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German Pages 245 Year 2008
Ulf Neuhaus Reaktive Planung in der chemischen Industrie
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Produktion und Logistik Herausgegeben von Professor Dr. Wolfgang Domschke, Technische Universität Darmstadt, Professor Dr. Andreas Drexl, Universität Kiel, Professor Dr. Bernhard Fleischmann, Universität Augsburg, Professor Dr. Hans-Otto Günther, Technische Universität Berlin, Professor Dr. Christoph Haehling von Lanzenauer, Freie Universität Berlin, Professor Dr. Karl Inderfurth, Universität Magdeburg, Professor Dr. Klaus Neumann, Universität Karlsruhe, Professor Dr. Christoph Schneeweiß, Universität Mannheim (em.), Professor Dr. Hartmut Stadtler, Technische Universität Darmstadt, Professor Dr. Horst Tempelmeier, Universität zu Köln, Professor Dr. Gerhard Wäscher, Universität Magdeburg
Kontakt: Professor Dr. Hans-Otto Günther, Technische Universität Berlin, FG BWL – Produktionsmanagement, Wilmersdorfer Str. 148, 10585 Berlin
Diese Reihe dient der Veröffentlichung neuer Forschungsergebnisse auf den Gebieten der Produktion und Logistik. Aufgenommen werden vor allem herausragende quantitativ orientierte Dissertationen und Habilitationsschriften. Die Publikationen vermitteln innovative Beiträge zur Lösung praktischer Anwendungsprobleme der Produktion und Logistik unter Einsatz quantitativer Methoden und moderner Informationstechnologie.
Ulf Neuhaus
Reaktive Planung in der chemischen Industrie Verfahren zur operativen Plananpassung für Mehrzweckanlagen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hans-Otto Günther
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Berlin, 2007 D 83
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Nicole Schweitzer Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1068-4
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Geleitwort Insbesondere in der chemischen Industrie, die sich durch wesentlich komplexere Verfahrensbe-dingungen als die Fertigungsindustrie auszeichnet, ist eine systematische Ablaufplanung für die einzelnen Produktionsschritte unverzichtbar. In der wissenschaftlichen Literatur wurden bisher überwiegend sogenannte prädiktive Planungsverfahren entwickelt, die von einer gegebenen Datenbasis ausgehen und Abweichungen des tatsächlichen von dem geplanten Produktionsablauf ignorieren. Eine Aktualisierung der Planung erfolgt dabei üblicherweise in periodischen Abständen für einen sich rollierend nach vorne verschiebenden Planungshorizont. Erfahrungsgemäß verhalten sich gerade chemische Produktionsprozesse nicht so, wie in der Planung angenommen. Nach traditionellem Planungsverständnis erfolgt bei signifikanten Abweichungen, die beispielsweise durch Anlagenausfälle, Terminabweichungen oder Auftragsänderungen verursacht sind, aber auch durch prozessbedingte Abweichungen von den chemischen Spezifikationen der Output-Produkte ausgelöst werden können, entweder eine vollständige Neuplanung aufgrund der geänderten Ausgangsbedingungen, oder die verantwortlichen Planer reagieren durch improvisierte ad-hocMaßnahmen. Ein reaktives Planungssystem hingegen, wie es Herr Dr. Ulf Neuhaus in seiner Untersuchung entwickelt, „repariert“ den bestehenden Ablaufplan, indem gezielte Anpassungen an die sich ändernden Ausgangsbedingungen vorgenommen werden. Die Überwachung und dynamische Anpassung des Ablaufplans erfolgt in einem simulationsgestützten SchedulingSystem, das aus den Modulen „Scheduler“, „Analyzer“ und „Rescheduler“ besteht. Während der „Scheduler“ den prädiktiven Ausgangsplan erzeugt, werden signifikante Planabweichungen durch den „Analyzer“ festgestellt. Durch den „Rescheduler“ werden dann mit Hilfe spezifischer Optimierungsmodelle gezielte Plananpassungen vorgenommen. Für kleinere Probleminstanzen kann hierzu auf gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle zurückgegriffen werden. Um den Anforderungen geringer Rechenzeiten gerecht zu werden, entwickelt Herr Dr. Neuhaus ein heuristisches Verfahren, das auf einer Dekomposition des Gesamtproblems in mehrere Teilprobleme beruht. Wesentlicher Bestandteil des Verfahrens ist die Konstruktion von „Pegging“-Beziehungen, mit denen die Materialflüsse und Vorrangbeziehungen zwischen den einzelnen Prozessaufträgen abgebildet werden. Dieser Dekompositionsansatz erfordert nur geringe Rechenzeiten und ist daher auch für große Probleminstanzen geeignet. Umfangreiche numerische Experimente belegen die Güte und Praktikabilität der vorgestellten reaktiven Planungsansätze. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Herr Dr. Neuhaus in seiner Untersuchung ein wichtiges Thema behandelt, das bisher in der wissenschaftlichen Literatur zu Unrecht ver-
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Geleitwort
nachlässigt wurde. Reaktive Planungssysteme sind in beinahe allen Industriezweigen von großer Bedeutung. Die Auswirkungen von Umplanungen sind bei chemischer Batchproduktion auf Mehrzweckanlagen besonders gravierend. Die wissenschaftlichen Leistungen von Herrn Dr. Neuhaus bestehen nicht nur darin, dass er ein vollständiges Systems der reaktiven Anlagenbelegungsplanung entwickelt, sondern Unsicherheiten in Form von konkreten Störereignissen erfasst (z.B. Maschinenausfällen oder Spezifikationsabweichungen) und nicht, wie in traditionellen Planungsansätzen üblich, durch schwer zu bestimmende stochastische Verteilungen approximiert. Insofern eröffnet Herr Dr. Neuhaus das Blickfeld für diesen bisher vernachlässigten Untersuchungsgegenstand. Zunehmende Bedeutung gewinnen die Beiträge von Herrn Dr. Neuhaus vor dem Hintergrund der in der Praxis immer häufiger eingesetzten Advanced Planning Systeme mit ihren bisher noch rudimentär entwickelten Umplanungsmodulen („Capable to promise“). Gemessen am Stand der internationalen Forschung stellen die von Herrn Dr. Neuhaus erarbeiteten reaktiven Planungsansätze bemerkenswerte Forschungsbeiträge dar. Insofern ist die von Herrn Dr. Neuhaus vorgelegte Schrift für die industrielle Praxis gleichermaßen lesenswert wie für einschlägig orientierte Wissenschaftler. Ich wünsche daher der Arbeit eine weite Verbreitung und eine interessierte Leserschaft. Prof. Dr. H.O. Günther
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Vorwort Das Interesse zur Behandlung der Thematik der reaktiven Produktionsplanung ist unmittelbar aus einem Praxisprojekt in der chemischen Industrie entstanden. Da in diesem Produktionsumfeld ein hohes Maß an Dynamik und Unsicherheit vorherrscht, besteht hier ein besonders hoher Bedarf an planungsunterstützenden Methoden zur fortwährenden Anpassung des aktuellen Produktionsplans. Die Gelegenheit zur wissenschaftlichen Bearbeitung dieses Problemfeldes wurde mir durch Prof. Dr. Günther am Lehrstuhl für Produktionsmanagement der Technischen Universität Berlin geboten. Für seine wertvollen Anregungen und die jederzeit vorhandene fachliche Unterstützung möchte ich ihm meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Dabei habe ich, neben der Möglichkeit die erarbeiteten Erkenntnisse der nationalen und internationaln Forschungsgemeinschaft präsentieren zu können, ebenso die vielfältigen Lehrstuhlkontakte zur Praxis als besonders stimulierend empfunden. Darüber hinaus gilt mein Dank Prof. Dr. Mattfeld für seine bereitwillige Zusage meine Arbeit als Zweitgutachter zu betreuen, wie auch Prof. Dr. Trommsdorff für seine Arbeit als Vorsitzender des Promotionsausschusses. In ausgesprochen positiver Erinnerung werde ich den freundschaftlichen und hilfsbereiten Umgang aller Mitarbeiter des Lehrstuhls bewahren. Trotz der eigenen Arbeitsbelastung waren Martin Grunow, Matthias Lehmann, Onur Yilmaz, Gang Yang und Markus Meiler stets bereit zur fachlichen Diskussion und Hilfestellung. Wertvolle Unterstützung in der Anfangsphase dieses Projekts leistete Jenny Golz durch ihre Arbeit als Forschungstutorin. Für die angenehme Arbeitsathmospäre gilt mein Dank in besonderem Maße Hanni Just und allen übrigen Mitarbeitern des Lehrstuhls. Die Erstellung dieser Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne meine Eltern, deren Unterstützung und Rückhalt ich die dazu notwendige Ausbildung verdanke. Mein größter Dank gilt Maja, die mir jederzeit den notwendigen privaten Beistand leistete.
Ulf Neuhaus
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Inhaltsverzeichnis 1.
2.
Einleitung ............................................................................................................ 1 1.1
Motivation........................................................................................................................ 1
1.2
Untersuchungsgegenstand............................................................................................. 3
1.3
Vorgehen.......................................................................................................................... 4
Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie ................... 6 2.1
Branchencharakteristika der chemischen Industrie ................................................... 6
2.1.1
Abgrenzung zu anderen Industriezweigen ............................................................. 6
2.1.2
Strukturierung chemischer Produktionsprozesse .................................................. 9
2.2
Typologische Merkmale chemischer Produktionsanlagen...................................... 10
2.2.1
Diskontinuierlicher Betrieb............................................................................ 12
2.2.1.2
Kontinuierlicher Betrieb ................................................................................ 13
2.2.1.3
Halbkontinuierlicher Betrieb ......................................................................... 14
2.2.2
Anlagentypen ............................................................................................................ 14
2.2.2.1
Mehrproduktanlagen....................................................................................... 14
2.2.2.2
Mehrzweckanlagen.......................................................................................... 15
2.2.2.3
Einzweckanlagen............................................................................................. 15
2.2.3 2.3
Anlagenfahrweise ..................................................................................................... 16 Produktionsplanung in der chemischen Industrie ................................................... 16
2.3.1
Netzwerkdesign ........................................................................................................ 19
2.3.2
Absatzplanung und Verfügbarkeitsprüfung ......................................................... 20
2.3.3
Netzwerkplanung ..................................................................................................... 21
2.3.4
Anlagenbelegungsplanung ...................................................................................... 23
2.4 3.
Betriebsweisen von Reaktoren ............................................................................... 11
2.2.1.1
Zusammenfassung ........................................................................................................ 26
Reaktive Anlagenbelegungsplanung................................................................. 27 3.1
Abgrenzung von prädiktiver und reaktiver Planung ............................................... 28
X
Inhaltsverzeichnis 3.2
Ursprung und Wirkung von Störungen..................................................................... 29
3.2.1
3.2.1.1
Bedarfs- und produktbedingte Unsicherheiten........................................... 30
3.2.1.2
Anlagen- und prozessbedingte Unsicherheiten .......................................... 31
3.2.2
Kontext...................................................................................................................... 33
3.2.3
Wirkung ..................................................................................................................... 33
3.2.4
Reaktion..................................................................................................................... 34
3.3
Anforderungen an reaktive Planungsverfahren........................................................ 36
3.4
Systematisierung der Verfahren zur Berücksichtigung von Unsicherheit ............ 38
3.4.1
Robuste Planung ...................................................................................................... 39
3.4.2
Reaktive Planung ...................................................................................................... 41
3.4.2.1
Prädiktiv-Reaktive Planungsstrategie ........................................................... 41
3.4.2.2
Dynamische Planungsstrategie...................................................................... 46
3.5
Bewertungskriterien...................................................................................................... 47
3.5.1
Effektivität................................................................................................................. 48
3.5.2
Robustheit ................................................................................................................. 48
3.5.3
Flexibilität .................................................................................................................. 49
3.5.4
Stabilität ..................................................................................................................... 50
3.5.4.1
Lokale Stabilitätsmaße .................................................................................... 55
3.5.4.2
Globale Stabilitätsmaße.................................................................................. 58
3.6 4.
Ursachen.................................................................................................................... 30
Zusammenfassung ........................................................................................................ 60
Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik ......................... 62 4.1
Einsatzrahmen und grundlegende Annahmen ......................................................... 63
4.2
Architektur des reaktiven Schedulingsystems........................................................... 64
4.2.1
Planungslauf und rollierende Planung................................................................... 65
4.2.2
Planungsdatenbank .................................................................................................. 67
4.2.2.1
Prozessdaten .................................................................................................... 68
4.2.2.2
Planungs- und Bedarfsdaten.......................................................................... 70
4.2.2.3
Störungsdaten .................................................................................................. 70
4.2.2.4
Zustandsdaten.................................................................................................. 70
4.2.3
Scheduler ................................................................................................................... 71
Inhaltsverzeichnis 4.2.4
Simulationsumgebung ............................................................................................. 71
4.2.4.1
Darstellung des Produktionssystems............................................................ 74
4.2.4.2
Störungsgenerierung ....................................................................................... 75
4.2.4.3
Analyse und Visualisierung ............................................................................ 76
4.2.5
Analyser ..................................................................................................................... 78
4.2.5.1
Menge der aktiven Anlagenausfälle .............................................................. 82
4.2.5.2
Berechnung der aktuellen Lagerbestände und Nettobedarfe ................... 82
4.2.5.3
Notwendigkeit der Plananpassung ............................................................... 85
4.2.5.4
Bestimmung des Auftragsstatus.................................................................... 87
4.2.6 4.3 5.
XI
Rescheduler ............................................................................................................... 88 Zusammenfassung ........................................................................................................ 89
Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren......................................91 5.1
Modell mit diskreter Zeitführung............................................................................... 91
5.1.1
Datenaufbereitung.................................................................................................... 94
5.1.2
Modellformulierung ................................................................................................. 95
5.2
BPS-Dekomposition .................................................................................................. 100
5.2.1
Batching-Ebene ...................................................................................................... 104
5.2.2
Pegging-Ebene........................................................................................................ 106
5.2.2.1
Anschauungsbeispiel..................................................................................... 107
5.2.2.2
Ableitung der Zugangs- und Bedarfselemente ......................................... 109
5.2.2.3
Vorüberlegungen zur Kantengenerierung ................................................. 110
5.2.2.4
Modellierung der Kantengenerierung als Transportproblem ................. 112
5.2.2.5
Heuristik zur Kantengenerierung ............................................................... 115
5.2.3
5.2.3.1
Grundmodell.................................................................................................. 123
5.2.3.2
Auftragsfixierung für partielle Umplanungsmethodik............................. 129
5.2.3.3
Erfassung der Planstabilität ......................................................................... 130
5.2.3.4
Berücksichtigung von Auftragsprioritäten ................................................ 132
5.2.3.5
Begrenzte Produkthaltbarkeit...................................................................... 134
5.2.4 5.3
Scheduling-Ebene................................................................................................... 120
Rechentechnische Aspekte ................................................................................... 135 Verfahrensabwandlungen zur Generierung des Ausgangsplans.......................... 136
XII
Inhaltsverzeichnis
5.4 6.
Zusammenfassung ...................................................................................................... 136
Praktische Erprobung ......................................................................................139 6.1
Betrachtete Testprobleme.......................................................................................... 139
6.2
Demonstration eines Planungslaufes ....................................................................... 142
6.3
Lösungsqualität Dekompositionsansatz .................................................................. 146
6.3.1
Zielsetzung .............................................................................................................. 146
6.3.2
Versuchsdesign ....................................................................................................... 146
6.3.3
Ergebnis................................................................................................................... 148
6.4
Versuchsdesign ....................................................................................................... 150
6.4.2
Versuchsreihen ....................................................................................................... 154
6.4.3
Szenarioanalyse und Plausibilitätsprüfung.......................................................... 157
6.4.4
Rechenzeitvorgabe ................................................................................................. 161
6.4.5
Erfassung Plannervosität....................................................................................... 163
6.4.6
Partielle Umplanungsmethode ............................................................................. 179
6.4.6.1
Vergleich Fixierungshorizont und Nervositätsmaße ............................... 180
6.4.6.2
Kombination Fixierungshorizont und Nervositätsmaße ........................ 186
6.4.7
Variation des Schedulinghorizontes .................................................................... 191
6.4.8
Veränderung der Planungspolitik ........................................................................ 197
6.5 7.
Szenarien mit rollierender Planung .......................................................................... 150
6.4.1
Zusammenfassung ...................................................................................................... 203
Schlussbetrachtung und Ausblick ................................................................... 207
Anhang ..................................................................................................................... 211 Literaturverzeichnis..................................................................................................217
XIII
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Entwicklungsschwerpunkte ...............................................................................................................3 Abb. 2: Sparten der Prozessindustrie und der chemischen Industrie .......................................................7 Abb. 3: Umsatzentwicklung der Chemiesparten in Deutschland ..............................................................8 Abb. 4: Absatzstruktur der chemischen Industrie im Jahr 2002................................................................9 Abb. 5: Strukturierung verfahrenstechnischer Anlagen.............................................................................11 Abb. 6: Grundlegende Planungsmodule eines Advanced-Planning-Systems ........................................18 Abb. 7: Unsicherheitsursachen und deren Wechselwirkung ....................................................................30 Abb. 8: Strömungsverhältnisse in realen Reaktoren ..................................................................................32 Abb. 9: Kategorisierung reaktiver Planungsverfahren...............................................................................38 Abb. 10: Dimensionen der Umplanung.......................................................................................................51 Abb. 11: Aussagekraft lokaler und globaler Stabilitätskennzahlen bei unterschiedlichen Planungshorizonten........................................................................................................................53 Abb. 12: Aussagekraft lokaler und globaler Stabilitätskennzahlen bei unterschiedlicher Planungsfrequenz ...........................................................................................................................54 Abb. 13: Architektur des reaktiven Schedulingsystems.............................................................................64 Abb. 14: Vereinfachte Darstellung eines Umplanungszyklus...................................................................66 Abb. 15: Abfolge eines Planungslaufes ........................................................................................................67 Abb. 16: Beispiel eines State Task Netzwerks mit Anlagenzuordnung ..................................................69 Abb. 17: Komponenten des Simulationssystems .......................................................................................73 Abb. 18: Modellierung in VISOPT Process................................................................................................75 Abb. 19: Visualisierung der Planungssituation mit der Plantafel .............................................................77 Abb. 20: Beispiel für die Auftragsmengen bei der Umplanung ...............................................................79 Abb. 21: Ablaufschema des Analyser Moduls ............................................................................................80 Abb. 22: Aktualisierung der Menge der aktiven Anlagenausfälle.............................................................82 Abb. 23: Bestimmung der aktuellen Lagerbestände...................................................................................83 Abb. 24: Berechnung der Nettobedarfe am Ende des Planungshorizontes...........................................84 Abb. 25: Varianten der zeitlichen Lage von Anlagenausfall und Produktionsauftrag..........................86 Abb. 26: Bestimmung der direkt betroffenen Aufträge ............................................................................86 Abb. 27: Bestimmung der verworfenen Aufträge ......................................................................................87
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 28: Bestimmung des Auftragsstatus....................................................................................................88 Abb. 29: Herkunft der Ausgangsdaten für das Optimierungsmodell .....................................................92 Abb. 30: Mengentransformation von der auftragsorientierten- in die prozessorientierte Sicht..........95 Abb. 31: Ablauf und Datenherkunft des Dekompositionsverfahrens ................................................. 101 Abb. 32: Bestimmung der Anzahl notwendiger Aufträge zur Deckung aller Bedarfe ...................... 105 Abb. 33: Ablauf und Datenherkunft des Pegging-Verfahrens .............................................................. 107 Abb. 34: Beispiel für ein Pegging-Netzwerk ............................................................................................ 108 Abb. 35: Generierung der Bedarfs- und Zugangselemente ................................................................... 109 Abb. 36: Generierung der Materialflussbeziehungen aus den Ergebnissen des Transportmodells 115 Abb. 37: Beispiel zur Motivation der Kantengenerierungsheuristik..................................................... 116 Abb. 38: Kantengenerierung für fixierte Bedarfselemente .................................................................... 118 Abb. 39: Kantengenerierung für externe Bedarfe ................................................................................... 119 Abb. 40: Kantengenerierung für Prozessaufträge untereinander.......................................................... 120 Abb. 41: Sequenz gleichartiger Aufträge mit erzwungener Reinigung................................................. 127 Abb. 42: Produkt Prozess Netzwerk für Testproblem I ........................................................................ 140 Abb. 43: Produkt-Prozess-Netzwerk für Testproblem II...................................................................... 141 Abb. 44: Vergleich des Ausgangsplans mit dem resultierenden Plan der ersten Umplanung.......... 144 Abb. 45: Vergleich der Belegungspläne der ersten und zweiten Umplanung ..................................... 144 Abb. 46: Verfahren zur Ermittlung der Optimalitätsabweichung der BPS-Dekomposition............ 148 Abb. 47: Lösungsverlauf der BPS-Dekomposition für die Szenarien S3 und S5............................... 149 Abb. 48: Lösbarkeit der periodischen Umplanungsläufe für die Szenarien ........................................ 158 Abb. 49: Durchschnittliche Gesamtdurchlaufzeit der periodischen Umplanungsläufe .................... 159 Abb. 50: Auftragsstruktur für die unterschiedlichen Planungsszenarien und -auslöser.................... 159 Abb. 51: Vergleich der durchschnittlichen Verspätung für periodische Umplanungen ................... 160 Abb. 52: Relative Veränderung der Effektivitätskennzahlen................................................................. 162 Abb. 53: Relative Veränderung der Stabilitätskennzahlen ..................................................................... 163 Abb. 54: Vergleich der Gesamtdurchlaufzeiten....................................................................................... 165 Abb. 55: Vergleich der durchschnittlichen Verspätung.......................................................................... 166 Abb. 56: Vergleich der durchschnittlichen Abweichung der Startzeitpunkte..................................... 167 Abb. 57: Anteil der ungleichen Auftragspaare auf einer Anlage, die im neuen Plan in der gleichen Reihenfolge eingeplant wurden................................................................................... 167
Abbildungsverzeichnis
XV
Abb. 58: Anteil der Aufträge mit gleicher Analgenzuordnung.............................................................. 169 Abb. 59: Anteil der Aufträge, die im aktualisierten Plan zum gleichen Zeitpunkt starten................ 169 Abb. 60: Anteil der Aufträge, für die im aktualisierten Plan zum gleichen Zeitpunkt auf der gleichen Anlage ein gleichartiger Auftrag eingeplant wurde .................................................. 170 Abb. 61: Veränderung der Gesamtdurchlaufzeit..................................................................................... 172 Abb. 62: Veränderung der durchschnittlichen Verspätung ................................................................... 173 Abb. 63: Veränderung der Startzeitabweichung ...................................................................................... 174 Abb. 64: Veränderung der Reihenfolge von nicht gleichartigen Auftragspaaren............................... 175 Abb. 65: Veränderung der Anlagenzuordnung........................................................................................ 176 Abb. 66: Veränderung der Startzeitentsprechung ................................................................................... 177 Abb. 67: Veränderung der zeitlichen Entsprechungen durch gleichartige Aufträge ......................... 178 Abb. 68: Veränderung der Gesamtdurchlaufzeit mit steigendem Fixierungshorizont...................... 181 Abb. 69: Veränderung der durchschnittlichen Verspätung mit steigendem Fixierungshorizont .... 182 Abb. 70: Veränderung der Startzeitabweichung mit steigendem Fixierungshorizont ....................... 183 Abb. 71: Veränderung der Reihenfolgeabweichungen mit steigendem Fixierungshorizont ............ 183 Abb. 72: Veränderung der Anlagenzuordnung mit steigendem Fixierungshorizont......................... 184 Abb. 73: Veränderung der Startzeitübereinstimmung mit steigendem Fixierungshorizont ............. 185 Abb. 74: Veränderung der Gesamtdurchlaufzeit mit steigendem Fixierungshorizont...................... 187 Abb. 75: Veränderung der durchschnittlichen Verspätung mit steigendem Fixierungshorizont .... 187 Abb. 76: Veränderung der Startzeitabweichung mit steigendem Fixierungshorizont ....................... 188 Abb. 77: Veränderung der Reihenfolgeabweichung mit steigendem Fixierungshorizont................. 189 Abb. 78: Veränderung der Anlagenzuordnung mit steigendem Fixierungshorizont......................... 190 Abb. 79: Veränderung der Startzeitübereinstimmung mit steigendem Fixierungshorizont ............. 190 Abb. 80: Veränderung der Gesamtdurchlaufzeit mit steigendem Schedulinghorizont..................... 193 Abb. 81: Veränderung der durchschnittlichen Verspätung mit steigendem Schedulinghorizont.... 193 Abb. 82: Veränderung der Startzeitabweichung mit steigendem Schedulinghorizont ...................... 194 Abb. 83: Veränderung Startzeitentsprechung mit steigendem Schedulinghorizont .......................... 195 Abb. 84: Veränderung der Umplanungshäufigkeit mit steigendem Schedulinghorizont.................. 196 Abb. 85: Vergleich der Durchlaufzeiten unterschiedlicher Umplanungs-Politik ............................... 198 Abb. 86: Vergleich der durchschnittlichen Verspätung unterschiedlicher Umplanungs-Politik...... 198 Abb. 87: Vergleich der Startzeitabweichung unterschiedlicher Umplanungs-Politik ........................ 199
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 88: Vergleich der Startzeitübereinstimmung bei unterschiedlicher Umplanungs-Politik........ 200 Abb. 89: Vergleich der Anlagenbelegung bei unterschiedlicher Umplanungs-Politik....................... 200 Abb. 90: Vergleich der Umplanungshäufigkeit bezogen auf die Startzeitpunkte bei unterschiedlicher Umplanungs-Politik ..................................................................................... 201 Abb. 91: Vergleich der Umplanungshäufigkeit bezogen auf die Anlagenzuordnung bei unterschiedlicher Umplanungs-Politik ..................................................................................... 202
XVII
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Zielsetzung der Anlagenbelegungsplanung....................................................................................23 Tab. 2: Zusammenhang der Störungsursachen und -wirkungen .............................................................34 Tab. 3: Zusammenhang von Störungswirkungen und Anpassungsreaktion..........................................35 Tab. 4: Überblick der Daten in der Planungsdatenbank ...........................................................................68 Tab. 5: Zusammenfassung der wichtigsten Verfahreigenschaften ....................................................... 137 Tab. 6: Daten Testproblem I ...................................................................................................................... 141 Tab. 7: Daten Testproblem II .................................................................................................................... 142 Tab. 8: Bedarfsdaten für das Demonstrationsbeispiel............................................................................ 142 Tab. 9: Charakteristika der Probleminstanz zur Bestimmung des Ausgangsplans............................. 143 Tab. 10: Charakteristika der Probleminstanzen zur störungsbedingten Plananpassung ................... 143 Tab. 11: Charakteristika der Vergleichsszenarien .................................................................................... 147 Tab. 12: Vergleich der Optimalitätsabweichung des Dekompositionsansatzes für die alternativen Verfahren zur Kantengenerierung........................................................................ 149 Tab. 13: Merkmale des Ausgangsplans ..................................................................................................... 151 Tab. 14: Zeitgerüst der rollierenden Planung........................................................................................... 151 Tab. 15: Parameter zur Datengenerierung der Versuchsszenarien....................................................... 152 Tab. 16: Kombination der Grund- und Störlast zur Generierung der Planungsszenarien............... 153 Tab. 17: Planungsumfang erzeugter Datensätze für die Szenarien....................................................... 154 Tab. 18: Übersicht der durchgeführten Versuchsreihen zur rollierenden Planung............................ 155 Tab. 19: Parametrisierung der Versuchsreihe zur Szenarioanalyse....................................................... 157 Tab. 20: Durchschnittliche Teilanlagenauslastung der einzelnen Szenarien ....................................... 160 Tab. 21: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Analyse des Lösungsverhaltens ......................... 161 Tab. 22: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Erfassung der Plannervosität ............................. 164 Tab. 23: Parametrisierung der Versuchsreihe zum Vergleich Nervositätsmaße und Fixierungshorizont........................................................................................................................ 180 Tab. 24: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Kombination der Nervositätsmaße mit Fixierungshorizont........................................................................................................................ 186 Tab. 25: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Variation des Schedulinghorizontes.................. 192 Tab. 26: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Variation des Schedulinghorizontes.................. 197
1 Einleitung
1
1. Einleitung Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes zur Untersuchung der reaktiven Planung in der chemischen Industrie entstanden. Die Motivation zur Bearbeitung dieser Thematik wird in dem folgenden Abschnitt dargelegt. Eine genauere Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes und eine Definition der Zielsetzungen dieses Forschungsvorhabens werden im Abschnitt 1.2 vorgenommen. Zum Abschluss dieses Kapitels wird die grundlegende Vorgehensweise zur Erreichung dieser Untersuchungsziele erläutert.
1.1 Motivation Die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung der chemischen Industrie ist insbesondere in deren Rolle als wichtigster Lieferant von Vorprodukten für nahezu alle Bereiche des verarbeitenden Gewerbes begründet. So waren lediglich 24% der in Europa erzeugten chemischen Erzeugnisse für den Endverbraucher bestimmt.1 Aufgrund der steigenden Energieund Rohstoffpreise und des anhaltend hohen internationalen Konkurrenzdrucks, ist die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Chemiestandorte nur dann sichergestellt, wenn eine effiziente und kostengünstige Produktion erfolgt. Aufgrund dieser verschärften Wettbewerbssituation ist in den letzten Jahren eine Entwicklung zu einer erhöhten Kundenorientierung zu beoachten, bei der vergleichsweise geringe Mengen eines speziell auf die Bedürfnisse des Abnehmers abgestimmten Produktes kurzfristig bereitgestellt werden.2 Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind sogenannte Mehrzweckanlagen erforderlich, auf denen durch die Variation der Prozessbedingungen und durch eine flexible Verrohrung der einzelnen Anlagenteile eine Vielzahl unterschiedlicher Prozessschritte ausgeführt werden können. Aufgrund der erhöhten Prozessflexibilität dieses Anlagentyps sind kurzfristige Reaktionen auf Änderungen der Nachfrage von Endprodukten möglich. Im Rahmen der Anlagenbelegungsplanung führt dies jedoch zu einer stark erhöhten Problemkomplexität, da nicht nur die Art und Anzahl der auszuführenden Prozessschritte geplant werden müssen, sondern auch deren genaue zeitliche Zuordnung zu den einzelnen Anlagenteilen. Weiterhin können
1 2
Vgl. Shah (2005) S. 1225. Vgl. Blömer/Günther (2000), S. 1029.
2
1 Einleitung
bei dem Wechsel zwischen verschiedenen Produktvarianten, z.B. infolge von Reinigungsund Umkonfigurationsarbeiten, reihenfolgeabhängige Rüstzeiten und -kosten auftreten, die im Hinblick auf eine effiziente Anlagenauslastung zu vermeiden sind. Da diese Planungsaufgabe eine besondere Herausforderung darstellt, wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche wissenschaftliche Beiträge zu dieser Thematik veröffentlicht.3 Die Mehrzahl dieser Ansätze geht dabei von einer statischen Planungsumgebung aus. Dabei wird angenommen, dass alle planungsrelevanten Informationen im Voraus bekannt sind und dass in dem betrachteten Produktionssystem bisher keine Aufträge eingeplant wurden. Durch diese Annahmen wird vernachlässigt, dass insbesondere diese flexiblen Produktionssysteme ein sehr dynamisches Planungsumfeld darstellen. So können während des Produktionsablaufes eine Reihe von zufälligen Ereignissen auftreten, die eine unveränderte Ausführung des aktuellen Produktionsplans verhindern. Typische Ursachen solcher Unzulässigkeiten sind unvorhersehbare Änderungen im Prozessablauf, wie variable Prozesszeiten, Spezifikationsverletzungen der erzeugten Produkte oder Funktionsstörungen einzelner Anlagenteile. Neben solchen prozessbedingten Unsicherheiten können auch nachfrageseitige Ereignisse den Auslöser für eine notwendige Plananpassung darstellen. Dies ist dann der Fall, wenn durch kurzfristig zu erfüllende Eilaufträge die Einplanung zusätzlicher Produktionsaufträge erforderlich ist. Im Gegensatz dazu kann durch die Stornierung von externen Aufträgen auch eine Reduzierung der Produktionsmengen für ein Produkt erforderlich sein. In der Praxis wird versucht, die Auswirkungen solcher Unsicherheiten durch die Einführung von Sicherheitsbeständen und Pufferzeiten zu beschränken, die allerdings ihrerseits Kosten verursachen und die Produktivität des gesamten Produktionssystems vermindern.4 Eine weitere Strategie, um Unsicherheiten zu begegnen, besteht darin, den augenblicklichen Plan im Falle des Auftretens eines unvorhersehbaren Ereignisses an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.5 Da die zur Zeit verfügbaren Planungssysteme keine Funktionen zur Plananpassung unterstützen, werden in der industriellen Praxis notwendige Umplanungen entweder manuell durch einen menschlichen Planer vorgenommen oder durch die wiederholte Anwendung statischer Planungsverfahren realisiert. Aufgrund der Vielzahl der dabei zu berücksichtigenden Nebenbedingungen können auf diese Weise nur unzureichende Ergebnisse erzielt werden, die beispielsweise durch die Nichteinhaltung von Lieferterminen gekennzeichnet sind. Eine wesentliche Unterstützung dieses Entscheidungspro-
3 4 5
Vgl. u.a. Mendez et al. (2006), Burkard/Hatzel (2005), Floudas/Lin (2004). Vgl. u.a. Koh et al. (2002), Zhao et al. (2001). Vgl. Ho et al. (2001), S. 319.
1 Einleitung
3
zesses stellen computergestützte reaktive Planungsverfahren dar, die für eine gezielte Plananpassung unter Berücksichtigung der aktuellen Situation des Produktionssystems konzipiert sind und dabei alle relevanten Restriktionen berücksichtigen. Einen umfassenden Überblick unterschiedlicher Verfahren zur Plananpassung geben VIEIRA ET AL. (2003). Die überwiegende Anzahl der dort beschriebenen Ansätze ist jedoch für den Bereich der diskreten Stückgutfertigung vorgesehen. Für die chemische Produktion existieren bisher nur vereinzelte Arbeiten, die sich mit dieser Problematik auseinander setzen.6 Aufrund der hohen praktischen Relevanz und des hohen Forschungsbedarfes wird das Problemfeld zur reaktiven Planung in der vorliegenden Arbeit behandelt. Da die kurzfristige Anlagenbelegungsplanung von Mehrzweckanlagen ein besonders dynamisches Planungsumfeld darstellt, besteht der Untersuchungsschwerpunkt darin, geeignete Verfahren zur reaktiven Plananpassung für diese Anwendungsumgebung zu entwickeln.
1.2 Untersuchungsgegenstand Neben der eigentlichen Entwicklung reaktiver Planungsverfahren soll diese Arbeit die Zielsetzung verfolgen, die Verfahren in einer möglichst praxisnahen Planungsumgebung zu testen. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, wurden die in Abb. 1 dargestellten Entwicklungsschwerpunkte definiert.
Abb. 1: Entwicklungsschwerpunkte
Da die reaktive Planung während des Produktionsablaufs vollzogen wird, müssen die dort verwendeten Verfahren zur Realisierung der Umplanungsmethodik einer Reihe von spezifischen Anforderungen genügen. Um flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können, ist es erforderlich, dass die Verfahren in der Lage sind, für alle erdenklichen Pla-
6
Vgl. Hasebe et al. (1991), Vin/Ierapetritou (2000), Roslöf et al. (2001), Lee/Malone (2001), Mendez/Cerda (2004).
4
1 Einleitung
nungssituationen schnell eine zulässige Lösung zu ermitteln und dabei alle relevanten Nebenbedingungen des realen Produktionssystems zu berücksichtigen. Weiterhin wird bei der Plananpassung angestrebt möglichst nur die Änderungen auszuführen, die notwendig sind, um den Plan an die geänderte Umweltsituation anzupassen. Die Entwicklung von Umplanungsmethoden für die Anlagenbelegungsplanung in der chemischen Industrie stellt den inhaltlichen Kern dieser Arbeit dar. Falls während des Produktionsablaufes ein unvorhergesehenen Ereignis auftritt, ist nicht in jedem Fall eine Planänderung notwendig. Demnach ist zunächst ist zu prüfen, ob die Zulässigkeit des aktuellen Plans durch das Störereignis beeinträchtigt wird. Ist dies der Fall, sind alle erforderlichen Ausgangsdaten für die Umplanung aufzubereiten. Nach deren Abschluss ist der neue Plan wieder freizugeben, so dass mit der Weiterführung des Produktionsablaufes fortgefahren werden kann. Diese Art von Planungsprozess soll durch die Entwicklung und Implementierung einer Umplanungslogik realisiert werden, die als Einsatzrahmen der Umplanungsmethodik dient und von den dabei verwendeten Planungserfahren unabhängig ist. Die Erprobung dieser reaktiven Planungssystematik soll anhand einer praxisnahen Versuchsumgebung erfolgen, bei der unterschiedliche Konfigurationen von Produktionssystemen untersucht werden können, die verschiedenartigen Störeinflüssen unterliegen. Um die Dynamik realer Produktionssysteme abzubilden, soll es möglich sein, fortlaufende Planungsprozesse nachzuahmen, indem auch mehrere aufeinanderfolgende Störereignisse verarbeitet werden können. Die Ergebnisse eines Umplanungslaufes dienen dann als Ausgangsplan für die nachfolgende Plananpassung. Um auch den Umfang der Planänderungen quantifizieren zu können, sollen bei der Auswertung der Versuche neben der Effektivität der Pläne auch die Planstabilität anhand geeigneter Kennzahlen ausgewertet werden.
1.3 Vorgehen Bevor mit der eigentlichen Realisierung der Umplanungssystematik begonnen wird, erfolgt in den folgenden zwei Kapiteln zunächst eine Einführung in die theoretischen Grundlagen. Aufgrund der Vielzahl von verschiedenartigen chemischen Produktionsprozessen und der engen Verflechtung von reaktiver Planung und dem Produktionssystem wird in Kapitel 2 zunächst eine Abgrenzung der relevanten Anwendungsumgebung vorgenommen. Im Anschluss daran wird die reaktive Anlagenbelegungsplanung anhand einer hierarchischen Planungssystematik eingeordnet. Bei der Darstellung der einzelnen Ebenen dieser Planungshierarchie werden neben deren grundlegender Funktion auch spezifische Problemstellungen erläutert, die für die chemische Industrie relevant sind.
1 Einleitung
5
In Kapitel 3 erfolgt eine detaillierte Einführung in reaktive Planungsverfahren. Dazu wird zunächst die reaktive von der prädiktiven Planung abgegrenzt. Die Auslöser der reaktiven Planung sind zufällig auftretende Störereignisse, die während des Produktionsablaufes auftreten können und die unveränderte Weiterführung des bestehenden Plans verhindern. Um auf diese Ereignisse adäquat reagieren zu können, ist eine genaue Kenntnis der möglichen Störungsursachen und deren planungsrelevante Wirkungen notwendig. Die eigentliche Reaktion auf ein Störereignis wird durch speziell auf die jeweilige Anwendungsumgebung abgestimmte reaktive Planungsverfahren ausgeführt. Aufgrund dieser notwendigen Spezialisierung existieren eine Vielzahl problemspezifischer Planungsansätze, die zum Teil deutliche konzeptionelle Unterschiede aufweisen. Um diese Verfahren zu systematisieren, wird ein Kategorisierungsschema eingeführt, dass durch einen aktuellen Literaturüberblick für die gängigsten Verfahrensklassen ergänzt wird. Zum Abschluss des dritten Kapitels werden eine Reihe von Stabilitätsmaßen eingeführt, die zur Quantifizierung des Umfangs der Planänderungen dienen. Das in Kapitel 4 eingeführte reaktive Planungssystem repräsentiert die Umplanungslogik, die als konzeptioneller Rahmen der Verfahren zur Plananpassung dient. Um die Funktionsweise dieses Systems darzustellen, werden dessen Einzelmodule und deren Zusammenwirken ausführlich erläutert. Darüber hinaus wird beschrieben wie die Versuchsumgebung realisiert wurde. Die eigentlichen Umplanungsmethoden sind Inhalt des Kapitels 5. Es wurden insgesamt zwei alternative Verfahren entwickelt. Zur optimalen Lösung kleinerer Probleminstanzen wurde ein gemischt ganzzahliges Optimierungsmodell entwickelt, dass eine Erweiterung des von KONDILI ET AL. (1993) entwickelten Ansatzes darstellt. Das zweite Verfahren ist auf die schnelle Lösung komplexerer Probleme ausgerichtet und wurde durch einen dreistufigen Dekompositionsansatz realisiert. Zur Erprobung des reaktiven Planungssystems wurden umfangreiche numerische Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse in Kapitel 6 analysiert werden. Anhand eines einfachen Planungsszenarios wird zunächst die Wirkungsweise des Systems demonstriert, indem die einzelnen Umplanungsaktivitäten analysiert werden. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse einer Versuchsreihe erläutert, deren Ziel es ist, Aussagen über die Lösungsqualität des Dekompositionsansatzes abzuleiten. Den Schwerpunkt der numerischen Tests bilden insgesamt sechs Versuchsreihen die auf rollierenden Planungsszenarien basieren, um die Auswirkungen unterschiedlicher Konfigurationen und Parametrisierungsvarianten des Dekompositionsansatzes auf die Effektivität und Stabilität der resultierenden Anlagenbelegungspläne zu untersuchen.
6
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
2. Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie In diesem Kapitel wird eine Einführung in das Produktionsumfeld vorgenommen, das in dieser Arbeit behandelt wird. Dazu werden zunächst die grundlegenden Charakteristika der chemischen Produktion beschrieben und von anderen Produktionsformen abgegrenzt. Zur Entwicklung effizienter Produktionsplanungsverfahren ist es von hoher Bedeutung, die grundlegenden technologischen Merkmale chemischer Produktionsprozesse und die sich daraus ergebenden Restriktionen für den Planungsprozess zu kennen. Aus diesem Grund wird im Abschnitt 2.2 eine allgemeine Einführung in die typologischen Merkmale der chemischen Produktion gegeben. Basierend auf einer hierarchischen Planungssystematik erfolgt im nächsten Abschnitt ein Überblick der spezifischen Problemstellungen der chemischen Industrie für die einzelnen Planungsebenen. Abschließend werden die grundlegenden Ergebnisse dieses Abschnittes zusammengefasst, indem eine Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen wird, der dieser Arbeit zu Grunde liegt.
2.1 Branchencharakteristika der chemischen Industrie 2.1.1 Abgrenzung zu anderen Industriezweigen In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung wird die chemische Industrie häufig als Teilbereich der Prozessindustrie angesehen.7 Die Produktionsvorgänge der Prozessindustrie sind durch verfahrenstechnische Prozesse gekennzeichnet, bei denen ungeformte, beliebig teilbare Materialien verarbeitet und erzeugt werden. Demnach werden in der Prozessindustrie eher Stoffe verarbeitet, die in den Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig vorliegen.8 Im Gegensatz dazu ist die diskrete Fertigung durch die Produktion abzählbarer Güter gekennzeichnet, die einzeln bearbeitet oder montiert werden.9 Typische Industriezweige in denen eine diskrete Produktionsform vorherrscht, sind die Automobil- und Elektronikindustrie sowie der Maschinen- und Anlagenbau.
7 8 9
Vgl. Imboden (1998), S. 35. Vgl. Blömer (1999), S. 6. Vgl. Voß/Witt (2003), S. 76.
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7
Aufgrund der in der Prozessindustrie häufig auftretenden kontinuierlichen Materialflüsse, sind die Produktionsanlagen meist stark vernetzt und weisen einen hohen Automatisierungsgrad auf. Aus diesem Grund ist dieser industrielle Sektor dadurch gekennzeichnet, dass zur Errichtung der Produktionsanlagen ein sehr hoher Investitionsaufwand notwendig ist. Der Betrieb dieser Anlagen erfordert vergleichsweise wenig Personal, so dass die Prozessindustrie als sehr kapitalintensiv zu kennzeichnen ist. Die Grundvoraussetzung eines wirtschaftlichen Betriebs liegt somit darin, eine hohe Auslastung der Produktionsanlagen sicherzustellen. Ein wesentlicher Unterschied der Prozessindustrie und der diskreten Fertigung besteht weiterhin in der Art der Produktdifferenzierung.10 Im Rahmen der diskreten Fertigung werden meist wesentlich mehr Varianten eines Grundproduktes hergestellt. Dies liegt hauptsächlich darin begründet, dass hier eher Produkte hergestellt werden, die für den Endkunden bestimmt sind. In der Prozessindustrie hingegen ist das Endproduktspektrum meist wesentlich weniger diversifiziert. Hier werden häufig Grundstoffe erzeugt, die in nachgelagerten Produktionsstufen weiterverarbeitet werden. Ausnahmen hierfür stellen die pharmazeutische Industrie und die Herstellung von Konsumgütern dar.
Abb. 2: Sparten der Prozessindustrie und der chemischen Industrie Vgl. VCI (2004), S. 9.
10
Vgl. Taylor et al. (1981), S.9 f.
8
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
Trotz dieser gemeinsamen Merkmale umfasst der Teilbereich der Prozessindustrie zahlreiche unterschiedliche Branchen, die sich aufgrund unterschiedlicher Prozessspezifika zum Teil sehr stark voneinander unterscheiden. Eine Übersicht dazu ist in Abb. 2 wiedergegeben. Als Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit soll der Teilbereich der chemischen Industrie gelten. Die chemische Produktion ist durch die Ausführung chemisch-technischer Verfahren gekennzeichnet, die zur Herstellung von Erzeugnissen durch physikalisch-chemische Stoffumwandlungen dienen.11 Betrachtet man den Teilbereich der chemischen Industrie genauer, ergeben sich wiederum eine Reihe unterschiedlicher Sparten. Die in Abb. 2 wiedergegebene Einteilung der chemischen Industrie in sieben einzelne Sparten wurde vom Verband der chemischen Industrie übernommen. Aus der Darstellung der Umsatzverteilung der deutschen Chemiesparten in Abb. 3 ist zu erkennen, dass keine der Sparten eine dominierende Stellung einnimmt. Die Umsatzentwicklung für diesen Industriesektor war in den vergangenen zehn Jahren leicht ansteigend, wobei keine signifikanten Verschiebungen in der Gewichtung der Chemiesparten untereinander zu verzeichnen waren. 120
Umsatz in Mrd. €
100
80
60
40
z
20
0 1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
Jahr Fein- und Spezialchemikalien
Pharmazeutika
Polymere
Petrolchemikalien und Derivate
Wasch- und Körperpflegemittel
Anorganische Grundchemikalien
Agrochemikalien
Abb. 3: Umsatzentwicklung der Chemiesparten in Deutschland Vgl. VCI (2005), S.34 ff.
11
Vgl. Vauck/Müller (2001), S. 21
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
9
Gleichsam wie in der gesamten Prozessindustrie, ist ein relativ geringer Anteil der in der chemischen Industrie erzeugten Produkte für den Absatz an Endkunden bestimmt. Bei einer genaueren Analyse der Absatzstruktur dieses Industriesektors ist leicht festzustellen, dass ein Großteil der Enderzeugnisse in chemischen Betrieben weiter verarbeitet wird. Da die nachgelagerten Produktionsstufen oft auch innerhalb des gleichen Unternehmens anzutreffen sind, treten in der chemischen Industrie verstärkt innerbetriebliche Materialflüsse auf. Da die an der Wertschöpfungskette beteiligten Lieferanten, Produktionswerke und Endabnehmer häufig in verschiedenen Ländern angesiedelt sind, handelt es sich dabei um international verteilte Produktionsnetzwerke. Bei der Standortwahl sind häufig gesetzliche und steuerrechtliche Umstände ausschlaggebend.12 Aufgrund dieser innerbetrieblichen Wertschöpfungsketten birgt der Einsatz von Methoden zur werksübergreifenden Produktions- und Distributionsplanung für diesen Industriezweig ein besonders hohes Verbesserungspotenzial.
Chemische Industrie 22%
Sonstige 24%
Elektroindustrie 3% Verpackungsindustrie 4% Chem. Ind., Landw irtschaft 6%
Chem. Ind., Gesundheitsw esen 14% Privater Konsum 10% Bauw irtschaft
Fahrzeugbau 10%
7%
Abb. 4: Absatzstruktur der chemischen Industrie im Jahr 2002 Vgl. VCI (2005), S. 49.
2.1.2 Strukturierung chemischer Produktionsprozesse In der chemischen Industrie werden die End- und Zwischenprodukte durch die Ausführung von Prozessen gewonnen, die chemischer, mechanischer oder physikalischer Natur sein
12
Vgl. Grunow et al. (2003a), S. 262.
10
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
können. Diese Prozesse repräsentieren beispielsweise Vorgänge zum Mischen oder Trennen von Stoffen, oder auch die eigentliche Stoffumwandlung durch eine chemische Reaktion. Ausgeführt werden die Prozesse in Anlagen, die für den jeweiligen Prozesstyp konzipiert sind. Sind mehrere Prozessstufen nacheinander auszuführen, werden die Zwischenprodukte durch entsprechende Fördereinrichtungen, wie beispielsweise Rohrleitungen, zwischen den jeweiligen Anlagenteilen transportiert. Auf diese Weise entstehen zum Teil sehr komplexe Ressourcennetzwerke mit stark verzweigten Materialflüssen.
2.2 Typologische Merkmale chemischer Produktionsanlagen Zur Begriffsbestimmung werden im folgenden die technische Ausstattung von chemischen Produktionsanlagen und deren typologische Merkmale erläutert. Die in Abb. 5 dargestellte Strukturierung verfahrenstechnischer Anlagen wurde in BLÖMER (1999) vorgeschlagen und stellt die Grundlage zur Abgrenzung unterschiedlicher Aggregationsniveaus dar.13 Diese Strukturierungsform wurde für produktionswirtschaftliche Planungsprobleme entworfen, da bewusst auf die Darstellung dafür irrelevanter technischer Details verzichtet wurde. Auf der Grundlage dieser Ausführungen ist in den nachfolgenden Kapiteln eine Abgrenzung des relevanten Produktionsumfeldes möglich. Als kleinste Einheit einer chemischen Produktionsanlage wird ein einzelner Reaktor angesehen. Diese Einheiten werden in anderen wissenschaftlichen Arbeiten auch als Apparate bezeichnet.14 Für Problemstellungen der Produktionsplanung ist es dabei nicht relevant, um welchen technischen Reaktortyp es sich handelt, sondern vielmehr in welcher Betriebsweise er betrieben wird. Eine Gruppe von Reaktoren, auf denen gleiche oder ähnliche Prozesse ausführbar sind, werden als Stufen bezeichnet. Diese Stufen können sowohl eine Gruppe identischer Reaktoren enthalten, als auch solche, die sich hinsichtlich bestimmter Prozessparameter wie Durchsatzraten, Füllmengen oder Reaktionszeiten unterscheiden. Als Teilanlagen werden Komplexe von Reaktoren angesehen, die bestimmte Endprodukte oder lagerfähige Zwischenprodukte produzieren. In der industriellen Praxis werden diese Teilanlagen zu Anlagen oder Betrieben zusammengefasst, da sie gemeinsame Lager- oder sogenannte Pool-Ressourcen, wie beispielsweise Bedienungspersonal, nutzen.
13 14
Vgl. Blömer (1999), S. 19. Vgl. Trautmann (2001), S. 8.
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
11
Reaktor
Anlage
Stufe
Teilanlage
Abb. 5: Strukturierung verfahrenstechnischer Anlagen
In den folgenden Ausführungen werden die wesentlichen Charakteristika unterschiedlicher Reaktor- und Anlagentypen erläutert. Eine Beschreibung der unterschiedlichen Betriebsweisen von Reaktoren wird im Abschnitt 2.2.1 wiedergegeben. Im Anschluss daran werden unterschiedliche Typen von Produktionsanlagen behandelt. Welche alternativen Fahrweisen von Anlagen möglich sind beschreibt der Abschnitt 2.2.3.
2.2.1 Betriebsweisen von Reaktoren Bedingt durch die Vielfalt und die hohe Komplexität chemischer Prozesse existieren zahlreiche unterschiedlichste Bauformen chemischer Reaktoren. Unabhängig von der genauen technischen Ausstattung eines Reaktors werden drei unterschiedliche Betriebsweisen unterschieden: diskontinuierlich, kontinuierlich und semikontinuierlich. Einen umfassenden Überblick der Betriebsweise chemischer Reaktoren geben BAERNS
ET AL.
(2002), und
12
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
VAUCK/MÜLLER (2001), deren Ausführungen als Grundlage der nachfolgenden Abschnitte dienen sollen.15 2.2.1.1 Diskontinuierlicher Betrieb Der diskontinuierliche Betrieb eines Reaktors wird häufig auch als Chargen- oder BatchModus bezeichnet. Dementsprechend ist für diesen Reaktortyp auch der Begriff des Batchreaktors gebräuchlich. Die diskontinuierliche Betriebsweise ist dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionspartner gleichzeitig dem Reaktor zugeführt werden. Die eingesetzten Stoffe verbleiben in dem Reaktor für eine fest vorgegebene Dauer unter Einhaltung definierter Reaktionsbedingungen, wie Temperatur und Druck. Zum Abschluss der Reaktion werden sie auch gemeinsam entnommen. Somit vollzieht sich der Produktionsvorgang in einem Zyklus, bestehend aus den Einzelvorgängen Befüllen, Verweilen und Entleeren. Während der Verweildauer ändert sich die stoffliche Zusammensetzung der Reaktionsmasse. Häufig müssen vor dem Beginn der eigentlichen chemischen Reaktion die erforderlichen Reaktionsbedingungen, beispielsweise durch das Aufheizen des Stoffgemisches, hergestellt werden. Ebenso kann es notwendig sein, dass vor deren Entnahme die Reaktionsprodukte abkühlen müssen. Aufgrund dieser im Zeitverlauf veränderlichen Reaktionsbedingungen, wird der Betrieb diskontinuierlich arbeitender Reaktoren als instationärer Prozess angesehen. Um die Reaktionsbedingungen und Stoffkonzentrationen im gesamten Reaktor räumlich zu vereinheitlichen, werden in den gebräuchlichsten Reaktortypen Rührwerkzeuge verwendet. Durch das Fassungsvermögen des Reaktors wird die Menge an Stoffen bestimmt, die maximal während eines Produktionszyklus umgesetzt werden kann. Für diesen Parameter wird auch der Begriff Batchgröße verwendet. Ein Batchreaktor muss nicht zwangsläufig vollständig befüllt werden. Um die Wirksamkeit der Rührwerkzeuge sicherzustellen, ist allerdings eine minimal einzuhaltende Füllmenge vorgegeben. Die Verweilzeit in einem Reaktor ergibt sich aus der Dauer der auszuführenden chemischen Reaktion und ist somit nicht abhängig von der Menge der umzusetzenden Stoffe. Im Vergleich zur Dauer der Befüllund Entleerungsvorgänge ist die Verweilzeit meist wesentlich umfassender, so dass sie maßgeblich die Dauer des gesamten Produktionsvorganges bestimmt. Die gesamte Produktionsmenge, die während eines einzelnen Reaktorzyklus in einem diskontinuierlich betriebenen Reaktor hergestellt wird, wird auch als Charge oder Batch bezeichnet.
15
Vgl. Baerns et al. (2002), S. 237 ff., Vauck/Müller (2001) S. 32 ff.
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
13
Sowohl die Reaktionsbedingungen als auch die Reaktionszeit können für einen Batchreaktor innerhalb bestimmter Grenzen variiert werden. Aufgrund dieser Prozessflexibilität besteht eine grundlegende Eigenschaft dieser Apparate darin, unter Verwendung ein und desselben Reaktors eine Reihe von Produkten unterschiedlicher chemischer Spezifikationen herstellen zu können. Als wesentliche Nachteile dieses Reaktortyps werden die auftretenden Totzeiten angesehen, die beispielsweise durch deren Befüllung und Entleerung entstehen und somit deren Produktivität maßgeblich reduzieren. Um die Qualitätsvorgaben der Endprodukte einzuhalten und Prozessstörungen zu vermeiden, sind die chemischen Reaktionen wie in den Spezifikationen vorgegeben, auszuführen. Da, wie bereits beschrieben, die chemischen Reaktionen in einem Batchreaktor in einem instationären Prozess ablaufen, fällt bei deren Betrieb ein erhöhter Steurerungs- und Regelungsaufwand an.16 Aufgrund ihrer hohen Flexibilität bei vergleichsweise geringer Produktivität, werden Batchreaktoren zur Herstellung von Produkten verwendet, deren Nachfragemengen relativ gering sind und stärkeren Schwankungen unterliegen. Typische Einsatzgebiete sind daher die Produktion von Arzneimitteln, Farbstoffen oder Spezialprodukten. 2.2.1.2 Kontinuierlicher Betrieb Im Falle einer kontinuierlichen Betriebsweise werden die Produkte dem Reaktor als konstanter Mengenstrom zugeführt und in gleicher Weise entnommen. Die Reaktionsbedingungen sind im Gegensatz zu Batchreaktoren räumlich verschieden, bleiben aber zeitlich unverändert. Prozesse, die in kontinuierlich betriebenen Reaktoren ablaufen, sind damit stationär und erfordern somit einen vergleichsweise geringeren Steuerungs- und Regelungsaufwand. Infolge der unveränderlichen Reaktionsbedingungen ist die Produktqualität nahezu gleichbleibend. Andererseits können die Reaktionsparameter nur in sehr engen Grenzen variiert werden. Somit ist bei kontinuierlich betriebenen Reaktoren nur die Produktion einzelner Produkte oder sehr ähnlicher Produktvarianten möglich. Aufgrund dieser geringeren Prozessflexibilität wird außerdem eine gleichbleibende Rohstoffqualität vorausgesetzt. Bei der Verwendung kontinuierlich betriebener Reaktionsapparate lassen sich die Prozessabläufe leichter automatisieren, so dass sie zur Produktion großer Mengen eines Massenproduktes verwendet werden können. Kontinuierlich betriebene Anlagen kommen damit auf hochspezialisierten Produktionslinien zum Einsatz, die beispielsweise zur Produktion von Grundchemikalien verwendet werden. Aufgrund der hohen Investitionskosten dieser
16
Vgl. Cho et al. (2006), S. 2361 f.
14
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
Anlagen können sie nur bei gleichbleibend hoher Auslastung wirtschaftlich betrieben werden. 2.2.1.3 Halbkontinuierlicher Betrieb Neben den rein diskreten und kontinuierlich betriebenen Reaktoren existieren auch Mischformen, die durch eine sogenannte halbkontinuierliche Arbeitsweise gekennzeichnet sind. Dabei werden einzelne Reaktionspartner, ähnlich wie bei Batchreaktoren, diskontinuierlich zugeführt, und andere Stoffe während der Reaktionsdauer kontinuierlich zugeführt bzw. entnommen.
2.2.2 Anlagentypen Wie bereits eingangs beschrieben, entstehen Anlagen durch die Verschaltung einzelner Reaktoren. Die Anlagen werden dabei so konzipiert, dass sie zur Produktion einzelner bzw. mehrerer Zwischen- oder Endprodukte verwendet werden können. Ob eine Anlage eher für Massenproduktion oder Variantenproduktion ausgelegt ist, wird dabei nicht nur durch den Typ der verwendeten Reaktoren bestimmt, sondern auch durch die Art der verwendeten Verbindungstechnik. Grundlegend werden drei Arten chemischer Anlagentypen unterschieden: Einproduktanlagen, Mehrproduktanlagen und Mehrzweckanlagen. 2.2.2.1 Mehrproduktanlagen Bei Mehrproduktanlagen wird die Anzahl und Größe der verwendeten Reaktoren so ausgelegt, dass innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums eine bestimmte Menge unterschiedlicher Varianten eines Grundproduktes hergestellt werden kann. Dabei sind mehrere Reaktoren zu Modulen verschaltet, um eine verfahrenstechnische Operation ausführen zu können. Die Verfahrensparameter können an den jeweiligen Produkttyp angepasst werden. Beim Entwurf der Anlagen besteht das grundsätzliche Entscheidungsproblem darin, sinnvolle Produktgruppen zu bilden und die daraus resultierende apparative Ausrüstung abzuleiten.17 Da dieses Entscheidungsproblem aufgrund der Vielzahl zu berücksichtigender Prozessund Anlagenparameter eine hohe Komplexität aufweist, kommen beim Entwurf solcher Anlagen auch Optimierungsmodelle oder heuristische Verfahren zum Einsatz. Aufgrund
17
Vgl. Such/König (1992), S. 587.
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
15
der Ähnlichkeit der Produktvarianten treten hier zumeist keine reihenfolgeabhängigen Rüstzeiten auf. 2.2.2.2 Mehrzweckanlagen Durch die Verwendung von Mehrzweckanlagen ist die Produktion von Produkten möglich, die auf unterschiedlichsten Spezifikationen basieren. Aufgrund ihrer höheren Prozessflexibilität kommen hierbei meist diskontinuierlich betriebene Reaktoren zum Einsatz. Um die Anpassungsfähigkeit der gesamten Anlage zusätzlich zu erhöhen, werden die Reaktoren durch flexible Rohrleitungen verbunden und können so, je nach den Anforderungen der auszuführenden Prozessabläufe, umkonfiguriert werden.18 Wegen der Heterogenität des herstellbaren Produktspektrums fallen beim Produktwechsel häufig reihenfolgeabhängige Rüst- und Reinigungsvorgänge an, die unproduktive Totzeiten der Anlagen darstellen und mit Kosten verbunden sind. Aufgrund ihrer geringen Durchsätze sind Mehrzweckanlagen zur Herstellung von Produkten vorgesehen, die in geringen Mengen nachgefragt werden. Die Produktion erfolgt meist auftragsbezogen, wobei die Berücksichtigung spezifischer Kundenanforderungen möglich ist. 2.2.2.3 Einzweckanlagen Einzweckanlagen sind für die Produktion eines Produkttyps in großen Mengen ausgelegt. Da kontinuierlich betriebene Reaktoren einen hohen Automatisierungsgrad und somit hohe Durchsatzvolumina ermöglichen, basieren Einzweckanlagen häufig auf diesem Apparatetyp. Die Konfiguration der Anlagen entspricht somit dem so genannten Fließprinzip, das durch die in der chemischen Industrie vorherrschenden ungeformten Produkte begünstigt wird.19 Eine Umstellung der Anlagen auf ein anderes Produkt ist, wenn überhaupt möglich, mit sehr großem Aufwand verbunden. Die Produktion erfolgt meist kundenauftragsneutral. Aus diesem Grund sind beim Entwurf von Einzweckanlagen der Anlagendurchsatz und die Lagerkapazität für Zwischen- und Endprodukte die wichtigsten Designkriterien. Die Entscheidung, ob ein chemischer Prozess durch die Verwendung einer kontinuierlichen bzw. diskret betriebenen Produktionsanlage ausgeführt werden soll, kann nicht allein aufgrund wirtschaftlicher Beweggründe getroffen werden. Bei der Auswahl der passenden Reaktortechnologie ist häufig auch deren Eignung bezüglich der durch den chemischen
18 19
Vgl. Rippin (1993), S. 2. Vgl. Loos Peter (1997), S. 62 f.
16
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
Prozess vorgegebenen Reaktionsbedingungen maßgeblich. Beispielsweise ist die Wärmeabführung bei kontinuierlich betriebenen Reaktoren wesentlich leichter zu handhaben. Somit werden sie bei stark exothermen Reaktionen bevorzugt eingesetzt. Bei nicht fluiden Reaktionspartnern ist hingegen meist ein diskontinuierlicher Reaktorbetrieb zwingend erforderlich.
2.2.3 Anlagenfahrweise In Abhängigkeit vom konkreten Produktionsumfeld werden die Anlagen im KampagnenModus oder Short-Term-Modus betrieben.20 Die Anwendung des Short-Term-Modus ist im Falle einer auftragsorientierten Produktion sinnvoll, bei der die Nachfragedaten relativ unsicher und die Bedarfsmengen der einzelnen Endprodukte vergleichsweise gering sind. Diese Anlagenfahrweise basiert auf einem vergleichsweise kurzfristigen Planungshorizont, innerhalb dem die Auflegungsreihenfolge der Produkte der jeweiligen Auftragslage angepasst wird. Für solch schnelle Produktwechsel sind jedoch nicht alle Anlagentypen geeignet, so dass lediglich Mehrprodukt- oder Mehrzweckanlagen auf diese Weise betrieben werden. Für kontinuierlich betriebene Anlagen, die lediglich einige Varianten eines Grundproduktes erzeugen, ist der Kampagnen-Modus geeignet. Diese Anlagenfahrweise basiert darauf, die Produktionsaufträge für ein einzelnes Produkt oder eine Produktgruppe mit ähnlichen Eigenschaften zusammenzufassen und nacheinander auf einer Anlage zu produzieren. Der Vorteil dabei ist, dass die bei einem Produktwechsel notwendigen Rüst- und Reinigungsvorgänge seltener anfallen. Allerdings muss dafür vorausgesetzt sein, dass relativ langfristige Bedarfsprognosen vorliegen, die mit relativ wenig Unsicherheiten behaftet sind. Um Produktionskampagnen mit ausreichender Länge bilden zu können, ist es weiterhin notwendig, dass die Bedarfsmengen für ein Produkt vergleichsweise hoch sind.
2.3 Produktionsplanung in der chemischen Industrie Insbesondere aufgrund der verteilten Produktionsnetzwerke und der Vielzahl technologischer Nebenbedingungen stellt das Problem der Produktionsplanung und -steuerung in der chemischen Industrie eine besondere Herausforderung dar. Um diese Planungsaufgabe bewältigen zu können, ist eine hierarchische Zerlegung des Gesamtplanungsproblems in
20
Vgl. Papageorgiou/Pantelides (1996), S. 488, Voß/Witt (2003), S. 77.
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
17
einzelne Teilprobleme notwendig.21 Dabei werden die Planungsaufgaben entweder der strategischen, taktischen oder operativen Hierarchieebene zugeordnet, deren Abgrenzung hinsichtlich der folgenden Kriterien erfolgt:22 x Planungshorizont x Bedeutung der Entscheidung für das Gesamtunternehmen x Managementebene, auf der die Entscheidung getroffen wird x Aggregationsgrad der verwendeten Daten
Zur Umsetzung hierarchischer Planungsansätze in der industriellen Praxis wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Softwaresysteme entwickelt, die auf unterschiedlichen Planungskonzepten basieren. Die Entwicklung dieser Konzepte erfolgte ausgehend von der sogenannten Material-Requirements-Planning (MRP I) Methodik, die eher auf eine reine Materialbedarfsplanung ausgerichtet war. Als Erweiterung dieses Verfahrens wurde das Konzept des Manufacturing-Resource-Planning (MRP II) entwickelt, wodurch eine einfache Berücksichtigung der Produktionskapazitäten ermöglicht wurde. Allerdings konnten auch durch diese Weiterentwicklung nicht die konzeptionellen Schwächen dieser Planungsverfahren behoben werden. Als Ursache dieser Defizite wird die Verwendung des Sukzessivplanungskonzeptes angesehen. Der Hauptnachteil dieses Ansatzes besteht darin, dass keine systematische Erfassung knapper Ressourcen vorgesehen ist.23 Trotz dieser Defizite beruhen die Produktionsplanungsmodule der heutigen Enterprise-Resource-Planning (ERP) Systeme weiterhin auf einem MRP II basierten Planungsansatz. Seit dem Anfang der neunziger Jahre etablierten sich zunehmend sogenannte AdvancedPlanning-Systeme (APS), die auf einem funktional und methodisch vollkommen neu ausgerichteten Planungskonzept basieren.24 Gefördert wurde deren Entstehung vor allem durch den Wunsch der ERP-Systemanwender nach verbesserten Produktionsplanungsmethoden und die rasante Leistungsentwicklung moderner EDV-Technik. Die wesentliche Merkmale dieser Systeme bestehen in der Unterstützung einer standortübergreifender Produktionsund Distributionsplanung und der Integration leistungsfähiger Planungsverfahren aus dem Bereich des Operations-Research.
Zur hierarchischen Planung vgl. u.a. MacCarthy (2006), S. 64 f. Vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 25. Eine ausführliche Beschreibung der Entwicklung von Planungssystemen geben u.a. Yang (2005), Abschnitt 3.4. und Lütke Entrup (2005), Abschnitt 2.1. 24 Vgl. u.a Stadtler/Kilger (2005), Günther/Tempelmeier (2005), Kap. 15. 21 22 23
18
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
Abb. 6: Grundlegende Planungsmodule eines Advanced-Planning-Systems
Da das Planungskonzept dieser Systeme den aktuellen Entwicklungsstand auf diesem Gebiet darstellt, soll deren hierarchische Planungsarchitektur als Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen eingeführt werden. Ferner werden die Erläuterungen der grundlegenden Planungsaufgaben auf den jeweiligen Hierarchieebenen durch die dort auftretenden spezifischen Planungsprobleme der chemischen Industrie ergänzt. Die grundlegende Planungshierarchie eines Advanced-Planning-Systems ist in der Abb. 6 wiedergegeben.. Die Abgrenzung der einzelnen Planungsmodule orientiert sich dabei an der Architektur der aktuell verfügbaren Softwaresysteme, wobei allerdings kein Bezug zu einem konkreten Planungssystem besteht. Auf die Darstellung der Module zur Distributions- und Transportplanung wurde bewusst verzichtet, da sie in keinem direkten Zusammenhang mit der reaktiven Anlagenbelegungsplanung stehen. Einen umfassenderen Überblick zur Architektur von Advanced-Planning-Systemen beschreibt RHODE ET AL. (2000). Der Schwerpunkt dieser Darstellung wurde vielmehr auf der Ebene zur Feinplanung gelegt, da hier die Funktionen zur reaktiven Planung anzusiedeln sind. Dabei wird deutlich, dass die reaktiven Planungsmethoden über zahlreiche Schnittstellen in das Planungssystem eingebunden sind.25 Bei der Entwicklung, der in den späteren Kapiteln erläuterten reaktiven Verfahren wurde
25
Vgl. Munawar/Gudi (2005), S. 4002.
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
19
diesem Anspruch dadurch Rechnung getragen, das sie in eine praxisnahe Planungsarchitektur eingebettet wurden.
2.3.1 Netzwerkdesign Auf der Ebene des Netzwerkdesign werden langfristige Entscheidungen bezüglich der grundlegenden Infrastruktur der Logistikkette getroffen. Dazu zählt die Wahl der Produktions-, Lager- und Distributionsstandorte und deren kapazitive Ausstattung. Neben dem Auf- und Abbau eigener Standorte kann die Wertschöpfungskette durch die Übernahme eines fremden Unternehmens erweitert werden. Auf diese Weise ist es möglich, in relativ kurzer Zeit neue Absatzmärkte zu erschließen oder das Produktspektrum zu erweitern. In Analogie dazu ist durch die Ausgliederung eigener Unternehmensbereiche eine schärfere Abgrenzung des eigenen Geschäftsfeldes möglich. Die Planung erfolgt hier auf der Grundlage langfristiger Bedarfsprognosen und verfolgt meist die Zielsetzung, monetäre Zielgrößen, wie den Deckungsbeitrag oder Cash Flow, zu maximieren.26 In engem Zusammenhang mit der kapazitiven Ausstattung der Produktionsstandorte stehen Entscheidungen bezüglich des Prozess- und Anlagendesigns. Hierbei werden auch der Betriebsmodus und der zu verwendende Anlagentyp festgelegt. Aufgrund des hohen Investitionsvolumens, das für die Errichtung chemischer Produktionsanlagen aufzubringen ist, kommt diesem Entscheidungsproblem eine besondere Bedeutung zu. Somit existieren in diesem Problemfeld bereits zahlreiche Ansätze, die allerdings eher die lokale Produktionsstruktur eines einzelnen Standortes optimieren.27 Bisher relativ wenig Beachtung wurde dem Einfluss des lokalen Anlagendesigns auf die Leistungsfähigkeit der gesamten Wertschöpfungskette zuteil, bei der ein mehrstufiger Produktionsprozess über mehrere Standorte verteilt ist.28 Im Vergleich zu anderen Branchen treten in der chemischen Industrie relativ selten grundlegende Produktinnovationen auf. Ausgenommen davon ist die pharmazeutische Industrie, wo Produktneuentwicklungen mit sehr hohen Kosten und Risiken verbunden sind. Der Hauptgrund dafür besteht in den langwierigen und mit sehr hohen Kosten verbundenen klinischen Studien, die ein Medikament bis zur Marktreife durchlaufen muss.29 Entschei-
Vgl. Applequist et al. (2000), S. 2212 und Kallrath (2002a), S. 224. Vgl. Barbosa-Povoa et al. (2001), Cavin et al. (2005), Bernardo et al. (2001) und Ierapetritou/Pistikopoulos (1996). 28 Vgl. Shah (2005), S. 1229 oder Grossmann/Biegler (2004), S. 1212. 29 Vgl. Sarantopoulos et al. (1995) S. 460 oder Shah (2004), S. 931. 26 27
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dungen bezüglich künftiger Produktneuentwicklungen sind damit ebenfalls der strategischen Planungsebene zuzuordnen. Aufgrund der langwierigen und unsicheren Entwicklungsprozesse pharmazeutischer Produkte werden die bestehenden Wechselwirkungen zwischen der Planung des Netzwerkdesign und den Entscheidungen bezüglich der Produktstruktur auch in integrierten Planungsansätzen betrachtet.30
2.3.2 Absatzplanung und Verfügbarkeitsprüfung Auf nahezu allen Planungsebenen bilden Bedarfsprognosen unterschiedlicher Reichweite eine wichtige Planungsgrundlage und haben somit entscheidenden Einfluss auf deren Planungsqualität. Die Absatzplanung erfolgt meist auf der Grundlage fundierter statistischer Verfahren, die auf der Basis von Vergangenheitsdaten die künftigen Absatzmengen prognostizieren. Eine alleinige Bedarfvorhersage auf der Basis von Vergangenheitsdaten erscheint insbesondere aufgrund der mit steigendem Prognosehorizont erhöhten Unsicherheit nicht zweckmäßig. Aus diesem Grund ist eine zusätzliche Berücksichtigung externer Einflussgrößen erforderlich.31 Da die meisten Chemiesparten als Rohstofflieferant der verarbeitenden Industrie fungieren und somit eine relativ große Entfernung zum Endkunden aufweisen, sind künftige Marktentwicklungen und damit verbundene Nachfrageschwankungen relativ schwer absehbar.32 Aus diesem Grund ist für diesen Industriezweig die Möglichkeit einer kollaborativen Prognoseerstellung von besonderer Bedeutung. Bei dieser Form der Absatzplanung werden die Informationen aus unternehmensinternen Quellen, aber auch die anderer an der Wertschöpfungskette beteiligter Unternehmen verwendet.33 Die Ermittlung kurzfristiger Lieferzusagen erfolgt durch Funktionen, die unter dem Begriff der Verfügbarkeitsprüfung oder Available-To-Promise (ATP) zusammengefasst werden. Eine solche Verfügbarkeitsprüfung ist dann notwendig, wenn ein Kundenauftrag eine relativ kurzfristige Lieferfrist besitzt, so dass er im Rahmen der mittelfristigen Planung nicht mehr berücksichtigt werden kann. In einem solchen Fall besteht die Planungsaufgabe darin festzustellen, ob und zu welchem Zeitpunkt der Auftrag mit den zur Verfügung stehenden Mitteln gedeckt werden kann.34 Die dabei verwendeten Methoden reichen von der einfa-
Vgl. Levis/Papageorgiou (2004), S. 707 ff. Vgl. Fleischmann/Meyr (2003), S. 485. Vgl. Abschnitt 2.1.1 33 Vgl. Fleischmann/Meyr (2003), S. 486. 34 Vgl. Kilger/Schneeweiss (2000), S. 136. 30 31 32
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chen Prüfung der Produktverfügbarkeit auf der Basis von aktuellen Beständen und künftigen Produktionszugängen bis zur Ermittlung von Alternativen zur Bedarfsbefriedigung oder dem Vorschlag von Teillieferungen.35 Falls die auf Basis des bestehenden Produktionsplans die Kundenanfrage nicht befriedigt werden kann, besteht die Möglichkeit durch die Funktionen des Capable-To-Promise (CTP) zusätzliche Aufträge zur Bedarfsdeckung einzuplanen. Neben einer vollständigen Stücklistenauflösung erfolgt dabei auch die Abstimmung mit den dazu notwendigen Produktionsressourcen.36 Da in einer realen Produktionsumgebung meist eine Reihe dieser Funktionen alternativ anwendbar sind, werden diese zu sogenannten ATP-Systemen zusammengefasst. Generell werden diese ATP-Systeme danach unterschieden, ob sie einen direkten Zugriff auf die Anlagenbelegungsplanung haben.37 Aktive ATP-System besitzen eine solche CTPFunktionalität, so dass die Möglichkeit besteht durch die Einplanung zusätzlicher Kundenaufträge eine Bedarfsdeckung vorzunehmen. Im Unterschied dazu haben passive ATPSysteme diese Funktion nicht. Weiterhin können die ATP-Systeme in unterschiedlichen Operationsmodi ausgeführt werden. Im sogenannten Echtzeitmodus wird für jede Anfrage ein separater Verfügbarkeitslauf gestartet, wohingegen im Batchmodus die Bedarfsanfragen gesammelt werden und gemeinsam durch eine periodische Verfügbarkeitsprüfung verarbeitet werden.
2.3.3 Netzwerkplanung Die Hauptaufgabe der Netzwerkplanung besteht in der standortübergreifenden Koordination der Produktions- und Distributionsprozesse für einen mittelfristigen Planungshorizont. Als Entscheidungsvariablen sind die entsprechenden Produktions-, Distributionsund Lagermengen sowie deren Zuordnung zu den entsprechenden Standorten anzusehen. Die auf dieser Planungsebene verfolgten Zielsetzungen sind häufig an monetäre Größen gekoppelt, wie Deckungsbeitrag oder Cash Flow. Aufgrund des mittelfristigen Planungshorizontes sind hier noch geringfügige Kapazitätsanpassungen möglich, wie durch die Einplanung von Sonderschichten.38 Die Planung basiert meist auf einem relativ hohen Aggregationsniveau. So ist die Planungsgranularität auf ein relativ grobes Zeitraster von Wochenoder Tagesperioden beschränkt. Um die Lösbarkeit der resultierenden Entscheidungsprob-
Vgl. Pibernik (2002), S. 346. Vgl. Teich et al. (2002), S. 22, Berning et al. (2004), S. 926 oder Günther/Tempelmeier (2005), S. 331. Vgl. Pibernik (2005), S. 240. 38 Vgl. Stadtler (2005), S. 580 35 36 37
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2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
leme zu ermöglichen, wird ein zweckmäßiger Detaillierungsgrad zur Darstellung des Produktinsumfeldes gewählt. So werden beispielsweise die einzelnen Produktvarianten zu Produktgruppen zusammengefasst und die Ressourcenausstattung der Produktionsstandorte auf Anlagenebene aggregiert.39 Insbesondere für die chemische Industrie bestehen auf dieser Planungsebene eine Reihe von spezifischen Problemstellungen. So kann aufgrund geringfügiger Spezifikationsabweichungen bei der Erzeugung eines Produktes in unterschiedlichen Produktionsstätten eine zusätzliche Einschränkung der möglichen Lieferbeziehungen bestehen. Die Ursachen sind darin begründet, dass Produktionsprozesse des Kunden auf die Eigenschaften eines Produktes abgestimmt sind, dass in einem bestimmten Werk erzeugt wurde. Die Lieferung kann somit nur aus diesem Werk erfolgen.40 Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass innerhalb eines chemischen Produktionsnetzwerks häufig zwischen lokalen Produkten und Netzwerkprodukten unterschieden wird.41 Die Erzeugung der lokalen Produkte erfolgt vollständig innerhalb eines einzelnen Produktionsstandortes, wohingegen die Netzwerkprodukte in einem mehrstufigen Produktionsprozess, der auf mehrere Standorte verteilt ist, produziert werden. Wenn zur Erzeugung beider Produktarten die gleichen Anlagen benötigt werden, besteht zwischen Ihnen ein Ressourcenkonflikt. Da naturgemäß die Hauptaufmerksamkeit des örtlichen Managements eher auf den lokalen Produkten liegt, besteht eine verstärkte Notwendigkeit, die werksübergreifenden Prozesse durch eine übergeordnete Instanz zu koordinieren. Auf der Planungsebene der Netzwerkplanung existieren eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren, wie beispielsweise variable Nachfragemengen und Rohstoffpreise, Qualitätsschwankungen oder Prozessstörungen. Um die Lieferbereitschaft in Anbetracht dieser Risiken sicherzustellen, werden im Rahmen der Netzwerkplanung Sicherheitsbestände eingeplant. Deren Bestandshöhe ist dabei so zu bemessen, dass bei gleichzeitiger Minimierung der Bestandskosten die Lieferbereitschaft sichergestellt wird.42 Weiterhin wird auf dieser mittelfristigen Planungsebene die Bildung der Produktionskampagnen vorgenommen. Dabei wird versucht, die Produktionsaufträge eines einzelnen Produktes oder einer Gruppe ähnlicher Produkte zusammenzufassen und ohne Unterbrechung auf einer Anlage einzuplanen.43 Die maßgebliche Zielsetzung besteht in der Minimierung der
Vgl. Yang (2005), S. 80 ff. Vgl. Kallrath (2002a), S. 225. Vgl. Grunow et al. (2003b), S. 74. 42 Vgl. Jung et al. (2004), S. 2087. 43 Vgl. Abschnitt 2.2.3. 39 40 41
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Kosten, die bei der Umstellung der Anlagen auf einen anderen Produkttyp entstehen. Eine deutliche Vereinfachung des Kampagnenplanungsproblems ergibt sich, wenn für die Produktvarianten eine natürliche Auflegungsreihenfolge existiert, bei deren Einhaltung keine oder nur sehr geringe Rüst- oder Reinigungsaufwendungen entstehen. In einem solchen Fall kann das in der Praxis weit verbreitete Blockplanungsprinzip zur Anwendung kommen.44 Dabei werden die Produktionslose zu Blöcken zusammengefasst, wobei die Auflegungsreihenfolge der Produktvarianten innerhalb der Blöcke fest vorgegeben wird und sich an der natürlichen Auflegungssequenz orientiert. Da jedes Produkt mindestens einem Block zugeordnet ist und die Auflegung der Blöcke nach einem zyklischen Wiederholungsmuster erfolgt, ist sichergestellt, dass in regelmäßigen Zeitabständen jedes Produkt eingeplant werden kann. Auf diese Weise ergibt sich eine deutliche Reduzierung der Planungskomplexität, da lediglich entschieden werden muss, ob ein Produkt in einem Produktionszyklus aufgelegt wird und welche Menge des Produktes erzeugt werden soll.
2.3.4 Anlagenbelegungsplanung Die Ausgangsdaten für die Anlagenbelegungsplanung basieren auf den Ergebnissen der übergeordneten Netzwerkplanung oder kurzfristig eintreffenden Kundenaufträgen. Auf dieser auch als Feinplanung bezeichneten Planungsebene wird jeder Produktionsstandort einzeln betrachtet. Die hierbei zu lösenden Entscheidungsprobleme bestehen hauptsächlich in der detaillierten Zuordnung der Prozessaufträge zu den einzelnen Anlagen und der Festlegung ihrer Start- und Endtermine. Zeitbezogene Ziele Gesamtdurchlaufzeit Rüst- und Reinigungszeit Verspätungszeiten
Monetäre Ziele Betriebskosten Rüst- Reinigungskosten Gewinn
Relationale Ziele Anlagenauslastung Servicegrad Planstabilität
Tab. 1: Zielsetzung der Anlagenbelegungsplanung
Die grundlegende Zielsetzung besteht darin, Anlagenbelegungspläne zu generieren, die einen maximalen Produktionsoutput bei gleichzeitig minimalem Aufwand sicherstellen. Bei den in der chemischen Industrie vorliegenden komplexen Produktionsprozessen kann die Einhaltung dieses Ziels nicht durch die Auswertung eines einzelnen Planungsparameters sichergestellt werden. Es müssen vielmehr eine Reihe von, zum Teil untereinander konkurrierenden und schwer quantifizierbaren, Ersatzzielgrößen definiert werden. Eine Auswahl
44
Vgl. Neuhaus et al. (2003), S. 375 oder Günther et al. (2006), S. 3713.
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2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
der wichtigsten ist in Tab. 1 aufgeführt. Je nach Produktionsumfeld ist häufig eine Kombination mehrerer Zielgrößen zu berücksichtigen. Im Vergleich zur Netzwerkplanung ist der bei der Anlagenbelegungsplanung zu Grunde liegende zeitliche und sachliche Detaillierungsgrad sehr hoch. Falls die Erzeugung eines Produktes in einem mehrstufigen Prozess erfolgt, ergeben sich daraus relativ lange Durchlaufzeiten. Um die Abläufe der einzelnen Prozessstufen koordinieren zu können, ist bei der Planung ein Vorausschauhorizont zu berücksichtigen, der in Abhängigkeit des konkreten Produktionsumfelds mehrere Tage bis zu einigen Wochen betragen kann. Aus diesen Gründen sind bei der Anlagenbelegungsplanung sehr komplexe Zusammenhänge zu berücksichtigen.45 Die dabei zu lösenden Planungsprobleme sind meist NP-hart und müssen in vergleichsweise kurzer Rechenzeit gelöst werden. Somit wird angestrebt, möglichst schnell eine zulässige und hinsichtlich der Zielfunktionskriterien akzeptable Lösung zu ermitteln. 46 Neben der periodisch ausgeführten Belegungsplanung zur Fortschreibung des Planungshorizontes ist eine ereignisbezogene Plananpassung erforderlich, falls Störungen im Produktionsablauf oder Änderungen der Bedarfssituation auftreten. Auf diese Weise steht die Anlagenbelegungsplanung in engem Zusammenhang mit der Prozessleitebene.47 Eine besondere Bedeutung bei der Terminierung der Prozessaufträge besitzt die interaktive Planung, da kleinere Plananpassungen auch manuell durchgeführt werden. Da diese ereignisbasierten Umplanungsvorgänge im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, wurden die Ursachen und Wirkungen von planungsrelevanten Störungen ausführlich in Abschnitt 3.2 erläutert. Chemische Produktionsprozesse besitzen eine Reihe von typischen Charakteristika, die zum Teil nur in diesem Industriezweig vorzufinden sind. Aus diesen Besonderheiten resultieren eine Reihe zusätzlicher Nebenbedingungen für die Anlagenbelegungsplanung. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Charakteristika näher erläutert, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Weiterführende Darstellungen zu diesem Thema sind beispielsweise in HONKOMP ET AL. (2000) und KALLRATH (2002a) zu finden. Bei zahlreichen chemischen Produktionsprozessen tritt eine sogenannte Kuppelproduktion auf. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass bei der Ausführung eines Prozesses neben dem eigentlichen Hauptprodukt ein oder mehrere Nebenprodukte anfallen.48 Falls hingegen in
Vgl. Portougal/Robb (2000), S. 68 f. und S. 73. Vgl. Kallrath (2002a), S. 221. Vgl. Ishii/Muraki (1997) oder Ruiz et al. (2001), S. 829. 48 Vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S. 19. 45 46 47
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
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einen chemischen Prozess mehrere Inputprodukte eingehen, spricht man von Mischprozessen. Die Mengenverhältnisse, sowohl der Input- als auch der Outputgüter, können entweder starr oder flexibel sein. Neben diesen divergierenden bzw. konvergierenden Strukturen treten in der chemischen Industrie häufig auch zyklische Materialflüsse auf. Solche Kreislaufprozesse entstehen beispielsweise dann, wenn bei einer chemischen Reaktion keine vollständige Umsetzung der Edukte erfolgt. Um deren Ausbeute zu erhöhen, wird der nicht umgesetzte Teil von den Reaktionsprodukten abgetrennt und als Beimischung den Edukten wieder zugeführt.49 Aufgrund ihrer ungeformten Materialeigenschaften sind zur Lagerung chemischer Produkte Lagereinrichtungen in Form von Silos oder Tankanlagen notwendig.50 Häufig können auch die eigentlichen Reaktionsbehälter zur Zwischenlagerung verwendet werden, da die Produkte nicht sofort nach Abschluss des chemischen Prozesses entleert werden müssen. Bei der Nutzung von Lagereinrichtungen ist zu beachten, dass sie gleichzeitig nur durch Produkte einer Spezifikation befüllt werden können. Erfolgt eine Mischung mit anderen Produkttypen wird deren Inhalt unbrauchbar. Da in einer Produktionsanlage nicht beliebig viele solcher Einrichtungen untergebracht werden können, ist deren Lagerkapazität meist begrenzt. Aufgrund instabiler chemischer Verbindungen kann weiterhin die Lagerfähigkeit einzelner Produkte eingeschränkt sein. Dabei kann der Fall auftreten, dass diese Produkte innerhalb einer definierten Haltbarkeitsdauer weiterverarbeitet werden. Produkte die sofort weiterverarbeitet werden müssen, werden auch als Zero-Wait-Produkte bezeichnet. Wenn auf einer Anlage verschiedene Prozesse ausgeführt werden können, sind die Anlagen beim Prozesswechsel häufig zu reinigen. Der Aufwand der Reinigungsvorgänge kann davon abhängen in welcher Reihenfolge die Prozesse auf einer Anlage ausgeführt werden. Neben der Anlagenreinigung sind beim Produktwechsel häufig auch Umkonfigurationen der Produktionsanlagen notwendig, die als Rüstvorgänge bezeichnet werden. Da durch solche unproduktiven Vorgänge auch personeller und finanzieller Aufwand entsteht, ist es ein Ziel der Anlagenbelegungsplanung die Auflegungsreihenfolge der Prozessaufträge so zu bestimmen, dass aufwendige Rüst- und Reinigungsvorgänge vermieden werden. Falls zur Ausführung eines chemischen Prozesses mehrere alternative Anlagen zur Verfügung stehen, wird die Komplexität des Anlagenbelegungsplanungsproblems stark erhöht. Häufig unterscheiden sich diese Ausführungsvarianten durch unterschiedliche Prozesszeiten oder Batchgrößen.
49 50
Vgl. Imboden (1998), S. 71. Vgl. Yang (2005), S. 30 f.
26
2 Produktionswirtschaftliche Grundlagen der chemischen Industrie
In den meisten Fällen korrespondieren die Mengen der Primär- und Sekundärbedarfe nicht mit den Batchgrößen der Produktionsprozesse. Falls ein Produktionszugang mehrere Bedarfe erfüllt wird von einem Batchsplitting gesprochen. Im umgekehrten Fall, wenn mehrere Zugänge zur Befriedigung eines Bedarfes verwendet werden, liegt ein Batchmerging vor. Somit können die einzelnen Produktionsaufträge in den meisten Fällen nicht einzelnen Kundenaufträgen zugeordnet werden. Auf diese Weise entsteht ein sehr komplexes Netz von Materialflussbeziehungen zwischen den einzelnen Prozessaufträgen.
2.4 Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entwicklung reaktiver Planungsmethoden für Produktionsprozesse der chemischen Industrie. Dabei steht die Produktion auf Mehrzweckanlagen, die in diskontinuierlicher Betriebsweise arbeiten, im Mittelpunkt der Betrachtung. Aufgrund des vergleichsweise hohen Spektrums herstellbarer Produkte und der aufwendigen Prozessteuerung stellt dieser Anlagentyp eine sehr dynamische Planungsumgebung dar, in der eine häufige Plananpassung notwendig ist. Typische Auslöser einer Plananpassung stellen Anlagenausfälle oder das Eintreffen von Eilaufträgen dar. Diese Störereignisse treten innerhalb eines sehr kurzfristigen Planungshorizontes auf und müssen somit auf der Ebene der Anlagenbelegungsplanung berücksichtigt werden, bei der ein sehr hoher sachlicher und zeitlicher Detaillierungsgrad vorliegt. Aufgrund der zahlreichen technologischen Besonderheiten bei der Batchproduktion resultieren für die Anlagenbelegungsplanung eine Vielzahl von Nebenbedingungen, die zu einer zusätzlichen Erhöhung der Planungskomplexität beitragen. Da bei der Erstellung detaillierter Belegungspläne nur vergleichsweise wenig Rechenzeit zur Verfügung steht, müssen die dabei verwendeten Verfahren in der Lage sein, einen zulässigen Plan mit akzeptabler Lösungsqualität schnell bereitzustellen. Die mathematische Optimalität dieser Lösung ist somit nicht zwingend erforderlich.
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
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3. Reaktive Anlagenbelegungsplanung In der Praxis scheitert die Anwendung von Schedulingverfahren häufig aus zwei Gründen.51 Viele in der Praxis verwendeten Planungsverfahren vernachlässigen wichtige Nebenbedingungen des realen Produktionsumfeldes, so dass die ermittelten Ergebnisse nicht umsetzbar sind. Des weiteren wird häufig die Tatsache ignoriert, dass während der Ausführung eines Plans dynamische Veränderungen des Produktionsumfelds auftreten können, die dessen weitere Ausführung verhindern. Diese Effekte lassen sich in der Realität durch die Prognose künftiger Entwicklungen und die sorgfältige Erfassung der aktuellen Planungssituation reduzieren, können aber nie ganz ausgeschlossen werden.52 Aufgrund dieser Unsicherheiten sind bei der Planausführung Steuerungseingriffe erforderlich, die durch Methoden zur reaktiven Planung unterstützt werden. Diesem Problemfeld wurde in der produktionswirtschaftlichen Forschung bisher relativ wenig Beachtung beigemessen. Um eine systematische Einführung reaktiver Planungsverfahren zu ermöglichen, wird in dem folgenden Abschnitt zunächst eine Abgrenzung der reaktiven und prädiktiven Planung vorgenommen. Eine systematische Aufbereitung der wichtigsten Ursachen für planungsrelevante Störereignisse und deren Wirkung wird in Abschnitt 3.2 dargestellt. Im Anschluss daran werden die wichtigsten Anforderungen an Verfahren zur reaktiven Plananpassung formuliert. Da die Umsetzung reaktiver Planungsverfahren sehr stark vom konkreten Produktionsumfeld abhängt, existieren in diesem Bereich zahlreiche unterschiedliche Ansätze, die innerhalb des Abschnitts 3.4 durch die Verwendung eines allgemeinen Kategorisierungsschemas systematisiert werden. Eine wesentliche Besonderheit reaktiver Planungsverfahren besteht darin, dass neben den klassischen Zielgrößen, die auf die Effektivitätskennzahlen des ermittelten Plans bezogen sind, auch eine Reihe weiterer Bewertungsmaßstäbe notwendig sind, die beispielsweise Auskunft über den Umfang der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen geben. Eine ausführliche Einführung wichtiger Kennzahlen für ein dynamisches Planungsumfeld wird in Abschnitt 3.5 vorgenommen. Der Schwerpunkt wird dabei auf Indikatoren zur Bewertung der Planstabilität bei der Ausführung reaktiver Anpassungsmaßnahmen gelegt.
51 52
Vgl. Smith (1994), S. 29. Vgl. McKay/Wiers (1999), S.48.
28
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
3.1 Abgrenzung von prädiktiver und reaktiver Planung In der wissenschaftlichen Literatur werden prädiktive und reaktive Planungsverfahren unterschieden, die auf verschiedenen Annahmen zur Berücksichtigung der Unsicherheit basieren.53 Bei der prädiktiven Planung wird von einem statischen Planungsumfeld ausgegangen, in dem alle planungsrelevanten Informationen im Voraus bekannt sind und sich im Zeitablauf nicht ändern.54 Somit kann für alle, innerhalb eines festgelegten zeitlichen Horizontes relevanten Objekte ein Plan erstellt werden, der unverändert ausgeführt werden soll. Die prädiktive Planung besitzt somit einen offline Charakter.55 Die methodische Umsetzung solcher prädiktiver Planungsansätze wurde in der wissenschaftlichen Literatur bereits ausführlich behandelt und steht nicht im Blickpunkt dieser Arbeit. Eine generelle Einführung in diese Thematik bieten beispielsweise PINEDO/CHAO (1999), BRUCKER (2004), BAPTISTE ET AL.
(2001), MORTON/PENTICO (1993). Für die Anlagenbelegungsplanung in der chemischen Industrie ist eine aktuelle Übersicht solcher prädiktiver Planungsmethoden durch MENDEZ ET AL. (2006), BURKARD/HATZEL (2005) und FLOUDAS/LIN (2004) erstellt wor-
den. Die reaktive Planung geht von einem dynamischen Planungsumfeld aus, in dem Änderungen der Planparameter auftreten können. Um die Zulässigkeit des bestehenden Plans sicherzustellen, sind beim Auftreten planungsrelevanter Ereignisse56 Anpassungsmaßnahmen einzuleiten, durch die der bestehende Plan aktualisiert wird. Um solche Ereignisse zu identifizieren, werden während der Ausführung des aktuellen Plans kontinuierlich Informationen aus dem realen Produktionssystem ausgewertet. Die reaktive Planung besitzt somit die Merkmale einer Online-Planung, da Planungsentscheidungen auch dann getroffen werden, wenn sie durch das Auftreten eines Störereignisses erforderlich werden. Bei einer reinen Online-Planung wird sogar davon ausgegangen, dass nach jedem planungsauslösenden Ereignis immer nur die nächste anstehende Entscheidung getroffen wird. Ein prädiktiver Plan wird somit nicht erstellt. In der wissenschaftlichen Literatur sind für reaktive Planungsverfahren auch die Begriffe Reactive-Scheduling, Rescheduling oder Dynamic-Scheduling gebräuchlich.
Vgl. Suresh/Chaudhuri (1993), S. 53. Vgl. Kutanoglu/Wu (2004), S. 1107. Vgl. Sabuncuoglu/Bayiz (2000), S. 568. 56 Diese Ereignisse sollen im folgenden auch als Störungen oder Störereignisse bezeichnet werden. 53 54 55
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
29
Da in realen Produktionssystemen eine Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren existieren, ist hier eine rein prädiktive Planung nicht praktikabel. Insbesondere bei der Anlagenbelegungsplanung in der chemischen Industrie kann jedoch nicht vollständig auf eine Vorausplanung verzichtet werden, da aufgrund der langen Durchlaufzeiten eine Koordination der Prozessstufen erforderlich ist. Aus diesem Grund werden Verfahren zur prädiktiven Planung häufig durch reaktive Funktionen ergänzt. Eine ausführliche Kategorisierung dieser Mischformen erfolgt in Abschnitt 3.4.2. Die genaue Ausgestaltung eines solchen reaktiven Planungsverfahrens ist stark abhängig vom betrachteten Produktionssystems und der Art und Wirkung der auftretenden Störereignisse. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt eine detaillierte Analyse der Störereignisse vorgenommen, die für chemische Produktionsprozesse typisch sind.
3.2 Ursprung und Wirkung von Störungen Allgemein ist die Planung unter Unsicherheit dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb eines Systems Entscheidungen getroffen werden müssen, wobei der künftige Systemzustand nicht mit Gewissheit vorhersehbar ist.57 Reale Produktionssysteme sind durch eine Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren gekennzeichnet, die zu Störungen des Produktionsablaufs führen können und somit eine Planungsanpassung erforderlich machen. Der Ursprung solcher Störungen kann unterschiedlichster Natur sein. So können beispielsweise Planungsänderungen notwendig sein, weil eine Änderung externer Einflussgrößen auftrat, wie es beim Eintreffen kurzfristiger Kundenaufträge der Fall ist. Es existieren allerdings auch interne Unsicherheitsfaktoren, wie beispielsweise in Form von Qualitätsschwankungen der Endprodukte oder der Anlagenverfügbarkeit. Um eine Kategorisierung solcher Störfaktoren vorzunehmen, werden gemäß AYTUG ET AL. (2005), S. 92 drei Dimensionen der Unsicherheit eingeführt: Ursache, Wirkung, Kontext. Die Erläuterungen zu den Störungswirkungen werden dabei durch die zur Anpassung des Anlagenbelegungsplans notwendigen Reaktionen ergänzt. In den folgenden Abschnitten werden die drei Dimensionen der Unsicherheit anhand von konkreten Störungen erläutert, die für chemische Produktionsprozesse typisch sind.
57
Vgl. Zimmermann (2000), S. 191.
30
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
3.2.1 Ursachen Die Störungsursachen können den einzelnen Objekten zugeordnet werden, die innerhalb des Planungsprozesses zu berücksichtigen sind. Die Zustände dieser Objekte sind durch bestimmte Attribute gekennzeichnet. Eine Störung des Produktionsablaufes liegt dann vor, wenn die Attribute dieser Objekte eine ungeplante Ausprägung annehmen. Weiterhin treten zwischen den Attributen der Planungsobjekte Wechselwirkungen auf, die eine Kette von Folgereaktionen hervorrufen können. Um die Ursachen von Störungen und deren Wechselwirkungen besser zu verstehen, wird in den folgenden Abschnitten eine genauere Analyse der Planungsobjekte vorgenommen, die bei chemischen Produktionsprozessen zu berücksichtigen sind. Eine Übersicht der wichtigsten Planungsobjekte und deren planungsrelevanten Attribute ist aus Abb. 7 ersichtlich.
Abb. 7: Unsicherheitsursachen und deren Wechselwirkung
3.2.1.1 Bedarfs- und produktbedingte Unsicherheiten In vielen Bereichen der chemischen Industrie besteht ein sehr bedeutender Unsicherheitsfaktor in der inhomogenen Qualität der Ausgangsstoffe. So werden beispielsweise bei der Erzeugung von Eisenoxidpigmenten Ausgangsstoffe verwendet, die als Abfallprodukte in Form von Schrott anfallen. Die chemische Zusammensetzung dieser Ausgangsprodukte kann je nach deren Quelle starke Unterschiede aufweisen. Werden solche inhomogenen Ausgangsstoffe in chemischen Prozessen verarbeitet, kann sowohl deren Ausbeute als auch die Qualität der erzeugten Produkte stark variieren. Die Verfügbarkeit der Materialien ist durch deren Bestand gekennzeichnet, der zur Deckung der Sekundärbedarfe verwendet werden kann. Steht ein Ausgangsstoff nicht in der erforderlichen Menge zur Verfügung, können die weiterverarbeitenden Prozesse nicht wie geplant ausgeführt werden. Ist hingegen der Bestand eines Produktes zu hoch, treten unerwünschte Lagerbestände auf, und es werden ggf. knappe Lagerressourcen blockiert. Die Unsicherheiten bezüglich der Materialverfügbarkeit liegen in unplanmäßigen Bestandszugängen bzw. -abgängen begründet, die ihrerseits durch anderwertige Störereignisse hervorgerufen werden können.
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
31
Die Bedarfe der Endprodukt ergeben sich aus den geplanten Absatzmengen, die entweder aus konkreten Kundenaufträgen oder Absatzprognosen resultieren. Insbesondere bei der Verwendung von Prognosen kann die tatsächlich realisierte Nachfrage stark von den Vorhersagewerten abweichen. Das Ausmaß dieser Abweichungen wird maßgeblich durch die Prognosequalität bestimmt. Aber auch wenn konkrete Kundenaufträge vorliegen, können Änderungen der Bedarfsmengen und -termine auftreten. Hervorgerufen werden diese meist durch kurzfristig zu beliefernde Eilaufträge oder die Modifikation oder Stornierung bestehender Aufträge. Die Sekundärbedarfe werden durch die Edukte hervorgerufen, die für einen Prozessauftrag erforderlich sind. Müssen aufgrund anderwertiger Störungen zusätzliche Prozessaufträge eingeplant werden oder verschiebt sich deren geplanter Starttermin, ergeben sich Änderungen der Bedarfsattribute für die Zwischenprodukte und Materialien, aus denen weiterführende Planänderungen resultieren können. 3.2.1.2 Anlagen- und prozessbedingte Unsicherheiten Wie eingangs in Abschnitt 2.1.2 dargestellt, werden die End- und Zwischenprodukte durch die Ausführung chemischer Prozesse gewonnen. Da zur Ausführung dieser Prozesse die entsprechenden Produktionsanlagen notwendig sind, besteht ein enger Zusammenhang von prozess- und anlagenbedingten Unsicherheiten. Um einen Prozessauftrag auf einer Anlage starten zu können, wird deren generelle Funktion vorausgesetzt. Neben kompletten Anlagenausfällen können die Funktionen einzelner technischer Komponenten gestört sein, so dass bestimmte Prozessschritte nicht wie vorgegeben ausgeführt werden können. Gerade bei diskontinuierlichen Prozessen, die durch einen instationären Reaktionsablauf gekennzeichnet sind, ist die Einhaltung der Prozessparameter mit einem hohen Mess- und Regelungsaufwand verbunden und setzt somit eine Vielzahl von technischen Einrichtungen zur Prozesssteuerung voraus.58 Bereits die Störung eines einzelnen Sensors kann den Prozessablauf nachhaltig beeinflussen, so dass eine gleichbleibende Produktqualität nicht mehr gewährleistet ist. Bei umfangreicheren Funktionsstörungen kann die Betriebsbereitschaft der gesamten Produktionsanlage eingeschränkt sein. Um die Anlagenfunktion wieder herzustellen, sind Reparaturarbeiten erforderlich, während derer die Anlagen nicht produktiv eingesetzt werden können. Wesentliche Ursachen für solche Anlagenstörungen bestehen darin, dass in der chemischen Industrie die Ausrüstung zum Teil extremen Prozessbedingungen, wie starken Temperaturschwankungen oder aggressiven chemischen Verbindun-
58
Vgl. Kourti et al. (1995), S. 277 oder Ramaker et al. (2002), S. 570.
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3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
gen, ausgesetzt ist. Diese bewirken einen erhöhten Anlagenverschleiß und damit verbundene hohe Ausfallwahrscheinlichkeiten. Ursachen für Störungen im Produktionsablauf können aber auch dadurch begründet sein, dass die chemischen Prozesse nicht wie in einem idealtypischen Reaktor ablaufen. Bei einem idealen Reaktionsablauf wird davon ausgegangen, dass eine vollständige Durchmischung der Reaktanden erfolgt und eine gleichmäßige Temperaturverteilung vorherrscht. Sowohl in kontinuierlich als auch diskontinuierlich betriebenen Reaktoren können, wie in Abb. 8 dargestellt, radiale Temperatur- und Konzentrationsdifferenzen auftreten. In Batchreaktoren können sogenannte Totzonen bestehen, in denen eine schlechte Durchmischung der Reaktionspartner besteht. Typisch für kontinuierliche Prozesse, in denen Materialien unterschiedlicher Aggregatzustände verarbeitet werden, ist die Entstehung von Strömungskanälen, in denen ein beschleunigter Stofftransport stattfindet. Die Herausbildung solcher Strömungsprofile verursacht unterschiedliche Verweilzeiten der Materialien innerhab des Reaktors, so dass eine vollständige Umsetzung der Reaktanden auch hier nicht mehr sichergestellt ist. Solche unerwünschten Effekte sind in einem realen Reaktionsapparat nicht vollständig zu verhindern und können zu maßgeblichen Schwankungen der Produktqualität beitragen.
Abb. 8: Strömungsverhältnisse in realen Reaktoren Vgl. BAERNS ET AL. (2002), S. 316.
Störungen im Prozessablauf müssen jedoch nicht zwangsläufig auf anlagenbedingte Fehlfunktionen zurückzuführen sein. Ein weiteres Merkmal von Batchanlagen ist deren hohe Prozessflexibilität, die es erlaubt, unter Verwendung der gleichen Ausrüstung unterschiedliche Produkttypen zu produzieren. Somit können auf diesen Anlagen auch kundenspezifische Produktvarianten in relativ geringen Mengen erzeugt werden. Um die spezifischen Kundenanforderungen erfüllen zu können, werden zunächst im Labor unter Verwendung von sogenannten Technikumsanlagen die Materialzusammensetzung, die Prozessparameter
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
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und die Dauer der einzelnen Prozessschritte eingestellt.59 Da die Ergebnisse dieser miniaturisierten Anlagen meist nicht in vollem Umfang auf das reale Produktionssystem übertragbar sind, werden insbesondere beim Produktionsanlauf die gewünschten Produkteigenschaften meist nicht erfüllt. Ein weiterer bedeutender Faktor für Störungen im Prozessablauf liegt in menschlichen Faktoren begründet, die beispielsweise durch fehlerhafte Einstellung der Prozessparameter auftreten können.
3.2.2 Kontext Als Kontext wird die Situation angesehen in der sich das Produktionsumfeld beim Eintreten einer Störung befindet. Insbesondere im Hinblick auf den Störungsumfang ist der Kontext in dem sie auftritt von großer Bedeutung. So kann es beispielsweise entscheidend sein wann eine Funktionsstörung einer Anlage auftritt, da während einer Nachtschicht gegebenenfalls kein Personal verfügbar ist diese zu beheben und die Anlage mindestens bis zum Schichtende ausfällt. Wäre hingegen diese Anlagenstörung während des Tages aufgetreten, könnte sie in kurzer Zeit behoben werden.
3.2.3 Wirkung Im vorherigen Abschnitt wurden bereits einige direkte Auswirkungen der jeweiligen Unsicherheitsfaktoren angedeutet. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Störungswirkungen generell hinsichtlich der drei in Tab. 2 aufgeführten Kategorien beschrieben werden können. Durch das Auftreten von Unsicherheiten kann sowohl die Verfügbarkeit von Zwischen- als auch Endprodukten betroffen sein. Weiterhin können durch umfassende Funktionsstörungen der Anlagen auch Auswirkungen auf deren generelle Einsatzbereitschaft bestehen. Hinsichtlich der zeitlichen Wirkung sind vor allem die störungsbedingte Startzeitverschiebung und die Veränderung der Dauer eines Prozessauftrages hervorzuheben.60 Solche Auswirkungen können durch nicht verfügbare oder qualitativ unzureichende Ausgangsstoffe hervorgerufen werden. Als dritte Kategorie sind störungsbedingte Auswirkungen auf die Qualität der erzeugten Zwischen- und Endprodukte anzuführen, die durch eine Abweichung von den vorgegebenen Reaktionsparametern des erzeugenden Prozesses entstehen können.
59 60
Zu Technikumsanlagen vgl. z.B. Yang (2005), S.24. Vgl. u.a. Cott/Macchietto (1989), S. 106, Ishii/Muraki (1996a), S. 218 oder Ivanescu et al. (2002), S. 468.
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3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
Als Störungsursache mit den größten Auswirkungen auf die Planungsobjekte können Funktionsstörungen der Produktionsanlagen identifiziert werden. Tritt ein kompletter Ausfall einer Produktionsanlage auf, ist sie für weitere Produktionsaufträge blockiert. Falls beim Auftreten eines Anlagenausfalls ein nicht zu unterbrechender Prozessauftrag ausgeführt wird, muss dieser komplett abgebrochen und der aktuelle Reaktorinhalt entsorgt werden. Die Outputkomponenten dieses Prozesses können somit nicht wie geplant bereitgestellt werden. Wird zum Störungszeitpunkt hingegen ein zu unterbrechender Prozess ausgeführt, kann dieser erst nach dem Ende der Störung abgeschlossen werden. Geringfügige Funktionsstörungen können Schwankungen der Produktqualität oder der Prozessdauer verursachen. Wirkung Ursache Anlagen Bedarf Material Prozess
Funktion Mengenänderung Terminänderung Produktart Verfügbarkeit Qualität Parameter
Verfügbarkeit Produkt Anlage X X X X X X X X
Zeit Dauer Prozess X
Qualität Produkt X
X X
X X
Tab. 2: Zusammenhang der Störungsursachen und -wirkungen
Da es sich bei der chemischen Produktion um sehr komplexe und mehrstufige Prozesse handelt, werden durch Störungen meist eine Kette von indirekten Auswirkungen angestoßen. Falls beispielsweise eine Anlage nicht verfügbar ist und somit ein Prozessauftrag erst verspätet gestartet werden kann, hat das auch Verschiebungen der Starttermine der nachgelagerten Aufträge zur Folge. Weitere Auswirkungen ergeben sich, wenn in einem auf diese Weise verzögerten Auftrag Produkte verarbeitet werden sollen, die nur eine begrenzte Haltbarkeit besitzen. Kann durch die Verspätung die Haltbarkeitsdauer dieses Produktes nicht eingehalten werden, treten Auswirkungen auf dessen Produktqualität auf.
3.2.4 Reaktion Als Reaktion auf eine auftretende Störung ist der bestehende Anlagenbelegungsplan an die veränderte Situation anzupassen. Als wichtige Grundlage zur Entwicklung von reaktiven Planungsmethoden ist die Kenntnis der wesentlichen Grundoperationen von Bedeutung, die zur Plananpassung angewendet werden können. Um die Zulässigkeit eines gestörten
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
35
Plans wiederherstellen zu können, sollte ein reaktives Planungsverfahren in der Lage sein folgenden Umplanungsaktionen auszuführen:61 x Generierung und Einplanung neuer Prozessaufträge, um die Verfügbarkeit von
Zwischen- bzw. Endprodukten in ausreichender Menge sicherzustellen x Verschiebung der Startzeitpunkte bestehender Prozessaufträge, um zusätzliche Aufträge
einzufügen oder Einschränkungen in der Anlagenverfügbarkeit zu berücksichtigen x Verschiebung bestehender Prozessaufträge auf alternative Anlagen, um zusätzliche Auf-
träge einzufügen oder Einschränkungen in der Anlagenverfügbarkeit zu berücksichtigen x Abbruch von Prozessaufträgen, falls sie während eines Anlagenausfalls auf der gestörten
Anlage ausgeführt werden und nicht zu unterbrechen sind x Blockierung von Produktionsanlagen, um Verfügbarkeitseinschränkungen z.B. durch
Ausfälle oder Prozesszeitverlängerungen zu berücksichtigen x Reallokation von Produktionsmengen der einzelnen Prozessaufträge unter den Bedarfs-
elementen (z.B. Primär-, Sekundärbedarfe) Aus der Tab. 3 wird ersichtlich, welche Störungswirkungen durch die Anwendung welcher Anpassungsoperation behoben werden können. Häufig sind auch mehrere Umplanungsoperationen kombiniert anzuwenden. Dies ist insbesondere dann notwendig, wenn, wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, durch eine Störung eine Kette von Folgewirkungen angestoßen wird. Reaktion Wirkung Verfügbarkeit Zeit Qualität
Produkt Anlage Dauer PA Produkt
generieren X X X
Prozessauftrag verschieben X X X X
abbrechen
Anlage blockieren
X
X X
Tab. 3: Zusammenhang von Störungswirkungen und Anpassungsreaktion
Bei der Entwicklung von Methoden zur reaktiven Anlagenbelegungsplanung ist es somit von großer Bedeutung, dass alle notwendigen Anpassungsoperationen unterstützt werden, um auf alle möglichen Störungsursachen reagieren zu können.
61
Vgl. u.a. Mendez et al. (2006), S. 942.
36
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
3.3 Anforderungen an reaktive Planungsverfahren Im Vergleich zu Planungsverfahren, die von einer rein statischen Produktionsumgebung ausgehen, müssen Methoden zur Plananpassung einer Reihe von zusätzlichen Anforderungen genügen. In dem Beitrag von ALVAREZ/DIAZ (2004) wurden eine Reihe solcher Kriterien an Echtzeit-Planungsverfahren definiert, die aus Sicht des Autors auch für Verfahren zur reaktiven Anlagenbelegungsplanung in der chemischen Industrie gelten. Schnelle Reaktionszeit Obwohl bei der Anpassung eines Anlagenbelegungsplans nicht so strenge Zeitvorgaben wie bei Echtzeitsystemen bestehen, sollte die Lösung dieses Planungsproblems in kurzer Zeit zur Verfügung stehen. Die dafür maximal verfügbare Zeitspanne ist von der Dynamik des Produktionssystems, speziellen technologischen Anforderungen und von der Art des Störereignisses abhängig. Ähnlich wie bei Echtzeitsystemen steht bei der reaktiven Planung nicht die Lösungsqualität im Vordergrund, sondern das schnelle Auffinden einer zulässigen Lösung, die akzeptable Werte für die wichtigsten Zielfunktionsparameter aufweist.62 Fähigkeit auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können Bereits in den vorangegangenen Abschnitten wurden mögliche Störereignisse in einem dynamischen Planungsumfeld ausführlich erläutert. Dabei wurde deutlich, dass deren Ursachen und Wirkungen sehr vielfältig sein können. Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass mehrere solcher Störeffekte in Kombination auftreten und somit Planungssituationen entstehen, die nicht vorhersehbar sind. Ein reaktives Planungsverfahren muss demnach ein sehr robustes Lösungsverhalten aufweisen, um auch auf unvorhersehbare Umstände adäquat reagieren zu können. Integration mit dem Produktionsumfeld Um auftretende Störungen im Produktionsablauf schnell identifizieren zu können, ist eine ständige Überwachung der Prozessabläufe notwendig.63 Insbesondere in der chemischen Industrie ist aufgrund der Vielzahl von zu überwachenden Prozessparametern damit ein hoher technischer Aufwand verbunden. Um Abweichungen im Prozessablauf identifizieren zu können, kommen dabei aufwendige Diagnoseverfahren zur Anwendung.64 Beim Auftreten von Prozessstörungen muss entweder eine Anpassung der Prozessparameter erfolgen,
62 63 64
Vgl. Rodrigues et al. (2000), S. 2247. Vgl. Monostori et al. (1998), S. 87 oder Herrmann (2006a), S. 99 f. Vgl. u.a. Dash/Venkatasubramanian (2000).
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
37
oder es ist im Falle von planungsrelevanten Abweichungen eine Modifikation des Produktionsplans vorzunehmen. Um die Plananpassung korrekt durchführen zu können, sind weiterhin verlässliche Informationen bezüglich des aktuellen Zustandes des Produktionssystems erforderlich. Eine weitere Quelle von Unsicherheiten besteht in kurzfristigen Bedarfsschwankungen der Endprodukte. Aus diesem Grund ist eine Integration reaktiver Planungsverfahren mit Systemen zur kurzfristigen Verfügbarkeitsprüfung65 notwendig. Integration mit prädiktiver Planung In den meisten Fällen ist in der chemischen Industrie eine Vorausplanung der Produktionsabläufe notwendig. Um die Wirkung eines Störereignisses korrekt abschätzen zu können, ist vor der Anwendung eines entsprechenden reaktiven Planungsverfahrens eine Analyse der aktuellen Planungssituation vorzunehmen. Bei der eigentlichen Planerfassung sollten lediglich die Umplanungsaktionen erfolgen, die erforderlich sind, um den Plan an die veränderte Situation zu adaptieren. Der Grund dafür besteht darin, dass durch Planänderungen ein erhöhter Koordinationsaufwand mit sekundären Produktionsaktivitäten entsteht. Eine ausführlichere Diskussion dieser Sachverhalte wird in Abschnitt 3.5.4 vorgenommen. Einbeziehung menschlicher Entscheidungsträger Aufgrund der Komplexität realer Produktionssysteme ist es für einen menschlichen Planer nicht möglich, alle zu berücksichtigenden Nebenbedingungen und Wirkungszusammenhängen zu erfassen und bei der manuellen Planerstellung mit einzubeziehen. Allerdings ist es auch beim Einsatz sehr hochentwickelter reaktiver Planungsverfahren unmöglich, alle Planungsaktivitäten vollständig automatisiert ablaufen zu lassen. Die Gründe dafür bestehen darin, dass durch diese Verfahren nicht alle notwendigen Informationen und Zielgrößen einbezogen werden können. Darüber hinaus besitzt ein erfahrener menschlicher Planer Expertenwissen, das durch ein rechnergestütztes Verfahren nicht vollständig abgebildet werden kann und ist somit in der Lage auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren.66 In der Praxis besteht die Hauptaufgabe reaktiver Verfahren somit darin, dem Planer in kurzer Zeit einen qualitativ hochwertigen Lösungsvorschlag zu liefern, der nachträglich im Rahmen einer interaktiven Planung kontrolliert und falls notwendig nachbereitet werden kann. Außerdem ist beim Auftreten geringfügiger Störungen häufig der Einsatz komplexer
65 66
Vgl. Abschnitt 2.3.2. Vgl. McKay/Wiers (2006), S. 28.
38
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
Verfahren nicht erforderlich, da sie durch einfache manuelle Modifikationen auf eine effizientere Weise behoben werden können.
3.4 Systematisierung der Verfahren zur Berücksichtigung von Unsicherheit In den letzten Jahren sind in der wissenschaftlichen Literatur vermehrt Veröffentlichungen erschienen, in denen Methoden zur reaktiven Planung präsentiert wurden. Da die methodische Ausgestaltung solcher Verfahren stark durch die jeweilige Anwendungsumgebung geprägt ist, existieren auf diesem Gebiet eine Vielzahl unterschiedlichster Planungsansätze. Einen wesentlichen Beitrag zur Kategorisierung dieser Ansätze stellen die Veröffentlichungen von SABUNCUOGLU/BAYIZ (2000), VIEIRA ET AL. (2003) und AYTUG ET AL. (2005) dar. Basierend auf den in diesen Veröffentlichungen vorgeschlagenen Systematisierungsansätzen wurde das in Abb. 9 dargestellte Kategorisierungsschema entworfen, welches als Grundlage aller nachfolgenden Betrachtungen dienen soll.
Abb. 9: Kategorisierung reaktiver Planungsverfahren
Wie bereits in Abschnitt 3.1 erläutert, werden bei einer rein prädiktiven Planung keinerlei Unsicherheitsfaktoren beachtet. Sollen hingegen Unsicherheiten bei der Planung berücksichtigt werden, können zwei grundlegende Ansätze unterschieden werden, die robuste und die reaktive Planung. Die robuste Planung ist der rein prädiktiven recht ähnlich. Hierbei wird für einen vorgegebenen Planungshorizont ein Plan erstellt, der relativ unempfindlich auf eventuell eintretende Störungen ist. Die Idee der reaktiven Planung besteht darin, beim Auftreten planungsrelevanter Ereignisse entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Die dazu ver-
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
39
wendeten Verfahren können sehr vielfältig sein und lassen sich anhand ihrer Planungstrategie, -politik und -methode klassifizieren. Der wesentliche Unterschied der beiden Planungsstrategien besteht in dem Grad der Vorausplanung. So ist die prädiktiv-reaktive Strategie dadurch gekennzeichnet, dass ein prädiktiver Ausgangsplan erstellt wird, der im Falle einer planungsrelevanten Störung angepasst wird. Bei einer rein dynamischen Planungsstrategie ist dies nicht der Fall, da hierbei lediglich die nächste Entscheidung gefällt wird, die für den fortlaufenden Betrieb des Produktionssystems erforderlich ist. Falls eine prädiktiv-reaktive Planungsstrategie zur Anwendung kommt, wird durch die Planungspolitik festgelegt, wann die Anpassung des Plans ausgelöst werden soll. Welchen Umfang diese Plananpassung haben soll wird durch die Planungsmethode definiert. In den nun folgenden Abschnitten wird dieses Kategorisierungsschema ausführlich erläutert.
3.4.1 Robuste Planung Bei einer rein prädiktiven Planung, bei der alle Planparameter als deterministisch angenommen werden, kann es bei der Ausführung der Pläne dazu kommen, dass durch geringe Änderungen der Planparameter deren Effektivität und Zulässigkeit nicht mehr sichergestellt ist. Die Grundidee der robusten Planung besteht darin, einen prädiktiven Plan unter Einbeziehung möglicher Unsicherheitsfaktoren zu erstellen. Durch dieses Vorgehen sollen schon während des Planungsprozesses mögliche Störereignisse antizipiert werden, so dass sie keine oder nur geringe Auswirkungen auf dessen Effektivitätskennzahlen67 und Zulässigkeit haben.68 Dabei werden bestimmte unsichere Planparameter nicht mehr als deterministisch angenommen, sondern ihnen wird eine meist empirisch ermittelte Verteilungsfunktion hinterlegt. Die aus dieser Annahme resultierenden stochastischen Optimierungsmodelle sind nur sehr schwer lösbar und somit für praxisnahe Problemstellungen nur bedingt geeignet.69 Die Hauptschwierigkeiten bestehen dabei in der Auswertung der Integrale über den gesamten Wertebereich der unsicheren Parameter und der Gewährleistung der Zulässigkeit für alle Realisierungsmöglichkeiten der Unsicherheitsfaktoren.70 Um solche stochastischen Optimierungsmodelle dennoch lösen zu können, existieren in der wissenschaftlichen Literatur zahlreiche Ansätze, die überblicksartig in SCHOLL (2001),
Vgl. Abschnitt 3.5.1. Vgl. Raheja/Subramaniam (2002), S. 757 oder Metha/Uzsoy (1998), S. 366. Eine Einführung in Lösungsverfahren für stochastische Programme bietet u.a. Römisch/Schultz (2001). 70 Vgl. Samsatil et al. (1998), S. 1993. 67 68 69
40
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
S. 73 f, PETKOV/MARANAS (1997) und SAMSATIL ET AL. (1998) erläutert werden. Als einer der gängigsten Ansätze gelten szenariobasierte Verfahren. Deren Grundidee besteht darin, den Wertebereich der unsicheren Parameter durch die Definition von Szenarien zu diskretisieren. Somit kann das ursprünglich stochastische Optimierungsmodell in ein näherungsweise deterministisches Ersatzmodell überführt werden, dessen Lösbarkeit stark verbessert wird. Als Ersatzzielfunktion wird der Erwartungswert aller Leistungskennzahlen über alle Szenarien optimiert, wobei auch die Nebenbedingungen für alle Szenarien einzuhalten sind. Alternativ kann die stochastische Verteilung der unsicheren Parameter auch durch die Verwendung einer Monte Carlo Simulation approximiert werden. Als typische Anwendungsbeispiele können die Beiträge von LIU/SAHINIDIS (1996) und MIGNON ET AL. (1995) angesehen werden. Wird ein risikoscheuer Entscheider angenommen, werden häufig auch Worst-Case-Szenarien untersucht, bei denen für die unsicheren Parameter der schlechteste zu erwartende Wert angenommen wird.71 In der chemischen Industrie werden robuste Planungsverfahren bereits im Anlagen- und Prozessdesign seit längerer Zeit angewendet. Beispielhafte Arbeiten auf diesem Gebiet wurden von SRINIVASAN ET AL. (2002) oder BERNARDO ET AL. (2001) veröffentlicht. In den letzten Jahren sind allerdings auch eine Reihe von Beiträgen erschienen, die sich mit der Erstellung robuster Anlagenbelegungspläne in der chemischen Industrie befassen. Als Unsicherheitsfaktoren werden dabei häufig die Prozesszeiten, Anlagenverfügbarkeit sowie Bedarfsmengen und -termine angesehen. So schlagen BONFILL ET AL. (2005) einen zweistufigen stochastischen Optimierungsansatz vor, bei dem variable Prozesszeiten als Unsicherheitsfaktoren behandelt werden. Zur Modellierung des Schedulingproblems wurde der Ansatz von MENDEZ ET AL. (2001) verwendet. Auf der ersten Stufe des Verfahrens wird der Erwartungswert der Zielfunktion über alle Szenarien optimiert. Dabei wird eine multikriterielle Zielfunktion zur Minimierung der gewichteten Summe aus Durchlauf-, Warte-, und Leerzeit verwendet. Basierend auf den Ergebnissen der ersten Stufe wird im nächsten Schritt eine Maximierung der Robustheit des Anlagenbelegungsplans angestrebt, wobei die Ausprägung der Prozesszeiten wie im Worst-Case-Szenario angenommen wird. Der Beitrag von VIN/IERAPETRITOU (2001) beinhaltet ein Verfahren zur Untersuchung der Robustheit von rein prädiktiv erstellten Anlagenbelegungsplänen für MehrproduktBatchanlagen bei Bedarfsunsicherheit. Der Ansatz sieht vor, dass zunächst ein deterministi-
71
Vgl. u.a. Daniels/Kouvelis (1995).
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
41
sches Optimierungsmodell, dass auf der von IERAPETRITOU ET AL. (1998) vorgestellten Formulierung basiert, für nominelle Bedarfswerte gelöst wird. In einem zweiten Schritt erfolgt die Lösung des gleichen Modells unter Verwendung von zufällig generierten Bedarfswerten, wobei die Startzeiten der Prozessaufträge und deren Anlagenzuordnung aus der ersten Lösung übernommen werden. Der zweite Schritt wird für eine vorab festgelegte Menge von zufällig generierten Bedarfswerten wiederholt. Zum Abschluss werden die ermittelten Pläne unter Verwendung mehrerer Kennzahlen zur Bestimmung der Robustheit der Pläne analysiert. In dem beschriebenen Ansatz erfolgt keine explizite Berücksichtigung der Robustheit bei der Planerstellung. Es werden vielmehr alternative Varianten der Modellformulierung hinsichtlich ihrer Robustheit verglichen. Generell ist die Erstellung von robusten Anlagenbelegungsplänen durch die Vielzahl von zu berücksichtigenden Ausprägungsvarianten der Planparameter als sehr rechenaufwendig zu kennzeichnen, wodurch deren Anwendung auf realitätsnahe Probleme der Anlagenbelegungsplanung stark eingeschränkt wird. Wie bereits im Abschnitt 3.2.1 beschrieben ist die Unsicherheit in realen Produktionssystemen auf eine Vielzahl unterschiedlichster Quellen zurückzuführen. Eine isolierte Betrachtung einzelner Unsicherheitsfaktoren, wie sie in den meisten theoretischen Arbeiten behandelt wird, kann somit zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen.
3.4.2 Reaktive Planung Wie der Name bereits vermuten lässt, werden bei dieser Kategorie von Planungsverfahren nicht wie bisher die Unsicherheitsfaktoren ignoriert oder im Vorfeld antizipiert, sondern es erfolgt während der Ausführung des Plans eine Planungsaktion beim Eintreten eines unvorhergesehenen Ereignisses. Reaktive Planungsverfahren können hinsichtlich ihrer Planungsstrategie in prädiktiv-reaktive oder vollkommen dynamische Ansätze unterschieden werden. 3.4.2.1 Prädiktiv-Reaktive Planungsstrategie Die prädiktiv-reaktive Planungsstrategie besitzt ein zweistufiges Vorgehen. Zunächst wird ein prädiktiver Plan für den gesamten Planungshorizont erstellt, der beim Auftreten von planungsrelevanten Ereignissen an die neue Umweltsituation angepasst wird.72
72
Vgl. Henning/Cerda (2000), S. 2315.
42
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
Der prädiktive Plan wird aus den folgenden Gründen erstellt:73 x Es wird ein initialer Anlagenbelegungsplan ermittelt, durch den gezielt Effektivitäts-
kennzahlen, wie z.B. Durchlaufzeit oder Anlagenauslastung optimiert werden. x Er dient zur Abstimmung mit externen Aktivitäten, wie beispielsweise zur Materialbe-
schaffung oder Personaleinsatzplanung. x Es werden die Produktionsschritte mehrstufiger Prozesse aufeinander abgestimmt.
Ebenso ist auch eine Kombination eines robusten Planungsansatzes, der zur Erstellung des Ausgangsplans dient, mit einer reaktiven Planungskomponente möglich.74 Durch den Einsatz solch robust-reaktiver Planungsansätze wird versucht, den Ausgangsplan so zu erstellen, dass beim Auftreten von Störereignissen die notwendigen Plananpassungen mit möglichst geringem Aufwand durchführbar sind. Somit ist eine Plananpassung seltener notwendig und weniger aufwendig. Die Hauptaufgabe der reaktiven Planungskomponente besteht darin, die Zulässigkeit des aktuellen Plans wiederherzustellen, ohne maßgeblich eine Verschlechterung von dessen Effektivitätskennzahlen zu bewirken. Die Plananpassung erfolgt dabei nach einem dreistufigen iterativen Prozess:75 x Evaluierung
Hier wird zunächst geprüft, welche Wirkungen auf den bestehenden Plan durch das Auftreten eines Störereignisses bestehen. Es ist keine Reaktion auf eine Störung erforderlich, wenn sich durch diese keine signifikanten Auswirkungen ergeben. Die Definition, wann eine Störung als signifikant und damit planungsrelevant angesehen wird, ist stark abhängig von der jeweiligen Anwendungsumgebung. x Anpassung
Falls es sich um eine planungsrelevante Störung handelt, erfolgt die eigentliche Anpassung des bestehenden Anlagenbelegungsplans unter Verwendung eines geeigneten Verfahrens. x Revision
Das Ergebnis der Anpassungsphase wird geprüft. Wird das Ergebnis als akzeptabel betrachtet, kann der neue Anlagenbelegungsplan freigegeben werden. Ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend, erfolgt eine wiederholte Anwendung der zweiten Phase unter
73 74 75
Vgl. Metha/Uzsoy (1998), S. 365. Vgl. u.a. Lee/Malone (2001) oder Engell et al. (2001). Vgl. Wu/Li (1995), S. 2097 f.
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
43
Verwendung einer Verfahrensabwandlung oder eines alternativen Verfahrens. Diese Vorgehensweise wird solange wiederholt, bis ein befriedigender Plan ermittelt werden konnte. Auf der Ebene der Plananpassung können unterschiedlichste Lösungsansätze zum Einsatz kommen. Weit verbreitet ist der Einsatz von einfachen Heuristiken zur Wiederherstellung der Zulässigkeit des Plans. Ein gängiger Vertreter dieser Verfahrensgruppe ist die sogenannte Right-Shift-Heuristik. Dabei werden zur Lösung von Ressourcenkonflikten alle zu einem späteren Zeitpunkt eingeplanten Aufträge in die Zukunft verschoben.76 Um die unterschiedlichen Wirkungszusammenhänge verschiedener Störungsursachen adäquat behandeln zu können, wurden auch eine Reihe von problemspezifischen Heuristiken entwickelt.77 Speziell für chemische Produktionsprozesse kommen meist mathematische Optimierungsverfahren zur Anwendung.78 Dabei handelt es sich häufig um Weiterentwicklungen von bereits bestehenden prädiktiven Planungsansätzen. Eine weitere wichtige Gruppe reaktiver Planungsverfahren repräsentieren wissens- und regelbasierte Ansätze.79 Deren Grundidee besteht darin, problemspezifische Kenntnisse menschlicher Experten in einem entsprechenden Softwaresystem zu implementieren und für die Plananpassung zu verwenden. In aktuellen wissenschaftlichen Beiträgen wird auch der Einsatz von Metaheuristiken, wie beispielsweise Genetische Algorithmen, zur Plananpassung behandelt.80 Auf der Ebene der Ergebnisrevision werden neben der Auswertung von Kennzahlen81 zur Beurteilung der Planungsqualität und -stabilität auch grafische Darstellungen des resultierenden Plans in Form von Gantt-Charts verwendet. Mit Hilfe dieser sogenannten Plantafel ist ein erfahrener menschlicher Planer in der Lage, schnell Konflikte zu erkennen und falls möglich durch manuelle oder heuristische Plananpassungen im Rahmen einer interaktiven Planung zu lösen.82 Insbesondere für den praxisnahen Einsatz von reaktiven Planungsverfahren sind diese Funktionen von hoher Bedeutung.83
Vgl. u.a. Abumaizar/Svestka (1997), S. 2066. Vgl. u.a. Huercio et al. (1995), Subramaniam/Raheja (2003) oder Subramaniam et al. (2005). Vgl. u.a. Vin/Ierapetritou (2000), Mendez/Cerda (2003a), De Matta/Guignard (1994) oder Rodrigues et al. (1996). 79 Vgl. u.a. Henning/Cerda (2000) oder Smith (1995). 80 Vgl. u.a. Bierwirth/Mattfeld (1999), Käschel et al. (2002) oder Rangsaritratsamee et al. (2004). 81 Vgl. Abschnitt 3.5. 82 Vgl. u.a. Sauer Jürgen (2002), S. 20 oder Dockx et al. (1997), S. 926. 83 Vgl. Gupta (2002), S. 113. 76 77 78
44
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
Zur Implementierung von prädiktiv-reaktiven Planungsverfahren ist festzulegen, wann eine Plananpassung erfolgen soll und in welchem Umfang sie vorzunehmen ist. Diese Festlegungen werden durch die Planungspolitik und -methode getroffen. Planungspolitik Generell werden die periodische und ereignisgesteuerte Planungspolitik unterschieden. Werden Plananpassungen sowohl periodisch als auch ereignisbasiert ausgeführt, handelt es sich um eine hybride Planungspolitik. Die periodische Politik ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Plananpassung nach Ablauf einer vorab festgelegten Zeitperiode, die auch als Rescheduling- oder Scheduling-Periode bezeichnet wird, erfolgt. Diese Planungspolitik ist in der wissenschaftlichen Literatur weitgehend auch unter der Bezeichnung rollierende Planung bekannt.84 Eine ereignisgesteuerte Umplanung wird immer dann ausgeführt, wenn ein Störereignis eintritt, das eine Unzulässigkeit des bestehenden Anlagenbelegungsplans zur Folge haben kann. Als solche planungsauslösenden Ereignisse werden in der wissenschaftlichen Literatur hauptsächlich Maschinen- und Anlagenausfälle85 oder zusätzlich einzuplanende Eilaufträge86 aufgeführt. Als bedeutende Fehlerquelle in der Prozessindustrie werden auch Schwankungen der Prozessdauer angesehen und somit ebenfalls als planungsauslösendes Ereignis behandelt.87 Die Auswahl einer einzelnen Planungspolitik birgt spezifische Vor- und Nachteile, die durch AYTUG ET AL. (2005) wie folgt beschrieben werden.88 Eine wesentliche Gefahr der ereignisgesteuerten Politik besteht darin, dass auch durch relativ unbedeutende Ereignisse ein Umplanungslauf angestoßen werden kann. Bei der periodischen Planungspolitik werden Plananpassungen nur nach dem Ablauf von vorab bestimmten Zeitintervallen ausgelöst, so dass hier das Auftreten von Plannervosität vergleichsweise gut kontrolliert werden kann. Auf der anderen Seite wird bei der periodischen Umplanung als problematisch angesehen, dass planungsrelevante Ereignisse innerhalb einer Scheduling-Periode ignoriert werden, so dass die Zulässigkeit und Effektivität des bestehenden Plans nicht durchgängig gewährleistet sind. Als recht vielversprechend wird eine hybride Planungspolitik angesehen, bei der neben der periodischen Umplanung innerhalb einer Scheduling-Periode auch ereignisgesteuerte Plananpassungen möglich sind falls signifikante Störungen auftreten. Diese Aussa-
Vgl. u.a. Fang/Xi (1997), De Matta/Guignard (1995) oder Rodrigues et al. (1996). Vgl. u.a. Kanakamedala et al. (1994) oder Bean et al. (1991). Vgl. u.a. Vieira et al. (2000). 87 Vgl. u.a. Honkomp et al. (1999). 88 Vgl. Aytug et al. (2005), S. 96. 84 85 86
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
45
ge konnte durch die Ergebnisse einer Untersuchung von CHURCH/UZSOY (1992) bestätigt werden. Im Rahmen dieser Simulationsstudie wurde eine rein periodische mit einer hybriden Planungspolitik für den Fall einer einstufigen Werkstattproduktion verglichen. Die Unsicherheitsfaktoren waren durch das Eintreffen zusätzlicher Aufträge gegeben, und als Vergleichsmaßstab galt die maximale Verspätung der Produktionsaufträge. Planungsmethode Falls die Zulässigkeit eines bestehenden Plans durch das Eintreten eines Störereignisses nicht mehr gegeben ist, muss dieser durch ein geeignetes Verfahren repariert werden. Die dabei verwendeten Methoden können generell danach unterschieden werden, ob eine komplette Neuplanung erfolgt oder ob der bestehende Plan übernommen wird und nur die unbedingt notwendigen Anpassungen vorgenommen werden. Im ersten Fall handelt es sich um eine komplette Umplanungsmethodik. Andernfalls wird die Umplanungsmethode als partiell bezeichnet. Als wesentlicher Nachteil der ersten Methode wird der hohe rechentechnische Aufwand angesehen, der bei einer kompletten Neuplanung entsteht.89 Außerdem verursacht die Anwendung einer kompletten Umplanungsmethodik, im Vergleich zu partiellen Methoden, eine erhöhte Plannervosität. Ein recht einfaches partielles Anpassungsverfahren ist die bereits in Abschnitt 3.4.2.1 erwähnte Right-Shift-Heuristik, da hierbei lediglich die Produktionsaufträge verschoben werden, die entweder direkt oder indirekt von einer Störung betroffen sind. In der wissenschaftlichen Literatur existieren allerdings auch zahlreiche weiterführende Ansätze, die durch eine partielle Umplanungsmethodik gekennzeichnet sind. BEAN ET AL. (1991) schlägt ein Verfahren vor, dass unter der Bezeichnung Match-Up-Scheduling bekannt ist und für Produktionssysteme mit mehreren parallelen Anlagen auf einer Produktionsstufe angewendet werden kann. Es sieht vor, dass beim Auftreten eines Anlagenausfalls der aktuelle Plan, ausgehend vom Störungszeitpunk, unter Ausnutzung der im Plan enthaltenen Leerzeiten angepasst wird, so dass an einem späteren Zeitpunkt – dem sogenannten Match-Up-Point – mit der Ausführung des ursprünglichen Plans fortgeführt werden kann. Der Beitrag von AKTURK/GORGULU (1999) stellt eine Erweiterung dieses Verfahrens für Fließproduktionssysteme dar. Ein Verfahren zur reaktiven Anlagenbelegungsplanung chemischer Batchprozesse mit partieller Umplanungsmethodik wurde von MENDEZ/CERDA (2004) vorgestellt. Das Verfahren basiert auf einem gemischt ganzzahligen Optimierungsmodell. Zunächst werden neu
89
Vgl. Vieira et al. (2003), S. 55.
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einzuplanende bzw. umzuplanende Aufträge den Anlagen zugeordnet. Anschließend wird versucht, die Anlagenbelegung einer vorab festgelegten Menge umplanbarer Aufträge so zu verändern, dass eine Verbesserung der Gesamtdurchlaufzeit oder totalen Verspätung eintritt. Diese partiellen Modifikationen werden für veränderte Mengen umplanbarer Aufträge so lange wiederholt, bis keine weitere Verbesserung der Zielfunktion zu verzeichnen ist. 3.4.2.2 Dynamische Planungsstrategie Die dynamische Planungsstrategie wird in der Literatur auch als komplett reaktive- oder Online-Planung bezeichnet.90 Bei solchen Verfahren erfolgt keine Vorausplanung. Die zur Bearbeitung anstehenden Aufträge werden basierend auf einfachen Prioritätsregeln oder Heuristiken für die unmittelbare Zukunft eingeplant. Ein dynamische Planungsstrategie ist immer dann anzuwenden, wenn die planungsrelevanten Informationen für die Zukunft entweder nicht bekannt oder mit sehr hohen Unsicherheiten behaftet sind.91 Sie stehen in enger Verwandtschaft zur sogenannten Echtzeitsteuerung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass neben der logischen Korrektheit der Planungsentscheidung auch die Dauer, die zu ihrer Ermittlung zur Verfügung steht, begrenzt ist.92 Die methodische Umsetzung der dynamischen Planungsstrategie ist vielfältig. Die einfachste Gruppe von Verfahren stellen die sogenannten Prioritätsregeln dar, deren Grundidee darin besteht, einer frei werdenden Anlage den Auftrag aus dem Pool der noch nicht eingeplanten Aufträge zuzuordnen, der am dringendsten bearbeitet werden muss.93 Welcher der Aufträge der dringendste ist, wird dabei durch einfache Auswahlregeln, wie die FIFORegel,94 bestimmt. Wie bereits erläutert wurde, existieren in der chemischen Industrie meist mehrstufige Produktionssysteme mit alternativen Anlagen. Somit muss durch ein dynamisches Planungsverfahren neben der Auswahl des nächsten einzuplanenden Auftrages auch eine Entscheidung darüber getroffen werden, welcher Produktionspfad verwendet werden soll. In dem Beitrag von CASTILLO/ROBERTS (2001) wird eine dynamische Entscheidungsregel zur Belegungsplanung von mehrstufigen Batchanlagen präsentiert, in der solche alternativen Produktionspfade zu berücksichtigen sind. Die Einlastung eines neuen Auftrages wird dabei immer dann angestoßen, wenn eine Anlage frei wird. Es wird der Produktionsauftrag
Vgl. Aytug et al. (2005), S. 94. Vgl. Herroelen/Leus (2004), S. 15-1. Vgl. Herroelen/Leus (2005), S. 28-1. 93 Vgl. Morton/Pentico (1993), S. 20. 94 First-In-First-Out-Regel. 90 91 92
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
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als nächster eingeplant, der die längste Wartezeit hat. Die Auswahl des Produktionspfades erfolgt anhand der geringsten erwarteten Durchlaufzeit. ISHII/MURAKI (1996b) schlagen ein Verfahren vor, das durch die Kombination aus Prioritätsregeln und einer diskreten ereignisbasierten Simulation zur Generierung eines Anlagenbelegungsplans für chemische Mehrzweckanlagen verwendet werden kann. Die Simulationsumgebung repräsentiert zu jedem Planungszeitpunkt die aktuelle Situation des Produktionssystems. Auf der Basis dieser Informationen und der offenen Bedarfsmengen wird die Liste aller einplanbaren Produktionsaufträge bestimmt. Ein Auftrag ist dann einzuplanen, wenn entsprechende Bedarfsmengen existieren und alle notwendigen Einsatzstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Aus dieser Auftragsliste wird dann, durch eine erweiterte Prioritätsregel, der nächste einzuplanende Auftrag ermittelt. Auf diese Weise ist es möglich, mit relativ wenig Rechenaufwand einen zulässigen Produktionsplan zu generieren. Im Vergleich zu prädiktiv-reaktiven Verfahren benötigen Methoden, die auf einer dynamischen Planungsstrategie basieren, wesentlich weniger Rechenzeit und stellen damit eine einfache Vorgehensweise dar, einen Anlagenbelegungsplan zu erstellen. Aufgrund des durch die Möglichkeit der Vorausplanung wesentlich größeren Lösungsraumes ist die prädiktiv-reaktive Planungsstrategie besser geeignet, um qualitativ hochwertigere Lösungen zu ermitteln.95
3.5 Bewertungskriterien Die Bewertung der Lösungsqualität von statischen Planungsverfahren erfolgt überwiegend nach sogenannten Effektivitätskriterien. Wird jedoch von einem dynamischen Planungsumfeld ausgegangen, sind eine Reihe von zusätzlichen Bewertungsmaßstäben erforderlich. Aus diesem Grund werden in den folgenden Abschnitten Kriterien zur Bewertung der Robustheit, Flexibilität und Stabilität eingeführt. Die Robustheit eines Plans steht dabei im Zusammenhang mit der Wirkung von Störeinflüssen, wohingegen dessen Flexibilität und Stabilität die Möglichkeit bzw. den Umfang notwendiger Anpassungsmaßnahmen repräsentieren. Wie bereits eingangs erläutert wurde, steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit die Entwicklung eines prädiktiv-reaktiven Planungsverfahrens. Da die Stabilitätskriterien eine wichtige Bewertungsgrundlage dieser Verfahren darstellen, wurde der Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen auf die Darstellung dieser Kennzahlen gelegt.
95
Vgl. Sabuncuoglu/Bayiz (2000), S. 568.
48
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
3.5.1 Effektivität Die klassischen Effektivitätskriterien zur Bewertung von Anlagenbelegungsplänen in der chemischen Industrie besitzen entweder einen Zeit- oder Kostenbezug. Typische zeitbezogene Kennzahlen sind die Gesamtdurchlaufzeit,96 die Verspätung und die Verfrühung, die häufig auch miteinander kombiniert werden.97 Durch eine Minimierung der Gesamtdurchlaufzeit wird die Generierung eines möglichst kompakten Plans mit einer hohen Anlagenauslastung angestrebt. Ist es hingegen das Ziel, die Verspätungszeiten oder die Anzahl verspäteter Aufträge zu minimieren, erfolgt indirekt eine Verbesserung der Lieferbereitschaft und des Servicegrades. Eine indirekte Reduzierung der Lagerbestände und der damit verbundenen Kosten kann erzielt werden, wenn die Produktionsaufträge möglichst zeitnah zu den Bedarfsterminen fertig gestellt werden. Als Ersatzzielgröße dient somit die Minimierung der Verfrühung der einzelnen Produktionsaufträge. Für Manager sind häufig monetäre Zielgrößen von höherer Aussagekraft als reine zeitbezogene Bewertungskriterien. Typische kostenbezogene Ziele bestehen darin, die aus dem Plan resultierenden Prozess- oder Rüstkosten zu minimieren.98 Falls kein Bezug zu konkreten Kundenaufträgen besteht, wird häufig auch die Maximierung der Umsatzerlöse für die innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes produzierbaren Mengen der Endprodukte angestrebt.99 Werden gleichzeitig sowohl Kosten als auch Erlöse berücksichtigt, erfolgt eine Gewinnmaximierung.100 Eine ausführliche Diskussion alternativer Effektivitätskriterien wurde durch BLÖMER (1999), S. 96 f. vorgenommen. Darin sind auch unterschiedliche Formulierungsvarianten der jeweiligen Zielgrößen aufgeführt.
3.5.2 Robustheit Die Unempfindlichkeit eines Plans gegenüber dem Auftreten zufälliger Umwelteinflüsse wird als Robustheit bezeichnet. In der wissenschaftlichen Literatur werden zwei grundlegende Arten von Robustheit unterschieden – die Optimalitäts- und die Zulässigkeitsro-
Wird auch als Makespan bezeichnet. Vgl. u.a. Hui et al. (2000), Cerda/Henning (1997), Pinto/Grossmann (1995), Dessouky et al. (1996) oder Hsu (2006). 98 Vgl. u.a. Harjunkoski/Grossmann (2002), Maravelias (2006) oder Castro/Grossmann (2006). 99 Vgl. u.a. Maravelias/Grossmann (2003a) oder Wu/Ierapetritou (2003). 100 Vgl. Mockus/Reklaitis (1997), Mockus/Reklaitis (1999) oder Kondili et al. (1993). 96 97
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
49
bustheit.101 Die Zulässigkeitsrobustheit102 eines Plans besteht darin, dass für den überwiegenden Teil aller erdenklichen Szenarien dessen Ausführbarkeit sichergestellt bleibt oder dessen Zulässigkeit durch einfache nachträgliche Anpassungsmaßnahmen wieder hergestellt werden kann.103 Ein Plan, der eine hohe Zulässigkeitsrobustheit aufweist, trägt somit ex ante zu einer Erhöhung der Planungsstabilität bei, die im Abschnitt 3.5.4 näher erläutert wird. Allerdings sind Anlagenbelegungspläne mit erhöhter Zulässigkeitsrobustheit meist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den Prozessaufträgen Pufferzeiten eingefügt wurden oder Sicherheitsbestände für Zwischen- oder Endprodukte existieren.104 Diese Effekte erhöhen zwar die Planrobustheit, wirken sich aber negativ auf dessen Effektivität und Flexibilität aus. Eine Quantifizierung der Zulässigkeitsrobustheit kann beispielsweise durch die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit erfolgen, mit der die Nebenbedingungen des Entscheidungsproblems bei gegebener stochastischer Verteilung der unsicheren Planparameter eingehalten werden.105 Der Grad der Optimalitätsrobustheit106 eines Plans ergibt sich aus der Abweichung der realisierten Zielgröße beim Auftreten unvorhergesehener Umwelteinflüsse, von dem für das Szenario ermittelten optimalen Wert. Als Zielgrößen werden meist Effektivitätskennzahlen verwendet, die bereits in Abschnitt 3.5.1 beschrieben wurden. Zur Quantifizierung der Optimalitätsrobustheit eines Plans wurden in der wissenschaftlichen Literatur zahlreiche Kennzahlen vorgeschlagen, die entweder die absolute oder relative Optimalitätsabweichung repräsentieren.107
3.5.3 Flexibilität Die Anpassungsfähigkeit eines Plans an sich zufällig ändernde Umwelteinflüsse ist ein Ausdruck für dessen Flexibilität. Ein Plan mit hoher Flexibilität kann durch wenige Umplanungsaktivitäten aktualisiert werden und ist somit durch eine leichte Anpassbarkeit an ein sich veränderndes Plaungsumfeld gekennzeichnet.108 Durch die Studie von BRANKE/MATTFELD (2005) konnte nachgewiesen werden, dass durch die Vermeidung
Vgl. Herroelen/Leus (2004), S. 1602. Es sind auch die Begriffe Stabilitäts- und Lösungsrobustheit geläufig. (vgl. Van de Vonder et al. (2006), S. 215) 103 Vgl. Scholl (2001), S. 104. 104 Vgl. O´Donovan et al. (1999), Metha/Uzsoy (1998) oder Yelling/Mackulak (1997). 105 Vgl. Samsatil et al. (1998), S. 1995 f. 106 Es ist auch der Begriff Qualitätsrobustheit geläufig. (vgl. Van de Vonder et al. (2006), S. 216) 107 Vgl. u.a. Bonfill et al. (2005), S. 1527 f., Vin/Ierapetritou (2001), S. 4545 oder Mignon et al. (1995), S. 619. 108 Vgl. Jensen (2001), S. 2001. 101 102
50
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
früher Leerzeiten innerhalb eines Belegungsplans dessen Umplanungsflexibilität erhöht werden kann. Dieses Ergebnis kann intuitiv dadurch begründet werden, dass durch frühe Leerzeiten eine höhere Anzahl von Aufträgen bei einer späteren Plananpassung zu berücksichtigen sind und die in der Vergangenheit ungenutzten Kapazitäten bei späteren Umplanungsaktivitäten nicht mehr zur Verfügung stehen. Solche Leerzeiten entstehen beispielsweise durch eine Minimierung der Verfrühung von Produktionsaufträgen, um Lagerbestände zu vermeiden. Unter Flexibilitätsgesichtspunkten ist somit eher eine Minimierung der Gesamtdurchlaufzeit anzustreben.
3.5.4 Stabilität Im Falle einer prädiktiv-reaktiven Planungsstrategie, sind bei der Anpassung eines bestehenden Plans an sich ändernde Umweltzustände adäquate Umplanungsmaßnahmen erforderlich. Je nach Art des verwendeten reaktiven Planungsansatzes und dem Umfang der Störung sind die Umplanungsaktivitäten unterschiedlich aufwendig. Um diese Unterschiede erfassen zu können, wurde der Stabilitätsbegriff eingeführt. Als Stabilität eines aktualisierten Plans wird das Ausmaß dieser Modifikationen bezeichnet und durch einen ex post Vergleich mit dem bisherigen Plans ermittelt.109 Ein Plan wird dann als stabil bezeichnet, wenn lediglich wenige Planänderungen notwendig waren, um den bestehenden Plan an das veränderte Produktionsumfeld anzupassen. In diesem Zusammenhang ist häufig auch der Begriff Plannervosität gebräuchlich, der konträr zur Stabilität definiert ist. Die Ursachen für die Reduktion der Planstabilität liegen neben den Anpassungsmaßnahmen zur Herstellung der Zulässigkeit eines Plans auch in den Modifikationen zur Effektivitätssteigerung begründet. Dieser gegensätzliche Wirkungszusammenhang von Effektivität und Stabilität soll anhand eines einfachen Beispiels erläutert werden. In einem bestehenden Plan ist ein kurzfristiger Eilauftrag zu berücksichtigen, so dass zusätzliche Produktionsaufträge einzuplanen sind. Werden diese Zusatzaufträge an das Planende angefügt, kann der Fälligkeitstermin des Eilauftrages nicht eingehalten werden und die Effektivität des Plan wird durch die auftretenden Verspätungen beeinträchtigt. Falls die Produktionsaufträge in den bestehenden Plan eingefügt werden, ohne die bestehenden Fälligkeitstermine zu verletzen, wird die Planstabilität gemindert, da die nachfolgenden Produktionsaufträge entsprechend verschoben werden müssen.
109
Vgl. Herroelen/Leus (2005), S. 291.
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
51
In der industriellen Praxis wird trotz dieses Zusammenhangs eine möglichst hohe Planstabilität angestrebt. Die Gründe dafür sind vielfältig.110 Eine der Hauptursachen zur Vermeidung von Plannervosität liegt darin begründet, dass durch ein häufiges Umplanen von Aufträgen die Abstimmung mit externen Aktivitäten erschwert wird, die bei der Planung nicht explizit berücksichtigt werden. Exemplarisch hierfür ist die Disposition des Personaleinsatzes und der Materialbereitstellung. Da bei geringer Planstabilität die Ähnlichkeit zwischen dem alten und modifizierten Plan relativ gering ist, steigt der Aufwand für dessen Prüfung und Freigabe in der Phase der Planrevision.111 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch eine unzureichende Planstabilität Umplanungskosten verursacht werden.112 Bereits im Abschnitt 3.2.4 erfolgte eine ausführliche Beschreibung möglicher Reaktionen auf unterschiedliche Störereignisse. Der Umfang dieser Anpassungsmaßnahmen hat maßgeblichen Einfluss auf die Planstabilität. In Abb. 10 werden die drei wesentlichen Dimensionen möglicher Umplanungsaktionen veranschaulicht. Sie sollen in der folgenden Betrachtung als Grundlage zur Quantifizierung der Stabilitätskriterien dienen.
Abb. 10: Dimensionen der Umplanung
In der wissenschaftlichen Literatur wird als Stabilitätsmaß häufig die absolute Startzeitabweichung verwendet.113 Eine Abwandlung der Startzeitabweichung besteht darin, die Vorverlegung von Produktionsaufträgen durch zusätzliche Strafkosten zu belegen.114 Falls alternative Anlagen zur Ausführung der Produktionsaufträge verfügbar sind, wird auch der Anteil der Aufträge, die einer anderen Anlage als im Ausgangsplan zugewiesen wurden, als Stabilitätskriterium ausgewertet.115 Ein weiteres Stabilitätskriterium ist insbesondere dann von großer Bedeutung, wenn in dem betrachteten Produktionssystem reihenfolgeabhängige
Vgl. u.a. Curry/Peters (2005), S. 3231 f. oder Pujawan (2004), S. 516 f. Vgl. Abschnitt 3.4.2.1. Vgl. Vieira et al. (2003), S. 48. 113 Vgl. u.a. Subramaniam et al. (2005), S. 16 oder Cowling et al. (2004), S. 182. 114 Vgl. u.a. Abumaizar/Svestka (1997), S. 2067 oder Rangsaritratsamee et al. (2004), S. 5. 115 Vgl. Curry/Peters (2005), S. 3236, Azizoglu et al. (2003), S. 1115 oder Alagöz/Azizoglu (2003), S. 531. 110 111 112
52
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
Rüst- und Reinigungszeiten auftreten und somit Reihenfolgeänderungen der Produktionsaufträge zu vermeiden sind.116 Dieses Stabilitätsmaß blieb in der wissenschaftlichen Literatur bisher allerdings recht unbeachtet. Als Grundlage späterer Analysen werden in den folgenden Abschnitten die wesentlichen Stabilitätsmaße und einige Abwandlungen formal eingeführt. Dabei soll zwischen lokalen und globalen Stabilitätsmaßen unterschieden werden. Die sogenannten lokalen Maße sind auf einen einzelnen Umplanungslauf bezogen und repräsentieren dabei Kennzahlen wie den Anteilswert der Aufträge, die, bezogen auf alle aus dem alten Plan übernommenen Aufträge, umgeplant wurden. Bei mehreren aufeinanderfolgenden Umplanungsläufen, wie sie bei der rollierenden Planung auftreten, kann der Durchschnitt dieser lokalen Maße gebildet werden. Sollen die durchschnittlichen Ergebnisse mehrerer Umplanungsläufe zweier alternativer Verfahren miteinander verglichen werden, ist dies allerdings nur dann zulässig, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: x Beide Verfahren müssen die gleiche Reichweite im Sinne des Planungshorizontes auf-
weisen. x Die Planungsabfolge beider Verfahren muss ebenfalls identisch sein. Das heißt, die ein-
zelnen Umplanungen müssen innerhalb des gesamten Planungslaufes zum gleichen Zeitpunkt ausgeführt werden. Der wesentliche Grund für diese Einschränkungen besteht darin, dass sich im Falle mehrerer aufeinanderfolgender Umplanungen deren Planungshorizonte überlappen können, so dass einzelne Aufträge in mehrere Umplanungsläufe einbezogen werden. Wie viele Aufträge aus dem bisher bestehenden Plan übernommen werden, wird dadurch beeinflusst, zu welchem Zeitpunkt die Umplanung erfolgt und welcher Planungshorizont dabei zu Grunde liegt. Unterscheiden sich die zu vergleichenden Verfahrensvarianten hinsichtlich dieser Größen, basieren die Stabilitätskennzahlen auf unterschiedlichen Bewertungsgrundlagen. Weiterhin bleibt bei einer alleinigen Auswertung der lokalen Stabilitätsmaße die Umplanungshäufigkeit unberücksichtigt. Aus diesen Gründen sollen zusätzlich die so genannten globalen Stabilitätskennzahlen eingeführt werden. Sie stehen zur Gesamtheit aller Aufträge, die während einer Folge von Umplanungsläufen zu berücksichtigen waren, im Bezug. Somit sind die globalen Kennzahlen
116
Vgl. Abumaizar/Svestka (1997), S. 2068.
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
53
als durchschnittliche Umplanungshäufigkeit einzelner Aufträge während des gesamten Planungszeitraumes zu interpretieren. Die Unterschiede lokaler und globaler Stabilitätskennzahlen sollen an einem einfachen Beispiel veranschaulicht werden, bei dem die Ergebnisse zweier reaktiver Planungsverfahren verglichen werden sollen. Der gesamte Planungszeitraum erstreckt sich über fünf Perioden. Es wird vereinfachend angenommen, dass unabhängig vom verwendeten Verfahren in jeder Periode zehn Produktionsaufträge eingeplant sind. Die zu vergleichenden Verfahren verfolgen beide eine periodische Planungspolitik, unterscheiden sich allerdings hinsichtlich ihrer Planungshorizonte. Verfahren V1 hat einen Horizont von zwei Perioden, wohingegen Variante V2 drei Perioden im Voraus plant. Da die Planungsfrequenz beider Verfahren identisch ist, ergeben sich für beide Verfahren unterschiedlich große Überlappungsbereiche des alten und neuen Plans, so dass auch unterschiedlich viele Aufträge bei jedem Umplanungslauf aus dem bestehenden Plan übernommen werden. Die Ergebnisse beider Verfahren sind in der Abb. 11 veranschaulicht. Es ist ersichtlich, dass bei jedem Umplanungslauf von Verfahren V1 jeweils zwei aus dem alten Plan übernommene Aufträge umgeplant wurden. Da die Überlappung von altem und neuem Plan bei diesem Verfahren eine Periode beträgt und in jeder Periode zehn Aufträge eingeplant sind, wurden nach dem lokalen Stabilitätskriterium 20% der übernommenen Aufträge umgeplant. Das Verfahren V2 plant in jedem Planungslauf jeweils drei Aufträge um. Aufgrund des größeren Überlappungsbereiches der Pläne ist die Gesamtzahl der umplanbaren Aufträge allerdings doppelt so hoch, so dass sich ein Wert für das lokale Stabilitätsmaß von 15% ergibt. Diese Resultate deuten darauf hin, dass durch das Verfahren V2 der Anteil der umgeplanten Aufträge geringer ist und somit stabilere Pläne erzeugt werden.
Abb. 11: Aussagekraft lokaler und globaler Stabilitätskennzahlen bei unterschiedlichen Planungshorizonten
Betrachtet man allerdings bei der Auswertung der globalen Stabilitätskennzahlen die kumulierten Ergebnisse aller fünf Perioden, ergibt sich ein anderes Bild. Dabei wurden durch die Verfahren V1 bzw. V2 jeweils sechs Aufträge umgeplant. Da über den gesamten Planungslauf insgesamt 50 Aufträge zu berücksichtigen waren, ergibt sich durch Verfahren V1 bzw.
54
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
V2 eine durchschnittliche Umplanungshäufigkeit von 0,12. Demnach werden durch das Verfahren V1 die Aufträge genauso häufig umgeplant wie durch das Verfahren V2, so dass es nach diesem Bewertungsmaßstab Pläne mit gleicher Stabilität erzeugt.
Abb. 12: Aussagekraft lokaler und globaler Stabilitätskennzahlen bei unterschiedlicher Planungsfrequenz
Ähnliche Effekte lassen sich bei dem in der Abb. 12 dargestellten Beispiel beobachten. Hier besitzen die Verfahren zwar die gleiche Planreichweite. Allerdings unterscheiden sie sich hinsichtlich der Planungsfrequenz. Die daraus resultierenden unterschiedlich großen Überlappungsbereiche des alten und neuen Plans bewirken hier sogar gegenteilige Aussagen der globalen und lokalen Stabilitätskennzahlen. Die unterschiedliche Aussagekraft globaler und lokaler Stabilitätskennzahlen muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Aus diesem Grund werden in den folgenden Abschnitten die wichtigsten globalen und lokalen Stabilitätskennzahlen eingeführt. Dabei werden die folgenden Symbole verwendet: Indizes und Indexmengen:
iI
Aufträge
u U
Anlagen
i Iˆ (i, ic) I
Aufträge, die aus dem bisherigen Plan übernommen werden equ
Aufträge i und i´, die den gleichen Prozess ausführen und damit auf den gleichen Anlagen ausgeführt werden können
(i, ic) Iˆ diff
Aufträge i und i´, die im alten Plan auf der gleichen Anlage eingeplant waren und nicht den gleichen Prozess ausführen
u U i
Anlagen, die Auftrag i ausführen können
u U i ,i c
Anlagen, auf denen sowohl Auftrag i als auch i’ ausgeführt werden kann
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
55
Daten: Uˆ i
Anlage, auf der Auftrag i im Ausgangsplan ausgeführt wurde
c i
Fertigstellungszeitpunkt von Auftrag i im aktualisierten Plan
t
tˆi
c
Fertigstellungszeitpunkt von Auftrag i im alten Plan = 1, falls im aktuellen Plan Auftrag i auf der Anlage u U i ausgeführt wird
yi ,u
= 1, falls im aktuellen Plan Auftrag i vor i’ auf einer Anlage u U i ,ic gestar-
xi ,ic
tet wird
xˆi ,ic
= 1, falls im Ausgangsplan der Auftrag i vor i’ auf einer Anlage gestartet wurde. Diese Daten werden nur für nicht gleichartige Auftragspaare (i, ic) Iˆ diff abgeleitet
3.5.4.1 Lokale Stabilitätsmaße Es werden insgesamt drei grundlegende Arten von lokalen Stabilitätskennzahlen unterschieden, die sich auf die zeitliche Verschiebung der einzelnen Aufträge, deren Anlagenzuordnung und auf die Auftragsreihenfolge beziehen. In dem folgenden Abschnitt werden diese Kennzahlen mit einigen Abwandlungen eingeführt. Zeitliche Lage Durch die Gleichung (3.1) wird die zeitliche Verschiebung der Prozessaufträge im Vergleich zum Ausgangsplan erfasst. Eine Veränderung der Anlagenzuordnung bleibt hierbei unberücksichtigt. Zur Normierung wird die Summe aller Zeitabweichungen der Fertigstellungszeitpunkte durch die Anzahl der Aufträge dividiert, die aus dem Ausgangsplan in den aktualisierten Plan übernommen wurden. Die Kennzahl A beschreibt somit die durchschnittliche zeitliche Verschiebung aller umplanbaren Prozessaufträge.
A
lokal
¦ tˆ iIˆ
c i
Iˆ
tic
i Iˆ
(3.1)
Die Stabilitätskennzahl E beschreibt den Anteil von Aufträgen, die im Vergleich zum Ausgangsplan zum gleichen Zeitpunkt eingeplant wurden. Durch die Definition des Parameters TOL kann ein Toleranzbereich bestimmt werden, innerhalb dessen ein Auftrag verschoben werden kann und nicht als umgeplant gilt. Falls der Parameter TOL mit dem Wert Null vorgegeben wird, nimmt die Variable ei den Wert eins genau dann an, wenn der Auftrag i sowohl im alten als auch im neuen Plan mit dem gleichem Fertigstellungszeitpunkt eingeplant wird. Auch hier erfolgt keine Berücksichtigung der Anlagenzuordnung, und die Nor-
56
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
mierung wird durch die Anzahl der aus dem Ausgangsplan übernommenen Aufträge vorgenommen. ei
1 falls tˆic tic d TOL ° ® c c °¯0 falls tˆi ti ! TOL
E lokal
i Iˆ
¦e iIˆ
(3.2)
i
(3.3)
Iˆ
Durch eine einfache Abwandlung des oben stehenden Nervositätsmaßes kann auch unterschieden werden, ob ein Auftrag zu einem früheren oder späteren Fertigstellungszeitpunkt als im bisherigen Plan ausgeführt werden soll. Beispielhaft dafür soll in den unten stehenden Gleichungen der Fall betrachtet werden, dass lediglich eine Vorverlegung der Aufträge erfasst werden soll. Dazu wird durch Gleichung (3.4) für jeden Auftrag geprüft, ob er zu einem früheren Zeitpunkt als im Ausgangsplan eingeplant wurde. Auch hier sollen durch die Einführung des Parameters TOL kleinere zeitliche Verschiebungen unbeachtet bleiben. Durch Gleichung (3.5) wird dann der Anteil der aus dem alten Plan übernommenen Aufträge berechnet, die zu einem früheren Zeitpunkt als im alten Plan eingeplant wurden. Die durchschnittliche zeitliche Vorverlegung der Aufträge wird durch Gleichung (3.6) ermittelt. ei
1 falls tˆic tic d TOL ® ¯0 sonst
E lokal
A lokal
i Iˆ
¦ e iIˆ
i
(3.5)
Iˆ
¦ tˆ iIˆ
(3.4)
i
c
tic ei Iˆ
i Iˆ
(3.6)
Die Kennzahlen A und E und deren Abwandlungen werden jeweils durch den Vergleich der zeitlichen Lage eines einzelnen Auftrages im alten und neuen Plan bestimmt. Bei der Anlagenbelegungsplanung in der chemischen Industrie werden allerdings auch Aufträge geplant, die den gleichen Prozess ausführen und somit als gleichartig angesehen werden können. Um diesen Umstand zu berücksichtigen, wurde die Stabilitätskennzahl G eingeführt. Sie gibt Auskunft darüber, für welchen Anteil der Aufträge aus dem alten Plan ein gleichartiger Auftrag mit übereinstimmendem Endzeitpunkt im neuen Plan eingeplant ist.
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
57
Da die Prozessabläufe für beide Aufträge identisch sind, wird für den Auftrag i keine Umplanung erfasst. gi
1 falls ticc ® ¯0 sonst
G lokal
¦g iIˆ
tˆic
i Iˆ, (i, ic) I equ
(3.7)
i
(3.8)
Iˆ
Anlagenzuordnung Die Kennzahl U beschreibt den Anteil der Aufträge, die im alten und neuen Plan auf der gleichen Anlage eingeplant wurden. Die Normierung erfolgt durch die Anzahl der aus dem Ausgangsplan in den aktualisierten Plan übernommenen Aufträge. U lokal
¦y iIˆ
i ,Uˆ i
(3.9)
Iˆ
Auftragsreihenfolge Dieses Stabilitätsmaß beschreibt den Anteil von Auftragspaaren, die im alten und neuen Plan in der gleichen Reihenfolge eingeplant wurden. Dabei wird angenommen, dass lediglich die Reihenfolgeänderungen der Aufträge planungsrelevant sind, die unterschiedliche Prozesse ausführen und im alten Plan auf der gleichen Anlage eingeplant waren. si ,ic
S lokal
1 falls xi ,ic xˆi ,ic 0 ® ¯0 falls xi ,ic xˆi ,ic z 0
¦
( i ,i c )Iˆ diff
(i, ic) Iˆ diff
(3.10)
si ,ic
Iˆ diff
(3.11)
Kombination von Stabilitätsmaße Neben der isolierten Erfassung der Stabilitätskennzahlen für jeweils eine Dimension der Umplanung kann auch deren kombinierte Berücksichtigung erfolgen. In dem hier aufgeführten Beispiel gilt ein übernommener Auftrag nur dann als nicht umgeplant, wenn sowohl dessen Fertigstellungszeitpunkt als auch dessen Anlagenzuordnung beibehalten wurde.
58
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung °1 falls tˆic tic d TOL y ˆ i ,U i ® °¯0 sonst
ki
¦k iIˆ
K lokal
gki
1
i Iˆ
i
(3.13)
Iˆ
° 1 falls ticc ® °¯0 sonst
GK lokal
(3.12)
¦ gk iIˆ
tˆic yic,Uˆ
i
1
i Iˆ, (i, ic) I equ
(3.14)
i
Iˆ
(3.15)
Die Kennzahl GKlokal beschreibt, für welchen Anteil der aus dem alten Plan übernommenen Aufträge im neuen Plan ein passender Auftrag existiert, der den gleichen Prozess ausführt, den gleichen Fertigstellungszeitpunkt besitzt und auf der gleichen Anlage eingeplant ist. 3.5.4.2 Globale Stabilitätsmaße Wie eingangs beschrieben wurde, sind die globalen Stabilitätskennzahlen dadurch gekennzeichnet, dass die Planänderungen aller innerhalb eines bestimmten Zeitraumes117 durchgeführten Umplanungsläufe ausgewertet werden. Auf diese Weise kann auch berücksichtigt werden, ob ein einzelner Auftrag mehrmals in aufeinander folgenden Umplanungsläufen verschoben wurde. Um die Bestimmung dieser globalen Stabilitätskennzahlen vornehmen zu können, genügt es nicht mehr, wie bisher lediglich den alten und aktualisierten Plan zu vergleichen. Es ist vielmehr notwendig, die einzelnen Planparameter den jeweiligen Umplanungsläufen zuzuordnen. Dazu werden die folgenden zusätzlichen Symbole definiert:
O /
Menge der Umplanungsläufe (mit ƫ=0 für den initialen Plan)
i IO
Menge der Produktionsaufträge im Umplanungslauf ƫ
i IˆO
Menge der aus dem vorherigen Plan übernommenen Produktionsaufträge für Umplanungslauf ƫ
117
Dieser Zeitraum entspricht dem im Abschnitt 4.2.1 definierten Simulationshorizont.
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
tic,O
59
Fertigstellungszeitpunkt von Produktionsauftrag i im resultierenden Plan des Umplanungslaufes ƫ
U i ,O
Anlage, auf der Auftrag i im resultierenden Plan des Umplanungslaufes ƫ ausgeführt wurde
Zeitliche Lage Die durchschnittliche zeitliche Verschiebung aller Aufträge in einer Sequenz von Planungsläufen wird durch Gleichung (3.16) erfasst. Dazu werden auch hier die zeitlichen Abweichungen der Fertigstellungszeitpunkte für die aufeinanderfolgenden Planungsläufe ausgewertet. Die Normierung erfolgt durch die Bestimmung der Anzahl der Aufträge, die in allen Umplanungsläufen berücksichtigt wurden.
A global
¦ ¦tO
O/ |O z 0 iIˆO
¦O O
I0
/ | z 0
i , 1
ti , O
I
IˆO
O
(3.16)
Durch die Gleichungen (3.17) und (3.18) wird die Umplanungshäufigkeit aller Aufträge hinsichtlich der Fertigstellungszeitpunkte bestimmt. Ebenso wie bei den lokalen Kennzahlen gilt ein Auftrag dann als nicht umgeplant, wenn er lediglich innerhalb eines zeitlichen Toleranzbereiches (TOL) verschoben wurde. ei ,O
1 falls tic,O 1 tic,O d TOL ° ® c c °¯0 falls ti ,O 1 ti ,O ! TOL
i IˆO , O / | O z 0
(3.17)
¦ ¦e O
E global
i,
O / |O z 0 iIˆO
I0
¦O O
/ | z 0
I
O
IˆO
(3.18)
Anlagenzuordnung Die durchschnittliche Häufigkeit, mit der die Aufträge einer neuen Anlage zugewiesen werden, wird in Gleichung (3.19) erfasst. Dabei erfolgt auch hier die Normierung durch die Gesamtzahl aller Aufträge, die in den Umplanungsläufen zu berücksichtigen sind.
¦ ¦y
U global
O/ |O z 0 iIˆO
I0
¦O O
/ | z 0
I
U i ,O 1
O
IˆO
(3.19)
60
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
Auftragsreihenfolge Auf die Definition der globalen Stabilitätskennzahl zur Reihenfolgeerhaltung soll verzichtet werden, da die Ermittlung der dazu notwendigen Parameter für Problemstellungen praktischer Größenordnung einen sehr hohen Aufwand darstellt.
3.6 Zusammenfassung Der wesentliche Inhalt dieses Kapitels besteht in der Darlegung der theoretischen Grundlagen reaktiver Planungsverfahren. Dazu wurden zunächst die wesentlichen Unsicherheitsfaktoren in einem praktischen Planungsumfeld analysiert und deren Auswirkungen auf einen bestehenden Anlagenbelegungsplan abgeleitet. Dabei wurde festgestellt, dass die Störungswirkungen im Falle eines Anlagenausfalls besonders vielfältig sind, da neben der Verschiebung bestehender Aufträge gegebenenfalls auch die Neueinplanung von Ersatzaufträgen notwendig ist und die betroffenen Anlagen während der Störungsdauer blockiert werden müssen. Aus diesem Grund wurden Anlagenstörungen als eine der wichtigsten Störungsursachen bei der Entwicklung der in den Kapiteln 4 und 5 beschriebenen reaktiven Planungsmethodik angesehen. Als zusätzlicher Unsicherheitsfaktor wurden Eilaufträge berücksichtigt, um das in Abschnitt 2.3.2 beschriebene Zusammenwirken der kurzfristigen Verfügbarkeitsprüfung mit der Anlagenbelegungsplanung demonstrieren zu können. Ferner wurden, um auf alle in Abschnitt 3.2.1 dargelegten Ursachen von Störereignissen reagieren zu können, im Abschnitt 3.2.4 insgesamt fünf verschiedene Grundoperationen identifiziert, die von einem reaktiven Planungsverfahren unterstützt werden müssen. Eine weitere wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung reaktiver Planungsverfahren besteht darin, dass eine Lösung für eine erforderliche Plananpassung in möglichst kurzer Zeit zur Verfügung steht. Die mathematische Optimalität dieser Lösung ist für praktische Problemstellungen eher als zweitrangig anzusehen. Je nach der vorliegenden Anwendungsumgebung existieren zur Berücksichtigung von unsicheren Planungsdaten eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze, die in zwei grundlegende Kategorien eingeteilt werden können. Eine Möglichkeit besteht darin, den Unsicherheiten zu begegnen, indem für den gesamten Planungshorizont ein robuster Plan erstellt wird, der gegen Störungen unempfindlich ist. Diese Störungsunempfindlichkeit wird in vielen Fällen durch das Einfügen von Pufferzeiten bewirkt.118 Falls keine Störungen auftreten und somit
118
Vgl. u.a. Sanmarti et al. (1995) S.567 oder Herrmann (2006b) S. 146.
3 Reaktive Anlagenbelegungsplanung
61
die Pufferzeiten nicht benötigt werden, entstehen auf den Anlagen Leerzeiten, die den Auslastungsgrad der Anlagen vermindern. Da in der chemischen Industrie eine sehr hohe Kapitalintensität besteht und somit eine hohe Anlagenauslastung für eine rentable Produktion erforderlich ist, erweist sich die Verwendung robuster Pläne als ungeeignet. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, einen nominellen Ausgangsplan beim Auftreten von Ereignissen, die zur Unzulässigkeit dessen führen, anzupassen. Der Ausgangsplan wird unter der Annahme erstellt, dass alle Planparameter im voraus bekannt sind und sich im Zeitverlauf nicht ändern. Insbesondere für praxisnahe Problemstellungen der Anlagenbelegungsplanung wird ein solches Vorgehen als effizient angesehen.119 Aus diesem Grund wurde für das in dieser Arbeit vorgeschlagene reaktive Schedulingsystem ein solcher prädiktiv-reaktiver Ansatz verwendet, der auf einer hybriden Planungspolitik beruht. Hinsichtlich des Umfanges der Plananpassungen kann zwischen einer kompletten und partiellen Umplanungsmethodik unterschieden werden. Insbesondere bei der prädiktiv-reaktiven Plananpassung besteht eine wichtige Zielsetzung darin, dass nach Möglichkeit nur die Umplanungen erfolgen sollen, die zur Anpassung des bestehenden Plans an das veränderte Produktionsumfeld erforderlich sind. Zur Bewertung reaktiver Planungsverfahren muss somit neben den klassischen Effektivitätskennzahlen auch der Umfang der vorgenommenen Planänderungen qualifiziert werden. Ausgehend von den drei möglichen Umplanungsdimensionen wurden im Abschnitt 3.5.4 die entsprechenden Kennzahlen zur Bewertung der Planstabilität eingeführt.
119
Vgl. Engell et al. (2001), S. 652 f.
62
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
4. Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik Die Aufgabe eines reaktiven Schedulingverfahrens liegt in der Anpassung eines bestehenden Produktionsplans an veränderte Rahmenbedingungen in einem dynamischen Produktionsumfeld. Im Vergleich zu rein statischen Schedulingverfahren ist dieser Planungsansatz weitaus praxisnäher. Dieser Anspruch erhebt allerdings auch eine Reihe von zusätzlichen Anforderungen an die Funktionalität der reaktiver Verfahren. So muss beispielsweise bei einer dynamischen Plananpassung die aktuelle Situation der Produktionsumgebung berücksichtigt werden, so dass neben den eigentlichen Planungsverfahren auch Funktionen zur Analyse der Planungssituation und Aufbereitung der Ausgangsdaten für die nachfolgende Plananpassung notwendig sind. Die Bewertung der Verfahren erfolgt nicht allein durch rein statische Effektivitätskennzahlen, sondern zusätzlich durch die Auswertung der Plannervosität, die sich aus der Häufigkeit und dem Umfang der notwendigen Planänderungen ergibt.120 Eine geeignete Bewertungsgrundlage für reaktive Planungsverfahren besteht demnach nur bei deren Anwendung innerhalb einer ihrem Einsatzzweck entsprechenden dynamischen Planungsumgebung, die einem realen Produktionsumfeld in geeigneter Weise nahe kommt. Um für die in dieser Arbeit vorgeschlagenen reaktiven Planungsverfahren ein geeignetes Planungsumfeld zu schaffen, wurde eine Entwicklungs- und Testumgebung entworfen und in Form eines Reaktiven Schedulingsystems implementiert. Die Funktionalität und das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten dieses Systems sind Inhalt des folgenden Kapitels. Basierend auf den theoretischen Grundlagen aus Kapitel 3, wurde im Abschnitt 3.6 beschrieben, durch welchen Planungsansatz dem Auftreten von Unsicherheiten in der Planung begegnet werden soll. Der Einsatzrahmen und die grundlegenden Annahmen, auf denen das Reaktive Schedulingsystem basiert, werden im nächsten Abschnitt erläutert. Die Architektur des Systems und das Zusammenwirken der Einzelkomponenten sind Inhalt des Abschnitts 4.2.
120
Vgl. Abschnitt 3.5.4.
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
63
4.1 Einsatzrahmen und grundlegende Annahmen Die Anwendungsumgebung für das reaktive Schedulingsystem ist die Produktion von Spezialchemikalien, die in Batchproduktionsweise, auf Mehrzweckanlagen hergestellt werden.121 Die Planungsunterstützung soll auf der Ebene der Anlagenbelegungsplanung erfolgen, so dass der Planung ein Horizont von einigen Tagen bis zu einer Woche zu Grunde liegt. Die im Planungshorizont zu erzeugenden Mengen der Endprodukte können sich sowohl aus konkreten Kundenaufträgen als auch den Vorgaben der übergeordneten Kampagnen- bzw. standortübergreifenden Netzwerkplanung ergeben. Da der Anlagenbelegungsplanung auf einem sehr detaillierten Niveau erfolgt, besteht deren Hauptaufgabe darin, die zur Erzeugung dieser Produktionsmengen notwendigen Prozessaufträge den konkreten Anlagen zuzuordnen und deren Start- und Endtermine zu bestimmen. Es wird die Annahme getroffen, dass mit der Zielsetzung einer möglichst hohen Anlagenauslastung, die maximale Batchgröße produziert werden soll. Als primäre Zielsetzung ist die Minimierung der Gesamtdurchlaufzeit anzusehen. Falls ein Auftrag nicht termingerecht bereitgestellt werden kann, soll eine verspätete Lieferung möglich sein, wobei das Auftreten von Verspätungen vermieden werden sollte. Falls aufgrund einer auftretenden Störung Plananpassungen erforderlich werden, sollten nur Planänderungen ausgeführt werden, die notwendig sind, um den bisherigen Plan der aktuellen Planungssituation anzupassen. Als Ursachen einer Plananpassung sollen sowohl zufällig auftretende Anlagenausfälle als auch kurzfristig eintreffende Eilaufträge berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, den Planungshorizont im Rahmen einer rollierenden Planung fortzuschreiben. In der industriellen Praxis dient ein solches reaktives Schedulingsystem der Planungsunterstützung, so dass der ermittelte Plan nachträglich, im Rahmen einer interaktiven Planung, angepasst werden kann. Somit besteht eine wichtige Anforderung darin, eine zulässige Lösung, die hinsichtlich der vorgegebenen Zielfunktionskriterien ein akzeptables Ergebnis aufweist, in kurzer Rechenzeit bereitzustellen. Eine mathematische Optimalität der gefundenen Lösung ist nicht zwingend erforderlich. Dagegen sollten unabhängig von der bestehenden Planungssituation keine signifikanten Schwankungen der Lösungsqualität auftreten. Es sollte ebenfalls sichergestellt werden, dass innerhalb einer vorgegebenen Rechenzeit ein zulässiger Lösungsvorschlag ermittelt werden kann. Um letztendlich eine möglichst schnelle Anpassung und Freigabe des aktualisierten Plans realisieren zu können, ist die Vi-
121
Vgl. Abschnitt 2.2.1.1
64
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
sualisierung des resultierenden Anlagenbelegungsplans in Form einer grafischen Plantafel zu unterstützen.
4.2 Architektur des reaktiven Schedulingsystems Wie in Abb. 13 dargestellt, besteht das entwickelte reaktive Planungssystem im Wesentlichen aus vier Einzelmodulen: dem Scheduler, dem Analyser, dem Rescheduler und der Planungsdatenbank, in der alle relevanten Ausgangsdaten und Zwischenergebnisse gespeichert werden. Da als Versuchsumgebung kein reales Produktionssystem zur Verfügung stehen kann, wird zur Repräsentation des dynamischen Produktionsumfeldes ein Simulationsmodell verwendet. Dieses Modell entspricht einer Nachbildung des Produktionssystems, dessen Stammdaten auch in der Planungsdatenbank hinterlegt sind. Auf der Grundlage dieser Stammdaten werden alle Planungsaktivitäten des reaktiven Schedulingsystems ausgeführt. Somit basiert das System auf einem eigenständigen Datenmodell und ist unabhängig von der Repräsentation des Produktionssystems. Würde das Simulationsmodell durch ein reales Produktionssystem ersetzt werden, würden keine strukturellen Änderungen der Systemarchitektur erforderlich sein.
Abb. 13: Architektur des reaktiven Schedulingsystems
Aufgrund seiner modularen Struktur ist das System so konzipiert, dass es unter Verwendung alternativer auf die jeweilige Anwendungsumgebung abgestimmter Umplanungsverfahren einsetzbar ist. Um einen systematischen Vergleich alternativer reaktiver Planungsverfahren zu ermöglichen, können Planungsszenarien in der Planungsdatenbank hinterlegt werden. Diese Szenarien sind durch vordefinierte Bedarfsverläufe und Folgen von Störereignissen gekennzeichnet und können beispielsweise auf bereits abgeschlossenen Simulationsläufen basieren oder aus historischen Daten eines realen Produktionssystems abgelei-
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tet werden. Alternativ dazu ist es möglich diese Szenarien manuell zu definieren oder durch einen externen Datengenerator zu erzeugen. Ein wesentlicher Vorteil dieser vollständig rechnergestützten Systemarchitektur besteht in der Möglichkeit, komplexe Planungszyklen automatisiert abzuarbeiten. Auf diese Weise können praxisnahe Planungsszenarien mit aufeinander folgenden Störungsmustern und für verschiedenste Zustände des Planungsumfelds nachgeahmt werden. Bevor mit der detaillierten Beschreibung der Funktionen der einzelnen Module fortgefahren wird, soll im folgenden Abschnitt das Zusammenwirken der einzelnen Module erläutert und die grundlegenden Annahmen, auf denen die Systemarchtektur beruht, erläutert werden.
4.2.1 Planungslauf und rollierende Planung Im Initialzustand sind in der Planungsdatenbank alle relevanten Informationen bezüglich der Struktur des Produktionssystems gespeichert. Darüber hinaus sind grundlegende Bewegungsdaten, wie Anfangslagerbestände und Bedarfsmengen enthalten. Um den Planungsvorgang zu initialisieren, wird vom Scheduler-Modul ein Ausgangsplan unter der Annahme deterministischer Planungsdaten ermittelt. Dabei werden alle bekannten Bedarfsdaten berücksichtigt, die innerhalb eines vordefinierten Schedulinghorizontes fällig werden. Der resultierende Belegungsplan wird der Planungsdatenbank übergeben. Basierend auf diesem Plan beginnt das Simulationsmodell mit dessen Abarbeitung. Tritt während der Ausführung des Simulationsmodells ein planungsrelevantes Ereignis auf, wird die Simulation gestoppt, und alle relevanten Störungsdaten werden in der Planungsdatenbank hinterlegt. Als planungsrelevante Ereignisse gelten dabei Anlagenausfälle oder das Eintreffen von kurzfristig zu berücksichtigenden Kundenaufträgen. Plananpassungen, die auf Störungen basieren, werden als ereignisbasierte Umplanungsläufe bezeichnet. Um eine Planpassung vorzunehmen, wird durch das reaktive Schedulingsystem ein Umplanungszyklus initiiert. Dabei prüft das Analyser-Modul zunächst, ob eine Plananpassung erforderlich ist. Im Falle einer planungsrelevanten Störung wird mit den Vorbereitungen für die erforderliche Plananpassung fortgefahren. Dabei wird die aktuelle Situation des Produktionssystems analysiert, und es werden die Ausgangsdaten für die Plananpassung aufbereitet. Basierend auf diesen Daten beginnt die eigentliche Umplanung durch den Aufruf des Rescheduler-Moduls. Nach erfolgreicher Umplanung wird der angepasste Plan der Datenbank übergeben. Ein Umplanungszyklus ist abgeschlossen, wenn, basierend auf dem aktuellen Plan, die Ausführung des Simulationsmodells wieder aufgenommen wird.
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4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
Abb. 14: Vereinfachte Darstellung eines Umplanungszyklus
Die Abarbeitung des Plans durch die Simulation wird so lange fortgeführt, bis das nächste planungsrelevante Ereignis auftritt oder das Ende der Schedulingperiode erreicht wurde. Am Ende einer solchen Schedulingperiode wird ein periodischer Umplanungslauf ausgelöst, der zur Fortschreibung des Schedulinghorizontes dient. So ist es möglich, reguläre Bedarfe mit späteren Fälligkeitsterminen zu berücksichtigen. Durch das Verhältnis von Schedulingperiode und Schedulinghorizont wird der Überlappungsbereich der Teilpläne bestimmt. Eine grundlegende Problematik beim Entwurf eines rollierenden Planungskonzeptes besteht in der Abgrenzung der Planungshorizonte der einzelnen Umplanungsläufe durch eine geeignete Dimensionierung der Schedulingperiode und des Schedulinghorizontes.122 Um diese Problematik genauer zu untersuchen, werden im Abschnitt 6.4.7
122
Vgl. Yang (2005) S. 183.
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
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die Ergebnisse einer Versuchsreihe diskutiert, bei der eine Variation des Schedulinghorizontes mit einer Analyse der daraus resultierenden Veränderungen der Effektivitätsund Stabilitätsmaße vorgenommen wurde. Bei der Verwendung von überlappenden Teilplänen, ist es weiterhin erforderlich für jeden Umplanungslauf festzulegen, welche Produktionsaufträge in welcher Weise zu berücksichtigen sind. Diese Entscheidung wird durch das Analyser-Modul des reaktiven Schedulingsystems getroffen, das im Abschnitt 4.2.5 ausführlich erläutert wird.
Abb. 15: Abfolge eines Planungslaufes
Die Abfolge der Simulations- und Umplanungsläufe wird so lange fortgesetzt, bis das Ende eines vordefinierten Simulationshorizontes erreicht ist. Die Gesamtheit aller planerischen Aktivitäten vom Beginn bis zum Ende des Schedulinghorizontes werden im folgenden auch als Planungslauf bezeichnet.
4.2.2 Planungsdatenbank Die Hauptaufgabe der Planungsdatenbank besteht in der Bereitstellung der Ausgangsdaten für die Planungsmodule des reaktiven Schedulingsystems und der Simulationsumgebung. Weiterhin werden alle Ausgangsdaten, Zwischen- und Endergebnisse eines Umplanungslaufes für spätere Analysezwecke gespeichert. Vor dem Auftakt eines Planungslaufes enthält die Planungsdatenbank die initialen Werte der Planparameter, wie den Ausgangsplan, die Anfangslagerbestände und bisher bekannte externe Bedarfe. Der Datenaustausch zwischen der Datenbank und den zugreifenden Modulen wurde über die standardisierte
68
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
Datenbankschnittstelle ODBC123 realisiert. Als Datenbankmanagementsystem wurde MS Access verwendet. Die Gesamtheit aller hinterlegten Daten lässt sich wie in Tab. 4 dargestellt in insgesamt fünf Kategorien einteilen. Datenkategorie
Datensatz
Schlüssel
Prozess
Prozess
Produkt Anlage
Produkt Anlage
Produktfluss
Produktfluss
Rüstmatrix
Übergang
Lagerbestände
Produkt
Auftragsstatus
Auftrag
Plan
Auftrag
Anlagenausfall
Störung
Eilauftrag
Bedarf
Orders
Bedarf
Prozessdaten
Zustandsdaten
Planungsdaten
Störungsdaten
Bedarfsdaten
Daten Anlagen Dauer Dauer Endreinigung Batchgröße Produkt Prozess Outputanteil Inputanteil Vorgängerprozess Nachfolgerprozess Dauer Menge Fixiert Umplanbar In Bearbeitung Prozess Anlage Startzeitpunkt Anlage Startzeitpunkt Endzeitpunkt Produkt Release Date Bedarfszeitpunkt Menge Produkt Release Date Bedarfszeitpunkt Menge Unterdeckungsmenge
Tab. 4: Überblick der Daten in der Planungsdatenbank
4.2.2.1 Prozessdaten Die Repräsentation des realen Produktionssystems in der Planungsdatenbank basiert auf dem Konzept der Produkt-Prozess-Netzwerke, das in der wissenschaftlichen Literatur seit längerer Zeit Verwendung findet.124 Diese Darstellungsform kommt hauptsächlich bei der
ODBC (Open Database Connectivity) Vgl. u.a. Kondili et al. (1993), Papageorgiou/Pantelides (1996), Blömer (1999) oder Maravelias/Grossmann (2003a)
123 124
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
69
Produktionsplanung von chemischen Prozessen, aber auch beim Entwurf chemischer Anlagenkomplexe zum Einsatz.125 Im Allgemeinen enthalten Produkt-Prozess-Netzwerke weniger Informationen als Rezepte, die detailliertere Beschreibungen der einzelnen Operationen zur Ausführung der Prozessschritte beinhalten. Diese Zusatzinformationen sind für die Produktionsplanung nicht von Bedeutung. Sie werden aber benötigt, wenn ein Prozessauftrag in einem realen Produktionssystem ausgeführt werden soll. Im Vergleich zu Rezepten bieten Produkt-Prozess-Netzwerke eine übersichtlichere Darstellung der gesamten Prozessstruktur, da beispielsweise die Produktion von Kuppelprodukten und zyklische Prozessabläufe leicht visualisierbar sind. Weiterhin enthalten sie alle notwendigen Informationen, die im Rahmen der Produktionsplanung erforderlich sind.
Abb. 16: Beispiel eines State Task Netzwerks mit Anlagenzuordnung
Ein solches Produkt-Prozess-Netzwerke wurde in Abb. 16 grafisch dargestellt. Dabei werden die in einem Produktionsprozess produzierten und verarbeiteten Materialien, Zwischen- und Endprodukte, durch Knoten mit abgerundeten Ecken symbolisiert. Die eigentlichen Prozesse werden durch Rechtecke veranschaulicht. Solche Prozesse stellen eine Abfolge chemischer, physikalischer oder biologischer Vorgänge dar, die zur Gewinnung, Herstellung oder Beseitigung der Produkte dienen. Die Input- und Outputbeziehungen zwischen Prozessen und Produkten werden durch Kanten symbolisiert. Im Falle von konvergierenden bzw. divergierenden Produktflüssen werden die jeweiligen Mengenverhältnisse an den Kanten vermerkt. Um zu veranschaulichen auf welchen Anlagen die Prozesse ausgeführt werden können, werden die Prozesssymbole mit Rechtecke hinterlegt, die diese Anlagen symbolisieren. Diese Darstellungsform wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit zur Visualisierung der Struktur von Produktionsprozessen verwendet.
125
Vgl. Yeomans/Grossmann (1999) Abschnitt 4.1.
70
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
4.2.2.2 Planungs- und Bedarfsdaten Neben diesen Prozessdaten enthält die Planungsdatenbank auch die Endproduktbedarfe mit den entsprechenden Bedarfsmengen und –zeitpunkten und eventuell auftretenden Unterdeckungsmengen. Basierend auf diesen Bedarfsdaten wird der entsprechende Anlagenbelegungsplan ermittelt, der den Planungsdaten zugeordnet ist. Dieser enthält Informationen bezüglich der auszuführenden Prozesse, welchen Anlagen diese zugeordnet wurden und zu welchem Zeitpunkt sie starten sollen. Dieser Anlagenbelegungsplan wird beim Auftreten von planungsrelevanten Ereignissen an die aktuelle Planungssituation angepasst. Um eine nachträgliche Analyse der Umplanungsaktivitäten zu ermöglichen, werden zu jedem Umplanungslauf die jeweils aktuellen Belegungspläne archiviert. Für einen Planungslauf werden allen Produktionsaufträgen und externen Bedarfen eindeutige Schlüssel zugeordnet, so dass deren genaue Identifikation möglich ist. 4.2.2.3 Störungsdaten Die Störereignisse wie Anlagenausfälle oder Eilaufträge können während der Laufzeit des Systems durch die Simulationsumgebung dynamisch erzeugt werden. Um verschiedene Verfahrensabwandlungen unter Verwendung der gleichen Ausgangsdaten testen zu können, wurde alternativ dazu die Möglichkeit geschaffen, Störungsdaten vorzugeben. Dazu werden vor Beginn der Simulation die Störungsdaten in der Planungsdatenbank hinterlegt und während der Laufzeit der Simulation zur gezielten Störungsgenerierung verwendet. Für einen Anlagenausfall wird dazu die betroffene Anlage, dessen Start- und Endzeitpunkt vorgegeben. Sollen zusätzliche Eilaufträge eingeplant werden, müssen neben den Auftragsdaten auch die Termine vorgegeben sein, an denen die Eilaufträge eintreffen. 4.2.2.4 Zustandsdaten Neben diesen vorgegebenen Daten enthält die Planungsdatenbank auch für den Umplanungsprozess erforderliche Informationen zur aktuellen Situation des Produktionssystems. Dazu zählen die aktuellen Lagerbestände und der Bearbeitungsstatus der Aufträge, die aus dem bisher aktiven Anlagenbelegungsplan in den aktualisierten Plan übernommen werden sollen. Ein Auftrag kann einen der folgenden Zustände annehmen: In Bearbeitung Diese Aufträge sollen weiter wie bisher ausgeführt werden und sind durch den Rescheduler nicht umplanbar.
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71
Umplanbar Die frei umplanbaren Aufträge können während der Plananpassung einer neuen Anlage zugeordnet oder zeitlich verschoben werden. Fixiert Soll im Rahmen einer partiellen Umplanungsmethode lediglich ein Teil des Plans angepasst werden, besteht die Möglichkeit, Aufträgen den Status „Fixiert“ zuzuweisen, so dass sie, ähnlich wie die Aufträge mit dem Status „In Bearbeitung“, nicht umgeplant werden können. Die Zustandsdaten werden durch das Analyser-Modul ermittelt, dessen Funktionen im Abschnitt 4.2.5 ausführlich beschrieben werden.
4.2.3 Scheduler Die Aufgabe des Scheduler-Moduls besteht in der Ermittlung des Ausgangsplanes, in dem die Anlagenzuordnungen und Startzeitpunkte der Produktionsaufträge festgelegt sind. Somit dient er der Initialisierung eines Planungslaufes. Im Scheduler-Modul kommen statische Scheduling-Verfahren zum Einsatz, die von der Grundannahme ausgehen, dass sich die verwendeten Planungsdaten während der Planausführung nicht verändern. Weiterhin wird angenommen, dass im betrachteten Produktionssystem bisher keine Aufträge eingelastet wurden und alle Anlagen für den gesamten Planungszeitraum verfügbar sind. Da die Entwicklung statischer Schedulingverfahren für die Prozessindustrie in der wissenschaftlichen Literatur bereits ausführlich diskutiert wurde126 und auch nicht den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit darstellt, wurden für das Scheduler-Modul lediglich abgewandelte Varianten der Verfahren implementiert, die innerhalb des Rescheduler-Moduls zum Einsatz kommen. Diese Verfahren werden im Kapitel 5 ausführlich beschrieben und sollen an dieser Stelle nicht näher erläutert werden. Als Modellierungsumgebung für die Schedulingverfahren wurde ILOG OLP-Studio 3.6.1 verwendet, wobei zur Lösung der Optimierungsmodelle ILOG CPLEX 8.1 zur Anwendung kommt.
4.2.4 Simulationsumgebung Da für den Test von Planungs- und Steuerungsmethoden im Bereich der Produktionsplanung die Verwendung von realen Produktionssystemen nicht möglich ist, wird durch eine
Vgl. u.a. Trautmann (2005), Schwindt/Trautmann (2000), Blömer (1999), Mendez et al. (2001), Maravelias/Grossmann (2003a) oder Jain/Grossmann (2001).
126
72
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Simulationsumgebung die mögliche Anwendungsumgebung nachgeahmt. Neben der zufälligen Generierung der Störereignisse besteht die Hauptaufgabe der Simulationsumgebung darin, die Ergebnisse des Scheduler- und Rescheduler-Moduls zu verifizieren.127 Die durch den Scheduler und Rescheduler vorgegebenen Anlagenbelegungspläne werden dabei an die Simulationsumgebung zur Abarbeitung weitergeleitet. Treten bei der Bearbeitung eines Planes Unstimmigkeiten auf, beispielsweise durch bestehende Fehlmengen an Zwischenprodukten oder die Nichtverfügbarkeit von Anlagen zum geplanten Startzeitpunkt eines Auftrages, deutet dies entweder auf Inkonsistenzen bei den Ausgangsdaten oder auf eine fehlerhafte Annahme bei der Ermittlung der aktualisierten Pläne hin. Da das vorliegende reaktive Schedulingsystem auf einem prädiktiv-reaktiven Planungsansatz basiert, werden während der Ausführung eines Planungslaufes eine Vielzahl von Teilplänen erzeugt die aufeinander aufbauen. Somit kann die Ursache auftretender Fehler in einem der vorangegangenen Umplanungsläufe liegen. Die Identifikation solcher Fehler gestaltet sich daher sehr aufwendig und ist nur unter Verwendung von geeigneten Analyse- und Visualisierungsfunktionen möglich. Eine weitere wichtige Funktion der Simulationsumgebung besteht in der automatisierten Steuerung der Umplanungsprozesse. So werden beim Auftreten von planungsrelevanten Ereignisse automatisch die entsprechenden Umplanungsvorgänge angestoßen und nach Abschluss der Umplanung die aktualisierten Ergebnisse eingelesen. Danach wird die Abarbeitung des Plans fortgesetzt. Somit können ganze Planungsläufe mit einer Vielzahl von ereignisbasierten und periodischen Umplanungen ohne jeglich manuelle Eingriffe abgearbeitet werden. Die Hauptaufgaben des Simulationssystems lassen sich somit wie folgt zusammenfassen: x Versuchsumgebung durch Nachahmung des realen Produktionssystems x Ausführung und Verifizierung der vorgegebenen Anlagenbelegungspläne x Generierung von Störereignissen x Visualisierung und Analyse der aktuellen Planungssituation x Automatisierung eines Planungslaufes
Zur Umsetzung der Anwendungsumgebung wurde ein diskretes ereignisgesteuertes Simulationssystem verwendet. Bei dieser Form der Simulation erfolgt der Zeitfortschritt durch das Folgen von Ereignissen, bei deren Eintreten eine Zustandsänderung des Simulationsmodells auftritt. Somit können sich die Zustandsvariablen des Systems lediglich sprunghaft
127
Vgl. u.a. Fowler et al. (2006) S. 112 f.
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
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ändern. Bei der Ausführung eines Ereignisses in der Simulation steht bereits fest, welches Ereignis als nächstes auftritt. Die einzelnen Aktivitäten, die beispielsweise bei der Abarbeitung eines Prozesses auftreten, werden durch Start- und Endereignisse gekennzeichnet, so dass bei deren Ausführung Simulationszeit aber keine Rechenzeit verbraucht wird. Die durch die Ereignisse angestoßenen Zustandsänderungen der Systemvariablen hingegen verbrauchen Rechenzeit aber keine Simulationszeit.128
Abb. 17: Komponenten des Simulationssystems
Die Simulationsumgebung wurde unter Verwendung von eMPlant 6.0 realisiert. Dieses System ist eher für die Verwendung in der diskreten Fertigung ausgelegt, da in der Grundversion beispielsweise keine kontinuierlichen Materialflüsse modellierbar sind. Durch die Verwendung der Systemerweiterung Visopt Process 6.0, konnte diese Einschränkung aufgehoben werden, wodurch der Modellierungsaufwand erheblich reduziert wurde. Hierbei handelt es sich um eine Bausteinbibliothek, die speziell zur Modellierung von Produktionssystemen der chemischen Industrie entwickelt wurde. Neben einer Vielzahl von vordefinierten Abbildungsobjekten enthält Visopt Process auch eine Reihe von Visualisierungsund Analysefunktionen.
128
Vgl. Wenzel (2000) oder Fishmann (2001).
74
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
Um alle für die Realisierung der Versuchsumgebung notwendigen Funktionen vollständig abzudecken, wurden zusätzliche Komponenten zur Auftragsfreigabe und Störungsgenerierung implementiert. Eine Übersicht dieser Komponenten ist in Abb. 17 dargestellt. Ausführliche Erläuterungen über deren Zusammenwirken finden sich in den folgenden Abschnitten. 4.2.4.1 Darstellung des Produktionssystems Die Modellierung der Produktionsabläufe erfolgt in Visopt Process in so genannten Grundrezepten, von denen eines beispielhaft in Abb. 18 dargestellt ist. Die Rezepte beschreiben die Abfolge der einzelnen Operationen, die zur Produktion eines oder mehrerer Produkte auszuführen sind. Verschiedene Klassen von Operationstypen, wie zum Beispiel für Materialtransfers, Verarbeitung und Füllstandssteuerung, sind bereits vordefiniert. Weiterhin werden diese Operationen den Teilanlagen zugewiesen, unter deren Verwendung sie ausgeführt werden.129 Um eine vereinfachte Koordination von Planungs- und Simulationsmodulen zu ermöglichen, wird angenommen, dass für jede alternative Anlage auf der ein Prozess ausgeführt werden kann genau ein Rezept erstellt wird. Zur Erzeugung der Anlagenstrukturen wurden in dem verwendeten Simulationssystem die gebräuchlichsten Komponenten chemischer Anlagenkomplexe, wie beispielsweise Mischer, Mühlen, Silos und Rohrleitungen vordefiniert. Sie können durch die Definition der vorhandenen Materialflussbeziehungen zu einem Ressourcennetzwerk verschaltet werden. Ein solches Ressourcennetzwerk wurde in Abb. 18 beispielhaft dargestellt. Zur Simulation der Produktionsabläufe werden die durch das reaktive Schedulingsystem vorgegebenen Prozessaufträge der Simulationsumgebung übergeben. Dabei wird durch jeden Prozessauftrag die Ausführung eines einzelnen Grundrezeptes zu einer vorgegebenen Zeit eingeplant. Zur Ausführung eines Prozessauftrags, wird ein Steuerrezept erzeugt. Dabei werden die allgemeinen Daten des Grundrezeptes durch die konkreten Vorgaben des Prozessauftrages, wie Batchgröße oder Chargenanzahl, ergänzt. Da nicht wie in einer klassischen Simulationsumgebung die Anlagenbelegungsplanung während der Laufzeit der Simulation stattfindet, wurde die Komponente Auftragsfreigabe implementiert. Diese stellt sicher, dass jeder einzelne Prozessauftrag, wie im aktuellen Belegungsplan vorgesehen, termingerecht gestartet wird. Ist die Ausführung eines Auftrages nicht wie geplant möglich, da die betreffende Anlage gestört ist oder benötigte Materialien nicht zur Verfügung stehen, wird
129
Vgl. Engell et al. (2000) oder Loos Peter (1997).
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
75
Anlagenstruktur
Grundrezept
die Simulation angehalten und eine entsprechende Fehlermeldung ausgegeben. Während der Auftragsfreigabe wird gleichzeitig der aktuelle Belegungsplan verifiziert.
Abb. 18: Modellierung in VISOPT Process
4.2.4.2 Störungsgenerierung Wie eingangs beschrieben, kann der Simulationsablauf durch das Eintreten eines Störereignisses unterbrochen werden. Dabei werden zwei Störungsarten unterschieden: Anlagenaus-
76
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
fälle und Eilaufträge. Ein Anlagenausfall kann immer nur eine Anlage erfassen, allerdings können unabhängig voneinander mehrere solcher Störungen parallel auftreten. Wird zum Störungsbeginn auf der betroffenen Anlage bereits ein Prozessauftrag ausgeführt, wird die Annahme getroffen, dass dieser abgebrochen werden muss. Weiterhin wird angenommen, dass alle in einem abgebrochenen Prozessauftrag verarbeiteten Produkte verloren gehen. Die verwendete Simulationsumgebung Visopt Process bietet die Möglichkeit, Anlagenausfälle zufällig zu generieren. Dazu werden den entsprechenden Teilanlagen Störungsparameter hinterlegt, die sich auf den Start, das Ende, die Dauer und den Abstand der Störungen beziehen. Weiterhin bietet die Simulationsumgebung durch die Verwendung der Komponente Demand Analyser die Möglichkeit, zufällige Auftragseingänge zu generieren. Dabei werden zunächst ausgehend von historischen Auftragsszenarien, Bedarfsraten und Bestellmuster abgeleitet. Diese charakterisieren das Bestellverhalten der Kunden in der Vergangenheit, wobei die Bedarfsraten die Bestellhäufigkeit widerspiegeln und die Bedarfsmuster Auskunft über die Bestellmengen liefern. Bei der Verwendung der in der Simulationsumgebung vordefinierten Möglichkeiten zur Generierung von Störungen würden in jedem Simulationslauf andere Störungsabfolgen auftreten. Um im Rahmen von systematischen numerischen Untersuchungen die Vergleichbarkeit der Ergebnisse alternativer Umplanungsverfahren sicherzustellen, wurde darüber hinaus ein zusätzlicher Ereignisgenerator implementiert. Durch dessen Verwendung können dem Simulationsmodell vordefinierte Störungsfolgen vorgegeben werden. Dabei werden vor Beginn eines Planungslaufes generierte Daten der Anlagenausfälle, wie in Abschnitt 4.2.2 beschrieben, in der Planungsdatenbank hinterlegt und während der Laufzeit zur gezielten Generierung von der Anlagenstörungen verwendet. Eine weitere Funktion des Ereignisgenerators besteht darin, kurzfristig eintreffende Eilaufträge zu erzeugen. Ein Eilauftrag kann die Bedarfe mehrerer Endprodukte umfassen, die jeweils unterschiedliche Bedarfszeitpunkte aufweisen können. Wie in Abschnitt 4.2.1 beschrieben, basiert das reaktive Schedulingsystem auf einem rollierenden Planungsansatz, bei dem nach Ablauf einer Scheduling-Periode der bestehende Anlagenbelegungsplan unter Berücksichtigung zukünftiger Bedarfe fortgeschrieben wird. Der Anstoß zu einer solchen Planfortschreibung wird ebenfalls durch den Ereignisgenerator gegeben. 4.2.4.3 Analyse und Visualisierung Da die in dem beschriebenen reaktiven Schedulingsystem ausgeführten dynamischen Planungsabläufe nachträglich nur sehr schwer nachvollziehbar sind, besteht eine weitere wichtige Aufgabe der Simulationskomponente darin, Möglichkeiten zur Analyse und Visualisie-
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
77
rung dieser Abläufe anzubieten. Hierzu können Kennzahlen wie Anlagenauslastung oder Mengenbilanzen und Wartezeiten von Prozessaufträgen schon während der Simulation erfasst oder nachträglich ermittelt werden. Durch die in Visopt Process enthaltene Visualisierungskomponente iGantt besteht eine einfache Möglichkeit zur Generierung von GanttCharts, die zu einer übersichtlichen Darstellung der realisierten Anlagenbelegung verwendet werden kann.
Abb. 19: Visualisierung der Planungssituation mit der Plantafel
78
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
Insbesondere bei der Evaluierung des reaktiven Schedulingsystems und bei der Interpretation der Ergebnisse ist diese Komponente unverzichtbar. Zusätzlich zur eigentlichen Anlagenbelegung können, wie in Abb. 19 dargestellt, auch die Füllstände der Anlagen mit ausgewertet werden. Durch die Möglichkeit der parallelen Verarbeitung von so genannten Experimenten130, können die Ergebnisse alternativer Planungsszenarien miteinander verglichen werden, wodurch eine Analyse der einzelnen Umplanungsaktivitäten möglich wird. Eine solche Erläuterung der Planänerungen wird im Abschnitt 6.2 ausführlich erläutert.
4.2.5 Analyser Wenn während der Ausführung des Simulationsmodells ein Störereignis auftritt, wird der Analyser aktiviert. Der Analyser-Prozess kann in zwei Phasen unterteilt werden. In der ersten Phase muss zunächst die Entscheidung getroffen werden, ob eine Umplanung erforderlich ist. Eine Plananpassung ist beispielsweise nicht erforderlich, wenn beim Eintreffen eines Eilauftrages noch genügend frei verfügbare Mengen des geforderten Produktes verfügbar sind. Eine nicht planungsrelevante Störung liegt auch dann vor, wenn auf einer gestörten Anlage während der gesamten Störungsdauer keine Produktionsaufträge ausgeführt werden sollen. Die Aufgabe der zweiten Phase des Analyser-Prozesses besteht darin im Fall einer Plananpassung alle notwendigen Ausgangsdaten aufzubereiten. Der Ablauf des gesamten Analyser-Prozesses ist in Abb. 21 dargestellt. Ein wesentlicher Bestandteil der durch den Analyser ausgeführten Operationen liegt in der Definition der Auftragsmengen, denen die einzelnen Aufträge eines bestehenden Plans unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Bearbeitungsstatus zugewiesen werden. Um diese Operationen leichter nachvollziehen zu können sollen sie anhand des in Abb. 20 dargestellten Beispiels veranschaulicht werden. Nach Aufruf des Analysers wird zunächst ermittelt, welche Anlagen noch gestört sind. Dies geschieht durch eine Aktualisierung der Menge der aktiven Anlagenausfälle. Im Anschluss daran werden, basierend auf der Menge der bereits abgeschlossenen Aufträge, die Lagerbestände aller Produkte zum aktuellen Zeitpunkt berechnet. Um eventuell auftretende Fehlmengen identifizieren zu können, werden ebenfalls die Nettobedarfe errechnet, die sich ergeben würden, falls der bestehende Plan ohne Anpassung weiter ausgeführt werden würde. Durch die Auswertung dieser Nettobedarfe können durch das Rescheduler-Modul zusätzlich notwendige Aufträge bestimmt werden.
130
Vgl. VISOPT (2002).
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
79
Abb. 20: Beispiel für die Auftragsmengen bei der Umplanung
Die Entscheidung, ob eine Plananpassung notwendig ist, ist abhängig von der Art des Störereignisses. Für den Fall dass zusätzliche externe Bedarfe einzuplanen sind, genügt es zu überprüfen, ob positive Nettobedarfe auftreten. Ist ein Anlagenausfall die Störungsursache, ist eine Umplanung erforderlich, wenn während der Störungsdauer Aufträge auf den betroffenen Anlagen eingeplant sind. Dabei ist zu beachten, dass gemäß der Annahme aus Abschnitt 3.6 alle Aufträge, die während des Auftretens der Störung ausgeführt werden, abzubrechen sind und deren Outputmengen nicht wie geplant zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund müssen die Nettobedarfe der Produkte aktualisiert werden, die durch den abgebrochenen Auftrag produziert werden sollten. In dem Beispiel aus Abb. 20 sind drei Aufträge direkt von der Störung betroffen. Der Auftrag sieben wird zum Störungsbeginn auf der betroffenen Anlage ausgeführt und muss aus diesem Grund verworfen werden. Besteht keine Notwendigkeit einer Plananpassung, wird der bestehende Plan in der Simulationsumgebung unverändert fortgeführt. Wurde der bestehende Plan aufgrund der veränderten Planungssituation unzulässig, werden zunächst die Mengen der aktuellen Lagerbestände für eventuell nachfolgende Umplanungen gespeichert. Da in der Regel der aktuell gültige Plan noch nicht vollständig abgearbeitet wurde, müssen die noch nicht abgeschlossenen Aufträge bei der Plananpassung mit berücksichtigt werden. Dabei werden Aufträgen die zum aktuellen Zeitpunkt auf nicht gestörten Anlagen bearbeitet werden und noch nicht abgeschlossen sind der Status In Bearbeitung zugewiesen. Falls bei der Umplanung ein Fixierungshorizont berücksichtigt werden soll, ist zusätzlich die Menge der fixierten Aufträge zu bestimmen. Alle restlichen Aufträge die bisher in keiner der beschriebenen Mengen enthalten sind bilden die Menge der frei umplanbaren Aufträge.
80
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
Abb. 21: Ablaufschema des Analyser Moduls
Wie die konkreten Berechnungsoperationen während der Ausführung des AnalyserProzesses ablaufen, wird in den folgenden Abschnitten ausführlich beschrieben. Dabei werden die folgenden Symbole verwendet: Indizes und Indexmengen:
sS
Produkte
iI
Prozessaufträge
f F
Anlagenausfälle
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
o O
externe Bedarfe für ein Endprodukt
kK
Prozesse
t T
Zeit
u U
f F
81
Anlagen act
zum Zeitpunkt t act aktive Anlagenausfälle
s Skout
Menge der Produkte die von Prozess k produziert werden
s Skin
Menge der Produkte die im Prozess k verarbeitet werden
iI
Menge der Aufträge, die von einem Anlagenausfall direkt betroffen sind
dir
i I dis
Menge der Aufträge, die aufgrund eines Anlagenausfalls verworfen werden müssen
i I pro
Menge der in Ausführung befindlichen Aufträge
iI
Menge der umplanbaren Aufträge
pool
i I fix
Menge der fixierten Aufträge
Daten:
Psold , Psact
Lagerbestand von Produkt s zum vorherigen und aktuellen Umplanungszeitpunkt
Ns
Nettobedarf von Produkt s am Ende des Planungshorizontes
act
aktueller Zeitpunkt
c i
Fertigstellungszeitpunkt von Auftrag i
d o
t
Fälligkeitstermin des externen Bedarfs o
t start , t end f f
Start- und Endzeitpunkt des Anlagenausfalls f
H fix
Dauer des Fixierungshorizontes ausgehend vom aktuellen Zeitpunkt t act
f new
Zum aktuellen Zeitpunkt auftretender Anlagenausfall
Uf
Anlage, die von Ausfall f betroffen ist
Do
Bedarfsmenge des externen Auftrags o
Mo
Nicht termingerecht befriedigte Bedarfsmenge des externen Auftrags o
So
Endprodukt das vom externen Auftrag o nachgefragt wird
D s ,k , Zs ,k
Input- und Outputanteil von Produkt s für Prozess k
t t
82
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
Bk
Batchgröße von Prozess k
Ki
Prozess den Auftrag i ausführt
W k ,u
Prozesszeit von Prozess k auf Anlage u
Ui
Anlage auf der Auftrag i ausgeführt werden soll
4.2.5.1 Menge der aktiven Anlagenausfälle Beim Auftreten einer Störung sind in der Planungsdatenbank alle Anlagenausfälle enthalten, die beim letzten Umplanungszeitpunkt aktiv waren. Falls es sich bei dem aktuellen Störereignis um einen Anlagenausfall handelt, wird dieser der Menge der aktiven Ausfälle hinzugefügt. Da seit der letzten Umplanung einige der Ausfälle bereits abgeschlossen sein können, muss diese Menge aktualisiert werden. Dabei wird, wie in Abb. 22 dargestellt, für jeden Ausfall überprüft, ob dessen Endzeitpunkt bereits abgelaufen ist. Ist dies der Fall wird er aus der Menge der aktiven Ausfälle gelöscht. // Zum aktuellen Zeitpunkt aktive Anlagenausfälle forall f F act do if
t end d t act f
then
// Ausfall ist bereits beendet
F act : F act \ ^ f `
// Ausfall wird aus der Menge der aktiven Ausfälle gelöscht
endif endfor
Abb. 22: Aktualisierung der Menge der aktiven Anlagenausfälle
4.2.5.2 Berechnung der aktuellen Lagerbestände und Nettobedarfe Viele der nachfolgenden Analyse- und Umplanungsprozesse benötigen die aktuellen Lagerbestände als Ausgangsdaten. Das Verfahren zu deren Ermittlung ist in Abb. 23 dargestellt. Zunächst werden dabei die Lagerbestände zum Zeitpunkt des vorherigen Umplanungslaufes als Basis für die nachfolgenden Berechnungen übernommen. Im Anschluss daran werden alle produktionsbedingten Zugänge und Abgänge berücksichtigt, die bis zum aktuellen Zeitpunkt auftraten. Da jeder Produktionsauftrag der Ausführung genau eines Prozesses entspricht, werden die jeweiligen Output- bzw. Inputanteile der produzierten bzw. verarbeiteten Produkte, mit den Batchgrößen dieses Prozesses multipliziert und den entsprechenden Lagermengen hinzuaddiert bzw. abgezogen. Aufgrund der Tatsache, dass bei der Ermittlung eines zulässigen Plans alle Materialflüsse die zwischen den Prozessen auftreten, termingerecht erfüllt werden müssen, ist eine Unterdeckung von Sekundärbedarfen ausgeschlossen. Aus diesem Grund weisen die ermittelten Lagerbestände in jedem Fall einen positiven Wert auf.
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
83
// Initialisierung forall s S do
Psact : Psold ;
// aktueller Lagerbestand basiert auf dem des letzten Umplanungszeitpunktes
endfor // Produktionsmengen forall i I do if
tic d t act forall
then
// Aufträge sind bereits abgeschlossen
s S Kouti do
// Produktionszugänge
Psact : Psact BKi D s , Ki ; endfor; forall s S Kin do
// Produktionsabgänge
i
Psact : Psact BKi Zs , Ki ; endfor; endif; endfor; // Externe Bedarfe forall o O do if
Mo ! 0 if
then
PSact t Mo o
// überfällige Medarfsmengen then
// Bestand reicht zur Bedarfsdeckung
: PSact Mo ; PSact o o
// verbleibende Lagerbestände ermitteln
O : O \{o} ;
// Bedarf ist vollständig gedeckt und wird gelöscht
else
// Bestand reicht nicht zur vollständigen Bedarfsdeckung
PSact : 0; o ; M o : M o PSact o endif; endif; d if to d t act then if
t Do PSact o
// verbleibende Fehlmenge ermitteln
// Bedarfe wurden seit letzter Umplanung fällig then
// Bestand reicht zur Bedarfsdeckung
PSact : PSact Do ; o o
// verbleibende Lagerbestände ermitteln
O : O \{o} ;
// Bedarf ist vollständig gedeckt und wird gelöscht
else
// Bestand reicht nicht zur vollständigen Bedarfsdeckung
PSact : 0; o
Do : 0 ; ; M o : Do PSact o
// verbleibende Bedarfsmenge wird als Fehlmenge erfasst
endif; endif; endfor;
Abb. 23: Bestimmung der aktuellen Lagerbestände
Weitere Veränderungen des aktuellen Lagerbestandes ergeben sich durch die externen Bedarfe der absatzbestimmten Endprodukte. Weil hierbei auch verspätete Lieferungen zulässig sind, müssen bei deren Berücksichtigung auch gegebenenfalls auftretende Unterdeckungsmengen beachtet werden. Solche Bedarfsunterdeckungen können bereits zum letzten Umplanungszeitpunkt aufgetreten sein, so dass sie auch in der aktuellen Planung zu berücksichtigen sind. Es wird davon ausgegangen, dass diese überfälligen Fehlmengen vor den neueren Bedarfen zu decken sind. Aus diesem Grund werden die verfügbaren Mengen an Endprodukten zunächst unter den verspäteten Bedarfen aufgeteilt. Dabei kann der Fall eintreten, dass auch die aktuell verfügbaren Bestände nicht zur vollständigen Deckung der
84
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
Fehlmengen ausreichen, so dass diese nur reduziert werden können. Ist dagegen eine vollständige Deckung der Fehlmengen möglich, werden sie vom aktuellen Lagerbestand abgezogen und der entsprechende Bedarf wird aus der Menge der offenen Bedarfe entfernt. Sind alle bereits bestehenden Unterdeckungsmengen berücksichtig worden, können die Bedarfe mit einbezogen werden, die seit dem letzten Umplanungszeitpunkt fällig wurden. Auch hier wird unterschieden, ob eine vollständige Bedarfsdeckung erfolgt oder ob eine Unterdeckungsmenge registriert werden muss. // Initialisierung forall s S do
N s : Psact
// Nettobedarf basiert auf dem aktuellen Lagerbestand
endfor // Künftige Produktionsmengen forall i I do if
tic ! t act then forall
// Aufträge sind noch nicht abgeschlossen
s S Kouti do
// Produktionszugänge
N s : N s BKi D s , Ki ; endfor forall s S Kin do i
// Produktionsabgänge
N s : N s BKi Zs , Ki ; endfor endif; endfor; // Künftige externe Bedarfe forall o O do if
M o ! 0 then Ns : Ns M o ;
endif; if tod ! t act then
// überfällige Bedarfe, die bisher nicht vollständig gedeckt werden konnten
// Bedarfszeitpunkt in Zukunft
N s : N s Do ; endif; endfor;
Abb. 24: Berechnung der Nettobedarfe am Ende des Planungshorizontes
Nach Abschluss dieses Verfahrens sind die aktuellen Lagerbestände aller Produkte bekannt. Wie aus Abb. 24 ersichtlich ist, erfolgt die Verteilung der verfügbaren Mengen auf die noch offenen externen Bedarfe ausgehend vom kleinsten noch nicht gedeckten Bedarfsindex in aufsteigender Reihenfolge. Da bei der Generierung der Bedarfsindizes von den ältesten Bedarfen ausgegangen wurde, werden diese bei der Bedarfsdeckung mit erhöhter Priorität behandelt. Diese für den Prototyp des reaktiven Schedulingsystems implementierte einfache Regel kann durch erweiterte Verteilungsverfahren, wie sie beispielsweise in ATPSystemen zum Einsatz kommen, leicht ersetzt werden. So könnten beispielsweise produktabhangige Prioritäten definiert werden, nach denen die Reihenfolge der zu deckenden Bedarfe abgeleitet wird.
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
85
Basierend auf den aktuellen Lagerbeständen werden die Nettobedarfe bestimmt, wobei auch die noch nicht begonnenen Produktionsaufträge des bisher gültigen Plans mit einbezogen werden. Diese Berechnung erfolgt auf ähnliche Weise wie die zur Ermittlung der aktuellen Lagermengen. Es werden hierbei jedoch alle künftigen Output- und Inputmengen der geplanten Produktionsaufträge einbezogen. Anschließend werden alle noch ausstehenden Bedarfe abgezogen. Liegt für ein Produkt ein positiver Nettobedarf vor, ist der bestehende Plan während der Umplanung durch zusätzliche Produktionsaufträge zu ergänzen, die eine Deckung dieser Bedarfe sicherstellen. 4.2.5.3 Notwendigkeit der Plananpassung Um die Entscheidung treffen zu können, ob eine Plananpassung notwendig ist, müssen je nach der Art des eingetretenen Ereignisses unterschiedliche Parameter ausgewertet werden. In diesem Zusammenhang lassen sich generell zwei grundlegende Ursachen einer Umplanung unterscheiden: Zusatzbedarfe Da sowohl bei der Berücksichtigung von Eilaufträgen als auch bei der Fortschreibung des Planungshorizontes zusätzliche Bedarfe zu berücksichtigen sind, erfolgt keine weitere Unterscheidung dieser Ereignisarten. Die Entscheidung ob eine Plananpassung notwendig ist, lässt sich durch eine Auswertung der zuvor bestimmten Nettobedarfe für jedes Produkt ableiten. Weist ein End- oder Zwischenprodukt einen positiven Nettobedarf auf, würde bei einer Weiterführung des aktuellen Plans eine Fehlmenge für dieses Produkt entstehen. Um den Plan an diese veränderte Bedarfssituation anzupassen, müssen zusätzliche Aufträge zur Deckung dieser Fehlmengen eingeplant werden. Für den Fall das keine Fehlmengen auftreten, kann der Zusatzbedarf aus den Restmengen der bisherigen Produktion gedeckt werden, so dass keine Plananpassung notwendig ist und der bisherige Plan unverändert weitergeführt werden kann. Anlagenausfall Wenn ein Anlagenausfall auftritt, muss eine Umplanung vorgenommen werden, falls während der Störungsdauer auf der betroffenen Anlage Aufträge ausgeführt werden sollen. Dabei lassen sich die in Abb. 25 dargestellten Varianten für die zeitliche Lage eines Produktionsauftrages und eines Anlagenausfalls unterscheiden. Wie aus der Darstellung ersichtlich, ist es aufgrund der geringeren Anzahl von Lagevarianten leichter festzustellen, ob ein Auftrag nicht von der Störung betroffen ist. Aus diesem Grund wird die Menge der direkt betroffenen Aufträge implizit ermittelt, indem alle Aufträge, deren zeitliche Lage zur Störung
86
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
nicht vom Typ V oder VI ist, der Menge der direkt betroffenen Aufträge zugewiesen werden.
Abb. 25: Varianten der zeitlichen Lage von Anlagenausfall und Produktionsauftrag // Initialisierung ; I dir :
^`
// Direkt betroffene und verworfene Aufträge forall i I do if U U new then i
if
f
t
end f new
else
d t W Ki ,Ui or t c i
I dir : I dir ^i` ;
start f new
t t then c i
// Auftrag ist auf gestörter Anlage eingeplant // Auftrag ist nicht direkt betroffen // Anderenfalls ist der Auftrag direkt betroffen
endif; endif; endfor;
Abb. 26: Bestimmung der direkt betroffenen Aufträge
Wie aus der Abb. 21 zu entnehmen ist, kann mit der Weiterführung der Simulation fortgefahren werden, falls keine Aufträge direkt von dem Anlagenausfall betroffen sind. Ist dagegen mindestens ein Auftrag in der Menge I d i r enthalten, ist eine Umplanung erforderlich und es wird mit der Bestimmung der Menge der verworfenen Aufträge, wie in Abb. 27 beschrieben, fortgefahren. Dazu wird ermittelt, ob ein Auftrag beim Beginn des Anlagenausfalls auf der gestörten Anlage ausgeführt wird und somit verworfen werden muss. Um diese Aufträge vom Typ III und IV zu identifizieren, wird geprüft, ob der Störungsbeginn zwischen dem Start- und Endzeitpunkt des Auftrags liegt. Da die Produktionsmengen der verworfenen Aufträge nicht bereit gestellt werden können, müssen die Nettobedarfe ihrer Outputprodukte aktualisiert werden. Alle für diese Aufträge verwendeten Inputprodukte können nicht weiter verwendet werden. Diese Materialverbräuche sind jedoch bereits vollzogen und wurden schon bei der Bestimmung der aktuellen Lagerbestände berücksichtigt.
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
87
// Initialisierung ; I dis :
^`
// Direkt betroffene und verworfene Aufträge forall i I do if U U new then i
if
f
t
start f new
t t W Ki ,Ui c i
and
t
start f new
dt
c i
// Auftrag ist auf gestörter Anlage eingeplant
then // Auftrag wird während Störungsbeginn ausgeführt
I dis : I dis ^i` ; forall
s S Kouti do
N s : N s BKi D s , Ki ;
// geplante Produktionsmengen verwerfen
endfor; endif; endif; endfor;
Abb. 27: Bestimmung der verworfenen Aufträge
Da die Berechnung der aktuellen Lagerbestände damit endgültig abgeschlossen ist, erfolgt deren Archivierung, indem sie als Lagerbestände zum Zeitpunkt der letzten Umplanung gespeichert werden. Wie im vorherigen Abschnitt erläutert, werden auf der Grundlage dieser Werte die aktuellen Lagerbestände des nächsten Umplanungslaufes ermittelt. 4.2.5.4 Bestimmung des Auftragsstatus Wurde der bisher gültige Plan bis zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vollständig abgearbeitet, müssen die noch ausstehenden Aufträge in den neuen Plan übernommen werden. Die Aufträge die bereits fertig gestellt sind, müssen nicht weiter berücksichtigt werden, da deren Produktionsmengen bereits in den aktuellen Lagerbeständen enthalten sind. Für alle nicht abgeschlossenen Aufträge erfolgt abhängig von deren Bearbeitungsstand die Einbeziehung in den neuen Plan. Dabei werden gemäß den Ausführungen in Abschnitt 4.2.2.4 die folgenden drei Bearbeitungszustände eines Auftrages unterschieden: x
In Bearbeitung
x
Fixiert
x
Frei umplanbar
Entsprechend ihrem Bearbeitungsstatus, werden die Aufträge den entsprechenden Auftragsmengen zugeordnet. Dieses Vorgehen ist in Abb. 28 veranschaulicht. Zunächst werden die Aufträge identifiziert die sich zur Zeit in Bearbeitung befinden, da sie vor dem Planungszeitpunkt auf einer nicht gestörten Anlage gestartet wurden, aber noch nicht abgeschlossen sind. Diese Aufträge werden auch im neuen Plan wie bisher vorgesehen eingeplant. Um diesen Umstand bei der späteren Umplanung berücksichtigen zu können, werden diese Aufträge der Menge Ipro zugeordnet.
88
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
// Initialisierung
^ `;
I pro , I pool , I fix :
// Menge der bereits gestarteten, fixierten und umplanbaren Aufträge forall i I do if U z U n then // Auftrag ist nicht auf gestörter Anlage eingeplant i
if
f
t act t tic W Ki ,Ui and t act d tic then
// Auftrag wird zur aktuellen Zeit ausgeführt
I pro : I pro ^i` ;
endif; if t act d tic
I
fix
W Ki ,Ui d t act H fix then
// Auftrag startet innerhalb Fixierungshorizont
: I fix ^i`
endif; endif; if t act d tic and
i I dir , I dis , I pro , I fix then
// Auftrag ist umplanbar
I pool : I pool ^i` ;
endif; endfor;
Abb. 28: Bestimmung des Auftragsstatus
Wie eingangs beschrieben, kann durch die Definition eines Fixierungshorizontes die Umplanung von Aufträgen verhindert werden, um kurzfristige Planänderungen zu vermeiden. Auch diese Aufträge sollen, ähnlich wie die der Menge Ipro, bei der Plananpassung hinsichtlich ihres Startzeitpunktes und der bestehenden Anlagenzuordnung unverändert bleiben und werden dazu in der Menge Ifix zusammengefasst. Ausgenommen davon sind die Aufträge, die zwar innerhalb des Fixierungshorizontes gestartet, aber auf der gestörten Anlage ausgeführt werden sollten. Diese Aufträge werden nicht fixiert, da zu erwarten ist, dass auf der gestörten Anlage umfangreichere Planänderungen notwendig sind um den Anlagenausfall zu kompensieren. Alle restlichen noch nicht abgeschlossenen Auftrage können frei umgeplant werden und bilden die Menge Ipool.
4.2.6 Rescheduler Basierend auf den Ausgangsdaten, die das Analyser-Modul liefert, nimmt der Rescheduler die eigentliche Plananpassung vor. Um eine möglichst hohe Planstabilität zu gewährleisten, müssen, anders als bei dem Scheduler-Modul, bei der Plananpassung neben den Effektivitätskriterien auch Stabilitätskriterien berücksichtigt werden. Weiterhin steht für die Plananpassung nicht unbegrenzte Rechenzeit zur Verfügung, wodurch hier die schnelle Ermittlung eines zulässigen Plans und nicht dessen Optimalität angestrebt wird. Das Lösungsverhalten der hier implementierten Verfahren sollte eine hohe Stabilität aufweisen, so dass auch bei kurzen Rechenzeitvorgaben zumindest eine zulässige Lösung gefunden wird. Wie bereits eingangs erläutert wurde, ist die grundlegende Struktur des reaktiven Schedulingsystems unabhängig von dem Verfahren das hier implementiert wurde. Somit können
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
89
hier der jeweiligen Anwendungsumgebung angepasste Methoden zur Anwendung kommen. In der vorliegenden Variante des reaktiven Planungssystems wurden zwei alternative Verfahren implementiert. Das erste basiert auf einem gemischt ganzzahligen Optimierungsmodell mit diskreter Zeitführung, das auf einer Modellformulierung von Kondili et al. basiert.131 Dieses Verfahren ist gut geeignet zur Ermittlung einer optimalen Lösung für einfache Problemstellungen. Bei dem zweiten Ansatz handelt es sich um ein Dekompositionsverfahren, das für das schnelle Auffinden einer zulässigen Lösung konzipiert wurde und auch auf komplexere Planungsprobleme angewendet werden kann. Beide Verfahren wurden in Form von generischen Lösungsansätzen implementiert und sind somit auf eine Gruppe von Planungsproblemen anwendbar, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Eine ausführliche Einführung in die Methoden des Rescheduler-Moduls und deren grundlegende Annahmen werden im Kapitel 5 erläutert.
4.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde eine Systemarchitektur vorgestellt, die zur Umsetzung und Erprobung eines prädiktiv-reaktiven Planungsverfahrens dient. Die wesentlichen Module dieses Systems sind: der Scheduler, die Simulationsumgebung, der Analyser, der Rescheduler und die Planungsdatenbank. Die Aufgabe des Schedulers liegt in der Initialisierung eines Planungslaufes durch die Ermittlung eines Ausgangsplanes. Durch die Simulation wird das Verhalten einer dynamischen Planungsumgebung nachgeahmt, in der durch Anlagenausfälle und Eilaufträge eine Anpassung des bestehenden Anlagenbelegungsplans erforderlich werden kann. Das Analyser-Modul überprüft zunächst, ob durch eine Störereignis die Zulässigkeit des bestehenden Plans beeinträchtigt wird. Falls eine Plananpassung notwendig ist, werden durch den Analyser alle dazu notwendigen Ausgangsdaten aufbereitet. Die eigentliche Plananpassung wird durch den Rescheduler vorgenommen. Alle Ausgangsdaten und Ergebnisse der einzelnen Umplanungsläufe werden in der Planungsdatenbank gespeichert und stehen für nachträgliche Analysen zur Verfügung. Durch die Verwendung der entwickelten Systematik ist es möglich, auch Serien von Störereignissen zu simulieren, wodurch Effekte analysiert werden können, die durch die wiederholte Anwendung der reaktiven Planungsverfahren auftreten. Ein weiteres Merkmal des Systems besteht darin, dass durch dessen modulare Struktur auch alternative Verfahren für das Scheduler- und Rescheduler-Modul verwendet werden können. Darüber hinaus können
131
Vgl. Kondili et al. (1993) und Blömer (1999).
90
4 Entwicklung einer systemgestützten Reschedulingmethodik
die Systemkomponenten leicht durch zusätzliche Funktionen erweitert werden. So ist es möglich, in der Simulationsumgebung auch weitere Störereignisse, wie Schwankungen der Prozesszeiten oder die Stornierung externer Bedarfe, zu generieren. Auch die Methodik des Analyser-Moduls kann durch zusätzliche Funktionen an die Erfordernisse der jeweiligen Planungsumgebung angepasst werden. Falls eine ereignisbasiertemit einer periodischen Umplanungspolitik kombiniert wird, könnten Störereignisse, die zum Ende einer Scheduling-Periode auftreten, erst im Rahmen der unmittelbar folgenden periodischen Umplanung berücksichtigt werden. Auf diese Weise werden unnötige Planungsläufe vermieden. Überdies könnten alternative Regeln zur Verteilung der verfügbaren Mengen der Endprodukte implementiert werden, die beim Auftreten von Fehlmengen zum Einsatz kommen würden.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
91
5. Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren Im Kapitel 4 wurde zur Umsetzung einer prädiktiv-reaktiven Umplanungsstrategie die Architektur eines Schedulingsystems entworfen und die Funktion der wesentlichen Komponenten erläutert. Weiterhin wurde eine simulationsbasierte Versuchsumgebung präsentiert, die zur praxisnahen Erprobung reaktiver Schedulingverfahren Verwendung findet. Inhalt dieses Kapitels ist es, die eigentlichen reaktiven Planungsverfahren vorzustellen, die im Rescheduler-Modul zur Anwendung kommen. Es wurden zwei alternative Verfahren entwickelt. Das erste Verfahren verwendet ein gemischt ganzzahliges Optimierungsmodell mit diskreter Zeitführung, das auf einer Modellformulierung von Kondili et al. basiert.132 Dieses Verfahren ist gut geeignet zur Ermittlung einer optimalen Lösung für einfache Problemstellungen. Bei dem zweiten Ansatz handelt es sich um ein Dekompositionsverfahren, das für das schnelle Auffinden einer zulässigen Lösung konzipiert wurde und auch auf komplexere Planungsprobleme angewendet werden kann. Da zur Initialisierung des Reschedulingprozesses ein Ausgangsplan generiert werden muss, werden vereinfachte Varianten dieser Verfahren im Scheduler Modul implementiert. In den folgenden Abschnitten wird für beide Verfahren die komplexere ReschedulerVariante erläutert. Im Anschluss daran wird kurz darauf eingegangen, welche Vereinfachungen sich ergeben, wenn diese Verfahren lediglich zur Erzeugung des Ausgangsplans verwendet werden.
5.1 Modell mit diskreter Zeitführung Das in diesem Abschnitt präsentierte MILP-Modell ist als Weiterentwicklung eines in der wissenschaftlichen Literatur weit verbreiteten Modellierungsansatzes anzusehen, der auf KONDILI ET AL. (1993) zurückzuführen ist. Bis zum heutigen Zeitpunkt existieren zahlreiche Abwandlungen und Erweiterungen dieses Grundmodells.133 Beispielhaft sind die Arbeiten von BLÖMER/GÜNTHER (1998 und 2000), in denen eine Kombination des MILPModells mit heuristischen Lösungsstrategien vorgeschlagen wurde. Die Anwendbarkeit dieses Modellierungsansatzes auf praxisnahe Problemgrößen konnte dadurch deutlich ver-
132 133
Vgl. Kondili et al. (1993). Vgl. u.a. Shah et al. (1993), Blömer (1999) oder Maravelias/Grossmann (2003b).
92
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
bessert werden. Im Zusammenhang mit reaktiven Planungsproblemen fand das Modell bereits durch RODRIGUES ET AL. (1996) Anwendung. Dabei wurde das Grundmodell um eine periodische Planungspolitik134 erweitert und um die dazu erforderlichen Modellkomponenten ergänzt.
Abb. 29: Herkunft der Ausgangsdaten für das Optimierungsmodell
Eine Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist die Weiterentwicklung dieses Modellierungsansatzes, um es für das Rescheduler-Modul des im Kapitel 4 beschrieben, reaktiven Planungssystems verwenden zu können. Dazu muss das Modell in den Einsatzrahmen eingepasst werden, der in Abschnitt 4.1 formuliert wurde. Eine wesentliche Voraussetzung für das reibungslose Zusammenarbeiten der Module des reaktiven Planungssystems besteht in einem einheitlichen Datenmodell. Um diese Zusammenhänge zu veranschaulichen, ist in Abb. 29 die Herkunft der wesentlichen Ausgangsdaten für das Optimierungsmodell dargestellt. Es wird ersichtlich, dass nahezu alle Daten in der Form in das Optimierungsmodell eingehen, in der sie auch durch die Datenbank oder den Analyser bereit gestellt werden. Einzig die Indexmenge der Prozessaufträge kann nicht durch das Optimierungsmodell verarbeitet werden, da durch den implementierten Modellierungsansatz keine eindeutige Identifikation der Einzelaufträge möglich ist. Um diese Mengen dennoch im Optimierungsmodell berücksichtigen zu können, werden sie entsprechend konvertiert. Die genaue Methodik dieser Datenaufbereitung wird in Abschnitt 5.1.1 beschrieben.
134
Vgl. Abschnitt 3.4.2.1.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
93
Das eigentliche Optimierungsmodell wird in Abschnitt 5.1.2 thematisiert. Nachdem die grundlegenden Annahmen und Erweiterungen dieses Modellierungsansatzes zusammengefasst wurden, wird in dem darauf folgenden Abschnitt die mathematische Modellformulierung erläutert. Nach Abschluss der Optimierung müssen die Ergebnisse wieder in eine Form überführt werden, die durch die Simulationsumgebung verarbeitet werden kann. Dies geschieht durch die Generierung konkreter Prozessaufträge in dem abschließenden Schritt der Auftragsgenerierung, der hier nicht näher erläutert wird. Die einzelnen Verfahrensschritte werden im Folgenden detailliert erläutert. Dabei werden die folgenden Symbole verwendet: Indizes und Indexmengen:
t {0,..., H } Perioden u U
Anlagen
kK
chemische Prozesse
sS
Produkte, z.B. Materialien, Zwischen- oder Endprodukte
f F
act
alle aktiven Anlagenausfälle zum Zeitpunkt t a c t
u U End
Anlagen, die zur Produktion von Endprodukten verwendet werden
u U k
Anlagen, die Prozess k ausführen können
k Ku
Prozesse, die auf Anlage u ausgeführt werden können
kK
Prozesse, die Produkt s verbrauchen
in s
k K sout
u, k , t X
Prozesse, die Produkt s produzieren fix
Menge der fixierten Aufträge, die aus dem bestehenden Plan übernommen werden, aber bei der Plananpassung nicht umgeplant werden sollen
u, k , t X pro Menge der Aufträge, die aus dem bestehenden Plan übernommen werden und zum Umplanungszeitpunkt auf einer nicht gestörten Anlage ausgeführt werden
u, k , t X pool Menge
der Aufträge, die aus dem bestehenden Anlagenbelegungsplan
übernommen werden und umgeplant werden können Daten:
t act f
ef
new
aktuelle Zeit Störungen, die zum Zeitpunkt t a c t neu auftreten Endzeit von Anlagenausfall f
94
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Uf
Anlage, die von Störung f betroffen ist
d s ,t
Menge des externen Bedarfes von Produkt s, die am Ende von Periode t fällig ist135
W u ,k
Dauer von Prozess k auf Anlageneinheit u
bu ,k
Batchgröße von Prozess k auf Anlage u
act s
P
Lagerbestand von Produkt s zum Zeitpunkt t a c t
PsMax
Lagerkapazität von Produkt s
D s ,k , Zs ,k
Input- und Outputanteil von Produkt s für Prozessschritt k
cu ,k
Reinigungszeit von Prozess k auf Anlage u
CCu ,k
Reinigungskosten von Prozess k auf Anlage u
RCk
Umplanungskosten von Prozess k
Entscheidungsvariablen: MS
Gesamtdurchlaufzeit (Makespan)
xu ,k ,t
= 1, wenn auf Anlage u Prozess k am Beginn von Periode t gestartet wird (= 0, sonst)
ps ,t
Lagerbestand von Produkt s am Ende von Periode t
su , k ,t
= 1, wenn auf Anlage u ein Reinigungsvorgang für Prozess k am Beginn von Periode t gestartet wird (= 0, sonst)
eu , k ,t
= 1, wenn zu Beginn von Periode t im bisherigen und im neuen Plan Prozess k auf Anlage u gestartet wird (= 0, sonst)
au ,k
Anzahl, der, im Vergleich vom alten zum neuen Plan, von der Anlage u auf eine alternative Anlage verschobenen Aufträge
5.1.1 Datenaufbereitung Die durch das Analyser-Modul bereit gestellten Daten basieren auf einer auftragsorientierten Sicht, die dadurch gekennzeichnet ist, dass jeder einzelne Prozessauftrag durch den Index i
135
Hierin sind ggf. auch die Mengen der Eilaufträge enthalten.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
95
eindeutig identifiziert werden kann.136 In einem Planungsmodell mit diskreter Zeitführung ist eine eindeutige Kennzeichnung der Produktionsaufträge nicht vorgesehen, da sie hier durch das Tripel der Indizes (u,k,t) repräsentiert werden. Daraus kann lediglich eine Information darüber abgeleitet werden, dass zum Zeitpunkt t auf der Anlage u ein Produktionsauftrag gestartet wird, der den Prozess k ausführen soll. Zur Realisierung eines reaktiven Planungsverfahrens gemäß der in Abschnitt 4.1 beschriebenen Anforderungen ist es jedoch notwendig, bestehende Teile des alten Plans in den neuen zu übernehmen und einen Vergleich des alten und des neuen Plans sicherzustellen. Aus diesen Gründen muss in diesem Modell die auftragsorientierte Sicht durch eine prozessorientierte Sicht überführt werden. Dabei wird angenommen, dass es unerheblich ist, ob exakt der gleiche Auftrag zum gleichen Zeitpunkt auf der gleichen Anlage gestartet wird um eine Planübereinstimmung zu erzielen. Es soll vielmehr entscheidend sein, dass sowohl im alten als auch im neuen Plan ein Auftrag gestartet wird, der zum gleichen Zeitpunkt auf der gleichen Anlage startet und den gleichen Prozess ausführt. // Initialisierung
X pro , fix , pool : {} // Mengentransformation forall
i I pro , fix , pool do X pro , fix , pool : X pro , fix , pool { U i , K i , tic W Ki ,Ui !}
endfor
Abb. 30: Mengentransformation von der auftragsorientierten- in die prozessorientierte Sicht
Die Transformation der auftragsorientierten Sicht in die prozessorientierte Sicht wurde, wie in Abb. 30 dargestellt, realisiert. Für alle Produktionsaufträge, die in den Mengen Ipro, Ifix oder Ipool enthalten sind, wird das entsprechende Tripel (u,k,t) aus den Daten des alten Plans generiert und der passenden Menge Xpro, Xfix oder Xpool zugewiesen.
5.1.2 Modellformulierung In dem hier verwendeten Optimierungsmodell wird das Produktionssystem durch ein Produkt-Prozess-Netzwerk repräsentiert, das bereits in Abschnitt 4.2.2.1 ausführlich erläutert wurde. Da dieser Modellierungsansatz durch eine diskrete Zeitführung gekennzeichnet ist, wird der Planungshorizont in gleich lange diskrete Zeitabschnitte unterteilt. Ein Vorteil dieses Verfahrens ist die generische Modellformulierung, die eine flexible Anpassung an
136
Vgl. Abschnitt 4.2.5.
96
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
anwendungsspezifische Problemstellungen ermöglicht. Die wichtigsten Annahmen, die für die technologischen Restriktionen des betrachteten Produktionssystems gelten, können wie folgt zusammengefasst werden: x
Die Produktionsaufträge können lediglich an den Periodengrenzen gestartet oder beendet werden. Somit ist das Zeitraster so zu wählen, dass die Dauer aller ausführbaren Prozesse dem ganzzahligen Vielfachen der Periodendauer entspricht.
x
Die Materialflüsse zwischen den Anlagenteilen finden zu Beginn und zum Ende eines Prozesses statt, so dass keine speziellen Transferoperationen berücksichtigt werden. Eventuell notwendige Transferzeiten sind in der Prozesszeit enthalten.
x
Alle Anlagen werden in einer diskontinuierlichen Weise betrieben. Die Ausführungsdauer der Prozesse ist somit konstant und unabhängig von der Menge des verarbeiteten Materials.
x
Um eine hohe Anlagenauslastung zu gewährleisten, entspricht die Batchgröße eines Prozesses dem konstanten Wert der maximalen Füllmenge der verwendeten Anlage.
x
Zur Ausführung eines Prozesses sind alternative Anlagen möglich. Sowohl Batchgröße als auch die Ausführungsdauer der Prozesse können von der Anlage abhängen auf der sie ausgeführt werden.
x
Folgt dem Prozessende auf einer Produktionsanlage kein gleichartiger Prozess, sind Reinigungsvorgänge notwendig. Die Dauer der Reinigungsvorgänge ist abhängig von der Art des beendeten Prozesses. Es sind keine reihenfolgeabhängigen Reinigungsvorgänge vorgesehen.
Um eine Realisierung der in Abschnitt 4.1 beschriebenen Anforderungen sicherzustellen, muss das Optimierungsmodell für den Einsatz in einer dynamischen Planungsumgebung angepasst werden. Als eine wesentliche Erweiterung soll neben einer periodischen auch eine ereignisbasierte Planungspolitik anwendbar sein. Um eine hohe Planstabilität sicherzustellen, wird darüber hinaus angestrebt, Veränderungen des Ausgangsplans zu vermeiden, die nicht notendig sind um ihn an die veränderte Planungssituation anzupassen. Daraus ergeben sich eine Reihe von weiterführenden Annahmen: x
Während des Produktionsablaufes können zufällige Anlagenausfälle auftreten. Die Dauer eines Anlagenausfalls ist beim Beginn der Störung bekannt.
x
Die Ausführung eines Prozesses kann nicht unterbrochen werden. Tritt während der Ausführung eines Prozesses ein Anlagenausfall auf, wird er abgebrochen und alle in dem Prozess verarbeiteten Materialien sind unbrauchbar.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
97
x
Während des Produktionsablaufes können Eilaufträge eintreffen, die nachträglich im Plan berücksichtigt werden müssen.
x
Durch die nachträgliche Änderung eines Plans entstehen Kosten, die vermieden werden sollen. Auf diese Weise wird angestrebt, lediglich die notwendigen Planänderungen auszuführen.
x
Die zum Eintrittszeitpunkt eines Störereignisses auf einer nicht gestörten Anlage ausgeführten Prozesse sollen wie geplant abgeschlossen werden.
x
Alle in der Menge Xfix enthaltenen Aufträge sollen zum gleichen Zeitpunkt und auf der gleichen Anlage wie im alten Plan ausgeführt werden. Eine solche Auftragsfixierung ist nicht im Falle einer Anlagenstörung zulässig.
Aufgrund der Annahme, dass die zum Zeitpunkt der Anlagenstörung ausgeführten Aufträge abgebrochen werden müssen, können die durch diese Aufträge produzierten Materialien nicht wie geplant bereit gestellt werden. Waren in dem bisherigen Plan unmittelbar hinter diesen Aufträgen solche Prozesse eingeplant, in denen die Outputprodukte der abgerochenen Aufträge verarbeitet werden sollten, kann nicht in jedem Fall sichergestellt werden, das diese Produkte in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Somit kann der Fall auftreten, dass auch auf nicht gestörten Anlagen Aufträge umgeplant werden müssen.137 Um die Lösbarkeit des Optimierungsproblems auch unter diesen Umständen sicherzustellen, wurde im Falle von Anlagenausfällen auf die Verwendung einer partiellen Umplanungsmethode verzichtet. Die resultierende Modellformulierung ergibt sich wie folgt: Zielfunktion: min ¦
¦ ¦
uU kKu t( tact .. H )
min MS
CCu ,k su ,k ,t
¦
( u , k ,t ) X pool
RCk (1 eu ,k ,t )
(5.1)
(5.2)
Die Zielfunktion minimiert die Summe der Rüst- und Umplanungskosten. Reinigungskosten entstehen nach Abschluss einer Folge von gleichartigen Aufträgen. Umplanungskosten entstehen immer dann, wenn zu einem Auftrag im aktualisierten Plan kein Auftrag mit gleichem Startzeitpunkt im alten Plan existiert, der auf der gleichen Anlage den gleichen Prozessschritt ausführt. Alternativ kann auch die Gesamtdurchlaufzeit minimiert werden.
137
Vgl. Abschnitt 6.2.
98
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Weiterhin wurden die folgenden Nebenbedingungen formuliert: Gesamtdurchlaufzeit: MS t xu ,k ,t (t W k ,u 1) t act
u U End , k Ku , t {t act ,..., H }
(5.3)
MS t su ,k ,t (t cu , k 1) t act
u U End , k Ku , t {t act ,..., H }
(5.4)
Die Durchlaufzeit des gesamten Plans ergibt sich aus dem Fertigstellungszeitpunkt des letzten Prozessschrittes oder des letzten Reinigungsvorganges. Da die Planung zu unterschiedlichen Zeiten ausgeführt werden kann, wird die Bestimmung der Gesamtdurchlaufzeit auf den aktuellen Zeitpunkt bezogen. Lagerbilanz
Psact d s ,t act 1
ps ,t act 1
¦ ¦D
kK sin uU k
k ,s
bu ,k xu ,k ,t act 1
¦
¦
kK sout uU k t tW u ,k 1
Zk , s bu ,k xu ,k ,t W sS
ps ,t 1 d s ,t
ps , t
¦ ¦D
kK sin uU k
k ,s
bu ,k xu ,k ,t
¦
¦
kK sout uU k t tW u ,k 1
Zk , s bu ,k xu ,k ,t W
u ,k
1
(5.5)
k ,u
s S , t {t act 2,..., H }
(5.6)
Durch die Nebenbedingung (5.5) werden die Lagerbilanzen initialisiert, indem die auf den aktuellen Zeitpunkt bezogenen Anfangslagerbestände übernommen werden. Die Fortschreibung der Lagerbestände stellt Gleichung (5.6) sicher. Der Lagerbestand der Periode t ergibt sich demnach aus den Beständen der Vorperiode, zuzüglich der in Periode t anfallenden Produktionszugänge und abzüglich der in dieser Periode zu erfüllenden externen Bedarfsmengen. Zuordnung der Prozessschritte zu den Anlagen
ª
¦ ««
kKu
¬ ^
¦
z t W u ,k ,",t t tW u ,k
`
xu ,k , z
º su ,k , z » d 1 »¼ z^t cu ,k ,",t t t cu ,k `
¦
u U , t {t act 1,..., H }
(5.7)
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
99
Auf einer Anlage kann entweder nur ein Prozessschritt oder ein Reinigungsvorgang ausgeführt werden. Auf diese Weise wird die Einhaltung der Anlagenkapazität sichergestellt. Weiterhin wird gewährleistet, dass alle Aufträge frühestens nach dem aktuellen Zeitpunkt tact eingeplant werden können. Reinigungsvorgänge xu ,k ,t su , k ,t t xu ,k ,t W u ,k
u U , k K u , t {t act ,..., H }
(5.8)
Falls eine Anlage nach Abschluss eines Prozessschrittes nicht durch einen direkt nachfolgenden Prozessschritt gleichen Typs belegt wird, nimmt der Wert der Variablen su,i,t den Wert Eins an. Auf diese Weise wird nach Abschluss einer Folge gleichartiger Prozessaufträge ein Endreinigungsvorgang veranlasst. Blockierung gestörter Anlagen 0
xU f ,k ,t
f F , k KU f , t {t act 1,..., t end f }
(5.9)
Durch die Blockierung der gestörten Anlagen wird die Einplanung eines Prozessschrittes oder Reinigungsvorganges auf den betroffenen Anlagen während der gesamten Störungsdauer verhindert. Dazu werden die Werte der Variablen xu,k,t aller auf der von der Störung f betroffenen Anlage Uf einplanbaren Prozesse KU während der gesamten Störungsdauer auf Null gesetzt. Fixierung von Aufträgen
xu , k ,t
1
u , k , t X pro X
fix
(5.10)
Alle Aufträge die im alten und neuen Plan nicht umgeplant werden dürfen, werden auf die oben dargestellte Weise fixiert. Dazu gehören die zum aktuellen Zeitpunkt auf einer nicht gestörten Anlage ausgeführten Aufträge (Xpro). Zur Umsetzung einer partiellen Umplanungsmethodik können auch die Aufträge fixiert werden, die innerhalb des Fixierungshorizontes gestartet werden sollen (Xfix). Planstabilität I (Gleicher Startzeitpunkt und gleiche Anlage)
xu , k ,t d eu ,k ,t
(u , k , t ) X pool
(5.11)
Falls zum gleichen Zeitpunkt und auf der gleichen Anlage der gleiche Prozessschritt sowohl im alten als auch im neuen Plan startet, nimmt durch die oben stehende Gleichung der Wert der Variablen eu,k,t den Wert Eins an. Somit wird angezeigt, dass für einen
100
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
umplanbaren Auftrag aus dem alten Plan im aktualisierten Plan ein gleichartiger Auftrag eingeplant wurde. Planstabilität II (Gleicher Startzeitpunkt)
¦x
uU
u , k ,t
d eu ,k ,t
(k , t ) X pool
(5.12)
Falls die Umplanung eines Auftrages auf eine alternative Anlage als unproblematisch angesehen wird, kann auch die in Gleichung (5.12) dargestellte Form zur Erfassung der Entsprechungen im alten und neuen Plan verwendet werden. Wertebereiche der Variablen xu ,k ,t , su ,k ,t , eu ,k ,t ^0,1` p s ,t = 0
u U , k K u , t {t act 1,..., H }
(5.13)
s S , t {t act 1,..., H }
(5.14)
MS t 0
Abschließend werden die Wertebereiche der Entscheidungsvariablen definiert.
5.2 BPS-Dekomposition Aufgrund der Vielzahl von technischen und typologischen Besonderheiten, die bereits im Kapitel 2 dieser Arbeit thematisiert wurden, stellt die Anlagenbelegungsplanung für chemische Prozesse eine besondere Herausforderung dar. Zur Modellierung solch komplexer Produktionsnetzwerke sind Verfahren der gemischt ganzzahligen Programmierung besonders gut geeignet. Obwohl in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung effizienter Lösungsalgorithmen gemacht wurden und eine Vervielfachung der Leistungsfähigkeit moderner Rechnersysteme zu verzeichnen war, bleibt die Lösbarkeit solcher Modelle für praxisnahe Probleminstanzen allerdings eingeschränkt. Um diesem Missstand zu begegnen, wurden in den letzten Jahren von zahlreichen Autoren Dekompositionsverfahren entwickelt.138 Die Grundidee dieser Verfahren basiert auf einer hierarchischen Zerlegung des gesamten Planungsproblems in kleinere Teilprobleme. Ein wesentlicher Vorteil dieser Zerlegung besteht darin, dass die Lösung der einzelnen Teilprobleme im
Vgl. Trautmann (2005), Harjunkoski/Grossmann (2002), Jain/Grossmann (2001), Wu/Ierapetritou (2003), Roe et al. (2005) oder Mattfeld/Bierwirth (2004).
138
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
101
Vergleich zum Gesamtproblem vereinfacht wird. Im Bezug auf die Anlagenbelegungsplanung wird meist auf einer übergeordneten Planungsebene die Festlegung der Produktionsmengen der einzelnen Prozessaufträge und deren Zuordnung zu den jeweiligen Anlagen vorgenommen. Im Anschluss daran erfolgt die eigentliche Reihenfolgeplanung.139
Abb. 31: Ablauf und Datenherkunft des Dekompositionsverfahrens
Gemäß der Darstellung in Abb. 31 sieht der in dieser Arbeit vorgeschlagene Dekompositionsansatz140 zur Anlagenbelegungsplanung eine Zerlegung des Gesamtproblems in drei Teilprobleme vor. Die Aufgabe der Batching-Ebene ist es, auf der Basis der Prozessdaten und der aktuellen Bedarfe und Bestände, die Anzahl, Art und Größe der zur Herstellung der Nettobedarfsmengen notwendigen Prozessaufträge zu bestimmen. Die Nettobedarfe werden vom Analyser-Modul des reaktiven Planungssystems bereitgestellt.141 Aufgrund der Mehrstufigkeit chemischer Produktionssysteme bestehen zwischen diesen Aufträgen wechselseitige Materialflussbeziehungen. Neben den Beziehungen zwischen den Prozessaufträgen müssen auch Materialflüsse zu Lagerbeständen und zu befriedigende Mengen an externen Bedarfen berücksichtigt werden. Auf der Pegging-Ebene werden diese Materialflüsse ge-
Vgl. Maravelias (2006), S. 2109. Wird nachfolgend auch als BPS-Dekomposition nach den drei Planungsebenen (Batching Pegging Scheuling) bezeichnet. 141 Vgl. Abschnitt 4.2.5.2. 139 140
102
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
neriert, die auf der nachgelagerten Planungsebene lediglich als zeitliche Anordnungsbeziehungen zwischen den Prozessaufträgen berücksichtigt werden. Abschließend wird auf der Scheduling-Ebene, basierend auf diesem Auftragsnetzwerk, die eigentliche Zuordnung der Aufträge zu den jeweiligen Anlagen und deren Terminierung vorgenommen. Ein wesentliches Kennzeichen des Dekompositionsansatzes besteht darin, dass auf der Scheduling-Ebene keine Berücksichtigung von Lagerbeständen und Materialflüssen erforderlich ist, wodurch eine deutliche Reduktion der Komplexität dieses Entscheidungsproblems erwartet wird. Trotz dieser Vereinfachung sind keine wesentlichen Einschränkungen der möglichen Materialflüsse erforderlich, so dass auch ein Batchsplitting bzw. -merging weiterhin realisierbar ist. Allerdings wird durch die Vorgabe der Materialflüsse eine Einschränkung des Lösungsraumes vorgenommen, da eine nachträgliche Veränderung der Anordnungsbeziehungen auf der Scheduling-Ebene nicht möglich ist. Es bleibt somit die Frage zu klären, welche Auswirkungen diese Einschränkungen auf die Lösungsqualität des Verfahrens haben. Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Versuchsreihe angelegt, deren Ergebnisse im Abschnitt 6.3 aufbereitet und diskutiert werden. In den folgenden Abschnitten werden die Funktionen der einzelnen Ebenen des Dekompositionsansatzes im Detail erläutert. Die dabei verwendeten Symbole sind wie folgt definiert: Indizes und Indexmengen:
sS
Produkte
iI
Aufträge
f F
Anlagenausfälle
o O
externe Bedarfe für ein Endprodukt
kK
Prozesse
t T
Zeit
u U
Anlagen
f F act
zum Zeitpunkt tact aktive Anlagenausfälle
s Skout
Menge der Produkte die von Prozess k produziert werden
sS
Menge der Produkte die im Prozess k verarbeitet werden
in k
i I dir
Menge der Aufträge, die von einem Anlagenausfall direkt betroffen sind
iI
Menge der Aufträge, die aufgrund eines Anlagenausfalls verworfen werden müssen
dis
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
103
i I pro
Menge, der zum aktuellen Zeitpunkt tact auf einer nicht gestörten Anlage ausgeführten Aufträge
i I pool
Menge der umplanbaren Aufträge
iI
fix
Menge der fixierten Aufträge
iI
last
Menge der Aufträge, die einen externen Bedarf befriedigen
iI
succ j
Menge der Aufträge, die aufgrund einer bestehenden Materialflussbeziehung Nachfolger des Auftrags j sind
Daten:
Psold , Psact
Lagerbestand von Produkt s zum vorherigen und aktuellen Umplanungszeitpunkt
Ns
Nettobedarf von Produkt s am Ende des Planungshorizontes
Zk
Anzahl zusätzlich einzuplanender Chargen für Prozess k, um alle Nettobedarfe zu decken
Ai , s , Vi , s
Höhe des Zugangs- bzw. Bedarfelementes, das durch Auftrag i für Produkt s hervorgerufen wird
Vo , s
Höhe des Bedarfelementes, das durch den externen Bedarf o für Produkt s hervorgerufen wird
A s
Höhe des Zugangselementes, das den aktuellen Lagerbestand von Produkt s repräsentiert
t act
aktueller Zeitpunkt
tic
Fertigstellungszeitpunkt von Auftrag i
tid
Bedarfszeitpunkt von Auftrag i
d o
t
Fälligkeitstermin von Bedarf o
t start , t end f f
Start- und Endzeitpunkt des Anlagenausfalls f
H fix
Dauer des Fixierungshorizontes ausgehend vom aktuellen Zeitpunkt t act
f new
Zum aktuellen Zeitpunkt auftretender Anlagenausfall
Uf
Anlage, die von Ausfall f betroffen ist
Do
Menge von Bedarf o
Mo
Nicht termingerecht befriedigte Menge von Bedarf o
D s ,k , Zs ,k
Input- und Outputanteil von Produkt s für Prozessschritt k
104
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Bk
Batchgröße von Prozess k
W k ,u
Prozesszeit von Prozess k auf Anlage u
Ki
Prozess, den Auftrag i ausführt
Ui
Anlage auf der Auftrag i ausgeführt werden soll
So
Endprodukt, das von Bedarf o verlangt wird
5.2.1 Batching-Ebene Auf der Batching-Ebene wird die Art und Anzahl der zur Herstellung der gegebenen Nettobedarfsmengen benötigten Produktionsaufträge ermittelt. Die Art der Aufträge ist gekennzeichnet durch den Prozess, der ausgeführt werden muss, um die benötigten Mengen der End- und Zwischenprodukte herzustellen. Da variable Batchgrößen existieren können, muss für jeden der Produktionsaufträge die Produktionsmenge bestimmt werden.142 Dieses Entscheidungsproblem ist in der wissenschaftlichen Literatur auch unter den Begriffen Batching oder Chargenbildung bekannt.143 Je nach Konfiguration des betrachteten Produktionssystems ergeben sich auf dieser Planungsebene die folgenden Entscheidungsprobleme: x
Bestimmung der Art und Anzahl der Prozesse, die zur Produktion der Nettobedarfsmengen notwendig sind
x
Bestimmung der Batchgröße der Prozesse
x
Bestimmung des auszuführenden Prozesses, falls zur Produktion eines Produktes alternative Prozesse zur Verfügung stehen
x
Festlegung der jeweiligen Anteilswerte, falls die Outputprodukte eines Prozesses in flexiblen Mengenverhältnissen produziert werden
Da diese Art von Entscheidungsproblemen nicht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht, werden die folgenden vereinfachenden Annahmen getroffen: x
Die Batchgröße der Prozesse wird auf den maximalen Wert fixiert.
x
Ein Produkt kann nur durch einen einzelnen Prozess produziert werden.
x
Die Mengenverhältnisse mit denen die Produkte in die Prozesse ein- bzw. ausgehen, sind ebenfalls fixiert.
142 143
Vgl. Neumann et al. (2002), S. 260 oder Mendez et al. (2006), S. 919. Vgl. Voß/Witt (2003), S. 81.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
105
Auf der Basis dieser Annahmen kann die Lösung des Batching-Problems durch eine einfache analytische Berechnung bestimmt werden, die in Abb. 32 dargestellt ist. Grundlage dieser Berechnung bilden die Nettobedarfsmengen der einzelnen Produkte, die durch das Analyser-Modul ermittelt werden.144 Dieser Wert gibt an, ob bei der unveränderten Ausführung des aktuellen Plans Fehlmengen auftreten würden, die durch die Einplanung zusätzlicher Prozessaufträge gedeckt werden müssen. // Initialisierung forall s S do if
N s ! 0 then GO : True ;
// Es sind positive Nettobedarfsmengen vorhanden
else
GO : False ; endif; endfor; forall k K do
Zk : 0 ;
// Die Anzahl benötigter Aufträge wird initiiert
endfor; // Bestimmung der Chargenanzahl zur Deckung der Nettobedarfsmengen do while GO True forall k K do forall if
s Skout do N s ! 0 then ª Ns º NB : « »; « Bk D s ,k » Z k : Z k NB ; x Skout do N x : N x NB Bk D x ,k ;
// Anzahl der notwendigen Chargen berechnen
forall
// Bedarfe aller Outputprodukte aktualisieren
endfor; forall x S kin do
N x : N x NB Bk D x ,k ;
// Bedarfe aller Inputprodukte aktualisieren
endfor; endif; endfor; endfor; forall s S do if
N s ! 0 then GO : True ;
// Es sind weitere positive Nettobedarfsmengen vorhanden
else
GO :
False ;
endif; endfor; enddo;
Abb. 32: Bestimmung der Anzahl notwendiger Aufträge zur Deckung aller Bedarfe
144
Vgl. Abschnitt 4.2.5.2.
106
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Der gesamte Verfahrensablauf wird nur dann ausgeführt, wenn für mindestens ein Produkt eine positive Nettobedarfsmenge besteht. Falls dies der Fall ist, wird zunächst die Anzahl der Zusatzaufträge für die Prozesse ermittelt, die Produkte mit positiven Nettobedarfen produzieren. Anschließend werden die Nettobedarfsmengen aller Input- und Outputprodukte der neu generierten Prozessaufträge aktualisiert. Da durch den Verbrauch der Inputprodukte auch zusätzliche Nettobedarfsmengen entstehen können, wird nach jeder Iteration überprüft, ob noch offene Bedarfsmengen vorhanden sind. Ist dies der Fall, wird dieses Verfahren wiederholt, bis alle Bedarfe gedeckt sind. Auf diese Weise können beispielsweise auch zyklische Materialflüsse berücksichtigt werden. Dieses Verfahren ist aufgrund seiner Einfachheit gut geeignet, um praxisnahe Problemgrößen in kurzer Zeit zu bewältigen. Allerdings werden durch die obigen Annahmen einige Typen von chemischen Prozessen ausgeschlossen, die in einem praktischen Produktionsumfeld auftreten können. Durch die Verwendung alternativer Batching-Verfahren könnten diese Annahmen allerdings weitestgehend aufgehoben werden. Exemplarisch sei hierzu auf die Arbeiten von MENDEZ ET AL. (2000) und NEUMANN ET AL. (2002) verwiesen, denen weniger restriktive Annahmen zu Grunde liegen.
5.2.2 Pegging-Ebene Wie eingangs beschrieben, ist es die Aufgabe der Pegging-Ebene die Materialflussbeziehungen zwischen den einzelnen Prozessaufträgen zu definieren. Die Grundidee dieses Verfahrens geht auf ORLICKY (1975) zurück und wird auch in modernen Planungssystemen wie dem Advanced Planner and Optimizer der SAP AG verwendet. Der detaillierte Ablauf des im reaktiven Schedulingsystem implementierten Verfahrens ist in Abb. 33 dargestellt. Basierend auf der Anzahl der Zusatzaufträge, die durch die Batching-Ebene bestimmt wurde, und dem bisher bestehenden Plan werden zunächst alle Aufträge erzeugt die der neue Plan enthalten soll. Im Anschluss daran erfolgt die Generierung der entsprechenden Bedarfs- und Zugangselemente. Als Zugangselemente gelten dabei die durch Produktionsaufträge bereitgestellten Materialmengen und die aktuellen Lagerbestände. Die externen Bedarfe und durch die einzelnen Produktionsaufträge verarbeiteten Materialmengen werden als Bedarfselemente angesehen. Die eigentliche Definition der Materialflüsse wird durch die Kantengenerierung vorgenommen. Für diesen Verfahrensschritt können alternativ ein gemischt ganzzahliges Optimierungsmodell oder ein heuristisches Verfahren verwendet werden. Als Resultat des Pegging wird das Auftragsnetzwerk an die nachgelagerte Scheduling-Ebene übergeben.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
107
Abb. 33: Ablauf und Datenherkunft des Pegging-Verfahrens
Um die Methodik des Pegging zu demonstrieren wird in dem folgenden Abschnitt ein Anschauungsbeispiel erläutert. Danach wird die Ableitung der Zugangs- und Bedarfselemente beschrieben. Da die Definition der Materialflussbeziehungen einen großen Einfluss auf die nachfolgende Scheduling-Ebene hat, werden diesbezüglich im Abschnitt 5.2.2.3 einige Vorüberlegungen angestellt. Die eigentlichen Verfahren zur Kantengenerierung sind Inhalt der beiden darauf folgenden Abschnitte. 5.2.2.1 Anschauungsbeispiel Das Prinzip des Pegging-Verfahrens soll anhand des in Abb. 34 dargestellten Beispiels erläutert werden. Die erforderlichen Daten zur Struktur des betrachteten Produktionssystems sind durch ein Produkt-Prozess-Netzwerk und die Ansatzmengen der einzelnen Prozesse gegeben. Es wird angenommen, dass für das Ausgangsprodukt S1 ein Lagerbestand von 5000 Mengeneinheiten vorhanden ist. Für die Endprodukte S3 und S4 liegt jeweils ein Bedarf von 1000 bzw. 3000 Mengeneinheiten vor. Basierend auf den Bedarfsmengen wurden durch das vorgelagerte Batching-Verfahren die Mengen aller notwendigen Prozessaufträge generiert. Zur Befriedigung alle Primär- und Sekundärbedarfe sind insgesamt jeweils zwei Aufträge der Prozesse T1, T2 und T3 erforderlich. Die sechs- bzw. achteckigen Symbole repräsentieren die Zugangs- bzw. Bedarfselemente. Den Prozessaufträgen sind die entsprechenden Elemente für die Input- und Outputprodukte zugewiesen. Auch die Lagerbestände bzw. externen Endproduktbedarfe werden durch die entsprechenden Symbole dargestellt.
108
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Abb. 34: Beispiel für ein Pegging-Netzwerk
Durch die sogenannten Pegging-Kanten sind die Materialflussbeziehungen zwischen den Bedarfs- und Zugangselementen festgelegt. Ein Bedarfselement kann hierbei aus einem oder mehreren Zugangselementen gedeckt werden und umgekehrt kann ein Zugang auch mehrere Bedarfe befriedigen. Ein zulässiges Pegging-Netzwerk ist dadurch gekennzeichnet, dass durch die Materialtransfers alle Bedarfselemente vollständig erfüllt werden. Gleichzeitig muss für die Zugangselemente sichergestellt sein, dass deren Mengen nicht durch die Summe der ausgehenden Materialflüsse überschritten werden. Durch das Batching-Verfahren ist bereits sichergestellt, dass die Summe der Zugangselemente mindestens der Summe der Bedarfselemente entspricht, so dass für dieses Problem immer eine zulässige Lösung existiert.145 Falls die Menge eines Zugangselementes nicht vollständig verbraucht wird, existieren nicht genutzte Restmengen der Outputkomponenten des ent-
145
Vgl. Abschnitt 5.2.1.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
109
sprechenden Prozessauftrages. Da durch das Batching-Verfahren für jeden Umplanungslauf lediglich so viele neue Prozessaufträge erzeugt werden wie zur Befriedigung der Nettobedarfsmengen notwendig sind, muss die Summe der Restmengen für jedes Produkt immer kleiner der Menge sein, die durch einen einzelnen Prozessauftrag produziert werden kann. Mit anderen Worten muss jeder Prozessauftrag, der in den neuen Plan eingeht auch zur Deckung eines Bedarfselementes benötigt werden. Somit können innerhalb eines PeggingNetzwerkes keine Zugangs- bzw. Bedarfselemente existieren, die nicht mit einer PeggingKante belegt wurden. 5.2.2.2 Ableitung der Zugangs- und Bedarfselemente Bevor mit der eigentlichen Definition der Materialflussbeziehungen begonnen werden kann, müssen, wie in Abb. 35 veranschaulicht, die Bedarfs- und Zugangselemente generiert werden. // Initialisierung
I : I I I I ; // Auftragsgenerierung // Bedarfs- und Zugangselemente für alle Aufträge ableiten forall i I do pro
forall
fix
pool
s S Kouti
add
do
// Bedarfselemente generieren
Ai , s : BKi Zs , Ki ; endfor; forall s S Kin do
// Zugangselemente generieren
i
if
i I pro
then
// Bedarfselemente der gestarteten Aufträge sind bereits von
Vi , s : BKi D s , Ki
Psact
abgezogen
;
endif; endfor; endfor; // Bedarfselemente für die externen Bedarfe ableiten forall o O do
Vi o , s : Do M o ;
// Bedarfsmenge ergibt sich aus Menge des externen Bedarfes oder der Fehlmenge
endfor; // Zugangselemente für Lagerbestände ableiten forall s S do
i As : Psact ;
endfor;
Abb. 35: Generierung der Bedarfs- und Zugangselemente
Dazu wird für jede Outputkomponente eines Prozessauftrages ein Zugangselement erzeugt, dessen Höhe dem Outputanteil des jeweiligen Produktes entspricht. Analog wird bei der Erzeugung der Bedarfselemente für die Inputkomponenten der Prozessaufträge vorge-
110
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
gangen. Dabei ist zu beachten, dass für die in Ausführung befindlichen Aufträge Ipro keine Bedarfselemente erzeugt werden dürfen, da diese Bedarfe bereits in die Berechnung der aktuellen Lagerbestände eingegangen sind.146 Abschließend werden die Bedarfsmengen (bzw. Fehlmengen) der externen Aufträge und die aktuellen Lagerbestände jedes einzelnen Produktes durch gesonderte Bedarfs- und Zugangselemente erzeugt. 5.2.2.3 Vorüberlegungen zur Kantengenerierung Eine wesentliche Voraussetzung für einen zulässigen Anlagenbelegungsplan besteht darin, dass zum Startzeitpunkt eines Prozessauftrages alle erforderlichen Materialien in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund werden aus den Pegging-Kanten für die nachfolgende Scheduling-Ebene zeitliche Vorrangbeziehungen abgeleitet. Gemäß den Annahmen aus Abschnitt 4.1 ist das vorgeschlagene Verfahren für die Anlagenbelegungsplanung von Mehrzweckanlagen vorgesehen. Bei diesem Anlagentyp treten Materialflüsse ausschließlich am Start und am Ende eines Prozessauftrages auf. Die aus den Materialflüssen resultierenden Vorrangbeziehungen sind damit immer vom Typ Ende-Anfang. Auf diese Weise geht jede der Pegging-Kanten in das nachfolgende Schedulingproblem als Nebenbedingung ein und beeinflusst somit unmittelbar dessen Lösbarkeit und Lösungsqualität. Somit ist schon bei der Generierung der Pegging-Kanten darauf zu achten, dass in das nachfolgende Scheduling-Problem keine Restriktionen eingeführt werden, die dessen Unlösbarkeit verursachen. Im Folgenden sollen diese Materialflüsse als verbotene PeggingKanten bezeichnet werden. Eine der Hauptursachen verbotener Pegging-Kanten besteht in der Fixierung einzelner Prozessaufträge im Rahmen einer partiellen Umplanungsmethode. Soll beispielsweise ein Bedarfselement eines fixierten Auftrages durch ein Zugangselement eines frei umplanbaren Auftrages gedeckt werden, kann dies nur gelingen, wenn für den umplanbaren Auftrag genügend Anlagenkapazität zur Verfügung steht um ihn rechtzeitig vor Beginn des fixierten Auftrages fertig zu stellen. Falls der fixierte Auftrag so dicht am aktuellen Zeitpunkt eingeplant ist, dass nicht genügend Zeit zur Ausführung des beliefernden Auftrags verfügbar ist, wird die Einhaltung dieser Vorrangbeziehung unmöglich. Weitere Verursacher verbotener Pegging-Kanten können in zyklischen Materialflüssen bestehen, bei denen eine Teilmenge einer Outputkomponente eines Prozesses als dessen Input zurückgeführt wird. Eine
146
Die Berechnung der aktuellen Lagerbestände wurde in Abschnitt 4.2.5.2 erläutert.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
111
Pegging-Kante, die ein Zugangs- und ein Bedarfselement ein und desselben Auftrags verbindet, würde ebenfalls eine Unzulässigkeit darstellen. Um solche verbotenen Pegging-Kanten auszuschließen, werden die folgenden Verfahrensanweisungen zur Kantengenerierung definiert: 1. Ein Bedarfselement, dass durch einen fixierten Auftrag hervorgerufen wird, darf nur mit den folgenden Typen von Zugangselementen verbunden werden: a. Das Zugangselement wird von einem ebenfalls fixierten Auftrag bereitgestellt, dessen Fertigstellungszeitpunkt vor dem Beginn des zu beliefernden Auftrages liegt. b. Das Zugangselement repräsentiert einen Lagerbestand. 2. Falls ein Bedarfselement eines fixierten Auftrages nicht durch ein in Regel 1 definiertes Zugangselement gedeckt werden kann, ist die Fixierung des Auftrages aufzuheben. Somit können diesem Bedarfselement auch Zugangselemente nicht fixierter Aufträge zugewiesen werden. 3. Pegging-Kanten dürfen nicht die Zugangs- und Bedarfselemente ein und desselben Auftrages verbinden. Die Komplexität von Pegging-Netzwerken wird maßgeblich dadurch beeinflusst, dass bei chemischen Prozessen häufig ein Batchsplittung und -merging erforderlich ist.147 Handelt es sich darüber hinaus um mehrstufige Prozessketten, tritt dadurch eine zusätzliche Komplexitätssteigerung ein. Als weiterer Faktor, der insbesondere die Lösungsqualität der nachfolgenden Anlagenbelegungsplanung beeinflusst, besteht in der Struktur der Netzwerke. Werden einem Zugangselement Bedarfselemente zugeordnet, die aus unterschiedlichen Prozesstypen resultieren, wird unter solchen Umständen die Gruppierung gleichartiger Prozessaufträge auf einer Anlage erschwert. Auf der Grundlage dieser Vorüberlegungen werden im Folgenden zwei alternative Verfahren zur Kantengenerierung eingeführt. Das erste Verfahren basiert auf der Formulierung dieses Entscheidungsproblems als Transportproblem und wurde in Form eines gemischt ganzzahligen Optimierungsproblems modelliert. Als Alternative wurde ein heuristisches Verfahren entwickelt.
147
Vgl. Abschnitt 2.3.4.
112
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
5.2.2.4 Modellierung der Kantengenerierung als Transportproblem Die Grundlage der in diesem Abschnitt vorgeschlagenen Methodik zur Kantengenerierung besteht darin, dieses Zuordnungsproblem als Transportproblem zu interpretieren.148 Alle Zugangselemente für ein Produkt können als Lieferanten angesehen werden, wohingegen die passenden Bedarfselemente die Abnehmer repräsentieren. Als Zugangselemente gelten somit die geplanten Produktionsmengen der Aufträge und die zum aktuellen Zeitpunkt verfügbaren Lagerbestände. Die Bedarfselemente für ein Produkt ergeben sich aus den Sekundärbedarfen der geplanten Prozessaufträge und den externen Bedarfen. Die korrespondierenden Zugangs- bzw. Abgangsmengen dieser Elemente stellen die Kapazitäten bzw. Bedarfe der Lieferanten bzw. Abnehmer dar. Als mögliche Lieferbeziehungen werden alle zulässigen Pegging-Kanten angesehen, die den Bedarf eines Produktes mit dem passenden Zugang verbinden. Das zu lösende Entscheidungsproblem liegt in der Generierung der Mengenströme um sicherzustellen, dass alle Bedarfsmengen gedeckt werden ohne die Lieferkapazitäten zu überschreiten. Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, resultiert aus jeder einzelnen Pegging-Kante eine zusätzliche Restriktion auf der nachfolgenden Scheduling-Ebene. Um dieses Entscheidungsproblem nicht unnötig zu erschweren, wird bei der Kantengenerierung die Zielsetzung verfolgt, eine zulässige Zuordnung von Bedarfs- und Zugangselementen unter Verwendung möglichst weniger Pegging-Kanten zu ermitteln. Da der Großteil, der für die nachfolgende Modellformulierung benötigten, Indizes und Daten schon eingangs in Abschnitt 5.2 definiert wurden, folgt nun lediglich die Einführung der zusätzlich benötigten Symbole: Indizes und Indexmengen: i I ven j
Aufträge, die potenzielle Lieferanten von Auftrag j sind
iI
Aufträge, die potenzielle Lieferanten des externen Bedarfes o sind
ven o
Entscheidungsvariablen:
xi , j ; xi ,o
= 1, falls zwischen Auftrag i und Auftrag j (bzw. den externen Bedarf o) eine Pegging-Kante definiert wurde
yi , j , s ; yi ,o , s
Menge, die Auftrag i von Produkt s an Auftrag j (bzw. den externen Bedarf o) liefert
148
Vgl. Günther/Tempelmeier (2005), S.267 oder Domschke/Drexl (2002), S.74.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
z j , s , zo , s
113
Menge, die für Auftrag i (bzw. den externen Bedarf o) von Produkt s aus dem aktuellen Lagerbestand entnommen wird
Die Modellformulierung ergibt sich wie folgt: Zielfunktion:
¦¦x
Min
jJ iI ven j
i, j
¦
¦ x
oO iI oven
(5.15)
i ,o
Die Anzahl aller notwendigen Pegging-Kanten soll minimiert werden. Deckung der Bedarfselemente:
¦
iI ven j |i z j
yi , j ,s z j , s t V j , s
j I , s S Kinj
(5.16)
zo , s t Vo , s
o O, s So
(5.17)
¦ y
i ,o , s
iI oven
Alle Bedarfselemente müssen vollständig gedeckt werden, indem die Summe aller eingehenden Materialflüsse mindestens der Bedarfsmenge entspricht. Bedarfselemente können entweder durch Sekundärbedarfe (Vj,s) oder externe Bedarfe (Vo,s) hervorgerufen werden. Verbrauch der Zugangselemente:
¦
yi , j , s
jI iI ven j ,i z j
¦z jI
j ,s
¦
oO iI oven
¦ zo , s d A s
yi ,o , s d Ai , s
i I , s S Kouti
(5.18)
s S
(5.19)
oO
Die durch ein Zugangselement zur Verfügung gestellte Menge darf durch die Summe aller ausgehenden Materialflüsse nicht überschritten werden. Die Zugangselemente ergeben sich aus den geplanten Produktionsmengen der Prozessaufträge (Ai,s) oder resultieren aus Lagerbeständen (As). Materialflussindikator:
¦
sS inj Siout
yi , j , s d M xi , j
yi ,o , So d M xi ,o
j I , i I ven j
(5.20)
o O, i I oven
(5.21)
114
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Falls zwischen einem Zugangs- und einem Bedarfselement ein Materialfluss besteht, wird die Existenz dieses Materialflusses für die Zielfunktion indiziert. Die Materialflüsse zwischen Lagerbeständen und Aufträgen bzw. externen Bedarfen werden dabei nicht erfasst, weil aus diesen Pegging-Kanten keine Restriktionen für das nachfolgende SchedulingVerfahren abgeleitet werden. Dies ist möglich, da beim Scheduling ohnehin der früheste Einplanungszeitpunkt aller Aufträge dem aktuellen Zeitpunkt tact entspricht. Eine Verletzung dieser Vorrangbeziehungen ist somit unmöglich. Wertebereich der Variablen: xi , j , xi ,o ^0;1`
i, j I ; o O; s S
(5.22)
yi , j , s , yi ,o , s , z j , s , zo , s \
i, j I ; o O; s S
(5.23)
Abschließend wird der Wertebereich der Variablen definiert. Da auf der Pegging-Ebene keine Anpassungen der Anzahl und Höhe der Zugangs- und Bedarfselemente möglich ist, sind die Produktflüsse zwischen den Zugangs- und Bedarfselementen eines Auftrages fixiert. Daraus ergibt sich, dass die Transportprobleme der einzelnen Produkte voneinander entkoppelt sind und somit separat gelöst werden können. Bei der oben stehenden Modellformulierung werden hingegen alle Produkte, für die eine Zuordnung von Bedarfs- und Zugangselementen erfolgen soll, simultan berücksichtigt. Da unter Verwendung der obigen Modellformulierung allerdings auch die Generierung komplexer Pegging-Netzwerke innerhalb weniger Sekunden optimal lösbar ist, wurde diese Variante des Modells implementiert. Eine weitere Eigenschaft dieser Modellvariante besteht darin, dass nicht berücksichtigt wird ob ein Bedarfselement fixiert ist. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass verbotene Pegging-Kanten zwischen fixierten Bedarfselementen und frei umplanbaren Zugangselementen generiert werden.149 Der Einsatzrahmen dieses Modells ist somit auf Planungsläufe beschränkt, bei der kein Fixierungshorizont definiert wurde. Eine Aufhebung dieser Einschränkung könnte allerdings durch eine erweiterte Definition der Menge, der möglichen Lieferanten für einen fixierten Auftrag erfolgen. Werden in diese Menge lediglich Aufträge aufgenommen die ebenfalls fixiert sind, wird eine Generierung verbotener Pegging-Kanten ausgeschlossen.
149
Vgl. Abschnitt 5.2.2.3.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
115
// Initialisierung ; I last :
^`
i I do I isucc : ^ ` ;
forall
tid : 0 ; endfor; // Menge der Nachfolger für jeden Auftrag ableiten und Bedarfszeitpunkte propagieren forall i I do forall j I do if
xi , j
1 then
I isucc : I isucc ^ j` ; endif; endfor; forall o O do if xi ,o 1 then if
// Zulieferer für externe Bedarfe
tid ! 0 then
^
// Auftrag i beliefert bereits externe Bedarfe
`
tid : min tid , tod ; else
// Auftrag i beliefert bisher keine externen Bedarfe
tid : tod ;
I last : I last ^i` ;
endif; endif; endfor; endfor;
Abb. 36: Generierung der Materialflussbeziehungen aus den Ergebnissen des Transportmodells
Abschließend werden die Ausgangsdaten für die Scheduler-Ebene abgeleitet. Dabei wird zunächst für jeden Auftrag die Menge der nachfolgenden Aufträge bestimmt. Die Aufträge die einen Endproduktbedarf beliefern, werden der Menge der letzten Aufträge I last zugewiesen. Ihnen wird weiterhin der Fertigstellungstermin des externen Bedarfes übergeben. Dieser Parameter wird auf der Scheduling-Ebene dazu verwendet die Liefertermine der externen Bedarfe abzubilden. Da ein Prozessauftrag auch mehrere externe Bedarfe mit unterschiedlichen Fälligkeitsterminen beliefern kann, wird der früheste Termin gewählt. 5.2.2.5 Heuristik zur Kantengenerierung Das im vorherigen Abschnitt vorgeschlagene Verfahren zielt einzig auf die Minimierung der Anzahl notwendiger Pegging-Kanten ab. Dabei bleibt unberücksichtigt, welche Typen von Prozessen in einem Auftragsnetz zusammengefasst werden. Die Struktur des PeggingNetzwerkes hat allerdings einen maßgeblichen Einfluss auf die Lösungsqualität des nachfolgenden Anlagenbelegungsplans. Aus diesem Grund soll ein heuristisches Verfahren zur Kantengenerierung unter strukturellen Gesichtspunkten entwickelt werden. Die Grundidee dieser Methodik besteht darin, dass bei der Generierung der Auftragsnetze möglichst solche Aufträge zusammengefasst werden, die gleiche Prozesse ausführen. Dieses Verfahren basiert auf der Idee, dass durch die Generierung möglichst homogener Auftragsnetze beim
116
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Scheduling eine vereinfachte Gruppierung von Aufträgen und somit eine Reduzierung von Reinigungs- und Leerzeiten auf den Anlagen erreicht wird. Dieser Effekt soll durch ein einfaches Beispiel illustriert werden.
Abb. 37: Beispiel zur Motivation der Kantengenerierungsheuristik
Analog zum Beispiel in Abb. 34 wird ein zweistufiger Produktionsprozess betrachtet, bei dem insgesamt drei Prozesse auf zwei Anlagen ausgeführt werden. Es soll angenommen werden, dass die gleichen Bedarfsmengen vorliegen. In dem hier betrachteten Anschauungsbeispiel stehen allerdings die zeitlichen Anordnungsbeziehungen der Prozessaufträge und die daraus resultierende Anlagenbelegung im Mittelpunkt. Aus diesem Grund wurden die Prozessdaten um die Dauer der Prozesse ergänzt. Weiterhin soll angenommen werden, dass beim Wechsel zwischen den Prozessen T2 und T3 jeweils eine Reinigungsaktivität eingeplant werden muss. Analog zum Beispiel aus Abb. 34 sind auf der Grundlage der gleichen Nettobedarfe jeweils zwei Aufträge der Prozesse T1, T2 und T3 auszuführen, für die auch die entsprechenden Bedarfs- und Zugangselemente erzeugt wurden. Bei der Generierung der Pegging-Kanten zwischen den Prozessaufträgen sollen zwei alternative Verfahren betrachtet werden. Das MILP-Verfahren entspricht dem im Abschnitt 5.2.2.4 formulierten Optimierungsmodell, bei dem eine Minimierung der Anzahl von Materialflussbeziehungen angestrebt wird. Die optimale Lösung für dieses Problem besteht darin, jeden Prozessauftrag von T1 mit jeweils einem Prozessauftrag von T2 und T3 zu verbinden. Auf diese Weise sind lediglich vier Kanten für die Erzeugung eines zulässigen
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
117
Pegging-Netzwerkes notwendig. Weiterhin wurde ein heuristisches Verfahren angewandt bei dem die Materialflüsse, wie im unteren Beispiel der Abb. 37 dargestellt, generiert wurden. Bei diesem Verfahren wurde angestrebt, die Zugangselemente von Prozess T1 möglichst mit Bedarfselementen zu verbinden, die den gleichen Prozess ausführen. Bei Anwendung dieser Strategie sind allerdings fünf Kanten erforderlich. Für beide Pegging-Netzwerke wurde ein in den jeweiligen Gantt-Charts dargestellter Anlagenbelegungsplan bestimmt. Beide Pläne stellen die Ausführung des Plans in minimaler Durchlaufzeit sicher. Wie leicht zu erkennen ist, kann für das Auftragsnetzwerk, dass durch die Heuristik entwickelt wurde, eine geringere Durchlaufzeit erzielt werden. Dieser Effekt ist darauf zurückzuführen, dass durch die veränderte Definition der Pegging-Kanten eine bessere Überlappung der Teilpläne auf den Anlagen U1 und U2 möglich wird. Anhand dieses einführenden Beispiels wird deutlich, wie stark das Ergebnis der nachfolgenden Scheduling-Ebene von der Struktur des Pegging-Netzwerkes abhängt. Deshalb wird in diesem Abschnitt eine Heuristik zur Kantengenerierung vorgestellt, die eine möglichst gute Überlappung der Teilpläne der einzelnen Prozessstufen sicherstellen soll. Die Kantengenerierung soll dabei nach Möglichkeit so erfolgen, dass die mit einem Zugangselement verknüpften Bedarfselemente aus solchen Aufträgen resultieren, die den gleichen Prozess ausführen. Um die Lösbarkeit des Entscheidungsproblems auf der nachfolgenden Scheduling-Ebene sicherzustellen, dürfen auch hier keine verbotenen Pegging-Kanten150 generiert werden. Um die beschriebenen Anforderungen umzusetzen, basiert das Verfahren zur Kantengenerierung auf dem folgenden vierstufigen Vorgehen, das im Verlauf dieses Abschnittes ausführlicher erläutert wird: 1. Sortierung der Zugangs- und Bedarfselemente der Prozessausträge nach dem auszuführenden Prozess151 2. Kantengenerierung für fixierte Bedarfselemente152 3. Kantengenerierung für externe Aufträge153 4. Kantengenerierung der Zugangs- und Bedarfselemente für die umplanbaren Prozessaufträge154
Vgl. Abschnitt 5.2.2.3. Vgl. Abb. 38. Vgl. Abb. 38. 153 Vgl. Abb. 39. 154 Vgl. Abb. 40. 150 151 152
118
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Die Identifikation der einzelnen Zugangs- und Bedarfselemente erfolgt durch die Kombination der Indizes für die Prozessaufträge i und Produkte s. Für jeden einzelnen Auftrag ist wiederum bekannt, welcher Prozess ausgeführt werden soll. Um bei der nachfolgenden Kantengenerierung ein möglichst homogenes Auftragsnetz zu erstellen, werden die Zugangs- und Bedarfselemente nach der Art des Prozesses sortiert aus denen sie resultieren. // Initialisierung Sort i I by K ; // Sortierung der Aufträge nach dem auszuführenden Prozess // Kantengenerierung für fixierte Bedarfselemente forall
i I fix do s STini do
// Ein Auftrag kann mehrere Bedarfselemente aufweisen
forall
^
FLOW : min Vi , s ; A s
`
;
// Deckung durch Lagerbestand
Vi , s : Vi ,s FLOW ; A s : A s FLOW ; j I fix | j z ì do forall w STout | w s j
forall
c
if ti
W Ki ,Ui t t cj
do
// Ein Auftrag kann mehrere Zugangselemente aufweisen
then
FLOW : min ^Vi , s ; Ai , w ` ; Vi , s : Vi ,s FLOW
// Deckung durch fixiertes Zugangselement
;
Aj , w : Aj , w FLOW ; FLOW ! 0 then I isucc : I isucc ^ j` ;
If
// Pegging-Kante wird generiert
endif; endif; endfor; endfor; endfor; endfor; // Bereinigung der Menge der fixierten Aufträge forall
i I fix do s STini
forall if
do
// Ein Auftrag kann mehrere Zugangselemente besitzen
Vi , s ! 0 then
// Fixiertes Bedarfselement nicht gedeckt
I fix : I fix \ ^i` ;
// Fixierung des Auftrages wird aufgehoben
I pool : I pool ^i` ;
// Auftrag ist frei umplanbar
endif; endfor; endfor;
Abb. 38: Kantengenerierung für fixierte Bedarfselemente
Im Anschluss daran, werden zunächst die Materialflussbeziehungen zur Deckung der fixierten Bedarfselemente generiert. Gemäß den Vorüberlegungen aus Abschnitt 5.2.2.3, sind dazu lediglich Lagerbestände und fixierte Zugangselemente zulässig. Des weiteren ist zu beachten, diese Zugänge zum Bedarfszeitpunkt bereits bereitstehen müssen. Abschließend wird überprüft, ob alle fixierten Bedarfe gedeckt sind.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
119
Für die fixierten Aufträge, die noch nicht vollständig gedeckte Bedarfselemente aufweisen, wird die Fixierung aufgehoben, so dass sie bei der Anlagenbelegung frei umplanbar sind. Ein solcher Fall kann auftreten, wenn aufgrund eines Anlagenausfalls das passende Zugangselement eines fixierten Auftrages verworfen werden musste und damit nicht mehr zur Verfügung steht.155 // Kantengenerierung für Bedarfselemente externer Bedarfe forall o O do
^
FLOW : min Vo , So ; A So
`;
Vo , So : Vo , So FLOW ; A So : A So FLOW ; forall i I do forall w STout | w So i
// Deckung durch Lagerbestand
do
// Ein Auftrag kann mehrere Zugangselemente aufweisen
^
FLOW : min Vo , So ; Ai , w
`
;
// Deckung durch Zugangselement eines Auftrages
Vo , So : Vo , So FLOW ; Ai , s : Ai , s FLOW FLOW ! 0 then if tid ! 0 then
; // Es besteht ein Materialfluss
If
^
// Auftrag i beliefert bereits externe Bedarfe
`
tid : min tid , tod ; else
// Auftrag i beliefert bisher keine externen Bedarfe
tid : tod ;
I last : I last ^i` ;
endif; endif; endfor; endfor; endfor;
Abb. 39: Kantengenerierung für externe Bedarfe
Danach erfolgt die Kantengenerierung zur Deckung der externen Bedarfe. Zunächst werden die noch verfügbaren Lagerbestände herangezogen. Sind weitere Bedarfselemente ungedeckt, werden die aus den geplanten Produktionszugängen resultierenden Zugangselemente verbraucht. Die Prozessaufträge, die durch eine Pegging-Kante mit einem externen Bedarf verbunden sind, werden der Menge der letzten Aufträge zugewiesen. Diese Aufträge besitzen dann einen geplanten Fertigstellungszeitpunkt, der vom frühesten zu beliefernden externen Bedarf übernommen wird. Zum Abschluss des Verfahrens werden die Bedarfselemente aller restlichen Aufträge gedeckt. Auch hier erfolgt zunächst der Verbrauch der noch verfügbaren Lagerbestände. Die
155
Vgl. Abschnitt 3.6.
120
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
verbleibenden Bedarfselemente werden durch geplante Produktionszugänge gedeckt. Wird dabei ein Materialfluss zwischen zwei frei umplanbaren Aufträgen generiert, resultiert daraus eine Vorrangbeziehung für die nachfolgende Scheduling-Ebene. // Kantengenerierung für Bedarfselemente von Aufträgen forall i I do forall
s STini
do
// Ein Auftrag kann mehrere Bedarfselemete besitzen
^
`
FLOW : min Vi , s ; A s ;
// Deckung durch Lagerbestand
Vi , s : Vi , s FLOW ; A s : A s FLOW ; forall j I | j z ì do forall
w SToutj | w
s
do
FLOW : min ^Vi , s ; Ai , w ` ; Vi , s : Vi , s FLOW
// Deckung durch fixiertes Zugangselement
;
Ai , w : Ai , w FLOW ; FLOW ! 0 then I isucc : I isucc ^ j` ;
If
// Ein Auftrag kann mehrere Zugangselemente besitzen
// Es besteht ein Materialfluss // Pegging-Kante wird generiert
endif; endfor; endfor; endfor; endfor;
Abb. 40: Kantengenerierung für Prozessaufträge untereinander
5.2.3 Scheduling-Ebene Die eigentliche Terminierung der Prozessaufträge und deren Zuordnung zu den Produktionsanlagen erfolgt auf der Scheduling-Ebene. Zur Umsetzung dieser Planungsaufgabe wurde ein gemischt ganzzahliges Optimierungsmodell implementiert. Die Grundidee des dabei verwendeten Modellierungsansatzes ist auf die Einführung einer Binärvariable zurückzuführen, die für ein Paar von Prozessaufträgen anzeigt, in welcher Reihenfolge sie auf einer Anlage ausgeführt werden. Eine wesentliche Eigenschaft dieser Modellierungstechnik liegt in der Verwendung kontinuierlicher Variablen zur Abbildung des Zeitfortschritts. Aus diesem Grund entstehen wesentlich kompaktere Optimierungsprobleme, als bei der in Abschnitt 5.1 vorgestellten Methodik. Auch im Vergleich zu anderen Modellen mit kontinuierlicher Zeitführung konnte die Effektivität dieses Ansatzes nachgewiesen werden.156 Aufgrund dieser Vorzüge stellt dieser Modellierungsansatz die Grundlage zahlreicher wis-
156
Vgl. u.a. Mendez et al. (2006) oder Floudas/Lin (2004).
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
121
senschaftlicher Arbeiten dar, in denen dessen Anwendbarkeit auf verschiedenste praxisrelevante Problemstellungen bereits belegt werden konnte.157 Eine wesentliche Einschränkung der Grundversion Verfahrens ergibt sich allerdings aus der Annahme, dass ein externer Bedarf nur durch genau einen Produktionsauftrag gedeckt werden kann. Je nach dem zu Grunde liegenden Herstellungsverfahren ist dieser Produktionsauftrag auf den unterschiedlichen Stufen des Produktionsprozesses bestimmten Anlagen zuzuordnen. Somit ist ein Splitting und Merging der einzelnen Prozessaufträge, wie in Abschnitt 2.3.4 beschrieben, nicht möglich. Auch für die Umsetzung reaktiver Planungsverfahren kam dieser Ansatz bereits zur Anwendung. In dem Beitrag von MENDEZ/CERDA (2003a) wurde eine prädiktiv-reaktive Umplanungsstrategie zur partiellen Anpassung eines bestehenden Anlagenbelegungsplans implementiert. Der darin vorgeschlagene Ansatz ist auf einstufige Produktionssysteme anwendbar, in denen Mehrprodukt-Batchanlagen zum Einsatz kommen. Durch die Erweiterung in MENDEZ/CERDA (2004) ist auch dessen Anwendbarkeit auf mehrstufige Prozesse gegeben. Die grundlegenden Annahmen dieses Modellierungsansatzes lassen sich wie folgt zusammenfassen: x
Verwendung von Mehrprodukt-Batchanlagen
x
Zur Ausführung eines chemischen Prozesses können alternative Anlagen zur Verfügung stehen.
x
Auftreten von reihenfolgeabhängigen Reinigungszeiten
x
Annahme unbegrenzter Lagerkapazitäten
x
Batchsplitting und -merging sind nicht erlaubt
Um das Verfahren an die in Abschnitt 4.1 beschriebene Anwendungsumgebung anzupassen, wurden die folgenden Anpassungen und Erweiterungen vorgenommen: x
Ermöglichung des Batchsplitting und -merging
x
Berücksichtigung des aktuellen Zustandes des Produktionssystems
x
Einführung von Maßnahmen zur Reduktion der Plannervosität
Vgl. u.a. Moon et al. (1996), Cerda/Henning (1997), Hui/Gupta (2000), Hui et al. (2000), Mendez et al. (2001), Mendez et al. (2000), Mendez/Cerda (2000), Mendez/Cerda (2002), Mendez/Cerda (2003b), Orcun et al. (2001) oder Bonfill et al. (2005).
157
122
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
x
Ableitung von prioritätsbezogenen Auftragsreihenfolgen
x
Endreinigungen nach Abschluss einer Sequenz gleichartiger Aufträge
Die in dieser Arbeit vorgeschlagene Modellformulierung unterschiedet sich von dem in der Literatur verwendeten Grundmodell vor allem durch eine veränderte Definition der Produktionsaufträge. In den bestehenden Ansätzen dient ein einzelner Produktionsauftrag der Erzeugung einer bestimmten Menge eines Endproduktes und dazu alle notwendigen Prozessstufen durchläuft. Zur Ausführung der Prozessstufen wird der Auftrag einer geeigneten Produktionsanlage zugewiesen. Die Batchgrößen der einzelnen Stufen sind derart aufeinander abgestimmt, dass auf jeder Stufe jeweils nur ein Prozessansatz auszuführen ist. In der vorliegenden Arbeit repräsentiert ein Produktionsauftrag die Ausführung eines bestimmten chemischen Prozesses. Um den Prozess ausführen zu können, muss der Prozessauftrag -unter der Voraussetzung, dass alle eingehenden Materialkomponenten in ausreichender Menge verfügbar sind- einer Anlage zugewiesen werden. Die Materialverfügbarkeit wird dabei durch Vorrangbeziehungen der Prozessaufträge sichergestellt, die aus dem zuvor bestimmten Pegging-Netzwerk abgeleitet werden.158 Auf diese Weise ist keine Einschränkung der Materialflussbeziehungen notwendig, und auch ein Splitting und Merging von Prozessaufträgen ist ausführbar. Zur Anpassung an ein dynamisches Planungsumfeld wurde das Modell derart erweitert, dass eine störungsbedingte Einschränkung der Anlagenverfügbarkeit und die Berücksichtigung bereits gestarteter und noch nicht abgeschlossener Prozessaufträge ermöglicht wird. Um die Planstabilität bei einer Plananpassung zu erhöhen, soll die Berücksichtigung von Stabilitätskennzahlen in der Zielfunktion eingeführt werden. Zusätzlich dazu besteht die Möglichkeit, durch die Einführung eines Fixierungshorizontes eine partielle Umplanungsmethode anzuwenden. Darüber hinaus soll die Berücksichtigung unterschiedlicher Prioritäten für externe Bedarfe bei der Erstellung des Anlagenbelegungsplans eingeführt werden Im weiteren Verlauf dieses Abschnittes wird zunächst die grundlegende Modellformulierung erläutert, in der alle erforderlichen Nebenbedingungen zur Ermittlung einer zulässigen Anlagenbelegung notwendig sind. In den darauf folgenden Abschnitten werden einige Erweiterungsmöglichkeiten vorgestellt.
158
Vgl. Abschnitt 5.2.2.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
123
5.2.3.1 Grundmodell Das grundlegende Planungsobjekt ist ein Prozessauftrag, der die Ausführung eines bestimmten chemischen Prozesses repräsentiert. Für jeden Auftrag werden alle notwendigen Parameter, wie beispielsweise Ausführungsdauer oder Reinigungszeiten, aus den Prozessdaten abgeleitet. Somit ist im Modell kein direkter Bezug der einzelnen Planungsobjekte zu den Prozessen notwendig, so dass auf die Einführung eines separaten Index für die chemischen Prozesse verzichtet werden kann. Da die wichtigsten Symbole bereits zu Beginn des Abschnittes 5.2 eingeführt wurden, sind nachfolgend lediglich alle zusätzlichen Parameterdefinitionen aufgeführt, die für das Modell erforderlich sind: Indizes und Indexmengen: u U i
Anlagen, die Auftrag i ausführen können
u U i ,i c
Anlagen, auf denen sowohl Auftrag i als auch i’ ausgeführt werden kann
i Iˆ
Aufträge, die aus dem bisherigen Plan übernommen werden
i Iu
Aufträge, die auf Anlage u ausgeführt werden können
(i, ic) I diff
Aufträge i und i´, die auf der gleichen Anlage eingeplant werden können und die nicht den gleichen Prozess ausführen
(i, ic) Iˆ diff
Aufträge i und i´ die auf der gleichen Anlage eingeplant werden können, nicht den gleichen Prozess ausführen und die aus dem alten Plan übernommen werden
(i, ic) I equ
Aufträge i und i´ die den gleichen Prozess ausführen und damit auf den gleichen Anlagen ausgeführt werden können
Daten:
W i ,u
Prozesszeit von Auftrag i auf Anlage u
ri ,ic,u
Reihenfolgeabhängige Reinigungszeit, die auf Anlage u beim Wechsel zwischen Auftrag i und i’ auftritt
xˆi ,ic
= 1, falls im Ausgangsplan der Auftrag i vor i’ auf einer Anlage gestartet wurde. Diese Daten werden nur für Auftragspaare abgeleitet, für die gilt (i, ic) Iˆ diff .
qi ,u
Reinigungszeit, die auftritt, wenn auf einer Anlage u U i nach Abschluss des Auftrags i innerhalb eines Zeitintervalls GAPi kein Auftrag i´ folgt, für den gilt, (i, ic) I equ
124
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
tid
spätester Fertigstellungszeitpunkt von Auftrag i I l
tˆic
Fertigstellungszeitpunkt von Auftrag i im alten Plan
Uˆ i
Anlage, auf der Auftrag i im Ausgangsplan ausgeführt wurde
GAPi
maximal zeitlicher Abstand für zwei aufeinander folgende, gleichartige Aufträge, ohne dass ein Reinigungsvorgang der Dauer qi ,u erforderlich wird
TOL
maximal zeitliche Verschiebung des Endzeitpunktes eines Auftrages im alten und neuen Plan, innerhalb derer keine Umplanung erfasst wird
GKriterium
Gewichtungsfaktor für das jeweilige Zielfunktionskriterium
Entscheidungsvariablen:
xi ,ic
= 1, falls Auftrag i vor i’ auf einer Anlage u U i ,ic gestartet wird
yi ,u
= 1, falls Auftrag i auf der Anlage u U i ausgeführt wird
c i
Fertigstellungszeitpunkt von Auftrag i
t
vi
Verspätung von Auftrag i I last
ci ,ic
= 0, falls Aufträge i und i’ auf einer Anlage ausgeführt werden und direkt aufeinander folgen (diese Variable ist nur für Auftragspaare definiert, für die gilt, (i, ic) I equ )
ei
= 1, falls Auftrag i im Ausgangsplan und im neuen Plan zum gleichen Zeitpunkt fertig gestellt wird
zi
= 1, falls Auftrag i im Ausgangsplan und im neuen Plan auf der gleichen Anlage eingeplant wird
ai
zeitlicher Abstand der Endzeitpunkte von Auftrag i im alten und neuen Plan
si1,ic
= 1, falls Auftrag i vor i’ im alten und neuen Plan gestartet wird
si0,ic
= 1, falls Auftrag i’ vor i im alten und neuen Plan gestartet wird
MS
Gesamtdurchlaufzeit, d.h. Zeitspanne ausgehend vom Umplanungszeitpunkt bis zur Fertigstellung des letzten Arbeitsganges des vorgegebenen Auftragsbestandes
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
125
Auf der Grundlage dieser Daten ergibt sich die Modellformulierung wie folgt: Zielfunktion: Min GMS MS GV
¦v iI
i
(5.24)
I
In der Grundvariante des Modells wird die Summe aus der Gesamtdurchlaufzeit und der durchschnittlichen Verspätung minimiert. Eine Gewichtung der Zielfunktionskomponenten kann mit den Parametern GMS und GV erfolgen. Bei der Lösung des Modells sind die folgenden Nebenbedingungen zu berücksichtigen: Ressourcenzuordnung:
¦y
uU i
i ,u
1
i I
(5.25)
i I , j I isucc
(5.26)
Jeder Auftrag muss genau einer Anlage zugeordnet werden. Auftragsreihenfolge aus Materialflussbeziehung: tic d t cj
¦W
uU j
j ,u
y j ,u
Sind zwei Aufträge durch eine Materialflussbeziehung miteinander verbunden, muss der Auftrag von dem die Materialflussbeziehung ausgeht, beendet sein, bevor der Auftrag starten kann, der das Material verarbeitet. Diese Nebenbedingung repräsentiert somit die zeitliche Vorrangbeziehung zwischen zwei Aufträgen, die aus den Pegging-Kanten abgeleitet wird.159 Auftragsreihenfolge verschiedenartiger Aufträge auf einer Anlage: i vor i’
ticc W ic,u t tic ri ,ic,u M (1 xi ,ic ) M (2 yi ,u yic,u )
(i, ic) I diff , u U i ,ic
(5.27)
(i, ic) I diff , u U i ,ic
(5.28)
i’ vor i tic W i ,u t ticc ric,i ,u M xi ,ic M (2 yi ,u yicu )
159
Vgl. Abschnitt 5.2.2.
126
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Die oben stehenden Nebenbedingungen beschreiben die Reihenfolge von Aufträgen, die verschiedenartige Prozesse ausführen und einer Anlage zugeordnet sind. Ist der Auftrag i vor dem Auftrag i´ eingeplant, nimmt die Reihenfolgevariable xi,i´ den Wert 1 an. In diesem Fall stellt die Gleichung (5.27) sicher, dass der Auftrag i´ erst dann begonnen werden kann, wenn Auftrag i abgeschlossen ist. Falls zwischen den Aufträgen i und i´ ein reihenfolgeabhängiger Reinigungsvorgang erforderlich ist, kann Auftrag i´ erst nach dessen Abschluss beginnen. Soll hingegen Auftrag i´ vor i auf einer Anlage gestartet werden, stellt Gleichung (5.28) den Zusammenhang zwischen den Startzeiten der Aufträge in analoger Weise her. Diese Nebenbedingungen gewährleisten somit, dass zu einem Zeitpunkt auf einer Anlage jeweils nur ein Auftrag ausgeführt werden kann und dass die zwischen verschiedenartigen Aufträgen bestehenden reihenfolgeabhängigen Reinigungszeiten eingehalten werden. Auftragsreihenfolge gleichartiger Aufträge auf einer Anlage: i vor i’
ticc W ic,u t tic ci ,ic qi ,u M (1 xi ,ic ) M (2 yi ,u yic,u )
(i, ic) I equ , u U i ,ic
(5.29)
(i, ic) I equ , u U i ,ic
(5.30)
i’ vor i tic W i ,u t ticc ci ,ic qi ,u M xi ,ic M (2 yi ,u yicu )
Die Gleichungen (5.29) und (5.30) stellen einen ähnlichen Zusammenhang her wie die Gleichungen (5.27) und (5.28). In diesem Fall wird allerdings die Anordnung gleichartiger Aufträge auf einer Anlage festgelegt. Zwischen gleichartigen Aufträgen sind zwar keine reihenfolgeabhängigen Reinigungen notwendig, es wird allerdings berücksichtigt, dass nach dem Abschluss einer Sequenz gleichartiger Aufträge eine Endreinigung erforderlich ist. Ob ein solcher Fall vorliegt, wird durch die Variable ci,i´ angezeigt. Endreinigungen: i vor i’
ticc W ic,u tic GAPi d M ci ,ic M (2 yi ,u yic,u )
(i, ic) I equ , u U i ,ic
(5.31)
(i, ic) I equ , u U i ,ic
(5.32)
i’ vor i tic W i ,u ticc GAPi d M ci ,ic M (2 yi ,u yic,u )
Die Gleichungen (5.31) und (5.32) ermitteln, ob eine Endreinigung nach einem Auftrag erforderlich ist. Falls nach Beendigung von Auftrag i auf einer Anlage innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne GAPi kein gleichartiger Auftrag i´ folgt, nimmt durch (5.31) die Va-
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
127
riable ci,i´ den Wert null an. In den Gleichungen (5.29) und (5.30) wird sichergestellt, dass der zeitliche Abstand zwischen den Aufträgen i und i´ ausreicht, um einen Endreinigungsvorgang einzuplanen. Falls i´ vor i ausgeführt wird, stellt Gleichung (5.32) den analogen Zusammenhang her. Die Einführung der Variable ci,i´ und den damit verbundenen Nebenbedingungen (5.31) und (5.32) ist nur sinnvoll, wenn der folgende Zusammenhang besteht: GAPi qi ,u d W i ,u
i I , u U i
(5.33)
Ist der tolerierbare zeitliche Abstand (GAP) zwischen zwei gleichartigen Aufträgen größer oder gleich der Reinigungsdauer qi,u , ist eine Berücksichtigung der Endreinigungen nicht notwendig, da auf jeden Fall genügend Zeit für deren Ausführung verfügbar ist. Weiterhin ist zu beachten, dass die Reinigungsdauer länger als die Prozesszeit von Auftrag i auf Anlage u, würde eine Sequenz von mehr als zwei aufeinander folgenden gleichartigen Aufträgen nicht ununterbrochen ausgeführt werden können. Dieser Effekt wird in Abb. 41 veranschaulicht. C1;3=1 C2;3=1
C1;2=0 A
i=1
i=2
Reinigung
i=3
t3c W 3 t1c ! q1, A ! W 2 Abb. 41: Sequenz gleichartiger Aufträge mit erzwungener Reinigung
Es soll angenommen werden, dass auf einer Anlage drei gleichartige Aufträge Iequ = {1;2;3} eingeplant werden sollen. Die Endreinigungsdauer q1,A ist länger als die Prozesszeit dieser Aufträge. Da die Aufträge 1 und 2 direkt aufeinander folgen, besitzt die Variable c1,2 den Wert 0. Auch der Auftrag 3 könnte direkt nach Auftrag 2 ausgeführt werden. Da er jedoch kein direkter Nachfolger von Auftrag 1 ist, ist der Wert der Variable c1,3 gleich eins. Somit muss der zeitliche Abstand zwischen dem Ende von Auftrag 1 und dem Beginn von Auftrag 3 mindestens der Reinigungsdauer qi,u entsprechen. Als Folge dieses Zusammenhanges ist eine direkt aufeinander folgende Ausführung der Aufträge 2 und 3 unmöglich. Liefertermine: tic d tid vi
i I last
(5.34)
128
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Falls ein Prozessauftrag eine direkte Materialflussbeziehung zu einem externen Bedarf aufweist, sollte er bis zum vorgegebenen Liefertermin abgeschlossen sein. Kann dieser Termin nicht eingehalten werden, erfasst die Variable vi die auftretenden Verspätungszeiten. Der Wert der durchschnittlichen Verspätung wird in der Zielfunktion berücksichtigt und damit minimiert. Gesamtdurchlaufzeit: tic qi ,u t act d MS
i I last
(5.35)
Die Gesamtdurchlaufzeit ergibt sich aus dem spätesten Fertigstellungszeitpunkt aller Prozessschritte. In dem betrachteten Anwendungsfall ist die Erzeugung der Produkte immer an konkrete externe Bedarfe gebunden, so dass keine Lagerproduktion erfolgt. Aus diesem Grund produziert der letzte auszuführende Prozessauftrag immer ein Endprodukt und ist der Menge Ilast zugeordnet. Wie im Abschnitt 4.2.1 beschrieben, wird das Optimierungsmodell auch zur Umsetzung einer rollierenden Planungsmethodik verwendet. Um zu vermeiden, dass im fortschreitenden Planungsverlauf der Wert für die Gesamtdurchlaufzeit immer größere Werte annimmt und somit andere Zielfunktionskomponenten überkompensiert, wird die Durchlaufzeit ausgehend vom aktuellen Umplanungszeitpunkt bestimmt. Wenn nach Abschluss des gesamten Plans in jedem Fall eine Endreinigung erforderlich ist, wird deren Dauer bei der Bestimmung der Gesamtdurchlaufzeit berücksichtigt. Frühester Start: tic ¦ W i ,u yi ,u t t act
i I I pro
(5.36)
uU i
Ein Prozessauftrag kann frühestens zum aktuellen Zeitpunkt auf einer Anlage eingeplant werden. Diese Nebenbedingung gilt nicht für Aufträge, die zum aktuellen Zeitpunkt ausgeführt werden, da sie zum Planungszeitpunkt bereits gestartet wurden. Einplanung auf einer gestörten Anlage:
tic W i ,U f yi ,U f t t end yi ,U f f
f F act , i IU f
(5.37)
Ein Auftrag kann auf einer zum aktuellen Zeitpunkt gestörten Anlage frühestens nach dem Störungsende eingeplant werden.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
129
Prozessaufträge in Ausführung: tˆic
tic yi ,U i
1
i I pro
(5.38)
i I pro
(5.39)
Alle Prozessaufträge die zum aktuellen Zeitpunkt bereits gestartet wurden aber noch nicht beendet sind, sollen im aktualisierten Plan auf der gleichen Anlage und zum gleichen Zeitpunkt gestartet werden. 5.2.3.2 Auftragsfixierung für partielle Umplanungsmethodik Durch die Umsetzung einer partiellen Umplanungsmethodik, werden die Teilbereiche des Ausgangsplans übernommen, die nicht von einem Störereignis betroffen sind.160 Auf diese Weise werden unnötige Umplanungen vermieden und die Planstabilität erhöht. In dem vorliegenden Ansatz kann durch die Definition eines Fixierungshorizontes dieser Teilbereich flexibel eingestellt werden. Die Prozessaufträge, die im bisherigen Plan innerhalb des Fixierungshorizontes gestartet werden sollten, werden durch das Analyser-Modul der Menge der fixierten Aufträge zugewiesen.161 Um die Lösbarkeit des Schedulingmodells sicherzustellen, wurde diese Menge um die Aufträge bereinigt, die indirekt von einem Störereignis betroffen sein könnten.162 In dem vorliegenden Optimierungsmodell kann entweder eine Fixierung der Startzeiten der Prozessaufträge oder deren Anlagenzuordnung vorgenommen werden. Bei der Kombination beider Varianten, entspricht die Anlagenbelegung dieser Aufträge exakt der des Ausgangsplans. Startzeitfixierung: tic
tˆic
i I fix
(5.40)
Die fixierten Aufträge sollen zu exakt der gleichen Zeit wie im Ausgangsplan beendet werden.
160 161 162
Vgl. Abschnitt 3.4.2.1. Vgl. Abschnitt 4.2.5.4. Vgl. Abschnitt 5.2.2.3 und 5.2.2.5.
130
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Anlagenfixierung: yi ,Uˆ
i
i I fix
1
(5.41)
Die fixierten Aufträge werden auf der gleichen Anlage eingeplant wie im Ausgangsplan. 5.2.3.3 Erfassung der Planstabilität Eine weitere Alternative zur Reduktion der Plannervosität besteht darin, während des Umplanungsprozesses die Abweichungen zum Ausgangsplan zu erfassen und falls möglich zu vermeiden. Dazu werden in diesem Abschnitt insgesamt vier alternative Varianten zur Erfassung der Plannervosität eingeführt, die auf den in Abschnitt 3.5.4.1 erläuterten Stabilitätskennzahlen basieren. Die Stabilitätsmaße wurden dabei so definiert, dass jeweils nur ein Umplanungseffekt erfasst wird. Somit können die einzelnen Varianten zur Erfassung der Planstabilität nach den Erfordernissen der konkreten Anwendungsumgebung in die Modellformulierung eingefügt werden. Falls erforderlich können die einzelnen Stabilitätsmaße auch miteinander kombiniert werden. Erweiterte Zielfunktion:
Min GE
¦e iIˆ
Iˆ
i
GA
(a)
¦a iIˆ
Iˆ (b)
i
GU
¦z iIˆ
Iˆ (c)
i
GS
¦
( i ,ic )Iˆdiff
( si1,ic si0,ic ) Iˆdiff
(5.42)
(d)
In der Zielfunktion sind die folgenden Komponenten zu Erfassung der Planstabilität enthalten: (a.) Anteil der Aufträge mit nur geringen zeitlichen Verschiebungen (< TOL) (b.) Durchschnittliche zeitliche Abweichung der Fertigstellungszeitpunkte (c.) Anteil der Aufträge, die auf der gleichen Anlage wie im Ausgangsplan eingeplant wurden (d.) Anteil der Auftragspaare, die in der gleichen Reihenfolge eingeplant wurden wie im alten Plan Für die Zielfunktionskomponenten (a), (c) und (d) wird die Anzahl der Aufträge, die das entsprechende Stabilitätskriterium erfüllen, in das Verhältnis zur Gesamtanzahl von Aufträgen gesetzt, für die dieses Kriterium ausgewertet wird. Der für das jeweilige Stabilitätsmaß ermittelte Anteilswert, kann somit Werte von 0 bis 1 annehmen. Im Verhältnis zu anderen Zielfunktionskomponenten, wie beispielsweise der Gesamtdurchlaufzeit oder der
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
131
durchschnittlichen Verspätung, sind diese Werte sehr klein. Um sie dennoch bei der Lösungsfindung ausreichend zu berücksichtigen, wurden für jede Zielfunktionskomponente Gewichtungsfaktoren eingefügt. Da die Planstabilität zu maximieren ist, die übrigen Zielfunktionskomponenten allerdings reduziert werden sollen, gehen sie mit negativem Vorzeichen in die Zielfunktion ein. Um die jeweiligen Varianten der Stabilitätsmaße in der Modellformulierung auszuwerten, ist die Modellformulierung durch die folgenden Nebenbedingungen zu ergänzen. (a) Zeitliche Verschiebung innerhalb der Toleranz: tic tˆic TOL d M (1 ei )
i Iˆ
(5.43)
tˆic tic TOL d M (1 ei )
i Iˆ
(5.44)
ei ^0;1`
i Iˆ
(5.45)
Falls der Fertigstellungszeitpunkt eines Auftrags im alten und neuen Plan maximal um den Wert des Parameters TOL verschoben wird, nimmt der Wert der Variable ei den Wert eins an. Somit wird in der Zielfunktion erfasst, dass für den Auftrag i keine Umplanung erfolgt ist. Der Wert der Variable ei ist dabei unabhängig von der Anlagenzuordnung. (b) Anlagenzuordnung: yi ,U i t zi
i Iˆ
(5.46)
zi ^0;1`
i Iˆ
(5.47)
Die Binärvariable zi nimmt den Wert eins an, wenn der Auftrag i im alten und neuen Plan auf der gleichen Anlage eingeplant wird. (c) zeitlicher Abstand: tic tˆic d ai
i Iˆ
(5.48)
tˆic tic d ai
i Iˆ
(5.49)
ai \
i Iˆ
(5.50)
132
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
Die Entscheidungsvariable ai entspricht dem zeitlichen Abstand zwischen den Fertigstellungszeitpunkten von Prozessauftrag i im alten und neuen Plan. Dabei wird, für den Fall, dass Auftrag i im neuen Plan später eingeplant wird, der Wert von ai durch die Gleichung (5.48) bestimmt. Im Falle eines früheren Einplanungszeitpunktes erfolgt dies durch die Gleichung (5.49). Der Wert dieses Abstandsmaßes ist für den positiven Bereich der reellen Zahlen definiert und ist unabhängig von der Anlagenzuweisung. (d) Belegungssequenz:
2 si1,ic d xi ,ic xˆi ,ic
(i, ic) Iˆ diff
(5.51)
2 si0,ic d 2 xi ,ic xˆi ,ic
(i, ic) Iˆ diff
(5.52)
si1,ic , si0,ic ^0;1`
(i, ic) Iˆ diff
(5.53)
Die binäre Entscheidungsvariable s1i,i´ kann in Gleichung (5.51) nur den Wert eins annehmen, wenn sowohl im alten als auch im neuen Plan der Auftrag i vor Auftrag i´ gestartet wurde. Im Falle das i´ im alten Plan vor i eingeplant war, kann durch Gleichung (5.52) der Wert der Variable s0i,i´ nur dann den Wert eins annehmen wenn diese Reihenfolge auch im neuen Plan besteht. Die Erfassung von Reihenfolgeänderungen erfolgt nur für Aufträge, die im alten Plan auf der gleichen Anlage eingeplant waren und verschiedenartige Prozesse ausführen. Die Anlagenzuordnung der Aufträge im neuen Plan bleibt auch hier unberücksichtigt, so dass eine Reihenfolgeänderung auch dann indiziert wird, wenn im neuen Plan die Aufträge unterschiedlichen Anlagen zugeordnet werden. Weiterhin wird angenommen, dass die Reihenfolgeänderung gleichartiger Aufträge nicht zur Plannervosität beiträgt. 5.2.3.4 Berücksichtigung von Auftragsprioritäten In einem realen Produktionsumfeld sind die externen Bedarfe für ein Produkt häufig nicht nur durch Auftragsmenge und Bedarfstermin charakterisiert -ihnen ist zusätzlich auch eine Auftragspriorität zugeordnet. Der Prioritätswert kann sich dabei aus der Wichtigkeit des Kunden ergeben, dem der Bedarf zugeordnet ist. So sind beispielsweise die Bedarfstermine besonders wichtiger Kunden mit höherer Priorität einzuhalten als für einen Kunden, der lediglich sporadisch Aufträge mit geringem Umfang erteilt. Für eine Berücksichtigung der Auftragsprioritäten im Rahmen der Anlagenbelegungsplanung ist es erforderlich, die einzelnen Prozessaufträge den jeweiligen Endproduktbedarfen zuordnen zu können. Im Rahmen des vorgeschlagenen Dekompositionsansatzes kann dieser Sachverhalt durch eine einfache Verfahrenserweiterung berücksichtigt werden. Auf der
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
133
Pegging-Ebene des Dekompositionsansatzes wurden durch die Generierung von Materialflussbeziehungen mehrstufige Netzwerke erzeugt.163 Durch diese Beziehungen ist jeder Auftrag direkt oder indirekt mit einem Endproduktbedarf verbunden, so dass entlang der Pegging-Kanten eine einfache Propagierung der Prioritäten über alle Prozessstufen erfolgen kann. Auf der Scheduling-Ebene können diese Prioritätswerte verwendet werden, um die Einplanungsreihenfolge der Prozessaufträge zu steuern. In der dazu vorgeschlagenen Modellerweiterung, wird aus den Auftragsprioritäten die Einplanungsreihenfolge der Prozessaufträge abgeleitet, die auf einer Anlage den gleichen Prozess ausführen. Auftragsprioritäten: d ic d i d M xiic
(i, ic) I equ | i, ic I last
(5.54)
d i d ic d M (1 xiic )
(i, ic) I equ | i, ic I last
(5.55)
Als Prioritätswerte sollen in dem vorliegenden Modell die Liefertermine der Endproduktbedarfe dienen. Durch die Einführung der Nebenbedingungen (5.54) und (5.55) wird die Reihenfolge gleichartiger Prozessaufträge so festgelegt, dass vor einem Auftrag nur solche gleichartigen Aufträge eingeplant werden können, die einen früheren Fertigstellungstermin aufweisen. Da durch die Einführung dieser Restriktionen die Einplanungsreihenfolge der gleichartigen Auftragspaare vorgegeben ist, wird der Lösungsraum eingeschränkt und somit die Lösbarkeit des Modells zusätzlich verbessert. Alternativ zur Verwendung der Liefertermine als reihenfolgebestimmende Einflussgröße kann auch ein gesonderter Parameter für die Auftragsprioritäten definiert werden. Weiterhin ist es möglich, nicht nur die Einplanungsreihenfolge der Aufträge, die Endproduktbedarfe produzieren, zu beeinflussen. Dazu muss der entsprechende Prioritätswert auch auf die Aufträge der vorgelagerten Prozessstufen übertragen werden. Eine einfache Möglichkeit zur Propagierung der Prioritäten besteht bei der Generierung der PeggingKanten.164
163 164
Ein Anschauungsbeispiel dazu wird in Abschnitt 5.2.2.1 wiedergegeben. Vgl. Abschnitt 5.2.2.5.
134
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
5.2.3.5 Begrenzte Produkthaltbarkeit Wie bereits in Abschnitt 2.3.4 erwähnt wurde, sind in der chemischen Industrie bestimmte Produkte nur begrenzt lagerfähig. Im Falle einer begrenzten Lagerfähigkeit von Zwischenprodukten ist die Anlagenbelegung so vorzunehmen, dass diese innerhalb ihrer Haltbarkeitsdauer weiterverarbeitet werden können. Dieser Sachverhalt kann in der vorgeschlagenen Modellformulierung durch die Einführung eines zeitlichen Maximalabstandes zwischen Zugangs- und Bedarfselement berücksichtigt werden. Da auf der Scheduling-Ebene die Produktebestände und Materialflüsse nicht explizit berücksichtigt werden, wird diese Beschränkung für die Vorrangbeziehungen zwischen den Aufträgen eingeführt. Dazu werden alle Aufträge, zwischen denen eine Materialflussbeziehung für ein begrenzt haltbares Produkt besteht, der Menge Ishelf zugeordnet. Für diese Aufträge wird die Vorrangbeziehung der Gleichung (5.26) durch die zusätzliche Nebenbedingung (5.56) ergänzt. (i, i ) I shelf
Auftragspaare zwischen denen eine Materialflussbeziehung für ein begrenzt haltbares Produkt besteht
SHELFi ,i
Maximal zeitlicher Abstand für die Materialflussbeziehung zwischen den Aufträgen i und ħ, der der maximalen Haltbarkeitsdauer des transferierten Produktes entspricht
tic t tic ¦ W i , j yi , j SHELFi ,i
(i, i ) I shelf
(5.56)
jJ i
Nach Gleichung (5.56) darf der Produktionsauftrag i maximal den durch den Parameter SHELFi,ħ beschriebenen Zeitabstand vor Beginn des dem nachfolgenden Auftrages ħ abgeschlossen werden. Bei einer dynamischen Plananpassung können die Ausgangsstoffe der Prozesse allerdings auch aus den aktuellen Zwischenlagerbeständen entnommen werden. Während der Umplanung ist für diese Bestände nicht bekannt, wann sie produziert wurden und bereits eingelagert sind.
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
135
Um dennoch eine korrekte Berücksichtigung der Haltbarkeitsdauern sicherzustellen, sind zwei geringfügige Modifikationen bei der Datenaufbereitung durch das Analyser-Modul notwendig:165 x
Prozessaufträge die bereits abgeschlossen sind und begrenzt lagerfähige Produkte erzeugen, werden in die Auftragsmenge Ipro übernommen
x
Für begrenzt lagerfähige Produkte werden keine aktuellen Lagerbestände ermittelt
Da die Modellformulierung auf einer durchgehenden Zeitführung basiert, können diese Prozessaufträge im neuen Plan in ihrer bisherigen Position fixiert werden, wodurch die Bestimmung des zeitlichen Abstandes zu den verarbeitenden Aufträgen ermöglicht wird.
5.2.4 Rechentechnische Aspekte Der in diesem Abschnitt eingeführte Dekompositionsansatz dient der methodischen Umsetzung eines reaktiven Planungsverfahrens. Eine wesentliche Anforderung an dieses Verfahren wurde bereits in Abschnitt 3.3 formuliert. Sie sieht vor, eine zulässige Lösung in möglichst kurzer Rechenzeit zu erzeugen. Aufgrund der relativ einfachen Entscheidungsprobleme auf der Batching- und PeggingEbene können die Rechenzeiten dieser Verfahren vernachlässigt werden. Die optimale Lösung des Schedulingproblems nimmt dagegen wesentlich mehr Zeit in Anspruch. Wie in den nachfolgenden numerischen Tests in Abschnitt 6.3 nachgewiesen wurde, kann eine zulässige Lösung in sehr kurzer Zeit ermittelt werden, die im weiteren Rechenzeitverlauf hinsichtlich der Zielfunktionswerte schnell verbessert werden kann. Soll allerdings die Optimalität dieser Lösung bewiesen werden, nimmt dies wesentlich mehr Rechenzeit in Anspruch. Der Grund ist in der häufigen Verwendung des Parameters M in den Nebenbedingungen zu sehen, der eine hinreichend große Zahl darstellt und die Ermittlung einer scharfen Schranke für den Optimalitätsbeweis erschwert.166 Deshalb wird ein zusätzliches Abbruchkriterium für die Lösung des Schedulingproblems in Form einer Rechenzeitschranke verwendet. Wie hoch diese Rechenzeitvorgabe gewählt werden muss um gute Lösungen zu erhalten, ist stark abhängig von der Komplexität des jeweiligen Planungsproblems. In den Abschnitten 6.3 wurde das Lösungsverhalten des Dekompositionsansatzes
165 166
Vgl. Abschnitte 4.2.5.2 und 4.2.5.4. Vgl. u.a. Kallrath (2002b), Abschnitt 4.3.2.
136
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
näher untersucht. Wie die Rechenzeitschranke für die verwendeten Testprobleme experimentell ermittelt werden kann, wurde im Abschnitt 6.4.4 demonstriert.
5.3 Verfahrensabwandlungen zur Generierung des Ausgangsplans Zur Initialisierung eines Planungslaufes für das in Kapitel 4 beschriebene reaktive Planungssystem wird durch das Scheduler-Modul ein Ausgangsplan ermittelt. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Planung für ein Produktionsumfeld erfolgt in dem noch keine Aufträge eingeplant wurden und auch keine Störungen, wie Anlagenausfälle oder Eilaufträge zu berücksichtigen sind. Da die restlichen Annahmen aus Abschnitt 2.4 jedoch auch für die im Scheduler-Modul implementierten Verfahren gültig sind, kann die Erstellung des Ausgangsplans durch eine vereinfachte Version der reaktiven Planungsverfahren ermittelt werden. Die Vereinfachungen können sowohl für das Optimierungsmodell mit diskreter Zeitführung als auch für die Scheduling-Ebene der BPS-Dekomposition wie folgt zusammengefasst werden: x
In der Zielfunktion werden lediglich Effektivitätskennzahlen berücksichtigt
x
Die Optimierungsmodelle können um die folgenden Nebenbedingungen reduziert werden:
x
Auftragsfixierung für die in Ausführung befindlichen Aufträge
x
Auftragsfixierung partielle Umplanungsmethodik
x
Anlagenblockierung während Störungsdauer
x
Erfassung der Planstabilität
Da die restlichen Modellkomponenten nahezu unverändert übernommen werden können, wird auf eine detaillierte Beschreibung der Verfahrensabwandlungen für das SchedulerModul verzichtet.
5.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden zwei alternative Verfahren zur reaktiven Plananpassung vorgestellt, deren grundlegende Eigenschaften in Tab. 5 zusammengefasst wurden. Beide Verfahren verwenden eine prädiktiv-reaktive Umplanungsstrategie und können zur Umsetzung einer periodischen oder ereignisbasierten Planungspolitik zum Einsatz kommen. Auch die Maßnahmen zur Reduktion der Plannervosität sind für beide Verfahren ähnlich. Es kann ent-
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
137
weder eine partielle Umplanungsmethodik zur Anwendung kommen oder die Kennzahlen zur Beurteilung der Planstabilität werden direkt in der Zielfunktion berücksichtigt.
Umplanung
Zielfunktion
Verfahren Effektivität
Stabilität
Durchlaufzeit Verspätung Reihenfolge Startzeitentsprechung Startzeitabweichung Anlagenzuordnung
Strategie Methode Politik
Total Partiell Periodisch Ereignisbasiert
Anlagentyp
Prozess
Reinigungen alternative Anlagen Materialflüsse Lagerhaltung
Reihenfolgeabhängig Endreinigung Unterschiedliche Prozessdauer Unterschiedliche Produktausbeute
BPS Dekomposition168 X X X X X X X X prädiktiv-reaktiv X X X X X X X X mehrstufige Batchanlagen X X X X X X -
MILP DZ167
Splitting/Merging
X
X
Begrenzte Kapazität Begrenzte Produkthaltbarkeit
X -
X
Tab. 5: Zusammenfassung der wichtigsten Verfahreigenschaften
Als grundlegender Unterschied der Verfahren ist der unterschiedliche Modellierungsansatz anzusehen. Das in Abschnitt 5.1 präsentierte gemischt ganzzahlige Optimierungsmodell stellt eine Weiterentwicklung eines bestehenden Modellierungsansatzes dar, der auf der Darstellung des Produktionssystems als Produkt-Prozess-Netzwerk basiert und in der wissenschaftlichen Literatur bereits häufiger verwendet wurde. Durch dessen flexible Modellierungsmöglichkeiten können zahlreiche problemspezifische Merkmale chemischer Produktionsprozesse abgebildet werden. Ein wesentliches Merkmal dieses Optimierungsmodells besteht in der diskreten Zeitführung. Da bei der Anlagenbelegungsplanung ein sehr hoher zeitlicher Detaillierungsgrad besteht, resultieren aus zeitdiskreten Modellen meist eine Vielzahl von Entscheidungsvariablen, die deren Verwendung für eine schnelle Plananpassung einschränken.169 Aus diesem Grund
167 168 169
Vgl. Abschnitt 5.1. Vgl. Abschnitt 5.2. Vgl. Sanmarti et al. (2002), S. 2558.
138
5 Entwicklung alternativer reaktiver Planungsverfahren
wurde ein alternativer Dekompositionsansatz entwickelt, der durch eine kontinuierlichen Darstellung des Zeitfortschritts beruht. Dieses Verfahren ist so konzipiert, dass eine hierarchische Zerlegung des gesamten Planungsproblems in drei einzelne Teilprobleme vorgenommen wird. Durch die separate Lösung der Teilprobleme ist eine wesentliche Beschleunigung des Lösungsprozesses zu erwarten, ohne dabei die Qualität des resultierenden Anlagenbelegungsplans signifikant zu beeinträchtigen.
6 Praktische Erprobung
139
6. Praktische Erprobung In diesem Kapitel werden die Ergebnisse umfangreicher numerischer Untersuchungen präsentiert, die für die im vorherigen Kapitel eingeführten reaktiven Planungsverfahren durchgeführt wurden. Ein wesentlicher Schwerpunkt dieser Tests lag dabei auf dem in Abschnitt 5.2 vorgeschlagenen Dekompositionsansatz. Als Bewertungskriterien werden neben den klassischen Effektivitätsmaßen auch Kennzahlen ausgewertet, die Auskunft über die Planungsstabilität geben.170 Die getesteten Umplanungsverfahren kamen innerhalb des reaktiven Schedulingsystems zur Anwendung, das in Kapitel 4 eingeführt wurde. Unter Verwendung der Simulationsumgebung konnten praxisnahe Umplanungsläufe simuliert werden, die auf einem dynamischen Planungsumfeld basieren. Im Abschnitt 6.1 werden zunächst die betrachteten Testprobleme erläutert. Um einen Eindruck von der Funktionsweise des reaktiven Planungssystems zu erlangen, werden im darauf folgenden Abschnitt Umplanungsläufe präsentiert, für die eine detaillierte Analyse der einzelnen Umplanungsaktivitäten vorgenommen wird. Als reaktives Planungsverfahren kommt dabei das gemischt ganzzahlige Optimierungsmodell aus Abschnitt 5.1 zur Anwendung. Im Anschluss daran wird eine einführende Analyse des Lösungsverhaltens für den Dekompositionsansatz vorgenommen. Den Hauptteil dieses Kapitels bilden die Testreihen, die in Abschnitt 6.4 auf der Grundlage rollierender Planungsszenarien vorgenommen wurden. Dabei wird neben einer partiellen Umplanungsmethodik auch die Wirkung unterschiedlicher Stabilitätskennzahlen zur Reduktion der Plannervosität getestet. Zusätzlich dazu werden Planungsläufe mit unterschiedlichen Vorausschauhorizonten und Umplanungspolitiken analysiert.
6.1 Betrachtete Testprobleme In diesem Abschnitt werden zwei für die numerischen Untersuchungen verwendeten Testprobleme eingeführt. Das Testproblem I wurde in Anlehnung an eine Veröffentlichung von SHAH ET AL. (1993) konzipiert, dass in der wissenschaftlichen Literatur des öfteren als Benchmarkproblem zur Anwendung kam.171 In seiner ursprünglichen Form besitzt der Produktionsprozess eine sehr einfache Struktur, da die Materialflüsse ausschließlich linear
170 171
Vgl. Abschnitt 3.5. Vgl. u.a. Blömer (1999) oder Trautmann (2001).
140
6 Praktische Erprobung
verlaufen und keine alternativen Anlagen zur Ausführung der Prozesse zu berücksichtigen sind. Um die Komplexität dieses Testproblems zu erhöhen, wurden einige Modifikationen vorgenommen. So wurde, wie in Abb. 42 dargestellt, für die Prozesse T1, T4 und T5 jeweils eine zusätzliche alternative Anlage eingeführt. Weiterhin wurde für den Prozess T3 ein zusätzlicher Materialfluss für eine Input-Komponente definiert, so dass in diesem Prozess nun die Produkte S2 und S4 gemischt werden. Die Batchgrößen und -dauern der einzelnen Prozesse wurden aus der Originalquelle übernommen. Wie im Kapitel 5 bereits beschrieben, basieren die in dieser Arbeit konzipierten Verfahren auf der Annahme fester Batchgrößen, die der jeweils maximalen Füllmenge der Anlagen entsprechen. Wird die Sequenz von gleichartigen Prozessen auf einer Anlage durch einen andersartigen Prozess oder eine Leerzeit unterbrochen, sind entsprechende Reinigungsvorgänge auszuführen. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass die Rohstoffe S2, S3 und S4 in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und somit nicht gesondert geplant werden müssen.
Abb. 42: Produkt Prozess Netzwerk für Testproblem I
Aufgrund der begrenzten Größe und einfachen Struktur dieses Testproblems, sind die Planungsergebnisse für entsprechende Probleminstanzen gut nachvollziehbar. Aus diesem Grund dient diese Anwendungsumgebung dazu, die Umplanungsvorgänge des vorgestellten reaktiven Planungssystems zu demonstrieren und hinsichtlich ihrer Plausibilität zu analysieren.
6 Praktische Erprobung
141
Prozess
Anlage
T1 T1 T2 T3 T4 T4 T5 T5 T6
U11 U1 U2 U2 U31 U3 U31 U3 U4
Prozessdauer 20 20 11 11 12 12 12 12 10
Batchgröße 2029 2029 1691 1690 720 720 720 720 929
Dauer Endreinigung 6 6 6 6 6 6 6 6 6
Tab. 6: Daten Testproblem I
Abb. 43: Produkt-Prozess-Netzwerk für Testproblem II
Das Testproblem II stellt das wesentlich komplexere der beiden Versuchsumgebungen dar und wird aus diesem Grund auch dazu verwendet, im Rahmen ausführlicher Testläufe die Leistungsfähigkeit und das Lösungsverhalten des in Abschnitt 5.2 vorgestellten Dekompositionsansatzes zu analysieren. Der dabei betrachtete Produktionsprozess ist durch eine stark divergierende Struktur gekennzeichnet. Aus einem Rohstoff S1 werden über bis zu drei Prozessstufen neun Endprodukte erzeugt172. Auch für diesen Prozess soll das Splitting und Merging von einzelnen Prozessaufträgen möglich sein. Die auftretenden Prozessdau-
172
S4, S5, S6, S9, S10, S11, S12, S13, S14 sind Endprodukte.
142
6 Praktische Erprobung
ern und Batchgrößen sind der Tab. 7 zu entnehmen. Ähnlich wie beim Testproblem I sind auch hier Endreinigungsvorgänge zu berücksichtigen. Die verwendeten Bedarfs- und Störungsdaten für die Testprobleme werden bei der Erläuterung der jeweiligen Versuchsreihen aufgeführt. Prozess
Anlage
T1 T2 T3 T4 T5 T6 T7 T8 T9 T10 T11 T12 T13
U1/U2 U1/U2 U3/U4 U5 U6/U7 U6 U8/U9 U10 U10 U10 U11/U12 U11/U12 U11/U12
Prozessdauer 10 10 30 25 15 10 20 10 10 20 10 10 15
Batchgröße 3000 3000 750 1000 500 1000 1500 500 1000 1500 500 500 500
Dauer Endreinigung 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6
Tab. 7: Daten Testproblem II
6.2 Demonstration eines Planungslaufes Um einen ersten Eindruck von der Funktionsweise des in dieser Arbeit vorgeschlagenen reaktiven Planungsansatzes zu erlangen, soll in diesem Abschnitt eine Analyse eines einfachen Planungslaufes und der dabei auftretenden Umplanungsvorgänge stattfinden. Aus Gründen einer leichteren Nachvollziehbarkeit wird dazu eine Probleminstanz für das Testproblem I verwendet. Auftrag 1 2 3 4 5 6 7 8
Produkt S9 S7 S5 S4 S9 S7 S4 S5
Auftragsgröße 6000 2500 5500 2300 1700 2000 2700 2000
Fälligkeitstermin 150 140 150 130 70 100 70 90
Tab. 8: Bedarfsdaten für das Demonstrationsbeispiel
Für das Scheduler- und Rescheduler-Modul kommt jeweils das in Abschnitt 5.1 beschriebene MILP-Modell mit diskreter Zeitführung zum Einsatz. Dabei wird für den Scheduler als Zielfunktion die Minimierung der Anzahl der Reinigungsvorgänge angestrebt. Für den
6 Praktische Erprobung
143
Rescheduler wird die Summe der Anzahl an Reinigungsvorgängen und die Anzahl der Umplanungen als Zielgröße verwendet. Anzahl Variablen 3745
Anzahl Nebenbed. 5980
Rechenzeit [Sec] 1806.569
Zielfunktionswert 9
MIP-Gap 0.03
Tab. 9: Charakteristika der Probleminstanz zur Bestimmung des Ausgangsplans
Die Bedarfsdaten, auf denen der Ausgangsplan basiert, sind in Tab. 8 aufgeführt. Wie aus Tab. 9 ersichtlich, konnte nach einer Rechenzeit von rund 20 Minuten ein optimaler Belegungsplan für diese Probleminstanz ermittelt werden, der insgesamt 44 Produktionsaufträge und neun Reinigungsvorgänge enthält. Dieser initiale Plan wurde zur Ausführung an die Simulationsumgebung freigegeben. Bei der Ausführung des Plans traten zwei Ausfälle der Anlagen U3 und U31 auf. Um die durch die Anlagenausfälle entstandenen Unzulässigkeiten des bestehenden Anlagenbelegungsplans zu beheben, wurde jeweils ein Umplanungslauf ausgeführt. Deren Ergebnisse sind in der Tab. 10 und den Abbildungen Abb. 44 und Abb. 45 dargestellt. Störung 1 2
Beginn/ Ende 45/55 60/65
Anlage U31 U3
Anzahl Variablen 2719 2355
Anzahl Nebenbed. 4454 3840
Rechenzeit [Sec] 13.656 124.634
Zielfunktionswert 13 21
Tab. 10: Charakteristika der Probleminstanzen zur störungsbedingten Plananpassung173
Der Anlagenausfall auf Anlage U31 trat nach 45 Zeiteinheiten auf. Wie in Abschnitt 4.1 beschrieben, muss der zu diesem Zeitpunkt auf der Anlage ausgeführte Produktionsauftrag abgebrochen werden, wodurch eine Umplanung erforderlich wird. Um diesen Ausfall zu ersetzen, wurde ein neuer Auftrag eingeplant, der den Prozess T5 ausführen soll (1). Da zu diesem Zeitpunkt ein Auftrag zur Ausführung des Prozesses T4 eingeplant war, wurde dieser auf einen späteren Zeitpunkt verschoben (2). Eine weitere Auswirkung dieses Umplanungsvorganges wird beim Vergleich der Belegung von Anlage U4 deutlich. Die bestehende Terminierung der Aufträge auf dieser Anlage kann nicht mehr eingehalten werden, da diese Input-Komponenten benötigen, die durch die Verschiebung der Aufträge für den Prozess T5 nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können. Aus diesem Grund wird aus der bestehenden Belegungssequenz ein Auftrag herausgelöst and am Ende des Plans wieder angefügt (3).
173
Die Optimalitätsschranke (MIP-Gap) wurde mit einen Wert von 3% vorgegeben.
144
6 Praktische Erprobung
Abb. 44: Vergleich des Ausgangsplans mit dem resultierenden Plan der ersten Umplanung
Abb. 45: Vergleich der Belegungspläne der ersten und zweiten Umplanung
Die zweite Störung verursacht umfangreichere Planänderungen als die Erste. Es handelt sich erneut um einen Anlagenausfall, der zum Zeitpunkt 60 auf der Anlage U3 auftritt. Auch hier muss der zum Störungszeitpunkt auf dieser Anlage ausgeführte Auftrag abgebrochen werden und es wird ein Ersatzauftrag eingeplant (4). Da zum Zeitpunkt 140 ein externer Bedarf für das Produkt S7 vorliegt, der in vollem Umfang erfüllt werden muss, wird die gesamte Auftragsequenz auf der Anlage U3 um drei Zeiteinheiten früher ausgeführt. Auch die Umplanung (5) ist durch einen externen Bedarf begründet. Wie aus der Tab. 8 ersichtlich wird, müssen für den Auftag 6 zum Zeitpunkt 100 mindestens 2000
6 Praktische Erprobung
145
Mengeneinheiten von Produkt S7 zur Verfügung stehen. Da das Produkt S7 durch den Prozess T4 produziert wird und dieser eine Batchgöße von 750 Mengeneinheiten besitzt, müssen zu diesem Zeitpunkt mindestens drei entsprechende Produktionsaufträge abgeschlossen sein. Durch eine weitere Verschiebung der Auftragssequenz auf Anlage U3 ist dieser Termin nicht einzuhalten. Somit wird auf Anlage U31 ein Auftrag für Prozess T4 vorgezogen und in die bestehende Sequenz von Aufträgen von Prozess T5 eingefügt (5). Da hierdurch einige Aufträge für Prozess T5 später fertig gestellt werden, ist auch eine Auftragsverschiebung auf den nachgelagerten Produktionsstufen für die Aufträge von Prozess T6 erforderlich (6). Anders als bei der ersten Störung sind nicht nur nachgelagerte Prozesse von der Störung betroffen. Da in diesem Fall die für eine erneute Ausführung des Prozesses T4 erforderlichen Materialmengen nicht in vollem Umfang zur Verfügung stehen, muss ein zusätzlicher Auftrag für den Prozess T3 eingeplant werden (2). Schon für dieses einfache Beispiel wird deutlich, welch komplexe Umplanungsvorgänge bei einer Plananpassung zu berücksichtigen sind. Insbesondere für Problemstellungen realer Größenordnung kann die Vielzahl dieser Zusammenhänge nur schwer in vollem Umfang berücksichtigt werden. Durch den Einsatz reaktiver Planungsverfahren, die einen Lösungsvorschlag generieren, der im Rahmen einer interaktiven Planung noch angepasst werden kann, ist eine wesentlich effizientere und schnellere Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse möglich. Hinsichtlich des verwendeten Verfahrens zur Plananpassung kann festgestellt werden, dass für Problemstellungen dieser Größenordnung innerhalb akzeptabler Rechenzeiten eine effiziente Plananpassung möglich ist. Für größere Probleminstanzen ist die schnelle Reaktionsfähigkeit dieses Ansatzes aufgrund der stark steigenden Anzahl an Entscheidungsvariablen und der damit verbundenen Erhöhung der Rechenzeiten nicht sichergestellt. Weiterhin erweist es sich als nachteilig, dass im Rahmen dieses Modellierungsansatzes zwar eine prinzipielle Berücksichtigung von Verspätungen und Fehlmengen möglich ist, aber aufgrund der hohen Anzahl dazu notwendiger zusätzlicher Entscheidungsvariablen die Anwendbarkeit dieses Verfahrenes nochmals eingeschränkt werden würde.174 Besonders deutlich lässt sich dieses Problem am Beispiel des Umplanungsvorgangs (5) veranschaulichen. Hier könnte durch die Inkaufnahme einer geringfügigen Verspätung für den Auftrag 6 die Unterbrechung der Auftragssequenz auf der Anlage U31 und die daraus resultierenden zusätzlichen Reinigungsvorgänge vermieden werden.
174
Vgl. Blömer (1999), S. 98.
146
6 Praktische Erprobung
6.3 Lösungsqualität Dekompositionsansatz 6.3.1 Zielsetzung Bevor mit umfangreicheren Test, die auf einem dynamischen Planungsumfeld basieren, begonnen wird, sollen zunächst einige Grundeigenschaften des Dekompositionsansatzes studiert werden. Wie in Abschnitt 5.2.4 bereits erläutert wurde, ist der in dieser Arbeit vorgeschlagene Dekompositionsansatz eher auf das schnelle Auffinden einer zulässigen Lösung ausgerichtet. Das Verfahren wurde so ausgelegt, dass nach dem Ablauf einer vorgegebenen Rechenzeitschranke der Lösungsfindungsprozess abgebrochen wird. Diese Rechenzeitschranke ist notwendig, da das auf der Scheduling-Ebene des Verfahrens verwendete gemischt ganzzahlige Optimierungsmodell zwar sehr schnell eine zulässige Lösung findet, aber insbesondere bei komplexen Problemstellungen die Optimalität der Lösung in akzeptabler Rechenzeit nicht nachweisen kann. Um dennoch einen Eindruck von der realisierten Lösungsqualität des Verfahrens zu erlangen, soll durch die folgende Versuchsreihe untersucht werden, wie nahe diese Lösung der optimalen ist. Dazu ist eine möglichst gute Abschätzung einer optimalen Lösung zu ermitteln, die als untere Schranke für die optimale Lösung anzusehen ist und mit dem Ergebnis des Dekompositionsansatzes verglichen werden kann. Ferner soll der Verlauf des Lösungsfindungsprozesses näher analysiert werden, indem aufgezeigt wird, wie schnell sich die Lösung des Dekompositionsansatzes an die optimale Lösung annähert. Im Abschnitt 5.2.2 wurden für den Dekompositionsansatz zwei alternative Pegging-Verfahren entwickelt. Des weiteren sollen deren Ergebnisse miteinander verglichen werden, so dass eines der beiden Verfahren für die nachfolgenden Untersuchungen ausgewählt werden kann.
6.3.2 Versuchsdesign Die Untersuchung wird für das Testproblem II vorgenommen, welches das weitaus komplexere der beiden Versuchsumgebungen darstellt. Es wurden insgesamt acht unterschiedliche Planungsszenarien entworfen, die sich hinsichtlich der Bedarfsmengen für die Endprodukte und somit auch bezüglich der Anzahl einzuplanender Produktionsaufträge unterscheiden. Für jedes der Szenarien sollen jeweils zwei Optimierungsläufe durchgeführt werden. Diese unterscheiden sich darin, dass auf der Pegging-Ebene des Dekompositions-
6 Praktische Erprobung
147
ansatzes entweder das Optimierungsmodell175 oder die Heuristik176 zur Kantengenerierung verwendet wird. Als Zielfunktionskriterium soll die Gesamtdurchlaufzeit minimiert werden. Die Rechenzeitschranke für den Dekompositionsansatz wurde mit 600 Sekunden festgelegt. Da innerhalb der Szenarien keine Berücksichtigung unvorhergesehener Ereignisse vorgesehen ist, wird die Planung mit dem Scheduler-Modul des in Kapitel 5 vorgestellten reaktiven Schedulingsystems vorgenommen. Szenario Endprodukte Bedarf je Endprodukt Anzahl resultierender Aufträge
S1
S1.5 S2 S2.5 S3 S3.5 S4 S4, S5, S6, S9, S10, S11, S12, S13, S14
S5
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
5000
26
36
48
60
67
81
92
114
Tab. 11: Charakteristika der Vergleichsszenarien
Die besondere Schwierigkeit dieser Untersuchung stellt die Ermittlung eines geeigneten Vergleichswertes für die Gesamtdurchlaufzeit dar. Ein direkter Vergleich der gefundenen Lösung mit der durch den Solver ermittelten unteren Schranke lässt, aus den in Abschnitt 5.2.4 erläuterten Gründen, keine brauchbaren Schlüsse auf die Lösungsqualität des Dekompositionsansatzes zu. Um den maximalen Abstand der Lösung mit einer unteren Schranke für die optimale Lösung zu ermittelten, muss somit ein alternatives Verfahren verwendet werden. Eine einfache Möglichkeit besteht darin, die Lösung des Dekompositionsansatzes mit der des zeitdiskreten Totalmodells aus Abschnitt 5.1 zu vergleichen. Allerdings nimmt insbesondere bei großen Problemstellungen die Lösungsfindung des zeitdiskreten Totalmodells sehr viel Rechenzeit in Anspruch. Aufgrund dieser Problematik wurde ein Methode angewandt, um dessen Lösungsprozess zu beschleunigen.177 Dieses Verfahren basiert auf der Idee den Lösungsraum des zeitdiskreten Totalmodells in geeigneter Weise einzuschränken, indem für den Zielfunktionswert enge Ober- bzw. Untergrenzen vorgegeben werden. Um diesen Lösungsprozess zu initialisieren, wird zunächst ein Optimierungslauf unter Verwendung des Dekompositionsansatzes ausgeführt. Aus der sich dabei ergebenden Gesamtdurchlaufzeit (MSBPS) wurden die Ober- und Unterschranke für den Zielfunktionswert des zeitdiskreten Modells abgeleitet und als zusätzliche Nebenbedingung in das Modell eingefügt. Dabei wurde angenommen, dass der optimale Wert für die Gesamtdurchlaufzeit
175 176 177
Vgl. Abschnitt 5.2.2.4. Vgl. Abschnitt 5.2.2.5. Ein ähnliches Verfahren wird beispielsweise auch in Blömer (1999) angewandt.
148
6 Praktische Erprobung
um höchstens fünf Prozent von dem bisher ermittelten abweicht. Nach dem Ende des Optimierungslaufes für das zeitdiskrete Modell wurde die durch ILOG-CPLEX ermittelte untere Schranke (LB) mit dem vorgegebenen Wert (S) verglichen. Ist der ermittelte Wert größer als der vorgegebene, kann diese untere Schranke zur Bestimmung der Optimalitätsabweichung der BPS-Dekomposition (GAPBPS) verwendet werden. Im Falle einer Gleichheit von Vorgabe- und Endwert, muss davon ausgegangen werden, dass die Schranken für das zeitdiskrete Modell zu hoch gewählt wurden und die für den Optimalitätsbeweis ermittelte untere Schranke noch unter dem vorgegebenen Wert liegt. Der Schrankenwert wird dann um fünf Prozent der Gesamtdurchlaufzeit, die durch den Dekompositionsansatz ermittelt wurde, reduziert und das zeitdiskrete Modell wird erneut gestartet. Dieser Prozess wird so lange wiederholt, bis die Optimalitätsabweichung für die Lösung des Dekompositionsansatzes bestimmt werden kann. Optimierungslauf BPS-Dekomposition
S : MS BPS Optimierungslauf DZ-Modell Lösungsraum einschränken
1, 05 S t MS t 0,95 S LB LB ! 0,95 S ?
S : S 0, 05 MS BPS
nein
ja
GAP BPS
MS BPS LB MS BPS
Abb. 46: Verfahren zur Ermittlung der Optimalitätsabweichung der BPS-Dekomposition
6.3.3 Ergebnis Wie aus den zusammengefassten Ergebnissen in Tab. 12 ersichtlich ist, liegt die maximale Optimalitätsabweichung des Dekompositionsansatzes zwischen einem Hundertstel Prozent und einem Höchstwert von knapp 15%. Beim Vergleich der Verfahren zur Kantengenerierung wird deutlich, dass die Heuristik bessere Ergebnisse liefert, da für alle Szenarien gleich gute oder bessere Werte für die Gesamtdurchlaufzeit ermittelt werden konnten. Weiterhin ist festzustellen, dass bei der Pegging-Heuristik eine gleichbleibende Lösungsqualität si-
6 Praktische Erprobung
149
chergestellt ist, wobei durch die Verwendung des Optimierungsmodells teilweise sehr deutliche Optimalitätsabweichungen entstehen. Die steigenden Abweichungen für die Szenarien S3 bis S5 sind auch durch die schlechtere Qualität der unteren Schranke zu erklären, da der Rechenzeitaufwand für diese Probleminstanzen sehr hoch ist. Demnach konnte die Annahme aus Abschnitt 5.2.2.5 -dass durch die Definition von Materialflussbeziehungen zwischen möglichst gleichartigen Produktionsaufträgen eine kompaktere Anlagenbelegung resultiert- bestätigt werden. Kantengenerierung Heuristik Transportmodell
MSBPS
S1 82
S1.5 102
S2 132
Szenario S2.5 S3 152 162
S3.5 202
S4 218
S5 268
GAPBPS [%]
0,01
0,01
0,01
1,08
3,76
3,06
5,83
4,69
82
112
132
152
168
224
227
294
0,01
13,13
0,01
1,08
7,60
14,29
10,19
14,84
80
99
128
150,4
156,1
196
206
256
Ergebnissgröße
MSBPS GAPBPS [%] LB
Tab. 12: Vergleich der Optimalitätsabweichung des Dekompositionsansatzes für die alternativen Verfahren zur Kantengenerierung Lösungsverlauf der BPS-Dekomposition 90 80
MIP-GAP [%]
70 60 50 40 30 20 10 0 0
50
100
150 Rechenzeit [Sec] S5
200
250
300
S3
Abb. 47: Lösungsverlauf der BPS-Dekomposition für die Szenarien S3 und S5
In der Abb. 47 ist beispielhaft der Lösungsverlauf des Dekompositionsansatzes für die Szenarien S3 und S5 dargestellt. Zur Kantengenerierung wurde dabei die Pegging-Heuristik verwendet. Für beide Szenarien konnte eine zulässige Lösung in weniger als 5 Sekunden ermittelt werden, die allerdings eine deutliche Abweichung von der optimalen Lösung auf-
150
6 Praktische Erprobung
weist. Im weiteren Verlauf des Lösungsprozesses konnte eine sehr schnelle Verbesserung des Zielfunktionswertes beobachtet werden, so dass nach weniger als 50 Sekunden die Optimalitätsabweichung unter den Wert von 10% fällt. Im weiteren Lösungsverlauf sind lediglich geringfügige Verbesserungen möglich. Durch diese Ergebnisse wird deutlich, dass der Dekompositionsansatz eine wichtige Voraussetzung eines reaktiven Planungsverfahrens erfüllt. Diese besteht darin, dass in kurzer Rechenzeit eine zulässige Lösung ermittelt werden kann, die eine akzeptable Lösungsgüte aufweist. Weiterführende Untersuchungen zum Lösungsverhalten des Dekompositionsansatzes werden im Abschnitt 6.4.4 vorgenommen, wo für die reaktive Variante des Verfahrens die Ergebnisse unterschiedlicher Rechenzeitvorgaben verglichen werden.
6.4 Szenarien mit rollierender Planung Anders als in den vorangegangen Untersuchungen werden in den folgenden Planungsszenarien alle planungsauslösenden Ereignisse eintreten. Neben den daraus resultierenden ereignisbasierten Umplanungen sollen auch periodische Plananpassungen vorgenommen werden. Auf diese Weise wird das Prinzip der rollierenden Planung umgesetzt, wie es in Abschnitt 4.2.1 eingeführt wurde. Für die gesamte Untersuchungsreihe wird das Testproblem II verwendet. Im Scheduler- und Rescheduler-Modul kommt jeweils der in Abschnitt 5.2 beschriebene Dekompositionsansatz zur Anwendung. Im folgenden Abschnitt wird zunächst die grundlegende Parametrisierung der Testinstanzen erläutert. Anschließend werden die Versuchsreihen vorgestellt und das jeweilige Untersuchungsziel definiert. Eine detaillierte Analyse und Interpretation der Ergebnisse dieser Versuchsreihen sind Inhalt der darauf folgenden Abschnitte. Zum Abschluss wird eine ausführliche Zusammenfassung der numerischen Ergebnisse vorgenommen.
6.4.1 Versuchsdesign Zur Initialisierung des rollierenden Planungslaufes ist ein Ausgangsplan nötig, der durch das Scheduler-Modul ermittelt wurde. Die wesentlichen Parameter und Ergebnisse dieses Scheduler-Laufes sind in Tab. 13 zusammengefasst. Während der Ausführung dieses Ausgangsplans können Anlagenausfälle auftreten und Eilaufträge eintreffen. Es wird angenommen, dass alle Eilaufträge in vollem Umfang erfüllt werden sollen. Nach dem Ablauf einer Scheduling-Periode, die in diesem Beispiel auf einen Tag festgelegt ist, wird der Ausgangsplan fortgeschrieben. Dies erfolgt im Rahmen eines periodischen Planungslaufes, in dem aktuelle Bedarfe in der Planung mit berücksichtigt werden. Dieser Zyklus wird so lange wiederholt, bis das Ende des 14-tägigen Planungshori-
6 Praktische Erprobung
151
zontes erreicht wurde. Ein solcher Planungslauf ist endgültig abgeschlossen, wenn in der Simulationsumgebung der gesamte Auftragsbestand planmäßig abgearbeitet wurde und keine weiteren planungsauslösenden Ereignisse ausstehen. Merkmal Zielfunktionskomponente Rechenzeit Anzahl Produktionsaufträge Resultierende Gesamtdurchlaufzeit Durchschnittliche Verspätung
Wert Gesamtdurchlaufzeit 600 Sek. 67 184 ZE 0 ZE
Tab. 13: Merkmale des Ausgangsplans Parameter Simulationshorizont Scheduling Horizont Scheduling Periode Zeiteinheit
Wert 14 x 72 ZE = 1008 ZE (14 Tage) 3 x 72 ZE = 216 ZE (3 Tage) 72 ZE (1 Tag) 1 ZE (20 Min)
Tab. 14: Zeitgerüst der rollierenden Planung
Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse alternativer Verfahrensvarianten des Dekompositionsansatzes sicherzustellen, werden für die Versuchsreihen vorab eine Reihe von Datensätzen generiert, die vordefinierte Ereignisverläufe enthalten. Diese Datensätze werden der Simulationsumgebung vorgegeben178. Sie enthalten sowohl die Bedarfsmengen der im Rahmen der periodischen Planung auftretenden externen Planung sowie die Zeitpunkte des Auftretens von Anlagenausfällen bzw. Eilaufträgen mit den jeweiligen Störungsdauern bzw. Bedarfsmengen. Bei der Generierung dieser Datensätze wurden unterschiedliche Auslastungsgrade des betrachteten Produktionssystems zu Grunde gelegt, die im wesentlichen durch eine Grundund Störlast gekennzeichnet sind. Die Grundlast leitet sich aus den periodischen Bedarfen ab. Diese Bedarfe werden für jedes Endprodukt erzeugt, wobei deren Bedarfstermin jeweils zum Ende der aktuellen Schedulingperiode angesetzt wird. Die Bedarfshöhe ist flexibel und wird für jede Schedulingperiode in Form einer normalverteilten Zufallsvariable neu bestimmt. Im Rahmen experimenteller Voruntersuchungen wurden die Erwartungswerte und Varianzen der periodischen Bedarfsmengen so bestimmt, dass bei einer geringen Grundlast die resultierende Anlagenauslastung der Engpassstationen zwischen 70% und 90% beträgt.
178
Vgl. Abschnitt 4.2.4.2.
152
6 Praktische Erprobung
Bei hoher Grundlast wird eine Auslastung von mehr als 90% vorgegeben. Die detaillierte Parametrisierung der Verteilungsfunktionen ist in der Tab. 15 enthalten.
Eilaufträge Anlagenausfall
Störlast
Grundlast
Parameter
Annahmen
Dimension Hoch Auslastung Engpass > 90%
Gering Auslastung Engpass 70% bis 90%
10
5
Bedarfshöhe
Normalverteilt (μ,ı)
Produkte
alle
Gesamtanzahl
Vorgabe je Szenario
Produkte
1 Satz je Szenario
Freigabetermin
Gleichverteilt (Max, Min)
Max = 1008 ZE Min = 72 ZE
Max = 1008 ZE Min = 72 ZE
Lieferfrist
Gleichverteilt (Max, Min)
Max = 230 ZE Min = 150 ZE
Max = 230 ZE Min = 150 ZE
Bedarfshöhe
Normalverteilt (μ´,ı) μ´ = μ x Anteilswert
μ´ = μ x 0,5
μ´ = μ x 0,25
Gesamtanzahl
Vorgabe je Szenario
6
3
Anlage
1 Satz je Szenario
Startzeit
Gleichverteilt (Max, Min)
Max = 1008 ZE Min = 72 ZE
Max = 1008 ZE Min = 72 ZE
Dauer
Gleichverteilt (Max, Min)
Max = 30 ZE Min = 15 ZE
Max = 15 ZE Min = 3 ZE
Tab. 15: Parameter zur Datengenerierung der Versuchsszenarien
Sowohl die Häufigkeit des Auftretens von Eilaufträgen und Anlagenausfällen sowie deren durchschnittliche Bedarfshöhe bzw. Ausfalldauer bestimmen das Ausmaß der Störlast. Bei einer geringen Störlast treten genau fünf Eilaufträge sowie drei Anlagenausfälle auf. Im Falle einer hohen Störlast treten beide Ereignisarten doppelt so häufig ein. Um stochastische Effekte zwischen den einzelnen Datensätzen zu reduzieren, wird vorab festgelegt, welche Produkte durch einen Eilauftrag nachgefragt werden bzw. welche Anlagen ausfallen sollen. Ein Eilauftrag kann mehrere Endproduktbedarfe umfassen, wobei für die Anlagenausfälle angenommen wird, dass lediglich eine Anlage zu einem Zeitpunkt gestört werden soll. Die Bedarfsmengen der Eilaufträge werden ebenfalls durch eine normalverteilte Zufallsvariable bestimmt. Dieser Verteilungsfunktion liegt ein Erwartungswert zu Grunde, der einem vordefinierten prozentualen Anteil vom Erwartungswert der periodischen Bedarfe entspricht. Die Höhe dieses Anteils ist abhängig von der Höhe der Störlast des jeweiligen Szenarios. Für jeden Zeitpunkt innerhalb des Planungshorizontes kann ein Anlagenausfall bzw. Eilauftrag mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten. Die Ausfalldauer einer Anlage wird ebenfalls durch eine diskrete Zufallsvariable, die einer Gleichverteilung unterliegt,
6 Praktische Erprobung
153
ermittelt. Dabei kann bei einer geringen Störlast ein Anlagenausfall zwischen 3 und 15 Zeiteinheiten dauern. Liegt hingegen eine hohe Störlast vor, beträgt die Störungsdauer zwischen 15 und 30 Zeiteinheiten. Die Parametrisierung der zur Generierung der Datensätze verwendeten Verteilungsfunktionen ist das Ergebnis umfassender Voruntersuchungen, die zum Ziel hatten, möglichst sinnvolle Planungssituationen zu erzeugen. Szenario
Grundlast
A
Hoch
Störlast Hoch
B
Hoch
Gering
C
Gering
Hoch
D
Gering
Gering
Tab. 16: Kombination der Grund- und Störlast zur Generierung der Planungsszenarien
Um das Verhalten des Dekompositionsansatzes beim Auftreten verschiedenster Planungssituationen zu erproben, wurden insgesamt vier Szenarien entworfen, die durch die jeweilige Ausprägung der Grund- und Störlast gekennzeichnet sind. Für das Szenario A liegt die höchste Belastungssituation des Produktionssystems vor. Das betrachtete Produktionssystem arbeitet durch die hohe Grundlast an der Kapazitätsgrenze und wird zusätzlich mit häufig auftretenden und umfangreichen Störereignissen belegt. Da für die numerischen Tests die Annahme getroffen wird, dass alle Endproduktbedarfe in vollem Umfang erfüllt werden sollen, ist zu erwarten, dass bei diesem Szenario viele Bedarfe erst verspätet erfüllt werden können. Aufgrund des hier vorliegenden reaktiven Planungsansatzes, werden alle noch nicht abgeschlossenen Aufträge in den nächsten Planungslauf übernommen. Somit wird erwartet, dass mit steigender Verspätung auch die Anzahl von Aufträgen steigt, die innerhalb eines Planungslaufes zu berücksichtigen sind. Aufgrund dieser indirekten Wechselwirkung der durchschnittlichen Verspätung mit der Komplexität der nachfolgenden Umplanungsläufe, muss das reaktive Planungsverfahren in der Lage sein, kurzfristig auftretende Belastungsspitzen, die beispielsweise durch den Ausfall einer Engpassanlage auftreten können, möglichst schnell zu kompensieren. Für das Szenario B wird bei hoher Grundlast eine geringe Störlast vorgegeben. Bei einem Vergleich der Ergebnisse der Szenarien A und B wird somit ersichtlich, welche Auswirkungen das erhöhte Störungsaufkommen auf die Planungsergebnisse hat. Eine geringe Grundlast wird jeweils für die Szenarien C und D angenommen, wobei auch diese Szenarien sich durch den Umfang der Störungen unterscheiden. Der Vergleich der Ergebnisse aus diesen Szenarien mit denen der Szenarien A und B wird ergeben, wie stark insbesondere die Stabilitätskennzahlen der Umplanungsläufe von der allgemeinen Systemauslastung abhängen. Basierend auf den oben beschriebenen Verteilungen wurden für jedes Szenario fünf Datensätze generiert, so dass für den kompletten Durchlauf aller Datensätze für einen Versuch
154
6 Praktische Erprobung
insgesamt 520 Umplanungsläufe notwenig sind. Wird für jeden Umplanungslauf beispielsweise eine Rechenzeitschranke von 4 Minuten verwendet, beträgt die maximale Rechenzeit für eine Versuchsreihe 34 Stunden und 40 Minuten. Die realisierten Durchlaufzeiten einer Versuchsreihe liegen jedoch etwas unter diesem Wert, da insbesondere bei den Szenarien geringerer Planungskomplexität für einige Umplanungsläufe innerhalb der vorgegebenen Rechenzeitschranke eine optimale Lösung gefunden werden kann.179 Weiterhin kann der in Abschnitt 4.2.5.3 beschriebene Fall auftreten, dass ein Störereignis keine Unzulässigkeit des Plans hervorruft, so dass keine Umplanung erforderlich ist. Der Rechenaufwand eines Versuches mit allen Datensätzen ist dennoch als sehr hoch einzuschätzen. Insgesamt wurden fünf Versuchsreihen durchgeführt, in denen die Einzelversuche jeweils unterschiedliche Parametrisierungsvarianten des Rescheduling-Verfahrens repräsentieren. Eine genaue Übersicht dieser Versuchsreihen bietet der folgende Abschnitt.
Szenario A B C D
Anzahl Umplanungsläufe Anzahl DatenAnlagenperiodisch Eilaufträge Gesamt sätze ausfälle 5 14 10 6 150 5 14 5 3 110 5 14 10 6 150 5 14 5 3 110 520 Summe
Tab. 17: Planungsumfang erzeugter Datensätze für die Szenarien
6.4.2 Versuchsreihen Die Versuchsreihen zur rollierenden Planung haben zur Zielsetzung, die Auswirkung unterschiedlicher Verfahrensabwandlungen und Parametrisierungsvarianten des Dekompositionsansatzes auf die Veränderung der Effektivitäts- und Stabilitätskennzahlen zu untersuchen. Insgesamt lassen sich die durchgeführten Testläufe in insgesamt sechs Untersuchungsschwerpunkte unterteilen. Zunächst werden im Rahmen einer Szenarioanalyse die Ergebnisse einer Standardvariante des Dekompositionsansatzes analysiert, bei der keine Nervositätsmaße berücksichtigt werden und auch keine partielle Umplanungsmethodik zur Anwendung kommt. Die Zielsetzung dieser Analyse besteht darin, weitere Informationen über das Lösungsverhalten des Dekompositionsansatzes zu ermitteln. Dazu werden die Abhängigkeit der Effektivitäts-
179
Vgl. hierzu auch Abb. 48.
6 Praktische Erprobung
155
und Stabilitätskennzahlen von der Art des Szenarios untersucht. Weiterhin wird analysiert wie sich die Planungsläufe unterscheiden, die entweder durch Eilaufträge und Anlagenausfälle ausgelöst werden oder aus einer periodischen Umplanung resultieren. Die bei der Sze-
Szenarien
Umplanungspolitik
Schedulinghorizont
Partielle Umplanung
Rechenzeitvorgabe
zusätzliche Parametrisierungs -varianten
Szenarioanalyse
Versuchsreihe
Plannervosität
narioanalyse verwendete Verfahrensvariante dient für einige der nachfolgenden Analysen auch als Vergleichsmaßstab.
1
6
6
6
4
1
4
1
4
4
4
4
A
Datensätze
5
5
5
5
5
5
Planungsläufe
20
30
120
120
80
20
Ø Anzahl Umplanungen/ Planungslauf
26
30
26
26
26
26
Anzahl Umplanungen
520
900
3120
3120
2080
520
Ø Dauer Umplanung [Min]
4
3,5
4
4
4
4
Rechenzeit [Min]
2080
3150
12480
12480
8320
2080
Summe
360
Summe
9440
Rechenzeit [d] 28,2
Tab. 18: Übersicht der durchgeführten Versuchsreihen zur rollierenden Planung
Bereits im Abschnitt 6.3 wurde der Lösungsverlauf des Dekompositionsansatzes im Verlauf der Rechenzeit untersucht. Um nähere Informationen über das Lösungsverhalten bei unterschiedlichen Rechenzeitvorgaben zu erhalten, wird eine gesonderte Versuchsreihe aufgelegt. Dabei wird für das Szenario A zunächst eine Rechenzeitschranke von einer Minute festgelegt und in den Folgeversuchen um jeweils eine Minute bis zu einem Maximalwert von sechs Minuten erhöht. Das Szenario A wurde deshalb ausgewählt, da dessen Datensätze mit einer hohen Grund- und Störlast die komplexesten Probleminstanzen repräsentiert.
156
6 Praktische Erprobung
Die Lösungsfindung wird zusätzlich dadurch erschwert, dass als Parametrisierungsvariante des Dekompositionsansatzes die Variante gewählt wird, bei der alle Nervositätsmaße in der Zielfunktion zu berücksichtigen sind. Als Ergebnis dieser Untersuchung sollen Aussagen darüber abgeleitet werden, ab welcher Rechenzeit ein stabiler Lösungsfindungsprozess sichergestellt ist und welche Verbesserungen der Lösungsqualität mit steigender Rechenzeit erzielt werden können. Die im Abschnitt 5.2.3.3 eingeführten Zielfunktionskomponenten zur Erfassung der Planstabilität stehen im Mittelpunkt einer gesonderten Versuchsreihe. Dabei wurden insgesamt sechs zusätzliche Varianten getestet, in denen jeweils einzelne Maße zur Anwendung kommen oder diese miteinander kombiniert werden. Die Zielsetzung dieser Untersuchung besteht darin festzustellen, welche Wirkung die getesteten Verfahrensvarianten auf die Planstabilität haben und ob Wechselwirkungen zu den Effektivitätskennzahlen bestehen. Da die Untersuchung für alle Szenarien durchgeführt wird, kann weiterhin analysiert werden, welche Abhängigkeit der Ergebnisse zur Auslastung des Produktionssystems bestehen. Eine weitere Maßnahme zur Reduktion der Plannervosität wurde in Abschnitt 5.2.3.2 in Form einer partiellen Umplanungsmethodik eingeführt. Um die Wirksamkeit auf die Effektivitäts- und Stabilitätskennzahlen der resultierenden Pläne zu ermitteln, wurden drei zusätzliche Versuche durchgeführt bei denen jeweils ein Fixierungshorizont von 10, 20 und 30 Zeiteinheiten verwendet wurde. Auch hier ist es das Ziel, deren Wirkung auf die Effektivitäts- und Stabilität der Planung zu ermitteln. In weiteren drei Verfahrensvarianten wurde die Einführung der Nervositätsmaße in der Zielfunktion mit der partiellen Umplanungsmethodik kombiniert. Auf diese Weise soll ermittelt werden, ob dadurch eine zusätzliche Verbesserung der Lösungsqualität erzielt werden kann. Nach dem Abschluss der Versuche zur Erfassung der Plannervosität und der partiellen Umplanungsmethodik kann ggf. eine Aussage darüber getroffen werden, welche der Maßnahmen zur Reduktion der Plannervosität in welcher Planungssituation zu bevorzugen sind. Wie in Abschnitt 4.2.1 beschrieben, kann durch den Schedulinghorizont die Planungsreichweite bestimmt werden, die bei der periodischen Umplanung zu Grunde liegt. In den dementsprechenden Versuchen wurden für den Schedulinghorizont jeweils Werte von 1, 2, 3 und 4 Tagen verwendet. Auf diese Weise soll festgestellt werden, in welcher Weise die Ausweitung einer Vorausplanung zur frühzeitigen Reaktion auf Bedarfsschwankungen genutzt werden kann. Da durch die Variation des Schedulinghorizontes die Anwendbarkeit der lokalen Stabilitätskennzahlen eingeschränkt ist, werden für diese Versuche auch die in Abschnitt 3.5.4.2 eingeführten globalen Kennzahlen ausgewertet. In allen bisherigen Planungsläufen wurde durch das Eintreffen der Eilaufträge jeweils ein separater Umplanungslauf ausgelöst. Falls sehr viele solcher Eilaufträge auftreten, sind so-
6 Praktische Erprobung
157
mit eine Vielzahl von Plananpassungen notwendig, so dass auf diese Weise die Plannervosität erhöht wird. In den abschließenden Versuchen soll untersucht werden, welche Auswirkungen durch die Berücksichtigung der Eilaufträge in den periodischen Umplanungsläufen auf die Effektivität und Stabilität der Pläne bestehen. In der Tab. 18 wurden alle Versuchsreihen mit einer Abschätzung des dazugehörige Rechenzeitaufwandes aufgeführt. Daraus wird ersichtlich, dass zur Ausführung dieses Untersuchungsprogramms insgesamt rund 28 Tage reine Rechenzeit einzuplanen sind. Die Anzahl der durch den im Rescheduler-Modul implementierten Dekompositionsansatz zu lösenden Probleminstanzen beläuft sich auf einen Wert von 9440. Obwohl unter Verwendung des reaktiven Schedulingsystems auch eine Reihe weiterer interessanter Untersuchungsreihen denkbar wären, wird aufgrund des recht hohen Rechenzeitaufwandes darauf verzichtet.
6.4.3 Szenarioanalyse und Plausibilitätsprüfung Aufgrund der komplexen Wirkungszusammenhänge zwischen den Ergebnissen der einzelnen Umplanungsschritte eines Planungslaufes, wird in diesem Abschnitt zunächst eine grundlegende Analyse der Ergebnisse für die unterschiedlichen Planungsszenarien vorgenommen. Weiterhin soll untersucht werden, welche Auswirkung die Art des planungsauslösenden Ereignisses auf die Planungsergebnisse hat. Die nachfolgend aufgeführten Ergebnisse beziehen sich auf Planungsläufe, bei denen lediglich die Gesamtdurchlaufzeit und Verspätung minimiert wurden. Demnach wurden keine Maßnahmen zur Reduktion der Plannervosität berücksichtigt. Als Rechenzeitschranke wurde ein Wert von 4 Minuten vorgegeben. Die entsprechende Parametrisierung der Zielfunktion ist in Tab. 19 aufgeführt. VersuchsID GMS 7 1
Zielfunktionsgewichte GV GA GE GU 10 0 0 0
GS 0
Rechenzeitschranke [Sec] 240
Tab. 19: Parametrisierung der Versuchsreihe zur Szenarioanalyse
Für alle Probleminstanzen der vier Szenarien konnte innerhalb der Rechenzeitschranke eine zulässige Lösung ermittelt werden. Für einige Probleminstanzen war es sogar möglich, eine optimale Lösung zu ermitteln. Wie in Abb. 48 veranschaulicht wurde, nimmt erwartungsgemäß der Anteil der optimal lösbaren Probleme mit steigender Grund- und Störlast ab. Die Ursache dafür besteht in der damit verbundenen erhöhten Planungskomplexität. Bei der Analyse der durchschnittlichen Gesamtdurchlaufzeiten der aus den periodischen Planungsläufen resultierenden Anlagenbelegungspläne ist festzuhalten, dass mit verminderter Grundlast auch eine generelle Abnahme der Durchlaufzeit einhergeht. Durch den Ver-
158
6 Praktische Erprobung
gleich der Ergebnisse für die Szenarien mit gleicher Grundlast und unterschiedlicher Störlast ist festzustellen, dass auch die Störlast einen signifikanten Einfluss auf die Gesamtdurchlaufzeit hat. So steigt beispielsweise durch die hohe Störlast für Szenario A die Gesamtdurchlaufzeit um knapp 15% im Vergleich zu den Ergebnissen von Szenario B.
Anteil
Lösbarkeit der Probleminstanzen 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
33%
36%
23% 1% A
B
C
D
Szenario optimale Lösung
zulässige Lösung
Abb. 48: Lösbarkeit der periodischen Umplanungsläufe für die Szenarien180
Die Ergebnisse für die Gesamtdurchlaufzeit bei periodischen Umplanungsläufen lassen sich nicht auf Planungsläufe übertragen, die durch Anlagenausfälle und Eilaufträge ausgelöst werden. Dies ist leicht dadurch zu erklären, dass bei der periodischen Planung, wie in Abb. 50 ersichtlich, die Gesamtzahl der zu berücksichtigenden Aufträge den höchsten Wert aufweist. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den einzelnen Umplanungsläufen besteht darin, dass der Anteil der Aufträge, die aus dem bestehenden Plan übernommen werden im Verhältnis zu den neu einzuplanenden Aufträgen ebenfalls sehr stark vom Auslöser der Umplanung abhängt. Bei einem periodischen Planungslauf treten sehr viele neu einzuplanende Aufträge auf. Dieses Verhältnis verschiebt sich für die Szenarien mit geringer Grundlast zu Gunsten der neu einzuplanenden Aufträge. Dieser Effekt ist dadurch zu erklären, dass bei einer geringen Grundlast die Gesamtdurchlaufzeit relativ gering ist und somit die einzelnen Teilpläne eine vergleichsweise geringe zeitliche Überlappung aufweisen.
180
Die Optimalitätsschranke (MIP-Gap) wurde mit einen Wert von 5% vorgegeben.
6 Praktische Erprobung
159
Durchschnittliche Gesamtdurchlaufzeit
Gesamtdurchlaufzeit [ZE]
250,00 200,00 150,00 100,00 50,00 0,00 A
B
C
D
Szenario
Abb. 49: Durchschnittliche Gesamtdurchlaufzeit der periodischen Umplanungsläufe
Abb. 50: Auftragsstruktur für die unterschiedlichen Planungsszenarien und -auslöser
Bei unplanmäßigen Planänderungen müssen dagegen weniger neue Aufträge in den bestehenden Plan aufgenommen werden. Die Unterschiede in der Auftragsstruktur für die durch Eilaufträge bedingten Planungsläufe und die Umplanungen aufgrund von Anlagenstörungen sind nur geringfügig. Aufgrund dieser ähnlichen Ausgangsdaten werden in den folgenden Analysen die Umplanungsläufe, die aus Eilaufträgen und Anlagenausfällen resul-
160
6 Praktische Erprobung
tieren, zu der Kategorie der ereignisgesteuerten Umplanungen zusammengefasst. Die Resultate der periodischen Umplanungen werden hingegen weiterhin separat ausgewiesen. Durchschnittliche Verspätung
70
Verspätung [ZE]
5
60
4
50 40
3
30
2
20
1
10
0
max. Verspätung [ZE]
80
6
0 A
B
C
D
Szenario ø Verspätung
ø max. Verspätung
Abb. 51: Vergleich der durchschnittlichen Verspätung für periodische Umplanungen
Anlage FEO1_U1 FEO1_U2 FEO1_U3 FEO1_U4 FEO1_U5 FEO1_U6 FEO1_U7 FEO1_U8 FEO1_U9 FEO1_U10 FEO1_U11 FEO1_U12 Durchschnitt:
A 58,2% 53,6% 97,4% 100,0% 97,1% 79,4% 92,4% 63,0% 62,4% 94,6% 96,1% 99,7% 82,8%
Auslastung [%] B C 51,9% 51,2% 55,3% 48,4% 93,9% 88,8% 100,0% 89,3% 97,7% 85,0% 88,1% 81,7% 84,9% 78,8% 66,5% 54,8% 60,8% 59,0% 96,1% 85,0% 98,5% 84,8% 95,9% 90,9% 82,4%
74,8%
D 46,9% 44,5% 78,9% 88,2% 88,0% 61,8% 77,9% 54,3% 49,5% 78,0% 83,8% 82,3% 69,5%
Tab. 20: Durchschnittliche Teilanlagenauslastung der einzelnen Szenarien181
Diese Werte resultieren aus der Auswertung der realisierten Anlagenbelegung für den gesamten Planungshorizont im Simulations-Modul (vgl. Abschnitt 4.2.4.3).
181
6 Praktische Erprobung
161
Bei der Analyse der durchschnittlichen Verspätung für die einzelnen Szenarien ist der Zusammenhang zwischen der Anhebung der Grund- und Störlast und der dadurch verursachte Anstieg der Verspätungswerte festzustellen. Als wesentliche Ursache dafür ist die Verteilung der Anlagenauslastung für die einzelnen Szenarien anzusehen, die in Tab. 20 dargestellt ist. So arbeiten in den Szenarien mit hoher Grundlast die Engpassanlagen des Produktionssystems bereits an der Kapazitätsgrenze. Aufgrund der Erhöhung der Störlast für das Szenario A sind im Vergleich zu Szenario B keine Kapazitäten verfügbar, um die Störungen zu kompensieren, so dass hier ein deutlicher Zuwachs der Verspätungszeiten hervorgerufen wird. Für die Szenarien mit geringer Grundlast ist an den Engpassstationen des Produktionssystems eine durchschnittliche Auslastung von weniger als 90% festzustellen. Beim Vergleich der in Abb. 51 dargestellten Ergebnisse der Szenarien C und D wird ersichtlich, dass aufgrund dieser Kapazitätsreserve durch die höhere Störlast nur ein geringfügiger Anstieg der Verspätungszeiten zu verzeichnen ist.
6.4.4 Rechenzeitvorgabe Die hauptsächliche Aufgabe eines reaktiven Planungsverfahrens besteht darin, Plananpassungen in sehr kurzer Rechenzeit vorzunehmen. Im Abschnitt 6.3 wurde bereits das grundlegende Lösungsverhalten des Dekompositionsverfahrens untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass für alle Probleminstanzen nach wenigen Sekunden eine zulässige Lösung gefunden wurde, die eine gute Lösungsqualität aufweist. Diese Untersuchung ist für das Scheduler-Modul und somit auf der Grundlage einer rein prädiktiven Planung vorgenommen worden. VersuchsID GMS 1 2 3 4 5 6
1 1 1 1 1 1
Zielfunktionsgewichte GV
GA
GE
GU
GS
10 10 10 10 10 10
5 5 5 5 5 5
50 50 50 50 50 50
50 50 50 50 50 50
50 50 50 50 50 50
Rechenzeitschranke [Sec] 60 120 180 240 300 360
Tab. 21: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Analyse des Lösungsverhaltens
In diesem Abschnitt soll das Rechenzeitverhalten der Rescheduling-Variante des Dekompositionsansatzes untersucht werden. Aufgrund der darin enthaltenen zusätzlichen Nebenbedingungen zur Berücksichtigung der aktuellen Planungssituation und zur Erfassung der Plannervosität weist diese Modellvariante eine erhöhte Problemkomplexität auf. Die Unter-
162
6 Praktische Erprobung
suchung wurde für das Szenario mit der höchsten Planungskomplexität durchgeführt, in dem sowohl eine hohe Grund- als auch eine hohe Störlast vorliegen. Weiterhin wurden alle Zielfunktionskomponenten bei der Umplanung mit den in Tab. 21 aufgeführten Gewichtungen berücksichtigt. Die Rechenzeitvorgaben wurden beginnend mit dem Wert von 60 Sekunden um jeweils 60 Sekunden bis auf den Wert von 360 Sekunden erhöht. Durch den Vergleich der Stabilitäts- und Effektivitätskennzahlen der resultierenden Pläne kann ermittelt werden, welcher Einfluss durch die Erhöhung der Rechenzeit auf das Lösungsverhalten des Dekompositionsansatzes besteht. Bei der Durchführung der Studie konnte für alle Umplanungsläufe bei allen Rechenzeitvorgaben eine zulässige Lösung ermittelt werden. Somit kann auch für die ReschedulerVariante des Dekompositionsansatzes von einer hohen Stabilität bei der Lösungsfindung ausgegangen werden. Die im folgenden dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Lösungen, die nach Umplanungsläufen in Folge einer periodischen Plananpassung ermittelt wurden, da bei diesen Umplanungsläufen die Ergebnisse relativ unabhängig von zufälligen Effekten sind und somit eine bessere Vergleichbarkeit sicherstellen.
Verschlechterung/Verbesserung [%]
Veränderung der Effizienzkennzahlen 20% 18% 16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% 120
180
240
300
360
Rechenzeitvorgabe [Sec] Zielfunktionswert
Durchlaufzeit
Verspätung
Abb. 52: Relative Veränderung der Effektivitätskennzahlen (Vergleichsmaßstab ist Lösung mit einer Rechenzeitschranke von 60 Sekunden)
In Abb. 52 und Abb. 53 ist die relative Veränderung des Zielfunktionswertes und einzelner Zielfunktionskomponenten bei steigender Rechenzeitschranke dargestellt. Die Änderungen wurden im Vergleich zu der Lösung angegeben, die bei einer Rechenzeitschranke von 60 Sekunden ermittelt wurde. Generell ist festzustellen, dass mit steigender Rechenzeit eine
6 Praktische Erprobung
163
Verbesserung der Zielfunktionswerte zu verzeichnen ist, wobei alle Änderungen im Bereich von weniger oder gleich 8% zu den Vergleichswerten liegen. Die deutlichsten Änderungen sind für die Verspätungswerte festzustellen, da sie bei einem Rechenzeit von 360 Sekunden um bis zu 20% reduziert werden konnten. Eine ähnliche Aussage wie für die Effektivitätsmaße kann auch für die Stabilitätsmaße getroffen werden. Die Verbesserungen fielen hier jedoch mit maximal 4% etwas geringer aus. Veränderung der Stabilitätskennzahlen
Verschlechterung/Verbesserung [%]
10% 8% 6% 4% 2% 0%
-2% 120
180
240
300
360
Rechenzeitvorgabe [Sec] Zielfunktionswert
Startzeitabweichung
Auftragsreihenfolge
Anlagenzuweisung
Abb. 53: Relative Veränderung der Stabilitätskennzahlen (Vergleichsmaßstab ist Lösung mit einer Rechenzeitschranke von 60 Sekunden)
Da sowohl bei den Stabilitäts-, als auch den Effektivitätsmaßen ab einem Vorgabewert von 240 Sekunden bei einer weiteren Erhöhung der Rechenzeitschranke lediglich eine Verbesserung des Zielfunktionswertes von 2% zu beobachten ist, wurde die Rechenzeitschranke für alle nachfolgenden Versuche auf diesen Wert festgelegt.
6.4.5 Erfassung Plannervosität Im Abschnitt 3.5.4 wurde eine Reihe von Stabilitätskennzahlen eingeführt, mit deren Hilfe der Umfang von Umplanungsaktivitäten bei der Plananpassung bestimmt werden kann. Bei der Entwicklung des in Abschnitt 5.2 vorgeschlagenen reaktiven Schedulingverfahrens wurden, basierend auf diesen Kennzahlen, zusätzliche Nebenbedingungen und Zielfunktionskomponenten eingeführt. Diese dienen dazu sicherzustellen, dass nach Möglichkeit nur die Umplanungsaktivitäten realisiert werden, die notwendig sind, um die Zulässigkeit
164
6 Praktische Erprobung
des gestörten Plans wieder herzustellen. In der folgenden Versuchsreihe wird die Wirksamkeit dieser Stabilitätsmaße bei der Plananpassung untersucht. Weiterhin soll analysiert werden, welche möglichen Wechselwirkungen bei deren Berücksichtigung mit den Effektivitätskriterien des Anlagenbelegungsplans bestehen. In der Tab. 22 sind insgesamt acht Parametrisierungsvarianten mit den entsprechenden Zielfunktionsgewichten zusammengefasst. Die Variante X, bei der in der Zielfunktion keine Stabilitätskriterien in die Zielfunktion aufgenommen wurden, gilt als Vergleichsmaßstab. In den Varianten S und U wurden jeweils einzelne Strafmaße für die Reihenfolgeänderungen von Aufträgen und die Veränderung der Anlagenzuweisung eingeführt. Die Nervositätsmaße zur Minimierung der Startzeitentsprechung und Startzeitabweichung werden aufgrund ihres gleichartigen Wirkungszusammenhangs nicht separat untersucht und zu der Variante AE zusammengefasst. In den Varianten AES, AEU und US werden mehrere Stabilitätskriterien miteinander kombiniert, so dass deren Zusammenwirken untersucht werden kann. Die gleichzeitige Berücksichtigung aller Stabilitätskriterien ist für die Parametrisierungsvariante AEUS vorgesehen. Die Untersuchung wurde für alle vier Szenarien vorgenommen. Versuchs- ID
Abkürzung
7 4 8 9 10 11 12 13
X AEUS AES AEU US AE U S
GMS 1 1 1 1 1 1 1 1
Zielfunktionsgewichte GV GA GE GU 10 0 0 0 10 5 50 50 10 5 50 0 10 5 50 50 10 0 0 50 10 5 50 0 10 0 0 50 10 0 0 0
GS 0 50 50 0 50 0 0 50
Rechenzeitschranke [Sec] 240 240 240 240 240 240 240 240
Tab. 22: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Erfassung der Plannervosität
Um zunächst einen generellen Eindruck der Wirksamkeit der Nervositätsmaße zu erlangen, werden bei der Ergebnisanalyse zunächst die Resultate der ersten beiden Parametrisierungsvarianten (X und AEUS) miteinander verglichen. Zur Darstellung der Planungsergebnisse werden die Absolutwerte der Effektivitäts- und auch der Stabilitätskennzahlen verwendet. Im weiteren Verlauf dieses Abschnittes werden die Ergebnisse der Parametrisierungsvarianten detailliert analysiert, in denen einzelne und kombinierte Nervositätskennzahlen in der Zielfunktion berücksichtigt wurden. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituationen unterscheiden sich die Ergebnisse der periodischen Umplanungsläufe
6 Praktische Erprobung
165
deutlich von denen der ereignisbasierten Plananpassung.182 Aus diesem Grund werden die Ergebnisse der periodischen und ereignisbasierten Umplanungsläufe separat ausgewiesen. Ähnlich wie in Abschnitt 6.4.3 ist festzustellen, dass die Gesamtdurchlaufzeit mit steigender Grund- und Störlast und der damit steigenden Anzahl von zu berücksichtigenden Prozessaufträgen zunimmt. Bei der Parametrisierungsvariante, bei der alle Nervositätsmaße berücksichtigt werden (AEUS), ist im Vergleich zur Variante ohne Berücksichtigung der Plannervosität (X) ein genereller Anstieg der Gesamtdurchlaufzeit festzustellen. Dieser Effekt zeigt bei allen Szenarien und ist unabhängig davon, ob eine Plananpassung periodisch oder ereignisbasiert ausgelöst wurde. Aufgrund der geringeren Anzahl an umzuplanenden Aufträgen bei der ereignisgesteuerten Plananpassung tritt hierbei auch eine geringere Gesamtdurchlaufzeit auf. Die Verschlechterung der Gesamtdurchlaufzeit durch die Einführung der Nervositätskennzahlen liegt für alle Szenarien in einem Bereich von 6 bis 10%. Lediglich bei der ereignisbasierten Umplanung in Szenario C wurde ein durchschnittlich um 16% erhöhter Wert beobachtet. Vergleich D urchlaufzeiten (M S) 250,00
Durchlaufzeit [ZE]
200,00 150,00 100,00 50,00 0,00 A
B
C
D
Szenario X (per)
AEU S (per)
X (ereign)
AEU S (ereign)
Abb. 54: Vergleich der Gesamtdurchlaufzeiten
Ein ähnliches Bild wie bei dem Vergleich der Gesamtdurchlaufzeiten ist bei der durchschnittlichen Verspätung festzustellen. Hier wirkt die Einführung der Nervositätsmaße allerdings deutlich stärker auf die Verspätung der Aufträge. Dieser Effekt ist bei den Szena-
182
Vgl. Abschnitt 6.4.3.
166
6 Praktische Erprobung
rien mit hoher Grundlast stärker zu beobachten, da sich hier die durchschnittlichen Verspätungswerte annähernd verdoppeln. Wird eine periodische Plananpassung durchgeführt, steigen die Verspätungswerte um mindestens 26% (Szenario C) und maximal 155% (Szenario B). Im Falle einer ereignisbasierten Plananpassung fallen diese Erhöhungen für jedes Szenario in ähnlichem Umfang aus. Die prozentualen Zuwächse liegen hierbei zwischen 38% (Szenario C) und 98% (Szenario B). Hinsichtlich der absoluten Höhe der durchschnittlichen Verspätung ist festzustellen, dass ein maximaler Wert von 10,4 Zeiteinheiten für das Szenario A, bei einer gleichzeitigen Gesamtdurchlaufzeit von 237 Zeiteinheiten als nicht übermäßig hoch angesehen werden kann. Der Verspätungsanstieg ist damit zu begründen, dass in diesem Szenario die Engpassanlagen zu annähernd 100% ausgelastet sind.183
durchschnittliche Verspätung [ZE]
Vergleich durchschnittliche Verspätung (V) 12,00 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 0,00 A
B
C
D
Szenario X (per)
AEUS (per)
X (ereign)
AEUS (ereign)
Abb. 55: Vergleich der durchschnittlichen Verspätung
Ein erster Eindruck bezüglich der Wirkung der Nervositätsmaße auf den Umfang der Planänderungen kann aus dem Vergleich der durchschnittlichen Abweichung der geplanten Startzeiten der Aufträge gewonnen werden. Hierbei ist festzustellen, dass durch die Einführung der Nervositätsmaße bei der Umplanung eine deutliche Reduzierung der Abweichung
183
Vgl. Tab. 20.
6 Praktische Erprobung
167
vorliegt. Dieser Effekt ist für alle Szenarien zu beobachten. Besonders stark tritt er bei der ereignisbasierten Umplanung auf. lokal
durchschnittliche Abweichung [ZE]
Vergleich Startzeitabweichung (A
)
60,00 50,00 40,00 30,00 20,00 10,00 0,00 A
B
C
D
Szenario X (per)
AEUS (per)
X (ereign)
AEUS (ereign)
Abb. 56: Vergleich der durchschnittlichen Abweichung der Startzeitpunkte
Vergleich Anteil von Auftragspaaren mit gleicher Reihenfolge (S
lokal
)
1,00 0,90 0,80 Anteilswert
0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 A
B
C
D
Szenario X (per)
AEUS (per)
X (ereign)
AEUS (ereign)
Abb. 57: Anteil der ungleichen Auftragspaare auf einer Anlage, die im neuen Plan in der gleichen Reihenfolge eingeplant wurden
168
6 Praktische Erprobung
Die durchschnittliche Abweichung konnte hier um mindestens 55% (Szenario A) und bis zu 72% (Szenario B) reduziert werden. Deutlich geringer ist die Abnahme der Abweichung für die periodisch ausgelösten Umplanungsläufe. Hier wurde durch die Einführung der Nervositätsmaße die Abweichung um mindestens 13% (Szenario A) und maximal 27% (Szenario C) reduziert. Als Ursache für diesen Zusammenhang kann die unterschiedliche Struktur der Auftragsbestände bei der ereignisbasierten und periodischen Umplanung angesehen werden, die bereits im Abschnitt 6.4.3 angesprochen wurde. Da bei der periodischen Umplanung der Anteil der neu in den Plan einzubeziehenden Aufträge deutlich höher ist, wird die Einhaltung der Startzeiten der bestehenden Prozessaufträge erschwert. Als besonders wirksam erweist sich die Einführung der Nervositätsmaße für eine Verbesserung der Reihenfolgeerhaltung von unterschiedlichen Aufträgen auf einer Anlage. Der Anteil der Auftragspaare, die in gleicher Reihenfolge wie im bestehenden Plan eingeplant wurden, konnte auf einen Wert von mindestens 89% (Szenario B) und maximal 99% (Szenario D) angehoben werden. Dieser Anstieg ist für alle Szenarien zu beobachten und zudem unabhängig von der Art des planungsauslösenden Ereignisses. Der Anteil der Auftragspaare mit gleicher Reihenfolge wie im Ausgangsplan liegt für alle Szenarien auf einem durchweg sehr hohen Niveau, wobei die Szenarien mit geringer Grundlast einen leicht höheren Anteilswert aufweisen. Für die ereignisbasierte Umplanung liegt dieser Wert ebenfalls leicht über dem der periodischen Umplanung. Aus der Analyse der Anteilswerte zur Einhaltung der Anlagenzuordnung aus Abb. 58 kann lediglich für eine ereignisbasierte Umplanung ein positiver Einfluss durch die Einführung der Nervositätsmaße abgeleitet werden. Das Verbesserungspotenzial lag hierbei für die Szenarien A und B bei 18% und 17% und für die Szenarien C und D jeweils bei einem Wert von 25%. Im Falle einer periodischen Planauslösung sind bei den Szenarien mit geringer Grundlast lediglich Verbesserungen um rund 5% zu beobachten, wohingegen bei den Szenarien A und B sogar eine leichte Verschlechterung festzustellen ist. Ein ähnliches Ergebnis wie bei der Analyse der Anlagenzuweisung ergibt sich für die Einhaltung der Startzeitpunkte der aus dem bestehenden Plan übernommenen Produktionsaufträge. Auch hier konnte lediglich für die ereignisgesteuerte Umplanung eine signifikanter Einfluss durch die Einführung der Nervositätsmaße festgestellt werden. Dieser Effekt fällt hier jedoch wesentlich stärker aus, da beispielsweise für die Szenarien A und B der Anteil der Aufträge mit gleichem Startzeitpunkt sich nahezu verdreifacht hat. Wird die Plananpassung jedoch periodisch angestoßen ergeben sich nur für die Szenarien A und B leichte Verbesserungen. Liegt hingegen eine geringe Grundlast vor, tritt eher eine Verschlechterung der Startzeitübereinstimmung auf. Das dieser Effekt besonders bei Szenario D auftritt, ist auch hier durch den geringen Anteil der übernommenen Aufträge zu erklären.
6 Praktische Erprobung
169
Vergleich Anlagenzuordnung (U
lokal
)
1,00 0,90 0,80 Anteilswert
0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 A
B
C
D
Szenario X (per)
AEUS (per)
X (ereign)
AEUS (ereign)
Abb. 58: Anteil der Aufträge mit gleicher Analgenzuordnung
lokal
Vergleich Startzeitpunktentsprechung (E
)
1,00 0,90 Anteilswert (E)
0,80 0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 A
B
C
D
Szenario X (per)
AEUS (per)
X (ereign)
AEUS (ereign)
Abb. 59: Anteil der Aufträge, die im aktualisierten Plan zum gleichen Zeitpunkt starten
Das Verhältnis von alten zu neuen Aufträgen für das Szenario D liegt unter 20%, wodurch die Einhaltung der bestehenden Startzeitpunkte für die übernommenen Aufträge erschwert wird. Der Anteilswert der Aufträge mit gleichem Startzeitpunkt liegt, verglichen mit den
170
6 Praktische Erprobung
anderen Nervositätsmaßen, auf einem eher geringen Niveau. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in der vorliegenden Parametrisierungsvariante des Verfahrens ein Auftrag zu exakt dem gleichen Zeitpunkt wie in der bisherigen Belegung eingeplant werden muss, um eine Übereinstimmung festzustellen.184 lokal
Vergleich Startzeitpunktentsprechung gleichartiger Aufträge (GK
)
1,00 0,90 0,80 Anteilswert
0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 A
B
C
D
Szenario X (per)
AEUS (per)
X (ereign)
AEUS (ereign)
Abb. 60: Anteil der Aufträge, für die im aktualisierten Plan zum gleichen Zeitpunkt auf der gleichen Anlage ein gleichartiger Auftrag eingeplant wurde
In der in Abb. 60 dargestellten Analyse werden nicht nur die Startzeitpunkte der einzelnen Aufträge vor und nach der Plananpassung verglichen. Durch dieses Stabilitätsmaß wird vielmehr geprüft, ob nach der Umplanung zum gleichen Zeitpunkt auf der gleichen Anlage ein gleichartiger Auftrag gestartet werden soll. In dem hier vorliegenden Fall werden die Aufträge als gleichartig angesehen, die den gleichen Prozess ausführen.185 Für die periodische Umplanung ist zu erkennen, dass für rund ein Drittel der Aufträge eine solche Übereinstimmung festgestellt wurde. Dieser Wert wird auch durch die Einführung der Nervositätsmaße nicht signifikant erhöht. Im Falle einer ereignisbasierten Planauslösung wurde auch ohne die Berücksichtigung der Nervositätsmaße eine wesentlich höhere Übereinstimmung festgestellt. Für die Szenarien mit einer hohen Grundlast liegt der Wert hier
Die Einführung eines Toleranzbereiches für die Startzeitübereinstimmung wurde in Formel (3.2) aufgezeigt. Vgl. Abschnitt 3.5.4.1.
184 185
6 Praktische Erprobung
171
bei rund 44%. Durch die Einführung der Nervositätsmaße kann die Übereinstimmung auf bis zu 68% gesteigert werden. Liegt dagegen eine geringe Grundlast vor, wird durch die Berücksichtigung der Nervositätsmaße dieser Wert von rund 60% auf über 90% angehoben. Die vorangegangenen Analysen beziehen sich auf Versuchsreihen, bei denen alle Nervositätskennzahlen gleichzeitig berücksichtigt wurden oder keine Berücksichtigung der Plannervosität vorgesehen war. Um die Wirksamkeit einzelner und kombinierter Nervositätskennzahlen analysieren zu können, wurden, wie in Tab. 22 aufgeführt, eine Reihe entsprechender Planungsläufe durchgeführt. Als Vergleichsmaßstab für deren Ergebnisse dienen die bereits analysierten Resultate der Planungsläufe ohne Berücksichtigung der Plannervosität in der Zielfunktion (X). In den folgenden Diagrammen dieses Abschnittes werden zur besseren Übersicht nicht mehr die tatsächlich realisierten Werte der Effektivitäts- und Nervositätsmaße aufgeführt, sondern deren prozentuale Verbesserung und Verschlechterung im Vergleich zur Parametrisierungsvariante (X). Bei der Bestimmung dieser Werte ist ebenfalls berücksichtigt worden, ob es sich um ein zu minimierendes bzw. maximierendes Bewertungskriterium handelt. So wird beispielsweise sowohl die Abnahme der Gesamtdurchlaufzeit als auch die Erhöhung des Anteils von Aufträgen mit gleicher Anlagenzuordnung als Verbesserung interpretiert. Um auch einen Vergleich zur Parametrisierungsvariante, in der alle Nervositätsmaße aufgeführt sind, zu ermöglichen, wurden deren Ergebnisse ebenfalls in die Diagramme aufgenommen. Ähnlich wie bei der gleichzeitigen Berücksichtigung aller Nervositätsmaße haben die übrigen Parametrisierungsvarianten einen eher negativen Einfluss auf die Gesamtdurchlaufzeit. Lediglich bei der isolierten Berücksichtigung der Anlagenbelegung (U) und Auftragsreihenfolge (S) tritt dieser Effekt vermindert auf. Auch bei der Kombination dieser beiden Maße (US) ist, bis auf Szenario B, ein nur unwesentlicher Anstieg der Gesamtdurchlaufzeit festzustellen. Auch für die durchschnittliche Verspätung kann für die meisten Parametrisierungsvarianten eine deutliche Verschlechterung nachgewiesen werden. Im Falle einer hohen Grundlast ist diese Verschlechterung als besonders deutlich zu kennzeichnen. Die hier dargestellte prozentuale Verschlechterung relativiert sich jedoch bei der Beachtung der in Abb. 55 dargestellten Absolutwerte. Aufgrund der im Vergleich zur Gesamtdurchlaufzeit geringen Verspätungswerte können auch die Werte, insbesondere für die Szenarien C und D, als akzeptabel erachtet werden. Eine Ausnahme stellen auch hier lediglich die Varianten dar, die eine isolierte oder kombinierte Berücksichtigung der Anlagenbelegung und Auftragsreihenfolge beinhalten (U, S, US), da für diese Parametrisierungsvarianten die Verschlechterung wesentlich geringer ausfällt.
172
6 Praktische Erprobung
Veränderung Gesamtdurchlaufzeit (MS) (ereignisbasierte Umplanung)
Verschlechterung/Verbesserung
5% 0% -5% -10% -15% -20% A
B
C
D
Szenario
Verschlechterung/Verbesserung
(periodische Umplanung) 5% 0% -5% -10% -15% -20% A
B
C
D
Szenario AES
AEU
US
AE
U
S
AEUS
Abb. 61: Veränderung der Gesamtdurchlaufzeit (Vergleichsmaßstab ist die Verfahrensvariante X)
Eine generelle Reduktion der Startzeitabweichung ist lediglich für die Parametrisierungsvarianten nachweisbar, in denen dieses Stabilitätsmaß (AE) in der Zielfunktion berücksichtigt wurde. Über alle Szenarien hinweg konnte bei der ereignisbasierten Umplanung eine Verbesserung um 50% bis 75% festgestellt werden, wobei dieser Effekt deutlich stärker mit abnehmender Grund- und Störlast auftritt. Wird eine periodische Umplanung ausgeführt,
6 Praktische Erprobung
173
vermindert sich die Wirkung der Nervositätsmaße deutlich. Für die übrigen Varianten tritt eine Reduktion der Startzeitabweichungen nur für eine ereignisgesteuerte Umplanung auf, falls eine Minimierung der Reihenfolgeabweichung (S und US) vorgesehen ist. Veränderung Verspätung (V) (ereignisbasierte Umplanung) Verschlechterung/Verbesserung
50% 0% -50% -100% -150% -200% -250% A
B
C
D
Szenario
Verschlechterung/Verbesserung
(periodische Umplanung) 50% 0% -50% -100% -150% -200% -250% A
B
C
D
Szenario
AES
AEU
US
AE
U
S
AEUS
Abb. 62: Veränderung der durchschnittlichen Verspätung (Vergleichsmaßstab ist die Verfahrensvariante X)
Eine durchgängige Verbesserung der Reihenfolgeabweichungen ist für nahezu alle Varianten festzustellen. Einzig bei einer alleinigen Berücksichtigung der Anlagenbelegung (U) tritt keine verbessernde Wirkung auf. Ein interessanter Zusammenhang besteht darin, dass auch
174
6 Praktische Erprobung
für Parametrisierungsvarianten, in denen keine direkte Berücksichtigung der Reihenfolgeabweichung (AEU und AE) vorgesehen ist, dieser Effekt auftritt. Bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Ergebnisse aus Abb. 63 kann auf eine positive Wechselwirkung der Nervositätskennzahlen zur Reduktion der Startzeit- und Reihenfolgeabweichung ausgegangen werden. Veränderung Startzeitabweichung (Alokal) (ereignisbasierte Umplanung)
Verschlechterung/Verbesserung
80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% -10% -20% A
B
C
D
C
D
Szenario (periodische Umplanung)
Verschlechterung/Verbesserung
80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% -10% -20% A
B Szenario AES
AEU
US
AE
U
S
AEUS
Abb. 63: Veränderung der Startzeitabweichung (Vergleichsmaßstab ist die Verfahrensvariante X)
6 Praktische Erprobung
175
Veränderung Auftragsreihenfolge (Slokal) (ereignisbasierte Umplanung) Verschlechterung/Verbesserung
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% -10% A
B
C
D
C
D
Szenario
Verschlechterung/Verbesserung
(periodische Umplanung) 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% -10% A
B Szenario
AES
AEU
US
AE
U
S
AEUS
Abb. 64: Veränderung der Reihenfolge von nicht gleichartigen Auftragspaaren (Vergleichsmaßstab ist die Verfahrensvariante X)
Die geringe Verbesserung der Reihenfolgeabweichung im Falle einer periodischen Umplanung kann insbesondere für das Szenario D dadurch erklärt werden, dass hier die Anzahl der aus dem bestehenden Plan übernommenen Aufträge sehr gering ist. Somit existieren bei diesen Umplanungsläufen auch eine sehr geringe Anzahl von nicht gleichartigen Auftragspaaren.
176
6 Praktische Erprobung
Veränderung Anlagenzuordnung (Ulokal) (ereignisbasierte Umplanung) Verschlechterung/Verbesserung
40% 30% 20% 10% 0% -10% A
B
C
D
Szenario
Verschlechterung/Verbesserung
(periodische Umplanung) 40% 30% 20% 10% 0% -10% A
B
C
D
Szenario
AES
AEU
US
AE
U
S
AEUS
Abb. 65: Veränderung der Anlagenzuordnung (Vergleichsmaßstab ist die Verfahrensvariante X)
Die Einhaltung der Anlagenzuordnung wird bei einer periodischen Umplanung in besonderem Maße durch die Parametrisierungsvarianten verbessert, in denen diese Nervositätskennzahl auch in der Zielfunktion berücksichtigt wurde. Dieser Effekt ist in abgeschwächter Form auch für die Varianten AES und AE zu beobachten, falls eine ereignisbasierte Umplanung erfolgt. Wird hingegen lediglich die Reihenfolge als alleiniges Nervositätsmaß verwendet, besteht diese verbessernde Wirkung nicht. Wenn hingegen eine periodische
6 Praktische Erprobung
177
Umplanung erfolgt, erweisen sich lediglich die Varianten U und US zur Einhaltung der Anlagenzuordnung als effektiv.
190%
140%
90%
40%
-10% A
B
C
D
Szenario
(periodische Umplanung)
Verschlechterung/Verbesserung
Verschlechterung/Verbesserung
Veränderung Startzeitentsprechung (Elokal) (ereignisbasierte Umplanung)
30% 20% 10% 0% -10% -20% -30% A
B
C
D
Szenario AES
AEU
US
AE
U
S
AEUS
Abb. 66: Veränderung der Startzeitentsprechung (Vergleichsmaßstab ist die Verfahrensvariante X)
178
6 Praktische Erprobung
Verschlechterung/Verbesserung
Veränderung Startzeitentsprechung gleichartiger Aufträge (GKlokal) (ereignisbasierte Umplanung) 70%
50%
30%
10%
-10% A
B
C
D
Szenario
Verschlechterung/Verbesserung
(periodische Umplanung)
10% 5% 0% -5% -10% A
B
C
D
Szenario
AES
AEU
US
AE
U
S
AEUS
Abb. 67: Veränderung der zeitlichen Entsprechungen durch gleichartige Aufträge (Vergleichsmaßstab ist die Verfahrensvariante X)
Die Wirkung der Nervositätsmaße auf den Anteil von Aufträgen mit gleicher Startzeit wie im Ausgangsplan ist in besonderem Maße abhängig davon, ob eine periodische oder ereignisgesteuerte Umplanung erfolgt. Ein eindeutig positiver Einfluss auf dieses Stabilitätsmaß ist nur dann nachweisbar, wenn die Startzeitabweichung und Startzeitübereinstimmung in der Zielfunktion berücksichtigt werden. Für die periodische Umplanung der Szenarien C
6 Praktische Erprobung
179
und D ist ein negativer Zusammenhang festzustellen, der auch hier auf den geringen Anteil an übernommenen Aufträgen im gesamten Auftragsbestand zurückzuführen ist. Abschließend soll der Einfluss der Nervositätsmaße auf den Anteil von Aufträgen analysiert werden, für die im neuen Plan zum gleichen Zeitpunkt auf der gleichen Anlage ein Auftrag eingeplant ist, der den gleichen Prozess ausführt. Hier ist lediglich bei einer ereignisbasierten Umplanung eine positive Wirkung belegt. Einzig bei einer isolierten Berücksichtigung der Anlagenzuordnung (U) und Auftragsreihenfolge (S) tritt dieser Effekt nicht auf. Bei einer periodischen Plananpassung kann kein Zusammenhang nachgewiesen werden, da die Nervositätsmaße eher zufällig zu einer geringen Verschlechterung bzw. Verbesserung beitragen. Zusammenfassend können für diese Untersuchungsreihe die folgenden Ergebnisse festgehalten werden: x
Durch die Einführung der Nervositätsmaße kann eine generelle Verbesserung der Planstabilität erzielt werden. Dieser Effekt tritt bei ereignisbasierten Umplanungsläufen wesentlich stärker auf als bei periodischen Plananpassungen.
x
Für die Parametrisierungsvarianten, in denen eine isolierte oder kombinierte Minimierung der Reihenfolgeabweichung und Veränderung der Anlagenzuordnung (S, U, US) berücksichtigt wird, treten keine signifikanten Effektivitätseinbußen auf.
x
Durch die Einführung der Nervositätskennzahlen ist eine Verschlechterung der Effektivitätsmaße festzustellen, falls die Abweichung der Startzeitpunkte minimiert wird.
x
Die Kombination von Nervositätsmaßen bewirkt in den meisten Fällen auch eine kombinierte Verbesserung der korrespondierenden Nervositätsmaße.
x
Für die Startzeitabweichung und Reihenfolgeerhaltung konnte eine positive Wechselwirkung nachgewiesen werden.
6.4.6 Partielle Umplanungsmethode In der folgenden Versuchsreihe soll die Wirksamkeit einer weiteren Maßnahme zur Reduktion der Plannervosität untersucht werden. Dabei handelt es sich um eine partielle Umplanungsmethodik, die vorsieht, dass alle Aufträge die ausgehend vom Umplanungszeitpunkt innerhalb eines vorgegebenen Fixierungshorizontes im bisherigen Plan beginnen sollten, hinsichtlich ihrer Startzeitpunkte und Anlagenzuordnung fixiert werden. Somit werden sie im neuen Plan auf genau die gleiche Weise eingeplant wie im bisherigen. Innerhalb dieses Fixierungshorizontes können jedoch neue Aufträge in freie Abschnitte des Plans eingefügt werden. Bei der Auswahl der zu fixierenden Aufträge ist sicherzustellen, dass die Lösbarkeit
180
6 Praktische Erprobung
des Planungsproblems dennoch garantiert bleibt. Die detaillierte Beschreibung des Verfahrens zur Bestimmung der Menge der fixierten Aufträge ist in Abschnitt 4.2.5.4 wiedergegeben. Die auf der Scheduling-Ebene der BPS-Dekomposition zur Auftragsfixierung zusätzlich notwendigen Nebenbedingungen sind in Abschnitt 5.2.3.2 aufgeführt. Um die Wirksamkeit des Fixierungshorizontes zu untersuchen, wurden zwei Versuchsreihen aufgelegt. In der ersten wird der Einfluss des Fixierungshorizontes ohne die Berücksichtigung zusätzlicher Nervositätsmaße untersucht. Die Ergebnisse dieser Planungsläufe werden mit der Parametrisierungsvariante AEUS186 verglichen, bei der alle Nervositätskennzahlen in der Zielfunktion berücksichtigt werden. Als Ergebnis dieses Vergleiches sollen Aussagen abgeleitet werden, in welchen Fällen die partielle Umplanungsmethodik der Einführung der Nervositätsmaße vorzuziehen ist. Bei der zweiten Versuchsreihe werden Planungsläufe durchgeführt, bei denen eine gleichzeitige Berücksichtigung der Nervositätsmaße und des Fixierungshorizontes stattfindet. Auf diese Weise soll analysiert werden, ob deren kombinierte Anwendung zu einer weiteren Verbesserung der Planstabilität beiträgt. 6.4.6.1 Vergleich Fixierungshorizont und Nervositätsmaße
VersuchsAbkürzung ID 4 7 14 15 16
AEUS X0 X10 X20 X30
FixierungsHorizont [ZE] 0 0 10 20 30
Zielfunktionsgewichte GMS GV 1 1 1 1 1
10 10 10 10 10
GA
GE
GU
GS
5 0 0 0 0
50 0 0 0 0
50 0 0 0 0
50 0 0 0 0
Rechenzeitschranke [Sec] 240 240 240 240 240
Tab. 23: Parametrisierung der Versuchsreihe zum Vergleich Nervositätsmaße und Fixierungshorizont
Um die Wirksamkeit des Fixierungshorizontes auf die Stabilitäts- und Effektivitätskennzahlen der resultierenden Anlagenbelegungspläne zu analysieren, wird ausgehend von der Planung ohne Berücksichtigung der Nervositätsmaße (X0) ein Fixierungshorizont eingeführt und in den weiteren Versuchen stufenweise um den Wert von 10 Zeiteinheiten erweitert. Die maximale Länge des Fixierungshorizontes beträgt 30 Zeiteinheiten, was einer realen Dauer von zehn Stunden entspricht.
186
Vgl. Tab. 22.
6 Praktische Erprobung
181
Als Vergleichsmaßstab für diese Versuchsreihe dienen die Ergebnisse des Planungslaufes aus dem Abschnitt 6.4.5 in der alle Nervositätsmaße (AEUS) simultan berücksichtigt werden. Das dort verwendete kombinierte Nervositätsmaß hat für nahezu alle Stabilitätskennzahlen deutliche Verbesserungen erzielt. Um eine vereinfachte Interpretation der Ergebnisse zu ermöglichen, wurden in den folgenden Diagrammen nicht die absoluten Werte der Stabilitäts- und Effektivitätskennzahlen aufgeführt. Es werden vielmehr die prozentualen Verschlechterungen und Verbesserungen des jeweiligen Zielkriteriums dargestellt, wobei auch hier berücksichtigt wurde, ob es sich um ein zu minimierendes bzw. maximierendes Kriterium handelt.
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Gesamtdurchlaufzeit (MS) Szenarien A und B
Veränderung Gesamtdurchlaufzeit (MS) Szenarien C und D
20%
20%
15%
15%
10%
10%
5%
5%
0%
0% 0
10
20
30
0
10
Fixierungshorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
20
30
Fixierungshorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 68: Veränderung der Gesamtdurchlaufzeit mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
Bei der Auswertung der Gesamtdurchlaufzeiten ergibt sich, dass, unabhängig von der Art des Szenarios und der Art der Planauslösung, die Einführung des Fixierungshorizontes zu einer leichten Verbesserung beiträgt. Dieser positive Effekt ist darin begründet, dass durch die Fixierung von Aufträgen der Umfang der umplanbaren Objekte abnimmt und somit eine Einschränkung des Lösungsraumes erfolgt. Aufgrund der damit verbundenen Reduktion der Planungskomplexität kann innerhalb der vorgegebenen Rechenzeitschranke eine leicht verbesserte Lösung ermittelt werden. Da die freien Kapazitäten innerhalb des Fixierungshorizontes für neue Aufträge zur Verfügung stehen, treten keine Effekte auf, die sich erhöhend auf die Gesamtdurchlaufzeit auswirken.
182
6 Praktische Erprobung
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Verspätung (V) Szenarien A und B
Veränderung Verspätung (V) Szenarien C und D
80%
80%
60%
60%
40%
40%
20%
20%
0%
0% 0
10
20
30
-20%
0
10
30
-20%
-40%
-40% Fixierungshorizont
A (per)
20
A (ereign)
B (per)
Fixierungshorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 69: Veränderung der durchschnittlichen Verspätung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
Die Wirkung des Fixierungshorizontes auf die durchschnittliche Verspätung ist in Abb. 69 dargestellt. Es zeigt sich, dass für die Szenarien mit hoher Grundlast keine systematischen Effekte zu beoachten sind. Im Vergleich zu der Variante AEUS ist allerdings eine deutliche Verbesserung auszumachen. Liegt hingegen eine geringe Grundlast vor, hat ein erweiterter Fixierungshorizont einen deutlich negativen Einfluss auf die Verspätungswerte. Im Falle einer periodischen Umplanung und einem Fixierungshorizont von 30 Zeiteinheiten ergeben sich sogar schlechtere Werte als bei der Vergleichsvariante (AEUS), in der alle Nervositätsmaße in der Zielfunktion aufgenommen wurden. Der sprunghafte Verlauf für die ereignisbasierte Umplanung im Szenario D liegt darin begründet, dass der Absolutwert für die durchschnittliche Verspätung mit einem Wert von 0,5 Zeiteinheiten einen sehr geringen Wert aufweist. Aus diesem Grund bewirken Veränderungen, die in einem realen Planungsumfeld kaum wahrnehmbar sind, eine deutliche Änderung des relativen Wertes. Aus der Abb. 70 ist ein grundsätzlich stark positiver Einfluss der Auftragsfixierung auf die Startzeitabweichung erkennbar, der für alle Szenarien und Arten der Planauslösung zu beobachten ist. Das Ausmaß der Verbesserung ist höher für die Szenarien mit hoher Grundlast, wenn eine ereignisbasierte Umplanung erfolgt. Der Vergleich mit den Ergebnissen der Variante AEUS ergibt, dass die Einführung des Fixierungshorizontes lediglich bei einer periodischen Umplanung zu besseren Ergebnissen führt. Im Falle einer ereignisbasierten Plananpassung liefert die Variante AEUS die besseren Resultate.
6 Praktische Erprobung
183
lokal
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Startzeitabweichung (A Szenarien A und B
)
Veränderung Startzeitabweichung (A Szenarien C und D
100%
100%
50%
50%
0% 0
10
20
30
0 -50%
-100%
-100%
-150%
-150%
-200%
-200%
-250%
-250%
10
20
30
-300%
Fixierungshorizont A (per)
)
0%
-50%
-300%
lokal
A (ereign)
Fixierungshorizont
B (per)
B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 70: Veränderung der Startzeitabweichung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
lokal
Veränderung Reihenfolge (S Szenarien A und B
)
Veränderung Reihenfolge (S Szenarien C und D
10%
10%
5%
5%
Verbesserung/Verschlechterung
0% 0
10
20
30
0 -5%
-10%
-10%
-15%
-15%
-20%
-20%
-25%
-25%
-30%
-30%
-35%
-35%
10
20
30
-40%
Fixierungshorizont A (per)
)
0%
-5%
-40%
lokal
A (ereign)
B (per)
Fixierungshorizont
B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 71: Veränderung der Reihenfolgeabweichungen mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
184
6 Praktische Erprobung
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Anlagenzuordnung (U Szenarien A und B
lokal
)
Veränderung Anlagenzuordnung (U Szenarien C und D
30%
30%
20%
20%
10%
10%
0%
lokal
)
0% 0
10
20
30
0
-10%
-10%
-20%
-20%
-30%
10
20
30
-30% Fixierungshorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
Fixierungshorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 72: Veränderung der Anlagenzuordnung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
Der Einfluss des Fixierungshorizontes auf die Einhaltung der Reihenfolge nicht gleichartiger Auftragspaare ist in Abb. 71 dargestellt. Auch in diesem Fall ist ein positiver Einfluss mit steigendem Fixierungshorizont nachweisbar, wobei das Ausmaß der Verbesserung bei einer periodischen Umplanung hierbei etwas deutlicher ausfällt. Die Werte, die durch die Vergleichsvariante AEUS realisiert wurden, können allerdings nur für die Szenarien mit geringer Grundlast und bei maximaler Ausdehnung des Fixierungshorizontes leicht überschritten werden. Wie aus Abb. 72 ersichtlich ist, kann durch die Einführung des Fixierungshorizontes auch die Planstabilität hinsichtlich der Anlagenzuordnung verbessert werden. Auch hier zeigt sich, dass der Fixierungshorizont bei der periodischen Umplanung effektiver wirkt. Im Vergleich zur Verwendung der Nervositätsmaße in der Zielfunktion (AEUS), kann eine stabilere Anlagenzuordnung nur im Falle einer periodischen Umplanung beobachtet werden. Ein ähnliches Ergebnis wie für die vorangegangenen Versuchsreihen zeigt sich auch bei der Analyse der Startzeitpunktübereinstimmung. Bei der Berücksichtigung der in Abb. 73 aufgeführten realisierten Werte dieses Maßes ist zu erkennen, dass diese einen vergleichsweise geringen Wert aufweisen. Aus diesem Grund ist das Ausmaß der Verbesserung mit einem Umfang von bis zu 150% hier auch besonders hoch.
6 Praktische Erprobung
185
lokal
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Startzeitpunktentsprechung (E Szenarien A und B
)
Veränderung Startzeitpunktentsprechung (E Szenarien C und D
200%
200%
150%
150%
100%
100%
50%
50%
0%
lokal
)
0% 0
10
20
30
-50%
0
10
-100%
30
-100% Fixierungshorizont
A (per)
20
-50%
A (ereign)
B (per)
Fixierungshorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 73: Veränderung der Startzeitübereinstimmung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
Zusammenfassend lässt sich die Wirkung des Fixierungshorizontes wie folgt charakterisieren: x
Eine Ausweitung des Fixierungshorizontes trägt zu einer generellen Reduzierung der Gesamtdurchlaufzeit bei.
x
Auf die Verspätungswerte ist für die Szenarien mit hoher Grundlast kein eindeutiger Effekt nachweisbar. Falls eine geringe Grundlast vorliegt, tritt eine Verschlechterung der Verspätungswerte ein.
x
Die Planstabilität wird für alle Maße verbessert, wenn der Fixierungshorizont ausgeweitet wird.
x
Im Vergleich zur Variante AEUS ist, außer für die Einhaltung der Auftragsreihenfolge, eine erhöhte Wirkung im Falle einer periodischen Umplanung festzustellen.
x
Für eine ereignisbasierte Umplanung erweist sich für alle Stabilitätsmaße die Variante AEUS als effektiver.
186
6 Praktische Erprobung
6.4.6.2 Kombination Fixierungshorizont und Nervositätsmaße Wie in den vorangegangenen Abschnitten deutlich wurde, weisen die untersuchten Maßnahmen zur Reduktion der Plannervosität spezifische Stärken und Schwächen auf. So wirkt beispielsweise die Einführung des Fixierungshorizontes positiv auf die Gesamtdurchlaufzeit und hat einen neutralen bzw. lediglich leicht negativen Einfluss auf die durchschnittliche Verspätung. Weiterhin wird durch die partielle Umplanungsmethodik die Planstabilität insbesondere für die periodischen Plananpassungen deutlicher verbessert, als es bei der Berücksichtigung der Nervositätsmaße in der Zielfunktion der Fall war. Die stabilisierende Wirkung der Nervositätsmaße ist hingegen für ereignisbasierte Planungsläufe wirksamer. Aus diesen Gründen soll in der nachfolgenden Versuchsreihe untersucht werden, ob durch die kombinierte Anwendung dieser Stabilisierungsmaßnahmen eine weitere Verbesserung der Planstabilität erzielt werden kann, ohne die Effektivität der Pläne maßgeblich zu beeinträchtigen. VersuchsAbkürzung ID 4 17 18 19
AEUS AEUS10 AEUS20 AEUS30
FixierungsHorizont [ZE] 0 10 20 30
Zielfunktionsgewichte GMS GV 1 1 1 1
10 10 10 10
GA
GE
GU
GS
5 5 5 5
50 50 50 50
50 50 50 50
50 50 50 50
Rechenzeitschranke [Sec] 240 240 240 240
Tab. 24: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Kombination der Nervositätsmaße mit Fixierungshorizont
Diese Untersuchungsreihe umfasst die vier in Tab. 24 aufgeführten Parametrisierungsvarianten der BPS-Dekomposition. In allen Varianten ist eine gleichzeitige Berücksichtigung aller Nervositätsmaße vorgesehen. Zusätzlich dazu wird, ähnlich wie im Abschnitt 6.4.6.1, ein stufenweise ansteigender Fixierungshorizont eingeführt. Als Vergleichsmaßstab dient auch hier die Variante AEUS ohne Fixierungshorizont. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt wie für die vorangegangenen Abschnitte durch die prozentuale Verbesserung bzw. Verschlechterung der Effektivitäts- und Stabilitätskriterien. Auch für die kombinierten Varianten ist eine Verringerung der Gesamtdurchlaufzeit durch die Einführung des Fixierungshorizontes festzustellen. Bei der Analyse der im Anhang dargestellten absoluten Werte wird ersichtlich, dass in einigen Fällen sogar die Gesamtdurchlaufzeit der Versuche ohne Berücksichtigung der Plannervosität (X) unterboten werden konnte.
6 Praktische Erprobung
187
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Gesamtdurchlaufzeit (MS) Szenarien A und B
Veränderung Gesamtdurchlaufzeit (MS) Szenarien C und D
20%
20%
15%
15%
10%
10%
5%
5%
0%
0% 0
10
20
30
0
10
Fixierungshorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
20
30
Fixierungshorizont B (ereign)
C (per)
D (per)
C (ereign)
D (ereign)
Abb. 74: Veränderung der Gesamtdurchlaufzeit mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Verspätung (V) Szenarien A und B
Veränderung Verspätung (V) Szenarien C und D
50%
50%
40%
40%
30%
30%
20%
20%
10%
10%
0%
0% 0
10
20
30
0
-10%
-10%
-20%
-20%
-30%
-30%
-40%
-40%
-50%
10
20
30
-50% Fixierungshorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
Fixierungshorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 75: Veränderung der durchschnittlichen Verspätung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
188
6 Praktische Erprobung
In Abb. 75 ist der Vergleich der durchschnittlichen Verspätungswerte dargestellt. In den Szenarien mit hoher Grundlast sind im Vergleich zur Variante AEUS deutlich geringere Verspätungen zu beobachten, die mit steigendem Fixierungshorizont immer weiter abnehmen und nur geringfügig über denen der Variante X liegen.187 Ein etwas anderes Bild zeigt sich für die Varianten mit geringer Grundlast. Hier kann nur für die ereignisbasierte Plananpassung eine Reduzierung der Verspätungen registriert werden. Im Falle der ereignisbasierten Umplanungsläufe zeigt sich eine deutliche Verschlechterung. Betrachtet man auch hier die absoluten Verspätungswerte im Anhang zeigt sich jedoch, dass diese Effekte von recht geringer praktischer Bedeutung sind, da für die Szenarien C und D ein Maximalwert von lediglich 1,09 Zeiteinheiten (Szenario C, Variante AEUS30) auftritt. Wie aus den Diagrammen der Abb. 76 ersichtlich, kann durch die Kombination aus Nervositätskennzahlen und Fixierungshorizont in allen Planungssituationen eine deutliche Verbesserung der Startzeitabweichungen realisiert werden.
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Startzeitabweichung (Alokal) Szenarien A und B
Veränderung Startzeitabweichung (Alokal) Szenarien C und D
100%
100%
90%
90%
80%
80%
70%
70%
60%
60%
50%
50%
40%
40%
30%
30%
20%
20%
10%
10%
0%
0% 0
10
20
30
0
10
Fixierungshorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
20
30
Fixierungshorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 76: Veränderung der Startzeitabweichung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
187
Vgl. Anhang.
6 Praktische Erprobung
189
lokal
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Auftragsreihenfolge (S Szenarien A und B
lokal
)
Veränderung Auftragsreihenfolge (S Szenarien C und D
10%
10%
8%
8%
6%
6%
4%
4%
2%
2%
0%
)
0% 0
10
20
30
-2%
0
10
20
30
-2% Fixierungshorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
Fixierungshorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 77: Veränderung der Reihenfolgeabweichung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
Auch zur Vermeidung von Reihenfolgeänderungen der Aufträge und einer veränderten Anlagenzuordnung ist durch die zusätzliche Einführung des Fixierungshorizontes eine generelle Verbesserung ersichtlich. Für die Reihenfolgeänderungen fällt dieser Effekt deutlich geringer aus, da auch schon für die Variante AEUS in nahezu allen Planungssituationen der Anteil von Auftragspaaren mit unveränderter Reihenfolge über einem Wert von 0,9 lag. Somit besteht hier lediglich ein geringes Verbesserungspotenzial. Die Ergebnisse für die Einhaltung der Anlagenzuweisung zeigen, dass insbesondere im Falle einer periodischen Umplanung eine zum Teil deutliche Verbesserung erzielt werden kann. Das etwas verminderte Ausmaß der Verbesserungen in den Szenarien mit geringer Grundlast liegt in dem ohnehin schon sehr hohen Niveau der Vergleichswerte begründet, die nur einen geringen Verbesserungsspielraum bieten. Diese Vergleichswerte der Variante AEUS weisen für die Startzeitpunktübereinstimmung insbesondere für die periodischen Umplanungsläufe einen wesentlich geringeren Wert auf. Wird nun zusätzlich zu den Nervositätsmaßen ein Fixierungshorizont eingeführt, kann, wie aus Abb. 79 ersichtlich, eine deutliche Verbesserung der Übereinstimmung bewirkt werden.
190
6 Praktische Erprobung
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Anlagenzuordnung (U Szenarien A und B
lokal
)
Veränderung Anlagenzuordnung (Ulokal) Szenarien C und D
30%
30%
25%
25%
20%
20%
15%
15%
10%
10%
5%
5%
0%
0%
0
10
20
30
0
10
Fixierungshorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
20
30
Fixierungshorizont
B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 78: Veränderung der Anlagenzuordnung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
lokal
Verbesserung/Verschlechterung
Veränderung Startzeitpunktentsprechung (E Szenarien A und B
)
Veränderung Startzeitpunktentsprechung (Elokal) Szenarien C und D
200%
200%
180%
180%
160%
160%
140%
140%
120%
120%
100%
100%
80%
80%
60%
60%
40%
40%
20%
20%
0%
0%
0
10
20
30
0
10
Fixierungshorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
20
30
Fixierungshorizont
B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 79: Veränderung der Startzeitübereinstimmung mit steigendem Fixierungshorizont (Vergleichsmaßstab ist die Parametrisierungsvariante AEUS)
Für die kombinierte Verwendung der Nervositätsmaße mit einem Fixierungshorizont können die folgenden grundlegenden Ergebnisse zusammengefasst werden: x
Der negative Einfluss der Nervositätsmaße auf die Gesamtdurchlaufzeit kann durch die Einführung eines Fixierungshorizontes nahezu vollständig vermieden werden.
6 Praktische Erprobung x
191
Für die durchschnittliche Verspätung ist ebenfalls eine Verbesserung festzustellen. Lediglich für die periodischen Umplanungsläufe bei geringer Grundlast tritt eine Verschlechterung auf. Aufgrund der geringen Absolutwerte für die Verspätung in diesen Szenarien ist dieser Effekt allerdings von geringer praktischer Relevanz.
x
Im Vergleich zur Variante AEUS konnte für alle Planungssituationen eine zusätzliche Verbesserung aller Stabilitätsmaße herbeigeführt werden.
x
Besonders effektiv erweist sich die Wirkung auf die Startzeitpunktübereinstimmung.
Neben der Verwendung der Parametrisierungsvariante AEUS mit einem Fixierungshorizont können auch andere Kombinationen von Fixierungshorizont und Nervositätsmaßen zur Anwendung kommen. In den Versuchsreihen des Abschnittes 6.4.7 wurde die Kombination eines Fixierungshorizontes von 30 Zeiteinheiten mit der Variante US erprobt. Dabei wurden ähnliche Ergebnisse beobachtet wie in diesem Abschnitt.
6.4.7 Variation des Schedulinghorizontes Die grundlegende Zielsetzung dieser Versuchreihe besteht darin, die Auswirkungen auf die Effektivitäts- und Stabilitätskennzahlen zu untersuchen, die durch eine Veränderung des Schedulinghorizontes entstehen. Dieser Parameter beschreibt den Vorausschauhorizont, der jedem Umplanungslauf zu Grunde liegt und wurde im Abschnitt 4.2.1 ausführlich eingeführt. Eine unmittelbare Wirkung, die durch eine Verkürzung dieses Vorausschauhorizontes eintritt, besteht darin, dass weiter in der Zukunft liegende externe Bedarfe nicht in der Planung berücksichtigt werden. Somit werden bei jedem Umplanungslauf weniger Produktionsaufträge einbezogen. Durch diese verminderte Planungskomplexität ist eine generelle Verbesserung der gesamten Planungsergebnisse zu erwarten. Allerdings wird durch die Verkürzung des Schedulinghorizontes gleichzeitig die Möglichkeit einer Vorausproduktion eingeschränkt. Demzufolge muss auf Bedarfsschwankungen der periodischen Aufträge sehr kurzfristig reagiert werden. Für diese Untersuchung werden insgesamt vier Parametrisierungsvarianten verwendet, die sich durch den zu Grunde liegenden Schedulinghorizont unterscheiden. Da der Wert für die Schedulingperiode unverändert 72 Zeiteinheiten beträgt, wird durch die Variation des Schedulinghorizontes die zeitliche Überlappung der Teilpläne festgelegt. Aufgrund der guten Resultate, die durch die Einführung eines Fixierungshorizontes realisiert werden konnten, wird für alle Parametrisierungsvarianten ein Fixierungshorizont von 30 Zeiteinheiten definiert. Alternativ zu der im Abschnitt 6.4.6 untersuchten Kombination aus Stabilitätskennzahlen werden lediglich Reihenfolgeabweichungen und Änderungen der Anlagenzuordnung in der Zielfunktion berücksichtigt.
192
6 Praktische Erprobung
Versuchs-ID 20 21 22 23
Schedulinghorizont [ZE] 72 144 216 288
FixierungsHorizont [ZE] 30 30 30 30
Zielfunktionsgewichte GMS
GV
GA
GE
GU
GS
1 1 1 1
10 10 10 10
0 0 0 0
0 0 0 0
50 50 50 50
50 50 50 50
Rechenzeitschranke [Sec] 240 240 240 240
Tab. 25: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Variation des Schedulinghorizontes
Für diese Versuchsreihe werden zusätzlich zu den lokalen Stabilitätskennzahlen auch sogenannte globale Maße verwendet, die bereits im Abschnitt 3.5.4.2 eingeführt wurden. Der Grund dafür besteht darin, dass durch die Variation des Schedulinghorizontes die Überlappung der einzelnen Teilpläne unterschiedlich ausfällt. Da die lokalen Kennzahlen auf die Gesamtzahl umplanbarer Aufträge während einer Plananpassung bezogen werden, basiert deren Berechnung für die einzelnen Versuche auf einer unterschiedlichen Bewertungsgrundlage. Die globalen Stabilitätskennzahlen werden hingegen auf die Anzahl der Aufträge innerhalb des gesamten Simulationshorizontes188 bezogen, so dass deren Ergebnisse unabhängig von der Überlappung der Teilpläne sind. Die Darstellung der realisierten Ergebnisse erfolgt durch die Absolutwerte der Effektivitäts- und Stabilitätskriterien. Die Ergebnisse der Gesamtdurchlaufzeit sind in der Abb. 80 dargestellt. Für die Szenarien mit hoher Grundlast kann sowohl für die periodischen als auch die ereignisbasierten Umplanungsläufe eine Erhöhung der Gesamtdurchlaufzeit mit steigendem SchedulingHorizont beobachtet werden. Dies ist damit zu begründen, dass aufgrund des erweiterten Vorausschauhorizontes mehr externe Aufträge und daraus resultierend auch mehr Produktionsaufträge in den Umplanungsläufen berücksichtigt werden. Liegt hingegen nur eine geringe Grundlast vor, kann ein solcher Effekt nicht nachgewiesen werden. Ein Grund dafür besteht in der geringeren Bedarfshöhe der mit steigendem Scheduling-Horizont zusätzlich zu berücksichtigenden externen Aufträge. Um diese befriedigen zu können sind geringere Mengen an Produktionsaufträgen notwendig. Weiterhin können aufgrund der geringeren Auslastung der Anlagen zusätzliche Produktionsaufträge leichter vorproduziert werden. Da zudem die Gesamtzahl der Produktionsaufträge, die während eines periodischen Umplanungslaufes neu einzuplanen sind, unabhängig von der Ausdehnung des Scheduling-Horizontes ist, ergeben sich relativ einheitliche Werte für die Gesamtdurchlaufzeit.
188
Vgl. Abschnitt 4.2.1.
6 Praktische Erprobung
193
Gesamtdurchlaufzeit (MS) Szenarien C und D
Gesamtdurchlaufzeit (MS) Szenarien A und B 225
100
200
90 80
Gesamtdurchlaufzeit [ZE]
175
70
150
60
125 50
100
40
75
30
50
20
25
10
0
0
0
72
144
216
288
0
72
Schedulinghorizont A (per)
A (ereign)
144
216
288
Schedulinghorizont
B (per)
B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 80: Veränderung der Gesamtdurchlaufzeit mit steigendem Schedulinghorizont (Darstellung der absoluten Werte)
Durchschnittliche Verspätung (V) Szenarien A und B
Verspätung [ZE]
Durchschnittliche Verspätung (V) Szenarien A und B 40
8
35
7
30
6
25
5
20
4
15
3
10
2
5
1 0
0 0
72
144
216
288
0
72
A (per)
A (ereign)
B (per)
144
216
288
Schedulinghorizont
Schedulinghorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 81: Veränderung der durchschnittlichen Verspätung mit steigendem Schedulinghorizont (Darstellung der absoluten Werte)
Wie bereits eingangs in diesem Abschnitt beschrieben, bewirkt die Ausweitung des Schedulinghorizontes eine Erweiterung der Planvorausschau. Somit besteht die Möglichkeit, auf Bedarfsschwankungen durch eine Vorausproduktion frühzeitiger reagieren zu können. Aus diesem Grund kann mit steigendem Scheduling-Horizont ein Rückgang der Verspätungen realisiert werden. Besonders deutlich tritt dieser Effekt bei Szenarien mit hoher
194
6 Praktische Erprobung
Grundlast auf. Für die Szenarien C und D liegt die durchschnittliche Verspätung ohnehin auf einem sehr geringen Niveau. Ab einem Scheduling-Horizont von mehr als 144 beträgt dieser Wert rund 1 Zeiteinheit. Eine zusätzliche Ausdehnung der Planvorausschau somit bewirkt keine zusätzlichen Verbesserungen. Startzeitabweichung (A Szenarien A und B
lokal
Startzeitabweichung (A Szenarien C und D
)
lokal
)
2,2
30
2,0
Startzeitabweichung [ZE]
25
1,8 1,6
20
1,4 1,2
15
1,0 0,8
10
0,6 0,4
5
0,2 0,0
0 0
72
144
216
288
0
72
A (per)
A (ereign)
B (per)
144
216
288
Schedulinghorizont
Schedulinghorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 82: Veränderung der Startzeitabweichung mit steigendem Schedulinghorizont (Darstellung der absoluten Werte)
Ähnlich wie bei der Analyse der Gesamtdurchlaufzeit ist durch die Ausweitung des Scheduling-Horizontes auch für die Startzeitabweichungen ein eindeutiger Effekt lediglich für die Szenarien A und B festzustellen. Die in Abb. 82 dargestellten Ergebnisse veranschaulichen allerdings einen negativen Zusammenhang des Scheduling-Horizontes mit der Planstabilität. Für die Szenarien mit geringer Grundlast sind auch hier lediglich sehr geringe Abweichungswerte festzustellen, so dass ein eindeutiger Wirkungszusammenhang nicht nachgewiesen werden kann. Die Ergebnisse der Startzeitabweichung werden bestätigt durch die Analyse der Anteilswerte von Aufträgen, die sowohl im alten als auch neuen Plan den gleichen Startzeitpunkt aufweisen. Für Szenarien mit hoher Grundlast ist durch eine Ausdehnung des Schedulinghorizontes eine generelle Verschlechterung dieser Stabilitätskennzahl festzustellen. Liegt hingegen eine geringe Grundlast vor, liegt der Anteil der Aufträge mit Startzeitentsprechung unabhängig vom Schedulinghorizont auf einem Niveau.
6 Praktische Erprobung
195
Anteilswert
Startzeitentsprechung (E Szenarien A und B
lokal
Startzeitentsprechung (E Szenarien C und D
)
1,0
1,0
0,9
0,9
0,8
0,8
0,7
0,7
0,6
0,6
0,5
0,5
0,4
0,4
0,3
0,3
0,2
0,2
0,1
0,1
lokal
)
0,0
0,0 0
72
144
216
288
0
72
Schedulinghorizont A (per)
A (ereign)
B (per)
144
216
288
Schedulinghorizont B (ereign)
C (per)
C (ereign)
D (per)
D (ereign)
Abb. 83: Veränderung Startzeitentsprechung mit steigendem Schedulinghorizont
Auch für die Auftragsreihenfolge und Anlagenzuordnung konnte ein sehr hohes Maß an Übereinstimmungen beobachtet werden. Diese Ergebnisse konnten für alle Szenarien und planungsauslösenden Ereignisse beobachtet werden, so dass auf deren grafische Darstellung verzichtet wird. Im Anhang sind die realisierten Werte im Detail aufgeführt. Wie im Abschnitt 3.5.4 bereits erläutert, kann bei der rollierenden Planung aufgrund der Überlappung der Teilpläne ein Auftrag in mehreren Umplanungsläufen berücksichtigt werden. Durch die Variation des Scheduling-Horizontes wird, bei gleichbleibender SchedulingPeriode, dieser Überlappungsbereich der einzelnen Teilpläne verändert. Die bisher verwendeten lokalen Stabilitätsmaße sind auf die einzelnen Umplanungsläufe bezogen und berücksichtigen somit nicht, dass ein Produktionsauftrag bei aufeinanderfolgenden Umplanungen auch mehrmals umgeplant werden kann. Aus diesem Grund wurden im Abschnitt 3.5.4.2 globale Stabilitätsmaße eingeführt, die auf den gesamten Planungslauf bezogen sind. In der Abb. 84 sind die Ergebnisse dieser Kennzahlen für die Veränderung der Startzeitpunkte und Anlagenzuordnung veranschaulicht. Die Ergebnisse sind als durchschnittliche Umplanungshäufigkeit eines Produktionsauftrages während des gesamten Simulationshorizontes zu interpretieren. So wurde beispielsweise für Szenario A bei einem Scheduling-Hoizont von 288 Zeiteinheiten der Startzeitpunkt aller im Planungslauf berücksichtigten Produktionsaufträge durchschnittlich 1,1 mal verändert. Eine Unterscheidung nach Art der Umplanung ist nicht erforderlich, da sich diese Kennzahlen auf den gesamten Simulationshorizont beziehen.
196
6 Praktische Erprobung
global
Startzeitumplanung (E Szenarien A und B
global
)
Anlagenumplanung (U Szenarien A und B
1,1
0,20
1,0
0,18
0,9
0,16
0,8
0,14
0,7
Häufigkeit
)
0,12
0,6
0,10
0,5
0,08
0,4
0,06
0,3 0,2
0,04
0,1
0,02
0,0
0,00 0
72
144
216
288
0
72
Schedulinghorizont A (alle)
B (alle)
C (alle)
144
216
288
Schedulinghorizont D (alle)
A (alle)
B (alle)
C (alle)
D (alle)
Abb. 84: Veränderung der Umplanungshäufigkeit mit steigendem Schedulinghorizont (Darstellung der durchschnittlichen Umplanungshäufigkeit)
Die Ergebnisse für die Häufigkeit der Startzeitveränderung deuten darauf hin, dass insbesondere für die Szenarien mit einer hohen Grundlast eine Ausweitung des SchedulingHorizontes einen sprunghaften Anstieg der Umplanungshäufigkeit bewirkt. Dieser Effekt ist auf die mit steigendem Scheduling-Horizont größere Überlappung der Teilpläne zurückzuführen. Für die Szenarien C und D hingegen sind die Auswirkungen von deutlich geringem Umfang. Die Umplanungshäufigkeit, bezogen auf die Anlagenbelegung, weist für alle Szenarien einen generell deutlich geringeren Wert auf. Ein genereller Zusammenhang von Planreichweite und Umplanungshäufigkeit kann hier nicht nachgewiesen werden. Für die Versuchsreihe können die folgenden Ergebnisse zusammengefasst werden: x
Eine Ausdehnung des Schedulinghorizontes bewirkt durch die Möglichkeit einer Vorausproduktion eine generelle Reduzierung der durchschnittlichen Verspätung.
x
Für die lokalen Stabilitätsmaße kann festgestellt werden, dass mit steigendem Scheduling-Horizont eine Verschlechterung der Planstabilität hinsichtlich der Startzeitabweichung und Startzeitentsprechung auftritt. Die Stabilitätskennzahlen für die Auftragsreihenfolge und Anlagenzuordnung blieben unabhängig vom Scheduling-Horizont auf sehr hohem Niveau.
x
Die Auswirkungen des Scheduling-Horizontes auf die Planstabilität fallen besonders deutlich für Planungssituationen mit hoher Grundlast aus.
x
Die Ergebnisse der lokalen Kennzahlen konnten durch die Analyse der auf den gesamten Planungslauf bezogenen Stabilitätsmaße bestätigt werden.
6 Praktische Erprobung
197
6.4.8 Veränderung der Planungspolitik In den bisherigen Versuchsreihen wurde beim Eintreffen kurzfristiger Kundenaufträge ein Umplanungslauf angestoßen, falls verfügbare Restmengen für das nachgefragte Produkt nicht ausgereicht haben, um den Zusatzbedarf zu decken. Alternativ zu diesem Vorgehen könnten alle innerhalb einer Scheduling-Periode auftretenden Eilaufträge bei der nächsten periodischen Umplanung berücksichtigt werden. Somit werden durch diese alternativen Verarbeitungsvarianten die unterschiedlichen Operationsmodi eines aktiven ATP Systems nachgeahmt.189 Für die Planungsszenarien mit hoher bzw. geringer Störlast würden somit 10 bzw. 5 Umplanungsläufe weniger erforderlich sein, wodurch eine deutliche Reduktion der Plannervosität zu erwarten ist. Nachteilig könnte sich auswirken, dass durch die verzögerte Berücksichtigung der Eilaufträge erhöhte Verspätungen auftreten. Um den Umfang dieser Effekte für das zu Grunde liegende Produktionsumfeld genauer bewerten zu können, wurden für die Datensätze aller Szenarien jeweils zwei Planungsläufe ausgeführt, deren Parametrisierung in der Tab. 26 zusammengefasst ist. Versuchs ID
UmplanungsPolitik
22 24
RO-EV RO-PER
FixierungsZielfunktionsgewichte Horizont GMS GV GA GE GU GS [ZE] 30 1 10 0 0 50 50 30 1 10 0 0 50 50
Rechenzeitschranke [Sec] 240 240
Tab. 26: Parametrisierung der Versuchsreihen zur Variation des Schedulinghorizontes
Bei Parametrisierungsvariante RO-EV wurde für die Eilaufträge, falls notwendig, ein separater Umplanungslauf ausgeführt. Die Variante RO-PER sieht eine Berücksichtigung der Eilaufträge während der periodischen Umplanungsläufe vor. Für beide Varianten wurde ein Fixierungshorizont von 30 Zeiteinheiten festgelegt und die Kombination aller Stabilitätskennzahlen in der Zielfunktion berücksichtigt. Alle nachfolgenden Ergebnisse werden lediglich für die periodischen Umplanungsläufe ausgewertet, da bei der Parametrisierungsvariante RO-PER die ereignisbasierten Umplanungen lediglich durch die Anlagenausfälle ausgelöst werden und somit nur noch in sehr geringer Zahl auftreten. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt durch die absoluten Werte der Effektivitäts- und Stabilitätskriterien. Zusätzlich zu den lokalen Maßen wurden auch hier die globalen Stabilitätskennzahlen ausgewertet.
189
Vgl. Abschnitt 2.3.2.
198
6 Praktische Erprobung
Vergleich Durchlaufzeiten (MS) 250
Durchlaufzeit [ZE]
200 150 100 50 0 A
B
C
D
Szenario RO-Ev (per)
RO-Per (per)
Abb. 85: Vergleich der Durchlaufzeiten unterschiedlicher Umplanungs-Politik
Vergleich durchschnittliche Verspätung (V) 7
Verspätung [ZE]
6 5 4 3 2 1 0 A
B
C
D
Szenario RO-Ev (per)
RO-Per (per)
Abb. 86: Vergleich der durchschnittlichen Verspätung unterschiedlicher Umplanungs-Politik
Für die Effektivitätskennzahlen wurden die erwarteten Ergebnisse bestätigt. Die Gesamtdurchlaufzeit bei der Umplanungs-Politik RP-PER ist aufgrund der zusätzlich zu berücksichtigenden Eilaufträge leicht angestiegen. Wesentlich deutlicher tritt die Zunahme der
6 Praktische Erprobung
199
durchschnittlichen Verspätungen auf, da die Eilaufträge zum Teil wesentlich später als bisher in der Planung berücksichtigt werden können. Besonders deutlich sind diese Effekte auch hier für Szenarien mit hoher Grundlast zu beobachten. Die Wirkung der Politik-Änderung auf die Veränderung der Startzeitpunkte ist in Abb. 87 und Abb. 88 wiedergegeben. Für alle Szenarien ist für die Politik RO-PER eine deutlich geringere Abweichung festzustellen. Bei der Analyse des Anteils von Aufträgen mit gleichem Startzeitpunkt im bisherigen und aktualisierten Plan ist festzustellen, dass auch hier eine Verminderung der Planstabilität, allerdings in weitaus geringerem Umfang, auftritt. Somit kann daraus abgeleitet werden, dass für die Umplanungs-Politik RO-EV lediglich einige Aufträge mehr verschoben werden müssen um den Plan anzupassen. Diese Aufträge werden dann jedoch relativ weit verschoben. lokal
Vergleich Startzeitabweichung (A
)
Startzeitabweichung [ZE]
30 25 20 15 10 5 0 A
B
C
D
Szenario RO-Ev (per)
RO-Per (per)
Abb. 87: Vergleich der Startzeitabweichung unterschiedlicher Umplanungs-Politik
Die Stabilitätskennzahl zur Analyse der Reihenfolgeänderungen weist für alle Szenarien und unabhängig von der Umplanungs-Politik ein sehr hohes Niveau auf. Die detaillierten Werte dazu sind im Anhang zu finden. Ähnlich hohe Werte können für die Planungsstabilität bezüglich der Anlagenzuordnung beobachtet werden. Für die Szenarien mit hoher Grundlast ist jedoch eine signifikante Verschlechterung dieses Stabilitätskriteriums für die Umplanungs-Politik RO-PER zu beobachten. Ein interessantes Ergebnis dieser Versuchsreihe besteht darin, dass für diese Versuchsreihe gegenläufige Effekte der unterschiedlichen Umplanungs-Politiken für die einzelnen Stabili-
200
6 Praktische Erprobung
tätskennzahlen festzustellen sind. So bewirkte die Variante RO-PER eine verbesserte Planstabilität hinsichtlich der Startzeitpunktveränderungen, aber gleichzeitig auch einen geringeren Anteil von Aufträgen mit gleicher Anlagenzuordnung Vergleich Startzeitentsprechung (Elokal) 1,00 0,90 0,80 Anteil [ZE]
0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 A
B
C
D
Szenario RO-Ev (per)
RO-Per (per)
Abb. 88: Vergleich der Startzeitübereinstimmung bei unterschiedlicher Umplanungs-Politik.
Vergleich Anlagenbelegung (Ulokal) 1,00 0,90 0,80 Anteil [ZE]
0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 A
B
C
D
Szenario RO-Ev (per)
RO-Per (per)
Abb. 89: Vergleich der Anlagenbelegung bei unterschiedlicher Umplanungs-Politik
6 Praktische Erprobung
201
Wie schon bei der Analyse zur Variation des Scheduling-Horizontes sollen auch hier die Ergebnisse der globalen Stabilitätsmaße diskutiert werden. Der Grund dafür besteht darin, dass durch die Änderung der Umplanungs-Politik die periodischen Umplanungsläufe auf unterschiedlichen Daten für die externen Bedarfe basieren, da bei der Variante RO-PER die Eilaufträge bei den periodischen Umplanungsläufen mit berücksichtigt werden. Die nachfolgenden Kennzahlen sind als Durchschnittswerte aller Umplanungsläufe wiedergegeben. Die Ergebnisse der Umplanungshäufigkeit bezogen auf die Startzeitpunkte sind in Abb. 90 dargestellt. Es wird ersichtlich, dass die Ergebnisse der lokalen Stabilitätskennzahl aus Abb. 88 bestätigt werden können. Allerdings fallen die Unterschiede für Umplanungshäufigkeit bezogen auf den gesamten Planungslauf wesentlich deutlicher aus, da hierbei auch die geringere Anzahl der auszuführenden Umplanungsläufe zum Tragen kommt. Vergleich Umplanungshäufigkeit Startzeitpunkt (Eglobal) 1 Umplanungshäufigkeit
0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 A
B
C
D
Szenario RO-Ev (alle)
RO-Per (alle)
Abb. 90: Vergleich der Umplanungshäufigkeit bezogen auf die Startzeitpunkte bei unterschiedlicher Umplanungs-Politik
Bei der Umplanungshäufigkeit bezüglich der Anlagenzuordnung kann auch hier das überraschende Ergebnis belegt werden, dass bei einer Berücksichtigung der Eilaufträge in separate Umplanungsläufe wesentlich seltener die Anlagenzuordnung der Aufträge verändert wird. Allerdings kann festgehalten werden, dass eine Veränderung der Anlagenzuordnung wesentlich seltener auftritt als die der Startzeitpunkte. Dieses Verhalten liegt darin begründet, dass bei der Variante RO-PER zwar seltenere Plananpassungen vorzunehmen sind, aus
202
6 Praktische Erprobung
denen aber gleichzeitig wegen des erhöhten Anteils der neu einzuplanenden Aufträge Veränderungen in der Anlagenzuordnung resultieren. Vergleich Umplanungshäufigkeit Anlagenzuordnung (Uglobal) 0,2 Umplanungshäufigkeit
0,18 0,16 0,14 0,12 0,1 0,08 0,06 0,04 0,02 0 A
B
C
D
Szenario RO-Ev (alle)
RO-Per (alle)
Abb. 91: Vergleich der Umplanungshäufigkeit bezogen auf die Anlagenzuordnung bei unterschiedlicher Umplanungs-Politik
Die wesentlichen Ergebnisse dieser Versuchsreihe lassen sich wie folgt zusammenfassen: x
Durch die spätere Berücksichtigung der Eilaufträge während der periodischen Umplanung treten erhöhte durchschnittliche Verspätungen und eine Zunahme der Gesamtdurchlaufzeit auf.
x
Für die Planungsstabilität ergeben sich durch den Wechsel der Umplanungspolitik keine einheitlichen Veränderungen.
x
Die Planstabilität hinsichtlich der Startzeitpunkte wird durch separate Umplanungsläufe für die Eilaufträge (RO-EV) negativ beeinflusst. Hinsichtlich der Stabilitätskennzahl bezüglich der Anlagenzuordnung ist diese Umplanungspolitik allerdings zu bevorzugen.
x
Für die Stabilität der Auftragsreihenfolgen konnten keine signifikanten Auswirkungen der Umplanungspolitik nachgewiesen werden.
6 Praktische Erprobung
203
6.5 Zusammenfassung Um die praktische Anwendbarkeit des vorgeschlagenen reaktiven Schedulingsystems zu demonstrieren und zu analysieren, wurden in diesem Kapitel eine Reihe von Versuchen durchgeführt. Als Planungsumgebungen wurden zwei Testprobleme verwendet, die sich hinsichtlich der Komplexität der Prozessabläufe unterscheiden. Innerhalb des ReschedulerModuls kamen beide in Kapitel 5 vorgeschlagenen reaktiven Planungsverfahren zum Einsatz. In einem einleitenden Planungslauf wurde die Verfahrensweise des reaktiven Schedulingsystems demonstriert, indem die durch Anlagenausfälle bedingten Umplanungsaktivitäten ausführlich analysiert wurden. Als reaktives Planungsverfahren wurde das in Abschnitt 5.2 vorgeschlagene MILP-Modell mit diskreter Zeitführung verwendet. Um die Nachvollziehbarkeit der Planungsergebnisse sicherzustellen, wurde das Planungsumfeld durch das deutlich einfachere Testproblem I repräsentiert. Schon für dieses recht einfache Beispiel wurde deutlich, durch welche hohe Komplexität die Plananpassung in Folge von Störereignissen gekennzeichnet ist. Die wesentliche Ursache dafür besteht in der Vielzahl von zu berücksichtigenden Nebenbedingungen, die beispielsweise in Form von wechselseitigen Materialflussbeziehungen zwischen den Prozessaufträgen und den Lieferterminen für externe Bedarfe existieren. In Folge dieser komplexen Zusammenhänge waren nicht nur die Prozessaufträge, die auf der gleichen Prozessstufe der gestörten Anlage eingeplant waren, von der Umplanung betroffen. Plananpassungen waren darüber hinaus auch für vor- und nachgelagerte Prozessschritte notwendig. Bereits durch dieses einfache Bespiel konnte demonstriert werden, dass durch einen menschlichen Planer die Anpassung komplexer Anlagenbelegungspläne nur mit hohem Aufwand durchgeführt werden kann. Eine wesentliche Verbesserung dieses Planungsprozesses kann durch effiziente reaktive Planungsverfahren erfolgen, die dem menschlichen Planer im Falle einer notwendigen Plananpassung schnell einen Lösungsvorschlag liefern, der gegebenenfalls manuell nachbereitet werden kann. Ein solches Verfahren wurde in Form eines Dekompositionsansatzes im Abschnitt 5.2 dieser Arbeit vorgestellt. Da aufgrund der in Abschnitt 5.2.4 beschriebenen rechentechnischen Aspekte die Lösungsqualität dieses Verfahrens nicht direkt ermittelt werden kann, wurde eine Versuchsreihe aufgelegt, um die Optimalitätsabweichung des Dekompositionsansatzes indirekt durch das MILP-Modell mit diskreter Zeitführung zu bestimmen. Als Ergebnis dieser Untersuchung kann festegestellt werden, dass für alle untersuchten Probleminstanzen die Abweichung vom optimalen Wert bei höchstens 5,8% auftritt. Diese hohe Lösungsqualität konnte jedoch nur mit der Heuristik zur Kantengenerierung erzielt werden. Wird zur Erzeugung der Pegging-Kanten das in Abschnitt 5.2.2.5 vorgeschlagene Optimierungsmodell verwendet, beträgt die Optimalitätsabweichung bis zu 14,3%. Weiterhin wur-
204
6 Praktische Erprobung
de analysiert wie schnell sich die Lösung des Dekompositionsansatzes an den optimalen Wert annähert. Dabei wurde festgestellt, dass eine zulässige Lösung in weniger als fünf Sekunden ermittelt werden konnte, die im weiteren Verlauf der Berechnung bereits nach 50 Sekunden eine Optimalitätsabweichung von höchstens 10% aufweist. Sehr umfangreiche Untersuchungen wurden durch die Versuchsreihen zur rollierenden Planung durchgeführt, bei denen die Funktion des Rescheduler-Moduls durch den Dekompositionsansatz realisiert wurde. Für diese Versuche wurde die reaktive Anlagenbelegungsplanung für einen Zeitraum von 14 Tagen simuliert, indem ein Plan mit einer Reichweite von drei Tagen täglich im Rahmen einer periodischen Umplanung fortgeschrieben wurde. Zusätzlich dazu konnten unvorhergesehene Störereignisse in Form von Anlagenausfällen und kurzfristig eintreffenden Eilaufträgen einen Umplanungslauf auslösen. Um die Anwendbarkeit des reaktiven Planungsverfahrens für unterschiedliche Belastungssituationen zu demonstrieren, wurden insgesamt vier Planungsszenarien entworfen, die sich hinsichtlich der Auslastung des Produktionssystems und dem Ausmaß der Störungen unterscheiden. Für die rollierende Planung wurden insgesamt sechs Versuchsreihen aufgelegt, bei denen die Auswirkungen unterschiedlicher Verfahrensabwandlungen und Parametrisierungsvarianten des Dekompositionsansatzes anlysiert wurden. Zunächst wurde festgestellt, welche Auswirkungen die Variation der Rechenzeitvorgabe, für das MILP Modell der Scheduling-Ebene, auf die Ergebnisse der Planungsläufe hat. Dazu wurde für das komplexeste Planungsszenario A, ausgehend von einem Wert von einer Minute, die Rechenzeitschranke über insgesamt fünf Teilschritte um jeweils eine Minute auf den Maximalwert von sechs Minuten erhöht. Bereits bei einer Rechenzeitschranke von einer Minute konnte für jede Probleminstanz eine zulässige Lösung gefunden werden. Durch die Ausweitung der Rechenzeit waren Verbesserungen des Zielfunktionswertes von maximal 7% möglich. Diese maximale Verbesserung wurde schon nach vier Minuten erzielt, so dass eine weitere Ausdehnung der Rechenzeit zu keinen signifikanten Verbesserungen führte. Aus diesem Grund wurde auch für alle nachfolgenden Versuchsreihen der Lösungsfindungsprozess nach vier Minuten abgebrochen. Eine umfangreiche Untersuchung wurde zur Erfassung der Plannervosität während der Umplanung durchgeführt. Dazu wurden auf der Grundlage der vier im Abschnitt 3.5.4.1 eingeführten Stabilitätsmaße insgesamt sieben Parametrisierungsvarianten entwickelt, bei denen diese Maße entweder einzeln in der Zielfunktion berücksichtigt oder miteinander kombiniert wurden. Als wesentliches Ergebnis dieser Versuche konnte nachgewiesen werden, dass durch die Einführung der Nervositätsmaße in der Zielfunktion die korrespondierenden Stabilitätskennzahlen der resultierenden Pläne signifikant verbessert werden konnten. Dieser Effekt ist für die ereignisbasierte Umplanung stärker als bei der periodischen Plananpassung zu beobachten. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass durch die Mini-
6 Praktische Erprobung
205
mierung der Startzeitabweichung eine indirekte Verbesserung der Reihenfolgestabilität erzielt werden kann. Die Auswirkungen auf die Effektivitätskennzahlen durch die Einführung der Nervositätsmaße ist relativ gering, falls die Reihenfolgeabweichung und Änderungen der Anlagenzuordnung berücksichtigt werden. Werden hingegen die Nervositätsmaße verwendet, bei denen die Abweichung der Startzeitpunkte minimiert wird, sind deutliche Verschlechterungen der Planeffektivität zu verzeichnen. Um die Wirkung der partiellen Umplanungsmethodik zu analysieren, wurde eine gesonderte Versuchsreihe aufgelegt, bei der zunächst ein schrittweise erweiterter Fixierungshorizont bei der Plananpassung berücksichtigt wurde. Als Ergebnis dieser Untersuchung konnte festgestellt werden, dass durch die Einführung des Fixierungshorizontes eine wesentliche Verbesserung der Planstabilität herbeigeführt wird, ohne dabei eine wesentliche Verschlechterung der Effektivitätskennzahlen zu verursachen. Im Vergleich zur Verwendung der Nervositätsmaße in der Zielfunktion kann durch den Fixierungshorizont für periodische Umplanungsläufe in den meisten Fällen eine bessere Planstabilität erzielt werden. Im Falle einer ereignisbasierten Umplanung liefert die Minimierung der Nervositätsmaße für alle Stabilitätskriterien bessere Werte. In weiterführenden Experimenten wurde untersucht, ob die Vorteile beider Verfahren zur Reduktion der Plannervosität miteinander kombiniert werden können. Dazu wurden drei weitere Parametrisierungsvarianten getestet, bei denen eine kominierte Verwendung des Fixierungshorizontes und der Nervositätsmaße vorgesehen war. Die Resultate dieser Versuche haben gezeigt, dass für nahezu alle Effektivitätsund Stabilitätskriterien eine deutliche Verbesserung erzielt werden konnte. Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt bestand darin, die Auswirkungen, die durch eine Variation des Schedulinghorizontes verursacht werden, zu analysieren. Dazu wurden die Ergebnisse von Versuchen ausgewertet, bei denen dieser Vorausschauhorizont auf Werte von eins, zwei, drei und vier Tagen festgelegt wurde. Anhand der sinkenden Verspätungswerte konnte festgestellt werden, dass durch eine Erweiterung des Schedulinghorizontes eine verbesserte Reaktionsfähigkeit auf Bedarfsschwankungen zu verzeichnen ist. Gleichzeitig tritt dabei auch eine größere Überlappung der Teilpläne auf, wodurch eine generelle Verschlechterung der Stabilitätskennzahlen zu beobachten ist. In einer abschließenden Versuchsreihe wurde untersucht, wie sich eine Veränderung der Umplanungspolitik auswirkt, indem die Berücksichtigung der Eilaufträge nicht mehr wie bisher in separaten Umplanungsläufen vorgenommen wird, sondern während der nächsten periodischen Planfortschreibung. Durch die spätere Berücksichtigung der Eilaufträge war erwartungsgemäß eine Verschlechterung der Verspätungszeiten festzustellen. Für die Stabilitätskennzahlen ergaben sich keine einheitlichen Auswirkungen. Während die Startzeitabweichung durch den Politikwechsel eher positiv beeinflusst wurde, trat eine Verschlechte-
206
6 Praktische Erprobung
rung der Stabilitätskennzahlen für die Anlagenzuordnung auf. Die Häufigkeit von Reihenfolgeänderungen der Aufträge blieb hingegen nahezu unverändert. Während der Vielzahl von Planungsläufen für die Untersuchung der Szenarien zur rollierender Planung wurden insgesamt 9440 einzelne Umplanungen vorgenommen, die jeweils einer zu lösenden Probleminstanz für den Dekompositionsansatz entsprechen. Diese Probleminstanzen repräsentieren eine Vielzahl von Planungssituationen, die sich deutlich durch die zu Grunde liegenden Ausgangsdaten und damit auch in ihrer Problemkomplexität stark voneinander unterscheiden. In all diesen Fälle konnte durch den Dekompositionsansatz innerhalb der vorgegebenen Rechenzeitschranke eine zulässige Lösung ermittelt werden, so dass dies als eine zusätzliche Bestätigung für das robuste Lösungsverhalten dieses Verfahrens gewertet werden kann.
7 Schlussbetrachtung und Ausblick
207
7. Schlussbetrachtung und Ausblick Aufgrund ihrer Prozessflexibilität finden bei der Produktion von Spezialchemikalien überwiegend Mehrzweckanlagen Anwendung. Dieser Anlagentyp ist dadurch gekennzeichnet, dass er wegen der vergleichsweise aufwendigen Steuerbarkeit und der häufig auftretenden Produktwechsel ein sehr dynamisches Planungsumfeld darstellt. Um auf Veränderungen des Produktionsumfeldes reagieren zu können, sind effiziente reaktive Planungsverfahren notwendig, die eine schnelle Korrektur des bestehenden Plans in möglichst kurzer Zeit garantieren und dabei alle relevanten Nebenbedingungen des Produktionssystems berücksichtigen. Trotz der hohen Praxisrelevanz wurde dieses Problemfeld in der wissenschaftlichen Literatur bisher nur in wenigen Beiträgen behandelt. In Anbetracht des bestehenden Forschungsbedarfes auf diesem Gebiet, wurde die Entwicklung von alternativen Verfahren zur reaktiven Anlagenbelegungsplanung für die chemische Industrie in der vorliegenden Arbeit behandelt. In den theoretischen Vorüberlegungen wurden zunächst die Ursachen und Wirkungen von planungsrelevanten Unsicherheitsfaktoren analysiert. Basierend auf einer aktuellen Literaturrecherche wurde anschließend ein allgemeines Kategorisierungsschema für Planungsverfahren zur Berücksichtigung von Unsicherheiten eingeführt. Zur Quantifizierung des Umfangs der Umplanungsaktivitäten sind insgesamt drei Kategorien von Stabilitätskennzahlen definiert worden, die sowohl die zeitliche Verschiebung von Produktionsaufträgen als auch Veränderungen der Anlagenzuordnung und der Auftragsreihenfolge erfassen. Den eigentlichen Kern dieser Arbeit stellt die Entwicklung und Implementierung eines reaktiven Schedulingsystems dar, das im Falle des Auftretens einer planungsrelevanten Störung, ausgehend vom gegenwärtigen Zustand des Produktionssystems, einen aktualisierten Plan generiert. Das System basiert auf einer prädiktiv-reaktiven Planungsstrategie und ermöglicht neben einer direkten Reaktion auf Störereignisse auch eine periodisch ausgeführte Umplanung. Aufgrund der modularen Systemarchitektur können innerhalb des ReschedulerModuls zur Plananpassung alternative Verfahren eingebunden werden. In dieser Arbeit wurden dazu zwei Ansätze erarbeitet. Der erste Ansatz basiert auf einem gemischt ganzzahligen Optimierungsmodell mit diskreter Zeitführung, dass ursprünglich durch KONDILI
ET AL. (1993) vorgestellt wurde. Dazu wurde das bestehende Grundmodell durch zusätzliche Nebenbedingungen zur Berücksichtigung des aktuellen Produktionsfortschritts erweitert. Da dieser Modellierungsansatz auf dem sogenannten Produkt-Prozess-Netzwerk beruht, ist eine flexible Modellierung der technologischen Besonderheiten chemischer Produktionsprozesse möglich. Für umfangreichere Pro-
208
7 Schlussbetrachtung und Ausblick
duktionssysteme ergeben sich allerdings Probleminstanzen mit einer sehr hohen Anzahl von ganzzahligen Entscheidungsvariablen, die nur nach sehr langer Rechenzeit optimal lösbar sind. Der wesentliche Grund dafür besteht in der Verwendung einer diskreten Zeitführung. Als alternatives Verfahren wurde ein Dekompositionsansatz entwickelt, der auf einer kontinuierlichen Repräsentation des Zeitfortschritts beruht und für eine schnelle Lösungsfindung konzipiert wurde. Dessen Grundidee besteht in der Zerlegung des Gesamtplanungsproblems zur Anlagenbelegungsplanung in insgesamt drei Teilprobleme, die sequenziell abgearbeitet werden. Dabei wird, neben der Berücksichtigung der typischen Prozesscharakteristika der Batchproduktion, auch die Verwendung von Auftragsprioritäten unterstützt. Um bei der Plananpassung unnötige Umplanungen zu vermeiden, wurden für beide Verfahren zwei Möglichkeiten zur Erhöhung der Planstabilität vorgesehen. Zum einen kann der Umfang der Umplanungen während der Planpassung erfasst und durch die Berücksichtigung in der Zielfunktion reduziert werden. Die zweite Möglichkeit besteht in einer partiellen Umplanungsmethodik, bei der solche Aufträge fixiert werden, die weder direkt noch indirekt von einem Störereignis betroffen sind. Als wesentliche Schwierigkeit stellt sich hierbei die Bestimmung dieser Auftragsgruppe heraus, da durch eine unsachgemäße Auftragsfixierung die Lösbarkeit des Planungsproblems verhindert wird. Um eine Erprobung der entwickelten reaktiven Planungsverfahren unter annähernd praxisnahen Bedingungen zu ermöglichen, wurde eine Simulationsumgebung verwendet, die das Produktionsumfeld repräsentiert. Je nach Ausgestaltung des implementierten Simulationsmodells können unterschiedliche Konfigurationen von Produktionsumgebungen berücksichtigt werden. Durch die Simulationsumgebung ist weiterhin eine flexible Modellierung von zufällig auftretenden Ereignissen möglich. In der vorliegenden Version des Systems wurden Anlagenausfälle und kurzfristig eintreffende Eilaufträge als Störungen abgebildet. Aufgrund des automatisierten Planungsablaufs des reaktiven Schedulingsystems konnten umfangreiche numerische Untersuchungen realisiert werden. Bei der Analyse der Ergebnisse des gemischt ganzzahligen Optimierungsmodells mit diskreter Zeitführung wurde deutlich, dass auch schon für relativ kleine Probleminstanzen beim Auftreten von Störereignissen sehr komplexe Umplanungsaktivitäten vorgenommen werden müssen. In den weiterführenden Versuchen wurde aufgezeigt, dass der Dekompositionsansatz in der Lage ist wesentlich umfangreichere Probleminstanzen zu verarbeiten, allerdings konnte die Optimalität der gefundenen Lösung innerhalb der vorgegebenen Rechenzeitschranke nicht immer nachgewiesen werden. Um die Lösungsqualität dieses Ansatzes dennoch einschätzen zu können, wurde eine Versuchsreihe aufgelegt, bei der eine untere Schranke für die optimale Lösung mit Hilfe des zeitdiskreten MILP-Modells ermittelt wurde. Durch den Vergleich dieses theoretischen Minimalwertes mit der durch den Dekompositionsansatz bestimmten
7 Schlussbetrachtung und Ausblick
209
Lösung konnte belegt werden, dass in nahezu allen Fällen die maximale Optimalitätsabweichung deutlich unter sechs Prozent liegt. Zur ausführlichen Erprobung des Dekompositionsansatzes wurden Szenarien zur rollierenden Planung entworfen, bei denen die Abarbeitung von externen Bedarfen für einen 14 tägigen Planungshorizont innerhalb eines dynamischen Planungsumfeldes nachgeahmt wurde. Dabei hat sich gezeigt, dass dieser Ansatz ein überaus robustes Lösungsverhalten aufweist, da für alle Probleminstanzen innerhalb der Rechenzeitvorgabe eine zulässige Lösung ermittelt werden konnte. Weiterhin wurde die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Reduktion der Plannervosität untersucht. Generell konnte festgestellt werden, dass sowohl bei der Berücksichtigung der Stabilitätsmaße in der Zielfunktion als auch durch die partielle Umplanungsmethodik deutlich weniger Umplanungen bewirkt wurden. Bei einer ausführlichen Analyse der Ergebnisse stellte sich heraus, dass die partielle Umplanungsmethodik bei periodischen Umplanungsläufen effektiver ist. Die Berücksichtigung der Stabilitätskennzahlen in der Zielfunktion ist für ereignisbasierte Umplanungsläufe wirksamer. Durch die gemeinsame Anwendung beider Maßnahmen konnten deren Vorteile kombiniert werden. Abschließend wurde demonstriert, dass bei der Plananpassung nicht nur das verwendete Planungsverfahren einen maßgeblichen Einfluss auf die Effektivitäts- und Stabilitätskennzahlen der resultierenden Anlagenbelegungspläne hat. Es ist vielmehr ebenfalls von hoher Bedeutung, wie häufig und mit welchem Vorausschauhorizont die Verfahren angewendet werden. Durch den modularen Aufbau des reaktiven Schedulingsystems kann es auch als Entwicklungsumgebung für weiterführende Forschungsprojekte zur reaktiven Anlagenbelegungsplanung genutzt werden. Neben der Erprobung alternativer Umplanungsverfahren in unterschiedlichen Versuchsumgebungen können auch Abwandlungen der Planungsstrategie, -politik und -methode implementiert werden. Ein weiteres Forschungsfeld erschließt sich, wenn neben der lokalen Plananpassung für ein abgegrenztes Produktionssystem auch die Auswirkungen von Planänderungen auf vor- und nachgelagerte Produktionsstufen berücksichtigt werden müssen. Ist das betrachtete Produktionssystem in einen werksübergreifenden Wertschöpfungsprozess eingebunden, ist auch eine Abstimmung der Umplanungen über mehrere Standorte erforderlich. In einem solchen Fall ist eine Koordination der Planänderungen bei der Anlagenbelegungsplanung mit der übergeordneten Ebene der Netzwerkplanung notwendig. Die Entwicklung von Methoden zur reaktiven Planung leistet einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Anwendbarkeit effizienter Verfahren für die Anlagenbelegungsplanung in einem realen Produktionsumfeld der chemischen Industrie. Aufgrund der technologischen Vielfalt chemischer Produktionsprozesse und der ausgeprägten problemspezifischen Charakteristika dieser Art von Verfahren besteht auf diesem Gebiet ein anhaltend hoher Forschungsbedarf.
211
Anhang Tab. A- 1: Im Anhang verwendete Begriffe und Symbole..................................................................... 211 Tab. A- 2: Parametrisierung der Versuchsreihen zur rollierenden Planung........................................ 212 Tab. A- 3: Zusammengefasste Ergebnisse zur rollierenden Planung (Versuchsreihen 1-11)........... 213 Tab. A- 4: Zusammengefasste Ergebnisse zur rollierenden Planung (Versuchsreihen 12-19) ........ 214 Tab. A- 5: Zusammengefasste Ergebnisse zur rollierenden Planung (Versuchsreihen 20-24) ........ 215 Tab. A- 6 Hardwareumsetzung reaktives Schedulingsystem ................................................................. 216 Tab. A- 7 Softwareumsetzung reaktives Schedulingsystem................................................................... 216 Ergibt sich aus Zielfunktionskomponenten zur Stabilitätserfassung und Länge des Fixierungshorizontes Versuchs - ID Schlüssel der entsprechenden Parametrisierungsvariante (vgl. Tab. A-2) Planungsszenario mit unterschiedlichen Ausprägungen für Grund- und Szenario Störlast (vgl. Abschnitt 6.4.1) Für Eilaufträge wird ein separater Umplanungslauf ausgeführt RO-EV Abkürzung
RO-PER
Eilaufträge werden im nächsten periodischen Umplanungslauf berücksichtigt
Per. Ev. Gx
Periodische Umplanungen Ereignisbasierte Umplanungen Gewichtungsfaktor der entsprechenden Zielfunktionskomponente Gesamtdurchlaufzeit* Durchschnittliche Verspätung aller Aufträge* Durchschnittliche Zeitliche Verschiebung der Aufträge im Vergleich zum Ausgangsplan* (vgl. Abschnitt 3.5.4.1) Anteil der Aufträge mit gleichem Startzeitpunkt wie im Ausgangsplan* (vgl. Abschnitt 3.5.4.1) Anteil der gleichartigen Auftragspaare die in der gleichen Reihenfolge eingeplant wurden wie im Ausgangsplan* (vgl. Abschnitt 3.5.4.1) Anteil der Aufträge die auf der gleichen Anlage eingeplant wurden wie im Ausgangsplan* (vgl. Abschnitt 3.5.4.1) Durchschnittliche Umplanungshäufigkeit aller Aufträge hinsichtlich der Fertigstellungszeitpunkte* (vgl. Abschnitt 3.5.4.2) Durchschnittliche Umplanungshäufigkeit aller Aufträge hinsichtlich der Anlagenzuordnung* (vgl. Abschnitt 3.5.4.2) Anzahl von Aufträgen die aus dem Ausgangsplan übernommen wurden*
MS V A
lokal
E lokal S
lokal
U
lokal
E
global
U
global
|Î|
Tab. A- 1: Im Anhang verwendete Begriffe und Symbole
* Durchschnittswert der Ergebnisse über alle Umplanungen eines Planungslaufes und alle Datensätze
Abkürzung
AEUS X AES AEU US AE U S X10 X20 X30 AEUS10 AEUS20 AEUS30 -
Versuchs ID
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
GMS 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
GV 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10
GA 5 5 5 5 5 5 0 5 5 0 5 0 0 0 0 0 5 5 5 0 0 0 0 0
GE 50 50 50 50 50 50 0 50 50 0 50 0 0 0 0 0 50 50 50 0 0 0 0 0
GU 50 50 50 50 50 50 0 0 50 50 0 50 0 0 0 0 50 50 50 50 50 50 50 50
Zielfunktionsgewichte GS 50 50 50 50 50 50 0 50 0 50 0 0 50 0 0 0 50 50 50 50 50 50 50 50
Rechenzeit- Fixierungs- SchedulingUmplanungsschranke horizont horizont Politik [Sec] [ZE] [ZE] RO-EV 60 0 216 RO-EV 120 0 216 RO-EV 180 0 216 RO-EV 240 0 216 RO-EV 300 0 216 RO-EV 360 0 216 RO-EV 240 0 216 RO-EV 240 0 216 RO-EV 240 0 216 RO-EV 240 0 216 RO-EV 240 0 216 RO-EV 240 0 216 RO-EV 240 0 216 10 RO-EV 240 216 20 RO-EV 240 216 30 RO-EV 240 216 10 RO-EV 240 216 20 RO-EV 240 216 30 RO-EV 240 216 30 72 RO-EV 240 30 144 RO-EV 240 30 216 RO-EV 240 30 288 RO-EV 240 30 216 RO-PER 240
6.4.4 6.4.4 6.4.4 6.4.4 | 6.4.5 | 6.4.6.1 | 6.4.6.2 6.4.4 6.4.4 6.4.3 | 6.4.5 | 6.4.6.1 6.4.5 6.4.5 6.4.5 6.4.5 6.4.5 6.4.5 6.4.6.1 6.4.6.1 6.4.6.1 6.4.6.2 6.4.6.2 6.4.6.2 | 6.4.8 6.4.7 6.4.7 6.4.7 6.4.7 6.4.8
Abschnitt
212 Anhang
Tab. A- 2: Parametrisierung der Versuchsreihen zur rollierenden Planung
Versuchs Szenario ID A 1 A 2 A 3 A B 4 C D A 5 A 6 A B 7 C D A B 8 C D A B 9 C D A B 10 C D A B 11 C D Per. 239 233 236 237 198 113 102 237 232 213 187 104 94 223 206 112 103 235 204 114 102 219 202 105 94 233 206 114 102
MS Ev. 207 201 205 204 163 91 70 206 201 186 154 78 63 194 168 88 70 206 170 88 66 190 166 82 63 203 173 89 69
Per. 12,24 12,16 11,96 10,44 5,83 0,95 0,68 11,00 9,83 5,34 2,28 0,75 0,50 9,40 4,81 1,16 0,72 10,66 6,86 1,22 0,76 7,11 3,81 0,80 0,56 9,85 5,54 1,08 0,58
V Ev. 10,20 10,41 11,35 9,90 6,43 1,07 0,61 9,69 9,04 5,43 3,25 0,78 0,31 9,00 5,82 1,05 0,64 9,21 6,67 1,19 0,63 6,25 4,48 0,85 0,25 8,53 5,68 1,03 0,52
A Per. 47,33 46,56 45,79 45,43 40,50 17,24 15,15 45,81 45,21 52,34 50,16 23,77 19,29 45,59 43,43 17,59 14,87 44,93 43,70 18,11 15,24 53,32 51,85 23,87 18,96 46,73 42,69 18,24 15,18 Ev. 12,96 12,84 12,38 10,91 7,66 3,81 1,75 11,56 10,87 24,13 23,57 9,92 6,34 11,23 8,83 3,22 1,53 12,32 8,85 3,40 1,71 18,51 16,95 6,78 5,33 12,53 9,46 3,83 1,87
lokal
E Per. 0,19 0,19 0,19 0,20 0,24 0,47 0,50 0,20 0,20 0,17 0,19 0,48 0,62 0,19 0,22 0,46 0,52 0,20 0,21 0,45 0,50 0,16 0,18 0,51 0,61 0,19 0,22 0,45 0,51 Ev. 0,45 0,48 0,47 0,52 0,56 0,76 0,86 0,50 0,51 0,17 0,20 0,38 0,51 0,50 0,54 0,76 0,86 0,47 0,57 0,78 0,83 0,19 0,21 0,45 0,53 0,45 0,55 0,75 0,83
lokal
S Per. 0,89 0,89 0,90 0,90 0,89 0,97 0,99 0,90 0,89 0,63 0,64 0,79 0,84 0,88 0,88 0,98 0,98 0,85 0,83 0,80 0,83 0,93 0,93 1,00 0,99 0,84 0,85 0,80 0,85 Ev. 0,95 0,95 0,95 0,96 0,97 0,99 0,98 0,96 0,96 0,68 0,65 0,72 0,78 0,96 0,96 0,99 1,00 0,87 0,87 0,85 0,84 0,94 0,95 0,99 1,00 0,88 0,89 0,88 0,85
lokal
U Per. 0,67 0,67 0,68 0,70 0,68 0,85 0,91 0,67 0,67 0,73 0,73 0,82 0,86 0,72 0,72 0,82 0,81 0,68 0,67 0,85 0,93 0,85 0,85 0,97 0,99 0,73 0,74 0,79 0,81 Ev. 0,80 0,79 0,79 0,84 0,82 0,94 0,98 0,80 0,81 0,71 0,70 0,75 0,78 0,75 0,74 0,79 0,83 0,79 0,83 0,94 0,97 0,89 0,88 0,98 0,98 0,75 0,75 0,79 0,85
lokal
Per. 50,7 50,1 49,5 48,8 39,2 13,5 9,3 49,2 47,9 43,8 36,7 11,1 7,3 47,2 41,5 13,5 9,3 49,0 42,0 13,8 9,2 47,5 41,6 11,0 7,7 48,2 41,0 13,5 9,7
|Î| Ev. 69,9 69,2 68,7 67,4 58,7 29,2 23,8 68,1 66,9 63,2 55,9 26,5 22,7 66,1 59,5 28,8 24,2 68,0 61,9 29,2 23,7 66,9 59,6 26,5 22,5 67,2 60,3 29,1 24,3
Anhang 213
Tab. A- 3: Zusammengefasste Ergebnisse zur rollierenden Planung (Versuchsreihen 1-11)
Versuchs Szenario ID A B 12 C D A B 13 C D A B 14 C D A B 15 C D A B 16 C D A B 17 C D A B 18 C D A B 19 C D Per. 222 187 107 97 221 189 104 94 205 185 103 91 206 178 98 90 201 173 97 90 218 195 106 94 217 179 104 92 208 174 98 91
MS Ev. 193 153 82 67 190 156 80 62 176 150 80 60 182 144 76 60 179 141 75 60 187 162 81 63 190 146 82 64 181 141 76 61
Per. 7,5 2,5 0,78 0,50 6,32 2,42 0,85 0,57 4,59 2,23 0,86 0,59 5,11 2,25 0,92 0,78 4,91 2,31 1,02 0,80 7,42 4,73 1,07 0,71 6,83 3,62 1,03 0,81 6,59 3,15 1,09 0,92
V Ev. 6,9 3,3 1,00 0,40 6,03 2,45 0,77 0,59 4,71 3,25 0,87 0,43 4,93 3,06 0,83 0,81 5,08 3,54 0,93 0,50 6,49 5,74 0,92 0,61 6,02 4,46 0,89 0,47 5,39 4,24 0,82 0,43
A Per. 52,9 49,8 25,68 22,07 53,60 50,53 23,76 20,44 41,84 41,63 11,28 6,42 35,88 32,84 4,85 2,19 27,25 24,65 2,15 1,42 36,46 33,52 7,18 3,63 28,55 22,78 3,03 1,47 21,62 16,79 0,83 0,50 Ev. 24,0 21,9 9,31 7,16 21,17 18,71 9,11 5,50 19,75 18,90 5,95 4,28 18,17 14,75 3,89 3,22 14,37 13,17 2,65 2,69 8,47 5,89 2,35 0,67 6,94 3,30 1,55 0,89 4,79 2,51 1,04 0,42
lokal
E Per. 0,16 0,19 0,47 0,55 0,16 0,18 0,48 0,59 0,31 0,32 0,73 0,85 0,40 0,44 0,88 0,94 0,51 0,57 0,94 0,96 0,31 0,35 0,73 0,85 0,42 0,50 0,87 0,93 0,55 0,61 0,95 0,97 Ev. 0,19 0,21 0,43 0,49 0,18 0,20 0,38 0,50 0,29 0,31 0,62 0,67 0,37 0,40 0,75 0,75 0,47 0,50 0,83 0,81 0,60 0,68 0,82 0,91 0,66 0,76 0,89 0,92 0,75 0,82 0,94 0,96
lokal
S Per. 0,65 0,62 0,79 0,82 0,89 0,92 1,00 1,00 0,71 0,72 0,91 0,92 0,75 0,79 0,98 0,97 0,83 0,85 0,99 0,99 0,92 0,92 0,98 0,98 0,94 0,95 1,00 1,00 0,96 0,97 1,00 1,00 Ev. 0,69 0,69 0,72 0,74 0,93 0,94 0,99 1,00 0,74 0,72 0,83 0,80 0,74 0,77 0,84 0,80 0,78 0,75 0,86 0,87 0,97 0,97 0,99 1,00 0,98 0,99 1,00 0,99 0,98 0,99 1,00 1,00
lokal
U Per. 0,86 0,89 0,98 0,98 0,72 0,72 0,83 0,84 0,77 0,79 0,92 0,94 0,79 0,81 0,96 0,98 0,84 0,86 0,99 0,99 0,71 0,78 0,94 0,98 0,76 0,82 0,98 0,98 0,81 0,86 0,99 0,99 Ev. 0,84 0,85 0,97 0,98 0,72 0,70 0,76 0,75 0,77 0,74 0,84 0,83 0,77 0,79 0,90 0,90 0,81 0,81 0,93 0,94 0,85 0,91 0,96 1,00 0,89 0,94 0,98 0,99 0,93 0,96 0,99 1,00
lokal
Per. 46,0 37,7 11,4 8,4 45,6 37,1 11,6 7,6 37,8 34,5 10,7 7,0 37,3 33,3 10,0 7,0 35,3 30,3 9,5 7,1 42,2 33,3 10,5 7,4 41,6 33,3 10,5 7,4 38,2 31,4 9,6 7,0
|Î| Ev. 64,7 57,3 26,9 23,8 64,8 57,0 26,5 23,0 56,8 54,0 26,2 21,7 56,4 52,0 25,3 21,8 54,9 49,4 24,5 22,0 60,8 56,5 26,3 22,8 60,6 52,5 25,7 22,0 57,1 49,9 24,4 21,3
214 Anhang
Tab. A- 4: Zusammengefasste Ergebnisse zur rollierenden Planung (Versuchsreihen 12-19)
Versuchs Szenario ID A B 20 C D A B 21 C D A B 22 C D A B 23 C D A B 24 C D
Per. 180 142 98 86 185 140 97 83 197 167 97 89 201 158 97 73 205 174 98 91
MS
Ev. 141 108 72 49 154 110 73 57 167 135 76 59 170 168 71 82
Per. 36,90 28,42 6,81 7,03 9,96 3,47 0,45 0,29 4,54 2,12 1,02 0,79 2,23 2,24 1,00 1,80 6,14 3,13 1,17 0,93
V Ev. 26,33 19,62 3,93 4,20 7,41 3,46 0,81 0,59 4,18 2,78 0,95 0,41 2,76 1,89 0,83 1,28
lokal
A Per. Ev. 14,67 6,14 8,34 3,75 1,70 1,29 0,08 0,66 19,52 6,55 11,17 4,71 1,10 1,67 0,01 0,74 25,72 8,45 21,87 6,73 2,00 1,66 1,09 1,07 25,97 9,65 15,79 19,55 1,72 1,63 1,85 0,97 19,64 14,25 0,89 0,46
Elokal Per. Ev. 0,75 0,68 0,85 0,74 0,96 0,91 0,99 0,93 0,67 0,62 0,80 0,67 0,97 0,86 0,99 0,93 0,54 0,52 0,60 0,58 0,94 0,87 0,96 0,89 0,52 0,49 0,56 0,57 0,96 0,86 0,92 0,96 0,57 0,64 0,95 0,97
Slokal Per. Ev. 1,00 0,98 1,00 0,99 1,00 1,00 1,00 1,00 0,99 0,99 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 0,98 0,98 0,99 0,98 1,00 0,99 1,00 1,00 0,98 0,98 0,98 0,99 1,00 1,00 0,99 1,00 0,97 0,97 1,00 1,00
Ulokal Per. Ev. 0,94 0,94 0,98 0,95 1,00 0,99 1,00 0,99 0,95 0,97 0,96 0,98 1,00 0,99 1,00 1,00 0,94 0,96 0,93 0,95 1,00 0,99 1,00 0,99 0,95 0,96 0,95 0,95 1,00 0,99 0,99 1,00 0,83 0,86 0,99 1,00 Per. 21,10 15,23 6,61 4,91 25,39 18,94 7,06 6,01 35,41 30,49 8,67 6,61 37,06 39,90 8,84 12,19 35,34 30,90 8,86 6,91
|Î| Ev. 37,57 32,22 21,07 14,90 44,70 37,35 23,19 16,00 53,49 49,63 24,16 21,80 55,19 34,83 23,34 9,07
Eglobal 0,440 0,168 0,076 0,025 0,611 0,262 0,114 0,033 0,982 0,551 0,126 0,065 1,086 0,591 0,132 0,064 0,444 0,299 0,053 0,021
Uglobal 0,0950 0,0298 0,0089 0,0027 0,0704 0,0292 0,0059 0,0004 0,1078 0,0759 0,0056 0,0039 0,0955 0,0611 0,0092 0,0054 0,1629 0,1142 0,0092 0,0031
Anhang 215
Tab. A- 5: Zusammengefasste Ergebnisse zur rollierenden Planung (Versuchsreihen 20-24)
216
Anhang
Rechner
Simulationsserver Simulationsumgebung Analyser Planungsdatenbank AMD Athlon XP 2200+ (1,8GHz) 1 Gbyte Windows XP Professional
Modul Prozessor Arbeitsspeicher Betriebssystem
Optimierungsserver Scheduler Rescheduler Intel Pentium 4 (3,2 Ghz) 1 Gbyte Windows XP Professional
Tab. A- 6 Hardwareumsetzung reaktives Schedulingsystem Softwareumsetzung
Modul Modellierung: Pre-/Post-Processing: Solver:
Scheduler Rescheduler Simulation Analyser Planungsdatenbank Connektivity
ILOG OPL-Studio 3.6.1 ILOG Script ILOG CPLEX 8.1
eMPlant 6.0 und VISOPT Process 6.0 SimTalk (eMPlant 6.0) MS-Access 2002 ODBC (SQL)
Tab. A- 7 Softwareumsetzung reaktives Schedulingsystem
217
Literaturverzeichnis Abumaizar, R.J., Svestka, J.A., Rescheduling job shops under random disruptions. 1997, S. 2065-2082. Akturk, M.S., Gorgulu, E., Match-up Scheduling under a machine breakdown. European Journal of Operational Research, 112(1999), 1, S. 81-97. Alagöz, O., Azizoglu, M., Rescheduling of identical parallel machines under. European Journal of Operational Research, 149(2003), 3, S. 523-532. Alvarez, E., Diaz, F., An application of a real-time scheduling system for turbulent manufacturing environments. Robotics and Computer-Integrated Manufacturing, 20(2004), 6, S. 485-494. Applequist, G.E., Pekny, J.F., Reklaitis, G.V., Risk and uncertainty in managing chemical manufacturing supply chains. Computers & Chemical Engineering, 24(2000), 9-10, S. 2211-2222. Aytug, H., Lawley, M.A., McKay, K.N., Mohan, S., Uzsoy, R., Executing production schedules in the face of uncertainties: A review and some future directions. European Journal of Operational Research, 161(2005), 1, S. 86-110. Azizoglu, M., Kondakci, S., Köksalan, M., Single machine scheduling with maximum earliness and number tardy. Computers & Industrial Engineering, 45(2003), 2, S. 257268. Baerns, M., Hofmann, H., Renken, A., Chemische Reaktionstechnik, 3. Auflage, WileyVCH, Weinheim, 2002. Baptiste, P., Le Pape, C., Nuijten, W., Constraint-Based Scheduling, Kluwer Academic Publishers, Boston u.a., 2001. Barbosa-Povoa, A.P.F.D., Pinto, T., Novais, A.Q., Optimal design of heat-integrated multipurpose batch facilities: a mixed integer mathematical formulation. Computers & Chemical Engineering, 25(2001), 4-6, S. 547-559. Bean, J.C., Birge, J.R., Mittenthal, J., Noon, C.E., Matchup Scheduling with Multiple Resources, Release Dates and Disruptions. Operations Research, 39(1991), 3, S. 470483. Bernardo, F.P., Pistikopoulos, E.N., Saraiva, P.M., Quality costs and robustness criteria in chemical process design optimization. Computers & Chemical Engineering, 25(2001), 1, S. 27-40.
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