γ = 1, 4 im Anhang C tabelliert und in Abb. 9.24 graphisch dargestellt. Als Folge der irreversiblen Vorg¨ ange (Reibung, W¨armeleitung) nimmt die Entropie durch den Stoß zu. Aus (2.143) folgt nach Anwendung des Reynoldsschen Transporttheorems (1.96) f¨ ur den unendlichen d¨ unnen Stoß   s(u · n) dS > 0 (9.150) (S)

oder mit der Kontinuit¨ atsgleichung (9.129) auch s2 − s1 > 0 .

(9.151)

Man best¨ atigt dies explizit f¨ ur kalorisch ideales Gas, wenn man in der aus (9.118) entstehenden Gleichung     −γ p 2 2 s2 − s1 = cv ln (9.152) p 1 1 das Dichteverh¨ altnis mittels der Hugoniot-Beziehung (9.137) eliminiert:   γ  p2 (γ − 1)p2 /p1 + γ + 1 s2 − s1 = cv ln . (9.153) p1 (γ + 1)p2 /p1 + γ − 1 ur F¨ ur p2 /p1 → ∞ wird die Entropiedifferenz logarithmisch unendlich. F¨ schwache St¨ oße setzt man p2 /p1 = 1 + α und best¨atigt folgenden Zusammenhang durch Entwickeln der rechten Seite f¨ ur kleine α:

320

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.25. Stoß im Laborsystem

Abbildung 9.26. Stoß im stoßfesten System

s2 − s1 γ2 − 1 = cv 12γ 2



p2 − p1 p1

3 ,

(9.154)

der unmittelbar zeigt, daß f¨ ur kalorisch ideale Gase p2 − p1 immer gr¨oßer als null sein muß, also nur Verdichtungsst¨ oße auftreten k¨onnen, da sonst die Entropie durch den Stoß abnehmen m¨ ußte.

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung Wie bei station¨ arer kompressibler Str¨ omung treten auch bei instation¨arer Str¨ omung St¨ oße als Trennungsfl¨ achen im Str¨ omungsgebiet auf, an denen die Stoßbeziehungen zu erf¨ ullen sind: Die Stoßbeziehungen spielen also die Rolle von Randbedingungen. Wir besprechen daher zun¨achst die Stoßbeziehungen f¨ ur einen sich bewegenden Verdichtungsstoß. Wie wir bereits vermerkt haben, entfallen auch beim instation¨aren Stoß, d. h. bei einem mit ver¨ anderlicher Geschwindigkeit bewegten Stoß, die Volumenintegrale in den Bilanzs¨ atzen, wenn man die Stoßfl¨ache als unendlich d¨ unn ansieht. Daher gelten die Bilanzgleichungen (9.129) bis (9.131) und alle daraus abgeleiteten Beziehungen auch weiterhin. Aufmerksamkeit verlangt lediglich die richtige Wahl der Geschwindigkeiten vor und hinter dem Stoß. Wir betrachten dazu einen Stoß, der sich in einem Rohr (nicht notwendigerweise mit konstantem Querschnitt) mit der Geschwindigkeit us (t) bewegt (Abb. 9.25). Die Str¨ omung vor dem Stoß habe die Geschwindigkeit u1 und die thermodynamischen Gr¨ oßen p1 , 1 und h1 . Wir kennzeichnen die Gasgeschwindigkeit in diesem System mit einem Strich und bezeichnen dieses Bezugssystem, in dem die Rohrwand ruht und der Stoß sich bewegt, als Laborsystem, weil dieses System experimentellen Betrachtungen zugrunde liegt.

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung

321

Von diesem Bezugssystem unterscheiden wir das stoßfeste System, in dem der Stoß ruht, die station¨ aren Stoßbeziehungen (9.144), (9.145), (9.146) und (9.148) also ihre G¨ ultigkeit behalten. Wir gelangen zu diesem stoßfesten System, wenn wir in jedem Augenblick allen Geschwindigkeiten die Stoßgeschwindigkeit so u ¨ berlagern, daß der Stoß selbst in Ruhe ist (Abb. 9.26). Somit entstehen die Transformationsgleichungen u1 = us − u1 ,

(9.155)

und u2 = us − u2 ,

(9.156)

wobei wir nun die Geschwindigkeiten, wie durch die Pfeile in Abb. 9.26 gekennzeichnet, positiv entgegengesetzt zu τ z¨ ahlen wollen. Damit lassen sich die Ergebnisse des station¨ aren Stoßes auf das Laborsystem u ¨bertragen. Oft ist die Geschwindigkeit vor dem Stoß im Laborsystem null, also u1 = 0 ;

u1 = us ,

(9.157)

und es gen¨ ugt dann, M1 in den Stoßbeziehungen durch die Stoß-Mach-Zahl us Ms = (9.158) a1 zu ersetzen, um die Stoßbeziehungen des bewegten Stoßes f¨ ur kalorisch ideales Gas zu erhalten. F¨ ur die Geschwindigkeit u2 im stoßfesten System erh¨alt man dann aus (9.156) und der Kontinuit¨ atsgleichung in diesem Bezugssystem 1 u s = 2 u 2

(9.159)

die Beziehung   1  u2 = us 1 − . 2

(9.160)

In dieser Gleichung kann man noch 1 /2 mittels der Stoßbeziehung (9.145) ersetzen, so daß die Formel   2 1 u2 = a1 M s − (9.161) γ+1 Ms entsteht. F¨ ur sehr große Stoß-Mach-Zahlen erh¨alt man u2 |(Ms →∞) =

2 us , γ+1

(9.162)

und man erkennt, daß sich hinter einem bewegten Stoß Gasstr¨omungen mit großen Geschwindigkeiten erzeugen lassen. Allerdings zeigt die weitere Be¨ trachtung, daß das Gas zwar Uberschallgeschwindigkeit erreicht, die MachZahl M2 aber beschr¨ ankt bleibt, was auf die starke Erw¨armung des Gases zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Bildet man n¨ amlich mit (9.156) die Mach-Zahl

322

9 Stromfadentheorie

M2 =

u2 a1 = Ms − M2 , a2 a2

(9.163)

! ersetzt a1 /a2 wegen a2 = γ R T durch T1 /T2 und letzteres durch die Stoßbeziehung (9.146), so erh¨ alt man f¨ ur Ms → ∞ den endlichen Grenzwert ' 2 M2 |(Ms →∞) = ≈ 1, 89 (f¨ ur γ = 1, 4) . (9.164) γ(γ − 1) Bei hohen Mach-Zahlen zeigt Luft aber Realgaseffekte, als deren Folge h¨ohere Werte f¨ ur M2 erreicht werden. Zur Berechnung der instation¨ aren Bewegung im Rahmen der Stromfadentheorie gehen wir von der differentiellen Form der Bilanzgleichungen aus. Wir erhalten die differentielle Form der Kontinuit¨atsgleichung der Stromfadentheorie aus der integralen Form (9.8), wenn wir dort nur u ¨ ber die differentielle L¨ ange dx integrieren und die Gr¨ oßen an der Stelle (2) durch die Taylorentwicklung um die Stelle (1) ersetzen. Es entsteht die Gleichung     ∂ ∂A ∂ ∂u ∂A A dx +  dx −  u A +  + dx u+ dx A+ dx ∂t ∂t ∂x ∂x ∂x =0, (9.165) f¨ ur die wir k¨ urzer ∂( A) ∂( u A) + =0 ∂t ∂x

(9.166)

schreiben, wobei die quadratischen Glieder in dx f¨ ur den Grenz¨ ubergang dx → 0 weggefallen sind. Bei der differentiellen Form der Bewegungsgleichung gehen wir gleich von (4.56) aus und vernachl¨assigen die Volumenkr¨afte: ∂u ∂u 1 ∂p +u =− . ∂t ∂x  ∂x

(9.167)

In (9.167) lassen sich auch Reibungseinfl¨ usse ph¨anomenologisch ber¨ ucksichtigen, indem man zus¨ atzlich etwa den Druckgradienten gem¨aß (9.26) ber¨ ucksichtigt. Wie bereits bemerkt, sind aber die Widerstandskoeffizienten f¨ ur instation¨ are Str¨ omung meistens unbekannt. Im folgenden beschr¨anken wir uns also auf die verlustfreie, adiabate Str¨ omung, die dann isentrop ist. Aus der allgemeinen Zustandsgleichung  = (p, s) folgt mit Ds/Dt = 0   D ∂ Dp Dp = = a−2 . (9.168) Dt ∂p s Dt Dt Außerdem beschr¨ anken wir uns auf Str¨ omungen durch gerade Rohre konstanten Querschnitts. Dann nimmt die Kontinuit¨atsgleichung (9.166) die bekannte Form (2.3a) an, welche hier lautet:

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung

D ∂u + =0. Dt ∂x

323

(9.169)

Setzen wir noch (9.168) ein, erhalten wir nach Multiplikation mit a/ 1 ∂p u ∂p ∂u + +a =0.  a ∂t  a ∂x ∂x

(9.170)

Aus der Addition dieser Gleichung mit der Bewegungsgleichung (9.167) erhalten wir die interessante Beziehung   ∂u ∂u 1 ∂p ∂p + (u + a) + + (u + a) =0. (9.171) ∂t ∂x  a ∂t ∂x Diese Gleichung l¨ aßt im Zusammenhang mit der allgemeinen Zeitableitung (1.19) (dort angewendet auf die Temperatur) folgende Interpretation zu: Auf der Bahn eines Beobachters, die durch die Differentialgleichung dx/dt = u+a ¨ ¨ beschrieben wird, ist die Anderung du/dt gleich der Anderung dp/dt multipli−1 ziert mit −( a) . An die Stelle der partiellen Differentialgleichung (9.171) treten also zwei gew¨ ohnliche, gekoppelte Differentialgleichungen: du +

1 dp = 0 l¨ angs dx = (u + a) dt . a

Subtrahiert man (9.170) von (9.167), so entsteht die Gleichung   ∂u ∂u 1 ∂p ∂p + (u − a) − + (u − a) =0, ∂t ∂x  a ∂t ∂x

(9.172)

(9.173)

aus der die beiden gew¨ ohnlichen Differentialgleichungen du −

1 dp = 0 l¨ angs dx = (u − a) dt a

(9.174)

¨ folgen. Ds/Dt = 0 (vgl. (4.48)) bedeutet bekanntlich, daß die Anderung der Entropie eines materiellen Teilchens verschwindet, oder anders ausgedr¨ uckt, ¨ die Anderung der Entropie l¨ angs einer Teilchenbahn ist null: ds = 0

l¨ angs dx = u dt .

(9.175)

Die beschriebene Umformung und Interpretation hat es erm¨oglicht, die drei nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen (9.167), (9.169) und (4.48) auf ein System von sechs gew¨ ohnlichen Differentialgleichungen zur¨ uckzuf¨ uhren. ¨ Wir bemerken aus mathematischer Sicht, daß diese Aquivalenz den wesentlichen Inhalt der Charakteristikentheorie darstellt, die eine L¨osungstheorie f¨ ur hyperbolische Differentialgleichungssysteme ist. Das Gleichungssystem (9.167), (9.169) und (4.48) ist von diesem hyperbolischen Typus. Die¨ se L¨ osungsmethode l¨ aßt sich auch auf station¨ are Uberschallprobleme u ¨ber¨ tragen, denn auch die Differentialgleichungen zur Beschreibung der Uberschallstr¨ omung sind hyperbolisch. Die L¨ osungskurven der Differentialgleichungen

324

9 Stromfadentheorie

dx =u±a dt

und

dx =u dt

(9.176)

in der x-t-Ebene nennt man Charakteristiken. Daher ist auch die Teilchenbahn eine Charakteristik. Die Differentialgleichungen, die l¨angs dieser Charakteristiken gelten, sind die Vertr¨aglichkeitsbedingungen. Als Anwendungsbeispiel betrachten wir die homentrope Str¨omung, f¨ ur die ∂s =0 ∂x

(9.177)

und wegen Ds/Dt = 0 auch ∂s =0 ∂t

(9.178)

gilt. Die Entropie ist also in der ganzen x-t-Ebene konstant, insbesondere auch auf den charakteristischen Linien. Die Gleichungen (9.175), die ja die Verteilung der Entropie regeln, entfallen nun. Aus (9.88) p = C γ , wobei C wegen der Konstanz der Entropie eine absolute Konstante ist, folgt dp = a2 = C γ γ−1 . d

(9.179)

Damit lassen sich die Vertr¨ aglichkeitsbedingungen (9.172) und (9.174) du ±

! 1 a d dp = du ± d = du ± γ C (γ−1)/2 =0 a  

(9.180)

unmittelbar integrieren: u+

! γC

2 2 (γ−1)/2 = u + a = 2r , γ−1 γ−1

(9.181)

u−

! γC

2 2 (γ−1)/2 = u − a = −2s , γ−1 γ−1

(9.182)

Die Integrationskonstante 2r ist auf der Charakteristik, die durch dx/dt = u + a beschrieben wird, konstant; −2s ist konstant l¨angs der Charakteristik dx/dt = u − a. Man nennt diese Integrationskonstanten Riemannsche Invarianten. Die hergeleiteten Gleichungen verwenden wir nun zur Berechnung der Str¨ omung in einem Rohr, das unendlich lang ist. Da das Rohr keine R¨ander besitzt, handelt es sich um ein reines Anfangswertproblem. Der Anfangszustand im Rohr zur Zeit t = 0 sei durch u(x, 0) und a(x, 0) gegeben (Abb. 9.27). Gesucht ist der Str¨ omungszustand zu einem sp¨ateren Zeitpunkt t0 an der Stelle x0 , in der x-t-Ebene als Punkt P0 = P (x0 , t0 ) gekennzeichnet (Abb. 9.28). L¨ angs der Charakteristiken sind die Gr¨oßen 2r und −2s konstant und durch die Anfangsbedingungen gegeben. Es muß also gelten:

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung

325

Abbildung 9.27. Anfangsverteilungen

Abbildung 9.28. Charakteristiken in der x-t-Ebene

2r = u(xA , 0) +

2 2 a(xA , 0) = u(x0 , t0 ) + a(x0 , t0 ) , γ−1 γ−1

−2s = u(xB , 0) −

2 2 a(xB , 0) = u(x0 , t0 ) − a(x0 , t0 ) . γ−1 γ−1

(9.183) (9.184)

Damit kennen wir aber u und a im Punkt P0 : u(x0 , t0 ) = r − s ,

(9.185)

γ−1 (r + s) . (9.186) 2 Die Charakteristiken, die durch den Punkt P0 laufen, und damit xA und xB sind aber bisher noch unbekannt. Wir bestimmen sie uns n¨aherungsweise: Wir legen auf der x-Achse eine Reihe von Punkten fest. An diesen Punkten kennen wir die Richtungen der Charakteristiken. Wir approximieren die Charakteristiken durch ihre Tangenten. In den Schnittpunkten der a(x0 , t0 ) =

326

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.29. Abh¨ angigkeits- und Einflußgebiet in der x-t-Ebene

Tangenten k¨ onnen wir die Werte von u und a nach obigem Schema berechnen. Damit kennen wir aber wieder die Richtungen der Charakteristiken in diesen Punkten und approximieren wieder. Dieses Verfahren muß solange fortgesetzt werden, bis der gesuchte Punkt P0 erreicht ist. Der Str¨omungszuangt nur von den Anfangsdaten im Intervall zwischen xA stand am Punkt P0 h¨ und xB ab. Man nennt dieses Intervall das Abh¨angigkeitsgebiet des Punktes P0 (Abb. 9.29). Andererseits wirken sich die Anfangsbedingungen an einem ankten Gebiet, dem Einflußgebiet Punkt PE ebenfalls nur in einem eingeschr¨ des Punktes PE , aus. Ein weiteres Beispiel in diesem Zusammenhang ist ein Anfangs-Randwertproblem: In einem unendlich langen Rohr befindet sich an der Stelle x = 0 ein Kolben, der zur Zeit t = 0 ruckartig auf die konstante Geschwindigkeit −|uK | gebracht wird. Vor Ingangsetzung des Kolbens soll der Zustand im Rohr durch u = 0, a = a4 gegeben sein. Die Anfangsbedingungen sind also u(x > 0, t = 0) = 0 ;

a(x > 0, t = 0) = a4

(9.187)

bzw. −|uK | ≤ u(x = 0, t = 0) ≤ 0 .

(9.188)

Die Anfangsbedingung (9.188) entsteht dadurch, daß das Gas bei der ruckartigen Ingangsetzung an der Stelle x = 0 zur Zeit t = 0 (also in unendlich kurzer Zeit) den gesamten Geschwindigkeitsbereich von der ungest¨orten Geschwindigkeit u = 0 bis zur Geschwindigkeit, die durch die kinematische Randbedingung u(x = xK , t) = −|uK |

(9.189)

am Kolben (Kolbenbahn xK = −|uK | t) vorgeschrieben wird, durchlaufen muß. Der Punkt Ps = P (0, 0) ist also ein singul¨arer Punkt in der x-t-Ebene. Zur L¨ osung des Problems stehen die charakteristischen Gleichungen

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung

dx =u±a dt

327

(9.190)

sowie die Gleichungen (9.185) und (9.186) zur Verf¨ ugung, die allgemein u=r−s

(9.191)

und a=

γ−1 (r + s) 2

(9.192)

lauten, wobei die Riemannschen Konstanten r und s durch (9.181) und (9.182) vorliegen. Wie vorher bestimmen wir deren Werte aus den Anfangsbedingungen. Zun¨ achst folgt aus (9.187) 2r =

2 a4 γ−1

und

− 2s = −

2 a4 , γ−1

(9.193)

dann ist wegen (9.191) u = 0 und wegen (9.192) a = a4 in einem L¨osungsbereich außerhalb des Einflußgebietes des singul¨aren Punktes Ps , wo ja die Anfangsbedingung (9.188) gilt. Aus dx = +a4 dt

folgt x = +a4 t + const

(9.194)

folgt x = −a4 t + const .

(9.195)

und aus dx = −a4 dt

Die Charakteristiken mit dem positiven Vorzeichen an a sind hier nach rechts geneigt, man nennt sie deshalb kurz auch rechtsl¨aufige Charakteristiken, obwohl sie im allgemeinen nat¨ urlich auch nach links geneigt sein k¨onnen und wir sie deshalb eindeutiger als C + -Charakteristiken bezeichnen wollen. Die Charakteristiken mit dem negativen Vorzeichen an a heißen linksl¨aufige oder C − -Charakteristiken. Die Integrationskonstanten werden durch den Abszissenwert x(t = 0) der Charakteristiken festgelegt. Das Einflußgebiet des singul¨ aren Punktes Ps wird nach rechts durch diejenige C + -Charakteristik durch Ps begrenzt, f¨ ur die gerade noch u = 0 gilt. Zwischen dieser Charakteristik x = a4 t und der x-Achse ist die Str¨omungsgeschwindigkeit u = 0 und die Schallgeschwindigkeit a = a4 . Physikalisch l¨aßt sich diese Charakteristik als eine Welle interpretieren, die dem ruhenden Gas im Rohr den ersten Effekt der Kolbenbewegung meldet. In kompressiblen Medien kann sich eine solche Meldung nur mit endlicher Geschwindigkeit, n¨ amlich mit der Schallgeschwindigkeit, fortpflanzen. Durch den singul¨aren uschel von rechtsl¨aufigen Charakteristiken, Punkt Ps geht aber ein ganzes B¨ deren Steigungen dx/dt = u + a alle Werte zwischen a4 und −|uK | + a3 annehmen. Diese Charakteristiken sind in Abb. 9.30 schon als gerade Linien

328

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.30. x-t-Diagramm des Kolbenproblems

eingezeichnet, weil anschließend gezeigt wird, daß sowohl u als auch a auf diesen C + -Charakteristiken konstant sind. Wir berechnen u am Punkt P1 der Abb. 9.30 und erhalten aus (9.191) mit (9.181) und (9.182)   1 2 u = u+ a 2 γ−1   1 2 − a4 , (9.196) 2 γ−1 wobei −2s durch die Anfangsbedingung (9.187) festgelegt ist, und 2r aus der Anfangsbedingung (9.188) folgt. Berechnet man nun die Geschwindigkeit u am Punkt P1 auf derselben C + -Charakteristik, so wird man auf genau dieselbe Gleichung gef¨ uhrt, weil der Wert der Riemannschen Invarianten 2r auf derselben Charakteristik derselbe ist und der Wert von −2s auf allen C − Charakteristiken ebenfalls derselbe ist, da sie aus einem Gebiet homogener Str¨ omungsverh¨ altnisse kommen. F¨ ur die Schallgeschwindigkeit a am Punkt P1 folgt aus (9.192)      γ−1 1 2 1 2 a= u+ a + a4 , (9.197) 2 2 γ−1 2 γ−1 und man zeigt genau wie vorher, daß a am Punkt P1 denselben Wert wie am Punkt P1 annimmt. Folglich sind u und a auf rechtsl¨aufigen Charakteristiken

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung

329

konstant, und die Gleichung der Charakteristiken durch den Ursprung Ps lautet x = (u + a) t ,

−|uK | ≤ u ≤ 0 .

(9.198)

Wir setzen diese Gleichung in (9.196) ein, l¨ osen nach u auf und gewinnen so die explizite Darstellung von u als Funktion von x und t: * 2 )x u= − a4 . (9.199) γ+1 t Mit dem so erhaltenen u gehen wir in (9.198) und erhalten a=

γ−1 x 2 + a4 . γ+1 t γ +1

(9.200)

Genau die gleichen Ergebnisse h¨ atte man auch unter Benutzung von (9.197) erhalten. Die letzte zum Charakteristikenf¨ acher“ geh¨orige Charakteristik ” erh¨ alt man aus (9.198), wenn man dort u = −|uK | setzt. Die auf dieser Charakteristik angetroffene Schallgeschwindigkeit nennen wir a3 und berechnen sie aus (9.200) durch Einsetzen von x = (−|uK | + a3 )t: a3 = −

γ−1 |uK | + a4 . 2

(9.201)

Zur Berechnung der Schallgeschwindigkeit am Kolben (Punkt P2 ) k¨onnen wir Gleichung (9.197) verwenden, wenn wir dort u = −|uK | und a = aK setzen: aK = −

γ−1 |uK | + a4 , 2

(9.202)

und der Vergleich mit (9.201) zeigt aK = a3 .

(9.203)

Da dasselbe Ergebnis f¨ ur jeden Punkt P2 auf der Kolbenbahn erhalten wird, schließen wir, daß im Gebiet zwischen der Kolbenbahn xK = −|uK | t und der letzten C + -Charakteristik x = (−|uK | + a3 )t die Schallgeschwindigkeit a = a3 und die Geschwindigkeit u = −|uK | herrschen. Wir unterscheiden also drei L¨ osungsgebiete: Das Gebiet (4) zwischen der positiven x-Achse und der Anfangscharakteristik x = a4 t des F¨achers. Dort ist die Str¨ omungsgeschwindigkeit u = 0 und die Schallgeschwindigkeit a4 . Alle Charakteristiken in diesem Gebiet sind parallele Linien. Daran schließt sich das L¨ osungsgebiet zwischen der Anfangscharakteristik x = a4 t und der Endcharakteristik x = (−|uK | + a3 )t an, in dem u und a durch (9.199) und (9.200) gegeben sind. Dieses Gebiet stellt die sogenannte Verd¨ unnungs- oder Expansionswelle dar, die sich in positiver x-Richtung bewegend verbreitert. Die C + -Charakteristiken sind dort gerade, f¨ acherf¨ormig ausgebreitete Linien. Die C − -Charakteristiken sind in diesem Gebiet keine geraden Linien mehr.

330

9 Stromfadentheorie

In naheliegender Weise nennt man dieses Gebiet Expansionsf¨acher . Daran anschließend folgt das Gebiet (3) zwischen Endcharakteristik und Kolbenbahn, in dem alle Charakteristiken wieder gerade Linien sind. Die Str¨ omung ist homentrop, d. h. (9.88) oder  γ p  = (9.204) p4 4 ist u ultig. Daher gilt auch ¨berall g¨ p3 = p4



T3 T4

γ/(γ−1)

 =

a3 a4

2γ/(γ−1) =

 2γ/(γ−1) γ − 1 |uK | 1− . 2 a4 (9.205)

Am Kolbenboden wird Vakuum erzeugt, wenn |uK | =

2 a4 γ−1

(9.206)

ist. Da uK gleich der Gasgeschwindigkeit am Kolbenboden ist, stellt (9.206) die maximal erreichbare Geschwindigkeit bei instation¨arer Expansion eines kalorisch idealen Gases dar. Sie ist erheblich gr¨oßer als die maximale Geschwindigkeit in station¨ arer Str¨ omung (vgl. (9.96)). Das Ergebnis (9.206) steht nat¨ urlich nicht im Widerspruch zur Energiegleichung! Wird der Kolben noch schneller bewegt, so bildet sich zwischen Kolben und Gas ein wachsendes Gebiet, in dem Vakuum herrscht. Ebenso wie in (9.205) erh¨ alt man f¨ ur den Druckverlauf im Expansionsf¨ acher  2γ/(γ−1) p γ−1 u = 1+ (9.207) p4 2 a4 oder explizit in x und t p = p4



γ−1 x 2 + γ + 1 a4 t γ + 1

2γ/(γ−1) .

(9.208)

Der Dichteverlauf im Expansionsf¨ acher berechnet sich nach  = 4



p p4

1/γ .

(9.209)

In Abb. 9.31 sind die Verl¨ aufe f¨ ur u und p bei festem t eingezeichnet. Aus der Abbildung ist ersichtlich, daß die Str¨ omungsgr¨oßen Unstetigkeiten in den Ableitungen haben k¨ onnen. Dies ist ein Merkmal der L¨osung hyperbolischer Gleichungen. (Unstetigkeiten in den Ableitungen pflanzen sich ebenfalls auf

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung

331

Abbildung 9.31. Geschwindigkeits- und Druckverlauf innerhalb eines Expansionsf¨ achers

charakteristischen Linien fort.) Wir geben der Vollst¨andigkeit halber noch die Teilchenbahn im Expansionsf¨ acher

x=−

2 γ+1 a4 t + a 4 t0 γ−1 γ−1



t t0

2/(γ+1) (9.210)

an, die als L¨ osung der linearen Differentialgleichung * dx 2 )x =u= − a4 dt γ+1 t

(9.211)

nach bekannten Methoden mit der Anfangsbedingung x(t0 ) = a4 t0 gewonnen wird. Die Gleichung der C − -Charakteristik ergibt sich als L¨osung der Differentialgleichung dx 3−γ x 4 =u−a= − a4 dt γ +1 t γ+1

(9.212)

zu 2 γ+1 x=− a4 t + a 4 t0 γ−1 γ−1



t t0

(3−γ)/(γ+1) .

(9.213)

Die besprochene L¨ osung des Anfangs-Randwertproblems ist eine der ganz wenigen exakten und geschlossenen L¨ osungen des nichtlinearen Systems

332

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.32. Kolben mit endlicher Beschleunigung (Expansion)

(9.167), (9.169) und (4.48). Im Grunde genommen ist dies auf die Tatsache zur¨ uckzuf¨ uhren, daß in das Problem keine ausgezeichneten L¨angen eingehen. Da ebenfalls keine ausgezeichneten Zeiten auftreten, k¨onnen die unabh¨angig Ver¨ anderlichen auch nur in der Kombination x/t auftreten. Das Problem ¨ h¨angt also nur von einer unabh¨ angigen Ahnlichkeitsvariablen x/t ab. Wird der Kolben mit einer endlichen Beschleunigung bK (t) nach links bewegt (Abb. 9.32), so gilt weiterhin, daß Gasgeschwindigkeit u und Schallgeschwindigkeit a entlang jeder C + -Charakteristik konstant sind. Die Aufgabe lautet dann, f¨ ur einen betrachteten Punkt P (x, t) den Schnittpunkt P ∗ (x∗ , t∗ ) der rechtsl¨ aufigen Charakteristik mit der Kolbenbahn zu berechnen. Mit t∗ = t∗ (x, t) ergibt sich die gesuchte Geschwindigkeit zu u(x, t) = −|uK (t∗ )| und die Schallgeschwindigkeit zu a(x, t) = aK (|uK (t∗ )|) gem¨aß (9.202). Ist die Kolbenbeschleunigung bK konstant, so l¨ aßt sich eine explizite L¨osung angeben: ⎡ u(x, t) = − ⎣

a4 γ+1 + bK t − γ 2γ

' 

a4 γ+1 + bK t γ 2γ



2 −

2bK (a4 t − x) ⎦ , γ (9.214)

γ−1 u(x, t) , (9.215) 2 die f¨ ur x ≤ a4 t g¨ ultig ist. Rechts von der ersten C + -Charakteristik, also f¨ ur x > a4 t, ist wieder u = 0 und a = a4 . Bewegt man den Kolben mit endlicher Beschleunigung in die positive xRichtung, so entstehen Kompressionswellen, die genau denselben Gleichungen gen¨ ugen wie die Expansionswellen. Allerdings k¨onnen sich jetzt die Charakteristiken derselben Familie (C + ) schneiden. Im Schnittpunkt der Charakteristiken ist aber die L¨ osung nicht mehr eindeutig, da ja l¨angs der sich schneidenden Charakteristiken verschiedene Werte der Riemannschen Invarianten r gelten. Da z. B. die Geschwindigkeit u = r − s ist, ergeben sich an ein und demselben Punkt verschiedene Geschwindigkeiten, was nat¨ urlich physikalisch unm¨oglich ist. Die zusammenlaufenden Charakteristiken bilden eine Enveloppe, und innerhalb des von der Enveloppe eingeschlossenen Gea(x, t) = a4 +

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung

333

Abbildung 9.33. Kolben mit endlicher Beschleunigung (Kompression)

bietes ist die L¨ osung nicht mehr eindeutig. Man beobachtet, daß in solchen F¨allen ein Verdichtungsstoß auftritt (Abb. 9.33). Der Stoß beginnt an der von der Enveloppe gebildeten Spitze P , d. h. an der Stelle, an der die L¨ osung aufh¨ ort, eindeutig zu sein. Das Erscheinen des Stoßes ist physikalisch zu erwarten, denn das Zusammendr¨angen der Charakteristiken (bevor sie sich kreuzen) bedeutet doch nur, daß sich die ¨ Str¨ omungsgr¨ oßen in diesem Gebiet stark a ¨ndern, und auch, daß die Anderungen der Geschwindigkeit und der Temperatur in x-Richtung so groß werden, daß Reibung und W¨ armeleitung nicht mehr zu vernachl¨assigen sind. Die Gleichung der Enveloppe l¨ aßt sich unter bestimmten Voraussetzungen (d. h. f¨ ur bestimmte Kolbenbahnen) geschlossen angeben. Man kann aber den Anfangspunkt der Enveloppe (und damit die Stelle xP im Rohr, an der der Verdichtungsstoß zum Zeitpunkt tP entsteht) allgemein bestimmen, wenn die Beschleunigung des Kolbens zu keiner Zeit gr¨oßer ist als die Anfangsbeschleunigung. Es gen¨ ugt dann, einen konstant beschleunigten Kolben zu betrachten. Unter dieser Voraussetzung erh¨ alt man das Geschwindigkeitsfeld sofort aus (9.214), wenn man dort bK durch −bK ersetzt, ' u(x, t) =

a4 γ +1 − bK t γ 2γ

2 +

2bK (a4 t − x) − γ



a4 γ+1 − bK t γ 2γ



(9.216) und bestimmt damit ∂u/∂x zu

334

9 Stromfadentheorie

Abbildung 9.34. Ruckartiges Ingangsetzen des Kolbens

∂u =− ∂x



a4 γ+1 − bK t γ 2γ

2

−1/2 2bK bK + (a4 t − x) . γ γ

(9.217)

Da am Anfangspunkt der Enveloppe ∂u/∂x gegen unendlich strebt, folgt dieser Punkt aus Nullsetzen des Klammerausdrucks in (9.217). Wegen x ≤ a4 t verschwindet die Klammer nur f¨ ur xP = a4 tP ,

(9.218)

d. h. der gesuchte Punkt liegt auf der Anfangscharakteristik. Außerdem muß gelten: a4 γ+1 = b K tP , γ 2γ

(9.219)

woraus wir die t-Koordinate zu tP =

2 a4 γ + 1 bK

(9.220)

bestimmen. F¨ ur bK (0) → ∞ liegt der Anfangspunkt im Ursprung. Bei ruckartigem Ingangsetzen des Kolbens auf konstante Endgeschwindigkeit liegt daher der Entstehungspunkt des Stoßes im Ursprung der x-t-Ebene (Abb. 9.34). Es bildet sich sofort ein Stoß aus, der mit einer konstanten Geschwindigkeit vor dem Kolben herl¨ auft. Bei der Anwendung der Gleichungen (9.172) und (9.174) auf tropfbare Fl¨ ussigkeiten ist oft die Geschwindigkeit u sehr viel kleiner als die Schallgeschwindigkeit a. Dann weichen in der Str¨ omung die Dichte und die Schallgeschwindigkeit nur sehr wenig von den ungest¨ orten Werten a4 und 4 ab, so daß man statt (9.172) und (9.174) schreiben kann: du +

1 dp = 0 f¨ ur 4 a4

C + : x = +a4 t + const

(9.221)

1 dp = 0 f¨ ur 4 a4

C − : x = −a4 t + const .

(9.222)

und du −

9.3 Instation¨ are kompressible Str¨ omung

335

Die Charakteristiken sind nunmehr gerade Linien im x-t-Diagramm. Diese Gleichungen sind der Ausgangspunkt f¨ ur numerische Berechnungen von Druckwellen in hydraulischen Leitungen (Wasserkraftwerksanlagen, Einspritzsysteme, Speisewasserleitungen usw.), wie sie entstehen k¨onnen, wenn ¨ Ventile rasch ge¨ offnet bzw. geschlossen werden. Trotz kleiner Anderungen in der Geschwindigkeit k¨ onnen dabei wegen der relativ hohen Werte der Schallgeschwindigkeiten in tropfbaren Fl¨ ussigkeiten so hohe Dr¨ ucke entstehen, daß die Festigkeit der Rohre gef¨ ahrdet wird. Bei raschem Schließen kann der Druck stromabw¨ arts unter den Dampfdruck absinken, so daß die Fl¨ ussigkeit kavitiert. Beim Wiederauff¨ ullen des Hohlraums kommt es dann wieder zu sehr hohen Dr¨ ucken. Bei einer durch Schließen eines Regelorgans verursachten Geschwindigkeits¨ anderung von beispielsweise ∆u = 2m/s pflanzt sich mit der Schallgeschwindigkeit a4 = 1400m/s (Wasser) eine Druckwelle mit ∆p = 2m/s ∗ 1400m/s ∗ 1000kg/m3 = 28bar stromaufw¨ arts fort. Die effektive Schallgeschwindigkeit ist aber oft kleiner, einmal weil die elastische Nachgiebigkeit der Rohrwand die Ausbreitungsgeschwindigkeit erniedrigt, und zum anderen weil sich oft kleine Luftblasen in der Fl¨ ussigkeit befinden, die ebenfalls die Schallgeschwindigkeit erniedrigen.

10 Potentialstro ¨mungen

Wie die Diskussion der Abschnitte 4.1 und 4.3 bereits gezeigt hat, stellen feste W¨ ande und Unstetigkeiten in der Tangentialgeschwindigkeit Fl¨achen dar, von denen aus die Winkelgeschwindigkeit ω  = rotu/2 ins Str¨omungsfeld diffundiert. Da die Querabmessungen der entstehenden Gebiete (Grenzschichten) im Grenzfall Re → ∞ gegen null gehen, kann die Str¨omung im Rahmen der Potentialtheorie behandelt werden. Wegen der kinematischen Einschr¨ ankung der Rotationsfreiheit ist dann aber meist nur noch die kinematische Randbedingung, nicht aber die Haftbedingung erf¨ ullbar. Potentialstr¨ omungen k¨ onnen daher, obwohl sie im inkompressiblen Falle exakte L¨ osungen der Navier-Stokesschen Gleichungen sind, in der Regel nur das Str¨ omungsfeld einer reibungsfreien Fl¨ ussigkeit beschreiben (mit Ausnahmen, z. B. des Potentialwirbels f¨ ur den rotierenden Zylinder). Die Ergebnisse einer Rechnung f¨ ur reibungsfreie Fl¨ ussigkeit k¨ onnen aber auf reale Str¨omungen u omung nicht abl¨ost. Bei Abl¨osung sind die ¨bertragen werden, wenn die Str¨ Grenzen des Abl¨osungsgebietes im allgemeinen nicht bekannt. In den F¨allen mit bekannter oder vern¨ unftig absch¨ atzbarer Form dieser Grenzen kann eine Theorie auf Basis reibungsfreier Str¨ omung ebenfalls zum Ziel f¨ uhren. Neben der Vernachl¨ assigung der Reibung sind die großen Vereinfachungen der Theorie der Potentialstr¨ omungen auf die Einf¨ uhrung eines Geschwindigkeitspotentials und die Verwendung der Bernoullischen Gleichung (mit einer u omungsfeld gleichen Bernoullischen Konstanten) zur¨ uck¨ berall im Str¨ zuf¨ uhren. Die Potentialstr¨ omung wird folglich durch die Kontinuit¨atsgleichung (2.3) und die Bernoullische Gleichung (4.73) beschrieben. Wir f¨ uhren das Geschwindigkeitspotential gem¨ aß (1.50) ui =

∂Φ ∂xi

in die Kontinuit¨ atsgleichung ein und benutzen die schon in der Bernoullischen Gleichung steckende Annahme der Barotropie explizit dP =

1 dp , 

(10.1)

oder wegen der f¨ ur homentrope Str¨ omungen g¨ ultigen Beziehung (9.179) dp = a2 d

(10.2)

338

10 Potentialstr¨ omungen

auch dP =

a2 d , 

(10.3)

mit der wir ∂/∂t und ∂/∂xi in der Kontinuit¨atsgleichung durch  a−2 ∂P/∂t und  a−2 ∂P/∂xi ausdr¨ ucken. Wir gewinnen so (2.3a) in der Form a−2

∂P ∂Φ ∂P ∂2Φ + a−2 + =0, ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi

(10.4)

die zusammen mit der Bernoullischen Gleichung (4.73) ∂Φ 1 ∂Φ ∂Φ + + P + ψ = C(t) ∂t 2 ∂xi ∂xi zwei gekoppelte Gleichungen f¨ ur die zwei Unbekannten P und Φ ergeben. In den Anwendungen der Potentialtheorie auf kompressible Str¨omungen kann man ψ in der Regel vernachl¨ assigen. Es ist aber selten n¨otig, diese allgemeinen Gleichungen zu l¨ osen, die wegen der Nichtlinearit¨at fast immer numerische L¨ osungsverfahren notwendig machen.

10.1 Eindimensionale Schallausbreitung Wir betrachten zun¨ achst den Fall, daß ui = ∂Φ/∂xi und ∂P/∂xi so klein sind, daß alle nichtlinearen Glieder vernachl¨ assigt werden k¨onnen und  und a n¨ aherungsweise durch die ungest¨ orten Gr¨ oßen 0 und a0 ersetzt werden k¨onnen. Im Ordnungsschema des Abschnitts 4.4 tritt hier neben die Vereinfachungen des Typs a) im Materialgesetz (Reibungsfreiheit) und des Typs c) in der Kinematik (Potentialstr¨ omung) noch eine Vereinfachung des Typs b) in der Dynamik (Vernachl¨ assigung der konvektiven Glieder). Trotz dieser Vereinfachungen handelt es sich, wie aus der Ableitung der Gleichungen ersichtlich ist, weiter um kompressible Str¨ omungen (D/Dt = 0!). Unter diesen Annahmen lautet die Kontinuit¨ atsgleichung ∂P ∂2Φ + a20 =0, ∂t ∂xi ∂xi

(10.5)

w¨ahrend die Bernoullische Gleichung die Form ∂Φ +P =0 ∂t

(10.6)

annimmt, wobei die Konstante ins Potential gezogen wurde. (10.6) entspricht der linearisierten Form der Eulerschen Gleichung ∂ui /∂t = −∂p/∂xi . Differenziert man (10.6) nach t und subtrahiert (10.5), ergibt sich

10.1 Eindimensionale Schallausbreitung 2 ∂2Φ 2 ∂ Φ − a =0. 0 ∂t2 ∂xi ∂xi

339

(10.7)

Dies ist die Wellengleichung; sie stellt den wichtigsten Spezialfall einer hyperbolischen partiellen Differentialgleichung dar. In (10.7) beschreibt sie das Geschwindigkeitspotential Φ des Schalles, in der Elektrodynamik die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen und in der Schwingungslehre die Transversalschwingungen von Saiten und Membranen oder die Longitudinalschwingungen in elastischen K¨ orpern. F¨ ur die eindimensionale Schallausbreitung, beispielsweise in Rohren, erhalten wir (10.7) in der Form 2 ∂2Φ 2∂ Φ = a , 0 ∂t2 ∂x2

(10.8)

deren allgemeine L¨ osung als d’Alembertsche L¨osung bekannt ist: Φ = h(x − a0 t) + g(x + a0 t) .

(10.9)

Durch Einsetzen verifiziert man diese L¨ osung unmittelbar. Die unbekannten Funktionen h und g werden durch die Anfangs- und Randbedingungen eines speziellen Problems festgelegt. Aus (10.9) gewinnen wir die Geschwindigkeit u zu u=

∂Φ = h (x − a0 t) + g  (x + a0 t) , ∂x

(10.10)

wobei die Striche die Ableitungen der Funktionen nach dem jeweiligen Argument kennzeichnen. Aus (10.6) erhalten wir dann die Druckfunktion zu P =−

∂Φ = a0 h (x − a0 t) − a0 g  (x + a0 t) . ∂t

(10.11)

F¨ ur x = a0 t + const, also l¨ angs der in Kapitel 9 eingef¨ uhrten C + - Charakteristiken, liefert (10.10) u = g  (x + a0 t) + const

(10.12)

und (10.11) P = −a0 g  (x + a0 t) + const .

(10.13)

Im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen ersetzen wir in (10.1)  durch 0 und erhalten aus dem Vergleich von (10.12) und (10.13) dp + 0 a0 du = 0 l¨ angs x = a0 t + const .

(10.14)

Auf dieselbe Weise entsteht angs x = −a0 t + const . dp − 0 a0 du = 0 l¨

(10.15)

340

10 Potentialstr¨ omungen

Dies sind wieder die bereits bekannten Gleichungen (9.221) und (9.222). In Kapitel 9 behandelten wir die nichtlineare Wellenausbreitung, aber die Annahmen, die auf die Gleichungen (9.221) und (9.222) f¨ uhrten, haben das allgemeine Problem der nichtlinearen Wellen auf das Problem der Akustik reduziert. Wir erkennen, daß die d’Alembertsche L¨osung eine spezielle Anwendung der in Kapitel 9 beschriebenen Theorie der Charakteristiken ist. Wir betrachten zun¨ achst die Anwendung der d’Alembertschen L¨osung auf das Anfangswertproblem, bei dem die Verteilungen von u und P = (p−p0)/0 zur Zeit t = 0 gegeben sind: u(x, 0) = uA (x) ,

P (x, 0) = PA (x) .

(10.16)

Aus (10.10) folgt damit uA (x) = h (x) + g  (x)

(10.17)

und aus (10.11) PA (x) = a0 h (x) − a0 g  (x) .

(10.18)

Hiermit dr¨ ucken wir die unbekannten Funktionen h (x) und g  (x) durch die Anfangsverteilungen aus: h (x) =

1 [uA (x) + a−1 0 PA (x)] , 2

(10.19)

1 [uA (x) − a−1 (10.20) 0 PA (x)] . 2 Die nunmehr bekannten Funktionen setzen wir z. B. in die Formel f¨ ur die Geschwindigkeit (10.10) ein: g  (x) =

u(x, t) =

1 1 [uA (x − a0 t) + uA (x + a0 t)] + a−1 [PA (x − a0 t) − PA (x + a0 t)] . 2 2 0 (10.21)

Der Einfachheit halber sei wir die Anfangsbedingung ⎧ ⎪ ⎨0 u(x, 0) = uA (x) = 1 ⎪ ⎩ 0

f¨ ur das folgende Beispiel PA (x) ≡ 0. An u stellen f¨ ur x > b f¨ ur |x| ≤ b , f¨ ur x < −b

(10.22)

und erkennen, daß sich die anf¨ angliche Rechteckverteilung (10.22) in zwei Rechteckwellen der halben Anfangsamplitude aufl¨ost, von denen sich die eine nach rechts und die andere nach links bewegt. Aus u(x, t) =

1 1 uA (x − a0 t) + uA (x + a0 t) 2 2

(10.23)

10.1 Eindimensionale Schallausbreitung

341

Abbildung 10.1. Ausbreitung einer rechteckigen St¨ orung

wird f¨ ur t = 0 gerade die Anfangsverteilung uA (x) =

1 1 uA (x) + uA (x) 2 2

(10.24)

erzeugt. F¨ ur t = t1 erh¨ alt man f¨ ur die erste Welle 1/2uA(x − a0 t1 ), also dieselbe Rechteckfunktion, lediglich um die Strecke a0 t1 nach rechts versetzt. F¨ ur die zweite Welle ergibt sich 1/2uA(x + a0 t1 ), d. h. wieder dasselbe Rechteck, nun aber um die Strecke −a0 t1 (also nach links) versetzt, wie dies in Abb. 10.1 deutlich wird. L¨ angs der Charakteristiken x = a0 t + const bzw. x = −a0 t + const bleibt der Wert der Amplituden jeweils erhalten. Wir betrachten nun das Anfangs-Randwertproblem, bei dem an der Stelle x = 0 eine feste Wand ist, die kinematische Randbedingung also dort das Verschwinden der Geschwindigkeit u verlangt. Die Anfangsbedingung uA sei die in Abb. 10.2a dargestellte Funktion, w¨ ahrend wir wieder PA ≡ 0 setzen. Wir suchen eine L¨ osung im einseitig unendlich langen Rohr (x ≥ 0) mit der Anfangsbedingung u(x, 0) = uA (x) ,

x≥0

(10.25)

und der Randbedingung u(0, t) = 0 ,

t≥0.

(10.26)

Dieses Anfangs-Randwertproblem ist ¨ aquivalent zu dem reinen Anfangswertproblem des beidseitig unendlich langen Rohres mit der in Abb. 10.2b gezeigten Anfangsverteilung

342

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.2. Anfangsverteilung a) des Anfangs-Randwertproblems, b) des aquivalenten Anfangswertproblems ¨

" u(x, 0) =

+uA (+x) f¨ urx ≥ 0 . −uA (−x) f¨ urx < 0

(10.27)

Mit (10.21) lautet die L¨ osung f¨ ur u u(x, t) =

1 [uA (x − a0 t) + uA (x + a0 t)] . 2

(10.28)

F¨ ur x ≥ a0 t ist das Argument x − a0 t ≥ 0, und mit (10.27) schreiben wir u(x, t) =

1 [uA (x − a0 t) + uA (x + a0 t)] , 2

x ≥ a0 t .

(10.29)

F¨ ur x < a0 t ist das Argument x − a0 t < 0, und wir erhalten dann aus (10.28) und (10.27) u(x, t) =

1 [−uA (−x + a0 t) + uA (x + a0 t)] , 2

x < a0 t .

(10.30)

Wegen der in (10.27) angegebenen Eigenschaften der Funktion uA erf¨ ullt u(x, t) die Anfangsbedingung (10.25) und die Randbedingung (10.26), so daß (10.29) zusammen mit (10.30) die L¨ osung des Anfangs-Randwertproblems darstellt. Es ist aber anschaulicher, sich die graphische L¨osung des ¨aquivalenten Anfangswertproblems vor Augen zu f¨ uhren. Die in Abb. 10.2b gezeigte Anfangsverteilung wird wieder in zwei Wellen aufgel¨ost, von denen sich die eine nach rechts, die andere nach links jeweils mit der Geschwindigkeit a0 bewegt. An der Stelle x = 0 heben sich die u ¨ berlagerten Wellen gerade auf, so daß die Randbedingung u(0, t) = 0 immer erf¨ ullt ist. Die graphische L¨osung

10.1 Eindimensionale Schallausbreitung

343

Abbildung 10.3. Ausbreitung einer Welle im einseitig unendlichen Rohr

ist in Abb. 10.3 dargestellt. Physikalische Bedeutung hat nur die L¨osung f¨ ur x ≥ 0. Neben der d’Alembertschen L¨ osung bietet sich f¨ ur die lineare Wellengleichung (10.8) auch die Methode der Separation an. Wir gehen dazu gleich von der Differentialgleichung f¨ ur die Geschwindigkeit u aus, die ebenfalls der Wellengleichung ∂2u ∂2u = a20 2 2 ∂t ∂x

(10.31)

gen¨ ugt. Jetzt behandeln wir das Problem, bei dem an den Stellen x = 0 und x = l eine feste Wand ist, die Randbedingungen also u(0, t) = u(l, t) = 0

(10.32)

lauten. Die Anfangsbedingungen sind u(x, 0) = uA (x) .

(10.33)

und wieder P (x, 0) = PA (x) = 0 . Aus (10.34) gewinnen wir eine zweite Anfangsbedingung f¨ ur u:  ∂u  =0, ∂t t=0

(10.34)

(10.35)

344

10 Potentialstr¨ omungen

als Folge der zu (10.6) a ¨quivalenten linearisierten Eulerschen Gleichung ∂u/∂t = −∂p/∂x. Der Separationsansatz u(x, t) = T (t)X(x)

(10.36)

f¨ uhrt auf T  X  = a2o = const = −ω 2 , T X

(10.37)

mit den L¨ osungen T = C1 cos(ωt) + C2 sin(ωt) ,     ωx ωx X = C3 cos + C4 sin . a0 a0

(10.38a) (10.38b)

Die Anfangsbedingung (10.35) erfordert C2 = 0; C3 verschwindet wegen der Randbedingung u(0, t) = 0, so daß wir f¨ ur die Geschwindigkeit   ωx u(x, t) = A cos(ωt) sin , (10.39) a0 (A = C1 C4 ) erhalten. F¨ ur ω k = k a0

π , l

k = 1, 2, 3, . . .

(10.40)

gen¨ ugt (10.39) aber auch der Randbedingung u(l, t) = 0. Die ωk sind die Eigenfrequenzen der Fl¨ ussigkeitss¨ aule im Rohr der L¨ange l. (Hierzu sei folgendes bemerkt: Wenn eine dieser Eigenfrequenzen ωk in der N¨ahe der Eigenfrequenz eines mechanischen Bauelements (etwa eines Abschlußventils) liegt, welches mit der Fl¨ ussigkeit in Verbindung steht, so kann es zu selbsterregten Schwingungen kommen.) Mit (10.40) erhalten wir die L¨ osungen     k π a0 t kπx uk = Ak cos sin , (10.41) l l deren Summe wegen der Linearit¨ at von (10.31) wieder eine L¨osung ist. Die allgemeine L¨ osung lautet also     ∞  k π a0 t kπx u= Ak cos sin . (10.42) l l k=1

Die Anfangsbedingung (10.33) f¨ uhrt auf die Gleichung u(x, 0) = uA (x) =

∞  k=1

  kπx Ak sin , l

0≤x≤l,

(10.43)

10.2 Station¨ are kompressible Potentialstr¨ omung

345

die eine Vorschrift ist, die Anfangsverteilung uA (x) in eine Sinusreihe zu entwickeln, deren Koeffizienten aus 2 Ak = l

l



kπx uA (x) sin l

 dx

(10.44)

0

zu bestimmen sind. Damit ist das Geschwindigkeitsfeld bekannt. Das Druckfeld berechnen wir aus (10.5)     ∞  ∂P ∂ 2Φ ∂u kπ k π a0 t kπx = −a20 2 = −a20 = −a20 Ak cos cos ∂t ∂x ∂x l l l k=1

(10.45) zu P = −a0

∞  k=1

    k π a0 t kπx Ak sin cos , l l

(10.46)

wobei sich die auftretende Integrationskonstante wegen der Anfangsbedingung (10.34) zu null ergibt.

10.2 Station¨ are kompressible Potentialstr¨ omung Als weiteren Fall kompressibler Potentialstr¨ omungen, der aus Vereinfachungen der allgemeinen Gleichungen (10.4) und (4.73) hervorgeht, besprechen wir die station¨ are Str¨ omung. Aus der Kontinuit¨atsgleichung (10.4) entsteht dann a−2

∂Φ ∂P ∂2Φ + =0 ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi

(10.47)

und aus der Bernoulli-Gleichung (4.73) bei Vernachl¨assigung von Volumenkr¨aften 1 ∂Φ ∂Φ +P =C . 2 ∂xj ∂xj

(10.48)

Mit Hilfe von (10.48) eliminieren wir P aus (10.47) und bringen die resultierende Gleichung in die Form   1 ∂Φ ∂Φ ∂ 2Φ −2 ∂Φ ∂ a = , (10.49) ∂xi ∂xi 2 ∂xj ∂xj ∂xi ∂xi aus der nach Anwendung der Produktregel eine nichtlineare partielle Differentialgleichung f¨ ur das Geschwindigkeitspotential Φ folgt:

346

10 Potentialstr¨ omungen

a−2

∂Φ ∂Φ ∂ 2 Φ ∂2Φ = . ∂xi ∂xj ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi

(10.50)

Diese Gleichung gilt uneingeschr¨ ankt f¨ ur station¨are subsonische (M < 1), transsonische (M ≈ 1) und supersonische Str¨omungen (M > 1). Die station¨ are, homenergetische Hyperschallstr¨ omung (M 1) ist nach dem Croccoschen Satz (4.157) im allgemeinen keine Potentialstr¨omung, so daß (10.50) dort nicht zur Anwendung kommt. Die Gleichung (10.50) ist der Ausgangspunkt der klassischen Aerodynamik . Die analytischen Verfahren zur L¨ osung von (10.50) nutzen Vereinfachungen aus, die sich aus dem Mach-Zahl-Bereich und/oder aus Linearisie” rungen“ ergeben. Ein Beispiel hierf¨ ur ist das Umstr¨omungsproblem bei schlanken K¨ orpern. In der Praxis setzen sich aber immer mehr allgemeine numerische Verfahren durch. Mit dem berechneten Potential Φ ist dann auch das Geschwindigkeitsfeld bekannt: u = ∇Φ. Aus der Bernoullischen Gleichung (10.48) folgt dann die Druckfunktion P , hieraus der Druck und schließlich die Dichte. F¨ ur kalorisch perfektes Gas kann aus (9.90) der Druck p = p0



γ − 1 0 P γ p0

γ/(γ−1) (10.51)

und mit (9.88) die Dichte  = 0



γ − 1 0 P γ p0

1/(γ−1) (10.52)

berechnet werden.

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung Die Vereinfachungen, die sich aus der Annahme der Inkompressibilit¨at ergeben, sind schon mehrfach dargelegt worden: Man kann die Volumenbest¨ andigkeit als besondere Form der Materialgleichung (D/Dt = 0) oder als kinematische Einschr¨ ankung (divu = 0) sehen. Neben diese kinematische Einschr¨ ankung der Divergenzfreiheit tritt bei inkompressiblen Potentialstr¨ omungen zus¨ atzlich die Rotationsfreiheit (rotu = 0). Aus (2.5) ∂ui =0 ∂xi folgt dann mit (1.50) ui =

∂Φ ∂xi

die bereits bekannte lineare Potentialgleichung (Laplacesche Gleichung)

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

∂2Φ =0. ∂xi ∂xi

347

(10.53)

Die Laplacesche Gleichung ist die wichtigste Form einer partiellen Differentialgleichung vom elliptischen Typ, die hier als Differentialgleichung f¨ ur das Geschwindigkeitspotential einer volumenbest¨andigen Fl¨ ussigkeitsbewegung in Erscheinung tritt. (Wie bereits erw¨ ahnt, ist die Laplacesche Gleichung zusammen mit der Poissonschen Gleichung Gegenstand der Potentialtheorie. Sie tritt in vielen Zweigen der Physik auf und beschreibt beispielsweise das Gravitationspotential, aus dem wir die Massenkraft der Schwere k = −∇ψ berechnen k¨ onnen. In der Elektrostatik bestimmt sie das Potential des elektrischen, in der Magnetostatik das des magnetischen Vektorfeldes. Auch die Temperaturverteilung in einem Festk¨ orper bei station¨arer W¨armeleitung gehorcht dieser Differentialgleichung.) Entsprechend ihrer Herleitung gilt (10.53) sowohl f¨ ur station¨are als auch f¨ ur instation¨ are Str¨ omungen. Die Instationarit¨at der inkompressiblen Potentialstr¨ omung findet in der Bernoullischen Gleichung (4.61) bzw. (4.73) Ausdruck, in der jetzt P = p/ gilt. Wir gewinnen die Laplacesche Gleichung (10.53) auch aus der Potentialgleichung (10.50) oder direkt aus (10.4), wenn wir dort den Grenz¨ ubergang a2 → ∞ ausf¨ uhren. Dieser Grenz¨ ubergang entspricht in der Tat D/Dt = 0, denn aus dp/d = a2 folgt D Dp = a−2 →0. Dt Dt

(10.54)

Die Behandlung der inkompressiblen Str¨ omung ersch¨opft sich allerdings nicht in der L¨ osung der Laplaceschen Gleichung f¨ ur vorgegebene Randbedingungen und anschließende Berechnung der Druckverteilung aus der Bernoullischen Gleichung. Wie wir gesehen haben, ist mit dem Auftrieb um einen K¨orper ¨ eine Zirkulation verbunden. Die zeitliche und r¨ aumliche Anderung der Zirkulation unterliegt den Thomsonschen und Helmholtzschen Wirbels¨atzen, die zus¨ atzlich bei der L¨ osung des Umstr¨ omungsproblems eines K¨orpers heran¨ gezogen werden m¨ ussen. Diese Anderungen der Zirkulation geben Anlaß zu Unstetigkeitsfl¨ achen und Wirbelf¨ aden, wie sie in den Abbildungen 4.6, 4.18, 4.20 und 4.21 dargestellt sind, auf denen die Rotation nicht verschwindet. Zu dem Geschwindigkeitsfeld ∇Φ tritt in der vorausgesetzten inkompressiblen Str¨ omung noch der divergenzfreie Anteil uR aus (4.111) bzw. (4.123), dessen Berechnung die Kenntnis der Rotationsverteilung erfordert. Aus diesen Gr¨ unden gestaltet sich die Berechnung eines Umstr¨omungsproblems weitaus schwieriger als nur die klassische L¨ osung der Laplaceschen Gleichung. Beim auftriebsfreien Umstr¨ omungsproblem treten keine Unstetigkeitsfl¨ achen oder Wirbelf¨ aden auf. Dann h¨ angt das Str¨omungsfeld nur von den augenblicklichen Randbedingungen, d. h. von der augenblicklichen Lage und Geschwindigkeit des umstr¨ omten K¨ orpers, ab. Physikalisch ist dies durch die unendlich große Schallgeschwindigkeit zu erkl¨aren, welche die zeitlich ver¨ anderlichen Randbedingungen sofort ins gesamte Str¨omungsfeld meldet.

348

10 Potentialstr¨ omungen

Beim Auftriebsproblem entwickelt sich hinter dem K¨orper die besprochene Unstetigkeitsfl¨ ache, deren Lage und Ausdehnung und somit der Auftrieb von der Geschichte der K¨ orperbewegung abh¨ angt. In station¨arer Str¨omung ist dieses Problem zwar einfacher, aber selbst dann ist es n¨otig, Annahmen u ¨ber die Lage der Unstetigkeitsfl¨ achen zu treffen. Wir wollen uns hier nur mit der auftriebslosen Str¨ omung und der auftriebsbehafteten, station¨aren Str¨omung f¨ ur den Fall besch¨ aftigen, wo keine Unstetigkeiten in der Geschwindigkeit auftreten. Beim Umstr¨ omungsproblem reicht der Str¨ omungsraum bis ins Unendliche. Neben den bereits besprochenen Randbedingungen am K¨orper m¨ ussen dann Bedingungen im Unendlichen angegeben werden, von denen wir zum Teil bereits in Abschnitt 4.2 Gebrauch gemacht haben. Wir u ¨bernehmen diese Bedingungen, die auf der Existenz der in den Greenschen Formeln (z. B. (4.114)) auftretenden Integrale beruhen, aus der Potentialtheorie. Wenn U∞i die Geschwindigkeit im Unendlichen ist, so gilt a) f¨ ur den dreidimensionalen starren K¨ orper: ui ∼ U∞i + O(r−3 ) f¨ ur

r→∞,

(10.55)

bzw. Φ ∼ U∞ i xi + O(r−2 ) f¨ ur

r→∞,

(10.56)

d. h. die vom K¨ orper verursachte Geschwindigkeitsst¨orung muß wie r−3 abklingen; b) f¨ ur den ebenen Starrk¨ orper ohne Zirkulation: ui ∼ U∞i + O(r−2 ) f¨ ur

r→∞;

(10.57)

c) f¨ ur den ebenen Starrk¨ orper mit Zirkulation ui ∼ U∞ i + O(r−1 ) f¨ ur

r→∞.

(10.58)

Erf¨ ahrt der K¨ orper Volumen¨ anderungen, so gilt im dreidimensionalen Fall ui ∼ U∞ i + O(r−2 ) f¨ ur

r→∞

und f¨ ur den ebenen Fall ui ∼ U∞i + O(r−1 ) f¨ ur

r→∞.

Das direkte Problem“ der Potentialtheorie stellt sich mathematisch wie folgt ” dar: Die Oberfl¨ ache des umstr¨ omten K¨ orpers (Abb. 10.4) ist im allgemeinsten Fall durch F (x, t) = 0 gegeben. Dann ist die Laplacesche Gleichung unter der Randbedingung (4.170) und der Bedingung im Unendlichen (10.56) zu l¨osen. Mit dem dann bekannten Φ folgt das Geschwindigkeitsfeld aus ui = ∂Φ/∂xi und der Druck aus der Bernoulli-Gleichung

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

349

Abbildung 10.4. Umstr¨ omungsproblem

∂Φ 1 ∂Φ ∂Φ p + + =C , ∂t 2 ∂xi ∂xi 

(10.59)

wobei wir angenommen haben, daß der Druck im Unendlichen konstant ist und nur Druckunterschiede aus der Bewegung von Interesse sind, so daß die Massenkraft nicht explizit in (10.59) erscheint. Das direkte Problem l¨aßt sich praktisch nur f¨ ur wenige, geometrisch sehr einfache K¨orper, wie Rechteck, Kugel, Zylinder und Ellipsoid geschlossen l¨osen. F¨ ur die in der Praxis angetroffenen K¨ orperformen ist man auf numerische Methoden angewiesen. Wir wollen uns daher im folgenden mit dem indirekten Problem“ be” sch¨ aftigen, bei dem man bekannte L¨ osungen der Laplaceschen Gleichung dahingehend untersucht, ob sie Str¨ omungen von praktischem Interesse darstellen. Hierbei sind insbesondere L¨ osungen aus der Elektrostatik h¨aufig auf Str¨ omungsprobleme u ¨ bertragbar. 10.3.1 Einfache Beispiele f¨ ur Potentialstr¨ omungen Es liegt auf der Hand, beim indirekten Problem zun¨achst einmal L¨osungsans¨ atze in Form von Polynomen zu untersuchen. Auf diesem Weg wird man auf drei L¨ osungen von besonderer Bedeutung gef¨ uhrt: Translationsstr¨omung, ebene und rotationssymmetrische Staupunktstr¨omung. Das Potential der Translationsstr¨omung ist durch Φ = U∞ i xi = U∞ x + V∞ y + W∞ z

(10.60)

gegeben; wir haben es bereits in (10.56) verwendet. (10.60) erf¨ ullt offensichtlich die Laplacesche Gleichung. Das Potential der Translationstr¨omung ist Bestandteil jedes Umstr¨ omungsproblems. Die besondere Form, f¨ ur die der Geschwindigkeitsvektor u = ∇Φ = U∞ex + V∞ey + W∞ez parallel zur x-Achse ist, also Φ = U∞ x , nennt man Parallelstr¨omung. Das Polynom

(10.61)

350

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.5. Ebene Staupunktstr¨ omung

Φ=

1 (a x2 + b y 2 + c z 2 ) 2

(10.62)

erf¨ ullt die Laplace-Gleichung ∂2Φ ∂2Φ ∂2Φ + + =0, ∂x2 ∂y 2 ∂z 2

(10.63)

vorausgesetzt die Koeffizienten gen¨ ugen der Bedingung a+b+c=0 .

(10.64)

Die Wahl c = 0, also a = −b, f¨ uhrt auf die station¨are ebene Staupunktstr¨omung: Φ=

a 2 (x − y 2 ) , 2

(10.65)

mit den Geschwindigkeitskomponenten u = ax , v = −a y , w=0.

(10.66)

Sie stellt die reibungsfreie Str¨ omung gegen eine ebene Wand dar (Abb. 10.5). Aus (1.11) erh¨ alt man die Gleichung der Stromlinien zu dy y =− , dx x deren Integration auf gleichseitige Hyperbeln

(10.67)

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

351

Abbildung 10.6. Str¨ omung um ein ebenes Profil in der N¨ ahe des vorderen Staupunktes

x y = x0 y0

(10.68)

f¨ uhrt, wobei x0 , y0 der Ort ist, durch den die betreffende Stromlinie l¨auft. Die Druckverteilung folgt mit (10.65) aus der Bernoullischen Gleichung (10.59) zu a2 2 p pg (x + y 2 ) + = , 2  

(10.69)

wobei wir die Bernoullische Konstante C durch den Druck im Staupunkt festgelegt haben. Der Staupunkt ist der Punkt am K¨orper, an dem die Geschwindigkeit verschwindet (u = 0), dort herrscht der Druck pg , der nach der Bernoullischen Gleichung der gr¨ oßte am K¨ orper auftretende Druck ist. Die Linien gleichen Druckes (Isobaren) sind Kreiszylinder. Der Druck nimmt an der Wand in Str¨ omungsrichtung ab, so daß auch in reibungsbehafteter Str¨omung keine Grenzschichtabl¨ osung auftritt. Im Gegensatz zu einer Str¨omung, bei der der Druck im Str¨ omungsrichtung ansteigt, kommen Fl¨ ussigkeitsteilchen in der Grenzschicht hier nicht zum Stillstand. Wie wir im Abschnitt 12.1 zeigen werden, hat die Grenzschicht im vorliegenden Fall konstante Dicke, die mit ν → 0 gegen null geht. Die ebene Staupunktstr¨ omung trifft man immer in der N¨ahe des Staupunktes (genauer der Staulinie) eines ebenen umstr¨omten K¨orpers (Abb. 10.6) an, sie wird also nur lokal realisiert, was man auch daran erkennt, daß f¨ ur y → ∞ die Anstr¨omgeschwindigkeit gegen unendlich strebt. Im Rahmen der reibungsfreien Theorie kann jede der Stromlinien auch als Wand angesehen werden, insbesondere auch die Stromlinie x = 0, also die y-Achse. Man erkennt aber hier, daß sich diese Potentialstr¨omung bei einer wirklichen, d. h. reibungsbehafteten Fl¨ ussigkeit nicht einstellen w¨ urde. L¨angs der y-Achse steigt n¨ amlich der Druck in Str¨omungsrichtung. In der an der y-Achse ausgebildeten Grenzschicht haben die Fl¨ ussigkeitsteilchen kinetische Energie verloren. Ihre verbleibende kinetische Energie reicht dann nicht mehr aus, um in das Gebiet steigenden Druckes vorzudringen. Es kommt zum Stillstand der Bewegung und damit zur Grenzschichtabl¨osung, wie in Abb. 10.7 skizziert.

352

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.7. Str¨ omung in einer rechtwinkligen Ecke

Die Wahl b = a, also c = −2a in (10.62) f¨ uhrt auf das Potential der rotationssymmetrischen Staupunktstr¨omung (Abb. 10.8) Φ=

a 2 (x + y 2 − 2z 2 ) , 2

(10.70)

deren Geschwindigkeitskomponenten u = ax ,

v = ay ,

w = −2a z

(10.71)

sind. Die Gleichungen f¨ ur die Stromlinien lassen sich auf die Form dx u x = = , dy v y

dx u x = =− , dz w 2z

dy v y = =− dz w 2z

(10.72)

bringen. Die Integralkurven der ersten Gleichung in (10.72) stellen die Projektion der Stromlinien auf die x-y-Ebene dar. Es sind die Geraden x = C1 y

(10.73)

durch den Ursprung. Die Integralkurven der beiden anderen Differentialgleichungen sind die Projektionen in die x-z-Ebene x2 z = C2

(10.74)

und in die y-z-Ebene y 2 z = C3 ,

(10.75)

also kubische Hyperbeln. Aus der Bernoullischen Gleichung ergibt sich das Druckfeld zu

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

353

Abbildung 10.8. Rotationssymmetrische Staupunktstr¨ omung

a2 2 p pg (x + y 2 + 4z 2 ) + = , 2  

(10.76)

wobei pg wieder der Druck im Staupunkt ist. Zu den instation¨ aren Staupunktstr¨ omungen wird man gef¨ uhrt, wenn der Koeffizient a von der Zeit abh¨ angt: a = a(t). Die entstehenden Geschwindigkeitsfelder (10.66) und (10.71) sind offensichtlich richtungsstation¨ar, also von der Form (1.13). Die Stromlinien sind auch f¨ ur die instation¨are Staupunktstr¨ omungen raumfest, was man unmittelbar daran erkennt, daß a in die Gleichungen f¨ ur die Stromlinien nicht eingeht. F¨ ur die Ermittlung des Druckfeldes ist nun aber die Bernoullische Gleichung f¨ ur instation¨are Str¨omungen heranzuziehen, die auf 1 da 2 a2 p pg (x + y 2 − 2z 2 ) + (x2 + y 2 + 4z 2 ) + = 2 dt 2  

(10.77)

f¨ uhrt. Eine besondere Stellung in der Potentialtheorie nehmen die singul¨aren oder Fundamentall¨osungen ein. Mit Hilfe dieser Fundamentall¨osungen lassen sich z. B. durch Integrationsprozesse auch L¨ osungen des direkten Problems aufbauen. Wir betrachten als typisches Beispiel das Potential der Punktquelle Φ=

A , r

(10.78)

das uns in Gleichung (4.115) als Greensche Funktion begegnet ist. Wie dort, ist r der Abstand vom Ort x der Quelle zum Ort x, an dem das Potential Φ durch (10.78) gegeben ist. In kartesischen Koordinaten ist also ! r = (x − x )2 + (y − y  )2 + (z − z  )2 (10.79)

354

10 Potentialstr¨ omungen

und f¨ ur die Quelle im Ursprung x = 0 dann ! √ r = x2 + y 2 + z 2 = xj xj .

(10.80)

Die Gleichung (4.111) zeigt die Bedeutung dieser singul¨aren L¨osung in der Potentialtheorie; hier soll aber die anschauliche Interpretation im Vordergrund stehen. Wir zeigen aber zun¨ achst, daß (10.78) die Laplace-Gleichung erf¨ ullt. In Indexschreibweise folgt ∂Φ A ∂r A =− 2 = − 3 xi ∂xi r ∂xi r

(10.81)

und weiter ∂2Φ A ∂xi A xi xi A =− 3 +3 4 = 3 (−3 + 3) = 0 . ∂xi ∂xi r ∂xi r r r

(10.82)

Die Laplace-Gleichung ist also f¨ ur r = 0 u ullt. Zur Kl¨arung des ¨berall erf¨ Verhaltens am singul¨ aren Punkt berechnen wir den Volumenstrom (der Einfachheit halber) durch die Kugeloberfl¨ ache mit dem Radius r, den man die Ergiebigkeit E der Quelle nennt: 

 u · n dS =

E= (SK )

∂Φ ni dS = ∂xi

(SK )



∂Φ dS . ∂r

(10.83)

(SK )

Mit dem Oberfl¨ achenelement dΩ der Einheitskugel erh¨alt man  −A dΩ = −4π A .

E=

(10.84)

(SK )

Die Ergiebigkeit ist vom Radius der Kugel unabh¨angig, und wir schreiben f¨ ur das Potential der Quelle Φ=−

E 1 . 4π r

(10.85)

Unter einer Quelle im engeren Sinne verstehen wir die Fundamentall¨osung (10.85) mit positiver Ergiebigkeit E > 0, unter einer Senke die mit E < 0. Die Senkenstr¨ omung l¨ aßt sich physikalisch realisieren, indem man den Volumenstrom E fast punktf¨ ormig, also beispielsweise mit einem d¨ unnen R¨ohrchen, absaugt (Abb. 10.9). Die Quellstr¨ omung hingegen wird auf diese Weise nicht realisiert. Der Volumenstrom E entsteht durch die Verletzung der Kontinuit¨atsgleichung in der Singularit¨ at bei r = 0, wo divu = ∆Φ gegen unendlich strebt. Dieser Sachverhalt kann mit Hilfe der Diracschen Deltafunktion δ(x − x ) beschrieben werden. Die Deltafunktion ist eine verallgemeinerte Funktion mit den Eigenschaften

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

355

Abbildung 10.9. Zur Realisierbarkeit von Punktsenke und Punktquelle

δ(x − x ) = 0 f¨ ur x = x und   (V

f (x )δ(x − x ) dV  = f (x) ,

(10.86)

(10.87)

)

wenn x im Integrationsbereich (V  ) liegt, ansonsten verschwindet das Integral. Damit schreiben wir divu =

∂2Φ = E δ(x − x ) , ∂xi ∂xi

(10.88)

und man erkennt, daß die Kontinuit¨ atsgleichung mit Ausnahme des singul¨ aren Punktes x = x u ullt ist. Mit f (x ) = E lautet (10.87) ¨berall erf¨  

E δ(x − x ) dV  = E .

(10.89)

(V  )

Betrachten wir nun (10.88) als Poissonsche Gleichung (4.102), so folgt aus deren L¨ osung (4.103) das Potential der Quelle zu Φ=−

E 4π

 (∞)

δ(x − x ) E 1 dV  = − , |x − x | 4π |x − x |

(10.90)

woraus wir mit x = 0 wieder (10.85) erhalten. Die Verletzung der Kontinuit¨ atsgleichung am singul¨ aren Punkt ist nicht st¨orend, wenn dieser Punkt außerhalb des interessierenden Gebietes bleibt. Die Druckverteilung berechnen wir wie vorher aus der Bernoullischen Gleichung (10.59) zu p 1 p 1 ui ui + = A2 r−4 + = C 2  2 

(10.91)

356

10 Potentialstr¨ omungen

und erkennen, daß die Isobaren Fl¨ achen mir r = const sind, und der Druck wie r−4 abf¨ allt. Oft gewinnt man technisch interessante Str¨omungsfelder, wenn man das Potential der Singularit¨ aten mit dem Potential der Translationsstr¨omung u berlagert. Die Summe der Potentiale erf¨ ullt wegen der Linearit¨at der La¨ ¨ placeschen Gleichung diese ebenfalls. Aus der Uberlagerung der Parallelstr¨ omung mit dem Potential der Punktquelle im Ursprung entsteht beispielsweise das Potential Φ = U∞ x −

E 1 ! , 4π x2 + y 2 + z 2

(10.92)

bzw. in Kugelkoordinaten r, ϑ, ϕ (Anhang B) Φ = U∞ r cos ϑ −

E 1 . 4π r

(10.93)

Wir kl¨ aren zun¨ achst, ob diese Str¨ omung einen Staupunkt hat, fragen also nach der Stelle, an der ui = 0 gilt. Unter Ausnutzung von (10.81) folgt f¨ ur die Geschwindigkeit in Indexnotation u i = U ∞ 1 δ1 i +

E 1 xi , 4π r3

(10.94)

da U∞i nur eine Komponente in x1 -Richtung besitzt. Aus der Forderung u2 = u3 = 0 schließen wir, daß der Staupunkt auf der x1 -Achse liegen muß. Dort ist x2 = x3 = 0, und r = |x1 |, also u 1 = U∞ +

E x1 . 4π |x1 |3

(10.95)

Die Gleichung u1 = 0 hat eine reelle L¨ osung nur auf der negativen x-Achse (x1 = x = −|x|), daher liegt der Staupunkt bei ( E x=− . (10.96) 4π U∞ An dieser Stelle ist die Geschwindigkeit durch die Quelle gerade betragsm¨aßig gleich der Anstr¨ omgeschwindigkeit im Unendlichen. Die Stromlinie durch den Staupunkt trennt die Fl¨ ussigkeit der Außenstr¨omung von der Quellfl¨ ussigkeit (Abb. 10.10). Diese Stromlinie kann als Wandung eines einseitig unendlich ausgedehnten, rotationssymmetrischen K¨orpers angesehen werden, daher stellt die Außenstr¨ omung die Umstr¨ omung eines solchen K¨orpers dar. F¨ ur r → ∞ erhalten wir f¨ ur die Geschwindigkeit der Außen- wie der Quellstr¨ omung wieder U∞ . Die Fl¨ ussigkeit, die aus der Quelle austritt, fließt durch den Querschnitt π R2 ab, d. h. es gilt E = U∞ π R 2 ,

(10.97)

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

357

Abbildung 10.10. Umstr¨ omung eines einseitig unendlich langen, rotationssym¨ metrischen K¨ orpers aus der Uberlagerung des Quellpotentials mit dem Potential der Parallelstr¨ omung

woraus wir den Radius des K¨ orpers zu ( E R= π U∞

(10.98)

berechnen. Da es sich um eine bez¨ uglich der x-Achse rotationssymmetrische Str¨omung handelt, benutzen wir Kugelkoordinaten. Die Gleichung der Stromlinie ergibt sich mit dem Vektorelement dx in Kugelkoordinaten (Anhang B) zu dr ur =r . dϑ uϑ

(10.99)

Wir bringen diese Gleichung in die Form r ur dϑ − uϑ dr = 0 .

(10.100)

Wenn die linke Seite von (10.100) ein totales Differential der Funktion Ψ (r, ϑ) ist, so ist Ψ (r, ϑ) = const

(10.101)

die L¨ osung von (10.99). Der integrierende Faktor , der (10.100) zu einer exakten Differentialgleichung macht, ist r sin ϑ; es entsteht das totale Differential r2 ur sin ϑdϑ − r uϑ sin ϑdr = dΨ ,

(10.102)

wof¨ ur die hinreichende und notwendige Bedingung durch die Kontinuit¨atsgleichung in Kugelkoordinaten ∇ · u =

∂ 2 ∂ (r ur sin ϑ) + (r uϑ sin ϑ) = 0 ∂r ∂ϑ

(10.103)

358

10 Potentialstr¨ omungen

geliefert wird. Wir nennen Ψ die Stromfunktion, im hier vorliegenden Fall der rotationssymmetrischen Str¨ omung Stokessche Stromfunktion, und betonen, daß dieses Ergebnis unabh¨ angig von der Forderung rotu = 0 ist, also auch bei rotations- und reibungsbehafteter Str¨ omung gilt. Wir entnehmen (10.102) nun die Gleichungen ∂Ψ ∂r

(10.104)

∂Ψ , ∂ϑ

(10.105)

−r uϑ sin ϑ = und r2 ur sin ϑ =

aus denen wir erkennen, daß in rotationssymmetrischer Str¨omung die Geschwindigkeitskomponenten aus der Stromfunktion Ψ berechnet werden k¨ onnen. Aus der Bedingung rotu = 0 erh¨ alt man mit (10.104) und (10.105) f¨ ur rotationssymmetrische Str¨ omungen die Differentialgleichung     ∂ 1 ∂Ψ ∂ 1 ∂Ψ + =0, (10.106) ∂ϑ r2 sin ϑ ∂ϑ ∂r sin ϑ ∂r aus der sich Ψ direkt berechnen l¨ aßt. Man beachte, daß im Gegensatz zur ebenen Str¨ omung Ψ hier also nicht die Laplacesche Gleichung erf¨ ullt. (Eine Stromfunktion l¨ aßt sich bei rotationssymmetrischer Str¨omung auf dieselbe Weise in Zylinderkoordinaten einf¨ uhren. Dasselbe gilt auch f¨ ur ebene Str¨ omungen.) Wir berechnen nun aus (10.104) und (10.105) die Stromfunktion der Punktquelle und der Parallelstr¨ omung: Mit ur = ∂Φ/∂r folgt ur = U∞ cos ϑ +

E 1 1 ∂Ψ = 2 4π r2 r sin ϑ ∂ϑ

(10.107)

und daher f¨ ur die Stromfunktion Ψ = U∞

r2 E sin2 ϑ − cos ϑ + f (r) . 2 4π

(10.108)

Durch Einsetzen dieses Ergebnisses in (10.104) erh¨alt man mit uϑ =

1 ∂Φ = −U∞ sin ϑ r ∂ϑ

die Bedingung df /dr = 0, d. h. f (r) = const. Die Stromfunktion lautet somit bis auf eine Konstante Ψ = U∞

r2 E sin2 ϑ − cos ϑ , 2 4π

aus der wir noch die Stromfunktion einer Quelle im Ursprung

(10.109)

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

Ψ =−

E x , 4π r

359

(10.110)

bzw. einer Quelle am Ort (x , y  , z  ) Ψ =−

E x − x ! 4π (x − x )2 + (y − y  )2 + (z − z  )2

(10.111)

ablesen. Aus (10.101) gewinnen wir damit die Gleichung der Stromlinien: Ψ = const = U∞

r2 E sin2 ϑ − cos ϑ . 2 4π

(10.112)

Am Staupunkt ist gem¨ aß (10.96) ϑ = π und deshalb const =

E , 4π

(10.113)

woraus sich die Gleichung der Staustromlinie mit (10.98) schließlich zu ( R 1 + cos ϑ r= (10.114) sin ϑ 2 ergibt. Aus der Bernoullischen Gleichung  2  U + p∞ = p + u i u i 2 ∞ 2

(10.115)

berechnen wir den Druck am Staupunkt zu pg =

 2 U + p∞ . 2 ∞

(10.116)

2 Man bezeichnet den Druck pg als Gesamtdruck am Staupunkt und  U∞ /2 als den dynamischen Druck . Bringt man eine Druckbohrung am Staupunkt des in Abb. 10.10 betrachteten K¨ orpers an, so w¨ urde man dort den Gesamtdruck nach (10.116) messen. An einer Druckbohrung am (fast) zylindrischen Teil des K¨ orpers in einigem Abstand hinter der Profilnase“ w¨ urde man den ” dort herrschenden statischen Druck messen. F¨ ur den an jedem Punkt des Str¨ omungsfeldes definierbaren dynamischen Druck  ui ui /2 findet man aus (10.94) und (10.98) das asymptotische Verhalten     2 1 2 4 ui ui ∼ U∞ 1 + (R/r) + O(R/r) , (10.117) 2 2 2

das in Verbindung mit der Bernoullischen Gleichung zeigt, daß an einem Punkt der K¨ orperoberfl¨ ache, dessen Abstand zur Profilnase groß im Vergleich zu R ist, der statische Druck p praktisch gleich dem statischen Druck p∞ im Unendlichen ist. Diese Tatsache nutzt das Prandtlsche Rohr aus, mit dem man den dynamischen Druck und damit die Geschwindigkeit messen kann

360

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.11. Prandtlsches Rohr

(Abb. 10.11). Dabei ist es nicht n¨ otig, daß die Form (10.114) realisiert wird, es gen¨ ugt vielmehr eine gut abgerundete Nase des Prandtlschen Rohres. Auf die besprochene Weise lassen sich durch Anordnung von Quellen und Senken auf der x-Achse auch Str¨ omungen um spindelf¨ormige K¨orper, wie in Abb. 10.12 skizziert, erzeugen. Die K¨ orperkonturen lassen sich mit derselben Methode berechnen, die auch auf (10.114) f¨ uhrte. F¨ ur geschlossene K¨orper muß die Summe der Ergiebigkeiten von Quellen und Senken verschwinden (Schließbedingung):  Ei = 0 . (10.118) In naheliegender Weise verallgemeinern wir das besprochene Verfahren f¨ ur kontinuierlich verteilte Quellen und betrachten als einfachsten Fall eine Quellenverteilung auf einer Strecke l l¨ angs der x-Achse. Es sei q(x ) die Quellintensit¨ at (Ergiebigkeit pro L¨ angeneinheit), die positiv (Quelle) oder negativ (Senke) sein kann. Die Schließbedingung lautet dann l

q(x )dx = 0 .

(10.119)

0

Das Potential einer Quelle am Ort x mit der infinitesimalen Ergiebigkeit dE = q(x )dx ist dΦ = −

q(x )dx ! . 4π (x − x )2 + y 2 + z 2

(10.120)

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

361

Abbildung 10.12. Durch Quellen und Senken erzeugte K¨ orper

Abbildung 10.13. Quellverteilung

¨ Integration u des Potentials der ¨ber die Quellverteilung und Uberlagerung Parallelstr¨ omung liefert das Gesamtpotential zu 1 Φ = U∞ x − 4π

l 0

q(x ) dx ! . (x − x )2 + y 2 + z 2

(10.121)

Da die Str¨ omung rotationssymmetrisch ist, gen¨ ugt es v¨ollig, sie in der x-yEbene zu betrachten, also z = 0 zu setzen. Durch geeignete Verteilung von q(x ) k¨ onnen spindelf¨ ormige K¨ orper verschiedenster Gestalt erzeugt werden.

362

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.14. Spindelf¨ ormiges Profil mit theoretischem und gemessenem Druckbeiwert (nach Prandtl)

Zur Berechnung der Kontur ben¨ otigt man die Stromfunktion einer Quellverteilung, die sich ganz analog zu (10.121) aus der Integration der Stromfunk¨ tion (10.111) f¨ ur eine infinitesimale Quelle am Ort x und der Uberlagerung einer Parallelstr¨ omung ergibt: y2 1 Ψ = U∞ − 2 4π

l 0

q(x )(x − x ) dx ! . (x − x )2 + y 2

(10.122)

Abb. 10.14 zeigt einen K¨ orper, der auf die angesprochene Weise erzeugt wurde, und einen Vergleich des gemessenen mit dem theoretischen Druckbeiwert . Dieser Vergleich ist auch historisch interessant, weil er zu den ersten systematischen Arbeiten auf dem Gebiet der Aerodynamik geh¨ort. Der theoretische Druckbeiwert folgt aus der Bernoullischen Gleichung zu cp =

p − p∞ u2 + v 2 = 1 − , 2 2 /2 U∞ U∞

(10.123)

wobei sich die kartesischen Geschwindigkeitskomponenten u und v aus dem Gradienten des Potentials (10.121) ergeben. Auch das direkte Problem l¨ aßt sich mit Hilfe der Singularit¨atenverteilung berechnen. Hierbei wird f¨ ur eine gegebene K¨ orperkontur die Quellverteilung

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

363

bestimmt; dies f¨ uhrt auf eine Integralgleichung. Auf eine Integralgleichung wird man gef¨ uhrt, wenn in (10.121) die Funktion Φ(x) vorgegeben und die Quellintensit¨ at q(x ) gesucht wird. Nicht alle rotationssymmetrischen K¨ orperformen kann man u ¨ brigens durch Quellverteilung auf der x-Achse darstellen. Es l¨aßt sich beispielsweise kein K¨ orper erzeugen, der stumpfer ist als der K¨orper, der sich aus der ¨ Uberlagerung von Translationsstr¨ omung und Punktquelle ergibt. Vergr¨oßern der Intensit¨ at E ergibt einen dickeren, aber keinen stumpferen K¨orper. F¨ ur beliebig geformte K¨ orper muß man von der Linienverteilung u bergehen zur ¨ Oberfl¨ achenverteilung von Quellen. Neben dem besprochenen indirekten Problem und dem direkten Problem, das wir im Zusammenhang mit schlanken K¨ orpern im Abschnitt 10.4.9 noch n¨ aher besprechen werden, gibt es noch ein drittes Problem von erheblicher technischer Bedeutung. Es handelt sich bei diesem darum, die K¨orperform festzustellen, die auf der K¨ orperoberfl¨ ache einen konstanten Druck erzeugt (mit Ausnahme der Umgebung der Staupunkte, wo das offensichtlich nicht ¨ m¨ oglich ist). Diese Fragestellung tritt zum einen auf, wenn die Ubergeschwindigkeiten an einem K¨ orper m¨ oglichst klein sein sollen, zum anderen bei Kavitationsblasen hinter stumpfen K¨ orpern, etwa hinter kreisrunden, senkrecht zur Achse angestr¨ omten Scheiben. Die Str¨ omung l¨ost dann an der Umlaufkante ab, anderenfalls die Kante ja umstr¨ omt w¨ urde, was im Rahmen der Potentialtheorie unendlich große Geschwindigkeiten zur Folge h¨atte. Wenn die Str¨ omungsgeschwindigkeit an der Abl¨ osestelle so groß ist, daß der Dampfdruck der Fl¨ ussigkeit unterschritten wird, bildet sich eine an der Umlaufkante angeheftete Kavitationsblase aus, in deren Inneren der Dampfdruck herrscht und der Dampf daher praktisch in Ruhe ist. Man spricht dann auch von Superkavitation“. Die Trennfl¨ ache zwischen Fl¨ ussigkeit und Dampf ist ei” ache, und bei Vernachl¨ assigung der Kapillarspannungen, was ne freie Oberfl¨ angesichts der kleinen Kr¨ ummungen zul¨ assig ist, verschwindet der Druckunterschied zwischen dem Druck in der Blase und auf der Blase. F¨ ur die ¨außere Str¨ omung wirkt die Blase wie ein K¨ orper, und die Ermittlung der Blasenkontur l¨ auft darauf hinaus, einen K¨ orper zu finden, auf dessen Oberfl¨ache gleicher Druck und als Folge der Bernoullischen Gleichung auch gleiche Geschwindigkeit herrscht. Solche mit dem erzeugenden K¨orper verbundenen Blasen treten auch an zu stark angestellten Profilen auf, z.B. in Str¨omungsmaschinen, und sind oft unerw¨ unscht. Allerdings strebt man unter Umst¨anden eine superkavitierende Str¨ omung auch an, wenn es z.B. darum geht, einen K¨orper m¨ oglichst widerstandsarm durch Wasser zu bewegen: ein derartiger K¨orper ist am Bug mit einem Kavitator“ ausgestattet, der die Blase erzeugt, der ” restliche K¨ orper wird ganz von der Kavitationsblase umh¨ ullt, und er erzeugt deshalb keinen zus¨ atzlichen Widerstand, ganz unabh¨angig von seiner ¨außeren Gestalt. Es ist offensichtlich, daß der Berechnung der Form der Kavitationsblase, d.h. der freien Oberfl¨ ache, in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zukommt.

364

10 Potentialstr¨ omungen

In ebener Str¨ omung lassen sich Probleme mit freien R¨andern mit den Methoden der Funktionentheorie noch relativ leicht behandeln (siehe hierzu Abschnitt 10.4.7), aber im allgemeinen sind Probleme mit freien Oberfl¨ achen sehr schwierig, wie auch die hier betrachteten rotationssymmetrischen Str¨ omungen, weil die freien Oberfl¨ achen unbekannt sind, auf denen weiterhin die kinematische (4.169) und dynamische Randbedingung (4.173) zu erf¨ ullen sind. Die Berechnung der Blasenkontur bei vorgegebener Kavitatorform ist daher ein sehr aufwendiges numerisches Unterfangen, auf das wir hier nicht eingehen k¨ onnen, aber der oben angesprochene K¨orper, der auf der Oberfl¨ ache einen fast konstanten Druck erzeugt, ist schon eine sehr gute Darstellung der tats¨ achlichen Blase. In der Tat, die ersten Berechnungen von Superkavitationsstr¨ omungen beruhen auf diesem Modell, auf das auch eine bequeme und immer noch verwendete Formel f¨ ur die Blasenkontur aufbaut. Wir verwenden hier eine Berechnungsmethode, die schon 1910 f¨ ur die Berechnung der Druckverteilung an Luftschiffen entwickelt wurde und f¨ ur die ein Beispiel in Abb. 10.14 gegeben ist. Zur Erl¨ auterung des Rechnungsganges gehen wir von (10.122) aus und f¨ uhren dimensionslose Koordinaten ein, indem wir diese auf die halbe Belegungsl¨ ange l/2 beziehen, halten aber die gleiche Bezeichnung f¨ ur die dimensionslosen Koordinaten bei. F¨ ur die Quellintensit¨at schreiben wir U∞ (l/2)q(x ), wobei q(x ) jetzt eine dimensionslose Quellverteilung ist. Wenn gleichzeitig auch noch die Stromfunktion auf U∞ l2 /4 bezogen wird, erscheint (10.122) in der Form y2 1 ψ= − 2 4π

2 0

q(x )(x − x )dx ! . (x − x )2 + y 2

(10.124)

Es hat sich gezeigt, daß schon mit drei Grundbelegungen eine (fast) konstante Druckverteilung auf der K¨ orperkontur erreicht werden kann. Es sind dies eine lineare Quellverteilung q1 = −2(x − 1), eine kubische Verteilung q2 = −4(x − 1)3 , eine Quelle der Ergiebigkeit E = 1 bei x = 0 und eine Quelle der Ergiebigkeit E = −1 (Senke!) bei x = 2. F¨ ur jede dieser Grundverteilungen gilt die Normierung 1

q(x )dx = 1 ,

(10.125)

0

und jede Verteilung erf¨ ullt die Schließbedingung (10.119). Wir erwarten daher einen geschlossenen K¨ orper. F¨ ur die gesamte Verteilung machen wir den Ansatz q(x ) = A(q1 + bq2 + cq3 ) und erhalten f¨ ur die gesamte Stromfunktion

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

⎛ y2 A ⎝ ψ= − 2 4π

2 0

2 q1 (x )(x − x )dx q2 (x )(x − x )dx ! ! +b (x − x )2 + y 2 (x − x )2 + y 2 0  x (x − 2) +c ! −! , 2 2 (x − 2)2 + y 2 x +y

365

(10.126)

wobei die Stromfunktion des Quell-Senkenpaares direkt (10.111) entnommen wurde. Aber auch die anderen Integrale lassen sich geschlossen l¨osen, was fr¨ uher fast eine Notwendigkeit war, um die gestellte Aufgabe zu bew¨altigen. Wir nehmen davon Abstand, weil bei der allgemeinen Zug¨anglichkeit zu Computeralgebrasystemen eine numerische L¨ osung angebracht ist. (Nat¨ urlich ist man dann auch nicht auf die angegebenen Grundl¨osungen angewiesen!). Wir bezeichnen die verbleibenden Integrale kurz mit ψ1 und ψ2 . Die K¨orperkontur entspricht der Stromlinie Ψ = 0, was eine implizite Gleichung f¨ ur die K¨orperkontur y = yk (x) liefert. Zun¨ achst seien gesch¨atzte Werte der Konstanten b und c gegeben. Wir bestimmen dann die Konstante A durch die Wahl des gr¨ oßten Halbmessers R (bezogen auf die halbe Belegungsl¨ange), den der K¨ orper haben soll. Dieser tritt aus Symmetriegr¨ unden an der Stelle x = 1 auf und aus (10.126) folgt   2c A = 2πR2 / ψ1 (1, R) + bψ2 (1, R) + √ . (10.127) R2 + 1

y

F¨ ur eine vorgegebene Werteliste x berechnet man numerisch die Wurzeln der Gleichung Ψ = 0 f¨ ur die y-Koordinaten der K¨ orperkontur yk (x). Dann erh¨alt man aus (10.123) durch Einsetzen der K¨ orperkontur cp (x, yk (x)) = cp (x). Bei der Aufgabe, diejenigen Werte von b und c zu finden, die einen m¨oglichst konstanten Verlauf von cp (x) ergeben, ist man auf Probieren angewiesen. Wenn man aber nach jedem Probelauf die Funktion cp (x) graphisch darstellt, l¨ aßt sich die Wahl der Konstanten rasch einengen. F¨ ur einen gew¨ahlten gr¨ oßten Halbmesser R = 0.16, das entspricht ungef¨ahr einem K¨orper mit dem Dicken/L¨ angenverh¨ altnis von 0.16, wurden so die Werte b = 0.145; c = 0.214 gefunden. Die sich ergebende K¨ orperkontur yk (x) ist in Abb. 10.15 und der negative Druckbeiwert −cp (x) in Abb. 10.16 dargestellt. Der negative Druck0.15 0.1 0.05 0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

1.8

2

x

Abbildung 10.15. Gleichdruckk¨ orper

beiwert ist der besseren Aufl¨ osung wegen nur im Bereich 0 < x < 2 aufgetragen. Wir weisen noch darauf hin, daß die Geschwindigkeiten u, v, die f¨ ur die

366

10 Potentialstr¨ omungen

Berechnung des Druckbeiwertes gebraucht werden, bei der hier vorliegenden rotationssymmetrischen Str¨ omung auch aus der Stromfunktion selbst berechnet werden k¨ onnen, ohne ein Geschwindigkeitspotential einf¨ uhren zu m¨ ussen, wie wir das schon in Kugelkoordinaten durch die Gleichungen (10.104) und (10.105) getan haben. Die Kontinuit¨ atsgleichung ∇ ·u = 0 in Zylinderkoordinaten entnimmt man dem Anhang B2. Sie lautet, vor¨ ubergehend zu dimensionsbehafteten Gr¨ oßen u bergehend und unter Beachtung von ∂/∂ϕ = 0, ¨ ∂(ur r) ∂(uz r) + = 0. ∂r ∂z

(10.128)

Dies ist die notwendige und hinreichende Bedingung daf¨ ur, daß das Differential dΨ = uz rdr − ur rdz

(10.129)

ein totales Differential ist. Daraus folgt unmittelbar uz =

1 ∂Ψ 1 ∂Ψ , ur = − . r ∂r r ∂z

(10.130)

Da die kartesischen Koordinaten x, y in der Ebene z = 0 den Zylinderkoordinaten z, r entsprechen und die kartesischen Geschwindigkeitskomponenten u, v dort den Komponenten uz , ur in Zylinderkoordinaten, dr¨ ucken wir (10.130) auch in der Gestalt u=

1 ∂Ψ 1 ∂Ψ , v=− y ∂y y ∂x

(10.131)

aus. Wir kehren zu den dimensionslosen Gr¨ oßen der Gleichungen (10.124) bis (10.127) zur¨ uck und finden u 1 ∂Ψ = , U∞ y ∂y

v 1 ∂Ψ =− , U∞ y ∂x

(10.132)

womit sich dann der Druckbeiwert ebenfalls ermitteln l¨aßt. Der Teil der K¨ orperkontur, an dem konstanter Druck herrscht, kann als Blasenkontur betrachtet werden. Der Teil des K¨orpers in der N¨ahe des vorderen Staupunktes wird ohnehin durch den Kavitator eingenommen, so daß die Abweichung vom konstanten Druck hier hingenommen werden kann. Der Teil in der N¨ ahe des hinteren Staupunktes kann nat¨ urlich nicht Teil einer Blase sein, da dann der Druck dort der Dampfdruck sein m¨ ußte, w¨ahrend aber direkt am Staupunkt der Staudruck herrscht. Man versucht, die Schwierigkeiten mit Schließmodellen zu umgehen. Diese Modelle sind nicht widerspruchsfrei, und es ist zu bezweifeln, ob sich das hintere Ende der Kavitationsblase u ¨berhaupt im Rahmen der Potentialtheorie beschreiben l¨aßt. Experimentell beobachtet man, daß die Str¨ omung am hinteren Ende der Blase instation¨ar ist.

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

367

0.1 0.09 0.08 0.07

−cp

0.06 0.05 0.04 0.03 0.02 0.01 0 0

0.5

1

1.5

2

x

Abbildung 10.16. Druckbeiwert des Gleichdruckk¨ orpers

Im Zusammenhang mit Kavitationserscheinungen benutzt man nicht den mit dem Dampfdruck gebildeten Druckbeiwert, sondern das Negative des Druckbeiwertes, den man die Kavitationszahl σ nennt: σ=

p∞ − pD 2 /2 U∞

(10.133)

Diese Kennzahl ist die wichtigste Kennzahl bei Kavitationsvorg¨angen. Es ist bemerkenswert, daß es bei superkavitierenden Str¨omungen f¨ ur diese Kennzahl nur auf die Druckdifferenz zwischen dem Druck im Unendlichen und dem Druck in der Blase ankommt. Der Blaseninnendruck l¨aßt sich innerhalb gewisser Grenzen aber erh¨ ohen, indem man Gas in die Blase eintreten l¨aßt, ¨ etwa aus Offnungen im Laufk¨ orper. Damit l¨ aßt sich die Kavitationszahl kontrollieren, was den Anwendungsbereich superkavitierender Laufk¨orper ganz entscheidend erweitert. Wir erw¨ ahnen noch, daß sich f¨ ur schlanke K¨orper, das bedeutet kleine Kavitationszahlen (σ  1), eine N¨aherungsl¨osung f¨ ur das vorliegende Problem finden l¨ aßt. Wir betrachten nun das Potential einer Quelle (Ergiebigkeit +E) und einer Senke (Ergiebigkeit −E) auf der x-Achse im Abstand ∆x (Abb. 10.17): Φ=

E ((x − ∆x)2 + y 2 + z 2 )−1/2 − (x2 + y 2 + z 2 )−1/2 ∆x . 4π ∆x

(10.134)

Nun lassen wir den Abstand ∆x gegen null gehen und erh¨ohen gleichzeitig die Ergiebigkeit so, daß gilt lim

∆x→0 , E→∞

Wegen

E ∆x = M .

(10.135)

368

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.17. Quell-Senken-Paar

, ∂ −r−1 ((x − ∆x)2 + y 2 + z 2 )−1/2 − (x2 + y 2 + z 2 )−1/2 x lim = = 3 ∆x→0 ∆x ∂x r (10.136) entsteht das Potential Φ=

M x 4π r3

(10.137)

eines Dipols im Ursprung, das in Kugelkoordinaten Φ=

M cos ϑ 4π r2

(10.138)

lautet. Die Richtung von der Senke zur Quelle ist die Richtung des Dipols, M nennt man den Betrag des Dipolmoments. Das Dipolmoment ist deshalb ein Vektor; f¨ ur die hier gew¨ahlte Orientierung ist  = −Mex , M

(10.139)

und allgemein erh¨ alt man so f¨ ur das Potential eines Dipols im Koordinatenursprung (Abb. 10.18) Φ=−

 · x M . 4π |x|3

(10.140)

F¨ ur die Geschwindigkeit in radialer Richtung ergibt sich ur =

∂Φ M cos ϑ =− , ∂r 2π r3

(10.141)

f¨ ur r = r0 also ur (r = r0 ) = − cos ϑ ∗ const . Betrachten wir eine Kugel, die sich mit der Geschwindigkeit

(10.142)

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

369

¨ Abbildung 10.18. Stromlinien und Aquipotentiallinien des r¨ aumlichen Dipols

Abbildung 10.19. Zur Normalkomponente der Geschwindigkeit an der Ober߬ ache

 = −Uex U

(10.143)

bewegt (Abb. 10.19), so bewegt sich nat¨ urlich jeder Punkt der Oberfl¨ache mit der Geschwindigkeit −U in x-Richtung. Die Komponente der Geschwindigkeit normal zur Kugeloberfl¨ ache ist  · n = −Uex · er = −U cos ϑ . U

(10.144)

Die Normalkomponente der Geschwindigkeit des Dipols ist daher f¨ ur   = M U 2π r03

(10.145)

auf der Kugeloberfl¨ ache r = r0 gleich der Normalkomponente der Kugelgeschwindigkeit. Damit ist aber der Wert der Geschwindigkeit wegen der Eindeutigkeit der Laplaceschen Gleichung u ¨ berall eindeutig festgelegt. Das

370

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.20. Zum Potential der Kugelumstr¨ omung

Dipolfeld ist daher identisch mit dem Geschwindigkeitsfeld, das durch eine Kugel hervorgerufen wird, die sich augenblicklich im Ursprung befindet und sich mit der Geschwindigkeit nach (10.145) bewegt. Die Str¨omung hat f¨ ur diesen Augenblick das Potential Φ=−

 · x r03 U . 2 |x|3

(10.146)

Zu einem anderen Augenblick, f¨ ur den sich die Kugel an der Stelle mit dem Ortsvektor a befindet (Abb. 10.20), erh¨ alt man das Potential Φ=−

 · (x − a)  · r r03 U r3 U =− 0 3 . 3 2 |x − a| 2 r

(10.147)

¨ Uberlagert man dem Potential (10.146) das Potential der Parallelstr¨omung, deren Geschwindigkeit gerade der negativen Kugelgeschwindigkeit  = U∞ex −U entspricht, so erh¨ alt man das Potential der station¨aren Str¨omung um eine Kugel im Ursprung. In kartesischen Koordinaten lautet es Φ = U∞ x +

r03 x U∞ 3 2 r

und in Kugelkoordinaten   r3 Φ = U∞ r + 02 cos ϑ . 2r

(10.148)

(10.149)

Wir berechnen jetzt die Geschwindigkeit auf der Kugeloberfl¨ache r = r0 : F¨ ur die Radialkomponente ergibt sich    ∂Φ  r03 ur = = U 1 − cos ϑ = 0 , (10.150) ∞ ∂r r=r0 r3 r=r0 wie es aufgrund der kinematischen Randbedingung f¨ ur die ruhende Kugel sein muß. Die Geschwindigkeitskomponente in ϑ-Richtung ist

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

   1 ∂Φ  r03 3 uϑ = = −U∞ 1 + 3 sin ϑ = − U∞ sin ϑ . r ∂ϑ r=r0 2r r=r0 2

371

(10.151)

Diese Geschwindigkeitskomponente ist dem Betrag nach maximal bei ϑ = π/2 und ϑ = 3π/2. Der Druckbeiwert ergibt sich aus der Bernoullischen Gleichung zu cp =

p − p∞ 9 = 1 − sin2 ϑ . 2 /2 U∞ 4

(10.152)

Es ist aus Symmetriegr¨ unden offensichtlich, daß die Kraft auf die Kugel keine Komponente senkrecht zur Anstr¨ omung hat. Da die Druckverteilung eine gerade Funktion von ϑ, also symmetrisch zur Linie ϑ = π/2 , ϑ = 3π/2 ist, verschwindet auch die Kraft in x-Richtung (was man durch formale Berechnung leicht best¨ atigt). Das Ergebnis gilt aber allgemeiner: Ein auftriebsloser K¨ orper erf¨ ahrt in station¨arer, inkompressibler, rei” bungsfreier Potentialstr¨ omung keinen Widerstand! “ Diese Aussage steht im Widerspruch zum Experiment und wird als d’Alembertsches Paradoxon bezeichnet. In der Potentialstr¨ omung steigt vom vorderen Staupunkt (ϑ = π) aus die kinetische Energie der Fl¨ ussigkeitsteilchen am K¨orper und wird f¨ ur ϑ = π/2 maximal. Diese kinetische Energie reicht gerade aus, die Fl¨ ussigkeitsteilchen gegen den ansteigenden Druck zum hinteren Staupunkt (ϑ = 0) zu tragen. Auf der hinteren H¨ alfte der Kugel ergibt sich eine Kraft nach vorn, die gerade die Kraft auf der vorderen Halbkugel aufhebt. In reibungsbehafteter Str¨ omung haben die Teilchen kinetische Energie in der Grenzschicht verloren. Ihr Schwung“ reicht nicht mehr aus, sie gegen den beginnenden Druckan” stieg zum hinteren Staupunkt zu f¨ uhren. Die Fl¨ ussigkeitsteilchen kommen zum Stillstand, und die Str¨ omung l¨ ost vom K¨orper ab. Damit unterbleibt weiterer Druckanstieg, mit dem Ergebnis, daß die Kraft auf der hinteren Kugelh¨ alfte kleiner ist als auf der vorderen. Es entsteht also ein Widerstand auch dann, wenn man vom Reibungswiderstand durch die Schubspannung an der Wand absieht. Den besprochenen Beitrag zum Widerstand nennt man auch Druckwiderstand oder Formwiderstand . (Dieser Widerstand l¨aßt sich dadurch reduzieren, daß man die hintere Halbkugel durch einen stromlinienf¨ ormig ausgef¨ uhrten K¨ orper ersetzt, um Abl¨osung zu vermeiden. So entstehen wieder die schon besprochenen spindelf¨ormigen K¨orper.) Betrachtet man die Umstr¨ omung bei kleinen Reynolds-Zahlen, wo die Tr¨ agheitskr¨ afte (und damit die kinetische Energie) gegen¨ uber den Reibungskr¨ aften zur¨ ucktreten, so werden die Fl¨ ussigkeitsteilchen in der N¨ahe der Wand durch die dann starken Reibungskr¨ afte von der umgebenden Fl¨ ussigkeit mitgezogen und zum hinteren Staupunkt gef¨ uhrt. Es kommt dann nicht zu Abl¨ oseerscheinungen, sondern zu einem Stromlinienbild, daß man bei oberfl¨ achlicher Betrachtung f¨ ur eine Potentialstr¨ omung halten k¨onnte. Bei wachsender Reynolds-Zahl bildet sich eine Abl¨osung mit einem station¨ aren Wirbelring hinter der Kugel aus. Die Stromlinien schließen sich noch

372

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.21. Widerstandsbeiwert der Kugel

hinter der Kugel und dem Wirbel. Bei weiter wachsender Reynolds-Zahl wird der Wirbel immer gr¨ oßer, bis er schließlich instabil wird und sich ein instation¨ arer Nachlauf ausbildet. Vom K¨ orper l¨ osen sich dann periodisch Wirbel ab, die im Nachlauf weggetragen werden. Die Verh¨altnisse am quer angestr¨ omten Zylinder sind ganz ¨ ahnlich, oft aber leichter zu beobachten. Hinter dem Zylinder ordnen sich die Wirbel in eine Wirbelstraße, da dies wieder eine stabile Konfiguration ist. Bei noch h¨ oheren Reynoldsschen Zahlen wird die Str¨omung im Nachlauf turbulent. Es sind aber auch dann noch große, geordnete wirbelartige Strukturen erkennbar. Es ist offensichtlich, daß sich als Folge dieser unterschiedlichen Str¨ omungsformen auch der Widerstand stark ¨andert. Aber wie kompliziert die Str¨ omung auch sein mag, in inkompressibler Str¨omung ist der Widerstandsbeiwert cw nur eine Funktion der Reynoldsschen Zahl. ur die Kugel zusammen mit In Abb. 10.21 ist die Funktion cw = cw (Re) f¨ Skizzen der Str¨ omungskonfiguration bei der entsprechenden Reynolds-Zahl Re = U d/ν aufgetragen. Der scharfe Abfall des Widerstandsbeiwertes bei Re ≈ 3 ∗ 105 ist auf den Umschlag der vorher laminaren Grenzschicht an der Kugel zur turbulenten zur¨ uckzuf¨ uhren. In der turbulenten Grenzschicht sind die Schubspannungen gr¨ oßer, und es gelingt der ¨ außeren Str¨ omung, die wandnahe Fl¨ ussigkeit n¨aher zur Achse zu ziehen. Daher l¨ ost die Str¨ omung sp¨ater ab, und der Nachlauf wird schmaler. Die nicht abgel¨ oste Str¨ omung beaufschlagt einen gr¨oßeren Teil der Kugelr¨ uckseite, so daß eine gr¨ oßere Kraft nach vorn entsteht, der Widerstand also geringer wird. Durch Rauhigkeiten an der Oberfl¨ache kann

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

373

man den Umschlagspunkt zu kleineren Reynolds-Zahlen verschieben (wie aus der Besprechung des Umschlagverhaltens bei der Rohrstr¨omung bekannt) und damit den geringeren Widerstand schon bei kleineren Reynolds-Zahlen erhalten (gestrichelte Linie in Abb. 10.21). Ein Beispiel hierf¨ ur sind Golfb¨alle, deren Oberfl¨ ache durch n¨ apfchenartige Vertiefungen k¨ unstlich angerauht“ ” wird. 10.3.2 Virtuelle Massen Die vorangegangene Diskussion hat gezeigt, daß die station¨are Potentialstr¨ omung um eine Kugel oder allgemein um stumpfe K¨orper wegen der auftretenden Grenzschichtabl¨ osung nicht realisiert wird. Beschleunigt man aber einen K¨ orper pl¨ otzlich etwa aus der Ruhe heraus, so wird die Str¨omung u ¨ ber einen gewissen Zeitraum τ ∼ O(d/u) durch die Potentialtheorie sehr gut beschrieben. Bei starker Beschleunigung sind die Tr¨agheitskr¨afte viel gr¨oßer als die Reibungskr¨ afte, und die Str¨ omung verh¨alt sich fast reibungsfrei. Auf der anderen Seite muß der beschleunigte K¨ orper die Fl¨ ussigkeit in Bewegung setzen und daher eine Arbeit leisten, die sich in der kinetischen Energie der Fl¨ ussigkeit wiederfinden muß. Das heißt aber, daß auch der auftriebslose K¨ orper in Potentialstr¨ omung einen Widerstand erf¨ahrt, wenn er beschleunigt wird. Dieser Widerstand ¨ außert sich in vielen technischen Anwendungen, beispielsweise bei Schwingungen von Bauteilen, die in Fl¨ ussigkeit hoher Dichte eingetaucht sind, wobei wir als typisches Beispiel Schwingungen von Schaufeln in hydraulischen Maschinen erw¨ ahnen. Der Widerstand wirkt wie eine scheinbare Erh¨ ohung der schwingenden Masse (zus¨atzliche oder virtuelle Masse). Diese virtuellen Massen lassen sich im Rahmen der Potentialtheorie absch¨atzen. Wir demonstrieren dies am Beispiel einer Kugel, die sich mit zeitlich ver¨ anderlicher Geschwindigkeit durch ruhende Fl¨ ussigkeit bewegt. Wir w¨ahlen ein raumfestes Koordinatensystem, in dem das Potential aus (10.147) folgt: 1 ri Φ = − r03 Ui (t) 3 , 2 r

(10.153)

∂Φ 1 p p∞ + uj uj + = , ∂t 2  

(10.154)

√ mit r = x − a und r = |r| = rj rj . Man beachte, daß a und damit auch r von t abh¨ angen und das Potential daher zeitlich ver¨anderlich ist, selbst wenn sich die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Wir berechnen die Kraft auf die Kugel durch Integration der Druckverteilung. Der Druck im Unendlichen sei p∞ , Φ ist gem¨aß (10.153) dort null, so daß die Bernoullische Gleichung

lautet. Wie bereits bekannt, heben sich die Terme 12 uj uj , die auch im station¨aren Fall auftreten, in der Integration zur Bestimmung der Kraft auf; wir lassen sie daher gleich weg. Mit (10.153) erh¨ alt man f¨ ur ∂Φ/∂t

374

10 Potentialstr¨ omungen

  ∂Φ 1 ) r0 *3 dUj 3 =− rj − Uj Uj + 2 Ui Uj ri rj . ∂t 2 r dt r

(10.155)

Nach dem d’Alembertschen Paradoxon kann nur der Term mit dUj /dt einen Beitrag liefern, wovon man sich aber auch durch explizites Ausrechnen u ¨ berzeugen kann. Der nur von diesem Term herr¨ uhrende Druck an der Oberfl¨ache r = r0 ist wegen rj /r0 = nj p − p∞ 1 dUj = r0 nj .  2 dt

(10.156)

Da sich die Str¨omungsverh¨ altnisse bei inkompressibler, zirkulationsfreier Str¨ omung unmittelbar auf die momentanen Randbedingungen einstellen, gen¨ ugt es, die Kraft in dem Augenblick zu berechnen, in dem der Kugelmittelpunkt den Koordinatenursprung passiert. F¨ ur die sich mit U in positive x-Richtung bewegende Kugel berechnen wir die nicht verschwindende x-Komponente der Kraft zu  Fx = − p cos ϑ dS , (S)

mit dS = r02 sin ϑ dϑ dϕ:  dU 3 Fx = − r 2 dt 0

2ππ 0

2 dU cos2 ϑ sin ϑ dϑ dϕ = − π r03  . 3 dt

(10.157)

0

Die Kugel erf¨ ahrt also eine Kraft, die der Beschleunigung entgegengesetzt ist. Diese Aussage gilt unabh¨ angig vom gew¨ ahlten Koordinatensystem. Wirkt auf die Kugel der Masse M eine ¨ außere Kraft Xx , so folgt unter Ber¨ ucksichtigung der Widerstandskraft Fx nach dem Zweiten Newtonschen Gesetz M

dU = Xx + Fx , dt

oder Xx =

  2 dU M + π r03  . 3 dt

(10.158)

(10.159)

Will man also die Beschleunigung einer Kugel in Fl¨ ussigkeit infolge einer ¨außeren Kraft berechnen, so muß man zur tats¨achlichen Masse der Kugel M noch die scheinbare oder virtuelle Masse M =

2 3 πr  3 0

(10.160)

addieren. Diese Masse ergibt sich aus der Tatsache, daß neben der Kugel selbst auch die Fl¨ ussigkeit beschleunigt werden muß.

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

375

Die virtuelle Masse der Kugel ist gerade die H¨alfte der von der Kugel verdr¨ angten Fl¨ ussigkeitsmasse. Die Arbeit pro Zeiteinheit, die zus¨atzlich infolge der virtuellen Masse beim Beschleunigen geleistet wird, muß dann gleich der ¨ Anderung der kinetischen Energie der Fl¨ ussigkeit sein. Die kinetische Energie im Volumen V einer Fl¨ ussigkeit ist durch  

  ui ui dV = 2 2

K=

 

(V )

∂Φ ∂Φ dV ∂xi ∂xi

(10.161)

(V )

gegeben. Mit   ∂ ∂Φ ∂Φ ∂Φ ∂2Φ Φ = +Φ ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi

(10.162)

und ∂2Φ =0 ∂xi ∂xi folgt  

 K= 2

∂ ∂xi

  ∂Φ Φ dV ∂xi

(10.163)

(V )

und weiter nach dem Gaußschen Satz    ∂Φ  ∂Φ K= Φ ni dS = Φ dS . 2 ∂xi 2 ∂n (S)

(10.164)

(S)

Die gesamte kinetische Energie der Fl¨ ussigkeit befindet sich zwischen der Kugeloberfl¨ ache SK und einer Oberfl¨ ache S∞ , welche die gesamte Fl¨ ussigkeit umschließt, also u ¨ berall im Unendlichen (r → ∞) verl¨auft (Abb. 10.22): K=−

 2

 Φ

∂Φ  dS + ∂r 2

(SK )

 Φ

∂Φ dS . ∂r

(10.165)

(S∞ )

F¨ ur eine Kugel, die sich augenblicklich am Koordinatenursprung befindet, ist das Potential in Kugelkoordinaten Φ=−

r03 U cos ϑ . 2r2

(10.166)

Hieraus berechnet man ∂Φ r3 = U 03 cos ϑ , ∂r r

(10.167)

376

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.22. Zum Integrationsbereich

und damit entsteht aus (10.165) ⎛ 1 ⎜ K = − r06 U 2  ⎝− 4



r−5 cos2 ϑ dS +

(SK )



⎞ ⎟ r−5 cos2 ϑ dS ⎠ .

(10.168)

(S∞ )

Das zweite Integral verschwindet f¨ ur den Grenz¨ ubergang r → ∞, und daher erhalten wir f¨ ur die kinetische Energie in der Fl¨ ussigkeit K=

2 U2 π r03  . 3 2

(10.169)

¨ F¨ ur die Anderung der kinetischen Energie gewinnen wir den Ausdruck dK 2 dU = π r03  U , dt 3 dt

(10.170)

der gleich der Arbeit pro Zeiteinheit der virtuellen Masse ist: M

dU 2 dU U = π r03  U . dt 3 dt

(10.171)

Als Beispiel betrachten wir eine unter dem Einfluß der Schwerkraft fallende Kugel der Masse M in einer unendlich ausgedehnten Fl¨ ussigkeit. An der Kugel greift die Schwerkraft M g an. Außerdem erf¨ahrt die Kugel einen hydrostatischen Auftrieb, der gleich dem Gewicht der verdr¨angten Fl¨ ussigkeit (mit (10.160) also 2M  g) ist. Der Beschleunigung entgegen wirkt außerdem der Widerstand, der von der virtuellen Masse herr¨ uhrt. Folglich lautet die Bewegungsgleichung (M + M  )

dU = M g − 2M  g , dt

(10.172)

bzw. dU M − 2M  = g. dt M + M

(10.173)

10.3 Inkompressible Potentialstr¨ omung

377

Mit M = K V und M  = 12  V schreiben wir f¨ ur die Beschleunigung auch dU K −  K / − 1 =g =g . dt K + /2 K / + 1/2

(10.174)

Ist die Dichte der Kugel sehr viel gr¨ oßer als die der Fl¨ ussigkeit, so ist die Beschleunigung praktisch gleich der Erdbeschleunigung (wie z. B. bei einem schweren K¨ orper, der in der Atmosph¨ are f¨ allt). Ist hingegen die Fl¨ ussigkeitsdichte viel gr¨ oßer als die Dichte der Kugel, so steigt die Kugel mit einer Beschleunigung von 2g nach oben (wie z. B. eine Gasblase in einer Fl¨ ussigkeit). Wir wollen jetzt noch den Berechnungsgang f¨ ur die virtuelle Masse eines allgemeinen K¨ orpers skizzieren, der eine reine Translationsbewegung ausf¨ uhrt: Das Geschwindigkeitsfeld erhalten wir aus der L¨osung der Laplaceschen Gleichung unter den Randbedingungen Φ = const

f¨ ur

r→∞

(10.175)

und u i ni =

∂Φ ∂Φ ni = = U i ni ∂xi ∂n

f¨ ur

F (xi , t) = 0

(10.176)

Da sowohl Differentialgleichung als auch Randbedingungen linear sind und die Geschwindigkeit des K¨ orpers Ui ebenfalls nur linear auftritt, kann Ui auch nur linear in die L¨ osung eingehen, die daher die Form Φ = Ui ϕi

(10.177)

haben muß. Aus (10.176) folgt ∂ϕi = ni ∂n

f¨ ur

F (xi , t) = 0 ,

(10.178)

wobei die Vektorfunktion ϕi nur von der Gestalt des K¨orpers abh¨angt. Setzt man Φ nach (10.177) und die rechte Seite von (10.176) in den Ausdruck (10.164) f¨ ur die kinetische Energie ein, so entsteht die Formel 1 K = − Ui Uj 2

  ϕi nj dS ,

(10.179)

(SK )

wobei das negative Vorzeichen daher r¨ uhrt, daß jetzt nj bez¨ uglich der K¨orperoberfl¨ ache SK genommen wird. Das Integral ist ein symmetrischer Tensor zweiter Stufe, dessen sechs unabh¨ angige Komponenten gebraucht werden, um die kinetische Energie der Str¨ omung, die durch die Bewegung des K¨ orpers erzeugt wird, im allgemeinen Fall zu berechnen. (W¨ urde der K¨orper neben der Translation auch eine Drehbewegung ausf¨ uhren, so w¨ urden sogar

378

10 Potentialstr¨ omungen

drei solcher Tensoren ben¨ otigt.) Die Tensorkomponenten haben die Dimension einer Masse, und man bezeichnet den Tensor als Tensor der virtuellen Massen:  mij = −  ϕi nj dS . (10.180) (SK )

Hiermit kann man f¨ ur die kinetische Energie der Fl¨ ussigkeit auch schreiben 1 Ui Uj mij . (10.181) 2 Wenn die Vektorfunktion ϕi , d. h. das Potential bekannt ist, l¨aßt sich mij berechnen. F¨ ur den Fall der Kugel, die sich im Koordinatenursprung befindet, ist K=

r03 xi , 2r3 und der Tensor der virtuellen Massen wird wegen nj = xj /r0 aus   mij = xi xj dS 2r0 ϕi = −

(10.182)

(10.183)

(SK )

berechnet. Man zeigt leicht, daß der Tensor mij in diesem Fall kugelsymmetrisch ist: m11 = m22 = m33 = M  .

(10.184)

Wirkt auf den K¨ orper der Masse M in einer Fl¨ ussigkeit die ¨außere Kraft Xi , so lautet die Bewegungsgleichung mit dem Tensor der virtuellen Massen M

dUi dUj + mij = Xi dt dt

(10.185)

oder dUj = Xi . (10.186) dt Man sieht dieser Bewegungsgleichung an, daß im allgemeinen die Richtung der Beschleunigung nicht mit der Richtung der Kraft u ¨ bereinstimmt, wovon man sich u ¨ berzeugen kann, wenn man versucht, einen eingetauchten, unsymmetrischen K¨ orper in eine bestimmte Richtung zu stoßen. (M δij + mij )

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung F¨ ur ebene Str¨ omungen l¨ aßt sich bekanntlich ein kartesisches Koordinatensystem immer derart angeben, daß die Str¨ omung in allen Ebenen z = const dieselbe ist und die Geschwindigkeitskomponente in die z-Richtung verschwindet. Es ist oft zweckm¨ aßig, in einer solchen Ebene außer den kartesischen

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

379

Abbildung 10.23. Ebene Quelle im Ursprung

Koordinaten x, y auch Polarkoordinaten r, ϕ zu verwenden, die aus den Zylinderkoordinaten (Anhang B) entstehen, wenn wir dort z = const setzen. 10.4.1 Beispiele f¨ ur inkompressible, ebene Potentialstr¨ omungen Als Fundamentall¨ osung steht uns auch hier das Potential einer Quelle (Linienquelle, Abb. 10.23) zur Verf¨ ugung, das uns als Greensche Funktion in (4.122) begegnet ist: E ln r , 2π

Φ=

(10.187)

mit r2 = (x − x )2 + (y − y  )2 oder r2 = x2 + y 2 f¨ ur eine Quelle am Ursprung. Die Geschwindigkeitskomponenten in Polarkoordinaten ergeben sich dann zu ur =

∂Φ E 1 = , ∂r 2π r

(10.188)

uϕ =

1 ∂Φ =0. r ∂ϕ

(10.189)

In kartesischen Koordinaten lauten die Komponenten u=

∂Φ E x = , 2 ∂x 2π x + y 2

(10.190)

v=

∂Φ E y = . ∂y 2π x2 + y 2

(10.191)

¨ Durch Uberlagerung einer Quelle mit der Parallelstr¨omung entsteht auf die bekannte Weise ein einseitig unendlicher K¨ orper (Abb. 10.24): Φ = U∞ x +

E ! 2 E ln x + y 2 = U∞ r cos ϕ + ln r . 2π 2π

(10.192)

380

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.24. Ebener einseitig unendlicher K¨ orper

¨ Wie im rotationssymmetrischen Fall lassen sich auch hier durch Uberlagerung von Parallelstr¨ omung und linienf¨ ormig verteilten Quellen und Senken zylindrische K¨ orper unterschiedlicher Form erzeugen. Durch Differentiation des Quellpotentials erh¨ alt man die Fundamentall¨ osung des Dipols in der Ebene. Das Potential des in negative x-Richtung orientierten Dipols im Ursprung lautet Φ=

M x M cos ϕ = . 2 2 2π x + y 2π r

(10.193)

Das Geschwindigkeitspotential (10.193) beschreibt auch die Str¨omung, die entsteht, wenn sich ein in z-Richtung unendlich ausgedehnter Kreiszylinder mit der Geschwindigkeit U∞ =

M 1 2π r02

¨ nach links bewegt. Die Uberlagerung eines Dipols mit einer Parallelstr¨omung ergibt die Umstr¨ omung des ruhenden Kreiszylinders. Das zugeh¨orige Potential ist   M x r02 Φ = U∞ x + = U r + cos ϕ , (10.194) ∞ 2π x2 + y 2 r wenn die Str¨ omungsrichtung mit der positiven x-Richtung u ¨bereinstimmt. Eine andere wichtige singul¨ are L¨ osung der Laplace-Gleichung ist der bereits bekannte Potentialwirbel oder geradlinige Wirbelfaden. Das Potential des Wirbelfadens, der mit der z-Achse zusammenf¨allt, ist durch Φ=

Γ y Γ ϕ= arctan 2π 2π x

(10.195)

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

381

Abbildung 10.25. Potentialwirbel

gegeben. F¨ ur die Geschwindigkeitskomponenten in r- und ϕ-Richtung findet man ur =

∂Φ =0, ∂r

(10.196)

uϕ =

1 ∂Φ Γ 1 = . r ∂ϕ 2π r

(10.197)

Der Koordinatenursprung ist ein singul¨ arer Punkt, dort wird die Geschwindigkeit unendlich. Die Stromlinien sind Kreise. Mit Ausnahme des singul¨aren Punktes ist die Str¨ omung wirbelfrei. In Abschnitt 6.1 haben wir das Geschwindigkeitsfeld (10.197) auch als exakte L¨osung der Navier-Stokesschen Gleichungen kennengelernt und dort gezeigt, daß diese Potentialstr¨omung als Grenzfall der reibungsbehafteten Str¨ omung zwischen zwei Kreiszylindern entsteht, wenn der innere (Radius RI ) rotiert und der Radius des ruhenden ¨ außeren Zylinders unendlich groß wird. Der rotierende Zylinder u ¨ bt ein Reibungsmoment (pro L¨ angeneinheit) auf die Fl¨ ussigkeit aus, das wegen   ∂uϕ uϕ  ηΓ 1 τw = −τϕr |RI = −η − = (10.198)  ∂r r π RI2 RI (siehe Anhang B) zu M = τw 2π RI2 = 2Γ η

(10.199)

berechnet wird. Das Moment ist also unabh¨angig vom Radius, folglich u agt auch jeder Fl¨ ussigkeitszylinder mit dem Radius r ≥ RI dassel¨bertr¨ be Moment. Der Fl¨ ussigkeitsring zwischen RI und r wird im Einklang mit der Tatsache, daß die Divergenz der Reibungsspannungen in inkompressibler Potentialstr¨omung verschwindet, nicht beschleunigt. Die Leistung des Reibungsmomentes am Zylinder r = RI ist aber ) u * ηΓ 1 ϕ  PI = M (10.200)  = 2Γ r RI 2π RI2

382

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.26. Geschwindigkeitsverteilung des zerfallenden Wirbels

und an der Stelle r P =

η Γ2 . πr2

Die Differenz η Γ2 ∆P = π

(10.201) 

1 1 − 2 RI2 r

 (10.202)

wird in W¨ arme dissipiert. Das Ergebnis zeigt auch, daß ein isolierter Potentialwirbel ohne Zufuhr von Energie die Geschwindigkeitsverteilung (10.197) nicht aufrechterhalten kann. Wir vermerken zus¨atzlich, daß die kinetische Energie dieser Verteilung unendlich groß ist, es also physikalisch keinen Wirbel geben kann, dessen Verteilung wie 1/r geht und bis ins Unendliche reicht. Gibt man die Geschwindigkeitsverteilung (10.197) zur Zeit t = 0 vor, so lautet die Verteilung der Geschwindigkeit zu einem sp¨ateren Zeitpunkt    Γ 1 r2 uϕ = 1 − exp − . (10.203) 2π r 4ν t Man gewinnt diese L¨ osung aus der ϕ-Komponente der Navier-Stokesschen Gleichungen, wenn man bedenkt, daß im Problem keine ausgezeichnete L¨ange auftritt, daher r mit (ν t)−1/2 dimensionslos zu machen ist, und die L¨osung ein Zusammenhang zwischen den dimensionslosen Gruppen Π1 =

uϕ r , Γ

r Π2 = √ νt

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

383

¨ Abbildung 10.27. Uberlagerung von Senke und Potentialwirbel (Logarithmische Spirale)

sein muß (Abb. 10.26). Diese Str¨ omung ist nicht mehr rotationsfrei! ¨ Die Uberlagerung eines Potentialwirbels mit einer Senke (oder Quelle) ergibt eine Str¨ omung, deren Stromlinien logarithmische Spiralen sind (Wirbelquelle, Wirbelsenke, Abb. 10.27). Die L¨ osung der Differentialgleichung f¨ ur die Stromlinien in Polarkoordinaten 1 dr ur E = =+ (10.204) r dϕ uϕ Γ lautet

  Eϕ r = K exp . Γ

(10.205)

Diese Str¨ omung ist als Badewannenabfluß“ bekannt und hat eine tech” nisch wichtige Anwendung in der Potentialstr¨omung durch Radialgitter (siehe Abb. 2.9). Im schaufelfreien Ringraum, hinreichend weit vor und hinter dem Gitter, sind die Stromlinien logarithmische Spiralen, allerdings mit verschiedenen Werten von Γ vor und hinter dem Gitter. (Ist die Zirkulation vor dem Gitter Γe , dann ist sie hinter dem Gitter Γa = Γe + n Γs , wenn Γs die Zirkulation der Einzelschaufel und n die Anzahl der Schaufeln im Gitter ist.) 10.4.2 Komplexes Potential f¨ ur ebene Str¨ omungen Die ebenen Str¨ omungen unterscheiden sich von anderen zweidimensionalen Str¨ omungen (zwei unabh¨ angig Ver¨ anderliche) durch die M¨oglichkeit, die un-

384

10 Potentialstr¨ omungen

abh¨ angigen Ver¨ anderlichen x und y zu einer komplexen Variablen zusammenzufassen: √ z = x + iy , i = −1 . (10.206) Da jede analytische Funktion der komplexen Koordinate z die Laplacesche Gleichung erf¨ ullt, wird die Berechnung sowohl des direkten als auch des indirekten Problems wesentlich erleichtert. Kennt man die Str¨omung um einen zylindrischen K¨ orper, dessen Querschnittsfl¨ ache einfach zusammenh¨angend ist (z. B. Kreiszylinder), so kann man nach dem Riemannschen Abbildungssatz durch konforme Abbildung die Str¨ omung um jeden anderen Zylinder erhalten. Nach diesem Satz l¨ aßt sich n¨ amlich jeder einfach zusammenh¨angende Bereich der komplexen Ebene in das Innere des Einheitskreises abbilden. Damit ist zwar im Prinzip das ebene Umstr¨ omungsproblem gel¨ost, die Aufgabe besteht aber nun darin, eine geeignete Abbildungsfunktion zu finden. Die komplexe Funktion F (z) heißt analytisch (holomorph) in einem offenen Gebiet G, wenn sie dort in jedem Punkt z komplex differenzierbar ist, d. h. der Grenzwert lim

∆z→0

F (z + ∆z) − F (z) dF = ∆z dz

(10.207)

existiert und vom Weg von z nach z + ∆z unabh¨angig ist. Ein singul¨arer Punkt liegt vor, wenn diese Forderungen nicht erf¨ ullt sind. L¨ angs eines Weges parallel zur x-Achse gilt dF ∂F = dz ∂x

(10.208)

und l¨ angs eines Weges parallel zur y-Achse dF ∂F = . dz ∂(i y)

(10.209)

Da jede komplexe Funktion F (z) auf die Form F (z) = Φ(x, y) + iΨ (x, y)

(10.210)

gebracht werden kann, entsteht ∂F ∂Φ ∂Ψ 1 ∂Φ ∂Ψ 1 ∂F = +i = + = . ∂x ∂x ∂x i ∂y ∂y i ∂y

(10.211)

Offensichtlich ist es f¨ ur die Differenzierbarkeit notwendig, daß ∂Φ ∂Ψ = ∂x ∂y

und

∂Φ ∂Ψ =− ∂y ∂x

(10.212)

gelten. Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen (10.212) sind dann auch hinreichend f¨ ur die Differenzierbarkeit von F (z). Man zeigt auch

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

385

leicht, daß sowohl der Realteil (F ) = Φ(x, y) als auch der Imagin¨arteil (F ) = Ψ (x, y) die Laplace-Gleichung erf¨ ullen. Differenziert man n¨amlich die erste der Differentialgleichungen von (10.212) nach x, die zweite nach y und addiert die Ergebnisse, so zeigt sich, daß Φ die Laplace-Gleichung erf¨ ullt. Differenziert man die erste nach y, die zweite nach x und subtrahiert die Ergebnisse, zeigt sich dasselbe f¨ ur Ψ . Beide Funktionen k¨onnen daher als Geschwindigkeitspotential einer ebenen Str¨omung gelten. Wir w¨ahlen Φ als Geschwindigkeitspotential und fragen nach der physikalischen Bedeutung von Ψ . Mit u = ∇Φ =

∂Φ ∂Φ ex + ey = uex + vey ∂x ∂y

(10.213)

gilt wegen (10.212) auch ∇Ψ =

∂Ψ ∂Ψ ex + ey = −vex + uey . ∂x ∂y

(10.214)

Aus ∇Φ · ∇Ψ = 0 schließen wir, daß ∇Ψ senkrecht auf dem Geschwindigkeitsvektor u steht, Ψ = const also Stromlinien sind. Damit ist aber Ψ als Stromfunktion identifiziert. (Wie schon im Zusammenhang mit (10.104) und (10.105) besprochen, ist aber die Einf¨ uhrung einer Stromfunktion nicht an Potentialstr¨ omungen gebunden!) Da eine additive Konstante einer Stromfunktion offensichtlich keine Rolle spielt, kann man es immer so einrichten, daß Ψ =0

(10.215)

die Gleichung der K¨ orperkontur ist. Mit bekanntem Ψ gewinnt man den Geschwindigkeitsvektor direkt aus der Formel u = ∇Ψ × ez

bzw. ui = ij3

∂Ψ , ∂xj

(10.216)

also u=

∂Ψ , ∂y

v=−

∂Ψ , ∂x

(10.217)

so daß die Kontinuit¨ atsgleichung ∂u ∂v + =0 ∂x ∂y identisch erf¨ ullt ist. Wir berechnen nun den Volumenfluß (pro Tiefeneinheit) zwischen den Punkten A und B (Abb. 10.28): A V˙ =

ui ni ds B

(10.218)

386

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.28. Zur Deutung der Stromfunktion in ebener Str¨ omung

und schreiben zur Auswertung des Integrals f¨ ur ni = ik3 τk , wobei τk = dxk /ds der Einheitsvektor l¨ angs des Integrationsweges ds in Richtung wachsendem Ψ ist (Abb. 10.28). Mit (10.216) erhalten wir dann A  V˙ =

ij3

∂Ψ dxk

ik3 ∂xj ds

 ds

(10.219)

B

oder mit ij3 ik3 = δjk auch A V˙ = B

∂Ψ dxj = ∂xj

A dΨ = ΨA − ΨB .

(10.220)

B

Dieses Ergebnis best¨ atigt, daß der Volumenstrom vom Weg zwischen A und B unabh¨ angig und gleich der Differenz der Werte der Stromfunktion an diesen Punkten ist. Die Geschwindigkeitskomponenten lassen sich auf k¨ urzerem Wege mittels dF ∂F ∂Φ ∂Ψ = = +i = u − iv dz ∂x ∂x ∂x

(10.221)

berechnen, wobei das Vorzeichen an v zu beachten ist: dF/dz ergibt die konjugiert komplexe Geschwindigkeit dF = w = u − iv , dz also die Spiegelung der komplexen Geschwindigkeit w = u + iv an der reellen Achse. Im folgenden seien einige Beispiele komplexer Potentiale aufgef¨ uhrt. a) Translationsstr¨ omung:

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

F (z) = (U∞ − iV∞ ) z ,

387

(10.222)

oder F = (U∞ x + V∞ y) + i (U∞ y − V∞ x) ,

(10.223)

wegen (10.210) also Φ = U∞ x + V∞ y ,

(10.224)

Ψ = U∞ y − V∞ x .

(10.225)

Die Stromlinien folgen aus Ψ = const zu y = x V∞ /U∞ +C und die konjugiert komplexe Geschwindigkeit aus dF = U∞ − iV∞ . dz

(10.226)

b) Quellstr¨ omung:

F (z) =

E ln z 2π

(10.227)

oder wegen z = reiϕ auch F =

E (ln r + iϕ) . 2π

(10.228)

Mit (10.210) ergeben sich Geschwindigkeitspotential und Stromfunktion zu Φ=

E ln r , 2π

E ϕ. 2π Die Stromlinien Ψ = const sind Strahlen durch den Ursprung. c) Potentialwirbel: Ψ=

F (z) = −i

Γ ln z , 2π

(10.229) (10.230)

(10.231)

wobei das negative Vorzeichen n¨ otig wird, weil wir Γ im Gegenuhrzeigersinn positiv z¨ ahlen. In Polardarstellung erhalten wir F = −i also

Γ (ln r + iϕ) , 2π

(10.232)

388

10 Potentialstr¨ omungen

¨ Abbildung 10.29. Stromlinien und Aquipotentiallinien des ebenen Dipols

Φ=+

Γ ϕ, 2π

(10.233)

Γ ln r . 2π Die Stromlinien Ψ = const sind Kreise (r = const). d) Dipol: Ψ =−

F (z) =

M 1 , 2π z

(10.234)

(10.235)

bzw. nach konjugiert komplexer Erweiterung F =

M 1 M 1 (cos ϕ − i sin ϕ) = (x − iy) , 2π r 2π r2

(10.236)

woraus man unmittelbar abliest: Φ=+

M cos ϕ M 1 = x, 2π r 2π r2

M sin ϕ M 1 =− y. 2π r 2π r2 F¨ ur Ψ = const erh¨ alt man mit sin ϕ = y/r Ψ =−

r2 = x2 + y 2 = −

M y, C

(10.237) (10.238)

(10.239)

d. h. die Stromlinien sind Kreise, die die x-Achse im Ursprung tangieren (Abb. 10.29). e) Eckenstr¨ omung: F (z) =

a n z , n

(10.240)

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

389

mit z = reiϕ folgt F =

a n r (cos nϕ + i sin nϕ) n

und daher a Φ = rn cos nϕ , n a Ψ = rn sin nϕ . n F¨ ur den Betrag der Geschwindigkeit erhalten wir    dF   n−1   = a z  = |a| rn−1 . |u| =  dz 

(10.241)

(10.242) (10.243)

(10.244)

Die Stromlinien ergeben sich allgemein aus Ψ = const. Speziell f¨ ur Ψ = 0, also sin nϕ = 0 oder ϕ = kπ/n (k = 0, 1, 2, . . .) sind dies Geraden durch den Ursprung, die W¨ande im Str¨ omungsfeld darstellen k¨onnen. Abb. 10.30 zeigt die Stromlinienbilder f¨ ur verschiedene Werte des Exponenten n. f) Umstr¨ omung eines Zylinders (Abb. 10.31):   r2 F (z) = U∞ z + 0 z oder wieder mit z = reiϕ     r02 r02 F = U∞ r + cos ϕ + iU∞ r − sin ϕ r r

(10.245)

(10.246)

und damit

  r02 Φ = U∞ r + cos ϕ , r   r2 Ψ = U∞ r − 0 sin ϕ . r

(10.247)

(10.248)

Ψ = 0 erh¨ alt man f¨ ur r = r0 und ϕ = 0, π, . . . Aus der konjugiert komplexen Geschwindigkeit   dF r02 = U∞ 1 − 2 (10.249) dz z schließt man durch dF/dz = 0 auf die Lage der Staupunkte bei z = ±r0 und auf die Geschwindigkeitskomponenten   r2 u − iv = U∞ 1 − e−i2ϕ 02 (10.250) r

390

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.30. Eckenstr¨ omung f¨ ur verschiedene Werte des Exponenten n

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

391

Abbildung 10.31. Umstr¨ omung eines Kreiszylinders ohne Zirkulation

bzw.

  r02 u = U∞ 1 − 2 cos 2ϕ , r

(10.251)

r02 sin 2ϕ . (10.252) r2 Die maximale Geschwindigkeit wird f¨ ur r = r0 (K¨orperkontur) und ϕ = π/2, 3π/2, . . . erreicht: v = −U∞

Umax = 2U∞ .

(10.253)

g) Umstr¨ omung eines Kreiszylinders plus Potentialwirbel: ¨ Diese Uberlagerung ist m¨ oglich, da ein Potentialwirbel auf der Zylinderachse die kinematische Randbedingung am Kreiszylinder erf¨ ullt. Das komplexe Potential dieser Str¨ omung ist   r02 Γ F (z) = U∞ z + −i ln(z/r0 ) , (10.254) z 2π woraus wir das Potential und die Stromfunktion zu   r02 Γ Φ = U∞ r + cos ϕ + ϕ, r 2π   r2 Γ Ψ = U∞ r − 0 sin ϕ − ln(r/r0 ) r 2π

(10.255)

(10.256)

ablesen. Da F (z) f¨ ur alle Werte von Γ die Str¨ omung um einen Kreiszylinder ¨ darstellt, ist diese nicht eindeutig. Wir verschaffen uns einen Uberblick u ¨ ber die verschiedenen Str¨ omungen, indem wir die Staupunkte auf der K¨orperkontur berechnen. Aus  1 ∂Φ  Γ 1 uϕ = = −2U∞ sin ϕ + (10.257) r ∂ϕ r=r0 2π r0 folgt die Bedingung

392

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.32. Umstr¨ omung eines Kreiszylinders mit Zirkulation im Uhrzeigersinn Γ = −4π r0 U∞ cΓ

sin ϕ =

Γ 1 4π U∞ r0

(10.258)

f¨ ur die Lage der Staupunkte. Die Abb. 10.32 zeigt die Str¨omungsformen f¨ ur verschiedene Werte der Zirkulation Γ . Die Kraft (pro Tiefeneinheit) in x-Richtung auf den Zylinder verschwindet aus Symmetriegr¨ unden, die in y-Richtung betr¨agt Fy = − U∞ Γ ,

(Γ < 0) .

(10.259)

Das Str¨ omungsfeld der Abb. 10.32d l¨ aßt sich experimentell realisieren, wenn man einen rotierenden Zylinder mit einer Geschwindigkeit U∞ quer anbl¨ast,

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

393

Abbildung 10.33. Zum Blasius-Theorem

die hinreichend klein im Vergleich zur Umfangsgeschwindigkeit Ω r0 ist, was der Bedingung |Γ | > 4π r0 U∞ entspricht. Bekanntlich erzeugt ein rotierender Zylinder ohne Anstr¨ omung in reibungsbehafteter Fl¨ ussigkeit einen Potentialwirbel, und es ist einsichtig, daß eine geringe Queranstr¨omung keine Abl¨osung am Zylinder verursachen wird. Wie Experimente zeigen, wird der potentialtheoretische Auftrieb bereits bei Ω r0 /U∞ > 4 erreicht. Man nennt die Erscheinung, daß ein querangestr¨ omter, rotierender Zylinder einen Auftrieb erf¨ ahrt, den Magnuseffekt . Er ist allgemein bei rotierenden K¨orpern zu beobachten, so z. B. bei angeschnittenen Tennisb¨allen. Er spielt aber auch in der Ballistik (rotierende Geschosse) eine große Rolle. Es ist sogar versucht worden, rotierende Zylinder statt Segel auf Schiffen zu verwenden (FlettnerRotor ). 10.4.3 Blasius-Theorem Wir beschr¨ anken uns auf station¨ are Str¨ omungen und betrachten einen einfach zusammenh¨ angenden Bereich, der Querschnitt eines umstr¨omten Zylinders sein m¨ oge, und berechnen aus  p ni ds (10.260) Fi = − (C)

die Kraftkomponenten pro Tiefeneinheit mit ni = ik3 dxk /ds (vgl. (10.219)) zu  F1 = Fx = − p dy (10.261) (C)

und



F2 = Fy = + (C)

p dx

(10.262)

394

10 Potentialstr¨ omungen

In komplexer Schreibweise z = x + iy ,

z = x − iy

fassen wir die Kraftkomponenten zu  Fx − iFy = (−ip)dz

(10.263)

(C)

zusammen. Das Moment am Zylinder hat nur eine Komponente in z-Richtung:     · ez = M = − M

ij3 xi nj p ds = −

ij3 xi jk3 p dxk = xi δik p dxk (C)

(C)

(C)

(10.264) oder



M=

(x p dx + y p dy) .

(10.265)

(C)

Das Kurvenintegral fassen wir komplex zusammen:  M= p (z dz) .

(10.266)

(C)

F¨ ur station¨ are Str¨ omung folgt nunmehr aus der Bernoullischen Gleichung  p + (u2 + v 2 ) = p0 2

(10.267)

und dem Quadrat des Betrages der konjugiert komplexen Geschwindigkeit    dF 2 dF dF 2 2   (10.268)  dz  = dz dz = u + v f¨ ur den Druck p = p0 −

 dF dF . 2 dz dz

Damit schreiben wir f¨ ur die Kraft   dF Fx − iFy = i dF , 2 dz

(10.269)

(10.270)

(C)

denn das Rundintegral u ¨ber den konstanten Druck p0 verschwindet. Da die K¨orperkontur eine Kurve Ψ = const ist, gilt

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

395

Abbildung 10.34. Zur Anwendung des Cauchyschen Integralsatzes

dF = dΦ = dF , und aus (10.270) entsteht das Erste Blasius-Theorem: 2    dF Fx − iFy = i dz . 2 dz

(10.271)

(10.272)

(C)

Auf analoge Weise erhalten wir aus (10.266) das Zweite Blasius-Theorem: ⎛ ⎞ 2    ⎜ dF ⎟ M = − ⎝ zdz ⎠ . (10.273) 2 dz (C)

Der Herleitung entsprechend sind die Integrationen l¨angs der K¨orperkontur auszuf¨ uhren. Als Folge des Cauchyschen Integralsatzes "  falls f(z) auf C und im von C umschlossenen Bereich f (z) dz = 0 holomorph ist (C)

(10.274) kann die Integration auch auf einer beliebigen, den K¨orper umschließenden und geschlossenen Kurve erfolgen, solange zwischen der K¨orperkontur und der Integrationskurve keine Singularit¨ aten eingeschlossen werden. Aus (10.274) folgt n¨ amlich mit dem Umlaufsinn der Abb. 10.34   f (z) dz + f (z) dz = 0 (10.275) (C1 )

(C2 )

oder, wenn C1 und C2 gleichsinnig umfahren werden,   f (z) dz = f (z) dz . (C1 )

(C2 )

(10.276)

396

10 Potentialstr¨ omungen

10.4.4 Kutta-Joukowsky-Theorem Wir berechnen mit Hilfe des Ersten Blasius-Theorems die Kraft auf einen Zylinder beliebiger Kontur in station¨ arer Str¨ omung. Die Anstr¨omgeschwindigkeit im Unendlichen sei U∞ +iV∞ . Außerhalb des K¨orpers seien keine Singularit¨ aten, innerhalb jedoch notwendigerweise zur Darstellung des K¨orpers und zur Erzeugung des Auftriebs. In gen¨ ugender Entfernung vom K¨orper kann man das Geschwindigkeitsfeld durch eine Laurent-Reihe der Form ∞  dF = u − iv = A0 + A1 z −1 + A2 z −2 + A3 z −3 + · · · = An z −n (10.277) dz n=0

darstellen, woraus sich das komplexe Potential zu F (z) = A0 z + A1 ln z −

∞ 

1 An z −(n−1) + const n − 1 n=2

ergibt. Aus der Bedingung im Unendlichen  dF  = U∞ − iV∞ dz ∞

(10.278)

(10.279)

folgt A0 = U∞ − iV∞ .

(10.280)

Zur Berechnung des Koeffizienten A1 bilden wir das Umlaufintegral u ¨ber (u − iv) l¨ angs der K¨ orperkontur:   (u − iv)dz = (u − iv)(dx + idy) (10.281) (C)

(C)

oder 

 (u − iv)dz =

(C)

 u · dx + i

(C)

dΨ ,

(10.282)

(C)

wobei das zweite Integral verschwindet, da dΨ l¨angs der K¨orperkontur null ist. Mit der Definition der Zirkulation (1.105) schreiben wir deshalb  (u − iv)dz = Γ . (10.283) (C)

Da die Laurent-Reihe (10.277) nur eine wesentliche Singularit¨at (z = 0) hat, gilt nach dem Residuensatz

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

397

 (u − iv) dz = 2πiA1 = Γ .

(10.284)

(C)

Hieraus gewinnen wir die konjugiert komplexe Geschwindigkeit in der Form u − iv = U∞ − iV∞ − i

∞ Γ −1  z + An z −n . 2π n=2

(10.285)

Aus (10.272) berechnen wir jetzt die Kraft auf den Zylinder. Wegen 

dF dz

2 = (U∞ − iV∞ )2 − i

Γ Γ2 2A2 (U∞ − iV∞ )− 2 2 + 2 (U∞ − iV∞ )+ · · · πz 4π z z (10.286)

erhalten wir durch Anwendung des Residuensatzes 2   dF U∞ − iV∞ dz = −(2π i)i Γ dz π

(10.287)

(C)

und damit aus (10.272) den Satz von Kutta und Joukowsky Fx − iFy = i Γ (U∞ − iV∞ ) .

(10.288)

Aus dieser Gleichung schließen wir zum einen, daß der Auftrieb senkrecht auf der Anstr¨ omung steht, d. h. der K¨ orper keinen Widerstand erf¨ahrt, und zum anderen, daß f¨ ur gegebene Zirkulation Γ der Auftrieb unabh¨angig von der K¨ orperkontur ist. F¨ ur das Moment erh¨ alt man auf ¨ ahnliche Weise    V∞ M = −2π  U∞  iA2 1 − i ; (10.289) U∞ daher h¨ angt das Moment vom komplexen Koeffizienten A2 und somit von der K¨orperkontur ab. 10.4.5 Konforme Abbildung Mit Hilfe der konformen Abbildung ist es bekanntlich m¨oglich, die Umstr¨ omung von Kreiszylindern auf Str¨ omungen um Zylinder mit beliebigen Konturen zu transformieren. Solange in der realen Str¨omung keine Abl¨osung der Grenzschicht auftritt, gibt dann die Potentialtheorie die wirklichen Str¨omungsverh¨ altnisse sehr gut wieder. Von daher hat auch die Potentialstr¨ omung um den Kreiszylinder eine technische Bedeutung. Die komplexe analytische Abbildungsfunktion ζ = f (z)

(10.290)

398

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.35. Zur konformen Abbildung

bildet an allen Punkten z, an denen f  (z) einen endlichen, von null verschiedenen Wert hat, die z-Ebene im Kleinen ¨ahnlich“ auf die ζ-Ebene ab. ” Infinitesimale Konfigurationen bleiben konform, d. h. stimmen u ¨berein. Im einzelnen hat die Transformation folgende leicht zu beweisende Eigenschaften: a) Die Winkel zwischen beliebigen Kurvenelementen sowie ihr Drehsinn bleiben erhalten. b) Das Verh¨ altnis zweier kleiner L¨ angen bleibt erhalten, also |∆z| |∆ζ| = . |∆z  | |∆ζ  | c) Ein kleines Element ∆z transformiert sich in das Element ∆ζ gem¨aß ∆ζ = ∆z

dζ . dz

Als Beispiel betrachten wir die Abbildungsfunktion ζ = z 2 = (x + iy)2

(10.291)

(Abb. 10.35). Es folgt ζ = ξ + iη = (x2 − y 2 ) + 2i x y ,

(10.292)

also ξ = x2 − y 2 ,

η = 2x y .

(10.293)

Linien x = C der z-Ebene werden auf nach links ge¨offnete Parabeln abgebildet, wie man erkennt, wenn man y aus den beiden letzten Gleichungen eliminiert: ξ = C2 −

η2 . 4C 2

(10.294)

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

399

Abbildung 10.36. Konforme Abbildung eines Kreiszylinders auf ein Profil

F¨ ur C = 0 (y-Achse) f¨ allt die entartete Parabel mit der negativen ξ-Achse zusammen. Linien y = C ergeben nach rechts ge¨offnete Parabeln: ξ=

η2 − C2 , 4C 2

(10.295)

wobei f¨ ur C = 0 (x-Achse) die Parabel entartet und auf die positive ξ-Achse f¨ allt. Der Ursprung ist ein singul¨ arer Punkt dieser Abbildung. Dort hat f  = dζ/dz eine einfache Nullstelle, an diesem Punkt ist die Abbildung nicht mehr konform. Bei einer einfachen Nullstelle wird der Winkel zwischen zwei Linienelementen der z-Ebene, z. B. zwischen der x- und y-Achse (π/2), in der ζ-Ebene verdoppelt (π). Allgemein gilt: Bei einer n-fachen Nullstelle von f  (z) vergr¨oßert sich der Winkel um das (n + 1)- fache (Verzweigungspunkt der Ordnung n). Wir betrachten jetzt die Abbildung eines Kreiszylinders von der z-Ebene in die ζ-Ebene. Durch die Abbildungsfunktion wird das Gebiet außerhalb des Zylinders in der z-Ebene in das Gebiet außerhalb eines anderen Zylinders in der ζ-Ebene abgebildet (Abb. 10.36). P und Q seien einander entsprechende Punkte in der z- und ζ-Ebene. Das Potential im Punkt P ist F (z) = Φ + iΨ .

(10.296)

Das gleiche Potential hat der Punkt Q, wir erhalten es durch Einsetzen der Abbildungsfunktion F (z) = F [z(ζ)] = F (ζ) .

(10.297)

Die konjugiert komplexe Geschwindigkeit w ζ in der ζ-Ebene berechnet sich dann nach wζ (ζ) =

dF . dζ

(10.298)

Zweckm¨ aßiger ist jedoch oft folgendes Verfahren: Man betrachtet z als Parameter und berechnet den Wert des Potentials am Punkt z. Mit Hilfe der Abbildungsfunktion ζ = f (z) bestimmt man den Wert von ζ, der z entspricht.

400

10 Potentialstr¨ omungen

An diesem Punkt ζ hat das Potential dann den gleichen Wert wie am Punkt z. Um die Geschwindigkeit in der ζ-Ebene zu bestimmen, bildet man  −1 dF dF dz dF dζ = = . (10.299) dζ dz dζ dz dz oder  w ζ (ζ) = w z (z)

dζ dz

−1 .

(10.300)

Zur Berechnung der Geschwindigkeit an einem Punkt in der ζ-Ebene dividiert man also die Geschwindigkeit im entsprechenden Punkt der z-Ebene durch dζ/dz. Die Ableitung dF/dζ existiert demnach an allen Punkten mit dζ/dz = 0. An den singul¨ aren Punkten mit dζ/dz = 0 wird die konjugiert komplexe Geschwindigkeit in der ζ-Ebene wζ (ζ) = dF/dζ unendlich, sofern sie in der z-Ebene dort nicht gleich null ist. 10.4.6 Schwarz-Christoffel-Transformation Die im Zusammenhang mit der Abbildungsfunktion ζ = z 2 besprochenen Eigenschaften von konformen Abbildungen in singul¨aren Punkten der Abbildungsfunktion kann man auch benutzen, um die x-Achse auf einen Polygonzug abzubilden. Wir betrachten dazu die Abbildung, die durch dζ = f  (z) = K(z − x1 )α1 /π−1 (z − x2 )α2 /π−1 · · · (z − xn )αn /π−1 (10.301) dz gegeben ist und als Schwarz-Christoffel-Transformation bekannt ist. Bezeichnet man den Polwinkel ϕ einer komplexen Zahl z = r exp(iϕ) mit arg (z), so liest man dem Logarithmus von (10.301) wegen ln z = ln r + i arg (z)

(10.302)

ab: )α * 1 arg (dζ) = arg (dz) + arg (K) + − 1 arg (z − x1 )+ π ) )α * * αn 2 + − 1 arg (z − x2 ) + · · · + − 1 arg (z − xn ) . (10.303) π π Geht man von einem Punkt der x-Achse links von x1 (Abb. 10.37) in Richtung wachsender x, so ist der Polwinkel arg (dz) = 0. F¨ ur x < x1 sind alle (z − xi ) in (10.303) kleiner null und reell, d. h. arg (z − xi ) = π. Somit ist arg (dζ) ¨ konstant, bis die erste Singularit¨ at x1 erreicht wird. Beim Uberschreiten von x1 wechselt der Term (z − x1 ) das Vorzeichen, arg (z − x1 ) springt daher vom Wert π auf 0. Da alle anderen Summanden in (10.303) unver¨andert bleiben, springt arg (dζ) um den Wert (α1 /π − 1)(−π) = π − α1 und bleibt dann

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

401

Abbildung 10.37. Zur Schwarz-Christoffel-Transformation

bis zum Erreichen von x2 wiederum konstant. An der Stelle ζ1 = f (x1 ) der transformierten Ebene hat also der Linienzug, der A − x1 − x (x < x2 ) entspricht, einen Knick. Bei z = x2 springt arg (z − x2 ) um −π, arg (dζ) also um π − α2 usw. Zwischen den singul¨ aren Punkten xi sind die Abbildungen der x-Achse jeweils Geraden (arg (dζ) = const), der Winkel zwischen zwei Geradenst¨ ucken ist jeweils αi . Die obere Halbebene der z-Ebene wird in das Innere des Polygonzuges in der ζ-Ebene abgebildet, wobei die Konstante K in (10.301) eine konstante Streckung und Drehung des Polygonzuges erlaubt. Als Beispiel behandeln wir die Transformation ( dζ z−1 (1/2−1) (3/2−1) = K(z + 1) (z − 1) =K . (10.304) dz z+1 Singul¨ are Punkte sind x1 = −1, x2 = 1, und die zugeh¨origen Winkel lauten α1 = π/2, α2 = 3π/2. F¨ ur Linienelemente auf der x-Achse links von x1 ergibt sich gem¨ aß (10.303) in der ζ-Ebene ein Polwinkel von   1 1 arg (dζ) = arg (dz) + arg (K) + − π + π = arg (K) . (10.305) 2 2 W¨ ahlt man K reell, so beginnt die Abbildung der x-Achse mit einer Parallelen zur ξ-Achse. F¨ ur x1 < x < x2 ist der Polwinkel arg (dζ) = π − α1 = π/2, d. h. das zweite Geradenst¨ uck ist eine Parallele zur iη-Achse. F¨ ur x > x2 ist arg (dζ) = π/2 + (π − α2 ) = 0, d. h. die Abbildung ist wieder parallel zur ξ-Achse. F¨ ur dieses Beispiel l¨ aßt sich die Abbildungsfunktion geschlossen angeben: Aus der Integration von (10.304) folgt  ( ζ = f (z) = K

)! * ! z−1 dz = K z 2 − 1 − ln(z + z 2 − 1) + C , z+1 (10.306)

wobei C als Integrationskonstante auftritt. Der Bildpunkt des singul¨aren Punktes x1 = −1 ist ζ1 = −K ln(−1) + C = −iKπ + C, der des Punktes

402

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.38. Stufe in der Parallelstr¨ omung

x2 = 1 ist ζ2 = C. F¨ ur C = iKπ ist ζ1 = 0, ζ2 = iKπ, und es entsteht die in Abb. 10.38 dargestellte Konfiguration. Jedes Str¨omungsfeld der z-Ebene, f¨ ur das die x-Achse Stromlinie ist, ergibt in der ζ-Ebene ein Str¨omungsfeld um eine Stufe der H¨ ohe K π. Speziell f¨ ur die Parallelstr¨omung F (z) = U∞ z ist F (ζ) = U∞ z(ζ) das komplexe Potential der dargestellten Stufenumstr¨omung. 10.4.7 Freistrahlen Bei der Besprechung der pl¨ otzlichen Querschnittsverengung (Abb. 9.8) haben wir schon darauf hingewiesen, daß die Fl¨ ussigkeit an der scharfen Kante abl¨ ost und zun¨ achst nicht der Rohrwand folgt, sondern einen freien Strahl bildet, der sich einschn¨ urt. Der Strahlrand ist instabil, und wenn die umgebende Fl¨ ussigkeit die Dichte des austretenden Strahles hat (wie dies bei Querschnittsverengung der Fall ist), f¨ uhrt diese Instabilit¨at dazu, daß der Strahl sich mit der umgebenden Fl¨ ussigkeit rasch vermischt, was in Abb. 9.8 angedeutet ist. Wenn der Strahl aber in eine Fl¨ ussigkeit wesentlich kleinerer Dichte austritt, so findet u. U. selbst auf Strecken, die groß im Vergleich zur linearen Abmessung der Austritts¨ offnung sind, keine Vermischung und Strahlaufl¨osung statt. Bei kleinem Strahldurchmesser und hoher Strahlgeschwindigkeit kann es zwar zum Strahlzerfall unmittelbar hinter dem Austritt kommen, wir wollen aber diesen Vorgang des Zerwellens“ und Zerspr¨ uhens“, bei dem u ¨ bri” ” gens die Kapillarspannungen und die Viskosit¨ at eine Rolle spielen, außer acht lassen.

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

403

Von technischem Interesse ist bei Freistrahlen die Kontur des Strahles, aus der man beispielsweise auf die schon erw¨ ahnte Kontraktionsziffer schließen kann. Die Berechnung der Strahlstr¨ omung ist aber im allgemeinen ein schwieriges Problem, da am Strahlrand, der noch unbekannt ist, die dynamische Randbedingung (4.171) zu erf¨ ullen ist. Nur in ebener Potentialstr¨omung lassen sich mit Hilfe der konformen Abbildung Probleme mit freien Strahlgrenzen recht einfach l¨ osen. Als erstes Beispiel berechnen wir die Strahlkontraktionsziffer eines ebenen Freistrahls und betrachten dazu den Ausfluß aus einem großen Beh¨alter (Abb. 10.39). Vom Querschnitt B − B  an kontrahiert der austretende Freistrahl auf den Querschnitt C − C  . Dort ist der Druck im Strahlinnern gleich dem Außendruck, da die Kr¨ ummung der Stromlinien verschwindet. Auf dem Strahlrand ist der Druck konstant, und aus der Bernoullischen Gleichung folgt dann auch die Konstanz der Geschwindigkeit: ( 2 U∞ = (pI − p0 ) , (10.307)  woraus sich der Volumenstrom (pro Tiefeneinheit) zu V˙ = α h U∞

(10.308)

ergibt. Aus der Kr¨ ummung der Strahloberfl¨ ache schließen wir, daß der Druck zum Strahlinneren hin zunimmt, die Geschwindigkeit also von ihrem Wert U∞ am Strahlrand zur Strahlmitte hin abnimmt. Zur Ermittlung der Kontur des Freistrahles benutzen wir die Abbildungsfunktion, die sich aus der Definition der konjugiert komplexen Geschwindigkeit ζ = f (z) =

dF = w = u − iv dz

(10.309)

ergibt. Diese Funktion bildet also die z-Ebene auf die Geschwindigkeitsebene, auch Hodographenebene genannt, ab. Wir untersuchen zun¨ achst den Verlauf der Stromlinie, die vom Punkt A (x = 0, y → ∞) u ber den Punkt B (Kante der Beh¨alter¨offnung) zu Punkt ¨ C l¨ auft (Abb. 10.39). Aus der Gleichheit der Potentiale an sich entsprechenden Punkten der z- und ζ-Ebene folgt unmittelbar, daß Stromlinien unter konformer Abbildung Stromlinien bleiben (Ψ = Ψ (z) = Ψ [z(ζ)] = const). Die betrachtete Linie ist daher auch Stromlinie in der Hodographenebene. Auf dem Linienst¨ uck A − B ist u ≡ 0, und −v w¨achst von null auf den Wert U∞ ; seine Abbildung f¨ allt daher auf die η-Achse im Bereich von η = 0 bis η = −v = U∞ . Auf der Freistrahlkontur von B (w = iU∞ ) nach C (w = U∞ ) ist |w| gem¨ aß (10.307) konstant gleich U∞ , die Abbildung dieses Stromlinienst¨ ucks ist somit der in Abb. 10.40 eingezeichnete Viertelkreis. Die Abbildung der unteren Stromlinie A − B  − C  , auf der die Geschwindigkeiten u ¨berall konjugiert komplex zu den besprochenen sind, entspricht der

404

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.39. Ebener Freistrahl

Abbildung 10.40. Freistrahl in der Hodographenebene

Spiegelung der Abbildung von A − B − C an der ξ-Achse. Obere und untere Strahlkontur bilden demnach den Halbkreis ζ = w = U∞ eiϑ

(10.310)

mit −π/2 ≤ ϑ ≤ π/2. Die Stromlinien im Inneren von Beh¨alter und Strahl fallen ins Innere dieses Halbkreises in der rechten Halbebene. ¨ Das Str¨ omungsfeld in der Hodographenebene l¨aßt sich aus der Uberlagerung einer Quelle im Ursprung und zweier Senken in ζ = ±U∞ erzeugen, es

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

405

nimmt dann aber nat¨ urlich die ξ-η-Ebene auch außerhalb des interessierenden Bereichs ein. Da nur die H¨ alfte der Ergiebigkeit der Quelle (E > 0) und der rechten Senke (E < 0) in den Halbkreis ein- bzw. aus ihm abfließt, sind die Ergiebigkeiten jeweils |E| = 2V˙ = 2α h U∞ zu w¨ahlen, und das komplexe Potential lautet gem¨ aß (10.227) F (ζ) =

α U∞ h[ln ζ − ln(ζ − U∞ ) − ln(ζ + U∞ )] . π

(10.311)

Man kann sich leicht davon u ¨ berzeugen, daß die Strahlkontur (10.310) tats¨ achlich Stromlinie ist. Es gilt nun, die Abbildungsfunktion z = z(ζ) zu ermitteln, um daraus den Verlauf der Strahlkontur in der z-Ebene zu gewinnen. Aus (10.309) folgt   dF dF dζ z= = (10.312) ζ dζ ζ und mit (10.311) hieraus    α 1 1 1 z = U∞ h + − dζ . π ζ2 ζ(U∞ − ζ) ζ(U∞ + ζ)

(10.313)

Das Integral l¨ aßt sich nach einer Partialbruchzerlegung des Integranden elementar auswerten und f¨ uhrt auf den Zusammenhang      α U∞ ζ ζ z= h − + ln 1 + − ln 1 − + const , (10.314) π ζ U∞ U∞ der die gesuchte Abbildung der Geschwindigkeitsebene auf die z-Ebene vermittelt. Die Umkehrfunktion ζ = w = u−iv = f (z) beschreibt das Geschwindigkeitsfeld in Strahl und Beh¨ alter. Wir setzen nun die Gleichung der oberen Strahlkontur (10.310) mit 0 ≤ ϑ ≤ π/2 ein und erhalten unter Verwendung der Identit¨ at     , , 1 + eiϑ π sin ϑ ln 1 + eiϑ − ln 1 − eiϑ = ln = i + ln (10.315) 1 − eiϑ 2 1 − cos ϑ den Verlauf dieser Kontur in der z-Ebene zu    α sin ϑ −iϑ z(ϑ) = h −e + ln +K , π 1 − cos ϑ

0≤ϑ≤

π . 2

(10.316)

Die Integrationskonstante K bestimmen wir aus der Bedingung am Punkt B z(ϑ = π/2) = i zu K=i

h 2

h 2

  2α 1− . π

(10.317)

(10.318)

406

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.41. Freistrahl trifft senkrecht auf eine Wand

Der Grenz¨ ubergang ϑ → 0 in (10.316) liefert eine Bestimmungsgleichung f¨ ur die Kontraktionsziffer α. F¨ ur ϑ → 0 strebt der Realteil von z gegen unendlich, d. h. der Punkt C in der z-Ebene liegt im Unendlichen. Der Imagin¨arteil [z(ϑ)] muß gem¨aß Abb. 10.39 der Bedingung lim [z(ϑ)] = i α

ϑ→0

h 2

(10.319)

gen¨ ugen, so daß aus (10.316) i α h/2 = K und daraus mit (10.318) die Kontraktionsziffer α=

π ≈ 0, 61 π+2

(10.320)

folgt. Mit der besprochenen Methode l¨ aßt sich auch die Kontur des ebenen, senkrecht auf eine Wand auftreffenden Freistrahls berechnen, wobei sich hier sogar f¨ ur die Strahlkontur eine explizite Gleichung angeben l¨aßt. Dem Str¨ omungsbild der z-Ebene (Abb. 10.41) entspricht in der Hodographenebene die Abb. 10.42. Analog zum vorhergehenden Beispiel l¨aßt sich das Feld aus ¨ der Uberlagerung zweier Quellen an den Stellen ζ = ±U∞ und zweier Senken an den Stellen ζ = ±iU∞ darstellen. Die Ergiebigkeit ist jeweils |E| = 2V˙ = 4U∞ h .

(10.321)

Das komplexe Potential in der ζ-Ebene lautet also gem¨aß (10.227) F (ζ) =

2 U∞ h [ln(ζ − U∞ ) + ln(ζ + U∞ ) − ln(ζ − iU∞ ) − ln(ζ + iU∞ )] . π

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

407

Abbildung 10.42. Wandstrahl in der Hodographenebene

(10.322) Auf bekannte Weise erh¨ alt man aus (10.312)      2h 1 − ζ/U∞ 1 − iζ/U∞ z= ln − i ln , π 1 + ζ/U∞ 1 + iζ/U∞

(10.323)

wobei sich die auftretende Integrationskonstante aus der Bedingung am Staupunkt z(ζ = 0) = 0

(10.324)

zu null ergibt. Auf der unteren Strahlkontur gilt wieder ζ = U∞ eiϑ ,

0≤ϑ≤

π 2

so daß sich unter Verwendung der Identit¨ aten       1 − eiϑ π 1 − cos ϑ π ϑ ln = −i + ln = −i + ln tan , 1 + eiϑ 2 sin ϑ 2 2

(10.325)

(10.326)

       1 − i eiϑ 1 − ei(ϑ+π/2) π ϑ π ln = ln = −i + ln tan + (10.327) 1 + i eiϑ 2 2 4 1 + ei(ϑ+π/2) die Gleichung der Strahlkontur in der Form        ϑ π 2 ϑ 2 z(ϑ) = x + iy = −h 1 − ln tan + − i h 1 + ln tan π 2 π 2 4

408

10 Potentialstr¨ omungen

(10.328) darstellt. Aus dem Realteil folgt der Zusammenhang tan

π ) ϑ x * = exp 1+ , 2 2 h

(10.329)

mit dem sich aus dem Imagin¨ arteil wegen        ϑ π 1 + tan(ϑ/2) ϑ ln tan + = ln = 2artanh tan 2 4 1 − tan(ϑ/2) 2

(10.330)

die explizite Gleichung der unteren Strahlkontur zu −

π ) y 4 x *

= 1 + artanh exp 1+ , h π 2 h

x < −h

(10.331)

gewinnen l¨ aßt. Die obere Kontur ist symmetrisch zu dieser. 10.4.8 Str¨ omung um Profile Der Hauptnutzen der konformen Abbildung liegt in der M¨oglichkeit, die noch unbekannte Str¨ omung um ein Tragfl¨ ugelprofil auf die bekannte Str¨omung um einen Kreiszylinder abzubilden. Auf diese Weise gelingt die direkte L¨osung des Umstr¨ omungsproblems um einen Zylinder beliebiger Kontur. Zwar haben die numerischen Methoden zur L¨ osung des direkten Problems die Methode der konformen Abbildung u ¨berholt, trotzdem hat sie ihre grunds¨atzliche Bedeutung behalten. Wir wollen sie am Beispiel der Joukowskyschen Abbildungsfunktion besprechen: ζ = f (z) = z +

a2 . z

(10.332)

f (z) bildet einen Kreis mit Radius a in der z-Ebene auf einen Schlitz“ in ” der ζ-Ebene ab. Mit der komplexen Koordinate des Kreises z = a eiϕ

(10.333)

erhalten wir ζ = 2a cos ϕ

(10.334)

rein reell, d. h. der Kreis wird auf ein St¨ uck der ξ-Achse abgebildet, welches von −2a bis 2a reicht (Abb. 10.43). Mit dem komplexen Potential (10.245) der Zylinderumstr¨ omung (r0 = a)   a2 F (z) = U∞ z + (10.335) z

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

409

Abbildung 10.43. Abbildung des Kreises auf Schlitz und Ellipse

Abbildung 10.44. Zur Joukowskyschen Abbildung

ergibt sich mit der Joukowskyschen Abbildungsfunktion unmittelbar das Potential in der ζ-Ebene zu F (ζ) = U∞ ζ ,

(10.336)

was ja zu erwarten war. Bildet man jedoch einen Kreis mit dem Radius b ab, der gr¨ oßer oder kleiner ist als die gew¨ ahlte Abbildungskonstante a, so erh¨ alt man eine Ellipse (Abb. 10.43). Bildet man einen Kreis ab, dessen Mittelpunktskoordinaten (xM , yM ) nicht null sind, so ergeben sich typische Tragfl¨ ugelprofile (Abb. 10.44). Die Joukowskysche Abbildung hat an den Stellen z = ±a jeweils einen singul¨ aren Punkt, wie aus dζ a2 =1− 2 dz z

(10.337)

410

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.45. Hinterkantenwinkel eines Joukowsky-Profils

ersichtlich ist. Der Punkt z = −a wird meist ins Innere des Profils abgebildet und ist dann nicht von Interesse. Der Winkel zwischen den zwei von z = a ausgehenden Linienelementen dz1 und dz2 der Abb. 10.45 ist π. Da es sich um eine einfache Nullstelle handelt, wird der Winkel zwischen den entsprechenden Linienelementen dζ1 und dζ2 verdoppelt, betr¨ agt also 2π. Der Hinterkantenwinkel ist daher null, eine typische Eigenschaft der Joukowsky-Abbildung, die schon an der Abbildung des Kreises mit Radius a auf einen Schlitz erkennbar ist. Am singul¨ aren Punkt B wird die Geschwindigkeit in der ζ-Ebene unendlich, wenn man nicht daf¨ ur sorgt, daß sie am Punkt B der z-Ebene null wird. Dies wird gerade erreicht, wenn man die Zirkulation der Zylinderumstr¨ omung so w¨ ahlt, daß bei B ein Staupunkt liegt. Diese Forderung legt den Wert der Zirkulation fest und verhindert eine Umstr¨omung der Hinterkante in der ζ-Ebene, die wir schon bei der Zirkulationsentstehung (Abb. 4.6) ausgeschlossen hatten. F¨ ur nicht zu große Anstellwinkel stellt sich die wirkliche Zirkulation nach dieser Kuttaschen Abflußbedingung ein, und wir k¨onnen den Wert der Zirkulation um den Zylinder berechnen. Die Zirkulation um den Tragfl¨ ugel ist dann genauso groß, denn es gilt    dz Γ = w ζ (ζ) dζ = w z (z) dζ = w z (z)dz . (10.338) dζ Cζ



Cz

F¨ ur ein Koordinatensystem z  = x + iy  , dessen Ursprung im Kreismittelpunkt liegt, und dessen x -Achse in Richtung des Vektors der Anstr¨omgeschwindigkeit zeigt, lautet das komplexe Potential gem¨aß (10.254)   r02 Γ z   F (z ) = U∞ z +  − i ln . (10.339) z 2π r0 Um das Potential eines Zylinders am Ort z0 unter einer Anstr¨omung mit dem Winkel α zur x-Achse zu erhalten, m¨ ussen wir die der Abb. 10.46 zu entnehmende Koordinatentransformation 

z = z0 + |z  | ei(ϕ +α) = z0 + z  eiα ,

(10.340)

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

411

Abbildung 10.46. Zur Transformation

die nach z  aufgel¨ ost z  = (z − z0 )e−iα

(10.341)

lautet, in (10.339) einsetzen und erhalten F (z) = U∞ (z − z0 )e

−iα

  r02 iα Γ z − z0 −iα + U∞ e −i ln e . (10.342) z − z0 2π r0

Die konjugiert komplexe Geschwindigkeit ergibt sich zu w = u − iv = U∞ e−iα − U∞ eiα

r02 Γ 1 −i . (z − z0 )2 2π z − z0

(10.343)

Am Punkt B, d. h. f¨ ur z − z0 = r0 e−iβ , muß nach der Kuttaschen Abflußbedingung u − iv = 0 gelten, so daß (10.343) zur Bestimmungsgleichung f¨ ur die Zirkulation Γ wird, die wir zu Γ = −4π r0 U∞ sin(α + β)

(10.344)

ermitteln. Der Wert von Γ h¨ angt von den Profilparametern r0 und β, vom Anstellwinkel α und von der Anstr¨ omungsgeschwindigkeit U∞ ab. Die Abbildungsfunktion selbst muß dazu nicht bekannt sein, denn wie schon gezeigt, ist die Zirkulation in der ζ-Ebene genauso groß wie in der z-Ebene. Die Kraft pro Tiefeneinheit auf das Profil berechnet sich nach KuttaJoukowsky aus (10.288), wobei zu beachten ist, daß die konjugiert komplexe Anstr¨ omgeschwindigkeit U∞ − iV∞ jetzt durch U∞ exp(−iα) zu ersetzen ist. Wir erhalten 2 −iα Fx − iFy = −i 4π r0  U∞ e sin(α + β) .

(10.345)

412

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.47. Profill¨ ange

Abbildung 10.48. Umstr¨ omung einer unendlich d¨ unnen Platte

F¨ ur den Betrag der Kraft ergibt sich + + |F | = Fx2 + Fy2 = (Fx − iFy )(Fx + iFy ) ,

(10.346)

also 2 |F | = 4π r0  U∞ sin(α + β) .

(10.347)

Als Auftriebsbeiwert bezeichnet man die dimensionslose Gr¨oße ca =

|F | r0 = 8π sin(α + β) , 2 (/2)U∞ l l

(10.348)

wobei l die Profill¨ ange (Abb. 10.47) ist, die sich aus der Abbildungsfunktion berechnen l¨ aßt. F¨ ur β = 0 und r0 = a liegt der Kreis in der z-Ebene wieder im Mittelpunkt, und die Joukowsky-Abbildung f¨ uhrt diesen Kreis in eine Platte der L¨ ange l = 4a u ¨ ber (Abb. 10.48). Es ergibt sich dann ein Auftriebsbeiwert von ca = 2π sin α .

(10.349)

Durch die Umstr¨ omung der Vorderkante entsteht eine Saugkraft in negative x-Richtung, die zusammen mit der senkrecht auf der Platte stehenden ¨ Druckkraft eine Auftriebskraft ergibt, die (in Ubereinstimmung mit dem Satz von Kutta-Joukowsky) senkrecht auf der Anstr¨omrichtung steht, so daß die Widerstandskraft verschwindet (d’Alembertsches Paradoxon). Den Winkel α = −β nennt man Nullauftriebsrichtung (ca = 0) des Profils. In Abb. 10.49 ist ein typischer Vergleich zwischen den Ergebnissen der Theorie und Messungen gezeigt. Ebenfalls aufgetragen ist der Widerstandsbeiwert

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

Abbildung 10.49. Auftriebs- und Widerstandsbeiwert

Abbildung 10.50. Polardarstellung von Auftrieb und Widerstand

413

414

10 Potentialstr¨ omungen

Abbildung 10.51. Profilkonstruktion aus Skelettlinie und symmetrischer Dickenverteilung

cw . Die in Abb. 10.49 enthaltenen experimentellen Ergebnisse werden oft in Form einer Polaren (Abb. 10.50) mit ca als Ordinate und cw als Abszisse dargestellt, wobei der Anstellwinkel α der Kurvenparameter ist. Der Tangens des Winkels σ zwischen der Ordinatenachse und einer vom Ursprung zu einem Punkt der Polaren gezogenen Geraden ist die Gleitzahl tan σ = =

cw . ca

(10.350)

Die kleinste Gleitzahl ist durch die Tangente an die Polare durch den Ursprung gegeben. Wird ein gewisser Anstellwinkel u ¨ berschritten, reißt die Str¨ omung ab: Der Auftrieb nimmt ab, und der Widerstand steigt. 10.4.9 N¨ aherungsl¨ osung f¨ ur schlanke Profile in inkompressibler Str¨ omung In der Aerodynamik werden meistens Fl¨ ugelprofile verwendet, deren L¨ange viel gr¨ osser ist als die Fl¨ ugeldicke, um von vorneherein der Abl¨osegefahr zu begegnen. Man kann solche Profile durch eine symmetrische Dickenverteilung erzeugen, die auf einer Skelettlinie angebracht ist (Abb. 10.51). F¨ ur schlanke Profile, d. h. d = 1, l l¨ aßt sich die Str¨omung um das Profil so ermitteln, daß man zun¨achst die L¨ osung f¨ ur das symmetrische Profil derselben Dickenverteilung bestimmt, dann die f¨ ur die unendlich d¨ unne Skelettlinie berechnet, schließlich beide L¨ osungen u berlagert und so die Str¨ omung um das tats¨achliche Profil erh¨alt. ¨ Dabei macht man einen Fehler, der aber nur von der Gr¨oßenordnung O( 2 ), bei sehr schlanken Profilen also vernachl¨ assigbar ist. Diese Methode f¨ uhrt auf eine explizite L¨ osung des direkten Problems, sie ist aber inzwischen ebenfalls von numerischen Methoden u ¨ berholt worden. Wir besprechen sie aber trotzdem, da sie als Einf¨ uhrung in die St¨orungsrechnung gelten kann und einige numerische Verfahren nur Verallgemeinerungen dieser Methode sind. Wir betrachten zun¨ achst das symmetrische Profil, dessen Kontur durch

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

415

Abbildung 10.52. Symmetrisches Profil

y = ±f (x)

(10.351)

gegeben sei. Wir denken uns das Profil durch eine Quellverteilung auf der x-Achse erzeugt, so daß wir f¨ ur das Potential 1 Φ = U∞ x + 2π

l

q(x ) ln

! (x − x )2 + y 2 dx

(10.352)

0

schreiben k¨ onnen. Die durch die Quellverteilung erzeugten Geschwindigkeitskomponenten bezeichnen wir mit u und v. Da der K¨orper sehr schlank ist, sind die St¨orgeschwindigkeiten u und v klein im Vergleich zu U∞ , es gilt der Gr¨ oßenordnungsvergleich u v ∼ ∼ . U∞ U∞

(10.353)

Mit F (x, y) = −y ± f (x) = 0 lautet die kinematische Randbedingung (4.170) ±(U∞ + u)

df − v = 0 (a.d.W.) dx

(10.354)

oder v = ±(U∞ + u)

df dx

an y = ±f (x) .

(10.355)

Nun gilt aber f = O(d) und daher df /dx = O( ), wir schreiben also wegen (10.353) auch v df =± + O( 2 ) an y = ±f (x) . U∞ dx

(10.356)

Im weiteren Verlauf vernachl¨ assigen wir Glieder der Gr¨oßenordnung O( 2 ). Die Randbedingung (10.356) an der K¨ orperkontur y = ±f (x) zu erf¨ ullen, bereitet noch Schwierigkeiten, da dann f (x) im Argument der unbekannten Funktion v(x, y) auftaucht. Wir entwickeln daher v(x, y) in eine Taylorreihe um y = 0

416

10 Potentialstr¨ omungen

v(x, y) v(x, 0) y = + U∞ U∞ U∞



∂v ∂y

 + ···

(10.357)

y=0

und sch¨ atzen dann die Gr¨ oßenordnung des letzten Gliedes aus der Kontinuit¨ atsgleichung ab: ∂u ∂v u =− ∼ , ∂x ∂y l

(10.358)

y ∂v d u u d ∼ = ∼ 2 . U∞ ∂y U∞ l U∞ l

(10.359)

Da wir Glieder der Gr¨ oßenordnung O( 2 ) vernachl¨assigen, folgt v(x, y) v(x, 0) df = =± U∞ U∞ dx

an y = 0 ;

(10.360)

wir k¨ onnen also die Randbedingung statt auf der K¨orperkontur y = ±f (x) auch auf der x-Achse erf¨ ullen. Bezeichnen wir mit 0+ die Ober-, mit 0− die Unterseite des Profils, so schreiben wir daher statt (10.356) v(x, 0− ) df =− . U∞ dx

v(x, 0+ ) df = , U∞ dx

(10.361)

Die Geschwindigkeit v(x, y) berechnen wir aus dem Potential (10.352) ∂Φ 1 v(x, y) = = ∂y 2π

l 0

q(x )y dx . (x − x )2 + y 2

(10.362)

Denkt man sich (10.362) in (10.361) eingesetzt, so ist dies eine Integralgleichung f¨ ur die unbekannte Quellverteilung q(x). Diese l¨aßt sich aber leicht l¨osen: Die Geschwindigkeit v(x, 0) erhalten wir durch den Grenz¨ ubergang y → 0. Das Integral hat eine singul¨ are Stelle f¨ ur x = x , und nur dort ist der Integrand f¨ ur y → 0 von null verschieden. Durch die Transformation η=

x − x ; y

dx = −dη y

x = x − η y ;

(10.363)

erhalten wir ein regul¨ ares Integral 1 v(x, y) = − 2π

−(l−x)/y 

q(x − η y) dη , 1 + η2

(10.364)

x/y

also f¨ ur 0 < x < l v(x, 0+ ) = lim+ [v(x, y)] = y→0

q(x) 2π

+∞ 

−∞

dη q(x) = . 1 + η2 2

(10.365)

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

417

Aus der Randbedingung folgt damit f¨ ur die gesuchte Quellverteilung q(x) = 2

df U∞ . dx

(10.366)

F¨ ur v(x, 0− ) erh¨ alt man entsprechend q(x) 2

(10.367)

df U∞ . dx

(10.368)

v(x, 0− ) = − oder wieder q(x) = 2

Man zeigt leicht, daß die Schließbedingung (10.119) erf¨ ullt ist. Damit ist das Problem gel¨ ost. Mit bekannter Quellverteilung q(x) ist nun das Potential bekannt, Geschwindigkeits- und Druckfeld folgen auf die bereits besprochene Weise. Wir stellen fest, daß im allgemeinen die L¨osung nicht im ganzen Str¨ omungsfeld gleichm¨ aßig g¨ ultig ist. F¨ ur Profile mit stumpfer Nase ist n¨ amlich df /dx an der Stelle x = 0 unendlich. Aus Gleichung (10.361) folgt dann v/U∞ → ∞, wodurch die Annahmen der St¨orungsrechnung lokal verletzt sind. Die L¨ osung gilt dort nicht mehr, es liegt ein singul¨ares St¨orungsproblem vor. Zur Berechnung der Str¨ omung um die Skelettlinie belegen wir diese mit einer kontinuierlichen Wirbelverteilung, ersetzen also die Skelettlinie durch eine gebundene Wirbelschicht. Sie stellt eine Unstetigkeitsfl¨ache in der Tangentialgeschwindigkeit dar. Da die Schicht ortsfest ist, f¨ uhrt der Sprung in der Tangentialgeschwindigkeit zu einem Druckunterschied zwischen Oberund Unterseite, der eine Kraft auf die Skelettlinie verursacht. (Eine freie Wirbelschicht, wie sie in einer Str¨ omung bei instation¨arer Bewegung eines Fl¨ ugelprofils entsteht, verformt sich gerade so, daß die dynamische Randbedingung der Druckgleichheit (4.173) erf¨ ullt ist.) Die Skelettlinie sei durch y = f (x)

(10.369)

gegeben. Mit fmax /l = gilt die Gr¨ oßenordnungsgleichung df = O( ) dx

(10.370)

und auch (10.353). Der Anstr¨ omwinkel α sei ebenfalls von der Gr¨oßenordnung O( ). Im Rahmen der N¨ aherung k¨ onnen wir die Wirbelverteilung statt auf der Skelettlinie auch auf die x-Achse legen. F¨ ur eine Wirbelintensit¨at γ(x) entgegen dem mathematisch positiven Sinn ist die infinitesimale Wirbelst¨ arke dΓ = −γ(x)dx ,

(10.371)

418

10 Potentialstr¨ omungen

so daß wir mit (10.195) in Analogie zur Quellverteilung das Potential 1 Φ = U∞ x + V∞ y − 2π

l 0

γ(x ) arctan

y dx , x − x

(10.372)

mit der noch unbekannten Wirbelintensit¨ at γ(x ) erhalten. Aus (10.372) gewinnen wir auf bekannte Weise die Geschwindigkeitskomponenten, wobei die Differentiationen nach x und y ins Integral gezogen werden k¨onnen. F¨ ur die St¨ orgeschwindigkeiten entstehen dann die Ausdr¨ ucke 1 u(x, y) = + 2π

l

γ(x )

y dx (x − x )2 + y 2

(10.373)

γ(x )

x − x dx . (x − x )2 + y 2

(10.374)

0

und 1 v(x, y) = − 2π

l 0

Wegen der formalen Gleichheit des Ausdruckes f¨ ur u mit dem f¨ ur v bei der Quellverteilung (10.362) k¨ onnen wir direkt auf die Geschwindigkeit auf der x-Achse schließen: 1 u(x, 0± ) = ± γ(x) , 2

(10.375)

die bis auf Glieder der Gr¨ oßenordnung O( 2 ) auch gleich der Geschwindigkeit auf der Skelettlinie ist. Der Geschwindigkeitssprung durch die Wirbelschicht betr¨ agt also ∆u = u+ − u− = γ(x) .

(10.376)

Daraus ließe sich mit der Bernoullischen Gleichung direkt der Drucksprung berechnen und damit die Kraft (pro Tiefeneinheit) aus einer Integration. Wir ziehen es aber vor, den Auftrieb aus dem Kutta-Joukowskyschen Satz (10.288) zu bestimmen: '  2 V∞ Fa = − Γ U∞ 1 + , (10.377) U∞ mit Γ (positiv im Gegenuhrzeigersinn) aus (10.371) l Γ = 0

−γ(x )dx .

(10.378)

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

419

Da V∞ /U∞ ≈ α ∼ ist, gilt l Fa =  U∞

γ(x )dx + O( 2 ) .

(10.379)

0

Die implizite Form der Skelettlinie ist F (x, y) = −y + f (x) = 0, womit wir die kinematische Randbedingung nach (4.170) zu (U∞ + u)

df − (V∞ + v) = 0 dx

oder v df α+ = U∞ dx

  u 1+ U∞

f¨ ur

f¨ ur

y = f (x)

y = f (x)

(10.380)

(10.381)

erhalten. Bei Vernachl¨ assigung von Gliedern der Gr¨oßenordnung O( 2 ) kann man die Randbedingungen statt an y = f (x) wieder auf der x-Achse erf¨ ullen, und es entsteht mit (10.374) die Gleichung df 1 U∞ − α U∞ = − dx 2π

l 0

γ(x ) d x , x − x

(10.382)

die eine singul¨ are Integralgleichung erster Art f¨ ur die unbekannte Verteilung γ(x) ist. Die Integralgleichung hat keine eindeutige L¨osung. Wir wollen hier nicht auf die mathematischen Aspekte eingehen, bemerken aber, daß die Str¨ omung um einen Kreiszylinder mit Zirkulation (vgl. (10.254)) nicht eindeutig ist. Da diese L¨ osung auf die Umstr¨ omung von Fl¨ ugelprofilen abgebildet werden kann, sind auch diese nicht eindeutig: Es ist notwendig, den Wert der Zirkulation zus¨ atzlich vorzuschreiben, indem wir auch hier die Kuttasche Abflußbedingung erf¨ ullen. In station¨ arer Str¨ omung ist dies gleichbedeutend mit der Forderung gleicher Geschwindigkeiten an Ober- und Unterseite an der Stelle x = l: ∆u(x = l) = γ(l) = 0 .

(10.383)

Im allgemeinen wird dann die Vorderkante der Skelettlinie umstr¨omt. Dies f¨ uhrt dort zu unendlich großen Geschwindigkeiten und zu einem unendlich großen γ(0). Nur wenn die lokale Anstr¨ omung zum Profil (nicht die Anstr¨ omung im Unendlichen) dort tangential zur Skelettlinie ist, tritt diese Umstr¨ omung nicht mehr auf, man spricht dann von stoßfreier Anstr¨omung. F¨ ur die Str¨ omung um eine unendlich spitze Ecke kennen wir das Potential aus (10.242) mit n = 1/2: √ ϕ Φ = 2a r cos . 2

(10.384)

420

10 Potentialstr¨ omungen

Hieraus ergibt sich die Geschwindigkeit auf der Oberseite (ϕ = 0) der umstr¨ omten Kante zu  dΦ  a a + u = = √ =√ , (10.385)  dr ϕ=0 r x und auf der Unterseite (ϕ = 2π) zu a u− = − √ . x

(10.386)

Daher ist der Sprung in der Tangentialgeschwindigkeit dort a lim ∆u(x) = lim 2 √ . x→0 x

(10.387)

x→0

Die Funktion ( γ0 (x) = 2˜ a

l−x x

(10.388)

erf¨ ullt wegen (10.376) die geforderten Randbedingungen an der Vorder- und Hinterkante, ist aber nicht die gesuchte Funktion im Bereich 0 < x < l. Wir ziehen die Verteilung γ0 (x) von der gesuchten Verteilung γ(x) ab. Die Restverteilung kann in eine Fourier-Reihe in der Koordinate ϕ, die durch x=

l (1 + cos ϕ) 2

(10.389)

gegeben ist, entwickelt werden. Wegen x = 0 f¨ ur ϕ = π und x = l f¨ ur ϕ = 0 m¨ ussen die Kosinusglieder in der Reihenentwicklung verschwinden, da diese f¨ ur x = 0 und x = l nicht null werden. Wir setzen die Konstante a ˜ = U∞ A0 und machen f¨ ur (γ − γ0 ) den Ansatz γ(ϕ) − 2U∞ A0 tan

∞  ϕ = 2U∞ An sin nϕ . 2 n=1

(10.390)

Diesen setzen wir in die Integralgleichung (10.382) ein, verwenden f¨ ur x die Transformation (10.389) und gewinnen die Integralgleichung in der Form df 1 α− = A0 dx π

π 0

 ∞ 1 − cos ϕ 1 sin nϕ sin ϕ   dϕ + A dϕ . n  cos ϕ − cos ϕ π n=1 cos ϕ − cos ϕ π

0

(10.391) Die Integrale lassen sich mit sin nϕ sin ϕ =

1 [cos(n − 1)ϕ − cos(n + 1)ϕ ] 2

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

421

nach der Formel 1 π



cos nϕ sin nϕ dϕ = −  cos ϕ − cos ϕ sin ϕ

0

(10.392)

auswerten, und man erh¨ alt so eine Vorschrift, die linke Seite in eine KosinusReihe zu entwickeln: α−

∞  df = A0 + An cos nϕ . dx n=1

(10.393)

Die Koeffizienten erh¨ alt man auf bekanntem Wege: 1 A0 = α − π



df (ϕ)dϕ , dx

(10.394)

0

An = −

2 π



df (ϕ) cos nϕ dϕ . dx

(10.395)

0

Aus (10.379) berechnet man den Auftriebsbeiwert ca zu ca = π (2A0 + A1 ) .

(10.396)

Mit (10.266) l¨ aßt sich auch das Moment um die Vorderkante ermitteln. Es wird positiv gez¨ahlt, wenn es den Anstellwinkel zu vergr¨oßern sucht. Ohne die Rechnung im einzelnen auszuf¨ uhren, geben wir den Momentenbeiwert an: cm =

M π = − (2A0 + 2A1 + A2 ) . 2 2 /2 U∞ l 4

(10.397)

Bei stoßfreiem Eintritt ist A0 = 0, da dann γ(π) endlich bleibt, daher gilt f¨ ur diesen Fall ca = π A1 .

(10.398)

Als Beispiel berechnen wir die Beiwerte f¨ ur die ebene Platte, f¨ ur die df /dx = 0 ist und daher A0 = α, An = 0 gilt. Es folgt sofort ca = 2π α

(10.399)

¨ (in Ubereinstimmung mit (10.349) f¨ ur kleine α) und cm = −

π 1 α = − ca , 2 4

(10.400)

woraus wir schließen, daß der Angriffspunkt der Auftriebskraft bei x = l/4 liegt (vgl. Abb. 10.48).

422

10 Potentialstr¨ omungen

10.4.10 Schlanke Profile in kompressibler Str¨ omung Wie schon in Abschnitt 10.4.9 betrachten wir schlanke Profile (d/l =  1). Die St¨ orgeschwindigkeiten u und v sind dann von der Gr¨oßenordnung O( U∞ ), und f¨ ur das Potential machen wir den Ansatz Φ = U∞ x + ϕ ,

(10.401)

wobei ϕ das St¨ orpotential ist und u = ∂ϕ/∂x und v = ∂ϕ/∂y die St¨orgeschwindigkeiten sind. Wir gehen von der Potentialgleichung (10.50) aus, in der wir aber noch a2 durch die Energiegleichung ersetzen:   γ−1 ∂Φ ∂Φ 2 2 2 a = a∞ + U∞ − . (10.402) 2 ∂xi ∂xi Setzt man den Ansatz (10.401) in die resultierende Gleichung ein und vernachl¨ assigt alle Glieder der Gr¨ oßenordnung O( 2 ), so erh¨alt man nach kurzer Zwischenrechnung eine Differentialgleichung f¨ ur das St¨orpotential: 2 (1 − M∞ )

2 2 ∂2ϕ ∂2ϕ 2 u ∂ ϕ 2 u ∂ ϕ + = (γ + 1) M + (γ − 1) M ∞ ∞ ∂x2 ∂y 2 U∞ ∂x2 U∞ ∂y 2 ∂2ϕ 2 v +2M∞ , U∞ ∂x∂y (10.403)

in der M∞ = U∞ /a∞ ist. F¨ ur viele praktische Fragestellungen wird man diese Gleichung oder die Ausgangsgleichung (10.50) numerisch l¨osen. Wir wollen aber hier die Vereinfachungen besprechen, die sich im Grenzfall → 0 ergeben, da in diesem Fall die L¨ osung mit bereits bekannten Verfahren gewonnen werden kann. Im Grenzfall → 0 verschwindet die rechte Seite, wo jeder Term einen Faktor der Gr¨ oßenordnung O( ) enth¨alt. Es entsteht die Gleichung 2 (1 − M∞ )

∂2ϕ ∂2ϕ + =0, ∂x2 ∂y 2

(10.404)

¨ die sowohl im Unter- als auch im Uberschallbereich g¨ ultig ist. Das Vorzeichen 2 von (1 − M∞ ) regelt den Typ dieser partiellen Differentialgleichung. F¨ ur M∞ < 1 ist die Gleichung elliptisch, f¨ ur M∞ > 1 ist sie hyperbolisch. F¨ ur M∞ ≈ 1 wird das Vorzeichen von ∂ 2 ϕ/∂x2 vom ersten Glied der rechten Seite von (10.403) mitbestimmt, das dann nicht mehr vernachl¨assigt werden kann. Es entsteht die transsonische St¨ orungsgleichung 2 (1 − M∞ )

∂2ϕ ∂2ϕ M 2 ∂ϕ ∂ 2 ϕ + = (γ + 1) ∞ . 2 2 ∂x ∂y U∞ ∂x ∂x2

(10.405)

Die Gleichung ist nichtlinear, und abgesehen von speziellen L¨osungen ist man auf numerische Methoden zur Integration angewiesen.

10.4 Ebene Potentialstr¨ omung

423

Wir betrachten zun¨ achst die Unterschallstr¨omung um ein schlankes Profil, das durch y = f (x) gegeben ist, wobei man zulassen k¨onnte, daß f (x) auf der Oberseite des Profils eine andere Funktion als auf der Unterseite ist. Dann ist (10.404) unter der Randbedingung (10.356), also 1 ∂ϕ df = U∞ ∂y dx

f¨ ur

y=0,

(10.406)

zu l¨ osen. Es ist offensichtlich, daß man (10.404) durch geeignete Koordinatentransformation auf die Form der Laplaceschen Gleichung bringen kann. Man k¨onnte z. B. x transformieren (d. h. die Profill¨ ange ¨andern) und y unver¨andert lassen, oder x beibehalten und y transformieren (d. h. die Profildicke ¨andern). Wir w¨ ahlen ! 2 ; y = y 1 − M∞ x=x (10.407) und erhalten f¨ ur 2 ϕ = ϕ (1 − M∞ )

(10.408)

aus (10.404) die Laplacesche Gleichung ∂2ϕ ∂2ϕ + =0. ∂x2 ∂y 2

(10.409)

Die Gleichung der Oberfl¨ ache in den transformierten Koordinaten lautet ! 2 f (x) = f (x) y = 1 − M∞ (10.410) und somit die Randbedingung 1 ∂ϕ df = . U∞ ∂y dx

(10.411)

Mit (10.409) und (10.411) ist die L¨ osung der kompressiblen Str¨omung um ein Profil y = f (x) in der x-y-Ebene mit der Anstr¨omgeschwindigkeit U∞ bei der Mach-Zahl M∞ zur¨ uckgef¨ uhrt auf die inkompressible Umstr¨omung eines (d¨ unneren) Profils y = f (x) in der x − y-Ebene mit der Anstr¨omgeschwindigkeit U∞ . In entsprechenden Punkten sind die St¨orgeschwindigkeiten u und v aus den St¨ orgeschwindigkeiten u und v der inkompressiblen Str¨omung aus u=

∂ϕ 1 ∂ϕ u = = , 2 ∂x 2 ∂x 1 − M∞ 1 − M∞

(10.412)

v=

∂ϕ 1 ∂ϕ v =! =! 2 2 ∂y ∂y 1 − M∞ 1 − M∞

(10.413)

¨ zu berechnen. Im Rahmen dieser N¨ aherung kann man die Anderung der Dichte im Feld vernachl¨ assigen, und die Bernoullische Gleichung gilt in der

424

10 Potentialstr¨ omungen

f¨ ur inkompressible Str¨ omungen g¨ ultigen Form. Der Druckbeiwert (10.123) lautet dann bei Vernachl¨ assigung quadratischer Glieder in den St¨orgeschwindigkeiten cp = −

2u , U∞

(10.414)

wobei mit (10.412) die Umrechnung cp = −

1 2u 1 = c 2 U 2 p 1 − M∞ 1 − M∞ ∞

(10.415)

folgt, die als G¨othertsche Regel bezeichnet wird. In der Praxis will man je¨ doch oft die Anderung des Druckbeiwertes als Funktion der Mach-Zahl f¨ ur ein gegebenes Profil wissen, die durch die Prandtl-Glauertsche Regel n¨aherungsweise beschrieben wird: 1 cp (M∞ ) = cp (0) ! . 2 1 − M∞

(10.416)

Hier ist cp (M∞ ) der Druckbeiwert bei Mach-Zahl M∞ an einem Profil, das in inkompressibler Str¨ omung den Beiwert cp (0) hat. 2 ¨ F¨ ur Uberschallstr¨ omung (M∞ − 1) > 0 entspricht (10.404) der Wellengleichung ∂2ϕ ∂2ϕ 2 = (M − 1) . ∞ ∂y 2 ∂x2

(10.417)

Die L¨ osung kann daher in Analogie zur eindimensionalen Schallausbreitung des Abschnittes 10.1 erfolgen. Es gibt aber insofern einen Unterschied, als daß die St¨ orung sich bei der Schallausbreitung auch stromaufw¨arts bemerkbar ¨ macht, w¨ ahrend dies im Uberschallbereich nicht m¨oglich ist. Der Grund hierf¨ ur ist, daß sich eine St¨ orung nur mit Schallgeschwindigkeit ausbreiten kann. Wir machen uns diesen Sachverhalt im Kapitel 11 klar und kommen dort in Abschnitt 11.4 auch auf die Gleichung (10.417) zur¨ uck.

¨ 11 Uberschallstr omungen ¨

¨ In einer Uberschallstr¨ omung macht sich die von einem K¨orper verursachte St¨ orung nur in einem begrenzten Einflußgebiet bemerkbar. Dies steht in v¨ olliger Analogie zur instation¨ aren kompressiblen Str¨omung, die ebenfalls durch hyperbolische Differentialgleichungen beschrieben wird; dort ist der beschriebene Sachverhalt aber unabh¨ angig davon, ob die Mach-Zahl gr¨oßer oder kleiner als eins ist. Wir betrachten eine station¨are Str¨omung mit einer ortsfesten Schallquelle, die zu einer bestimmten Zeit ein Signal aussendet. Dieses Signal teilt sich der Str¨ omung als eine kleine Druckst¨orung mit. In einem mit der Str¨ omungsgeschwindigkeit u bewegten Bezugssystem breitet sich die St¨ orung mit der Schallgeschwindigkeit a kugelf¨ormig aus. Im ortsfesten Bezugssystem hat die Schallwelle f¨ ur u < a (Unterschall) nach der Zeit t die in Abb. 11.1 skizzierte Lage. F¨ ur t → ∞ wird die Schallwelle den gesam¨ ten Raum erreichen. Ist u > a (Uberschall), so ergibt sich die in Abb. 11.2 skizzierte Lage der Schallwelle im ortsfesten Bezugssystem zu verschiedenen Zeitpunkten. Man entnimmt dieser Abbildung, daß die Schallwelle f¨ ur t → ∞ nicht den gesamten Raum erreicht. Die Enveloppe nennt man den Machschen ¨ Kegel , dessen halber Offnungswinkel sich aus sin µ =

a 1 = u M

(11.1)

berechnet, und den man den Machschen Winkel nennt. Als St¨orquelle kann man sich beispielsweise einen sehr schlanken K¨orper verstellen; bei einem dicken K¨ orper ist die St¨ orung nicht mehr klein, und der Machsche Kegel wird zu einer Stoßfront. Die St¨ orung, die durch den K¨orper verursacht wird, bleibt jedoch auch dann auf das Gebiet hinter der Stoßfl¨ache beschr¨ankt.

Abbildung 11.1. Ausbreitung einer St¨ orung in Unterschallstr¨ omung

426

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

¨ Abbildung 11.2. Ausbreitung einer St¨ orung in Uberschallstr¨ omung

Abbildung 11.3. Schr¨ ager Verdichtungsstoß

11.1 Schr¨ ager Verdichtungsstoß ¨ Als ersten Schritt in der Behandlung von Uberschallstr¨ omungen wollen wir aus den Beziehungen des eindimensionalen, senkrechten Verdichtungsstoßes diejenigen f¨ ur einen schr¨ agen Verdichtungsstoß in ebener Str¨omung herleiten. Hierzu zerlegen wir die Geschwindigkeit u  1 vor dem Stoß in ihre Komponenten u1 n senkrecht und u1 t tangential zur Stoßfront (Abb. 11.3): u1n = u1 sin Θ

(11.2)

u1t = u1 cos Θ .

(11.3)

F¨ ur einen Beobachter, der sich mit der Geschwindigkeit u1 t l¨angs des Stoßes bewegt, ist die Anstr¨ omung senkrecht zum Stoß. Daher sind in seinem Bezugssystem die Beziehungen des senkrechten Verdichtungsstoßes g¨ ultig, wobei die Mach-Zahl vor dem Stoß dann M1 n =

u1 n = M1 sin Θ a1

(11.4)

ist. Die Stoßbeziehungen (9.144), (9.145) und (9.146) sind somit auf den schr¨ agen Verdichtungsstoß u ¨bertragbar, wenn dort M1 durch M1 n gem¨aß (11.4) ersetzt wird:

11.1 Schr¨ ager Verdichtungsstoß

427

Abbildung 11.4. Zusammenhang zwischen Stoßwinkel und Umlenkwinkel

p2 γ =1+2 (M 2 sin2 Θ − 1) , p1 γ+1 1

(11.5)

2 (γ + 1)M12 sin2 Θ = , 1 2 + (γ − 1)M12 sin2 Θ

(11.6)

T2 [2γ M12 sin2 Θ − (γ − 1)][2 + (γ − 1)M12 sin2 Θ] = . T1 (γ + 1)2 M12 sin2 Θ

(11.7)

Hinter dem schr¨agen Verdichtungsstoß wird die Mach-Zahl mit u2 gebildet, also M2 = u2 /a2 . Da u2n = u2 sin(Θ − δ) ist, folgt M2n =

u2n = M2 sin(Θ − δ) . a2

(11.8)

Obwohl M2 n kleiner als eins ist, kann M2 demnach durchaus gr¨oßer als eins sein. Ersetzt man nun wieder in der f¨ ur den senkrechten Verdichtungsstoß g¨ ultigen Beziehung (9.148) M1 und M2 durch M1 n und M2 n gem¨aß (11.4) und (11.8), so gewinnt man die Gleichung M22 sin2 (Θ − δ) =

γ + 1 + (γ − 1)[M12 sin2 Θ − 1] . γ + 1 + 2γ[M12 sin2 Θ − 1]

(11.9)

Zwischen dem Stoßwinkel Θ und dem Umlenkwinkel δ l¨aßt sich durch Umformungen unter Benutzung der Kontinuit¨ atsgleichung folgender Zusammenhang herstellen (Abb. 11.4): tan δ =

2 cot Θ [M12 sin2 Θ − 1] . 2 + M12 [γ + 1 − 2 sin2 Θ]

(11.10)

Die untere der beiden in Abb. 11.4 eingezeichneten Trennlinien teilt die

428

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

¨ Abbildung 11.5. Uberschallstr¨ omung um Ecke und Keil

Bereiche, in denen die Mach-Zahl M2 gr¨ oßer bzw. kleiner als eins ist, die obere Linie verbindet die Punkte maximaler Umlenkung. (Ein Diagramm des Zusammenhangs zwischen Stoßwinkel Θ und Umlenkwinkel δ mit dem Scharparameter M1 findet sich auch im Anhang C.) Man bezeichnet einen Stoß dann als starken Stoß , wenn der Stoßwinkel Θ bei gegebener Mach-Zahl M1 gr¨ oßer ist als der zur maximalen Umlenkung δmax geh¨ orige Winkel Θmax , andernfalls spricht man von einem schwachen Stoß . Beim schwachen Stoß kann die Str¨ omungsgeschwindigkeit hinter dem ¨ Stoß sowohl im Uberschallals auch im Unterschallbereich liegen. Hinter einem starken Stoß herrscht immer Unterschallgeschwindigkeit. Ist der Umlenkwinkel δ kleiner als δmax , so sieht man, daß zwei L¨osungen f¨ ur den Stoßwinkel Θ m¨ oglich sind. Welche der L¨ osungen sich einstellt, h¨angt von den Randbedingungen weit hinter dem Stoß ab. Mit der Kenntnis des schr¨agen ¨ Verdichtungsstoßes erh¨ alt man sofort die Uberschallstr¨ omung in einer Ecke und um einen Keil, solange δ < δmax ist (Abb. 11.5). Es zeigt sich, daß sich bei den Str¨ omungen um spitze Keile“ (δ < δmax ) immer der schwache Stoß ” einstellt, was wir zuk¨ unftig als L¨ osung ansehen wollen. Der Stoßwinkel Θ ist einerseits durch den Wert π/2 (senkrechter Stoß) und andererseits durch ¨ die Bedingung M1 sin Θ ≥ 1 (stoßnormale Geschwindigkeit im Uberschall) begrenzt. Mit (11.1) gilt dann sin Θ ≥

1 = sin µ1 . M1

(11.11)

Θ muß also gr¨ oßer gleich µ sein und bewegt sich daher im Bereich µ≤Θ≤

π . 2

(11.12)

F¨ ur Θ = µ ist der Stoß zu einer Machschen Welle entartet. Aus M2 = M2 (Θ, δ, M1 ) und δ = δ(M1 , Θ) l¨ aßt sich durch Elimination des Stoßwinkels Θ die Abh¨ angigkeit M2 (δ, M1 ) ermitteln. Dieser Zusammenhang ist ebenfalls im Anhang C in Form eines Diagrammes angegeben.

11.3 Reflexion schr¨ ager St¨ oße

429

Abbildung 11.6. Abgel¨ oster Verdichtungsstoß

11.2 Abgel¨ oster Verdichtungsstoß Wir betrachten jetzt Umlenkwinkel δ > δmax , also ebene Str¨omungen um stumpfe Keile“. Wenn f¨ ur gegebene Mach-Zahl M1 der erforderliche Um” lenkwinkel δ gr¨ oßer als δmax ist, so ist nur noch ein abgel¨oster Stoß m¨oglich. In der Stoßkonfiguration ist dann sowohl der starke als auch der schwache Stoß verwirklicht (Abb. 11.6a). In der N¨ ahe der Staustromlinie ist der Stoßomung Unterschall), w¨ahrend f¨ ur weiwinkel nahezu 90◦ (starker Stoß, Abstr¨ tere Entfernungen vom K¨ orper der Stoß in eine Machsche Welle entartet ist (Θ = µ, Abb. 11.6b). Die resultierende Str¨ omung hinter dem Stoß ist sehr ¨ schwer zu berechnen, da Unterschall-, Uberschallund schallnahe Str¨omung zusammen auftreten (transsonische Str¨omung). Hinter einem gekr¨ ummten Stoß ist die Str¨ omung außerdem nicht mehr homentrop und daher nach dem Croccoschen Wirbelsatz (4.157) auch nicht mehr wirbelfrei. Die bisher abgeleiteten Stoßbeziehungen gelten lokal auch f¨ ur gekr¨ ummte St¨ oße, was man daran erkennt, daß in den Stoßbeziehungen keine Ableitungen auftreten; Θ ist dann die lokale Neigung der Stoßfront.

11.3 Reflexion schr¨ ager Sto ¨ße Trifft ein Stoß auf eine Wand, so wird er reflektiert. Die St¨arke des reflektierten Stoßes stellt sich gerade so ein, daß die Str¨omungsgeschwindigkeit nach dem Stoß wieder parallel zur Wand gerichtet ist. Der reflektierte Stoß kann sowohl ein schwacher als auch ein starker Stoß sein. Falls der einfallende ein schwacher Stoß ist, beobachtet man im allgemeinen auch einen reflektierten schwachen Stoß. Man kann diese Str¨ omung auch als Durchkreuzung zweier gleich starker, schr¨ ager St¨ oße deuten, wobei die Symmetrielinie durch

430

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

Abbildung 11.7. Reflexion bzw. Durchkreuzung zweier gleichstarker St¨ oße

Abbildung 11.8. Durchkreuzung zweier verschieden starker St¨ oße

eine ebene Wand ersetzt wird (Abb. 11.7). Stromabw¨arts von den reflektierten St¨ oßen ist der Gaszustand u ¨berall derselbe, und die Str¨omungsrichtung stimmt mit der Anstr¨ omrichtung u ¨berein. Durchkreuzen sich zwei verschieden starke St¨oße, dann m¨ ussen die reflektierten St¨ oße so bestimmt werden, daß hinter beiden derselbe Druck und dieselbe Str¨ omungsrichtung herrschen. Alle anderen str¨omungsmechanischen und thermodynamischen Gr¨ oßen, insbesondere die Str¨omungsgeschwindigkeit, k¨ onnen aber in den Gebieten konstanten Gaszustandes 1 und 2 voneinander verschieden sein. Sie werden durch die in Abb. 11.8 strichpunktierte Kontaktunstetigkeit K, die Stromlinie ist, voneinander getrennt. Die Kontaktunstetigkeit hat die Eigenschaft einer Wirbelschicht, d. h. daß sich die Tangentialgeschwindigkeit an dieser Fl¨ ache unstetig ¨andert. Aus dem Croccoschen Wirbelsatz muß man schließen, daß die Entropie in den Gebieten 1 und 2 verschieden ist. Zum gleichen Ergebnis kommt man aber auch anschaulich, wenn man bedenkt, daß Gasteilchen auf beiden Seiten der Kontaktunstetigkeit, aus einem Gebiet konstanter Entropie kommend, verschieden starke St¨ oße durchlaufen haben, wobei die Entropie¨anderung f¨ ur jedes Teil¨ chen unterschiedlich ist. Ahnliches beobachtet man bei der Str¨omung l¨angs einer zweifach geknickten Wand (Abb. 11.9). Im Punkt P vereinigen sich zwei St¨ oße zu einem einzigen. Aus den obigen Er¨ orterungen geht hervor, daß auch hier vom Punkt P eine Kontaktunstetigkeit (strichpunktiert) ausgehen muß. Von P muß aber auch noch eine (in der Skizze gestrichelt dargestellte) Welle ausgehen, die ein schwacher Verdichtungsstoß oder eine Expansionswelle (siehe Abschnitt 11.5) sein kann, und zwar aus folgendem Grund: Wegen der

¨ 11.4 Uberschall-Potentialstr¨ omung um schlanke Profile

431

Abbildung 11.9. Vereinigung zweier St¨ oße

Abbildung 11.10. Mach-Reflexion

Wandneigung sind die Stoßst¨ arken von S1 und S2 vorgeschrieben, ebenso die St¨ arke von S3 . Da aber wegen der dynamischen Randbedingung an der Kontaktunstetigkeit K Druckgleichheit herrschen muß, kann dies im allgemeinen nur durch eine weitere Welle erreicht werden. Falls man den Keilwinkel der Abb. 11.7 vergr¨oßert, wird die Mach-Zahl hinter dem Stoß immer kleiner. Bei gen¨ ugend großem Keilwinkel wird die zur Mach-Zahl hinter dem Stoß geh¨ orige Maximalablenkung kleiner als zur Erf¨ ullung der Randbedingung (Str¨ omungsrichtung wandparallel) hinter dem reflektierten Stoß n¨ otig w¨ are. Es tritt dann eine sogenannte Mach-Reflexion auf (Abb. 11.10). Die Theorie der Mach-Reflexion ist deshalb schwierig, ummt sind und der da die St¨ oße S1 , S2 und die Kontaktunstetigkeit gekr¨ Str¨ omungszustand stromabw¨ arts von S1 und S2 nicht mehr konstant ist. Außerdem muß die Str¨ omung hinter dem zum Teil senkrechten Stoß S2 im Unterschallgebiet liegen, die Stoßkonfiguration h¨angt daher auch von den Bedingungen weit hinter dem Stoß ab.

¨ 11.4 Uberschall-Potentialstr omung um schlanke Profile ¨ Wir kehren zur Umstr¨ omung schlanker Profile zur¨ uck. Der Stoß entartet im Rahmen der Theorie kleiner St¨ orungen zu einer Machschen Welle.

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

432

¨ Abbildung 11.11. Uberschallstr¨ omung um ein schlankes Profil

Wir erhalten die Str¨ omung aus der Wellengleichung (10.417), deren allgemeine L¨ osung ϕ = h(x − β y) + g(x + β y)

(11.13)

mit β=

! 2 −1 M∞

(11.14)

¨ lautet. Da sich bei Anstr¨ omung von links im Uberschall St¨orungen nur nach rechts ausbreiten k¨ onnen, muß oberhalb des Profils g ≡ 0 und unterhalb h ≡ 0 sein. Wir behandeln zun¨ achst nur die Str¨ omung oberhalb der Profiloberseite der Abb. 11.11 f (x) = fo (x) . Oberhalb des Profils lautet demnach das St¨ orpotential ϕ = h(x − β y)

(11.15)

und die Komponente der St¨ orgeschwindigkeit in y-Richtung v=

∂ϕ = −β h (x, y) , ∂y

(11.16)

die wir in die Randbedingungen (10.406) einsetzen: v(x, 0) = U∞

dfo = −β h (x, 0) . dx

(11.17)

Daraus folgt sofort h(x) = −U∞

fo (x) β

(11.18)

¨ 11.4 Uberschall-Potentialstr¨ omung um schlanke Profile

433

und daher f¨ ur das Potential an der Stelle y = 0 ϕ(x) = −U∞

fo (x) β

(11.19)

oder allgemein in der oberen Halbebene ϕ(x, y) = −U∞

fo (x − β y) . β

(11.20)

Auf dieselbe Weise ergibt sich die L¨ osung in der unteren Halbebene zu ϕ(x, y) = U∞

fu (x + β y) , β

(11.21)

womit die L¨ osung u ¨ berall bekannt ist. ¨ Die grundlegende Annahme der linearen Uberschallstr¨ omung (M∞  1) erlaubt es, (10.414) auch hier zu benutzen, und wir erhalten den Druckbeiwert auf der Oberseite des Profils (im Rahmen der N¨aherung y = 0+ ) zu cp o = −

2 ∂ϕ 2 dfo = U∞ ∂x β dx

(11.22)

und auf der Unterseite (y = 0− ) zu cp u = −

2 dfu . β dx

(11.23)

Mit (10.262) k¨ onnen wir f¨ ur die Kraft in y-Richtung pro Tiefeneinheit auch schreiben:  Fy = (p − p∞ )dx , (11.24) da p∞ keinen Beitrag liefert, und aus der Definition des Auftriebsbeiwertes folgt dann ca =

2Fy 1 = 2 l ∞ U ∞ l

 cp dx =

1 l

l (cp u − cp o )dx .

(11.25)

0

Setzt man die Ausdr¨ ucke f¨ ur cp o und cp u ein, so ergibt die Integration ca =

2 [−fu (l) + fu (0) − fo (l) + fo (0)] . lβ

(11.26)

Da fo (l) = fu (l) = −α l/2 und fo (0) = fu (0) = α l/2 gilt, ergibt sich ein Auftriebsbeiwert, der von der Profilform unabh¨angig ist: ca = !

4α 2 −1 M∞

.

(11.27)

434

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

¨ Abbildung 11.12. Uberschallstr¨ omung um eine unendlich d¨ unne Platte

Die analoge Rechnung ergibt f¨ ur die Kraft Fx bzw. den Widerstandsbeiwert cw 2  2   l  2 dfu dfo cw = + dx , (11.28) βl dx dx 0

der also von der Profilform abh¨ angt. F¨ ur die ebene Platte erh¨ alt man 4α ca = ! , 2 −1 M∞

c w = α ca ,

(11.29)

was auch anhand Abb. 11.12 einsichtig wird.

11.5 Prandtl-Meyer-Str¨ omung ¨ Wir haben gesehen, daß Uberschallstr¨ omungen an konkaven Ecken durch schr¨ age Verdichtungsst¨ oße umgelenkt werden, und fragen jetzt, wie die Ver¨ h¨altnisse an einer konvexen Ecke sind. Wir betrachten dazu die Uberschallstr¨ omung der Abb. 11.13. Alle Str¨ omungsgr¨ oßen in der Anstr¨omung seien r¨aumlich homogen. Dann l¨ aßt sich aus den Daten der Anstr¨omung keine charakteristische L¨ ange bilden. Auch mit den unabh¨angig und abh¨angig Ver¨ anderlichen l¨ aßt sich keine neue dimensionslose unabh¨angig Ver¨anderliche neben dem Winkel ϕ kombinieren. Da auch die Str¨omungsberandung keine typische L¨ ange hat, bedeutet dies, daß auch die L¨osung nicht von einer L¨ ange, sprich r, abh¨ angen kann. F¨ ur die Kontinuit¨atsgleichung in Polarkoordinaten ergibt sich dann aus Anhang B  duϕ ur uϕ d + + =0. r dϕ r dϕ r

(11.30)

11.5 Prandtl-Meyer-Str¨ omung

435

Abbildung 11.13. Geometrie der Prandtl-Meyer-Str¨ omung

Die Eulerschen Gleichungen vereinfachen sich in Polarkoordinaten zu u2ϕ uϕ dur − = 0 oder r dϕ r

dur = uϕ dϕ

(11.31)

und uϕ duϕ ur uϕ 1 dp + + =0. r dϕ r  r dϕ

(11.32)

Schließlich ergibt sich aus der Entropiegleichung uϕ ds =0. r dϕ

(11.33)

Da uϕ = 0 ist, folgt hieraus ds/dϕ = 0. Die Str¨omung ist also homentrop. Nach dem Croccoschen Wirbelsatz ist sie dann auch wirbelfrei, und man k¨onnte ein Geschwindigkeitspotential einf¨ uhren, worauf wir aber verzichten. Da die Str¨ omung homentrop ist, gilt dp/d = a2 . Damit bringen wir die Kontinuit¨ atsgleichung in die Form   1 u2ϕ dp  duϕ + uϕ + ur uϕ = 0 . (11.34) r a2 dϕ r dϕ Aus (11.32) entsteht    duϕ 1 dp uϕ + ur uϕ + =0. r dϕ r dϕ Die Differenz der beiden letzten Gleichungen ergibt  1 u2ϕ dp −1 =0. r a2 dϕ

(11.35)

(11.36)

Offensichtlich kann dp/dϕ nicht im ganzen Feld verschwinden, da dann keine Umlenkung stattf¨ ande. Im Gebiet, in dem dp/dϕ = 0 ist, folgt u2ϕ = a2 , und da ϕ entgegen dem Uhrzeigersinn positiv gez¨ ahlt wird

436

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

Abbildung 11.14. Zum Zusammenhang zwischen Machschem Winkel und Umlenkwinkel

uϕ = −a .

(11.37)

Der Abb. 11.14 entnimmt man zusammen mit (11.1) und u = |u| −uϕ a 1 = = = sin µ , u u M

(11.38)

d. h. u schließt mit der r-Richtung gerade den Machschen Winkel µ ein. Die Geraden ϕ = const sind daher Machsche Linien oder Charakteristiken. Eine solche Str¨ omung, bei der Str¨ omungsgeschwindigkeit und thermodynamischer Zustand l¨ angs Machscher Linien konstant sind, heißt Einfache Welle. Der Geschwindigkeitsvektor u(ϕ) ist auf einer solchen Charakteristik gerade um den Winkel ν = µ−ϕ

(11.39)

von der Richtung der Anstr¨ omung (M1 = 1) abgelenkt. Wir beschr¨ anken uns im weiteren auf kalorisch ideales Gas und bilden mit a2 = γ p/ und (11.37) den Ausdruck d(a2 ) = (γ − 1)

dp = 2uϕ duϕ 

(11.40)

und setzen ihn in (11.32) ein: γ + 1 duϕ = −ur . γ − 1 dϕ

(11.41)

Wir ersetzen wegen (11.31) noch uϕ durch dur /dϕ: d2 ur γ−1 + ur = 0 . 2 dϕ γ+1

(11.42)

Diese Gleichung ist die aus der Mechanik bekannte Gleichung des einfachen Schwingers, deren allgemeinen L¨ osung (  γ−1 ur = C sin ϕ + ϕ0 , (11.43) γ+1

11.5 Prandtl-Meyer-Str¨ omung

437

Abbildung 11.15. Expansionsf¨ acher der Prandtl-Meyer-Str¨ omung

lautet; wir unterwerfen sie den Randbedingungen ur (ϕ = π/2) = 0

(11.44)

und

 dur  uϕ (ϕ = π/2) = = −a∗ . dϕ  π

(11.45)

2

Mit

( ∗

a =

2 at γ +1

erhalten wir die L¨ osung ( (  2 γ−1 ur = at sin (π/2 − ϕ) γ−1 γ+1 f¨ ur ur und wegen (11.31) f¨ ur uϕ : ( (   2 γ−1 uϕ = − at cos (π/2 − ϕ) . γ+1 γ+1

(11.46)

(11.47)

Damit ist das Geschwindigkeitsfeld bekannt. Der G¨ ultigkeitsbereich von (11.46) und (11.47) ist jedoch in ϕ beschr¨ ankt: Ab einer Endcharakteristik, deren Neigungswinkel u ¨ ber ϕ2 = µ2 − ν2 vom Umlenkwinkel ν2 abh¨angt, ist die Str¨ omung wieder homogen (Abb. 11.15), und (11.36) ist jetzt wegen dp/dϕ = 0 erf¨ ullt. Die Charakteristiken zwischen der Anfangs- und der Endcharakteristik bilden einen Expansionsf¨ acher, ¨ ahnlich dem, den wir schon f¨ ur den Fall des ruckartig beschleunigten Kolbens in Abschnitt 9.3 kennengelernt haben.

438

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

Abbildung 11.16. Expansion ins Vakuum

Da die Str¨ omung homentrop ist, gilt u ¨ berall p = pt



a at

(

2γ/(γ−1) =

( 2γ/(γ−1) 2 γ−1 cos (π/2 − ϕ) , γ+1 γ+1 (11.48)

und wir erkennen, daß bei einer Umlenkung von (  π γ+1 ϕV = − −1 2 γ−1

(11.49)

(≈ −130◦ f¨ ur γ = 1, 4) Vakuum erreicht wird (Abb. 11.16). Die MachZahl wird f¨ ur ϕ = ϕV unendlich, d. h. µ = 0, und wegen (11.39) ist der zugeh¨ orige Umlenkwinkel ν2 = νV = −ϕV . Eine weitere Vergr¨oßerung des Umlenkwinkels ¨ andert die Str¨ omung dann nicht mehr. Zwischen der Wand und der Linie ϕ = ϕV bildet sich ein Vakuumgebiet. Zur Berechnung der Str¨ omung bei vorgegebener Umlenkung ν wird zun¨ achst der Zusammenhang zwischen ν und der Mach-Zahl ermittelt. Mit M2 =

u2r + u2ϕ a2

(11.50)

ist die Funktion M (ϕ) gegeben. Zusammen mit sin µ = sin(ν + ϕ) = M −1 entsteht nach einigen Umformungen der als Prandtl-Meyer-Funktion bekannte Zusammenhang ( ( ! γ+1 γ−1 ν= arctan (M 2 − 1) − arctan M 2 − 1 , (11.51) γ−1 γ+1 der im Anhang C tabelliert ist.

11.5 Prandtl-Meyer-Str¨ omung

439

Abbildung 11.17. Prandtl-Meyer-Str¨ omung bei beliebiger Anstr¨ om-Mach-Zahl

Abbildung 11.18. Stetige Umlenkung

Wir haben die Prandtl-Meyer-Funktion f¨ ur die Anstr¨om-Mach-Zahl M1 = ort. Will man zu einer beliebigen 1 hergeleitet, zu der der Wert ν1 = 0 geh¨ Anstr¨ om-Mach-Zahl M1 > 1 die Abstr¨ om-Mach-Zahl M2 (M2 ≥ M1 ) wissen, so bestimmt man sich aus der Tabelle in Anhang C zun¨achst den zu M1 geh¨ origen Winkel ν1 (Abb. 11.17). Wird dann die Str¨omung um δ umgelenkt, so gilt ν2 = ν1 + δ ,

(11.52)

woraus man mit Hilfe der Tabelle die Mach-Zahl nach der Umlenkung ermittelt. Es sei als Beispiel M1 = 2: Den dazugeh¨ origen Wert von ν1 liest man zu 26, 38◦ ab. Wird die Str¨ omung durch die Ecke um δ = 10◦ umgelenkt, so ist orige Wert M2 ≈ 2, 38 ist die Abstr¨om-Machν2 = 36, 38◦ und der dazugeh¨ Zahl. Dieselben Formeln gelten nat¨ urlich auch, wenn die Umlenkung kontinuierlich erfolgt und auch bei Kompressionswellen (Abb. 11.18). Wenn im Fall der konkaven Wand die Machschen Linien eine Enveloppe bilden, so entsteht in einiger Entfernung von der Wand ein Verdichtungsstoß (Abb. 11.19). Dies

440

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

Abbildung 11.19. Entstehung eines Verdichtungsstoßes

Abbildung 11.20. F¨ ur große Anstr¨ om-Mach-Zahlen legt sich der Stoß an die Wand an

ist analog zur instation¨ aren Str¨ omung, wo ein Kolben mit endlicher Beschleunigung Kompressionswellen erzeugt (siehe Abb. 9.33).   Ist yw (0) ≥ yw (x) f¨ ur alle x > 0 (Abb. 11.19), so liegt der Entstehungspunkt der Enveloppe auf der ersten Charakteristik, die von dem Punkt ausgeht, an dem die Wandkr¨ ummung beginnt (Koordinatenursprung in Abb. 11.19), und seine Koordinaten lassen sich analog zur Vorgehensweise, die zu (9.218) und (9.220) f¨ uhrte, explizit berechnen: yP =

sin2 (2µ1 ) ,  (0) 2(γ + 1)yw

xP = yP cot µ1 .

(11.53) (11.54)

Man entnimmt dem Ergebnis, daß f¨ ur µ1 = π/2, d. h. M1 = 1 die Koordinaten yP und xP gegen null streben. F¨ ur diesen Fall entsteht im Ursprung ein senkrechter, zur Machschen Welle degenerierter Verdichtungsstoß. F¨ ur M1 → ∞ wandert der Verdichtungsstoß ebenfalls in den Ursprung, allerdings geht µ1 gegen null, d. h. der Verdichtungsstoß legt sich an die Wand an (Abb. 11.20). Zwischen Stoß und Wand str¨ omt das stark verdichtete Gas in  einer sehr d¨ unnen Schicht l¨ angs der K¨ orperoberfl¨ache ab. Falls yw (0) gegen unendlich geht (geknickte Wand), erh¨ alt man einen Verdichtungsstoß, der vom Knick ausgeht, also den aus Abb. 11.5 bekannten Fall.

11.6 Stoß-Expansions-Theorie Mit Hilfe der Beziehungen f¨ ur den schr¨ agen Verdichtungsstoß und der Prandtl¨ Meyer-Funktion lassen sich nun die Uberschallstr¨ omungen um Tragfl¨ ugelpro-

11.6 Stoß-Expansions-Theorie

441

¨ Abbildung 11.21. Exakte L¨ osung f¨ ur die Uberschallstr¨ omung um eine Platte

file f¨ ur die meisten technischen Anwendungen gen¨ ugend genau auf einfache Weise berechnen. Die Str¨ omung um eine ebene, angestellte Platte (Abb. 11.21) wird auf der Oberseite zun¨ achst an der Vorderkante durch eine zentrierte PrandtlMeyersche Expansionswelle und dann an der Hinterkante durch einen schr¨agen Verdichtungsstoß umgelenkt. Umgekehrt erfolgt an der Plattenunterseite zun¨ achst eine Umlenkung durch einen schr¨agen Stoß und dann durch eine Expansionswelle. Von der Plattenhinterkante geht eine Kontaktunstetigkeit ab, die bei kleinen Anstellwinkeln etwa parallel zur Anstr¨omrichtung verl¨ auft. Das hintere Wellensystem geht aber in die Bestimmung der Kraft auf die Platte nicht ein. Da die an den St¨ oßen reflektierten Expansionswellen das Profil nicht wieder erreichen, lassen sich entlang der Kontur Str¨omungsgr¨oßen, etwa Mach-Zahl und Druck, im Rahmen der reibungsfreien Theorie aus den Stoßbeziehungen und der Prandtl-Meyer-Funktion exakt berechnen. ¨ Ganz analog gelangt man auch zur L¨ osung f¨ ur die Uberschallstr¨ omung um ein Doppelkeilprofil (Abb. 11.22). Je nach Geometrie und Anstr¨omung k¨ onnen hier jedoch die reflektierten Wellen das Profil wieder erreichen. Bei der Bestimmung der Str¨ omungsgr¨ oßen entlang der Profilkontur im Rahmen der Stoß-Expansions-Theorie werden diese Reflexionen aber vernachl¨assigt. Treffen die reflektierten Wellen das Profil nicht, so ist diese L¨osung wieder exakt. Wie wir bereits aus der Theorie kleiner St¨ orungen wissen, hat ein Trag¨ fl¨ ugel in Uberschallstr¨ omung trotz der Annahme der Reibungsfreiheit einen Widerstand. F¨ ur das symmetrische Doppelkeilprofil der Abb. 11.22 betr¨agt dieser pro Tiefeneinheit

442

¨ 11 Uberschallstr¨ omungen

¨ Abbildung 11.22. Uberschallstr¨ omung um ein Doppelkeilprofil

¨ Abbildung 11.23. Uberschallstr¨ omung um ein Profil

Fw = (p2 − p3 )d .

(11.55)

Bei einem stetig gekr¨ ummten Tragfl¨ ugelprofil (Abb. 11.23) treffen die reflektierten Machschen Wellen auf jeden Fall das Profil. Das Str¨omungsfeld zwischen vorderem und hinterem Stoß ist daher keine einfache Kombination von Parallel- und Prandtl-Meyer-Str¨ omung. Auf der Profiloberseite treten zu den rechtsl¨ aufigen Wellen (y = x tan µ + const) der Prandtl-Meyer-Str¨omung auch linksl¨ aufige hinzu. Die genaue Berechnung des Str¨omungsfeldes kann mittels des Charakteristikenverfahrens erfolgen; ausreichend genaue Daten

11.6 Stoß-Expansions-Theorie

443

auf der Profilkontur gewinnt man jedoch auch durch folgende vereinfachte Betrachtung: Um den Zustand an der Profilspitze direkt hinter dem Stoß zu erhalten, betrachtet man die Spitze lokal als Keil. Mit den nun bekannten Anfangsdaten berechnet man die Str¨ omung entlang des gekr¨ ummten Profils als einfache Prandtl-Meyer-Expansion. Die Hinterkante wird dann wieder als Keil approximiert.

12 Grenzschichttheorie

Wir haben bereits festgestellt, daß die unter der Annahme der Reibungsfreiheit gewonnene L¨ osung eines Umstr¨ omungsproblems als N¨aherungsl¨osung einer reibungsbehafteten Str¨ omung f¨ ur große Reynolds-Zahlen gelten kann. Diese L¨ osung ist aber nicht im gesamten Feld gleichm¨aßig g¨ ultig, denn sie versagt v¨ ollig an festen W¨ anden, an denen reale Fl¨ ussigkeit haftet, w¨ahrend die Theorie der reibungsfreien Str¨ omung im allgemeinen eine von null verschiedene Tangentialgeschwindigkeit vorhersagt. Wie wir bereits in Abschnitt 4.1 diskutiert haben, ist die Dicke der Grenzschicht, in der Reibungseinfl¨ usse nicht vernachl¨assigt werden k¨onnen, im laminaren Fall, auf den wir uns zun¨ achst beschr¨ anken, proportional zu Re−1/2 . F¨ ur den Grenz¨ ubergang Re → ∞ geht die Grenzschichtdicke also gegen null, so daß der effektiv von der Str¨ omung gesehene“ K¨orper dem tats¨achlichen ” entspricht. Die reibungsfreie L¨ osung stellt demnach f¨ ur große ReynoldsZahlen eine N¨ aherungsl¨ osung der Navier-Stokesschen Gleichungen dar, deren Fehler von der Gr¨ oßenordnung O(Re−1/2 ) ist. Das Versagen der L¨osung direkt an der Wand bleibt jedoch bei noch so großer Reynolds-Zahl erhalten. Die vollst¨ andige N¨ aherungsl¨ osung der Navier-Stokesschen Gleichungen muß daher aus zwei in verschiedenen Bereichen g¨ ultigen Teill¨osungen aufgebaut werden. Zum einen ist dies die L¨ osung der reibungsfreien Str¨omung, die sogenannte ¨außere L¨osung, und zum anderen die innere L¨osung in der N¨ ahe von W¨ anden. Die innere L¨ osung beschreibt die Grenzschichtstr¨omung, die so beschaffen sein muß, daß die Str¨ omungsgeschwindigkeit vom Wert null an der Wand asymptotisch in die Geschwindigkeit u ¨ bergeht, welche die ¨außere (reibungsfreie) L¨ osung direkt an der Wand voraussagt. Wegen dieser nicht gleichm¨ aßigen G¨ ultigkeit stellt sich die N¨aherungsl¨osung der Navier-Stokesschen Gleichungen als ein Musterbeispiel eines singul¨aren St¨orungsproblems dar, wie sie in den Anwendungen im u ¨ brigen h¨aufig auftreten. Ein bereits besprochenes Beispiel hierf¨ ur ist die N¨aherungsl¨osung f¨ ur die Potentialstr¨ omung um schlanke Profile (Abschnitt 10.4), die nur in der N¨ ahe der stumpfen Profilnase versagt, außerhalb dieses Bereiches jedoch in der Lage ist, die Str¨ omung hinreichend genau zu beschreiben. Die ¨ außere, reibungsfreie L¨ osung in der St¨orungsrechnung f¨ ur große Reynolds-Zahlen gibt wichtige Informationen, z. B. u ¨ ber Druck- und Geschwindigkeitsverteilung, ist aber nicht in der Lage, den Widerstand vorauszusagen, und macht auch keine Aussagen dar¨ uber, ob und gegebenenfalls

446

12 Grenzschichttheorie

Abbildung 12.1. Grenzschichtkoordinaten

wo die Grenzschicht abl¨ ost. Die Beantwortung dieser Fragen ist von offensichtlicher Bedeutung, verlangt aber die L¨ osung des inneren Problems, was Gegenstand der Grenzschichttheorie ist. Die Differentialgleichungen, denen die innere L¨osung zu gen¨ ugen hat, lassen sich im Rahmen der singul¨ aren St¨ orungstheorie auf systematischem Wege aus den Navier-Stokesschen Gleichungen ermitteln. Wir ziehen hier aber einen anschaulicheren Weg vor. Wir nehmen im folgenden an, daß die ¨außere L¨osung bekannt ist, also Druck- und Geschwindigkeitsverteilung aus dieser L¨osung vorliegen. Wir beschr¨ anken uns zun¨ achst auf inkompressible und ebene Str¨ omungen und f¨ uhren ein sogenanntes Grenzschichtkoordinatensystem ein, in dem x entlang der K¨ orperoberfl¨ ache und y senkrecht dazu gez¨ahlt wird (Abb. 12.1). Wenn die Grenzschichtdicke sehr klein ist verglichen mit dem Kr¨ ummungsradius R der Wandkontur (δ/R  1), gelten die NavierStokesschen Gleichungen in derselben Form wie in kartesischen Koordinaten. Bei der Berechnung der inneren L¨ osung, d. h. der Grenzschichtstr¨omung, spielt dann die Kr¨ ummung der Wand keine Rolle. Die Grenzschicht entwickelt sich wie l¨ angs einer ebenen Wand. Die Wandkr¨ ummung ¨außert sich nur indirekt u außere Str¨ omung vorgegebene Druckvertei¨ber die durch die ¨ lung. Da bei großen Reynolds-Zahlen die Grenzschicht sehr d¨ unn ist, gelten die Ungleichungen ∂u ∂u  ∂x ∂y

und

∂2u ∂2u  . ∂x2 ∂y 2

(12.1)

Die letzte Bedingung hat zur Folge, daß sich die x-Komponente der NavierStokesschen Gleichungen auf ∂u ∂u ∂u 1 ∂p ∂2u +u +v =− +ν 2 ∂t ∂x ∂y  ∂x ∂y

(12.2)

reduziert. Um die Gr¨ oßenordnung des Gliedes u ∂u/∂x im Vergleich zu v ∂u/∂y festzustellen, gehen wir von der Kontinuit¨atsgleichung f¨ ur ebene und inkompressible Str¨ omung ∂u ∂v + =0 ∂x ∂y

(12.3)

12 Grenzschichttheorie

447

aus und schließen zusammen mit (12.1), daß ∂v/∂y  ∂u/∂y ist, folglich also v  u gilt. Daher sind das zweite und dritte Glied auf der linken Seite in (12.2) von derselben Gr¨ oßenordnung. W¨ ahrend in der a ußeren Str¨ omung die Z¨ ahigkeitskr¨afte v¨ollig vernach¨ l¨ assigt werden, m¨ ussen sie dagegen in der Grenzschicht eine Rolle spielen. Die Gr¨ oßenordnung der Grenzschichtdicke l¨ aßt sich dadurch ermitteln, daß wir nach der Dicke der Schicht fragen, in der die Z¨ahigkeitskr¨afte von derselben Gr¨ oßenordnung wie die Tr¨ agheitskr¨ afte sind, also beispielsweise u ∂u/∂x ∼1 ν ∂ 2 u/∂y 2

(12.4)

gilt. In x-Richtung ist L (vgl. Abb. 12.1) der typische L¨angenmaßstab, und wenn U∞ die Anstr¨ omgeschwindigkeit ist, gilt die Gr¨oßenordnungsgleichung u

∂u U2 ∼ ∞ . ∂x L

(12.5)

Der typische L¨ angenmaßstab in die y-Richtung ist die mittlere Grenzschichtdicke δ0 , daher ist ν

∂2u U∞ ∼ν 2 . ∂y 2 δ0

(12.6)

Zusammen mit (12.5) gilt dann die Absch¨ atzung 2 U∞ /L ∼1, ν U∞ /δ02

(12.7)

aus der wir wieder sinngem¨ aß das Ergebnis (4.38) gewinnen: 1 δ0 ∼ Re− 2 . L

(12.8)

Mit diesem Ergebnis werden nun die einzelnen Glieder in den Bewegungsgleichungen abgesch¨ atzt, um die Gleichungen selbst systematisch zu vereinfachen. Aus der Kontinuit¨ atsgleichung folgt v∼

δ0 U∞ L

und daher

1

v ∼ U∞ Re− 2 .

(12.9)

Zur weiteren Diskussion f¨ uhren wir dimensionslose Gr¨oßen ein, die so gew¨ahlt sind, daß sie alle von gleicher Gr¨ oßenordnung sind: u+ =

u , U∞

v+ =

v L v 1 = Re 2 , U ∞ δ0 U∞

p+ =

p 2  U∞

(12.10)

und x+ =

x , L

y+ =

1 y y = Re 2 , δ0 L

t+ = t

U∞ . L

(12.11)

448

12 Grenzschichttheorie

In diesen Ver¨ anderlichen nehmen die Navier-Stokesschen Gleichungen die Form + + ∂u+ ∂p+ 1 ∂ 2 u+ ∂ 2 u+ + ∂u + ∂u + u + v = − + + , ∂t+ ∂x+ ∂y + ∂x+ Re ∂x+ 2 ∂y + 2

1 Re



∂v + ∂v + ∂v + + u+ + + v + + + ∂t ∂x ∂y

 =−

(12.12)

∂p+ 1 ∂ 2 v+ 1 ∂ 2 v+ + + 2 + 2 + ∂y Re ∂x Re ∂y + 2 (12.13)

an, in der alle Differentialausdr¨ ucke dieselbe Gr¨oßenordnung haben, die Gr¨ oßenordnung der einzelnen Terme also durch die Vorfaktoren geregelt wird. Da wir eine N¨ aherungsl¨ osung f¨ ur große Reynoldssche Zahlen suchen, machen wir den Grenz¨ ubergang Re → ∞ und erhalten die Grenzschichtgleichungen in dimensionsloser Form: + + ∂u+ ∂p+ ∂ 2 u+ + ∂u + ∂u + u + v = − + , ∂t+ ∂x+ ∂y + ∂x+ ∂y + 2

0=−

∂p+ . ∂y +

(12.14)

(12.15)

Hinzu tritt die vom Grenz¨ ubergang nicht beeinflußte Kontinuit¨atsgleichung ∂u+ ∂v + + + =0. + ∂x ∂y

(12.16)

Die dynamische Randbedingung an der Wand lautet y+ = 0 :

u+ = v + = 0 ,

(12.17)

und, da am Außenrand der Grenzschicht die Geschwindigkeit u in die Geschwindigkeit U (x, t) = U (x, y = 0, t) der Außenstr¨omung u ¨ bergehen soll, y+ → ∞ :

u+ →

U . U∞

(12.18)

Auf die Anfangsbedingungen gehen wir sp¨ ater ein, stellen hier aber zun¨achst fest, daß die Gleichungen (12.14) und (12.15) wesentlich einfacher als die Navier-Stokesschen Gleichungen sind. In den dimensionslosen Grenzschichtgleichungen und in den Randbedingungen tritt die Z¨ahigkeit nicht auf, die L¨osung ist daher f¨ ur jede Reynolds-Zahl g¨ ultig, solange diese nur groß genug ist (immer laminare Str¨ omung vorausgesetzt), daß die Vereinfachungen zul¨ assig sind. In dimensionsbehafteten Gr¨oßen ¨andert sich nat¨ urlich die L¨ osung mit der Reynoldsschen Zahl. Aus (12.10) und (12.11) lesen wir ab, daß sich u und x nicht ¨ andern, wenn sich u+ bzw. x+ nicht ¨andern, und

12.1 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen

449

daß v und y bei festem v + bzw. y + proportional Re−1/2 sind. In der phy” ¨ sikalischen“ Ebene a der Reynolds-Zahl die ¨ndern sich daher bei Anderung Gr¨ oßen wie folgt: Abst¨ ande und Geschwindigkeiten in y-Richtung a¨ndern sich proportional Re−1/2 , w¨ ahrend sie in x-Richtung konstant bleiben. Wir schreiben nun die Grenzschichtgleichungen wieder in dimensionsbehafteten Gr¨ oßen und beschr¨ anken uns auf station¨are Str¨omung. In dieser Form wurden sie 1904 von Prandtl zum ersten Mal angegeben: u

∂u ∂u 1 ∂p ∂2u +v =− +ν 2 , ∂x ∂y  ∂x ∂y

0=

∂p , ∂y

(12.19) (12.20)

∂u ∂v + =0. ∂x ∂y

(12.21)

Aus der zweiten Gleichung dieses Systems partieller Differentialgleichungen vom parabolischen Typ entnehmen wir p = p(x). In den verbleibenden Gleichungen stehen noch u und v als abh¨ angig Ver¨anderliche, w¨ahrend p nicht mehr als Unbekannte zu z¨ ahlen ist. Wegen (12.20) hat der Druck in der Grenzschicht p(x) denselben Wert wie außerhalb, wo er aus der ¨außeren L¨osung bekannt ist. Der Druckgradient in (12.19) ist also eine bekannte Funktion, und man kann ihn mittels der Eulerschen Gleichung durch −

1 ∂p ∂U =U  ∂x ∂x

(12.22)

ersetzen. Man beachte, daß f¨ ur y → ∞ nur eine Bedingung an die Komponente u gestellt wird. Neben den Randbedingungen (12.17) und (12.18) muß wegen des parabolischen Charakters des Gleichungssystems eine Anfangsverteilung vorgegeben sein: x = x0 :

u = u0 (y) .

(12.23)

Das Gleichungssystem ist nichtlinear und muß im allgemeinen numerisch gel¨ ost werden. Die L¨ osungsverfahren lassen sich in Feld- und in Integralmethoden einteilen. Numerische Feldmethoden entstehen durch Ersetzen der Ableitungen in den Differentialgleichungen (12.19) und (12.21) durch Differenzenquotienten, d. h. durch Diskretisierung des Problems; auf die Integralmethoden werden wir im Abschnitt 12.4 n¨ aher eingehen.

12.1 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen F¨ ur bestimmte Druck- bzw. Geschwindigkeitsverteilungen lassen sich die partiellen Differentialgleichungen (12.19) bis (12.21) auf gew¨ohnliche zur¨ uckf¨ uhren. Die wichtigsten F¨ alle sind die Potenzverteilungen

450

12 Grenzschichttheorie

U (x) = C xm .

(12.24)

Diese entsprechen den Eckenstr¨ omungen (10.240) mit C = |a| und m = n−1. Von besonderem Interesse sind die Staupunktstr¨omung (m = 1 oder n = 2) und die Parallelstr¨ omung (m = 0, n = 1). In diesem Zusammenhang sind aber auch Str¨ omungen im Exponentenbereich 1 < n < 2 interessant, der Str¨ omungen um Keile beschreibt. Wir betrachten zun¨achst den besonders einfachen Fall m = 0, der auch an einer halbunendlichen Platte auftritt. 12.1.1 Ebene Platte Die Außenstr¨ omung sei die ungest¨ orte Parallelstr¨omung U = U∞ (Abb. 12.2), und deswegen gilt ∂p/∂x = 0. Aus (12.19) und (12.21) folgt damit u

∂u ∂u ∂2u +v =ν 2 ∂x ∂y ∂y

(12.25)

und ∂u ∂v + =0, ∂x ∂y

(12.26)

die unter den Randbedingungen y=0, y→∞ :

x>0 :

u=v=0,

u = U∞

(12.27) (12.28)

und der Anfangsbedingung x=0 :

u = U∞

(12.29)

zu l¨ osen sind. Durch Einf¨ uhren der Stromfunktion erf¨ ullen wir die Kontinuit¨ atsgleichung identisch und erhalten aus (12.25) die Differentialgleichung ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂3Ψ − = ν . ∂y ∂x∂y ∂x ∂y 2 ∂y 3 ¨ Die Ubertragung der Randbedingungen auf Ψ ergibt  ∂Ψ  Ψ (x, y = 0) = =0 ∂y (x,y=0)

(12.30)

(12.31)

und

 ∂Ψ  = U∞ , ∂y (x,y→∞)

w¨ahrend die Anfangsbedingung die Form

(12.32)

12.1 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen

451

Abbildung 12.2. Grenzschicht an der ebenen Platte

 ∂Ψ  = U∞ ∂y (x=0,y)

(12.33)

annimmt. Die Stromfunktion der ungest¨ orten Anstr¨omung ist Ψ = U∞ y , und wir erwarten, daß in der Grenzschicht Ψ = O(U∞ δ0 ) ist, wegen (12.8) also U∞ L Ψ∼ √ Re

(12.34)

gilt. Dieses Ergebnis verwenden wir, um die Stromfunktion dimensionslos zu machen. Es muß dann gelten:  ( Ψ x U∞ + + √ = f (x , y ) = f ,y . (12.35) L Lν L ν U∞ Da in das betrachtete Problem der unendlich langen Platte aber keine geometrische L¨ ange eingeht, spielt L hier die Rolle einer k¨ unstlichen“ L¨ange. ” Die Forderung, daß diese k¨ unstliche L¨ ange aus dem Problem verschwinden ¨ muß, f¨ uhrt uns auf die Ahnlichkeitsvariablen ( ! U∞ /(L ν) U∞ η=y ! =y (12.36) νx x/L und

! L/x Ψ Ψ√ =√ . L U∞ ν ν U∞ x

Die L¨ osung muß daher von der Form

(12.37)

452

12 Grenzschichttheorie

Ψ=

! ν U∞ xf (η)

(12.38)

sein. Setzt man diesen Ansatz in (12.30) ein, so entsteht die gew¨ohnliche Differentialgleichung 2f  + f f  = 0 ,

(12.39)

die als Blasius-Gleichung bekannt ist. Die Randbedingungen f¨ ur f folgen aus (12.31) bzw. (12.32) zu f (0) = f  (0) = 0

(12.40)

und f  (∞) = 1 .

(12.41)

Wegen η(y → ∞, x) = η(y, x = 0) = ∞

(12.42)

f¨ uhrt die Anfangsbedingung (12.33) ebenfalls auf (12.41). Die L¨osung der Blasius-Gleichung unter den genannten Randbedingungen ist ein Randwertproblem, da an beiden R¨ andern η = 0 und η = ∞ Bedingungen vorgeschrieben sind. Numerisch ist das Problem aber auch als Anfangswertproblem zu l¨osen: Man schreibt dann neben den Anfangswerten (12.40) einen weiteren Anfangswert f¨ ur f  vor, etwa f  (0) = α, und probiert in der einfachsten Form dieses sogenannten Schießverfahrens solange verschiedene Werte von α aus, bis die Randbedingung f¨ ur η = ∞ erf¨ ullt ist. Man findet so f  (0) = 0, 33206 .

(12.43)

Abb. 12.3 zeigt neben dem Geschwindigkeitsverlauf f  = u/U∞ auch die Funktionen von f (η) und f  (η). Mit (12.43) l¨aßt sich die Schubspannung an der Wand (  3 ∂u  U∞ τw = η =η f  (0) (12.44)  ∂y y=0 νx berechnen, wobei η in Gleichung (12.44) die Scherz¨ahigkeit und nicht die ¨ Ahnlichkeitsvariable nach (12.36) ist. ¨ Theoretisch reicht die Grenzschicht bis ins Unendliche, weil der Ubergang von Grenzschicht zu Außenstr¨ omung asymptotisch erfolgt. Daher ist die geometrische Grenzschichtdicke beliebig definierbar. Oft nimmt man als Grenzschichtdicke den Wandabstand, bei dem u/U∞ = 0, 99 ist. Wie die numerische Rechnung zeigt, wird dieser Wert hier bei η ≈ 5 erreicht. Die so definierte Grenzschichtdicke ist also ( νx δ=5 . (12.45) U∞

12.1 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen

453

Abbildung 12.3. L¨ osung der Blasius-Gleichung

Anstatt mit der geometrischen Grenzschichtdicke δ arbeitet man besser mit der eindeutig definierten Verdr¨angungsdicke δ1 ∞ ) δ1 =

1−

u* dy , U

(12.46)

0

die ein Maß f¨ ur die Verdr¨ angungswirkung der Grenzschicht ist. Aus dem Geschwindigkeitsprofil u/U∞ erh¨ alt man wegen U ≡ U∞ ( νx δ1 = 1, 7208 . (12.47) U∞ Die ¨ außere, reibungsfreie Str¨ omung sieht“ nicht die unendliche d¨ unne Platte, ” sondern einen Halbk¨ orper mit der Kontur (12.47). Ein Maß f¨ ur den Impulsverlust in der Grenzschicht ist die Impulsverlustdicke δ2 : ∞ ) δ2 =

1−

u* u dy , U U

(12.48)

0

f¨ ur die wir hier den Wert ( νx δ2 = 0, 664 U∞ erhalten.

(12.49)

454

12 Grenzschichttheorie

Die Platte erf¨ ahrt nat¨ urlich einen Widerstand (pro Tiefeneinheit), der sich f¨ ur die einseitig benetzte Platte bis zur L¨ange x = L gerechnet zu 

L 2 τw dx = 0, 664 U∞ L

Fw =

U∞ L ν

−1/2 (12.50)

0

ergibt. Aus (12.50) liest man auch die Formel f¨ ur den Reibungsbeiwert cf ab: cf =

Fw 1, 33 = √ , 2 /2U∞ L Re

(12.51)

die als Blasiussches Widerstandsgesetz bezeichnet wird. 12.1.2 Keilstr¨ omungen Wir betrachten symmetrische Keile nach Abb. 12.4 und beschaffen uns zun¨ achst die ¨ außere reibungsfreie Potentialstr¨omung, deren Geschwindigkeitsverteilung an der Keilwand ja die asymptotische Randbedingung f¨ ur die Grenzschichtrechnung liefert. Die Außenstr¨omung ist bereits durch die Eckenstr¨ omung der Abb. 10.30 im schon erw¨ahnten Exponentenbereich 1 ≤ n ≤ 2 gegeben, wobei durch die Gleichheitszeichen auch die Plattenund die Staupunktstr¨ omung in die Klasse der Eckenstr¨omungen eingeschlossen werden. Da in Abb. 12.4 im Gegensatz zu den Eckenstr¨omungen der Abb. 10.30 die negative statt der positiven x-Achse Stromlinie ist, wird zun¨ achst das Koordinatensystem der Abb. 10.30 in positive Richtung um π −π/n gedreht, d. h. die komplexe Koordinate z durch z exp{−iπ[(n−1)/n]} ersetzt. Damit lautet die (10.243) entsprechende Stromfunktion nunmehr

Abbildung 12.4. Zur Keilstr¨ omung

12.1 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen

Ψ=

a n r sin[nϕ − π(n − 1)] , n

455

(12.52)

und Ψ = 0 wird f¨ ur den Eckenwinkel β=π

n−1 m =π n m+1

sowie f¨ ur die negative x-Achse erhalten. Durch Spiegelung der Eckenstr¨ omung bez¨ uglich der x-Achse wird diese zur Keilstr¨omung, deren Geschwindigkeitsverteilung durch (10.244) gegeben ist. In den Grenzschichtkoordinaten, in denen wir ja x l¨ angs der K¨ orperoberfl¨ache und y senkrecht dazu z¨ ahlen, erhalten wir also genau die Potenzverteilung (12.24). Wie die Eulersche Gleichung −

1 ∂p = m C 2 x2m−1  ∂x

(12.53)

zeigt, verschwindet der Druckgradient hier im allgemeinen nicht; trotzdem tritt auch in der Keilstr¨ omung offensichtlich keine ausgezeichnete L¨ange auf, und es ist daher nicht verwunderlich, daß die Verwendung der Variablen ¨ (12.36) und (12.37) auch hier zu Ahnlichkeitsl¨ osungen f¨ uhrt. Der Ansatz ! Ψ = ν U (x) xf (η) (12.54) mit

( η=y

U (x) νx

(12.55)

u uhrt das System (12.19) bis (12.21) mit (12.53) in die gew¨ohnliche DGl. ¨berf¨ f  +

m + 1  f f + m(1 − f 2 ) = 0 . 2

(12.56)

Die L¨ osungen dieser sogenannten Falkner-Skan-Gleichung, die den Randbedingungen (12.40) und (12.41) gen¨ ugen m¨ ussen, sind in Abb. 12.5 f¨ ur verschiedene Keilwinkel aufgetragen, die dem Exponentenbereich von m = 0 (d. h. β = 0◦ ) bis m = 1 (d. h. β = 90◦ ) entsprechen. Die Grenzschichtdicke f  = 0, 99 beispielsweise der ebenen Staupunktstr¨omung entnimmt man der Abbildung zu ( ( νx ν δ = 2, 4 = 2, 4 , (12.57) U (x) a wobei wir bei der Staupunktstr¨ omung der Konvention folgen, f¨ ur C aus (12.24) a zu setzen. Die DGl. (12.56) mit den Randbedingungen (12.40) und (12.41) l¨aßt auch L¨ osungen f¨ ur negative Werte von m zu, die dann Str¨omungen um konvexe Ecken ergeben. Wie im Zusammenhang mit Abb. 10.30 besprochen und

456

12 Grenzschichttheorie

Abbildung 12.5. Geschwindigkeitsverteilung in der Grenzschicht der Keilstr¨ omung

auch aus (12.24) unmittelbar einsichtig, wird die Geschwindigkeit an der Stelle x = 0 unendlich, und die L¨ osungen k¨ onnten h¨ochstens in einer gewissen Entfernung stromab von dieser Stelle physikalische Bedeutung haben. Die physikalische Bedeutung der L¨ osungen mit negativem m wird aber auch dadurch in Frage gestellt, daß die L¨ osungen nicht eindeutig sind: In der Tat gibt es eine unendliche Zahl von L¨ osungen der DGl. (12.56), welche die angesprochenen Randbedingungen befriedigen und verschiedene Werte von f  (0), also verschiedene Werte der Schubspannung an der Wand haben. Eine plausible“ L¨ osung mit m = −0, 09043 ist in Abb. 12.5 mit auf” genommen, weil dieses Profil ein Abl¨oseprofil darstellt, wie wir noch im Abschnitt 12.1.4 n¨ aher erl¨ autern werden. Der kleine negative Wert von m macht dabei deutlich, daß die laminare Grenzschicht schon bei sehr geringem positiven Druckgradienten abl¨ ost. Turbulente Grenzschichten vertragen einen wesentlich gr¨ oßeren Druckanstieg; eine Tatsache, die bei Profilumstr¨omungen sehr wichtig ist und auf die wir schon bei der Diskussion des Widerstandsbeiwertes der Kugel hingewiesen haben. Die Bedeutung der L¨ osungen der Falkner-Skan-Gleichung liegt auch darin begr¨ undet, daß sie die notwendigen Anfangsverteilungen (vgl. (12.23)) f¨ ur die numerische Berechnung der Grenzschicht um allgemeine K¨orper liefern, die sich in der N¨ ahe des vorderen Staupunktes durch Keile approximieren lassen. Dem Fall β = 90◦ ; d. h. der Staupunktstr¨omung kommt dabei die gr¨ oßte praktische Bedeutung zu; sie ist schon deswegen interessant, weil sie zugleich eine exakte L¨ osung der Navier-Stokesschen Gleichungen darstellt.

12.1 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen

457

12.1.3 Instation¨ are Staupunktstr¨ omung Im u aßt sich selbst f¨ ur die instation¨ are Staupunkt-Grenzschicht eine ¨ brigen l¨ ¨ Ahnlichkeitsl¨ osung finden. Die reibungsfreie Potentialstr¨omung f¨ ur diesen Fall haben wir im Abschnitt 10.3 besprochen. Mit U = a(t)x erh¨alt man den Druckgradienten l¨ angs der Oberfl¨ ache (v = 0) aus der Eulerschen Gleichung zu   1 ∂p ∂U ∂U a˙ − = +U = a2 x + 1 , (12.58)  ∂x ∂t ∂x a2 wobei wir da/dt = a˙ gesetzt haben. Der Ansatz (12.54), (12.55) nimmt hier die Form ! Ψ = ν a(t)xf (η) (12.59) mit ( η=y

a(t) ν

(12.60)

an und u uhrt die Grenzschichtgleichungen (12.2), (12.20) und (12.21) ¨berf¨ unter Benutzung von (12.58) in die Gleichung   a˙ )  η  * a˙ 2  f + f + f − ff = + 1 + f  , (12.61) a2 2 a2 die zur gew¨ ohnlichen DGl. wird, wenn a/a ˙ 2 eine Konstante ist: 1 da(t) = const , a2 dt wobei speziell const = 0 die station¨ are Staupunkstr¨omung ergibt. W¨ahlt man const = 1/2, so liefert die Integration von a/a ˙ 2 = 1/2 die Beziehung a(t) = −2/t, wenn man die Integrationskonstante gleich null setzt. Daher ist die Geschwindigkeit der reibungsfreien Potentialstr¨omung am Rand der Grenzschicht U =−

2x , t

(12.62)

die f¨ ur t < 0 positiv ist und f¨ ur t → 0 gegen unendlich strebt. Man kann sich diese Geschwindigkeit in reibungsfreier Fl¨ ussigkeit erzeugt denken, wenn sich eine obere Wand (siehe Abb. 12.6) einer unteren Wand mit der Geschwindigkeit y˙ w =

2yw t

n¨ahert, also die Bewegung

458

12 Grenzschichttheorie

Abbildung 12.6. Geschwindigkeitsverteilung in der Grenzschicht der instation¨ aren Staupunktstr¨ omung

yw = C t2 ausf¨ uhrt. Der Geschwindigkeitsverlauf in der Grenzschicht ist f¨ ur diesen Fall ebenfalls in Abb. 12.6 eingetragen. ¨ Wir vermerken hier noch, daß sich die besprochenen Ahnlichkeitsl¨ osungen auch auf kompressible Str¨ omungen ausdehnen lassen. 12.1.4 Allgemeines Umstr¨ omungsproblem Beim allgemeinen Umstr¨ omungsproblem ist ∂p/∂x = 0: Bekanntlich ist der Druck am Staupunkt am gr¨ oßten, f¨ allt dann ab, erreicht in der N¨ahe der dicksten Stelle des K¨ orpers den niedrigsten Wert (∂p/∂x = 0) und steigt danach wieder an (Abb. 12.7). Wie schon an anderer Stelle erl¨autert, hat die Fl¨ ussigkeit in der Grenzschicht Energie verloren, die ihr fehlt, um in das Gebiet h¨ oheren Druckes vorzudringen. Sie wird zwar von der umgebenden Fl¨ ussigkeit u afte mitgezogen, wenn aber der Druckan¨ ber Schubspannungskr¨ stieg zu groß ist, kommt sie zum Stillstand. An dieser Stelle verschwindet der Geschwindigkeitsgradient an der Wand (∂u/∂y = 0, f¨ ur y = 0): Dieser Punkt gilt in ebener Str¨ omung als Abl¨osepunkt ; die Kr¨ ummung des Geschwindigkeitsprofils muß dort positiv sein. Aus (12.19) erh¨alt man an der Wand ∂ 2u 1 ∂p =ν  ∂x ∂y 2

f¨ ur

y=0,

(12.63)

12.1 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen

459

Abbildung 12.7. Druckverteilung an einem Profil

Abbildung 12.8. Skizze des Abl¨ osegebietes

und man schließt, daß Abl¨ osung nur bei positivem Druckgradienten m¨oglich ist, d. h. der Abl¨ osepunkt (Abb. 12.8) liegt im Gebiet des Druckanstieges, was wir schon vorher heuristisch begr¨ undet haben. F¨ ur das allgemeine Umstr¨ omungsproblem kommen wie bereits erw¨ahnt nur noch numerische Methoden in Frage. Bei vorgegebener Druckverteilung kann die Grenzschichtrechnung aber im allgemeinen nicht u ¨ ber den Abl¨osepunkt hinausgef¨ uhrt werden. Der Grund hierf¨ ur ist im parabolischen Typus der Grenzschichtgleichung zu suchen. Mit Konvergenz numerischer Algorithmen ist nur zu rechnen, wenn das Geschwindigkeitsprofil positiv bleibt. Es besteht aber ein Bed¨ urfnis, Rechenverfahren zu entwickeln, mit denen u osestelle hinweg gerechnet werden kann. Dies gelingt bei dem ¨ber die Abl¨ sogenannten inversen Problem“, wo statt der Druckverteilung die Schub” spannungsverteilung vorgeschrieben wird.

460

12 Grenzschichttheorie

12.2 Temperaturgrenzschicht bei erzwungener Konvektion F¨ ur die Berechnung der Temperaturverteilung innerhalb der Grenzschicht gehen wir von der Energiegleichung (4.4) aus, in der wir zun¨achst wieder die innerhalb der Grenzschichttheorie m¨ oglichen Vereinfachungen einf¨ uhren. Wegen (12.1) ergibt sich f¨ ur die Dissipationsfunktion die auch f¨ ur Schichtenstr¨ omungen g¨ ultige Beziehung  2 ∂u Φ=η , (12.64) ∂y und (4.4) nimmt f¨ ur kalorisch ideales Gas die Form  2 DT Dp ∂u ∂2T  cp − =η +λ Dt Dt ∂y ∂y 2

(12.65)

an, in der wir wieder ∂ 2 /∂x2 gegen¨ uber ∂ 2 /∂y 2 vernachl¨assigt haben. Die W¨ arme¨ ubertragung zwischen einem K¨orper und der ihn umgebenden Fl¨ ussigkeit findet in einer Schicht entlang der K¨orperkontur statt, in der neben der Konvektion, d. h. neben dem W¨ armetransport durch die Fl¨ ussigkeitsbewegung, auch W¨ armeleitung eine Rolle spielt. W¨ahrend in der ¨außeren Str¨ omung W¨ armeleitung in der Regel vernachl¨assigbar ist, ist sie in dieser Schicht, die in Analogie zur Geschwindigkeitsgrenzschicht Temperaturgrenzschicht genannt wird, von der gleichen Gr¨ oßenordnung wie der Konvektionsterm in (12.65), d. h.  cp u

∂T ∂2T ∼λ 2 . ∂x ∂y

(12.66)

Ersetzt man die Terme durch typische Gr¨ oßen  cp U ∞

∆T ∆T ∼λ 2 , L δ0 t

(12.67)

so gewinnt man f¨ ur die Dicke der Temperaturgrenzschicht die folgende Absch¨ atzung:  2 δ0t λ 1 ∼ . (12.68) L cp η Re Die dimensionslose Kombination der Stoffwerte λ, cp , η in der ersten Klammer der rechten Seite ist der Kehrwert der Prandtlschen Zahl cp η Pr = , (12.69) λ die wir in (4.178) kennengelernt haben und die, wie aus (12.8) und (12.68) ersichtlich, das Verh¨ altnis der Dicken von Geschwindigkeitsgrenzschicht und Temperaturgrenzschicht regelt:

12.2 Temperaturgrenzschicht

bei erzwungener Konvektion

√ δ0 ∼ Pr . δ0 t

461

(12.70)

F¨ ur einatomige Gase liefert die kinetische Gastheorie als Zusammenhang zwischen λ und η λ=

5 cv η , 2

(12.71)

so daß die Prandtl-Zahl f¨ ur γ = cp /cv = 5/3 den Wert P r = 2/3 annimmt. F¨ ur zweiatomige Gase l¨ aßt sich die Prandtl-Zahl nach einer gut best¨atigten Formel von Eucken berechnen: cp Pr = . (12.72) cp + 1, 25R F¨ ur ideales Gas erh¨ alt man so P r = 0, 74. F¨ ur mehratomige Gase liefert diese Formel keine guten Ergebnisse, und es empfiehlt sich, die Prandtl-Zahl aus gemessenen Werten von η, λ und cp zu berechnen. F¨ ur Gase ist die Prandtl-Zahl von der Gr¨ oßenordnung 1 und deshalb die Temperaturgrenzschicht etwa so dick wie die Str¨omungsgrenzschicht. Bei vielen tropfbaren Fl¨ ussigkeiten ist die Prandtl-Zahl wesentlich gr¨oßer als 1 (Wasser: P r ≈ 7 bei 20 ◦ C), die Temperaturgrenzschicht also in der Regel kleiner als die Str¨ omungsgrenzschicht. Bei fl¨ ussigen Metallen dagegen ist P r sehr viel kleiner als 1 (Quecksilber: P r ≈ 0, 026 bei 20 ◦ C), so daß die Temperaturgrenzschicht entsprechend groß ist. Benutzt man statt der W¨ armeleitf¨ ahigkeit λ die Temperaturleitzahl a=

λ , cp 

so schreibt sich die Prandtl-Zahl in der leicht zu merkenden Form ν Pr = . a Im Rahmen der Grenzschichttheorie l¨ aßt sich die Energiegleichung weiter vereinfachen. F¨ ur die Dissipationsfunktion Φ gem¨aß (12.64) und die Arbeit (pro Volumen) der Druckkr¨ afte Dp/Dt gelten die Gr¨oßenordnungsgleichungen 

2

3 U∞ L

(12.73)

Dp ∂p U3 ∼ U∞ ∼ ∞ ∞ . Dt ∂x L

(12.74)

Φ∼η

U∞ δ0

∼ ∞

und

Die Absch¨ atzung zeigt, daß beide Glieder von derselben Gr¨oßenordnung sind. Das Verh¨ altnis dieser Glieder zum konvektiven W¨armetransport

462

12 Grenzschichttheorie

 cp u

∂T Tw − T∞ ∼  ∞ cp U ∞ ∂x L

(12.75)

ist als Eckertsche Zahl Ec bekannt: Ec =

2 U∞ . cp (Tw − T∞ )

(12.76)

Die Eckert-Zahl ist das Verh¨ altnis der (doppelten) kinetischen Energie der ungest¨ orten Str¨ omung und der Enthalpiedifferenz zwischen Wand und Fl¨ ussigkeit. Die m¨ ogliche Eigenerw¨ armung der Fl¨ ussigkeit ergibt sich aus der Energiegleichung (4.150) f¨ ur kalorisch ideales Gas zu cp (Tt − T∞ ) =

2 U∞ 2

(12.77)

oder mit a2∞ = γ R T∞ auch zu Tt − T∞ γ−1 2 = M∞ . T∞ 2

(12.78)

Wie wir schon fr¨ uher festgestellt haben, ist die Eigenerw¨armung f¨ ur inkompressible Fl¨ ussigkeiten (M∞ → 0) vernachl¨ assigbar. Bei W¨arme¨ ubergangsproblemen mit kleinen Mach-Zahlen ist die Eckert-Zahl in der Regel sehr klein, und die Dissipation Φ sowie die Arbeit pro Volumen Dp/Dt sind vernachl¨ assigbar, so daß wir die Energiegleichung (12.65) in der Form   ∂T ∂T ∂2T  cp u +v =λ 2 (12.79) ∂x ∂y ∂y erhalten. Zur L¨ osung von (12.79) ben¨ otigt man offensichtlich das Geschwindigkeitsfeld in der Grenzschicht. Die Annahme der Inkompressibilit¨at hat zur Folge, daß die Bewegungsgleichungen von der Energiegleichung entkoppelt sind. Daher kann man zun¨ achst die Gleichungen f¨ ur die Str¨omungsgrenzschicht und dann mit der resultierenden Geschwindigkeitsverteilung die Energiegleichung l¨ osen. Bei starker Fremderw¨ armung muß aber die Dichte¨anderung infolge der Temperatur¨ anderung ber¨ ucksichtigt werden. Die Str¨omung ist dann auch bei verschwindenden Mach-Zahlen als eine kompressible Str¨omung zu behandeln, und die oben angesprochene Entkopplung ist im allgemeinen nicht gegeben. Meistens ist unter diesen Umst¨ anden auch die Temperaturabh¨angigkeit der Stoffwerte zu ber¨ ucksichtigen. Im weiteren wollen wir aber davon ausgehen, daß die Temperaturunterschiede in der Grenzschicht so klein sind, daß die angesprochenen Effekte vernachl¨ assigt werden k¨onnen. Wir betrachten das W¨ arme¨ ubergangsproblem an einer ebenen Platte und stellen das Gleichungssystem und die Randbedingungen zusammen: u

∂u ∂2u ∂u +v =ν 2 , ∂x ∂y ∂y

(12.80)

12.2 Temperaturgrenzschicht

bei erzwungener Konvektion

∂u ∂v + =0, ∂x ∂y u

463

(12.81)

∂T ∂T ν ∂2T +v = ; ∂x ∂y P r ∂y 2

y = 0, x > 0 :

(12.82)

u = v = 0, T = Tw ,

(12.83)

y → ∞ : u = U∞ , T = T ∞ .

(12.84)

Die Geschwindigkeitskomponenten u und v folgen aus (12.38) zu u = U∞ f  , ( 1 ν U∞ v=− (f − η f  ) . 2 x

(12.85) (12.86)

Aus (12.80) bis (12.82) schließen wir, daß auch die dimensionslose Temperatur ¨ nur eine Funktion der Ahnlichkeitsvariablen (12.36) sein kann. Daher gilt Tw − T = Θ(η) , Tw − T∞

(12.87)

und aus (12.82) entsteht die Gleichung 1 Θ + P r f Θ = 0 2

(12.88)

mit den Randbedingungen η=0 :

Θ=0,

η→∞ :

(12.89a)

Θ=1.

(12.89b)

Setzt man zur L¨osung von (12.88) zun¨ achst Θ = F , so ist ⎛ ⎞ η 1 F = C1 exp ⎝− P r f dη ⎠ 2

(12.90)

0

und weiter wegen (12.89a) η Θ=

η F dη = C1

0

⎛ 1 exp ⎝− P r 2

0



⎞ f dη ⎠ dη .

(12.91)

0

Unter Ber¨ ucksichtigung der Randbedingung (12.89b) wird hieraus schließlich ⎡ η ⎛ ⎞ ⎤⎡ ∞ ⎛ ⎞ ⎤−1  η  η 1 1 Θ = ⎣ exp ⎝− P r f dη ⎠ dη ⎦ ⎣ exp ⎝− P r f dη ⎠ dη ⎦ . 2 2 0

0

0

0

(12.92)

464

12 Grenzschichttheorie

Abbildung 12.9. Temperaturprofile der Plattengrenzschicht

Wegen (12.39) ist aber auch f = −2f  /f  , so daß man schreiben kann: 1 − Pr 2



η f dη = P r

0

f  dη = P r ln f 



f  (η) f  (0)

 ,

(12.93)

0

und aus (12.92) wird ⎡ Θ=⎣

η 0

⎤⎡ ∞ ⎤−1  Pr Pr f  dη ⎦ ⎣ f  dη ⎦ .

(12.94)

0

Da f  (η) aus der L¨ osung der Blasius-Gleichung bekannt ist, ist jetzt auch Θ bekannt. Die L¨ osung in der obenstehenden Form wurde zuerst von Pohlhausen angegeben. Θ = Θ(η, P r) ist f¨ ur verschiedene Werte von P r in Abb. 12.9 aufgetragen. Wir berechnen nun die einzige von null verschiedene Komponente des W¨armestromvektors qy an der Wand:  ∂T  qy (x) = q(x) = −λ (12.95) ∂y w oder

 ( dΘ  U∞ q(x) = λ(Tw − T∞ ) .  dη w ν x

(12.96)

12.2 Temperaturgrenzschicht

bei erzwungener Konvektion

465

Aus (12.94) folgt ⎛∞ ⎞−1    dΘ  Pr = [f  (0)]P r ⎝ f  dη ⎠ = g(P r) , dη η=0

(12.97)

0

so daß der W¨ armestrom zu ( q(x) = λ(Tw − T∞ )g(P r)

U∞ νx

(12.98)

erhalten wird. F¨ ur die gesamte W¨ arme pro Zeit- und Tiefeneinheit, die von der Platte der L¨ange L u alt man mit ¨ bertragen wird, erh¨  Q˙ = −

L qi ni dS =

(S)

q(x)dx

(12.99)

0

(eine Plattenseite benetzt!) schließlich ( U∞ L Q˙ = 2λ(Tw − T∞ )g(P r) ν

(12.100)

oder √ Q˙ = 2λ(Tw − T∞ )g(P r) Re .

(12.101)

Die Funktion g(P r) wird durch g(P r) = 0, 332P r1/3

(12.102)

gut angen¨ ahert. Damit erhalten wir Q˙ = 0, 664λ P r1/3 Re1/2 (Tw − T∞ ) ,

(12.103)

bzw. mit der Definitionsgleichung der Nusselt-Zahl Tw − T∞ Q˙ = N u λ A , L

A=L ˆ

(12.104)

dann die Nusseltbeziehung N u = 0, 664P r1/3 Re1/2 .

(12.105)

Dies ist eine spezielle Form des f¨ ur erzwungene Str¨omung allgemein g¨ ultigen Gesetzes N u = N u(P r, Re) .

(12.106)

466

12 Grenzschichttheorie

12.3 Temperaturgrenzschicht bei natu ¨ rlicher Konvektion Im Kapitel Hydrostatik hatten wir festgestellt, daß statisches Gleichgewicht nur m¨ oglich ist, wenn der Gradient der Dichte parallel zum Vektor der Massenkraft ist. W¨ ahlt man das Koordinatensystem wieder so, daß die zRichtung entgegengesetzt parallel zur Schwerkraftrichtung zeigt, dann kann im Gleichgewicht die Dichte nur eine Funktion von z sein. In der N¨ahe einer beheizten Wand, wo die Dichte durch Erw¨armung beeinflußt wird, ist diese Gleichgewichtsbedingung i. allg. verletzt, und die Fl¨ ussigkeit setzt sich zwangsl¨ aufig in Bewegung, so daß in Wandn¨ ahe eine Str¨omung entsteht. Unter bestimmten, sp¨ ater genauer definierten Umst¨anden hat diese Str¨omung Grenzschichtcharakter. Zur Herleitung der Bewegungsgleichungen gehen wir von den NavierStokesschen Gleichungen (4.9a) aus und spalten Druck und Dichte in statische und dynamische Anteile auf: p = pst + pdyn ,

 = st + dyn .

Es folgt (st + dyn )

Dui ∂pst ∂pdyn ∂ 2 ui = st ki − + dyn ki − +η , (12.107) Dt ∂xi ∂xi ∂xj ∂xj

oder, da die hydrostatische Grundgleichung in der Form ∂pst = st ki ∂xi gilt, auch (st + dyn )

Dui ∂pdyn ∂ 2 ui = dyn ki − +η . Dt ∂xi ∂xj ∂xj

(12.108)

¨ Wir nehmen an, daß die Anderung der Dichte dyn sehr klein ist (dyn  st ), so daß mit der Massenkraft der Schwere ki = gi zun¨achst Dui dyn 1 ∂pdyn ∂ 2 ui = gi − +ν Dt st st ∂xi ∂xj ∂xj

(12.109)

folgt. Wir setzen nun f¨ ur die Dichte¨ anderung dyn = −st β(T − T∞ ) , wobei der thermische Ausdehnungskoeffizient durch     1 ∂ β= −  ∂T p ∞

(12.110)

(12.111)

12.3 Temperaturgrenzschicht

bei nat¨ urlicher Konvektion

467

gegeben ist; f¨ ur ideales Gas also β=

1 . T∞

(12.112)

Zur Abk¨ urzung bezeichnen wir pdyn wieder mit p und st mit . In der Grenzschicht sind die konvektiven Glieder wieder von derselben Gr¨oßenordnung wie die Z¨ ahigkeitsglieder, so daß die Absch¨ atzung U 2 /L ∼1 ν U/δ02

(12.113)

gilt. Die typische Geschwindigkeit U ist in diesem Falle, wo ja keine Anstr¨ omgeschwindigkeit U∞ existiert, nur indirekt durch die Daten des Problems gegeben. Die treibende Kraft der Str¨omung ist der Term dyn g = st β ∆T g, wobei ∆T = |Tw − T∞ | ist. Mit der charakteristischen L¨ange L l¨ aßt sich hieraus die typische Geschwindigkeit ! U = β ∆T g L (12.114) bilden. Dann erh¨alt man aus (12.113) 

δ0 ∼ L

ν2 g β ∆T L3

1/4 .

(12.115)

F¨ ur Gr =

g β ∆T L3 1 ν2

(12.116)

ist δ0 /L  1, d. h. die Str¨ omung hat Grenzschichtcharakter, wenn die dimensionslose Kennzahl Gr (Grashofsche Zahl ) groß ist. Unter dieser Voraussetzung gelten die Grenzschichtvereinfachungen. (Im angels¨achsischen Schrifttum wird statt der Grashof-Zahl die Rayleigh-Zahl Ra = Gr P r benutzt). Als Beispiel betrachten wir die Str¨ omung an einer senkrecht stehenden, unendlich langen, geheizten Platte. Der Koordinatenursprung liege an der unteren Kante, x werde entlang der Platte und y normal zu ihr gez¨ahlt. Dann hat der Vektor der Massenkraft der Schwere die Komponenten gx = −g und gy = 0. F¨ uhrt man die dimensionslose Temperatur Θ=

T − T∞ Tw − T∞

(12.117)

ein, so lautet das nunmehr gekoppelte Gleichungssystem f¨ ur ideales Gas: ∂u ∂v + =0, ∂x ∂y

(12.118)

468

12 Grenzschichttheorie

u

∂u ∂u ∂2u Tw − T∞ +v =ν 2 +gΘ , ∂x ∂y ∂y T∞

(12.119)

u

∂Θ ∂Θ λ ∂2Θ +v = . ∂x ∂y  cp ∂y 2

(12.120)

Dieses ist unter den Randbedingungen y=0 :

u=v=0; Θ=1,

y→∞ :

u=0; Θ=0

(12.121) (12.122)

zu l¨ osen. F¨ uhrt man analog zu (12.38) eine dimensionslose Stromfunktion ein, so erh¨ alt man mit ( g ∆T L U= und ∆T = |Tw − T∞ | : (12.123) 4T∞  2 1/4   1/4  ν ∆T g L3 x ∆T g Ψ =4 f ,y . (12.124) 4T∞ L 4T∞ ν 2 L Da L in der L¨ osung nicht auftreten kann, muß Ψ folgende Form haben:  Ψ =4

ν 2 ∆T g x3 4T∞

1/4 ζ(η) ,

(12.125)

wobei  η=y

∆T g 4T∞ ν 2 x

1/4 (12.126)

¨ die dimensionslose Ahnlichkeitsvariable des Problems ist. Setzt man zur Abk¨ urzung  C=

∆T g 4T∞ ν 2

1/4 ,

(12.127)

so erh¨ alt man als Ansatz f¨ ur die Stromfunktion: Ψ = 4C ν x3/4 ζ(η) .

(12.128)

Auch die dimensionslose Temperatur kann nur eine Funktion der dimensionslosen Variablen η sein; daher gilt: Θ(x, y) = Θ(η) .

(12.129)

Mit diesen Ans¨ atzen erh¨ alt man aus den Gleichungen (12.119) und (12.120) die gekoppelten gew¨ ohnlichen Differentialgleichungen

12.4 Integralmethoden der Grenzschichttheorie

469

ζ  + 3ζζ  − 2ζ 2 + Θ = 0 ,

(12.130)

Θ + 3P r ζ Θ = 0

(12.131)

mit den Randbedingungen η=0 : η→∞ :

ζ = ζ  = 0; Θ = 1 ,

(12.132)

ζ  = 0; Θ = 0 .

(12.133)

Dieses Gleichungssystem muß numerisch gel¨ ost werden, wobei sich unter anderem die Nusselt-Zahl N u = 0, 48Gr1/4

f¨ ur

P r = 0, 733

(12.134)

ergibt. In guter N¨ aherung gilt folgende Formel, welche die Abh¨angigkeit von der Prandtl-Zahl explizit angibt:  Nu =

Gr P r 2, 43478 + 4, 884P r1/2 + 4, 95283P r

1/4 .

(12.135)

12.4 Integralmethoden der Grenzschichttheorie Zur n¨ aherungsweisen Berechnung von Grenzschichten verwendet man oft Verfahren, bei denen die Bewegungsgleichungen nicht u ¨berall im Feld, sondern nur im integralen Mittel u ullt werden. Aus¨ ber der Grenzschichtdicke erf¨ gangspunkt dieser Integralmethoden ist meistens die Impulsgleichung, die sich aus der Anwendung der Kontinuit¨ atsgleichung (2.7) und des Impulssatzes (2.43) in integraler Form auf einen Grenzschichtabschnitt der Breite dx (Abb. 12.10) ableiten l¨ aßt. Der infinitesimale Massenstrom dm ˙ pro Tiefeneinheit, der zwischen (1) und (2) in das Kontrollvolumen einfließt, ist dm ˙ d dm ˙ = m(x ˙ + dx) − m(x) ˙ = dx = dx dx dx

δ(x) 

 u dy .

(12.136)

0

Mit diesem Massenstrom ist der Impulsfluß d U dm ˙ = U dx dx

δ(x) 

 u dy

(12.137)

0

in x-Richtung verbunden, so daß die Komponente des Impulssatzes in diese Richtung lautet:

470

12 Grenzschichttheorie

Abbildung 12.10. Kontrollvolumen in der Grenzschicht

d −U dx

δ(x) 

d  u dy + dx

0

δ(x) 

 u2 dy = −

dp δ(x) − τw . dx

(12.138)

0

Wir beschr¨ anken uns wieder auf inkompressible Str¨omungen, f¨ ur die die in (12.138) auftretenden Integrale durch die Verdr¨angungsdicke (12.46) und die Impulsverlustdicke (12.48) ausgedr¨ uckt werden k¨onnen: δ(x) 

u dy = U (δ − δ1 ) ,

(12.139)

0 δ(x) 

u2 dy = U 2 (δ − δ1 − δ2 ) .

(12.140)

0

Mit dp/dx = − U dU/dx l¨ aßt sich die Impulsgleichung in die Form dδ2 1 dU τw + (2δ2 + δ1 ) = dx U dx  U2

(12.141)

bringen, die man auch direkt aus der Integration der Bewegungsgleichung (12.19) u ¨ ber y (von 0 bis ∞) unter Benutzung der Kontinuit¨atsgleichung gewinnt. Sie gilt f¨ ur station¨ are, inkompressible, laminare und turbulente Grenzschichten, l¨ aßt sich aber auch auf instation¨ are und kompressible Str¨omungen erweitern.

12.4 Integralmethoden der Grenzschichttheorie

471

Gleichung (12.141) ist eine gew¨ ohnliche DGl. f¨ ur die Unbekannten δ1 , δ2 und τw . Die zur vollst¨ andigen mathematischen Beschreibung des Problems fehlenden Gleichungen gewinnt man im laminaren Fall durch einen Ansatz f¨ ur das Geschwindigkeitsprofil. Im turbulenten Fall sind dar¨ uber hinausgehende empirische Beziehungen notwendig; wir verweisen diesbez¨ uglich auf Abschnitt 12.5. Die Erweiterung auf die Grenzschicht an einem Rotationsk¨orper, dessen Kontur durch R0 (x) gegeben sei, l¨ aßt sich f¨ ur den Fall δ  R0 recht einfach erledigen: der infinitesimale Massenstrom, der in die Grenzschicht einfließt, betr¨ agt in diesem Fall ⎛ ⎞ δ(x)  d ⎜ ⎟ dm ˙ = dx u dy ⎠ , (12.142) ⎝2πR0 (x) dx 0

wobei y senkrecht zur Kontur und x entlang dieser gemessen wird. Damit ergibt sich die Komponente des Impulssatzes in x-Richtung in der Form ⎛ −U

d ⎜ ⎝2πR0 dx

δ(x) 





d ⎜ ⎟ u dy ⎠ + ⎝2πR0 dx

0

δ(x) 



dp ⎟ u2 dy ⎠ = − 2πR0 δ dx

0

− 2πR0 τw (12.143) in v¨ olliger Analogie zur Gleichung (12.138). Partielle Ableitung auf der linken Seite und Division durch 2πR0 f¨ uhrt mit (12.139) und (12.140) zun¨achst auf den Ausdruck −

U 2 dR0 d dU dU δ2 − (U 2 δ2 ) + U (δ − δ1 ) = δU − τw R0 dx dx dx dx

(12.144)

und dann unmittelbar auf die endg¨ ultige Form des Impulssatzes dδ2 1 dU 1 dR0 τw + (2δ2 + δ1 ) + δ2 = . dx U dx R0 dx U 2

(12.145)

Von dem Impulssatz der ebenen Grenzschicht (12.141) unterscheidet sich diese Gleichung durch das letzte Glied auf der linken Seite. Dieser Term beschreibt den Einfluß der Querkr¨ ummung des Rotationsk¨orpers auf die Grenzschicht. Wenn der Radius des Rotationsk¨ orpers konstant ist, wie das beim Zylinder der Fall ist, so ist unter der getroffenen Annahme δ  R0 die Grenzschicht dieselbe wie an einer ebenen Platte. Als einfaches Anwendungsbeispiel berechnen wir das bereits in Abschnitt 12.1.1 exakt gel¨ oste Problem der Grenzschicht an einer ebenen Platte. F¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung innerhalb der Grenzschicht machen wir den Ansatz

472

12 Grenzschichttheorie

 u

y δ(x)



  π y = U sin , 2 δ(x)

(12.146)

aus dem sich f¨ ur die Verh¨ altnisse der Grenzschichtdicken die Zahlenwerte δ1 = δ

1 ) u* π−2 1− d(y/δ) = U π

(12.147)

0

und δ2 = δ

1

u) u* 4−π 1− d(y/δ) = U U 2π

(12.148)

0

ergeben. F¨ ur die Wandschubspannung erh¨ alt man mit (12.146)  ∂u  πU 4−π U τw = η =η =η , ∂y y=0 2 δ 4 δ2

(12.149)

wobei von (12.148) Gebrauch gemacht wurde, um die Grenzschichtdicke δ zu eliminieren. Einsetzen von τw gem¨ aß (12.149) in die Impulsgleichung (12.141) liefert wegen U ≡ U∞ die gew¨ ohnliche DGl. dδ2 ν 4−π 1 = , dx U ∞ 4 δ2

(12.150)

in der nur noch δ2 als Unbekannte auftritt und deren allgemeine L¨osung δ22 4−π νx = +C 2 4 U∞

(12.151)

lautet. Die Integrationskonstante C ergibt sich aus der Impulsverlustdicke am Ort x = 0, die f¨ ur die ebene Platte null ist, so daß die L¨osung ( νx δ2 = 0, 655 (12.152) U∞ lautet. F¨ ur die Verdr¨ angungsdicke erh¨ alt man mit (12.147) und (12.148) ( δ1 /δ 2π − 4 νx δ1 = δ2 = δ2 = 1, 743 . (12.153) δ2 /δ 4−π U∞ Der Vergleich mit den exakten Werten in (12.49) und (12.47) zeigt eine recht ¨ gute Ubereinstimmung; der relative Fehler betr¨agt etwa 1, 3% f¨ ur δ1 und δ2 . Unter Verwendung der gleichen Ansatzfunktion (12.146) berechnen wir auch die Grenzschicht der ebenen Staupunktstr¨omung (10.65) entlang der x-Achse, wo gem¨ aß (10.66) U = a x ist. W¨ahrend (12.147) bis (12.149)

12.5 Turbulente Grenzschichten

473

weiterhin g¨ ultig sind, erhalten wir nun aus (12.141) die in δ22 lineare Differentialgleichung x dδ22 4 4−π ν + δ2 = , 2 dx 4−π 2 4 a

(12.154)

deren homogene L¨ osung 4

δ2H = C x− 4−π

(12.155)

lautet. Da die Grenzschichtdicke f¨ ur x → 0 endlich bleiben muß, schließen wir, daß die homogene L¨ osung verschwindet (C = 0). Die L¨osung von (12.154) entspricht also allein der Partikul¨ arl¨ osung ( ( 4−π ν ν δ2 = = 0, 215 , (12.156) 4 a a d. h. die Impulsverlustdicke und damit auch die Grenzschichtdicke der ebenen Staupunktstr¨ omung sind konstant. Mit (12.48) und f  aus Abb. 12.5 (β = ◦ 90 ) erh¨ alt man die exakte L¨ osung f¨ ur die Impulsverlustdicke ( ν δ2 = 0, 292 , (12.157) a und der Vergleich zeigt, daß der einfache Ansatz (12.146) zwar die Konstanz der Grenzschichtdicke richtig voraussagt, aber keine guten quantitativen Ergebnisse liefert. F¨ ur Str¨ omungen mit Druckgradient, wie im vorliegenden Fall, haben sich Polynome etwa vierter Ordnung in y/δ als zweckm¨aßig erwiesen, welche die hier verletzte Bedingung (12.63) befriedigen. Wenn die Str¨omung nicht abl¨ ost, liefern diese Verfahren recht gute Ergebnisse, der Abl¨osepunkt wird jedoch meistens nicht genau genug vorhergesagt.

12.5 Turbulente Grenzschichten Bei Beschr¨ ankung auf station¨ are, ebene und inkompressible Str¨omungen lassen sich die Beziehungen f¨ ur turbulente Grenzschichten aus den laminaren Grenzschichtgleichungen gewinnen, wenn wir dort die Gr¨oßen durch die entsprechenden mittleren Gr¨ oßen ersetzen und zur rechten Seite der Gleichung (12.19) den einzig wichtigen Term aus der Divergenz der Reynoldsschen Spannungen, n¨ amlich − ∂(u v  )/∂y hinzuaddieren. F¨ uhrt man noch die in (7.56) definierte Austauschgr¨ oße A bzw. die Wirbelviskosit¨at A/ = t ein, so lauten die Grenzschichtgleichungen   ∂u ∂u 1 ∂p ∂ ∂u u +v =− + (ν + t ) , (12.158) ∂x ∂y  ∂x ∂y ∂y

474

12 Grenzschichttheorie

∂u ∂v + =0. ∂x ∂y

(12.159)

In (12.158) haben wir das Glied ∂(u 2 − v  2 )/∂x vernachl¨assigt, so daß der Druckgradient in der Grenzschicht derselbe ist wie außerhalb. Formal sind die Gleichungen dieselben wie die Grenzschichtgleichungen f¨ ur laminare Str¨ omung und unterliegen denselben Randbedingungen. Bei Vorgabe eines Turbulenzmodells k¨ onnen die numerischen Verfahren der Feldmethoden auch hier angewendet werden. Bei Verwendung der Wirbelviskosit¨ at nach (7.59) ist beispielsweise die Verteilung des Mischungsweges anzugeben. Im G¨ ultigkeitsbereich des Wandgesetzes (also etwa f¨ ur den Bereich y ≤ 0, 22 δ) benutzt man oft die Formel (7.60), setzt aber ab y/δ ≈ 0, 22 das Verh¨ altnis l/δ konstant, etwa gleich 0, 22 κ = 0, 09. Im Bereich der ¨ viskosen Ubergangsschicht gilt (7.60) nicht mehr und muß f¨ ur sehr kleine Werte modifiziert werden, beispielsweise durch Multiplikation mit dem Faktor [1 − exp(−y∗ /A)], wobei A ≈ 26 ist. Daneben gibt es aber weitere Modifikationen der Formel f¨ ur den Mischungsweg. Diesen halbempirischen Methoden nullten Grades haftet der Nachteil an, daß die scheinbare Z¨ ahigkeit auch bei von null verschiedenem Mischungsweg dort verschwindet, wo ∂u/∂y null ist, also etwa an Stellen, wo u ein Maximum hat. Der Ansatz verliert seinen Sinn bei solchen turbulenten Feldern, in denen die mittlere Geschwindigkeit u ¨ berhaupt konstant ist. Diese Nachteile versucht man mit Methoden h¨oheren Grades zu u ¨berwinden. Setzt man die typische Schwankungsgeschwindigkeit u nicht proportional ldu/dy, sondern proportional zur Wurzel aus der kinetischen Energie (pro Masse) der Schwankungsbewegung 1 2 (u + v  2 + w 2 ) , 2 so entsteht folgender Ausdruck f¨ ur die Wirbelviskosit¨at: k=

(12.160)

t = C k 1/2 L ,

(12.161)

wobei L nun ein integrales L¨ angenmaß ist, das im wesentlichen den Mischungsweg darstellt, w¨ ahrend C eine dimensionslose Konstante ist. F¨ ur die Turbulenzenergie schafft man nun eine Differentialgleichung, indem man auf ¨ halbempirische Weise die Einfl¨ usse erfaßt, die zur materiellen Anderung der ¨ Turbulenzenergie beitragen. Uber die L¨ osung dieser Gleichung h¨angt dann die Wirbelviskosit¨ at an einem Ort von der Geschichte der Turbulenzenergie eines Teilchens ab, welches den Ort passiert, und die direkte Kopplung von

t zum lokalen Feld der mittleren Geschwindigkeit wird vermieden. F¨ ur die L¨ ange L muß aber immer noch eine Verteilung angegeben werden. Da in diesem Turbulenzmodell eine Differentialgleichung auftritt, nennt man es heute Ein-Gleichungsmodell. Wird auch f¨ ur die L¨ ange L eine Differentialgleichung benutzt, so gelangt man zu den Modellen, die mit zwei DGln. arbeiten, welche man dann ZweiGleichungsmodelle nennt. Modelle, die das Konzept der Wirbelviskosit¨at

12.5 Turbulente Grenzschichten

475

beinhalten, k¨ onnen nicht verwendet werden, wenn u v  an einer anderen Stelle verschwindet als ∂u/∂y. Diese Schwierigkeit kann umgangen werden, wenn statt der Boussinesqschen Formel Differentialgleichungen f¨ ur die Reynoldsschen Spannungen selbst eingef¨ uhrt werden, etwa zus¨atzlich zu den bereits erw¨ ahnten Gleichungen. Mit h¨ oher werdendem Grad des Turbulenzmodells steigt auch die Zahl der Annahmen, die zur Schließung des Gleichungssystems n¨otig sind. Außerdem erfordert die L¨ osung der Differentialgleichungen auch Randbedingungen f¨ ur die entsprechenden Gr¨ oßen, die u.U. nicht genau genug bekannt sind. Wir wollen aber hier nicht weiter auf die Verwendung von Turbulenzmodellen h¨ oheren Grades in der Feldtheorie eingehen. Neben den Feldmethoden spielen die in Abschnitt 12.4 besprochenen Integralmethoden bei der Beschreibung turbulenter Grenzschichten eine erhebliche Rolle. In laminarer Str¨ omung lassen sich die Geschwindigkeitsprofile bekanntlich durch Polynome in y/δ darstellen, was aber im turbulenten Fall nicht sinnvoll ist, da sich die v¨ olligeren Profile schlecht durch Polynome approximieren lassen. Hier sind dagegen Potenzgesetze der Form ) y *1/n u = U δ

(12.162)

zweckm¨ aßig, wobei n ≈ 7 ist, aber mit der Reynolds-Zahl schwach ansteigt. Damit berechnet man die Verdr¨ angungsdicke und die Impulsverlustdicke zu δ1 =

δ , n+1

(12.163)

δ2 =

nδ ; (n + 1)(n + 2)

(12.164)

f¨ ur n = 7 also δ1 =

1 δ 8

und

δ2 =

7 δ. 72

(12.165)

Aus (12.141) entsteht dann die Differentialgleichung f¨ ur die Grenzschichtdicke an der ebenen Platte τw 7 dδ = , 2  U∞ 72 dx

(12.166)

die sich jedoch nicht l¨ osen l¨ aßt, da die Wandschubspannung nicht bekannt ist. Es ist n¨ otig, auf empirische Daten zur¨ uckzugreifen. Im Reynolds-ZahlBereich, in dem das 1/7-Potenzgesetz g¨ ultig ist, gilt auch der empirische Zusammenhang (Blasius-Gesetz ): τw = 0, 0225 2  U∞



ν U∞ δ

1/4 ,

(12.167)

476

12 Grenzschichttheorie

Abbildung 12.11. Zur Definition des fiktiven Anfangspunktes

mit dem sich dann die Grenzschichtdicken zu δ = 0, 37Re−1/5 , x x − x0

(12.168)

δ1 = 0, 046Re−1/5 , (12.169) x x − x0 δ2 = 0, 036Re−1/5 (12.170) x x − x0 ergeben, wobei Rex die mit der Laufl¨ ange x − x0 gebildete Reynolds-Zahl Rex = U∞

x − x0 ν

(12.171)

und x0 der fiktive Abstand von der Vorderkante ist, an der die Dicke der turbulenten Grenzschicht null w¨ are; diese Stelle f¨ allt nicht etwa mit dem Plattenbeginn zusammen! Von der Plattenvorderkante bildet sich ja zun¨achst eine laminare Grenzschicht aus. Bei einer bestimmten Verdr¨angungsdicke δ1 , genauer einer bestimmten, mit der Verdr¨ angungsdicke gebildeten Reynoldsschen Zahl, wird die Grenzschicht zum ersten Mal instabil (Indifferenzpunkt x = xI , U∞ δ1 /ν ≈ 520). Aus dieser Instabilit¨at entwickelt sich u ¨ber einer Umschlagstrecke“ zwischen Indifferenz- und Umschlagpunkt (x = xU ), de” ren L¨ ange von St¨ oreinfl¨ ussen abh¨ angt, die vollturbulente Grenzschicht aus. Wenn man mit der bei xU angetroffenen Grenzschichtdicke die turbulente Grenzschicht nach vorne extrapoliert, erh¨ alt man den fiktiven Anfangspunkt x0 der turbulenten Grenzschicht (siehe Abb. 12.11).

12.5 Turbulente Grenzschichten

477

F¨ ur sehr große Plattenl¨ angen L l¨ aßt sich x0 im Vergleich zu L vernachl¨assigen. In diesem Fall ergibt sich der Widerstand pro Tiefeneinheit der einseitig benetzten Platte unter Verwendung von (12.141) zu L 2 τw dx =  U∞ δ2 (L) .

Fw =

(12.172)

0

F¨ ur den Reibungsbeiwert cf folgt hiermit die Formel cf =

Fw −1/5 = 0, 072ReL , 2 L /2 U∞

(12.173)

wobei ReL die mit der Plattenl¨ ange L gebildete Reynoldssche Zahl (Re = U∞ L/ν) ist. Der lokale Reibungsbeiwert cf ist definiert als cf =

τw , 2 /2 U∞

(12.174)

woraus sich mit (12.141) unmittelbar der Ausdruck cf = 2

dδ2 = 0, 0576Re−1/5 x dx

(12.175)

ergibt. Die angegebenen Formeln sind auf den G¨ ultigkeitsbereich des BlasiusGesetzes beschr¨ ankt, der in ReL ausgedr¨ uckt etwa im Intervall 5 ∗ 105 < ReL < 107

(12.176)

liegt. F¨ ur gr¨ oßere Genauigkeitsanspr¨ uche benutzt man das universelle Wandgesetz (7.46), das allerdings nur in Wandn¨ ahe g¨ ultig ist. F¨ ur die gesamte Grenzschicht ist das Wandgesetz durch eine Verteilung zu erg¨anzen, die so beschaffen ist, daß sie f¨ ur y → 0 verschwindet und zusammen mit dem Wandgesetz f¨ ur y → ∞ in die ¨ außere Str¨ omung u ur ¨ bergeht. Wir schreiben daher f¨ die gesamte Verteilung u Π(x) = f (y u∗ /ν) + W (y/δ) , u∗ κ

(12.177)

wobei W (y/δ) die Abweichung des Geschwindigkeitsprofils vom Wandgesetz beschreibt. Diese sogenannte Nachlauffunktion W (y/δ) ist aus empirischen Daten bekannt und l¨ aßt sich durch die Funktion )π y * W (y/δ) = 2 sin2 (12.178) 2δ gut beschreiben. Zuweilen werden aber auch andere algebraisch einfache Formeln verwendet. Die Nachlauffunktion gen¨ ugt der Normierung

478

12 Grenzschichttheorie

1 W (y/δ)d(y/δ) = 1

(12.179)

0

und den Randbedingungen W (0) = 0 ,

W (1) = 2 .

(12.180)

Die Ver¨ anderung der Verteilung u/u∗ mit x wird daher dem Profilparameter Π(x) u ur das ¨ bertragen, der vom Druckgradienten abh¨angt. Wenn wir f¨ Wandgesetz nur das Logarithmische Wandgesetz (7.70) verwenden, so entsteht aus (12.177) f¨ ur y = δ U 1 Π = ln(δu∗ /ν) + B + 2 u∗ κ κ

(12.181)

oder U −u 1 Π = − ln(y/δ) + [2 − W (y/δ)] . u∗ κ κ

(12.182)

Die letzte Gleichung wird als Außengesetz bezeichnet. F¨ ur konstantes Π entspricht es dem Mittengesetz (7.79) der Rohrstr¨omung. Gleichung (12.181) stellt schon unmittelbar einen Zusammenhang zwischen Schubspannung an der Wand und dem Profilparameter Π dar. Benutzt man noch die Definition des lokalen Reibungsbeiwertes, so schreiben wir diese Gleichung mit τw = u2∗ in der Form ⎛ ' ⎞ ' 2 U 1 ⎝ δU cf ⎠ Π = = ln +B+2 . (12.183)  cf u∗ κ ν 2 κ Vernachl¨ assigt man bei der Integration den Einfluß der viskosen Unterschicht, so folgt mit der Definition der Verdr¨ angungsdicke δ1 aus (12.177) der Zusammenhang ' cf 1 + Π δ1 u∗ = (1 + Π) = (12.184) δ Uκ 2 κ und entsprechend f¨ ur die Impulsverlustdicke '  cf 1 + Π δ2 2 + 3, 18Π + 1, 5Π 2 cf = − . 2 δ 2 κ κ 2

(12.185)

In den letzten Gleichungen treten die Unbekannten cf , δ, δ1 , δ2 und Π auf. Zusammen mit dem Impulssatz (12.141) stehen also vier Gleichungen f¨ ur die f¨ unf Unbekannten zur Verf¨ ugung. Hinzu tritt noch eine weitere empirische Beziehung:

12.5 Turbulente Grenzschichten

Π ≈ 0, 8(β + 0, 5)3/4 ,

479

(12.186)

in der β der Gleichgewichtsparameter β=

δ1 ∂p δ1 2 δ2 dU =− τw ∂x δ2 cf U dx

(12.187)

ist. Damit liegen jetzt f¨ unf Gleichungen f¨ ur die f¨ unf unbekannten Funktionen vor, und bei gegebener Geschwindigkeitsverteilung U (x) l¨aßt sich die turbulente Grenzschicht auf numerischem Wege berechnen, wozu die Anfangswerte der zu berechnenden Gr¨ oßen vorgegeben werden m¨ ussen. Die Integralmethoden, von denen die obigen Ausf¨ uhrungen ein einfaches Beispiel darstellen, sind den Feldmethoden f¨ ur turbulente Grenzschichten oft gleichwertig (im Gegensatz zum laminaren Fall), was wohl an der Vielzahl der empirischen Daten liegt, die in die Berechnung einfließen. In der Anwendung auf die turbulente Grenzschicht der ebenen Platte (U ≡ U∞ ) setzt man Π ≈ 0, 55 (anstatt Π = 0, 476 aus (12.186)) und schreibt die Impulsgleichung (12.141) mit Reδ2 = U∞ δ2 /ν und Rex = U∞ x/ν um: cf dδ2 dReδ2 = = . dx dRex 2

(12.188)

Nun stellt man cf als Funktion der Reynolds-Zahl Reδ2 dar, indem man δ in (12.183) mit Hilfe der Beziehung (12.185) durch δ2 ersetzt. Das Ergebnis der numerischen Integration von (12.188) kann man durch die Formel Reδ2 = 0, 0142Re6/7 x

(12.189)

beschreiben. Setzt man dieses Ergebnis in (12.188) ein, so wird der lokale Reibungsbeiwert zu cf = 0, 024Re−1/7 x

(12.190)

erhalten; eine Formel, die im Bereich 105 < Rex < 109 g¨ ultig ist. Wie ersichtlich, ist die Berechnung des Reibungsbeiwerts und der Grenzschichtdicken selbst im Fall der ebenen Platte recht undurchsichtig. Wir wollen daher f¨ ur diesen Fall noch einfachere Formeln herleiten, die sich aus Dimensionsbetrachtungen ergeben. Wir nehmen an, daß in der ganzen Grenzschicht das Logarithmische Wandgesetz G¨ ultigkeit besitzt. Dann ist in (12.177) Π = 0 zu setzen, und wir erhalten statt (12.181) 1 U∞ = ln(δ u∗ /ν) + B . u∗ κ

(12.191)

480

12 Grenzschichttheorie

Abbildung 12.12. Widerstandsformeln

Aus dieser Gleichung l¨ aßt sich noch nicht die Grenzschichtdicke δ als Funktion von x darstellen, da die Schubspannung τw und damit u∗ von x abh¨angen, so daß δ einen Zusammenhang der Form δ = δ(x, u∗ , U∞ )

(12.192)

erf¨ ullen muß. Aus Dimensionsgr¨ unden gilt deshalb die Beziehung δ = f (u∗ /U∞ ) . x

(12.193)

Die Neigung der Grenzschicht ist von der Gr¨ oßenordnung v  /U∞ , und da v  von der Gr¨ oßenordnung u∗ ist, folgt dδ u∗ ∼ . dx U∞

(12.194)

Wenn u∗ nur schwach von x abh¨ angt, gilt auch δ ∼ x u∗ /U∞

(12.195)

im Einklang mit (12.193), wobei angenommen wurde, daß die turbulente Grenzschicht an der Stelle x = 0 beginnt. Daher w¨achst die Grenzschicht porportional zu x, w¨ ahrend die genauere Formel (12.189) ein nur unwesentlich schw¨ acheres Wachstum proportional zu x6/7 angibt. Wir setzen das Ergebnis (12.195) in (12.191) ein und erhalten U∞ 1 = ln[(U∞ x/ν)(u∗ /U∞ )2 ] + B , u∗ κ

(12.196)

12.5 Turbulente Grenzschichten

481

woraus sich mit der universellen Konstanten B ≈ 5 das Widerstandsgesetz cf

−1/2

= 1, 77 ln(Rex cf ) + 2, 3

(12.197)

ergibt. Die drei berechneten Widerstandsformeln (12.175), (12.190) und (12.197) werden in Abb. 12.12 verglichen.

13 Schleichende Stro ¨mungen

Wir betrachten in diesem Kapitel station¨ are Str¨omungen mit kleiner Reynoldszahl, und beschr¨ anken uns auf inkompressible Str¨omungen, also auch auf Gasstr¨ omungen bei kleinen Machzahlen. Die Bewegungsgleichungen sind mit (4.35) bereits bekannt, die wir hier in symbolischer Schreibweise angeben: ∇p = η∆u.

(13.1)

Zu den Bewegungsgleichungen im engeren Sinne tritt noch die Kontinuit¨atsgleichung (2.5) ∇ · u = 0.

(13.2)

Wenn wir die Rotation der Gleichung (13.1) bilden, also die Gleichung der Operation ∇×unterwerfen, wird der Druck aus der Gleichung eliminiert und mit der Vektoridentit¨ at (4.10) , in der u durch 2ω ersetzt ist, gewinnen wir die Zusammenh¨ ange ∆(∇ × u) = 2∆ ω = −2∇ × (∇ ×  ω ) = 0,

(13.3)

wobei auch (4.14) verwendet wurde. Bildet man die Divergenz der Gleichung (13.1), so ergibt sich mit der Kontinuit¨ atsgleichung eine Laplace-Gleichung f¨ ur den Druck: ∆p = 0 .

(13.4)

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen Im folgenden werden wir uns mit ebenen und rotationssymmetrischen Str¨ omungen befassen, bei denen sich bekanntlich eine Stromfunktion einf¨ uhren l¨ aßt, so daß Gleichung (13.2) entf¨ allt, weil die Kontinuit¨atsgleichung mit Einf¨ uhrung der Stromfunktion identisch erf¨ ullt ist. Im ebenen Fall entnehmen wir die Geschwindigkeitskomponenten (10.217) und finden die einzig nicht verschwindende Vektorkomponente von rot u aus Anhang B1 zu   2   ∂ Ψ ∂v ∂u ∂2Ψ − + ez = −∆Ψ ez . (13.5) 2 ω = rot u = ez = − ∂x ∂y ∂x2 ∂y 2

484

13 Schleichende Str¨ omungen

Mit diesem Zusammenhang lesen wir aus (13.3) die Gleichung ab, der die Stromfunktion gen¨ ugen muß: ∆(∆Ψ ) = 0

(13.6)

oder auch ∇4 Ψ = 0.

(13.7)

Man nennt diese Gleichung auch Bipotentialgleichung, was ihre Schreibweise in (13.6) einsichtig macht. Um die entsprechende Differentialgleichung f¨ ur die Stromfunktion der rotationssymmetrischen Str¨ omung zu erhalten, gehen wir von (13.3) in der Form ∇ × (∇ ×  ω) = 0

(13.8)

aus, die es gestattet die Gleichung durch wiederholte Anwendung des Operators ∇× aus Anhang B.3 zu berechnen. Unser Ziel wird es sein, die schleichende Str¨ omung um eine Kugel im Abschnitt 13.1.3 zu berechnen. Da die Randbedingung verschwindender Geschwindigkeit an der Kugel zu erf¨ ullen ist, stellen wir die Gleichung in Kugelkoordinaten bereit, weil die Oberfl¨ache der Kugel dann Koordinatenfl¨ ache ist. Zun¨ achst folgt aus B.3   1 ∂(ruϑ ) ∂ur 2 ω = rotu = − eϕ (13.9) r ∂r ∂ϑ und mit (10.104 und 10.105) auch 1 ω=−  2r sin ϑ



∂2 sin ϑ ∂ + 2 2 ∂r r ∂ϑ



1 ∂ sin ϑ ∂ϑ

 Ψ eϕ = −

1 E 2 Ψ eϕ 2r sin ϑ (13.10)

wobei der Ausdruck hinter dem letzten Gleichheitszeichen den Operator E 2 definiert, dessen Bezeichnung in Anlehnung an ∇2 gew¨ahlt ist. Wir bilden jetzt ∇× ω in dem wir im Ausdruck f¨ ur rot u in B.3, u und seine Komponenten durch  ω und seine entsprechenden Komponenten ersetzen. Beachtet man, daß nur ωϕ = 0 ist und ebenso, daß ∂/∂ϕ angewendet auf irgend eine Komponente Null ergibt, so gewinnt man die Gleichung ∇× ω=−

2r2

1 ∂ 1 ∂ (E 2 Ψ )er + (E 2 Ψ ) eϑ sin ϑ ∂ϑ 2r sin ϑ ∂r

.

(13.11)

Man verf¨ ahrt jetzt mit ∇ ×  ω so wie oben mit ω geschehen und erh¨alt ∇×(∇× ω) =

1 2 r sin ϑ



∂2 sin ϑ ∂ (E 2 Ψ ) + 2 2 ∂r r ∂ϑ



 1 ∂ (E 2 Ψ ) eϕ = 0, sin ϑ ∂ϑ (13.12)

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

485

damit die Gleichung f¨ ur die Stromfunktion: E 2 (E 2 Ψ ) = 0.

(13.13)

Der Vollst¨ andigkeit halber vermerken wir auch den Operator E 2 bei rotationssymmetrischer Str¨ omung in Zylinderkoordinaten des Anhangs B.2: E2 =

∂2 ∂2 1 ∂ + − 2 2 ∂z ∂r r ∂r

(13.14)

oder bei rotationssymmetrischer Str¨ omung in kartesischen Koordinaten in der Ebene z = 0, wie im Abschnitt 10.3.1 E2 =

∂2 ∂2 1 ∂ + − . 2 2 ∂x ∂y y ∂y

(13.15)

13.1.1 Beispiele ebener Str¨ omungen Wir schließen an die Potentialstr¨ omungen in und um Ecken des Kapitels 10 an. Wie dort betrachten wir also Str¨ omungen, deren Begrenzungen durch Linien ϕ = const gegeben sind und daher die Benutzung von Polarkoordinaten r, ϕ nahe legt. Die Beschreibung der Str¨ omung erfolgt aus den erl¨auterten Gr¨ unden mit der Stromfunktion Ψ (r, ϕ). Aus Dimensionsgr¨ unden muß auch im einfachsten Fall eine dimensionsbehaftete Konstante auftreten. Wir machen daher den Ansatz Ψ = A rn f (ϕ),

(13.16)

mit dem sich die Bipotentialgleichung separieren l¨aßt. Die Konstante A hat die Dimension [L¨ ange2−n /Zeit]. Ebenso wie bei den Eckenstr¨omungen in Kapitel 10 handelt es sich auch hier nur um lokal g¨ ultige Str¨omungen. Die auftretende Konstante h¨ angt von der “treibenden Kraft” außerhalb des G¨ ultigkeitsbereich der lokalen L¨ osung ab und kann i. allg. nur mit Kenntnis der Str¨ omung im Ganzen bestimmt werden. Wir werden uns zun¨ achst auf F¨ alle beschr¨ anken, bei denen der Exponent n ganzzahlig ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn die treibende Kraft eine bekannte Geschwindigkeit ist. Wenn eine oder beide der Str¨omungsbegrenzungen mit demselben Betrag der Geschwindigkeit bewegt werden, ist auch die Deutung der Konstanten A offensichtlich. Wir stellen uns eine ebene, unter dem Winkel α geneigte Fl¨ ache vor, die mit der Geschwindigkeit U dicht u ¨ ber einer ebenen Wand (x-Achse) gef¨ uhrt, Fl¨ ussigkeit von dieser abschabt. Im Bezugssystem, das mit dem Schaber fest verbunden ist, ist die Str¨omung station¨ ar, die untere Wand wird mit der Geschwindigkeit −U unter dem Schaber durchgef¨ uhrt (Abb. 13.1). Die zweifache Anwendung des Laplace-Operators in Polarkoordinaten aus Anhang B.2 f¨ uhrt mit dem Ansatz Ψ = −U r f (ϕ)

(13.17)

486

13 Schleichende Str¨ omungen

Abbildung 13.1. Stromlinienbild in der N¨ ahe des Schnittpunktes Schaber-Wand, ϕ0 = π/2

auf die gew¨ ohnliche DGl. U (f + 2 f  + f  ) = 0 r3

(13.18)

deren allgemeine L¨ osung f¨ ur r = 0 f = (C1 + ϕ C2 ) cos(ϕ) + (C3 + ϕ C4 ) sin(ϕ)

(13.19)

ist. Gleichung (13.2) in Polarkoordinaten (Anhang B.2) ∂(ur r) ∂uϕ + =0 ∂r ∂ϕ

(13.20)

liefert die notwendige und hinreichende Bedingung f¨ ur das totale Differential dΨ = −uϕ dr + ur rdϕ

,

(13.21)

dem wir die Geschwindigkeitskomponenten ur =

1 ∂Ψ = −U f  (ϕ) r ∂ϕ

,

uϕ = −

∂Ψ = U f (ϕ) ∂r

(13.22)

entnehmen. Die Haftbedingung an der Wand und am Schaber f¨ uhren zu den Randbedingungen f (0) = 0 , f  (0) = 1 sowie f (ϕ0 ) = 0; f  (ϕ0 ) = 0.

(13.23)

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

487

Unter diesen Randbedingungen entsteht aus (13.19) die partikul¨are L¨osung f (ϕ) =

2 ϕ sin ϕ0 sin(ϕ0 − ϕ) + 2 ϕ0 (ϕ − ϕ0 ) sin ϕ . 2 ϕ20 − 1 + cos(2ϕ0 )

(13.24)

F¨ ur ϕ0 = π/2 erh¨ alt man so die Stromfunktion Ψ =Ur

4ϕ cos ϕ − π 2 sin ϕ + 2 π ϕ sin ϕ π2 − 4

,

(13.25)

deren Stromlinienbild bereits in Abb. 13.1 dargestellt wurde. Die Schubspannung an der Wand τrϕ (0) = η2 erϕ(0) wird mit Anhang B.2 zu τrϕ (0) = η

1 ∂ur (0) 1 ∂ 2 Ψ (0) U 4π =η 2 =η 2 r ∂ϕ r ∂ϕ r π2 − 4

(13.26)

erhalten, was zeigt, daß das Integral der Schubspannung u ¨ ber r d.h. die Kraft, die n¨ otig ist, den Schaber mit der Geschwindigkeit U zu verschieben, logarithmisch unendlich wird. Dieses Ergebnis ist zwar auf den unendlich kleinen Spalt zwischen Schaber und Wand zur¨ uckzuf¨ uhren, der in Wirklichkeit nat¨ urlich endlich sein muß. Es macht aber deutlich, daß die Kraft mit kleiner werdendem Spalt erheblich ansteigt. Eng mit obiger Str¨ omung verwandt ist die Str¨omung, die entsteht, wenn die ebene Berandung einer schweren Fl¨ ussigkeit mit freier Oberfl¨ache in sich selbst mit der Geschwindigkeit U verschoben wird (Abb. 13.2). Die Berandung m¨ oge unter dem Winkel −ϕ0 geneigt sein. Dann bleibt weiterhin die allgemeine L¨ osung (13.19) f¨ ur f (ϕ) anwendbar. Die Stetigkeit des Spannungsvektors an der freien Oberfl¨ ache verlangt, daß die Schubspannung dort verschwindet, also f  (0) = 0 ist. Die freie Oberfl¨ache ist Stromlinie, daher f (0) = 0 und an der Berandung haftet die Fl¨ ussigkeit d.h. f (−ϕ0 ) = 0, f  (−ϕ0 ) = 1. Unter diesen Randbedingungen nimmt die partikul¨ are L¨ osung die Gestalt f (ϕ) =

2(ϕ0 cos ϕ0 sin ϕ − ϕ cos ϕ sin ϕ0 ) 2 ϕ0 − sin(2 ϕ0 )

(13.27)

an. F¨ ur ϕ0 = π/4 wird damit die Stromfunktion Ψ=

U r(π sin ϕ − 4ϕ cos ϕ) ; 21/2 (π − 2)

(13.28)

das zugeh¨ orige Stromlinienbild ist in Abb. 13.2 dargestellt. Als weiteres Beispiel f¨ ur die Str¨ omung bei ganzahligem Exponenten n betrachten wir den Fall n = 3, der auf die Stokessche Staupunktsstr¨omung f¨ uhrt, also

488

13 Schleichende Str¨ omungen

Abbildung 13.2. Stromlinienbild in der N¨ ahe des Schnittpunktes Wand-freie Oberfl¨ ache, ϕ0 = π/4

Ψ = A r3 f (ϕ).

(13.29)

Im Gegensatz zu den vorherigen Str¨ omungen, kann die dimensionsbehaftete Konstante hier nur mit Kenntnis der gesamten Str¨omung gefunden werden, weil die ,,treibende Kraft“ der Str¨ omung in großer Entfernung (im Unendlichen) wirkt. Eine gr¨ oßere Allgemeinheit der angestrebten L¨osung wird erreicht, wenn wir die schiefe Staupunktstr¨omung mit einschließen, bei der die Staustromlinie unter dem Winkel ϕ0 geneigt ist. Die Randbedingungen sind dann wie folgt: Haftbedingung an der Wand (x-Achse) erfordert f (0) = f (π) = f  (0) = f  (π) = 0, und an der Staustromlinie f (ϕ0 ) = 0. Die Randbedingung an der Wand ϕ = π ist offensichtlich redundant, so daß nur drei homogene Randbedingungen auftreten. Mit den bereits oben angewandten Methoden finden wir schließlich die L¨ osung f¨ ur die Stromfunktion Ψ = −A r3 sin(ϕ − ϕ0 ) sin2 ϕ/ sin ϕ0 ,

(13.30)

wobei die noch unbestimmt gebliebene dimensionslose Konstante in A absorbiert wurde. Das zugeh¨ orige Stromlinienbild ist f¨ ur positive Werte der Konstanten A und f¨ ur die Werte ϕ0 = π/2 und ϕ0 = π/4 in Abb. 13.3 und Abb. 13.4 aufgetragen. Zum Vergleich der Stokesschen Staupunktsstr¨omung mit der Staupunktsstr¨ omung bei inkompressibler Potentialstr¨ omung (Abschnitt 10.3.1) und der bekannten exakten L¨ osung der Staupunktsstr¨ omung (Abschnitt 12.1.2) f¨ uhren wir zun¨ achst mit x = r cos ϕ, y = r sin ϕ kartesische Koordinaten ein, beschr¨ anken uns dabei auf den Fall ϕ0 = π/2 und erhalten aus (13.30)

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

489

Abbildung 13.3. Stromlinienbild in der N¨ ahe des Staupunktes bei schleichender Str¨ omung, ϕ0 = π/2

Abbildung 13.4. Stromlinienbild in der N¨ ahe des Staupunktes bei schleichender Str¨ omung, ϕ0 = π/4

490

13 Schleichende Str¨ omungen

Ψ = A x y2

(13.31)

mit den kartesischen Geschwindigkeitskomponenten u=

∂Ψ ∂Ψ = 2 A x y und v = − = −A y 2 . ∂y ∂x

(13.32)

Die Stromfunktion der Potentialstr¨ omung in kartesischen Koordinaten aus (10.243) lautet Ψ = axy. Offensichtlich ist die h¨ ohere Potenz bez¨ uglich der y-Koordinate in (13.31) n¨otig, um die Haftbedingung zu erf¨ ullen. Bei bekanntem Geschwindigkeitsfeld folgt das Druckfeld aus der L¨ osung der Gleichung (13.1): ∂p ∂p = η ∆u = 0 und = η ∆v = −2ηA, ∂x ∂y

(13.33)

also p = −2η A y + pW ,

(13.34)

wobei die Integrationskonstante als der Druck an der Wand identifiziert wurde. Im Abschnitt 12.1.2 wurde darauf hingewiesen, daß die Staupunktsgrenzschicht eine exakte L¨ osung der Navier-Stokesschen-Gleichungen darstellt, was immer der Fall ist, wenn die Grenzschichtl¨ osung f¨ ur x → 0 regul¨ar bleibt. Daher m¨ ussen sich obige Ergebnisse ergeben, wenn man in der Falkner-SkanGleichung (12.56) im Fall m = 1 alle nichtlinearen Glieder vernachl¨assigt und außerdem die Komponente des Druckgradienten ∂p/∂x in (12.53) Null setzt. Der Druckgradient ist ja in der Grenzschicht durch die Außenstr¨omung vorgegeben, wo er den Tr¨ agheitskr¨ aften die Waage h¨alt. Aus (12.56) gewinnen wir dann die Gleichung f  (η) = 0,

(13.35)

¨ in der η jetzt die Ahnlichkeitsver¨ anderliche gem¨aß (12.55) ist. Die Integration von (13.35) mit den Randbedingungen (12.40) f¨ uhrt auf die Beziehung f = cη 2 = c

a 2 y , ν

(13.36)

in der c = f  (0)/2 eine dimensionslose Konstante ist, die nur aus der L¨osung der Falkner-Skan-Gleichung bekannt ist. Mit (12.54) wird die Stromfunktion dann zu ( a 2 Ψ = ca xy (13.37) ν

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

491

erhalten. Die Kombination der Konstanten in (13.37) entspricht, dimensionsanalytisch a ¨quivalent, der Konstanten A in (13.31). Die Komponente des Druckgradienten ∂p/∂y verschwindet nicht in den Navier-Stokesschen Gleichungen, kann aber mit Kenntnis der L¨ osung (12.56) im nachhinein aus der y-Komponente der N-S-Gleichungen berechnet werden. Vernachl¨assigt man hierin alle nichtlinearen Glieder, so ist wieder Gleichung (13.1) f¨ ur die Druckberechnung zust¨andig, was nat¨ urlich auf das Ergebnis (13.34) f¨ uhrt. Die dimensionsbehaftete Konstante a der lokalen Potentialstr¨omung l¨aßt sich mit Kenntnis der Potentialstr¨ omung um den K¨orper bestimmen. F¨ ur die Umstr¨ omung eines Kreizylinders z.B. ist die Geschwindigkeit am Zylinder aus (10.257) mit Γ = 0   x uϕ = −2 U∞ sin ϕ = −2U∞ sin π − (13.38) r0 wenn x die Bogenl¨ ange der Zylinderkontur ist, gemessen vom vorderen Staupunkt in die negative Umfangsrichtung. Die Geschwindigkeit −uϕ entspricht dann der Geschwindigkeit u in die positive x–Richtung in K¨orperkoordinaten: u = 2 U∞ sin

, x x = 2 U∞ + O (x/r0 )2 . r0 r0

(13.39)

F¨ ur kleine x/r0 identifiziert der Vergleich mit der x-Komponente der ebenen Staupunktsstr¨ omung (10.66) die Konstante a: a = 2 U∞ /r0

(13.40)

Der theoretische Wert der Geschwindigkeit wird allerdings nicht im Experiment erreicht. Die Str¨ omung l¨ ost bei h¨ oheren Reynoldsschen Zahlen ab und durchl¨ auft abh¨ angig von der Reynoldsschen Zahl eine Reihe verschiedener Erscheinungsformen, wie sie in Abschnitt 10.3 beschrieben wurden. Besonders die Abl¨ osung, die wesentlich f¨ ur den Formwiderstand verantwortlich ist, beeinflußt die gesamte Zylinderstr¨ omung, so daß es auch in der N¨ahe des vorderen Staupunktes zu Reynolds-Zahl abh¨ angigen Abweichungen kommt, die nach Messungen etwa 10% bei einer Reynoldsschen Zahl von etwa 20 000 betragen. Bei der Umstr¨ omung eines stromlinienf¨ormigen K¨orpers l¨aßt sich ¨ u.U. die Abl¨ osung vermeiden und eine bessere Ubereinstimmung zwischen den theoretischen Vorhersagen der Potentialtheorie und der Wirklichkeit erzielen. Wir weisen aber darauf hin, daß es auch dann zu einem, wenn auch geringen Formwiderstand kommt, der auf die Verdr¨ angungsdicke der Grenzschicht zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Die Str¨ omung ,,sieht“ ja einen um die Verdr¨angungsdicke vergr¨ oßerten K¨ orper, der Anlaß zu einer anderen Druckverteilung gibt als die, welche man potentialtheoretisch f¨ ur den tats¨achlichen K¨orper ermitteln w¨ urde. Die ge¨ anderte Druckverteilung f¨ uhrt am K¨orper zu einer anderen Kraft, die nicht mehr das D’Alembertsche Paradoxon erf¨ ullt und daher zu einem Formwiderstand. Er ist betr¨ achtlich kleiner als der Reibungswiderstand,

492

13 Schleichende Str¨ omungen

von ihm aber nur schlecht zu trennen, weil beide Widerst¨ande (in laminarer Str¨ omung) proportional Re−1/2 sind, siehe (12.47) bzw. (12.51). Wir betrachten jetzt die Str¨ omungen in der N¨ahe des Schnittpunktes zweier fester W¨ ande, also Str¨ omungen um Keile oder Str¨omungen in Ecken. Dann gilt die Haftbedingung an beiden W¨ anden und es sind vier homogene Randbedingungen zu erf¨ ullen. Dann sind i.allg. die Exponenten n in (13.16) keine ganzen Zahlen mehr. Die Bipotentialgleichung liefert mit dem Ansatz (13.16): , Ψ = A rn−4 n2 (n − 2)2 f (ϕ) + 2(n(n − 2) + 2)f  (ϕ) + f  (ϕ) . (13.41) Die allgemeine L¨ osung f¨ ur die Funktion f (ϕ) lautet f (ϕ) = B1 ei(n−2)ϕ + B2 e−i(n−2)ϕ + C3 cos nϕ + C4 sin nϕ

(13.42)

oder f (ϕ) = C1 cos(n − 2)ϕ + C2 sin(n − 2)ϕ + C3 cos nϕ + C4 sin nϕ (13.43) mit komplexen Konstanten. Unterwirft man diese Gleichung den vier homogenen Randbedingungen, so entsteht ein System von vier homogenen Gleichungen f¨ ur die unbekannten Koeffizienten Ci . Wenn die Determinante D der Koeffizientenmatrix ungleich Null ist, folgt eindeutig die triviale L¨osung Ci = 0. F¨ ur nichtriviale L¨ osungen muß die Determinante der Koeffizientenmatrix verschwinden. Wegen dieser zus¨ atzlichen Bedingung sind von den vier Gleichungen nur noch drei wirklich verschieden, so daß sich nur Verh¨altnisse der Koeffizienten bestimmen lassen. Die Gleichung D = 0 stellt eine transzendente Gleichung f¨ ur den Exponenten n dar, die mehrere L¨osungen zul¨ aßt. Aus physikalischen Gr¨ unden sind wir nur an L¨osungen interessiert, f¨ ur welche die Geschwindigkeit im Schnittpunkt verschwindet, also n > 1 bzw. (n) > 1, falls n komplex ist. Man kann erwarten, daß die L¨osung mit dem kleinsten Realteil in der Ecke dominiert. Bei ihrer Suche ist man auf iterative Nullstellenbestimmung angewiesen, etwa Newtonverfahren. Dazu muß ein m¨ oglichst genauer Startwert, gegebenfalls eine komplexe Zahl vorgegeben werden. Wenn man gleichzeitig Stromlinienbilder einer gefundenen L¨osung auftragen l¨ aßt, ist der richtige Exponent mit einigen Versuchen zu finden. Es ist lehrreich und wegen der Linearit¨ at der Bipotentialgleichung auch ohne Einschr¨ ankung der Allgemeinheit zul¨ assig, die geraden und ungeraden Anteile der L¨ osung (13.41) getrennt zu betrachten. Die allgemeine L¨osung ¨ l¨aßt sich dann durch Uberlagerung aufbauen. Der gerade Anteil der L¨osung f (ϕ) = C1 cos(n − 2)ϕ + C3 cos nϕ

(13.44)

f¨ uhrt zu einen antisymmetrischen Geschwindigkeitsfeld. Die Haftbedingung an den W¨ anden

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

ϕ = ±ϕ0 ergibt f (±ϕ0 ) = 0,

493

f  (±ϕ0 ) = 0, also

C1 cos(n − 2)ϕ0 + C3 cos nϕ0 = 0

(13.45)

C1 (n − 2) sin(n − 2)ϕ0 + C3 n sin nϕ0 = 0, wo n die Gleichung D = − (sin 2 ϕ0 + (n − 1) sin 2(n − 1)ϕ0 ) = 0

(13.46)

erf¨ ullt. Aus (13.45) folgt C3 = −C1 cos(n − 2)ϕ0 / cos nϕ0

(13.47)

und daher Ψ = Arn (cos(n − 2)ϕ − cos(n − 2)ϕ0 /(cos nϕ0 ) cos nϕ),

(13.48)

wobei die Konstante C1 in die Konstante A einbezogen wurde. Aus (13.46) ist ersichtlich, daß f¨ ur ϕ0 = π unendlich viele L¨osungen erhalten werden. Die kleinste nichttriviale L¨ osung ist n = 1, 5. Das Stromlinienbild f¨ ur diese Daten (Abb. 13.5) zeigt die Str¨omung um die Vorderkante einer unendlich d¨ unnen Platte. Sie entspricht der Stokesstr¨omung, wie sie um die Vorderkante eines unendlich d¨ unnen Profils auftr¨ate. Auf dieselbe Weise verf¨ ahrt man mit dem ungeraden Teil der allgemeinen L¨ osung (13.43). F¨ ur ϕ0 = π wird der Exponent auch hier n = 1, 5. Das Stromlinienbild zeigt die symmetrische Str¨omung in Abb. 13.6. Die Geschwindigkeit an der Stelle r = 0 ist hier, wie bei allen diesen Str¨omungen, null und die Schubspannung bleibt endlich, dies im Gegensatz zur Grenzschichtstr¨ omung an der ebenen Platte, wo die Schubspannung an der Vorderkante unendlich wird. Es handelt sich bei der Grenzschichtstr¨omung aber um eine Entwicklung f¨ ur große x (große Reynolds-Zahlen) und hier um eine Entwicklung f¨ ur kleine x (kleine Reynolds-Zahlen). Im Winkelbereich π < ϕ0 < π/2 werden Str¨omungen um Keile erhalten. Die symmetrischen Str¨ omungen sind die Keilstr¨omungen bei schleichender Str¨ omung. Sie entsprechen den Keilstr¨ omungen bei großen Reynolds-Zahlen des Abschnittes 12.1.2. Die antisymmetrischen Str¨omungen sind schleichende Umstr¨ omungen spitzer Vorderkanten. Es ist zun¨ achst u ur “spitze” Ecken ϕ0 < ≈ 73 ◦ keine ¨ berraschend, daß f¨ reelle L¨ osungen mehr existieren. Das Stromlinienbild f¨ ur diesen Grenzfall ist in Abb. 13.7 dargestellt. Neben der trivialen L¨osung n = 1 gibt es hier nur eine L¨ osung f¨ ur den Exponenten, die zu n ≈ 2.76 erhalten wird. Man kann sich die Str¨ omung in die spitzen Ecken erzeugt denken durch einen rotierenden Zylinder, der sich weit weg von dem Schnittpunkt der beiden W¨ande befindet und die Fl¨ ussigkeit in die Ecke treibt. Die Str¨omungsgeschwindigkeit wird mit Ann¨ aherung an den Schnittpunkt immer kleiner, ist aber nur ¨ an den W¨ anden null. Offensichtlich wird es mit abnehmenden Offnungswinkel schwieriger, die Fl¨ ussigkeit in die Ecke zu dr¨ ucken. Nun kann aber

494

13 Schleichende Str¨ omungen

Abbildung 13.5. Stromlinienbild um die Vorderkante einer Platte bei schleichender Str¨ omung, ϕ0 = π

Abbildung 13.6. Stromlinienbild an einer Platte bei schleichender Str¨ omung, ϕ0 = π

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

495

Abbildung 13.7. Stromlinienbild in eine spitze Ecke bei schleichender Str¨ omung, ϕ0 = 73 ◦

die Geschwindigkeit auf dem Weg zum Ursprung hin nicht einfach null werden. Dann m¨ ußten die Stromlinien in der Fl¨ ussigkeit enden, was kinematisch nicht m¨ oglich ist und was man sich einsichtig macht, wenn man jede Stromlinie als infinitesimale Stromr¨ ohre betrachtet. Der Volumenstrom durch die R¨ohren kann ja nicht einfach in der Fl¨ ussigkeit verschwinden: Stromlinien m¨ ussen an den W¨ anden bzw. an den R¨ andern des Str¨omungsgebietes enden oder in sich geschlossene Kurven bilden. Die geschlossenen Stromlinien stellen Bereiche kreisender Fl¨ ussigkeit dar, die ¨ahnlich wie ein rotierender Zylinder die darunter liegende Fl¨ ussigkeit wiederum versucht, in die Ecke zu treiben. Aus der oben erl¨ auterten Vorstellung heraus, muß dann aber wieder ein Bereich kreisender Fl¨ ussigkeit entstehen. Es bildet sich so eine unendliche Folge von Zellen kreisender Fl¨ ussigkeit, deren Drehsinn aus Gr¨ unden der Stetigkeit des Geschwindigkeitsfeldes alternieren muß. Die Zellen werden durch Nullstromlinien voneinander getrennt, die an den W¨anden enden und die Stromfunktion aufeinander folgender Zellen m¨ ussen wechselndes Vorzeichen haben. Diese Folge von alternierenden Wirbeln wurde in der Skizze Abb. 10.7 f¨ ur die Str¨ omung in einer rechtwinkeligen Ecke schon angedeutet. F¨ ur einen aus der L¨ osung von (13.46) gefundenen komplexen Exponenten n = n + i n erh¨alt man die Nullstellen der Stromfunktion auf der Symmetrielinie mit (13.48) aus der Beziehung 



Ψ = A rn +i n (a (n, ϕ0 ) + i a (n, ϕ0 )) = 0.

(13.49)

496

13 Schleichende Str¨ omungen

Die Bedeutung der komplexen Zahl a + i a folgt aus dem Vergleich von (13.48 und 13.49). Mit der Beziehung 







rn ri n = rn eln r(i n

)



= rn (cos(n ln r) + i sin(n ln r))

(13.50)

gewinnen wir aus (13.49) den Zusammenhang 

Ψ = A(a + i a )rn (cos(n ln r) + i sin(n ln r)) = 0,

(13.51)

dessen Realteil wir physikalische Bedeutung beimessen, so daß aus (13.51) die Forderung 



[Ψ ] = A rn ( a cos(n ln r) − a sin(n ln r)) = C rn cos(n ln r + δ) = 0, (13.52) entsteht, in der δ ein Phasenwinkel ist. Wenn r (in willk¨ urlichen Einheiten) von r = 1 bis r = 0 l¨ auft, ¨ andert sich das Argument des Cosinus von δ bis −∞. Der Cosinus d.h. die Stromfunktion hat also Nullstellen f¨ ur   1 n ln r + δ = − + k π; k = 0, 1, 2, . . . . (13.53) 2 Bezeichnet man mit rk den Abstand der k’ten Nullstelle vom Ursprung auf der Symmetrielinie, so entnimmt man (13.53) ln rk − ln rk+1 =

π n

(13.54)

und damit das Abstandsverh¨ altnis zweier benachbarter Nullstellen  rk = eπ/n . rk+1

(13.55)

Die Differenz rk − rk+1 kann als Maß f¨ ur die Zellengr¨oße genommen werden. Die Stromfunktion hat Extrema an den Stellen n ln r + δ = −π l ; l = 0, 1, 2, .....

(13.56)

und das Verh¨ altnis ihrer benachbarten r-Koordinaten ist rl rl+1



= eπ/n .

(13.57)

Der Betrag der Extrema der Stromfunktion kann als “St¨arke” der Str¨omung in der Zelle dienen. Das Verh¨ altnis zweier benachbarter St¨arken ist daher   n  [Ψl ]   = rl = eπ n /n .  (13.58)  [Ψl+1 ]  rn l+1

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

497

Abbildung 13.8. Stromlinienbild in einer rechtwinkeligen Ecke bei schleichender Str¨ omung

¨ Wie aus (13.46) ersichtlich, h¨ angt der Exponent n vom Offnungswinkel  arteil n ist Null f¨ ur den Grenzwinkel ϕ0 ≈ 73 ◦ . Man 2 ϕ0 ab. Der Imagin¨ kann das so interpretieren, als sei der Abstand , etwa zwischen den Null¨ durchg¨ angen, unendlich geworden. F¨ ur kleinere Offnungswinkel wird der Imagin¨ arteil gr¨ oßer und die Abst¨ ande zwischen zwei Nulldurchg¨angen sowie ¨ die Differenzen benachbarter St¨ arken werden kleiner. Wenn der Offnungswinkel so gegen null strebt, daß ein ebener Kanal entsteht (indem man einen Punkt, nicht den Schnittpunkt, an jeder Wand festh¨alt und dann mit dem ¨ Offnungswinkel gegen Null geht) , so streben die Zellgr¨oßen und die St¨arken gegen konstante Werte. Wir betrachten nun die bereits in Abb. 10.7 skizzierte Str¨omung, um Klarheit zu schaffen u oßen und Abst¨ ande zwischen den Zellen. F¨ ur ¨ ber Zellgr¨ die rechtwinklige Ecke d.h. ϕ0 = π/4 wird der Exponent der L¨osung von (13.46) zu n = 3, 7396+i 1, 1191 gefundenen. Das zugeh¨orige Stromlinienbild, schon in der Orientierung der Abb. 10.7, ist in Abb. 13.8 dargestellt. Im Bild sind zwei vollst¨ andige Zellen erkennbar und der Rand einer dritten Zelle. Das Abstandsverh¨ altnis der Nulldurchg¨ange (oder das Verh¨altnis der Abst¨ ande zwischen zwei Extrema) wird zu exp(π/n ) = 16, 56 erhalten, was man im Rahmen der Ablesegenauigkeit auch der Abb. 13.8 entnehmen kann. Die Stromlinien sind f¨ ur Werte der Stromfunktion (0, 10−10 , 10−9 , −10−6 ,

498

13 Schleichende Str¨ omungen

8 ∗ 10−6, −3.6 ∗ 10−5, 10−5 , 10−4 (in willk¨ urlichen Einheiten) gezeichnet. Das Verh¨ altnis der Str¨ omungsst¨ arken ist exp(π n /n ) ≈ 3.6 ∗ 105 , in etwa das, was man den Werten der Stromfunktion im Zentrum der Zellen entnehmen kann. Wir verzichten auf die Wiedergabe weiterer Stromlinienbilder f¨ ur kleine¨ re Offnungswinkel, die sich anhand der mitgeteilten Ergebnisse ohne weiteres finden lassen, und beschr¨ anken uns auf die Feststellung, daß die Zellenbildung offensichtlich der kinematisch vertr¨ agliche Weg der Natur ist, die Geschwindigkeit in spitzen Ecken m¨ oglichst rasch abzubauen. Wenn auch quantitative Aussagen wegen der unbekannt bleibenden Konstanten A nicht m¨oglich sind, so kann man doch f¨ ur praktische Zwecke annehmen, daß die Str¨omung in solchen Ecken im wesentlichen stagniert. 13.1.2 Das Umstr¨ omungsproblem in ebener schleichender Str¨ omung (Stokessches Paradoxon) In den Anwendungen spielen die Umstr¨ omungsprobleme eine bedeutende Rolle. Bei den ebenen Str¨ omungen sind hier Str¨ omungen um zylindrische K¨orper bei sehr kleinen Reynoldszahlen gemeint. Wir beschr¨anken uns auf die Umstr¨ omung eines Kreiszylinders, bei dem die grunds¨atzlichen Probleme der Umstr¨ omung bei schleichender Str¨ omung sichtbar werden. Zun¨achst bemerken wir, daß die Stromfunktion der Zylinderstr¨omung bei ebener Potentialstr¨ omung (10.248) zwei Anteile enth¨ alt: zum einen die Str¨omung im Unendlichen d.h. U∞ r sin ϕ und zum anderen die Dipolstr¨omung −U∞ r02 /r sin ϕ, die f¨ ur die Verdr¨ angungswirkung verantwortlich ist. Diese Anteile erwartet man auch bei der schleichenden Str¨ omung. Wir f¨ uhren dimensionslose Koordinaten mit r¯ = r/r0 ein, schreiben daher den Ansatz in gr¨oßerer Allgemeinheit Ψ = U∞ r0 f (¯ r ) sin ϕ

(13.59)

und lassen im folgenden den Querstrich u ¨ber r weg. Einsetzen in die Bipotentialgleichung liefert f¨ ur die Funktion f (r) die allgemeine L¨osung f (r) = C4 r3 + C3 r ln r + C2 r + C1

1 r

.

(13.60)

Haftbedingung an der Zylinderoberfl¨ ache verlangt (13.22) entsprechend f (1) = f  (1) = 0, und die Bedingung im Unendlichen lautet Ψ ∝ U∞ r0 sin ϕ f¨ ur r → ∞. Die letzte Bedingung kann nur erf¨ ullt werden, wenn gilt C4 = 0. Unterwirft man dann die allgemeine L¨ osung der Haftbedingung, so gewinnt man die L¨ osung in der Form:   1 11 Ψ = U∞ r0 sin ϕ C3 r ln r − r + . (13.61) 2 2r F¨ ur die Wahl der Konstanten C3 = −2 entspricht der zweite Term der Anstr¨ omung und der dritte dem Dipol, ist als also f¨ ur die Verdr¨angungswirkung

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

499

maßgebend. Den ersten Term nennt man dem angels¨achsischen Sprachgebrauch folgend “Stokeslet ”, hier speziell zweidimensionales Stokeslet. Dieser Term ist f¨ ur die Rotation des Feldes verantwortlich. Allerdings ist mit dieser Wahl der Konstanten die Bedingung im Unendlichen nicht erf¨ ullt: Die Stromfunktion divergiert dort logarithmisch. In der Tat, es ist keine Wahl der Konstanten m¨ oglich, die die Bedingung im Unendlichen erf¨ ullt: Es existiert keine L¨ osung f¨ ur die Zylinderumstr¨ omung bei schleichender Str¨omung. Diese Tatsache ist als das Stokessche Paradoxon bekannt. Die Divergenz der L¨ osung wird verursacht, weil die St¨ orung, die durch das Stokeslet verursacht wird, im Unendlichen nicht abklingt. F¨ ur die Umstr¨omung der Kugel existiert eine L¨ osung, die wir umgehend besprechen werden, und die erm¨oglicht wird, weil St¨ orungen im Dreidimensionalen schneller abklingen. 13.1.3 Schleichende Str¨ omung um eine Kugel Die Randbedingungen an der Kugel legen die Benutzung von Kugelkordinaten (Anhang B.3) in diesem Problem nahe, weil der Rand dann r = r0 Koordinatenfl¨ ache ist. Wie vorher f¨ uhren wir dimensionslose Koordinaten mit r¯ = r/r0 ein, lassen aber im weiteren Verlauf den Querstrich weg. Die Stromfunktion der Anstr¨ omung in Kugelkoordinaten entnehmen wir (10.109) und machen daher den Ansatz Ψ = U∞

r02 sin2 ϑ f (r), 2

(13.62)

der eingesetzt in (13.13) zur Gleichung r4 f  (r) − 4 r2 f  (r) + 8 r f  (r) − 8 f (r) = 0

(13.63)

f¨ ur f (r) f¨ uhrt. Die Gleichung wird durch f (r) = rm gel¨ost. Nach Ermittlung der Exponenten m gewinnt man die allgemeine L¨osung in der Form: f (r) =

C1 + C2 r + C3 r2 + C4 r4 . r

(13.64)

Die Stromfunktion der Anstr¨ omung im Unendlichen erfordert C4 = 0 und außerdem C3 = 1. Die Haftbedingung an der Kugeloberfl¨ache, d.h. f (1) = 0 und f  (1) = 0, legen die u ¨brigen Konstanten zu C1 = 1/2 und C2 = −3/2 fest. Die L¨ osung lautet daher   r2 11 3 Ψ = U∞ 0 sin2 ϑ − r + r2 . (13.65) 2 2r 2 Das Stromlinienbild der Str¨ omung ist in Abb. 13.9 dargestellt. Es mag interessant sein, dieses Stromlinienbild mit dem Stromlinienbild der Potentialstr¨ omung um eine Kugel zu vergleichen. Man kann die Stromfunktion aus der allgemeinen L¨ osung (13.64) erhalten, wenn man das Stokeslet aus der

500

13 Schleichende Str¨ omungen

Abbildung 13.9. Stromlinienbild der Kugelumstr¨ omung bei schleichender Str¨ omung

allgemeinen L¨ osung eliminiert, d.h. C2 = 0 setzt und dann die Koeffizienten der Dipolsingularit¨ at 1/r und der Anstr¨ omung r2 aus der Bedingung u ·n = 0 zu C1 = −1 und C3 = 1 ermittelt. Alternativ kann man aus dem Potential der Kugelstr¨ omung (10.149) die Geschwindigkeitskomponente ur berechnen und mit (10.105) eine Differentialgleichung f¨ ur Ψ schaffen, die zusammen mit (10.104) auf die Stromfunktion   r2 1 Ψ = U∞ 0 sin2 ϑ r2 − (13.66) 2 r f¨ uhrt, deren Stromlinienbild in Abb. 13.10 dargestellt ist. Wie schon an anderer Stelle (Abschnitt 10.3.1) bemerkt wurde, sind die Stromlinien beider Str¨ omungen symmetrisch aber im Detail doch deutlich verschieden. Aus der Aufz¨ahlung der Beispiele schleichender Str¨omungen in Abschnitt 4.1 wurde schon ersichtlich, daß dem Widerstand der Kugel in schleichender Str¨ omung eine besondere Bedeutung zukommt. (Bekanntlich ist es mit Hilfe dieser Widerstandsformel gelungen, die Elementarladung mit großer Genauigkeit zu bestimmen.) F¨ ur die Ermittlung der Kraft gehen wir vom Spannungsvektor (2.29a) aus und erhalten f¨ ur inkompressible Newtonsche Fl¨ ussigkeiten den Spannungsvektor in der Form    ∂ ui ∂ uj ti = (−pδij + 2 η eij ) nj = −p δij + η + nj . (13.67) ∂ xj ∂ xi Man kann jetzt mit Anhang B.3 die Komponenten des Deformationsgeschwindigkeitstensors und die Komponenten des Normalenvektors der Fl¨ache

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

501

Abbildung 13.10. Stromlinienbild der Kugelumstr¨ omung bei Potentialstr¨ omung

direkt einsetzen und den Spannungsvektor u ¨ ber die Kugeloberfl¨ache integrieren. Wir bevorzugen hier eine Vorgehensweise, die es gestattet, bereits bekannte Ergebnisse dieses Abschnittes zu benutzen: Man denkt sich zun¨ achst am fraglichen Oberfl¨ achenelement ein rechtwinkliges Koordinatensystem (nicht notwendigerweise ein kartesisches, aber ein rechtwinkliges, damit (13.67) anwendbar bleibt) angeheftet, dessen eine Koordinatenfl¨ache mit dem Oberfl¨ achenelement zusammen f¨ allt. Dann hat der Normalenvektor nur eine Komponente z.B. n3 = 1 und aus (∂ uj /∂ xi )nj in (13.67) wird ∂ u3 /∂ xi . Wegen der Haftbedingung ist uj an der gesamten Wand null und damit auch ¨ die Anderungen der Geschwindigkeitskomponenten bez¨ uglich x1 und x2 . Als m¨oglicher nicht verschwindender Term verbleibt daher nur ∂ u3 /∂ x3 , der aber als Folge der Kontinuit¨ atsgleichung ∂ uj /∂xj = 0 null sein muß. Wir k¨ onnen daher statt (13.67) mit (1.46) auch schreiben    ∂ ui ∂ uj ti = −p δij + η − nj = −p ni − η 2ωk εi j k nj (13.68) ∂ xj ∂ xi oder in symbolischer Schreibweise t = −p n + η 2 ω × n.

(13.69)

Wir berechnen zun¨ achst 2  ω und erhalten mit der L¨osung (13.65) aus (13.10) daf¨ ur den Ausdruck 2 ω = −

3 U∞ sin ϑ eϕ 2 r0 r2

,

(13.70)

indem r weiterhin dimensionslos ist. F¨ ur die Berechnung des Druckes steht (13.1) zur Verf¨ ugung. Wir ersetzen die rechte Seite dieser Gleichung durch

502

13 Schleichende Str¨ omungen

(4.11), was es erlaubt, (13.11) unmittelbar anzuwenden. Die Integration irgend einer der beiden Komponentengleichungen in ∇p =

3 η U∞ cos ϑ 3 η U∞ sin ϑ er + eϑ 3 r0 r 2r0 r3

(13.71)

liefert wegen p(r → ∞) = p0 das Ergebnis: p=−

3 η U∞ cos ϑ + p0 . 2 r0 r2

(13.72)

Der Spannungsvektor an der an der Kugeloberfl¨ache (n = er , r = 1) ist daher   t = η 3 U∞ cos ϑ − p0 er − η 3 U∞ sin ϑ eϕ × er . (13.73) 2 r0 2 r0 Wegen eϕ ×er ·ex = eϑ ·ex = − sin ϑ und er ·ex = cos ϑ ist die Komponente  ∞ = U∞ex des Spannungsvektors in Richtung der Anstr¨ omgeschwindigkeit U  2  2 t · ex = η 3 U∞ cos ϑ + 3 U∞ sin ϑ − p0 cos ϑ . (13.74) 2 r0 2 r0 Der viskose Anteil von (13.74) ist offensichtlich auf der Kugeloberfl¨ache konstant. Der Druck p0 macht keinen Beitrag zur Kraft auf die Kugel (wovon man sich auch durch direktes Ausrechnen u ur die Kraft ¨ berzeugen kann) und f¨ in Richtung der Anstr¨ omung entsteht der Ausdruck F = η

3 U∞ · 4 π r02 = 6 π η r0 U∞ . 2 r0

(13.75)

Aus der Ableitung ist unmittelbar einsichtig, daß die Kraft in der Poten¨ tialstr¨ omung ( ω = 0) in Ubereinstimmung mit dem D’Alembertschen Paradoxon verschwindet. Die Kraft in (13.75) erscheint proportional zur ersten Potenz der Geschwindigkeit und proportional der linearen Abmessung des K¨orpers. Diese Eigenschaft bleibt auch erhalten, wenn der K¨orper eine allgemeinere Gestalt hat. Allerdings ist die Kraft i. allg. nicht mehr in Richtung der Geschwindigkeit, und (13.75) nimmt die Form  ∞η d F = A · U

(13.76)

an, in der A ein nur von der K¨ orpergestalt abh¨angiger Tensorfaktor ist, dessen Ermittlung bei komplizierter K¨ orpergestalt wohl nur numerisch erfolgen kann. Wenn die Kugel selbst ein fl¨ ussiger K¨ orper ist, so kommen andere Randbedingungen ins Spiel. Ist η  die Viskosit¨ at der Kugeltropfenfl¨ ussigkeit, so ergibt sich

13.1 Ebene und rotationssymmetrische Str¨ omungen

F = 6 π η r0 U∞

2 η + η , 3η + η 

503

(13.77)

was hier ohne Herleitung mitgeteilt sei. F¨ ur Tropfen hoher Viskosit¨at η  η (Wassertropfen in Luft) gilt also weiterhin (13.75). Es ist erstaunlich, daß das Stromlinienbild um die Kugel symmetrisch bez¨ uglich der Ebene ϑ = π/2 ist, obwohl eine Kraft an der Kugel angreift. Aus einer Impulsbetrachtung m¨ ußte man mit einem Impulsdefizit, d. h. einem Nachlauf hinter der Kugel rechnen. Daß dies hier nicht sichtbar wird, liegt daran, daß die L¨ osung f¨ ur große r nicht g¨ ultig ist. Die Str¨omung gem¨aß (13.65) ist durch die station¨ are Diffusion des Wirbelvektors gepr¨agt, wie das ja durch (13.3) direkt zum Ausdruck kommt. Der Wirbelvektor diffundiert ungehindert in den unendlichen Raum und es ist einleuchtend, daß mit gr¨oßer werdender Entfernung von der Quelle der Rotation (der Kugel) die Konvektion an Bedeutung gewinnt und damit die Tr¨ agheitskr¨afte. Das ist der Fall, wenn das typische konvektive Glied u · ∇ ω in der Wirbeltransportgleichung (4.15) vergleichbar wird mit dem Diffusionsglied ν ∆ω . Ersteres ist von der Gr¨ oßenordnung O(U∞ ω/r) und letzteres von der Ordnung O(ν ω/r2 ). Das Verh¨ altnis also U∞ r U∞ r0 r r = = Re . (13.78) ν ν r0 r0 Die konvektiven Glieder werden demnach beliebig groß in großer Entfernung von der Kugel, gleichg¨ ultig wie klein die Reynoldszahl ist. Die L¨osung ist daher in großer Entfernung von der Kugel nicht mehr g¨ ultig, stellt aber eine N¨ aherungsl¨ osung f¨ ur kleine Reynoldszahlen in der N¨ahe der Kugel dar. Diese Situation ist uns im Zusammenhang mit der Potentialstr¨ omung vertraut: Die Potentialstr¨ omung ist eine konsistente N¨aherung f¨ ur große Reynoldszahlen, versagt aber an der Wand, wo sie durch die Grenzschichtl¨ osung erg¨ anzt werden muß. In der Tat, das Umstr¨omungsproblem bei schleichender Str¨ omung stellt ebenfalls ein singul¨ares St¨orungsproblem dar und kann mit den Methoden der singul¨ aren St¨orungsrechnung systematisch behandelt werden. Die a ußere L¨ o sung wurde aber auf heuristischem ¨ Wege von Oseen 1910 gefunden, bevor diese Methoden bekannt wurden und ist bereits eine gleichm¨ aßig g¨ ultige L¨ osung f¨ ur kleine Reynoldszahlen. In der Oseenschen N¨ aherung werden die konvektiven Glieder durch U∞ex · ∇u ersetzt, wodurch die Gleichung linear wird. Die L¨osung der resultierenden Gleichungen ist so komplex, daß wir nicht darauf eingehen, weisen aber darauf hin, daß dieser Kunstgriff auch bei der Zylinderumstr¨omung auf eine f¨ ur kleine Reynoldszahlen gleichm¨ aßig g¨ ultige L¨ osung f¨ uhrt. Im Versagen der Stokesschen L¨ osung in gr¨ oßerer Entfernung von der Kugel sehen wir auch den Grund, warum der G¨ ultigkeitsbereich dieser L¨osung auf relativ kleine Reynoldszahlen beschr¨ ankt bleibt. F¨ ur den Widerstandsbeiwert √ (3.11) erh¨ alt man mit W = F und L = r0 π den Ausdruck cw =

W ρ 2 2 2 U∞ π r0

=

24 Re

,

(13.79)

504

13 Schleichende Str¨ omungen

wobei der Konvention folgend die Reynoldszahl mit dem Durchmesser gebildet wurde. Bereits in der Skizze der Abb. 10.21 ist erkenntlich, daß die Meßwerte von der Geraden (in doppellogarithmischer Darstellung) der Gleichung (13.79) bei Re > 1 abweichen. Tats¨ achlich ist dies schon der Fall Re ≈ 0, 6.

A Einfu ¨ hrung in die kartesische Tensorrechnung

F¨ ur das Verst¨ andnis dieses Lehrbuches wird eine gewisse Kenntnis der Tensorrechnung vorausgesetzt. Wir beschr¨ anken uns dabei auf kartesische Tensoren, denn alle Gleichungen der Str¨ omungsmechanik lassen sich grunds¨atzlich in kartesischen Koordinatensystemen entwickeln. Die wichtigsten Elemente der kartesischen Tensorrechnung sind in diesem Kapitel zusammengestellt; ansonsten wird auf das weiterf¨ uhrende Schrifttum verwiesen.

A.1 Summationskonvention Beim Rechnen mit Gr¨ oßen in Indexnotation machen wir von der Einsteinschen Summationskonvention Gebrauch, welche besagt, daß u ¨ ber alle in einem Ausdruck doppelt vorkommenden Indizes automatisch zu summieren ist. Im R3 laufen die Summationsindizes dabei von 1 bis 3: P = Fi ui =

3 

Fi ui ,

i=1

ti = τji nj =

3 

τji nj ,

j=1

x = xiei =

3 

xiei .

i=1

Die doppelt auftretenden Indizes heißen stumme Indizes. Da sie nach Ausf¨ uhrung der Summation ohnehin verschwunden sind, k¨onnen sie beliebig umbenannt werden: Fi ui = Fk uk = Fj uj , xiei = xlel = xmem . Neben den stummen Indizes k¨ onnen in Gleichungen Indizes auch einzeln auftreten. Diese freien Indizes m¨ ussen in allen Ausdr¨ ucken einer Gleichung identisch sein:

506

A Einf¨ uhrung in die kartesische Tensorrechnung

ti = τji nj , ei = aij gj , aij = bik ckj + dijl nl . Ansonsten k¨ onnen sie aber beliebig benannt werden: tm = τjm nj , tk = τmk nm . Um eindeutig zu sein, verlangt die Summationskonvention, daß in einem Ausdruck ein Index nie mehr als zweimal auftritt. Unzul¨assig sind daher Ausdr¨ ucke wie ti = aij bij nj

(falsch!) ,

zul¨ assig ist dagegen der folgende ti = −p δij nj + 2η eij nj .

A.2 Kartesische Tensoren Ein Tensor besteht generell aus Tensorkomponenten und Basisvektoren. Die Anzahl der linear unabh¨ angigen Basisvektoren gibt die Dimension des Tensorraumes an. Im dreidimensionalen Raum R3 , von dem wir im weiteren immer ausgehen werden, gibt es bekanntlich drei voneinander unabh¨angige Vektoren, die (zun¨ achst ganz willk¨ urlich gew¨ ahlt) in Verbindung mit drei Linearfaktoren in der Lage sind, einen Punkt im Raum eindeutig festzulegen. Ein solcher Satz von drei Vektoren, die ein (nicht notwendigerweise rechtwinkliges) Koordinatensystem aufspannen, kann als Basisvektorsatz benutzt werden. Sind diese Basisvektoren Funktionen des Ortes, so wird das von ihnen aufgespannte Koordinatensystem als krummliniges Koordinatensystem bezeichnet. (Man denke beispielsweise an Polarkoordinaten, wo die Richtung der Basisvektoren eine Funktion des Polwinkels ist.) Wir w¨ ahlen als Basisvektoren die ortsfesten, orthogonalen und auf die L¨ ange Eins normierten Einheitsvektoren, die wir mit ei (i = 1, 2, 3) bezeichnen. Das von ihnen aufgespannte Koordinatensystem ist das kartesische Koordinatensystem mit den Koordinatenachsen xi (i = 1, 2, 3). Wir unterscheiden Tensoren verschiedener Stufen. Tensoren nullter Stufe sind Skalare. Da ein Skalar vollkommen unabh¨angig von der Wahl eines Koordinatensystems ist, sind zu seiner Beschreibung auch keine Basisvektoren notwendig. Tensoren erster Stufe sind Vektoren. Das Beispiel des Ortsvektors x =

3  i=1

xiei = xiei

(A.1)

A.2 Kartesische Tensoren

507

zeigt, daß jede Komponente eines Tensors erster Stufe in Verbindung mit einem Basisvektor auftritt. Tensoren zweiter Stufe (Dyaden) kann man sich dadurch gebildet denken, daß man zwei Vektoren a und b derart multipliziert, so daß jeder Anteil aiei des Vektors a mit jedem Anteil bj ej des Vektors b multipliziert wird: T = ab =

3 3  

ai bj eiej = ai bj eiej .

(A.2)

i=1 j=1

Dieses Produkt nennt man dyadisches Produkt, das nicht mit dem Innenprodukt a · b (dessen Ergebnis ein Skalar ist) oder dem Außenprodukt a × b (dessen Ergebnis ein Vektor ist) verwechselt werden darf. Da das dyadische Produkt nicht kommutativ ist, d¨ urfen in (A.2) die Basisvektoren eiej nicht vertauscht werden, da ai bj ej ei dem Tensor ba entspr¨ache. Bezeichnen wir in (A.2) die Komponenten des Tensors T mit tij , so erhalten wir T = tij eiej .

(A.3)

Zu jeder Komponente eines Tensors zweiter Stufe geh¨oren also zwei Basisvektoren ei und ej . Im R3 bilden demnach neun solcher Basisvektorenpaare die sogenannte Basis des Tensors. Ganz analog kann man Tensoren beliebiger Stufe konstruieren: Das dyadische Produkt eines Tensors n-ter und eines m-ter Stufe ergibt einen Tensor (m + n)-ter Stufe. Die Basis eines Tensors n-ter Stufe im R3 besteht aus 3n Produkten von jeweils n Basisvektoren. Da f¨ ur kartesische Tensoren die Basisvektoren (Einheitsvektoren ei ) konstant sind, gen¨ ugt es v¨ ollig, von einem Tensor lediglich dessen Komponenten anzugeben, wenn vorher u ¨ber die Lage des kartesischen Koordinatensystems Klarheit geschaffen wurde. F¨ ur einen Vektor x gen¨ ugt daher die Angabe der Komponenten xi

(i = 1, 2, 3) ,

und ein Tensor T wird durch seine Komponenten tij

(i, j = 1, 2, 3)

vollst¨ andig beschrieben. Wenn wir also im folgenden vom Tensor tij sprechen, so meinen wir damit stillschweigend den Tensor gem¨aß (A.3). Die Schreibweise, in der mathematische Beziehungen zwischen Tensoren allein durch die Komponenten ausgedr¨ uckt werden, ist die kartesische Indexnotation. Wegen der Voraussetzung der ortsfesten und orthonormalen ur kartesische KoordinaBasisvektoren ei ist sie in der benutzten Form nur f¨ tensysteme g¨ ultig. Eine Erweiterung auf allgemein krummlinige Koordinaten ist ohne weiteres m¨ oglich, wir verweisen dazu aber auf das weiterf¨ uhrende Schrifttum.

508

A Einf¨ uhrung in die kartesische Tensorrechnung

Die Komponenten von Tensoren bis zur zweiten Stufe lassen sich in Form von Matrizen schreiben, also beispielsweise ⎤ ⎡ t11 t12 t13 T= ˆ ⎣ t21 t22 t23 ⎦ . (A.4) t31 t32 t33 Wir vermerken aber schon an dieser Stelle, daß nicht jede Matrix ein Tensor ist! Zur Herleitung einiger Rechenregeln wollen wir (abweichend von der reinen Indexnotation) die Basisvektoren in den Rechnungen mitf¨ uhren, d. h. eine gemischte Schreibweise verwenden. Zun¨ achst behandeln wir das Innenprodukt (Skalarprodukt): a · b = (aiei ) · (bj ej ) = ai bj (ei · ej ) .

(A.5)

Wegen der Orthogonalit¨ at der Einheitsvektoren ist das Produkt ei · ej nur dann ungleich null, wenn i = j ist. Durch Ausschreiben von (A.5) kann man sich leicht davon u ugt die Summation ¨ berzeugen, daß es deshalb gen¨ a · b = ai bi = aj bj

(A.6)

uglich auszuf¨ uhren. Offenbar hat das Produkt ei · ej die Eigenschaft, bez¨ der Summation den Index an einer der beiden Vektorkomponenten auszutauschen. Wir k¨ onnen alle m¨ oglichen Produkte ei ·ej zu einem Tensor zweiter Stufe zusammenfassen:  1 f¨ ur i = j (A.7) δij = ei · ej = 0 f¨ ur i = j Dieser Tensor wird Kronecker-Delta oder wegen seiner oben angef¨ uhrten Eigenschaften auch Austauschsymbol genannt. Die Multiplikation eines Tensors mit dem Kronecker-Delta bewirkt an diesem Tensor den Austausch eines Index: aij δjk = aik ,

(A.8)

ai bj δij = ai bi = aj bj .

(A.9)

Die Anwendung des Kronecker-Deltas in (A.5) liefert dann auch die Schreibweise des Innenprodukts in kartesischer Indexnotation a · b = ai bj δij = ai bi .

(A.10)

Wir wenden uns nun dem Außenprodukt (Vektorprodukt) zweier Vektoren zu: c = a × b = (aiei ) × (bj ej ) = ai bj (ei × ej ) .

(A.11)

A.2 Kartesische Tensoren

509

Bekanntlich ist das Außenprodukt zwischen den orthogonalen Einheitsvektoren null, wenn i = j ist, also das Außenprodukt paralleler Vektoren gebildet wird. F¨ ur i = j erhalten wir aus dem Außenprodukt der beiden Einheitsvektoren den dritten Einheitsvektor, allerdings unter Umst¨anden mit negativem Vorzeichen. Wie sich leicht nachvollziehen l¨ aßt, gilt der Zusammenhang ei × ej = ijk ek , wenn man ijk als Tensor dritter Stufe wie folgt definiert: ⎧ ⎪ ⎪ ⎪+1 , wenn ijk eine gerade Permutation bilden ⎪ ⎪ ⎪ (d. h. 123, 231, 312) ⎨ ijk = −1 , wenn ijk eine ungerade Permutation bilden ⎪ ⎪ ⎪ (d. h. 321, 213, 132) ⎪ ⎪ ⎪ ⎩0 , wenn mindestens zwei Indizes gleich sind

(A.12)

(A.13)

Man nennt ijk den Epsilon-Tensor oder Permutationssymbol . Einsetzen von (A.12) in (A.11) liefert c = ai bj ijk ek .

(A.14)

Die Komponenten von c lesen wir aus dieser Gleichung zu ck = ijk ai bj

(A.15)

ab, wobei wir die Beliebigkeit der Reihenfolge der Faktoren (es handelt sich ja um Komponenten, also einfache Zahlenwerte) ausgenutzt haben. Wir untersuchen nun das Verhalten eines Tensors, wenn wir von einem kartesischen Koordinatensystem mit den Basisvektoren ei auf ein anderes mit den Basisvektoren ei  u ¨ bergehen. Das gestrichene“ Koordinatensystem ” kann dabei durch Drehung und Verschiebung aus dem ungestrichenen“ Ko” ordinatensystem hervorgehen. Handelt es sich um einen Tensor nullter Stufe, also um einen Skalar, so liegt unmittelbar auf der Hand, daß der Wert dieses Skalars (z. B. die Dichte eines Fl¨ ussigkeitsteilchens) nicht vom Koordinatensystem abh¨ angen kann. Das gleiche gilt f¨ ur Tensoren aller Stufen. Ein Tensor kann nur dann eine physikalische Bedeutung haben, wenn er unabh¨angig von der Wahl des Koordinatensystems ist. Am Beispiel des Ortsvektors eines Punktes wird dies unmittelbar deutlich. Wenn x und x den gleichen Raumpunkt im ungestrichenen“ und im gestrichenen“ Koordinatensystem ” ” beschreiben, dann gilt nat¨ urlich x = x ,

(A.16)

bzw. xiei  = xiei .

(A.17)

510

A Einf¨ uhrung in die kartesische Tensorrechnung

Abbildung A.1. Drehung des Koordinatensystems

Zur Zerlegung des Vektors x in seine Komponenten bez¨ uglich des gestrichenen Koordinatensystems multiplizieren wir skalar mit ej  und erhalten xiei  · ej  = xiei · ej  .

(A.18)

Das Skalarprodukt der Einheitsvektoren im gleichen (hier: gestrichenen) Koordinatensystem ei  · ej  ergibt nach (A.7) gerade δij . Das Skalarprodukt der Einheitsvektoren des ungestrichenen und des gestrichenen Koordinatensystems bilden die Matrix aij = ei · ej 

(A.19a)

oder auch aij = cos( xi , xj ) .

(A.19b)

Die Matrix aij nennen wir die Drehmatrix . Sie ist keiner Basis zugeordnet, folglich auch kein Tensor. Einsetzen von (A.19a) in (A.18) liefert das gesuchte Transformationsgesetz f¨ ur die Komponenten eines Vektors: xj = aij xi .

(A.20)

Durch skalare Multiplikation von (A.17) mit ej zerlegen wir den Vektor x in seine Komponenten bez¨ uglich des ungestrichenen Systems, und wir erhalten so das R¨ ucktransformationsgesetz xj = aji xi .

(A.21)

Hin- und R¨ ucktransformation sehen zwar formal gleich aus, man beachte aber, daß in (A.20) u ¨ ber den ersten, in (A.21) aber u ¨ ber den zweiten Index summiert wird! Aus der Kenntnis der Transformationsgesetze f¨ ur die Komponenten l¨aßt sich leicht das der Basisvektoren ableiten. Dazu benennen wir in (A.17) die stummen Indizes auf der rechten Seite in j um, so daß wir (A.21) einsetzen k¨onnen. Wir erhalten die Gleichung xiei  = xi ajiej ,

(A.22)

A.2 Kartesische Tensoren

511

aus der wir wegen der Beliebigkeit von xi (unabh¨angige Ver¨anderliche) direkt das gesuchte Transformationsgesetz zu ei  = ajiej ablesen. Um es mit dem der Komponenten (A.20) vergleichen zu k¨ onnen, benennen wir darin den Index i in j um (und umgekehrt), schreiben also ej  = aij ei

(A.23)

und erkennen, daß f¨ ur kartesische Koordinatensysteme die Komponenten und die Basisvektoren eines Tensors denselben Transformationsgesetzen unterliegen. Das R¨ ucktransformationsgesetz f¨ ur die Basisvektoren entnehmen wir daher direkt (A.21) zu ej = ajiei  ,

(A.24)

h¨atten es aber auch formal analog zu (A.23) durch Einsetzen von (A.20) in (A.17) erhalten. Bevor wir die Transformationsgesetze f¨ ur Tensoren h¨oherer Stufe behandeln, wollen wir noch auf eine bekannte Eigenschaft der Drehmatrix aufmerksam machen. Dazu tauschen wir im Transformationsgesetz (A.20) die Indizes ucktransformationsgesetz (A.21) aus (z. B.: xi = aki xk ), setzen es in das R¨ ein und erhalten so xj = aji aki xk .

(A.25)

Da die Vektorkomponenten unabh¨ angige Ver¨ anderliche sind, k¨onnen wir aus (A.25) die Identit¨ at aji aki = δjk

(A.26a)

ablesen, die in Matrizenschreibweise AAT = I

(A.26b)

lautet. Da AA−1 = I die Bestimmungsgleichung der Inversen von A ist, schließen wir aus (A.26b), daß die Transponierte einer Drehmatrix gleich ihrer Inversen ist (orthogonale Matrix). Das Transformationsgesetz der Komponenten eines Tensors beliebiger Stufe ergibt sich direkt aus den Transformationsbeziehungen f¨ ur die Ein¨ heitsvektoren (A.23) und (A.24). Der Ubersichtlichkeit halber beschr¨anken wir uns hier auf einen Tensor zweiter Stufe, dessen Basis wir mittels der Transformation (A.24) durch die Basis im gestrichenen Koordinatensystem ausdr¨ ucken: T = tij eiej = tij aik ajlek el  .

(A.27)

Wegen T = T = tklek el  k¨ onnen wir die Komponenten im transformierten System direkt aus (A.27) zu

512

A Einf¨ uhrung in die kartesische Tensorrechnung

tkl = aik ajl tij

(A.28)

ablesen. Ersetzt man dagegen in T die Basisvektoren mittels (A.23), so erh¨ alt man ganz analog das R¨ ucktransformationsgesetz: tkl = aki alj tij .

(A.29)

Entsprechend verf¨ ahrt man bei Tensoren ganz beliebiger Stufe. Das Transformationsverhalten von Tensorkomponenten ist charakteristisch f¨ ur sie und wird daher auch als Definition eines Tensors verwendet. Verzichtet man (wie in der rein kartesischen Indexnotation) auf das Mitf¨ uhren der Basisvektoren, so ist das Transformationsverhalten das einzige Kriterium, nach dem man entscheiden kann, ob ein vorliegender Ausdruck ein Tensor ist. Anhand eines Beispiels wird dies deutlich: Wir untersuchen, ob der Gradient einer skalaren Funktion ein Tensor erster Stufe ist. Die Gleichung u = ∇Φ lautet in Indexnotation ui =

∂Φ , ∂xi

(A.30)

bzw. im gedrehten Koordinatensystem uj =

∂Φ . ∂xj

(A.31)

Wenn u ein Tensor erster Stufe ist, muß sich (A.30) durch die Transformationsbeziehung (A.20) in (A.31) u uhren lassen: ¨berf¨ uj = aij ui = aij

∂Φ , ∂xi

(A.32)

bzw. nach Anwendung der Kettenregel: uj = aij

∂Φ ∂xk . ∂xk ∂xi

(A.33)

Wegen des Transformationsgesetzes xk = ajk xj gilt ∂xk ∂xj = ajk , ∂xi ∂xi

(A.34)

und da xj und xi f¨ ur i = j unabh¨ angige Ver¨ anderliche sind, schreiben wir ∂xj = δij , ∂xi

(A.35)

so daß wir f¨ ur (A.34) ∂xk = aik ∂xi

(A.36)

A.2 Kartesische Tensoren

513

setzen k¨ onnen. Man beachte, daß (A.35) als Ergebnis das Kronecker-Delta (also einen Tensor zweiter Stufe) hat und nicht mit (A.36) verwechselt werden darf, dessen Ergebnis die Drehmatrix (also kein Tensor) ist. Setzt man (A.36) in (A.33) ein, so erh¨ alt man uj = aij aik

∂Φ , ∂xk

(A.37)

was wegen (A.26a) identisch mit uj = δjk

∂Φ ∂Φ = ∂xk ∂xj

(A.38)

ist. Diese Ergebnis entspricht (A.31), der Gradient einer skalaren Funktion ist also ein Tensor erster Stufe. Der Gradient eines Tensors n-ter Stufe entsteht durch Bildung des dyadischen Produktes mit dem Nabla-Operator und ist demnach ein Tensor (n+1)ter Stufe. Ein in der Str¨ omungsmechanik wichtiges Beispiel hierzu ist der Geschwindigkeitsgradient:

∂ ∂uj ∇u = ei (uj ej ) = eiej . (A.39) ∂xi ∂xi Er ist ein Tensor zweiter Stufe mit den Komponenten ∇u = ˆ tij =

∂uj . ∂xi

(A.40)

Folglich ist die Koordinate, nach der differenziert wird, durch den ersten Index von tij (Zeilenindex in Matrixdarstellung) und die Komponenten von u durch den zweiten Index (Spaltenindex) festgelegt. In der Indexnotation schreibt man jedoch den Geschwindigkeitsgradienten u ¨ blicherweise ∂ui /∂xj , also in Matrizenschreibweise als die Transponierte von (A.40). Die Matrixdarstellung wird zwar in der Indexnotation grunds¨atzlich nicht ben¨otigt, ¨ bei der Ubersetzung von Matrizengleichungen in Indexnotation (oder umgekehrt) ist aber die durch (A.39) festgelegt Reihenfolge der Indizes zu beachten. Die Divergenz des Geschwindigkeitsvektors (oder eines anderen Tensors erster Stufe) lautet in Indexschreibweise ∂ui /∂xi und entspricht formal dem Skalarprodukt des Nabla-Operators mit dem Vektor u. Die Divergenz lautet in symbolischer Schreibweise deshalb ∇ · u oder auch divu. Das Ergebnis ist ein Skalar. Allgemein gilt, daß die Divergenz eines Tensors n-ter Stufe ein Tensor (n − 1)-ter Stufe ist. Die Divergenz eines Skalares ist daher nicht definiert. Eine in der Str¨ omungsmechanik wichtige Gr¨oße ist die Divergenz des Spannungstensors ∂τji /∂xj , die ein Vektor ist. Jeder Tensor zweiter Stufe kann in einen symmetrischen und einen antisymmetrischen Anteil aufgespalten werden. Aus der Identit¨at

514

A Einf¨ uhrung in die kartesische Tensorrechnung

tij =

1 1 (tij + tji ) + (tij − tji ) 2 2

(A.41)

erhalten wird den symmetrischen Tensor cij =

1 (tij + tji ) 2

(A.42)

und den antisymmetrischen Tensor bij =

1 (tij − tji ) . 2

(A.43)

Wie leicht einzusehen ist, gilt f¨ ur den symmetrischen Anteil cij = cji und f¨ ur den antisymmetrischen Anteil bij = −bji . F¨ ur den antisymmetrischen Tensor folgt daraus sofort, daß seine Diagonalelemente (f¨ ur die i = j ist) null sein m¨ ussen. W¨ ahrend ein symmetrischer Tensor sechs unabh¨angige Komponenten hat, ist ein antisymmetrischer Tensor bereits durch drei Komponenten vollst¨ andig beschrieben: ⎡ ⎤ 0 b12 b13 [bij ] = ⎣ −b12 0 b23 ⎦ . (A.44) −b13 −b23 0 In diesem Zusammenhang wollen wir auf eine wichtige Eigenschaft des Tensors hinweisen. Dazu multiplizieren wir die Zerlegung eines Tensors zweiter Stufe mit dem -Tensor: pk = ijk tij = ijk cij + ijk bij ,

(A.45)

wobei cij und bij wieder der symmetrische bzw. der antisymmetrische Anteil von tij sind. Wir formen diese Gleichung wie folgt um: pk =

1 1 (ijk cij + ijk cji ) + (ijk bij − ijk bji ) , 2 2

(A.46)

was wegen der Eigenschaften von cij und bij zul¨assig ist. Nun vertauschen wir jeweils beim zweiten Ausdruck in Klammern die stummen Indizes: pk =

1 1 (ijk cij + jik cij ) + (ijk bij − jik bij ) . 2 2

(A.47)

Aus der Definition des -Tensors (A.13) folgt ijk = −jik , so daß die erste Klammer verschwindet. Wir erhalten die Gleichung pk = ijk bij , die in Matrixform ausgeschrieben ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ b23 − b32 b23 p1 ⎣ p2 ⎦ = ⎣ b31 − b13 ⎦ = 2 ⎣ −b13 ⎦ p3 b12 − b21 b12

(A.48a)

(A.48b)

A.2 Kartesische Tensoren

515

Tabelle A.1. Bezeichnung der Rechenoperation

Symbolische Schreibweise

Kartesische Indexnotation

Skalarprodukt

c = a · b c = a · T c = a × b T = ab

c = δij ai bj = ai bi ck = δij ai tjk = ai tik ci = ijk aj bk tij = ai bj ∂a ci = ∂xi

Vektorprodukt Dyadisches Produkt Gradient eines Skalarfeldes

c = grada = ∇ a

Gradient eines Vektorfeldes

T = grada = ∇a

tij =

Divergenz eines Vektorfeldes

c = diva = ∇ · a

c=

Divergenz eines Tensorfeldes

c = divT = ∇ · T

ci =

Rotation eines Vektorfeldes

c = rota = ∇ × a

ci = ijk

Laplace-Operator an einem Skalar

c = ϕ = ∇ · ∇ϕ

c=

∂aj ∂xi

∂ai ∂xi ∂tji ∂xj ∂ak ∂xj

∂2ϕ ∂xi ∂xi

lautet. Die Anwendung des -Tensors auf einen beliebigen Tensor zweiter Stufe gem¨ aß (A.45) liefert also die drei unabh¨angigen Komponenten des antisymmetrischen Tensoranteils (vgl. (A.48b) mit (A.44)). Daraus schließen wir, daß man bei Anwendung des -Tensors auf einen symmetrischen Tensor den Nullvektor erh¨ alt: ijk cij = 0 ,

falls

cij = cji .

(A.49)

Im folgenden seien ohne Beweis vier -Tensor-Identit¨aten angef¨ uhrt: ⎡ ⎤ δij δil δin ikm jln = det ⎣ δkj δkl δkn ⎦ . (A.50) δmj δml δmn Verj¨ ungen durch Multiplikation mit δmn (Setzen von m = n) liefert   δ δ ikn jln = det ij il . (A.51) δkj δkl Nochmaliges Verj¨ ungen durch Multiplikation mit δkl ergibt ikn jkn = 2δij , und schließlich f¨ ur i = j

(A.52)

516

A Einf¨ uhrung in die kartesische Tensorrechnung

ikn ikn = 2δii = 6 .

(A.53)

Die Tabelle A.1. gibt noch einmal einen zusammenfassenden Vergleich der wichtigsten Rechenregeln in Vektor- und Indexnotation.

B Krummlinige Koordinaten

In den Anwendungen ist es oft zweckm¨ aßig, krummlinige Koordinaten zu verwenden. Zur Ableitung der Komponentengleichungen f¨ ur krummlinige Koordinatensysteme kann man vom allgemeinen Tensorkalk¨ ul ausgehen, das in beliebigen Koordinatensystemen g¨ ultig ist. Beschr¨ankt man sich jedoch auf krummlinige aber rechtwinklige Koordinaten, gelangt man relativ m¨ uhelos von den entsprechenden Gleichungen in symbolischer Schreibweise zu den gesuchten Komponentengleichungen. Da in fast allen Anwendungen nur rechtwinklige Koordinatensysteme in Frage kommen, wollen wir uns auf diese beschr¨ anken. Wir betrachten krummlinig rechtwinklige Koordinaten q1 , q2 , q3 , die sich aus kartesischen Koordinaten x1 , x2 , und x3 berechnen lassen: q1 = q1 (x1 , x2 , x3 ) , q2 = q2 (x1 , x2 , x3 ) , q3 = q3 (x1 , x2 , x3 ) oder kurz: qi = qi (xj ) .

(B.1)

Wir nehmen an, daß (B.1) eindeutig umkehrbar ist: xi = xi (qj )

(B.2a)

bzw. x = x(qj ) .

(B.2b)

Wenn q2 und q3 konstant gehalten werden, so beschreibt der Vektor x = x(q1 ) eine Kurve im Raum, die die Koordinatenkurve q1 ist. ∂x/∂q1 ist der Tangentenvektor an diese Kurve. Der entsprechende Einheitsvektor in Richtung zunehmender Werte q1 lautet: e1 =

∂x/∂q1 . |∂x/∂q1 |

Setzt man |∂x/∂q1 | = b1 , so ist

(B.3)

518

B Krummlinige Koordinaten

∂x = e1 b1 ∂q1

(B.4)

und genauso ∂x = e2 b2 , ∂q2

(B.5)

∂x = e3 b3 , ∂q3

(B.6)

mit b2 = |∂x/∂q2 | und b3 = |∂x/∂q3 | . Wegen x = x(qj ) ist dx =

∂x ∂x ∂x dq1 + dq2 + dq3 = b1 dq1 e1 + b2 dq2 e2 + b3 dq3 e3 , (B.7) ∂q1 ∂q2 ∂q3

und es gilt, da die Basisvektoren zueinander rechtwinklig sind, f¨ ur das Quadrat des Linienelementes: dx · dx = b21 dq12 + b22 dq22 + b23 dq32 .

(B.8)

F¨ ur das Volumenelement dV gilt (Abb. B.1): dV = b1 dq1 e1 · ( b2 dq2 e2 × b3 dq3 e3 ) = b1 b2 b3 dq1 dq2 dq3 .

(B.9)

Das q1 -Fl¨ achenelement des Volumenelementes dV (d. h. das Fl¨achenelement normal zur q1 -Koordinate) ist dann: dS1 = |b2 dq2 e2 × b3 dq3 e3 | = b2 b3 dq2 dq3 .

(B.10)

Auf ¨ ahnliche Weise erh¨ alt man f¨ ur die u ¨brigen Fl¨achenelemente: dS2 = b3 b1 dq3 dq1 ,

(B.11)

dS3 = b1 b2 dq1 dq2 .

(B.12)

Kontinuit¨ atsgleichung, Cauchysche Bewegungsgleichung und Entropiegleichung lauten in symbolischer Schreibweise ∂ + u · ∇ + ∇ · u = ∂t Du = Dt  ∂s T + u · ∇ s = ∂t

0, k + ∇ · T , Φ + ∇ · (λ ∇ T ) .

In der Cauchy-Gleichung schreiben wir die materielle Ableitung in der Form ¨ (1.78), wie sie f¨ ur den Ubergang zu krummlinigen Koordinaten zweckm¨aßig ist:

B Krummlinige Koordinaten

519

Abbildung B.1. Volumenelement im krummlinig-rechtwinkligen Koordinatensystem



 ∂u 2 − u × (∇ × u) + ∇ (u /2) = k + ∇ · T . ∂t

(B.13)

Um nun die Komponentenform der Gleichungen zu erhalten, m¨ ussen die Nabla-Operationen ∇, ∇· und ∇× (Gradient, Divergenz und Rotation) in krummlinigen Koordinaten angegeben werden. Die Komponenten des Vektors ∇ Φ sind: q1 : q2 : q3 :

1 b1 1 (∇ Φ)2 = b2 1 (∇ Φ)3 = b3 (∇ Φ)1 =

∂Φ , ∂q1 ∂Φ , ∂q2 ∂Φ . ∂q3

(B.14)

Wenn u1 , u2 und u3 die Komponenten des Vektors u in Richtung wachsender q1 , q2 und q3 sind, so gilt:   1 ∂ ∂ ∂ ∇ · u = (b2 b3 u1 ) + (b3 b1 u2 ) + (b1 b2 u3 ) . (B.15) b1 b2 b3 ∂q1 ∂q2 ∂q3 Da die Basisvektoren aufeinander senkrecht stehen, l¨aßt sich der LaplaceOperator Δ = ∇ · ∇ = ∇2 einfach berechnen, indem man in (B.15) die Komponenten von u mit den Komponenten von ∇ identifiziert:      1 ∂ b2 b3 ∂ ∂ b3 b1 ∂ Δ= + + b1 b2 b3 ∂q1 b1 ∂q1 ∂q2 b2 ∂q2   ∂ b1 b2 ∂ + . (B.16) ∂q3 b3 ∂q3 ∇ × u hat die Komponenten

520

B Krummlinige Koordinaten

q1 :

(∇ × u)1 =

q2 :

(∇ × u)2 =

q3 :

(∇ × u)3 =

 1 ∂ (b3 u3 ) − b2 b3 ∂q2  1 ∂ (b1 u1 ) − b3 b1 ∂q3  1 ∂ (b2 u2 ) − b1 b2 ∂q1

 ∂ (b2 u2 ) , ∂q3  ∂ (b3 u3 ) , ∂q1  ∂ (b1 u1 ) . ∂q2

(B.17)

Die Komponenten der Divergenz des Spannungstensors sind:

q1 :

q2 :

q3 :

1 (∇ · T)1 = b1 b2 b3   ∂ ∂ ∂ (b2 b3 τ11 ) + (b3 b1 τ21 ) + (b1 b2 τ31 ) + ∂q1 ∂q2 ∂q3 τ21 ∂b1 τ31 ∂b1 τ22 ∂b2 τ33 ∂b3 + + − − , b1 b2 ∂q2 b1 b3 ∂q3 b1 b2 ∂q1 b1 b3 ∂q1 1 (∇ · T)2 = b1 b2 b3   ∂ ∂ ∂ (b2 b3 τ12 ) + (b3 b1 τ22 ) + (b1 b2 τ32 ) + ∂q1 ∂q2 ∂q3 τ32 ∂b2 τ12 ∂b2 τ33 ∂b3 τ11 ∂b1 + + − − , b2 b3 ∂q3 b2 b1 ∂q1 b2 b3 ∂q2 b2 b1 ∂q2 1 (∇ · T)3 = b1 b2 b3   ∂ ∂ ∂ (b2 b3 τ13 ) + (b3 b1 τ23 ) + (b1 b2 τ33 ) + ∂q1 ∂q2 ∂q3 τ13 ∂b3 τ23 ∂b3 τ11 ∂b1 τ22 ∂b2 + + − − . b3 b1 ∂q1 b3 b2 ∂q2 b3 b1 ∂q3 b3 b2 ∂q3 (B.18)

Hierin ist beispielsweise die Spannungskomponente τ13 die Komponente in Richtung wachsendem q3 , die an der Fl¨ ache mit der Normalen in Richtung wachsendem q1 angreift. F¨ ur die Komponenten des Spannungstensors gilt das Cauchy-Poisson-Gesetz in symbolischer Form: T = (−p + λ∗ ∇ · u) I + 2 η E . Die Komponenten des Deformationsgeschwindigkeitstensors sind gegeben durch:

B Krummlinige Koordinaten

e11 = e22 = e33 = 2 e32 = 2 e13 = 2 e21 =

1 b1 1 b2 1 b3 b3 b2 b1 b3 b2 b1

∂u1 u2 ∂b1 u3 + + ∂q1 b1 b2 ∂q2 b3 b1 ∂u2 u3 ∂b2 u1 + + ∂q2 b2 b3 ∂q3 b1 b2 ∂u3 u1 ∂b3 u2 + + ∂q3 b3 b1 ∂q1 b2 b3 ∂(u3 /b3 ) b2 ∂(u2 /b2 ) + ∂q2 b3 ∂q3 ∂(u1 /b1 ) b3 ∂(u3 /b3 ) + ∂q3 b1 ∂q1 ∂(u2 /b2 ) b1 ∂(u1 /b1 ) + ∂q1 b2 ∂q2

521

∂b1 , ∂q3 ∂b2 , ∂q1 ∂b3 , ∂q2 = 2 e23 , = 2 e31 , = 2 e12 .

(B.19)

Als Anwendungsbeispiel betrachten wir Kugelkoordinaten r, ϑ, ϕ mit den Geschwindigkeitskomponenten ur , uϑ , uϕ . Der Zusammenhang zwischen kartesischen und Kugelkoordinaten ist gegeben durch die Transformation (vgl. Abb. B.4) x = r cos ϑ , y = r sin ϑ cos ϕ , z = r sin ϑ sin ϕ .

(B.20)

Die x-Achse ist die Polachse und ϑ der Polwinkel. Mit q1 = r ,

q2 = ϑ ,

q3 = ϕ

(B.21)

folgt  1/2 b1 = cos2 ϑ + sin2 ϑ (sin2 ϕ + cos2 ϕ) =1,  2 1/2 b2 = r sin2 ϑ + r2 cos2 ϑ (cos2 ϕ + sin2 ϕ) =r,  2 1/2 2 2 2 b3 = r sin ϑ (sin ϕ + cos ϕ) = r sin ϑ .

(B.22)

Das Linienelement lautet dx = dr er + r dϑ eϑ + r sin ϑ dϕ eϕ ,

(B.23)

und das Volumenelement ist dV = r2 sin ϑ dr dϑ dϕ .

(B.24)

F¨ ur die Fl¨ achenelemente erhalten wir dSr = r2 sin ϑ dϑ dϕ , dSϑ = r sin ϑ dr dϕ , dSϕ = r dr dϑ .

(B.25)

522

B Krummlinige Koordinaten

Die Komponenten von grad Φ = ∇ Φ sind r : ϑ : ϕ :

∂Φ , ∂r 1 ∂Φ (∇ Φ)ϑ = , r ∂ϑ 1 ∂Φ (∇ Φ)ϕ = . r sin ϑ ∂ϕ (∇ Φ)r =

(B.26)

F¨ ur div u = ∇ · u folgt ∇ · u = (r2 sin ϑ)−1   ∂ 2 ∂ ∂ (r sin ϑ ur ) + (r sin ϑ uϑ ) + (r uϕ ) . ∂r ∂ϑ ∂ϕ

(B.27)

Die Komponenten von rot u = ∇ × u sind   ∂ ∂ 2 −1 r : (∇ × u)r = (r sin ϑ) (r sin ϑ uϕ ) − (r uϑ ) , ∂ϑ ∂ϕ   ∂ ∂ −1 ϑ : (∇ × u)ϑ = (r sin ϑ) (ur ) − (r sin ϑ uϕ ) , ∂ϕ ∂r   ∂ ∂ ϕ : (∇ × u)ϕ = r−1 (r uϑ ) − (ur ) . (B.28) ∂r ∂ϑ Wir wollen jetzt die r-Komponente der Navier-Stokesschen Gleichungen berechnen. Hierzu ben¨ otigen wir noch die r-Komponente von u × (∇ × u) und von ∇ · T :   1 ∂ ∂ {u × (∇ × u)}r = uϑ (r uϑ ) − (ur ) − r ∂r ∂ϑ   1 ∂ ∂ − uϕ (ur ) − (r sin ϑ uϕ ) , (B.29) r sin ϑ ∂ϕ ∂r 1 (∇ · T)r = 2 r sin ϑ   ∂ 2 ∂ ∂ (r sin ϑ τrr ) + (r sin ϑ τϑr ) + (r τϕr ) − ∂r ∂ϑ ∂ϕ 1 − (τϑϑ + τϕϕ ) , r wobei f¨ ur inkompressible Str¨ omung gem¨ aß (3.1b) gilt:

(B.30)

B Krummlinige Koordinaten

523

τrr = −p + 2 η err , τϑϑ = −p + 2 η eϑϑ , τϕϕ = −p + 2 η eϕϕ , τϑr = 2 η eϑr , τϕr = 2 η eϕr , τϕϑ = 2 η eϕϑ .

(B.31)

Die Komponenten des Deformationsgeschwindigkeitstensors sind err = ∂ur /∂r , 1 eϑϑ = {∂uϑ /∂ϑ + ur } , r 1 1 eϕϕ = (∂uϕ /∂ϕ) + (ur + uϑ cot ϑ) , r sin ϑ  r   ∂ 1 1 ∂ 1 2 eϕϑ = 2 eϑϕ = sin ϑ uϕ + uϑ , ∂ϑ r sin ϑ sin ϑ ∂ϕ r   1 ∂ 1 2 erϕ = 2 eϕr = ∂ur /∂ϕ + r sin ϑ uϕ , r sin ϑ ∂r r sin ϑ   ∂ 1 1 2 eϑr = 2 erϑ = r uϑ + ∂ur /∂ϑ . ∂r r r

(B.32)

Durch Einsetzen dieser Gleichungen in die Cauchysche Gleichung erhalten wir die r-Komponente der Navier-Stokesschen Gleichungen f¨ ur inkompressible Str¨ omung      ∂ur uϑ ∂(r uϑ ) ∂ur uϕ ∂ur ∂(r sin ϑ uϕ ) − − + − + ∂t r ∂r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ ∂r  1 ∂(u2r + u2ϑ + u2ϕ ) + = 2 ∂r     1 ∂ ∂ur ∂ur  2 = kr + 2 r sin ϑ − p + η +η + r sin ϑ ∂r ∂r ∂r    ∂ ∂(uϑ /r) ∂ur ∂ η ∂ur + r2 sin ϑ η + sin ϑ η + + ∂ϑ ∂r ∂ϑ ∂ϕ sin ϑ ∂ϕ    ∂  1 p 2 η ∂uϑ 2 + r sin ϑ η uϕ ) + − 2 + ur + ∂r r sin ϑ r r ∂ϑ   p 2 η ∂uϕ 2η + − 2 − 2 ur + uϑ cot ϑ . (B.33) r r sin ϑ ∂ϕ r Alle Glieder, die p enthalten, ergeben zusammen −∂p/∂r . Der LaplaceOperator lautet in Kugelkoordinaten

524

B Krummlinige Koordinaten

    1 ∂ 1 ∂  ∂  1 ∂2 2 ∂ Δ= 2 r + 2 sin ϑ + . r ∂r ∂r r sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ sin ϑ ∂ϕ2

(B.34)

Man sieht, daß man f¨ ur die doppelt unterstrichenen Summanden unter Einbeziehung der zugeh¨ origen Faktoren und Differentialoperatoren η Δur schreiben kann. F¨ ur die einfach unterstrichenen Summanden kann man schreiben    ∂ 1 ∂ 2 ∂ ∂ η (r sin ϑ ur ) + (r sin ϑ uϑ ) + (r uϕ ) , ∂r r2 sin ϑ ∂r ∂ϑ ∂ϕ wovon man sich durch Ausdifferenzieren u ¨ berzeugt. Der Ausdruck in geschweiften Klammern ist wegen (B.27) gleich ∇ · u , dieser ist aber in inkompressibler Str¨ omung wegen D /Dt = ∂ /∂t + u · ∇ = 0 identisch null. F¨ uhrt man auf der linken Seite von (B.33) alle Differentiationen aus, so erh¨ alt man   u2ϑ + u2ϕ ∂ur ∂ur 1 ∂ur 1 ∂ur + ur + uϑ + uϕ − = ∂t ∂r r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ r   ∂p 2  ∂uϑ 1 ∂uϕ  = kr − + η Δur − 2 ur + + uϑ cot ϑ + ∂r r ∂ϑ sin ϑ ∂ϕ (B.35) als r-Komponente der Navier-Stokesschen Gleichungen. Ganz analog erh¨alt man die u ur karte¨brigen Komponenten. Im folgenden sind die Ergebnisse f¨ sische, Zylinder- und Kugelkoordinaten zusammengestellt.

B.1 Kartesische Koordinaten a) Einheitsvektoren: ex , ey , ez b) Ortsvektor x : x = x ex + y ey + z ez c) Geschwindigkeitsvektor u : u = u ex + v ey + w ez d) Linienelement: dx = dx ex + dy ey + dz ez

B.1 Kartesische Koordinaten

Abbildung B.2. Kartesische Koordinaten

e) Fl¨ achenelemente: dSx = dy dz dSy = dx dz dSz = dx dy f) Volumenelement: dV = dx dy dz g) Gradient des Skalars Φ : grad Φ = ∇Φ =

∂Φ ∂Φ ∂Φ ex + ey + ez ∂x ∂y ∂z

h) Laplace-Operator f¨ ur den Skalar Φ : ΔΦ = ∇ · ∇Φ =

∂2Φ ∂2Φ ∂2Φ + + ∂x2 ∂y 2 ∂z 2

i) Divergenz des Vektors u : div u = ∇ · u =

∂u ∂v ∂w + + ∂x ∂y ∂z

j) Rotation des Vektors u :       ∂w ∂v ∂u ∂w ∂v ∂u rot u = ∇ × u = − ex + − ey + − ez ∂y ∂z ∂z ∂x ∂x ∂y k) Laplace-Operator f¨ ur den Vektor u : Δu = ∇ · ∇ u = Δu ex + Δv ey + Δw ez l) Divergenz des Spannungstensors T :

525

526

B Krummlinige Koordinaten

div T = ∇ · T

= (∂τxx /∂x + ∂τyx /∂y + ∂τzx /∂z) ex + + (∂τxy /∂x + ∂τyy /∂y + ∂τzy /∂z) ey + + (∂τxz /∂x + ∂τyz /∂y + ∂τzz /∂z) ez

m) Deformationsgeschwindigkeitstensor E : exx = ∂u/∂x eyy = ∂v/∂y ezz = ∂w/∂z 2 exy = 2 eyx = ∂u/∂y + ∂v/∂x 2 exz = 2 ezx = ∂u/∂z + ∂w/∂x 2 eyz = 2 ezy = ∂v/∂z + ∂w/∂y n) Kontinuit¨ atsgleichung: ∂ ∂ ∂ ∂ + ( u) + ( v) + ( w) = 0 ∂t ∂x ∂y ∂z o) Navier-Stokessche Gleichungen (mit , η = const): x : (∂u/∂t + u ∂u/∂x + v ∂u/∂y + w ∂u/∂z) = kx − ∂p/∂x + η Δu y : (∂v/∂t + u ∂v/∂x + v ∂v/∂y + w ∂v/∂z) = ky − ∂p/∂y + η Δv z : (∂w/∂t + u ∂w/∂x + v ∂w/∂y + w ∂w/∂z) = kz − ∂p/∂z + η Δw

B.2 Zylinderkoordinaten a) Einheitsvektoren: er = + cos ϕ ex + sin ϕ ey eϕ = − sin ϕ ex + cos ϕ ey ez = ez b) Ortsvektor x : x = r er + z ez c) Geschwindigkeitsvektor u : u = ur er + uϕ eϕ + uz ez d) Linienelement: dx = dr er + r dϕ eϕ + dz ez e) Fl¨ achenelemente:

B.2 Zylinderkoordinaten

527

Abbildung B.3. Zylinderkoordinaten

dSr = r dϕ dz dSϕ = dr dz dSz = r dr dϕ f) Volumenelement: dV = r dr dϕ dz g) Gradient des Skalars Φ : grad Φ = ∇Φ =

∂Φ 1 ∂Φ ∂Φ er + eϕ + ez ∂r r ∂ϕ ∂z

h) Laplace-Operator f¨ ur den Skalar Φ : ΔΦ = ∇ · ∇Φ =

∂ 2 Φ 1 ∂Φ 1 ∂2Φ ∂2Φ + + 2 + 2 ∂r r ∂r r ∂ϕ2 ∂z 2

i) Divergenz des Vektors u :   1 ∂(ur r) ∂uϕ ∂(uz r) div u = ∇ · u = + + r ∂r ∂ϕ ∂z j) Rotation des Vektors u : rot u = ∇ × u =       ∂ur 1 ∂uz ∂uϕ ∂uz 1 ∂(uϕ r) ∂ur − − − er + eϕ + ez r ∂ϕ ∂z ∂z ∂r r ∂r ∂ϕ

528

B Krummlinige Koordinaten

k) Laplace-Operator f¨ ur den Vektor u :    1 ∂uϕ Δu = ∇ · ∇ u = Δur − 2 ur + 2 er r ∂ϕ    1 ∂ur + Δuϕ − 2 uϕ − 2 eϕ + Δuz ez r ∂ϕ l) Divergenz des Spannungstensors T :   1 ∂(τrr r) 1 ∂τϕr ∂τzr τϕϕ div T = ∇ · T = + + − er + r ∂r r ∂ϕ ∂z r   1 ∂(τrϕ r) 1 ∂τϕϕ ∂τzϕ τrϕ + + + + eϕ + r ∂r r ∂ϕ ∂z r   1 ∂(τrz r) 1 ∂τϕz ∂τzz + + + ez r ∂r r ∂ϕ ∂z m) Deformationsgeschwindigkeitstensor E : ∂ur ∂r 1 ∂uϕ 1 = + ur r ∂ϕ r ∂uz = ∂z ∂(r−1 uϕ ) 1 ∂ur = 2 eϕr = r + ∂r r ∂ϕ ∂ur ∂uz = 2 ezr = + ∂z ∂r 1 ∂uz ∂uϕ = 2 ezϕ = + r ∂ϕ ∂z

err = eϕϕ ezz 2 erϕ 2 erz 2 eϕz

n) Kontinuit¨ atsgleichung: ∂ 1 ∂ 1 ∂ ∂ + ( ur r) + ( uϕ ) + ( uz ) = 0 ∂t r ∂r r ∂ϕ ∂z

B.3 Kugelkoordinaten

o) Navier-Stokessche Gleichungen (mit , η = const):    ∂ur ∂ur ∂ur 1 ∂ur r : + ur + uz + uϕ − u2ϕ = ∂t ∂r ∂z r ∂ϕ    ∂p 1 ∂uϕ = kr − + η Δur − 2 ur + 2 ∂r r ∂ϕ    ∂uϕ ∂uϕ ∂uϕ 1 ∂uϕ ϕ : + ur + uz + uϕ + ur uϕ = ∂t ∂r ∂z r ∂ϕ    1 ∂p 1 ∂ur = kϕ − + η Δuϕ − 2 uϕ − 2 r ∂ϕ r ∂ϕ   ∂uz ∂uz ∂uz 1 ∂uz z : + ur + uz + uϕ = ∂t ∂r ∂z r ∂ϕ ∂p = kz − + η Δuz ∂z

B.3 Kugelkoordinaten a) Einheitsvektoren: er = cos ϑ ex + sin ϑ cos ϕ ey + sin ϑ sin ϕ ez eϑ = − sin ϑ ex + cos ϑ cos ϕ ey + cos ϑ sin ϕ ez eϕ = − sin ϕ ey + cos ϕ ez b) Ortsvektor x : x = r er c) Geschwindigkeitsvektor u : u = ur er + uϑ eϑ + uϕ eϕ d) Linienelement: dx = dr er + r dϑ eϑ + r sin ϑ dϕ eϕ e) Fl¨ achenelemente: dSr = r2 sin ϑ dϑ dϕ dSϑ = r sin ϑ dr dϕ dSϕ = r dr dϑ f) Volumenelement: dV = r2 sin ϑ dr dϑ dϕ

529

(B.36)

530

B Krummlinige Koordinaten

Abbildung B.4. Kugelkoordinaten

g) Gradient des Skalars Φ : grad Φ = ∇Φ =

∂Φ 1 ∂Φ 1 ∂Φ er + eϑ + eϕ ∂r r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ

h) Laplace-Operator f¨ ur den Skalar Φ : ΔΦ = ∇ · ∇ Φ =     1 ∂ 1 ∂ ∂Φ 1 ∂2Φ 2 ∂Φ r + sin ϑ + 2 r2 ∂r ∂r r2 sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ r2 sin ϑ ∂ϕ2 i) Divergenz des Vektors u : 1 div u = ∇ · u = 2 r sin ϑ



∂(r2 sin ϑ ur ) ∂(r sin ϑuϑ ) ∂(r uϕ ) + + ∂r ∂ϑ ∂ϕ

j) Rotation des Vektors u :   1 ∂(r sin ϑ uϕ ) ∂(r uϑ ) rot u = 2 − er + r sin ϑ ∂ϑ ∂ϕ   1 ∂ur ∂(r sin ϑ uϕ ) + − eϑ + r sin ϑ ∂ϕ ∂r   1 ∂(r uϑ ) ∂ur + − eϕ r ∂r ∂ϑ



B.3 Kugelkoordinaten

531

k) Laplace-Operator f¨ ur den Vektor u :    2 ∂uϑ 1 ∂uϕ Δu = Δur − 2 ur + + uϑ cot ϑ + er + r ∂ϑ sin ϑ ∂ϕ    2 ∂ur 1 ∂uϕ + Δuϑ + 2 − 2 u + 2 cos ϑ eϑ + ϑ r ∂ϑ ∂ϕ r sin2 ϑ    1 ∂ur ∂uϑ + Δuϕ − 2 u − 2 sin ϑ − 2 cos ϑ eϕ ϕ ∂ϕ ∂ϕ r sin2 ϑ l) Divergenz des Spannungstensors T :   1 ∂(r2 sin ϑ τrr ) ∂(r ∇·T= + r2 sin ϑ ∂r  τϑϑ + τϕϕ − er + r   1 ∂(r2 sin ϑ τrϑ ) ∂(r + + r2 sin ϑ ∂r  τrϑ − τϕϕ cot ϑ + eϑ + r   1 ∂(r2 sin ϑ τrϕ ) ∂(r + + 2 r sin ϑ ∂r  τrϕ + τϑϕ cot ϑ + eϕ r

sin ϑ τϑr ) ∂(r τϕr ) + ∂ϑ ∂ϕ



sin ϑ τϑϑ ) ∂(r τϕϑ ) + ∂ϑ ∂ϕ



sin ϑ τϑϕ ) ∂(r τϕϕ ) + ∂ϑ ∂ϕ



m) Deformationsgeschwindigkeitstensor E : ∂ur ∂r 1 ∂uϑ 1 = + ur r ∂ϑ r 1 ∂uϕ 1 = + (ur + uϑ cot ϑ) r sin ϑ ∂ϕ r     ∂ 1 1 ∂ 1 = 2 eϑϕ = sin ϑ uϕ + uϑ ∂ϑ r sin ϑ sin ϑ ∂ϕ r   1 ∂ur ∂ 1 = 2 eϕr = + r sin ϑ uϕ r sin ϑ ∂ϕ ∂r r sin ϑ   ∂ 1 1 ∂ur = 2 erϑ = r uϑ + ∂r r r ∂ϑ

err = eϑϑ eϕϕ 2 eϕϑ 2 erϕ 2 eϑr

n) Kontinuit¨ atsgleichung:   ∂ 1 ∂ 2 ∂ ∂ + 2 (r sin ϑ ur ) + (r sin ϑ uϑ ) + (r uϕ ) = 0 ∂t r sin ϑ ∂r ∂ϑ ∂ϕ

532

B Krummlinige Koordinaten

o) Navier-Stokessche Gleichungen (mit , η = const):   u2ϑ + u2ϕ ∂ur ∂ur 1 ∂ur 1 ∂ur r : + ur + uϑ + uϕ − = ∂t ∂r r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ r    ∂p 2 ∂uϑ 1 ∂uϕ = kr − + η Δur − 2 ur + + uϑ cot ϑ + ∂r r ∂ϑ sin ϑ ∂ϕ  ∂uϑ ∂uϑ 1 ∂uϑ 1 ∂uϑ ϑ : + ur + uϑ + uϕ ∂t ∂r r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ   2 ur uϑ − uϕ cot ϑ 1 ∂p 2 ∂ur + = kϑ − + η Δuϑ + 2 r r ∂ϑ r ∂ϑ   1 ∂uϕ − 2 u + 2 cos ϑ ϑ ∂ϕ r sin2 ϑ  ∂uϕ ∂uϕ 1 ∂uϕ 1 ∂uϕ ϕ : + ur + uϑ + uϕ ∂t ∂r r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ  uϕ ur + uϑ uϕ cot ϑ 1 ∂p + = kϕ − + r r sin ϑ ∂ϕ    1 ∂uϑ ∂ur + η Δuϕ − 2 u − 2 cos ϑ − 2 sin ϑ ϕ ∂ϕ ∂ϕ r sin2 ϑ

C Tabellen und Diagramme fu ¨r kompressible Str¨ omung

Tabelle C.1 Abh¨ angigkeit von Druck, Dichte, Temperatur und Fl¨achenverh¨altnis f¨ ur kalorisch ideales Gas (γ = 1, 4) von der Machzahl. Unterschall

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

0,000 0,010 0,020 0,030 0,040 0,050 0,060 0,070 0,080 0,090 0,100 0,110 0,120 0,130 0,140 0,150 0,160 0,170 0,180 0,190 0,200 0,210 0,220 0,230 0,240

1,000000 0,999930 0,999720 0,999370 0,998881 0,998252 0,997484 0,996577 0,995533 0,994351 0,993032 0,991576 0,989985 0,988259 0,986400 0,984408 0,982284 0,980030 0,977647 0,975135 0,972497 0,969733 0,966845 0,963835 0,960703

1,000000 0,999950 0,999800 0,999550 0,999200 0,998751 0,998202 0,997554 0,996807 0,995961 0,995018 0,993976 0,992836 0,991600 0,990267 0,988838 0,987314 0,985695 0,983982 0,982176 0,980277 0,978286 0,976204 0,974032 0,971771

1,000000 0,999980 0,999920 0,999820 0,999680 0,999500 0,999281 0,999021 0,998722 0,998383 0,998004 0,997586 0,997128 0,996631 0,996095 0,995520 0,994906 0,994253 0,993562 0,992832 0,992064 0,991257 0,990413 0,989531 0,988611

1,000000 0,999990 0,999960 0,999910 0,999840 0,999750 0,999640 0,999510 0,999361 0,999191 0,999002 0,998792 0,998563 0,998314 0,998046 0,997758 0,997450 0,997122 0,996776 0,996409 0,996024 0,995619 0,995195 0,994752 0,994289

0,000000 0,017279 0,034552 0,051812 0,069054 0,086271 0,103456 0,120605 0,137711 0,154767 0,171767 0,188707 0,205579 0,222378 0,239097 0,255732 0,272276 0,288725 0,305071 0,321310 0,337437 0,353445 0,369330 0,385088 0,400711

534

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

0,250 0,260 0,270 0,280 0,290 0,300 0,310 0,320 0,330 0,340 0,350 0,360 0,370 0,380 0,390 0,400 0,410 0,420 0,430 0,440 0,450 0,460 0,470 0,480 0,490 0,500 0,510 0,520 0,530 0,540 0,550 0,560 0,570 0,580 0,590 0,600 0,610 0,620 0,630 0,640 0,650 0,660 0,670

0,957453 0,954085 0,950600 0,947002 0,943291 0,939470 0,935540 0,931503 0,927362 0,923117 0,918773 0,914330 0,909790 0,905156 0,900430 0,895614 0,890711 0,885722 0,880651 0,875498 0,870267 0,864960 0,859580 0,854128 0,848607 0,843019 0,837367 0,831654 0,825881 0,820050 0,814165 0,808228 0,802241 0,796206 0,790127 0,784004 0,777841 0,771639 0,765402 0,759131 0,752829 0,746498 0,740140

0,969421 0,966984 0,964460 0,961851 0,959157 0,956380 0,953521 0,950580 0,947559 0,944460 0,941283 0,938029 0,934700 0,931297 0,927821 0,924274 0,920657 0,916971 0,913217 0,909398 0,905513 0,901566 0,897556 0,893486 0,889357 0,885170 0,880927 0,876629 0,872279 0,867876 0,863422 0,858920 0,854371 0,849775 0,845135 0,840452 0,835728 0,830963 0,826160 0,821320 0,816443 0,811533 0,806590

0,987654 0,986660 0,985629 0,984562 0,983458 0,982318 0,981142 0,979931 0,978684 0,977402 0,976086 0,974735 0,973350 0,971931 0,970478 0,968992 0,967474 0,965922 0,964339 0,962723 0,961076 0,959398 0,957689 0,955950 0,954180 0,952381 0,950552 0,948695 0,946808 0,944894 0,942951 0,940982 0,938985 0,936961 0,934911 0,932836 0,930735 0,928609 0,926458 0,924283 0,922084 0,919862 0,917616

0,993808 0,993308 0,992789 0,992251 0,991695 0,991120 0,990526 0,989915 0,989285 0,988637 0,987971 0,987287 0,986585 0,985865 0,985128 0,984374 0,983602 0,982813 0,982008 0,981185 0,980345 0,979489 0,978616 0,977727 0,976821 0,975900 0,974963 0,974010 0,973041 0,972056 0,971057 0,970042 0,969012 0,967968 0,966908 0,965834 0,964746 0,963643 0,962527 0,961396 0,960252 0,959094 0,957923

0,416197 0,431539 0,446734 0,461776 0,476661 0,491385 0,505943 0,520332 0,534546 0,548584 0,562440 0,576110 0,589593 0,602883 0,615979 0,628876 0,641571 0,654063 0,666348 0,678424 0,690287 0,701937 0,713371 0,724587 0,735582 0,746356 0,756906 0,767231 0,777331 0,787202 0,796846 0,806260 0,815444 0,824398 0,833119 0,841609 0,849868 0,857894 0,865688 0,873249 0,880579 0,887678 0,894545

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

535

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

0,680 0,690 0,700 0,710 0,720 0,730 0,740 0,750 0,760 0,770 0,780 0,790 0,800 0,810 0,820 0,830 0,840 0,850 0,860 0,870 0,880 0,890 0,900 0,910 0,920 0,930 0,940 0,950 0,960 0,970 0,980 0,990 1,000

0,733758 0,727353 0,720928 0,714485 0,708026 0,701552 0,695068 0,688573 0,682071 0,675562 0,669050 0,662536 0,656022 0,649509 0,643000 0,636496 0,630000 0,623512 0,617034 0,610569 0,604117 0,597680 0,591260 0,584858 0,578476 0,572114 0,565775 0,559460 0,553169 0,546905 0,540668 0,534460 0,528282

0,801616 0,796612 0,791579 0,786519 0,781434 0,776324 0,771191 0,766037 0,760863 0,755670 0,750460 0,745234 0,739992 0,734738 0,729471 0,724193 0,718905 0,713609 0,708306 0,702997 0,697683 0,692365 0,687044 0,681722 0,676400 0,671079 0,665759 0,660443 0,655130 0,649822 0,644520 0,639225 0,633938

0,915349 0,913059 0,910747 0,908414 0,906060 0,903685 0,901291 0,898876 0,896443 0,893991 0,891520 0,889031 0,886525 0,884001 0,881461 0,878905 0,876332 0,873744 0,871141 0,868523 0,865891 0,863245 0,860585 0,857913 0,855227 0,852529 0,849820 0,847099 0,844366 0,841623 0,838870 0,836106 0,833333

0,956739 0,955541 0,954331 0,953107 0,951872 0,950624 0,949363 0,948091 0,946807 0,945511 0,944203 0,942885 0,941554 0,940214 0,938862 0,937499 0,936126 0,934743 0,933349 0,931946 0,930533 0,929110 0,927677 0,926236 0,924785 0,923325 0,921857 0,920380 0,918894 0,917400 0,915898 0,914389 0,912871

0,901182 0,907588 0,913765 0,919715 0,925437 0,930932 0,936203 0,941250 0,946074 0,950678 0,955062 0,959228 0,963178 0,966913 0,970436 0,973749 0,976853 0,979750 0,982443 0,984934 0,987225 0,989317 0,991215 0,992920 0,994434 0,995761 0,996901 0,997859 0,998637 0,999238 0,999663 0,999916 1,000000

¨ Uberschall

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

1,000 1,010 1,020 1,030

0,528282 0,522134 0,516018 0,509935

0,633938 0,628660 0,623391 0,618133

0,833333 0,830551 0,827760 0,824960

0,912871 0,911346 0,909813 0,908273

1,000000 0,999917 0,999671 0,999263

536

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

1,040 1,050 1,060 1,070 1,080 1,090 1,100 1,110 1,120 1,130 1,140 1,150 1,160 1,170 1,180 1,190 1,200 1,210 1,220 1,230 1,240 1,250 1,260 1,270 1,280 1,290 1,300 1,310 1,320 1,330 1,340 1,350 1,360 1,370 1,380 1,390 1,400 1,410 1,420 1,430 1,440 1,450 1,460

0,503886 0,497872 0,491894 0,485952 0,480047 0,474181 0,468354 0,462567 0,456820 0,451114 0,445451 0,439829 0,434251 0,428716 0,423225 0,417778 0,412377 0,407021 0,401711 0,396446 0,391229 0,386058 0,380934 0,375858 0,370828 0,365847 0,360914 0,356029 0,351192 0,346403 0,341663 0,336971 0,332328 0,327733 0,323187 0,318690 0,314241 0,309840 0,305489 0,301185 0,296929 0,292722 0,288563

0,612887 0,607653 0,602432 0,597225 0,592033 0,586856 0,581696 0,576553 0,571427 0,566320 0,561232 0,556164 0,551116 0,546090 0,541085 0,536102 0,531142 0,526205 0,521292 0,516403 0,511539 0,506701 0,501888 0,497102 0,492342 0,487609 0,482903 0,478225 0,473575 0,468954 0,464361 0,459797 0,455263 0,450758 0,446283 0,441838 0,437423 0,433039 0,428686 0,424363 0,420072 0,415812 0,411583

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C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

537

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

1,470 1,480 1,490 1,500 1,510 1,520 1,530 1,540 1,550 1,560 1,570 1,580 1,590 1,600 1,610 1,620 1,630 1,640 1,650 1,660 1,670 1,680 1,690 1,700 1,710 1,720 1,730 1,740 1,750 1,760 1,770 1,780 1,790 1,800 1,810 1,820 1,830 1,840 1,850 1,860 1,870 1,880 1,890

0,284452 0,280388 0,276372 0,272403 0,268481 0,264607 0,260779 0,256997 0,253262 0,249573 0,245930 0,242332 0,238779 0,235271 0,231808 0,228389 0,225014 0,221683 0,218395 0,215150 0,211948 0,208788 0,205670 0,202594 0,199558 0,196564 0,193611 0,190698 0,187824 0,184990 0,182195 0,179438 0,176720 0,174040 0,171398 0,168792 0,166224 0,163691 0,161195 0,158734 0,156309 0,153918 0,151562

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538

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

1,900 1,910 1,920 1,930 1,940 1,950 1,960 1,970 1,980 1,990 2,000 2,010 2,020 2,030 2,040 2,050 2,060 2,070 2,080 2,090 2,100 2,110 2,120 2,130 2,140 2,150 2,160 2,170 2,180 2,190 2,200 2,210 2,220 2,230 2,240 2,250 2,260 2,270 2,280 2,290 2,300 2,310 2,320

0,149240 0,146951 0,144696 0,142473 0,140283 0,138126 0,135999 0,133905 0,131841 0,129808 0,127805 0,125831 0,123888 0,121973 0,120087 0,118229 0,116399 0,114597 0,112823 0,111075 0,109353 0,107658 0,105988 0,104345 0,102726 0,101132 0,099562 0,098017 0,096495 0,094997 0,093522 0,092069 0,090640 0,089232 0,087846 0,086482 0,085139 0,083817 0,082515 0,081234 0,079973 0,078731 0,077509

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C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

539

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

2,330 2,340 2,350 2,360 2,370 2,380 2,390 2,400 2,410 2,420 2,430 2,440 2,450 2,460 2,470 2,480 2,490 2,500 2,510 2,520 2,530 2,540 2,550 2,560 2,570 2,580 2,590 2,600 2,610 2,620 2,630 2,640 2,650 2,660 2,670 2,680 2,690 2,700 2,710 2,720 2,730 2,740 2,750

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0,159158 0,157390 0,155642 0,153914 0,152206 0,150516 0,148846 0,147195 0,145563 0,143950 0,142354 0,140777 0,139218 0,137677 0,136154 0,134648 0,133159 0,131687 0,130232 0,128794 0,127373 0,125968 0,124579 0,123206 0,121849 0,120507 0,119182 0,117871 0,116575 0,115295 0,114029 0,112778 0,111542 0,110320 0,109112 0,107918 0,106738 0,105571 0,104418 0,103279 0,102152 0,101039 0,099939

0,479437 0,477300 0,475172 0,473055 0,470947 0,468850 0,466762 0,464684 0,462616 0,460558 0,458510 0,456471 0,454442 0,452423 0,450414 0,448414 0,446425 0,444444 0,442474 0,440513 0,438562 0,436620 0,434688 0,432766 0,430853 0,428949 0,427055 0,425170 0,423295 0,421429 0,419572 0,417725 0,415887 0,414058 0,412239 0,410428 0,408627 0,406835 0,405052 0,403278 0,401513 0,399757 0,398010

0,692414 0,690869 0,689327 0,687790 0,686256 0,684726 0,683200 0,681677 0,680159 0,678644 0,677133 0,675626 0,674123 0,672624 0,671129 0,669638 0,668150 0,666667 0,665187 0,663712 0,662240 0,660772 0,659309 0,657849 0,656394 0,654942 0,653494 0,652051 0,650611 0,649176 0,647744 0,646316 0,644893 0,643474 0,642058 0,640647 0,639239 0,637836 0,636437 0,635042 0,633650 0,632263 0,630880

0,443705 0,439676 0,435677 0,431708 0,427769 0,423859 0,419979 0,416129 0,412309 0,408518 0,404758 0,401026 0,397325 0,393653 0,390010 0,386397 0,382814 0,379259 0,375734 0,372238 0,368771 0,365333 0,361924 0,358543 0,355192 0,351868 0,348573 0,345307 0,342068 0,338858 0,335675 0,332521 0,329394 0,326294 0,323222 0,320177 0,317159 0,314168 0,311204 0,308266 0,305355 0,302470 0,299611

540

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M

p/pt

/ t

T /Tt

a/at

A∗ /A

2,760 2,770 2,780 2,790 2,800 2,810 2,820 2,830 2,840 2,850 2,860 2,870 2,880 2,890 2,900 2,910 2,920 2,930 2,940 2,950 2,960 2,970 2,980 2,990 3,000

0,039172 0,038577 0,037992 0,037415 0,036848 0,036290 0,035741 0,035201 0,034669 0,034146 0,033631 0,033124 0,032625 0,032134 0,031652 0,031176 0,030708 0,030248 0,029795 0,029349 0,028910 0,028479 0,028054 0,027635 0,027224

0,098851 0,097777 0,096714 0,095664 0,094626 0,093601 0,092587 0,091585 0,090594 0,089616 0,088648 0,087692 0,086747 0,085813 0,084889 0,083977 0,083075 0,082183 0,081302 0,080431 0,079571 0,078720 0,077879 0,077048 0,076226

0,396272 0,394543 0,392822 0,391111 0,389408 0,387714 0,386029 0,384352 0,382684 0,381025 0,379374 0,377732 0,376098 0,374473 0,372856 0,371248 0,369648 0,368056 0,366472 0,364897 0,363330 0,361771 0,360220 0,358678 0,357143

0,629501 0,628126 0,626755 0,625389 0,624026 0,622667 0,621312 0,619962 0,618615 0,617272 0,615934 0,614599 0,613268 0,611942 0,610619 0,609301 0,607986 0,606676 0,605370 0,604067 0,602768 0,601474 0,600183 0,598897 0,597614

0,296779 0,293972 0,291190 0,288435 0,285704 0,282999 0,280319 0,277663 0,275033 0,272426 0,269844 0,267286 0,264753 0,262242 0,259756 0,257293 0,254853 0,252436 0,250043 0,247672 0,245323 0,242997 0,240693 0,238412 0,236152

Tabelle C.2 Druck, Dichte, Temperatur, Ruhedruck und Machzahl M2 hinter einem senkrechten Verdichtungsstoß in Abh¨ angigkeit von der Machzahl M1 vor dem Stoß f¨ ur kalorisch ideales Gas (γ = 1, 4). M1

p2 /p1

2 / 1

T2 /T1

pt2 /pt1

M2

1,000 1,010 1,020 1,030 1,040 1,050 1,060 1,070

1,000000 1,023450 1,047133 1,071050 1,095200 1,119583 1,144200 1,169050

1,000000 1,016694 1,033442 1,050240 1,067088 1,083982 1,100921 1,117903

1,000000 1,006645 1,013249 1,019814 1,026345 1,032843 1,039312 1,045753

1,000000 0,999999 0,999990 0,999967 0,999923 0,999853 0,999751 0,999611

1,000000 0,990132 0,980520 0,971154 0,962026 0,953125 0,944445 0,935977

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M1

p2 /p1

2 / 1

T2 /T1

pt2 /pt1

M2

1,080 1,090 1,100 1,110 1,120 1,130 1,140 1,150 1,160 1,170 1,180 1,190 1,200 1,210 1,220 1,230 1,240 1,250 1,260 1,270 1,280 1,290 1,300 1,310 1,320 1,330 1,340 1,350 1,360 1,370 1,380 1,390 1,400 1,410 1,420 1,430 1,440 1,450 1,460 1,470 1,480 1,490 1,500

1,194133 1,219450 1,245000 1,270783 1,296800 1,323050 1,349533 1,376250 1,403200 1,430383 1,457800 1,485450 1,513333 1,541450 1,569800 1,598383 1,627200 1,656250 1,685533 1,715050 1,744800 1,774783 1,805000 1,835450 1,866133 1,897050 1,928200 1,959583 1,991200 2,023050 2,055133 2,087450 2,120000 2,152783 2,185800 2,219050 2,252533 2,286250 2,320200 2,354383 2,388800 2,423450 2,458333

1,134925 1,151985 1,169082 1,186213 1,203377 1,220571 1,237793 1,255042 1,272315 1,289610 1,306927 1,324262 1,341615 1,358983 1,376364 1,393757 1,411160 1,428571 1,445989 1,463413 1,480839 1,498267 1,515695 1,533122 1,550546 1,567965 1,585379 1,602785 1,620182 1,637569 1,654945 1,672307 1,689655 1,706988 1,724303 1,741600 1,758878 1,776135 1,793370 1,810583 1,827770 1,844933 1,862069

1,052169 1,058564 1,064938 1,071294 1,077634 1,083960 1,090274 1,096577 1,102872 1,109159 1,115441 1,121719 1,127994 1,134267 1,140541 1,146816 1,153094 1,159375 1,165661 1,171952 1,178251 1,184557 1,190873 1,197198 1,203533 1,209880 1,216239 1,222611 1,228997 1,235398 1,241814 1,248245 1,254694 1,261159 1,267642 1,274144 1,280665 1,287205 1,293765 1,300346 1,306947 1,313571 1,320216

0,999431 0,999204 0,998928 0,998599 0,998213 0,997768 0,997261 0,996690 0,996052 0,995345 0,994569 0,993720 0,992798 0,991802 0,990731 0,989583 0,988359 0,987057 0,985677 0,984219 0,982682 0,981067 0,979374 0,977602 0,975752 0,973824 0,971819 0,969737 0,967579 0,965344 0,963035 0,960652 0,958194 0,955665 0,953063 0,950390 0,947648 0,944837 0,941958 0,939012 0,936001 0,932925 0,929786

0,927713 0,919647 0,911770 0,904078 0,896563 0,889219 0,882042 0,875024 0,868162 0,861451 0,854884 0,848459 0,842170 0,836014 0,829987 0,824083 0,818301 0,812636 0,807085 0,801645 0,796312 0,791084 0,785957 0,780929 0,775997 0,771159 0,766412 0,761753 0,757181 0,752692 0,748286 0,743959 0,739709 0,735536 0,731436 0,727408 0,723451 0,719562 0,715740 0,711983 0,708290 0,704659 0,701089

541

542

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M1

p2 /p1

2 / 1

T2 /T1

pt2 /pt1

M2

1,510 1,520 1,530 1,540 1,550 1,560 1,570 1,580 1,590 1,600 1,610 1,620 1,630 1,640 1,650 1,660 1,670 1,680 1,690 1,700 1,710 1,720 1,730 1,740 1,750 1,760 1,770 1,780 1,790 1,800 1,810 1,820 1,830 1,840 1,850 1,860 1,870 1,880 1,890 1,900 1,910 1,920 1,930

2,493450 2,528800 2,564383 2,600200 2,636250 2,672533 2,709050 2,745800 2,782783 2,820000 2,857450 2,895133 2,933050 2,971200 3,009583 3,048200 3,087050 3,126133 3,165450 3,205000 3,244783 3,284800 3,325050 3,365533 3,406250 3,447200 3,488383 3,529800 3,571450 3,613333 3,655450 3,697800 3,740383 3,783200 3,826250 3,869533 3,913050 3,956800 4,000783 4,045000 4,089450 4,134133 4,179049

1,879178 1,896258 1,913308 1,930327 1,947315 1,964270 1,981192 1,998079 2,014931 2,031746 2,048524 2,065264 2,081965 2,098627 2,115248 2,131827 2,148365 2,164860 2,181311 2,197719 2,214081 2,230398 2,246669 2,262893 2,279070 2,295199 2,311279 2,327310 2,343292 2,359223 2,375104 2,390934 2,406712 2,422439 2,438112 2,453733 2,469301 2,484815 2,500274 2,515680 2,531030 2,546325 2,561565

1,326884 1,333574 1,340288 1,347025 1,353787 1,360573 1,367384 1,374220 1,381081 1,387969 1,394882 1,401822 1,408789 1,415783 1,422804 1,429853 1,436930 1,444035 1,451168 1,458330 1,465521 1,472741 1,479991 1,487270 1,494579 1,501918 1,509287 1,516686 1,524117 1,531577 1,539069 1,546592 1,554146 1,561732 1,569349 1,576998 1,584679 1,592392 1,600138 1,607915 1,615725 1,623568 1,631444

0,926586 0,923324 0,920003 0,916624 0,913188 0,909697 0,906151 0,902552 0,898901 0,895200 0,891450 0,887653 0,883809 0,879920 0,875988 0,872014 0,867999 0,863944 0,859851 0,855721 0,851556 0,847356 0,843124 0,838860 0,834565 0,830242 0,825891 0,821513 0,817111 0,812684 0,808234 0,803763 0,799271 0,794761 0,790232 0,785686 0,781125 0,776548 0,771959 0,767357 0,762743 0,758119 0,753486

0,697578 0,694125 0,690729 0,687388 0,684101 0,680867 0,677685 0,674553 0,671471 0,668437 0,665451 0,662511 0,659616 0,656765 0,653958 0,651194 0,648471 0,645789 0,643147 0,640544 0,637979 0,635452 0,632962 0,630508 0,628089 0,625705 0,623354 0,621037 0,618753 0,616501 0,614281 0,612091 0,609931 0,607802 0,605701 0,603629 0,601585 0,599568 0,597579 0,595616 0,593680 0,591769 0,589883

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M1

p2 /p1

2 / 1

T2 /T1

pt2 /pt1

M2

1,940 1,950 1,960 1,970 1,980 1,990 2,000 2,010 2,020 2,030 2,040 2,050 2,060 2,070 2,080 2,090 2,100 2,110 2,120 2,130 2,140 2,150 2,160 2,170 2,180 2,190 2,200 2,210 2,220 2,230 2,240 2,250 2,260 2,270 2,280 2,290 2,300 2,310 2,320 2,330 2,340 2,350 2,360

4,224200 4,269583 4,315200 4,361050 4,407133 4,453450 4,500000 4,546783 4,593800 4,641049 4,688533 4,736249 4,784200 4,832383 4,880799 4,929450 4,978333 5,027450 5,076799 5,126383 5,176199 5,226249 5,276533 5,327050 5,377800 5,428783 5,480000 5,531450 5,583133 5,635050 5,687200 5,739583 5,792200 5,845049 5,898133 5,951449 6,005000 6,058783 6,112799 6,167049 6,221533 6,276249 6,331199

2,576749 2,591877 2,606949 2,621964 2,636922 2,651823 2,666667 2,681453 2,696181 2,710851 2,725463 2,740016 2,754511 2,768948 2,783325 2,797643 2,811902 2,826102 2,840243 2,854324 2,868345 2,882307 2,896209 2,910052 2,923834 2,937557 2,951220 2,964823 2,978365 2,991848 3,005271 3,018634 3,031937 3,045179 3,058362 3,071485 3,084548 3,097551 3,110495 3,123379 3,136202 3,148967 3,161671

1,639352 1,647294 1,655268 1,663276 1,671317 1,679392 1,687500 1,695642 1,703817 1,712027 1,720270 1,728548 1,736860 1,745206 1,753586 1,762001 1,770450 1,778934 1,787453 1,796006 1,804594 1,813217 1,821875 1,830569 1,839297 1,848060 1,856859 1,865693 1,874563 1,883468 1,892408 1,901384 1,910396 1,919443 1,928527 1,937645 1,946800 1,955991 1,965218 1,974480 1,983779 1,993114 2,002485

0,748844 0,744195 0,739540 0,734879 0,730214 0,725545 0,720874 0,716201 0,711527 0,706853 0,702180 0,697508 0,692839 0,688174 0,683512 0,678855 0,674203 0,669558 0,664919 0,660288 0,655666 0,651052 0,646447 0,641853 0,637269 0,632697 0,628136 0,623588 0,619053 0,614531 0,610023 0,605530 0,601051 0,596588 0,592140 0,587709 0,583294 0,578897 0,574517 0,570154 0,565810 0,561484 0,557177

0,588022 0,586185 0,584372 0,582582 0,580816 0,579072 0,577350 0,575650 0,573972 0,572315 0,570679 0,569063 0,567467 0,565890 0,564334 0,562796 0,561277 0,559776 0,558294 0,556830 0,555383 0,553953 0,552541 0,551145 0,549766 0,548403 0,547056 0,545725 0,544409 0,543108 0,541822 0,540552 0,539295 0,538053 0,536825 0,535612 0,534411 0,533224 0,532051 0,530890 0,529743 0,528608 0,527486

543

544

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M1

p2 /p1

2 / 1

T2 /T1

pt2 /pt1

M2

2,370 2,380 2,390 2,400 2,410 2,420 2,430 2,440 2,450 2,460 2,470 2,480 2,490 2,500 2,510 2,520 2,530 2,540 2,550 2,560 2,570 2,580 2,590 2,600 2,610 2,620 2,630 2,640 2,650 2,660 2,670 2,680 2,690 2,700 2,710 2,720 2,730 2,740 2,750 2,760 2,770 2,780 2,790

6,386383 6,441799 6,497449 6,553332 6,609450 6,665800 6,722383 6,779200 6,836250 6,893533 6,951050 7,008800 7,066783 7,125000 7,183449 7,242133 7,301049 7,360199 7,419583 7,479199 7,539049 7,599133 7,659449 7,719999 7,780783 7,841799 7,903049 7,964532 8,026249 8,088199 8,150383 8,212800 8,275450 8,338333 8,401449 8,464800 8,528383 8,592199 8,656249 8,720532 8,785049 8,849799 8,914783

3,174316 3,186902 3,199429 3,211896 3,224304 3,236653 3,248944 3,261175 3,273347 3,285461 3,297517 3,309514 3,321453 3,333333 3,345156 3,356922 3,368629 3,380279 3,391871 3,403407 3,414885 3,426307 3,437671 3,448980 3,460232 3,471427 3,482567 3,493651 3,504679 3,515651 3,526569 3,537431 3,548239 3,558991 3,569690 3,580333 3,590923 3,601459 3,611941 3,622369 3,632744 3,643066 3,653335

2,011892 2,021336 2,030815 2,040332 2,049884 2,059473 2,069098 2,078760 2,088459 2,098193 2,107965 2,117773 2,127618 2,137500 2,147418 2,157373 2,167365 2,177394 2,187460 2,197562 2,207702 2,217879 2,228092 2,238343 2,248631 2,258955 2,269317 2,279716 2,290153 2,300626 2,311137 2,321685 2,332270 2,342892 2,353552 2,364249 2,374984 2,385756 2,396565 2,407412 2,418296 2,429217 2,440176

0,552889 0,548621 0,544372 0,540144 0,535936 0,531748 0,527581 0,523435 0,519311 0,515208 0,511126 0,507067 0,503030 0,499015 0,495022 0,491052 0,487105 0,483181 0,479280 0,475402 0,471547 0,467715 0,463907 0,460123 0,456362 0,452625 0,448912 0,445223 0,441557 0,437916 0,434298 0,430705 0,427135 0,423590 0,420069 0,416572 0,413099 0,409650 0,406226 0,402825 0,399449 0,396096 0,392768

0,526376 0,525278 0,524192 0,523118 0,522055 0,521004 0,519964 0,518936 0,517918 0,516911 0,515915 0,514929 0,513954 0,512989 0,512034 0,511089 0,510154 0,509228 0,508312 0,507406 0,506509 0,505620 0,504741 0,503871 0,503010 0,502157 0,501313 0,500477 0,499649 0,498830 0,498019 0,497216 0,496421 0,495634 0,494854 0,494082 0,493317 0,492560 0,491810 0,491068 0,490332 0,489604 0,488882

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M1

p2 /p1

2 / 1

T2 /T1

pt2 /pt1

M2

2,800 2,810 2,820 2,830 2,840 2,850 2,860 2,870 2,880 2,890 2,900 2,910 2,920 2,930 2,940 2,950 2,960 2,970 2,980 2,990 3,000

8,980000 9,045449 9,111133 9,177049 9,243199 9,309583 9,376199 9,443048 9,510132 9,577449 9,644999 9,712782 9,780800 9,849050 9,917533 9,986250 10,055200 10,124383 10,193799 10,263450 10,333333

3,663552 3,673716 3,683827 3,693887 3,703894 3,713850 3,723755 3,733608 3,743411 3,753163 3,762864 3,772514 3,782115 3,791666 3,801167 3,810619 3,820021 3,829375 3,838679 3,847935 3,857143

2,451173 2,462207 2,473279 2,484388 2,495535 2,506720 2,517942 2,529202 2,540499 2,551834 2,563207 2,574618 2,586066 2,597552 2,609076 2,620637 2,632236 2,643874 2,655549 2,667261 2,679012

0,389464 0,386184 0,382927 0,379695 0,376486 0,373302 0,370140 0,367003 0,363890 0,360800 0,357733 0,354690 0,351670 0,348674 0,345701 0,342750 0,339823 0,336919 0,334038 0,331180 0,328344

0,488167 0,487459 0,486758 0,486064 0,485375 0,484694 0,484019 0,483350 0,482687 0,482030 0,481380 0,480735 0,480096 0,479463 0,478836 0,478215 0,477599 0,476989 0,476384 0,475785 0,475191

545

Tabelle C.3 Prandtl-Meyer-Funktion und Machscher Winkel in Abh¨angigkeit von der Machzahl f¨ ur kalorisch ideales Gas (Angaben f¨ ur ν und μ in Grad). M

ν

μ

M

ν

μ

1,000 1,010 1,020 1,030 1,040 1,050 1,060 1,070 1,080 1,090 1,100 1,110 1,120

0,0000 0,0447 0,1257 0,2294 0,3510 0,4874 0,6367 0,7973 0,9680 1,1479 1,3362 1,5321 1,7350

90,0000 81,9307 78,6351 76,1376 74,0576 72,2472 70,6300 69,1603 67,8084 66,5534 65,3800 64,2767 63,2345

2,000 2,010 2,020 2,030 2,040 2,050 2,060 2,070 2,080 2,090 2,100 2,110 2,120

26,3798 26,6550 26,9295 27,2033 27,4762 27,7484 28,0197 28,2903 28,5600 28,8290 29,0971 29,3644 29,6309

30,0000 29,8356 29,6730 29,5123 29,3535 29,1964 29,0411 28,8875 28,7357 28,5855 28,4369 28,2899 28,1446

546

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M

ν

μ

M

ν

μ

1,130 1,140 1,150 1,160 1,170 1,180 1,190 1,200 1,210 1,220 1,230 1,240 1,250 1,260 1,270 1,280 1,290 1,300 1,310 1,320 1,330 1,340 1,350 1,360 1,370 1,380 1,390 1,400 1,410 1,420 1,430 1,440 1,450 1,460 1,470 1,480 1,490 1,500 1,510 1,520 1,530 1,540 1,550

1,9445 2,1600 2,3810 2,6073 2,8385 3,0743 3,3142 3,5582 3,8060 4,0572 4,3117 4,5694 4,8299 5,0931 5,3590 5,6272 5,8977 6,1703 6,4449 6,7213 6,9995 7,2794 7,5607 7,8435 8,1276 8,4130 8,6995 8,9870 9,2756 9,5650 9,8553 10,1464 10,4381 10,7305 11,0235 11,3169 11,6109 11,9052 12,1999 12,4949 12,7901 13,0856 13,3812

62,2461 61,3056 60,4082 59,5497 58,7267 57,9362 57,1756 56,4427 55,7354 55,0520 54,3909 53,7507 53,1301 52,5280 51,9433 51,3752 50,8226 50,2849 49,7612 49,2509 48,7535 48,2682 47,7945 47,3321 46,8803 46,4387 46,0070 45,5847 45,1715 44,7670 44,3709 43,9830 43,6028 43,2302 42,8649 42,5066 42,1552 41,8103 41,4718 41,1395 40,8132 40,4927 40,1778

2,130 2,140 2,150 2,160 2,170 2,180 2,190 2,200 2,210 2,220 2,230 2,240 2,250 2,260 2,270 2,280 2,290 2,300 2,310 2,320 2,330 2,340 2,350 2,360 2,370 2,380 2,390 2,400 2,410 2,420 2,430 2,440 2,450 2,460 2,470 2,480 2,490 2,500 2,510 2,520 2,530 2,540 2,550

29,8965 30,1613 30,4253 30,6884 30,9507 31,2121 31,4727 31,7325 31,9914 32,2494 32,5066 32,7629 33,0184 33,2730 33,5268 33,7796 34,0316 34,2828 34,5331 34,7825 35,0310 35,2787 35,5255 35,7715 36,0165 36,2607 36,5041 36,7465 36,9881 37,2289 37,4687 37,7077 37,9458 38,1831 38,4195 38,6551 38,8897 39,1236 39,3565 39,5886 39,8199 40,0503 40,2798

28,0008 27,8585 27,7177 27,5785 27,4406 27,3043 27,1693 27,0357 26,9035 26,7726 26,6430 26,5148 26,3878 26,2621 26,1376 26,0144 25,8923 25,7715 25,6518 25,5332 25,4158 25,2995 25,1843 25,0702 24,9572 24,8452 24,7342 24,6243 24,5154 24,4075 24,3005 24,1945 24,0895 23,9854 23,8822 23,7800 23,6786 23,5782 23,4786 23,3799 23,2820 23,1850 23,0888

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M

ν

μ

M

ν

μ

1,560 1,570 1,580 1,590 1,600 1,610 1,620 1,630 1,640 1,650 1,660 1,670 1,680 1,690 1,700 1,710 1,720 1,730 1,740 1,750 1,760 1,770 1,780 1,790 1,800 1,810 1,820 1,830 1,840 1,850 1,860 1,870 1,880 1,890 1,900 1,910 1,920 1,930 1,940 1,950 1,960 1,970 1,980

13,6770 13,9728 14,2686 14,5645 14,8604 15,1561 15,4518 15,7473 16,0427 16,3379 16,6328 16,9276 17,2220 17,5161 17,8099 18,1034 18,3964 18,6891 18,9814 19,2732 19,5646 19,8554 20,1458 20,4357 20,7251 21,0139 21,3021 21,5898 21,8768 22,1633 22,4492 22,7344 23,0190 23,3029 23,5861 23,8687 24,1506 24,4318 24,7123 24,9920 25,2711 25,5494 25,8269

39,8683 39,5642 39,2652 38,9713 38,6822 38,3978 38,1181 37,8428 37,5719 37,3052 37,0427 36,7842 36,5296 36,2789 36,0319 35,7885 35,5487 35,3124 35,0795 34,8499 34,6235 34,4003 34,1802 33,9631 33,7490 33,5377 33,3293 33,1237 32,9207 32,7204 32,5227 32,3276 32,1349 31,9447 31,7569 31,5714 31,3882 31,2072 31,0285 30,8519 30,6774 30,5050 30,3347

2,560 2,570 2,580 2,590 2,600 2,610 2,620 2,630 2,640 2,650 2,660 2,670 2,680 2,690 2,700 2,710 2,720 2,730 2,740 2,750 2,760 2,770 2,780 2,790 2,800 2,810 2,820 2,830 2,840 2,850 2,860 2,870 2,880 2,890 2,900 2,910 2,920 2,930 2,940 2,950 2,960 2,970 2,980

40,5085 40,7363 40,9633 41,1894 41,4147 41,6392 41,8628 42,0855 42,3074 42,5285 42,7488 42,9682 43,1868 43,4045 43,6215 43,8376 44,0529 44,2673 44,4810 44,6938 44,9059 45,1171 45,3275 45,5371 45,7459 45,9539 46,1611 46,3675 46,5731 46,7779 46,9820 47,1852 47,3877 47,5894 47,7903 47,9905 48,1898 48,3884 48,5863 48,7833 48,9796 49,1752 49,3700

22,9934 22,8988 22,8051 22,7121 22,6199 22,5284 22,4377 22,3478 22,2586 22,1702 22,0824 21,9954 21,9090 21,8234 21,7385 21,6542 21,5706 21,4876 21,4053 21,3237 21,2427 21,1623 21,0825 21,0034 20,9248 20,8469 20,7695 20,6928 20,6166 20,5410 20,4659 20,3914 20,3175 20,2441 20,1713 20,0990 20,0272 19,9559 19,8852 19,8149 19,7452 19,6760 19,6072

547

548

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

M

ν

μ

M

ν

μ

1,990 2,000

26,1037 26,3798

30,1664 30,0000

2,990 3,000

49,5640 49,7574

19,5390 19,4712

Diagramm C.1

Abbildung C.1. Zusammenhang zwischen Stoßwinkel Θ und Umlenkwinkel δ bei einem schr¨ agen Verdichtungsstoß f¨ ur kalorisch ideales Gas (γ = 1, 4).

C Tabellen und Diagramme f¨ ur kompressible Str¨ omung

549

Diagramm C.2

Abbildung C.2. Zusammenhang zwischen Abstr¨ ommachzahl M2 hinter einem schr¨ agen Verdichtungsstoß und dem Umlenkwinkel δ f¨ ur kalorisch ideales Gas (γ = 1, 4).

D Stoffwerte von Luft und Wasser

Tabelle D.1. Dynamische Viskosit¨ at η [in 10−6 kg/(m s)] von trockener Luft t (◦ C)

p (bar) -50

0

25

50

100

200

300

400

500

1 14,55 17,10 18,20 19,25 21,60 25,70 29,20 32,55 35,50 5 14,63 17,16 18,26 19,30 21,64 25,73 29,23 32,57 35,52 10 14,74 17,24 18,33 19,37 21,70 25,78 29,27 32,61 35,54 50 16,01 18,08 19,11 20,07 22,26 26,20 29,60 32,86 35,76 100 18,49 19,47 20,29 21,12 23,09 26,77 30,05 33,19 36,04 200 25,19 23,19 23,40 23,76 24,98 28,03 31,10 34,10 36,69 300 32,68 27,77 27,25 27,28 27,51 29,67 32,23 34,93 37,39 400 39,78 32,59 31,41 30,98 30,27 31,39 33,44 35,85 38,15 500 46,91 37,29 35,51 34,06 32,28 33,15 34,64 36,86 38,96 Tabelle D.2. Kinematische Viskosit¨ at ν [in 10−8 m2 /s] von trockener Luft t (◦ C)

p (bar) -50

0

25

50

100

200

300

400

500

1 931,1 1341, 1558, 1786, 2315, 3494, 4809, 6295, 7886, 5 186,1 268,5 312,2 358,1 464,2 700,5 964,1 1262, 1580, 10 93,03 134,5 156,5 179,6 232,8 351,4 483,6 632,8 792,1 50 19,11 27,74 32,39 37,19 48,13 72,43 99,35 129,5 161,8 100 10,53 14,82 17,23 19,72 25,34 37,75 51,48 66,77 83,15 200 7,402 9,140 10,33 11,57 14,33 20,68 27,83 35,74 44,00 300 7,274 7,916 8,615 9,455 11,15 15,34 20,11 25,42 31,03 400 7,633 7,687 8,112 8,693 9,825 12,84 16,38 20,38 24,64 500 8,188 7,762 8,005 8,273 8,962 11,44 14,21 17,45 20,87

552

D Stoffwerte von Luft und Wasser

Tabelle D.3. W¨ armeleitf¨ ahigkeit λ [in 10−3 W/(m K)] von trockener Luft t (◦ C)

p (bar) -50

0

25

50

100

200

300

400

500

1 20,65 24,54 26,39 28,22 31,81 38,91 45,91 52,57 58,48 5 20,86 24,68 26,53 28,32 31,89 38,91 45,92 52,56 58,42 10 21,13 24,88 26,71 28,47 32,00 38,94 45,96 52,57 58,36 50 24,11 27,15 28,78 30,26 33,53 40,34 46,86 53,41 58,98 100 28,81 30,28 31,53 32,75 35,60 42,00 48,30 54,56 60,07 200 41,96 38,00 37,90 38,21 39,91 45,18 50,69 56,62 61,96 300 54,84 46,84 45,38 44,56 44,81 48,54 53,06 58,70 63,74 400 65,15 55,30 52,83 51,29 49,97 52,59 55,91 60,95 65,56 500 73,91 62,92 59,80 57,40 54,70 55,66 58,60 62,86 67,24 Tabelle D.4. Dynamische Viskosit¨ at η [in 10−6 kg/(m s)] von Wasser t (◦ C)

p (bar)

0

20

50

100

150

200

300

400

500

1 1750, 1000, 544,0 12,11 14,15 16,18 20,25 24,30 28,40 10 1750, 1000, 544,0 279,0 181,0 15,85 20,22 24,40 28,50 50 1750, 1000, 545,0 280,0 182,0 135,0 20,06 25,00 28,90 100 1750, 1000, 545,0 281,0 183,0 136,0 90,50 25,80 29,50 150 1740, 1000, 546,0 282,0 184,0 137,0 91,70 26,90 30,30 200 1740, 999,0 546,0 283,0 185,0 138,0 93,00 28,60 31,10 300 1740, 998,0 547,0 285,0 188,0 141,0 95,50 45,70 32,70 400 1730, 997,0 548,0 287,0 190,0 143,0 98,10 62,80 36,90 500 1720, 996,0 549,0 289,0 192,0 145,0 101,0 69,30 42,20

D Stoffwerte von Luft und Wasser Tabelle D.5. Kinematische Viskosit¨ at ν [in 10−6 m2 /s] von Wasser t (◦ C)

p (bar)

0

20

50

100

150

200

300

400

500

1 1,750 1,000 0,551 20,50 27,40 35,20 53,40 75,40 101,0 10 1,750 1,000 0,550 0,291 0,197 3,260 5,220 7,480 10,10 50 1,750 1,000 0,550 0,292 0,198 0,156 0,909 1,450 2,020 100 1,740 0,998 0,549 0,292 0,198 0,156 0,126 0,681 0,967 150 1,730 0,995 0,549 0,292 0,199 0,157 0,126 0,421 0,630 200 1,720 0,992 0,548 0,293 0,199 0,157 0,127 0,285 0,459 300 1,720 0,987 0,547 0,293 0,202 0,159 0,127 0,128 0,284 400 1,700 0,981 0,545 0,294 0,203 0,160 0,128 0,120 0,207 500 1,680 0,977 0,544 0,295 0,204 0,162 0,130 0,120 0,164 Tabelle D.6. W¨ armeleitf¨ ahigkeit λ [in 10−3 W/(m K)] von Wasser t (◦ C)

p (bar)

0

20

50

100

150

200

300

400

500

1 569,0 604,0 643,0 24,80 28,60 33,10 43,30 54,50 66,60 10 570,0 604,0 644,0 681,0 687,0 35,00 44,20 55,20 67,20 50 573,0 608,0 647,0 684,0 690,0 668,0 52,10 59,30 70,50 100 577,0 612,0 651,0 688,0 693,0 672,0 545,0 67,40 75,70 150 581,0 616,0 655,0 691,0 696,0 676,0 559,0 81,80 82,50 200 585,0 620,0 659,0 695,0 700,0 681,0 571,0 106,0 91,50 300 592,0 627,0 666,0 701,0 706,0 689,0 592,0 263,0 117,0 400 599,0 634,0 672,0 707,0 713,0 697,0 609,0 388,0 153,0 500 606,0 640,0 678,0 713,0 720,0 704,0 622,0 437,0 202,0

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Literatur

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Index

A Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 –, konforme . . . . . . . . . . 384, 397ff Abbildungsfunktion . . . . . . . 384, 397 –, Joukowskysche . . . . . . . . . . 408 Abbildungssatz –, Riemannscher . . . . . . . . . . 384 Abflußbedingung –, Kuttasche . . . . . . 410, 411, 419 Abgel¨ oster Stoß . . . . . . . . . . . . 429 Abh¨ angigkeitsgebiet . . . . . . . . . 326 Ableitung –, Jaumannsche . . . . . . . . . 90, 92 –, Oldroydsche . . . . . . . . . 27, 90 –, materielle . . . . . . . . . . . . . . 16 –, substantielle . . . . . . . . . . . . 16 Abl¨ oseprofil . . . . . . . . . . . . . . . 456 Abl¨ osepunkt . . . . . . . . . . . . . . . 458 Abl¨ osungserscheinung . . . . . . . . 371 Absolutgeschwindigkeit . . . . . . . . 51 Abstand –, mittlerer . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 209 Abwind –, induzierter . . . . . . . . . . . . . 139 Adiabat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 ¨ Ahnlichkeitsl¨ osung . . . . . . . . . . 155 ¨ Ahnlichkeitsvariable . . . . . . 200, 332 ¨ Anderung –, konvektive . . . . . . . . . . . . . . 16 –, lokale . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 ¨ Aquivalenter Duchmesser . . . . . 191 Aerodynamik . . . . . . . . . . . 346, 414 ¨ Außere L¨ osung . . . . . . . . . . . . . 445 Aggregatzustand . . . . . . . . . . . . . . 3 Akustik . . . . . . . . . . . . . . . 160, 340 Almansischer Verzerrungstensor . . 98

Analytisch . . . . . . . . . . . . . . . . Anfahrwirbel . . . . . . . . . . . . . . Anfangsbedingung . . . . . . . . . . Anfangspunkt –, fiktiver . . . . . . . . . . . . . . . Anstr¨ omung –, stoßfreie . . . . . . . . . . . . . . Archimedessches Prinzip . . . . . . Auftrieb . . . . 121, 124, 137, 347, –, dynamischer . . . . . . . . . . . –, hydrostatischer . . . . . . . . . Auftriebsbeiwert . . . . . 412, 421, Auftriebskraft . . . . . . . . . . . . . . Ausdehnungskoeffizient –, thermischer . . . . . . . . . . . . Ausflußformel –, Torricellische . . . . . . . . . . . –, von Saint-Venant-Wantzel . Ausflußgeschwindigkeit . . . . 282, Außengesetz . . . . . . . . . . . . . . . Außenprodukt . . . . . . . . . . 508, Austauschgr¨ oße –, turbulente . . . . . . . . . . . . . Austauschsymbol . . . . . . . . . . . Austrittsverlust . . . . . . . . . . . . Autokorrelation . . . . . . . . . . . . B Baersches Gesetz . . . . . . . Bahnkurve . . . . . . . . . . . . Bahnlinie . . . . . . . . . . . . . Barometrische H¨ ohenformel Barotrop . . . . . . . . . . . . . Barotropie . . . . . . . . . . . . Basis . . . . . . . . . . . . . . . . Basisvektor . . . . . . . . . . . . Bereich –, linearer . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

384 124 150 476 419 167 397 122 167 433 412 466 282 304 304 478 509 232 508 293 224

. . . 56 .... 8 10, 17 . . 163 . . 115 . . 161 . . 507 . . 506

. . . . 237

558

Index

–, logarithmischer . . . . . . . . . 237 Bernoullische Gleichung . 114ff, 141, 281, 304 Beschleunigungsgitter . . . . . . . . . 59 Beschreibungsweise –, Eulersche . . . . . . . . . . . . . . 10 –, Lagrangesche . . . . . . . . . . . . . 9 –, materielle . . . . . . . . . . . . . . . 9 Bewegungsgleichung –, erste Cauchysche . . . . . . . . . 45 Bezugssystem –, beschleunigtes . . . . . . . . . . . 49 Bilanz –, der Energie . . . . . . . . . . . . . 69 –, der Entropie . . . . . . . . . . . . 73 –, des Dralles . . . . . . . . . . . . . 47 –, des Impulses . . . . . . . . . . . . 39 Bilaplacegleichung . . . . . . . . . . . 484 Bingham-Material . . 3, 96ff, 210, 216 Binghamsches Materialgesetz . . . . 97 Biot-Savartsches Gesetz . . . . . . . 135 Bipotentialgleichung . . . . . . . . . 484 Blasius-Gesetz . . . . . . . . . . . . . 475 Blasius-Gleichung . . . . . . . . 452, 464 Blasius-Theorem –, erstes . . . . . . . . . . . . . . . . 395 –, zweites . . . . . . . . . . . . . . . 395 Blasiussches Widerstandsgesetz . 454 Bogenl¨ ange . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Boussinesqsche Formel . . . . 232, 475 Briggscher Logarithmus . . . . . . . 241 Buys-Ballotsche Regel . . . . . . . . . 56 C Carnotscher Stoßverlust . . . . . . 293 Cauchy-Poisson-Gesetz . . . . . . . . 81 Cauchy-Riemannsche –, Differentialgleichung . . . . . . 384 Cauchysche Bewegungsgleichung . 45 Cauchyscher Deformationstensor . 98 Cauchyscher Integralsatz . . . . . . 395 Charakteristik . . . . . . . . 324ff, 339ff –, linksl¨ aufige . . . . . . . . . . . . 327 –, rechtsl¨ aufige . . . . . . . . . . . 327 Charakteristikenf¨ acher . . . . . . . 329 Charakteristikentheorie . . . . . . . 323 Clausius-Duhem-Ungleichung . . . . 75 Colebrookesche Widerstandsformel 243 Corioliskraft . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Couette-Poiseuille-Str¨ omung . . . 182 Couette-Str¨ omung . . . . . . . . . . . 180 Croccoscher Wirbelsatz . . . . 149, 435 D D’Alembertsche L¨ osung . . . . . . . 339 D’Alembertsches Paradoxon 371, 374 Dampfdruck . . . . . . . . 254, 261, 335 Darcysches Gesetz . . . . . . . . . . 270 Deformationsgeschichte . . . . . . . . 27 Deformationsgeschwindigkeitstensor 20 Deformationsgradient . . . . . . . . . 97 –, relativer . . . . . . . . . . . . . . . 93 Deformationstensor –, Cauchyscher . . . . . . . . . . . . 98 –, Greenscher . . . . . . . . . . . . . 98 Dehnungsgeschwindigkeit . . . . . . 20 Dehnungsgeschwindigkeitstensor . 20 Dehnungsinvariante . . . . . . . . . . . 25 Dehnungstensor –, Eulerscher . . . . . . . . . . . . . . 98 –, Lagrangescher . . . . . . . . 97, 98 Dekadischer Logarithmus . . . . . . 241 Deltafunktion –, Diracsche . . . . . . . . . . . . . 354 Dichtefeld –, homogenes . . . . . . . . . . . . . . 38 Differential –, totales . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Differentialgleichung –, Cauchy-Riemannsche . . . . . 384 –, exakte . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . 6, 107 Diffusionsfluß . . . . . . . . . . . . . . 226 Diffusor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Diffusorwirkungsgrad . . . . . . . . 291 Dilatant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Dimension –, des Tensorraumes . . . . . . . 506 Dimensionshomogen . . . . . . . . . 107 Dipol . . . . . . . . . . . . . 368, 380, 388 Dipolmoment . . . . . . . . . . . . . . 368 Diracsche Deltafunktion . . . . . . 354 Direktes Problem . . . . . . . . . . . 301 Dissipationsfunktion 73, 83, 101, 460 Divergenz . . . . . . . . . . . . . . 513, 519 Divergenzfrei . . . . . . . . . . . . . . . 25 Doppelkeilprofil . . . . . . . . . . . . 441 Drall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Index Drallfluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Drallsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 –, Integralform des . . . . . . . . . . 48 Drehgeschwindigkeitstensor . . . . . 23 Drehimpuls . . . . . . . . . . . . . . 47, 221 Drehmatrix . . . . . . . . . . . . . . 510ff Drehschwingungsd¨ ampfer . . . . . 207 Druck –, dynamisch . . . . . . . . . . . . . 466 –, dynamischer . . . . . . . . . . . 359 –, hydrostatischer . . . . . . . . . 179 –, statisch . . . . . . . . . . . . . . . 466 –, statischer . . . . . . . . . . . . . . 359 Druck-Schlepp-Str¨ omung . . . 182, 247 Druckabfall . . 190, 192, 196, 203, 284, 286 Druckanstieg . . . . . . . . . . . . . . . 294 Druckbeiwert . . . . . . . 362, 424, 433 Druckfunktion . . . . . . . . . . . . . 115 Druckpunkt . . . . . . . . . . . . . . . 170 Drucksprung . . . . . . . . . . . . . . 174ff Druckverlust . . . . . . . . . . . . 285, 292 Druckverteilung –, hydrostatische . . . . . . . 164, 168 Druckwelle . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Druckwiderstand . . . . . . . . . . . . 371 Druckz¨ ahigkeit . . . . . . . . . . . . . . 83 D¨ use . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 –, konvergent-divergente . . . . . 307 Durchmesser –, ¨ aquivalenter . . . . . . . . . . . . 191 –, hydraulischer . . . 191, 192, 195ff Dyade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 Dyadisches Produkt . . . . . . . . . 507 Dynamischer Druck . . . . . . . . . . 359 E Ebene Staupunktstr¨ omung . . . . 350 Eckenstr¨ omung . . . . . 388, 450, 485ff Eckertsche Zahl . . . . . . . . . . . . 462 Eigenfrequenz . . . . . . . . . . . . . . 344 Eigenwert . . . . . . . . . . . . . . . 24, 44 Eigenwertaufgabe . . . . . . . . . . . . 24 Einfache Welle . . . . . . . . . . . . . 436 Einflußgebiet . . . . . . . . . . . . . . 326 Einheitstensor . . . . . . . . . . . . . . . 81 Einheitsvektor . . . . . . . . . . . . . 506 Einlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Einlaufl¨ ange . . . . . . . . . . . . 286, 287

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Einsteinsche Summationskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 505 Eintritt –, stoßfreier . . . . . . . . . . . . . . 421 Elektrorheologische Fl¨ ussigkeit . . 96 Elliptisch . . . . . . . . . . . . . . 347, 422 Energie –, innere . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 –, kinetische . . . . . . . . . . . . 7, 70 Energiegleichung . 71, 101, 114, 147ff, 303 –, mechanische . . . . . . . . . . . 149 Energiesatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Enthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 –, spezifische . . . . . . . . . . . . . . 72 Entropiegleichung . . . . . . . . . . . 114 Entropieproduktion . . . . . . . . . . 157 Entropiestrom . . . . . . . . . . . . . . 74 Enveloppe . . . . . . . . . 332, 425, 440 Epsilon-Tensor . . . . . . . . . . . 22, 509 Ergiebigkeit . . . . . . . . . . . . 354, 360 Erhaltungsgr¨ oße . . . . . . . . . . . . 302 Erhaltungssatz der Masse . . . 31, 37 orper . . . . . . . . . . . . . . . 168 Ersatzk¨ Ersatzvolumen . . . . . . . . . . . . . 171 Erste Integrale . . . . . . . . . . . . . 114 Erstes Blasius-Theorem . . . . . . . 395 Eucken –, Formel von . . . . . . . . . . . . 461 Eulersche –, Beschreibungsweise . . . . . . . 10 –, Formel . . . . . . . . . . . . . . . . 33 –, Gleichung . . . 110, 113, 114, 118 –, Turbinengleichung . . . 49, 66, 67 Eulerscher –, Dehnungstensor . . . . . . . . . . 98 Exakte Differentialgleichung . . . 357 Expansionsf¨ acher . . . . . . . 330ff, 437 Expansionswelle . . . . . . . . 307ff, 329 Exzentrizit¨ at –, relative . . . . . . . . . . . . . . . 249 F Faktor –, integrierender . . . . . . . . . . 357 Falkner-Skan-Gleichung . . . . 455, 456 Fanno-Kurve . . . . . . . . . . . . . . 313

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Index

Fehlerfunktion . . . . . . . . . . . . . 201 Feldbeschreibungsweise . . . . . . . . 10 Feldkoordinate . . . . . . . . . . . . . . 10 Feldmethoden . . . . . . . . . . . 449, 475 Festk¨ orper –, Hookescher . . . . . . . . . . . . . . 1 Filmstr¨ omung . . . . . . . . . 184ff, 266ff Fl¨ achenelement . . . . . . . . . . . . . 518 Fl¨ achenmomente zweiter Ordnung 170 Fl¨ achenschwerpunkt . . . . . . . . . 168 Fl¨ achentr¨ agheitsmoment . . . . . . 170 Flettner-Rotor . . . . . . . . . . . . . 393 Fließfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 88 Fl¨ ussigkeit –, Einfache . . . . . . . . . . . . . . . 81 –, Newtonsche . . . . . . . . . 2, 101ff –, Nicht-Newtonsche . . . 2, 80, 81ff –, elektrorheologische . . . . . . . . 96 –, reibungsfreie . . . . . . . . 84, 105ff –, scherverdickende . . . . . . . . . 86 -, scherverd¨ unnende . . . . . . . . . 86 –, tropfbare . . . . . . . . . . . . . . . . 3 –, verallgemeinerte Newtonsche 88 –, viskoelastische . . . . . . . . . . . 89 –, viskose . . . . . . . . . . . . . . . . 81 –, zweiter Ordnung . . 96, 206, 207 Fl¨ ussigkeitsteilchen . . . . . . . . . . . . 5 Fluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Formel –, Boussinesqsche . . . . . . . . . 232 –, Eulersche . . . . . . . . . . . . . . 33 –, Petroffsche . . . . . . . . . . . . 253 –, von Eucken . . . . . . . . . . . . 461 –, zweite Greensche . . . . . . . . 131 Formwiderstand . . . . . . . . . . . . 371 Foucaultsches Pendel . . . . . . . . . . 50 Fouriersches Gesetz . . . . . . . . . . . 84 Freier Index . . . . . . . . . . . . . . . 505 Freistrahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 F¨ uhrungsbeschleunigung . . . . . . . 53 F¨ uhrungsgeschwindigkeit . . . . . . . 51 F¨ uhrungskraft . . . . . . . . . . . . . . 54 Fundamentall¨ osung . . . 131, 132, 353 Fundamentalsatz der Kinematik . 25 Funktion –, Greensche . . . . . . . . . . . . . 133 –, analytische . . . . . . . . . . . . 384 Funktional . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Funktionaldeterminate . . . . . . . . 10

G Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 –, ideales . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 –, kalorisch ideales . . . . . . . . . . 77 –, thermisch ideales . . . . . . 77, 78 Gasdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Gastheorie –, kinetische . . . . . . . . . . . . . . . 7 Gaußscher Integralsatz . . . . . . . . 33 Ged¨ achtniszeit . . . . . . . . . . . . . . 90 Gekr¨ ummter Stoß . . . . . . . . . . . 429 Gemischte Schreibweise . . . . . . . 508 Geoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Gerader Verdichtungsstoß . . . . . 308 Gesamtdruck . . . . . . . . . . . . . . 359 Geschwindigkeit –, induzierte . . . . . . . . . . . . 135ff –, komplexe . . . . . . . . . . . . . . 386 –, konjugiert komplexe . . . . . . 386 –, mittlere . . . . . . 5, 182, 222, 239 Geschwindigkeitsfeld . . . . . . . . . . 10 Geschwindigkeitsgradient . . . . . . . 19 Geschwindigkeitspotential . . . 23, 337 Gesetz –, Baersches . . . . . . . . . . . . . . 56 –, Biot-Savartsches . . . . . . . . 135 –, Cauchy-Poissonsches . . . . . . 81 –, Fouriersches . . . . . . . . . . . . . 84 –, der kommunizierenden R¨ ohren 165 Gibbssche Relation . . . . 73, 226, 313 Gleichdruckgitter . . . . . . . . . . . . 59 Gleichgewicht –, hydrostatisches . . . . . . . . . 162 Gleichgewichtsparameter . . . . . . 479 Gleichung –, Bernoullische 114ff, 141, 281, 304 –, Eulersche . . . 110, 113, 114, 118 –, Laplacesche . . . . . . . . . 130, 346 –, Navier-Stokessche . . . . . . 101ff –, Poissonsche . . 130, 193, 262, 347 –, Reynoldssche . . . 222ff, 224, 225, 245ff, 248 –, charakteristische . . . . . . . . . 25 Gleitlager . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Gleitlagerstr¨ omung . . . . . . . . . . 245 Gleitmodul . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Gleitschuh . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Gleitstempel . . . . . . . . . . . . . . . 258

Index Gleitzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 G¨ othertsche Regel . . . . . . . . . . . 424 Gradient . . . . . . . . . . . . . . 512, 519 Grashofsche Zahl . . . . . . . . . . . 467 Greensche Formel –, zweite . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Greensche Funktion . . . . . . . . . 133 Greenscher –, Deformationstensor . . . . . . . 98 –, Verzerrungstensor . . . . . . . . 97 Grenzkurve . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Grenzschicht . . . . . . . 112, 286, 445ff Grenzschichtabl¨ osung . . . . . . . . 290 Grenzschichtdicke . . . . . . . 158, 445ff –, geometrische . . . . . . . . . . . 453 Grenzschichtgleichung . . . . . . . . 448 Grenzschichtkoordinatensystem . 446 Grenzschichtstr¨ omung . . . . . . . . 236 –, turbulente . . . . . . . . . 228, 473ff Grenzschichttheorie . . . . . . . . . 446ff Gr¨ oße –, kritische . . . . . . . . . . . . . . 305 Grundgleichung –, hydrostatische . . . . . . . . . . 162 Grundinvarianten . . . . . . . . . . . . 25 Gruppe –, dimensionslose . . . . . . . . . . 382 H Hagen-Poiseuille-Str¨ omung . . . . 188 –, verallgemeinerte . . . . . . . . . 190 Hagen-Poiseuillesche Gleichung . 190 Halbe Sommerfeld-Randbedingung 255 Hauptachsensystem . . . . . . . . . . . 24 Hauptkr¨ ummungsradius . . . . . . 174 Hauptl¨ osung . . . . . . . . . . . . . . . 131 Hauptsatz –, Erster . . . . . . . . . . . . . . 69, 71 –, Zweiter . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Heisenbergsche Unsch¨ arferelation . . 5 Helmholtzscher Wirbelsatz 107, 121ff –, dritter . . . . . . . . . . . . . . . . 146 –, erster . . . . . . . . . 126, 127, 138 –, zweiter . . . . . . . . . . . . . . . 142 Hinterkantenwinkel . . . . . . . . . . 410 Hodographenebene . . . . . . . . . . 403 H¨ ohenformel –, barometrische . . . . . . . . . . 163 Holomorph . . . . . . . . . . . . . . . . 384

561

Homenergetisch . . . . . . . . . . . . 148 Homentrop . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Hufeisenwirbel . . . . . . . . . . . . . 139 Hugoniot –, Relation . . . . . . . . . . . . . . 316 –, Zustands¨ anderung . . . . . . . 317 Hydraulisch glatt . . . . . . . . . . . 242 Hydraulischer Duchmesser . . . . . 191 Hydraulischer Durchmesser 192, 195ff Hydrodynamische –, Instabilit¨ at . . . . . . . . . . . . 256 –, Schmiertheorie . . . . . . . . . . 157 Hydrostatik . . . . . . . . . . . . . . 161ff Hydrostatische Grundgleichung . 162 Hydrostatischer Auftrieb . . . . . . 167 Hydrostatisches Gleichgewicht . . 162 Hyperbolisch . . . . . . . . . . . . . . 422 Hyperschallstr¨ omung . . . . . . 150, 346 Hypersonisch . . . . . . . . . . . . . . 112 Hypothese –, Stokessche . . . . . . . . . . . . . . 83 I Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 39 Impulsaustausch . . . . . . . . . . 6, 233 Impulsfluß . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Impulssatz . . . . . . . . . . . . . . 41, 288 –, Differentialform des . . . . . . . 45 –, Integralform des . . . . . . . . . . 45 Impulsverlustdicke . . . . . . . 453, 470 Index –, freier . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 –, stummer . . . . . . . . . . . . . . 505 Indexnotation –, kartesische . . . . . . . . . . . . . 507 Indifferenzpunkt . . . . . . . . . . . . 476 Indirektes Problem . . . . . . . . . . 301 Inertialsystem . . . . . . . . . . . . 39, 49 Inkompressibel . . . . . . . 38, 103, 157 Innenprodukt . . . . . . . . . . . . . . 508 Innere L¨ osung . . . . . . . . . . . . . . 445 Instabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . 220 –, hydrodynamische . . . . . . . . 256 Instation¨ ar . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Instation¨ are Staupunktstr¨ omung 353 Integral –, L¨ angenmaß . . . . . . . . . . . . 224 –, Zeitmaß . . . . . . . . . . . . . . 224

562

Index

Integrale –, Erste . . . . . . . . Integralgleichung . . . Integralmethoden . . Integralsatz –, Cauchyscher . . –, Gaußscher . . . . –, Stokesscher . . . Integrierender Faktor Invariante –, Riemannsche . . Inversion . . . . . . . . Isentrop . . . . . . . . . Isentropenbeziehung

. . . . . . . . . 114 . . . . . . 363, 416 . 449, 469ff, 475 .... .... .... ... . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

395 . 33 125 357

324, 328, ....... ....... .......

332 164 114 303

J Jaumannsche Ableitung . . . . . 90, 92 Joukowskysche Abbildungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 K Kalorisch ideal . . . . . . . . . . . . . . 77 Kanalverengung . . . . . . . . . . . . 293 Kapillarkonstante . . . . . . . . . . . 173 Kapillarkraft . . . . . . . . . . . . . . 173 Kapillarspannung . . . . . . . . 172, 402 Kartesische Indexnotation . . . . . 507 Kartesischer Tensor . . . . . . . . . . 505 Kartesisches Koordinatensystem 506 Kavitation . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Kavitationsgebiet . . . . . . . . . . . 254 Kavitationskeim . . . . . . . . . . . . 261 Kavitationszahl . . . . . . . . . . . . . 367 Kegel –, Machscher . . . . . . . . . . . . . 425 Keilstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . 454 Kelvinsches Zirkulationstheorem 121 Kesselzustand . . . . . . . . . . . . . . 302 Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 K¨ orper –, schlanker . . . . . . . . . . . . . . 156 Kompressionswelle . . . 308, 332, 439 Konform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Konforme Abbildung . . . . . 384, 397ff Konstante –, Riemannsche . . . . . . . . . . . 327 Kontaktkraft . . . . . . . . . . . . 39, 40 Kontaktunstetigkeit . . . . . . . . . 430 Kontinuit¨ atsgleichung 37, 38, 280, 300

–, Integralform der . . . . . . . . . . 38 Kontinuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Kontinuumsgeschwindigkeit . . . . . . 6 Kontinuumshypothese . . . . . . . . . . 5 Kontinuumstheorie . . . . . . . . . 7, 31 Kontraktionsziffer . . . . . . . . 293, 403 Kontrollvolumen . . . . . . . . . . . . . 38 Konvektion –, erzwungene . . . . . . . . . . . . 460 –, nat¨ urliche . . . . . . . . . . . . . 466 Konvektionszeit . . . . . . . . . . . . 157 Konvergent-divergente D¨ use . . . 307 Koordinaten –, kartesische . . . . . . . . . . . . . . 17 –, krummlinige . . . . . . . . . . 506ff –, materielle . . . . . . . . . . . . . . . 9 –, nat¨ urliche . . . . . . . . . . . 18, 113 Koordinatensystem . . . . . . . . . . 506 –, kartesisches . . . . . . . . . . . . 506 –, krummliniges . . . . . . . . . . . 506 Koordinatentranformation . . . . . 410 Korrelation . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Kr¨ afte –, intermolekulare . . . . . . . . . . . 7 Kritische Gr¨ oße . . . . . . . . . . . . 305 Kronecker-Delta . . . . . . . . . . 23, 508 Kr¨ ummung . . . . . . . . . . . . . . . . 174 –, mittlere . . . . . . . . . . . . . . . 174 Krummliniges Koordinatensytem 506 Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . 521 Kugelsymmetrisch . . . . . . . . . 44, 156 Kugelumstr¨ omung . . . . . . . . 370, 500 Kurbelwelle . . . . . . . . . . . . . . . 207 Kurvenparameter . . . . . . . . . 10, 11 Kutta-Joukowsky –, Satz von . . . . . . . . . . . . . . 397 Kutta-Joukowsky-Theorem . 137, 396 Kuttasche Abflußbedingung 410, 411, 419 L Laborsystem . . . . . . . . . . . . . . . 320 L¨ ange –, Laplacesche . . . . . . . . . . . . 175 –, viskose . . . . . . . . . . . . 109, 230 Lagerspiel –, relatives . . . . . . . . . . . . . . 249 Lagrangesche Beschreibungsweise . . 9 Lagrangescher Dehnungstensor 97, 98

Index Lagrangesches Theorem . . . . . . . 153 Laminar . . . . . . . . . . . . . . . 108, 219 Laplace-Operator . . . . . . . . 103, 519 Laplacesche –, Gleichung . . . . . . . . . . 130, 346 –, L¨ ange . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Laufgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Laufschaufel . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Laurent-Reihe . . . . . . . . . . . . . . 396 Lavald¨ use . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Leibnizsche Regel . . . . . . . . . 32, 34 Leitgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Leitschaufel . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Linienelement . . . . . . . . . . . . . . 518 –, materielles . . . . . . . . . . . . . . 20 Linienquelle . . . . . . . . . . . . . . . 379 L¨ osung –, D’Alembertsche . . . . . . . . . 339 –, ¨ außere . . . . . . . . . . . . . . . . 445 –, asymptotische . . . . . . . . . . 109 –, innere . . . . . . . . . . . . . . . . 445 –, singul¨ are . . . . . . . . . . . 132, 353 Logarithmisches Wandgesetz 235ff, 478 Logarithmus –, Briggscher . . . . . . . . . . . . . 241 –, dekadischer . . . . . . . . . . . . 241 –, nat¨ urlicher . . . . . . . . . . . . . 241 Loschmidtsche Zahl . . . . . . . . . 5, 87 M Mach-Reflexion . . Mach-Zahl . . . . . Machsche –, Linie . . . . . . –, Welle . . . . . Machsche Zahl . . Machscher –, Kegel . . . . . –, Winkel . . . . Magnuseffekt . . . Masse –, virtuelle . . . –, zus¨ atzliche . . Massendichte . . . Massenfluß . . . . . Massenkraft . . . . –, Potential der –, der Schwere . Massenstrom . . .

. . . . . . . . . . . 431 . . . . . . . . . . . 156 . . . . . . . . . . . 436 . . . . . . . . . . . 440 . . . . . . . . 158, 300 . . . . . . . . . . . 425 . . . . . . . . . . . 425 . . . . . . . . . . . 393 . . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. 373ff . . 373 .... 5 . . . 68 . . . 39 46, 168 . . . 40 . . . 63

Materialgesetz –, Binghamsches . Materialgleichung . . Matrix –, orthogonale . . . Meteorologie . . . . . . Mischungsweg . . . . . Mischungswegformel –, Prandtlsche . . . Mittelwert . . . . . . . Mittengesetz . . . . . . Mollier-Diagramm . . Momentenbeiwert . .

563

. . . . . . . . . . 97 . . . . . 7, 45, 80ff . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . 511 ......... 4 233, 235, 474 . . . . . . . 233 . . . . . . . 233 . . . . . . . 222 . . . . 240, 243 . . . . . 77, 301 . . . . . . . 421

N Nabla-Operator . . . . . . . 17, 30, 519 Nachlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Nachlauffunktion . . . . . . . . . . . 477 Nat¨ urlicher Logarithmus . . . . . . 241 Navier-Stokessche Gleichung . . 101ff Newtonsche Fl¨ ussigkeit . . . . . . 101ff Newtonsches Fließgesetz . . . . . . . 82 Normalbeschleunigung . . . . . . . . 49 Normalenvektor . . . . . . . . . 132, 152 Normalspannung . . . . . . . . . . . . . 40 –, mittlere . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Normalspannungseffekt . . . . . . . . 86 Normalspannungsfunktion –, erste . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 –, zweite . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Normzustand . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Nullauftriebsrichtung . . . . . . . . 412 Nullviskosit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . 87 Nusselt-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . 465 Nusseltbeziehung . . . . . . . . . . . 465 O Oberfl¨ ache –, freie . . . . . . . . . . –, hydraulisch glatte –, materielle . . . . . . –, vollkommen rauhe Oberfl¨ achenkraft . . . . . Oberfl¨ achenspannung . ¨ Offnungswinkel . . . . . . Oldroydsche Ableitung Ostablenkung . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. 172ff . . 242 . . . 31 . . 242 40, 41 . 172ff . . 291 27, 90 . . . 50

P Parabolisch . . . . . . . . . . . . . 449, 459

564

Index

Paradoxon –, Pascalsches . . . . . . . . . . . . 165 –, d’Alembertsches . . . . . . 371, 374 Parallelstr¨ omung . . . . . . . . . . . . 349 Parameterdarstellung . . . . . . . . . 11 Partikelfilter . . . . . . . . . . . . . . . 269 Pascalsches Paradoxon . . . . . . . 165 Pendel –, Foucaultsches . . . . . . . . . . . 50 Permeabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . 270 Permutationssymbol . . . . . . . . . 509 Petroffsche Formel . . . . . . . . . . 253 Pohlhausen . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Poiseuille-Str¨ omung . . . . . . . . . 182 Poissonsche Gleichung . 130, 193, 262, 347 Polare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Potential –, der Massenkraft . . . . . . . 46, 168 –, der Schwerkraft . . . . . . . . . 162 –, der Volumenkraft . . . . . . 46, 162 –, komplexes . . . . . . . . . . . . 383ff Potentialstr¨ omung . . . . 23, 117, 337ff –, ebene . . . . . . . . . . . . . . . 378ff –, inkompressible . . . . . . . . . . 346 –, station¨ are kompressible . . . 345 Potentialtheorie . . . . . . . . . 130, 347 Potentialwirbel 136, 187, 221, 380, 387 Potenzgesetz . . . . . . . . . 88, 202, 475 Potenzverteilung . . . . . . . . . . . . 449 Poyntingscher Vektor . . . . . . . . . 70 Prandtl-Glauertsche Regel . . . . . 424 Prandtl-Meyer –, Funktion . . . . . . . . . . . 438, 440 –, Str¨ omung . . . . . . . . . 434ff, 442 Prandtl-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . 158 Prandtlsche –, Mischungswegformel . . . . . . 233 Prandtlsche Zahl . . . . . . . . . 460, 469 Prandtlsches Rohr . . . . . . . . . . 359 Prinzip –, Archimedessches . . . . . . . . 167 Problem –, direktes . . . . . . . . 301, 348, 414 –, indirektes . . . . . . . . . . 301, 349 –, inverses . . . . . . . . . . . . . . . 459 Produkt –, dyadisches . . . . . . . . . . . . . 507

Profil –, schlankes . . . . . . . . . Profilparameter . . . . . . . . Prozeß –, irreversibler . . . . . . . –, reversibler . . . . . . . . –, statistisch station¨ arer Pseudoplastisch . . . . . . . Punkt –, materieller . . . . . . . . –, singul¨ arer . . . . . . . . Punktquelle . . . . . . . . . . Q Quasi-eindimensional . Quasi-station¨ ar . . . . . . Quelle . . . . . . . . . . . . Quellenfrei . . . . . . . . . Quellintensit¨ at . . . . . . Quellstr¨ omung . . . . . . Quellverteilung . . . . . . Querschnittserweiterung Quetschstr¨ omung . . . .

. . 414, 431 . . . . . 478 . . . .

. . . .

. 69, 72 . . . . 72 . . . 222 . . . . 86

. . . . 5, 31 . . . . . 384 . . . . . 353

. . . . . . . 279 . . . . 198, 284 354, 358, 360 . . . . . . . . 25 . . . . . . . 360 . . . . 354, 356 . . . . . . . 361 . . . . . . 290 . . . . . . 260ff

R Radialgitter . . . . . . . . . . . . . . . 383 Randbedingung . . . . . . . . . . . . 150 –, Reynoldssche . . . . . . . . . . . 254 –, dynamische . . . . . . . . . 151, 154 –, halbe Sommerfeldsche . . . . 255 –, kinematische . 151, 256, 267, 280 –, physikalische . . . . . . . . . . . 151 Randwirbel . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Rauhigkeitserhebung . . . . . . . . . 242 Rayleigh-Kurve . . . . . . . . . . . . . 311 Rayleigh-Zahl . . . . . . . . . . . . . . 467 Rechts-Cauchy-Green-Tensor . . . . 93 Reflektierter Stoß . . . . . . . . . . . 429 Regel –, Buys-Ballotsche . . . . . . . . . . 56 -, G¨ othertsche . . . . . . . . . . . . 424 –, Leibnizsche . . . . . . . . . . 32, 34 –, Prandtl-Glauertsche . . . . . . 424 Reibung –, innere . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Reibungsbeiwert . . . . . . . . . . . . 477 –, lokaler . . . . . . . . . . . . . 477, 479 Reibungsfreiheit . . . . . . . . . . . . 111

Index Reibungsspannungen –, Tensor der . . . . . . . . . . . . . . 44 Reibungsspannungstensor . . . . . . 82 Reibungsverluste . . . . . . . . . . . . 284 Relation –, Gibbssche . . . . . . . 73, 226, 313 Relative Exzentrizit¨ at . . . . . . . . 249 Relatives Lagerspiel . . . . . . . . . 249 Relativgeschwindigkeit . . . . . . . . 51 Residuensatz . . . . . . . . . . . . . . 396 Reynolds-Zahl . . . . . . . . . 219ff, 371 –, kritische . . . . . . . . . . 108, 219ff Reynoldssche –, Gleichung 222ff, 224, 225, 245ff, 248 –, Randbedingung . . . . . . . . . 254 –, Spannung . . . . . . . . . . 225, 232 –, Zahl . . . . . . . . . . . 85, 108, 109 Reynoldssches Transporttheorem . 34 Riemannsche –, Invariante . . . . . . 324, 328, 332 –, Konstante . . . . . . . . . . . . . 327 Riemannscher Abbildungssatz . . 384 Rivlin-Ericksen-Tensor . 27, 204, 206 R¨ ohren –, kommunizierende . . . . . . . . 165 Rohr –, Prandtlsches . . . . . . . . . . . 359 Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Rotationsbehaftet . . . . . . . . . . . . 24 Rotationsfrei . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Rotationsparaboloid . . . . . . . . . 166 Rotationssymmetrie . . . . . . 156, 166 Rotationssymmetrische Staupunktstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . 352 R¨ ucktransformationsgesetz . . . . 510 Ruhedruck . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Ruheenthalpie . . . . . . . . . . . . . . 302 Ruhegr¨ oßen . . . . . . . . . . . . . . . 302 Ruhetemperatur . . . . . . . . . . . . 302 Ruhezustand . . . . . . . . . . . . . . 302 S Saint-Venant-Wantzel –, Ausflußformel von . . . . . . . Satz –, von Kutta und Joukowsky . Schallausbreitung . . . . . . . . 339, Schallgeschwindigkeit . 158, 300,

304 397 424 332

565

Schallwelle . . . . . . . . . . . . . 318, 425 Scharparameter . . . . . . . . . . . . . 10 Schaufelgitter –, gerades . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Scheinkraft . . . . . . . . . . . . . . 40, 54 Scheinspannung –, turbulente . . . . . . . . . . . . . 225 Scherrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Scherstr¨ omung –, Einfache . 2, 6, 27, 86, 180, 205, 206 –, instation¨ are . . . . . . . . . . . . 206 –, turbulente . . . . . . . . . . . . 228ff Scherungsgeschwindigkeit . . . . . . 22 Scherverz¨ ahend . . . . . . . . . . . . . . 86 Scherviskosit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . 2 Scherwelle . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Scherz¨ ahigkeit . . . . . . . 2, 83, 86, 190 Schichtenstr¨ omung . . 27, 30, 94, 155, 179ff Schießverfahren . . . . . . . . . . . . . 452 Schließbedingung . . . . . . . . 360, 417 Schmiegebene . . . . . . . . . . . . . . . 18 Schmierung –, hydrodynamische . . . . . . . . 157 Schr¨ ager Verdichtungsstoß . 314, 426ff Schreibweise –, gemischte . . . . . . . . . . . . . 508 Schubspannungsdeviator . . . . . . 217 Schubspannungsfunktion . . . . . . . 95 Schubspannungsgeschwindigkeit . 230 Schwacher Stoß . . . . . . . . . . . . . 428 Schwankungsbewegung . . . . 224, 225 Schwankungsgeschwindigkeit . . . 222 Schwarz-Christoffel-Transformation . . . . . . . . . . . 400ff Schwere –, Massenkraft der . . . . . . . . . . 40 –, Volumenkraft der . . . . . . . . 167 Schwerkraft –, Potential der . . . . . . . . . . . 162 Schwerpunkt der Wirbelst¨ arken . 146 Schwerpunktskoordinaten . . . . . 169 Sekund¨ arstr¨ omung . . . . . . . . . . 241 Senke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Senkrechter Verdichtungsstoß . . 314 Separation . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Separationsansatz . . . . . . . . . . . 194 Singul¨ ar . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

566

Index

Singul¨ are L¨ osung . . . . . . . Singul¨ arer Punkt . . . . . . . Singul¨ ares St¨ orungsproblem Skalar . . . . . . . . . . . . . . . Skalarprodukt . . . . . . . . . . Skelettlinie . . . . . . . . . . . . Sommerfeld-Randbedingung –, halbe . . . . . . . . . . . . Sommerfeld-Zahl . . . . . . . . Spannung –, Reynoldssche . . . . . . . Spannungstensor . . . . . . . . Spannungsvektor . . . . . . . . Spirale –, logarithmische . . . . . . Stabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . Stabilit¨ atsgrenze . . . . . . . . Starker Stoß . . . . . . . . . . . Station¨ ar . . . . . . . . . . . . . Statischer Druck . . . . . . . . Staupunkt . . . . . . . . . . . . Staupunkt-Grenzschicht –, instation¨ are . . . . . . . . Staupunktstr¨ omung –, ebene . . . . . . . . . . . . –, instation¨ are . . . . . . . . –, rotationssymmetrische St¨ orgeschwindigkeit . . . . . . St¨ orpotential . . . . . . . . . . St¨ orungsgleichung –, transsonische . . . . . . . St¨ orungsproblem –, singul¨ ares . . . . . . . . . St¨ orungsrechnung . . . . . . . Stokessche –, Hypothese . . . . . . . . . –, Stromfunktion . . . . . . Stokesscher Integralsatz . . . Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . –, abgel¨ oster . . . . . . . . . –, gekr¨ ummter . . . . . . . . –, reflektierter . . . . . . . . –, schwacher . . . . . . . . . –, starker . . . . . . . . . . . Stoß-Expansions-Theorie . . Stoßbeziehungen . . . . . . . . Stoßfestes System . . . . . . . Stoßfreie Anstr¨ omung . . . . Stoßfreier Eintritt . . . . . . .

. . . . . .

... ... 417, ... ... 414,

353 384 445 506 508 417

. . . . 255 . . . . 251 . 225, 232 . . . . . 43 . . . . . 40 . . . . . . .

. . . . . .

.. .. .. .. ... .. 351,

383 163 221 428 10 359 490

. . . . 457 . . . . .

. . . .

.. .. .. .. 422,

350 353 352 415 432

. . . . 422 . 417, 445 . . . . 414 . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

. 83 358 125 307 429 429 429 428 428 440ff 426 321 419 421

Stoßverlust –, Carnotscher . . . . . . . . . . . . 293 Stoßwinkel . . . . . . . . . . . . . 427–429 ampfer . . . . . . . . . . . . . . . 214 Stoßd¨ Strahlaufweitung . . . . . . . . . . . . . 86 Strahleinschn¨ urung . . . . . . . . . . 293 Strahlkontraktionsziffer . . . . . . 403ff Streichlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Str¨ omung –, ausgeglichene . . . . . . . . . . . 279 –, barotrope . . . . . . . . . . . . . 115 –, ebene . . . . . . . . . . . . . . . . 156 –, homenergetische . . . . . . . . . 148 –, homentrope . . . . . . . . . . . . 114 –, inkompressible . . . . . . . . 38, 103 –, isentrope . . . . . . . . . . . . . . 114 –, laminare . . . . . . . . . . . 108, 219 –, quasi-eindimensionale . . . . . 279 –, quasi-station¨ are . . . . . . . . . 198 –, reibungsfreie . . . . . . . . . . . 113 –, subsonische . . . . . . . . . . . . 346 –, supersonische . . . . . . . . . . . 346 –, transsonische . . . . . . . . 346, 429 –, turbulente . . . . . . . . . . . . . 219 –, viskometrische . . . . . . . . 29, 203 Stromfadentheorie . 14, 117, 156, 279ff Stromfunktion . . . 358, 385, 386, 485 –, Stokessche . . . . . . . . . . . . . 358 Stromlinie . . . . . . . . . . . . . . 10, 12 Stromr¨ ohre . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Strukturviskos . . . . . . . . . . . . . . 86 Stufenumstr¨ omung . . . . . . . . . . 402 Stummer Index . . . . . . . . . . . . . 505 Subsonisch . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Summationskonvention –, Einsteinsche . . . . . . . . . 43, 505 Supersonisch . . . . . . . . . . . . . . . 346 System –, stoßfestes . . . . . . . . . . . . . 321 T Tangenteneinheitsvektor Tangentialspannung . . . Taylor –, Entwicklung . . . . . –, Wirbel . . . . . . . . . Temperatur –, kritische . . . . . . . . –, lokale . . . . . . . . . .

. . . . 11, 288 . . . . . . . 40 . . . . . . . 18 . . . . . . 221 ........ 3 . . . . . . 305

Index –, totale . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Temperaturgrenzschicht . . . . . . 460 Temperaturleitzahl . . . . . . . 200, 461 Tensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 –, antisymmetrischer . . . . . . . 514 –, der Reibungsspannungen . . . 44 –, der virtuellen Massen . . . . . 378 –, kartesischer . . . . . . . . . . . . 505 –, objektiver . . . . . . . . . . . . . . 91 –, symmetrischer . . . . . . . . . . 514 Tensorkomponente . . . . . . . . . . 506 Tensorraum –, Dimension des . . . . . . . . . . 506 Theorem –, Lagrangesches . . . . . . . . . . 153 Theorie –, schlanker K¨ orper . . . . . . . . 156 Theorie kleiner St¨ orungen . . . . . 431 Thomsonscher Wirbelsatz . . . . . 121 Torricelli-Geschwindigkeit . . . . . 284 Torricellische Ausflußformel . . . . 282 Tr¨ agheitskraft . . . . . . . . . . . . 49, 371 Tragfl¨ ugelprofil . . . . . . . . . . . . . 408 Tragkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Transformationsgesetz . . . . . . . . 510 Translationsstr¨ omung . . . . . 349, 386 Transporteigenschaften . . . . . . . . . 6 Transporttheorem –, Reynoldssches . . . . . . . . . . . 34 Transsonisch . . . . . . . . . . . . . . . 346 Transsonische Str¨ omung . . . . . . 429 Trouton-Viskosit¨ at . . . . . . . . . . 295 Turbinengleichung –, Eulersche . . . . . . . . . 49, 66, 67 Turboarbeitsmaschine . . . . . . . . . 58 Turbokraftmaschine . . . . . . . . . . 58 Turbomaschine . . . . . . . . . . . . . . 58 Turbulent . . . . . . . . . . . . . . 108, 219 Turbulenzballen . . . . . . . . . 224, 233 Turbulenzmodell . . . . . 226, 474, 475 U U-Rohr-Manometer . . . . . ¨ Ubergeschwindigkeiten .. ¨ Ubergangsbereich ...... ¨ Uberschallgeschwindigkeit ¨ Uberschallstr¨ omung . . . . –, lineare . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . .

165 363 237 307 425ff . 156

¨ Uberschallstr¨ omungen –, lineare . . . . . . . . . Umfangsgeschwindigkeit Umlenkgitter . . . . . . . Umschlagpunkt . . . . . . Umschlagstrecke . . . . . Unstetigkeitsfl¨ ache . . . Unterschicht –, viskose . . . . . . . .

.. . .. .. .. ..

. . . . . .

. . . . . .

. . . . .

.. ... ... .. .. 122,

567

433 52 59 476 476 154

225, 232, 237

V Vakuum . . . . . . . . . . . . . . . 304, 438 Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 –, Poyntingscher . . . . . . . . . . . 70 Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . 508 Verdichtungsstoß . . . . . . . . . 6, 314ff –, gerader . . . . . . . . . . . . . . . 308 –, schr¨ ager . . . . . . . . . . 314, 426ff –, senkrechter . . . . . . . . . . . . 314 Verdr¨ angungsdicke . . . . . . 453, 470ff Verd¨ unnungsstoß . . . . . . . . . . . 316 Verd¨ unnungswelle . . . . . . . . . . . 329 Verj¨ ungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 Verlustziffer . . . . . . . . 190, 192, 285 Vermischungsvorgang . . . . . . . . 294 Vertr¨ aglichkeitsbedingungen . . . 324 Verzerrungstensor . . . . . . . . . . . . 20 –, Almansischer . . . . . . . . . . . . 98 –, Greenscher . . . . . . . . . . . . . 97 Verz¨ ogerungsgitter . . . . . . . . . . . 59 Viskometrisch . . . . . . . . . . . . 29, 203 Viskometrische Str¨ omung . . . . . 203 Viskose –, L¨ ange . . . . . . . . . . . . . 109, 230 –, Unterschicht . . . . 225, 232, 237 Viskosimeter . . . . . . . . . . . . . . . 203 Viskosit¨ at –, Trouton . . . . . . . . . . . . . . . 295 Viskosit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . 1, 7ff –, dynamische . . . . . . . . . . . . . 83 –, kinematische . . . . . . . . . . . . 83 Vollkommen rauh . . . . . . . . . . . 242 Volumen –, materielles . . . . . . . . . . . . . . 31 –, spezifisches . . . . . . . . . . 32, 72 Volumenbest¨ andig . . . . . . . . . . . . 25 Volumenelement . . . . . . . . . . . . 518 Volumenfluß . . . . . . . . . . . . . . . 385 Volumenkraft . . . . . . . . . . . . 39, 46

568

Index

–, Potential der . . . . . . . . . 46, 162 –, der Schwere . . . . . . . . . . . . 167 Volumenstrom . . . . . . . . . . . . . . 63 W W¨ armefluß . . . . . . . . . . W¨ armekonduktion . . . . W¨ armeleitf¨ ahigkeit . . . . W¨ armeleitung . . . . . . . . W¨ armestrahlung . . . . . . W¨ armestrom . . . . . . . . W¨ armestromvektor . . . . –, turbulenter . . . . . . W¨ arme¨ ubergangsproblem Wandgesetz . . . . . . . . . –, Logarithmisches . . . Wandrauhigkeit . . . . . . Wegl¨ ange –, freie . . . . . . . . . . . Weissenbergeffekt . . . . . Welle –, Machsche . . . . . . . –, einfache . . . . . . . . . Wellengleichung . . . . . . Widerstand –, induzierter . . . . . . . Widerstandsbeiwert . . . Widerstandsformel . . . . –, Colebrookesche . . . Widerstandsgesetz . . . . –, Blasiussches . . . . . . Widerstandszahl . . . . . . Winkel –, Machscher . . . . . . . Wirbel –, freier . . . . . . . . . . . –, gebundener . . . . . . Wirbeldynamik . . . . . . . Wirbelfaden . . . . . . . . . –, geradliniger . . . . . . Wirbelfl¨ ache . . . . . . . . . Wirbelfrei . . . . . . . . . . . Wirbelintensit¨ at . . . . . . Wirbellinie . . . . . . . . . . Wirbelquelle . . . . . . . . . Wirbelr¨ ohre . . . . . . . . . Wirbelsatz –, Croccoscher . . . . . . –, Helmholtzscher . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . . . .. .. ..

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

.. .. ... 7, ... ... 70, .. .. 230, 235ff, ....

226 162 84 200 70 70 464 227 462 474 478 241

........ 4 . . . . . . . 86 . . . . . . 440 . . . . . . 436 . . . 339, 432 ...... 85, 372, ...... ...... ...... ...... ......

139 434 481 243 240 454 190

. . . . . . 425 . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

.. .. .. .. .. ... ... .. 24, .. 24,

124 124 144 128 380 24 23 417 126 383 126

. . . 149, 435 . . 107, 121ff

–, Thomsonscher . . . . . . . . . . 121 –, dritter Helmholtzscher . . . . 146 –, erster Helmholtzscher . 126, 127, 138 –, zweiter Helmholtzscher . . . . 142 Wirbelschicht . . . . . . . . . . . . . . 417 Wirbelsenke . . . . . . . . . . . . . . . 383 Wirbelst¨ arke . . . . . . . . . . . . . . . 127 Wirbelstraße . . . . . . . . . . . . . . . 372 Wirbeltransportgleichung . . . . . 104 Wirbelvektor . . . . . . . . . . . . 23, 107 Wirbelverteilung . . . . . . . . . . . . 417 at . . . . . 232, 234, 474 Wirbelviskosit¨ Wirbelzahl –, dynamische . . . . . . . . . . . . . 30 –, kinematische . . . . . . . . . . . . 30 Z Z¨ ahigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 –, kinematische . . . . . . . . . . . . 83 Zahl –, Eckertsche . . . . . . . . . . . . . 462 –, Grashofsche . . . . . . . . . . . . 467 –, Loschmidtsche . . . . . . . . . 5, 87 –, Machsche . . . . . . . . . . 158, 300 –, Prandtlsche . . . . . 158, 460, 469 –, Reynoldssche . . . . . 85, 108, 109 –, Sommerfeldsche . . . . . . . . . 251 Zeitableitung –, allgemeine . . . . . . . . . . . . . . 17 Zentrifugalkraft . . . . . . . . . . 49, 54 Zentripetalbeschleunigung . . . 49, 187 Zentripetalkraft . . . . . . . . . . . . . 49 Zirkulation . . . . . . . . . . 36, 63, 120ff Zirkulationstheorem –, Kelvinsches . . . . . . . . . . . . 121 Zufallsgr¨ oßen . . . . . . . . . . . . . . 222 Zustandsgleichung . . . . . . . . . . 4, 76 –, fundamentale . . . . . . . . . . . . 77 –, kalorische . . . . . . . . . . . . . . 77 –, kanonische . . . . . . . . . . . . . . 77 –, thermische . . . . . . . . . . . . . . 76 Zustandsgr¨ oßen . . . . . . . . . . . . . . 76 Zwei-Viskosit¨ aten-Modell . . . . . 100 Zweiphasenstr¨ omung . . . . . . . . . 254 Zweite Greensche Formel . . . . . . 131 Zweites Blasius-Theorem . . . . . . 395 Zweites Newtonsches Gesetz 146, 374 Zylinderumstr¨ omung . . 408, 410, 499

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