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German Pages 228 Year 2008
Tobias E. Haber Resistenz gegenüber Innovationen
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriftenreihe des Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung Universität Mannheim Herausgegeben von Professor Dr. Hans H. Bauer, Professor Dr. Dr. h.c. Christian Homburg und Professorin Dr. Sabine Kuester
Das Institut für Marktorientierte Unternehmensführung (IMU) wurde 1999 an der Universität Mannheim neu konstituiert. Das Institut ist durch Umbenennung aus dem ehemaligen Institut für Marketing entstanden. Es versteht sich als Plattform für anwendungsorientierte Forschung sowie als Forum des Dialogs zwischen Wissenschaft und Praxis. Ziel dieser Schriftenreihe ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu publizieren, die für die marktorientierte Unternehmensführung von Bedeutung sind.
Tobias E. Haber
Resistenz gegenüber Innovationen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hans H. Bauer
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Mannheim, 2007
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Loyal Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0959-6
Geleitwort Die außerordentliche Relevanz von Innovationen ist unumstritten. Eine hohe Innovationstätigkeit impliziert jedoch auch erhebliche Risiken. So scheitern neue Produkte häufig am Markt. Umso mehr verwundert es, dass die Aufdeckung der Gründe des Scheiterns neuer Produkte bisher nicht stärker im Forschungsfokus stand. Als ein potenzieller Grund für die hohe Floprate wird in der Marketingforschung die Resistenz der Konsumenten gegenüber Innovationen angesehen, jedoch existieren bis dato kaum Forschungsarbeiten, die sich intensiv mit diesem Phänomen auseinandersetzen. Tobias E. Haber folgt der Forderung der Unternehmenspraxis nach einer umfassenderen Durchdringung dieses Themas und leistet durch seine Dissertation einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Erkenntnisstandes zu diesem Untersuchungskomplex. Der Autor entwickelt auf der Grundlage umfangreicher empirischer Erhebungen mit mehr als 2000 Probanden ein Modell zur Messung der Innovationsresistenz. Hierdurch gelingt es Unternehmen frühzeitig eine Risikobewertung ihrer Innovationen vorzunehmen. Zudem konzipiert der Autor ein DreiFaktoren-Modell der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen und deckt so anhand von drei empirischen Studien asymmetrische Effekte bei der Einstellungsbildung von Konsumenten gegenüber Innovationen auf. Tobias E. Haber identifiziert und differenziert dabei Resistenzinhibitoren, Hybridfaktoren sowie Akzeptanzpromotoren bei Innovationen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse liefern der Praxis wichtige Ansatzpunkte für ein effektiveres Innovationsmanagement. Darüber hinaus entwickelt er ein Kausalmodell zur Erklärung von aktivem Konsumentenwiderstand gegen Innovationen und gibt der Unternehmenspraxis dadurch Anregungen zur Vermeidung von aktiver Innovationsresistenz z.B. in Form von negativem Word-Of-Mouth. Insgesamt präsentiert der Verfasser eine hervorragende Forschungsarbeit. Wichtige und für das Innovationsmanagement relevante Forschungsfragen wurden mit großer methodologischer und theoretischer Güte beantwortet.
V
Tobias E. Haber liefert insbesondere mit der Entwicklung seines DreiFaktoren-Modells einen wichtigen originären Beitrag zur Resistenz- bzw. Akzeptanzforschung. Der Arbeit ist eine weite Verbreitung in Wissenschaft und Praxis zu wünschen.
Hans H. Bauer
VI
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing II der Universität Mannheim. Sie wurde im Winter 2007 als Dissertationsschrift durch die Fakultät für Betriebswirtschaftslehre angenommen. Nach dem erfolgreichen Abschluss meiner Promotion will ich mich bei allen Personen herzlich bedanken, die direkt oder indirekt zu diesem Erfolg beigetragen haben. Zuerst gilt mein Dank meinem Doktorvater Professor Dr. Hans H. Bauer. Er hat mich während meiner Lehrstuhlzeit zielgerichtet gefordert und so umfassend gefördert. Insbesondere sein bemerkenswerter Intellekt und seine soziale Kompetenz haben mich immer wieder begeistert. Durch das von ihm geschaffene einzigartige Arbeitsumfeld habe ich fachlich und persönlich enorm profitiert. Für die bereitwillige Übernahme und zügige Erstellung des Koreferates zu meiner Arbeit möchte ich mich zudem bei Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Christian Homburg bedanken. Beim „Hub“ des Lehrstuhls - Christa-Maria Elwart, Monika Ortlieb und Marlies Schlicksupp - will ich mich für die immer herzliche Unterstützung bedanken. Mein Dank richtet sich darüber hinaus an meine ehemaligen Kollegen Carmen-Maria Albrecht, Melchior D. Bryant, Tobias Donnevert, Stefanie Exler, Dr. Tomas Falk, Dr. Gunnar Görtz, Daniel Heinrich, Dr. Frank Huber, Dr. Maik Hammerschmidt, Dr. Marcus M. Neumann, Dr. Ralf Mäder, Anja Schüle, Dr. Nicola Stokburger-Sauer, Dr. Tina Reichardt und Dr. Alexandra Valtin. Des Weiteren danke ich allen meinen ehemaligen Famulanten, insbesondere Achim Botzenhardt, Nino Bergfeld und Sabine Eckardt. Einen maßgeblichen Beitrag zu meinem damaligen Entschluss an diesem Lehrstuhl zu promovieren trägt Dr. Mark Grether. Hierfür danke ich ihm herzlich. Bei Nino Bergfeld und Marten Bökamp will ich mich nicht nur für ihren enormen Einsatz bei all meinen empirischen Projekten bedanken; bei Dr. Gunnar Görtz, Dr. Maik Hammerschmidt und Dr. Tomas Falk nicht nur für die zahlreichen und anregenden Diskussionen. Ein großes Dankeschön geht zudem an Leo Fender und Jim Marshall für den musikalischen Ausgleich während meiner Promotion. VII
Besonders will ich aber meinen Freunden Daniel, Frank, Marcus und Melchior für die fantastische Zeit am und auch außerhalb unseres Lehrstuhls danken. Ich werde die gemeinsame Zeit mit Ihnen am Lehrstuhl vermissen und freue mich auf unseren zukünftigen Weg. Meiner Freundin Carmen-Maria danke ich aus ganzem Herzen für all ihre aufopferungsvolle Unterstützung während meiner Dissertationserstellung. Ich schätze ihren wachen Geist und ihr liebevolles, einzigartiges Naturell. Ohne meine Tätigkeit am Lehrstuhl hätten wir uns wahrscheinlich nie getroffen. Auch deshalb war dies eine der besten Entscheidungen meines bisherigen Lebens. Mein größter Dank gilt meiner wunderbaren Familie und dabei insbesondere meinen Eltern, die mich immer in einzigartiger Weise unterstützt haben. Ihnen möchte ich diese Arbeit widmen.
Tobias E. Haber
VIII
Inhaltsverzeichnis Geleitwort ......................................................................................................... V Vorwort ........................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis........................................................................................... IX Abbildungsverzeichnis ................................................................................ XIII Tabellenverzeichnis...................................................................................... XV Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XIX
I
II
Einleitung ................................................................................................... 1 1
Zur Bedeutung der Resistenz gegenüber Innovationen ........................ 1
2
Ziele der Arbeit....................................................................................... 2
3
Aufbau der Arbeit ................................................................................... 4
Einordnung des Forschungsvorhabens in die Innovationstheorie ...... 6 1
Zum Innovationsbegriff .......................................................................... 6
2
Diffusion und Adoption von Innovationen .............................................. 9
III Messung der Resistenz gegenüber Innovationen ................................ 14 1
Ziel und Vorgehensweise .................................................................... 14
2
Bestandsaufnahme der Literatur ......................................................... 15 2.1 Zum Begriff Resistenz.................................................................. 15 2.1.1
Zum Begriff Resistenz außerhalb der BWL ..................... 15
2.1.2
Zum Begriff Resistenz innerhalb der BWL ....................... 17 2.1.2.1 Überblick ............................................................ 17 2.1.2.2 Resistenz gegenüber Veränderungen im organisationalen Kontext .................................... 17 2.1.2.3 Resistenz als Verhalten im Marketingkontext .... 22 2.1.2.4 Resistenz gegenüber Innovationen .................... 38
IX
2.2 Zum Begriff Akzeptanz................................................................. 46 2.2.1
Zum Begriff Akzeptanz außerhalb der BWL .................... 46
2.2.2
Zum Begriff Akzeptanz innerhalb der BWL ...................... 47
2.3 Zusammenfassung des Erkenntnisbeitrags der ausgewerteten Literatur ............................................................... 53 3
Qualitative Vorstudie ............................................................................ 55
4
Konzeptualisierung und Operationalisierung der Resistenz gegenüber Innovationen ...................................................................... 58
5
Hauptuntersuchung ............................................................................. 62 5.1 Vorgehensweise .......................................................................... 62 5.2 Zur gewählten Erhebungsmethode und Stichprobenbeschreibung ............................................................ 64 5.3 Zur Gütebeurteilung von Konstruktmessungen ........................... 67 5.3.1
Grundlegende Aspekte .................................................... 67
5.3.2
Gütekriterien der ersten Generation................................. 69
5.3.3
Gütekriterien der zweiten Generation .............................. 71
5.4 Beurteilung der Messung der Resistenz gegenüber Innovationen anhand des Hauptsamples 1 ................................. 75 5.5 Beurteilung der Stichprobenunabhängigkeit der Messung anhand des Hauptsamples 2 ....................................... 79 5.6 Beurteilung der zeitlichen Konsistenz der Messung anhand des Retestsamples ......................................................... 80 6
Zusammenfassung .............................................................................. 82
IV Asymmetrische Effekte bei der Entstehung von Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene ...... 84 1
Ziel und Vorgehensweise .................................................................... 84
2
Theoretisch-konzeptionelle Bezugspunkte .......................................... 86 2.1 Grundlagen des Kano-Modells der Kundenzufriedenheit und deren Beitrag zur Arbeit ........................................................ 86
X
2.2 Innovationsspezifische Adoptionsfaktoren nach Rogers und deren Beitrag zur Arbeit ........................................................ 93 2.3 Die Theorie des Wahrgenommenen Risikos und deren Beitrag zur Arbeit ........................................................ 96 2.4 Zusammenfassung und Diskussion des Erkenntnisbeitrags der theoretisch-konzeptionellen Bezugspunkte ........................... 99 3
Empirische Untersuchung .................................................................. 103 3.1 Grundlagen zur multiplen Regressionsanalyse mit Dummy-Variablen ................................................................ 103 3.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung ............................... 107 3.2.1 Analyse auf asymmetrische Effekte am Beispiel der Innovation „biometrische EC-Karte“ ............. 107 3.2.2 Analyse auf asymmetrische Effekte am Beispiel der Innovation „Multimedia Plattform“ ................ 114 3.2.3 Analyse auf asymmetrische Effekte am Beispiel der Innovation „Nanomilch“ ................................ 118
4
Zusammenfassung ............................................................................ 122
V Ein Modell zur Erklärung der aktiven Resistenz gegenüber Innovationen ....................................................................... 125 1
Ziel und Vorgehensweise .................................................................. 125
2
Theoretische Bezugspunkte der Untersuchung................................. 126 2.1 Die Theory of Reasoned Action und deren Beitrag zur Arbeit ...................................................... 126 2.2 Die Reaktanztheorie nach Brehm und deren Beitrag zur Arbeit ...................................................... 130 2.3 Die Dissonanztheorie nach Festinger und deren Beitrag zur Arbeit ...................................................... 133 2.4 Zusammenfassung des Erkenntnisbeitrags der theoretischen Bezugspunkte...................................................... 135
XI
3
Entwicklung eines Modells zur Untersuchung der aktiven Resistenz gegenüber Innovationen ....................................... 137 3.1 Resistenz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene................................................................ 137 3.2 Subjektive Norm hinsichtlich der aktiven Resistenz .................. 139 3.3 Wahrgenommene Freiheitseinengung ....................................... 140 3.4 Inkompatibilität mit Werten und Normen .................................... 141 3.5 Wahrgenommenes Gesamtrisiko............................................... 142 3.6 Wahrgenommene negative Auswirkungen auf die Gesellschaft ......................................................................... 143 3.7 Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen .............. 145 3.8 Darstellung des Gesamtmodells ................................................ 146
4
Empirische Untersuchung .................................................................. 148 4.1 Vorgehensweise ........................................................................ 148 4.2 Grundlagen zur Kausalanalyse als Methode der Dependenzanalyse .............................................................. 149 4.3 Operationalisierung und Gütebeurteilung der Konstruktmessungen ........................................................... 152 4.4 Ergebnisse der empirischen Untersuchung ............................... 157
5
Zusammenfassung ............................................................................ 159
VI Schlussbetrachtung .............................................................................. 162 1
Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse ................................... 162
2
Forschungsimplikationen ................................................................... 165
3
Managementimplikationen ................................................................. 169
Literaturverzeichnis..................................................................................... 175
XII
Abbildungsverzeichnis Abbildung II-1:
Die Diffusionskurve .............................................................. 9
Abbildung II-2:
Die Adoptionskurve ............................................................ 11
Abbildung II-3:
Schematische Darstellung des Innovation-DecisionProzesses .......................................................................... 13
Abbildung III-1:
Vorgehensweise bei der Messmodellentwicklung ............. 15
Abbildung III-2:
Konzeptualisierung des Modells zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen ................................... 61
Abbildung III-3:
Ablauf der quantitativen Analyse zur Messmodellvalidierung....................................................... 62
Abbildung IV-1:
Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit ....................... 86
Abbildung IV-2:
Der Opponent-Prozess ...................................................... 89
Abbildung IV-3:
Wandel des Opponent-Prozesses nach wiederholter Stimulation ......................................................................... 90
Abbildung IV-4:
Konzeption des Drei-Faktoren-Modells der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene .............................................................. 92
Abbildung IV-5:
Das Drei-Faktoren-Modell der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene .............. 123
Abbildung V-1:
Die Theory Of Reasoned Action ...................................... 129
Abbildung V-2:
Schema der Reaktanzgenese .......................................... 132
Abbildung V-3:
Ein Modell zur Erklärung der aktiven Resistenz gegenüber Innovationen .................................................. 147
Abbildung V-4:
Ergebnis der Kausalanalyse ............................................ 157
XIII
Tabellenverzeichnis Tabelle II-1:
Liste ausgewählter Innovationsdefinitionen ............................. 6f.
Tabelle III-1: Begriffsverständnis und Konzeptualisierung von Resistenz im organisationalen Kontext ..................................................... 18 Tabelle III-2: Ausgewählte Arbeiten zum Beschwerdeverhalten................. 23f. Tabelle III-3: Ausgewählte Arbeiten zu NWOM aus Empfänger- und Senderperspektive ................................................................. 31f. Tabelle III-4: Ausgewählte Forschungsarbeiten zu Boykotten ................... 33ff. Tabelle III-5: Literaturüberblick zu Resistenz gegenüber Innovationen ...... 44f. Tabelle III-6: Begriffsverständnis und Konzeptualisierung von Akzeptanz im organisationalen Kontext ..................................................... 49 Tabelle III-7: Begriffsverständnis und Konzeptualisierung von Akzeptanz im Kontext von konsumentengerichteten Innovationen ......... 51f. Tabelle III-8: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene .................................................................... 59 Tabelle III-9: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen............. 59 Tabelle III-10: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Negative Word-Of-Mouth-Absicht ............................................ 60 Tabelle III-11: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Beschwerdeabsicht .................................................................. 60 Tabelle III-12: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Boykottabsicht .......................................................................... 61 Tabelle III-13: Beschreibung der berücksichtigten Innovationen .................... 65 Tabelle III-14: Soziodemographika der Hauptstichproben .............................. 66 Tabelle III-15: Validitätsarten und angewandte Prüfverfahren/ -kriterien ........ 68 Tabelle III-16: Angewandte Gütekriterien und Anspruchniveaus .................... 74 Tabelle III-17: Güte des Messmodells ATTInno (Hauptsample 1, n=1211) ...... 75 Tabelle III-18: Güte des Messmodells BIInno (Hauptsample 1, n=1211).......... 76
XV
Tabelle III-19: Güte des Faktors ARESNWOM (Hauptsample 1, n=1211) ......... 76 Tabelle III-20: Güte des Faktors ARESCOM (Hauptsample 1, n=1211) ........... 77 Tabelle III-21: Güte des Faktors ARESBOY (Hauptsample 1, n=1211) ............ 77 Tabelle III-22: Güte des Messmodells ARESInno (Hauptsample 1, n=1211) ... 78 Tabelle III-23: Prüfung der Diskriminanzvalidität für die Faktoren von ARESInno ............................................................................ 78 Tabelle III-24: Prüfung der Diskriminanzvalidität für die Faktoren von RESInno .............................................................................. 79 Tabelle III-25: Güte des Messmodells RESInno (Hauptsample 2, n=1113)...... 80 Tabelle III-26: Test-Retest-Korrelationen auf Basis des Pearson-Korrelationskoeffizienten ........................................... 81 Tabelle IV-1: Innovationsspezifische Adoptionsfaktoren nach Rogers ......... 94 Tabelle IV-2: Güte des Messmodells ATTInno (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 107 Tabelle IV-3: Güte des Messmodells INK (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 108 Tabelle IV-4: Güte des Messmodells WRDA (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 108 Tabelle IV-5: Güte des Messmodells WRBED (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 109 Tabelle IV-6: Güte des Messmodells SQZ (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 109 Tabelle IV-7: Güte des Messmodells NUS (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 110 Tabelle IV-8: Güte des Messmodells NUCON (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 110 Tabelle IV-9: Güte des Messmodells NUFUN (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 111 Tabelle IV-10: Diskriminanzvalidität der Konstrukte (biometrische EC-Karte, n=390) ............................................ 111 Tabelle IV-11: Ergebnisse der Analyse auf asymmetrische Effekte am Beispiel der Innovation „biometrische EC-Karte“ (n=390) ..... 112
XVI
Tabelle IV-12: Güte des Messmodells ATTInno (Multimedia Plattform, n=358) ................................................ 114 Tabelle IV-13: Güte des Messmodells INK (Multimedia Plattform, n=358) ................................................ 114 Tabelle IV-14: Güte des Messmodells WRFU (Multimedia Plattform, n=358) ................................................ 115 Tabelle IV-15: Güte des Messmodells SQZ (Multimedia Plattform, n=358) ................................................ 115 Tabelle IV-16: Güte des Messmodells NUCON (Multimedia Plattform, n=358) ................................................ 116 Tabelle IV-17: Güte des Messmodells NUFUN (Multimedia Plattform, n=358) ................................................ 116 Tabelle IV-18: Diskriminanzvalidität der Konstrukte (Multimedia Plattform, n=358) ................................................ 116 Tabelle IV-19: Ergebnisse der Analyse auf asymmetrische Effekte am Beispiel der Innovation „Multimedia Plattform“ (n=358) ... 117 Tabelle IV-20: Güte des Messmodells ATTInno (Nanomilch, n=365) ............. 118 Tabelle IV-21: Güte des Messmodells INK (Nanomilch, n=365) ................... 118 Tabelle IV-22: Güte des Messmodells WRG (Nanomilch, n=365) ................ 119 Tabelle IV-23: Güte des Messmodells WRBED (Nanomilch, n=365) ........... 119 Tabelle IV-24: Güte des Messmodells SQZ (Nanomilch, n=365) ................. 119 Tabelle IV-25: Güte des Messmodells NUCON (Nanomilch, n=365)............ 120 Tabelle IV-26: Güte des Messmodells NUG (Nanomilch, n=365) ................. 120 Tabelle IV-27: Diskriminanzvalidität der Konstrukte (Nanomilch, n=365) ..... 120 Tabelle IV-28: Ergebnisse der Analyse auf asymmetrische Effekte am Beispiel der Innovation „Nanomilch“ (n=365) ...... 121 Tabelle V-1:
Güte des Messmodells ARESInno (Hauptsample 3, n=614) ........................................................ 152
Tabelle V-2:
Güte des Messmodells ATTInno (Hauptsample 3, n=614) ...... 153
Tabelle V-3:
Güte des Messmodells SNARES (Hauptsample 3, n=614) ...... 153
Tabelle V-4:
Güte des Messmodells WFE (Hauptsample 3, n=614).......... 154 XVII
Tabelle V-5:
Güte des Messmodells INK (Hauptsample 3, n=614)............ 154
Tabelle V-6:
Güte des Messmodells WGR (Hauptsample 3, n=614) ......... 155
Tabelle V-7:
Güte des Messmodells WGA (Hauptsample 3, n=614) ......... 155
Tabelle V-8:
Güte des Messmodells BIInno (Hauptsample 3, n=614).......... 156
Tabelle V-9:
Diskriminanzvalidität der Modellkonstrukte (Hauptsample 3, n=614) ........................................................ 157
XVIII
Abkürzungsverzeichnis ARESBOY
Boykottabsicht
ARESCOM
Beschwerdeabsicht
ARESInno
Aktive Resistenz gegenüber Innovationen
ARESNWOM Negative Word-of-Mouth-Absicht ATTInno
Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene
BIInno
Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen
CFI
Comparitive-Fit Index
DEV
Durchschnittlich erfasste Varianz
df
Degrees of Freedom (Freiheitsgrade)
EFA
Exploratorische Faktorenanalyse
FL
Fornell-Larcker Kriterium
FMCG
Fast Moving Consumer Goods
FR
Faktorreliabilität
INK
Inkompatibilität Werte & Normen
IR
Indikatorreliabilität
IT
Informationstechnologie
ITTC
Item-To-Total-Correlation
KFA
Konfirmatorische Faktorenanalyse
LISREL
Linear Structural Relationships
ML
Maximum-Likelihood-Methode
NNFI
Nonnormed-Fit Index
ns
nicht signifikant
NUCON
NutzenConvenience
NUFUN
NutzenSpaß
XIX
NUG
NutzenGesundheit
NUS
NutzenKontosicherheit
NWOM
Negative Word-of-Mouth
PAP
Passiv-Aggressive Persönlichkeitsstörung
PRCA
Penalty-Reward-Contrast-Analyse
PWOM
Positive Word-of-Mouth
RESInno
Resistenz gegenüber Innovationen
RFID
Radio Frequency Identification
RMSEA
Root Mean Squared Error of Approximation
SNARES
Subjektive NormAktive Resistenz
SRMR
Standardized Root Mean Square Residual
SQZ
Status-Quo-Zufriedenheit
TAM
Technology Acceptance Model
TOPB
Theory of Planned Behavior
TORA
Theory of Reasoned Action
UTAUT
Unified Theory of Acceptance and Use of Technology
WFE
Wahrgenommene Freiheitseinengung
WGA
Wahrgenommene negative Auswirkung auf die Gesellschaft
WGR
Wahrgenommenes Gesamtrisiko
WOM
Word-of-Mouth
WRBED
Wahrgenommenes RisikoBedienung
WRDA
Wahrgenommenes RisikoDatenschutz
WRFU
Wahrgenommenes RisikoFunktion
WRG
Wahrgenommenes RisikoGesundheit
VIF
Variance Inflation Factor
XX
I
Einleitung
1
Zur Bedeutung der Resistenz gegenüber Innovationen
Innovationen haben einen erheblichen Einfluss auf das volkswirtschaftliche Wachstum.1 Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive stellen sie einen Schlüssel zur Steigerung des Unternehmenserfolges dar.2 In einem dynamischen Marktumfeld sind Unternehmen zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit permanent gezwungen, innovativ zu sein.3 Dies lässt sich exemplarisch anhand der Innovationsaufwendungen der deutschen Wirtschaft in Höhe von etwa 107 Milliarden Euro im Jahr 2005 verdeutlichen.4 Andererseits impliziert rege Innovationstätigkeit sowohl volkswirtschaftliches als auch betriebswirtschaftliches Risiko.5 So sind neue Produkte häufig mit hohen Misserfolgsquoten verbunden.6 Zwar variieren die Flopraten je nach Studie, generell wird jedoch bei Konsumgütern von einer Misserfolgsquote zwischen 80% und 90% ausgegangen.7 Eine aktuelle Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Deutschland zeigt, dass 70% aller Fast Moving Consumer Goods (FMCG) bereits 12 Monate nach der Einführung nicht mehr auf dem Markt sind.8 Bei Industriegütern wird selten eine Erfolgsquote von über 30% erreicht.9 Angesichts dieser dramatischen Zahlen ist es nicht übertrieben, eine enorme Ressourcenverschwendung zu konstatieren.10 Erstaunlicherweise beschäftigte sich die Forschung in der Vergangenheit primär mit Fragen der Akzeptanz bzw. der Adoption von Innovationen, anstatt die Gründe des Scheiterns genauer zu analysieren. Sheth kritisiert diesen ProInnovation-Bias der Forschung und sieht eine potenzielle Ursache für den „[…] tremendous amount of waste of scientific and marketing resources […]“ in 1 2 3
4 5 6 7
8 9 10
Vgl. Bauer (1980), S. 2. Vgl. Homburg/Kuhn (2007), S. 1. Vgl. Banbury/Mitchell (1995), S. 179; Pauwels et al. (2004), S. 153; Sharma/Lacey (2004), S. 305; Bauer/Albrecht/Kühnl (2006), S. 1; Kuester/Hess (2007), S. 83. Vgl. Aschhoff et al. (2006), S. 4. Vgl. Bauer (1980), S. 3ff. Vgl. Kuester/Homburg/Robertson (1999), S. 104. Vgl. Ernst&Young/ACNielsen (1999); Boutellier/Lach (2000), S. 12; Andrew/Sirkin (2003), S. 77; Homburg/Kuhn (2007), S. 1; Kuhn (2007), S. 2. Vgl. Gesellschaft für Konsumforschung (2006). Vgl. Boutellier/Lach (2000), S. 12. Vgl. hierzu schon Bauer (1980), S. 3.
1
einem mangelnden Verständnis für die Resistenz der Konsumenten gegenüber Innovationen.11 Zwar betonen aktuelle praxisorientierte Publikationen (z.B. im Harvard Business Manager, MIT Sloan Management Review) immer wieder die Relevanz der Überwindung des Konsumentenwiderstands gegenüber Innovationen für eine erfolgreiche Diffusion,12 das Statement von Sheth (1981), der die Resistenz gegenüber Innovationen als „[t]he less developed concept […] in diffusion research […]“13 bezeichnet, gilt jedoch noch heute. Bis dato existieren kaum Forschungsarbeiten, die sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen. Anhand einer wissenschaftlichen Durchdringung lassen sich jedoch wichtige Erkenntnisse darüber gewinnen, weshalb es bei vielen Konsumenten zu Resistenz gegenüber Innovationen kommt. Insofern leistet die Erforschung dieses Themas letztlich einen Beitrag zur Beanwortung der Frage, weshalb zahlreiche Innovationen am Markt scheitern. Die daraus abgeleiteten Implikationen bieten den Unternehmen Anhaltspunkte zur Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit ihrer Innovationen. 2
Ziele der Arbeit
Die vorliegende Arbeit will mit mehreren Zielsetzungen zur Verbesserung des Kenntnisstandes bezüglich Resistenz gegenüber Innovationen beitragen. Die Grundlage einer tiefgreifenden empirischen Analyse stellt die valide Messung der Resistenz gegenüber Innovationen dar. Die Mehrzahl der bislang vorliegenden Forschungsarbeiten zu diesem Thema ist primär konzeptioneller Art, lediglich Ram (1989) unternimmt den Versuch einer Messmodellentwicklung.14 Dieser genügt allerdings weder methodisch noch inhaltlich dem gängigen wissenschaftlichen Anspruch.15 Es existiert somit bis dato kein geeignetes Messinstrument. Forschungsziel 1 der vorliegenden Arbeit ist daher die Entwicklung eines Modells zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen. Das validierte Messmodell dient als Grundlage für die weiteren empirischen Studien der vorliegenden Arbeit.
11 12 13 14 15
2
Sheth (1981), S. 274. Vgl. Gourville (2006); Garcia/Bardhi/Friedrich (2007). Sheth (1981), S. 273. Vgl. Ram (1989). Vgl. hierzu auch Nabih/Bloem/Poiesz (1997), S. 192.
Die Analyse der Art des Zusammenhangs zwischen der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf der Einstellungsebene und deren Bestimmungsfaktoren bildet den Ausgangspunkt für das zweite Forschungsziel. Aus der Literatur geht hervor, dass zahlreiche Determinanten, wie z.B. das wahrgenommene Risiko, sowohl zur Erklärung der Resistenz als auch zur Begründung der Akzeptanz herangezogen werden. So resultiert beispielsweise hohes wahrgenommenes Risiko in Resistenz und niedriges Risiko in Akzeptanz. Bisherige Untersuchungen gehen dabei ausschließlich von einem linearen Funktionszusammenhang aus. Demzufolge wird der Einfluss der Determinanten in jedem Abschnitt der Funktion als gleich groß und damit symmetrisch angenommen.16 Es muss jedoch angezweifelt werden, ob es bei Konsumenten tatsächlich zur Akzeptanz einer Innovation kommt, nur weil eine Innovation nicht risikobehaftet ist. Einen theoretischen Ansatzpunkt für diese Überlegung liefert das Kano-Modell.17 So sind bei der Entstehung von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit drei unterschiedliche Arten von Faktoren von Relevanz. Es existieren so genannte Basisfaktoren, die bei ihrer Erfüllung lediglich zu NichtUnzufriedenheit führen, jedoch keine Zufriedenheit auslösen. Ein solcher Effekt wird als asymmetrischer Effekt bezeichnet. Überträgt man diese in der Zufriedenheitsforschung gängige Logik auf den hier vorliegenden Innovationskontext, erscheint es plausibel, dass auch bei der Entstehung der Resistenz bzw. Akzeptanz solche Effekte vorliegen. Existieren tatsächlich solche Effekte, führen die Implikationen aus der bisherigen Forschung zu falschen Entscheidungen in der Unternehmenspraxis, da Maßnahmen zur Risikoreduktion bzw. Nutzensteigerung im Sinne der Maxime „je mehr, desto besser“ nicht sinnvoll sind. Forschungsziel 2 der vorliegenden Arbeit ist daher die Prüfung auf asymmetrische Effekte bei der Entstehung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene. Wie die Literaturanalyse offenbart, kann sich Resistenz gegenüber Innovationen auch in einem aktiven Vorgehen (z.B. durch negative Mund-zu-MundKommunikation) gegen eine Innovation oder das innovierende Unternehmen manifestieren. Kommt es zu solch einem Verhalten, hat dies gravierende Konsequenzen für den Diffusionsverlauf und damit letztlich für den Erfolg einer Innovation. Im schlimmsten Fall führt aktive Resistenz sogar zum Scheitern
16 17
Vgl. Falk (2007). Vgl. Kano (1984).
3
einer Innovation.18 Bislang existieren jedoch keine empirischen Studien, die sich explizit mit den Gründen von Konsumenten auseinandersetzen, aktiv gegen eine Innovation vorzugehen. Die Ergebnisse einer solchen Studie könnten der Unternehmenspraxis wertvolle Ansatzpunkte zur Vermeidung von aktiver Resistenz gegenüber Innovationen liefern und somit die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Diffusion steigern. Als Forschungsziel 3 wird deshalb die Entwicklung eines Modells zur Erklärung der aktiven Resistenz gegenüber Innovationen verfolgt. 3
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in sechs Teile gegliedert. Der diesem Abschnitt folgende Teil II dient der Einordnung des Forschungsvorhabens in die Innovationstheorie. Zunächst erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Innovationsbegriff (vgl. Abschnitt II-1). Abschnitt II-2 gibt einen Überblick zur Diffusion und Adoption von Innovationen. Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses steht dabei insbesondere die Integration der Resistenz gegenüber Innovationen in den Innovation-Decision-Prozess. Teil III hat die Entwicklung eines Modells zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen zum Ziel (Forschungsziel 1; vgl. Abschnitt III-1). In Anlehnung an den bewährten Leitfaden von Homburg und Giering19 wird eine Vorgehensweise in vier Schritten gewählt. Zunächst wird innerhalb von Schritt 1 angestrebt, mittels eines umfassenden Literaturreviews ein möglichst ganzheitliches Verständnis für die Resistenz gegenüber Innovationen zu gewinnen (vgl. Abschnitt III-2). Der Literaturüberblick dient zudem als Basis für die empirischen Untersuchungen in den Teilen IV und V der Arbeit. Im zweiten Schritt der Messmodellentwicklung wird durch eine qualitative Vorstudie anhand von Experten- und Konsumenteninterviews eine Verbesserung des Verständnisses für die Resistenz gegenüber Innovationen sichergestellt (vgl. Abschnitt III-3). Auf Grundlage der ersten beiden Schritte erfolgt anschließend in Schritt 3 die Konzeptualisierung und Operationalisierung der Resistenz gegenüber Innovationen (vgl. Abschnitt III-4). Um die Entwicklung des Messmodells abzuschließen, wird im vierten Schritt eine umfangreiche quantitative Analyse auf Basis von drei Erhebungen (Validierungssample: n=1211; Test auf Stichproben18 19
4
Vgl. Moldovan/Goldenberg (2004). Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 11ff.
unabhängigkeit: n=1113; Test auf zeitliche Stabilität: n=197) durchgeführt (vgl. Abschnitt III-5). Die in Teil III gewonnenen Erkenntnisse werden in Abschnitt III-6 zusammengefasst. Das validierte Messmodell dient als Grundlage für die weiteren empirischen Studien in den Teilen IV und V der vorliegenden Arbeit. Ziel von Teil IV ist die Prüfung auf asymmetrische Effekte bei der Entstehung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene (Forschungsziel 2; vgl. Abschnitt IV-1). Als theoretisch-konzeptioneller Bezugsrahmen dient das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit. Dessen Logik wird auf den Innovationskontext übertragen und so ein Drei-Faktoren-Modell der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene entwickelt. Zur inhaltlichen Konkretisierung des Modells werden die aus der bisherigen Forschung hervorgegangenen zentralen Resistenz- bzw. Akzeptanzdeterminanten in das Drei-Faktoren-Modell integriert (vgl. Abschnitt IV-2). Das entwickelte Modell wird anschließend empirisch geprüft. Diese Prüfung erfolgt zur Erhöhung der externen Validität anhand von drei Studien (n=390; n=358; n=365). Als Forschungsmethode kommt dabei die multiple Regressionsanalyse mit Dummy-Variablen zur Anwendung (vgl. Abschnitt IV-3). Abschnitt IV-4 fasst die Ergebnisse zusammen. Teil V umfasst die Entwicklung eines Modells zur Erklärung der aktiven Resistenz gegenüber Innovationen (Forschungsziel 3; vgl. Abschnitt V-1). Zur Erreichung dieses Ziels werden auf Grundlage der theoretischen Bezugspunkte (vgl. Abschnitt V-2) Hypothesen zu den Kausalitäten der aktiven Resistenz gegenüber Innovationen erarbeitet (vgl. Abschnitt V-3). Anschließend wird das Kausalmodell anhand einer empirischen Untersuchung unter Berücksichtigung von drei verschiedenen Innovationen (n=614) geprüft (vgl. Abschnitt V-4). Teil V schließt mit einer Zusammenfassung (vgl. Abschnitt V-5). Zum Abschluss werden in Teil VI die zentralen Ergebnisse der gesamten Arbeit zusammengefasst (vgl. Abschnitt VI-1). Hieraus ergeben sich wichtige Implikationen für die weitere Forschung (vgl. Abschnitt VI-2) sowie für die Unternehmenspraxis (vgl. Abschnitt VI-3).
5
II
Einordnung des Forschungsvorhabens in die Innovationstheorie
1
Zum Innovationsbegriff
Etymologisch stammt das Wort Innovation vom lateinischen Begriff „innovatio“ ab und bedeutet Erneuerung, Neuerung oder die Einführung von etwas Neuem.20 Bis heute mangelt es allerdings aufgrund der vielfältigen Verwendung des Innovationsbegriffs in diversen wissenschaftlichen Disziplinen an einem allgemein gültigen Begriffsverständnis. Tabelle II-1 bietet daher zunächst eine exemplarische Liste von unterschiedlichen Definitionsansätzen. Autor(en), Jahr, Seite Schumpeter (1939), S. 88.
Innovationsverständnis „[…] innovation combines factors in a new way.“
Barnett (1953), S. 7.
„An innovation is any thought, behaviour or thing that is new because it is qualitatively different from existing forms.”
Schmookler (1966), S. 2.
„The first enterprise to make a given technical change is an innovator. Its action is innovation.“
Moore/ Tushman (1982), S. 132.
„Most generally, innovation can be seen as the synthesis of a market need with the means to achieve and produce a product to meet that need.“
Zaltman/ Duncan/ Holbeck (1984), S. 10. Roberts (1987), S. 3.
„We consider as an innovation any idea, practice, or material artefact perceived to be new by the relevant unit of adoption.“
„[…] innovation = invention + exploitation.“
Dosi (1988),S. 222.
„[…] innovation concerns the search for, and discovery, experimentation, development, imitation, and adaption of new products, new production processes and new organizational set-ups.“
Chmielewicz (1991), S. 84.
„Unter Innovationen werden pauschal betrachtet Neuerungen verstanden.“
Tabelle II-1: Liste ausgewählter Innovationsdefinitionen (Teil 1/2)
20
6
Vgl. Staudt (1985), S. 486.
Fortsetzung Autor(en), Jahr, Seite
Innovationsverständnis
Damanpour (1991), S. 556.
„Innovation is defined as adoption of an internally generated or purchased device, system, policy, program, process, product or service that is new to the adopting organization.“
Rogers (2003), S. 12.
„An innovation is an idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption.“
Homburg/ Krohmer (2006), S. 568.
„Unter einer Produktinnovation verstehen wird jedes Produkt (bzw. jede Produktidee), das (die) von den Kunden als neu wahrgenommen wird.“
Hoyer/ MacInnis (2007), S. 423.
„[…] an innovation is a product, service, attribute, or idea that consumers within the market segment perceive as new and that has an effect on existing consumption patterns […].“
Tabelle II-1: Liste ausgewählter Innovationsdefinitionen (Teil 2/2) Die diversen Definitionsansätze haben in der Regel gemein, dass eine Innovation die Elemente Invention und Exploitation umfasst, d.h. die Erfindung an sich und ihre Umsetzung in ein marktfähiges Produkt.21 Zentrales konstitutives Merkmal aller Innovationsdefinitionen ist der Neuigkeitscharakter einer Innovation. Unterschiede weisen die Definitionen in der Interpretation dieses Merkmals auf. In einem Teil der Definitionen wird objektive Neuheit als elementar für eine Innovation angesehen. Die übrigen Definitionen sprechen von subjektiver Neuheit in Bezug auf den Anbieter und/ oder den Nachfrager. Für die hier untersuchte Resistenz von Konsumenten gegenüber Innovationen ist es jedoch nicht von Relevanz, ob die Innovation tatsächlich objektiv neu ist, sondern ob die Innovation als neu empfunden wird, da das Konsumentenverhalten bzgl. einer Innovation vom wahrgenommenen Neuigkeitsgrad abhängt.22 In Anlehnung an Rogers (2003), Homburg und Krohmer (2006) sowie Hoyer und MacInnis (2007) wird daher in vorliegender Arbeit unter einer Innovation ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Attribut oder eine Idee verstanden, die aus der Perspektive des adoptierenden Konsumenten als neu wahrgenommen wird. Zur Klassifikation von Innovationen existieren innerhalb der Literatur zahlreiche Ansätze. Aus der Perspektive der Nachfrager lassen sich Innovationen
21 22
Vgl. Sattler/Schrader (1995), S. 996. Vgl. Rogers (1995), S. 11; Rogers (2003), S. 12.
7
beispielsweise nach der Art ihrer Nutzenstiftung differenzieren.23 Hoyer und MacInnis (2007) unterscheiden dabei zwischen (1) funktionalen, (2) hedonistischen sowie (3) symbolischen Innovationen.24 Ein weiterer populärer Ansatz klassifiziert Innovationen anhand des Auslösers der Neuerung. Hierbei wird zwischen (1) Technology-Push- und (2) Market- Pull-Innovationen unterschieden.25 Darüber hinaus wird zur Typologisierung von Innovationen häufig der Neuigkeitsgrad einer Innovation herangezogen. Der Neuigkeitsgrad kann dabei aus der subjektiven Perspektive des Nachfragers als das Ausmaß der Veränderung gegenüber dem Status Quo interpretiert werden.26 In der Literatur wird davon ausgegangen, dass ein hohes Ausmaß an Veränderung potenziell Resistenz gegenüber Innovationen auslöst.27 Robertson (1971) zufolge lassen sich Innovationen aus Konsumentenperspektive entsprechend ihrer wahrgenommenen Neuartigkeit auf einem Kontinuum einordnen. Er spricht dabei von (1) kontinuierlichen, (2) dynamischkontinuierlichen sowie (3) diskontinuierlichen Innovationen.28 Während kontinuierliche Innovationen wie z. B. ein Softwareupgrade keine bzw. nur minimale Verhaltensänderungen erfordern, implizieren dynamisch-kontinuierliche Innovationen schon deutlichere Gewohnheitsanpassungen (z.B. erste Computermaus). Der erste PC oder das Internet hatten hingegen völlig neue Konsumund Gebrauchsgewohnheiten zur Folge, was diese als diskontinuierliche Innovationen charakterisiert.29 Eng verbunden mit dem Neuigkeitsgrad einer Innovation ist das wahrgenommene Risiko bzgl. einer Innovation. Konsumenten können sich bei für sie neuen Produkten häufig nicht sicher sein, inwiefern diese tatsächlich eine der bisherigen Lösung überlegene Alternative darstellen.30 Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Unsicherheit bzw. das Risiko bzgl. einer Innovation positiv mit dem wahrgenommenen Neuigkeitsgrad korreliert.31 Je größer dieses Risiko ist, desto größer wird nach An-
23 24 25 26 27 28 29
30 31
8
Vgl. Woods (1960); Midgley (1983); Hoyer/MacInnis (2007), S. 425ff. Vgl. Hoyer/MacInnis (2007), S. 425ff. Vgl. Schmookler (1966), S. 165f.; Hinze (2005), S. 9; Vahs/Burmester (2005), S. 80. Vgl. Schmalen/Pechtl (1996), S. 822. Vgl. Abschnitt III-2.1.2.4. Vgl. Robertson (1971). Vgl. Binsack (2003), S. 19. Neben der Bezeichnung „kontinuierlich“ bzw. „diskontinuierlich“ sind auch die Begriffe „inkrementell“ bzw. „radikal“ gebräuchlich. Vgl. Rogers (2003), S. 14. Vgl. Rogers (2003), S. 6.
nahme vieler Autoren die Resistenz gegenüber einer Innovation sein.32 Diese wirkt sich wiederum negativ auf die Innovationsdiffusion aus und kann im schlimmsten Fall zum Scheitern einer Innovation führen.33 2
Diffusion und Adoption von Innovationen
Unter Diffusion wird im vorliegenden Kontext die Ausbreitung einer Innovation im Markt über den Zeitablauf verstanden.34 Im Erkenntnisinteresse der Diffusionsforschung steht dabei die Erklärung des zeitlichen Verlaufs der Innovationsausbreitung durch die Analyse der zeitraumbezogenen aggregierten Adoptionsvorgänge.35 Zur Charakterisierung des Diffusionsprozesses können dabei der Diffusionsverlauf, die Diffusionsgeschwindigkeit und das potenzielle Penetrationsniveau herangezogen werden.36 Der Diffusionsverlauf wird mittels der Diffusionskurve durch Aufsummierung der einzelnen Adopter einer Innovation beschrieben (vgl. Abbildung II-1).37 kumulierte Anzahl der Adopter
Marktpotenzial
Zeit
Abbildung II-1: Die Diffusionskurve Typischerweise nimmt die Diffusionskurve einen S-förmigen Verlauf an, welcher einer kumulativen Normalverteilung entspricht.38 Dies liegt darin begründet, dass eine Innovation nicht von allen potenziellen Konsumenten gleichzei-
32 33 34 35 36 37 38
Vgl. Ram/Sheth (1989), S. 6; hierzu auch Abschnitt III-2.1.2.4. Vgl. Moldovan/Goldenberg (2004). Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 597. Vgl. Mahler/Stoetzer (1995), S. 4. Vgl. Gatignon/Robertson (1985), S. 858. Vgl. Rogers (2003), S. 272. Vgl. Hintemann (2002), S. 8f.
9
tig übernommen wird.39 Je nach Diffusionsgeschwindigkeit40 nimmt die Kurve einen steileren oder flacheren Verlauf an.41 Insbesondere die interpersonale Kommunikation übt einen zentralen Einfluss auf die Geschwindigkeit des Diffusionsprozesses aus.42 Diese wird in der Literatur auch als Word-of-MouthKommunikation (WOM) bezeichnet. So konnten beispielsweise Moldovan und Goldenberg (2004) die folgenschweren Konsequenzen43 des Resistenzverhaltens „negative WOM“ auf den Diffusionsverlauf und das maximal zu erreichende Penetrationsniveau44 von Innovationen aufzeigen (vgl. Abschnitt III2.1.2.3).45 Während die Diffusionsforschung die aggregierte Ebene betrachtet, befasst sich die Adoptionsforschung mit der Ebene des einzelnen Nachfragers.46 Unter Adoption versteht Rogers (2003): „[…] a decision to make full use of an innovation […]“.47 Die Adoption stellt somit ein Entscheidungsergebnis eines Adopters48 zur Übernahme und Nutzung einer Innovation dar. Trägt man die Anzahl der Adopter entsprechend ihres Übernahmezeitpunktes in ein Koordinatensystem ein, erhält man die Adoptionskurve. Idealtypisch verläuft die Funktion wie die Dichtefunktion einer Normalverteilung.49 Die Adoptionskurve entspricht der oben vorgestellten Diffusionskurve in nicht kumulierender Darstellungsform (vgl. Abbildung II-2).50
39 40
41 42 43 44
45 46 47 48
49 50
10
Vgl. Gierl (1987), S. 127. Diffusionsgeschwindigkeit (rate of diffusion) ist die relative Geschwindigkeit, mit der sich eine Innovation im Markt verbreitet. Vgl. Rogers (2003), S. 272. Vgl. Geis (2003), S. 58. Vgl. Gatignon/Robertson (1985), S. 849; Mahajan/Muller/Bass (1990), S. 1. Sowohl die Diffusionsgeschwindigkeit als auch das Penetrationsniveau sinken. Bei einer hundertprozentigen Diffusion im Markt entspricht das am Ende erreichte Penetrationsniveau dem Marktpotenzial. Vgl. Gatignon/Robertson (1985), S. 858f. Vgl. Moldovan/Goldenberg (2004). Vgl. Rogers (1962), S. 76; Böcker/Gierl (1988), S. 32; Hintemann (2002), S. 7. Rogers (2003), S. 177. Als ein Adopter kann beispielsweise ein Individuum, ein Haushalt oder ein Unternehmen angesehen werden. Vgl. Kaas (1973), S. 3. Vgl. Weiber (1992), S. 12. Die Adoptionskurve wird häufig nur als andere Darstellung der Diffusionskurve bezeichnet. Die hier vorgenommene begriffliche Differenzierung orientiert sich an Weiber. Vgl. Weiber (1992), S. 13.
Anzahl der Adopter
(1) Innovatoren (2) Frühe Adopter
(3) Frühe Mehrheit
(4) Späte Mehrheit
(5) Nachzügler Zeit
Abbildung II-2: Die Adoptionskurve Auf Basis des relativen Adoptionszeitpunkts differenziert Rogers fünf persönlichkeitsspezifische Adopterkategorien.51 Als (1) Innovatoren (innovators) werden die Erstkäufer einer Innovation bezeichnet. Sie sind risikofreudiger und somit aufgeschlossener gegenüber Veränderungen.52 (2) Frühe Adopter (early adopters) nehmen im Diffusionsprozess eine wichtige Rolle ein, da sie häufig in ihrer Funktion als Meinungsführer bei der Adoptionsentscheidung anderer potenzieller Adopter berücksichtigt werden.53 Die (3) frühe Mehrheit (early majority) repräsentiert oftmals die größte Gruppe der potenziellen Kunden einer Innovation. Die (4) späte Mehrheit (late majority) steht Neuerungen generell skeptisch gegenüber. Individuen dieser Gruppe übernehmen Innovationen erst, nachdem wirtschaftlicher oder sozialer Druck besteht und die bisherigen Adopter die Innovation positiv beurteilt haben.54 Als letztes übernehmen die so genannten (5) Nachzügler (laggards) eine Innovation.55 Die Adoptionsentscheidung von Individuen wird häufig in Phasenmodellen dargestellt, die den Prozess der individuellen Übernahme einer Innovation als hierarchische Abfolge einzelner Prozessstufen beschreiben. In der Literatur existieren zahlreiche dieser Prozessmodelle.56 Obwohl die Terminologie und die Phaseneinteilung der einzelnen Modelle heterogen sind, ähneln sie sich in ihrem grundsätzlichen Aufbau.57 Dies liegt darin begründet, dass sich fast alle 51 52 53 54 55 56
57
Vgl. Rogers (2003). Vgl. Weiber (1992), S. 11; Kaetzke (2003), S. 55. Vgl. Kaetzke (2003), S. 56; Rogers (2003), S. 283. Vgl. Mahler/Stoetzer (1995), S. 13; Rogers (2003), S. 284. Vgl. Rogers (2003), S. 284. Vgl. z.B. Labay/Kinnear (1981); Gatignon/Robertson (1985); Olshavsky/Spreng (1996); Frambach/Agarwal/Nijssen (2002); Holt (1988); Nabih et al. (1997); Binsack (2003). Vgl. Dethloff (2004), S. 94.
11
an dem von Rogers (1962)58 entwickelten „Adoption Process“-Modell orientieren.59 Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da die Adoption nur eines von mehreren möglichen Ergebnissen60 während dieses Prozesses darstellt. Aufgrund dessen bezeichnen Rogers und Shoemaker (1971) diesen treffender als Innovation-Decision-Prozess.61 Üblicherweise werden innerhalb dieses Prozesses fünf Stufen differenziert. Zunächst muss der Konsument die Existenz der Innovation bewusst wahrnehmen (I. Knowledge).62 Dies geschieht entweder zufällig oder durch aktive Suche im Rahmen eines Problemlösungsprozesses.63 In der zweiten Stufe entwickelt das Individuum eine positive oder negative Einstellung (II. Persuasion). Durch die eigene oder hinzugezogene Erfahrung bezüglich der Innovation kann daraufhin im weiteren Zeitverlauf eine Entscheidung über die Adoption gefällt werden (III. Decision). Mit der nächsten Phase beginnt die tatsächliche Nutzung oder Anwendung der Innovation (IV. Implementation). In der letzten Phase wird mittels zusätzlicher Information die bereits getroffene Entscheidung über die Adoption des Produktes bestärkt (V. Confirmation). Zu beachten ist jedoch, dass der dargestellte Prozess einen idealtypischen Verlauf widerspiegelt. So können beispielsweise zwischen den Phasen Überschneidungen oder Rückkopplungen bestehen.64 Relevant für die vorliegende Arbeit sind insbesondere die Urteils- und Entscheidungsergebnisse der Konsumenten innerhalb des Innovation-DecisionProzesses. So sind die Adoption bzw. Ablehnung die möglichen Ergebnisse der Decision-Phase und repräsentieren die tatsächlich getroffene Entscheidung für oder gegen den Kauf bzw. Nutzung einer Innovation.65 Demgegenüber stellen die Akzeptanz bzw. Resistenz die potenziellen Resultate der Persuasion-Phase dar und sind dementsprechend Prädiktoren der Adoption bzw. Ablehnung.66 Folgende Abbildung II-3 visualisiert die fünf Phasen des oben dargestellten Innovation-Decision-Prozesses und verdeutlicht den Fokus der 58 59 60
61 62 63 64 65 66
12
Vgl. Rogers (1962), S. 306. Vgl. Dethloff (2004), S. 94. Auf die potenziellen Urteilsergebnisse (Resistenz bzw. Akzeptanz) wird in Abschnitt III-2 eingegangen. Vgl. Rogers/Shoemaker (1971). Vgl. Zaltman/Duncan/Holbek (1973), S. 60ff. Vgl. Harms (2002), S. 64. Vgl. Binsack (2003), S. 9. Vgl. Nabih et al. (1997); Rogers (2003). Vgl. Nabih et al. (1997), S. 191.; Binsack (2003), S. 9.
vorliegenden Arbeit auf die Resistenz als negatives Urteilsergebnis der Persuasion-Phase. Prozessphasen Positives Urteils- bzw. Entscheidungsergebnis
I. Knowledge
Akzeptanz
II. Persuasion
Resistenz
Adoption
III. Decision
Ablehnung
Negatives Urteils- bzw. Entscheidungsergebnis Fokus der Dissertation
IV. Implementation V. Confirmation
Abbildung II-3: Schematische Darstellung des Innovation-Decision-Prozesses
13
III
Messung der Resistenz gegenüber Innovationen
1
Ziel und Vorgehensweise
Das erste Forschungsziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines Modells zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen. Diese Messung ist aufgrund ihrer Nicht-Greifbarkeit nur unmittelbar möglich. Man bezeichnet derartige Phänomene, die sich einer direkten Beobachtung entziehen, als hypothetische Konstrukte.67 Für solche Konstrukte ergibt sich daher die Notwendigkeit einer indirekten Messung über ein Set von direkt messbaren Indikatorvariablen (sog. Multi-Item-Messansätze).68 Bei der Entwicklung eines hypothetischen Konstrukts ist sowohl dessen Konzeptualisierung als auch dessen Operationalisierung notwendig. Als Konzeptualisierung wird die theoretisch-konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem Zielkonstrukt bezeichnet, welche für dessen umfassendes Verständnis unbedingt erforderlich ist.69 Diese dient wiederum als Basis für die Operationalisierung des Konstrukts.70 Grundsätzlich lassen sich hierbei zwei verschiedene Messphilosophien unterscheiden.71 Bei formativer Spezifikation werden die Indikatoren als Ursache des entsprechenden Faktors verstanden.72 Bei der reflektiven Messung hingegen werden die Indikatoren durch den ihnen zugewiesenen Faktor verursacht.73 Diese Art der Spezifikation hat zudem den Vorteil, dass direkt Messfehler auf Indikatorebene berücksichtigt werden können.74 Aufgrund inhaltlicher Überlegungen werden in der vorliegenden Arbeit ausschließlich reflektive Messmodelle spezifiziert. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen setzen sich mit dem Prozess der Konstruktentwicklung auseinander.75 In der vorliegenden Arbeit wird in Anleh-
67 68 69 70 71 72 73 74 75
14
Vgl. Bagozzi/Fornell (1982), S. 24; Backhaus et al. (2005), S. 339. Vgl. Churchill (1979), S. 66.; Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 31. Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 5. Vgl. Hair et al. (2006), S. 356. Vgl. Homburg/Klarmann (2006), S. 730. Vgl. Bollen/Lennox (1991), S. 305 f.; Homburg/Klarmann (2006), S. 730. Vgl. Eberl (2006), S. 652. Vgl. Homburg/Klarmann (2006), S. 731f. Vgl. Churchill (1979); Gerbing/Anderson (1988); Clark/Watson (1995); Rossiter (2002).
nung an den bewährten Leitfaden von Homburg und Giering das in Abbildung III-1 dargestellte Vorgehen gewählt.76 Schritt 1: Bestandsaufnahme der Literatur • Entwicklung eines Grundverständnisses für Resistenz gegenüber Innovationen mittels umfassender Literaturrecherche/ -analyse.
Abschnitt III.2
Schritt 2: Qualitative Untersuchung • Validierung und Verbesserung des Konstruktverständnisses mittels Experten- und Konsumenteninterviews.
Abschnitt III.3
Schritt 3: Konzeptualisierung & Operationalisierung • Festlegung des Konstruktverständnisses sowie Generierung der Ausgangsmenge an Indikatoren zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen auf Basis der ersten beiden Schritte.
Abschnitt III.4
Schritt 4: Konstruktvalidierung • Empirische Validierung des konzipierten Modells auf Grundlage von drei OnlineBefragungen (Hauptsample 1: n=1211; Hauptsample 2: n=1113 [Test auf Stichprobenunabhängigkeit]; Retestsample: n=197 [Test auf zeitliche Stabilität]).
Abschnitt III.5
Abbildung III-1: Vorgehensweise bei der Messmodellentwicklung
2
Bestandsaufnahme der Literatur
2.1
Zum Begriff Resistenz
2.1.1
Zum Begriff Resistenz außerhalb der BWL
Um ein tiefgreifendes Verständnis für den Resistenzbegriff zu erlangen, ist zunächst eine Betrachtung dieses Begriffes außerhalb der BWL notwendig, bevor im nächsten Abschnitt auf die Begriffsverwendung innerhalb der BWL und insbesondere im Marketingkontext eingegangen wird. Eine erste Annäherung an den Resistenzbegriff sowie seines Verwendungskontexts erfolgt mittels Analyse des allgemeinen Sprachgebrauchs. Etymologisch stammt das Wort Resistenz vom lateinischen „resistencia“ ab und be-
76
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 11ff.
15
deutet Widerstand.77 In der Bildungssprache wird Resistenz für die Begriffe Gegenwehr und Widerstand verwendet.78 Daneben sind Abhärtung, Abwehrfähigkeit, Auflehnung, Immunität, Weigerung und Widerstandsfähigkeit als weitere Synonyme gebräuchlich.79 Im angloamerikanischen Sprachraum entspricht das Wort „resistance“ dem deutschen Resistenzbegriff.80 In der Biologie und der Medizin drückt der Begriff die Widerstandsfähigkeit eines Organismus gegenüber schädlichen exogenen Einwirkungen aus.81 Die Physik verwendet vornehmlich das Synonym Widerstand. Hier steht der Begriff im Allgemeinen für etwas, das einen Vorgang bzw. eine Zustandsänderung retardiert.82 Im politischen Kontext wird von Widerstand gegen Regierungs- und Besatzungssysteme sowie gegen rechtswidrig ausgeübte Staatsgewalt gesprochen.83 In der Psychologie wird der Begriff Resistenz bzw. Widerstand ebenfalls thematisiert.84 Insbesondere ist die so genannte Resistenz gegen Veränderungen Gegenstand der Psychoanalyse und der kognitiven Psychologie: „[…] the self emerges from infancy with two contradictory behavioural tendencies […]. The first tendency is change-oriented and crucial to the development of self-identity, maturity and autonomy; the second tendency is resistant to change and crucial to the construction of defensive techniques for avoiding anxiety and maintaining security.“85 Die Psychoanalyse sieht Resistenz als den immanenten Schutz eines Menschen vor emotionalem Schmerz.86 Die kognitive Psychologie versteht Resistenz als natürliche Schutzfunktion vor zu schnellen Veränderungen der auf individuellen kognitiven Schemata basierenden Realität.87 Resistenz wird ebenso als potenzielle Konsequenz zur Verteidigung individueller Freiheit angesehen. Diese Ansicht wird in der von Brehm entwickelten Reaktanztheorie vertreten.88 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88
16
Vgl. Brockhaus (2005); Duden (2007a). Vgl. Duden (2007b), S. 901. Vgl. Deutscher Wortschatz (2007). Vgl. Oxford (2007). Vgl. Brockhaus (2005). Vgl. Brockhaus (2006), S. 35f. Vgl. Brockhaus (2005). Vgl. Fine/Overholser/Berkoff (1992), S. 470ff. Diamond (1986), S. 544. Vgl. Cowan/Presbury (2000), S. 411. Vgl. Mahoney (1988), S. 300; Liotti (1989). Vgl. Brehm (1966); Bauer (1978); Brehm/Brehm (1981) sowie Abschnitt V-2.2.
2.1.2
Zum Begriff Resistenz innerhalb der BWL
2.1.2.1
Überblick
In der betriebswirtschaftlichen Literatur lassen sich zahlreiche Forschungsrichtungen identifizieren, die sich mit dem Thema Resistenz auseinandersetzen. Für die vorliegende Arbeit sind insbesondere die drei folgenden Forschungsfelder von Relevanz: Resistenz gegenüber Veränderungen im organisationalen Kontext (Abschnitt III-2.1.2.2), Resistenz als Verhalten im Marketingkontext (Abschnitt III-2.1.2.3) sowie Resistenz gegenüber Innovationen (Abschnitt III2.1.2.4). Des Weiteren existieren Forschungsarbeiten, die sich mit der Resistenz gegen den Konsum89 auseinandersetzen sowie Arbeiten, die die Resistenz (hier: Dauerhaftigkeit, Beständigkeit) von Einstellungen90 thematisieren. Die beiden letztgenannten Forschungsfelder werden aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung für die Arbeit im Literaturüberblick nicht weiter thematisiert. 2.1.2.2
Resistenz gegenüber Veränderungen im organisationalen Kontext
Zunächst ist eine Analyse der Organisationsforschung notwendig, da diese sich als einzige Disziplin schon frühzeitig und durchgängig mit dem Konzept der Resistenz gegen neue Ideen, Prozesse und Technologien auseinandergesetzt hat.91 Tabelle III-1 zeigt überblicksartig ausgewählte Arbeiten aus dem Gebiet der Organisationsforschung, die einen Erkenntnisbeitrag für die vorliegende Arbeit liefern. Hierbei kann grundsätzlich zwischen Arbeiten unterschieden werden, die Resistenz lediglich als Verhalten konzeptualisieren, und Beiträgen, bei denen die Resistenz entweder eine Einstellungs- und eine Verhaltensebene oder eine Einstellungs-, eine intentionale sowie eine Verhaltensebene umfasst.
89 90 91
Vgl. z.B. Dobscha (1998); Ritson/Dobscha (1999). Vgl. z.B. Eagly/Chaiken (1993); Krosnick et al. (1993); Blackwell/Miniard/Engel (2001). Vgl. Dethloff (2004), S. 154f.
17
Autor(en) Jahr, Seite
Resistenzverständnis
Konzeptualisierung der Resistenz
Markus (1983), S. 433.
“[…] resistance is defined as behaviors intended to prevent the implementation or use of a system […].”
Verhalten
Joshi (1991), S. 231.
“Individuals who experience the distress of inequity or loss of equity are likely to resent the change and resist it by attempting to minimize their inputs and others’ outcomes as well as by attempting to increase others’ inputs.”
Verhalten
Marakas/ Hornik (1996), S. 209. Martinko/ Henry/ Zmud (1996), S. 322.
“We define passive resistance misuse (PRM) to be a recalcitrant, covert behavior resulting from both fear and stress stemming from the intrusion of the technology into the previously stable world of the user.” “[…] resistance can take on a wide variety of behavioral forms. […] Resistance behaviors are characterized by low levels of use, by lack if use, or by dysfunctional, e.g. harmful, use.“
Verhalten
Einstellung, Verhalten
Kieser/ Hegele/ Klimmer (1998), S. 124.
“Verhaltenswiderstände treten auf, wenn Individuen oder Gruppen die Gefahr von Interessenkollision sehen.”
Verhalten
Hauschildt (1999), S. 4.
“[…], die Innovation zu verhindern, zu verzögern oder zu verändern.”
Verhalten
Piderit (2000), S. 783ff.
“[…] ‘resistance to change’ is represented by the set of responses that are negative along all three Dimensions (emotional, cognitive, and intentional) […] it is useful to distinguish between an intention to resist at the attitudinal level and dissent or protest at the level of actual behavior […].”
Einstellung, Verhaltensintention, Verhalten
Oreg (2003), S. 680.
“[…] an individual’s tendency to resist or avoid making changes, to devalue change generally, and to find change aversive across diverse contexts and types of change.”
Einstellung, Verhaltensintention, Verhalten
Zwick (2003).
Keine Resistenzdefinition.
Verhalten
Tabelle III-1: Begriffsverständnis und Konzeptualisierung von Resistenz im organisationalen Kontext Markus (1983) versteht Resistenz gegenüber einer organisationalen Veränderung als Verhalten und verwendet die Interaktionstheorie zur Erklärung der Resistenzgenese. Der Theorie zufolge entsteht Resistenz erst aus einer Interaktion der Merkmale einer Veränderung mit den Merkmalen einer Organisati-
18
on. Als Resistenzdeterminanten identifiziert Markus die subjektive Bedrohung von Machtverhältnissen oder des sozialen Gefüges.92 Joshi (1991) untersucht Resistenz bei der Implementierung von IT-Systemen. Er konzeptualisiert die Resistenz ebenfalls als Verhalten und nutzt die EquityTheorie93 als Erklärungsansatz. Hierbei wird angenommen, dass Individuen die Outputs bzw. Inputs von Austauschbeziehungen vergleichen. Kommt es durch eine Veränderung zu einer Verschlechterung des Output/InputVerhältnisses, resultiert aus dieser Resistenz.94 Marakas und Hornik (1996) analysieren eine spezielle Form von Resistenzverhalten am Beispiel der IT-Implementierung. Diese bezeichnen sie als „passive resistance misuse“. Dabei kommt es zu öffentlich bekundeter Akzeptanz bei gleichzeitig verdeckter Handlung gegen die Veränderung. Dieses Phänomen erklären die Autoren mittels des Ansatzes der passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung (PAP). Individuen zeigen bei einer PAP stabile Muster von Resistenz gegenüber sozialen und beruflichen Anforderungen.95 Martinko, Henry und Zmud (1996) klassifizieren unterschiedliches Resistenzverhalten mittels eines Aktiv-Passiv-Kontinuums und nutzen die Attributionstheorie96 zur Erklärung dieser Verhaltensweisen. Die Attributionstheorie beschreibt, welche Informationen Personen zur Kausalattribution heranziehen.97 In Folge von stabiler externaler Attribution kommt es zur passiven Resistenz. Stabile internale Attribution führt hingegen zu aktiver Resistenz sowie negativen Affekten, wie Zorn, Feindseligkeit und Distanzierung. 98 Kieser, Hegele und Klimmer (1998) verstehen unter Verhaltenswiderstand (Resistenz) eine Erscheinungsform des organisatorischen Konservatismus, als Ausdruck des Bedürfnisses nach Kontinuität, Identität und Sicherheit. Als Ursache sehen die Autoren die Angst vor Ungewissheit oder Veränderung des
92 93 94 95 96 97 98
Vgl. Markus (1983). Vgl. Adams (1963, 1965); Walster/Walster/Berscheid (1978). Vgl. Joshi (1991). Vgl. Marakas/Hornik (1996). Vgl. Heider (1958); Kelley (1967); Weiner et al. (1971). Vgl. Zimbardo/Gerrig (1999), S. 426. Vgl. Martinko/Henry/Zmud (1996).
19
Status quo, Unzufriedenheit mit der Entscheidungsfindung oder geplanter Umsetzung sowie fehlende Einsicht für Veränderungsnotwendigkeit.99 Hauschildt (1999) untersucht organisationalen Widerstand gegenüber Innovationen. Er identifiziert faktoranalytisch (n=154) zwei verschiedene Oppositionsvarianten innerhalb von Unternehmen: die konstruktive Opposition, welche die Innovation verändern möchte, und die destruktive Opposition, die die Innovation verhindern oder verzögern will.100 Piderit (2000) stellt in einem Forschungsüberblick zum Thema Resistenz gegenüber Veränderungen fest, dass der überwiegende Teil der Forschungsarbeiten Resistenz aus einer physikalischen Perspektive definiert und als zurückhaltende Kraft beschreibt, die in Richtung Aufrechterhaltung des Status quo wirkt. Innerhalb seiner Arbeit stützt sich Piderit zur Konzeptualisierung des Resistenzkonstrukts auf die Einstellungstheorie von Ajzen101 und unterscheidet daher zwischen einer Einstellungsebene (inkl. Intention) und einer Verhaltensebene der Resistenz. Eine empirische Prüfung der Konzeptualisierung bleibt jedoch aus.102 Oreg (2003) entwickelt eine Skala zur Messung von Resistenz gegenüber Veränderungen. Der Autor greift dabei das Verständnis von Piderit auf und berücksichtigt bei der Konzeptualisierung seines Konstrukts sowohl kognitive, affektive als auch Verhaltenskomponenten. Sein Konstrukt besteht aus den vier Faktoren „routine seeking“, „emotional reaction“, „short-term focus“ und „cognitive rigidity“ und misst die generelle Persönlichkeitseigenschaft, auf Veränderungen mit Widerstand zu reagieren. Der Autor testet seine Skala auch im Innovationskontext. In einer Studie (n=43) zeigt er, dass eine hohe Ausprägung des Konstrukts zu einer niedrigeren Adoptionswahrscheinlichkeit führt.103 Zwick (2003) untersucht in einer umfassenden Studie Determinanten des Mitarbeiterwiderstands gegenüber Innovationen. Aus der Studie wird jedoch nicht eindeutig klar, was der Autor unter Mitarbeiterwiderstand versteht. Aus dem Kontext der Forschungsarbeit geht allerdings hervor, dass unter dem
99 100 101 102 103
20
Vgl. Kieser/Hegele/Klimmer (1998). Vgl. Hauschildt (1999). Vgl. Ajzen (1984, 1987). Vgl. Piderit (2000). Vgl. Oreg (2003).
Mitarbeiterwiderstand kontraproduktive Verhaltensweisen der Mitarbeiter zu verstehen sind.104 Als Ergebnis der Analyse der Arbeiten zur Resistenz gegenüber Veränderungen im organisationalen Kontext lässt sich festhalten: x Es existiert kein einheitliches Resistenzverständnis. x Resistenz wird in einem Teil der Studien lediglich als Verhalten konzeptualisiert. Zur Erklärung des Resistenzverhaltens werden jeweils unterschiedliche Theorien herangezogen (Interaktionstheorie, Equity-Theorie, Attributionstheorie). x Vorwiegend neuere Studien stützen sich auf die Einstellungstheorie von Ajzen und konzeptualisieren die Resistenz als Kombination aus Einstellung, Verhaltensintention und Verhalten.
104
Vgl. Zwick (2003).
21
2.1.2.3
Resistenz als Verhalten im Marketingkontext
Zur weiteren Vertiefung des Resistenzverständnisses liefert der folgende Abschnitt einen Überblick zu Arbeiten, die sich mit Widerstandsverhalten von Konsumenten auseinandersetzen. Die Ausführungen konzentrieren sich auf solche Verhaltensweisen, die potenziell auch als negative Reaktion, ausgelöst durch eine Innovation, auftreten können. Im Marketingkontext existieren zahlreiche Forschungsarbeiten, die sich mit Resistenzverhalten von Konsumenten auseinandersetzen. Jedoch wird individueller Widerstand von Konsumenten (Beschwerde, negative Mund-zu-MundKommunikation) in der Literatur selten als Resistenzverhalten bezeichnet.105 Zumeist werden solche Verhaltensweisen als potenzielle Kundenreaktionen auf Unzufriedenheit thematisiert.106 Penaloza und Price (1993) kritisieren diese eingeschränkte Sichtweise und entwickeln erstmals ein Schema zur Klassifikation von Resistenzverhalten. Sie differenzieren grundsätzlich zwischen individuellem und kollektivem Resistenzverhalten und betonen, dass sich das Resistenzverhalten auf verschiedene Resistenzobjekte beziehen kann. Hier unterscheiden sie Resistenzverhalten, welches auf eine Korrektur des Marketing-Mix eines Unternehmens (z.B. Widerstand gegen einen Werbespot) abzielt, von Verhalten, das sich direkt auf ein Produkt bezieht.107 Als das wohl am häufigsten in der Marketingforschung untersuchte individuelle Resistenzverhalten kann das Beschwerdeverhalten von Konsumenten angesehen werden.108 Die Beschwerde wird innerhalb der Beschwerdeforschung als potenzielle Reaktion eines Individuums auf Unzufriedenheit angesehen.109 Ein einheitliches Verständnis des Begriffs Beschwerde liegt jedoch nicht vor.110 Eine sehr umfassende Begriffsdefinition, welche explizit auch die Vorkaufphase mit einbezieht, liefert Fürst, der unter einer Beschwerde „[…] jede schriftliche, telefonische oder persönliche Unzufriedenheitsäußerung eines
105 106
107 108 109 110
22
Vgl. Penaloza/Price (1993), S. 123. Vgl. Hirschman (1970); Hirschman (1974); Bearden/Teel (1983); Singh (1988); Dart/ Freeman (1994). Vgl. Penaloza/Price (1993). Vgl. für eine Schätzung Homburg/Fürst (2006), S. 4.; Homburg/Fürst (2007), S. 42. Vgl. Fornell (1978); Landon (1980). Vgl. Fürst (2005), S. 8.
potenziellen oder tatsächlichen Kunden gegenüber dem Hersteller oder einem Absatzmittler […], die sich auf ein wahrgenommenes Problem mit der Kernleistung, der Zusatzleistung und/oder dem Verhalten von Mitarbeitern eines Anbieters vor, während oder nach dem Kauf bezieht und die darauf abzielt, auf Basis eines vorhandenen oder nicht vorhandenen kaufrechtlichen Anspruchs Wiedergutmachung zu erreichen, auf dieses Problem aufmerksam zu machen, ein solches Problem mit dem Anbieter nicht noch einmal zu erleben und/oder dem Ärger über das Problem Luft zu machen […]“111 versteht. Diesem Verständnis wird hier gefolgt. Für das Erkenntnisziel der vorliegenden Arbeit sind insbesondere die Forschungsarbeiten der Beschwerdeforschung relevant, die sich mit Reaktionen von Kunden aufgrund von Unzufriedenheit auseinandersetzen. Hierbei können Arbeiten, die Formen der Kundenreaktion aufgrund von Unzufriedenheit analysieren bzw. klassifizieren, von Studien, welche Determinanten112 der Kundenreaktionen aufgrund von Unzufriedenheit untersuchen, differenziert werden (vgl. Tabelle III-2).113 Primärer Fokus
Erstellung von Klassifikationen zu Formen der Kundenreaktion aufgrund von Unzufriedenheit
Autor(en) Jahr
Beschreibung
Hirschman (1970, 1974).
Rein konzeptionelle Unterscheidung der Unzufriedenheitsreaktionen in: - Exit (=Abwanderung) - Voice (=Widerspruch) z.B. Beschwerde - Loyalty (=Inaktivität)
Day/Landon (1977).
Rein konzeptionelle Unterscheidung in: - Passive Unzufriedenheitsreaktion - Aktive Unzufriedenheitsreaktion - Public action (z.B. Beschwerde, Kontakt zu Drittparteien) - Private action (z.B. negative Mund-zu-MundKommunikation)
Tabelle III-2: Ausgewählte Arbeiten zum Beschwerdeverhalten (Teil 1/2)
111 112
113
Fürst (2005), S. 10. Hier werden nur die Arbeiten berücksichtigt, die die Determinanten einer Beschwerde fokussieren. Studien, die im Rahmen der Beschwerdeforschung Determinanten der negativen Mund-zu-Mund-Kommunikation betrachten, werden in dem Literaturüberblick zu diesem Thema aufgegriffen. Vgl. Fürst (2005), S. 13.
23
Fortsetzung Primärer Fokus
Autor(en) Jahr
Beschreibung
Bearden/ Teel (1983).
Empirische Untersuchung der potenziellen Kundenreaktionen auf Unzufriedenheit: - Warnung von Bezugspersonen - Beschwerde bei Händler/Hersteller - Rückgabe des Produkts - Kontakt zu Drittparteien - Rechtliche Schritte - Höhe der Unzufriedenheit beeinflusst die Intensität der Reaktion
Singh (1988).
Empirische Entwicklung einer Klassifikation von Unzufriedenheitsreaktion Unterscheidung in: - Voice responses (z.B. Aufforderung zur Wiedergutmachung) - Private responses (z.B. negative Mund-zu-MundKommunikation) - Third party responses (z.B. Kontakt zu Drittparteien)
Bolfing (1989).
Empirische Studie zu Determinanten der Beschwerdewahrscheinlichkeit: - Höhe der Unzufriedenheit (+) - Selbstbewusstsein (+) - Mit dem Problem verbundene Kosten (+) - Aufgeschlossenheit des Unternehmens gegenüber Beschwerden (+)
Blodgett/ Wakefield Barnes (1995).
Empirische Studie zu Determinanten der Beschwerdewahrscheinlichkeit: - Wahrgenommene Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde (+) - Einstellung zum Beschweren (+)
Keng/ Richmond/ Han (1995).
Empirische Studie zu Determinanten der Beschwerdewahrscheinlichkeit u.a.: - Selbstbewusstsein (+) - Alter, Bildungsniveau (+) - Verfügbarkeit von Alternativen (-) - Werte des Konsumenten (+/-)
Blodgett/ Anderson (2000).
Empirische Studie zu Determinanten der Beschwerdewahrscheinlichkeit: - Wahrgenommene Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde (+) - Einstellung zum Beschweren (+) - Wahrgenommene Dauerhaftigkeit und Steuerbarkeit der Problemursache (-)
Erstellung von Klassifikationen zu Formen der Kundenreaktion aufgrund von Unzufriedenheit
Analyse der Determinanten einer Beschwerde
Tabelle III-2: Ausgewählte Arbeiten zum Beschwerdeverhalten (Teil 2/2)
24
Innerhalb der erstgenannten Gruppe kommt der im Rahmen der Exit-VoiceTheorie114 entwickelten Klassifikation von Hirschman (1970, 1974) eine wegweisende Bedeutung zu.115 Der Theorie folgend reagieren Kunden auf nicht zufriedenstellende Leistungen von Unternehmen mit Abwanderung („exit“), Widerspruch („voice“) oder Inaktivität („loyalty“). Hirschman betont dabei, dass die Reaktionsform Widerspruch durch geeignete Institutionen gefördert werden sollte, da diese Art der Reaktion im Gegensatz zu den anderen beiden Reaktionsformen vorteilhaft für Unternehmen ist.116 Als weitere wichtige Klassifikation von Unzufriedenheitsreaktionen der Konsumenten gelten u.a. die Ansätze von Day und Landon (1977), Bearden und Teel (1983) sowie Singh (1988).117 Letztgenannter Ansatz erfährt aufgrund widersprüchlicher Forschungsergebnisse118 bzgl. der anderen Klassifikationsversuche bisher die größte Akzeptanz.119 Der von Singh (1988) mittels Faktoren- und Varianzanalyse auf Basis mehrerer schriftlicher Befragungen entwickelte Ansatz differenziert als potenzielle Reaktionsformen „voice responses“ (Wiedergutmachungsforderung an den Anbieter, Inaktivität), „private responses“ (Abwanderung, negative Mund-zuMund-Kommunikation) sowie „third party responses“ (Kontaktaufnahme mit Drittpartei).120 Nachkommende Arbeiten konnten diese Einteilung bestätigen.121 Darüber hinaus existieren weitere in diesen Klassifikationsansätzen nicht einbezogene Reaktionsformen auf Unzufriedenheit.122 Dazu zählen spezielle Formen der Abwanderungen123 und Vergeltungsreaktionen124 (z.B. Diebstahl, Beschädigung von Produkten).125 Interessant ist hinsichtlich der potenziellen Reaktionsformen, dass Konsumenten häufig multiple, zeitlich parallele oder sequentiell stattfindende 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123
124 125
Vgl. Hirschman (1970); Hirschman (1974). Vgl. Homburg/Fürst (2007), S. 43. Vgl. Hirschman (1974), S. 102. Vgl. Day/Landon (1977); Bearden/Teel (1983); Singh (1988); Homburg/Fürst (2006), S. 6. Vgl. Day et al. (1981); Maute/Forrester (1993); Singh (1988). Vgl. Homburg/Fürst (2007), S. 43. Vgl. Singh (1988). Vgl. Singh (1990); Dart/Freeman (1994); Hansen/Swan/Powers (1997). Vgl. Homburg/Fürst (2006), S. 7. Vgl. Hunt/Hunt/Hunt (1988); Hunt/Hunt (1990); Huefner/Hunt (1992); Huefner/Hunt (1994). Vgl. Huefner/Hunt (1994); Huefner/Hunt (2000). Vgl. Homburg/Fürst (2006), S. 7.
25
Reaktionen bei Unzufriedenheit zeigen und nicht nur mit einer singulären Maßnahme (Abwanderung oder Beschwerde oder negative Mund-zu-MundKommunikation) reagieren.126 Weiteren Erkenntnisgewinn für die vorliegende Arbeit ergibt eine Analyse der Studien, die Determinanten dieser Kundenreaktionen untersuchen. In der Beschwerdeforschung existieren zu diesem Thema zahlreiche Publikationen.127 Homburg und Fürst (2007) erstellen auf Basis einer umfassenden Literaturanalyse eine Systematisierung dieser Einflussfaktoren. Sie differenzieren dabei kundenbezogene, unternehmensbezogene, geschäftsbeziehungsbezogene, markt-/ branchenbezogene, problembezogene und kulturelle Faktoren sowie das Ausmaß der Unzufriedenheit. Für eine umfassende Darstellung der Determinanten sei auf diese Arbeit verwiesen. Interessant für vorliegende Arbeit ist insbesondere, dass die Reaktion auf Unzufriedenheit u.a. von persönlichen Werten wie Freiheit, Individualität und Sicherheit abhängt. Des Weiteren steigt mit zunehmender wahrgenommener Ernsthaftigkeit des Problems die Wahrscheinlichkeit zur Beschwerde sowie zur negativen Mund-zu-MundKommunikation. 128 Die negative Mund-zu-Mund-Kommunikation („negative Word-of-Mouth“) wird als weiteres bedeutsames, individuelles Resistenzverhalten von Konsumenten einer separaten Literaturanalyse unterzogen. Im Allgemeinen wird unter Wordof-Mouth (WOM) eine produktbezogene Konsument-zu-Konsument Konversation verstanden.129 WOM wird generell als glaubwürdiger bzw. vertrauenswürdiger als andere Informationsquellen angesehen.130 In der Marketingliteratur existieren eine Vielzahl von Forschungsarbeiten, die sich mit positivem WOM (PWOM) auseinandersetzen.131 Im Gegensatz dazu sind die Forschungsbemühungen zu negativem WOM (NWOM) noch relativ beschränkt, obwohl NWOM ein höheres Beeinflussungspotenzial132 zugesprochen wird als
126
127
128 129 130 131 132
26
Vgl. Day et al. (1981); Bearden/Teel (1983); Richins (1983); Singh/Pandya (1991); Blodgett/Hill/Tax (1997); Homburg/Fürst (2007), S. 44. Vgl. z.B. Bolfing (1989); Blodgett/Wakefield/Barnes (1995); Keng/Richmond/Han (1995); Blodgett/Anderson (2000). Vgl. Homburg/Fürst (2007), S. 46. Vgl. Arndt (1967); Liu (2006). Vgl. Brown/Reingen (1987); Murray (1991); Banerjee (1992). Vgl. von Wangenheim (2005), S. 68. Vgl. Mizerski (1982); Bone (1995).
PWOM.133 So konnte beispielsweise Luo (2007) in seiner im Journal of Marketing publizierten Studie die negativen Auswirkungen von Resistenzverhalten auf den Aktienkurs von Unternehmen aufzeigen.134 Grundsätzlich lässt sich die Literatur bzgl. NWOM anhand eines einfachen Sender-Empfänger-Modells systematisieren. Hierbei können Studien, die sich mit der Perspektive des Empfängers von NWOM befassen, von Studien, die Ziele, Motive und Eigenschaften der Sender von NWOM fokussieren, unterschieden werden. Letztgenannte Gruppe ist für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse. Jedoch existieren hier kaum Arbeiten, die sich explizit mit Determinanten des Resistenzverhaltens NWOM bei Innovationen beschäftigen. Um die Relevanz von NWOM auch im Innovationskontext zu verdeutlichen und einen vollständigen Literaturüberblick zu gewährleisten, werden daher zunächst ausgewählte Arbeiten aus der Empfängerperspektive vorgestellt. Arndt (1967) untersucht empirisch, wie WOM die Diffusion von neuen Produkten beeinflusst. Als ein Ergebnis lässt sich festhalten, dass WOM am wahrscheinlichsten von Adoptern des neuen Produkts zu solchen Konsumenten fließt, die bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Adopter sind. Darüber hinaus zeigt Arndt, dass besonders NWOM einen signifikant negativen Einfluss auf den Kauf eines neuen Produkts beim NWOM-Empfänger ausübt.135 Mahajan, Muller und Kerin (1984) betonen in ihrer Arbeit über Einführungsstrategien von neuen Produkten die Relevanz von WOM und insbesondere NWOM für den Erfolg von neuen Produkten. Sie zeigen mittels verschiedenen Diffusionsmodellen die Notwendigkeit der Modifikation der Einführungsstrategie abhängig von der Valenz des WOM.136 Laczniak, DeCarlo und Ramaswami (2001) erklären anhand der Attributionstheorie die Auswirkungen von NWOM auf eine Markenbewertung des Kommunikationsempfängers. Sie kommen durch mehrere empirische Studien zu dem Ergebnis, dass hauptsächlich die vom Empfänger angenommenen Motive des Senders für WOM dessen Markenbewertung beeinflussen. Falls der NWOM-Empfänger die Botschaft sowie den NWOM-Sender für glaubwürdig 133 134 135 136
Vgl. von Wangenheim (2005), S. 68. Vgl. Luo (2007). Vgl. Arndt (1967). Vgl. Mahajan/Muller/Kerin (1984).
27
hält, wird die Marke durch den NWOM-Empfänger negativer bewertet. Wird der NWOM-Sender oder dessen Nachricht allerdings als unglaubwürdig angesehen, kann der Empfang von NWOM sogar zu einer Verbesserung der Markenbewertung führen.137 Moldovan und Goldenberg (2004) analysieren die Auswirkungen von NWOM auf den Markterfolg von Innovationen. Konsumenten, welche NWOM durchführen, bezeichnen sie in diesem Kontext als resistance leader. Aufgrund der Analyse mehrerer Studien kommen sie zu einem eindeutigen Ergebnis: Resistance leader üben einen erheblichen Einfluss auf das Marktpotenzial einer Innovation aus. Dieses fällt bei Existenz von resistance leadern in einem sozialen System eindeutig geringer aus. Darüber hinaus zeigen die Autoren, dass resistance leader den in der Diffusionstheorie thematisierten positiven Einfluss von Meinungsführern auf die Innovationsdiffusion vollständig neutralisieren können.138 Die oben vorgestellten Forschungsarbeiten aus der Empfängerperspektive zeigen exemplarisch die Konsequenzen von NWOM auf. Aus diesen geht die hohe Relevanz dieses Resistenzverhaltens für den Diffusionsverlauf von Innovationen hervor. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass vergleichsweise wenige Studien existieren, die sich explizit mit dem Thema NWOM und Innovationen auseinandersetzen. Nachfolgend dargestellte Studien befassen sich mit der Perspektive des Senders von NWOM und liefern Anhaltspunkte für potenzielle Determinanten der Resistenz. Richins (1983) analysiert NWOM im Zusammenhang mit Unzufriedenheit. Von zentralem Interesse ist dabei, was dazu führt, dass unzufriedene Kunden anderen Konsumenten von ihren negativen Erlebnissen berichten. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere die wahrgenommene Schwere des Problems, die Schuldzuweisung für die Unzufriedenheit sowie die wahrgenommene Reaktion des betroffenen Unternehmens nach einer Beschwerde einen signifikanten Einfluss auf NWOM ausüben. Demnach kommunizieren unzufriedene Kunden anderen Konsumenten ihre negativen Erfahrungen, wenn sie das Problem als schwerwiegend einstufen, sie die Schuld für die Un-
137 138
28
Vgl. Laczniak/DeCarlo/Ramaswami (2001). Vgl. Moldovan/Goldenberg (2004).
zufriedenheit beim Unternehmen sehen und wenn sie davon ausgehen, dass das Unternehmen nicht angemessen auf Beschwerden reagiert.139 Sundaram, Mitra und Webster (1998) identifizieren mittels einer qualitativen Studie potenzielle Motive von Individuen für WOM. Die Arbeit gilt bis dato als umfassendste Studie zu diesem Themenkomplex140 und ist eine der wenigen Ausnahmen, die sich explizit sowohl mit den Determinanten von PWOM als auch von NWOM in Konsumsituationen beschäftigt. Die Autoren vermuten zu Recht, dass nicht ausschließlich die gleichen Motive PWOM und NWOM auslösen. Lediglich Altruismus kann sowohl PWOM als auch NWOM verursachen - fast ein Viertel der Probanden gaben an, andere vor negativen Konsequenzen warnen zu wollen. Zusätzlich identifizieren sie weitere nur mit NWOM verbundene Motive. Angst, Ärger bzw. Frust, verursacht durch das negative Konsumerlebnis, abzubauen war für rund 25% der Probanden zentrales Motiv. Mit 36,5% ist das Rachemotiv besonders dann relevant, wenn Konsumenten sich bei einer Beschwerde nicht angemessen behandelt fühlen. Von untergeordneter Bedeutung ist das Motiv, eine Lösung bzw. Ratschlag für ein noch bestehendes Problem von anderen Konsumenten zu erhalten.141 Lau und Ng (2001) untersuchen NWOM als Konsequenz von Unzufriedenheit. Die interkulturelle Studie der Autoren zu individuellen und kontextabhängigen Determinanten von NWOM wurde in Kanada sowie in Singapur durchgeführt. Für beide Länder konnten das Produktinvolvement, das Kaufentscheidungsinvolvement, das Selbstvertrauen der betroffenen Kunden, der wahrgenommene Wert einer Beschwerde sowie die Nähe von anderen Menschen als Einflussgrößen von NWOM identifiziert werden.142 Hennig-Thurau, Gwinner, Walsh und Gremler (2004) entwickeln faktoranalytisch aufbauend auf den Erkenntnissen der traditionellen WOM Literatur sowie Forschungsergebnissen zu Online Communities eine Typologie von Motiven, im Internet WOM zu betreiben. Relevant für NWOM sind demnach insbesondere die Sorge um andere Konsumenten sowie das Bestreben von Konsumenten, eine Lösung für ein bestehendes Problem zu finden. Die Ergebnisse
139 140 141 142
Vgl. Richins (1983). Vgl. Hennig-Thurau et al. (2004), S. 40. Vgl. Sundaram/Mitra/Webster (1998). Vgl. Lau/Ng (2001).
29
bestätigen somit z.T. die Erkenntnisse der oben dargestellten Arbeit von Sundaram, Mitra und Webster.143 Moldovan, Goldenberg und Chattopadhyay (2005) analysieren empirisch die produktbezogenen Determinanten von WOM bei Innovationen. Die Originalität einer Innovation bestimmt dabei das Ausmaß von WOM, während die Nützlichkeit die Valenz von WOM beeinflusst. Wird das Produkt dabei als nutzlos eingestuft, führt dies zu NWOM. Darüber hinaus konnten sie die wahrgenommene Komplexität einer Innovation als Auslöser für WOM identifizieren. Hohe Komplexität veranlasst Konsumenten zu NWOM, niedrige Komplexität zu PWOM.144 Von Wangenheim (2005) fokussiert in seiner Forschungsarbeit eine spezielle Variante von NWOM. Der Autor untersucht erstmals Determinanten von NWOM nach einem Anbieterwechsel (sog. postswitching NWOM). Als grundsätzlicher Bezugsrahmen dient dabei die Theorie der kognitiven Dissonanz. Hervorzuheben ist, dass von Wangenheim als erster das wahrgenommene Risiko als potenzielle Determinante von NWOM berücksichtigt. Als Ergebnis seiner empirischen Studie lässt sich festhalten, dass neben dem wahrgenommenen Risiko, das Produktinvolvement, Market Mavenism, die Zufriedenheit mit dem neuem Anbieter und die Unzufriedenheit mit dem alten Anbieter (Wechselgrund) Antezedenzien von (postswitching) NWOM darstellen.145 Cheng, Lam und Hsu (2006) erklären NWOM als Folge von Unzufriedenheit mit Hilfe der Theory of Planned Behavior. Mittels empirischer Untersuchung identifizieren die Autoren die Einstellung zu NWOM, die subjektive Norm sowie die wahrgenommene Verhaltenskontrolle als Determinanten der NWOM Absicht.146 Tabelle III-3 fasst die Ergebnisse der oben dargestellten Studien zusammen.
143 144 145 146
30
Vgl. Hennig-Thurau/Gwinner/Walsh/Gremler (2004). Vgl. Moldovan/Goldenberg/Chattopadhyay (2005). Vgl. von Wangenheim (2005). Vgl. Cheng/Lam/Hsu (2006), S. 95.
Perspektive
Autor(en) Jahr
Untersuchungsfokus
Relevante Kernergebnisse
Innovationen
- Informationsfluss am wahrscheinlichsten von Käufern zu bisherigen Nicht-Käufern - NWOM übt einen signifikanten Einfluss auf die Resistenz gegenüber Innovationen der Empfänger aus
Mahajan/ Muller/ Kerin (1984).
Neue Produkte
- Integration von NWOM in Diffusionmodell zur Bestimmung einer optimalen Einführungsstrategie notwendig - Einführungsstrategie abhängig von der WOM-Valenz
Laczniak/ DeCarlo/ Ramaswami (2001).
Markenbewertung durch Konsumenten
- Zentral für die Markenbewertung des NWOM-Empfängers sind die wahrgenommenen Motive des NWOM-Senders
Innovationen
- „Resistance Leader“, die NWOM betreiben, üben einen negativen Einfluss auf die erreichbare Marktgröße einer Innovation aus und können sogar für das Scheitern einer Innovation sorgen - Tritt NWOM während der Innovationsdiffusion auf, kann auch die Mobilisierung von Meinungsführern (Æ positive WOM) die negativen Effekte von NWOM nicht neutralisieren
Arndt (1967).
NWOMEmpfänger
Moldovan/ Goldenberg (2004).
Relevante Determinanten von NWOM: Richins (1983).
Unzufriedenheit von Kunden
NWOMSender Sundaram/ Mitra/ Webster (1998).
Konsumerlebnisse
- Wahrgenommene Schwere des Problems (+) - Schuldzuweisung für die Unzufriedenheit (+) - Wahrgenommene Reaktion der Firma auf Beschwerden (+) - Qualitative Studie zu Motiven von WOM - Motive für NWOM: - Altruismus (+) - Abbau von Angst, Ärger bzw. Frust (+) - Rache (+) - Problemlösung finden (+)
Tabelle III-3: Ausgewählte Arbeiten zu NWOM aus Empfänger- und Senderperspektive (Teil 1/2)
31
Fortsetzung Perspektive
Autor(en) Jahr
Untersuchungsfokus
Relevante Kernergebnisse Relevante Determinanten von NWOM:
Lau/ Ng (2001).
Hennig-Thurau/ Gwinner/ Walsh/ Gremler (2004).
NWOMSender
Moldovan/ Goldenberg/ Chattopadhyay (2005).
Unzufriedenheit von Kunden
- Produktinvolvement (+) - Kaufentscheidungsinvolvement (+) - Selbstvertrauen des betroffenen Kunden (+) - Wahrgenommener Wert einer Beschwerde (+) - Nähe von anderen Menschen (+) Relevante Motive für NWOM:
WOM im Internet
WOM bei Innovationen
- Sorge um andere Konsumenten (+) - Problemlösung finden (+) - Originalität einer Innovation bestimmt die Höhe von WOM - Nützlichkeit Æ Valenz: - WOM (+) - NWOM (-) - Komplexität wirkt positiv auf NWOM Relevante Determinanten (postswitching) NWOM:
von Wangenheim (2005).
Cheng/ Lam/ Hsu (2006).
Konsumentenverhalten nach einem Anbieterwechsel (Postswitching Behaviour)
von
-
Produktinvolvement (+) Market Mavenism (+) Wahrgenommenes Risiko (+) Zufriedenheit mit neuem Provider (+) - Unzufriedenheit mit altem Provider als Wechselgrund (+) Relevante Determinanten von NWOM:
Unzufriedenheit von Kunden
- Einstellung ggü. NWOM (+) - Subjektive Norm (+) - Wahrgenommene Verhaltenskontrolle (+)
Tabelle III-3: Ausgewählte Arbeiten zu NWOM aus Empfänger- und Senderperspektive (Teil 2/2) Als ein weiteres bedeutendes Resistenzverhalten von Konsumenten kann das Boykottverhalten bezeichnet werden.147 Im Gegensatz zu einer Beschwerde oder NWOM stellt ein Boykott nach der oben angeführten Klassifikation von 147
32
Vgl. Herrmann (1993); Fournier (1998).
Penaloza und Price (1993) ein kollektives Resistenzverhalten dar.148 Der Begriff Boykott geht auf einen durch den britischen Kapitän Charles Cunningham Boycott verursachten Bauernaufstand zurück.149 Ein einheitliches Begriffsverständnis existiert bis dato nicht.150 Eine zielführende Definition für die vorliegende Arbeit liefert Garrett (1987), der unter einem Boykott „[…] the concerted, but nonmandatory refusal by a group of actors (the agents) to conduct marketing transactions with one or more other actors (the target) for the purpose of communicating displeasure with certain target policies and attempting to coerce the target to modify those policies […]”151 versteht. Die Forschungsarbeiten zu Boykotten lassen sich drei verschiedenen Gruppen zuordnen (vgl. Tabelle III-4). Die erste Gruppe umfasst Arbeiten mit zumeist deskriptivem Charakter. Der Fokus dieser Arbeiten liegt primär in der Beschreibung realer Boykotte, der Entwicklung von Boykottdefinitionen sowie Boykottklassifikationen.152 In der zweiten Gruppe finden sich Studien, die sich mit den Wirkungen von Boykotten befassen. So konnten beispielweise Pruitt und Friedman (1986) sowie Davidson, Worell und El-Jelly (1995) die negativen Konsequenzen von Boykotten auf den Aktienkurs boykottierter Unternehmen aufzeigen.153 Die Arbeiten der dritten Gruppe haben zum Ziel, die Motivationen von Konsumenten zur Boykottteilnahme zu erforschen. Tabelle III-4 liefert einen Überblick zu den wichtigsten Arbeiten der Boykottforschung. Primärer Fokus Gruppe 1: Deskriptive Analyse von Boykotten, Entwicklung von Boykottdefinitionen, Klassifikationen etc.
Autor(en) Jahr
Beschreibung
Friedman (1971).
-
Case Study zu Boykott in den USA
Klapper (1978).
-
Case Study zu diversen Boykotten (Nestlé, Coors etc.)
Friedman (1985, 1991, 1999).
-
Entwicklung einer Klassifikation von Boykottarten durch Analyse der Merkmale zahlreicher Boykotte Merkmale von Boykottinitiatoren
Garrett (1986).
-
-
Abhandlung über Vor- und Nachteile von Boykotten aus ethischer Sichtweise
Tabelle III-4: Ausgewählte Forschungsarbeiten zu Boykotten (Teil 1/4) 148 149 150 151 152 153
Vgl. Penaloza/Price (1993), S. 123. Vgl. Friedman (1999), S. 6; Lindenmeier/Tscheulin (2006), S. 2. Vgl. Lindenmeier/Tscheulin 2006, S. 2. Garrett (1987), S. 47. Vgl. Friedman (1985); Smith (1987); Friedman (1991); Friedman (1999). Vgl. Pruitt/Friedman (1986); Davidson/Worrell/El-Jelly (1995).
33
Fortsetzung Primärer Fokus
Autor(en) Jahr Smith (1987).
Gruppe 1: Deskriptive Analyse von Boykotten, Entwicklung von Boykottdefinitionen, Klassifikationen etc.
Putnam/ Muck (1991).
Beschreibung -
Case Study zu diversen Boykotten (Nestlé etc.) Anwendung und Übertragung des Konzepts der Konsumentensouveränität auf den Boykottkontext
-
Überblick zum Einsatz von diversen Boykottinstrumenten Boykottart abhängig von - Ziel - Relevanz - Ressourcen der Boykottteilnehmer Vorschlag zur Messung des Boykotterfolgs anhand des Ausmaßes der erreichten Veränderung
-
-
Analyse der Boykottrahmenbedingungen Beschleunigung von Boykotten durch neue Ziele, Befürwortung einflussreicher Gruppen, Unterstützung durch Medien und Gerichte
Davidson (1995).
-
Entwicklung von Handlungsempfehlungen für Unternehmen zur Prävention von Boykotten
Mohr/ Schneidewind (1996).
-
Case Study eines Boykotts (Shell) Wohlfahrtstheoretische Betrachtung mit Fokus auf spendenfinanzierte Boykottinitiatoren
-
Modelltheoretische Abhandlung zu Boykotten Wirkung eines Boykotts abhängig von: - Angebot- und Nachfrageelastizität - Boykottdauer - Anzahl Teilnehmer Boykotte führen zu Wohlfahrtsverlusten
Gelb (1995).
Rea (1974). -
Empirische Untersuchung (Sekundärdaten) Boykottaufrufe wirken sich negativ auf den Aktienkurs des betroffenen Unternehmens aus
-
Expertenbefragung Boykotte haben eine hohe Wirkung bei hohem ökonomischem Druck und Imageschaden
Davidson/ Worrell/ El-Jelly (1995).
-
Empirische Untersuchung auf Basis von Sekundärdaten Boykottaufrufe wirken sich u.a. negativ auf den Aktienkurs des betroffenen Unternehmens aus
Kritikos/ Bolle (2004).
-
Analyse mittels spieltheoretischem Modell Boykott führt zur Disziplinierung von Monopolisten
-
Analyse mittels spieltheoretischem Modell Boykottinitiierung sowie Boykottwirkung u.a. abhängig von Marktanteilen (Duopol) und den Boykottkosten
Pruitt/ Friedman (1986) Gruppe 2: Analyse der Wirkung von Boykotten
Garrett (1987).
Innes (2006).
-
Tabelle III-4: Ausgewählte Forschungsarbeiten zu Boykotten (Teil 2/4)
34
Fortsetzung Primärer Fokus
Autor(en) Jahr
Beschreibung -
Exploratorische Untersuchung Zentrale Determinanten der Boykottteilnahme: - Betroffenheit der Konsumenten (+) - Fähigkeit der Konsumenten (+) - Substituierbarkeit des boykottierten Produkts (+)
-
Exploratorische Untersuchung Zentrale Determinanten der Boykottteilnahme: - Suche nach sozialen Veränderungen (+) - Abbau von Schuldgefühlen (+) - Selbstdarstellung/ -verwirklichung (+)
-
Experimentelle Studie Erklärung mittels Theorie des sozialen Dilemmas, Kontrolltheorien sowie Referenzgruppentheorien Zentrale Determinanten der Boykottteilnahme: - Kosten des Boykotts (-) - Anfälligkeit für normativen Einfluss (+) - Wahrgenommene Erfolgswahrscheinlichkeit (+) - Wahrgenommene Wirksamkeit (+) - Proboykott-Kommunikation (+) - Erwartete Boykottbeteiligung (+)
Smith (1990).
Kozinets/ Handelman (1998).
Sen/ Gürhan-Canli/ Morwitz (2001). Gruppe 3: Analyse zu Determinanten bzw. Motiven der Boykottteilnahme
Klein/ Smith/ John (2002).
John/ Klein (2003).
Klein/ Smith/ John (2004).
-
-
Exploratorische Untersuchung Motive zur Boykottteilnahme: - Selbsterhöhung - Konsistenzstreben - Instrumentelle Motive - Expressive Motive - Clean-Hands-Motive
-
Theoretische Abhandlung zur Motivation einer Boykottbeteiligung auf Basis der Theorie des sozialen Dilemmas sowie spieltheoretischen Überlegungen Boykottentscheidung wird beeinflusst durch: - Small-Agent- Probleme - Free-Rider-Probleme - Instrumentelle sowie nicht-instrumentelle Motive
-
-
Experimentelle Studie Wahrgenommene Unerhörtheit als zentrale Determinante (+) Berücksichtigung diverser Kosten- und Nutzenkomponenten als Moderatoren dieser Beziehung
Tabelle III-4: Ausgewählte Forschungsarbeiten zu Boykotten (Teil 3/4)
35
Fortsetzung Primärer Fokus
Autor(en) Jahr
Morwitz/ Sen (2004).
Gruppe 3: Analyse zu Determinanten bzw. Motiven der Boykottteilnahme
Beschreibung -
Experimentelle Studie Zentrale Determinanten der Boykottteilnahme: - Pro-Boykott Kommunikation (+) - Anti-Boykott Kommunikation (-) - Kongruenz der Persönlichkeit mit der des boykottierten Unternehmens (-)
-
Empirische Studie zu Boykott ausländischer Produkte Zentrale Determinanten - Feindseligkeit (+) - Wahrgenommene Wirkung der Boykottteilnahme (+)
Ettenson/ Klein (2005).
-
Tyran/ Engelmann (2005).
-
Experimentelle Studie Zentrale Determinante: Konsumentenverärgerung Expressive Motive bedingen Boykottunterstützung
-
Kausalanalytische Betrachtung Determinanten der Boykottteilnahme - Involvement mit dem Boykottgrund (+) - Commitment ggü. boykottierter Marke (-) - Erwarteter Boykotterfolg (+) - Glaubwürdigkeit des Boykottaufrufs (+)
Bauer/ Albrecht/ Bryant/ Haber (2008).
Tabelle III-4: Ausgewählte Forschungsarbeiten zu Boykotten (Teil 4/4) Von besonderer Relevanz für die vorliegende Untersuchung sind die Ergebnisse der Studien der dritten Gruppe. Innerhalb dieser nehmen die Studien von Sen, Gürhan-Canli und Morwitz (2001) und Klein, Smith und John (2004) eine herausragende Stellung ein und werden daher einer näheren Betrachtung unterzogen. Sen, Gürhan-Canli und Morwitz (2001) analysieren mittels zwei empirischer Studien die Determinanten der individuellen Boykottwahrscheinlichkeit. Die Autoren versuchen hierbei die Entscheidung von Individuen zu erklären, ein bislang präferiertes Produkt zu boykottieren, um bestimmte kollektive Ziele zu erreichen. Mittels der Theorie des sozialen Dilemmas154 kann diese Entscheidungssituation als ein soziales Dilemma interpretiert werden. Soziales Dilemma tritt in Situationen auf, in denen ein Interessenskonflikt zwischen der Maximierung des Gruppennutzens (Boykottteilnahme) und des persönlichen Nutzens (Produkt weiter konsumieren) besteht. Ein Individuum, welches an einer kollektiven Entscheidung beteiligt ist, hat einen größeren Nutzen, wenn 154
36
Vgl. Dawes (1980); Weber/Kopelman/Messick (2004).
es eigennützig handelt. Falls jedoch alle an der Entscheidung beteiligten Individuen eigennützige Entscheidungen treffen, erfährt das Individuum einen geringeren Nutzen. Nach der Referenzgruppentheorie155 wird ein Individuum eine solche Entscheidung primär vom wahrgenommenen sozialen Druck der Referenzgruppe abhängig machen. Die Ergebnisse ihrer Studien bestätigen diese Vermutung. Darüber hinaus sind die erwartete Boykottbeteiligung, die wahrgenommene Wirksamkeit des Boykotts, die wahrgenommene Erfolgswahrscheinlichkeit eines Boykottes, die Pro-Boykott-Kommunikation sowie die wahrgenommenen Kosten Determinanten der Boykottteilnahme.156 Nach Klein, Smith und John (2004) hängt die individuelle Teilnahmebereitschaft an einem Boykott zentral von einer als unerhört wahrgenommenen Handlung eines Unternehmens ab. Diese Beziehung zwischen der wahrgenommenen Unerhörtheit und der Boykottpartizipationsabsicht wird von verschiedenen Größen moderiert, die entweder einem Kosten- oder Nutzen-Faktor zuordenbar sind. Zu den Kosten einer Boykottteilnahme gehören der Verzicht auf ein bisher präferiertes Produkt bzw. potenzielle Konsumeinschränkung. Darüber hinaus zählen die Autoren die Bedenken von Konsumenten, ob der individuelle Beitrag zur Zielerreichung überhaupt ausschlaggebend ist (Small-Agent-Problematik) oder sich Trittbrettfahrer (Free-RidingProblematik) die Vorteile des Boykotts zunutze machen könnten, dazu. Als Nutzen sehen Klein, Smith und John den Glauben des Einzelnen, etwas verändern zu können sowie intrinsischen Nutzen in Form der Selbstwertsteigerung. In der empirischen Untersuchung bestätigt sich der Einfluss der wahrgenommenen Kosten bzw. Nutzen einerseits als direkter Effekt auf die beabsichtigte Boykottbeteiligung. Andererseits stellen diese Faktoren Moderatoren der Beziehung zwischen der wahrgenommenen Unerhörtheit und der Boykottteilnahmeabsicht dar. Darüber hinaus konnten zwei weitere Einflussgrößen identifiziert werden. Eine hohe erwartete Anzahl von Boykottteilnehmern wirkt positiv auf die Teilnahmebereitschaft, während die Kommunikation des Unternehmens interessanterweise nur einen sehr geringen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme hat.157
155 156 157
Vgl. z.B. Burnkrant/Cousineau (1975); Childers/Rao (1992). Vgl. Sen/Gürhan-Canli/Morwitz (2001). Vgl. Klein/Smith/John (2004).
37
Zusammenfassend lässt sich aus dem Literaturüberblick zu Resistenz als Verhalten folgendes festhalten: x Nicht nur das Objekt, gegen das sich Resistenz richtet, kann unterschiedlich sein, sondern auch die Formen, in denen sich Resistenz manifestiert. x Die Wahrscheinlichkeit zur Beschwerde als Reaktion auf Unzufriedenheit hängt u.a. von persönlichen Werten, wie Freiheit, Individualität und Sicherheit der Individuen ab. x NWOM wird zwar eine große Bedeutung für den Diffusionsverlauf von Innovationen zugesprochen, allerdings werden in bisherigen Studien hauptsächlich die Auswirkungen von NWOM auf die Diffusion analysiert. Es mangelt an Studien, die explizit die Determinanten von NWOM im Innovationskontext untersuchen. Generell thematisieren die wenigen Studien zu NWOM diese primär als Reaktion auf Unzufriedenheit. x Je ernsthafter ein Problem eingeschätzt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Konsumenten zur Beschwerde, NWOM und Boykott. Interessant ist dabei, dass die potenziellen Reaktionsformen häufig zeitgleich auftreten. 2.1.2.4
Resistenz gegenüber Innovationen
In aktuellen praxisorientierten Publikationen (z.B. im Harvard Business Manager 2006, MIT Sloan Management Review 2007)158 wird die Relevanz des Themas der vorliegenden Arbeit - die Resistenz gegenüber Innovationen immer wieder in Leitartikeln herausgestellt. Überraschenderweise existieren bislang nur relativ wenig Forschungsarbeiten, die sich explizit mit diesem Thema auseinandersetzen. Sheth (1981) ist der erste Forscher, der sich intensiv dem Thema Innovationsresistenz widmet. Er betont, dass die Erforschung der Resistenz gegenüber Innovationen lange Zeit vernachlässigt wurde. Den Grund hierfür sieht er im so genannten Pro-Innovation Bias der Innovationsforschung. „The pro-innovation bias is the implication in diffusion research that an innovation should be diffused and adopted by all members of the social system, that it should be diffused more rapidly, and that the innovation should be neither re-invented nor 158
38
Vgl. Gourville (2006); Garcia/Bardhi/Friedrich (2007).
rejected.“159 Diese Limitation ist kritisch zu sehen. Ein besseres Verständnis seitens der Unternehmen, warum zahlreiche Innovationen scheitern und weshalb es bei vielen Konsumenten zu Resistenz gegenüber Innovationen kommt, hätte eine höhere Erfolgsquote bei der Innovationseinführung zur Konsequenz. Unter Resistenz gegenüber Innovationen versteht Sheth grundsätzlich einen Spezialfall der Resistenz gegenüber Veränderungen, deren Kernursache in der Abneigung der Konsumenten gegenüber Veränderungen jeglicher Art und den damit verbundenen Unsicherheiten liegt. Als Determinanten identifiziert er daher die Gewohnheit (Habit) und das wahrgenommene Risiko (Perceived Risk). Dabei korreliert die Stärke der Gewohnheit hinsichtlich eines Verhaltens als auch das wahrgenommene Risiko bzgl. einer Innovation positiv mit der Resistenz gegenüber Innovationen. Darüber hinaus vermutet er, dass die Resistenz umso höher ausfällt, je diskontinuierlicher eine Innovation ist, d.h. je größer die mit ihr verbundene Verhaltensänderung ausfällt.160 Ram (1987) entwickelt ein Modell zur Erklärung der Innovationsresistenz und unterscheidet drei Kategorien von Erklärungsvariablen: (1) Wahrgenommene Charakteristika der Innovation (konsumentenabhängig: relative advantage, compatibility, perceived risk, complexity, effect on adoption of other innovations; konsumentenunabhängig: trialability, divisibility, reversibility, realization, communicability, form of innovation), (2) Charakteristika der Konsumenten (Psychologische Variablen: perception, motivation, personality, value orientation, beliefs, attitude, previous innovative experience; SozioDemographika: age, education, income) und (3) Charakteristika des Verbreitungsmechanismus (marketer controlled vs. non-marketer controlled, personal vs. impersonal, characteristics: credibility, clarity, source similarity, informativeness). Ram erarbeitet somit eine sehr umfassende Auflistung an potenziellen Resistenzdeterminanten. Interessant ist dabei, dass er die adoptionsrelevanten Innovationseigenschaften nach Rogers161 als Determinanten der Resistenz uminterpretiert, indem er diese negativ formuliert: „The higher the perceived relative disadvantage (or lower the perceived relative advantage), the
159 160 161
Rogers (2003), S. 106. Vgl. Sheth (1981). Vgl. Abschnitt IV-2.2.
39
higher the innovation resistance.“162 Diese Vorgehensweise erscheint jedoch sehr undifferenziert.163 Ram (1989) unternimmt in seiner empirischen Studie den bislang einzigen Versuch, ein Modell zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen zu entwickeln. Grundlage hierfür bildet die Arbeit von Sheth (1981). Seine eigenen Überlegungen aus der Studie von 1987 lässt er dabei unberücksichtigt. Ram misst Resistenz gegenüber Innovationen über drei Faktoren: (1) Behavioral resistance (3 Items); (2) perceived risk (4 Items) sowie (3) cognitive resistance (2 Items). Er spezifiziert den von Sheth konzipierten Gewohnheitsfaktor und bezeichnet diesen als kognitive Resistenz. Der Faktor kognitive Resistenz besteht wiederum aus zwei Facetten. Die erste Facette ist der kognitive Aufwand, den ein Konsument zur Nutzung einer Innovation aufbringen muss. Dieser ist besonders dann bedeutsam, wenn ein Individuum mit der bisher verwendeten Problemlösung zufrieden ist. Dies entspricht der ursprünglichen Konzeptualisierung des Gewohnheitsfaktors von Sheth (1981). Die zweite Facette betrifft die Inkompatibilität der Innovation mit bestehenden Werten und Normen des Konsumenten. Zur theoretischen Fundierung dieser Facette nutzt der Autor psychologische Gleichgewichtstheorien (z.B. Balancetheorie164; Kongruenztheorie165). Denen zufolge strebt ein Individuum nach psychologischem Gleichgewicht. Kommt es durch eine Innovation zu einer Störung des Gleichgewichts, hat ein Individuum zwei Möglichkeiten. Das Individuum kann entweder seine eigene Einstellung anpassen und damit die Innovation akzeptieren oder es resultiert Widerstand gegenüber der Innovation.166 Zwei Kritikpunkte sind herauszustellen: Zum einen integriert er in sein Messmodell potenzielle Determinanten der Resistenz (z.B. wahrgenommenes Risiko) und versäumt so eine klare Abgrenzung zwischen den Bestimmungsfaktoren und den eigentlichen Komponenten der Resistenz. Zum anderen greift Ram bei der „Entwicklung“ des Messmodells lediglich auf die exploratorische
162 163
164 165 166
40
Ram (1987), S. 209. Vgl. Teil IV. Hier wird durch Aufdeckung asymmetrischer Effekte eindeutig aufgezeigt, dass unterschiedliche Determinanten für die Resistenz bzw. Akzeptanz vorliegen. Vgl. Heider (1958). Vgl. Osgood/Tannenbaum (1955). Vgl. Ram (1989).
Faktorenanalyse als Analysemethode zurück. Gütekriterien werden nicht angegeben. Dies entspricht nicht dem wissenschaftlichen Standard.167 Die oben beschriebenen drei Forschungsarbeiten von Sheth (1981) bzw. Ram (1987, 1989) bilden die Basis für zwei weitere Artikel, in denen die beiden Autoren gemeinsam aus den bisherigen Erkenntnissen Implikationen für die Praxis ableiten. Ram und Sheth (1989, 1990) identifizieren zwei Kategorien von Resistenzbarrieren, die einer Innovationsübernahme im Wege stehen: (1) Funktionale Barrieren, die mit der Übernahme einer Innovation verbundenen Veränderungen verknüpft sind. Hierzu zählen die „usage barrier“, die „value barrier“ sowie die „risk barrier“. Unter der „usage barrier“ verstehen sie, dass eine Innovation möglicherweise mit bisherigen Gewohnheiten nicht kompatibel ist. Die „value barrier“ kann erst überwunden werden, wenn eine Innovation ein hervorragendes Preis/-Leistungsverhältnis gegenüber der bisherigen Alternative bietet. Die mit einer Innovation einhergehenden Risiken bezeichnen sie als „risk barrier“, da wahrgenommene Risiken bzgl. einer Innovation zuerst überwunden werden müssen, bevor es zur Akzeptanz der Innovation kommen kann. Zu den (2) psychologischen Barrieren gehören die „tradition barrier“ sowie die „image barrier“. Hierunter verstehen Ram und Sheth die zur Innovationsübernahme notwendige Kompatibilität der Innovation mit den Werten und Normen eines Konsumenten. Die Autoren konzeptualisieren die Resistenz gegenüber Innovationen als Einstellung plus Verhalten. Sie unterscheiden passive Resistenz (Nicht-Kauf der Innovation) und aktive Resistenz (Widerstandsverhalten, Protest gegen die Innovation).168 Tansuhaj, Gentry, John, Manzer und Cho (1991) analysieren Resistenz gegenüber Innovationen im interkulturellen Kontext (Ländervergleich zwischen Südkorea, USA, Thailand, Indien und Senegal). Sie konzeptualisieren die Resistenz als Verhalten. Insgesamt identifizieren sie mit dem Fatalismus, dem Commitment bzgl. einer Religion und dem Traditionalismus drei Determinanten, die sie als kulturelle Barriere der Innovationsübernahme verstehen.169
167 168 169
Vgl. Homburg/Giering (1996). Vgl. Ram/Sheth (1989); Ram/Sheth (1990). Vgl. Tansuhaj et al. (1991).
41
Ellen, Bearden und Sharma (1991) untersuchen in ihrer Studie den Einfluss von wahrgenommener self-efficacy sowie performance satisfaction auf die Resistenz gegenüber technologischen Innovationen. Die Innovationsresistenz konzeptualisieren sie als Einstellung. Unter wahrgenommener self-efficacy verstehen sie das psychologische Risiko von Konsumenten, eventuell nicht die nötigen Fähigkeiten zu besitzen, um die neue Technologie benutzen bzw. anwenden zu können. Die Autoren stellen empirisch einen positiven Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen self-efficacy und dem Widerstand gegen Innovationen fest. Die zweite untersuchte Determinante performance satisfaction repräsentiert die Zufriedenheit mit dem Status Quo und übt einen positiven Effekt auf die Resistenz gegenüber einer technologischen Innovation aus.170 Szmigin und Foxall (1998) identifizieren in ihrer qualitativen Studie drei Arten von Innovationsresistenz. Sie unterscheiden (1) Zurückweisung der Innovation, (2) Verschiebung der Innovationsadoption und (3) Opposition gegen die Innovation. Anzumerken ist jedoch, dass die Adoptionsverschiebung einer bereits akzeptierten Innovation nach gängiger Auffassung nicht der Innovationsresistenz zuzuordnen ist.171 Bagozzi und Lee (1999) entwickeln ein Prozessmodell zur Erklärung der Resistenz gegenüber bzw. Akzeptanz von Innovationen. Hierbei unterscheiden sie zwischen passiver und aktiver Resistenz als Konsequenz des ersten Kontaktes mit einer Innovation. Die aktive Resistenz äußert sich im Gegensatz zur passiven Form in Resistenzverhalten (Ablehnung, Protest, Boykott): „[…] an innovation may prompt a response of rejection, protest, or even boycotting.“172 Des Weiteren diskutieren sie in ihrer rein konzeptionellen Arbeit auch potenzielle Determinanten der Resistenz bzw. Akzeptanz (u.a. die adoptionsrelevanten Innovationseigenschaften nach Rogers), ohne jedoch wirklich neue Erkenntnisse diesbezüglich zu generieren.173 Binsack (2003) untersucht in ihrer Arbeit über die Akzeptanz neuer Produkte insbesondere die Bedeutung des Vorwissens als Determinante des Innovationserfolgs. Sie entwickelt aufbauend auf den Arbeiten von Rogers und Shoe170 171 172 173
42
Vgl. Ellen/Bearden/Sharma (1991). Vgl. Szmigin/Foxall (1998). Bagozzi/Lee (1999), S. 219. Vgl. Bagozzi/Lee (1999).
maker (1971), Rogers (1995) sowie Nabih et al. (1997) ein Adoptionsprozessmodell. Resistenz gegenüber Innovationen versteht sie dabei als negative Beurteilung einer Innovation. Sie ist das Ergebnis der PersuasionPhase des Innovation-Decision-Prozesses, in der sich die Einstellung gegenüber einer Innovation bildet. Die positive Beurteilung in dieser frühen Phase im Adoptionsprozess interpretiert die Autorin in Anlehnung an Nabih et al. (1997) als Akzeptanz. Kleijnen, Lee und Wetzels (2006) analysieren Resistenz gegenüber Innovationen mit Hilfe einer qualitativen Studie. Bei ihrem Resistenzverständnis orientieren sie sich an der Arbeit von Szmigin und Foxall (1998). Sie identifizieren fünf potenzielle Determinanten der Innovationsresistenz (tradition and norms, usage patterns, image, information overload, perceived risk). Sie betonen dabei, dass Resistenz bei Konsumenten entweder durch eine innovationsbedingte Bedrohung gewohnter Verhaltensweisen entstehen kann oder aber durch Konflikte mit bestehenden Wertevorstellungen der Konsumenten ausgelöst wird. Des Weiteren weisen sie darauf hin, dass Opposition gegen eine Innovation wahrscheinlich in NWOM resultiert.174 Nachfolgende Tabelle III-5 fasst die Ergebnisse kompakt zusammen.
174
Vgl. Kleijnen/Lee/Wetzels (2006).
43
Autor(en) Jahr Sheth (1981).
Untersuchungstyp konzeptionell
Relevante Kernergebnisse Determinanten der Resistenz: - Gewohnheit (+) - Wahrgenommenes Risiko (+)
Resistenzkonzeptualisierung unklar
Kategorisierung der Determinanten der Resistenz: Ram (1987).
konzeptionell
- Wahrgenommene Charakteristika der Innovation - Charakteristika der Konsumenten - Charakteristika des Verbreitungsmechanismus
unklar
Entwicklung des bisher einzigen Messmodells Ram (1989).
Ram/ Sheth (1989, 1990). Ellen/ Bearden/ Sharma (1991). Tansuhaj/ Gentry/ John/ Manzer/ Cho (1991).
Szmigin/ Foxall (1998).
empirisch (quantitativ)
Messung über drei Faktoren:
widersprüchlich
- Behavioral resistance - Perceived risk - Cognitive resistance Unterscheidung in:
konzeptionell
empirisch (quantitativ)
empirisch (quantitativ)
empirisch (qualitativ)
- Functional barriers (usage barrier, value barrier, risk barrier) - Psychological barriers (tradition barrier, image barrier)
Einstellung, Verhalten
Determinanten der Resistenz - Self-efficacy (+) - Performance satisfaction (+)
Einstellung
Determinanten der Resistenz (interkultureller Kontext): - Fatalismus (+) - Commitment bzgl. Religion (+) - Traditionalismus (+)
Verhalten
Unterscheidung von drei Widerstandsarten: - Zurückweisung - Verschiebung - Opposition
Verhalten
Tabelle III-5: Literaturüberblick zu Resistenz gegenüber Innovationen (Teil 1/2)
44
Fortsetzung Autor(en) Jahr Bagozzi/ Lee (1999).
Binsack (2003).
Untersuchungstyp
konzeptionell
empirisch
Relevante Kernergebnisse Unterscheidung zwischen - passiver Resistenz - aktiver Resistenz (Zurückweisung, Protest, Boykott) - Resistenz = negative Einstellung gegenüber Innovation + Verhaltensintention - Akzeptanz = positive Einstellung gegenüber Innovation + Verhaltensintention
Resistenzkonzeptualisierung Einstellung, Verhalten
Einstellung, Verhaltensintention
Determinanten der Resistenz:
Kleijnen/ Lee/ Wetzels (2006).
empirisch (qualitativ)
- Changes in daily habits; disrupt routines (traditions & norms, usage patterns) - Conflicts with belief structure (innovation image, information overload, perceived risk)
Verhalten
Aus Opposition gegen eine Innovation kann NWOM resultieren
Tabelle III-5: Literaturüberblick zu Resistenz gegenüber Innovationen (Teil 2/2) Insgesamt lässt sich festhalten: x Es existiert keine einheitliche Definition des Resistenzbegriffs auf breiter Konsensbasis. x Ebenso besteht keine Übereinkunft hinsichtlich der Konzeptualisierung von Resistenz. Einige Forscher konzeptualisieren die Resistenz gegenüber Innovationen lediglich als Einstellung, andere nur als Verhalten bzw. als eine Kombination aus Einstellung und Verhaltensintention bzw. Einstellung und Verhalten. x Es gibt bis dato kein geeignetes bzw. überzeugendes Modell zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen. x Einige Autoren unterscheiden zwischen passiver und aktiver Resistenz. Als potenzielle aktive Resistenzformen werden primär Boykotte und NWOM angesehen. x Bzgl. der Determinanten der Resistenz werden in erster Linie das wahrgenommene Risiko sowie Faktoren thematisiert, die den Rogers Krite45
rien (vgl. Abschnitt IV-2.2) zuordenbar sind. Es mangelt an einer Studie, die empirisch diese Determinanten prüft und zusätzlich feststellt, ob bestimmte Determinanten existieren, die nur Resistenz auslösen (vgl. Teil IV der Arbeit). Um ein umfassendes Verständnis für die Resistenz gegenüber Innovationen zu erlangen, ist darüber hinaus eine Durchdringung der Literatur zur Akzeptanz von Innovationen notwendig, da beide Konzepte in enger Verbindung zueinander stehen und für eine Konstruktentwicklung simultan berücksichtigt werden sollten. 2.2
Zum Begriff Akzeptanz
2.2.1
Zum Begriff Akzeptanz außerhalb der BWL
Bevor im folgenden Abschnitt auf die Verwendung des Begriffs Akzeptanz innerhalb der BWL eingegangen wird, fokussiert dieser Abschnitt seinen Gebrauch außerhalb der BWL. Eine erste Annäherung an den Akzeptanzbegriff erfolgt mittels Analyse des allgemeinen Sprachgebrauchs. Der Begriff Akzeptanz wurde erstmals als eigenständiger Eintrag im Duden im Jahr 1980 geführt.175 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird zwischen einem gesamtgesellschaftlichen und einem einzelgesellschaftlichen Verwendungskontext differenziert.176 Im gesamtgesellschaftlichen Kontext steht der Begriff (soziale) Akzeptanz für ein gesellschaftliches Meinungsbild,177 im einzelgesellschaftlichen Kontext hingegen als Synonym für Anerkennung, Zustimmung, Befürwortung sowie Bestätigung.178 Mit dem Begriff der Akzeptanz setzen sich diverse wissenschaftliche Disziplinen außerhalb der BWL auseinander.179 Aus diesem multidisziplinären Interesse resultiert eine sehr heterogene Verwendung des Akzeptanzbegriffs.180 Einen Erkenntnisgewinn für die vorliegende Arbeit liefert lediglich die Analyse der Begriffsverwendung im sozialwissenschaftlichen Kontext. Die Akzeptanzforschung hat sich seit Beginn der 80er Jahre als sozialwissenschaftliches 175 176 177 178 179 180
46
Vgl. Lucke (1995), S. 46ff. Vgl. Kollmann (1998), S. 38f. Vgl. Müller/Schienstock (1978), S. 28. Vgl. Lucke (1995), S. 35. Vgl. Lucke (1995), S. 10. Vgl. Wohlfahrt (2004), S. 27.
Werkzeug der so genannten Begleitforschung etabliert.181 Ziel dieser ist die Identifikation und Beseitigung unerwünschter sozialer Auswirkungen von neuen Technologien auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben.182 Der Begriff Akzeptanz wird hierbei als Eigenschaft einer Innovation verstanden, bei ihrer Einführung positive Reaktionen bei den davon betroffenen Individuen zu erreichen.183 2.2.2
Zum Begriff Akzeptanz innerhalb der BWL
In der betriebswirtschaftlichen Literatur besteht eine große Heterogenität bezüglich des Begriffs der Akzeptanz.184 Dies kann auf dessen vielfältige Verwendung zurückgeführt werden.185 Grundsätzlich sollte zwischen dem Akzeptanzbegriff der Organisationsforschung und dem Akzeptanzbegriff aus adoptionstheoretischer Sicht unterschieden werden. Dies wird jedoch insbesondere in der deutschsprachigen Literatur häufig vernachlässigt.186 Die Organisationsforschung beschäftigt sich u.a. mit der Mitarbeiterakzeptanz von neuen Organisationsstrukturen oder innovativer Informations- und Kommunikationstechnologie.187 Insbesondere letztgenannter Forschungsschwerpunkt ist für die vorliegende Arbeit interessant, da die hier entwickelten Akzeptanzmodelle (z.B. TAM188, UTAUT189) später auch zur Akzeptanzuntersuchung von marktgerichteten Innovationen bei potenziellen Konsumenten herangezogen wurden.190
181 182 183 184 185 186 187 188 189 190
Vgl. Küpper (2005), S. 126. Vgl. Manz (1983), S. 7. Vgl. Endruweit/Trommsdorff (1989), S. 9. Vgl. Kollmann (1999), S. 125. Vgl. Küpper (2005), S. 127f. Vgl. z.B. Oehler (1990); Wohlfahrt (2004); Wriggers (2006). Vgl. Anderson/King (1993), S. 8.; Küpper (2005), S. 128. Vgl. Davis (1986); Davis (1989). Vgl. Venkatesh et al. (2003). Vgl. z.B. Childers et. al. (2001); Featherman/Pavlou (2003); Kleijnen/Wetzels/De Ruyter (2004); Bauer/Falk/Kunzmann (2005).
47
In Unternehmen zeigen sich Akzeptanzprobleme bspw. hinsichtlich neuer Informationstechnologien (IT) in einer geringen Nachfrage bzw. Nutzung durch die Mitarbeiter.191 Ziel der Organisationsforschung ist es daher zu analysieren, wie eine Innovation konzipiert sein muss und wie sie organisatorisch eingebettet werden sollte, um von den Nutzern (Mitarbeitern) tatsächlich verwendet zu werden.192 Akzeptanz wird in der Organisationsforschung also in der Regel mit Annahme bzw. Nutzung synonym verwendet.193 Betrachtet man die den jeweiligen Studien zugrunde liegende Akzeptanzkonzeptualisierung, lassen sich eindimensionale und mehrdimensionale Konzepte unterscheiden. Bei eindimensionalen Konzepten wird Akzeptanz entweder als positive Einstellung oder als Verhaltensabsicht verstanden. Mehrdimensionale Ansätze hingegen konzeptualisieren Akzeptanz entweder als Kombination aus Einstellung und Verhaltensintention oder berücksichtigen noch zusätzlich das tatsächliche Verhalten. Nachfolgende Tabelle III-6 gibt einen Überblick zu ausgewählten Akzeptanzstudien im organisationalen Kontext und den dort jeweils angewandten Konzeptualisierungsansatz.
191 192 193
48
Vgl. Sachsenberg (1980), S. 37. Vgl. Küpper (2005), S. 128. Vgl. Müller-Böling/Müller (1986), S. 19.
Autor(en) Jahr, Seite
Akzeptanzverständnis
Konzeptualisierung der Akzeptanz
Reichwald (1978), S. 31.
„[…] die Bereitschaft eines Anwenders, in einer konkreten Anwendungssituation das vom Techniksystem angebotene Nutzungspotenzial aufgabenbezogen abzurufen.“
Einstellung, Verhaltensintention
Pressmar (1982), S. 324.
„[…] kann Akzeptanz als zustimmendes Hinnehmen oder Bejahen des Annehmens einer Situation, eines Objekts oder einer Person verstanden werden."
Einstellung
Döhl (1983), S. 194.
„Akzeptanz als eine Bereitschaft eines Akzeptanzsubjektes, das Akzeptanzobjekt in einer konkreten Nutzungssituation zweckentsprechend einzusetzen, leitet sich aus einer positiven Einstellung des Akzeptanzsubjektes gegenüber dem Akzeptanzobjekt ab.“
Einstellung, Verhaltensintention
- aufgabenbezogenes Verhalten gegenüber der Technik Schönecker (1985), S. 34.
Müller-Böling/ Müller (1986), S. 23. Davis (1986). Davis (1989). Venkatesh/ Morris/ Davis/ Davis (2003).
- zusätzlich notwendig sind eine positive Einstellung gegenüber der Technik und die grundsätzliche Bereitschaft zur Nutzung (unabhängig vom formalen Verwendungsdruck)
Einstellung, Verhaltensintention, Verhalten
„[…] Akzeptanz sowohl Einstellungen und Handlungsbereitschaft sowie Verhaltensaspekte verbunden werden.“
Einstellung, Verhaltensintention, Verhalten
Keine Akzeptanzdefinition
Verhaltensintention
Keine Akzeptanzdefinition
Verhaltensintention
Tabelle III-6: Begriffsverständnis und Konzeptualisierung von Akzeptanz im organisationalem Kontext Als die bedeutendsten Modelle zur Erklärung der Akzeptanz im organisationalen Kontext gelten das Technology Acceptance Model (TAM) sowie das innerhalb der Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) entwickelte Akzeptanzmodell. Insbesondere das TAM wurde später
49
auch zur Erklärung der Akzeptanz von konsumentengerichteten Technologieinnovationen erfolgreich verwendet.194 Davis (1986, 1989) entwickelt das Technology Acceptance Model (TAM) mit dem Ziel, eine theoretisch fundierte Erklärung für die Akzeptanz von IT in verschiedenen Anwendungsbereichen zu geben. Das TAM kann als Derivat der Theory of Reasoned Action (TORA)195 angesehen werden,196 da die innerhalb der TORA postulierten Zusammenhänge zwischen Einstellung, Verhaltensabsicht und Verhalten dessen Basis bilden. Als Determinanten der Einstellung werden im TAM lediglich die zwei Konstrukte wahrgenommener Nutzen (Perceived Usefulness) und wahrgenommene Bedienungsfreundlichkeit (Perceived Ease of Use) der Technologie berücksichtigt. Der wahrgenommene Nutzen entspricht dabei „[…] the degree to which a person believes that using a particular system would enhance his or her job performance.“197 Die wahrgenommene Bedienungsfreundlichkeit misst „[...] the degree to which a person believes that using a particular system would be free of effort.”198 Beide Konstrukte üben einen positiven Einfluss auf die Einstellung gegenüber der ITNutzung aus. Aufgrund der Problematik, die direkten Effekte der subjektiven Norm auf die Intention von indirekten Effekten über die Einstellung zu separieren, wurde dieses Konstrukt der TORA nicht in das TAM integriert.199 Allerdings wurde die subjektive Norm im später von Venkatesh und Davis (2000) entwickelten TAM2 wieder aufgenommen, um die Akzeptanz umfassender erklären zu können.200 Venkatesh, Morris, Davis und Davis (2003) entwickeln auf Basis einer Synopse von verschiedenen Akzeptanzmodellen bzw. Theorien201 die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT). Die Akzeptanz wird lediglich als Verhaltens- bzw. Nutzungsintention konzeptualisiert. Die Autoren gehen davon aus, dass sich die Akzeptanzprädiktoren in folgenden drei Faktoren zu194
195 196 197 198 199 200 201
50
Vgl. z.B. Childers et. al. (2001); Featherman/Pavlou (2003); Kleijnen/Wetzels/De Ruyter (2004); Bauer/Falk/Kunzmann (2005). Vgl. Abschnitt V-2.1. Vgl. Falk (2007), S. 56. Davis (1989), S. 320. Davis (1989), S. 320. Vgl. Davis (1986); Davis (1989). Vgl. Venkatesh/Davis (2000), S. 187. TORA, TAM, TAM2, Motivation Model, Theory of Planned Behavior (TOPB), Combined TAM and TOPB, Model of PC Utilization, Innovation Diffusion Theory sowie Social Cognitive Theory.
sammenfassen lassen. Sie unterscheiden (1) die erwartete Leistung (performance expectancy), (2) den mit der Nutzung des Systems erwarteten Aufwand (effort expectancy) sowie (3) soziale Einflüsse von relevanten Bezugspersonen (social influence). Darüber hinaus üben erleichternde Bedingungen in Form von organisatorischer und technischer Infrastruktur (facilitating conditions) einen positiven direkten Effekt auf das tatsächliche Nutzungsverhalten aus.202 Auch in der wissenschaftlichen Literatur zu Akzeptanzuntersuchungen von konsumentengerichteten Innovationen besteht eine große Uneinigkeit bezüglich des wissenschaftlichen Begriffs der Akzeptanz. Je nach Studie wird Akzeptanz als eine positive Einstellung gegenüber einer Innovation, als positive Einstellung inkl. Verhaltensintention, als Kauf bzw. regelmäßige Nutzung oder als eine Kombination dieser Ausprägungen verstanden (vgl. Tabelle III-7). Autor(en) Jahr, Seite
Akzeptanzverständnis
Konzeptualisierung der Akzeptanz
Oehler (1990), S. 75.
„Die Akzeptanz […] ist die einstellungskonsistente und tätigkeitsadäquate Nutzung […]. Hierbei geht die tätigkeitsbezogene Nutzung auf eine positive Einstellung eines Individuums zurück, welche eine Verhaltensbereitschaft repräsentiert, der die personalen und situationalen Faktoren zumindest nicht entgegenwirken."
Einstellung, Verhaltensintention, Verhalten
Nabih/ Bloem/ Poiesz (1997), S. 191.
„[…] acceptance and resistance are located at the preceding evaluation and intention level.“
Einstellung, Verhaltensintention
Kollmann, (1998), S. 69.
„Akzeptanz ist die Verknüpfung einer inneren rationalen Begutachtung und Erwartungsbildung (Einstellungsebene), einer Übernahme der Nutzungsinnovation (Handlungsebene) und einer freiwilligen problemorientierten Nutzung (Nutzungsebene) bis zum Ende des gesamten Nutzungsprozesses […].“
Unterscheidung von Einstellungs-, Handlungs-, Nutzungs- und Gesamtakzeptanz
Tabelle III-7: Begriffsverständnis und Konzeptualisierung von Akzeptanz im Kontext von konsumentengerichteten Innovationen (Teil 1/2)
202
Vgl. Venkatesh et al. (2003).
51
Fortsetzung Autor(en) Jahr, Seite
Binsack, (2003), S. 9.
Bauer/ Görtz/ Haber/ Hartmann (2004), S. 217ff. Bauer/ Reichardt/ Neumann (2004), S. 14. Dethloff, (2004), S. 18.
Wohlfahrt (2004), S. 64. Wriggers, (2006), S. 33.
Akzeptanzverständnis
Konzeptualisierung der Akzeptanz
„Wird eine Innovation zunächst positiv bzw. negativ beurteilt, so spricht man von Akzeptanz bzw. Resistenz. Während Adoption und Ablehnung immer eine verhaltensbezogene Komponente haben und eine explizit vollzogene Entscheidung verkörpern, sind die vorgelagerten Phasen der Akzeptanz und Resistenz auf einer evaluierenden, intentionalen Ebene anzusiedeln […].“
Einstellung, Verhaltensintention
Keine Akzeptanzdefinition
Einstellung, Verhaltensintention
„[…] wird die Akzeptanz […] durch die Konstrukte ‚Einstellung‘ und ‚Verhaltensabsicht‘ repräsentiert.“
Einstellung, Verhaltensintention
„Akzeptanz […] zeichnet sich nicht nur durch das Merkmal der positiven Wertschätzung (Einstellungsebene), sondern auch durch das Kriterium der aktiven Handlungsbereitschaft (Verhaltensebene) aus.“ „[…] Akzeptanz wird demnach anhand der kognitiven, affektiven und konativen Dimension im Sinne des tatsächlichen Nutzungsverhaltens erhoben.“ „Unter Akzeptanz eines M-CommerceDienstes wird die wiederholte Nutzung desselben verstanden.“
Einstellung, Verhaltensintention
Einstellung, Verhaltensintention, Verhalten Verhalten
Tabelle III-7: Begriffsverständnis und Konzeptualisierung von Akzeptanz im Kontext von konsumentengerichteten Innovationen (Teil 2/2) Dass die Akzeptanz so unterschiedlich konzeptualisiert wird, liegt vor allem an der Tatsache, dass zahlreiche Forschungsarbeiten auf Studien aus dem organisationalen Kontext rekurrieren, ohne dabei eine klare Trennung der zugrundeliegenden Begriffsauffassungen vorzunehmen. Akzeptanzstudien im organisationalen Kontext legen zumeist eine weitere Begriffsausfassung an den Tag. Hier wird Akzeptanz häufig mit der tatsächlichen Nutzung bzw. dem Entschluss zur Nutzung der Innovation gleichgesetzt. In der konsumentengerichteten Innovationsforschung entspricht dies der Adoption (vgl. Abschnitt II-3). Demgegenüber stellt die Akzeptanz aus adoptionstheoretischer Perspektive das Urteilsergebnis der Persuasion-Phase des Innovation-Decision-Prozesses
52
dar und wird als positive Einstellung inkl. Verhaltensintention definiert.203 Als theoretische Basis wird daher wiederholt die Theory of Reasoned Action herangezogen (vgl. Abschnitt V-2.1).204 Die am häufigsten untersuchten innovationspezifischen Determinanten der Akzeptanz sind die von Rogers eingeführten fünf wahrgenommenen Innovationsmerkmale (vgl. Abschnitt IV-2.2) und das wahrgenommene Risiko (vgl. Abschnitt IV-2.3).205 Darüber hinaus werden oft auch die innerhalb des TAM bzw. UTAUT Modells berücksichtigten Determinanten zur Erklärung der Akzeptanz herangezogen.206 Auf eine zusätzliche Darstellung der Erkenntnisse dieses Abschnitts in kompakter Form wird aufgrund der folgenden ganzheitlichen Zusammenfassung und Diskussion des Literaturreviews verzichtet. 2.3
Zusammenfassung des Erkenntnisbeitrags der ausgewerteten Literatur
Als Basis für die Konzeptualisierung des Konstrukts Resistenz gegenüber Innovationen erfolgte im ersten Untersuchungsschritt eine umfassende Literaturanalyse. Für ein grundlegendes Begriffsverständnis wurde der Begriff Resistenz zunächst außerhalb der betriebswirtschaftlichen Literatur (vgl. Abschnitt III-2.1.1) analysiert. So steht Resistenz beispielsweise in der Bildungssprache für die Begriffe Gegenwehr und Widerstand. In der Psychologie wird Resistenz als potenzielle Konsequenz zur Verteidigung individueller Freiheit thematisiert (Reaktanztheorie). Innerhalb der betriebswirtschaftlichen Literatur wurden drei für die vorliegende Arbeit relevante Forschungsfelder zum Thema Resistenz identifiziert: Resistenz gegenüber Veränderungen im organisationalen Kontext (vgl. Abschnitt III-2.1.2.2), Resistenz als Verhalten im Marketingkontext (vg. Abschnitt III-2.1.2.3) sowie Resistenz gegenüber Innovationen (vgl. Abschnitt III-2.1.2.4). Zusätzliche Erkenntnisse für die Konzeptualisierung der Resistenz gegenüber Innovationen konnten durch eine Analyse der Ak-
203 204 205
206
Vgl. Nabih/Bloem/Poiesz (1997); Binsack (2003), S. 9; vgl. auch Abschnitt II-3. Vgl. z.B. Bauer/Reichardt/Neumann (2004); Bauer et al. (2006). Vgl. z.B. Ostlund (1974); Labay/Kinnear (1981); Holak/Lehmann (1990); Bauer/ Reichardt/Neumann (2004); Bauer et al. (2006). Vgl. z.B. Lederer et al. (2000); Pavlou (2003); Kleijnen/Wetzels/De Ruyter (2004); Bruner/Kumar (2005); Nysveen/Pedersen/Thorbjornsen (2005); Bauer et al. (2006).
53
zeptanzliteratur sowohl im organisationalen als auch im Kontext konsumentengerichteter Innovationen gewonnen werden (vgl. Abschnitt III-2.2.2). Als Ergebnis des Literaturreviews lässt sich festhalten: x Zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen existiert bislang kein geeignetes Modell (Forschungsfrage I). x Es besteht kein einheitliches Resistenzverständnis in der Literatur. Sowohl im organisationalen als auch im Kontext konsumentengerichteter Innovationen wird in einem Teil der Studien Resistenz lediglich global als Einstellung oder Verhalten konzeptualisiert. Andere Ansätze verstehen Resistenz wiederum als eine Kombination aus Einstellung und Verhaltensintention bzw. Einstellung und Verhalten. Zudem gibt es Ansätze, in denen Resistenz sowohl eine Einstellungsebene, eine intentionale Ebene als auch eine Verhaltensebene umfasst. Aus der Literatur zur Adoptionstheorie (vgl. Abschnitt II-3) lässt sich jedoch ableiten, dass Resistenz gegenüber Innovation grundsätzlich als eine negative Einstellung gegenüber einer Innovation plus einer Verhaltensintention, diese nicht zu kaufen bzw. zu nutzen verstanden wird. Demgegenüber ist die Akzeptanz gegenüber einer Innovation eine positive Einstellung plus einer Verhaltensintention diese zu kaufen bzw. zu nutzen. Resistenz bzw. Akzeptanz stellen somit die potenziellen Urteilsergebnisse der Konsumenten der Persuasion-Phase des Innovation-Decision-Prozesses dar und wirken als Prädiktoren der Innovationsadoption.207 Auf der Einstellungsebene und der intentionalen Ebene stellt Resistenz bzw. Akzeptanz somit dasselbe Konstrukt mit unterschiedlicher Ausprägung dar. x Innerhalb der Resistenzliteratur wird darüber hinaus zwischen passiver und aktiver Resistenz differenziert. Als potenzielle aktive Resistenzformen (Resistenzverhalten) wurden innerhalb der Literatur die Beschwerde, NWOM und Boykotte identifiziert. So betonen beispielsweise Fournier (1998) oder auch Bagozzi und Lee (1999), dass sich Resistenz von Konsumenten auf einer psychologischen und einer Verhaltensebene ausdrücken kann. Somit umfasst die Resistenz gegenüber Innovationen zusätzlich eine Verhaltensebene. Manifestiert sich Resistenz gegenüber
207
54
Vgl. z.B. Nabih et al. (1997); Binsack (2003).
Innovationen in einem tatsächlichen Resistenzverhalten (Beschwerde, NWOM, Boykott) spricht die Literatur von aktiver Resistenz.208 x Sowohl in der Resistenz- als auch in der Akzeptanzliteratur werden häufig die gleichen Determinanten thematisiert. In den Studien werden in erster Linie das wahrgenommene Risiko sowie Faktoren untersucht, die den Rogers Kriterien (vgl. Abschnitt IV-2.2) zuordenbar sind. Es mangelt jedoch an einer Untersuchung, die empirisch diese Determinanten dahingehend analysiert, ob bestimmte Faktoren existieren, die entweder Resistenz oder Akzeptanz bzw. beides auslösen (Forschungsfrage II; vgl. Teil IV). x Darüber hinaus existiert keine Studie, die Bestimmungsfaktoren der aktiven Resistenz untersucht. Zwar wird dem Resistenzverhalten eine große Bedeutung für den Diffusionsverlauf von Innovationen zugesprochen.209 Es mangelt jedoch an einer Untersuchung der Determinanten der aktiven Resistenz (Forschungsfrage III; vgl. Teil V). 3
Qualitative Vorstudie
Um zusätzlich zu den durch den Literaturreview generierten Erkenntnissen ein tiefergehendes Verständnis zur Resistenz gegenüber Innovationen zu erlangen, wurden im nächsten Untersuchungsschritt halbstrukturierte Tiefeninterviews sowohl mit Experten aus der Marketingpraxis bzw. -forschung als auch mit Konsumenten durchgeführt.210 Das Tiefeninterview wird den qualitativen Methoden der empirischen Forschung subsumiert. Daher kann eine Ableitung von Erkenntnissen primär nur durch subjektive Interpretation anstatt durch statistische Auswertungen erfolgen.211 Für eine ausführliche Diskussion zu den Vor- und Nachteilen sowie der Planung, Durchführung und Auswertung von qualitativen Tiefeninterviews sei auf Hair, Bush und Ortinau (2006) verwiesen.212 Im Frühjahr 2007 konnten acht Marketingexperten für die Teilnahme an den Tiefeninterviews gewonnen werden. Darüber hinaus wurden zusätzlich 20 208 209 210 211 212
Vgl. z.B. Bagozzi/Lee (1999). Vgl. Moldovan/Goldenberg (2004). Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 12. Vgl. Müller (2000), S. 131. Vgl. Hair/Bush/Ortinau (2006), S. 168ff.
55
Konsumenten ohne entsprechendes Expertenwissen rekrutiert, um einem eventuellen Expertenbias vorzubeugen. Die Tiefeninterviews wurden unter Einsatz eines Interviewleitfadens durchgeführt.213 Hierdurch wird sichergestellt, dass sämtliche für die Untersuchung relevanten Aspekte abgefragt werden und damit eine Vergleichbarkeit der einzelnen Interviews erhöht wird.214 Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die individuellen Antworten der Probanden im Folgenden komprimiert dargestellt. Zu Beginn der Interviews wurden Fragen bzgl. des allgemeinen Resistenzverständnisses gestellt. Diese dienen einerseits als „Eisbrecherfragen“, anderseits helfen sie erste Erkenntnisse zum Resistenzbegriff zu generieren. Resistenz steht für die Probanden im Allgemeinen als Synonym für Widerstand, Abneigung bzw. Ablehnung. Im politischen bzw. gesellschaftlichen Kontext manifestiert sich Resistenz als Verhalten in Abwehrreaktionen bei Angriffen gegen die persönliche Meinung, den persönlichen Willen und die individuelle Freiheit. Zudem ergibt sich, dass Resistenz auch lediglich als abweisende Haltung oder Meinung interpretiert werden kann. Im Hauptteil des Interviews wurden Fragen bzgl. des eigentlichen Untersuchungsgegenstandes gestellt. Ziel war es dabei, zum einen sowohl Erkenntnisse zu der Struktur des Konstrukts zu gewinnen als auch tiefere Einblicke zu potenziellen Determinanten der Resistenz gegenüber Innovationen zu erlangen. Zum anderen konnten dadurch Hinweise auf potenzielle Indikatoren zur Messung generiert werden. Mit den ersten Fragen des Hauptteils wurde versucht, Aufschluss darüber zu erlangen, wie sich Resistenz gegenüber Innovation äußern kann. Hierbei gaben die Probanden primär an, dass sie unter Resistenz eine ablehnende Haltung gegenüber einer Innovation verstehen, welche im Nicht-Kauf dieser Innovation resultiert. Des Weiteren wurden aber auch aktive Verhaltensweisen, wie z.B. negative Mund-zu-Mund-Kommunikation genannt. Zusätzlich wurde anhand von verschiedenen Beispielinnovationen die hypothetische Reaktion der Probanden auf diese analysiert. Die Darstellung beschränkt sich aufgrund des Untersuchungsgegenstandes auf die negativen Antworten der Befragten: 213 214
56
Vgl. Lamnek (2002), S. 174. Vgl. Herrmann/Homburg (2000), S. 28.
x …würde ich nicht kaufen bzw. nutzen x …interessiert mich nicht x …würde Freunden/Bekannten/Familie davon abraten x …man sollte andere davor warnen x …würde mich darüber beim Unternehmen beschweren x …finde ich unnötig, schlecht, sinnlos, uninteressant, nutzlos x …da hätte ich persönliche Bedenken x …würde dann auch keine anderen Produkte des Herstellers mehr kaufen Die zweite Hälfte des Hauptteils fokussierte die Entstehung von Resistenz gegenüber Innovationen. Hierbei galt es insbesondere zu klären, wann es zu einem aktiven Widerstandverhalten kommt. In diesem Zusammenhang betonten die Probanden in erster Linie befürchtete negative persönliche Konsequenzen. Zusätzlich wurde auch auf potenzielle negative Konsequenzen für die Gesellschaft hingewiesen. Ein Vergleich der Ergebnisse aus der umfassenden Literaturanalyse mit den Resultaten der Tiefeninterviews (vgl. Abschnitt III-2) bestätigt die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Literaturreview. Zum einen zeigt sich, dass Resistenz gegenüber Innovationen prinzipiell sowohl eine Einstellungsebene als auch eine intentionale Ebene bzgl. des Kauf- bzw. Nutzungsverhaltens einer Innovation umfasst. Zum anderen wird offenbart, dass sich Resistenz unter bestimmten Voraussetzungen auch in aktivem Resistenzverhalten (Beschwerde, NWOM, Boykott) manifestieren kann. Auf Basis dieser Ergebnisse wird im nächsten Schritt die Konzeptualisierung und Operationalisierung der Resistenz gegenüber Innovationen vorgenommen.
57
4
Konzeptualisierung und Operationalisierung der Resistenz gegenüber Innovationen
Aus den Ergebnissen der ersten beiden Untersuchungsschritte, einer umfassenden Literaturanalyse (vgl. Abschnitt III-2) sowie einer qualitativen Vorstudie (vgl. Abschnitt III-3) geht hervor, dass Resistenz gegenüber Innovationen aus einer Einstellungsebene, einer intentionalen Ebene sowie einer Verhaltensebene besteht. Auf der Einstellungsebene entspricht die Resistenz einer negativen Einstellung gegenüber der Innovation. Die intentionale Ebene umfasst die Absicht, die Innovationen nicht zu kaufen bzw. zu nutzen (vgl. Abschnitt III2.3). Im Innovation-Decision-Prozess wird die Resistenz gegenüber Innovationen, bestehend aus der negativen Einstellung inkl. der negativen Verhaltensintention, als das negative Urteilsergebnis der Persuasion-Phase angesehen. Demgegenüber ist die Akzeptanz das positive Urteilsergebnis der PersuasionPhase (vgl. Abschnitt II-3). Auf der Einstellungsebene und der intentionalen Ebene stellt die Resistenz bzw. Akzeptanz somit dasselbe Konstrukt mit unterschiedlicher Ausprägung dar. Darüber hinaus wird deutlich, dass sich Resistenz gegenüber Innovationen in aktivem Verhalten äußern kann. Resistenz gegenüber Innovationen umfasst somit zusätzlich eine Verhaltensebene. Innerhalb der relevanten Literatur sowie der qualitativen Voruntersuchung wurden hierbei die Beschwerde, negative Word-of-Mouth und Boykotte als Resistenzformen identifiziert. Manifestiert sich Resistenz gegenüber Innovationen zusätzlich in solchem Resistenzverhalten, wird dies als aktive Resistenz bezeichnet. Liegt Resistenz nur auf den ersten beiden Ebenen vor, spricht die Literatur von passiver Resistenz. Daher wird Resistenz gegenüber Innovation innerhalb der Arbeit wie folgt definiert: Resistenz gegenüber Innovationen wird grundsätzlich als eine negative Einstellung (Einstellungsebene) gegenüber einer Innovation sowie der Verhaltensintention, diese Innovation nicht zu kaufen bzw. zu nutzen (intentionale Ebene), verstanden (passive Resistenz). Zusätzlich kann sich die Resistenz in aktivem Verhalten gegen die Innovation in Form von Beschwerden, negativem Word-of-Mouth und Boykottbeteiligung ausdrücken (Verhaltensebene).
58
Zur Operationalisierung der Resistenz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene wurden acht Items auf Basis der Tiefeninterviews sowie bestehender Inventare zur Einstellungsmessung formuliert. Um eine eindeutige Trennung zwischen Resistenz und Akzeptanz zu erreichen, wurden die Indikatoren mittels eines siebenstufigen semantischen Differentials abgefragt. Die linke Seite repräsentiert dabei die Resistenz, die rechte Seite die Akzeptanz (vgl. Tabelle III-8). Item
[Die Innovation] finde ich…
ATT1
negativ ļ positiv
ATT2
unvorteilhaft ļ vorteilhaft
ATT3
wertlos ļ wertvoll
ATT4
unnötig ļ notwendig
ATT5
schlecht ļ gut
ATT6
nutzlos ļ nützlich
ATT7 ATT8
unwichtig ļ wichtig
Quellen
sinnlos ļ sinnvoll In Anlehnung an Rossiter/Percy (1980); Macklin/Bruvold/Shea (1985); Batra/Ray (1986); Batra/Stayman (1990); Miller/Marks (1992); Dabholkar (1994); Bauer et al. (2006).
Tabelle III-8: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene Die Items zur Messung der Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen (intentionale Ebene) wurden in Anlehnung an bestehende Inventare zur Messung von Kauf- bzw. Nutzungsabsichten generiert. Die fünf Indikatoren werden ebenfalls mittels eines siebenstufigen semantischen Differentials operationalisiert. Die negative Seite bildet dabei wiederum die Resistenz ab, die positive Seite die Akzeptanz (vgl. Tabelle III-9). Item
Dass ich [die Innovation] zukünftig [nutze / kaufe], ist…
BI1
unwahrscheinlich ļ höchstwahrscheinlich
BI2
ausgeschlossen ļ sicher
BI3
nicht vorgesehen ļ vorgesehen
BI4
undenkbar ļ denkbar
BI5
unvorstellbar ļ vorstellbar In Anlehnung an Oliver/Bearden (1985); Netemeyer/Bearden (1992); Dabholkar (1994); Lacher/Mizerski (1994); Tripp/Jensen/Carlson (1994); Oliver/Rust/Varki (1997); Bauer et al. (2006).
Quellen
Tabelle III-9: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen
59
Darüber hinaus umfasst die Resistenz gegenüber einer Innovation eine Verhaltensebene. Zur Operationalisierung muss jedoch auf eine Abfrage der Intentionen zur aktiven Resistenz zurückgegriffen werden, da sich eine Messung des tatsächlichen Verhaltens von Konsumenten generell nur sehr schwer bzw. nicht realisieren lässt. Die Generierung der Ausgangsmenge an Indikatoren zur Messung der Negative Word-of-Mouth-Absicht (fünf Items), Beschwerdeabsicht (fünf Items) sowie der Boykottabsicht (vier Items) wurde wiederum auf Basis der Tiefeninterviews sowie der Literaturanalyse vorgenommen. Sämtliche Indikatoren sind mittels Likert-Skalen operationalisiert. Die nachfolgenden Tabellen III-10 bis III-12 umfassen die Basismenge an Items zur Operationalisierung der drei Faktoren der Verhaltensebene der Resistenz gegenüber Innovationen. Item NWOM1 NWOM2 NWOM3 NWOM4 NWOM5 Quellen
Auf Basis der Informationen, die ich gerade gelesen habe, ist es wahrscheinlich… …, dass ich mich gegenüber anderen Menschen negativ zur [Innovation] äußere. …, dass ich meiner Familie meine Bedenken hinsichtlich der [Innovation] mitteile. …, dass ich meinen Freunden und Bekannten von der [Innovation] abrate. …, dass ich andere vor der [Innovation] warne. …, dass ich gegenüber anderen Personen negativ von der [Innovation] spreche. In Anlehnung an Singh (1988); Singh (1990); Price/Arnould (1999).
Tabelle III-10: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Negative Word-of-Mouth-Absicht Item COM1 COM2 COM3 COM4 COM5 Quellen
Auf Basis der Informationen, die ich gerade gelesen habe, ist es wahrscheinlich… …, dass ich mich [beim Unternehmen] über [die Innovation] beschwere. …, dass ich [dem Unternehmen] meine Bedenken über [die Innovation] mitteile. …, dass ich mich mit einer Beschwerde über [die Innovation] an [das Unternehmen] wende. …, dass ich [dem Unternehmen] meine Verärgerung über [die Innovation] mitteile. …, dass ich [das Unternehmen] kontaktiere und mich über [die Innovation] beschwere. In Anlehnung an Singh (1988); Singh (1990).
Tabelle III-11: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Beschwerdeabsicht
60
Item BOY1 BOY 2 BOY 3 BOY 4 Quellen
Auf Basis der Informationen, die ich gerade gelesen habe, ist es wahrscheinlich… …, dass ich mich an einem Boykott gegen [das Unternehmen] wegen [der Innovation] beteilige. …, dass ich einem Boykottaufruf gegen [das Unternehmen] wegen [der Innovation] folge. …, dass ich [das Unternehmen] wegen [der Innovation] boykottiere. ..., dass ich mich einem Boykott gegen [das Unternehmen] wegen [der Innovation] anschließe. In Anlehnung an Sen/Gürhan-Canli/Morwitz (2001).
Tabelle III-12: Ausgangsmenge an Indikatoren zur Operationalisierung der Boykottabsicht Um Verständnisprobleme bei den gewählten Formulierungen der Items bzw. Fehler bei der Fragebogengestaltung ausschließen zu können, wurde der konzipierte Fragebogen vor der Hauptuntersuchung zwei separaten Pretests auf Basis von Experten- (n=8) sowie Konsumentenurteilen (n=41) unterzogen. Eine Anpassung der Indikatorenliste war nicht notwendig, so dass sämtliche 27 Indikatoren in die Hauptuntersuchung einfließen. Nachfolgende Abbildung III-2 visualisiert die erarbeitete Konzeptualisierung des Modells zur Messung Resistenz gegenüber Innovationen.
Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene
Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen
Aktive Resistenz gegenüber Innovationen
NWOMabsicht
Beschwerdeabsicht
Boykottabsicht
Abbildung III-2: Konzeptualisierung des Modells zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen
61
5
Hauptuntersuchung
5.1
Vorgehensweise
Ziel dieses Abschnitts (Schritt 4; vgl. Abbildung III-1) ist die Validierung des im letzten Schritt konzipierten Modells zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen. Hierfür wird in vorliegender Arbeit ein dreistufiges Vorgehen gewählt, welches sich grundsätzlich an Homburg und Giering (1996) orientiert und in folgender Abbildung III-3 dargestellt ist.215
Untersuchungsstufe A: Analyse der einzelnen Faktoren A.1
Cronbachsches Alpha und Item-to-total-Korrelation
A.2
Exploratorische Faktorenanalyse
A.3
Konfirmatorische Faktorenanalyse
Untersuchungsstufe B: Analyse der einzelnen Dimensionen mit mehr als einem Faktor B.1
Exploratorische Faktorenanalyse
B.2
Konfirmatorische Faktorenanalyse
B.3
Beurteilung der Diskriminanzvalidität
Untersuchungsstufe C: Analyse des gesamten Modells C.1
Exploratorische Faktorenanalyse
C.2
Konfirmatorische Faktorenanalyse
C.3
Beurteilung der Diskriminanzvalidität
C.4
Analyse der Stichprobenunabhängigkeit anhand erneuter Erhebung
C.5
Analyse der zeitlichen Stabilität mittels Retest
C.6
Analyse der nomologischen Validität
Abbildung III-3: Ablauf der quantitativen Analyse zur Messmodellvalidierung In Untersuchungsstufe A wird nur die Faktorenebene betrachtet. Zunächst werden mittels der Gütekriterien der ersten Generation (vgl. Abschnitt III-5.3.2) 215
62
Vgl. Homburg/Giering (1996).
die einzelnen Faktoren hinsichtlich ihrer Reliabilität und Validität geprüft. Im Falle eines unzureichenden Cronbachschen Alphas werden sukzessive die Indikatoren mit der niedrigsten Item-to-total-Korrelation (ITTC) eliminiert (A.1). Anschließend wird mit Hilfe der exploratorischen Faktorenanalyse (EFA) analysiert, ob die vermuteten Indikatoren eines Faktors tatsächlich nur diesem einen Faktor zuordenbar sind. Treten dabei zu hohe Querladungen auf, liegt ein Problem hinsichtlich der Konvergenzvalidität vor. Darüber hinaus sollte die erklärte Varianz pro Faktor mindestens 50% betragen. Liegt der erklärte Varianzanteil unter diesem Wert, werden die Items mit zu geringer Faktorladung nicht weiter berücksichtigt (A.2). Die verbleibenden Items werden danach mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen (KFA) weiter untersucht (A.3). Hierbei werden die Gütekriterien der zweiten Generation (vgl. Abschnitt III-5.3.3) herangezogen. Sind mehrere Gütekriterien unzureichend, wird das jeweilige Messmodell um die am wenigsten reliablen Indikatoren bereinigt. Untersuchungsstufe B fokussiert einzelne Dimensionen, die mehr als einen Faktor haben. Hierbei kommen mit der exploratorischen (B.1) und der konfirmatorischen Faktorenanalyse (B.2) dieselben methodischen Analyseverfahren wie in Untersuchungsstufe A zur Anwendung. Zusätzlich findet auf Basis der KFA eine Beurteilung der Diskriminanzvalidität der einzelnen Faktoren der Dimensionen statt. Diese kann mittels ߯ ଶ -Differenztest bzw. dem strengeren Fornell-Larcker-Kriterium durchgeführt werden (B.3). In Untersuchungsstufe C wird das gesamte Modell mit allen verbliebenen Indikatoren aus den letzten beiden Stufen analysiert. Analog zum bisherigen Vorgehen kommen auch hier die EFA (C.1) sowie die KFA (C.2) zum Einsatz. Auf Basis der KFA erfolgt die Kontrolle der Diskriminanzvalidität des gesamten Modells (C.3). In den nächsten Schritten werden anhand zusätzlicher Erhebungen die Stichprobenunabhängigkeit (C.4) und die zeitliche Stabilität der Lösung mittels eines Retests (C.5) begutachtet. Mit der Überprüfung der nomologischen Validität des Messmodells durch die Integration in einen theoretischen Bezugsrahmen gilt der Prozess als abgeschlossen (C.6). Vor der Durchführung des oben dargestellten Validierungsprozesses (vgl. Abschnitte III-5.4 bis III-5.6) ist es zunächst notwendig, die Datenerhebungsmethodik und die Stichproben zu beschreiben (vgl. Abschnitt III-5.2) sowie die
63
zur Validierung notwendigen methodische Grundlagen zu erläutern (vgl. Abschnitt III-5.3). 5.2
Zur gewählten Erhebungsmethode und Stichprobenbeschreibung
Zur Erhebung der benötigten Daten wurden mehrere Online-Befragungen im Zeitraum von April bis Juni 2007 durchgeführt. Die Online-Befragung hat sich als Datenerhebungsmethode für wissenschaftliche Zwecke etabliert.216 Im Vergleich zur schriftlichen oder telefonischen Erhebung liegen die Vorzüge dieser Methode primär in wesentlich geringeren Kosten und einer schnelleren Durchführbarkeit.217 Allerdings sind bezüglich der externen Validität der erhobenen Daten Einschränkungen aufgrund der bisher noch nicht vollständigen Diffusion des Internets in der Gesamtbevölkerung zu berücksichtigen.218 Im Vergleich von Online- und Offline-Befragungen hinsichtlich der internen Validität des empirisch erhobenen Datenmaterials kann jedoch konstatiert werden, dass keine nennenswerten Unterschiede beim Auftreten von systematischen und unsystematischen Verzerrungen vorliegen.219 Die Problematik der internen Validität ist online somit nicht ausgeprägter als offline.220 Des Weiteren ist die hohe Flexibilität und Interaktivität von Online-Befragungen vorteilhaft.221 Darüber hinaus kann von einer hohen Durchführungs- und Auswertungsobjektivität ausgegangen werden.222 Aufgrund dieser Vorteile wurden sämtliche Daten der Arbeit mittels Online-Befragung erhoben. Hierfür wurden die Mitglieder eines deutschen Online-Panels223 per E-Mail gebeten, an der Umfrage teilzunehmen. Zur Sicherstellung einer ausreichend großen Stichprobe wurde den Probanden durch ein Gewinnspiel ein Anreiz zur Beteiligung gesetzt. Nach einer knappen Einführung ohne Nennung des genauen Forschungsziels, um potenziellen systematischen Verzerrungen im Antwortverhalten vorzubeugen, wurden zunächst die Soziodemographika (Geschlecht, Alter, höchster erreichter Bildungsabschluss) erhoben. Anschließend erfolgte die randomisier216 217 218 219 220 221 222 223
64
Vgl. Llieva/Baron/Healey (2002), S. 361; Duffy et al. (2005), S. 615. Vgl. Schaefer/Dillman (1998), S. 378ff.; Kent/Lee (1999), S. 377ff. Vgl. Bandilla/Hauptmanns (1999), S. 202. Vgl. Schaefer/Dillman (1998). Vgl. Sproull (1986), S. 167. Vgl. Bauer/Wölfer (2001); Llieva/Baron/Healey (2002), S. 364; Duffy et al. (2005), S. 617. Vgl. Neumann (2007), S. 108. Vgl. Görtitz/Reinhold/Batinic (2000), S. 62.
te Zuweisung eines Untersuchungsobjekts, welches durch einen kurzen zweispaltigen Einführungstext beschrieben wurde. Danach wurden die Probanden gebeten, die ihnen zugewiesenen Innovationen zu bewerten. Innovation
Vernetztes Holz
Biometrische EC-Karte
Multimedia Plattform
Nanomilch
Blackbox
Beschreibung
Berücksichtigung im… HS1 HS2 RS
x Holzvernetzung ist ein Verfahren, dass die Qualität von Holz erhöht. Das Holz wird mit einer Chemikalie behandelt, die bereits in bügelfreien Hemden verwendet wird. x Dies bewirkt eine strukturelle Verbesserung des Holzkörpers, ohne die Optik und die Haptik des Materials zu verändern. Vernetztes Holz hat eine verbesserte Witterungsbeständigkeit, erhöhte Härte, erhöhte Pilzund Schädlingsresistenz sowie eine höhere Lichtstabilität als das gleiche unvernetzte Holz. x Die biometrische EC-Karte vereinfacht die Nutzung von Geldautomaten als auch das Bezahlen per Karte. Wie bei den neuen Reisepässen werden die jeweiligen biometrischen Merkmale der Kunden auf einem in der EC-Karte integrierten RFID-Funkchip gespeichert. x Die Identifikation erfolgt über einen Fingerabdruck und einen Iris-Scan per Kamera. Die Karte kann im Geldbeutel verbleiben, da die biometrischen Daten per Funk übertragen werden. x Die Multimedia Plattform für das Digitale Fernsehen ermöglicht Zusatzdienste, die bisher über das Fernsehen nicht möglich waren (Einkaufen mit der Fernbedienung, Internet, Video-on-Demand). x Die Technologie kann aber auch das Umschalten für die Dauer der Werbung unterbinden, welches für werbefinanzierte TV-Sender ein großes Problem darstellt. x Die Ernährungsindustrie sieht in der Nanotechnologie die Zukunft der industriellen Nahrungsproduktion. x So können beispielsweise Milchprodukte hergestellt werden, die sich nach Ablauf der Haltbarkeit rot einfärben. Die hierbei verwendeten Nanopartikel sind etwa so groß wie ein 80.000mal gespaltenes Haar. x Die Blackbox für das Auto meldet bei einem Unfall per Funk Ort und Art des Unfalls an die nächstgelegene Polizeistelle bzw. Rettungskräfte. Diese können dann gezielt und ohne Verzögerung den Unfallort erreichen. x Ebenso ist ein leichteres Nachvollziehen des Unfallhergangs möglich. Ähnlich wie bei den Flugschreibern werden relevante Fahrdaten wie die Geschwindigkeit gespeichert. Diese Daten können dann zur Unfallaufklärung herangezogen werden.
X
---
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
---
X
*HS1=Hauptsample 1; HS2=Hauptsample 2; RS=Retestsample
Tabelle III-13: Beschreibung der berücksichtigten Innovationen Zur Sicherstellung einer möglichst hohen externen Validität wurden fünf verschiedene Innovationen im Hauptsample 1 (HS1) sowie im Retestsample (RS)
65
einbezogen.224 Im Hauptsample 2 (HS2) wurden zur Beurteilung der Stichprobenunabhängigkeit der Messung drei Innovationen225 berücksichtigt (vgl. Tabelle III-13). Eine Gleichverteilung der Untersuchungsobjekte in den Samples wurde durch die Fragebogenprogrammierung sichergestellt. Sämtliche Innovationen basieren auf tatsächlichen Innovationen im marktfähigen Zustand bzw. sind mittels heute verfügbarer Technologie umsetzbar.226 Insgesamt konnte für das Hauptsample 1 eine Nettostichprobe von n=1211 gewonnen werden. Das Hauptsample 2, welches vier Wochen nach der Hauptbefragung erhoben wurde, hat eine Größe von n=1113. Tabelle III-14 liefert einen Überblick zu den Soziodemographika der beiden Stichproben sowie der deutschen Gesamtbevölkerung. Hauptsample 1 Hauptsample 2
Deutsche Gesamtbevölkerung
Prozent
Prozent
Prozent
Geschlecht Weiblich
47,3
47,0
51,5
Männlich
52,7
53,0
48,5
15 bis 20 Jahre
3,4
3,1
6,9
20 bis 29 Jahre
34,3
36,3
13,7
30 bis 39 Jahre
23,4
20,3
16,6
40 bis 49 Jahre
18,2
19,4
18,8
50 bis 59 Jahre
13,4
13,3
14,6
Über 59 Jahre
7,3
7,6
29,4
Weniger als acht Jahre
0,7
0,4
8,3
Hauptschulabschluss
5,0
5,6
41,6
Realschulabschluss
19,3
16,0
26,8
Abitur
32,4
34,6
11,8
Universitätsabschluss
36,7
37,1
10,6
Promotion
6,0
6,3
0,9
Alter
Höchster erreichter Bildungsabschluss
Tabelle III-14: Soziodemographika der Hauptstichproben227 Vergleicht man die zwei Stichproben mit der soziodemographischen Verteilung der deutschen Gesamtbevölkerung, so zeigt sich eine zufriedenstellende Repräsentativität hinsichtlich der Geschlechterverteilung. Bei der Altersstruktur 224
225
226
227
66
Bei der Auswahl der Innovationen wurde sichergestellt, dass diese bei einem Probanden entweder Resistenz oder Akzeptanz auslösen können. Hierdurch ist auch eine Unabhängigkeit hinsichtlich der Untersuchungsobjekte gewährleistet. Vgl. z.B. Rötzer (2003); Borowski (2006); Dambeck (2006); Newton/Kelly (2006); Heng (2006); Gedenk/Rühle/Knaf (2007); Rademacher/Militz/Krause/Bollmus (2007). Vgl. Statistisches Bundesamt (2005).
liegt eine Überrepräsentation der Altersgruppe 20 bis 29 Jahre vor, wohingegen die über 59-jährigen unterrepräsentiert sind. Die Analyse der Bildungsstruktur offenbart erwartungsgemäß ebenso eine klare Verzerrung. So haben die Probanden ein deutlich höheres Bildungsniveau. Bei der Gegenüberstellung beider Stichproben bezüglich aller drei soziodemographischen Kriterien ergibt sich eine gute Vergleichbarkeit. 5.3
Zur Gütebeurteilung von Konstruktmessungen
5.3.1
Grundlegende Aspekte
Die Güte einer Konstruktmessung wird üblicherweise anhand der Reliabilität (Zuverlässigkeit der Messung) und Validität (Gültigkeit der Messung) beurteilt.228 Die Reliabilität ist definiert als “[…] the degree to which measures are free from random error and thus reliability coefficients estimate the amount of systematic variance in a measure.”229 Im Wesentlichen unterscheidet man drei Reliabilitätsarten.230 Die Test-Retest-Reliabilität gibt Aufschluss darüber, ob zeitlich versetzte Messversuche zu stabilen Konstruktmessungen führen.231 Die Parallel-TestReliabilität beschreibt die Korrelation mit einer Vergleichsmessung auf einem äquivalenten Messinstrument.232 Für die vorliegende Untersuchung ist in erster Linie die Interne-Konsistenz-Reliabilität von Relevanz, welche die Korrelation der Indikatoren eines Konstrukts hervorhebt.233 Die Reliabilität eines Messinstruments ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für dessen Validität.234 Die Validität einer Konstruktmessung ist dann gegeben, “[…] when the differences in observed scores reflect true differences on the characteristics one is attempting to measure and nothing else […].“235 Grundsätzlich lassen sich zwei Validitätsarten unterscheiden.
228 229 230 231 232 233 234 235
Vgl. Peter (1979), S. 6; Carmines/Zeller (1979), S. 11; Sykes (1990), S. 289ff. Peter/Churchill (1986), S. 4. Vgl. Peter (1979), S. 7ff.; Hildebrandt (1998), S. 88. Vgl. Peter (1979), S. 8. Vgl. Hildebrandt (1998), S. 88. Vgl. Steenkamp/Baumgartner (1998), S. 78ff. Vgl. Homburg/Pflesser (2000), S. 421. Churchill (1979), S. 65.
67
Die Inhaltsvalidität drückt aus, in welchem Umfang sich Indikatoren hinsichtlich Inhalt und Semantik zum Konstrukt zuordnen lassen.236 Diese wird in vorliegender Arbeit primär durch die umfangreichen Voruntersuchungen sichergestellt.237 Die Konstruktvalidität hingegen charakterisiert die Beziehung zwischen Konstrukt und Messinstrument und umfasst die drei Facetten Konvergenzvalidität, Diskriminanzvalidität und nomologische Validität. Konvergenzvalidität repräsentiert den Grad zu dem zwei oder mehr Messungen desselben Konstrukts in Übereinstimmung sind.238 Diskriminanzvalidität erfordert, dass Indikatoren, die mit unterschiedlichen Faktoren assoziiert sind, miteinander schwächere Beziehungen aufweisen als Items, die den gleichen Faktor messen.239 Nomologische Validität ist dann gewährleistet, wenn sich das erfasste Konstrukt in einen übergeordneten theoretischen Rahmen einbinden lässt.240 Tabelle III-15 zeigt überblicksartig, mit welchen Mitteln die dargestellten Validitätsarten innerhalb der Arbeit sichergestellt werden. Validitätsart
Inhaltsvalidität
Konvergenzvalidität
Konstruktvalidität
Diskriminanzvalidität Nomologische Validität
Prüfverfahren/ -kriterien x Inhaltlich präzise Konstruktabgrenzung x Experten- und Konsumenteninterviews x Kausalanalyse x Item-to-total-Korrelation x Exploratorische Faktorenanalyse x Konfirmatorische Faktorenanalyse x Exploratorische Faktorenanalyse x Konfirmatorische Faktorenanalyse x Fornell-Larcker-Kriterium x Hypothesenprüfung mittels Kausalanalyse
Tabelle III-15: Validitätsarten und angewandte Prüfverfahren/ -kriterien 5.3.2
Gütekriterien der ersten Generation
Die Methoden zur Prüfung eines Messmodells unter Reliabilitäts- und Validitätsaspekten lassen sich in Verfahren der ersten und zweiten Generation differenzieren.241 In dieser Arbeit erfolgt die Bewertung der Messmodelle mittels
236 237 238 239 240 241
68
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 7. Vgl. Hair et al. (2006), S. 136. Vgl. Bagozzi/Phillips (1982), S. 468. Vgl. Bagozzi/Phillips (1982), S. 469; Homburg/Giering (1996), S. 7. Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 7. Vgl. Gerbing/Anderson (1988), S. 187.
eines mehrstufigen Prozesses.242 Zunächst werden die Gütekriterien erster Generation herangezogen. Anschließend finden die Kriterien zweiter Generation Anwendung. Im Rahmen der Prüfung der Gütekriterien der ersten Generation kommen die exploratorische Faktorenanalyse (EFA), das Cronbachsche Alpha und die korrigierte Item-to-total-Korrelation (ITTC) zum Einsatz. Die EFA untersucht eine Gruppe von Indikatoren auf die ihnen zugrunde liegende Faktorenstruktur,243 ohne dass hierbei bereits a priori Faktorenzuordnungen angenommen werden.244 Ziel der EFA ist es, die Indikatoren auf möglichst wenige Faktoren zu reduzieren, welche die gesamte Indikatorenmenge hinreichend gut abbilden.245 Die mittels Faktorrotation gewonnene Zuordnung liefert erste Hinweise zur Diagnose von Konvergenz- und Diskriminanzvalidität. Es wird gefordert, dass die Varianzerklärung der Indikatoren eines extrahierten Faktors mindestens 50% beträgt.246 Zudem sollten die einzelnen Faktorladungen der Indikatoren bzgl. ihres assoziierten Faktors einen Mindestwert von 0,4 aufweisen, während die Faktorladungen bezüglich der übrigen Faktoren deutlich niedrigere Werte annehmen sollten.247 Das Cronbachsche Alpha248 ist ein häufig angewendetes Maß für die InterneKonsistenz-Reliabilität einer Menge von Indikatoren, welche zur Messung eines Faktors herangezogen werden.249 Die Ausprägungen erstrecken sich über einen Wertebereich von Null bis Eins, wobei hohe Werte für ein hohes Maß an Reliabilität sprechen. Ein häufig geforderter Mindestwert von 0,7 geht auf die Empfehlung von Nunnally zurück.250 Je nach Anwendungsziel werden zum Teil höhere oder niedrigere Grenzwerte empfohlen.251 Insgesamt wird die Aussagekraft des Cronbachschen Alphas jedoch durch zwei Nachteile limitiert.252 Einerseits ist keine Bewertung mittels eines statistischen Tests möglich. Andererseits korreliert der Wert des Koeffizienten positiv mit der Anzahl
242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252
Vgl. Falk (2007). Vgl. Churchill (1987), S. 776. Vgl. Backhaus et al. (2005). Vgl. Hartung/Elpelt (1992), S. 505. Vgl. Peter (1999), S. 179. Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 8. Vgl. Cronbach (1947, 1951). Vgl. Peter (1979); Peterson (1994); Voss/Stem/Fotopoulos (1998). Vgl. Nunnally (1978), S. 245 f. Vgl. Murphy/Davidshofer (1988). Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 8.
69
der Indikatoren. In der vorliegenden Untersuchung wird für das Cronbachsche Alpha ein Wert von 0,7 gefordert. Die ITTC als das dritte Kriterium der ersten Generation bezieht sich ebenso auf eine Gruppe von Indikatoren, die denselben Faktor messen. Unter einer einfachen ITTC versteht man, wie stark eine Indikatorvariable (Item) mit der Summe aller Indikatorvariablen eines Faktors (Total) korreliert ist. Demgegenüber zeigt die korrigierte ITTC das Ausmaß des Zusammenhangs zwischen einem Indikator und der Summe aller übrigen Items eines Faktors. Je höher die korrigierte ITTC (0 ITTC 1) eines Indikators ist, um so mehr trägt dieser zur Konvergenzreliabilität des übergeordneten Faktors bei. Deshalb wird empfohlen, bei einem zu niedrigen Cronbachschen Alpha, jeweils den Indikator mit der niedrigsten ITTC zu eliminieren.253 In vorliegender Arbeit kommt die korrigierte ITTC zur Anwendung, wobei im weiteren Verlauf auf den Hinweis „korrigiert“ verzichtet wird. Die Beurteilung von Reliabilität und Validität mittels Verfahren der ersten Generation weist jedoch erhebliche Mängel auf. So erlaubt das Cronbachsche Alpha keine differenzierte Betrachtung der Reliabilität auf der Ebene der einzelnen Indikatoren. Zudem sind Validitätsbeurteilungen auf Basis von interferenzstatistischen Tests mit den Methoden der ersten Generation nicht möglich.254 Darüber hinaus beruhen die in der Literatur erwähnten Grenzwerte auf zum Teil wenig transparenten Faustregeln.255 Diese Defizite werden von den Kriterien der zweiten Generation behoben, deren Grundlage die konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) bildet.
253 254 255
70
Vgl. Churchill (1979), S. 68. Vgl. Gerbing/Anderson (1988). Vgl. Falk (2007), S. 124.
5.3.3
Gütekriterien der zweiten Generation
Die KFA beruht hauptsächlich auf den frühen Arbeiten von Jöreskog und ist ein Sonderfall der Kausalanalyse (bzw. genauer Kovarianzstrukturanalyse).256 Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die KFA als Messmodell der Kausalanalyse. Im Gegensatz zur EFA bedarf es zur Durchführung einer KFA zunächst einer detaillierten Messmodellspezifikation, die unter anderem die a priori Zuordnung der Indikatoren zu den jeweiligen Faktoren erfordert.257 In der am häufigsten angewandten LISREL Notation wird ein Messmodell mittels der Vektorgleichung ݔൌ Ȧ ൈ ߦ ߜ beschrieben. Hierbei bezeichnet ݔden Vektor der Indikatorvariablen, Ȧdie Koeffizientenmatrix der Faktorladung, ߦrepräsentiert den Vektor der latenten Variablen und ߜ stellt den Vektor der Messfehler bei der Erfassung der Indikatoren dar. Die Kovarianzmatrix ȭ der Indikatorvariablen ݔkann unter gewissen Voraussetzungen258 mittels drei Parametermatrizen Ȧǡ Ȱǡ ȣఋ ausgedrückt werden, wobei ȭ ൌ ȭሺȦǡ Ȱǡ ȣఋ ሻ gilt. Ȧ steht wiederum für die Faktorladungsmatrix, Ȱ und ȣఋ sind die Kovarianzmatrizen der Faktoren bzw. der Messfehler. Ziel der KFA ist eine möglichst präzise Anpassung der von dem Modell generierten Kovarianzmatrix ȭ an die empirische ermittelte Kovarianzmatrix S.259 Die zur Modellschätzung einsetzbaren Verfahren unterscheidet man in nichtiterative und iterative Verfahren.260 Erstere schätzen die Parameter sukzessiv für jede Gleichung; führen jedoch zu suboptimalen Ergebnissen.261 Unter den iterativen Prozeduren kommt das Unweighted Least Squares-Verfahren am häufigsten zum Einsatz.262 Homburg und Klarmann (2006) empfehlen allerdings aufgrund der Überlegenheit grundsätzlich die Maximum-Likelihood– Methode (ML) bzw. die Robust-Maximum-Likelihood Methode (ML mit SatorraBentler Anpassung) bei nicht-normalverteilten Stichproben von n > 200.263 Dem wird sich in vorliegender Arbeit angeschlossen.
256 257 258 259 260
261 262 263
Vgl. Homburg (1992). Vgl. Giering (2000), S. 79. Vgl. Homburg (1989), S. 151ff. Vgl. Pflesser (1999), S. 103f. Vgl. Jöreskog/Sörbom (1979); Jöreskog/Sörbom (1982); Jöreskog/Sörbom (1993), S. 160. Vgl. Förster et al. (1984), S. 354. Vgl. Homburg/Baumgartner (1995b), S. 1102. Vgl. Homburg/Klarmann (2006).
71
Nach der Parameterschätzung erfolgt die Gütebeurteilung des Modells. Hierfür lassen sich globale und lokale Kriterien heranziehen. Globale Kriterien zeigen, inwieweit ein Modell als Ganzes mit der Datenstruktur konsistent ist. Demgegenüber stellen lokale Kriterien auf die einzelnen Teilstrukturen (Indikatoren und Faktoren) eines Modells ab. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung verwendeten Gütemaße und orientieren sich grundsätzlich an den Empfehlungen von Homburg und Klarmann (2006).264 Hierbei kommen folgende globalen Kriterien zum Einsatz: x Root Mean Squared Error of Approximation (RMSEA) x Standardized Root Mean Square Residual (SRMR) x Quotient aus ߯ ଶ und den Freiheitsgraden df (߯ ଶ /df) x Comparative-Fit Index (CFI) x Nonnormed-Fit Index (NNFI) Bei dem RMSEA handelt es sich um ein globales, interferenzstatistisches Maß, welches die Güte der Approximation des Modells an die empirisch gewonnenen Daten testet.265 In dieser Arbeit wird der RMSEA nicht zur interferenzstatistischen Überprüfung verwendet, sondern als deskriptive Maßgröße eingesetzt. Werte von unter 0,05 deuten auf eine gute Modellanpassung hin, Werte zwischen 0,05 und 0,1 sind als akzeptabel anzusehen.266 Der SRMR gibt die durchschnittliche Größe der Residuen zwischen den Elementen der empirischen Kovarianzmatrix und den Elementen der vom Modell reproduzierten Kovarianzmatrix an. Der Wertebereich liegt zwischen Null und Eins. Es gelten die gleichen Grenzwerte wie beim RMSEA.267 Aufgrund der vielfach diskutierten Restriktionen des ߯ ଶ -Tests wird hier der ߯ ଶ -Wert als deskriptives Anpassungsmaß in Form von ߯ ଶ /df berücksichtigt.268 Werte von 5 werden als akzeptabel angesehen,269 Werte unter 3 als gut.270
264 265 266 267 268 269
72
Vgl. Homburg/Klarmann (2006). Vgl. Steiger (1990), S. 173ff. Vgl. Browne/Cudeck (1993), S. 144. Vgl. Schermelleh-Engel/Moosbrugger/Müller (2003), S. 38. Vgl. Bentler/Bonett (1980); Homburg/Baumgartner (1995a), S. 166f. Vgl. Giering (2000), S. 89.
Sämtliche bisher beschriebenen Kriterien werden als Stand-AloneAnpassungsmaße bezeichnet. Inkrementelle Anpassungsmaße betrachten im Gegensatz zu diesen ein Modell nicht isoliert, sondern in Relation zu einem Referenzmodell.271 Hierfür wird üblicherweise ein Modell herangezogen, in dem alle Indikatorvariablen unkorreliert sind.272 In der vorliegenden Untersuchung werden der CFI und der NNFI als inkrementelle Anpassungsmaße eingesetzt. Der CFI berücksichtig die Freiheitsgrade, was dessen Aussagekraft erhöht. Der NNFI ist vorteilhaft, da er von der Stichprobengröße nur relativ gering beeinflusst wird.273 Bei beiden Indizes weisen Werte von unter 0,9 darauf hin, dass das vorliegende Modell verbesserungsbedürftig ist.274 Neben den globalen Anpassungsmaßen sind bei der Bewertung von Konstruktmessungen lokale Kriterien von hoher Relevanz, da sie bei der Beurteilung der Konvergenzvalidität einer Messung aussagekräftiger sind. Lokale Anpassungsmaße lassen sich in Kriterien für einzelne Indikatoren und Kriterien für Faktoren differenzieren. Ein bedeutsames Kriterium auf Indikatorebene stellt die Indikatorreliabilität (IR) dar, welche die durch einen Faktor erklärte Varianz eines Indikators angibt. Der Wertebereich liegt zwischen Null und Eins, wobei üblicherweise Werte von mindestens 0,4 verlangt werden.275 Zusätzlich wird mittels eines einseitigen Signifikanztests (5% Signifikanzniveau) geprüft, inwieweit die zugehörige Faktorladung signifikant von Null verschieden ist. Dies trifft zu, falls der t-Wert der Faktorladung mindestens 1,645 beträgt.276 Die lokale Gütebeurteilung auf Faktorebene ist von größerer Tragweite als die Beurteilung auf der Ebene der Indikatoren.277 Mit Hilfe der Faktorreliabilität (FR) und der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) wird überprüft, inwieweit ein Faktor durch die Gesamtheit seiner assoziierten Indikatoren repräsentiert wird. Der Wertebereich beider Kriterien liegt zwischen Null und Eins. Numerisch hohe Werte lassen auf eine gute Modellanpassung schließen. Für die FR ist die Höhe des Grenzwertes in der wissenschaftlichen Literatur umstrit270 271 272 273 274 275 276 277
Vgl. Homburg (1989), S. 188. Vgl. Bentler (1990), S. 238ff. Vgl. Homburg/Baumgartner (1995a), S. 168. Vgl. Falk (2007), S. 127. Vgl. Marsh/Balla/McDonald (1988), S. 391ff.; Homburg/Baumgartner (1995a), S. 166. Vgl. Homburg/Baumgartner (1995a), S. 170. Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 9ff. Vgl. Bagozzi/Baumgartner (1994), S. 402.
73
ten; in der vorliegenden Studie wird ein Mindestwert von 0,6 für die FR angestrebt.278 Der Schwellenwert für die DEV liegt bei 0,5.279 Neben der Beurteilung der Reliabilität und der Konvergenzvalidität einer Konstruktmessung ist eine Bewertung der Diskriminanzvalidität unabdingbar. Hierfür kommen der ߯ ଶ -Differenztest und das Fornell-Larcker Kriterium in Frage. In vorliegender Arbeit wird grundsätzlich das wesentlich strengere FornellLarcker Kriterium angewendet.280 Hierbei wird nur dann von Diskriminanzvalidität ausgegangen, falls die DEV eines Faktors größer ist als jede quadrierte Korrelation dieses Faktors mit einem anderen Faktor.281 Tabelle III-16 fasst alle zur Anwendung kommenden Gütekriterien sowie deren Anspruchniveaus in konziser Form zusammen. Gütekriterien Gütekriterien der ersten Generation Erklärte Varianz (EFA) Faktorladung (EFA) Cronbachsches Alpha ITTC Gütekriterien der zweiten Generation ߯ ଶ / df RMSEA SRMR CFI NNFI IR t-Wert der Faktorladung FR DEV Fornell-Larcker Kriterium
Anspruchsniveau 50% 0,4 0,7 Elimination des Items mit geringster ITTC, falls Cronbachsches Alpha ungenügend. 5 0,08 0,08 0,9 0,9 0,4 1,645 0,6 0,5 DEV (Faktor i) > quadrierte Korrelation zwischen Faktor i und Faktor j für alle i j
Tabelle III-16: Angewandte Gütekriterien und Anspruchniveaus Abschließend sei noch betont, dass nicht die simultane Erfüllung aller Kriterien gefordert wird. Eine Verletzung einzelner Schwellenwerte sollte nicht automa-
278 279 280 281
74
Vgl. Bagozzi/Yi (1988), S. 74. Vgl. Homburg/Baumgartner (1995a), S. 172. Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 11; Mäder (2005), S. 110. Vgl. Fornell/Larcker (1981), S. 46.
tisch zur Ablehnung des Modells führen, da diese nie als absolut verbindlich anzusehen sind, sondern eher bewährte Richtlinien darstellen.282 5.4
Beurteilung der Messung der Resistenz gegenüber Innovationen anhand des Hauptsamples 1
Die Beurteilung des Modells zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen erfolgt nach dem in Abschnitt III.5.1 beschriebenen Validierungsprozess.283 Im Einzelnen lassen sich für die Gütebeurteilung anhand des Hauptsamples 1 folgende Ergebnisse festhalten. Zur Messung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene verbleiben vier Indikatoren. Zum einen mussten Indikatoren wegen zu hoher Querladung eliminiert werden. Zum anderen wurde zur verbesserten zukünftigen Verwendbarkeit das Messinstrument um stark redundante Items bereinigt.284 Die Gütekriterien werden ausnahmslos erfüllt und deuten auf eine hervorragende Messung hin (vgl. Tabelle III-17). Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf vation) Item FL [Die Innovation] finde ich… ITTC (EFA) ATT3 wertlos ļ wertvoll 0,876 0,931 ATT5 schlecht ļ gut 0,864 0,924 ATT6 nutzlos ļ nützlich 0,887 0,938 ATT7 NNFI 1,00
unwichtig ļ wichtig CFI SRMR RMSEA 1,00 0,003 0,000
0,851 ࣑ Ȁ df 0,72
0,916 Alpha 0,946
Einstellungsebene (ATTInno-
FL (KFA) 0,920
t-Wert (KFA) 116,36
IR 0,85
0,927
135,26
0,86
0,942
135,40
0,89
0,907 EV 86,03%
108,45 FR 0,96
0,82 DEV 0,86
Tabelle III-17: Güte des Messmodells ATTInno (Hauptsample 1, n=1211) Wie aus Tabelle III-18 ersichtlich, fallen auch für den Faktor Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen alle erforderlichen Prüfkriterien positiv aus. Globale Gütekriterien können nicht angegeben werden, da ein Modell bei drei Indikatoren saturiert ist. In diesem Fall ist eine Berechnung nicht möglich. Je nach zu testender Innovation wurde eine Operationalisierung als Nutzungs-
282
283 284
Vgl. Bollen/Long (1993), S. 6; Homburg/Baumgartner (1995a), S. 172; Homburg/ Klarmann (2006), S. 737. Die Beurteilung erfolgt auf Basis des Robust-ML Schätzers. Vgl. Abschnitt III-5.3.3. Vgl. Mäder (2005), S. 95ff.
75
bzw. Kaufabsicht gewählt. Insgesamt umfasst das Messmodell drei reflektive Indikatoren. Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen (BIInno) Item Dass ich [die Innovation] zukünftig FL FL [nutze / kaufe], ist… ITTC (EFA) (KFA) unwahrscheinlich ļ BI1 0,875 0,946 0,954 höchstwahrscheinlich BI2 0,895 0,954 0,962 ausgeschlossen ļ sicher BI5 0,871 0,943 0,918 unvorstellbar ļ vorstellbar NNFI ---1 1
CFI ---1
SRMR ---1
RMSEA ---1
࣑ Ȁ df ---1
Alpha 0,938
EV 89,79%
t-Wert (KFA)
IR
154,32
0,91
141,63
0,93
122,42 FR 0,96
0,84 DEV 0,90
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle III-18: Güte des Messmodells BIInno (Hauptsample 1, n=1211) Die negative Word-of-Mouth-Absicht kann ebenfalls mittels drei Indikatoren reliabel und valide gemessen werden. Alle Gütekriterien der ersten und zweiten Generation werden erfüllt. Die Indikatoren NWOM4 und NWOM5 werden nicht weiter berücksichtigt (vgl. Tabelle III-19). Negative Word-of-Mouth-Absicht (ARESNWOM) Item Auf Basis der Informationen, die ich gerade gelesen habe, ist es wahrscheinlich… ITTC …, dass ich mich gegenüber NWOM1 anderen Menschen negativ zur 0,911 [Innovation] äußere. …, dass ich meiner Familie NWOM2 meine Bedenken hinsichtlich 0,866 der [Innovation] mitteile. …, dass ich meinen Freunden NWOM3 und Bekannten von der [Inno- 0,903 vation] abrate. NNFI CFI SRMR RMSEA ࣑ Ȁ df ---1 ---1 ---1 ---1 ---1 1
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,962
0,967
149,63
0,93
0,939
0,929
100,95
0,86
0,958
0,964
136,75
0,93
Alpha 0,949
EV 90,81%
FR 0,97
DEV 0,91
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle III-19: Güte des Faktors ARESNWOM (Hauptsample 1, n=1211) Die Messung der Beschwerdeabsicht zeigt ebenso hervorragende Werte auf. So wird beispielsweise eine Faktorreliabilität von 0,98 erreicht (vgl. Tabelle III20). Zur Verbesserung des Messmodells mussten die Indikatoren COM2 und COM4 entfernt werden. Die Faktormessung erfolgt daher über drei Items.
76
Beschwerdeabsicht (ARESCOM) Item Auf Basis der Informationen, die ich gerade gelesen habe, ist es wahrscheinlich… …, dass ich mich [beim UnterCOM1 nehmen] über [die Innovation] beschwere. …, dass ich mich mit einer BeCOM3 schwerde über [die Innovation] an [das Unternehmen] wende. …, dass ich [das UnternehCOM5 men] kontaktiere und mich über [die Innovation] beschwere. NNFI CFI SRMR RMSEA ---1 ---1 ---1 ---1 1
ITTC
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,926
0,967
0,958
83,52
0,92
0,940
0,973
0,983
173,84
0,97
0,946
0,976
0,987
160,32
0,97
࣑ Ȁ df ---1
Alpha 0,971
EV 94,52%
FR 0,98
DEV 0,95
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle III-20: Güte des Faktors ARESCOM (Hauptsample 1, n=1211) Letztlich kann auch der Faktor Boykottabsicht nach Elimination von BOY3 erfolgreich mittels drei Indikatoren gemessen werden. Wie aus Tabelle III-21 hervorgeht, werden sämtliche in der Literatur geforderten Grenzwerte für die Prüfkriterien ausnahmslos erfüllt. Untersuchungsstufe A ist damit abgeschlossen. Boykottabsicht (ARESBOY) Item Auf Basis der Informationen, die ich gerade gelesen habe, ist es wahrscheinlich… ITTC …, dass ich mich an einem BOY1 Boykott gegen [das Unterneh- 0,963 men] wegen [der Innovation] beteilige. …, dass ich einem BoykottaufBOY2 ruf gegen [das Unternehmen] 0,965 wegen [der Innovation] folge. ..., dass ich mich einem BoyBOY4 kott gegen [das Unternehmen] 0,955 wegen [der Innovation] anschließe. NNFI CFI SRMR RMSEA ࣑ Ȁ df ---1 ---1 ---1 ---1 ---1 1
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,984
0,984
162,45
0,97
0,984
0,984
130,16
0,97
0,980
0,983
123,12
0,97
Alpha 0,982
EV 96,59%
FR 0,99
DEV 0,97
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle III-21: Güte des Faktors ARESBOY (Hauptsample 1, n=1211) Wie in Abschnitt III.4 konzeptualisiert, lassen sich die Faktoren der aktiven Resistenz, negative Word-of-Mouth-Absicht (ARESNWOM), Beschwerdeabsicht
77
(ARESCOM) und Boykottabsicht (ARESBOY) zu einem Konstrukt zweiter Ordnung verdichten. Die KFA in Untersuchungsstufe B bestätigt dies. Somit besteht die aktive Resistenz gegenüber Innovationen (ARESInno) aus den Faktoren ARESNWOM, ARESCOM und ARESBOY. Tabelle III-22 zeigt, dass sämtliche Faktoren hoch auf das Zielkonstrukt ARESInno laden und mit signifikanten Faktorladungen von 0,910, 0,817 bzw. 0,954 das geforderte Anspruchsniveau übertreffen. Aktive Resistenz gegenüber Innovationen (ARESInno) Faktor
Item
FL (KFA)
NWOM1
0,962***
ARESNWOM NWOM2
0,925***
ARESCOM
ARESBOY
NWOM3
0,971***
COM1
0,958***
COM3
0,982***
COM5
0,988***
BOY1
0,983***
BOY2
0,984***
BOY4
0,984***
FL (KFA 2. Ordnung) 0,910***
0,817***
0,954***
NNFI=1,00; CFI=1,00; SRMR=0,011; RMSEA=0,012; ߯ ଶ Ȁ df=1,18 ***signifikant 1%-Niveau
Tabelle III-22: Güte des Messmodells ARESInno (Hauptsample 1, n=1211) Um Untersuchungsstufe B abzuschließen, ist eine Untersuchung der Diskriminanzvalidität der Bestandteile von ARESInno notwendig. Das hierfür eingesetzte Fornell-Larcker-Kriterium wird eindeutig erfüllt (vgl. Tabelle III-23). Daher ist das vorliegende Modell zur Messung von aktiver Resistenz gegenüber Innovationen vollständig anzunehmen. ARESNWOM
ARESCOM
ARESBOY
DEV
0,91
0,95
0,97
ARESNWOM
0,91
-
-
-
ARESCOM
0,95
0,55
-
-
ARESBOY
0,97
0,75
0,61
-
Bezeichnung des Faktors
Tabelle III-23: Prüfung der Diskriminanzvalidität für die Faktoren von ARESInno
78
Untersuchungsstufe C fokussiert das Gesamtmodell. Hierbei wird zusätzlich die Analyse der Diskriminanzvalidität für das gesamte Messmodell Resistenz gegenüber Innovationen (RESInno) gefordert. Aus Tabelle III-24 ist zu entnehmen, dass sämtliche quadrierten Korrelationen zwischen den Bestandteilen von RESInno kleiner als deren DEV sind und somit das Fornell-LarckerKriterium als erfüllt angesehen werden kann. ATTInno
BIInno
ARESInno
DEV
0,86
0,90
0,71
ATTInno
0,86
-
-
-
BIInno
0,90
0,74
-
-
ARESInno
0,71
0,61
0,61
-
Bezeichnung des Faktors
Tabelle III-24: Prüfung der Diskriminanzvalidität für die Faktoren von RESInno Im Anschluss an die Gütebeurteilung auf Grundlage des Hauptsample 1 wird in den weiteren Schritten der Untersuchungsstufe C überprüft, inwieweit das finale Messmodell extern generalisierbar ist. Hierfür werden anhand des Hauptsamples 2 und eines Retests die Stichprobenunabhängigkeit und die zeitliche Stabilität der Lösung begutachtet. 5.5.
Beurteilung der Stichprobenunabhängigkeit der Messung anhand des Hauptsamples 2
Um herauszufinden, ob das Inventar zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen durch die Analyse des Hauptsamples 2 bestätigt werden kann, wurde die Revalidierungsstichprobe in Analogie zum bisherigen Vorgehen ausgewertet. Sämtliche lokale bzw. globale Gütekriterien werden eindeutig erfüllt. Deshalb kann dem entwickelten Messmodell eine hervorragende externe Generalisierbarkeit bescheinigt werden. Tabelle III-25 fasst die Beurteilung der Messung anhand des Hauptsamples 2 kompakt zusammen.
79
Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene (ATTInno) Item
FL (KFA)
ATT3
0,898***
ATT5
0,922***
ATT6
0,933***
ATT7
0,884***
NNFI=1,00; CFI=1,00; SRMR=0,002; RMSEA=0,000; ߯ ଶ Ȁ df=0,00 Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen (BIInno) Item
FL (KFA)
BI1
0,933***
BI2
0,968***
BI5
0,951***
NNFI=---1; CFI=---1; SRMR=---1; RMSEA=---1; ߯ ଶ Ȁ df=---1 Aktive Resistenz gegenüber Innovationen (ARESInno) Faktor
Item
FL (KFA)
NWOM1
0,950***
ARESNWOM NWOM2
0,919***
ARESCOM
ARESBOY
NWOM3
0,965***
COM1
0,969***
COM3
0,971***
COM5
0,975***
BOY1
0,987***
BOY2
0,987***
BOY4
0,977***
FL (2nd KFA) 0,882***
0,778***
0,919***
NNFI=1,00; CFI=1,00; SRMR=0,009; RMSEA=0,013; ߯ ଶ Ȁ df=1,20 ***signifikant 1%-Niveau 1 Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle III-25: Güte des Messmodells RESInno (Hauptsample 2, n=1113) 5.6
Beurteilung der zeitlichen Konsistenz der Messung anhand des Retestsamples
Nachdem die Stichprobenunabhängigkeit der Messung der Resistenz gegenüber Innovationen im vorigen Abschnitt belegt werden konnte, wird in einem letzten Schritt die zeitliche Stabilität der Messung geprüft.285 Hierfür wird auf Basis einer erneuten Erhebung die Test-Retest-Reliabilität der Konstruktmessungen ermittelt. Je höher dabei die Korrelation der Ergebnisse zwischen der 285
80
Vgl. Homburg/Pflesser (2000), S. 421.
ursprünglichen Messung und der Wiederholungmessung für dieselbe Stichprobe von Versuchspersonen ausfällt, desto zuverlässiger ist das entwickelte Messinstrument. Zur Gewinnung der Stichprobe für den Retest wurden die Probanden der Hauptuntersuchung per E-Mail um erneute Teilnahme gebeten. Um potenzielle Erinnerungseffekte der Probanden bzgl. ihres ursprünglichen Antwortverhaltens möglichst eliminieren zu können, wurden die Einladungen erst vier Wochen nach Beendigung der Hauptuntersuchung versendet.286 Der Aufbau des Retests sowie die Zuweisung der Untersuchungsobjekte entsprachen dabei exakt dem der Hauptuntersuchung (vgl. Abschnitt III-5.2), um eventuellen systematischen Verzerrungen vorzubeugen. Insgesamt konnte eine Stichprobe von n=197 (Ƃ=96; ƃ=101; Ø-Alter=36,4 Jahre) gewonnen werden. Die Analyse der indikatorspezifischen Zusammenhänge erfolgte mittels des Pearson-Korrelationskoeffizienten.287 Als Anforderungsniveau für die Güte der Test-Retest-Reliabilität wird ein Mindestwert von 0,6 für jede Korrelation gefordert.288 Item ATT3
Test-RetestKorrelation 0,713
Item NWOM2
Test-RetestKorrelation 0,635
ATT5
0,717
NWOM3
0,699
ATT6
0,712
COM1
0,632
ATT7
0,736
COM3
0,624
BI1
0,773
COM5
0,656
BI2
0,705
BOY1
0,628
BI5
0,771
BOY2
0,632
NWOM1
0,686
BOY4
0,615
Tabelle III-26: Test-Retest-Korrelationen auf Basis des Pearson-Korrelationskoeffizienten Wie aus Tabelle III-26 hervorgeht, liegen bei sämtlichen Items ausreichend hohe, signifikante Pearson-Korrelationskoeffizienten vor. Damit zeigt sich, dass die zeitlich versetzte Messung zu stabilen Ergebnissen führt. 286 287
288
Vgl. Peter (1979), S. 8. Vgl. Rossiter (1977), S. 183; Buck/Bierhoff (1986), S. 217; Havercamp/Reiss (2003), S. 125. Vgl. Aaker (1997), S. 352.
81
6
Zusammenfassung
Das Ziel von Teil III der Arbeit bestand in der Entwicklung eines Modells zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen (Forschungsziel 1). Dieses Erkenntnisziel kann auf Grundlage der Ergebnisse der Analysen von drei Primärerhebungen als vollständig erfüllt angesehen werden. Zunächst wurde innerhalb von Schritt 1 auf Basis eines umfassenden Literaturreviews ein Grundverständnis für die Resistenz gegenüber Innovationen erarbeitet. In Schritt 2 konnte das im ersten Schritt erlangte Konstruktverständnis durch den Einsatz von Experteninterviews (n=8) sowie Konsumenteninterviews (n=20) überprüft und ergänzt werden. Die auf Basis der ersten beiden Schritte erfolgte Konzeptualisierung und Operationalisierung der Resistenz gegenüber Innovationen (Schritt 3) wurde innerhalb von Schritt 4 - nach Durchführung von Pretests zur Überprüfung der Indikatorformulierungen (Experten n=8; Konsumenten n=41) - einer dreistufigen quantitativen Analyse unterzogen. In Untersuchungsstufe A wurde auf Basis des Hauptsamples 1 (n=1211, fünf Innovationen) zunächst die Faktorenebene mittels exploratorischer und konfirmatorischer Faktorenanalysen analysiert. Im Falle unzureichender Gütekriterien wurde das Messmodell sukzessive um gering konvergente und gering diskriminante Indikatoren bereinigt. Untersuchungsstufe B fokussierte einzelne Dimensionen, die mehr als einen Faktor haben. Hierbei kamen dieselben methodischen Analyseverfahren wie in Untersuchungsstufe A zur Anwendung. Zusätzlich konnte die Diskriminanzvalidität der einzelnen Faktoren mittels Fornell-Larcker-Kriterium bestätigt werden. In Untersuchungsstufe C wurde das gesamte Messmodell mit allen verbliebenen Indikatoren aus den letzten beiden Stufen in Analogie zum bisherigen Vorgehen anhand des Hauptsamples 1 analysiert.
82
Um die Stichprobenunabhängigkeit der gefundenen Lösung zu demonstrieren, ist der eben beschriebene Prozess auf Basis einer zusätzlichen Erhebung (Hauptsample 2: n=1113; drei Innovationen) nochmals durchgeführt worden. Das Resultat der Analyse belegt die hohe Stabilität des entwickelten Messmodells. Um zu gewährleisten, dass das Messmodell für zeitlich versetzte Messungen konsistente Ergebnisse liefert, wurde abschließend die Test-RetestReliabilität der Konstruktmessung auf Grundlage einer Nachbefragung (n=197; fünf Innovationen) von Probanden aus der ersten Befragung analysiert. Das Ergebnis der Wiederholungsmessung deutet auf die zeitliche Stabilität der Messung hin und führt damit zur vollständigen Annahme des Messmodells. Insgesamt konnte so durch den gesamten Validierungsprozess ein gut handhabbares Modell (16 Indikatoren) zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen entwickelt werden. Entsprechend den Ergebnissen der Konzeptualisierung und Validierung setzt sich das endgültige Modell zur Messung der Resistenz gegenüber Innovationen aus den Teilmodellen Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene, der Kauf- bzw. Nutzungsabsicht gegenüber Innovationen sowie der aktiven Resistenz gegenüber Innovationen, bestehend aus den drei Faktoren NWOM-Absicht, Beschwerdeabsicht sowie Boykottabsicht, zusammen. Unter passiver Resistenz gegenüber Innovationen wird die Kombination aus einer negativen Einstellung (Resistenz auf Einstellungsebene) und einer negativen Kauf- bzw. Nutzungsabsicht verstanden. Zusätzlich kann es zur aktiven Resistenz gegenüber Innovationen kommen. Diese zeigt sich durch ein aktives Vorgehen gegen eine Innovation in Form von negativem Word-of-Mouth, Beschwerden sowie Boykott. Der folgende vierte Teil fokussiert die Entstehung der Resistenz bzw. Akzeptanz auf Einstellungsebene und zeigt so empirisch, durch die Aufdeckung von asymmetrischen Effekten, den Unterschied bei der Entstehung zwischen Resistenz und Akzeptanz auf Einstellungsebene. Im sich daran anschließenden fünften Teil wird das Gesamtmodell Resistenz gegenüber Innovationen in ein Kausalmodell integriert, um so der nomologischen Validität Rechnung zu tragen. Hauptziel von Teil V ist jedoch die Identifikation von Determinanten der aktiven Resistenz gegenüber Innovationen.
83
IV
Asymmetrische Effekte bei der Entstehung von Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene
1
Ziel und Vorgehensweise
Aus Teil III der Arbeit geht hervor, dass auf der Einstellungsebene die Resistenz gegenüber einer Innovation als eine negative Einstellung verstanden werden kann. Demgegenüber entspricht die Akzeptanz auf Einstellungsebene einer positiven Einstellung gegenüber einer Innovation (vgl. Abschnitt III-4). Eine umfassende Literaturanalyse offenbart zudem, dass zahlreiche Determinanten, wie z.B. das wahrgenommene Risiko, sowohl zur Erklärung der Resistenz als auch zur Begründung der Akzeptanz verwendet werden (vgl. Abschnitt III-2). Die Modellierung des Einflusses dieser Determinanten auf die Resistenz bzw. Akzeptanz erfolgt in den bisherigen Untersuchungen ausschließlich linear. So resultiert hohes wahrgenommenes Risiko in Resistenz und niedriges Risiko in Akzeptanz. Nehmen die Konsumenten einen hohen Nutzen wahr, führt dies zu Akzeptanz und vice versa zu Resistenz. Forschungsergebnisse dieser Art veranlassen die Praxis dazu, Maßnahmen zur Risikoreduktion bzw. Nutzensteigerung im Sinne der Maxime „je mehr, desto besser“ zu ergreifen, um die Akzeptanz ihrer Innovationen bei den Konsumenten zu erhöhen. Es muss jedoch angezweifelt werden, ob es beim Konsumenten tatsächlich zur Akzeptanz einer Innovation kommt, nur weil eine Innovation nicht risikobehaftet ist. Zudem ist es wahrscheinlich, dass gewisse nutzenstiftende Faktoren existieren, die Konsumenten bei Innovationen einfach voraussetzen. So geht beispielsweise Harms davon aus, dass sich vorhandene Datensicherheit (Nutzen) bei einer Innovation nicht positiv auf die Einstellung auswirkt, sondern lediglich eine negative Einstellung verhindert.289 Somit würde eine weitere Steigerung dieses Nutzens keinen positiven Beitrag auf die Akzeptanz ausüben, sondern lediglich zur Verhinderung von Resistenz gegenüber dieser Innovation führen. Einen theoretischen Ansatzpunkt zur Erklärung dieser Überlegungen liefert die Zufriedenheitsforschung. Nach dem Kano-Modell sind bei der Entstehung von 289
84
Vgl. Harms (2002), S. 119.
Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit drei unterschiedliche Arten von Faktoren von Bedeutung. Es existieren beispielsweise so genannte Basisfaktoren, die bei ihrer Erfüllung lediglich zu Nicht-Unzufriedenheit führen, jedoch keine Zufriedenheit auslösen. Ein solcher Effekt wird innerhalb der Literatur als asymmetrischer Effekt bezeichnet. Des Weiteren gibt es so genannte Begeisterungsfaktoren, die zu positiven asymmetrischen Effekten führen. In diesem Fall kommt es zu überproportionaler Zufriedenheitssteigerung. Überträgt man diese in der Zufriedenheitsforschung gängige Logik auf den Innovationskontext, ist daher zu vermuten, dass auch bei der Entstehung der Resistenz bzw. Akzeptanz Effekte dieser Art vorliegen. Existieren tatsächlich solche Effekte, führen die Implikationen aus der bisherigen Forschung zu ineffizienten Entscheidungen in der Unternehmenspraxis. Forschungsziel 2 der Arbeit ist demzufolge die Prüfung auf asymmetrische Effekte bei der Entstehung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene. Als theoretisch-konzeptioneller Bezugsrahmen dieser Untersuchung dient das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit. Die dort angewandte Grundlogik wird auf den Innovationskontext übertragen und so ein Drei-Faktoren-Modell der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene entwickelt (vgl. Abschnitt IV-2.1). Zur inhaltlichen Konkretisierung des Modells werden die aus der bisherigen Forschung (vgl. Abschnitt III-2) hervorgegangenen wichtigsten Determinanten zur Bestimmung der Resistenz bzw. Akzeptanz auf Einstellungsebene herangezogen und in das Drei-FaktorenModell integriert. Erkenntnisse liefern hierbei insbesondere eine Analyse der innovationspezifischen Faktoren nach Rogers (vgl. Abschnitt IV-2.2) sowie der Theorie des wahrgenommenen Risikos (vgl. Abschnitt IV-2.3). Zur anschließenden empirischen Prüfung des Drei-Faktoren-Modells der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen anhand drei verschiedener Innovationen (Studie 1, n=390; Studie 2, n=358; Studie 3, n=365) kommt die multiple Regression mit Dummy-Variablen zum Einsatz (vgl. Abschnitt IV-3).
85
2
Theoretisch-konzeptionelle Bezugspunkte
2.1
Grundlagen des Kano-Modells der Kundenzufriedenheit und deren Beitrag zur Arbeit
Das Kano-Modell zur Erklärung der Kundenzufriedenheit geht von einer DreiFaktoren-Struktur der Kundenzufriedenheit aus und basiert auf dem ZweiFaktoren-Modell der Arbeitszufriedenheit von Herzberg, Mausner und Snyderman.290 Diese differenzieren Hygiene-Faktoren, welche bei Erfüllung der Erwartung lediglich Unzufriedenheit verhindern, von den so genannten Motivatoren, die bei Erfüllung zu Zufriedenheit, jedoch bei Nichterfüllung nicht zu Unzufriedenheit führen.291 Methodische Kritik am Modell von Herzberg, Mausner und Snyderman führte im Kontext der Kundenzufriedenheitsforschung zu einem differenzierteren Ansatz.292 Kano ergänzt sein eigenes Modell um einen weiteren Faktor und unterscheidet zwischen Basisfaktoren, Leistungsfaktoren und Begeisterungsfaktoren.293 Zufriedenheit
Begeisterungsfaktoren Leistungsfaktoren
Zeit
Erwartungen nicht erfüllt
Erwartungen erfüllt Basisfaktoren
Unzufriedenheit
Abbildung IV-1: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit294
290 291 292 293 294
86
Vgl. Herzberg/Mausner/Snyderman (1959); Sauerwein (2000), S. 25. Vgl. Herzberg/Mausner/Snyderman (1959), S. 111ff.; Schütze (1992), S. 142. Vgl. Stauss (1999), S. 10. Vgl. Kano (1984). Vgl. Walden (1993), S. 4; Matzler et al. (2004), S. 273.
Basisfaktoren entsprechen den Hygiene-Faktoren im oben beschriebenen Modell der Arbeitszufriedenheit von Herzberg, Mausner und Snyderman.295 Wie die untere Kurve in Abbildung IV-1 zeigt, führt die Erfüllung der Erwartung bzgl. eines dementsprechenden Leistungsmerkmals296 lediglich zu NichtUnzufriedenheit. Jede zusätzliche Einheit an Leistungserfüllung liefert immer geringer werdende Zufriedenheitszuwächse bis ein Punkt erreicht wird, ab dem überhaupt keine Zufriedenheitseffekte mehr auftreten. Im Gegensatz dazu kommt es bei einer Verminderung des Erfüllungsgrades zu einem überproportionalen Anstieg der Unzufriedenheit. Aus diesen bei Basisfaktoren vorhandenen abnehmenden Skalenerträgen des funktionalen Zusammenhangs resultiert negative Asymmetrie.297 Basisfaktoren sind daher Mindestanforderungen der Kunden, deren Erfüllung eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Entstehung von Kundenzufriedenheit darstellt.298 Demgegenüber kommt es abhängig vom Erfüllungsgrad bei den so genannten Leistungsfaktoren zu Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit beim Konsumenten. Hierbei wird ein symmetrischer, linearer Zusammenhang unterstellt. Hohe Erfüllung bzw. Übererfüllung des Merkmals führt zu Zufriedenheit und vice versa zu Unzufriedenheit (vgl. Abbildung IV-1).299 Entsprechend der Herzberg‘schen Motivatoren erzeugen Begeisterungsfaktoren Zufriedenheit, wenn entsprechende Merkmale vorhanden sind; führen jedoch bei Nicht-Existenz nicht zu Unzufriedenheit, da entsprechende Merkmale vom Kunden nicht ausdrücklich erwartet werden.300 Aufgrund dieser vom Konsumenten nicht erwarteten Merkmale kommt es zu einer positiven Überraschung und einer daraus resultierenden Begeisterung, welche bei zunehmender Anspruchserfüllung überproportional Zufriedenheit erzeugt.301 Es bleibt allerdings anzumerken, dass aufgrund von konsumentenseitigen Gewöhnungseffekten über den Zeitverlauf mit einer Wandlung der Begeisterungsfak-
295 296
297 298 299 300 301
Vgl. Bailom et al. (1996), S. 118. Basisfaktoren, Leistungsfaktoren und Begeisterungsfaktoren stellen entsprechende unterschiedliche Leistungsmerkmale dar. Vgl. Kano (1984); Oliver (1997), S. 152f.; Homburg/Stock-Homburg (2006), S. 32. Vgl. Anderson/Mittal (2000), S. 109f.; Falk (2007), S. 95. Vgl. Falk (2007), S. 95. Vgl. Saatweber (1997), S. 48; Matzler et al. (2005), S. 304. Vgl. Matzler/Sauerwein (2002), S. 318. Vgl. Rust/Oliver (2000), S. 86.
87
toren zu Leistungsfaktoren und der Leistungsfaktoren zu Basisfaktoren zu rechnen ist.302 Die Existenz der von Kano vermuteten asymmetrischen Effekte303 bei der Entstehung von Kundenzufriedenheit konnte von zahlreichen Autoren empirisch aufgezeigt werden.304 Als theoretische Grundlage zur Erklärung dieser Effekte kann die Opponent-Prozess-Theorie herangezogen werden.305 Die Opponent-Prozess-Theorie basiert auf dem physiologischen Prinzip der Homöostase.306 Demzufolge adaptiert sich der menschliche Organismus zur Sicherstellung eines konstanten Aktivierungsniveaus mittels eines neurophysiologischen Prozesses (Opponent-Prozess) an bestimmte Stimuli.307 Solomon und Corbit (1974) zeigen anhand ihrer empirischen Forschungsergebnisse, dass die Opponent-Prozess-Theorie auch auf die menschliche Psychologie übertragbar ist.308 Grundlegende Annahme der Theorie ist dabei, dass bei einer Störung des affektiven Gleichgewichts durch einen bestimmten Stimulus (process a) ein ausgleichender Opponent-Prozess (process b) ausgelöst wird. Charakteristisch für den Opponent-Prozess ist dessen Trägheit. Er baut sich sowohl relativ langsam auf als auch ab. Abbildung IV-2 veranschaulicht diesen Zusammenhang. Erst eine mehrmalige Stimulation des zentralen Nervensystems durch vergleichbare Reize resultiert in einer Beschleunigung des OpponentProzesses.309 Hieraus lässt sich schließen, dass ein wiederholt wahrgenommener Stimulus gewisse Lerneffekte bedingt, wodurch die Störung des affektiven Gleichgewichts schneller ausgeglichen wird. Es ist also von einem Gewöhnungseffekt des Organismus auszugehen (vgl. Abbildung IV-3).
302 303 304 305 306 307 308 309
88
Vgl. Matzler et al. (2005), S. 305. Vgl. Mittal/Ross/Baldasare (1998), S. 34. Vgl. Falk (2007), S. 107ff. Vgl. Oliver (1981); Matzler (1997); Matzler (2000). Vgl. Fletcher (1942), S. 80ff. Vgl. Matzler et al. (2005), S. 303. Vgl. Solomon/Corbit (1974). Vgl. Solomon/Corbit (1974), S. 129; Matzler (2000), S. 17.
+ 100
Peak of Primary affective Reaction
Intensity of Primary Affect
Adaption Phase Steady Level
Hedonic Scale Decay of afterreaction
Intensity of Affective After-reaction + 100
Peak of affective after-reaction On Off
Off Time +
+
First Component
Third Component 0
0 Summing Device
Process a Cognitive – Perceptual Signal
affect emotion hedonic tone feeling mood
a - signal
a + b, where b is (-)
+
Process b
Second Component
opponentaffect opponentemotion opponenthedonic tone opponentfeeling opponentmood
Affective signal a–b Reinforcer quality And intensity
0 b - signal
Abbildung IV-2: Der Opponent-Prozess310
310
Vgl. Solomon/Corbit (1974), S. 126.
89
First few stimulations
After many stimulations
a a–b Manifest Affective Responses
a-b 0
b a Underlying Opponent Processes
a
b b
Stimulus Event Time
Abbildung IV-3: Wandel des Opponent-Prozesses nach wiederholter Stimulation311 Auf Basis der Erkenntnisse aus der Opponent-Prozess-Theorie lassen sich das Zustandekommen von asymmetrischen Effekten bei der Kundenzufriedenheit erklären. Oliver (1981) sowie Matzler (1997, 2000) übertragen die Theorie auf den Kundenzufriedenheitskontext.312 Aus dieser Übertragung folgt, dass primär neu wahrgenommene Stimuli von Produkten dazu führen können, das emotionale Gleichgewicht von Konsumenten zu stören.313 In Folge dessen werden positive Emotionen ausgelöst, da sich der Opponent-Prozess aufgrund seiner Trägheit noch nicht darauf eingestellt hat, auf die neuartigen Stimuli zu reagieren.314 Sie führen aber nicht zu negativen Emotionen, sollten diese nicht explizit vom Konsumenten erwarteten Produkteigenschaften fehlen. Dies entspricht den Begeisterungsfaktoren im Kano-Modell. Die Basisfaktoren des Kano-Modells lassen sich ebenfalls mit dieser Theorie erklären. Wird ein Stimulus öfter perzipiert, „lernt“ der Opponent-Prozess schneller auf diesen zu reagieren. Demzufolge resultiert aus einem solchen Stimulus kein emotionales Ungleichgewicht. Der Konsument hat sich an die entsprechende Produkteigenschaft gewöhnt und diese Eigenschaft führt nicht
311 312 313 314
90
Vgl. Solomon (1980), S. 700. Vgl. Oliver (1981); Matzler (1997); Matzler (2000). Vgl. Oliver (1981); Matzler (1997); Matzler (2000). Vgl. Matzler (2000), S. 19f.
mehr zu positiven Emotionen. Fehlt jedoch der Stimulus, treten aufgrund der Nachwirkungen des Opponent-Prozesses negative Emotionen auf. Die Leistungsfaktoren des Kano-Modells können als ein Übergangsstadium zwischen den oben dargestellten Faktoren interpretiert werden.315 Der Stimulus wurde zwar schon einmal wahrgenommen, löst aber dennoch positive Emotionen aus, da noch keine vollständige Anpassung des Opponent-Prozesses erfolgt ist. Fehlt der Stimulus, entstehen dadurch negative Emotionen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Opponent-Prozess bereits durch frühere Wahrnehmungen des Stimulus aktiviert wurde. Sämtliche Überlegungen lassen sich auch auf den Innovationskontext übertragen. So sind beispielsweise auch bei Innovationen derartige Gewöhnungseffekte der Konsumenten im Sinne der Opponent-Prozess-Theorie zu erwarten. Es ist nicht anzunehmen, dass die Features einer Innovation, die den Basisnutzen betreffen, zu einer Akzeptanzsteigerung beitragen, sondern lediglich Resistenz gegenüber dieser Innovation verhindern. Ähnlich argumentiert auch Harms. Sie geht u.a. davon aus, dass sich vorhandene Datensicherheit (Basisnutzen) nicht positiv auf die Einstellung auswirkt, sondern lediglich eine negative Einstellung verhindert.316 Potenzielle Kunden einer Innovation setzten einen Basisnutzen im Prinzip voraus. Zudem sind auch positive asymmetrische Effekte im Sinne von Begeisterungsfaktoren bei der Entstehung von Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovation plausibel. So sind neu wahrgenommene Stimuli eines Produkts in der Lage, das emotionale Gleichgewicht von Konsumenten zu stören und positive Emotionen hervorzurufen, weil der Opponent-Prozess noch nicht „gelernt“ hat, auf sie zu reagieren.317 Daher ist zu vermuten, dass bei der Entstehung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene ebenfalls asymmetrische Effekte existieren und nicht wie bisher lediglich lineare Zusammenhänge angenommen werden können. In Anlehnung an das Kano-Modell wird deshalb in vorliegender Arbeit in Resistenzinhibitoren, Hybridfaktoren und Akzeptanzpromotoren unterschieden.
315 316 317
Vgl. Falk (2007), S. 102. Vgl. Harms (2002), S. 119. Vgl. Matzler (2000), S. 19f.
91
Akzeptanz
Akzeptanzpromotoren Hybridfaktoren
Keine Erfüllung
Erfüllung*
Resistenzinhibitoren
Resistenz *Lesehinweis: Erfüllung=hohe Wahrnehmung einer Determinante mit positivem Einfluss auf die Akzeptanz (z.B. hoher Nutzen ൌ ෝ Erfüllung) und vice versa (z.B. niedriges Risiko ൌ ෝ Erfüllung)
Abbildung IV-4: Konzeption des Drei-Faktoren-Modells der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene Resistenzinhibitoren sind dementsprechend Determinanten, die bestenfalls zu einer Vermeidung von Resistenz gegenüber einer Innovation auf Einstellungsebene führen. Sie orientieren sich hinsichtlich ihrer Konzeptualisierung und mathematischen Funktion an den Basisfaktoren des Kano-Modells. Wie die untere Kurve in Abbildung IV-4 veranschaulicht, führen die bei diesen Faktoren im Funktionsverlauf vorhandenen abnehmenden Skalenerträgen bei Erfüllung bzgl. einer derartigen innovationsspezifischen Determinante lediglich zu Nicht-Resistenz (bzw. Nicht-Akzeptanz). Hieraus resultiert negative Asymmetrie. Resistenzinhibitoren sind deshalb als Mindestanforderungen der Konsumenten hinsichtlich der Konfiguration einer Innovation zu interpretieren. Demzufolge ist deren positive Erfüllung eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Entstehung von Akzeptanz gegenüber einer Innovation. Hybridfaktoren haben wie die Kano‘schen Leistungsfaktoren einen linearen Funktionsverlauf. Sie können abhängig von der Wahrnehmung zu Resistenz bzw. Akzeptanz führen. Eine positive wahrgenommene hohe Ausprägung bzgl. einer entsprechenden innovationsspezifischen Determinante führt zu Akzeptanz und umgekehrt zu Resistenz. Dies entspricht der klassischen Modellierung einer innovationspezifischen Determinante bei einer linearen Regression bzw. in einem LISREL-Modell. Hybridfaktoren werden von Konsumenten 92
explizit verlangt und reflektieren deren bewusst wahrgenommenen Ansprüche an die Ausgestaltung einer Innovation. Akzeptanzpromotoren sind in Anlehnung an die Begeisterungsfaktoren des Kano-Modells konzipiert. Dementsprechend tragen diese - falls vorhanden überproportional zur Akzeptanz der Innovation bei; haben allerdings bei NichtExistenz keinen Einfluss auf die Resistenz gegenüber der Innovation, da bswp. entsprechende Nutzen vom Konsumenten nicht explizit erwartet werden. Aufgrund dessen führen diese zu einer positiven Überraschung, welche Begeisterung auslöst und letztlich in Akzeptanz resultiert. Zentrale Anhaltspunkte zur inhaltlichen Konkretisierung der drei konzeptualisierten Kategorien liefern die nachfolgend dargestellte Forschung von Rogers bzgl. adoptionsrelevanter Faktoren sowie die Theorie des wahrgenommenen Risikos. 2.2
Innovationsspezifische Adoptionsfaktoren nach Rogers und deren Beitrag zur Arbeit
Die Einflussgrößen, die sich auf den individuellen Adoptionsprozess auswirken, lassen sich in kommunikative, personenbezogene, umweltbezogene sowie innovationsbezogene Faktoren klassifizieren.318 Als wahrgenommene Eigenschaften der Innovation nehmen die innovationsbezogenen Faktoren eine herausragende Bedeutung innerhalb der frühen Adoptionsphasen ein.319 Diese Phasen fokussiert die vorliegende Arbeit.320 Als die prominenteste Klassifikation dieser Faktoren gilt in der gängigen Literatur der Ansatz, der auf Arbeiten von Rogers bzw. Rogers und Shoemaker basiert.321 Er wurde bisher in einer Vielzahl von Studien verwendet322 und differenziert fünf erfolgskritische Faktoren von Innovationen (vgl. Tabelle IV-1).323
318 319
320 321 322
323
Vgl. Weiber (1992), S. 7. Vgl. Schenk/Dahm/Šonje (1996), S. 32; Agarwal/Prasad (1997), S. 562; Rogers (2003), S. 175. Vgl. Abschnitt II-3. Vgl. Rogers (1962, 1983, 1995, 2003); Rogers/Shoemaker (1971). Vgl. z.B. Labay/Kinnear (1981); Tornatzky/Klein (1982); Holak (1988); Holak/Lehmann (1990). Vgl. Binsack (2003), S. 29.
93
Faktor Relativer Vorteil
Kompatibilität
Komplexität
Erprobbarkeit Beobachtbarkeit
Beschreibung
Wirkungsrichtung auf Adoption
“[...] degree to which an innovation is perceived as better than the idea it supersedes.” Rogers (2003), S. 265. “[…] degree to which an innovation is perceived as consistent with the existing values, past experiences, and needs of potential adopters.” Rogers (2003), S. 240ff. “[…] degree to which an innovation is perceived as relatively difficult to understand and to use.” Rogers (2003), S. 257ff. “[…] degree to which an innovation may be experimented with on a limited basis.” Rogers (2003), S. 258. “[…] degree to which the results of an innovation are visible to others.” Rogers (2003), S. 258f.
+ + + +
Tabelle IV-1: Innovationsspezifische Adoptionsfaktoren nach Rogers Wenngleich diese Faktoren innovationsimmanent sind, ist zu beachten, dass es sich dabei nicht um die objektiven Eigenschaften einer Innovation handelt, sondern um die wahrgenommene Ausprägung der jeweiligen Eigenschaft seitens des Konsumenten.324 Der relative Vorteil (relative advantage) umfasst alle Vorteile der Innovation hinsichtlich technischer, wirtschaftlicher, sozialer und emotionaler Aspekte.325 Er kann als Resultat antizipierter positiver Konsequenzen interpretiert werden und nimmt innerhalb der Faktoren die bedeutendste Stellung ein.326 Unter Kompatibilität (compatibility) wird die Vereinbarkeit mit bestehenden Werten und Normen sowie mit bereits existierenden Produkten verstanden.327 Fehlende Kompatibilität wirkt sich negativ auf die Adoption aus.328 Komplexität (complexity) resultiert aus der Schwierigkeit, eine Innovation zu verstehen, in Betrieb zu nehmen bzw. zu nutzen.329 Die hierfür notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie der potenziell damit verbundene Lernaufwand seitens der Konsumenten beeinflusst die Adoption negativ.330
324 325 326 327 328 329 330
94
Vgl. Rogers (2003), S. 15. Vgl. Binsack (2003), S. 30. Vgl. Bagozzi/Lee (1999), S. 218; Kaetzke (2003), S. 48. Vgl. Rogers (2003), S. 240. Vgl. Binsack (2003), S. 30. Vgl. Robertson (1971), S. 46. Vgl. Zaltman/Duncan/Holbek (1973), S. 38.
Die Erprobbarkeit (trialability) der Innovation vor dem Kauf beeinflusst die Adoptionsentscheidung positiv. Da mit dem Kauf einer Innovation häufig Unsicherheit einhergeht, kann das Testen wesentlich dazu beitragen, diese zu reduzieren. Häufig können Innovationen jedoch nicht vorab ausprobiert werden. Hier sind Testberichte und Erfahrungen anderer Konsumenten besonders wichtig.331 Die Beobachtbarkeit (observability) lässt sich in die Ergebnisdarstellbarkeit (result demonstrability) und Sichtbarkeit (visibility) separieren. Erstere drückt aus, inwieweit Konsequenzen bzgl. der Verwendung der Innovation vom Konsumenten abschätzbar sind. Letztgenannte meint die Sichtbarkeit der Innovation selbst.332 Im Rahmen der Bewertung neuer Produkte nehmen dabei insbesondere der relative Vorteil, die Kompatibilität und die Komplexität eine herausragende Stellung ein, da diesen die höchste Erklärungskraft zugesprochen wird.333 Anzumerken ist jedoch, dass die Unabhängigkeit der Faktoren voneinander, die Allgemeingültigkeit dieser Faktoren und die Unvollständigkeit der Klassifikation der Kritik ausgesetzt sind. So wird zum einen häufig beanstandet, dass diese Faktoren nicht überschneidungsfrei sind, da beispielsweise die Komplexität einer Innovation vermutlich auch die Beobachtbarkeit beeinflusst.334 Dethloff kritisiert zudem, dass die Rogers Faktoren zu allgemein gefasst sind und daher schwierig operationalisiert werden können.335 Daher empfehlen Krafft und Liftin für jede Innovation jeweils eine maßgeschneiderte Messung vorzunehmen, da eine Operationalisierung der Rogers Faktoren keine detaillierten Erkenntnisse erwarten lässt, um Implikationen zur Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit der Innovation ableiten zu können.336 Dieser Ansicht wird hier gefolgt.337 Ostlund kritisiert vor allem die Unvollständigkeit der Klassifikation und führt als weitere innovationsspezifische Eigenschaft das wahrgenommene
331 332 333 334 335 336 337
Vgl. Kaetzke (2003), S. 50. Vgl. Moore/Benbasat (1991), S. 203. Vgl. Labay/Kinnear (1981); Tornatzky/Klein (1982); Holak (1988); Holak/Lehmann (1990). Vgl. Kotzbauer (1992), S. 37. Vgl. Dethloff (2004), S. 36. Vgl. Krafft/Liftin (2002), S. 65. Vgl. hierzu auch Harms (2003), S. 259.
95
Risiko (perceived risk) ein, welches den Innovations-Entscheidungsprozess negativ beeinflusst.338 Für vorliegende Arbeit lässt sich festhalten: x Aufgrund der oben angeführten Kritik (Unabhängigkeit, Allgemeingültigkeit, Unvollständigkeit) dienen die Rogers Faktoren innerhalb der Arbeit lediglich als Bezugsrahmen zur Auswahl der Determinanten und nicht als Determinanten selbst. Die Rogers Faktoren werden dabei als prinzipielle Kategorien von Determinanten interpretiert. x Grundsätzlich lässt sich aber feststellen, dass insbesondere der relative Vorteil, die Kompatibilität sowie die Komplexität einer Innovation wegen ihrer hohen Erklärungskraft von zentraler Bedeutung für die Beurteilung neuer Produkte sind und daher innerhalb der Untersuchung mittels geeigneter Determinanten abgebildet werden sollten. x Des Weiteren sind aufgrund der Unvollständigkeit der Klassifikation weitere Determinanten, wie z.B. das wahrgenommene Risiko zu berücksichtigen. 2.3
Die Theorie des wahrgenommenen Risikos und deren Beitrag zur Arbeit
Die Theorie des wahrgenommenen Risikos basiert auf den Forschungsarbeiten von Bauer339, Cox340 und Cunningham341 aus den sechziger Jahren und fokussiert das Verhalten von Konsumenten in Abhängigkeit von deren individueller Risikowahrnehmung. Ihr wird insbesondere ein hoher Erkenntnisbeitrag zur Erklärung des Informationsbeschaffungs- und Kaufverhaltens von Konsumenten zugesprochen.342 In der Risikotheorie wird davon ausgegangen, dass das Konsumentenverhalten durch Versuche zur Reduktion des individuell wahrgenommenen Risikos bestimmt wird. Das wahrgenommene Risiko kann dabei als Resultat des 338 339 340 341 342
96
Vgl. Ostlund (1974), S. 24. Vgl. Bauer (1960); Bauer (1967). Vgl. Cox (1967). Vgl. Cunningham (1967). Vgl. Dowling/Staelin (1994), S. 119; Weiber/Pohl (1996), S. 676; Rohrbach (1997), S. 137; Mitchell (1999), S. 163; Bauer/Sauer/Becker (2003), S. 186.
unvollständigen Informationsstandes des Konsumenten interpretiert werden und hängt zum einen von der Wahrscheinlichkeit der Verlustrealisation und zum anderen von der Wahrscheinlichkeit des Verlustumfangs ab.343 In der gängigen wissenschaftlichen Literatur wird zwischen sechs verschiedenen Teilrisikoarten des wahrgenommenen Risikos differenziert:344 x Das funktionale Risiko resultiert aus der Unsicherheit des Konsumenten bzgl. der gewünschten Funktionsleistung des Produktes. x Das finanzielle Risiko repräsentiert drohende monetäre Verluste als Konsequenz aus dem Erwerb oder der Nutzung eines Produktes. x Das physische Risiko wird wahrgenommen, falls der Konsument davon ausgeht, dass durch das Produkt negative Konsequenzen für seine Gesundheit drohen. x Das psychologische Risiko ist existent, wenn ein Produkt inkonsistent mit den eigenen Überzeugungen (Werte & Normen) ist. x Das soziale Risiko bildet die potenzielle Bedrohung ab, durch das Produkt an sozialem Ansehen zu verlieren. x Das zeitliche Risiko resultiert aus der Ungewissheit über den zeitlichen Aufwand des Erwerbs oder der Nutzung eines Produktes. Entscheidend ist jedoch nicht das objektive (Teil-)Risiko, sondern das subjektiv durch den Konsumenten in einer spezifischen Situation empfundene (Teil)Risiko.345 Das wahrgenommene Risiko ist deshalb ein personen- und situationsspezifisches Phänomen.346 Die zentrale Annahme der Risikotheorie besteht darin, dass jeder Konsument eine individuelle Toleranzschwelle bezüglich der Risikowahrnehmung besitzt. Diese wird durch seine persönliche Risikoneigung determiniert.347 Wirksam 343 344
345 346 347
Vgl. Peter/Olson (1994), S. 87. Vgl. Kaplan/Szybillo/Jacoby (1974), S. 287ff.; Stone/Mason (1995), S. 144f.; Homburg/ Krohmer (2006), S. 125; Andere Klassifikationen gehen auch von drei bzw. vier Teilrisikoarten aus. Vgl. Nolte (1976), S. 232f.; Kuhlmann (1980), S. 522ff. Vgl. Panne (1976), S.48f.; Berndt (1996), S. 75. Vgl. Ross (1975), S. 15; Nolte (1976), S. 225. Vgl. Rohrbach (1997), S. 138.
97
wird das Risiko bei Überschreitung dieser individuellen Toleranzschwelle.348 Erst dann versucht ein Individuum, diesen als dissonant wahrgenommenen Zustand zu beseitigen und das wahrgenommene Risiko auf ein akzeptables Niveau zu minimieren.349 Hierfür ergreifen Konsumenten diverse Techniken.350 Diese lassen sich in Maßnahmen unterscheiden, die dazu dienen, Unsicherheit zu reduzieren (z.B. Risikostreuung, Risikoübertragung) und in solche, die eingesetzt werden, um negative Konsequenzen zu verringern (z.B. Machtausübung, vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen).351 Aus der Risikotheorie lassen sich für die vorliegende Arbeit folgende Implikationen ableiten: • Der Innovation-Decision-Prozess (vgl. Abschnitt II-3) gilt als ein Prozess der Informationssuche und -verarbeitung, in dessen Verlauf Konsumenten dazu motiviert sind, Unsicherheiten bzgl. der Vor- bzw. Nachteile von Innovationen zu reduzieren.352 Insbesondere in der hier relevanten Persuasion-Phase ist das wahrgenommene Risiko besonders ausgeprägt.353 Daher wird das Konstrukt als wichtige Determinante im weiteren Verlauf dieser Untersuchung berücksichtigt. • Des Weiteren deutet die in der Risikotheorie thematisierte Toleranzschwelle darauf hin, dass möglichweise kein linearer Effekt bzgl. des wahrgenommenen Risikos zu erwarten ist. Erst bei Überschreitung einer individuellen Toleranzschwelle ist das wahrgenommene Risiko von Relevanz.
348 349 350 351 352 353
98
Vgl. Sauer (2003), S. 64. Vgl. Katz (1983), S. 79f.; Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 399. Vgl. Immes (1993), S. 75f. Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 400. Vgl. Rogers (2003), S. 14. Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 251.
2.4
Zusammenfassung und Diskussion des Erkenntnisbeitrags der theoretisch-konzeptionellen Bezugspunkte
Auf Basis der Erkenntnisse aus der Opponent-Prozess-Theorie und dem Kano-Modell der Kundenzufriedenheit konnte ein Drei-Faktoren-Modell der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene entwickelt werden. Theoretisch wurden dabei drei verschiedene Faktoren bzw. Typen von Determinanten identifiziert. Resistenzinhibitoren führen bestenfalls zu einer Vermeidung von Resistenz gegenüber einer Innovation auf Einstellungsebene und orientieren sich hinsichtlich ihrer Konzeptualisierung und mathematischen Funktion an den Basisfaktoren des Kano-Modells. Hybridfaktoren haben wie die Kano‘schen Leistungsfaktoren einen linearen Funktionsverlauf und resultieren abhängig von der Wahrnehmung in Resistenz bzw. Akzeptanz. Akzeptanzpromotoren weisen in Anlehnung an die Begeisterungsfaktoren des Kano-Modells nur einen Einfluss auf die Akzeptanz auf. Wie aus dem Literaturreview aus Abschnitt III-2 hervorgeht, werden zur Erklärung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene insbesondere Determinanten, die den bereits dargestellten zentralen Kategorien relativer Vorteil, Kompatibilität und Komplexität (vgl. Abschnitt IV2.2) zuordenbar sind sowie das wahrgenommene Risiko herangezogen. In vorliegender Arbeit wird die Kategorie relativer Vorteil über die jeweiligen Nutzen (z.B. Convenience, Spaß), die durch eine Innovation potenziell gestiftet werden, abgebildet.354 Die für jede Innovation relevanten Nutzenarten wurden im Vorfeld der Hauptuntersuchung mittels Tiefeninterviews identifiziert. Grundsätzlich ist dabei von einem positiven Einfluss auf die Akzeptanz bzw. einem negativen Einfluss auf die Resistenz auszugehen.355 Wie aus der Opponent-Prozess-Theorie hervorgeht, ist darüber hinaus zu erwarten, dass es je nach Innovation zu einer unterschiedlichen Zuordnung der jeweiligen Nutzen zu den drei identifizierten Kategorien (Resistenzinhibitor, Hybridfaktor, Akzeptanzpromoter) kommt (vgl. Abschnitt IV-2.1). So wird sich beispielsweise ein vom Konsument erwarteter Basisnutzen nicht positiv auf die Einstellung (Ak-
354 355
Vgl. hierzu z.B. Davis (1989); Bauer et al. (2006). Vgl. Abschnitt III-2.
99
zeptanz) auswirken, sondern lediglich eine negative Einstellung (Resistenz) gegenüber der Innovation verhindern.356 Die Kategorie Kompatibilität wird innerhalb der Arbeit durch Integration der von den Konsumenten wahrgenommenen Inkompatibilität zwischen ihren Werte und Normen und einer Innovation berücksichtigt. In zahlreichen Studien wird diese als eine bedeutende Determinante der Resistenz angesehen.357 Zur Erklärung der Wirkung lässt sich die Theorie der kognitiven Dissonanz heranziehen.358 Der Theorie zufolge hat ein Individuum zwei Alternativen, den dissonanten Zustand bei einer Abweichung der Innovation von dessen bisheriger Überzeugung aufzulösen: (1) Widerstand gegen die Innovation oder (2) Änderung seiner Überzeugung und damit Akzeptanz der Innovation.359 Nimmt ein Individuum eine Abweichung zwischen den eigenen Werten bzw. Normen und einer Innovation wahr, resultiert daraus ein Spannungsverhältnis (Dissonanz), welches zu einer Anpassung der schwächeren Kognition (hier: Einstellung gegenüber der Innovation) an die stärkere Kognition (hier: eigene Werte und Normen) führt. Die Einstellung gegenüber der Innovation wird sich daher in diesem Fall in Richtung der eigenen Werte und Normen anpassen und es resultiert Resistenz. Demnach ist zu erwarten, dass die wahrgenommene Inkompatibilität bzgl. der Werte und Normen eine Determinante vom Typ Resistenzinhibitor darstellt und bei Erfüllung (d.h. Kompatibilität) lediglich zur Vermeidung von Resistenz führt.360 Als weiterer zentraler Bestimmungsfaktor, welcher in früheren Studien sowohl zur Erklärung der Akzeptanz als auch der Resistenz herangezogen wurde, wird das jeweils mit einer Innovation wahrgenommene Risiko in vorliegender Arbeit berücksichtigt. Die Modellierung des Einflusses dieser Determinante auf die Resistenz bzw. Akzeptanz erfolgte in den bisherigen Untersuchungen ausschließlich linear. So resultiert hohes wahrgenommenes Risiko in Resistenz und niedriges Risiko in Akzeptanz. Es muss jedoch angezweifelt werden, ob es beim Konsumenten tatsächlich zu einer positiven Einstellung gegenüber einer Innovation (Akzeptanz) kommt, nur weil eine Innovation nicht risikobe356 357 358 359 360
Vgl. Harms (2002), S. 119; Harms (2003), S. 259. Vgl. z.B. Ram (1987); Ram (1989). Vgl. hierzu auch Abschnitt V-2.3. Vgl. Ram (1987); Ram (1989). Alternativ könnte die wahrgenommene Inkompatibilität bzgl. der Werte und Normen auch als psychologisches Risiko (Teilrisiko) innerhalb der Theorie des wahrgenommenen Risikos interpretiert werden (vgl. Abschnitt IV-2.3).
100
haftet ist. Des Weiteren deutet die in der Risikotheorie thematisierte Toleranzschwelle darauf hin, dass kein linearer Effekt bzgl. des wahrgenommenen Risikos zu erwarten ist. Erst bei Überschreitung einer individuellen Toleranzschwelle ist das wahrgenommene Risiko überhaupt von Relevanz für Konsumenten. Aus diesen Gründen ist es plausibel, dass ein niedriges wahrgenommenes Risiko lediglich zur Vermeidung einer negativen Einstellung führt. Das wahrgenommene Risiko wäre demnach eine Determinante vom Typ Resistenzinhibitor. Zur Vorauswahl der relevanten Teilrisiken je untersuchter Innovation dienen neben der Literaturanalyse wiederum Interviews mit Konsumenten. Die Kategorie Komplexität361 wird wegen ihrer Überschneidung mit dem wahrgenommen Risiko hier als ein wahrgenommenes Teilrisiko (Wahrgenommenes RisikoBedienung) verstanden. Zusätzlich wird die Status-Quo-Zufriedenheit als potenzielle Determinante der Resistenz bzw. Akzeptanz auf Einstellungsebene aufgrund bisheriger Forschungsergebnisse berücksichtigt. So stellt beispielsweise für Ellen, Bearden und Sharma die Zufriedenheit mit dem Status Quo eine Determinante der Resistenz gegen Innovationen dar.362 Bauer, Falk und Kunzmann gehen von einem negativen Einfluss auf die Akzeptanz von Innovationen aus.363 Die Entscheidung für eine Innovation bedeutet in vielen Fällen, die Entscheidung gegen die Beibehaltung der bisherigen Alternative (Status Quo). Die gängige Literatur zeigt, dass Konsumenten überproportional häufig den Status Quo vorziehen.364 Dies wird im Allgemeinen als Status Quo Bias bezeichnet und wurde erstmals von Samuelson und Zeckhauser experimentell untersucht.365 Zur Erklärung dieses irrationalen Verhaltens können alternative Ansätze herangezogen werden. Der Status Quo Bias kann zunächst mit dem Endowment-Effekt erklärt werden.366 Hierbei wird der wahrgenommene Wert eines Objektes vom Besitzstatus determiniert. Ist ein Individuum im Besitz eines Objektes, fällt die Bewertung höher aus, als es objektiv wert ist.367 Dies bedeutet im vorliegenden Un361
362 363 364 365 366 367
“[…] degree to which an innovation is perceived as relatively difficult to understand and to use.” Rogers (2003), S. 257ff. Vgl. Ellen/Bearden/Sharma (1991), S. 297. Vgl. Bauer/Falk/Kunzmann (2005), S. 32. Vgl. Burmeister/Schade (2005), S. 14. Vgl. Samuelson/Zeckhauser (1988), S. 7ff.; Burmeister/Schade (2005), S. 15. Vgl. Thaler (1980), S. 39ff.; Burmeister/Schade (2005), S. 15. Vgl. Kahnemann/Knetsch/Thaler (1990), S. 1325.
101
tersuchungskontext, dass Individuen die bisherige Alternative, trotz deren objektiv geringerer Wertigkeit, der Innovation vorziehen könnten. Eine zusätzliche Erklärungsalternative liefert die Prospect Theory. Die Theorie fokussiert Entscheidungssituationen und besagt, dass Individuen in einer solchen Situation einen Verlust betragsmäßig höher bewerten als einen gleich hohen Gewinn.368 Dies wird in der Literatur als Verlustaversion (Loss Aversion) bezeichnet. Folglich könnte der wahrgenommene Verlust eines Individuums durch Aufgabe des Status Quo höher ausfallen als ein potenzieller Nutzengewinn durch eine Innovation. Aus der Wertfunktion der Prospect Theory kann darüber hinaus abgeleitet werden, dass die Höhe des wahrgenommenen Verlusts überproportional im Vergleich zum wahrgenommenen Gewinn steigt. Deshalb sind asymmetrische Effekte durch den Status Quo Bias zu erwarten. Dieser Bias wird in vorliegender Untersuchung über die Status-QuoZufriedenheit operationalisiert.369 Es ist also anzunehmen, dass der negative Einfluss auf die Einstellung (Resistenz bzw. Akzeptanz auf Einstellungsebene) bei hoher Zufriedenheit eine höhere Stärke aufweist als bei niedriger StatusQuo-Zufriedenheit. Zur Gewährleistung der externen Validität wird das entwickelte Drei-FaktorenModell der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen im Anschluss anhand drei verschiedener Innovationen („biometrische EC-Karte“; „Multimedia Plattform“; „Nanomilch“)370 getestet. Zunächst werden jedoch im folgenden Abschnitt die Grundlagen der multiplen Regressionsanalyse mit DummyVariablen vorgestellt, da diese als geeignete Methode zur Analyse auf asymmetrische Effekte in der Literatur vorgeschlagen wird.
368 369 370
Vgl. Kahneman/Tversky (1979), S. 263ff. Vgl. Bauer/Falk/Kunzmann (2005); Falk/Schepers/Hammerschmidt/Bauer (2007). Vgl. Abschnitt III-5.2
102
3
Empirische Untersuchung
3.1
Grundlagen zur multiplen Regressionsanalyse mit Dummy-Variablen
Zur Analyse der potenziellen asymmetrischen Effekte bei der Entstehung der Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf der Einstellungsebene wird die multiple Regressionsanalyse herangezogen. Mittels dieses Verfahrens der Dependenzanalyse kann der Einfluss mehrerer unabhängiger Variablen auf eine abhängige Variable analysiert werden. Hierfür wird ein linearer Zusammenhang zwischen j unabhängigen Variablen xj und der abhängigen Variable y unterstellt. Sämtliche Variablen müssen metrisches Skalenniveau aufweisen. Die zugrunde liegende Regressionsgleichung lautet: y = a + b1 • x1 + b2 • x2 + … + bj • xj + e. 371
(IV-1)
Hierbei wird die Regressionskonstante mit a bezeichnet. Die Regressionskoeffizienten bj geben die Effektstärken zwischen den unabhängigen Variablen xj und der abhängige Variable y an. Der Fehlerterm e bildet die Bestimmungsgrößen der abhängigen Variable y ab, die durch das Modell nicht berücksichtigt werden.372 Ziel einer Parameterschätzung ist die Minimierung der Summe der quadrierten Abweichungen zwischen dem tatsächlichen Wert der abhängigen Variable y und dem zugehörigen vom Modell geschätzten Wert ǔ. Mittels dieser Schätzung kann bestimmt werden, wie stark die Regressoren die abhängige Variable determinieren. Um eine Vergleichbarkeit der Regressionskoeffizienten gewährleisten zu können, ist eine Standardisierung erforderlich. Diese werden dann als standardisierte Beta-Koeffizienten ȕj bezeichnet. Zur Gütebeurteilung der Regressionsfunktion kommen in der vorliegenden Untersuchung das korrigierte Bestimmtheitsmaß (r2), der F-Test und der t-Test zum Einsatz.373 Das einfache Bestimmtheitsmaß r2 zeigt den Anteil der erklärten Streuung an der Gesamtstreuung. Anhand dieser normierten Größe kann man feststellen, wie gut die Regressionsfunktion an das empirische Datenmaterial angepasst ist. r2 hat einen Wertebereich von Null bis Eins, wobei r2 umso größer ist, je besser die erklärte Streuung ist. Allerdings wird das Maß von der Anzahl der 371 372 373
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 380. Hair et al. (2006), S. 169ff. Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 63.
103
unabhängigen Variablen positiv beeinflusst und berücksichtigt somit nicht einen potenziell verfälschenden Einfluss irrelevanter Regressoren. Das korrigierte r2 beachtet diesen Sachverhalt. Die Korrektur ist umso größer, je höher die Anzahl der Regressoren und je niedriger die Anzahl der Freiheitsgrade ist. In vorliegender Untersuchung findet deshalb das korrigierte r2 bei Prüfung der Modellgüte Anwendung. Der F-Test prüft, ob überhaupt ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Gesamtheit der Regressoren und dem Regressand besteht.374 Die zugrunde liegende Nullhypothese wird hierbei mittels einer Testgröße beurteilt, die bei Zutreffen der Nullhypothese einer F-Verteilung folgt.375 Bei Ablehnung der Nullhypothese wird davon ausgegangen, dass die Regressionsgleichung einen gewissen Erklärungsgehalt bezüglich der abhängigen Variable aufweist. Zur Prüfung der Signifikanz der Regressionskoeffizienten bj wird der t-Test herangezogen. Die Nullhypothese lautet, dass der Regressionsparameter bj in der Grundgesamtheit Null ist. Der t-Wert folgt bei Richtigkeit der Nullhypothese einer t-Verteilung. Eine multiple Regressionsanalyse erfolgt üblicherweise unter den Prämissen: (1) Unabhängigkeit, Homoskedastizität sowie Normalverteilung der Störgrößen, (2) Vollständigkeit des Modells, (3) Linearität in den Parametern sowie (4) keine Multikollinearität bei den unabhängigen Variablen.376 Diese Annahmen müssen jedoch nicht immer zwangsläufig erfüllt sein.377 Von großer Bedeutung ist allerdings das Multikollinearitätsproblem, welches im Extremfall die Ergebnisse der Regression unbrauchbar machen kann.378 Daher kommt zur Prüfung auf Multikollinearität der so genannte Variance Inflation Factor (VIF) zum Einsatz.379 Dieser steigt bei zunehmender multipler Korrelation eines Regressors mit den restlichen Regressoren. Der Grenzwert für den VIF liegt im Allgemeinen im Bereich von fünf bis zehn.380 Darüber hinaus werden durch umfangreiche Pretests und einer gezielten Stichprobenauswahl die Mess- und Auswahl-
374 375 376 377 378 379 380
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 381. Vgl. Brosius (2002), S. 481. Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 77ff. Vgl. Skiera/Albers (2000); Homburg/Krohmer (2006), S. 383. Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 384. Vgl. Reinartz/Krafft/Hoyer (2004), S. 303. Vgl. Craney/Surles (2002), S. 393.
104
fehler minimiert, um die Erfüllung der Prämissen bzgl. der Störgrößen zu garantieren.381 Wie aus der bisherigen Diskussion hervorgeht, ist die grundsätzliche Annahme der Linearität bei der Entstehung der Resistenz (bzw. Akzeptanz) auf der Einstellungsebene fragwürdig.382 Potenzielle nicht-lineare Zusammenhänge können sich hierbei durch positive bzw. negative asymmetrische Effekte zeigen.383 Zur Identifikation solcher Effekte eignet sich die von Brandt (1987, 1988) entwickelte und auf den Forschungsarbeiten von Herzberg, Mausner und Snyderman (1959), Czepiel, Rosenberg und Akerele (1974) sowie Maddox (1981) basierende Penalty-Reward-Contrast-Analyse (PRCA).384 Die PRCA ist eine spezielle Variante der multiplen Regressionsanalyse, bei der DummyVariablen (0/1-Variablen)385 als unabhängige Größen genutzt werden. Diese Dummy-Variablen finden Anwendung, um potenzielle negative (PenaltyFaktoren) bzw. positive (Reward-Faktoren) asymmetrische Effekte der unabhängigen Variablen (hier: z.B. die Höhe des wahrgenommenen Risikos) auf die abhängige Variable (Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene) aufdecken zu können. Die Basis hierfür bildet die Bewertung der jeweiligen unabhängigen Variablen. Hieraus erhält man ein Dummy-Paar pro Faktor. Mit sämtlichen Dummy-Paaren als Regressoren und der Einstellungsresistenz/ -akzeptanz als Regressand erfolgt dann die multiple Regression.386 Als Ergebnis erhält man somit für jede Determinante zwei Regressionskoeffizienten. Der Reward-Dummy Koeffizient zeigt den Einfluss auf die Resistenz bzw. Akzeptanz gegenüber Innovationen auf Einstellungsebene bei hoher Ausprägung der Determinante; der Penalty-Dummy Koeffizient bei niedriger Ausprägung der Determinante. Sind die beiden Regressionskoeffizienten unterschiedlich, liegen asymmetrische Effekte vor.387
381 382 383 384
385 386 387
Vgl. Falk (2007), S. 131f. Vgl. Abschnitt IV-2. Vgl. Falk (2007), S. 132. Vgl. Herzberg/Mausner/Snyderman (1959); Czepiel/Rosenberg/Akerele (1974); Maddox (1981); Brandt (1987; 1988). Vgl. Hair et al. (2006), S. 171. Vgl. Brandt (1987), S. 62. Vgl. Matzler et al. (2004), S. 274.
105
Allerdings geben die meisten Autoren keine Hinweise, ab wann diese beiden Regressionskoeffizienten tatsächlich als signifikant unterschiedlich interpretiert werden können.388 So wird beispielsweise gefordert, dass bei negativer Asymmetrie der Penalty-Regressionskoeffizient den Reward-Regressionskoeffizienten überwiegen soll und bei positiver Asymmetrie der RewardRegressionskoeffizient den Penalty-Regressionskoeffizienten stark übersteigen soll.389 Dadurch ergibt sich ein aus Forschungsperspektive nicht wünschenswerter Interpretationsspielraum. Um diesen zu minimieren und somit stichhaltige Aussagen über das Vorliegen von Asymmetrie treffen zu können, schlägt Falk (2007) die Durchführung eines t-Tests vor.390 Dadurch sind die jeweiligen Penalty-Regressionskoeffizienten mit den zugehörigen RewardRegressionskoeffizienten auf einen signifikanten Unterschied hin überprüfbar.391 Der t-Test folgt einer t-Verteilung und prüft die Nullhypothese, dass die Mittelwerte zweier Variablen in der Grundgesamtheit identisch sind. Bei t>1,645 (5%-Niveau) wird diese abgelehnt. Im vorliegenden Fall berechnet sich der tWert wie folgt:
ݐൌ
భ ିమ మ
(IV-2)
మ
ೄ ೄ ඨ భା మ
ಿభ ಿమ
ܺଵ und ܺଶ stellen dabei die Mittelwerte der beiden Stichproben ܰଵ und ܰଶ dar. Im vorliegenden Fall können die Regressionskoeffizienten als Mittelwerte angesehen werden.392 ܰଵ und ܰଶ ergibt sich aus der Anzahl der Penalty- bzw. Reward-Dummy-Variablen mit dem Wert Eins.393 ܵଵଶ und ܵଶଶ sind die empirischen Varianzen und lassen sich durch Quadrieren des Standardfehlers des jeweiligen Regressionskoeffizienten berechnen.394
388 389 390 391 392 393 394
Vgl. Brandt (1987; 1988); Matzler et al. (2004); Matzler et al. (2005). Vgl. Brandt (1987), S. 62. Vgl. Falk (2007), S. 161f. Vgl. Brosius (2002), S. 459ff. Vgl. Hair et al. (1998), S. 146f. Vgl. Falk (2007), S. 162. Vgl. Brosius (2002), S. 345.
106
3.2
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
3.2.1
Analyse auf asymmetrische Effekte am Beispiel der Innovation „biometrische EC-Karte“
Zur Analyse der asymmetrischen Effekte anhand der Innovation „biometrische EC-Karte“ konnte im Rahmen der zweiten Erhebungswelle eine Stichprobengröße von n=390 (Ƃ=176; ƃ=214; Ø-Alter=37,7 Jahre) gewonnen werden. Vor der Durchführung der eigentlichen Analyse ist jedoch eine Gütebeurteilung der zugrundeliegenden Konstruktmessungen notwendig. Die Beurteilung der Konstrukte erfolgt nach der in Abschnitt III-5.3 dargestellten Vorgehensweise. Resistenz bzw. Akzeptanz auf Einstellungsebene (ATTInno) Item Die biometrische EC-Karte finde FL FL ich… ITTC (EFA) (KFA) ATT3 wertlos ļ wertvoll ,810 ,798 0,872 ATT5 schlecht ļ gut ,855 ,849 0,934 ATT6
nutzlos ļ nützlich
ATT7
unwichtig ļ wichtig CFI SRMR RMSEA 1,00 0,003 0,000
NNFI 1,00
t-Wert (KFA) 42,62
IR 0,76
84,80
0,87
,853
,846
0,920
56,49
0,85
,809 ࣑ Ȁ df 0,013
,796 Alpha 0,927
0,874 EV 82,22%
37,41 FR 0,94
0,76 DEV 0,81
Tabelle IV-2: Güte des Messmodells ATTInno (biometrische EC-Karte, n=390) Das Messmodell ATTInno (vgl. Tabelle IV-2) wurde als semantisches Differential operationalisiert und stellt die abhängige Variable der PRCA dar. Die Verwendung des semantischen Differentials bietet sich an dieser Stelle an, da so eine exakte Differenzierung zwischen Resistenz und Akzeptanz möglich ist.395 Die Güte des Modells, welches in Teil III der Arbeit entwickelt wurde, kann hier erneut gezeigt werden. Sämtliche Determinanten der Resistenz bzw. Akzeptanz auf Einstellungsebene (ATTInno) sind mittels Likert-Skalen operationalisiert. Die folgenden Tabellen IV-3 bis IV-9 geben einen Überblick über die gewählte Itemformulierung sowie die Gütebeurteilung der Messung. Das Konstrukt „Inkompatibilität Werte & Normen“ ist definiert als die von Konsumenten wahrgenommene Inkompatibilität ihrer Werte und Normen mit einer Innovation und wird über drei selbsterstellte reflektive Indikatoren abgebildet. Sämtliche geforderten Gütekriterien weisen hervorragende Werte auf. 395
Vgl. Abschnitt III-4.
107
Inkompatibilität Werte & Normen (INK) Item INK2 INK3
INK4 NNFI ---1 1
Meine persönlichen Werte und Normen sind zur biometrischen EC-Karte nicht kompatibel. Die biometrische EC-Karte entspricht nicht meinen Normen und meiner Wertevorstellung. Meine persönliche Wertevorstellung und meine Normen sind mit der biometrischen EC-Karte nicht vereinbar.
CFI ---1
SRMR ---1
RMSEA ---1
ITTC
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,970
0,987
0,989
240,05
0,98
0,968
0,986
0,994
267,38
0,99
0,963
0,984
0,984
176,53
0,97
࣑ Ȁ df ---1
Alpha 0,985
EV 97,10%
FR 0,99
DEV 0,98
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle IV-3: Güte des Messmodells INK (biometrische EC-Karte, n=390) Das erste Teilrisiko, welches durch die Literaturanalyse und Interviews hinsichtlich eines potenziellen Einflusses auf ATTInno identifiziert wurde, ist das wahrgenommene Datenschutzrisiko. Zur Orientierung für die Itemformulierung wurde auf die Arbeiten von Harms sowie Lin, Sher und Shih zurückgegriffen.396 Wie aus Tabelle IV-4 zu entnehmen, weisen die Gütekriterien ausgesprochen gute Werte aus. Wahrgenommenes RisikoDatenschutz (WRDA) Item
ITTC
Bei der Nutzung der biometrischen EC-Karte befürchte WRDA1 ich, dass meine persönlichen Da- 0,878 ten (z.B. Kontonummer, Adresse, Fingerabdruck) in die Hände unbefugter Dritter gelangen könnten. Ich finde die Speicherung biometWRDA2 rischer Daten auf einer EC-Karte 0,889 riskant. Ich denke, dass die Speicherung biometrischer Daten auf einer ECWRDA3 Karte früher oder später zum 0,861 Missbrauch meiner Daten führen wird.
NNFI ---1 1
CFI ---1
SRMR ---1
RMSEA ---1
࣑ Ȁ df ---1
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,946
0,942
68,95
0,89
0,952
0,955
70,88
0,91
0,938
0,922
56,10
0,85
Alpha 0,940
EV 89,36%
FR 0,96
DEV 0,88
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle IV-4: Güte des Messmodells WRDA (biometrische EC-Karte, n=390) Als weitere relevante Teilrisikoart konnte das wahrgenommene Risiko hinsichtlich der Bedienung bzw. Benutzung der biometrischen EC-Karte ausgemacht 396
Vgl. Harms (2002); Lin/Sher/Shih (2005).
108
werden. Zur Messung wurden vier Indikatoren in Anlehnung an Harms formuliert,397 wobei aufgrund der Messgüte nur drei Items zur finalen Messung berücksichtigt wurden (vgl. Tabelle IV-5). Wahrgenommenes RisikoBedienung (WRBED) Item Ich habe Angst, dass ich die BeWRBED2 nutzung der biometrischen ECKarte nicht verstehe. Die Benutzung der biometrischen WRBED3 EC-Karte stelle ich mir kompliziert vor. Ich habe Bedenken, dass ich mit WRBED4 der biometrischen EC-Karte nicht klar komme.
NNFI ---1 1
CFI ---1
SRMR ---1
RMSEA ---1
ITTC
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,801
0,921
0,941
31,46
0,89
0,713
0,864
0,849
27,83
0,72
0,843
0,938
0,969
43,39
0,94
࣑ Ȁ df ---1
Alpha 0,886
EV 82,47%
FR 0,94
DEV 0,85
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle IV-5: Güte des Messmodells WRBED (biometrische EC-Karte, n=390) Das Konstrukt „Status-Quo-Zufriedenheit“ misst die Zufriedenheit mit der bisher zur Verfügung stehenden Alternative zur Problemlösung. Die Items398 wurden aus dem Englischen übersetzt und inhaltlich angepasst. Auch hier kann eine sehr gute Konstruktmessung konstatiert werden (vgl. Tabelle IV-6). Status-Quo-Zufriedenheit (SQZ) Item SQZ1
SQZ2
SQZ3 NNFI ---1 1
ITTC
Ich bin mit der Situation zufrieden, wie ich zurzeit Geld am Auto0,884 maten abheben und mit der EC Karte bezahlen kann. So wie man momentan Geld am Automaten abheben und im Geschäft mit der EC-Karte bezahlen 0,891 kann, erfüllt dies meine Erwartungen. Ich bin mit der momentanen Art und Weise, wie man am Automa0,934 ten Geld abheben und mit der EC Karte bezahlen kann, zufrieden.
CFI ---1
SRMR ---1
RMSEA ---1
࣑ Ȁ df ---1
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,899
0,937
45,89
0,88
0,905
0,936
36,89
0,88
0,944
0,984
93,07
0,97
Alpha 0,954
EV 91,62%
FR 0,97
DEV 0,91
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle IV-6: Güte des Messmodells SQZ (biometrische EC-Karte, n=390)
397 398
Vgl. Harms (2002). Vgl. Elliott/Speck (2005); Wixom/Todd (2005).
109
Als eine potenziell nutzenstiftende Eigenschaft der biometrischen EC-Karte wurde in Expertengesprächen die erhöhte Sicherheit des Kontos durch die biometrische Identifikation genannt. Die Operationalisierung des Konstrukts NutzenKontosicherheit bildet dies über drei selbsterstellte reflektive Indikatoren ab. Die Messgüte kann als hervorragend angesehen werden (vgl. Tabelle IV-7). NutzenKontosicherheit (NUS) Item NUS1 NUS2 NUS3 NNFI ---1 1
Mein Konto ist durch die Verwendung biometrischer Daten zur Identifikation gut geschützt. Die Sicherheit meines Kontos ist durch die biometrische EC-Karte gut gewährleistet. Die biometrische EC-Karte bietet einen klaren Sicherheitsvorteil für mein Konto.
CFI ---1
SRMR ---1
RMSEA ---1
ITTC
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,949
0,978
0,981
120,96
0,96
0,965
0,985
0,998
225,00
0,99
0,912
0,960
0,941
72,93
0,89
Alpha 0,973
EV 94,98%
FR 0,98
DEV 0,94
࣑ Ȁ df ---1
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle IV-7: Güte des Messmodells NUS (biometrische EC-Karte, n=390) Die gewählte Itemformulierung zur Messung des Conveniencenutzens orientiert sich an Harms.399 Wie aus Tabelle IV-8 hervorgeht, weist das Messmodell ebenfalls eine hohe Messgüte auf. NutzenConvenience (NUCON) Items Dass ich mir keine PIN Nummer NUCON1 mehr merken muss, ist ein klarer Vorteil der biometrischen ECKarte. Das Geld abheben und bezahlen NUCON2 mit der biometrischen EC-Karte finde ich bequem. Das Geld abheben und bezahlen NUCON3 mit der biometrischen EC-Karte finde ich angenehm.
NNFI ---1 1
CFI ---1
SRMR ---1
RMSEA ---1
ITTC
FL (EFA)
FL (KFA)
t-Wert (KFA)
IR
0,738
0,876
0,817
32,66
0,67
0,868
0,948
0,979
49,70
0,96
0,811
0,922
0,904
42,52
0,82
Alpha 0,899
EV 83,87%
FR 0,90
DEV 0,76
࣑ Ȁ df ---1
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle IV-8: Güte des Messmodells NUCON (biometrische EC-Karte, n=390) Die Operationalisierung des Konstrukts NutzenSpaß ist an Bruner und Kumar angelehnt und misst den vom Konsumenten antizipierten Spaß bzgl. einer In-
399
Vgl. Harms (2002).
110
novation.400 Die Güte der Messung über drei Indikatoren kann als sehr gut bezeichnet werden (vgl. Tabelle IV-9). NutzenSpaß (NUFUN) Item Die biometrische EC-Karte… NUFUN1 …würde mir Freude bereiten. NUFUN2 …würde mir Spaß machen. NUFUN3 …würde mich begeistern.
NNFI ---1 1
CFI ---1
SRMR ---1
RMSEA ---1
ITTC 0,961 0,943 0,926 ࣑ Ȁ df ---1
FL (EFA) 0,983 0,975 0,967 Alpha 0,974
FL (KFA) 0,976 0,956 0,971 EV 95,03%
t-Wert (KFA) 50,65 30,31 41,36 FR 0,98
IR 0,95 0,91 0,94 DEV 0,94
Bei drei Indikatoren ist ein Modell saturiert. Eine Berechnung ist aus diesem Grund nicht möglich.
Tabelle IV-9: Güte des Messmodells NUFUN (biometrische EC-Karte, n=390) Wie aus den obigen Tabellen IV-2 bis IV-9 hervorgeht, liegen sämtliche Gütekriterien im Annahmebereich. Zum Abschluss der Gütebeurteilung der Konstrukte ist eine Überprüfung der Diskriminanzvalidität erforderlich. Nachfolgende Tabelle IV-10 zeigt, dass diese für alle Konstrukte gegeben ist. Die Qualität der Konstruktmessungen ist somit sichergestellt und die PRCA kann auf Grundlage valider Messergebnisse durchgeführt werden. Konstrukt DEV ATTInno 0,81 INK 0,98 WRDA 0,88 WRBED 0,85 SQZ 0,91 NUS 0,94 NUCON 0,76 NUFUN 0,94
ATTInno
INK
WRDA
WRBED
SQZ
NUS
NUCON
NUFUN
0,81
0,98
0,88
0,85
0,91
0,94
0,76
0,94
0,49 0,41 0,02 0,21 0,37 0,46 0,66
0,46 0,03 0,12 0,22 0,33 0,53
0,01 0,12 0,35 0,26 0,41
0,00 0,03 0,01 0,00
0,07 0,12 0,16
0,35 0,38
0,54
Tabelle IV-10: Diskriminanzvalidität der Konstrukte (biometrische EC-Karte) Zur Realisierung der Analyse auf asymmetrische Effekte mittels der PRCA wurde auf Basis der Antworten jedes Probanden ein Summenwert (summed scores) aus den einzelnen Items des jeweiligen Konstrukts gebildet (itemparcelling).401 Wie bereits in Abschnitt IV-3.1 ausgeführt, muss zunächst mittels eines F-Tests die Nullhypothese geprüft werden, ob alle Regressionskoeffizienten in der Grundgesamtheit den Wert Null annehmen. 400 401
Vgl. Bruner/Kumar (2005). Vgl. Hu/Bentler (1999); Hair et al. (2006), S. 826.
111
Der hoch signifikante F-Wert führt im vorliegenden Fall zur Ablehnung der Nullhypothese. Daher kann auf einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Gesamtheit der unabhängigen Variablen (d.h. der Determinanten der Resistenz bzw. Akzeptanz auf Einstellungsebene) und der abhängigen Variable (d.h. der Resistenz bzw. Akzeptanz auf Einstellungsebene) geschlossen werden. Anschließend wurde geprüft, ob ein Multikollinearitätsproblem hinsichtlich der unabhängigen Variablen vorliegt. Der VIF-Wert liegt mit einem Maximalwert von 2,02 deutlich unter dem in der gängigen Literatur empfohlenen Grenzwert von 5. Somit liegt kein Multikollinearitätsproblem vor und die Ergebnisse sind interpretierbar.402 Standardisierte Regressionskoeffizienten bei… … niedriger Ausprägung des Konstrukts
… hoher Ausprägung des Konstrukts
t-Wert des Parametervergleichs
Inkompatibilität Werte & Normen
0,072*
-0,163***
4,460***
Wahrgenommenes RisikoDatenschutz
ns
-0,083**
---
Wahrgenommenes RisikoBedienung
ns
ns
---
Status-QuoZufriedenheit
0,071**
-0,073**
0,023ns
NutzenKontosicherheit
-0,131***
ns
---
NutzenConvenience
-0,125***
0,114***
0,444ns
NutzenSpaß
-0,185***
0,191***
0,190ns
Konstrukt
2
r (ATTInno) =0,58; F-Wert ( 2,71) =39,20 (p