138 25 2MB
German Pages 263 Year 2009
Nuria Martín Pérez Service Center Organisation
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Nuria Martín Pérez
Service Center Organisation Neue Formen der Steuerung von internen Dienstleistungen unter besonderer Berücksichtigung von Shared Services
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Alexander Gerybadze
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Hohenheim, 2008 D 100
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Loyal Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1270-1
Geleitwort Wachstums- und Internationalisierungsprozesse von Unternehmen gehen zumeist mit einer starken Ausweitung von unterstützenden Dienstleistungen einher. Diese zählen aber häufig nicht zum Kerngeschäft und werden „nebenbei“ und oftmals nicht auf höchstem Leistungsniveau betrieben. Entsprechend kommt es häufig zu einer starken Ausweitung von internen Servicekosten, zu unkontrollierbaren Overheads, zur Ablenkung des Managements von Kernaufgaben im Markt und zu entsprechend negativen Folgewirkungen für Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität. Im Zuge einer verstärkten Konzentration auf Kernkompetenzen und primär wertschöpfenden Leistungen haben viele Unternehmen in den letzten Jahren ihre internen Dienstleistungsbereiche systematisch durchforstet und neue Organisationsformen gesucht. Zum einen wurden neue Formen der Verlagerung auf Dritte, des Service-Outsourcing und vielfältige Modelle der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistern gesucht. Zum andern hat man neue Strukturen und Prozesse des Servicemanagements im Unternehmen geschaffen. In diesem Zusammenhang ist die Bildung von Shared Service Centers hervorzuheben, die zuerst in angelsächsischen Ländern Verbreitung fanden, in den letzten Jahren aber immer stärker in deutschen Unternehmen Einzug hielten. Die Arbeit von Nuria Martín Pérez beschreibt die Entwicklung und Durchsetzung dieses ausgesprochen interessanten Organisationsmodells. Interne Servicecenter-Strukturen wurden bislang im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Forschung zumeist nur unter dem Gesichtspunkt von Zentralisierung und Dezentralisierung oder aber unter dem Aspekt Eigenerstellung vs. Fremdbezug (Service Make-or-buy) behandelt. Es gibt mittlerweile vielfältige neue Zwischenformen und Dienstleistungs-Innovationen, die im Rahmen gängiger betriebswirtschaftlicher Ansätze nicht präzise genug analysiert werden können. Somit besteht nach wie vor ein hoher Bedarf an betriebswirtschaftlichen Analysetools, die geeignet sind, die differenzierten Formen der Serviceinnovation systematisch auf ihre Vor- und Nachteile hin zu überprüfen. Die Aufarbeitung der vielfältigen Formen von Shared Service Centers, ihrer wichtigsten Anwendungsbereiche und ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile ist das besondere Verdienst der vorliegenden Studie. Der gewählte Forschungsansatz ist empirisch-induktiver Natur und basiert auf qualitativ angelegten Fallstudien, die profund recherchiert und dokumentiert wurden. Aufbauend auf diesen empirischen Arbeiten entwickelt die Autorin eine Systematik für die Analyse verschiedener Formen des Servicemanagements in internationalen Konzernen. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Organisation von Shared Service Centers gelegt, die in den letzten Jahren zunehmend Verbreitung in Deutschland gefunden haben. Nuria Martín Pérez erschließt damit ein besonders wichtiges Thema der neueren organisations-wissenschaftlichen Forschung, das bislang noch nicht mit einer vergleichbaren Systematik behandelt wurde. Während Shared Service Centers in amerikanischen und britischen Unternehmen bereits frühzeitig etabliert, aber häufig nur durch Consultingfirmen dokumentiert wurden, fehlt bislang noch die profunde organisationswissenschaftliche Durchdringung und die Dokumentation der neueren Erfahrungen bei der Anwendung in deutschen Unternehmen. Die Autorin beschreibt in einV
gehender und sehr verständlicher Weise den Prozess der Durchsetzung von Shared Service Centern im deutschsprachigem Raum. Nuria Martín Pérez hat beispielgebende Vorreiter-Unternehmen identifiziert und in diesen systematische Feldforschung betrieben und die Ergebnisse in ausgesprochen lesenswerten Case Studies zusammengefasst. Die Prozesse der Implementierung von Shared Service Centers werden in den ausgewählten Referenz-Unternehmen prägnant beschrieben, überzeugend wissenschaftlich durchdrungen und zugleich kritisch hinterfragt. Während vergleichbare Studien zur neueren Dienstleistungsorganisation sich oft auf Deskription beschränken, leistet die vorliegende Publikation zudem auch einen wichtigen Beitrag für die theoretische Fundierung. Beispielhaft gelungen ist die Aufarbeitung des neueren Transaktionskostenansatzes und dessen Fortentwicklung für die Analyse der Leistungstiefengestaltung und –optimierung für interne Dienstleistungseinheiten. Diese theoretische Fundierung ist ausgesprochen nützlich für die weitere Forschung zum Dienstleistungsmanagement. Aufbauend auf diesen empirischen und theoretischen Vorarbeiten entwickelt die Autorin ein sehr interessantes Strukturierungsmodell. Die dafür erarbeitete Methodik des Projektmanagements für Shared Service Centers und andere Serviceeinheiten ist sehr innovativ, ausgesprochen nützlich und für vielfältige Anwendungen in der Praxis geeignet. Damit gelingt ihr der Brückenschlag zwischen solider betriebswirtschaftlicher Forschung, systematischer empirischer Arbeit, Theoriebildung und konsequenter Gestaltungsempfehlung. Die Studie von Nuria Martín Pérez, die als Dissertation am Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID) der Universität Hohenheim entstand, bietet eine aktuelle und sehr systematische Übersicht über diese vielversprechende neue Organisationsform. Alle, die sich mit der Einführung von Shared Service Centers in Unternehmen befassen, aber auch Studierende und organisationswissenschaftliche Forscher, werden aus dieser Publikation großen Gewinn ziehen.
Prof. Dr. Alexander Gerybadze
VI
Vorwort Umbauprozesse in Großkonzernen werden immer häufiger kompetenzorientiert durchgeführt. Das Ergebnis eines sogenannten „Rekonfigurierungsprozesses“ sollten klar gegliederte Organisationseinheiten sein, die sich, im Sinne einer strategiefokussierten Organisation, auf unterschiedliche Aktivitäten und Fähigkeiten konzentrieren. Ausgangspunkt der Dissertation ist die Feststellung, dass in der Praxis, vor allem bei kernkompetenzorientierten Konzernen, ein immer größeres Bedürfnis entsteht, nicht nur operative Produktionsprozesse zu optimieren, sondern gleichzeitig unternehmensinterne, unterstützende Dienstleistungsprozesse zu bündeln und neu zu konfigurieren. Für die Koordination interner Prozesse sind effiziente unternehmensinterne Dienstleister unabdingbar, die oft als „Macher im Hintergrund“ bezeichnet werden. Internen Dienstleistern wird jedoch häufig eine fehlende unternehmensinterne Markt- und Kundenorientierung sowie ein unattraktives und zu teures Service-Angebot vorgeworfen. Dennoch werden der Wert und die Bedeutung der internen Dienste häufig unterschätzt; denn die Tatsache, ob etwas „Wert schafft“ oder nicht hängt vor allem davon ab, wie der Dienstleistungs- erbringungsprozess organisiert und gesteuert wird. Infolgedessen sind neuartige Formen des internen Dienstleistungsmanagements zu entwickeln, um einen möglichst hohen Wertbeitrag aus den unternehmensinternen Services herauszuholen. Die herkömmliche Lösung für die Bewältigung von Unterstützungsaufgaben war traditionellerweise die Bildung bestimmter Zentralbereiche. In der heutigen Praxis findet jedoch die Bündelung unternehmensinterner Dienstleistungen immer häufiger in Form von Centereinheiten statt. Die Bildung von Center Strukturen ist Ausdruck einer markt- und wettbewerbsorientierten Tendenz bei der strategischen Gestaltung von Supporteinheiten. Strategiefokussierte Konzerne sind auf der Suche nach solchen innovativen Organisationsformen, die ihnen weiterhin eine strategische Ausrichtung auf werthaltige und wettbewerbsrelevante Kernfähigkeiten und Kerngeschäfte ermöglichen. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein relativ neuer, aus der Praxis entstandener, Centeransatz analysiert, das „Shared Service Center Konzept“. Dieses innovative Konzept, soll hier sowohl praxisnah als auch theoretisch analysiert werden. Auf seine besonders relevante Rolle bei der organisatorischen Ausgestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation in strategiefokussierten Konzernen wird ebenfalls näher eingegangen.
Zum Entstehen und Gelingen dieser Arbeit, die im Januar 2007 an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hohenheim als Dissertation eingereicht und angenommen wurde, haben natürlich zahlreiche Personen beigetragen, denen ich im folgenden meinen Dank zollen und tiefen Respekt aussprechen möchte. Die Arbeit entstand während meiner Zeit als Doktorandin am Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID) der Universität Hohenheim. Mein Dank für das Zustandekommen dieser Arbeit gebührt deshalb an erster Stelle meinem Doktorvater und Vorstandsmitglied
VII
des Forschungszentrums, Herrn Prof. Dr. Alexander Gerybadze zum einen, für die stets kontinuierliche Förderung und fachliche Betreuung meiner Dissertation sowie zum anderen für seine kreativen Anstöße und den eingeräumten Freiraum bei der Bearbeitung des Themas. Prof. Dr. Mareike Schoop danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und für das gezeigte Interesse an meiner Arbeit. Besonderen Dank zolle ich ebenfalls den Interviewpartnern der im Rahmen meiner Arbeit analysierten Großkonzerne. Aufgrund der empirisch-basierten Natur der Dissertation wäre diese ohne ihre stets unkomplizierte und offene Unterstützung, sowie ihre Diskussionsbereitschaft in der vorliegenden Form nicht realisierbar gewesen. Ganz besonders möchte ich mich in diesem Zusammenhang bei Herrn Gerhard Weipprecht von der Metro AG bedanken, der sich während des gesamten Forschungszeitraums stets Zeit für die „Wissenschaft“ genommen hat. Dank schulde ich auch Herrn Dr. Michael Berger der Bayer AG, der mir einen mehrwöchigen Aufenthalt bei der Konzernzentrale zur Analyse des Einführungsprozesses von Shared Service Centers ermöglicht hat. Danken möchte ich natürlich auch allen Mitarbeitern am Lehrstuhl für Internationales Management und am Forschungszentrum, insbesondere Herrn Michael Stephan für die langen und intensiven Diskussionen. Mein besonderer Dank gilt vor allem aber für Frau Barbara Ungerer, unsere „gute Seele“ am Lehrstuhl, die mich mit ihrem freundlichen Lächeln stets unterstützt und motiviert hat. Mein besonderer Dank gilt jedoch meinem Ehemann Nico Ruse und meinen Schwiegereltern, nicht nur für ihre seelische und moralische Unterstützung während der Dissertationszeit, sondern auch für ihre Mühe des finalen Korrekturlesens. Zu Dank verpflichtet bin ich auch meinen Eltern. Ihre hohe Bereitschaft, die universitäre Ausbildung und den weiteren wissenschaftlichen Werdegang ihrer Tochter im Ausland zu unterstützen, hat letztendlich das Entstehen dieser Arbeit erst ermöglicht.
Nuria Martín Pérez
VIII
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis....................................................................................................
XIII
Tabellenverzeichnis..........................................................................................................
XV
Abkürzungsverzeichnis................................................................................................... XVII 1. Einführung....................................................................................................................
1
1.1 Auf dem Weg zur Rekonfigurierung und Bündelung von internen Dienstleistungen in Großkonzernen...................................................................
2
1.2 Bisherige Untersuchungen zum Thema Management interner Dienstleistungen...................................................................................................
5
1.3 Forschungslücke..................................................................................................
14
1.4 Konkretisierung des Analysefokus und Präzisierung der relevanten Terminologie.........................................................................................................
15
1.4.1 Innovative Modelle des internen Dienstleistungsmanagements....................
16
1.4.2 Analysefokus..................................................................................................
19
1.5 Forschungskonzeption und Aufbau der Arbeit.................................................
20
2. Das Shared Service Center Konzept: eine alternative Organisationsform interner Dienstleistungen im Konzern.......................................................................
23
2.1 Zur zunehmenden Verbreitung und Bedeutung von Shared Service Centern..................................................................................................................
23
2.2 Typologisierung und Lokalisierung von Shared Service Centern...................
25
2.2.1 Definition........................................................................................................
25
2.2.2 Historischer Überblick....................................................................................
26
2.2.3 Merkmale eines Shared Service Centers………………………………………
28
2.2.3.1 Ziele eines Shared Service Centers...................................................
28
2.2.3.2 Risiken eines Shared Service Centers…...........................................
30
2.2.3.3 Organisatorische Merkmale eines Shared Service Centers…...........
31
2.3 Definitorische Abgrenzung: Shared Service Center versus alternative Formen der Organisation interner Dienstleistungen.........................................
38
2.3.1 Shared Service Center versus Outsourcing……………………………………
38
2.3.2 Shared Service Center versus Zentralbereiche……………………………….
40
2.3.3 Shared Service Center versus “Dedicated” Services………………………....
42
3. Shared Services:„State-of-the-art“ der modernen Dienstleistungsorganisation? Erste empirische Ergebnisse......................................................................................
45
3.1 Konzeption und Methodik der Datenerhebung..................................................
47
3.2 Organisatorische Merkmale der analysierten Unternehmen............................
50
3.2.1 Gründe für die Einführung von Shared Service Centern................................
51
3.2.2 Aufbau- und Implementierungsprozess.........................................................
53 IX
3.2.3 Funktionsmechanismus………………………………………………………....
59
3.2.4 Qualitäts- und Erfolgsmessung......................................................................
65
3.2.5 Zusammenfassende Ergebnisse....................................................................
67
3.3 Internationaler Vergleich zum Aufbau und zur Implementierung von Shared Service Centern ....................................................................................................
68
3.3.1 Verfolgte Ziele…............................................................................................
69
3.3.2 Standortfrage.................................................................................................
71
3.3.3 „Governance Structure“......……....................................................................
74
3.3.4 Implementierungszeitraum und –strategie.....................................................
75
3.3.5 Zusammenfassende Ergebnisse....................................................................
77
4. Fallstudien zur Rekonfigurierung und Bündelung von internen Serviceleistungen in Großkonzernen.........................................................................
78
4.1 Bayer Business Services GmbH: Strategisches Management zum Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation.......................................................
80
4.1.1 Gründe für den Reorganisationsprozess auf Konzern- und auf Serviceebene.............................................................................................................
81
4.1.2 Der Aufbauprozess der Bayer Business Services GmbH..............................
86
4.1.3 Der Aufbauprozess eines Shared Service Centers: Strategische Implikationen und kritische Beurteilung..........................................................
92
4.1.4 Zusammenfassende Ergebnisse...................................................................
96
4.2 Agilent Technologies Inc.: Aufbau einer effizienten internen Dienstleistungs-organisation nach der Absplittung von Hewlett Packard.....
97
4.2.1 Der Spin-Off Prozess und die neue Ausgestaltung der internen Services.....
98
4.2.2 Die neue Organisation und Steuerung der IT-Services.................................
99
4.2.3 Kritische Bewertung der IT-Services.............................................................. 103 4.2.4 Zusammenfassende Ergebnisse.................................................................... 104 4.3 Metro Group Facility Services GmbH: Steuerung und Lenkung von internen Umweltdienstleistungen im Handelskonzern.....................................
105
4.3.1 Der Handelskonzern Metro Group: ein Überblick..........................................
105
4.3.2 Metro Group Facility Services GmbH: ein Shared Service Center im Abfallund Entsorgungsbereich................................................................................ 108 4.3.2.1 Einfluss gesetzlicher Bestimmungen auf den unternehmerischen Entsorgungsprozess........................................................................... 109 4.3.2.2 Aufbauprozess der Metro Group Facility Services............................. 111 4.3.2.3 Organisation der Metro Group Facility Services........…………….….. 113 4.3.2.4 Integrierte Entsorgung und Vermarktung........................................... 116 4.3.2.5 Der MFS-Kreislauf: ein erfolgreiches Organisationskonzept.............. 119 4.3.2.6 Problemfelder und Widerstände bei der Konzeptimplementierung.... 122 4.3.3 Entwicklungsmöglichkeiten eines intern ausgerichteten Shared Service Centers........................................................................................................... 123 4.3.4 Zusammenfassende Ergebnisse.................................................................... 125 X
4.4 Erkenntnisse für die weitere Untersuchung des Managements interner Dienstleistungen im Konzern..............................................................................
127
5. Theoretische Modelle zum strategischen Aufbau und zur Steuerung von internen Services in Großkonzernen.........................................................................
129
5.1 Die Transaktionskostentheorie als Erklärungsansatz für den Aufbau interner Dienstleistungen..................................................................................... 130 5.1.1 Historischer Hintergrund und Erkenntnisziel.................................................. 131 5.1.2 Relevante Bausteine für die Untersuchung interner Dienstleistungen........... 132 5.1.2.1 Transaktionskosten und Leistungstiefenoptimierung......................... 132 5.1.2.2 Verhaltensannahmen und Rahmenbedingungen der Transaktion..... 134 5.1.2.3 Bestimmende Einflussfaktoren von Transaktionen............................ 136 5.1.3 Handlungsempfehlungen............................................................................... 142 5.2 Die Ressourcenbasierte Theorie als Erklärungsansatz für den Aufbau interner Dienstleistungen..................................................................................... 149 5.2.1 Historischer Hintergrund und Erkenntnisziel.................................................. 149 5.2.2 Relevante Ressourcen für die Gestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation........................................................................... 151 5.2.3 Kompetenzen und Kernkompetenzen für den Aufbau interner Services....... 154 5.2.4 „Dynamic Capabilities“ und die interne Dienstleistungsorganisation.............
159
5.2.5 Strategische Implikationen............................................................................. 162 5.3 Die Wertorientierte Theorie als Erklärungsansatz für die Steuerung interner Dienstleistungen................................................................................................... 164 5.3.1 Hintergrund und Erkenntnisziel...................................................................... 164 5.3.2 Problematik bei der Messung des Wertbeitrags interner Dienstleistungen.... 167 5.3.3 Strategische Schritte zur wertorientierten Steuerung interner Dienstleistungen............................................................................................. 167 5.3.3.1 Wertorientiertes Geschäftskonzept.................................................... 167 5.3.3.2 Identifikation und Analyse von Werttreibern....................................... 169 5.3.3.3 Wertorientierte Steuerungsinstrumente.............................................. 171 5.3.3.4 Interaktive Wertschöpfung: die Rolle des internen Kunden im Leistungserstellungsprozess.............................................................. 177 5.3.4 Strategische Implikationen............................................................................. 180 6. Strukturierungsansatz zur Erklärung des Aufbaus und der Steuerung interner Dienstleistungen.......................................................................................................... 182 6.1 Projektmanagement als Grundinstrument zum Aufbau interner Services...... 182 6.1.1 „Project Capabilities“.....................................................................................
184
6.1.2 Annahmen zum Strukturierungsansatz………............................................... 186 6.2 Identifikation der Haupttreiber für die Einführung von differenzierten Service-Strukturen: Analyse der Ist-Situation...................................................
186
6.3 Akteure im Reorganisationsprozess..................................................................
187 XI
6.4 Strategische Stoßrichtung: Klärung konzeptioneller Fragestellungen...........
188
6.5 Strukturierungsansatz zum Aufbau und zur Steuerung von Shared Services.................................................................................................................
190
6.5.1 Festlegung von Projektzielen und Projektstrategien...................................... 191 6.5.2 Prozesskonzeption und Prozessablauf: der Meilensteinplan......................... 192 6.5.3 Modularisierung und Aufgabenanalyse: Dekomposition von Serviceleistungen und deren integrative Zusammenführung......................... 192 6.5.3.1 Kritische Einflussfaktoren zur Optimierung der Aufbaustruktur.......... 194 6.5.3.2 Handlungsempfehlungen für den Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation...............................................................
196
6.5.4 Kompetenzfestlegung und Ressourcenallokationsprozess............................ 200 6.5.5 Organisation und Steuerung.......................................................................... 201 6.5.6 Performance Evaluation: Der Review-Prozess.........................................….
202
6.6 Integrierter Ansatz zur Gestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation im Konzern...................................................................................... 203 7. Gestaltungsempfehlungen für das Shared Service Center Konzept und Weiterentwicklungsmöglichkeiten............................................................................. 207 7.1 Phänotypen des Shared Service Center Konzepts............................................ 208 7.2 Empirische Entwicklungsmuster und Gestaltungsempfehlungen................... 212 7.3 Neue Trends in der internen Dienstleistungsorganisation............................... 218 7.3.1 Service Offshoring und Internationalisierung von Shared Service Centern... 218 7.3.2 Business Process Outsourcing...........................…........................................ 222 8. Schlussbetrachtung..................................................................................................... 225 8.1 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse................................................ 225 8.2 Kritische Würdigung und Ableitung von Ansatzpunkten für die weitere Forschung.............................................................................................................
230
Literaturverzeichnis.................................................................................................... 233
XII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1:
Interne Serviceeinheiten einer fokussierten Organisation..................
19
Abbildung 1.2:
Aufbau der Arbeit...............................................................................
22
Abbildung 2.1:
Ziele für die Gründung eines Shared Service Centers......................
30
Abbildung 2.2:
Mögliche Prozesse in einem Shared Service Center.........................
32
Abbildung 2.3:
Gestaltungsvarianten von Shared Service Centern…………………..
35
Abbildung 3.1:
Gründe für die Einführung von Shared Service Centern….…………
51
Abbildung 3.2:
Gestaltungsalternativen......................................................................
54
Abbildung 3.3:
Unifunktionales versus multifunktionales Shared Service Center......
56
Abbildung 3.4:
Implementierungsstrategie........….....................................................
57
Abbildung 3.5:
Zeitlicher Entwicklungsprozess eines Shared Service Centers.........
58
Abbildung 3.6:
Steuerungskonzept............................................................................
60
Abbildung 3.7:
Leistungsverrechnungsmethode........................................................
61
Abbildung 3.8:
Verrechnungspreismodalität..............................................................
62
Abbildung 3.9:
Anwendung von Service-Level-Agreements......................................
63
Abbildung 3.10:
Kontrahierungszwang.........................................................................
64
Abbildung 3.11:
Methoden zur Qualitäts- und Erfolgsmessung...................................
66
Abbildung 3.12:
„Business Drivers“ Europa versus Nordamerika................................
69
Abbildung 3.13:
Erwartete und tatsächlich erzielte Kosteneinsparungen....................
70
Abbildung 3.14:
Standortfaktoren.................................................................................
72
Abbildung 3.15:
Reporting-Ebenen..............................................................................
74
Abbildung 3.16:
Implementierungszeitraum.................................................................
76
Abbildung 4.1:
Organisationsstruktur der Bayer AG als Stammhauskonzern............
82
Abbildung 4.2:
„The New Bayer“ Organisationsstruktur (Stand 1. Juli 02).................
84
Abbildung 4.3:
„The New Bayer“ Organisationsstruktur (Stand 1. Februar 05)..........
85
Abbildung 4.4:
Projektplan zum Aufbauprozess der Bayer Business Services.........
88
Abbildung 4.5:
„Business Process” Philosophie der Bayer Business Services……...
89
Abbildung 4.6:
Strategische Trennung der Geschäftsbereiche vor dem Spin-Off......
98
Abbildung 4.7:
Übersicht Unternehmensbereich IT.................................................... 101
Abbildung 4.8:
Budgetplanung bei Agilent................................................................. 102
Abbildung 4.9:
Organisationsstruktur der Metro Group.............................................. 106
Abbildung 4.10:
Kategorisierung von Abfallarten......................................................... 110
Abbildung 4.11:
Organigramm der MFS....................................................................... 113
Abbildung 4.12:
Vertragspartner der MFS.................................................................... 114
Abbildung 4.13:
Konzept der integrierten Entsorgung.................................................. 118
Abbildung 4.14:
Konzept der integrierteVermarktung..................................................
Abbildung 4.15:
Der organisatorische „MFS-Kreislauf................................................. 120
119
XIII
Abbildung 4.16:
Immobilienkompetenz der Metro Group Asset Management............. 125
Abbildung 5.1:
Zusammenhang zwischen Transaktionskosten, Spezifitätsgrad und Koordinationsform.............................................................................. 138
Abbildung 5.2:
Zusammenhang zwischen Leistungsmerkmale und Einbindungsform................................................................................ 143
Abbildung 5.3:
Spezifität-Unsicherheit-Portfolio......................................................... 144
Abbildung 5.4:
Strategieempfehlungen unter Berücksichtigung von Ein- und Auslagerungsbarrieren....................................................................... 145
Abbildung 5.5:
Ressourcenarten (insb. intangible Ressourcen)……………………… 152
Abbildung 5.6:
Schichtenmodell der Kompetenzen („Kompetenzzwiebel“)..............
155
Abbildung 5.7:
„Kompetenzbaum“ der Metro Group Facility Services..............….....
157
Abbildung 5.8:
Ressourcenkategorien....................................................................... 160
Abbildung 5.9:
Werttreiberbaum eines Shared Service Centers im Personalbereich 170
Abbildung 5.10:
Steuerung mit der Balanced Scorecard bei Shared Service Centern 177
Abbildung 6.1:
„Organisational capabilities“ eines Unternehmens............................. 185
Abbildung 6.2:
Akteure im Aufbauprozess einer internen Service-Organisation.......
Abbildung 6.3:
Strukturierungsansatz zum Aufbau von Shared Service Centern...... 191
Abbildung 6.4:
Kritische Faktoren zur Bestimmung von Shared Services................. 197
Abbildung 6.5:
Kritische Faktoren zur Bestimmung von Headquarter Services......... 198
Abbildung 6.6:
Kritische Faktoren zur Bestimmung Dedicated Services...................
Abbildung 6.7:
Projektablauf bei der Einführung von Shared Service Centern.......... 203
Abbildung 6.8:
Integrierter Ansatz zur Gestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation............................................................... 205
Abbildung 7.1:
Typologie zum Shared Service Center Konzept................................
209
Abbildung 7.2:
Empirische Entwicklungsmuster und Gestaltungsempfehlungen......
216
Abbildung 7.3:
Definition von Offshoring nach der OECD.......................................... 219
Abbildung 7.4:
Offshoring-Treiber bei Finanzdienstleistern....................................... 220
Abbildung 7.5:
Befürwortete Offshoring-Standorte bei Finanzdienstleistern.............. 221
XIV
188
199
Tabellenverzeichnis Tabelle 2.1:
Shared Service Center versus Outsourcing...................……………..
42
Tabelle 2.2:
Shared Service Center versus Zentralisierung...................................
43
Tabelle 2.3:
Shared Service Center versus Dedicated Services.......................….
46
Tabelle 3.1:
Charakterisierung der ausgewählten Unternehmen (Stand 2005).....
48
Tabelle 4.1:
Clusterungsprozess zur Bildung von neuen Geschäftsbereichen in der Bayer Business Services.............................................................
95
Tabelle 4.2:
Wertbeitrag der MFS für den gesamten Metrokonzern...................... 127
XV
Abkürzungsverzeichnis AzV
Abfall zur Verwertung
AzB
Abfall zur Beseitigung
AG
Aktiengesellschaft
BPO
Business Process Outsourcing
bspw.
beispielsweise
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CBO
Chief Business Officer
CEO
Chief Executive Officer
COO
Chief Operative Officer
d. h.
das heißt
DCS
Dedicated Services
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
et al.
et alter
etc.
et cetera
f.
folgende Seite
ff.
folgende Seiten
F&E
Forschung und Entwicklung
GIO
Global Infrastructure Organisation
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
H&P
Horváth & Partners
HP
Hewlett Packard
HQS
Headquarter Services
HR
Human Ressources
Hrsg.
Herausgeber
i. e. S.
im engeren Sinne
i. w. S.
im weiteren Sinne
IfM
Institut für Mittelstandsforschung
Inc.
Incorporated
IT
Informationstechnologie
Jg.
Jahrgang
K. A.
Keine Angaben
KBIS
Knowlegde Intensive Business Services
KPI
Key Performance Indicator
KrW-/AbfG
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz XVII
LHS
Lufthansa Systems
Ltd.
Limited
M&A
Mergers & Acquisitions
MA
Massachusetts
MAM
Metro Group Asset Management GmbH
MERIT
Maastricht Economic and Social Research and Training Centre on Innovation and Technology
MFS
Metro Group Facility Services GmbH
Mio.
Millionen
MIT
Massachusetts Institute of Technology
Mrd.
Milliarden
MWCS
Metro Wertstoff-Circle Services GmbH
No.
Numero
Nr.
Nummer
o. V.
ohne Verfasser
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development
p.
page
pp.
pages
PC
Personal Computer
PPK
Papier, Pappe, Kartonage
PREST
Policy Research in Engineering, Science and Technology
S.
Seite
SGE
Strategische Geschäftseinheit
SLA
Service-Level-Agreement
Sp.
Spalte
SSC
Shared Service Center
&
und
u. a.
unter anderem
UMIST
University of Manchester
USA
United States of America
Vgl.
Vergleiche
Vol.
Volume
VP
Verrechnungspreise
vs.
versus
WiSt.
Wirtschaftswissenschaftliches Studium
z. B.
zum Beispiel
ZfO
Zeitschrift für Organisation
XVIII
1
Einführung
Weltweite wirtschaftliche, gesellschaftliche sowie technologische Veränderungsprozesse erhöhen die Marktdynamik und stellen verstärkte Wettbewerbsanforderungen an Unternehmen dar. Diese Veränderungen wirken sich vor allem in Form organisatorischer Anpassungen aus. Der Erfolg von großen multinationalen Unternehmen hängt insbesondere von ihrer Fähigkeit ab, innovative Entwicklungstrends rechtzeitig aufzuspüren und darauf flexibel und schnell zu reagieren. Große, weltweit erfolgreiche Firmen müssen immer auf der Suche nach der optimalen Organisationsstruktur sein und sind deshalb ständig einem evolutionären Veränderungsdruck ausgesetzt.1 Das Gesicht selbst traditionsreicher Konzerne und sogar ganzer Branchen ist nach wenigen Jahren oft kaum wieder zu erkennen. Teils durch externe Treiber, teils durch aktive, interne Impulse wird die Konzernlandschaft laufend umgestaltet. Der Druck der Wandlungsimpulse ist nun mittlerweile so groß geworden, dass immer mehr Barrieren eingerissen werden und sich die Verbindung zwischen strategischer Neuorientierung und daraus folgender struktureller Veränderung überall bemerkbar macht, nach Chandlers Postulat „structure follows strategy“.2 Hinsichtlich des Faktors „Strategie“ lassen sich nach Krüger zwei große Entwicklungslinien erkennen.3 Zum einen gibt es ein anhaltendes Bemühen um eine (noch) stärkere kostenund ergebnisorientierte Strukturierung und Steuerung der Geschäfte und Organisationseinheiten. Zum anderen steht auch die Frage der Wertschöpfungsfähigkeit von einzelnen Aktivitäten zur Diskussion. Die Definition und Entwicklung unternehmensweiter Kernkompetenzen und die Konzentration auf entsprechende Geschäfte stehen im Zentrum der Managementaktivitäten. Daraus resultiert ein strategischer Kurswechsel weg von den vielfältigen Diversifikationsbemühungen der Vergangenheit hin zu einer Konzentration auf wertschöpfende Aktivitäten. Dem strategischen Kurswechsel folgen weitreichende und tiefgreifende Veränderungen der „Struktur“ und der strukturellen Prozesse. Man denke beispielsweise an den Automobilkonzern DaimlerChrysler, der nach wenig erfolgreichen Diversifikationsbemühungen im Luftfahrtbereich sowie in der Herstellung von Elektrogeräten zu den Unternehmenswurzeln zurückgekehrt ist. Strategische Neuausrichtung und organisatorische Umgestaltung gehen also Hand in Hand. Damit verbunden ist eine Neuregelung der Führungsbeziehungen zwischen Konzernspitze bzw. Zwischeneinheiten und den nachgelagerten Einheiten. Kennzeichnend hierfür ist eine straffere und transparente Führung, in der monetäre Steuerungsgrößen eine tragende Rolle spielen. Damit verbunden ist auch ein starkes Maß an Dezentralisierung sowie die konse-
1 2 3
Vgl. Leitner, U. (1999), S. 61. Vgl. Chandler, A. D. (1962), S. 383 ff. Vgl. Krüger, W. (2004), S. 184.
1
quente Übertragung von Ergebnisverantwortung, wie beispielsweise beim strukturellen Übergang vom Stammhauskonzern zur Management- oder Finanzholding. Allerdings sind nachgelagerte Einheiten jedoch anhand von klar definierten Messgrößen zu steuern und zu überwachen. Der Wandel herkömmlicher Steuerungskonzepte einer kostenorientierten Steuerung (beispielsweise in Form eines Cost Centers) hin zu einer ergebnisorientierten Steuerung (Investment bzw. Profit Center) ist überall bemerkbar. Davon betroffen sind keineswegs nur die Träger des operativen Geschäfts (Business Units), sondern zunehmend auch die Unterstützungseinheiten. Im Rahmen dieser Arbeit stehen gerade Unterstützungseinheiten im Mittelpunkt der Betrachtung. Für Großkonzerne werden hierbei neue Organisations- und Steuerungsansätze gefordert, die flexible, serviceorientierte und kostengünstige Prozesse mit stabilen Informationsund Kommunikationstechnologien unterstützen. Die Entwicklung und die rasche Umsetzung solcher neuen Konzepte, sowie die bereichsübergreifende Nutzung von Ressourcen und vorhandenem Know-how, werden zukünftig ein entscheidender wettbewerbsbestimmender Faktor sein.
1.1 Auf dem Weg zur Rekonfigurierung und Bündelung von internen Dienstleistungen in Großkonzernen Umbauprozesse in Großkonzernen werden immer häufiger kompetenzorientiert durchgeführt. Das Ergebnis des Rekonfigurierungsprozesses sind klar gegliederten Organisationseinheiten, die sich auf unterschiedliche Aktivitäten und Fähigkeiten konzentrieren. Im Sinne einer strategiefokussierten Organisation sollte eine klare Trennung zwischen strategische, operative und Servicefunktionen stattfinden. Anhand des SOS-Konzepts von Krüger (1994) lassen sich in einem Konzern drei Kategorien von Organisationseinheiten unterscheiden:4
x Steuerungseinheiten (S) Unter Steuerung werden Managementprozesse der Planung, Entscheidung, Steuerung (i. e. S.) und Überwachung verstanden. Bei einer Detailbetrachtung der Organisationshierarchie fallen diese Aufgaben zwar auf jeder Leitungsebene an. Zur Analyse der internen Strukturen eines Großkonzerns werden hier nur diejenigen rechtlichen bzw. organisatorischen Einheiten berücksichtigt, die nicht für die Durchführung des operativen Geschäfts oder dessen Unterstützung zuständig sind. Die Steuerungseinheiten eines mehrfach gestuften Konzerns sind hierarchisch in der Spitzeneinheit angesiedelt, die sich aus der Obergesellschaft, einschließlich Führungsstäben und Zentralstellen, zusammensetzt.
4
2
Vgl. Krüger, W. (1994), S. 37 ff.
Welche Steuerungsaufgaben an der Konzernspitze gebündelt werden, hängt vom Typ des Konzerns (Stammhauskonzern, Managementholding, Finanzholding) und von dem Führungsanspruch der Spitze ab.
x Operative Einheiten (O) Alle für das Kerngeschäft unmittelbar erforderlichen, spezifischen Aufgaben und Prozesse sind in den operativen Einheiten gebündelt, wie z. B. strategische Geschäftsbereiche, Produkt- und Regionalsparten. Die operativen Prozesse sind die direkten Wertschöpfungsträger im Unternehmen. Bei erfolgreicher Tätigkeit erzielen diese Einheiten die erwünschten Profite und führen zu den angestrebten Wettbewerbsvorteilen.
x Support- bzw. Service-Einheiten (S) Alle Aufgaben, die der Unterstützung von operativen Einheiten und Steuerungseinheiten dienen, werden in sogenannte Service- oder Support-Einheiten zusammengefasst. Hierbei handelt es sich um unternehmensinterne betriebswirtschaftliche und administrative Aufgaben, welche für die Entwicklung und die Pflege der Unternehmensinfrastruktur (Informationstechnologie, Facility Management, Organisation) sowie die Bereitstellung der notwendigen materiellen, informationellen und personellen Ressourcen zuständig sind.5 Den klar unterscheidbaren Aufgabenschwerpunkten der verschiedenen Konzerneinheiten für Steuerung, Operation und Support entsprechen auch unterschiedliche Fähigkeitsschwerpunkte. Operative Einheiten (z. B. Business Units) sind die erfolgsbestimmenden Kernbereiche jeder Unternehmung. Ohne Operation, die zu marktfähigen Leistungen führt, gibt es keine Unternehmung. Die dort vorhandenen, geschäftsspezifischen, funktionalen Fähigkeiten, z. B. Forschung und Entwicklung (F&E), Produktion, Vertrieb, prägen letztlich die Wettbewerbsfähigkeit und Wettbewerbsposition des gesamten Unternehmens. Allerdings kann die „Operation“ nicht ohne die „Steuerung“ und den „Support“ auskommen. Auch Steuerungsund Serviceeinheiten besitzen eine gewisse Kompetenzrelevanz und sind nicht ohne weiteres für das Unternehmen entbehrlich. Die Kernkompetenzen eines Unternehmens entstehen erst aus der Abstimmung und Koordination der drei Bereiche Steuerung (S), Operation (O) und Unterstützung (S). „Operation“ ohne eine strategische Steuerungsbasis mangelt es an Zielorientierung. Erst eine klar formulierte Wettbewerbsstrategie entscheidet darüber, welche operativen Aktivitäten zu welchem Zweck und an welcher Stelle durchgeführt werden sollen. Darüber hinaus geben Steuerungsgrößen Auskunft über den Erfolg der Operationen. Die Support-Einheiten leisten ebenfalls eine zu schätzende Hilfestellung für die operativen Einheiten, welche sich erst auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, wenn sie von den für sie hinderlichen Supportaufgaben
5
Vgl. Krüger, W. (2004), S. 189 f.
3
entlastet werden. Umgekehrt gilt, dass Support ohne zugehörige Operation sinnlos und Steuerung ohne Operation unmöglich ist. Krüger spricht in diesem Zusammenhang von der „Konzernkernkompetenz“, die sich aus dem Zusammenspiel der drei Konzernebenen zusammensetzt.6 Ausgangspunkt des Dissertationsvorhabens ist die Feststellung, dass in der Praxis, vor allem bei kernkompetenzorientierten Konzernen, ein immer größeres Bedürfnis entsteht, nicht nur operative Produktionsprozesse zu optimieren, sondern gleichzeitig unternehmensinterne, unterstützende Dienstleistungsprozesse zu bündeln und zu rekonfigurieren7. Für die Koordination interner Prozesse sind effiziente unternehmensinterne Dienstleister unabdingbar. Oft als „Macher im Hintergrund“ bezeichnet, geht es hier um jene Experten, die zu Spezialfragen informieren bzw. fachliche Unterstützung geben (z. B. IT-Services, Personalmanagement, Recht), für strategische Vorarbeit sorgen (z. B. Unternehmensplanung und –entwicklung, Konzernfinanzen) oder spezifische Dienstleistungen operativ erledigen bzw. koordinieren (z. B. Logistik, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Rechnungswesen usw.). Sie entwickeln und sichern Know-how im Unternehmen, übernehmen Verantwortung und sorgen für den Support, die Absicherung und die Kontrolle der Unternehmensprozesse8. Interne Dienstleister werden allerdings innerhalb der Organisation häufig als ineffizient und nicht wertschöpfend („Wasserköpfe“) abqualifiziert, da ihre Leistungen für den Endkunden nicht sichtbar sind. Sie sind vorwiegend nicht direkt produktiv und erwirtschaften somit keinen messbaren Gewinn am externen Markt. Leider trifft diese Behauptung häufig in der Realität zu, d. h. in vielen großen Unternehmen mangelt es an einer effizient bzw. effektiv strukturierten internen Dienstleistungsorganisation. Internen Dienstleistern wird, meist zurecht, eine fehlende unternehmensinterne Markt- und Kundenorientierung sowie ein un-attraktives und zu teures Service-Angebot vorgeworfen. Dennoch werden der Wert und die Bedeutung der internen Dienste häufig unterschätzt. Denn, ob etwas „Wert schafft“ oder nicht hängt vor allem davon ab, wie der Dienstleistungserbringungsprozess organisiert und gesteuert wird. Infolgedessen sind neuartige Formen des internen Dienstleistungsmanagements zu entwickeln, um einen möglichst hohen Wertbeitrag aus den unternehmensinternen Services herauszuholen. Die herkömmliche Lösung für die Bewältigung von Unterstützungsaufgaben war traditionellerweise die Bildung bestimmter Zentralbereiche. In der heutigen Praxis findet jedoch die Bündelung unternehmensinterner Dienstleistungen immer häufiger in Form von Centereinheiten statt. Die Bildung von Center Strukturen ist Ausdruck einer markt- und wettbewerbsorientierten Tendenz bei der strategischen Gestaltung von Supporteinheiten. Strategiefokussierte Konzerne sind auf der Suche nach solchen innovativen Organisationsformen, die ih-
6 7 8
4
Vgl. Krüger, W. (2004), S. 195. Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 2. Vgl. Heitger, B., Schmitz, C., Zucker, B. (1994), S. 5.
nen weiterhin eine strategische Ausrichtung auf werthaltige und wettbewerbsrelevante Kernfähigkeiten und Kerngeschäfte ermöglichen. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein relativ neuer, aus der Praxis entstandener, Centeransatz analysiert, nämlich das „Shared Service Center Konzept“. Dieses innovative Konzept, welches die obengenannten Bedingungen zu erfüllen scheint, soll hier sowohl praxisnah als auch theoretisch analysiert werden. Auf seine besonders relevante Rolle bei der organisatorischen Ausgestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation in strategiefokussierten Konzernen soll ebenfalls näher eingegangen werden.
1.2
Bisherige Untersuchungen zum Thema Management interner Dienstleistungen
Die Beschäftigung mit internen Service-Einheiten hat in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine lange Tradition – wenn auch nicht unter diesem Begriff. In differenzierter Form beschäftigt sich erstmals Nordsieck9 mit dem Thema unter dem Begriff des zentralen Verwaltungsbereichs. In der Folge sind Aufgaben und Organisationsformen interner Service-Einheiten unter den Begriffen des Büro- und Verwaltungsbereichs, der zentralen Gemeinkostenbereiche10, zentralen Stabsstellen11, Corporate Staff12, Zentralbereiche13 oder der indirekten und unterstützenden Einheiten diskutiert worden. „Ein geschlossenes Konzept, das umfassend Aufschluss über das Wesen und den Einsatz von Zentralbereichen gibt, steht noch aus.“14 Diese Feststellung gilt in gleichem Maße auch für die anderen genannten Konzepte. Des Weiteren hat die aufgezeigte Begriffsvielfalt in Bezug auf die Definition interner Dienstleistungen in vergangener Zeit die Bildung einer gemeinsamen Diskussionsbasis für die wissenschaftliche Untersuchung der Thematik des Managements interner Dienstleistungen eher verhindert. Darüber hinaus bestand durch das geringe Ansehen interner Dienstleistungen in Unternehmen für die Wissenschaft bisher kaum Anreiz, sich dieser Thematik zu widmen. Sayles15 hat sich bereits in den 60er Jahren mit dem Konzept der „internal services“ beschäftigt. So unterschied er zwischen Beratungs-, Überwachungs-, Innovationsleistungen und Leistungen, die der Verhaltensstabilisierung dienen (z. B. Anreizgestaltung). Das Konzept ist später von Davis16 wiederaufgegriffen und in eine Typologie überführt worden. Darin werden folgende Kategorien unterschieden: x Dienstleistungen des Arbeitsprozesses („workflow services“) x Unterstützungs- und Beratungsdienste sowie 9 10 11 12 13 14 15
Vgl. Nordsieck, F. (1932), S. 226f. Vgl. Weber, J. (1992), S. 879f. Vgl. Kieser, A., Kubicek, H. (1992), S. 135 f. Vgl. Allen, L. A. (1956), S. 104f. Vgl. Kreisel, H. (1995a), S. 12ff. Kreisel, H. (1995a), S. 5. Vgl. Sayles, L. (1964).
5
x Evaluations- und Überwachungsdienste. Hauptanliegen war bei diesen ersten Studien die Suche nach Parallelen zwischen externen und internen Dienstleistern. Die Ähnlichkeiten betreffen insbesondere die Merkmale der Leistung. Betrachtet man die klassischen konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen – nämlich Immaterialität, Integration des Kunden in den Erstellungsprozess sowie die Simultaneität zwischen Erstellung und Verwendung – so treffen diese Merkmale im allgemeinen sowohl auf externe als auch auf interne Dienstleister zu. Hier ging es insbesondere um die Frage einer Übertragbarkeit von Instrumenten und Managementpraktiken auf das interne Umfeld. Im deutschsprachigen Raum gibt es auf dem Gebiet der Dienstleistungen eine ganze Reihe von Autoren, wie z. B. Corsten17, Bruhn18, Meffert19 und Meyer20, die sich in den letzten Jahren mit dem Thema Dienstleistungen und Dienstleistungsmarketing intensiv beschäftigt haben. Hier wird der Begriff „Dienstleistungen“ sehr weit aufgefasst und reicht von produktbegleitenden Dienstleistungen bis zu institutionellen Dienstleistungen. Die Ansätze sind daher sehr breit angelegt und im Hinblick auf interne Dienstleistungen nur bedingt erkenntnisförderlich. Des Weiteren werden industrielle Dienstleistungen in erster Linie als Nebenleistungen zu Produkten angeboten und erfüllen damit eine Absatzförderungsfunktion. Diese Funktion stellt ganz andere Anforderungen als die Unterstützungsfunktion interner Dienstleistungen. Auffällig bei Arbeiten zu internen Dienstleistungen ist, dass sie häufig nur einen einzigen Aspekt wie Outsourcing oder Service-Engineering isoliert untersuchen. Es sind bisher vorwiegend Einzelfragestellungen behandelt worden. Das bedeutet, dass die Forschung auf dem Gebiet der internen Dienstleistungen noch sehr fragmentarisch ist. Zu jedem dieser Forschungsschwerpunkte werden im Folgenden einige ausgewählte Veröffentlichungen, die exemplarisch für die Forschungsbemühungen auf dem Gebiet stehen, vorgestellt. Die Forschungsschwerpunkte lassen sich in verschiedenen Themen einordnen: x Outsourcing interner Dienstleistungen x Service-Entwicklung und Service-Engineering x Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation x Qualitäts- und Erfolgsmessung interner Dienstleistungen
16 17 18 19 20
6
Vgl. Davis, T. (1992). Vgl. Corsten, H. (1985), (1994), (2001). Vgl. Bruhn, M. (1999), (2000). Vgl. Meffert, H. (1993) und Meffert, H., Bruhn, M. (2006). Vgl. Meyer, A. (1998).
Outsourcing interner Dienstleistungen Zu der Thematik des Outsourcing interner Dienstleistungen gibt es sowohl theoretisch- als auch praxisorientierte Arbeiten. Zu den theoretisch-orientierten Arbeiten zählen beispielsweise folgende Veröffentlichungen: Beer21 untersucht beispielsweise den Outsourcing-Prozess interner Dienstleistungen. Ziel seiner Arbeit ist es, durch das Aufzeigen der Erfolgsfaktoren beim Outsourcing, Gestaltungsvorschläge für eine Optimierung des gesamten Outsourcing-Entscheidungsprozesses von der Entscheidungsvorbereitung über die Entscheidungsumsetzung bis hin zur Entscheidungskontrolle zu erarbeiten. Als wesentliche Handlungsalternativen beim Outsourcing interner Services werden die Ausgliederung und die Auslagerung in die Analyse einbezogen. Die Untersuchung beschränkt sich auf das Outsourcing von unternehmensinternen Dienstleistungen, die in der gesamten Wertkette des Unternehmens verankert sind. Nagengast22 beschäftigt sich mit dem Umfeld der Outsourcing-Entscheidung. Er führt eine betriebswirtschaftliche Analyse des Outsourcing von Dienstleistungen durch, nennt Gründe für und gegen das Outsourcing interner Dienstleistungen, und beleuchtet die rechtlichen Aspekte einer Outsourcing-Entscheidung. Bruch23 untersucht in ihrer Arbeit strukturelle Gestaltungsmöglichkeiten des Outsourcing und differenziert zwischen Auslagerung (i. S. v. externem Outsourcing) und Ausgliederung (i. S. v. internem Outsourcing). Im Zuge einer Ausgliederung werden die Leistungen dann durch eine kapitalmäßig verbundene Unternehmung erbracht; bei der reinen Auslagerung besteht dieser Verbund nicht. Dieser Aspekt ist sehr relevant im Hinblick auf die Betrachtung der organisatorischen Gestaltungsalternativen interner Services. Um interne Dienstleistungseinheiten in Großunternehmen zu organisieren, werden häufig Formen der Ausgliederung, wie z. B. die Gründung einer Tochtergesellschaft oder einer Beteiligungsgesellschaft ausgewählt. Im Rahmen der Outsourcing-Thematik spielt die Frage nach der Leistungstiefengestaltung interner Dienstleistungseinheiten eine besonders wichtige Rolle. Frese und Lehmann24 betrachten die „Make-or-Buy“-Entscheidung aus einem theoretischen Anblick und beschäftigen sich mit dieser Thematik aus der Perspektive der internen Ausgestaltung einer Unternehmung. Relevante Gestaltungsprobleme werden hierbei strukturiert und systematisch dargestellt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass kein „Königsweg“ existiert. Vielmehr muss der einzelnen Unternehmung, auf der Basis einer eingehenden Analyse von Strategie, Manage-
21 22 23 24
Vgl. Beer, M. (1998). Vgl. Nagengast, J. (1997). Vgl. Bruch, H. (1998). Vgl. Frese, E., Lehmann, P. (2000).
7
mentphilosophie und Entwicklungen auf den relevanten Märkten zu einer für sie optimalen Regelung der internen Organisation gelangen.25 Praxisorientiert beschäftigt sich Ludwig26 ebenfalls mit der Frage nach dem „Make-or-Buy“ interner Dienstleistungen. Zum einen werden innerbetriebliche und gesamtwirtschaftliche Tendenzen untersucht, die Einfluss auf interne Dienstleistungen haben, zum anderen werden Praxiserfahrungen ausgewertet. Diese Einflussfaktoren werden zu einer Analysestruktur zusammengefasst, mit der „Make-or-Buy“-Entscheidungen interner Dienstleistungen untersucht werden können. Das Outsourcing interner Dienstleistungen wird sehr häufig in Form von Fallstudien analysiert. Besonders intensiv wird der Outsourcingprozess von IT-Dienstleistungen betrachtet. Zahlreiche Autoren27, auch aus dem englischsprachigen Raum, untersuchen vor allem die Ausgestaltung von infrastrukturellen DV-Dienstleistungen, wie z. B. Helpdesk, PC-Support, Netze und das Betreiben von Rechenzentren. Als Hauptgründe für die florierende Entwicklung der Outsourcing-Industrie erwähnen Lewandowski und Mann die zunehmende Standardisierung der IT-Produkte einerseits und die Ausrichtung der Industrie auf Kernkompetenzen, sowie Kostendruck und weltweite Globalisierung andererseits. Allerdings muss der Dienstleistungsprozess durch Service-Level-Management-Prozesse wesentlich unterstützt werden, um eine dauerhafte Partnerschaft zwischen Anbieter und Kunde erfolgreich zu ermöglichen. Dieser kleine literarische Ausschnitt zeigt auf, dass die Outsourcing-Thematik einen großen Stellenwert im Bereich interner Dienstleistungen hat. Vor allem die Frage nach der Outsourcing-Entscheidung spielt für die Ausgestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation eine besonders relevante Rolle. Es ergeben sich folgende Fragestellungen: x Sollen interne Services innerhalb des Unternehmens oder von externen Experten durchgeführt werden? x Lassen sich alle internen Dienstleistungen überhaupt extern vergeben? x Welche Kriterien sind bei den organisatorischen Entscheidungen besonders wichtig? Besonders spannend stellt sich die Frage nach dem Standort von ausgelagerten Dienstleistungen. Zahlreiche Großunternehmen bevorzugen in letzter Zeit Standortziele in osteuropäischen Ländern. x Welche Gründe sprechen für eine internationale Auslagerung und welche dagegen? Mit diesen und weiteren Fragen wird sich die Autorin im Rahmen der vorliegenden Arbeit beschäftigen.
25 26 27
8
Frese, E., Lehmann, P. (2000), S. 233. Vgl. Ludwig, B. (1989). Vgl. Picot, A. et. al (1985a, 1985b)), Girkens, M., Seelig, D. (1996), Kreutner, W., Specht, G. (1998), Lewandowski, W., Mann, H. (2004), Lacity, M. C., Hirschheim, R. (1995), Earl, M. (1996), Piede, D. L. (1996), Miozzo, M., Grimshaw, D. (2003).
Service-Entwicklung und Service-Engineering Service-Entwicklung und Service-Engineering ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt. Dienstleistungen systematisch entwickeln – das mag zunächst etwas ungewöhnlich klingen – zumal Dienstleistungen durch ihren immateriellen Charakter scheinbar nur wenige Ansatzpunkte für eine eigene Entwicklungsphase bieten. Tatsache ist, dass bisher sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft durchgängige Vorgehensweisen, Methoden und Werkzeuge fehlen, um die Entwicklung von internen Dienstleistungen in geeigneter Weise zu unterstützen. Zu Fragestellungen der Gestaltung von Dienstleistungen tauchen in den USA unter den Begriffen „Service Design“ und „Service Development“ seit Beginn der 80er Jahre immer wieder einzelne Arbeiten auf. So finden sich vor allem einfache Vorgehensmodelle (z. B. Bowers, Tax und Stuart)28, die aber in der Regel nicht operationalisiert bzw. praktisch erprobt wurden. Darüber hinaus gibt es auch einzelne methodische Arbeiten, wie beispielsweise das von Shostack29 entwickelte „Service Blueprinting“. Im Rahmen des „Blue Printing“ wird der Erbringungsprozess von Dienstleistungen modelliert. Charakteristisch ist eine Unterscheidung in Prozessschritte, die direkt vom Kunden wahrgenommen werden, und in unterstützende Aktivitäten, die zwar für die Dienstleistungserbringung notwendig sind, aber nicht direkt vom Kunden wahrgenommen werden. Die Trennung dieser beiden Bereiche erfolgt über eine sogenannte „Sichtbarkeitslinie“ („line of visibility“). Darüber hinaus lässt sich der vom Kunden wahrgenommene Prozess durch eine zusätzliche Interaktionslinie in Aktivitäten unterteilen, die vom Kunden selbst ausgeführt werden, und in Aktivitäten, an denen zwar der Kunde beteiligt ist, die aber von den Mitarbeitern ausgeführt werden. Diese Unterscheidungen sind insbesondere für eine kundenorientierte Entwicklung von Dienstleistungen von großer Wichtigkeit, da hier in einem sehr frühen Stadium eine Konzentration auf die Gestaltung der Kundenschnittstelle erfolgen kann. Umfangreichere konzeptionelle Grundlagenarbeiten finden sich am Massachusetts Institute of Technology MIT (Boston), wo Pugh und Clausing30 schon sehr früh einen ganzheitlichen Ansatz der Produktentwicklung proklamierten. Ramaswamy31 hat diese Arbeiten auf den Dienstleistungsbereich übertragen. Der überwiegende Teil der bisherigen Arbeiten zur Dienstleistungsentwicklung hat seine Ursprünge im Dienstleistungsmarketing. Ingenieurwissenschaftliche Ansätze im Dienstleistungsbereich sind bis heute nur selten zu finden. Diese Herausforderung hat man jedoch seit einigen Jahren in Deutschland unter dem Oberbegriff „Service-Engineering“ aufgegriffen.
28 29 30 31
Vgl. Bowers, M. (1996), Tax, S. S., Stuart, I. F. (1997). Vgl. Shotack, G. L. (1984). Vgl. Pugh, S. (1991), Clausing, D. (1994). Vgl. Ramaswamy, R. (1996) (1999).
9
„Service-Engineering“ wird in diesem Zusammenhang als die Fachdisziplin verstanden, die sich mit der systematischen Entwicklung von Dienstleistungen (unter Zuhilfenahme geeigneter Methoden und Werkzeuge) befasst. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus einer Dienstleistung, von der Ideenfindung bis zur Markteinführung und Leistungserbringung in den Entwicklungsprozess, mit einbezogen, d. h. sowohl die Entwicklung einzelner Dienstleistungen als auch das Entwicklungsmanagement für Dienstleistungen wird hier betrachtet.32 „Wie lassen sich innovative Dienstleistungen entwickeln? Und wie kann dieser Prozess gezielt unterstützt werden?“ Mit diesen und weiteren Fragestellungen beschäftigt sich eine Studie des Frauenhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, die unter 282 Industrieund Dienstleistungsunternehmen durchgeführt wurde. Die empirische Studie gibt Aufschluss über Methoden und Vorgehensweisen, die derzeit in der betrieblichen Praxis eingesetzt werden, und zeigt auf, dass zukünftig die gezielte Entwicklung innovativer Dienstleistungen für die Wettbewerbsfähigkeit vieler deutscher Unternehmen von entscheidender Bedeutung sein wird.33 Die vorher genannte Definition von Service Engineering wird jedoch nicht in jeder Arbeit verfolgt. Zwei weitere Autoren, Scheer34 und Burr verstehen unter Service Engineering ein vereinfachtes Phasenmodell zur Produktion von Dienstleistungen, das sich aus den einzelnen, im Idealfall zeitlich aufeinander folgenden drei Phasen der Modularisierung von Dienstleistungen, der Leistungstiefengestaltung und der Systembündelung von Dienstleistungen zu Komplettlösungen zusammensetzt. Service-Engineering im so verstandenen Sinne umfasst nicht nur die eigentliche Dienstleistungsentwicklung, sondern insbesondere auch die Dienstleistungsproduktion und den Dienstleistungsvertrieb. In der englischsprachigen Literatur beschäftigen sich zahlreiche Autoren mit der Thematik „Service-Innovation“35. Ian Miles und Rod Coombs legen den Schwerpunkt ihrer Untersuchungen auf sogenannte „Knowledge-Intensive Business Services (KIBS)“ bzw. wissensintensive Dienstleistungen, wie z. B. Software Firmen, Unternehmensberatungen, Prüfinstitutionen und Finanzdienstleistungen. Sie unterstreichen vor allem ihre relevante Rolle als treibende Kraft bei der Entwicklung und Entfaltung von Innovationen in der gesamten Wirtschaft.36 Zwei kritische Faktoren von Dienstleistungen, Intangibilität und Kundenintensität, haben die Entwicklung von neueren Theorien der Service-Innovation beeinflusst und zur Abgrenzung von Produktinnovation beigetragen.37 Martin und Horne kommen auch zu dem
32 33 34 35 36 37
10
Vgl. Fähnrich, K.-P. (1998), S. 38 und DIN-Fachbericht (1998). Vgl. Fähnrich K.-P. et. al (1999). Vgl. Scheer, A. W. (1998) sowie Burr, W. (2002). Vgl. Howells, J. (1988), Martin, C. R., Horne, D. A. (1994), Miles, I. (1999), Soete, L., Miozzo, M. (1989), Sundbo, J. (2000), Coombs, R. (1999). Vgl. Miles, I. (2001), S. 2. Vgl. Coombs, R. (1999), S.22 f.
Schluss, dass eine Erhöhung des Interaktionsgrades mit den Kunden während des Entwicklungsprozesses, das Erfolgspotenzial der Dienstleistungsinnovation vergrößern wird.38 Hier wurde ein kleiner Ausschnitt der Veröffentlichungen zum Thema Service-Entwicklung dargestellt. Deutlich wird aber, dass in den meisten Arbeiten eine enge Fokussierung auf interne Dienstleistungen fehlt. Fraglich ist, ob sich die dargestellten Methoden und Vorgehensweisen auf die Entwicklung von firmeninternen Services übertragen lassen.
Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation Die Debatte Zentralisierung versus Dezentralisierung interner Services charakterisiert das Forschungsgebiet, das sich mit der Thematik des Aufbaus einer internen Dienstleistungsorganisation beschäftigt. Noch nie waren die Ansprüche ihrer Kunden im Unternehmen so komplex, vielfältig und widersprüchlich. Noch nie waren sie dem Wechselbad zwischen „Outsourcing“ und „Weg-rationalisiert-Werden“ einerseits und der Funktion des unternehmensinternen „Integrierers“ und „Problemlösers“ andererseits so ausgesetzt wie heute. Interne Dienstleister unterstützen den direkten Wertschöpfungsprozess. Sie sind jedoch in Bezug auf die Kunden des Unternehmens nur indirekt wertschöpfend. Porter spricht in seinem Konzept der Wertschöpfungskette von den „supporting functions“39. Interne Dienstleistungen haben das Entwickeln, Pflegen und Sichern jener Potentiale und Ressourcen zum Ziel, die zur Erstellung der jeweils spezifischen Unternehmensleistung notwendig sind. Sie sorgen für effiziente und entwicklungsfähige Infrastrukturen und Unternehmensprozesse. Ihre Kunden sind die strategischen Geschäftseinheiten und die Unternehmensleitung, ihr Beitrag ist ein unterstützender. Häufig als traditionelle Stabsfunktion organisiert, fungieren sie als Wissensträger des Unternehmens, werden aber oft auch als „Polizisten“ der Hierarchie eingesetzt und erlebt. Darüber hinaus lässt sich ihr Beitrag zum Erfolg und zum Profit des Unternehmens nur schwer quantifizieren. Aus diesem Grund werden sie oft von der Linie als wenig marktorientiert und ineffizient bezeichnet. Barnevik40 formuliert: „You have to kill all this supervisory staff to get people productive“. Die Emotionalität der Diskussion ist spürbar – schließlich muss geklärt werden, ob es darum geht, die „lästigen“ Stäbe und Zentralbereiche endlich los zu werden, weil man sie eigentlich nicht mehr braucht oder in die Linie reintegriert (Abwertung), oder ob man sie mehr denn je braucht, weil erst sie eine leistungsfähige und flexible Infrastruktur und Organisation für die direkte Wertschöpfung entwickeln und sichern (Aufwertung). Dementsprechend groß ist auch die Verunsicherung – nicht nur für die internen Dienstleister selber und für die strategischen Geschäftsbereiche, sondern vor allem für die Geschäftsführung, die sich über die strategisch richtige Ausgestaltung und über eine sinnvolle organisatorische Positionierung interner Ser-
38 39 40
Vgl. Martin, C., Horne, D. (1994), S. 44 ff. Vgl. Porter, M. (1999). Percy Barnevik ist ehemaliger CEO bei den Firmen ABB und AstraZeneca u. a.
11
vice-Einheiten Gedanken machen muss. Ob nämlich eine komplette oder eine partielle Reintegration der Services in den strategischen Geschäftsbereichen Sinn macht41, oder ob eine Auslagerung (im Sinne von Outsourcing) eher in Frage kommt, oder eben der interne Dienstleistungsbereich als eigene Organisationseinheit mit Marktzugang (in Form z. B. einer Tochtergesellschaft) aufgebaut werden soll. Bei der Beschäftigung mit dem Konzept der Zentralbereiche ist insbesondere die Frage nach deren optimaler Eingliederung in das Unternehmen hervorgehoben worden. Diese Frage beinhaltet zum einen die Aufgabenverteilung zwischen Zentralbereichen und Geschäftseinheiten, zum anderen die Kompetenzausstattung von Zentralbereichen.42 Als Stand der Wissenschaft hat sich hier insbesondere das Konzept von Frese und von Werder herauskristallisiert. Diese unterscheiden die folgenden Modelle:43 x Kernbereichsmodell: alle entsprechenden Aufgaben werden in konzentrierter Form von einem Zentralbereich wahrgenommen. x Richtlinienmodell: Grundsatzaufgaben werden vom Zentralbereich wahrgenommen, Detail-Aufgaben von dezentralen Stellen. x Matrixmodell: es erfolgt eine Teilung der Führungsverantwortung zwischen Zentralbereich und Geschäftseinheit. x Service-Modell: Geschäftseinheiten erteilen Aufträge an den Zentralbereich. Der Zentralbereich entscheidet über die Art der Leistungserstellung. x Stabsmodell: der Zentralbereich nimmt Aufgaben im Auftrag der Unternehmensleitung wahr. x Autarkiemodell: der Zentralbereich existiert nicht. Die Teilbereiche nehmen alle ServiceAufgaben wahr. In der Praxis beschäftigen sich zahlreiche Autoren mit der zukünftigen Rolle der Zentralbereiche. Krüger und von Werder warnen vor einer zu weit getriebenen Auflösung zentraler Funktionen, die sich „[...]zukünftig ebenso als nachteilig erweisen kann, wie es ihre unkontrollierte Aufblähung in der Vergangenheit war“.44 In ihrem Artikel „Zentralbereiche als Auslaufmodell?“ beleuchten sie Gestaltungsmuster und Entwicklungstrends der Organisation von Teilfunktionen (Marketing, Informationsverarbeitung und Personalwirtschaft) in der Unternehmenspraxis bei deutschen Großunternehmen. Sie kommen zu dem Schluss, dass es keinen durchgehenden Trend zu einem Abbau bzw. Abschaffen von Zentralbereichen gibt. Die Organisationslösungen werden vielmehr wesent-
41 42 43 44
12
Vgl. Cunningham, I., Hyman, J. (1999). Vgl. Kreikebaum, H. (1995), Hungenberg, H. (1995). Vgl. Frese, E., von Werder, A. (1993), S. 36 ff. Krüger, W., von Werder, A. (1995), S. 6.
lich differenzierter und vielfältiger, d. h. maßgeschneiderte Konzepte dominieren über standardisierte Lösungsansätze. Hermes untersucht die Ausgestaltung der IT-Organisation in dezentralen Unternehmen und kommt zu dem Schluss, dass Zentralisierung und Dezentralisierung in ihrer Extremform im Prinzip „organisatorisch irrelevant sind“. Seine durchgeführten Analysen zeigen auf, dass eine verteilte Organisationsstruktur eher empfehlenswert sei.45 Bühner kommt in seiner Studie über die Größe und Struktur der Zentralbereiche deutscher Management-HoldingOrganisationen zu ähnlichen Ergebnissen. Er stellt fest, dass es kein Standardmodell gibt. Zentralbereiche variieren abhängig von der Managementphilosophie und von der Unternehmensumwelt.46 Diese Schlussfolgerungen deuten darauf hin, dass ein Blick in die Praxis unbedingt notwendig ist, um neue Gestaltungsformen von internen Dienstleistungseinheiten ausführlich zu untersuchen.
Qualitäts- und Erfolgsmessung Qualitäts- und Erfolgsmessung gelten als zwei zentrale Schwerpunkte zur Steuerung von internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Analog zu externen Services stellt sich hier jedoch die schwierige Frage nach der Messbarkeit. Welche Methoden, Instrumente oder Kennzahlen lassen sich zur Messung der Qualität und der „Performance“ von internen Dienstleistungen anwenden? Generell besteht bei Dienstleistungsprozessen aufgrund ihrer Immaterialität die Schwierigkeit der quantitativen Qualitäts- und Erfolgsmessung. Bisher gibt es kaum etablierte Messverfahren bzw. Kennzahlen, die sich zur quantitativen Messung der Wirtschaftlichkeit von Dienstleistungen eignen. Die existierenden Instrumente basieren auf einer qualitativen Messung, dessen Hauptgröße die interne Kundenzufriedenheit ist. Stauss hat sich in mehreren Veröffentlichungen mit der Methode des Total Quality Managements im Hinblick auf interne Dienstleistungen beschäftigt. Sein Ansatz zielt darauf, das gesamte Unternehmen auf Kundenanforderungen auszurichten. Im Sinne einer konsequenten innerbetrieblichen Umsetzung der Maxime „Kundenorientierung“ wird nun die Forderung erhoben, die Zufriedenheit des internen Kunden als Zielgröße für die Gestaltung des internen Dienstleistungsangebots festzulegen.47 Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen Pfau, Detzel und Geller: „The lack of close attention to internal supplier-customer relationships can jeopardize external customer satisfaction .48
45 46 47 48
Vgl. Hermes, B. (2000), S. 212. Vgl. Bühner, R. (1996), S.105. Vgl. Stauss, B. (1993), (1995). Pfau, B. et al. (1991), S. 9.
13
Sie sind der Meinung, dass eine Verbesserung interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen, die Zufriedenheit der externen Kunden positiv beeinflusst. Die Intensität der Interaktion zwischen interner Kunde und Service-Provider kann mit Hilfe von sogenannten „Service-Level-Agreements“ geregelt werden. Dabei handelt es sich um Service-Vereinbarungen, welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten beider Partner festlegen. Eine solche Leistungsvereinbarung dient vor allem zur gegenseitigen Kontrolle. Diese beinhaltet eine nähere Beschreibung der zu erbringenden Leistungen sowie der entsprechenden Preise und legt die rechtliche Gültigkeitsdauer der Vereinbarung fest. Burr49 beschäftigt sich ebenfalls mit der Bedeutung von Service-Level-Agreements im Rahmen einer modularen Dienstleistungsarchitektur und eines professionellen Servicemanagements. Service-Level-Agreements dienen dazu, die Qualität von Dienstleistungen zu standardisieren, zu messen und dem Kunden nachzuweisen, d. h. letztlich Dienstleistungsqualität zu normieren und zu garantieren. Handfeste Ergebnisse im Zusammenhang mit dem Einsatz von ServiceLevel-Agreements beinhalten nach Meinung von Winkelmann-Ackermann und Bundi50 verbesserte Arbeitsabläufe und neue Wege der Zusammenarbeit mit klar definierten Rollen, Verantwortlichkeiten und entsprechenden Anreizmechanismen. Immer häufiger wird im Zusammenhang mit der Performance-Messung das Konzept der Balanced Scorecard von Kaplan und Norton51 erwähnt. Sie berücksichtigt vier Perspektiven: Finanzielle Kennzahlen, Geschäftsprozesse, Kunden und Mitarbeiter, und kombiniert quantitative und qualitative Instrumente zur Messung des Erfolgs einer Organisationseinheit. Fraglich ist, ob dieser Ansatz sich als Steuerungskonzept zur Messung der Wirtschaftlichkeit von internen Services eignet. Anwendungsschwierigkeiten werden sicherlich, aufgrund der qualitativen Natur von Dienstleistungen, bei der Suche nach geeigneten finanziellen Indikatoren auftreten.
1.3
Forschungslücke
Die in Unterkapitel 1.2 aufgezeigte Zusammenfassung der theoretischen und praxisorientierten Arbeiten zum Thema Management interner Dienstleistungen stellt nur einen Auszug dar. Sie soll aber beispielhaft verdeutlichen, dass die Forschung auf diesem Gebiet noch sehr fragmentarisch ist. Es mangelt bislang an einem übergreifenden und differenzierten Ansatz, der sich mit Strukturierungs- und Lenkungsmöglichkeiten interner Dienstleistungen aus gesamtunternehmerischer Sicht beschäftigt. Interne Dienstleistungsanbieter sind in Wellenbewegungen zwischen Zentralisierung/Dezentralisierung, Kostenreduktion und Wertschöpfungstiefendiskussionen zum Spielball von Management-Strömungen geworden. Die Einheit interner Dienstleistungsanbieter als Komplex vieler Untersuchungsfelder kommt dabei zu kurz. Gleichzeitig wird eine dynamische Betrachtung der organisatorischen Entwicklung und
49 50 51
14
Burr, W. (2002), S. 133. Vgl. Winkelmann-Ackermann, S., Bundi, M. (1999), S. 38. Vgl. Kaplan, R., Norton, D. (1999).
Führung interner Dienstleistungseinheiten vermisst. Dabei liegen im Organisieren und „Neuerfinden“ der internen Dienstleistungen wichtige Beiträge zur Erfolgsfähigkeit des Unternehmens.52 Im Gegensatz dazu lassen sich in der Praxis neue, originelle Ansätze erkennen, die aus den unternehmerischen Herausforderungen entstanden sind, wie z. B. Shared Service Center. Diese neuartigen Organisations- und Steuerungsformen interner Dienstleistungseinheiten gilt es im Rahmen der vorliegenden Arbeit empirisch zu untersuchen. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, einen Beitrag zur Schließung der Forschungslücke im Themenbereich „Management interner Dienstleistungseinheiten“ zu leisten. Im Mittelpunkt der Forschungsbemühungen steht die Analyse von neueren Strukturen bei der Organisation und Steuerung interner Dienstleistungen in Großunternehmen, unter der besonderen Berücksichtigung von Shared Service Centern. Der gewählte Forschungsansatz ist empirischinduktiver Natur und basiert auf qualitativ orientierten Fallstudien, welche die derzeitige Anwendung und Verbreitung von weiterentwickelten Formen der internen Dienstleistungsorganisation aufzeigen sollen. Die Entwicklung von theoretisch konzeptionellen Überlegungen zu einer systematischen und methodengestützten Vorgehensweise bei der Organisation und der Steuerung interner Dienstleistungseinheiten gilt als Untersuchungsziel.
1.4
Konkretisierung des Analysefokus und Präzisierung der relevanten Terminologie
Die traditionelle wirtschaftswissenschaftliche Forschung hat sich bisher mit dem Aspekt der Organisationsstruktur und Steuerung von Dienstleistungen im Konzern überwiegend vor dem Hintergrund der Zentralisierungs- versus Dezentralisierungsdebatte beschäftigt. Allerdings haben etliche Großkonzerne rechtzeitig erkannt, dass sowohl eine zu weit getriebene Auflösung zentraler Bereiche durch extreme Dezentralisierung interner Services sich genauso nachteilig erweisen kann, als auch ihre unkontrollierte Aufblähung. Bei der Suche nach einer angemessenen Balance zwischen Konzentration und Dekonzentration53, sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe von neuen, innovativen Modellen des internen Dienstleistungsmanagements entstanden.
52 53
Heitger, B., Schmitz, C., Zucker, B. (1994), S. 15. Vgl. Krüger, W., von Werder, A. (1995), S. 6 ff.
15
1.4.1
Innovative Modelle des internen Dienstleistungsmanagements
Diese innovativen Service-Modelle basieren einerseits auf dem Konzept der strategiefokussierten Organisation, bei dem strategische, operative und unterstützende Funktionen klar voneinander getrennt werden. Andererseits spielt das Center-Prinzip im Sinne einer Bündelung von entweder horizontalen oder vertikalen Aufgaben, auch eine bedeutende Rolle während des Umstrukturierungsprozesses eines Unternehmens zu einer fokussierten Organisation. Im Rahmen einer vertikalen Arbeitsteilung geht es dabei um das Verhältnis der Konzernzentrale, d. h. des „Headquarters“, zu den operativen Einheiten und den Unterstützungseinheiten. Bei der Neugestaltung der horizontalen Arbeitsteilung steht häufig das Herauslösen der nicht-geschäftsbereichsspezifischen Unterstützungsaufgaben aus den operativen Einheiten und deren Zusammenfassung in Shared Service Center im Vordergrund. Fokussierte Großkonzerne unterscheiden deshalb zwischen folgenden drei verschiedenen Organisationstypen von internen Dienstleistungseinheiten:
x Headquarter Services bzw. Corporate Centers neuen Typs Hier handelt es sich um Dienstleistungen, die aus strategischen Gründen oder qua Gesetzgebung in der Konzernspitze gebündelt werden müssen, wie z. B. Konzernplanung und – entwicklung, Controlling, Konzernfinanzen oder Führungskräfteentwicklung. „Headquarter Services“ erbringen interne Dienstleistungen ausschließlich im Auftrag der Unternehmensleitung und gelten als dessen „verlängerter Arm“. Sie sind vorwiegend in der Konzernzentrale als Stabsorganisation angesiedelt und für die Erbringung strategischer und hoheitlicher Dienstleistungsaufgaben zuständig.54 Für die Geschäftsbereiche im Unternehmen besteht Abnahmepflicht, so dass eine marktorientierte Bereitstellung der Leistung schwer möglich ist. Dennoch unterscheiden sich „Headquarter Services“ von den traditionellen Zentralbereichen in einem wesentlichen Aspekt. Der weit verbreitete kritische Vorwurf, Konzernbereiche seien überbürokratisierte Instanzen und „Wasserköpfe“, die trotz erheblichen Aufwendungen keinen nennenswerten Erfolgsbeitrag leisten würden, soll durch eine neue Organisationsphilosophie modifiziert werden. In herkömmlichen Konzernzentralen sind sowohl Steuerungs- als auch Unterstützungsaufgaben zu finden. Organisatorischer Ausdruck dieser Tatsache sind die vielfältigen Zentralbereiche bzw. Zentralfunktionen. Im Rahmen der Fokussierungsbemühungen vielen Unternehmen werden nun auch diese Einheiten auf den Prüfstand gestellt und entflochten. Das entstandene schlanke „Corporate Center neuen Typs“ (Headquarter Service), konzentriert sich auf Steuerungsaufgaben, im Sinne einer Dienstleistung an die Unternehmensleitung. Bei dieser neuen Organisationsform steht vor allem der Service-Gedanke im Vordergrund. Allerdings kann der Aufbau von „dienstleistungsorientierten“ Konzerneinheiten nur durch eine
54
16
Resch, B. (2000), S. 19 f.
Auflockerung der starken Formalisierung und Regulierung durch Zentralvorgaben stattfinden. Darüber hinaus ist eine Verschlankung der zentralen Instanzen unbedingt notwendig. Verschlankung im Sinne von Abgabe nicht-strategischer Aufgaben an die operativen Einheiten oder an externe Experten. Eine organisatorische Neuausrichtung muss in jedem Fall die Überprüfung des konkreten Aufgabenspektrums der konzernbezogenen Zentraleinheiten einschließen. Headquarter Services müssen ihre knappen Ressourcen für die Erfüllung der Ansprüche der Unternehmensleitung verwenden und sich nicht von „Nebentätigkeiten“ ablenken lassen. Auf diese Weise kann auf höchster Ebene auch effizienter Service erbracht werden. Diese Organisationsform eignet sich vor allem bei Großkonzernen, die als Managementbzw. Strategie-Holding organisiert sind. Der Führungseinfluss der Unternehmenszentrale konzentriert sich bei einer Management-Holding lediglich auf die Strategiefestlegung. Für das Operative sind die einzelnen Geschäftseinheiten zuständig.
x „Dedicated“ Services Hierbei handelt es sich um sehr spezifische Dienstleistungen, die ausschließlich für eine geschäftsbereichsbezogene Anwendung angefertigt werden. Diese Serviceaktivität wird nicht gleichermaßen von allen anderen Geschäftsbereichen benötigt, so dass keine positiven Bündelungseffekte durch eine konsolidierte Lösung zu erwarten sind. Wird die „kritische Masse“ nicht erreicht, so rentiert sich eine gebündelte Lösung nicht, denn der Servicebedarf ist zu gering und zu spezifisch. Geschäftsbereichsspezifische Dienstleistungen befinden sich häufig in den eher selbständig geführten Teilkonzernen einer Management-Holding-Organisation. Beispielsweise sind „Dedicated“ Services im Personalmanagement oder in der Informationstechnologie (IT) zu finden, da die einzelnen Teilkonzerne dadurch ein Stück weit ihre Selbständigkeit durch die Erhaltung einer gewissen Dienstleistungskompetenz erreichen können. Darüber hinaus sind geschäftsbereichsspezifische Dienstleistungen meistens stark wissensintensiv, d. h. für ihre Einführung benötigt der Geschäftsbereich Spezialisten, die nicht selten von außen engagiert werden. Der projektbezogene Aufbau mit Hilfe von externen „Profis“ ist die häufigste Form der Einführung eines „Dedicated“ Services.
x Shared Services Centers Es handelt sich hier um eine neue Organisationsform interner Services, die aber immer häufiger in Großkonzernen anzutreffen ist. Dabei geht es um Dienstleistungseinheiten, die administrative und transaktionsorientierte Services für mehrere dezentrale Geschäftsbereiche erbringen. In einem Shared Service Center werden diejenige Prozesse „gebündelt“ (im Sinne von Konsolidierung), die für die Geschäftsbereiche nur unterstützender Natur sind, soge-
17
nannte „back-office“-Tätigkeiten55, wie z. B. Personalverwaltung, Rechnungswesen, Immobilienmanagement, Datenverwaltung, Umweltdienstleistungen, Logistik und Einkauf. Das Konzept sieht vor allem die Schaffung einer internen kunden- und marktorientierten Organisationseinheit, die ihre Dienste in erster Linie unternehmensinternen Kunden anbietet. Hauptziele dieser Prozesskonsolidierung sind die Erreichung von Kosteneffizienz durch positive Bündelungseffekte und einer besseren Servicequalität.56 Der Shared Service Center Ansatz stammt ursprünglich aus der unternehmerischen Praxis US-amerikanischer Firmen. In Europa ist der organisatorische Ansatz hauptsächlich von USamerikanischen Tochtergesellschaften ab Mitte der 90er Jahre verbreitet worden. Hauptursache für die Entwicklung von Shared Service Centern war die steigende Tendenz zur Dezentralisierung von internen Dienstleistungen in diversifizierten Untenehmen. Üblicherweise erzeugt diese Mehrspurigkeit an sekundären Dienstleistungsprozessen enorme Personal- und Infrastrukturkosten. Gleichzeitig werden unterstützende Aktivitäten von den sonst produktorientierten Geschäftsbereichen als „notwendiges Übel“ und eher belastende Nebentätigkeit durchgeführt. Durch die interne Auslagerung und die Aggregation der Transaktionsvolumina werden vor allem Kosten und Doppelarbeiten eingespart. Vor diesem Hintergrund agiert das Shared Service Center als Dienstleistungsspezialist und betrachtet diese Prozesse als seine eigenen Kernprozesse. Durch die professionelle Durchführung erreichen interne Dienstleistungsaktivitäten eine höhere Beachtung im Unternehmensportfolio und können einen zusätzlichen Wertbeitrag für das gesamte Unternehmen generieren. Darüber hinaus spielen Shared Service Center eine besonders relevante Rolle bei zahlreichen Prozessen der Unternehmensumstrukturierung. Möchte sich ein Großkonzern auf seine strategischen Kernkompetenzen konzentrieren, so übernimmt das Shared Service Center die Durchführung von nicht-strategischen Aufgaben und trägt zu einer großen Entlastung der Kernfelder bei. Shared Service Center spielen deshalb eine zentrale Schnittstellenfunktion während und nach dem Umbauprozess. Ohne ihre Unterstützung würden zahlreiche Reorganisationspläne in Großkonzernen scheitern. Im Rahmen dieser Arbeit wird deshalb die Rolle von Shared Service Centern besonders hervorgehoben. Shared Services Center werden als das zentrale Bindeglied einer effizienten Dienstleistungsorganisation in Großkonzernen betrachtet. Aus diesem Grund wird in den nächsten Kapiteln auf diese neue Organisationsform detailliert eingegangen. Abbildung 1.1 stellt in schematischer Form die organisatorische Eingliederung der drei dargestellten Typen von internen Services in einer beispielhaften strategiefokussierte Management-Holding Organisation dar:
55 56
18
Vgl. Schuurmans, L., Stoller, C. (1998), S. 37. Campenhausen, C. v., Rudolf, A. (2001), S. 82 f sowie Kagelmann, U. (2001), S.49 ff.
Abbildung 1.1: Interne Serviceeinheiten einer fokussierten Organisation
Konzernvorstand
Holding
Headquarter Services
Business Unit 1
Business Unit 2
Business Unit 3
DCS 2
DCS 3
DCS 1
Shared Service Center
DCS = „Dedicated“ Services ------ Dienstleistungsbezogene Verbindung
1.4.2
Analysefokus
Großkonzerne mit weiterentwickelten Formen der Organisation interner Dienstleistungen differenzieren die Vielfalt ihrer internen Serviceleistungen und ordnen diese, in möglichst wirksamer Kombination, den drei genannten organisatorischen Typen oft zu. Im Rahmen dieser Arbeit gilt es systematisch zu untersuchen, welche Kriterien, bei der Ausgestaltung einer differenzierten Strukturierung von internen Dienstleistungsaktivitäten und deren Steuerung, besonders relevant sind. Es gilt auch zu überprüfen, ob die Einführung von neuen Formen der internen Dienstleistungsorganisation, insbesondere von Shared Service Centern, den Aufbau dieser differenzierten Strukturierung beeinflussen. Die Arbeitsthematik des „Managements interner Dienstleistungen“ wird anhand der zwei Schwerpunkte „Aufbauorganisation und Steuerung“ ausgearbeitet. Im Teil „Organisation“ wird insbesondere auf die Aufbaustruktur einer internen Dienstleistungsorganisation eingegangen, vor allem auf die verschiedenen Arten von internen Services und deren organisatorische Eingliederung in die Konzernstruktur. Im Rahmen der Einführung neuer Organisationsformen wird der Methodik des Projektmanagements eine besondere Bedeutung gewidmet. Der Teil „Steuerung“ beschäftigt sich mit der Darstellung von geeigneten Lenkungsmechanismen zur Führung einer internen Dienstleistungsorganisation, wie z. B. „Service-Level-Agreements“, laterale Lenkungsformen zur Regelung der Zusammenarbeit zwischen den Dienstleistungspartnern oder die Einführung von marktorientierten Verrechnungspreisen.
19
Die Kernfragestellungen der Arbeit befassen sich mit folgenden miteinander verbundenen Themenbereichen: x Wie gestalten Großunternehmen heutzutage ihre internen Dienstleistungseinheiten, um herrschenden Wettbewerbs- bzw. Umweltanforderungen gerecht zu werden? x Welche neuen Entwicklungen zeigen sich in der Praxis? Welche Rolle spielen dabei Shared Service Centers? x Wie lassen sich in der Praxis beobachtete Strukturierungs- und Steuerungsmodelle systematisch erklären? Welche existierenden theoretischen Ansätze können dafür herangezogen werden? x Welche kritischen Faktoren spielen eine relevante Rolle bei der organisatorischen Ausgestaltung und Steuerung von internen Dienstleistungseinheiten? x Welche Gestaltungsempfehlungen lassen sich für den Aufbau und die Steuerung einer internen Dienstleistungsorganisation und insbesondere von Shared Service Centern ableiten? Diese Kernfragestellungen sind als Forschungsleitfragen zu verstehen und werden im Laufe der konzeptionellen Arbeit weiter präzisiert. Die Erkenntnisse über Organisation und Steuerung interner Dienstleistungseinheiten sollen durch eine Fallstudienanalyse in zwölf Unternehmen gewonnen werden. Ferner zeigen drei ausgewählte Fallstudien in den Bereichen „Life Sciences“, Messtechnik und Handel drei Unternehmen auf, die sich in unterschiedlichen Stadien bei der Umstrukturierung ihrer internen Services bzw. bei der Einführung einer neuen Dienstleistungsorganisation befinden. Bei allen drei Fällen spielt die neuere Organisationsform des Shared Service Centers eine besonders relevante Rolle. Mit Hilfe der Fallstudien werden die Methodik und die Instrumente bei dem Aufbau und der Steuerung einer effizienten Serviceorganisation beleuchtet und auf mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse aufmerksam gemacht. Dadurch sollen Erkenntnisse für die weitere Untersuchung der Thematik gewonnen werden.
1.5
Forschungskonzeption und Aufbau der Arbeit
Der methodische Aufbau der Arbeit gliedert sich in acht Kapitel. Nach der einleitenden Beschreibung der Problemstellung ist eine kritische Ausarbeitung der bisherigen Literatur zum Themenbereich „Management interner Dienstleistungen“ durchgeführt worden. Aus der festgestellten Forschungslücke ergibt sich die Notwendigkeit, die Empirie zu betrachten. Deswegen wird in Kapitel 2 auf die aus der unternehmerischen Praxis entstandenen, alternativen Organisationsform des „Shared Service Centers“ eingegangen. Erste Ergebnisse der durchgeführten Fallstudienanalyse sollen einen Überblick über die untersuchten Unternehmen und 20
eventuell über den „State-of-the-art“ der modernen, unternehmensinternen Dienstleistungsorganisation geben (Kapitel 3). Die angewandte empirische Forschungsmethodik ist qualitativer Natur und besteht, in einem ersten Schritt, in der Anfertigung von zwölf Fallstudien. Ziel der Erhebung ist es, interne Dienstleistungsanbieter (insbesondere Shared Service Center) in ihrer Komplexität, anhand der Analyseebenen Organisation und Steuerung zu erfassen. Die Datenerhebung erfolgte anhand von halbstrukturierten Interviews mit kompetenten Ansprechpartnern der jeweiligen Unternehmen. Gleichzeitig sind weitere Dokumente, wie z. B. Geschäftsberichte, interne Unterlagen, veröffentlichte Aufsätze und Broschüren, analysiert und ausgewertet worden. Drei explorative, auf zahlreichen Expertengesprächen beruhende Fallstudien zu multinationalen Unternehmen, die vor allem mit der Unterstützung von Shared Service Centern ihre interne Dienstleistungsorganisation umstrukturiert haben, führen tiefer in das Themengebiet ein und identifizieren zentrale Problemstellungen (Kapitel 4). Anschließend leitet sich die Erfordernis ab, existierende theoretische Ansätze zu finden, die den Aufbauprozess und die Lenkung interner Dienstleistungen erklären können (Kapitel 5). Geeignete strategische Instrumente zur Steuerung interner Services werden in diesem theoretischen Teil der Arbeit auch beschrieben, um das Modell zur Entwicklung von internen Dienstleistungsorganisationen zu vervollständigen. Eine gewisse Unternehmensspezifität leitet sich aus der Fallstudienanalyse bei der Ausgestaltung interner Dienstleistungseinheiten ab. Gleichzeitig lassen sich jedoch zweifellos Gemeinsamkeiten erkennen, vor allem bei der Identifizierung von sogenannten kritischen Faktoren bzw. Schlüsselkriterien, deren Ausprägung über die angebrachte Strukturierung und Eingliederung interner Service-Einheiten im Großkonzern entscheidet. Abgeleitete Ansatzpunkte des Theorietransfers tragen zur Entwicklung eines Modells zum strategischen Aufbau von internen Services in Großkonzernen bei (Kapitel 6). Dabei handelt es sich um einen sechsstufigen, konzeptionellen Projektmanagement-Ansatz zum strukturierten Aufbau von internen Services. Die Einführung einer neuen, internen Dienstleistungsorganisation impliziert eine sowohl strategische als auch organisatorische Neuorientierung der Strukturen eines Unternehmens. Der Neuerungsprozess wird als Projekt geplant, mit dem Ziel, eine neue Organisationsform auf strukturierte Art und Weise einzuführen. Entscheidend für die erfolgreiche Implementierung dieser ProjektmanagementMethodik ist der Prozess, der als Leitfaden für die integrative Zusammenführung aller einzelnen Stufen agiert. Gestaltungsempfehlungen für den Aufbau und die Steuerung von Shared Service Centern werden anschließend mit Hilfe einer selbstentwickelten Typologie abgeleitet (Kapitel 7). Zum besseren Verständnis werden die Phänotypen mit Hilfe von empirischen Beispielen beschrieben. Hierbei handelt es sich um ein dynamisches Modell, da es sich auch mögliche bzw. empfehlenswerte Entwicklungsmuster ableiten lassen. Kapitel 7 schließt mit der Darstellung von neuen Trends in der internen Dienstleistungsorganisation.
21
Die Arbeit endet in Kapitel 8 mit einer inhaltlichen Zusammenfassung und einer kritischen Würdigung. Diese letzte soll die weitere Forschung in den vorgestellten Untersuchungsfeld anregen. Die folgende Abbildung fasst den Aufbau der Arbeit zusammen:
Abbildung 1.2: Aufbau der Arbeit
Zusammenfassung der Ergebnisse
VII. Schlussbetrachtung
Kapitel 8
VI. Gestaltungsempfehlungen
Kapitel 7
Phänotypen des SSC-Konzepts
V. Erklärungsmodell
Kapitel 6
Projektmanagement
IV. Theoretischer Bezugsrahmen
Kapitel 5
III. Explorative Empirie
Kapitel 4
Kritische Würdigung
Empirisch-basierte Entwicklungsmuster
Weiterer Forschungsbedarf
Neue Trends im SSC-Konzept
Integrierter Ansatz
II. Untersuchungsgegenstand und empirischer Überblick
I. Einführung
22
Kapitel 2 und 3
Kapitel 1
Transaktionskostentheorie
Fallstudie Bayer Business Services
Erläuterung des SSC-Konzepts
Einführung in die Thematik
Strukturierungsansatz
Strategische Implikationen
Ressourcenbasierte Theorie
Wertorientierte Theorie
Fallstudie Agilent Technologies
Abgrenzung von alternativen Org.formen
Festlegung der Forschungslücke
Fallstudie Metro Facility Services
Erste empirische Ergebnisse
Analysefokus
2
Das Shared Service Center Konzept: eine alternative Organisationsform interner Dienstleistungen im Konzern
2.1
Zur zunehmenden Verbreitung und Bedeutung von Shared Service Centern
Die Idee eines Shared Service Centers entstand aus den unternehmerischen Dezentralisierungstendenzen der 80er Jahre. Ziel der Segmentierung oder Dezentralisierung war die Erreichung eines Wettbewerbsvorteils durch Erhöhung der Flexibilität im Vergleich zu einer vormals zentralistisch aufgebauten Organisation. Diese Flexibilität sollte vor allem durch die Abflachung von Hierarchien, die Delegation von Entscheidungen sowie die Einführung von internem Marktdruck57 erreicht werden. Die Unternehmensleitung wurde somit vom operativen Geschäft entlastet und konnte sich originären unternehmenspolitischen und strategischen Entscheidungen widmen. Die Geschäftseinheiten mit ihrem Vorteil der Nähe zum Markt, konnten schneller relevante Entscheidungen treffen. Dadurch wurden jedoch die administrativen Prozesse des Unternehmens ebenfalls in diese Geschäftseinheiten zerklüftet. Den Vorteilen der selbständigen Einheiten standen jedoch auch erhebliche Nachteile bei diesen administrativen, nicht-strategischen Prozessen gegenüber. Zu diesen Nachteilen zählten vor allem:
x Paralleler Aufbau und Ablauf von gleichen administrativen Prozessen Das große Selbständigkeitsstreben bei den einzelnen Geschäftseinheiten hat zu einer Vervielfachung von ähnlichen administrativen Prozessen geführt. Dieser unnötige parallele Aufbau von Supportaktivitäten verhinderte das Ausnutzen von Größenvorteilen und vernachlässigte mögliche Synergieeffekte.58 Aufgrund ihrer Eigenschaft als Nicht-Kernprozess konnte häufig auch eine ineffiziente Leistungserstellung beobachtet werden, da sie bei Ressourcen und Know-how-Allokation an untergeordneter Stelle berücksichtigt wurden. Darunter hat dann die Qualität der erbrachten Services gelitten.
x Nicht-standardisierte Datenverarbeitungssysteme (DV-Systeme) Die an den einzelnen Geschäftseinheiten eingesetzten DV-Systeme waren nicht standardisiert und oftmals nicht miteinander kompatibel. Dies führte zu einem erheblichen Mehraufwand bei übergreifenden Datenauswertungen und -aggregationen.
57 58
Einführung von marktorientierten Verrechnungspreisen und Profit Center Organisationen. Beispielsweise gab es in einem Unternehmen wie Hewlett-Packard bei 14 Geschäftseinheiten ebenso 14 unterschiedliche Rechenzentren.
23
x Hoher Infrastruktur- und Ressourcenbedarf Die Nicht-Bündelung von unterstützenden Prozessen bedingte eine mehrfache Beschaffung von materiellen und personellen Ressourcen. Durch diesen Mehraufwand an Ressourcen waren die Ausgaben pro Einheit höher, da beispielsweise zusätzliche Räumlichkeiten angemietet werden mussten. Aus Sicht der Gesamtorganisation stellte sich dann die Frage, ob es eine Organisation gäbe, bei der sich die Vorteile der Segmentierung nutzen und gleichzeitig die Nachteile bei den Unterstützungsprozessen vermeiden ließen. Als Lösungsansatz entstand aus dem unternehmerischen Bedürfnis das Shared Service Center Konzept. Der Shared Service Center Ansatz eröffnet neue organisatorische Perspektiven für zahlreiche Großunternehmen, die ihre internen Strukturen optimieren möchten. Allerdings erfordert die strategische Implementierung eines Shared Service Centers nicht nur organisatorische und methodische Umsetzungskompetenz sondern vor allem auch die Fähigkeit, eine organisatorische Idee in die Zukunft zu projizieren. Deshalb sollte vor der Einführung dieser neuen organisatorischen Einheit Klarheit über ihre künftige Rolle herrschen. Die möglichen Entwicklungspfade des Shared Service Centers sollten früh genug erarbeitet werden, um grundsätzliche Fragen zu klären, wie beispielsweise: Für welche Funktionsbereiche eignet sich das Shared Service Center Konzept? Welche Typen von Dienstleistungen werden in dieser Organisationsform angeboten? Darf das Shared Service Center seine Leistungen auch am externen Markt anbieten? Besteht für die internen Geschäftseinheiten Abnahmepflicht? Wie soll das Verrechnungssystem ausgestaltet sein? Diese und ähnliche Fragen sind im Rahmen der Strategieklärung für das Shared Service Center aufzuwerfen und im Vorfeld zu entscheiden. Der so abgeleitete strategische Entwicklungskorridor bildet die Basis für die Strategie der neuen Organisationseinheit und damit den Handlungsrahmen für deren Aufbau und Weiterentwicklung.59 Grundsätzlich lassen sich alle Prozesse entlang der Wertschöpfungskette in einem Shared Service Center konsolidieren, solange sie keine Kernprozesse des Unternehmens darstellen, d. h. nicht erfolgskritisch sind und einen generischen, bzw. unternehmensübergreifenden Charakter besitzen. Typische „back-office“-Aktivitäten, die sich für die Bündelung in einem Shared Service Center eignen, sind beispielsweise Personalverwaltung (Lohn- und Gehaltsabrechnung), Rechnungswesen, Immobilienmanagement oder Datenverwaltung. Obwohl Shared Service Center originär in dezentral organisierten Unternehmen entstanden sind, werden diese Strukturen immer häufiger in Unternehmen mit großen „wasserkopfartigen“ Zentralbereichen eingeführt, die bislang wenig markt- und kundenorientiert agierten. Das Shared Service Center Konzept wird hier angewandt, um flexible und transparente Strukturen im unternehmensinternen Supportbereich einzuführen.
59
24
Vgl. Schimank, C., Strobl, G. (2001), S. 292 f.
2.2
Typologisierung und Lokalisierung von Shared Service Centern
In den letzten Jahren ist das Shared Service Center Konzept in der unternehmerischen Praxis immer häufiger anzutreffen und erfreut sich einer ständig wachsenden Beliebtheit. Da bisher jedoch nur wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen zu diesem Thema vorliegen, wird der Shared Service Center Ansatz im Rahmen dieser Arbeit vorgestellt und ausführlich dargestellt. Neben der Definition, der historischen Entwicklung und den Merkmalen des Ansatzes wird eingehend die organisatorische Ausgestaltung von Shared Service Centern betrachtet.
2.2.1
Definition
Der Begriff Shared Service Center wird in der Literatur und der Unternehmenspraxis sehr unterschiedlich angewandt. Zum besseren Verständnis werden verschiedene Definitionen dargestellt und näher erläutert. In der deutschsprachigen Literatur bietet Kagelmann60 einen ersten Definitionsansatz. Er beschreibt das Shared Service Center Konzept als einen „[…] Organisationsansatz zur Bereitstellung von internen Dienstleistungen für mehrere Organisationseinheiten mittels gemeinsamer Nutzung von Ressourcen innerhalb einer Organisationseinheit […]“.61 Der Ansatz von Kagelmann bleibt jedoch zu allgemein, denn er lässt z. B. eine Abgrenzung zu weisungsbefugten Zentralbereichen hierarchischer Prägung vermissen. Schulmann et al. definieren in ihrem Buch Shared Services wie folgt: „The concentration of company resources performing like activities, typically spread across the organization, in order to service multiple internal partners at lower cost and with higher service levels, with the common goal of delighting external customers and enhancing corporate value“.62 In einem Shared Service Center werden Prozesse gebündelt, die bisher über das Unternehmen verteilt waren, um Kosteneinsparungen und bessere interne Servicequalität zu erreichen. Das Shared Service Center betrachtet die Prozesse, die in den strategischen Geschäftsbereichen nur als Unterstützungsprozesse angesehen werden, als ihre eigenen Kernprozesse. Dadurch erreichen diese Supportaktivitäten eine höhere Beachtung im Unternehmen, wodurch das Shared Service Center eigene Kompetenzen aufbauen kann.
60 61 62
Kagelmann, U. (2001) stellt den Shared Service Center Ansatz anhand der Finanzfunktion in Großkonzernen dar. Ebenda, S. 49. Schulmann, D. S. et al. (1999), S. 9.
25
Über diese grundlegende Definition hinaus werden häufig weitere Kriterien zugrunde gelegt. So soll das Shared Service Center eine eigenständige, service- und marktorientierte Organisationseinheit mit eigener Erfolgsverantwortung sein. Die übernommenen Unterstützungsprozesse sollen standardisierbar und transaktionsbezogen sein.63 Zahlreiche Autoren betonen besonders den Dienstleistungscharakter des Shared Service Centers, der in einer ausgeprägten Kundenorientierung gegenüber den internen Kunden, also den Geschäftseinheiten des Unternehmens zum Ausdruck kommen soll: „The same best practices used to gain a competitive advantage with external customers are applied internally to create a harmonious partnership […]”.64 Unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte legt die Autorin folgende Definition fest: „Shared Service Center sind selbständige Unternehmenseinheiten, die markt- und kundenorientiert den operativen Geschäftseinheiten desselben Unternehmens mit unterstützenden und generischen Leistungen beliefern. Diese Leistungen betrachten Shared Service Center als ihre eigenen Kernleistungen. Durch ihre gebündelte, professionelle und wertschöpfungsorientierte Durchführung bieten Shared Service Center große Synergie- und Einsparungspotenziale für das gesamte Unternehmen“.
2.2.2
Historischer Überblick
Pionier des Shared Service Center Gedankens war das Unternehmen General Electric, das bereits 1985 sein erstes Shared Service Center in Florida einführte.65 Mit der Gründung einer „Financial Service Operation“ wurde das Rechnungswesen von 50 Standorten auf 4 große Shared Service Center konzentriert.66 Bis weit in die 90er Jahre waren es vorwiegend nur US-amerikanische Unternehmen, die das Shared Service Center Konzept implementierten. Der große Binnenmarkt, die einheitliche Sprache und Währung sowie das harmonisierte Rechtssystem sorgten für eine leichte Ausbreitung dieser neuen Organisationsform. Mit einiger zeitlicher Verzögerung folgte die Entwicklung in Europa. Entgegen den Gemeinsamkeiten in den USA, sorgten hier die teilweise erheblichen Unterschiede in Kultur, Sprachen, Währungen oder Rechtsnormen für den parallelen Aufbau der Supportprozesse in den verschiedenen Ländergesellschaften. Durch die erforderlichen technischen Umstellungen, im Rahmen der Euro-Einführung, wurde das Shared Service Center Konzept in Europa stark unterstützt. Die hiermit meist verbundenen größeren Informations- und Kommunikationsinvestitionen führten vielfach zu einer notwendigen Überprüfung und Anpassung der Unter-
63 64 65 66
26
Vgl. Campenhausen, C. v., Rudolf, A. (2001), S. 82. Forst, L. I. (1997), S. 30. Vgl. Fisher, L. (1998), S. 40. Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 69.
nehmensstrategien hin zu einer stärkeren, gebündelten und harmonisierten „paneuropäischen“ Ausrichtung.67 Bis Ende der 90er Jahre erfreute sich der Ansatz inzwischen einer ständig wachsenden Beliebtheit. Der Anteil der Fortune 500 Unternehmen, die ein Shared Service Center betreiben, wird immer größer. Neben den aus der Dezentralisierung entstandenen Problemen kann eine Vielzahl weiterer Faktoren genannt werden, die zur Einführung von Shared Service Centern geführt haben:
x Globalisierung Durch die zunehmende Verflechtung der internationalen Wirtschaft intensiviert sich der Wettbewerb, und der Kosten-, Qualitäts- und Zeitdruck auf die Unternehmen steigt. Somit werden zunehmend Kostensenkungspotenziale auch fernab der eigentlichen Wertschöpfung gesucht. Supportprozesse werden weitestgehend automatisiert und standardisiert.
x Konzentration auf Kernkompetenzen Die heutige Managementlehre ist seit Prahalad und Hamel68 durch eine Fokussierung auf sogenannte Kernkompetenzen geprägt. Bei der Einführung von Shared Service Centern können sich die operativen Einheiten wieder verstärkt auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und die Supportprozesse an die Shared Service Center abgeben.
x Informationstechnologie Die technologischen Neuerungen der Informations- und Kommunikationstechnik sind eine der Hauptantriebskräfte zur Senkung der Kosten des Informationsbedarfs. Shared Service Center werden somit durch die rasante Weiterentwicklung von Informationssystemen begünstigt. Die Vernetzung der Rechnerkapazitäten mittels Internet- oder Intranet-Lösungen ermöglicht, Informationen unabhängig vom Standort abzurufen oder zu bearbeiten. Der Informationsaustausch kann somit weitgehend unabhängig von Raum und Zeit erfolgen.69 Zentrale Großrechenanlagen werden zunehmen durch dezentrale Client-Server-Netzwerke ersetzt, die gemeinsam wie ein zentrales System agieren. Ein Rechnerausfall kann somit nahezu kompensiert werden, wodurch die Flexibilität erhöht wird. Bestehende Standardsoftware-Lösungen ersetzen immer mehr spezifische Software-Programme. Dadurch können unternehmensweit einheitliche Systemlösungen gefunden und Kompatibilitätsprobleme eliminiert werden. Die Ausführung eines Prozesses ist somit nicht mehr ortsgebunden. Die Er67 68 69
Vgl. The Economist Intelligence Unit (Hrsg.) (1998), S. 16 (zitiert in Kagelmann, U. (2001), S. 72. Vgl. Prahalad, C. K., Hamel, G. (1990). Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 67.
27
richtung von beispielsweise regional übergreifenden Shared Service Centern wird erheblich erleichtert.
x Politische Entwicklung Die europäische Integration, die Errichtung des gemeinsamen Binnenmarktes, die Einführung der gemeinsamen Währung und vor allem die EU-Osterweiterung bewirken höhere Skaleneffekte. Zunehmend harmonisierte Gesetzesbestimmungen vereinfachen den Aufbau internationaler Shared Service Center. Heutzutage spricht man von „Service Offshoring“, wenn Unternehmen explizit sämtliche interne Serviceaufgaben in ausländische Standorte verlagern. Osteuropäische Länder wie z. B. Tschechien, Polen oder Ungarn genießen zur Zeit eine große Beliebtheit als Standort für den Aufbau von Shared Service Centern. Die politische Stabilität, die geringeren Lohnkosten verbunden mit einer hohen Qualifikation von engagierten Hochschulabsolventen waren beispielsweise für IBM gute Argumente, um ein europäisches Accounting Shared Service Center in Bratislava (Tschechien) zu eröffnen.70
x Konzentrationsprozess Die zunehmende Konzentration der Wirtschaft führt bei Akquisitionen oder Fusionen auch zu großen Problemen bei der Verschmelzung unterschiedlicher Unternehmenskulturen und vor allem unterschiedlicher Unternehmensstrukturen. Fusionen bzw. Akquisitionen verursachen meistens auch eine Vervielfachung administrativer Prozesse. Shared Services können hierbei zu einer schnellen und produktiven Überführung helfen.71
2.2.3
Merkmale eines Shared Service Centers
Bei der Charakterisierung dieser neuen Organisationsform sind zwei wichtige Punkte zu berücksichtigen: die Ziele, welche mit der Gründung eines Shared Service Centers verfolgt werden und die damit verbundenen Risiken, sowie die Merkmale der organisatorischen Ausgestaltung.
2.2.3.1 Ziele eines Shared Service Centers Eines der grundsätzlichen Ziele bei der Einführung eines Shared Service Centers ist selbstverständlich eine Reduzierung der Kosten.72 Die empirische Studie von Kagelmann weist
70 71 72
28
Daten aus dem halbstrukturierten Telefoninterview mit dem Center-Manager des IBM-Accountingcenters. Vgl. Forst, L. I. (2001), S. 26. Vgl. Schulmann, D. S. et al. (1999), S. 15.
dieses Ziel als den wichtigsten Grund der Anwendung des Shared Service Center Konzepts aus.73 Kostensenkungen werden durch die Nutzung von Skaleneffekten bei der Bündelung von internen Serviceaktivitäten erreicht. Weitere Effizienzvorteile und eine verbesserte Ressourcenallokation können gegebenenfalls auch erfolgen, wenn die Leistung gleichzeitig am externen Markt angeboten wird. Hierbei besteht zusätzlich die Möglichkeit, unternehmensexternen Umsatz zu generieren. Eine weitgehende Entlastung der strategischen Geschäftseinheiten von für sie „lästigen“ Nebentätigkeiten stellt ein weiteres wichtiges Ziel bei der Gründung von Shared Service Centern dar. Somit können sich die Kernfelder stärker auf das operative Geschäft konzentrieren. Darüber hinaus betrachtet das Shared Service Center die Funktion der Unterstützungsprozesse als ihre eigene Kernkompetenz, auf die sich seine komplette Arbeitskraft konzentriert. Durch Standardisierung, Konsolidierung und durch den verbesserten Einsatz von Technologie werden die internen Serviceprozesse optimiert. Durchlaufzeiten lassen sich somit erheblich reduzieren. All diese Faktoren dienen einer beträchtlichen Qualitätssteigerung in der Leistungserstellung. Innerhalb der strategischen Geschäftseinheit können die mit der Durchführung von Supportprozessen beauftragten Mitarbeiter keinen Beitrag zur Wertschöpfung erbringen, sondern verursachen Kosten aus der Sicht der Einheit. Durch die Bereitstellung der Leistung auf Basis interner Leistungsvereinbarungen, in Form von Service-Level-Agreements, wird das Aufgaben- und Verantwortungsfeld der Mitarbeiter gestärkt. Ihre Leistungen sind nun mit direkten Umsätzen verbunden.74 Ergänzend mit neuen, eventuell wertorientierten Anreizsystemen kann somit die Mitarbeitermotivation erhöht werden.75 Einhergehend mit diesem Ziel ist auch die Schaffung eines produktiven internen KundenLieferanten-Verhältnisses. Durch die Vereinbarung der Service-Level-Agreements werden die Erwartungen der internen Kunden klar formuliert. Der Lieferant, d. h das Shared Service Center muss diesen Ansprüchen genügen, sich also an den Bedürfnissen des Kunden orientieren. Somit wird die erbrachte Leistung besser vergleichbar mit externen Dienstleistungsangeboten. Auf Grundlage von verschiedenen Umfragen76 sind die beiden wichtigsten Ziele, die bei der Gründung eines Shared Service Centers verfolgt werden, die erwarteten und erzielbaren Kosteneinsparungen sowie die Verbesserung der Service-Leistung. Auch die Möglichkeit der stärkeren Konzentration auf Kernkompetenzen spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für den Aufbau dieser neuen Organisationsform (siehe Abbildung 2.1)
73 74 75 76
Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 82. Beispielsweise lassen sich die, mit einer Servicevereinbarung festgelegten Pflichten einer internen Dienstleistungseinheit direkt mit den Zielvereinbarungen der einzelnen Service-Mitarbeiter koppeln. Vgl. Wißkirchen, F., Mertens, H. (1999), S. 92. Vgl. Krempel, M. (1998), EIU Research Report: a.a.O., S. 26 und Ernst & Young Report on Shared Services (1998), S. 7.
29
Abbildung 2.1: Ziele für die Gründung eines Shared Service Centers
88%
Kosteneinsparungen 62%
Service-Verbesserung 38%
Kernkompetenzen-Fokus
38%
IT Wandel 22%
Währungsunion Wachstum
17%
Steuerliche Vorteile
16% 13%
Jahr 2000
12%
Industrieanforderungen
9%
Kundenanforderungen
8%
EU Erweiterung Strategische Allianzen
6%
Akquisitionen
4%
Lieferantenanforderungen
3% 10%
Andere Ziele 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Quelle: Krempel, M. (1998), S. 26.
2.2.3.2 Risiken eines Shared Service Centers Finanzielle Risiken können bei der Gründung eines Shared Service Centers vor allem entstehen, wenn die erwarteten Kostensenkungen ausbleiben, z. B. durch falsch kalkulierte Kosten der Leistungserstellung. Dies ist meistens mit dem Auftreten unerwarteter Transaktionskosten verbunden, die in der Planung unzureichend berücksichtigt wurden. Implementierungskosten können besonders hoch sein, wenn die Organisation nur unzureichend den umstrukturierten Prozessen angepasst wurde. Eine unsorgfältige Planung des Aufbaus und der Funktionsfähigkeit des Shared Service Centers kann auch diese Kostenrisiken erhöhen. Weitere Risiken von qualitativer Natur können auch die Akzeptanz der neuen Organisationsform betreffen. Generell spielen Mitarbeiter bei Auslagerungs- oder Ausgliederungsprojekten eine besondere Bedeutung. Meistens bestimmen sie größtenteils über das Gelingen eines Projekts, da bei Missachtung ihrer Probleme, die Etablierung der Organisation durch ihren Widerstand - gewollt oder ungewollt - verhindert werden kann. Ängste bei den Mitarbeitern entstehen vor allem durch einen potenziellen Verlust ihres Arbeitsplatzes, einen ungewollten Ortswechsel, eventuellen Kompetenzverlust oder bei Führungskräften auch durch einen Machtverlust.
30
Risiken können hierbei ebenfalls durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Firmenkulturen und Sprachen auftreten.77 Anstelle der erhofften Steigerung der Motivation kann sich dies alles demotivierend auswirken. Diese Probleme führen zu einem Verlust von Know-how, auch dadurch, dass viele Mitarbeiter aufgrund ihrer Ängste das Unternehmen womöglich verlassen. Hiervon ist besonders hochqualifiziertes Personal betroffen.78 Anstatt einer erwarteten höheren Qualität kann aus diesen Gründen die Prozessqualität sinken, da das Personal den Anforderungen nicht mehr genügt. Ebenso kann das Handeln der strategischen Geschäftsbereiche kontraproduktiv sein. Durch das Shared Service Center sehen sich diese gewisse Gestaltungsfreiräume beraubt. Ihre Flexibilität wird aus ihrer Sicht durch die neue Abhängigkeit gemindert. Die Kontrollkosten können durch den Verlust direkter Weisungsbefugnis eventuell steigen. Risiken entstehen zugleich durch die Nicht-Kompatibilität unterschiedlicher Prozesse, Technologien oder Organisationen.79 Ziel des Shared Service Center Konzepts ist es, einen hohen Standardisierungsgrad zu erreichen. Anpassungen auf speziell zugeschnittene Anwendungen können sich jedoch als kosten- und zeitintensiv oder gar als unmöglich herausstellen. Wird eine weitgehende Standardisierung dennoch erzielt, kann dies aber zu Lasten einzelner Geschäftsbereiche geschehen und dort zu Informationsverlusten führen, wodurch wiederum die Qualität des Prozessoutputs zu leiden hat.80
2.2.3.3 Organisatorische Merkmale eines Shared Service Centers Zur deutlichen Abgrenzung des Shared Service Center Konzepts von anderen alternativen Formen der Organisation interner Dienstleistungen, wie z. B. Zentralisierung81 oder Outsourcing, wird seine organisatorische Ausgestaltung näher betrachtet. Die getroffenen Schlussfolgerungen können durchaus umstritten sein, bzw. es werden sich davon abweichende Organisationsformen finden, die nicht in allen Merkmalen übereinstimmen und dennoch ebenfalls zu Recht als Shared Service Center bezeichnet werden. Dieser Abschnitt soll die wichtigsten Merkmale eines Shared Service Centers vermitteln, die der „Philosophie“ des organisatorischen Konzepts am ehesten entsprechen:
77 78 79 80 81
Vgl. Wißkirchen, F., Mertens, H. (1999), S. 93. Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 179. Vgl. Wißkirchen, F., Mertens, H. (1999), S. 93. Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 6. Vgl. ebenda, S. 6.
31
x Prozessauswahl Shared Service Center werden heute in vielen unterschiedlichen Bereichen de Unternehmensorganisation eingesetzt. Hierzu zählen z. B. Finanzen, Personal, Datenverarbeitung, Logistik, Materialwirtschaft, Recht, Gebäudemanagement und Öffentlichkeitsarbeit. Grundlegend wird davon ausgegangen, dass Shared Services für die Abwicklung der Supportprozesse innerhalb der Unternehmen in Frage kommen. Generell sind sämtliche Prozesse entlang der Wertschöpfungskette, die keine Kernkompetenz einer Geschäftseinheit sind, zur Zusammenführung in einem Shared Service Center geeignet.82 In der unternehmerischen Praxis werden jedoch vorwiegend klassische Finanz- und Administrationsprozesse gebündelt. Diese zeichnen sich oft durch ein hohes Volumen an Transaktionen aus und werden aufgrund ihrer Vorreiterrolle auch als der originäre funktionale Anwendungsbereich des Konzeptes bezeichnet.83 Eine Übersicht typischer Prozesse liefert Abbildung 2.2.
Abbildung 2.2: Mögliche Prozesse in einem Shared Service Center
Order to Cash
Procurement to Payment
Hire to Retire
Accounting to Reporting
•Telemarketing •Televerkauf •Auftragserfassung •Rechnungsstellung •Debitoren •Mahnwesen •Kundenservice •Cash Management •Treasury •Finanzmitteldisposition •Devisenabsicherung
•Beschaffung •Bestandsführung •Vertragswesen •Anlagevermögen •Kreditoren •Angebotseinholung •Reisekosten
•Personalwirtschaft •Spesenabrechung •Steuern •Lohnbuchhaltung •Versicherungen •Renten •Prämienberechnung
•Hauptbuchhaltung •Finanzbuchhaltung •Konsolidierung •Management Reporting •Konzernverrechnung •Berichtswesen •Steuern
Sonstiges
•Fuhrpark •Facility Management •Steuerplanung •Interne Revision •Beschwerdemanagement •IT-Service •Kundenhotline
Quelle: Shah, B. (1998), S. 7. Ein Shared Service Center kann sich auf einen Prozess konzentrieren oder mehrere ausführen. Folglich lässt sich in monoprozessuale und multiprozessuale Center unterscheiden.84 Generell werden Prozesse einer Funktion, z. B. Finanzen, in einem Center ausgeführt85, aber ebenso besteht die Möglichkeit, unterschiedliche Funktionen in einem Center zusam-
82 83 84 85
32
Vgl. Wißkirchen, F. (2001), S. 18. Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 84 f. Vgl. ebenda, S. 93. Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 96.
menzufassen. Ein Beispiel bietet Shell Services International, ein Shared Service Center für Informationstechnologie, Humanressources und Business Consulting.86
x Externer Marktzugang Für ein Shared Service Center bietet sich die Möglichkeit an, seine Leistungen auch über den Markt an externe Dritte anzubieten. Dies ermöglicht die Chance, nicht abbaubare Überkapazitäten zu nutzen, bzw. durch Skaleneffekte weitere Kostendegressionen zu erreichen. Weiterhin kann somit natürlich auch ein zusätzlicher Gewinn generiert werden. Für die Qualität der Leistung bietet der externe Marktzugang einen ebenfalls entscheidenden Vorteil. Dadurch, dass die eigenen Leistungen mit denen von Anbietern am externen Markt auf der Basis von Marktpreisen direkt vergleichbar sind, muss das Shared Service Center ständig um seine Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit bemüht sein. Durch einen erfolgten Marktzugang kann jedoch ein Abgrenzungsproblem entstehen. Bei einem zunehmenden Anteil externer Kunden stellt sich die Frage, ob es sich noch um ein Shared Service Center handelt oder um einen gewöhnlichen Dienstleister. Dies ist jedoch sekundär, da für die strategischen Geschäftseinheiten des Unternehmens sich die wichtigste Frage stellt, ob das Center ihren Anforderungen trotz externe Marktaktivitäten adäquat genügt, ohne dass die Qualität der Leistungserbringung stark darunter leidet. So hat das Unternehmen Shell beispielsweise die extern orientierten Aktivitäten seines Shared Service Centers vom Markt wieder zurückgezogen, da die internen Kunden über einen Mangel der Servicequalität nach externem Marktzugang beklagt hatten.87 Ein externer Marktzugang sollte auch nicht in Erwägung gezogen werden, wenn die erbrachte Leistung am Markt keinen Abnehmer findet88, bzw. so unternehmensspezifisch ist, dass nur direkte Wettbewerber davon profitieren können. Auch sämtliche unternehmenspolitische Gründe, wie z. B. die Befürchtung der Unternehmensleitung, das Service Center könnte interne Kunden vernachlässigen und sich hauptsächlich auf die Akquirierung und Betreuung externer Kunden konzentrieren, können einen externen Marktzugang verhindern.89
x Wirtschaftliche Form Bezüglich der wirtschaftlichen Form eines Shared Service Centers lassen sich fünf Grundformen erkennen. Die verschiedenen Typen unterscheiden sich im Hinblick auf die Größe ihres Verantwortungsbereichs und der Fülle ihrer Kompetenzen:
86 87 88 89
Vgl. Ferranini, E. (2001), S. 46. Vgl. ebenda, S. 46. Vgl. Dietrich, Y. (2005), S. 10. Vgl. Eversmann, M. (1994), S. 347f.
33
Ein Ausgaben Center ist lediglich für seine eigenen, vorher definierten Ausgaben einer Periode verantwortlich. Zielvorgabe kann z. B. der Planpreis pro eingekaufte Einheit sein. Ein Kosten Center wird über die Höhe der gesamten von ihm verursachten Kosten gesteuert. Die Menge der zu erbringenden Leistung wird als nicht beeinflussbar angesehen, so dass es im Wesentlichen auf die Effizienz bei der Leistungserstellung ankommt. Dies kann sowohl über die Einhaltung der vorgegebenen Kosten, als auch über deren Minimierungsziele geschehen. Revenue Center werden an ihrem Erlösumfang gemessen und danach gesteuert. Dies bedeutet, dass die vorgegebenen Erlöse erreicht werden müssen. Profit Center wiederum sind gewinnverantwortlich. Dies impliziert, dass sie über die Mittel, um ihre Vorgaben zu erreichen, selbst bestimmen können. Kosten und Leistungen müssen vom Center selbst beeinflussbar sein. Das Investment-Center verfügt über die gleichen Kompetenzen wie das Profit Center, wobei diese noch um die Kompetenz der Freiheit der Investitionsentscheidungen erweitert werden.90 Gemessen wird es deshalb an seinem „Return on Investment“. Bezüglich der wirtschaftlichen Form eines Shared Service Centers wird in der Praxis unterschiedlich vorgegangen. Abhängig vom Entwicklungsstadium des Shared Service Centers wird dann die geeignete Lösung gewählt. Nach Schimank und Strobl91 verläuft ein Shared Service Center idealtypisch in folgenden vier Stufen, die vier verschiedene, aufeinander aufbauende Modelle bzw. Steuerungsphilosophien repräsentieren:
90 91
34
Vgl. Bechmann-Malioukova, I. (1998), S. 125 sowie Bullinger, H. -J., Warnecke, H. (2003), S. 1158. Schimank, C., Strobl, G. (2001), S. 284.
Abbildung 2.3: Gestaltungsvarianten von Shared Service Centern
Gestaltungsvarianten eines Shared Service Centers
Kostenorientiertes SSC
• Bündelung der Servicefunktionen • Trennung von Konzernführungsund Servicefunktionen
Kundenorientiertes SSC
• Interner Kunde definiert Leistungsumfang und -qualität • Definierte Produktstandards und vereinbarte SLA
• Vollkostenrechnung • Ggf. Outsourcing von Services • Verrechnung marktorientierter Kosten
Marktfähiges SSC
Wettbewerbsfähiges SSC
• Aufbau externer Geschäftsbeziehungen
• Separates eigenständiges Unternehmen
• Entfall Kontrahierungszwang
• Vielzahl von Kunden
• Verrechnung von Marktpreisen
• Gewinnorientierung und Wertbeitragsorientierung
• Orientierung an Benchmarks
• Hoher Anteil an externem Umsatz
• Geringer Anteil an externem Umsatz
Quelle: Schimank, C., Strobl, G. (2001), S. 284
Das Einsteigermodell ist ein kostenorientiertes Modell und beschreibt im Wesentlichen die Bündelung von Service-Funktionen. Hoch standardisierte Prozesse werden physisch oder virtuell zu Leistungszentren zusammengefasst. Die Leistungen werden ausschließlich intern angeboten, eine Wahlfreiheit bezüglich des Lieferanten besteht nicht. Eine Weiterbelastung findet über die Allokation der Ist-Kosten statt. Obwohl dies der Intention eines Shared Service Centers entgegensteht, beschreibt diese Form doch den Zustand vieler Unternehmen bei der Umsetzung, d. h. zu Beginn des Umstrukturierungsprozesses. Das Vertragsmodell oder das kundenorientierte Service Center stellt eine Beschreibung der Leistung mit entsprechender Verrechnung marktorientierter Kosten dar. Es werden hierzu Service-Level-Agreements definiert, die festlegen, in welcher Qualität die Leistungen bereitgestellt werden. Über den Preis wird die Höhe der Inanspruchnahme gesteuert. Es besteht nur eine Wahlfreiheit in der Höhe der abzunehmenden Leistung. Die Outsourcing-Option darf vom Service Center praktiziert werden, vor allem wenn diese kostengünstiger als die interne Bereitstellung ist. Allerdings behält der interne Dienstleister immer die Auftrags- und Kontrollkompetenz über die erbrachte Leistung. Bei dem Marktplatzmodell oder dem marktfähigen Service Center besteht für die Geschäftsbereiche eine prinzipielle Wahlfreiheit zwischen dem internen und einem externen Angebot. Leistungen können auch extern angeboten werden, obwohl der realisierte externe 35
Umsatz noch relativ gering ist. Damit einher geht in der Regel auch eine Professionalisierung der Leistung. Die Verrechung erfolgt über Marktpreise.92 Das Geschäftsmodell oder das wettbewerbsfähige Service Center externalisiert nun sein Angebot vollständig. Das Shared Service Center tritt auf wie ein unabhängiges Unternehmen und wird als Kernbereich des Unternehmens betrachtet. Profiterzielung sowie Gewinnorientierung stehen im Vordergrund. Nach Schimank und Strobl sollten Shared Service Center am Ende ihres Evolutionspfades eigenverantwortliche Organisationseinheiten sein. Diese Selbstbestimmung entspricht eher der Form eines Profit Centers, bei dem Gewinnverantwortung im Vordergrund steht. Allerdings ist eine explizite Gewinnorientierung eng mit einem möglichen externen Marktzugang verbunden. Ist dies nicht der Fall, so lässt sich bei Shared Service Centern eine Kosten Center Struktur am häufigsten erkennen. Das Ergebnis der Studie von Kagelmann bestätigt auch diese Tendenz. Die meisten der befragten Unternehmen führen ihre Shared Service Center als Cost-Center (56%) oder ProfitCenter (30%).93
x Rechtsform eines Shared Service Centers Neben der wirtschaftlichen Selbständigkeit wird auch eine rechtliche Selbständigkeit des öfteren gefordert.94 Dies bedeutet, dass das Shared Service Center als rechtlich selbständige Gesellschaft geführt wird. Im Fall einer rechtlichen Nicht-Selbständigkeit wird die Serviceeinheit zumeist als Abteilung einer größeren rechtlich selbständigen Einheit des Unternehmens geführt. Beispielsweise bietet Siemens Gebäudemanagement und Services GmbH & Co. OHG technisches, infrastrukturelles und kaufmännisches Management internen sowie externen Kunden an. Sie ist Teil der Siemens Building Technologies AG, die Produkte und Dienstleistungen rund um das Gebäude anbietet. Diese ist wiederum Teil des strategischen Geschäftsbereichs „Automation & Control Groups“. Somit ist die Siemens Gebäudemanagement und Services GmbH & Co. OHG einem Geschäftsbereich hierarchisch untergeordnet. In diesem Fall verfehlt die Serviceeinheit eine wichtige Bedingung eines Shared Service Centers und sollte nicht als solches bezeichnet werden.95 Eine rechtliche Selbständigkeit ist für Unternehmen besonders dann relevant, wenn das Shared Service Center seine Leistung auch Dritten am Markt anbietet. Eine GmbH-Lösung ist in
92 93 94 95
36
Vgl. Koptik, J., Oehler, K. (2003), S.433. Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 103. Vgl. Wißkirchen, F., Mertens, H. (1999), S. 85. o. V. (2000), S. 19.
der Regel für die Wahrnehmung von Drittgeschäften und die gewünschte Einordnung in eine andere Tarifhoheit vorteilhaft.96 Durch die rechtliche Ausgliederung wird diese Einheit stärker dem Wettbewerb ausgesetzt.97 Sie muss damit direkte Wettbewerbsfähigkeit zeigen. Ebenso wird den potenziellen neuen Kunden aufgezeigt, dass ihnen dadurch mehr Bedeutung eingeräumt wird. Die Dienstleistung wird nun nicht von einer untergeordneten Abteilung erstellt, sondern von einer eigenständigen Gesellschaft, die sich auf die Erstellung der nachgefragten Leistung spezialisiert hat. Somit kann die rechtliche Selbständigkeit für eine stärkere Kundenorientierung sorgen. Hält das Unternehmen lediglich eine Minderheitsbeteiligung an einem rechtlich selbständigen Dienstleister, ist es fraglich, ob es sich hier noch um ein Shared Service Center oder nicht um Outsourcing handelt. Diese Frage stellt sich auch vor dem Hintergrund sich häufender Joint Ventures in der unternehmerischen Praxis. Dies wird häufig praktiziert, wenn die Partner in ihrem Know-how sich gegenseitig ergänzen.98 Maßgabe für eine Begriffsunterscheidung könnte beispielsweise der Mehrbesitz sein. Bei einer Beteiligung kleiner 100 Prozent aber größer oder gleich 20 Prozent wird in der Regel von einer Kooperationspartnerschaft in Form eines Joint Ventures gesprochen. Ein Joint Venture liegt vor, wenn die Führungsverantwortung und das finanzielle Risiko gemeinsam durch mindestens zwei wirtschaftlich und rechtlich voneinander unabhängigen Partnern getragen wird.99 Dennoch kann man diese Begriffsunterscheidung als zweitrangig betrachten, da hier, in erster Linie, die Bündelung der Prozesse aus den Geschäftseinheiten hinaus zu einem gemeinsamen Dienstleister, der diese beliefert, als entscheidungsrelevant gesehen wird.100 Das folgende Beispiel zeigt auf, wie sich die Besitzverhältnisse in einem Joint Venture Unternehmen im Zeitablauf verändern können. Der Charakter eines Shared Service Centers bleibt trotzdem bestehen: Die Synergies GmbH, das im IT-Bereich spezialisierte Shared Service Center des Unternehmens E.On Energy AG, stellt ein Beispiel eines Joint Ventures dar. Die damalige PreussenElektra (VEBA Gruppe) hat im Jahr 1999, noch vor der Fusion mit der Bayernwerke AG zur E.On Energy AG, ihre eigene IT-Abteilung und die ihrer Töchter zusammengefasst und in einem Joint Venture mit dem Beratungsunternehmen Cap Gemini Ernst & Young organisiert. Die Gründe für die Einbeziehung eines externen Marktpartners waren folgende: die internationale Erfahrung der Beratungsfirma in Bezug auf den Aufbau von Shared Service Centern, eine weitgehende Beratungskompetenz im Energiesektor und in den Bereichen SAP und Customer Relationship Management sowie eine stärkere Kundenorientierung und Dienstleis-
96 97 98 99 100
Vgl. Eversmann, M. (1994), S. 349. Vgl. Beer, M. (1998), S. 133. Vgl. Hellwig, H. -J. (1989), S. 1064 f. Vgl. Weder, R. (1989), S. 33 f; zitiert in Kagelmann, U. (2001), S. 100. Als Beispiel sei das gemeinsame Shared Service Center DreTec Software Ltd. in Dublin von Deutsche Bank AG und der NorCom Software & Consulting Gruppe genannt zur Entwicklung von Internet- und ElektronikCommerce-Anwendungen für das Bankenumfeld, Vgl. o. V. (1999a), S. 4.
37
tungsmentalität. Die Besitzverteilung lag zunächst bei 49% der PreussenElektra gegenüber 51% von Cap Gemini Ernst & Young. Die Geschäftsverteilung war dabei so geregelt, dass die PreussenElektra für das Ressort Verwaltung und Cap Gemini Ernst & Young für das Ressort Services und Vertrieb verantwortlich waren. Nach der Gründung der E.On Energy AG sind die Gedos mbH, ehemaliger IT-Dienstleister der Bayernwerk AG und die Synergies GmbH zu einem neuen gemeinsamen Shared Service Center, die IS:Energy GmbH, verschmolzen. Die Beteiligungsverhältnisse haben sich ebenfalls geändert. Die E.On Energy AG ist dann Hauptgesellschafter mit 75% Beteiligung geworden. Im Laufe der Jahre ist der Anteil an externem Geschäft gewachsen und die Servicegesellschaft ist mittlerweile, mit rund 1.300 Mitarbeitern, einer der führenden Full Service ITDienstleister für die Energiewirtschaft in Deutschland. Hauptkunden sind überwiegend Unternehmen der E.On-Energy-Gruppe, aber auch Stadtwerke und regionale Versorger außerhalb des Konzerns zählen mittlerweile ebenso dazu. Seit Anfang 2005 gehört sie zu 100% dem E.On Konzern und ist am 1. April zur E.On IS GmbH umfirmiert worden. Der Mitgesellschafter Cap Gemini Ernst & Young ist somit ausgeschieden.101
2.3
Definitorische Abgrenzung: Shared Service Center versus alternative Formen der Organisation interner Dienstleistungen
Vor dem Hintergrund der dargestellten organisatorischen Merkmale eines Shared Service Centers geht es in diesem Unterkapitel darum, dieses neue Konzept von anderen Organisationsformen zu unterscheiden bzw. abzugrenzen. In der Praxis hat sich im Laufe der Zeit gezeigt, dass es häufig zu einer Vermischung der verwandten Organisationskonzepte Outsourcing, Zentralisierung, geschäftsbereichs-spezifische Services und Shared Service Center kommt. In manchen Fällen wird der Begriff Shared Services für eine geplante Zentralisierung „missbraucht“. Für das Management eines Unternehmens kann es durchaus sinnvoll sein, anstelle des negativ besetzten Begriffes „Zentralisierung“ das serviceorientierte Center vorzuschieben. Wird beispielsweise die interne Dienstleistungsorganisation eines Großkonzerns während eines Reorganisationsprozesses zugleich neu strukturiert, so sind die verschiedenen organisatorischen Alternativen eindeutig zu definieren und klar voneinander abzugrenzen, um deren eventuellen Einsatz leichter überprüfen zu können.
2.3.1
Shared Service Center versus Outsourcing
Obwohl eindeutige Unterscheidungsmerkmale vorliegen, werden Outsourcing und Shared Service Center in der Praxis manchmal verwechselt. Das mag daran liegen, dass aus Sicht der dezentralen operativen Einheiten tatsächlich bestimmte Prozesse „ausgelagert“ werden,
38
also nicht mehr selbst durchzuführen sind. Jedoch werden beim Shared Service Center die Prozesse innerhalb des Unternehmens gebündelt bzw. konsolidiert. Bei Outsourcing handelt es sich „[...] um den Prozess der Auslagerung von bislang im Unternehmen erbrachten Leistungen an einen externen Dritten. Diesem wird dabei die dauerhafte unternehmerische Verantwortung für eine sachgerechte Leistungserstellung übertragen.“102 Das Unternehmen gibt das Know-how über den Prozess ab und begibt sich in die Abhängigkeit des externen Dienstleisters. Bei Shared Service Centern hingegen verbleiben die Prozesshoheit und die Kompetenz im Unternehmen und somit auch die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit dieser Prozesse.103 Beide Varianten ermöglichen jedoch den operativen Einheiten die Konzentration auf das Kerngeschäft, eine Kostenreduzierung sowie eine erhöhte Flexibilität und haben somit ihre Berechtigung. Outsourcing kann dann als sinnvolle Alternative betrachtet werden, wenn für das Unternehmen die Prozessspezifität gering und der mögliche Know-how-Verlust unbedeutend ist, auf der anderen Seite auf die Sicherheit eines erfahrenen Partners zurückgegriffen werden kann und - nicht zuletzt - die finanziellen Konditionen attraktiv sind. Weitere Unterscheidungsmerkmale liegen in der Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen zwischen Shared Service Center und operativen Einheiten bzw. externem Dienstleister und Geschäftseinheiten begründet. Erstere basieren auf einer internen Kunden-LieferantenBeziehung, die über Servicevereinbarungen geregelt ist, während letztere eine externe Kunden-Lieferanten-Beziehung darstellen, die über Vertragswerke zu regeln sind. Die Sanktionsmechanismen bei Nicht-Erfüllung der vereinbarten Bedingungen sind im Falle des Outsourcings wesentlich härter als bei Shared Services. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist die Art der Leistungsverrechnung. Bei Outsourcing gelten ausschließlich Marktpreise, während beim Shared Service Center sowohl markt- als auch kostenorientierte Preise anwendbar sind. Diese Entscheidung ist von der Entwicklungsstufe der Shared Service Center Organisation abhängig. Tabelle 2.1 fasst die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zusammen:
101 Gesellschafter sind nun E.ON Energie, E.ON Ruhrgas sowie E.ON Avacon, E.ON Mitte, E.ON edis, E.ON Bayern, E.ON Hanse, E.ON Westfalen Weser und E.ON Thüringer Energie. 102 Zahn, E. Barth, T., Hertweck, A. (1999), S. 5. 103 Vgl. Schüssler, T. (1999), S. 12.
39
Tabelle 2.1: Shared Service Center versus Outsourcing Outsourcing
Shared Service Center
Auslagerung von Aktivitäten
Konsolidierung von Prozessen
Wirtschaftlich und rechtlich selbständiger Anbieter
Wirtschaftlich und rechtlich teilweise selbständiger Anbieter
Service-Level-Agreements mit Sanktionsmechanismus (Dienstleistungsverträge)
Service-Level-Agreements ohne Sanktionsmechanismus
Kostensenkung durch Variabilisierung fixer Kosten
Kostensenkung durch Nutzung von Economies of Scale
Konzentration auf Kerngeschäft
Konzentration auf Kerngeschäft (aus Sicht dezentraler Einheiten)
Nur Marktpreise
Verrechungspreise (markt- oder kostenorientiert)
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wißkirchen, F., Kleinertz, M. (2000), S. 188 Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein Shared Service Center, um höhere Kosteneffizienz zu erreichen, bestimmte Prozesse an einen externen Outsourcing-Partner auslagert. Das Shared Service Center spielt dann die Rolle eines Koordinators. Operative Aufgaben werden dann von Dritten durchgeführt. Wichtig ist jedoch, dass der interne Dienstleister Auftrags- und Kontrollkompetenz beibehält, um qualitativ hochwertige Dienstleistungen für seine internen Kunden zu garantieren.
2.3.2
Shared Service Center versus Zentralbereiche
In der unternehmerischen Praxis werden Shared Service Center häufig mit Zentralisierung gleichgesetzt, da in beiden Fällen eine Prozessbündelung stattfindet. Bei Shared Service Center handelt es sich ausschließlich um eine Bündelung von Supportaufgaben. Traditionellerweise sind Zentralbereiche zwar weitestgehend durch eine vertikale Bündelung entstanden, beinhalten aber typischerweise nicht nur Steuerungs-, sondern auch Unterstützungsaufgaben.104 Aus diesem Grund kommt es zu Verwechslungen zwischen den beiden Organisationsformen. Darüber hinaus werden Zentralbereiche häufig als „wasserkopfartige“ und überbürokratisierte Organisationseinheiten bezeichnet, die durch eine zu starke Formalisierung und Regulierung ineffiziente Leistungen erbringen. Zentralstellen verspüren keinerlei Marktdruck und fühlen sich deshalb nicht ständig gezwungen, wettbewerbsfähige und qualitativ hochwertige
40
Leistungen zu erbringen. Deswegen mangelt es häufig an einer stärkeren Kundenorientierung bei der Leistungserstellung. Doppelaufwendungen sind keine Seltenheit, wenn die dezentralen Einheiten sich für eine Eigenherstellung der Supportaufgaben entscheiden.105 Diese vielfach negativen Erfahrungen von den strategischen Geschäftseinheiten mit Zentralstellen sind im Wesentlichen dafür verantwortlich, weshalb sich der Shared Service Center Ansatz in Deutschland erst nach und nach durchsetzt. Fälschlicherweise wird unterstellt, dass Prozesse aus lokalen Geschäftseinheiten in eine Zentralstelle übertragen werden sollen. Demgegenüber steht beim Shared Service Center Konzept eine starke Fokussierung auf den internen Kunden sowie, falls es sich um marktfähige Leistungen handelt, häufig die Leistungserstellung unter Wettbewerbsbedingungen im Vordergrund. Dabei wird das Ziel verfolgt, die Vorteile der Zentralisierung zu nutzen, wie z. B. die Nutzung von Synergieeffekten oder von kostenreduzierenden Größendegressionseffekten, ohne deren Nachteile zu übernehmen. Aus diesem Grund unterscheiden sich diese beiden Ansätze auch bezüglich ihrer Gestaltungsparameter, die in Tabelle 2.2 gegenübergestellt sind:
Tabelle 2.2: Shared Service Center versus Zentralisierung Zentralisierung
Shared Service Center
Zusammenfassung von Funktionen in einer Zentralstelle
Zusammenführung bzw. Konsolidierung von Prozessen in eine oder mehrere Organisationseinheiten
Zentrale Planung, Durchführung und Kontrolle der Leistungserbringung
Planung und Kontrolle der Leistungserbringung verbleiben bei den lokalen Geschäftseinheiten
Wirtschaftlich unselbständige Organisationseinheit
Wirtschaftlich selbständige Organisationseinheit
Planungs- / Budgetierungsprozess mit Umlagen
Verhandlungsprozess mit Verrechnungspreisen
Leistungserstellungspflicht und Abnahmepflicht
Bei Marktleistungen besteht häufig Wettbewerbsdruck
Quelle: Wißkirchen, F., Kleinertz, M. (2000), S. 189
104 Vgl. Krüger, W. (2004), S.191. 105 Vgl. Wißkirchen, F., Kleinertz, M. (2000), S.188 f.
41
Erfahrungsgemäß kommt es bei der Abgrenzung Shared Service Center und Zentralisierung zu intensiven Diskussionen insbesondere während des Einführungsprojekts und in den ersten Entwicklungsphasen. Das Shared Service Center ist zu Beginn seiner Implementierung noch nicht wettbewerbsfähig genug, um sich am externen Markt zu behaupten. Es braucht eine gewisse Anlaufszeit, bis sich alle Merkmale eines kundenorientierten Centers entfalten können. Während dieser ersten Phase kann es deshalb zu großen Widerständen der Verantwortlichen in den strategischen Geschäftsbereichen kommen, da sie noch nicht die Vorteile des neuen Ansatzes beobachten können. Damit mögliche Ängste und Akzeptanzschwierigkeiten nicht zu einem Scheitern des Projekts führen, ist von der Unternehmensleitung eine aktive Informationspolitik zu betreiben, um interne Kunden vor allem von der Service- und Kundenorientierung eines Shared Service Centers zu überzeugen.106 Nicht zu verwechseln mit traditionellen Zentralstellen sind sogenannte “Headquarter Services” oder „Corporate Center neuen Typs“ (siehe Unterkapitel 1.4). Headquarter Services befinden sich beispielsweise in Holding-Organisationen, die über eine schlanke Konzernzentrale verfügen. Im Vordergrund steht hier der Aufbau von „dienstleistungsorientierten“ Konzerneinheiten durch eine Auflockerung der starken Formalisierung und Regulierung durch Zentralvorgaben. Darüber hinaus ist eine Verschlankung der zentralen Instanzen unbedingt notwendig. Sie konzentrieren sich weitestgehend auf Steuerungsaufgaben und überlassen mögliche Unterstützungstätigkeiten den operativen Geschäftseinheiten oder aber den Shared Service Centern. Bezogen auf die unterschiedlichen Zentralbereichstypen von Frese und Werder107 lässt sich eine Zuordnung zu Corporate Center und Shared Service Center vornehmen: Zentralbereiche vom Typ Kernbereichs- und Richtlinienmodell entsprechen dem Corporate Center neuen Typs. Stabs- und Servicemodelle erfüllen eher Unterstützungsaufgaben, die denen eines Shared Service Centers gleichen. Das sogenannte Matrixmodell steht für ein tendenziell gleichberechtigtes Zusammenwirken von Zentrale und nachgelagerten Einheiten und nimmt insofern eine Zwischenstellung ein.
2.3.3
Shared Service Center versus „Dedicated“ Services
Neben den Shared Service Centern stellen „Dedicated“ Services eine weitere Form von Supportprozessen dar. Hierbei handelt es sich um spezifische Dienstleistungen, die ausschließlich für eine geschäftsbereichsbezogene Anwendung dezentralisiert angefertigt werden, wie beispielsweise ein ganz spezielles EDV-Anwendungsprogramm, das von der IT-
106 Vgl. Wißkirchen, F., Kleinertz, M. (2000), S.189. 107 Siehe Unterkapitel 1.2.
42
Abteilung in einer operativen Geschäftseinheit eingesetzt wird. Diese Serviceaktivität wird ausschließlich von dem betroffenen Bereich benötigt, so dass keine Synergieeffekte durch eine konsolidierte Lösung zu erwarten sind. Eine gebündelte Lösung, in Form eines Shared Service Centers rentiert sich nicht, denn der Servicebedarf ist zu gering und zu spezifisch. Diese eher wenig wirtschaftlich orientierten „Dedicated“ Services werden häufig, trotz des parallelen Aufbaus von Shared Service Centern, aus strategischen Gründen nicht gleichzeitig abgeschafft. Die Erhaltung von Fachkompetenz in bestimmten dienstleistungsbezogenen Fragen steht hier im Vordergrund. Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal zwischen „Dedicated“ Services und Shared Service Centers ist die jeweilige juristische Form der Organisationseinheiten. Sind geschäftsbereichsspezifische Dienstleistungen per Definition keine rechtlich selbständigen Einheiten, so handelt es sich indessen bei Shared Service Centern überwiegend um solche. Bezüglich der wirtschaftlichen Verantwortung ist festzustellen, dass „Dedicated“ Services in der Regel lediglich als budgetierte Kostenstellen geführt werden, wohingegen bei Shared Service Centern die Verantwortlichkeiten mehrheitlich in Form eines kostenorientierten bzw. marktorientierten Centers definiert sind. Die Art der Leistungsverrechnung wird dadurch auch beeinflusst. Erfolgt diese zwischen den Shared Service Centern und ihren internen Kunden mehrheitlich durch ein Verrechnungspreissystem, so dominiert bei den „Dedicated“ Services die Zurechnung der Kosten durch Umlage auf die Kostenstellen innerhalb der operativen Geschäftseinheiten. Ein weiterer Unterschied betrifft den Standort der Leistungserbringung. „Dedicated“ Services sind grundsätzlich örtlich am Standort der operativen Einheit angesiedelt und demzufolge räumlich mit diesem eng verbunden. Allein aufgrund dessen, dass ein Shared Service Center in der Regel Dienstleistungen für mehrere Grundeinheiten bereitstellt, kann im Gegensatz dazu die Dienstleistungserstellung für gewöhnlich nicht am Standort der strategischen Geschäftseinheit erfolgen. In Shared Service Centern kommt es zu einer Bündelung von homogenen und somit stärker standardisierbaren Aufgaben, aus denen sich Skalenerträge und Synergieeffekte erzielen lassen. Im Gegensatz dazu sind geschäftsbereichsspezifische Dienstleistungen häufig wissensintensiver, so dass für ihre Einführung Spezialisten benötigt werden, die nicht selten von außen engagiert werden. Der projektbezogene Aufbau mit Hilfe von externen „Profis“, wie z. B. die Einführung einer SAP-Anwendung, ist eine Art von „Dedicated“ Services, die häufig vorkommt. Zum Zwecke der Erzielung von Skalenerträgen im Shared Service Center ist der Standardisierungsgrad aus Konzernsicht relativ hoch. Andererseits besitzt die operative Geschäftseinheit aber höhere Freiheitsgrade zur kurzfristigen Reaktion auf interne oder externe Anforderungen, d. h. zur Anpassung der Supportprozesse. Damit einher geht ein höherer Grad an Flexibilität im Leistungserstellungsprozess im Verhältnis zur Einbeziehung in das Shared Services Konzept. 43
Tabelle 2.3: Shared Service Center versus „Dedicated“ Services „Dedicated Services“
Shared Service Center
Interne Dienstleistungen werden dezentralisiert in den einzelnen strategischen Geschäftseinheiten durchgeführt
Zusammenführung bzw. Konsolidierung von Prozessen in eine oder mehrere Organisationseinheiten
Geschäftsbereichsspezifische Leistungen
Generische Leistungen
Aufbau interner Fachkompetenz steht im Vordergrund
Generierung von Synergieeffekten und Skalenerträgen steht im Vordergrund
Dezentrale Planung, Durchführung und Kontrolle der Leistungserbringung
Planung und Kontrolle der Leistungserbringung verbleiben bei den lokalen Geschäftseinheiten
Lokaler Standort
Internationaler Standort auch möglich
Wirtschaftlich unselbständige Organisationseinheit
Wirtschaftlich selbständige Organisationseinheit
Planungs- / Budgetierungsprozess mit Umlagen
Verhandlungsprozess mit Verrechnungspreisen
Nach der allgemeinen Charakterisierung und definitorischen Abgrenzung des Shared Service Center Ansatzes von anderen organisatorischen Formen gilt es, das Konzept empirisch zu untersuchen. Ziel des nächsten Abschnitts ist es, einen ersten Überblick in die Forschungsmethodik sowie über die Ergebnisse der durchgeführten Fallstudienanalyse zu geben, um die Frage nach dem „State-of-the-art“ der internen Dienstleistungsorganisation zu beantworten. Diesem praxisorientierten Überblick folgen dann drei konkrete Fallstudien (Kapitel 4), welche die Basis für eine tiefergehende Diskussion gründen sollen.
44
3
Shared Services: „State-of-the-art“ der modernen Dienstleistungsorganisation? Erste empirische Ergebnisse
Der angewandte empirisch-induzierte Forschungsansatz basiert auf einer Reihe von qualitativ orientierten Fallstudien, die im Laufe des Dissertationsvorhabens durchgeführt wurden.108 Als Basis für die Studie sind zwölf Unternehmen ausgewählt worden, welche die Thematik der Arbeit am genauesten treffen, nämlich die Analyse von weiterentwickelten Formen der Organisation und Steuerung interner Dienstleistungen. Ziel der Erhebung war es, interne Dienstleistungsanbieter (insbesondere Shared Service Center) in ihrer Komplexität anhand der Analyseebenen Organisation und Steuerung zu erfassen. Die empirische Analyse dient vor allem der Ableitung von realtypischen Phänotypen und Gestaltungsempfehlungen für das erfolgreiche Management interner Services (siehe Kapitel 7). Bevor die Ergebnisse im Detail entfaltet werden, sollen die in die Analyse einbezogenen Unternehmen kurz in allgemeiner Form charakterisiert werden. Diese Angaben sind für die Auswertung schon deshalb von Interesse, weil sie als Kontextfaktoren potenziell entscheidungsrelevante Randbedingungen der organisatorischen Gestaltung markieren. Wie Tabelle 3.1 zeigt, repräsentieren die erfassten Unternehmen ganz unterschiedliche Branchen und Größenklassen. Die regionale Aufschlüsselung der Mitarbeiterzahlen zeigt eindruckvoll das mittlerweile erreichte Ausmaß der Internationalisierung.
108 Zwischen Juni 2001 und Mai 2005.
45
46
Ernährung
Bahlsen
kommunikation
Telekom
10,9
59,6 k. A.
15,6 (€)
75,4 (€) 10,8 (€)
Energie
Elektronik
Auto-Zulieferer
OMV
Siemens
ZF
29,7
k. A.
k. A.
55,7 (€)
18,1 (€)
92,1 ($)
k. A.
25,4
27,5
23,1
50
Handel
Verkehr
Transport /
kommunikation
Tele-
56,4 (€)
59,6 (€)
42,7 (€)
27,3 (€)
0,5 (€)
k. A.
umsatz (%)
(Mrd.) 5,1 ($)
Auslands-
Umsatz
Metro
Lufthansa
IBM
Energy
Energie
Tele-
Deutsche
E.On
Chemie
BASF
Chemie
Pharma /
Technologie
Agilent
Bayer
Branche
Firma
53.940
461.000
49.919
246.875
92.303
329.373
79.947
243,695
80.945
93.700
3431
21.000
Mitarbeiter
20.635
295.800
46.605
126.894
31.291
k. A.
35.471
75.820
35.325
56.100
1042
k. A.
Ausland (%)
Mitarbeiter
Management. Finanz- und Rewe
Bahlsen Business Services GmbH
Umwelt gesellschaften
ZF-Informatik
Co. OHG
Services GmbH &
Siemens Business
GmbH
IT
IT und Logistik
IT
IT, Logistik und QuerschnittsOMV Netzwerk
IT
Rewe
IT-Services
Facility Mngt.
HR
Rewe
LH-Systems GmbH
Accounting Center
Synergies GmbH
GmbH
DeTeImmolbilien
Business Center
Services GmbH
ment, Finanz und
IT, HR, Produre-
IT, HR, Facility
Center
Bayer Business
Funktionen
Shared Service
Analysierte
Dienstleister
Interner
Tabelle 3.1: Charakterisierung der ausgewählten Unternehmen (Stand 2005)
3.1
Konzeption und Methodik der Datenerhebung
Die Konzeption der Datenerhebung wird anhand von folgenden fünf Phasen erläutert: x Auswahl der Forschungsmethodik x Auswahl der Untersuchungseinheiten x Datenerhebung x Datenaufbereitung und -auswertung x Dateninterpretation
Die Durchführung von Fallstudien als Forschungsmethodik ist aufgrund des qualitativ orientierten Charakters der Untersuchung gewählt worden. Nicht die Ermittlung statistischer Kennziffern steht im Vordergrund der Auswertung, sondern es erfolgt vielmehr eine primär qualitative Betrachtung, die festzustellende Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erklären versucht. Wenn auch die einbezogenen Unternehmen eine Querschnittsanalyse ermöglichen, müssen statistische Analysen schon aus Gründen der begrenzten Anzahl an untersuchten Unternehmen ausscheiden. Die Auswahl der Untersuchungseinheiten ist kein einfacher Prozess gewesen. An der Analyse sollten lediglich Unternehmen teilnehmen, die weiterentwickelte Formen des Managements interner Dienstleistungseinheiten besaßen, wie z. B. Shared Service Centers. Die erste Hürde fand die Autorin schon bei den Begrifflichkeiten. Im deutschsprachigen Raum ist das Shared Service Center Konzept zu Beginn der Untersuchung109 noch wenig bekannt gewesen. Lediglich Ansprechpartner von in Deutschland angesiedelten US-amerikanischen Tochterfirmen hatten erste Erfahrungen mit diesem Ansatz gemacht, wie z. B. Agilent Technologies oder IBM. Darüber hinaus ließ sich bei den ersten Unternehmenssondierungen feststellen, dass mehrere deutschsprachige Großunternehmen Shared Services Centers bereits implementiert hatten, allerdings diese anders benannten, wie z. B. Querschnittseinheiten oder Service-Netzwerke. Weiterhin war das Shared Service Center Konzept von der Beratungswelt als potenzielle Marktchance erkannt worden. Aufgrund des empirischen Charakters des neuen Ansatzes wurde dieser von den verschiedenen Beratungsunternehmen nach eigenen Vorstellungen definiert, so dass es in der Anfangsperiode zu einer ausgeprägten Begriffsvielfalt kam. All diese Aspekte haben die Identifizierung der Shared Service Center und somit auch die Festlegung der Unternehmensauswahl erschwert. Um die Auswahl zu konkretisieren, wurde zusammen mit dem Lehrstuhl für Internationales Management eine eigene Definition des Shared Service Center Konzepts festgelegt.110 Bei
109 Im Jahr 2001. 110 Siehe S. 31.
47
der ersten Kontaktaufnahme sollte dem Ansprechpartner diese Definition vorgelegt werden, um die Existenz von Shared Service Centern im betroffenen Unternehmen zu überprüfen. Gleichzeitig wurden sechs potenzielle interne Dienstleistungsfunktionen determiniert, die am häufigsten in Form eines Shared Service Center vorkommen: Finanz- und Rechnungswesen, Facility Management, Informationstechnologie, Human Ressources, Logistik sowie Umweltdienstleistungen. Es wurden lediglich Großunternehmen analysiert, denn der Aufbau und die Implementierung neuerer Formen des Managements interner Dienstleistungen lohnt sich erst ab einer gewissen Unternehmensgröße, damit die erwarteten Bündelungseffekte überhaupt auftreffen. Als wichtigste quantitative Kriterien für die Definition eines Großunternehmens gelten die Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn. In Abgrenzung zu kleineren und mittleren Unternehmen werden Großunternehmen auf der Basis von folgenden quantitativen Werten definiert: Großunternehmen haben mehr als 500 Mitarbeiter und erwirtschaften Jahresumsätze von über 50 Mio. Euro.111 Da interne Dienstleistungseinheiten in jedem Unternehmen gleichermaßen anzutreffen und weitgehend branchenunabhängig sind, wurde die Untersuchung nicht auf eine bestimmte Branche beschränkt. Eine weitere nennenswerte Problematik ist die Heterogenität der internen Dienstleistungsstrukturen. Manche Unternehmen haben beispielsweise nur einzelne Funktionen als Shared Service Center organisiert, wie z. B. das Unternehmen ZF-Friedrichshafen AG, welches ein Shared Service Center ausschließlich im IT-Bereich besitzt.112 Andere Firmen konsolidieren ihre gesamten Unterstützungseinheiten in einer Servicegesellschaft113, wie z. B. die Bayer Business Services GmbH, in der Aktivitäten der Supportbereiche Human Ressources, IT, Logistik, Finanzen, Recht und Patente, u. a. gebündelt sind. Um einen ersten Überblick über die analysierten Unternehmen zu bekommen und die wichtigsten Merkmale der neuen Organisationsform im empirischen Kontext zu betrachten, hat sich die Autorin für eine erste allgemeine bzw. quantitativ-orientierte Darstellung entschieden (Kapitel 3.2). Aus dem gesamten Unternehmenspool werden danach drei Fallstudien ausgewählt und detailliert beschrieben (Kapitel 4). Diese treffen die Thematik der Arbeit am genauesten, nämlich den Aufbau und die Steuerung interner Dienstleistungen. Die Datenerhebung erfolgt multimethodisch.114 Ziel der Erhebung ist es, interne Dienstleistungsanbieter in ihrer Komplexität zu erfassen. Um dies zu gewährleisten, kann das Verfahren der Datentriangulation herangezogen werden. Bei diesem werden gezielt unterschiedliche Perspektiven, d. h. Datenquellen, miteinander kombiniert, die geeignet sind, möglichst
111 112 113 114
48
Günterberg, B., Wolter, H.- J. (2002), S. 21. Daten aus dem persönlichen Interview mit dem Leiter Informatik der ZF-Friedrichshafen. Meistens in Form einer GmbH, die als häufig als Service-Netzwerk bezeichnet wurde. Vgl. Boos, M. (1993), S. 34.
unterschiedliche Aspekte eines Problems zu berücksichtigen.115 Durch diesen Ansatz können eventuell Fehler einzelner Datenquellen erkannt und ausgeglichen werden. In der vorliegenden Arbeit werden die folgenden Erhebungsmethoden angewandt: x Halbstrukturierte Interviews mit kompetenten Ansprechpartnern x Inhaltsanalyse von Dokumenten zur Erfassung von unternehmensspezifischen Informationen, wie z. B. Geschäftsberichte, interne Unterlagen, Aufsätze zu Fallstudien, veröffentlichte Aufsätze und Broschüren x Teilnehmende Beobachtung in einer Organisation im Rahmen eines mehrwöchigen Praktikums116 Die persönlichen Interviews wurden im Rahmen der empirischen Studie mittels eines teilstandardisierten Leitfadens durchgeführt. Als besondere Form des Leitfadeninterviews wurde das Experteninterview bevorzugt.117 Der Befragte sollte in seiner Funktion als Experte in der Thematik der internen Dienstleistungen bzw. der Shared Service Center kompetent sein. Auch wurde der Befragte nicht als Einzelperson, sondern als Repräsentant einer Gruppe, z. B. einer Shared Service Center Funktion, in die Untersuchung einbezogen. Erhoben wurden Daten zu folgenden Themenblöcken: x Daten und Fakten zum Unternehmen und zur internen Dienstleistungsorganisation x Aufbau und Implementierung des neuen organisatorischen Konzepts x Funktionsmechanismus bzw. Steuerungsinstrumente sowie x Qualitäts- und Erfolgsmessung Die Datenaufbereitung und -auswertung wird mittels der strukturierenden Inhaltsanalyse angegangen. Mit der Methode des strukturierten, fokussierten Vergleichs von Fällen kann das Wissen über einen spezifischen Objektbereich kumuliert werden. Die unternehmensindividuellen Erhebungen werden im Folgenden im Hinblick auf eventuelle Gemeinsamkeiten, aber auch markanten Unterschieden der gewählten Modelle, der gestaltungsleitenden Überlegungen und der gewonnenen Erfahrungen ausgewertet. Das Ziel der Auswertung besteht nicht in der Ermittlung statistischer Kennziffern. Es erfolgt primär qualitativ. Darüber hinaus wird eine Querschnittsanalyse benötigt, um die in der Praxis vorgefundenen Konzep-
115 Vgl. Hussey, J., Hussey, R. (1997), S. 74. 116 Diese Methode wurde zur Erstellung der Fallstudie Bayer Business Services GmbH angewandt (siehe Unterkapitel 4.1) 117 Vgl. Mayer, H. O. (2002), S. 36f.
49
te zur Organisation und Steuerung interner Dienstleistungseinheiten erklären und verallgemeinerungsfähige Gestaltungsempfehlungen ableiten zu können. Bei der Interpretation der Ergebnisse sind bei einer qualitativen Vorgehensweise angesichts der komplexen Struktur organisatorischer Regelungen Vergröberungen unvermeidlich und bei der Würdigung der Untersuchungsergebnisse in Rechnung zu stellen. Bei den persönlichen Interviews ist die Subjektivität der Erhebungssituation sowohl auf der Seite des Interviewers als auch bei den befragten Personen festzustellen. Sowohl die subjektiven Kriterien bei der Auswahl der aufgenommenen Unternehmen als auch die auf subjektive Wahrnehmung und Einschätzungen beruhenden Antworten der befragten Personen sind Elemente dieses interpretativen Erhellungsprozesses.
3.2
Organisatorische Merkmale der analysierten Unternehmen
Obwohl es sich bei der empirischen Untersuchung um eine qualitativ-orientierte Fallstudienanalyse handelt, möchte die Autorin zunächst einen eher quantitativen Überblick über die organisatorischen und strukturellen Charakteristiken der analysierten Shared Service Center Strukturen geben. Des Weiteren geht es hier darum, einen komparativen Vergleich zwischen den bisher in der Literatur und aus anderen empirischen Studien beschriebenen Merkmalen dieser neuen Organisationsform118 und denen im Rahmen der Studie festgestellten Charakteristiken, zu ziehen. Die Auswertung konzentriert sich auf folgende vier Hauptaspekte: x Gründe für die Einführung von Shared Service Centern (Abschnitt 3.2.1) x Aufbau- und Implementierungsprozess (Abschnitt 3.2.2) x Funktionsmechanismus (Abschnitt 3.2.3) x Qualitäts- bzw. Erfolgsmessung (Abschnitt 3.2.4). Auf eine funktionsbezogene Analyse (z. B. IT oder Human Ressources) wird in diesem Fall ausdrücklich verzichtet. Dies lässt sich begründen dadurch, dass die vier dargestellten Hauptaspekte der Bewertung die allgemeinen Charakteristiken von Shared Service Center Organisationen betreffen, und nicht von der Funktion des internen Dienstleisters nennenswert beeinflusst werden. Darüber hinaus stammen die hier verwendeten Daten meistens aus Gesprächen mit Unternehmensvertretern, die in den Aufbau- und Implementierungsprozess der neuen Organisation direkt involviert waren, wie z. B. ehemalige Projektleiter oder weitere Mitglieder des Projektteams, welche eher funktionsunabhängigen Informationen vermittelt haben.
118 Siehe insbesondere Abschnitt 2.2.3.
50
3.2.1
Gründe für die Einführung von Shared Service Centern
Nach den Ergebnissen der Fallstudienanalyse werden drei Hauptziele bei der Gründung eines Shared Service Centers verfolgt: Erhöhung der internen Service-Qualität, erwartete Kosteneinsparungen sowie Verringerung der Prozesskomplexität (siehe Abbildung 3.1).
Abbildung 3.1: Gründe für die Einführung von Shared Service Centern (Mehrfachnennungen erlaubt)
Erhöhung der internen Service-Qualität
83,3%
Kosteneinsparungen
75,0%
Verringerung der Prozesskomplexität
66,7%
Synergieeffekte
50,0%
Reorganisation des gesamten Unternehmens
41,7%
Konzentration auf Kernkompetenzen
33,3%
Globalisierungstendenzen
33,3%
Straffung von Entscheidungsprozessen
16,7%
Akquisitionen und Fusionen
16,7%
Andere Ziele
8,3% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Fehlende Wettbewerbsfähigkeit und eine mangelnde Markt- und Kundenorientierung der bisherigen Organisationsstrukturen bei der Erbringung interner Serviceaktivitäten werden von neun der zwölf untersuchten Unternehmen als die wichtigsten Motive für die Einführung von Shared Service Centern erwähnt. Die Erhöhung der internen Service-Qualität ist ein notwendiges Ziel für die konsequente Abschaffung alter verkrusteter Strukturen. Der Aufbau von selbständigen und professionellen Dienstleistungseinheiten, die „aus einer Hand“ alle nötigen Serviceleistungen für interne Kunden anbieten, steht hier im Vordergrund. Eine professionelle Durchführung von internen Dienstleistungsaufgaben, die Markt- und Kundenanforderungen erfüllt, lässt sich jedoch nur durch den objektiven Vergleich mit externen Konkurrenten und durch eine weitgehende Kosten- bzw. Preis-Leistungs-Transparenz erreichen. Das Kosteneinsparungsargument ist auch eines der meisterwähnten Ziele, das mit der Einführung von Shared Service Centern verfolgt wird. Einsparungspotenziale entstehen vor al51
lem durch die Prozesskonsolidierung. Die größten Kosteneinsparungen leiten sich aus der Reduktion der Mitarbeiterzahl durch den Konzentrationsprozess ab. Stark dezentralisierte Strukturen werden durch eine gebündelte Lösung ersetzt, die vor allem ressourcenschonender ist. Durch die Optimierung der Prozessabläufe werden konsequenterweise Synergieeffekte erwartet. Es lässt sich bisher eine starke Überstimmung zwischen den Ergebnissen aus bisherigen Untersuchungen und denen aus der selbstdurchgeführten Studie feststellen. Die Argumente Kosteneinsparungen und Service-Verbesserung werden am häufigsten erwähnt.119 Ein weiteres wichtiges Ziel ist zugleich die Verringerung der Komplexität sowohl in den Kernals auch in den Supportprozessen, verursacht vor allem durch eine saubere Trennung von operativen und strategischen Prozessen. Eine weitgehende Standardisierung des Angebots, insbesondere durch die Einführung von elektronischen Plattformen, soll zu einer stetigen Prozessvereinfachung beitragen. Bei fünf der zwölf betrachteten Unternehmen wird die Einführung von Shared Service Centern als eine notwendige strukturelle Folge aus einem gesamtunternehmerischen Reorganisationsprozess bezeichnet. Bei zwei Firmen sind Shared Service Center während der strategischen Neuordnung des Konzerns von einem Stammhauskonzern zu einer ManagementHolding eingeführt worden. Hauptziel war es, den strategischen Geschäftseinheiten einen höheren Grad an operativer Selbständigkeit zu verleihen. Damit sollten sie sich stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. Eine konsequente Entlastung der strategischen Geschäftsfelder von nicht-kernorientierten Aktivitäten sollte deshalb durch die Einführung von Shared Service Centern erzielt werden. In beiden Unternehmen waren vor dem Restrukturierungsprozess die internen Dienstleistungseinheiten stark zentralistisch organisiert. Eine konsequente Trennung von strategischen und serviceorientierten Aufgaben fehlte. Durch die neue Struktur sollten unterstützende Prozesse gebündelt, d. h. für alle Teilkonzerne von einer spezialisierten Center-Einheit durchgeführt werden. Strategische Dienstleistungsaktivitäten wurden in beiden Fällen in der Holding als „Headquarter Services“ zusammengefasst. Etwas weniger als erwartet wird im Rahmen der Studie das Ziel Konzentration auf Kernkompetenzen durch die weitgehende Entlastung der Kernfelder erwähnt.120 Der Grund hierfür kann angenommen werden, dass es sich hier für einige Unternehmen nicht um ein primäres Ziel, sondern um eine natürliche Folge aus beispielsweise dem vorher erläuterten Umstrukturierungsprozess handelt. Das Globalisierungsziel wurde lediglich von vier der zwölf Unternehmen als Motiv für den Aufbau von neuen internen Servicestrukturen erwähnt. Das ist ein Hinweis für die eher nationale Ausrichtung von Shared Service Centern in Europa. Drei Firmen verrichteten interne Dienstleistungen auch für ausländische Standorte. Die Internationalisierung der Aktivitäten
119 Siehe Abschnitt 2.2.3.1. 120 Im Vergleich zum Abschnitt 2.2.3.1.
52
ist jedoch nicht unbedingt mit einer Standortverlagerung gebunden, zumindest nicht, solange der Umfang der Aufgaben überschaubar bleibt. Im Rahmen der empirischen Studie hatte lediglich ein Unternehmen ein europaweites Shared Service Center im Finanzbereich außerhalb der nationalen Grenzen gegründet, um aus den niedrigen Lohnkosten zu profitieren. Aufgrund der Heterogenität der rechtlichen und gesetzlichen Struktur in Europa ist ein sogenanntes „pan-europäisches“ Zentrum eine eher seltene Konstellation. Dieses lässt sich höchstens für stark transaktionsorientierte Aufgaben, wie z. B. Accounting-Aktivitäten errichten. Darüber hinaus kann die Standortentscheidung politisch bedingt sein, wie das im Jahr 2005 im Osten Berlins gegründete, europäische Finanz- und Human Ressources Shared Service Center von BASF.121 Dabei sollten über 500 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich nicht um einen Produktionsbetrieb der chemischen Industrie, sondern um ein reines Dienstleistungsunternehmen mit einer maßgeschneiderten Tarifvereinbarung, so dass das Unternehmen kostengünstiger arbeiten kann. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld, die hervorragende Infrastruktur und günstige Immobilienkosten sowie das qualifizierte und fremdsprachlich ausgebildete Mitarbeiter-potenzial wurden auch als wichtige Argumente für die Standortentscheidung Berlin erwähnt.122 Ausschlaggebend war jedoch die positive Resonanz, die den Chemiekonzern aufgrund seiner Entscheidung erwartete, weil er sein Vertrauen für den Standort Deutschland ausgesprochen hatte.
3.2.2
Aufbau- und Implementierungsprozess
Drei Aspekte werden aus dem Untersuchungsbereich „Aufbau und Implementierungsprozess“ näher betrachtet. Bezüglich des Aufbauprozesses werden zunächst die Ergebnisse der Analyse von möglichen Gestaltungsvarianten geschildert. Anschließend wird die Thematik „multifunktionales versus unifunktionales“ Shared Service Center empirisch dargestellt. Die Implementierungsstrategie wird als letzter wichtiger Aspekt analysiert. x Empirische Gestaltungsvarianten und das Modell von Schimank und Strobl123 Die Analyse der verschiedenen Gestaltungsalternativen von internen Services gibt ein völlig differenziertes Bild, welches die verschiedenen Entwicklungsstadien der untersuchten Shared Service Center widerspiegelt. Im Rahmen der empirischen Studie überwiegen kostenorientierte und marktfähige Shared Services Center mit jeweils vier Nennungen.
121 Vgl. o. V. (2005a). 122 o. V. (2005a), S. 2. 123 Vgl. Schimank, C., Strobl, G. (2001), S. 4.
53
Abbildung 3.2: Gestaltungsalternativen
Gestaltungsvarianten eines Shared Service Centers
Kostenorientiertes SSC
33,3%
Kundenorientiertes SSC
Marktfähiges SSC
Wettbewerbsfähiges SSC
16,7%
33,3%
16,7%
Quelle: In Anlehnung an Schimank, C., Strobl, G. (2001), S. 4 Bei den kostenorientierten Shared Service Centern handelt es sich jedoch nicht immer um ein sogenanntes Einsteigermodell124, d. h. den Zustand vieler internen Service-Einheiten zu Beginn des Aufbauprozesses. Im Rahmen der Untersuchung ist festgestellt worden, dass bestimmte Unternehmen diese zentralistisch geprägte Form ausgewählt haben.125 Die Bündelung von Service-Funktionen steht in diesem letzten Fall im Vordergrund, und das Shared Service Center wird über die Höhe der gesamten von ihm verursachten Kosten gesteuert. Darüber hinaus werden die Leistungen ausschließlich intern angeboten, und es besteht Kontrahierungszwang. In der Studie hat sich die Hälfte der zwölf analysierten Unternehmen gegen eine externe Vermarktung der Serviceaktivitäten entschieden. Die Wahl dieser intern orientierten Alternative ist häufig unternehmenspolitisch geprägt. In diesem Fall fürchtet die Konzernleitung eine mögliche Vernachlässigung interner Kunden und eine unangebrachte Ressourcenverschwendung, wenn sich das Shared Service Center zugleich auf externe Marktaktivitäten konzentriert. Strenge Kontrollmechanismen werden häufig eingeführt, um die Aktivitäten des Shared Service Centers ständig zu begutachten. Nach der Bündelung der Service-Aktivitäten als primäres Ziel, rückt der interne Kunde in den Vordergrund. Service-Level-Agreements werden definiert, um die Qualität der Leistung zu kontrollieren. Das kundenorientierte Modell sieht eine Beschreibung der Leistung mit entsprechender Verrechnung marktorientierter Kosten vor. Gewisse Leistungen dürfen von externen Lieferanten bezogen werden, wenn diese Option kostengünstiger als die Eigenerstellung ist. Allerdings behält das Shared Service Center die volle Auftrags- und Kontrollkompetenz. Von den zwölf erfassten Unternehmen weisen lediglich zwei ein kundenorientiertes Modell auf. In diesem Fall lässt sich tatsächlich über eine Übergangsphase sprechen. Das Shared
124 Siehe Abschnitt 2.2.3.3. 125 Wie beispielsweise die Shared Service Center Organisation beim Unternehmen Agilent Inc..
54
Service Center bereitet sich für die Externalisierung seiner Leistungen vor. Die ausschließliche Bedienung des internen Marktes kann mittel- bis langfristig zu einem Motivationsrückgang der Center-Mitarbeiter führen, denn sie fühlen sich dazu fähig, ihre Leistungen auch externen Kunden anzubieten. Der strategische Schritt in Richtung marktfähiges Service Center muss gemacht werden, obwohl der realisierte externe Umsatz zu Beginn noch gering sein wird. Vier der zwölf analysierten Unternehmen befinden sich zur Zeit in dieser Phase. Der Sprung in Richtung wettbewerbsfähiges Shared Service Center ist ebenfalls kritisch. Die Konzernleitung muss diesen strategischen Schritt vollständig unterstützen und dem Shared Service Center zur Selbständigkeit verhelfen. Diese Unterstützung soll nicht nur materieller Art sein (in Form von Ressourcen und Investitionsmitteln), auch eine gewisse Portion an Vertrauen ist nötig, damit das Shared Service Center sich im externen Markt als wettbewerbsfähig erweisen kann. Die Professionalisierung der Leistung und die explizite Gewinnorientierung stehen hier im Vordergrund. Das Shared Service Center tritt auf wie ein unabhängiges Unternehmen und kann sich sogar zu einem Konzernkernbereich entwickeln. Zwei der untersuchten Unternehmen sind heutzutage als selbständige Unternehmen am Markt tätig. Allerdings ist bei beiden Fällen der Mutterkonzern immer noch größter Kunde. Nach dem Modell von Schimank und Strobl sollten Shared Service Center am Ende ihres Evolutionspfades eigenverantwortliche Organisationseinheiten sein. Dieser Entwicklungspfad ist allerdings nicht zwingend, denn es liegt im Ermessen der Unternehmensleitung, in welchem Ausmaß dem internen Dienstleister Handlungs- und Entscheidungsfreiheit gegeben wird. Hier spielen insbesondere die noch existierenden Bindungskräfte zwischen Mutterkonzern und Servicegesellschaft eine wichtige Rolle. Diese Abhängigkeitskräfte drücken sich beispielsweise aus in Form von einem hohen Anteil an unternehmensinternem Geschäft oder in der Existenz von besonderen Verträgen mit dem Mutterkonzern, die ihm eine bevorzugte Behandlung verleihen. Des Weiteren stellt sich hier die Frage, ob die Bezeichnung Share Service Center immer noch korrekt ist, wenn die Service-Einheit dann als unabhängiges Unternehmen am Markt auftritt. Der Charakter eines intern orientierten Dienstleisters geht somit in gewisser Weise verloren. Gewinnverantwortung und Profiterzielung stehen jetzt im Vordergrund, und die externe Marktbedienung ist für das Überleben im Wettbewerb entscheidend. Genauso fraglich ist die Gestaltungsform auf dem anderen Extrem des Evolutionspfads (kostenorientiertes Modell). Wenn eine Weiterentwicklung der internen Service-Einheit aus unternehmenspolitischen Gründen, bewusst abgewendet wird, so wird auch die Entfaltung einer internen Kundenorientierung verhindert, und es besteht die Gefahr des Rückfalls in zentralistische und „wasserkopfartige“ Strukturen. Aufgrund dieser Überlegungen bezüglich der Gestaltungsalternativen und der dargestellten Ergebnisse wird festgestellt, dass das Modell von Schimank und Strobl idealtypische Gestaltungsvarianten von Shared Service Centern darstellt, die der Realität aber nur näherungsweise entsprechen. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die grundlegenden Prinzipien ei55
nes Shared Service Centers allenfalls von den zwei mittleren Gestaltungsalternativen (kundenorientiertes und marktfähiges Modell) vollständig erfüllt werden. Die Kritik an das Modell von Schimank und Strobl wird später, in Kapitel 7, als Ausgangspunkt für die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen für den Aufbau und die Steuerung von Shared Service Centern betrachtet.
x Unifunktionales versus multifunktionales Shared Service Center Die Anzahl an Funktionen, die in einem Shared Service Center zusammengefasst werden, bestimmt vor allem den Umfang und die Komplexität des Aufbauprozesses. Werden in einem Center mehrere Funktionen gebündelt, z. B. IT, HR und Finanzen, so spricht man von einem „multifunktionalen“ Shared Service Center. Üblicherweise wird dann eine Servicegesellschaft gegründet, die sich um die koordinierte Steuerung der Dienstleistungseinheiten kümmert. Meistens wird die Form einer GmbH gewählt mit einem Geschäftsführer an der Spitze. In der Studie wurden jedoch ausschließlich zwei multifunktionale Shared Service Center identifiziert. Die restlichen zehn analysierten Unternehmen hatten sogenannte unifunktionale Strukturen, d. h. eine Funktion pro Shared Service Center (siehe Abbildung 3.3). Abbildung 3.3: Unifunktionales versus multifunktionales Shared Service Center
16,7% Unifunktionales Shared Service Center Multifunktionales Shared Service Center 83,3%
Die Gründe für die Auswahl einer der beiden Alternativen sind vielfältig: x Der Status des Implementierungsprozesses kann ausschlaggebend sein. In der empirischen Studie waren zwei Unternehmen gerade dabei, Shared Service Center neu zu implementieren und hatten bislang höchstens eine Funktion als Shared Service Center aufgebaut.126 x Eine geringe Markt- und Kundenorientierung beeinflusst auch die Entscheidung gegen ein multifunktionales Center. Servicegesellschaften werden meistens mit dem Ziel der Profit- und Kundenorientierung gegründet. Alle rein kostenorientierten Shared Service Center der Studie waren unifunktional aufgebaut.
126 IT spielt häufig die Rolle einer Pionierfunktion.
56
x Die Komplexität des Aufbauprozesses ist bei einem multifunktionalen Shared Service Center meistens höher als bei einem unifunktionalen. Allerdings lässt diese gebündelte Lösung auf Synergieeffekte und Kosteneinsparungen durch die koordinierte Steuerung der internen Dienstleistungseinheiten hoffen. Die Gründung einer Servicegesellschaft kann auch eine spätere Ausgründung des multifunktionalen Shared Service Centers erleichtern. x Implementierungsstrategie Der Aufbauprozess eines Shared Service Centers wird oft als Projekt organisiert und kann von Fall zu Fall sehr unterschiedlich aussehen. Die verschiedenen Implementierungsstrategien differieren insbesondere bezüglich des Faktors Geschwindigkeit. Eine sogenannte „Schockstrategie“ wird durch eine hohe Einführungs- bzw. Implementierungsgeschwindigkeit charakterisiert. Die neuen Service-Strukturen werden „von einem Tag auf den anderen“ etabliert. Alte Systeme werden definitiv an einem Stichtag ausgeschaltet und sofort gegen neue ausgetauscht. Die Unternehmensleitung erhofft sich somit einen kürzeren und weniger schmerzhaften Einführungsprozess. Diese Strategie ist jedoch nur mittels einer guten Vorbereitung im Vorfeld der Umstellung durchführbar, damit bei der Stunde „Null“ alles reibungslos abläuft. Aus diesem Grund ist die Schockstrategie lediglich von zwei Unternehmen angewandt worden. Die meisten Firmen haben sich für die sogenannte „graduelle Strategie“ entschieden (siehe Abbildung 3.4). Abbildung 3.4: Implementierungsstrategie
16,7%
25,0%
Schockstrategie Graduelle Strategie K. A.
58,3%
Diese Implementierungsstrategie beinhaltet die schrittweise und somit risikoschwächere Einführung der neuen Struktur. Sieben Unternehmen haben sich für diese Implementierungslösung entschieden. Es kommt häufig vor, dass zuerst die IT oder das Finanzwesen als Pionierfunktionen in ein Shared Service Center umgewandelt werden. Nach diesem Vorbild richten die weiteren Funktionen ihre Strukturen allmählich aus. Erste Erfahrungen sind schon gemacht worden, und potenzielle Folgefehler können somit vermieden werden. 57
Die Auswahl der Implementierungsstrategie wird insbesondere vom Umfang des Shared Service Centers beeinflusst. Soll ein multifunktionales Shared Service Center gegründet werden, so ist eine graduelle Implementierungslösung empfehlenswert, denn die parallele Steuerung des Aufbaus neuer Funktionseinheiten ist viel komplexer als die schrittweise Einführung. Die Implementierungsphase sollte in diesem Fall erfahrungsgemäß nicht länger als etwa 24 Monate dauern, denn bei einem Projekt dieser Größenordnung besteht sonst die Gefahr den Überblick über die wesentlichen Themen zu verlieren (siehe Abbildung 3.5).
Abbildung 3.5: Zeitlicher Entwicklungsprozess eines Shared Services Centers
Einsparungen
Phase 2 (6-12 Monate) Prozessverbesserung Phase 1
Phase 3 (18-24 Monate) Konsolidierung
• Plattformlösungen • Performance
Kostenarbitrage
• Expertenerfahrung
• Lohnkosten
• Statistische Prozesskontrolle
• Skaleneffekte
• Mitarbeiterfortbildung
• Standard Prozess
• Bessere Qualität
• Niedrige Kosten
• Höhere Produktivität
Management
• Best in Class • Minimale Kosten • Höchster Mehrwert für Kunden
Zeit
Quelle: In Anlehnung an Sure, M. (2003), S. 57 Aus diesem Grund wird bei multifunktionalen Shared Service Centern häufig zuerst eine Servicegesellschaft gegründet, die alle potenziellen Serviceeinheiten zusammenfasst. Diese dient als organisatorische Rahmenstruktur und hilft den Überblick über den Aufbauprozess zu behalten. Die interne Umstellung findet dann anschließend statt. Unifunktionale Shared Service Center können eher im Rahmen einer Schockstrategie aufgebaut werden. Dabei handelt es sich um unabhängige, und vor allem kleinere Projekte, die sich leichter planen und steuern lassen.
58
3.2.3
Funktionsmechanismus
Zu der Ebene „Funktionsmechanismus“ sind folgende Hauptaspekte empirisch untersucht worden: das angewandte Steuerungskonzept (Center-Konzepte), die ausgewählte Verrechnungsmodalität (Umlageverfahren versus Verrechnungspreise) und Ausgestaltung der internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen (z. B. Anwendung von Service-Level-Agreements).
x Steuerungskonzept Shared Service Center sind eigenverantwortliche Organisationseinheiten. Diese Verantwortung wird bezüglich der wirtschaftlichen Selbständigkeit in der Praxis unterschiedlich gelöst. Derzeit stellen die häufigsten Organisationsformen sogenannte Cost Center und Profit Center dar. Ein Cost Center erhält eine Kostenbudgetvorgabe, ein Profit Center hat nicht nur eigene Kosten- sondern auch eigene Gewinnverantwortung. Ein Profit Center entspricht eher der Philosophie des Shared Service Center Konzepts, der Kostentransparenz und des Abbaus von Zentralisation.127 Ebenso kommt dies eher den Anforderungen der Geschäftsbereiche entgegen. Bei einem Profit Center bewahren diese sich ihre Selbstbestimmung, bei einer Budgetierung im Fall eines Cost Centers ist dies nicht gegeben. Für die operativen Bereiche bedeutet dies Verlust von Selbstbestimmung und somit Machtverlust. Des Weiteren wird die gewünschte Markt- und Kundenorientierung eines Shared Service Centers durch eine Cost Center Struktur erschwert. Im Rahmen der Untersuchung wird auch diese Tendenz bestätigt (siehe Abbildung 3.6). Entgegen der Ergebnisse der finanzorientierten Studie von Kagelmann128 führen von den zwölf analysierten Unternehmen, die meisten ihre Shared Service Center als Profit Center (50%; 6 Nennungen), allerdings eng gefolgt von der wirtschaftlichen Form eines Cost Centers (41,7%; 5 Nennungen). Der explizite externe Marktzugang übt einen positiven Einfluss auf die Wahl eines Profit Centers als wirtschaftliche Form aus. Alle sechs Shared Service Center, die zugleich externe Kunden bedienen, sind als Profit Center organisiert.
127 Vgl. Botta, V. (1997), S. 228 ff. 128 Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 103.
59
Abbildung 3.6: Steuerungskonzept
8,3% 41,7%
Cost Center Profit Center Leistungscenter
50,0%
Beim externen Marktzugang ergeben sich jedoch einige Besonderheiten, da hier neben den konzerninternen auch konzernexterne Leistungsbeziehungen vorliegen. So sind neben den rechtlichen Aspekten auch zusätzliche Regelungen hinsichtlich des Verhaltens bei Kapazitätsengpässen zu treffen. Bei einem Vorrang der konzernexternen Kunden stellt sich grundsätzlich die Frage, inwieweit hier noch vom Shared Service Center als „interner“ Dienstleister aus Konzernsicht gesprochen werden kann. Bezogen auf die Frage, ob die Shared Service Center auch die Möglichkeit zur Leistungsbereitstellung für Drittkunden besitzt, gaben 50% der Unternehmen an, dass diese Möglichkeit grundsätzlich besteht. Allerdings handelt es sich häufig um externe Kunden, mit denen der Konzern schon vorher enge Geschäftsbeziehungen aufgebaut hatte. Bei der finanzorientierten Studie von Kagelmann im Jahr 2001 waren es lediglich 36% der Untersuchungseinheiten, denen es von Konzernseite erlaubt wurde, externes Geschäft zu generieren. Dieser Unterschied markiert eventuell einen eindeutigen Entwicklungstrend, der in Richtung „marktfähiges Shared Service Center“ signalisiert. Im Laufe der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass ein ausschließlich intern orientiertes Shared Service Center mittel- bis langfristig wenige Überlebenschancen hat, wenn es keine Möglichkeit hat, ein gewisses Niveau an Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen.129 Ein Unternehmen hat sein Shared Service Center als „Leistungscenter“ bezeichnet. Ein Leistungscenter strebt ein ausgeglichenes Ergebnis, d. h. einen „Nullgewinn“ an. Dabei findet eine preisorientierte Verrechnung statt, die sich entweder an die entstehenden Kosten (kostenorientierte Preise) oder an marktähnliche Preise richtet. Es werden keine echten Marktpreise verwendet, aber Preiskataloge erstellt, die dem internen Kunden einen transparenten Überblick über die Belastungskraft der eingekauften Leistungen geben. Definierte Produktstandards und vereinbarte Service-Level-Agreements gehören auch zu den Steuerungsgrößen eines Leistungscenters, um Objektivität bei den durchgeführten Prozessen gegenüber den Kunden zu erreichen. Werden positive Ergebnisse erzielt, so sind
129 Siehe Abschnitt 3.2.2.
60
diese den strategischen Geschäftseinheiten am Ende des Geschäftsjahres verursachungsgemäß zurückzuerstatten. Leistungscenter stellen häufig eine Zwischenstufe auf dem Weg in die wirtschaftliche Selbständigkeit dar. Darüber hinaus verhalten sich Shared Service Center, die nach außen als Profit Center eingerichtet sind, häufig als Leistungscenter, wenn die Leistungsbeziehungen innerhalb des eigenen Unternehmens stattfinden. Beispielsweise werden bei dem Geschäftsfeld „IT-Organisation“ der Bayer Business Services unterschiedliche Verrechnungspreise verwendet, abhängig davon, ob die Leistung für das eigene Unternehmen erbracht wird oder für die Teilkonzerne bzw. für externe Kunden. Innerhalb der Bayer Business Services findet eine Verrechnung auf Kostenbasis (ohne Marge) statt. Für die Teilkonzerne werden marktähnliche Preise (mit einer geringen Marge) und für externe Kunden echte Marktpreise angewandt.130 x
Verrechnungsmodalität
Eng verbunden mit der Frage nach der wirtschaftlichen Form ist das Thema der Verrechnungsmodalität. Die vorher erwähnte Kostenumlagemethode erschwert einen objektiven Vergleich der Wirtschaftlichkeit. Werden die Leistungen einzeln verrechnet, ist die Möglichkeit einer Ergebnisgenerierung gegeben. Der Preismechanismus wirkt somit regulativ und ermöglicht für die leistungsbeziehenden Geschäftseinheiten eine höhere Transparenz. Acht Unternehmen (66,7%) gaben Unternehmen an, ein Verrechnungspreissystem bei ihren Serviceeinheiten zu verwenden. Lediglich drei Shared Service Center (25%), die als Cost Center eingerichtet sind, verwenden das Umlageverfahren (siehe Abbildung 3.7). Abbildung 3.7: Leistungsverrechnungsmethode
8,3%
25,0% Umlageverfahren Verrechnungspreise K. A.
66,7%
Die Methode der Verrechnungspreise (VP) ist einer genaueren Analyse unterzogen worden. Generell wird zwischen kostenorientierten und marktorientierten Verrechnungspreisen unterschieden. Kostenorientierte Verrechnungspreise finden bei internen Dienstleistungen Anwendung, die keinen Marktwert haben oder deren Leistung sich nicht am Markt quantifizieren
61
lässt. Auf die genaue Definition der verschiedenen Verrechnungspreismethoden wird in Abschnitt 5.3.3.3 eingegangen. 75% der Shared Service Center (6 von 8 Nennungen) haben angegeben, ihre Leistungen mittels marktorientierter Preise zu verrechnen. Allerdings wurde bei drei (37,5%) von den sechs Serviceeinheiten zugleich eine kostenorientierte Verrechnung bei unternehmensinternem Leistungsaustausch festgestellt. Eine ausschließliche kostenorientierte Verrechnung findet nur bei zwei Shared Service Centern statt. Dabei handelt es sich um das zuvor erwähnte Leistungscenter und um die Service Center Einheiten bei Agilent Technologies, die sich nach negativen Erfahrungen während der Zugehörigkeit zu Hewlett Packard bewusst gegen ein preisorientiertes Verrechnungssystem entschieden haben. Die konkreten Gründe werden im Rahmen der Fallstudiendarstellung erläutert (siehe Unterkapitel 4.2).
Abbildung 3.8: Verrechnungspreismodalität
25,0% 38% Kostenorientierte VP Marktorientierte VP Beides
37,5%
x Interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen Die Regelung interner Kundenbeziehungen basiert insbesondere auf einem kontinuierlichen Dialog zwischen Shared Services Center und interner Geschäftseinheit bzw. internem Kunden, denn eine produktive Diskussion erleichtert immer die Festlegung und Erreichung von gemeinsamen Leistungszielen und Interessen. Es existieren verschiedene Instrumente, die zur Regelung von internen Kunden-LieferantenBeziehungen angewandt werden, wie z. B. „Service-Level-Agreements. Service-LevelAgreements gehören zu den effizientesten Steuerungs- und Kontrollinstrumenten im internen Leistungsaustausch, denn sie dienen der schriftlichen Festlegung von gegenseitigen Pflichten und Rechten beider Partner und sorgen für transparente Austauschverhältnisse. Diese Leistungsvereinbarungen können entweder als rechtswirksame Verträge oder als rein interne Vereinbarungen geschlossen werden. Die Laufzeit ist begrenzt, in der Regel ein Geschäftsjahr. Daneben werden auch Verträge über längere Zeiträume geschlossen, wobei dann je-
130 Informationen aus dem persönlichen Interview mit dem Leiter des Supportbereichs Bayer Business Development.
62
doch zwischenzeitliche Anpassungsroutinen eingebaut werden sollten. Nach Beendigung der Laufzeit kann zudem die Möglichkeit bestehen, durch ein Optionsrecht die Vereinbarung um einen vorher vereinbarten Zeitraum zu verlängern. Auf die detaillierte Definition und Weiterentwicklung des Steuerungsinstruments wird in Abschnitt 5.3.3 eingegangen. Im Rahmen der Studie wurde die Verbreitung von Service-Level-Agreements ebenfalls untersucht. Die Analyse hat gezeigt, dass Service-Level-Agreements bei der Hälfte der betrachteten Unternehmen stark verbreitet zur Anwendung kommen (siehe Abbildung 3.10). Bei der finanzorientierten Studie von Kagelmann wurde dieses Steuerungsinstrument von 88% der befragten Center-Einheiten angewandt. Allerdings handelte es sich lediglich bei 38% der Servicevereinbarungen um rechtswirksame Verträge.131 Die mildere Form einer internen Leistungsvereinbarung ist eher bei den Shared Service Centern zu finden, die sich noch nicht als vollständig markt- und wettbewerbsfähig, im Sinne des „Marktplatzmodells“ erwiesen haben.132
Abbildung 3.9: Anwendung von Service-Level-Agreements
33,3%
50,0%
Stark verbreitet Schwach verbreitet K. A.
16,7%
Auf die Analyse der Verbreitung von weiteren eher informellen Steuerungsinstrumenten, wie z. B. Diskussionsrunden oder „Communities of Practice“ wird an dieser Stelle, aufgrund von Schwierigkeiten bei der Klassifizierung der verschiedenen Praktiken, verzichtet. Eine konkrete, inhaltliche Analyse soll im Rahmen der detaillierten Fallstudienanalysen und im Kapitel 5 stattfinden. Interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen können durch einen weiteren Faktor beeinflusst bzw. geregelt werden, nämlich die Existenz von Kontrahierungszwang. Darunter wird die Pflicht des internen Kunden, Serviceleistungen vom internen Lieferanten, d. h. vom Shared Service Center zu beziehen, verstanden. Ob die Inanspruchnahme der angebotenen Dienstleistungen für die nachfragenden internen Einheiten freiwillig und ob diese die Option des Dienstleistungsbezugs von Dritten besitzen, ist ein entscheidender Parameter in der Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen. Kein Kontrahierungszwang sowie die Möglichkeit des Fremdbezugs seitens der dienstleistungsnachfragenden Konzerneinheiten bedeutet für die Shared Service Einheit, dass sie, um langfristig überlebensfähig zu sein, marktfähige Leis131 Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 118.
63
tungen anbieten muss. Das Shared Service Center wird in diesem Fall bewusst dem freien Wettbewerb ausgesetzt. Dieser Zwang kann entweder dauerhaft oder temporär sein. Eine vorübergehende Verpflichtung kann z. B. während der ersten zwei Entwicklungsphasen (Einsteiger- und Vertragsmodell) eines marktorientierten Shared Service Centers bestehen, solange die interne Serviceeinheit sich noch nicht im Wettbewerb behaupten kann. Diese Übergangsfrist sollte auf einen definierten Zeitraum von maximal 2 Jahren beschränkt werden, um während dieser Übergangszeit der Shared Service Einheit die Möglichkeit zur Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit zu bieten. Acht der zwölf analysierten Unternehmen, d. h. 67%, haben sich für einen vorübergehenden Kontrahierungszwang entschieden. Dabei handelt es sich um Shared Service Center, die sich entweder im Aufbauprozess befinden und zunächst einen gewissen Schutz vor externer Konkurrenz benötigen, oder um Serviceeinheiten, die explizit keine Zulassung externer Serviceprovider erwünschen. In diesem letzten Fall sind es hauptsächlich rein kostenorientierte Shared Service Center, denen aus unternehmenspolitischen Gründen eine „idealtypische“ Entwicklung zu einer marktfähigen Serviceeinheit unterbunden wird.
Abbildung 3.10 Kontrahierungszwang
8,3% 25,0%
Ja Nein K. A. 67%
Bei der finanzorientierten Studie von Kagelmann gaben 82% der Befragten die Existenz eines Abnahmezwangs der vom internen Dienstleister angebotenen Leistungen an. Zudem wurde auch bei den Konzernen ohne internen Kontrahierungszwang, die Freiwilligkeit der Leistungsinanspruchnahme mehrheitlich erst nach einer Übergangsperiode gewährt. Hinsichtlich der Länge der Übergangsfrist konnte in dieser Studie jedoch keine Präferenz festgestellt werden.133
Genauso wichtig für die vollständige Erfüllung der Marktfähigkeit ist die Zulassung von externen Serviceprovidern, welche die Serviceeinheit bei der Durchführung stark operativer Aufgaben unterstützen. Alle Aktivitäten aus eigener Kraft, d. h. ausschließlich intern erbringen zu wollen, stellt sich als schwieriges Unterfangen dar. 132 Siehe Abbildung 2.3.
64
Das Shared Service Center verfügt meistens, vor allem zu Beginn seiner Existenz, nicht über die notwendigen technischen und infrastrukturellen Ressourcen, um diese durchzuführen. Darüber hinaus kann ein professioneller Dienstleister gewisse operative Aktivitäten kostengünstiger als die interne Serviceeinheit erbringen. Die einzige Bedingung bei der Anwendung externer Unterstützung ist, dass das Shared Service Center die Auftragskompetenz und die Kontrolle der Leistungserbringung immer bei sich behält. Die Mehrheit der als Profit Center eingerichteten Shared Service Center hat sich für eine Externalisierung von sämtlichen Aktivitäten entschieden (5 Nennungen). Nur ein Unternehmen hat sich ausdrücklich gegen die Zulassung von externen Serviceprovidern geäußert.134 3.2.4
Qualitäts- und Erfolgsmessung
Dieser Teil der Untersuchung widmet sich der Messung von Qualität und Erfolg bei den neu eingeführten Serviceeinheiten. Der Einführungsprozess eines Shared Service Centers endet nicht mit dem offiziellen Beginn der Geschäftsaktivitäten. Es handelt sich um einen offenen Prozess, der ständig an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen ist. Um den Erfüllungsgrad der Aktivitäten in Bezug auf die Anforderungen interner Kunden zu messen, ist die Durchführung eines anhaltenden Review-Prozesses mit Hilfe von bestimmten Qualitäts- und Erfolgsmaßstäben unerlässlich. Folgende Methoden zur Qualitäts- und Erfolgsmessung sind von den analysierten Shared Service Center angewandt worden (siehe Abbildung 3.11): Der am häufigsten verwendete Indikator ist das Kostensenkungspotential, d. h. die Fähigkeit des Shared Service Centers, interne Dienstleistungen billiger als früher anzubieten. Bei Großkonzernen mit Shared Service Center Strukturen genießen quantitative Messverfahren eine große Beliebtheit, denn konkrete Zahlen gelten als zuverlässiger und objektiver Beweis für den Erfolg oder den Misserfolg der neuen Serviceeinheit. Auch Service-Level-Agreements stellen, sowohl von Kunden- als auch von Lieferantenseite, ein bevorzugtes Instrument zur objektiven Messung der erbrachten Leistung dar. Die Servicevereinbarungen dienen der genau festgeschriebenen Kontrolle der Leistungserbringung. Eine schlechte oder die Nicht-Erfüllung der vertraglich festgelegten Aufgaben kann sogar monetäre Sanktionen mit sich bringen.
133 Vgl. Kagelmann, U. (2001), S. 121. 134 Ergebnisse der selbstdurchgeführten Studie bzgl. der Zulassung externer Provider: (41,7% Ja (5), 8,3% Nein (1), keine Angaben 6 (50%).
65
Abbildung 3.11: Methoden zur Qualitäts- und Erfolgsmessung (Mehrfachnennungen erlaubt)
Ergebnisse/Einsparungen
90%
Service-Level-Agreements
80%
Kundenzufriedenheitsbefragung
60%
Zertifizierung
20%
Quality-Level-Agreements
20%
Benchmarking
10%
Balanced Scorecard
10%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Ein sehr beliebtes, jedoch qualitatives Messverfahren sind auch Kundenzufriedenheitsbefragungen. Daraus lässt sich direkt ableiten, ob die Erwartungen der Kunden an die Leistung erfüllt worden sind. Verbesserungsvorschläge können dann direkt im Rahmen eines kontinuierlichen Diskussions- und Verbesserungsprozesses eingearbeitet werden. Als mehrdimensionales Steuerungsinstrument wird die Balanced Scorecard135 bislang nur von einem Unternehmen aus der Fallstudienanalyse angewandt. Die Balanced Scorecard erlaubt als strategisches Lenkungskonzept eine sowohl qualitative als auch quantitative Bewertung der erbrachten Leistungen. Die Berücksichtigung von vier verschiedenen Dimensionen (Mitarbeitern, internen Kunden, Prozessen und Finanzen bzw. Kosten) lässt eine umfassende Bewertung der Wirtschaftlichkeit und des Erfolgs des internen Dienstleisters zu. Der Grund für diese geringe Anwendungsquote liegt daran, dass eine große Anzahl der analysierten Shared Service Center, zum Zeitpunkt der Untersuchung gerade dabei waren, erste Erfahrungen mit dem Shared Service Center Konzept zu gewinnen. Die Einführung von eindimensionalen Methoden zur Messung der Qualität interner Leistungen, wie z. B. Kundenzufriedenheitsbefragungen (Dimension Kunde) stand bei den meisten
135 Vgl. Kaplan, R. S., Norton, D. P. (1999) und (2001).
66
Unternehmen zunächst im Vordergrund. Die Anwendung der Balanced Scorecard wird gewöhnlich in Shared Service Centern beobachtet, die ein reifes Entwicklungsniveau erreicht haben. Auf das von Kaplan und Norton entwickelte Modell zur Anwendung der Balanced Scorecard in Shared Service Centern wird in Abschnitt 5.3.3 eingegangen. 3.2.5
Zusammenfassende Ergebnisse
Bei den vorgestellten Ergebnissen geht es in erster Linie darum, einen anschaulichen Überblick über die organisatorischen und steuerungsbezogenen Charakteristiken der Shared Service Center auf der Grundlage der untersuchten Firmen zu geben. Bei der Auswertung sind vier Hauptaspekte beleuchtet worden (Ziele, Aufbau- und Implementierungsprozess, Funktionsmechanismus und Qualitäts- bzw. Erfolgsmessung), die ein zusammenfassendes Bild über den Entwicklungsstand der analysierten Unternehmen geben sollen. Als Untersuchungsbasis gelten die empirischen Ergebnisse der durchgeführten Fallstudienanalysen in zwölf namhaften Konzernen. Es ergeben sich interessante und aufschlussreiche Anhaltspunkte sowie Erfahrungswerte, die als Grundlage und Leitfaden für Entscheidungen zum Management interner Dienstleistungseinheiten und insbesondere zum Aufbau und zur Steuerung von Shared Services Centern herangezogen werden können. Die auf Grundlage der Fallstudien gewonnenen Erkenntnisse fließen im späteren Verlauf der vorliegenden Arbeit unmittelbar in die Entwicklung eines Strukturierungsansatzes für Shared Service Centers ein. Dies wird detailliert in Kapitel 6 aufgezeigt. Gestaltungsempfehlungen für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Shared Service Centern werden in Kapitel 7 gegeben.
67
3.3 Internationaler Vergleich zum Aufbau und zur Implementierung von Shared Service Centern In diesem Abschnitt geht es darum, einen Vergleich in Bezug auf den Aufbau- und die Implementierungsstrategie von Shared Service Centern auf internationaler Ebene, zwischen den Regionen Nordamerika und Europa, zu ziehen. Der Shared Service Center Ansatz hat seinen Ursprung in den USA und den dort ansässigen US-Konzernen, wo es Mitte der 80er Jahre zur Etablierung der ersten Shared Service Center Strukturen. Jim Bryant, der an der Implementierung eines 500 Mitarbeiter umfassenden Shared Service Centers bei Baxter Healthcare beteiligt war, hat den Begriff „Shared Services“ Ende der 80er Jahre maßgeblich geprägt.136 Der letztendliche Durchbruch des Shared Service Center Konzepts gelang Anfang der 90er Jahre. Die Anwendung des Shared Services Ansatzes erstreckte sich primär auf Aktivitäten der US-Konzerne in der Region Nordamerika (USA und Kanada). Der große Binnenmarkt sowie die, im Vergleich zu Europa, eher homogenen Rahmenbedingungen favorisierten die Entwicklung der neuen Organisationsstruktur. Ab Mitte der 90er Jahre begann die Etablierung einzelner Shared Service Center in Europa. Einen begünstigenden Einfluss auf den parallelen Aufbau von administrativen Strukturen in den multinationalen Konzernen in Europa hatten zudem die heterogenen Rahmenbedingungen in den einzelnen europäischen Ländern. Die anzutreffenden Unterschiede in der Sprache, der Währung, der Kultur sowie dem Steuer- und Rechtssystem, führten zur stark nationalen Ausrichtung der Konzerne und zu einer unkontrollierten Vervielfachung von gleichartigen Funktionen. Die Koordination bzw. Bündelung von generischen Aufgaben auf europäischer Ebene war deswegen nur schwach ausgeprägt. Bei der Etablierung des neuen organisatorischen Ansatzes waren meistens die in Europa tätigen US-Konzerne verantwortlich, was auf ihren Informationsvorsprung durch die zuvor gesammelten Erfahrungen zurückzuführen ist. Nichts desto trotz zählen für die in den letzten Jahren zunehmende Anwendung des Shared Services Konzeptes in Europa weitere „besondere“ Aspekte, wie z. B. die Einführung einer gemeinsamen Währung, die zu einer eigenen „pan-europäischen“ Entwicklung geführt haben. In den nachfolgenden Abschnitten geht es darum, einen Vergleich in Bezug auf den Aufbauund die Implementierungsstrategie von Shared Service Centern auf internationaler Ebene, zwischen den Regionen Nordamerika und Europa, zu ziehen. Bei dem internationalen Vergliech wird ein besonderes Augenmerk auf folgende Faktoren gelegt: Verfolgte Ziele, Standortfrage bzw. Standortwahl, „Governance Structure“ und Implementierungszeitraum.
136 Vgl. Moller, P. (1997), S. 3.
68
Die Daten für den Vergleich stammen hauptsächlich aus Studien von namhaften Beratungsunternehmen.137
3.3.1
Verfolgte Ziele
Auf der Grundlage von verschiedenen Umfragen138 sind, sowohl in Nordamerika als auch in Europa, die drei wichtigsten Ziele, die bei der Gründung eines Shared Service Centers verfolgt werden: Erwartete und erzielbare Kosteneinsparungen, Steigerung der operativen Produktivität und Flexibilität sowie Verbesserung der Service-Leistung (siehe Abbildung 3.12).
Abbildung 3.12: „Business Drivers“ Europa versus Nordamerika 7,8
Kosteneinsparungen
8,2
6,4
Steigerung operativer Produktivität
7,0 6,5 6,3
Verbesserung Serviceleistung 5,0
IT Koordinierung
5,7 5,1 4,8
ERP Einführung 3,7
Synergieeffekte Globalisierung
4,3 5,4
3,2 2,5
Euro
Europa Nordamerika
2,0 3,2
Andere Ziele 0
2
3,6 4
6
8
10
Quelle: Deloitte Consulting. (2000), S. 9139 Der größte Unterschied zwischen beiden Regionen bezüglich der Shared Service Center Treiber liegt, laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte Consulting140, in dem Ziel „Globalisierung“. Für europäische Unternehmen spielt dieser Faktor eine wesentlich stärkere Rolle als für nordamerikanische Firmen, was aus der Multikulturalität des europäischen Kontinents und dem Wunsch nach einer harmonischeren und integrativen Zusammenarbeit über die verschiedenen Kulturen und Mentalitäten hinweg abgeleitet werden kann.
137 Insbesondere von Deloitte Consulting und A. T. Kearney. 138 Vgl. Deloitte Consulting (2000) oder A. T. Kearney (2004a). 139 Die Umfrage wurde von International Data Corporation (IDC) und Deloitte Consulting durchgeführt. Diese basiert auf Interviews mit Shared Services Managers in mehr als 50 Fortune 500 Unternehmen. 140 Vgl. Deloitte Consulting (2000), S. 9.
69
Aus den drei Hauptzielen soll der Treiber „erwartete und erzielbare Kosteneinsparungen“ genauer analysiert und verglichen werden. Hierbei soll kritisch untersucht werden, ob die erwarteten Einsparungen tatsächlich auch erzielt worden sind, und ob diese so hoch sind, wie zahlreiche Experten zu Beginn der Implementierung des Ansatzes mit Werten von 20 bis 40 % prognostiziert hatten.141 Auf der Grundlage einer Studie von A. T. Kearney142 liegt der globale Durchschnitt an Kosteneinsparungen bei 14 %. Europäische Unternehmen liegen im Bereich des Durchschnitts, obwohl sie eher etwas optimistischere Werte (18 %) als die nordamerikanischen Unternehmen (15 %) erwartet hatten (siehe Abbildung 3.13). Die größten Kosteneinsparungen leiten sich aus der Reduktion der Mitarbeiterzahl durch den Konzentrationsprozess ab (12 % auf globaler Ebene). In Nordamerika liegen diese Einsparungen 6 % höher als in Europa. Der Hauptgrund für diese bedeutende Differenz liegt in den verschiedenen arbeitsrechtlichen und sozialen Regelungen in den beiden Regionen. Beispielsweise sind im Vergleich zu Nordamerika in Europa die Interessen der Arbeitnehmer generell stärker vertreten.
Abbildung 3.13: Erwartete und tatsächlich erzielte Kosteneinsparungen
Durchschnitt Mehr als 25% Zwischen 15% und 25%
16% 11% 26%
Europa
Nordamerika
Global
14%
15%
13%
8%
5%
7%
21%
26%
19%
18%
17%
14% 9% 23%
25% Zwischen 5% und 15%
32%
31%
30%
33%
29% 35%
Weniger als 5%
8%
Nicht sicher oder k. A.
23%
Erwartet
20%
10%
18%
28%
23%
Erwartet
Erzielt
6% 20%
Erzielt
22%
17%
17%
Erwartet
Erzielt
Quelle: A. T. Kearney (2004a), S. 4
141 Vgl. z. B. Connell, R. (1996), S. 55, Bray, P. (1996), S. 43 oder Ferranini, E. (2000), S. 60. 142 Diese globale Studie wurde Ende 2003 von der Unternehmensberatung A. T. Kearney in Zusammenarbeit mit Harris Interactive durchgeführt, und basierte auf Interviews mit 140 „executives“ aus weltweit tätigen Unternehmen (Mindestumsatz 1 Mrd. US$). Die Firmen stammen aus vier verschiedenen Branchen (automotive, consumer products, financial institutions, and transportation). Eine Hälfte der Unternehmen hatte ihren Hauptsitz in USA und Kanada, die andere Hälfte in England, Deutschland und Frankreich.
70
Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der Studie ein viel nüchterneres und auch ein realistisches Bild der erwarteten und tatsächlich erzielten Kosteneinsparungen durch die Einführung von Shared Service Centern, als von Experten in den 90er Jahren prognostiziert wurde. Vor allem in europäischen Unternehmen kam es zu Überschätzungen. 17% der Firmen hatten mit Kosteneinsparungen von mehr als 25% gerechnet. Dieses Einsparungsziel wurde lediglich von 9 % der angefragten Unternehmen erreicht. Es ergibt sich die Frage nach der Ursache solcher Fehleinschätzungen. Ein wichtiger Grund liegt in den Kosten der Projektimplementierung. Die Kosten des Aufbauprozesses, d. h. bis das Shared Service Center in Gang gesetzt wird, werden häufig unterschätzt: “The business case surrounding shared services and the savings, costs, resources, timing, and risks that are integral to it, are at the center of pre-implementation activity. It is what forms the basis on which future performance and success will be measured”.143 Ein gut durchdachter „business plan“, gesteuert mittels aktivem Projektmanagement, ist die Basis für den Aufbau eines effizienten Shared Service Centers. Dies erleichtert und ermöglicht die Erreichung ehrgeiziger Kosteneinsparungsziele. In Kapitel 6 wird auf die Methodik der Projektstrukturierung genauer eingegangen.
3.3.2
Standortfrage
Die Bestimmung der Anzahl der Shared Service Center und die Wahl ihrer Standorte ist immer eine strategische Entscheidung, da sie langfristig angelegt und meist mit erheblichen Investitionen verbunden ist.144 Deshalb fällt der Standortwahl ebenfalls eine besondere Bedeutung zu. Als Alternativen bieten sich entweder die Nutzung bereits bestehender Standorte oder ein „Grüner-Wiesen-Ansatz“ an, d. h. der Aufbau eines neuen Standortes. Die Standortfrage ist von mehreren Faktoren abhängig, wie beispielsweise die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter, ein niedriges Lohnniveau, eine gute geographische und technische Infrastruktur oder ein günstiges rechtlich-politisches Umfeld (z. B. niedrigere Steuersätze). Die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter und das niedrige Lohnniveau ist gleichwohl für nordamerikanische und europäische Unternehmen die wichtigsten Standortfaktoren und werden von beiden ähnlich bewertet (siehe Abbildung 3.14). Der größte, und wahrscheinlich voraussagbare Unterschied bezüglich der Relevanz von Standortkriterien liegt in der höheren Bewertung von monetären Anreizen seitens europäischer Unternehmen, wie z. B. Steuernachlässen oder Subventionen. Auch das Vorhanden-
143 Accenture and The Shared Services and BPO-Association (SBPOA) (2004), p. 7. (Aussage aus einer webbasierten Umfrage, die von den obengenannten Institutionen zwischen April und August 2003 durchgeführt wurde. Die Teilnehmer (Executives, Operation Managers und Shared Services Managers) stammen aus Unternehmen, die Shared Service Center Erfahrungen nachweisen konnten.) 144 Vgl. Wißkirchen, F., Mertens, H. (1999), S. 96 f.
71
sein von Sprachkenntnissen spielt für europäische Firmen eine wichtigere Rolle. Diese Faktoren können eine Erklärung für einen favorisierten „Grünen-Wiesen-Ansatz“ in Europa sein.145 Ein weiterer Grund für die bevorzugte Gründung von neuen Standorten bei europäischen Unternehmen leitet sich aus den strengeren arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der Region Europa ab. In Nordamerika begünstigen weniger harte Kündigungsgesetze den Aufbau eines service-orientierten Mitarbeiterpools für das Shared Service Center. In Europa kann die Suche nach neuen qualifizierten Mitarbeitern häufig nur mittels Neugründung durchgeführt werden. Abbildung 3.14: Standortfaktoren
83% 76%
Kostenvorteile
83%
Qualifizierte Mitarbeiter
76% 58%
Gute Infrastruktur
68% 54% 55%
Nähe zu Business Units 42%
Subventionen
24% 58%
Sprache
24% 46%
Steuerliche Vorteile
Europa Nordamerika
24% 17% 14%
Andere 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Quelle: Deloitte Consulting. (2000), S. 9 Die erwähnten Kriterien machen deutlich, warum zahlreiche international tätige Unternehmen, vor allem wegen des hohen Lohnniveaus und der ungünstigen Steuersätze, beispielsweise Deutschland als Shared Service Center Standort in Europa meiden. Bis vor kurzem war Irland einer der bevorzugten Standorte für europäische Firmen aufgrund von steuerlichen Anreizen. Auch Belgien und die Niederlande waren beliebte Standorte für Shared Service Center, vor allem aufgrund der Mehrsprachigkeit der Bevölkerung und der mit hoher 145 Vgl. Deloitte Consulting (2000), S. 9.
72
Produktivität und Flexibilität verbundenen Arbeitsethik.146 Allerdings hat sich seit der europäischen Osterweiterung die Situation erheblich verändert. Länder des ehemaligen Ostblocks, die jetzt Mitglieder der Europäischen Union geworden sind, wie z. B. Tschechien, Polen oder Ungarn genießen eine immer größer werdende Beliebtheit als Standorte für sogenannte „Offshore Shared Service Center“.147 Nordamerikanische Firmen bevorzugen eher Indien oder China als internationale Standorte für ihre Shared Service Center. Beispielsweise führt General Electric seit 1996 ein erfolgreiches Finance & Accounting Center in NeuDelhi, das transaktionsbezogene Finanzprozesse des gesamten Unternehmens gebündelt bearbeitet.148 Neben der Auswahl des Standortes ist ebenfalls die Anzahl der Center von Bedeutung. Dies betrifft nicht nur die vorher bereits erwähnte Prozessauswahl, sondern auch die geographische Abdeckung. Entscheidungsalternativen gibt es meistens drei: globale, regionale oder nationale Einteilung. Im Entstehungsland der Shared Service Center, den USA, sind große regionale Einheiten, die das gesamte nordamerikanische Gebiet abdecken (USA und Kanada), keine Seltenheit. Der große inländische Binnenmarkt erweist sich hier als Standortvorteil. In Europa wird bisher in der unternehmerischen Praxis meistens eine Dreiteilung unternommen, z. B. Nord, Mitte und Süd. Diese regionale Anordnung geschieht meistens jedoch nicht aus ökonomischen Gründen, sondern aufgrund von kulturellen, politischen und rechtlichen Faktoren. Die fehlende Harmonisierung von steuerlichen Gesetzen erschwert vor allem die Errichtung von pan-europäischen Shared Service Centern. Lokale Shared Service Center werden dann ausgewählt, wenn die nationalen Unterschiede und Anforderungen so groß sind, dass eine zu starke Prozessbündelung und -homogenisierung sich als nachteilig erweisen könnte.149 Je höher der Homogenitätsgrad der Prozesse, desto schwerer ist die Befriedigung kundenspezifischer Anforderungen. Aus diesem Grund ist eine globale Service-Einheit bisher eher die Ausnahme und wird sich nach Expertenmeinung wahrscheinlich nicht durchsetzen. Voraussetzung für ein globales Shared Service Center wären dann einfache, stark standardisierte Prozesse. Ein interessantes Beispiel für eine globale Share Service Center Konfiguration ist die Kreditabwicklung bei American Express, die in England (Brighton), Indien (Neu Delhi) und USA (Phoenix) auf einer 24 Stunden Basis ausgeführt wird. An diesen drei Standorten wird rund um die Uhr für das gesamte Unternehmen gearbeitet.150 Allerdings kann nur ein zuverlässiges System der Datenübertragung die Funktionsfähigkeit eines solchen Centers garantieren.
146 147 148 149
Vgl. Quinn, B. Cooke, R., Kris, A. (2000), S. 129 f. Die Thematik des Offshorings wird im Abschnitt 7.3.1 behandelt. A. T. Kearney (2004b), S. 53 f. Vgl. Schulman D. S. et al. (1999), S. 129.
73
3.3.3
“Governance Structure”
Eine effektive „Governance Structure“ stellt einen weiteren wichtigen Erfolgsfaktor für die Funktionsfähigkeit eines Shared Service Centers dar, und beinhaltet zwei wichtige Kategorien: ein klares Reportingsystem, das genaue Verantwortungsrollen auslegt, und einen wirksamen Mechanismus zur Regelung interner Kundenbeziehungen. Auch bei diesen beiden Faktoren lassen sich länderspezifische bzw. regional spezifische Unterschiede feststellen.
x Reportingsystem In nordamerikanischen Unternehmen liegt das Verantwortungsniveau für Shared Service Center Aktivitäten höher in der Hierarchie als in Europa. Auf der Grundlage einer Studie von A. T. Kearney151 berichten 89% der Shared Service Center Organisationen unmittelbar der obersten Führungsebene.152 Im Gegensatz dazu wird in Europa üblicherweise dem Direktor oder dem Shared Service Center Manager berichtet (siehe Abbildung 3.15).
Abbildung 3.15:
Reporting-Ebenen Nordamerika
Europa
Executives verantwortlich für Shared Services CFO, CIO, COO or CAO
89%
CEO or president
53%
Senior VP or VP
16%
Divisional president
9%
1%
8%
Regional president
5%
Director or manager
5%
Board of directors
4%
16%
2%
45%
0%
3%
Quelle: A. T. Kearney (2004a), S. 9
150 Vgl. ebenda, S. 268. 151 A. T. Kearney (2004a), S. 9. 152 Chief Financial Officer, Chief Information Officer, Chief Operation Officer oder Chief Administration Officer.
74
Dieser Unterschied kann ein Anzeichen für die höhere Bedeutung dieser Organisationsform im Ursprungsland sein. Eine weitere und realistischere Erklärung für diese Ausprägung liegt in der geographischen Anordnung. Die länderspezifischen Differenzen in der Region Europa erschweren die Etablierung von pan-europäischen Shared Service Centern. Kleinere organisatorische Einheiten werden hier benötigt, so dass eine stärkere, nationale Verteilung der Verantwortungsrollen die logische Konsequenz davon ist.
x Regelung interner Kundenbeziehungen Die Regelung interner Kundenbeziehungen basiert insbesondere auf einem kontinuierlichen Dialog zwischen Shared Service Center und interner Geschäftseinheit bzw. internem Kunden, denn eine produktive Diskussion erleichtert immer die Festlegung und Erreichung von gemeinsamen Leistungszielen und Interessen. Diskussionsrunden können in formellen, regelmäßigen „steering committee meetings“ oder auf informeller Basis stattfinden. Europäische Unternehmen haben sich stärker auf diese zweite Regelungsmodalität spezialisiert. Im Rahmen von sogenannten „Communities“ werden Entscheidungsträger und Experten von beiden Parteien (Serviceträger und Kunden) an einen gemeinsamen Tisch gebracht, um über Probleme zu diskutieren, aber auch um neue Trends zu erkennen und gemeinsame zufriedenstellende Lösungen zu finden. Tatsache ist, dass Unternehmen, die informelle Regelungsmechanismen angenommen haben, eine hohe interne Kundenzufriedenheitsrate genießen.
3.3.4
Implementierungszeitraum und -strategie
Die Einführung von Shared Service Centern ist ein umfangreicher Prozess. Für den Aufbau und die Implementierung wird eine gewisse Zeit benötigt. Im Durchschnitt wird ein Zeitraum von etwa zwei Jahren benötigt, wobei europäische Unternehmen für den Implementierungsprozess weniger Zeit beanspruchen als nordamerikanische Firmen (siehe Abbildung 3.16). Ein straffes Aufbauprogramm mit einer klaren Zielsetzung und eine disziplinierte Implementierungsstrategie von Beginn an, sind die Kernelemente für die erfolgreiche Einführung dieser neuen Organisationsform: „The most successful implementations begin in the design phase, where decisions are first made about structure, make-versus-buy strategies, location and operating models”.153
153 A. T. Kearney (2004a), S. 10.
75
Abbildung 3.16: Implementierungszeitraum
36%
Weniger als 1 Jahr
24%
34%
1 bis 2 Jahre
23%
6%
2 bis 5 Jahre
17%
1%
5 Jahre oder länger
7% Europa Nordamerika
13% 14%
Noch nicht vollständig implementiert
10%
Nicht sicher
15% 0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
45%
50%
Quelle: A. T. Kearney. (2004a), S. 10 Ein straffes Aufbauprogramm mit einer klaren Zielsetzung und eine disziplinierte Implementierungsstrategie von Beginn an, sind die Kernelemente für die erfolgreiche Einführung dieser neuen Organisationsform: „The most successful implementations begin in the design phase, where decisions are first made about structure, make-versus-buy strategies, location and operating models”.154 Die strategischen und organisatorischen Auswirkungen beim Aufbau einer neuen internen Service-Struktur sind nicht zu unterschätzen. Deswegen sollte von Anfang an Klarheit über die strategischen Fragestellungen herrschen, die den Aufbauprozess besonders beeinflussen. Darüber hinaus sollte während des Aufbauprozesses der interne Kunde bei jedem strategischen Schritt berücksichtigt werden: „The best shared services organizations identify the links to customers and monitor them from the beginning“155.
154 Ebenda, S. 10. 155 A. T. Kearney (2004a), S. 10.
76
Eine Vernachlässigung der internen Kundenbeziehungen während des Implementierungsprozesses könnte die Funktionsfähigkeit und den Erfolg der neuen Organisationsstruktur ernsthaft gefährden.
3.3.5
Zusammenfassende Ergebnisse
Die oben dargestellten Ergebnisse zeigen auf, dass das Shared Service Center Konzept in den zwei Regionen unterschiedliche Ausprägungen annimmt. Bedingt werden diese Unterschiede vor allem durch die geographischen, kulturellen und politischen Differenzen der beiden Regionen. Diese Differenzen beeinflussen insbesondere die Standortfrage und die Implementierungsstrategie. Dabei erschwert der größere europäische Heterogenitätsgrad eine weitreichende Bündelung aller Supportprozesse und verhindert die Bildung von paneuropäischen Shared Service Centern. Im Gegensatz dazu sind in Nordamerika kontinentale Service-Einheiten keine Seltenheit. Des Weiteren lassen sich in Bezug auf die Steuerungspolitik („Governance Structure“ und Reportingsystem) auch zahlreiche Unterschiede feststellen. Diese Aspekte geben den Hinweis auf einen unterschiedlichen Stellenwert von Shared Service Centern innerhalb der Gesamtorganisation. Für europäische Unternehmen sind Shared Service Center immer noch ein „Novum“. Erfahrungswissen muss noch kumuliert werden, um das Shared Service Center Konzept auf die vielfältigen Rahmenbedingungen anzupassen. Nordamerikanische Unternehmen sind schon länger mit dem Shared Service Center Ansatz vertraut, und können sich deshalb vermehrt auf seine Weiterentwicklung und auf die Frage nach der Wertschöpfungsfähigkeit von Supportprozessen konzentrieren.
77
4
Fallstudien zur Rekonfigurierung und Bündelung von internen Dienstleistungen in Konzernen
Die Forschungsfrage befasst sich mit der Analyse und Erklärung von weiterentwickelten Formen der Organisation und Steuerung interner Dienstleistungen. Im Rahmen dieser Arbeit gilt es systematisch zu untersuchen, welche Kriterien bei der Ausgestaltung einer differenzierten Strukturierung von internen Dienstleistungsaktivitäten und deren Steuerung besonders relevant sind. Es gilt auch zu überprüfen, ob die Einführung von neuen internen Servicestrukturen, insbesondere von Shared Service Centern, den Aufbau dieser differenzierten Strukturierung beeinflusst. Besonderes Augenmerk wird vor allem auf die Motive für den Aufbau einer effizienten, internen Serviceorganisation gelegt, und auf den Aufbauprozess selbst. Ein weiterer wichtiger Analysefokus ist der Funktionsmechanismus dieser neuen Serviceeinheit. Aufgrund des bisher geringen Ansehens von internen Dienstleistungen mangelt es an einer kohärenten theoretischen Basis für den Aufbau und die Steuerung unternehmensinterner Services. Darüber hinaus sind die bisher durchgeführten empirischen Untersuchungen entweder lediglich funktionsbezogen156 oder nicht repräsentativ aufgrund einer zu geringen Anzahl an untersuchten Unternehmen. Vor diesem Hintergrund sollen explorative Fallstudien Anhaltspunkte für die Bildung eines theoretischen Bezugsrahmens liefern. Die drei im Folgenden vorgestellten, auf zahlreichen Expertengesprächen beruhende Fallstudien zu Großunternehmen, sollen vor allem zentrale Merkmale sowie Problemstellungen bei dem Aufbau und der Steuerung interner Services identifizieren. Die Analyse verfolgt folgende Ziele: 1)
Das erste Ziel der Fallstudien ergibt sich aus der Notwendigkeit der Aufklärung über die Motive für die Umstrukturierung einer internen Serviceorganisation. Die Ausgangssituation des gesamten Unternehmens vor der Reorganisationsphase spielt hier eine besonders bedeutsame Rolle. In den Fallstudien sollen mögliche Gründe analysiert werden, die Unternehmen zur Umstrukturierung ihrer internen Services veranlassen.
2)
Neuentwickelte Organisationsformen interner Services werden im Rahmen der Fallbeispiele praxisnah dargestellt. Die Identifizierung von möglichen kritischen Faktoren bzw. Schlüsselkriterien, deren Ausprägung über die geeignete Strukturierung und Eingliederung interner Service-Einheiten im multinationalen Konzern entscheidet, ist ebenso ein Ziel der Analyse.
3)
Ein weiteres Vorhaben ist die genaue Beschreibung des Aufbauprozesses einer effizienten internen Dienstleistungsorganisation, um verschiedene Strategien der Einführung
156 Beispielsweise die finanzorientierte Studie von Kagelmann (2001).
78
neuer Strukturen kennen zu lernen und Probleme bzw. Schwierigkeiten bei der Implementierung zu identifizieren. 4)
Der Erfolg der neuen Organisation während und nach dem Aufbauprozess hängt jedoch unmittelbar von den eingesetzten Steuerungsinstrumenten ab. Ein besseres Verständnis über die Funktionalität dieser Lenkungsmechanismen wird mittels der Fallstudien verfolgt.
Mit Blick auf die dargestellten Ziele orientiert sich die Auswahl der Fallstudien daran, Unternehmen mit möglichst unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten zu portraitieren, die sich für einen ähnlichen Umbau ihrer internen Services entschieden haben. Warum Firmen mit eher unterschiedlichen Geschäftshintergründen sich gerade für die Bündelung von Supportaktivitäten in Form von Shared Service Centern entschieden haben, gilt hier zu untersuchen. In den Fallstudien werden nachfolgend das „Life Science“-Unternehmen Bayer AG, das USamerikanische Technologieunternehmen Agilent Technologies, Inc. sowie der deutsche Handelskonzern Metro Group dargestellt. Die Analyse der Fallstudien ist auf zwei Ebenen angesiedelt, die sich vor dem Hintergrund der Untersuchungsfragen ergänzen. Die erste Ebene betrifft den Aufbauprozess der internen Serviceorganisation. Hier liegt der Schwerpunkt der Analyse bei der ersten Fallstudie (Bayer). Dieser erste Teil befasst sich zunächst mit der Beschreibung der Ausgangssituation der Unternehmen vor dem Reorganisationsprozess. Um die Motive für den Umbauprozess besser zu verstehen, ist dies unerlässlich. Der Aufbauprozess wird dann in einzelne Bausteine zerlegt und analysiert. Die zweite Ebene beschäftigt sich mit der Steuerung der neuen Organisation. Anhand der eingesetzten Lenkungsinstrumente wird der Funktionsmechanismus einer internen Serviceorganisation genau dargestellt. Dieser zweite Aspekt wird in allen drei Fallstudien beleuchtet, jedoch schwerpunktmäßig im dritten Fallbeispiel. Am Beispiel des Handelskonzerns Metro Group wird ein innovatives, unternehmensinternes Organisationskonzept im Bereich Umweltdienstleistungen vorgestellt. Das vom Handelsunternehmen erfolgreich implementierte Konzept der integrierten Abfallentsorgung und -vermarktung zeigt, dass eine professionelle Abfallentsorgung, nicht nur unter ökologischen sondern vor allem unter ökonomischen Geschichtspunkten, eine zusätzliche Wertschöpfungsquelle für das Unternehmen bedeuten kann. Für die drei Fallstudien wurden verschiedene Datenquellen herangezogen und ausgewertet. Als wichtigste Datenquelle dienten für jede Fallstudie semistrukturierte, persönliche Interviews mit Mitarbeitern der Unternehmen157. Ergänzend zu den Interviews wurden auch externe Experten aus Unternehmensberatungen konsultiert, die mit dem Shared Service Center Konzept vertraut waren. Die Interviews wurden durch Unternehmensdokumente, wie Ge-
79
schäftsberichte, Unternehmenspräsentationen und veröffentlichte Artikel zu der jeweiligen Thematik, in einzelnen Fällen sogar unternehmensbezogene Veröffentlichungen, ergänzt. Zusätzlich zu den unternehmensspezifischen Datenquellen wurden im Text zitierte Fachliteraturstellen zu den analysierten Supporteinheiten herangezogen. 4.1
Bayer Business Services GmbH: Strategisches Management zum Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation
Bayer ist ein weltweit tätiges Unternehmen, das sich auf die Kernfelder Gesundheit, Ernährung und hochwertige Materialien konzentriert. Mit rund 330 Gesellschaften ist der Konzern auf allen Kontinenten vertreten. Schwerpunkte der Geschäftsaktivitäten liegen in Europa, Nordamerika und Fernost. Die Zentrale des Konzerns ist in Leverkusen beheimatet. In Deutschland liegen auch die größten Standorte des Unternehmens.158 Unter dem Stichwort „The New Bayer“ wurde die organisatorische und rechtliche Struktur des Unternehmens grundlegend neu geordnet. Im Jahr 2002 wurde die langjährige Stammhausorganisation in die Struktur einer Managementholding überführt. Einer der zentralen Anlässe für diesen Schritt war die Akquisition der Firma Aventis CropScience. Mit der Abspaltung der Chemieaktivitäten sowie eines Drittels des Polymergeschäfts auf das dafür neu geschaffene Unternehmen „Lanxess“, ist die rund dreijährige, umfassende Neuausrichtung des Konzerns abgeschlossen worden. Die Ziele, die mit der Neuordnung des Konzerns angestrebt wurden, waren vor allem eine deutlichere Trennung von strategischer und operativer Führung, die durch eine unternehmerische Stärkung der Teilkonzerne sowie eine verstärkte Ausrichtung auf die Kernkompetenzen zu erreichen waren (Ziel 1). Gleichzeitig sollten Synergieeffekte vor allem durch die weitgehende Bündelung von unterstützenden Serviceaktivitäten erhalten und ausgeweitet werden (Ziel 2).159 Beide Ziele sind unmittelbar miteinander verbunden. Ohne eine gut funktionierende interne Serviceorganisation, welche die Kernbereiche von Supportaktivitäten entlastet, können die strategischen Teilbereiche sich nicht auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Das folgende Fallbeispiel konzentriert sich auf dieses zweite, derivative Ziel des Umstrukturierungsprozesses und beleuchtet die wichtigsten strategischen und operativen Schritte bei der Neugestaltung der internen Serviceorganisation. Des Weiteren wird der Aufbauprozess 157 Bei Bayer wurden die Informationen im Rahmen eines sechswöchigen Aufenthalts (Juli-August 2003) in der Konzernzentrale in Leverkusen gewonnen. Dabei wurden Gespräche mit Mitarbeitern geführt, die am Aufbauprozess der Bayer Business Services GmbH aktiv teilgenommen hatten. Gleichzeitig wurden die Shared Service Center Bereiche IT, Procurement & Logistik, Finance & Accounting und Human Ressources Services im Detail analysiert. Hier wurden auch Interviews mit den Bereichsleitern durchgeführt. 158 Bayer beschäftigt weltweit rund 93.700 Mitarbeiter (Stand 31.12.2005). Der erzielte Umsatz belief sich im Geschäftsjahr 2005 auf 27.383 Mio. Euro. Im selben Jahr wurden Investitionen in Sachanlagen mit einem Wert von rund 1,5 Mrd. Euro getätigt und Forschung & Entwicklung für mehr als 1,9 Mrd. Euro betrieben. (Vgl. o. V. (2005), S. 6).
80
einer aus den ehemaligen Zentralbereichen neuentstandenen Servicegesellschaft, der Bayer Business Services GmbH (BBS), unter die Lupe genommen. Dieses neugegründeten Serviceunternehmen erbringt betriebswirtschaftliche und administrative Dienstleistungen für den gesamten Bayer-Konzern und ist als Shared Service Center zu bezeichnen.
4.1.1
Gründe für den Reorganisationsprozess auf Konzern- und auf Serviceebene
Für eine erfolgreiche Implementierung einer neuen Service-Struktur ist die genaue Analyse der Ist-Situation der internen Dienstleistungsorganisation entscheidend. Angestrebt wird dadurch die Identifikation wichtiger Haupttreiber für die Einführung einer neuen internen Dienstleistungsorganisation. Darüber hinaus lassen sich die Gründe für den Aufbau der Bayer Business Services GmbH nicht losgelöst von der Entwicklung des gesamten Bayer-Konzerns erläutern. Unter dem Stichwort „The New Bayer“ begann im Dezember 2001 die umfangreichste Umstrukturierung in der Bayer-Geschichte. Kurz vor Jahresende beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat die Überführung des Stammhauskonzerns in die Struktur einer strategischen Management-Holding. Neben der organisatorischen Ausrichtung des Konzerns wurde somit auch seine rechtliche Strukturierung elementar weiterentwickelt.
159 Vgl. Metelmann, K., Neuwirth, S. (2002), S. 139ff.
81
Abbildung 4.1: Organisationsstruktur der Bayer AG als Stammhauskonzern (Stand Dezember 2001)
Vorstandsausschüsse
Vorstand
Konzernkoordinierung
Finanzen
F&E
Personal
Technik und Umwelt
Marketing, Materialwirtschaft und Informationsverarbeitung
Geschäftsbereiche
Servicebereiche
Gesundheit
CropScience
Polymere
Chemie
Pharma
Pflanzenschutz
Kunststoffe
Chemikalien
Kautschuk
Spezialprodukte
Biological Products Consumer Care Diagnostics Animal Health
Polyurethane
Haarmann & Reimer
Lackrohstoffe, Farbmittel
H.C. Stark
Fasern
Wolff Walsrode
Konzerndienstleistungen
Zentrale Servicebereiche
Konzernplanung und Controlling
Beschaffung und Logistik
Finanzen
Personal
Recht, Patente, Liz. und Versich.
Standortdienste
U-Kommunikation Obere Führ.kräfte Info‘management Konzernrevision Qualitäts-. Umwelt& Sicherheitspolitik
Unternehmensrechnung Zentrale Forschung Zentrale Technik
Steuern eCommerce
Quelle: Mettelmann, K., Neuwirth, S. (2002), S. 139 Einer der zentralen Anlässe für diesen Schritt war die Akquisition der Firma Aventis CropScience. Mit einem Kaufpreis von 7,25 Mrd. Euro handelte es sich dabei um die teuerste Akquisition der Unternehmensgeschichte. Das neuerworbene Unternehmen war mit rund 22.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 6,5 Mrd. Euro die Nummer zwei im Weltmarkt der Pflanzenschutzanbieter. Schnell wurde klar, dass ein Unternehmen und Geschäft dieser Größenordnung nicht ohne weiteres in die bestehenden Geschäftsbereichsstrukturen der Bayer-Organisation integriert werden konnte. Des Weiteren hatten die vier strategischen Arbeitsgebiete (Gesundheit, Pflanzenschutz, Polymere und Chemie) bisher keine operative Leitung gehabt und waren dadurch in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt. Lediglich Arbeitsgebietsbetreuer im Vorstand unterstützten den Gesamtvorstand bei der Ausrichtung, Koordinierung und Überwachung der Aktivitäten des Konzerns in den jeweiligen Teilbereichen. Es lag daher nahe, die aus dem Zusammenschluss des Bayer- und des AventisPflanzenschutzgeschäfts neu entstandene Einheit „Bayer CropScience“ als eigenständiges Unternehmen, d. h. als rechtlich selbständigen Teilkonzern, zu führen. Im Oktober 2002 wurde die Bayer CropScience AG als erster Teilkonzern – wirtschaftlich rückwirkend ab 1. Januar 2002 – rechtlich eigenständig. Nahezu zeitgleich fiel die Entscheidung, aufgrund der schwierigen Marktsituation, das Gesundheitsgeschäft zu bündeln und hierfür ebenfalls einen 82
Bayer-Teilkonzern (Bayer HealthCare) einzurichten. Vor diesem Hintergrund war es eine wichtige Entscheidung, die Bayer-Konzernstruktur in ihrer Gesamtheit auf den Prüfstand zu stellen und die Chance einer grundlegenden Neuausrichtung zu nutzen. Nach Zustimmung der Hauptversammlung erfolgte im Lauf des Jahres 2003 die Ausgliederung der anderen Teilbereiche und die Bildung von zwei weiteren Teilkonzernen. Hinsichtlich der internen Dienstleistungsaktivitäten mangelte es vor der Umstrukturierung an einer systematischen sowie gut strukturierten Organisation und Koordination der sogenannten „Servicebereiche“ (siehe Abbildung 4.1). Diese waren, als Teil des großen Verwaltungsapparates im Stammhauskonzern, nicht effizient organisiert. Vermisst wurde vor allem eine fehlende, systematische Trennung zwischen tatsächlich unterstützenden Serviceleistungen, wie beispielsweise Lohn- und Gehaltabrechung, und strategisch orientierten Konzerndienstleistungen (z. B. Zentrale Forschung). Diese fehlende, klare Aufteilung setzte sich innerhalb der einzelnen Servicebereiche weiter fort. Gleichzeitig mangelte es an interner Markt- und Kundenorientierung sowie an Preis-Leistungs-Transparenz. Darüber hinaus wurde den Konzerndienstleistungen häufig vorgeworfen, zu teure Leistungen anzubieten. Aus diesem Grund hatten zahlreiche zentrale Servicebereiche angefangen, Kompetenzen in anderen Feldern aufzubauen, wie IT oder Personalentwicklung. Beispielsweise wurden im zentralen Servicebereich „Beschaffung und Logistik“ fachspezifische IT-Mitarbeiter simultan beschäftigt, trotz der Existenz des Konzerndienstleisters Informationsmanagement. Der parallele Aufbau von weiteren Servicestrukturen war ein klares Zeichen dafür, dass die internen Kundenanforderungen nicht in ausreichendem Maße erfüllt werden konnten. Ferner gingen zahlreiche Synergie- und Bündelungseffekte verloren. Mit der Neuordnung des Konzerns sollten diese Schwachstellen behoben werden. Angestrebt war vor allem die Einführung einer flexiblen Organisation der internen Services, die fähig war, effiziente und kostengünstige Dienstleistungen anzubieten und gleichzeitig marktund kundenorientiert zu agieren. Die Shared Service Center - Lösung schien als geeignet, um all diesen Anforderungen Rechnung zu tragen. Die neue Konzernphilosophie wird anhand der Organisationsstruktur ersichtlich (siehe Abbildung 4.2):
83
Abbildung 4.2: „The New Bayer“ Organisationsstruktur (Stand Juli 2002)
Konzernvorstand
Holding (Bayer AG)
Corporate Centers
Shared Services
Arbeitsgebiete
Bayer HealthCare
Bayer CropScience
Bayer Polymers
Bayer Chemicals
Bayer Business Services Bayer Technology Services Bayer Industry Services
Quelle: In Anlehnung an Becker, L., Neuwirth, S. (2004), S. 80
Seit dem 1. Juli 2002 arbeitet der Bayer-Konzern in einer neuen Grundstruktur. Vier operative Teilkonzerne und drei Servicegesellschaften können sich unter dem Dach einer strategischen Management-Holding stärker auf ihre Kernkompetenzen fokussieren, Wachstumschancen besser nutzen und so die Unternehmensleistung steigern. Die neue Bayer-Struktur wird durch folgende Kernelemente charakterisiert: Die Bayer AG übernimmt zukünftig die Rolle der Konzernführungsgesellschaft. Dies umfasst Konzernvorstand und Corporate Centers bzw. „Headquarter Services“. Es werden weltweite, weitgehend selbständige Teilkonzerne eingerichtet (Bayer HealthCare, Bayer CropScience, Bayer MaterialScience und Bayer Chemicals). Diese vier Arbeitsgebiete werden als weitgehend autonome Geschäftsbereiche angesehen. Die verbleibenden zentralen Servicefunktionen werden – wo sinnvoll – in Dienstleistungsgesellschaften zusammengefasst und rechtlich verselbständigt. Zu diesem Zweck sind dann die einzelnen Serviceaufgaben in drei Servicegesellschaften zusammengefasst worden: Die Bayer Business Services GmbH, die betriebswirtschaftliche und administrative Dienstleistungen erbringt, die Bayer Technology Services GmbH, die für ingenieurtechnische und technologische Services verantwortlich ist, und die Bayer Industry Services GmbH, die sich um standortbezogene Dienstleistungen kümmert.160 Nach der Umsetzung der Neuorganisation wird die Fokussierung auf die Kerngeschäfte weiter forciert. Im November 2003 beschließt der Vorstand, dass sich der Konzern zukünftig auf
160 Vgl. Metelmann, K., Neuwirth, S. (2002), S. 142.
84
die Bereiche Gesundheit, Ernährung und hochwertige Materialien konzentrieren soll. Deshalb sind die renditeschwachen Chemieaktivitäten mit Ausnahme von H. C. Starck und Wolff Walsrode sowie einige Geschäftsfelder aus dem Bereich Polymere in eine eigene Gesellschaft unter dem Namen Lanxess ausgegliedert worden und im Januar 2005 an die Börse gebracht worden. Die übrigen Geschäftsfelder sind in einem neugegründeten Teilkonzern (Bayer MaterialScience) zusammengefasst worden. Mit dieser Abspaltung kam der umfangreichste Konzernumbau in der Geschichte der Bayer AG zum Abschluss.
Abbildung 4.3: „The New Bayer“ Organisationsstruktur (Stand Februar 2005)
Konzernvorstand
Holding (Bayer AG)
Corporate Centers
Shared Services
Arbeitsgebiete
Bayer HealthCare
Bayer CropScience
Bayer Material Science
Bayer Business Services Bayer Technology Services Bayer Industry Services
Quelle: Eigene Bearbeitung in Anlehnung an Geschäftsbericht 2004161 Im Rahmen dieser Fallstudie wird der Fokus insbesondere auf den Aufbauprozess der Bayer Business Services GmbH, als größte Servicegesellschaft und Shared Service Center162, gelegt, denn ohne Bündelung der betriebswirtschaftlichen Supportaufgaben wäre der Konzernumbau nicht möglich gewesen.
161 Vgl. o. V. (2004a). 162 Zum Zeitpunkt der Fallstudie (Jahr 2003) beschäftigte die BBS ca. 6000 Mitarbeiter.
85
4.1.2
Der Aufbauprozess der Bayer Business Services GmbH
Die Bayer Business Services GmbH ist im Rahmen einer Projektorganisation mit dem Namen „Carve Out“ als Teilprojekt von „The New Bayer“ geplant und aufgebaut worden. Das Projekt hat von der Idee bis zur Detailimplementierung und rechtlicher Eintragung im Handelsregister 18 Monate gedauert. Im folgenden werden die einzelnen Schritte des Aufbauprozesses detailliert dargestellt. Die Bayer Business Services GmbH ist mittels Projektmanagement aufgebaut worden. Eine effektive Projektmanagement-Methodik bei der Reorganisation interner Prozesse erfordert eine klare Festlegung der damit verfolgten strategischen und operativen Ziele. Gleichzeitig ist eine detaillierte Analyse der internen Leistungsprozesse und Leistungsverflechtungen sowie der eingebrachten Kompetenzen der beteiligten Akteure notwendig, um letztendlich die interne Abstimmung zu optimieren und Koordinationsprobleme zu vermeiden. Entscheidend für die erfolgreiche Implementierung einer neuen organisatorischen Einheit ist der Prozess, der als Leitfaden für die integrative Zusammenführung aller einzelnen Stufen agiert.
Schritt 1:
Festlegung von Projektteam und Projektzielen
Tatsache ist, dass es sich in diesem Projekt um einen Umverteilungsprozess bzw. eine Neuausrichtung von vorhandenen, internen Strukturen handelte und nicht um einen „Neustart auf der grünen Wiese“. Aus diesem Grund musste während der Restrukturierungsphase das Tagesgeschäft parallel ablaufen. Dies implizierte einen höheren Schwierigkeitsgrad, der nur durch eine kompetente Führungsstruktur zu meistern war. Zu diesem Zweck wurde ein Projektteam gebildet, das sich aus Mitgliedern mit organisatorischer Kompetenz und vor allem Visionsfähigkeit zusammensetzte. Der zukünftige Geschäftsführer der Bayer Business Services sollte Projekt und Projektteam leiten. Ihm wurde, als Leiter des Neuorganisationsausschusses für den gesamten Konzern, gleichzeitig der Auftrag übertragen, eine effiziente Organisation aus den schwerfälligen, zentralen Servicebereichen administrativer Natur zu bilden. Im Projektteam wirkten u. a. Mitarbeiter des Corporate Centers „Aufbau- und Führungsorganisation“, die vor allem als Schnittstelle zwischen der Holding und der Servicegesellschaft agieren sollten. Die Kompatibilität der Ziele der Servicegesellschaft mit den übergeordneten Konzernzielen sollte hierbei ständig überprüft werden. Zur Projektgruppe gehörten auch Mitarbeiter des Zentralbereichs „Internes Consulting“, aber auch Abteilungsleiter aus verschiedenen Servicebereichen, die einen aktiven Einsatz in gleichartigen Reorganisationsprozessen bewiesen hatten. In Juli 2002 wurde die Bayer Business Services GmbH als „virtuelles Unternehmen“ gegründet, mit ursprünglich sechs Bereichen, die sich direkt aus den ehemaligen Zentral- und Servicebereichen ableiteten. Dies erfolgte zunächst im rechtlichen Rahmen der Bayer AG. Da
86
die rechtliche Ausgliederung einer Servicegesellschaft der Zustimmung der Hauptversammlung unterliegt, konnte diese erst zu einem späteren Zeitpunkt vollzogen werden. Bevor mit dem aktiven Aufbau des Shared Service Centers begonnen wurde, war die strategische Stoßrichtung in ihren organisatorischen und teilweise operativen Grundsätzen zu definieren. Zu diesem Zeitpunkt fand ein erstes sogenanntes „Kick-Off Meeting“ statt, bei dem die organisatorischen „Guidelines“ bzw. die Projektziele definiert wurden. Aus den zentralen Bereichen, die bisher administrative und betriebswirtschaftliche Leistungen erbracht hatten (Informationsmanagement, Beschaffung und Logistik, Personal, Unternehmensrechung und internes Consulting), sollten innerhalb der Bayer Business Services nur diejenigen internen Leistungen beibehalten werden, die gleichzeitig für mehrere Arbeitsgebiete erbracht wurden. Ein weiteres Kriterium, das für die Beibehaltung interner Aktivitäten sprach, war, dass die zentrale Leistungserbringung aus der Servicegesellschaft günstiger erfolgen sollte als von den dezentralen Geschäftseinheiten bzw. von externen Dritten. Um dieses Ziel zu erreichen, war eine weitgehende Marktorientierung erforderlich, die Preis- und Qualitätsvergleiche zwischen internen und externen Angeboten ermöglichte. Darüber hinaus sollte externe Konkurrenz zugelassen werden. Eine marktorientierte Servicevereinbarung, -erbringung und abrechnung von Leistungen an konzerninterne Kunden sollte dies unterstützen. Aus Konzernsicht könnte eine gebündelte Leistungserbringung, etwa zur Sicherung der Professionalität bzw. der fachlichen Kompetenz, erforderlich sein. Leistungen, bei denen sich der Aufbau von zusätzlichem Funktions- und Prozesswissen nicht lohnen würde, sollten nun –zum Teil in enger Partnerschaft – von externen Zulieferern erbracht werden. Eine externe Vermarktung der Leistungen wurde nicht prinzipiell ausgeschlossen. Allerdings waren die Interessen des Konzerns, als wichtigster Kunde, immer in den Vordergrund zu stellen. Darüber hinaus sollte die Servicegesellschaft weltweite Verantwortung für die Bereitstellung, Erbringung und Optimierung zentraler Servicefunktionen und –leistungen erhalten. Schritt 2:
Der Meilenstein-Plan
Unmittelbar nach der Festlegung der Projektziele wurde ein Projektplan angefertigt, der konkrete Terminziele für die Meilensteine des Projektes definierte. Die wichtigsten Meilensteine sind in Abbildung 4.4 dargestellt:
87
Abbildung 4.4: Projektplan zum Aufbauprozess der Bayer Business Services
Konzeptionsphase „The New Bayer“
Januar 02
Juli 02
Kick-Off Meeting: Definition der organisatorischen „Guidelines“ Die BBS existiert als virtuelles Unternehmen mit ursprünglich sechs Bereichen
Januar 03
März 03
DetailKonzeptOrganisation
Aufgabenanalyse und Clusterungsprozess
Juli 03
Physische Umorganisation der BBS; Neudefinition der Geschäftsbereiche; zehn anstatt sechs
Oktober 03
Januar 04
Rechtliche Ausgliederung der BBS; Einführung der EDV-Plattform „SySCo“
Ressourcenallokationsprozess, v.a. Personalauswahl
Bis Ende 2002 erfolgte eine erste Phase der Konzeption der Bayer Business Services. Über mögliche organisatorische Entwürfe und Vorschläge wurde zunächst jedoch ausschließlich im inneren Kreis des Projektteams diskutiert. Mit dem Aufbau einer Supportorganisation für die Servicegesellschaft (Kommunikation, Controlling und Vertrieb) wurde auch während dieser Zeitperiode begonnen. Die ersten Weichen für die rechtliche Verselbständigung der Bayer Business Services vom Bayer-Konzern sollten damit festgelegt werden. Ende November 2002 wurde das Autonomiestreben der Servicegesellschaft jedoch wieder stark gebremst. Das ursprüngliche Ziel, die Bayer Business Services unbegrenzt mit weltweiter Kompetenz für die Erbringung von internen Services auszustatten, wurde vom Konzern revidiert, da die Landesgesellschaften Bedenken äußerten, Zuständigkeiten bei der Erbringung von internen Dienstleistungen zu verlieren. Allerdings sollte die Bayer Business Services durch diese Entscheidung nicht auf ein nationales Unternehmen reduziert werden. Eine mögliche Globalisierung oder eine Regionalisierung von bestimmten internen Services (wie z. B. IT-Infrastruktur und Netzwerke) wurde nicht ausgeschlossen. Es galt, die vorhandenen Servicestrukturen und -funktionen auf ihre „Internationalisierbarkeit“ zu überprüfen. Kurz vor Jahresende nahm die strategische Ausrichtung der Servicegesellschaft allmählich konkrete Gestaltungsform an. Die Bayer Business Services wollte ihren Kunden ein Servicepaket aus einer Hand und zu Marktkonditionen anbieten. Aus diesem Grund sollte sich der interne Service-Anbieter als kompetenter Dienstleister in jedem einzelnen Bereich der Wertschöpfungskette präsentieren und ihren Kunden optimal mit allen erwünschten Services versorgen. Die Kundenbetreuung sollte sich von den Beratungsleistungen über die Entwicklung 88
von Anwendungslösungen bis hin zu deren Implementierung erstrecken. Diese neue Orientierung an dem „Business Process“ zielte auf eine Verstärkung der Kundenbindung durch eine flexiblere und aufeinander abgestimmte Leistungsbelieferung ab. Die Anforderungen des Marktes und des Kunden zur Abbildung ganzheitlicher Prozessketten sollten sich in der Bayer Business Services Organisation wiederfinden. Diese neue Prozessphilosophie wird in Abbildung 4.5 aufgezeigt.
Abbildung 4.5: “Business Process“ Philosophie der Bayer Business Services
Consulting
Product Design
Implementation
ITOperations
Customer Service
Perform
consult
design
make
operate
support
do
Solutions
Application Services
Services Quelle: Bayer Business Services (2003)
Schritt 3:
Aufgabenanalyse zur Vermeidung von Redundanzen
Zu Beginn des Jahres 2003 wurde mit dem detaillierten organisatorischen Aufbau der Servicegesellschaft begonnen. Die strategische Grundrichtung war definiert und vom HoldingVorstand genehmigt worden. Als nächster Schritt stand eine detaillierte Aufgabenanalyse im Vordergrund. Hauptziel der Analyse war vor allem die Feststellung von organisatorischen Redundanzen, um anschließend eine optimale Ressourcenallokation in den zukünftigen organisatorischen Einheiten durchzuführen. Zur Identifikation von Doppelarbeiten und deren Bereinigungsprozess war jedoch eine aktive Unterstützung von Seite der bisherigen Serviceeinheiten notwendig. Im Rahmen von „Strategie-Workshops“ wurde gemeinsam mit den Leitern der einzelnen Ressorts über die konkrete Gestaltung der zukünftigen Aufgabenfelder intensiv diskutiert. Zunächst wurden alle bisher angebotenen Einzelleistungen pro Funktionsbereich genau aufgelistet, um Redundanzen zu identifizieren. Darüber hinaus wurde der Charakter der Dienstleistung überprüft. In der Bayer Business Services sollten nur unterstützende Services verbleiben. Eine zielgerechte Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen von internen Dienstleistungen erfolgte hauptsächlich anhand des Kriteriums „Strategische Bedeutung“. Die strategische Relevanz der internen Dienstleistung zeigt auf, inwiefern es sich bei der Dienstleistungsaktivität um kernnahe Prozesse handelt oder nicht, d. h. um Aufgaben, die im Verantwortungsbereich der obersten Führungsebene liegen. Beispielsweise wurde aus dem Support-Servicegebiet „Unternehmensrechnung“ der Fachbereich „Revi89
sion“ auf die Holding übertragen. Auch der Bereich „Internationaler Transfer von Führungskräften“ wurde als „Headquarter Service“ klassifiziert, obwohl dieser ursprünglich innerhalb der Supporteinheit „Human Ressources Services“ eingegliedert war. Der oben dargestellten „Aufgabenzerlegung“ folgte ein sogenannter „Clusterungsprozess“, der aus einer weitgehenden Bündelung einzelner Dienstleistungsaktivitäten bestand, welche fachlich und technisch miteinander zu tun hatten. Diese erste funktionale Zuordnung (Bündelung auf 1. Ebene) sollte einer Abteilung bzw. einer „Dienstleistungslinie“ in der neuen Organisationsstruktur entsprechen. In einem zweiten Schritt wurden dann die abgeleiteten Abteilungen zu den zukünftigen Funktionsbereichen oder „Dienstleistungsklassen“ sinnvoll konsolidiert (Bündelung auf 2. Ebene). Auf diese Weise entstand der erste Entwurf der neuen Aufbauorganisation. Dieser organisatorische Prozess dauerte bis Ende März 2003 und ließ eine neue Organisationsstruktur mit zehn Geschäftsfeldern erkennen. Tabelle 4.1 zeigt am Beispiel vom Geschäftsbereich Human Resources Solutions & Services wie der „Clusterungsprozess“ stattfand:
Tabelle 4.1: Clusterungsprozess zur Bildung von neuen Geschäftsbereichen in der Bayer Business Services
Funktionsbereich (Abteilung)
Dienstleistungsklasse
Dienstleistungseinheit
Solutions & Application Services
Solutions
z. B. • Consulting for HR Processes • Solutions for e-HR • Solutions for Insurance ...
Application Services
• Application Service for HR • Application Service for Insurance Management • Application Service SAP Pensions
Clusterungsprozess
Quelle: Bayer Business Services (2003)
90
Schritt 4:
Kompetenzen- und Aufgabenzuordnung: der Ressourcenallokationsprozess und die Organisationsgestaltung
Ende März 2003 wurde der erste organisatorische Entwurf den verschiedenen Genehmigungsgremien innerhalb des Konzerns vorgestellt: Wirtschaftsausschuss, Betriebsrat, Unternehmensleitung. In den darauffolgenden Wochen fand ein reger Diskussionsprozess statt, im Rahmen dessen konstruktive, kritische Anregungen und Verbesserungsvorschläge eingearbeitet wurden. Ummittelbar danach begann der Personalauswahlprozess. Für im Voraus definierte Stellenprofile sollten die passenden Mitarbeiter „herausgefiltert“ werden. Die konzeptionelle Umverteilung der vorhandenen personellen Ressourcen zu den neu definierten Funktionsbereichen sollte rechtzeitig stattfinden, um eventuelle Personalengpässe bzw. -überschüsse zu vermeiden. Auf der Basis eines Audit-Prozesses wurde zunächst die Personalauswahl für die strategische Lenkungsebene (Management-Ebene) getroffen. Nach der Stellenbesetzung der Funktionen- und Ressortleiter wurde in einem nächsten Schritt mit der physischen Umorganisation der (operativen) Durchführungsebene begonnen. In diesem Zusammenhang wurde jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin über ihre neue Stelle und ihren unmittelbaren Vorgesetzten schriftlich informiert. Der offizielle Start der neuen Organisation war der 1. Juli 2003. Schritt 5:
Festlegung der Steuerungsprinzipien und Performance-Evaluation
Parallel zum physischen Ausbau der organisatorischen Vorkehrungen erfolgte auch die Gestaltung des sogenannten Steuerungsrahmens. Die Steuerung der Bayer Business Services sollte durch bestimmte Regelungen bzw. Instrumente erfolgen, welche die Lenkungsfähigkeit der internen Prozesse garantieren sollten. Die Einführung einer unternehmenseigenen, SAP-basierten EDV-Plattform wurde als ein wichtiges, formelles Instrument gewählt, um als selbständiges Unternehmen agieren zu können. Die Bayer Business Services sollte hiermit beispielsweise in der Lage sein, Rechnungen auf eigenen Namen zu erstellen sowie ihre eigenen logistischen Aktivitäten selbständig zu koordinieren.163 Auch die Einführung von „Service-Level-Agreements“ sowie von marktorientierten Verrechnungspreisen zählen zu den weiteren Steuerungsprinzipien, die von Anfang an implementiert wurden. Flankiert wurden diese strukturorganisatorischen Maßnahmen, die stärker auf die Lenkung der Kunden-Service-Center-Beziehung abzielten, durch die Notwendigkeit der Regelung der
163 Vgl. Martín-Pérez, N. –J., Berger, M. (2004),S. 29 ff.
91
Zusammenarbeit mit den anderen internen Service-Partnern (Corporate Center und „Dedicated“ Services). Zur besseren Koordination und Abstimmung zwischen den einzelnen internen Dienstleistern ist die Einführung von lateralen Lenkungsebenen unerlässlich. Diese können neben den bereits bestehenden hierarchischen Strukturen auf informeller Ebene existieren. Zu diesem Zweck wurde das Konzept des „Community Management“ eingeführt. Unter der Federführung einer zentralen Einheit (Corporate Center oder Servicegesellschaft) arbeiten die entsprechenden, internen Bereiche (z. B. Human Ressources) an der gemeinsamen Ausgestaltung und notwendigen Koordinierung der jeweiligen Funktion. Durch die Einführung des „Community Management“ Konzepts sollte vor allem der Wissensaustausch und die Sicherung von Verbundsvorteilen in den verteilt organisierten Unternehmensfunktionen sichergestellt werden.164 Das Prinzip des „Community Managements“ wird als eine wesentliche Klammer und ein wirksames Synergieinstrument betrachtet. Hauptziel dabei ist der Aufbau eines professionellen Netzwerks von Experten, die fachlich über die optimale Ausrichtung von internen Funktionen auf einer selbst-organisierenden Basis diskutieren und entscheiden. Die Mitglieder der Communities sind Manager und Senior Professionals der internen Servicefunktionen, die in Gremien oder sogenannten „Expertenkreisen“ organisiert sind. In der „Community“ werden Diskussionsthemen sowie organisatorische Vorschläge vorgetragen, welche die gemeinsamen Interessen der internen Service-Units betreffen, wie z. B. Fragen der Personalentwicklung und -besetzung oder der Performance-Evaluierung.165 Zum Zeitpunkt der Analyse war der Optimierungsprozess innerhalb der Bayer Business Services noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grund war die Durchführung einer „Performance-Evaluation“ nicht möglich. Allerdings wurde schon zu diesem Zeitpunkt die Wichtigkeit einer objektiven Erfolgsmessung erkannt und die Grundlagen für die Einführung eines Wertmanagement-Ansatzes entwickelt.
4.1.3
Der Aufbauprozess eines Shared Service Centers: Strategische Implikationen und kritische Beurteilung
Die dargestellte Fallstudie hat vor allem deutlich gezeigt, dass der Umbauprozess beim Bayerkonzern ohne die Einführung der Servicegesellschaft bzw. des Shared Service Centers nicht möglich gewesen wäre, und dass diese strategische Entscheidung ebenfalls zahlreiche strategische und organisatorische Konsequenzen für das gesamte Unternehmen mit sich bringt. In diesem Abschnitt sollen diese Implikationen anhand des Fallbeispiels näher beleuchtet werden. Darüber hinaus gilt es, das als Projektorganisation eingeführte Shared Service Center kritisch zu hinterfragen und auf mögliche Schwachstellen und Projektstörungen
164 Vgl. Metelmann, K., Neuwirth, S. (2002), S. 143. 165 Vgl. Becker, L., Neuwirth, S. (2004), S. 81f.
92
hinzuweisen. Diese kritische Beurteilung dient der Gewinnung von neuen Erkenntnissen für die weitere Untersuchung über die Entstehung neuer Strukturen im internen Dienstleistungsbereich.
x Hintergrund und Motive Die grundlegende Neuausrichtung der Unternehmensphilosophie des Bayer-Konzerns hat vor allem die Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen Struktur der internen Dienstleistungsaktivitäten gezeigt. Die angestrebten Ziele einer deutlicheren Trennung von strategischer und operativer Führung durch die unternehmerische Stärkung der Teileinheiten sowie die verstärkte Ausrichtung auf die Kernkompetenzen sind die Auslöser des großangelegten Umstrukturierungsprozesses gewesen. Deswegen ist der Aufbau der Bayer Business Services GmbH als ein erforderlicher integrierter Bestandteil innerhalb des Projekts „The New Bayer“ zu betrachten. Nur durch gut funktionierende interne Services lassen sich auch Kernprozesse erfolgreich gestalten. Die gesamte Neustrukturierung war vor allem notwendig, um Doppelarbeiten zu identifizieren und zu vermeiden, eine klare Trennung zwischen strategischen und unterstützenden Aktivitäten zu erzielen, Kosten durch Bündelungseffekte einzusparen und um stärker kundenorientiert zu agieren. All diese Aspekte wurden bei der Festlegung der Projektziele berücksichtigt. Die relevanteste Frage, die hier im Vordergrund steht, ist jedoch, ob die Wahl der Organisationsform „Shared Service Center“ der geeignete Lösungsweg gewesen ist, um diese Ziele zu erreichen. Des Weiteren ist die durchgeführte Aufgabenanalyse auf ihren Wirkungsgrad bei der Vermeidung von Redundanzen zu hinterfragen. Handelt es sich vielleicht bei der Aufgabendekomposition um einen unabdingbaren Prozessschritt, um die neue Aufbauorganisation zu entwerfen? Welche weiteren kritischen Faktoren (zusätzlich zur „Strategischen Relevanz“) können den strategischen Schritt der „Aufgabenanalyse“ unterstützen?
x Methodik und Ablauf Die Maßnahmen zur Restrukturierung der internen Dienstleistungsaktivitäten im Konzern können nicht losgelöst vom restlichen unternehmerischen Geschehen durchgeführt werden. Es handelt sich um einen strategischen und organisatorischen Schritt, der weitgehende Auswirkungen auf die weiteren operativen Tätigkeiten haben wird. Deshalb sollten die ausgewählte Methodik sowie die wichtigsten Meilensteine ausführlich und detailliert geplant werden. Hier gilt es kritisch zu hinterfragen, ob die angewandte Methodik des Projektmanagements zum Aufbau eines Shared Service Centers als geeignet erscheint, um keine wichtigen Schritte während des Einführungsprozesses zu übersehen. Weiterhin ist fraglich, ob Verbesserungsmaßnahmen sowie Optimierungsprozesse durch die kontinuierliche Steuerung und 93
Erfolgmessung und die anhaltende Hinterfragung von jedem einzelnen Prozessschritt eingeleitet werden können.
x Kritische Aspekte Drei kritische Aspekte gilt es bei dem Aufbauprozess der Bayer Business Services besonders zu beleuchten. Diese geben einen Hinweis über mögliche Fehler bei der Definition der Projektziele, aber auch über Schwachstellen bei der Durchführung der Aufgabenanalyse bzw. –dekomposition von internen Serviceleistungen. Darüber hinaus sollte zu Beginn des Aufbauprojektes Klarheit über die zukünftige Rolle des Shared Service Centers herrschen, um die Frage nach einer optimalen Ressourcenallokation rechtzeitig beantworten zu können. a) Schwachstellen bei der Durchführung der Aufgabenanalyse Beim Aufbauprozess der Bayer Business Services erfolgte die zielgerechte Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen von internen Dienstleistungen ausschließlich anhand des Kriteriums „Strategische Bedeutung“. Fraglich ist, ob ein anderes Ergebnis aus der Aufgabenanalyse entstanden wäre, wenn die Prozessanalysten weitere kritische Faktoren mitberücksichtigt hätten. Tatsache ist, dass das ausgewählte Kriterium besonders relevant ist, vor allem bei der Klärung der Frage, ob es sich um Kernprozesse oder unterstützende Aktivitäten handelt. In diesem Zusammenhang sind die während der Konzeptionsphase durchgeführten „Strategie-Workshops“ hervorzuheben, in denen gemeinsam mit den Leitern der einzelnen Ressorts über die zukünftige Gestaltung der Aufgabenfelder intensiv diskutiert wurde und auf die weiteren Charakteristiken der einzelnen Aktivitäten näher eingegangen wurde.
b) Internationalisierungsfrage Das ursprüngliche Ziel, die Bayer Business Services unbegrenzt mit weltweiten Kompetenzen für die Erbringung von internen Services auszustatten, wurde während des Umstrukturierungsprozesses allerdings revidiert. Einer der Gründe dafür war, dass die Landesgesellschaften Bedenken hatten, Zuständigkeiten bei der Erbringung von internen Dienstleistungen zu verlieren. Darüber hinaus hätte die Bayer Business Services (zumindest zu Beginn ihrer Aktivitäten) keine ausreichenden Ressourcen gehabt, um ein globales Mandat zu erfüllen und, außerdem, nicht jede interne Serviceaktivität eignet sich für eine globale Durchführung. Deswegen hat sich die Konzernleitung für einen stufenweisen Internationalisierungsprozess entschieden. Die vorhandenen Servicestrukturen sollten auf ihre „Internationalisierbarkeit“ auf globaler oder regionaler Ebene hin überprüft werden. Unter Berücksichtigung der Ressourcenknappheit ist dies durchaus ein sinnvoller Ansatz. Zu kritisieren ist jedoch der plötzliche Kurswechsel des Konzerns, dem Service Center zuerst das globale Mandat zu erteilen, um kurz danach dieses zu widerrufen. Darüber hinaus hätte von Anfang an Klarheit über das Kompetenzfeld der Bayer Business Services sowie über die zugeteilten Ressourcen herrschen sollen. 94
Zahlreiche multinationale Konzerne sind dabei, ihre Supportfunktionen nach Osteuropa zu verlagern166. Fraglich ist, ob durch diese Verlagerung die Servicequalität leiden könnte. Vorund Nachteile dieser strategischen Entscheidung gilt es in Kapitel 7 zu untersuchen. c) Externe Vermarktung der Aktivitäten der Bayer Business Services Die Möglichkeit der externen Vermarktung von Serviceleistungen wird bei der Festlegung der Ziele eines Shared Service Centers prinzipiell nicht ausgeschlossen. Das heißt, der Bayer Business Services GmbH wird die Chance gegeben, Profite im externen Markt zu erzielen. Darüber hinaus soll sie ihre Konkurrenzfähigkeit durch das Anbieten von kostengünstigen und professionellen Dienstleistungen beweisen. Um dieses Vorhaben zu erreichen ist eine weitgehende Marktorientierung erforderlich, die Preis- und Qualitätsvergleiche zwischen internen und externen Angeboten ermöglicht. Dieses Marktfähigkeitsstreben des Shared Service Centers stößt jedoch gegen die Interessen der wichtigsten Kundengruppe, dem Konzern selbst, der immer an erster Stelle bedient werden möchte und bedient werden muss. Diese Situation stellt einen gewissen Zwiespalt für die Bayer Business Services dar. Einerseits will die neue Organisationsform ihre Markt- und Kundenorientierung durch das Erzielen von einer gewissen Rentabilität unter Beweis stellen, um somit eine Existenzberechtigung im Unternehmen zu haben. Andererseits wird ihre Marktfreiheit durch die Konzerninteressen stark gebremst. Heutzutage fehlen der Bayer Business Services GmbH noch die notwendigen Ressourcen, um am externen Markt zu agieren. Um die zukünftige Rolle des Shared Service Centers als konkurrenzfähigem Anbieter von Dienstleistungen nicht zu gefährden, sollte rechzeitig an die „Captive Player“167 Problematik der externen Vermarktung interner Services gedacht werden. Eine mögliche Lösung wäre beispielsweise, dem Shared Service Center genügende Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit interne und externe Kunden gleichermaßen bedient werden können. Des Weiteren sollte dem internen Dienstleister möglicherweise eine gewisse Übergangszeit gewährleistet werden, um Marktfähigkeit zu erreichen.168
166 Zu nennen wäre beispielsweise der Großkonzern IBM, der ein Accounting Center in Bratislava aufgebaut hat, das die Region Europa bedient. 167 „Captive Player“ Problematik im Sinne einer zu starken (vor allem umsatzmäßigen) Abhängigkeit der Servicegesellschaft vom internen Kunden. 168 Vgl. Martín-Pérez, N. –J., Berger, M. (2004),S. 37 f.
95
4.1.4
Zusammenfassende Ergebnisse
Der Schwerpunkt der vorgestellten Fallstudie liegt eindeutig auf der ersten Analyseebene, welche den Aufbauprozess einer internen Serviceorganisation betrifft. Folgende zusammenfassende Schlussfolgerungen lassen sich daraus ableiten: x Der Aufbau der Bayer Business Services GmbH ist als Projekt geplant und durchgeführt worden. Der Projektansatz gilt in diesem Fall als geeignet zur Errichtung eines Shared Service Centers in diesem Großkonzern. x Der Umbauprozess auf Produktebene wäre ohne die Restrukturierung der internen Dienstleistungseinheiten nicht möglich gewesen. Um das ehemalige Stammhausunternehmen in eine Management-Holding-Organisation umzuwandeln, sind gut funktionierende, gebündelte, interne Services unerlässlich. x Zu Beginn des Aufbauprozesses sollte vor allem Klarheit über die zukünftige Rolle des Shared Service Centers herrschen, um die Frage nach einer optimalen Ressourcenallokation rechtzeitig beantworten zu können. Der Analyseschritt der Aufgabendekomposition gilt beim Aufbau der Bayer Business Services als besonders wichtig.
96
4.2
Agilent Technologies Inc.:Aufbau einer effizienten internen Dienstleistungsorganisation nach der Absplittung von Hewlett Packard
Agilent Technologies Inc. ist ein globales, technologisch diversifiziertes Unternehmen, das in den stark wachsenden Märkten Kommunikationstechnik, Elektronik und Biowissenschaften tätig ist. Es handelt sich um eine relativ junge Firma, entstanden aus der Absplittung von Hewlett Packard (HP) in Juni 1999. Der Sitz der Agilent Firmenzentrale befindet sich in Santa Clara (Silicon Valley), Kalifornien, dem ersten Labor- und Verwaltungsgebäude von Hewlett Packard. Die rund 19.000 Mitarbeiter unterstützen Kunden in über 110 Ländern. Wichtige Entwicklungs- und Fertigungsstandorte befinden sich u. a. in den USA, China, Deutschland, Japan, Korea, Malaysia, Australien und Großbritannien. Der Nettoumsatz im Geschäftsjahr 2006 betrug rund 5 Mrd. US-Dollar169. Das Unternehmen Agilent Technologies Inc. wird seit November 1999 an der New Yorker Börse notiert, seit Juni 2000 ist es vollständig unabhängig von Hewlett Packard. Agilent Technologies ist als Folge der strategischen Neuausrichtung von Hewlett Packard entstanden. Ziel dieser Restrukturierung war die Trennung der Computer- und Druckgeschäfte („Computing & Imaging“) von den restlichen Geschäftsbereichen („Measurement“). Hauptgrund für diesen „Spin-off“ war die Suche nach Flexibilität, denn das Unternehmen, als Einheit war bedroht, zu groß und konsequenterweise schwerfällig zu werden. In diesem technologieintensiven Bereich sind schnelle Reaktionsfähigkeit sowie Konzentration der Kerntätigkeiten auf wachsende und innovative Geschäftsfelder unabdingbar, um eine führende Marktposition zu erreichen bzw. zu verteidigen. Abbildung 4.6 gibt einen Überblick über die strategische Neukonfigurierung der einzelnen Unternehmen unmittelbar nach der Trennung. Der ehemals vierte Bereich „Healthcare Solutions“ wurde jedoch 2001 von Agilent an den Wettbewerber Philips verkauft.
169 Vgl. o. V. (2006b), S. 3.
97
Abbildung 4.6: Strategische Trennung der Geschäftsbereiche vor dem Spin-Off
HP Shareholders
Hewlett Packard
Enterprise Computing
Agilent Technologies
Computing & Imaging
Measurement
Nettoumsatz im Jahr 1998 39 Mrd. Euro
Nettoumsatz im Jahr 1998 8 Mrd. Euro
Personal Systems
LaserJet Solutions
InJet Products
Test & Measurement
Semiconductor Products
Chemical Analysis
Healthcare Solutions
Quelle: Agilent Technologies (1999) Heute ist Agilent in die Geschäftsbereiche elektronische Test- und Messtechnik sowie Life Sciences und Chemische Analysetechnik unterteilt. Als Folge der strategischen Abspaltung von HP war jedoch eine Neustrukturierung der internen Dienstleistungsbereiche notwendig. Die folgende Fallstudie konzentriert sich auf diesen Umbauprozess, der sich in der Zeit von 1999 bis 2003 vollzog und beleuchtet die wichtigsten strategischen und operativen Schritte bei der Neugestaltung der internen Serviceorganisation. Des Weiteren wird das Shared Service Center im Bereich Informationstechnologie (IT), unter die Lupe genommen. Aufbaustruktur und Funktionsmechanismus werden hier dargestellt.
4.2.1
Der Spin-Off-Prozess und die neue Ausgestaltung der internen Services
Nach der Ausgründung aus dem Hewlett-Packard-Konzern musste Agilent Technologies sämtliche Unterstützungsfunktionen neu aufbauen. Auf eine gemeinsame Nutzung von verschiedenen Supportaktivitäten entlang der Wertschöpfungskette zusammen mit HP wurde bewusst verzichtet, um eine vollständige Trennung der beiden Unternehmen zu vollziehen. Unmittelbar nach dem Spin-Off wurde bei Agilent Technologies ein Umstrukturierungsprogramm ins Leben gerufen. Hauptziel dieses Programm war die Planung und Durchführung des Splitting-Transformations-Prozesses bei dem neugegründeten Unternehmen. Zu diesem Transformationsprozess gehörte auch die neue Ausgestaltung der internen Services. Die Aufgabe bestand darin, die internen Dienstleistungsbereiche bei Agilent noch effizienter als bisher zu gestalten. Beispielsweise sollte der frühere, aufwendige Verrechnungsmechanismus auf der Basis von einzelnen Leistungen für ein System der Budgetierung verändert wer98
den. „Outsourcing“ und „Verschlankung“ standen auch stark im Vordergrund sowie die Vision der Leitung von internen Services nach dem Motto: „Run IT as a Business“. Das Shared Service Center Konzept war bereits bei Hewlett Packard ein wesentliches organisatorisches Gestaltungsmerkmal. Das Unternehmen galt als einer der Pioniere bei der Erprobung des modernen Organisationskonzepts. Die Organisationsform entstand eigentlich aus einer Notsituation. Mitte der 80er Jahre erkannte man bei Hewlett Packard die schwere Steuerbarkeit von stark dezentralisierten internen Dienstleistungen. Vor allem im IT-Bereich war diese Situation extrem schwierig. Eine fehlende firmeninterne Standardisierung der Informationstechnologie führte dazu, dass bei 14 damals existierenden Geschäftsbereichen, 14 unterschiedliche Rechenzentren geführt und betreut wurden. Aus Kosten- und Steuerbarkeitsgründen war die damalige Organisationsstruktur untragbar. Der Schritt hin zu einer strategischen Konsolidierung der IT-Aktivitäten war unausweichlich. Der Shared Service Center Ansatz galt als geeignet zur Lösung des Steuerungsproblems. 1988 wurde der IT-Bereich als Shared Service Center umstrukturiert. Dieser Bereich wurde sogar zum Pilotprojekt der Einführung des Shared Service Center Konzepts bei Hewlett Packard. Heute ist der Shared Service Center Ansatz bei HP stark ausgeprägt und wurde auch in weitere Querschnittsfunktionen übertragen, z. B. Finanzen, Human Ressources, usw. Das Unternehmen Agilent wollte den Shared Service Center Gedanken bewusst weiterführen und hat seine internen Supportprozesse auch als Shared Service Center organisiert. Allerdings mit wesentlichen Veränderungen, die sich aus den früheren Erfahrungen bei Hewlett Packard ableiten. Die Gründe für den Aufbau dieser Konzeptvariante sollen im Rahmen dieser Fallstudie anhand des Supportbereiches Informationstechnologie (IT) dargestellt werden. Darüber hinaus werden hier die Steuerungsinstrumente zur Lenkung des Shared Service Centers dargestellt. Diese Lenkungsmechanismen lassen sich in den anderen Supportbereichen auch erkennen. Deshalb kann der IT-Bereich als Leitbeispiel betrachtet werden.
4.2.2
Die neue Organisation und Steuerung der IT-Services bei Agilent
Der Splitting-Prozess fand nicht nur auf Geschäftsbereichsebene sondern auch auf Supportebene statt. Unmittelbar nach der Trennung wurden die vorhandenen internen Services durch zwei (Unternehmen) aufgeteilt. Allerdings war diese vorläufige Struktur mittel- bis langfristig nicht tragbar, da nur ein Teil der IT-Mitarbeiter zur Betreuung der gesamten Prozesse vorhanden war. Darüber hinaus hatte bisher jeder Geschäftsbereich seine eigene ITAbteilung gehabt. Aus Kosten- und Effizienzgründen wurden diese geschäftsbereichsspezifischen IT-Services abgeschafft und eine weltweit verantwortliche IT-Organisation gegründet. Der IT-Supportbereich wurde nach dem Trennungsprozess als erstes gegründet und gilt als Vorreiter für die Neustrukturierung der internen Services. Dieser wird von Agilent als Shared Service Center bezeichnet und wickelt weltweit das komplette IT-Management für Agilent ab.
99
x Organisationsstruktur Shared Service Centers werden bei Agilent unter der Rubrik „Global Infrastructure Organisations (GIO)“ geführt. Dieser Bereich ist dem „Chief Operative Officer (COO)“ untergeordnet, der nur noch dem „Chief Executive Officer (CEO)“ unterstellt ist. Der COO steht auf gleicher hierarchischer Ebene im Unternehmen wie die „Chief Business Officers (CBO)“, welche die verschiedenen Kernbereiche von Agilent führen. Das Center ist in drei Teilbereiche untergliedert: Operation Services, Solution Services und Business IT. Die zwei ersten Bereiche umfassen sämtliche Dienstleistungen, die zur Bereitstellung einer funktionierenden Infrastruktur und innerbetrieblichen Entwicklung von Applikationen für die Geschäftsabwicklung notwendig sind. Hier sind jeweils weltweit rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Schwerpunktstandorte sind Colorado Springs, Bay Area, Böblingen und Singapur, in denen der größte Teil der Mitarbeiter stationiert ist. An weiteren Produktionsstandorten sind vorwiegend Support und Projektteams zur Unterstützung und Durchführung etabliert. Im dritten Bereich Business IT sind sogenannte IT-Manager angesiedelt, die als Schnittstelle zwischen den Geschäftseinheiten und dem CIO (Chief Information Officer) bzw. der Führungsspitze fungieren. Deren Aufgabe besteht darin insbesondere, die Wünsche und Bedürfnisse der Geschäftseinheiten zu identifizieren und entsprechend weiterzuleiten. Abbildung 4.7 gibt einen Überblick über den Supportbereich IT.
x Funktionsmechanismus Der Supportbereich IT ist direkt in das Unternehmen eingebunden, weist also keine rechtliche Selbständigkeit auf. Ebenso versteht sich der IT-Bereich als rein interner Leistungserbringer. Ein eventueller Marktzugang wird durch das Unternehmen bisher nicht angestrebt. Leistungen, die ein externer Dienstleister effizienter erfüllen kann, werden bei Agilent ausgelagert. Wenn der Vertragspartner die Aufgabe besser und kostengünstiger erfüllen kann, wird eine interne Durchführung ausgeschlossen. So wurde z. B. der „First Level Support“ in ein Call Center nach Reutlingen und die Software Entwicklung nach Indien ausgelagert. Kernkompetenzen des IT-Bereichs, wie beispielsweise Projektmanagement, werden nicht ausgelagert.
100
Abbildung 4.7:
Übersicht Unternehmensbereich IT
Information Technology
Chief Information Officer
IT Operations Services
IT Solutions Services
Global Service Desk & Sourcing Program
End User Computing
Hosting
Network & Communication
Information Security & Risk Management
Customer Reference Management
Business IT
eBusiness
ATG
CAG
ERP Everest/SAP
Application Integration Solutions
CSG
EPSG
HR IT
Function & Enterprise Reporting Solutions
SPG
Order Fullfillment Legacy
ADMS Transformation
ADMS Cross Solution Center Integration
Quelle: Agilent Technologies (2003)
x Budgetierung versus Verrechnungssystem Als das Unternehmen noch in den Hewlett-Packard-Konzern integriert war, wurden die einzelnen Leistungen auf der Basis von Rahmenverträgen einzeln verrechnet. Seit Beginn der Ausgründung ist man bei Agilent jedoch dazu übergegangen, die Leistungen nicht mehr einzeln zu verrechnen, sondern gegen ein System der Budgetierung von oben auszutauschen. Das Budget wird durch das Executive Board bestimmt und darf nicht überschritten werden. Davor erstellt jede einzelne Geschäftseinheit einen Vorschlag bezüglich ihres Budgets, der sich an den Planungen für das nächste Jahr orientiert (Plan of Records Proposal). Diese Planungen manifestieren sich in Anforderungen an IT, die somit die Ausgangslage für die ITPlanung darstellt. Das Budget wird in zwei Teilbereiche untergliedert: „Baseline“ und „Investition“ (Enhancement). Im Teil „Baseline“ wird alles berücksichtigt, was zur Unterhaltung des Geschäftsbetriebes benötigt wird. Investitionen sind beispielsweise geschäftsbereichsspezifische Projekte. Zu deren Budgetierung werden vorwiegend die Wachstumsraten der unterschiedlichen Geschäftsbereiche berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Pläne der Business Units und der mittel- bis langfristigen Pläne des gesamten Unternehmens beschließt der Executive Board ein Budget für jeden Geschäftsbereich (Plan of Records Approval). Abbildung 4.8 beleuchtet die Budgetplanung bei Agilent.
101
Abbildung 4.8:
Budgetplanung bei Agilent
Product Excellence
Baseline Budget Pläne der Business Units
beeinflussen Organisation Excellence
Investition Budget der Business Units
Schlagen vor POR-Proposal
Customer Intimaty
berücksichtigt
Executive Board beschließt
POR-Approval
Bei unvorhergesehenen Investitionsprojekten einzelner Business Units, die nicht im Budget vorgesehen waren, sind zwei Szenarien denkbar, abhängig von der wirtschaftlichen Situation des Bereichs. Ist diese positiv und erfolgreich, dann steht der Budgeterhöhung nichts im Weg. Es erfolgt eine „Justification“ durch den Vorstand. Geht es dem Geschäftsbereich jedoch „nicht gut“, dann kann in diesem Fall das benötigte Investitionsvolumen nur ein anderes ersetzen, d. h. andere geplante Maßnahmen müssen in das nächste Geschäftsjahr verschoben werden. Der Grund für die Einführung der Kostenumlage als Finanzierungsvariante liegt in der Einsparung administrativer Kosten. Die Vereinbarungen zur Verrechnung einzelner Tätigkeiten waren sehr zeitaufwendig. Jedoch unterscheiden sich die jährlichen Aufwendungen der Geschäftsbereiche für die IT-Dienstleistungen über die Jahre nur sehr gering. Somit ist Agilent zu dem Schluss gekommen, auf dieses „Zahlenspiel“ zu verzichten, da die Gesamtaufwendungen der Geschäftsbereiche sich in beiden Fällen nur gering voneinander unterscheiden würden. Um den Service-Charakter des Centers jedoch weiterhin aufrecht zu erhalten und die erbrachten IT-Leistungen mit den erwarteten Anforderungen vergleichbar zu machen, werden weiterhin Servicevereinbarungen abgeschlossen.
102
x Internationalisierung Länder spielen im Organisationsaufbau keine besonders wichtige Rolle. Es existiert keine parallel aufgebaute Länderorganisation. Die jeweiligen verantwortlichen Manager sitzen mehr oder weniger zufällig an einem der drei Hauptstandorte (Palo Alto, Colorado Springs, Böblingen und Singapore). Der Vertreter eines leitenden Verantwortlichen kann z. B. an einem ganz anderen Standort als sein Vorgesetzter sitzen. Im Supportbereich IT spricht man auch von einer globalen IT-Funktion. Die IT-Aktivitäten werden „so global wie möglich und so regional wie nötig“ organisiert. Beispielsweise müssen bestimmte Applikationen im Bereich Human Ressourcen IT (z. B. tariflich festgesetzte Gehaltserhöhung in Deutschland) regional angepasst werden.
4.2.3
Kritische Bewertung der IT-Services
Das Unternehmen Agilent hat bewusst den Shared Service Center Gedanken weiterführen wollen und hat seine internen Supportprozesse auch als Shared Service Center organisiert. Allerdings mit wesentlichen Veränderungen im Vergleich zu der früheren Organisation bei Hewlett Packard. Diese Modellvariationen gilt es hier kritisch zu hinterfragen.
x Shared Service Center Begriffsdefinition Das Begriffsverständnis von Agilent Technologies bezüglich eines Shared Service Centers weicht von der Standarddefinition ab. Das Unternehmen stellt die Erfüllung der Querschnittsfunktion und die Belieferung der internen Geschäftseinheiten in den Vordergrund. Der ITBereich ist als reines Cost-Center organisiert. Agilent hat das frühere interne Verrechnungssystem abgeschafft, weil dieses angeblich zu kostspielig und zeitaufwendig war, und von Anfang an ein Umlagesystem eingeführt. Zur Abgrenzung von Zentraleinheiten lässt sich insbesondere der autonome Charakter und die IT-Kompetenz des Shared Service Centers herausheben. Die Mitarbeiter des Supportbereichs werden als Spezialisten betrachtet, die ihre professionellen Dienste den Geschäftsbereichen zur Verfügung stellen. Zahlreiche operative Tätigkeiten werden jedoch an externe Partner vergeben, welche diese kostengünstiger und effizienter durchführen können. Das derzeitige Shared Service Center Konzept ist bei Agilent momentan sehr zentralistisch ausgeprägt, dies jedoch seine Begründung in der nach dem Spin-Off unternehmensweiten Umstellung und Harmonisierung mehrerer IT-Plattformen fand. Dies stellte damals einen Kraftakt dar, der ohne ein gewisses Maß an Zentralisierung nur schwer zu realisieren gewesen wäre. Allerdings stellt sich nun die Frage, ob sich diese starke Zentralisierung längerfristig mit den Shared Service Center Prinzipien „verträgt“. Die veränderten Rahmenbedingungen gegenüber dem früheren Shared Service Center Modell bei Hewlett Packard, wie z. B.
103
die Abschaffung des Verrechnungspreissystems beschränken jedoch viele der Vorteile, die das Organisationskonzept bekannt gemacht haben, stark ein.
x Verrechnungs- versus Umlagesystem Die Budgetierung „von oben“ wird bei Agilent nicht als Einschränkung für die Einführung eines Shared Service Center gesehen. Als Grund für diese Finanzierungsvariante sind vor allem enorme Kosteneinsparungen genannt worden. Im Gegensatz dazu kann durch eine marktorientierte interne Preisverrechnung die Transparenz über die Leistungsfähigkeit des Shared Service Center erhöht werden. Dadurch sind Preis- und Qualitätsvergleiche zwischen internen und externen Angeboten möglich. Diese dienen als Basis für eine eventuelle notwendige Prozessverbesserung und fördert die internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Eine marktorientierte Servicevereinbarung (Service Level Agreement), -erbringung und -abrechnung von Leistungen an konzerninterne Kunden sollte dies unterstützen. Darüber hinaus wird den Geschäftsbereichen durch das System der Budgetierung ein Teil ihrer Selbständigkeit genommen. Über ihren eigenen Anteil am Budget für zu erbringende ITDienstleistungen können sie selber nicht mehr verfügen. Sie sind an das vorgegebene Budget und die damit vorgeplanten Anschaffungen gebunden. Die eigentliche KundenLieferanten-Beziehung verliert somit stark ihre Bedeutung.
4.2.4
Zusammenfassende Ergebnisse
Der Schwerpunkt der vorgestellten Fallstudie liegt eindeutig auf der zweiten Analyseebene, welche den Steuerungsprozess einer internen Serviceorganisation betrifft. Folgende zusammenfassende Schlussfolgerungen lassen sich daraus ableiten: x Der Aufbau der internen Serviceorganisation nach dem Splitting-Prozess ist bei Agilent als Projekt geplant und durchgeführt worden. Analog zur Bayer-Fallstudie wurde der Projektmanagement-Ansatz gewählt, um Shared Service Center in einem Großkonzern einzuführen. x In dieser Fallstudie aus dem Jahr 2003 handelte es sich um die Umstrukturierung einer vorhandenen Organisation interner Services. Die Modellvariationen, im Vergleich zum Shared Service Center Ansatz bei Hewlett Packard, liegen in der Steuerungsebene. Das marktorientierte Verrechnungspreissystem wurde gegen ein Umlagesystem ausgetauscht. x Das derzeitige Shared Service Center Konzept bei Agilent ist sehr zentralistisch ausgeprägt und lässt wenig Raum für eine marktorientierte Ausgestaltung der Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Ob dieses Modell längerfristig mit der Shared Service Center Philosophie zu vereinbaren ist, gilt noch zu hinterfragen. Über diesen Aspekt wird in Kapitel 7 diskutiert.
104
4.3
Metro Group Facility Services GmbH: Steuerung und Lenkung von internen Umweltdienstleistungen im Handelskonzern
Die Entsorgung und Behandlung von Abfällen, die im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit anfallen, ist durch das in den letzten Jahren veränderte Umweltbewusstsein zu einem besonders heiklen Thema geworden. Der Rückgang an Beseitigungskapazitäten, restriktivere Umweltgesetze und der damit verbundene Anstieg der Entsorgungskosten sind nur einige Ursachen dafür, dass an die Abfallwirtschaft, und damit auch an die Entsorgungslogistik zunehmend komplexere Anforderungen gestellt werden. Abfallvermeidungs- und Abfallverwertungsstrategien als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Entsorgungspolitik lassen entsorgungslogistische Optimierungspotenziale zunehmend an Bedeutung gewinnen. In diesem gesellschaftspolitisch kritischen Bereich bietet sich an, die Frage zu diskutieren, ob die von der Wirtschaft immer wieder beschworene Dichotomie zwischen Ökologie und Ökonomie tatsächlich so besteht. Umwelt- und Entsorgungsdienstleistungen gehören nicht zu den Kernaktivitäten von Handelskonzernen und werden oft von externen, spezialisierten Firmen im Auftrag durchgeführt. Dennoch kann eine professionelle unternehmensinterne Abfallentsorgung, nicht nur unter ökologischen sondern vor allem unter ökonomischen Geschichtspunkten, eine zusätzliche Wertschöpfungsquelle für das Unternehmen bedeuten. Am Beispiel des Handelskonzerns Metro Group soll ein innovatives, unternehmensinternes Organisationskonzept im Bereich Umweltdienstleistungen dargestellt werden. Der Schwerpunkt dieser Fallstudie liegt insbesondere bei der Beschreibung des Lenkungsmechanismus des internen Umweltdienstleisters.
4.3.1
Der Handelskonzern Metro Group: ein Überblick
Die Metro Group ist derzeit eines der größten europäischen Handelsunternehmen. Dieser Handelskonzern ist 1996 durch Verschmelzung der ehemaligen Konzerne Kaufhof Holding AG, Deutsche SB-Kauf AG und Asko Deutsche Kaufhaus AG sowie die Einbringung von Metro Cash & Carry und handelsnahen Dienstleistungsgesellschaften entstanden. Seit 1998 ist der Metro-Konzern völlig neu organisiert. Es lässt sich eine klare Organisationsstruktur erkennen. An der Spitze der Metro Group steht die Metro AG als strategische Management-Holding. Das operative Geschäft verantworten sechs Vertriebslinien (Metro / Makro Cash & Carry, Real, Extra, Media Markt / Saturn und Kaufhof). Querschnittsgesellschaften bündeln vertriebslinienübergreifend Dienstleistungen, wie Beschaffung, Logistik, Informatik, Umwelt oder Finanzierung.170
170 Vgl. o. V. (2005c), S. 21.
105
Abbildung 4.9: Organisationsstruktur der Metro Group
METRO Group
Cash & Carry
Lebensmittel Einzelhandel
Elektrofachhandel
Warenhäuser
METRO MAKRO
REAL EXTRA
MEDIA MARKT SATURN
GALERIA KAUFHOF
Querschnittsgesellschaften (SSC)
Quelle: In Anlehnung an Metro Group Geschäftsbericht (2005c) S. 21
Metro Cash & Carry Das mit Abstand größte und umsatzstärkste Geschäftsfeld der Metro orientiert sich ausschließlich am Bedarf der gewerblichen Kunden sowie institutioneller Großverbraucher. Die Metro Group ist mittlerweile in 28 Ländern mit 544 Vertriebsstätten vertreten. Wichtigste Marken sind Metro und Makro. Der Essener Lederwarenkaufmann und Firmengründer Otto Beisheim brachte dieses Geschäftskonzept Anfang der sechziger Jahre aus den USA mit. Heutzutage ist die Vertriebslinie internationaler Marktführer im Selbstbedienungsgroßhandel. Der Anteil am Konzernumsatz betrug im Jahr 2005 50,1% (28,1 Mrd. Euro).171 Leistungsvorteile gegenüber dem traditionellen Großhandel liegen vor allem im günstigen Preisniveau und in der sofortigen Warenverfügbarkeit großer Bedarfsmengen.
Lebensmitteleinzelhandel (SB-Warenhäuser REAL und Verbrauchermärkte EXTRA) Hierzu gehören jeweils die Marken REAL und EXTRA, die aus mehreren verschiedenen Akquisitionen hervorgegangen sind (unter anderem Realkauf, Allkauf, Divi, Comet)172. Verbrauchermärkte (Extra) verfolgen im Gegensatz zu den SB-Warenhäusern (Real) eine discountorientierte Strategie, die in einer kostenbewussten Ladengestaltung bzw. Warenpräsentation zum Ausdruck kommt.
171 Ebenda, S. 74. 172 Vgl. Kotteder, F., Bauer, M. (2000), S.381.
106
Während Extra sich ausschließlich auf den Inlandsmarkt konzentriert, gewinnt Real durch die Präsenz in mittlerweile drei Ländern außerhalb Deutschlands zunehmend internationales Profil. Unter Wahrung der Eigenständigkeit der Marken koordinieren Real und Extra seit dem Jahr 2004 ihre geschäftlichen Aktivitäten unter dem gemeinsamen Dach der Real SBWarenhaus GmbH. Diese Vertriebslinie erzielte im Geschäftsjahr 2005 einen Gesamtumsatz von rund 9,9 Mrd. Euro. Sie ist mit insgesamt 592 Standorten in vier Ländern präsent und im Jahr 2005 erwirtschaftete sie etwa 18% des Konzernumsatzes.173
Elektronikfachhandel Der Non-food-Bereich setzt sich zusammen aus den Elektronikmärkten Media Markt und Saturn mit ca. 500 Standorte insgesamt. Die Elektronik-Fachmärkte erwirtschafteten zusammen 24,2% des Metro-Umsatzes im Jahr 2005 (13,3 Mrd. Euro). Im europäischen Elektronikhandel ist die Metro-Saturn-Gruppe Marktführer. Kundenorientierte Vertriebskonzepte, ein attraktives Sortiment mit günstigem Preis-Leistungs-Verhältnis, eine aktive internationale Expansionsstrategie, eine hohe Innovationsfähigkeit und ein aufmerksamkeitsstarkes Marketing sind einige der entscheidenden Erfolgsfaktoren von Media Markt und Saturn. Die Unternehmensgruppe hat auf dieser Grundlage die Spitzenposition im europäischen Elektrofachhandel erreicht. Diese Vertriebslinie ist inzwischen in Deutschland an über 300 und im europäischen Ausland in 11 Ländern an weit über 200 Standorten vertreten.174
Warenhäuser (Galeria Kaufhof) Die Kaufhof Warenhaus AG besitzt als Vertriebslinie der Metro Group 142 Verkaufsstätten in zwei Ländern, die allmählich alle an das „Galeria-Konzept“ angepasst werden. Ziel ist dabei, das Konzept „Galeria Kaufhof“ mit einem eigenständigen Profil als „retail brand“ zu positionieren und durch ein neues Corporate Design für Warenkompetenz und Exklusivität zu werben. Unter dem Einfluss der ungünstigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Kaufzurückhaltung der Verbraucher erreichte der Umsatz im Jahr 2005 ein Volumen von 3,6 Mrd. Euro. Die Warenhäuser erwirtschaften derzeit 6,5% des gesamten Umsatzes.175 Insgesamt gehören der Metro Group heute 2170 Märkte in 30 meist europäischen Ländern mit einer Gesamtverkaufsfläche von 10,5 Mio. Quadratmetern. In den vergangenen Jahren ist eine zunehmende Expansion ins Ausland zu beobachten. Mittlerweile wird 53,4% des Umsatzes (29,7 Mrd. Euro) außerhalb Deutschlands erwirtschaftet.176 Große Wachstumschancen sieht die Metro in den Ländern Osteuropas und in Asien. Darauf richten sich ihre jetzigen Internationalisierungsanstrengungen.
173 174 175 176
Vgl. o. V. (2005c), S. 34 und 76. Vgl. Ebenda, S. 34 und 77 f. Vgl. o. V. (2005c), S. 37 f. Vgl. ebenda, S. 34.
107
Zur Metro gehören darüber hinaus zahlreiche Querschnittsgesellschaften bzw. Shared Service Center, die den Vertriebslinien Supportleistungen anbieten. Diese Shared Service Center arbeiten vertriebsübergreifend und bündeln unterstützende Aufgaben wie Informationstechnik, Einkauf, Logistik, Werbung und Umweltdienstleistungen. Daraus ergeben sich enorme Kosteneinsparungen durch die Leistungsbündelung sowie starke Synergieeffekte, wodurch die Profitabilität der Metro Group insgesamt weiter gesteigert werden kann. Shared Service Center stellen für den Konzern eine zusätzliche Wertschöpfung dar. Der Aufbauprozess, die Struktur und vor allem der Funktionsmechanismus der Shared Service Center sollen hier am Beispiel der Metro Group Facility Services GmbH (MFS), des konzerninternen Umweltdienstleisters, untersucht werden.
4.3.2
Die „Metro Group Facility Services GmbH“: ein Shared Services Center im Abfall- und Entsorgungsbereich
Im Jahr 2005 fielen allein bei der Metro Group etwa 437.222 Tonnen Abfall an, die korrekt entsorgt werden mussten.177 Eine einwandfreie Steuerung der Entsorgung dieser riesigen Abfallmengen stellt sehr hohe Anforderungen an Abfallbesitzer bzw. -erzeuger. Voraussetzung für die korrekte Durchführung von innerbetrieblichen Entsorgungsdienstleistungen in Handelsunternehmen ist vor allem ein gut funktionierendes Umweltmanagement. Dadurch wird sichergestellt, dass das notwendige Know-how in Umweltschutzfragen und im Umweltrecht vorhanden ist. Darüber hinaus ist die Präsenz von Fachspezialisten im Bereich Entsorgungslogistik relevant, welche sich um die Organisation und Steuerung des Entsorgungsprozesses kümmern. Für viele Handelsfirmen ist Abfallwirtschaft allerdings noch immer ein peripheres Geschäft, das nur Kosten verursacht und dessen man sich, wenn möglich, entledigen möchte. Die meisten Handelsunternehmen verfügen nicht über das spezielle Wissen in diesem Bereich und sind auch nicht dazu bereit, weitere Ressourcen dafür zu investieren. Deswegen floriert seit der Einführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes eine starke externe Dienstleistungsbranche, die das Umweltmanagement im Auftrag von großen Handelsunternehmen erledigt.178 Für den Nicht-Fachmann ist es schwer, wirtschaftliche Vorteile einer unternehmensinternen Organisation von Umweltaktivitäten zu erkennen. Allerdings hat die gesetzlich festgelegte Verpflichtung zur Trennung zwischen Stoffen zur Beseitigung und Stoffen zur Verwertung die Basis für einen wichtigen Differenzierungsvorteil für Handelsunternehmen geschaffen, die ihre Umweltdienstleistungen intern koordinieren.
177 Vgl. o. V. (2006a). 178 Vgl. Stölzle, W. (1993), S. 93.
108
4.3.2.1 Einfluss gesetzlicher Bestimmungen auf den unternehmerischen Entsorgungsprozess Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) trat am 7. Oktober 1996 als Nachfolger des „Gesetzes über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen“ in Kraft. Dieses neue Gesetz sollte nicht nur die Vermeidung und Beseitigung von Abfällen regeln, sondern gleichzeitig deren Verwertung. Mit der Gesetzesnovellierung begann eine neue Ära der Abfallbehandlung, nämlich die Abkehr von der „Wegwerfgesellschaft“ hin zu einer „Kreislaufwirtschaft“ auf der Grundlage marktwirtschaftlicher Strukturen. Der Zweck und damit die umweltpolitische Absicht der Bundesregierung bei der Novellierung war vor allem die Förderung der Kreislaufwirtschaft, um die natürlichen Ressourcen zu schonen und eine umweltverträgliche Beseitigung von Abfällen zu sichern. Das Hauptanliegen des Gesetzes ist die Betonung der Produkthaftung und des Grundsatzes „Vermeiden vor Verwerten vor ordnungsmäßiger Beseitigung“. Deshalb zielen auch die in diesem Gesetz enthaltenen neuen Grundsätze und Pflichten für Abfallerzeuger und besitzer darauf ab, Abfälle möglichst lange in der Kreislaufwirtschaft zu halten und möglichst wenig zu beseitigen. Darüber hinaus umfasst die Kreislaufwirtschaft das Bereitstellen, Überlassen, Sammeln, Einsammeln durch Hol- und Bringsysteme, Befördern, Lagern und Behandeln von Abfällen zur Verwertung. Abfallentsorgung erstreckt sich damit nicht nur auf die Deponierung, sondern auch auf die Abfallverwertung. Dieser neue Aspekt spiegelt sich vor allem in der Neudefinition des Abfallbegriffes wider. Nach § 3 KrW-/AbfG wird zwischen zwei Abfallarten unterschieden: Abfall zur Verwertung (AzV) und Abfall zur Beseitigung (AzB). Abfälle zur Verwertung sind solche, die entweder stofflich oder energetisch verwertet werden können. Lassen sich Abfälle weder stofflich noch energetisch verwerten, sind sie automatisch der Kategorie Abfälle zur Beseitigung zuzurechnen. Die beiden angesprochenen Abfallarten lassen sich weiter in drei Kategorien untergliedern: nicht überwachungsbedürftige Abfälle (z. B. Holz, Papier, Pappe, Kartonage, Folie), überwachungsbedürftige Abfälle (z. B. Leuchtröhren) und besonders überwachungsbedürftige Abfälle (z. B. Batterien oder sonstige gefährliche Schadstoffe). Diese Unterscheidung ist besonders wichtig, denn aus ihr resultieren bestimmte Nachweispflichten für Privatentsorger gegenüber den Behörden. Dieses Nachweisverfahren wird in einer bundesweiten Rechtsverordnung bestimmt. Besonders überwachungsbedürftige Abfälle unterliegen einer obligatorischen Nachweisführung. Die entsprechenden Belege des Transports, der Verwertung oder Beseitigung müssen den Behörden vorgelegt werden. Bei „nur“ überwachungsbedürftigen Abfällen besteht eine vereinfachte Nachweisführung. In diesem Fall genügt die Aufbewahrung der Belege, um später noch gegebenenfalls eine Kontrolle zu ermöglichen.179 Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die einzelnen Abfallarten:
179 Vgl. Rockholz, A. (1996), S. 28ff.
109
Abbildung 4.10: Kategorisierung von Abfallarten
Abfall zur Beseitigung
Bes. überwachungsbedürftig
Abfall zur Verwertung
Überwachungsbedürftig
Obligatorisches Nachweisverfahren
Nicht überwachungsbedürftig
Fakultatives Nachweisverfahren
Quelle: Metro Group Facility Services (2001b) Wenn mehr als zwei Tonnen besonders überwachungsbedürftiger oder mehr als 2.000 Tonnen überwachungsbedürftiger Abfall pro Kalenderjahr anfallen, sind Unternehmen verpflichtet, eine Abfallbilanz und ein Abfallwirtschaftskonzept zu erstellen.180 In der Abfallbilanz müssen die Art, die Menge und der Verbleib der Abfälle aufgelistet werden. Darüber hinaus ist zu begründen, warum manche Abfälle nicht verwertet sondern beseitigt wurden. Das Abfallwirtschaftskonzept soll Angaben zu geplanten Maßnahmen zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen sowie eine Darlegung der vorgesehenen Entsorgungswege für die nächsten fünf Jahre beinhalten. Das Abfallwirtschaftskonzept dient ausdrücklich als internes Planungsinstrument und ist ebenso wie die Abfallbilanz auf Verlangen der zuständigen Behörde zur Auswertung für die Abfallwirtschaftsplanung vorzulegen.181 Mit der Einführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes haben sich erhebliche Veränderungen vor allem im Rahmen der privatwirtschaftlichen Entsorgung ergeben. Vor der Neufassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ging ein Großteil der Abfälle über die kommunale Entsorgung in die Beseitigung. Seit der Novellierung werden Abfälle zur Verwertung in der Definition des Abfallbegriffs miteinbezogen. Aufgrund des Vorrangs der Vermeidung vor der Verwertung und vor der Beseitigung werden private Gewerbebetriebe verstärkt in die Entsorgung eingebunden. Sie sind dadurch dazu gezwungen, einerseits weniger Abfall zu produzieren, um unnötige Umweltausgaben zu vermeiden. Andererseits brauchen sie innovative, unternehmensinterne Entsorgungskonzepte, die eine maximale Verwer-
180 Vgl. o. V. (1996), § 19 bis 21 KrW-/AbfG. 181 Vgl. Jansen, R., Berken, M., Kötter, U. (1998), S. 22f.
110
tungsquote garantieren, um eine explosionsartige Zunahme von Entsorgungskosten zu verhindern.182 Die Metro Group gilt als Vorreiter im Umweltbereich. Nur 7% der insgesamt angefallenen Abfälle mussten im Jahr 2005 als Abfälle zur Beseitigung deklariert werden. Demnach wurden 93% der Abfälle beim Metro-Konzern einer Verwertung zugeführt.183 Knapp über die Hälfte davon bestand aus Papier, Pappe und Kartonage (PPK), die an Verwerter (z. B. Papierfabriken) weiter verkauft wurden. Auf dem Wege zur Realisierung einer Kreislaufwirtschaft zur Schonung natürlicher Ressourcen sind neue organisatorische Strategien und Techniken gefragt. Aufgrund der zunehmenden Komplexität des Abfallrechts ist das Thema Umwelt in einem Handelskonzern mit entsprechender Aufmerksamkeit zu behandeln. Lebensmittelskandale, Dosenpfandverordnung oder Elektronik-Schrottverordnung sind drei aktuelle Beispiele, welche die Abfall- und Entsorgungsthematik auch auf europäischer Ebene tangieren. Die immer strenger werdenden gesetzlichen Bestimmungen erhöhen das Risiko eines enormen Kostenanstiegs im Abfall- und Entsorgungsbereich. Gleichzeitig lässt sich ein hohes Niveau an Effektivität nur durch ein transparentes und gebündeltes Vorgehen erreichen.184 Aus diesem Grund wurde die Metro Group Facility Services als Shared Services Center im Abfall- und Entsorgungsbereich aufgebaut. Das Shared Services Center Konzept bot sich als innovativer organisatorischer Ansatz zur Koordination und Steuerung von Entsorgungsaktivitäten in großen Handelsunternehmen an.
4.3.2.2 Aufbauprozess der Metro Group Facility Services GmbH Die Metro Group Facility Services (MFS) wurde im Jahr 1994 als Tochter der ehemaligen Metro Holding Schweiz AG (49%) und Haniel AG (51%) gegründet und ist heute eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Metro Group.185 Ihr Firmensitz liegt in LeinfeldenEchterdingen (Stuttgart). Die MFS ist beauftragt, für alle zur Metro Group gehörenden Standorte die Abfallentsorgung zu organisieren und deren Durchführung zu überwachen.186 Vor Gründung der MFS organisierte jede einzelne Vertriebslinie ihre eigenen Entsorgungsaktivitäten. Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen durch eine konzernweite Bedarfsbündelung ließen sich auf diese Weise nicht erzielen. Durch die Zersplitterung der Nachfrage
182 183 184 185
Vgl. Martín-Pérez, N. –J., Weipprecht, G. (2003a), S. 6. Vgl. o. V. (2004c). Vgl. o. V. (2004c), S. 70f. Seit 1. April 2004 ist die MFS in eine neue, größere organisatorische Einheit integriert worden, in die „Metro Group Asset Management GmbH und Co. KG“. Die Daten für die Fallstudie stammen überwiegend aus dem Jahre 2003. Aus diesem Grund wird diese neue strukturelle Veränderung am Ende der Fallstudie in Bezug auf die Entwicklungsperspektiven der MFS berücksichtigt (siehe Abschnitt 4.3.3) 186 o. V. (2004c), S. 74f.
111
waren Konditionen mit den Entsorgern ausgehandelt worden, die noch erheblichen Spielraum zu Kostensenkung boten. Zentraler Anstoß zum Aufbau einer Querschnittsgesellschaft war der Start eines gemeinsamen „Cleaning Projects“ zwischen den drei Vertriebslinien Cash & Carry, Kaufhof und Metro AG Schweiz, welches eine zentrale Entsorgung für die Vertriebslinien anstrebte. Die Albert Schmidt GmbH, damalige Entsorgungsfirma der Haniel AG, bekam den Auftrag, die gesamten Abfall- und Entsorgungsdienstleistungen zu organisieren. Da die Firma selbst nicht in der Lage war, die Entsorgung komplett für alle Märkte zu übernehmen, sollte dies mit Hilfe von weiteren externen Entsorgungsfirmen koordiniert werden. Es stellte sich allerdings schnell heraus, dass dieses Konzept nicht realisierbar war, da eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern meist nur schwer möglich ist. Um ein Abhängigkeitsproblem zu umgehen, wurde die „Metro-Wertstoff-Circle Services GmbH“ (MWCS) im Jahr 1994 als konzerneigene Dienstleistungsgesellschaft mit ursprünglich fünf Mitarbeitern gegründet.187 Zur Erprobung und Erfahrungssammlung wurde zunächst die Betreuung der Entsorgungsaktivitäten der Vertriebslinien im Land Baden-Württemberg übernommen. Da sich das MWCSKonzept als sehr erfolgreich erwies, wurden - entgegen dem ursprünglichen Plan Bundesland nach Bundesland „aufzuschalten“ - sofort die Entsorgungstätigkeiten aller Märkte der Querschnittsgesellschaft übergeben. Aufgrund zu erwartender Synergiepotenziale kam im Jahr 1998 der Bereich Gebäudereinigung zum ursprünglichen Geschäftsfeld der Entsorgung hinzu. Schädlingsbekämpfung, Reinigung, Betriebshygiene, Winterdienst, Parkplatzreinigung, Grünanlagenpflege sind einige der dazu gehörenden Tätigkeiten. Inzwischen macht dieses zweite Hauptgeschäftsfeld einen weitaus größeren Umsatzteil als die Entsorgung selbst aus. Dennoch liegt der Fokus dieses Beitrags auf dem Umwelt- und Entsorgungsbereich, zumal sich hier auch die stärkeren Innovationspotenziale durch neue Organisationskonzepte verwirklichen lassen. Am 1. Januar 2003 fand eine Umfirmierung statt. Die MWCS wurde in die „Metro Group Facility Services GmbH“ umbenannt. Die Anzahl der Beschäftigten belief sich damals auf ca. 100. Im Jahr 2004 fielen bei der Metro Group europaweit etwa 240.000 Tonnen Abfall an Papier, Pappe, Kartonage, ca. 150.000 Tonnen davon nur in Deutschland. Diese Zahlen zeigen, dass es notwendig ist, durch ein effizientes Vorgehen im Rahmen eines Konzepts der „integrierten Entsorgung und Verwertung“, Kosteneinsparungen und sogar Erlöse zu realisieren. Die Querschnittsgesellschaft stellt ihr Know-how vom Einkauf über die Vertragsabwicklung bis zur Abrechnung der Dienstleistung zur Verfügung. Ziel der MFS ist es, möglichst viele Abfälle zu verwerten.188
187 Im gesamten Metrokonzern sind ca. 246.875 Mitarbeiter beschäftigt (Stand Dezember 2005). 188 Informationen aus dem telefonischen Interview mit dem ehemaligen Leiter der MWCS.
112
4.3.2.3 Organisation der Metro Group Facility Services GmbH Die MFS ist für die Organisation, Steuerung und Kontrolle der Abfallentsorgung aller zur Metro Group gehörenden Standorte zuständig. Sie führt selbst keine operativen Tätigkeiten aus, sondern konzentriert sich ausschließlich auf Koordinations- und Steuerungsaufgaben. Als Schnittstelle im Entsorgungsprozess beauftragt sie Entsorgungspartner (Entsorgungsbeförderer und Verwerter), die sich um den Transport und die regelgerechte Entsorgung bzw. Verwertung der Abfälle kümmern. Die interne Organisationsstruktur der MFS orientiert sich an einem funktionalen Einliniensystem. Sie ist in sechs verschiedene Bereiche unterteilt:
Abbildung 4.11: Organigramm der MFS
Geschäftsführung
Einkauf Entsorgung Vermarktung Umweltrecht
Einkauf Gebäudereinigung Technik
Operative Steuerung
Kauf. Leitung Rewe Controlling
ITSysteme
International
Das Leistungsspektrum der MFS umfasst folgende Funktionen: x Einkauf Entsorgung; Vermarktung; Umweltrecht In dieser Abteilung werden die vertraglichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, die einen richtigen und reibungslosen Entsorgungsprozess garantieren sollen. Seit der Gründung der MFS führen die einzelnen Vertriebslinien ihre Entsorgungsaktivitäten nicht mehr in Eigenregie durch, sondern sie beauftragen das Shared Services Center, welches sich um die gesamte Koordination und Steuerung kümmert. Die MFS schließt einerseits Rahmenverträge mit den Vertriebslinien für die Durchführung der Dienstleistung ab. Andererseits werden weitere Rahmenverträge mit regionalen Entsorgungsunternehmen für die Regelentsorgung abgeschlossen (siehe Abbildung 4.12). Üblicherweise wird ein Vertragspartner pro Bundesland beauftragt, der wiederum mit Subunternehmen die Entsorgung der Märkte sicherstellt. Aus Gründen der Prozesstransparenz dürfen diese Subunternehmen jedoch keine weiteren Unternehmen engagieren. Ausnahmsweise wurde in Nordrhein-Westfalen von diesem Grundsatz abgewichen. Aufgrund der großen Anzahl an Metro-Standorte in diesem Bundesland bestehen Verträge mit mehreren Entsor113
gungsdienstleistern, um eine zu große Marktmacht und Abhängigkeit von einem einzigen Entsorger zu vermeiden. Für die Sonderentsorgung werden wegen der geringen Abfallmengen und der besonderen Behandlung dieser Art von Abfällen überregionale, spezialisierte Entsorgungsunternehmen beauftragt. Des Weiteren werden Rahmenverträge mit Verwerterunternehmen abgeschlossen, an die das wiederverwertbare Material, wie z. B. Papier, Pappe und Kartonage, verkauft wird. Für die Einhaltung bzw. die richtige Umsetzung von Umweltgesetzen und Umweltvorschriften ist auch die oben genannte Abteilung zuständig. Dabei ist zwischen gesetzlichen Vorschriften des Bundes und der unterschiedlichen kommunalen Satzungen zu differenzieren, welche die MFS in die Verträge korrekt mit einfließen lassen muss.
Abbildung 4.12: Vertragspartner der MFS
MFS
Rahmenverträge
Vertriebslinien
Rahmenverträge
Vertragspartner (Entsorger und Verwerter)
Quelle: Metro Group Facility Services (2001a)
x Operative Steuerung Die gesamte Auftragsabwicklung der Dienstleistungen wird von diesem Bereich aus gesteuert. Dieser ist dafür zuständig, dass die notwendigen Entsorgungsstationen (z. B. Abfallbehälter und Papierpressen) bereitgestellt werden, um eine saubere Abfalltrennung zu erzielen. Die Verwaltung der Mietverträge für Behältersysteme übernimmt ebenfalls die MFS. Bei eventuellen Reklamationen ist sie direkter Ansprechpartner. Diese Abteilung sorgt unter anderem dafür, dass Verpackungsabfälle an allen europäischen Standorten getrennt gesammelt und einer Verwertung zugeführt werden. Dabei wendet MFS europaweit einheitliche Standards an.189
189 Vgl. o.V. (2004c), S. 74f.
114
Für die Vertriebslinien besteht ein Kontrahierungszwang mit der MFS, d. h. sie sind dazu gezwungen, Entsorgungsdienstleistungen über das Shared Services Center zu beziehen. Mittlerweile betreut die MFS mehr als 1800 Standorte im gesamten Bundesgebiet.
x Rechnungswesen und Controlling Neben den Aufgaben, die direkten Einfluss auf die Entsorgung der Standorte nehmen, gehört die Prüfung der von den Vertragspartnern eingereichten Abrechnungsunterlagen ebenfalls zur Tätigkeit der MFS. Da das Shared Services Center die Entsorgung nicht selbst vornimmt, ist die Kontrolle der erbrachten Leistungen ein wesentlicher Punkt der unternehmerischen Tätigkeiten der MFS. Nach der Überprüfung der Belege auf sachliche und rechtliche Richtigkeit erfolgt die Rechnungsstellung mit Hilfe von EDV-Systemen. Die Dokumentation von Abfallströmen sowie die Erstellung von Abfallbilanzen gehören ebenfalls zu den Bereichsaktivitäten.190
x IT-Systeme Der gesamte Abrechnungsprozess wird von einem automatisierten Warenwirtschaftssystem gesteuert, welches die MFS zusammen mit der Firma Siemens entwickelt hat. In diesem System sind alle Märkte, Entsorger, Abfallarten, Containersysteme und die zugehörigen Konditionen gespeichert. Leistungsbelege werden nun nur noch in das System fakturiert und die Rechnungen und Gutschriften werden automatisch erstellt. Dieses EDV-System erlaubt es der MFS, ihre Prozesse transparent und effizient durchzuführen. Es stellt somit ein unverzichtbares Mittel zur Fakturierung und Kostenkontrolle dar. Hiermit kann jedem Markt sofort Auskunft über erbrachte Leistungen und Kosten der Entsorger gegeben werden. Statistische Auswertungen ermöglichen gleichzeitig einen genauen Vergleich zwischen den Märkten. Außerdem kann die MFS dadurch jederzeit Rechenschaft über ihre Leistungen ablegen. Darüber hinaus wurde im Jahr 2003 ein internetbasiertes Umweltinformationssystem aufgebaut, durch das der Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den für Umweltschutz verantwortlichen Mitarbeitern im Konzern weiter verbessert werden kann.
190 Vgl. o. V. (2003), S. 118.
115
x Beratungsaktivitäten Die MFS ist direkter Ansprechpartner in Fragen der Entsorgungstechnologie und Entsorgungslösungen. Außendienstmitarbeiter analysieren die Abfallsituation des Standortes vor Ort und versuchen, in Absprache mit dem Innendienst, ein optimiertes, individuelles Entsorgungskonzept auszuarbeiten.191 Die Optimierung der eingesetzten technischen Einrichtungen gehört ebenfalls zur Beratungsaufgabe, wie z. B neue Methoden zur effizienteren Abfalltrennung. Da für eine optimale Verwertung der anfallenden Abfälle und Wertstoffe eine möglichst sortenreine Trennung der jeweiligen Fraktionen notwendig ist, werden die Mitarbeiter in den Vertriebslinien über die Bedeutung dieser Vorsortierung informiert und entsprechend geschult. Eine große Bedeutung kommt auch der Planung und Einführung neuer Verwertungskonzepte sowie neuer Vermarktungsstrategien zu, um den maximalen Profit aus wiederverwertbaren Materialien zu erhalten.
x Internationale Aktivitäten Im Rahmen der forcierten internationalen Expansion der Metro Group und des Zusammenwachsens des europäischen Binnenmarktes gewinnt die europaweit einheitliche Abwicklung des Umwelt- und Abfallmanagements in der Metro Group zunehmend an Bedeutung. Die enge Zusammenarbeit der MFS mit ausgewählten lokalen Dienstleistern sowie der grenzüberschreitende Austausch von Know-how in den Bereichen Umwelt und Abfallentsorgung ermöglichen die verstärkte Nutzung länderübergreifender Synergien mit deutlichen Kostenvorteilen für die Metro Group. In diesem Bereich wird die internationale Übertragbarkeit des Shared Services Center Konzepts in der Abfallentsorgung geplant und gefördert. Allerdings spielen in diesem Zusammenhang nicht nur gesetzliche Vorschriften sondern auch länderspezifische Einstellungen zu Entsorgungsfragen eine bedeutende Rolle. Der MFS ist es trotzdem gelungen, ihr Konzept in neun europäischen Ländern erfolgreich einzusetzen.192
4.3.2.4 Integrierte Entsorgung und Vermarktung Hauptmaxime bei der Gründung der MFS war das Erlangen und Erhalten der Hoheit über die Koordination und Steuerung der Entsorgungsaktivitäten. Gleichzeitig sollten zahlreiche Kosteneinsparungen durch eine weitgehende Bündelung und Standardisierung der Entsorgungsprozesse realisiert werden. Vor diesem Hintergrund hat die MFS zwei aufeinander
191 Vgl. o. V. (2001a), S. 4. 192 Vgl. o. V. (2003), S. 65.
116
bauende, allumfassende Ansätze entwickelt: „das Konzept der integrierten Entsorgung“ und “das Konzept der integrierten Vermarktung“.193
x Das Konzept der integrierten Entsorgung Das Konzept der integrierten Entsorgung basiert auf dem Prinzip einer fachgerechten „RundUm-Entsorgung“, die eine kundenorientierte Abwicklung gewährleisten soll. Diese fängt schon bei der richtigen Vorsortierung der Abfallfraktionen an. Zu Beginn einer Restrukturierung im Entsorgungsprozess führen Außendienstmitarbeiter zusammen mit dem zuständigen Umweltbeauftragten der Vertriebslinie eine Bestandsaufnahme für die geplanten Entsorgungsmaßnahmen durch. Anschließend setzen die MFS-Mitarbeiter im Innendienst die abgestimmten Maßnahmen um und beauftragen die jeweils zuständigen Vertragspartner mit der Entsorgung der Abfallfraktionen. Wichtige Punkte innerhalb des Vertrags sind die zweijährige Laufzeit, die genaue Aufschlüsselung von ca. 300 Abfallartikeln, nach denen die Leistung abgerechnet wird, sowie deren zugehörige Preise. Der Vertrag beinhaltet gleichzeitig einen zwölf-Kriterien-Katalog, den ein Entsorger zu erfüllen hat, wenn er mit der MFS zusammenarbeiten möchte. Dieser regelt z. B., wie Leistungen hinsichtlich Art und Menge des Abfalls auf dem Entsorgungsnachweis erkennbar gemacht werden müssen. Werden diese Kriterien nicht oder nur teilweise erfüllt, beinhaltet der ca. 80 Seiten lange Rahmenvertrag einen umfassenden Strafenkatalog, dessen Spektrum von einer Nicht-Bezahlung bis hin zur Aufkündigung des Vertrages reicht. Im Zuge der Erreichung der maximalen Trennung der Wertstoffe müssen auch in den Märkten Prozesse und bauliche Gegebenheiten umstrukturiert werden. Zu diesen Prozessen gehört die Umstellung auf Systemcontainer, in denen jeder Wertstoff einzeln vorsortiert werden kann. Diese werden von den Entsorgungsunternehmen vermietet. Bei Altfilialen sind meistens Umbaumaßnahmen notwendig, während bei Neubauten die Konzepte und Vorschläge der MFS gleich mit eingeplant werden. Des Weiteren müssen die Mitarbeiter der Vertriebslinien entsprechend geschult werden, um ein Verständnis für das neue Entsorgungskonzept zu erhalten und die korrekte Durchführung zu ermöglichen bzw. aktiv zu unterstützen. Abbildung 4.13 erläutert die Durchführung des Entsorgungsprozesses. Die Vertriebslinie erteilt einen Entsorgungsauftrag an das von der MFS beauftragte Entsorgungsunternehmen, wenn beispielsweise die Abfallbehälter voll sind. Der Vertragspartner führt den Auftrag aus. Das zu entsorgende Material wird abgeholt und an die von der MFS vorher bestimmten Entsorgungsstation (Deponie, Müllverbrennungsanlage, Sammelstelle bzw. Lager des Vertragspartners) befördert.
193 Vgl. Martín-Pérez, N. -J., Weipprecht, G. (2003b), S. 6 ff.
117
Abbildung 4.13: Konzept der integrierten Entsorgung
MFS
Rechnung am Standort
Gutschrift am Vetragspartner
Nachweis über erbrachte Leistungen
Abfälle zur Verwertung
Operativer Entsorger
Vertriebslinie Erteilt Auftrag Führt Auftrag aus
Abfälle zur Beseitigung
Quelle: Metro Group Facility Services (2001a)
Der Lieferschein wird bei der Vertriebslinie mit Stempel und Unterschrift bestätigt. Monatlich reicht das beauftragte Entsorgungsunternehmen die Nachweise über die erbrachten Leistungen (Liefer-, Wiege- und Übernahmescheine) und einen Sammellieferschein ein. Die MFS erstellt anhand des Sammellieferscheins die Rechnung an den Metro-Standort und eine Gutschrift für den Entsorger. Mit Hilfe des Konzepts der integrierten Entsorgung wird vor allem die logistisch geprägte Entsorgung aller Abfallfraktionen organisiert. Dennoch kann durch die Bündelung der anfallenden Materialien aller Standorte die Belastung auf der Kostenseite für Entsorgung, Transport und Lagerung minimal gehalten werden. Neben den Fraktionen der Regelentsorgung wie PPK, Hartschaumverpackungen (z. B. Styropor), Folie, Holz und Restmüll zur Beseitigung - umfasst die Entsorgung der überwachungs- und besonders überwachungsbedürftigen Abfälle (Altöl, Lebensmittel, Batterien und Leuchtstoffröhren).194 Der überwiegende Teil dieser Abfälle kann einer Wiederverwertung zugeführt werden. Neben dem Bereich der Regelentsorgung trifft dies auch auf den Bereich des Elektronikschrotts oder der Bioorganik zu. Andere Abfälle, die nach dem heutigen Stand der Technik noch nicht zu sekundären Rohstoffen verarbeitet werden können, werden energetisch verwertet oder im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes beseitigt. Die Abfälle zur Beseitigung werden von dem operativen Entsorger an den öffentlich rechtlichen Entsorgungsträger weitergeleitet. Das Rechnung-Gutschrift-System verläuft analog dem beim operativen Entsorger.
194 Vgl. o. V. (2001b), S. 6 ff.
118
x Das Konzept der integrierten Vermarktung Das Konzept der integrierten Vermarktung knüpft an den integrierten Entsorgungsprozess an und beschäftigt sich mit dem Verkauf der angefallenen Abfälle zur Verwertung. Es handelt sich hauptsächlich um die Abfallfraktionen Papier, Pappe, Kartonagen, Folien und Verpackungsmaterial aus Hartschaum. Die Vermarktung erfolgt hierbei über Sammelstellen, d. h. über die Lager des operativen Entsorgers. Die „Ware“ ist im Rahmen des integrierten Entsorgungsprozesses vom Vertragspartner aus den Vertriebslinien abgeholt worden. Allerdings bleibt diese immer noch im Besitz der MFS. Das Shared Services Center nimmt dann Kontakt zu einem Verwerter auf (z. B. eine Papierfabrik) und handelt einen monatlichen Verwertungspreis für das Material aus. Die Erlöse aus dem Verkauf des verwertbaren Materials werden als Vorteile proportional an die Vertriebslinien zurückgegeben. Abbildung 4.14 erläutert den Vermarktungsprozess. Im Rahmen der Vermarktungsstrategie haben sowohl Vertriebslinien als auch Vertragspartner große Vorteile bei der Zusammenarbeit mit der MFS, denn der Verkauf von großen Mengen ermöglicht maximale Verkaufspreise durch eine günstigere Ausgangsposition bei Preisverhandlungen.195
Abbildung 4.14: Konzept der integrierten Vermarktung
Meldung an Verwerter, dass Ladung bereit steht oder angeliefert wird
MFS Avisierung der Ladungen Avisierung des Transportes
Verwerter
Lager des Entsorgers Materialfluss
Quelle: Metro Group Facility Services (2001a)
4.3.2.5 Der „MFS-Kreislauf“: ein erfolgreiches Organisationskonzept Als Teil des Metrokonzerns profitiert die MFS von der Marktdominanz ihrer Muttergesellschaft. Die Metro Group ist ein sehr bedeutender Kunde für die Entsorgungs- und Verwertungswirtschaft, und diese dominante Position weiß die MFS zu nutzen. Sie kann sich erlauben, eigene Qualitätsstandards und höhere Anforderungen an die Leistung der Vertragspartner durchzusetzen. Die Vertragspartner stimmen all diesen strengen Bedingungen zu, weil sie von einem optimal organisierten und transparenten Entsorgungsprozess profitieren. Sie
195 Vgl. o. V. (2001b), S. 9.
119
können sich auf eine sauber durchgeführte Trennung von Abfällen und somit auch auf eine reibungslose Weiterverarbeitung der Entsorgungsmaterialien verlassen. Papier wird an den Standorten in vermarktungsfähigen Ballen gesammelt, Folien mit Kleinpressen zu Ballen gepresst, Speisereste oder Altakten in Standardbehältern zum Tausch vorbereitet und Holz mit Rollpackern im Container verdichtet. Durch die schnellere Abwicklung der administrativen Prozesse minimiert sich darüber hinaus der zeitliche Aufwand für den operativen Entsorger. Weiterhin lassen sich durch die vertriebsübergreifende und koordinierte Bündelung der anfallenden Mengen preiswertere Entsorgungs- und Verwertungskosten realisieren. Aufgrund der großen Mengenvolumina können mit den Entsorgungsfirmen und Verwertern günstigere Konditionen vereinbart werden. Gleichzeitig werden dem Wirtschaftskreislauf wichtige Sekundärrohstoffe zugeführt. Somit schließt sich der organisatorische „MFS-Kreislauf“ (siehe Abbildung 4.15):
Abbildung 4.15: Der organisatorische „MFS – Kreislauf“
Verwerter
Vertriebslinie
(z. B. Papierfabrik)
Auftrag Erteilt Auftrag
RechnungGutschrift
Rechnung Leistungs-
MFS
nachweis Führt Auftrag aus
Serviceleistung für Vertriebslinie Auftrag
Gutschrift Gutschrift
Operativer Entsorger
Abfälle zur Beseitigung
Öffentlich rechtlicher Entsorgungsträger Abfälle zur Verwertung
Quelle: Metro Group Facility Services (2001a) Die MFS erzielt durch ihr innovatives Konzept im Bereich Umwelt- und Entsorgungsdienstleistungen einen zusätzlichen, wertvollen Wertbeitrag für den gesamten Metrokonzern. Die Vorteile für den Handelskonzern sind in Tabelle 4.2 zusammengefasst:
120
Tabelle 4.2: Wertbeitrag der MFS für den gesamten Metrokonzern
Grundprinzipien der MWCS
Vorteile für die Metro AG
Flächendeckendes Entsorgungssystem mit regionaltätigen Entsorgungsunternehmen
Entsorgungssicherheit an jedem Standort in Deutschland gewährleistet Schnelle Auftragsausführung
Einheitliche Verträge
Vergleichbarkeit der Leistung
Einheitliche Laufzeiten
Feste Konditionen Kalkulierbare Kosten
Standortbezogene Entsorgungskonzepte
Optimaler Ablauf
Mengenbündelung der Dienstleistung und der Abfallmenge
Einheitliche Verträge
Einheitliche und transparente Preise für: Miete für Behältersysteme, Transporte, Verwertung und Beseitigung
Kostenreduzierung für die Metro AG
Zentrale und einheitliche Abrechnung über ein automatisiertes Warenwirtschaftssystem
Übersichtliche und nach Kostenstellen der Sparten aufgeteilte Abrechnung
Zentrale Erstellung von Abfallbilanzen
Standardisierte Abfallbilanzen
Gesetzeskonforme Abwicklung
Rechtssicherheit
Nicht profitorientiertes Unternehmen
Offenlegung der Kostenstruktur Gewinnrückführung an die Sparten
Quelle: Metro Group Facility Services
Die oben beschriebenen Prozesse zeigen, dass die MFS als unabdingbare Schnittstelle zwischen Vertriebslinien, Entsorger, Verwerter und Behörden fungiert. Die MFS versteht sich als prozess- und innovationsorientiertes Unternehmen, welches nicht nur bestehende Vorgaben umsetzt, sondern Entwicklungen vorwegzunehmen versucht. Sie versucht darüber hinaus, Prozesse ständig zu optimieren und gegebenenfalls durch neu erlangtes Wissen neue Verfahren einzuführen.196
196 Vgl. Martín-Pérez, N. -J., Weipprecht, G. (2003b), S. 10.
121
4.3.2.6 Problemfelder und Widerstände bei der Konzeptimplementierung Der heute erfolgreiche Entsorgungsansatz der MFS hatte allerdings zu Beginn seiner Existenz mit erheblichen Akzeptanzproblemen und Widerständen, vor allem innerhalb der Metro Group, zu kämpfen. Die Einführung eines neuen Organisationskonzepts bedeutet immer die gleichzeitige Umstrukturierung und Reorganisation der alten Strukturen. Die Verantwortlichen der Vertriebslinien fürchteten vor allem Macht- und Autoritätsverlust durch den Konsolidierungsprozess der Entsorgungsaktivitäten. Einzig und allein mit den Argumenten einer enormen Kosteneinsparung durch bessere Trennung des Abfalls sowie einer starken Reduzierung des Arbeitsaufwandes und Entlastung der Kernbereiche, ließen sich die Vertriebslinien letztendlich überzeugen. Ein weiterer Problempunkt war die Zusammenarbeit mit den Entsorgern im Hinblick auf die Durchsetzung des neuen Konzepts. Mehrere Vertragspartner waren zunächst nicht bereit, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Aus diesen Erfahrungen entstand der vorher erwähnte 12-Kriterien-Katalog und die strengen Bedingungen der neuen Rahmenverträge. Die meisten Vertragspartner haben sich jedoch gegen den Verlust eines wichtigen Kunden entschieden und sich an die neuen Regeln angepasst. Außerdem hat sich die MFS inzwischen als ein zuverlässiger Partner bewährt, der hohen Wert auf eine richtige und schnelle Prozessdurchführung legt. Die MFS wollte sich von Beginn an als professioneller Dienstleister gegenüber den Vertriebslinien vorstellen. Dieses ehrgeizige Ziel wurde jedoch bald getrübt, da ihr vor allem Spezialisten im Bereich Umweltmanagement fehlten, die einerseits in der Lage waren, neue Ideen für eine erfolgreiche Implementierung des Shared Services Center Konzepts einzubringen, und sich andererseits ausreichend in der korrekten Interpretation und der richtigen Anwendung von deutschen Umweltgesetzen auskannten. Insofern war die MFS zunächst gezwungen, diese Spezialisten auszubilden. Des Weiteren unterlag das Shared Services Center jedoch einer strengen Überwachung durch die Konzernmutter. Der gesamte Geschäftsablauf und die Entsorgungsnachweise wurden pro Jahr mindestens einmal von der konzerninternen Revision geprüft. Grundlage der Abrechung und der konzerninternen Revision war ein Katalog, der genau erklärte, wie die Dienstleistungen abzurechnen waren, welche Kriterien bei der Kontrolle der Dienstleister zu beachten waren und wie die Qualität der Dienstleistung geprüft werden sollte. Außerdem musste die MFS jedem Vertriebslinienpartner, der dies wünschte, umfassend Auskunft über alle getätigten Umsätze geben. Darüber hinaus durfte die MFS, aus unternehmenspolitischen Gründen, ihre Dienstleistungen nur unternehmensintern anbieten, obwohl sie wahrscheinlich gute Profite bei einer externen Vermarktung des Entsorgungskonzeptes realisiert hätte. Falls sie über die Vermarktung von verwertbaren Materialien einen Gewinn erzielte, war sie verpflichtet, diesen an die einzelnen Vertriebslinien verursachungsgemäß abzugeben.
122
4.3.3 Entwicklungsmöglichkeiten eines „intern ausgerichteten“ Shared Service Centers Dieser letzte Kritikpunkt soll nun hier aufgegriffen werden, um über die Zukunftsperspektiven eines effizienten, intern ausgerichteten Shared Services Centers zu diskutieren. Die Entwicklungsmöglichkeiten des internen Dienstleisters erscheinen auf den ersten Blick begrenzt, wenn, aus „unternehmenspolitischen Gründen“, die externe Vermarktung der Services verboten wird. Insbesondere, wenn der interne Serviceanbieter von seiner Marktfähigkeit überzeugt ist und diese gerne beweisen möchte, kann diese Untersagung Frustration und Enttäuschung hervorrufen. Zu den „unternehmenspolitischen Gründen“ gehörten vor allem die Bedenken des Konzerns, dass das Shared Service Center interne Kunden vernachlässigen könnte. Andererseits stellte sich jedoch die Frage, wie das Shared Service Center seine Kompetenz demonstrieren sollte, ohne eigene Profite erzielen zu dürfen. Des Weiteren blieben Zukunftsinvestitionen sowie weitere Expansionsmöglichkeiten aus, da eigene Ressourcen dazu fehlten. Die zwingende Rückzahlung der erzielen Gewinne konnte darüber hinaus als mangelnde Anerkennung der erbrachten Leistung interpretiert werden. Allerdings musste der interne Serviceanbieter Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Kunden beweisen und Leistungen zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten. Sonst bestand die Gefahr, dass Aufträge ausfielen. Das Shared Service Center ist zu diesem Zeitpunkt in einer schweren Konfliktsituation geraten. Mittel- bis langfristig hätte diese Situation zu einer negativen Beeinflussung der Motivation und der Effizienz des internen Dienstleisters führen können. Diese latente Gefahr ist vom Metrokonzern rechzeitig erkannt worden. Auch das große Potenzial der MFS ist nicht unberücksichtigt geblieben. Die Lösung für dieses Dilemma heißt „Wachstum und Integration“. Seit 1. April 2004 ist die MFS in eine neue, größere organisatorische Einheit integriert worden, in die „Metro Group Asset Management GmbH und Co. KG“. Drei vormals selbständige Unternehmen der Metro Group sind unter dieser neuen Dachgesellschaft zusammengefasst worden. Es handelt sich einmal um eine Gesellschaft, welche im Besitz der Immobilien war, eine Gesellschaft, die Metro Centerstandorte bewirtschaftete und die MFS. Das Aufgabenspektrum der ehemaligen MFS ist dadurch auch wesentlich erweitert worden. Zu den Entsorgungs- und Reinigungsdiensten sind die Bereiche Technik, Energiemanagement sowie Teile der baulichen Instandsetzung hinzugekommen. Alle Dienstleistungen rund um die Immobilien, d. h. das gesamte „Facility Management“ werden jetzt von der einstigen MFS angeboten. Dadurch hat sich für das ehemalige Shared Service Center der finanzielle Rahmen erheblich erweitert sowie auch seine Position in der Metro Group bedeutend verbessert. In den Bereich, welcher früher die MFS war arbeiten jetzt ca. 130 Mitarbeiter, die rund 1800 Standorte in Deutschland betreuen. Durch die Integration der MFS in die MAM sind ebenfalls 123
die Grundlagen zur Internationalisierung erleichtert worden, da die anderen zwei Gesellschaften schon über internationale Präsenz in weiteren Ländern, wie z. B. Polen, Türkei, Ungarn und Griechenland verfügten.197. Durch die Eingliederung des internen Dienstleisters in einem größeren Shared Service Center ist die obengenannte Problematik gelöst worden. Die Querschnittsgesellschaft „Metro Group Asset Management (MAM)“ gehört seitdem zu den größten Managementgesellschaften für Handelsimmobilien in Deutschland. Derzeit betreuen ca. 800 Mitarbeiter über 1.400 Standorte der Vertriebslinien in 12 Ländern.198 Dabei wird auf langfristige Immobilienbetreuung und „Full-Service-Dienstleistungen“ aus einer Hand gesetzt – angefangen von der strategischen Standortentwicklung über die Projektplanung und den Bau bis zur Vermarktung und Portfolioanalyse sowie dem kompletten Facility Management. Zu den Mietpartnern gehören nicht nur die Vertriebslinien der Metro Group, sondern auch namhafte Einzelhandelsunternehmen, wie z. B. Aldi, C&A, H&M und Douglas. Als Teilbereich „Facility Management“ verknüpft das einstige Shared Service Center MFS infrastrukturelle und technische Dienstleistungen und fungiert als Berater in der Konzeptions- und als Organisator in der Realisierungsphase. Analog zur MFS beauftragt das Facility Management externe Unternehmen mit den anfallenden operativen Dienstleistungen und übernimmt Steuerung und Kontrolle. Das Aufgabenspektrum ist breit gefächert: es vernetzt Reinigung, Instandhaltung und Sanierung, Haustechnik und Betriebshygiene, Sicherheit, Pflege der Außenanlagen, Winterdienste und Entsorgung. Durch diese erweiterte Aufgabenpalette wird eine höhere Wertschöpfung und somit eine weitere Steigerung der Effektivität des Dienstleisters erzielt. Der Umweltschutz spielt innerhalb der neuen Gesellschaft auch eine wichtige Rolle im Rahmen des Facility Management. Deswegen folgen die Abfall- und Entsorgungskonzepte weiterhin dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Auf der Basis des gut bewährte Umweltkonzepts der ehemaligen MFS arbeitet das Facility Management ebenfalls in weiteren europäischen Ländern.
197 MFS war bereits in Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Luxemburg, Ungarn und Polen tätig. 198 Vgl. o. V. (2005c), S. 21.
124
Abbildung 4.16: Immobilienkompetenz der Metro Group Asset Management
Lebenszyklus
Entwicklung
Bau
Bewirtschaftung
Verwertung
Portfoliomanagement
Management Ebene
Strategische Standortentwicklung Projektentwicklung Baumanagement Vermietung Objektmanagement Facility Management Centermanagement
Aufgabenbeispiele
Finanzierung
Generalplanung
Centerbetrieb
Revitalisierung
Standortsuche
Projektsteuerung
Mieterbetreuung
Veräußerung
Konzept
Erstvermietung
Instandhaltung
Rückbau
Quelle: Metro Group Asset Management (2005) Als neuer Teilbereich der MAM hat die ehemalige MFS ihre Selbständigkeit aufgegeben. Jetzt gehört sie zu einer größeren Querschnittsgesellschaft, einem größeren Shared Service Center der Metro Group. Diese neue Gesellschaft darf allerdings ihre Immobilienkompetenz auch am externen Markt beweisen und Profite erzielen. Voraussetzung für deren Erfolg und Effizienz ist die prozessorientierte Arbeitsweise: Die einzelnen Fachbereiche tauschen sich permanent aus und können so ihre Kompetenzen projektspezifisch bündeln.
4.3.4
Zusammenfassende Ergebnisse
Die MFS hat mit ihrem innovativen Organisationsmodell gezeigt199, dass es im Bereich Umwelt- und Entsorgungsdienstleistungen möglich ist, die Dichotomie zwischen Ökologie und Ökonomie zu überwinden. Darüber hinaus ist es dem Shared Services Center gelungen, die Potenziale eines integrierten Abfallmanagements zu erkennen und zu nutzen und auf diese Weise einen zusätzlichen Wertbeitrag für den gesamten Konzern zu generieren. Ferner lassen sich die Grundprinzipien des MFS-Konzepts auch international transferieren. Allerdings fordert dieses Modell eine permanente Verbesserung bzw. Optimierung der innerbetrieblichen Prozesse. Nur die korrekte Kombination all dieser Faktoren bildet die richtige Grundla-
125
ge für die Weiterentwicklung von nachhaltigen, kosteneffizienten Entsorgungs- und Umweltmanagementkonzepten. Der Schwerpunkt der vorgestellten Fallstudie liegt eindeutig auf der zweiten Analyseebene, welche den Lenkungsprozess einer internen Serviceorganisation betrifft. Folgende zusammenfassende Schlussfolgerungen lassen sich daraus ableiten:
x Die Metro Facility Services GmbH (MFS) ist für die Organisation, Steuerung und Kontrolle der Abfallentsorgung aller zur Metro Group gehörenden Standorte zuständig. Sie führt selbst keine operativen Tätigkeiten aus, sondern konzentriert sich ausschließlich auf Koordinations- und Steuerungsaufgaben. x Hauptmaxime bei der Gründung der Metro Facility Services war das Erlangen und Erhalten der Hoheit über die Koordination und Steuerung der Entsorgungsaktivitäten. Aus diesem Grund hat die MFS die Marktdominanz des Mutterkonzerns ausgenutzt, um seine eigenen „Spielregeln“ durchzusetzen. Der Funktionsmechanismus basiert auf der Marktmacht der Metro Group über die Entsorgungspartner. x Dem „intern orientierten“ Shared Service Center ist durch die Eingliederung in die Metro Group Asset Management GmbH eine Zukunftsperspektive gegeben worden. Dadurch hat sich für die ehemalige Metro Group Facility Services der finanzielle Rahmen erheblich erweitert sowie auch seine Position in der Metro Group bedeutend verbessert worden. Als Teilbereich eines größeren neu aufgebauten Shared Service Center arbeiten die Mitarbeiter der ehemaligen MFS weiterhin motiviert und sehr effizient.
199 Auch als späterer Teilbereich der MAM.
126
4.4
Erkenntnisse für die weitere Untersuchung des Managements interner Dienstleistungen im Konzern
Ziel der explorativ angelegten Fallstudien war es zunächst, einen beispielhaften Überblick über die verschiedenen Modalitäten zur Organisation und Steuerung von internen Dienstleistungen in Großkonzernen zu geben. Der Schwerpunkt der Fallbeispiele liegt in der neueren Organisationsform „Shared Service Center“. In Phasen der Restrukturierung von Unternehmen scheint diese organisatorische Lösung besonders geeignet und beliebt zu sein, unabhängig vom geschäftlichen Schwerpunkt des Konzerns. Die Bündelung von internen Services in einer Centerstruktur ermöglicht den strategischen Geschäftsbereichen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Darüber hinaus werden Supportaktivitäten von einer spezialisierten Einheit durchgeführt und nicht als „notwendiges Übel“ und belastende Aktivitäten betrachtet. Daraus lässt sich folgende Schlussfolgerung ziehen: Die Einführung differenzierter Strukturen im internen Dienstleistungsbereich ist für das Erreichen gesamtunternehmerischer Ziele von maßgebender Bedeutung. Erste Erkenntnisse über Organisation und Steuerung interner Dienstleistungseinheiten sind durch die drei einleitenden Fallstudien in multinationalen Unternehmen gewonnen worden. Dabei wurden folgende Zusammenhänge identifiziert: x Die generelle Organisationsform des multinationalen Unternehmens bedingt die Aufbaustruktur seiner internen Dienstleistungsorganisation. Reorganisationsprozesse auf Produktebene gelten häufig als Anlass zur Restrukturierung interner Dienstleistungseinheiten. x Eine (im Vorfeld der Reorganisation) klar differenzierte Strukturierung interner Dienstleistungseinheiten ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Aufbau einer effektiven bzw. effizienten internen Dienstleistungsorganisation. Als besonders bedeutsames Kriterium zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen von internen Dienstleistungsaktivitäten wurden bisher die Faktoren „Strategische Bedeutung“ und „Spezifität“ der internen Dienstleistung identifiziert. x Der Ausbau einer aktiven, internen Kunden-Lieferanten-Beziehung wird durch die Einführung marktorientierter Lenkungsmechanismen unterstützt. Zuverlässige Steuerungsmechanismen, die häufig verwendet werden, sind z. B. „Service-Level“- bzw. „QualityLevel-Agreements“ sowie marktorientierte Verrechnungspreise. Allerdings ist dabei der administrative Aufwand bei der Anwendung transparenter Verrechnungsinstrumente nicht zu vernachlässigen. x Interne Service-Einheiten spielen oft die Rolle eines „Koordinators“ im Erstellungsprozess der internen Dienstleistung. Die operative Umsetzung kann von Dritten erbracht werden, während die Auftragskompetenz und die Kontrolle im Unternehmen verbleibt. Zwei Faktoren werden bei der Auslagerung von operativen Tätigkeiten genannt: das Fehlen von entsprechendem Know-how und ein zu geringes internes Nachfragevolu127
men. Letztes verhindert die Realisierung von Skaleneffekten und von potenziellen Kosteneinsparungen. x Parallel zur hierarchischen Organisation sind laterale Strukturen zu erkennen. Diese regeln, über den Weg der informellen Beziehungen, die Zusammenarbeit und Interaktion zwischen den Dienstleistungspartnern und sorgen für einen regen Wissensaustausch und für die Sicherung von Verbundvorteilen. x Differenzierte Strukturen im internen Dienstleistungsbereich eröffnen neue organisatorische Perspektiven für zahlreiche Großunternehmen, die ihre internen Strukturen optimieren möchten. Allerdings erfordert ihre strategische Implementierung nicht nur organisatorische und methodische Umsetzungskompetenz, sondern vor allem auch strategische Visionsfähigkeit. Deshalb sollte vor der Einführung dieser neuen organisatorischen Struktur Klarheit über ihre zukünftige strategische Rolle herrschen. Als Zwischenbilanz lassen sich auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse erste organisatorische und führungsbezogene Ansätze zur Errichtung einer wertorientierten internen Dienstleistungsorganisation aufzeigen. Diese Ansätze gilt es mit Hilfe von vorhandenen theoretischen Modellen in Kapitel 5 zu überprüfen.
128
5
Theoretische Modelle zum strategischen Aufbau und zur Steuerung interner Dienstleistungen im Konzern
Entscheidungen über die interne Bündelung betrieblicher Supportprozesse oder deren dezentralen Durchführung bzw. deren kompletten externen Auslagerung (i. S. v. Outsourcing) können in die Entscheidungssituation zwischen Eigenleistung und Fremdbezug eingeordnet werden. Aufgrund ihrer strategischen Tragweite stellt die Suche nach der optimalen Leistungstiefe einer internen Dienstleistungsorganisation eine originäre Aufgabe der Unternehmensleitung dar und ist deshalb aus der Gesamtsicht des Unternehmens zu betrachten. Um die zielorientierte Gestaltung und Steuerung einer effizienten Dienstleistungsorganisation zu erklären, sind im Rahmen dieser Arbeit drei theoretische Ansätze ausgewählt worden:
Transaktionskostenansatz, ressourcenbasierte Theorie und wertorientierter Ansatz. Die Frage nach der Anwendbarkeit dieser theoretischen Modelle für die Erläuterung des strategischen Aufbaus und der Lenkung unternehmensinterner Strukturen im Dienstleistungsbereich steht im Vordergrund. Die beiden ersten Theorien dienen vor allem als Erklärungsversuche für den Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation. Im Rahmen des Transaktionskostenansatzes wird insbesondere die Wahl einer Shared Services Center Organisation gegenüber der alternativen Outsourcing-Lösung als Entscheidungsproblem der optimalen Leistungstiefengestaltung eines Unternehmens betrachtet. Mit Hilfe des ressourcenbasierten Ansatzes soll ein Perspektivenwechsel bezüglich der Rolle interner Dienstleistungseinheiten stattfinden, so dass Shared Service Center auch als potenzielle Quelle dauerhafter Wettbewerbsvorteile angesehen werden. Demgegenüber beschäftigt sich der wertorientierte Ansatz stärker mit dem Steuerungsaspekt interner Servicestrukturen und stellt verschiedene Instrumente zur optimalen Lenkung interner Dienstleistungen dar. Aus den gewonnenen theoretischen und empirischen Erkenntnissen wird dann im Anschluss ein strategisches Strukturierungsmodell bzw. ein konzeptioneller Leitfaden abgeleitet, um im Rahmen einer Projektorganisation die wichtigsten Schritte bei der Gestaltung einer internen Organisation, insbesondere eines Shared Service Centers, erklären zu können (siehe Kapitel 6).
129
5.1
Die Transaktionskostentheorie als Erklärungsansatz für den Aufbau interner Dienstleistungen
Die Existenz von Unternehmen wurde in den Wirtschaftswissenschaften lange Zeit nicht hinterfragt, sondern mehr oder weniger hingenommen. Unterschiedliche Unternehmensgrößen in verschiedenen Branchen wurden ebenso als vorgegeben betrachtet. Wenn sich mehrere Individuen zusammenschließen, um eine Gesamtleistung zu erbringen, muss dies folglich einen Vorteil gegenüber dem individuellen Bezug einzelner Leistungen über den Markt darstellen. Die Arbeitsteilung erzeugt somit einen Vorteil gegenüber dem Markt. Wenn dies einen Vorteil darstellt, ist andererseits zu hinterfragen, warum Produktion und Distribution sämtlicher Güter nicht durch einen einzigen großen hierarchischen Leistungsverbund getätigt werden. Die Antworten auf dieses Phänomen werden meistens mit Informationsverlusten erklärt; Informationsprobleme bezüglich der Suche nach Leistungen und deren Vergleich sowie bei Vertrauen und Kontrolle während der Leistungserstellung.200 Diese Informationsprobleme sind bei unterschiedlichen Gütern und Dienstleistungen unterschiedlich ausgeprägt, wodurch sich auch unterschiedliche Unternehmensgrößen erklären lassen. Die Überwindung eines solchen Informationsdefizits kostet Zeit, die dadurch nicht produktiv genützt werden kann, wodurch letztendlich Kosten entstehen, häufig als Transaktionskosten bezeichnet. Diese bilden den zentralen Erklärungsansatz der Existenz von Unternehmen. Sie werden als die Triebfeder der Entstehung und des Vergehens von Koordinationsmustern gesehen, sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene organisatorischer Betrachtung.201 Ein Unternehmen wird folglich die Organisationsform der internen Dienstleistungen wählen, bei der die geringsten Transaktionskosten entstehen. Im Rahmen dieses Unterkapitels wird die Leistunstiefenentscheidung zwischen einem Shared Service Center und eine Outsourcing-Lösung untersucht. Über die Frage, ob sich die Transaktionskostentheorie ebenfalls als Entscheidungshilfe bei der Auswahl zwischen verschiedenen internen Dienstleistungsmodellen (Shared Service Center versus Headquarter Services versus Dedicated Services) eignet, wird erst in Kapitel 6 diskutiert.
200 Vgl. Picot, A. (1982), S. 268. 201 Vgl. ebenda, S. 268.
130
5.1.1
Historischer Hintergrund und Erkenntnisziel
Die mikroökonomisch orientierte Transaktionskostentheorie wurde 1937 von Coase202, begründet und von Williamson203 in den 70er Jahren aufgegriffen und wesentlich weiterentwickelt. Sie beschäftigt sich mit der Koordination und insbesondere mit der Beherrschung und Überwachung wirtschaftlicher Leistungsbeziehungen. Der Schwerpunkt liegt darin, anhand einer vergleichenden institutionellen Analyse zu erklären, warum bestimmte Transaktionen in bestimmten Strukturen mehr oder weniger effizient abgewickelt werden. Das originäre Anwendungsfeld liegt bei der Auswahl effektiver und effizienter Koordinationsmechanismen für die Strukturierung von Transaktionen.204 Den Ausgangspunkt bildete die gegen die Neoklassik gerichtete These, dass die Koordination von Transaktionen durch den Markt (Koordinations-)Kosten verursache und demnach das Preissystem des Marktes nicht kostenneutral ist.205 Die einzelne Transaktion ist hier die elementare Untersuchungseinheit und wird definiert als Übertragung von Verfügungsrechten an Ressourcen (z. B. Produktionsfaktoren, Rechte), Sachgütern und Dienstleistungen zwischen Akteuren. Die Transaktion ist also nicht der eigentliche Leistungsaustausch, d. h. die physische Übergabe von Gütern zwischen Austauschpartnern, sondern die diesem zeitlich und logisch vorgelagerte Aushandlung und Organisation dieses Leistungsaustausches.206 Transaktionen beinhalten den Versuch, die vorher genannten Informationsprobleme zu beseitigen. Anschaulich bedeutet dies, dass man beispielsweise vor dem Erwerb eines Gutes bzw. einer Dienstleistung Informationen über den tatsächlichen bzw. fairen Preis des Gutes sammelt. Der Transaktionskostenansatz charakterisiert die Koordinationsstruktur, in der sich der Güter- oder Leistungsaustausch vollzieht, anhand von zwei Dimensionen: zum einen durch die grundlegende rechtliche Vertragsform (Hierarchie, Markt oder Kooperation) und zum anderen durch die Mechanismen, die die Transaktionskostenpartner vereinbaren, um möglicherweise auftretenden ungeplanten Veränderungen der Kosten- und/oder Leistungsseite der Austauschbeziehung begegnen zu können. Koordinationsstrukturen für bestimmte Transaktionen werden durch einen Kostenvergleich, der sowohl die Kosten für die ausgetauschten Rechte (Produktionskosten) als auch für die Abwicklung und Organisation der Transaktion (Transaktionskosten) berücksichtigt, bewertet.207
202 203 204 205 206 207
Vgl. Coase, R. (1937). Vgl. Williamson, O. E. (1975). Vgl. Picot, A. (2005), S. 57 ff. Vgl. Schreyögg, G. (2003), S. 71 f. Vgl. Burr, W. et al. (2005), S. 8. Vgl. Williamson, O. E. (1985), S. 41.
131
5.1.2
Relevante Bausteine für die Untersuchung interner Dienstleistungen
Im Rahmen dieser Arbeit soll der Transaktionskostenansatz auf seine Eignung zur Erläuterung des Aufbaus interner Dienstleistungen hin überprüft werden. Dabei wird auf eine allzu ausführliche Behandlung grundsätzlicher Elemente der Theorie aufgrund der bereits in zahlreichen Schriften erfolgten Beschreibung dieses Gebietes verzichtet. Es wird in der vorliegenden Arbeit jedoch vertieft auf die Schwerpunkte des Transaktionskostenansatzes eingegangen, die für die Untersuchung der Gestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation von besonderem Interesse sind. Dies sind „Transaktionskosten und die Leistungstiefe“, „Verhaltensannahmen und Rahmenbedingungen“ und „bestimmende Einflussfaktoren von Transaktionen“.
5.1.2.1 Transaktionskosten und Leistungstiefenoptimierung Transaktionskosten umfassen alle im Zusammenhang mit dem Transaktionsprozess anfallenden Kosten zur Überwindung von Informations- und Kommunikationsproblemen.208 Sie treten sowohl bei einer unternehmensinternen Erstellung der Leistung auf, als auch bei einem Bezug über den Markt. Die Transaktionskostentheorie unterscheidet zwischen Ex-anteund Ex-post-Transaktionskosten. Ex-ante-Transationskosten sind jene Kosten, die im Vorfeld einer vertraglichen Vereinbarung bis zum Abschluss eines Vertrages entstehen können. Picot unterscheidet hierbei Anbahnungs- (z. B. Informationskosten bei der Partnersuche) und Vereinbarungskosten (z. B. Verhandlungs- und Vereinbarungskosten). Ex-post-Transaktionskosten sind demgegenüber Kosten der Überwachung und Absicherung der Einhaltung von Vereinbarungen sowie Anpassungskosten, d. h. Kosten, die erst nach Vertragsabschluss entstehen (Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten).209 Den Ex-post-Transaktionskosten kommt im Transaktionskostenansatz eine besondere Bedeutung zu, da von vornherein von der unvollständigen Antizipierbarkeit möglicher Probleme ausgegangen wird, und so bewusst die Unvollständigkeit von vertraglichen Vereinbarungen akzeptiert wird. Die Ex-ante-Transaktionskosten unterscheiden sich bei internen Dienstleistungen nicht von denen bei einer Sachguttransaktion. Die Ex-post-Transaktionskosten einer Dienstleistung unterscheiden sich aber hinsichtlich der Gewichte der einzelnen Kosten gegenüber einer Sachguttransaktion, da Dienstleistungen aufgrund ihrer besonderen Charakteristiken „Integration des externen Faktors“ und „Interaktivität“ eine höhere Unsicherheit bezüglich der Qualität und des Ergebnisses von abgeschlossenen Verträgen beinhalten. Im Rahmen der Dienstleistungsproduktion spielt der Kunde häufig eine interaktive und mitwirkende Rolle. Dabei ist wichtig, dass der Dienstleistungsempfänger Informationen bereitstellt, die der Dienstleistungsanbieter benötigt, um den Dienstleistungserstellungsprozess weiter fortführen 208 Picot, A., (1982), S. 270. 209 Vgl. ebenda, S. 270.
132
zu können. Dadurch kommt es insbesondere zu höheren Kommunikationskosten und niedrigeren Kosten der Überwachung, Absicherung und Anpassung. Die Transaktionskosten sind somit bei der organisatorischen Strukturierung eines Leistungsaustausches zu beachten und sie können als Koordinationskosten interpretiert werden. Sie sind abzugrenzen von den Produktionskosten, die dem Verzehr von Gütern und Produktionsfaktoren zur Erstellung betrieblicher Leistungen entsprechen, wie z. B. Personal- und Materialkosten. Im Rahmen einer transaktionskostentheoretischen Analyse wird häufig die Annahme getroffen, die Produktionskosten unterschiedlicher institutioneller Strukturen seien identisch210, oder es wird auch von der Annahme ausgegangen, dass die transaktionskostenminimale Lösung zur Strukturierung eines Leistungsaustausches gleichzeitig auch die Verwirklichung der produktionskostenminimalen Lösung bedeutet. Dadurch ist es möglich, die Entscheidung zwischen verschiedenen institutionellen Koordinationsformen anhand eines relativen Transaktionskostenvergleichs zu treffen und die Produktionskosten dabei zu vernachlässigen. Die Anwendung des Transaktionskostenansatzes auf die Gestaltung der internen Dienstleistungsorganisation zielt darauf ab, die Frage nach der effizientesten Strukturierung von Serviceeinheiten zu beantworten. Dabei geht es darum, die Leistungstiefe der internen Servicestruktur optimal zu gestalten. Entscheidungen über die Leistungstiefe werden in der Unternehmenspraxis vielfach auch als Eigen-/Fremd-Entscheidungen, Haus-/KaufteilEntscheidungen bzw. „Make-or-Buy“-Entscheidungen bezeichnet.211 Derartige Entscheidungen umfassen jedoch im Falle der Gestaltung einer differenzierten internen Dienstleistungsorganisation nicht nur die Frage nach unternehmensinterner oder externer Erstellung (im Sinne von externem Outsourcing bzw. Auslagerung212). Die Wahl zwischen verschiedenen institutionellen Arrangements erstreckt sich hier vor allem auf die interne Unternehmensperspektive. Mit Hilfe des Transaktionskostenansatzes soll es möglich sein, folgende Fragen zu beantworten:
210 Mit der Unterstellung der Anwendung der gleichen effizienten Produktionstechnologie bleiben bei einer Variation der Organisationsform die Produktionskosten unverändert. 211 Vgl. Picot, A. (1991), S. 338. 212 Bei der Auslagerung wird eine Unternehmensfunktion an eine externe Organisation, d. h. ein rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Unternehmen übertragen. Ein Vermögensübertrag findet nicht statt (Outsourcing im engeren Sinne). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von externem Outsourcing. Bei einer Ausgliederung findet eine Funktions- und Vermögensübertragung auf eine kapitalmäßig verbundene Unternehmung, z. B. eine Tochtergesellschaft oder Beteiligung, statt (Outsourcing im weiteren Sinne). Entsprechend wird die Ausgliederung auch als internes Outsourcing bezeichnet (Vgl. Matiaske, W., Mellewigt, T. (2002), S.281.
133
x Welche Dienstleistungen sollten, im Sinne von Outsourcing ausgelagert werden? x Welche internen Dienstleistungen gehören in ein Shared Service Center? x Welche internen Dienstleistungen sollte die strategische Geschäftseinheit unbedingt beibehalten? x Nach welchen Kriterien werden interne Dienstleistungen als „Headquarter Services“ eingestuft und müssen in der Konzernzentrale eingegliedert werden? Die Höhe der Transaktionskosten gibt den entscheidenden Hinweis über die optimale Verteilung der verschiedenen internen Dienstleistungsstrukturen. Im Rahmen dieses Unterkapitels soll auf die erste Frage eingegangen werden. Die restlichen drei werden erst in Kapitel 6 beantwortet. Die generelle Problematik der Bewertung und Operationalisierung von Transaktionskosten fassen die Befürworter der Transaktionskostentheorie nicht als Nachteil auf. Die Höhe der Transaktionskosten muss weder absolut noch direkt quantifiziert werden. Ein komparativer Vergleich der alternativen Organisationsformen auf Basis der entscheidungsrelevanten Einflussgrößen wird als ausreichend betrachtet. Anhand der relativen Ausprägungen der Einflussgrößen ist somit indirekt feststellbar, welche Organisationsform die geringsten Transaktionskosten verursacht. Die relevanten Einflussgrößen werden im Abschnitt 5.1.2.3 dargestellt. Für eine differenzierte Betrachtung der internen Dienstleistungsorganisation ist jedoch die Kenntnis der Verhaltensannahmen der Transaktionspartner und der Rahmenbedingungen der Transaktion notwendig, sowie der Einflussgrößen, welche die Höhe der Transaktionskosten bestimmen.
5.1.2.2 Verhaltensannahmen und Rahmenbedingungen der Transaktion Der Transaktionskostentheorie liegen im Wesentlichen drei Annahmen über das Verhalten der Transaktionspartner zugrunde: begrenzte Rationalität, Opportunismus und Risikoneutralität. Aufgrund der eingeschränkten Fähigkeiten der Transaktionspartner zur Informationsgewinnung und -verarbeitung, ist eine rationale Handlung der Individuen nur begrenzt möglich (begrenzte Rationalität). Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass alle Transaktionsbeteiligten – wo immer möglich – den eigenen Nutzen verfolgen, auch jenseits moralischer Grenzen (Opportunismus). Die dritte Verhaltensannahme (Risikoneutralität) wird häufig vernachlässigt und dient primär der Vereinfachung der Argumentation bei der Effizienzbeurteilung. Im Rahmen der Ausgestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation wird im eigenen Unternehmen ein niedrigeres Niveau an opportunistischem Verhalten und ein höheres Vertrauen in die Vertragspartner vorausgesetzt. Diese Umweltfaktoren haben einen bedeutenden Einfluss auf die Höhe der Transaktionskosten und auf die Koordinationsstruktur interner 134
Services.213 Sie unterstützen die unternehmensinterne Lösung gegenüber einer externen Vermarktung interner Dienstleistungen. Die Rahmenbedingungen der Transaktion, auch Transaktionskostenatmosphäre genannt, umfassen insbesondere soziale Faktoren, rechtliche Vorgaben und technologische Infrastrukturen, welche die Aufgabenerfüllung erleichtern bzw. erschweren und somit die Höhe der Transaktionskosten beeinflussen. Im sozialen Bereich sind dies besonders die rechtlichen Bestimmungen, z. B. Arbeits-, Vertrags- und Unternehmensrecht, die einen Einfluss auf die Transaktion ausüben. Durch die vermutete Opportunität haben Individuen unterschiedliche Werthaltungen und Verhaltensweisen. Diese müssen korrekt eingeschätzt werden. Die Unternehmenskulturen der potenziellen Partner können ebenso maßgeblich für die Entscheidung über die Transaktionsbeziehung sein. Den technologischen Rahmen betrifft das vorhandene Know-how. Ob es im eigenen Unternehmen disponibel ist, bzw. ob der mögliche Partner über das notwendige Know-how verfügt, muss untersucht werden. Die Kosten der Wissensaneignung sind bei der Frage nach Eigenerstellung immer zu berücksichtigen. Besonders entscheidend bei den technologischen Rahmenbedingungen ist die Verfügbarkeit von Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie hilft, die begrenzte Rationalität zu verbessern und somit die ex-ante und ex-postTransaktionskosten merklich zu senken. Das vorhandene Know-how der Informations- und Kommunikationstechnologie begünstigt die Koordination über den Markt, da bei dieser in der Regel höhere Transaktionskosten anfallen, die somit verringert werden. Picot beschreibt die erwähnten Schwierigkeiten des Know-how-Erwerbs als Ein- und Auslagerungsbarrieren. Können die erforderlichen Fähigkeiten trotz zutreffender weiterer Einflussgrößen nicht integriert werden, liegt eine Know-how-(Einlagerungs-)barriere vor. Notgedrungen muss somit eine enge vertikale Kooperationsform gefunden werden, welche die geringste Distanz zur Integration aufweist. Hierbei werden strategische Allianzen, Kapitalbeteiligungen, Joint Ventures, usw. genannt.214 Auslagerungsbarrieren treten auf, wenn z. B. das dafür notwendige Know-how noch gar nicht am Markt verfügbar ist oder Ressourcen im Unternehmen nicht gleichzeitig mit abgebaut werden können. Hohe Auslagerungsbarrieren können sich auch aufgrund der beschäftigungspolitischen Konsequenzen von Verringerungen der Leistungstiefe ergeben.215
213 Vgl. Reiß, M., Schuster, H. (1998), S. 1310 f. 214 Vgl. Picot, A. (1992), S. 114 f. Eine ausführliche theoretische Erklärung strategischer Allianzen und Kooperationen erfolgt z. B. in Gerybadze, A. (1995), S. 13 ff. 215 Vgl. Picot, A. (1991), S. 351.
135
Ein Mangel an Kapital kann das Eingehen einer Kooperation ebenfalls forcieren. Kapitaleinsatz unter großer Unsicherheit birgt ein hohes Risiko, so dass Kooperationsformen getroffen werden, um z. B. Leistungen gemeinsam zu entwickeln. Die knappe Ressource Kapital kann somit den eigentlichen Kernaufgaben (hoch spezifisch und strategisch relevant) des Unternehmens zugeführt werden.216 Besonders die Entstehung von Ein- und Auslagerungsbarrieren fördert den Aufbau von Shared Service Centern. Das Erlernen wettbewerbsspezifischer Innovationen ist eine Maßnahme der Existenzsicherung. Viele Unternehmen betreiben dabei eine Risikominimierung und sichern sich zunächst durch strategische Partnerschaften oder Joint Ventures ab.217 Grundsätzlich soll jede Teilleistung einer Unternehmung nach den zuvor geschilderten Eigenschaften und Rahmenbedingungen analysiert werden. Aus dem Zusammenwirken der vier genannten Transaktionsmerkmale mit den modellbezogenen Verhaltensannahmen und unter Berücksichtigung der Transaktionsatmosphäre, kann eine Gestaltungsempfehlung über die transaktionskostenminimale Organisationsstruktur deduziert werden.
5.1.2.3 Bestimmende Einflussfaktoren von Transaktionen Die zentrale Stellung in der Transaktionskostentheorie nimmt die Identifikation der Determinanten und Einflussgrößen der Transaktionskosten ein. Die Höhe der Transaktionskosten wird durch vier wesentliche Einflussgrößen charakterisiert: Spezifität, strategische Bedeutung, Unsicherheit und Häufigkeit der Transaktion. Im Rahmen des originären Transaktionskostenansatzes lassen sich dann konkrete Handlungsempfehlungen bezüglich der „make-or-buy“-Entscheidung (interne) Ausgliederung in ein Shared Service Center versus (externe) Auslagerung der Supportprozesse durch Outsourcing ableiten. Das Ausmaß der Einflussgrößen sowie deren Zusammenspiel sind dabei ausschlaggebend.
x Spezifität Die Spezifität ist Ausdruck dafür, inwieweit ein Produktfaktor bzw. ein Tauschobjekt anderweitig eingesetzt werden kann. Sie kann sich auf Standortfaktoren, Anlagen und Sachkapital, Humankapital, Markennamen und abnehmer- bzw. zweckgebundene Besonderheiten erstrecken.218 Mit zunehmender Spezifität erhöhen sich die Abhängigkeiten der Transaktionspart-
216 Vgl. ebenda, S. 348. 217 Siehe Fallbeispiel Synergies GmbH; S. 42. 218 Vgl. Nagengast, J. (1997), S. 191.
136
ner. Der Spezifitätsgrad ist um so höher, je größer der Wertverlust bei der zweitbesten Verwendung der eingesetzten Ressourcen wäre.219 Williamson220 unterscheidet vier verschiedene Formen der Spezifität: x Site specifity: Investitionen der Transaktionspartner in ortsgebundene Einrichtungen x Physical asset specifity: Investitionen der Transaktionspartner in spezialisierte Technologien und Anlagen x Human asset specifity: Investitionen der Transaktionspartner in spezialisiertes Knowhow und Qualifikationen der Mitarbeiter x Dedicated Assets: Investitionen der Transaktionspartner in an sich unspezifische Anlagen, die jedoch bei Wegfall der Transaktion Überkapazitäten darstellen würden. Das bei einem hohen Spezifitätsgrad vorherrschende Abhängigkeitsverhältnis fördert ein opportunistisches Verhalten der Partner und erhöht infolgedessen die Transaktionskosten wesentlich. Daraus folgt, je spezifischer die Leistung, desto höher die Transaktionskosten. Für den Fall des Outsourcings als Organisationsform ist besonders der Fall einer fundamentalen Transformation relevant.221 Hierbei steigern sich die ex-post-Transaktionskosten gegenüber den ex-ante-Transaktionskosten. Vor dem Vertragsabschluss (ex-ante) besteht eine relativ niedrige Spezifität. Mehrere Wettbewerber sind qualifiziert, die auszulagernden Services zu leisten. Nach Vertragsabschluss (ex-post) jedoch entwickelt sich wieder eine monopolähnliche Situation, die opportunistisches Verhalten ermöglicht. Der Dienstleister hat sich transaktionsspezifische Fähigkeiten und idiosynkratisches Wissen angeeignet, die ihm Vorteile gegenüber Wettbewerbern („first-mover-advantage“) erbringen.222 Der Wechsel des Dienstleisters ist somit nur bei Inkaufnahme von erhöhten Transaktionskosten möglich. Durch steigende Spezifität erhöhen sich gegenseitige Abhängigkeiten. Einem eventuellen externen Leistungserbringer muss folglich ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht werden. Die Kontrollkosten zur Vermeidung opportunistischen Verhaltens sind relativ hoch. Unter der Voraussetzung der Minimierung der Transaktionskosten erscheint es somit angebracht, Transaktionen hoher Spezifität unternehmensintern zu leisten (siehe Abbildung 5.1). Eine Shared Service Center Lösung erscheint in diesem Falle zumindest geeigneter gegenüber einer Outsourcing-Lösung. Es müssen jedoch noch weitere Kriterien erörtert werden, ob das Shared Service Center Konzept intern die beste Organisationsform darstellt, da dessen Kontrollkosten höher zu beziffern sind als stärker ausgeprägte hierarchische Koordinations-
219 220 221 222
Vgl. Picot, A., Reichwald, R., Wigand, R. T. (2003), S. 50. Vgl. Picot, A. (2005), S. 55 f. Vgl. Williamson, O. E. (1990), S. 70 ff. Vgl. Picot, A. (1993), Sp. 4198 f.
137
formen. Headquarter Services oder Dedicated Services wären somit bezüglich hoher Spezifität dem Shared Service Center überlegen. Bei geringer Spezifität, bzw. hoher Standardisierung, besteht keine Notwendigkeit einer hierarchischen Koordinationsform. Geringere entstehende Transaktionskosten deuten auf eine kurzfristige vertragliche Beziehung mit externen Dienstleistern. Da das Outsourcing nach Zahn et al.223 dem Kriterium langfristiger Vertragsbindungen entspricht, erscheinen folglich Outsourcing-Lösungen aufgrund niedriger Spezifität ebenfalls nicht als die beste Organisationsform. Der kurzfristige Bezug über den Markt wäre somit zu präferieren. Lediglich das Auftreten einer fundamentalen Transformation spräche für die längerfristige Vertragsbindung. Für Outsourcing und Shared Services ist somit generell der Fall mittlerer Spezifität zur Erlangung der geringsten Transaktionskosten von Relevanz.
Abbildung 5.1: Zusammenhang zwischen Transaktionskosten, Spezifitätsgrad und Koordinationsform
Transaktionskosten
Marktliche Koordination
Koordinationsform mittleren Grades
Hierarchische Koordination
Spezifitätsgrad
Quelle: Picot, A. (1993), Sp. 4199
223 Vgl. Zahn, E., Barth, T., Hertweck, A. (1999), S. 6.
138
x Strategische Bedeutung
Die zweite relevante Einflussgröße der Transaktionskosten ist die strategische Bedeutung von Leistungen. Eine Leistung bzw. Teilleistung hat eine hohe strategische Bedeutung für das gesamte Unternehmen, wenn sie einen maßgeblichen Beitrag zur Wettbewerbsposition des Unternehmens darstellt. Hierbei ist es erforderlich, die strategische Relevanz deutlich von der Einflussgröße Spezifität abzugrenzen. Strategisch bedeutsame Leistungen sind in der Regel auch spezifisch, aber nicht jede hoch spezifische Leistung hat auch einen hoch strategischen Charakter für das Unternehmen.224 Als Beispiel sei eine spezifische Softwärelösung genannt, der jedoch keine strategische Bedeutung für das Unternehmen zukommt. Eine strategisch wichtige Leistung ermöglicht einem Unternehmen, sich gezielt von anderen Wettbewerbern zu differenzieren und Wettbewerbsvorteile zu generieren. Eine strategisch wirksame Leistung muss deshalb besonders bewahrt werden und verlangt nach Maßnahmen zur Sicherung und Geheimhaltung. Aus diesen Gründen erscheint es erforderlich, Leistungen mit hoher unternehmensstrategischer Relevanz durch eine interne Organisationsform zu integrieren. Das erforderliche Know-how sollte im Unternehmen gebündelt und aufgebaut werden. Ein Schutz der strategisch relevanten Leistungen kann unter Voraussetzung minimierter Überwachungs- und Kontrollkosten nur intern gewährleistet werden.225 Das Konzept der strategischen Relevanz entspricht weitgehend dem Modell der Kernkompetenzen.226 Kernkompetenzen sind hoch spezifisch und haben eine herausragende strategische Bedeutung für das Unternehmen. Auf die Notwendigkeit, diese Kompetenzen integriert zu koordinieren, wurde bereits hingewiesen. Leistungen, die durch hohe Spezifität aber geringe strategische Bedeutung charakterisiert werden, müssen differenziert betrachtet und sollten gezielt überprüft werden. Häufig ist deren Spezifität historisch gewachsen oder aus zufälligen Besonderheiten entstanden und daher prinzipiell abbaubar,227 z. B. durch Business Process Reengineering. Das obengenannte Beispiel der spezifischen Software ist in diesem Fall ebenfalls anschaulich. So kann der Einsatz von Standardsoftware, wie z. B. SAP R/3, firmenspezifische Softwarelösungen ersetzen. Eine hohe strategische Relevanz schließt also das Outsourcing einer Leistung aus, unter der Voraussetzung, dass innerhalb der Organisation das notwendige Know-how verfügbar ist. Fehlendes Know-how erzwingt einen Fremdbezug der relevanten Leistung. Ziel der Unternehmung muss es somit sein, dieses Wissen langfristig zu internalisieren. Für eine Leistung
224 225 226 227
Vgl. Picot, A. (1992), S. 113. Vgl. ebenda, S. 113. Vgl. Prahalad, C., Hamel, G. (1990), S. 82. Vgl. Picot, A. (1992), S. 113.
139
strategisch niedriger Relevanz, aber hoher Spezifität ist es erforderlich, die Spezifität abzubauen, um langfristig eine Ausgliederung bzw. Auslagerung zu ermöglichen.228 Das Konzept eines Shared Service Centers kann somit eine Übergangslösung zur vollständigen Auslagerung, z. B. in Form einer Outsourcing-Lösung, darstellen. Ebenso kann ein Shared Service Center in der Form eines Joint-Ventures errichtet werden, in dem sich die Kompetenzen der Partner gegenseitig ergänzen. Der Leistungsprozess der Entwicklung von Banksoftware-Lösungen kann beispielsweise in einem gemeinsamen Shared Service Center einer Bank und eines Software-Unternehmens erfolgen.229 Generell sind jedoch Shared Service Center durch die Leistungserbringung standardisierter Supportprozesse gekennzeichnet. Hohe strategische Relevanz und Spezifität widersprechen somit dem Ansatz des Shared Service Center Konzeptes. Somit sollten relevante Leistungsprozesse in einer Organisationsform höherer Integration erbracht werden. Damit sind Shared Service Center tendenziell eher durch mittlere strategische Relevanz gekennzeichnet bzw. weist ein Unterstützungsprozess hohe strategische Bedeutung auf, muss dieser hohes Standardisierungspotenzial aufweisen, um in einem Shared Service Center ausgeführt zu werden. Das Outsourcing einer Leistung muss unter Voraussetzung gleicher Spezifität ein niedriges Maß an strategischer Bedeutung aufweisen, da ansonsten die Transaktionskosten dies nicht rechtfertigen würden.
x Unsicherheit Das Einflusskriterium der Unsicherheit lässt sich in zwei Formen unterscheiden: Umweltunsicherheit und Verhaltensunsicherheit. Umweltunsicherheit drückt sich in Anzahl und Ausmaß nicht vorhersehbarer Aufgabenänderungen aus.230 Dies können z. B qualitative, quantitative, terminliche oder technische Änderungen sein. Durch die begrenzte Rationalität der Wirtschaftssubjekte ist es diesen nicht möglich, vollkommene Informationen über die komplexen Umwelteinflüsse zu besitzen, weshalb Verträge der Leistungserbringung die Unsicherheit nur unvollkommen absichern können. Die Verhaltensunsicherheit erklärt die Situation in Bezug auf das Verhalten der Vertragspartner. Zur Erklärung wird wieder das eventuelle opportunistische Verhalten der Vertragsparteien herangezogen. Entsprechend dem Ansatz der Prinzipal-Agenten-Beziehung231 bewirken Informationsasymetrien eine Unsicherheit, ob der Vertragspartner die Vertragsvereinbarungen einhält. Eine Vertragsvereinbarung zur vollständigen Absicherung der Unsicherheits-
228 229 230 231
140
Picot, A., Reichwald, R., Wigand, R. T. (2003), S. 51. Vgl. o. V. (1999a), S. 4. Vgl. Picot, A., Reichwald, R., Wigand, R. T. (2003), S. 52. Vgl. Beer, M. (1998), S.43.
eventualitäten ist unter Berücksichtigung begrenzter Rationalität als eher unvorstellbar zu bezeichnen. Beide Unsicherheitsformen führen bei steigender Unsicherheit zu höheren ex-ante- und expost-Transaktionskosten. Eine Vertragsvereinbarung, die versucht, möglichst viele Unsicherheiten zu berücksichtigen, führt zu höheren Kosten der Vertragsvereinbarung. Die Berücksichtigung einer veränderten Umwelt nach Vertragsabschluss lässt die Transaktionskosten steigen. Eine Leistung, deren Unsicherheitseinfluss als sehr hoch eingestuft wird, sollte somit tendenziell integriert werden, da unternehmensintern die Unsicherheit weniger eingeschränkt ist. Durch das hierarchische System kann opportunistisches Verhalten eingeschränkt werden, da es effektivere Maßnahmen der Kontrolle gibt. Gegenüber Umwelteinflüssen ist das integrierte Unternehmen resistenter als eine Marktbeziehung. Entsprechend den vorangegangenen Einflussgrößen gilt für Leistungen mit hoher Unsicherheit folglich eine hierarchisch koordinierte Organisationsform als äquivalent, Leistungen mit niedriger Unsicherheit sollten über den Markt getätigt werden. Leistungen mit mittlerer Unsicherheit deuten auf Koordinationsformen zwischen den Extremen hin. Bei einem Shared Service Center, welches gegenüber dem Outsourcing eine Organisationsform höherer Integration darstellt, sollten somit tendenziell Leistungsprozesse integriert werden, die als unsicherer eingestuft werden als Prozesse, die extern ausgelagert werden.
x Häufigkeit Die Häufigkeit einer Transaktionsbeziehung ist als Einflussgröße der Transaktionskosten ebenfalls relevant. Durch häufige Transaktionen können Skalen-, Synergie- und Lerneffekte erzielt werden, die zu einer Transaktionskostendegression führen. Die Transaktionsgemeinkosten verteilen sich somit mehr auf die Transaktionen, weshalb die Durchschnittskosten sinken können.232 Allein mit dem Kriterium der Häufigkeit können keine allgemeinen Handlungsempfehlungen gegeben werden; die Transaktionshäufigkeit stellt kein eigenständiges Entscheidungskriterium dar.233 Nur durch Berücksichtigung und Verbindung mit den anderen Einflussfaktoren können Aussagen getroffen werden. Wirken Spezifität und Unsicherheit, zusammen mit einer zunehmenden Häufigkeit der Transaktionen, besteht eine Tendenz zu einer unternehmensinternen Organisationsform. Seltene sogar einmalige Transaktionen lassen einen Bezug über den Markt als sinnvoll erscheinen. Zusammenfassend lässt sich somit die These aufstellen, dass Shared Service Center durch eine höhere Transaktionshäufigkeit gegenüber Outsourcing-Lösungen gekennzeichnet sein 232 Vgl. Picot, A. (1991), S. 345 ff.
141
sollten. Die entscheidenden Einflusskriterien für diese Kategorisierung sind jedoch die oben aufgeführten Einflussgrößen. Deshalb ist eine Einzelfallbetrachtung bezüglich der Transaktionshäufigkeit aussagekräftiger.
Des Weiteren lässt sich feststellen, dass bei der Bestimmung der Transaktionskosten eines Leistungsaustausches die beiden erstgenannten Einflussgrößen (Spezifität und strategische Bedeutung) eine wichtigere Rolle spielen als die beiden anderen Aufgabenmerkmale (Unsicherheit und Häufigkeit), welche nur eine nachrangige Position erlangen.
5.1.3
Handlungsempfehlungen
Für eine konkrete Handlungsempfehlung bezüglich der Ausgliederung in ein Shared Service Center oder der Auslagerung der Supportprozesse durch Outsourcing müssen die Einflussgrößen des Transaktionskostenansatzes bezüglich der betreffenden Prozesse angewandt werden und deren Ausmaß ermittelt werden. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich danach Entscheidungen für die Strategieempfehlung bezüglich der Leistungstiefe einer internen Dienstleistungsorganisation ableiten. Ein beispielhaftes Vorgehen zeigt Abbildung 5.2. Hohe Ausprägungen der vier Leistungsmerkmale führen zu einer Empfehlung hierarchisch geprägter Organisationsformen, dementsprechend lassen schwache Ausprägungen eine marktliche Koordination sinnvoll erscheinen. Die Organisationsform Shared Service Center als unternehmensinterne Lösung lässt sich zwischen den Einbindungsformen Eigenfertigung und Joint Venture einordnen.234 Eine Outsourcing-Lösung entspricht weitgehend der Einbindungsform „Rahmenverträge“, da es sich um einen vertraglich geregelten langfristigen Fremdbezug handelt.
233 Vgl. derselbe (1993), Sp. 4201. 234 Bei einer Kooperationslösung, wie z. B. Joint Venture wird ein hoher Beteiligungsgrad (ca. 50%) vorausgesetzt.
142
Abbildung 5.2: Zusammenhang zwischen Leistungsmerkmalen und Einbindungsform
Leistungsmerkmale
Empfohlene Einbindungsform
Merkmalausprägung
Eigenfertigung 5
...
Tochterunternehmen ... 4
Beteiligung am Lieferanten Joint Ventures ...
Franchising/Lizenz ...
Häufigkeit
Unsicherheit
Strategische Relevanz
Spezifität
... 3
2
Rahmenverträge ...
1
Spontaner Einkauf am Markt
Quelle: Gerybadze, A. (1997), Unternehmenspolitik, Universität Hohenheim 1997 Für die Ableitung von Strategieempfehlungen bietet sich die Anwendung der PortfolioTechnik, da diese die ermittelten Ergebnisse gut visualisiert darstellen kann. Die Einzelbetrachtung des Merkmals strategische Relevanz wird zugunsten einer vereinfachten visuellen Darstellung nicht berücksichtigt. Statt dessen kann die strategische Relevanz in das Kriterium der Spezifität integriert werden, da strategische Teilleistungen in der Regel auch spezifisch sind.235 Generell kann die Betrachtung der strategischen Bedeutung jedoch vor einem Transaktionskostenvergleich überprüft werden, da die damit verbundene Generierung von Wettbewerbsvorteilen nur schwer in Kosten gemessen werden kann.236 Da das Kriterium der Häufigkeit lediglich unterstützend zu den anderen Kriterien begutachtet wird, werden die Kriterien Spezifität und Unsicherheit auf den Koordinaten des Portfolios abgetragen (siehe Abbildung 5.3). Die Strategieempfehlungen lassen sich nun anhand des Portfolios ableiten. Niedrige Spezifität und Unsicherheit bewirken hohe Standardisierung. Durch eine Eigenerstellung ergeben sich keine Produktionskosten-, Koordinationskosten- oder Flexibilitätsvorteile. Ein spezialisierter Dienstleister kann durch Massenerstellung Skaleneffekte erzielen und somit diese Vorteile generieren, weshalb die angemessene Strategie einen spontanen Einkauf am Markt nahe legt. Steigt die Spezifität, sinken die Skaleneffekte, die durch Standardisierung zu erreichen sind. Der externe Dienstleister kann somit keinen Produktionsvorteil erzielen, hat jedoch durch die unterstellten höheren Transaktionskosten gegenüber der Eigenerstellung einen Nachteil. Ebenso bewirkt die steigende Unsicherheit einen Transaktionskostennachteil
235 Vgl. Picot, A. (1992), S. 113. 236 Vgl. Burr, W. (1998), S. 18.
143
der Fremdfertigung, da hohe Unsicherheit häufige Änderungen der Aufgabenerfüllung mit sich bringt. Häufige Änderungen können im Allgemeinen unternehmensintern besser bewältigt werden.
Bei Fremdbezug müssten mit dem professionellen externen Dienstleistungsspezialist die Vertragskonditionen immer wieder neu ausgehandelt werden, was hohe Transaktionskosten impliziert.237 Bei sehr hoher Ausprägung beider Merkmale kommt es somit zu einer durch hierarchische Koordination geprägten Leistungserstellung, d. h. vollständige Eigenfertigung.
Abbildung 5.3: Spezifität-Unsicherheit-Portfolio
Spezifität
Hierarchie
hoch
mittel
niedrig Markt
niedrig
mittel
hoch
Unsicherheit
Quelle: In Anlehnung an Fischer, M. (1994), S. 301
Zwischen den beiden Extremen Markt und Hierarchie im Spezifität-Unsicherheit-Portfolio können die sogenannten hybriden Organisationsformen abgegrenzt werden. Die eingezeichneten, gestrichelten Linien können beispielhaft die sieben unterschiedlichen Ausprägungen der Einbindungsformen aus Abbildung 5.2 abgrenzen. Dies ist jedoch nur zur bildhaften Anschaulichkeit geeignet, da es keine genauen Abgrenzungsbereiche zwischen den Ausprägungen gibt. Ebenso vermittelt das Schaubild die idealistische Vorstellung, dass Spezifität und Unsicherheit den gleichen Einfluss auf die Organisationsform ausüben. Da die Spezifität als das wichtigste Kriterium der Transaktionseigenschaften betrachtet wird, sollte bei glei-
237 Vgl. Burr, W. (1998), S. 15 f.
144
chem Betrag beider Variablen der Spezifitätsgrad eher auf eine Organisationsform höherer hierarchischer Ausprägung hindeuten.238 Das Spezifität-Unsicherheit-Portfolio kann eine erste Einordnung unterschiedlicher Prozesse zur empfohlenen Einbindungsform geben. Supportprozesse, die in Outsourcing- und Shared Service Center Lösungen erstellt werden, weisen gemäß der obigen Ausführungen tendenziell mittlere Spezifität und Unsicherheit auf. Bezüglich der Unsicherheit ist ein Shared Service Center gegenüber Outsourcing im Schaubild weiter rechts angeordnet, d. h. der Prozess weist höhere Unsicherheit auf. Die weiteren Kriterien der Häufigkeit und Rahmenbedingungen werden ebenfalls untersucht, um weitere Aufschlüsse zu erhalten. Durch die nun erfolgende Unterscheidung geringer und hoher Ein- und Auslagerungsbarrieren können sich die Strategieempfehlungen bezüglich Eigenerstellung oder Fremdbezug ändern (siehe Abbildung 5.4).
Abbildung 5.4: Strategieempfehlungen unter Berücksichtigung von Ein- und Auslagerungsbarrieren
Spezifität, Strat. Bedeutung, Unsicherheit
Spezifität, Strat. Bedeutung, Unsicherheit 1a
Eigenerstellung u. Eigenentwicklung hoch
mittel
3a Fallweise Entscheidung: Eigenerstellung, oder strategisches Outsourcing
2a Kapitalbeteiligung, Joint Venture, strat. Netzwerk mit hohem Integrationsgrad 4a Langfristverträge mit hohem Integrationsgrad, Joint Venture, Kooperation, strat. Outsourcing
gering
hoch
Fremdbezug: Kurzfristige Verträge
Wettbewerbsposition ständig überprüfen
mittel
gering
4b Eigenerstellung nur mittelfristig behalten Eigenerstellung oder strategisches (Barrieren abbauen) Outsourcing Ausgliederung 5b Eigenerstellung abbauen. Fremdbezug: Kurzfristige Verträge
niedrig
hoch
Barrieren der Eigenerstellung
2b Eigenerstellung u. Eigenentwicklung
3b Eigenerstellung in Frage stellen:
6a
5a Fremdbezug: Kurzfristige Verträge
1b Eigenerstellung u. Eigenentwicklung
niedrig
Eigenerstellung nur kurzfristig 6b behalten (Barrieren abbauen) Ausgliederung, Auslagerung hoch
Barrieren der Auslagerung
Quelle: In Anlehnung an Picot, A. (1992), S. 117 Bei hohen Ausprägungen der Transaktionseigenschaften wird durch hohe Einlagerungsbarrieren die Eigenerstellung erschwert.239 Anstelle der nun nicht mehr realisierbaren Leis238 Vgl. Picot, A. (1992), S. 112.
145
tungserstellung muss das Unternehmen folglich versuchen, die Organisationsform mit dem höchsten erreichbaren Integrationsgrad zu gestalten (Fall 2a). Dementsprechend muss das Unternehmen bestrebt sein, eine Kapitalbeteiligung an den leistungserstellenden Unternehmen zu erreichen. Sollte dies nicht gelingen, müssen langfristige Vertragsformen gefunden werden, welche die Lieferanten möglichst eng an das Unternehmen binden. Shared Service Center Konzepte oder Outsourcing-Lösungen sind im Bereich der hohen Merkmalsausprägungen im Normalfall nicht vertreten. Durch die hohe Spezifität ist eine für die Shared Service Center Lösung erforderliche Standardisierung schwer möglich. Ähnlich problematisch verhält sich der Sachverhalt im Falle von Outsourcing. Andere Einbindungsformen mit stärkerer Integration sollten bevorzugt werden. Bei mittlerer Merkmalausprägung der kritischen Bestimmungsgrößen muss die Organisationsform fallweise entschieden werden. Die Eigenerstellung der Supportprozesse ist in besonderem Maße geeignet zur Anwendung des Shared Services Ansatzes. Ebenso werden strategisch langfristige Outsourcing-Entscheidungen eine häufig anzutreffende Organisationsform sein (Fall 3a). Bei nun eintretenden hohen Eigenerstellungsbarrieren sollte sich das Unternehmen ebenfalls durch langlaufende strategische Partnerschaften zu OutsourcingPartnern absichern. Wo es empfehlenswert ist, können Joint Ventures geschlossen werden. Bezogen auf den Shared Service Center Ansatz kann dies über ein gemeinsames Center mit einem oder mehreren Partnern verwirklicht werden (Fall 4a). Dies trifft beispielsweise auf das IT-Shared Service Center Synergies GmbH zu, welches zu Beginn seiner Existenz in einem Joint Venture mit der Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst & Young organisiert war.240 Ebenfalls kann ein Unternehmen auch Kooperationen mit direkten Wettbewerbern eingehen, da die Leistung durch mittlere Spezifität und strategische Bedeutung keinen direkten Wettbewerbsvorteil zu verlieren hat.241 Für geringe Merkmalausprägungen macht die Einführung der hohen Eigenerstellungsbarriere keinen Unterschied (Fälle 5a und 6a). Da in diesem Fall der Fremdbezug auf Basis kurzfristiger Verträge relevant ist, besteht weiterhin keine Veranlassung einer Integration. Ein Shared Service Center könnte aufgrund fehlender strategischer Bedeutung keinen Vorteil gegenüber Outsourcing erzeugen. Die Leistungen können folglich ausgelagert bzw. wenn möglich, spontan am Markt gekauft werden. Bei der Betrachtung der Auslagerungsbarrieren entsteht in den Feldern hoher Merkmalausprägung grundsätzlich kein Unterschied zwischen den Strategieempfehlungen (Fälle 1b und 2b). Outsourcing und Shared Service Center werden aus bereits genannten Gründen bei 239 Das Modell der Einlagerungsbarrieren kann teilweise der Definition des Outsourcings widersprechen (Auslagerung einer bisher intern erstellten Leistung), da die Chancen einer Einlagerung betrachtet werden. Eine Einlagerung bisher externer Leistungen wie in diesem Falle wäre folglich ein Insourcing (Vgl. Zahn, E., Soehnle, K., Hertweck, A. (1996), S. 14 f.). Jedoch kann das Modell in diesem Zusammenhang auch so betrachtet werden, dass eine bisherige interne Leistungserstellung überprüft wird, aufgrund geänderter Rahmenbedingungen (z. B. technologischer Innovation). Die Barrieren einer internen Leistungserstellung werden somit aufgrund des nun fehlenden Know-hows erhöht. 240 Siehe Abschnitt 2.2.3.3. 241 Vgl. Picot, A. (1992), S. 118.
146
hoher Merkmalausprägung generell nicht erwogen. Da das Unternehmen die Leistungen selber erstellen will, ist die Unterscheidung geringe versus hohe Auslagerungsbarrieren diesbezüglich nicht relevant. Dennoch muss das Unternehmen kontinuierlich seine eigene Wettbewerbsposition im Falle geringer Barrieren überprüfen, da die für das Unternehmen spezifischen und wichtigen Leistungen am Markt verfügbar sind oder leicht bereitgestellt werden können (Fall 1b).242 Bei mittleren Merkmalausprägungen und niedrigen Auslagerungsbarrieren muss die Eigenerstellung in Frage gestellt werden. Die erbrachte Leistung hat für das Unternehmen nur eine mittlere Bedeutung. Vorhandene Ressourcen könnten wettbewerbsrelevanten Leistungen zugeführt werden. Deshalb sind mögliche Outsourcing-Lösungen zu überprüfen (Fall 3b). Entsprechend bei hohen Auslagerungsbarrieren sollte die Leistung nur mittelfristig selbst erbracht werden. Das Unternehmen sollte deswegen bestrebt sein, die Barrieren abzubauen, z. B. durch Ausgliederungen oder dem Eingehen langfristiger Kooperationen (Fall 4b).243 Ein, in diesem Fall den Anforderungen gut entsprechender Ansatz wäre die Einführung eines Shared Service Centers. Auf diese Weise bewahrt sich das Unternehmen seine Flexibilität und hat dennoch die Prozesse unter seiner eigenen Kontrolle. Prozesse, die geringe Merkmalausprägungen aufweisen, sollten generell fremdbezogen werden. Bei niedrigen Auslagerungsbarrieren gibt es keinen Bedarf einer weiteren internen Leistungserstellung. Die Leistung kann auch spontan über den Markt bezogen werden (Fall 5b). Liegen hohe Auslagerungsbarrieren vor, muss versucht werden, diese abzubauen. Ein Shared Service Center wäre hier als Übergangslösung zu betrachten, bis zur vollständigen Auslagerung des Prozesses, d. h. bis die Auslagerungsbarrieren vollständig abgebaut wurden (Fall 6b). Die dargestellten Strategieempfehlungen sind jedoch aufgrund sich stetig ändernden Rahmenbedingungen regelmäßig zu überprüfen. Die technischen Innovationen besonders in der Informations- und Kommunikationstechnologie führen tendenziell zu einer Desintegration der Leistungserstellung.244 Die Leistungstiefe eines Unternehmens muss somit ebenfalls immer wieder neu erörtert werden. Im Rahmen der für diese Arbeit relevanten Frage des Aufbaus einer internen Dienstleistungsstruktur, dienen die abgeleiteten Organisationsempfehlungen zunächst zur Entscheidung zwischen einer unternehmensinternen oder einer unternehmensexternen Gestaltung von Dienstleistungen (Shared Service Center versus Outsourcing). Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich feststellen, dass der Transaktionskostenansatz als Erklärungskonzept für diese Gestaltungsthematik herangezogen werden kann.
242 Vgl. Helber, S. (1996), Sp. 1615. 243 Vgl. Picot, A. (1992), S. 118. 244 Vgl. Picot, A. (1992), S. 119.
147
Zur Analyse von weiteren unternehmensinternen Gestaltungsformen der Dienstleistungserbringung, wie z. B. Headquarter Services oder Dedicated Services, und deren Abgrenzung zum Shared Service Center Konzept, ist bei der Darstellung der Bestimmungsgrößen ein engerer Fokus, insbesondere auf die Charakteristika von internen Dienstleistungsprozessen notwendig. Darüber hinaus sind zusätzlich weitere Bestimmungsfaktoren zu berücksichtigen, welche die Höhe der Transaktionskosten beeinflussen. Auf diese Faktoren wird in Kapitel 6 im Rahmen des Strukturierungsmodells konkret eingegangen.
148
5.2
Die Ressourcenbasierte Theorie als Erklärungsansatz für den Aufbau interner Dienstleistungen
Durch die Ausgestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation wird das vorrangige Ziel verfolgt, die strategischen Geschäftseinheiten von (eher für sie belastenden) Nebentätigkeiten zu entlasten. Vor diesem Hintergrund agiert die interne Serviceorganisation wiederum als Dienstleistungsspezialist und betrachtet diese (Neben)-Prozesse als ihre eigenen Kernprozesse. Durch die professionelle Durchführung interner Services können interne Dienstleister eine höhere Beachtung im Unternehmensportfolio erlangen, und sogar einen zusätzlichen Wertbeitrag für das gesamte Unternehmen generieren. Dieser Perspektivenwechsel gibt den bedeutenden Hinweis auf die mögliche Übertragbarkeit der Prinzipien des ressourcenbasierten bzw. des kompetenzbasierten Ansatzes auf die Ausgestaltung interner Dienstleistungsaktivitäten.
5.2.1
Historischer Hintergrund und Erkenntnisziel
Der Ressourcenbasierte Ansatz verstand sich in seinen Anfängen als alternativer Gegenpol zur dominierenden marktorientierten Sichtweise. Bis Anfang der 80er Jahre dominierte der Industrial-Organization-Ansatz bei der wissenschaftlichen Untersuchung des Markterfolges von Unternehmen. Die traditionelle Strategieforschung richtete das Augenmerk auf das Produktportfolio und die Branchenpositionierung des Unternehmens. Insbesondere von Porter wurden unternehmensexterne Faktoren als wesentliche Einflussgrößen des Unternehmensverhaltens und des Unternehmenserfolgs betrachtet. Bei ihm wird der Unternehmenserfolg letztendlich als eine Funktion der Branchenattraktivität und der relativen Wettbewerbsposition des Unternehmens in seiner Branche gesehen.245 Ein Unternehmen ist nach Porter dann erfolgreich im Wettbewerb, wenn es sich gegen die fünf Wettbewerbskräfte seiner Branche erfolgreich abschotten und dadurch Marktmacht aufbauen kann. Dabei wird, zumindest kurzfristig, eine kausale Beziehung zwischen der Struktur, dem Verhalten und dem Ergebnis („Structure-Conduct-Performance-Paradigma“)246 auf einem Markt unterstellt. An dieser branchenzentrierten Sichtweise setzt nun die Kritik und Modellbildung der Vertreter des ressourcenbasierten Ansatzes an: Sie gehen davon aus, dass der unternehmerische Erfolg oder Nichterfolg nicht durch das externe marktliche Umfeld sondern vorrangig durch die einem Unternehmen zur Verfügung stehenden internen einzigartigen Ressourcen und Kompetenzen bestimmt wird.247 Die Ressourcenbasierte Theorie sieht den Einsatz komplexer unternehmensspezifischer Ressourcenbündel als Kernargument für die Begründung von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen in Form von Kosten- und Differenzierungsvorteilen. In der ressourcenbasier-
245 Vgl. Porter, M. (1991), S. 99. 246 Vgl. Bain, J. (1956). 247 Vgl. Prahalad, C. K., Hamel, G. (1990).
149
ten Sichtweise wird die Annahme der Homogenität der im Wertschöpfungsprozess eingesetzten Inputfaktoren aufgegeben und deren unternehmensspezifischer Charakter betont. Spezifität und Einzigartigkeit der Kombination produktiver Ressourcen führen zu Effizienzund Profitabilitätsunterschieden zwischen Firmen. Die elementaren Untersuchungseinheiten in den Ansätzen zur ressourcenorientierten Unternehmensführung sind demzufolge die dem einzelnen Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen. Barney definiert Ressourcen als „all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve is efficiency and effectiveness“.248 Dieser weiten Fassung des Ressourcenbegriffs und der Beschränkung auf positiv zum Unternehmenserfolg beitragende Ressourcen wird auch in der vorliegenden Arbeit gefolgt. Die in der Definition verwendete Bezeichnung „controlled“ deutet darauf hin, dass sich Ressourcen auch extern beispielsweise über Kooperationen einbinden lassen. Unter den Vertretern des ressourcenbasierten Ansatzes besteht keine Einigkeit darüber, wie die einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen zu kategorisieren sind. Ressourcen werden in unterschiedlicher Weise typologisiert. Barney unterteilt Ressourcen in drei Kategorien:249 x Physisches Kapital (Fabrikgebäude, Maschinen, geographische Lage, Rohstoffe) x Humankapital (Ausbildung, Erfahrung, und Beziehungen einzelner Manager und Mitarbeiter) x Organisatorisches Kapital (formale Berichtswege, formale und informale Planungs-, Kontroll-, und Koordinationssysteme, informelle Beziehungen innerhalb des Unternehmens und zu anderen Unternehmen) Grant250 erweitert diese Klassifizierung um: x Technologische Ressourcen x Reputation x Finanzielle Ressourcen. Die Bedeutung der internen Ressourcen eines Unternehmens wurde schon frühzeitig von der ökonomischen Theorie, z. B. von Penrose251 und der strategischen Managementliteratur, z. B. Hofer und Schendel252 erkannt.
248 249 250 251
150
Barney, J. B. (1991), S. 101. Vgl. ebenda, S. 101. Vgl. Grant, R. M. (1991), S. 119. Vgl. Penrose, E. (1980).
Aber erst Wernerfelt253 ebnete dem ressourcenorientierten Ansatz den Weg als potenzielle Grundlage für die Forschungen des Strategischen Managements. Für die Verbreitung des ressourcenbasierten Ansatzes in der Praxis waren in erster Linie Prahalad und Hamel254 verantwortlich. Eine Ressource gewinnt jedoch ihren strategischen Wert dadurch, dass sie effektiv und effizient koordiniert und eingesetzt wird. Teece et al.255 haben darauf hingewiesen, dass viele Unternehmen einen großen Bestand wertvoller technologischer Ressourcen und Kompetenzen angehäuft haben und dennoch keinen verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteil erzielen konnten. Wenn man ein Unternehmen nur anhand seiner Ressourcen i. e. S. und seiner (Kern-)Kompetenzen charakterisiert, so wird damit ein unvollkommenes Bild gekennzeichnet. Es fehlt das dynamische Element, das sich im Aufbau neuer und Degeneration bestehender Ressourcenpools sowie der dadurch induzierten Weiterentwicklung eines Unternehmens ausdrückt. Um eine stärkere dynamische Betrachtung zu ermöglichen, ist die zusätzliche Ressourcenkategorie „dynamic capabilities“ eines Unternehmens eingeführt worden. Dieser neue Aspekt hat eine breite Diskussion über den Lernprozess von Unternehmen und über die Entfaltung von organisatorischen Fähigkeiten eröffnet, welche den unternehmerischen Entwicklungsprozess nachhaltig beeinflussen.256 Im Rahmen dieser Arbeit gilt es zu überprüfen, ob die Ressourcenbasierte Theorie als Erklärungsansatz für den Aufbau und die Organisation interner Dienstleistungen in Frage kommt. Um die langfristige Erfolgswirkung der Reorganisation von unternehmensinternen Dienstleistungen zu verstehen, wird im Folgenden die dynamische Perspektive zusätzlich eingenommen.
5.2.2 Relevante Ressourcen für die Gestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation Aufgrund der konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen (Immaterialität, Nichtlagerbarkeit und Uno-acto-Prinzip) spielen bei der internen Dienstleistungserstellung vor allem immaterielle Ressourcen eine entscheidende Rolle. Für die Erklärung des Aufbaus und der Organisation unternehmensinterner Dienstleistungen mit Hilfe des ressourcenbasierten Ansatzes eignet sich die Kategorisierung von Chatterjee und Wernerfeld. Sie unterscheiden zwischen physischen, finanziellen und intangiblen Ressourcen.257 Zu den physischen Ressourcen gehören z. B. Grundstücke und der Zugang zu
252 253 254 255 256
Vgl. Hofer, C., Schendel, D. (1980). Vgl. Wernerfelt, B. (1984). Vgl. Prahalad, C., Hamel, G. (1990). Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A. (1997) Vgl. z. B. Sanchez, R., Heene, A., Thomas, H. (1996), Helfat, C. E. (1997), Eisenhardt, K. M., Martin, J. A. (2000), Zollo, M., Winter, S. G. (2002), Helfat, C. E, Peteraf, M. A. (2003). 257 Vgl. Chatterjee, S., Wernerfelt, B. (1991), S. 34.
151
Rohstoffen. Ein Beispiel für finanzielle Ressourcen sind Liquiditätspotenziale. Intangible Ressourcen lassen sich nach Hall258 weiter in personenunabhängige und personenabhängige Ressourcen kategorisieren. Zu den personenunabhängigen Ressourcen gehören z. B. Verträge und Handelsgeheimnisse in Form von vertraulichen Informationen über Kunden und Prozesse. Zu den intangiblen personenabhängigen Ressourcen zählen z. B. der Markenwert eines Produktes oder einer Dienstleistung, das Know-how von Mitarbeitern und Zulieferern, die Kultur des Unternehmens und die internen Netzwerke sowie organisatorische Fähigkeiten (siehe Abbildung 5.5).
Abbildung 5.5: Ressourcenarten (insb. intangible Ressourcen)
Ressourcen
Intangible Ressourcen
Physische Ressourcen
Personenunabhängige Ressourcen
Ressourcen ohne juristischen Schutz
Ressourcen mit juristischem Schutz
Finanzielle Ressourcen
Personenabhängige Ressourcen
Markenwert
MitarbeiterKnow-how
Kultur
Netzwerke
Quelle: Hall, R. (1991), S. 42. Für die Untersuchung des Aufbau- und Steuerungsprozesses einer internen Dienstleistungsorganisation spielen insbesondere die intangiblen personenabhängigen Ressourcen eine herausragende Rolle. Die Existenz und die konsequente Pflege dieser Ressourcen kann sogar über die Gestaltung der Leistungstiefe im Unternehmen entscheiden, d. h. ob die Dienstleistung intern hergestellt oder am externen Markt gekauft wird. Um eine, den internen Kundenbedürfnissen zufriedenstellende, Dienstleistung zu erbringen, ist in erster Linie das Know-how der Service-Mitarbeiter besonders relevant. Dieses Knowhow setzt sich zusammen aus Fachwissen und aus unternehmensspezifischem Wissen. Firmenspezifisches Know-how beinhaltet vor allem eine gewisse Vertrautheit mit der Unternehmenskultur, mit den informellen Regeln, den Personen (Netzwerkbeziehungen) und ihren Rollen sowie der Firmengeschichte. Darüber hinaus werden intangible Ressourcen durch
258 Vgl. Hall, R. (1991), S. 42 ff.
152
einen hohen Grad an „Immaterialität“, „Integration des externen Faktors“ und „Interaktivität“ bestimmt:
x Immaterialität Im Gegensatz zu Sachgütern spielen bei Dienstleistungen gemeinsam nutzbare, physische Verbrauchsfaktoren eine untergeordnete Rolle. Zwar besteht im Regelfall eine Dienstleistung aus materiellen und immateriellen Komponenten, allerdings ist die materielle Leistung nur in wenigen Fällen als ausschlaggebend zu bezeichnen. Des Weiteren werden Dienstleistungen unmittelbar durch die Leistungsfähigkeit des Anbieters geprägt. Diese Fähigkeiten sind ihrer Natur nach stets immateriell, d. h. nicht sichtbar, nicht greifbar, unlösbar an den Fähigkeitsträger gebunden und nicht übertragbar.259
x Integration des externen Faktors Auch als Fremdfaktoreigenschaft bezeichnet, äüßert sich dieses Merkmal darin, dass nicht nur Faktoren in die Dienstleistungsproduktion eingehen, die der Dienstleistungsanbieter bereitstellt, sondern auch Faktoren, die der Dienstleistungsempfänger zur Verfügung stellen muss, d. h. zur Dienstleistungserstellung wird die Bereitschaft und Fähigkeit des Abnehmers zur Mitwirkung benötigt. Die vom Dienstleistungsempfänger zu erbringenden Faktoren setzen jedoch eine besondere Ex-ante-Vertrauensbeziehung voraus. Bei einer unternehmensinternen Dienstleistungserstellung geht man allerdings von einer größeren Vertrauensbasis als bei externer Erstellung aus, die den Dienstleistungsempfänger zur aktiven Mitwirkung im Dienstleistungsprozess motiviert.
x Interaktivität Die „Interaktivität“ von Dienstleistungen bedeutet in Abgrenzung zur „Integration des externen Faktors“, dass es nicht genügt, wenn der Dienstleistungsempfänger irgend etwas beiträgt, sondern dass er auf die Anforderungen des Dienstleistungsanbieters eingehen muss, ebenso wie der Dienstleistungsanbieter auf die Situation des Dienstleistungsempfängers. Die Interaktionsintensität von Dienstleistungen hat Auswirkung auf die Steuerung. Je höher die Interaktionsintensität, desto mehr nimmt der Kunde in der Regel Einfluss auf die Dienstleistungserstellung. Ein aktiver Informations- und Kommunikationsaustausch ist bei hoher Interaktionsintensität notwendig, um eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen beiden Parteien zu schaffen. Eine gute Vertrauensbasis ist besonders wichtig, denn die Qualität der Dienstleistung hängt letztendlich von einem gesunden gegenseitigen Informationsaustausch ab. Interaktivität wird
259 Vgl. Meyer, A. (1987), S. 28.
153
stark durch die implizierten Wertvorstellungen und Normen der Interaktionsträger bestimmt. Bei hoher Interaktionsintensität ist die soziale Kompetenz des Humanpotenzials für den Erfolg der Dienstleistungserstellung besonders wichtig.
5.2.3
Kompetenzen und Kernkompetenzen für den Aufbau interner Services
Die bisher beschriebenen Kategorien von Ressourcen sind für sich alleine von geringem strategischem Wert. Sie gewinnen strategischen Wert dadurch, dass sie effektiv und effizient koordiniert und eingesetzt werden.260 Penrose drückt dies folglich aus: „A firm may achieve rents not because it has better resources, but rather the firm’s distinctive competence involves making better use of its resources“.261 Dies belegen auch häufige Beispiele von Unternehmen, die zwar über hervorragend qualifizierte Mitarbeiter oder Technologien mit großem Potenzial verfügen, aber es dennoch nicht schaffen, daraus erfolgreiche Produkte zu generieren. Ressourcen und Fähigkeiten sind die Quellen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Eine Kernkompetenz ist wiederum die dauerhafte und transferierbare Ursache für den Wettbewerbsvorteil einer Unternehmung, die auf Ressourcen und Fähigkeiten basiert. Prahalad und Hamel bezeichnen Kernkompetenzen als „the collective learning in the organization, especially how to coordinate diverse production skills and integrate multiple streams of technology“.262 Mit Hilfe von Kernkompetenzen können Unternehmen von einer eher passiven, anpassungsorientierten Haltung zu einem aktiven, offensiven Gestalten von Geschäften und Märkten gelangen. Nur wenige Unternehmen besitzen Kernkompetenzen. Sie zu erlangen und zu erhalten, stellt höchste Ansprüche an alle Mitarbeiter und vor allem an das Topmanagement. Kernkompetenzen sind die innere Schicht einer bildlich dargestellten „Kompetenzzwiebel“ (siehe Abbildung 5.6).
260 Vgl. Sanchez, R., Heene, A., Thomas, H. (1996), S. 27. 261 Penrose, E. (1959), S. 54. 262 Vgl. Prahalad, C., Hamel, G. (1990), S. 82.
154
Abbildung 5.6: Schichtenmodell der Kompetenzen („Kompetenzzwiebel“)
Vorhandene Ressourcen und Fähigkeiten sind: Branchennachteil
Wettbewerbsfähigkeit
(Kompetenz 1. Ordnung)
Schwach/irrelevant
wettbewerbsfähig
Branchendurchschnitt
kundenrelevant
Wettbewerbsvorteil (Kompetenz 2. Ordnung)
dauerhaft
Kernkompetenz (Kompetenz 3. Ordnung)
transferierbar
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Krüger, W. (2002), S. 191 Die äußere Schicht (Kompetenz 1. Ordnung) erreicht ein Unternehmen, das mit Hilfe vorhandener Ressourcen und Potenziale erfolgreich im Wettbewerb mithalten kann, d. h. wettbewerbsfähig ist und bleibt. Dieses Positionierungsniveau erfordert große unternehmerische Anstrengungen. Die Unternehmungskompetenz entsteht erst durch die erfolgreiche Bewährung im Markt, d. h. durch den effizienten und effektiven Einsatz vorhandener Ressourcen und durch die Kundenanerkennung. Hat sich ein Unternehmen einen dauerhaften Vorsprung mit Hilfe von besonderen Fähigkeiten und Ressourcen gegenüber der Konkurrenz erarbeitet, so liegt dann ein Kompetenzniveau 2. Ordnung vor. Der Begriff „Kernkompetenz“ sollte dagegen nur verwendet werden, wenn eine Unternehmung darüber hinaus in der Lage ist, ihre Ressourcen und Fähigkeiten zum Aufbau neuer Produkte und/oder Märkte einzusetzen. Diese Transferierbarkeit ist das zusätzliche, besondere Merkmal der Kernkompetenzen als Kompetenz 3. Ordnung. Kompetenzen und Kernkompetenzen sind besondere Fähigkeiten, die nicht auf der Ebene des einzelnen Akteurs, sondern auf der Ebene einzelner Unternehmensbereiche (Kompetenzen) bzw. des Gesamtunternehmens (Kernkompetenzen) angesiedelt sind. Sie stellen nicht eine einzelne, isolierte Ressource dar, sondern sind vielmehr als komplexe Ressourcenbündel zu klassifizieren. Es handelt sich hier um kollektive Eigenschaften, die dem Un155
ternehmen als Ganzes oder zumindest wesentlichen Teilbereichen des Unternehmens zugeschrieben werden. Kernkompetenzen werden auch als einzigartige, unternehmensinterne Ressourcenbündel charakterisiert, die einen aus Kundensicht empfundenen Zusatznutzen leisten und für den dauerhaften Erfolg und die Wertschöpfung verantwortlich sind. Kernkompetenzen schlagen sich nieder in Kernprodukten bzw. Kerndienstleistungen. Kernprodukte bzw. -dienstleistungen sind wiederum in mehreren Geschäftsfeldern eines Unternehmens einsetzbar. In den einzelnen Geschäftsfeldern entstehen dann letztendlich die Endprodukte oder Enddienstleistungen. Prahalad und Hamel wählen die Analogie eines Baumes, um Kernkompetenzen als das Fundament der Unternehmensentwicklung darzustellen. Kernkompetenzen sind die Wurzeln der Wettbewerbsfähigkeit, die Kernprodukte der Stamm, die Geschäftsfelder die Äste und die Endprodukte die Blätter und Früchte des Unternehmens.263 Diese Dienstleistungsprozesse anwenden.
Analogie
lässt
sich
auch
auf
interne
Der Abfallentsorgungsprozess der Metro Group Facility Services soll hier als Beispiel für die Darstellung des oben beschriebenen Baumes dienen: Die Kernkompetenzen der Querschnittsgesellschaft sind die „integrierte Entsorgung“ und die „integrierte Vermarktung“ der Abfälle, die in der Metro Group anfallen. Diese Kernkompetenzen sind im Laufe der Jahre aufgebaut worden und stellen das Ergebnis von langwierigen analytischen Organisationsprozessen, Mitarbeiter-Know-how, Machteinfluss des Mutterkonzerns, Entwicklung von automatisierten Warenwirtschaftssystemen, usw. dar. Diese einzigartigen Fähigkeiten bilden ein komplexes Ressourcenbündel, das kaum möglich zu imitieren und zu substituieren ist. Darüber hinaus stiftet der Abfallentsorgungsprozess den MetroVertriebslinien einen wertvollen Zusatznutzen. Sie werden von Nebenaktivitäten vollständig befreit und können sich ihren Kerngeschäften vollständig widmen. Sie haben die ruhige Gewissheit, dass sie einen internen Dienstleister beauftragen, der Kostenaspekte berücksichtigt und gleichzeitig professionell und kundenorientiert arbeitet. Des Weiteren werden die Gewinne aus dem Verkauf von wiederverwertbaren Materialien, wie z. B. Altpapier, den internen Kunden ausgeschüttet. Aus den Kernkompetenzen sind Kerndienstleistungen entstanden, wie z. B. eine kundenorientierte Abwicklung von Abfallentsorgungstätigkeiten, die Minimierung administrativer Prozesse, maximale Verkaufspreise von Recyclingmaterialien und einheitliche sowie transparente Preise. Diese Kerndienstleistungen sind in verschiedenen Geschäftsfeldern der Servicegesellschaft einsetzbar, wie z. B. im Geschäftsfeld Beratung, IT-Systeme, operative Steuerung oder internationale Aktivitäten. Darüber hinaus finden in den einzelnen Geschäftsfeldern die Enddienstleistungen ihren Einsatz, wie z. B. Beratungsaktivität für die Vertriebslinie Real, Einführung eines Warenwirtschaftssystems für Metro oder Einführung des Abfallvorsortierungssystems in Polen für Makro. Abbildung 5.7 stellt diesen Zusammenhang dar:
263 Vgl. Prahalad, C. Hamel, G. (1990), S. 81.
156
Abbildung 5.7: „Kompetenzbaum“ der Metro Group Facility Services
Beratung
Beratung
Einführung
Real
Metro
WWS
Automatisierung Rechnungssystem
...
MFS
MFS
in Polen
in Frankreich
...
Beratung
...
Internationale Aktivitäten
IT-Systeme
Enddienstleistungen
Geschäftsfelder ...
Einheitliche und transparente Preise
Kerndienstleistungen
Minimierung administrativer Prozesse Kundenorientierte Abwicklung
Integrierte Entsorgung
Integrierte Vermarktung
Kernkompetenzen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Prahalad, C., Hamel, G. (1990), S. 81
Als zwei grundlegende Prämissen des ressourcenorientierten Ansatzes gelten die Ressourcenheterogenität und Ressourcenimmobilität. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen ist zu fragen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein interner Dienstleistungsanbieter aus seinen Ressourcen dauerhafte, nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren kann: Hierzu sind zwei Bedingungen unerlässlich: x Die Ressourcen müssen begrenzt verfügbar sein oder in einziger Weise zu Kernkompetenzen kombiniert werden können, damit sie bei ihrer Verwertung am Markt vom Kunden als Zusatznutzen empfunden werden und sich dadurch auf den strategischen Erfolg auswirken. x Die Kernkompetenzen müssen nachhaltig verteidigbar sein. Ein verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteil liegt vor, wenn er weiter besteht trotz der Anstrengungen von Konkurrenten, diesen Wettbewerbsvorteil zu duplizieren (Nicht-Imitierbarkeit und NichtSubstituierbarkeit) und daher die Anstrengung der Konkurrenten mangels Erfolgsaussichten beendet worden sind. Die Verteidigungsfähigkeit der Kernkompetenz kann auch in ihrer Geheimhaltung oder Verborgenheit („Tacitness“) liegen. „Tacit Knowledge“ kann 157
im Gegensatz zu explizitem Wissen nicht niedergeschrieben werden. Der Wettbewerber erkennt die Kernkompetenz nicht und kann diese deshalb nicht imitieren.264 Im Folgenden sollen diese theoriebezogenen Kriterien anhand eines Fallbeispiels genauer beleuchtet und erklärt werden. Der interne Umweltdienstleister der Metro Group wird auch in diesem Fall herangezogen, um die Erfüllung dieser Kriterien zu überprüfen: Die Metro Group Facility Services (MFS) spielt im Abfall- und Entsorgungskreislauf die Rolle eines „Koordinators“. Während die Auftragskompetenz und die Kontrolle in der Servicegesellschaft verbleiben, wird die operative Umsetzung von externen Dritten erbracht. Darüber hinaus nutzt der interne Dienstleister die Marktdominanz des Konzerns, um seine eigenen „Spielregeln“ durchzusetzen. Die vorhandenen Kernkompetenzen „integrierte Entsorgung“ und „integrierte Vermarktung“ setzen sich zusammen aus einem Bündel an Ressourcen, die wirklich einmalig sind. Aus diesem Grund ist diese Ressourcenkonstellation besonders schwer zu imitieren und zu substituieren und somit ein komplexes Erfolgspotenzial. Des Weiteren denken die Metro-Vertriebslinien, überhaupt nicht daran, einen neuen Dienstleistungsanbieter ausfindig zu machen oder die Entsorgungsaktivitäten in eigener Regie zu führen, denn die finanziellen Vorteile durch die Auftragsvergabe an die MFS sind offensichtlich. In den Anfängen des Kernkompetenzansatzes wurden vor allem technische Fähigkeiten auf ihr Entwicklungspotenzial zu Kernkompetenzen hin untersucht. Heutzutage werden weitere, weichere Faktoren bei der Klassifizierung von Kompetenzen berücksichtigt. Reiß und Beck265 unterscheiden zwischen Fach-, Prozess- und Interaktionskompetenz. Fachkompetenzen sind die Fähigkeiten, die in den einzelnen Funktionsbereichen eines Unternehmens verfügbar sind. Prozesskompetenzen dienen zur Beherrschung funktionsübergreifender, operativer Unternehmensprozesse und Interaktionskompetenzen stellen die erfolgsbezogenen Wirkungen sozialer Beziehungsmuster im Unternehmen dar. Alle drei Kompetenzformen sind auch für interne Dienstleistungsanbieter relevant. Allerdings verfügen interne Dienstleister über eine weitere einzigartige Fähigkeit, die sogenannte „Feldkompetenz“. Feldkompetenz266 äußert sich in Form von Vertrautheit mit der Unternehmenskultur, mit den informellen Spielregeln, den Personen und ihren Rollen sowie mit der Firmengeschichte.267 Sie zählt zu den intangiblen Kernkompetenzen und schafft für das Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil, weil diese Fähigkeit nicht auf Märkten gekauft, sondern im Unternehmen selbst erzeugt werden muss. Diese unternehmensspezifische Fähigkeit begründet den Mehrwert interner Dienstleistungen gegenüber extern eingekauften. Sie gibt den entscheidenden Hinweis über die besonderen Potenziale des internen
264 265 266 267
158
Vgl. Ghemawat, P. (1986), S. 55. Vgl. Reis, M., Beck, T. C (1995), S. 38 f. Im Abschnitt 5.2.2 wird die Feldkompetenz als unternehmensspezifisches Wissen definiert. Vgl. Loebbert, M. (2000), S. 53.
Dienstleisters. Der unternehmensinterne Serviceanbieter muss jedoch seine besonderen Kompetenzen identifizieren und gegenüber externen Anbietern als Vorteil nutzen. Im Falle der Metro Group Facility Services ist die Hoheit über die Koordination und die Steuerung der Entsorgungsaktivitäten als unternehmensspezifische Feldkompetenz aufgebaut worden. Die besonderen Fähigkeiten des Umweltdienstleisters liegen deshalb in der vollständigen Kontrolle und Beherrschung des Entsorgungsprozesses im Rahmen der Kreislaufwirtschaft. Er fungiert als koordinierende Schnittstelle und führt deswegen keine operativen Aktivitäten durch, sondern beauftragt externe Marktpartner mit beispielweise dem Transport von Recyclingmaterialien oder der Sortierung von Abfällen. Rein operative Aufgaben repräsentieren keinen Mehrwert für die Servicegesellschaft. Es macht z. B. wenig Sinn, zusätzliche Ressourcen in Lastwägen zu investieren, wenn spezialisierte externe Anbieter existieren, die den Abfalltransport zu günstigeren Preisen und genauso effizient durchführen können. Darüber hinaus lassen sich durch die Aggregation der Transaktionsvolumina aller Metro-Vertriebslinien Größenvorteile realisieren. Somit können noch billigere Transportpreise verhandelt werden.
5.2.4
„Dynamic Capabilities“ und die interne Dienstleistungsorganisation
Der Aufbau- und vor allem der Steuerungsprozess einer neuen Dienstleistungsorganisation bzw. eines Shared Service Centers kann nicht als statisch bezeichnet werden. Nach Ansicht von Teece et al. (1997) müssen Unternehmen über die vorher genannten Kernkompetenzen hinaus die Fähigkeit entwickeln, sich durch permanente Erneuerung, Erweiterung und Rekombination der Ressourcen i. e. S. und Kompetenzen sowie durch einen fortwährenden Lernprozess, an wandelnde Markt- und Umweltbedingungen anzupassen. Um den Erfolg einer neueingeführten Struktur zu garantieren, müssen Strategiekonzepte insbesondere den dynamischen Aspekt berücksichtigen. Teece et al. bezeichnen diese Weiterentwicklung des Kompetenzbegriffs als „Dynamic Capabilites“ und definieren sie als „the firm’s ability to integrate, build, and reconfigurate internal and external competencies to address rapidly changing environments“.268 Weitere wichtige Grundvoraussetzungen für „Dynamic Capabilities“ sind das Vorhandensein von noch nicht ausgeschöpften ressourcenbezogenen und organisatorischen Reserven im Unternehmen und die Fähigkeit des Unternehmens, sie zu mobilisieren, damit dieses den von der Umweltänderung induzierten Anpassungsbedarf erkennen und bewältigen kann.269 Zollo und Winter (2002) sind jedoch der Meinung, dass Unternehmen auch diese Fähigkeiten in weniger dynamischen Umwelten entwickeln und schlagen deshalb folgende alternative Definition vor:
268 Teece, D. J. et al. (1997), S. 516.
159
„A dynamic capability is a learned and stable pattern of collective activity through which the organization systematically generates and modifies its operating routines in pursuit of improved effectiveness“270 Organisatorische Veränderungen schneller und effizienter als die Wettbewerber zu realisieren (Anpassungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit des Unternehmens), führen zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. So betrachtet stehen „Dynamic capabilities“ an der Spitze der folgenden „Ressourcenpyramide“ (siehe Abbildung 5.8). Chandler lokalisiert „Dynamic capabilities“ auf zwei verschiedene Niveaus (strategisch und funktional) und definiert diese als „the collective physical facilities and human skills located in all the main strategic and functional levels of the firm“271 Unter „Strategic capability“ wird die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens verstanden, um sich schneller und effizienter als die Konkurrenz an neuen Technologien anzupassen.
Abbildung 5.8: Ressourcenkategorien
Dynamic Capabilities
Kernkompetenzen
Kompetenzen
Kompetenzen
Ressourcen i. e. S. Physisches Kapital Humankapital Managementteam Organisationales Kapital
Technologie Finanzielle Ressourcen Reputation Unternehmenskultur
Quelle: Burr, W. et al. (2005), S. 19.
269 Sogenannte “Slack Resources und Organizational Slack”. 270 Zollo, M., Winter, S. G. (2002), S. 340. 271 Chandler, A. D. (1990).
160
Das strategische Management ist für die Steuerung des Ressourcenallokationsprozesses und für die Implementierung von langfristig orientierten Strategieplänen verantwortlich, um dynamische Fähigkeiten zu erneuern, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Im Gegensatz dazu werden „Functional capabilities“ benötigt, um generische und eher repetitive Aktivitäten, wie z. B. Finanzen, Logistik, Marketing, IT oder Human Ressourcen koordiniert zu entwickeln, um somit potenzielle Synergien und Kosteneinsparungen sinnvoll nutzen zu können.272 Für den Aufbau und die Steuerung von internen Services stehen vor allem „Functional capabilities“ im Vordergrund. Die strategische Entscheidung, ein Shared Service Center einzuführen, ist beispielsweise ein wichtiger Schritt für die Entwicklung von diesen operativen Fähigkeiten. Der koordinierte Bündelungsprozess von Supportaktivitäten erbringt zahlreiche ökonomische Vorteile für das gesamte Unternehmen und führt zu einer Aufgabenentlastung der strategischen Geschäftseinheiten. Der positive Wertbeitrag einer effizient organisierten Supportorganisation wird jedoch häufig unterschätzt bzw. übersehen. Das Unternehmen konzentriert den größten Teil seiner Ressourcen auf die Entwicklung von direkt profitbringenden Strategiefeldern und vernachlässigt unterstützende Service-Aktivitäten, deren Wertbeitrag vorwiegend nur indirekt bemessen werden kann. Darüber hinaus mangelt es dem internen Dienstleister meistens an einer zukunftsorientierten Entwicklungsperspektive. Die Entwicklungsmöglichkeiten eines intern ausgerichteten Shared Service Centers sind beispielsweise sehr begrenzt, wenn nur der Konzern und die strategischen Geschäftseinheiten als Kunden in Frage kommen. Ein marktorientiertes Angebot lässt sich nur schwer erbringen, da der interne Dienstleister nicht konkurrenzfähig ist. Die protektionistische Umgebung schützt ihn zunächst vor externer Konkurrenz, bremst ihn aber gleichzeitig vor neuen Entfaltungsmöglichkeiten. Kosteneinsparungen und Skaleneffekte zu realisieren, sind unter dieser Konstellation längerfristig nicht möglich. Somit darf dieser organisatorische Zustand nur temporärer Natur sein. Um sich als wertschöpfungsorientierte Einheit im Unternehmen zu behaupten, muss das Shared Service Center ein sogenanntes „Grow up“-Process durchlaufen. Der interne Dienstleister muss „reif“ werden und sich als eine marktorientierte und eigenverantwortliche Organisationseinheit entfalten.273 Für eine effiziente und schnelle Gestaltung von wettbewerbsorientierten Supporteinheiten benötigt das Unternehmen eine grundlegende Ressourcenbasis und insbesondere „Functio272 David und Hobday (2005) erweitern Chandlers Sichtweise und fügen sogenannte „Project Capabilities“ als zusätzliche Gruppe von „Dynamic Capabilities“ hinzu. Im Rahmen dieser Arbeit werden „Project Capabilities“ im Kapitel 6 als notwendige organisatorische Fähigkeiten zum Aufbau von Shared Service Centern thematisiert
161
nal Capabilities“, welche den Modifikations- und Anpassungsprozess der organisatorischen Routinen unterstützen. Unter „Functional Capabilities“ fallen hier organisatorische Aktivitäten, wie z. B. die Gestaltung eines marktorientierten Preissystems, die Einführung von Anreizsystemen, den Aufbau eines externen Kundenstamms oder die Suche nach externen ServiceProvidern.
5.2.5
Strategische Implikationen
Mit Hilfe des ressourcenorientierten Ansatzes wird verdeutlicht, welche Arten von Ressourcen bei internen Dienstleistungen von Bedeutung sind, wie Ressourcenbündel zu Kernkompetenzen entwickelt werden können, und welche Anforderungen schließlich an Ressourcen zu stellen sind, damit der Dienstleistungsanbieter eine nachhaltig verteidigungsfähige Wettbewerbsposition im Unternehmen einnehmen kann. Eine korrekte Identifikation der eigenen Kernkompetenzen hilft dem internen Dienstleister vor allem bei der Entscheidung über die Leistungstiefengestaltung. Ausschließlich für das gesamte Unternehmen wertgenerierende strategische Aktivitäten sollten intern beibehalten werden. Rein operative Tätigkeiten können auch von professionellen externen Anbietern durchgeführt werden. Allerdings muss die Supporteinheit die Kontrolle der ausgelagerten Aktivitäten beibehalten, um den Faktor Dienstleistungsqualität nicht zu vernachlässigen. Die Supporteinheit sollte als die koordinierende Schnittstelle im organisatorischen Prozess fungieren und immer die Gesamtkontrolle wahren. Bei internen Dienstleistungseinheiten bilden vor allem die „unique skills“ der Mitarbeiter die erfolgsgenerierende Ressource bzw. Kompetenz („Functional Capabilities“). Der Aufbau von Humankapital – das kollektive Know-how der Mitarbeiter – stellt daher einen zentralen Erfolgsfaktor dar, und macht diesen, zusammen mit deren Akkumulation und Erhaltung, zur wichtigsten Aufgabe des Managements. Der Aufbau von Know-how ist jedoch eine langfristig orientierte Angelegenheit, deren Beschaffung (intern oder extern) ständig berücksichtigt werden sollte. Die aufgebauten und kombinierten Ressourcen und Potenziale entfalten jedoch nur dann ihren vollen Wert, wenn sie dem internen Dienstleister auch langfristig erhalten bleiben. Dies kann zum einen durch Reinvestition geschehen, durch welche die internen Potenziale veränderten Marktbedingungen angepasst werden können. Beispielsweise muss die Metro Group Facility Services konsequent ihre Beratungsleistungen auf neueste Umweltgesetze und ökonomische Rahmenbedingungen umstellen (z. B. durch Schulungen). Den zweiten werterhaltenden Faktor bildet ein personenorientiertes internes Marketing. Dieses umfasst ein vielfältiges Instrumentarium für die Gestaltung der personalbezogenen Austauschbeziehungen zu absatzmarktorientierten Zwecken. Durch entsprechende Ausformung von Arbeitsbedingungen, Arbeitsprozessen, Informations- und Anreizsystemen soll einem Ressour-
273 Siehe Abbildung 2.3.
162
cenabfluss in Form von Abwanderung hochqualifizierter Mitarbeiter vorgebeugt werden. Anreizsysteme bei internen Dienstleistern sind so zu gestalten, dass für Mitarbeiter auch eine Tätigkeit in einer supportorientierten Einheit (und nicht nur in den strategisch orientierten Einheiten) als attraktiv erscheint. Deswegen sollten diese Anreizsysteme nicht nur monetäre Aspekte, sondern vor allem interessante Karriereperspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Beispielsweise hat die Metro Group Facility Services durch die professionelle Durchführung der Umweltaktivitäten eine höhere Beachtung im Unternehmensportfolio erreichen können. Der Konzern hat erkannt, dass die Querschnittsgesellschaft mit ihren einzigartigen Potenzialen tatsächlich einen zusätzlichen Wertbeitrag für das gesamte Unternehmen generiert. Durch die Integration des internen Dienstleisters in der Metro Group Asset Management sind darüber hinaus der ursprünglich eher unbedeutenden Serviceeinheit neue Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt worden, die sie insbesondere als potenzieller Arbeitgeber stark aufwerten. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass sich der ressourcenorientierte bzw. der kompetenzorientierte Ansatz für die Entscheidung über die Gestaltung und über die Steuerung der internen Dienstleistungsorganisation prinzipiell anwenden lässt. Die Spezifika von Dienstleistungen, insbesondere die Bedeutung nicht-tangibler Leistungspotenziale, macht interne Dienstleistungsorganisationen für ressourcenorientierte Forschungsansätze interessant. Jedoch ist für das Verständnis der Theorieübertragung ein Perspektivenwechsel notwendig. Es geht hier darum, die Kernkompetenzen bzw. die dynamischen Fähigkeiten („Functional Capabilities“) des internen Dienstleisters (und nicht die der profitorientierten strategischen Geschäftseinheiten) zu identifizieren und zu nutzen, um unterstützende Aktivitäten im Unternehmen wertorientiert aufzubauen und zu lenken.
163
5.3
Die Wertorientierte Theorie als Erklärungsansatz für die Steuerung interner Dienstleistungen
5.3.1
Hintergrund und Erkenntnisziel
In den 70er und 80er Jahren wurde, vor allem auf Initiative führender Unternehmensberatungen, eine an den Wettbewerbsvorteilen ausgerichtete Strategieentwicklung als vorteilhaft angesehen. Im Mittelpunkt standen die Geschäftsbereiche und deren Möglichkeiten zur Gewinnung von Marktanteilen. Die Produkt-Markt-Matrix274, die Erfahrungskurve275, das Konzept der Strategischen Geschäftseinheiten276 sind Beispiele dieser in der Unternehmenspraxis weit verbreiteten, an der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen orientierten strategischen Konzepte. Das in Unterkapitel 5.2 dargestellte Konzept der Kernkompetenzen rückt jedoch die Fähigkeiten des gesamten Unternehmens in den Mittelpunkt der Betrachtung. Sämtliche interne und externe Potenziale, die in den primären und unterstützenden Aktivitäten der Wertkette des Unternehmens angesiedelt sind, sollen ausgeschöpft und multipliziert werden. Diese erste Orientierung am Unternehmenswert ist auch auf veränderte Rahmenbedingungen zurückzuführen, die in vielen Fällen die Unternehmensführung zu einem Umdenken in ihrer Strategieformulierung bewegt. Die wachsende Komplexität, die schnelle Entwicklung von Technologien, aber auch die wirtschaftlichen Veränderungen sind nur einige wenige Gründe, die im Rahmen der Unternehmensführung seit Anfang der 90er Jahre zu einem stärkeren Aufgreifen des Integrations- und Wertgedankens geführt haben. Mit dem Begriff „wertorientierte Unternehmensführung“ ist der Grundgedanke einer konsequenten Ausrichtung der Unternehmensführung an den vorhandenen oder noch zu schaffenden Werten bzw. Nutzenpotenzialen eines Unternehmens verbunden. Die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes steht im Vordergrund.277 Langfristige Wertschaffung beruht auf rentablem Wachstum. Ein Unternehmen wird nur dann in Projekte und Akquisitionen investieren, wenn es das dabei eingesetzte Kapital zu Marktpreisen verzinsen und den Wiederbeschaffungswert innerhalb des üblichen Zeitrahmens erwirtschaften kann, denn das ist die betriebswirtschaftliche Mindestanforderung an die Rentabilität. Sie zu übertreffen heißt zusätzlichen Wert zu schaffen, sie zu unterschreiten bedeutet Wert zu vernichten, also zehren von der in früheren Jahren aufgebauten Substanz. Die Zukunftsaussichten eines Unternehmens hängen also von der Steigerung des Unternehmenswertes ab.278
274 275 276 277 278
164
Vgl. Ansoff, I. (1965). Vgl. Henderson, B. D. (1974). Vgl. Gälweiler, A. (1979), S. 252 ff. Vgl. Bruhn, M. (1998), S. 148. Hermann, H. - E., Xhonneux, P., Groth, S. (1999), S. 399.
Neue Investitionen in Sachanlagen und Märkte müssen jedoch über Eigen- und Fremdkapital, d. h. Geld vom Kapitalmarkt finanziert werden. Sowohl Fremd- als auch Eigenkapital haben hierbei Anspruch auf eine angemessene Verzinsung. Investoren, die ihr Geld zur Verfügung stellen, erwarten, dass das Unternehmen mit Dividendenzahlungen und Kursentwicklungen mehr für sie erwirtschaftet als andere. Erbringt das Unternehmen diese Leistung nicht, so muss es damit rechnen, dass ihm das Vertrauen entzogen wird. Aus diesem Grund umfasst das Wertmanagement die zielgerichtete, aktive und systematische Beeinflussung des Eigentümerwertes („Shareholder Value“) eines Unternehmens. Ziel ist es, über die nachhaltige Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, Renditen des investierten Kapitals zu erzielen, die über der durchschnittlichen Marktrendite von Anlagemöglichkeiten mit vergleichbaren Risiken liegen. In Großkonzernen werden häufig große Teile des Grundkapitals von Investmentgesellschaften, Banken und anderen Großinvestoren gehalten. Sie sind dadurch in der Lage, Druck auf ein Unternehmen auszuüben. Aus diesem Grund werden im wertorientierten Ansatz die Anforderungen des Kapitalmarktes bei der Festsetzung von Unternehmenszielen berücksichtigt. Eine Verbindung von Kapitalmarktinteressen und Unternehmensinteressen wird angestrebt. Eine positive Entwicklung des Unternehmenswertes, die in einer entsprechenden Bewertung der Aktien ihren Niederschlag findet, ist aber nicht nur für die Anleger wichtig. Ein fair bewerteter Aktienkurs verschafft dem Unternehmen günstige Finanzierungskonditionen. Er schützt das Unternehmen weiterhin vor sogenannten feindlichen Übernahmen und sorgt dafür, dass das Unternehmen fähig ist, eine aktive Akquisition von Beteiligungen zu betreiben, die häufig über sogenannten Aktientausch realisiert werden. Je höher dabei der Wert des „Zahlungsmittels eigene Aktie“ ist, desto leichter werden dadurch die Akquisitionen.279 Die Steigerung des Unternehmenswertes ist jedoch nicht nur auf die „Shareholders“ zurückzuführen. Weitere Anspruchsgruppen (Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner, gesellschaftliche Interessengruppen), sogenannte „Stakeholders“ werden explizit bei Unternehmensentscheidungen berücksichtigt.280 Ein Unternehmen konfiguriert sich demnach in einem Netzwerk von Stakeholders, zu denen prinzipiell alle Gruppen oder Individuen gehören, die Einfluss auf die Unternehmensziele ausüben können und deren eigene Ziele und Werte durch das Unternehmen berührt werden.281 Im Vorfeld der Strategieentwicklung sollte die Unternehmensführung die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf sämtliche Anspruchsgruppen hin überprüfen. Nur wen das Unternehmen die Nutzenerwartungen der einzelnen Anspruchsgruppen erfüllen kann, wird es insgesamt seinen Wert steigern können. So sind Strategien, die auf den Widerstand von Umweltschutzverbänden stoßen, durch ihre Auswirkungen z. B. auf das Unternehmensimage hin zu beurteilen. Aus diesem Grund sind auch den Nebenaktivitäten des Konzerns, wie z. B. Umweltdienstleistungen, eine besondere Beachtung zu schenken. Eine richtige oder eine falsche Durchführung von unterstützenden Pro-
279 Vgl. o. V. (1999b), S.6 f. 280 Für eine ausführliche Darstellung des Stakeholder-Value-Ansatzes vgl. Gomez, P. (1993). 281 Vgl. Beer, M. (1998), S. 92 f.
165
zessen kann auch den Wert eines Unternehmens beeinflussen. Dies wurde z. B. am Fallbeispiel Metro Group Facility Services im Unterkapitel 4.3 aufgezeigt. Für diese weiteren Anspruchsgruppen müssen nun in Kenntnis der einzelnen Nutzenfunktionen Wertgeneratoren bestimmt werden, welche die gruppenspezifische Zielerreichung für die Unternehmensleitung handhabbar machen. Die Kriterien, an denen die Wertschaffung beurteilt und gemessen werden kann, sind jedoch so unterschiedlich wie die Anspruchsgruppen und ihre Interessen. Die Festlegung von Wertgeneratoren ist somit höchst kompliziert, denn diese ist situativ und durch die subjektive Auswahl und Gewichtung der jeweiligen Gruppen zu bestimmen. So erhöhen die Inhomogenität einer Anspruchsgruppe sowie Personen, die mehreren Anspruchsgruppen gleichzeitig angehören, die Schwierigkeit einer eindeutigen Ermittlung der Einzelnutzen. Des Weiteren ist das Stakeholder-Gefüge zudem nicht statisch. Ständig und gerade als Reaktion unternehmensbezogener Ereignisse finden Interessenverlagerungen innerhalb und zwischen den einzelnen Stakeholdergruppen statt.282 Durch die genannten Problembereiche wird die Möglichkeit, Handlungsanweisungen an die Unternehmensführung nach dem Stakeholder-Ansatz zu entwickeln, begrenzt, denn die Quantifizierung dieser Interessen und die Ableitung eines Beurteilungsmaßstabes für Strategien stehen noch in der Anfangsphase der Entwicklung. Als Grundvoraussetzung für die Berücksichtigung der Stakeholder-Ziele kann in einer marktwirtschaftlichen Ordnung allerdings die Erwirtschaftung von Gewinn bzw. positivem Cash-flow gesehen werden. Rappaport betont deshalb, dass das nachhaltige Überleben eines Unternehmens von den finanziellen Beziehungen zu den Anspruchsgruppen abhängt.283 Gelingt es dem Unternehmen nicht, die finanziellen Ansprüche seiner Anspruchsgruppen zu befriedigen, so werden diese ihre Unterstützung entziehen. Letztendlich stellt dann der Shareholder-Value die Grundvoraussetzung für die Befriedigung von Ansprüchen der Stakeholder des Unternehmens (z. B. Arbeitsplatzbeschaffung oder Arbeitsplatzsicherheit für die Arbeitnehmer). Nur diejenigen Unternehmen, die ihre Aktivitäten auf die Schaffung von Werten ausrichten, können in Zukunft strategische Wettbewerbsvorteile erzielen und nützen. Die konsequente Wertorientierung ist also Überlebensvoraussetzung eines Unternehmens in einer sich diskontinuierlich entwickelnden Umwelt. Das Konzept der wertorientierten Unternehmensführung verbindet die strategische und finanzielle Ebene des Unternehmens und hilft, die wertschöpfenden Fähigkeiten in der gesamten Unternehmenswertkette zu identifizieren. Im Vordergrund steht somit die Frage, welche Strategien geeignet sind, den Wert eines Unternehmens langfristig zu erhöhen. Im Rahmen dieser Arbeit gilt es zu überprüfen, ob es sich beim wertorientierten Ansatz um eine Theorie handelt, mit der interne Dienstleistungsanbieter gesteuert werden bzw. sich selber steuern können.
282 Vgl. ebenda, S. 94. 283 Vgl. Rappaport, A. (1994), S. 13.
166
5.3.2
Problematik bei der Messung des Wertbeitrags interner Dienstleitungen
Der Kerngedanke der wertorientierten Unternehmensführung ist die Generierung von bestimmten Mindestrenditen in jedem Unternehmensteil. Wenn sich das Gesamtunternehmen der Wertorientierung verpflichtet hat, muss sich auch der interne Dienstleistungsanbieter diesen Anforderungen stellen. Das bedeutet, interne Dienstleistungseinheiten sind auch an ihrem, für das gesamte Unternehmen, positiv erwirtschafteten Wertbeitrag zu messen. Der wertorientierte Ansatz ist insofern für die Entwicklung von verschiedenen Gestaltungsalternativen für interne Dienstleistungen von Bedeutung, als er der Einbindung interner Dienstleistungen in das Gesamtunternehmen Rechnung trägt. Die internen Serviceeinheiten müssen ihre Existenzberechtigung im Konzern unter Beweis stellen, in dem sie demonstrieren, dass sie auch „wertschöpfend“ arbeiten können. Problematisch bei der Messung des Wertschöpfungsbeitrags interner Dienstleistungen ist die Tatsache, das diese häufig keinen messbaren Gewinn am externen Markt erwirtschaften, denn sie sind vorwiegend indirekt produktiv. Bei den als Cost Center geführten Shared Service Centern werden für die erbrachten Leistungen Kosten verrechnet und das eingesetzte Kapital entsprechend Kostenfluss an die Geschäftsbereiche durchgereicht. Die reine Kostenverrechnung erlaubt den Servicebereichen keinen Ausweis ihres Wertbeitrages. Viele Unternehmen lösen diese Problematik momentan dadurch, dass sie ihre, noch nicht marktorienterten, internen Dienstleistungsbereiche sofort zu Profit Center umformen oder die Leistungen extern auslagern.284 Diese zwei organisatorischen Lösungen sind häufig das Resultat von vorschnellen Entscheidungen, die sich aus dem ausgeübten Druck von unzufriedenen strategischen Geschäftsbereichen ergeben.
5.3.3
Strategische Schritte zur wertorientierten Steuerung interner Dienstleistungen
Zur Messung des Wertbeitrags von internen Dienstleistungseinheiten ist die Entwicklung eines Steuerungssystems notwendig, das folgende relevante strategische Bausteine beinhaltet: Festlegung eines wertorientierten Geschäftskonzepts und einer strategischen Stoßrichtung, Analyse von Werttreiber bzw. Wertgeneratoren sowie Einführung von wertorientierten Steuerungsinstrumenten.
5.3.3.1 Wertorientiertes Geschäftskonzept Eine wertorientierte Unternehmensführung bedeutet die Einbindung des Wertes eines Unternehmens in die Zielsetzung des Managements. Dieses Ziel wird mittels eines wertorientierten Geschäftskonzepts umgesetzt. Ein wertorientiertes Geschäftsmodell beinhaltet insbesondere die Formulierung einer Zukunftsvision und einer Strategie. Das primäre Unternehmensziel ist auf die Schaffung von Werten gerichtet. Dabei gilt es zunächst wertschaffende
284 Vgl. Hermann, H. - E., Xhonneux, P., Groth, S. (1999), S.404.
167
und wertvernichtende Aktivitäten zu identifizieren und voneinander klar abzugrenzen. Wertvernichtende Aktivitäten sind folglich zu eliminieren. Zudem umfasst das strategische Konzept Methoden und Instrumente, welche die Entwicklung des Unternehmens transparent machen und das Unternehmen in den Strukturen und mit den Zahlen abbilden, die bei Fragen und Entscheidungen hinsichtlich des Unternehmenswertes relevant sind.285 Das Unternehmen wird als Wertschöpfungssystem verstanden. Ein solches System ist vernetzt und die einzelnen Teilelemente beeinflussen sich gegenseitig. Aus diesem Grund ist das Geschäftskonzept sowohl auf der Ebene der Konzernleitung, als auch auf der Ebene der einzelnen organisatorischen Einheiten, zu implementieren und abzustimmen. Interne Dienstleistungen sollen deshalb auch über ein wertorientiertes Geschäftsmodell verfügen und über dieses an das gesamtunternehmerische Zielsystem angebunden werden. Das Geschäftskonzept des internen Dienstleisters muss sich an dem gesamtunternehmerischen Geschäftskonzept orientieren, denn nur so ist eine kongruente und abgestimmte Steuerung interner Serviceeinheiten möglich. Das wertorientierte Geschäftskonzept legt den Rahmen für die Strategien fest. Die unternehmerische Vision muss in einem überschaubaren Zeitraum erreichbar sein, die persönliche Überzeugung der Unternehmensführung widerspiegeln, auf eine nachhaltige Änderung des bestehenden Unternehmenszustandes abzielen und zeigen, wohin die Entwicklung des Unternehmens gehen soll.286 Für einen internen Dienstleistungsanbieter bedeutet dies, sich grundsätzliche Gedanken über seine Position und über seine zukünftigen Aufgabenfelder im Unternehmen zu machen. Um die Prinzipien einer wertorientierten Unternehmensführung zu verwirklichen ist die Definition der strategischen Stoßrichtung in ihren organisatorischen und teilweise operativen Grundsätzen notwendig. Die Entwicklung von organisatorischen „Guidelines“ sollte bei der Konkretisierung strategischer Schritte behilflich sein. Aufgabe der Strategien der wertorientierten Unternehmensführung ist es, die Erschließung von Nutzenpotenzialen zu ermöglichen, damit der Gesamtnutzen des Unternehmens sowie seiner Anspruchsgruppen maßgeblich gesteigert werden kann.287 Strategisch führen heißt, unternehmerische Erfolgsfaktoren und Wettbewerbsvorteile umfassend zu erkennen und in Maßnahmen zur Steigerung des Unternehmenswertes umzusetzen. Die Strategien zur Ausschöpfung von Wertsteigerungspotenzialen beinhalten dann auch oft eine oder mehrere der folgenden Aktionen: Strategische Neuausrichtung der Kerngeschäfte, Reduzierung der Wertschöpfungstiefe und Ausschöpfen der Nutzenpotenziale. Eine ausformulierte und klar kommunizierte Strategie, die den Anforderungen der Umwelt und des Unternehmens Rechnung trägt, ist die Voraussetzung für weitere Schritte der wertorientierten Unternehmensführung.
285 Vgl. Michel, U. (1999), S. 372. 286 Vgl. Seidenschwarz, W. (1999), S.256. 287 Vgl. Bruhn, M. (1998), S. 148.
168
Am Beispiel der Bayer-Fallstudie wurde aufgezeigt, wie die strategische Neuausrichtung des Unternehmens als Management Holding eine entscheidende Rolle bei dem Aufbau der Bayer Business Services spielt. Die Neuordnung des Konzerns unter dem Stichwort „The New Bayer“ spiegelt die wertorientierte Führungsphilosophie der Unternehmensleitung wider. Durch die Bündelung der internen Serviceaktivitäten in drei Shared Service Center sollen die Teilkonzerne von Nicht-Kernaktivitäten entlastet werden. Aus diesem Grund ist der Umbauprozess auf strategischer Geschäftsebene mit der Neustrukturierung auf Supportebene inhaltlich und operativ abzustimmen. Darüber hinaus sind die neuen Servicegesellschaften auch wertorientiert zu führen, um ihre Aktivitäten, vom Anfang an, auf die Maximierung des Nutzensniveaus der internen Kunden auszurichten. Die Konzeption eines Geschäftsmodells folgt der Identifizierung und Analyse von Werttreibern bzw. Wertgeneratoren.
5.3.3.2 Identifikation und Analyse von Werttreibern Eine durchgängig wertorientierte Unternehmensführung macht es in jedem Fall erforderlich, eine Brücke zwischen den Konzernsteuerungsgrößen und den auf den nachgelagerten Ebenen angewandten Steuerungsgrößen zu schlagen.288 Sie ermöglichen es internen Dienstleistungsanbietern, ihre Strategie mittels Werttreibern an die Strategie des Gesamtunternehmens anzubinden. Werttreiber sind die jeweiligen individuellen Stellhebel zur Steigerung des Unternehmenswertes. Sie sind quantifizierbare Messgrößen und geben Auskunft darüber, inwieweit die Strategie zum Erreichen der strategischen Zielsetzung durch die kritischen Erfolgsfaktoren unterstützt wird. Beispiele für Werttreiber interner Dienstleister sind z. B. der internen Zufriedenheitsindex oder Reklamationsquoten. Die Analyse von Werttreibern hat die Bewertung von Strategien, die Aufdeckung von Wertlücken, den Anstoß wertsteigender Programme und Problemlösungen und die Identifizierung der operativen Werttreiber zum Ziel. Im Vordergrund steht somit die Frage, welche Strategien geeignet sind, den Wert eines Unternehmens für die Anteilseigner langfristig zu erhöhen. „Wert“ wird auch definiert als der Maßstab zur Bedürfnisbefriedigung der Anspruchsgruppen. Es ergibt sich aus dem Nutzen, den ein Subjekt aus ihm zieht. Je weiter das Anspruchsniveau des Stakeholders, in diesem Fall des internen Kunden, erreicht oder übertroffen wird, desto höher wird der Preis sein, den er dafür zu zahlen bereit ist. Je höher der Preis, desto höher der Stakeholder Value. Der Stakeholder Value-Ansatz dient sowohl der Unternehmensleitung als auch den Anspruchsgruppen für Zwecke der Unternehmensbewertung und Erkennung von organisatorischen und strategischen Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
288 Vgl. Donlon, J., Weber, A. (1999), S. 384.
169
Die Erfolge wertorientierter Unternehmensführung ergeben sich aus dem Vorhandensein von Potenzialen bzw. Werttreibern, dem Aufspüren bzw. Identifizieren neuer, bisher nicht vorhandener Potenziale, der Entwicklung eigener Strategien, die diese Potenziale ansteuert sowie dem Talent und der Kraft, eine solche Strategie erfolgreich umzusetzen. Wertorientierte Unternehmensführung ist nur dann langfristig erfolgreich, wenn es entsprechende Anreize zur Wertschaffung für die Anspruchsgruppen gibt.289 Zur Identifikation der Werttreiber wird häufig das Instrument des Werttreiberbaums angewandt. Abbildung 5.9 stellt beispielhaft einen Werttreiberbaum aus einem Shared Service Center im Personalbereich dar. Hierbei geht es darum die zwei Wertschöpfungsziele Effizienz und Effektivität mit Hilfe von sogenannten „Key Performance Indicators (KPI)“ messbar zu machen. Auf diese Weise lässt sich der Wert der Dienstleistung quantitativ bestimmen. Die Kennzahlen sind regelmäßig zu überprüfen.
Abbildung 5.9: Werttreiberbaum eines Shared Service Centers im Personalbereich
Wertbeitrag
Effizienz
Prozesskosten
Produktivität
Beratung
Betreuungskosten
Sachbearbeitung
Prozesskosten
Beratung
Lösungsgeschwindigkeit Betreuungsquote
Kontakthäufigkeit
Erreichbarkeit
(Voll-)Kosten der Direktberatung/ betreute Mitarbeiter (Voll-)Kosten der Sachbearbeitung/Auftrag
Anteil der, innerhalb 24 Std. abgeschlossenen Kontakte Anteil betreuter Mitarbeiter/Direktberater Kontaktanzahl HRdirekt/ Anzahl betreuter Mitarbeiter
Direkte Annahmerate Abbruchrate (Anteil verlorener Anrufe)
Effektivität
Beeinflussung der Attraktivität des Unternehmens
Beeinflussung der Attraktivität des Unternehmens nach Innen
Zufriedenheit der Mitarbeiter als Kunden
Zufriedenheitsindex
Beispielsweise wird die Effizienz bzw. das Produktivitätsniveau der Aktivität „Beratung“ anhand der KPIs „Lösungsgeschwindigkeit einer Anfrage“ und der „Erreichbarkeit des Beraters“ gemessen. Die „Lösungsgeschwindigkeit“ wird durch den Anteil der innerhalb 24 Stunden
289 Vgl. Hermann, H. -E. (2000), S. 82.
170
abgeschlossenen Kontakte festgestellt. Der KPI gibt Auskunft über die Geschwindigkeit der Problemlösung, d. h. der Beantwortung von Anfragen und Erledigung von Aufträgen. Ferner informiert die Kennzahl darüber, ob und gegebenenfalls in welchen Arbeitsgebieten die Notwendigkeit zur Prozessverbesserung und weiteren Qualifikation der Direktberater vorliegt. Außerdem hat die Lösungsgeschwindigkeit einen direkten Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter und somit indirekt auf die Leistungsbereitschaft der betreuten Mitarbeiter. Die „Erreichbarkeit des Beraters“ wird anhand der direkten Annahmerate (Anteil der angenommenen Anrufe innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums) sowie der Abbruchrate (Anteil der verlorenen Anrufe) gemessen. Dieser KPI gibt Hinweise auf die Inanspruchnahme von Personalleistungen. Diese Hinweise sind zugleich wichtig für die Ressourcenplanung, Bereitstellung der Kontaktkanäle und Festlegung der zeitlichen Verfügbarkeit. Nach der Identifikation der Werttreiber geht es darum, mit ihnen zu steuern. Die bloße Kenntnis derjenigen Größen, die für den Unternehmenswert wesentlich sind, reicht nicht aus. Sie müssen vielmehr in den Führungs- und Steuerungsprozess integriert werden, damit jeder Mitarbeiter seinen Beitrag zur Unternehmenswertsteigerung leisten kann.
5.3.3.3 Wertorientierte Steuerungsinstrumente Die wertorientierte Steuerung interner Serviceeinheiten soll durch bestimmte Regelungen bzw. Instrumente erfolgen, die eine transparente, qualitativ optimale und auf die Kundenanforderungen ausgerichtete Leistungserbringung garantieren. Dabei kommen eine Reihe von Steuerungsinstrumenten zum Einsatz, um die Qualität und die Effizienz der erbrachten Dienstleistungen laufend verfolgen, kontrollieren und, bei Bedarf, anpassen zu können. In der Praxis werden nachfolgend beschriebene Instrumente häufig zur Lenkung interner Dienstleistungen eingesetzt.
x
Verrechnungspreissystem
Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Verrechnungspreisen unterscheiden: Markt- und kostenorientierte Verrechnungspreise. Im Folgenden sollen diese zwei Ansätze kurz diskutiert werden, vor allem auf ihre Eignung zur Messung des Wertschöpfungsbeitrags interner Dienstleistungen. Marktorientierte Verrechnungspreise „[...]entsprechen am ehesten dem Leitbild von dezentralen, autonomen Entscheidungseinheiten, die ihre internen Leistungen zu Marktbedingungen abwickeln.“290
290 Kreuter, A. (1999), S. 35.
171
Für ihren Einsatz muss allerdings ein vollkommener Markt existieren, der einen Vergleich zwischen den verschiedenen Leistungen und eine Substituierbarkeit zwischen internen und externen Leistungen erlaubt. Außerdem sollte keine Abnahmepflicht bzw. kein Kontrahierungszwang für die internen Kunden bestehen. Durch die Autonomie der Bereiche und die Kontrollmöglichkeit der eigenen Erfolge, sowie die geringe Manipulierbarkeit und hohe Objektivität erreicht der Marktpreis als Verrechnungsbasis eine hohe Akzeptanz der beteiligten Partner. Meissner erwähnt, „[...] dass Marktpreise als Verrechnungspreise der Koordinations- und Lenkungsfunktion und der Erfolgsermittlungs- und Motivationsfunktion vollständig entsprechen“.291 Kostenorientierte Verrechnungspreise finden bei internen Dienstleistungen Anwendung, die keinen Marktwert haben oder deren Leistung sich nicht am Markt quantifizieren lässt. Die wertmäßigen Kosten stellen die Basis für dieses Verrechnungspreissystem. Diese Variante wird in der Praxis oft favorisiert, da eine einfache Bestimmung durch das Rechnungswesen gegeben ist. Die Spannbreite von kostenorientierten Verrechnungspreismodalitäten reicht von variablen Kosten als Minimum bis zu Vollkosten plus Gewinnaufschlag. Hierbei stellt sich die Frage der Verwendung von Ist- oder Plankosten bei der Bestimmung der Verrechnungspreise. Werden die Ist-Kosten zu Grunde gelegt, ist für eine vollkommene Deckung der Kosten gesorgt. Allerdings können die Preise erst im nachhinein festgelegt werden. Da der Abnehmer die Preise erst später erfährt, kann er seine Abnahmemenge nur durch Schätzungen planen, was wiederum die Koordinationsfunktion in Frage stellt. Auch der Anreiz zur Kostensenkung wird hier nicht gegeben. Werden jedoch Plankosten verwendet, besteht zumindest der Anreiz, nicht von diesen abzuweichen.292 Kostenorientierte Verrechnungspreise lassen sich beispielsweise auf der Basis von Grenzkosten, von Opportunitätskosten oder von Vollkosten berechnen. Darauf wird jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen. Die Preisgestaltung ist eine der wichtigen, aber zugleich besonders schwierigen Regelungen bei der Einführung von internen Dienstleistungen. Diese sollte vor allem einfach und transparent gestaltet werden, damit jedem internen Kunden klar wird, welcher Preis für welche Leistung zu zahlen ist. Die unterschiedlichen Preismodelle lassen sich auf die alternativen organisatorischen Typen interner Dienstleistungen mehr oder weniger gut anwenden. Darüber hinaus bestimmt das organisatorische Entwicklungsstadium der internen Dienstleistung häufig die Art des geeigneten Preismodells. Dieses gilt es dann, situationsbedingt anzupassen. Beispielsweise sollte ein Shared Service Center prinzipiell mittel- bis langfristig seine Leistungen zu Marktpreisen anbieten, um die Marktfähigkeit des Preis-Leistungs-Verhältnisses gegenüber den internen Kunden zu demonstrieren. Allerdings wird in der ersten Entwick-
291 Meissner, H. (2000), S. 136. 292 Vgl. Ewert, R., Wagenhofer, A. (2000), S. 604 f.
172
lungsphase, d. h. unmittelbar nach der Gründung des Shared Service Centers, keine vollständige Marktfähigkeit verlangt, denn die Kosten- und Leistungsstruktur kann nur allmählich den Marktbedingungen angepasst werden. Eine Annäherung an echte Marktverhältnisse ist für zahlreiche Shared Service Center jedoch nur bedingt möglich. Als interner Dienstleister ist ein Shared Service Center meistens verpflichtet, in erster Linie das eigene Unternehmen zu bedienen. Das interne Geschäft macht den größten Teil seiner Aktivitäten aus und dafür sollen die vorhandenen Ressourcen auch eingesetzt werden. Darüber hinaus bieten externe Dienstleister häufig standardisierte Lösungen an und können diese dadurch zu günstigeren Preisen verkaufen. Vom Shared Service Center werden trotzdem kundenspezifische Leistungen gefordert. Schließlich weist der interne Dienstleister unternehmensinterne Kenntnisse auf, die er im Gegensatz zu externen Service-Providern besitzt und ausnutzen sollte. Echte Marktbedingungen sowie echte Marktpreise sind unter diesen Umständen nur schwer zu erzielen, vor allem wenn die Dienstleistungen hauptsächlich unternehmensintern angeboten werden. Aus diesen Gründen werden in zahlreichen Unternehmen ausschließlich kostenorientierte Verrechnungspreise angewandt.
x
Service-Level-Agreements
Bei „Service-Level-Agreements“ handelt es sich um Service-Vereinbarungen über die zu erbringenden Leistungen, die gemeinsam mit den internen Kunden vereinbart werden. Es sind schriftlich festgehaltene Absprachen, welche die Beziehung zwischen dem internen Dienstleistungsanbieter und seinem internen Kunden klar regelt.293 In einem „Service-Level-Agreement“ werden ausschließlich die gegenseitigen Pflichten und Rechte beider Partner festgelegt. Ein solcher Service-Vertrag dient vor allem zur gegenseitigen Kontrolle. Dieser beinhaltet eine nähere Beschreibung der zu erbringenden Leistungen sowie der entsprechenden Preise und legt die rechtliche Gültigkeitsdauer der Vereinbarung fest. Technische Aspekte werden in „Service-Level-Agreements“ explizit berücksichtigt.294 Zu diesem Zweck vereinbart der Dienstleister mit seinem Kunden Bandbreiten oder Kennzahlen für einzelne, möglichst objektiv messbare Qualitätsparameter, wie beispielsweise „eine 99% Rechenleistung wird vertraglich garantiert“. In gewisser Hinsicht üben ServiceLevel-Agreements einen großen Leistungsdruck aus, denn bei Nicht-Erfüllung können eventuell, vor allem bei rechtswirksamen Verträgen, Sanktionen angehängt werden. Service-Level-Agreements stammen aus dem Bereich der Informatik und sind deshalb stark technisch orientiert. Ihre weitere Verbreitung auch in anderen Servicebereichen (Facility Management, Logistik, Finanzen, usw.) ist als paralleler und logischer Prozess zur Shared Service Center Entwicklung zu betrachten.
293 Vgl. Winkelmann-Ackermann, S., Bundi, M. (1999), S. 38. 294 Vgl. Dietrich, Y. (2005), S. 10.
173
Interessant ist jedoch der Einsatz von Leistungsvereinbarungen außerhalb von diesem Bereich, beispielsweise im Zusammenhang mit der Funktionsweise einer Konzernfunktion bzw. eines Headquarter Services. Gerade hier besteht ein Rechtfertigungsproblem. Wo und wie schafft ein Hauptsitz Mehrwert? Welche Leistungen erbringt es für die Geschäftseinheiten und wie lassen sich diese Leistungen objektiv messen? In der Realität ist es vielfach mit dem Image einer Konzernzentrale nicht gerade zum Besten bestellt. „Wasserkopf“ und „Bürokratie“ sind in diesem Zusammenhang gängige Begriffe. Daraus geht hervor, dass bezüglich der Thematik interner Kundenorientierung dringender Handlungsbedarf besteht. Diese Situation kann und muss geändert werden, indem auf der Basis von Leistungsvereinbarungen eine breite Palette von Maßnahmen ausgelöst wird, die dazu beitragen, Leistungserbringungsprozesse nachhaltig zu optimieren. Die konsequente Einführung und Umsetzung von „Service-Level-Agreements“ erfordert einen kontinuierlichen Lerneffekt und die permanente Weiterentwicklung von sogenanntem Wissensmanagement. Ein Messsystem ist deshalb notwendig, um den angestrebten Nutzen frühzeitig auf dessen Eintreten hin zu überprüfen. In organisatorischer Hinsicht sind auf der Führungsebene Prozessverantwortliche zu bestimmen, welche für die permanente Verbesserung der Abläufe verantwortlich sind. Zudem ist eine Institutionalisierung von Anreizsystemen für Mitarbeiter sowie Teams anzustreben, damit einmal gewonnene optimierte Strukturen auch zukünftigen Anforderungen entsprechen.295
x
Laterale Koordinationsinstrumente
Die obengenannten Steuerungsinstrumente erfüllen vor allem die Funktion der Beziehungsregelung zwischen internem Dienstleistungsanbieter und internem Kunden. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch der Aspekt der Lenkung innerhalb der internen Dienstleistungsorganisation selbst. Die verschiedenen internen Dienstleister handeln meistens nicht völlig autonom, sondern sie sind ständig auf die Zusammenarbeit mit ihren internen Partnern angewiesen. Beispielsweise benötigt die interne Logistikabteilung regelmäßig Informationen vom internen Beschaffungs- sowie vom Einkaufsbereich. Zur besseren Koordination und Abstimmung zwischen den einzelnen internen Dienstleistern ist die Einführung von lateralen Lenkungsebenen unerlässlich. Diese können neben den bereits bestehenden hierarchischen Strukturen auf informeller Ebene existieren. Als laterale Koordinationsinstrumente werden Expertenkreise oder Gremien bezeichnet, die sich freiwillig und sporadisch treffen, um beispielsweise über aktuelle Themen zur Unternehmensentwicklung zu diskutieren. Im Bayer Konzern wurde hierzu das Konzept des „Community Management“ eingeführt. Unter der Federführung eines Corporate Centers oder einer Servicegesellschaft arbeiten interne Bereiche an der gemeinsamen Ausgestaltung und notwendigen Koordinierung der jewei-
295 Vgl. Winkelmann-Ackermann, S., Bundi, M. (1999), S. 38 f.
174
ligen Funktion. Ein effektiver Wissensaustausch und die Sicherung von Synergieeffekten soll dadurch sichergestellt werden. Das Prinzip des „Community Managements“ wird als ein wirksames Steuerungsinstrument betrachtet. Hauptziel dabei ist der Aufbau eines professionellen Netzwerks von Experten, die fachlich über die optimale Ausrichtung von internen Funktionen auf einer selbst-organisierenden Basis diskutieren und entscheiden.
x
Mehrdimensionales Steuerungsinstrument: Balanced Scorecard
Als Werkzeug zur Integration von formellen und informellen Steuerungsinstrumenten wird die Balanced Scorecard vorgeschlagen. Das Konzept der Balanced Scorecard wurde zu Beginn der 90er Jahre von Kaplan und Norton296 entwickelt. Dieses Konzept entstand aus der Kritik an den bisherigen Managementsystemen, denen vorgeworfen wurde, sie konzentrieren sich ausschließlich auf monetäre Größen. In einem Unternehmen müssen auch nicht-finanzielle Größen berücksichtigt werden. Eine Balanced Scorecard ist eine Zusammenfassung der Steuerungsgrößen, die ein Managementprozess in einer strategischen Geschäftseinheit benötigt. Eine vollständige Balanced Scorecard bildet das Geschäftsmodell eines Unternehmens ab; aus Sicht der Unternehmensführung ist sie das „Skelett“ der Steuerung. Die Balanced Scorecard kann als ein Steuerungssystem verstanden werden, das die wertorientierten Ziele mit den operativen Kennzahlen auf Abteilungs- und Prozessebene verknüpft.297 Das Zielsystem „Balanced Scorecard“ besteht aus vier Perspektiven: Finanzen, Kunden, interne Geschäftsprozesse sowie Potenziale. Diese Perspektiven können allerdings branchen- und unternehmensspezifisch angepasst werden. Ihre gleichgewichtige Berücksichtigung bei der Ableitung der strategischen Ziele führt zu einem ausgewogenen bzw. „balanced“ Zielsystem.298 Mit Hilfe der Balanced Scorecard sollen die festgelegten Unternehmensstrategien verfolgt, konkretisiert und dargestellt werden, um deren Umsetzungswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Folglich ist die Aufgabe der Balanced Scorecard, dem Management eines Unternehmens einen gewissen Rahmen zu bieten, der die Vision und die Strategie des Unternehmens in strategische Ziele, Messgrößen, dazugehörige Zielwerte sowie taktische und operative Maßnahmenprogramme darstellt.299 Mit der Balanced Scorecard kann die Frage beantwortet werden, mit welchen unternehmerischen Aktivitäten Werte geschaffen werden können und wie das Unternehmen bzw. die Organisation dazu motiviert wird. Für interne Dienstleistungen sind Balanced Scorecards wichtig, um sich ihre Ziele bewusst zu machen und als Instrument, um die Ziele des Dienstleistungsbereichs mit den Zielen des Gesamtunternehmens abstimmen zu können. Der Aufbau einer Balanced Scorecard für in-
296 297 298 299
Vgl. Kaplan, R., Norton, D. (1992), (1993) und (1996). Vgl. Seidenschwarz, W. (1999), S. 249. Vgl. Gaiser, B., Greiner, O. (2002), S. 200 f. Ebenda, S. 250.
175
terne Services soll deren Strategie auf die Strategien und Bedürfnisse der zu unterstützenden Geschäftseinheiten ausrichten, um so einen Mehrwert sowie Verantwortung für diese zu schaffen. Kaplan und Norton zeigen auf, wie der Steuerungsansatz der Balanced Scorecard beispielsweise auch bei Shared Service Centern eingesetzt werden kann. Die Gefahr, dass eine Shared Service Center Organisation eigenständige Ziele verfolgt, wenn die strategische Ausrichtung nicht klar kommuniziert wird, ist unmittelbar plausibel.300 Die Autoren sprechen hier vom Modell „Strategischer Partner“. Grundvoraussetzung in diesem Modell ist, dass die strategischen Geschäftseinheiten, d. h. die internen Kunden ihre eigene Balanced Scorecard entwickelt haben, welche ihre Strategien und Unternehmensprioritäten jeweils widerspiegeln. Das Shared Service Center ist ihr Partner in diesem Prozess. Als zweiter Schritt werden dann die Balanced Scorecards für die Shared Service Center ausgearbeitet. In einem dritten Schritt schlagen Kaplan und Norton vor, eine sogenannte „Verbindungsscorecard“ zwischen Shared Service Center und den anderen Geschäftseinheiten aufzubauen. Diese Verbindungsscorecard enthält Ziele und Messgrößen, bei der das Shared Service Center den Geschäftseinheiten zu helfen hat. Um die Leistungsbeziehung qualitativ und quantitativ zu beschreiben und zu messen, sind Leistungsvereinbarungen notwendig. Dieses formale Abkommen zwischen beiden Parteien legt die Erwartungen über den Umfang der Dienstleistungen und der Kosten fest. Die Inhalte der Verbindungsscorecard stehen in einer direkten Verbindung zur Shared Service Center Scorecard. Damit werden die internen Kundenerwartungen mit der Strategie des Centers gekoppelt. Das Shared Service Center erhält von den strategischen Geschäftseinheiten regelmäßig ein Feedback über ihre tatsächliche Performance.301 Abbildung 5.10 beleuchtet den oben beschriebenen Zusammenhang:
300 Siehe Bayer Fallstudie, Internationalisierungsaspekt. 301 Vgl. Kaplan, R., Norton, D. (2001), S.172 f.
176
Abbildung 5.10: Steuerung mit der Balanced Scorecard bei Shared Service Centern
Strategische Geschäftseinheit
Shared Service Center
3. Verbindungs-Scorecard
Definition von Zielen und Messgrößen der SGE, bei deren Realisierung die Unterstützungseinheit zu helfen hat 2. Balanced Scorecard des SSC Finanzen
1. Servicevereinbarung Kunde
Mission
intern
4. Kundenfeedback Prozesse
Quelle: Kaplan, R., Norton, D. (2001), S. 173.
5.3.3.4 Interaktive Wertschöpfung: Die Rolle des internen Kunden im Leistungserstellungsprozess Wertorientierte interne Services zeichnen sich durch eine auf die Bedürfnisse des internen Kunden optimal angepasste Leistungserbringung. Um eine qualitativ optimale Wertschöpfungsleistung erstellen zu können, sind interne Dienstleister jedoch häufig auf Informationen des Kunden angewiesen. So können z. B. im internen Consulting Leistungen, in wesentlichen Teilen, nur unter der direkten Einbeziehung der internen Kundenmitarbeiter für die Problemlösung erstellt werden. Da die Qualität des Endergebnisses der Leistung des internen Anbieters wesentlich von der Mitwirkung des Kunden abhängt, wird der Anbieter versuchen den Kunden in seinen Leistungserstellungsprozess zu integrieren. Der Kunde ist im interaktiven Wertschöpfungsprozess nicht mehr nur passiver Empfänger und Konsument einer von Herstellern autonom geleisteten Wertschöpfung. Vielmehr treten interne Kunden als Wertschöpfungspartner auf, indem sie Dienstleistungen mitgestalten. Interaktive Wertschöpfung heißt Kooperation und sozialer Austausch.302
302 Vgl. Reichwald, R., Piller, F. (2006), S. 1.
177
Das Grundprinzip der Kundenintegration lautet, das Problem des Kunden zusammen mit dem Kunden zu lösen. Dazu müssen sowohl Anbieter als auch Nachfrager ihre Beiträge zur Problemlösung leisten und Potenziale einbringen. Damit ist Kundenintegration nicht nur ein Mittel, um ein aktuelles Problem möglichst zufriedenstellend zu lösen. „Customer integration“ bildet auch eine Vertrauensbasis als Grundlage für langfristige Beziehungen und gemeinsamen Erfolg. Als Kundenintegration wird die Kombination von Informationen und Wissen aus der Domäne des (internen) Kunden mit internen Faktoren des Anbieters als Voraussetzung der Leistungserstellung bezeichnet. Diese Informationen beziehen sich nicht nur auf Bedürfnisse des internen Kunden, sie können auch Informationen über Möglichkeiten zur Lösung des internen Kundenbedürfnisses enthalten.303 Um einen reibungslosen Austausch von Informationen zu garantieren, ist eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen beiden Partnern notwendig. Je höher das Ausmaß der Verzahnung in der internen Kunden-Lieferanten-Beziehung und damit die Intensität der Mitwirkung des Kunden im Leistungserstellungsprozess, desto mehr beeinflusst die Fähigkeit und Bereitschaft des Kunden zur Mitarbeit, die Dauer, die Kosten und die Qualität des Prozesses und damit auch des Leistungsergebnisses. Daraus entsteht aber aus Lieferantensicht das Problem, dass Teile des Wertschöpfungsprozesses nicht mehr innerhalb seiner alleinigen Planung und Kontrolle liegen, und daher eine Unsicherheit bezüglich der Qualität des vom Kunden zu erbringenden Leistungsbeitrags entsteht. Der Anbieter kann eine gewünschte Qualität nur liefern, wenn er sich der Qualität der Kundenmitwirkung sicher sein kann. Die Art der Kundenmitwirkung wird zu einem eigenen Qualitätsmaßstab. Hinsichtlich dessen muss in Verträgen die Unsicherheit des Anbieters geregelt werden. Deutlich müssen Mitwirkungspflicht des Kunden und daraus die Qualität des Ergebnisses in Abhängigkeit von der Qualität der Mitwirkung des Kunden herausgestellt werden.
x Unsicherheitsreduktion durch Quality-Level-Agreements Beim Anbieter entstehen sogenannte Integrationsunsicherheiten, die sich auf drei verschiedene Aspekte beziehen: Unsicherheit über das Integrationsbewußtsein des internen Kunden, Unsicherheit über dessen Integrationsfähigkeit und zuletzt über dessen Integrationsbereitschaft. Eine Unsicherheit hinsichtlich des Integrationsbewusstseins des internen Kunden bedeutet, dass sich der Anbieter nicht sicher sein kann, ob der Kunde Kenntnisse bzw. über Informationen bezüglich des Anbieterbedarfs für seine Mitwirkung am Leistungserstellungsprozess verfügt. Die Frage nach der Integrationsfähigkeit beschäftigt sich damit, ob der Kunde überhaupt über die Fähigkeiten und Mittel verfügt, um sich in den Leistungserstellungsprozess
303 Vgl. ebenda, S.49.
178
einzubringen. Des Weiteren besteht eine Unsicherheit hinsichtlich der Integrationsbereitschaft des internen Kunden. Hier stellt sich die Frage, ob der Kunde überhaupt den Willen und die Motivation hat, aktiv und intensiv an den internen Leistungserstellungsprozess teilzunehmen.304 Diese Unsicherheiten können mit Hilfe eines weiteren wertorientierten Steuerungsinstruments erheblich reduziert werden. Hier setzen sogenannte Quality-Level-Agreements ein. In „Quality-Levels“ wird schriftlich geregelt, wie weit und in welchem Umfang die Kunden in den Leistungserstellungsprozess integriert werden, um eine optimale Qualität im Leistungserstellungsprozess zu erreichen. Klinkers definiert sie als: „[...]von einem Anbieter initiierte, gemeinsam mit einem Kunden definierte Vereinbarungen, die die Qualität einer Leistung wesentlich von der Qualität der Kundenintegration im zugehörigen Leistungserstellungsprozess abhängig machen. Um die Integrationsunsicherheit des Anbieters zu reduzieren und eine Kundenintegration in der von ihm gewünschten Qualität zu ermöglichen, regeln sie Prozessstruktur, Verantwortlichkeiten, Mitwirkungspflichten, Informationssysteme, Kommunikationswege und Problemlösungsmechanismen für einen Leistungserstellungsprozess“.305 Der Begriff „Quality-Level-Agreement“ ist in der Wirtschaft noch nicht stark verbreitet. Sein Ursprung liegt in der wissenschaftlichen Arbeit von Klinkers (2001). Ziel seiner Arbeit war es, den Aspekt der Kundenintegration schriftlich in ein Vertragswerk einzubinden, um eine konkrete Regelung bezüglich der Intensität der Kundenintegration im Leistungserstellungsprozess festzulegen. Dieser Steuerungsinstrument entstand aus der Kritik zu „Service-LevelAgreements“, welche mehr die technischen Aspekte berücksichtigen. Nach Burr dienen Service-Level-Agreements dazu „[...]die Qualität von Dienstleistungen zu standardisieren, zu messen und dem Kunden nachzuweisen, d. h. letztlich Dienstleistungsqualität zu normieren und zu garantieren. Zu diesem Zweck vereinbart der Dienstleistungsproduzent mit dem internen (oder externen) Kunden Bandbreiten oder Kennzahlen für einzelne, möglichst objektiv messbare Qualitätsparameter, die in der Summe Servicequalität beschreiben.“306 Der größte Unterschied zwischen Quality-Level-Agreements und Service-Level-Agreements liegt im spezifischen Ziel vom neuen Steuerungsinstrument die Kundenintegration zu verbessern, um dadurch eine bessere Qualität im Leistungserstellungsprozess zu erreichen.
304 Vgl. Klinkers, M. (2001), S. 43. 305 Ebenda, S.149. 306 Burr, W. (2002), S. 131.
179
5.3.4
Strategische Implikationen
Der Wert eines Unternehmens ist die Summe der Nutzenbeiträge von jeder einzelnen Aktivität für jede einzelne Person der Anspruchsgruppen. Der wertorientierte Ansatz stellt insbesondere Informationen über die mögliche Aufrechterhaltung des organisatorischen Modells sowie zur Steigerung des Unternehmenswertes bereit. Aus diesem Grund werden mit diesem theoretischen Modell, analog zu den vorher betrachteten Ansätzen, zugleich Fragen der optimalen Leistungstiefengestaltung beantwortet. Geschäftsbereiche die keinen oder nur einen geringen Wert für die Anspruchsgruppen generieren, sollten lieber eliminiert werden. Bei freier Dienstleisterwahl, wird sich der interne Kunde für die Leistung entscheiden, die ihm den höchsten Nutzen erbringt. Nach der Identifikation der Werttreiber ist es wichtig, sinnvolle Steuerungsinstrumente einzuführen, die dazu beitragen, den Erreichungsgrad der unternehmerischen Ziele nachzuprüfen und umsetzbar zu machen. Die wertorientierten Größen müssen allerdings in den Führungsund Steuerungsprozess des gesamten Unternehmens integriert werden, damit nicht nur strategische Kernfelder, sondern auch unterstützende Einheiten ihren Beitrag zur Wertsteigerung leisten können. Ein optimales, mehrdimensionales Instrument ist die Balanced Scorecard. Einerseits fasst sie jene Informationen eines Unternehmens zusammen, die für die strategische Entwicklung wichtig sind und verknüpft sie zu einem in sich geschlossenen Handlungssystem. Dazu zählen neben finanziellen Kennzahlen auch die sogenannten „Leistungstreiber“ wie Kundenbeziehungen, Mitarbeitermotivation und die Fähigkeit des Unternehmens, interne Geschäftsprozesse schnell und kostengünstig in der erforderlichen Qualität abzuwickeln. Dieser vierte Leistungstreiber spiegelt die besondere Bedeutung der internen Dienstleister für das gesamte Unternehmen wider. Andererseits bindet die Balanced Scorecard die Mitarbeiter auf der Basis von aufgabenspezifischen Kennzahlen in die Umsetzung der betrieblichen Strategieziele ein. Des Weiteren eignet sich die Balanced Scorecard unmittelbar für die Steuerung von Shared Service Centern. Durch ihre Mehrdimensionalität lassen sich dann weitere Lenkungsinstrumente wie z. B. Service-Level-Agreements oder Verrechnungspreise integriert anwenden, was zu einer Objektivierung des Wertschöpfungspotenzials interner Dienstleistungsaktivitäten beiträgt. Die Anwendung von Quality-Level-Agreements dient zusätzlich dazu die Unsicherheit des internen Dienstleisters bei einer hohen Interaktionsintensität des internen Kunden im Leistungserstellungsprozess zu reduzieren. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit Hilfe der wertorientierten Unternehmensführung die Ziele und Strategien eines internen Dienstleistungsanbieters an die Gesamtunternehmensstrategie angebunden werden. Darüber hinaus kann eine wertorientierte Unternehmensstrategie auch über die Existenzberechtigung von unterstützenden Einheiten entscheiden. Aufgrund seiner Nähe zum Thema Steuerungsgrößen liefert der wertorientierte 180
Ansatz zugleich einen großen Beitrag zur zweiten Säule der vorliegenden Arbeit, zur Thematik „Steuerung interner Dienstleistungseinheiten“. Im nächsten Abschnitt soll mit Hilfe der, im Rahmen dieses Kapitels beleuchteten theoretischen Modelle, ein Strukturierungsansatz zur Erklärung des Aufbaus und der Steuerung interner Dienstleistungen dargestellt werden. Die integrierte Betrachtung der drei theoretischen Ansätze gibt den Hinweis darauf, dass allein eine Theorie nicht ausreicht, um den Implementierungsprozess einer effizienten internen Dienstleistungsorganisation zu erklären. Jeder Ansatz erfüllt eine unabdingbare Funktion entweder für den Aufbau- oder für den Steuerungsprozess.
181
6
Strukturierungsansatz zur Erklärung des Aufbaus und der Steuerung von Shared Service Centern
Die strategischen und organisatorischen Auswirkungen beim Aufbau einer neuen internen Service-Struktur sind nicht zu unterschätzen. Deswegen sollte von Anfang an Klarheit über die strategischen Fragestellungen herrschen, die den Aufbauprozess besonders beeinflussen. Die Einführung von differenzierten Strukturen im internen Servicebereich ist kein isolierter Prozess, sondern hat weitreichende Konsequenzen für das gesamte Unternehmen. Interne Dienstleistungen, die bisher von jedem einzelnen Geschäftsbereich durchgeführt wurden, sollen jetzt von einem Shared Service Center aus gesteuert werden. Deshalb bedarf die Implementierung von differenzierten Dienstleistungsstrukturen immer einer Neuorientierung auf Konzernebene. Um diesen Anpassungsprozess zu erleichtern, werden interne Services oft während einer größeren Reorganisationsphase des gesamten Unternehmens parallel errichtet, wie am Beispiel von „The New Bayer“ aufgezeigt wurde.307 Im Rahmen von Umstrukturierungsprogrammen wird häufig das Instrument des Projektmanagements als strategisches „Tool“ angewandt. Projekte besitzen einen temporären Charakter und dienen ausschließlich der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe, wie z. B. der Einführung einer neuen Organisationsstruktur.
6.1
Projektmanagement als Grundinstrument zum Aufbau interner Services
In den vergangenen Jahren hat sich das Projektmanagement in vielen Unternehmen als Führungskonzept zur Realisierung von innovativen Vorhaben etabliert. Dabei gilt es hier zwischen zwei verschiedenen Arten von Projektmanagement zu unterscheiden: Projektmana-
gement für kleine und geschlossene Prozesse und Projektmanagement zur Einführung von Neuerungsprozessen im Unternehmen. Im Rahmen dieser Arbeit wird das Instrument Projektmanagement als Ansatz zum Aufbau von internen Services und hier konkret zum Aufbau von Shared Service Centern verwendet (Projektmanagement zur Einführung von Neuerungsprozessen). Die Einführung von Shared Service Centern impliziert eine sowohl strategische als auch organisatorische Neuorientierung der Strukturen eines Unternehmens. Der Neuerungsprozess wird als Projekt geplant, mit dem Ziel, eine neue Organisationsform auf strukturierte Art und Weise einzuführen. Mit dem ersten Projektschritt im Meilensteinplan setzt sich ein dynamischer und offener Veränderungsprozess in Gang, der den organisatorischen Zustand des gesamten Unternehmens eindeutig verändern wird. Bestimmte interne Services werden aus dem Zuständigkeitsbereich der Geschäftseinheiten ausgegliedert, schwerfällige Zentralbereiche sollen fle-
182
xibler ausgestaltet werden, und das Wort „interner Kunde“ bekommt auf einmal eine ganz neue Bedeutung. Dieser Neuerungsprozess betrifft beinahe alle Einheiten im Unternehmen und deswegen sind sie dazu verpflichtet, auch aus eigenem Interesse, am Projekt teilzunehmen. Im Gegensatz dazu spricht man von Projektmanagement für geschlossene Prozesse, wenn es sich um Projekte handelt, die eine eher geringere Relevanz für das gesamte Unternehmen haben. Der Umfang des Projektes ist klein und entsprechend auch die Anzahl der davon betroffenen Einheiten. Darüber hinaus handelt es sich um keinen offenen Prozess. Die Projektdauer ist relativ kurz und die einzelnen Prozessschritte sowie deren Konsequenzen leichter planbar und abgrenzbar. Beim strukturierten Aufbau von Shared Service Centern ist es theoretisch und empirisch von Interesse herauszufinden, welche Faktoren für die Effizienz und Effektivität des Projektmanagements verantwortlich sind. Dabei ist ein Projekt dann erfolgreich abgeschlossen, wenn die Projektbeteiligten sowohl die Qualität, die Akzeptanz und den Kundennutzen der Projektergebnisse (Effektivität) als auch die Termin- und Kostenziele (Effizienz) positiv bewerten. Lechler und Gemünden308 identifizieren auf Basis einer empirischen Untersuchung, die sich auf die Auswertung von 448 deutschen Projekten stützt, sieben relevante Erfolgsfaktoren: Unterstützung durch das Top-Management, Projektleiterbefugnis, Zusammensetzung des Projektteams, Partizipation von direkt und indirekt betroffenen Parteien, offene Informationsund Kommunikationspolitik, zielgerichtete Planung und Steuerung. Des Weiteren identifiziert Horsch309 drei Hauptfaktoren an den nachfolgend beschriebenen drei Eckpunkten eines Projektes: x Projektstart Zwischen dem (internen) Auftraggeber, dem Projektleiter und dem Projektteam sollten übereinstimmende Vorstellungen über den Projektgegenstand und Projektumfang herrschen. Der Auftraggeber ist im Fall der Einführung von Shared Service Centern das Top-Management bzw. die Geschäftsleitung. Hierbei soll ein Neuerungsprozess mit hoher strategischer Bedeutung in Gang gesetzt werden, der große Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen auslösen wird.
307 Siehe Unterkapitel 4.1. 308 Vgl. Lechler, T., Gemünden, H. G. (1998), S. 435 ff. 309 Vgl. Horsch, J. (2003), S. 137 f.
183
x Projektorganisation Im Rahmen der Projektorganisation ist ein Engagement des Top-Managements unumgänglich. Außerdem sind klare Zuständigkeiten zwischen Linien- und Projektorganisation sowie Unterstützung durch die Linienorganisation erforderlich. Die Linie ist bzw. die Geschäftsbereiche sind im Fall der Einführung eines Shared Service Centers die Hauptkundengruppe. Eine aktive Zusammenarbeit ist unerlässlich, um Kundenwünsche und –anforderungen genau zu identifizieren. Des Weiteren sind die Entscheidungskompetenzen des Projektleiters eindeutig festzulegen. Letztlich ist ein projektadäquates fachliches und administratives Know-how des Projektteams unentbehrlich. x Projektplanung und Projektsteuerung Terminverzögerungen oder „aus dem Ruder gelaufene“ Projektkosten sind keine Seltenheit. Diese Fakten zeigen die Schwierigkeit auf, eine realistische und kostengenaue Projektplanung zu erarbeiten. Insofern sind eine intensive Planung, die regelmäßige Beurteilung des Leistungsfortschritts sowie eine Projektüberwachung wichtig. Auf der Basis von ProjektReviews sind eventuelle Anpassungen im Laufe des offenen Prozesses vorzunehmen und Korrekturmaßnahmen einzuleiten.
6.1.1
„Project Capabilities“
Um Erneuerungsprozesse mit Hilfe von Projektmanagement erfolgreich zu gestalten, werden vor allem projektbezogene Fähigkeiten, sogenannte „Project capabilities“ benötigt. Davis und Hobday definieren „project capabilities“ als „The appropriate knowledge, experience and skills necessary to perform pre-bid, bid, project and post-project activities“310. Unter „Project capabilities“ verbirgt sich ein gesamtes Bündel an organisatorischen Fähigkeiten und strategischen Maßnahmen, die notwendig sind, um beispielsweise ein Shared Service Center einzurichten (z. B. Festlegung strategischer Ziele, Bildung des Projektteams, Implementierung des organisatorischen Modells, usw.). Des Weiteren hängt der Erfolg eines Projekts insbesondere von den Mitgliedern der Projektorganisation ab. Ein effizientes und verantwortungsvolles Projektteam sollte das spezielle Know-how und die Erfahrung, d. h. die „Organisational Routines“ besitzen, um Projektziele planmäßig zu erreichen.
310 Davies, A., Hobday, M. (2005), S. 62f.
184
Im Rahmen des dynamisch orientierten ressourcenbasierten Ansatzes311 bilden „Project capabilities”, neben „Strategic capabilities“ sowie „Functional capabilities“, die dritte Gruppe der „Organisational capabilities” eines Unternehmens (siehe Abbildung 6.1).
Abbildung 6.1: „Organisational capabilities“ eines Unternehmens
Strategic capabilities
Functional capabilities
Project capabilities
Dynamic capabilities
Kernkompetenzen
Quelle: In Anlehnung an Davies, A., Hobday, M. (2005), S. 63 Der „Dynamic Capability“ Ansatz besagt, dass Unternehmen nur durch eine permanente Erneuerung, Erweiterung und Rekombination der Ressourcen i. e. S. und Kompetenzen sowie einen fortwährenden Lernprozess sich an wandelnde Markt- und Umweltbedingungen anpassen können.312 Um einen verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteil mit Hilfe von wertschöpfungsorientierten internen Services erzielen zu können, müssen Unternehmen insbesondere ihre organisatorischen Kompetenzen ständig entwickeln. Projektbezogene Kompetenzen unterstützen hierbei insbesondere den Prozess des Aufbaus interner Services. In Rahmen dieses Kapitels wird deshalb auf der Basis der weiterentwickelten ressourcenbasierten Theorie ein Strukturierungsansatz entwickelt, um eine effiziente und zukunftsorientierte, interne Dienstleistungsorganisation mit Hilfe von Projektmanagement zu gestalten.
311 Siehe Unterkapitel 4.2. 312 Vgl Teece, D. J. et al. (1997), S. 516.
185
6.1.2
Annahmen zum Strukturierungsansatz
Im Strukturierungsansatz werden folgende Annahmen getroffen: Schwerpunkt im Reorganisationsprozess ist die Einführung einer Shared Service Center Struktur, die unterstützende Services in gebündelter Form anbieten soll. Shared Services Centers gelten als zentrale Elemente für den Aufbau einer differenzierten Serviceorganisation in Großkonzernen, insbesondere im Rahmen einer Management-Holding. Ohne verteilte Dienstleistungsstrukturen wäre eine Entlastung der Kernbereiche nicht möglich. Geschäftsbereichsspezifische Services sollen auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. Headquarter Services sind ausschließlich für die Durchführung von strategischen und hoheitlichen Aufgaben zuständig. Wichtig für die Funktionsfähigkeit des Strukturierungsansatzes ist eine detaillierte Trennung zwischen strategischen und unterstützenden internen Dienstleistungen. Der Transaktionskostenansatz wird bei der Lösung dieser Aufgabe zu Hilfe kommen. Auch der wertorientierte Ansatz soll vor allem bei dem Steuerungsaspekt interner Services Unterstützung leisten. Entscheidend für eine erfolgreiche Implementierung einer neuen Service-Struktur ist vor allem eine genaue Analyse der Ist-Situation (Unterkapitel 6.2) der internen Dienstleistungsorganisation vor der Einführung neuer Servicestrukturen. Besonderer Wert wird auf die beteiligten Akteure im Reorganisationsprozess gelegt, insbesondere auf die Zusammensetzung des Projektteams (Unterkapitel 6.3), das den Aufbauprozess leiten wird. Dieses Projektteam ist, in Absprache mit der Unternehmensleitung und unter Berücksichtigung der herrschenden Rahmenbedingungen, für die Festlegung der strategischen Stoßrichtung (Unterkapitel 6.4) zuständig. Für eine erfolgreiche Implementierung des Strukturierungsmodells (Unterkapitel 6.5) ist die Berücksichtigung der drei genannten Aspekte unentbehrlich.
6.2
Identifikation der Haupttreiber für die Einführung von differenzierten ServiceStrukturen: Analyse der Ist-Situation
Ziel der Ist-Analyse, d. h. der Betrachtung der Ausgangssituation vor der Einführung differenzierter Servicestrukturen, ist die Identifikation wichtiger Haupttreiber, die für die Restrukturierung interner Dienstleistungen sprechen. Dieser Aspekt wird anhand von zwei möglichen Szenarien beleuchtet:
x
Ausgangsszenario I: Dezentral organisierte interne Services
Üblicherweise sind dezentral organisierte interne Services bei stark diversifizierten „multibusiness“ Unternehmen zu finden. Solche Konzerne sind meistens aus Akquisitions- bzw. Fusionsprozessen entstanden, mit der konsequenten „Mitübernahme“ der internen Dienstleistungseinheiten aus dem akquirierten Unternehmen. „Konzernmosaik“ ist wahrscheinlich eine geeignete Bezeichnung für zahlreiche dezentral organisierte Unternehmen. Diese sind häufig von einem starken Autonomiecharakter ihrer Geschäftseinheiten geprägt, so dass jeder ein186
zelne Bereich dazu tendiert, seine eigenen internen Dienstleistungsaktivitäten weiterhin selbständig zu organisieren. Leider ist bei solchen Unternehmen oft keine einheitliche Linie sowie keine Systematik bei der Strukturierung der internen Supportservices zu erkennen. Dadurch gehen zahlreiche Synergie- und Bündelungseffekte verloren. Die Gefahr der Durchführung von Doppelarbeiten ist hier am größten. Hauptantriebskräfte für die Implementierung von einer neuen Organisationseinheit, wie z. B. Shared Service Centern, sind insbesondere die Einführung einer klaren Führungslinie und –politik im internen Servicebereich sowie die Ausnutzung von Bündelungseffekten, um dadurch Kosteneinsparungen realisieren zu können.
x
Ausgangsszenario II: Umfangreiche Zentralbereiche
Die Einführung von differenzierten Strukturen im internen Servicebereich kommt auch bei Konzernen mit starken Zentralbereichen in Frage. Die Zentralbereiche sind meistens als ein großer Verwaltungsapparat in Stammhauskonzernen organisiert. Bemängelt wird vor allem eine fehlende, systematische Trennung zwischen unterstützenden Serviceleistungen (z. B. Lohn- und Gehaltsabrechnung) und strategisch orientierten Konzerndienstleistungen (z. B. Führungskräfteentwicklung oder Controlling). Gleichzeitig mangelt es an interner Markt- und Kundenorientierung sowie an Preis-Leistungs-Transparenz, denn die erbrachten Services werden hauptsächlich über Umlagenverfahren abgerechnet. Darüber hinaus wird Zentralbereichen vielfach vorgeworfen, zu teure Leistungen anzubieten. Hauptmotive für die Implementierung von unternehmensinternen, differenzierten Servicestrukturen sind vor allem die Einführung einer flexiblen Organisation der internen Services, welche effiziente und kostengünstige Dienstleistungen anbietet und gleichzeitig kundenorientiert agiert.313
6.3
Akteure im Reorganisationsprozess
Vor der Einführung einer neuen Organisationsstruktur im Unternehmen gilt es zunächst, die Akteure im Reorganisationsprozess zu definieren, welche eine besonders aktive Rolle bei der Projektplanung bzw. -steuerung spielen. Dazu zählen insbesondere das TopManagement314 sowie der Projektleiter und das Projektteam. Die Hauptaufgabe des Projektteams besteht darin, eine funktionsfähige Organisation aufzubauen, die effiziente und kostengünstige Dienstleistungen anbietet. Im Rahmen des späteren Allokationsprozesses bestimmt diese größtenteils über die endgültige Struktur der internen Dienstleistungsanbieter. Auf den Bildungsprozess und die Zusammensetzung des Projektteams wird in Unterkapitel 6.3 näher eingegangen.
313 Vgl. Martín-Pérez, N. –J., Berger, M. (2004), S.8 ff. 314 Meistens in Form eines Lenkungsausschusses.
187
Nicht zu vernachlässigen sind auch bestimmte Gruppen im Unternehmen sowie außerhalb, die von den strategischen und organisatorischen Auswirkungen des Umstrukturierungsprozesses direkt betroffen sind. In diesem Fall handelt es sich um die Gruppe der Nutzer von Shared Services. Die Nutzer- bzw. Abnehmergruppe setzt sich aus internen und evtl. externen Kunden zusammen. Während der Aufbauphase sollten diese Akteure zeitweise miteinbezogen werden, um wesentliche Kundenanforderungen im Gestaltungsprozess nicht außer Acht zu lassen. Die Intensität der Zusammenarbeit mit dem Kunden wird von der Art der Serviceleistung bestimmt. Abbildung 6.2 stellt die verschiedenen Akteure in schematischer Form dar:
Abbildung 6.2: Akteure im Aufbauprozess einer internen Service-Organisation
Akteure Anbieter von internen Services
Nutzer von internen Services
Interne Kunden
Externe Kunden (nur bei externer Vermarktung)
Kunden auf Geschäftsbereichsebene
Kunden auf Konzernebene
Eine weitere Differenzierung betrifft die Gruppe der unternehmensinternen Kunden. Beispielsweise agiert ein Shared Service Center hauptsächlich als interner Service-Provider für die einzelnen Geschäftsbereiche. Jedoch ist es nicht auszuschließen, dass bestimmte unterstützende Serviceaufgaben für den Konzern (evtl. für die Holding) auszuführen sind. Allerdings ist hier rechtzeitig zu klären, ob für beide Kundengruppen gleiche vertragliche Bedingungen gelten.
6.4
Strategische Stoßrichtung: Klärung konzeptioneller Fragestellungen
Bevor mit dem aktiven Aufbau der internen Serviceorganisation begonnen wird, ist die strategische Stoßrichtung in ihren organisatorischen und teilweise operativen Grundsätzen zu definieren. Besonders wichtig ist das Vorhandensein einer einheitlichen Meinung über das Shared Service Center Konzept, welches als zentrale Organisationseinheit und Drehpunkt im Reorganisationsprozess gilt. Vor allem die Mitglieder im Projektteam sollten gleiche Vorstellungen über Sinn und Zweck der Einführung von Shared Services und über die Ziele haben, welche der gesamte Konzern mit dieser neuen Organisationsform verfolgt.
188
Da Organisationsfragen zugleich stets auch Fragen der Machtverteilung betreffen, ist im Rahmen der strategischen Stoßrichtung zu klären, ob die Shared Service Center Lösung überhaupt politisch durchsetzbar ist. Die Frage nach der „machtbezogenen Durchsetzbarkeit“315 steht vor allem bei international tätigen Unternehmen mit stark dezentralisierten Strukturen im Vordergrund. Einzelne Unternehmensbereiche könnten durch die Einführung von Center-Strukturen, einen Eingriff in ihren Zuständigkeitsbereich befürchten. Nicht zu verwechseln sind Shared Service Centers mit dem Begriff „Zentralisierung“. Die Idee der Bündelung bzw. Konsolidierung von internen Dienstleistungsprozessen wird bei diesem neuen Ansatz durch die interne Kunden- und Marktorientierung ergänzt, die einen großen Unterschied zu den kaum marktorientierten Zentralbereichen ausmacht. Darüber hinaus sollte Klarheit und Einigkeit über folgende Fragen herrschen: x Welchen Stellenwert sollen die internen Dienstleistungseinheiten auf gesamtorganisatorischer Ebene bekommen? x Wie stark soll die Entscheidungsautonomie der internen Dienstleistungseinheiten ausgeprägt sein? x Für welche Art von internen Dienstleistungsprozessen eignen sich die verschiedenen Organisationstypen? x Nach welchen Kriterien soll der strukturelle Aufbauprozess durchgeführt werden? Diese Fragen beschäftigen sich hauptsächlich mit organisatorischen Aspekten des Aufbauprozesses. Nicht zu vernachlässigen sind jedoch weitere wichtige Fragen, die das Management bzw. die Steuerung von internen Services betreffen: x Wie soll die Verrechnung der Leistungen erfolgen? x Wie soll der Koordinations- und Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Partnern stattfinden? x Wann sollen externer Marktzugang und externe Konkurrenz für die Durchführung interner Services zugelassen werden? x Besteht für die internen Kunden ein Kontrahierungszwang? x Wie soll die Qualität der internen Leistungen beurteilt werden? Unabdingbare Voraussetzung für einen erfolgreichen Projektstart ist ein klarer Auftrag (Mission) auf der Basis operationalisierbarer Zielsetzungen. Diese Vorstufe dient der Bildung einer einheitlichen Grundlage für ein effektives und effizientes Projektmanagement.
315 Vgl. Krüger, W. (2004), S.196.
189
6.5
Strukturierungsansatz zum Aufbau und zur Steuerung internen Services
Die folgende Methodik zur Strukturierung von Prozessen zum Aufbau einer internen ServiceOrganisation orientiert sich an den drei vorher beschriebenen Eckpunkten eines Projekts: Projektstart, Projektorganisation und Projektplanung bzw. -steuerung. Ein ähnliches Modell wurde von Gerybadze316 als Methode der Projektstrukturierung und des Projektmanagements entwickelt, das speziell auf Fragestellungen technologischer Kooperationsprojekte eingeht. Im Rahmen von Forschungsarbeiten wurde diese Methodik in den letzten Jahren in einer Reihe von empirischen Projekten erfolgreich eingesetzt. Die Logik des Strukturierungsmodells, das die wichtigsten allgemeinen Analyseschritte im Rahmen von Projektmanagement darstellt sowie zahlreiche Beobachtungen in der Praxis, haben die Autorin angeregt, diese Methodik für den Aufbau von einer internen Dienstleistungsorganisation anzupassen bzw. anzuwenden. Die induktiv gewählte und empirisch festgestellte Vorgehensweise ist durch die bereits existierende Methode der Projektstrukturierung unterstützt worden. Das ursprünglich fünfstufige, und von der Autorin um den Schritt „Performance Evaluation“ auf sechs Stufen weiterentwickelte Strukturierungsmodell gibt eine Art Orientierungsrahmen vor, um keine wichtigen Schritte während des Aufbauprozesses zu vernachlässigen. Es dient zum einen als Ex-Ante-Beurteilung möglicher Problemstellungen und bietet die Grundlage für ein kontinuierliches Projektmanagement und Projekt-Review. Das sechsstufige Strukturierungsmodell zum Aufbau von Shared Service Centern zeigt Abbildung 6.3:
316 Vgl. Gerybadze, A. (2004), S. 207ff.
190
Abbildung 6.3: Strukturierungsansatz zum Aufbau von Shared Service Centern
Strategie 6. 6. Performance Performance Evaluation Evaluation
1. 1. Ziele Ziele // Strategien Strategien
5. 5. Organisation Organisation und undSteuerung Steuerung
4. 4. Kompetenzen Kompetenzen // RessourcenRessourcenallokation allokation
2. 2. Prozesse Prozesse// Prozessanalyse Prozessanalyse
3. 3. Modularisierung Modularisierung // Aufgabenanalyse Aufgabenanalyse
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gerybadze (2004), S 209
6.5.1
Festlegung von Projektzielen und Projektstrategien
In dieser ersten Projektphase geht es darum, die Ziele bzw. die Haupttreiber für den Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation zu konkretisieren. Vor allem sollten operationalisierbare Zielsetzungen festgelegt werden, d. h. Projektziele, die klar und eindeutig formuliert sind. Dabei ist insbesondere die Frage nach den Hauptmotiven für die Einführung einer neuen Struktur in der Organisation ausführlich zu beantworten. Nur wenn darüber Klarheit herrscht, lassen sich verständliche und sinnvolle Ziele benennen. Bei der Zielformulierung ist unabdingbar, dass Kompatibilität zwischen den Projektzielen zum Aufbau des Shared Service Centers und den Unternehmenszielen herrscht. Hier verbirgt sich ein enormes Konfliktpotential, vor allem wenn das Top-Management die tatsächlich verfolgten Ziele nicht offen legt. Eversheim und Breit sehen in der Bewältigung dieser Phase einen entscheidenden Erfolgsfaktor. So sind 80% aller Prozessoptimierungsprojekte aufgrund einer unzureichenden Analyse der wichtigsten Projektziele nicht erfolgreich.317 Damit es zu keiner späteren Diskrepanz zwischen den geäußerten und den tatsächlich verfolgten Projektzielen kommt, sollten diese in einem gemeinsamen Diskussionsprozess festgelegt und anschließend in einer „Guideline“ schriftlich ausformuliert werden.
317 Vgl. Eversheim, W., Breit, S. (1999), S. 22.
191
6.5.2
Prozesskonzeption und Prozessablauf: Der Meilensteinplan
Haben sich die Projektbeteiligten auf eine gemeinsame Zielsetzung geeinigt, so ist in einem nächsten Schritt ein Projektplan zu entwerfen, der die einzelnen Prozessschritte zur Projektrealisierung aufzeigt. Allerdings ist die Erarbeitung des genauen Prozessablaufs kein leichtes Unterfangen, denn um die vereinbarten Projektziele zu erreichen, existieren immer verschiedene organisatorische Lösungswege. Ein Ziel kann auf mehreren Wegen erreicht werden. Eine mögliche Prozessalternative zur Einführung von Shared Service Centern wäre beispielsweise ein gradueller Eingliederungsprozess. Stufenweise werden die einzelnen internen Einheiten als Shared Service Center organisiert. Eine weitere Möglichkeit wäre die parallele bzw. zeitgleiche Einführung der internen Dienstleistungseinheiten in die neuen Shared Service Center Strukturen. Insofern ist es unabdingbar, dass im zweiten Schritt der Projektplanung ein gemeinschaftlich definierter Prozess und Lösungsweg festgelegt wird. Jedoch sind vor der Formulierung des Meilensteinplans die verschiedenen Prozessalternativen ausführlich zu bewerten und auszuwählen. Im Projektplan sind neben den technischen und organisatorischen Inhalten ferner konkrete Terminziele für die Meilensteile des Projektes zu definieren. Das Erreichen eines bestimmten Projektergebnisses wird durch die Meilensteine gekennzeichnet.318 Um den Projektendtermin nicht zu gefährden, müssen diese Ergebnisse termingerecht vorliegen. Der Meilensteinplan ist dem Lenkungsausschuss zur Genehmigung vorzulegen, der abschließend über die Durchführung des Projektes entscheidet.
6.5.3
Modularisierung und Aufgabenanalyse: Dekomposition von Dienstleistungen und deren integrative Zusammenführung
Zur Klärung der Frage, welche Prozesse sich beispielsweise für eine Zusammenlegung in ein Shared Service Center eignen, ist im Voraus eine detaillierte Aufgabenanalyse durchzuführen. Diese Aufgabenanalyse beinhaltet die Dekomposition bzw. Zergliederung der internen Serviceleistungen in einzelne Servicepakete bzw. –aktivitäten. Sogenannte „Strategien der Dekomposition und der dynamischen Rekonfigurierung“319 zielen darauf ab, Prozesse zu zerlegen und auf diese Weise neue, verbesserte Formen der Organisation zu finden und zu erstellen. Diese im Voraus durchgeführte sinnvolle Zerlegung der Gesamtleistung in einzelne Untersuchungsobjekte stellt eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche „unternehmensinterne Leistungstiefengestaltung“ dar. Entscheidend für die Zergliederung und die spätere integrative Zusammenführung von Tätigkeitsfeldern ist, dass sich die einzelnen Aktivitäten in modulare Einheiten zerlegen lassen.
318 Vgl. Horsch, J. (2003), S. 171 f. 319 Beziehungsweise der integrativen Zusammenführung.
192
Aus diesem Grund ist hier das Kriterium „Ausmaß an Modularisierbarkeit“ der internen Dienstleistungsaktivität ausschlaggebend.320 Um die internen Dienstleistungsprozesse zu „verschlanken“ und zu optimieren, ist die Beschreibung der einzelnen, internen Dienstleistungsaktivitäten unerlässlich. Deshalb gibt der
Grad an Modularisierbarkeit den relevanten Hinweis darüber, ob sich beispielsweise bestimmte interne Serviceaktivitäten auf andere Unternehmenspartner übertragen lassen (z. B. eine Übertragung von Dienstleistungen von den strategischen Geschäftseinheiten zum Shared Service Center). Eine geringe Modularität hat zur Konsequenz, dass eine Prozesszergliederung in einzelnen Tätigkeiten und somit eine alternative Strukturierungsmöglichkeit nur schwer möglich ist.321 Hauptziel der Analyse ist zugleich die Feststellung von organisatorischen Redundanzen, um anschließend eine optimale Ressourcenallokation in den zukünftigen organisatorischen Einheiten durchzuführen. Darüber hinaus sollte die Aufgabenanalyse der Serviceaktivitäten dazu dienen, Dienstleistungen mit „Governance“-Charakter von rein unterstützenden Services eindeutig zu trennen. Das Ausmaß an Modularisierbarkeit gibt letztendlich den entscheidenden Hinweis über die Möglichkeit einer detaillierten Aufgabenanalyse. Auf der Basis der Wirkungsweise von kritischen Bestimmungsgrößen und Rahmenbedingungen lässt sich auch für die interne Dienstleistungsorganisation eine Strategie für die Leistungstiefenoptimierung ableiten. Der Transaktionskostenansatz wird hier – leicht umgewandelt - zur Analyse der internen Dienstleistungsstrukturen herangezogen. Als besonders bedeutsame Kriterien zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen von internen Dienstleistungsaktivitäten gelten die im Rahmen der Transaktionskostentheorie definierten Einflussgrößen „Spezifität,“ „Strategische Bedeutung“, „Häufigkeit“, „Unsi-
cherheit“ und zusätzlich noch den Faktor „Wissensintensität“ der internen Dienstleistungstransaktion. Zur zielgerechten Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen von internen Dienstleistungen (Shared Service Center, Headquarter Services und Dedicated Services) ist auf das Zusammenspiel und auf die Höhe der Ausprägungen zu achten.322
320 Vgl. Gerybadze, A. (2003b), S. 7ff. Eine strategische Aufgabenanalyse ist auch bei der Neustrukturierung von Kooperationsformen erforderlich. Gerybadze spricht von einer sehr hohen Ausprägung der Modularisierbarkeit, wenn sich (1) für jede Aktivität eine genau definierte Funktion des Gesamtsystems definieren lässt, wenn (2) die Qualität des Ergebnisses dieser Aktivität genau bestimmt werden kann, wenn (3) für den jeweiligen Output Preise bzw. Verrechnungspreise bestimmt werden können und wenn (4) die Schnittstellen bzw. Übergabeprotokolle zwischen Anbieter und Abnehmer sehr genau definiert werden können. 321 Vgl. Gerybadze, A. (2003a), S. 10f. 322 Vgl. Martín-Pérez, N. –J., Berger, M. (2004), S. 16 ff.
193
6.5.3.1 Kritische Einflussfaktoren zur Optimierung der Aufbaustruktur einer internen Dienstleistungsorganisation x Spezifität interner Dienstleistungen versus generische Dienstleistungen Der Bestimmungsfaktor Spezifität der internen Dienstleistung wird als hoch bewertet, wenn die interne Dienstleistung auf die Anforderungen von einzelnen internen Kunden zugeschnitten ist und nur sehr schwer anderweitig eingesetzt werden kann. Im Gegensatz dazu besitzt eine interne Dienstleistung mit geringer Spezifität einen „generischen“ Charakter. Generische Dienstleistungen sind nicht an einen bestimmten Kunden bzw. einen einzelnen Geschäftsbereich gebunden, sondern es handelt sich um Tätigkeiten, die für mehrere Anwender in Frage kommen. Üblicherweise sind unterstützende Services eher generischer Natur, da diese nur indirekte, jedoch für alle Bereiche notwendige Prozesse steuern, wie z. B. logistische Aktivitäten oder Lohn- und Gehaltsabrechnung. In diesem Fall spricht man von „Prozessspezifität“. Eine besonders relevante Rolle bei der Gestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation spielt die „human asset specifity“, d. h. die Investitionen der Transaktionspartner in spezialisiertes Know-how und Qualifikationen der Mitarbeiter. Bei der Definition der „human asset specifity“ kann zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen ihres Vorhandenseins unterschieden werden. Intellektuelle Fähigkeiten und autodidaktisch oder durch schulische Maßnahmen erlernbare Spezialkenntnisse der Arbeitnehmer (z. B. Umweltrechtkenntnisse im Falle der Metro Group Facility Services) sind ein notwendiges aber kein hinreichendes Kriterium zur Beurteilung der Spezifität des Humankapitals einer Unternehmung. Ein hinreichendes Kriterium liefert die Antwort auf die Frage, inwieweit die Arbeitnehmer zur Verrichtung ihrer Aufgaben unternehmensinterne Kenntnisse benötigen, die sie nur durch einen „learning-by-doing“-Prozess im Unternehmen erlangen können.
x Strategische Bedeutung der internen Dienstleistungserbringung Der Bestimmungsfaktor Strategische Bedeutung bei der internen Dienstleistungserbringung zeigt auf, inwiefern es sich bei der Dienstleistungsaktivität um strategisch relevante Prozesse handelt, die einen direkten Wertschöpfungsbeitrag zum Kerngeschäft des gesamten Unternehmens leisten. Eine hohe strategische Bedeutung besitzen beispielsweise Entscheidungen, die auf oberster Führungsebene getroffen werden. Diese bergen weitgehende Konsequenzen für den gesamten Konzern, vor allem, wenn es sich um unternehmenspolitische Themen handelt. Im Gegensatz dazu existieren gewisse Prozesse im Unternehmen, die ausschließlich unterstützenden Charakter besitzen und nur indirekt wertschöpfend sind. Hierzu zählen beispielsweise operative, unterstützende bzw. „back-office“ Tätigkeiten, wie beispielsweise IT-Infrastruktur, Personalverwaltung, Rechnungswesen, usw. Eine weitere Abgrenzung besteht bei internen Dienstleistungen, die nur für eine einzelne Division oder ein Geschäftsfeld strategisch relevant sind. In diesem Fall sind die Auswirkungen für den gesamten Konzern geringer als im ersten Fall, da nur ein Teilbereich des Unternehmens davon betroffen ist. 194
x Unsicherheit bei der internen Dienstleistungserbringung Die Unsicherheit bei der internen Dienstleistungserbringung ist ein Maß für die Un/Vorhersehbarkeit der Änderungen qualitativer, quantitativer, terminlicher oder technischer Art während einer Transaktion. Je häufiger solche Änderungen auftreten, desto schwieriger ist eine exakte vertragliche Vereinbarung zwischen den Transaktionspartnern und desto höher sind die Transaktionskosten bei nachträglichen Anpassungen. Die Unsicherheit ist eine inhärente Eigenschaft von Dienstleistungsprozessen. Aufgrund der Charakteristika von Dienstleistungen „Integration des externen Faktors“ und „Interaktivität“ sind insbesondere expost-Transaktionskosten bei hohem Kommunikationsbedarf zwischen den Transaktionspartnern besonders hoch. Diese Unsicherheit lässt sich teilweise mit Steuerungsinstrumenten wie z. B. Service-Level-Agreements, Quality-Level-Agreements oder Zertifizierungen verringern.
x Häufigkeit bei der internen Dienstleistungserbringung Der Bestimmungsfaktor Häufigkeit beschreibt, wie oft eine bestimmte interne Dienstleistung erbracht bzw. nachgefragt wird. Der Häufigkeitsgrad hat weitgehende Auswirkungen auf die Art der Dienstleistungserstellung. Wird eine interne Dienstleistung dauernd nachgefragt, d. h. besitzt sie einen repetitiven Charakter, so wird es sich ab einem gewissen Wiederholungsgrad lohnen, standardisierte Prozesse bei der Dienstleistungserbringung einzuführen. Bei generischen Dienstleistungen wird im Allgemeinen ein höherer „Häufigkeitsgrad“ angetroffen, als bei spezifischen Services. Nichtsdestotrotz ist der Einfluss der Häufigkeit unterstützend und deshalb „nachrangig“. Die Ausgestaltung der internen Dienstleistung bestimmen vor allem die kritischen Faktoren „Dienstleistungsspezifität“ und „strategische Relevanz“. x Wissensintensität der internen Dienstleistungserbringung Der zusätzliche Bestimmungsfaktor Wissensintensität bei dem Prozess der internen Dienstleistungserstellung wird als hoch bezeichnet, wenn das mit der Erbringung eines internen Services verbundene Know-how hoch ist. Dabei werden mit dem Begriff der Wissensintensität weniger die technischen Aspekte der Dienstleistungserstellung gemeint, sondern aufgrund des immateriellen Charakters von Dienstleistungen, spielt vor allem organisatorisches Wissen eine bedeutende Rolle. Oft handelt es sich dabei um komplexe Prozesse, deren Wissen stark personengebunden ist, d. h. eine intangible Natur besitzt. Bei hoher Wissensintensität des Dienstleistungsprozesses wird die Gefahr der Wissensdiffusion eher gering sein, und möglicherweise auch das Erfordernis an Know-how-Absicherung, denn unternehmensspezifisches Wissen lässt sich schwer imitieren.
195
6.5.3.2 Handlungsempfehlungen für den Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation Die fünf zuvor beschriebenen Kriterien dienen zur genaueren Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten von internen Dienstleistungsaktivitäten, denn sie bestimmen deren unterschiedliche organisatorische Strukturierung und Ausgestaltung. Anhand der differenzierten Ausprägungen lassen sich die internen Dienstleistungen eines Unternehmens unterschiedlichen Typen zuordnen. Es ergibt sich die Frage, bei welchen Ausprägungen sollten die internen Dienstleistungsprozesse einem Shared Service Center, einem Headquarter Service oder einem Dedicated Service zugeordnet werden sollten? Interne Dienstleistungen mit einem mittleren Grad strategischer Bedeutung, Spezifität Unsicherheit und Wissensintensität sowie einem hohen „Häufigkeitsgrad“ sollten einem Shared
Service Center zugeordnet werden (siehe Abbildung 6.4). Unterstützende Dienstleistungen bedeuten für die Kernbereiche eines Unternehmens erforderliche Nebentätigkeiten, die wertvolle Ressourcen konsumieren. Für den gesamten Konzern spielen Supportprozesse jedoch eine nicht unwichtige Rolle (mittlere strategische Bedeutung), denn ohne die Unterstützung der „back-office“-Aktivitäten wäre beispielsweise die logistische Verteilung der Kernprodukte oder die netzwerkgestützte PC-Arbeit nicht möglich. Eine gebündelte Dienstleistungserbringung innerhalb eines Shared Service Centers lohnt sich allerdings nur bei einer mittleren Spezifität der Dienstleistungsprozesse. Eine geringe Spezifität würde eher den spontanen Kauf über den Markt begünstigen. Sehr spezifische Dienstleistungen, bei geringer strategischer Bedeutung, sprechen eher für eine Einordnung in die strategischen Geschäftseinheiten (Dedicated Service); eine hohe strategische Bedeutung bei gleichzeitig hohem Spezifitätsgrad gibt den Hinweis für eine strategische Einordnung der internen Dienstleistungsaktivität als Headquarter Service.
196
Abbildung 6.4: Kritische Faktoren zur Bestimmung von Shared Services Ausmaß der Modulasierbarkeit hoch
Spezifität
Strategische Bedeutung
m
Headquarter Services
m Unsicherheit
m
Shared Services
h m Häufigkeit
Dedicated Services
Wissensintensität
h = hoch m = mittel g = gering
Bestimmungsgröße
Ausprägungsgrad
Organisationstyp
Ein geringer Unsicherheitsgrad ist auch ein Signal für wenige Veränderungen sowie für keine nachträglich teuren Anpassungen bei der Dienstleistungserstellung. All diese sind Faktoren, die das vorrangige Kosteneinsparungsziel einer gebündelten Lösung positiv beeinflussen. Der mittlere Grad an Wissensintensität beruht auf der Notwendigkeit, zumindest organisatorisches Wissen zu besitzen. Beispielsweise verdankt die Metro Group Facility Services ihren Erfolg der vollständigen Beherrschung der integrierten Abfallentsorgung und Abfallvermarktung. Obwohl es sich beim Shared Service Center um eine unternehmensinterne Lösung handelt, wird dem internen Dienstleister die Freiheit eingeräumt, Teile seiner Prozesse zu externalisieren, insbesondere stark operative Prozesse. Das Shared Service Center spielt dann eine koordinierende Rolle bei der Dienstleistungserstellung. Allerdings sollte diese „Buy“-Lösung nur stattfinden, wenn externe Anbieter die internen Services professioneller und kostengünstiger anbieten können, oder wenn das Know-how im Shared Service Center nicht vorhanden und kurzfristig schwer aufzubauen ist (hohe Einlagerungsbarrieren). Darüber hinaus muss die Auftragskompetenz immer beim internen Dienstleister verbleiben. Im Gegensatz dazu sind Headquarter Services höchst strategisch (hohe strategische Bedeutung), sehr spezifisch (hohe Spezifität), teilweise unsicher (mittlerer Unsicherheitsgrad) und stark wissensintensiv. Weiterhin handelt es sich um Aktivitäten, die nicht sehr häufig durchgeführt werden (geringer Häufigkeitsgrad) (siehe Abbildung 6.5).
197
Abbildung 6.5: Kritische Faktoren zur Bestimmung von Headquarter Services
Ausmaß der Modulasierbarkeit hoch
Spezifität h
Strategische Bedeutung
h Headquarter Services m
Unsicherheit
g h
Häufigkeit
Shared Services
Dedicated Services
Wissensintensität
h = hoch m = mittel g = gering
Bestimmungsgröße
Ausprägungsgrad
Organisationstyp
Headquarter Services sind per Definition und aus strategischen Gründen oder per Gesetzgebung in der Konzernspitze gebündelt. Sie erbringen hoheitliche und strategische Dienstleistungen für die anderen Unternehmenseinheiten im Auftrag der Unternehmensleitung und sind von jeglichen operativen Tätigkeiten entbunden. Aus diesem Grund werden die internen Dienstleistungen nicht sehr häufig getätigt (geringe Häufigkeit). Darüber hinaus sind strategische Aufgaben im Voraus schwer vollständig planbar, da es sich meistens um nichtstandardisierte Aktivitäten handelt, es sei denn, es handelte sich um gesetzliche Bestimmungen, wie z. B. die Erstellung eines Jahresberichts von Seite der Finanzdienstleistungen. Das mit der Leistungserbringung verbundene Know-how ist sehr hoch und setzt sich aus dem Wissen von hochqualifizierten Mitarbeitern zusammen. In diesem Fall kommt eine externe Lösung überhaupt nicht in Frage.
Dedicated Services erlangen folgende Ausprägungen: mittlere strategische Bedeutung, hohe Spezifität, hohe Unsicherheit, geringe Häufigkeit und stark wissensintensiv. (siehe Abbildung 6.6).
198
Abbildung 6.6: Kritische Faktoren zur Bestimmung von Dedicated Services
Ausmaß der Modulasierbarkeit hoch
Spezifität
Strategische Bedeutung
Headquarter Services h
Unsicherheit
m
Shared Services
h Häufigkeit
g
Dedicated Services
h Wissensintensität
h = hoch m = mittel g = gering
Bestimmungsgröße
Ausprägungsgrad
Organisationstyp
Die strategische Bedeutung erreicht bei Dedicated Services einen mittleren Grad, da die Durchführung von bestimmten Serviceaktivitäten innerhalb einer Geschäftseinheit keine großen Auswirkungen auf den gesamten Konzern hat. Meistens sind diese internen Dienstleistungen sehr spezifisch und werden ausschließlich für ganz bestimmte Prozesse in einer einzelnen Geschäftseinheit angewandt. Aufgrund der hohen Spezifität ist oftmals gleichzeitig der Grad an Unsicherheit hoch, da mögliche Veränderungen sich nur schwer prognostizieren lassen. Deshalb scheidet hierbei die Option einer externen Dienstleistungserstellung aus. Diese würde höchstens bei einer geringen strategischen Bedeutung in Frage kommen. Eine gebündelte (Shared Service Center) Lösung würde sich aufgrund des geringen Häufigkeitsgrades bei der Dienstleistungserstellung nicht lohnen. Die hohe Spezifität bedingt auch das hohe Niveau an Wissensintensität, das zur Dienstleistungserbringung notwendig ist. Im Rahmen der höchstrelevanten Modellstufe „Aufgabenanalyse“ wird gleichzeitig mit Hilfe der fünf kritischen Bestimmungsfaktoren ein differenzierter „Bereinigungsprozess“ durchgeführt. Doppelarbeiten können dadurch besser identifiziert bzw. eliminiert werden. Anschließend erfolgt die „Clusterung“ der einzelnen „übrig gebliebenen“ Aufgaben oder Tätigkeiten in fach-spezifischen Leistungsklassen. Dieser organisatorische Schritt einer „integrativen Zusammenführung“ ist besonders wichtig im Hinblick auf die Bildung der zukünftigen Abteilungen. Eine sinnvolle Gruppierung von Arbeitsfeldern erzeugt automatisch das organisatorische Grundgerüst der neuen Organisation. 199
Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich feststellen, dass der Transaktionskostenansatz leicht umgewandelt - ein wichtiger theoretischer Baustein zur Festlegung und zur Optimierung der Leistungstiefe einer internen Dienstleistungsorganisation ist. Unter Zugrundelegung der Verhaltensannahmen der Transaktionspartner postuliert die Transaktionskostentheorie, dass eine gegebene Transaktion um so effizienter abgewickelt werden kann, je besser das Vertragssystem, d. h. die Organisationsform, den Anforderungen der Transaktionseigenschaften entspricht. Die kritischen Bestimmungsfaktoren unterstützen vor allem die Entscheidung über die beste „Mischung“ interner Servicestrukturen, d. h. der Wahl zwischen Shared Services, Headquarter Services und Dedicated Services. Auf dieser Stufe des Projektansatzes sollte auch mit der Definition der technischen und organisatorischen Voraussetzungen zum Aufbau einer eigenen EDV-Plattform begonnen werden. Ein auf die Bedürfnisse und Anforderungen des Shared Service Centers entwickeltes Datenverarbeitungssystem ist besonders wichtig, im Hinblick auf das Ziel der eigenständigen Steuerungsfähigkeit des Centers unter dem Stichwort „Self-Management“. Auf dieser Basis ist die neue Organisationseinheit in der Lage, als unabhängiges Unternehmen im alltäglichen Geschäft zu agieren und ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den internen Kunden zu erfüllen, wie z. B. Bestellungen anzunehmen oder Rechnungen zu stellen. Beim Aufbauprozess ist jedoch auf die unternehmensweite Kompatibilität der DV-Systeme zu achten, um spätere Schnittstellenprobleme zu vermeiden.
6.5.4
Kompetenzfestlegung und Ressourcenallokationsprozess
Auf Basis der im vorherigen Projektschritt durchgeführten „Clusterung“ der internen Supportaktivitäten soll hier im Rahmen eines Ressourcen-Allokationsprozesses ein optimales Aufgaben- und Kompetenzprofil für jeden zukünftigen Funktionsbereich ausgearbeitet werden. Ziel ist die Fertigstellung eines ersten Vorschlags zur Aufbauorganisation. Unmittelbar danach soll in dieser Stufe auch die konzeptionelle Umverteilung der vorhandenen Ressourcen (Mitarbeiter und Kapital) zu den neu definierten Funktionsbereichen stattfinden. In diesem Fall sollte vor allem auf die Kompatibilität zwischen Stellenprofil und Mitarbeiterprofil geachtet werden. Steht der erste Vorschlag der zukünftigen Abteilungen mit den nominierten, potenziellen Mitarbeitern fest, so gilt es in einem nächsten Schritt, diesen ersten Entwurf Vertretern der Konzernleitung und den internen Kunden zu präsentieren. Während eines konstruktiven Diskussionsprozesses sollen kritische Anregungen angenommen und überarbeitet werden. Bekommt der Vorschlag die Unterstützung der Unternehmensleitung, so gilt es, das organisatorische Konzept aus gesellschaftsrechtlichen Gründen den verschiedenen Gremien im Unternehmen, wie z. B. Wirtschaftsausschuss oder Betriebsrat, vorzustellen.
200
6.5.5
Organisation und Steuerung
Nach dem inhaltlichen und formellen Genehmigungsprozess kann mit dem tatsächlichen Reorganisationsprozess begonnen werden. Dieser sollte mit einem offenen Kommunikationsprozess beginnen, z. B. in Form einer feierlichen Ankündigungsveranstaltung, um den Mitarbeitern ausdrücklich und mit Optimismus mitzuteilen, dass organisatorische Veränderungen auf sie zukommen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Mitarbeiter die Gründe für die bevorstehende organisatorische Erneuerung erkennen und diese Veränderung als Chance wahrnehmen. Zwei Hauptstufen, die Gestaltung des organisatorischen Rahmens und des Steuerungsrahmens, lassen sich in dieser Hinsicht differenzieren. Beide Prozesse sollten bei der Umsetzung parallel ablaufen:
x Gestaltung des organisatorischen Rahmens Der organisatorische Rahmen umfasst insbesondere die physischen Veränderungen während des Umstrukturierungsprozesses. Bevor mit dem Umzugsprozess auf operativer Ebene begonnen wird, ist zunächst die strategische Lenkungsebene (Managerebene) im Rahmen eines objektiven Personalauswahlprozesses zu bestimmen.323 Sind die Stellen der Funktions- und Ressortleiter besetzt worden, so kann in einem nächsten Schritt mit der physischen Umorganisation der (operativen) Durchführungsebene begonnen werden. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin sollte über ihre neue Stelle und ihre unmittelbaren Vorgesetzten persönlich in Kenntnis gesetzt werden. Dieser organisatorische Schritt scheint nicht kompliziert zu sein, kann allerdings zu einer großen Verwirrung führen, wenn er nicht straff und fehlerfrei durchgezogen wird. Es besteht die Gefahr, dass der „Start“ der neuen Organisationseinheit in einen „Fehlstart“ verwandelt wird, wenn beispielsweise die neuen Aufgabenfelder nicht klar definiert sind oder Umzugspläne unkoordiniert ablaufen. Eine letzte, jedoch relevante organisatorische Vorkehrung, um die Funktionsfähigkeit des neugegründeten Shared Service Centers zu garantieren, ist die parallele Einführung einer EDV-Plattform, die alle wichtigen Geschäftsprozesse unterstützen und begleiten soll.
323 Zum Beispiel in Form eines Management-Audits.
201
x Gestaltung des Steuerungsrahmens Parallel zum physischen Ausbau der organisatorischen Vorkehrungen erfolgt auch die Gestaltung des sogenannten Steuerungsrahmens. Die Steuerung des Shared Service Centers soll durch bestimmte Regelungen bzw. Instrumente erfolgen, die eine transparente, qualitativ optimale und auf die Kundenanforderungen ausgerichtete Leistungserbringung garantieren. Die Lenkungsfähigkeit der internen Prozesse, die im Shared Service Center ablaufen, kann mit Hilfe von formellen und informellen Mechanismen geregelt werden. Im Rahmen der wertorientierten Theorie wurden verschiedene Steuerungsinstrumente beschrieben, die sich für die Gestaltung des Steuerungsrahmens eines Shared Service Centers besonders gut eignen, wie z. B. Service-Level-Agreements, Verrechnungspreise oder Quality-LevelAgreements.
6.5.6
Performance Evaluation: Der Review-Prozess
Die projektorientierte Einführung eines Shared Service Centers ist kein abgeschlossener Vorgang, der mit dem offiziellen Beginn der Geschäftsaktivitäten endet. Es handelt sich um einen offenen Prozess, der ständig an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen ist. Um den Erfolg und den Erfüllungsgrad der Interessen und Anforderungen von internen Kunden zu messen, ist die Durchführung eines andauernden Review-Prozesses mit Hilfe von bestimmten Qualitäts- und Erfolgsmaßstäben („Key-Performance-Indicators“) unerlässlich. Allerdings besteht bei Dienstleistungsprozessen aufgrund ihrer Immaterialität generell die Schwierigkeit der quantitativen Qualitäts- und Erfolgsmessung. Bisher gibt es kaum etablierte Messverfahren bzw. Kennzahlen, die sich zur quantitativen Messung der Wirtschaftlichkeit von Dienstleistungen eignen. Der am häufigsten verwendete Indikator ist das Kostensenkungspotential, d. h. die Fähigkeit des Shared Service Centers interne Dienstleistungen billiger als früher anzubieten. Ein sehr beliebtes, jedoch qualitatives Messverfahren sind Kundenzufriedenheitsbefragungen. Daraus lässt sich direkt ableiten, ob die Erwartungen der Kunden an die Leistung erfüllt worden sind. Verbesserungsvorschläge können dann direkt im Rahmen eines kontinuierlichen Dialogs und Verbesserungsprozesses eingearbeitet werden. Im Zusammenhang mit „Performance Evaluation“ von internen Services findet auch das Konzept der Balanced Scorecard324 als mehrdimensionales Steuerungsinstrument Anwendung. Dieses erlaubt eine vielseitige und wertorientierte Bewertung der erbrachten Leistungen. Die Berücksichtigung von vier differenzierten lässt eine objektive Bewertung der Wirtschaftlichkeit und des Erfolgs des internen Dienstleisters zu.
324 Vgl. Kaplan, R. S., Norton, D. P. (1999).
202
Abbildung 6.7 fasst die strategischen Schritte des Strukturierungsansatzes in komprimierter Form zusammen.
Abbildung 6.7: Prozessablauf zum Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation
Interne Services
Kritische Faktoren (Spezifität, usw.)
HQS
DCS
SSC SSCOrganisation
SollZustand IstZustand Projektanfang
HR
(Projektplan)
Ziel- und Strategiefestlegung
(Modularisierung und integrative Zusammenführung)
Aufgabenanalyse
IT Log
Festlegung strategischer Lenkungsebene
Festlegung operativer Durchführungsebene Projektende
Ressourcenallokation
Organisation und Steuerung
Review-Prozess (Erfolgsmessung)
6.6
Integrierter Ansatz zur Gestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation im Konzern
Die strategische Entscheidung darüber, wie eine interne Dienstleistungsorganisation am effizientesten zu gestalten ist, lässt sich nicht anhand eines einzigen existierenden theoretischen Modells erklären. Es sind verschiedene zentrale Aspekte der drei in Kapitel 5 dargestellten Theorien notwendig, um in einer integrierten Sichtweise diese organisatorische und strategische Frage zu beantworten. Die dargestellte Methodik zur Strukturierung von Prozessen zum Aufbau eines Shared Service Centers bietet eine Art Leitfaden, um keine wichtigen Schritte während des Aufbauprozesses zu vernachlässigen. Dieser Strukturierungsleitfaden kann und muss analog für den Aufbau und die Organisation der weiteren internen Dienstleistungseinheiten verwendet werden. Der Restrukturierungsprozess einer internen Dienstleitungsorganisation findet gleichzeitig auf allen Ebenen statt, sowohl bei der Bildung von Dedicated Services als auch bei der Umorganisation der Headquarter Services. Auf allen Ebenen sind Projektteams mit der gleichen Aufgabe und dem gleichen Ziel zu beauftragen, nämlich eine effiziente Organisation der internen Services zu entwerfen und in Gang zu setzen. Die wichtigste und gleichzeitig schwierigste Phase des Strukturierungsansatzes ist wahrscheinlich die Aufgabenanalyse (Schritt 3), denn hier wird eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten verlangt. Wird
203
dieser Schritt positiv absolviert, so werden dann auch wenige Konflikte bei der Ressourcenallokation bzw. Ressourcenumverteilung entstehen. Des Weiteren dienen die drei dargestellten theoretischen Ansätze zur Unterstützung des Strukturierungsmodells. Sie tragen zur Lösung der verschiedenen strategischen Stufen im Rahmen des Strukturierungskonzepts bei. Die mit jedem Ansatz gewonnenen Teilergebnisse sind dann am Ende des sechsstufigen Zyklus zu einer Gesamtsicht in einer integrierten Betrachtung des Aufbau- und Steuerungsprozesses einer internen Dienstleistungsorganisation zusammenzuführen. Die Transaktionskostentheorie spielt eine entscheidende Rolle bei dem strategischen Schritt der Aufgabenanalyse. Sie erfüllt zwei wichtige Funktionen: einerseits unterstützt sie die strategische Entscheidung zwischen einer unternehmensinternen und unternehmensexternen Gestaltung von Dienstleistungsfunktionen325, andererseits hilft sie zugleich die interne Dienstleistungsstruktur zu optimieren. Das Zusammenspiel der kritischen Einflussfaktoren bestimmt letztendlich die optimale Aufbaustruktur der internen Dienstleistungsorganisation.326 Die Ressourcenbasierte Theorie unterstützt den gesamten Aufbauprozess sowohl auf Konzern- als auch auf Dienstleistungsebene. Auf Konzernebene hilft sie vor allem Kernkompetenzen und unterstützende Prozesse zu differenzieren. Auf der Ebene der internen Dienstleistungsorganisation trägt sie auf der Basis des „Dynamic capability“-Ansatzes dazu bei, den Erneuerungsprozess mit Hilfe von Projektmanagement erfolgreich zu gestalten. In diesem Fall spielen „Project Capabilities“ eine besonders wichtige Rolle. Darunter verbirgt sich ein gesamtes Bündel an organisatorischen Fähigkeiten und strategischen Maßnahmen, die notwendig sind, um eine effiziente interne Dienstleistungsorganisation aufzubauen. Der Erfolg des Projekts hängt vor allem von dem organisatorischen Wissen des Projektteams ab, das spezielles Know-how und Erfahrung besitzen sollte, um die festgelegten Projektziele zu erreichen. Für den weiteren Steuerungsprozess von unterstützenden Dienstleistungen werden zusätzlich noch „Functional Capabilities“ benötigt, um generische Aktivitäten koordiniert durchzuführen und potenzielle Synergien und Kosteneinsparungen auszuschöpfen.
325 Siehe Unterkapitel 5.1. 326 Siehe Abschnitt 6.5.3.
204
Der Aufbau- und der darauffolgende Steuerungsprozess einer internen Dienstleistungsorganisation ist nicht statisch. Aus diesem Grund sollte die Supporteinheit diese funktionelle Fähigkeiten permanent erweitern und ausbauen, um durch einen fortwährenden Lernprozess, sich an veränderten Umwelt- und Marktbedingungen anzupassen. Der effiziente Bündelungsprozess von Supportaktivitäten erbringt zahlreiche ökonomische Vorteile für den gesamten Konzern. Als professioneller Dienstleister kann die Serviceeinheit sogar einen zusätzlichen Wertbeitrag generieren und sich zu einer potenziellen Quelle dauerhafter Wettbewerbsvorteile entwickeln. Dieser letzte Aspekt wird selbstverständlich auch vom wertorientierten Ansatz zentral behandelt. Geschäftsbereiche die keinen oder nur einen geringen Wert für die Anspruchsgruppen generieren, sollen entweder ausgelagert oder abgeschafft werden. Aus diesem Grund gibt die wertorientierte Theorie, analog zum Transaktionskostenansatz, einen Hinweis zur optimalen Leistungstiefengestaltung interner Dienstleistungseinheiten. In Bezug auf das Strukturierungsmodell liefert dieser dritte Ansatz einen großen Beitrag zur Klärung der Steuerungsmöglichkeiten einer internen Dienstleistungsorganisation.
Abbildung 6.8: Integrierter Ansatz zur Gestaltung einer internen Dienstleistungsorganisation
Leistungstiefenoptimierung unternehmerischer Dienstleistungen (Transaktionskosten- und wertorientierter Ansatz)
Aufbau- und Steuerungsprozess interner Dienstleistungen Dynamic Capability Ansatz
Projektmanagement
Intern versus extern
(Project Capabilities)
Wertorientierter Ansatz (Steuerung und Performance Review)
6
1
4
3
5
2
Transaktionskostenansatz (Aufgabenanalyse)
205
Zusammengefasst ergeben die drei theoretischen Ansätze in einer integrierten Sichtweise, ein vollständigeres Bild zur Analyse und zur Untersuchung des Aufbau- und Steuerungsprozesses einer internen Serviceorganisation, als es mit einem einzelnen Ansatz möglich wäre. Diesen Zusammenhang beleuchtet Abbildung 6.8. Darüber hinaus bietet diese integrierte Perspektive vielfältige Ansatzpunkte zum Aufbau und zur Entwicklung von Gestaltungsempfehlungen für interne Dienstleistungen an.
206
7
Gestaltungsempfehlungen für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Shared Service Centern
Im Rahmen der Darstellung der empirischen Ergebnisse327 ist das Modell von Schimank und Strobl bezüglich der evolutionsorientierten Gestaltung von Shared Service Centern unter Kritik geraten. Dieses wurde von der Autorin als idealtypisch bezeichnet, denn nicht jedes Shared Service Center wird bzw. muss am Ende seines Evolutionspfades die Position eines wettbewerbsorientierten Dienstleisters erreichen. Zahlreiche Faktoren, die nicht von der internen Serviceeinheit beeinflusst werden können, bedingen ihre strategische Rolle im Konzern, wie z. B. Ressourcenverfügbarkeit oder unternehmenspolitische Entscheidungen. Häufig liegt es im Ermessen der Unternehmensleitung, in welchem Ausmaß dem internen Dienstleister Handlungs- und Entscheidungsfreiheit gegeben wird. Hier spielen insbesondere die Bindungskräfte zwischen Mutterkonzern und Servicegesellschaft eine wichtige Rolle. Zur konkreten Definition der strategischen Rolle und der Weiterentwicklungsmöglichkeiten eines Shared Service Centers im Konzern möchte die Autorin das Konzept des Evolutionspfades von Schimank und Strobl durch eine selbstentwickelte Typologie ersetzen, welche aus den empirischen Erfahrungen mit dem Shared Service Center Konzept entstanden ist (Unterkapitel 7.1). Diese empirisch-basierte Typologie ist als Vier-Felder-Matrix konzipiert und stellt vier verschiedene Typen von Shared Service Centern dar, deren Hauptmerkmale von zwei zentralen Dimensionen bestimmt werden. Die Einordnung der Shared Service Einheiten in die Typologie stellt zunächst eine Momentaufnahme dar. Allerdings lassen sich daraus Gestaltungsempfehlungen und potenzielle Entwicklungspfade ableiten. Somit wird eine dynamische Dimension in das Modell zusätzlich miteinbezogen. Zur plastischen Illustration und zugleich zum besseren Verständnis des Phänotypen-Modells werden im Unterkapitel 7.2 sämtliche analysierte Unternehmen in die Typologie eingeordnet. Mit der Darstellung von zwei neuen organisatorischen Trends (Service Offshoring und Business Process Outsourcing) schließt Kapitel 7. Durch ihre mögliche Integration im Shared Service Center Konzept können sie die Weiterentwicklung der gesamten internen Dienstleistungsstruktur unterstützen.
327 Siehe Unterkapitel 3.2.2.
207
7.1
Phänotypen des Shared Service Center Konzepts
Die empirisch-basierte Typologie ist als Vier-Felder-Matrix konzipiert, und stellt vier verschiedene Typen von Shared Service Centern dar, deren Hauptmerkmale von zwei zentralen Dimensionen, „Interne Kundenorientierung“ und „Externe Wettbewerbsorientierung“, bestimmt werden. Dabei handelt es sich um die zentralen Bestimmungsgrößen des Konzepts: Eine hohe interne Kundenorientierung ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit eines Shared Service Centers. Dieses Merkmal stellt den entscheidenden Unterschied zwischen einem traditionellen Zentralbereich und einem Shared Service Center dar.328 Das Ausmaß an externer Wettbewerbsorientierung spielt auch eine wichtige Rolle bei der Gestaltung eines Shared Service Centers. Wird dem internen Dienstleister die Möglichkeit gegeben, am externen Markt zu agieren, so kann er unter Beweis stellen, dass seine Leistungen durchaus marktfähig sind. Externe Konkurrenz schafft einerseits Wettbewerbsdruck. Andererseits kann sich dieser Druck in einen positiven Anreiz verwandeln, um die Aktivitäten des Shared Service Centers wertschöpfungsorientiert zu gestalten. Eine mittlere bis hohe externe Wettbewerbsorientierung ist eine notwendige jedoch keine hinreichende Bedingung für den Aufbau eines effizienten Shared Service Centers. Analog zum Spezifität-Unsicherheit-Portfolio könnte das Schaubild die idealistische Vorstellung vermitteln, dass interne Kunden- und externe Wettbewerbsorientierung den gleichen Einfluss auf die Organisationsform ausüben. Allerdings wird die interne Kundenorientierung als das wichtigste Kriterium von beiden betrachtet. Mit Hilfe der Typologie soll auch der dynamische Charakter des Entwicklungsprozesses eines Shared Service Centers abgebildet werden. Die vier Phänotypen repräsentieren vier verschiedene Evolutionszustände bzw. Entwicklungsstufen. Eine Veränderung in den Wert der Achsendimensionen kann einen Typenwechsel verursachen (siehe die Evolutionspfeile in Abbildung 7.1). Abbildung 7.1 beleuchtet die vier Typen zur Charakterisierung des Dienstleistungskonzepts:
328 Siehe Abschnitt 2.3.2.
208
Abbildung 7.1: Typologie zum Shared Service Center Konzept Interne Kundenorientierung
Typ 2: „Klassisches SSC“
Typ 3: „Professionelles SSC“
Typ 1: „Pseudo SSC“
Typ 4: „Outsourcing SSC“
hoch
niedrig
niedrig
hoch
Externe Wettbewerbsorientierung
x Typ 1: „Pseudo Shared Service Center“ Geringe interne Kundenorientierung und ebenso geringe externe Wettbewerbsorientierung charakterisieren Phänotyp 1. Dieser wird von der Autorin als „Pseudo Shared Service Center“ bezeichnet, denn darunter verbirgt sich jedoch häufig ein ganz traditioneller Zentralbereich. Dieser Zustand wird von zahlreichen Unternehmen zu Beginn der Aufbauphase erlebt, vor allem bei Firmen, dessen interne Dienstleistungsaktivitäten bisher dezentralistisch organisiert waren. Als erster strategischer Schritt auf dem Weg zur Shared Service Center Organisation findet immer eine Bündelung der Supportaktivitäten statt. Jedoch besteht von Unternehmensseite manchmal nur ein geringes Interesse daran, das neue Konzept vollständig zu implementieren. Lediglich der Name des Organisationskonzepts wird hier ausgetauscht, weil die neue Bezeichnung -„Service Center“- innovativer und fortschrittlicher als „Zentralbereich“ klingt. Eine Entwicklung der grundlegenden Eigenschaften eines Shared Service Centers, insbesondere der internen Kundenorientierung, wird hier bewusst verhindert. In diesem Fall besteht höchste Gefahr des Rückfalls in „wasserkopfartige“ Strukturen, denn den Mitarbeitern des „Pseudo Shared Service Centers“ fehlt jeglicher Anreiz sowie Wettbewerbsdruck, die Leistungen kunden- und marktorientiert zu erbringen. Die Kosten werden ohnehin am Ende des Geschäftsjahres per Umlageverfahren auf die operativen Geschäftseinheiten umverteilt. 209
x Typ 2: „Klassisches Shared Service Center“ Eine mittlere bis hohe interne Kundenorientierung und eine noch geringe externe Wettbewerbsorientierung charakterisieren Phänotyp 2. Dieser wird von der Autorin als „Klassisches Shared Service Center“ bezeichnet. Er umfasst den Zustand von eher „jüngeren“ Shared Service Centern, d. h. welche, die nicht älter als fünf Jahre sind. Der unternehmensinterne Dienstleister ist schon in der Lage seine Aufgaben kundenorientiert zu gestalten und bereitet sich für die Externalisierung seiner Leistungen vor. Zum jetzigen Zeitpunkt findet eine Bedienung des externen Marktes lediglich in begrenztem Umfang statt.329 Strategische Schritte in Richtung „externe Wettbewerbsorientierung“ sollten langsam aber sicher gemacht werden, um eine objektive Vergleichsbasis gegenüber externer Konkurrenz zu schaffen. Die ausschließliche Bedienung des internen Marktes bietet dem internen Serviceprovider eigentlich keine mittel- bis langfristige Zukunftsperspektive. Des Weiteren können Kosteneinsparungspotenziale nicht ewig ausgeschöpft werden. Die Mitarbeiter der Serviceeinheit brauchen zusätzliche Anreize, wie z. B. die Möglichkeit der Realisierung externer Profite, um ihr Motivationsniveau zu steigern. Auf diese Weise bekommen sie den Ansporn, die Qualität der angebotenen Serviceaktivitäten kontinuierlich zu verbessern. Somit kann das Shared Service Center Wettbewerbs- sowie Wertschöpfungsfähigkeit auch gegenüber internen Kunden unter Beweis stellen. Phänotyp 2 umfasst deshalb Shared Service Center, die ihre Leistungen nach kostenorientierten oder nach marktähnlichen Preisen abrechnen. Steuerungsinstrumente wie ServiceLevel-Agreements gehören zum Alltag sowie die Durchführung von Kundenzufriedenheitsbefragungen. Der unternehmensinterne Kunde steht im Vordergrund, denn dieser ist der größte und fast alleiniger Auftraggeber.
x Typ 3: „Professionelles Shared Service Center“ Eine hohe interne Kundenorientierung sowie eine hohe externe Wettbewerbsorientierung charakterisieren Phänotyp 3. Dabei handelt es sich um Shared Service Center, die einen großen Teil ihres Geschäfts mit unternehmensexternen Kunden realisieren.330 Die Professionalisierung der Leistung und die explizite Gewinnorientierung stehen hier im Vordergrund. Das Shared Service Center tritt auf wie ein unabhängiges Unternehmen und kann sich sogar zu einem der Kernbereiche entwickeln. Allerdings ist der Mutterkonzern immer noch größter Kunde. Die noch existierenden Bindungskräfte zwischen Mutterkonzern und Servicegesellschaft spielen hier eine wichtige Rolle. Sie können sowohl positive als auch negative Auswirkungen für den Dienstleister haben.
329 5 bis maximal 10% des Umsatzes werden extern generiert. 330 Mindestens 30% des Gesamtumsatzes.
210
Diese Abhängigkeitskräfte drücken sich beispielsweise in der Existenz von besonderen Verträgen mit dem Mutterkonzern aus, die diesem eine bevorzugte Behandlung verleihen. Die Muttergesellschaft bestimmt, als stärkster Kunde, häufig die Funktionalität der angebotenen Leistungen. Dadurch besteht die Gefahr der Überqualität, denn sehr spezifische Services können nicht immer an Drittkunden vermarktet werden. Die Bindung von Kapazitäten und die Einschränkung des Gestaltungsfreiraums sind deshalb die negativen Folgen. Diese Abhängigkeit wird als „captive-player“-Problematik bezeichnet. Andererseits genießt der interne Dienstleister eine teilweise monopolistische Stellung, die ihm Absatzsicherheit gewährt. Darüber hinaus profitiert die Serviceeinheit von einem guten „branding“ der Muttergesellschaft. Dieser Vorteil kann zu Beginn der Professionalisierungsphase nützlich sein. Auf diese Weise steigt der Bekanntheitsgrad des neuen Unternehmens erheblich schneller an. Später kann dies jedoch auch eine starke Grenze für den Marktauftritt der Tochtergesellschaft bedeuten, denn ihr Tätigkeitsfeld wird immer in Verbindung mit den Hauptaktivitäten der Mutter gebracht. Die Expansion der Aktivitäten außerhalb der Branche, wo der Mutterkonzern tätig ist, gestaltet sich schwieriger als bei einem unabhängigen Dienstleister. Im Fall des Phänotyps 3 stellt sich die Frage, ob die Bezeichnung Share Service Center immer noch korrekt ist, wenn die Service-Einheit als unabhängiges Unternehmen am Markt auftritt und zu den strategischen Geschäftsfeldern des Mutterkonzerns gehört. Der ursprüngliche Charakter eines intern orientierten Dienstleisters geht in gewisser Weise verloren. Gewinnverantwortung und Profiterzielung stehen jetzt im Vordergrund, und die externe Marktbedienung ist für das Überleben im Wettbewerb zum Teil entscheidend.
x Typ 4: „Outsourcing Shared Service Center“ Phänotyp 4 besitzt einerseits eine geringe interne Kundenorientierung und andererseits eine hohe externe Wettbewerbsorientierung. Dabei handelt es sich um Shared Service Center, deren Fähigkeiten und Kompetenzen zwar keinen direkten Bezug zu der Geschäftstätigkeit des Konzerns aufweisen, aber zu Leistungen führen, die für sich genommen marktfähig sind. Das bedeutet, dass externe Kunden am Erwerb der Centerleistungen immeBBS r noch interessiert sind. Dann sind die Voraussetzungen gegeben, dieses Center weiterhin eigene Geschäfte betreiben zu lassen, allerdings als separate organisatorische Struktur. Die Serviceeinheit hat eigene Geschäftskompetenzen, die jedoch für interne Kunden uninteressant sind, weil sie ihren Anforderungen nicht (mehr) ansprechen. In diesem Fall kann sich beispielsweise durch eine Neupositionierung des Gesamtunternehmens die interne Kundennachfrage verändert haben. Der Grad an strategischer Bedeutung der internen Dienstleistung ist dadurch noch weiter gesunken, so dass der Verkauf bzw. die Auslagerung der internen Einheit als mögliche Alternative in Frage kommt. Ein weiterer Grund kann auch eine sprunghafte Erhöhung der externen Nachfrage in Relation zum internen Kundenbedarf sein. 211
Treffen beide Gründe zusammen, so ist die Gründung einer neuen Firma mit neuen Geschäftszielen die richtige Entscheidung. Zahlreiche Unternehmen sehen fälschlicherweise Shared Service Centers als eine elegante strategische Option, um tarifbezogene Veränderungen einzuführen und somit weitere Personalkosten einzusparen. Die neugegründete Servicefirma wird dann nach dem Tarifvertrag einer Dienstleistungsgesellschaft abgerechnet. Das macht vor allem einen großen Kostenunterschied, wenn der Mutterkonzern beispielsweise zur Metall- oder zur Chemiebranche gehört. Diese neuen tariflichen Strukturen erleichtern dann ein späteres Outsourcing der vom Konzern unabhängigen Servicegesellschaft.
7.2
Empirische Entwicklungsmuster und Gestaltungsempfehlungen
Die Definition und die Beschreibung der vier Phänotypen gewinnen stark an Aussagewert, wenn sie durch empirisch basierte Fallbeispiele vervollständigt werden. Sechs Unternehmensbeispiele aus der Studie sind von der Autorin ausgewählt worden, welche sich für die plastische Darstellung der zuvor beschriebenen Typologie besonders eignen. Dabei lässt sich vor allem der dynamische Charakter des Modells besonders gut abbilden.
x Fallbeispiel zum Phänotyp 1 Im Rahmen der empirischen Fallstudien ist festgestellt worden, dass das derzeitige Shared Service Center Konzept bei dem Unternehmen Agilent Technologies (siehe Unterkapitel 4.2) momentan sehr zentralistisch ausgeprägt ist. Nach dem „Spin-Off“ von Hewlett Packard fand eine unternehmensweite Umstellung und Harmonisierung mehrerer IT-Plattformen statt. Dies stellte damals einen Kraftakt dar, der ohne ein gewisses Maß an Zentralisierung nur schwer zu realisieren gewesen wäre. Für die internen Kunden besteht zur Zeit noch Kontrahierungszwang. Darüber hinaus wurden Verrechnungspreise aufgrund zu hoher Komplexität abgeschafft und ein System der Budgetierung „von oben“ eingeführt. Allerdings stellt sich nun die Frage, ob sich diese starke Zentralisierung längerfristig mit den Shared Service Center Prinzipien „verträgt“. Durch die Budgetierung wird den internen Kunden ein Teil ihrer Selbständigkeit genommen. Sie sind an das vorgegebene Budget und die damit vorgeplanten Anschaffungen gebunden. Der wichtige Aspekt „interne KundenLieferanten-Beziehung“ verliert somit stark an Bedeutung.
x Fallbeispiele zum Phänotyp 2 Die Servicegesellschaft Bayer Business Services GmbH lässt sich klar und eindeutig dem Phänotyp 2 zuordnen. Das Prinzip „Interne Kundenorientierung“ wird vom Anfang an als Hauptziel des Shared Service Centers verfolgt. Vor der Restrukturierung mangelte es an einer systematischen Organisation der internen Servicebereiche. Diese waren, als Teil des 212
großen Verwaltungsapparates im Stammhauskonzern, nicht effizient organisiert. Vermisst wurde vor allem eine fehlende, systematische Trennung zwischen tatsächlich unterstützenden Serviceleistungen und strategisch orientierten Konzerndienstleistungen. Darüber hinaus war die parallele Durchführung von Dienstleistungsaktivitäten keine Seltenheit. Den Konzerndienstleistern wurde häufig vorgeworfen, zu teure Leistungen anzubieten. Aus diesem Grund hatten zahlreiche zentrale Servicebereiche angefangen, Kompetenzen in anderen Feldern aufzubauen. Das war ein klares Zeichen dafür, dass die internen Kundenanforderungen nicht in ausreichendem Maße erfüllt werden konnten. Mit der Einführung von Shared Service Center Strukturen sollten diese Schwachstellen behoben werden. Angestrebt war vor allem die Einführung einer flexiblen Organisation der internen Services, die fähig war, effiziente und kostengünstige Dienstleistungen anzubieten und gleichzeitig markt- und kundenorientiert zu agieren. Der Verkauf von Dienstleistungen am externen Markt wird prinzipiell nicht ausgeschlossen. Das innere Vorhaben der Serviceeinheiten ist, in einem mittelfristigen Zeithorizont, die Erzielung von Profiten vor allem durch eine externe Vermarktung der Serviceleistungen. Zur Zeit wird maximal 10% des Umsatzes mit externen Aufträgen erwirtschaftet. Ferner handelt es sich hier um Kunden, mit denen der Bayerkonzern schon anderweitig zusammenarbeitet, wie z. B. Unternehmen aus dem Chemiepark in Leverkusen, oder um Firmen, die sogar früher zum Unternehmen gehört hatten, wie z. B. Agfa-Gevaert. In diesem Fall übernimmt die Serviceeinheit Human Ressources Services die Entgeltabrechnungsaktivitäten des ehemaligen Geschäftsbereichs.331 Die Metro Group Facility Services GmbH (MFS) wird auch dem Phänotyp 2 zugeordnet. In diesem Fall hat sich das Shared Service Center Konzept als innovativer organisatorischer Ansatz zur Koordination und Steuerung von Entsorgungsaktivitäten in großen Handelsunternehmen angeboten. Seit seiner Gründung führten die einzelnen Vertriebslinien ihre Entsorgungsaktivitäten nicht mehr in Eigenregie durch, sondern beauftragten das Shared Services Center, sich um die gesamte Koordination und Steuerung zu kümmern. Leider durfte die MFS ihre Dienstleistungen nur unternehmensintern anbieten, obwohl sie überzeugt war, dass sie gute Profite bei einer externen Vermarktung des Entsorgungskonzeptes realisieren würde. Des Weiteren durften die erzielten Gewinne nicht beibehalten werden, sondern mussten den Vertriebslinien verursachungsgemäß zurückbezahlt werden.
331 Informationen aus dem persönlichen Interview mit dem Leiter im Bereich Human Resources Services.
213
x Fallbeispiel zum Phänotyp 3 Die IT-Tochtergesellschaft des Lufthansa Konzerns „LH-Systems Group GmbH“ wird dem Phänotyp 3 zugeordnet.332 Sie gehört 100 prozentig der Lufthansa AG, tritt jedoch als selbständige Firma am Markt auf und versteht sich als „Full-Service-Provider“ der Airline und Aviation-Branche. Die LH-Systems ist aus einem umfangreichen Restrukturierungsprozess des Luftfahrtunternehmens entstanden. Sie hat sich im Laufe der Jahre von einer internen Serviceeinheit zu einem extern-orientierten professionellen Dienstleister entwickelt. Seit der rechtlichen Verselbständigung der IT-Zentralabteilung im Jahr 1995, stand als vorrangiges Ziel der Ausgründung nicht nur die erhoffte Kostentransparenz, sondern auch der Ausbau des Drittkundengeschäfts. Deshalb wurde der stetige Aufbau einer eigenen Vertriebs- und Account-Struktur in Vordergrund gestellt. Während der ersten 3 Jahre waren die Leistungsabnahmen von Seite des Mutterkonzerns abgesichert. Seit 2001 fungiert die LHSystems Group GmbH als Management-Holding mit 17 IT-Gesellschaften und gehört heutzutage zu einem der sechs strategischen Geschäftsfelder des Konzerns. Das Leistungsportfolio untergliedert sich in acht Geschäftssegmente: Airline Network Planning & Control, Airline Passenger & Sales Services, Airline Flight Support, Cargo & Logistics, Maintenance Repair & Overhaul, Administration & Finance, Infrastructure Services and Business Process Outsourcing. Der Lufthansa Konzern bleibt weiterhin wichtigster Kunde des IT-Providers. Zweitgrößter Umsatzträger ist der Flugverbund „Star Alliance“. Der Drittkundenumsatz von ca. 35% ist als relativ hoch zu bewerten. Obwohl der größte Umsatzanteil mit Unternehmen der Luftfahrtindustrie erzeugt wird, bietet die LH-Systems, als branchenunabhängiger Dienstleister, zusätzlich noch IT-Infrastrukturlösungen an regional ansässige Unternehmen. Sie fühlt sich nicht als „Captive-Player“, denn sie ist für die Definition ihrer Geschäftstätigkeit bzw. ihres Portfolios, die Festlegung ihres Budgets und ihrer Aktivitäten am Drittkundenmarkt selbst verantwortlich. Allerdings ist der Einfluss der Muttergesellschaft bei der Bestimmung der Produktfunktionalität, in gewisser Hinsicht noch relativ hoch, was zu einer relativen Einschränkung der Gestaltungsfreiheit des Dienstleisters führt. Strategische Entscheidungen, die den gesamten Konzern betreffen, werden von Seite der Mutter getroffen. Heutzutage besteht fast kein Protektionismus mehr. Finanzielle Unterstützung wird von Seite der Mutter nicht (mehr) gewährt. Bei bestimmten unternehmenskritischen Applikationen des Mutterkonzerns ist die LH-Systems jedoch monopolistischer Alleinlieferant. Bei nicht-kernrelevanten Projekten existiert ein vollständiger Wettbewerb mit externen Providern.
332 Ergebnisse aus dem persönlichen Interview mit dem Leiter Strategie der LH-Systems Group GmbH.
214
x Fallbeispiele zum Phänotyp 4 Für Phänotyp 4 lassen sich keine zutreffenden Beispiele aus der durchgeführten empirischen Untersuchung finden, denn dieser Fall ist nicht als Untersuchungsziel direkt betrachtet worden. Die Entstehungsgründe des finanzorientierten Shared Service Centers aus dem Unternehmen Bahlsen GmbH & Co. KG. entsprechen teilweise der oben genannten Situation. Interne Finanzdienstleistungen sollten in einer Servicegesellschaft, der Bahlsen Business Services GmbH, gebündelt und an das Beraterunternehmen Andersen Consulting ausgelagert werden. In der Planungsphase waren zwei international tätige Center geplant: eines mit Sitz in Deutschland für die Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz, und eines in Frankreich mit dem Zuständigkeitsbereich Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten. Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Bahlsen und Andersen Consulting aufgrund finanzieller Differenzen, hat sich der Nahrungsmittelkonzern auf die Gründung eines national tätigen Shared Service Centers für deutsche Kunden konzentriert.333 Das im Osten Berlins angesiedelte, europäische Shared Service Center für die Bereiche Finanz- und Rechnungswesen und Personaldienstleistungen des Chemiekonzerns BASF könnte eventuell ein potenzieller Fall für Phänotyp 4 werden. Wie schon im Abschnitt 3.2.1 erläutert wurde, bündelt das Unternehmen in einem Shared Service Center Dienstleistungen, die vorher in über 100 europäischen BASF-Gesellschaften verteilt waren. Die Entscheidung für den Standort Deutschland ist jedoch nur möglich gewesen, weil das Unternehmen zusammen mit der lokalen Regierung eine flexible und wirtschaftlich tragbare Lösung gefunden hat. Da es sich bei der neuen Gesellschaft nicht um einen Produktionsbetrieb der chemischen Industrie handelt, sondern um ein reines Dienstleistungsunternehmen, wird dieses nach dem kostengünstigeren dienstleistungsbezogenen Tarifvertrag abgerechnet. Ob die Servicegesellschaft, aus den oben genannten Gründen, zu einem späteren Zeitpunkt aus dem BASF Konzern ausgelagert wird, wurde bislang noch nicht thematisiert. Abbildung 7.2 veranschaulicht die oben erwähnten Zusammenhänge. Die fettgedrückten Namen und Pfeile zeigen das tatsächliche Entwicklungsstadium bzw. den bisherigen Entwicklungspfad des internen Dienstleisters. Des Weiteren bedeutet ein gestrichelter Pfeil einen potenziellen Entwicklungsschritt:
333 Informationen aus dem telefonischen Interview mit der Geschäftsführerin der Bahlsen Business Services.
215
Abbildung 7.2: Empirische Entwicklungsmuster und Gestaltungsempfehlungen Interne Kundenorientierung
Typ 2
2 LH-Systems
Typ 3 3 LH-Systems
Metro 3
Bayer
hoch 3 MAM
1 Agilent/HP
Typ 1 2
1 LH-Systems
Agilent
Typ 4
Metro Bayer
niedrig
Bayer
Bahlsen BS (Gründungsphase)
niedrig
hoch
Externe Wettbewerbsorientierung
Die Shared Service Center Organisation bei Agilent Technologies Inc. wird dem Typ 1 zugeordnet. Die Abschaffung des Verrechnungspreissystems nach der Abspaltung von Hewlett Packard hat einen Rückgang der internen Kundenorientierung und einen Rückfall in ein zentralistisch geprägtes Organisationsmodell verursacht. Das Unternehmen sollte nach dieser ersten etwas schwierigeren Trennungsperiode, allmählich, ihre internen Dienstleistungseinheiten stärker kundenorientiert gestalten. Die Einführung von zumindest kostenorientierten Verrechnungspreisen ist fällig, um eine etwas objektivere Vergleichsbasis bezüglich der erbrachten Leistungen zu bekommen. Weitere kundenorientierte Steuerungsinstrumente, wie z. B. Service-Level-Agreements oder Quality-Level-Agreements sollten ebenfalls konsequent Anwendung finden. Die Entwicklungsmöglichkeiten der Metro Group Facility Services GmbH erschienen auf den ersten Blick begrenzt, da die externe Vermarktung der Services aus unternehmenspolitischen Gründen verboten war. Der Weg in Richtung Typ 3 mit externer Wettbewerbsorientierung ist damals „gesperrt“ gewesen. Darüber hinaus durfte der Umweltdienstleister mögliche Gewinne nicht beibehalten. Es stellt sich dann die Frage, wie dann Zukunftsinvestitionen sowie weitere Expansionsmöglichkeiten zu realisieren sind, wenn die notwendigen inneren Ressourcen dazu fehlen. Um das große Potenzial des effizienten Umweltdienstleisters nicht zu vernachlässigen, ist der MFS die Möglichkeit des internen Wachstums angeboten worden. Sie ist in einer größeren organisatorischen Einheit, in der „Metro Group Asset Manage216
ment GmbH und Co. KG“ integriert worden. Das Aufgabenspektrum der ehemaligen MFS ist dadurch auch stark erweitert worden. Zu den Entsorgungs- und Reinigungsdiensten sind die Bereiche Technik, Energiemanagement sowie Teile der baulichen Instandsetzung hinzugekommen. Dadurch hat sich für das ehemalige Shared Service Center der finanzielle Rahmen erheblich erweitert sowie auch seine Position in der Metro Group bedeutend verbessert. Die MAM darf ihre Leistungen auch extern anbieten. Die Vermarktungsaktivitäten des ehemaligen MFS-Bereichs sind zur Zeit jedoch noch relativ begrenzt. Die Bayer Business Services GmbH hat das Ziel einer höheren internen Kundenorientierung vollständig erreicht und somit den Schritt von Typ 1 auf Typ 2 erfolgreich gemeistert. Ferner soll sie mittel- bis langfristig zu einem wettbewerbsfähigen Dienstleister ausgebaut werden (Typ 3). Dennoch fehlen ihr zur Zeit die dazu notwendigen Ressourcen sowie Erfahrungswerte. Die Zulassung von externer Konkurrenz ist auch vorgesehen, allerdings wird dem internen Dienstleister während der ersten Implementierungsphase eine „Schonfrist“ gewährt, eine sogenannte „Last Call Option“. Die Servicegesellschaft verfügt hiernach über die Möglichkeit, bei einer Ausschreibung durch den Mutterkonzern, ihr Dienstleistungsangebot dem der externen Konkurrenten anzupassen.334 Die LH-Systems Group GmbH hat es geschafft, sich als erfolgreicher branchenorientierter Dienstleister am Markt zu positionieren. Die geschichtliche Entwicklung zeigt auf, das sie die drei Entwicklungsstufen durchlaufen ist. Eine frühe strategische Ausrichtung auf die zusätzliche Erzielung von Drittkundengeschäft hat insbesondere zu ihrer positiven Entwicklung beigetragen. Ohne die bedingungslose Unterstützung der Unternehmensleitung wäre dies jedoch nicht möglich gewesen. Im Fall des Phänotyps 3 stellt sich jedoch die Frage, ob die Bezeichnung Share Service Center immer noch korrekt ist, wenn die Service-Einheit dann als unabhängiges Unternehmen am Markt auftritt und jetzt zu den strategischen Geschäftsfeldern des Mutterkonzerns gehört. Der ursprüngliche Charakter eines intern orientierten Dienstleisters geht in gewisser Weise verloren. Gewinnverantwortung und Profiterzielung stehen jetzt im Vordergrund und die externe Marktbedienung ist für das Überleben im Wettbewerb zum Teil entscheidend. Die zuvor dargestellte Typologie zeigt verschiedene Evolutionsschritte interner Dienstleister auf und dient insbesondere der Ableitung von möglichen Gestaltungsempfehlungen, um situationsabhängig die vorteilhafteste Entwicklungsstrategie auszuwählen. Nichts desto trotz erfüllen die Phänotypen 2 und 3 die Prinzipien eines Shared Service Centers am genauesten.
334 Vgl. Hackmann, J. (2004), S. 4.
217
7.3
Neue Trends in der internen Dienstleistungsorganisation
Im letzten Kapitel wurde auf Grundlage der empirischen Ergebnisse festgestellt, dass das Shared Service Center Konzept kein statischer Ansatz ist. Es lässt sich in verschiedenen Konstellationen erleben, die von Fall zu Fall unterschiedlich sind. Die dargestellte, stark vereinfachte Typologie, mit den daraus abgeleiteten potenziellen Evolutionsmustern, deckt jedoch bei weitem nicht alle Entwicklungsmöglichkeiten ab. Aus diesem Grund werden im nächsten Abschnitt zwei neue Trends vorgestellt, Service Offshoring und Business Process Outsourcing, die sich in den Shared Service Center Ansatz integrieren lassen und dadurch weitere Entwicklungsmöglichkeiten für diese neue Organisationsform darstellen.
7.3.1
Service Offshoring und Internationalisierung von Shared Service Centern
Service Offshoring stellt eine Weiterentwicklung des Shared Service Center Gedankens dar. Basierend auf der Idee der Bündelung interner Services haben bereits zahlreiche multinationale Unternehmen ihre Shared Service Center in kostengünstige Länder ausgelagert, um vor allem weitere Kosteneinsparungen realisieren zu können. Gerade personalintensive Funktionen wie z. B. Call Center Aktivitäten oder IT-Services werden zunehmend in Niedriglohnländer verlagert. Viele US-Unternehmen haben beispielsweise Centers in Indien oder auf den Philippinen eingerichtet, die Softwareentwicklung oder einfache Buchhaltungsaufgaben für die Unternehmen im globalen Ausmaß wahrnehmen. Auch in Irland und in Ost-Europa, insbesondere in Städten wie Prag und Budapest sind solche Center entstanden. Schwerpunktmäßig werden hier IT-, Finanz- und Rechnungswesenaufgaben durchgeführt. Die Thematik des Service Offshorings ist relativ neu. Aus diesem Grund mangelt es bisher an wissenschaftlich basierte Arbeiten, wie Dissertationen oder Habilitationen. Aus diesem Grund gehören die im Rahmen dieses Kapitels verwendeten Quellen, meistens zu veröffentlichten Studien aus Beratungsunternehmen und aus internationalen Organisationen, wie z. B die OECD. Die Unternehmensberatung A. T. Kearney definiert Service Offshoring folgenderweise: „Our definition of offshoring is the search for a lower cost location for business processes. It could include migrating existing processes or augmenting a current global footprint. When a company looks at an offshore location for its business processes, it can outsource to a third party (Offshore Outsourcing), establish its own operating unit (Captive Offshoring) or create a joint venture with a local low-cost operator.”335 Die OECD vernachlässigt in ihrer Klassifizierung die Möglichkeit eines Joint Venture bzw. weiterer Kooperationsoptionen mit lokalen Servicepartnern (siehe Abbildung 7.3) und bezeichnet „Captive Offshoring“ als eine Art von Outsourcing, obwohl die Dienstleistungsliefe-
335 A. T. Kearney (2004b), S. 50.
218
rung innerhalb des eigenen Unternehmens oder zwischen beteiligten Unternehmen stattfindet („Shifting intra-firm inputs/supplies to affiliated firm“). National ausgerichtete Shared Service Center werden hier als „Captive onshore Outsourcing“ bezeichnet. Diese Terminologie kann zunächst für Verwirrung sorgen. Wichtig ist jedoch, dass die dazugehörige Definition korrekt ist.336
Abbildung 7.3: Definition von Offshoring nach der OECD
Located in home economy
Non-affiliated firm
Local/domestic onshore Outsourcing
Located abroad
Offshore Outsourcing
Shifting intra-firm inputs/supplies to Affiliated firm
Captive onshore Outsourcing
Captive offshore Outsourcing (= Captive Offshoring)
Quelle: World Trade Report (2005), zitiert in OECD (2005) Ein großer Anteil von weltweit tätigen Unternehmen hat die Möglichkeit des „Captive Offshorings“ gewählt. Dadurch kann der Mutterkonzern die Kontrolle über die ausgelagerten Aktivitäten behalten und die firmenspezifische Kultur leichter etablieren. Gleichzeitig wird das Risiko reduziert, vertrauensvolle Informationen preisgeben zu müssen. Um Kosteneinsparungen und Skaleneffekte zu realisieren, sollte die organisatorische Einheit allerdings eine gewisse Größe erreichen. Eine stabile finanzielle Basis wird auch benötigt, um notwendige Investitionen (in Personal- und Sachkapital) tätigen zu können. Wesentliche Treiber für die Offshore-Entscheidung sind die Kostenvorteile, aber zunehmend auch andere Faktoren, wie z. B. die Erhöhung der Produktivität und der Servicequalität sowie die bessere Verfügbarkeit von Know-how. Eine weitere Studie von A. T. Kearney bezüglich des Offshorings von Financial Services in Banken und Versicherungen aus Europa und den USA stellt diese Treiber gegenüber (siehe Abbildung 7.4). Für europäische Finanzdienstleister spielt der Faktor „Kosteneinsparungen“ eine stärkere Rolle als für US-amerikanische Unternehmen im Vergleich zu den restlichen Faktoren. Weitere wichtige Treiber, wie z. B. die Erhöhung der Produktivität oder der Servicequalität, stehen für europäische Banken und Versicherungen, die Offshoring betreiben noch nicht im Vordergrund. Diese unterschiedliche Gewichtung lässt sich dadurch erklären, dass USamerikanische Firmen europäischen Firmen in der Offshoring-Frage weiterhin einen Schritt
336 “Captive onshore outsourcing” implies a shift in intra-firm supplies to an affiliated firm in the home economy, “Captive offshoring” describes a situation in which future supplies are sourced from an affiliated firm abroad. World Trade Report (2005), p. 267.
219
voraus sind. Kosteneinsparungspotentiale sind zunächst die Auslöser für OffshoringEntscheidungen. Sind diese erst einmal gesichert, kann sich das Unternehmen auf weitere wichtige Treiber konzentrieren, die seine Offshoring-Entscheidung festigen.
Abbildung 7.4: Offshoring-Treiber bei Finanzdienstleistern
95% 93%
Kostenreduktion
29%
Produktivitätserhöhung
64%
10%
Verbesserung Servicequalität
42%
19%
Wachstum
39% Europa USA
19%
Know-how Erweiterung
30%
14%
Andere
7% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Quelle: A. T. Kearney (2003), S. 3337 Bei der Auswahl von Offshoring-Standorten unterscheiden sich auch europäische Finanzdienstleister von ihren amerikanischen Finanzpartnern (siehe Abbildung 7.5). Für US-Institutionen steht Indien unangefochten an der Spitze des Attraktivitätsrankings (90%), gefolgt von China (20%) und den Philippinen (20%). Für europäische Unternehmen ist Indien auch ein attraktiver Standort. 45% der befragten Unternehmen waren dieser Meinung. Allerdings spielen osteuropäische Länder, wie z. B. Ungarn und die Slowakei eine immer größere Rolle als potenzielle Offshoring-Ziele. Selbstverständlich spielen hier Faktoren wie geographische und kulturelle Nähe sowie der Zugang zu engagierten und gut qualifizierten Hochschulabsolventen mit den notwendigen Sprachkenntnissen eine ausschlaggebende Rolle.
337 In dieser Umfrage nahmen mehr als 20 ausgewählte Finanzdienstleister teil (große und mittelständige Banken, Versicherungen und Finanzinstitutionen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und einigen osteuropäischen Ländern).
220
Abbildung 7.5: Befürwortete Offshoring-Standorte bei Finanzdienstleistern USA
Indien
90%
China
20%
Philippinen
20%
Kanada
15%
Tschechische Rep.
10%
Mexico
10%
Australien
5%
Brasilien
5%
Irland
5% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
60%
80%
100%
Europa 45%
Indien Ungarn
18%
Slowakei
18%
Schweiz
18%
Rumänien
18%
Österreich
9%
Weißrusland
9%
Tschechische Rep.
9%
Irland
9%
Liechtenstein
9%
Niederlande
9% 0%
20%
40%
Quelle: A. T. Kearney (2003), S. 9
221
7.3.2
Business Process Outsourcing
Business Process Outsourcing (BPO) stellt einen weiteren Trend in der Organisation interner Dienstleistungseinheiten dar, der zu einer Weiterentwicklung und zu einer festen Etablierung des Shared Service Center Konzepts beitragen kann. Obwohl es sich beim Shared Service Center um eine unternehmensinterne Lösung handelt, wird dem internen Dienstleister häufig die Freiheit eingeräumt, Teile seiner Prozesse zu externalisieren, insbesondere stark operative Aktivitäten. Das Shared Service Center spielt dann eine koordinierende Rolle bei der Dienstleistungserstellung. Allerdings sollte diese Outsourcing-Lösung nur gewählt werden, wenn externe Anbieter die internen Services professioneller und kostengünstiger anbieten können, oder wenn das Know-how im Shared Service Center nicht vorhanden und kurzfristig schwer aufzubauen ist. Auch ein zu geringes internes Nachfragevolumen kann die Realisierung von Skaleneffekten und von potenziellen Kosteneinsparungen verhindern, so dass ein externer Zukauf die effizientere Variante darstellt. Allerdings muss trotz Externalisierung die Auftragskompetenz und die Kontrolle der Leistungserbringung immer beim internen Dienstleister verbleiben. Von dieser Auslagerung einzelner interner Dienstleistungsfunktionen unterscheidet sich Business Process Outsourcing. BPO stellt die derzeit höchste Entwicklungsstufe im Outsourcing dar, denn dabei werden komplette Geschäftsprozesse an einen externen Dienstleister übergeben. Im Idealfall gibt es für den Kunden nur noch einen Ansprechpartner als Dienstleister, im Vergleich zu mehreren Dienstleistern als Experten bei einem partiellen Outsourcing.338 Beispielsweise würde im Bereich Personaldienstleistungen Business Process Outsourcing die gesamten Prozesse innerhalb der Personalorganisation einschließen: Personalbeschaffung (Personalsuche und Personalauswahl), Personaladministration und betreuung (inklusive Gehaltsabrechung, Reisekostenmanagement, usw.) sowie Aus- und Weiterbildungsmanagement und Personalcontrolling. Für das Unternehmen ergeben sich folgende Vorteile:339 x Die Komplexität im Shared Service Center wird erheblich reduziert und die Abläufe vereinfacht. Beispielsweise entfallen eigene hohe Investitionen in Hard- und Software, und es entstehen geringere Betriebskosten für Wartung und technische Betreuung der benötigten Applikationen. Darüber hinaus werden freie Kapazitäten für die internen Kunden geschaffen, und das Shared Service Center kann sich somit auf den Ausbau seiner Kernfähigkeiten konzentrieren.
338 Olsacher, M. (2003), S. 2. 339 Vgl. ebenda, S. 3.
222
x Der externe Dienstleister stellt immer aktuelles Prozess- und Technologie-Know-how zur Verfügung, das zu einer Steigerung der Dienstleistungsqualität führen kann. Des Weiteren können Synergieeffekte genutzt bzw. an das Shared Service Center weitergeben werden, z. B. in Form von preisgünstigeren Leistungen. x Der externe Dienstleister ist für die Erstellung der Gesamtleistung verantwortlich und übernimmt das Risiko für den gesamten Prozess durch vertraglich verpflichtende Standards. Somit entstehen keine Schnittstellen und Probleme mit Verantwortlichkeiten. Darüber hinaus hat das Shared Service Center nur einen Ansprechpartner für alle Teilleistungen. x Bei einer funktionierenden Zusammenarbeit partizipiert der Kunde, d. h. das Shared Service Center langfristig am speziellen Know-how des Outsourcing-Partners und kann seine eigenen Kompetenzen eventuell weiterentwickeln.
Business Process Outsourcing erfordert allerdings ein innovatives Prozess-Know-how, um den jeweiligen Geschäftsprozess managen und auch kontinuierlich verbessern zu können. Damit entwickelt sich der externe Dienstleister zum strategischen Partner des Shared Service Centers, der statt einer einzelnen Dienstleistung eine Problemlösung anbietet. Die Akzeptanz von derartig umfassenden Outsourcing-Projekten ist allerdings noch relativ gering. Die Gründe dafür sind die hohe Zahl an betroffenen Funktionsbereichen im Unternehmen, eine mangelnde Akzeptanz bei Betriebsrat und betroffenen Mitarbeitern, ungenügende Aussagefähigkeit der Kostenrechungs- und Controllingsysteme über die Höhe der eigenen Prozesskosten, Unkenntnis des externen Marktes sowie eine unzureichende Quantifizierung der auszulagernden Leistungen als Voraussetzung für einen detaillierten Outsourcing-Vertrag. Darüber hinaus eignet sich nicht jede interne Dienstleistungsfunktion für Business Process Outsourcing. Die häufigsten Anwendungsfälle sind in den Bereichen Personal, Finanzen und IT-Services zu finden. Als wesentliche Erfolgsfaktoren für BPO gelten daher ein hohes Maß an Vertrauen und Akzeptanz gegenüber dem externen Dienstleister als strategischem Partner des Shared Service Centers. Demgegenüber sollte der professionelle externe Service-Provider seine Lösungskonzepte an die individuellen Bedürfnisse des Kunden anpassen. Des Weiteren sollte das Shared Service Center auch in der Lage sein, die Vorzüge der Zusammenarbeit mit externen Partnern an die internen Kunden weiterzugeben. Service Offshoring und Business Process Outsourcing sind zwei neue organisatorische Trends, die zur Etablierung und zur Weiterentwicklung des Shared Service Center Konzepts als organisatorische Lösung kräftig beitragen. In kombinierter Form, d. h. durch das Auslagern von gesamten operativen Dienstleistungsprozessen in kostengünstige, ausländische Standorte, lassen sich noch weitere Effizienzvorteile erzielen. Eine Integration beider Ansätze dient dazu, die Vorzüge einer gebündelten Lösung im internen Dienstleistungsbereich 223
weiter zu verstärken.340 Das Shared Service Center spielt dabei die wichtige Rolle des „Koordinators“, das für das Management und die Kontrolle der Leistungserbringung verantwortlich ist.
340 Vgl. A. T. Kearney (2004a), S. 11f.
224
8
Schlussbetrachtung
Ausgangspunkt des Dissertationsvorhabens war die Feststellung, dass bei Großkonzernen ein immer größeres Bedürfnis entsteht, nicht nur operative Produktionsprozesse zu optimieren, sondern gleichzeitig unternehmensinterne, unterstützende Dienstleistungsprozesse zu bündeln und neu zu konfigurieren. Die herkömmliche Lösung für die Bewältigung von Unterstützungsaufgaben war traditionellerweise die Bildung von Zentralbereichen. In der heutigen Praxis findet jedoch die Bündelung unternehmensinterner Dienstleistungen immer häufiger in Center Strukturen statt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde vor allem die besondere Rolle von Shared Service Centern bei der erfolgreichen Umstrukturierung interner Dienstleistungsstrukturen hervorgehoben. In diesem abschließenden Kapitel werden die wichtigsten Ergebnisse zunächst zusammengefasst (Unterkapitel 8.1). Defizite der Arbeit werden zugleich aufgezeigt, aus denen sich zahlreiche Ansatzpunkte für weitere Forschungsarbeiten ableiten lassen (Unterkapitel 8.2).
8.1
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Aus der Betrachtung von existierenden wissenschaftlichen und praxisorientierten Arbeiten zum Thema Management interner Dienstleistungen ist festgestellt worden, dass es bisher an einem übergreifenden und differenzierten Ansatz mangelt, der sich mit Strukturierungs- und Lenkungsalternativen interner Dienstleistungen aus gesamtunternehmerischer Sicht beschäftigt. Daher wird mit dieser Arbeit das Ziel verfolgt, mit Hilfe von empirischen Fallstudien und theoretisch konzeptionellen Überlegungen, eine systematische und methodengestützte Vorgehensweise bei der Organisation und Steuerung interner Dienstleistungseinheiten zu entwickeln. Im Mittelpunkt der Forschungsbemühungen steht die Analyse von neuen Strukturen bei der Organisation und Steuerung interner Dienstleistungen in Großkonzernen. Es gilt zu untersuchen, welche Kriterien, bei der Ausgestaltung einer differenzierten Strukturierung von internen Dienstleistungsaktivitäten und deren Steuerung, besonders relevant sind. Darüber hinaus sollte auch überprüft werden, ob die Einführung von Shared Service Centern den Aufbau dieser differenzierten Strukturierung beeinflusst. Auf das organisatorische Konzept wird deshalb im Kapitel 2 ausführlich eingegangen. Nach der allgemeinen Charakterisierung und definitorischen Abgrenzung des Shared Service Center Ansatzes von alternativen organisatorischen Formen, wie z. B. Outsourcing und Zentralbereichen, gilt es, das Konzept praxisnah zu überprüfen. Die empirische Basis beruht auf eine fallorientierte Studie in zwölf verschiedenen Unternehmen, bei denen weiterentwickelte Formen des Managements interner Dienstleistungen festgestellt wurden. Erste empirische Ergebnisse bezüglich der organisatorischen und strukturellen Merkmale der analysierten Unternehmen werden im Kapitel 3 vorgestellt.
225
Bei der Auswertung werden vier Hauptaspekte beleuchtet: Ziele, Aufbau- und Implementierungsprozess, Funktionsmechanismus und Qualitäts- bzw. Erfolgsmessung der internen Dienstleistungseinheiten. Des Weiteren geht es hier darum, einen komparativen Vergleich zwischen den bisher in der Literatur und aus anderen empirischen Studien beschriebenen Merkmalen und denen im Rahmen der Studien festgestellten Charakteristiken zu ziehen. Eine detaillierte Darstellung von drei ausgewählten Fallstudien (Kapitel 4) gründet die Basis für eine tiefereingehende Diskussion. Die hier aufgezeigten, auf zahlreichen Expertengesprächen beruhenden Fallstudien zielen darauf ab, zentrale Merkmale sowie latente Problemstellungen bei dem Aufbau und der Steuerung interner Dienstleistungen zu identifizieren. Die Auswahl der Fallstudien orientiert sich daran, Unternehmen mit möglichst unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten zu portraitieren, die sich für einen ähnlichen Umbau ihrer internen Services entschieden haben. In den Fallstudien werden die internen Dienstleistungsstrukturen von drei Großkonzernen dargestellt: die Bayer Busines Services GmbH, Servicegesellschaft der Bayer AG in den Bereichen betriebswirtschaftlicher und administrativer Dienstleistungen, das IT Shared Service Center des Technologieunternehmens Agilent Technologies, Inc. sowie die Metro Group Facility Services GmbH, interner Umweltdienstleister des deutschen Handelskonzerns Metro Group. Die Analyse der Fallstudien ist auf zwei Ebenen angesiedelt. Die erste Ebene betrifft den Aufbauprozess einer internen Dienstleistungsorganisation. Hier liegt vor allem der Schwerpunkt der Bayer-Fallstudie. Die zweite Ebene beschäftigt sich mit der Steuerung der internen Organisation. Dieser Aspekt wird in allen drei Fällen beleuchtet, jedoch schwerpunktmäßig in der Metro-Fallstudie. Die Agilent-Fallstudie konzentriert sich insbesondere auf die Darstellung des Umbaus einer bereits existierenden Shared Service Center Organisation nach einem Abspaltungsprozess. Ziel der Fallstudien ist es zunächst, einen beispielhaften Überblick über die verschiedenen Modalitäten zum Aufbau und zur Steuerung von internen Dienstleistungsstrukturen in Großkonzernen zu geben. Herausgehoben wird allerdings die zentrale Rolle von Shared Service Centern. In Phasen der internen Restrukturierung ist die Einführung dieser Organisationsform besonders geeignet, um eine effiziente interne Dienstleistungsstruktur aufzubauen, und das unabhängig von der Geschäftstätigkeit des Konzerns. Folgende Zusammenhänge werden aus der Fallstudienanalyse identifiziert: x Reorganisationsprozesse auf Produktebene gelten häufig als Anlass zur Restrukturierung interner Dienstleistungsaktivitäten. x Die Bündelung von internen Dienstleistungen in einer Centerstruktur ermöglicht den strategischen Geschäftsbereichen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Supportaktivitäten werden professionell von spezialisierten Serviceeinheiten durchgeführt.
226
x Die Bestimmungsfaktoren „Strategische Bedeutung“ und „Spezifität“ gelten in der Praxis als besonders relevant zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Typen interner Dienstleistungen. x Der Ausbau einer aktiven, internen Kunden-Lieferanten-Beziehung wird durch die Einführung marktorientierter Instrumente, wie z. B. Service-Level-Agreements oder Verrechnungspreise unterstützt. Bei der Implementierung ist der administrative Aufwand gegenüber einer erhöhten Transparenz abzuwägen. x Interne Dienstleister spielen häufig die Rolle eines Koordinators im Erstellungsprozess der Dienstleistung. Operative Aufgaben werden auch an externe Dritte ausgelagert. Die Auftragskompetenz und die Kontrolle sollten allerdings im Unternehmen verbleiben. x Die Zusammenarbeit und Interaktion zwischen den internen Dienstleistungspartnern können auch mit Hilfe von informellen Steuerungsinstrumenten geregelt werden. Um die obengenannten empirisch festgestellten Zusammenhänge und die zielorientierte Gestaltung und Steuerung einer differenzierten, internen Dienstleistungsorganisation zu erklären, sind im Rahmen dieser Arbeit drei theoretische Ansätze gewählt worden (Kapitel 5): Transaktionskostenansatz, ressourcenbasierte Theorie und wertorientierter Ansatz. Im Rahmen des Transaktionskostenansatzes wird die Wahl eines Shared Service Centers gegenüber der alternativen Outsourcing-Lösung als Entscheidungsproblem der optimalen Leistungstiefengestaltung eines Unternehmens betrachtet. Mit Hilfe des ressourcenorientierten Ansatzes wird ein Perspektivenwechsel bezüglich der Rolle eines internen Dienstleisters aufgezeigt. Ein Shared Service Center kann auch als potenzielle Quelle dauerhafter Wettbewerbsvorteile, im Sinne des „Dynamic Capability Ansatzes“ agieren. Die Wertschöpfungsfähigkeit interner Dienstleistungen wird anhand des dritten Ansatzes aufgezeigt. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die wertorientierte Theorie, analog zum Transaktionskostenansatz, sich mit der Problematik der optimalen Leistungstiefengestaltung beschäftigt. Des Weiteren liefert sie einen wertvollen Beitrag zur Klärung von alternativen Steuerungsmöglichkeiten einer internen Serviceeinheit. Um das Verständnis komplexer theoretischer Aussagen zu erleichtern, werden gelegentlich Beispiele aus der empirischen Fallanalyse miteinbezogen. Aus den gewonnenen theoretischen und empirischen Erkenntnissen wird dann ein sechsstufiges, strategisches Strukturierungsmodell bzw. ein konzeptioneller Leitfaden entwickelt, um im Rahmen einer Projektorganisation die wichtigsten strategischen Schritte bei dem Aufbau und der Steuerung einer internen Dienstleistungsorganisation, und insbesondere eines Shared Service Centers, zu erklären (Kapitel 6). Das Modell gibt eine Art Orientierungsrahmen vor, um keine wichtigen Schritte während des Aufbauprozesses einer internen Dienstleistungsorganisation zu vernachlässigen. Die neuen Erkenntnisse werden hier angewandt, um Handlungsempfehlungen für den Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation abzuleiten. In Anlehnung an die Transaktionskostentheorie dienen fünf kritische Einflussfaktoren (Spezifität, Strategische Bedeutung, 227
Unsicherheit, Häufigkeit und Wissensintensität) bzw. deren Ausprägung zur genaueren Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten interner Dienstleistungseinheiten (Shared Service Center, Headquarter Services und Dedicated Services). Darüber hinaus wird festgestellt, dass der Erfolg des Projekts vor allem von den organisatorischen Fähigkeiten des Projektteams abhängt, im Sinne von „project capabilities“. Der „Dynamic Capability Ansatz“ trägt zugleich zur Erklärung des weiteren Steuerungsprozesses von unterstützenden Dienstleistungen. Die Relevanz von sogenannten „functional capabilities“ wird anerkannt, um generische Aktivitäten koordiniert durchzuführen und potenzielle Synergien und Kosteneinsparungen auszuschöpfen. Die Messung und die Kontrolle der Wertschöpfungsfähigkeit interner Dienstleistungen werden dann mittels Einsatz wertorientierter Steuerungsinstrumente durchgeführt. Die Ableitung strategischer Implikationen des Strukturierungsmodells auf Gesamtunternehmensebene mündet in zwei zentrale Erkenntnisse: x Die Optimierung einer internen Dienstleistungsorganisation betrifft nicht nur die Einführung von Shared Service Centern. Der Restrukturierungsprozess einer internen Dienstleistungsorganisation sollte parallel auf mehreren Ebenen stattfinden, d. h. dieser strategische Leitfaden ist analog für den Aufbau und die Organisation der weiteren internen Dienstleistungseinheiten (Headquarter Services und Dedicated Services) anzuwenden. Des Weiteren spielt die dritte Stufe im Modell (Aufgabenanalyse) eine zentrale Rolle, bei der die konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten nachgefragt wird. x Die, mit jedem der drei theoretischen Ansätze gewonnenen Teilergebnisse sind in einer integrierten Sichtweise zusammenzuführen, um ein vollständigeres Bild zur Analyse und zur Untersuchung des Aufbau- und Steuerungsprozesses einer internen Serviceorganisation zu geben. Der in dieser Arbeit entwickelte integrierte Ansatz bietet vielfältige Ansatzpunkte zum Aufbau und zur Entwicklung von Gestaltungsempfehlungen für interne Dienstleistungen an. Er stellt ein neues, weit übergreifendes und differenziertes theoretisches Konzept zur Erfassung der Gestaltungsalternativen interner Dienstleistungen dar. Im letzten Kapitel werden konkrete Gestaltungsempfehlungen für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Shared Service Centern abgeleitet. Ihre zentrale Rolle bei der Einführung effizienter Dienstleistungsstrukturen in einem fokussierten Konzern wird somit noch einmal herausgehoben. Aus der Kritik an das Evolutionsmodell von Schimank und Strobl entwickelt die Autorin eine empirisch-basierte Typologie, die als Vier-Felder-Matrix konzipiert ist und vier verschiedene Typen von Shared Service Centern darstellt, deren Hauptmerkmale von zwei zentralen Dimensionen, nämlich „Interne Kundenorientierung“ und „Externe Wettbewerbsorientierung“, bestimmt werden. Mit Hilfe der Typologie wird auch der dynamische Charakter des Entwicklungsprozesses eines Shared Service Centers abgebildet. Die vier Phänotypen repräsentieren vier verschiedene Entwicklungsstufen. Zur plastischen Illustration und zugleich zum besseren Verständnis des Phänotypen-Modells werden im Abschnitt 7.2 228
ausgewählte Unternehmen aus der empirischen Studie in die Typologie eingeordnet und deren Entwicklungspfade aufgezeigt. Folgende Schlussfolgerungen lassen sich aus dem Modell ableiten: x Die klassischen Merkmale eines Shared Service Centers werden ausschließlich von Phänotyp 2 abgebildet. x Wird eine externe Vermarktung der Dienstleistungen zugelassen, so sollte das Shared Service Center sich als professioneller Dienstleister profilieren (Phänotyp 3). x Die Empirie zeigt auf, dass bei einer externen Vermarktung, eine branchenspezifische Spezialisierung sich positiv auf die Erfolgswahrscheinlichkeit der Serviceeinheit auswirkt, wie im Falle der LH-Systems Group GmbH. x Bei Phänotyp 1 handelt es sich um ein transitorisches Modell, das generell zu Beginn des Aufbauprozesses eines Shared Service Centers zu finden ist. Besteht allerdings von Seite der Unternehmensleitung ein geringes Interesse am Ausbau einer kundenorientierten Dienstleistungseinheit, so erhöht sich die Gefahr des Rückfalls in „wasserkopfartige“ Strukturen. x Hat die Serviceeinheit eigene Geschäftskompetenzen, die allerdings den Anforderungen der internen Kunden nicht mehr ansprechen, so sind diese Aktivitäten in einer separaten Organisationsstruktur auszulagern (Phänotyp 4). x Kostengründe, vor allem in Bezug auf die Tarifgestaltung des internen Dienstleisters können ebenfalls zu einem Outsourcing interner Services führen. Im letzten Abschnitt werden zwei neue organisatorische Trends vorgestellt: Service Offshoring und Business Process Outsourcing. Diese tragen zur Etablierung und zur Weiterentwicklung des Shared Service Center Konzepts als organisatorische Lösung kräftig bei. In kombinierter Form, d. h. durch das Auslagern von gesamten internen Dienstleistungsprozessen in kostengünstige, ausländische Standorte, lassen sich noch weitere Effizienzvorteile erzielen. Eine Integration beider Ansätze dient dazu, die Vorzüge einer gebündelten Lösung weiter zu verstärken. Insgesamt wurde im Rahmen der Arbeit versucht, sowohl dem Erkenntnisanliegen des Wissenschafters als auch dem Gestaltungsanliegen des Praktikers Rechnung zu tragen. Hierzu wurden empirisch-basierte Ergebnisse zur Organisation und zur Steuerung interner Dienstleistungen geliefert. Weiterhin konnten zahlreiche Ansatzpunkte und Empfehlungen zum Aufbau und zur Implementierung von Shared Service Centern aufgezeigt werden.
229
8.2
Kritische Würdigung und Ableitung von Ansatzpunkten für die weitere Forschung
Die vorliegende Forschungsarbeit leistet einen Beitrag zur Gestaltung interner Dienstleistungen in internationalen Großkonzernen und erörtert diese Thematik eingehend auf der Grundlage von detaillierten Fallstudien. Insgesamt gibt die Forschungsarbeit einen Überblick und zeigt dabei auch die Problematik und Komplexität der gesamten Thematik interner Dienstleistungseinheiten und deren Implementierung auf. Es werden Wege, Leitsätze und Empfehlungen zur Implementierung und Strukturierung von internen Dienstleistungseinheiten aufgezeigt, und darüber hinaus immer wieder neue interessante Fragestellungen aufgeworfen. Aus diesen neuen Fragestellungen leiten sich zahlreiche Ansatzpunkte für weitere Forschungsarbeiten ab. Sinn und Zweck der folgenden kritischen Betrachtung ist es, eine produktive Diskussion anzuregen, um die Forschungstätigkeit in dem Untersuchungsfeld interner Dienstleistungen fortzusetzen. Ein wichtiger Diskussionspunkt ist die Frage nach der Untersuchungsmethodik. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine qualitativ-orientierte Fallstudienanalyse als Untersuchungsmethode gewählt, um detaillierte Informationen über den konkreten Aufbauprozess und die Implementierung von internen Dienstleistungsstrukturen, insbesondere von Shared Services, in den einzelnen Unternehmen zu bekommen. Von den insgesamt zwölf analysierten Unternehmen hat sich die Autorin auf die ausführliche Darstellung von drei Fallbeispielen konzentriert, welche die Thematik der Arbeit am genauesten treffen. Die Informationen zu den weiteren Unternehmen wurden im Rahmen der allgemeinen Analysen vollständig berücksichtigt. Für weitere Forschungsvorhaben auf diesem Fachgebiet wäre eine großangelegte Fragebogenuntersuchung zur Erweiterung der statistischen Datenbasis eine empfehlenswerte Ergänzung. Eine statistische Auswertung auf der Basis von Fragebogenuntersuchungen ist eher quantitativer Natur, und es lassen sich bei einer zuverlässigen Rücklaufquote interessante Zusammenhänge ableiten. Auf diese Weise können dann Trends und Entwicklungsmuster hervorgehoben werden. Des Weiteren wurden in der vorliegenden Arbeit Vergleiche zu ergänzenden Literaturdaten gezogen. Diese Informationen beziehen sich jedoch hauptsächlich auf Shared Service Center im Finanzbereich. Hier wäre eine Erweiterung auf andere Funktionsbereiche ein interessanter Ansatzpunkt. Im Gegensatz dazu sind Fallstudienanalysen eher explorativ-induktiver Natur. Sie dienen beispielsweise dazu, in die Thematik der Arbeit einzuführen und interessante Untersuchungsschwerpunkte und Problembereiche zu identifizieren. Des Weiteren trägt ihre detaillierte und plastische Darstellung dazu bei, komplexe und theoretische Zusammenhänge leichter zu verstehen. Aus den dargestellten Ausführungen lässt sich keine pauschale Entscheidung für die eine oder die andere empirische Analysemethode ableiten, denn sie verfolgen teilweise unterschiedliche Analyseziele. Die Auswahl bleibt weiteren Wissenschaftlern offen, die sich im Rahmen zukünftiger Forschungsarbeiten mit dieser Thematik beschäftigen werden.
230
Im Rahmen des Strukturierungsansatzes sind Handlungsempfehlungen für den effizienten Aufbau einer internen Dienstleistungsorganisation abgeleitet worden. Die Ausprägung der kritischen Einflussfaktoren gibt Hinweise auf die optimale Einordnung von einzelnen Dienstleistungsaktivitäten als Aufgaben eines Shared Service Centers, von Headquarter Services oder von Dedicated Services. Schwerpunkt dieser Arbeit war vor allem die Herausarbeitung der relevanten Rolle von Shared Service Centern als zentrale Schnittstelle bei der Reorganisation interner Dienstleistungsstrukturen. Deswegen sind konkrete Gestaltungsempfehlungen und Entwicklungsmuster vorwiegend für das Shared Service Center Konzept entwickelt worden. Inwieweit sich die gewonnenen Ergebnisse aus dieser Gestaltungsoption auf weitere Strukturen einer internen Dienstleistungsorganisation, wie z. B. Headquarter Services oder Dedicated Services, anwenden und übertragen lassen, ergibt eine weitere interessante Aufgabenstellung für zukünftige Untersuchungen. Bei der vorliegenden Forschungsarbeit wurde, aus der Kritik am evolutionsorientierten Gestaltungsmodell von Schimank und Strobl, eine dynamisch orientierte Typologie zur Kategorisierung von Shared Service Centern entwickelt. Aus der zweidimensionalen Darstellung der Shared Service Center Typologie und insbesondere bei der Erläuterung der Entwicklungsmuster wäre eine Erweiterung des dynamischen Modells angebracht, um eventuelle Kooperationsformen im Laufe des Evolutionsprozesses eines Shared Service Centers mit einzubeziehen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf den zwei Hauptsäulen Organisation und Steuerung, wobei der Teil „Organisation“ eine stärkere Berücksichtigung als der Teil „Steuerung“ genießt. Dies bezieht sich sowohl auf die Darstellung der Fallstudien als auch auf die theoretische Behandlung der Thematik. Im Rahmen der Organisationsthematik wird insbesondere auf die Aufbaustruktur einer internen Dienstleistungsorganisation eingegangen und vor allem auf die verschiedenen Arten von internen Services und deren organisatorische Eingliederung in die Konzernstruktur. Besondere Bedeutung wird dabei der Methodik des Projektmanagements bei der Einführung neuer Organisationsformen im internen Dienstleistungsbereich gewidmet. Der Steuerungsaspekt konzentriert sich hauptsächlich auf die Illustration von effizienten Instrumenten, wie z. B. Quality-Level-Agreements oder Balanced Scorecard, die eine Lenkungs- und zugleich eine Kontroll- bzw. Qualitätsfunktion erfüllen. Der Hauptgrund für dieses Ungleichgewicht liegt darin, dass eine große Anzahl der analysierten Shared Service Centers zum Zeitpunkt der Untersuchung gerade dabei waren, erste Erfahrungen mit dem Shared Service Center Konzept zu gewinnen und sich zumeist noch in einem frühen Entwicklungsstadium befanden. Erst mit zunehmender Erfahrung der Shared Service Centers wird es möglich sein, beispielsweise die Wirkung von Steuerungsinstrumenten auf den Erfolg und die Qualität der gelieferten Services zu untersuchen. Die hier dargestellten empirischen Fallbeispiele zu international tätigen Großunternehmen belegen, dass die Praxis in diesem Forschungsfeld der theoretischen Analyse häufig einen großen Schritt vorausgeht. Um diese Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen, wur231
de ein gesamtheitlicher Ansatz zum Aufbau und zur Steuerung interner Dienstleistungseinheiten entwickelt, der mit pragmatischen Gestaltungsempfehlungen die notwendigen Anhaltspunkte für ein effizienteres Management von Dienstleistungen gibt und wertvolle Unterstützung für zukünftige Gestaltungsentscheidungen bietet.
Die Notwendigkeit zur Optimierung interner Dienstleistungen ergibt sich aufgrund der zunehmenden Verflechtung der internationalen Wirtschaft, der Intensivierung des Wettbewerbs und zunehmendem Druck auf Kosten, Qualität und Zeit. Um am internationalen Markt konkurrenzfähig auftreten zu können, ist deswegen eine effiziente und ökonomische Vorgehensweise mit Kostensenkungs- aber auch mit Wertsteigerungspotenzialen gefragt. Der Shared Service Center Ansatz als ein Konzept ohne Grenzen, das sich auf lokaler aber auch auf regionaler und globaler Ebene implementieren lässt, bietet sich als attraktive und moderne Lösung an.
232
Literaturverzeichnis ACCENTURE AND THE SHARED SERVICES AND BPO-ASSOCIATION (2004), Report Shared Services. The Evolution of Higher Performance, 2004. A. T. KEARNEY (2003), Offshoring Financial Services – Spearheading a Global Business Model. How Offshoring will Benefit Financial Institutions in Europe. Results from the Central European Survey, Berlin 2003. A. T. KEARNEY (2004a), Success through Shared Services. From Back-Office Functions to Strategic Drivers, Chicago, Illinois 2004. A. T. KEARNEY (2004b), The Real Offshoring Question, in: Executive Agenda: Ideas and Insights for Business Leaders, Vol. 7, No. 3, Third Quarter 2004, pp. 49-55. ALLEN, L. A. (1956), Identifying Line and Staff, in: LITTERER, J. A. (Hrsg.), Organizations – Structure and Behaviour, New York 1956, pp. 94-104. ANSOFF, I. H. (1965), Corporate Strategy, New York 1965. BAIN, J. (1956), Barriers to New Competition, Cambridge 1956. BARNEY, J. (1991), Firm Resources and Sustained Competitive Advantage, in: Journal of Management, Vol. 17 (1991), No. 1, pp. 99-120. BECHMANN-MALIOUKOVA, I. (1998), Flexibilisierung von Organisationen als Projekt des fundamentalen Wandels. Dargestellt am Beispiel der Einführung des Profit-Center-Konzepts bei der Mercedes-Benz AG, Band 9, Bernd 1998. BECKER, L., NEUWIRTH, S. (2004), Internationales Human Ressources Management bei Bayer, in: V. WERDER, A., STÖBER, H. (Hrsg.), Center-Organisation: Gestaltungskonzepte, Strukturentwicklung und Anwendungsbeispiele, Stuttgart 2004, S. 77-88. BEER, M. (1998), Outsourcing unternehmensinterner Dienstleistungen, Optimierung des Outsourcing-Entscheidungsprozesses, Wiesbaden 1998. BHARADWAJ, S. G., VARADARAJAN, P. R., FAHY, J. (1993), Sustainable Competitive Advantage in Service Industries: A Conceptual Model and Research Propositions, in: Journal of Marketing, Vol. 57, pp. 83-99. BOOS, M. (1993), Die Fallstudienmethodik, in: BECKER, F., MARTIN, A. (Hrsg.), Empirische Personalforschung. Methoden und Beispiele, München, Mering 1993, S. 33-46. BOTTA, V. (1997), Vom Cost-Center zum Profit-Center, in: ROTH, A., BEHME, W. (Hrsg.), Organisation und Steuerung dezentrale Unternehmenseinheiten, Wiesbaden 1997, S. 221237. BOWERS, M. R. (1986), New Product Development in Service Industries. Dissertation, A & M University Texas, 1986. BRAY, P. (1996), Shared Services, in: Management Accounting, April 1996, pp.42-43.
233
BRUCH, H. (1998), Outsourcing: Konzepte und Strategien, Chancen und Risiken, Wiesbaden 1998. BRUHN, M. (1999), Internes Marketing als Forschungsgebiet der Marketingwissenschaft. Eine Einführung in die theoretischen und praktischen Probleme, in: BRUHN, M. (Hrsg.), Internes Marketing. Integration der Kunden- und Mitarbeiterorientierung, 2. Auflage, Wiesbaden 1999, S. 15-44. BRUHN, M. (1998), Balanced Scorecard. Ein ganzheitliches Konzept der Wertorientierten Unternehmensführung, in: Bruhn, M. (Hrsg.) Wertorientierte Unternehmensführung. Perspektiven und Handlungsfelder für die Wertsteigerung von Unternehmen, Wiesbaden 1998, S. 145-167. BRUHN, M. (2000), Qualitätssicherung im Dienstleistungsmarketing. Eine Einführung in theoretische und praktische Probleme, in: BRUHN, M., STAUSS, B. (Hrsg.), Dienstleistungsqualität. Konzepte – Methoden – Erfahrungen, 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2000, S. 21-48. BÜHNER, E. (1996), Gestaltung von Konzernzentralen: die Benchmarking-Studie, Wiesbaden 1996. BULLINGER, H. -J., WARNECKE, H. (2003), Neue Organisationsformen im Unternehmen. Ein Handbuch für das moderne Management, 2. Auflage, Berlin 2003. BURR, W. (1998), Optimierung der Leistungstiefe bei Dienstleistern, in: BARSKE, H. ET AL. (Hrsg.), Das Innovative Unternehmen – Produkte, Prozesse, Dienstleistungen, Loseblattsammlung, Wiesbaden, Sektion 07, 1998, S. 1-27. BURR, W. (2002), Service Engineering bei technischen Dienstleistungen: Eine ökonomische Analyse der Modularisierung, Leistungstiefengestaltung und Systembündelung, Wiesbaden 2002. BURR, W., MUSIL, A., STEPHAN, M., WERKMEISTER, C. (2005), Unternehmensführung. Strategien der Gestaltung und des Wachstums von Unternehmen, München 2005. CAMPENHAUSEN, C. V., RUDOLF, A. (2001), Shared Services - profitabel für vernetzte Unternehmen, Harvard Business Manager, 23. Jg., 1/2001, S. 82-93. CHANDLER, A. D. (1962), Strategy and Structure. Chapters in the History of the Industrial Enterprise, Cambridge 1962. CHANDLER, A. D. (1990), Strategy and Structure, Cambridge, MA: The MIT Press. CHATTERJEE, S., WERNERFELT, B. (1991), The Link between Resources and Type of Diversification. Theory and Evidence, in: Strategic Management Journal, Vol. 12 (1991), pp. 3348. CLAUSING, D. (1994), Total Quality Development: A Step-by-Step Guide to World Class Concurrent Engineering, New York 1994. COASE, R. (1937), The Nature of the Firm, in: Economica 4, 1937, pp. 386-405.
234
CONNELL, R. (1996), Learning to Share, in: Journal of Business Strategy, March/April 1996, pp. 55-58. COOMBS, R. (1999), Innovation in Services: Overcoming the Services-Manufacturing Divide, Antwerpen – Apeldoorn 1999. CORSTEN, H. (1985), Die Produktion von Dienstleistungen. Grundzüge einer Produktionswirtschaftslehre des tertiären Sektors, Berlin 1985. CORSTEN, H. (Hrsg.) (1994) Integratives Dienstleistungsmanagement. Grundlagen, Beschaffung, Produktion, Marketing, Qualität. Ein Reader, Wiesbaden 1994. CORSTEN, H. (2001), Dienstleistungsmanagement, 4. Auflage, München 1997. CUNNINGHAM, I., HYMAN, J. (1999), Devolving Human Resource Responsibilities to the Line. Beginning of the End or a New Beginning for Personnel?, in: Personnel Review, Vol. 28, No. 1/2, 1999, pp. 9-27. DAVIES, A., HOBDAY, M. (2005), The Business of Projects: Managing Innovation in Complex Products and Systems, Cambridge u. a. 2005. DAVIS, T. (1992), Internal Service Operations. Strategies for Increasing their Effectiveness and Controlling their Cost, Organizational Dynamics, Vol. 20, (1992), Autumm, pp. 5-22. DELOITTE CONSULTING (2000), Shared Services. Learning from Success, New York 2000. DIETRICH, Y. (2005), Geteilte Kosten – doppelte Kosten?, in: Harvard Business Manager, Juli 2005, S. 8-11. DIN-FACHBERICHT (1998), Service-Engineering – Entwicklungsbegleitende Normung für Dienstleistungen, Berlin 1998. DONLON, J. D., WEBER, A. (1999), Wertorientierte Unternehmensführung im DaimlerChryslerKonzern, in: Controlling, 11. Jg. (1999), Nr. 8/9, S. 381-388. THE ECONOMIST INTELLIGENCE UNIT (Hrsg.) (1998), Shared Services: A New Business Architecture for Europe, London, New York 1998. EARL, M. (1996), The Risks of Outsourcing IT, in: Sloan Management Review, 37 (3), pp. 2632. EISENHARDT, K. M., MARTIN, J. A. (2000), Dynamic Capabilities: What are they?, in: Strategic Management Journal, 20. Jg., 2000, pp. 1105-1121. THE ERNST & YOUNG REPORT ON SHARED SERVICES (1998), London 1998. EVERSHEIM, W., BREIT, R. (1999),Voraussetzungen für ein erfolgreiches Reengineering, in: IO-Management, Heft Nr. 7/8, S. 22. EVERSMANN, M. (1994), Service-Center: Dienstleistungsfunktionen im Wettbewerb, in: Controller Magazin, 6/1994, S. 347-350. EWERT, R., WAGENHOFER, A. (2000), Interne Unternehmensrechung, 4. Auflage, Berlin u. a. 2000. 235
FÄHNRICH, K.-P. (1998), Service-Engineering – Perspektiven einer noch jungen Fachdisziplin, in: Information Management & Consulting 13 (1998) Sonderausgabe, S. 37-39. FÄHNRICH, K.-P. ,MEIREN, T., BARTH, T., HERTWECK, A., BAUMEISTER, M., DEMUß, L., GAISER, B., ZERR, K. (1999), Service-Engineering: Ergebnisse einer empirischen Studie zum Stand der Dienstleistungsentwicklung in Deutschland, Stuttgart 1999. FERRANINI, E. (2000), Shared Services, in: Computerworld, Vol. 34, Issue 48, pp. 60. FERRANINI, E. (2001), Shared Pain, in: Computerworld, Vol. 35, Issue 16, pp. 46. FISCHER, M. (1994), Make-or-Buy der Distributionsleistung: Überlegungen aus transaktionskostentheoretischer Sicht, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 46. Jg., Heft 4, S. 291-315. FISHER, L. (1998), A Problem Shared, in: Accountancy, August 1998, pp. 40-41. FORST, L. I. (1997), Running Internal Support Services like a Business, in: Resource – The Magazine for Insurance & Financial Services Management (Reprint), 12/1997. FORST, L. I. (2001), Shared Services: A Leg Up on Acquisition Payoffs, in: Mergers and Acquisitions, April 2001, pp. 26-29. FRESE, E., VON WERDER, A. (1993), Zentralbereiche – Organisatorische Formen und Effizienzbeurteilungen, in: FRESE, E., VON WERDER, A., MALY, W. (Hrsg.), Zentralbereiche, Stuttgart 1993, S. 1-50. FRESE, E., LEHMANN, P. (2000), Outsourcing und Insourcing: Organisationsmanagement zwischen Markt und Hierarchie, in: FRESE, E. (Hrsg.) Organisationsmanagement: Neuorientierung der Organisationsarbeit, Stuttgart 2000, S. 199-238. GÄLWEILER, A. (1979), Strategische Geschäftseinheiten und Aufbauorganisation der Unternehmung, in: Zeitschrift für Organisation, 48. Jg. (1979), H. 5, S. 252-260. GAISER, B., GREINER, O. (2002), Strategische Steuerung: Von der Balanced Scorecard zur strategiefokussierten Organisation, in: GLEICH, R., MÖLLER, K., SEIDENSCHWARZ, W., STOI, R. (Hrsg.), Controlling Fortschritte, München 2002, S. 193-222. GERYBADZE, A. (1995), Strategic Alliances and Process Redesign: Effective Management and Restructuring of Cooperative Projects and Networks, Berlin, New York 1995. GERYBADZE, A. (1997), Unternehmenspolitik (unveröffentliches Vorlesungsmanuskript), Universität Stuttgart-Hohenheim. GERYBADZE, A. (2003a), Strategisches Management und dynamische Rekonfigurierung der Unternehmens-Umweltbeziehungen, in: LEISTEN, R., KRCAL, H.-C. (Hrsg.), Nachhaltige Unternehmensführung, Wiesbaden 2003, S. 83-100. GERYBADZE, A. (2003b), Strategisches Management in vertikalen Kooperationen und Leistungsverbünden, in: ZENTES, J., SWOBODA, B., MORSCHETT, D. (Hrsg.), Kooperationen, Allianzen und Netzwerk, Wiesbaden 2003, S. 445-462.
236
GERYBADZE, A. (2004) Technologie- und Innovationsmanagement: Strategie, Organisation und Implementierung, München 2004. GHEMAWAT, P. (1986) Sustainable Advantage, in: Harvard Business Review, Vol. 64 (1986), No. 5, pp. 53-58. GIRKENS, M., SEELIG, D. (1996) Das Outsourcing-Konzept erfolgreich umgesetzt. Beispiel Siemens Business Services GmbH, in: Personalführung, 29. Jg. (1996), Nr. 6, S. 474-477. GOMEZ, P. (1993) Wertmanagement: Vernetzte Strategien für Unternehmen im Wandel, Düsseldorf 1993. GRANT, R. M. (1991), The Resource-Based Theory of Competitive Advantage: Implications for Strategy Formulation, in: California Management Review, Vol. 33, No. 3 (Spring 1991), pp. 114-135. GÜNTERBERG, B., WOLTER, H. –J. (2002), Mittelstand in der Gesamtwirtschaft – Anstelle einer Definition, in: Unternehmensgrößenstatistik 2001/02, Daten und Fakten, INSTITUT FÜR MITTELSTANDSFORSCHUNG BONN (Hrsg.), Kapitel 1, S. 1-22, Bonn 2002. HACKMANN, J. (2004) IT-Töchter: Unsichere Gehversuche im Markt, in: Computerwoche online, “http://www.computerwoche.de/index.cfm?pageid=258&artid=44937&type=detail&kw= Unsichere%20Gehversuche”, zugegriffen am 22.01.2004. HALL, R. (1991) The Contribution of Intangible Resources to Business Success, in: Journal of General Management, Vol. 16, (1991), No. 4, pp. 41-51. HEITGER, B., SCHMITZ, C., ZUCKER, B. (1994) Agil macht stabil: die Zukunft der internen Dienstleister, Wiesbaden 1994. HELBER, S. (1996), Produktionstiefenbestimmung, in: KERN, W., SCHRÖDER, H. -H., WEBER, J. (Hrsg.), Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, 2. Auflage, Stuttgart 1996, Sp. 1603-1617. HELFAT, C. E. (1997), Know-how and Asset Complementarity and Dynamic Capability Accumulation: the Case of R&D, in: Strategic Management Journal, Jg. 18, 1997, pp. 339-360. HELFAT, C. E., PETERAF, M. A. (2003), The Dynamic Resource-Based View: Capability Lifecycles, in: Strategic Management Journal, Jg. 24, 2003, pp. 997-1010. HELLWIG, H. –J. (1989) Joint Venture-Verträge – internationale, in: MACHARZINA, K., WELGE, M. K. (Hrsg.), Handwörterbuch Export und internationale Unternehmung, Stuttgart 1989, S. 1064-1072. HERDERSON, B. D. (1984), Die Erfahrungskurve in der Unternehmensstrategie, 2. Auflage, Frankfurt a. M., New York 1984. HERMANN, H. -E., (2000), Strategische und wertorientierte Führung im Bayer Konzern, in: HORVÁTH, P. (Hrsg.), Strategische Steuerung: Erfolgreiche Konzepte und Tools in der Controllingpraxis, Stuttgart 2000, S. 61-82.
237
HERMANN, H. -E., XHONNEUX, P., GROTH, S. (1999), Integriertes Wertmanagement bei der Bayer AG, in: Controlling, Heft 8/9, August/September 1999, S. 399-406. HERMES, B. (2000), IT-Organisation in dezentralen Unternehmen: eine Analyse idealtypischer Modelle und Empfehlungen, Wiesbaden 2000. HOFER, C. W., SCHENDEL, D. (1980), Strategy Formulation. Analytical Concepts, 3rd. Reprint, St. Paul (Minn.) 1980. HORSCH, J. (2003), Innovations- und Projektmanagement: von der strategischen Konzeption bis zur operativen Umsetzung, Wiesbaden 2003. HOWELLS, J., (1988), Economic, Technological and Locational Trends in European Services, Aldershot, Avebury 1988. HUNGENBERG, H. (1992), Die Aufgaben der Zentrale: Ansatzpunkte zur zeitgemäßen Organisation der Unternehmensführung in Konzernen, ZfO, 61. Jg., 6/1992, S. 341-354. HUNGENBERG, H. (1995), Zentralisation und Dezentralisation. Strategische Entscheidungsverteilung in Konzernen, Wiesbaden 1995. HUSSEY, J., HUSSEY, R. (1997), Business Research, London et al. 1997. JANSEN, R., BERKEN, M., KÖTTER, U. (1998), Handbuch Entsorgungslogistik: Möglichkeiten und Grenzen der Abfallvermeidung, -verwertung und -beseitigung, Frankfurt a. M. 1998. KAGELMANN, U. (2001), Shared Services als alternative Organisationsform: am Beispiel der Finanzfunktion im multinationalen Konzern, Rostock 2001. KAPLAN, R. S., NORTON, D. P. (1992), The Balanced Scorecard – Measures that Drive Performance, in: Harvard Business Review, Vol. 70 (1992), No. 1, pp. 71-79. KAPLAN, R. S., NORTON, D. P. (1993), Putting the Balanced Scorecard to Work, in: Harvard Business Review, Vol. 71 (1993), No. 5, pp. 134-147. KAPLAN, R. S., NORTON, D. P. (1996), Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System, in: Harvard Business Review, Vol. 74 (1996), No. 1, pp. 75-85. KAPLAN, R. S., NORTON, D. P. (1999), The Balanced Scorecard: Translating Strategy into Action, Boston 1999. KAPLAN, R. S., NORTON, D. P. (2001), Die strategiefokussierte Organisation: Führen mit der Balanced Scorecard, Stuttgart 2001. KIESER, A., KUBICEK, H. (1992), Organisation, 3. Auflage, Berlin, New York 1992. KLINKERS, M. (2001), Quality-Level-Agreements: Reduzierung von Qualitätsunsicherheit in Kundenintegrationsprozessen, Wiesbaden 2001. KOPTIK, J., OEHLER, K. (2003), Konsequenzen von Shared Service Center und Outsourcing auf den Planungsprozess und die IT-Unterstützung der Planung, in: HORVÁTH, P., GLEICH, R., (Hrsg.), Neugestaltung der Unternehmensplanung: Innovative Konzepte und erfolgreiche Praxislösungen, Stuttgart 2003, S. 429-447.
238
KOTTEDER, F., BAUER, M. (2000), Das Who is Who der internationalen Großkonzerne, München 2000. KREIKEBAUM, H. (1995), Strategische Führung, in: KIESER, A., REBER, G., WUNDERER, R., (Hrsg.), Handwörterbuch der Führung, Stuttgart 1995, S. 2006-2014. KREISEL, H. (1995), Zentralbereiche, Wiesbaden 1995a. KREMPEL, M. (1998), Shared Services – A New Business Architecture for Europe, EIU Research Report, London 1998. KREUTER, A. (1999), Verrechnungspreise in Profit-Center-Organisationen, 2. Auflage, München 1999. KREUTNER, W., SPECHT, G. (1998), Selektives Outsourcing von IV-Leistungen. Ein Umsetzungsbeispiel der Trumpf GmbH & Co, in: GASSERT, H. (Hrsg.), Innovative Dienstleistungspartnerschaften. Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Dienstleistern, Stuttgart 1998, S. 41-56. KRÜGER, W., (1994), Organisation der Unternehmung, 3. Auflage, Berlin, Köln, Stuttgart 1994. KRÜGER, W., VON WERDER, A. (1995), Zentralbereiche als Auslaufmodell?, ZfO, 64. Jg.,1/1995, S. 6-17. KRÜGER, W. (2002), Unternehmenswachstum auf der Basis von Kernkompetenzen, in: GLAUM, M., HOMMEL, U., THOMASCHEWSKI, D. (Hrsg.), Wachstumsstrategien internationaler Unternehmungen: Internes vs. Externes Unternehmenswachstum, Stuttgart 2002, S. 189-214. KRÜGER, W. (2004), Center-Konzepte in der Konzernentwicklung, in: VON WERDER, A., STÖBER, H. (Hrsg.), Center-Organisation. Gestaltungskonzepte, Strukturentwicklung und Anwendungsbeispiele, Stuttgart 2004, S.181-205. LACITY, M. C., HIRSCHHEIM, R. (1995), Beyond the Information Systems Outsourcing Bandwagon: The Insourcing Reponse, Chichester 1995. LAIB, P (1998), Grundlegende strategische Entscheidungen von Dienstleistungs-Anbietern, in: MEYER, A. (Hrsg.), Handbuch Dienstleistungs-Marketing, Band I, Stuttgart 1998, S. 509-526. LECHLER, T., GEMÜNDEN, H. G. (1998), Kausalanalyse der Wirkungsstruktur der Erfolgsfaktoren des Projektteams, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, H. 4, S. 435-450. LEITNER, U. (1999), Vom Antrag zum Auftrag - Der interne Dienstleister im Wandel, ZfO, 68. Jg., 2/1999, S. 61. LEWANDOWSKI, W., MANN, H. (2004), Erfolgreiches Outsourcing – Eine gute Prozesssteuerung ist die halbe Miete, in: BARSKE, H. ET AL. (Hrsg.), Das Innovative Unternehmen – Produkte, Prozesse, Dienstleistungen, Loseblattsammlung, Wiesbaden 2004, S. 337360.
239
LIENEMANN, C., REIS, T. (1996), Der ressourcenorientierte Ansatz: Struktur und Implikationen für das Dienstleistungsmarketing, in: WiSt, Heft 5, Mai 1996, S. 257-260. LOEBBERT, M. (2000), Interne Dienstleister: Was sie alles können müssen, in: Harvard Business Manager, 3 / 2000, S. 49-57. LUDWIG, B. (1989), „Make or Buy“ interner Dienstleistungen, in: HESS, W., TSCHIRKY, H., LANG, P. (Hrsg.), Make or buy: eine neue Dimension der strategischen Führung, Zürich 1989, S. 45-56. MARTIN, C. R., HORNE, D. A. (1994), Level of Success Inputs for Service Innovations in the Same Firm, in: International Journal of Service Industry Management, Vol. 6, No. 4, 1995, pp. 40-56. MARTÍN-PÉREZ, N. -J., WEIPPRECHT, G. (2003a), Organisatorische und strategische Innovationen im Bereich Umwelt- und Entsorgungsdienstleistungen am Beispiel der METRO Group, Teil 1: Professionelle Entsorgungslogistik im Handelskonzern, in: BARSKE, H. ET AL. (Hrsg.), Das Innovative Unternehmen – Produkte, Prozesse, Dienstleistungen, Loseblattsammlung, Wiesbaden, Juni 2003. MARTÍN-PÉREZ, N. -J., WEIPPRECHT, G. (2003b), Organisatorische und strategische Innovationen im Bereich Umwelt- und Entsorgungsdienstleistungen am Beispiel der METRO Group, Teil 2: Fallbeispiel Metro-Wertstoff-Circle Services GmbH (MWCS), in: BARSKE, H. ET AL. (Hrsg.), Das Innovative Unternehmen – Produkte, Prozesse, Dienstleistungen, Loseblattsammlung, Wiesbaden, September 2003. MARTÍN-PÉREZ, N. -J., BERGER, M. (2004), Organisation und Steuerung interner Dienstleistungseinheiten in multinationalen Unternehmen, Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Discussion Paper No. 04-01, Stuttgart-Hohenheim, Oktober 2004. MATIASKE, W., MELLEWIGT, T. (2002), Viel Lärm um Nichts – Rückblick auf ein Jahrzehnt empirischer Outsourcing-Forschung, in: KAHLE, E. (Hrsg.), Organisatorische Veränderung und Corporate Governance, Wiesbaden 2002, S. 274-309. MAYER, H. O. (2002), Interview und schriftliche Befragung: Entwicklung, Durchführung und Auswertung, München, Wien, Oldenbourg 2002. MEFFERT, H. (1993), Marktorientierte Führung von Dienstleistungsunternehmen. Neuere Entwicklungen in Theorie und Praxis, in: MEFFERT, H. ET AL. (Hrsg.), Arbeitspapier Nr. 78, Wissenschaftliche Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung, Münster 1993. MEFFERT, H., BRUHN, M (2006), Dienstleistungsmarketing: Grundlagen – Konzepten – Methoden. Mit Fallbeispielen, 5. Auflage, Wiesbaden 2006. MEISSNER, H. (2000), Center-Konzepte: ein integrierter theoretischer Bezugsrahmen, Wiesbaden 2000.
240
METELMANN, K., NEUWIRTH, S. (2002), Wachstum und Organisation im Bayer-Konzern, in: GLAUM, M., ET. AL. (Hrsg.), Wachstumsstrategien internationaler Unternehmungen. Internes vs. externes Wachstum, Stuttgart 2002, S. 123-157. MEYER, A. (1987), Die Automatisierung und Veredelung von Dienstleistungen. Auswege aus der dienstleistungsinhärenten Produktivitätsschwäche, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 33. Jg. (1987), Nr. 1, S. 25-46. MEYER, A. (1998) (Hrsg.), Handbuch Dienstleistung-Marketing, Band 1, Stuttgart 1998. MICHEL, U. (1999), Wertmanagement, in: Controlling, 11. Jg. (1999), Nr. 8/9, S. 371-379. MILES, I. (1999), Services and Foresight, in: Service Industries Journal, Vol. 19, No. 2, April 1999, pp. 1-27. MILES, I. (2001), Service Innovation: A Reconfiguration of Innovation Studies, Discussion Paper Services, April 2001, PREST, The University of Manchester. MIOZZO, M., GRIMSHAW, D. (2003), The Other Side of IT Outsourcing: The New Boundaries and Coordination of the Large Innovating Firm. Paper presented at “Knowledge-Intensive Services and Changing Organisational Forms”, Institute of Innovation Research, UMIST/University of Manchester, November 26-27, Manchester. MOLLER, P. (1997), Implementing Shared Services in Europe, in: Treasury Management International, 1997, zit. Online im Internet. URL: “http://treasurymanagement.com/TOPICS/AAEMU/emu6b.htm“ [Stand 23.03.1999]. NAGENGAST, J. (1997), Outsourcing von Dienstleistungen industrieller Unternehmen: Eine theoretische und empirische Analyse, Schriftenreihe betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse Band 67, Hamburg 1997. NOLTE, H. (1999), Organisation. Ressourcenorientierte Unternehmensgestaltung, München, Wien 1999. NORDSIECK, F. (1932), Die Arbeitsorganisation des Einzelhandelsbetriebs, in: SEYFFERT, R. (Hrsg.), Handbuch des Einzelhandels, Stuttgart 1932, S. 220-237. OECD (2005), Information Technology Outlook 2004, Chapter 2, Globalisation of the ICT Sectors and International Sourcing of ICT-enabled Services, Paris 2005. O.
V. (1996), Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Bundesgesetzblatt 1996.
O.
V. (1999a), Dresdner Bank und NorCom-Gruppe gründen Internet & E-Commerce Software Center, in: Business Ireland Special, September 1999, S. 4.
O.
V. (1999b), Wertmanagement: Grundlagen, interne Präsentation der Bayer AG.
O.
V. (2000), Daten und Fakten 2000, Unternehmensbroschüre der Siemens Building Technologies, 2000.
O.
V. (2001a), WCS – Ihr Entsorgungspartner in der Metro AG (interne Firmenpräsentation).
O.
V. (2001b), MWCS – interne Firmenpräsentation zum Thema Abfallrecht.
241
O.
V. (2003), Metro AG – Geschäftsbericht 2003.
O.
V. (2004a), Bayer AG – Geschäftsbericht 2004.
O.
V. (2004b), Agilent Technologies Inc. Corporate Report 2004.
O.
V. (2004c), Metro AG – Nachhaltigkeitsbericht 2004.
O.
V. (2005a), Pressemitteilung BASF-Gruppe: BASF schafft über 500 Arbeitsplätze in Berlin, “http://corporate.basf.com/de/presse/mitteilungen/pm.htm“, zugegriffen am 07.03.2005.
O.
V. (2005b), Bayer AG – Geschäftsbericht 2005.
O.
V. (2005c), Metro AG – Geschäftsbericht 2005.
O.
V. (2006a), Metro AG – Nachhaltigkeitsbericht 2006.
O.
V. (2006b), Agilent Technologies Fact Book, December 2006.
OLSACHER, M. (2003), Zeit der Neuordnung – Auslagerung von Geschäftsprozessen, Presseartikel von Bearing Point, S@PPORT 10/2003, in: “http://www.bearingpoint.de/media/ library_solution_ms/Sapport_BPO_Okt_03.pdf“, zugegriffen am 27.03.2006. PENROSE, E. (1959), The Theory of Growth of the Firm, 1. Auflage, Oxford 1959. PENROSE, E. (1980), The Theory of Growth of the Firm, 2. Auflage, New York 1980. PFAU, B., DETZEL, D., GELLER, A. (1991), Satisfy your Internal Customers, in: The Journal of Business Strategy, November/December 1991, pp. 9-13. PICOT, A. (1982), Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie. Stand der Diskussion und Aussagewert, in: Die Betriebswirtschaft, 42. Jg. (1982), Nr. 2, S. 267-284. PICOT, A., REICHWALD, R., SCHÖNECKER, H. G. (1985a), Eigenerstellung oder Fremdbezug von Organisationsleistung. Ein Problem der Unternehmensführung (I), in: Office Management, 33. (1985), Nr. 9, S. 819-821. PICOT, A., REICHWALD, R., SCHÖNECKER, H. G. (1985b), Eigenerstellung oder Fremdbezug von Organisationsleistung. Ein Problem der Unternehmensführung (II), in: Office Management, 33. (1985), Nr. 10, S. 1029-1034. PICOT, A. (1991), Ein neuer Ansatz zur Gestaltung der Leistungstiefe, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Vol. 43, 4/1991, S. 336-357. PICOT, A. (1992), Marktorientierte Gestaltung der Leistungstiefe, in: Reichwald, R. (Hrsg.), Marktnahe Produktion: lean production – Leistungstiefe – Time-to-market-Vernetzung – Qualifikation, Wiesbaden 1992, S. 103-124. PICOT, A. (1993), Transaktionskostenansatz, in: WITTMANN, W. U. A. (Hrsg.), Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Teilband 3: R-Z, 5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp. 4194-4204. PICOT, A. (2005), Organisation, in: Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, Band 2, 5. Auflage, München 2005, S. 43-121. PICOT, A., REICHWALD, R., WIGAND, R. T. (2003), Die grenzenlose Unternehmung: Information, Organisation und Management, 5. Auflage, Wiesbaden 2003. 242
PIEDE, D. L. (1996), Restructuring Internal Services: Perspectives from the Energy Utility Business, in: Information Systems Management, Winter 1996, Vol. 13, Issue 1, pp.12-17. PORTER, M. (1991), Towards a Dynamic Theory of Strategy, in: Strategic Management Journal, 12. Jg., Special Issue, 1991, pp. 95-117. PORTER, M. (1999), Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, 5. Auflage, Frankfurt 1999. PRAHALAD, C., HAMEL, G. (1990), The Core Competence of the Corporation, in: Harvard Business Review, Vol. 68 (1990), No. 3, pp. 79-91. PUGH, S. (1991), Total Design: Integrated Methods for Successful Product Engineering, Workingham 1991. QUINN, B. COOKE, R., KRIS, A. (2000), Shared Services: Mining for Corporate Gold, Harlow (UK), London, 2000. RAMASWAMY, R. (1996), Design and Management of Service Processes, Massachusetts 1996. RAMASWAMY, R. (1999), Keeping Customers for Life – Designing Services that Delight Customers, in: BULLINGER, H.-J. (Hrsg.), Dienstleistungen – Innovation für Wachstum und Beschäftigung, Wiesbaden 1999, S. 26-40. RAPPAPORT, A. (1994), The New Standard for Business Performance, New York 1986. Die deutsche Fassung wurde von Wolfgang Klein übersetzt. Vgl. Rappaport, A. (1994), Creating Shareholder Value. Wertsteigerung als Maßstab für die Unternehmensführung, Stuttgart 1994. REICHWALD, R., PILLER, F. (2006), Interaktive Wertschöpfung. Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung, Wiesbaden 2006. REIß, M., BECK, T. C. (1995), Kernkompetenzen in virtuellen Netzwerken. Der ideale Strategie-Struktur-Fit für wettbewerbsfähige Wertschöpfungssysteme, in: CORSTEN, H., WILL, T. (Hrsg.), Unternehmensführung im Wandel. Strategien zur Sicherung des Erfolgspotentials, Stuttgart, Berlin, Köln 1995, S. 33-60. REIß, M., SCHUSTER, H. (1998), Kunden- und Kostenorientierung interner Service-Bereiche – Aus Zentralbereiche werden Dienstleister, in: MEYER, A. (Hrsg.) Handbuch Dienstleistungsmarketing Band 2, Stuttgart 1998, S. 1300-1320. RESCH, B. (2000), Die Bedeutung der Zentralbereiche für die Konzernsteuerung, Veröffentlichung des Lehrstuhls für ABWL, Organisation und betriebliches Personalwesen Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Ingolstadt, Katholische Universität Eichstätt, April 2000. ROCKHOLZ, A. (1996), Das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Bonn 1996. SANCHEZ, R., HEENE, A. THOMAS, H. (1996), Introduction: Towards the Theory and Practice of Competence-based Competition, in: SANCHEZ, R., HEENE, A. THOMAS, H. (Hrsg.), Dynamics of Competence-based Competition, Oxford 1996.
243
SAYLES, L. R. (1964), Managerial Behaviour, New York u. a. 1964. SCHEER, A. W. (1998), Service Engineering, in: Information Management & Consulting, 13, 1998, p. 3. SCHIMANK, C., STROBL, G. (2001), Controlling in Shared Service Centern, in: GLEICH, R., MÖLLER, K., SEIDENSCHWARZ, W., STOI, R. (Hrsg.), Controlling Fortschritte, 1. Auflage, Vahlen, München 2002, S. 281-301. SCHREYÖGG, G. (2003), Organisation: Grundlagen moderner Organisationsgestaltung, 4. Auflage, Wiesbaden 2003. SCHÜSSLER, T. (1999), Shared Service Center – Organisation der Zukunft?, in: IS Report, 3. Jg., 12/1999, S. 10-15. SCHULMAN, D. S., HARMER, M., DUNLEAVY, J., LUSK, J. (1999), Shared Services: Adding Value to the Business Units, New York 1999. SCHUURMANS, L., STOLLER, C. (1998), Der Shared Service Center Trend, in: IO Management, Nr. 6, 1998, S. 37-41. SEIDENSCHWARZ, W. (1999), Balanced Scorecard. Ein Konzept für den zielgerichteten strategischen Wandel, in: HORVÁTH, P. (Hrsg.) Controlling & Finance. Aufgaben, Tools und Kompetenzen effektiv koordinieren, Stuttgart 1999, S. 247-276. SHAH, B. (1998), Shared Services: Is It for You?, in: Industrial Management, Vol. 40, Nr. 5, 9-10/1998, pp. 10-15. SHOSTACK, G. L. (1984), Designing Services that deliver, in: Harvard Business Review, 62 (1984) 1, pp. 133-139. SOETE, L., MIOZZO, M. (1989), Trade and Development in Services: A Technological Perspective, Working Paper No.89-031, Maastricht, MERIT. STAUSS, B. (1993), Total Quality Management im industriellen Service. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: Qualität und Zuverlässigkeit, Jg. 38 (1993), Nr. 6, S. 345-350. STAUSS, B. (1995), Internal Services: Classification and Quality Management, International Journal of Service Industry Management, Vol. 6, (1995), No. 2, pp. 62-78. STÖLZLE, W. (1993), Umweltschutz und Entsorgungslogistik: theoretische Grundlagen mit ersten empirischen Ergebnissen zur innerbetrieblichen Entsorgungslogistik, Berlin 1993. SUNDBO, J. (2000), Organisation and Innovation Strategy in Services, in: BODEN, M. & MILES, I. (eds.), Services, Innovation and the Knowledge Economy, London 2000. SURE, M. (2003), Shared Services – Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Einführung, in: Die Bank, 1/2003, S. 56-60. TEECE, D. J., PISANO, G., SHUEN, A. (1997), Dynamic Capabilities and Strategic Management, in: Strategic Management Journal, Jg. 18, pp. 509-533. TAX, S. S., STUART, I: F. (1997), Designing and Implementing New Services, in: Journal of Retailing 73 (1997) 1, pp. 105-134. 244
VANDERMERWE, S., GILBERT, D. (1991), Making Internal Services Market Driven, Business Horizonts, Vol. 32 (1989), November-December, pp. 83-89. WEBER, J. (1992), Logistikkostenrechnung, in: VON MÄNNEL, W. (Hrsg.), Handbuch Kostenrechnung, Wiesbaden 1992, S. 878-897. WEDER, R. (1989), Joint Venture – Theoretische und empirische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der chemischen Industrie in der Schweiz, Grünsch 1989. WERNERFELT, B. (1984), A Resourced-based View of the Firm, in: Strategic Management Journal, Vol. 5 (1984), S. 171-180. WINKELMANN-ACKERMANN, S., BUNDI, M. (1999), Service Level Agreements gezielt einsetzen, in: IO-Management, Nr. 3, S. 36-40. WILLIAMSON, O. E. (1975), Markets and Hierarchies. Analysis and Antitrust Implications. A Study in the Economics of Internal Organization, New York 1975. WILLIAMSON, O. E. (1985), The Economic Institutions of Capitalism, New York 1985. WILLIAMSON, O. E. (1990), Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus: Unternehmen, Märkte, Kooperationen, Tübingen 1990. WIßKIRCHEN, F., MERTENS, H. (1999), Der Shared Services Ansatz als neue Organisationsform von Geschäftsbereichsorganisationen, in: WIßKIRCHEN, F. (Hrsg.), OutsourcingProjekte erfolgreich realisieren. Strategie, Konzept, Partnerauswahl, Stuttgart 1999, S. 79111. WIßKIRCHEN, F., KLEINHERTZ, M. (2000), Der Shared Service Center als Alternative zu Outsourcing, in: KÖHLER-FROST, W. (Hrsg.), Outsourcing: Eine strategische Allianz besonderen Typs, 4. Aufl., Berlin 2000, S. 181-199. WIßKIRCHEN, F. (2001), Das Shared Service Center Konzept – alter Wein in neuen Schläuchen?, in: http://www.kpmg.de/library/brochure/satellit/ssc.pdf, zugegriffen am 30.11.2001. WIßKIRCHEN, F., OLSACHER, M. (2003), Business Process Outsourcing und Shared Services – Kosten senken und Prozesse beschleunigen, in: IM Magazin, "http://www.bearingpoint.de/media/library_solutions_ms/IM_Magazin_MHRS_July_2003.pdf", zugegriffen am 05.11.2003. WITT, F.-J. (1985), Marketing für innerbetriebliche Leistungen, Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 37. Jg. (1985), Nr. 2, S. 162-173. WORLD TRADE REPORT 2005 (2005), III. Thematik Essays, C. Offshoring Services: Recent Developments and Prospects, Genève 2005, pp. 267-302. ZAHN, E., SOEHNLE, K., HERTWECK, A. (1996), Auswirkungen des Outsourcing von Dienstleistungen in der Region Stuttgart, Studie in: Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (Hrsg.), Stuttgart 1996.
245
ZAHN, E., BARTH, T., HERTWECK, A. (1999), Outsourcing unternehmensnaher Dienstleistungen – Entwicklungsstand und strategische Entscheidungstatbestände, in: WIßKIRCHEN, F. (Hrsg.), Outsourcing-Projekte erfolgreich realisieren. Strategie, Konzept, Partnerauswahl, Stuttgart 1999, S. 3-37. ZOLLO, M., WINTER, S. G. (2002), Deliberate Learning and the Evolution of Dynamic Capabilities, in: Organization Science, 2002, Vol. 13, No. 3, May-June 2002, pp. 339-351.
246