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German Pages 378 Year 2006
Meik Fiihring Risikomanagement und Personal
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
MeikFiJhring
Risikomanagement und Personal Management des Fluktuationsrisikos von SchliJsselpersonen aus ressourcenorientierter Perspektive
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hartmut Wachter
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iJber abrufbar.
Dissertation Universitat Trier, 2006
1.AuflageOktober2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Stefanie Brich Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dijrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0555-3 ISBN-13 978-3-8350-0555-6
Geleitwort
Geleitwort Risiko und Risikomanagement haben in jungster Zeit viel Aufmerksamkeit gefunden - nicht zuletzt wegen eingetretener spektakularer Risikofalle in Form von Untemehmenszusammenbriichen und aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, die dem Risiko und der Vorsorge gegen Risiken mehr Bedeutung verleihen. Es liegt nahe, dass auch der Personalbereich als wichtige Quelle von Leistung und Entwicklung eines Untemehmens in diesem Zusammenhang genauer beleuchtet wird. Das Personal kann man als Risikoverursacher und Risikobewaltiger identifizieren, und es gibt Ansatze in der Literatur und der Praxis, dem Rechnung zu tragen. Die vorliegende Arbeit attestiert allerdings der bisherigen Behandlung erhebliche konzeptionelle und instrumentelle Schwachen und erhebt den Anspruch, ein theoretisches Konzept und ansatzweise auch praktische Hilfsmittel zu entwickeln, die das Risikomanagement adaquat fur den Personalbereich entfalten konnen und somit den Besonderheiten des Personalmanagements Rechnung tragen. Dieser hohe Anspruch wird von der Arbeit in hervorragender Weise eingelost. Nicht nur werden bestehende Ansatze kritisch evaluiert, es wird auch jeweils nachgewiesen, warum sie nur zu bescheidenen Erfolgen fiihren. Aufbauend auf der Kritik wird ein schlussiges theoretisches Konzept entwickelt, das dann auf das zentrale Problem, der mogUchen Ruktuation von Schliisselpersonal, exemplarisch angewendet wird. Eine Beschaftigung mit dem Risiko kommt schnell an grundlegende Tatbestande untemehmerischer Entscheidungen heran. Es ist unsinnig, Risiko ganz „ausschalten" Oder „eliminieren" zu woUen, da Risiko ein Wesenselement von Entscheidungen ist. Es ist deshalb auch Skepsis gegen allzu perfekt erscheinende Losungen und technokratische Instrumente geboten. Vielmehr ist eine Balance zu halten zwischen Risiko und Chance, zwischen Wagemut und Absicherung. Diese notwendigerweise ambivalente Haltung bewahrt den Verfasser vor vorschnellen Urteilen und Vorschlagen. Sie entspricht einer konstruktivistischen Position, die sowohl gegentiber der vom Praktiker konstruierten Welt wie der diese Praxis re- und dekonstruierenden Wissenschaft eingenommen wird. Als eigene theoretische Position entwickelt der Verfasser eine ressourcenorientierte Perspektive des Personals. Ausgehend von der einschlagigen Literatur werden vielfaltige Beziige zur verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungs- und Organisationstheo-
VI
Risikomanagement und Personal
rie wie auch der Revisionsliteratur hergestellt. Insgesamt wird der resource-based view, dessen Fokus die Generierung von Wettbewerbsvorteilen ist, um begleitende MaBnahmen erweitert, die gegen die Erosion von wettbewerbsrelevanten Fahigkeiten schiitzen sollen. Der Verfasser behauptet und begriindet so eine Gegenposition zu der Literatur, die Risiko als exogene GroBe mit technischen Mitteln (wie Kennzahlen etc.) zu behandeln versucht und schlagt eine Betrachtung vor, die mehr die typischen Besonderheiten und sozialen Tatbestande des Personals in den Mittelpunkt stellt. Dazu gehoren insbesondre die soziale Komplexitat von Handlungen und die kausale Ambiguitat von Ergebnissen. Diese werden eingehend auf mehreren Ebenen (Gegenwart Zukunft, Potentialebene - Realisationsebene) analysiert. Der Verfasser verweilt aber nicht im Abstrakten, sondem macht konkrete Vorschlage zur Operationalisierung, ja sogar zur Instrumententwicklung seiner Uberlegungen. Herr Fuhring kommt auf der Grundlage umfassender Literaturkenntnisse und einer erarbeiteten wissenschaftstheoretischen Position zu klaren Urteilen und konstruktiven Vorschlagen zum Risikomanagement (von Personal). Die entwickelte theoretische Position zum ressourcenorientierten Ansatz ware auch flir andere Teilfragen des Risikomanagements geeignet. Die Arbeit ist insofem empirisch, als sie die in der Praxis vorfmdbaren Verfahren, die so etwas wie geronnene praktische Handlungen darstellen, analysiert („dekonstruiert") sowie deren Genesis, deren Interessenbezug und deren implizite theoretische Annahmen herausfmdet. Man kann sich natiirlich fragen, ob angesichts des bisher relativ schwach ausgepragten Interesses der Praktiker und sehr schlichter Instrumente der Praxis eine Bereitschaft besteht, die Gedankengange und Vorschlage von Herm Fuhring zum Risikomanagement des (Schlussel-)Personals nachzuvoUziehen und die (zusatzlichen) Beurteilungsvorgange vorzunehmen. Immerhin kann man nicht behaupten, es seien keine praxisbezogenen Vorschlage gemacht worden. Es ist jedoch zu wunschen, dass erfolgreiche Fiihrungskrafte, die mehr oder weniger intuitiv eine Einschatzung vomehmen, wo sie auf jeden Fall Fluktuation vermeiden miissen, bzw. auf wen es im Untemehmen ankommt, in der Arbeit von Herm Fuhring gute Grlinde flir ihr Tun an die Hand bekommen und AnstoBe finden, systematischer die Problemlage zu analysieren und fortzuflihren. Prof. Dr. Hartmut Wachter
Vorwort
VII
Vorwort Das vorliegende Buch ist wahrend und nach meiner Tatigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fur „Arbeit, Personal, Organisation" an der Universitat Trier entstanden und wurde im April 2006 vom Fachbereich IV (Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/Mathematik/Informatik) als Dissertation angenommen. Auch wenn die Arbeit an einer Dissertation eine sehr personliche Angelegenheit ist, entsteht sie immer in einem sozialen Kontext, der einen groBen Einfluss auf Inhalt und Gelingen des Werkes hat. So gibt es nun fur mich, nach gutem und gliicklichen Abschluss des Projektes, den freudigen Anlass, mich zu bedanken. Mein erster Dank geht an die Prufungskonmiission, an Prof. Dr. Walter Schertler, der freundlicherweise den Vorsitz ubemonmien hat sowie an meine beiden Gutachter Prof. Dr. Axel G. Schmidt und Prof. Dr. Hartmut Wachter. Es ist mir ein besonderes Anliegen, zu Letzterem meinen Dank zu prazisieren, denn Hartmut Wachter war insgesamt sieben Jahre mein Vorgesetzter ~ erst wahrend meiner Zeit als Hiwi fiir die Fachspezifische Fremdsprachenausbildung des Fachbereiches IV und dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl. Es gibt verschiedene Studien die zeigen, dass der erste Vorgesetzte entscheidend die Denk- und Verhaltensmuster eines Mitarbeiters hinsichtlich von Fiihrungs- und Arbeitssituationen pragt. In dieser Zeit der Sozialisation wird - im Guten wie im Schlechten - ein wesentlicher Grundstock an Denk- und Verhaltensmustem erworben, auf die im weiteren Berufsleben zuriickgegriffen werden kann und wird. Ich war in der gliicklichen Situation, mit Hartmut Wachter einen vorbildhaften Vorgesetzten gefunden zu haben und profitierte insbesondere von den folgenden drei Aspekten: 1) der Gewahrung inhaltlichen und zeitlichen Freiraums, 2) von seiner Fahigkeit Kritik, zu geben und zu nehmen sowie 3) von seiner Offenheit und seinem Interesse gegeniiber neuen Themen und anderen Sichtweisen. Fiir die kritisch-konstruktive Durchsicht des Dissertationsmanuskriptes geht mein herzlicher Dank an Tobias Schulten, Rene Peters und an meine Eltem. Durch ihr Feedback hat die Arbeit sicherlich an Klarheit und Leserfreundlichkeit gewonnen. Vielen Dank auch an die KoUeginnen und KoUegen vom Lehrstuhl BWL-APO, der iiber Jahre meine arbeitsbezogene Heimat war: Inge Jansen, Silke WoUscheidt, Dr. Giinther Vedder, Rene Peters, Dr. Dominik Risser, Dr. Werner Dentz, PD Dr. Lisa Gobel.
VIII
Risikomanagement und Personal
SchlieBlich gilt mein Dank meiner Frau Barbara Pirich, fur einen intensiven Austausch, kritisch-konstruktive Anmerkungen und Untersttitzung von der Anfangsphase bis zur Schlussphase der Dissertation. Ihr mochte ich diese Arbeit widmen. Insgesamt war die Promotionszeit ein Privileg und eine groBartige Gelegenheit, um die eigenen Grenzen und mich selbst kennen zu lemen, aber auch, um festzustellen, was in mir steckt. Es ist groBartig und herausfordemd zugleich, einerseits durch den Erkenntnisfortschritt auf immer hohere Niveaus der Verwirrung zu gelangen, anderseits aber auch immer wieder Momente der Klarheit, des Verstehens und der Durchdringung zu erleben. Meik Fuhring
Inhaltsiibersicht
_
^
IX
Inhaltsubersicht Teil A: Einfuhrung
1
1
Ausfuhrungen zur Relevanz des Themas
1
2
Zielsetzung, Vorgehensweise und Begriffsverstandnisse der Arbeit
4
3
Wissenschaftstheoretische Einordnung der Arbeit
10
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme..... 17 4
Die rechtlichen Vorgaben als Ausgangspunkte der aktuellen Risikomanagementdiskussion
18
5
Akteure, Funktionen und Institutionen des Risikomanagements
30
6
Risikomanagement als dynamische Konstruktion in und durch Theorie und Praxis
43
7
Risikomanagement und Personal - ein Literaturuberblick
49
8
Zwischenfazit Teil B
63
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierterPerspektive
69
9
Gesamtmodell einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung
69
10
Grundkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements
91
11
Risikomanagementkultur
154
12
Zwischenfazit Teil C
177
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen 13
Das Phanomen Fluktuation in der Literatur und Anforderungen an das hier verwendete Modell
181 182
14
Entwicklung und Aufbau des in der Arbeit verwendeten Fluktuationsmodells 194
15
Bestimmung von Schliisselpersonen
209
X
__^___^_
Risikomanagement und Personal
16
Management des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen
233
17
Zwischenfazit Teil D
297
TeilEiFazit
305
18
Zusammenfassung und Bewertung der Arbeit
305
19
Schlussbetrachtung und Ausblick
312
Literaturverzeichnis
315
Inhaltsverzeichnis
XI
Inhaltsverzeichnis Inhaltsubersicht
IX
Inhaltsverzeichnis
XI
Abbildungsverzeichnis
XIX
Abkurzungsverzeichnis
XXIII
Teil A: Einfiihrung
1
1
Ausfiihrungen zur Relevanz des Themas
1
2
Zielsetzung, Vorgehensweise und Begriffsverstandnisse der Arbeit
4
3
Wissenschaftstheoretische Einordnung der Arbeit
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme 4
17
Die rechtlichen Vorgaben als Ausgangspunkte der aktuellen Risikomanagementdiskussion
18
4.1 Das Gesetz zur KontroUe und Transparenz im Untemehmensbereich (KonTraG)
18
4.2 Der Deutsche Corporate Governance Kodex
22
4.3 Das Transparenz- und Publizitatsgesetz (TransPuG)
24
4.4 Weitere risikomanagementrelevante Gesetze und normative Vorgaben
25
4.4.1
Untemehmensintegritat und Anlegerschutz
25
4.4.2
Anpassung nationalen Bilanzrechts an international Rechnungslegungsstandards
26
Baseler Eigenkapitalakkord II und Rating
28
4.4.3 5
10
Akteure, Funktionen und Institutionen des Risikomanagements
30
5.1 Standards als Deutungsangebote und GestaltungsleitUnien
30
5.1.1
Institut der Wirtschaftsprufer (IDW)
31
XII
Risikomanagement und Personal
5.2
5.1.2
Deutsches Institut fur Interne Revision (IIR)
33
5.1.3
Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC)
34
Arbeitsteilung und Organisation des Risikomanagements im Untemehmen 5.2.1
5.2.2
6 7
8
35
Vorstand (a): Gesamtverantwortung fur ein angemessenes Risikomanagement
36
Risikomanagementverantwortliche auf operativer Ebene (b): Durchfuhrung des Risikomanagementprozesses
38
5.2.3
Zentraleinheit Risikomanagement / Controlling (c): Koordination der Risikomanagementaktivitaten 39
5.2.4
Interne Revision (d): Uberpriifung des Uberwachungssystems
40
5.2.5
Aufsichtsrat (e): Kontrolle des Vorstands
41
5.2.6
Wirtschaftsprufer(f): Exteme Priifung des Uberwachungssystems42
Risikomanagement als dynamische Konstruktion in und durch Theorie und Praxis
43
Risikomanagement und Personal - ein Literaturiiberblick
49
7.1
Risiken des Personalbereichs - die Perspektive der intemen Revision
50
7.2
Praktikerorientierte Konzeptionen eines Personalrisikomanagements
54
7.3
Ansatze zur theoretischen Fundierung des Risikomanagements
59
Zwischenfazit Teil B
63
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive 9
69
Gesamtmodell einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung
69
9.1
Zur Einordnung ressourcenorientierter Ansatze
70
9.2
Ressourcen und Fahigkeiten als Ausgangspunkte
73
9.3
Kriterien zur Bewertung der Starken und Schwachen von Ressourcen und Fahigkeiten
80
9.3.1
80
Ansatze in derLiteratur
Inhaltsverzeichnis
9.3.2
Differenzierung in Potential- und Realisationsebene und deren Integration
80
Bedeutung der Humanressourcen im Rahmen einer ressourcenorientiertenUntemehmensfuhrung
82
Wettbewerbssituation eines Untemehmens
84
9.4 Entwicklung einer kemkompetenzenbasierten Strategie und deren Umsetzung in Kern- und Unterstutzungsprozesse
85
9.5 Der institutionelle Kontext und dessen Relevanz fur eine ressourcenorientierteUntemehmensfuhrung
85
Grundkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements
91
10.1 RessourcenorientierteRisikomanagementpolitik
91
9.3.3 9.3.4
10
XIII
10.1.1 Definition: Ressourcenorientiertes Risikomanagement
92
10.1.2 Risikomanagementpolitische Grundsatze
93
10.1.2.1
Einbettung des Risikomanagementsystems in den Prozess der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung
93
10.1.2.2
Konzentration auf die wertschaffenden Kemprozesse, -leistungen und-produkte 94
10.1.2.3
Differenziertes Risiko-Chancen-Profil zum Schutz der Kemkompetenzen 95
10.1.2.4
Beachtung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit hinsichtlich von Kosten und Ertragen des RisikomEinagementsystems
10.1.3 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen 10.2 RessourcenorientierteRisikoeinschatzung 10.2.1 Analyse des Fahigkeitenprofils auf der Potential- und Realisationsebene
95 96 97 98
10.2.1.1
EinflussgroBen auf der Potentialebene
102
10.2.1.2
EinflussgroBen auf der Realisationsebene
104
10.2.2 Identifikation und Bewertung moglicher zuklinftiger Entwicklungen
105
XIV
Risikomanagement und Personal
10.2.2.1
Risiken auf der strategischen Ebene
107
10.2.2.2
Risiken auf der operativen Ebene
109
10.2.3 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen 10.3 Risikohandhabung
113 116
10.3.1 Risikohandhabung auf der strategischen Ebene
119
10.3.2 Risikohandhabung auf der operativen Ebene
123
10.3.2.1
Beschaffung von Ressourcen und Fahigkeiten
124
10.3.2.2
ErschlieBung, Transformation, Entwicklung von Ressourcen und Fahigkeiten
125
Absatz der Kemprodukte und -leistungen
125
10.3.2.3
10.3.3 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen 10.4 Controlling von Risiken und Risikomanagement
126 129
10.4.1 Grundkonzeption eines Informations- und Controllingsystems fiir das Risikomanagement
130
10.4.2 Interne und exteme Berichterstattung iiber Risiken und Risikomanagement
133
10.4.3 Kontrolle und Uberwachung
137
10.4.4 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen
139
10.5 Zusammenfassende Darstellung der besonderen Rolle des Personals im Rahmen des ressourcenorientierten Risikomanagements 141
11
10.5.1 Gesamtdarstellung des Risikofeldes Personal
142
10.5.2 Besonderheiten des Personals und Risikomanagement
145
10.5.3 Eigenhandeln des Personals und Informationsasymmetrien als Problemfelder des Risikomanagements
147
10.5.4 Eigenhandeln des Personals und Informationsasymmetrien als Chancenfelder des Risikomanagements
150
Risikomanagementkultur
154
11.1 Typologisierung verschiedener Risikokulturen
155
11.1.1 Dimensionen der Typologie
156
Inhaltsverzeichnis
XV^
11.1.2 Vier Idealtypen
159
11.1.2.1
Ressourcenorientierte Risikomanagementkultur
160
11.1.2.2
Burokratische Ignoranz
160
11.1.2.3
Reaktiver Fatalismus
161
11.1.2.4
Marktorientierte Risikomanagementkultur
161
11.2 Elemente und Ebenen einer ressourcenorientiertenRisikomanagementkultur 11.2.1 Grundpramissen
163
11.2.2 Bekundete Werte
164
11.2.3 Artefakte
166
11.3 Entwicklung und Implementierung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur
12
166
11.3.1 Bestandsaufnahme und Initiierung eines organisationalen Diskurses
167
11.3.2 Handlungsfelder
171
11.3.3 Motivational Aspekte - ein blinder Fleck der Risikomanagementliteratur
172
Zwischenfazit Teil C
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen 13
162
177
181
Das Phanomen Fluktuation in der Literatur und Anforderungen an das hier verwendete Modell
182
13.1 Einschatzung der Fluktuationsliteratur
182
13.2 Der Fluktuationsbegriff im Rahmen dieser Arbeit
189
13.3 Anforderungen an das hier verwendete Fluktuationsmodell und dessen Konstruktionsprinzipien 192 14
Entwicklung und Aufbau des in der Arbeit verwendeten Fluktuationsmodells 194 14.1 EinflussgroBen auf Verhalten und Austauschbeziehungen in Organisationen
195
XVI
15
Risikomanagement und Personal
14.2 Organisationen als Ort des Austausches von materiellen und immateriellen Leistungen
197
14.3 Wahmehmung und Bewertung der Austauschbeziehung(en)
201
14.4 Fluktuationsneigung und Realisierung der Ruktuation
205
14.5 Konsequenzen fur die Wettbewerbssituation
206
Bestimmung von Schlusselpersonen
209
15.1 Schlusselpersonen und Promotorentypen
209
15.2 Wert und Einzigartigkeit - der Bezug zum ressourcenorientierten Ansatz
211
15.3 Der Status Schlusselpersonen als dynamisches Geschehen - die zeitliche Komponente
213
15.4 Zusammenfassende Darstellung des Modells zur Bestimmung von Schlusselpersonen
214
15.5 Transformation des Modells in ein einsatzfahiges Instrument zur Bestimmung von Schlusselpersonen
215
15.5.1 Gestaltungsparameter des Instrumentes und Entwicklung eines Beurteilungsbogens
217
15.5.1.1
Zielsetzung
217
15.5.1.2
Bewertungsgrundlagen
218
15.5.1.3
Konsequenzen
219
15.5.1.4
Verfahrensauswahl
219
15.5.1.5
Grad der Standardisierung
220
15.5.1.6
Skalierung
222
15.5.1.7
Gewichtung der Beurteilungskriterien
224
15.5.1.8
Zuordnung der Verantwortlichkeiten
226
15.5.1.9
Haufigkeit und Frequenz der Beurteilung
228
15.5.1.10 Ablauf der Beurteilung 15.5.2 Formblatt zur Bestinmiung und Beurteilung von Schlusselpersonen
228 229
Inhaltsverzeichnis
XVII
16
Management des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen
233
16.1 Risikomanagementpolitische Festlegungen
233
16.1.1 Grundsatzliche Zielsetzung
233
16.1.2 Anwendungs- und Einsatzbereich der Risikomanagementaktivitaten
234
16.1.3 Zuordnung der Verantwortlichkeiten
236
16.2 Einschatzung des Fluktuationsrisikos 16.2.1 Konzeption eines Formblatts zur Einschatzung des Fluktuationsrisikos
237 238
16.2.1.1
Einschatzung der Fluktuationswahrscheinlichkeit
243
16.2.1.2
Einschatzung der Konsequenzen einer moglichen Fluktuation
244
Bewertung des Handlungsbedarfs
246
16.2.1.3
16.2.2 Urteilstendenzen und Beurteilungsverzemingen
246
16.2.3 Losungsansatze zum Umgang mit den Unzulanglichkeiten des Beurteilungsverfahrens 250 16.2.3.1
Thematisierung der Moglichkeiten und Grenzen des Beurteilungsverfahrens 250
16.2.3.2
Schulung von Beurteilungskompetenzen
252
16.3 Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen
.253
16.3.1 Grundkonzeptionen der RisikomanagementmaBnahmen
254
16.3.2 Kommunikationspolitik
257
16.3.2.1
Personalbeschaffung und -selektion
258
16.3.2.2
Kommunikation der Untemehmensstrategie und struktur
260
Mitarbeitergesprache
261
16.3.2.3
16.3.3 Gestaltung der Austauschbeziehung
264
16.3.3.1
Entgeltpolitik und-gestaltung
264
16.3.3.2
Personalentwicklung und Karrieremanagement
268
XVIII
_
^
Risikomanagement und Personal
16.3.3.3
Gestaltung der Ftihrungs- und Arbeitssituation
275
16.3.3.4
Weitere Optionen der Arbeitsvertragsgestaltung
281
16.3.4 Entwicklung und Implementierung funktionaler Aquivalente 16.3.4.1
Aufbau von Rexibilitatsreserven und Substitutionspotentialen
284
16.3.4.2
Wissensmanagement
286
16.3.4.3
Nachfolgeregelungen, Jobiibergabe und Notfallmanagement
292
16.3.5 Konzeption eines Formblatt zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen 17
283
Zwischenfazit Teil D
294 297
TeilE:Fazit
305
18
Zusammenfassung und Bewertung der Arbeit
305
19
Schlussbetrachtung und Ausblick
312
Literaturverzeichnis
315
Abbildungsverzeichnis
XIX
Abbildungsverzeichnis Abb. 1:
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Abb. 2:
Verhaltnis von Theorie und Praxis in konstruktivistischer
9
Betrachtungsweise
11
Abb. 3:
Organisation des Risikomanagements
36
Abb. 4: Abb. 5
Risikomanagement als dynamische Konstruktion durch Kommunikation und Interaktion in Theorie und Praxis 45 Strukturierung des Risikofeldes „Personalbereich" 56
Abb. 6:
Risikokategorien auf Basis des Werttreibermodells
58
Abb. 7
Ressourcen- und marktbasierte Ansatze im Vergleich
72
Abb. 8
Kategorisierungen von Ressourcen
75
Abb. 9
Gesamtmodell einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung
77
Abb. 10: Unterschiedliche Kriterienbiindel zur Bewertung von Ressourcen und Fahigkeiten Abb. 11: Das Unteraehmen im institutionellen Kontext nach WHITLEY (2000)
80 89
Abb. 12: Wertkette und Keraprozesse als Bezugspunkte und Analyseinstrumente des ressourcenorientierten Risikomanagements 100 Abb. 13: Einflussfaktoren auf die Wettbewerbsrelevanz von Ressourcen und Fahigkeiten auf der Potential- und der Realisationsebene
102
Abb. 14: Gesamtdarstellung einer ressourcenorientierten Risikoeinschatzung
112
Abb. 15: Moglichkeiten und Grenzen der Risikoeinschatzung
114
Abb. 16: Ansatzpunkte fur MaBnahmen der Risikohandhabung aus ressourcenorientierter Perspektive Abb. 17: Controlling von Risiken und Risikomanagement aus ressourcenorientierter Perspektive
119 130
Abb. 18
Das Risikofeld Personal
142
Abb. 19
Besonderheiten des Personals und Risikomanagements
146
Abb. 20: Voraussetzungen risikoangemessenen Verhaltens
157
XX
^
Risikomanagement und Personal
Abb. 21: Typologie Risikokulturen
160
Abb. 22: Drei Ebenen einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur
163
Abb. 23: Entwicklung und Implementierung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur
170
Abb. 24: Zugange und Fokussierungen auf das Themenfeld Fluktuation in der Literatur
183
Abb. 25: Tendenzaussagen zu Einflussfaktoren des Ruktuationsverhaltens
188
Abb. 26: Elemente des Fluktuationsbegriffes
191
Abb. 27: EinflussgroBen auf Verhalten und Austauschbeziehungen in Organisationen 196 Abb. 28: Mogliche Austauschbeziehungen in Organisationen am Beispiel eines Mitarbeiters im Werttreiber MarketingA^ertrieb 200 Abb. 29: Wahmehmung und Bewertung einer Austauschbeziehung hinsichtlich einer Fluktuation
203
Abb. 30: Fluktuationsmodell der Arbeit
208
Abb. 31: Modell zur Bestimmung von Schlusselpersonen
214
Abb. 32: Das Schliisselpersonenmodell als zentrales Instrument der Personalpolitik
216
Abb. 33: Gestaltungsparameter von Verfahren zur Personalbeurteilung
217
Abb. 34: Skalierung und ihre Bedeutung hinsichtlich der GroBen Wert und Einzigartigkeit Abb. 35: Beurteilungsbogen zur Bestimmung und Beurteilung von
223
Schlusselpersonen (Auszug)
230
Abb. 36: Formblatt zur Einschatzung des Fluktuationsrisikos
240
Abb. 37: Beurteilungsverzerrungen und Urteilstendenzen bei der Bestimmung von Schlusselpersonen und der Risikoeinschatzung Abb. 38: Handlungsfelder und Bezugspunkte fiir die Risikohandhabung des
248
Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen
256
Abb. 39: Mogliche Typen von Mitarbeitergesprachen
261
Abb. 40: Mogliche Entgeltkomponenten
265
Abbildungsverzeichnis
XXI
Abb. 41: Idealtypische „Strategien" der Personalentwicklung
269
Abb. 42: Intra- und interorganisationale Karrierebewegungen in strategischen Netzwerken
273
Abb. 43: Personalerhaltung, -entwicklung und -bindung durch personlichkeitsforderliche Arbeitsgestaltung
279
Abb. 44: Entstehung und Verwendung von Wissen
287
Abb. 45: Aktionsrichtungen des Wissensmanagements zur Reduzierung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen Abb. 46: Formblatt zur Handhabung des Fluktuationsrisikos
289 295
Abkurzungsverzeichnis
XXIII
Abkiirzungsverzeichnis Abb.:
Abbildung
Abs.:
Absatz
AktG:
Aktiengesetz
Aufl.:
Auflage
Basel II:
2. Baseler Eigenkapitalakkord
BetrVG:
Betriebsverfassungsgesetz
BGB:
Biirgerliches Gesetzbuch
BilReG:
Gesetz zur Einfiihrung intemationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualitat der Abschlusspriifung, Bilanzrechtsreforaigesetz
BMJ:
Bundesministerium der Justiz
bspw.:
beispielsweise
bzw.:
beziehungsweise
d.h.:
das heiBt
DRS:
Deutscher Rechnungslegungs Standard
DRSC:
Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee
DV:
Datenverarbeitung
e.V.:
eingetragener Verein
evtl.:
eventuell
F&E:
Forschung und Entwicklung
GoB:
Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung
GoL:
Grundsatze ordnungsgemaBer Lageberichterstattung
Hg.:
Herausgeber
HGB:
Handelsgesetzbuch
IDW PS:
Priifungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprufer
XXrV
Risikomanagement und Personal
IDW:
Institut der Wirtschaftspriifer
i.d.R.:
in der Regel
i.d.S.:
in diesem Sinne
IT:
Informationstechnologien
i.e.S.:
im engeren Sinne
i.S.:
im Sinne
i.w.S.:
im weiteren Sinne
IIR:
Deutsches Institut flir Interne Revision
IRB-Ansatz: Internal ratings-based approach Jg.:
Jahrgang
KapMuG:
Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
KonTraG:
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbereich
m.a.W.:
mit anderen Worten
O.V.:
ohne Verfasser
s.a.:
siehe auch
SOA:
Sarbanes-Oxley-Act
TransPuG:
Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizitat
u.a.:
unter anderem
UMAG:
Gesetz zur Untemehmensi Anfechtungsrechts
U.U.:
unter Umstanden
v.a.:
vor allem
vgl.:
vergleiche
WPO:
Wirtschaftsprliferordnung
Z.B.:
zum Beispiel
Teil A: Einftihrung
Teil A: Einfiihrung 1 Ausfuhningen zur Relevanz des Themas Das Gesetz zur KontroUe und Transparenz im Untemehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998 verpflichtet Aktiengesellschaften zur Einfiihrung eines angemessenen Risikomanagementsystems. Die gesetzlichen Vorgaben betreffen grundsatzlich samtliche Untemehmensbereiche, damit auch die Humanressourcen mit den diesbezuglichen Risiken wie z.B. nicht adaquate Qualifikationen sowie Fehlentscheidungen und -verhalten des Personals bzw. Managements, Bilanzfalschungen, unzureichende Personalplanung.^ Sie fiihren zu neuen Anforderungen an die HR-Profession in Wissenschaft und Praxis. Mit einigen Ausnahmen, hier sind v.a. DRUMM (2004), KOBI (2003, 1999), ACKERMANN (1999a), BRAND-NOE (2004, 1999) zu nennen, ist allerdings das Themenfeld „Risikomanagement und Personal" noch als im Wesentlichen unbearbeitet anzusehen. Dies gilt insbesondere fur fehlende fundierte theoretische Konzepte. Bei Risikomanagement handelt es sich nicht um einen grundsatzlich neuen Begriff und ein neues Konzept, d.h. schon vor dem KonTraG war Risikomanagement v.a. im Finanzbereich ein Thema.^ Risikomanagement i.S. der Analyse und Handhabung relevanter moglicher negativer Entwicklungen stellte schon friiher einen Bestandteil einer vorausschauenden und verantwortungsvoUen Untemehmensfuhrung dar.^ Neu ist allerdings die explizite gesetzliche Verpflichtung zur Implementierung eines Risikomanagementsystems, das von den Abschlusspriifem zu uberprufen ist. Damit steigen die Anforderungen an die Professionalitat und Reichweite eines nun nicht mehr nur freiwilligen Risikomanagements.
Vgl. IDW PS 340 (2004); IDW RS HFA 1 (2004); DRS Nr. 5 (2005). Vgl. V. WERDER (1992); BERNSTEIN (1998). Tatsachlich handelt es sich bei dem Umgang mit moglichen zukiinftigen, fur die wirtschaftliche Situation eines Untemehmens relevanten Risiken um einen grundsatzlichen und konstitutiven Aspekt des Wirtschaftens. Eine Vielzahl der MaBnahmen wurde und wird i.d.R. allerdings nicht unter dem Label Risikomanagement erfasst und konsequent darauf ausgerichtet. So wirken bspw. ausgepragte interne Arbeitsmarkte wie Risikomanagement zur Personalbindung und Herausbildung untemehmensspezifischer Kompetenzen, Produktdiversifikation reduziert das Abhangigkeitsrisiko von einzelnen Markten, QualitatskontroUen und MaBnahmen der Arbeitssicherheit reduzieren das Risiko fehlerhafter Produkte und schadigender Produktionsprozesse, Marketingstudien vor Einfiihrung eines neuen Produktes reduzieren das Risiko einer Fehlinvestition.
Risikomanagement und Personal
Die bestehende umfangreiche Literatur zum gesamten Thema Risikomanagement im Zuge des KonTraG setzt sich hauptsachlich aus Beitragen von Autoren aus den Bereichen Wirtschaftspriifung, Interne Revision, Controlling und Finanzwesen zusammen. Personalrelevante und -bezogene Aspekte, hinsichtlich der Eigenschaften und des Verhaltens von Management und Mitarbeitern, werden i.d.R. nur am Rande angesprochen und nicht naher erortert. Es dominieren eine instrumentenbezogene Perspektive und die Fokussierung auf die formalen, organisatorischen und „technischen" Aspekte (Zustandigkeiten, Risikolisten, Instrumente etc.). Es werden Checklisten vorgelegt, die dem Anschein nach lediglich auf kurzen Plausibilitatsiiberlegungen beruhen. Die (impliziten) Annahmen iiber Wirkungszusammenhange und Kausalketten bleiben zumeist verborgen, eine umfassende und grundsatzliche theoretische Fundierung ist meist nicht zu erkennen/ Auch wird nicht oder nur ansatzweise darauf eingegangen, wie voraussetzungsvoll die vorgeschlagenen MaBnahmen und Instrumente sind. Die haufig zu fmdende organisatorische Verankerung des Risikomanagement im „Dunstkreis Controlling" und die Nichteinbeziehung der Personalabteilung beztiglich der Ausgestaltung und Durchfuhrung von Risikomanagementaktivitaten, fiihrt einerseits dazu, dass von der Personalabteilung bzw. den Personalverantwortlichen in den jeweiligen Werttreibem nur begrenzt ein risikoangemessenes Verhalten zu erwarten sein wird. Andererseits vemachlassigen Controlling und die derzeitigen Ansatze zum Risikomanagement, wie an den „menschenleeren" Konzeptionen und Praxisberichten in der Literatur ersichtlich ist, die Besonderheiten (Subjekt- und Objektcharakter^) und die Querschnittsfunktion^ des Personals/der Humanressourcen. Diese Vemachlassigung kann als unangebracht oder sogar verantwortungslos und fahrlassig angesehen werden, da zum einen insbesondere Managementhandeln einen wesentlichen Ausgangspunkt fiir spatere andere Risiken (z.B. Finanzrisiken) darstellt.^
Als hervorzuhebende Ausnahmen sind die folgenden Ansatze zur theoretischen Fundierung eines Risikomanagements anzusehen: LIEKWEG (2003) zu einer praskriptiven Theorie des Risikomanagements und WOLF (2003a) zur Integration des Risikomanagements in die wertorientierte Untemehmensfiihrung. Vgl. NEUBERGER 1997, S. 19 f. Vgl. PORTER (1989). Zu Managementfehlem als Hauptursache fur Insolvenzen vgl. KFW-RESEARCH (2002, S. 46). Kritisch zu derartigen Ergebnissen der Insolvenzforschung vgl. ENGBERDING (1998, S. 42 ff.), der dem Management zwar eine wesentliche und zentrale Rolle zumisst, dabei aber auf die Grenzen der Gestaltbarkeit des Systems Untemehmen durch das Management hinweist.
Teil A: Einfiihrung
Zum anderen kommt dem Personal, d.h. den handelnden Subjekten, bei der proaktiven und reaktiven Handhabung von Risiken eine zentrale RoUe zu. Damit kommen zwangslaufig auch motivationale, qualifikatorische und arbeitsorganisatorische Voraussetzungen einesrisikoangemessenenVerhaltens im Rahmen einer iibergreifenden Risikomanagementkultur in den Blickpunkt der Betrachtung. Derartige hochgradigrisikomanagementrelevanteAspekte werden in der bestehenden Literatur i.d.R. ignoriert oder vemachlassigt. Eine starkere Einbeziehung von Aspekten des Personals und des Personalmanagements in Konzeptionen des Risikomanagements erscheint auch deshalb sinnvoU, als aufgrund der folgenden Entwicklungen der Faktor Personal/Mensch zunehmend zu einer kritischen Ressource wird, die eine besondere Aufmerksamkeit der Untemehmen(sfuhrung) verlangt. Dies gilt im besonderen MaBe fur Leistungstrager und Schlusselpersonen. • Aufgrund der prognostizierbaren demographischen Entwicklung zeichnet sich in nahezu alien Industrielandem eine absolute Verknappung des Arbeitsangebotes und eine relative Zunahme alterer Arbeitnehmer ab.^ Gerade im Segment der hochqualifizierten Arbeitskrafte ist durch die vielfach gewahlte „Hochproduktivitdtsstrategie" (Prozesse mit wenigen hochqualifizierten Personen, die dafur besonders produktiv sind) ein besonderer Mangel im Bereich von Facharbeitem und Akademikem zu erwarten.^ • Neue Beschaftigungsmuster verdrangen zunehmend das Normalarbeitsverhaltnis. Das lange dominierende Modell lebenslanger Beschdftigung in einem Untemeh-
Fiir Deutschland und die meisten Industrielander lassen sich zwei grundsatzliche Entwicklungen feststellen: (1) schnell gesunkene und aktuell niedrige Geburtenrate und (2) eine hohe und weiter steigende Lebenserwartung. Zur Finanzierung der Alters- und Sozialsicherungssysteme und zur Deckung der Arbeitskraftenachfrage stehen Untemehmen zunehmend vor der Herausforderung, Fahigkeiten, Leistungen und Motivationen der Mitarbeiter auch mit zunehmenden Alter zu erhalten und weiterzuentwickeln. Ausfiihrlicher zur demographischen Entwicklung vgl. DEUTSCHER BUNDESTAG (1998); MUHLBRADT / SCHULTETUS (2004); BUNDESANSTALT FUR ARBEIT (2000). Vgl. EICHHORST / THODE (2002); HIELSCHER (2002).
Risikomanagement und Personal
men verliert an Bedeutung.^^ Damit nimmt auch die Bindung an ein bestimmtes Untemehmen ab (Wandel des psychologischen Vertrages).^^ • Mit der Entwicklung von einer Industrie- zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft steigt die Bedeutung der Humanressourcen: die Personalintensitat und damit der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten steigen, es werden hohe Personalinvestitionen getatigt. Insgesamt verlangen diese Entwicklungen eine zunehmend strategische Ausrichtung des Personalbereiches. Im Zusammenhang mit der allgemeinen Diskussion zu Corporate Governance und neuen gesetzlichen Anforderungen (v.a. durch das KonTraG) gewinnt das Management von Personalrisiken (durch und fiir Personal) an Bedeutung. Der Personalbereich wird damit zu einem relevanten und integralen Erorterungs- und Handlungsfeld im Rahmen des gesamten Risikomanagements.
2 Zielsetzung, Vorgehensweise und Begriffsverstandnisse der Arbeit Die iibergeordneten Ziele dieser Arbeit sind (1) die Entwicklung eines theoretisch fundierten Konzeptes zum Risikomanagement von und durch Personal/Humanressourcen^^ im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung und (2) die konkrete Betrachtung des Fluktuationsrisikos von Schilisselpersonen, als ein zentrales Risiko im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements. Zielsetzung und Vorgehensweise werden zusanmienfassend in Abb. 1 dargestellt. Die Arbeit wird aus einem konstruktivistischen Wissenschaftsverstdndnis heraus geschrieben und ist insofem selbst ein Beitrag der Deutung und Konstruktion, d.h. die Ausfiihrungen gehen teilweise weit liber die (interpretationsbedlirftigen) Anforderungen im Zuge des KonTraG hinaus, die lediglich einen Ausgangspunkt bilden. Die Arbeit nimmt den Grundgedanken des KonTraG, die Risiken der klinftigen Entwicklun-
Vgl. MARTIN / NIENHUSER (2002); WEVIMER / NEUBERGER (1998, S. 279 ff.) ausflihrlicher zu Formen und Bedeutung von „normalen" und „atypischen" Beschaftigungsverhaltnissen. Vgl. MARR / FLIASTER (2003); SPARROW / COOPER (2003), S. 53 ff.; PAELLE (2004), S. 11 f.; WOOD (2004). Die Begriffe Personal und Humanressourcen werden grundsatzlich synonym verwendet. Die Verwendung des Begriffes Humanressourcen an bestimmten Stellen in der Arbeit betont den Bezug zum ubergeordneten Theorierahmen der Arbeit, dem ressourcenorientierten Ansatz. Die Verwendung des Begriffes Personal wird dann vorgezogen, wenn besonders die aktive und handelnde Rolle der Subjekte verdeutlicht werden soil.
Teil A: Einflihrung
gen zu managen, emst und iibertragt ihn konsequent auf den gesamten Prozess einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung, wobei dem Personal und den diesbeziiglichen Risiken eine elementare und zentrale RoUe zugewiesen wird. Zur besseren Einordnung der Ausfiihrungen der Arbeit und um Missverstandnisse zu vermeiden, werden im Folgenden die grundsatzlichen risikomanagementbezogenen Begriffsverstandnisse kurz definiert, deren Inhalte im Verlauf der Arbeit naher ausgefiihrt werden: • Risiken werden grundsatzlich im Rahmen dieser Arbeit, in LFbereinstimmung mit den Vorgaben des KonTraG, als das mogliche Eintreten negativer, den Fortbestand des Untemehmens gefahrdender Entwicklungen verstanden/^ • Der Begriff Risikomanagement bezieht sich i.d.S. zunachst nur auf die Planung, Durchfiihrung und Uberwachung von Risikomanagementmafinahmen (auch als Risikomanagementaktivitdten bezeichnet), zur Einschatzung, Handhabung und Dokumentation moglicher negativer Entwicklungen, mit dem Ziel, proaktiv den Fortbestand des Untemehmens zu sichem. Risikomanagement ist umfassender und grundlegender als Krisenmanagement, das hier als ein Bestandteil des Risikomanagements verstanden wird. Krisenmanagement beschrankt sich i.d.S. eher auf die kurzfristigen MaBnahmen zur Schadensminimierung im akuten Krisenfall, wahrend Risikomanagement auch proaktiv darauf ausgerichtet ist, das Auftreten von Krisen grundsatzlich zu vermeiden. ^"^ • Risikoeinschatzung, -handhabung und -dokumentation werden unter dem Begriff Risikomanagementprozess zusammQngefsiSSt. • Insofem es fur die voUstandige und zutreffende Charakterisierung der Risikosituation des Untemehmens und die Konzeption der RisikomanagementmaBnahmen erforderlich ist, werden auch moghche positive Entwicklungen (Chancen) insbesondere in die Risikoeinschatzung miteinbezogen.
Dieser relativ allgemeine Risikobegriff wird in Kapitel 10 CGrundkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements") aus einer ressourcenorientierten Perspektive konkretisiert und interpretiert. In der Literatur finden sich zwischen den beiden Begriffen/Konzepten Risikomanagement und Krisenmanagement haufig flieBende LFbergange. Vgl. HAUSCHELDT (2004); KRYSTEK (1987).
Risikomanagement und Personal
• Fur den Prozess der Aushandlung und Festlegung der iibergeordneten Zielsetzung und prinzipiellen Ausrichtung der Gesamtheit der RisikomanagementmaBnahmen wird der Begriff Risikomanagementpolitik verwendet, die als ein spezifischer Aspekt der gesamten Untemehmenspolitik verstanden wird. • Der Begriff Risikomanagementsystem bezieht sich auf die Gesamtheit der Akteure und Funktionen im Rahmen des Risikomanagements und betont den Aspekt der Organisation der risikomanagementrelevanten Ablaufe und Handlungen sowie deren Beziehungen zueinander. Das Risikomanagementsystem ist damit umfassender als ein Friihwamsystem, welches eher ein Informationssystem zur friihzeitigen Erkennung moglicher Risiken darstellt und weniger auf den Umgang mit den Risiken und die Integration risikoangemessenen Verhaltens in das alltagliche Denken und Handeln abzielt. • Die fiir die Planung, Durchfuhrung oder Uberwachung der jeweihgen Risikomanagementaktivitaten verantwortlichen Personen werden als Risikomanagementverantwortliche bezeichnet. Die vorherrschenden „technokratisch-hemdsarmligen" Ansatze im Bereich Risikomanagement sollen aus einer „Personalerperspektive" kritisch analysiert, erganzt und weiterentwickelt werden. Im Blickpunkt der Untersuchung und des hier entwickelten ressourcenorientierten Risikomanagements steht immer auch die Integration des Personalmanagements in den gesamten Prozess der Untemehmensfiihrung und die Gestaltung der wertschaffenden Kemprozesse. Durch die Verkniipfung von Personal, Risikomanagement und resource-based view soli diese Arbeit zugleich einen konzeptionellen Beitrag zur Weiterentwicklung und Konkretisierung des resourcebased view leisten. Aus dieser Iibergeordneten Zielsetzung ergibt sich die folgende Vorgehensweise: Ziel des Teils A („Einfuhrung") ist die Herleitung der Zielsetzungen und der Fragestellungen der Arbeit sowie die Skizzierung des fiir die Konzeption der Arbeit maBgeblichen Wissenschaftsverstandnisses. Ziel des Teils B („Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme") ist die Aufbereitung und Vermittlung der notwendigen Grundlagen zum Risikomanagement, insbesondere i.S. des KonTraG. Das Konzept Risikomanagement wird als eine dynamische Konstruktion gedeutet, die durch und in der Interaktion von Theorie und Praxis erfunden und entwickelt wird. Die Leitfragen des Teils B lauten:
Teil A: Einfiihrung
• Welche rechtlichen Anforderungen (v.a. KonTraG) werden an die Konzeption des Risikomanagements gestellt und wie werden diese Anforderungen von den beteiligten Akteuren in Theorie und Praxis interpretiert und operationalisiert? • Welche Beitrage und Konzeptionen gibt es spezifisch fiir den Personalbereich? • Wie sind die bestehenden Deutungsangebote (insbesondere fur den Personalbereich) hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit und Eignung fur die Zielsetzung der Arbeit zu bewerten? Ziel des Teils C („Theoretische Fundierung eines Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive") ist die bislang fehlende theoretische Einbettung des Risikomanagements in den Ansatz der ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung, wobei der Schwerpunkt auf die besondere RoUe der Humanressourcen/des Personals im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements gelegt wird. Die Leitfragen des Teils C lauten: • Wie lasst sich Risikomanagement in den Ansatz der ressourcenorientierten Unternehmensfuhrung einbetten und welche Konsequenzen hat dies fiir die Konzeption des Risikomanagements? • Welche RoUe spielen die Humanressourcen/das Personal im Rahmen des ressourcenorientierten Risikomanagements und welche spezifischen Probleme und Herausforderungen ergeben sich daraus? • Welche Anforderungen sind bei der Implementierung und Entwicklung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur, die ein risikoangemessenes Verhalten der Mitarbeiter ermoglicht und fordert, zu beriicksichtigen? Ziel des Teils D („Fluktuation von Schlusselpersonen") ist die konkrete Betrachtung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen. Ein zentrales Risiko fiir Untemehmen kann in der ungewoUten Ruktuation von Schliisselpersonen gesehen werden, d.h. derjenigen Personen, die fiir die Planung, Entwicklung und Durchfiihrung der zukiinftigen, vom Markt nachgefragten KemprozesseZ-produkte von besonderer Bedeutung sind. Denn hiermit sind u.U. der Verlust bzw. die Reduzierung von Wettbewerbsvorteilen, von Humankapitalinvestitionen sowie direkte Kosten der Neubeschaffung und indirekte Kosten (z.B. Unruhe in der Belegschaft) verbunden. Die Leitfragen des Teils D lauten:
Risikomanagement und Personal
Wie kann in einem spezifischen Modell das Phanomen Fluktuation (Einflussgro6en, Ablauf, Konsequenzen) so abgebildet werden, dass geeignete Ankniipfungspunkte fur ein ressourcenorientiertes Risikomanagement geschaffen werden? Wie lassen sich Schliisselpersonen, d.h. Personen, die fiir die zukiinftigen wertschaffenden Kemprozesse von zentraler Bedeutung sind, identifizieren und bewerten? Wie kann im Rahmen der einzelnen Phasen des Risikomanagementprozesses (Risikomanagementpolitik, Risikoeinschatzung, Risikohandhabung, Risikodokumentation) dem Ruktuationsrisiko von Schliisselpersonen erfolgreich begegnet werden, und welche Probleme und Herausforderungen sind dabei zu beachten?
Teil A: Einfuhrung TeU A: Einfuhrung Ziele der Arbeit: 1. Entwicklung eines theoretisch fundierten Konzeptes zum Risikomanagement von und durch Personal im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung 2. Konkrete Betrachtung des Flukluationsrisikos von Schliisselpersonen im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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National e und intemationale rechtliche Vorgaben zielen ab auf mehr Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbcreicb und verpflichten Untemehmen zum Risikomanagement (KonTraG)
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Interpretations- und Operationalisierungsbedarf
V Risikomanagement kann als dynamische Konstruktion in/durch Theorie und Praxis inteipretiert werden: Wirtschaftspriifer, Controller, Interne Revision, Beratungen sowie deren Standesorganisaticmen (IDW, IIR, DRSC etc.) entwickeln in einem Interaktionsprozess eigene normative Vorgaben, Konzepte und Begriffsverstandnisse und konstruieren so die (soziale) Wirklichkeit hinsichtlich des Risikomanagements
Teil C: Theoretische Fundierung eines Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive Theoretische Einbettung eines ressourcenorientierten Risikomanagements in den Ansatz der ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung
Konzeptionelle Ausrichtung des ressourcenorientierten Risikomanagements auf die (zukiinftigen) wcrtschaffenden Kemprozesse und Wertaktivitaten des Untcmehmens
Zentralc RoUe des Personals bei Entstchung und Bewaltigung von Risiken
1. Risikomanagementpolitik 2. Risikoeinschktzung 3. Risikohandhabung 4. Controlling von Risiken und Risikomanagement
Risikomanagementkultur als Voraussetzung fiir risikoangemessenes Verhalten der Organisationsmitglieder
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen Fluktuation von Schliisselpersonen als ein zentrales Risiko fiir die Entwicklung und DurchfUhrung zukiinftiger wertschaffender Kemprozesse und Wertaktivitaten im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements
X
Entwicklung eines risikomanagementgeeigneten Modells zur Erfassung des Phanomens Fluktuaticm (Einflussfaktoren, Ablauf, Konsequenzen)
Entwicklung eines risikomanagementgeeigneten Modells zur Identifikation und Bewertung von Schliisselpersonen
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•— ' Risikomanagementpolitik Management des Fluktuationsrisiko von Schliisselpersonen
Risikoeinschatzung
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Risikohandhabung
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" ' Risikodokumentation
TeU E : Fazit Zusammenfassung
Schlussbetrachtung
Abb. 1: Zielsetzung und Aufbau der Arbeit^^
Quelle: Eigene Abbildung.
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10
Risikomanagement und Personal
3 Wissenschaftstheoretische Einordnung der Arbeit Die vorliegende Arbeit wurde aus einem konstruktivistischen Wissenschaftsverstandnis heraus geschrieben und basiert auf der grundlegenden Annahme, „daB Menschen, indem sie kommunizieren und interagieren, eine soziale Wirklichkeit schaffen, die ihnen oder ihren Nachkommen dann als objektive Wirklichkeit erscheint."^^ Die Erlangung von Wissen ist aus konstruktivistischer Perspektive „nicht das Ergebnis eines Abbildens im Sinne eines Entdeckens der auBeren Wirklichkeit, sondem das Ergebnis eines „Erfindens" von Wirklichkeit."^^ Aus dieser Annahme folgt, dass es nicht die eine reale Welt gibt (bzw. dass diese zu komplex fur die menschlichen Wahmehmungen und intellektuellen Kapazitaten ist), sondem eine Vielzahl subjektiver Wahmehmungen und Konstmktionen von Wirklichkeit. Diese unterscheiden sich hinsichthch des AusmaBes an allgemeiner Akzeptanz und nicht mehr hinterfragter Konventionen.^^ Eine solche Sichtweise, insbesondere als Kontrastprogramm zu positivistischen Ansatzen, hat Konsequenzen fur das Verstandnis und die Auffassung hinsichtlich des Verhaltnisses von Theorie und Praxis (s. Abb. 2).^^
KIESER (1999), S. 288. Folgt man der Systematisierung von KIESER (1999, S. 297 ff.), der drei generelle Richtungen innerhalb der konstruktivistischen Beitrage unterscheidet, dann ist diese Arbeit eher dem sozial-konstruktivistischen und insbesondere dem kognitiven Konstruktivismus zuzuordnen. Die radikalen systemtheoretischen Ansatze des Konstruktivismus werden eher nicht als zielfiihrend fur diese Arbeit angesehen. FRIED (2001), S. 31. Vgl. BURREL / MORGAN (1979), S. 1 ff. Zur Gegeniiberstellung von positivistischen und konstruktivistischen Ansatzen vgl. KIESER (1999, S. 296 ff), SEIDEL (2001), grundlegend BURELL / MORGAN (1979). Zum Verhaltnis von Theorie und Praxis beim kritischen Rationalismus vgl. GREEGER (2004, S. 90 ff). Zum Uberblick iiber verschiedene konstruktivistische Denkrichtungen und Ansatze s.a. FRIED (2001).
11
Teil A: Einfiihrung
Theoriegeleitete Praxis
—i
Theoretische Praxis
Vortheonetische Praxis
Abb. 2: Verhaltnis von Theorie und Praxis in konstruktivistischer Betrachtungsweise^^ Analytisch konnen nach LUEKEN (1992) drei Ebenen unterschieden werden:^^ 1. Als methodischer Ausgangspunkt wird die vortheoretische (auch primare) Praxis angesehen, die einen „Handlungszusanimenhang bezeichnet, in dem die Menschen ihr Leben ohne die bewuBte und reflektierte Anwendung von Theorien bewaltigen/'^2 2. Die Akteure losen sich aus der Einbettung in die bislang selbstverstandliche und nichthinterfragte vortheoretische Praxis, wenn „das selbstverstandliche Konnen an Grenzen stoBt und irgendwie nicht mehr ausreicht, um die Handelnden ans Ziel ihrer Handlungen zu bringen"^^. Uber (Selbst-)Reflektion und Interaktion mit anderen konstruieren sie auf der Ebene der theoretischen Praxis theoretisches Wissen und Deutungsmuster iiber die primare Praxis. Auf diese Weise versuchen die Akteure sowohl bewusst zu verstehen, warum ein bestimmtes und bislang unreflektiertes Handeln auf einmal nicht mehr den gewunschten Erfolg gebracht hat als auch neue erfolgreiche Problemlosungsmuster zu erschlieBen.^"^
20 21
Quelle: STEINMANN / SCHERER (1994, S. 269), modifiziert. Vgl. LUEKEN (1992), S. 176 ff. Die Unterscheidung in die drei Ebenen basiert wesentlich auf einer strengen Differenzierung von Wissen und Konnen, wobei das selbstverstandliche Konnen, auf der Ebene der vortheoretischen Praxis, immer rein situationsbezogen ist, und Wissen immer die bewusste gedankliche Erorterung voraussetzt.
SCHERER (1999), S. 24. LUEKEN (1992), S. 179. Vgl. LUEKEN (1992), S. 179 ; SCHERER (1999).
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Risikomanagement und Personal
Diese Vorgehensweise findet sich nicht nur bei Wissenschaftlem, sondem bezieht sich grundsatzlich auf samtliche Lebensbereiche. Ld.S. stellt zum einen Wissenschaft nur eine institutionelle Ausprdgung der theoretischen Praxis dar, d.h. auch Wissenschaftler erschaffen (ihre eigenen) Wirklichkeiten.^^ Zum anderen ist der Praktiker, der sich mit Hilfe seiner subjektiven und individuellen Theorien Handlungs- und Wirkungszusammenhange erschlieBt, als eine Art konstruktivistischer Wissenschaftler anzusehen.^^ Beide unterscheiden sich lediglich darin, dass die Deutungsarbeit des Wissenschaftlers i.d.R. durch eine groBere Distanz zur primaren Praxis, Abstraktion vom Einzelfall und eine systematischere, reflektiertere Vorgehensweise gekennzeichnet ist, wahrend sich die Erorterung der Geltungsanspriiche des Praktikers eher auf seinen unmittelbaren Nahraum und auf den Einzelfall bezieht.'' Zwischen diesen beiden relativ klar voneinander unterscheidbaren Positionen gibt es eine Reihe von Akteuren, die in gewisser Weise als „Vermittler zwischen den Welten", als „Schniiennitter' und Schnittstellen agieren. Zu nennen sind insbesondere Unternehmensberatungen und Standesorganisationen, wie das Institut der Wirtschaftsprlifer, das Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee etc., auf deren Rolle im Prozess der Konstruktion des Risikomanagement ausfuhrlicher in Kapitel 5 („Akteure, Funktionen und Institutionen des Risikomanagements") und Kapitel 6 („Risikomanagement als dynamische Konstruktion in und durch Theorie und Praxis") eingegangen wird.'^ 3. iJber die Anwendung des durch Konstruktion erworbenen Wissens bzw. die Umsetzung neuer Deutungsmuster und kognitiver Weltbilder in Handlungen vollzieht sich der Ubergang zur theoriegeleiteten Praxis?"^ Wenn sich die neu erworbenen Handlungsmuster und mentalen Landkarten bewahren, nicht mehr Gegenstand
Vgl. LUEKEN (1992), S. 182 f. Um Missverstandnissen vorzubeugen, ist darauf hinzuweisen, dass nicht die gesamte Praxis der Wissenschaft als theoretische Praxis zu verstehen ist. Vielmehr gilt auch hier, dass ein GroBteil der alltaglichen und selbstverstandlichen Handlungen der vortheoretischen Praxis zuzuordnen ist und damit unreflektiertes Konnen darstellt. Vgl. KIESER(1998), S.52. Vgl. SCHERER (1999), S. 25 f. Vgl. GRIEGER (2004), S. 81. Zu Untemehmensberatung als Aufgabe auch fur die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft vgl. WALGER (1995) und WALGENBACH (2002, S. 180 f.) zur Rolle von Beratem, anderen Professionellen und Wissenschaftlem in Institutionalisierungs- und Deinstitutionalisierungsprozessen. Vgl. LUEKEN (1992), S. 181 f.
Teil A: Einflihrung
13^
theoretischer Erorterung sind und zu selbstverstandlichen unbewussten Handlungen werden, gehen sie in die vortheoretische Praxis iiber. Sie werden dann solange Bestandteil des alltaglichen und selbstverstandlichen Handelns bleiben, bis sie als unzureichend zur Bewaltigung neuer Probleme angesehen werden und selbst Gegenstand neuer theoretischer Erorterung werden.^^ Insbesondere zwei Argumente sprechen im Rahmen dieser Arbeit fur die hier eingenommene konstruktivistische Perspektive: Zum einen wird auf diese Weise eine neue Position bzw. eine Gegenposition zu dem vorherrschenden instrumentellen Verstandnis eingenommen, das charakteristisch fur die uberwiegenden Anzahl der Beitrage zum Thema Risikomanagement ist.^^ Es werden so Aspekte in die wissenschaftliche Betrachtung und Analyse miteinbezogen, die bislang nicht explizit bzw. nur unzureichend thematisiert wurden. Gerade um den Besonderheiten der hier untersuchten Humanressourcen gerecht zu werden, kann dies als ein erheblicher Zugewinn angesehen werden. Aus konstruktivistischer Perspektive kommt den verschiedenen subjektiven Verstandnissen der Organisationsmitglieder vom Funktionieren ihrer Organisation eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung und (Nicht-)Bewaltigung von Risiken zu. ^^ Damit riickt z.B. auch das Eigeninteresse der beteiligten Akteure hinter den jeweiligen Deutungen/Handlungen in den Blickpunkt der wissenschaftlichen Untersuchung. Zum anderen erlaubt es die konstruktivistische Perspektive, den Prozess und die Dynamik des „Erfindens" des Themenfeldes Risikomanagement von einer Metaebene aus zu beschreiben und zu reflektieren.^^
Vgl. SCHERER (1999), S. 25 ff. Instrumentell bedeutet, dass die Organisationsgestaltung „explizit als eine rein technische Aufgabe" (KIESER 1998, S. 48) betrachtet wird, d.h. auf Grundlage wissenschaftlicher und strukturierender Uberlegungen ware ein technisches Regelsystem zum Risikomanagement (Handbiicher, Begriffsdefinitionen, Prozessschritte etc.) bereits vor der Implementierung „so komplett wie moglich zu konstruieren" (KIESER 1998, S. 48), welches dann von den Mitarbeitem „lediglich" zu akzeptieren und anzuwenden ist. Vgl. KIESER (1998), S. 46. Vgl. STEINMANN (1978), S. 91. Um es bildhaft auszudriicken: Das KonTraG ist die Geburtsstunde des gesetzlich verpflichtenden Risikomanagements in Deutschland. Der Konstruktivismus bietet eine Sichtweise, die es erlaubt, u.a. den Prozess der Zeugung (der hier nur ansatzweise behandelt wird), die ersten Lebensjahre, die ersten Sprech- und Gehversuche des Risikomanagements als eine Entwicklung zu beschreiben, zu verstehen und mitzugestalten, die sowohl von den offiziell mit der Erziehung betrauten Verantwortlichen (z.B. Vorstand, Interne Revision) als auch von selbstemannten Erziehungsberechtigten (z.B. Wissenschaftler, Standesorganisationen) nach den jeweiligen Interessen und Auffassungen beeinflusst wird. AUe wollen natiirlich nur das Beste fiir das Kind, aber was heiBt das konkret? Wie selbstandig, wie machtig soil es einmal werden?
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Risikomanagement und Personal
Aus diesem allgemeinen Wissenschaftsverstandnis folgt, dass im Speziellen die Betriebswirtschaftslehre als eine normative Handlungswissenschaft verstanden wird.^"^ Die Arbeit ist damit insofem normativ, als dass die Notwendigkeit gesehen wird, Risikomanagement in ein (mogliches) solides theoretisches Fundament einzubetten und damit bestimmte Orientierungspunkte zu schaffen. Es geht darum, deutlich zu machen, wie Risikomanagement sinnvolU d.h. einem bestimmten Sinn folgend, zu konzipieren ist, wie hier als ressourcenorientiertes Risikomanagement. Wird nach SCHANZ (2000) grundsatzlich zwischen einem kognitiven Wissenschaftsziel {ErkenntnismXtrts>s>t) und einem praktischen Wissenschaftsziel (GestaltungsintQresse) unterschieden, dann werden mit dieser Arbeit sowohl kognitive als auch praktische Wissenschaftsziele verfolgt.^^ I.S. einer theoriegeleiteten Praxis bilden die theoretischen Erorterungen und Erkenntnisse hinsichtlich der primaren Praxis Ausgangspunkte, Entscheidungshilfen und strukturierende Orientierungen fur eine Gestaltung der Praxis.^^ Einerseits sollen die Grenzen des Handelns, die „Beschranktheit" des Konzeptes/Instrumentes Risikomanagement analysiert werden und die Konsequenzen dieses Handelns (des Managens von Risiken) mit beabsichtigten und unbeabsichtigten FolgenA^erhaltenswirkungen aufgezeigt und kritisch reflektiert werden. Der Betriebswirtschaftslehre wird damit eine zentrale Rolle als „Reflexionsinstanz einer sich dynamisch entwickelnden Untemehmung"^^ zugewiesen. Andererseits werden auf der Basis dieser theoretischen Erorterungen sowohl relativ grundsatzliche (fur das gesamte ressourcenorientierte Risikomanagement) als auch sehr konkrete Handlungsempfehlungen (fur das Ruktuationsrisiko von Schlusselpersonen) i.S. von Gestaltungsoptionen entwickelt. Insgesamt wird damit eine Zwischenposition bezogen, zwischen Determinismus und Voluntarismus organisationalen Handeln, zwischen Ohnmacht und Omnipotenz des Managements. (Risiko)Management stellt kein Wundermittel dar, mit dem sich die
Braucht es z.B. das Controlling als Vormund? Wird es nur in den Werkshallen spielen diirfen, oder wird es einmal gleichberechtigt am Vorstandstisch sitzen? Vgl. STEINMANN (1978); LOITLSBERGER / WAGNER (2003). Vgl. SCHANZ (2000), S. 82 ff. Vgl. STEINMANN (1978), S. 97. WALGER (1995), S. 140; s.a. SCHANZ (2000), S. 116.
Teil A: Einfuhrung
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Zukunft erkennen und beliebig steuem lasst, gleichwohl kann ein fundiertes Risikomanagement erheblich dazu beitragen und die Wahrscheinlichkeit erhohen, dass zukiinftige Risiken erkannt und erfolgreich gemanagt werden. Da im Fokus dieser Arbeit auch und v.a. das Personal und damit menschliches Verhalten steht, wird in weiten Teilen auf verhaltenstheoretische Ansatze der BWL bzw. relevanter Nachbardisziplinen wie Soziologie, Psychologie etc. zuriickgegriffen. Die ubergreifende theoretische Perspektive oder „Brille", aus der heraus diese Arbeit konzipiert und strukturiert ist, ist die ressourcenorientierte Perspektive. Deutlich wird es mit Bezugnahme auf das folgende von POPPER (1976), einem der Hauptvertreter des Positivismus, gepragte Bild bzw. in Abgrenzung dazu: „Die Theorie ist das Netz, das wir auswerfen, um „die Welt" einzufangen, - sie zu rationalisieren, zu erklaren und zu beherrschen. Wir arbeiten daran, die Maschen des Netzes inimer enger zu machen."^^ Geeigneter ist das Bild vieler verschiedener Netze, mit denen unterschiedliche Sachverhalte eingefangen werden. Mit einem nur aus Maschen bestehendem Netz wurde man alles erfassen und damit nichts mehr sehen. Hier ist es das Netz des ressourcenorientierten Ansatzes, und das was es an die Oberflache befordert, wird mit den unterschiedlichsten, v.a. verhaltenstheoretischen Ansatzen seziert, analysiert und gedeutet.^^
^^ POPPER (1976), S. 31. 39
Ubrigens wiirde kein Fischer mit einem zu engmaschigen Netz auf GroBfischfang gehen, bestimmte Fische und Pflanzen sollen durch die Maschen gleiten.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme Den Ausgangspunkt der Arbeit stellt die gesetzliche Verpflichtung fur Untemehmen durch das KonTraG dar, ein angemessenes Risikomanagement zu implementieren. Die gesetzlichen Vorgaben bezUglich der konkreten Ausgestaltung des Risikomanagements bleiben bewusst abstrakt und sind Gegenstand eines intensiven Erortemngsprozesses der beteiligten Akteure, der in diesem Teil B aufgearbeitet und analysiert wird. Das Konzept Risikomanagement wird hierbei als eine dynamische Konstruktion gedeutet, die dutch und in der Interaktion von Theorie und Praxis erfunden und erschaffen wird. Ziel des Teils B ist die Aufbereitung und Vermittlung der notwendigen Gmndlagen zum Risikomanagement, insbesondere i.S. des KonTraG. Die Ausfuhrungen beschranken sich nicht alleine auf die Beitrage zum Personalrisikomanagement, die sich lediglich mit konkreten Einzelrisiken des Personalbereichs befassen und i.d.R. keinen Bezug zur ubergeordneten allgemeinen Risikomanagementkonzeption herstellen. Dies ist insofem nicht ausreichend, als dass es in dieser Arbeit (vorrangig in Teil C „Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive") zunachst darum geht, ein grundsatzliches, theoretisch fundiertes Konzept des Risikomanagements zu entwickeln, in dem das Personal eine zentrale und vielfaltige RoUe spielt, nicht nur als ein mogliches Risikofeld. Daher ist es erforderlich, die verschiedenen ubergeordneten rechtlichen Vorgaben sowie die normativen Interpretationen und Konstruktionen der beteiligten Akteure aufzuarbeiten. Erst in Teil D („Fluktuation von Schlusselpersonen") geht es um ein konkretes Einzelrisiko des Risikofeldes Personal im Rahmen der zuvor entwickelten Gesamtkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements. Die drei Leitfragen des Teils B lauten: • Welche rechtlichen Anforderungen (v.a. KonTraG) werden an die Konzeption des Risikomanagements gestellt und wie werden diese Anforderungen von den beteiligten Akteuren in Theorie und Praxis interpretiert und operationalisiert? • Welche Beitrage und Konzeptionen gibt es spezifisch fur den Personalbereich? • Wie sind die bestehenden Deutungsangebote (insbesondere fur den Personalbereich) hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit und Eignung fur die Zielsetzung der Arbeit zu bewerten?
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Risikomanagement und Personal
4 Die rechtlichen Vorgaben als Ausgangspunkte der aktuellen Risikomanagementdiskussion Das Gesetz zur KontroUe und Transparenz im Untemehmensbereich (KonTraG 1998) vom 27.4.1998 verpflichtet Aktiengesellschaften zur Einfuhrung eines angemessenen Risikomanagementsystems. Zusammen mit dem Transparenz- und Publizitatsgesetz (TransPuG) vom 19.7.2002 und dem Corporate Governance Kodex vom 26.2.2002 zielen die gesetzlichen Regelungen des KonTraG darauf ab, durch mehr Transparenz und Publizitat Verhaltensfehlsteuerungen und Schwachen im deutschen System der Corporate Governance zu beheben und die Attraktivitat gerade fur intemationale Anleger zu erhohen.'^^ Diese rechtlichen Vorgaben sind nicht aus dem Nichts entstanden, sondem sind selbst das (vorlaufige) Ergebnis umfangreicher theoretischer Erorterungen. Wie an den verschiedenen Gesetzesbegriindungen, Stellungnahmen etc. deutlich wird, sind sie in einem kreativen und konstruktiven Prozess entwickelt worden, der wiederum in einem interdependenten Verhaltnis zu anderen Deutungsprozessen zum Risikomanagement steht. Dariiber hinaus sind in den letzten Jahren verschiedene natio n a l (z.B. UMAG, BilReG) und intemationale (z.B. Sarbanes-Oxley-Act, Basel II) Gesetze, Regelungen und Verpflichtungen entstanden bzw. befmden sich noch im Entstehungsprozess. Auch diese normativen Vorgaben, auf die in Punkt 4.4 („Weitere risikomanagementrelevante Gesetze und normative Vorgaben") zusammenfassend eingegangen wird, zielen, bei alien Unterschieden in den Schwerpunktsetzungen, auf ein Mehr an Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbereich und fordem von den betroffenen Untemehmen die Implementiemng professioneller Uberwachungssysteme und effektiver Corporate Govemance-Stmkturen. Ziel des 4. Kapitels ist es, die verschiedenen risikomanagementrelevanten, nationalen und intemationalen rechtlichen Vorgaben darzustellen, zu analysieren und zueinander in Beziehung zu setzen.
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Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbereich (KonTraG)
Spatestens mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998 wurde Risikomanagement zur expliziten Pflichtaufgabe fiir Aktiengesellschaften, wobei im Blickpunkt des Gesetzgebers v.a. die borsennotierten
"^^ Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 11 f.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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Untemehmen standen/^ Schon vor Inkrafttreten des KonTraG war Risikomanagement ein Bestandteil der „guten Untemehmenspraxis" und die vormalige Generalklausel des § 93 I AktG verpflichtete den Vorstand ganz allgemein dazu, Schaden vom Untemehmen femzuhalten."^^ Gleichwohl wurde es offensichtlich vom Gesetzgeber als notwendig angesehen, einen gesetzlichen Pflichtrahmen zur Einfiihrung von Risikomanagementsystemen zu schaffen, da entsprechende Aktivitaten nicht flachendeckend bzw. nicht umfassend genug implementiert waren."*^ Die fur diese Arbeit zentralen Aspekte ergeben sich aus den Anderungen des Aktiengesetzes (AktG) und des Handelsgesetzbuches (HGB).'^'^ Dreh- und Angelpunkt im Kontext der Diskussion zum Risikomanagement ist der neu eingefiigte § 91 Abs. 2 AktG (Organisation. Buchfuhrung): „(2) Der Vorstand hat geeignete MaBnahmen zu treffen, insbesondere ein tJberwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefahrdende Entwicklungen friih erkannt werden." In der Begriindung zum KonTraG wird unter der Einrichtung eines Uberwachungssystems die „Verpflichtung des Vorstands, fiir ein angemessenes Risikomanagement und fur eine angemessene interne Revision zu sorgen'"^^ verstanden. Weitere Anforderungen werden im Gesetz bzw. dessen Begriindung nicht konkretisiert. Vielmehr wird Folgendes herausgestellt: „Die konkrete Ausformung der Pflicht ist von der GroBe, Branche, Struktur, dem Kapitalmarktzugang usw. des jeweiligen Untemehmens abhangig. Dies bedarf keiner ausdrucklichen Erwahnung im Gesetz. Zu den den Fortbestand der Gesellschaft gefahrdenden Entwicklungen gehoren insbesondere risikobehaftete Geschafte, Un-
Vgl. KONTRAG (1998). „In das GmbHG soil keine entsprechende Regelung aufgenommen werden. Es ist davon auszugehen, daB fur Gesellschaften mit begrenzter Haftung je nach ihrer GroBe, Komplexitat ihrer Struktur usw. nicht anderes gilt und die Neuregelung Ausstrahlungswirkung auf den Pflichtenrahmen der Geschaftsfiihrer auch anderer Gesellschaftsformen hat." (BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 1998, S. 15, eigene Hervorhebung) Vgl. IIR-ARBEITSKREIS „INTERNE REVISION IN DER VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT" (1999), S. 186. Vgl. VOGLER / ENGELHARD / GUNDERT (2000), S. 1426. Vgl. KONTRAG (1998). Die iibrigen Anderungen im Rahmen des KonTraG betreffen die folgenden Gesetze bzw. Verordnungen: Publizitatsgesetz, Genossenschaftsgesetz, Wertpapierhandelsgesetz, Borsenzulassungs-Verordnung, Wirtschaftspriiferordnung, Gesetz iiber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Gesetz iiber Kapitalanlagegesellschaften, GmbH-Gesetz, Einfuhrungsgesetz zum Aktiengesetz, Einfuhrungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 15.
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Risikomanagement und Personal
richtigkeiten der Rechnungslegung und VerstoBe gegen gesetzliche Vorschriften, die sich auf die Vermogens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzems wesentlich auswirken. Die MaBnahmen intemer Uberwachung soUen so eingerichtet sein, daB solche Entwicklungen friihzeitig, also zu einem Zeitpunkt erkannt werden, in dem noch geeignete MaBnahmen zur Sicherung des Fortbestandes der Gesellschaft ergriffen werden konnen.'"^^ An diesen Formulierungen („gefahrdende Entwicklungen", „Sicherung des Fortbestandes") wird deutlich, dass sich der Risikobegriff i.S. des KonTraG nur auf moghche negative kiinftige Entwicklungen bezieht. Die bestandsgefahrdenden Risiken stehen dabei in innerem Zusammenhang mit der Fortfuhrungspramisse nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. "^^ Hier findet sich damit ein enges Verstandnis von Risiko, d.h. positive Abweichungen werden nicht als Risiko bezeichnet, sondern als Chancen und sind damit (zunachst) nicht festgeschriebener Bestandteil des Risikomanagements.'^^ Zusatzlich zur Einfuhrung eines Uberwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG werden Untemehmen u.a. dazu verpflichtet, in der (Konzem-)Lageberichterstattung „auch auf die Risiken der kiinftigen Entwicklung einzugehen""^^. Fiir diesen Abschnitt des Lageberichts wird ublicherweise der Begriff Risikobericht verwendet.^° Davon zu unterscheiden sind interne Risikoberichte, die eine interne Berichts- und Kommunikations-
BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 15. Vgl. DORNER / BISCHOF (1999), S. 447 ff.; IDW RS HFA 1 (2004); GR06 / AMEN (2002) ausfuhrlicher zu rechtlichen Anfordeningen bezuglich der Fortbestehensprognose und ihren betriebswirtschaftlichen Grundlagen. Dies kann v.a. darauf zuriickgefuhrt werden, dass nach deutschem Verstandnis der Rechnungslegung in erster Linie eine Glaubigerschutzfunktion zukommt. Vgl. DORNER / BISCHOF (1999), S. 446. Demgegeniiber findet sich in der okonomischen Theorie haufig ein weites Begriffsverstandnis von Risiko, um deutlich zu machen, dass „Zukunftserwartungen grundsatzlich mehrwertig sind, was bedeutet, daB im voraus nicht sicher ist, ob die Entwicklung gunstig oder ungunstig verlaufen und damit ein mehr oder weniger hoher Gewinn oder Verlust eintreten wird." (KROMSCHRODER / LUCK (1998b), S. 239) Vgl. §§ 289 u. 315 HGB. Vollstandig lautet der § 289 Abs. 1 Lagebericht nun: „(1) Im Lagebericht sind zumindest der Geschaftsverlauf und die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, daB ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild vermittelt wird; dabei ist auch auf die Risiken der kiinftigen Entwicklung einzugehen." § 315 Abs. 1 ist wortgleich, zu ersetzen ist lediglich Konzemlagebericht fiir Lagebericht und Konzem fiir Kapitalgesellschaft. Dieser Teilsatz beziiglich der expliziten Beriicksichtigung von Risiken wurde angefiigt, da es als „wichtig und unabdingbar [...] angesehen [wird], daB der Lagebericht kiinftig auch Aussagen dariiber enthalt, mit welchen Risiken die kiinftige Entwicklung belastet ist. Nur auf diese Weise kann eine dem bisherigen Satz 1 entsprechende Darstellung der Lage des KonTraG gegeben werden, die das den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechende Bild auch wirklich vermittelt." (BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 1998, S. 26) Erstmalig vermutlich bei KUTING / HUTTEN (1997).
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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funktion erfuUen.^^ Die gesetzlichen Vorgaben betreffen grundsatzlich samtliche Untemehmensbereiche, damit auch den Personalbereich mit den diesbeziiglichen Risiken wie z.B. nicht adaquate Qualifikationen sowie Fehlentscheidungen und -verhalten des Managements und Personals, Bilanzfalschungen, unzureichende Personalplanung.^^ Diese erweiterte bzw. prazisierte Pflicht zur Berichterstattung steht in direktem Zusammenhang mit der Neufassung des § 317 Abs. 2 und 4 HGB (Gegenstand der Priifung).^^ Neben der Priifung, inwiefem in der Berichterstattung zutreffend auf die Risiken der kiinftigen Entwicklung eingegangen wird, wird die Beurteilung des nach § 91 Abs. 2 AktG einzurichtenden (Jberwachungssystems Priifungsbestandteil und muss im Prlifungsbericht nach § 321 Abs. 4 HGB (Priifungsbericht) beriicksichtigt werden.^"^ Hinter diesen Vorgaben steckt die Zielsetzung, eine starkere „Anlehnung an intemationale Grundsatze [und] eine starkere Problemorientierung der Priifung"^^ zu erreichen und „die Priifung des Lageberichts bzw. des Konzemlageberichts starker an die Erwartungen der Offentlichkeit"^^ anzupassen. Neben der Offentlichkeit soil v.a. die Informationsversorgung des Aufsichtsrats hinsichtlich moglicher „Fehlerquellen oder
Vgl. WALL (2003b); ausfiihrlich zu intemem Risikoreporting vgl. ERBEN / ROMEIKE (2003b). Vgl. IDW PS 340 (2004); IDW RS HFA 1 (2004); DRS Nr. 5 (2005). „(2) Der Lagebericht und der Konzemlagebericht sind darauf zu priifen, ob der Lagebericht mit dem JahressabschluB und der Konzemlagebericht mit dem KonzemabschluB sowie mit den bei der Priifung gewonnenen Erkenntnissen des Abschlusspriifers in Einklang stehen und ob der Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Untemehmens und der Konzemlagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Konzems vemiittelt. Dabei ist auch zu prufen, ob die Risiken der kiinftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind." (KONTRAG 1998, S. 789) „(4) Bei einer Aktiengesellschaft, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben hat, ist auBerdem im Rahmen der Priifung zu beurteilen, ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 des Aktiengesetzes obliegenden MaBnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Uberwachungssystem seine Aufgaben erfiillen kann." (KONTRAG 1998, S. 790) „(4) Ist im Rahmen der Priifung eine Beurteilung nach § 317 Abs. 4 abgegeben worden, so ist deren Ergebnis in einem besonderen Teil des Priifungsberichts darzustellen. Es ist darauf einzugehen, ob MaBnahmen erforderlich sind, um das interne Uberwachungssystem zu verbessem." (§ 321 Abs. 4 HGB) Einschrankend zu Umfang und Giite der Priifung wird in der Gesetzesbegriindung Folgendes festgestellt: „Die Priifung stellt somit weitgehend eine Plausibilitatspriifung dar." (BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 1998, S. 27) BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 27. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 27.
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Risikomanagement und Personal
Schwachstellen in der Untemehmensorganisation"^^ verbessert werden, damit dieser angemessen und umfassend seine Uberwachungsfunktion wahmehmen kann. Daher ist „der Priifungsbericht sprachlich so abzufassen, daB er auch von nichtsachverstandigen Aufsichtsratsmitgliedern verstanden wird"^^ Dementsprechend ist flir den Aufsichtsrat „eine selbstandige Beurteilung durch den AbschluBprtifer von besonderer Bedeutung"^^
4,2
Der Deutsche Corporate Governance Kodex
Am 26.2.2002 wurde von der vom Bundesministerium flir Justiz eingesetzten Regierungskommission der Deutsche Corporate Governance Kodex vorgelegt. Die Regierungskommission^^ versteht sich nicht nur als Konstrukteur eines einmaligen und unveranderlichen Werks, sondem auch als Interaktionspartner und institutionalisierte Kommunikationsplattform in einem und fur einen dynamischen Prozess der Erorterung und Weiterentwicklung diesbeziiglicher Fragestellungen.^^ Dabei geht es nicht darum, „jedes Thema in alien Einzelheiten [zu] regeln"^^, sondem einen Rahmen vorzugeben, „der von den Untemehmen auszufiillen sein wird"^^. Im Vordergrund steht damit das Bestreben, mogliche Interpretationsspielraume einzuschranken, die Erorterungen zu kanalisieren und ein gewisses Grundverstandnis vorzugeben. Um eine Akzeptanz und Legitimitat zu erreichen, die iiber den gesetzlichen Status des Kodex hinaus geht, wird der Dialog mit den beteiligten Personen(gruppen) gesucht. In der Praambel des Kodex werden Inhalt und Zielsetzung wie folgt formuliert:
BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 29. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 28. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 28. Den Vorsitz haUe zu diesem Zeitpunkt Dr. Gerhard Cromme, die weiteren Mitglieder waren: Dr. Paul Achleitner, Dr. Rolf-E. Breuer, Friedrich Gehlhausen, Ulrich Hocker, Max Dietrich Kley, Prof. em. Dr. Dr. h..c. Marcus L. Potthoff, Heinz Putzhammer, Christian Strenger, Peer M. Schatz, Dr. Wendelin Wiedeking, Axel v. Werder. Vgl. CROMME (2004). „Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex bleibt auch nach Bekanntmachung des Kodex bestehen. Sie wird die Entwicklung von Corporate Governance in Gesetzgebung und Praxis verfolgen und mindestens einmal jahrUch priifen, ob der Kodex angepasst werden soil. Stellungnahmen und Anregungen zum Kodex werden an die Geschaftsstelle der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex [...] erbeten." (CROMME 2004). CROMME (2004). CROMME (2004).
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
23^
„Der vorliegende Deutsche Corporate Governance Kodex [...] stellt wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Uberwachung deutscher borsennotierter Gesellschaften (UntemehmensfUhrung) dar und enthalt international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoUer UntemehmensfUhrung. Der Kodex soil das deutsche Corporate Governance System transparent und nachvollziehbar machen. Er will das Vertrauen der intemationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Offentlichkeit in die Leitung und tfberwachung deutscher borsennotierter Aktiengesellschaft fordem."^"^ Der Kodex kann als eine Reaktion auf (intemationale) Kritikpunkte am deutschen Modell der Unternehmensverfassung (mangelhafte Ausrichtung auf Aktionarsinteressen, mangelnde Transparenz deutscher UntemehmensfUhrung, etc.) gesehen werden,^^ Die im Kodex enthaltenen Bestimmungen, die sich in erster Linie an borsennotierte Gesellschaften richten, wobei aber auch „nicht borsennotierten Gesellschaften [...] die Beachtung des Kodex empfohlen"^^ wird, lassen sich in drei Gmppen klassifizieren: (1) geltendes Gesetzesrecht, (2) Empfehlungen^^, von denen Untemehmen zwar abweichen konnen, dies aber jahrlich offen legen mUssen und (3) Anregungen, von denen auch ohne Offenlegung und BegrUndung abgewichen werden kann.^^ Zur ersten Gmppe lasst sich der folgende Unterpunkt des Abschnittes 4.1 Uber Aufgaben und Zustandigkeiten des Vorstandes zuordnen: „4.1.4 Der Vorstand sorgt fUr ein angemessenes Risikomanagement und RisikocontroUing im Untemehmen."^^ Explizit wird dem Vorstand, den Vorgaben im Zuge des KonTraG folgend, die Verantwortung fUr Risikomanagement und -controlling zugewiesen, ohne dass allerdings konkretisiert wird, wer anhand welcher Kriterien darUber zu entscheiden hat, wie ein „angemessenes" Risikomanagement ausgestaltet ist bzw. welche Konsequenzen im Falle eines „unangemessenen" Risikomanagements zu erwarten sind.
64 65 66 67
BMJ (2003a). Vgl. CROMME (2004). BMJ (2003a). Bei den Empfehlungen gilt das Prinzip „comply or explain", wobei die Compliance-Erklaning, die jahrlich zu wiederholen ist, von Vorstand und Aufsichtsrat abzugeben ist. Vgl. BMJ (2002), S. 50. Vgl. BMJ (2003a). BMJ (2003a).
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Risikomanagement und Personal
Das Transparenz' und Publizitdtsgesetz (TransPuG)
Das Transparenz- und Publizitatsgesetz (TransPuG) kann als zweite Stufe der legislatorischen Umsetzung der Vorschlage der im Mai 2000 eingesetzten Regierungskommission „ Corporate Governance - Untemehmensfiihrung - Untemehmenskontrolle Modemisierung des Aktienrechts " angesehen werden. Bei der ersten Stufe handelt es sich um die Einrichtung der Kommission „Deutscher Corporate Governance Kodex" (s.o.).™ Mit dem Inkrafttreten des TransPuG am 26.7.2002 besitzt der Deutsche Corporate Governance Kodex durch den eingefugten § 161 AktG (Erklarung zum Corporate Governance Kodex) eine gesetzliche Grundlage: „Vorstand und Aufsichtsrat der borsennotierten Gesellschaft erklaren jahrlich, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskonmiission Deutscher Corporate Governance Kodex" entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Die Erklarung ist den Aktionaren dauerhaft zuganglich zu machen."^^ Der bereits im Rahmen des KonTraG neugefasste § 317 Abs. 4 HGB (Gegenstand und Umfang der Priifung) dehnt die Prlifung des Uberwachungssystems nun auf alle, d.h. auch auf die nicht amtlich borsennotierten Aktiengesellschaften aus.^^ Neu gefasst wurde auch § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB (Prufungsbericht).^^ Ersetzt wird damit die „mit dem KonTraG eingefiigte „Negativerklarung" zu Gunsten einer „Positiverklarung"^'^, d.h. der Priifer hat nur zu berichten, falls er derartige Unrichtigkeiten bzw. den Fortbestand gefahrdende Entwicklungen feststellt.
BMJ (2002). TRANSPUG (2002). Vgl.BMJ(2002), S. 71. „Au6erdem hat der Abschlusspriifer iiber bei Durchfuhrung der Prlifung festgestellte Unrichtigkeiten Oder VerstoBe gegen gesetzliche Vorschriften sowie Tatsachen zu berichten, die den Bestand des gepriiften Untemehmens oder des Konzems gefahrden oder seine Entwicklung wesentHch beeintrachtigen konnen oder die schwerwiegende VerstoBe der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmem gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder die Satzung erkennen lassen." (TRANSPUG 2002, S.2684) BMJ (2002), S. 71.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
4,4
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WeitererisikomanagementrelevanteGesetze und normative Vorgaben
In diesem Teilkapitel werden weitere nationale und Internationale Gesetze und normative Vorgaben uberblicksartig skizziert, die i.w.S. einen Einfluss auf die Ausgestaltung und Verbreitung bestimmter Aspekte des Risikomanagements haben. Damit soil verdeutlicht werden, dass auf Untemehmen im Zuge des KonTraG ein vielfaltiger und umfassender normativer Druck ausubt wird, sich mit dem Themenfeld Risikomanagement und Corporate Governance zu befassen. 4.4.1 Untemehmensintegritdt und Anlegerschutz Da aufgrund des nahenden Endes der 14. Wahlperiode (1998-2002) nicht alle Empfehlungen der Regierungskonmiission Corporate Governance direkt im TransPuG beriicksichtigt werden konnten, wurden einzelne Empfehlungen erst in der darauffolgenden Wahlperiode in Gesetze(sentwurfe) umgesetzt/^ Es handelt sich dabei zugleich um die sich in Gesetzestexten materialisierten Konsequenzen aus dem 10-Punkte-Programm der Bundesregierung zur Starkung der Untemehmensintegritat und des Anlegerschutzes7^ Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere das Gesetz zur Untemehmensintegritdt und Modemisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), das es Aktionaren erleichtem soil, Klagen gegen Organe der Gesellschaft durchzusetzen und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), das jedem geschadigten Anleger die Einleitung eines Musterverfahrens gegen eine Aktiengesellschaft ermogUchtJ^ Relevant sind diese beiden Gesetze im Kontext Risikomanagement, weil sie fur den Vorstand den Anreiz/Druck erhohen, ein funktionierendes Risikomanagementsystem zu implementieren. Das Vorhandensein sichtbarer effektiver Risikomanagementstrukturen kann als wesentliche Voraussetzung und Rahmenbedingung dafiir angesehen werden, um Haftungsklagen und Verfahren moglichst schnell erfolgreich zu beenden bzw. moghche missbrauchliche Klagen bereits im Vorfeld abzuwehren. Mit Hilfe der
Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 14/9079 (2002), S. 1; BUNDESREGIERUNG (2004a), S. 19. Das TransPuG wurde 15.5.2002 als Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Dieses lO-Punkte-Programm wurde erstmalig im Sommer 2002 vorgestellt und liegt seit dem 25.2.2003 in der konkretisierten bzw. erweiterten Form vor. Vgl. BMJ (2003b). Die Gesetzentwiirfe wurden beide am 17.11.2004 von der Bundesregierung verabschiedet. Vgl. BUNDESREGffiRUNG (2004a) zum UMAG; BUNDESREGIERUNG (2004b) zum KapMuG.
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Risikomanagement und Personal
im Rahmen eines Risikomanagementsystems generierten Informationen wird es flir den Vorstand eher moglich sein, die erforderliche Darlegungs- und Beweislast zu erbringen, dass keine Pflichtverletzung vorliegt^^
4.4.2 Anpassung nationalen Bilanzrechts an intemationale dards Das Bilanzrechtsreformgesetz
Rechnungslegungsstan-
(BilReG) vom 4.12.2004^^ setzt zentrale EU-Vorgaben,
insbesondere die Modemisierungsrichtlinie^^
vom 18.6.2003, die die so genannte IAS-
Verordnung^^ vom 19.7.2002 erganzt, in nationales Rechts um. Die gesetzlichen Regelungen des BilReG resultieren ebenfalls aus dem lO-Punkte-Programm der Bundesregierung zur Starkung der Untemehmensintegritat und des Anlegerschutzes bzw. den Empfehlungen des Corporate Governance Kommission. Sie sind daher im Gesamtzusammenhang mit den ubrigen Regelungen und Gesetzesinitiativen (z.B. UMAG) zu betrachten. Neben der Integration und Harmonisierung der intemationalen Wertpapiermarkte, zielt das BilReG darauf ab, „das Vertrauen in die Aussagekraft von Untemehmensabschlussen und die Unabhangigkeit und Objektivitat sowie das Testat des Abschlusspriifers zu
Dieser im Gesetzentwurf vorgesehene Haftungsfreiraum bezieht sich nur auf so genannte unternehmerische Entscheidungen {Business Judgment Rule), d.h. vorsatzliches und kriminelles Verhalten bzw. fahrlassige Sorgfaltspflichtverletzung zum Schaden der Gesellschaft sind davon ausgenommen. Vgl. BUNDESREGIERUNG (2004a), S. 21 ff. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder) der folgende Satz eingefiigt: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer untemehmerischen Entscheidung vemiinftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln." (BUNDESREGIERUNG 2004a, S. 4) Vgl. BILREG (2004). Vgl. RICHTLINIE 2003/51/EG (2003). Die Modemisierungsrichtlinie aktuahsiert und harmonisiert geltendes europaisches Bilanzrecht: Bilanzrichtlinie 78/660/EWG, Konzembilanzrichtlinie 83/349/EWG, Bankbilanzrichtlinie 86/635/EWG und Versicherungsbilanzrichtlinie 91/674/EWG. Ausfuhrlicher dazu vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 15/3419 (2004, S. 24 f.); zu Auswirkungen der Modemisierungsrichtlinie auf die Lageberichterstattung s.a. KIRSCH / SCHEELE (2004). Die Verordnung verpflichtet kapitalmarktorientierte Gesellschaften, ab dem 1. Januar 2005, ihre konsolidierten Abschliisse nach den intemationalen Rechnungslegungsstandards aufzustellen. „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnen „internationale Rechnungslegungsstandards" die „Intemational Accounting Standards" (IAS), die „Intemational Financial Reporting Standards" (IFRS) und damit verbundene Auslegungen (SIC/IFRIC-Interpretationen), spatere Anderungen dieser Standards und damit verbundene Auslegungen sowie kiinftige Standards und damit verbundene Auslegungen, die vom International Accounting Standards Board (lASB) herausgegeben oder angenommen wurden." (VERORDNUNG (EG) NR. 1606/2002 2002, S. 3)
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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starken"^^. Relevant im Kontext Risikomanagement ist das BilReG vomehmlich aus zwei Grunden: Zum einen erweitert und prazisiert es die gesetzlichen Vorgaben zur Lageberichterstattung nach § 289 Abs. 1 - Abs. 2 Satz 2a HGB.^^ Die durch das KonTraG eingefiihrte Verpflichtung, iiber die Risiken der kiinftigen Entwicklung zu berichten, wird hiermit erweitert um die Berichterstattung auch uber Chancen, wobei die jeweils zugrunde liegenden Annahmen anzugeben sind.^"^ Auch ist nun explizit auf die Risikomanagementziele und -methoden einzugehen. Damit wird vom Gesetzgeber versucht, die Qualitat der bislang nur wenig aussagekraftigen Risikoberichte zu erhohen.^^ Zum anderen ist das BilReGrisikomanagementrelevant,da es neue und verscharfte Unabhangigkeitsregeln fiir Abschlusspriifer vorsieht.^^ Dabei wird in der Gesetzesbegriindung festgestellt, dass es „nicht zwingend erforderlich [ist], dass der Abschlusspriifer tatsachlich befangen ist, unerheblich ist ebenso, ob er sich fiir befangen halt. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht eines vemiinftigen und verstandigen Dritten
BUNDESTAGSDRUCKSACHE 15/3419 (2004), S. 1. „(1) Im Lagebericht sind der Geschaftsverlauf einschlieBlich des Geschaftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. Er hat eine ausgewogene und umfassende, dem Umfang und der Komplexitat der Geschaftstatigkeit entsprechende Analyse des Geschaftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft zu enthalten. In die Analyse sind die fur die Geschaftstatigkeit bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren einzubeziehen und unter Bezugnahme auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Betrage und Angaben zu erlautem. Femer ist im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erlautem; zugrunde liegende Annahmen sind anzugeben. (2) Der Lagebericht soil auch eingehen auf: 1. Vorgange von besonderer Bedeutung, die nach dem SchluB des Geschaftsjahrs eingetreten sind; 2. a) die Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft einschlieBlich ihrer Methoden zur Absicherung aller wichtigen Arten von Transaktionen, die im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschaften erfasst werden, [...]." (§ 289 Abs. 1 - Abs. 2 Satz 2a HGB) Das BilReG geht damit iiber die Vorgaben der Modemisierungsrichtlinie hinaus, die in einer Mindestanforderung lediglich die Berichterstattung iiber Risiken und Ungewissheiten vorsieht. Vgl. RICHTLINIE 2003/51/EG (2003), S.18. Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 15/3419 (2004), S. 30. Zu empirischen Untersuchungen zu Ausgestaltung und der geringen Qualitat der Risikoberichterstattung vgl. FUHRING (2004a); KAJUTER / WINKLER (2003); KAJUTER (2001). § 319 Abs. 2 HGB legt die Grundsatze fest, die in Abs. 3 und § 319a HGB konkretisiert werden: „(2) Ein Wirtschaftspriifer oder vereidigter Buchpriifer ist als Abschlusspriifer ausgeschlossen, wenn Griinde, insbesondere Beziehungen geschafthcher, finanzieller oder personlicher Art, vorliegen, nach denen die Besorgnis der Befangenheit besteht."
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Risikomanagement und Personal
genligend objektive Griinde vorliegen, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln."^^ Insgesamt starken diese Vorgaben die Position der Intemen Revision, da die Moglichkeit von Wirtschaftspriifungsgesellschaften eingeschrankt werden, iiber Beratungsleistungen bzw. im Rahmen ihrer Prufungstatigkeit die inhaltliche und strukturelle Ausgestaltung des Risikomanagementsystems aus ihrer Perspektive zu pragen. Einbezogen in die Formulierung des nationalen Rechts wurden neben den europaischen Impulsen auch die US-amerikanischen Vorgaben im Zuge des Sarbanes-Oxley Acts (SOA) vom 30.7.2002.^^ Damit wird der SOA fiir deutsche Untemehmen in zweifacher Hinsicht relevant: Einerseits indirekt iiber das BilReG, wobei sich die diesbeziiglichen Verpflichtungen in erster Linie auf die Sicherung der Qualitat der Abschlussprlifung und der Unabhangigkeit der Abschlusspriifer bezieht. Andererseits sind die bei der Securities and Exchange Commission (SEC) registrierten deutschen Untemehmen direkt von den Gesetzesregelungen betroffen, die verscharfte Anforderungen an interne und exteme Uberwachungssysteme eines Untemehmens stellen.^^ Insofem ist davon auszugehen, dass der SOA Riickkopplungseffekte auch fiir die i.w.S. risikomanagementrelevanten Strukturen und Systeme (v.a. Interne Revision) in Deutschland haben wird.
4.4.3 Baseler Eigenkapitalakkord II und Rating Der zweite Baseler Eigenkapitalakkord (Basel II), dessen Inkrafttreten fiir Ende 2006 vorgesehen ist, regelt die Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung von Kreditinstituten, wobei ein wesentliches Ziel der Neuregelungen darin besteht, „die Kapitalanforderungen an Banken starker als bisher vom eingegangenen Risiko abhangig zu machen sowie neuere Entwicklungen an den Finanzmarkten und im Risikomanagement
BUNDESTAGSDRUCKSACHE 15/3419 (2004), S. 38. Ausfuhrlicher zu Auswirkungen des BilReG auf die zukunftsorientierte Lageberichterstattung vgl. KAISER (2005). Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 15/3419 (2004), S. 26. Vgl. PEEMOLLER (2004c) zu einem Vergleich der folgenden drei Konzepte zur Unabhangigkeit des Abschlusspriifers: (1) Empfehlungen der EU-Kommission, (2) Sarbanes-Oxley Act und (3) MaBnahmenkatalog der Bundesregierung zur Starkung der Untemehmensintegritat und des Anlegerschutzes.. Vgl. KULZICK (2004); HUTTEN / STROMANN (2003). BUDERATH (2004, S. 40), der die Auswirkungen des SOA am Beispiel der DaimlerChrysler AG erortert, zitiert in diesem Zusammenhang eine Studie von Ernst & Young, nach der ca. 300 deutsche Untemehmen direkt unter den SOA fallen.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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der Institute zu beriicksichtigen"^^. Unterschieden werden nach Basel II nun drei zentrale Risikobereiche von Kreditinstituten: Kredit-, Marktrisiko und operationelles Risiko, wobei die Hinzunahme von operationellen Risiken eine wesentliche Neuerung und Erweiterung gegeniiber den bisherigen Regelungen von Basel I darstellt.^^ Neben den bisher relevanten Standardverfahren des extemen Ratings besteht flir die Banken mit Basel II erstmals die Moglichkeit zur Berechnung der regulatorischen Eigenkapitalunterlegung mit Hilfe von bankintemen Verfahren der Risikomessung (mtemes Rating). Dieser so genannte IRB-Ansatz, unterschieden wird in einen Basisansatz und einen fortgeschrittenen Ansatz, ist flir die Kreditinstitute insofem von Interesse, als dass die Verwendung dieser genaueren Verfahren zur Risikomessung zu Erleichterung bei den Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung fuhrt.^^ Einerseits stellen die neuen Regelungen von Basel II damit fiir die Banken einen starken Anreiz dar, selbst ein umfassendes und leistungsfahiges Risikomanagementsystem zu implementieren, das die Informationen bereitstellt, die fiir ein fundiertes internes Rating erforderlich sind.^^ Andererseits werden durch den IRB-Ansatz die Situation und Bonitat der jeweiligen kreditnehmenden Untemehmens genauer und differenzierter bewertet. Im Interesse von vorteilhaften Kreditkonditionen und -spielraumen besteht auch fiir die betroffenen Untemehmen ein Anreiz, mit Hilfe eines Risikomanagementsystems sowohl die eigenen Risiken systematisch zu reduzieren als auch mit Hilfe der generierten Informationen eine transparente und nachvoUziehbare Kommunikationsstrategie hinsichtlich der Banken zu entwickeln.^"^
BUNDESBANK (2004), S. 75. Zum Baseler Ausschuss fur Bankenaufsicht, dem Namensgeber fur Basel II, vgl. UBELHOR / WARNS (2004, S. 16). Operationelles Risiko wird definiert als „the risk of direct or indirect loss resulting from inadequate or failed internal processes, people and systems or from external events" (BASEL COMMITTEE ON BANKING SUPERVISION 2001, S. 2) Ausfuhrlicher zu den operationellen Risiken des Bankbetriebs v g l BROSEL / ROTHE (2003). Die Abkiirzung IRB steht fiir internal ratings-based approach. Die deutsche Aufsicht rechnete, auf Basis einer ersten Umfrage vom Sommer 2003, damit, „dass bis zu 800 Institute einen Antrag auf Zulassung zum IRB-Ansatz stellen werden" (DEUTSCHE BUNDESBANK (2004, S. 78). Vgl. UBELHOR / WARNS (2004), S. 40. Vgl. GLEI6NER / FUSER (2003), S. 16 ff.; DEUTSCHE BUNDESBANK (2004); WUCKNITZ (2002b); REICHLING (2003), S. 112 f.; ROMEIKE (2002a), S. 74 ff.
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Risikomanagement und Personal
Basel II wirkt damit in die gleiche Richtung wie die Vorgaben des KonTraG.^^ Moglicherweise, und das mag auf den ersten Blick vielleicht iiberraschen, wird der normative Druck von Basel II eine groBere Ausstrahlungswirkung und Bedeutung hinsichtlich der Implementierung von Risikomanagementstrukturen haben als das KonTraG. Betroffen sind von Basel II nicht nur die borsennotierten Unternehmen, sondem der GroBteil der deutschen Unternehmen, insbesondere auch des Mittelstandes, die auf eine Kreditversorgung durch Banken angewiesen sind. Moglicherweise fuhrt also erst Basel II tatsachlich zu einer flachendeckenden Einfuhrung von Risikomanagementaktivitaten i.S. eines vorausschauenden, professionellen und verantwortungsvollen Umgangs mit den Risiken (und Chancen) der klinftigen Entwicklungen.^^
5 Akteure, Funktionen und Institutionen des Risikomanagements Wie die Formulierungen im Deutschen Corporate Governance Kodex bleiben auch die Bestimmungen im Rahmen von KonTraG und TransPuG relativ abstrakt und unbestimmt, was den Risikobegriff und das einzurichtende Uberwachungssystem betrifft. Der Kodex und die Gesetzestexte bedurfen der Interpretation und Operationalisierung. Die Interpretation und Konkretisierung der Gesetzesformulierungen ist in erster Linie ein Betatigungsfeld von Vertretem/Autoren aus den drei Bereichen Wirtschaftspriifung, Interne Revision, Controlling und Rechnungswesen. Ziel des 5. Kapitels ist es zum einen, die Rolle der involvierten Standesorganisationen und Akteure sowie deren normative Vorgaben beztiglich der Ausgestaltung des Risikomanagements darzustellen. Zum anderen geht es darum, in einer zusammenfassenden Abbildung zur Organisation des Risikomanagements einen Uberblick liber die beteiligten Akteure, Funktionen und Verantwortlichkeiten im Rahmen des Risikomanagements zu geben. 5.1
Standards als Deutungsangebote und Gestaltungsleitlinien
Diese eingangs genannten Akteure, die konkret mit den Einzelheiten der Einrichtung und Durchfuhrung bzw. Uberwachung eines Risikomanagementsystems konfrontiert
^^ Vgl. PODDIG / KUNZE (2003). Ausfuhrlicher zu Wechselwirkungen zwischen Risikomanagement und Rating vgl. SEIDEL (2002), S. 104 ff. ^^ Vgl. HENSCHEL (2003a, b) zu einer empi empirischen Studie zur (zunehmenden) Verbreitung von Risikomanagementsystemen im Mittelstand.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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werden, stehen vor der Herausforderung, den abstrakten rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Entsprechende Hilfestellungen und normative Handlungsvorgaben bieten die Standesorganisationen Deutsches Institut fiir Interne Revision (IIR), Institut der Wirtschaftspriifer (IDW) und das Deutsche Rechnungslegungs Standards Conunitte (DRSC), die mit verschiedenen Standards Leitlinien zur Einrichtung, Durchfuhrung und Uberwachung von Risikomanagementsystemen erarbeitet haben.^^ Fiir das Controlling existiert eine vergleichbare Standesorganisation nicht. 5.1.1 Institut der WirtschaftsprUfer (IDW) Das Institut der Wirtschaftspriifer IDW, das sich als Sprachrohr des Berufsstandes der Wirtschaftspriifer und Erorterungskoordinationsinstanz zu Fragestellungen der Rechnungslegung und Priifung versteht, stellt die jeweiligen Entwiirfe der Verlautbarungen u.a. im Internet zum Abruf bereit bzw. veroffentlicht diese in der Zeitschrift „Die Wirtschaftspriifung", die das IDW selbst herausgibt. Zur MeinungsauBerung sind dann neben Vertretem des Berufsstandes auch die interessierte Offentlichkeit angesprochen.^^ Die Ergebnisse dieser mehrstufigen Erorterungsprozesse werden vom IDWVerlag sowohl als Loseblattsammlung als auch in elektronischer Form publiziert. Die Wahl des Mediums Loseblattsanmilung macht deutlich, dass die Verlautbarungen des IDW von ihrem grundsatzlichen Charakter her als vorlaufige Ergebnisse und Ausgangspunkt fiir kontinuierliche Weiterentwicklungen verstanden werden.^^ Als Reprasentant des Berufsstandes der Wirtschaftspriifer stellt das IDW damit auch einen potenten Akteur im dynamischen Prozess der Konstruktion von Risikomanagement dar. Insofem gibt der Priifungsstandard 340 („Die Priifung des Risikofriiherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB") die wesentlichen Kriterien fiir ein „angemes-
97
Als ein Beleg fiir die Bedeutung dieser Standards als normativer Orientierungspunkt und Legitimationslieferant kann die explizite Bezugnahme in der Literatur auf sie angesehen werden. So verwenden z.B. VOGLER / ENGELHARD / GUNDERT (2000) und WOLZ (2001) bei ihren empirischen Untersuchungen zum Stand der Umsetzung von Risikomanagementsystemen, genauso wie DIEDERICHS / REICHMANN (2003a) bei ihrer empirischen Untersuchung zu Risikocontrolling in Praxisuntemehmen, den IDW PS 340 als MaBstab fiir die Giite des Risikomanagements. Und ETTMULLER (2003) verwendet den DRS Nr. 5 als Gestaltungsvorgabe fur die Risikoberichterstattung bei der BASF-Gruppe. Vgl. IDW (2004). Da die Standards in Form von Loseblattsammlungen herausgegeben werden, ist es moglich und iiblich, dass die einzelnen Seiten eines Standards mit unterschiedlichen Jahreszahlen gekennzeichnet sind. Der Einfachheit halber wird die jeweils aktuellste Jahresangabe fur den jeweils gesamten Standard verwendet.
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Risikomanagement und Personal
senes Risikomanagement" aus der Perspektive der Wirtschaftspriifer vor.^^° Die IDW Priifungsstandards, die sukzessive die friiheren Fachgutachten ablosen, konnen als grundsatzlich verbindlich fiir den Berufsstand der Wirtschaftspriifer angesehen werden.^^^ Um die Priifung durch die Wirtschaftspriifer erfolgreich zu bestehen, werden sich Untemehmen bei der individuellen Implementierung und Ge-staltung an diesem Priifungsstandard orientieren. Hinzu kommt, dass Wirtschaftspriifer ebenfalls ein Interesse daran haben werden, mit Beratungsleistungen in diesem Bereich tatig zu werden bzw. dazu verpflichtet sind, Anregungen zu Verbesserungen des Risikomanagementsystems zu geben.^°^
Als relevant im Kontext Risikomanagement konnen auch die folgenden Standards und Stellungnahmen angesehen werden: IDW RS HFA 1 (2004) („Stellungnahme zur Rechungslegung: Aufstellung des Lageberichts"), die die Anforderungen an die Gestaltung der §§ 289 und 315 HGB an den Inhalt und die Gestaltung von (Konzem-)Lageberichten und damit auch fiir die Risikoberichterstattung konkretisiert; IDW PS 260 (2004) („Das interne Kontrollsystem im Rahmen der AbschluBprlifung"), relevant insbesondere hinsichtlich der Vorgehensweise bei Risikobeurteilungen und den daraus abgeleiteten MaBnahmen durch die Untemehmensleitung; IDW PS 270 (2005) („Die Bedeutung der Fortfiihrung der Untemehmenstatigkeit im Rahmen der Abschlusspriifung"), der sich ausfiihrlicher mit moglichen Risiken befasst; IDW PS 321 (2004) („Inteme Revision und Abschlusspriifung"), der die Berufsauffassung der Wirtschaftspriifer hinsichtlich der Arbeitsteilung bzw. gemeinsamer Aufgaben im Rahmen der Steuerung und Kontrolle des Risikomanagementsystems defmiert; EDW PS 345 (2004) („Auswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex auf die Abschlusspriifung"), der die Verbindung zum § 161 AktG und damit zum TransPuG darstellt; IDW PS 450 (2004) („Grundsatze ordnungsgemaBer Berichterstattung bei Abschlusspriifungen"), relevant hauptsachlich bezuglich der Feststellungen zu Risikofriiherkennungssystemen. „Die IDW Priifungsstandards legen damit in Ubereinstimmung mit den International Standards on Auditing (ISA) die Berufsauffassung der Wirtschaftspriifer zu fachlichen Fragen der Priifung dar und tragen zu ihrer Entwicklung bei. [...] Den IDW Priifungsstandards kommt aufgrund ihrer Erarbeitung in Fachausschiissen und Arbeitskreisen des IDW, die durch ihre Zusammensetzung und Arbeitsweise den Berufsstand der Wirtschaftspriifer vertreten, sowie aufgrund des Verfahrens ihrer Verabschiedung besondere Bedeutung zu. Eine Abweichung von den IDW Priifungsstandards kann im Rahmen der Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftspriifers nur in begriindeten Einzelfallen erfolgen, die im Pnifungsbericht hervorzuheben und ausfuhrlich zu begriinden sowie im beschreibenden Abschnitt des Bestatigungsvermerks zu nennen sind. Werden die IDW Priifungsstandards vom Abschlusspriifer nicht beachtet, ohne dass dafur gewichtige Griinde vorliegen, so ist damit zu rechnen, dass eine solche Abweichung von der Berufsauffassung ggf. in Regressfallen, in einem Verfahren der Berufsaufsicht oder in einem Strafverfahren zum Nachteil des Abschlusspnifers ausgelegt werden kann." (IDW 2004, Hervorhebung im Original) Zu Ein- und Beschrankungen von Beratungsleistungen im Zuge des BilReG vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 15/3419 (2004, S. 36 ff.).
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5.1.2 Deutsches Institutfur Interne Revision (IIR) Das 1958 gegriindete Deutsche Institut fur Interne Revision e.V. (IIR), mit Mitgliedem aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung, versteht sich als Institution „zur Forderung und Weiterentwicklung der Intemen Revision in Deutschland"^^^. Im Zuge des KonTraG wurde die Notwendigkeit einer Verstarkung der Facharbeit der verschiedenen Gremien und der konkreten Hilfestellung/Unterstutzung der jeweiligen Fach- und Fuhrungskrafte erkannt. Die Umsetzung dieser Erkenntnis materialisiert sich u.a. in den drei mittlerweile erarbeiteten IIR-Revisionsstandards, die, ahnlich wie die IDW-Verlautbarungen, bereits in der Entstehensphase von den beteiligten Personen(gruppen) in den Gremien, der „Zeitschrift Interne Revision (ZIR)", die vom IIR seit 1966 herausgegeben wird, und im Internet umfangreich erortert wurden bzw. werden.^^ Die Standards haben zwar nicht einen mit den IDW Pnifungsstandards vergleichbaren Verbindlichkeitsgrad, in dem Sinne, dass Abweichungen zu Regressanspriichen fuhren konnen (wie bei den IDW Priifungsstandandards), das IIR stellt aber fest: „Inteme Revisoren miissen jedoch die Standards flir die berufliche Praxis der Intemen Revision einhalten, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden."^^^ Diese verstarkten Bemiihungen des IIR lassen sich interpretieren als Versuch, ein Gegengewicht bzw. eine Entsprechung zu den IDW-Standards zu schaffen und den eigenen Fach- und Ftihrungskraften in der Praxis HandlungsleitUnien, Argumentationshilfen und Legitimationsbasen im konstruktiven Prozess der Verstandnisbildung und Erorterung im Themenfeld Risikomanagement zu vermitteln. Insofem ist der IIR-
^^ IIR (2004a). ,JDas Deutsche Institut fiir Interne Revision e.V. (IIR) verfolgt die ausschliefilich und unmittelbar gemeinniitzigen Zwecken dienende Forderung der Wissenschaft sowie die Aus- und Fortbildung von Mitarbeitem der Intemen Revision und unterstutzt die fiir die Priifungs- und Beratungsaufgaben zustandigen Fiihrungs- und Fachkrafte in ihrer praktischen Arbeit. Diese Zwecke erfullt das IIR u.a. durch folgende Aufgaben: - Information der interessierten Fachwelt und der AUgemeinheit iiber die Interne Revision - Entwicklung von Revisionsgrundsatzen und -methoden und deren laufende Anpassung an die betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Gegebenheiten - Pflege von Kontakten zu Institutionen der Wirtschaftspriifung im Interesse der interdisziplinaren Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Intemen Revision und Wirtschaftspriifung." (IIR 2004b) 104
Die Standards werden in der ZIR veroffenthcht bzw. stehen unter http://www.iir-ev.de/ deutsch/ fachwissen/veroeffentlichungen/standards.asp?navid=6 zum download bereit: IIR-Revisionsstandard Nr. 1: Zusammenarbeit von Intemer Revision und Abschlusspriifer, IIR-Revisionsstandards Nr. 2: Priifung des Risikomanagement durch die Interne Revision, IIR-Revisionsstandard Nr. 3: Quahtatsmanagement in der Intemen Revision. ^^^ IIR (2004c).
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Risikomanagement und Personal
Revisionsstandard Nr. 1 („Zusammenarbeit von Intemer Revision und Abschlussprlifer") zu verstehen als ein Beitrag zur Bestimmung des Selbstverstandnisses und der eigenen Position sowie als Abgrenzung und Markierung des eigenen Einfluss- und Verantwortungsbereiches im Verhaltnis zu den Wirtschaftspriifern, dem Controlling etc.
5.7 J
Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC)
Die gesetzlichen Formulierungen des HGB zur Lageberichterstattung und damit auch zur Risikoberichterstattung bleiben sehr allgemein und lassen den Untemehmen einen erheblichen Ermessensspielraum bei der jeweiligen Erstellung der Risikoberichte.^^^ Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) gibt mit dem DRS Nr. 5 (2005) zur Risikoberichterstattung und den branchenspezifischen Erganzungen DRS Nr. 5-10 (2005) fur Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und DRS Nr. 5-20 (2005) fur Versicherungsuntemehmen gewisse Vorgaben und Orientierungspunkte.^^^ Aufgrund der Bekanntmachung der Standards nach § 342 Abs. 2 HGB durch das Bundesministerium der Justiz gilt die GoB-Vermutung bei Befolgung dieser Standards, d.h. bei Anwendung der Standards wird davon ausgegangen, dass die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfiihrung (GoB) befolgt werden.'^^ Trotzdem haben sie nur den Charakter einer Empfehlung und es sind keine rechtlichen Konsequenzen bei Nichtbefolgung vorgesehen.^^^ Auch die Regeln der DRS bleiben letztlich relativ „abstrakt formuliert, um den individuellen Erfordemissen der Risikoberichterstattung verschiedener Untemehmen und verschiedener Branchen gerecht zu werden. Jedes Untemehmen sollte so iiber seine Risiken berichten, wie sie intern - im Rahmen des Risikoma-
Dabei handelt es sich nur um einen Aspekt des Risikomanagements, gleichwohl stellen die Vorgaben des DRSC wichtige Orientierungspunkte fiir die gesamte Organisation und die Ablaufe des Risikomanagementsystems dar. Die DRS bezieht sich unmittelbar nur auf den § 315 HGB zur Konzemlageberichterstattung, versteht die diesbezuglichen Ausfiihrungen dabei als Empfehlungen auch fiir den § 289 HGB zur Lageberichterstattung. Auch diese Standards werden in Form von Loseblattsammlungen herausgegeben, daher ist es moglich und liblich, dass die einzelnen Seiten eines Standards mit unterschiedlichen Jahreszahlen gekennzeichnet sind. Der Einfachheit halber wird die jeweils aktuellste Jahresangabe fiir den Jewells gesamten Standard verwendet. ^^^ Ausfuhrhcher zu Begriff, Inhalt und Ermittlung (induktiv, deduktiv) der GoB, die die Grundsatze ordnungsgemaBer laufender Buchfiihrung, ordnungsgemaBer Inventur, ordnungsgemaBer Bilanzierung und ordnungsgemaBer Erfolgsrechnung umfassen, vgl. FEDERMANN (1994, S. 106 ff.). lOQ
Wgl BIENER (1999); kritisch zu Bedeutung und Kompetenzen des DRSC vgl. BALLWIESER (1999).
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nagements - eingeteilt werden."^^^ Eine derartige Vorgehensweise kann als management approach bezeichnet werden.^" Auch die Standards des DRSC bediirfen der Interpretation und Operationalisierung und dienen im glinstigsten Fall der Mindestabsicherung der Adressaten.^^^ Wie im Standardisierungsvertrag zwischen DRSC und BMJ vom 3.9.1998 festgelegt, ist das DRSC verpflichtet, die Offentlichkeit iiber die Erarbeitung von Standards, deren Entwurfe und diesbeziigliche Stellungnahmen zu informieren. Die jeweiligen Stellungnahmen der interessierten Offentlichkeit sind auszuwerten und in einer offentlichen Sitzung zu erortem.^^^ 5.2
Arheitsteilung und Organisation des Risikomanagements im Unternehmen
Gegenstand dieses Teilkapitels ist es, die grundsdtzUche Arbeitsteilung und Organisation bei der Implementierung und Durchfuhrung eines KonTraG-konformen Risikomanagements aufzuzeigen. Die in Abb. 3 dargestellte und im Folgenden erlauterte idealtypische Konzeption des Risikomanagementsystems wurde erstellt auf Grundlage der rechtlichen Regelungen, den verschiedenen normativen Vorgaben der jeweiligen Standesorganisationen und Beitragen aus der Wissenschaft. Diese Konzeption fasst damit die unterschiedlichen Akteure und Funktionen im Rahmen des Risikomanagements bzw. deren Perspektiven in einer Darstellung zusammen, um einen Uberblick iiber die grundsatzlichen Beziehungen und Aufgaben zu geben.^^"^
^'^ DRS Nr. 5 (2005), S. 9. ^^^ Vgl. COENENBERG (2003), S. 881. ^^^ Vgl. MOXTER (1998). ^^^ Vgl. DRSC (2004a). Detaillierter zur Arbeitsweise des DRSC sowie zur Mitwirkung der Offentlichkeit vgl. DRSC (2004b). Ausfiihrlicher wird auf die einzelnen Elemente im Rahmen der allgemeinen theoretischen Fundierung eines ressourcenorientierten Risikomanagements in Kapitel 10 („Grundkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements") und der konkreten Anwendung auf das Fluktuationsrisiko von Schliisselpersonen in Kapitel 16 („Risikomanagementprozess zum Management des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen") eingegangen.
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Risikomanagement und Personal . \ Abschlusspriifer: -«' externe Priifung des tJberwachungssystems J
0
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Aufsichtsrat: Konlrolle des Vorstands
Vorstand: Gesamtverantwortung
Zentraleinheit Risiko- ^
(d)
Interne Revision: interne Priifung des Uberwachungssystems
management / Con© trolling: Koordination
und Kontrolle der Risikomanagementaktivitaten
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1 1 1 1 Risikomanagementverantwortliche auf operativer Ebene: Durchfuhrung des Risikomanagemeniprozesses Risiko RisikoRisikodokumentation -einschatzung handhabung
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J
Abb. 3: Organisation des Risikomanagements^^^ Die hier vorgestellte Konzeption integriert die einzelnen Aufgaben/Funktionen des Risikomanagement (z.B. Formulierung der Risikomanagementpolitik) und die jeweilige organisatorische Verantwortlichkeit (z.B. Vorstand) in einer Darstellung. Daher wird das Teilelement Risikocontrolling/Risikouberwachung nicht als ein Element des Risikomanagementprozesses vorgestellt, sondem lediglich die Risikodokumentation, die im Wesentlichen in der Verantwortung des jeweiligen Risikoverantwortlichen ist. Die Aufgabe/Funktion der intemen Kontrolle und Uberwachung des Risikomanagementsystems erfolgt auf zwei Ebenen: (1) liber integrierte KontroUmaBnahmen im Rahmen des Controlling und (2) durch die Priifungstatigkeit der Intemen Revision.
5.2.1 Vorstand (a): Gesamtverantwortung fiir ein angemessenes Risikomanagement Der Vorstand als geschaftsfuhrendes Organ nimmt eine zentrale Rolle im Rahmen des Risikomanagements ein. Er tragt nach § 91 Abs. 2 AktG die Gesamtverantwortung fiir
Quelle: Eigene Abbildung.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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die Einrichtung eines angemessenen Risikomanagements zur fruhzeitigen Erkennung von bestandsgefahrdenden Entwicklungen und fur die Einrichtung einer angemessenen Intemen Revision.^^^ Weiterhin hat er den Aufsichtsrat in seinen Berichten zu informieren (§ 90 AktG), u.a. iiber „die beabsichtigte Geschaftspolitik und andere grundsatzliche Fragen der Untemehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitionsund Personalplanung), wobei auf Abweichungen der tatsachlichen Entwicklung von friiher berichteten Zielen unter Angabe von Griinden einzugehen ist"^^^, urn so die notwendigen Rahmenbedingungen zur ex-ante-KontroUe durch den Aufsichtsrat zu schaffen.^^^ Nach § 289 Abs. 1 HGB ist im Lagebericht auf die Risiken (und im Zuge des BilReG auch auf die Chancen) der kunftigen Entwicklung einzugehen. Auf diesen so genannten Risikobericht greifen auch die Abschlusspriifer zuriick (§ 317 Abs. 4 HGB). Der Vorstand bestinmit die Risikomanagementpolitik. Er defmiert in den risikopolitischen Grundsatzen die Risikoneigung des Untemehmens (Risikoprofil), legt die Risikofelder und den Giiltigkeitsbereich des Risikomanagements fest und weist nach Hierarchieebenen abgestuft Verantwortlichkeiten (risk owner) v.a. fur den Risikomanagementprozess zu.^^^ Dabei ist sicherzustellen, dass die Rahmenbedingungen fiir einen (direkten) Informationsaustausch zwischen den Untemehmensbereichen und dem Vorstand geschaffen werden.^^^ Zu diesen Rahmenbedingungen gehort allgemein die Schaffung einer entsprechenden Risikokultur (Risikobewusstsein, Risikokonmiunikation, risikobewusstes Handeln aller Mitarbeiter).^^^ Die Risikomanagementpolitik ist damit als ein Bestandteil der gesamten Untemehmenspolitik und der Corporate Governance zu sehen.^^^
^^^ Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9721 (1998), S.15. 117
Der letzte Teilsatz („wobei ...") wurde im Rahmen des TransPuG erganzt. Vgl. TRANSPUG (2002), S. 2681. ^^^ Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9721 (1998b), S.15. ^^^ Vgl. KROMSCHRODER / LUCK (1998), S. 240. ^^^ Vgl. IDW PS 340 (2004), S. 4 f. 121
Da diese Rahmenbedingungen in der Literatur i.d.R. nur sehr oberflachlich behandelt werden, d.h. es bleibt zumeist unklar, was konkret unter Risikokultur verstanden wird und wie voraussetzungsvoll diese ist, wird in Kapitel „11 Risikomanagementkultur" ausfiihrlich auf diesen Themenkomplex eingegangen. ^^^ Vgl. DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001b), S. 153.
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Risikomanagement und Personal
5.2.2 Risikomanagementverantwortliche auf operativer Ehene (b): Durchfuhrung des Risikomanagementprozesses Aufgrund der Komplexitat und Arbeitsteilung in Untemehmen wird der Vorstand i.d.R. Risikomanagementverantwortliche auf operativer Ebene bestimmen, die fur die Einschatzung, Handhabung und Dokumentation moglicher Risiken in ihrem Verantwortungsbereich (z.B. Abteilung, Sparte, Produktlinie) zustandig sind. 1. Risikoeinschdtzung: In der ersten Phase des Risikomanagementprozesses geht es um die systematische Identifikation und Erfassung aller wesentlichen Risiken. ^^^ Dies geschieht im Rahmen einer so genannten Risikoinventur mit Hilfe von Checklisten, Risiko-Workshops, Besichtigungen, Befragungen, Schadensstatistiken etc.'^"* Ziel dieser Phase ist die qualitative und quantitative Analyse und Bewertung der identifizierten Risiken unter Beachtung von Kumulationen und Interdependenzen.^^^ Dies geschieht zumeist durch eine Beurteilung der Eintrittswahrscheinlichkeit und den zu erwartenden quantitativen Auswirkungen der zuvor identifizierten Risiken.'^^ In den Fallen, in denen eine monetare Quantifizierung nicht moglich ist, bietet sich die Einteilung in Risikoklassen (z.B. kleine, mittlere und groBe Risiken) an. Neben der Risikobewertung stellt die Ursachenanalyse eine wesentliche Aufgabe im Rahmen der Risikoeinschatzung dar, da sie die Grundlage fur eine effektive Risikohandhabung ist. ^^^ 2.
Risikohandhabung: Auf Grundlage der risikopolitischen Grundsatze und in Abhangigkeit der jeweiligen Zuordnung von Verantwortlichkeiten geht es bei der Risikohandhabung (auch Risikosteuerung) zunachst um die Festlegung der zur Anwendung kommenden MaBnahmen. Es gilt festzulegen, inwiefem die Risiken ausgeschaltet, vermindert, transferiert/versichert oder selbstgetragen werden sollen.^^^ Weitere Teilelemente sind die Durchfuhrung der MaBnahmen und die gegebenenfalls notwendigen KorrekturmaBnahmen. Die Risikohandhabung zielt da-
^^^ Vgl. DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001b), S. 154. ^^^ Vgl KROMSCHRODER / LUCK (1998b), S. 241. ^^-^ Vgl. DEUTSCHESINSTITUTFURINTERNEREVISION(2001b), S. 155. ^^^ Vgl. EDW PS 340 (2004). ^^^ Vgl. KROMSCHRODER / LUCK (1998b), S. 242. ^^^ Vgl. IDW^ PS 340 (2004), S. 2.
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bei darauf ab, das Gesamtuntemehmensrisiko in einem tragbaren (d.h. in keinem Fall bestandsgefahrdenden) Rahmen zu halten.^^^ 3. Risikodokumentation und -berichterstattung: Um einerseits die dauerhafte, personen-unabhangige Funktionsfahigkeit des Risikomanagementsystems gewahrleisten zu konnen und andererseits den notwendigen Nachweis iiber die Pflichterfiillung des Vorstand nach § 91 Abs. 2 AktG zu erbringen, kommt der angemessenen Risikodokumentation eine wichtige RoUe zu.^^^ Dies kann bspw. durch die Erstellung eines so genannten Risikohandhuches geschehen, in dem die risikopolitischen Grundsatze, organisatorischen Regelungen und MaBnahmen des Risikomanagementsystems enthalten sind.^^^ Dariiber hinaus ist sicherzustellen, dass, in enger Abstimmung mit dem Controlling, die relevanten und aktuellen Inforaiationen durch entsprechende Informationssysteme erfasst und den jeweiligen Stellen zuganglich gemacht werden. 5.2.3 Zentraleinheit Risikomanagement / Controlling (c): Koordination der Risikomanagementaktivitdten Gerade bei groBeren Untemehmen kann es zweckmaBig sein, die Koordination und Systemverantwortung der Risikomanagementaktivitaten einer Zentraleinheit Risikomanagement zu ubertragen, die als Stabstelle direkt dem Vorstand zugeordnet ist. Fur mittlere Untemehmen ware der Organisationsaufwand einer eigenen Stelle moglicherweise zu groB, so dass die Funktion/Aufgabe der Koordination und Steuerung auch durch das Controlling wahrgenommen werden kann.^^^ Bei kleineren Untemehmen ohne eigene ControUing-Abteilung wird die Koordination i.d.R. direkte Aufgabe der Geschaftsfuhmng sein.^^^ Die Zentraleinheit Risikomanagement bzw. das Controlling koordiniert die Identifikation, Analyse, Handhabung und Dokumentation der Risiken zwischen den einzelnen Untemehmensbereichen (horizontale Koordination) und zwischen einzelnen Hierar-
^^^ Vgl. K R O M S C H R O D E R / L U C K (1998b), S. 243. ^^^ Vgl. IDW PS 340 (2004), S. 6. ^^^ Vgl. DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001b), S. 154. 1 "^9
Vgl. KROMSCHRODER / LUCK (1998b), S. 245. Zu einer umfassenden theoretischen Einbettung des Controlling in die Methodologie der Untemehmensiiberwachung vgl. GUNTHER (2003).
^^^ Vgl. KOHLHOFF / LANGENHAN / ZORN (2000), S. 7.
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Risikomanagement und Personal
chieebenen (vertikale Koordination).^^'* Eventuell ist dafur die Schaffung einzelner dezentraler Stellen sinnvoll, die hierarchisch der Zentraleinheit zugeordnet sind.^^^ Hierbei kommt es auch zu Uberschneidungen mit der Uberwachungsfunktion der Intemen Revision, da sich beide, aus einer jeweils anderen Perspektive, mit den gleichen Themenfeldem befassen, d.h. bspw. mit Wirtschaftlichkeitsanalysen, Schwachstellenforschung, ZweckmaBigkeitspriifung oder der Verarbeitung risikomanagementrelevanter Informationen.^^^ Die Zentraleinheit Risikomanagement bzw. das Controlling stellen damit auch, insbesondere iiber die Bereitstellung von iiberwachungsrelevanten Informationen in Form von Berichten, ein wichtiges Bindeglied zwischen Vorstand und Aufsichtsrat dar.^^^ 5.2.4 Interne Revision (d): Uberpriifung des Uberwachungssystems Die interne Uberpriifung, neben der extemen Uberpriifung durch den Abschlusspriifer, ist i.d.R. Aufgabe der prozessunabhangigen Intemen Revision, zu deren Einrichtung das KonTraG verpflichtet. Sie hat u.a. festzustellen, inwiefem das Risikomanagementsystem tatsachlich die wesentlichen Risiken des Untemehmens erfasst hat und die integrierten Kontrollen (z.B. Festlegung von Schwellenwerten und entsprechende Reaktion bei Uberschreiten) eingehalten werden.^^^ Weiterhin ist unter ZweckmaBigkeitsund Wirtschaftlichkeitsaspekten die Angemessenheit der Risikomanagementaktivitaten zu beurteilen. ^^^ Zudem bietet es sich in der Konzeptions- und Aufbauphase des Risikomanagement an, die Interne Revision (neben Controlling etc.) aufgrund ihrer
^^"^ Vgl. IIR-ARBEITSKREIS „INTERNE REVISION IN DER VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT" (1999), S. 188. Zu einer mathematischen Modellierung von zentralem und dezentralem Risikocontrolling in Industrieuntemehmen vgl. HOMBURG / UHRIG-HOMBURG (2004). ^^^ Vgl. BERENS / SCHMITTING (2003), S. 363 ff; GOTZE / GLASER / HINKEL (2001). Vgl. in diesem Zusammenhang auch WALL (2003a) zur Bedeutung von Management Support Systemen als Komponenten der Corporate Governance, die letztlich von alien Akteuren der Corporate Governance genutzt werden. ^^^ Vgl. SCHEFFLER (2003). ^^^ Vgl. DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001b), S. 153; IDW PS 340 (2004), S. 5. Hierbei ist es nicht zwangslaufig erforderlich, dass die Interne Revision auch als eine eigene Abteilung vorhanden ist, vielmehr ist es erforderlich, dass es eine Stelle gibt, die die Funktion der intemen Uberwachung iibemimmt. ^^^ Vgl. DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001b), S. 155.
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Expertise als beratende Instanz einzubinden.^"^^ AUerdings ist bei einer derartigen Einbindung darauf zu achten, dass die notwendige Distanz zum gepriiften Objekt gewahrt bleibt, und nicht die Interne Revision letztlich die Strukturen und Prozesse priift, die sie selbst wesentlich verantwortet hat {Selbstprufungsverbot).^"^^ Wahrend der Abschlusspriifer lediglich zu beurteilen hat, ob das Uberwachungssystem seine Aufgaben erfuUen kann, ist die Interne Revision in ihrer Priifungstatigkeit letztlich der Wertsteigerung und Verbesserung der Geschaftsprozesse verpflichtet.^"^^ Sie muss daher im Gegensatz zum Abschlusspriifer das tJberwachungssystem auch inhaltlich beurteilen und legt damit ihrer Bestimmung entsprechend ein „starkeres Augenmerk auf Effizienz und Effektivitat unter operationellen Gesichtspunkten."^"^^ Eine besondere Bedeutung gewinnt deshalb fur die Interne Revision die Priifung der Risikomanagementstrategie, wobei sicherzustellen ist, „dass das Risikomanagement von der Untemehmensleitung als Teil der Corporate Governance gesehen wird und ein entsprechender Beschluss der Untemehmensleitung hinsichtlich der Einrichtung und laufenden Anwendung eines Risikomanagementsystems existiert."^"^ Wie auch beim Controlling sind bei der Organisation der Intemen Revision, in Abhangigkeit von UntemehmensgroBe, -struktur und -politik, verschiedene Modelle moglich. So kann es bspw. zusatzlich zu einer Zentralrevision dezentrale Revisionseinheiten geben und einzelne Priiftatigkeiten konnen auf Exteme ausgelagert werden.^"^^ 5.2.5 Aufsichtsrat (e): Kontrolle des Vorstands Der Aufsichtsrat erhalt von der Geschaftsfiihrung den Risikobericht (s.o.) als Teil des Lageberichts (§ 90 Abs. 1 AktG, § 170 Abs. 1 AktG), priift ihn unter Einbeziehung der
^"^^ Vgl. IIR-ARBErrSKREIS „INTERNE REVISION IN DER VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT" (1999), S. 190; KOHLHOFF / LANGENHAN / ZORN (2000), S. 8. ^^^ Vgl. BERENS / SCHMITTING (2003), S. 364. ^"^^ Vgl. DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001b), S. 154. ^^'^ DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001b), S. 153. ^"^ DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001b), S. 153. Hervorhebung im Original. Zu unterschiedlichen Konzeptionen der Funktion Interne Revision vgl. PEEMOLLER (2004a, S. 19 ff.); REINECKE / WAGNER (2000, S. 194) zur Organisation der Revision bei der Volkswagen AG.
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Risikomanagement und Personal
beteiligten Abschlusspriifer und unterrichtet die Hauptversammlung schriftlich vom Ergebnis der Priifung (§ 171 AktG). Um seiner Kontrollfunktion besser gerecht werden zu konnen^"^^, soil zudem die Auftragserteilung zur Priifung des Jahresabschlusses (§111 Abs. 2 AktG, § 318 HOB) dem Aufsichtsrat iibertragen werden. Mit dieser Neufassung soil zudem die Unabhangigkeit des Priifers vom Management unterstrichen werden.'"^^ Der Priifungsbericht, der u.a. eine Beurteilung dariiber zu enthalten hat, „ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 des Aktiengesetzes obliegenden Mafinahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Uberwachungsgesetz seine Aufgaben erfulien kann"''^^ wird dem Aufsichtsrat als Auftraggeber vorgelegt. Vor der Zuleitung ist allerdings dem Vorstand die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 321 Abs. 4 AktG).^^^ 5.2.6 Wirtschaftsprufer(f): Exteme Priifung des Uberwachungssystems Nach der Neufassung des § 317 Abs. 4 HGB hat der Abschlusspriifer bei Aktiengesellschaften zu beurteilen, ob der Vorstand den Verpflichtungen des § 91 Abs. 2 AktG zur Einrichtung eines Uberwachungssystems nachgekommen ist. Dabei besteht die Aufgabe des Priifers nur darin, die Vollstandigkeit und Richtigkeit der von der Geschaftsfiihrung zu verantwortenden Darstellung der zukiinftigen Entwicklung auf Plausibilitat zu iiberpriifen.^^^ Aus Wirtschaftlichkeitserwagungen und um eine zeitnahe risikoorientierte Abdeckung der Priifungsfelder zu begiinstigen, erfolgt die Priifungstatigkeit der Wirtschaftspriifer in enger Zusammenarbeit mit der Intemen Revision. Die Zusammenarbeit kann sich dabei bspw. auf einen Informationsaustausch, Durchfiihrung gemeinsamer Projekte
^"^^ Vgl. PEEMOLLER (2004a), S. 30. Zum Verhaltnis zwischen Aufsichtsrat und Uberwachungssystem und den Kontrollmoglichkeiten pointiert HAKELMACHER (1999, S. 135): „Obwohl der Aufsichtsrat vom Vorstand gesteuert wird, gehort der Aufsichtsrat nicht zum Uberwachungssystem, fiir das der Vorstand verantwortlich gemacht werden kann. Der Aufsichtsrat behauptet sich als eigenstandiges tjberwachungsorgan, das vom Vorstand unabhangig, aber von dessen Informationen abhangig seinen Dienst tut." (Hervorhebung im Original) ^"^^ Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 16. '^^ KONTRAG (1998), S. 790. Ausfuhrlicher zu Pflichten und Kompetenzen des Aufsichtsrates vgl. PEEMOLLER (2004a), S. 4 ff. ^^° Vgl. BMJ (2002), S. 75 ff
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und die Abstimmung von Prufungsprogrammen beziehen. AUerdings ist klarzustellen, dass die eigenstandigen Priifungen der Wirtschaftspriifer nicht durch die Ergebnisse der Intemen Revision ersetzt werden diirfen.^^^ Neben der direkten Priifungstatigkeit konnen vom Wirtschaftspriifer, im Rahmen der Vorgaben des §§ 319, 319a und der §§ 43, 43a WPO auch Beratungs- und Gutachtertatigkeiten ubertragen werden, so dass es ebenfalls zu einer Zusammenarbeit mit anderen Funktionen (z.B. Controlling, Vorstand) kommen kann, ohne dass dabei allerdings die Unabhangigkeit der Abschlusspriifer gefahrdet werden darf.^^^
6 Risikomanagement als dynamische Konstruktion in und durch Theorie und Praxis Ziel des 6. Kapitels ist es, das Konzept, die Idee Risikomanagement als eine dynamische Konstruktion zu interpretieren, die durch und in der Interaktion von Theorie und Praxis gleichsam erfunden und entwickelt wird. Die bisherigen Ausfiihrungen werden damit von einer Metaebene betrachtet und analysiert. Im Wesentlichen wurde der Prozess der Interpretation und Konstruktion durch das Gesetz zur KontroUe und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) initiiert, das seit Inkrafttreten am 28.4.1998 bzw. bereits seit der Bekanntgabe der Gesetzesbegriindung am 26.3.1997 eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Risikomanagement bewirkt hat. Aus konstruktivistischer Perspektive lassen sich die Vorgaben des KonTraG, genauso wie die ahnliche Zielsetzungen verfolgenden Vorgaben des TransPuG, des Corporate Governance Kodex etc., als Versuche des Gesetzgebers deuten, eine Initialzundung fiir einen Interpretations- und Konstruktionsprozess in Gang zu setzen, der sowohl das Denken als auch das Handeln sowie die Schaffung der entsprechenden Risikomanagementstrukturen betrifft. Formuliert in der Terminologie des konstruktivistischen Ansatzes besteht die Zielsetzung des Gesetzgebers dann darin, die im Verlauf dieses Prozesses ausgehandelten Strukturen und kulturellen Formen letztlich in selbsttragenden und als legitim angesehenen gesellschafthchen Ordnungen zu stabilisieren und zu institutionalisieren.^^^ Die Finalitat bzw. die innere Logik dieses
^^^ Vgl. IDW PS 321 (2004); DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION (2001a); REINECKE / WAGNER (2000), S. 197. ^^^ Vgl. PEEMOLLER (2004a), S. 3; BILREG (2004). ^^^ Vgl. BERGER / LUCKMANN (2004); FRIED (2001), S. 42 f.
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Risikomanagement und Personal
Prozesses besteht allgemein darin, von den beteiligten „Subjekten geteilte Bedeutungsund Sinnzusammenhange [zu erzeugen], die sich durch (organisierte) Wiederholungen der Kommunikation verfestigen."^^"^ An diesem kreativen Prozess wirken insbesondere die durch die rechtlichen Regelungen direkt einbezogenen Berufsgruppen (Interne Revision, Wirtschaftspriifung etc.), ihre jeweiligen Standesorganisationen^^^, Wirtschaftswissenschaftler und Untemehmensberatungen^^^ mit. Zwischen diesen Akteuren gibt es u.a. liber die Zusanimenarbeit in Arbeitskreisen, den Kontakt auf Tagungen und die verschiedenen Publikationen (wissenschaftliche Beitrage, Risikoberichte etc.) eine intensive Kommunikation und „Kampfe um die Deutungshoheit" hinsichtlich des „richtigen" Verstandnisses von Risikomanagement und dessen Ausgestaltung.^^^ Derjenige, der die Deutungshoheit erwirbt und die „SprachregeIung" vorgeben kann, besitzt Macht in Form von Entscheidungsbefugnissen und der Verfiigung iiber Ressourcen.^^^ Dabei handelt es sich um einen wechselseitigen Prozess mit einer Eigendynamik. Es gilt nicht nur, dass dem der „Regeln erlassen und schriftlich fixieren kann, [,..] auch das Primat der Interpretation"^^^ zusteht. Es gilt ebenso, dass demjenigen, dem in bestimmten Situationen das Primat der Deutung zugewiesen wird (Risikomanagement als traditionelle Aufgabe des Controlling bzw. Finanzwesens), auch als kompetent und interpretationsbefahigt fiir neue Situationen (Risikomanagement im Personalbereich) angesehen wird. In Abb. 4 wird versucht, dieses komplexe Wechselspiel der Konstruktion des Risikomanagement deutlich zu machen. Die einzelnen Pfeile stehen dabei stellvertretend ftir
^^"^ GRIEGER (2004), S. 101. Zu nennen sind hierbei insbesondere das Institut der Wirtschaftsprtifer (IDW), das Deutsche Institut fiir Interne Revision e.V. (IIR) und das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC). ^^^ Stellvertretend fur andere vgl. PWC DEUTSCHE REVISION (2000); KPMG (1998). Haufig fmden sich auch Wissenschaftler, die gleichzeitig als Berater arbeiten. Vgl. DIEDERICHS / REICHMANN (2003); WALGENBACH (2002), S. 180 f. ^^^ Vgl. BERENS / SCHMITTING (2003), S. 362 f.; EICHLER / BUNGARTZ (2004); GERMANN (2004), S. 61; PFITZER / OSER / ORTH (2002); DIEDERICHS / REICHMANN (2003). Allgemein zu Erlangung und Sicherung von Definitionsmacht und Selbstprasentation zur Realisierung eigener Interessen vgl. HITZLER (1993, S. 135 ff.). ^^^ KIESER(1998), S.54.
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eine Vielzahl an Bezugnahmen und Interaktionen, die jeweils mit spezifischen Interessen verbunden sind.^^^ Historischer Kontext (institufionell, kultureU, sozial,
okonomisch,...)
WissenschaftUche BeUrdge Publikation^
[inkrafttreten]
I Basel II J
Abb. 4: Risikomanagement als dynamische Konstruktion dutch Kommunikation und Interaktion in Theorie und Praxis ^^^ Aus konstruktivistischer Perspektive heraus kann jeder wissenschaftliche Beitrag zum Risikomanagement (auch die vorliegende Arbeit) immer auch als ein Argumentationslieferant, eine zivilisierte Form der Munition im Wettstreit/Kampf um Deutungshoheit und VerfUgungsbereiche angesehen werden. Ein Beitrag wird aufgenommen bzw. ignoriert, interpretiert und auf seine Verwertbarkeit zur Unterstutzung der jeweiligen eigenen Position untersucht und in das Weltbild einverleibt. Die Inhalte eines Beitra-
Diese Abbildung erhebt nicht den Anspruch auf vollstandige Erfassung samtlicher sichtbarer und materialisierter Kommunikation. So wurde bspw. die Vielzahl an Entwurfen und Fassungen zu den IDW- Oder IIR-Standards nicht mit aufgenommen, um die Darstellung nicht zu iiberfrachten. Wichtig ist aber zu zeigen, dass es sich um ein komplexes Normengeflecht handelt, das seine Entsprechung in den Beitragen der Wissenschaftler und Beratungen fmdet. Quelle: Eigene Abbildung.
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Risikomanagement und Personal
ges, genauer die selektiven und individuellen Wahmehmungen des Beitrages, werden so zur theorie- und eigeninteressengeleiteten Praxis. Die unterschiedlichen Akteure operierten v. a. in der Anfangsphase der Gultigkeit des KonTraG in einer nur in Ansatzen strukturierten und konsensual gedeuteten Situation. In gewisser Weise herrschte eine „Goldgraberstinimung", in der es darauf ankam, die Claims abzustecken, d.h. Begriffe und Konzepte zu besetzen, um die weitere ErschlieSung des Themenfeldes Risikomanagement moglichst nach eigenen Vorstellungen mitgestalten zu konnen. Auch wenn es mittlerweile eine fast unliberschaubare Menge an Beitragen, Konzepten und Angeboten zum Risikomanagement gibt, es also durchaus kein Nischenthema mehr ist, und sich bestimmte Verstandnisse (z.B. Konzeption des Risikomanagements als Regelkreis) durchgesetzt haben, gibt es offensichtlich nach wie vor einen groBen Erorterungsbedarf auf der Ebene der theoretischen Praxis. Dadurch, dass die inhaltliche Substanz des Begriffes/Konzeptes Risikomanagement (noch) als relativ diffus und unscharf zu charakterisieren ist, erweist sich das Thema Risikomanagement als eine in gewisser Weise ideale Projektionsflache und Interpretationsspielwiese fiir die unterschiedlichen Gruppen. Das Verstandnis bzw. die Verstandnisse davon, was uberhaupt konkrete Risiken sind, wie sie entstehen und wie mit ihnen angemessen umzugehen ist, ist bzw. sind Gegenstand wechselseitiger Bezugnahme(n), evolutorischer Entwicklungen, von Neuinterpretationen und Ruckkopplungen (durch die Pfeile in Abb. 4 angedeutet). Allgemein formuliert, und nicht nur flir den Bereich Risikomanagement zutreffend, bedeutet es, das sich „die in Organisationen gultigen Interaktionsmuster [...] auf dem Wege der Verstandigung zwischen Interaktionspartnem"^^^ herausbilden. Im Kontext Risikomanagement bezieht sich der Begriff Interaktionspartner nicht nur auf die unmittelbaren Organisationsmitglieder, sondem insbesondere auf die vorgelagerten kommunizierenden Akteure/Ebenen Gesetzgeber, Standesorganisationen, Beratungen, Wissenschaft. Noch bevor in Organisationen selbst der Prozess der Verstandigung iiber Inhalte und Ausgestaltung eines angemessenen Risikomanagements richtig begonnen hat(te), ist die allgemeine, auBerorganisatorische Erorterung dazu bereits relativ weit fortgeschritten. In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl neuer risikomanagementbezogener Begriffe und Konzepte erfunden oder es wurden bestehende Begriffe/Konzepte umge-
^^^ KIESER(1998), S.46.
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deutet und mit neuen Inhalten belegt. KIESER (1999) stellt zutreffend fest, dass die „Feststellung organisatorischer Schwachstellen [...] keine methodisch unterstutzte Annaherung an eine objektive Realitat, sondem eine soziale Konstruktion" ist/^^ Bezogen auf das Thema Risikomanagement bedeutet dies, dass an den sprachlichen und gedanklichen Voraussetzungen gearbeitet wurde, um Risiken und Risikomanagement i.S. des KonTraG uberhaupt angemessen diskutieren und strukturieren zu konnen.^^ Es handelt sich hierbei vielfach um Neuinterpretationen, da bereits vor dem KonTraG eine Reihe von Risikomanagementkonzeptionen existierten, insbesondere in den Bereichen Banken, Finanzen und Strategisches Management, die an die gesetzlichen Vorgaben angepasst wurden bzw. vor dem aktuellen historischen Kontext reflektiert und theoretisch erortert wurden, um ein „zeitgema6es" und KonTrag-konformes Risikomanagement zu konstruieren.^^^ Die mehr oder weniger offensichtlich eigeninteressengeleiteten, in die Diskussion eingebrachten Konzeptionen zum Risikomanagement unterscheiden sich voneinander in Abhangigkeit von der jeweiligen Perspektive der Akteure hinsichtlich der Begriffsverstandnisse und -verwendungen und der Abgrenzung und Zusanmiensetzung von Teilprozessen und des Gesamtsystems des Risikomanagements.^^^ Dabei werden von den beteiligten Akteuren begriffliche und inhaltliche Ungenauigkeiten und Unklarheiten, genauso wie die Fokussierung auf bestimmte Aspekte bei Vemachlassigung anderer, sowohl bewusst und/oder unbewusst genutzt als auch erst geschaffen, um die Bedeutung der eigenen Rolle (als Interne Revision, als Abschlusspriifer etc.) als moglichst zentral und einflussreich darzustellen.^^^ Die jeweiligen Begrifflichkeiten werden ge-
^^^ KIESER (1999), S. 312 Zur zentralen Bedeutung der Sprache zur Konstruktion von Wirklichkeit(en) vgl. BERGER / LUCKMANN (2004, S. 36 ff.); FRIED (2001, S. 51); GRDEGER (2004, S. 101). So gab es bspw. von der Zeitschrift Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis BFuP schon 1978 ein Schwerpunktheft mit dem Titel „Risk Management - Ein neuer Ansatz der untemehmerischen Risikopolitik?". ^^ Besteht fur REICHMANN (2001, S. 610) Risikomanagement in erster Linie aus den vier Teilprozessen Risikoidentifikation, -analyse, -steuerung und -uberwachung und Bewertung sowie Handhabung, beriicksichtigen BIHR/DEYHLE (2000a, S. 263) zusatzlich zu den „Kemprozessen" bspw. auch die Abstimmung mit der Strategischen Planung der Geschaftsfiihrung und die Schnittstelle zur Wirtschaftspriifung. Zu unterschiedlichen Abgrenzungen eines Uberwachungssystems vgl. IDW PS 260 (2004); IIR-ARBEITSKREIS „Ds[TERNE REVISION IN DER VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT" (1999, S. 186). Ohne damit aber auch explizit die Verantwortung fiir etwaige Probleme oder Fehlfunktionen zu iibemehmen.
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Risikomanagement und Personal
nutzt, um unterschiedliche Verantwortlichkeiten, Einfluss- und Gestaltungsspielraume (Beratung, Gestaltung oder Vorgabe) fur die eigene Gruppe bzw. fiir die jeweils anderen Gruppen/Akteure zu begriinden und zu konstruieren.^^^ Betrachtet man die groBe Resonanz, die das Thema Risikomanagement derzeitig in Theorie und Praxis erfahrt, dann handelt es sich offensichtlich um ein attraktives Thema, in dem Sinne, als dass es den „Nerv der Zeit" trifft und einem aktuellen Bediirfnis der Rezipienten entspricht. Ohne dass ein gemeinsames Verstandnis davon existiert, was konkrete Risiken sind und wie Risikomanagement effektiv und effizient organisiert werden kann, besteht die relativ diffuse und abstrakte gemeinsame Auffassung, dass „man" sich, wie auch immer, mit den Risiken der kiinftigen Entwicklungen befassen und sie in die alltaghchen Deutungs- und Handlungsmuster einbeziehen sollte. Inwiefem dieser Grundgedanke des Risikomanagements tatsachlich in konkrete und neue Handlungen umgesetzt wird bzw. werden muss, oder ob es nicht in bestimmten Fallen darauf hinauslauft, die Risikomanagementterminologie zu tibemehmen, ohne die Prozesse und Strukturen zu andem, ware zu untersuchen. Moglicherweise werden lediglich Rationalitatsfassaden i.S. einer offentlichkeitswirksamen Parallelwelt geschaffen, wobei die „ressourcenschonende Errichtung Potemkin'scher Dorfer"^^^ oft stillschweigend vom Wirtschaftspriifer gebilligt und testiert wird.^^° In jedem Fall gilt wohl: Wer erfolgreich kommuniziert, dass Risikomanagement betrieben wird, der signalisiert einen uberlegten, verantwortungsvollen, m.a.W. den gewiinschten Umgang mit den Werten des Untemehmens. Auf diese Weise wird versucht. Legitimation der eigenen Position und Handlung bei den jeweils relevanten Anspruchsgruppen zu erzeugen und zu erhalten.^^^ Ein solches Signal einer verantwortungsvollen zukunftsbewussten Untemehmensfiihrung wurde bislang anscheinend vermisst bzw. wurde durch eine Reihe von spektakularen Negativbeispielen erforderlich. Die Negativbeispiele betreffen ein breites Spektrum an Fallen von bewusster Bilanzfalschung, Korruption, Missmanagement und
Beispielhaft sei hier auf die Rolle der Intemen Revision bei der Implementierung und Durchfiihrung eines Risikomanagementsystems verwiesen. Vgl. IDW PS 321 (2004); DEUTSCHES INSTITUT FUR INTERNE REVISION E.V. (IIR) (2001a); LUCK / HENKE (2004); BRAND-NOE (2004). '^^ BERENS / SCHMITTING (2003), S. 363. '^° Vgl. MEYER / ROWAN (1977); WALGENBACH (1999a, 2002). ^^' Vgl. BERGER / LUCKMANN (2004), S. 98 ff.
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Versagens von intemen und extemen Kontrollstrukturen. Dabei handelt es sich sowohl um ein nationales als globales Phanomen, das nicht nur die ublichen Verdachtigen (Entwicklungslander, Diktaturen etc.) betrifft, sondem auch oder gerade hochentwickelte Volkswirtschaften wie die USA (Enron, WorldCom, Boeing, Arthur Anderson), Deutschland (Balsam, Holzmann), Niederlande (Ahold, Baan) und Italien (Parmalat).^^^ Die Meldungen uber derartige Falle treffen auf eine zunehmend sensibilisierte Offentlichkeit, die durch ebenfalls sensibilisierte Joumalisten und Justizvertreter zunehmend mit neuen Fallen versorgt werden, wobei nicht klar zu beurteilen ist, ob sich die Anzahl der Falle vergroBert hat oder lediglich die Berichterstattung dariiber zugenommen hat. Insgesamt ist jedenfalls in der Offentlichkeit ein Negativbild, gerade der GroBuntemehmen entstanden, welches durch die Diskussion iiber hohe bzw. zu hohe Managementgehalter noch bestatigt und verstarkt wird.^^^
7 Risikomanagement und Personal - ein Literaturiiberblick In den letzten Jahren, seit Inkrafttreten des KonTraG, wurde eine kaum noch iiberschaubare Anzahl an Konzeptionen, Praxisberichten etc. zum Themenfeld Risikomanagement pubUziert. Nach wie vor sehr iiberschaubar bleiben dagegen die Beitrage, die sich speziell mit dem Risikomanagement der Humanressourcen und diesbezuglichen Konzeptionen befassen. Ziel des 7. Kapitels ist es, einen tJberblick iiber die wesentlichen Ansatze und Konzeptionen fur das Risikomanagement der Humanressourcen zu geben, die entweder das Risikofeld systematisch in das gesamte Risikomanagement integrieren, die mogliche Personalrisiken in ihrer Gesamtheit systematisch behandeln, diesbezugliche UrsacheWirkungszusanmienhange thematisieren, oder die einen Beitrag zur theoretischen Fundierung eines Risikomanagements der Humanressourcen/des Personals liefem. Auf Analysen und Beitrage, die sich lediglich mit Einzelrisiken befassen, wird an dieser
'"'^ Vgl. KUBZIK (2004); PITZKE (2003); OLD AG (2003); WEIDEMANN (2003). Die haufig zitierten spektakularen Falle verdecken, dass Bilanzfalschungen, Missmanagement etc. genauso bei kleineren Untemehmen zu finden sind, d.h. es handelt sich nicht nur um ein Problem von GroBuntemehmen. ^^^ Vgl. DECKSTEIN / DOHMEN / HAWRANEK / TIETZ (2004); BEISE / OLDAG (2005); KRAMARSCH (2001); O.V. (2004).
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Risikomanagement und Personal
Stelle nicht eingegangen, da es hier darum geht, den Gesamtzusammenhang des Themenfeldes „Risikomanagement und Personal" zu erfassen.^^"^ 7.1
Risiken des Personalbereichs - die Perspektive der internen Revision
Als einer der ersten Ansatze zur Systematisierung moglicher Risiken des Personalbereichs, mit expliziter Bezugnahme auf die Regelungen des KonTraG, ist der Beitrag von BRAND-NOE (1999) anzusehen, die das Ziel verfolgt, mogliche Personalrisiken aufzuzeigen und eine untemehmensinteme und -exteme Fachdiskussion anzuregen.^^^ Beispielhaft und wohl auf eigenen Erfahrungen bzw. einfachen Plausibilitatsiiberlegungen beruhend, werden mogliche Indikatoren zur Analyse von Personalrisiken dargestellt und Problembereiche bei der praktischen Durchftihrung skizziert. BRANDNOE (1999) unterscheidet insgesamt sieben Risikofelder: (1) Risiken aus zu geringem Personalbestand, (2) Risiken aus zu hohem Personalbestand, (3) Risiken der Uberalterung des Personals, (4) Risiken durch Versaumnisse bei Qualifizierung und Personalentwicklung, (5) Risiken einer unzeitgemaBen Untemehmenskultur, (6) Risiken aus dem Ethikverstandnis des Untemehmens und (7) Risiken aus der Unvereinbarkeit von Untemehmenskulturen. ^^^ Ihre skizzenhaften Uberlegungen, die einen eher explorativen Charakter haben, beziehen sich damit „nur auf solche Risiken [...], die durch Versaumnisse der organisierten Personalarbeit im Untemehmen entstehen, unabhangig von der Organisationsform."'^^ Ausgeklammert werden „hohe fmanzielle Risiken, die durch VerstoBe gegen Gesetze auf das Untemehmen zukommen konnen, seien diese VerstoBe in Unwissenheit, Nach-
^^"^ Z.B. LUCK (2000) zu Managementrisiken; NIEDER (1999) zu Fehlzeiten- und Fluktuationsrisiken; NEEGEL (1999) zu Wirtschaftsspionage; LOW (2002) zu Wirtschaftskriminalitat im Rahmen eines integrierten Risikomanagements und einer diesbeziiglichen Fallstudie zur Barings Bank. '^^ Vgl. BRAND-Noe (1999), S. 314. Der Artikel wurde in der Zeitschrift Interne Revision ZIR unter der Rubrik „Diskussion" veroffentlicht und ist mit der Aufforderung der Schriftleitung zur MeinungsauBerung verbunden. Die Veroffentlichung der Repliken wird fiir das jeweils nachste ZIR-Heft zugesagt. Der Aufforderung kamen SCHWAGER (2000a) und RECKLIES (2000) nach, die verschiedene Uberlegungen weiterfiihren, konzeptionelle Hinweise zur Durchfiihrung eines Risikomanagement im Personalbereich geben bzw. zu einzelnen Punkten ihre ablehnende oder zustimmende Meinung bekanntgeben, ohne damit aber besonders hervorzuhebende Aspekte in die Diskussion einzufuhren. ^^^ Vgl. BRAND-NOE (1999), S. 315 ff. ^^^ BRAND-NOE (1999), S. 314.
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lassigkeit, Arbeitsfehlern oder betriigerischen Machenschaften begriindet."^^^ Diese Einschrankung lasst sich einordnen vor dem fachlichen Hintergrund der Autorin und dem Selbstverstandnis der intemen Revision (Fokus liegt auf Untemehmensprozessen und -strukturen). Als Mitglied des ZIR-Arbeitskreises „Revision Personalmanagement und Dienstleistungen" sieht BRAND-NOE (1999) die interne Revision in einer eher beratenden RoUe hinsichtlich der Benennung und Entwicklung geeigneter Indikatoren fur das Risikomanagement (nicht nur fur den Personalbereich) und die Prufung des gesamten Systems, nicht jedoch in der RoUe des Risikomanagers. Auch wenn es sich hierbei um erste Uberlegungen zur Strukturierung des Risikofeldes Personal handelt, die kaum den Anspruch eines ausgereiften und fundierten Konzeptes erfiillen (konnen), kann die Art und Weise der Auflistung moglicher Risikofelder als durchaus typisch fur die Beitrage von Vertretem der intemen Revision, aber auch von Wirtschaftspriifem, gesehen werden:^^^ 1. Die Auflistung moglicher Risiken hat einen enzyklopadischen Charakter, d.h. es handelt sich nicht um eine geschlossene (theoretisch fundierte) Konzeption. Die Aufzahlung der einzelnen Risiken und deren jeweiligen Auspragungen, die in gewisser Weise beliebig bleiben, werden i.d.R. nicht zu einem Gesamtsystem verkniipft, in dem die Beziehungen und die Art und Weise des Zusammenwirkens einzelner Risiken systematisch analysiert und dargestellt werden. 2. Die Auswahl und Benennung der Risiken und Indikatoren zu deren Identifikation werden nicht, oder nur unzureichend, begriindet. Die (theoretischen) Uberlegungen und (impliziten) Annahmen iiber Ursache-Wirkungszusammenhange werden zumeist nicht naher ausgefuhrt. 3. Ebenso unklar bleibt zum einen, wie die erhobenen Kennzahlen und Indikatoren zu bewerten sind bzw. von welchen situativen Faktoren eine solche Bewertung abhangt oder abhangen konnte. Zum anderen wird typischerweise nicht thematisiert,
^'^^ BRAND-NOE (1999), S. 314. 179
Vgl. ER-ARBEITSKREIS „INTERNE REVISION IM KRANKENHAUS" (2003); IIRARBEITSKREIS „INTERNE REVISION IN DER VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT" (1999); IIR-ARBEITSKREIS „REVISION DES KREDITGESCHAFTES" (2004); IIR-ARBEITSKREIS „REVISION DES PERSONAL- UND SOZIALWESENS, ALLGEMEINE VERWALTUNG" (2002); IIR-ARBEITSKREIS „REVISION DES VERTRIEBS" (2004); BIHR / DEYHLE (2000a, 2000b); IDW RS HFA (2004); IDW PS 260 (2004); IDW PS 270 (2005); IDW PS 321 (2004); IDW PS 345 (2004); IDW PS 450 (2004).
52
Risikomanagement und Personal
nach welchen Kriterien und mit welchen Verfahren die wesentlichen Risiken zu identifizieren und zu handhaben sind. 4. Der Fokus liegt auf der Erhebung und Analyse von quantitativen Daten (z.B. Personalstand, Fluktuationsquote). Eher weiche Faktoren und deren Analyse (z.B. Untemehmenskultur, Motivation, Loyalitat) bleiben zumeist ausgeklammert bzw. werden lediglich vage angedeutet.^^^ 5. Die Beitrage konzentrieren sich vornehmlich auf die Identifikation und Messung moglicher Risiken. Weiche Entscheidungen und Handlungen aus erhobenen Daten abzuleiten sind, ist i.d.R. nicht Gegenstand der Ausfuhrungen. Diese fiinf skizzierten (allgemeinen) Charakteristika der Beitrage von Autoren aus den Bereichen interne Revision und Wirtschaftspriifung zum Risikofeld Personal konnen nach wie vor Gultigkeit beanspruchen. Gleichwohl zeigen sich erste Ansatze einer Weiterentwicklung und Neuausrichtung der beteiligten Funktionen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang insbesondere der risikoorientierte Priifungsansatz, der einen Wandel der bisherigen Revisionsphilosophie mit sich bringt, und eine auf die unternehmerischen Kemprozesse ausgerichtete Risikoprtifung vorsieht. Der friihere Universalitatsanspruch, alle Risiken zu erfassen, wird aufgegeben zugunsten der Vorgehensweise, die begrenzten Ressourcen der intemen Revision auf die risikohaltigsten Priifobjekte zu konzentrieren.^^^ BRAND-NOE (2004) versucht diesen Priifungsansatz auf den Personalbereich anzuwenden und skizziert die folgenden Ansatzpunkte fiir eine systematische Risikoidentifikation der wesentlichen Personalrisiken: (1) Statistische Auswertungen als Basis der Risikoerkennung, (2) Risikoerkennung anhand von Kriterien, (3) Praxis der innerbetrieblichen Risikoidentifikation, (4) Personalrisiken aus der Literatur und (5) Friihwamsystem „Mitarbeiterbefragung". ^^^ Bemerkenswerter als der inhalthche Gehalt der relativ explorativ dargestellten Ansatze ist die Tatsache, dass es sich bei diesen Ansatzen offensichtlich um eine neue Denkund Vorgehensweise der intemen Revision handelt. M.a.W. fur die interne Revision
Es findet sich bezeichnender Weise der folgende Hinweis hinsichtlich der Bestandsaufnahme der Untemehmenskultur: „Hier werden Instrumente der empirischen Sozialforschung gebraucht; entsprechende Institute bieten ihre Dienste an." (BRAND-NOE 1999, S. 319) ^^^ Vgl. BRAND-NOE (2004). Allgemein zum risikoorientierten Prufungsansatz vgl. PEMOLLER (2004a), S. 19 f.). ^^^ Vgl. BRAND-NOE (2004).
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
53^
spielte es bislang eher keine RoUe, die Risikopriifung nach Effizienz- und Effektivitatsgesichtspunkten zu gestalten! Zumindest, und das ist positiv zu vermerken, wird der Personalbereich zunehmend als ein relevantes Risikofeld gesehen, mit dem sich auch interne Revision, Controlling etc. befassen soUten. Sowenig fundiert diese Beitrage i.d.R. auch (noch) sind, ist dies insofem als ein Fortschritt anzusehen, als dass der Personalbereich und die damit verbundenen Risiken nicht mehr in dem friiheren AusmaB ignoriert werden. Gleichzeitig ist eine Veranderung des Selbstverstandnisses der Intemen Revision festzustellen, hin zu einer starker beratenden Einbindung, bis an die Grenze, hinter der die Unabhangigkeit der prozessunabhangigen Priifinstanz nicht mehr gewahrleistet ist. Selbstbewusst wird die „exponierte Stellung im Risikomanagementsystem und Uberwachungssystem"^^^ betont. Dieser mehr oder weniger deutlich formulierte Anspruch auf Einbeziehung und institutionalisierte Mitgestaltung im Rahmen des Risikomanagementsystems konstruiert einen vergroBerten Verantwortungs- und Einflussbereich fiir die Interne Revision, die zu einer Verkleinerung der Einflussbereiche anderer (z.B. Controlling oder hier der Personalabteilung) fuhren.^^"^ BRAND-NOE (2004) leitet konsequenterweise aus diesem veranderten Problembewusstsein neue Anforderungen an die Kompetenzen eines Revisors ab, der nun auch iiber fundierte (theoretische und praktische) Fachkenntnisse im Personalmanagement, der empirischen Sozialforschung, Kenntnisse der Untemehmenszusammenhange, Sozial- und Fuhrungskompetenzen etc. verfugen soil. Da dies aber im Normalfall wohl nicht von der intemen Revision zu leisten sein wird, soUten Kooperationen mit internen (z.B. Personalabteilung) und extemen Partnem (z.B. spezialisierte Untemehmensberatung, Forschungsinstitute) initiiert werden, um das Priifungsfeld Personal abzudecken.^^^
^^^ LUCK / HENKE (2004), S. 8. ^^"^ Stellvertretend fur andere vgl. PEEMOLLER (2004a); LUCK / HENKE (2004); BRAND-NOE (2004). Vgl. BRAND-NOE (2(X)4); zu Berufsbild und Anforderungen an den Intemen Revisor s.a. PEEMOLLER (2004b, S. 186 ff.).
54
7,2
Risikomanagement und Personal
Praktikerorientierte Konzeptionen eines Personalrisikomanagements
Wurde mit dem vorangehenden Abschnitt der Stand der Diskussion zum Thema Risikomanagement und Personal aus dem Bereich der intemen Revision und Wirtschaftspriifung dargestellt und bewertet, wird im Folgenden nun auf die Beitrage von Vertretem aus dem Bereich Personal eingegangen werden, die aufgrund ihres fachlichen Hintergrundes andere Zugange zu dem vergleichsweise neuen Themenfeld wahlen. Als eine der ersten und wohl am haufigsten zitierte Konzeption (auch von Controllem) eines Risikomanagements der Humanressourcen ist der Ansatz von KOBI (1999, 2003) anzusehen. Es werden vier Hauptfelder an Personalrisiken unterschieden: (1) Engpassrisiko durch fehlende Leistungstrager, (2) Austrittsrisiko durch gefahrdete Leistungstrager, (3) Anpassungsrisiko aufgrund falsch qualifizierter Leistungstrager und (4) Motivationsrisiko aufgrund zurlickgehaltener Leistung von Mitarbeitern.^^^ Ausgeklammert werden von KOBI (1999) die Risiken, die sich aus Fehlentscheidungen Oder -verhalten des Managements, Wirtschaftsspionage und -kriminalitat ergeben konnen, sowie die operativen Risiken, die unmittelbar im Zusammenwirken von Personal und Organisation in den betrieblichen Prozessen entstehen.^^^ Begriindet wird diese Auswahl der vier Risikofelder nicht, dabei ware z.B. durchaus zu diskutieren, warum „Managementrisiken" nicht behandelt werden, da gerade diese Risiken zum KonTraG bzw. der ubergeordneten Corporate Govemance-Diskussion gefuhrt haben. Wenig uberzeugend ist die Auswahl auch vor dem Hintergrund, dass KOBI (1999) in Teil III seines Buches ubergreifende Aspekte wie strategisches HR-Controlling, Untemehmenskultur und Fiihrungsqualitat und Rahmenbedingungen lernender Organisationen relativ ausfiihrlich behandelt (ohne sie dabei allerdings konsequent auf das Risikomanagement zu beziehen), d.h. Themen- und Risikofelder, die wesentlich von den Entscheidungen und Handlungen des Managements und der Fiihrungskrafte beeinflusst werden. Zumindest, und das erklart moglicherweise die Auswahl, dlirfte es wohl den Managem und Fiihrungskraften, die die Seminare und Beratungsleistungen des
'^^ Vgl. KOBI (1999). ^^'^ Vgl. KOBI (1999), S. 17. Dabei handelt es sich nicht urn eine Ausnahmeerscheinung, sondem vielmehr um ein typisches Vorgehen und Verstandnis in der Literatur. Nur wenige Ausnahmen, z.B. LUCK (2000), LOW^ (2002), KROPP (2004), befassen sich explizit mit Managementrisiken.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
55
Managementberaters KOBI in Anspruch nehmen, gefallen, nicht selbst zum Gegenstand von Risikomanagementaktivitaten gemacht zu werden.^^^ Anhand des Risikomanagementkreislaufs mit den vier Phasen Risikoidentifikation, messung, -steuerung und -uberwachung, befasst sich KOBI (1999) konkret und systematisch mit den vier Risikofeldem. Dies geschieht zum uberwiegenden Teil, indem er geeignete, bereits bestehende HR-Instrumente (MaBnahmen der Personalplanung, Retentionsmanagement, Mitarbeiterbefragungen, Personalentwicklung etc.) aus Risikomanagement-Perspektive auswahlt, neu interpretiert, strukturiert und weiterentwickelt. KOBI (1999, 2003) schreibt fur den Praktiker, genauer fur Personalmanager und Fiihrungskrafte, d.h. die mit konkreten Beispielen unterlegten Ausfuhrungen sind anschaulich und handlungsorientiert - darin liegt sein Verdienst. Eine theoretisch und methodisch fundierte Konzeption eines Risikomanagements der Humanressourcen leistet er dagegen genauso wenig wie die Integration des Personalbereichs in das Gesamtrisikomanagementsystem eines Untemehmens. Praktikerorientiert, aber eher aus einer wissenschaftlichen Perspektive heraus versucht ACKERMANN (1999a), das Risikofeld „Personalbereich" systematisch zu strukturieren und unterscheidet grundsatzlich zwischen einer personal- und einer personalmanagementbezogenen Risikoanalyse (Abb. 5).^^^
Ohne also die personlichen Beweggriinde fiir seine Auswahl tatsachlich zu kennen, lasst sie sich doch immerhin als eine, fiir Berater typische Auswahl, den Eigen- und Vermarktungsinteressen dienliche Konstruktion des Risikofeldes Personal interpretieren. Als eine Konstxuktion durch den an Auftragen interessierten Berater KOBI, der, ob bewusst oder unbewusst, die Kundenwunsche antizipiert. 1QQ
Vgl. ACKERMANN (1999a). Wobei auch ACKERMANN als Untemehmensberater tatig ist und als geschaftsflihrender Gesellschafter der Untemehmensberatung ispa Institut fiir Strategische Personalfiihrung und Arbeitszeitgestaltung GmbH sicherlich auch immer die Verwertbarkeit seiner wissenschaftlichen Forschung im Hinterkopf hat.
56
Risikomanagement und Personal
Betrachtungsebenen Betrachtungsweisen Personal
Personalmanagement
1. Ursacheorientierung
Risiken durch Personal
Risiken des Personalmanagements
2. Wirkungsorientierung
Risiken fiir Personal
Risiken fur Personalmanagement
3. Managementorientiening
Risiken bewaltigen mit Personal
Risiken bewaltigen mit Personalmanagement
Abb. 5: Strukturierung des Risikofeldes „Personalbereich"^^^ Der Mehrwert dieser (analytischen) Differenzierung ist insbesondere darin zu sehen, dass das Personal als handelndes Subjekt und (Fehl)Entscheidungstrager konzeptionell berijcksichtigt wird. Es wird so verdeutlicht, dass sich „Personalrisiken" nicht nur auf die Funktionen der Personalarbeit und -abteilung (mangelhafte Personalentwicklung, fehlende Personalplanung etc.) beziehen. Als Akteure und Trager der Personalarbeit sind damit, im Gegensatz z.B. zu KOBI (1999), „insbesondere die Vorstandsmitglieder / Geschaftsfuhrer als letztlich Verantwortliche fiir wesentliche Personalentscheidungen, die Fuhrungskrafte mit Personalverantwortung in den Fachbereichen auf verschiedenen Hierarchieebenen, Betriebsrate in Erfullung der ihnen nach Betriebsverfassungsgesetz BetrVG zustehenden Mitbestimmungsrechte und bereichsiibergreifende Projektteams gegebenenfalls unter Beteiligung intemer und/oder extemer Berater"^^^ als Subjekt und Objekt in das Risikomanagement der Humanressourcen zu integrieren. Allerdings folgt ACKERMANN (1999a) in seinen weiteren Ausfuhrungen eher einem klassischen, d.h. engerem Personalverstandnis und befasst sich nicht in entsprechender Weise mit der Bedeutung von Fuhrungskraften, Management und Corporate Governance-Strukturen im Rahmen des Risikomanagements. GemaB der von ihm erstellten Systematik ordnet ACKERMANN (1999a) den einzelnen Kategorien mogliche Risiken des Personalbereichs zu und entwickelt eine Reihe von Ansatzen zur Identifikation und klassifizierenden Bewertung von Risiken. Diese Ausfuhrungen, denen zu dem Zeitpunkt der Veroffentlichung (1999) durchaus ein Pioniercharakter beigemessen werden kann, beschranken sich (ihrer Zielsetzung
Quelle: ACKERMANN (1999a) S. 66. ACKERMANN (1999a), S. 51.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
57^
entsprechend) auf den Personalbereich, der relativ isoliert betrachtet wird. Eine Verkniipfung von Risiken des Personalbereichs mit Aspekten der strategischen Untemehmensfuhmng, der Gefahrdung von Wettbewerbsvorteilen, den wertschaffenden Kemprozessen etc. des Untemehmens fmdet nur in Ansatzen statt und bleibt unzureichend.^^^ So bleiben auch die Beispiele fiir Ziel- und Erwartungsabweichungen, die mogliche Risiken durch Personal auflisten, in gewisser Weise beliebig, denn sie werden nicht auf die Konsequenzen fiir die Wettbewerbs- bzw. gesamte Risikosituation des Untemehmens bezogen/^^ WUCKNITZ (2002a) entwickelt mit seinem Werttreibermodell des Humankapitals einen umfassenden Ansatz zur Bestimmung und Berechnung des Personalwertes. Anhand von zehn personellen Werttreibem des Humankapitals, die wiederum von insgesamt 36 Faktoren bestimmt werden, liefert das in sich geschlossene Modell eine konkrete WertgroBe, um den Beitrag des Humankapitals am Untemehmenswert zu bestimmen.^^"* Als Nebenprodukt seiner Ausfiihrungen, deren primare Zielsetzung die Bestinmiung des Personalwertes ist, entwickelt WUCKNITZ (2002a) auf Basis des Werttreibermodells die Grundkonzeption eines auf die Werttreiber des Humankapitals, und damit auch (allerdings in seiner Konzeption nur indirekt) auf die untemehmerischen Wertschopfungsprozesse ausgerichteten Personalrisikomanagements, verstanden als „Prozess und Instrumente zur gezielten KontroUe und Senkung potentiell wertmindemder personeller Einflusse".^^^ Die zehn Risikokategorien entsprechen konsequenterweise den zehn personellen Werttreibem und umfassen insgesamt 36 Risikofaktoren, die in der Abb. 6 komplett darstellt werden, um die als sinnvoU angesehene Verkettung mit iibergreifenden Aspekten wie Untemehmensumfeld, aber auch die enge Verzahnung von Personal und Organisation deutlich zu machen.
^^^ Vgl. Z.B. ACKERMANN (1999a), S. 75. ^^^ Vgl. ACKERMANN (1999a), S. 69 f. ^^"^ Vgl. WUCKNITZ (2002a). ^^^ WUCKNITZ (2002a), S. 136.
58
Risikomanagement und Personal
Werttreiber / Risikokategorien
Risikofaktoren 1. 2.
1) Untemehmensumfeld 3. 4. 2) Unternehmensstruktur 5. 6. 7. 8. 3) Team-Prozesse 9. 10. 11. 4) Fiihrung 12. 13. 14.
5) Personalmanagement
15. 16. 17. 18.
6) Personelle Rechtsstruktur
7) Personelle Finanzstruktur
8) Personelle Organisationsstniktur
9) Schliisselkrafte
19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.
34. 35. 10) Unternehmenskultur.
36.
Unsicheres oder untemehmensfeindliches politisches Umfeld; 1 ablehnende Haltung zwischen Arbeitgebem und Arbeitnehmern oder leistungsvemeinende Werte im gesellschaftlichen Umfeld; Rezession, Instabilitat, Wettbewerbsdruck oder nachteilige Arbeitsmarktstruktur im wirtschaftlichen Umfeld; sich aufblahende formale Struktur oder zunehmende Anzahl von Schnittstellen; intransparente oder machtige informelle Struktur; unangepasste oder widerspruchliche inhaltliche Struktur; zu langsamer, inkonsistenter oder unvollstandiger Informationsprozess; 1 zu komplexer oder uneinheitlicher Kommunikationsprozess; liickenhafter oder stockender Kooperationsprozess; zu langwieriger, intransparenter oder zu komplexer Entscheidungsprozess; zu hierarchisch oder zu demokratisch ausgerichteter oder zu starrer Fiihrungsprozess; zu viele, zu wenige, zu aufwendige oder zu wenig vemetzte Fiihrungssysteme; instabiles oder nicht berechenbares oder motivationshemmendes Fiihrungsverhalten; nicht vorhandene, unklare, nicht kommunizierte oder falsch ausgerichtete Strategie der Personalarbeit; kundenfeindliche oder ineffiziente Struktur des Personalbereiches; ineffiziente, ineffektive oder nicht vemetzte Ablaufe im Personalmanagement; veraltete oder unokonomische oder unangemessene Systeme und Instrumente der Personalarbeit; nicht motiviertes, nicht qualifiziertes, nicht akzeptiertes oder zu wenig Personal im Personalbereich; zu hoher Umfang der arbeitsrechtlichen Regelungen; unangemessener oder veralteter Inhalt der arbeitsrechtlichen Regelungen; mangelnde oder zu aufwendige Veranderbarkeit der arbeitsrechtlichen Regelungen; zu hohe oder zu stark wachsende Personalkosten; zu komplexe oder zu starre Struktur der Personalkosten oder zu wenig leistungs- oder erfolgsabhangige Vergiitungskomponenten; zu geringe Flexibilitat der Personalkosten; zu groBer oder ungunstig verteilter Umfang des Personalstamms; mangelnde oder falsche Qualitat des Personals; ungiinstige qualitative oder demographische Zusammensetzung des Personalstamms; zu geringe Veranderbarkeit der Personalstruktur; zu geringe Anzahl respektive sinkende Anzahl durch zu hohe Fluktuation; falscher Einsatz (hohe Anzahl von Schlusselkraften auf Positionen, die ihrer Qualifikation nicht entsprechen oder fiir den Geschaftserfolg wenig bedeutsam sind); mangelnde oder falsche Kompetenz (sachlich, personlich, sozial); negative Einstellung, zum Beispiel mangelnde Motivation oder den Zielen des Unternehmens nicht entsprechende Motivation, oder mangelnde Veranderungsbereitschaft, Verhalten, das nicht im Einklang mit der Untemehmensstrategie oder der Unternehmenskultur steht (etwa hinsichtlich Fuhrungsstil, Arbeitseinsatz, Zuverlassigkeit, Leistung); Werte des Personals sind nicht strategiekonform oder leistungshemmend; vorhandene Verhaltensnormen und Standards (Leitlinien, Fuhrungsgrundsatze) sind nicht strategiekonform oder leistungshemmend; AuBerungsformen der Unternehmenskultur sprechen fiir geringes Leistungs-, Quahtatsund/oder Erfolgsbewusstsein (Beispiele: hohe Fehlerraten, hoher Krankenstand, niedrige Arbeitszeiten, ausschlieBlich Fixvergiitung, Fehlen verhaltensbedingter Kiindigungen) oder fiir mangelnde Identifikation mit dem Untemehmen (hohe Fluktuation, geringe Arbeitszufriedenheit laut Befragung).
Abb. 6: Risikokategorien auf Basis des Werttreibermodells^'
Quelle: WUCKNITZ (2002b, S. 31), geringfugig modifiziert.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
59^
Uber jeden dieser einzelnen Risikofaktoren und deren jeweilige Sinnhaftigkeit, Bedeutung, Operationalisierbarkeit etc. konnte und miisste ausfuhrlich diskutiert werden, was im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann und soil. Wichtiger als dies ist hier, dass die in das Werttreibermodell eingebettete Systematik nach WUCKNITZ (2002a, b) wichtige Anhaltspunkte liefert, wie die potentiell den Personalwert mindemden Einflusse systematisch identifiziert und quantifiziert werden konnen. Die Handhabung der Risiken, d.h. welche Instrumente, MaBnahmen und Handlungen in welcher Form geeignet sind und wie sie umgesetzt werden konnen und soUten, um moglichen Personalrisiken erfolgreich zu begegnen - sowie die Einbettung in ein Gesamtrisikomanagementsystem - sind dagegen nicht Gegenstand seiner Ausfuhrungen. 7,3
Ansatze zur theoretischen Fundierung des Risikomanagements
Die bislang vorgestellten Beitrage zum Risikomanagement der Humanressourcen konnen von ihrer Struktur und inhaltlichen Ausrichtung her tendenziell als praktikerorientierte Beitrage bezeichnet werden. Sie liefem, mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, dem Personalmanager bzw. dem zustandigen Risikoverantwortlichen Instrumente und Orientierungsmuster fiir das Risikofeld Personal. Sie folgen dabei eher (mehr Oder weniger nachvoUziehbaren) Plausibilitatsuberlegungen als einer integrierten, theoretisch fundierten Gesamtkonzeption. Diese „Theoriearmut" kennzeichnet allerdings nicht nur die Beitrage zum Risikofeld Personal, sondem kann als durchaus typisch auch fiir die uberwiegende Anzahl der Beitrage zu anderen Risikofeldem angesehen werden.^^^ In gewisser Weise konrnit daher den Arbeiten von DRUMM (2004), DRUMM / DAL ZOTTO (2004) und KROPP (2004) eine Ausnahmestellung zu, deren Zielsetzung es ist, einen umfassenden theoretischen Bezugsrahmen fiir das Risikomanagement, in erster Linie fiir die Bereiche Personal und Organisation, zu entwickeln. Allerdings befassen sich die beiden zuerst genannten Beitrage im Wesentlichen nur mit der ^sikoanalyse, d.h. Aspekte der Risikohandhabung oder des Controlling werden nur indirekt thematisiert.'^^
197
Als hervorzuhebende Ausnahmen sind die folgenden Ansatze zur theoretischen Fundierung eines Risikomanagements anzusehen: LIEKWEG (2003) zu einer praskriptiven Theorie des Risikomanagements und W O L F (2003a) zur Integration des Risikomanagements in die wertorientierte Untemehmensfiihrung. ^^^ V g l DRUMM (2004); DRUMM / DAL ZOTTO (2004).
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Risikomanagement und Personal
Den Ausgangspunkt der Konzeption eines entscheidungsorientierten Risikomanagements nach DRUMM / DAL ZOTTO (2004) bildet die Annahme, dass „Risiken [...] durch mangelhafte oder falsche Entscheidungen auf alien Entscheidungsebenen der Hierarchie sowie in alien Stufen des Wertschopfungsprozesses" entstehen.^^^ Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass als primare Risikoursache fiir falsche Entscheidungen die „bei der Planung vorliegende Unsicherheit bzw. Unvollkommenheit der verfiigbaren Informationen"^^ anzusehen sind. Daraus wird die Forderung abgeleitet, dass Entscheidungen, auf strategischer und operativer Ebene, auf Folgen und Existenz von Risiken zu uberprufen sind.^^' Mogliche Risiken durch fehlerhafte Entscheidungen werden nach DRUMM / DAL ZOTTO (2004) differenziert in sechs so genannte formale Risikoquellen, die jeweils zu analysieren und zu bewerten sind: (1) die Entscheidung selbst, (2) die informatorische Entscheidungsvorbereitung (ex ante), (3) der Umgang mit der Entscheidung nach Auftreten neuer Informationen (ex post), (4) die Vemetzung von Entscheidungen, (5) die Konstruktion der Wirkungshypothese und (6) die Entscheidungsimplementation.'^^^ Auch fur KROPP (2004) ist Risikomanagement „im Prinzip nichts anderes als ein zukunftsorientiertes Entscheidungsmanagement"^^^ Seine Konzeption eines entscheidungsorientierten Personalrisikomanagements entwickelt er im Kontext eines Ubergeordneten systemischen Bezugsrahmens.^^ Im Vordergrund stehen hierbei weniger die einzelnen Phasen einer Entscheidung, sondem die Verkniipfung von Personalrisiken, verstanden als potentielle Zielgefahrdungen, die direkt aus dem untemehmerischen Zielsystem abgeleitet werden. Auf der Ebene der ObjektzieleZ-risiken werden unterschieden: (1) Inputziele => Inputrisiken, (2) Potentialziele => Potentialrisiken, (3) Outputziele => Outputrisiken; auf der Ebene der Formalziele/-risiken: (1) Versorgungszie-
^^^ DRUMM / DAL ZOTTO (2004), S. 386. ^^^ DRUMM / DAL ZOTTO (2004), S. 388. '°^ Vgl. DRUMM / DAL ZOTTO (2004), S. 386. ^^^ Vgl. DRUMM / DAL ZOTTO (2004), S. 392 ff. '°^ KROPP (2004), S. 133. In seinem systemischen Grundmodell werden die Systeme „Umwelt", „Untemehmung" und „Mensch" miteinander in Beziehung gesetzt, die sich iiber einen AuBenkreislauf (Output => Umwelt Mensch) und einen Innenkreislauf (Output => Input => Mensch) wechselseitig beeinflussen. Vgl. KROPP (2004), S. 134 f.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
6\_
le =» Versorgungsrisiken, (2) Sozialziele =^ Sozialrisiken, (3) Erfolgsziele =» Erfolgsrisiken.^^^ Hervorzuheben sind bei dem Ansatz von KROPP (2004) v.a. zwei Aspekte, die zwei typische Schwachen bzw. Leerstellen von Risikomanagementkonzeptionen aufgreifen und konzeptionell beriicksichtigen. Dies betrifft zum einen die vemetzte Risikoanalyse und -steuerung, die einen Gegenentwurf zu den isolieiten und vereinfachten Betrachtungen einer linearen Risikoanalyse und -steuerung darstellen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich Risiken wechselseitig beeinflussen und i.d.R. multikausal bedingt sind.^^ Zum anderen hebt er die besondere Bedeutung suboptimaler Managemententscheidungen fur die jeweilige Risikosituation eines Untemehmens hervor und macht die Analyse und Steuerung diesbeziiglicher Risiken zu einer Kemaufgabe im Rahmen des Personalrisikomanagements.^^^ Mit seinem Ansatz liefert KROPP (2004) einen Beitrag zur einer theoretischen Fundierung und systematischen, systemischen und ganzheitlichen Konzeption eines Personalrisikomanagements. Obwohl grundsatzlich zwar der Bezug zwischen ubergeordneten UntemehmenszielenZ-risiken und Personalrisiken hergestellt wird, fmdet eine konkrete Verknupfung von Risiken mit den wertschaffenden Kemprozessen und der Gefahrdung von Wettbewerbsvorteilen nicht statt. Die Perspektive ist eine andere, d.h. die Ausfuhrungen beschranken sich im Wesentlichen auf die intemen untemehmensbezogenen systemischen Aspekte eines entscheidungsorientierten Personalrisikomanagements. Speziell fiir die beiden Funktionsfelder Organisation und Personalwirtschaft entwickelt DRUMM (2004), ausgehend von der Transaktionskostentheorie, eine integrierte Konzeption des Risikomanagements. Die zentrale Annahme in diesem Zusammenhang lautet, dass durch die (erfolgreiche) Prognose, Exploration und Bekampfung organisatorischer und personalwirtschaftlicher Risiken, Transaktionskosten der Anbahnung, KontroUe und Fehlerkorrektur minimiert werden konnen.^°^
^°^ Vgl. KROPP (2004), S. 139 ff. '^^ Vgl. KROPP (2004), S. 145 ff. ^^^ Vgl. KROPP (2004), S. 142 f. ^°^ Vgl. DRUMM, (2004), S. 4.
62
Risikomanagement und Personal
Zunachst werden fur beide Funktionsfelder getrennt mogliche Risikobereiche analysiert. AnschlieBend, und das ist in dieser Form innovativ, werden Verbundeffekte zwischen Organisation und Personalwirtschaft, betrachtet. Hierbei werden positive Verbundeffekte durch Risikokompensation (z.B. werden organisatorische Mangel durch besonderen Einsatz und die Flexibilitat der Mitarbeiter kompensiert) und negative Verbundeffekte durch Risikomultiplikation (z.B. unmotivierte Mitarbeiter arbeiten in Organisationen ohne effektive Entscheidungsstrukturen) unterschieden.^^^ Dynamische Aspekte, d.h. inwiefem bedingen und verstarken sich die Effekte im Zeitverlauf gegenseitig, werden allerdings nicht ausfuhrlich behandelt (z.B. fiihren organisatorische Mangel zu Motivationsproblemen und daraus resultieren wiederum organisatorische Mangel). In der vorliegenden Form beschranken sich die Ausfuhrungen auf eine relativ statische und punktuelle Betrachtung von Verbundeffekten. DRUMM (2004) unterscheidet sowohl organisatorische als auch personalwirtschaftliche Risiken zum einen hinsichtlich des Wertschopfungsprozesses und zum anderen beziiglich hierarchischer Strukturen. Als zentrale personalwirtschaftliche Risiken im Wertschopfungsprozess werden genannt:^^^ 1. die Auswahl des falschen Fachpersonals und 2. die schwindende Motivation und Lemfahigkeit der Mitarbeiter. In der Hierarchie unterscheidet er die folgenden zwei wesentlichen personalwirtschaftlichen Risikogruppen:^^^ 3. Fehlentscheidungen bzw. falsche Entscheidungen der Fuhrungskrafte und falsche bzw. fehlende Fiihrung der Mitarbeiter sowie 4. opportunistisches Verhalten einzelner Fuhrungskrafte. Mit den jeweils zweitgenannten Risiken, schwindende Motivation und opportunistisches Verhalten, fuhrt DRUMM (2004) zwei Risikobereiche ein, die in der ubergeordneten Konzeption eines entscheidungsorientierten Risikomanagements noch nicht, ihrer Bedeutung angemessen, beriicksichtigt wurden. Dabei handelt es sich um eine wichtige Weiterentwicklung. Ohne die Integration dieser Risikobereiche wiirde eine
^^^ Vgl. DRUMM (2004). ^^^ Vgl. DRUMM (2004), S. 14 ff. ^" Vgl. DRUMM (2004), S. 17 f
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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entscheidungsorientierte Konzeption des Risikomanagements, die gerade den Menschen als die zentrale GroBe versteht, in gewisser Weise „unmenschlich" bleiben, wurde sie doch von den Besonderheiten der Humanressourcen (Eigeninteressen etc.) abstrahieren. Positiv hervorzuheben ist auch, dass die zentrale RoUe der Fuhrungskrafte konzeptionell angemessen beriicksichtigt wird.
8 ZwischenfazitTeilB Mit dem KonTraG, dem Deutschen Corporate Governance Kodex, dem TransPuG und weiteren rechtlichen Vorgaben reagierte der Gesetzgeber auf (intemationale) Kritikpunkte am deutschen Modell der Untemehmensverfassung. Dies geschieht in einer Zeit, in der durch spektakulare Untemehmenskrisen und Falle von Missmanagement (Holzmann, Enron, Worldcom etc.) das Thema Corporate Governance zunehmend eine wichtige RoUe in der wirtschaftspolitischen und wissenschaftlichen Diskussion einnimmt. Ohne an dieser Stelle auf untemehmensspezifische Besonderheiten einzugehen, kann festgehalten werden, dass sich v.a. borsennotierte Untemehmen neuen bzw. verscharften Anforderungen hinsichtlich Transparenz und KontroUe der Untemehmensfuhrung gegeniibersehen. Von zentraler Bedeutung ist die Verpflichtung des Vorstandes zur Einrichtung eines angemessenen Uberwachungssystems (= Risikomanagementsystem) zur fruhzeitigen Erkennung bestandsgefahrdender Entwicklungen (§91 Abs. 2 AktG). Dabei bleibt der Gesetzgeber relativ unbestimmt, was konkrete Risiken und die Ausgestaltung des tJberwachungssystems betrifft. Die Interpretation und Operationalisierung der GesetzesformuUerungen ist in erster Linie ein Betatigungsfeld der Wirtschaftspriiferszene und von Vertretem der Intemen Revision, deren jeweilige Standesorganisationen (Institut der Wirtschaftspriifer IDW, Deutsche Institut fiir Interne Revision IIR, Deutsches Rechnungs Standards Committee DRSC) mit ihren Standards wesentlich die Untemehmenspraxis beeinflussen. Die Standards und sonstigen Verlautbarungen der beiden Standesorganisationen IDW und IIR konnen als relativ verhindliche Berufsaujfassung von zwei zentralen Akteuren im Rahmen des nach § 91 Abs. 2 AktG einzurichtenden tJberwachungssystems angesehen werden. Auch wenn diese Vorgaben der weiteren Interpretation und Operationalisierung bediirfen und auf den konkreten Einzelfall mit seinen jeweiligen Besonderheiten angewendet werden miissen, so stellen sie doch so etwas wie eine gemeinsame grundlegende Perspektive der Wirtschaftspriifer bzw. der Intemen Revision dar. Uber
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Risikomanagement und Personal
ihre jeweiligen Vertreter und Akteure transformieren sie, bewusst und/oder unbewusst, diese Auffassungen in konkrete Handlungen und pragen so die Entwicklung der jeweiligen Risikomanagementstrukturen und deren theoretische Erorterung hinsichtlich des angemessenen Umgangs mit den Risiken der kiinftigen Entwicklungen. In der Verbindlichkeit und Standardisierung vergleichbare Handlungsanleitungen und Berufsauffassungen gibt es fur die „eigentlichen" Risikomanager, d.h. den Vorstand und die Risikomanagementverantwortlichen in den jeweiligen Werttreibem nicht, abgesehen von den Vorgaben des DRSC zur Risikoberichterstattung und den Empfehlungen im Rahmen des Corporate Governance Kodex.^^^ Fur die Akteure, die mit der konkreten Durchfuhrung des Risikomanagementprozesses betraut sind, gibt es, und soil es aus Sicht des Gesetzgebers auch geben, die unterschiedlichsten Konzeptionen und Deutungsangebote in Theorie und Praxis. Das, was unter Risiken und Risikomanagement verstanden werden kann (und soil), wird in einem dynamischen Prozess der Interaktion und Kommunikation in und durch Theorie und Praxis konstruiert. Auch diese Arbeit ist ein Beitrag der Deutung und Konstruktion. Der Be-griff der Konstruktion geht dabei iiber den Begriff der Deutung hinaus. Er umfasst deutlicher und explizit nicht nur die Bestandsaufnahme und Erorterung der vortheoretischen Praxis, sondem auch den kreativen Akt, die Schaffung eines neuen Verstandnisses hinsichtlich des Themenfeldes „ressourcenorientiertes Risikomanagement und Personal" als Ausgangspunkt fiir konkrete Handlungsmuster auf der Ebene der theoriegeleiteten Praxis, insbesondere bezuglich des Managements des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen. Insgesamt dominiert in der Literatur eine „technokratisch-hemdsarmlige" Herangehensweise an das Thema Risikomanagement. Sie ist darauf ausgerichtet, dem betroffenen Praktiker (Vorstand, Wirtschaftspriifer, Interne Revision etc.) konkrete Handlungsanleitungen, Instrumente und Risikomanagementkonzeptionen fiir die betriebliche Praxis zu liefem. Dabei offenbaren sich in den impliziten Annahmen, die sich aus
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Bemerkenswerterweise haben mit den Wirtschaftspriifern und der Intemen Revision zwei Gruppen/Akteure fiir sich (und andere) die klarsten und umfangreichsten Verhaltensregeln im Kontext Risikomanagement geschaffen. D.h. zwei Gruppen, die letztlich nur das Risikomanagementsystem priifen, fiir den eigentlichen Umgang mit den Risiken und moglichen kiinftigen Entwicklungen aber weder zustandig noch verantwortlich sind. Etwas polemisch kann daher festgehalten werden, dass sich mit diesen Standards die beiden Gruppen absichem und ihren Zustandigkeitsbereich erweitem, ohne eine wirkliche Verantwortung oder Beteiligung am Management der Risiken zu ubemehmen. Insofem stellt diese Selbstabsicherung ein Risikomanagement in eigener Sache dar, um den eigenen Fortbestand zu gewahrleisten.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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den vorgestellten Konzeptionen ableiten lassen, eine zahlenorientierte und teilweise zahlenglaubige Machbarkeitsvorstellung und ein rationales Weltverstandnis.^^^ Vielfach finden sich mehr oder weniger plausible Checklisten zur Erfassung der jeweiligen Risiken. Es fehlt zumeist ein Gesamtkonzept zur theoretischen und praktischen Einbettung in den gesamten Prozess der Untemehmensfuhrung. Eher „weiche" Risiken, z.B. aus dem Bereich Personal, werden von den bestehenden Risikomanagementsystemen zumeist nicht angemessen erfasst und integriert, da deren Identifikation und Bewertung nicht kompatibel zu den bestehenden Risikomanagement- und ControUingsystemen bzw. zu der Weltsicht von Personen aus den Bereichen Controlling, Finanzwesen und Interne Revision ist. Insgesamt ist die Literatur i.d.R. „menschenleer". Die handelnden Personen, die letztlich das Risikomanagement durchfuhren, ihre Interessen, Eigenschaften etc. werden nicht oder unzureichend thematisiert in den haufig technokratischen ReiBbrettansatzen zum Risikomanagement. Die mangelhafte Abbildbarkeit von Aspekten, die das Personal betreffen (Motivation, Kompetenzen, organisatorische Einbettung, Verhalten) kann tendenziell dazu fUhren, dass Personalrisiken nur unzureichend im Denken und Handeln der Risikomanagementakteure beriicksichtigt werden und daher nicht entsprechend professionell und systematisch gemanagt werden. Das durch das KonTraG geschaffene Interpretations- und Handlungsvakuum auf der Untemehmensebene wird v.a. von Vertretem aus dem Bereich Controlling ausgefuUt, die den Bereich Risikomanagement offensichtlich als ein originares Handlungsfeld der eigenen Zunft ansehen, wie die zahlreichen Beitrage (auch von Praktikern) in der Literatur zeigen. Dies ist insofem nachvoUziehbar, als dass es aus Effektivitats- und Effizienzuberlegungen heraus sinnvoll sein wird, die Risikomanagementaktivitaten in bestehende Managementsysteme (Balanced Scorecard, Informations- und Berichtssysteme etc.) soweit wie moglich zu integrieren, um den Koordinationsaufwand moglichst niedrig zu halten. AUerdings fuhrt eine (selbst) erteilte Zustandigkeit der ControUingfunktion zum einen tendenziell zu einer Fokussierung auf Risiken, die sich in den bestehenden, auf quantitative Daten ausgerichteten Systemen abbilden und auswerten lassen, also insbesondere finanzielle Risiken. Dieser Befund kann auch als Pfadabhangigkeit bezeichnet wer-
213
Zu Bedeutung und Konsequenzen (des Mythos) der Rationalitat in modemen Organisationen aus psychoanalytischer Perspektive vgl. BOWLES (2003, S. 291 ff.).
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Risikomanagement und Personal
den. Die Zustandigkeit der Controller ist m.a.W. sowohl Ursache als auch Folge einer relativ einseitigen Fokussierung auf so genannte „harte" Risiken, die anhand von (aus ihrer Sicht) bewahrten mathematischen Modellen vergleichsweise zuverlassig bestimmbar sind. Zum anderen kann sich daraus ein Nichtzustdndigkeitsdenken bei anderen Funktionen, wie z.B. Personal und Marketing, ergeben.^^"^ Durch die explizite strukturelle Verankerung und Institutionalisierung des Risikomanagements beim Controlling wird auch die Zustandigkeit fiir den Umgang mit Risiken delegiert und Risikomanagement bleibt fur die Nicht-Controller ein abstraktes Konzept, etwas, was fiir das Controlling relevant ist, aber sich nicht im Arbeitsalltag der Personalverantwortlichen, Marketingspezialisten etc. widerspiegelt. Bislang, das zeigt die Literatur und diverse personliche Gesprache mit Vertretem von Personalabteilungen bestatigen diesen Eindruck, ist Risikomanagement offensichtlich noch kein Thema fiir Personalverantwortliche und die Personalliteratur. Es gibt zwar eine Vielzahl an MaBnahmen des Personalmanagements, die wie Risikomanagement wirken (z.B. PersonalbindungsmaBnahmen, Personalentwicklung), sie sind aber nicht eingebunden in das Gesamtsystem des untemehmensweiten Risikomanagements. Damit verbunden ist auch, dass grundsatzlich sogar geeignete Personalpolitiken nicht auf die Risikosituation und Kemprozesse des Untemehmens abgestimmt sind. Das ist insofem als problematisch anzusehen, da Risikomanagement letztlich eine Aufgabe fiir jeden Mitarbeiter ist, d.h. gerade auf der operativen Ebene in den jeweiligen Werttreibem sind die Risiken moglichst friihzeitig zu erkennen, und dort sind sie auch zu handhaben. Risikomanagement stellt damit eine wichtige und grundsatzliche Aufgabe des (strategischen) Personalmanagements dar. Die Bestandsaufnahme der vorhandenen Ansatze zum Risikomanagement im Zuge des KonTraG machen deutlich, dass bislang eine theoretisch fundierte Konzeption zum Risikomanagement von und durch Personal fehlt. Als Anforderungen an eine solche Konzeption, mit der sich der folgende Teil C befasst, sind zu nennen: • Erforderlich ist eine grundsatzliche theoretische Fundierung und Einbettung des Personals in ein Gesamtsystem des Risikomanagements,
^'"^ Vgl. ACKERMANN (1999a), S. 45 f.
Teil B: Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme
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• das auf eine mogliche Gefahrdung der zuktinftigen wertschaffenden Kemprozesse und -produkte des Untemehmens ausgerichtet ist, um eine Konzentration auf die wesentlichen Risiken zu ermoglichen; • wobei die Besonderheiten des Personals konzeptionell zu beriicksichtigen sind. Das betrifft sowohl Aspekte wie Eigeninteressen, Motivation, soziale Komplexitat etc. als auch die enge Beziehung zwischen Personal(management) und Organisation(sgestaltung).
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive Der vorangehende Teil B liefert eine Darstellung und Einschatzung bezuglich des Standes der Risikomanagementdiskussion in Theorie und Praxis im Zuge des KonTraG. Er spannt damit die Hintergrundfolie auf, vor der die theoretische Fundierung eines Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive im Folgenden entwickelt und konstruiert wird. Ziel des Teils C ist die bislang fehlende theoretische Einbettung des Risikomanagements in den Ansatz der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung, wobei der Schwerpunkt auf die besondere RoUe der Humanressourcen/des Personals im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements gelegt wird. Entwickelt und konstruiert wird damit eine grundsatzliche und neue Gesamtkonzeption eines allgemeinen Risikomanagements zur Einschatzung, Handhabung und tJberwachung prinzipiell aller Risiken, die aus einer ressourcenorientierten Perspektive relevant sind. Dem Personal, seinen Besonderheiten und den diesbeziiglichen Risiken wird hierbei eine elementare und zentrale RoUe zugewiesen. Insgesamt stellen die folgenden Aufuhrungen auch einen Beitrag zu einer konzeptionellen Weiterentwicklung und Fundierung des resource-based view dar. Die drei Leitfragen des Teils C lauten: • Wie lasst sich Risikomanagement in den Ansatz der ressourcenorientierten Unternehmensfiihrung einbetten und welche Konsequenzen hat dies fiir die Konzeption des Risikomanagements? • Welche RoUe spielen die Humanressourcen/das Personal im Rahmen des ressourcenorientierten Risikomanagements und welche spezifischen Probleme und Herausforderungen ergeben sich daraus? • Welche Anforderungen sind bei der Implementierung und Entwicklung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur, die ein risikoangemessenes Verhalten der Mitarbeiter ermoglicht und fordert, zu beriicksichtigen?
9 Gesamtmodell einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung Der re source-based view kann als einer der derzeitig dominierenden Ansatze bzw. als der dominierende Ansatz im Bereich des strategischen Managements gesehen wer-
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Risikomanagement und Personal
den.^^^ Dies gilt sowohl fiir die eher theoretische und akademische Befassung mit diesem Ansatz als auch fiir die eher praxisorientierte Bezugnahme, insbesondere auf das Konzept der Kemkompetenzen i.S. von PRAHALAD / HAMEL (1990).^^^ Trotz oder vielleicht gerade aufgrund der intensiven und kritischen Auseinandersetzung mit ressourcenbezogenen Fragestellungen und der Vielzahl an vorliegenden Beitragen hierzu hat sich dabei (noch) keine einheitliche und (ab)geschlossene Theorie herausgebildet. Vielmehr vereint das Label resource-based view eine Vielzahl durchaus heterogener Beitrage und Konzeptionen in sich, deren gemeinsame Basis zumindest darin besteht, Ressourcen bzw. die daraus resultierenden Fahigkeiten als die zentrale Quelle von Wettbewerbsvorteilen anzusehen. Ziel des 9. Kapitels ist die Entwicklung und Herausarbeitung eines Gesamtmodells einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung, das die theoretische Basis und geeignete Ankntipfungspunkte fiir das darin eingebettete Modell eines ressourcenorientierten Risikomanagements (Kapitel 10) schafft. 9.1
Zur Einordnung ressourcenorientierter Ansdtze
Strategische Ansatze zur Analyse und Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen werden in der Literatur haufig zwei gegensatzlichen Perspektiven zugeordnet.^^^ Aus der einen Perspektive richten die Vertreter des so genannten market-based view das Hauptaugenmerk auf untemehmensexteme Einflussfaktoren fiir die Wettbewerbssituation eines Untemehmens.^^^ Aus der anderen Perspektive befassen sich die Vertreter des so genannten resource-based view vorrangig mit den untemehmensinternen Einflussfaktoren (Ressourcen und Fahigkeiten) und den daraus resultierenden untemehmensspezifischen Potentialen von Untemehmen.'^^^
'^^ Vgl. MOLDASCHL / FISCHER (2004), S. 123; FOSS / FOSS (2004), S. 109. ^^^ Vgl. PRAHALAD / HAMEL (1990); WERNERFELT (1995, S. 171) zur entscheidenden Rolle von PRAHALAD / HAMEL fiir die Diffusion des resource-based view in die Praxis. '^^ Vgl. OSTERLOH / FROST 1998, S. 165 ff.; NOLTE / BERGMANN (1998), S. 3 ff; BARNEY (1991); BURGER / BUCHART (2002a). '^'^ Als prominentester Vertreter kann hierbei Michael E. PORTER mit seinem industrieokonomischen five-forces-Modell zur Analyse der jeweiligen Wettbewerbskrafte und der Attraktivitat von Branchen angesehen werden. Vgl. PORTER (1992). Ausfiihrlicher zum Vergleich zwischen resource-based view und industrieokonomischen Ansatzen vgl. CONNER (1991). ^^^ Vgl. MACHARZINA (1999), S. 55 f; OSTERLOH / FROST (1999), S. 171 ff. Die seit Anfang der 1990er Jahre stark zunehmende Anzahl ressourcenorientierter Beitrage kann auch als eine Ge-
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
71
Ressourcenbasierte und marktbasierte Perspektive konnen demzufolge als zwei analytische Gegenpole angesehen werden, deren gemeinsames Ziel in der Herausbildung von Wettbewerbsvorteilen (im Vergleich zur Konkurrenz) als Grundlage fur einen dauerhaften, uberdurchschnittlichen Untemehmenserfolg zu sehen ist (Abb. 1)?^^ Unterschiede finden sich in der Reihenfolge der Vorgehensweise zur Realisierung der ubergeordneten Zielsetzung. Wahrend aus ressourcenbasierter Perspektive zunachst „strategisch relevante organisationale Fahigkeiten (Organizational Capabilities) daraufhin durchleuchtet [werden], ob sie in einen Kundennutzen umsetzbar sind - und ob ein entsprechender profitabler Markt vorhanden ist"^^\ werden aus marktbasierter Perspektive „Kemkompetenzen zunachst aus der Perspektive des Marktes und den Starken des Untemehmens identifiziert"^^^. Die Ursache fiir die unterschiedliche Vorgehensweise kann in den unterschiedlichen (impliziten) Annahmen iiber Charakteristika und daraus abzuleitender Implikationen fur die Moglichkeit strategischer Nutzung eben dieser Ressourcen gesehen werden.^^^ BARNEY (1991) charakterisiert die marA:rbasierten Ansatze durch die folgenden zwei vereinfachenden Annahmen: (1) Untemehmen einer Branche verfiigen iiber identische strategisch relevante Ressourcen und wahlen daher auch identische Strategien. (2) Wenn uberhaupt, findet sich nur eine voriibergehende kurzfristige Heterogenitat der Ressourcen, da diese hoch mobil und handelbar auf Faktormarkten sind. Dagegen gehen die ressourcenhdiSitntn Ansatze davon aus, dass (1) die strategisch relevanten Ressourcen von Untemehmen innerhalb einer Branche sehr wohl heterogen sein konnen und dass (2) diese Heterogenitat aufgrund der Immobilitat durchaus dauerhaft und langfristig sein kann.^^"^
genbewegung zu einer zu starken und einseitigen outside-in-Perspektive des bis dahin dominierenden market-based view verstanden werden. Vgl. WOLF (2003b), S. 416. ^^° Vgl. PROFF (2002), S. 22 ff.; OSTERLOH / FROST (1998), S. 166; BURR (2003), S. 357; NOLTE / BERGMANN (1998), S. 3. ^^^ NOLTE (1998), S. III. ^^^ NOLTE (1998), S.IIL ^^^ Vgl. NOLTE / BERGMANN (1998), S. 7. Vgl. BARNEY (1991), S. 100 f.; ERIKSEN / MIKKELSEN (1996); PENROSE (1980), S. 74 f.; PETERAF (1993). Begrifflich eigentlich passender bezeichnet BARNEY (1991) die marktbasierten Beitrage als environmental models of competitive advantage, um die ganzheitliche Umweltorientierung deutlich zu machen. Hier wird zunachst die typische Gegenuberstellung von markt- vs. ressourcenbasierten Beitragen beibehalten.
Risikomanagement und Personal
72 Ressourcenbasierte Ansatze 1. Heterogenitdt strategisch relevanter Ressourcen und gewahlter Stralegien.
I I i
Annahmen
Marktbasierte Ansatze 1. Homogenitdt strategisch relevanter Ressourcen und gewahlter Strategien 2. Heterogenitat der Ressourcen nur kurTfristig moglich, da sie hoch mobil und handelbar auf Faktormarkten sind
2. Helerogenilat der Ressourcen langfristig moglich, da sie immobil und nicht handelbar auf Faktormarklen sind
I I I I
•—I
Dauerhafter Untemehmenserfolg iiber Herausbildung und Entwicklung von am Kundennulzen orienlierten einziganigen Kemkompelenzen
Zielsetzung I
Interne Analyse: Starken-Schwachen
Vorgehensweise
Dauerhafter Untemehmenserfolg durch Wahl von attraktiven Branchen/Produkten („fit") und Ausnutzung von Unvollkommenheiten auf dem (Absatz)Markt
Exteme Analyse: Chancen-Risiken
Exteme Analyse: Chancen-Risiken
Interne Analyse: Starken-Schwachen
Stralegieentwicklung
Strategieentwicklung
r—'
Abb. 7: Ressourcen- und marktbasierte Ansatze im Vergleich^^^ Bei genauerer Betrachtung erweist sich die (idealtypische) Gegeniiberstellung der beiden gegensatzlichen Perspektiven als zu holzschnittartig, da auch die marktbasierten Ansatze interne Faktoren (z.B. Wertkettenanalyse) und die ressourcenbasierten Ansatze auch exteme Faktoren (z.B. Kundennutzen, relative Starken im Vergleich zur Konkurrenz) einbeziehen; dies gilt besonders ftir die neueren Beitrage.^^^ Gleichwohl wird durch die Zuspitzung die jeweilige Schwerpunktsetzung und Grundverortung deutlich. Gerade fur den hier im Zentrum der Arbeit stehenden Bereich der Humanressourcen, besonders charakterisiert durch soziale Komplexitat und kausale Ambiguitat, konnen die oben skizzierten Annahmen des ressourcenbasierten Ansatzes Giiltigkeit beanspruchen. '^^'^ Im Rahmen dieser Arbeit wird daher grundsatzlich eine ressourcenbasierte
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Quelle: Eigene Abbildung. ^^^ Vgl. BURR (2003), S. 357; ARAGON-CORREA / SHARMA (2003), S. 72; MAHONEY / PANDIAN (1992); WOLF (2003b), S. 435; KAISER (2001), S. 11; MACHARZINA (1999), S. 58 f.; NOLTE / BERGMANN (1998), S. 6. S. a. Punkte ,,9.3.3 Bedeutung der Humanressourcen im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung" und ,,10.5.2 Besonderheiten des Personals und Risikomanagement".
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
73
Perspektive eingenommen. AUerdings wird ein integrativer Ansatz der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung verfolgt, der die Innen- mit der AuBenperspektive vereint. In diesem Zusammenhang erfuUen v.a. die fur beide Perspektiven zentralen, aus Ressourcen(kombinationen) resultierenden Kompetenzen eine Bruckenfunktion, da sie auf die Abstimmung von intemen und extemen Einflussfaktoren ausgerichtet sind.^^^ In den folgenden Ausfuhrungen wird statt der direkten Ubersetzung i.d.R. die Bezeichnung T&ssouTCQnorientierte(r) Ansatz bzw. Ansatze verwendet. Dies geschieht, um einerseits deutlich zu machen, dass es nicht den einen ressourcenorientierten Ansatz gibt. Andererseits wird der Begriff „ressourcenorientiert" als handlungsbezogener angesehen als der Begriff ressourcenbasiert, d.h. er bringt den Prozess der Akkumulation, Kombination und Transformation von Ressourcen und deren Umsetzung in vom Markt nachgefragte Produkte und Leistungen besser zum Ausdruck. 9.2
Ressourcen und Fdhigkeiten als Ausgangspunkte
Die Ressourcen eines Untemehmens, als Basiselemente und Namensgeber, stellen den (analytischen) Ausgangspunkt des ressourcenorientierten Ansatzes dar.^^^ AUgemein konnen Ressourcen als „Gesamtheit der Faktoren verstanden werden, die dem Unternehmen zur Verfugung stehen"^^°. Die Finalitat der Ressourcen, d.h. ihre Eignung hinsichtlich der Realisierung eines bestimmten Ziels spielt bei einer derartigen allgemeinen Begriffsfassung zunachst noch keine RoUe - es bleibt bei einer Bestandsaufnahme der dem Untemehmen zur Verfugung stehenden Faktoren. Aber genau die Finalitat ist
228
Vgl. FREE-ING (2001), S. 165. Zur Notwendigkeit einer diesbeziiglichen Multiparadigmenperspektive vgl. PROFF (2002, S. 66 ff.). ^ FREILING (2001, 2004a) geht zum Zwecke der teraiinologischen Reorientierung noch einen Schritt zuriick und fiihrt den Begriff des Inputgutes ein, der alle dem Untemehmen zur Verfugung stehenden Giiter bezeichnet, die der Erstellung intemer oder extemer Leistungen dienen. hiputgiiter werden zum einen in (Produktions-)Faktoren und zum anderen in Ressourcen unterschieden, die erst uber Veredelungsprozesse aus den prinzipiell am Markt beschaffbaren Inputgiitem gewonnen werden miissen. Im Rahmen dieser Arbeit ist diese Unterscheidung nicht relevant. Wahrend seinem Verstandnis zufolge Ressourcen per definitionem wettbewerbsrelevant sind und Rivalen von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden konnen, werden hier unter Ressourcen alle potentiell wettbewerbsrelevanten Inputgiiter verstanden, d.h. in der Terminologie FREILE^Gs sowohl die (Produktions-)Faktoren als auch die Ressourcen. In welchen AusmaB Ressourcen tatsachlich wettbewerbsrelevant sind, ergibt sich erst im nachsten Schritt. Vgl. FREILING (2001), S. 19ff. ^^° NOLTE / BERGMANN (1998), S. 12.
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Risikomanagement und Personal
zum Verstandnis der ressourcenorientierten Sichtweise zentral.^^' Die Untemehmung stellt sich somit i.S. von PENROSE (1959/1980) als eine „collection of productive resources the disposal of which between different uses and over time is determined by administrative decision"^^^ dar. Oder wie es WERNERFELT (1984) formuliert: „By a resource is meant anything which could be thought of as a strength or weakness of a given firm. More formally, a firm's resource at a given time could be defined as those (tangible and intangible) assets which are tied semipermanentely to the firm."^^^ [eigene Hervorhebung] Ressourcen sind demzufolge alle vom Untemehmen „kontrollierten" Faktoren (d.h. sie miissen nicht zwangslaufig Eigentum im rechtlichen Sinne sein), die einen Einfluss auf die Effizienz und Effektivitat des Untemehmens haben. Anders ausgedruckt und wie folgt in dieser Arbeit verwendet: Ressourcen sind die Gesamtheit der dem Untemehmen zur VerfUgung stehenden Faktoren zur Erstellung intemer und/oder externer Leistungen, die potentiell wettbewerbsrelevant sind. In der Literatur existiert eine Vielzahl von Kategorisierungen moglicher Ressourcenarten. Eine Auswahl, die die Bandbreite der Kategorisierungen zeigt, wird iiberblicksartig in Abb. 8 dargestellt. Die einzelnen Kategorien, obwohl begrifflich haufig identisch, miissen dabei nicht immer auch inhaltlich deckungsgleich sein. Ressourcenarten werden von den Autoren in Abhangigkeit der jeweiligen Fragestellung weiter ausdifferenziert bzw. aggregiert. Aufbauend auf der Ressourcensystematik von HOFER / SCHENDEL (1978) werden in dieser Arbeit die folgenden fiinf Ressourcenarten unterschieden (Abb. 8): Finanzielle Ressourcen (cash flow, Finanzstruktur etc.), Physische Ressourcen (Gebaude, Produktionsanlagen, Inventar etc.), Humanressourcen (Fahigkeiten, Know-how, Motivation etc.). Organisational
Ressourcen (Untemehmenskultur und -struktur, Informati-
ons- und Kontrollsysteme etc.) und Technologische Ressourcen (Patente, Produktionsverfahren etc.).^^"^
„One reason that many strategy formulation models skip the resource profile step in the resource analysis process is the fact that resources have no value in and of themselves. They gain value only when one specifies the ways in which they are to be used. Thus, one cannot tell whether it is a strength or a weakness to be seven feet tall until one specifies what that tall individual is supposed to do. If, the answer is to play basketball, being seven feet tall is a great strength, other things being equal. If it is to ride a race horse, however, it would be a great weakness, other things being equal." (HOFER / SCHENDEL 1978, S. 148 f, Hervorhebungen im Original) ^^^ PENROSE (1980), S. 24. ^^^ WERNERFELT (1984), S. 172. '^"^ Vgl. HOFER / SCHENDEL (1978), S. 145 ff
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive PENROSE HOFER / CHATTERJEE/ BARNEY (1959/ SCHENDEL WERNERFELT (1991), 1980), (1978), (1991), S. 101 S. 24 f. S. 145 ff. S. 34 1. physical 1. financial 1. physical 1. physical 2. human 2. physical 2. intangible 2. human 3. human 3. financial 3. organizational 4. organizational 5. technological
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ERIKSEN/ BARNEY WOLF (2003b), S. 423 f. (2002), MIKKELS. 156 SEN (1996), S. 56 f. 1. financial 1. tangible 1. financial l.Managementfahigkeiten 2. physical 2. intangible 2. physical 2. Management3. human 3. knowledge 3. human 4. organiza- systeme 4. techno3. Beziehungen zu tional logical Stakeholdem 5. reputation 4. technologisches 6. organizaKnow-how tional 5. organisationale Arrangements 6. FertigungsprozesseZ-strukturen 7. Produktionserfahrung 8. Kundentreue 9. Untemehmenskultur GRANT (1991), S. 119
Abb. 8: Kategorisierungen von Ressourcen^^^ Diese Systematik/Klassifikation wurde gewahlt, da sie aus den folgenden Griinden als geeignet fiir den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit angesehen wird: (1) Die gewahlte Systematik konstruiert einen umfassenden Rahmen fiir ein ressourcenorientiertes Risikomanagement, d.h. sie ermoglicht eine umfassende Betrachtung verschiedenster Ressourcen und deren Zusammenspiel, (2) die Humanressourcen werden als eigene und zentrale Ressourcenart erfasst, und (3) es werden ebenfalls die organisationalen Ressourcen als eine eigene Ressourcenart beriicksichtigt, denen v.a. aufgrund des engen Zusanimenspiels zwischen personellen und organisationalen Aspekten und hinsichtlich ihrer Relevanz im Rahmen des Risikomanagements eine groBe Bedeutung zukommt. Fur die Herausbildung von (Kem)Kompetenzen und daraus resultierenden Wettbewerbsvorteilen kommt der Art und Weise der Kombination und Transformation verschiedener Ressourcen eine entscheidende RoUe zu. Die fiihrt zur Einfuhrung des Begriffs/Konstrukts der Fdhigkeiten {organizational capabilities), die sich nach GRANT (1991) wie folgt von den Ressourcen abgrenzen lassen: „Resources are inputs into the production process - they are the basic units of analysis. The individual resources of the firm include items of capital equipment, skills of individual employees, patents, brand names, finance, and so on. But, on their own, few resources are productive. Productive activity requires the coopera-
Quelle: Eigene Abbildung.
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Risikomanagement und Personal
tion and coordination of teams of resources. A capability is the capacity for a team of resources to perform some task or activity. While resources are the source of a firm's capabilities, capabilities are the main source of its competitive advantage."^^^ Dabei ist festzuhalten, dass es sich bei dem Zusammenspiel nicht um einen eindeutigen, mathematisch berechenbaren (Produktions-)Prozess mit festgesetzten Faktorkombinationen handelt: Zum einen konnen vergleichbare Ressourcen in unterschiedlichen Situationen/Untemehmen zu unterschiedlichen Fahigkeiten fuhren und zum anderen konnen vergleichbare Fahigkeiten aus unterschiedlichen Ressourcen resultieren.^^^ Fahigkeiten reprasentieren damit ein Nutzenpotential, das groBer ist, als die Summe des Einzelnutzens der jeweiligen Ressourcen bzw. erst durch die Kombination verschiedener Ressourcen entsteht.^^^
GRANT (1991), S. 118 f. BARNEY (2002) folgt der Unterscheidung in resources und capabilities nicht und benutzt beide Begriffe synonym, da er die Unterscheidung zwar in der Theorie fiir moglich halt, ihr aber keine praktische Relevanz beimisst: „Although these distinction among resources, capabilities, and competencies can be drawn in theory, it is likely that they will become badly blurred in practice. In particular, it seems unlikely that a debate about whether a particular firm attributes is a "resource" and "capability" or a "competence" will be of much value to managers or firms." (BARNEY 2002, S. 157) Aufgrund dieser Einschatzung verwendet er zum einen die Begriffe resources und capabilities synonym, zum anderen nutzt er den Begriff der core competencies nur im Zusammenhang der Strategieentwicklung und -implementierung. Auch wenn dieses Argument auf den ersten Blick plausibel erscheint und wohl auch dem AUtagshandeln von Managem und Praktikem entspricht, kann es auf den zweiten Blick nicht iiberzeugen, da wesentliche Erkenntnismomente „verschenkt" werden. Die beiden wesentlichen Erkenntnismomente, denen sowohl theoretische als auch praktische Relevanz beigemessen werden kann, sind (1), dass erst in der Kombination verschiedener Ressourcen bestimmte Fahigkeiten und damit potentielle Wettbewerbsvorteile entstehen (s.o.) und (2), dass gerade die Kombination und auf Wettbewerbsvorteile ausgerichtete Koordination der einzelnen Ressourcen eine wichtige Aufgabe von Organisationen darstellt. Insofem wird in dieser Arbeit analytisch zwischen Ressourcen und Fahigkeiten unterschieden. Vgl. PENROSE (1980), S. 75 f; FREILING (2004a), S. 9; MOLDASCHL / FISCHER (2004), S. 124. Vgl. ALCHIAN / DEMSETZ (1972), S. 794.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
llxinstitutioneller Rahmen
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Staat
Ressourcen Physische Ressourcen Human-
Finanzielle Ressourcen
M Technologische Ressourcen
X
Organisationale Ressourcen
Kombination / Erschliefien
±
Fahigkeiten
: NichtKompetenzen
Kompetenzen
KemKompetenzen
\ Strategieentwicklung
and Umsetzung in
Kundennutzen
Ruckkopplung Bewertung der Produkte und Leistungen aus Sicht der Kunden/des Marktes Wettbewerbsposition
M: Wettbewerbsnachteil
Temporarer Nachhaltiger Wettbewerbs- Wettbewerbs- Wettbewerbsgleichheit vorteil vorteil .
Ausbildungssystem
Abb. 9: Gesamtmodell einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung^^^ Die Begriffe Ressourcen, Fahigkeiten und deren Verknlipfung lassen sich auch unter dem Begriff strategisches Vermogen subsumieren. Das strategische Vermogen ist, resultierend aus untemehmensspezifischen Erfahrungen, immer unternehmensspezifisch
Quelle: Eigene Abbildung.
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Risikomanagement und Personal
und besitzt Potentialcharakter. Aus ressourcenorientierter Perspektive fiihrt das Vorhandensein strategischen Vermogens alleine noch nicht zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen - es muss auch organisatorisch und durch das Personal erschlossen werden. Organisatorisch erschlieBen meint zum einen das Streben, das strategische Vermogen in Einklang zu bringen mit Marktchancen und es auf die Gegebenheiten des jeweiligen Absatzmarktes abzustimmen.^'^^ Zum anderen fiihrt dies bspw. im Bereich der Humanressourcen zur Unterscheidung in potentielles Arbeitsvermogen, das erst durch personalpoHtische MaBnahmen (z.B. Anreizgestaltung, Fiihrung) in das gewunschte tatsdchliche Arbeitsverhalten transformiert wird bzw. transformiert werden soll.^^^ Unter dem Begriff der Fahigkeiten wird die prinzipielle Moglichkeit eines Untemehmens zu bestimmten Handlungen im Rahmen der intemen oder extemen Leistungserstellung verstanden, d.h. bestimmte Tatigkeiten auszuflihren, Ablaufe zu beherrschen, zu organisieren etc. Der Begriff Fahigkeit ist eng mit dem Begriff Wissen verbunden, geht aber dariiber hinaus und umfasst neben der Wissenskomponente ebenfalls die zur Erbringung einer Leistung notwendige materielle (Maschinen, Finanzmittel etc.) und immaterielle (Untemehmenskultur, Mitarbeitermotivation etc.) Ressourcen- und Fahigkeitenausstattung, und ist von seiner Intention heraus handlungsorientiert. Ob die Fahigkeit auch in konkrete Handlungen umgesetzt und das aus einer bestimmten Fahigkeit resultierende Potential genutzt werden kann, wird zu diesem Punkt der Argumentation genauso wenig betrachtet wie die Frage, inwiefem die Fahigkeiten vom Markt auch nachgefragt oder honoriert werden. Der Begriff der Fahigkeiten kann sich auf unterschiedliche Ebenen beziehen, mehr oder weniger umfassend und komplex sein und wird i.d.R. eine Kombination aus verschiedenen Einzelfahigkeiten sein, die zu einer sinnvollen/relevanten Einheit zusammengefasst werden.^"^^ In der Literatur werden verschiedene, mehr oder weniger prazise Defmitionen oder Beispiele von Kompetenzen bzw. Kemkompetenzen gegeben.^"^^
'^^^ Vgl. NOLTE / BERGMANN (1998), S. 9. '^^^ Vgl. RIDDER / CONRAD / SCHIRMER / BRUNS (2001), S. 17 f. Vgl. GRANT (1991), S. 123. Mogliche Beispiele sind: Montage von Fahrrader, Montage von Fahrradgepacktragem, Herstellung von Schrauben, Entwicklung von individuellen Kundenlosungen, Vertrieb von Buchem uber das Internet. ^^^ Stellvertretend fiir andere vgl. HAMEL / PRAHALAD (1990); ERIKSEN / MIKKELSEN (1996); OSTERLOH / FROST (1998); BARNEY (2002, S. 414 ff.); WUCKNITZ (2002, S. 36).
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Es ist daher erforderlich, das hier verwendete Begriffsverstandnis zu definieren. Im Rahmen dieser Arbeit werden drei Arten von Fahigkeiten unterschieden, die jeweils das Begriffselement „Kompetenzen" enthalten (s. Abb. 9). 1. Nichtkompetenzen liegen vor, wenn die notwendigen Voraussetzungen/Ressourcen nicht vorhanden sind, bestimmte Handlungen ebenso gut oder wesentlich besser (schneller, hochwertiger, kostengunstiger) als Konkurrenten ausfuhren zu konnen und sind i.d.R. kaum verbunden mit dem Selbstverstandnis und Image des Unternehmens. 2. Kompetenzen liegen vor, wenn die prinzipielle Moglichkeit besteht, bestimmte Handlungen mit einem im Hinblick auf die Konkurrenten gleich guten Ergebnis (genauso schnell, hochwertig, kostengunstig) ausfuhren zu konnen und sind i.d.R. verbunden mit dem Selbstverstandnis und Image des Untemehmens. 3. Kemkompetenzen liegen vor, wenn die prinzipielle Moglichkeit besteht, bestimmte Handlungen wesentlich besser (schneller, hochwertiger, kostengunstiger) als Konkurrenten auszufiihren zu konnen und sind i.d.R. eng verbunden mit dem Selbstverstandnis und Image des Untemehmens. Die unterschiedlichen Auspragungen, also z.B. Nichtkompetenz vs. Kemkompetenz, haben unterschiedliche Konsequenzen fur die Wettbewerbsposition und damit letztlich auch fiir den Untemehmenserfolg. Die einzelnen Fahigkeiten, d.h. Nichtkompetenzen, Kompetenzen und Kemkompetenzen, sind dabei nicht isoliert zu betrachten.^"*^ Neu an dieser Dreiteilung ist die explizite Nennung der Nichtkompetenzen als eine Art/Auspragung von Fahigkeiten, die insofem wichtig erscheint, als dass es fiir ein Untemehmen nicht nur von groBer Bedeutung ist, welche (Kem)Kompetenzen es besitzt, sondem es fiir die Strategieentwicklung und Wettbewerbsposition ebenfalls wichtig ist zu wissen, iiber welche Fahigkeiten das Untemehmen gerade nicht verfiigen kann.^"^^
So besitzt unter Umstanden ein Untemehmen die Kemkompetenz „Produktion von Hochqualitatsfahrradem" nur bzw. in diesem AusmaB, weil es im Bereich der Rekmtiemng von qualifizierten Arbeitskraften zumindest iiber Kompetenzen verfugt. ^"^^ Vgl. HOFER / SCHENDEL (1978), S. 152.
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9.3
Risikomanagement und Personal
Kriterien zur Bewertung der Stdrken und Schwdchen von Ressourcen und Fdhigkeiten
9.3.1 Ansdtze in der Literatur In der Literatur zu ressourcenorientierten Ansatzen finden sich, mit unterschiedlichen Ausdifferenzierungen, verschiedene Kriterienbiindel zur Identifikation und Bewertung der Ressourcen und Fahigkeiten bzw. des strategischen Vermogens einer Organisation, die im Kern im Wesentlichen als deckungsgleich bezeichnet werden konnen (Abb. 10). GRANT (1991), S. 124 ff.
BARNEY (1991), S. 112
ERIKSEN / MIKKELSEN (1996), S. 62 f.
NOLTE / BERGMANN (1998), S. 16 ff.
BARNEY (2002), S. 160ff.
WOLF (2003), S. 420 ff.
1. durability 2. transparency 3. transferability 4.replicability
1. value 2. rareness 3. imperfect imitability 4. substitutability
1. value 2. heterogenity 3. imitability 4. substitutability
I. Dauerhaftigkeit 2.Verwertbarkeit 3.relative Seltenheit 4. Transferierbarkeit 5.Ersetzbarkeit 6.1mitierbarkeit 7.kausale Ambiguitat S.Spezifitat 9.soziale Komplexitat 10. Komplexitat II. Tacitness 12. Historizitat
1. value 2. rareness 3. imitability 4. organization
I.Wert 2. strategische Relevanz 3.Nachhaltigkeit 4. Mobilitat S.Imitierbarkeit 6. Substituierbarkeit 7. strategische Flexibilitat
Abb. 10: Unterschiedliche Kriterienbiindel zur Bewertung von Ressourcen und Fahigkeiten^"^^ 9.3.2 Dijferenzierung in Potential- und Realisationsebene und deren Integration Fine insbesondere in den letzten Jahren immer wieder herausgestellte Schwache/Lucke der bestehenden ressourcenorientierten Beitrage kann in der relativ einseitigen Fokussierung auf das Ausmafi der qualitativ und quantitativ zur Verfugung stehenden und zu akkumulierenden Ressourcen und Fahigkeiten gesehen werden. Zu wenig, so der Kritikpunkt, wird auf den eigentlichen Prozess (Voraussetzungen, Einflussfaktoren, Ablauf) der Kombination und Transformation der Ressourcen und Fahigkeiten in vom Markt nachgefragte Produkte und Leistungen fokussiert.^"^^ Dieser Kritik-
Quelle: Eigene Abbildung. Vgl. FREILING (2004b), S. 31 f.; BURR (2003), S. 361; ARAGON-CORREA / SHARMA (2003), S. 73. Insgesamt zu einer kritischen Wiirdigung bzw. weiteren Kritikpunkten und deren
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punkt kann als durchaus berechtigt und gewichtig angesehen werden, da letztlich die Ressourcen/Fahigkeiten von den jeweiligen Kunden, d.h. durch den Markt bewertet werden. Das Vorliegen von Kemkompetenzen und deren Umsetzung in entsprechende Prozesse stellt zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung fiir die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen dar. Die besonderen Qualitaten der jeweiligen Produkte und Leistungen mussen auch vom Markt als solche wahrgenommen und nachgefragt werden.^"^^ Aufgrund von unzureichendem Marketing auf Seiten des Untemehmens und/oder unvoUstandiger Information und begrenzter Rationalitat auf Seiten der potentiellen Kunden werden die Produkte und Leistungen moglicherweise nicht angemessen bzw. wie vom Untemehmen erwunscht wahrgenommen und nachgefragt. Einen Versuch, um dieses Defizit zu beheben, stellen bspw. die konzeptionellen Beitrage von FREILING (2004a, 2004b) dar, der hierzu gleich eine neue Theorie prasentiert. Diese competence-based theory of the firm stellt die Entwicklung und ErschlieBung der Kompetenzen eines Untemehmens und eine starkere Markt- und Umweltorientierung in den Mittelpunkt seiner Uberlegungen.^"^^ In eine ahnliche Richtung zielen WILKENS / MENZEL / PAWLOWSKY (2004), die sich spezifisch mit organisationalen Lemprozessen und deren Beitrag zur Generierung von Kemkompetenzen befassen.^^° Auch BARNEY (2002) beriicksichtigt konzeptionell derartige Aspekte und legt mit seinem VRIO-Bezugsrahmen (VRJO = Value, Rareness, Imitability, Organization) ein umfassendes, in sich geschlossenes Konzept zur Starken- und Schwachenanalyse von Ressourcen und Fahigkeiten vor, das anhand dieser vier Kriterien Aussagen iiber die daraus entstehenden Wettbewerbsvorteile bzw. -nachteile und den Untemehmenserfolg trifft.^^^
Repliken des resource-based view vgl. WOLF (2003b, S. 432 ff.); NICOLAI (2003); BARNEY (2001); PRIEM / BUTLER (2001). ^"^^ Vgl. FREILING (2004a), S. 7; NOLTE / BERGMANN (1998), S. 9. ^"^^ Vgl. FREILING (2004a, 2004b). ^^^ Vgl. WILKENS / MENZEL / PAWLOWSKY (2004). Vgl. BARNEY (2002), S. 171 f. So wird dem Aspekt der Unterstutzung/Ermoglichung der Realisierung des Ressourcen- und Fahigkeitenpotentials durch die Organisation i.w.S. (Arbeitsorganisation, Managementkontrollsysteme, Anreizpolitik etc.) eine wichtige und besondere Rolle zugewiesen. BARNEY (2002, S. 157) macht hierbei keinen Unterschied zwischen Ressourcen und Fahigkeiten und verwendet beide Begriffe sy-nonym, da er die Unterscheidung zwar in der Theorie fiir moglich halt, ihr aber keine praktische Relevanz beimisst.
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Risikomanagement und Personal
Insgesamt aber ist zu konstatieren, dass zum einen die vorliegenden Ansatze bislang nicht iiberzeugend in ein ausgearbeitetes Gesamtmodell einer (ressourcenorientierten) Untemehmensfuhning eingebettet sind. Zum anderen fehlt, wie z.B. im Fall BARNEYs (2002), die angemessene Berucksichtung der aktiven Rolle der Humanressourcen bei der Realisierung von Wettbewerbsvorteilen. 9.3.3 Bedeutung der Humanressourcen im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung Von zentraler Bedeutung (positiv wie negativ) sind die Humanressourcen im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhning. Dies gilt im besonderen MaBe fiir so genannte Schltisselpersonen, auf die ausfuhrlicher in Teil D („Fluktuation von Schliisselpersonen") eingegangen wird. Anders als die Organisation, die zwar in gewisser Weise auch Eigenlogiken folgen kann, nehmen die Humanressourcen/das Personal insofem eine zentrale Stellung ein, als dass sie zugleich einen Objekt- und Subjektcharakter haben bzw. hat.^^^ Damit spielen sie eine einzigartige Rolle bei der Transformation der gesamten Unternehmensressourcen in Wettbewerbsvorteile.^^^ Einerseits stellen sie selbst eine Ressource im strategischen Vermogen eines Untemehmens dar (Objektcharakter). Andererseits disponieren sie iiber sich und den Erwerb, die ErschlieBung, Verkniipfung und Entwicklung von anderen Ressourcen und Fahigkeiten {Subjektcharakter).^^^ Die Humanressourcen sind, in einer chronologischen Betrachtung der einzelnen Prozessphasen des Gesamtmodells einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhning, fiir die Beschaffung und Veredlung von Ressourcen(kombinationen) verantwortlich. Auch die Strategieentwicklung, ob explizit oder implizit, geschieht faktisch durch die Humanressourcen (insbesondere durch das Management), genauso wie die (Nicht-)
^^^ Vgl. NEUBERGER (1997), S. 19 ff.; GRIEGER (2004), 167 ff. ^^^ Vgl. FREILING (2001), S. 21; RIDDER / CONRAD / SCHIRMER / BRUNS (2001), S. 39. '^^^ COFF (1997, S. 374) stellt zur besonderen Rolle der Humanressourcen, im Vergleich zu anderen Ressourcen bzw. strategic assets, pointiert fest: „Like human assets, an oil field may be a strategic asset. However, once acquired, an oil field 1. Cannot quit and move to a competing firm. 2. Cannot demand higher or more equitable wages. 3. Cannot reject the firm's authority or be unmotivated. 4. Need not be satisfied with supervision, coworkers, or advancement opportunities." Hinzu kommt, und dies betrifft das Nutzen stiftende Potential der Humanressourcen, Olfelder konnen und werden keine neuen Olfelder entdecken und erschlieBen - die Humanressourcen dagegen schon.
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Umsetzung in Kemprozesse und rentengenerierende Handlungen, die letztlich zu einem Untemehmenserfolg oder -misserfolg fuhren.^^^ Diese einzigartige RoUe der Humanressourcen wird in den bestehenden Beitragen des resource-based view nicht angemessen gewurdigt, d.h. es wird zwar auf sie hingewiesen, letztlich wird sie aber nicht entsprechend konzeptionell integriert. Dies gilt insbesondere fur die Subjektbetrachtung der Humanressourcen. Es dominiert eine Objektbetrachtung, die die Humanressourcen eher als Trdger impliziten Wissens (tacit knowledge) versteht, und weniger als handelnde Akteure, die dieses implizite Wissen erwerben, einsetzen und weiterentwickeln.^^^ Ahnliches gilt auch fur den Aspekt der sozialen Komplexitat mit den damit verbundenen Intransparenzen, der zwar als eine mogliche und wichtige Imitationsbarriere angesehen wird, i.d.R. aber ohne dabei auf die (moglicherweise divergierenden) Eigeninteressen der beteiligten Personen einzugehen.'^' In den Beitragen der ressourcenorientierten Literatur wird den Akteuren typischerweise implizit eine Interessensharmonie unterstellt {harmony bias)?^^ Fur gewisse Fragestellungen kann dies als sinnvoUe und zulassige Vereinfachung angesehen werden. Als allgemeine und nicht hinterfragte Annahme ist sie nicht zu akzeptieren. Im Gegensatz zu anderen Ressourcen verfolgen die Humanressourcen eigene Interessen, sie agieren und reagieren. Zu den Intransparenzen und Informationsproblemen, aus sozialer Komplexitat und kausaler Ambiguitat, kommt das den Eigeninteressen folgende Eigenhandeln der Subjekte?^^ Mitarbeiter versuchen, sich der unmittelbaren okonomischen Verwertung zu entziehen. Zur Erreichung eigener Ziele nutzen sie bestehende Intransparenzen, bauen Informationsasymmetrien auf und verweigem sich so einer (moglicherweise negativen) Bewertung mit entsprechenden Konsequenzen.^^^ Damit verbunden sind management dilemmas, wie adverse selection, moral hazard oder shirking.^^^ Ausfuhrlicher wird auf diese Aspekte und die daraus folgenden Probleme und
^^^ Vgl. KAISER (2001), S. 16 f.; ERIKSEN / MIKKELSEN (1996), S. 69 f. ^^^ Vgl HOFFMANN (2003), S. 101; FREILING (2001), S. 116 ff.; BARNEY (2002), S. 179 ff. ''57
Eine hervorzuhebende Ausnahmen stellt der Beitrag von COFF (1997) dar. ^^^ Vgl. MOLDASCHL / FISCHER (2004), S. 129. ^^^ Vgl. NEUBERGER (1997), S. 19 ff.; GRIEGER (2004), S. 168 f. '^^ Vgl. RIDDER / CONRAD / SCHIRMER / BRUNS (2001), S.23. ^^^ Vgl. COFF (1997).
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Risikomanagement und Personal
Herausforderungen im Rahmen des ressourcenorientierten Risikomanagements eingegangen. 9.3.4 Wettbewerbssituation eines Unternehmens Die Wettbewerbsposition eines Unternehmens ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Einflussfaktoren auf der Potentialebene (Wert und Einzigartigkeit des Ressourcenund Fahigkeitenpotentials) und der Realisationsebene (Realisierung des Ressourcenund Fahigkeitenpotentials durch Personal und Organisation), iiber die Generierung von nachhaltigen okonomischen Renten.^^^ Analytisch lassen sich in Anlehnung an BARNEY (2002) vier mogliche Wettbewerbspositionen unterscheiden, die sich jeweils im Hinblick auf die relevante Konkurrenz ergeben, und damit grundsatzlich relative Gro6en bzw. Zustande sind:^^^ 1. Wettbewerbsnachteile liegen dann vor, wenn es einem Untemehmen nicht gelingt, einen okonomischen (Mehr-)Wert zu schaffen und es nicht iiber das Fahigkeitenprofil bzw. deren Realisierung verfiigen kann, um sich auf dem Markt zu behaupten. 2. Wettbewerbsgleichheit ergibt sich dann, wenn ein Untemehmen iiber ein vergleichbares Ressourcen- und Fahigkeitenpotential wie die Konkurrenz verfiigt bzw. wenn es einen vergleichbaren Output (Produkte, Leistungen) realisieren kann. 3. Tempordre Wettbewerbsvorteile resultieren insbesondere aus den so genannten Schumpeter-Renten, d.h. Untemehmen sind in der Lage ihr wertschaffendes Potential schneller in neuen und nachgefragten Produkten und Leistungen erfolgreich auf den Markt zu bringen, so dass bis zum Gleichziehen der Konkurrenz temporar iiberdurchschnittliche Rentenfliisse realisiert werden konnen.^^ 4. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile bedeuten, dass es einem Untemehmen im Vergleich zur Konkurrenz effektiver und/oder effizienter gelingt, sowohl dauerhaft wertvolle und einzigartige Ressourcen und Fahigkeiten zu akkumulieren und zu entwickeln als auch dieses Potential aufgmnd einer optimalen Realisiemng durch
Ausfiihrlicher hierzu vgl. Punkt ,,10.2 Ressourcenorientierte Risikoeinschatzung". ^^^ Vgl. BARNEY (2002), S. 9 f., S. 174 f. ^^ Zu Schumpeter-Renten vgl. MAHONEY / PANDIAN (1992), S. 364; WOLF (2003b), S. 425.
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die beiden GroBen Personal und Organisation in Kundennutzen und damit nachhaltige uberdurchschnittliche Rentenflusse umzusetzen. 9.4
Entwicklung einer kernkompetenzenbasierten Strategie und deren Umsetzung in Kern- und Unterstutzungsprozesse
Auf Grundlage der zur Verfugung stehenden Ressourcen und Fahigkeiten sind, aus ressourcenorientierter Perspektive, untemehmensspezifische kemkompetenzenbasierte Strategien zu entwickeln und in reale Kern- und Unterstutzungsprozesse umzusetzen, die nicht unmittelbar bzw. nur zu hohen Kosten von derzeitigen oder potentiellen Konkurrenten imitiert werden konnen.^^^ Das Ziel einer solchen Strategie ist hierbei in der Erlangung, der Sicherung und dem Ausbau dauerhafter Wettbewerbsvorteile iiber die Herausbildung und Realisierung von am Kundennutzen orientierten Kemkompetenzen zu sehen, durch die Erbringung wertschaffender Produkte und Leistungen, d.h. durch den gezielten Aufbau rentenstiftender Ressourcen und Fahigkeiten.^^ Eine derartige Strategie im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung hat Ruckkopplungseffekte (Abb. 9) auf die zukiinftig verfugbaren und zu beschaffenden Ressourcen und die Weiterentwicklung des bestehenden Fahigkeitenprofils.^^^ Es handelt sich um einen permanenten Kreislaufprozess, der mit zunehmender Zeit dazu fuhrt, dass sich bestimmte Entwicklungspfade und damit auch bestimmte Pfadabhdngigkeiten entwickeln.^^^ 9.5
Der institutionelle Kontext und dessen RelevanzfUr eine ressourcenorientierte UnternehmensfUhrung
Der oben beschriebene Prozess des Erwerbs und der Nutzung der Ressourcen und deren Transformation in bestimmte Fahigkeiten und schheBlich Endprodukte geschieht
265 PENROSE (1980, S. 75) stellt hierzu fest: „It is the heterogeneity, and not the homogeneity, of the productive services available or potentially available from its resources that gives each firm its unique character." ^^^ Vgl. ARAGON-CORREA / SHARMA (2003), S. 73 ff.; GRANT (1991), S. 129 f.; PRAHALAD / HAMEL (1990); NOLTE / BERGMANN (1998), S. 8 ff.; PENROSE (1980), S. 75. ^^"^ Vgl. NOLTE / BERGMANN (1998), S. 15; GRANT (1991), S. 132. ^^^ Vgl. SCHREYOGG / SYDOW / KOCH (2003); LEONARD-BARTON (1992).
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Risikomanagement und Personal
nicht im „luftleeren" Raum, sondem ist abhangig von und variiert mit dem spezifischen, historisch gepragten institutionellen Kontext. Dies meint, dass die Auspragung bestimmter Institutionen und deren Zusammenspiel (Institutionengeftige und -hierarchien) Auswirkungen auf die drei Ebenen business system (Makroebene), Untemehmen (Mesoebene) und Arbeitssystem (Mikroebene) haben.^^^ Dabei handelt es sich nicht um Determinismen in dem Sinne, dass bestimmte Institutionen quasi von auBen das Handeln bestimmen bzw. den Handelnden keine Wahlmoglichkeiten geben.^^^ Vielmehr handelt es sich um komplexe Interdependenzen und ein Ineinandergreifen von Institutionen, verinnerlicht in (selbstverstandlich gewordenen) kognitiven Strukturen, (un)bewussten und auf Legitimitat ausgerichteten Handlungen. Auch die handelnden Akteure versuchen hierbei, die miteinander verflochtenen Institutionen gemaB den eigenen Interessen zu verandern und zu pragen. Trotz moglicher Veranderungen und Weiterentwicklungen der Institutionen werden sie kontinuierlich im alltaglichen Denken und Handeln reproduziert und stabilisieren sich dadurch.^^^ Der Kemgedanke des Argumentes, dass der institutionelle und historische Kontext von zentraler Bedeutung fiir die prinzipielle Verfiigbarkeit, die untemehmens- bzw. regionenspezifische ErschlieBung, Transformation und den Schutz vor Imitierung von Ressourcen und Fahigkeiten ist, kann eigentlich den Grundannahmen des resource-based view zugeordnet werden.^^^ Gleichwohl ist typischerweise eine bemerkenswerte konzeptionelle Vemachlassigung derartiger institutioneller Aspekte in den grundlegenden ressourcenorientierten Beitragen zu verzeichnen. Der Einfluss institutioneller Parameter wird i.d.R. nur hinsichtlich spezifischer Fragestellung (z.B. interorganisationale
Diese Dreiebenenbetrachtung stellt einen wesentlich Grund fiir die Auswahl der Konzeption von WHITLEY (2000) dar, da sie eine unmittelbare Fokussierung auf das einzelne Untemehmen erlaubt und erklart, inwiefem bestimmte institutionelle Charakteristika (typischerweise) Auswirkungen auf den Prozess einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung haben. Damit weist die WHITLEY-Konzeption einen gewichtigen Vorteil gegeniiber anderen Konzeptionen zur Strukturierung und Erfassung institutioneller Einflussfaktoren auf, z.B. von PORTER (1999) und seinem „Diamanten", dem es in erster Linie um die Erklarung und Herausbildung nationaler Wettbewerbsvorteile geht und damit auf das einzelne Untemehmen eher nicht fokussiert. ^^° Vgl. ARAGON-CORREA / SHARMA (2003), S. 83. ^^' Vgl. WACHTER (2004), S.3 f.; GRANOVETTER (1985). ^"^^ Vgl. z.B. BARNEY (2002), S. 165 ff.; NOLTE / BERGMANN (1998), S. 16 ff.
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Netzwerkressourcen und -fahigkeiten, Pfadabhangigkeiten) bzw. anekdotisch und unsystematisch thematisiert.^^^ Es lassen sich nach WHITLEY (2000), der ein in sich geschlossenes Analyseraster vorlegt, vier zentrale Institutionen ausmachen, die als interdependente Hintergrundvariablen auf einer Makroebene die Auspragung des jeweiligen business systems bestimmen, und gleichzeitig selbst von den Charakteristika des business systems beeinflusst und verandert werden (s. Abb. 11):^^'' (1) Der Staat als zentraler Akteur, der durch seine Politik, Gesetze und sonstigen Handlungen eine, auch im Verhaltnis zu anderen interaiediaren Organisationen (Verbande etc.), mehr oder weniger dominie-
Vgl. ARAGON-CORREA / SHARMA (2003), S. 72; FREILESfG (2004a), S. 22; GRANT (1991); WERNERFELT (1984); DUSCHEK (2004). Erklart werden kann diese typische Vemachlassigung und Ausblendung moglicherweise mit der Entstehungsgeschichte des resource-based view, dessen Vertretem es gerade anfangs darum ging, in bewusster Abkehr von umwelt- oder kontingenzorientierten Beitragen den Blick auf die untemehmensm/emen Faktoren zu richten. Erst in den letzten Jahren lassen sich verstarkt Ansatze zu einer systematischen Offnung und Erweiterung des resource-based view beobachten. Eine hervorzuhebende Ausnahme stellt diesbeziiglich OLIVER (1997) dar sowie der darauf aufbauende Beitrag von BRESSER / MILLONIG (2003). Beide verbinden die Argumentationen von resource-based view und institutionalistischen Theorien und zeigen so auf, dass sich der institutionelle Kontext sowohl hemmend als auch begunstigend auf den Erwerb, die Verfugbarkeit, die Nutzung und den Schutz bestimmter Ressourcen/Fahigkeiten auswirken kann. Durch die Einbeziehung des institutionellen Kontextes als Einflussfaktor werden zwei gegensatzliche Bestrebungen/Tendenzen in der Zielfunktion eines Untemehmens verdeutlicht: einerseits gibt es eine Tendenz zum Isomorphismus, d.h. zur Angleichung von Strukturen und Produkten von Untemehmen in einem business system, anderseits stellen gerade untemehmenspezifische Ressourcen/Fahigkeiten und die Heterogenitdt von Untemehmen zentrale Voraussetzungen zur Erlangung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen dar. Die ubrigen Beitrage, die sich mit Aspekte des institutionellen Kontextes befassen, sind hauptsachlich dem so genannten „relational view" zuzuordnen. Vgl. DYER / SINGH (1998); DUSCHEK / SYDOW (2002); INKPEN / TSANG (2005). Die Ausfuhrungen gehen aber i.d.R. nicht iiber die Betrachtung der kooperierenden Unternehmen bzw. der jeweiligen Netzwerkressourcen hinaus. Im Rahmen dieser Arbeit geht das Verstandnis des institutionellen Kontextes iiber diese Aspekte hinaus, die lediglich als ein Teilbereich Oder eine Dimension des institutionellen Kontextes verstanden werden. ,^usiness systems are conceived here, then, as distinctive patterns of economic organization that vary in their degree and mode of authoritative coordination of economic activities, and in the organization of, and interconnections between, owners, managers, experts, and other employees. Differences in the nature of relationships between five broad kinds of economic actors are particularly important to in contrasting business systems: (a) the providers and users of capital, (b) customers and suppliers, (c) competitors, (d) firms in different sectors, and, finally, (e) employers and different kinds of employees." (WHITLEY 2000, S. 33, Hervorhebungen im Original) Die Grenzen eines business systems miissen nicht unbedingt mit den nationalen Grenzen ubereinstimmen, ob sie es sind, hangt vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand und -ziel ab. Es konnen sich auch spezifische regionale business systems in bestinmiten regionalen institutionellen Kontexten herausbilden, die zu typischen Formen einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung fiihren bzw. diese ermoglichen (z.B. Emilia-Romagna, Silicon Valley). Vgl. POWELL (1990), S. 309 ff
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rende Rolle einnehmen kann. (2) Als zweite Schlusselinstitution ist das Finanzsystem zu nennen, wobei Kapitalzugang und -kosten (kapitalmarktbasiert oder kreditfinanziert) als wichtigste Unterscheidungsmerkmale angesehen werden konnen. (3) Zum Vergleich verschiedener Aushildungssysteme (skill development and control system) ist die Integration/Zusammenarbeit zwischen Staat, Untemehmen, Gewerkschaften und Kammern sowie deren Einfluss bezuglich des Erwerbs berufsrelevanter Kenntnisse zu untersuchen. (4) Vertrauen und Herrschaftsbeziehungen: SchlieBlich stellen die jeweiligen Normen und Werte, die das AusmaB des Vertrauens und die Art und Weise der Autoritatsbeziehungen zwischen Geschaftspartnem, Arbeitgebem und Arbeitnehmera etc. bestimmen, eine Schlusselinstitution dar.^^^ Die Relevanz des institutionellen Kontextes fiir eine ressourcenorientierten Unternehmensfuhrung zeigt sich auf den drei Ebenen (business System, Untemehmen, Arbeitssystem) an verschiedenen Punkten. Auf die zentralen Aspekte wird im Folgenden exemplarisch eingegangen. Eine grundlegende Annahme ist hierbei, dass eine ressourcenorientierte Untemehmensfiihrung einerseits zwar auf die Reahsierung unternehmensspezifischer Kemkompetenzen auszurichten ist, andererseits aber zugleich business-system-spezifisch sein muss, um zu dauerhaften Wettbewerbsvorteilen fiihren zu konnen. M.a.W. innerhalb eines business systems gibt es unterschiedlich effiziente und effektive Arten/Strategien einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung. Die vier SchlusseUnstitutionen begrenzen und pragen typische business-system-spezifische Denk- und Handlungsmuster (bzw. sind selbst Ausdmck dieser) hinsichtlich des Erwerbs, der Verfiigbarkeit, der Nutzung und des Schutzes untemehmensspezifischer Ressourcen und der daraus resultierenden Fahigkeiten. So ermoglicht und begrenzt z.B. der Staat durch seine rechdichen Vorgaben (Arbeitsrecht, Wettbewerbsrecht, Regelungen zu Patenten und Lizenzen etc.) die Mobilitat und Verfiigbarkeit von bestimmten Ressourcen/Fahigkeiten. Gleichzeitig tritt er selbst als machtiger Nachfrager auf den Markten auf bzw. schafft sie selbst und setzt so Anreize zur Erstellung bestimmter Produkte und Leistungen. Die Nachfrage der offentlichen Hand hat damit einen groBen Einfluss darauf, inwiefem es sich bei bestimmten Ressourcen und Fahigkeiten um wertvolle und/oder einzigartige handelt.^^^
^"^^ Vgl. WHITLEY (2000) S. 47 ff. Dies gilt besonders fiir Bereiche von vitalem staatlichen Interesse, wie bspw. den Riistungsbereich Oder Energiesektor, bei denen der Staat ausgewahlten Untemehmen iiber kaum zu iiberwindende
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4 Schliisselinstitutionen als Hintergnindvariablen 2) Finanzsystem
1) Stoat
3) Ausbildungssystem
4) Vertrauen und Herrschaftsbeziehungen
Ebene des Business Systems 1) Kontrolle und Koordination von Verfugungsrechten 2) Untemehmensbeziehungen 3) Arbeitnehmer-Arbeitgeberbeziehungen
H
IE
H
n
H
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Unternehmensebene 1) Untemehmensfuhrung und -kontrolle 2) Organisationale Fahigkeiten und Strategien
Ebene der Arbeitssysteme 1) Grad der Arbeitsteilung 2) Handlungsspielraume der Mitarbeiter 3) AusmaB von Kontrolle und Koordination durch Vorgesetzte 4) Unterscheidung zwischen Arbeitem und Management 5) Committment hinsichtlich der Kembelegschaft 6) Anreizpolitik
_i i_
Abb. 11: Das Untemehmen im institutionellen Kontext nach WHITLEY (2000)^^^ Die Auspragungen der beiden Schliisselinstitutionen Finanz- und Ausbildungssystem haben einen Einfluss auf die prinzipielle Verfiigbarkeit und Kosten finanzieller und personeller Ressourcen und begiinstigen und pragen so bestimmte Denk- und Handlungsmuster bezuglich ihres Einsatzes und ihrer Bedeutung im Prozess einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung. ^^^
Markteintrittsbarrieren dauerhaft die Abschopfung monopolartiger Renten ermoglicht. Vgl. BARNEY (2002), S. 165 f.; WHITLEY (2000), S. 47 f.; OLIVER (1997), S. 711. Quelle: Eigene Abbildung. Als Beispiel hierfiir kann das im Vergleich zu anderen Landem relativ hohe allgemeine Qualifikationsniveau der Facharbeiter in Deutschland u.a. aufgrund des Systems der dualen Berufsausbildung angesehen werden. Vgl. WHITLEY (2000), S. 50 f.; WHITLEY (1992), S. 32 f. Denn es ermoglicht tendenziell einen groBeren Handlungsspielraum und flexibleren Einsatz der Humanressourcen auf der Ebene der ArbeitssystemeZ-organisation und reduziert tendenziell das erforderliche
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Risikomanagement und Personal
Der Schlusselinstitution Vertrauen und Herrschaftsbeziehungen kann insbesondere eine wichtige Rolle hinsichtlich der Auspragung business-system-spezifischer Unternehmensbeziehungen, d.h. der Attraktivitat und Entwicklung von Netzwerkressourcen und -fahigkeiten zugewiesen werden.^^^ Ein hohes AusmaB inter- und intraorganisationalen Vertrauens reduziert Transaktionskosten und begunstigt tendenziell eine intensive Kooperation, einerseits zwischen dem Untemehmen und seinen Zulieferem und Abnehmem bzw. den Partnem im Rahmen von AUianzen. Andererseits bilden sich tendenziell verstarkt interne Arheitsmdrkte und intensive und produktive ArbeitgeberArbeitnehmer-Beziehungen heraus, womit i.d.R. ein hoheres AusmaB an Einbindung der Mitarbeiter verbunden sein wird.^^^ Neben dem qualifikatorischen Aspekt riickt damit der Aspekt des Committments und der Motivation der Mitarbeiter auf der Realisationsebene in den Blickpunkt.^^^ Insgesamt betrachtet ist damit zu festzustellen, dass sich fur Untemehmen aus der Einbettung in einen gemeinsamen institutionellen Kontext business-system-spezifische und typischerweise effiziente und effektive Auspragungen der Corporate Governance und der Zielsetzung untemehmerischen Handelns ergeben. Diese zeigen sich in gemeinsamen Mustem des Erwerbs, des Einsatzes und der Entwicklung ihrer Ressourcen und Fahigkeiten.^^^ Der institutionelle Kontext gibt damit einen Rahmen vor, innerhalb dessen eine ressourcenorientierte Untemehmensfuhrung vor der Herausforderung steht, proaktiv untemehmensspezifische wertschaffende Kemprozesse und -produkte zu planen und zu realisieren.
AusmaB von Kontrolle und Koordination durch den Vorgesetzten. Begunstigt wird so eine effektive und effiziente Realisiening des vorhandenen gesamten Fahigkeitenpotentials. ^^^ Vgl. DYER / SINGH (1998); INKPEN / TSANG (2005). ^^° Ausgepragte interne Arbeitsmarkte lassen sich nach SESSELMEIER (1992, S. 65) durch die folgenden vier Aspekte charakterisieren: (1) langfristige Beschaftigungsverhaltnisse, (2) Zugangsbeschrankungen auf bestimmten Eintrittspositionen, (3) Existenz von Aufstiegsleitem und (4) Nebeneinander von preislicher und nicht-preislicher Allokation. ^^' Vgl. GRANOVETTER (1985), S. 487 ff.; POWELL (1990), S. 314 ff.; WHITLEY (1992), S. 13 ff.; WHITLEY (2000), S. 51 ff., S. 73f. 282
Vgl. WHITLEY (2000, S. 73 ff.) zu einer Systematisierung unterschiedlicher organisationaler Fahigkeiten und Strategien; ENGBERDING (1998, S. 67) aus einer allgemeineren Perspektive spezifisch zu institutionellen Restriktionen und Wandlungshennmnissen im Strukturwandel im deutschen Kontext. Ausfiihrlicher zum deutschen Modell der Corporate Governance, im Vergleich zum britischen Modell vgl. MANN (2003).
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10 Grundkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements Im Fokus der Literatur zum resource-based view steht i.d.R. die Generierung von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen?^^ Hier wird nun das Hauptaugenmerk auf potentiell drohende Wettbewerbsnac/iteile und die Erhaltung bestehender Wettbewerbsvorteile gerichtet, d.h. auf die Vermeidung des Verlustes bzw. den Schutz von auf untemehmensspezifischen Kemkompetenzen beruhenden okonomischen Renten. Risikomanagement wird i.d.S. als ein integraler Bestandteil einer ressourcenorientierten Unternehmensfuhrung verstanden. Ziel des 10. Kapitels ist die Konzeption eines Grundmodells eines ressourcenorientierten Risikomanagements. Mogliche Risiken und MaBnahmen zu ihrer Erkennung und Bewaltigung werden aus einer ressourcenorientierten Perspektive interpretiert und konstruiert. Im Vordergrund steht hierbei die Herausarbeitung des spezifischen Kerns und der grundsatzlichen Konzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements. Auf konkrete Instrumente und Verfahren zur Risikoeinschatzung, - handhabung etc. wird lediglich hingewiesen. 10,1 Ressourcenorientierte Risikomanagementpolitik AUgemein gibt die jeweilige Risikomanagementpolitik der Untemehmen den inhaltlichen, personellen und organisatorischen Rahmen vor, in dem konkrete MaBnahmen und Instrumente des Risikomanagements konstruiert werden und zum Einsatz kommen.^^"^ Damit beschreibt die Risikomanagementpolitik die grundlegenden Prinzipien und Zielsetzungen des gesamten Risikomanagementsystems, die im Folgenden aus einer ressourcenorientierten Perspektive heraus entwickelt, formuliert und konkretisiert werden. Der Begriff Risikomanagementpolitik wird hier gewahlt, um zum einen auf den politischen Prozess der Aushandlung und Formulierung der grundlegenden Gestaltungsprinzipien des Risikomanagementsystems und die Verknupfung mit der ubergeordneten Unternehmenspolitik hinzuweisen.^^^ Zum anderen soil durch diese
^^^ Vgl. HOFER / SCHENDEL (1978); WERNERFELT (1984); BARNEY (1991); PETERAF (1993); WRIGHT / MCMAHAN / MCWILLIAMS (1994); BARNEY (2002). Eine Ausnahme bilden z.B. ROTEM / AMIT (1997), die sich explizit und vorrangig mit der strategischen Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen befassen. ^^"^ Vgl. WOLF (2003a), S. 51 ff.; GLEI6NER / FUSER (2003), S. 275; SEIDEL (2002), S. 162. In der Literatur finden sich auch die folgenden Bezeichnungen: Risikopolitik, vgl. GLEI6NER / FUSER (2003, S. 275); PRITZER (1999); Risikomanagementstrategie, vgl. WOLF (2003a, S. 51
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Risikomanagement und Personal
Begriffswahl einer Verwechslung und Vermengung der beiden Begriffe/Aspekte Risikomanagementstrategie vs. strategisches Risikomanagement vorgebeugt werden. Wahrend der Begriff Risikomanagementpolitik die Gestaltungsprinzipien des Risikomanagementsystems beschreibt, bezieht sich das strategische Risikomanagement auf die Analyse und Handhabung strategischer Risiken.
10.1.1 Definition: Ressourcenorientiertes
Risikomanagement
Ressourcenorientiertes Risikomanagement wird hier defmiert als Gesamtheit aller organisatorischen Mafinahmen zur Risikoerkennung und zum Umgang mit den Risiken untemehmerischen Handelns. Risiken werden aus dieser Perspektive verstanden als mbglicher Verlust und das Nichtvorhandensein von am Markt nachgefragten (Kern-) Kompetenzen und Nichtdisponierbarkeit iiber die zugehorigen jeweiligen unternehmensspezifischen Ressourcen(kombinationen).
Mafinahmen eines ressourcenorientier-
ten Risikomanagements wirken damit als Schutzmechanismen gegen Degenerationsund Erosionsprozesse der wettbewerbsrelevanten Ressourcen und Fahigkeiten und zielen ab auf eine optimale Ausrichtung und Gestaltung des vorhandenen Fahigkeitenpotentials auf geeignete Geschaftsfelder und Markte. Die relativ allgemein gehaltenen und interpretationsbediirftigen Formulierungen in § 91 Abs. 2 AktG („den Fortbestand der Gesellschaft gefahrdenden Entwicklungen") werden konkretisiert und ausgerichtet auf die wesentlichen Risiken aus ressourcenorientierter Perspektive. Derartige Risiken beziehen sich auf den Verlust und die Nichtverfugbarkeit von Ressourcen und (Kem)Kompetenzen als Basis von Wettbewerbsvorteilen, die prinzipiell zu einer Bestandsgefahrdung des Untemehmens fiihren konnen. Es werden grundsatzlich zwei Ebenen eines ressourcenorientierten Risikomanagements unterschieden. Auf der Ebene des strategischen Risikomanagements wird die strategische Positionierung eines Untemehmens (Kompetenzen,
Geschaftsfelder,
Markte) selbst als ein moglicher und entscheidender Risikofaktor behandelt und potentielle strategische Krisen sind Gegenstand der Risikoeinschatzung und -handhabung. Damit setzt der hier entwickelte Ansatz eines ressourcenorientierten Risikomanagements friiher und fundamentaler an, als die typischen Beitrage zu konkreten Risiken,
ff.); Risikostrategie, vgl. SEIDEL (2002, S. 162). Zu ausfiihrlichen Praxisbeispielen von Inhalten und Formulierungen der Risikopolitik vgl. SEIDEL (2002, S. 167 ff.).
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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die sich im Wesentlichen mit konkreten Einzelrisiken auf der operativen Ebene befassen, deren Ursachen und BestimmungsgroBen vomehmlich in externen Einflussfaktoren sehen und die strategische Positionierung des Untemehmens i.d.R. als gegeben voraussetzen und nicht naher thematisieren.^^^ Die Ebene des operativen Risikomanagements bezieht sich damit auf die Analyse und Handhabung von Risiken, die sich im Rahmen der unmittelbaren Durchfuhrung der als grundsatzlich gegeben angesehenen Ablaufe und Prozesse entwickeln konnen. 10.1.2 Risikomanagementpolitische Grundsdtze Risikomanagementpolitische Grundsatze stellen ubergeordnete dokumentierte Verhaltensregeln und Positionen des Untemehmens bezuglich des Risikomanagements dar, die als Orientierungspunkte, MaBstabe und Leitlinien fur konkrete Risikomanagementaktivitaten angesehen werden konnen.^^^ 10.1.2.1
Einbettung des Risikomanagementsystems in den Prozess der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung
Der ersterisikomanagementpolitischeGrundsatz bezieht sich auf die Integration der Risikomanagementaktivitaten in den gesamten Prozess der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung, d.h. die Risikomanagementpolitik ist ein integraler Bestandteil der gesamten Untemehmenspolitik.^^^ Die Stmktur des Risikomanagementsystems ist i.d.S. zum einen auszurichten auf die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen zur Identifikation moglicher Risiken, die sich aus dem Verlust bzw. Verfall potentiell wertschaffender und einzigartiger Kemkompetenzen und/oder der mangelhaften Realisation durch die beiden Einflussfaktoren Personal und Organisation ergeben konnen. Zum anderen sind geeignete MaBnahmen zur Handhabung dieser moglichen Risiken zum integralen Bestandteil des alltaglichen Denkens und Handelns der Mitarbeiter in den WerttreibemZ-aktivitaten im Rahmen besonders der Kemprozesse des
^^^ Vgl. stellvertretend fiir andere BETZ (2001); BROSEL / ROTHE (2003); ETTMULLER (2003); IIR-ARBEITSKREIS „REVISION DES PERSONAL- UND SOZIALWESENS, ALLGEMEINE VERWALTUNG" (2002); HOMBURG / UHRIG-HOMBURG (2004); KIMMIG (2001). Zu Ausnahmen vgl. bspw. BROETZMANN (2003); GOTZE / MIKUS (2001b). Zum Strategiedefizit im Risikomanagement s.a. BIETA (2005). ^^^ Vgl. KPMG (1998), S. 10. Dabei ware im Einzelfall zu priifen, inwiefem diese Grundsatze (Ahnliches gilt auch fur Grundsatze zur Untemehmensethik, zu Umweltschutz, Mitarbeiterorientierung etc.) von den Untemehmensmitgliedem auch tatsachlich „gelebt" werden. ^^^ Vgl. MIKUS (2001a); GLEI6NER / FUSER (2003), S. 275.
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Risikomanagement und Personal
Untemehmens zu machen. Hinsichtlich der strukturellen Gestaltung des Risikomanagementsystems bedeutet dies, dass die Strukturierung und Festlegung der Risikofelder dem Aufbau und der Logik der Kemprozesse folgen und die fur die jeweiligen Wertaktivitaten bzw. Kernprozesse verantwortlichen Personen zugleich die Verantwortlichen ftir die Durchfuhrung der dortigen Risikomanagementaktivitaten sind. 10.1.2.2
Konzentration auf die wertschaffenden Kemprozesse, -leistungen und -produkte
Der zweite risikomanagementpolitische Grundsatz aus ressourcenorientierter Perspektive beinhaltet die Konzentration der Risikomanagementaktivitaten auf die Sicherung und den Schutz der wertschaffenden Kemprozesse und der daraus resultierenden Kemprodukte und -leistungen. Konzentration meint zum einen die Bundelung der fur das Risikomanagement zur Verfugung stehenden Ressourcen (finanziell, personell, organisatorisch) i.S. eines prioritdtengeleiteten Risikomanagements. Prioritar sind die im Zusammenhang mit den Kemkompetenzen und -prozessen bzw. den Wertaktivitaten (ent)stehenden Risiken.^^^ Die konkrete Vorgehensweise zur Identifikation, Analyse, Bewertung, Handhabung und zum Controlling der Risiken folgt hierbei der Unterscheidung in eine Potential- und eine Realisationsebene und den fiir die Wettbewerbsposition relevanten Kriterien AusmaB des Wertes und der Einzigartigkeit der vorhandenen Ressourcen/Fahigkeiten sowie AusmaB der Realisation des Fahigkeitenpotentials durch Personal und Organisation.^^° Zum anderen meint Konzentration, dass im Rahmen der Risikohandhabung und steuemng soweit wie moglich versucht werden sollte, die Risiken, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kerngeschaft des Untemehmens stehen, an Dritte zu transferieren (z.B. durch Outsourcing).^^^ Es ist allerdings auf mogliche Abhangigkeiten von vor- und/oder nachgelagerten Wertketten zu achten, die zu einer Gefahrdung der Kemprozesse fuhren konnen.^^^ Trotz einer gmndsatzlichen Konzentration auf die Kemprozesse, -produkte und -leistungen ist immer auch der institutionelle Kontext in die Durchfiihmng und Konzeption des Risikomanagements einzubeziehen.
^^^ Vgl. BIETKE (2003); WEBER / WEI6ENBERGER / LIEKWEG (2001), S. 50 ff. Wg\. Punkt ,,10.2 Ressourcenorientierte Risikoeinschatzung". ^^^ Vgl. GLEI6NER / FUSER (2003), S. 288. ^^^ Vgl. SEIDEL (2002), S. 162 f.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
10.1.2.3
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Differenziertes Risiko-Chancen-Profil zum Schutz der Kernkompetenzen
Der dritte Grundsatz erweitert die bislang enge Fokussierung des Risikomanagementsystems um die Einbeziehung von Chancen, d.h. moglicher positiver zukiinftiger Entwicklungen. Erst mit der Bewertung der potentiell realisierbaren Chancen, im Verhaltnis zu den erwartbaren Risiken, die sich beide aus dem Handeln i.w.S. (Investitionsentscheidungen, Fesdegung der Produktpolitik und der Geschaftsfelder etc.) ergeben (konnen), ist eine fundierte und sinnvoile Aussage dariiber moglich, inwiefem es z.B. aufgrund eines wahrscheinlichen Ertragszuwachses angesehen werden kann, bestimmte Risiken bewusst einzugehen.^^^ Bei der Festlegung des Risiko-Chancen-Profils (fur einzelne Wertaktivitaten bzw. fiir die Kern- und Unterstutzungsprozesse) sind aus ressourcenorientierter Perspektive die Schwellenwerte, die die Akzeptanz- und Gefahrdungsbereiche von einzugehenden Risiken abstecken, mindestens so festzulegen, dass es mit moglichst hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Gefahrdung der Kemprozesse konimen wird.^^"^ Entsprechend sind im Rahmen der Risikohandhabung MaBnahmen der Risikoreduzierung, diversifikation etc. zu konzipieren, um die potentielle Schadenshohe und/oder die erwartbare Eintrittswahrscheinlichkeit zu senken. 10.1.2.4
Beachtung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit hinsichtlich von Kosten und Ertragen des Risikomanagementsystems
Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz untemehmerischen Handelns, der aber auch ein grundlegender risikomanagementpolitischer Grundsatz eines ressourcenorientierten Risikomanagementsystems ist. Effektive MaBnahmen der Risikohandhabung erhohen den Sicherheitsgrad, ohne aber dabei jemals ein Handeln unter volHger Sicherheit gewahrleisten zu konnen. Sie senken die Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts und/oder reduzieren die negativen Konsequenzen bei Schadenseintritt. Dieser erhohte Sicherheitsgrad ist i.d,R. mit so
^^^ Vgl. REICHMANN / RICHTER (2001); WEBER / WEI6ENBERGER / LIEKWEG (2001); WALL (2003b), S. 463. Allgemein zur Festlegung von Wesentlichkeitsportfolios und Akzeptanzlinien vgl. ROMEIKE (2003d); WEBER / WEI6ENBERGER / LIEKWEG (2001); PRTTZER (1999, S. 157 f.); MIKUS (2001a, S. 72 f.); REICHMANN (2001, S. 613). Zu Berechnung und Kalkul der Risikotragfahigkeit vgl. WOLF (2003a, S. 126 ff.), der diesbeziiglich drei analytische Schritte unterscheidet: (1) Feststellen des Eigenkapitalvolumens, d.h. der Risikodeckungsmasse, (2) Feststellung des Risikopotentials und (3) Abstimmung von Risikotragfahigkeit und Risikodeckungskapital.
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Risikomanagement und Personal
genannten Risikomanagementkosten verbunden, wie z.B. aufgrund von Versicherungsbeitragen, QualitatskontroUen, Mehrfachbesetzungen von Stellen oder des Verzichtes auf lukrative aber unsichere Markte. Neben der Effektivitat der Risikomanagementaktivitaten ist damit auch deren Effizienz von wesentlicher Bedeutung, wobei, bei einem sehr hohen Sicherheitsgrad und den verbundenen Kosten, prinzipiell von einem abnehmenden Grenznutzen weiterer SicherheitsmaBnahmen ausgegangen warden kann. Umfang und Ausgestaltung des Risikomanagementsystems sind so zu konzipieren, dass die Kosten der SicherungsmaBnahmen in einem (moglichst) optimalen Verhaltnis zu dem Nutzen und den positiven Effekten der Risikomanagementaktivitaten stehen.^^^ 10.1.3 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen Eine zentrale Herausforderung im Zusammenhang mit der Risikomanagementpolitik besteht darin, die formulierten Zielsetzungen und Gestaltungsprinzipien zu operationalisieren und in konkrete Orientierungspunkte und Handlungsmuster auf der strategischen und operativen Ebene umzusetzen. Dies bedeutet eine Gratwanderung hinsichtlich der Zuweisung der Verantwortlichkeiten und Zustandigkeitsbereiche bei der Durchfuhrung der Risikomanagementaktivitaten. Einerseits ist im Interesse einer ganzheitlichen und konsistenten ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung eine zentrale Koordination und einheitliche Konzeption des Risikomanagements erforderlich. Andererseits kommt gerade dem dezentralen risikoangemessen Verhalten, i.S. eines eigenverantwortlichen und kompetenten Umgangs mit den Risiken moglicher kiinftiger Entwicklungen eine bedeutende Rolle zu.^^^ Die Implementierung und Entwicklung einer umfassenden Risikomanagementkultur, basierend auf einer ressourcenorientierten Risikomanagementpolitik, stellt damit eine wichtige Aufgabe eines ressourcenorientierten Risikomanagements dar. Voraussetzung hierflir ist, neben der erfolgreichen intemen und extemen Kommunikation der risikomanagementpolitischen Inhalte und der Befahigung der Mitarbeiter zu einem entsprechenden Verhalten, insbe-
'^^ Vgl. ROMEIKE (2003f), S. 253 ff; SAITZ (1999), S. 91 f. Zu moglichen positiven und negativen Wirkungen und moglichen Zielkonflikten und Komplementaritaten zwischen Sicherheits- und Gewinnzielen vgl. MIKUS (2001a, S. 83 f.), die in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass die positiven Wirkungen oft nur schwer zu quantifizieren sind, wahrend sich die Kosten der RisikomanagementmaBnahmen i.d.R. unmittelbar erfassen lassen bzw. unmittelbar wirksam werden. Zu einer „Risiko-GuV" vgl. LISCHKE / KIRNER (2000, S. 46 f.). ^^^ Vgl. GLEI6NER / FUSER (2003), S. 274.
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sondere auch die Akzeptanz, zugeschriebene Legitimitat und Unterstiitzung der expliziten (und impliziten) Risikomanagementpolitik und der daraus abgeleiteten Risikomanagementaktivitaten, von Seiten der Mitarbeiter und der sonstigen Anspruchsgruppen (Kapitalgeber, Kunden, Lieferanten etc.). Damit verbunden ist eine weitere zentrale Herausforderung an die Ausgestaltung des Risikomanagementsystems. Um die Gesamtheit der moglichen (bestandsgefahrdenden) Risiken effektiv und effizient erfassen und managen zu konnen, ist es unabdingbar, dass auch das Management mit seinen (Nicht)Entscheidungen und (Nicht)Handlungen im Rahmen des Risikomanagementsystems erfasst und beriicksichtigt wird. Bislang, das zeigt sowohl die Literatur als auch die Risikoberichterstattung von Untemehmen im Rahmen der Lageberichterstattung, hat es das Management „geschafft", eine, im Vergleich zu deren eigentlicher Bedeutung, nur sehr kleine RoUe im Rahmen des Risikomanagements zu spielen.^^^ Managementrisiken i.w.S. werden eher und ausschliefilich im Kontext der Corporate Govemance-Diskussion thematisiert, was einerseits durchaus wichtig und inhaltlich richtig ist, andererseits zu wenig ist und die Gefahr in sich birgt, dass das Risikomanagementsystem zu einer reinen, in gewisser Weise harmlosen und nur wenig effizienten und effektiven Alibi- und Schauveranstaltung wird. Haufig wird die Einbeziehung des Managements als Risikofeld, wenn iiberhaupt, wohl nur durch Druck der Anteilseigner, Arbeitnehmervertreter, der Offentlichkeit bzw. durch rechtliche Verpflichtungen realisiert werden konnen, da sich die fur die Konzeption des Risikomanagementsystems verantwortlichen Manager, insbesondere der Vorstand, selbst als mogliches Risiko und Ursache moglicher negativer Entwicklungen bezeichnen und bewerten lassen miissten.
10.2 Ressourcenorientierte Risikoeinschdtzung Gegenstand der Risikoeinschatzung sind, allgemein formuliert, Ursache-WirkungsAnalysen zur qualitativen und/oder quantitativen Bewertung moglicher Risiken.^^^ Im Rahmen der Risikoeinschatzung werden, auf Basis der jeweiligen Risikomanagementpolitik, entscheidungsrelevante Informationen generiert und aufbereitet, die den Ausgangspunkt fiir die Konzeption und Auswahl konkreter MaBnahmen der Risikohand-
297
Vgl. TOHRING (2004a). Vgl. hierzu auch Kapitel „7 Risikomanagement und Personal - ein Literaturiiberblick". ^^^ Vgl. MIKUS (2001a), S. 76 f.
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Risikomanagement und Personal
habung bilden. Die Qualitat der Risikoeinschatzung ist damit ein wichtiges Glitekriterium fiir die Qualitat des gesamten Risikomanagementsystems. Der hier gewahlte Begriff der Risikoeinschatzung umfasst die auch in der Literatur verwendeten Begriffe Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung. Aufbauend auf den Ausfuhrungen zu den theoretischen Grundlagen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung in Kapitel 9, sind in der Phase der ressourcenorientierten Risikoeinschatzung, die die erste Phase des eigentlichen Risikomanagementprozesses darstellt, zwei Analyseschritte zu unterscheiden: 1. Bestandsaufnahme des potentiell verfugbaren Fahigkeitenprofils des jeweiligen Untemehmens und Bewertung des AusmaBes der Realisation des Fahigkeitenpotentials; 2.
Analyse und Bewertung moghcher Entwicklungen, die einen signifikanten Einfluss auf die Aufrechterhaltung, Qualitat und Entwicklung der wertschaffenden (Kem)Prozesse bzw. der einzelnen WerttreiberZ-aktivitaten des jeweiligen Unternehmens haben konnen.
10.2.1 Analyse des Fahigkeitenprofils auf der Potential- und Realisationsebene Grundlage einer auf die wesentlichen Risiken ausgerichteten Einschatzung i.S. eines ressourcenorientierten Risikomanagements stellt die systematische Bestandsaufnahme der dem Untemehmen derzeitig und zukiinftig zur Verfiigung stehenden Ressourcen und Fahigkeiten dar. Ausgehend von der Idee und dem Aufbau der Wertkettensystematik nach PORTER (1989) lassen sich potentiell wertschaffende Aktivitaten unterscheiden und miteinander in Beziehung setzen. Anders als bei PORTER (1989) wird im Rahmen dieser Arbeit zum einen die zusatzHche Kategorie „Corporate Governance, Management, Untemehmensfuhrung" eingeftihrt, um die zentrale Bedeutung der Untemehmensfuhrung fiir den Wettbewerbserfolg bzw. -misserfolg hervorzuheben.^^^
^^^ Bei PORTER (1989, S. 70) werden diese Aspekte im Wesentlichen dem Bereich „Infrastruktur" zugeordnet.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Zum anderen werden die vier Querschnittsfunktionen, auch als sekundare Aktivitaten bezeichnet, entsprechend der in Punkt 9.2 dargestellten Ressourcensystematik neu gruppiert und formuliert.^^^ Die in Abb. 12 unterschiedenen elf Bereiche, aus denen, einzeln oder in Kombination, untemehmensspezifische Fahigkeiten resultieren konnen, sind zunachst hinsichtlich ihrer Fahigkeitenauspragung (Kernkompetenzen, Kompetenzen, Nichtkompetenzen) und der dazu erforderlichen Ressourcen zu charakterisieren. Die jeweilige Fahigkeitenauspragung bezieht sich insbesondere auf Zeit-, Kosten-, Qualitats-, Quantitats- und Flexibilitatsaspekte des Erwerbs, der Transformation und der Verfugbarkeit von Ressourcen.^^^ Die elf Bereiche werden auch als Werttreiber bezeichnet, die verschiedene Wertaktivitaten, i.S. moglicher Handlungen bezogen auf einen Werttreiber, zusammenfassen.^^^ Dieser Analyseschritt ist wichtig, da der Handlungsspielraum und die „strategische Dispositionsmasse" aufgezeigt wird, d.h. auch die bislang nicht genutzten bzw. in Wertschopfung umgesetzten Potentiale werden bewusst gemacht. Aus einer unmittelbaren Prozessperspektive lassen sich die Werttreiber und aktivitaten als inhaltlich und organisatorisch zusanimengehorige Kern- und Unterstiitzungsprozesse interpretieren.^^^ Kemprozesse werden hier definiert als organisatorisch und inhaltlich zusanimenhangende Einheiten wertschaffender, einzigartiger Handlungen, die auf den spezifischen Kemkompetenzen und dem Selbstverstandnis eines Untemehmens basieren (soUten). UnterstUtzungsprozesse bezeichnen die organisatorisch und inhaltlich zusammenhangenden Einheiten von Handlungen, die fiir die Durchfuhrung und Entwicklung der Kemprozesse von Bedeutung sind, ohne dabei selbst direkt eine Quelle (nachhaltiger) Wettbewerbsvorteile zu sein.
300
Trotz dieser Neugruppierung und Weiterentwicklung bleibt der Grundgedanke PORTERs erhalten: „Die Wertkette gliedert ein Untemehmen in stxategisch relevante Tatigkeiten, um dadurch Kostenverhalten sowie vorhandene und potentielle Differenzierungsquellen zu verstehen. Wenn ein Untemehmen diese strategisch wichtigen Aktivitaten billiger oder besser erledigt, verschafft es sich einen Wettbewerbsvorteil." (PORTER 1989, S. 59) ^°^ Vgl. GLEI6NER / FUSER (2003, S. 325 ff.), die in diesem Zusammenhang insgesamt zwolf moglich Kompetenzschwerpunkte unterscheiden: (1) Vertriebskompetenzen, (2) Kundennahe, (3) Flexibilitat, (4) Innovations- und Lemfahigkeit, (5) Produktionskompetenz, (6) Qualitatskompetenz, (7) Strategische Kompetenz, (8) Kosteneffizienz, (9) Netzwerkkompetenz, (10) Markenkompetenz, (11) Kompetenz in Finanz- und PortfoHomanagement, (12) Sachmittel- und Rechtekompetenz. 302
Dagegen bezeichnet PORTER (1989) die neun Bereiche selbst als Wertaktivitaten. ^^^ Vgl. OSTERLOH / FROST (1998), S. 99.
100
Risikomanagement und Personal
Corporate Governance, Management, Untemehmensfuhrung .^
\
T Variante I Kemprozess 1
„ , . : X Kern- und ^ / \ UnterV \ stutzungs- ^ /\ prozesse / / / am Beschaf- ' // fungsmarkt/
//
Variante II Kemprozess 2
.-YT^P-I VarianteTl " v a r i ^ t e ill
Kemprozess 3 Unterstiitzungsprozess 1
J
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^ r V \ ^ \ ^ \% » . r, . V^ y \ Kern- und \ % \ \ Unterstutzungs-' \'c> \ v prozesse am \ /!" / / Absatzmarkt / ^ / i ^i'Vfj^ j
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I ^
Unterstiitzungsprozess 2
Abb. 12: Wertkette und Kemprozesse als Bezugspunkte und Analyseinstrumente des ressourcenorientierten Risikomanagements^^ Wichtig zum Verstandnis und zur Analyse der vorhandenen und potentiellen Wertaktivitaten ist der Aspekt der Einbettung in vor- und nachgelagerte Wertketten bzw. Prozesse. Zum einen wird hierdurch verdeutlicht, dass bestimmte Wettbewerbsvorteile nur realisiert werden konnen aufgrund einer intensiven Zusammenarbeit mit Zulieferem und/oder Abnehmem und der gemeinsamen Nutzung und Entwicklung von Netzwerkressourcen.^^^ Zum anderen verweist dieser Aspekt auf mogliche Abhangigkeiten und daraus resultierende Risiken. Daraus folgt, dass auch eine zielgerichtete und explizite Analyse der Gestaltung der Schnittstellen zwischen intemen und extemen Wertketten Gegenstand der Risikoeinschatzung ist. Zur Identifikation und Bewertung potentiell verfugbarer Kompetenzen bieten sich, auch aus der allgemeinen Managementliteratur, prinzipiell samtliche Instrumente und
Quelle: Eigene Abbildung. ^^^ Vgl. GLEI6NER / FUSER (2003), S. 325 ff.; DUSCHEK (2004); HOFFMANN (2003), S. 98 ff.; BROSCHAK (2004).
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Methoden der intemen Starken-Schwachen-Analyse an: Workshops, Benchmarking, Befragungen, Marktforschung, Szenariomanagement, Organisationsanalyse etc., die allerdings aus der hier verwendeten Ressourcen-ZFahigkeitenperspektive (neu) zu strukturieren, interpretieren und auszurichten sind.^^^ Die Identifikation bzw. das Vorliegen bestimmter Fahigkeiten sagt alleine noch nichts iiber die potentielle Wettbewerbsrelevanz der Fahigkeiten aus. Moglicherweise kann ein Untemehmen ein Produkt qualitativ besser herstellen als die Konkurrenz (= Kemkompetenz), es wird aber vom Markt nicht nachgefragt, da es keinen Kundennutzen schafft. In einem nachsten Schritt ist daher zu analysieren, inwiefem die Fahigkeiten potentiell wettbewerbsrelevant sind, d.h. inwiefem sie wertvoU und einzigartig sind und nur zu hohen Kosten von der Konkurrenz zu imitieren sind. Weiterhin ist zu analysieren, inwiefem das identifizierte wettbewerbsrelevante Fahigkeitenpotential auch tatsachlich in wertschaffende Kemprozesse, -produkte und -leistungen umgesetzt wird, d.h. inwiefem es realisiert werden kann. Es werden daher im Folgenden mit der Differenziemng in Potential- und Realisationsebene zwei Analyseebenen unterschieden, die sich nach dem Prinzip konimunizierender Rohren wechselseitig beeinflussen (Abb. 13). Wert und Einzigartigkeit sind dabei keine konstanten GroBen, sondem entwickeln sich im Zeitverlauf. Das Potential in to ist immer auch Ausdmck der Realisation in t.i, wobei sich i.d.R. auch der (potentielle) Wert bestimmter Fahigkeiten bei besserer (effektiverer, effizienterer) Organisation und Personalunterstiitzung erhohen wird. Gleichwohl ist die Unterscheidung in Potential- und Realisationsebene sinnvoU und hilfreich, da sie zeigt und deutlich macht, wo Handlungsbedarf besteht und wo eher nicht. Anhand der gewahlten Darstellung, die die beiden Ebenen Potential und Realisiemng in einer Matrix zusammenfasst, soil zum einen deutlich gemacht werden, dass keiner der beiden Aspekte bei der Konzeption und Entwicklung einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhmng zu Ungunsten der jeweiligen anderen vemachlassigt werden darf. Zum anderen soUen die Indifferenzkurven, die den jeweiligen Bereich der vier moglichen Wettbewerbspositionen abgrenzen, darauf hinweisen, dass es zwischen bei-
^^ Stellvertretend fur andere vgl. MACHARZINA (1999, S. 220 ff.); HINTERHUBER (1996, S. 113 ff); WELGE / AL-LAHAM (2001, S. 183 ff.); SEIDEL (2002, S. 153 ff); GLEI6NER / FUSER (2003); FINK / SCHLAKE / SIEBE (2001); WOLF (2003a), S. 162 ff; GOTZE / MIKUS (2001b).
Risikomanagement und Personal
102
den Ebenen und deren Auspragung in begrenztem Rahmen Substitutions- und Komplementaritatseffekte gibt.
Potentialebene Kundenpraferenzen Absatzmoglichkeiten Seltenheit Imitierbarkeit
Wert
ImpUkationen fur die Wettbewerbsposition
Einzigartigkeit
Realisationsebene Qualifikation Motivation Corporate Governance Untemehmensorganisation Arbeitsorganisation
Organisation
Abb. 13: Einflussfaktoren auf die Wettbewerbsrelevanz von Ressourcen und Fahigkeiten auf der Potential- und der Realisationsebene^^^ 10.2.1.1
EinflussgroBen auf der Potentialebene
Auf der Potentialebene stellen die beiden Kriterien Wert und Einzigartigkeit die zentralen GroBen dar (s. Abb. 13). Aus dem quantitativen und qualitativen AusmaB des Vorliegens wertvoller und/oder einzigartiger Ressourcen und Fahigkeiten resultiert das dem Untemehmen prinzipiell zur Verfugung stehende Ressourcen- und Fahigkeitenpotential. Wertvoll sind Ressourcen und Fahigkeiten dann, wenn in den Verfugungsmoglichkeiten iiber sie das Potential fur Kosteneinsparungen oder Ertragssteigerungen enthalten ist. Dann, so wird hier argumentiert, ist das Untemehmen prinzipiell in der Lage, die interne Starken-Schwachen-Ausstattung erfolgreich mit den sich auf dem Markt bie-
Quelle: Eigene Abbildung.
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tenden Chancen und den dort drohenden Risiken in Einklang bringen zu konnen.^^^ Der (potentielle) Wert einer Ressource oder Fahigkeit ergibt sich zum einen aus den Kundenprdferenzen und der moglichen Nachfrage nach den potentiell realisierbaren Kemprodukten und -leistungen, und zum anderen aus den prinzipiellen Absatzmoglichkeiten (v.a. GroBe des jeweiligen Marktes, Anzahl der Kunden). Einzigartig sind Ressourcen und Fahigkeiten dann, wenn die Anzahl der liber die betreffenden Ressourcen/Fahigkeiten verfugenden Untemehmen kleiner ist als die Anzahl der nicht iiber sie verfugenden Untemehmen innerhalb einer Branche, und zudem der Erwerb, Transfer oder die Entwicklung der fraglichen Ressource/Fahigkeit mit wesentlichen Kosten fur das imitierende Untemehmen verbunden bzw. nicht moglich sind (Imitationsbarrieren).^^ Das AusmaB der Einzigartigkeit hangt selbst ab von der Seltenheit (absolut, relativ zur Konkurrenz) und dem Grad der Imitierbarkeit (durch direktes Duplizieren oder durch die Substitution durch Ressourcen/Fahigkeiten, die die gleiche Funktion erfuUen). Als gmndlegende und zusammenwirkende Einflussfaktoren auf der Potentialebene, die aus verschiedenen Perspektiven bzw. auf verschiedenen Ebenen das AusmaB an Einzigartigkeit bestimmter Ressourcen und Fahigkeiten bestimmen, sind die folgenden sieben zu nennen: ^^^ 1. Institutionelle Einbettung, d.h. Beschaffung, Entwicklung, Transformation und Absatz der Ressourcen/Fahigkeiten sind abhangig von spezifischen Auspragungen der Einbettung eines Untemehmens in den jeweiligen institutionellen Kontext;^^^
^°^ Vgl. BARNEY (2002), S. 160 ff 309
Vgl. BARNEY (2002), S. 162 f.; REED / DEFILLIPPI (1990), S. 94 ff.
^^^ Vgl. FREILING (2001), S. 113 f.; COFF (1997); BARNEY (2002), S. 163 ff.; GRANT (1991); RIDDER / CONRAD / SCHIRMER / BRUNS (2001), S. 32 ff.; ACKERMANN (2003); PETERAF (1993), S. 183 ff.; HANNAH (2005); REED / DEFILLIPPI (1990); KAISER (2001), S. 24 f.; ERIKSEN / MIKKELSEN (1996), S. 63 f. Als Beispiel fur die Bedeutung der Historizitat fuhrt BARNEY (2002, S. 165 f.) den Fall Caterpillar an, ein Untemehmen, das Baugerate, Schwermaschinen etc. herstellt. Durch den Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg sah es die Regiening als notwendig an, weltweit iiber diesbeziigliche Maschinen und Wartungsservice verfiigen zu konnen. Mit Hilfe der US-amerikanischen Regierung konnte Caterpillar ein weltweites Versorgungsund Servicenetz aufbauen, mit einem garantierten Absatz durch das Militar und profitiert davon auch noch 60 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs. Zugleich kann der Fall Caterpillar als ein Beispiel fiir die Relevanz des institutionellen Kontextes angesehen werden. S.a. Punkt „9.5 Der institutionelle Kontext und dessen Relevanz fiir eine ressourcenorientierte Untemehmensfiihrung".
104
2.
Risikomanagement und Personal
Historizitdt, d.h. der Erwerb einer Ressource/Fahigkeit ist an einzigartige historische Bedingungen mit den daraus resultierenden Pfadabhangigkeiten gekniipft;
3.
Immobilitdt, d.h. Ressourcen/Fahigkeiten sind nicht transferierbar bzw. die Transaktionskosten sind prohibitiv hoch, so dass bestinimte Ressourcen/Fahigkeiten (z.B. Olquellen, Bodenschatze, Zulieferer-Abnehmer-Netzwerke) an ein Unternehmen gebunden sind;
4.
Kausale Amhiguitdt, d.h. die imitierenden Untemehmen sind nicht in der Lage, die komplexen Ursache-Wirkungs-Zusammenhange zwischen einzelnen Ressourcen und Fahigkeiten zu verstehen;
5.
Soziale Komplexitdt, d.h. das Zusammenspiel und die Nutzung von Ressourcen/Fahigkeiten ist ein komplexes soziale Phanomen, das in Grundziigen zwar moglicherweise verstanden werden kann, aber zu komplex ist, als dass es zu geringen Kosten erfolgreich imitiert werden konnte;
6.
Implizite Ressourcen/Fahigkeiten (v.a. Wissen) konnen, wenn uberhaupt, nur zu hohen Kosten von auBen benannt, beschrieben und fiir eigene Zwecke nutzbar gemacht werden, und schlieBlich konnen
7.
Patente, Copyrights, Geschdftsgeheimnisse oder notwendige Lizenzen als wesentliche Kosten- und Imitationsbarrieren wirken.
Die beiden GroBen Wert und Einzigartigkeit sind nicht in jedem Fall unabhangig voneinander (angedeutet durch die gestrichelten Pfeile), d.h. das AusmaB des Wertes wird i.d.R. auch beeinflusst sein durch das AusmaB der Einzigartigkeit einer Ressource bzw. Fahigkeit. Gleichwohl sind nicht alle einzigartigen Ressourcen/Fahigkeiten gleichzeitig wertvoll.^^^ 10.2.1.2
EinflussgroBen auf der Realisationsebene
Auf der Realisationsebene bestimmen die beiden Faktoren Personal und Organisation das AusmaB der Realisation des Ressourcen- und Fahigkeitenpotentials, d.h. inwiefern das Potential auch tatsachlich genutzt werden kann. Nur wenn die organisationalen
Dieser Aspekt stellt einen wesentlichen Unterschied zum VRIO-Modell von BARNEY (2002, S. 174 f.) dar, der letztlich nur die wertvollen Ressourcen/Fahigkeiten auf ihre weiteren Eigenschaften (Seltenheit, Imitierbarkeit) analysiert.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
105
Prozesse und Systeme (Arbeitsorganisation, ManagementkontroUsysteme, Anreizpolitik etc.) und das Verhalten des Personals die erfolgreiche Nutzung der wertvoUen und einzigartigen Ressourcen/Fahigkeiten ermoglichen, kann ein Untemehmen (nachhaltige) Wettbewerbsvorteile und damit uberdurchschnittlichen Untemehmenserfolg realisieren. Der Begriff/Aspekt Organisation umfasst hier die Effektivitat und Effizienz der Gestaltung organisationaler Prozesse und Strukturen, wie Aspekte der Arbeitsorganisation, den Zuschnitt von Verantwortlichkeiten, die (strukturelle) Ausgestaltung der Corporate Governance etc. und zielt ab auf eine Minimierung der untemehmensintemen Transaktionskosten.^^^ Der Begriff/Aspekt Personal umfasst das Verhalten der Organisationsmitglieder, insbesondere der Fuhrungskrafte und des Managements, Aspekte der Untemehmensfuhrung, die Qualitat von Entscheidungen sowie der Strategieentwicklung und -umsetzung.^^"^ Fur die Analyse auf der Realisationsebene ergibt sich daraus, dass beide Bereiche und auch deren Zusammenwirken zum Gegenstand der Analyse zu machen sind. Beiden Bereichen konrnit eine DoppelroUe zu: Zum einen reprasentieren sie selbst mogliche wettbewerbsrelevante Ressourcen/Fahigkeiten auf der Potentialebene. Zum anderen entscheiden die jeweiligen Auspragungen der Bereiche Personal und Organisation dariiber, inwiefem es dem Untemehmen gelingt, das Potential auch der anderen Ressourcen/Fahigkeiten in Kundennutzen und Wettbewerbsvorteile umzusetzen. 10.2.2 Identifikation und Bewertung moglicher zukUnftiger Entwicklungen In dem zweiten Schritt der Risikoeinschatzung geht es darum, mogliche risikobehaftte Entwicklungen, sowohl auf der Potential- als auch auf der Realisationsebene, zu identifizieren und zu bewerten. Zunachst werden sie flir die einzelnen Werttreiber/
313
Vgl. BARNEY (2002), S. 171 f. Zu einem Versuch zur Integration von resource-based view und Transaktionskostentheorie vgl. FOSS / FOSS (2004). Die Bereiche Personal und Organisation stehen in einem engen Zusammenhang, sie bedingen sich gegenseitig und lassen sich nach der Theorie der Strukturation nach GDDDENS (1979) i.S. einer Dualitat von Stniktur und Handlungen letztlich nur analytisch trennen. Vgl. GIDDENS (1979); WACHTER (1992), S. 328. „(1) Die sozialen Akteure reproduzieren durch ihre Handlungen die Bedingungen (Struktur), die ihr Handeln ermoglichen, und (2) Strukturen sind sowohl das Medium als auch das Ergebnis sozialen Handelns." (WALGENBACH 1999b, S. 358)
106
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Risikomanagement und Personal
-aktivitaten getrennt analysiert, bevor dann die Einzelergebnisse in einer Gesamteinschatzung der Risikosituation zusammengefuhrt werden.^^^ In der Logik des ressourcenorientierten Risikomanagements lassen sich prinzipiell vier Kategorien von Risiken benennen, die einzeln oder in Kombination zu einer Bestandsgefahrdung des Unternehmens bzw. zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition fiihren konnen. Auf der Potentialebene: 1. Wert: Die bestehenden Ressourcen/Fahigkeiten verlieren ihren Wert, z.B. aufgrund von veranderten Kundenpraferenzen oder neuen Technologien, und enthalten nicht mehr das Potential fiir Kosteneinsparungen oder Ertragssteigerungen bzw. die wertvollen Ressourcen und Fahigkeiten stehen dem Untemehmen kiinftig nicht mehr zur Verfiigung und diese Entwicklung kann nicht durch den Erwerb neuer wertvoUer Ressourcen/Fahigkeiten kompensiert werden. 2. Einzigartigkeit: Die bestehenden Ressourcen/Fahigkeiten sind nicht mehr einzigartig und stehen dem GroBteil der Untemehmen im relevanten Wettbewerbsumfeld zur Verfiigung oder konnen zu geringen Kosten, entweder durch direktes Duplizieren oder durch Substitution, imitiert werden, ohne dass diese Entwicklung durch den Erwerb neuer einzigartiger Ressourcen/Fahigkeiten kompensiert werden kann. Auf der Realisationsebene: 3. Personal: Das Personal tragt, wegen fehlender Qualifikation und/oder Motivation, nicht mehr oder nur mangelhaft zur ErschlieBung, Nutzung und Entwicklung der fiir die (Kem)Kompetenzen wesentlichen Ressourcen/Fahigkeiten sowie deren Transformation in Wettbewerbsvorteile bei. 4. Organisation: Die Struktur der Corporate Governance und der Untemehmens- und Arbeitsorganisation des Untemehmens unterstiitzen und ermoglichen nicht mehr
Im Rahmen dieser Risikoeinschatzung kann hierbei zwischen einer ursachen- und wirkungsbezogenen Betrachtungsweise unterschieden werden. Vgl. WOLF (2003a), S. 177 f.; MIKUS (2001b), S. 17 f. Wahrend aus einer wr^ac/i^Azbezogenen Perspektive auf die Verortung der Entstehungsbedingungen und -faktoren moglicher Risiken fokussiert wild, stehen bei einer w/r/:M/2^5bezogenen Betrachtungsweise die Wertaktivitaten im Vordergrund, bei denen sich die Risiken manifestieren und auswirken. Relevant ist diese Differenzierung, um die Einbettung und Interdependenzen zwischen den Wertaktivitaten zu verdeutlichen und so die erforderlichen informatorischen Grundlagen ftir eine zugleich ursachen- und wirkungsbezogene Risikohandhabung zu erarbeiten.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Oder nur mangelhaft die ErschlieBung und Nutzung der fur die (Kem)Kompetenzen wesentlichen Ressourcen/Fahigkeiten sowie deren Transformation in Wettbewerbsvorteile. Derartige Entwicklungen stellen aus ressourcenorientierter Perspektive Risiken dar, da sie dazu fiihren konnen, dass so genannte okonomische Renten nicht mehr oder nur vermindert realisiert werden konnen, so dass es zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition kommen kann. Zu unterscheiden sind hierbei funf Arten moglicher Renten: (1) Ricardo-Renten, (2), Monopol-Renten, (3) Schumpeter-Renten, (4) QuasiRenten und (5) relationale Renten.^^^ Diese sind nicht als sich wechselseitig ausschlieBende Altemativen oder strategische Ziele zu verstehen, vielmehr dient die Differenzierung dazu, mogliche Schwerpunktsetzungen zu verdeutlichen und aufzuzeigen. 10.2.2.1
Risiken auf der strategischen Ebene
Auf der strategischen Ebene werden die grundsatzliche Ausrichtung der Untemehmenspolitik und damit auch Managemententscheidungen und -verhalten zum Gegenstand der Risikoanalyse und -bewertung gemacht.^^^ Es ist einerseits zu untersuchen, inwiefem, ausgehend von dem verfiigbaren Fahigkeitenprofil, grundsatzlich das richtige Geschaftsfeld, der passende Absatzmarkt, die geeigneten Marktsegmente, das for-
316
Ricardo-Renten ergeben sich aus der iiberlegenden Ausstattung eines Untemehmens mit knappen Ressourcen, die es dem Untemehmen erlauben, zu niedrigeren Durchschnittskosten zu produzieren als seine Wettbewerber. Monopol-Renten weisen eine gewisse Ahnlichkeit mit den RicardoRenten auf, sind im Gegensatz dazu aber weniger auf die uberlegende Ausstattung mit Ressourcen begriindet, sondem auf die Marktmacht und monopolartige Stellung eines Untemehmens, aufgrund von hohen Markteintrittsbarrieren fiir die potentielle Konkurrenz. Schumpeter-Renten ergeben sich aus einer uberlegenden Innovationsfahigkeit von Untemehmen, denen es (kontinuierlich) gelingt, first-mover advantages zu nutzen, um eine temporare monopolartige Stellung aufzubauen. Quasi-Renten resultieren aus der optimalen Verwertung und Realisierung des Potentials, wobei sich der Begriff der Quasi-Rente aus der Differenz zwischen der optimalen und der nachstbesten Verwertungsmoglichkeit ergibt. Relationale Renten konnen generiert werden, wenn durch eine kooperative Entwicklung und Biindelung von Ressourcen und Fahigkeiten im Rahmen von interorganisationalen Netzwerken neue wertvolle und einzigartige Netzwerkressourcen und fahigkeiten entstehen bzw. das vorhandene Potential effektiver und/oder effizienter genutzt werden kann. Vgl MAHONEY / PANDIAN (1992), S. 364 f.; WOLF (2003b), S. 424 f.; KAISER (2001), S. 16; DUSCHEK / SYDOW (2002), S. 428 f. GmndsatzUch zu relationalen Renten vgl. DYER / SINGH (1998, S. 661); PETERAF (1993, S. 180 ff.) zu Ricardo- und Monopolrenten. Nicht ganz nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang die Feststellung von OSTERLOH / FROST (1998, S. 167), die als Unterscheidung dem market-based view die Generierung von Monopol-Renten und dem resource-based view die Generierung von Effizienzrenten zuschreiben, da auch eine spezifische Ressourcenausstattung und -nutzung zu einer Monopolstellung und der Realisiemng von Monopol-Renten fuhren kann. Vgl. LUCK (2000).
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Risikomanagement und Personal
derliche institutionelle Umfeld und eine auf Kundenpraferenzen ausgerichtete Produktpolitik gewahlt wurden.^^^ Andererseits ist zu analysieren, inwiefern die internen Prozesse, eingebettet in vor- und nachgelagerte Prozesse bzw. strategische Allianzen, und der Personaleinsatz zu einer moglichen Bestandsgefahrdung bzw. Verschlechterung der Wettbewerbsposition fiihren konnen. Ebenfalls zur Risikoeinschatzung auf der strategischen Ebenen gehort die Identifikation und Bewertung moglicher Pfadabhdngigkeiten und drohender Lock-ins, z.B. aufgrund der Auswahl bestimmter Technologien, Organisationsstrukturen oder der Spezialisierung auf bestimmte Produkte, Leistungen und Markte.^^^ Hiermit verbunden sind moglicherweise Abhangigkeiten von einzelnen Kunden oder Zulieferem bzw. von einzelnen Personen dort, so dass zum einen deren wirtschaftliche Situation auch von vitaler Bedeutung fiir das eigene Unternehmen ist.^^° Dies gilt besonders fiir den Extremfall einer Insolvenz oder akuten Bestandsgefahrdung von Kunden oder Zulieferem, wenn AuBenstande nicht mehr geltend gemacht werden konnen oder es zu Lieferunterbrechungen einzigartiger produktionsnotwendiger Zwischenprodukte kommt.^^^ Urn diesbeziiglich eine fundierte Einschatzung vomehmen zu konnen, kann es als hilfreich angesehen werden, zunachst mogliche (wahrscheinliche, wlinschenswerte, geplante etc.) Szenarien i.S. altemativer Zukiinfte und kemkompetenzenbasierter Kemprozesse, -produkte und -leistung zu konstruieren.^^^ In Abb. 14 wird die Vielzahl
^^^ Vgl. SEIDEL (2002), S. 198 ff. ^^^ Vgl. SCHREYOGG / SYDOW / KOCH (2003); ACKERMANN (2003). ^^° Vgl. BROSCHAK (2004) zu einer empirischen Studie beziiglich der Bedeutung einzelner Personen fiir die Auftragsvergabe an und Zusammenarbeit mit Werbeagenturen. ^^^ Nach einer Untersuchung von CREDITREFORM (2004, S. 12) gaben, uber alle Branchen betrachtet, 59,7 % der befragten Untemehmen an, von Forderungsausfallen aufgrund von Kundeninsolvenzen betroffen zu sein. Zu Zahlungsverhalten und Forderungsausfallen speziell im Mittelstand vgl. CREDITREFORM (2003, S. 20 ff.). Es kann in gewisser Weise als schizophren bezeichnet werden, dass einerseits der Gesetzgeber mit dem TransPuG, dem KonTraG etc. Untemehmenszusammenbriiche zu vermeiden anstrebt, anderseits aber die schlechte Zahlungsmoral der offentlichen Hand selbst eine Bestandsgefahrdung insbesondere fiir kleine und mittlere Untemehmen darstellt. ^'^ Vgl. BROETZMANN (2003); FINK / SCHLAKE / SIEBE (2001); WOLF / RUNZHEIMER (2001), S. 37 ff.; GOTZE / MIKUS (2001b), S. 39 ff. Vgl. ELFGEN (2002a) zu Fruhwamsystemen als Instrumente zur friihzeitigen Identifikation risikomanagementrelevanter Entwicklungen. WOLF (2003a, S. 183 ff) unterscheidet fiinf Schritte zur Chancen-Risikoidentifikation mit Hilfe der Szenariotechnik: (1) Bestandsaufnahme der organisatorischen Rahmenbedingungen des Planungsprozesses, (2) Identifikation von Einflussbereichen und -faktoren, Ableitung von Deskriptoren in Lenkungsbereichen (direkt gestaltbar) und Umweltbereichen (kein unmittelbarer Einfluss durch das Untemehmen), (3) Ableitung von Zukunftsprojektionen fur jeden Deskriptor durch
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
109
moglicher Zukiinfte bzw. deren Szenarien durch die „Karteikartendarstellung" verdeutlicht. 10.2.2.2
Risiken auf der operativen Ebene
In einem nachsten Schritt werden dann,^'r die und innerhalb der entwickelten Szenarien, mogliche Risiken auf der operativen Ebene hinsichtlich der Beschaffung, Transformation und des Absatzes der aus den Ressourcen/Fahigkeiten resultierenden Produkte/Leistungen analysiert und bewertet, die einen negativen Einfluss auf die Kriterien Wert und Einzigartigkeit bzw. das AusmaB der Realisation des Fahigkeitenpotentials durch Personal und Organisation haben. Die Struktur der Analyse folgt hierbei der oben vorgestellten Wertkettensystematik, d.h. die einzelnen Wertaktivitaten sind zu untersuchen auf mogliche, fiir ihre Durchfuhrung relevante Entwicklungen und ihre dadurch verursachte Gefahrdung.^^^ Eine Bewertung der identifizierten Entwicklungen wird ublicherweise anhand so genannter Risikomatrizen (risk maps) vorgenonunen und visualisiert. I.d.R. werden in einem Vier- oder Neunfelderschema auf der einen Achse die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Risikos und auf der anderen Achse das drohende Schadensausmafi bei tatsachlichen Eintreten eines Risikos eingetragen. Wahrend einige Risiken (v.a. Finanzrisiken) nach anerkannten und wirtschaftlich vertretbaren Verfahren relativ genau zu quantifizieren sind, ist dies bei anderen Risiken (v.a. strategische Risiken, Personal-
Trend- und Extremszenarien, (4) Annahmenbiindelung und Konzentration auf ausgewahlte relevante Szenarien, (5) organisatorische Verankerung von Indikatoren in die laufenden Controllingund Berichtsysteme. Vgl. MIKUS (2001a, S. 84 ff.) zur Berucksichtigung der Wirkungen von RisikomanagementmaBnahmen auf Wahrscheinlichkeit und Schadenshohe der moglichen Risiken in den Szenarien; B E TA (2005) zu Spieltheorie als Mittel zur Strategieanalyse im Rahmen des Risikomanagements. 323
Zu verschiedenen Risiken unmittelbar bezogen auf die Wertkette nach PORTER (1989) vgl. BIETKE (2003); WEBER / WEIBENBERGER / LIEKWEG (2001, 1999). Dariiber hinaus bietet die Literatur zum Thema Risikomanagement ein Vielzahl unterschiedlichster Risikolisten, die mogliche Risiken im Wesentlichen enzyklopadisch auflisten und , je nach Untersuchungsgegenstand, zu unterschiedlichsten Risikokategorien zusammenfassen. Vgl. SEIDEL (2002, S. 193 ff.) zu einer der umfangreichsten Risikolisten. S.a. ROMEIKE (2003c); GLEI6NER / FUSER (2003), S. 180 ff.; BIHR / DEYHLE (2000b); KPMG (1998), S. 28 ff.; WOLF (2003a), S. 177 ff.; WOLF / RUNZHEIMER (2001), S. 103 ff.; CROUHY / GALAI / MARK (2001), S. 487 f.; LEIDINGER (2002), S. 242 f. Vgl. SCHWAGER (2000b, S. 161) konkret zu Risiken bezogen auf den Absatz von Lebensversicherungen.
110
Risikomanagement und Personal
risiken) kaum moglich. Hier bietet sich die Einteilung in relativ grobe Risikoklassen an (z.B. kleine, mittlere und groBe Risiken).^^"^ Diese Einschatzungen sind zunachst fiir die einzelnen als relevant identifizierten zuklinftigen Entwicklungen vorzunehmen, um dann auf der Ebene der einzelnen Werttreiber bzw. Prozesse aggregiert zu werden und schlieBlich in einer Gesamteinschatzung zusammengefuhrt zu werden.^^^ Es ist hervorzuheben, dass es hierbei kein allgemeingultiges Modell geben kann, welches mathematisch-exakt die Risiken additiv oder multiplikativ verknlipft, da sich in einer Gesamtbetrachtung einige Risiken wechselseitig neutralisieren oder auch verstarken konnen. Das bedeutet, dass in der Gesamtbetrachtung auch Kumulrisiken zu beachten sind, die sich aus dem Zusammenspiel und den Wechselwirkungen zwischen einzelnen Risiken (inhalthcher Aspekt) und bei wiederholtem Eintreten im Zeitverlauf (zeitlicher Aspekt) ergeben konnen.^^^ Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Risiken, nicht auf den Chancen zukiinftiger Entwicklungen. Gleichwohl kann eine Risikoeinschatzung erst dann als vollstandige und aussagekraftige Basis fiir die Fesdegung und Durchfuhrung von angemessenen und in Abhangigkeit der jeweiligen Risikoneigung konzipierten MaBnahmen der Risikohandhabung angesehen werden, wenn auch die moglichen positiven Entwicklungen (Chancen) hinsichtlich der elf Werttreiber mit den jeweiligen Konsequenzen und Wahr-
Vgl. MIKUS (2001a), S. 79 f; KOBI (1999); HOCHREIN (1999); ROMEIKE (2003d); WOLF (2003a), S. 56 ff.; BIHR / DEYLE (2000a); COENEN (2004); CROUHY / GALAI / MARK (2001), S. 498 ff.; DIEDERICHS / KAMINSKI (2003); ETTMULLER (2003); SEIDEL (2002), S. 298 f;LOHR (2000), S. 315 f Zu konkreten Methoden der Risikoidentifikation und -bewertung, deren Bandbreite von einfachsten Checklisten bis bin zu elaborierten und hoch komplexen Verfahren reicht, vgl. GOTZE / MIKUS (2001a, 2001b); ROMEIKE (2003d); BIHR / DEYHLE (2000b) und GLEI6NER / FUSER (2003, S. 180 ff.) zu Checklisten; BEETKE (2003) zu Benchmarking und Risikoeinschatzung; PWC DEUTSCHE REVISION (2000, S. 11) zu Besichtigungs-, Dokumenten-, Organisationsanalyse, Mitarbeiterbefragung und Marktrecherche; ACKERMANN (1999b, S. I l l ff) zu Mitarbeiterbefragungen als Instrumente zur Friiherkennung von Risiken; s.a. WAGNER (1995) zu Mitarbeiterbefragungen zur Analyse der Qualitatskultur eines Untemehmens und diesbezuglicher Risiken. Vgl. WOLF (2003c) zu Risikoaggregation mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation zur experimentellen Ermittlung der Wahrscheinhchkeitsverteilung von Risiken; WILKENS / VOLKER (2001) und WOLF (2003a, S. 204 ff.) zu Methoden (analytische Varianz-Kovarianz-Methode, stochastische und historische Simulation) zur Berechnung des Value-at-Risk bzw. Cash flow-at-Risk, d.h. des maximal zu erwartenden Verlustes, der nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit iiberschritten wird; SCHRODER / ROSO (2003) zu Risikoquantifizierung mit Hilfe der Extremwerttheorie (Peaks-over-Threshold-Methode) und Fuzzy Sets (Idee der unscharfen Mengenlehre). Vgl. ACKERMANN (1999a), S. 78 ff; SPELLMANN (2002), S. 23 ff; KROPP (2004).
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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scheinlichkeiten beriicksichtigt werden.^^^ Moglicherweise rechtfertigt in einer RisikoChancen-Abwagung eine groBe Chance auch ein groBes Risiko (z.B. Einfiihrung eines neuen Produktes oder Eintritt in einen neuen Markt).^^^ Die Analyse und Bewertung der Chancen erfolgt analog zur Risikoeinschatzung. Die folgende Abb. 14 fasst in allgemeiner Form die einzelnen Schritte der Risikoeinschatzung in einer Tabelle zusammen, deren Inhalte die Informationsgrundlagen fur die Risikohandhabung bilden.
^^^ Vgl. REICHMANN / RICHTER (2001); WEBER / WEI6ENBERGER / LIEKWEG (2001, 1999). ^^^ Vgl. WOLF (2003a), S. 146 ff.; WOLF / RUNZHEMER (2001), S. 64 ff.; REICHMANN / RICHTER (2001); LUCK (2002). S.a. SCHEERENBECK / LISTER (2002, S. 196 ff.) zu Chancen und Risiken von Leverageeffekten bezuglich der Kapazitatsauslastung und des Verschuldungsgrades eines Untemehmens.
Risikomanagement und Personal
112
Szenarien moglicher Kernprozesse
Fah gkeitenp rofil KemWerttreiber
peten-
Nichtkompe-
Ressourcen 1. Management, Corporate Governance
^ 1. FinanzJelle Ressourcen
2. Physischc Ressourcen
X X
3. Humanressourcen
4. Organisational e Ressourcen
5. TechnoJogische Ressourcen
>
8. Produktion, Opcrationen
X
9. Marketing, Vertneb 10. Ausgangslogistik Unlersttitzungsproze&s 1 U nlerslutzungsprozess 2
11. Kundendienst
Szenariol PY Fahigkeitenprofll Kemkompe-
Kom-
Nichtkompe-
Szenario 1
r^
J::^
Potential des Ressour-
Realisation des Ressour-
Einschatzung zukiinf-
cen- und Fahigkei-
cen- und Fahigkeiten-
tiger Entwicklungen
des
tenprofils hinsichtlich...
potentials durch...
hinsichtlich...
Handlungs
Einzigartigkett
Organisation
Bewertung
-bedarfis
GesamUinschdtzung
Abb. 14: Gesamtdarstellung einer ressourcenorientierten Risikoeinschatzung^^^
Quelle: Eigene Abbildung.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
113
10.2.3 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen Die Benennung und Bewertung zukiinftiger Entwicklung als kleine, mittlere oder gro6e Risiken bzw. Chancen und die Einschatzungen der jeweiligen Ursache-WirkungsBeziehungen sind keine methodisch unterstutzten Annaherungen an eine objektive Realitat, sondem soziale Konstruktionen.^^^ Die Auswahl und die Art und Weise der Nutzung der eingesetzten Instrumente und Methoden zur Risikoeinschatzung sind abhangig von der Wahmehmung der beteiligten Personen und der in einer Organisation dominierenden Deutungsmuster und konnen sich im Zeitverlauf durchaus verandem. 331
Eine zentrale Herausforderung im Rahmen der Risikoeinschatzung ist es daher, ein Bewusstsein dafur zu schaffen, was uberhaupt und warum es ein Risiko sein kann, inwiefem es, auch im Zusammenspiel mit anderen Entwicklungen, ein Risiko darstellt und inwiefem an welcher Stelle Handlungsbedarf entsteht. Dabei wird es i.d.R. weder ausreichend noch moglich sein, dieses Risikobewusstsein und -verstandnis „von oben" durch das Management oder die mit der Koordination der Risikomanagementaktivitaten betrauten Stellen zu verordnen. Vielmehr setzt dies einen intensiven und in gewisser Weise ojfenen gemeinsamen Interpretations- und Kommunikationsprozess mit den verantwortlichen und betroffenen Mitarbeitem voraus. Auch die umfangreichsten Risikoeinschatzungen konnen nicht das Risiko von Fehleinschatzungen voUig ausschalten, sondern lediglich reduzieren. Die Zukunft bleibt letztlich unsicher und erst ex post stellt sich heraus, ob und in welcher Weise die Risikoeinschatzung ex ante zutreffend und angemessen gewesen ist. Abb. 15 gibt einen Uberblick iiber diesbeziigliche Moglichkeiten und Grenzen der Risikoeinschatzung. Anhand einer Darstellung mit Eulerschen Kreisen werden mogliche Risiken danach unterschieden, inwiefem sie (1) von den Akteuren der Risikoeinschatzung wahrgenom-
^^^ VgLKIESER(1998),S.65. „Bei der Risikobewertung sollte man sich immer wieder vor Augen fiihren, dass Risiken ein Konstrukt sind. Das Material, aus dem Risiken konstruieit sind, liefem uns die Sinne. Die Bewertung, ob wir etwas als risikoreich einstufen, hangt von unserer subjektiven Wahmehmung und Reizverarbeitung ab. Was fur den einen ein Risiko ist, braucht fiir den anderen noch lange keines zu sein. So gait noch 1904 das Telefonkabel als groBes Risiko fiir die Menschheit. Es wurde vor der Benutzung des Telefons gewamt, da Telefonieren das Gehor beschadige. 1912 wurde ein neues Risiko wahrgenommen: Das Mundstiick des Telefons stand im Verdacht, Tuberkulose und andere ansteckende Krankheiten zu verbreiten. Gleichzeitig war man sich sicher, dass Telefonieren zum Wahnsinn fuhrt." (ROMEIKE 2003d, S. 197)
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Risikomanagement und Personal
menen und subjektiv erwartet werden, (2) inwiefern sie objektiv vorhanden sind und damit wahrzunehmende Risiken sind, und (3) inwiefern sie aufgrund der Instrumente, Verfahren und Indikatoren im Rahmen der Risikoeinschatzung prinzipiell wahmehmbar sind.^^^ Objektiv vorhandenes Risikofeld (wahrzunehmende Risiken) Subjektiv antizipiertes Risikofeld (wahrgenommene Risiken)
Aufgrund der Risikoeinschatzung zu erwartendes Risikofeld (wahrnehmbare Risiken) 1)
Aufgrund der Risikoeinschatzung envartete, ,j"eal" vorhandene Risiken
2)
Subjektiv erwartete, real vorhandene Risiken, auf deren Eintritt keine Signale oder sonstigen Indikatoren hinweisen und die nicht im Rahmen der Risikoeinschatzung zutreffend identifiziert und bewertet werden
3)
„Uberraschungen"; contra-intuitive Ereignisse, deren Realisation sich nicht durch (Fruh-)Informationen, die im Rahmen der Risikoeinschatzung erfasst werden, ankiindigt
4)
Contra-intuitive Ereignisse, deren potenzieller Eintritt von den Akteuren der Risikoeinschatzung trotz entsprechender Hinweise im Rahmen der Risikoeinschatzung nicht wahrgenommen wird
5)
Objektiv nicht vorhandene Risiken, die sich durch (un)wissentlich ignorierte Signale scheinbar, d.h. im Rahmen der Risikoeinschatzung, andeuten
6)
Aufgrund intuitiver Plausibilitat und entsprechender (Fruh-)Informationen erwartete und im Rahmen der Risikoeinschatzung ermittelte, objektiv nicht vorhandene Risiken
7)
Intuitiv erwartete Risiken, die sich weder durch Signale ankiindigen bzw. im Rahmen der Risikoeinschatzung zutreffend erfasst werden, noch objektiv betrachtet vorhanden sind
Abb. 15: Moglichkeiten und Grenzen der Risikoeinschatzung^^^ Moglich ist sowohl, dass relevante, d.h. „objektiv" vorhandene Risiken nicht als solche erkannt und bewertet werden als auch, dass nicht relevante oder nicht existierende Risiken als relevant wahrgenommen und bewertet werden.^^"^ Es stellt eine wichtige Herausforderung dar, das Bewusstsein dafur zu entwickeln, dass es sich bei Risikoein-
332
Objektiv vorhandene Risiken werden als solche bezeichnet, wenn sie sich ex post als reale Risiken herausstellen. ^^^ Quelle: SCHRODER / ROSO (2003, S. 156), geringfugig modifiziert. ""^ Vgl. ACKERMANN (1999a), S. 62. WOLF (2003a, S. 180) macht insbesondere die folgenden Einflussfaktoren fiir das AusmaB und die Giite der Risikowahmehmung: Freiheitsgrad und Handlungs spielraum des Akteurs, Vertrautheit mit der Risikosituation, Beeinflussbarkeit der Risikosituation durch den Entscheider, Komplexitat und Anzahl der Einflussparameter innerhalb der Risikosituation.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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schatzungen um soziale Konstruktionen handelt, die mehr oder weniger geeignet sind, einen erfolgreichen Umgang mit den zukiinftigen Entwicklungen zu ermoglichen bzw. selbst einen Einfluss auf die zukiinftigen Entwicklungen haben.^^^ Zu akzeptieren, dass Fehleinschatzungen nicht grundsatzlich ausgeschlossen werden konnen, allerdings in gewissem Rahmen auch reduzierbar sind, ist insofem relevant, als dass es der Gefahr vorbeugt, sich einer Planbarkeits- und Sicherheitsillusion hinzugeben. ^^^ Ursachen von sich im nachhinein als Fehleinschatzungen erweisender Risikoanalysen lassen sich grundsatzlich zwei Bereichen zuordnen. Einerseits kann es aufgrund von unzureichenden oder nicht effektiv eingesetzten Instrumenten, Prozessen und Methoden der Risikoeinschatzung sowie aufgrund unvoUstandiger Information und begrenzter Rationalitaten der einschatzenden Personen zu unheahsichtigten Fehleinschatzungen kommen.^^^ Andererseits, und dieser Aspekt wird in der Literatur zumeist vemachlassigt, spielen beahsichtigte Fehleinschatzungen eine sehr bedeutende RoUe. Beabsichtigt meint, dass bestimmte Personen ein Interesse an bestimmten Ergebnissen der Risikoeinschatzungen haben. Risikoeinschatzungen sind immer auch Schwachstellen-
Z.B. werden aufgrund einer Risikoeinschatzung bestimmte Geschaftsfelder neu strukturiert. ' Dies diirfte insbesondere fiir das Management eine Herausforderung und Gratwanderung sein, da sich Manager haufig als Macher und Gestalter verstehen und inszenieren bzw. ein solches Verhalten von ihnen erwartet wird. Vgl. ERBEN / ROMEIKE (2003a), S. 48 ff.; RENN (2003). AusfuhrUcher zu Rationalitatsengpassen im Rahmen des Risikomanagements vgl. LIEKWEG (2003); grundsatzlich zum Begriff der begrenzten Rationalitat vgl. MARCH / SIMON (1993, S. 190 ff.), der den Zustand bezeichnet, dass Individuen aufgrund kognitiver Grenzen der Informationsaufnahme und -verarbeitung keine voUstandig objektiven rationalen Entscheidungen treffen konnen. Ausfiihrlicher zum Begriff der Rationalitat s.a. WMMER / NEUBERGER (1998, S. 8 f.). Besonders im Rahmen der Einschatzung strategischer Risiken und der Ausarbeitung und Bewertung moglicher strategischer Optionen ist hierbei auch auf so genannte Groupthink-Effekte hinzuweisen. Vgl. JANIS (1982), S. 174 f.; SIMON (2000), S. 388 ff.; FINK / SCHLAKE / SIEBE (2001), S. 115 ff.; BRANDSTATTER (1997). Group-think bezeichnet das aus der Sozialpsychologie bekannte Phanomen, dass bei zeitkritischen und komplexen Gruppenentscheidungen, isolierte Gruppen die eigenen Fahigkeiten iiberschatzen, da sich aus Konformitatsstreben eine Tendenz zur Selbstzensur entwickelt, die dazu fiihrt, dass die Entscheidungssituation nur einseitig wahrgenommen wird. Als Konsequenzen von Group-think lassen sich u.a. nennen: unvoUstandige Suche nach Altemativen, keine Altemativplane, einmal verworfene Altemativen werden nicht mehr diskutiert, schlechte und einseitige Informationssuche und -verarbeitung, unvollstandig Risikoabwagung (risky shift). Ratschlage zur Vermeidung von Group-think sind nach JANIS (1982): Bewusstseinmachen von Group-think, die Wahl eines unparteiischen Gruppenfuhrers, Ausarbeitung von Kontingenzplanen, Aufbrechen der Isolation durch Hinzuziehen von Extemen, die Benennung eines devil's advocate zur permanenten Generierung von Gegenargumenten, emeute Diskussion von vorlaufigen Entscheidungen, Unterteilung und emeute Zusammenfuhrung der Gruppe, verschiedene Gruppen getrennt arbeiten lassen, Beriicksichtigung des (potentiellen) Verhaltens von Rivalen, Aufforderung zur Kritik.
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Risikomanagement und Personal
analysen und haben, wenn es sich um ein emsthaft betriebenes Risikomanagement handelt, reale Konsequenzen fur die Wertaktivitaten, in denen die Risiken/Schwachstellen identifiziert wurden, und damit auch materielle und/oder immaterielle Konsequenzen (Arbeitsplatz, Entlohnung, Karriere, Reputation) fiir die verantwortlichen bzw. dort involvierten Personen.^^^ 10.3 Risikohandhabung Gegenstand der Risikohandhabung, in der Literatur auch als Risikosteuerung bezeichnet, ist der konkrete Umgang mit den identifizierten und bewerteten Risiken. Aus einer ressourcenorientierten Perspektive sind die moglichen MaBnahmen(bundel) auf die Risiken und erfolgskritischen Faktoren auszurichten, die zu einer Gefahrdung der Kemkompetenzen und -produkte sowie der daraus resultierenden okonomischen Renten fiihren konnen. Bezugspunkte fiir die Gestaltung einer tragfahigen Gesamtrisikosituation bilden die GroBen SchadensausmaB und Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts: Einerseits soil der Schadenseintritt moglichst vermieden oder unwahrscheinlicher gemacht werden, anderseits sollen die Folgen eines nicht vermeidbaren Schadeneintritts reduziert werden. MaBnahmen der Risikohandhabung lassen sich hinsichthch ihrer jeweihgen vorrangigen Zielsetzung vier Kategorien zuordnen, wobei es durchaus zu Mischformen kommen kann, d.h. die vier Kategorien schlieBen sich nicht wechselseitig aus.^^^ 1. Risikovermeidung bedeutet, bestimmte risikobehaftete Handlungs- oder Geschaftsfelder grundsatzlich zu vermeiden und auszuschlieBen, damit aber auch auf die Realisierung moglicher Chancen zu verzichten.
Beabsichtigte Fehleinschatzungen bzw. das wissentliche Verschweigen von Risiken betreffen grundsatzlich samtliche Hierarchieebenen. So konnte z.B. die Bundesanstalt fiir Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) den Vorstandsmitgliedem Jiirgen Sengera (Vorsitzender) und Andreas Seibert der WestLB nachweisen, dass wissentlich gravierende Risiken bzgl. der Kreditgewahrung und -uberwachung beim britischen Femsehvermieter Box Clever dem Kreditausschuss der Bank verschwiegen wurden. Weder wurde das risikobehaftete Engagement auf einer „Watch List" der Bank gefiihrt noch wurde es in den Risikoberichten an den Vorstand entsprechend beriicksichtigt. Sengera und Seibert traten daraufhin zuruck. Vgl. WEBER (2003). ^^^ Vgl. WOLF (2003a), S. 60 ff.; SEIDEL (2002), S. 300 f.; GLEIBNER / FUSER (2003), S. 289 f.; WOLF / RUNZHEIMER (2001), S. 75 ff.; KPMG (1998), S. 23 f.; LUCK (2000), S. 1476 f. ROMEIKE (2003e) gliedert mogliche Risikobewaltigungsstrategien weiterhin in die drei Kategorien preventive (aktive), korrektive (passive) und keine aktive Risikopolitik ein.
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2. MaBnahmen der Risikoreduzierung zielen zum einen ursacheorientiert auf die Reduziemng der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, und/oder zum anderen wirkungsorientiert auf die Reduzierung der drohenden Schaden des einzelnen Risikos.^"^^ In einer Gesamtbetrachtung und -konzeption aller MaBnahmen wird eine Risikoreduzierung auch durch eine Risikostreuung oder -diversifikation angestrebt.'"^ 3. RisikoUberwdlzung umfasst die MaBnahmen, die Risiken durch bestimmte Vertragsbedingen und Versicherungen auf Dritte ubertragen, wie bspw. Versicherungen gegen Elementarschaden, Uberwalzung von Produkthaftungsrisiken auf Lieferanten oder fmanzmarktliche Absicherungen gegen Zins- oder Wahrungsanderungen.'« 4. Das Selbsttragen von Risiken ist schlieBlich die Option fur Risiken, die weder vermieden oder reduziert werden konnen bzw. zum Kemgeschaft des Untemehmens gehoren (Kemrisiken). Die Abdeckung und Absicherung erfolgt hierbei z.B. iiber die Bildung von Riicklagen oder Liquiditatsreserven. Fur eine differenzierte Risikoursachenanalyse, die auch einen Beitrag zur Fundierung eines ressourcenorientierten Risikomanagements leisten soil, kann es als sinnvoU angesehen werden, die Analyse auf die einzelnen Prozessphasen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung auszurichten. Prinzipiell handelt es sich bei einer Ursachenanalyse um einen unendlichen und komplexen Prozess, d.h. es ware inmier mog-
MaBnahmen der Schadensreduzierung beschranken sich dabei nicht nur auf Aktivitaten vor dem Schadenseintritt sondem konnen sich grundsatzlich auch auf den Moment des Schadeneintrittes und dariiber hinaus beziehen und umfassen damit auch unmittelbares Katastrophenmanagement sowie nachtragliche Schadensminimierung. So lasst sich bspw. auch die selbst angestoBene selbstkritische und offentliche Debatte der New York Times zwei Jahre nach den Anschlagen des 11. Septembers 2002 auf das World Trade Center in New York als RisikomanagementmaBnahme zur nachtraglichen Schadensreduzierung interpretieren. Durch eine zu unkritische, einseitig regierungsfreundliche und damit unprofessionelle Berichterstattung hinsichtlich der AntiterrormaBnahmen und insbesondere der Begriindung fiir den Irakkrieg der Administration Bush hatte die New York Times Glaubwiirdigkeit verloren. Um diese Glaubwiirdigkeit, die zuvor als wettbewerbsrelevante Kemkompetenz und Markenzeichen der Zeitung angesehen werden konnte, wiederherzustellen, initiierte die Zeitung eine Reihe an selbstkritischen Artikeln, sozusagen ein offentliches mea culpa, verbunden mit dem Signal, sich kiinftig professioneller, unabhangiger und glaubwurdiger zu verhalten. Vgl. KAUFFMANN (2004). ^^' Vgl. MIKUS (2001b, S. 17 f.) und REICHMANN (2001, S. 614 f.) zur Unterscheidung ursachevs. wirkungsbezogener MaBnahmen. ^"^^ Ausfuhrlicher zu moglichen Versicherungen vgl GLEIBNER / FtJSER (2003, S. 294 ff.).
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lich einen weiteren Analyseschritt in der Entstehungsgeschichte von Risiken zuriickzugehen, so dass jede Ursache selbst als die Wirkung einer vorgelagerten Ursache betrachtet werden wiirde. Hinzu kommt, dass ein Risiko(ereignis) i.d.R. aus einer Vielzahl von Ursachen resultiert bzw. resultieren kann.^'^^ Fiir ein handlungsorientiertes Risikomanagement, das dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verpflichtet ist, ist es erforderlich, den Prozess der Ursachenanalyse an geeigneter Stelle abzubrechen und zu begrenzen, d.h. zwar mogliche Einflussfaktoren und Wirkungsketten zu analysieren, sie aber letztlich auf den Einflussbereich des Untemehmens zu beziehen. Abgeleitet aus dem Gesamtmodell einer ressourcenorientierten Unternehmensfuhrung werden vier Ursachenbereiche analytisch differenziert, die zu Anderungen auf der Potential- und/oder Realisationsebene fiihren konnen. Durch die gewahlte Darstellung in Abb. 16 soil zum einen verdeutlicht werden, dass es sich bei einem ressourcenorientierten Risikomanagement letztlich um eine Gesamtbetrachtung des Prozesses des Erwerbs, der ErschlieBung von Ressourcen und Fahigkeiten sowie deren Transformation in wertschaffende Produkte und Leistungen handelt. Das Zusanmienwirken der einzelnen Phasen ist dabei ebenso von Bedeutung wie die differenzierte Betrachtung der einzelnen Phasen selbst. Zum anderen soil hiermit die explizite Unterscheidung in strategische und operative Risiken, aber auch deren inhalthche Nahe, herausgearbeitet und konzeptionell in das ressourcenorientierte Risikomanagement eingebettet werden.
^^^ Vgl. ROMEIKE (2003b), S. 156; KROPP (2004), S. 139 ff.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
H9
Mafinahmen der Risikohandhabung Vemieidung von Risiken
Reduzierung von Risiken
Uberwalzung von Risiken
Selbstragen von Risiken
z^i
Prozess der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung
Abb. 16: Ansatzpunkte fur MaBnahmen der Risikohandhabung aus ressourcenorientierter Perspektive^"^ 103.1 Risikohandhabung aufder strategischen Ehene Auf der strategischen Ebene zielt die ressourcenorientierte Risikohandhabung darauf ab, den drohenden Verlust von Kemkompetenzen dadurch zu kompensieren, dass grundsatzlich neue und wertvoUe Ressourcen/Fahigkeiten entwickelt werden, oder aber die vorhandenen Starken neu auf veranderte Marktbedingungen bzw. neue Segmente ausgerichtet werden. Die Risikohandhabung wird damit zum expliziten und integralen Bestandteil der gesamten ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung. Insofem sind die Organisationen im Vorteil, die iiber die Kemkompetenz „ErschlieBung von Ressourcen(kombinationen)" i.S. einer organisationalen Lem- und Wandlungsfahigkeit verfugen und denen es gehngt, die gewunschten Fahigkeiten dauerhaft zu erhalten und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Diese so genannten dynamic capabilities ermoglichen es einem Untemehmen, auf Basis des jeweiligen Kompetenzenprofils, gezielt Produkte und Markte zu wahlen und zu entwickeln, und so den
Quelle: Eigene Abbildung.
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wechselnden Umwelten proaktiv Rechnung tragen zu konnen.^"^^ Hier werden die unterschiedlichen Ebenen des Begriffs der Fahigkeiten bzw. die unterschiedliche Komplexitat von Fahigkeiten deutlich: die Fahigkeit, Fahigkeiten zu entwickeln stellt selbst ein Fahigkeit dar.^"^^ Die konsequente Verfolgung einer ressourcenorientierten Unternehmensstrategie hat Riickkopplungseffekte auf die zukiinftig verftigbaren und zu beschaffenden Ressourcen und die Weiterentwicklung des bestehenden Fahigkeitenprofils.^"^^ Es handelt sich um einen permanenten Kreislaufprozess, der mit zunehmender Zeit dazu fiihrt, dass sich bestimmte Entwicklungspfade und damit auch bestimmte Pfadabhdngigkeiten und Inflexibilitdten ergeben. Einerseits ist dies aus ressourcenorientierter Perspektive als durchaus wiinschenswert anzusehen, da auf diese Weise untemehmensspezifische wertschaffende Erfahrungen, Ressourcen und Fahigkeiten entwickeh werden, die nicht, Oder nur zu hohen Kosten imitiert werden konnen. Andererseits besteht die Gefahr eines negativen Lock-ins, d.h. ab einem bestimmten Zeitpunkt wirkt ein einmal eingeschlagener Pfad (hinsichtlich der Strategic, der Produkte und organisatorischen Prozesse) deterministisch und kann nicht mehr kurzfristig bzw. nur zu hohen Kosten verlassen werden, so dass aufgrund fehlender Flexibilitat der Bestand des Untemehmens gefahrdet ist."^"^^ Da Kemkompetenzen damit auch immer Kemrigiditdten in sich bergen, steht eine ressourcenorientierte Untemehmensfiihrung immer auch vor der Herausforderung, eine gewisse strategische und operationelle Flexibilitat bzw. die Fahigkeit zur Pfadbre-
^^^ Vgl. BURR (2003), S. 36 ff.; PAWLOWSKY / NEUBAUER (2001), S. 276 f.; BARNEY (2002), S. 160 ff.; ARAGON-CORREA / SHARMA (2003); CHATTERJEE / WERNERFELT (1991). ^"^^ Vgl. GRANT (1991), S. 123. Teilweise wird diese unklare bzw. mehrdeutige Verwendung des Begriffes der Fahigkeiten als eine zu kritisierende Schwache des resource-based view angesehen. Vgl. Moldaschl / Fischer (2004), S. 127; WOLF (2003b), S. 433. In Analogie zum Konzept des Deutero-Lernens nach AGRYRIS / SCHON (1978) kann die Fahigkeit, Fahigkeiten zu entwickeln als Metafahigkeit bezeichnet werden. ^"^"^ Vgl. NOLTE/BERGMANN (1998), S. 15; GRANT (1991), S. 132. ^^^ Vgl. SCHREYOGG / SYDOW / KOCH (2003); ACKERMANN (2003), der sich auch mit weiteren Ansatzen zur Erklarung institutioneller Inflexibilitat und deren Abgrenzung zu Pfadabhangigkeitstheorien befasst. Institutionelle Inflexibilitat und deren Persistenz wird gedeutet und erklart als (1) Ergebnis bestimmter Machtkonstellationen, (2) Ergebnis spontaner Interaktion und (3) als Problem kollektiver Entscheidungsprozesse.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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chung und -kreation zu bewahren, z.B. iiber eine Modularisierung der Produktion oder Produkldiversifikation.^"^^ Eine weitere Herausforderung und Aufgabe einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung bzw. des darin integrierten strategischen Risikomanagements kann darin gesehen werden, die kemkompetenzenbasierte Strategie und die darauf ausgerichteten organisatorischen Prozesse in einem unternehmensubergreifenden Kontext zu entwickeln. Dieser Aspekt verweist auf die Relevanz des jeweiligen institutionellen Kontextes und dessen Implikationen fur die Konzeption von MaBnahmen der Risikohandhabung. Prozesse und Wertaktivitaten eines Untemehmens konnen nicht isoliert betrachtet werden, da ihre Entstehung, Durchfuhrung und Entwicklung eingebettet sind in untemehmensexteme vorgelagerte (Zulieferer), nachgelagerte (Abnehmer) und parallele (AUianzen i.w.S.) Prozesse und Wertaktivitaten. Einerseits stellt die Koevolution und gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Fahigkeiten im Rahmen eines Netzwerkes eine Moglichkeit dar, bestimmte Ressourcen/Fahigkeiten zu biindeln und in einem interorganisationalen Verbund komplexe rentenstiftende Handlungen generieren zu konnen, die alleine nicht bzw. nicht in diesem AusmaB realisierbar waren.^^^
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Vgl. SCHREYOGG / SYDOW / KOCH (2003); WOLF (2003b), S. 422; ARAGON-CORREA / SHARMA (2003), S. 75 ff. Gnindlegend zum Konzept der Kemrigiditaten vgl. LEONARDBARTON (1992), das sich auf alle vier Dimensionen von Kemkompetenzen (i,S. LEONARDBARTONs) bezieht: (1) Wissen und Fahigkeiten der Mitarbeiter, die eingebettet sind in (2) technische Systeme, (3) Fuhrungssysteme und (4) Werte und Normen bezuglich der Erzeugung und Nutzung bestimmter Wissensbereiche. Vgl. BURR (2004) zu Modularisierung, Produkt- und Dienstleistungsarchitekturen, Standards, Schnittstellen und deren Effizienzwirkungen (positiv und negativ). S.a. SANCHEZ / MAHONEY (2003) zu Flexibilitatsvorteilen durch Modularisierung bezuglich der Produkt- und Organisationsgestaltung.
' Vgl. DYER / SINGH (1998); HOFFMANN (2003), S. 98 ff.; DUSCHEK / SYDOW (2002), S. 429 f. Vgl. insbesondere zum Wissensmanagement in strategischen AUianzen GRANT / BADENFULLER (2004); INKPEN / TSANG (2005) zu Wissenstransfer in verschiedenen Netzwerktypen; MILDENBERGER (2001) zu kollektiver Kompetenzentwicklung und der Rolle einer gemeinsam entwickelten Netzwerkidentitat der beteiligten Untemehmen; HOFMANN (2001, S. 166 ff.) zu Systematik und Beispielen kritischer Erfolgsfaktoren und Netzwerkpotentiale in den Bereichen Marketing, Produktentwicklung, Verkaufsprozesse, Supply-Chain-Management, Logistik und Kundendienst. S.a. HANSMANN / RINGLE (2005) zu einer empirischen Untersuchung, insbesondere von kleinen und mittleren Untemehmen in Untemehmensnetzwerken, zur Bedeutung einzelner Kooperationsvorteile. Unterschieden wurden drei Bereiche moglicher Kooperationsvorteile. Die groBte Bedeutung wurde von den befragten Untemehmen dem Aspekt Qualitdt (Know-how-Zuwachs, Verbessemng der Produktqualitat, Verbessemng der Serviceleistungen) beigemessen. Es folgt der Aspekt Kostenvorteile (Reduziemng der Kosten fiir F&E, Reduzierung des Ressourceneinsatzes bei
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Andererseits ergibt sich aus einer intensiven untemehmensiibergreifenden Kooperation und dem beiderseitigem Zugriff auf spezifische Ressourcen/Fahigkeiten die Gefahr, dass Erosionsprozesse zu Lasten eines der beteiligten Untemehmen gefordert werden, d.h. dass die eigenen Ressourcen und Fahigkeiten nicht vor der Ubernahmen oder Imitierung geschiitzt werden konnen.^^^ Insofem stellt eine Allianzmanagementkompetenz i.S. HOFFMANNS (2003), zum „zielgerichtete[n] Management des Beziehungsgeflechtes, welches das fokale Untemehmen umgibt"^^^, eine bedeutende und zu entwickelnde strategisch relevante Fahigkeit dar.^^^ Auch mogliche Vorwdrts- oder Ruckwdrtsintegrationen, d.h. Eingliederungen und Ubernahmen vor- und nachgelagerter Wertaktivitaten stellen i.d.S. genauso wie Marktaustritte prinzipiell MaBnahmen und Optionen der Risikohandhabung dar.^^"^ Daraus folgt, dass insbesondere bei einer engen Vemetzung und Zusammenarbeit mit Zulieferem und Abnehmem (z.B. Just-in-time-Fertigung, Konzentration und Abhangigkeit auf einzelne Zulieferer bzw. Abnehmer) sich Risikomanagementaktivitaten nicht alleine auf das eigene Untemehmen beschranken konnen. Die wechselseitigen Abhangigkeiten konnen so bedeutend sein, dass z.B. Lieferengpasse, mangelnde Qualitat der Produkte und Leistungen vorgelagerter Wertketten oder die Insolvenz eines zentralen Zulieferers/Abnehmers gravierende Konsequenzen fiir die Risikosituation
Leistungserstellung, Erhaltung und Erhohung der Auftragsauslastung, Reduzierung der Servicekosten). Eher weniger bedeutend wurde der Aspekt Zeitvorteile (Beschleunigung der Prozesse bei F&E, schnellere Beriicksichtigung von Kundenwunschen, schnellere und flexiblere Reaktion auf veranderte Wettbewerbsbedingungen) bewertet. ^^^ Vgl. FREILING (2004a), S. 17; HANSMANN / RINGLE (2005), S. 219. ^^^ HOFMANN (2003), S. 95. ^^^ Vgl. HOFFMANN (2003); GRANT / BADEN-FULLER (2004). ^^^ Vgl. FREILING (2004a), S. 19 ff. Zu Marktaustritten vgl. KRYSTEK (1987, S. 208 f.); ANAND / DELIOS (2002) zu intemationalen Akquisitionen hinsichtlich des Erwerbs und Sicherung strategisch relevanter Ressourcen und Fahigkeiten (v.a. Technologien, Marken, Vertriebsmitarbeiter). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Fusionen selbst ein Risiko darstellen. Vgl. JANSEN (2003) zum riskanten Paarungsverhalten von GroBuntemehmen. Trotz verschiedenster Fusionsbestrebungen, gerade zwischen GroBunternehmen, lasst sich vielfach daher auch ein Ruckgang der Fertigungstiefe i.S. einer Konzentration auf Kemkompetenzen und eine gezielte Vermeidung der organisatorischen Verschmelzung mit Zulieferuntemehmen beobachten. Vgl. SEMLINGER (1993) zu Zuliefemetzwerken in der Automobilindustrie. Untemehmen, die Kooperationsbiindnisse Unternehmensubemahmen vorziehen, streben neben der Kostenreduzierung insbesondere auch ein hoheres MaB an strategischer Flexibilitat und einen hoheren Innovationsdruck bei den vorgelagerten Wertaktivitaten an. Vgl. SYDOW (1993), S. 110 ff.; WIEDEMANN (2002).
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eines Untemehmens haben konnen.^^^ QualitatskontroUen und -zertifikate fur vor- und nachgelagerte Wertketten wirken damit genauso als MaBnahmen der strategischen Risikohandhabung, wie die wechselseitige Unterstutzung bei Produktionsengpassen (z.B. durch befristete Entsendung von Mitarbeitem) oder die gemeinsame Nutzung (und Finanzierung) einer Betriebsfeuerwehr, die im Notfall alien involvierten Unternehmen zur Hilfe kommt. Eine weitere Option zur gezielten diesbezuglichen Risikohandhabung stellt das so genannte Key-Account-Management dar, womit die explizite Ausrichtung des Marketings auf einige GroBkunden bzw. strategisch relevante Kunden bezeichnet wird.^^^ AUerdings besteht bei dieser Form des Beziehungsmanagements und der einseitigen Ausrichtung auf einzelne Kunden auch die Gefahr einer zu starken Abhangigkeit von diesen Kunden. Auch personelle Verflechtungen in Aufsichtsrdten zwischen Unternehmen, die in einer wechselseitigen Ressourcenabhangigkeit stehen, lassen sich als MaBnahmen der Risikohandhabung auf strategischer Ebene interpretieren. Aus einer Risikomanagementperspektive konnen derartige Verflechtungen dazu beitragen, Ressourcenfliisse (von Zulieferem und zu Abnehmem) zu sichem und insgesamt die Unsicherheit der Unternehmensumwelt zu reduzieren bzw. zu stabilisieren.^^^ 103.2 Risikohandhabung auf der operativen Ebene Das Vorhandensein von Fahigkeiten ist nicht als ein dauerhafter und gegebener Zustand anzusehen, da Fahigkeiten auch verlemt werden bzw. sich abnutzen konnen. Daher stellt der Schutz und die kontinuierliche ErschlieBung der Ressourcen(kombinationen) eine permanente Aufgabe von Organisationen dar, um einer moglichen Degeneration von Fahigkeiten und ressourcenbezogenen Verkrustungs- und Erosions-
^^^ Vgl. CREDITREFORM (2004), S. 12; CREDITREFORM (2003), S. 20 ff. Ausfuhrlicher zum Key-Account-Management in der Konsumguterindustrie vgl. GEGENMANTEL(1996). Vgl. PFEFFER / SALANCIK (2003), S. 161 ff. In einer empirischen Studie auf Basis der Brokentie-Methode zu Motiven fiir personelle Aufsichtsratsverflechtungen stellen SCHREYOGG / PAPENHEIM-TOCKHORN (1995) fest, dass insgesamt ca. 90 % der identifizierten Kooperationsverflechtungen dem Ressourcensicherungsmotiv zugerechnet werden konnten.
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prozessen proaktiv begegnen zu konnen.^^^ Ansatzpunkte und Handlungsfelder fiir die ressourcenorientierte Risikohandhabung auf der operativen Ebene, in Abgrenzung bzw. im Zusammenwirken mit der strategischen Ebene, ergeben sich in den folgenden drei Bereichen und Handlungsfeldem. 10.3.2.1
Beschaffung von Ressourcen und Fahigkeiten
Vorrangiges Ziel dieses ersten Handlungsfeldes ist es, die zeitraumliche Versorgung mit den zur Durchfuhrung und Entwicklung der wertschaffenden Kemprozesse erforderlichen Ressourcen und Fahigkeiten sicherzustellen, und dies moglichst kostengunstig. Auf der strategischen Ebene ist grundsdtzlich zwischen den beiden Optionen „make or buy" zu entscheiden.^^^ Es ist festzulegen, ob bestimmte Ressourcen oder Fahigkeiten intern erzeugt, extern zugekauft bzw. als Hybridform in enger Kooperation im Rahmen langfristiger Lieferbeziehungen gemeinsam mit Zulieferem und/oder Abnehmem gemeinsam entwickelt und erzeugt werden.^^° Auf der operativen Ebene geht es dagegen um die konkrete Umsetzung der prinzipiellen Vorgaben in eine transaktionskostenminimierende Koordination, Prozess- und Vertragsgestaltung hinsichtlich der betroffenen Wertaktivitaten und der Schnittstellen zwischen vorgelagerten und eigenen Wertaktivitaten.^^^ Das bedeutet z.B. eine Entwicklung und Verstandigung auf geeignete technologische Standards, den erforderlichen Wissensaustausch zwischen den betroffenen Akteuren, die Benennung bestimmter zeitlicher, quantitativer und qualitativer Vorgaben fiir zu erbringende Produkte/Leistungen, die Ausarbeitung von NotfallmaBnahmen fiir den Fall unvorhergesehener Storungen und die klare Zuweisung von Ansprechpartnem und Kompetenzbereichen.^^^
^^^ Vgl. SCHREYOGG / SYDOW / KOCH (2003), S. 280; FREDLING (2004a), S. 14 ff.; ROBERTSON (1996), S. 76. 359
Vgl. JACOBIDES / WINTER (2005), S. 398. ^^° Vgl. LIEBESKIND (1996) zu den Vorteilen \von Untemehmen im Vergleich zu Markten hinsichtlich des Schutzes von strategisch relevantem Wissen. ^^^ Vgl. DYER / SINGH (1998); STEIN (1997), S. 270 ff.; SEMLINGER (1993). ^^^ Vgl. GAIROLA (1996), S. 478 ff. Ausfuhrlicher zum Bereich Beschaffung und diesbezuglicher Logistik vgl. z.B. TR06MANN (2002); KOPPELMANN (1998); WASCHER (1998); SCHIERENBECK (2000, S. 195 ff.).
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
10.3.2.2
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ErschlieBung, Transformation, Entwicklung von Ressourcen und Fahigkeiten
Dieses Handlungsfeld bezieht sich im Wesentlichen auf die ErschlieBung, Entwicklung und die Sicherstellung der Realisation der vorhandenen Fahigkeitenpotentiale durch eine effektive und effiziente Organisationsgestaltung i.w.S. sowie das Verhalten des Personals (Entscheidungen, Anwendung von Fahigkeiten etc.). Ziel der MaBnahmen der Risikohandhabung ist es hierbei, den optimalen Ressourcen-ZFahigkeiteneinsatz und -fluss und die Zusammenfuhrung der Ressourcen/Fahigkeiten in Kemprodukte und -leistungen sicherzustellen. Arbeitsablaufe und Schnittstellen, sowohl zwischen einzelnen Wertreibem und -aktivitaten als auch zu den vor- und nachgelagerten Wertketten, sind so zu konzipieren, dass Risiken aufgrund mangelhafter Koordination und Kommunikation reduziert bzw. vermieden werden.^^^ Diesbezugliche MaBnahmen der Risikohandhabung sind damit u.a. samtliche Qualitats- und ProzesskontroUen, die Definition zeitUcher und quantitativer Leistungsstandards, entsprechende Wissensmanagementsysteme, die Entwicklung und Implementierung effektiver und effizienter Fertigungssysteme.^^ Eine SchlusselroUe kommt in diesem Rahmen der Qualifikation und der Bereitschaft/Motivation des Personals zu, Risiken angemessen zu erkennen, zu bewaltigen und zu kommunizieren.^^^ 10.3.2.3
Absatz der Kemprodukte und -leistungen
Zum einen zielen MaBnahmen der Risikohandhabung in diesem Handlungsfeld darauf ab, in zeithcher, raumlicher, quantitativer und qualitativer Hinsicht, den Absatz der erstellten Kernprodukte und -leistungen sicherzustellen und die nachgelagerten Wertketten bzw. die Endkunden entsprechend zu versorgen.^^^ Hierzu gehort insbesondere der Aufbau und die Pflege von effizienten und effektiven Vertriebsstrukturen und die Entwicklung und Sicherung absatzspezifischer Kompetenzen: organisatorisch v.a. iiber
Vgl. DRUMM (2004), S. 7. Ausfuhrlicher zur Gestaltung prozessorientierter Risikomanagementsysteme vgl. BRABANDER / EXELER / OCHS / SCHOLZ (2003). ^
Vgl. MALORNY (1996) zu diesbeziiglichen Ankniipfungspunkten in im Rahmen eines Total Quality Managements; BLOECH / LUCKE (2002) und GUNTHER (1998) zu Produktionswirtschaft. Ausfiihrlicher hierzu vgl. Kapitel „11 Risikomanagementkultur".
^^^ Vgl. DYER / SINGH (1998). Vgl. WALLIN (1997) zu einer Fallstudie uber ein ABBTochteruntemehmen zu Kunden als Koproduzenten i.S. einer Einbindung zur friihzeitigen Sicherstellung der Beriicksichtigung der Kundenwunsche. Zugleich werden kundenspezifische Produkte und Dienstleistungen entwickelt und abgesetzt, die aufgrund ihrer Spezifitat nur schwer von Konkurrenten imitierbar sind.
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die Gestaltung der Schnittstellen zu den Abnehmem, personell iiber die Bindung und Personalentwicklung der jeweiligen wertvollen und einzigartigen Mitarbeiter. Die MaBnahmen zielen zum anderen darauf ab, den von den Abnehmern und dem Markt wahrgenommenen und nachgefragten (Mehr)Wert und die Einzigartigkeit der Kemprodukte und -leistungen zu erhalten. Gegenstand einer umfassenden Risikohandhabung ist damit auch die Entwicklung und Implementierung einer effektiven Marketingkonzeption und einer entsprechenden Kommunikationspolitik.^^^ Dazu gehort auch, Kunden und Abnehmem durch vorteilhafte, langfristige und exklusive Vertrage zu binden und iiber eine entsprechende Produktgestaltung (Kombination von Produkten und Dienstleistungen, spezielle Schnittstellen und Technologien etc.) bei den Abnehmem Pfadabhangigkeiten zu entwickeln.^^^ In diesem Zusammenhang kommt auch der konkreten Markenfuhrung eine wichtige Rolle zu, da sichtbare und Starke Marken sowie die allgemeine Reputation des Untemehmens fur (potentielle) Kunden als Qualitatssignale wirken bzw. die emotionale Bindung an bestimmte Produkte erhohen und damit die Bereitschaft, fur das (positive) Image der Marke einen Preisaufschlag bewusst in Kauf zu nehmen.^^^ 10.3.3 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen Auswahl, Dimensionierung und Durchfiihrung geeigneter MaBnahmen der Risikohandhabung stellen besondere Probleme bzw. Herausfordemngen im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements dar. Dies betrifft auf der strategischen Ebene insbesondere die herausfordemde Gratwandemng der Realisiemng und Forcierung von bestimmten strategischen Pfaden, eingebettet in vor- und nachgelagerte
^^^ Vgl. BRUHN (2003) zu Kommunikationspolitik; DICHTL / HELM (2002, S. 249 ff.) und BERNDT (1998, S. 383 ff.) zur Gestaltung des Marketing-Mix. In ethischer Hinsicht ist es u.U. als fragwiirdig zu bezeichnen, wenn bewusst die eigene Machtposition bzw. die Abhangigkeit Dritter zu deren Schaden ausgenutzt wird, wobei die Bewertung im Einzelfall durchaus kontrovers sein diirfte, inwiefem eine bestimmte Lieferanten-AbnehmerBeziehung ethisch nicht mehr vertretbar ist, oder inwiefem sie nicht sogar eine win-win-Situation fiir beide Seiten darstellt. ^^^ Vgl. BURR (2003), S. 359 f.; HALL (1991), S. 44 ff.; HALL (1992), S. 140 f. Zu einer empirischen Studie zur Bedeutung mitarbeiter- und organisationsbezogener Ressourcen fiir den intemationalen Markenerfolg STOCK / KROHMER (2005). Zum Marktwert der 100 wertvollsten globalen Marken im Jahr 2003 vgl. O.V. (2003). Die Top Ten lauten: (1) Coca-Cola, 70, 45 Mrd. $, (2) Microsoft, 65,17 Mrd. $, (3) IBM, 51,77 Mrd. $, (4) GE, 42,34 Mrd. $, (5) Intel, 31,11 Mrd. $, (6) Nokia, 29,44 Mrd. $, (7) Disney, 28,04 Mrd. $, (8) McDonald's, 24,7 Mrd. $, (9) Marlboro, 22,18 Mrd. $, (10) Mercedes, 21,37 Mrd. $.
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Wertketten, zur Entwicklung werthaltiger untemehmensspezifischer Fahigkeiten, und dabei zugleich ein gewisses MaB an Flexibilitat zu erhalten, um das Risiko moglicher bestandsgefahrdender Lock-ins zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Diese Gratwanderung betrifft grundsatzlich samtliche UntemehmensbereicheAVerttreiber.^^^ Derartige Gratwanderungen sind allerdings nicht als beliebig gestaltbare Prozesse zu verstehen, vielmehr handelt es sich um einen zu weiten Teilen offenen, schwer vorhersehbaren und nur begrenzt planbaren und steuerbaren Prozess: „Versuche, evolutorische Prozesse durch bewusste Entscheidungen zu ersetzen, beruhen somit auf einem Missverstandnis der Pfadabhangigkeitstheorie und sind zum Scheitem verurteilt."^^^ Mit diesem Hinweis soil allerdings nicht die Position vertreten werden, dass letztlich die Konsequenzen jeglichen Handelns zufallig und eine planerische und gestalterische Befassung mit moglichen zukunftigen Entwicklungen vergeblich ware. Vielmehr wird hier die Zwischenposition eines gemdfiigten Voluntarismus vertreten, d.h. innerhalb bestimmter situativer und institutioneller Rahmenbedingungen werden den handelnden Akteuren durchaus (Mit)Gestaltungsm6glichkeiten zugebilligt und von ihnen im Interesse einer verantwortungsvoUen Untemehmensfuhrung auch erwartet.^^^ Diese vermittelnde Position, zwischen einem voUigen Determinismus durch auBere Umstande und einem grenzenlosen Voluntarismus, kann als gleichermaBen realitatsangemessen und herausfordemd angesehen werden, da die handelnden Akteure kontinuierlich zwischen den beiden Positionen die Moglichkeiten und Begrenzungen ihres eigenen Handelns austesten und erfahren (miissen). Auf der operativen Ebene geht es konkret darum, die eigenen untemehmensspezifischen wertvoUen und einzigartigen Ressourcen/Fahigkeiten vor Imitation und Wertminderung zu schiitzen und deren Umsetzung in wettbewerbsrelevante Produkte und Leistungen zu gewahrleisten. Neben einer effektiven Marketingkonzeption kommt aus ressourcenorientierter Perspektive dem Schutz von Imitation oder Substitution der Ressourcen/Fahigkeiten und der daraus resultierenden Produkte eine besondere und
Zu einem diesbeziiglichen konzeptionellen Ansatz und den Implikationen fiir ein strategisches Human Resource Management vgl. WRIGHT / SNELL (1998). Im Rahmen der Produktpolitik bzw. der industriellen Fertigung sei hier auf die Implementierung von so genannten Produktplattformstrategien (z.B. im Automobilbau) verwiesen. Vgl. FINKE / SCHLAKE / SIEBE (2001), S. 270 ff Zu modularisierten Produkt- und Dienstleistungsarchitekturen vgl. BURR (2004). ^^^ ACKERMANN (2003), S. 231. ^"^^ Vgl. FREILESfG (2004a), S. 11.
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ambivalente Bedeutung zu. Zum einen bedeutet dies, liber Patente, Marken, Copyrights, Geschaftsgeheimnisse, Exklusivvertrage und Lizenzen, Kosten- und Markteintrittsbarrieren fiir potentielle Konkurrenten aufzubauen. Die Moglichkeiten der Durchsetzung derartiger Anspriiche zum Schutz so genannten geistigen Eigentums erfahren ihre Begrenzungen durch den jeweiligen institutionellen Kontext (z.B. Joint Ventures).^^-^ Zum anderen, und hierbei handelt es sich um eine ungleich heiklere Angelegenheit, besteht der Schutz vor Imitation und die Sicherung der Seltenheit bestinmiter Produkte und Leistungen in einem hohem AusmaB an kausaler Ambiguitat und sozialer Komplexitat des Prozesses der Transformation und Kombination von Ressourcen/Fahigkeiten. Dies ist insofem heikel und stellt eine Gratwanderung dar, da der Logik des resource-based view folgend, Risikohandhabung auch darin bestehen miisste, ein moglichst groBes AusmaB an kausaler Ambiguitat und sozialer Komplexitat in den Arbeitsprozessen und der Gestaltung der Wertaktivitaten gezielt zu erzeugen und so die wertschaffenden Prozesse bewusst komplex und nicht verstehbar zu machen, so dass eine Imitation nicht moglich ist.^^"^ In letzter Konsequenz wiirde dies das Ende eines zielgerichteten und geplanten Risikomanagements bedeuten, da dann selbst fiir die eigenen Mitarbeiter die Ursache-Wirkungs-Zusammenhange des eigenen Handelns nicht, oder nur ansatzweise verstandlich, im Rahmen der Risikoeinschatzung analysierbar und schlieBlich steuerbar waren. Die Realisierung risikoangemessenen Verhaltens und entsprechender Prozesse waren damit zum groBten Teil zufallig. Die Risikohandhabung stellt die involvierten Mitarbeiter vor die Herausforderung, ein gewisses MaB an sozialer Komplexitat und kausaler Ambiguitat, d.h. gewisse Grenzen der Gestalt- und Steuerbarkeit intemer Prozesse zu akzeptieren bzw. diese als wichtige Aspekte der Risikohandhabung zu begreifen und zu entwickeln. Eine zentrale Voraussetzung fiir eine funktionierende Risikohandhabung ist auch hier die Bereitschaft des Personals, die MaBnahmen umzusetzen und mitzutragen und sich selbst, auch in den im Vorfeld undefmierten Situationen, risikoangemessen zu verhalten. Insbesondere dann, wenn in der jeweiligen subjektiven Wahmehmung und Bewertung die MaBnahmen der Risikohandhabung zur einer Verschlechterung der eigenen Situation (Arbeitsplatz, Entscheidungsbereiche, Aufgaben etc.) fiihren wiirden, ist davon auszugehen.
^^^ Vgl. HANNAH (2005); ANAND / DELIOS (2002), S. 122 f.; HALL (1991), S. 42 ff. Vgl. LIEBESKIND (1996, S. 95 f.) zu Problemen und Grenzen des (rechtlichen) Schutzes von Wissen durch Patente, Copyrights und Geschaftsgeheimnissen. ^^^ Vgl. REED / DEFILLIPPI (1990); ROTEM / AMIT (1997), S. 174.
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dass bestehende Interpretationsspielraume (inwiefem liegt ein Risiko vor und wie ist damit umzugehen) genutzt werden, um bestimmte, aus Sicht der ubergeordneten Untemehmenssituation moglicherweise angemessene, MaBnahmen zu boykottieren, aufzuweichen oder zu unterlaufen. 10,4 Controlling von Risiken und Risikomanagement Das Controlling von Risiken und Risikomanagement bezeichnet einen Bereich der Risikomanagementaktivitaten, die aus einer akteursbezogenen Perspektive dem eigentlichen Risikomanagementprozess (Risikoeinschatzung, -handhabung und -dokumentation) ubergeordnet ist. Beteiligt sind v.a. die allgemeine ControUingfunktion, die Risikomanagementverantwortlichen, die interne Revision und die Abschlusspriifer im Rahmen der extemen Uberpriifung.^^^ Um die besondere Aufgabe des Controllings herausstellen zu konnen, wird im Folgenden die Phase der Risikodokumentation dagegen zusammen mit dem Controlling und als eine Funktion des Controllings dargestellt. Das diesbezugliche Controlling ist gekennzeichnet durch einen kontinuierlichen und ganzheitlichen Charakter. Mit der Dokumentation und dem Controlling ist das Risikomanagement nicht abgeschlossen, vielmehr stellen die generierten Ergebnisse und Bewertungen den Ausgangspunkt einer kontinuierlichen Verbesserung und Weiterentwicklung des Risikomanagementsystems dar. Grundsatzlich verfolgt dieser Prozessschritt zwei Zielsetzungen und Funktionen:^^^ 1. Dokumentation und entscheidungsorientierte Aufbereitung relevanter Informationen und Kennzahlen zum Ablauf und den Ergebnissen von Risikoeinschatzung und -handhabung; 2. KontroUe, Koordination und Uberwachung der Risikomanagementaktivitaten. Aus einer spezifisch ressourcenorientierten Perspektive sind die Berichts- und Informationssysteme so zu konzipieren und implementieren, dass sie den gesamten Prozess der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung und die jeweilige Differenzierung in
375
S.a. Punkt ,,5.2.3 Zentraleinheit Risikomanagement / Controlling (c): Koordination der Risikomanagementaktivitaten". ^^^ Vgl. GOTZE / GLASER / HESfKEL (2001); REICHMANN (2001), S. 621 f.; BURGER / BUCHART (2002b); SAITZ (1999), S. 95 ff. Insbesondere zu Konzeption und Koordinationsfunktion eines integrierten Controllings in strategischen Netzwerken LANGE / SCHAEFER / DALDRUP (2001).
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130
bestimmte Werttreiber und -aktivitaten abbilden und unterstutzen. Die Konzeption eines solchen Controlling von Risiken und Risikomanagement im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung (Abb. 17) wird im Folgenden ausfuhrlicher dargestellt.
r f
Fuh ningsinformationssysteme
£ Analyse- und Berichtssysteme "p
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1 1
Risikoeinschatzung
J
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von Risiken
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Risikohandhabung
Risikomanagement
J
Administrations- und Dispositionssysteme
— : \ Technische Erfassungs- und Steuerun^ss\steme mV
1 ; 1...; )
Abb. 17: Controlling von Risiken und Risikomanagement aus ressourcenorientierter Perspektive^^^ 10.4.1 Grundkonzeption eines Informations- und Controllingsystems fiir das Risikomanagement In Abhangigkeit von der spezifischen Ausgangssituation sind bestehende Informations- und Controllingsysteme bzw. Steuerungskonzepte wie z.B. Balanced Scorecard (BSC) zu erweitem, neu auszurichten und/oder ganzlich neu zu entwickeln, damit den jeweiligen Risikomanagementverantwortlichen angemessen aggregierte und aussagekraftige Risikoberichte und -auswertungen zur Verftigung gestellt werden konnen.^^^
Quelle: Eigene Abbildung. Zur Verkniipfung von Risikomanagement und Balanced Scorecard vgl. WOLF (2004a) grundsatzlich und umfassend zur Anwendung der Balanced Scorecard im Rahmen des Wert- und Risikoma-
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Generiert und verwaltet werden die hierzu relevanten Informationen und Bewertungen durch ein so genanntes Risikomanagementinformationsystem (RMIS), das einerseits Datenbanken (zu Schadensstatistiken, Risikokostenanalysen und allgemeine unternehmerische Kennzahlen wie Umsatze, Deckungsbeitrage etc.) umfasst. Andererseits umfasst ein RMIS Funktionen zur Zusammenfuhrung und spezifischen Abfrage bestimmter Daten, zur Simulation von Schadensfallen und generell zur Schadensadmi-
Nach REICHMANN / RICHTER (2001) lassen sich Informations- und ControUingsysteme typischerweise in funf aufeinander aufbauende bzw. ineinandergreifende Ebenen unterscheiden:^^^ 1. Die unterste Ebene der technischen Erfassungs- und Steuerungssysteme beinhaltet u.a. die Betriebsdatenerfassung (z.B. Maschinen-, Fertigungsauftrags- und Lagerdaten) und die Qualitatssicherung und -KontroUe (z.B. Mengen-, Teraiin- und Eigenschaftspriifungen). Verarbeitet werden hier nur mengenmaBige, eigenschaftsbezogene und zeitliche Informationskategorien, d.h. keine WertgroBen. 2. Dagegen arbeiten die Administrations- und Dispositionssysteme auf der zweiten Ebene auch mit kaufmannischen WertgroBen, sie beziehen sich u.a. auf das Einkaufswesen, die Produktionssteuerung, die Lagerwirtschaft und die Auftragsabwicklung. 3. Die dritte Ebene der Ahrechnungssysteme (Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung, Anlagenbuchhaltung und Personalabrechnung) bezeichnet die Informations- und ControUingsysteme zur buchhalterischen und rechnerischen Abbildung kaufmannisch relevanter GroBen. 4. Die vierte Ebene der Analyse- und Berichtssysteme stellt fur den Fuhrungsbereich verdichtete Kennzahlen und Auswertungen in Form von Management- bzw. Cont-
nagements; Gotze / MIKUS (2001b, S. 404 ff.); GLEIBNER (2003); OEPPING / SIEMES (2003); BURGER / BUCHART (2002a); IIR-ARBEITSKREIS „INTERNE REVISION IM KRANKENHAUS" (2002) spezifisch fur die Risikosituation von Krankenhausem; ROMEIKE (2002) spezifisch fur die Situation von Versicherungsuntemehmen. ^^^ Vgl. KOHLHOFF / LANGENHAN / ZORN (2000), S. 5 f.; ERBEN / ROMEIKE (2003b), S. 285 f. REK ^^° Vgl. REICHMANN / RICHTER (2001, S. 190 ff.); WALL (2003a, S. 380 ff), die die Ebenen vier und fiinf unter der Bezeichnung Management Support Systeme (MSS) zusammenfasst.
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rollingberichten zusammen (z.B. Jahresabschluss-, Kosten- und Erfolgs-, Finanz-, Invest!tions-, Produktionscontrolling). 5. Die funfte Ebene der Fiihrungsinformations- und Steuerungssysteme umfasst die spezifischen, teilweise personalisierten Controllingstrukturen fur die Entscheidungstrager auf den obersten Ebene. Die hier generierten Berichte, Informationen, Prognosen, Simulationen etc. dienen zur Entscheidungsfmdung, strategischen Planung und Steuerung des Untemehmens. Hierbei handelt es sich um eine Grundkonzeption, die je nach Branche, Strategie, Struktur etc. des Untemehmens zu konkretisieren und modifizieren ist.^^' Fiir das Controlling von Risiken bzw. der MaBnahmen der Risikoeinschatzung und -handhabung wird grundsatzlich auf die bestehenden Informations- und ControUingsysteme und die dort generierten Informationen zuriickgegriffen.^^^ Mit der gewahlten grafischen Darstellung der Verzahnung mit den bestehenden Systemen (Abb. 17) soil einerseits verdeutlicht werden, dass i.d.R. ein GroBteil der risikomanagementrelevanten Daten bereits erhoben wird, aber nicht unbedingt entsprechend aufbereitet, verdichtet und interpretiert wird. Anderseits soil hervorgehoben werden, dass es bei der Implementierung von Controllingstrukturen fiir das Risikomanagement nicht darum geht, ganzlich neue Informations- oder Parallelsysteme zu schaffen. Neben den wirtschaftlichen Aspekten (u.a. Kosten und Zeitaufwand der Einfuhrung neuer Systeme, Komplexitat und Aufblahung der Berichtsstrukturen) sprechen v.a. auch inhaltliche Aspekte dagegen, da die Implementierung eines Risikomanagementsystems darauf abzielt, Risiken und Risikomanagement zum integralen Bestandteil des alltaglichen Denkens und Handelns fiir alle Mitarbeiter zu machen.
Zu verschiedenen Typen von Risikocontrollingkonzeptionen und deren Auspragungen, in Abhangigkeit des jeweiligen Untemehmenszielbezugs sowie der Funktionsbreite und -tiefe vgl. GOTZE / GLASER / HINKEL (2001), die insgesamt sechs Typen unterscheiden: (1) informationsorientiertes, (2) regelungs- und steuerungsorientiertes, (3) fiihrungsorientiertes, (4) begrenzt koordinationsorientiertes, (5) umfassend koordinationsorientiertes und (6) meta-fiihrungsorientiertes Risikocontrolling. Vgl. KIMMIG (2001) konkret zum Risikocontrolling im Warenteraiingeschaft; ELFGEN (2002b) zu Phasenbetrachtungen verschiedener Vorgehensweisen hinsichtlich der Implementierung von RisikomanagementcontroUingsystemen. Zur Rechnungswesenbasierung des Risikocontrolling vgl. WITT (2003, S. 528 f.).
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Dies wird einfacher zu erreichen sein, wenn diesbeziigliche Kennzahlen, Begrifflichkeiten und Analysen mit den vorhandenen Denk- und Handlungsmustem verknlipft werden.^^^ 10.4.2 Interne undexteme Berichterstattung uberRisiken und Risikomanagement Die Berichterstattung iiber Risiken und Risikomanagement lasst sich im Wesentlichen den Ebenen vier und funf in der obigen Darstellung zuordnen und kann grundsatzlich in eine interne und eine exteme Berichterstattung unterschieden werden. In ihnen materialisieren und verdichten sich Informationen, Analysen und Bewertungen, denen eine besondere Bedeutung flir die Durchfuhrung und Weiterentwicklung des Risikomanagements zugewiesen wird. Interne Risikoberichte und Dokumentationen zum Risikomanagement stellen zentrale Orientierungs- und Bezugspunkte fur die Uberwachung und das ErfolgscontroUing der Risikomanagementaktivitaten dar bzw. sind selbst das Resultat vorheriger Dokumentationen und ControUingmaBnahmen.^^"^ In der Literatur und in der Praxis wird hierfur haufig auch die Bezeichnung Risiko- oder Risikomanagementhandbuch verwendet. Die interne Berichterstattung dokumentiert Richtlinien, Vorgehensweisen, Verantwortlichkeiten und Ergebnisse der einzelnen Phasen des Risikomanagementprozesses, wie z.B. Darstellung und konkrete Operationalisierung der risikomanagementpolitischen Grundsatze fur einzelne Werttreiber und -aktivitaten, Wahrscheinlichkeiten und SchadensausmaB moglicher Risiken, Benennung konkreter MaBnahmen zur Risikohandhabung und geeigneter Kennzahlen zur tJberwachung des Erfolgs der MaBnahmen.^^^ Im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements erhalten die Berichte ihre grundsatzliche Struktur durch die ubergeordnete Ausrichtung auf die auf Kemkompe-
Allerdings ist insbesondere die kurzfristige Implementierung eines integrierten RMIS voraussetzungsvoll und schwierig, da die einzelnen Systeme von verschiedenen Funktionsbereichen genutzt und mit Informationen versorgt werden, so dass mit funktionsspezifischen Vorbehalten und Widerstanden gegen die Integration zu rechnen ist. ^^"^ Vgl. WALL (2003b); REICHMANN (2001), S. 621 ff Ausfiihrlich zu intemem Risikoreporting vgl. ERBEN / ROMEIKE (2003b). ^^^ Vgl. POLLANZ (1999), S. 397 f.; ETTMULLER (2003), S. 694; LOHR (2000), S. 314 f.; SEIDEL (2002), S. 321 ff.; KOHLHOFF / LANGENHAN / ZORN (2000), S. 5 f Zur Risikoberichterstattung und -dokumentation bei der Deutschen Steinkohle AG vgl. HEINZE / KULLMANN (2002, S. 137 ff.); PWC DEUTSCHE REVISION (2000, S. 15 f) zur Erstellung verschiedener schriftlicher Richtlinien.
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Risikomanagement und Personal
tenzen basierenden Kemprozesse und die daraus resultierenden Keraprodukte und -leistungen. Das bedeutet, dass entscheidungsrelevante Informationen und Analysen unmittelbar auf ihre Relevanz fur die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung einzelner Werttreiber und -aktivitaten bzw. die Gesamtheit der Wertreiber und -aktivitaten zu beziehen sind.^^^ In Abhangigkeit von der jeweiligen Zielsetzung und -gruppe (Management, Interne Revision, Risikomanagementverantwortliche auf operativer Ebene etc.) werden mogliche Berichtselemente zu verschiedenen Berichtstypen spezifisch zusammengefasst und ausdifferenziert/^^ Zu unterscheiden sind hierbei planmaBige kontinuierliche Standardberichte fiir einen breiten Empfangerkreis, deren Zeitpunkt der Erstellung und inhaltliche Struktur im Vorfeld fixiert und standardisiert sind, und spezifische, im Extremfall personalisierte Berichte fiir Entscheidungstrager, die sich mit ausgewahlten und/oder zeitkritischen Fragestellungen und Risiko(management)analysen befassen. Hierzu gehoren auch so genannte Ad-hoc-Meldungen, z.B. aufgrund des Ausfalls von GroBkunden oder bei Umweltkatastrophen.^^^ In beiden Fallen muss es sich nicht unbedingt um physisch und inhaltlich isolierte eigenstandige Berichte handeln, d.h. in vielen Fallen konnen und sollten derartige risikomanagementrelevante Informationen in die bestehende Berichterstattung mit aufgenommen werden, durch eigene Abschnitte Oder unmittelbar integriert in sonstige Analysen der Untemehmensprozesse. Wahrend die interne Berichterstattung im Wesentlichen interne Informations- und Dokumentationsfunktionen erflillt, richtet sich die exteme Berichterstattung vomehmlich an exteme Zielgruppen. Mit dem KonTraG wurden Untemehmen dazu verpflichtet, in der (Konzem)Lageberichterstattung nach §§ 289 u. 315 HGB „auch auf die Risiken der kunftigen Entwicklung einzugehen", insofem handelt es sich um eine Pflichtauf-
Aussagekraftig werden derartige Informationen und zukunftsgerichtete Einschatzungen i.d.R. nur sein, wenn die zugrundeliegenden Prdmissen angegeben und angemessen erlautert werden. ^^^ Vgl. WOLF (2003a, S. 228 f.); WOLF / RUNZHEIMER (2001, S. 133 ff.) zu Berichtshierarchien im Rahmen der Risikoberichterstattung; WUCKNITZ (2000a), S. 144 f. zu einem zielgruppenspezifischen Risikoberichtswesen bezogen auf Personalrisikomanagement, der fiinf Zielgruppen unterscheidet: (1) Personalmanagementverantwortliche, (2) Entscheider im Untemehmen, z.B. Untemehmensleitung, Aufsichtsrat, (3) interne Meinungsbildner, z.B. Betriebsrat, Sprecherausschuss, Fiihrungskrafte, Leistungstrager, (4) exteme Meinungsbildner und Offentlichkeit, z.B. Presse, Umfeld, Verbande, (5) exteme Priifer, z.B. fiir Jahresabschluss, Rating, Zertifizierung. ^^^ Vgl. LIEKWEG (2003), S. 326; ETTMULLER (2003); GLADEN (2001, S. 215 ff.) allgemein zu Standard-, Abweichungs- und Bedarfsberichten als unterschiedliche Berichtsarten fiir Planung und KontroUe.
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gabe im Rahmen des Risikomanagements.^^^ Ziel der extemen Risikoberichterstattung ist es grundsatzlich, entscheidungsrelevante und verlassliche Informationen bezuglich der Risiken der kiinftigen Entwicklung zur Verfugung zu stellen. Als Zielgruppe der Risikoberichterstattung wird in der Gesetzesbegriindung zum KonTraG konkret nur der Aufsichtsrat genannt.^^^ Auch wenn es offensichtlich der Intention des KonTraG entspricht, die LFberwachungsleistung des Aufsichtsrates zu verbessem, wird in der Praxis/Realitat der Aufsichtsrat nicht die wesentliche Zielgruppe darstellen.^^^ Den Aufsichtsratsmitgliedern stehen (oder soUten zumindest) bedeutend aussagekraftigere Informationsquellen als der Lagebericht zur Verfugung stehen, wie bspw. die Berichte des Vorstands nach § 90 AktG, die angefordert werden konnen und deren Inhalte im Rahmen des KonTraG explizit um den Bereich der Personalplanung erweitert wurden. Dagegen sind andere Anspruchsgruppen auf die Informationen des Lageberichts angewiesen. Zu nennen sind neben der „Financial Community", zu der aktuelle und potentielle Aktionare sowie Multiplikatoren wie Anlageberater, Finanzanalysten, Wertpapierborsen etc. gehoren, auch weitere Stakeholder, wie Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten oder die Offentliche Hand.^^^ Die gesetzlichen Formulierungen des HGB zur Lageberichterstattung und damit auch zur Risikoberichterstattung bleiben sehr allgemein und lassen den Untemehmen einen erheblichen Ermessensspielraum bei der jeweiligen Erstellung der Risikoberichte. Gleichwohl gelten auch hier die Grundsatze ordnungsgemaBer Lageberichterstattung (GoL). Auch gibt das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) mit dem DRS Nr. 5 (2005) zur Risikoberichterstattung und den branchenspezifischen Erganzungen DRS Nr. 5-10 (2005) fur Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute und
Erweitert und konkretisiert wurden diese Vorgaben durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) vom 4.12.2004, das die Untemehmen nun auch dazu verpflichtet auf die wesentlichen Chancen der voraussichtlichen Entwicklung, die zugrunde liegenden Annahmen und die Risikomanagementziele und -methoden darzustellen und zu erlautem. Vgl. BILREG (2004). S.a. Punkt ,,4.4.2. Anpassung nationalen Bilanzrechts an intemationale Rechnungslegungsstandards". ^^° Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 27. ^^^ Vgl. THEISEN (2003). 392
Vgl. LEsfK (1993). Besonders auf die Informationen des Lageberichts sind die Kleinanleger angewiesen, da sie nur sehr begrenzt iiber entsprechende Ressourcen und/oder Machtpositionen verfiigen, um sich weitere, entscheidungsrelevante Informationen zu verschaffen bzw. zu verarbeiten. Aus Sicht der meisten borsennotierten Untemehmen stellen die Aktionare offensichtlich die Hauptzielgmppe der Berichterstattung dar - an sie richtet sich tiblicherweise der Vorstandsvorsitzende mit seinem Geleitwort zum Geschaftsbericht.
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Risikomanagement und Personal
DRS Nr. 5-20 (2005) fur Versicherungsunternehmen gewisse Vorgaben und Orientierungspunkte.^^^ Aus Gninden der Glaubwiirdigkeit kann es als sinnvoll betrachtet werden, die Risikoberichterstattung als ein Element der Integrierten Kommunikation zu begreifen und entsprechend zu gestalten. Neben der Erfullung der gesetzlichen Verpflichtung verfolgen Untemehmen bei der Erstellung und der Publizierung ihrer Geschaftsberichte auch Zielsetzungen, die unter den Begriffen der Integrierten Kommunikation oder spezifisch der Investor Relations subsumiert werden konnen.^^"^ Die Existenz einer eigenstandigen und freiwilligen Publikation des Lageberichts, oftmals erweitert um weitere Berichte (z.B. Umwelt- oder Sozialbericht) ist als Hinweis dafiir zu sehen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem fur 2006 vorgesehenen Inkrafttreten von BASEL II die Banken eine zunehmend bedeutendere Zielgruppe darstellen. Eine gezielte, professionelle und konsistente Kommunikation mit (potentiellen) Kreditinstituten, die als zentralen Kern auch die Berichterstattung iiber Risiken und Risikomanagement beinhaltet, kann als wesentliche Voraussetzung zur Erlangung vorteilhafter Kreditkonditionen und -spielraume bezeichnet werden.^^^ Neben der bislang vorgestellten extemen Risikoberichterstattung im Rahmen der iiblichen Untemehmenskommunikation betrifft die zeitnahe und glaubwurdige Risikokommunikation bzw. die Kommunikation der RisikomanagementmaBnahmen u.a. auch die folgenden Kommunikationsanlasse: akute wirtschaftliche Krise, Storfalle und
^^^ Die GoL umfassen nach dem Institut der Wirtschaftspriifer (IDW) die drei Grundsatze der Vollstandigkeit, Richtigkeit und Klarheit/LIbersichtlichkeit, vgl. IDW RS HFA 1 (2004). Die Standards, Stellungnahmen etc. des IDW sind grundsatzlich verbindliche Vorgaben fiir Abschlusspriifer, vgl. LEFFSON (1998, S. 103). ^^"^ Vgl. ALLENDORF (1996); RODENWALD (2001). Der Begriff der Integrierten Kommunikation beinhaltet in Anlehnung an BRUHN (2003) die Ausrichtung aller MaBnahmen der intemen und extemen Kommunikation auf die Vermittlung eines auf die Untemehmensstrategie abgestimmten Erscheinungsbildes des Untemehmens. Sinnvoll ware ein solches Vorgehen v.a. deshalb, weil widerspriichliche Botschaften bei den Zielgruppen der Untemehmenskommunikation Vemnsicherung auslosen konnen und zu einer Nichtlageentscheidung fiihren konnen bzw. eine hohere Risikopramie in Form hoherer Renditen/Dividenden erforderlich machen. Da in vielen Fallen die gleichzeitige Zugehorigkeit zu mehreren In teres sen sgruppen (als Anleger, Mitarbeiter, Kunde usw.) moglich und ubHch ist, kommt der Stimmigkeit und Konsistenz der verschiedenen Botschaften auf den unterschiedlichen Kommunikationskanalen eine zentrale Bedeutung zu. Im Kontext der Risikoberichte betrifft dies insbesondere die Konsistenz zwischen intemer und extemer Risikoberichterstattung . ^^^ Vgl. GLEI6NER / FUSER (2003), S. 277 ff.; WUCKNITZ (2002b).
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Umweltschaden, Terroranschlage (insbesondere fur Tourismusuntemehmen), Qualitatsmangel bei Produkten.^^^ 10.4.3 Kontrolle und Uherwachung Neben Informations- und Dokumentationsfunktionen gehort die Kontrolle und Uberwachung der Risikomanagementaktivitaten zum Aufgabenbereich des Risiko(management)controlling. Ziel ist es hierbei, friihzeitig etwaige Planungs- und Handlungsfelder zu identifizieren und das Risikomanagementsystem zeitnah an veranderte Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren anpassen zu konnen. Ausgehend von der allgemeinen Literatur zum Thema Planung, lassen sich verschiedene KontroUarten unterscheiden, die auf einer Gegeniiberstellung von bestimmten Plan- und VergleichsgroBen basieren, und die im Folgenden auf den Kontext Risikomanagement bezogen werden:^^^ 1. Prdmissenkontrollen dienen der (Jberpriifung der den Risikoeinschatzungen und der Konzeption der MaBnahmen der Risikoeinschatzung zugrunde liegenden Annahmen iiber die Relevanz und VoUstandigkeit der einbezogenen Einflussfaktoren und Ursache-Wirkungs-Hypothesen. Im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements gehort hierzu auch die Uberprufung, inwieweit es sich bei dem zur Analyse verwendeten Fahigkeitenprofil zutreffenderweise (immer noch) um die tatsachlichen Kompetenzen des Untemehmens handelt und inwiefem die Pramissen hinsichtlich ihrer Bewertung korrekt sind oder angepasst werden miissen. 2. Zielkontrollen uberprufen zum einen die Vertraglichkeit der einzelnen Teilziele der Risikomanagementpolitik (Einbettung des Risikomanagementsystems in den gesamten Prozess der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung, Konzentration auf die wertschaffenden Kemprozesse, Wirtschaftlichkeit etc.) im Verhaltnis zueinander. Zum anderen, hier stehen die Zielkontrollen in engem Zusammenhang mit den Pramissenkontrollen, wird wahrend der Planung bzw. der Durchfuhrung
396
Vgl. OBERMEIER (2002).
^^"^ Vgl. SCHWEITZER (2001), S. 72 ff.; MIKUS (2001a), S. 88 ff.; WOLF (2003a), S. 235 ff.; MACHARZESfA (1999), S. 317 ff.; SCHIERENBECK (2000), S. 93; MAIER (1998), S. 214 ff.; SIMON (2000), S. 320 ff. Ausfiihrlicher zu Erlos- und Kostenabweichungsanalysen im Kontext Risikomanagement zur Reduzierung der Gefahr betriebswirtschaftlicher Fehlentscheidungen vgl. BETZ (2001).
138
Risikomanagement und Personal
der Risikomanagementaktivitaten uberpruft, inwiefem die urspriinglich anvisierten Zielanspriiche (z.B. hinsichtlich des Verhaltnisse zwischen Chancen und Risiken) weiterhin gliltig bleiben sollen, oder in welcher Weise sich die Untemehmenssituation oder konjunkturelle Lage so verandert haben, dass Zielanpassungen erforderlich werden. 3.
Prognosekontrollen beziehen sich im Wesentlichen auf die Uberpriifung der Validitat und Konsistenz der Prognosen im Rahmen der Erarbeitung und Formulierung von Szenarien moglicher Zukiinfte und der Implikationen fiir die Bewertung der Risikosituation. Prognosenkontrollen sind v.a. dann notwendig, wenn Pramissenkontrollen Veranderungen bei wichtigen Parametern der Prognosen identifiziert haben.
4.
Planfortschrittskontrollen erfolgen begleitend zur Realisierung und Durchftihrung der Risikomanagementaktivitaten und stellen zwischenzeitliche Ergebniskontrollen dar. Anhand von Teil- oder Zwischenergebnissen (Milestones) wird die ZweckmaBigkeit und Wirksamkeit der gewahlten MaBnahmen der Risikohandhabung uberpruft. Ziel ist es hierbei, moglichst friihzeitig notwendige Kontrollen und Anpassungen erkennen und vomehmen zu konnen.
5.
Ergehniskontrollen werden nach der Realisierung und dem Abschluss der MaBnahmen der Risikohandhabung durchgefuhrt. Erst mit diesem abschlieBenden Soll-Ist-Vergleich ist eine Gesamtbewertung hinsichtlich der Effizienz und Effektivitat der Risikomanagementaktivitaten moglich. Es wird hierbei uberpruft, inwieweit die Risikoeinschatzungen (SchadensausmaB, Wahrscheinlichkeiten) zutreffend gewesen sind, und inwiefem die Instrumente der Risikohandhabung wie geplant wirksam waren.
Zusatzlich zu diesen fiinf Kontrollarten stellt MIKUS (2001a) die Relevanz zwei weiterer Kontrollarten heraus, die sich unmittelbar auf die Rolle des Personals im Rahmen des Risikomanagements beziehen. Die so genannte allgemeine Uberwachungskontrolle, begleitend zum gesamten Planungs-, Durchsetzungs- und Realisationsprozess, basiert nicht auf einer Gegenuberstellung von Plan- und VergleichsgroBen, sondem meint eine generelle ungerichtete Beobachtung und Analyse
relevanter Unterneh-
mens- und Umweltbereiche potentieller Risiken (und Chancen). Neben dieser Kontrolle durch das Personal erganzen Verhaltenskontrollen des Personals die Gesamtheit der
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
139
oben beschriebenen KontroUarten.^^^ Wahrend also im ersten Fall die aktive und zentrale RoUe des Personals bei der Risikobewaltigung betont wird, werden bei der VerhaltenskontroUe das (Fehl)Verhalten bzw. die Eigenschaften des Personals selbst als ein mogliches und bedeutendes Risiko betrachtet. An dieser Bandbreite der skizzierten KontroUarten wird deutlich, dass es sich beim Risiko(management)controlling um eine vielschichtige, komplexe und ubergreifende Aufgabe handelt, die im Kern immer schon Bestandteil der Fuhrungsaufgabe und -funktion gewesen ist. Mit der Implementierung eines tJberwachungssystems nach § 91 AktG wird sie zu einer expliziten und in gewisser Weise eigenstandigen Pflichtaufgabe. Hierbei ist eine Vielzahl unterschiedlicher Personen, Institutionen und Funktionen eingebunden, deren Tatigkeiten insgesamt zu koordinieren sind.^^^ 10.4.4 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen Eine elementare Voraussetzung fur ein effektives und effizientes Controlling von Risiken und Risikomanagement ist dessen inhaltliche und organisatorische Verkniipfung mit bestehenden Informations- und ControUingsystemen auf den oben beschriebenen fiinf Ebenen."^^ Notwendig wird es damit i.d.R. auch sein, eine Reihe entsprechender controllingorientierten Erweiterung des Rechnungswesenmodells vorzunehmen, um sowohl eine adaquate Abbildung risikomanagementrelevanter Aspekte als auch eine verbesserte Fuhrungsunterstutzung durch das RisikomanagementcontroUing zu ermoglichen. Insgesamt bedeutet dies, die Strukturen der bestehenden Informations- und ControUingsysteme starker nach sachlogischen und inhaltUchen Aspekte i.S. des gesamten Prozesses der Untemehmensfuhrung auszurichten. Hierzu gehoren: 1. die Erweiterung um funktionale Sachverhalte, d.h. die Strukturierung des Rechnungswesenmodells i.S. der untemehmerisch relevanten Wertreiber und Kemprozesse;
^^^ Vgl. MIKUS (2001a), S. 91 f. 399
S.a. Punkt „5.2 Arbeitsteilung und Organisation des Risikomanagements im Untemehmen". Auf die DV-technischen Aspekte hinsichtlich der Einbettung risikomanagementrelevanter Controllingstrukturen in die IT-Landschaft eines Untemehmens sei an dieser Stelle lediglich hingewiesen. Ausfuhrlicher dazu vgl. DIEDERICHS / KAMINSKI (2003b); SCHMITTING / SIEMES (2004, 2003); ERBEN / ROMEIKE (2003b); FORM / JAGER (2001); WOLF (2003a, S. 224 f) insbesondere zu EDV-technischen Umsetzung der Risikoaggregation; GLADEN (2001) allgemein und
140
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2. die Erweiterung des traditionellen, auf retrospektive Informationen ausgerichteten Rechnungswesenmodells um prospektive Informationen, um fundiertere Einschatzungen der zukiinftigen Entwicklungen vomehmen zu konnen; 3. die zusatzliche Erfassung nicht wertmdfiig operationalisierbarer Informationen, d.h. die Integration auch nicht-numerisch messbarer und nur qualitativ beschreibbarer Informationen; 4. sowie die partielle Aufhebung der Periodisierungsrestriktionen (d.h. Beibehaltung im Rahmen der vorgeschriebenen periodisierten Rechnungslegung), um sachlogisch zusammengehorende Entscheidungsprobleme adaquat analysieren zu konnen. 5. Mogliche Erweiterungen betreffen weiterhin die Einbeziehung von Abweichungsinformationen durch Vorgabe von Sollwerten fiir als relevant angesehene Sachverhalte und die Integration partieller Erkldrungshypothesen, durch die Verwendung geeigneter sachverhaltsspezifischer Kennzahlen zur Beschreibung der vermuteten Kausalketten und Einflussfaktoren ftir bestimmte ErfolgsgroBen.'^^^ Aus einer spezifisch ressourcenorientierten Perspektive stellen sich in diesem Zusammenhang die folgenden Fragen, an denen das grundsatzliche Dilemma des resourcebased view deutlich wird: Inwiefem konnen und sollen die risikomanagementrelevanten Aspekte iiberhaupt in einem Informations- und Controllingsystem abgebildet und uberprtift werden? Welche Informationen konnen und sollen nach auBen kommuniziert werden, ohne damit bestehende oder kiinftige Wettbewerbsvorteile zu gefahrden? Nachhaltige Wettbewerbsvorteile basieren in der Argumentation des resource-based view gerade darauf, dass aufgrund kausaler Ambiguitat, sozialer Komplexitat etc. die Ablaufe und Ursache-Wirkungsketten nur ansatzweise in ihrer Komplexitat und Tiefe beschrieben werden konnen. Einerseits schtitzt dies vor Imitation durch die Konkurrenz, anderseits erschwert es intern eine gezielte Risikoeinschatzung und Abbildung der Risiken.
ausfuhrlicher zu computergestutztem Berichtswesen, Informationstechnologien (Data Warehouse, Online Analytical Processing, Data Mining, Tabellenkalkulationsprogrammen). ^^^ Vgl. REICHMANN / RICHTER (2001), S. 194 ff.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
141
Grundsatzlich gelost werden kann dieses Dilemma nicht, vielmehr stellt es die Entscheidungstrager des Untemehmens vor die kontinuierliche Aufgabe zwischen beiden Positioner! zu vermitteln, mit dem Bewusstsein fur dieses Dilemma und mit Fingerspitzengefuhl. Insbesondere die Formulierung der extemen Berichterstattung iiber Risiken und Risikomanagement kann damit aus ressourcenorientierter Sichtweise ebenfalls als eine Gratwanderung angesehen werden: zwischen der Entsprechung der gesetzlichen Anforderungen und dem berechtigten Interesse der Anleger auf der einen Seite und dem Schutz des tacit knowledge, des impliziten Wissens auf der anderen Seite. Neben dem Aspekt des Konnens spielt damit der Aspekt des WoUens eine wichtige RoUe. Grundsatzlich wird es aus ressourcenorientierter Perspektive sinnvoU sein, nur so viel wie notwendig der die Risikosituation des Untemehmens betreffenden Informationen zu kommunizieren. AusmaB und Intensitat der Kommunikation diesbezuglicher Informationen werden dabei v.a. von der jeweiligen Machtposition der Informationsnachfrager bzw. deren Bedeutung fur das Untemehmen abhangig sein/°^ 10,5 Zusammenfassende Darstellung der besonderen Rolle des Personals im Rahmen des ressourcenorientierten Risikomanagements In den vorangehenden Teilkapiteln wurden einzelne Phasen und Aspekte eines ressourcenorientierten Risikomanagements entwickelt und vorgestellt. Das Personal spielt dabei jeweils eine elementare Rolle, sowohl als Akteur und Trager der Risikomanagementaktivitaten als auch als Ursache von Risiken. Gegenstand dieses abschliefienden Teilkapitels ist es, in einer zusammenfassenden Darstellung pragnant die besondere Rolle des Personals herauszuarbeiten. Es stellt damit einen wichtigen Ausgangs-
^^^ GroBanleger und institutionelle Anleger, die iiber eine starke Verhandlungsmacht verfugen, werden i.d.R. individuelle Informationen auf Anfrage bekommen bzw. verfugen iiber Ressourcen (Analysten, Informationssysteme etc.), um zusatzliche risikorelevante Informationen zu bekonmien. Dagegen fehlt gerade den nicht organisierten Kleinanlegem das Drohpotential, wesentliche, iiber die Angaben im Lagebericht hinausgehende Informationen einzufordem. Auch sind die Kosten der Informationsbeschaffung auf anderen Wegen (z.B. eigene Recherchen) vergleichsweise hoch. Somit ergibt sich aufgrund der typischen Macht- und Informationsverteilung eine relativ stabile Situation. Die besser informierten GroBanleger werden kein Interesse daran haben, ihren Informationsvorsprung gegeniiber den weniger informierten Kleinanlegem aufzugeben und die Kleinanleger verfiigen nicht iiber die notwendige Macht, um diese Situation nachhaltig zu ihren Gunsten zu verandem. Zu weiteren Informationsasymmetrien hinsichtlich der Kenntnis iiber Risiken vgl. WALL (2003a, 2003b).
Risikomanagement und Personal
142
und Bezugspunkt fiir das folgende Kapitel 11 zur Risikomanagementkultur und die konkrete Betrachtung des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen in Teil D dar. Zunachst gibt der folgende Punkt einen Uberblick tiber das Risikofeld Personal.
10.5.1 Gesamtdarstellung des Risikofeldes Personal Wahrend in Punkt 10.2.2 („Identifikation und Bewertung moglicher zukiinftiger Entwicklungen") in grundsatzlicher Weise auf risikobehaftete Entwicklungen aus ressourcenorientierter Perspektive eingegangen wurde, befasst sich dieser Punkt nun konkret mit dem Risikofeld Personal. Risiken des Risikofeldes Personal, sowohl auf der Potential- als auch auf der Realisationsebene, werden in vier Kategorien systematisiert und in einen inhaltlichen Zusammenhang gestellt (s. Abb. 18). Organisationsrisiken
Kompetenzrisiken Verhaltensrisiken Teilnahme Leistungserbringung Motivationsrisiken
Potentialebene \ Realisationsebene bezogen auf
Zukiinftige Kern- und Unterstiitzungsprozesse bzw. Werttreiber und Wertaktivitaten
Abb. 18: Das Risikofeld Personar 1. Verhaltensrisiken: zurtickgehaltene Leistung, Fluktuation, kriminelles Verhalten, Fehlentscheidungen, fahrlassiger Umgang mit sensiblen Informationen etc.;
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
143
2. Kompetenzrisiken: fehlende oder nicht adaquate technische, methodische oder soziale Qualifikationen, fehlendes oder nicht adaquates Wissen etc.; 3. Motivationsrisiken: fehlende Leistungsbereitschaft, mangelnde Loyalitat etc.; 4. Organisationsrisiken: nicht effiziente oder effektive Funktionen des Personalmanagements, unzureichende Corporate Governance etc. Die Kategorie „Organisationsrisiken" steht in enger Wechselwirkung mit den Personalrisiken i.e.S. (Kategorien 1-3) und wird daher ebenfalls als Bestandteil des Risikofeldes Personal verstanden."^^ Insgesamt sind die vier Kategorien, die mogliche Risiken des Personalbereichs systematisieren, nicht unabhangig voneinander (angedeutet durch die Verbindungspfeile), sie beeinflussen sich wechselseitig und stehen in einem engen innerem Zusammenhang. Die hier vorgestellte Kategorisierung kann diesbezuglich damit als systemisch bezeichnet werden.'^^^ In der Kategorie Verhaltensrisiken, auf der Realisationsebene, wird der Begriff Verhalten weit gefasst, d.h. er umfasst u.a. planerische Betatigung, Entscheidungen und Handlungen; er wird bezogen zum einen auf Entscheidungen und Moglichkeiten zur Organisationsteilnahme und zum anderen auf Entscheidungen und Moglichkeiten zur Leistungsererbringung des Personals ."^^ Abgeleitet aus der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung und der allgemeinen Risikomanagementpolitik ergibt sich: Eine ressourcenorientierte Risikomanagementpolitik im Personalbereich zielt darauf ab, den moglichen Verlust und die Nichtverfugbarkeit (z.B. aufgrund von Fluktuation) der fur die (zukunftigen) Kemprozesse notwendigen Humanressourcen fruhzeitig zu erkennen und, im Rahmen der gesamten Risikomanagementpolitik, die notwendigen MaBnahmen fur den Umgang mit diesen Risiken vorzusehen.'^^^ Es ist im Rahmen der Risikoeinschatzung zu untersuchen, welche Kompetenzen, Motivationen und welches Verhalten, eingebettet in bestimmte organisatorischen Strukturen und Kulturen, fur die zukunftigen wertschaffenden Prozes-
Quelle: Eigene Abbildung. ^^ Vgl. DRUMM (2004); s.a. Punkt ,,10.2.1 Analyse des Fahigkeitenprofils auf der Potential- und Realisationsebene". 405
Vgl. KROPP (2004). So kann sich z.B. eine mangelhafte Anreizgestaltung negativ auf die Motivation auswirken, was sich letztlich in einem nicht gewunschten Verhalten wie Fluktuation auBem kann. ^^ Vgl. MARCH / SIMON (1993). 407
Vgl. Punkt ,,10.1.1 Definition: Ressourcenorientiertes Risikomanagement".
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Risikomanagement und Personal
se und Aktivitaten henotigt werden, und inwieweit das Unternehmen tatsachlich zukiinftig liber die erforderlichen Humanressourcen verfUgen kann bzw. inwiefem sich die das Personal der Sicherung und dem Ausbau von Wettbewerbsvorteilen entsprechend verhdlt. Ein wesentliches Risiko fiir Unternehmen kann in der ungewollten Fluktuation von Schlusselpersonen gesehen werden, d.h. derjenigen Personen, die fiir die Planung und Durchfiihrung der zukunftigen, vom Markt nachgefragten KemprozesseZ-produkte von besonderer Bedeutung sind. Denn hiermit sind u.U. der drohende Verlust von Wissen, Beziehungen, Fertigkeiten etc. und damit letztlich von Wettbewerbsvorteilen und Humankapitalinvestitionen sowie direkte Kosten der Neubeschaffung und indirekte Kosten (z.B. Unruhe in der Belegschaft, Ausstrahlungseffekte auf andere Mitarbeiter) verbunden. Ein besonderes Risiko besteht fiir Unternehmen speziell dann, wenn die Realisierung bestimmter (Kem)Kompetenzen auf Fahigkeiten zuriickzufiihren ist, die unmittelbar an die Schliisselpersonen gebundenen sind, so dass auch die Gefahr einer Privatisierung von Wettbewerbsvorteilen besteht.'*^^ Das Fluktuationsrisiko von Schliisselpersonen eignet sich v.a. aus drei Griinden fiir eine nahere wissenschaftliche Betrachtung: 1. Bislang liegt keine explizite und grundsatzliche wissenschaftliche Befassung mit diesem wesentlichen Risiko vor, die in ein theoretisch fundiertes Risikomanagementgesamtkonzept eingebettet ist."^^ 2. Auch in den Unternehmen fehlen i.d.R. ausgearbeitete Konzepte zum Umgang mit dem Fluktuationsrisiko von Schliisselpersonen bzw. werden nicht angewendet.
"^^^ Vgl. MICHEL (2001), S. 33; GRANT (1991), S. 128; REDDER / CONRAD / SCHIRMER / BRUNS (2001), S. 38; BRAND-NOE (2004), S. 49; CROUHY / GALAI / MARK (2001), S. 500; GLEIBNER / FUSER (2003), S. 187; WUCKNITZ (2000A), S. 139. Ausfuhrlicher zum Fluktuationsrisiko von Schlusselpersonen vgl. Teil D. Das ist insofem bemerkenswert, als dass in den Beitragen zum Risikomanagement das Fluktuationsrisiko (von Schlusselpersonen) typischerweise als ein bedeutendes Einzekisiko des Personalbereichs benannt wird, ohne allerdings welter ausgefiihrt zu werden. Vgl. stellvertretend fiir andere BRAND-NOE (2004), S. 49; CROUHY / GALAI / MARK (2001), S. 500; GLEIBNER / FUSER (2003), S. 187; WUCKNITZ (2000A), S. 139. Als Ausnahme kann hierbei KOBI (1999) gelten, der das Austrittsrisiko von Leistungstragem als eins der vier grundsatzlichen Personalrisiken versteht und relativ ausfiihrlich Ansatzpunkte zur Risikoeinschatzung und -handhabung liefert.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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obwohl vielfach bestimmte wettbewerbsrelevante Fahigkeiten des Untemehmens an einzelne Personen gebunden sind.'^^^ 3. SchlieBlich zeigt sich am Fluktuationsrisiko, das letztlich ein Verhaltensrisiko darstellt, das Zusammenwirken der verschiedenen Risiken des Personalbereichs und deren mogliche Beziehungen zueinander. So konnen sich im Fluktuationsrisiko auch Motivationsrisiken (z.B. fehlende Arbeitszufriedenheit), Organisationsrisiken (z.B. fehlende Wissensmanagementsysteme) oder Kompetenzrisiken (z.B. fehlende Qualifikationen bei den Nichtschlusselpersonen) manifestieren. Das Management des Fluktuationsrisiko von Schlusselpersonen betrifft damit grundlegende und ubergreifende personalpolitische Fragestellungen und Herausforderungen. 10.5.2 Besonderheiten des Personals und Risikomanagement Wie bereits oben angedeutet, unterscheiden sich die Humanressourcen/das Personal von den anderen Ressourcen eines Untemehmens dadurch, dass sie eigene Interessen verfolgen, agieren und reagieren."*^^ Die daraus resultierenden Besonderheiten, Probleme und Herausforderungen werden im Folgenden fur das Risikomanagement durch und von Personal verdeutlicht (Abb. 19). Voraussetzung fur eine aussagekraftige Risikoeinschatzung von Risiken im Personalbereich ist die Kenntnis iiber Folgen und Wirkungen der Interaktionen des Personals und deren Bedeutung fur wirtschaftliche ErfolgsgroBen. Ohne die Kenntnis iiber Ursache-Wirkungszusammenhange der Transformation des vertraglich gebundenen abstrakten Arbeitsvermogens im Arbeitsprozess zur Arbeitsleistung, d.h. iiber die Umset-
So wurde bspw. in einer Studie des Fraunhofer Instituts fiir System- und Innovationsforschung die groBe Abhangigkeit der Untemehmen des Verarbeitenden Gewerbes von dem Wissen und den Fahigkeiten einzelner Mitarbeiter beziiglich der Innovationskompetenz des Untemehmens belegt. Dieser Refund gilt insbesondere fur kleine und mittlere Untemehmen. Das Konstrukt Innovationskompetenz setzt sich zusammen aus den folgenden drei Aspekten, wobei die Prozentangaben das AusmaB an Abhangigkeit von einzelnen oder wenigen Personen angeben, bezogen auf die Gesamtheit der untersuchten Untemehmen: (1) Produktinnovation, 73 %, (2) technische Prozessinnovation, 73 %, (3) Reorganisation, 69 %. Trotz dieser risikobehafteten Abhangigkeitssituation bzw. als Ausdmck dieses Zustandes fmden sich nur in 17 % der befragten Betriebe Stmkturen und Instrumente (Handbiicher, standardisierte Verfahrensablaufe, QualifiziemngsmaBnahmen etc.), um diese Personenabhangigkeit zu reduzieren. Vgl. ARMBRUSTER / KINKEL / KIRNER / WENGEL (2005). Vgl. Punkt ,,9.3.3 Bedeutung der Humanressourcen im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung".
Risikomanagement und Personal
146
zung des Potentials in rentengenerierende Handlungen, wird es kaum moglich sein, Personalrisiken angemessen im Risikomanagementsystem abzubilden und zu managen."^^^ Gerade der Personalbereich ist aber durch komplexe, nicht eindeutige und nur schwer beobachtbare Wirkungszusammenhange zu charakterisieren, d.h. durch das Wechselspiel zwischen sozialer Komplexitat und kausaler Ambiguitat sowie den daraus resultierenden Informationsproblemen und Intransparenzen."^^^
/ y
\Jnteme und exteme ^ N . Folgen und Konsequenzen
Abb. 19: Besonderheiten des Personals und Risikomanagements'^^'^ Fur das Risikomanagement im Personalbereich bedeutet dies, dass es mit groBen Schwierigkeiten verbunden ist, die Risikosituation zutreffend im Risikomanagementsystem abzubilden. Dies betrifft sowohl die Potential- als auch die Realisationsebene. So wird es zum einen bspw. bei teamorientierten Arbeits- und Entscheidungsprozessen schwierig sein abzuschatzen, welche Mitarbeiter kiinftig wie zur Teamleistung beitra-
Vgl. GRIEGER (2004), S. 165 ff.; NEUBERGER (1997), S. 19 ff.; KAISER (2001), S. 30 ff. Vgl. COFF (1997); GRANT (1991); KAISER (2001), S. 23 ff. Quelle: Eigene Abbildung.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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gen, welche Qualifikationen benotigt werden und wie sich eine mogliche Fluktuation auf die Gesamtleistung auswirken wird bzw. welche Griinde in Einzelfallen uberhaupt zu unerwiinschter Fluktuation fuhren (soziale Komplexitdt).^^^ Zum anderen wird es aufgrund kausaler Amhiguitdt kaum moglich sein, eindeutig die HRM-Praktiken zu bestimmen, die die Arbeitsleistung positiv oder negativ beeinflussen, da i.d.R. eine Vielzahl von Praktiken und Instrumenten miteinander verkniipft werden und erst im Zusammenspiel wirken."^^^ Es ist, auch aufgrund der hegrenzten Rationalitdt der Akteure, daher in einer Einzelbetrachtung zumeist nicht oder nur schwer absehbar, wie sich bestinimte Formen der Arbeitsorganisation, Anreizgestaltung oder Personalfiihrung z.B. auf die Fluktuationsneigung und den aus einer Fluktuation einzelner Schlusselpersonen bzw. ganzer Gruppen von Schlusselpersonen resultierenden Schaden auswirken. Eine zielgerichtete Handhabung, Steuerung und Uberwachung von Personalrisiken stellt damit eine herausfordemde Aufgabe dar. 10.5.3 Eigenhandeln des Personals und Informationsasymmetrien als Problemfelder des Risikomanagements Neben den daraus resultierenden Informationsproblemen und Intransparenzen hinsichtlich der Erfassung, Messung und Operationalisierung risikomanagementrelevanter Eigenschaften und Verhaltensweisen des Personals ist das den jeweiligen Eigeninteressen folgende Eigenhandeln der Subjekte eine zweite zentrale Besonderheit des Personals."^^^ Zum Schutz und Vorteil der eigenen Position/Person versuchen Mitarbeiter, sich der unmittelbaren okonomischen Be- und Verwertung zu entziehen."^^^ Sie nutzen bestehende Intransparenzen, bauen Informationsasymmetrien auf, sorgen dafur, dass Wirkungsketten im Dunkeln bleiben und verweigern sich so einer Bewertung, mit entsprechenden Konsequenzen, als Risikofaktor. Neben dem Schutz und der Starkung der eigenen Position geht es u.U. auch um die Schwachung der Position eines als unliebsamen Konkurrenten wahrgenommen Kollegen (Mikropolitik, Mobbing)."^^^ Moglicherweise wird eine Transparenz der tatsachlichen und bewerteten
"^^^ Vgl. BARNEY (2002), S. 167 ff; ALCHIAN / DEMSETZ (1972), S. 779 ff., BARNEY / WRIGHT (1998), S. 39. "^^^ Vgl. MACDUFFIE (1995); WRIGHT / MCMAHAN / MCWELLIAMS (1994); REED / DEFILLIPPI(1990). ^^'^ Vgl. NEUBERGER (1997), S. 19 ff.; GRIEGER (2004), S. 168 ff "^^^ Vgl. RIDDER / CONRAD / SCHIRMER / BRUNS (2001), S. 23. "^^^ Vgl. BECKER (2003), S. 244 ff.
148
Risikomanagement und Personal
Leistungsbeitrage der Mitarbeiter auch aus Fuhrungsschwache vermieden/reduziert Oder um das bestehende soziale Geftige und die Herrschaftsstrukturen nicht in Frage zu stellen.'^^^ Im Zusammenwirken von InformationsproblemenZ-asymmetrien auf der einen, und Eigenhandeln der Subjekte auf der anderen Seite, riicken damit auch die in der Agencyliteratur behandelten grundsatzlichen Probleme und Risiken des Arbeitsvertrages in den Blickpunkt der Betrachtung: adverse selection aufgrund von hidden characteristics, moral hazard sowie shirking aufgrund von hidden action und hidden information, hold up aufgrund von hidden intention.^''^^ Verhaltensmuster des vor- bzw. nachvertraglichen Opportunismus finden sich hierbei nicht nur, wie in der Literatur haufig relativ einseitig dargestellt, auf Seiten des Arbeitnehmers {agent), der z.B. seinem Arbeitgeber {principal) Informationen vorenthalt und sein Leistungsvermogen zu Lasten des Arbeitgebers nicht entsprechend in Arbeitsleistung umsetzt."^^^ Auch der Arbeitgeber bzw. das Management konnen sich opportunistisch verhalten, z.B. wenn Plane iiber BetriebsschlieBungen oder Standortverlagerungen vor den betroffenen Mitarbeitem verheimlicht oder unzutreffend dargestellt werden. Hinzu konimt, dass ein und dieselbe Person, abhangig von der eingenommenen Perspektive, sowohl agent als auch principal ist und sich damit „Unternehmen als Geflechte ineinander verschrankter Principal-Agent-Beziehungen interpre-
Wenn bspw. eine Sekretarin als zentrale Schlusselperson und deren Fluktuation als ein zentrales Risiko identifiziert werden wiirde, und dies im Rahmen der Risikomanagementaktivitaten auch so kommuniziert werden wiirde, dann miisste konsequenterweise z.B. ihr Gehalt wesentlich erhoht werden. Kaum zu erwarten ist z.B. auch, dass der Vorstand, der nach dem KonTraG die Verantwortung fur das Risikomanagement hat, ohne besonderen Druck von auBen sich selbst und seine moglichen Handlungen (strategische Fehlentscheidungen, Bilanzfalschungen etc.) als mogliche Risiken benennt und bewertet. Zu Bedeutung von Managementrisiken in Risikomanagementsystemen vgl. LUCK (2000); KROPP (2004). Vgl. PICOT / DIETL / FRANCK (1999, S. 85 ff.); SADOWSKI (1999, S. 150 ff.); COFF (1997); EBERS / GOTSCH (1999, S. 209 ff.); ALCHIAN / DEMSETZ (1972) insbesondere zu shirking; AKERLOF (1970) zum Problem asymmetrischer Informations; JENSEN / MECKLING (1976) allgemein zu Agency costs. Grundlegend zu endogenen und exogenen Risiken und Risikoallokation im Arbeitsvertrag vgl. PULL (1992); LIEKWEG (2003, S. 296 f.) zu moral hazard, Informationsengpassen und -verhalten sowie Rationalitatsengpassen in verschiedenen organisatorischen Realtypen, die anhand ihrer Komplexitat unterschieden werden. Vgl. EBERS / GOTSCH (1999), S. 222; PULL (1992), S. 52. PICOT / DIETL / FRANCK (1999), S. 85.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Die principal-agent-Beziehungen beschranken sich dabei nicht nur auf den unmittelbaren operativen Untemehmenskem (Arbeitgeber, Arbeitnehmer), sondem umfassen ebenfalls mogliche Beziehungen z.B. zu Kunden, Untemehmensberatungen, Subuntemehmen, Fremdfirmen und Institutionen wie Aufsichtsrat und Abschlusspriifer. Im Kem zielen die Vorgaben des KonTraG, wie bereits durch die Namenswahl verdeutlicht, auf eine Verbesserung der Corporate Governance durch eine verbesserte KontroUe und Transparenz im Untemehmensbereich. Durch die Implementierung eines Risikomanagementsystems soUen damit insbesondere auch Informationsprobleme/-asymmetrien und opportunistisches Verhalten einzelner Akteure, zu Ungunsten des Untemehmens, reduziert werden. Aus dieser Perspektive wird ein Risikomanagementsystem (Zielsetzungen, Strukturen, Inhalte) im Wesenthchen als exogene Variable im Kontext der Corporate Governance gesehen, die dazu beitragen soil, Informationsund KontroUprobleme zu reduzieren und geeignete Instrumenten und MaBnahmen bereitzustellen, um den Risiken der zukunftigen Entwicklung erfolgreich begegnen zu konnen. Diese (in der Literatur vorherrschende) Reduktion der Betrachtung des Risikomanagementsystems als eine rein exogene Variable kann entweder als blauaugig und naiv Oder als bewusste Verschleierungstaktik der handelnden Akteure angesehen werden. In jedem Fall ist sie „unmenschlich", da sie die elementaren menschhchen Besonderheiten des Faktors Personal nicht beriicksichtigt. Es wird nicht oder zu wenig beriicksichtigt, dass die bestehenden Interpretations-, Gestaltungs- und Anwendungsspielraume bei der Konzeption, Implementierung und Durchfiihrung von Risikomanagementaktivitaten von den involvierten Akteuren auch eigeninteressendienlich genutzt werden."^^"^ Insofem erscheint es angebracht, die Ausgestaltung, Bedeutung und Konsequenzen eines Risikomanagementsystems eher als eine endogene Variable zu verstehen. Da die Auspragungen eines Risikomanagementsystems immer Ergebnis eines dynamischen Interpretations- und Konstruktionsprozesses und Abbild der jeweiligen Interessens- und Machtkonstellationen sind, kann und wird es kein interessenneutrales und objektives Risikomanagementsystem geben. Es besteht damit die Gefahr, dass die scheinbar rationalen Risikomanagementstrukturen die fur die Bestandssicherung des Untemehmens tatsachlich relevanten Informations- und KontroUprobleme nicht redu-
AUgemein zu diesbeziiglichen Manipulationsmoglichkeiten im Rahmen der Leistungsbeurteilung vgl. BECKER (2003, S. 248 ff.).
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Risikomanagement und Personal
zieren, sondem sie in den bewusst gestalteten „toten Winkeln" des Risikomanagementsystems belassen. Problematisch ist dies insbesondere auch dann, wenn die bloBe Existenz von Risikomanagementstrukturen, selbst wenn diese nicht effektiv sind, zu einer Sicherheitsillusion fiihrt, da der Eindruck entsteht und kommuniziert wird, dass angemessene Vorkehrungen fiir den Umgang mit den Risiken der kiinftigen Entwicklungen getroffen sind (Exkulpationsfunktion). Moglicherweise ergibt sich damit durch die Implementierung eines Uberwachungssystems i.S. des KonTraG die paradoxe Situation, dass nicht nur das Ziel der Verbesserung der Corporate Governance nicht erreicht wird, sondem die Implementierung eines Risikomanagementsystems sogar kontraproduktiv wirkt und Informationsasymmetrien verscharft werden."^^^
10.5.4 Eigenhandeln des Personals und Informationsasymmetrien als Chancenfelder des Risikomanagements Die vorangehenden Argumente weisen auf die Begrenzungen und Probleme bei der Analyse und Bewertung von Personalrisiken hin und deuten das an, was Risikomanagement im Personalbereich nicht leisten konnen wird. Aus Sicht der Entscheidungstrager und Risikomanagementverantwortlichen ergibt sich daraus eine grundsatzlich unbefriedigende Situation, da sie sich kein eindeutiges und umfassendes Bild der Personalrisikosituation des Untemehmens machen konnen und deren Handlungs- und Entscheidungsspielraume aufgrund der Intransparenzen etc. eingeschrankt sind. Ahnliches gilt fiir die Empfanger der extemen Risikoberichterstattung. Insbesondere die (potentiellen) Anleger erhalten i.d.R. nur einen sehr vagen bzw. unzureichenden Einblick in die Risikosituation fiir und durch Personal. Bezogen auf die Wettbewerbsposition und die Sicherung bestehender Wettbewerbsvorteile sind diese Besonderheiten der Humanressourcen und die daraus resultierenden Konsequenzen/Limitationen fiir das Risikomanagement nicht nur negativ zu sehen (in der Abb. 19 durch den Januskopf angedeutet), denn sie schiitzen gleichzeitig vor einer Imitation erfolgreicher HRM-Praktiken bzw. dem Abwerben bestimmter Schliisselpersonen durch die Konkurrenz."^^^ Selbst wenn es den Unternehmen moglich ware, Risi-
Zu strategischem Nutzungs- und Gestaltungsverhalten der beteiligten Akteure im Rahmen von Management Support Systemen vgl. WALL (2003a, S. 392 ff.). Zu Interpretations- und Handlungs spielraumen und eigeninteressengeleiteten Handeln hinsichtlich der scheinbar neutralen Controlling-Funktion vgl. NEUBERGER (2001). "^^^ Vgl. REED / DEFILLIPPI (1990) grundlegend zu kausaler Ambiguitat als Imitationsbarriere.
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ken im Personalbereich, und damit Angriffspunkte und Schwachstellen zu benennen, soUten sie dies nicht unbedingt auch tun, zumal dann auch die Gefahr einer sich selbsterjUllenden Prognose bestehen wurde.^^^ Insofem sagen die schlechten Ergebnisse der Auswertung der extemen Risikoberichterstattung iiber Humanressourcen noch nicht unbedingt etwas uber die Qualitat des nach § 91 Abs.2 AktG einzurichtenden Uberwachungssystems aus."^^^ Moglicherweise wurde zwar ein angemessenes Risikomanagement und eine angemessene interne Revision i.S. des KonTraG implementiert, deren Strukturen und Ergebnisse aber nicht entsprechend im Rahmen der Lageberichterstattung kommuniziert. Umgekehrt setzt eine angemessene Risikoberichterstattung ein funktionierendes Risikomanagementsystem voraus, wenn die Angaben wahrheitsgemaB sind. Wahrend eine gewisse Zuriickhaltung bei der Erfassung und Beriicksichtigung des Personals hinsichtlich der Risikosituation im Rahmen der extemen Kommunikation also als durchaus sinnvoll betrachtet werden kann, ist dies fur den intemen Gebrauch anders zu bewerten. Hier ist es von auBerordentlicher Bedeutung, eine moglichst aussagekraftige Einschatzung dartiber zu bekommen, inwieweit einerseits auf der Potentialebene die verfugbaren und an bestimmte Mitarbeiter gebundenen Eigenschaften, die sich im Zusanmienspiel mit anderen Ressourcen zu untemehmensspezifischen Fahigkeiten verbinden, auch zukiinftig vorliegen bzw. wertvoU und einzigartig sind (Potentialebene). Andererseits ist es auch fur die Handhabung anderer, z.B. fmanzieller Risiken von elementarer Bedeutung, inwiefem die fur die Risikohandhabung verantwortlichen Mitarbeiter tatsachlich die geplanten MaBnahmen effektiv und effizient umsetzen (Realisationsebene). Trotz der bestehenden Probleme und Unzulanglichkeiten bei der Einschatzung, Steuerung und Uberwachung von Personalrisiken stellt damit der voUstandige Verzicht auf eine explizite und konzeptionelle Integration des Faktors Personal in das Risikomanagementsystem keine Option fur eine verantwortungsvoUe Unternehmensfuhrung dar. Es ist davon auszugehen, dass eine angemessene Beriicksichtigung des Personals in den Risikomanagementsystemen nur moglich sein wird, wenn die HR-Profession in Wissenschaft und Praxis, Themen wie Risikomanagement, Corporate Governance etc.
'^'^'^ Vgl. KUTING / HUTTEN (1997). 498
Vgl. FURRING (2004a). Ausgewertet wurden hierbei die Risikoberichte der DAX 30 des Berichtsjahres 2002.
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Risikomanagement und Personal
besetzt und diese bei der Entwicklung und Anwendung der jeweiligen Konzepte und Instrumente im Personalbereich gleichsam „mitdenkt". Das setzt ein Rollen- und Selbstverstdndnis „der Personaler'' voraus, das auf einem Spektrum von Personalverwaltung bis strategischem Personalmanagement eindeutig dem letzteren zuzuordnen ist."^^^ Wenn nicht (auch) die Personalmanager fur Personalrisiken und den Urngang mit diesen zustandig sind, dann wird es auch kaum Risikoeinschatzungen und MaBnahmen der Risikohandhabung geben, die den Besonderheiten des „wichtigsten Erfolgsfaktors" Rechnung tragen. In den vorangehenden Absatzen wurde Personal hauptsachlich als ein Risiko betrachtet, als ein Storfaktor im Prozess der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung, als ein Problem bei der Durchfuhrung des Risikomanagements. So zutreffend diese Sichtweise auch ist, in einer Gesamtbetrachtung der besonderen Rolle des Personal bleibt sie unvollstandig und zu einseitig. Das Personal stellt nicht nur einen wesentHchen Problem-, sondern auch einen wesentlichen Losungsfaktor im Rahmen eines ressourcenorientierten Risikomanagements dar/^° Nur durch ein entsprechendes Verhalten der Mitarbeiter ist die Konzeption, Implementierung und Durchfuhrung von Risikomanagementaktivitaten uberhaupt moglich, d.h. das Personal spielt eine zentrale und aktive Rolle bei der Erkennung und Bewaltigung der gesamten Risiken eines Unternehmens. Dass, und inwiefem dieser aktive Beitrag des Personals voraussetzungsvoll ist, wird in der Literatur zum Risikomanagement i.d.R. nicht behandelt. Die „Entdeckung des Menschen" im Rahmen des Risikomanagements hat bisher nur punktuell und zaghaft begonnen. Die Bereitschaft und Fahigkeit der involvierten Personen, sich risikoangemessen zu verhalten wird, wenn uberhaupt, nur am Rande thematisiert. Die implizite Botschaft lautet, dass mit der Schaffung von Risikomanagementstrukturen (Berichtssysteme, Abteilungen etc.) bereits das Wesentliche flir ein funktionierendes Uberwachungssystem getan ist.
'^^^ Vgl. BEATTY / SCHNEIER (1997); WRIGHT / MCMAHAN / MCCORMICK / SHERMAN (1998); ULRICH (1997), S. 24; CALDWELL (2003). Vgl. SCHOLZ (1994, S. 24 ff) zu einer Systematik verschiedener Rollen der Personalabteilung bei guter und schlechter Wirtschaftlage; BARNEY / WRIGHT (1998) zu Ansatzen, wie Personalabteilung bzw. Personalverantwortliche sich zu einem strategisch relevanten Akteur im Rahmen der Untemehmenspolitik entwickeln konnen. ^^^ Vgl. REDDER (1994, S. 42 ff.) zu Personal als Erfolgsfaktor in okonomischen Krisen; NEUBERGER (1997, S. 20) grundsatzlich zur destruktiven und zugleich konstruktiven Potenz des „subjektiven" Faktors.
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Eine solche eingeschrankte Sichtweise und unzulangliche Beriicksichtung der aktiven RoUe des Personals im Rahmen des Risikomanagements kann in einer okonomischen Betrachtung zumindest aus den folgenden zwei Griinden als riskant und fahrlassig bewertet werden: Erstens wird versaumt, die Flexibilitdtspotentiale der Humanressourcen gezielt aufzubauen und zu nutzen. Es werden zwar moglicherweise von den Mitarbeitem de facto erhebliche raumliche, zeitliche und funktionale Flexibilitaten abverlangt, diese Flexibilitaten werden aber eher nicht als eine wettbewerbsrelevante Fahigkeit betrachtet, die es zu pflegen und zu schiitzen gilt, d.h. letztlich werden die Mitarbeiter „verschlissen", was zudem aus einer ethisch-moralischen Bewertung als durchaus fragwurdig bezeichnet werden kann. Die Flexibilitat, die im gesamten Prozess einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung durch die Fahigkeiten und Bereitschaften des Personal erzielt werden kann, spielt auch im Kontext des Risikomanagements eine wichtige RoUe (Personal als „Puffer").'*^^ Zum einen wirkt bereits diese Flexibilitat und Anpassungsfahigkeit an unvorhergesehene Ereignisse und Entwicklungen wie Risikomanagement. Zum anderen erlaubt es die Flexibilitat des Personals zumindest prinzipiell, das Risikomanagementsystem relativ schlank und uberschaubar zu konzipieren."^^^ Wahrend eine Maschine, die nicht entsprechend fiir bestimmte Ereignisse programmiert wurde, bei neuen Ereignissen „handlungsunfahig" ist, kann ein Mensch, insbesondere wenn er dazu befahigt wurde und durch organisatorische Rahmenbedingungen unterstiitzt wird, sich relativ flexibel auf neue Situationen einstellen und seine verfugbaren Denk- und Handlungsmuster neu ausrichten bzw. weiterentwickeln. Eine bis ins kleinste Detail voUstandige gedankliche Vorwegnahme und Beriicksichtigung aller moglichen kunftigen Entwicklungen in den Risikomanagementstrukturen ist damit nicht nur nicht moglich, sondem aufgrund der grundsatzlichen Unsicherheit und Komplexitat der Zukunft in einem gewissen Rahmen weder notwendig noch sinnvoU. Zweitens ist davon auszugehen, dass dann nicht die erforderlichen Voraussetzungen fiir ein risikoangemessenes Verhalten der Mitarbeiter geschaffen werden bzw. diesbe-
"^^^ Vgl. ACKERMANN (1999a, S. 92 ff.); WRIGHT / SNELL (1998) zu verschiedenen Aspekten von Rexibilitat des Personals als ZielgroBe eines strategischen Human Resource Managements; KAISER (2001, S. 49 ff.) ausfuhrlicher zur Flexibilitat der Fahigkeitenbasis des Personals; SCHNEIDER (1998) zu quantitativen und qualitativen Flexibilitaten durch Personalanpassung im Wertschopfiingsprozess. Tatsachlich wird es wohl trotzdem Falle geben, in denen zu starre, umfassende, hoch biirokratische und (fast) jede Eventualitat regelnde Risikomanagementsystemstrukturen implementiert werden.
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Risikomanagement und Personal
ziigliche MaBnahmen nicht prioritar behandelt und mit den notwendigen Ressourcen (finanziell, personell, organisatorisch) ausgestattet werden. Exemplarisch sei hier auf den Bereich des Controllings von Risiken und Risikomanagement hingewiesen. So wichtig es ist, dass bereits die Controllingstrukturen so gestaltet werden, dass, zur Vermeidung eines information overload als Folge der verfiigbaren Informationsfiille, nur die bedeutenden und aussagekraftigen Informationen generiert und in Berichten aufbereitet werden; ohne die Befdhigung und Bereitschaft der Entscheidungstrdger, mit den Kennzahlen und Berichtselementen angemessen umgehen zu konnen und sie verarbeiten zu wollen, fehlt eine wesentliche Voraussetzung fiir eine effektive Durchfiihrung der Risikomanagementaktivitaten. Wenn es, aus motivationalen, qualifikatorischen oder strukturellen Grtinden nicht gelingt, das Personal entsprechend einzubeziehen bzw. wenn dies nicht explizit zum Handlungsfeld des Risikomanagements gemacht wird, so ist es wahrscheinlich, dass lediglich so genannte Datenfriedhofe geschaffen und vergroBert werden. Die vorhandenen Berichte, Dokumentationen und Informationen wirken dann (bestenfalls) als legitimationserzeugende Rationalitatsfassaden oder materialisierte Parallelwelten, ohne wirkliche Relevanz fiir das tatsachliche Denken und Handeln der Mitarbeiter. Ausfuhrlicher wird auf diese Aspekte im folgenden Kapitel eingegangen.
11 Risikomanagementkultur In der betriebswirtschaftlichen Literatur zum Themenbereich Risikomanagement, die uberwiegend den Bereichen Controlling, Wirtschaftspriifung und Interne Revision zuzuordnen ist, wird vielfach auf die Bedeutung einer entsprechenden Risikokultur hingewiesen/^^ I.d.R. bleibt dabei allerdings unklar, was genau unter Risikokultur verstanden wird, welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen von Relevanz sind und welche Konsequenzen sich daraus z.B. fiir die Untemehmensfiihrung oder das Personalmanagement ergeben. Ziel des 11. Kapitels ist es, einen konzeptionellen Beitrag fur diesen bislang vemachlassigten Aspekt des Themenfeldes Risikomanagements, und damit auch einen Beitrag zur theoretischen Fundierung und Ausarbeitung eines ressourcenorientierten Risiko-
^'^^ Vgl. KROMSCHRODER / LUCK (1998a); BRAND-NOE (1999); LOHR (2000); LUCK (2000); REICHMANN (2001), S. 607; MARTIN / BAR (2002), S. 138 ff.; BROSEL / ROTHE (2003); THEISEN (2003); WOLF (2003), S. 109 ff.
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managements zu leisten. Konkret bedeutet dies (1) eine Typologie zur Systematisierung verschiedener Risikokulturen zu entwickeln, (2) die Besonderheiten, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur herzuleiten und (3) in einer kritischen Diskussion Problembereiche und Herausforderungen bei der Entwicklung und Implementierung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkulturherauszuarbeiten. //./
Typologisierung verschiedener Risikokulturen
Bevor im nachfolgenden Teilkapitel ausfuhrlich auf eine bestinmite Auspragung von Risikokultur, d.h. auf die ressourcenorientierte Risikomanagementkultur eingegangen wird, soil in diesem Kapitel zunachst eine Typologie zur Systematisierung verschiedener Risikokulturen entwickelt werden. Zweck einer Typologie ist es grundsatzlich, die unterschiedlichen Auspragungen eines Untersuchungsgegenstandes sinnvoU zu klassifizieren, d.h. sie systematisch in bestinmite Klassen und Teilklassen einzuteilen. Eine solche Typologisierung erfolgt immer im Hinblick auf eine bestimmte Zielsetzung, die hier darin zu sehen ist, verschiedene Arten von Risikokulturen anhand der Bedeutung voneinander zu unterscheiden, die den Risiken der kiinftigen Entwicklung und dem Umgang mit diesen beigemessen wird. Damit stellt sich die Frage nach spezifischen Kriterien oder Dimensionen zur Typologisierung dieser Risikokulturen. In der Literatur zum ubergeordneten Thema Organisations- bzw. Untemehmenskultur fmdet sich eine Vielzahl bestehender Typologien, die allerdings in der vorliegenden Form nur bedingt fur den Untersuchungsgegenstand Risikokultur geeignet erscheinen.'^^'^ In den verschiedensten Ansatzen werden zwar im i.w.S.risikomanagementrelevanteAspekte beriicksichtigt, wie bspw. Zukunfts- vs. Vergangenheitsorientierung bei ANSOFF (1979). Es fmdet sich sogar explizit der Typus Risikokultur bei DEAL / KENNEDY (1987) und KPMG (1998) bildet in einer Matrix unterschiedliche RisikomanagementStile ab. Die Perspektive ist aber jeweils eine andere und nicht auf die Art und Weise des iibergreifenden Umgangs mit Risiken der kiinftigen Entwicklung ausgerichtet. In der hier vorgestellten Typologie werden unterschiedliche Risikokulturen anhand der beiden Dimensionen „AusmaB risikoangemessenen Verhaltens" und „Art der KontroUuberzeugung" systematisiert und kontrastierend gegeniibergestellt (s. Abb. 21).
"^^"^ Vgl. ANSOFF (1979), S. 120 ff.; KETS DE VRIES / MILLER (1986); DEAL / KENNEDY (1987).
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Risikomanagement und Personal
Ausgewahlt wurde die Dimension „AusmaB risikoangemessenen Verhaltens", um das Verhalten des Personals und dessen Bestimmungsfaktoren in den Mittelpunkt zu stellen, d.h. die Aspekte, die einen wesentlichen Einfluss darauf haben, inwieweit mogliche bestandsgefahrdende Entwicklungen friihzeitig erkannt und erfolgreich gemanagt werden. Wahrend sich die erste Typologiedimension auf das konkrete risikomanagementrelevante Verhalten bezieht, erfasst die zweite Dimension einen grundsatzlichen Personlichkeitsaspekt, dem hinsichtlich organisationalen Lemens und der Implementierung einer proaktiven Wandlungs- und Anpassungsfahigkeit eines Untemehmens, die liber die Fokussierung auf Risiken i.S. negativer Entwicklungen hinausgehen, eine besondere Bedeutung zukonrnit."^^^ Konkrete Ansatze zur Operationalisierung und Messbarkeit der beiden Dimensionen und diesbezugliche Probleme werden im Rahmen dieser Ausfuhrungen nicht thematisiert, da die grundsatzlichen konzeptionellen Uberlegungen im Zentrum der Betrachtung stehen.
11.1.1 Dimensionen der Typologie Die erste Dimension „Ausma6 risikoangemessenen Verhaltens", differenziert in hoch und niedrig, bezieht sich darauf, inwiefem sich die Mitarbeiter den Risiken der kiinftigen Entwicklung angemessen verhalten. Angemessen heiBt in diesem Zusammenhang, dass es nicht darum geht, einseitig und undifferenziert risikoaverses bzw. risikoaffines Verhalten der Mitarbeiter anzustreben. Vielmehr ist in Abhangigkeit der jeweiligen Aufgabe/Position zu untersuchen, welches AusmaB an Risikoneigung angemessen oder unangemessen ist, es handelt sich damit um eine relative GroBe."*^^ Grundsatzlich wird das „richtige" AusmaB an Risikoneigung zum einen davon abhangen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Schadenseintritt bewertet wird und zum anderen, wie hoch das drohende SchadensausmaB eingeschatzt wird."^^^ Die Bestimmung des „richtigen" risi-
"^^^ Vgl. PAWLOWSKY / NEUBAUER (2001); ROTTER (1966). Zu Lemprozessen als Instrument des Risikomanagements vgl. DRUMM / DAL ZOTTO (2004, S. 388 f.). Bspw. kann fiir Mitarbeiter in der Qualitatssicherung oder der Schaltzentrale eines Kemkraftwerkes eine eher niedrigere Risikoneigung als angemessen angesehen werden, wahrend es in den ersten Phasen einer Produktentwicklung oder der ErschlieBung eines neuen Marktes eher angemessen sein wird, groBere Risiken in Kauf zu nehmen. Als Aspekte, die grundsatzlich das AusmaB risikoangemessenen Verhaltens fordem, konnen das Beriicksichtigen von SicherheitsmaBnahmen, das Vorliegen von Notfallplanen, eindeutige Verantwortlichkeiten etc. angesehen werden. Fiir diesbezugliche Systematisierungen finden sich iiblicherweise so genannte Risikomatrizen. Vgl. stellvertretend fur andere KOBI (1999); BIHR / DEYLE (2000a); REICHMANN (2001); WOLF / RUNZHEMER (2001).
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koangemessenen Verhaltens ist ein Konstrukt, in dem sich Annahmen und Erfahrungen der beteiligten Akteure uber Ursache-Wirkungs-Zusammenhange bezuglich des eigenen oder fremden Handelns manifestieren. Problematisch ist hierbei insbesondere, dass es sich um ein Konstrukt handelt, dass ex ante festlegen soil, inwiefem sich ein bestimmtes Verhalten zukiinftig alsrisikoangemessenerweisen wird. Erst ex post ist dann festzustellen, ob und in welchem MaBe die Annahmen tatsachlich zutreffend und relevant gewesen sind. Das Konstrukt „risikoangemessenes Verhalten" ist damit auch eine situationsabhangige historische GroBe, d.h. das Begriffsverstandnis ist abhangig von der jeweiligen spezifischen Situation und dem Kenntnisstand der Akteure; es wird daher i.d.R. im Zeitverlauf Veranderungen und Weiterentwicklungen erfahren."^^^ So einfach die Forderung nach einem risikoangemessenen Verhalten aller Mitarbeiter ist, so schwer ist es, neben dem oben skizzierten Problem festzustellen, was genau risikoangemessenes Verhalten im Einzelfall bedeutet, dieses bei den Mitarbeitem auch zu entwickeln. Die Fahigkeit, risikoangemessen zu handeln, ist an eine Reihe von Voraussetzungen geknlipft, die miteinander in Wechselwirkung stehen (s. Abb. 20)."^^^ /^ -•
A
/
Kompetenz
AusmaB risikoangemessenen Verhaltens
Motivation
Organisation
K
/
J
Abb. 20: Voraussetzungen risikoangemessenen Verhaltens"^
BAECKER (2003, S. 26) stellt fest: „Man sieht, dass das richtige [= das risikoangemessene] Verhalten kein Verhalten mehr ist, das mehr oder minder angstlich und rigide an seiner Bestimmung festhalten muss, sondem ein Verhalten, das zwischen Fehlem und Lemeffekten oszilliert, ohne daraus je ableiten zu konnen, das richtige Verhalten schlechthin gefunden zu haben und definieren zu konnen." Die Kategorien Kompetenz, Motivation, Organisation und Verhalten entsprechen den Kategorien des Risikofeldes Personal und werden damit selbst als mogliche Risikobereiche verstanden. Vgl. Punkt „ 10.5.1 Gesamtdarstellung des Risikofeldes Personal". Quelle: Eigene Abbildung.
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^
Risikomanagement und Personal
1. Kompetenz: Diese erste EinflussgroBe auf das AusmaB risikoangemessenen Verhaltens umfasst einerseits die intellektuelle Fahigkeit der Mitarbeiter, die Konsequenzen des eigenen Verhaltens im Rahmen des jeweiligen Arbeitsumfeldes auf die kiinftige Risikosituation erkennen zu konnen. Anderseits umfasst diese Komponente aber auch die notwendigen intellektuellen, methodischen und sozialen Fahigkeiten, ein den Risiken angemessenes Verhalten realisieren zu konnen. 2. Motivation: Aus den Qualifikationen und Kompetenzen alleine kann noch kein risikoangemessenes Verhalten resultieren. Neben dem individuellen Konnen ist das Wollen von entscheidender Bedeutung. Mogliche risikorelevante Informationen miissen auch an verantwortliche Stellen kommuniziert werden bzw. die notwendigen Handlungen im eigenen Verantwortungsbereich auch in die Tat umgesetzt werden.'^'*' Das AusmaB der motivationalen Komponente wird wiederum abhangig sein von intrinsischen Elementen wie z.B. Arbeitsethos, aber auch von eher extrinsischen Elementen, die sich auf friihere Erfahrungen oder Erwartungen beziehen, wie risikoangemessenes Verhalten im und vom Untemehmen honoriert wurde bzw. in Zukunft wird. 3. Organisation: Die dritte EinflussgroBe auf das AusmaB risikoangemessenen Verhaltens erfasst die Art und Weise der Einbettung des Konnens und Wollens in organisatorische Prozesse und Strukturen. Hiermit ist gemeint, inwiefem die jeweiligen Formen der Arbeitsorganisation, AusmaB und Zuweisung von Verantwortlichkeiten sowie Entscheidungsbefugnisse ein risikoangemessenes Verhalten ermoghchen und fordem. Dazu gehoren auch die unterschiedlichen Funktionen des Personalmanagements, insbesondere eine Personalfiihrung und eine Anreizgestaltung, die darauf ausgerichtet sind, eine angemessene Beriicksichtung der Risiken der klinftigen Entwicklung im Denken und Handeln zu entwickeln und zu fordem. Die zweite Dimension zur Klassifizierung verschiedener Risikokulturen bezieht sich auf die Art und Weise der im Untemehmen „vorherrschenden Kontrolliiberzeugungen" der Mitarbeiter. Bereits an dieser Stelle ist auf die Problematik hinzuweisen, zwischen iibergreifenden organisationalen und individuellen bzw. den in einzelnen Subkulturen dominierenden Uberzeugungen und Einstellungen zu differenzieren.
^^^ Grundlegend zum Verhaltnis zwischen Wollen, Konnen und Leistung vgl. BERTHEL / BECKER (2003, S. 37 ff.).
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Es werden intemale und extemale KontroUuberzeugungen (locus of control) unterschieden.'^'^^ Untemehmenskulturen, in denen der dominierende Teil der Mitarbeiter von einer Gestaltbarkeit der Zukunft und einem substanziellen eigenen Einfluss auf die kunftigen Entwicklungen ausgeht, d.h. proaktives Verhalten wird als moglich und sinnvoU angesehen, werden als internal kontroUuberzeugt bezeichnet. Dagegen kann von einer extemalen KontroUuberzeugung gesprochen werden, wenn Organisationsmitglieder uberwiegend ihre eigenen Handlungsfolgen und die kiinftige wirtschaftliche Situation des Untemehmens als von den Kraften der Markte oder anderen fur sie als nicht beeinflussbar angesehenen Machten gewissermaBen als „gottgegeben" einschatztn,^^ Hier wird in der idealtypischen Darstellung zunachst davon ausgegangen, dass sich die intemale bzw. die extemale KontroUuberzeugung hinsichtlich des eigenen Einflusses sowohl auf positive als auch auf negative Entwicklungen bezieht. Wie aus der Attributionsforschung (selbstwertdienliche Attribution, fundamentaler Attributionsfehler etc.) bekannt ist, muss dies in der Realitat nicht in jedem Fall zutreffen/"^ 11.1.2 Vier Idealtypen Anhand der beiden oben skizzierten Dimensionen lasst sich ein Merkmalsraum in Form einer Matrix aufspannen, in dem vier Idealtypen von Risikokulturen unterschieden werden konnen (s. Abb. 21).
"^^ Vgl. KLUCKHOHN / STRODTBECK (1961); ROTTER (1966); WEINERT (1998), S. 106 ff. Ausfuhrlicher zu unterschiedlichen KontroUuberzeugungen als Ausdnick des jeweiligen Weltbildes vgl. BERNSTEIN (1998, S. XXXV), der die Entstehungsgeschichte des Konzeptes und Begriffes Risiko untersucht und feststellt: „The idea of risk management emerges only when people believe that they are to some degree free agents. Like the Greeks and the early Christans, the fatalistic Muslims were not yet ready to take the leap." "^"^ Vgl. NEUBERGER (2002), S. 552 ff.; SIX (1997). Die Attributionsforschung befasst sich mit Interpretationsprozessen der Erfahrungswelt, durch die Individuen sozialen Ereignissen, Handlungen Oder Eigenschaften Griinde bzw. Ursachen zuschreiben. Selbstwertdienliche Attribution (selfserving bias) meint den Effekt, dass Personen Erfolg internal attribuieren, d.h. auf die eigene Leistung zuriickfiihren, wahrend Misserfolg external attribuiert wird und mit widrigen Umstanden und ungiinstigen Situationscharakteristika erklart wird. Der fundamentale Attributionsfehler bezieht sich auf die Attributionstendenz, Handlungen und ihre Ergebnisse eher auf Verhalten und Eigenschaften von Personen zuriickzufiihren als auf fordemde bzw. hemmende Umwelteinflusse.
Risikomanagement und Personal
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Hoch (1) „Ressourcenorientierte Risikomanagementkultur*'
(4) „Marktorientierte Risikomanagementkultur^'
(2) „Burokratische Ignoranz"
(3) „Reaktiver Fatalismus"
AusmaB risikoangemessenen Verhaltens
Niedrig
Intemale
Extemale Vorherrschende Kontrolliiberzeugung
Abb. 21: Typologie Risikokulturen'^'^^ 11.1.2.1
Ressourcenorientierte Risikomanagementkultur
Dieser erste Typus, auf den ausfuhrlicher unten eingegangen wird, ist gekennzeichnet durch eine hohes AusmaBrisikoangemessenenVerhaltens und eine uberwiegend intemale Kontrolltiberzeugung bei den Organisationsmitgliedem. Der verantwortungsvolle Umgang mit Risiken wird hier als eine Kemkompetenz des Untemehmens verstanden, die es zu erhalten und weiterzuentwickeln gilt. 11.1.2.2
Biirokratische Ignoranz
Im Typus der „Burokratischen Ignoranz" findet sich ebenfalls eine intemale Kontrolliiberzeugung, aber der angemessene Umgang, die planerische Beschaftigung mit moglichen kiinftigen Risiken und entsprechenden GegenmaBnahmen ist von untergeordneter Bedeutung. Mitarbeiter im Untemehmen mit dieser Risikokultur sind im Wesentlichen mit sich selbst und intemen Ablaufen/Prozessen beschaftigt. Exteme Entwicklungen oder Zwange werden entweder nicht wahrgenommen oder als unbedeutend und
Quelle: Eigene Abbildung.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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nicht relevant fur das eigene Verhalten angesehen. Konsequenterweise wird dieser Typus, wie auch der Folgende, nicht als eine Form der Risikomanag^m^nrkultur bezeichnet. 11.1.2.3
Reaktiver Fatalismus
Der hier als „Reaktiver Fatalismus" bezeichnete dritte Typus einer Risikokultur ist charakterisiert zum einen durch ein niedriges AusmaBrisikoangemessenenVerhaltens und zum anderen durch eine vorherrschende extemale KontroUuberzeugung. Kunftige Entwicklungen werden als kaum gestaltbar angesehen. Risiken treten ein oder eben nicht, daher spielt einrisikoangemessenesVerhalten keine RoUe und bringt den einzelnen Mitarbeitem keinerlei Vorteile. Die Handlungen beschranken sich auf reaktive NotfallmaBnahmen, die moglicherweise zwar akute Krisen und Probleme temporar entscharfen konnen, aber nicht einer langfristig ausgerichteten (Risikomanagement)Strategie fplgen. 11.1.2.4
Marktorientierte Risikomanagementkultur
Einen analytischen Gegenpol zur ressourcenorientierten Risikomanagementkultur stellt die „Marktorientierte Risikomanagementkultur" dar. Dies entspricht der iiblichen idealtypischen Gegeniiberstellung von resource-based view und market-based view in der Literatur."^"^^ Dem Umgang mit Risiken wird vom Untemehmen und den Beschaftigten eine groBe Bedeutung zugemessen und entsprechendes Verhalten wird belohnt und gefordert. Im Unterschied zur ressourcenorientierten Risikomanagementkultur fmdet sich allerdings eine extemale KontroUiiberzeugung, d.h. als die entscheidenden Variablen, die die Gestaltung und Ausrichtung des Risikomanagement bestimmen, werden exteme EinflussgroBen gesehen. Eine solche Risikokultur auBert sich u.a. auch in einer Risikoberichterstattung nach § 289 bzw. § 315 HOB, in der z.B. externe Markt- oder Wahrungsrisiken als die wesentlichen Risiken dargestellt werden, der Fokus bei Risikostrategie, -analyse, -handhabung etc. also nicht auf die intemen operationellen Risiken gerichtet ist."^^ In Untemehmen mit dieser Risikokultur werden Verhaltensweisen und Fahigkeiten belohnt und stmkturell gefordert, die eine schnelle Anpassung an die sich andemde Umwelt erlauben.
"^^^ Vgl. NOLTE / BERGMANN (1998), S. 3 ff.; OSTERLOH / FROST (1998), S. 165 ff. S.a. Punkt „9.1 Zur Einordnung ressourcenorientierter Ansatze". '^'^ Vgl. FURRING (2004a).
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Risikomanagement und Personal
11,2 Elemente und Ehenen einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur Selbst fiir den Fall, dass das Untemehmen zukiinftig iiber wertvolle, seltene und schwer zu imitierbare Ressourcen/Fahigkeiten verfiigt, also kein Risiko auf der Potentialebene besteht, lassen sich Wettbewerbsnachteile nur vermeiden, wenn die organisationalen Prozesse und Strukturen sowie die Organisationskultur die Realisierung des Potentials auch ermoglichen bzw. fordem. Aufgabe eines ressourcenorientierten Risikomanagements ist es damit auch, eine Risikomanagementkultur in der Organisation zu implementieren, die einen erfolgreichen Umgang mit den Risiken der kiinftigen Entwicklung moglich macht bzw. drohende Untemehmenskrisen erst gar nicht eintreten lasst. Als wichtige Aspekte konnen in diesem Zusanamenhang die individuelle und organisational Lem- und Wandlungsfahigkeit gesehen werden, die wiederum selbst eine wettbewerbsrelevante Kompetenz darstellen.'^'^^ Anhand des Drei-Ebenen-Modells nach SCHEIN (1995) werden in diesem Teilkapitel die konkreten Elemente einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur analytisch und beispielhaft entwickelt (Abb. 22). Das Modell von SCHEIN (1995) wurde gewahlt, um hieran die Komplexitat einer Risikomanagementkultur und die daraus resultierenden Probleme und Grenzen der Gestaltbarkeit zu veranschaulichen. Zur Analyse von Untemehmenskulturen sind drei interdependente Ebenen der Kultur zu unterscheiden: {\) Artefakte, die sichtbaren Strukturen und Prozesse, (2) Bekundete Werte, d.h. Strategien, Ziele und Philosophien sowie (3) Grundprdmissen, die unbewusste, selbstverstandliche Anschauungen, Wahmehmungen, Gedanken und Gefiihle umfassen."^"*^ Um Untemehmenskulturen allgemein bzw. die hier im Fokus der Betrachtung stehende ressourcenorientierte Risikomanagementkultur verstehen und gestalten zu konnen, ist es nach diesem Modell erforderlich, die sichtbaren und leicht beobachtbaren Artefakte zu interpretieren und letztlich die dahinter verborgenen Grundpramissen zu entschliisseln."^^^
"^"^^ Vgl. PAWLOWSKY / NEUBAUER (2001), S. 276 ff.; KAISER (2001), S. 55 ff.; ENGBERDING (1998), S. 51 ff.; ARAGON-SHARMA (2003), S. 73 f. Vgl. KIM (1993) zu einem Modell zur konzeptionellen Verbindung individuellen und organisationalen Lernens. "^"^^ Vgl. SCHEIN (1995), S. 29 ff. ^^^ Auf die kontroverse Diskussion, ob Untemehmenskulturen uberhaupt planmaBig gestaltbar sind, soil an dieser Stelle nicht vertiefend eingegangen werden. Vgl. hierzu SCHREYOGG (1988). Zumindest zeigt sich an den unterschiedlichen Positionen die intemale bzw. extemale Kontrolliiberzeugung der Autoren. Grundsatzlich wird in dieser Arbeit eine Zwischenposition vertreten, d.h.
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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Artefakte Risikomanagementrelevant im engeren Sinne: Risikomanagementsystem, Festlegung von Verantwortlichkeiten,risikoangemessenesVerhalten, Handbiicher und Dokumentationen,...
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I Konsistenz i ^1 I :
Risikomanagementrelevant im weiteren Sinne: Aibeitsorganisation, Untemehmensstruktur, Anreizgestaltung, Personal- und Organisationsentwicklung, Personalplanung, Personalfuhrung, Wissensmanagement, Struktur von Rechnungswesen und Controlling...
Bekundete Werte • Risilcomanagementrelevant im engeren Sinne: i Risikomanagementstrategie und -philosophic, i risikopolitische Grundsatze, Risikoprofil,...
I Konsistenz : j^ •! I
Risilcomanagementrelevant im weiteren Sinne: Untemehmensstrategie, HR-Strategie, Fiihrungsgrundsatze,Grundsatze/Leithnien der Arbeitsund Leistungsbewertung,..
Grundprdmissen \ Risikomanagementrelevant im engeren Sinne: Gestaltbarkeit der Umwelt, Zukunftsorientierung, Fehlerkultur,...
I I Risikomanagementrelevant im weiteren Sinne: • Konsistenz ' Vertrauenswurdigkeit der Mitarbeiter, Vielfalt als Wert,.
j^
H
Abb. 22: Drei Ebenen einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur'^^^ 11.2.1 Grundprdmissen Grundsatzlich weist eine ressourcenorientierte Risikomanagementkultur weitgehende Parallelen zu den Charakteristika einer lemenden Organisation auf."^^^ Die Parallelen betreffen v.a. die Grundpramissen, die eng mit dem Selbstverstandnis einer Organisa-
weder ist Untemehmenskultur vollstandig plan- und gestaltbar, noch ist jegliches Handeln voUstandig beliebig und ohne vorhersehbare Konsequenzen. Abhangig von der jeweiligen Ausgangssituation einer Untemehmenskultur, wird in jedem Fall die Wahrscheinlichkeit risikoangemessenen Verhaltens des Personals durch MaBnahmen, Entscheidungen und Instrumente wesentlich beeinflusst. Dies gilt sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. So wird bspw. mit der Ankundigung des Vorstandes, 50 Prozent der Belegschaft so schnell wie moglich zu entlassen, gleichzeitig aber die Beziige der obersten Fiihrungskrafte zu verdoppeln, die Wahrscheinlichkeit zur Bereitschaft und ReaUsierung eines risikoangemessenen Verhaltens seitens der betroffenen Mitarbeiter erheblich sinken, selbst wenn die Angst um den drohenden Arbeitsplatzverlust einen „positiven" Effekt haben sollte. Quelle: Eigene Abbildung, aufbauend auf SCHEESf (1997, S. 17). Vgl. SCHEIN (1995), S. 296 ff.; BEA / GOBEL (2002), S. 387 ff.
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Risikomanagement und Personal
tion und den Kemkompetenzen verbunden sind. Auf den Bereich Risikomanagement ubertragen, konnen sie wie folgt skizziert werden: •
Der Umweltkontext ist, trotz verschiedener Restriktionen, grundsatzlich gestaltund beherrschbar, d.h. proaktive MaBnahmen der Risiko- und Problembewaltigung sind moglich und okonomisch sinnvoll.
•
Als angemessene Zeitorientierung fiir ein erfolgreiches Risikomanagement ist die Zukunft anzusehen, d.h. die gedankliche Vorwegnahme und Planung eigener (Re)Aktionen und (Re)Aktionen anderer ist von zentraler Bedeutung.
•
Der Umgang mit Risiken ist grundsatzlich eine gemeinsame Aufgabe fiir alle Organisationsmitglieder, wobei eine Perspektivenvielfalt als sinnvoll angesehen wird, um frtihzeitig relevante Risiken erkennen und steuem zu konnen und moglichst viele Handlungsoptionen in der ungewissen Zukunft zu haben."^^"^
•
Grundsatzlich sind alle Mitarbeiter vertrauenswurdig, haben konstruktive Absichten und sind in ihrem Wirkungsbereich kompetent, so dass sie in der Lage und willens sind, risikorelevante Informationen zu identifizieren und angemessen zu kommunizieren. Dabei konnen Fehler gemacht werden, diese sollten allerdings moglichst frtihzeitig erkannt und offen kommuniziert werden. Der konstruktive Umgang mit Fehlern ist ein Ausgangspunkt fiir organisationales Lernen (Fehlerkultur).'^'
11.2.2 Bekundete Werte Die mittlere Ebene der bekundeten Werte umfasst die in einem kognitiven Prozess in gemeinsame Grundpramissen umgewandelten und formulierten Werte, die ihren Ausdruck in der Risikomanagementstrategie, den risikopolitischen Grundsatzen, der Risikomanagementphilosophie etc. frnden."*^^ Aus ressourcenorientierter Perspektive zielt eine entsprechende Risikomanagementstrategie darauf ab, den drohenden Verlust und die Nichtverfiigbarkeit der fiir die (kiinftigen) Kemprozesse notwendigen Ressourcen
^^^ Vgl. MARTIN / BAR (2002), S. 141. S.a. in diesem Zusammenhang die aktuelle Debatte zu „Managing Diversity" in Organisationen z.B. COX (1993); WACHTER / VEDDER / FUHRING (2003). Ausfiihrlicher zu Fehlerkultur und diesbeziiglichen Paradoxien vgl. BAECKER (2003). "^^^ Vgl. SCHEIN (1995), S. 32; REICHMANN (2001), S. 607 f.; WOLF (2003a), S. 111 ff.
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und Fahigkeiten friihzeitig zu erkennen und die notwendigen MaBnahmen fur den Umgang mit diesen Risiken planerisch zu fassen. Dabei sind die Risikostrategieelemente konsistent in die iibergreifende Untemehmens- bzw. Personalmanagementstrategie einzubetten. Sie konnen u.a. die folgenden Aspekte beinhalten: explizite Verhaltensanweisen fiir den Umgang mit klar defmierten Risiken, Vorgaben von Schwellenwerten und Limits, klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten."^^^ Die formulierten oder hekundeten Risikomanagementstrategien, -grundsatze oder ziele entsprechen in der Systematik von Strategien nach MINTZBERG (1978) den geplanten Strategien."^^^ Dariiber hinaus lassen sich analog zu MINTZBERG (1978) planmaBige, unrealisierte, emergente/ungeplante und schlieBlich die tatsachlich realisierten Risikomanagementstrategien unterscheiden."^^^ Die hekundeten Strategien decken damit zum einen nicht die gesamte Bandbreite des risikomanagementrelevanten Verhaltens auf der Ebene der Artefakte ab. Zum anderen offenbaren sich in ihnen nur ein Teil der prinzipiell relevanten Grundpramissen einer Organisation. Eine besondere Bedeutung konrnit aus ressourcenorientierter Perspektive neben den formulierten auch den emergenten/ungeplanten Strategien zu, weil sie als Reaktionen auf neue Sachverhalte bzw. neue Einschatzungen iiber bestinmite Sachverhalte die notwendige Flexibilitat in das Risikomanagementsystem auf der Ebene der Artefakte bringen. Emergente/ungeplante Strategien entsprechen einem sich ex post als konsistent erweisenden Verhaltensmuster"^^^ und konnen auch als ungerichtetes Risikomanagement bezeichnet werden. Ungerichtet in dem Sinne, als dass es sich nicht auf im Vorfeld konkret formulierbare und klar abschatzbare Risiken bezieht. Insofem handelt es sich um ein scheinbares Paradoxon: die durchaus geplanten ungeplanten Risikomanagementstrate-
"^^^ Vgl. SEIDEL (2002). ^ Um auch begrifflich den konzeptionellen Bezug zur Systematik von MINTZBERG herzustellen, wird bier ausnahmsweise der Begriff der Risikomanagementsrrfl/eg/e, und nicht der der Risikomanagementpo/mT: verwendet. Vgl. Punkt ,,10.1 Ressourcenorientierte Risikomanagementpolitik". "^^^ Vgl. MINTZBERG (1978). Hinter dieser differenzierten Betrachtung stehen, in Abkehr/Erweiterung eines lediglich rationalen Strategieverstandnisses, die aus Fallstudien abgeleiteten unterschiedlichen Strategieverstandnisse, die im Wesentlichen zu fiinf Typen zusanmiengefasst werden konnen, den „five Ps for Strategy": (1) Strategic ist ein Plan (plan), d.h. rational geplante, intendierte und zielgerichtete Handlungen, (2) Strategic ist ein Handlungsmuster (pattern), das sich ex post als konsistentes Verhalten erweist, (3) Strategic ist cine Positionierung (position) der Organisation im Markt, (4) Strategic ist die Grundeinstellung und Denkrichtung (perspective) des Managements und schlieBhch ist (5) Strategic cine List (ploy), d.h. ein spezifisches Manover, mit der Zielsctzung, die Konkurrenz zu uberlisten. Vgl. MINTZBERG / AHLSTRAND / LAMPEL (1998), S. 9-15. "^^^ Vgl. MINTZBERG (1987).
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gien. Hier zeigt sich der flieBende Ubergang und die Dynamik im Zeitverlauf zwischen den Grundpramissen, den bekundeten Werten und den Artefakten. 11.2.3 Artefakte Der Ebene der Artefakte, d.h. der sichtbaren Prozesse und Strukturen, die nach LUHMANN (1999) aus systemtheoretischer Perspektive auch als normative, verfestigte Erwartungen bezeichnet werden konnen, woran die Verkniipfung zu den beiden anderen Ebenen deutlich wird, lassen sich u. a. die folgenden, i.e.S. risikomanagementrele-. vanten Elemente zuordnen: das formale Risikomanagementsystem, mit den bereits oben skizzierten Prozessphasen Risikoeinschatzung, -handhabung und -dokumentation, die strukturelle Verankerung und Festlegung von Verantwortlichkeiten, Aufbau entsprechender Informationssysteme.'*^ Risikomanagementrelevant i.w.S. sind neben dem Bereich der Anreizgestaltung (z.B. erfolgsabhangige Entgeltbestandteile, Qualifikationsentlohnung), PersonalentwicklungsmaBnahmen und Fiihrungsverhalten, die die Mitarbeiter zu einem risikoangemessenem Verhalten motivieren und befahigen (Empowerment), auch strukturelle Komponenten wie Managementinformations- oder Wissensmanagementsysteme, Rechnungswesen und Controlling, die risikorelevante Informationen aufnehmen und aufbereiten.^^' 11.3 Entwicklung und Implementierung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur Nachdem im vorangehenden Teilkapitel herausgearbeitet wurde, wie voraussetzungsvoll eine ressourcenorientierte Risikomanagementkultur ist, wird im Folgenden skizziert, wie eine Risikomanagementkultur entwickelt und implementiert werden kann und welche Herausforderungen und Problembereiche damit verbunden sind. Die Entwicklung und Implementierung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur wird hierbei als integraler Bestandteil einer ressourcenorientierten Untemehmensfiihrung und ubergeordnete MaBnahme der Risikohandhabung verstanden.
^^^ Vgl. POLLANZ (1999); LIEKWEG (2003); REICHMANN / RICHTER (2001). ^^' Vgl. FUHRING (2004b); REICHMANN / RICHTER (2001); KOHLHOFF / LANGENHAHN / ZORN (2000).
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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11.3.1 Bestandsaufnahme und Initiierung eines organisationalen Diskurses Eine wesentliche Grundlage stellt die Bestandsaufnahme und Analyse der derzeitigen Risikokultur des Untemehmens dar, um moglichst effektiv und effizient geeignete MaBnahmen in die Wege zu leiten. Die oben entwickelte Matrix kann hierbei als Ausgangspunkt und Heuristik verwendet werden. Eine Analyse des Status quo, die von den Verantwortlichen „im stillen Kammerlein" vorgenommen wird, kann dabei als ein erster Schritt angesehen werden; ausreichend fur eine solide Einschatzung ist sie nicht. Bei der Analyse von Kulturen stellt sich ein grundsatzliches Problem: Wo verlaufen die Grenzen einer Kultur und auf welchem Aggregationsniveau werden Subkulturen zusammengefasst? Es ist zu klaren, ob und inwiefem von einer Kultur, d.h. gemeinsamen Werten und Verhaltensweisen gesprochen werden kann. Gerade bei groBeren, alteren und ausdifferenzierten Untemehmen lasst sich i.d.R. eine Vielzahl an Subkulturen unterscheiden. Von Bedeutung ist diese Fragestellung hier auch deshalb, weil es bei einer Vielzahl von Subkulturen, mit eigenen Werten, Vorstellungen etc., zu hochst unterschiedlichen Meinungen, Annahmen und sozialen Konstruktionen (zwischen den verschiedenen Subkulturen) bezuglich dessen kommen kann, was iiberhaupt als ein Risiko betrachtet wird, wie es zu bewerten ist und wie damit umgegangen werden soUte."^^^ Ein Risiko, das nicht als solches angesehen wird, wird nicht als solches kommuniziert und entsprechend gemanagt werden. Bislang wurde implizit davon ausgegangen, dass es machbar ist, fUr die jeweiligen Arbeits- und Untemehmensbereiche eindeutig zu bestimmen und dariiber einen Konsens zu erzielen, was ein jeweiligrisikoangemessenesbzw. ein nicht risikoangemessenes Verhalten ware. Tatsachlich wird es aber, gerade ex ante, vor dem Eintreten der Risiken, eine Vielzahl unterschiedlicher (naturgemaB subjektiver) Einschatzungen der beteiligten Personen dazu geben, welches Verhalten und welche Entscheidungen als risikoangemessen zu bezeichnen sind. Zum einen fuhren unvoUstandige Informationen und die jeweiligen begrenzten Rationalitaten zu unterschiedlichen Einschatzungen."^^^ Zum anderen ist die Beurteilung, inwiefem ein bestimmtes Verhalten risikoangemes-
^^^ Vgl. LIEKWEG (2003); RENN (2002); LANG / WINKLER / WEIK (2001), S. 216 f. Zur Subjektivital hinsichtlich des Vorliegens von Untemehmenskrisen vgl. STAEHLE (1999, S. 902 ff.); grundsatzlich zu organisationalem Lemen bei Ambiguitaten vgl. MARCH / OLSEN (1975). Vgl. OBERMEIER (2002) zu Moglichkeiten und Grenzen der (extemen) Krisenkommunikation. 463
S.a. Punkt (,,10.2.3 Probleme, Voraussetzungen, Herausforderungen").
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sen ist, von den Eigeninteressen der beteiligten Subjekte und der Zielfunktion des Untemehmens abhangig."^^ Erschwerend kommt hinzu, dass einerseits aufgrund von Kumulationseffekten erst im Gesamtiiberblick eine solide Einschatzung der Risikosituation des Untemehmens als Ganzem vorgenonimen werden kann."*^^ Andererseits besteht aus Griinden der Schadensminimierung ein Interesse daran, moglichst friihzeitig auch so genannte schwache Signale zu erkennen und zu deuten, um entsprechend friihzeitig die erforderlichen GegenmaBnahmen einleiten zu konnen.^^^ Als eine der grundlegendsten Aufgaben eines ganzheitlichen Risikokulturmanagements kann daher die unternehmensweite Sensihilisierung hinsichtlich risikomanagementrelevanter Informationen, Vorgange und Handlungen angesehen werden, z.B. im Rahmen von Workshops."^^^ Dies bedeutet neben der Einfuhrung und inhalthchen Belegung eines entsprechenden Vokabulars auch eine Auseinandersetzung und Verhandlung uber risikomanagementrelevante Bestandteile des psychologischen Vertrags, soweit dies bei den impliziten Elementen machbar ist. Es ist ein Mindestmafi an Konsens darliber zu erzielen, was eine risikomanagementrelevante Information ist. Hilfreich konnen hierbei die gemeinsame Entwicklung von Standards, Schwellenwerten etc. sein."^^^ Glaubwlirdig und damit erfolgreich wird ein solches „Auftauen" im Rahmen des organisationalen Wandels allerdings nur dann sein, wenn eine intensive und umfassende Analyse und darauf aufbauende Gestaltung des Risikomanagements die Gesamtheit besonders der karriererelevanten Signale hinsichtlich ihrer Konsistenz und Anreizwirkung berucksichtigt."^^^
Bspw. besteht aus einem tibergeordneten Untemehmensinteresse an einer grundsatzlichen Bestandssicherung risikoangemessenes Verhalten moglichenveise darin, sich von bestimmten Funktionen oder Untemehmensteilen zu trennen, da diese einen negativen Einfluss auf die Finanz- und Ertragslage des Untemehmens haben. Aus Sicht der betroffenen Untemehmensteile wiirde ein risikoangemessenes Verhalten dagegen darin bestehen, verstarkt in ihren Bereich zu investieren, um ihn wieder wettbewerbsfahig zu machen. Umfassend zur mikropolitischen Prozessen und Interessenskonflikten im Rahmen des Reorganisationsmanagements vgl. SCHIRMER (2000). Zur Identifikation ineffizienter und damit risikobehafteter Pfadabhangigkeiten, sowie Ansatzen zur Regelreform vgl. ACKERMANN (2003, S. 248 f.). ^^^ Vgl. ACKERMANN (1999a), S. 63 f.; SPELLMANN (2002). "^^^ Vgl. ANSOFF (1976); MARTIN / BAR (2002); ELFGEN (2002a). "^^^ Vgl. KPMG (1998); WOLF / RUNZHEIMER (2001), S. 94 ff. zu Workshops im Rahmen der Risikoeinschatzung, auch unter Einbeziehung extemer Berater. "^^^ Vgl. LOHR (2000); SEIDEL (2002); WOLF (2003a), S. 195 ff ^^^ Grundlegend zum „Auftauen" von Organisationen vgl. LEWIN (1966); SCHEIN (1995, S. 230 ff.).
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Trotz dieser Schwierigkeiten erfiillt damit bereits die Auseinandersetzung, der organisationale Diskurs uber das „richtige"risikoangemesseneVerhalten und mogliche Konsequenzen eigener Entscheidungen, zumindest drei wichtige Funktionen: (1) Mitarbeiter beschaftigen sich iiberhaupt mit moglichen kunftigen Entwicklungen, (2) stellen diese in einen Zusammenhang mit den Optionen und Grenzen des eigenen Handelns und (3) befassen sich mit der Analyse von moglichen Ursachen bestandsgefahrdender Entwicklungen.'^^^ Unerwiinschte Nebenwirkungen einer derartigen Sensibilisierung konnen allerdings darin bestehen, dass sich ein Ohnmachtgefuhl ausbreitet und Mitarbeiter gar keine (auch keine notwendigen) Risiken mehr eingehen (Paralyse durch Analyse). Dies kann auftreten, wenn den Mitarbeitem durch die Sensibilisierung erst richtig bewusst wird, dass sie selbst keinen signifikanten Einfluss auf die kunftigen Entwicklungen haben und sie dadurch in ihrem Handeln blockiert werden. Und trotz dieser Schwierigkeiten und Einschrankungen wird es i.d.R. moglich sein, zumindest eine qualitative Einschatzung des Status quo vorzunehmen und die grundsatzliche Ausrichtung und die dominierenden Charakteristika der Kultur(en) zu bestinmien. I.S. eines ressourcenorientierten Risikomanagements ist die Analyse der Kultur(en) auf die (zukunftigen) Kern- und Unterstutzungsprozesse bzw. die Wertaktivitaten und Werttreiber des Untemehmens ausgerichtet (s. Abb. 23), um die fur die Bestandssicherung des Untemehmens kritischen Bereiche (Schliisselaktivitaten und personen) zu identifizieren. Bezogen auf einzelne Werttreiber sind die konkreten Risiken zu bestinmien und es ist herauszuarbeiten, worin jeweils (nicht) risikoangemessenes Verhalten besteht, inwiefem es realisiert wird und welche Art der KontroUuberzeugung die dominierende ist. "^^^ Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Identifikation zentraler und typischer Personen (Promotoren), die wegen ihrer besonderen formalen und/oder informalen Schlusselposition eine risikomanagementkulturbildende Ausstrahlungswirkung und Vorbildfunktion fiir andere Mitarbeiter haben und damit einen wichtigen Bezugspunkt fiir MaBnahmen der Organisationsent-
'^'^^ Allgemein zu organisationalem Diskurs vgl. LANG / WINKLER / WEIK (2001, S. 240 ff.). Die konkrete Analyse und Einordnung der jeweiligen Kulturen kann dabei erfolgen durch ubliche Instrumente der Organisationsanalyse, d.h. durch Befragungen, Personlichkeitstest etc. Die Grenzen der einzelnen Subkulturen konnen, aber miissen dabei nicht zwangslaufig mit den Grenzen der Werttreiber bzw. den Abteilungsgrenzen iibereinstimmen.
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wicklung darstellen. Eine besondere Bedeutung kommt damit prinzipiell auch den Fuhrungskxaften und dem Management zu/^^
Abb. 23: Entwicklung und Implementierung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur'*^^ Aufgrund einer zu beobachtenden zunehmenden Aufweichung bzw. Auflosung der Grenzen von Organisationen und Untemehmen scheint es sinnvoll, iiber die „Grenzen" des einzelnen Untemehmens hinaus, die Gesamtheit der Risikokulturen im relevanten Netzwerkverbund (Kooperationsuntemehmen, Lieferanten, Kunden) und damit die vor- und nachgelagerten Wertketten in die Analyse mit einzubeziehen.'^^'^ Bei einer immer engeren Verzahnung und gegenseitigen Abhangigkeit kann z.B. nicht risikoangemessenes Verhalten eines wichtigen Zulieferers einen wesentlichen negativen Einfluss auf die Ertrags- und Vermogenssituation eines Untemehmens haben."^^^ Einen nachsten Schritt der Bestandsaufnahme stellt die Einschatzung der Implikationen der jeweiligen Risikokultur(en) dar. Es sind qualitative und, soweit wie moglich, quantitative Einschatzungen vorzunehmen, inwiefem (SchadensausmaB, Wahrscheinlichkeiten) das (nicht) risikoangemessene Verhalten einzelner Personen, Abteilungen,
^^^ Vgl. FiJHRING (2004b). Quelle: Eigene Abbildung. ^'^'^ Vgl. BEA / GOBEL (2002), S. 360 ff.; PICOT / REICHWALD / WIGAND (2003); SYDOW (1993). 475
Vgl. Punkt ,,10.2.2.1 Risiken auf der strategischen Ebene".
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des gesamten Untemehmens bzw. der Netzwerkpartner Auswirkungen auf die Risikosituation und letztlich den Bestand des Untemehmens haben (konnen)."^^^ 11.3.2 Handlungsfelder Grundsatzlich betrifft die Implementierung einer Risikomanagementkultur samdiche Untemehmensbereiche und -funktionen. Dem Personalmanagement kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu und ist bei der Entwicklung und Implementierung einer Risikomanagementkultur friihzeitig einzubinden. Zum einen wirken die Systeme und Instrumente des Personalmanagements (z.B. Anreizgestaltung, Personalentwicklung) in starkem MaBe verhaltenssteuemd - beabsichtigt und/oder unbeabsichtigt. Zum anderen beeinflusst gerade die Art und Weise der PersonalfUhrung das AusmaB risikoangemessenen Verhaltens der Untergebenen. Das Verstandnis von Personalmanagement geht im hier verwendeten Sinne damit iiber die traditionellen Arbeits- und Tatigkeitsfelder der Personalabteilung hinaus und ist letztlich auch eine Aufgabe jeder Fuhrungskraft. Ohne in diesem Kapitel auf konkrete MaBnahmen eingehen zu konnen"^^^, werden im Folgenden zumindest die prinzipiellen Aktionsrichtungen (s. Blockpfeile in Abb. 23) und die zentralen Handlungsfelder skizziert werden. Als erstes und wichtigstes Ziel samtlicher MaBnahmen ist zunachst die Entwicklung einer Risikom^nag^m^nrkultur (Quadrant Ql und Q4) anzusehen, in der sich die Mitarbeiter, und insbesondere die Schlusselpersonen, uberhaupt risikoangemessen verhalten. Fiir den Fall, dass es sich um eine marktorientierte Risikomanagementkultur handelt, besteht ein weiteres Ziel in der Transformation in eine uberwiegend ressourcenorientierte Risikomanagementkultur, ohne dabei in die „Burokratische Ignoranz" zu verfallen. Eine rein marktorientierte Risikomanagementkultur (im Begriffsverstandnis dieses Beitrags) bleibt letztlich reaktiv, d.h. es ist keine Kultur, die es schafft, die Regeln des Marktes mitzubestimmen, und aus sich heraus, auf Basis der jeweihgen Starken-Schwachen-Ausstattung, proaktiv nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren bzw. Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Begunstigt wird die Transformation durch Lemeffekte im Zeitverlauf, die
Hierbei konnen prinzipiell die allgemeinen Verfahren und Instrumente zur Risikoeinschatzung verwendet werden, die inhaltlich beztiglich der Aspekte Risikokultur und AusmaB risikoangemessenen Verhaltens zu konkretisieren sind. Vgl. Punkt ,,10.2 Ressourcenorientierte Risikoeinschatzung". "^^^ Zu diesbezuglichen Ansatzpunkten vgl. z.B. HERTIG (1996); KOBI (1999).
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aus (positiven) Erfahrungen mit eigenem risikoangemessenem Verhalten entstehen und zunehmend zu einer internal en Kontrolluberzeugung fuhren. Insofem handelt es sich um eine „naturliche Entwicklung", die lediglich durch geeignete MaBnahmen zu unterstutzen ist. An dieser Stelle ist emeut darauf hinzuweisen, dass die idealtypische Gegeniiberstellung der beiden gegensatzlichen Perspektiven (ressourcen- vs. marktorientiert) letztlich zu holzschnittartig ist, da auch die ressourcenorientierte Risikomanagementkultur marktliche Aspekte und die marktorientierte Risikomanagementkultur interne Aspekte der Ressourcenausstattung und -nutzung beriicksichtigen. Gleichwohl wird durch die Zuspitzung die jeweilige grundsatzliche Konzeption deutlich."*^^ Die Handlungsfelder und MaBnahmen zur Implementierung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur, die auf eine Durchdringung aller drei Kulturebenen abzielen, beziehen sich auf die drei Voraussetzungen risikoangemessenen Verhaltens: Kompetenz, Motivation und Organisation. Die MaBnahmen sind zum einen ursachenspezifisch zu konzipieren: Aus welchen Griinden handeln die Mitarbeiter nicht risikoangemessen? Welches sind die wesentlichen Ursachen? Inwiefem lassen sich die Ursachen beheben? Zum anderen sind sie zielgruppenspezifisch zu konzipieren: In welchen Untemehmensteilen handeln welche Personen(gruppen) risikoangemessen? Welche Bedeutung hat das Verhalten der betreffenden Personen auf die Risikosituation bzw. die Wettbewerbsposition des Untemehmens?
11.3.3 Motivationale Aspekte - ein blinder Fleck der Risikomanagementliteratur Die implizite Annahme hinter der gesetzlichen Verpflichtung zur Einfiihrung eines angemessenen Risikomanagements und einer angemessenen internen Revision lasst sich wie folgt formulieren: Durch die Schaffung von Risikomanagementstrukturen, die Implementierung eines „technischen" Systems, die organisatorische, sichtbare Verankerung eines Risikomanagementsystems und die Festlegung von Verantwortlichkeiten konnen zukiinftige Risiken friihzeitig erkannt und erfolgreich bewaltigt werden."^^^ Es wird damit implizit eine unmittelbare kausallogische Verkniipfung zwischen den Risikomanagementstrukturen und dem risikoangemessenen Verhalten des Managements und der Mitarbeiter unterstellt. Ubertragt man diese Logik auf das Kulturmodell von SCHEIN (1995), ist diese Annahme gleichzusetzen mit dem Vorhaben, organisationa-
S.a. Punkt „ 9.1 Zur Einordnung ressourcenorientierter Ansatze" "^^^ Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 15.
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len Wandel in Richtung einer organisationalen Wandlungsfahigkeit allein durch die Vorgabe und Schaffung bestimmter Artefakte zu induzieren, ohne die Auswirkungen und Ruckkopplungen auf den beiden Ebenen der Grundpramissen und der bekundeten Werte bewusst in die Konzeption mit einzubeziehen. Aus Sicht des Gesetzgebers kann dies durchaus als eine angemessene und vielleicht die einzig mogliche Vorgehensweise angesehen werden, zumal den Untemehmen bewusst ein groBer individueller Gestaltungsspielraum gegeben wird/^^ Fiir die Unternehmen kann es sich allerdings als riskant erweisen, allein auf die normative Kraft des Faktischen zu vertrauen und dieser mechanistischen Annahme zu folgen. Sicherlich ist davon auszugehen, dass eine Anderung der sichtbaren Strukturen auf der Ebene der Artefakte auch Ruckwirkungen auf die beiden darunter liegenden Ebenen haben wird und moglicherweise sogar zu dem erwiinschten risikoangemessenen Verhalten fuhren wird. Zu bezweifeln ist aber, ob es sich dabei urn eine prinzipiell effiziente und effektive Vorgehensweise handelt."^^^ Wenn die neugeschaffenen Artefakte nicht konsistent zu den bekundeten Werten und Grundpramissen sind bzw. zu diesen im Widerspruch stehen, werden die Organisationsmitglieder nur soweit wie notwendig ihre vorgesehene RoUe im Rahmen des Risikomanagementsystems spielen - ohne dabei die einem ressourcenorientierten Risikomanagement entsprechenden Werte und Pramissen zu teilen oder verinnerlicht zu haben und sich in kritischen Situationen tatsachlich risikoangemessen zu verhalten bzw. verhalten zu konnen. Ein derartiges Schau-Spiel vor der auf Legitimation abzielenden Rationalitatsfassade Risikomanagementsystem kann aus institutionalistischer Perspektive durchaus sinnvoll sein."^^^ Bspw. kann bereits die Kommunikation der Einfiihrung eines erfolgreichen Risikomanagementsystems von (potentiellen) Anlegem als Signal fiir gute i.S. kapitalmarktorientierter Untemehmensfuhrung interpretiert werden, den Aktienkurs stabilisieren helfen und insofem tatsachlich als Risikomanagement wirken. Und die begriffliche und konzeptionelle Verwendung so genannter „Risikocockpits" suggeriert eine Beherrschbarkeit der Situation, und zwar sowohl den handelnden Personen selbst als auch Dritten gegenuber."^^^ Das Risikomanagementsystem wird m.a.W. wie eine
"^^^ Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 13/9712 (1998), S. 15. "^^^ Vgl.KIESER(1998),S.55. "^^^ Vgl. MEYER / ROWAN (1977); WALGENBACH (1999a). "^^^ Vgl. GLEI6NER / FUSER (2003); KOBI (2003).
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Monstranz als ein intern und extern wirksames Symbol verwendet: „Seht her, die unsichere Zukunft mit ihren Schrecken ist beherrschbar, und sie ist von uns beherrschbar." Die Zielsetzung des KonTraG, Verhaltensfehlsteuerungen zu reduzieren und ein Mehr an KontroUe und Transparenz hervorzubringen, wird dadurch alleine aber noch nicht erflillt. Erfolgreicher wird also grundsatzlich ein ganzheitliches Kulturmanagement sein, das alle drei Kulturebenen in die Betrachtung und Risikomanagementgestaltung einschlieBt/^'* In dieser Weise lassen sich auch die in der Literatur zu findenden Risikomanagementkonzeptionen interpretieren, die i.d.R. die Ebene der bekundeten Werte zumindest schlagwortartig in Hinweisen zur groBen Bedeutung einer formulierten Risikomanagementstrategie andeuten bzw. die Schaffung einer Risikokultur als wichtige Aufgabe und Bestandteil des Risikomanagement sehen/^^ Inhaltlich bleiben derartige Hinweise zumeist relativ nebulos und oberflachlich. Die Literatur ist i.d.R. „menschenleer", d.h. sie befasst sich zumeist nur, dann aber durchaus ausfiihrhch (z.B. zu Finanzrisiken), mit dem formalen, dem technischen System und einzelnen Instrumenten des Risikomanagements. An diesem „blinden Fleck" der Risikomanagementliteratur setzen die folgenden Uberlegungen an. Als zentral fur die Funktionsfahigkeit und Praxistaughchkeit des Risikomanagementsystems kann die angemessene Gestaltung des psychologischen Vertrags bzw. der Vertrage zwischen den Organisationsmitgliedem gesehen werden. Allgemein bezeichnet das Konstrukt des psychologischen Vertrags im organisationalen Kontext die individuellen Vorstellungen und Erwartungen von zwei oder mehr Parteien iiber die wechselseitigen Verpflichtungen bezuglich der Leistungen und Gegenleistungen, der Dauer der Beziehung etc. im Rahmen der jeweiligen Beschaftigungsarrangements. Psychologische Vertrage beinhalten eine Vielzahl impliziter Elemente, d.h. sie gehen iiber die exphziten Elemente des geschriebenen Arbeitsvertrags hinaus und sind Ausdruck der gelebten und erlebten Praxis des Umgangs zwischen den Organisationsmit-
^^^ Vgl. LANG / WINKLER / WEIK (2001), S. 222. ^^^ Vgl. KROMSCHRODER / LUCK (1998a); BRAND-NOE (1999); WITTMANN (1999), S. 142 f.; LOHR (2000); LUCK (2000); REICHMANN (2001), S. 607; MARTIN / BAR (2002); BROSEL / ROTHE (2003); THEISEN (2003); IDW PS 340 (2004); WOLF (2003a).
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gliedem. Diese impliziten Elemente konnen i.d.R. nicht bzw. nur zu hohen Kosten fur Dritte uberprufbar und damit justiziabel gemacht werden."^^^ Im hier behandelten Kontext Risikomanagement(kultur) bedeutet dies, die gegenseitigen Erwartungen und damit auch die motivationalen Aspekte eines risikoangemessenen Verhaltens in den Blickpunkt der Betrachtung zu stellen. Hierbei zeigt sich die inhaltliche Nahe zwischen Ansatzen zum psychologischen Vertrag und zu AnreizBeitrags-Theorien.'^^^ Es stellt sich also fiir die einzelnen Vertragspartner die Frage, wie viel und in welcher FormrisikoangemessenesVerhalten von der eigenen und der anderen Seite erwartet und wie es mit welchen Anreizen positiv und/oder negativ sanktioniert wird bzw. werden soUte. Wer aber sind die beteiligten Vertragspartner und in welcher Beziehung stehen verschiedene psychologische Vertrage innerhalb einer Organisation? Grundsatzlich bestehen Vertrage zwischen alien in Beziehung stehenden Individuen. Aus inhalthchen und okonomischen Analysezwecken kann es sinnvoU sein, bestimmte Individuen in Gruppen zusammenzufassen."^^^ Eine besondere Bedeutung kommt in dem komplexen Vertragsgeflecht der inter- und intravertraglichen Konsistenz zu. /nrervertragliche Konsistenz bezieht sich hierbei auf die mehrdimensionalen und parallelen Vertrage, wie z.B. zwischen Mitarbeiter Ml und M2, zwischen Ml und der Fuhrungskraft Fl, zwischen Ml und dem Risikoverantwortlichen Rl auf operationaler Ebene etc., wahrend sich mrravertragliche Konsistenz auf die Konsistenz einzelner Elemente einer Vertragsbeziehung (z.B. zwischen Ml und Fl) bezieht. Falls die psychologischen Vertrage nicht konsistent sind bzw. sich wechselseitig ausschlieBende Elemente enthalten, ist es fraglich, ob tatsachlich das gewunschte risikoangemessene Verhalten realisiert wird."^^^ So ware es bspw. moglich, dass einerseits risikoangemessenes Verhalten von der Untemehmensleitung gefordert wird (bekundeter Wert), andererseits diesbezugliche Aspekte (z.B. Kommunikation von Problemen
"^^^ Vgl. ROUSSEAU (1995); SCHEIN (1979); MARK / FLIASTER (2003); BARTSCHER-FINZER / MARTIN (2003). AUgemein zu Risiken des Arbeitsvertrags vgl. SADOWSKI (2002); PULL (1992). "^^^ Vgl. BARNARD (1938); MARCH / SIMON (1993); zusammenfassend BERGER / BERNHARDMEHLICH (1999). S.a. Punkt „14.2 Organisationen als Ort des Austausches von materiellen und immateriellen Leistungen". Ausfuhrlicher zum Problem der Mehrdimensionalitat von psychologischen Vertragen und moglichen Auswegen vgl. MARR / FLIASTER (2003, S. 81 ff.). "^^^ Vgl. MARR / FLIASTER (2003), S. 81.
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und Fehlem, Zuriickstellung kurzfristiger Erfolge zugunsten langfristigen Wirtschaftens) nicht entsprechend in die Leistungsbeurteilung durch den direkten Vorgesetzen eingehen und damit nicht karriere- und anreizrelevant werden oder sich sogar karriereschadigend auswirken/^° Bezeichnenderweise werden Risikomanagement und der eng verwandte Bereich Corporate Governance in einer Zeit zu einem groBen Thema (Corporate Governance Kodex, TransPuG etc.), in der ein massiver Wandel des traditionellen relationalen Vertragtyps in Deutschland und anderen Industrielandem zu beobachten ist. Derzeitig kann der vielfach in deutschen Industrieuntemehmen zu findende psychologische Vertrag als transitionaler Kontrakt bezeichnet werden, der eine Ubergangsform zu transaktionalen bzw. balancierten Kontrakten darstellt, wobei die jeweilige Richtung und das Ergebnis des Wandels noch nicht feststehen."*^^ Offensichtlich hat in vielen Fallen die (beiderseitige) Aufkiindigung bzw. der Bruch oder die Verletzung des relationalen Vertrags zu einem massiven Vertrauensverlust und einem in erster Linie am kurzfristigen Eigennutz orientierten Verhalten gefiihrt."*^^ Loyalitat zum Untemehmens und dessen langfristige Bestandssicherung stellt in diesen Fallen nicht mehr ein wichtiges oder vorrangiges Ziel der Organisationsmitglieder dar und wird in Phasen der Unsicherheit, Umstrukturierung und Arbeitsplatzabbau nur noch verfolgt, wenn es auch kurzfristig nicht mit Nachteilen fiir die eigene Position verbunden ist."^^^ Verstarkt wird dies durch mangelhafte Kommunikation, z.B. wenn die Belegschaft die SchlieBung der eigenen
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So wurde bspw. 1998 der Analyst John Olson, bei der Investmentbank Merill Lynch zustandig fUr den Energiehandler Enron Corp., durch einen weniger kritischen Analysten ersetzt. Die von Olson erkannten und benannten Risiken bzw. Bilanzmanipulationen wurden durch das Management von Merill Lynch bewusst ignoriert und verheimlicht, um nicht ein lukratives Geschaft mit einer Aktienemission fiir Enron zu gefahrden. Vgl. o.V. (2002b). Allgemein zu Beitragen zum so genannten „whistle blowing" im Rahmen von Organizational Citizenship Behavior vgl. STAEHLE (1999, S. 571 ff.). 4Q1
Vgl. MARR / FLL\STER (2003), S. 85; BOWEN / SIEHL (1997), S. 58; HENDRY / JENKINS (1997),S.40ff. Vgl. SPARROW / COOPER (2003), S. 41 ff., S. 93 ff. 4Q^
Vgl. KLIMECKI / LITZ (2002); SINGH (1998); SPARROW / COOPER (2003), S. 105 ff.; TURNLEY / FELDMAN (1998); MARR / STEINER (2003), S. 251 ff. S.a. WOOD (2004) zu einer Gallup-Engagement-Studie, die den Grad der emotionalen Bindung von Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitgeber und Arbeitsplatz untersuchte. Im Ergebnis zeigt sich, im Vergleich zu den Vorjahren, eine abnehmende emotionale Bindung. Fiir das Jahr 2003 gaben 70 Prozent der befragten deutschsprachigen Arbeitnehmer in Deutschland an, nur eine geringe emotionale Bindung an Arbeitgeber und Arbeitsplatz zu haben, 18 % gaben an, sie hatten keine emotionale Bindung.
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Abteilung erst aus der Presse erfahrt, und fehlende Vorbildfunktion des Managements."^^^ Bedeutsam wird damit auch die (wahrgenommene) Fairness und Gerechtigkeit bei der „Neuaushandlung" psychologischer Vertrage als Voraussetzung risikoangemessenen Verhaltens."^^^ Vor diesem Hintergrund bekampft ein aufoktroyiertes Risikomanagementsystem auf der Ebene der Artefakte nur die Symptome, die Ursachen fur Verhaltensfehlsteuerungen, Missmanagement etc. auf der Ebene der Grundpramissen werden nicht angegangen. Die Annahme, risikoangemessenes Verhalten konne allein durch neue Strukturen erzwungen werden, - so wichtig diese auch sind und eine „technische" Notwendigkeit bzw. Vorbedingung darstellen -, kann daher als eine Illusion bezeichnet werden.
12 Zwischenfazit Teil C Ausgehend von bestehenden Beitragen zum resource-based view wurde in Kapitel 9 ein Gesamtmodell einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung entwickelt, in das das ressourcenorientierte Risikomanagement in Kapitel 10 konzeptionell und theoretisch eingebettet wurde. In Ubereinstimmung mit neueren Ansatzen zum resourcebased bzw. competency-based view wird in dieser Arbeit ein „aufgeklarter" Ansatz verfolgt, der sich inhaltlich nicht auf die Analyse des Vorhandenseins und die Bewertung von Ressourcen beschrankt. Vielmehr bilden auch der Prozess der Transformation der Ressourcen und der aus dem Zusanmienwirken verschiedener Ressourcen resultierenden Fahigkeiten in vom Markt nachgefragte Produkte und Leistungen sowie die Implikationen der Ressourcenausstattung fur die Wettbewerbssituation ein wesentliches Element des hier entwickelten Gesamtmodells. Konzeptionell nehmen die Humanressourcen/das Personal (Mitarbeiter, Fuhrungskrafte, Management) eine SchllisselroUe in diesem Modell der ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung ein. Einerseits stellen sie aufgrund ihrer Kenntnisse, Quahfikationen etc. selbst eine Ressource im strategischen Vermogen eines Untemehmens dar.
"^^"^ Vgl. DBFONZO / BORDIA (1998); MARK / FLIASTER (2003), S. 218 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die aktuelle Diskussion iiber unangemessen hohe Managementgehalter und die zunehmend auseinanderklaffende Einkommensentwicklung zwischen einfachen Arbeitnehmem und Management; stellvertretend fiir andere vgl. DECKSTEESf / DOHMEN / HAWRANEK / TDETZ (2004); BEISE / OLDAG (2005); KRAMARSCH (2001); O.V. (2004). ^^^ Vgl. RAEDER / GROTE (2004); COFF (1997).
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Andererseits disponieren sie iiber sich und den Erwerb, die ErschlieBung, Verkniipfung und Entwicklung von anderen Ressourcen und Fahigkeiten. Charakteristisch fiir dieses Modell ist weiterhin - der Aspekt wird in der ressourcenorientierten Literatur i.d.R. nicht angemessen beriicksichtigt - die Einbettung des Prozesses des Erwerbs, der Nutzung und Entwicklung untemehmensspezifischer Ressourcen und Fahigkeiten in den spezifischen institutionellen Kontext (Staat, Finanzsystem, Ausbildungssystem, Vertrauen und Herrschaftsbeziehungen). Innerhalb eines so genannten business systems, so wird argumentiert, finden sich spezifische und typischerweise effektive und effiziente Muster des Erwerbs, des Einsatzes und der Entwicklung von Ressourcen und Fahigkeiten, die einerseits Ausdruck des institutionellen Kontextes sind, andererseits diesen selbst (re)produzieren. Ein Kemstlick der Arbeit stellt das Kapitel 10 dar, in dem ein Grundmodell eines ressourcenorientierten Risikomanagements entwickelt wurde. Dieses Grundmodell ist einerseits ein Ansatz zur theoretischen Fundierung und Gesamtkonzeption des in der Literatur i.d.R. untheoretischen bzw. nicht ganzheitlich konzipierten Risikomanagements. Anderseits ist es ein Beitrag zur Erweiterung und Konsolidierung des resourcebased view, in dessen Fokus bislang hauptsachlich die Generierung von Wettbewerbsvorteilen steht, und dessen Beitrage weniger, wie das hier vorgestellte ressourcenorientierte Risikomanagement, auf den Verlust und das Nichtvorhandensein von am Markt nachgefragten (Kem)Kompetenzen und die Nichtdisponierbarkeit iiber die zugehorigen jeweiligen untemehmensspezifischen Ressourcen und Fahigkeiten ausgerichtet sind. MaBnahmen eines ressourcenorientierten
Risikomanagements
wirken als
Schutzmechanismen gegen Degenerations- und Erosionsprozesse der wettbewerbsrelevanten Ressourcen und Fahigkeiten und zielen ab auf eine optimale Ausrichtung und Gestaltung der vorhandenen Fahigkeitenpotentiale auf geeignete Geschaftsfelder und Markte. Das gesamte Risikomanagementsystem umfasst die Risikomanagementpohtik, Risikoeinschatzung, Risikohandhabung und das Controlling von Risiken und Risikomanagement. Zentraler Ausgangs- und Bezugspunkt fiir die verschiedenen Risikomanagementaktivitaten sind die auf Kemkompetenzen beruhenden Kemprozesse bzw. WerttreiberZ-aktivitaten und die daraus resultierenden wertschaffenden Kemprodukte und leistungen eines Unternehmens. Zur Analyse und Bewertung der Wettbewerbsrelevanz und Risikosituation wird hierbei zwischen einer Potentialebene (Wert und Einzigartigkeit der Ressourcen und Fahigkeiten) und einer Realisationsebene (AusmaB der Reali-
Teil C: Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive
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sierung des Fahigkeitenpotentials dutch Personal und Organisation) unterschieden. Durch diese Unterscheidung wird die besondere und ambivalente Rolle der Humanressourcen/des Personals, sowohl als Akteur und Trager der Risikomanagementaktivitaten als auch als Ursache und Verursacher moglicher Risiken, konzeptionell im Risikomanagementmodell berucksichtigt. Als logische Konsequenz aus dem den jeweiligen Eigeninteressen folgenden Eigenhandeln der Subjekte sind Ausgestaltung, Bedeutung und Konsequenzen eines jeweiligen Risikomanagementsystems als endogene Variablen zu verstehen, abhangig von den spezifischen Interessens- und Machtkonstellationen. Die beteiligten Akteure nutzen bestehende Interpretations-, Gestaltungs- und Anwendungsspielraume bei der Konzeption, Implementierung und Durchfuhrung von Risikomanagementaktivitaten. Mit den damit verbundenen Problemen (moral hazard, hidden information etc.) umzugehen und insbesondere Schlusselpersonen und Leistungstrager zu produktiven Beitragen i.S. des Untemehmenserfolges zu motivieren, stellt in der hier entwickelten Konzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements eine Kemaufgabe fur die verantwortlichen Entscheidungstrager dar."^^^ Mit dieser Position wird bewusst eine Gegen- bzw. AuBenseiterposition im Vergleich zu den typischen Beitragen in der Literatur zum Risikomanagement eingenommen, flir die ein Risikomanagementsystem in erster Linie eine exogene Variable darstellt, und deren Effektivitat und Effizienz im Wesentlichen durch genauere und umfangreichere Kennzahlensysteme und die „technische" Weiterentwicklung der Instrumente und Methoden verbessert werden kann und soil. Eine solche „unmenschliche" Befassung mit dem Thema Risikomanagement, die die menschlichen Besonderheiten, sozialen Probleme und Herausforderungen bei der Implementierung eine Risikomanagementsystems ausklammert oder verdrangt, wird, so die hier vertretene Position, nur sehr begrenzt erfolgreich sein bzw. mogliche Erfolge sind groBtenteils zufallig. Kapitel 11 lieferte mit einer Typologie zur Unterscheidung verschiedener Risikokulturen und der besonderen Betrachtung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur grundlegende, konzeptionelle (Jberlegungen in diesem Bereich. Neben eher „technischen" und formalen Bestandteilen (Strukturen, Instrumente, Festlegung von Schwellenwerten etc.) des Risikomanagementsystems kommt der Schaffung einer so
496
Wobei auch das, was als Untemehmenserfolg oder Untemehmensziele bezeichnet und wie es operationalisiert wird, letztlich eine endogene Variable und das Ergebnis eines Interpretations- und Aushandlungsprozesses darstellt.
180
Risikomanagement und Personal
genannten Risikomanagementkultur als Rahmenbedingung und Ausdruck risikoangemessenen Verhaltens eine zentrale Bedeutung zu. Risikoangemessenes Verhalten ist voraussetzungsvoll und lasst sich nicht allein durch die Implementierung formaler Strukturen erzwingen. Es umfasst neben den im Fokus der Literatur stehenden organisatorischen Gesichtspunkten v.a. auch die zumeist vemachlassigten motivationalen Aspekte (Psychologischer Vertrag) und Kompetenzaspekte (Empowerment). Die Entwicklung und Implementierung einer ressourcenorientierten Risikomanagementkultur, als Grundlage flir eine proaktive Bewaltigung von (potentiellen) Untemehmenskrisen, betrifft prinzipiell samtliche Untemehmensbereiche und -funktionen und ist letztlich eine Aufgabe fiir jede Fuhrungskraft. Teil C erbringt die grundsatzliche theoretische Fundierung eines allgemeines Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive. Prinzipiell gibt das vorgestellte Modell eines ressourcenorientierten Risikomanagements einen konzeptionellen Rahmen und eine Grundstruktur zur Entwicklung und Konkretisierung eines auf die spezifische Risikosituation zugeschnittenen untemehmensspezifischen Modells vor.
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
181
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen In Teil C wurde eine allgemeine Gesamtkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements entwickelt, ohne dabei konkret und ausfiihrlich auf einzelne Risiken, ihre Ursachen und Konsequenzen sowie MaBnahmen zu ihrer Handhabung einzugehen. Die Anwendung des allgemeinen Risikomanagementmodells auf ein ausgewahltes Risiko des Risikofeldes Personal erfolgt nun in Teil D. Ziel des Teils D ist die konkrete Betrachtung des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen im Rahmen des ressourcenorientierten Risikomanagements und die Entwicklung eines einsatzfahigen Instrumentariums zum Umgang mit diesem Risiko. In der Fluktuation von Schliisselpersonen kann ein zentrales Risiko fiir Untemehmen gesehen werden, d.h. in der Fluktuation gerade derjenigen Personen, die fiir die Planung, Entwicklung und Durchfiihrung der zukiinftigen, vom Markt nachgefragten Kemprozesse/produkte von besonderer Bedeutung sind. Denn hiermit sind u.U. der drohende Verlust von Fahigkeiten, Beziehungen, Wettbewerbsvorteilen, von Humankapitalinvestitionen sowie direkte Kosten der Neubeschaffung und indirekte Kosten (z.B. Unruhe in der Belegschaft) verbunden.'*^^ Die folgenden Ausfiihrungen des Teils D verstehen sich als ein Beitrag und Deutungsangebot fiir eine theoriegeleitete Praxis und soUen exemplarisch die Anwendbarkeit und Sinnhaftigkeit eines ressourcenorientierten Risikomanagements im konkreten Fall des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen zeigen/^^ Die drei Leitfragen des Teils D lauten: • Wie kann in einem spezifischen Modell das Phanomen Fluktuation (EinflussgroBen, Ablauf, Konsequenzen) so abgebildet werden, dass geeignete Ankniipfungspunkte fiir ein ressourcenorientiertes Risikomanagement geschaffen werden? • Wie lassen sich Schliisselpersonen, d.h. Personen, die fiir die zukiinftigen wertschaffenden Kemprozesse von zentraler Bedeutung sind, identifizieren und bewerten? • Wie kann im Rahmen der einzelnen Phasen des Risikomanagementprozesses (Risikomanagementpolitik, Risikoeinschatzung, Risikohandhabung, Risikodokumen-
497
Vgl. Punkt ,,10.5.1 Gesamtdarstellung des Risikofeldes Personal". 498
Vgl. Kapitel „3 Wissenschaftstheoretische Einordnung der Arbeit"
182
Risikomanagement und Personal
tation) dem Fluktuationsrisiko von Schltisselpersonen erfolgreich begegnet werden und welche Probleme und Herausforderungen sind dabei zu beachten?
13 Das Phanomen Fluktuation in der Literatur und Anforderungen an das hier verwendete Modell Ziel des 13. Kapitels ist es, zunachst wesentliche bestehende Deutungsangebote in der Literatur zum Phanomen Ruktuation darzustellen und auf Eignung und Relevanz im Rahmen des Risikomanagements zu bewerten. Darauf aufbauend werden die Anforderungen an ein ftir diese Arbeit geeignetes Modell zur Beschreibung und Erfassung des Phanomens Fluktuation entwickelt und benannt.
13,1
Einschdtzung der Fluktuationsliteratur
Die wissenschaftliche Befassung mit Aspekten der Fluktuation von Arbeitskraften ist nicht neu. Ohne dass es sich im deutschsprachigen Raum bei diesem Themenfeld jemals um ein groBes Modethema (wie z.B. Qualitatsmanagement) gehandelt hat, gibt es doch seit vielen Jahren eine relativ kontinuierliche Befassung mit dem Phanomen Fluktuation/^^ Die folgende Einschatzung der Fluktuationsliteratur beschrankt sich im Wesentlichen auf die wirtschaftswissenschaftlichen Beitrage, d.h. es wird bspw. nicht auf die eher psychologischen Beitrage eingegangen, die sich mit den individuellen Problemen von Mitarbeitem in Folge einer Fluktuation befassen. Abb. 24 gibt einen Uberblick iiber die wesentlichen und grundsatzlichen Zugange/Perspektiven und inhalthchen Fokussierungen im Kontext dieses Themenfeldes.^^^
AIs ein Indikator konnen die direkt zu diesem Themenfeld verfassten deutschsprachigen Dissertationen angesehen werden: WILHELM (1964); SABATHIL (1977); WACHTMEISTER (1980); BENZ (1983); TINAR (1986); REDLIN (1987); JOCHMANN (1990); FLUCK (1992); BAELLOD (1997); GRUNWALD (2001); GRUND (2001); PFALLER (2002); WELLER (2005). MAIER (1998, S. 240 f.) weist in diesem Zusammenhang auf den auffalligen Befund hin, dass das Thema Fluktuation(stheorien) gerade in den deutschsprachigen personalwirtschaftlichen Lehrbiichern ganzlich vemachlassigt bzw. nur am Rande abgehandelt wird. Ein groBeres Thema ist Fluktuation im angelsachsischen Raum, wo es eine ungleich groBere Vielzahl, auch an neueren Publikationen zu labo(u)r turnover gibt. Dies gilt insbesondere, allerdings fast auch ausschlieBhch, ftir empirische Untersuchungen zu den Einflussfaktoren auf die Fluktuationsentscheidung. Die vorliegenden Beitrage in der Literatur, dies gilt v.a. fiir die Dissertationen, lassen sich dabei i.d.R. nicht ausschlieBhch einer bzw. zwei der Kategorien zuordnen, gleichwohl dient die gewahlte Darstellung zur grundsatzlichen Strukturierung der verschiedensten Beitrage und zur Einordnung des Fluktuationsmodells und -verstandnisses dieser Arbeit.
183
Teil D: Fluktuation von Schltisselpersonen
Betrachtet aus drei moglichen Perspektiven
ooeottette
Beschreibung- und Erkldrungsebene
Inhaltliche Fokussierungen
Ursachen und Einflussfaktoren
Ablauf und Prozess - Friihwamindikatoren - Entscheidungsfindung - Formen
Konsequenzen - Kosten, Nutzen - positiv, negativ
Gestaltungs- und Handhabungsebene
Abb. 24: Zugange und Fokussierungen auf das Themenfeld Fluktuation in der Literatur^^^ Als inhaltlich dominierender Aspekt kann die Analyse und Beschreibung von Ursachen, Einflussfaktoren, Formen und AusmaB der Ruktuation im Zusammenspiel mit dem gesamten Ruktuationsprozess (Friihwamindikatoren wie Arbeitszufriedenheit, Entscheidungsfindung etc.) angesehen werden.^^^ Ein weiterer, insbesondere aus okonomischer Perspektive relevanter Aspekt stellt die Fokussierung auf potentielle oder tatsachliche okonomische Konsequenzen der Fluktuation dar. Das Hauptaugenmerk hegt hierbei i.d.R. auf den negativen Konsequenzen fiir die betroffenen Untemehmen, wobei zumeist die direkten Kosten und unmittelbaren Konsequenzen einer Fluktuation betrachtet werden (z.B. Kosten kurzfristiger Anpassungsmafinahmen, Auswahl-, Einstellungs- und Einlemkosten im Rahmen der Wiederbesetzung). Inhalthch zeigt sich hierbei haufig eine Nahe zu den Ansatzen und Beitragen des Human Resource Accounting.^^^ Eine Reihe von eher volkswirtschaft-
Quelle: Eigene Abbildung. ^^^ Vgl. REPPE (1974); PLUCK (1992); BADLLOD (1992); PFALLER (2003). ^^^ Vgl. MOBLEY (1982), S. 16 ff.; SABATHIL (1977), S. 126 ff.; DINCHER (1992), Sp. 876 ff.; KOBI (1999), S. 72 ff.; MAIER (1998), S. 259 ff Zu einem Ansatz zur Systematisierung moglicher verschiedener Beziehungen zwischen AusmaB freiwilliger Fluktuation und UntemehmenserfolgsgroBen (Arbeitsproduktivitat, Finanzerfolg) vgl. SHAW / GUPTA / DELERY (2005).
184
Risikomanagement und Personal
lich orientierten Beitragen befassen sich allerdings auch mit positiven Konsequenzen der Fluktuation bzw. der Mobilitat von Arbeitskraften.^^ Relativ vemachlassigt bzw. losgelost von den wirtschaftswissenschaftlichen Diskursen zum Thema Fluktuation werden mogliche Mafinahmen zum Umgang mit Fluktuation behandelt. Fast ausschlieBlich finden sich in diesem handlungsorientierten Kontext Beitrage zur Vermeidung von Fluktuation i.S. einer Optimierung der Personalbindung. Die Verringerung der Abhangigkeit organisatorischer Prozesse von bestimmten Personen und weitere MaBnahmen zur Schadensreduktion bei drohender oder erfolgter Fluktuation werden dagegen nur am Rande behandelt.^^^ Neben dieser eher inhaltlichen Systematisierung der bestehenden Literatur, lassen sich die Beitrage drei grundsatzlichen Perspektiven zuordnen, aus denen die zuvor skizzierten Aspekte ausgewahlt, strukturiert und betrachtet werden. Aus einer eher individuumsorientierten Perspektive wird i.d.R. der Schwerpunkt auf den individuellen Entscheidungsprozess der (potentiell) fluktuierenden Mitarbeiter und die Identifikation der wichtigsten Einflussfaktoren fiir eine Fluktuations- bzw. Bleibeentscheidung gelegt.^^ Aus einer eher organisatorischen Perspektive werden v.a. die Schwerpunkte einerseits auf die okonomische Relevanz (AusmaB, Konsequenzen) der Fluktuation von Arbeitskraften und andererseits auf organisatorische MaBnahmen zur Eindammung der Fluktuation gelegt.^^^ Aus einer Makroperspektive wird das Phanomen Fluktuation (verwendet wird hier haufig auch die Bezeichnung „zwischenbetriebliche Mobilitat") auf seine volkswirt-
Der Begriff Human Resource Accounting bezeichnet Ansatze, die sich damit befassen, den Wert des Humanvermogens eines Untemehmens sowie die so genannten Humankapitalinvestitionen zu ermitteln bzw. bilanziell abzubilden. Vgl. FISCHER-WINKELMANN / HOHL (1982); SCHOLZ / STEIN / BECHTEL (2004); PAPMEHL (1998), S. 77 ff ^^ Vgl. GRUND (2001); ADEBAHR (1971). ^°^ Vgl. FLUCK (1992); GRUNWALD (2001); MOBLEY (1982); SABATHIL (1977), S. 189 ff. ^^^ Vgl. BAILLOD (1992); MITCHELL / HOLTOM / LEE / SABLYNSKI / EREZ (2001) ^^^ Vgl. SABATHIL (1977); MOBLEY (1982), GRUNWALD (2001).
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
185
schaftliche bzw. gesellschaftspolitische Relevanz untersucht. Der Fokus liegt hierbei hauptsachlich auf Ursachen, Formen und AusmaB der Fluktuation bzw. Mobilitat.^^^ Aufgrund der unterschiedlichen und teilweise sehr spezifischen Zugange und Perspektiven kommt es zum einen zu einem sehr heterogenen Verstdndnis hinsichtlich des Begriffes Fluktuation.^^^ Zum anderen resultieren aus den unterschiedlichen, haufig kaum vergleichbaren Untersuchungsdesigns (hinsichtlich der betrachteten Branchen, Personen, Formen der Fluktuation, institutionellen Kontexte, Konjunktursituationen etc.) eine Vielzahl an relativ isolierten und nur wenig ubertragbaren Einzelergebnissen bzw. widerspruchlichen oder banalen Ergebnissen. Dies gilt insbesondere fur die (Nicht)Fluktuationsursachen.^^^ BAILLOD (1992) fasst diese Situation treffend zusammen: „Stellt man auf die [...] dargestellten Ergebnisse zwischen einzelnen Variablen und Fluktuation ab, so erscheint das Phanomen Fluktuation als ein komplexer, vielschichtiger und uneinheitlicher Vorgang. Nur wenige Variablen weisen durchgehend signifikante Beziehungen mit Fluktuation auf. Sehr oft zeigen Variablen in einzelnen Studien eine sehr enge Beziehung, wahrend sie in anderen bedeutungslos sind. Fluktuation erscheint als ein Vorgang, der sich als integrales Phanomen nur schwer beschreiben lasst. In diesem Sinne ergeben sich starke Abhangigkeiten von Stichproben. Werden lediglich jene Variablen in Betracht gezogen, die durchgehend fur alle Menschen als Determinanten Gultigkeit haben, entsteht ein relativ blasses und banales Bild, das fiir praktische Zwecke wenig ertragreich ist. Naturlich gibt es Haupttendenzen wie etwa die Tatsachen, dass meistens eine gewisse generelle Unzufriedenheit mit der Arbeit im Spiele ist, dass die Distanz zum Untemehmen relativ gross ist, dass jiingere Menschen die Stelle eher wechseln oder dass vor dem Verhalten die Absicht zu diesem Verhalten entwickelt wird. Trotzdem ist zu vermuten, dass sich das Phanomen in unterschiedlichen Organisationen mit unterschiedlichen Beschaftigten recht unterschiedlich darstellt. In diesem Sinne kann auch angenonmien werden, dass sich der Ruktuationsentscheidungsproz^s^ in Abhangigkeit
Vgl. GRUND (2001); zu den volkswirtschaftlichen Wirkungen und einer theoretischen Analyse und Strukturierung zwischenbetrieblichen Arbeitsplatzwechsels vgl. ADEBAHR (1971); BELWE (1982) zu Fluktuation Werktatiger als Ausdruck sozialer Konflikte in der DDR. Auffallig ist diesem Zusammenhang, dass Beitrage zur „marxistischen" Fluktuationsforschung, wie z.B. BRAUNREUTHER (1966), Fluktuation eher als Stoning des Produktionsprozesses und damit nicht wunschenswert (weil der Planungsrealisierung zuwiderlaufend) interpretieren, wohingegen in der „kapitalistischen" Fluktuationsforschung, z.B. ADEBAHR (1971), Ruktuation eher positiv gesehen wird, da iiber den Markt die optimale Allokation der Arbeitskrafte realisiert wird. Zu verschiedenen Dimensionen des Fluktuationsbegriffes vgl. MAIER (1998, S. 242 ff.); BAILLOD (1992, S. 11 ff.); WACHTMEISTER (1980, S. 22 ff.). Vgl. DINCHER (1992), Sp. 878; MITCHELL / HOLTOM / LEE / SABLYNSKI / EREZ (2001), S. 1102 ff.; RIPPE (1974), S. 35 ff.
186
Risikomanagement und Personal
von Stichproben und anderen Moderatoren anders darstellt. Auf alle Falle ist die Bedeutung der einzelnen Aspekte unterschiedlich."^^^ So wenig erstaunlich diese Befunde zum Stand der Literatur und so wenig uberraschend die Ergebnisse i.d.R. sind, so wenig hilfreich sind sie fiir Untemehmen, die an einem Management von Fluktuation(srisiken) interessiert sind. GroBzahlige empirische Untersuchungen produzieren bestenfalls ex post statistisch signifikante Ergebnisse iiber wahrscheinliche, typische und dominierende Ursache-Wirkungszusanimenhange bezuglich des Fluktuationsgeschehens und der Fluktuationsursachen in der jeweils betrachteten Stichprobe.^^^ Daraus lassen sich, selbst wenn weitere situative Einflussfaktoren (Branche, Hierarchiestufe etc.) benannt werden konnen, keine allgemeingultigen und unmittelbar verwertbaren Aussagen und Vorhersagen iiber das Ruktuationsverhalten von konkreten Einzelpersonen ableiten. „Die mangelnde Vergleichbarkeit der einzelnen Studien wie auch ihre haufig sich widersprechenden Ergebnisse lassen jedoch nur fur wenige Zusammenhange ein eindeutig positives Bewahrungsurteil zu. Ganz offenkundig entzieht sich die Ruk-
BAILLOD (1992), S. 45. Hervorhebung im Original. Beispiele fiir derartige empirische Untersuchen sind, in einer chronologischen Auflistung: RIPPE (1974) zu zwischenbetrieblichem Arbeitsplatzwechsel von Fiihrungskraften; WAGNER / PFEFFER / O'REILLY (1984) zu Organisationsdemographie und -strukturen und Fluktuation im Top Management; ABELSON (1987) zum Fluktuationsverhalten von Krankenschwestem; BAILLOD (1992) zum Fluktuationsverhalten von Computerfachleuten; ARTHUR (1994) zu Effekten des „HR-systems" auf AusmaB an Fluktuation und UntemehmenserfolgsgroBen in Stahlwerken; LEE / MITCHELL / HOLTOM / MCDANIEL / HILL (1999) zum Fluktuationsverhalten ehemaliger Angestellter von Wirtschaftspriifungsunternehmen; SCHRAMM (1999) zu Arbeitnehmerverhalten (darunter auch Fluktuationsneigung und -verhalten) und Arbeitsmarkt, auf Basis des Soziookonomischen Panels; GRUND (2001) zu Determinanten und Konsequenzen zwischenbetrieblichen Arbeitsplatzwechsels, auf Basis des Sozio-okonomischen Panels; WELLER (2001) zu Fluktuationsneigung und Committment bei F&E-Mitarbeitem; MITCHELL / HOLTOM / LEE / SABLYNSKI / EREZ (2001) zu AusmaB und Auspragung von Job Embeddedness und Konsequenzen fiir Fluktuation und Fluktuationsneigung in einer regionalen Lebensmittelkette und im kommunalen Krankenhaus; BLOOM / MICHEL (2002) zum Zusammenhang zwischen Lohnspreizung und Fluktuation des Managements; PFALLER (2003) zu Fluktuationsursachen bei 6sterreichischen Personalleitem; TAPLIN / WINTERTON / WINTERTON (2003) zu Fluktuationsursachen in der britischen Textihndustrie; SMITH / DASKALAKI / ELGER / BROWN (2004) zu Fluktuation und Retentionsstrategien japanischer transnationaler Untemehmen des produzierenden Gewerbes; BRASHEAR / MANOLIS / BROOKS (2005) zu Kontrolle, Vertrauen, Gerechtigkeit und dem Fluktuationsverhalten von Vertriebsmitarbeitem; SHAW / GUPTA / DELERY (2005) zu freiwilliger Fluktuation und UntemehmenserfolgsgroBen bei Betonherstellem und Femfahrem; PAYNE / HUFFMANN (2005) zu Effekten von Mentoring bei U.S. Army Offizieren auf Committment und Personalbindung; WELLER (2005) zu Fluktuationsmodellen und diesbeziiglichen Ereignisanalysen auf Basis des Sozio-okonomischen Panels.
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
187
tuation einer monokausalen Erklarung ebenso wie einem empiristischen Forschungsansatz."^^^ Insofem kann auch die Berechnung und Steuerung von (optimalen) Fluktuationsquoten (z.B. SCHLUTER-Formel, Durchschnitts-Formel) als ein im Kem ungeeigneter bzw. unzureichender Ansatz fur eine differenzierte und handlungsorientierte Fluktuationsbetrachtung aus Untemehmensperspektive angesehen werden.^^"* Neben den methodischen Problemen der Erfassung der relevanten Daten, spricht insbesondere die „Gesichtslosigkeit" der Durchschnittswerte (als Ergebnis bzw. Input) gegen eine zentrale Rolle der Fluktuationsquoten im Rahmen des Fluktuationsmanagements, zumal es sich hierbei um Durchschnittswerte der Vergangenheit bzw. Momentaufnahmen handelt, die nicht unbedingt Gultigkeit und Relevanz fur die Prognose des zukiinftigen Fluktuationsverhalten beanspruchen konnen.^^^ Hilfreich konnen die bestehenden Ergebnisse allerdings fur Fluktuationsmanager sein, um Tendenzaussagen und mehr bzw. weniger wahrscheinliche Hypothesen fur das eigene Untemehmen zu formulieren (Abb. 25).^^^ Ausreichend zur Erklarung, Vorhersage und Behandlung des Einzelfalls sind sie nicht. Letzdich handelt es sich um ein individuelles, personenbezogenes Verhalten, das aus einer spezifischen Situation und Wahmehmung dieser Situation resultiert.
^^^ DDSfCHER (1992), Sp. 878. ^^"^ Vgl. WIMMER (1985), S. 63 ff.; SABATHIL (1977), S. 21 ff.; SCHLUTER (1960), S. 51; MOBLEY (1982), S. 35 ff.; MAER (1998), S. 265 ff.; DINCHER (1992), Sp. 875. Die so genannte SCHLUTER-Formel lautet: Fluktuationskennziffer = Abgange x 100 / Personalbestand zu Beginn + Zugange; die Durchschnitts-Formel lautet: Fluktuationskennziffer = Abgange x 100 / durchschnitthcher Personalbestand. ^^^ Vgl. MAffiR (1998), S. 291 ; SABATHIL (1977), S. 176. ^^^ Vgl. MAIER (1998), S. 283 ; SABATHIL (1977), S. 39 f.
188
Risikomanagement und Personal
Determinanten der Fluktuation
Auswirkungen auf Fluktuation
1. Personalabhangige Determinanten a)
Dienstalter
Fluktuationsrate sinkt mit steigendem Dienstalter
b)
Lebensalter
Fluktuationsrate sinkt mit steigendem Lebensalter
c)
Geschlecht
weibliches Personal kiindigt haufiger als mannliches; wechselt aber seltener den Betrieb
d)
Familienstand
ledige Manner haben eine hohere Ruktuationsrate als verheiratete ledige Frauen haben eine geringere Fluktuationsrate als verheiratete
e)
Wohnverhaltnisse
fester Wohnsitz und gunstige Verkehrsanbindung fiihren zu einer geringeren Fluktuationsrate
f)
Ausbildung
tendenziell: je hoher die Ausbildung, desto hoher die Fluktuationsrate
g)
Berufsstatus
Arbeiter haben eine hohere Fluktuationsrate als Angestellte ungelemte Arbeiter haben eine hohere Fluktuationsrate als gelemte technische Angestellte haben eine hohere Fluktuationsrate als kaufmannische
2. Betriebsabhangige Determinanten a)
Standort
tendenziell: in GroBstadten und Ballungsgebieten ist die Fluktuationsrate hoher als in Kleinstadten und auf dem Land
b)
BetriebsgroBe
tendenziell: GroBbetriebe weisen eine hohere Fluktuationsrate auf als Kleinbetriebe
c)
Branche
tendenziell: abnehmende Fluktuationsrate: Baugewerbe; Dienstleistungsgewerbe; Landwirtschaft; Handel; Geld- und Versicherungswesen; Bergbau; offenthcher Dienst
d)
sozial-okonomische Bedingungen
Fluktuationsrate sinkt mit verbesserten Aus- und Weiterbildungsmoglichkeiten im Betrieb Fluktuationsrate sinkt mit steigenden Aufstiegschancen Fluktuationsrate sinkt mit verbessertem ,3etriebskhma" nur schwache Beziehungen zwischen Hohe des Arbeitsentgelts und Fluktuationsrate nur schwache Beziehungen zwischen Hohe der Sozialleistungen und Fluktuationsrate
e)
technisch-organisatorische Bedingungen
belastende Produktionstechnik und Arbeitsumgebung erhohen Fluktuationsrate Schichtarbeitsbetriebe haben hohere Fluktuationsrate als andere
3. AuBerbetriebliche Determinanten a)
Jahreszeit
b)
allgemeine Konjunktur
im Konjunkturhoch hohere Fluktuationsrate als im Konjunkturtief
c)
Arbeitsmarkt
je hoher Arbeitslosenzahl, desto niedriger die Fluktuationsrate
d)
staadiche Aktivitat
staatliche Mobilitatsforderung kann auf Ruktuationsrate erhohend wirken
im Friihjahr und Herbst die hochsten Fluktuationsraten
Abb. 25: Tendenzaussagen zu Einflussfaktoren des Fluktuationsverhaltens^^^ Festzustellen ist weiterhin, dass sich die Beitrage, die sich aus einer individuumsorientierten Perspektive mit Ruktuationsverhalten befassen, i.d.R. auf die Beschreibung
Quelle: TURK (1978), S. 45 f. Zu ahnlichen Zusammenstellungen vgl. BAILLOD (1992, S. 46); MOBLEY (1982, S. 112 f.), GRUNWALD (2001, S. 53 ff.).
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
189
und Erklarung der Wahmehmungs- und Entscheidungsprozesse beschranken und die Untemehmensperspektive vemachlassigen. Besonders bei den theoretisch fundierten Beitragen und Modellen steht der Aspekt der Handhabung der Fluktuation im Hintergrund.^^^ Insofem ergibt sich die fur den verantwortlichen Fluktuationsmanager wenig zufriedenstellende Zweiteilung in einerseits theoretisch fundierte Modelle und konzeptionelle Beitrage hinsichtlich der Erklarung der Entstehung von Ruktuation, ohne iiberzeugende Ausfuhrungen und integrierte Ankniipfungspunkte zu MaBnahmen des Ruktuationsmanagements. Andererseits gibt es, i.d.R. fern von theoretisch fundierten Fluktuationsmodellen und nicht in einer Gesamtkonzeption integriert, eine Reihe handlungsorientierter Beitragen, die sich mit der Handhabung der Fluktuation befassen, und dies hauptsachlich bezuglich einer Fluktuationsvermeidung. Aufbauend auf dieser Systematisierung und Einschatzung der bestehenden Literatur, werden im Folgenden die wesentlichen Begriffsverstandnisse und Anforderungen an ein im Kontext des ressourcenorientierten Risikomanagements geeignetes Fluktuationsmodell formuliert. 13,2 Der Fluktuationshegriff im Rahmen dieser Arbeit Unter Fluktuation im Rahmen dieser Arbeit werden grundsdtzUch alle Formen von Personalabgdngen verstanden, die zu einer Gefdhrdung der (zukUnftigen) Kern- und UnterstUtzungsprozesse fUhren konnen. Die Formulierung „alle Formen" umfasst hinsichtlich des Fluktuationsanlasses sowohl die arbeitnehmer- und die arbeitgeberinitiierten Fluktuationsfalle als auch die sonstigen Formen (Unfall, Rente, Tod etc.). Damit werden samtliche Formen der Mobilitat erfasst, die dazu fuhren konnen, dass eine Person nicht mehr dem Untemehmen bzw. bestimmten Untemehmenseinheiten zur Verfugung steht. Hinsichtlich der Richtung der Fluktuation werden in Anlehnung an SABATHIL (1977) interorganisationale (Wechsel oder Entsendung zu anderen Organisationen), intraorganisationale (von einem Werttreiber zum anderen bzw. in strategischen Netzwerken) und extraorganisationale Fluktuation (Selbstandigkeit, Tod, Rente, Eltemzeit etc.) unterschieden und unter dem Begriff Fluktuation subsumiert.^^^ Hierbei handelt
^'^ Vgl. WAGNER / PFEFFER / O'REILLY (1984), S. 74; JOCHMANN (1990). 519
Vgl. SABATHIL (1977, S. 11), der zwar diese Dreiteilung einfuhrt, sich in seinen weiteren Ausfuhrungen aber nur auf die inter- und extraorganisationale Fluktuation beschrankt.
190
Risikomanagement und Personal
es sich um ein, im Vergleich zum GroBteil der Literatur, relativ umfassendes und weites Begriffsverstandnis. Untypisch ist insbesondere, dass auch die intraorganisationale Mobilitat einbezogen wird."° Dies geschieht v.a. aus zwei Griinden: Erstens, weil die eindeutige Abgrenzung und Zuordnung, ob es sich um eine intra- oder interorganisationale Fluktuation handelt, gerade bei Konzernen, GroBuntemehmen, Suborganisationen und Netzwerken nur sehr schwierig vorgenommen werden kann.^^^ Zweitens, und dieses Argument ist hier das bedeutendere, fiihrt auch eine intraorganisationale Fluktuation dazu, dass die betreffende Person in dem bisherigen Werttreiber keine substantiellen produktiven Beitrage mehr erbringt und somit aus einer Risikomanagementperspektive relevant ist. Auch untemehmensinteme Versetzungen, Karriereverlaufe und die diesbezuglichen (Fehl)Entscheidungen sind damit Gegenstand des Fluktuationsrisikomanagements. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass die beiden anderen Fluktuationsrichtungen tendenziell mit gravierenderen Folgen fur eine Organisation verbunden sind und eher im Mittelpunkt des Fluktuationsmanagements stehen. In besonderem MaBe trifft dies fiir den Wechsel eines Leistungstragers zur direkten Konkurrenz zu. Abb. 26 gibt einen Uberblick liber die moglichen Fluktuationsformen, jeweils charakterisiert durch eine bestimmte Auspragung des Fluktuationsan/a^^^^ und der Fluktuationsnc/zrwng. Mischformen sind hierbei moglich, v.a. weil die Unterscheidung in arbeitgeber- vs. arbeitnehmerinitiierte Fluktuation im konkreten Fall haufig nur schwer zu treffen ist, da es sich i.d.R. um eine von auBen nur schwer messbare/bestimmbare Situation handelt.^^^ So ware es bspw. denkbar, dass dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber implizit oder explizit signalisiert wird, dass sein Verbleiben in der Organisation als nicht wiinschenswert angesehen wird und/oder er dort keine weitere Karriere machen wiirde und der Arbeitnehmer aus „optischen" Griinden selbst die Kiindigung einreicht bzw. das Beschaftigungsverhaltnis in „beiderseitigem Einvemehmen" beendet wird. Es handelt sich daher um eine analytische Unterscheidung, die zwar fiir das grundsatzliche Ver-
So spricht sich bspw. DINCHER (1992, Sp. 874) gegen eine Zusammenfassung der intemen und extemen Ruktuation aus, ohne dies allerdings inhaltlich naher zu begrunden. ^^^ Vgl. SABATHIL(1977), S. 13 f.; MARCH/SIMON (1993), S. 118. "^ Vgl. BAILLOD (1992), S. 13; SABATHIL (1977), S. 15 f.; GRUND (2001), S. 44 ff. Gleichwohl findet sich in der Literatur bei empirischen Untersuchungen haufig eine explizite Begrenzung auf arbeitnehmerinitiierte freiwillige Fluktuation, z.B. AQUINO / GRIFFETH / ALLEN / HORN (1997). Vgl. ABELSON (1987) zu einem konzeptionellen Ansatz zur Differenzierung und zur Systematisierung freiwilliger vs. unfreiwilliger Fluktuation aus Arbeitnehmersicht und vermeidbarer vs. unvermeidbarer Fluktuation aus Untemehmensperspektive.
191
Teil D: Fluktuation von Schltisselpersonen
standnis des Fluktuationsverhaltens und die Konzeption einzelfallspezifischer MaBnahmen durchaus direkt von Relevanz ist, fur die Konsequenzen der Fluktuation hingegen nur indirekt. Anlass der Fluktuation
arbeitnehmerinitiiert
arbeitgeberinitiiert
sonstige Anlasse
Richtung der Fluktuation
interorganisational
intraorganisational
extraorganisational
Abb. 26: Elemente des Fluktuationsbegriffes^^^ Wird Fluktuation, wie in dieser Arbeit, als ein Risiko verstanden, das sich nachteilig auf die Wettbewerbssituation eines Untemehmens auswirken kann, dann bedeutet dies, dass alle Formen der Fluktuation zu berucksichtigen sind, die aus Sicht der organisatorischen Wettbewerbsfahigkeit von Bedeutung sind. Hierzu gehoren damit auch zeitlich befristete Fluktuationsfalle (Eltemzeit, Entsendung, Krankheit, Sabbatjahr etc.).^^"^ Der Aspekt der Gefdhrdung der (zukunftigen) Kern- und UnterstUtzungsprozesse meint daher die Gefahrdung aus einer betriebswirtschaftlichen, genauer aus einer ressourcenorientierten Perspektive: Die Fluktuation bestimmter Personen(gruppen) kann sich nachteilig auf die Verfiigbarkeit und Entwicklung marktrelevanter Fahigkeiten sowie deren Umsetzung in wertschaffende, vom Markt nachgefragte Leistungen und Produkte auswirken. Damit handelt es sich bei der ungewoUten Fluktuation aus Organisationsperspektive zunachst um ein personenunabhangiges Konstrukt, d.h. die Einschatzung, ob ein Fluktuationsfall ungewoUt oder gewoUt ist, wird losgelost von der konkret bewertenden Person gesehen. Letztlich kann aber nicht von den handelnden Personen abstrahiert werden, und es ist zu untersuchen, von wem konkret die Fluktuation unerwunscht ist: Aus Sicht der bestehenden Kemprozesse, der betroffenen Schlusselpersonen, der mog-
Quelle: Eigene Abbildung. Ab welcher Dauer eine solche Abwesenheit als Fluktuation bezeichnet wird, kann hierbei letztlich nur untemehmens- bzw. personenspezifisch festgelegt werden, wobei die Abwesenheitszeiten in jedem Fall wesentlich iiber die typischen Abwesenheitszeiten (Urlaub, Fortbildung etc.) hinausgehen miissen.
192
Risikomanagement und Personal
licherweise nachriickenden Nachwuchskraft, des Abteilungsleiters des Tochterunternehmens, zu dem die Schlusselperson abwandert etc.?^^^ Auf diesen Problemkomplex und welche Konsequenzen diese unterschiedlichen Interessen haben konnen, wird ausfuhrlicher bei den einzelnen Phasen des Risikomanagementprozesses eingegangen.^^^ Zunachst geht es um die unerwiinschte Fluktuation bezogen auf die zukunftigen, auf den (Kem)Kompetenzen beruhenden Kemprozesse. 13.3 Anforderungen an das hier verwendete Fluktuationsmodell und dessen Konstruktionsprinzipien In der Literatur existiert eine Reihe an mehr oder weniger komplexen und umfassenden Modellen zur Beschreibung, Erklarung und Analyse des Phanomens Fluktuation. Zu nennen sind v.a. die Modelle von MARCH / SIMON (1958/1993), PRICE (1975), SABATHIL (1977), STEERS / MOWDAY (1981) und MOBLEY (1982), die in der jeweils vorliegenden Form zwar nicht unmittelbar geeignet bzw. ausreichend fur eine Erfassung des Phanomens Fluktuation im Rahmen des Risikomanagements sind, die aber wichtige Ausgangspunkte fur das hier entwickelte Fluktuationsmodell bilden.^^^ Abgeleitet aus der ubergeordneten Zielsetzung der Arbeit und den bisherigen Ausfiihrung ergeben sich die folgenden Konstruktionsprinzipien und Anforderungen an Aufbau, Konzeption und Elemente eines Modells zur Erfassung von Ruktuation im Rahmen einer Gesamtkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements. 1. Fluktuation wird hier grundsdtzlich aus einer Risikomanagementperspektive erfasst, interpretiert und konstruiert, d.h. Fluktuation wird als ein potentielles Risiko verstanden, das es zu managen gilt. Aus der Perspektive eines ressourcenorientierten Risikomanagements sind aus der Gesamtheit des Personals insbesondere die potentiell fluktuierenden Schliisselpersonen von Bedeutung, d.h. die Personen, die
^'^ Vgl. SABATHLL (1977), S. 17. So ware es z.B. im Extremfall moglich, dass spezifische Interessenslagen und Machtstrukturen dazu fiihren, dass die tatsachlich fur die Kemprozesse zentralen Personen aus dem Untemehmen herausgedrangt werden. Auf eine vergleichende und bewertende Darstellung der Fluktuationsmodelle kann an dieser Stelle verzichtet werden, da es hierzu bereits eine ausfiihrliche Diskussion und Aufarbeitung gibt. Vgl. WELLER (2005); BAILLOD (1992), S. 42 ff.; MAIER (1998), S. 249 ff.; MOBLEY (1982), S. 115 ff.; DINCHER (1989), S. 45 ff.; GRUNWALD (2001), S. 29 ff.; PFALLER (2003), S. 50 ff.; STEERS / MOWDAY (1981), S. 237 ff.
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
I?^
einen Beitrag zu den wertvoUen und einzigartigen Fahigkeiten und deren Umsetzung in erfolgsrelevante GroBen (Gewinn, Umsatz, Marktanteile etc.) leisten. 2. Es handelt sich im Kern um ein Modell zur Analyse und Steuerung des individuellen und personenbezogenen (potentiellen) Fluktuationsgeschehens, und stellt damit einen Beitrag zur bislang vemachlassigten differentiellen Fluktuationsforschung
3. Ein weiteres grundlegendes Konstruktionsmerkmal ist in der inhaltlichen und konzeptionellen Einbettung in das gesamte Risikomanagementsystem zu sehen: Es miissen einerseits Ansatzpunkte fiir eine Einschdtzung und Bewertung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen(gruppen) geschaffen werden. Andererseits sind, darauf aufbauend, Ansatzpunkte fiir die Handhabung des Ruktuationsrisikos (vor, wahrend, nach einer Fluktuation) zu entwickeln. Da es sich beim Fluktuationsrisiko nicht um ein isoliert zu betrachtendes Risiko handelt, in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen bspw. Motivations- oder Wissensrisiken, zuriickgehaltene Leistung, innere Kundigung etc., ist das spezifische Verhalten Fluktuation in einen konzeptionellen Zusammenhang mit anderen fiir die Risikosituation des Unternehmens relevanten Verhaltensweisen zu stellen. 4. Um letztlich Fluktuationsrisiken effektiv handhaben zu konnen, ist es erforderlich, (1) die wesentlichen Einflussfaktoren auf die jeweiligen Erscheinungsformen der moglichen Fluktuation, (2) den Ablauf und Prozess des Fluktuationsgeschehens, vom ersten Anzeichen bis nach erfolgtem Abgang, und (3) die drohenden Fluktuationsereignisse in einen Zusammenhang mit ihren Konsequenzen fiir die Organisation zu stellen. Diese inhaltlichen Komponenten sind mit den Instrumenten und MaBnahmen des Risikomanagements konzeptionell und handlungsorientiert zu verkniipfen. 5. Ein iibergeordnetes Ziel der Arbeit ist es auch, einen Beitrag zu einer theoretischen Fundierung des Risikomanagements und der Bedeutung/RoUe des Personals fiir das Risikomanagement zu leisten. Die grundsatzliche Fundierung und Konzeptionierung erfolgt aus einer ressourcenorientierten Perspektive heraus. Zwar lassen sich mit Hilfe der Terminologie und den Argumenten des resource-based view
Zur Notwendigkeit einer differentiellen Fluktuationsforschung vgl. BAILLOD (1992, S. 45, S. 227).
194
Risikomanagement und Personal
Aussagen dazu treffen, welche Bedeutung die Fluktuation von Arbeitskraften fiir die Wettbewerbssituation und das Fahigkeitenprofil eines Untemehmens hat. Auch lassen sich mit ihrer Hilfe Schlusselpersonen und -gruppen aus ressourcenorientierter Perspektive identifizieren. Zur Beschreibung und Erklarung des eigentlichen Fluktuationsverhaltens liefert der resource-based view dagegen keine geeigneten Ansatzpunkte und Deutungsmuster, da verhaltenstheoretische Aspekte selbst nicht Gegenstand der ressourcenorientierten Ansatze sind bzw. nur am Rande behandelt werden. Zur Erfassung des Fluktuationsverhaltens wird daher zusatzlich insbesondere auf anreiz-beitrags-theoretische Uberlegungen und Ansatze (z.B. Konstrukt psychologischer Vertrage) zuriickgegriffen, die fiir die Fragestellung der Arbeit weiterentwickelt werden. Die grundsatzliche Interpretation der Beziehung zwischen Mitarbeiter und Organisation als eine Austauschheziehung von Leistungen i.w.S. erlaubt es zum einen, die unterschiedlichen Leistungen und ihre Wahmehmungen beziiglich der wechselseitigen bzw. der jeweils als relevant erachteten Leistungen als wesentliche BestimmungsgroBen des Verhaltens zu erfassen und als Bezugspunkt fiir Interventionen im Rahmen des Risikomanagements konzeptionell zu integrieren. Zum anderen konnen die Beitrage der Mitarbeiter aus ressourcenorientierter Perspektive hinsichtlich ihrer Bedeutung fiir das Fahigkeitenprofil und ihrer Wettbewerbsrelevanz interpretiert, kategorisiert und bewertet werden. Durch die inhaltliche Verkniipfung von resource-based view und Anreiz-Beitrags-Theorie ist es damit moglich, das Phanomen Fluktuation fundiert risikomanagementorientiert zu erfassen und zu strukturieren.
14 Entwicklung und Aufbau des in der Arbeit verwendeten Fluktuationsmodells Ziel des 14. Kapitels ist es, das fiir die fundierte und konkrete Betrachtung des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen erforderliche Ruktuationsmodell zu entwickeln und zu konstruieren. Es basiert auf einem allgemeinen Verhaltensmodell zur Beschreibung und Erklarung von wettbewerbsrelevantem Verhalten in Organisationen, d.h. Fluktuation wird als ein konkretes und mogliches Verhalten betrachtet. Die explizite Einbettung in ein allgemeines Modell zur Erklarung und Beschreibung der verschiedensten Erscheinungsformen moglichen Verhaltens der Organisationsmitglieder erfolgt, um sowohl Ankniipfungspunkte zur Analyse und Handhabung andere Risiken aufzuzeigen als auch den Bezug zu sonstigen und bereits vorhandenen personalpolitischen Handlungen herzustellen.
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
]21.
Dieses allgemeine Verhaltensmodell verkniipft als ein Input-Transformations-OutputModell (1) EinflussgroBen auf Verhalten und Austauschbeziehungen in Organisationen (Input), (2) Mechanismen und Interaktionen von Verhalten und Verhaltensanderungen im organisationalen Kontext (Transformation), und (3) die sich daraus ergebenen Konsequenzen fur die Wettbewerbsfahigkeit und -position einer Organisation (Output). 14,1 Einflussgrofien auf Verhalten und Austauschbeziehungen in Organisationen Den Ausgangspunkt, sowohl des allgemeinen Verhaltensmodells als auch des speziellen Fluktuationsmodells, bilden drei Typen von EinflussgroBen, die, einzeln oder in Kombination, ganz allgemein zu bestimmten Austauschbeziehungen und zu bestimmtem Verhalten in Organisationen fiihren und auch im spezifischen Fall Fluktuation einen bestimmenden Einfluss auf AusmaB und Formen der Fluktuation haben. Die in Abb. 27 uberblicksartig dargestellten Einflussfaktoren sind nicht unbedingt unabhangig voneinander, sondem konnen sich wechselseitig beeinflussen, wobei es allerdings i.d.R. keine eindeutigen und allgemeingultigen Kausalbeziehungen oder Korrelationen gibt. Moglich sind in einer allgemeinen Betrachtung zumeist nur Tendenzaussagen (s.a. Abb. 26) wie bspw. die, dass tendenziell eine schlechte konjunkturelle Situation zu niedrigeren Tarifabschlussen und einem niedrigeren Anspruchsniveau hinsichtlich der Entlohnung fiihren wird, und dass es seltener zu einer arbeitnehmerinitiierten Fluktuation kommen wird. Die hier verwendete Gruppenbildung der EinflussgroBen entspricht der ublicherweise in der Fluktuationsliteratur verwendeten Kategorisierung. Unterschiede in der Literatur bestehen in der Ausdifferenzierung und Operationalisierung der einzelnen Faktoren, die in Abhangigkeit der jeweiligen Untersuchungsdesigns variieren. Teilweise werden fur einzelne Faktoren in empirischen, insbesondere statistischen Untersuchungen, die jeweilige Relevanz ermittelt, um Aussagen uber wichtige und weniger wichtige Fluktuationsursachen treffen zu konnen. Teilweise handelt es sich in der Literatur auch um analytische Herleitungen und Plausibilitatsiiberlegungen.^^^
^^^ Vgl. SABATHIL (1977), S. 35 ff.; MAIER (1998), S. 247; TURK (1978), S. 45 ff.; SCHLUTER (1960), S. 57 ff.; MOBLEY (1982); BABLLOD (1992); NEEDER (1991), Sp. 1058; BECKER (1994), S. 153.
Risikomanagement und Personal
196 1. Individuelle Faktoren
2. Organisationale Faktoren
3. AuBerorganisationale Faktoren
•
Lebensalter
•
Standort
•
•
Geschlecht
•
BetriebsgroBe
•
Familienstand
•
Branche
•
Personlichkeitsmerkmale
•
Untemehmensimage
Institutioneller Kontext (Staat, Finanzsystem, Ausbildungssystem, Vertrauen und Herrschaftsbeziehungen)
•
Gesundheit
•
Arbeitsinhalte
•
Allgemeine Wirtschaftslage
•
Wohn verbal tnisse
•
Untemehmensorganisation
•
Branchenspezifische Wirtschaftslage
•
Ausbildung
•
Arbeitsorganisation
•
Arbeitsmarkt
•
Berufsstatus
•
Arbeitszeitregelung
•
Jahreszeit
•
•
Entgelthohe
•
Betriebszugehorigkeitsdauer Arbeitszufriedenheit
•
Soziales Umfeld
•
Nebentatigkeiten
•
Beteiligungssysteme
•
Sozialleistungen
•
Vertikale und horizontale Beziehungen
•
Abb. 27: EinflussgroBen auf Verhalten und Austauschbeziehungen in Organisationen^^^ Da die Ergebnisse einerseits widerspriichlich bzw. nur sehr bedingt vergleichbar und iibertragbar sind, andererseits die in den empirischen Untersuchungen ermittelten Signifikanzen keine verlasslichen Vorhersagen tiber das Fluktuationsverhalten im Einzelfall erlauben, ist die Auflistung moglicher Einflussfaktoren hier zunachst relativ umfangreich und in Form einer unvollstandigen Liste gehalten. Da die Richtungen der einzelnen Einflussfaktoren nicht einheitlich und eindeutig sind, wird im Rahmen dieser Auflistung auch auf eine Konkretisierung der einzelnen Faktoren verzichtet. Fur die Entwicklung eines untemehmensspezifischen Modells im Rahmen des Risikomanagements konnen dagegen bestimmte Faktorvorauswahlen, -zusanunenfassungen und -konkretisierungen inhaltlich moglich und okonomisch sinnvoll sein, da die Feststellung, dass irgendwie alles irgendwie von Bedeutung ist, nur wenig hilfreich fiir den ftir die Identifikation und Handhabung der Fluktuation zustandigen Personalverantwortlichen ist.^^^
Quelle: Eigene Abbildung. Die einem solchen untemehmens- bzw. personenspezifischen Modell zugrunde liegenden Ursache-Wirkungs-Hypothesen konnen hierbei z.B. aus konkreten Erfahrungen, Plausibilitatstiberlegungen oder Befragungen resultieren.
Teil D: Fluktuation von Schllisselpersonen
197
Bereits die unvoUstandige Auflistung potentieller EinflussgroBen zeigt die Komplexitat des Fluktuationsgeschehens und verweist auf die Grenzen der Gestalt- und Steuerbarkeit durch die Organisation, da sich v.a. die individuellen und auBerorganisatorischen GroBen der unmittelbaren Beeinflussung durch die Organisation entziehen. Allerdings zeigt die Auflistung auch die durchaus bestehenden Moglichkeiten einer Gestalt- und Steuerbarkeit des Fluktuationsgeschehens. Unmittelbar, wenn auch nicht beliebig, konnen bspw. Faktoren wie Arbeitsorganisation, Entgeltgestaltung und Arbeitsinhalte so geandert werden, dass Fluktuationen unwahrscheinlicher gemacht werden. Und selbst mittelbar ist es insbesondere fur GroBuntemehmen moglich, iiber Lobbyarbeit auch Einfluss auf die Auspragung auBerorganisatorischer Einflussfaktoren zu nehmen. 14,2 Organisationen ah Ort des Austausches von materiellen und immateriellen Leistungen In einer vereinfachten Darstellung kann zunachst die Austauschbeziehung zwischen dem Individuum als Organisationsmitglied und der Organisation als Ganzes betrachtet werden.^^^ In einer differenzierten Analyse ware genauer zu untersuchen, welche konkreten und relevanten Akteure (Vorgesetzte, KoUegen, Geschaftsfiihrung etc.) sich hinter dem abstrakten Austauschpartner Organisation verbergen. Die Interpretation der Organisation als Ort einer Austauschbeziehung zwischen der Organisation selbst und den jeweiligen Organisationsteilnehmem geht auf zentrale Annahmen anreiz-beitragstheoretischer Ansatze zuriick. Formale Organisationen werden damit in Ubereinstimmung mit BARNARD (1938/2002) als ein Handlungssystem verstanden, d.h. als ein „system of consciously coordinated activities of forces of two or more persons"^^^. In den Blickpunkt der Betrachtung kommen damit die Interaktionen und Handlungen der Organisation(steilnehmer), die im Rahmen des hier verwendeten Modells als
Die Interpretation von Organisationen als Ort des Austausches von materiellen und immateriellen Leistungen weist eine starke inhaltliche Nahe zu dem Konstrukt psychologischer Vertrage auf. Vgl. hierzu auch Punkt ,,11.3.3 Motivationale Aspekte -ein blinder Fleck der Risikomanagementliteratur". Anders als bei der Betrachtung der psychologischen Vertrage, bei denen die individuellen Erwartungen und wahrgenommenen und bewerteten Beziehungen betrachtet werden, geht es bei den hier folgenden Ausfuhrungen zunachst um die Gesamtheit der bestehenden Austauschbeziehungen. Erst im nachsten analytischen Schritt (Punkt ,,14.3 Wahmehmung und Bewertung der Austauschbeziehung(en)") erfolgt der Aspekt der Wahmehmung und Bewertung einer Austauschbeziehung. ^^^ BARNARD (2002), S. 73.
198
Risikomanagement und Personal
„Leistungen" bezeichnet werden. Anreiz-Beitrags-Theorien stellen, wie im Begriff angelegt, den folgenden Austausch in den Mittelpunkt: Organisationen setzen Anreize und motivieren Individuen dadurch zur Organisationsteilnahme (decision to participate) und der Erbringung von produktiven Beitragen (decision to produce)P^ Die relativ reduzierte und einseitige Rollenzuweisung, von Anreizgestaltung durch die Organisation (aktive Rolle) und adaptiver Anpassung der Organisationsteilnehmer durch entsprechende Beitragserbringung (reaktive Rolle), wird im Kontext der Arbeit als nur bedingt geeignet angesehen. Die begriffliche Verwendung von Anreizen und Beitragen unterstellt (implizit) ein Stimulus-Response-Modell und betrachtet die handelnden Individuen im Wesentlichen als reine Reiz-Reaktionsmaschinen. Diese Beschreibung kann durchaus als zutreffend ftir die isolierte Charakterisierung der Austauschbeziehung zwischen Individuum und abstrakter Organisation bezeichnet werden. Vollstandig ist sie aber nicht und sie verstellt den Blick fur eine differenzierte und erweiterte Analyse des komplexen Beziehungsgeflechtes, da Individuen i.d.R. zum einen sowohl auf Anreize reagieren als auch selbst Anreize setzen (Fuhrungskrafte iiber Leistungsbeurteilung, Kollegen iiber Freundschaft und Hilfsbereitschaft etc.). Zum anderen gilt, dass sie sowohl Beitrage leisten als auch die Beitrage anderer empfangen. Um die Anschlussfahigkeit fiir eine differenzierte Analyse herzustellen, geht es im hier verwendeten Modell daher zunachst allgemein um Leistungen und Gegenleistungen, um einen Austausch von wahrgenommenen und zukiinftig erwarteten Leistungen. Diese Leistungen konnen materieller (z.B. Arbeitsleistung, Gehaltszahlung) und immaterieller (z.B. Arbeitsplatzsicherheit, Committment) Natur sein, umfassen sowohl die Anreize als auch die Beitrage i.S. der Anreiz-Beitrags-Theorien, konnen positiv (z.B. attraktive Arbeitsbedingungen, Loyalitat) wie negativ (z.B. Nichtberiicksichtigung bei Bonivergabe, zuriickgehaltene Arbeitsleistung) sein und werden einerseits erbracht und andererseits empfangen.^^^ Erwartet das Individuum nun aufgrund einer nach subjektiven MaBstaben und Rationalitaten durchgefiihrten Kosten-Nutzen-Abwagung eine fiir sich vorteilhafte Austauschbeziehung, konamt es von dieser Seite zu einer Teilnahmeentscheidung.^^^ Realisiert
""* Vgl. MARCH / SIMON (1993). ^^^ Vgl. BARNARD (2002), S. 142 ff.; MARCH / SIMON (1993), S. 104 ff.; STAEHLE (1999), S. 432; BECKER (1993), S. 317 ff.; KOBI (1999), S. 84; KNOBLAUCH (2004), S. 112 f. ^^^ Grundlegend hierzu vgl. MARCH / SIMON (1993), 104 ff. S.a. DINCHER (1989, S. 71) und KNOBLAUCH (2004, S. 106 f.), zu einer konzeptionellen Verknupfung der MASLOW'schen
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
199^
werden kann die Teilnahme allerdings nur, wenn auf der anderen Seite die Organisation bzw. die mit der Personalauswahl und -rekrutierung befassten Organisationsteilnehmer eine fur die Organisation vorteilhafte (bzw. fur sich personlich vorteilhafte!) Austauschbeziehung erwarten und es dadurch zu einer Teilnahm&gewdhrung kommt. An dieser Stelle wird deutlich, dass eine umfassende Analyse und Steuerung der BestimmungsgroBen des Fluktuationsgeschehen bereits bei der Personalauswahlentscheidung und dem Beginn der organisationalen Sozialisation ansetzen muss, um einen vermeidbaren, weil absehbaren Mismatch bei der kiinftigen Austauschbeziehung zu vermeiden. Tendenziell gilt: Je besser die beiderseitigen Erwartungen an die kunftige Austauschbeziehung mit den spater realisierten Leistungen und Gegenleistungen ubereinstinmien, umso unwahrscheinlicher wird eine Fluktuation.^^^ Aus dem Zusammenspiel der oben genannten EinflussgroBen konstituiert sich eine Austauschbeziehung zwischen Individuum und Organisation. Genauer: Es konstituiert sich eine Vielzahl von Austauschbeziehungen zwischen dem neuen Organisationsteilnehmer und den bereits vorhandenen Organisationsteilnehmem. Der Begriff der Organisationsteilnehmer wird hierbei relativ weit gefasst, d.h. die Betrachtung beschrankt sich nicht nur auf die Austauschbeziehungen zu unmittelbar und vertraglich an das Untemehmen gebundenen Personen/Abteilungen, sondem umfasst bspw. auch Austauschbeziehungen zu Lieferanten und Kunden.^^^ Abb. 28 gibt einen Uberblick iiber einige mogliche typische Austauschpartner und -beziehungen, exemplarisch und vereinfacht dargestellt fur einen Mitarbeiter im Werttreiber MarketingA/^ertrieb.^^^ Da sich fiir jeden Organisationsteilnehmer eine Vielzahl von Austauschbeziehungen beschreiben lassen, wurde sich in einer Gesamtbetrachtung ein komplexes Geflecht mehr oder weniger intensiver Austauschbeziehungen zwischen den verschiedenen Personen(gruppen) ergeben.
Bediirfnispyramide und -klassen mit Motiven der Anreiz-Beitrags-Theorie, wobei den verschiedenen Motiven bzw. Bediirfnissen konkret Anreize durch die Organisation zugewiesen werden. ^^^ Vgl. DINCHER (1992), Sp. 881; MOBLEY (1982), S. 54 ff.; MITCHELL / HOLTOM / LEE / SABLYNSKI / EREZ (2001), S. 1104 f. ^^^ Vgl. MARCH / SIMON (1993), S. 108 ff.; KIESER / KUBICEK (1976), S. 11; STAEHLE (1999), S. 426 ff 539
Vgl. BROSCHAK (2004) zur zentralen Bedeutung der konkreten Person des Marketingmanagers als Kontaktperson fur Werbeagenturen und Auflosungserscheinungen der Kundenbeziehung bei Fluktuation des Marketingmanagers.
200
Risikomanagement und Personal
Nachgelagerte Wertketten
I: Individuum
V: unmitlelbarer Vorgesetzter
K: gleichgestelUer Kollege
U: unlerstelller Mitarbeiier
P: zustandiger Personalreferenl
M: Management
Pr: Koniaklperson Produktion
L; Kontaklperson Ausgangslogistik
Z: Koniaktperson bei Zulieferer
Ku: Koniaktperson Prozessgesiallung bei Abnehmer
\ /
So: sonstige Stakeholder: Familie, Gesellschaft. Umwelt
Abb. 28: Mogliche Austauschbeziehungen in Organisationen am Beispiel eines Mitarbeiters im Werttreiber MarketingA^ertrieb^"^ Hinsichtlich der Intensitat der Austauschbeziehung bzw. deren Wahrnehmung gilt tendenziell, dass die Beziehung umso personalisierter und differenzierter ist, je unmitlelbarer (z.B. Kollegen, Vorgesetzte) sie ist. Je mittelbarer oder weniger intensiv eine Austauschbeziehung ist, desto undifferenzierter und unpersonalisierter ist sie (z.B. die Personalabteilung, die Geschaftsfuhrung). Wird nun das vereinende und vereinfachende Konstrukt Organisation weiter differenziert, stellt sich die Frage nach den zentralen Akteuren im Rahmen der organisationalen Austauschbeziehungen. Die Antwort darauf ist aus zwei Griinden von Bedeutung: Zum einen, weil sie Hinweise auf die Ursachen einer Fluktuationsentscheidung des Individuums gibt, z.B. unertragliches Verhaltnis zum unmittelbaren Vorgesetzten. Zum anderen, weil sie Hinweise auf die Kriterien/BestimmungsgroBen einer von der Organisation veranlassten Fluktuation, aufgrund eines wahrgenommenen Ungleichgewichtes der Austauschbeziehung (Leistungsvorenthaltung, Mobbing etc.), liefert. Da-
Quelle: Eigene Abbildung.
Teil D: Fluktuation von Schllisselpersonen
201
bei ist hervorzuheben, dass sich die Frage nach den zentralen Austauschbeziehungen und deren Elementen eines konkreten Falles nicht personen- und situationsunabhdngig beantworten lasst. Daher soil an dieser Stelle lediglich die herausragende Bedeutung des unmittelbaren Arbeitsumfeldes (Vorgesetzte, KoUegen, unterstellte Mitarbeiter) hervorgehoben werden, da es sich hierbei zumeist um die zeitlich und inhaltlich intensivsten Beziehungen handeln wird. Als ein zentraler handelnder Akteur im Rahmen einer von der Organisation veranlassten Fluktuation (Entlassung, Versetzung etc.) ist hier insbesondere der jeweilige Vorgesetzte bzw. die fur die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung verantwortliche Person anzusehen. Abgesehen von Massenentlassungen wird im Einzelfall die von der Organisation veranlasste Fluktuation i.d.R. vom direkten Personalverantwortlichen in die Wege geleitet. Hinzu kommt, dass der Vorgesetzte fiir den Mitarbeiter der sichtbare Vertreter der Untemehmensleitung ist. Er kann i.d.S. als das „Gesicht der Organisation" angesehen werden, als Vermittler und Schnittstelle zwischen Individuum und Organisation. 143
Wahrnehmung und Bewertung der Austauschbeziehung(en)
Die Austauschbeziehungen werden von den involvierten Personen wahrgenommen, interpretiert und bewertet bzw. durch Kommunikation und Interaktion sozial konstruiert. Im Folgenden wird vereinfachend die Austauschbeziehung zwischen einem Mitarbeiter und der Organisation betrachtet, wobei das Konstrukt Organisation hier fiir die Gesamtheit der relevanten Beziehungspartner steht. Bewertet werden jeweils die eigenen erbrachten und empfangenen Leistungen und die jeweils erbrachten und empfangenen Leistungen der anderen Seite, hinsichtlich einer (1) Nachteiligkeit, (2) Reziprozitat oder (3) Vorteilhaftigkeit fiir die eigene Situation (Abb. 29). Fine derartige Bewertung erfolgt in einem bestinamten sozialen Kontext. Fine Person bewertet die erbrachten und empfangenen Leistungen immer auch im Vergleich zu den Personen der jeweils als relevant angesehenen Bezugsgruppe. Dies verweist auf die Aspekte der (wahrgenonmienen) Gerechtigkeit und Fairness der eigenen Austauschbeziehung, im Vergleich zu den Austauschbeziehungen von KoUegen, Freunden etc.^"^^ Tendenziell
^"^^ Vgl. RAEDER / GROTE (2004); DECONINCK / STILWELL (2004); DECONINCK / BACHMANN (2005). Ausfiihrlicher und grundlegend zur Unterscheidung in prozedurale und distributive Gerechtigkeit vgl. GREENBERG (1996b, S. 24 ff.). Vgl. GREENBERG (1996c) zu einer gmndsatzlichen Taxonomie von Theorien organisationaler Gerechtigkeit. Spezifisch zum Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Gerechtigkeit, resultierend aus dem AusmaB an eigener Kontrolle iiber Prozesse und Entscheidung sowie Vertrauen, und Huktuation im Bereich Vertrieb
202
Risikomanagement und Personal
gilt fur beide Seiten, Organisation und Individuum, die Annahme: je gerechter die Austauschbeziehung wahrgenommen und bewertet wird, desto weniger kommt es zu einer Fluktuationsneigung bzw. der Neigung zur Veranlassung einer Fluktuation. Diese Wahmehmungen und Bewertungen sind abhangig von (1) den jeweiligen Erwartungen und Anspruchen an die Ausgestaltung der deneitigen Austauschbeziehung und (2) den Erwartungen und Anspruchen an alternative Austauschbeziehungen bzw. deren Wahmehmung und die mit einem Wechsel verbundene Unsicherheit bezlighch der altemativen Arbeitsinhalte, Zufriedenheit etc.^"^^ Deutlich wird damit, dass die, in der Literatur vielfach herausgestellte GroBe Arbeitszufriedenheit, die sowohl Ursache als auch Folge der Bewertung sein kann, nur eine, wenn auch wichtige EinflussgroBe zur Erklarung des Fluktuationsgeschehens darstellt. ^'^^ Nicht in jedem Fall fuhrt Arbeitsunzufriedenheit zu Fluktuation und auch bei hoher Arbeitszufriedenheit kann es zu Fluktuationen kommen.^"^ Wahrend sich die Arbeitszufriedenheit eher direkt auf arbeitsbezogene Aspekte (Arbeitsinhalte und atmosphare, Entlohnung etc.) bezieht, spielen fiir eine Gesamtbewertung und Fluktuationsentscheidung i.d.R. weitere, insbesondere exteme und private GroBen eine wichtige Rolle, wie z.B. Jobaltemativen, Situation des Partners, soziale Bindungen.
vgl. BRASHEAR / MANOLIS / BROOKS (2005); GREENBERG (1996a) zu Gerechtigkeit im Rahmen der Leistungsbeurteilung. Vgl. BARNARD (2002), S. 85; RIPPE (1974), S. 104 f., 125 ff.; MOBLEY (1982), S. 126; SCHRAMM (1999), S. 176 ff.; STEERS / MOWDAY (1981), S. 244 ff.; JENSEN (2004), S. 234. Als eine der wenigen Ausnahmen weisen LEE / MITCHELL / HOLTOM / MCDANIEL / HILL (1999, S. 453) in diesem Zusammenhang explizit darauf bin, dass es sich bei den Altemativen auch urn non-work options i.S. extraorganisationaler Fluktuation (Eltemzeit, Ehrenamt etc.) handeln kann, wohingegen bei der uberwiegenden Anzahl der Modelle (implizit) davon ausgegangen wird, dass hinsichtlich der Altemativen nur Jobaltemativen relevant sind. Vgl. MOBLEY (1982), S. 45 f; Gmnd (2001), S. 107; MARCH / SIMON (1993), S. 113 ff.; GAUGLER / MARTIN (1979); SABATHIL (1977), S. 124; GRUNWALD (2001), S. 201; Price (1975), S. 66 ff.; PEPELS (2004). Ausfuhrlicher zur Vielschichtigkeit und verschiedenen Auspragungsarten des Phanomens Arbeits(un)zufriedenheit vgl. BRUGGEMANN / GROSKURTH / ULICH (1975), die zwischen stabilisierender Zufriedenheit (progressive, stabilisierte und resignative Arbeitszufriedenheit) und diffuser Unzufriedenheit (Pseudo-Arbeitszufriedenheit, fixierte und konstruktive Arbeitsunzufriedenheit) unterscheiden. Vgl. SABATHIL (1977), S. 96 f; PAILLE (2004), S. 112 f. ; O.V. (2002a).
203
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
Eine besondere und wichtige RoUe bezuglich der Verdeutlichung moglicher alternativer Austauschbeziehungen (Jobs) spielen insbesondere fur Fiihrungskrafte und Spezialisten Headhunter.^^^
nachteilig
Fluktuation wiinschenswert aus Sicht des Mitarbeiters
Fluktuation wiinschenswert aus Sicht des Mitarbeiters
Fluktuation wiinschenswert aus Sicht des Mitarbeiters und der Organisation
1 1 1 1 1
reziprok
Keine Fluktuation wiinschenswert
Keine Fluktuation wiinschenswert
Fluktuation wiinschenswert aus Sicht der Organisation
1 1 1 1
vorteilhaft
Keine Fluktuation wiinschenswert
Keine Fluktuation wiinschenswert
Fluktuation wiinschenswert aus Sicht der Organisation
1 1 1 1
Durch den Mitarbeiter
vorteilhaft
reziprok
nachteilig
Durch die Organisation
Abb. 29: Wahmehmung und Bewertung einer Austauschbeziehung hinsichtlich einer Fluktuation^"^^ Relevant fiir die Bewertung der jeweils wahrgenommen Konstellation konnen Aspekte (1) der Vergangenheit, (2) der Gegenwart und (3) der erwarteten Zukunft sein.^"^^ Moglicherweise ist fiir die eine Seite die gegenwartige Konstellation die entscheidende, wahrend fiir die andere Seite die erwarteten zukiinftigen Leistungen und Gegenleistungen, und deren Verhaltnis, die entscheidende RoUe hinsichtlich der Bewertung der Vorteilhaftigkeit der Austauschbeziehung darstellt. Die Wahmehmungen und Bewertungen sind jeweils subjektiv und konnen daher unterschiedlich sein, oder wie es BECKER (1993) formuliert: „Nicht die objektive Situation ist der Anreiz, sondem die je nach Situation von Mitarbeitem subjektiv wahrge-
GRUNWALD (2001, S. 146, S. 229) konnte in ihrer empirischen Studie nachweisen, dass eine Vielzahl von Fiihrungskraftekiindigungen erst durch entsprechende Angebote von Headhuntem ausgelost wurden, selbst in Fallen, in denen die Fuhrungskrafte zuvor, d.h. ohne die Kenntnis des verlockenden Angebotes, mit der Austauschbeziehung durchaus zufrieden waren. Ihnen wurden offenbar Angebote gemacht, die nicht abgelehnt werden konnten. 546 ,
Quelle: Eigene Abbildung.
^^'^ Vgl. MOBLEY (1982), S. 46; AQUINO / GRIFFETH / ALLEN / HOM (1997), S. 1210 f; BIRKER (2004), S. 262.
204
Risikomanagement und Personal
noInmene"^'^^ Sie sind abhangig von den jeweiligen Nutzenfunktionen und begrenzten Rationalitaten. Dadurch sind Prozess und Ergebnis der Bewertungen durch Interaktionen und Kommunikation (u.a. im Rahmen der organisationalen Sozialisation) in gewissen Grenzen grundsatzlich beeinflussbar und konnen sich im Zeitablauf andem.^"^^ Und auch ohne eine Anderung der individuellen, organisatorischen oder auBerorganisatorischen Einflussfaktoren ist es moglich, dass i.S. der Dissonanztheorie von den Personen eine Umbewertung der Austauschbeziehung vorgenommen wird, um ein Gleichgewicht des kognitiven Systems zu erreichen.^^^ AbschlieBend und um Missverstandnissen vorzubeugen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem dargestellten Prozess der Wahmehmung und Bewertung der Austauschbeziehung und der daraus abgeleiteten Konsequenzen nicht unbedingt um einen bewussten und intensiven Prozess handelt. Fluktuation ist nicht in jedem Fall als ein langerfristig geplantes Verhalten und Ergebnis eines rationales Reflexionsprozesses anzusehen.^^^ Aber auch in den Fallen, in denen es sich um ein (scheinbar) spontanes Verhalten handelt, kann davon ausgegangen werden, dass zumindest unbewusst eine Bewertung der Austauschbeziehung hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit, Reziprozitat oder Nachteiligkeit vorgenommen wird.
BECKER(1993), S. 318. Vgl. BARNARD (2002, S. 149 ff.); MARCH / SIMON (1993, S. 104 f); MAIER (1998, S. 284 ff.), der der Kommunikation eine zentrale Rolle im Rahmen seines systemischen Modells zur Beeinflussung des Fluktuationsgeschehens zuweist; SABATHIL (1977, S. 62); DINCHER (1989, S. 78); LUEGER (1992, S. 179 ff.). Bspw. kann eine Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation dazu fiihren, dass der Mitarbeiler den sicheren Arbeitsplatz nun hoher bewertet und die Austauschbeziehung als, zumindest voriibergehend, fiir durchaus vorteilhaft ansieht. Moglich ware auch, dass ein Mitarbeiter durch eine tiberzeugende Verdeutlichung und Vermarktung der eigenen Arbeitsleistung und -ergebnisse {Impression Management) eine Neubewertung der Austauschbeziehung durch die Organisation erreicht, die die Austauschbeziehung nun reziprok oder sogar vorteilhaft fiir sich bewertet. Vgl. STEERS / MOWDAY (1981), S. 252 ff.; PREY / BENNING (1997); SPARROW / COOPER (2003), S. 40. Das bedeutet z.B., dass eine Austauschbeziehung, die von einem Mitarbeiter zunachst als fiir ihn als so extrem nachteilig bewertet wird, dass er, gemessen an seinen Anspriichen und konsistent zu seinen Kognitionen, eigentlich diese Austauschbeziehung nicht mehr weiterfiihren konnte und fluktuieren miisste. Da er aber keine Moglichkeit sieht, diese Fluktuation realisieren zu konnen, wird die bestehende Dissonanz reduziert, indem neue konsonante Kognitionen erzeugt werden („aber immerhin ist die Bezahlung sehr gut", „bei diesem Job kann ich immerhin meinem Hobby nachgehen" etc.), die nun dazu fiihren, dass die Austauschbeziehung als zumindest voriibergehend akzeptabel und reziprok angesehen wird. Vgl. BAILLOD (1992, S. 222) der als Ergebnis seiner Langsschnittsuntersuchung zur Fluktuation von Computerfachleuten feststellt, dass in ca. 20 % der Falle die Fluktuationsentscheidung relativ spontan erfolgt ist.
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
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14A Fluktuationsneigung und Realisierung der Fluktuation Die jeweiligen Leistung-Gegenleistung-Konstellationen sind unterschiedlich stabil bzw. aus der Wahmehmung und Bewertung resultieren unterschiedliche Einstellungen und VerhaltensweisenZ-anderungen, die Auswirkungen auf die zukiinftigen LeistungGegenleistung-Konstellationen haben konnen. Grundsatzlich konnen die eigenen (zukiinftigen) Leistungen (1) verringert werden, (2) unverandert bleiben und (3) erhoht werden. Fluktuation, hier als der Extremfall der Leistungsverringerung interpretiert, wird auf diese Weise in die Gesamtheit moglicher Verhaltensanderungen eingebettet und verweist damit auch auf mogliche Friihwamindikatoren bzw. auf das einer spateren Fluktuation vorangehende Verhalten. Neben der Realisierung einer Fluktuation konnen von Seiten des Mitarbeiters auch z.B. Beschwerde, Leistungsrestriktion (ohne Fluktuation), Absentismus und innere Kundigung und von Seiten der Organisation die Reduzierung des (erfolgsabhangigen) Entgelts oder die Verkleinerung des Verantwortungsbereiches des Mitarbeiters mogliche Reaktionen auf eine nachteilige Bewertung sein.^^^ Ob und wie gehandelt wird, d.h. inwiefem letztlich eine Verhaltens- und Leistungsanderung realisiert wird, hangt ab (1) von der empfundenen Notwendigkeit, dem WoUen und (2) der Einfachheit einer Anderung, dem Konnen.^^^ Eine Verhaltensanderung bzw. die Verhandlung uber eine geanderte neue Ausgestaltung der Austauschbeziehung ist damit Gegenstand von Kosten-Nutzen-Abwagungen i.w.S. auf beiden Seiten.^^"* Grundsatzliche Annahme ist hierbei, dass bei einer nachteiligen Bewertung der Austauschbeziehung eine Anderung angestrebt wird, wohingegen bei einer als reziprok oder sogar vorteilhaft wahrgenommenen Beziehung keine substanziellen Anderungen, hier Fluktuation, angestrebt werden.^^^
^^^ Vgl. SPARROW / COOPER (2003), S. 44 f; SABATHIL (1977), S. 118 ff. Wenn trotz des Wollens die Moglichkeit des Konnens nicht gegeben ist, kann es zu einer so genannten inneren Kundigung und einem „Fluktuationsstau" kommen. Vgl. GRUNWALD (2001), S. 56; PLUCK (1992), S. 129 ff. S.a. RICHTER (1999) zu einer Modellierung der inneren Kiindigung als Reaktionsform (neben exit und voice) auf den Bruch psychologischer Vertrage. ^^"^ Vgl. SABATHIL (1977), S. 46 ff.; PRICE (1975), S. 68 ff S.a. MARCH / SIMON (1993, S. 113 ff), die aber nur aus Sicht des Mitarbeiters die beiden Aspekte perceived desirability of movement und perceived ease of movement betrachten. Aus der Perspektive des Individuum wird die wahrgenommene Einfachheit einer Anderung u.a. beeinflusst durch die Quantitat und Qualitat moglicher altemativer Jobs bzw, sonstiger Formen der Lebensgestaltung (Selbstandigkeit, Arbeitslosigkeit etc.). Neben den jobbezogenen Aspekten
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Risikomanagement und Personal
Sowohl die Kommunikation iiber das AusmaB der beiderseitigen Leistungen als auch die Intention, eine Leistungsanderung vorzunehmen, konnen bereits Ruckkopplungseffekte auf die Wahmehmung und Bewertung der (derzeitigen) Austauschbeziehung haben, noch bevor es tatsachlich zu einer sichtbaren Leistungsanderung kommt. Es ergibt sich daraus eine neue Austauschbeziehung zwischen Individuum und Organisation, die selbst wieder Gegenstand einer emeuten Bewertung ist. Insofem handelt es sich um einen kontinuierlichen Kreislaufprozess und ein dynamisches Geschehen. Gleichwohl gibt es besondere und markante Ereignisse (z.B. Beforderung, Gehaltserhohung, Umstellung auf Teilzeitbeschaftigung, Nichtverlangerung des Arbeitsvertrages), nach deren Ankiindigung oder Eintreten von einer substanziellen Anderung und einer qualitativ neuen Austauschbeziehung gesprochen werden kann. 14.5 Konsequenzen fiir die Wettbewerbssituation In einem letzten Schritt der Argumentation werden die erbrachten und empfangenen Leistungen und Leistungsanderungen hinsichtlich ihrer Konsequenzen fiir die Wettbewerbssituation der Organisation bewertet. Damit verengt sich die Perspektive im Modell insofem, als dass in den vorangehenden Schritten jeweils beide Seiten (Mitarbeiter und Organisation) berticksichtigt wurden, nun aber die Konsequenzen der Fluktuation fiir die betroffenen Personen selbst nicht mehr betrachtet werden. Im Fokus stehen letztlich die risikomanagementrelevanten Konsequenzen fiir das Untemehmen. Bezogen auf das zugrunde liegende allgemeine Verhaltensmodell bedeutet das zum einen eine absolute Bewertung (z.B. Produktionsmenge, Ausgestaltung und Hohe der Managemententlohnung). Zum anderen bedeutet es eine relative Bewertung, da sowohl das interne Verhaltnis und Gleich- bzw. Ungleichgewicht z.B. von erbrachter Arbeitsleistung und Gehaltszahlung hinsichtlich der Auswirkungen auf erfolgsrelevan-
spielen damit auch eine Reihe weiterer, nicht jobbezogener Aspekte eine Rolle hinsichtlich der Wahmehmung und Bewertung des Fluktuierenkonnens (familiare Situation, Arbeitsplatz des Partners, geographische Mobilitat, Freizeitaktivitaten, ehrenamtliche Betatigungen, Haus- und Grundeigentum etc.) und stellen mogliche Mobilitatsbarrieren dar. Vgl. MITCHELL / HOLTOM / LEE / SABLYNSKI/EREZ(2001), S. 1107; RIPPE (1974), S. 105; SABATHIL (1977), 80. In einer empirischen Studie von NAGEL (2005, S. 26 f) iiber Hochschulabsolventen mit 1-5 Jahren Berufserfahrung, werden private Griinde (insbesondere Arbeits- und Lebensort des Partners) insgesamt als wichtigster Grund fiir einen Arbeitsplatzwechsel angegeben. Aus der Perspektive der Organisation resultiert die (wahrgenommene) Einfachheit einer zu veranlassenden Fluktuation u.a. aus den Vorgaben des Kiindigungsschutzes, der Qualitat und Quantitat altemativer Bewerber und der erwarteten Reaktion der Belegschaft.
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
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te GroBen (Gewinn, Umsatz, Rendite etc.) zu analysieren ist als auch die LeistungGegenleistung-Konstellationen im Verhaltnis zu anderen Organisationen, insbesondere zu den unmittelbaren Wettbewerbem. Bewertet werden damit die wettbewerbsrelevanten Aspekte der Konsequenzen der Leistungserbringung und des Leistungsaustauschs. Es werden mogliche Konsequenzen fiir die wertschaffenden Kemprozesse und Werttreiber des Untemehmens analysiert, die u.a. aus verringerten Leistungsbeitragen der Mitarbeiter (z.B. verminderte Arbeitsleistung, Absentismus, letztlich auch Fluktuation) entstehen konnen. Grundsatzlich sind die folgenden Konsequenzen einerseits fiir den unmittelbaren Werttreiber und andererseits fiir die Gesamtheit der Werttreiber zu unterscheiden: (1) positiver, (2) neutraler und (3) negativer Einfluss. Die Wettbewerbsfahigkeit und -position wird dabei nicht als eine reine Konsequenz aus der bzw. den bewerteten Austauschbeziehung(en) gesehen, da die Leistungen der Mitarbeiter/der Humanressourcen im Zusammenwirken mit den anderen Ressourcen entstehen bzw. von ihnen abhangig sind. Hinzu kommen weitere, v.a. auBerorganisatorische Einflussfaktoren, wie Konjunkturlage, Branchen- und Konkurrenzsituation. Bezogen auf die Fluktuation einzelner oder mehrer Personen wird in diesem Modell gleichwohl davon ausgegangen, dass sich daraus prinzipiell eine Veranderung i.S. einer Verschlechterung der Wettbewerbssituation ergeben kann. Im Unterschied zu den eher kostenorientierten Betrachtungen der Konsequenzen moglicher Fluktuationen in der Literatur wird hier explizit eine Wertschopfungs- und Werttreiberperspektive eingenommen.^^^ Im Vordergrund steht damit nicht mehr die exakte Berechnung der direkten und indirekten Kosten (z.B. der Wiederbesetzung einer Stelle) und die isolierte Betrachtung des Wertverlustes des Humanvermogens, sondem die unmittelbare und ganzheitliche Betrachtung der auf Kemkompetenzen beruhenden wertschaffenden Aktivitaten und Prozesse des Untemehmens. Eine RUckkopplungsschleife schlieBt das Fluktuationsmodell und verdeutlicht, dass die (veranderte) Wettbewerbsposition und die daraus resultierenden ErfolgsgroBen (Gewinn, Umsatz, Deckungsbeitrage etc.) wiederum Auswirkungen haben auf die kunftigen Austauschbeziehungen in dem Untemehmen. Dies gih grundsatzlich fiir alle Schritte im Rahmen des Modells und wirkt sich u.a. bereits negativ auf die Attraktivitat des Untemehmens fiir potentielle qualifizierte Bewerber aus. Abb. 30 fasst die vo-
^^^ Vgl. stellvertretend fiir andere MOBLEY (1982, S. 16 ff.); DESfCHER (1992), SABATHIL (1977, S. 150 ff.); MAIER (1998, S. 258 ff.).
Risikomanagement und Personal
208
rangehenden einzelnen Argumentationsschritte zur Entwicklung des Fluktuationsmodells dieser Arbeit in einer verkniipfenden Darstellung zusammen. EinflussgroBen auf Verhalten u. Austauschbeziehungen in Organisationen
Austausch u. Erbringung von materiellen u. immateriellen Leistungen Organisation
Individuum
Wahmehmung u. Bewertung der Austauschbeziehung(en) Kommunikation
Individuum
Organisation
bei nachteiliger Bewertung hinsichtlich der Gesamtheit der wahrgenommenen Altemativen
Fluktuationsneigung bzw. Neigung zur Veranlassung einer Fluktuation bei Moglichkeit zur Realisierung
arbeitnehmer- und/oder arbeitgeberinitiierte Fluktuation extraorganisational j
intraorganisational
mter1^ organisational
Konsequenzen der Fluktuation fur unmittelbaren Werttreiber
fiir Gesamtheit der Werttreiber
Abb. 30: Fluktuationsmodell der Arbeit '
Quelle: Eigene Abbildung.
Teil D: Fluktuation von Schllisselpersonen
209
15 Bestimmung von Schllisselpersonen Im vorangehenden Kapitel 14 wurde ein Modell entwickelt, um das Fluktuationsgeschehen bzw. allgemein Verhalten in Organisationen hinsichtlich der BestimmungsgroBen und Konsequenzen inhaltlich und konzeptionell zu erfassen. Ziel des 15. Kapitels ist es, ein Modell und Instrument zu entwickeln, um aus ressourcenorientierter Perspektive diejenigen Personen(gruppen) zu bestinmien, die fiir die (zukiinftige) Wettbewerbssituation eines Untemehmens von besonderer Bedeutung sind. 75.7 Schlusselpersonen und Promotorentypen Die Charakterisierung einer Person als Schlusselperson, darauf ist bereits an dieser Stelle explizit hinzuweisen, ergibt sich aus dem hier zugrunde liegenden Verstandnis nicht alleine und nicht zwangslaufig aus der hierarchischen Position einer Person.^^^ Gleichwohl wird i.d.R. einiges dafiir sprechen, dass formal hoherrangige Mitarbeiter tendenziell von groBerer Bedeutung fiir die Planung, Durchfuhrung und Weiterentwicklung der zukiinftigen wertschaffenden Kemprozesse sind. Die formale Position als das zentrale Merkmal zu verwenden, wird im Rahmen dieser Arbeit aber nicht als ausreichend bzw. als zu stark vereinfachend angesehen: Zum einen bleiben informale Aspekte und Bedeutungen von Personen unbeachtet, zum anderen fehlt der explizite und inhaltlich-konkrete Bezug zu einzelnen Wettbewerbsvorteilen und marktrelevanten Kompetenzen des Untemehmens. Um die unterschiedlichen Konsequenzen der Ruktuationen verschiedener Personen i.S. der Schadenshohe des Ruktuationsrisikos zu bestinmien, ware es prinzipiell moglich, fiirjeden Organisationsteilnehmer das Ruktuationsmodell „durchzuspielen". Effizienter wird es aber sein, zunachst die fiir die (zukiinftigen) wertschaffenden Kemprozesse bedeutsamen Personen, so genannte Schliisselpersonen, von den weniger bzw. nicht bedeutsamen Personen zu unterscheiden. Hierzu ist es erforderlich, Kriterien und Eigenschaften zu benennen, die bestimmte Personen zu Schlusselp&rsonQn machen. In Ubereinstimmung mit BREUER (1998) wird die Identifikation und Kenn-
Sonst ware ein Management der Schlusselpersonen relativ einfach: Der Vorstandsvorsitzende ist Schlusselperson Nr. 1, dann folgt der Kreis der iibrigen Vorstandsmitglieder etc., ein Blick auf das Organigramm wiirde zur Identifikation ausreichen.
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Risikomanagement und Personal
zeichnung von Personen als Schliisselpersonen innerhalb eines sozialen Systems, wie hier Organisationen, grundsatzlich als ein Interpretationskonstrukt verstanden.^^^ Aufbauend auf den bestehenden Typologien in der Literatur zur Kategorisierung von Schliisselpersonen (haufig auch als Promotoren bezeichnet) werden in dieser Arbeit grundsatzlich vier Promotorentypen unterschieden.^^ Die Begriffe Schlusselperson und Promotor werden synonym verwendet, wobei der Begriff Schlusselperson allgemeiner ist, wahrend sich die Bezeichnung Promotor immer auch auf eine konkrete Eigenschaft oder Fahigkeit bezieht (z.B. Fachpromotor). 1. Fachpromotoren: Eine Person wird als Fachpromotor bezeichnet, wenn sie in qualitativer und quantitativer Hinsicht liber fachspezifische Fahigkeiten verfiigen kann (z.B. technisches Know-how, fachliche Innovationsfahigkeit, Anwendungs- und Erfahrungswissen), die fiir die Durchfiihrung und Entwicklung der wertschaffenden Kemprozesse von elementarer Bedeutung sind. 2. Machtpromotoren: Eine Person wird als Machtpromotor bezeichnet, wenn sie aufgrund einer formalen und/oder informalen Machtposition in der Lage ist, Interessen und/oder Entscheidungen durchzusetzen (und dabei Opponenten gegebenenfalls zu blockieren), die fiir die Durchfiihrung und Entwicklung der wertschaffenden Kemprozesse von elementarer Bedeutung sind.
Vgl. BREUER (1998), S. 245 f. Diese Typologisierung folgt damit insbesondere der begrifflichen vierdimensionalen Auffachening der Promotorentypen nach WUNDERER / BRUCH (2000, S. 290), die in den folgenden Ausfuhrungen aus ressourcenorientierter Perspektive inhaltlich konkretisiert bzw. angepasst werden. Den zentralen Ausgangspunkt fiir den uberwiegenden Teil der Schliisselpersonenansatze in der Literatur stellt der Beitrag von WITTE (1973) dar, der im Rahmen von Innovationsentscheidungen die Bedeutung und Rolle von Macht- und Fachpromotoren unterscheidet. Im Fokus der Betrachtung steht auch bei den auf WITTE (1973) aufbauenden Beitragen hauptsachlich die Rolle von Schliisselpersonen in Innovationsprozessen. So z.B. bei HAUSCHELDT / SCHEWE (1997), die Macht-, Prozess- und Fachpromotoren unterscheiden, bei GEMUNDEN / WALTER (1995), die sich v.a. mit Beziehungspromotoren befassen, oder bei WUNDERER (2003, S. 283), der die Bedeutung von Macht-, Fach- und Beziehungspromotoren im Rahmen seiner (mit)untemehmerischen Fiihrungslehre hervorhebt. Neben den Vertretem der „WITTE-Schuler" fmden sich in der Literatur verschiedene weitere Ansatze zur Typologisierung von Schliisselpersonen. MICHEL (2001) unterscheidet bspw. neun, aus einer sektoriibergreifenden Studie empirisch gewonnene Kategorien, wobei die inhaltliche Abgrenzung teilweise unklar bleibt: (1) Top Management, (2) Experten, (3) High Potentials, (4) Spezialisten, (5) Projektverantwortliche, (6) Vertriebsmitarbeiter, (7) Fuhrungskrafte, (8) Verantwortliche in der Produktentwicklung und (9) Sonstige. CROSS / PRUSAK (2002) unterscheiden zur Analyse und Visualisierung informaler Netzwerke die folgenden vier Typen: (1) central connectors, (2) boundary spanners, (3) information brokers und (4) peripheral specialists.
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
211
3. Beziehungspromotoren: Eine Person wird als Beziehungspromotor bezeichnet, wenn sie in qualitativer und quantitativer Hinsicht iiber interne und/oder exteme Beziehungen (Kontakte, Netzwerke, gemeinsame Arbeitserfahrungen etc.) verfugt, die fur die Durchfuhrung und Entwicklung der wertschaffenden Kemprozesse von elementarer Bedeutung sind. 4. Prozesspromotoren: Eine Person wird als Prozesspromotor bezeichnet, wenn sie iiber organisationsspezifische und/oder allgemeine organisationsstrukturelle und -kulturelle Kenntnisse und Fahigkeiten verfugt (Wissen iiber Aufbau und Ablauf organisatorischer Prozesse, Kenntnisse iiber Moglichkeiten und Grenzen der organisatorischen Wandlungsfahigkeit, diplomatisches Geschick etc.), die fiir die Durchfiihrung und Entwicklung der wertschaffenden Kemprozesse von elementarer Bedeutung sind. Anhand dieser vier Relevanzdimensionen lassen sich die Organisationsteilnehmer klassifizieren, wobei eine Person anhand der Dimensionen bzw. deren Auspragungen charakterisiert werden kann. Schliisselpersonen stellen i.d.S. „Inkamationen bzw. Personifizierungen von Relevanz-(Wert-, Sinn-, Motiv-)Dimensionen" dar.^^^ In den beiden Extremfallen vereinigt eine Person in Personalunion alle vier Relevanzdimensionen auf sich, wahrend eine andere Person keiner dieser vier Typen zuzuordnen ist. Die vier Typen werden dabei haufig nicht unabhangig voneinander sein und die jeweiligen Auspragungen konnen in einem interdependenten Verhaltnis stehen.^^^ Gleichwohl tragt eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Schliisselpersonenaspekte zu einem gescharften und akzentuierteren Bild hinsichtlich der Bedeutung einer Person fiir die Kemprozesse eines Untemehmens bei.^^^ 15.2 Wert und Einzigartigkeit - der Bezug zum ressourcenorientierten Ansatz Kennzeichnend fiir die bestehenden Beitrage zur Schliisselpersonenforschung ist, dass die Promotorenansatze i.d.R. nicht eingebettet sind in einen iibergeordneten theoreti-
^^^ BREUER (1998), S. 248. ^^^ Vgl. WITTE (1973, S. 19 f.) zu einer moglichen Personalunion von Macht- und Fachpromotor. Auf die Fragen, ab wann eine Person als Schliisselperson bezeichnet werden kann, d.h. inwiefem nur die Personen im ersteren Fall als Schlusselpersonen bezeichnet werden, wahrend sie in alien anderen Fallen als Nicht-Schlusselpersonen angesehen werden, und inwiefem es eine Schlusselpersonenhierarchie gibt, wird ausfiihrlicher in Punkt ,,16.1.2 Anwendungs- und Einsatzbereich der Risikomanagementaktivitaten"eingegangen.
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Risikomanagement und Personal
schen Rahmen, aus dem Kriterien und MaBstabe zur Identifikation und Bewertung (potentieller) Schlusselpersonen abgeleitet werden. Diese theoretisch-konzeptionelle Liicke wird mit den folgenden Ausfuhrungen geschlossen, die somit auch einen Beitrag zur grundsatzlichen theoretischen Fundierung des Schlusselpersonenansatzes darstellen, d.h. sie gehen iiber den typischerweise engen Fokus der Innovationsforschung hinaus. Mit den zwei Dimensionen Wert und Einzigartigkeit werden daher zwei weitere Kriterien eingefuhrt, anhand derer die oben genannten, inhaltlich orientierten vier Promotorentypen weiter unterschieden und bewertet werden konnen. Damit wird der Bezug hergestellt zu grundlegenden Konzepten des ressourcenorientierten Ansatzes. Es werden zwei Kriterien verwendet, die ganz allgemein zur Bestimmung der Starke von Ressourcen und/oder Fahigkeiten eingesetzt werden. Sie werden im Folgenden auf eine konkrete Ressourcenart, die Humanressourcen, genauer auf bestimmte Aspekte der Humanressourcen angewandt, d.h. auf die Eigenschaften als Each-, Macht-, Beziehungs- und Prozesspromotor. Einen Bezugspunkt zur Segmentierung von Humanressourcen hinsichtlich der beiden Kriterien Wert und Einzigartigkeit stellt das Modell einer HR-Architektur von LEPAK / SNELL (1999) dar, das in den weiteren Ausfuhrungen mit der Promotorentypologie kombiniert bzw. durch diese konkretisiert und weiterentwickelt wird. In ihrer Segmentierung des human capitals beziehen sich LEPAK / SNELL (1999) relativ abstrakt und allgemein auf die Aspekte knowledge und skills. Obwohl insbesondere der nicht weiter definierte Begriff skills grundsatzlich ein breites Begriffsverstandnis zulassen wlirde (z.B. auch Fiihrungsfahigkeiten, Beziehungspflege zu Kunden, Aufbau von Netzwerken), reduzieren sich die Ausfuhrungen von LEPAK / SNELL (1999) im Wesentlichen auf den Wissensaspekt, d.h. auf rein fachliche Kenntnisse, Wissen um Ablaufe etc.^^ Im Rahmen dieser Arbeit werden nun die Unterscheidungsmerkmale Wert und Einzigartigkeit auf die Gesamtheit der Eigenschaften und Fahigkeiten der Humanressourcen/des Personals angewendet, denen grundsatzlich eine Wettbewerbsrelevanz zuge-
Dieser Befund lasst sich u.a. damit erklaren, dass die Humankapitaltheorie, mit der Unterscheidung in allgemeines und betriebsspezifisches Humankapital, einen theoretischen Ausgangspunkt fiir das Modell darstellt. Auch dort werden in erster Linie Aspekte des Wissens bzw. der Bildungsinvestitionen betrachtet. Vgl. FRANZ (1996), S. 77 ff.; BLANKART / KRAUSE (1999); LORENZ/WAGNER (1988).
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
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messen werden kann und die zu der Typologie der vier Promotoren gefuhrt haben. So werden z.B. Fachpromotoren danach analysiert, inwiefem die fachspezifischen Fahigkeiten und Wissensbereiche als wertvoU und/oder einzigartig zu bewerten sind, und die Beziehungen der Beziehungspromotoren werden als wertvoU und/oder einzigartig klassifiziert. 15,3 Der Status Schlusselpersonen als dynamisches Geschehen - die zeitliche Komponente Die Bestimmung und Identifikation einer Person(engruppe) als Schlusselperson(en) ergibt sich immer im Hinblick auf eine spezifische Situation und kann sich daher im Zeitverlauf andem: Die Schlusselpersonen von gestem sind nicht unbedingt die Schlusselpersonen von morgen.^^^ In die Argumentation und das verwendete Modell wird daher eine zeitliche Komponente eingefuhrt. Grundsatzlich konnen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als drei Bezugszeitraume bzw. -punkte unterschieden werden. Da es letztlich um die Risiken der kUnftigen Entwicklung geht, ist es unbedingt erforderlich, die Zukunft als zeitliche Dimension zu integrieren, wobei in dieser grundlegenden Darstellung zunachst noch nicht nach kurz-, mittel- oder langfristig differenziert wird. InhaltUch geboten erscheint es weiterhin, den direkten Bezug zu den gegenwdrtigen Kemprozessen und Wertaktivitaten sowie den darin integrierten Personen darzustellen, um mogliche Entwicklungen zu erfassen und abschatzen zu konnen. Im Rahmen einer Beschreibung und Analyse bestinmiter organisatorischer Pfade und der jeweiligen RoUe bestimmter Personen kommt auch der Vergangenheit eine gewisse Relevanz zu. Um das Modell zum einen nicht zu uberfrachten, wird sie aber nicht direkt integriert. Zum anderen handelt es sich bei der Durchfuhrung eines Risikomanagements um einen kontinuierlichen Prozess, so dass die Vergangenheit indirekt beriicksichtigt wird. Pragnant formuliert: Die Zukunft von heute ist die Gegenwart von morgen, und die Vergangenheit von iibermorgen.
^^^ Vgl. BREUER (1998), S. 246 f.
Risikomanagement und Personal
214
75.4 Zusammenfassende Darstellung des Modells zur Bestimmung von Schlusselpersonen In diesem Abschnitt werden die oben beschriebenen Elemente (Promotorentypen, Bewertungsaspekte Wert und Einzigartigkeit, Zeitdimensionen) in der Abb. 31 zusammengefuhrt. Die vertikale Achse unterscheidet die zeitlichen Bezugsraume. Auf der linken Seite wird die Einschatzung der derzeitigen Bedeutung flir die wertschaffenden Kemprozesse, und auf der rechten Seite die der zukiinftigen Bedeutung abgebildet. Die horizontale Achse teilt die Abbildung in die beiden Ebenen Wert (oben) und Einzigartigkeit (unten). Jeurteilung einer Person in ihrer Bedeutung als hinsichtlich .. Fachpromotor | Fachpromotor Machtpromotor
^^ ^ ^ \
... niedng
Machtpromotor
Beziehungspromotor
Beziehungspromotor > •
Prozesspromotor
Prozesspromotor
J ^ Prozesspromotor
Prozesspromotor
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Beziehungspromotor
der Einzigartigkeit
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Abb. 42: Intra- und interorganisationale Karrierebewegungen in strategischen Netzwerken^^^ Seit einigen Jahren lasst sich eine zunehmende Aufweichung bzw. Auflosung der Grenzen von Organisationen und Unternehmen beobachten. Es bilden sich eine Vielzahl von hybriden Formen der vertragUchen Bindung zwischen „Hierarchie" und „Markt" heraus, z.B. intensive Reoperation mit Zulieferem und Kunden, langfristige Liefervertrage, Franchising- und Lizenzvereinbarungen, Joint Ventures. Ziel einer solchen „grenzenlosen Untemehmung"''^^ ist es, die Vorteile (Anreize, Flexibilitat etc.) marktlicher Koordination mit den Vorteilen hierarchischer Arrangements (soziale Einbindung, Weisungsbefugnis etc.) zu verbinden und so Transaktionskosten zu reduzieren.^^^ Insofem erscheint es angebracht, Karrieremanagement in einem groBeren Zusammenhang zu konzipieren und auch mr^rorganisationale Karrierebewegungen in so
Quelle: Eigene Abbildung, nach SCHEIN (1971, S. 404). PICOT / REICHWALD / WffiGAND (2003). Vgl. BEA / GOBEL (2002), S. 360 ff.; SYDOW (1993).
274
Risikomanagement und Personal
genannten strategischen Netzwerken einzubeziehen.^^ Untemehmen sind demnach aufgefordert, im Rahmen einer strategischen Personalentwicklung zu entscheiden, welche Kenntnisse, Fahigkeiten und Einstellungen der Mitarbeit und insbesondere der Schlusselpersonen am effektivsten und effizientesten intern bzw. extern entwickelt werden konnen und sollen. Die Vorteile einer Personalentwicklung im Rahmen von strategischen Netzwerken bestehen hauptsachlich in der gegenseitigen Kenntnis der Organisationskultur und Ablaufe der Partneruntemehmen, wodurch Koordination, Kommunikation und organisationales Lemen erleichtert werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass mit dem Wechsel von einem Untemehmen zum anderen wertvolles und untemehmensspezifisches Humankapital das Untemehmen verlasst und derzeitige Partner in strategischen Netzwerken durchaus auch kiinftige Konkurrenten sein konnen. Karrieremanagement stellt i.d.S. ein Instmment zur Fluktuationssteuerung dar. Durch geplante und planbare Fluktuation als vorgesehene Karriereschritte wird versucht, insbesondere durch intraorganisationale Fluktuation, bestimmte Schlusselpersonen zumindest in einer Gesamtbetrachtung fiir das Untemehmen zu erhalten.^^^ Zugleich ermoglicht es die Absehbarkeit derartiger Fluktuationen, durch arbeitsorganisatorische MaBnahmen, wie z.B. friihzeitige Nachfolgeregelungen und Einarbeitung des Nachfolgers, die potentiellen negativen Konsequenzen der Fluktuation zu reduzieren. Damit wird durch ein Karrieremanagement proaktiv den folgenden Aspekten Rechnung getragen: 1.
Fluktuation ist u.a. deshalb nicht in jedem Fall zu vermeiden ist, da Fluktuation vielfach eine Notwendigkeit und Voraussetzung fiir den hierarchischen Aufstieg darstellt.'^
2.
Bei einer Vielzahl der Mitarbeiter sind Bedtirfnisse nach Entwicklung und Verandemng vorhanden.'^^^
704
Vgl. MLLDENBERGER (2001). Vgl. BROSCHAK (2004), S. 634. Zu einer empirischen Studie iiber Auslandseinsatz und Entsendung als Element der intemationalen Laufbahngestaltung vgl. STAHL / MILLER / EINFALT / TUNG (2000).
^^^ Vgl. BAILLOD (1992), S. 99; ROSEMAN (1981), S. 31 ff. "^^^ Vgl. JENSEN (2004), S. 234 f; SABATHIL (1977), S. 81 ff. So gaben bspw. die befragten Manager in einer Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles hinsichtlich der Grunde fiir einen Untemehmenswechsel die folgenden Grunde an, wobei Mehrfachnennungen moglich waren: (1)
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
275
3. Bestimmte, vom Untemehmen steuerbare bzw. mitgestaltbare Fluktuationen sind durchaus im Interesse eines ressourcenorientierten Personalmanagements, da dadurch wertvolle und einzigartige Fahigkeiten und Eigenschaften bei (potentiellen) Schlusselpersonen aufgebaut und (weiter)entwickelt werden konnen^^^ AUerdings stellt auch ein Kanieremanagement keine Garantie dar, um Mitarbeiter dauerhaft an ein Untemehmen zu binden, da sich durch flexibilitatsorientierte Karriereschritte in einem Untemehmen oder Netzwerk i.d.R. auch die Beschaftigungsfahigkeit bezogen auf den extemen Arbeitsmarkt vergro6ert7^^ In den voranstehenden Ausfuhmngen soUte deutlich geworden sein, dass Personalentwicklung nicht nur eine Aufgabe der Personalabteilung ist; diese kann letztlich „nur" die organisationalen Stmkturen und Programme bereitstellen und koordinieren, Daten verwalten, kompetenter Ansprechpartner sein etc. Personalentwicklung ist dariiber hinaus zum einen eine zen-trale Managementaufgabe und im Verantwortungsbereich der jeweiligen Fuhrungskrafte der Schlusselpersonen in den einzelnen Werttreibern (Empowerment). Zum anderen ist Personalentwicklung eine Aufgabe fur die Schlusselpersonen, die sich im Rahmen eines Selbstmanagements selbst entwickeln und die eigene Beschaftigungsfahigkeit (Employability) aufbauen. 16.3.3.3
Gestaltung der Fiihmngs- und Arbeitssituation
Dieser Punkt kniipft unmittelbar an den vorangehenden Punkt zur Personalentwicklung an und uberschneidet sich teilweise mit ihm. Im Unterschied dazu stehen hier die
Unterforderung, 75 %, (2) schlechte Karriereperspektiven, 72 %, (3) Gehalt unter Durchschnitt, 57,7 %, (4) tJberforderung, 26, 1 %, (5) Probleme mit Kollegen, 25,7 %, (6) intensive Reisetatigkeit, 17,4 %, (7) 12-Stunden-Tag, 17 %. Vgl. O.V. (2002a). ^^^ So benennt z.B. ROESSEL (1987, S. 65 ff.) die folgenden vier Ziele eines Fiihrungskraftetransfer in intemationalen Untemehmungen (1) Ubertragung von Management Know-how, (2) Koordination, Kontrolle und Steuerung der Teileinheiten, (3) Personalentwicklung und Aufbau von Nachwuchskraften, (4) Intemationalisierung des Untemehmens. 709
Dass es sich bei einem auf ubergreifende Beschaftigungsfahigkeit ausgerichteten Karrieremanagement bezuglich der Fluktuationsneigung durchaus um eine zweischneidige Angelegenheit handeln kann, zeigen ITO / BROTHERRIDGE (2005) in einer empirischen Studie uber 600 Vollzeitangestellte im kanadischen Staatsdienst. Einerseits wirkt sich eine derartige Karriereforderung negativ auf die Fluktuationsneigung aus, andererseits vergroBert die dadurch erzielte „career adaptabiHty" die Ruktuationsneigung. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass Bindung und Committment nicht alleine durch Kanieremanagement sichergestellt werden konnen, sondem auch durch und in Verbindung mit andere MaBnahmen, wie Freundschaftsnetzwerke, angenehme Arbeitsatmosphare etc. Vgl. hierzu auch KNOBLAUCH (2004), S. 114 ff.
276
Risikomanagement und Personal
Aspekte und Anderungen der Fuhrungs- und Arbeitssituation im Vordergrund, die sich nicht in erster Linie auf die PersonzLlentwicklung beziehen, sondern (1) auf die Einflussfaktoren auf Fluktuationsneigung, -entscheidung und -realisierung, die zu einer negativen Bewertung der und Unzufriedenheit mit der unmittelbaren Fuhrungs- und Arbeitssituation flihren, und (2) auf Einflussfaktoren aus diesem Kontext, die sich negativ auf Gesundheit und Wohlbefinden der Schlusselpersonen auswirken (konnen) und aus diesem Grund zu einer Erhohung der Fluktuationswahrscheinlichkeit flihren. Die Position, Arbeitsinhahe, -umfang und -zeit sowie die Beziehungen und Interaktionen mit den unmittelbaren Kollegen und Vorgesetzten charakterisieren im Wesentlichen die jeweilige Fuhrungs- und Arbeitssituation. Sie umfasst damit Einflussfaktoren, die fur die Wahmehmung und Bewertung der Austauschbeziehung zwischen Individuum und Organisation von zentraler Bedeutung sind und die zur Verhinderung einer Fluktuation prinzipiell geandert und modifiziert werden konnten. Insbesondere ein schlechtes Verhdltnis zu den Kollegen und Vorgesetzten, das im Extremfall Formen von Mobbing oder sexueller Beldstigung annehmen kann, kann als ein nicht zu vernachlassigender Einflussfaktor angesehen werden.^'° Aufgrund der raumlichen Nahe, der zeithchen Intensitat und der UnausweichHchkeit und Notwendigkeit der Interaktion und Kommunikation tragen diese Arbeitsbeziehungen wesentlich dazu bei, inwiefem einerseits eine Schliisselperson ihr Schlusselpersonenpotential auch tatsachlich reahsieren kann und andererseits, inwiefem eine Schliisselperson willens ist, nicht zu fluktuieren bzw. produktive Leistungen zu erbringen. Insgesamt betrachtet, handelt es sich bei der potentiellen Fluktuationsursache der personlichen Arbeitsbeziehungen um einen der heikelsten, wenn nicht sogar um den heikelsten Einflussfaktor im Rahmen des Risikomanagements im Personalbereich. Die diesbeziiglichen Probleme und Herausforderungen lassen sich am Beispiel der Beziehung zwischen Mitarbeiter (als Schliisselperson) und Vorgesetztem veranschauHchen. Sie ergeben sich bereits (oder spatestens) bei der Risikoeinschatzung. Aus guten Griinden (Kenntnis der Person und Situation, integraler Bestandteil der Fiihrungsfunktion und -verantwortung) wurde dem Vorgesetzten eine zentrale Rolle bei der Einschatzung des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen zugewiesen. Problematisch ist nun der Fall, in dem in der Person des Vorgesetzten selbst bzw. im Verhaltnis zu
'^^^ Ausfuhrlicher zu Mobbing vgl. ZUSCHLAG (1997), zu sexueller Belastigung FUHRING (2001).
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
277
ihm eine relevante Fluktuationsursache besteht^^^ Eine zutreffende Risikoeinschatzung wiirde voraussetzen, dass zum einen dieser Umstand von der betrachteten Schltisselperson entsprechend (offen) kommuniziert wurde und zum anderen, dass sich der betreffende Vorgesetzte selbst als (potentieller) Verursacher der Fluktuation benennen und einschatzen miisste. Beide Voraussetzungen konnen im Regelfall nicht als gegeben angenommen werden. Hinzu konamt, wenn es im Rahmen der Risikohandhabung darum geht, potentielle Fluktuationsursachen zu beseitigen, dass kaum oder nur begrenzt zu erwarten ist, dass sich der betreffende Vorgesetzte selbst „beseitigt" bzw. in der Lage und willens ist, die als negativ bewerteten Eigenschaften und Verhaltensweisen zu andem. Um diesen Problemen und Herausforderungen zu begegnen und sie zumindest einzudammen, bieten sich im Wesentlichen zwei Losungsansatze an, die bereits im Rahmen der Risikoeinschatzung angesprochen wurden: 1. Forderung und Entwicklung von Reflexions-, Konflikt- und Kommunikationsfahigkeiten bei den beteiligten Akteuren, die als grundsatzliche Voraussetzungen fur einen offenen und konstruktiven Dialog betrachtet werden konnen; 2. Einbeziehung von Dritten (z.B. Vertreter der Personalabteilung, ubernachster Vorgesetzter), die im gesamten Risikomanagementprozess die Funktion eines kritischen Korrektivs und einer Vermittlung zwischen den beteiligten Akteuren und ihren Wahmehmungen erfuUen/^^ Moglicherweise kann und wird das Problem, dass ein Vorgesetzter als Ursache fur eine hohe Fluktuationsneigung anzusehen ist, daher nur durch eine Fluktuation aufgelost werden konnen^^^ So ist davon auszugehen, dass vielfach unter dem Deckmantel von PersonalentwicklungsmaBnahmen, Beforderungen (Wegloben) oder Versetzungen derartige Probleme gesichtswahrend durch intraorganisationale Fluktuationen gelost bzw. verschoben werden. In einigen Fallen, und das bleibt ein blinder Fleck des Risi-
^^' In Gallup-Langzeitstudien wurde „der direkte Vorgesetzte" von den Mitarbeitem als der Hauptgrund fur eine von ihnen initiierte Fluktuation angegeben. Als weitere Griinde folgen „Arbeitsklima", „Kollegen", „fehlende Perspektive" und „Gehalt". Vgl. WOOD (2004), S. 29. Wobei letztlich nicht ubersehen werden kann, dass auch die Einbeziehung Dritter das Problem nicht grundsatzlich losen kann, da es sich in keinem Fall um eine interessensfreie, objektive Instanz handeln kann. ^^^ Vgl. GRUNWALD (2001), S. 186; FLUCK (1992), S. 155 ff.
278
Risikomanagement und Personal
komanagements, wird ein schlechtes Verhaltnis der Schlusselperson zu dem Vorgesetzten dazu fuhren, dass bestimmte Personen nicht angemessen als Schlusselpersonen bewertet werden und/oder deren Fluktuationsrisiko nicht angemessen eingeschatzt und dementsprechend nicht angemessen gehandhabt wird. Neben diesen beziehungsbezogenen Aspekten der Arbeits- und Flihrungssituation geht es im Folgenden um die arbeitsorganisatorischen Aspekte, die zu einer Beeintrachtigung der Gesundheit und Leistungsfahigkeit und letztlich zu einer durch physische und/oder psychische Schaden verursachten Fluktuation fuhren konnen/^"^ In einem groBeren konzeptionellen Zusammenhang betrachtet, und hier zeigt sich die inhaltliche Nahe zu MaBnahmen der Personalentwicklung, lassen sich diesbeziiglich nach HACKER (1998) vier Bewertungsebenen einer ergonomischen Arbeitsgestaltung unterscheiden (Abb. 43). Die vier Ebenen zur Bewertung von Arbeitssystemen bzw. einzelner ArbeitsgestaltungsmaBnahmen stehen jeweils in einem hierarchischen Verhaltnis zueinander. Voraussetzung fiir die Entsprechung z.B. der vierten und hochsten Ebene Personlichkeitsforderlichkeit ist es, dass in den darunter liegenden, vorgelagerten Ebenen zunachst bestimmte Mindestanforderungen erfiiUt sein miissen (angedeutet durch die gepunkteten Linien in Abb. 43).^^^
Aufgrund der sich abzeichnenden demographischen Entwicklung ist zu erwarten, dass das Thema Erhalt der Gesundheit und Leistungsfahigkeit der Mitarbeiter grundsatzlich ein zunehmend bedeutendes Thema der betrieblichen Arbeitsgestaltung darstellen wird. Zur Finanzierung der Sozialund Altersversicherung, und well junge Arbeitskrafte tendenziell knapp werden, stehen Untemehmen vor der Herausforderung, ihre Arbeitsorganisation und Personalpolitik so umzugestalten, dass die Leistungsfahigkeit und -motivation auch bei alteren Arbeitskraften erhalten bleibt und genutzt werden kann. Vgl. RUMP (2003); MENGES (2000); NAEGELE / FRERICHS (2004). S.a. FRITSCH (1994) zu zielgruppenspezifischer Weiterbildung fiir altere Arbeitnehmer im Rahmen einer differentiellen Personalpolitik sowie MUHLBRADT / SCHULTETUS (2004) zur Analyse der betrieblichen demographischen Strukturen. Vgl. HACKER (1998), S. 791.
Teil D: Fluktuation von Schllisselpersonen
279
4 Ebenen zur ergonomischen Bewertung von ArbeitsgestaltungsmaBnahmen
Abb. 43: Personalerhaltung, -entwicklung und -bindung durch personlichkeitsforderliche Arbeitsgestaltung^'^ Die Gesamtkonzeption der ineinandergreifenden und sich bedingenden Bewertungsebenen der ergonomischen Arbeitsgestaltung geht mit dem Aspekt der Personlichkeitsforderlichkeit weit uber eine (zu) enge Fokussierung auf die Befolgung von Anforderungen der Arbeitssicherheit und der Reduktion physischer und psychischer Belastungen hinaus7'^ Ursprunglich eher im Kontext von Bemiihungen und Beitragen zur Humanisierung der Arbeit entstanden und als Voraussetzung und Mittel der Personlichkeits- und Gesellschaftsentwicklung verstanden, zeigt sich hier im Kontext Risikomanagement (nicht nur hier, und nicht erst hier) die unmittelbare okonomische Relevanz einer personlichkeitsforderlichen Arbeitsgestaltung/^^ Die Entsprechung der Anforderungen ergonomischer Arbeitsgestaltung kann wesentlich dazu beitragen, systematisch und praventiv bestimmte Fluktuationsursachen (physische und psychische Uberlastung, Krankheit, Unfalle etc.) zu beseitigen und zugleich die Rahmenbedingungen da-
716
717
Quelle: Eigene Abbildung. Vgl. ACKERMANN (1999a), S. 70f.
^'^ Vgl. WACHTER / MODROW-THIEL / ROBMANN (1989), S. 18 ff.; RIDDER (1999), 324 ff.; STAEHLE (1999), S. 825 ff.
280
Risikomanagement und Personal
fur zu schaffen, dass die Personlichkeitsentwicklung Hand in Hand mit der Entwicklung und Bindung von Schlusselpersonen gefordert wird7^^ Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nicht zwangslaufig beide Ziele komplementar sind und gemeinsam erreicht werden konnen. Trotz bestimmter, nicht ausraumbarer diesbezuglicher Konflikte hinsichtlich der jeweiligen Interessen von Individuum und Organisation besteht zumindest die Chance, eine (partielle) win-win-Situation realisieren zu konnen7^° Neben personalbindungsrelevanten Aspekten, die sich unmittelbar und spezifisch aus dem fiir die Schlusselpersonen attraktiven Arbeitsinhalt und dem AusmaB an diesbeztiglichen Handlungsspielraum ergeben, stellt insbesondere das Arbeitszeitmanagement einen wichtigen Parameter der Arbeitsgestaltung dar.^^^ Prinzipiell lassen sich drei inhaltliche Flexibilisierungsparameter unterscheiden, um individuelle und organisational Praferenzen und Zielvorstellungen aufeinander abzustimmen: (1) Chronometrie, d.h. Dauer der Arbeitszeit, (2) Chronologic, d.h. Lage der Arbeitszeit, (3) Ort und Erbringung der Arbeitsleistung^^^ Die Moglichkeit Beruf mit Familie und Freizeit in Einklang bringen zu konnen, durch eine Variation der Arbeitszeit und -erbringung i.S. einer Erhohung der Zeitsouveranitat der Schlusselpersonen, kann in diesem Zusammenhang als ein bedeutender Anreiz zum Verbleib im Untemehmen angesehen werden 7^^
^'^ Vgl. HACKER (1998), S. 788 ff.; COFF (1997), S. 388 f; NIEDER (1991), Sp. 1063 f; TINAR (1986), S. 235 ff. Vgl. LUCZAK / SPRINGER (1996) und GUNTERT (2004) insbesondere zu gesundheitsforderlicher Arbeitsgestaltung. CERDIN / PERETTI (2005) konnten in einer empirischen Studie iiber ehemalige Absolventen von Grandes Ecoles bzw. Universitaten zeigen, dass sich v.a. ein hohes Ma6 an Autonomie bei der Arbeit positiv auf die Bleibewahrscheinlichkeit auswirkt. ^^° Vgl. SCHREYOGG (1998), S. 290 f; GRUNWALD (2001), S. 204 f; STAEHLE (1999), S. 834. ^^^ Vgl. z.B. OECHSLER (2000, S. 324 ff.) oder STAEHLE (1999, S. 691 f) zum Konzept des Handlungsspielraums, dessen AusmaB sich anhand der folgenden drei Dimensionen ergibt: (1) Tatigkeitsspielraum, (2) Interaktionsspielraum und (3) Entscheidungs- und Kontrollspielraum. ^^' Vgl. KASPER / HEINRICH (2004), Sp. 440; STAEHLE (1999), S. 833 f; MARR (2004). Zu flexibler Arbeitsgestaltung (Sabbatical, Variation der Wochen-, Monats- und Tagesarbeitszeit, individuelle Pensionierung- und Ruhestandsprogramme), auch im Zusammenhang mit CafeteriaSystemen vgl. GRUNWALD (2001, S. 87 ff.). Zu Telearbeit und Telekooperation vgl. PICOT / REICHWALD / WIGAND (2003, S. 387 ff.), HOFMANN / BONNET (2004). ^^^ Vgl. WUNDERER (2003, S. 181 ff.), HEEDENREICH / BRACZYK (1996); STAEHLE (1999, S. 171 ff.) zu Wertewandel im Zuge der (Post)Modemisierung und entsprechenden veranderten Bedlirfnisstrukturen, die zunehmend auf eine Entfaltung in mehreren Lebensbereichen abzielen. In diesem Zusammenhang wird haufig auf das Konzept der work-life balance verwiesen Vgl. SPARROW / COOPER (2003) S. 215 ff.; KNOBLAUCH (2004), S. 123 f. Der Begriff ist dabei eigentlich unpassend, da er impliziert, dass „work" und „life" etwas Getrenntes sind. Da auch die Arbeit
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
16.3.3.4
281
Weitere Optionen der Arbeitsvertragsgestaltung
Bereits in den vorangehenden Punkten wurden Aspekte moglicher Ruktuationsursachen und Ansatze zur ihrer Handhabung vorgestellt, die prinzipiell Gegenstand arbeitsvertraglicher Regelungen sind oder sein konnen (Entgelt, Tatigkeiten, Arbeitszeiten etc.). Gegenstand dieses Punktes, der das Handlungsfeld „Gestaltung der Austauschbeziehung" abschlieBt, ist eine zusammenfassende Darstellung weiterer Optionen der Arbeitsvertragsgestaltung zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen. Grundsatzlich, d.h. im Rahmen der Vorgaben geltender Gesetze, Tarifvertrage und Betriebsvereinbarungen, besteht fur Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Moglichkeit zur freien Gestaltung des Arbeitsvertrages.^^"^ Die folgenden vertraglichen Regelungen (mit Ausnahme der Ruckzahlungsklauseln) zielen hierbei weniger auf die Vermeidung einer Fluktuation ab, sondem eher auf die Schadensreduktion bei nicht zu verhindemder und daher letztlich realisierter Ruktuation. Es wird versucht, mit Hilfe der vertraglichen Gestaltung, m.a.W. durch eine „exteme" Steuerung, bereits die Anreizstrukturen und -mechanismen so zu setzen, dass sich die vertraglich gebundenen Arbeitnehmer wie vom Untemehmen erwunscht verhalten. Die Schadensreduktion kann zum einen in materieller Hinsicht erfolgen, z.B. durch die Vereinbarung von Ruckzahlungsklauseln in Verbindung mit PersonalentwicklungsmaBnahmen. Derartige Klauseln werden vertraglich vereinbart, um dem Risiko zu begegnen, dass Mitarbeiter Weiterbildungs- und PersonalentwicklungsmaBnahmen (z.B. Aufbaustudium, Entsendung zu anderen Organisationen) „mitnehmen" und danach friihzeitig das Untemehmen verlassen, ohne dass sich dort die Humankapitalinvestitionen amortisieren konnen.^^^ Ruckzahlungsklauseln erfullen hierbei insbesondere zwei Funktionen. Einerseits soil die betreffende Person durch die bei friihzeitiger Fluktuation zu leistenden Riickzahlungen der Kosten der PersonalentwicklungsmaBnahmen davon abgeschreckt werden, zu fluktuieren. Andererseits dienen die Riickzahlungen dem Untemehmen dazu, den entstandenen Schaden der Ruktuation zumindest finanziell abzumildern.^^^
Teil des Lebens ist, neben Freizeit, Familie etc. ware inhaltlich dagegen ein Begriff wie „ganzheitliche Lebens(zeit)balance" zutreffender. ''^'^ Vgl. OECHSLER (2000), S. 263; OLFERT (2003), S. 188; Gewerbeordnung GewO § 105. Vgl. ALEWELL / KOLLER (2003); PAWLIK (1995); ALEWELL (1997). Die Rechtsprechung hinsichtlich der konkreten Optionen zur Ausgestaltung von Ruckzahlungsklauseln (Hohe, Bindungszeitraum etc.) ist nicht einheitlich. Tendenziell gilt aber wohl, dass un-
282
Risikomanagement und Personal
Zum anderen konnen Wettbewerbsverbote durch so genannte Konkurrenzklauseln vertraglich vereinbart werden, so dass ein direkter Wechsel zur Konkurrenz nicht moglich ist. Dadurch soil verhindert werden, dass zusatzlich zu dem Verlust von Wettbewerbsvorteilen bzw. der Beeintrachtigung der Durchflihrung bestimmter Wertaktivitaten auch noch die Konkurrenz von den an die Schliisselperson gebundene Fahigkeiten und Eigenschaften profitiert7^^ In einem engen inhaltlichen Zusammenhang dazu stehen Absprachen zwischen Konkurrenzunterunternehmen, von den anderen Untemehmen keine Schliisselpersonen abzuwerben oder einzustellen (Nichtangriffspakt)^^^ Durch die Vereinbarung von langeren Kundigungsfristen, die uber die gesetzlichen (Mindest)Vorgaben insbesondere des § 622 BGB hinausgehen, kann dazu beigetragen werden, dass sich zumindest bestimmte Fluktuationsfalle mit einem groBeren Vorlauf ankiindigen und so entsprechende GegenmaBnahmen (z.B. Nachfolgeentscheidung, Ubergabe) einfacher bewerkstelligt werden konnen. Eine allgemeine Heraufsetzung und Verlangerung der Ktindigungsfristen ist dabei durchaus ambivalent zu bewerten. Dem oben genannten Vorteil steht der Nachteil einer, v.a. in wirtschaftlichen Schwacheperioden bedeutsamen Inflexibilitat hinsichtlich von PersonalabbaumaBnahmen entgegen. Insofem, auch weil ein einmal vereinbartes Fristenniveau i.d.R. nicht mehr nach unten verandert wird, ist diese Option nur sehr gezielt ftir die Schliisselpersonen einzusetzen. SchlieBlich, und das bezieht sich auf die Zeit nach erfolgter bzw. bei absehbarer Fluktuation, besteht die Moglichkeit, bereits arbeitsvertraglich, fiir bestimmte Leistungen
temehmensspezifische Humankapitalinvestitionen, anders als solche, die generelles Humankapital betreffen, eher nicht mit Riickzahlungsklauseln belegt werden diirfen. Die Hohe der Riickzahlungen ist insofem begrenzt, als dass sie die dem Untemehmen entstandenen Kosten der PersonalentwicklungsmaBnahmen nicht iibersteigen diirfen. Vgl. ALEWELL (1997), S. 154 ff. Aufgmnd der Begrenzungen durch die Rechtsprechung, die Angemessenheit und Zulassigkeit von Riickzahlungsklauseln betreffend, sollten daher sowohl die Bindungswirkung von derartigen Klauseln als auch die Hohe der moglichen Schadenskompensation nicht iiberschatzt werden. Dies gilt auch deshalb, weil haufig die Rtickzahlungen von einem neuen Arbeitgeber iibemommen werden, der fluktuierenden Person selbst also keine fmanziellen EinbuBen entstehen. Hinzu kommt ebenfalls, dass es kaum sinnvoll erscheint, eine Person gegen ihren expliziten Willen im Untemehmen zu halten, da in diesem Fall die Motivation, Hochstleistungen fiir das Untemehmen zu erbringen, tendenziell sehr gering sein wird. Auch dann ware somit die Schliisselperson fiir das Untemehmen „verloren". ^^^ Vgl. LffiBESKIND (1996), S. 99; GRUNWALD (2001), S. 161. Genaueres bezuglich der Dauer, Entschadigung und Form regeln v.a. die §§ 74, 74a, 74b und 74c HGB. ^^^ Vgl. MICHEL (2001), S. 38.
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
283
eine Nachfluktuationskooperation zu vereinbaren.^^^ Beispiele hierfur stellen Beratungsleistungen von sich eigentlich im Ruhestand befindlichen (Ex)Schlusselpersonen dar Oder die Vereinbarung der Fortftihrung bestimmter Leistungen bei extraorganisationaler Fluktuation, wenn sich eine Schlusselpersonen selbstandig macht. In diesem Zusammenhang kann es ebenfalls sinnvoU sein, bestimmten Schlusselpersonen, die das Untemehmen verlassen, die Option fUr einen Wiedereinstieg nach einer Phase der Selbstandigkeit oder Tatigkeit in einer anderen Organisation vertraglich einzuraumen (Wiedereinstiegsklausel). Voraussetzung hierbei ist allerdings, dass es sich trotz der Ruktuationsentscheidung nicht um ein gestortes Verhaltnis zwischen Individuum und Organisation handelt. 16.3.4 Entwicklung und Implementierung funktionaler Aquivalente Das dritte Handlungsfeld zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen umfasst MaBnahmen und Instrumente, die auf die Entwicklung und Implementierung funktionaler Aquivalente ausgerichtet sind. Der Begriff funktionale Aquivalente meint hierbei, dass Personen, Systeme oder organisational Elemente hinsichtlich bestimmter Funktionen oder Eigenschaften einer Person Aquivalente darstellen und damit zumindest teilweise die betreffende Schlusselperson substituieren konnen. Die ubergeordnete Zielsetzung besteht darin, die Durchfuhrung und Entwicklung der wertschaffenden Kemprozesse von den Fahigkeiten und Leistungen der Schlusselpersonen unabhangig(er) zu machen. Zu unterscheiden sind zwei grundsatzliche, miteinander zu kombinierende StoBrichtungen: 1. MaBnahmen und Mechanismen, die dazu beitragen, dass die potentielle Liicke, die durch eine Fluktuation entstehen kann, moglichst schnell und ohne groBeren nachhaltigen Schaden geschlossen werden kann; 2. Vorkehrungen personeller und organisatorischer Art, die praventiv dazu beitragen, dass die potentielle Liicke aufgrund einer Fluktuation bereits im Vorfeld moglichst klein gehalten wird.
729
Vgl. KORUNA / FREY (2002), S. 37.
284 16.3.4.1
Risikomanagement und Personal Aufbau von Flexibilitatsreserven und Substitutionspotentialen
Der erste Punkt befasst sich mit arbeitsorganisatorischen Modellen, die prinzipiell auf einen nachhaltigen Aufbau von Flexibilitatsreserven und Substitutionspotentialen ausgerichtet sind, und dies zunachst unabhangig von einem akuten Fluktuationsrisiko. Mit Hilfe von Gruppencifbeitskonz^pten und tcdinorieTitiertcfi Arheitsstmkturcn
soil in
diesem Zusanimenhang erreicht werden, dass bestimmte Funktionen, Fahigkeiten, Beziehungen und Kenntnisse nicht mehr ausschlieBlich bzw. in einem zu groBen Umfang an einzelne oder wenige Schlusselpersonen gebunden sind.^^° Durch eine regelmaBige Kommunikation, Interaktion und Abstimmung nimmt in einem Prozess der Dedifferenzierung und Deindividualisierung die Bedeutung einer einzelnen Person fiir die Aufrechterhaltung der jeweiligen Wertaktivitat ab. Damit sinkt tendenziell die potentielle Schadenshohe in Folge einer Fluktuation.^^' Derselben Logik folgen so genannte Tandemkonzepte, insbesondere bei Projektarbeit. Im einfachsten Fall bei zwei Projekten und zwei Projektmanagem sind nicht mehr jeder der beiden Personalmanager ausschlieBlich fiir ein Projekt verantwortlich und nur daran beteiligt, sondem in die verschiedenen Phasen beider Projekte sind beide, dabei durchaus mit unterschiedlichen Anteilen, eingebunden. Um Missverstandnissen vorzubeugen, ist darauf hinzuweisen, dass derartige Konzepte und Strukturen nicht gleichzusetzen sind mit einer volligen Aufhebung der Arbeitsteilung. Gerade um die Funktionsfahigkeit sicherzustellen und die spezifischen Fahigkeiten der beteiligten Personen moglichst effektiv einzusetzen, ist die klare Zuweisung von Verantworthchkeiten und Rollen von elementarer Bedeutung. Erfolgreich sind Tandemkonzepte dann, wenn durch sie einerseits die Durchfiihrung der Projekte bei Fluktuation einer der beiden Personen gewahrleistet bleibt und andererseits die Transaktionskosten im Hinblick auf den Abstimmungsaufwand nicht zu nennenswerten Effizienznachteilen im Vergleich zur Konzeption „Eine Person, ein Projekt" fiihren. Mit den vorangehend skizzierten MaBnahmen kann das Fluktuationsrisiko einzelner Schlusselpersonen durchaus effektiv reduziert werden. In dem Moment aber, in dem ganze Gruppen, Teams oder Tandems als Schlusselpersonen einzustufen sind, stellt sich das Problem auf einer hoheren Ebene organisationaler Einheiten. Es stellt sich die Frage, inwiefern eine Organisation die Fluktuation einer Gruppe von SchlUsselperso-
''^^ Vgl. MICHEL (2001), S. 40. ^^' Vgl. ARMBRUSTER / KINKEL / KIRNER / WENGEL (2005).
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
285
nen verkraften bzw. welche MaBnahmen der Risikoreduzierung sie ergreifen kann/^^ Ansatze hierzu liefem Konzepte, wie z.B. gruppenubergreifende Job Rotation und institutionalisierte Wertaktivitdtenwechsel, die teilweise Formen intraorganisationaler Fluktuation annehmen konnen. Ein weiteres Instrument, das insbesondere auf den langfristigen Aufbau kiinftiger Schlusselpersonen und damit eines groBeren Substitutionspotentials abzielt, stellt das Mentoring dar/^^ Mentoring wird hierbei verstanden als personliche Betreuung einer potentiellen Schlusselperson durch einen i.d.R. hierarchisch hohergestellten Mitarbeiter, der idealerweise ebenfalls Schlusselpersonenstatus hat. Die Betreuung kann sich prinzipiell auf alle vier Promotorentypen beziehen. Mentoring zielt insbesondere ab auf die folgenden drei Funktionen: (1) Ubemahme der Untemehmenswerte, (2) Stressund Unsicherheitsreduktion im Karriereverlauf und (3) dienen Mentoren als RoUenmodelle bei der organisationalen Sozialisation und konnen so zu einer positive Arbeitseinstellung, einem erhohten Committment und schlieBlich zu einem niedrigerem AusmaB an Fluktuation beitragen.^^"^ Insgesamt ergibt sich bei den vorgestellten MaBnahmen eine Reihe an Uberschneidungen und Ankniipfungspunkten zu MaBnahmen und Instrumenten der Personalentwicklung und des Karrieremanagements. Dies zeigt die Komplexitat der Risikohandhabung und die Notwendigkeit der Abstimmung und Konsistenz zwischen den einzelnen MaBnahmen und Handlungsfeldem.
^^^ Vgl. KORUNA / FREY (2002, S. 37 f) zu absprungbereiten Teams. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang ein Wechsel einer Schlusselpersonengruppe zur unmittelbaren Konkurrenz. Vgl. O.V. (2005) zum Weggang einer Gruppe von Investmentbankem von der Deutschen Bank zu unmittelbaren Wettbewerbem. Neben den oben dargestellten MaBnahmen sind u.U. auch aktivere bzw. aggressivere MaBnahmen zu ergreifen, wie bspw. juristische Klagen, Gegenabwerbungen, Einschrankung der Geschaftsbeziehungen, vgl. GARDNER (2005). Vgl. GRUNWALD (2001, S. 147, 158 f) zu diesbezuglichen Sekundareffekten des Headhunting und zum „L6PEZ-Effekt". Dieser Begriff geht zuriick auf das Verhalten des Einkaufsdirektors von General Motors, Ignazio LOPEZ, der bei seinem Wechsel zum unmittelbaren Konkurrenten Volkswagen im Jahre 1993 sieben weitere Mitarbeiter, seine so genannten , Jiinger", mitgenommen hatte. ^^^ Vgl. WUNDERER (2003, S. 372 ff.); HILB (2004); SABATHIL (1977, S. 203 ff.), der in diesem Zusammenhang den Begriff der Patenschaften verwendet. ^^"^ Vgl. PAYNE / HUFFMANN (2005), S. 159. Von entscheidender Bedeutung fur den Erfolg bzw. Misserfolg von MentoringmaBnahmen ist hierbei die personliche Beziehung und der Fit zwischen Mentor und der jeweiligen Schlusselperson. Vgl. HILB (2004), Sp. 1157.
286
16.3.4.2
Risikomanagement und Personal
Wissensmanagement
Wissen stellt einen elementaren Inputfaktor im Prozess der ressourcenorientierten Untemehmensfuhning dar. Zielsetzung des Wissensmanagements im Rahmen der Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen ist es grundsatzlich, das an die jeweilige Schliisselperson gebundene Wissen auch im Fall einer Fluktuation moglichst vollstandig und nutzbar fiir das Untemehmen zu erhalten. Seit Mitte der 1990er Jahre, in der Wissensmanagement als ein Modethema entdeckt und ventiliert wurde, gibt es eine kaum iiberschaubare Anzahl von Beitragen und Konstruktionen zum Wissensmanagement, die eine Vielzahl moglicher Defmitionen, Begriffsverstandnisse, Kategorisierungen und Konzeptionen zu Wissen und Wissensmanagement vorgelegt haben.^^^ Daher erscheint es angebracht, das hier verwendete Begriffsverstandnis zunachst kurz zu erlautern. Wissen wird verstanden als eine situationsbezogene oder handlungsorientierte Verkntipfung verschiedener Informationen (s. Abb. 44).'^^
'^^^ Vgl. ROMHARDT (1998), S. 24 ff.; AL-LAHAM (2003), S. 23 ff.; WESTENBAUM (2003), S. 34 ff. Vgl. KATENKAMP (2003) zu einem Literaturuberblick zur Einfuhrung und Ausgestaltung von Wissensmanagement(systemen) in der Wirtschaft. ^^^ Vgl. PICOT / REICHWALD / WIGAND (2003), S. 118; ROMHARDT (1998), S. 39 ff. Vielfach wird in der Literatur, z.B. bei WESTENBAUM (2003, S. 31) und ROMHARDT (1998, S. 39), auf die Kette „Zeichen => Daten =» Informationen => Wissen" verwiesen. Diese wird im Rahmen dieser Arbeit als nicht geeignet angesehen, da die Herkunft, Verwendung und der dynamische Kreislaufcharakter, d.h. wie bestimmtes Wissen zu neuem Wissen fiihrt, nicht angemessen beriicksichtigt werden.
287
Teil D: Fluktuation von Schllisselpersonen
1—^
Erfahrungen
V Informationen
V Wissen
V Handlungen
Abb. 44: Entstehung und Verwendung von Wissen^^^ Erst aus der (bewussten oder unbewussten) Auswahl und Gewichtung der prinzipiell unendlichen Informationen, als Ausdruck der gemachten Erfahrungen und deren Zusammenfuhrung in einen Sinnzusammenhang, entsteht in einem Prozess der (Re)Konstruktion und Interpretation der subjektiv erfahrenen Wirklichkeit Wissen/^^ Dieses Wissen wird genutzt und angewendet zur Durchfuhrung bestimmter Handlungen. Der Begriff der Handlung ist in diesem Zusammenhang weit gefasst, d.h. er urnfasst z.B. auch die rein gedankliche Analyse und Bewertung einer erlebten Situation. Durch die Nutzung und Anwendung des Wissens in Handlungen werden, in einem kontinuierlichen Prozess, neue Erfahrungen generiert bzw. Erfahrungswelten (re)produziert.^^^
Quelle: Eigene Abbildung. Vgl. PICOT / REICHWALD / WIGAND (2003), S. 120. Bei den Erfahrungen kann es sich sowohl um Eigenerfahrungen (unmittelbares, eigenes Erleben) als auch um Fremderfahrungen (mittelbar, insbesondere aus Erzahlungen, Bildem etc.) handeln. Vgl. hierzu KAISER (2001), S. 77 ff. Zu erganzen ist weiterhin, dass Handlungen nicht alleine durch das Wissen bestimmt werden. Hinzu konunen weitere Faktoren (z.B. verfugbare Ressourcen, situative Moglichkeiten, Motivation), die einen Einfluss darauf haben, inwiefem das potentiell verfugbare Wissen tatsachlich in wissensbasierten Handlungen genutzt wird bzw. werden kann.
288
Risikomanagement und Personal
Hinsichtlich der Kategorisierung und Strukturierung des Wissens konnen beziiglich der hier verfolgten Fragestellung besonders die folgenden Differenzierungen und Dimensionen als relevant und zielfiihrend angesehen werden:^"^^ 1. Implizites vs. explizites Wissen: Inwiefem handelt es sich bei dem Wissen um bewusstes und artikulierbares Wissen, d.h. inwiefem kann das an die Schlusselperson gebundene Wissen transferiert werden? 2. Individuelles vs. kollektives Wissen: Inwiefem ist bestimmtes Wissen an einzelne Schlusselpersonen gebunden und wiirde im Fall einer Fluktuation nicht mehr der Organisation zur Verfugung stehen? 3. Relevantes vs. nicht relevantes Wissen: Inwiefem ist das Wissen wettbewerbsrelevant, d.h. von Bedeutung fiir die Entwicklung, Durchfuhmng und Aufrechterhaltung der wertschaffenden Kemprozesse und der daraus resultierenden Kemprodukte und -leistungen? Aufbauend auf der Konzeption der „Spirale organisationaler Wissenserzeugung" nach NONAKA (1994), werden diese drei Differenziemngsdimensionen des Wissens in Abb. 45 zusammengefuhrt. Die dichotomisierende Einteilung in individuelles vs. kollektives Wissen wird hierbei weiter ausdifferenziert, so dass diesbeziiglich nun vier Wissensebenen unterschieden werden: Individuum, Gruppe bzw. Organisationsmitglieder in einem Werttreiber, Organisation und die auBerorganisationale bzw. interorganisationale Ebene. Das aus ressourcenorientierter Perspektive relevante Wissen wird symbolisiert durch die Darstellung des Prozesses einer ressourcenorientierten Unternehmensfuhmng.^"^^ Die gestrichelte Umrandung deutet an, dass die Trennung zwischen relevantem und nicht relevantem Wissen i.d.R. nicht eindeutig, dauerhaft und grauzonenfrei bestimmt werden kann.
Wahrend es sich bei den ersten beiden Punkte um eine tiblicherweise in der Literatur vorgenommene Differenzierung handelt, vgl. hierzu bspw. NONAKA (1994), ROMHARDT (1998, S. 56 ff.), KATENKAMP (2003, S. 20), POLANYI (1966), ist die dritte Differenzierung in relevantes vs. nicht relevantes Wissen in diesem konkreten Verstandnis neu. Explizit wird damit der Bezug zu (nicht) relevantem Wissen aus der Perspektive einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung hergestellt. 741
Vgl. Punkt ,,10.3 Risikohandhabung".
289
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
Explizit
HH
Implizit
\-®M
Art des Wissens
Gruppe / Werttreiber
Organisation
Aufierorganisational
Wissensebenen Aktionsrichtungen des Wissensmanagement: mit erster Prioritat mit zweiter Prioritat
•••^^ •
Abb. 45: Aktionsrichtungen des Wissensmanagements zur Reduzierung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen^"^^ Mit Hilfe verschiedener MaBnahmen und Instrumente des Wissensmanagements ist ein gezielter und systematischer Transfer des an die Schlusselpersonen gebundenen Wissens zu initiieren: Individuelles Wissen ist in koUektives Wissen der jeweiligen Organisationseinheit (mit erster Prioritat) bzw. das koUektive Wissen der jeweiligen Organisationseinheit in kollektives Wissen der Organisation insgesamt (mit zweiter Prioritat) zu UberfuhrenJ"^^ Die Moglichkeiten und Mittel sind dabei abhangig davon, inwiefem es sich um implizites oder explizites wettbewerbsrelevantes Wissen handelt, d.h. inwiefem es auch fur die Schlusselpersonen prinzipiell moglich ist, das Wissen zu artikulieren. Die prinzipiellen Aktionsrichtung werden im Folgenden kurz skizziert.^"^
Quelle: Eigene Abbildung. 743
Ausfuhrlicher zu konkreten Instrumenten, Bausteinen und Praxisberichten zum Wissensmanagement vgl. ROMHARD (1998), ROEHL (2000, S. 154 ff.); spezifisch zu bankbetrieblichen Wissensmanagement vgl. WESTENBAUM (2003). 744
Vgl. grundsatzlich und ausfiihrlich NONAKA (1994), NONAKA / TAKEUCHI (1995); spezifisch bezogen auf Personalmanagement vgl. RIDDER / CONRAD / SCHIRMER / BRUNS (2001, S. 151 ff.); ausfiihrlich zu diesbeziiglichen Instrumenten und Konzepten im Rahmen einer Wissensorganisation vgl. ROEHL (2000). Zur Generierung impliziten Wissens durch erfahrungsgeleitetes Arbeitshandeln vgl. HERBIG / BUSSING (2003); zu Lemen durch Teamarbeit MARTIN (1998).
290
1.
_
^
Risikomanagement und Personal
Transformation^"^^ individuellen impliziten Wissens in individuelles explizites Wissen: Diese Transformation, die unbewusstes, selbstverstandliches Wissen in bewusstes, artikulierbares Wissen umwandelt, erfolgt im Wesentlichen durch (Selbst)Reflexion, Interpretation und Dokumentation des vormalig impliziten Wissens und ist als ein Prozess und Versuch der sozialen Konstruktion kognitiver Deutungsmuster zu verstehen (la). Moglich und gefordert wird eine derartige Transformation auch durch den gezielten kritischen Dialog und die gemeinsame Extemalisierung des Wissens mit Dritten (lb). Problematisch und herausfordemd ist in diesem Zusammenhang, dass es aufgrund des impliziten Charakters des Wissens in vielen Fallen sehr schwierig sein wird, tiberhaupt die wettbewerbsrelevanten Wissensbereiche exakt zu umgrenzen und sie dann Schritt fiir Schritt zumindest ansatzweise zutreffend zu erschlieBen.
2.
Transfer individuellen impliziten Wissens in kollektives implizites Wissen: Durch Sozialisationsprozesse, d.h. durch gegenseitiges Beobachten, Imitieren, gemeinsame Aufgabenbewaltigung etc. kommt es zu einer Ubertragung impliziten Wissens zwischen den einzelnen Organisationsmitgliedem im Arbeitshandeln. Dies kann prinzipiell sowohl in der jeweiligen Gruppe (2a) als auch in der gesamten Organisation (2b) erfolgen. Beispiele hier stellen die im vorangehenden Punkt beschriebenen arbeitsorganisatorischen Modelle Mentoring, Teamstrukturen oder Job Rotation dar.
3.
Transfer individuellen expliziten Wissens in kollektives explizites Wissen: Explizites individuelles Wissen kann z.B. durch die Dokumentation, Eingabe in Datenbanken und Nutzung von Konmiunikationsnetzwerken (Intra- und Internet), aber auch Einweisung, Arbeitsplatztibergabe oder Gesprache in kollektives explizites Wissen auf Gruppenebene (3a) bzw. Organisationsebene (3b) transferiert werden.
Durch die Explizierung impliziten Wissens und die Verfugbarkeit des wettbewerbsrelevanten Wissens ftir zunehmend groBere kollektive Einheiten, durch eine Demokratisierung des Wissens besteht die Gefahr, dass das wertvolle und einzigartige Wissen
Allgemein zur Reflexionsfahigkeit als (Kem)Kompetenz von Untemehmen vgl. MILDENBERGER (2001, S. 710 ff.). 745
Im Unterschied zu den beiden folgenden Aktionsrichtungen wird die Uberfiihrung des Wissens hierbei sprachlich genauer mit Transformation bezeichnet, da sich die Art des Wissen, von implizit zu explizit, andert.
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
291
letztlich nicht nur wie gewunscht von der Schlusselperson auf andere Organisationsmitglieder ubertragen wird, sondern moglicherweise nun auch von der Konkurrenz verstehbar und imitierbar wird7'*^ Die Notwendigkeit der Implementierung diesbezuglicher erwiinschter Wissenstransferbarrieren (z.B. i.S. der Fluktuationsvermeidung durch Personalbindung, Copyrights, Patente, Trademarks), ist in Abb. 45 durch eine gestrichelte Linie dargestellt/"^^ Sie soil die Gratwanderung verdeutlichen, dass zwar einerseits z.B. im Rahmen von strategischen Netzwerken intensive Beziehungen und wissensbezogene Kooperationen mit Lieferanten und Abnehmem aus ressourcenorientierter Perspektive durchaus wiinschenswert sind, andererseits aber der Abfluss von bestimmten Wissen bzw. die allgemeine Verfugbarkeit dariiber sich negativ auf die Wettbewerbsposition des Untemehmens auswirken kann. '^^^ Aufgabe des Risikomanagements ist es damit auch, sicherzustellen, dass Wissen und Informationen, die von vitaler Bedeutung fiir die Wettbewerbsposition des Untemehmens sind, vor unerv^linschter Fremdaneignung und -nutzung geschiitzt werden. Hierzu gehoren u.a. die folgenden drei Mafinahmenbereiche zur Implementierung einer entsprechenden Sicherheitsarchitektur: (1) restriktiver Zugang zu sensiblen Informationen und diesbeziigliche vertragliche Absicherungen, (2) explizite Sensibilisierung der Mitarbeiter hinsichtlich eines verantwortungsvollen Umgangs mit den wertvoUen und einzigartigen Wissensbestandteilen und (3) Disaggregation von sensiblen Aufgaben und Tatigkeiten.^"^^ Insbesondere beim dritten MaBnahmenbereich wird die Gratwanderung bei der Wissenssicherung im Rahmen des Risikomanagements deutlich. Disaggregation von Aufgaben und Tatigkeiten meint, dass z.B. im Produktentwicklungsprozess isolierte Arbeitspakete an raum-zeitlich voneinander getrennte Mitarbeiter vergeben werden. Ein solches Vorgehen steht in direktem Gegensatz zu den oben propagierten Teamstrukturen und zum Job Rotation, die eher auf eine Dedifferenzierung von Aufgaben und Tatigkeiten abzielen. So gegensatzlich, und nur bedingt miteinan-
^"^^ Vgl. REED / DEFILLIPPI (1990); HALL (1999), S. 26. ^"^"^ Vgl. HANNAH (2005); HALL (1991, 1992, 1993). Zu wunschenswerten intemen Wissensbarrieren als Instrumente der bankbetrieblichen Insiderregulierung {chinese walls) vgl. WESTENBAUM (2003, S. 220 ff.). ''^^ Vgl. HANSMANN / RINGLE (2005); LIEBESKIND (1999). Vgl. SCHMALTZ / HAGENHOFF (2003) zu Wissensmanagement in untemehmensiibergreifenden Kooperationen; INKPEN / TSANG (2005) zu Wissensmanagement in strategischen Netzwerken. '"^^ Vgl. LffiBESKIND (1996), S. 99 f; HANNAH (2005), S. 81; AL-LAHAM (2003), S. 376 f. Spezifisch zu personellen und organisatorischen (Praventiv)Ma6nahmen und Verhaltensregein fur den Sicherheitsfall bei Wirtschaftsspionage vgl. NffiGEL (1999).
292
Risikomanagement und Personal
der vereinbar diese beiden Vorgehensweisen sind, das ubergeordnete Ziel, der Schutz v.a. impliziten Wissens, ist identisch. Insofem stellen sie beide mogliche Optionen im Rahmen des Risikomanagements dar, die behutsam miteinander zu kombinieren sind. Problematisch sind strikte Sicherheitsarchitekturen mit Zugriffsbeschrankungen bei bestimmten Wissensbestandteilen dann, wenn sie von den betroffenen Akteuren als negatives Vertrauenssignal interpretiert werden und diese nun ihr Wissen zuriickhalten. Dieser Aspekt verweist auf die nicht erwUnschten Wissenstransferbarrieren aus Sicht des Untemehmens. Neben den kognitiven Begrenzungen der Mitarbeiter, implizites Wissen zu benennen und weiterzugeben, betrifft dies insbesondere motivationale Vorbehalte aufgrund spezifischer Eigeninteressen, d.h. Informationen werden bewusst manipuliert und nur selektiv weitergegeben/^^ Derartige Probleme des Wissenstransfers verscharfen sich tendenziell in Phasen der Krise und des Personalabbaus, d.h. eine angemessene Dokumentation und Weitergabe von Wissen findet vielfach gerade in diesen Situationen nicht statt.^^^ Insgesamt stellt damit auch das AusmaB an Vertrauen darin, dass die Weitergabe und Offenbarung eigenen Wissens sich nicht nachteilig auf die eigene zuklinftige Position auswirken wird, eine Vorbedingung fiir die Bereitschaft zu Wissenstransformation und -transfer dar.^^^ 16.3.4.3
Nachfolgeregelungen, Jobiibergabe und Notfallmanagement
In den vorangehenden Punkten wurden moghche MaBnahmen der Risikohandhabung vorgestellt, die im Wesentlichen prdventiv dazu beitragen sollen, entweder die Wahrscheinhchkeit der Fluktuation einer Schliisselperson oder die negativen Konsequenzen der Fluktuation zu reduzieren. Dieser Punkt befasst sich dagegen mit MaBnahmen, die erst im akuten Fall einer erfolgten bzw. sich abzeichnenden Fluktuation zur konkreten Anwendung kommen. Es sind MaBnahmen, die darauf abzielen, i.S. eines professio-
^^° Vgl. KORUNA / FREY (2002), S. 36. Ausfuhrlicher zu personellen, organisatorischen und technischen innerbetrieblichen Informationsbarrieren vgl. TERHARN (1996); zu Moglichkeiten und Grenzen des organisationalen Lemens hinsichtlich von Lem- und Wissensbarrieren vgl. SCHUPPEL(1996). ^^' Vgl. MARR / STEINER (2003, S. 236 ff.), die in einer empirischen Studie feststellten, dass in ca. 60 % der Unternehmen mit Personalabbau relevantes Wissen nur teilv^eise bzw. nicht transferiert werden konnte. ^^^ Vgl. PICOT / REICHWALD / WIGAND (2003), S. 122 ff. S.a. Kapitel „17 Zwischenfazit Teil D".
Teil D: Fluktuation von Schllisselpersonen
_ _ _ _ ^
293
nellen Krisen- oder Notfallmanagements, die Aufrechterhaltung der Wertaktivitaten/treiber im Fall einer Ruktuation auch kurzfristig gewahrleisten zu konnen/^^ Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang grundsatzlich zwei Falle: Im ersten Fall ist die Ruktuation im Vorfeld absehbar und der Zeitpunkt der Huktuation ist bestimmbar. Beispiele hierfur sind Renteneintritt, Eltemzeit, normale Kiindigung oder Versetzungen einer Schlusselperson^^"^ In diesen Situationen besteht, trotz der i.d.R. knappen Zeit, prinzipiell die Moglichkeit, auf die sich abzeichnenden Ruktuation noch im Vorfeld zu reagieren. Im zweiten Fall erfolgt die Ruktuation ohne Vorwamung, z.B. bei Krankheit oder Tod einer Schlusselperson. Fur die beteiligten Akteure ergibt sich hierbei ein unmittelbarer Handlungsbedarf ohne zeitlichen Vorlauf. In beiden Fallen kann es als sinnvoU angesehen werden, wenn es fiir die Schllisselpersonen konkrete und aktuelle Nachfolge- oder Vertretungsregelungen gibt, so dass ein Verantwortungsvakuum und eine Phase der Desorientierung und Handlungsunfahigkeit vermieden werden kann.^^^ Derartige Regelungen sind Gegenstand einer strategisch ausgerichteten Personalplanung und verzahnt mit einem entsprechenden Karrieremanagement und einer Personalentwicklung, die die Verfugbarkeit eines ausreichenden Substitutionspotentials, bezogen auf die Schllisselpersonen, sicherstellen sol-
Zusatzlich dazu bestehen im ersten Fall weitere Optionen des akuten Krisenmanagements. Durch die Entwicklung und Anwendung konkreter Notfallpldne kann die zur Verfligung stehende Zeit genutzt werden, um die negativen Konsequenzen einer Fluktuation zumindest zu reduzieren. InhaltUch betreffen derartige Notfallplane u.a. die folgenden Aspekte: Verantwortlichkeiten flir den Fall der Ruktuation einer bestimmten Schlusselperson, Vorgabe der einzuleitenden MaBnahmen (z.B. Gesprache liber mogliche Nachfluktuationskooperation, Vereinbarungen liber Einarbeitung eines
^^^ Vgl. MICHEL (2001). '^^^ Vgl. DOYE (2005, S. 41 f) zu einem Ablaufplan (Vorbereitungs-, Transfer und Abschlussphase) zum Erfahrungsaustausch, gleitenden Ubergang und Jobubergabe von einer Person zu einem Nachfolger. ^^^ Vgl. SCHLICHTING (2001). Vgl. Punkt ,,16.3.3.2 Personalentwicklung und Karrieremanagement".
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Risikomanagement und Personal
Nachfolgers) und zeitliche Vorgaben fur die Initiierung und Durchfuhrung der MaBnahmen/^^ 16.3.5 Konzeption eines Formblatt zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen Dieser Punkt schlieBt das Kapitel 16 ab und dient zugleich als zusammenfassende Darstellung des vorangehenden Punktes zu den verschiedenen MaBnahmen zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen. Die in Abb. 46 dargestellten diesbezuglichen Formblatter verstehen sich als die Seiten der Risikodokumentation, die die Formblatter zur Risikoeinschatzung in Abb. 36 komplettieren. Wie bei dem Formblatt zur Risikoeinschatzung wird auch bei dem Formblatt zur Risikohandhabung darauf verwiesen, dass der (hier nicht zu leistende) Prozess der Operationalisierung der einzelnen Elemente und die Ubersetzung in die jeweilige Sprache der Organisation zur Anpassung an die untemehmensspezifischen Anforderungen einen wichtigen Prozess darstellt, um die Risikomanagementaktivitaten mit Leben zu flillen. Anders als bei den oben vorgestellten MaBnahmen der Risikohandhabung, die teilweise praventiven und personenunabhangigen Charakter haben, geht es hier konkret um die Konzeption von MaBnahmen, die auf die spezifische Situation der betreffenden Schlusselperson ausgerichtet sind. Die von den Risikomanagementverantwortlichen bzw. Personalverantwortlichen auszuwahlenden MaBnahmen sollten dabei konsequent aus den Ergebnissen der Risikoeinschatzung und dem bewerteten Handlungsbedarf abgeleitet werden und sich konkret auf die situationsspezifischen Einflussfaktoren des Fluktuationsrisikos der betrachteten Schlusselperson beziehen.
"^^^ Wg\. KORUNA / FREY (2002), S. 37.
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
Handhabung des Fluktuationsrisikos Erlauterungen MaRnahmen der Risikohandhabung • Die Risikohandhabung betrifft grundsatzlich zwei Handlungsfelder, deren MaBnahmen miteinander zu kombinieren sind: 1. MaBnahmen zur Fluktuationsvermeidung durch eine personenspezifische Gestaltung der Austauschbeziehung zwischen der betreffenden Person und der Organisation. Mogliche MaBnahmenbereiche sind: Entgeltgestaltung (Erfolgs- und Kapitalbeteiligungen, betriebliche Altersvorsorge etc.), Personalentwicklung und Karrieremanagement, Gestaltung der Arbeits- und Fiihrungssituation (Arbeitszeit, Arbeitsumfang, Arbeitsinhalt, Arbeitsbeziehungen, Position etc.), Arbeitsvertragsgestaltung (Riickzahlungsklauseln bei PersonalentwicklungsmaBnahmen, Wettbewerbsverbote, Kundigungsfristen, Nachfluktuationskooperation etc.). 2. MaBnahmen zur praventiven Reduzierung des potenziellen Schadens im Fall einer Fluktuation, durch die Entwicklung und Implementierung funktionaler Aquivalente. Mogliche Beispiele sind: Aufbau von Flexibilitatsreserven und Substitutionspotenzialen (Teamstrukturen, Tandemkonzepte, Job Rotation, Mentoring etc.), Wissensmanagement (Transfer des individuellen Wissens in kollektives Wissen, Explizierung impliziten Wissens etc.), Nachfolgeregelungen und Notfallmanagement (Vertretungsplane, Verantwortlichkeiten, einzuleitende Gesprache etc.). • Hinzu kommen kommunikationspolitische MaBnahmen als drittes, ubergreifendes Handlungsfeld. Personalmarketing und diverse Mitarbeitergesprache (Einstellungs-, Beratungs-, Beurteilungs-, Konflikt(losungs)- und Austrittsgesprache) konnen dazu beizutragen, den betreffenden Personen die Vorteilhaftigkeit einer zukiinftigen und dauerhaften Organisationsmitgliedschaft zu verdeutlichen. • Die personenspezifische Konzeption der MaBnahmen ist konsequent aus den Ergebnissen der Risikoeinschatzung und dem bewerteten Handlungsbedarf abzuleiten und setzt direkt an den jeweilig relevanten Einflussfaktoren auf die Relevanz des Fluktuationsrisikos an.
Die Dokumentation der MaBnahmen erfolgt anhand der folgenden Aspekte: Maftnahnie(n): Benennung der MaBnahme(n) und skizzenhafte Erlauterung einzelner Elemente und Verantwortlichkeiten. Zielsetzung: Erlauterung und Begriindung der Zielsetzung der jeweiligen MaBnahmen. Zeitplan: Erstellung eines Zeitplans fur Schritte der Planung, Initiierung, Durchfuhrung und Kontrolle der einzelnen MaBnahmen. Fortschrittskontrolle(n): zu dem festgelegten Termin ist eine FortschrittskontroUe durchzufuhren, deren Ergebnisse sind zu dokumentieren, falls notwendig sind Korrekturen und im Extremfall eine Neukonzeption der MaBnahme vorzunehmen. ErgebnlskontroUe: nach Abschluss der MaBnahme oder zur nachsten planmaBigen Risikoeinschatzung ist eine Ergebniskontrolle durchzufuhren, deren Ergebnisse sind zu dokumentieren, falls notwendig sind Korrekturen und im Extremfall eine Neukonzeption der MaBnahmen vorzunehmen.
Abb. 46: Formblatt zur Handhabung des Fluktuationsrisikos
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Risikomanagement und Personal
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1
S.5/5 1
1 Handhabung des Fluktuationsrisikos von
1
Mannahnie(n)
Zielsetzung
Zeitplan
Abb. 46: Fortsetzung^
Quelle: Eigene Abbildung.
1
Fortschrittskontrolle
Ergebniskontrolle 1
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
_ ^
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17 Zwischenfazit Teil D In den vorliegenden Beitragen zum Risikomanagement, die sich zumindest andeutungsweise mit dem Personalbereich befassen, wird typischerweise auf die Bedeutung des Fluktuationsrisikos insbesondere von Leistungstragem hingewiesen. Dabei gehen die Ausfuhrungen i.d.R. kaum iiber die Betrachtung der Fluktuationsquote, als Kennzahl zur Einschatzung und Handhabung dieses Risikos, hinaus/^^ Bei diesen relativ undifferenzierten und oberflachlichen Betrachtungen bleibt zumeist unklar, welche Aussagekraft eine solche Kennzahl haben kann und soil, die sich zumeist auf die Fluktuationsquote der Gesamtbelegschaft bezieht und die nicht nach einzelnen Werttreibem, Schliisselpersonen oder Hierarchie- und Berufsgruppen differenziert. Unklar bleibt hierbei auch, inwiefem und mit welchen MaBnahmen diesem Risiko begegnet werden kann. Insgesamt fehlt in der Risikomanagementliteratur eine theoretisch fundierte Befassung mit dem Thema Fluktuation von Schliisselpersonen. In der bestehenden Fluktuationsforschung fmden sich zwar theoretisch fundierte und ausgearbeitete Modelle zu Ursachen, Erscheinungsformen, Ablauf und Konsequenzen von Fluktuation. Sie sind aber nicht aus einer Risikomanagementperspektive heraus konzipiert, d.h. sie sind weder systematisch und handlungsorientiert auf die Einschatzung und Handhabung eines potentiell bestandsgefahrdenden Risikos ausgerichtet noch findet sich eine konzeptionelle Einbettung des Fluktuationsrisikos in ein iibergreifendes Risikomanagementsystem bzw. -verstandnis. Bevor konkret auf das Management des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen eingegangen werden konnte, wurde daher in Kapitel 14 („Entwicklung und Aufbau des in der Arbeit verwendeten Ruktuationsmodells") zunachst ein eigenes Fluktuationsmodell entwickelt, mit dem das Fluktuationsgeschehen grundsatzlich aus einer Risikomanagementperspektive interpretiert werden kann. Unterschieden werden grundsatzlich drei Formen der Fluktuation, die potentiell fiir die Aufrechterhaltung und Entwicklung der wertschaffenden Kemprozesse von Bedeutung sind: extra-, intra- und interorganisationale Fluktuation. Das Modell stellt einen Beitrag zur differentiellen Fluktuationsforschung dar und schafft Ansatzpunkte fiir die Einschatzung und Handhabung des Fluktuationsrisikos
759
Eine Ausnahme stellt hierbei KOBI (1999) der, der die Fluktuation von Leistungstragem als eins von vier zentralen Personalrisiken versteht und ausfiihrlich darstellt.
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Risikomanagement und Personal
von Schliisselpersonen, wobei dieses Risiko konzeptionell in einen groBeren Zusammenhang mit anderen Personalrisiken (Motivationsrisiken, Wissensrisiken etc.) gestellt wird. In einer Gesamtkonzeption wurden Einflussfaktoren (individuelle personenbezogene, organisationale und auBerorganisationale) auf Fluktuationsneigung und -realisierung mit dem Ablauf und Prozess des Fluktuationsgeschehens verknupft. Ausgehend von anreiz-beitrags-theoretischen Uberlegungen wurde die Beziehung zwischen Individuum und Organisation hierbei grundsatzlich als eine Austauschbeziehung von materiellen und immateriellen Leistungen verstanden. Diese wird von beiden Seiten hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit bewertet. Aus einer nachteiligen Bewertung resultiert zunachst eine latente Fluktuationsneigung, die aber erst realisiert werden kann, wenn es die Gelegenheit (alternative Jobangebote, Kiindigungsfristen, Arbeitsrecht etc.) dazu gibt. Die Konsequenzen einer moglichen Fluktuation werden aus der ubergeordneten Perspektive des ressourcenorientierten Risikomanagements beziiglich ihrer Implikationen ftir die Moglichkeit zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der wertschaffenden Kemprozesse bewertet. Gegenstand des Kapitel 15 CBestimmung von Schliisselpersonen") ist die Entwicklung eines Modells und dessen Transformation in ein einsatzfahiges Instrument, um aus ressourcenorientierter Perspektive diejenigen Personen(gruppen) zu bestimmen, die flir die (zukiinftigen) Werttreiber und -aktivitaten von besonderer Bedeutung sind. Mogliche diesbezugliche Schliisselpersonen werden in dem Modell anhand von vier Relevanzdimensionen in vier prinzipielle Promotorentypen ausdifferenziert, d.h. eine Person wird hinsichtlich ihrer Auspragungen in diesen vier Kategorien bewertet: Fach-, Macht-, Beziehungs- und Prozesspromotor. Im Rahmen der Einschatzung, inwiefem es sich bei einer Person um eine Schlusselperson handelt, wird die Bedeutung einer Person (als Fach-, Macht-, Beziehungs- und Prozesspromotor) weiterhin hinsichtlich des Wertes und der Einzigartigkeit der jeweiligen Eigenschaften und Fahigkeiten bewertet, wobei die Bewertungen sich einerseits auf die Bedeutung fiir die derzeitigen, andererseits auf die Bedeutung fiir die zukiinftigen KemprozesseAVerttreiber beziehen. Das entwickelte Instrument zur Bestimmung von Schliisselpersonen wird hierbei verstanden als ein zentrales und multifunktionales Instrument der Personalbeurteilung bzw. des gesamten ressourcenorientierten Personalmanagements. Es handelt sich damit nicht nur um ein Instrument im Rahmen des Managements von Fluktuationsrisiken.
Teil D: Fluktuation von Schlusselpersonen
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Neben dem Kapitel 10 („Grundkonzeption eines ressourcenorientierten Risikomanagements") stellt Kapitel 16 („Risikomanagementprozess zum Management des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen") ein weiteres Kemstiick der Arbeit dar. Hier werden die in den vorangehenden Kapiteln erarbeiteten Modelle und Grundlagen konkret auf das Management des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen iibertragen. Die diesbezugUchenrisikomanagementpolitischenFestlegungen zielen, i.S. eines ressourcenorientierten Risikomanagements, grundsatzlich darauf ab, das an Schlusselpersonen gebundene Wissen, deren Fahigkeiten, Motivationen und letztlich deren wettbewerbsrelevante Handlungen fur das Untemehmen (auch im Fall einer Fluktuation) zu erhalten. Fur den konkreten Einsatz ist diese abstrakte Vorgabe zu operationalisieren, d.h. es ist untemehmensspezifisch festzulegen, fur welche Werttreiber das Instrument zum Einsatz kommen soil, fur welchen Personenkreis (Wer ist alles Schllisselperson?) eine derartig differenzierte und aufwendige Betrachtung vorgenommen werden soil und welchen Personen welche Verantwortlichkeiten (Planung, Koordination, Durchfuhrung, KontroUe) hinsichtlich der einzelnen Risikomanagementaktivitaten zugewiesen werden soUen. Im Rahmen der Einschatzung des Fluktuationsrisikos wurden das Fluktuationsmodell und das Schliisselpersonenmodell miteinander verkniipft und in einen konkreten Bewertungsbogen transformiert. Fur die drei moglichen Fluktuationsformen sind jeweils die Wahrscheinlichkeit, die voraussichtlichen Konsequenzen (negative, positive) und schlieBlich der Handlungsbedarf einzuschatzen. Die hier vorstellte Vorgehensweise ist, wie auch die Vorgehensweise bei der Bewertung von Schlusselpersonen, als ein bewusster Gegenentwurf zu methodenfetischistischen und vermeintlich objektive(re)n Verfahren konzipiert. Es handelt sich um eine kriteriengeleitete, begriindungsnotwendige Einschatzung, die ein klares Ergebnis erzeugt und dabei der unvermeidhchen Subjektivitat eines solchen Verfahrens und unterschiedlichen Situationscharakteristika Rechnung tragt. Inhalt, Form und Ergebnis von derartigen, von Menschen konzipierten und angewendeten Verfahren stellen in jedem Fall eine soziale Konstruktion dar. Sie bilden nicht die eine Realitat ab und sind abhangig von der Wahmehmung, den Eigeninteressen und der jeweiligen Machtposition der beteiligten Akteure. Als logische Folge daraus konnen sich diverse Beurteilungsverzerrungen und Urteilstendenzen i.S. einer abweichenden Einschatzung von der herrschenden sozialen Konstruktion, hinsichtlich der Bedeutung bestimmter Personen fur wettbewerbsrelevante Handlungen des Untemehmens, ergeben. Trotz dieser
300
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Fiille an letztlich der Menschlichkeit (!) der beteiligten Akteure geschuldeten Probleme, wird der evtl. naheliegende prinzipielle Verzicht auf derartige Beurteilungsverfahren abgelehnt. Dieser ware gleichzusetzen mit einem grundsatzlichen Verzicht auf den Versuch einer fundierten, systematischen, auf die Unternehmensziele und -prozesse ausgerichteten, planerischen Betatigung und einer zielgerichteten Einflussnahme auf die zukiinftigen Entwicklungen, was hier nicht als eine akzeptable Option angesehen wird: Wer nichts tut, um keine Fehler zu machen, macht den groBten Fehler! Vielmehr geht es darum, in einer offenen und offensiven Herangehensweise, die nicht wunschenswerten Urteilstendenzen soweit wie mogHch zu reduzieren und Wege zu finden, um mit den verbleibenden UnzulangHchkeiten umzugehen. Als zielfiihrende, zu kombinierende Losungsansatze werden diesbezliglich einerseits die offene Thematisierung der Moglichkeiten und Grenzen von Beurteilungsverfahren und andererseits die Schulung von Beurteilungskompetenzen angesehen. MaBnahmen zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen wurden grundsatzlich zwei StoBrichtungen/Handlungsfeldem zugeordnet, die miteinander zu kombinieren sind: (1) MaBnahmen zur Fluktuationsvermeidung durch Gestaltung der Austauschbeziehung zwischen Schlusselperson und Organisation (Entgeltpolitik und gestaltung, Personalentwicklung und Karrieremanagement, Gestaltung der Arbeitsund Fuhrungssituation, Arbeitsvertragsgestaltung), und (2) MaBnahmen zur praventiven Reduzierung des potentiellen Schadens in Folge einer Fluktuation, durch die Entwicklung und Implementierung funktionaler Aquivalente, die die Abhangigkeit des Untemehmens von einzelnen Schlusselpersonen(gruppen) reduzieren sollen (Aufbau von Flexibilitatsreserven und Substitutionspotentialen, Wissensmanagement, Nachfolgeregelungen und Notfallmanagement). Hinzu kommen kommunikationspolitische MaBnahmen als drittes, ubergreifendes Handlungsfeld. Personalmarketing und verschiedene Mitarbeitergesprache
(Einstellungs-, Beratungs-, Beurteilungs-, Kon-
flikt(losungs)- und Austrittsgesprache) konnen und sollen dazu beizutragen, den betreffenden Personen die Vorteilhaftigkeit einer zukiinftigen und dauerhaften Organisationsmitgliedschaft zu verdeutlichen. Die parallele Verfolgung der beiden grundsatzlichen StoBrichtungen macht in gewisser Weise eine bestimmtes AusmaB an Schizophrenic erforderlich: Einerseits werden durch die Anwendung des Schlusselpersonenmodells sichtbar die bedeutsamen Personen als Schlusselpersonen konstruiert und gefordert, andererseits zielen diese MaBnahmen darauf ab, die Personen weniger bedeutend und ersetzbar, sie also mehr zu
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einer Nichtschlusselperson zu machen. Die Vermittlung zwischen diese beiden Positionen stellt eine herausfordernde Gratwanderung fur die Trager der Personalpolitik dar. Herausfordemd erscheinen in diesem Zusammenhang v.a. drei Aspekte: Erstens wird eine konsequente und rigorose Implementierung und Anwendung einer Schliisselpersonenorientierung in der Personalpolitik zu beabsichtigten und unbeabsichtigten Reaktionen der Belegschaft fiihren. Die als Schlusselpersonen bewerteten Personen werden ihren Status erhalten und ausbauen woUen. Nichtschlusselpersonen werden entweder versuchen ebenfalls Schlusselpersonenstatus zu erlangen (iiber gesteigerte Arbeitsleistung, Inszenierung, Mikropolitik etc.) oder sich resignativ in ihr Nichtschlusselpersonendasein ergeben und evtl. ihre Arbeitsleistung mit einer gewissen Frustration auf ein MindestmaB zu senken. Moglich ware es auch, dass die Nichtschlusselpersonen das Untemehmen in der Hoffnung verlassen, woanders einen besseren Status zu erhalten^^ Zweitens wird eine konsequente und rigorose Differenzierung der Belegschaft in Schlusselpersonen und Nichtschlusselpersonen Auswirkungen auf die beiderseitige Zusammenarbeit haben. Um ihren Schlusselpersonenstatus zu erhalten, besteht zunachst fur diese Personen kein Anreiz bzw. es ware sogar fiir den Schlusselpersonenstatus selbstzerstorerisch, die individuellen Fahigkeiten, das Wissen oder die Beziehungen zu depersonalisieren und der AUgemeinheit zuganglich zu machen. Und nur fur einen Teil der Nichtschlusselpersonen besteht, aufgrund von Aufstiegshoffnungen, Arbeitsethik etc., in der intensiven kooperativen Zusammenarbeit mit den Schlusselpersonen ein Anreiz, das eigene, fiir das Untemehmen wettbewerbsrelevante Fahigkeitenpotential so weit wie moglich zu realisieren. Ein anderer Teil der Nichtschlusselpersonen wird dagegen, aufgrund einer Mischung u.a. aus Frustration, Ungerechtigkeitsempfinden, Neid und Prioritatenverschiebung (z.B. in Richtung einer hoheren Freizeitorientierung) nicht das vorhandene Potential voU realisieren und mehr oder weniger offensichtlich und umfangreich die Schlusselpersonen in ihrem Wirken behindem und auflaufen lassen. Aus diesen Ausfuhrungen soUte deutlich geworden sein, dass es ein Ubermafl an Schliisselpersonenorientierung geben kann und eine (grundsatzlich sinnvolle) Schliis-
Aus Sicht eines ressourcenorientierten Risikomanagements ware diese Fluktuation von Nichtschlusselpersonen sogar durchaus wunschenswert, vorausgesetzt, dass die betreffende Person zutreffend als Nichtschlusselperson bewertet wurde.
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Risikomanagement und Personal
selpersonenorientierung, sowohl in der Personalpolitik allgemein als auch speziell beim Risikomanagement, sehr behutsam und mit Fingerspitzengefiihl einzufuhren und zu verfolgen ist. Das bedeutet, dass immer auch die Auswirkungen einer moglichen Schlusselpersonenorientierung auf den sozialen Frieden, die Leistungsfahigkeit und das AusmaB der Realisierung des Fahigkeitenpotentials, bezogen auf die Gesamtheit der Beiegschaft (Schliisselpersonen und Nichtschlusselpersonen), zu beachten und zu berlicksichtigen sind. Daraus folgt z.B., Schlusselpersonenorientierung nicht mit einer bipolaren Weltsicht gleichzusetzen mit Schliisselpersonen auf einen Seite und Nichtschlusselpersonen auf der anderen Seite. Geeigneter erscheint vielmehr, die Schlusselpersonenorientierung bezogen auf ein Kontinuum zu begreifen, an deren Enden jeweils Schliisselpersonen bzw. Nichtschliisselpersonen stehen. Dies eroffnet die Moglichkeit, einerseits zwar hinreichend differenzieren zu konnen, andererseits aber keine zu krasse Zweiklassengesellschaft einzufuhren, die letztlich zu einer starkeren Abhangigkeit von einzelnen Personen fiihren wiirde. Fine zu krasse Zweiklassengesellschaft wiirde bedeuten, nebeneinander lediglich die folgenden Extreme als mogliche Beschaftigungsmuster zuzulassen: auf der einen Seite sichere und langfristige Beschaftigungsverhaltnisse, mit hoher Entlohnung und intensiver Personalentwicklung, und auf der anderen Seite ausschlieBIich prekare Beschaftigungsverhaltnisse, Mindestlohn und keine untemehmensunterstiitzte Personalentwicklung. Drittens ist der Aspekt des Aufbaus und Erhalts von Vertrauen von Bedeutung, der sich zum einen auf das personale Vertrauen zwischen einzelnen Organisationsmitgliedern und zum anderen auf das Systemvertrauen bezieht, d.h. auf das Vertrauen in die Organisation als Ganzes bzw. einzelne Organisationseinheiten. Vertrauen, das allgemein als transaktionskostenreduzierend und kooperationsfordernd angesehen werden kann, motiviert Organisationsmitglieder dazu, auch riskante Vorleistungen und zunachst einseitige Ressourcentransfers zu erbringen. Dies geschieht in der Erwartung, dass ein derartiges Verhalten von dem Profiteur dieses Vertrauensbeweises (einzelne Organisationsmitglieder, die Organisation) nicht opportunistisch ausgenutzt wird und zumindest langfristig durch reziprokes Verhalten und wechselseitiges Vertrauen belohnt wird.^^'
^^^ Vgl. EBERL (2004a); STAEHLE (1999), S. 409 ff.; CURRALL / EPSTEIN (2003), S. 193 ff. Vgl. EBERL (2004b) zur gezielten Entwicklung von organisationalem Vertrauen aus spiel- und attribudonstheoretischer Perspektive.
Teil D: Fluktuation von Schliisselpersonen
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Ein fatales und vertrauenszerstorendes Signal ware es daher, wenn im Rahmen des Risikomanagements z.B. eine Schliisselperson dazu motiviert werden konnte, ihr individuelles wertvoUes und einzigartiges Wissen in kollektives organisationales Wissen zu transferieren und dann der von der Person vertrauensvoll selbst eingeleitete eigene Macht- und Bedeutungsverlust durch die Organisation bzw. andere Organisationsmitglieder opportunistisch ausgenutzt werden wurde (Klindigung, vertragliche Schlechterstellung etc.). Vertrauensbildend und den Wissenstransfer fordernd waren dagegen Selbstverpflichtungen, wie z.B. Jobgarantien auch im Fall einer Rezession.^^^ Die oben darstellten Risikomanagementaktivitaten zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schliisselpersonen (und nicht nur diese) sind daher in einer Mehrperiodenbetrachtung nachhaltig beziehungsorientiert zu konzipieren, um nicht bestehendes Vertrauen bei den Organisationsmitgliedem zu zerstoren, sondem es vielmehr zu stabilisieren und auszubauen.
^^^ Vgl. PICOT / REICHWALD / WIGAND (2003), S. 131 ff.; GUPTA / GOVINDARAJAN (2000), S. 76. Ausfiihrlicher zu Misstrauens- vs. Vertrauenskultur und Aufbau von Vertrauen in Fuhrungssituationen vgl. NIEDER (1997, S. 36 ff.).
Teil E: Fazit
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Teil E: Fazit 18 Zusammenfassung und Bewertung der Arbeit Ziel des 18. Kapitels ist es, einen zusammenfassenden tJberblick iiber Inhalt, Ergebnisse und Mehrwert dieser Arbeit zu geben. Die folgenden Ausfuhrungen erganzen bzw. komprimieren die Kapitel 8 („Zwischenfazit Teil B"), Kapitel 12 („Zwischenfazit Teil C") und Kapitel 17 („Zwischenfazit Teil D"). Die aus einem konstruktivistischen Wissenschaftsverstandnis heraus geschriebene Arbeit verfolgte zwei ubergeordnete Zielsetzungen: (1) Entwicklung eines theoretisch fundierten Konzeptes zum Risikomanagement von und durch Personal im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung und (2) die konkrete Betrachtung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen, als ein zentrales Risiko fiir ein ressourcenorientiertes Risikomanagement. Mit dieser Arbeit, die zugleich einen Beitrag zur theoretischen Weiterentwicklung und Fundierung des resource-based view leisten soil, wird dabei insbesondere aus zwei Griinden Neuland betreten und fur weitere Arbeiten fruchtbar gemacht. Zum einen wird damit eine grundsatzliche und neue Gesamtkonzeption eines allgemeinen Risikomanagements zur Einschatzung, Handhabung und Uberwachung prinzipiell aller Risiken entwickelt, die aus einer ressourcenorientierten Perspektive relevant sind. Hierbei wird die aus ressourcenorientierter Perspektive vielfaltige und elementare RoUe des Personals entsprechend konzeptionell erfasst und in das Grundmodell eines ressourcenorientierten Risikomanagement integriert. Zum anderen wird mit dem Fluktuationsrisiko von Schlusselpersonen ein konkretes und zentrales Einzelrisiko des Risikofeldes Personal, im Rahmen des gesamten Risikomanagements, betrachtet. Dieses Vorgehen stellt einen Spagat zwischen theoretischer Fundierung und praktischer Anwendbarkeit dar und kann, im Vergleich zur vorliegenden Risikomanagementliteratur, in dieser Form als einzigartig angesehen werden. Dieses Vorgehen ist Ausdruck des der Arbeit zugrunde liegenden BWL-Verstandnisses als normative Handlungswissenschaft und versteht sich als ein Beitrag und Deutungsangebot fiir eine theoriegeleitete Praxis. Dabei handelt es sich zwangslaufig um einen Kompromiss zwischen theoretischem Anspruch und wissenschaftlicher Exaktheit auf der einen Seite sowie Praktikabilitat und Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite. Den Ausgangspunkt der Arbeit stellten, wie in Teil B („Risikomanagement im Zuge des KonTraG - eine Bestandsaufnahme") beschrieben, verschiedene nationale
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(KonTraG, TransPuG, Corporate Governance Kodex, lO-Punkte-Programm, UMAG, KapMuG, BilReG) und Internationale (EU-Modemisierungsrichtlinie, lAS-Verordnung, Sarbanes-Oxley Act, Basel II) rechtliche Vorgaben dar, die im Untemehmensbereich auf mehr Transparenz und Kontrolle abzielen und Untemehmen explizit zum Risikomanagement verpflichten (KonTraG). Die rechtlichen Vorgaben bleiben relativ vage und unbestimmt und bediirfen und erfahren der Interpretation und Operationalisierung. Risikomanagement wird daher, und dabei handelt es sich diesbeziiglich um eine neue Perspektive, als dynamische Konstruktion in und durch Theorie und Praxis verstanden und analysiert. Akteure sind in diesem Zusammenhang insbesondere Wirtschaftswissenschaftler, Wirtschaftspriifer, Controller, Beratungen, Vertreter der Internen Revision und deren Standesorganisationen (IDW, IIR, DRSC etc.), die in einem Prozess der Interaktion und Kommunikation eigene Denkmuster und normative Vorgaben entwickeln und diese bei anderen durchzusetzen versuchen. Insgesamt handelt es sich hierbei i.d.R. um eine theoriearme, „technokratisch-hemdsarmlige" Herangehensweise. Bis auf vereinzelte Ausnahmen bleibt der Bereich Personal und Personalmanagement vemachlassigt oder unbeachtet bzw. es werden isoliert personalbezogene Einzelrisiken betrachtet. Eine systematische Verkniipfung von Risikomanagement und Personal erfolgt nicht. Eine derartige Vemachlassigung und isolierte Beriicksichtigung des Personalbereichs im Rahmen des gesamten Risikomanagements ist unvollstandig. Sie fuhrt dazu, dass die iibergreifende Rolle des Personals sowohl hinsichtlich des Vorliegens und der Auspragung anderer Risiken (z.B. Finanzrisiken, Qualitatsrisiken) als auch hinsichtlich der Identifikation und Handhabung anderer Risiken nur unzureichend beriicksichtigt wird. Erfolg und Misserfolg eines derartig „menschenleeren" Risikomanagements bleiben im Wesentlichen zufallig. Gegenstand des Teils C („Theoretische Fundierung des Risikomanagements aus ressourcenorientierter Perspektive") war es daher, in einer neuartigen und eigenen Konzeption, Risikomanagement in den Ansatz einer ressourcenorientierten Unternehmensfuhrung einzubetten und hierbei die besondere Rolle des Personals/der Humanressourcen konzeptionell zu berlicksichtigen. Ressourcenorientiertes Risikomanagement wurde in dieser Arbeit definiert und konzipiert als Gesamtheit aller organisatorischen MaBnahmen zur Risikoerkennung und zum Umgang mit den Risiken untemehmerischen Handelns. Risiken wurden aus dieser Perspektive verstanden als moglicher Verlust und das Nichtvorhandensein von am
Teil E: Fazit
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Markt nachgefragten KemkompetenzenZ-produkten und die Nichtdisponierbarkeit uber die zugehorigen jeweiligen Ressourcen. Zur Analyse und Bewertung der Wettbewerbs- und Risikosituation eines Untemehmens wurde zwischen einer Potentialehene (Wert und Einzigartigkeit der Ressourcen und Fahigkeiten) und einer Realisationsebene (AusmaB der Realisierung des Fahigkeitenpotentials durch Personal und Organisation) unterschieden. Durch diese Unterscheidung wurden die besondere und ambivalente RoUe der Personals, sowohl als Akteur und Trager der Risikomanagementaktivitaten als auch als Ursache und Verursacher von Risiken, und die damit verbundenen Probleme und Herausforderungen (Intransparenzen, Informationsprobleme, Eigenhandeln der Subjekte) konzeptionell im Risikomanagementmodell beriicksichtigt. Als logische Konsequenz aus dem den jeweiligen Eigeninteressen folgenden Eigenhandeln der Subjekte, sind Ausgestaltung, Bedeutung und Konsequenzen eines Risikomanagementsystems als endogene Variablen zu verstehen, abhangig von den jeweiligen Interessens- und Machtkonstellationen. Es gibt kein interessensneutrales und objektives Risikomanagement, obwohl es i.d.R. das Bestreben der verantwortlichen Akteure sein wird, es aus machtpolitischen und legitimationsorientierten Grunden genau als solches erscheinen zu lassen. Die prinzipiellen Optionen der Risikohandhabung (Vermeidung, Reduzierung, Uberwalzung, Selbsttragen) wurden auf die einzelnen Phasen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung bezogen und aus ressourcenorientierter Perspektive inhaltlichlogisch ausgerichtet: (1) Strategische Disposition iiber Ressourcen und Fahigkeiten, (2) Beschaffung von Ressourcen und Fahigkeiten, (3) ErschlieBung, Kombination, Transformation und Entwicklung von Ressourcen und Fahigkeiten, (4) Absatz von Kemprodukten und -leistungen. Neu an dieser Vorgehensweise ist insbesondere, neben der expliziten theoretischen ressourcenorientierten Ausrichtung, dass auch die strategische Positionierung selbst zum Gegenstandsbereich des Risikomanagements gemacht wird. Damit setzt diese Konzeption friiher und grundsatzlicher an als die typischen Beitrage in der Risikomanagementliteratur, die sich im Wesentlichen mit konkreten Einzelrisiken auf der operativen Ebene befassen. Die Herausforderung im Rahmen der diesbezuglichen Risikohandhabung besteht v.a. in der Gmtwanderung, einerseits untemehmensspezifische Ressourcen und Fahigkeiten zu entwickeln und zu erhalten sowie durch bestinmite organisatorische Pfade gegeniiber den Wettbewerbem Kosten- und Imitationsbarrieren aufzubauen, andererseits aber zugleich eine strategische und operative Rexibilitat (durch Modularisierung der Produkte und Produktion,
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Produktdiversifikation, Allianzmanagementkompetenz etc.) zu entwickeln und zu erhalten, um nicht in die Situation bestandsgefahrdender Lock-ins zu geraten. Risikomanagementaktivitaten konnen sich hierbei nicht nur auf das eigene Untemehmen beschranken, da Lieferengpasse, Insolvenzen, Qualitatsprobleme, Abhangigkeiten etc. bei vorgelagerten und nachgelagerten Wertketten ebenfalls von grundsatzlicher Bedeutung ftir ein Untemehmen sind. MaBnahmen der Risikohandhabung (Qualitatskontrollen, Standardisierung, Vertragsgestaltung, Schnittstellenmanagement etc.) sind daher zu konzipieren in dem spezifischen untemehmensiibergreifenden und institutionellen Kontext und beziehen sich auch auf die Risiken, die sich aus der Koevolution und gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und Fahigkeiten mit anderen Marktteilnehmem ergeben konnen. Die Risikomanagementprozessphase der Risikodokumentation wurde im libergreifenden Kontext des Controllings von Risiken und Risikomanagement betrachtet, welche, neben dem Aspekt der Dokumentation und entscheidungsorientierten Aufbereitung risikomanagementrelevanter
Informationen, auch die Kontrolle, Koordination und
Uberwachung der Risikomanagementaktivitaten umfasst. Im Rahmen der Implementierung eines ressourcenorientierten Risikomanagementsystems sind die bestehenden Controllingstrukturen und Informationssysteme auf die einzelnen Phasen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung (s.o. Risikohandhabung) auszurichten bzw. diesbezuglich neu zu entwickeln. Ein zentraler Punkt, an dem sich ein grundlegendes Problem des resource-based view zeigt, betrifft die folgenden zwei Fragen: Inwiefern konnen aufgrund der Informationsprobleme und Eigeninteressen der beteiligten Akteure uberhaupt risikomanagementrelevante Informationen angemessen erfasst und kommuniziert werden? Inwiefern sollen sie uberhaupt erfasst und kommuniziert werden, um bestehende oder kiinftige Wettbewerbsvorteile nicht zu gefahrden und insbesondere das implizite Wissen des Untemehmens zu schlitzen? Prinzipiell bleibt damit die Abbildung der Risiken im Risikomanagementinformationsystem in einem gewissen AusmaB immer unvollstandig und unzulanglich, was sowohl mit Vorteilen als auch Nachteilen verbunden ist. Die Gratwanderung, einerseits die fur die Durchfuhrung der Risikomanagementaktivitaten erforderlichen Informationen zu generieren, ohne dadurch anderseits Wettbewerbsvorteile des Untemehmens zu gefahrden, stellt eine permanente Herausfordemng und ein nicht gmndsatzlich losbares Problem fur die Risikomanagementverantwortlichen dar.
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Neben eher „technischen" und formalen Bestandteilen (Strukturen, Instrumente, Festlegung von Schwellenwerten etc.) des Risikomanagementsystems kommt der Schaffung einer so genannten Risikomanagementkultur als Rahmenbedingung und Ausdruck risikoangemessenen Verhaltens eine zentrale Bedeutung zu. Risikoangemessenes Verhalten ist voraussetzungsvoU und lasst sich nicht allein durch die Implementierung formaler Strukturen erzwingen. Es umfasst neben den im Fokus der Literatur stehenden organisatorischen Gesichtspunkten v.a. auch die zumeist vemachlassigten motivationalen Aspekte (das Wollen) und Kompetenzaspekte (das Konnen) und betrifft damit auch die in einem Untemehmen dominierenden und nicht unmittelbar beobachtbaren Grundpramissen und Werte. Aus konstruktivistischer Perspektive kommt insbesondere dem organisationalen Diskurs iiber mogliche Risiken und angemessene MaBnahmen der Risikoeinschatzung und -handhabung eine besondere Bedeutung zu. Eine zentrale Gratwanderung besteht darin, die Mitarbeiter bezuglich moghcher Risiken, als Folgen des eigenen Handelns, zu sensibilisieren und dabei weder eine Planbarkeits- und Sicherheitsillusion zu erzeugen noch ein paralysierendes Ohnmachtgefuhl bei den Mitarbeitem hervorzurufen, welches sie handlungsunfahig machen wurde. Die Anwendung des entwickelten allgemeinen Grundmodells eines ressourcenorientierten Risikomanagements auf ein zentrales Risiko des Risikofeldes Personal erfolgte in Teil D („Fluktuation von Schliisselpersonen"). Betrachtet wurde konkret das Fluktuationsrisiko von Schliisselpersonen, d.h. der Personen, die fur die Aufrechterhaltung, Durchfuhrung und Weiterentwicklung der (zukiinftigen) wertschaffenden Kemprozesse und der daraus resultierenden KemprodukteZ-leistungen von besonderer Bedeutung sind. Zunachst wurde zum einen ein eigenes Fluktuationsmodell entwickelt, mit dem das Fluktuationsgeschehen (Einflussfaktoren, Ablauf, Konsequenzen) aus einer Risikomanagementperspektive interpretiert werden kann. Ausgehend von anreiz-beitragstheoretischen (Jberlegungen wurde die Beziehung zwischen Individuum und Organisation hierbei grundsatzlich als eine Austauschbeziehung von materiellen und immateriellen Leistungen verstanden. Unterschieden wurden grundsatzlich drei Formen der Fluktuation, die potentiell fiir die Aufrechterhaltung, Durchfuhrung und Weiterentwicklung der wertschaffenden Kemprozesse von Relevanz sind: extra-, intra- und interorganisationale Fluktuation. Das entwickelte Modell stellt einen Beitrag zur dijferentiellen Fluktuationsforschung dar und ist inhaltlich-konzeptionell eingebettet in das gesamte Risikomanagement. Das Modell geht damit iiber die vorliegenden Beitrage
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der Literatur zum Themenfeld Fluktuation hinaus, die sich v.a. mit potentiellen Fluktuationsursachen befassen und weniger mit den Konsequenzen der Fluktuation fiir ein Untemehmen sowie mit konkreten MaBnahmen und individuumsorientierten Ansatzen, um proaktiv mit diesem Risiko umzugehen. Zum anderen wurde ein eigenes Schliisselpersonenmodell
konstruiert und in ein
einsatzfahiges Instrument zur differenzierten Identifikation und Bewertung von Schltisselpersonen aus ressourcenorientierter Perspektive transformiert. Unterschieden wurden vier mogliche Schliisselpersonentypen: Fach-, Macht-, Beziehungs- und Prozesspromotor. Die Bewertung und Bestimmung der jeweiligen Schliisselpersonenauspragung erfolgte anhand der beiden Kriterien „Wert" und „Einzigartigkeit" der spezifischen Eigenschaften und Fahigkeiten einer Person, bezogen auf ihre Bedeutung fiir die derzeitigen und zuktinftigen Kern- und Untersttitzungsprozesse bzw. Werttreiber und Wertaktivitaten. Durch die inhaltlich-konzeptionelle Einbettung des Schlusselpersonenansatzes in den Ansatz der ressourcenorientierten Untemehmensflihrung wurde dadurch zugleich ein Beitrag zur theoretischen Fundierung und Weiterentwicklung des Schlusselpersonenansatzes geleistet. Das Instrument zur Bestimmung von Schltisselpersonen wird hierbei als ein zentrales und multifunktionales Instrument der Personalbeurteilung bzw. des gesamten ressourcenorientierten Personalmanagements verstanden. SchlieBlich wurden die erarbeiteten Modelle und Grundlagen auf die Risikomanagementpolitik und die einzelnen Phasen des Risikomanagementprozesses (Einschatzung, Handhabung, Dokumentation) hinsichdich des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen ubertragen. Die hier gewahlte Vorgehensweise ist, wie auch die Vorgehensweise bei der Bewertung von Schltisselpersonen, als ein bewusster Gegenentwurf zu methodenfetischistischen, komplexen und vermeindich objektive(re)n Verfahren konzipiert. Es handelt sich um eine kriteriengeleitete, begrtindungsnotwendige Einschatzung, die ein klares Ergebnis erzeugt und dabei der unvermeidlichen Subjektivitat eines solchen Verfahrens und unterschiedlichen Situationscharakteristika Rechnung tragt. Trotz einer Vielzahl moglicher Beurteilungsverzerrungen und Urteilstendenzen, aufgrund der jeweiligen begrenzten und subjektiven Rationalitaten und Eigeninteressen der beteiligten Akteure, wird dieses Vorgehen insgesamt als ein geeignetes Verfahren zur Risikoeinschatzung angesehen. Als Ansatze zur Reduzierung der verbleibenden Unzulanglichkeiten des Verfahrens wurden einerseits die offene Thematisierung der Moglichkeiten und Grenzen von Beurteilungsverfahren und andererseits die
Teil E: Fazit
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Schulung voPx Beuiteilungskompetenzen vorgestellt, die dazu beitragen konnen, die erforderliche organisatorische und personelle Reife fiir ein solches Verfahren zu entwickeln. Insgesamt wurden drei Handlungsfelder unterschieden, denen die verschiedenen Ma6nahmen zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen zugeordnet werden konnen: (1) Kommunikationspolitik zur zielgerichteten und systematischen Einflussnahme auf die Wahmehmung der Schlusselperson der (zukiinftigen) Austauschbeziehung, insbesondere hinsichtlich der Personalbeschaffung und -selektion, der Kommunikation der Untemehmensstrategie und -struktur v.a. in Phasen der Krise und Umstrukturierung sowie im Rahmen von Mitarbeitergesprachen; (2) die Gestaltung der Austauschbeziehung zur Vermeidung einer Fluktuation, d.h. zur Verringerung der Fluktuationswahrscheinlichkeit uber eine entsprechende Entgeltpolitik und gestaltung, Personalentwicklung und Karrieremanagement, die Gestaltung der unmittelbaren Fuhrungs- und Arbeitssituation sowie Arbeitsvertragsgestaltung; (3) die Entwicklung und Implementierung funktionaler Aquivalente zur praventiven Reduzierung des potentiellen Schadens durch eine Fluktuation, d.h. durch den Aufbau von Flexibilitatsreserven und Substitutionspotentialen, die Implementierung entsprechender Wissensmanagementsysteme sowie durch Nachfolgeregelungen und Notfallmanagement. Die parallele Verfolgung der beiden grundsatzhchen StoBrichtungen der MaBnahmen zur Handhabung des Fluktuationsrisikos von Schlusselpersonen macht in gewisser Weise ein bestimmtes AusmaB an Schizophrenic erforderlich: Einerseits werden durch die Anwendung des Schliisselpersonenmodells sichtbar die bedeutsamen Personen als Schlusselpersonen konstruiert und gefordert, andererseits zielen diese MaBnahmen darauf ab, die Personen weniger bedeutend und damit ersetzbarer, sie also mehr zu einer Nichtschlusselperson zu machen. Die Vermittlung zwischen diesen beiden Positionen stellt eine herausfordemde Gratwanderung fur die Trager der Personalpolitik und die Risikomanagementverantwortlichen dar. Als grundsatzliche Voraussetzungen fur eine erfolgreiche Implementierung und Anwendung der MaBnahmen der diesbeziiglichen Risikohandhabung werden vorrangig zwei Aspekte angesehen. Zum einen soUte eine Schliisselpersonenorientierung in der Personalpolitik behutsam und mit Fingerspitzengefuhl eingefiihrt werden, ohne dass durch eine zu radikale, bipolare Segmentierung der Belegschaft in Schlusselpersonen und Nichtschlusselpersonen die Kooperationsbereitschaft der beteiligten Akteure in einem kritischen AusmaB reduziert und der soziale Frieden im Untemehmen gefahrdet wird. Zum anderen kommt dem
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Aufbau und Erhalt von Vertrauen eine zentrale Bedeutung zu, so dass Schliisselpersonen u.a. dazu motiviert werden konnen, ihr personenbezogenes wertvolles und einzigartiges Wissen in kollektives Wissen zu transformieren und damit (zumindest zunachst) ihren Schliisselpersonenstatus selbst zu degradieren.
19 Schlussbetrachtung und Ausblick Dem Personal (Mitarbeiter, Ftihrungskrafte, Management) kommt eine zentrale und doppelte Rolle im Rahmen einer ressourcenorientierten Untemehmensfuhrung zu. Einerseits stellen die Humanressourcen aufgrund ihrer Kenntnisse, Qualifikationen etc. selbst eine Ressource im strategischen Vermogen eines Untemehmens dar. Andererseits disponieren sie iiber sich und den Erwerb, die ErschlieBung, Verkniipfung und Entwicklung von anderen Ressourcen und Fahigkeiten. Entsprechend notwendig ist es, Personal sowohl als Akteur von Risikomanagementaktivitaten als auch als moglichen Verursacher von Risiken bzw. selbst als Risiko zu begreifen und im Rahmen des Risikomanagements zu beriicksichtigen. In der bestehenden, von Controllem dominierten Risikomanagementliteratur werden Bedeutung und Besonderheiten des Personals sowie die daraus resultierenden Probleme und Herausforderungen nicht einmal ansatzweise angemessen berticksichtigt. Gleichzeitig ist festzustellen, dass fiir die Personaler in Theorie und Praxis Risikomanagement (i.S. des KonTraG) derzeitig noch kein relevantes Thema und Handlungsfeld darstellt. Zur Realisierung eines effizienten und effektiven Risikomanagementsystems erscheint es daher unbedingt notwendig, dass es zu einer Annaherung, Kooperation und zu einem neuen Selbstverstandnis beider Seiten kommt. Fiir die derzeitigen Akteure des Risikomanagements bedeutet dies, den Personalbereich und die damit verbundenen Probleme und Herausforderungen als einen integralen und relevanten Bestandteil der eigenen risikomanagementbezogenen Denk- und Handlungsmuster zu machen, statt weiterhin die Menschlichkeit zu ignorieren, zu tabuisieren und sie aus den Risikomanagementkonzeptionen zu verbannen. Neben der dazu erforderlichen Aufgeschlossenheit und dem Willen dazu fehlt es an diesbeztiglicher Kompetenz. Das Personal ist keine Ressource wie andere, da es eigene Interessen verfolgt, agiert und reagiert. Kompetenz, die die Transformation des Arbeitsvermogens in Arbeitsleistung betrifft, wird grundsatzlich am ehesten bei den Tragern der Personalarbeit und beim Personalmanagement zu finden sein. Diese gilt es starker als bisher einzubeziehen und es der
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Personalfunktion zu erlauben, explizit und proaktiv zu einem unternehmenspolitisch relevanten Akteur zu werden. Voraussetzung hierfur ist allerdings, dass das Personalmanagement Themen wie Risiken und Risikomanagement, untemehmensstrategische Bedeutung des Personals etc. als einen relevanten Zustandigkeits- und Kompetenzbereich begreift, entwickelt und sich entsprechend einbringt. Dies wird vielfach eine Neupositionierung des eigenen Selbstverstandnisses erforderlich machen und eine Emanzipation aus dem (selbstgewahlten und zugewiesenen) Ghetto eines traditionellen Verstandnisses, demzufolge Personaler letztlich ErfuUungsgehilfen der Untemehmensfuhrung auf operativer Ebene darstellen, ohne substantiellen Einfluss auf die strategische Ausrichtung der Untemehmensfuhrung. Eine solche Neuausrichtung aller beteiligten risikomanagementrelevanten Akteure ist allerdings nicht nur eine Frage des Selbstverstandnisses und guter Argumente, sondem letztlich geht es auch immer um Macht- und Einflussbereiche, Zugriffs- und Verfiigungsrechte iiber Ressourcen, Status etc. Daher ware es illusorisch anzunehmen, dass die das Themenfeld Risikomanagement derzeitig dominierenden Gruppen (Controlling, Interne Revision, Finanzwesen) ohne weiteres ihren Zustandigkeitsbereich und ihre diesbezugliche Deutungshoheit aufgeben bzw. diese substantiell selbst beschneiden wiirden. Dass sich das Personalmanagement zu einem tatsachlich mitgestaltenden Akteur im Rahmen der Untemehmensfuhrung entwickeln kann und dass personalbezogene Aspekte angemessen sowohl allgemein im Denken und Handeln der Akteure als auch spezifisch im Risikomanagement verankert werden, wird nicht kurzfristig zu erreichen sein, sondem braucht Beharrlichkeit und konzeptionelle Substanz. Die vorliegende Arbeit soil dazu beitragen, zum einen eine inhaltlich-konzeptionelle Briicke zwischen den beiden bislang getrennten Handlungs- und Erortemngsfeldem Risikomanagement und Personal zu bauen. Damit ist diese Arbeit zu verstehen einerseits als ein Beitrag der Aufklamng, der den betroffenen Akteuren die (eigenen) Grenzen der Gestaltbarkeit der Zukunft verdeutlichen soil, andererseits als ein Beitrag der Ermutigung, in Kenntnis aller Probleme und Herausfordemngen, trotzdem verantwortungsvoll das Mogliche zu versuchen. Zum anderen soil durch diese Arbeit ein soUdes theoretisches Fundament fur weitere Arbeiten im Themenfeld „Risikomanagement und Personal" geschaffen werden. Risikomanagement stellt, im wahrsten Sinne des Wortes, ein hoch relevantes Zukunftsthema dar, das mit dem Inkrafttreten von Basel II (vorgesehen fiir Ende 2006) einen weiteren Relevanzschub erfahren wird. Umfassende und konsequente Risikomanage-
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Risikomanagement und Personal
mentkonzeptionen, die die Rolle des Personals angemessen beriicksichtigen, haben bislang allerdings nur ansatzweise den Unternehmensalltag durchdrungen, d.h. sie liegen entweder bislang noch nicht vor oder sie materialisieren und manifestieren sich, insbesondere bei kleinen und mittleren Untemehmen, noch nicht in systematisch und professionell gestalteten Risikomanagementaktivitaten. Daher bleibt das Thema Risikomanagement und Personal auch und gerade nach dieser Arbeit ein wichtiges Erorterungs- und Betatigungsfeld fiir Experten und Verantwortungstrager in den Bereichen Personal und Risikomanagement in Theorie und Praxis.
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