Prüfungstrainer Elektrotechnik [PDF]

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Zitiervorschau

Martin Poppe

Prüfungstrainer Elektrotechnik Erst verstehen, dann bestehen 3. Auflage

Prüfungstrainer Elektrotechnik

Martin Poppe

Prüfungstrainer Elektrotechnik Erst verstehen, dann bestehen 3., korrigierte und erweiterte Auflage

Martin Poppe Fachhochschule Münster Steinfurt, Deutschland

ISBN 978-3-662-56648-0 ISBN 978-3-662-56649-7 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-56649-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Dieses Buch ist jenen gewidmet, die daran arbeiten, gute Kenntnisse der Elektrotechnik zu erwerben. Es ist Ihnen gewidmet.

Vorwort »

Courage ist gut, aber Ausdauer ist besser (Theodor Fontane)

Dies soll nicht Ihr erstes Buch der Elektrotechnik sein, sondern ein nützlicher Helfer zum Bestehen der nächsten Prüfung. Dazu werden in dieser dritten Auflage erstmalig 160 Fragen aus mündlichen Prüfungen ausführlich beantwortet. Für Klausuraufgaben werden Lösungsstrategien vorgestellt. Mehr als 200 Beispiele werden bis zur vollständigen Lösung durchgerechnet. . . . die Frage kenne ich doch. . . Stellen Sie sich vor: Eine Prüfung beginnt mit einer Frage

oder einer Aufgabe, die Sie schon kennen und deren Antwort Sie verstanden haben. Wir haben Skripte und Prüfungsunterlagen der ersten sechs Semester von 34 Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert. Dabei hat sich gezeigt, dass es einen gemeinsamen Kern von Kenntnissen und Fähigkeiten gibt. Genau dieser Kern wird auf den folgenden Seiten behandelt. Sie finden in diesem Buch Fragen, Aufgaben und Antworten, die denen in tatsächlichen Prüfungen zwar nicht genau gleichen, aber ähnlich sind. Dieses Buch soll die Teilnahme an Vorlesungen und Übungen Ihrer Hochschule ergänzen. Ein aktives Studium vor Ort kann aber durch nichts ersetzt werden auch nicht durch die Lektüre dieses Buches. Wo Sie ungefähr stehen, können Sie prüfen. Unter http://www.springer.com/ de/book/9783662566480 finden Sie zu jedem Kapitel ein Quiz mit zehn Fragen und Antworten. Weitere, und ständig mehr werdende Unterlagen finden Sie unter www.prüfungstrainerelektrotechnik.de. Probieren Sie’s doch einfach! Um die Prüfungsvorbereitung interessant zu gestalten, werden mehrere Praxisbeispiele behandelt: Sie werden lernen, warum man sich beim Flug durch ein Gewitter in die Flugzeugmitte begeben sollte, wie man in der Werkstatt die Güte eines Bauteiles bestimmt, oder mit welchen Mitteln es eine Zündanlage im Auto schafft, aus 12 Volt 30.000 Volt zu erzeugen. Verstehen heißt: Lernen für die Langstrecke Auf Dauer behalten wir nur, was wir auch ver-

standen haben, was also auf einen kleinen Kern von Annahmen zurückgeführt werden kann. Deshalb stehen die vier Gesetze der Elektrodynamik ganz am Anfang dieses Buches. Wo immer möglich, werden elektrotechnische Sachverhalte auf deren physikalische Begründung zurückgeführt. Sie werden feststellen: Die Anzahl von k  1 Knotengleichungen der Netzwerktheorie sind leichter zu merken, wenn Sie verstehen, wie die Ladungserhaltung die k-te Gleichung verschwinden lässt; die Nicht-Messbarkeit der Halbleiter-Temperaturspannung wird zur Selbstverständlichkeit, wenn sie als Aspekt der Energieerhaltung erkannt wird, die . . . sehen Sie selbst! Wenn Sie den Mut haben, vom sturen Auswendiglernen Abschied zu nehmen und sich auf eine analytische Herangehensweise einlassen, werden Sie belohnt werden. Ihr Wissen wird Ihnen dauerhaft erhalten bleiben, und Sie werden die Souveränität erlangen, die man braucht, um bei unerwarteten Aufgabenstellungen Lösungswege zu finden. Letztlich werden Sie Arbeit sparen. Und wenn Sie die im Anhang aufgeführten Tipps beherzigen, dann lernen Sie so effektiv, dass auch noch etwas Freizeit übrig bleibt. Ihre Zukunft kennt weniger Schranken als die Ihrer Vorgänger Die Elektrotechnik steht mitten

in einer Zeitenwende. Mit der Massenproduktion von EEPROMs und dem Aufkommen der

VII Vorwort

Nanotechnologie dringt die Elektrotechnik in Bereiche vor, die bis zur Jahrhundertwende der Forschung vorbehalten waren: Der Tunneleffekt wird ebenso Gegenstand von Entwurfsüberlegungen wie einzelne Atome. Damit geht die Zeit der klassischen, auf sich alleine konzentrierten Elektrotechnik unwiederbringlich vorbei. Es ist in Ihrem Interesse als Teil einer neuen Generation von Ingenieuren auf die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern anderer Fakultäten vorbereitet zu sein. In diesem Buch wird daher eine Sprache verwandt, die mit der Begriffswelt von Physikern, Chemikern und Maschinenbauern kompatibel ist. Veraltete, aber dennoch bis heute benutzte Fachbegriffe werden genannt, erklärt, aber nicht mehr verwendet. Sie werden erstaunt sein, wie viel einfacher zu verstehen die theoretische Basis der Elektrotechnik dadurch wird. So geht’s: Der erste Schritt zum Erfolg ist die von keiner Illusion getrübte Selbsterkennt-

nis. Zu jedem Kapitel dieses Buches gibt es daher einen Satz von Fragen und Antworten, mit deren Hilfe Sie Ihr Vorwissen testen können. Die Fragen sind in solche aus mündlichen Prüfungen und solche aus Klausuren unterteilt. Die Klausuraufgaben sind in aufsteigender Reihenfolge nach ihrem Schwierigkeitsgrad geordnet. Wenn Sie die leichten Fragen beantworten können, kennen Sie die wichtigsten Begriffe, und Sie wissen, worum es geht. Die mittelschweren Fragen und Aufgaben wenden sich an die Studierenden von Fachhochschulen. Die schweren Fragen sind für Studierende an Universitäten und all diejenigen gedacht, die ein weiterführendes Studium (in der Regel das Masterstudium) anstreben. Versuchen Sie bitte zunächst, alle Fragen zu beantworten und alle Aufgaben zu lösen. Können Sie alles, brauchen Sie den Theorieteil nicht zu lesen. Vergleichen Sie Ihren Lösungsweg mit dem hier gezeigten: Welcher ist kürzer, welcher ist geradliniger? Nichts ist lehrreicher als das Vergleichen eigener Lösungswege mit anderen. Wer aber in eine Klausur nicht nur mit Fachwissen, sondern auch mit selbst erprobten Lösungsstrategien hineingeht, der weiß, dass er rechtzeitig fertig werden wird. Dieses Buch lebt seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 2012 vom Dialog. Zögern Sie bitte nicht, mir gegebenenfalls unter [email protected] zu schreiben. Ich beantworte jede E-mail. Viel Erfolg wünscht Ihnen Steinfurt, den 6.6.2018

Martin Poppe

Dank Es ist nicht möglich, alle, die geholfen haben, zu erwähnen. Dies beginnt bei den Verantwortlichen der Fachhochschule Münster, die mir die Freiräume für das Schreiben dieses Buches gaben und endet mit denjenigen, die sich die Mühe gemacht haben, einzelne Kapitel zu lesen: den Kollegen Dirk Fischer, Peter Glösekötter, Reinhard Job und Hans Christoph Mertins. Beim Schreiben der neuen Auflage habe ich sehr von den Diskussionen zur Feldtheorie mit dem Kollegen Jenda Obdrzalek von der Karls-Universität Prag profitiert. Mein Dank gilt auch denjenigen Mitgliedern des VDE Rhein Ruhr, die mir viele Anwendungsgebiete der Elektrotechnik vor Ort gezeigt und erklärt haben. Frau Hestermann-Beyerle, Frau Kollmar-Thoni und Herrn Kottusch vom Springer-Verlag danke ich für viele Anregungen, konstruktive Gespräche und für wertvolle Korrekturhinweise. Dieses Buch wäre nicht geschrieben worden, hätte mich meine Frau in der Zeit des Schreibens nicht so bedingungslos unterstützt. Ihr gilt mein ganz besonderer Dank.

Inhaltsverzeichnis 1

Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1.1

Grundlagen der Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1.1.1

Elektrische Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

1.1.2

Magnetische Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

1.1.3

Zeitlich veränderliche Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

1.1.4

Die Maxwell’schen Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

1.1.5

Felder in Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

1.2

Fragen und Aufgaben zur Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

1.2.1

Fragen aus mündlichen Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

1.2.2

Klausuraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1.3

Antworten zu Kap. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

2

Passive Bauelemente – den Strom zum Helfer machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2.1

Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2.1.1

Die Materialien der Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2.1.2

Kondensatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

2.1.3

Spulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

2.1.4

Widerstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

2.1.5

Impedanzen und Parasitärelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

2.2

Fragen und Aufgaben zu den passiven Bauelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

2.2.1

Fragen aus mündlichen Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

2.2.2

Klausuraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2.3

Antworten zu Kap. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

3

Halbleiter-Bauelemente – durch Verunreinigung Perfektion erreichen . . . . . .

87

3.1

Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

3.1.1

Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

3.1.2

Dotierung und PN-Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

3.1.3

Dioden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

3.1.4

Bipolar-Transistoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

3.1.5

MOS-Transistoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104

3.1.6

Leistungshalbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108

3.1.7

Ersatzschaltbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114

X

Inhaltsverzeichnis

3.2

Fragen und Aufgaben zu Halbleiter-Bauelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119

3.2.1

Fragen aus mündlichen Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119

3.2.2

Klausuraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

3.3

Antworten zu Kap. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125

4

Lineare elektrische Netze – dem Strom einen Weg bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

4.1

Theoretische Grundlagen linearer elektrischer Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137

4.1.1

Vorzeichen, Richtungen und Topologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137

4.1.2

Kirchhoff’sche Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140

4.1.3

Reale Strom- und Spannungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142

4.1.4

Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

145

4.2

Fragen und Aufgaben zu linearen elektrischen Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

154

4.2.1

Fragen aus mündlichen Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

154

4.2.2

Klausuraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155

4.3

Antworten zu Kap. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

5

Wechselstromnetze – beliebige Spannungen erzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

5.1

Theoretische Grundlagen der Wechselstromnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

173

5.1.1

Begriffe und Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

173

5.1.2

Ersatzimpedanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

176

5.1.3

Leistung und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177

5.1.4

Übertrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183

5.1.5

Drei-Phasen-Wechselstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188

5.2

Fragen und Aufgaben zu Wechselstromnetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

5.2.1

Fragen aus mündlichen Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

5.2.2

Klausuraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

194

5.3

Antworten zu Kap. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200

6

Frequenzselektion durch Zwei- und Vierpole – die guten Signalanteile herausfiltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

6.1

Theoretische Grundlagen der Zwei- und Vierpole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213

6.1.1

Frequenzselektion durch Widerstandsänderung: Schwingkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213

6.1.2

Frequenzselektion durch Spannungsänderung: Übertragungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . .

218

6.1.3

Frequenzselektion durch Spannung und Strom: Vierpoltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

225

6.2

Fragen und Aufgaben zu Zwei- und Vierpolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233

6.2.1

Fragen aus mündlichen Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233

6.2.2

Klausuraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235

6.3

Antworten zu Kap. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240

XI Inhaltsverzeichnis

7

Transistorschaltungen – mit kleinen Strömen viel bewegen . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

7.1

Theoretische Grundlagen für die Transistorschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255

7.1.1

Grundschaltungen des Bipolar-Transistors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255

7.1.2

Qualitätssteigerungen von Bipolar-Schaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265

7.1.3

Grundschaltungen des MOS-Transistors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267

7.2

Fragen und Aufgaben zu Transistorschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

274

7.2.1

Fragen aus mündlichen Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

274

7.2.2

Klausuraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

275

7.3

Antworten zu Kap. 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280

8

Operationsverstärker – Sensorsignale nutzbar machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

8.1

Theoretische Grundlagen zu Operationsverstärkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293

8.1.1

Eigenschaften und Aufbau von Operationsverstärkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293

8.1.2

Schaltungen mit idealen Operationsverstärkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

298

8.1.3

Schaltungen mit realen Operationsverstärkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

303

8.2

Fragen und Aufgaben zu Operationsverstärkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

306

8.2.1

Fragen aus mündlichen Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

306

8.2.2

Klausuraufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

308

8.3

Antworten zu Kap. 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313

Serviceteil Was Sie vielleicht schon immer wissen wollten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 A.1

Einheiten verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

328

A.2

Euler verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

330

A.3

Nabla verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

332

A.4

Einstein verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

334

Allgemeine Tipps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 A.5

Effektiv lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

338

A.6

Prüfungen bestehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

339

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

Symbole und Abkürzungen A

A B B ˇ ˇN ˇP C c D D ı EF e "0 "r F f G g g H h I i IO i I J j k L  

1. für die Diskussion von Feldern: Fläche 2. in der Schaltungstechnik: Vierpol-Kettenparameter-Matrix, bei komplexen Werten unterstrichen Flächenvektor Suszeptanz, Imaginärteil der Leitfähigkeit in der Wechselstromtechnik magnetische Feldstärke Vorwärtsstromverstärkung eines Bipolar-Transistors Leitwertparameter eines NMOS-Transistors Leitwertparameter eines PMOS-Transistors Kapazität, Q D C  U Lichtgeschwindigkeit im Vakuum Verlustfaktor von Bauelementen und Schwingkreisen D D 1=Q elektrische Verschiebung, elektrische Erregung Verlustwinkel D D tan ı Fermi-Energie 1. Eulersche Zahl (2,718. . . ) 2. Elementarladung elektrische Feldkonstante, elektrische Permeabilität des Vakuums relative elektrische Permeabilität "r D 1 C E Kraft, F D d p=dt Frequenz, Kehrwert der Periodendauer T Leitwert oder Leitwertmatrix Erdbeschleunigung Übertragungsmaß eines symmetrischen Vierpols: A11 D cosh.g/ magnetische Erregung 1. in der Schaltungstechnik: Vierpol-Hybridmatrix 2. in der Physik: Plancksches Wirkungsquantum Strom, allgemein I D dQ=dt 1. in der Wechselstromtechnik: harmonisch periodischer Strom um die Phase  verschoben, i D IO  sin.!  t C / 2. in der Kleinsignalanalyse: Abweichung des Stromes vom Arbeitspunkt, i D dI Amplitude eines harmonisch periodischen Stromes harmonisch periodischer Strom, komplex erweitert. Der messbare Strom ist i D =.i/: Amplitude des komplex erweiterten harmonisch periodischen Stromes. Diese Amplitude beinhaltet die Phase : I D IO  e j . Daher ist i D I e i !t . Stromdichte, J D v p j D 1 , die imaginäre Zahl, die Friedrich Gauß i nannte Boltzmann-Konstante Induktivität, Ui nd D L dI dt magnetischer Leitwert, für eine Spule mit N Windungen gilt L D N 2 1. in der Physik: Wellenlänge 2. in der komplexen Wechselstromtechnik: Leistungsfaktor,  D P =S 3. in der Halbleiter-Schaltungstechnik die Änderung des Drainstromes mit der GateSource-Spannung im Abschnürbereich in linearer Näherung I  .1 C UDS /

XIII Symbole und Abkürzungen

M M mx  0 p n r nA nD nx n P P p p ˚x Q

R r r  S S  t T T U u UO u U UD

Masse eines Mols (molare Masse) Für den Stoff x ist M D NA  mx , NA ist die Avogadro-Konstante (Anzahl der Moleküle in einem Mol) magnetische Polarisation Masse eines einzelnen Atoms oder Moleküls eines beliebigen Stoffes x, Beispiel Kohlenstoff: mC D 12 g=NA magnetisches Dipolmoment magnetische Feldkonstante, magnetische Permeabilität des Vakuums Beweglichkeit von Löchern im Halbleiter Beweglichkeit von Elektronen im Halbleiter relative magnetische Permeabilität eines Stoffes (dimensionslos) in der Halbleitertechnik: Anzahl der Akzeptor-Atome pro Volumen in der Halbleitertechnik: Anzahl der Donator-Atome pro Volumen Teilchendichte des Stoffes x, Anzahl pro Volumen in der Halbleitertechnik: Anzahl der Elektronen pro Volumen Leistung, allgemein elektrische Polarisation 1. In der Halbleitertechnik: Anzahl der Löcher pro Volumen 2. in der Wechselstromtechnik: zeitabhängige Leistung 1. in der Mechanik: Impuls, p D m  v 2. in der Elektrodynamik: elektrisches R Dipolmoment Fluss des Feldes x, Beispiel ˚B D Bd A 1. allgemein: Ladung 2. bei Bauelementen und Schwingkreisen: Güte 3. in der Wechselstromtechnik: Blindleistung Ohmscher Widerstand oder Widerstandsmatrix Ohmscher Widerstand in der Kleinsignalanalyse Radiusvektor 1. in der Feldtheorie: Ladungsdichte 2. in der Schaltungstechnik: spezifischer Widerstand Steilheit eines Bipolar-Transistors Scheinleistung in der komplexen Wechselstromtechnik spezifische Leitfähigkeit Zeit, allgemein 1. in der Wechselstromtechnik: Periodendauer, Kehrwert der Frequenz f 2. in der Materialwissenschaft: absolute Temperatur Spannungs-Übertragungsfunktion, Verhältnis Ausgangsspannung zu Eingangsspannung im lastfreien Fall Drehmoment Spannung, allgemein als Differenz zweier Potenziale 1. in der Wechselstromtechnik: harmonisch periodische Spannung um die Phase  verschoben, u D UO  si n.!  t C / 2. in der Kleinsignalanalyse: Abweichung der Spannung vom Arbeitspunkt: u D d U Amplitude einer harmonisch periodischen Spannung harmonisch periodische Spannung, komplex erweitert. Die messbare Spannung ist u D =.u/. Amplitude der komplex erweiterten harmonisch periodischen Spannung. Diese Amplitude beinhaltet die Phase : U D UO  e j . Daher ist u D U e i !t . Diffusionsspannung

XIV

UK UT UT h V Vx v X E M Y Z Z0 !

Symbole und Abkürzungen

Schleusen- oder Kniespannung einer Diode Temperaturspannung UT D kT =e Schwellspannung von MOS-Transistoren 1. in der Geometrie: Volumen R 2. in der Elektrodynamik elektrisches Potenzial V D  E d s Verstärkung der Größe x, es gilt Vx D dxAus =dxEin Geschwindigkeit, v D d s=dt Blindwiderstand in der Wechselstromtechnik elektrische Suszeptibilität magnetische Suszeptibilität Admitanz (komplexer Leitwert) oder dessen Matrix Impedanz oder Impedanz-Matrix charakteristische Impedanz eines symmetrischen Vierpols Kreisfrequenz, ! D 2  f

1

Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 M. Poppe, Prüfungstrainer Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56649-7_1

In diesem Kapitel wird die Verbindung von Physik und Elektrotechnik beschrieben. Es werden die grundlegenden Begriffe Ladung, Strom, elektrisches und magnetisches Feld und Spannung eingeführt. Hinzu kommen die in den vier Maxwell-Gleichungen zusammengefassten elementaren Zusammenhänge, auf denen die gesamte Elektrotechnik beruht. Das Kapitel beschreibt ein ebenso einfaches wie universell anwendbares Verfahren, Materie in den Maxwell-Gleichungen zu berücksichtigen. Und es zeigt, wo die klassische Elektrodynamik an ihre Grenzen stößt. Die Diskussion der Auswirkung der Verwendung neuer Materialien im Flugzeugbau auf die Passagiersicherheit bei Blitzschlag dient als Praxisbeispiel.

1.1

Grundlagen der Elektrodynamik

The best theory we have. Diese auf vielen Konferenzen zu hörende Qualifizierung wird nur einer einzigen Theorie zuteil, der Elektrodynamik. Dies hat zwei Gründe: Erstens: Die Untersuchung der Transformationseigenschaften der elektrischen Grundgleichungen durch Albert Einstein hat, wie . Abb. 1.1 zeigt, die spezielle Relativitätstheorie [2, 4] hervorgebracht (siehe Anhang). Zweitens: Keine andere Theorie ist so genau getestet worden: Bei dem so genannten g-2 Experiment [7, 8] am CERN wurden Elektronen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit für mehrere Tage (!) auf der in . Abb. 1.2 gezeigten Kreisbahn gehalten und ihre Präzessionsbewegung gemessen.

. Abb. 1.1 Die Relativitätstheorie im Original von 1905. Sie ist eine Analyse der Transformationseigenschaften der Maxwell’schen Gleichungen und der sich daraus ergebenden Konsequenzen

1

2

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

1

. Abb. 1.2 Die Intersecting storage Rings (ISR) am CERN. Hier wurde der genaueste, jemals von Menschen durchgeführte Test einer Theorie, das g-2 Experiment, durchgeführt. Durch die in den großen Metallblöcken befindlichen Magnete werden Teilchen auf ihrer Bahn durch eine Vakuum-Röhre gehalten (Foto: CERN)

Die Messung bestätigte die Vorhersage der Quantenelektrodynamik innerhalb der Fehlertoleranz von 1 W 5;8 Millionen, oder anders ausgedrückt: Relative Abweichungen von mehr als 1,7 Zehntausendstel Promille konnten ausgeschlossen werden [7, 8]1 . So ist die Elektrodynamik die bis heute am härtesten getestete und damit am beeindruckendsten bestätigte Theorie der Physik überhaupt. Die Elektrostatik untersucht eine einzige Eigenschaft der Materie und deren Konsequenzen für den sie umgebenden Raum: die Ladung. Die Magnetostatik beschreibt die Kräfteverhältnisse bei ruhenden Magneten. Indirekt beschäftigt sie sich also mit bewegten Ladungen. Die Elektrodynamik untersucht darüber hinaus die Phänomene, welche durch bewegte und beschleunigte Ladungen und veränderliche Felder entstehen. Von Magnetodynamik spricht man bei veränderlichen Magnetfeldern, deren Ursachen und Konsequenzen. Wir wissen heute, dass Elektrostatik, Elektrodynamik, Magnetostatik und Magnetodynamik unauflöslich zusammengehören. Die Elektrodynamik ist ein Teilgebiet der Physik. Die Elektrotechnik verwendet die in der Elektrodynamik gefundenen Erkenntnisse, um sie für den Menschen nutzbar zu machen.

1

Bei diesem Experiment war das Messergebnis noch etwas genauer als die Vorhersage, welche schwer zu quantifizierende Korrekturen durch die Kernkräfte auf virtuelle Quark-Antiquark-Paare zu berücksichtigen hatte.

1

3 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

1.1.1 Elektrische Wechselwirkung Die Ladung ist eine Eigenschaft mit drei Merkmalen: 4 Ladung kommt in 2 Varianten (C und ) vor. 4 Ladung ist quantisiert. 4 Ladung bleibt erhalten. 1 Kräfte zwischen Ladungen

Gleiche Ladungen stoßen sich ab, entgegengesetzte Ladungen ziehen sich an. Die Stärke der Kraft ist durch das Coulombsche Gesetz gegeben. Zwei entgegengesetzte Ladungen Q1 ; Q2 im Abstand2 r21 ziehen sich mit einer Kraft, deren Betrag durch F D

jQ1  Q2 j 2 4 "0  r21

(1.1)

gegeben ist, an. Genau wie bei der Gravitation sinkt die Stärke der Kraft mit dem Quadrat des Abstandes. Der Proportionalitätsfaktor "0 heißt elektrische Feldkonstante oder auch Dielektrizitätskonstante. Sie wird auch als dielektrische Leitfähigkeit oder Permittivität bezeichnet. In vektorieller Form lässt sich das Coulombsche Gesetz so schreiben: F2 D F1 D

Q1  Q2 r2  r1  : 4 "0 jr21 j3

(1.2)

In (1.2) ist F2 die Kraft, welche auf die Ladung Q2 wirkt. Sie gibt für alle Ladungs- und Richtungskombinationen das korrekte Ergebnis. Denn wenn die Ladungen verschieden sind, so ist das Produkt Q1  Q2 negativ, und der Kraftvektor bekommt die entgegengesetzte Richtung (siehe . Abb. 1.3). 1 Die Ladung ist quantisiert

Bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts schien die uns bekannte, stabile Welt nur aus Teilchen zu bestehen, die jeweils ein ganzzahliges Vielfaches einer einzigen, bestimmten Ladung mit sich tragen: Protonen, Neutronen und Elektronen. Daher wird diese Ladung bis heute Elementarladung (mit e bezeichnet) genannt. Nach heutigem Stand der Wissenschaft sind aber die Bausteine der Atomkerne selbst aus Quarks aufgebaut, deren Ladung einfache Vielfache eines Drittels der Elementarladung sind. Wie . Abb. 1.4 zeigt, sind am Aufbau unserer unmittelbaren Umwelt jedoch nur zwei Typen von Quarks sowie das Elektron beteiligt. Die anderen

. Abb. 1.3 Coulombsches Gesetz in Vektor-Form: Haben die Ladungen Q1 und Q2 das gleiche Vorzeichen, hat der Kraftvektor, welcher auf Q2 wirkt, die gleiche Richtung wie der Abstandsvektor r2  r1 (Abstoßung). Sind die Ladungen verschieden, ziehen sie sich an und der Kraftvektor ist antiparallel zu r2  r1 (Anziehung)

y Q1

r21 = r 2 - r1 r1 r2

Q2

x 2

In der Regel bedeuten zwei Indizes die Differenz. Es ist zum Beispiel der Abstandsvektor zweier Objekte gleich der Differenz der Ortsvektoren r21 D r2  r1 . Der Betrag des Abstandes ist dann r21 D jr 21 j.

4

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

. Abb. 1.4 Kleinste heute bekannte Bestandteile der Materie. Die Teilchen, aus denen Atome und Moleküle bestehen (Protonen, Neutronen und Elektronen), haben Ladungen, die Vielfache der so genannten Elementarladung sind. Protonen und Neutronen bestehen aus Quarks mit Vielfachen eines Drittels der Elementarladung. Alle Elementarteilchen außer u; d; e; sind instabil

Familie Ladung Elementarteilchen Ladung Atomteil Name 2/3 Quarks

u

-1/3

d

-1

e

0

νe

Leptonen

c s

t

1

u

b

μ

τ

νμ

ντ

u

Proton

u

Neutron

d

0

d d

-1

e

Elektron

Quarks (s; c; b; t ) und die Teilchen  und sind instabil und kommen nur in der Höhenstrahlung vor. Die drei Neutrino-Typen ( ) fliegen meist ungehindert durch die gesamte Erde hindurch. 1 Die Ladung ist erhalten

Die Erhaltung der Ladung manifestiert sich in besonders auffälliger Weise, wenn Ladung erzeugt wird. In . Abb. 1.5 sieht man, dass die Erzeugung einer positiven Ladung immer mit der gleichzeitigen Erzeugung einer negativen Ladung erfolgt. Es gibt praktisch keine technische Nutzung der Ladung ohne deren Bewegung. Wenn aber Ladungen bewegt werden, können neue Phänomene beobachtet werden. Der Gewinn oder Verlust von Ladung pro Zeit wird als (Ladungs-) Strom bezeichnet. Definition 1.1 Der elektrische Strom ist der Gewinn an positiver Ladung pro Zeiteinheit: I D Q= t.

. Abb. 1.5 zeigt den Extremfall von durch einzelne Teilchen hervorgerufenen Strömen. Die Bahnen der gerade erzeugten Teilchen sind gekrümmt. Aus der Krümmungsrichtung im Magnetfeld lässt sich auf das Vorzeichen der Ladung schließen.

. Abb. 1.5 Blasenkammeraufnahme zur Ladungserhaltung. Ladung wird immer nur in Paaren mit der Gesamtladung Null erzeugt. Diese Aufnahme [5] von 1964 zeigt an den durch Pfeile markierten Punkten die Erzeugung von Paaren geladener Teilchen. Aus der jeweils entgegengesetzten Krümmung im Magnetfeld folgt, dass die Teilchen entgegengesetzte Ladungen haben

1

5 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

. Abb. 1.6 Skizze einer Leitung. Der von ihr transportierte Strom ergibt sich aus der Anzahl der Ladungsträger, die sich im Volumen A x befinden. Dabei ist x von der Geschwindigkeit abhängig: x D vx t

1 Ursache von Strömen sind Bewegungen von Ladungsträgern

Ursache eines jeden Stroms ist die Bewegung geladener Teilchen. Im Folgenden soll der Zusammenhang zwischen dieser Bewegung und dem durch sie verursachten Strom dargelegt werden. Stellen wir uns einen Draht vor, in dem sich Elektronen mit einer Geschwindigkeit vx entlang der x-Richtung bewegen; so wie in . Abb. 1.6 dargestellt. Der Strom ist gleich der Gesamtladung, die den Querschnitt A pro Zeiteinheit durchquert, also das Produkt aus der Anzahl der Ladungsträger pro Zeiteinheit und deren jeweiliger Ladung qT . Die Anzahl lässt sich leicht berechnen, wenn erkannt wird, dass diese genau so groß ist, wie die Anzahl der Ladungsträger im Volumen V D A x mit x D vx t . Bei einer Ladungsträgerdichte n (Anzahl pro Volumen) ergibt sich so I D qT nvx A

(1.3)

Der Faktor q n wird auch Ladungsdichte  genannt, denn es gilt: Definition 1.2 Die Ladungsdichte  ist die durch das Volumen geteilte Ladung in diesem Volumen.

Die Ladungsdichte  kann daher als Produkt aus der Teilchendichte n und der Ladung qT der einzelnen Ladungsträger berechnet werden. Mit Hilfe der Ladungsträgergeschwindigkeit v und des Flächenvektors A (siehe auch . Abb. 1.7) lässt sich der Zusammenhang (1.3) auf beliebige Winkel verallgemeinern. I D v  A

(1.4)

Geschwindigkeit und Ladung sind verschiedene Eigenschaften der gleichen Teilchen. Deshalb ist es sinnvoll, beide Größen zu einer neuen zusammenzufassen

6

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

. Abb. 1.7 Skizze zur Bedeutung eines Flächenvektors: Jeder Fläche kann ein Vektor zugeordnet werden, der die Größe und die Orientierung der Fläche angibt. Sein Betrag ist die Größe der Fläche

dA dA

Definition 1.3 Die Stromdichte J ist das Produkt aus der Ladungsdichte  und der Geschwindigkeit v der Ladungsträger. J Dv (1.5)

Im Allgemeinen ist die Stromdichte an jedem Ort verschieden. Im diesem Falle ist daher zu schreiben Z I D J  dA (1.6) Ein interessanter Sonderfall ergibt sich, wenn die Fläche A ein Volumen vollständig umschließt. Wenn (per Konvention) die Einzelelemente dA des Flächenvektors als nach außen zeigend definiert werden, dann ist Inach außen der Strom, der dieses Volumen verlässt und es gilt3 I J  dA D Inach außen D 

dQinnen dt

(1.7)

Mit Hilfe des Gauß’schen Satzes [12] kann dies auch als r J D

@ @t

(1.8)

geschrieben werden. Gl. (1.8) ist in der Literatur als Kontinuitätsgleichung bekannt. Sie beschreibt den durch die Ladungserhaltung an jedem Punkt festgelegten Zusammenhang zwischen der Stromdichte und der Veränderung der Ladungsdichte. Ist innerhalb eines bestimmten Volumens V die Ladung konstant, so gilt für die dieses Volumen umschließende Oberfläche I J  dA D 0 (1.9) Gleichung 1.9 ist also eine kompakte Darstellung der Ladungserhaltung in geschlossenen Systemen.

3

Das Symbol

H

wird immer dann verwendet, wenn eine Oberfläche oder eine Linie geschlossen ist.

1

7 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

1 Ladungen verändern ihre Umgebung: Sie erzeugen elektrische Felder

Man kann die durch Ladungen hervorgerufenen Kräfte als Eigenschaften des sie umgebenden Raumes interpretieren. Diese von Michael Faraday eingeführte Sichtweise [1] ist erst einmal nichts Neues, öffnet aber den Blick für weitere Erkenntnisse. Wenn eine von zwei Ladungen, zum Beispiel Q1 in . Abb. 1.3, festgehalten wird, dann hängt es von der Position der anderen Ladung (Q2 ) ab, welche Kraft auf sie wirkt. An jeder Stelle des Raumes wirkt eine andere Kraft. Daher kann man jedem Punkt im Raume einen Kraftvektor zuordnen. Dividiert man diesen durch die Ladung Q2 , so erhält man einen neuen Vektor E D F 2 =Q2 , welcher nur noch von der Ladung Q1 und der Position im Raume abhängt. Er wird daher als eine durch die Ladung Q1 hervorgerufene Eigenschaft des Raumes um sie herum betrachtet, mit der man die Kraft nicht nur auf die Ladung Q2 , sondern auf eine beliebige andere Ladung QProbe berechnen kann. Diese neue Eigenschaft des Raumes heißt elektrisches Kraftfeld oder kurz elektrisches Feld. Definition 1.4 Das elektrische Kraftfeld E , (das elektrische Feld), an einem Punkt des Raumes ist der Quotient aus der Kraft, die auf einen geladenen Probekörper im betrachteten Punkt wirkt, und dessen Ladung QProbe : E D F Probe =QProbe . Sein Betrag jE j heißt elektrische Feldstärke.

Nach dem Coulombschen Gesetz (1.2) erzeugt eine am Ort r1 befindliche Ladung Q1 am Ort r2 ein Feld der Stärke E.r2 / D

F2 Q1 r2  r1 D  : Q2 4 "0 jr21 j3

(1.10)

Meist wird dieses Gesetz für den Fall angegeben, dass r1 D 0 ist. Dann ist die Gleichung auch ohne Indizes eindeutig und man erhält die Standardformulierung ED

r Q  : 4 "0 jrj3

(1.11)

Dabei ist Q die das Feld erzeugende Ladung und r der Abstandsvektor zu dieser Ladung. Durch diese Formulierung des Coulombschen Gesetzes wird jedem Punkt im Raume ein Vektor E zugeordnet, der die Kraft auf einen Probekörper mit der Ladung QProbe angibt. Wenn mehr als zwei Ladungen beteiligt sind, so ergeben sich die Kräfte und damit die Felder durch vektorielle Addition. Dies wird auch als Prinzip der linearen Superposition bezeichnet. Es beinhaltet, dass sich elektrische Felder ohne gegenseitige Störung gegenseitig durchdringen (Ausnahmen siehe [9]). Das von n Ladungen erzeugte Gesamtfeld errechnet sich dann als ED

n X Qi ri  : 3 4 " jr 0 ij i D1

(1.12)

Die Vektoren des elektrischen Feldes formen regelmäßige Muster, die als Feldlinien wie in . Abb. 1.8 dargestellt werden. Die Tangenten dieser Linien geben an, in welcher Richtung die Kraft wirkt. Wie in den . Abb. 1.8 und . Abb. 1.9 zu sehen ist, beginnen alle Feldlinien bei den positiven Ladungen und enden bei den negativen. Daher sagt man auch: Die positiven Ladungen sind Quellen des elektrischen Feldes, die negativen Ladungen sind die Senken des elektrischen Feldes.

8

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

. Abb. 1.8 Von zwei entgegengesetzten Ladungen erzeugtes Feld, dargestellt als Feldlinien. Ein positiv geladener Probekörper würde von der positiven Ladung weg und zur negativen Ladung hin gedrückt werden

. Abb. 1.9 Von zwei gleichen Ladungen erzeugtes Feld, dargestellt als Feldlinien. Auf einen Probekörper genau im Punkt in der Mitte zwischen ihnen würde keine Kraft wirken

Ladungen erzeugen elektrische Felder und elektrische Felder wirken auf Ladungen.

Bewegen sich Elektronen innerhalb eines Festkörpers aufgrund eines elektrischen Feldes, so stoßen sie ständig mit den Atomrümpfen zusammen. Dies hat zur Folge, dass ständig Bewegungsenergie an den Festkörper abgegeben wird. So wird jedes stromdurchflossene Material erwärmt. Außerdem nimmt die Geschwindigkeit der Elektronen nicht beliebig zu. Vielmehr stellt sich ein Gleichgewichtswert ein: Es wird im Mittel so viel Energie pro Kollision abgegeben, wie zwischen zwei Kollisionen im Feld aufgenommen wird. Eine fundamentale Analyse von Paul Drude [3] ergab, dass die Stromdichte innerhalb eines Materials in guter Näherung proportional zur Feldstärke ist: J D E

(1.13)

Der Proportionalitätsfaktor  wird spezifische Leitfähigkeit genannt. Die spezifische Leitfähigkeit erweist sich bei genauerer Analyse als Kehrwert des spezifischen Widerstandes. Der große Wert von (1.13) liegt darin begründet, dass mit ihrer Hilfe Stromverteilungen in komplizierten Geometrien berechenbar werden. (siehe . Abb. 1.11 und . Abb. 1.12 im Anwendungsbeispiel: Flugzeug im Gewitter) 1 Elektrische Dipole richten sich nach dem elektrischen Feld aus

Bei mehreren verschiedenen Ladungen erscheint das Feld, wie es in . Abb. 1.8 zu sehen ist, ausgerichtet. Das Maß für die Ausrichtung wird Dipol-Moment p genannt. Das Dipolmoment gibt an, wie stark das Bestreben eines Körpers ist, sich parallel zu einem äußeren elektrischen Feldes auszurichten:

1

9 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

Definition 1.5 Ein Körper hat ein elektrisches Dipolmoment p, wenn auf ihn in einem homogenen elektrischen Feld E ein Drehmoment  D p  E ausgeübt wird.

Man kann zeigen, dass das elektrische Dipol-Moment p einer insgesamt neutralen Gesamtheit von n Ladungen Qi dann n X pD Qi  r i (1.14) i D1

ist. Dabei ist dieses Ergebnis für p vom Bezugssystem unabhängig (siehe Lösung zur Aufgabe 1.23). 1 Das Potenzial bestimmt, wie viel Energie die Bewegung einer Ladung kostet

Um eine Ladung entgegen den Feldlinien von einem Punkt a zu einem anderen Punkt b zu bewegen, muss Arbeit verrichtet werden. Der Energiegewinn4 ist dabei Zb W D

Zb F  ds D Q

a

E  ds :

(1.15)

a

Bis auf einen Faktor Q hängt der Energiegewinn nur vom Feld und von den Anfangs- und Endpunkten ab. Diese neue Eigenschaft eines Punktes im Raum wird Potenzial genannt. Kennt man also das Potenzial des Anfangspunktes und das des Endpunktes der Bewegung einer Ladung, dann weiß man sofort, welche Energie benötigt oder freigegeben wurde, um vom ersten Punkt zum zweiten zu gelangen. Definition 1.6

R Das elektrische Potenzial V ist gegeben durch V D  E  ds, und die Differenz zweier Rb Potenziale heißt Spannung  a E  ds D .V .a/  V .b//.

Gemäß Definition 1.6 ist das elektrische Potenzial bis auf eine Integrationskonstante bestimmt. Aus diesem Grunde kann willkürlich festgelegt werden, wo das Potenzial gerade den Wert Null hat. Oft wird das Potenzial auch in differenzieller Form angegeben: E D r  V :

(1.16)

In dieser Form wird der praktische Nutzen des Potenzials deutlich: Wer das Potenzial kennt, kann durch Ableiten das elektrische Feld und damit die wirkenden Kräfte bestimmen. . Abb. 1.10 zeigt den Potenzialverlauf zweier geladener Metallkugeln unterschiedlicher Größe, aber vom Betrag her gleicher Ladung im Vergleich zum dazugehörigen Verlauf des elektrischen Feldes. Geladene Kugeln haben, da sich gleiche Ladungen abstoßen, ihre gesamte Ladung auf der Oberfläche. Diese verteilt sich so, dass die elektrische Feldstärke in ihrem Inneren gleich Null ist. Gemäß Definition 1.6 bedeutet dies ein im Inneren der Kugeln konstantes Potenzial. 4

Das Minuszeichen in (1.15) bedeutet, dass die Energie genau dann gewonnen wird, wenn gegen eine Kraft bewegt wird.

10

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

. Abb. 1.10 Feld- und Potenzialverlauf in und zwischen zwei Metallkugeln von unterschiedlicher Größe, aber gleichem Ladungsbetrag

In dem in . Abb. 1.10 gezeigten Beispiel sind die Ladungen auf den Kugeloberflächen nicht ganz gleichmäßig verteilt. Vielmehr ist die Ladungsdichte auf der der jeweils anderen Kugel zugewandten Seite leicht erhöht, und zwar genau um die Ladungsmenge, die nötig ist, um das Feld im Inneren der Kugel verschwinden zu lassen. Eine innen hohle Kugel aus leitendem Material ist daher ein Beispiel für einen Faraday’schen Käfig, einen Raum also, der aufgrund seiner metallischen Außenwände im Inneren kein elektrisches Feld hat. Flugzeug im Gewitter

Die Eigenschaften des Faraday’schen Käfigs sind für die Sicherheit von Flugzeugpassagieren von großer Bedeutung, wie . Abb. 1.11 zeigt. Die Grenzen des Schutzes werden durch die Leitfähigkeit der Außenhaut des Flugzeugs bestimmt. Ansatz: An den Blitzeinund -austrittspunkten stelle man sich punktförmige Ladungen Q und Q vor. Deren Feld in

. Abb. 1.11 Flug unter einer Gewitterwolke. In diesem Fall war das Flugzeug schneller als der Blitz (Bild mit freundlicher Genehmigung der Dexmet Corporation)

11 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

der Außenhaut bestimmt den Strom, welcher gleich dem des Blitzes sein muss. Ihr Feld im Inneren ist eine gute Näherung für die tatsächliche Feldstärke in der Kabine. Zur Abschätzung der im Flugzeug auftretenden Feldstärken nehmen wir den Rumpf näherungsweise als langen Zylinder mit dem Radius R aus einem Material der Schichtdicke ı und der spezifischen Leitfähigkeit  an. Der Blitz treffe den Rumpf am höchsten Punkt und verlasse ihn auf der gegenüberliegenden Seite. Der Strom geht dann zur Hälfte über die linke und rechte Seite der Außenhaut. Zur Berechnung des Stroms stellen wir uns, wie in . Abb. 1.12 gezeigt, einen halben Zylinder ausgerollt vor. Das elektrische Feld entlang der y-Achse muss aus Symmetriegründen parallel zur x-Achse verlaufen. Das Coulomb’sche Gesetz für die beiden Ladungen ergibt dann jE j D Ex D

Q 2 "0



1 1 C 2

2 C y 2

C y2

 ;

(1.17)

wobei D R=2 der Weg vom Einschlagspunkt bis zur y-Achse ist. Der Strom über die rechte Flugzeughälfte Ir folgt den Feldlinien (siehe (1.13)) gemäß J D E = und dI D J  dA. Daher ist er am besten entlang der y-Achse zu berechnen: Z Ir

D

Z J dA D Z

Qı D 2 "0 

Z Jx ıdy D

Ex ı dy 

1 dy :

2 C y 2

(1.18)

Nimmt man y im Bereich f1; 1g; dann bekommt das Integral den Wert = und der Gesamtstrom durch beide Seiten I D 2Ir wird I D

Q Qı D : "0  "0 RS

(1.19)

wobei RS D =ı der Schichtwiderstand der Außenhaut genannt wird. Entlang einer Linie zwischen den beiden Ladungen beträgt die elektrische Feldstärke jE j D Eh D

. Abb. 1.12 Zur Berechnung der Feldstärke im Flugzeugrumpf; links der Querschnitt mit dem Radius R, rechts eine Hälfte der Außenhaut ausgerollt

Q 4 "0



1 1 C h2 .2R  h/2

 (1.20)

1

12

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

Nun können Q und aus (1.19) und (1.20) eliminiert werden. Man erhält die Feldstärke zwischen den Blitzein- und -austrittspunkten als Funktion des Blitzstroms I : 1 jE j D I RS R 8



1 1 C h2 .2R  h/2

 :

(1.21)

Das Feld nimmt also proportional zum Blitzstrom und zum Schichtwiderstand RS der Außenhaut zu. Je näher man dem Einschlagspunkt kommt, desto stärker wird das Feld. Und je besser die Außenhaut leitet, desto sicherer ist man im Inneren.

1.1.2 Magnetische Wechselwirkung Magnetismus war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur als eine Eigenschaft bestimmter Stoffe bekannt, scheinbar ohne jeden Bezug zur Elektrizität. Diese Stoffe heißen Magnete5 und haben folgende Eigenschaften: 4 Magnete ziehen Eisen an. 4 Magnete haben zwei Pole, Nordpol und Südpol genannt. Schneidet man, wie in . Abb. 1.13 gezeigt, einen Magneten zwischen den Polen durch, dann entstehen zwei neue Magnete mit jeweils wieder zwei Polen. 4 Gleiche Pole stoßen sich ab, verschiedene Pole ziehen sich an. Heute ist bekannt, dass jedes Material magnetische Eigenschaften besitzt, wenn auch in sehr unterschiedlicher Stärke. In . Abb. 1.14 ist zu sehen, dass Späne aus Eisen in der Nähe eines Magneten regelmäßige Muster formen, weshalb auch hier dem Raum eine Eigenschaft zugesprochen werden muss: das magnetische Feld. . Abb. 1.13 Zerschneidet man einen Magneten, so entstehen zwei neue mit der gleichen magnetischen Orientierung

. Abb. 1.14 Eisenstäbchen auf einer Glasplatte über einem Magneten. Sie zeigen charakteristische Muster, aus denen auf das Magnetfeld geschlossen wird (Foto: FH Münster, Physikalische Technik)

5

Der Begriff leitet sich von der griechischen Region Magnesia ab, in der der Überlieferung nach vor etwa 400 Jahren ein Schäfer namens Magnes erstaunt feststellte, dass seine eisernen Nägel an einem bestimmten Stein festklebten.

1

13 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

1 Magnetismus ist eine Folge von Ladungsbewegungen

Die Ursache für die verschiedenen magnetischen Stoffeigenschaften ist letztlich die Wechselwirkung des Magnetfeldes mit den Ladungsträgern der Atome.6

Bewegte Ladungen erzeugen Magnetfelder, und Magnetfelder wirken auf bewegte Ladungen.

Die Erzeugung des Magnetfeldes wird durch das Gesetz von Biot-Savart beschrieben: Eine Ladung Q, die sich mit einer Geschwindigkeit v bewegt, erzeugt an einem r entfernten Punkt ein magnetisches Kraftfeld B, kurz Magnetfeld7 BD

0 Q vr :  4 jrj3

(1.22)

Der Proportionalitätsfaktor 0 heißt Permeabilität des Vakuums. Dieses Gesetz wird meist in einer etwas anderen Form angegeben (siehe Aufgabe 1.33). Sein historischer Ursprung ist jedoch die physikalisch äquivalente Beobachtung von Ampère, dass sich um einen Strom I herum ein Magnetfeld bildet, welches der Gleichung I B  d` D 0  I (1.23) L

genügt. Dies ist das zur Magnetostatik gehörende Gesetz von Ampère. Mit Hilfe des Satzes von Stokes lässt sich dieses Gesetz auch so umformulieren, dass es die Verhältnisse in infinitesimalen Regionen beschreibt: r  B D 0  J :

(1.24)

Die Kraft F Probe , die ein Magnetfeld auf eine Probeladung QProbe ausübt, welche sich mit der Geschwindigkeit vProbe durch das Magnetfeld bewegt, heißt Lorentz-Kraft und wird durch die Gleichung (1.25) F Probe D QProbe  vProbe  B beschrieben. 1 Magnetische Dipole sind linientreu

Da es keine magnetischen Monopole gibt, gilt auch kein dem Coulombschen Gesetz ähnliches Kraftgesetz. Die einfachsten rein magnetisch wechselwirkenden Einheiten sind die magnetischen Dipole. Die Größe, mit der die Wechselwirkung zwischen einem Magneten und einem magnetischen Feld beschrieben wird, heißt magnetisches Dipol-Moment . 6 Die Idee, dass letztlich alle magnetischen Phänomene elektrischen Ursprungs sind, wurde zunächst von Ampère vorgebracht. Eine gut zu lesende Abhandlung darüber, wie die Erkenntnisse sich historisch entwickelten, ist bei Max Born [6] im Kapitel über die Grundgesetze der Elektrodynamik nachzulesen. 7 In Rahmen der Potenzialtheorie kann gezeigt werden, dass dieses Feld nicht sofort entsteht. Vielmehr folgt das Feld im Abstand r mit einer Verzögerung t, welche durch die Lichtgeschwindigkeit gegeben ist: t D r=c.

14

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

Definition 1.7 Ein Körper hat ein magnetisches Dipol-Moment , wenn auf ihn im homogenen Magnetfeld B ein Drehmoment  D   B ausgeübt wird.

1

Berechnet man die Lorentz-Kraft auf alle Ladungsträger in einer Leiterschleife, so ergibt sich D I A ; (1.26) wobei A der zu einer ebenen Fläche gehörige Flächenvektor ist. Ein Beispiel ist in Aufgabe 1.38 gegeben. Definition 1.7 ist die Basis der Funktion aller Elektromotoren. Last but not least: Ob irgendwo ein Feld vorhanden ist wird ausschließlich aufgrund der Kraftwirkung entschieden:

Ein elektrisches (Kraft-) Feld manifestiert sich in der Wirkung der Coulomb-Kraft, ein magnetisches (Kraft-) Feld in der Wirkung der Lorentz-Kraft.

1.1.3 Zeitlich veränderliche Felder Ändern sich elektrische oder magnetische Felder, so treten neue Phänomene auf, die sich nicht mit den bisher genannten Gesetzen beschreiben lassen.

Sich ändernde Magnetfelder erzeugen elektrische Rotationsfelder und umgekehrt.

Das Induktionsgesetz, nach seinen Entdeckern auch Faraday-Henry-Gesetz genannt8 , gibt an, wie die Änderung eines Magnetfeldes Spannungen erzeugt. Entscheidend dabei ist die Änderung des so genannten magnetischen Flusses. Definition 1.8 Der magnetische Fluss ˚B durch eine geschlossene Fläche A ist das Integral Z ˚B D

B  dA :

(1.27)

A

Das Induktionsgesetz gibt an, welche Wirkung entlang einer genau diese Fläche umschließenH den Linie L D d` entsteht, wenn sich der magnetische Fluss mit der Zeit ändert: I E  d` D 

d˚B : dt

(1.28)

L 8

Der Überlieferung nach wurde Faraday nach einer Vorführung der Induktion vom Ministerpräsidenten gefragt, wozu das gut sei. Er antworte: Why Sir, there is the probability that you will soon be able to tax it.

15 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

dB /dt

E 1

. Abb. 1.15 Gedankenexperiment zum Induktionsgesetz: Wenn innerhalb eines homogenen Magnetfeldes ein Ring in zwei Hälften geteilt wird, so sorgt das Magnetfeld in der oben liegenden geraden Leitung für genau den entgegengesetzten Strom wie in dem unmittelbar darunter liegenden geraden Stückchen, denn die Drehrichtung muss die gleiche sein. Man kann also keinem Punkt eine in eine bestimmte Richtung weisende Kraft zuordnen

E 2

Dabei ist das Integral entlang der Linie zu berechnen, die die zum magnetischen Fluss gehörende Fläche vollständig umschließt. Es ist im Übrigen unerheblich, ob die Änderung des magnetischen Flusses durch eine Veränderung der Stärke des magnetischen Kraftfeldes B oder durch eine Bewegung innerhalb eines Feldes geschieht. Das Induktionsgesetz entzieht sich in mehrfacher Hinsicht dem anschaulichen Verständnis. Das beginnt damit, dass es nicht möglich ist, den Punkten im Raum einen Kraftvektor zuzuordnen. Warum das so ist, zeigt ein kleines Gedankenexperiment (siehe auch . Abb. 1.15): In einem homogenen, zeitveränderlichen Magnetfeld befinde sich ein Ring. In diesen werde eine Spannung so induziert, dass ein Strom in mathematisch positiver Richtung fließe. Nun werde der Ring in zwei Teile geteilt und die jeweils offenen Enden verbunden und das gleiche, sich mit der Zeit ändernde Magnetfeld angelegt. In beiden Halbringen wird wieder ein Strom in mathematisch positiver Richtung fließen. Aber was ist in der Mitte? Treibt die Feldänderung den Strom nach rechts oder nach links . . . ? Ebenfalls unanschaulich ist die Tatsache, dass zwar eine Spannung induziert wird, gleichzeitig aber keinem Punkt ein Potenzial zugeordnet werden kann. Zerschneidet man die Leiterschleife in . Abb. 1.15 ganz oben, dann scheint das obere linke Ende der Leiterschleife das höchste und das obere rechte Ende das niedrigste Potenzial zu haben. Schneidet man dagegen den Ring unten durch, dann scheint der Punkt mit dem höchsten Potenzial unten rechts zu liegen. Letztlich kann auf diese Weise jedem Punkt jedes beliebige Potenzial zugewiesen werden, was nicht sinnvoll sein kann. 1 Der Satz von Stokes verbindet die Eigenschaft einer Fläche mit einer Randeigenschaft

Am besten stellt man sich das durch Induktion hervorgerufene elektrische Rotationsfeld als Summe sehr vieler, sehr kleiner Felder vor. Diese bedecken die gesamte zum magnetischen Fluss beitragende Fläche. Überall außer am Rand heben sich die Induktionskräfte auf. Dies ist im Übrigen mehr als eine Veranschaulichung. Denn es ist durch den Satz von Stokes gerechtfertigt, der in diesem Falle besagt: Z I E  d` D .r  E /  dA : (1.29) L

A

Der Term r  E beschreibt, wie stark die Rotation des Feldes im Flächenelement dA ist (siehe auch 7 Abschn. A.3). Nach Stokes ist also das Linienintegral entlang der Außenkante der Fläche gleich der Summe aller Teilrotionen auf der Fläche. Schneidet man eine die Fläche A umschließende Leiterschleife an einem beliebigen Punkt durch, so ergibt sich zwischen den Enden eine Spannung I d˚B Leitung Leitung : (1.30) E  d` D U Schleife D VEnde  VAnfang D  dt L

1

16

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

Genau so wie Änderungen von Magnetfeldern elektrische Wirkungen hervorrufen, rufen sich verändernde elektrische Felder magnetische Wirkungen hervor. In diesem Fall ist der elektrische Fluss entscheidend: Definition 1.9 Der elektrische Fluss ˚E durch eine geschlossene Fläche A ist das Integral Z ˚E D

E  dA :

(1.31)

A

Die Änderung des elektrischen Flusses erzeugt ein magnetisches Wirbelfeld gemäß I Z @E B  d` D "0 0 dA .immer/ @t L I d˚E (bei ruhender Fläche A/ B  d` D "0 0 dt

(1.32)

L

Im Allgemeinen hat ein Magnetfeld also zwei Ursachen: Ströme und elektrische Wechselfelder. Beide werden in dem dem so genannten Ampère-Maxwell-Gesetz zusammengefasst: I Z @E B  d` D 0 I C "0 0 dA (1.33) @t L

1.1.4 Die Maxwell’schen Gleichungen Alle bisher geschriebenen Gesetze können in vier Gleichungen zusammengefasst werden, die als Maxwell’sche Gleichungen9 [11] bekannt geworden sind. Diese sind ausnahmslos partielle Differenzialgleichungen, welche die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Zusammenhänge auf die Eigenschaften der Felder im infinitesimal Kleinen zurückführen. Die erste Maxwell’sche Gleichung verbindet die Gesamtladung Q mit dem von ihr erzeugten Feld E . Sie besagt: Für jede die Ladung vollständig umschließende Oberfläche A gilt I E  dA D Q="0 : (1.34) Oberfläche

Diese Gleichung ermöglicht es, für eine gegebene Ladung auszurechnen, welche Feldstärken und damit auch, welche Kräfte von ihr erzeugt werden. Dies ist auch eine elegante Verallgemeinerung des elektrischen Kraftgesetzes, (1.11) dem Gesetz von Coulomb (siehe auch Aufgabe 1.29). Der in der Vektoranalysis als Gauß’scher Satz bekannte Zusammenhang von Divergenz und Oberflächenintegral erlaubt noch eine andere Darstellung Z I E  dA D r  E  dV : (1.35) Oberfläche

Volumen

9 Was heute Maxwell’sche Gleichungen genannt wird nannte Einstein noch Maxwell-Hertz’sche Gleichungen. Denn ohne die Entdeckung elektromagnetischer Wellen durch Heinrich Hertz hätte sich dieser Satz von Gleichungen nicht durchgesetzt.

1

17 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

Wenn man bedenkt, dassQ=V gerade die Ladungsdichte  ist, dann lässt sich die erste Maxwell’sche Gleichung auch als r  E D ="0

(1.36)

schreiben. Die erste Maxwell’sche Gleichung beinhaltet eine wichtige Information über die Struktur aller durch Ladungen hervorgerufenen elektrischen Felder (siehe auch . Abb. 1.8 und . Abb. 1.9): Man stelle sich eine immer kleiner werdende geladene Kugel vor. Je kleiner die Kugel wird, desto näher rücken die Anfänge der Feldlinien zusammen. Wenn die Kugel nur noch als Punkt erscheint, scheinen alle Feldlinien von diesem Punkt auszugehen. Daher sind Punktladungen die Quellen und Senken des elektrischen Feldes. Von großer technischer Bedeutung ist auch die Rückwärts-Interpretation des Gauß’schen Satzes, denn sie besagt, dass aus gegebenen elektrischen Kräfteverhältnissen die beteiligten Ladungen folgen. So lässt sich das Verhalten eines Kondensators am leichtesten mit Hilfe dieses Gesetzes vorhersagen. Darauf soll im nächsten Kapitel näher eingegangen werden. Die zweite Maxwell’sche Gleichung wird von der folgenden Beziehung abgeleitet: I B  dA D 0 : (1.37) Oberfläche

Sie wird auch als Gauß’scher Satz für das Magnetfeld bezeichnet. Für jede geschlossene Oberfläche verschwindet das Integral über das Skalarprodukt mit der magnetischen Feldstärke. Es gibt also keine magnetische Ladung so wie es eine elektrische Ladung gibt. Denn die Gleichung besagt, dass das Magnetfeld keine Quellen hat. Wenn aber die Linien des Magnetfeldes weder Anfang noch Ende haben, so müssen sie geschlossen sein: Jeder Punkt einer Magnetfeldlinie ist auch ihr Anfang und ihr Ende. Der Gauß’sche Satz für das Magnetfeld ist also gleichbedeutend mit der Tatsache, dass beim Zerschneiden eines Magneten immer wieder Magnete mit zwei Polen entstehen (siehe 7 Abschn. 1.1.2). H Die dritte Maxwell’sche Gleichung folgt aus dem Induktionsgesetz für Magnetfelder ( L E  d` D d˚B =dt , (1.28)). Um auf die dazugehörige Differenzialgleichung zu kommen, werden beide Seiten der Gleichung auf Flächenintegrale zurückgeführt. Dazu muss auch die Ableitung in das Integral hineingezogen werden. Nach dem Satz von Stokes ist Z I E  d` D .r  E /dA : (1.38) L

Er setzt das Integral entlang einer geschlossenen Linie in Beziehung zu einem Integral über die von ihr umschlossenen Fläche. Das Ausführen der zeitlichen Ableitung des magnetischen Flusses ist nicht-trivial und ergibt nach den Regeln der Vektoranalysis für ein beliebiges Feld B Z  Z   @B d BdA D C v .r  B/  r  .v  B/ dA : (1.39) dt @t Dabei steht v für die Geschwindigkeiten der Randpunkte der Flächenelemente dA. Da das magnetische Kraftfeld jedoch quellenfrei ist, bleibt in diesem Falle nur Z   Z  @B d  r  .v  B/ dA (1.40) BdA D dt @t

18

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

übrig. Man erkennt, dass das Induktionsgesetz in seiner makroskopischen Form zwei verschiedene Effekte beinhaltet: Der @B=@t -Term zeigt, dass eine Änderung der magnetischen Feldstärke eine Rolle spielt. Dieser Teil wird heute zum Beispiel für Funketiketten benutzt, und er steht für die Grenzen elektromagnetischer Verträglichkeit. Der r  B-Term scheint auf die Lorentz-Kraft zu verweisen, wie sich gleich bestätigen wird. Er bildet das theoretische Fundament aller Elektromotoren. Nach dem Induktionsgesetz sind die rechten Seiten der Gleichungen (1.38) und (1.40) bis auf das Vorzeichen gleich. Folglich müssen ihre Integranden gleich sein. Also gilt: rE D 

@B C r  .v  B/ : @t

(1.41)

Die ersten beiden Terme werden dritte Maxwell’sche Gleichung genannt: rE D

@B : @t

(1.42)

Die beiden äußeren Terme folgen aus der Lorentz-Kraft: F D Qv  B !E DvB

(1.43)

! r  E D r  .v  B/ : Die Interpretation dieses Terms als Umformulierung der Lorentz-Kraft setzt damit voraus, dass eine Ladung Q vorhanden ist. Dies führt zusammen mit der geometrischen Interpretation der Ableitung (1.39) zur Urform aller elektrischen Maschinen: Die Bewegung des Randes ist die Bewegung einer Leiterschleife, deren Elektronen der Lorentz-Kraft ausgeliefert sind. Dies ist ein entscheidender Unterschied zur dritten Maxwell’schen Gleichung, welche auch im Vakuum gilt. Daraus folgt

Das makroskopische Induktionsgesetz (1.28) setzt das Vorhandensein von Ladungsträgern voraus (meistens eine Leiterschleife), die in ihm enthaltene dritte Maxwell’sche Gleichung jedoch nicht.

Das durch Induktion erzeugte elektrische Feld ist im Übrigen ein reines Wirbelfeld, ganz im Gegensatz zu dem von Ladungen erzeugten elektrischen Feld, welches ein reines Quellenfeld ist. Die vierte Maxwell’sche Gleichung fasst die beiden Möglichkeiten zusammen, ein Magnetfeld zu erzeugen. Aus den Gleichungen (1.23) und (1.32) erhält man Z

I

@E dA @t L Z Z Z @E dA r  B  dA D 0  J dA C "0 0 @t @E r  B D  0 J C "0  0 : @t B  d` D 0  I C "0 0

! !

(1.44)

1

19 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

. Abb. 1.16 Makroskopische Veranschaulichung der differenziellen Form der Maxwell’schen Gleichungen: Ladungen sind die Quellen des elektrischen Feldes: r  E D ="0 . Das magnetische Feld hat keine Quellen, es ist ein Rotationsfeld: r  B D 0. Elektrische Rotationsfelder entstehen durch Magnetfeldänderungen r  E D @B=@t, und magnetische Felder entstehen durch Ströme und Änderungen des elektrischen Feldes: r  B D 0  J C "0 0 @E =@t

B E

B

E

E

B

Insgesamt findet man so den Satz von vier Gleichungen, die heute als Maxwell’sche Gleichungen bekannt und in . Abb. 1.16 (vergleiche [13]) veranschaulicht sind. I E  dA D Q="0

;

r  E D ="0

B  dA D 0

;

rB D0

d˚B dt

;

rE D

;

r  B D  0  J C "0  0

Oberfläche I Oberfläche I

E  d` D  Rand I

B  d` D 0  I C "0 0

Z

@E dA @t

(1.45)

@B @t @E : @t

Rand

Mit diesen vier Gleichungen ist grundsätzlich alles gesagt. Nur: So elegant ihre Formulierung auch daherkommt, so eingeschränkt ist ihre Lösbarkeit. Einer kleinen Zahl analytischer Lösungen steht eine Unmenge von Problemen gegenüber, für die nur Näherungslösungen der Maxwell’schen Gleichungen bekannt sind.

Die Maxwell’schen Gleichungen (1.45) und die in ihnen vorkommenden Größen beschreiben zusammen mit der Coulomb-Kraft und der Lorentz-Kraft die gesamte Elektrodynamik. Alle nicht darin vorkommenden Größen sind Hilfskonstrukte, die bei besonderen Problemstellungen (Materialien und Geometrien) helfen sollen, schneller zu Lösungen zu kommen.

20

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

Für Feldberechnungen komplexer Geometrien hat sich neben dem elektrischen Potenzial V die Definition eines magnetischen PotenzialsA als hilfreich erwiesen, so dass E D r  V C

@A @t

und

B Dr A :

(1.46)

Der praktische Wert des elektrischen PotenzialsV liegt in der Tatsache begründet, dass es eine skalare Größe ist, aus der eine vektorielle gewonnen werden kann. In (1.46) kommt ferner eine wichtige Tatsache zum Ausdruck:

Man kann einem Paar von Punkten im Raum nur dann eine zwischen ihnen herrschende Spannung zuordnen, wenn keine zeitabhängigen Magnetfelder vorhanden sind.

1.1.5 Felder in Materie In Felder eingebrachtes Material verändert ebendiese Felder. Das heißt: Die Materialien erzeugen unter dem Einfluss äußerer Felder selbst elektrische oder magnetische Kraftfelder. Man sagt auch: Ein Material kann magnetisch oder elektrisch polarisiert werden und nennt diese Vorgänge daher Polarisation bzw. Magnetisierung. 1 Elektrische Felder polarisieren

Wie . Abb. 1.17 zeigt, richten sich bei ionischen oder polaren Bindungen die Ladungen entsprechend dem äußeren Feld aus. Dadurch entstehen viele kleine Dipole, deren Feld das ursprüngliche Feld abschwächt. Diesen Vorgang nennt man Polarisation. Er führt dazu, dass das elektrische Feld innerhalb des Festkörpers aus zwei Komponenten zusammengesetzt ist, dem Feld E frei , welches von den Ladungen außerhalb des Festkörpers erzeugt wird, und dem meist entgegengesetzten Polarisationsfeld des Festkörpers E P : E D E frei C E P :

(1.47)

Multipliziert man diese Gleichung mit "0 und differenziert nach dem Ort, so ergibt sich mit Hilfe des Gauß’schen Satzes für das elektrische Feld der freien, nicht gebundenen Ladung frei D r  "0 E frei r  "0 E frei D r  "0 E  r  "0 E P !

(1.48)

frei D r  ."0 E  "0 E P /

. Abb. 1.17 Feldbilanz in einem elektrisch polarisierbaren Stoff. Ein äußeres elektrisches Feld zieht die Moleküle auseinander. Dadurch entstehen im Material viele Dipole, deren Felder das von außen angelegte Feld abschwächen

Efrei

Efrei E

1

21 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

Gl. (1.48) beschreibt, wie das elektrische Kraftfeld E mit der Dichte der freien Ladung frei zusammenhängt. In der Literatur wird sie oft in der Form frei D r  ."0 E C P/

(1.49)

Dr D

angegeben. Gl. (1.49) ist gleichzeitig der Ursprung der beiden Feldgrößen P und D. P wird Polarisation oder besser elektrische Dipoldichte genannt. Die zweite Option macht auch das Vorzeichen verständlich: P D "0 E P . Genauso, wie beim elektrischen Dipol das elektrische Feld antiparallel zu dessen Dipolmoment ist, ist auch die durch den Vorgang der Polarisation hervorgerufene Dipoldichte P deren elektrischem Feld entgegengesetzt. D wird nach dem von Maxwell eingeführten Begriff electrical displacement elektrische Verschiebung oder elektrische Flussdichte, bisweilen auch elektrische Erregung genannt. Mit Hilfe des Gauß’schen Satzes ergeben sich aus (1.49) die folgenden, meist verwendeten Definitionen: Definition 1.10 Die elektrische Erregung D ist durch I DdA D Qfrei

(1.50)

Oberfläche

gegeben, wobei Qfrei die nicht ortsfest im Material gebundene, freie Ladung ist.

Die Polarisation ist als Differenz zum (nur durch die freien Ladungen definierten) Feldanteil und dem tatsächlich messbaren Kraftfeld definiert: Definition 1.11 Die Dipoldichte oder Polarisation P eines Materials ist das, was von der elektrischen Erregung abgezogen werden muss, um das elektrische Kraftfeld E zu erhalten: D  P D "0 E :

(1.51)

Letztendlich ist es Ziel aller Berechnungen, das Feld E zu erhalten. 1 Äußere Magnetfelder erzeugen innere Magnetfelder

Auch Magnetfelder werden durch Stoffe verändert. In diesem Fall wird dem durch freie, also nicht im magnetisierten Material gebundene Ströme Ifrei erzeugten Feld B frei ein durch die Magnetisierung des Materials verursachtes FeldBM überlagert. Es wird also B D B frei C B M

(1.52)

gesetzt. Auch hier kann eine in Anwesenheit von Materie gültige Gleichung aus der Tatsache gewonnen werden, dass die Maxwell’schen Gleichungen für alle Teilströme und Teilladungen separat gelten: 0  J frei C "0 0

@E frei D r  B frei : @t

(1.53)

22

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

Durch Einsetzen von (1.52) in (1.53) findet man (siehe [14]) eine Gleichung für Magnetfelder in Materie: J frei C

@ 1 ."0 E frei / D r  .1 0 B  0 B M / : @t

(1.54)

Gl. (1.54) beschreibt, wie das magnetische Kraftfeld B mit der nicht ortsfest an den Stoff gebundenen Stromdichte J frei zusammenhängt. In der Literatur wird (1.54) oft in einer der folgenden Formen angegeben: J frei C

@.D/ D r  .1 0 B  M/ @t

(1.55)

Dr H : Dabei werden H magnetische Erregung oder auch Magnetfeld und M Magnetisierung oder besser magnetische Dipoldichte genannt. Die Vorzeichenwahl von M ist genau umgekehrt zu der von P: M D C1 0 BM . Die integrale Formulierung von (1.55) führt zu folgender, in älteren Skripten populären Definition: Definition 1.12 Die magnetische Erregung H ist durch Z

I H  d` D Ifrei C

@D dA @t

(1.56)

L

gegeben, wobei Ifrei der von der Linie L vollständig umschlossene Strom und A die durch L begrenzte Fläche ist.

Definition 1.13 Die magnetische Dipoldichte oder Magnetisierung M eines Materials ist das, was zu der magnetischen Erregung hinzugerechnet werden muss, um das magnetische Kraftfeld B zu erhalten: (1.57) H C M D B=0 :

H und M sind die am häufigsten missverstandenen Größen der Elektrotechnik überhaupt. Das liegt zunächst an der irreführenden Wortwahl: Magnetisierung ist rein sprachlich der Vorgang, der die Dipole und damit ein magnetisches Dipolfeld mit der Dichte M schafft - und nicht das Ergebnis dieses Vorganges. Und der Begriff Magnetfeld für die Größe H verwirrt, weil diesem Feld keine Kraft zugeordnet werden kann. Er ist ein Relikt aus der Zeit vor Maxwell und Hertz (1885). Der Begriff magnetische Erregung ist schon besser. Er darf aber nicht so verstanden werden, dass das H Feld von der Materie im Raum unabhängig sei. Die weitverbreitete Ansicht, dieses Feld würde das Magnetfeld von der Erzeugerseite aus betrachtet beschreiben, ist schlicht falsch: Makroskopisch lassen sich die Felder nicht in Erzeugungs- und Wirkungsanteile zerlegen. Dies kann man daran festmachen, dass das, was in der Literatur H Feld genannt wird, von der Materialverteilung im Raume abhängt.

1

23 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

1 Alle Felder sind Kraftfelder oder Kraftfeldanteile

Während die Felder E undB aufgrund der Kraft- und Induktionswirkung experimentell nachweisbar sind, handelt es sich bei den GrößenH , D, M und P um Hilfsgrößen, deren Sinn die Verkürzung einiger Formeln und Rechenwege ist. In . Abb. 1.18 sind die Prioritäten dargestellt. Im 19. Jahrhundert nahm man noch an, dass diese Felder jeweils verschiedene Typen von Feldern seien. So nannte Maxwell das Feld D electrical displacement, weil er glaubte, freie Ladungsträger würden den damals noch angenommenen Äther verschieben (displace). In aktuellen Feldtheorien wird der gesamte Elektromagnetismus jedoch nur noch durch einen einzigen Feldtensor beschrieben, in dem sich die Felder B und E wiederfinden. Alle anderen Felder werden als spezielle Anteile an diesen Kraftfeldern angesehen. . Abb. 1.19 zeigt die Verhältnisse so, wie sie sich im Infinitesimalen darstellen, exemplarisch für ein anisotropes Dielektrikum und für ein ferromagnetisches Material. Beim anisotropen Dielektrikum ist E P nicht parallel zu E frei . Das von den freien Ladungen erzeugte elektrische Kraftfeld wird abgeschwächt und erhält eine neue Richtung. Ferromagnetische Stoffe zeichnen sich dadurch aus, dass das Magnetisierungsfeld sehr viel stärker ist als das in die gleiche Richtung zeigende Magnetfeld der freien Ströme: B frei  BM . Setzt man die in (. Abb. 1.19) gezeigten Feldsummen in die Maxwell’schen Gleichungen ein und vergleicht das Ergebnis mit den üblicherweise verwendeten Gleichungen, so folgt die in . Tab. 1.1 gezeigte Zuordnung. Alle dort aufgeführten Felder stehen für bestimmte Anteile der Felder E und B. Messbar sind D und H nur, wenn sie mit E und B zusammenfallen, also im Vakuum. Dagegen sind P und M nur in der Abwesenheit äußerer Felder messbar. Im Umkehrschluss gilt, dass beispielsweise das Feld eines Stabmagneten ebenso durch M wie durch B beschrieben werden kann.

. Abb. 1.18 Messbare Größen (links) und Rechenhilfsgrößen (rechts): In den Maxwell’schen Gleichungen (1.45) sind die messbaren Größen zusammen gefasst. Sinn der Hilfsgrößen ist die Abkürzung bestimmter Rechenwege

. Abb. 1.19 Felder in Materie und ihre Komponenten: a zeigt das elektrische Feld in einem anisotropen Dielektrikum, b zeigt das magnetische Kraftfeld in einem Ferromagneten. Beide Fälle sind nicht maßstabsgerecht gezeichnet

EP BM Efrei

E Bfrei

a

b

. Tabelle 1.1 Bedeutung der traditionellen Feldgrößen im Infinitesimalen Trad. Feldgröße

H

D

M

P

Bedeutung

B frei =0

"0 E frei

B M =0

"0 E P

Ursache

Freie Ströme

Freie Ladung

Magnetisierung

Polarisation

frei

JM

P

Ursache (Symbol) J frei

B

24

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

Wichtig bleibt: (1.49) und (1.55) werden oft auch als Maxwell’sche Gleichungen für Materie bezeichnet. Sie bilden jedoch keine eigene Theorie, sondern sind schlicht Konsequenzen einer Anwendung der Maxwell’schen Gleichungen auf polarisierbare bzw. magnetisierbare Medien. Die Differenzialgleichungen (1.45) gelten ohne Einschränkungen sowohl im Vakuum als auch in Materie. 1 Mit den Größen "r und r wird vieles einfacher

Die Felddifferenz E E P kann auch als Modifikation des elektrischen Feldes E durch Materie interpretiert werden. Da diese stoffspezifisch ist, wird sie am besten durch eine neue, dem Stoff zugeordnete Größe "r , die relative Dielektrizität beschrieben. Ihr messbarer Wert ergibt sich aus der Mittelung über sehr viele Stoffatome und ihre Bedeutung ergibt sich aus der folgenden Umformulierung der Felddifferenz E  E P : frei D r  ."0 E  "0 E P / ! frei D r  ."0 "r E / :

(1.58)

Durch (1.58) wird "r definiert. Bei Festkörpern, deren Moleküle bzw. Kristalle sich nicht entgegengesetzt zum äußeren Feld verformen können, ist "r ein Tensor, denn diese Materialien verändern auch die Richtung des elektrischen Feldes. Man nennt sie elektrisch anisotrop. Meist ist "r einfach ein Konstante, die relative Dielektrizitätskonstante. Diese gibt an, um welchen Faktor der im elektrischen Feld befindliche Stoff dieses abschwächt. Bisweilen wird auch nur angegeben, wie weit "r vom Wert 1 abweicht. Diese Abweichung wird als elektrische Suszeptibilität10 E bezeichnet. Und so lässt sich für die rechten Seiten von (1.48) und (1.49) auch Folgendes schreiben: D D "0 E frei D "0 .E  E P / D .1 C E /  "0 E D "r  "0 E D " E

(1.59)

Für anisotrope Materialien ist statt der Zahl 1 die Einheitsmatrix zu verwenden, und die Richtungsänderung des Feldes wird durch ein tensorielles E berücksichtigt. In (1.59) werden die in verschiedenen Büchern zu findenden Darstellungsformen des gleichen Sachverhaltes zusammengefasst. Interessant ist, dass für isotrope Materialien der D genannte Feldanteil die Richtung des E -Feldes übernimmt. Makroskopisch hängt D daher immer von der Materialverteilung ab. Die freie Ladung Qfrei lässt sich also mit den folgenden, absolut gleichwertigen Integralen ausdrücken: I

I "EdA D

I .1 C E /"0 E dA D

DdA D Qfrei :

(1.60)

Ähnlich wie beim elektrischen Feld kann die Differenz zwischen dem Feld B und dem durch die Magnetisierung entstandenen magnetischen Feldanteil B M als Modifikation des durch die freien Ströme erzeugten Magnetfeldes durch die von ihm durchdrungene Materie interpretiert werden. Es wird dann B frei D B  B M D 1 r B gesetzt. Die Größe r wird relative magnetische Permeabilität genannt. Ihr messbarer Wert ist ebenfalls ein sich über viele Atome einstellender Mittelwert. Bei Festkörpern, deren Moleküle sich nicht (anti-)parallel zum äußeren Feld magnetisch ausrichten können, ist r , ein Tensor, denn diese Materialien 10

wörtlich: Empfänglichkeit.

1

25 1.1  Grundlagen der Elektrodynamik

verändern auch die Richtung des magnetischen Feldes. Man nennt sie magnetisch anisotrop. So lässt sich (1.54) wie folgt schreiben: J frei C

@ 1 ."0 "r E/ D r  .1 0 r B/ : @t

(1.61)

Die oben beschriebenen Erkenntnisse lassen sich in zwei einfachen Regeln zusammenfassen: Für lineare, isotrope Materialien ist r einfach eine Zahl, die angibt um welchen Faktor das von den freien Strömen erzeugte Magnetfeld verstärkt wird. Die Abweichungen der relativen Permeabilität vom Wert Eins heißt magnetische Suszeptibilität M . Es gilt also r D 1 C M , wobei im anisotropen Fall die Zahl 1 durch die Einheitsmatrix und M durch einen Tensor zu ersetzen ist. Alle folgenden Terme stehen also für das Gleiche: H D

B frei D 0



B  BM 0

 D

B B B D D : .1 C M /  0 .r  0 / 

(1.62)

Wenn tensorielle r zugelassen werden, lassen sich die in (1.62) zusammengefassten Identitäten für beliebige Stoffe benutzen. Da diese Gleichung an jedem Punkt im Raume gilt, ist die Richtung des mit H bezeichneten Feldanteils durch die des B Feldes vorgegeben. Makroskopisch lässt sich der Zusammenhang zwischen elektrischer Flussänderung und Magnetfelderzeugung (1.56) so ausdrücken: I

.1 B/  d` D Ifrei C

Z

@."E/ dA @t

(1.63)

L

Vergleicht man die Gleichungen für Felder, welche unter dem Einfluss von Materie modifiziert werden, mit den dazugehörigen Maxwell-Gleichungen, so ergibt sich eine einfache Regel, um auf die die Materie berücksichtigenden Gleichungen zu kommen:

Die Wirkung polarisierbarer und magnetisierbarer Stoffe auf die elektromagnetischen Kraftfelder lässt sich durch die Substitutionen ."0 E / .1 0 B/

! ."0 "r E / !

1 .1 0 r B/

D ."E / D .1 B/

(1.64)

beschreiben. Sie setzt voraus, dass freie Ladungen bzw. Ströme vorhanden sind, und dass eindeutig zwischen freien und gebundenen Ladungen unterschieden werden kann. Sie gilt bei makroskopischen Körpern. Sie erlaubt dann, auf D und H in allen Rechnungen zu verzichten. Werden atomare Distanzen betrachtet, kann sie nicht mehr angewandt werden.

Bei inhomogenen und bei anisotropen Materialien ist es wichtig, dass die Substitution genau in dieser Reihenfolge und Klammerung geschieht. Das heißt auch: Wenn in Formeln, die " oder  enthalten, über Felder integriert R wird, dann müssenRdiese Parameter immer im Integranden vor dem Feld stehen, also nicht . Bdx/=, sondern .1 B/dx.

26

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

1

. Abb. 1.20 Grenzen der Anwendbarkeit elektromagnetischer Feldgrößen (Z0 Resonanz nach [15])

1 Unterhalb von einem Nanometer bleiben nur noch E undB

Die Begriffswelt der Elektrotechnik wurde von Pionieren geprägt, die von heutigen Techniken wenig ahnen konnten. Eine Strukturierung von Werkstücken im Nanometerbereich war schlicht unvorstellbar. Daher brauchten sich die frühen Pioniere auch keine Gedanken darüber machen, was sich ändert, wenn Felder nicht mehr über Tausende von Atomen gemittelt werden können. Genau dieser Punkt ist aber heute erreicht. Und so ergeben sich, wie . Abb. 1.20 zeigt, physikalische Grenzen. Die Felder P und M stehen für über viele Atome gemittelte Polarisations- und Magnetisierungsfelder. Wenn aber wie bei aktuellen Transistorgenerationen Oxydschichten nur noch aus fünf Atomen aus drei Elementen bestehen, dann wird so eine Mittelung fragwürdig. Spätestens wenn die Technik bei der Behandlung einzelner Atome anlangt werden diese Größen unbrauchbar. Denn die Unterscheidung zwischen freien und gebundenen Ladungsträgern wird sinnlos, wenn Bereiche unterhalb der Größe eines atomaren Orbitals betrachtet werden. Innerhalb eines solchen Orbitals kann sich ein in ihm gebundenes Elektron frei bewegen. In der Folge werden auch H ; D; "r und r unbrauchbar. Was bleibt sind E und B. Diese können alleine verwendet werden, bis unterhalb von 1 fm die Schwache Wechselwirkung anfängt, mit dem Elektromagnetismus zu interferieren.

1.2

Fragen und Aufgaben zur Elektrodynamik

1.2.1 Fragen aus mündlichen Prüfungen 1.1 Welche der folgenden Größen ist in jedem abgeschlossenen System erhalten?

a) Die Stromdichte, b) die Ladungsdichte oder c) die Ladung?

27 1.2  Fragen und Aufgaben zur Elektrodynamik

1.2 Ein etwa kugelförmiger Luftballon, dessen Oberfläche statisch aufgeladen ist, wird so

weit aufgepumpt, dass sich sein Durchmesser verdoppelt. Wie ändert sich die Feldstärke in der Nähe des Ballons? a) Die Feldstärke wird kleiner. b) Die Feldstärke bleibt gleich. c) Die Feldstärke wird größer. 1.3 Woran erkennt man, dass ein Objekt ein elektrisches Dipolmoment hat?

a) Das Objekt bewegt sich parallel zu den elektrischen Feldlinien. b) Das Objekt bewegt sich antiparallel zu den elektrischen Feldlinien. c) Das Objekt wird so gedreht, dass es sich an den Feldlinien ausrichtet. 1.4 Welche Aussage stimmt für den Faraday’schen Käfig?

a) Er muss aus gut isolierendem Material gefertigt sein. b) Er muss aus gut leitendem Material gefertigt sein. c) Er muss großen mechanischen Belastungen gewachsen sein. 1.5 Zehn Meter unter einer Hochspannungsleitung wird eine magnetische Kraftfeldstärke („Flussdichte“) von 5 µT gemessen. Welche Stärke erwarten Sie in 20 Metern Entfernung von der Leitung? a) 2,5 µT, b) ca. 3,5 µT, oder c) 5 µT? 1.6 Bei eingeschalteter Sitzheizung eines Pkws wird ein Mehrverbrauch von Benzin festge-

stellt. Woran „merkt“ der Motor, dass die Sitzheizung eingeschaltet ist? a) Das meldet ihm die Bordelektronik. b) Der Motor bemerkt es überhaupt nicht. c) Die Drehzahl geht zurück, denn die Lichtmaschine ist schwerer zu drehen. Dies muss die Motorelektronik durch mehr Benzinzufuhr ausgleichen. 1.7 Woran erkennt man ein elektrisch anisotropes Material?

a) Alle elektrischen Feldlinien haben an der Materialoberfläche einen Knick. b) Senkrecht auf das Material auftreffende Feldlinien haben einen Knick. c) Nur senkrecht auf das Material auftreffende Feldlinien haben keinen Knick. 1.8 Warum eignen sich ferromagnetische Materialien für die Konstruktion von Motoren?

a) Weil sie Magnetfelder verstärken. b) Weil sie gut leitfähig sind. c) Weil sie Magnetfelder abschwächen. 1.9 Welche der folgenden Aussagen gilt für die Maxwell’schen Gleichungen?

a) „Sie beweisen die Symmetrie zwischen E und H .“ b) „Das sind vier Gleichungen, die das Verhalten von vier Feldern beschreiben.“ c) „Eine ihrer Konsequenzen ist die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen.“ 1.10 „Ein elektrisches Feld erkennt man an der Kraftwirkung auf Ladungen.“ Stimmt das?

1

28

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

1.11 „Ein magnetisches Feld erkennt man an der Kraftwirkung auf bewegte Ladungen.“ Stimmt das? 1.12 „Das elektrische Feld ist immer wirbelfrei.“ Stimmt das? 1.13 „Die elektrodynamische Kraft ist die Summe aus Lorentz-Kraft und Coulomb-Kraft.“

Stimmt das? 1.14 „Der elektrische Strom wird durch einen Vektor beschrieben.“ Stimmt das? 1.15 Auf welches Gesetz geht das Ohm’sche Gesetz zurück? 1.16 „Welches Gesetz wurde durch die sogenannte Maxwell’sche Korrektur wie verändert? 1.17 Wie manifestiert sich die Abwesenheit magnetischer Monopole in den Maxwell’schen

Gleichungen? 1.18 Was bedeutet in der Elektrodynamik Polarisation, und was hat diese mit der elektrischen

Influenz zu tun? 1.19 Welche Eigenschaften hat das Magnetfeld im Inneren einer sehr langen Spule? 1.20 Welche Feldgrößen sind nur anwendbar, wenn Prozesse betrachtet werden, bei denen

Distanzen unterhalb von 1 Nanometer keine Rolle spielen, und woran liegt das?

1.2.2 Klausuraufgaben 1.21 Um welchen Faktor vergrößert sich die abstoßende Kraft zwischen zwei sehr kleinen

geladenen Kugeln, wenn bei beiden die Ladung verdreifacht wird? Durch welche Abstandsveränderung wird die Kraft auf den ursprünglichen Wert reduziert? 1.22 Sie schneiden einen Magneten in der Mitte zwischen Nord- und Südpol durch. Welche der folgenden Aussagen ist richtig: a) Die neu entstandenen Magneten stoßen sich ab. b) Die beiden neuentstandenen Magneten ziehen sich an. c) Alle Kräfte heben sich auf. 1.23 Stimmt die folgende Aussage? Die Berechnung des elektrischen Dipol-Moments muss im Ladungsschwerpunkt durchgeführt werden. 1.24 Elektrische Äquipotenziallinien schneiden elektrische Feldlinien in einem Winkel von

90ı . Stimmt das? 1.25 Durch welche der folgenden Handlungen werden elektrische Spannungen induziert?

a) Im Inneren eines sehr großen Magneten stehend ein Stromkabel so aufwickeln, dass die magnetischen Feldlinien durch die Windungen hindurchgehen, b) in einem starken homogenen Feld eine Leiterschleife quer zu den Feldlinien verschieben,

1

29 1.2  Fragen und Aufgaben zur Elektrodynamik

c) eine Leiterschleife in Rotation um ihre Symmetrieachse (wie ein Autoreifen beim Fahren) drehen, d) eine Leiterschleife um eine andere als ihre Symmetrieachse drehen. 1.26 Wie muss ein Magnet durchgeschnitten werden, damit zwei Magneten mit dem gleichen

Dipol-Moment, wie es der ganze Magnet vor dem Durchschneiden hatte, entstehen? a) Längs zur Nord-Süd-Achse, b) quer zur Nord-Süd-Achse, c) aufgeben, denn es geht gar nicht. 1.27 Elektro- und Magnetostatik beschreiben

a) ausschließlich das Verhalten ruhender Ladungen, b) ausschließlich das Verhalten zeitunabhängiger Kraftfelder, c) die Elektrotechnik ohne Relativitätstheorie. Welche dieser Ergänzungen stimmt? 1.28 Auf wie viele Stellen genau ist die magnetische Permeabilität des Vakuums bekannt, auf

7, 12 oder noch mehr? 1.29 Welches Kraftgesetz kann man aus dem Gauß’schen Satz für das elektrische Feld und

der Definition der elektrischen Kraft F D QE erhalten? 1.30 Bitte skizzieren Sie das elektrische Feld, welches durch eine große positive und eine viel kleinere negative Ladung erzeugt wird. 1.31 Das Wassermolekül besteht aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoff-Atomen, die

im Winkel von D 104;45ı zueinander stehen. Der Abstand zwischen dem Sauerstoffkern und den Wasserstoffkernen beträgt d D 0;09584 nm. Berechnen Sie das Dipol-Moment eines Wassermoleküls unter der Annahme, dass der Wasserstoff vollständig ionisiert ist, und vergleichen Sie den Wert mit dem experimentell gemessenen Wert von p D 0;613  1029 Cm. 1.32 In den Gauß’schen Sätzen wird über infinitesimale Flächenvektoren dA integriert. Was muss man sich unter einem Flächenvektor vorstellen? 1.33 Das Biot-Savartsche Gesetz wird meistens in Form eines Linienintegrals angegeben:

BD

0 I  4

I

d`  r : r3

(1.65)

Leitung

Bitte zeigen Sie, dass dieses Gesetz für einen konstanten, also nicht von der Zeit abhängenden Strom aus der Lorentz-Kraft, (1.22) folgt. 1.34 Was sagt der Gauß’sche Satz für das elektrische Feld über die Topologie des Feldes aus?

Bitte begründen Sie Ihre Aussage! 1.35 Bitte bestimmen Sie das Magnetfeld innerhalb einer als Torus gewickelten Spule, wie

sie in . Abb. 1.21 gezeigt ist. Die N Windungen haben eine Radius r. Der Abstand zwischen den Windungen ist vernachlässigbar klein. Der Torus hat einen mittleren Radius R, das heißt, die Zentren der Windungen bilden einen Kreis mit dem Radius R. Betrachten Sie dann den

30

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

. Abb. 1.21 Zur Aufgabe 1.35: Als Torus gewickelte Spule und die Definition ihrer zwei Radien r und R (Photo aus de.wikipedia.org)

Grenzfall eines sehr großen Radius R: Was folgt aus dieser Betrachtung für das Magnetfeld einer langen geraden Spule? 1.36 Bestimmen Sie mit Hilfe des Ampèreschen Gesetzes das Magnetfeld in einer sehr langen

zylinderförmigen Spule (siehe . Abb. 1.22) als Funktion des Stromes I , der Windungszahl N , der Länge l und des Radius’ r. 1.37 Ein dünner Metallring mit dem Radius R trägt, wie in . Abb. 1.23 gezeigt, eine Ladung

Q. Diese sei gleichmäßig verteilt, so dass auf jedem kleinen Abschnitt d` des Ringes die gleiche Ladung dQ D ŒQ=.2 R/ d` liegt. a) Wie groß ist die durch ein kleines Ladungselement dQ hervorgerufene Feldstärke dE an einem beliebigen Punkt auf der Achse durch den Ring, wenn sich der Punkt in einer Höhe h über dem Ring befindet? b) Wie groß ist die Komponente Ez des Gesamtfeldes entlang der Ringachse als Funktion der Höhe?

. Abb. 1.22 Zur Aufgabe 1.36: Spule mit der Länge l und dem Radius r

. Abb. 1.23 Zur Aufgabe 1.37: Probeladung QProbe , schwebend in der Höhe h über einem homogen geladenen Ring mit dem Radius r Probe

1

31 1.2  Fragen und Aufgaben zur Elektrodynamik

. Abb. 1.24 Zur Aufgabe 1.38: Leiterschleife im homogenen Magnetfeld B D .0; 0; B/. Durch die Schleife fließe ein Strom in der durch die Pfeile angegebenen Richtung

z F

A

v

B y x

v

F

c) Wie groß muss eine Probeladung QProbe mit dem Gewicht mProbe sein, damit sie in der Höhe h schwebt? 1.38 Durch eine quadratische Leiterschleife fließt, wie in . Abb. 1.24 gezeigt, ein Strom I .

Die Schleife habe eine Seitenlänge L und befinde sich in einem homogenen Magnetfeld B. Bitte berechnen Sie das Drehmoment auf die Leiterschleife und zeigen Sie so, dass gemäß Definition 1.7 der Leiterschleife ein magnetisches Dipol-Moment zuzuordnen ist. Bitte bestimmen Sie dessen Größe und vergleichen Sie das Ergebnis mit (1.26). 1.39 Ein Hydrodynamiker ist von der theoretischen Elektrotechnik so begeistert, dass er für den an seinem Haus vorbeifließenden Bach ein Untereasser-Vektorfeld v definiert, das für jeden Punkt im Wasser die jeweilige Fließgeschwindigkeit angibt. Dabei stellt er erstaunt fest, dass er ein Gesetz findet, welches er schon als eine der Maxwell’schen Gleichungen kennengelernt hatte. Welche Gleichung wurde wiederentdeckt und welche Bedeutung hat sie? 1.40 Zeigen Sie, dass aus den Maxwell’schen Gleichungen im Vakuum die Ausbreitung von

p elektrischen Wellen mit der Geschwindigkeit c D 1= "0 0 folgt!

1.41 Bei der so genannten DAWN-Mission der NASA wurde erstmalig das in . Abb. 1.25 gezeigte Ionentriebwerk eingesetzt. Ein solches Triebwerk produziert kleine Kräfte über einen langen Zeitraum bei geringem Materialverbrauch. Bei diesem Triebwerk werden Xenon-Atome ionisiert und elektrisch beschleunigt. So entsteht eine Schubkraft von maximal F D 0;091 N, wenn 3;25 mg=s Xenon verbraucht werden. a) Wie groß ist die Rückstoßgeschwindigkeit der Xenon-Ionen? b) Durch welche Spannung müssen sie beschleunigt werden? c) Welcher Strom I fließt aus dem Triebwerk hinaus und warum lädt sich der Satellit trotzdem nicht elektrostatisch auf? 1.42 Wenn bei schnell fahrenden Zügen die Räder links und rechts verbunden sind, so wird

während der Fahrt durch das Erdmagnetfeld eine Spannung induziert. Denn die Schienen sind in regelmäßigen Abständen miteinander (und mit dem Erdreich) verbunden. Ein fahrender Zug erzeugt also eine Leiterschleife, deren Breite der Schienenabstand und deren Länge beim Überfahren eines Verbindungspunktes gleich Null ist und dann mit der Geschwindigkeit des Zuges wächst. So entsteht, wie in . Abb. 1.26 gezeigt, eine Leiterschleife, deren Größe sich durch die Zugbewegung ändert. Bitte zeigen Sie anhand dieses Beispiels, dass das

32

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

. Abb. 1.25 Zur Aufgabe 1.41: Der DAWN-Satellit. Er benutzt ein Ionentriebwerk. Die erzeugte Kraft ist klein, soll aber mehr als 2000 Tage anhalten (Foto: NASA [10])

Faraday-Henry-Gesetz (1.28) und die Lorentz-Kraft in diesem Falle (1.25) eine gleich große so erzeugte Spannung ergeben und daher den gleichen physikalischen Sachverhalt beschreiben. Hinweis: Für eine Ladung, deren Bewegung durch andere äußere Kräfte festgelegt ist, ist es vollkommen ununterscheidbar, ob sie durch ein elektrisches Feld oder durch ein quer dazu befindliches magnetisches Feld beeinflusst wird.

. Abb. 1.26 Zur Aufgabe 1.42: Ein ICx und die bei seiner Fahrt mit der Geschwindigkeit v verursachte Änderung des magnetischen Flusses aufgrund der Flächenzunahme A (rechts). (Foto: Siemens)

33 1.3  Antworten zu Kap. 1

1.43 Bei dem durch einen elektrischen Stromfluss erzeugten magnetischen Feld kann jedem Punkt im Raum ein Feldvektor zugeordnet werden, welcher zusammen mit dem Geschwindigkeitsvektor einer Ladung erlaubt, die auf diese Ladung wirkende Kraft zu berechnen. Andererseits zeigt eine eingehende Analyse des Induktionsgesetzes (siehe . Abb. 1.15), dass sich das Magnetfeld gerade dadurch auszeichnet, dass es nicht möglich ist, jedem Punkt im Raum eindeutig einen Kraftvektor für eine Probeladung zuzuordnen. Ist dies ein Widerspruch? Und wenn nicht: Worin besteht die Auflösung?

1.3

Antworten zu 7 Kap. 1

1.1 Antwort c) ist richtig. Die Ladungserhaltung führt zur Kontinuitätsgleichung, nach der die

zeitliche Abnahme der Ladungsdichte gleich der Stromdichte ist. 1.2 Antwort b) ist richtig. Man stelle sich eine den Luftballon weiträumig und ganz umschlie-

ßende Fläche vor. Nach dem Gauß’schen Satz hängt die Feldstärke an dieser Fläche nur von der umschlossenen Gesamtladung ab. Diese ändert sich durch das Aufblasen nicht. 1.3 Antwort c) ist richtig. Das elektrische wie auch das magnetische Dipolmoment sind durch

ihr Drehmoment im Feld definiert. 1.4 Antwort b) ist richtig. Das gut leitende Material sorgt dafür, dass die gesamte Käfigober-

fläche auf dem gleichen Potenzial liegt. Daher ist der Raum im Inneren feldfrei und es treten keine elektrischen Kräfte auf. 1.5 Antwort a) ist richtig. Dies folgt aus dem Ampère’schen Gesetz. 1.6 Antwort c) ist richtig. Mehr Stromverbrauch bedeutet ein stärkeres magnetisches Dipol-

moment in der Lichtmaschine. Ihr Rotor wird daher stärker abgebremst. 1.7 Antwort b) ist richtig. An den Grenzflächen isotroper Materialien mit verschiedenen Di-

elektrizitätskonstanten haben nur senkrecht auftreffende Feldlinien keinen Knick. 1.8 Antwort a) ist richtig. Eine gute Leitfähigkeit ist eher störend, denn sie erlaubt das Auf-

treten von Wirbelströmen. Daher werden gute Motoren und Generatoren aus Dynamoblech, also lamelliertem Eisen, so hergestellt, dass größere Wirbelströme durch die Oxidschichten der Lamellen verhindert werden. 1.9 Antwort c) ist richtig. Es sind vier Gleichungen, die das Verhalten von zwei Feldern, nämlich E und B, beschreiben. Die Annahme einer Symmetrie zwischen E und H ist ein Überbleibsel aus der Zeit der Elektrostatik vor Maxwell. H ; D; M und P stehen für Anteile an E und B. 1.10 Das stimmt, denn genauso ist das E Feld definiert. 1.11 Das stimmt, denn genauso ist das B Feld definiert. 1.12 Nein, das stimmt nicht. Nur statische elektrische Felder sind wirbelfrei.

1

34

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

1.13 Das stimmt. Die elektrodynamische Kraft wurde von Einstein im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie 1905 so benannt. Seither ist bekannt, dass E und B zwei Aspekte des gleichen Phänomens sind. 1.14 Nein, das stimmt nicht. Der Strom gibt nur eine zeitliche Bilanz der Ladungsänderung

an: I D dQ=dt . Im Gegensatz dazu ist die Stromdichte J ein Vektor, nämlich das Produkt aus Ladungsdichte und Geschwindigkeitsvektor. Bildet man das Skalarprodukt aus der Stromdichte und dem Vektor einer gerichteten Fläche, so erhält man den Strom durch diese Fläche. 1.15 Das Ohm’sche Gesetz folgt aus dem Gesetz von Drude, nach dem die Stromdichte aus

der elektrischen Feldstärke und der spezifischen Leitfähigkeit folgt: J D E . 1.16 Das Ampère’sche Gesetz wurde um die zeitliche Ableitung des elektrischen Feldes erweitert. Seither ist bekannt, dass das Ampère’sche Gesetz nur im statischen Fall gilt. Außerdem begründet die Korrektur die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen, welche Heinrich Hertz dann auch tatsächlich fand. Aus heutiger Sicht ist daher das Ampère’sche Gesetz unvollständig. 1.17 Diese wird durch die Divergenzfreiheit des magnetischen Kraftfeldes, div B D 0; be-

gründet. 1.18 Polarisation steht für den folgenden Vorgang: In einem nicht leitfähigen Körper, der einem elektrischen Feld ausgesetzt wird, werden auf atomarer Skala Ladungen so verschoben, dass er insgesamt ein elektrisches Dipolmoment entwickelt. Die verschobenen Ladungen ihrerseits erzeugen ein elektrisches Feld, welches dem äußeren Feld entgegensteht. Dadurch verkleinert sich das Feld innerhalb des Körpers. Ist der Körper leitfähig, so können sich die Elektronen über makroskopische Distanzen hinweg bewegen. Diese Bewegung hört erst auf, wenn das elektrische Feld im Inneren ganz verschwindet. Das heißt dann Influenz. 1.19 Das Magnetfeld im Inneren einer langen Spule ist parallel ausgerichtet und homogen.

Insbesondere ist seine Stärke nicht vom Radius abhängig. 1.20 Einige Feldgrößen gehen auf die Unterscheidung zwischen gebundenen und frei be-

weglichen Ladungen und Strömen zurück: D und H stehen für Feldanteile, die von frei beweglichen Ladungen und Strömen erzeugt werden, P und M für diejenigen Anteile, die von gebundenen Ladungsträgern und Strömen herrühren. Für das Verhältnis der Anteile zum Gesamtfeld stehen "r und r . Werden Distanzen unterhalb der Größe von Bindungsorbitalen betrachtet, so wird die Unterscheidung gebunden oder frei sinnlos, denn innerhalb dieser Distanzen sind auch gebundene Elektronen frei beweglich. Unterhalb von 1 Nanometer bleiben nur noch E und B. 1.21 Nach dem Coulombschen Gesetz (1.2) verneunfacht sich die Kraft. Diese Vergrößerung

kann dadurch kompensiert werden, dass der Abstand verdreifacht wird. 1.22 Wie in . Abb. 1.13 gezeigt, entstehen zwei neue Magnete mit jeweils zwei Polen, und

zwar so, dass zwei verschiedene Pole nah beieinander sind. Daher ziehen sich die Magnete an. Antwort b) ist richtig.

35 1.3  Antworten zu Kap. 1

1.23 Nein, diese Aussage stimmt nicht. Vielmehr ist die Berechnung des elektrischen DipolMoments nach Definition 1.5 vom Bezugssystem unabhängig. Beweis: Eine Änderung des Bezugssystems bedeutet, zu allen Vektoren r i einen konstanten Vektor R hinzu zu addieren. P Gemäß (1.14) bedeutet diesp D niD1 Qi  .r i C R/: Trennt man die Summe in zwei Teile, so wird deutlich, dass der Term mit R dann  verschwindet, wenn die Summe aller Pgenau P n Ladungen Null ist:p D niD1 Qi  r i C i D1 Qi  R: 1.24 Ja, die Äquipotenziallinien verlaufen senkrecht zu den Feldlinien, denn der Energiege-

winn kann gemäß (1.15) nur tangential zu den Feldlinien erfolgen. 1.25 Nach (1.28) wird immer dann eine Spannung induziert, wenn sich der magnetische Fluss ändert. a) Im Inneren eines Magneten ein Stromkabel so aufzuwickeln, dass die magnetischen Feldlinien durch die Windungen hindurchgehen, bedeutet: In der Ausgangssituation gab es keinen nennenswerten magnetischen Fluss, denn es gab keine vom Leiter umschlossene Fläche. Nach dem Wickeln beträgt der Gesamtfluss ˚B bei N Windungen um eine Fläche A W ˚B D N B  A. Wird zum Wickeln eine Zeit t benötigt, so wird eine Spannung Uind D N B  A=t induziert, die zwar klein, aber nicht Null ist. b) und c) In einem starken homogenen Feld eine Leiterschleife quer zu den Feldlinien verschieben ändert nicht den magnetischen Fluss und erzeugt daher keine Spannung, ebenso wenig wie eine Rotation um die Symmetrieachse. d) Eine Leiterschleife um eine andere als ihre Symmetrieachse zu drehen, verändert den magnetischen Fluss und führt zu Spannungen. 1.26 Wenn man einen Magneten halb durchschneidet, dann entstehen zwei Magnete mit je-

weils kleinerem Dipol-Moment, egal ob längs oder quer geschnitten wurde. a) Wird der Magnet längs durchgeschnitten, so bleibt der Polabstand konstant, jedoch trägt nur die Hälfte der atomaren Dipole zum Dipol-Moment bei, das Gesamtmoment halbiert sich. b) Wird der Dipol quer durchgeschnitten, so halbiert sich die Anzahl der atomaren Magnete und der durchschnittliche Abstand ebenfalls. Antwort c) ist also richtig. 1.27 Auch statische Magnetfelder werden durch bewegte Ladungen erzeugt (siehe 7 Abschn.

1.1.2). Daher kann Antwort a) nicht richtig sein, vielmehr stimmt Antwort b) (siehe auch 7 Abschn. 1.1.3). Ergänzung c) enthält zwei Fehler: Erstens ist die Elektrotechnik weder Elektrostatik noch Elektrodynamik, sondern deren technische Anwendung. Und zweitens sind sowohl Elektrostatik als auch Elektrodynamik untrennbar mit der speziellen Relativitätstheorie verbunden. Wann eine Ladung ein elektrisches Feld erzeugt und wann ein magnetisches Feld, ist von der Geschwindigkeit des Beobachters abhängig. Dass, unabhängig von der Geschwindigkeit des Beobachters, immer die gleichen Gesamtkräfte aus den Maxwell’schen Gleichungen herauskommen, das ist das Ergebnis der heute als spezielle Relativitätstheorie bekannten Transformations-Gleichungen (siehe . Abb. 1.1). 1.28 0 ist in den mittlerweile zum Standard gewordenen SI-Einheiten mathematisch und

nicht experimentell definiert. (Details siehe Anhang B) Daher ist 0 so genau bekannt wie die Zahl , also auf Tausende von Stellen, und zwar aus folgendem Grund: Ein Strom von einem

1

36

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

Ampere ist über dessen magnetische Kraftwirkung definiert: Zwei lange, dünne, einen Meter voneinander entfernte Leiter im Vakuum transportieren genau dann einen jeweils entgegengesetzten Strom von einem Ampere, wenn auf jeden Meter Länge des Leiters eine Kraft von F=` D 2  107 N=m wirkt. Nach dem Ampèreschen Gesetz ist I Bd` D 0 I ! B  2  1 m D 0 1 A :

(1.66)

Die Kraft des Magnetfeldes auf ein Stückchen ` des anderen Leiters folgt aus der LorentzKraft, deren Handhabung sich dadurch vereinfacht, dass Strom und Magnetfeld senkrecht aufeinanderstehen: F D Q  v  B ! F D Q 

` B : t

(1.67)

Gleichung 1.67 lässt sich als Kraft pro Länge umschreiben: N F D I  B ! 2  107 D 1A  B : ` m

(1.68)

Aus 1.68 und 1.66 lässt sich die magnetische Feldstärke B eliminieren, und man erhält 0 D 4  107

Nm ; A2

(1.69)

eine Zahl also, die genau so genau bekannt ist wie . 1.29 Das Coulombsche Gesetz (1.11) kann aus dem Gauß’schen Satz für das elektrische Feld (1.34) hergeleitet werden. Dazu stelle man sich eine Ladung Q im Ursprung des Koordinatensystems vor. Wie groß und in welche Richtung zeigend ist dann das elektrische Feld E , zum Beispiel am Punkt r D .r; 0; 0/? Zur Anwendung des Gauß’schen Satzes legen wir eine Kugel vom Radius r um die Ladung. Dann liegen alle Flächenvektoren parallel zu den Feldvektoren (E  dA D E  dA). Für alle Punkte r auf der Kugeloberfläche hat der Feldvektor E die gleiche Richtung wie die Radius-Vektoren: E D E  r=r. Nach (1.34) ist dann

I E  dA D 4 r 2 E D Q="0 :

(1.70)

Oberfläche

Umgestellt nach E ergibt sich der Betrag ED

Q 4 "0  r 2

(1.71)

und mit Hilfe der Kugel-Symmetriebedingung E D E  r=r schließlich das Coulombsche Gesetz 1.11. 1.30 Ein Beispiel ist in . Abb. 1.27 gezeigt. Aus sehr großer Entfernung betrachtet ist das Feld

von dem einer Einzelladung, die die Summe der beiden Teilladungen enthält (vom Betrag her also die Differenz, da die Vorzeichen verschieden sind) kaum zu unterscheiden.

1

37 1.3  Antworten zu Kap. 1

. Abb. 1.27 Zur Aufgabe 1.30: Elektrisches Feld zweier sehr unterschiedlicher Ladungen. Bei sehr ungleich großen Ladungen treffen die Feldlinien sogar von der Rückseite auf die kleinere Ladung

1.31 Zur Berechnung des elektrischen Dipol-Moments nach Definition 1.5 wird das SauerstoffAtom in den Ursprung des Koordinatensystems gelegt. Die Wasserstoff-Kerne werden symmetrisch um die x-Achse gelegt. Damit kürzen sich die y- und z-Komponenten des Dipol-Moments heraus. Die verbleibende x-Komponente ist dann px D 2  e  d  cos.=2/. Dabei ist  der Winkel zwischen den Wasserstoff-Atomen. In Zahlen ergibt sich px D jpj D 1;88  1029 Cm. Dieser Wert ist gut dreimal so groß wie der experimentell bestimmte Wert. Daraus folgt, dass die Bindung des Wassermoleküls sind nur in geringem Maße ionischer Natur ist. Bildlich gespochen: Die Wasserstoff-Atome haben ihre Elektronen zum erheblichen Teil selbst behalten und nicht an das Sauerstoff-Atom abgegeben. 1.32 Ein infinitesimaler Flächenvektor dA ist, wie in . Abb. 1.7 gezeigt, ein Vektor, dessen

Richtung senkrecht von der Oberfläche weg zeigt, und dessen Betrag die Größe der Fläche ist. So wird zum Beispiel in einem kartesischen .x; y; z/ Koordinatensystem der Flächenvektor zu einem infinitesimalen Stückchen der x-y-Ebene dA D dx  dy  e z D dx  dy  .0; 0; 1/. Die Beschreibung von Flächen durch Vektoren hilft, Flüsse von Vektorfeldern durch Oberflächen auf sehr kompakte Weise zu beschreiben. Sie ist damit ein Schlüssel zum Verständnis der in 7 Abschn. 1.1.3 beschriebenen Induktionsvorgänge (siehe auch Aufgabe 1.39). 1.33 Nach (1.22) kann der Beitrag B einer kleinen Teilladung Q zum gesamten Magnet-

feld als B D

0 Q vr  4 r 3

(1.72)

geschrieben werden. In einer Leitung bewegen sich die Ladungsträger parallel und entlang der Leitung. Daher kann der Geschwindigkeitsvektor v als `= t geschrieben werden, wobei ` ein Stückchen entlang der Leitung ist. So ergibt sich die Form B D

0 Q `   r : 4 r 3 t

(1.73)

Dabei können Q und t zum Strom I zusammengefasst werden und man erhält B D

0 I  `  r :  4 r 3

(1.74)

Nun wird zu infinitesimalen Stückchen der Leitung übergegangen, ` ! d`, und über alle infinitesimalen Beiträge dB integriert. Da der Strom I überall in einer Leitung der gleiche sein muss, kann er vor das Integral geschrieben werden. Das Ergebnis ist (1.65).

38

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

! Vorsicht Missverständnis! Dieses Ergebnis gilt so nur bei konstanten Strömen und Magnetfeldern. Im dynamischen Falle ist zu berücksichtigen, dass Änderungen der Felder erst nach einer Verzögerungszeit den Änderungen der Ladungsträgerbewegungen folgen. Die Zeit ist durch den Abstand zu den Ladungsträgern und durch die Lichtgeschwindigkeit gegeben. 1.34 Das elektrische Feld hat Quellen und Senken, die durch die vorhandenen Ladungen fest-

gelegt werden. Begründung: Man stelle sich eine einzige, punktförmige positive Ladung im Zentrum einer kleinen Kugel vor. Nach dem Gauß’schen Satz, bzw. der ersten Maxwell’schen Gleichung (1.34), zeigen die Feldvektoren alle aus der Kugeloberfläche heraus. Im Grenzfall einer infinitesimal kleinen Kugel gehen alle Feldvektoren von diesem kleinen Gebilde aus. Das zum Punkt geschrumpfte Kügelchen ist also die Quelle des elektrischen Feldes. Entsprechend kann man sich eine negative Ladung vorstellen. Dann erhält man eine Senke des elektrischen Feldes. 1.35 Aus den Geometriebedingungen folgt, dass die Magnetfeldlinien innerhalb des Torus’ Kreise bilden und dass die Magnetfeldstärke entlang dieser Kreise konstant ist. Jede dieser Magnetfeldlinien führt durch alle Windungen des Torus’. Nach dem Ampère’schen Gesetz gilt daher

BZentrum D

0 NI : 2 R

(1.75)

An der Innenkante des Torus’ sind die Feldlinien kürzer, an der Außenkante länger. So erhält man BInnenkante BAußenkante

0 NI 2 .R  r/ 0 NI D 2 .R C r/ D

(1.76)

Das Magnetfeld fällt also proportional zum Abstand vom Mittelpunkt ab. Im Grenzfall eines sehr großen Torus-Radius’ werden die relativen Unterschiede der Längen der Feldlinien immer unbedeutender. Das Magnetfeld zwischen den Windungen wird im Grenzfall R ! 1 homogen. Stellt man sich diesen Torus als Aneinanderreihung vieler fast gerader Spulen vor, so folgt:

Im Inneren einer langen zylindrischen Spule ist das Magnetfeld homogen.

1.36 Aus Symmetriegründen müssen alle Komponenten des Magnetfeldes außer Bx in . Abb.

1.28 verschwindend gering sein. Um das im Ampèreschen Gesetz auftretetende Pfadintegral auszurechnen, teilen wir daher den Pfad in vier Teile auf, zwei mit der Länge x davon parallel zum Magnetfeld in der Spule, zwei mit der Länge y senkrecht dazu. Wie in . Abb. 1.28 gezeigt, sind drei der Beiträge zu B  ` gleich Null, zwei wegen des 90ı -Winkels, einer, weil das Rückfeld so stark verdünnt ist, dass es keinen nennenswerten Beitrag liefert. Also ist I (1.77) B  d` D x  B D 0 NI :

1

39 1.3  Antworten zu Kap. 1

. Abb. 1.28 Zur Aufgabe 1.36: Anwendung des Ampèreschen Gesetzes auf eine lange Spule: Nur der untere Teil des Pfades liefert einen nennenswerten Beitrag: B  ` D x  B. Der Pfad umschließt den Strom I N -mal (hier: N D 3)

-x -y

y x

B = (Bx ,0,0)

Umgestellt nach B ergibt sich B D 0 I 

N : x

(1.78)

Gl. (1.78) sieht man an: Die Stärke des Magnetfeldes hängt weder von der Länge, noch vom Durchmesser der Spule, noch von der radialen Position innerhalb der Spule ab, sondern (außer vom Strom I ) nur von der Windungsdichte N=x; also der Anzahl der Windungen pro Längeneinheit. 1.37

a) Der Betrag der Feldstärke, E; ergibt sich aus dem Coulombschen Gesetz (siehe (1.11)) zu dE D

dQ 4 "0 .h2 C R2 /

(1.79)

Dabei ist die Richtung genau die des Abstandsvektors von dQ zum betrachteten Punkt. Legen wir fest, dass der Ring in der x-y-Ebene liegt und die Ringachse gleich der zAchse ist, kann d E durch den Betrag E und die Winkelfunktionen angegeben werden. Wenn  der Winkel zur z-Achse ist, ist dEz D cos   dE: Nennt man  den Winkel zur x-Achse in der x-y-Ebene, dann ergibt sich insgesamt dE D .dEx ; dEy ; dEz / D dE  .sin  cos ; sin  sin ; cos  /

(1.80)

Der Winkel  ist durch die Aufgabenstellung nicht bestimmt.  ergibt sich aus cos  D p

h h2

C R2

:

(1.81)

b) Die gesamte Feldstärke entlang der z-Richtung ergibt sich durch Integration über die Kreislänge d ` D Rd. Diese muss aber nicht explizit ausgeführt werden: Z Ez D cos E D cos 

Z dE D cos 

dQ cos   Q D : 4 "0 .h2 C R2 / 4 "0 .h2 C R2 /

(1.82)

Jetzt muss noch der Winkel ersetzt werden: Ez D

Qh : 4 "0 .h2 C R2 /3=2

(1.83)

Die Komponenten Ex und Ey verschwinden bei der Integration aufgrund der RotationsSymmetrie des Problems.

40

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

c) Der Schwebezustand ist erreicht, wenn die Gewichtskraft Fg D m  g genau so stark ist wie die elektrische Kraft F D Q  E. In diesem Fall ist also QProbe  Ez D mProbe  g ! QProbe D

mProbe  g  4 "0 .h2 C R2 /3=2 : Qh

(1.84)

Sowohl für sehr kleine h (fällt durch) als auch für sehr große h (zu weit weg) divergiert die notwendige Ladung QProbe . 1.38 Lösungsstrategie: Die Leiterschleife wird in ihre vier Bestandteile zerlegt. Diese wer-

den einzeln hinsichtlich der wirkenden Lorentz-Kräfte betrachtet. Vor der eigentlichen Berechnung muss man sich im Klaren über die Richtung der einzelnen Kräfte sein. Lösung: Aus . Abb. 1.24 ist ersichtlich, dass die Kraft auf das untere Leitungsstück immer in Richtung der y-Achse zeigen muss, denn es gilt .1; 0; 0/  .0; 0; 1/ D .0; 1; 0/. Die Kraft auf das obere Leitungsstück ist gleich groß und genau entgegengerichtet. Diese beiden Kräfte werden also zum Drehmoment beitragen. Jedes dieser Leitungsstückchen trägt einen Teil F D .0; F; 0/ D Q  v  B bei. Da v und B senkrecht aufeinander stehen, kann die Kraftkomponente F skalar berechnet werden. Dazu der Standard-Kniff: Q  v D Q 

Q x D x  D x  I : t t

(1.85)

Mit Hilfe dieser Beziehung kann die gesamte Kraft vom oberen Leitungsstück berechnet werden: Z Z Z F D dF D v  B dQ D BI dx D B  I  L : (1.86) Die Kraft auf das untere Teilstück ist genau so groß, aber entgegengesetzt gerichtet. Da der Strom im vorderen Leitungsstück von der Form I D .0; Iy ; Iz / ist, muss der Kraftvektor parallel oder antiparallel zur x-Achse sein. Aus Symmetrie-Gründen hebt er genau die Kraft auf, die auf das hintere Stück wirkt. Beide bewirken, dass die Leiterschleife entlang der x-Achse auseinandergezogen wird. Sie tragen nicht zum Drehmoment bei. Das Gesamt-Drehmoment ist also das Doppelte dessen, was bei ausschließlicher Betrachtung des unteren Leitungsstückes herauskommt: F D .0; 2  B  I  L; 0/. Nennt man  den Winkel zur y-Achse um die x-Achse herum, so erhält man mit r D L=2 M D r  F D .B  I  L2  sin./; 0; 0/ :

(1.87)

Das gleiche Ergebnis erhält man aus der Definition 1.7, wenn man (1.27) annimmt. Daraus lässt sich schließen, dass in der Tat das magnetische Dipol-Moment einer Leiterschleife durch das Produkt aus Flächenvektor und Umlaufstrom gegeben ist. 1.39 Er findet den Gauß’schen Satz für das Magnetfeld (1.37) wieder! Dies wird in . Abb.

H 1.29 deutlich. Denn der Volumenstrom des Wassers durch eine Fläche A ist gerade Oberfläche v d A. Wenn das Integral über eine geschlossene Fläche berechnet wird, so gibt es an, wie groß der Wasser-Volumengewinn pro Zeit ist. Da die Masse erhalten und die Dichte praktisch konstant ist, gilt auch hier: I v  dA D 0 : (1.88) Oberfläche

1

41 1.3  Antworten zu Kap. 1

. Abb. 1.29 Zur Aufgabe 1.39: Fluss eines Vektorfeldes, hier als Beispiel die Fließgeschwindigkeiten in einem Bach. Die Quellenfreiheit dieses Feldes ist gleichbedeutend mit der Erhaltung der Wassermenge: So viel Wasser, wie in jedes Volumen hineinströmt, muss auch wieder hinaus

An diesem Beispiel wird der Sinn des Skalarproduktes zwischen Vektorfeld und Flächenvektor deutlich: das Skalarprodukt projiziert genau den Teil des Vektorfeldes heraus, der senkrecht zur Fläche steht – und nur dieser Teil beschreibt den Zu- und Abfluss! 1.40 Die beiden Induktionsgesetze sind diejenigen, die eine zeitliche Veränderung .@=@t / mit einer räumlichen Veränderung .r/ verbinden. Daher sind sie der Startpunkt für die Suche nach einer Wellengleichung. Das Ampère-Maxwell-Gesetz ((1.33) und (1.44)) und das Faraday-Henry-Gesetz ((1.28) und (1.42))

.r  B/ D "0 0

@E @t

und

.r  E / D 

@B @t

(1.89)

können ineinander eingesetzt werden, wenn jeweils eins von ihnen von links mitr multipliziert wird: r  .r  E/ D r 

@2 E @B : D "0 0 @t .@t /2

(1.90)

Wegen der für alle Vektoren v gültigen Identität r  .r  v/ D r.r  v/  r 2 v

(1.91)

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

42

1

können wir die linke Seite von (1.90) umschreiben: r.r  E /  r 2 E D "0 0

@2 E : .@t /2

(1.92)

Im Vakuum ist aber wegenr  E D ="0 der linke Term in (1.92) gleich Null. Übrig bleibt die Wellengleichung r 2 E D "0  0

@2 E : .@t /2

(1.93)

Diese Differenzialgleichung beschreibt eine (ansonsten von Randbedingungen abhängige) Wellenausbreitung mit der Geschwindigkeit 1 : cD p "0  0

(1.94)

Der Rechenweg für das magnetische Feld verläuft analog und gibt das gleiche Ergebnis: r 2 B D "0  0

@2 B : .@t /2

(1.95)

q. e. d. 1.41 Lösungsstrategie: Man muss sich klar machen, dass die Kraft allgemein als Impulsän-

derung definiert ist F D dp=dt und überlegen, was das für einen Strom einfach geladener Teilchen mit einer bestimmten Geschwindigkeit bedeutet. Lösung: a) Die Austrittsgeschwindigkeit ergibt sich bei konstanter Ionengeschwindigkeit v zu F D

d.mv/ dm dp D Dv : dt dt dt

(1.96)

Auflösen nach v und Einsetzen der Zahlen ergibt v D 28:000 m=s ' 100:000 km=h :

(1.97)

b) Da die Spannung gemäß (1.15) gerade Energie pro Ladung und die Energie gerade die kinetische Energie der Ionen Ist, ergibt sich U D W =Q D

1 2 mv =e : 2

(1.98)

Die Masse eines Xenon-Atoms ist die Molmasse dividiert durch die Avogadro-Zahl: Da ein Mol Xenon 131;1 g und einer Teilchenanzahl von n D 6;022  1023 entspricht, ergibt sich in ZahlenU D 534 V. Der Teilchenstrom lässt sich in einen Ladungsstrom umrechnen: I D

dQ dQ dm D  I dt dm dt

(1.99)

43 1.3  Antworten zu Kap. 1

dabei ist dQ=dm einfach das Verhältnis von Elementarladung zur Masse eines einzelnen Xenon-Atoms. In Zahlen: I D

1;602 1019 C  6;022 1023  3;25 106 kg=s D 2;39 A : 0;1313 kg

(1.100)

c) Dass es trotz des großen Stromes nicht zum Aufladen des Satelliten kommt, liegt daran, dass beim Austritt der Ionen Elektronen mitgerissen werden. Da die Elektronen im Vergleich zu den Ionen eine vernachlässigbar kleine Masse haben, ändert dies die Schubkraft praktisch nicht. 1.42 Lösungsstrategie: Die Lorentz-Kraft wird für die Ladungsträger in der Achse berechnet

und als elektrische Kraft entlang einer durch die Achse des Zuges gehenden Leiterschleife uminterpretiert. Lösung: Wir betrachten die Elektronen im Metall als Ladungsträger, deren Geschwindigkeit durch die Bewegung der Achse des in . Abb. 1.26 gezeigten Zuges vorgegeben wird. Entsprechend (1.2) erfahren sie eine Kraft F D QElektron vAchse B Erde . Es ist den Ladungsträgern dabei egal, ob diese Kraft magnetisch oder elektrisch genannt wird. Deshalb kann jedem Punkt innerhalb der Achse genauso gut ein elektrisches Feld E D F =Q zugeordnet werden: R E D vAchse  B Erde . Die resultierende Spannung ist gemäß Definition 1.6 U D Achse E  ds. Alle Ladungsträger auf den Schienen und deren Erdverbindungen sind in Ruhe. Deshalb hat nur die Achse es Zuges in . Abb. 1.26 einen Beitrag zur Induktionsspannung. Die gesamte in die Leiterschleife induzierte Spannung ist genauso groß wie die der Achse allein: I I Z E  ds D E  ds D vAchse  B Erde  ds (1.101) U D Achse

Schleife

Schleife

Bis zu diesem Punkt haben wir nur die Lorentz-Kraft betrachtet. Aber das letzte Integral kann so umgerechnet werden, dass am Ende das Faraday-Hernry-Gesetz übrig bleibt. Das Faraday-Henry-Gesetz beschreibt die Konsequenzen einer Änderung des magnetischen Flusses. Da das Erdmagnetfeld aber konstant ist, kann es hier nur um die Änderung der Fläche gehen. Für die in . Abb. 1.26 betrachtete Leiterschleife ergibt die Geschwindigkeit in einer Zeitspanne t einen Flächenzuwachs von Z ds  .v t / : (1.102) A D .v t /  LAchse D LAchse  .vAchse t / D  Achse

Von (1.102) ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Änderung des magnetischen Flusses, ˚B = t D B Erde  A= t : Z ˚B B Erde  ds  vAchse : (1.103) D t Achse

Das Spatprodukt in (1.103), B  ds  v, ist invariant gegenüber einer zyklischen Vertauschung. Deswegen können wir schreiben I Z ˚B ds  vAchse  B Erde D  ds  vAchse  B Erde (1.104) D t Achse

Schleife

1

44

1

Kapitel 1  Elektrodynamik – die beste Theorie der Welt verstehen

oder mit (1.101) ˚B D t

I E  ds :

(1.105)

Schleife

Das ist das Induktionsgesetz. 1.43 Nein, hier liegt kein Widerspruch vor. In keinem einzigen Fall beinhaltet ein Magnetfeld

die Zuordnung eines Kraftvektors zu einem Punkt im Raum. Das Magnetfeld unterscheidet sich damit grundsätzlich vom elektrischen Feld (und auch vom Gravitationsfeld). Die genauere Betrachtung zeigt: Sowohl bei der Lorentz-Kraft als auch bei der Induktion gehört zur Berechnung der Kraft an einem Punkt neben der Kenntnis der Feldstärke die Kenntnis der Bewegung der Ladung. Bei der Lorentz-Kraft ist es die Geschwindigkeit der Ladungsträger im Term v  B, bei der Induktion ist es die Richtung des Stromflusses I. Das erstaunliche Induktionsverhalten in . Abb. 1.15 ist also der Tatsache äquivalent, dass sich die Richtung der Lorentz-Kraft umkehrt, wenn sich die Richtung der Ladungsträgerbewegung umkehrt. Literatur 1. Faraday M (1839) Experimental Researches in Electricity. Philosophical Transactions Series XI [1831–38]. 2. Einstein A (1905) Zur Elektrodynamik bewegter Körper. In: Annalen der Physik Band 322, Nr. 10, Seiten 891ff. Leipzig 3. Drude P (1906) Lehrbuch der Optik. S. Hirzel, Leipzig 4. Faksimile siehe http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/andp.19053221004/references. Zugegriffen: 2017 5. Barnes VE et al. (1964) Observation of a Hyperon with Strangeness Minus Three. Phys. Rev. Lett. 12:204 6. Born M (1969) Die Relativitätstheorie Einsteins. Springer, Berlin, ISBN 3-540-04540-6 7. Van Dyck RS, Eckström RA, Dehmelt HG (1976) Axial, Magnetron, Cyclotron and Spin-Cyclotron Beat Frequencies Measured on Single Electron Almost at Rest in Free Space (Geonium). Nature 262:776 ff. 8. Van Dyck RS, Schwinberg PG, Dehmelt HG (1977) Precise Measurements of Axial, Magnetron, Cyclotron, and Spin-Cyclotron-Beat Frequencies on an Isolated 1-meV Electron. Phys. Rev. Lett. 38:310 ff. 9. Poppe M (1986) Exclusive Hadron Production in Two-Photon Reactions. Int. Journal Modern Physics A, V1, No.3:545 ff. 10. Siehe http://dawn.jpl.nasa.gov. Zugegriffen: 2017 11. Maxwell JC (1865) A Dynamical Theory of the Electromagnetic Field. Royal Society Transactions Vol. CLV:459 12. Gauss CF (1813) Observationes cometae secundi, observatorio Gottingensi factae, adjectis nonnullis adnotationibus circa calculum orbitarum parabolicarum. Göttingen 13. Mertins HC, Gilbert M (2016) Prüfungstrainer Experimentalphysik. 3. Aufl. Springer Spectrum, ISBN 978-3-662-49689-3 14. Poppe M (2015) Die Maxwellsche Theorie. Springer-Vieweg, Heidelberg, ISBN 978-3-662-45592-0 15. Siehe http://www.quantumdiaries.org/wp-content/uploads/2010/05/Zres1.png. Zugegriffen: 2017

45

Passive Bauelemente – den Strom zum Helfer machen © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 M. Poppe, Prüfungstrainer Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56649-7_2

Die elektrischen und magnetischen Eigenschaften der Materie und deren Behandlung im Rahmen der Maxwell’schen Gleichungen bilden die Grundlage der Konstruktion von Bauelementen, die heute passiv genannt werden. Ausgehend von den Materialeigenschaften werden die Brechungsgesetze für statische Magnetfelder hergeleitet und so die Erhaltung des magnetischen Flusses in Ferromagnetika begründet. Darauf aufbauend folgen zwei Techniken, Magnetfelder in einfachen Geometrien zu bestimmen. Das grundsätzliche Verhalten der Bauelemente Widerstand, Kondensator und Spule wird sowohl reell als auch in der komplexen Ebene beschrieben. Es folgt die Beschreibung von Parasitärelementen, deren Modellierung, Quantifizierung durch Güte und Verlustwinkel, sowie deren Einfluss auf das Frequenzverhalten.

2.1

Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

Widerstände, Kondensatoren und Spulen sind Resultate des Zusammenspiels von Elektrodynamik und Materialwissenschaft. Dabei ist es die Materialwissenschaft, die noch heute Fortschritte macht, während in der Elektrodynamik mit den vier Maxwell’schen Gleichungen (fast) alles gesagt ist.

2.1.1 Die Materialien der Bauelemente Die im letzten Kapitel beschriebenen Gesetze sagen noch nichts darüber aus, wie sich welche Materialien elektrotechnisch nutzen lassen. Die elektrischen und magnetischen Eigenschaften eines Stoffes werden letztlich von der Verteilung der Elektronen, genauer: der Struktur der Orbitale der äußeren Elektronenhüllen bestimmt. 1 Atomare Bindungen bestimmen die elektrische Leitfähigkeit

Die elektrischen Eigenschaften der Materie hängen zunächst davon ab, wie frei sich Ladungsträger in einem Stoff bewegen können, wie leicht also ein Strom fließen kann. Die Beweglichkeit der Elektronen wird in erster Linie durch die Art der Bindung vorgegeben. Wie in . Abb. 2.1 gezeigt, bildet bei der metallischen Bindung ein Teil der Elektronen eine Art Gas, welches sich zwischen den positiv geladenen Atomrümpfen praktisch frei bewegen kann. Sie können allerdings ohne Energiezufuhr1 von außen nicht das Metall verlassen, und häufig kommt es zu Stößen mit den Atomrümpfen. Kovalent gebundene Stoffe werden 1

Hierfür gibt es zwei prominente Beispiele: erstens den photoelektrischen Effekt. Hiermit bezeichnet man die Tatsache, dass hochenergetische Photonen Elektronen aus einem Metall herausschlagen können. Für die Analyse des

2

46

2

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.1 Veranschaulichung der chemischen Bindungstypen. Elektronen sind bei der metallischen Bindung fast frei beweglich, bei der kovalenten Bindung ortsfest zwischen zwei oder mehreren Ionen und bei der ionischen Bindung von einem auf das andere Atom übergegangen

durch Elektronenpaare zusammengehalten, die sich in zwei oder wenig mehr Atomrümpfen zugeordneten Bahnen (Orbitalen) bewegen. Bei der ionischen Bindung werden die Elektronen von einem Atom abgegeben. Danach verbleiben sie bei dem anderen Atom und machen es zum negativ geladenen Ion. Ionische und kovalente Bindungen treten praktisch nur als Mischform auf. Je stärker der ionische Charakter einer Bindung ist, desto weniger beweglich sind die Elektronen. In Metallen hängt die Fähigkeit des Ladungstransportes von der Anzahl der Elektronen und von deren Wahrscheinlichkeit ab, mit den verbleibenden Atomrümpfen zusammenzustoßen. Zur formalen Beschreibung der Leitfähigkeit wird ein Ausdruck gesucht, in dem die Materialeigenschaften von den jeweiligen äußeren Bedingungen getrennt werden. Der Ausgangspunkt ist dabei folgende Überlegung: In einem Material mit einer Dichte von Ne =V Elektronen, die sich mit einer Geschwindigkeit ve bewegen, fließt durch eine Fläche A ein Strom I D

dQ eNe D Av : dt V

(2.1)

Betrachtet man ein Stück Draht (vergleiche Aufgabe 2.43) mit der Querschnittsfläche A und der Länge ` und folgt der Argumentation von Drude (siehe (1.13) in 7 Kap. 1), dann ist die Elektronengeschwindigkeit proportional zum elektrischen Feld E . Daher ist sie aber auch proportional zu Spannung zwischen den Enden: v  E ! ve  U=` :

(2.2)

Aus (2.1) und (2.2) folgt, dass der Strom proportional zu A  U=` ist. Die Proportionalitätskonstante heißt spezifische Leitfähigkeit, , ihr Kehrwert heißt spezifischer Widerstand, .

Der spezifische Widerstand  eines auf der Länge ` einer Spannung U ausgesetzten Körpers mit der Querschnittsfläche A senkrecht zum Strom I ist durch D

U A I `

(2.3)

gegeben.

photoelektrischen Effekts erhielt Albert Einstein den Nobelpreis, nicht für die Relativitätstheorie. Das zweite Beispiel sind Glühkathoden in alten Verstärkerröhren.

47 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

In dieser Größe sind die für die Stromleitung relevanten Materialeigenschaften, die Anzahl und Beweglichkeit der Ladungsträger, zusammengefasst und von den äußeren Geometrie- und Anschlussfaktoren getrennt. Sie wird daher auch zur Kategorisierung der Materialien verwandt:

1. Leiter, insbesondere Metalle, sind Stoffe mit einem spezifischen Widerstand in der Größenordnung   108 m. Innerhalb solcher Stoffe sind Elektronen in großer Zahl frei beweglich. 2. Isolatoren haben einen spezifischen Widerstand in der Größenordnung von mehr als   1016 m. In solchen Stoffen sind kaum frei bewegliche Ladungsträger vorhanden. In dem Bereich dazwischen sind sowohl die so genannten Halbleiter als auch die Elektrolyte (Flüssigkeiten mit Ionen) angesiedelt. Bei einigen Materialien geht der spezifische Widerstand bei sehr niedrigen Temperaturen gegen Null. Dieses Phänomen nennt man Supraleitung.

1 Jedes Material hat magnetische Eigenschaften

Da Elektronen selbst ein magnetisches Dipolmoment besitzen und fast alle Atom- Molekülund Kristallorbitale mit einem Elektronen-Bahndrehimpuls behaftet sind, gibt es keinen einzigen Stoff auf der Erde, der nicht irgendwie auf Magnetfelder reagiert. Fast unmessbar klein ist die Wirkung magnetischer Kräfte auf die so genannten diamagnetischen Stoffe. In der Nähe eines starken Magneten werden diese Stoffe selbst kaum magnetisch. Paramagnetische Stoffe dagegen werden in der Nähe starker Magnete selbst zu Magneten, verlieren diese Eigenschaft aber, sobald der Nachbarmagnet entfernt wird. Am größten ist die Wirkung von Magneten auf Eisen, Nickel und Kobalt. Diese können mit Hilfe eines anderen Magneten dauerhaft selbst zu Magneten werden. Sie werden ferromagnetische Stoffe genannt. Die magnetischen Suszeptibilitäten (siehe Gl. 1.62) variieren so stark von Material zu Material, dass man sie in Klassen einteilt:

1. Diamagnetisch heißen Stoffe, die Magnetfelder leicht abschwächen, also mit kleinem negativen M . Diese haben ohne äußere Einflüsse kein Dipolmoment, bekommen es aber, solange ein äußeres Magnetfeld wirkt. 2. Paramagnetisch heißen Stoffe, die Magnetfelder leicht verstärken, also mit kleinem positivem M . Diese Stoffe bestehen aus normalerweise statistisch verteilten kleinen magnetischen Dipolen, die sich beim Anlegen eines äußeren Feldes ausrichten und dieses verstärken. 3. Ferromagnetisch heißen Materialeien, deren magnetische Suszeptibiliäten viel größer als Eins sind. Durch solche Materialien werden Magnetfelder, verglichen mit dem Vakuum, um das bis zu 100.000-Fache (Nickel-Kupfer-Cobalt Legierung) verstärkt. Bei ferromagnetischen Materialien ist der Zusammenhang zwischen dem von außen angelegten Magnetfeld und der Polarisation nicht mehr eindeutig. Die Polarisation hängt nicht nur vom äußeren Feld, sondern auch vom vorherigen Polarisationsgrad ab. Dieses Phänomen heißt Hysterese.

2

48

2

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.2 Grafische Darstellung der Hysterese eines magnetisierbaren Materials. Die Stärke des Magnetfeldes B hängt sowohl vom Spulenstrom I als auch von der vorherigen Magnetisierung ab. So wird die Kurve immer in der gleichen Richtung durchlaufen

Wird ein ferromagnetischer Stoff umgepolt, so wird die in . Abb. 2.2 gezeigte Kurve durchlaufen. In dieser Abbildung ist auch zu sehen, dass für große Ströme die Feldstärke B praktisch nicht mehr zunimmt. Dies wird Sättigung genannt. 1 Feldlinien werden an Oberflächen gebrochen

Vom Verhalten von Feldlinien an Materialübergängen hängen viele Details elektrischer Maschinen ab. Ob und wie sie an Oberflächen knicken, kann wie folgt geklärt werden. Zunächst müssen die beiden Integralsätze, in denen 0 und "0 vorkommen, mittels der Substitutionen (1.64) materialtauglich gemacht werden, also so: I ."0 "r E /  dA D Q

Gl. (1.34) ) @V

I

Gl. (1.44) )

1 .1 0 r B/  d` D I C

Z

@."0 "r E / dA : @t

(2.4)

@A

Von entscheidender Bedeutung ist hier, dass die Materialgrößen "r und r jeweils innerhalb der Integrale zu finden sind. Mathematisch bedeutet dies, dass sich die makroskopischen Felder aus der Summe aller durch Polarisierung und Magnetisierung auf mikroskopischer Skala veränderten Feldelemente zusammensetzen. Daher gilt (2.4) auch für nicht-lineare und anisotrope Materialien. Viel wichtiger aber ist der praktische Nutzen, denn in dieser Form ist auch die gleichzeitige Berücksichtigung verschiedener Materialien vorgegeben. Die Integrale müssen nur als Teilintegrale über die Bereiche gleicher Materialien aufgeteilt und dann addiert werden. Zunächst das statische elektrische Feld: Zur Bestimmung seines Brechungsgesetzes wird ein Materialübergang in einem so kleinen Bereich betrachtet, dass das elektrische Feld homogen ist. Zunächst ist festzustellen, dass in unmittelbarer Nähe der Oberfläche die zu ihr parallel verlaufenden Felder gleich stark sein müssen. Denn ein Ladungsträger, der sich entlang der geschlossenen Kurve auf dem durch die Punkte P1 ! P2 ! P3 ! P4 ! P1 in . Abb. 2.3 bezeichneten Weg bewegt, darf weder Energie gewinnen noch verlieren. Der Weg ist in der Abbildung als gepunktete Linie dargestellt. Wenn nun die Punkte H P1 und P4 sehr nahe beieinander sind, und die Punkte P2 und P3 ebenfalls, dann ist 0 D E d`  .E x1  E x2 / x; wobei x der Abstand der Punkte 1 und 2 ist. Also ist E x1 D E x2 . Das Verhältnis der senkrechten Felder E y1 und E y2 ergibt sich aus dem Gauß’schen Satz für das elektrische Feld: Man stelle sich die in . Abb. 2.4 gezeigte Anordnung als Teil eines Kondensators mit der Fläche A vor. Dann gilt "0 "r1 E y1 A D "0 "r2 E y2 A D Q; wobei Q die unter der Fläche A gebundene Ladung ist. Daraus folgt "r1 E y1 D "r2 E y2 : Für eine aus x- und y-Komponenten zusammengesetzte Feldlinie folgt, dass sich beim Oberflächendurchtritt nur

2

49 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

y P4 P

E x2 E x1

P3 P2

α2

E y2 E y1

1

E2

α1 E1 x

. Abb. 2.3 Skizze zur Berechnung des Brechungswinkels elektrischer Feldlinien an Materialoberflächen (statischer Fall); links zwei parallel zur Oberfläche verlaufende, mittig zwei senkrechte und rechts eine aus beiden Komponenten zusammengesetzte. In diesem Beispiel hat das untere Material das größere "r . Der Knick in der Feldlinie wird durch Abschwächung des vertikalen Feldes ey1 im Gebiet mit großem "r verursacht

y P4 P

B x2 B x1

P3 P2

α2

B y2 B y1

1

B2

α1 B1 x

. Abb. 2.4 Skizze zur Berechnung des Brechungswinkels magnetischer Feldlinien an Materialoberflächen (statischer Fall); links zwei parallel zur Oberfläche verlaufende, mittig zwei senkrechte und rechts eine aus beiden Komponenten zusammengesetzte. In diesem Beispiel hat das untere Material das größere r . Der Knick in der Feldlinie wird durch Verstärkung des oberflächenparallelen Feldes B x1 im Gebiet mit großem r verursacht

die vertikale .y/ Komponente ändert. Mit etwas Geometrie erhält man so tan ˛2 "2 D tan ˛1 "1

(elektrische Feldlinien):

(2.5)

Die Brechungsgesetze für magnetische Feldlinien können auf komplementäre Weise bestimmt werden. aus dem Ampère’schen Gesetz für die Abwesenheit eines umschlossenen Stromes H Denn 1 1 0 r Bd` D 0 folgt, dass die Oberflächen-parallelen Komponenten des magnetischen Kraftfeldes B sich um den Faktor r1 =r2 unterscheiden, also nicht gleich, sondern im Material mit dem größeren r größer sind. Wendet man den Gauß’schen Satz, wie in . Abb. 2.4 gezeigt, für das Magnetfeld auf ein dünnes Volumenenlement um die Grenzfläche herum an, so findet man, dass ein senkrechtes B-Feld beim Durchtritt durch die Oberfläche gleich stark bleibt. So erhält man aus völlig verschiedenen Gründen das gleich aussehende Ergebnis wie bei den elektrischen Feldern: tan ˛2 2 D tan ˛1 1

(magnetische Feldlinien):

(2.6)

Gl. (2.6) ist von großer technischer Bedeutung, denn bei starken Unterschieden der relativen Permeabilitäten verweist sie auf eine Möglichkeit, Magnetfelder dorthin zu führen wo diese gebraucht werden. 1 Ferromagnetische Stoffe fangen Magnetfelder ein

Interessant ist der bei Eisen .1 > 1000/ und ähnlichen Stoffen vorkommende Fall 2 =1  0. Dann wird ˛2  0 und ˛1  90ı . Die Effekte einer großen Magnetfeldverstärkung sind in

50

2

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.5 Magnetfeldlinien in und an einem Material mit großem r : Der größte Teil des Feldes folgt der Materialform. Ein sehr kleiner Teil tritt in einem Winkel von knapp 90ı aus

. Abb. 2.5 dargestellt. Über 99 % des Magnetfeldes folgen der Form des Eisens. Nur ein sehr kleiner Teil der Feldlinien durchquert die Oberfläche. Er verlässt das Eisen in einem Winkel von fast 90ı . Diesen Effekt kann man sich wie folgt erklären: In dem Material mit großem r (zum Beispiel Eisen mit r;FE ) ist die Dichte der Feldlinien um den Faktor r;FE =r;Luft  r;FE größer als im angrenzenden Medium mit kleinem r , zum Beispiel Luft mit r;Luft  1. Wenn aber links die Dichte der Feldlinien viel größer ist als rechts, dann können nur sehr wenige Feldlinie die Grenzschicht zwischen links und rechts durchqueren. Aus diesem Grunde verlaufen sie, wie in . Abb. 2.5 gezeigt, fast alle parallel zu dieser Schicht. Bei Eisen in Luft gilt dies für weit über 99 % der Feldlinien. Die wenigen Linien, welche die Grenzschicht durchqueren, verlassen unter einem Winkel von fast 90ı das Eisen.

Ferromagnetische Materialien verstärken Magnetfelder und führen sie dadurch in sich. Ein sehr kleiner Teil der Feldlinien durchquert die Oberfläche und verlässt das Eisen im rechten Winkel.

! Vorsicht Missverständnis! Im Eisen findet nicht wirklich eine Richtungsänderung der Feldlinien statt. Vielmehr ist bei der gleichzeitigen Anwesenheit mehrerer Materialien das Magnetfeld immer das gleichzeitige Resultat der primären Ursache (stromdurchflossene Spule) als auch der anwesenden Materialien.

Das Einfangen des Magnetfeldes eröffnet eine Perspektive für die Berechnung der Stärke des magnetischen Kraftfeldes. In . Abb. 2.6 ist der Durchtritt von Feldlinien von einem Material in ein anderes mit größerem Querschnitt zu sehen. Unmittelbar rechts von der Grenzfläche sind die Feldlinien noch genau so über den Querschnitt verteilt wie im schmaleren Material-

. Abb. 2.6 Durchtritt magnetischer Feldlinien durch eine Material- und Geometriegrenze. Wenn beide Materialien ein sehr viel größeres r haben als die Umgebung, so verbleiben die Feldlinien innerhalb der Körper

2

51 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

stück links. In diesem Bereich trägt nur der unmittelbar an das linke Material angrenzende Teil des Querschnitts zum Fluss bei. Daher ist der Fluss unmittelbar rechts von der Grenzfläche genau so groß wie der im linken Materialstück. Wenn sich nun, wie in . Abb. 2.6 weiter rechts gezeigt, die gleiche Anzahl von Feldlinien gleichmäßiger über den Querschnitt verteilt, dann kommt an den Rändern genau so viel Fluss hinzu, wie in der Mitte verloren geht. Der magnetische Fluss daher ist überall gleich groß. Daher lassen sich die Magnetfelder aus der Geometrie bestimmen, wenn sie nur an einem Querschnitt bekannt sind: ˚B1 D ˚B2 D ˚B3 D : : : ; ! B 1  A1 D B 2  A2 D B 3  A 3 D : : : ; A1 A3 ! für B k AW B2 D B1 D B3 D ::: : A2 A2

(2.7)

In dieser skalaren Form gelten die Gleichungen in dem Maße, in dem die Feldlinien senkrecht auf den Querschnittsflächen Ai stehen. Stellt man sich eine der Querschnittsflächen, zum Beispiel die rechte in . Abb. 2.6, in einen oberen und in einen unteren Teil durchgeschnitten vor, so findet man ohne große Rechnung, dass sich bei einer Verzweigung von Magnetfeldlinien der Gesamtfluss ˚B nicht ändert. Die Berechnung der Feldstärken in den verschiedenen Abschnitten erfolgt mit Hilfe des Ampère-Maxwell-Gesetzes (2.4). Für einen Strom I , der N -mal durch eine Schleife der Länge L die die Fläche A umschließt, hindurchfließt, gilt Z NI C

@."0 "r E / dA D @t

I L

B  d` : 0 r

(2.8)

In der Regel wird dieses Gesetz auf eine Spule angewandt. Dann ist N die Anzahl der Windungen. Wird das Integral genau entlang einer geschlossenen Feldlinie der Länge L durch die Spule hindurch berechnet, dann gilt Bd` D Bd`: Im statischen Fall ist @E=@t D 0, r konstant (siehe Hysterese weiter unten), und was übrig bleibt ist das Ampère’sche Gesetz, auch statisches Durchflutungsgesetz genannt. In vielen Anwendungen wie Transformatoren, magnetische Leseköpfe etc. bilden die Materialien im Magnetfeld ringförmig geschlossene Körper (siehe Augabe 2.41). Für einen solchen Körper, der aus Materialien mit relativen Permeabilitäten r1 ; r2 ; : : : bestehe, gilt dann bei senkrechtem Durchtritt der Feldlinien durch die Querschnittsflächen in guter Näherung I NI D L

B d` 0 r

B 1  `1 B 2  `2 C C ::: 0 r1 0 r2   `1 A1 `2 ! NI D B1  C  C::: : 0  r1 A2 0  r2

! NI D

(2.9)

Dabei sind ` i die gerichteten Längen der Magnetfeldlinien im Material i und B i die dortigen Magnetfelder. B 1 könnte zum Beispiel das Feld innerhalb der Spule eines Elektromagneten sein, B 2 das Feld im Joch und so weiter. Gl. (2.9) erlaubt es, entweder bei gegebenem Strom überall die Stärke des Magnetfeldes zu bestimmen, oder umgekehrt von der an einem einzigen Punkt bekannten Feldstärke auf den

52

2

Kapitel 2  Passive Bauelemente

Strom durch den Elektromagneten zu schließen. Zusammen mit (2.7) reicht sie aus, um bei einer gegebenen Geometrie alle Magnetfeldstärken auszurechnen. Fassen wir für ein Material i die Faktoren 0 ri D i zusammen, nehmen die Gleichungen die folgende Form an:

Berechnung statischer Magnetfelder in Ferromagnetika Entlang magnetischer Feldlinien gilt für alle Materialien und Querschnitte ˚B D konstant :

(2.10)

An einer Verzweigung B ! B 1 C B 2 gilt entsprechend ˚B D ˚B1 C ˚B2 :

(2.11)

Für jede aus Materialstücken i D 1; 2; : : :n zusammengesetzte, N -mal vom Strom I durchflossene, geschlossene Linie ist N I D

n X B i  `i : i i

(2.12)

Dabei sind B i ; ` u und i die Feldstärken, Längen und Permeabilitäten der Materialstücke.

Der Spezialfall I D 0 bestimmt die Aufteilung von Magnetfeldstärken an Verzweigungen. 1 Analogien zu Schaltkreisen führen zu einfachen Berechnungsverfahren

Es gibt Parallelen zwischen statischen Magnetfeldern und statischen, geschlossenen Stromkreisen, deren Ausnutzung es erlaubt, Magnetfelder mit den Techniken der Schaltkreisberechnung zu bestimmen. Wenn die betrachteten Objekte in Einzelteile mit Längen si parallel zum Magnetfeld und Querschnitten Ai senkrecht dazu zerlegt werden können, dann kann die Berechnung des Magnetfeldes auf eine einfache Schaltkreisberechnung zurückgeführt werden. Zur Begründung des Verfahrens schreiben wir die diskretisierte Form des Ampère’schen Gesetzes, (2.9), so um, dass anstelle der magnetischen Kraftfeldstärken Bi der magnetische Fluss ˚B steht. Denn dieser ist innerhalb von Ferromagnetika (fast) erhalten: B 1 s1 B 2 s2 C C ::: 0 r1 0 r2 s1 .B1 A1 / s2 .B2 A2 / ! NI D C C ::: 1 A1 2 A2   s1 s2 ! NI D C C : : : ˚B 1 A1 2 A2 NI D

(2.13)

Die Gl. (2.13) hat starke Ähnlichkeit mit dem Ohm’schen Gesetz: links die Ursache, so etwas wie eine Spannungsquelle. Die Terme in der großen Klammer übernehmen die Rolle in Reihe geschalteter Widerstände, und rechts steht der magnetische Fluss, welcher ähnlich wie der

53 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

. Abb. 2.7 Zur Konstruktion von Schaltkreisen zur Berechnung von Magnetfeldern in Ferromagnetika; oben: Elemente der Magnetkreise, darunter Schaltkreiselemente, mit deren Hilfe die Stärke der Magnetfelder berechnet werden kann

1,2,..

N

b h

B s I

"U"= NI

ΦB = Bhb

"R"=

s hbμ

"I"= ΦB

Strom innerhalb der Vorrichtung erhalten ist. Diese formale Ähnlichkeit mit U D .R1 C R2 C : : :/I erlaubt die in . Abb. 2.7 gezeigten Substitutionen: Jeder vom Strom I durchflossenen Spule mit N Windungen wird eine Spannungsquelle der „Stärke“ „U “ D NI zugeordnet, jedem Materialstück mit der (großen) Permeabilität  ein „Widerstand“ „R“ D s=.A/ D s=.bh/ und dem magnetischen Fluss ˚B D Bhb ein „Strom“ „I “. Nun kann jedem aus solchen Elementen zusammengesetzten Magnetkreis ein äquivalenter Schaltkreis zugeordnet werden. Dieser kann mit der jeweils für ihn günstigsten Berechnungstechnik, in der Regel das Maschenstromverfahren oder die Überlagerungsmethode, berechnet werden. Das Ergebnis kann zurückübersetzt werden: Man erhält aus dem jeweiligen Strom für jedes Materialstück einen magnetischen Fluss ˚B , aus dem dann mittels B D ˚B =.hb/ die Stärke des magnetischen Kraftfeldes gewonnen werden kann. Das funktioniert gut bei Gleichstrom und bei Frequenzen, die in elektrischen Maschinen auftreten, nicht jedoch im HF Bereich. ! Vorsicht Überinterpretation! Magnetkreissubstitutionen sind ein praktisches, auf Analogien fußendes Berechnungsverfahren – mehr nicht. Die vielen in der Vergangenheit unternommenen Versuche, hieraus eine scheinbar symmetrische Theorie von elektrischen Feldern und Magnetfeldern zu konstruieren, scheitern ausnahmslos, wenn zeitabhängige Felder betrachtet werden.

2.1.2 Kondensatoren Kondensatoren dienen dem kurzzeitigen Speichern von Ladung, wobei kurz von 100 ps beim LNB eines Satellitenempfängers bis zu Minuten bei Bremsenergie-Speichern2 reichen kann. Eine detaillierte Beschreibung der sehr großen Auswahl an Normen, Typen und Anwendungen findet sich zum Beispiel in [1]. 1 Speichern heißt trennen

Das Funktionsprinzip ist in . Abb. 2.8 dargestellt. Mit Hilfe des Gauß’schen Satzes für das elektrische Feld lässt sich berechnen, wie viel Ladung gespeichert ist. Denn die Ladung auf

In der Formel 1 ist dies unter dem Kürzel KERS D Kinetic Energy Recovery Systems bekannt. Neben Akkumulatoren werden auch Kondensatoren verwendet.

2

2

54

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.8 Prinzipskizze eines Kondensators: Zwei leitende Platten unterschiedlichen Potenzials werden bis auf den kleinen Abstand d aneinander gebracht. Das Feld E bindet Ladungen

2

E

der oberen Platte ist in guter Näherung3 I Q U D E  dA  E  A D E  A D A: "0 d

E

E

(2.14)

Die Ladungen befinden sich unmittelbar an der Oberfläche der Platte, wobei die Größenordnung durch den Durchmesser eines einzelnen Atoms gegeben ist. Auf der unteren Platte befindet sich die gleiche Ladungsmenge.

Wird bei einem Kondensator (oder einer Batterie) von der gespeicherten Ladung Q gesprochen, so bedeutet dies genau genommen immer die getrennte Ladung: auf der Anode Q und auf der Kathode Q.

Fügt man zwischen die beiden Platten ein polarisierbares Material, ein so genanntes Dielektrikum, so ergibt (2.14) mit "0 ! ": Q D U "

A : d

(2.15)

Gl. (2.15) sollte als Produkt Spannung mal Materialeigenschaft des Dielektrikums mal Geometriefaktor gelesen werden. Alle konstruktionsspezifischen Faktoren werden in einer Proportionalitätsgröße zusammengefasst, die Kapazität C heißt: Definition 2.1 Die Kapazität C eines Kondensators ist das das Verhältnis C D Q=U .

Hieraus folgt sofort die immer4 gültige Formel I DC 

dU ; dt

(2.16)

welche den Stromverlauf durch einen Kondensator an dessen Spannungsverlauf koppelt. Abb. . Abb. 2.9 zeigt dies für harmonische Verläufe, Einschaltvorgänge und lineare Spannungsänderungen. Für komplexe Ströme und Spannungen ergibt (2.16) zusammen mit u D U e j!t die Impedanz Z und den Blindwiderstand X : ZD

u U 1 D jX : D D i I j! C

(2.17)

Wegen 1=j D j hat ein Kondensator also einen negativen Blindwiderstand. 3 Der dominante Anteil am Oberflächenintegral ist derjenige, der zur Fläche zwischen den Platten gehört. Nach oben hin ist das Feld schwach, zu den Seiten die Fläche klein. 4 Immer heißt hier: immer wenn Strom und Spannungspfeil parallel gezeichnet werden.

2

55 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

. Abb. 2.9 Strom und Spannung am Kondensator. Bei harmonischen Verläufen eilt der Strom 90ı voraus, Spannungssprünge geben Stromspitzen und lineare Spannungsverläufe konstante Ströme

U U,I

I

U

I

I U

I

U t

. Abb. 2.10 Zwei in Reihe geschaltete Kondensatoren, die von einer Stromquelle gespeist werden

I

C2 C1

U1

U2

Für einen Kondensator, wie er in . Abb. 2.8 gezeigt ist, beträgt die Kapazität also C D"

A A D "0 "r  : d d

(2.18)

Eine große Kapazität, oder auch viel gespeicherte Ladung, heißt also: große elektrische Suszeptibilität des Dielektrikums (also auch großes "r ) und kleiner Abstand bei großer Fläche. Ein geladener Kondensator speichert, wie in Aufgabe 2.30 gezeigt, eine Energie von W D

1 CU 2 : 2

(2.19)

Schaltet man zwei Kondensatoren mit den Kapazitäten C1 und C2 parallel, so verhalten sich beide zusammen wie ein einziger Kondensator mit der Kapazität C D C1 C C2

.Parallelschaltung/:

(2.20)

Man kann sich zur Begründung zwei nebeneinander gestellte und parallel geschaltete Plattenkondensatoren vorstellen, die sich nur in der Fläche unterscheiden. Nach (2.15) erhöht sich die Gesamtladung proportional zur Fläche: A D A1 C A2 ! C D C1 C C2 . . Abb. 2.10 zeigt zwei in Reihe geschaltete Kondensatoren. Mit Hilfe der Ladungserhaltung lässt sich bestimmen, welcher Gesamtkapazität R C diese Reihenschaltung entspricht: Nach einer bestimmten Zeit t sei eine Ladung Q D I dt durch die beiden Kondensatoren geflossen. Da durch beide Kondensatoren die gleiche Ladungsmenge fließen muss, gilt nach der Definition 2.1 der Kapazität U1  C1 D .U2  U1 /  C2 D U2  C :

(2.21)

Aus diesen beiden Gleichungen lässt sich die Zwischenspannung U1 eliminieren, und man erhält 1 1 1 C .Reihenschaltung/: (2.22) D C C1 C2 1 Bauform und Material bestimmen die Einsatzmöglichkeiten

Kondensatoren kommen in zwei Gruppen von Bauformen vor: gewickelt, oder gestapelt. Beide nutzen sowohl die Vorder- als auch die Rückseiten der Elektroden. Gestapelte Kondensatoren wie der in . Abb. 2.11 gezeigte nutzen Materialien mit sehr großen Dielektrizitätskonstanten. Sie kommen bei Keramiken aus Barium-, Kalzium- und Strontium-Titanat oder auch Zirkonaten mit bis zu "r D 1000 [2] zum Einsatz.

56

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.11 Prinzipskizze eines gestapelten Kondensators. Solche Kondensatoren kommen bei Keramik-Dielektrika zum Einsatz

2

Die häufigste Bauform ist der in . Abb. 2.12 beispielhaft gezeigt gewickelte Kondensator. Gewickelte Kunststoff-Kondensatoren setzen auf große Flächen: Sie haben als Dielektrika 0;7 : : : 3;0 m dünne Plastikfolien mit "r D 2;2 : : : 3;3. Gewickelte Aluminium-ElektrolytKondensatoren haben bis zu 200-fach vergrößerte Oberflächen, die durch elektrochemisches Ätzen des Anoden-Aluminiums erreicht werden. Bei diesen Kondensatoren wird die Ladung kathodenseitig nicht im Metall, sondern in der leitenden Flüssigkeit (Elektrolyt) direkt am Rande des Dielektrikums Al2 O3 gespeichert. Dieses bedeckt die angerauhte Fläche des Aluminiums und hat eine relative Dielektrizitätskonstante von "r  9;5.

Elektrolytkondensatoren (ELKOs) sind unipolar, das heißt, Anode und Kathode dürfen nicht vertauscht werden.

Die im Handel erhältlichen sogenannten bipolaren Elektrolytkondensatoren sind letztlich Reihenschaltungen von entgegengesetzt gepolten unipolaren Kondensatoren. Sie werden durch die Schichtenfolge Al, Al2 O3 , Elektrolyt, Al2 O3 , Al realisiert. Mithilfe zweier unipolarer Elektrolytkondensatoren lässt sich, wie in . Abb. 2.13 gezeigt, ebenfalls ein bipolarer Kondensator diskret aufbauen. Allen diesen Konstruktionen ist gemein, dass sie nicht oberhalb von ca. 10 kHz betrieben werden sollten.

. Abb. 2.12 Gewickelter Kondensator: Diese Bauform wird für elastische Dielektrika und Aluminium-ElektrolytKondensatoren verwandt. Die Kathode ragt unten heraus und ermöglicht so eine optimale Kontaktierung. Für die Anode müssen Extraelektroden oben mit eingewickelt werden

2

57 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

+ + R > 100 kΩ

+

+

d

-

+

+

-

+ + -

+

+ -

+ -

-

- +

e

f + +

- +

-

+

+ -

+

+

-

+ -

+

-

+ -

+ -

+ -

- +

+ -

+ -

e

+

+

-

-

c

- +

+

- +

+

-

+

+ -

+ +

+

+

+ -

+ -

-

-

+

+ -

+

b

+ -

+

a

Cs

-

Ca

+

. Abb. 2.14 Elektrochemische Beiträge zur Kapazität an der Kathode eines Doppelschichtkondensators: Überschüssige Elektronen (a) wandern vermehrt an die Oberfläche um dort die positiven Enden der Wasserdipole (b), oder positive Ionen (c) oder von Wassermolekülen teilweise abgeschirmten Ionen (d) zu binden. Zwischen den Teilchen dieser Schicht und der Kathode entsteht so ein Kondensator Ca , dessen Kapazität sehr groß ist, weil sich die Ladungen nur im Abstand eines Atomradius’ befinden. Weiter weg von der Kathode herrscht ein ein dynamisches Gleichgewicht von positiven und negativen Ionen mit einem starken Konzentartionsgefälle der positiven Ionen. Dieser Überschuss von positiven Ionen (e) nahe der Kathode und negativen Ionen (f ) bei größeren Abständen wirkt ähnlich wie ein zweiter Kondensator, Cs .

b

-

a

+ +

+

. Abb. 2.13 Konstruktion eines unipolaren Elektrolytkondensators. Als Verpolungsschutz werden entweder Widerstände im 100 k Bereich (a) oder Dioden (b) benutzt.

Die verlässlichsten und teuersten Elektrolytkondensatoren haben Tantal als Anodenmaterial und das Oxyd Ta2 O5 mit "r  27 als Dielekrikum. Der innere Aufbau ist von Hersteller zu Hersteller verschieden. Nur eine großflächige Kathode als äußere Begrenzung ist allen gemein. Die im praktischen Einsatz wichtigste Eigenschaften der Tantalkondensatoren sind ihre Geschwindigkeit (also eine hohe Güte selbst im oberen MHz Bereich) und ihre Anfälligkeit gegenüber zu großen Strömen (siehe Aufgabe 2.38). Die mit Abstand größten Kapazitaten erreichen Doppelschichtkondensatoren mit Energiedichten bis zu ca. W =m  30 Wh/kg. Im Handel sind diese als super capacitors oder gold caps erhältlich. Doppelschichtkondensatoren verdanken ihren Namen der Tatsache, dass beide ihrer Aktivkohle-Elektroden kapazitiv an eine gemeinsame Elektrolytflüssigkeit gekoppelt sind. Zwischen den beiden Elektroden befindet sich ein Separator, der einen direkten Kontakt verhindert, für den Elektrolyten jedoch durchlässig ist. . Abb. 2.14 zeigt die Situation an der Kathode: Der negativ geladene Kohlenstoff zieht sowohl positiv geladene Ionen als auch Wassermoleküle an, Letztere aufgrund ihres Dipolmoments. Diese Teilchen bilden die sogenannte Helmholtz-Schicht und fungieren als Anode eines Kondensators mit einem extrem dünnen Dielektrikum. Dessen Dicke von weniger als einem Atomradius gibt diesem Teilkondensator sowohl eine sehr große Kapazität als auch eine geringe Spannungsfestigkeit. Da die Oberflächenbindung der Ionen und Wassermoleküle aber recht schwach ist, reicht die thermische Energie bei Raumtemperatur, um einen erheblichen Teil der Ionen wieder von der Oberfläche zu lösen. Außerhalb der Helmholtz-Schicht entsteht so ein dynamisches Gleichgewicht von positiven und (in der Flüssigkeit in gleicher Ladungsmenge vorhandenen) negativen Ionen mit einem starken Konzentartionsgefälle der positiven Ionen. Dieser Überschuss von positiven Ionen nahe der Kathode und negativen Ionen bei größeren Abständen wirkt ähnlich wie ein zweiter Kondensator. Er macht die Kapazität stark von Temperatur, der Ladung und der Elektrolytkonzentration abhängig.

58

2

Kapitel 2  Passive Bauelemente

Das Bild nahe der Anode ähnelt dem an der Kathode, und so kann man sich einen Doppelschichtkondensator als Reihenschaltung aus insgesamt vier Kondensatoren vorstellen: zwei zwischen den Elektroden und deren Helmholtz-Schichten und zwei innerhalb des Elektrolyten. Die maximal erreichbaren Spannungen von Umax  2; 3 V sind der begrenzende Faktor der Energiespeicherdichte.

2.1.3 Spulen Stromdurchflossene Spulen erzeugen Magnetfelder, die Energie speichern und für eine Verstetigung des Stromflusses sorgen. Spulen nutzen die magnetische und elektrische Induktion (siehe (1.28)). Sich ändernde Ströme erzeugen sich ändernde Magnetfelder welche sich ändernde elektrische Felder erzeugen, die der Stromänderung entgegenwirken. 1 Die Mehrfachnutzung von Magnetfeldern heißt Spule

Der Einfluss Reiner Spule auf eine Schaltung steigt daher in dem Maße, in dem der magnetische Fluss ˚B D A B  dA steigt. Daher werden einerseits zur Vergrößerung von A viele Flächen übereinandergelegt (daher Windungen, Spulen), andererseits Materialien mit großem r in diese Windungen hineingebracht, um ein möglichst starkes Magnetfeld B zu erhalten. Da die Stärke eines Magnetfeldes proportional zur Stärke des erzeugenden Stromes ist, muss die Änderung des magnetischen Flusses proportional zur Änderung der Stromstärke sein. Die dazu gehörige Proportionalitätskonstante heißt Induktivität L. In ihr werden alle stoffspezifischen und geometriespezifischen Konstanten zusammengefasst: Definition 2.2 Die Induktivität L ist das Verhältnis der Änderung des magnetischen Flusses zur hervorru. fenden Stromänderung: d˚dtB D L  dI dt

Das Induktionsgesetz (1.28) lässt sich mit Hilfe dieser Definition als I dI E d` D Uind D L  .Spannungsgenerator/ dt

(2.23)

schreiben. Das Minuszeichen findet Anwendung, weil bei Generatoren Strom und Spannung antiparallel definiert sind. (Details hierzu später in . Abb. 4.1 und . Abb. 4.3). Das heißt: Spulen erzeugen Spannungen, die einer schnellen Stromänderung entgegenwirken. Zum Begriff Spannungsgenerator ein Beispiel: . Abb. 2.15 zeigt die Kombination aus einer Spule und einem Widerstand. Nehmen wir an, zum Zeitpunkt t D 0 fließe ein Strom I0 in der dargestellten Richtung. Der Ladungstransport in der Spule sorgt dafür, dass der Pluspol in . Abb. 2.15 oben liegt. Durch den Widerstand fließt also ein Strom I D Uind =R. Die weitere Entwicklung folgt nun aus (2.23): dI L  DRI ! dt

Zt

L dt D  R

0

ZI

dI I

(2.24)

I0

mit dem Ergebnis R

I D I0 e  L t :

(2.25)

2

59 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

. Abb. 2.15 Spule und Widerstand

Die Tatsache, dass die Spule einen Strom vom Minuspol zum Pluspol transportiert, zeigt, dass die Spule in diesem Fall ein Energielieferant oder Generator ist. Mit Hilfe von (2.25) kann die von der Spule gespeicherte Energie bestimmt werden. Es ist die, die am Widerstand freigesetzt wird Z1 Z1 Z1 2R (2.26) W D PR dt D R  I 2 dt D R  I02 e  L t dt : 0

0

0

Bei der Berechnung des Integrals fällt der Widerstand R ganz heraus – eine Konsequenz der Tatsache, dass hier unabhängig vom Verbraucher der Energieinhalt des Magnetfeldes der Spule zum Zeitpunkt t D 0 berechnet wird: W D

1 2 LI : 2 0

(2.27)

! Vorsicht Vorzeichen! Die Betrachtung der Rückwirkung einer stromdurchflossenen Leiterschleife auf sich selbst führt praktisch zwangsläufig zu der in . Abb. 2.15 gezeigten Wahl von Strom- und Spannungsrichtungen. Das Minuszeichen in (2.23) gehört also zu der bei Generatoren üblichen Wahl der Stromrichtung vom Minuspol zum Pluspol. Innerhalb einer von anderen Quellen gespeisten Schaltung wird der Strom genau in die andere Richtung gewählt, und es gilt Ui nd D CL 

dI dt

(Strompfeil parallel zum Spannungspfeil)

(2.28)

Wie in . Abb. 2.16 zu erkennen ist, führt (2.28) dazu, dass bei Spulen der Strom einer Wechselspannung um 90ı phasenverschoben hinterherläuft. Und plötzliche Stromänderungen führen zu Spannungsspitzen. Weitere Beispiele sind in Aufgabe 2.25 gezeigt. In der komplexen Wechselstromlehre kann eine ideale Spule als reiner Blindwiderstand betrachtet werden. Ausgehend von (2.28) erhält man d  j!t  Ie dt D j!Le j!t

U e j!t D L ! U e j!t

(2.29)

! Z D j!L D jX Einer Spule ist also ein positiver Blindwiderstand zuzuordnen. Zwei in Reihe geschaltete Spulen verhalten sich wie eine einzige mit der Gesamtinduktivität L D L1 C L2

. Abb. 2.16 Strom und Spannung an einer Spule. Bei harmonischen Verläufen ist der Strom um 90ı verspätet, und Stromsprünge geben Spannungsspitzen

.Reihenschaltung/

U,I U U

I

(2.30)

I

U

I t

60

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.17 Parallelschaltung zweier Spulen

2 Dies folgt aus (2.28), wenn man berücksichtigt, dass der Strom durch beide Spulen der gleiche ist und sich die induzierten Spannungen addieren. Bei der in . Abb. 2.17 gezeigten Parallelschaltung muss an beiden Spulen die gleiche Spannung abfallen. Will man wissen, welches L einer einzigen Spule zuzuordnen ist, die sich genau so verhält wie diese beiden zusammen, kann man daher schreiben: U D L1

dI1 dI2 d D L2 D L .I1 C I2 / : dt dt dt

(2.31)

Eliminiert man mit Hilfe des mittleren Gleichheitszeichens I1 ; dann erhält man auf der rechten Seite von (2.31) eine Gleichung, aus der auch I2 herausfällt: 1 1 1 C D L L1 L2

.Parallelschaltung/:

(2.32)

Spulen kommen in verschiedenen Bauformen vor. Die Berechnung der Induktivität ist für eine gegebene Geometrie meist sehr schwierig. Denn L muss als Doppelintegral berechnet werden. So sind analytische Ausdrücke nur für wenige Geometrien, und für diese auch nur in Grenzfällen, bekannt. Für eine lange Spule, wie sie in . Abb. 2.18 zu sehen ist, ergibt sich (siehe Aufgabe 2.35) (2.33) LLange Spule D N 2A= l : Für die meisten einfachen Formen wie eine Ringspule mit N Windungen, Radius R und einem Drahtradius a sind nur Approximationen bekannt [3]:    8R 2 : LRing  N 2 R ln a

(2.34)

Ein wichtiger Sonderfall ist der (unendlich) lange, gerade Draht. Denn die Berechnung seiner Induktivität führt zu einem divergenten Ergebnis. Ebenfalls unmöglich ist es, einem kurzen Leitungsstückchen allein eine bestimmte Induktivität zuzuordnen. Denn die magnetische Wirkung hängt davon, ab, in welche Richtung der Strom weiter fließt und welche Flächen dabei umflossen werden. In den meisten Fällen kann die Induktivität daher nur mit numerischen Verfahren näherungsweise vorhergesagt oder experimentell bestimmt werden.

. Abb. 2.18 Eine Spule der Länge l und der Querschnittsfläche A wird von einem Strom I durchflossen. Dadurch entsteht ein Magnetfeld B

2

61 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

Die dynamischen Eigenschaften einer Spule werden durch das Material ihres Kerns bestimmt. Vergleicht man mehrere Spulen gleicher Geometrie und Drahtstärke, so ergibt sich Folgendes:

1. Luftspulen haben die geringsten, aber sowohl von der Stromstärke als auch von der Frequenz nur sehr schwach abhängige Induktivitäten. 2. Spulen mit Ferritkernen5 haben deutlich größere Induktivitäten. Bei großen Strömen nimmt die Induktivität aufgrund der Sättigung des Kernmaterials (siehe . Abb. 2.2) ab. 3. Spulen mit ferromagnetischem Kern haben sehr große Induktivitäten. Diese nehmen aufgrund der Sättigung des Eisens (siehe 7 Abschn. 2.1.1) bei großen Strömen ab. Durch Wirbelstromverluste nimmt die Verlustleistung bei hohen Frequenzen deutlich zu. Allen Spulen gemein ist die Tatsache, dass der Skin-Effekt, welcher bei hohen Frequenzen auch mit einer Phasenverschiebung einher geht, (siehe [4, 5]) zu einer über die reine Induktivität hinaus gehende Stromdämpfung führt. Der Skin-Effekt wird in 7 Kap. 5 genauer behandelt.

2.1.4 Widerstände Widerstände werden benutzt um Ströme zu begrenzen oder im Zusammenspiel mit Spule und Kondensatoren Frequenzen zu begrenzen. Dabei wird immer Wärme erzeugt, manchmal absichtlich, meist aber nur gezwungenermaßen. Widerstände werden bei diskreten Bauteilen als gewickelte Drähte oder als auf ein Substrat aufgebrachte dünne Schichten realisiert. Bei Hybridschaltungen werden Bahnen aus schlecht leitendem Material eingesetzt. Innerhalb von Halbleitern können auch Bahnen aus dotiertem Material verwandt werden. Die große Mehrheit aller in der Elektrotechnik verwendeten Materialien, zum Beispiel alle Metalle, hat einen mit der Temperatur zunehmenden Widerstand. Diese Materialien werden auch Kaltleiter genannt. Die Abhängigkeit des Widerstandes dieser Materialien von der Temperatur kann für die meisten Anwendungen durch eine Gerade in der Nähe von T D 293 K D 20 ı C gemäß (2.35) angenähert werden: R.T /  R.293 K/ C a.T  293 K/ :

(2.35)

Halbleiter und einige wenige andere Materialien haben einen mit der Temperatur abfallenden Widerstand. Diese werden Heißleiter genannt. Aus solchen Materialien werden die so genannten NTC-Widerstände6 hergestellt (siehe . Abb. 2.19). Das Anwendungsgebiet dieser Widerstände reicht von der Temperaturmessung bis zum Begrenzen von Einschaltströmen. Ihr Verhalten wird phänomenologisch in guter Näherung von der Steinhart-Hart-Gleichung (2.36) 5 Ferrite sind nicht-leitende ferromagnetische Keramiken mit einem hohen Fe2 O3 (Eisenoxyd) oder Fe3 O4 (Magnetit)Anteil. Ihre magnetische Suszeptibilität ist ähnlich groß wie die des Eisens, aber sie leiten nicht und haben deshalb keine Wirbelstromverluste. 6 Negative Temperature Coefficient.

62

2

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.19 Widerstände mit negativem Temperaturkoeffizienten (NTCs): Sie kommen entsprechend den verschiedenen Einsatzgebieten in einer Vielzahl von Bauformen vor

beschrieben:

1 D a C b  ln.R/ C c  .ln.R//3 : T

(2.36)

Dabei ist T die absolute Temperatur, R der Widerstand sowie a; b und c experimentell zu bestimmende Parameter. Für besondere Anwendungen gibt es auch noch so genannte PTCs. Das sind Widerstände mit bei Temperaturerhöhung stark ansteigendem Widerstand. In der Beschreibung von Widerständen hat sich die Verwendung der Größe Schichtwiderstand als sehr nützlich erwiesen. Definition 2.3 Der Schichtwiderstand ist der durch die Dicke der Schicht geteilte spezifische Widerstand des Materials, aus dem die Schicht besteht.

. Abb. 2.20 zeigt den Sinn dieser Größe. Man stelle sich ein quadratisches Plättchen der Breite b und der Höhe h vor, durch welches ein Strom I fließt. Der Widerstand des Plättchens ist Länge b  RSchicht D   D D : (2.37) Querschnitt hb h Gl. (2.37) beinhaltet, dass der Widerstand eines Quadrates einer dünnen Schicht immer gleich ist, unabhängig davon, welche Seitenlänge es hat. Er ist damit eine charakteristische Eigenschaft einer Schicht und wird daher als Schichtwiderstand RSchicht bezeichnet. Für eine Bahn der Länge ` und Breite b in dieser Schicht ist der Widerstand dann R D RSchicht  `=b :

(2.38)

. Abb. 2.20 Zur Definition des Schichtwiderstandes: Der Widerstand, den der Strom I überwinden muss, hängt nicht von der Seitenlänge b des Quadrates ab

I b h b

2

63 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

2.1.5 Impedanzen und Parasitärelemente Im Idealfall haben die passiven Bauelemente sehr einfach zu beschreibende Impedanzen. ZR D R

.Widerstand/

Z C D 1=.j! C / D jXC

.Kondensator/

ZL D j!L

.Spule/:

D jXL

(2.39)

Jedoch lehrt die praktische Erfahrung: Wer ein Bauteil in die Hand nimmt, der hat gleich mehrere in der Hand. Denn jedes Stück Draht hat einen Widerstand, jede Leitungsbahn eine Induktivität, und zwischen zwei Leitern gibt es immer eine Kapazität. All diejenigen Bauteile, die (bildlich gesprochen) ohne Bestellung dabei sind, nennt man Parasitärelemente. Für eine gegebene Anwendung müssen aber solche Bauteile gefunden werden, bei denen Parasitärelemente eine untergeordnete Rolle spielen und so die eigentliche Funktion im Vordergrund steht. Phänomenologisch werden zu diesem Zwecke die Größen Güte Q, der Verlustfaktor D und der Verlustwinkel ıZ eingeführt. Denn sie sind ein Maß dafür, wie nahe die Bauteilefunktion an ihr Ideal heranreicht. Naturgemäß sind all diese Größen stark frequenzabhängig. 1 Ein Wort sagt alles: Güte

Die Güte Q (wie quality) eines Bauelements gibt an, wie sehr sich dessen Verhalten dem Idealfall ähnelt. Sie ist experimentell über den Winkel zwischen Spannung und Strom definiert: Definition 2.4 Die Güte Q eines Bauteils, welches von einer harmonischen Strom- oder Spannungsquelle gespeist wird, ist (2.40) Q D j tan.U  I /j; wobei U  I der Abstand der Nulldurchgänge von Strom und Spannung ist.

Für ideale Spulen und Kondensatoren strebt also Q ! 1. Es lässt sich zeigen (siehe (5.14) und dort folgender Text), dass Q gerade der Faktor zwischen der Blindleistung und der Wirkleistung ist.

Die Güte eines Bauteils ist das Verhältnis seiner Blindleistung zu seiner Verlustleistung.

Anstelle der Güte werden manchmal der Verlustfaktor D und der Verlustwinkel ı angegeben: 1 D tan ı D D : (2.41) Q Die Gl. (2.40) und (2.41) sind, wie in . Abb. 2.21 gezeigt, die Brücke zwischen Messtechnik und Bauteilebeschreibung. Denn aus ihnen folgt, dass mit der Messung des Phasenwinkels zwischen Strom und Spannung die Abweichungen vom Idealbauteil zu quantifizieren sind. Der Verlustwinkel steht ferner in engem Zusammenhang mit der Phasendifferenz zwischen Strom und Spannung: jıj C jj D 90ı .

64

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.21 Die Bedeutung des Verlustwinkels: Am Verlustwinkel ız lässt sich festmachen, ob ein Bauteil geeignet ist

2

. Abb. 2.22 Zwei austauschbare Modelle für einen nicht idealen Kondensator

Ein Bauteil, von dem das Strom-Spannungsverhältnis und die Phasenverschiebung bekannt sind, lässt sich immer, so wie in . Abb. 2.22 gezeigt, entweder als Reihen- oder als Parallelschaltung eines Blindwiderstandes und eines Ohm’schen Widerstandes darstellen. Dies zeigt die folgende Überlegung: Stellt man sich den realen Kondensator als Parallelschaltung eines idealen Kondensators mit der Kapazität CP und einem Widerstand RP vor, dann fließt ein Strom i.t / D UO C ŒCP ! cos.!t / C .1=RP / sin.!t /. Die Nulldurchgänge des Stromes sind zu Zeiten t0 D 

1 arctan.RP CP !/ : !

(2.42)

Das Argument des Arcustangens ist aber das Verhältnis der Impedanzen, daher hier auch das Verhältnis von Blind- zu Wirkleistung und so gerade die Güte des Bauteils. Nennen wir  D !t0 den Phasenwinkel zwischen Strom und Spannung, dann ist also  tan./ D  tan.!t0 / D RP CP ! D Q D

1 D

.Parallelmodell/:

(2.43)

Stellt man sich den realen Kondensator als Serienschaltung eines Widerstandes RR und eines idealen Kondensators CR vor, so ergibt eine ähnliche Rechnung oder alternativ die in . Abb. 2.23 zu sehende Zeichnung.  tan./ D  tan.!t0 / D

1 1 DQD RR CR ! D

.Reihenmodell/ :

(2.44)

Da die Tangensfunktion beliebig große Werte annehmen kann, kann man sich also, messtechnisch völlig äquivalent, den realen Kondensator als Parallelschaltung mit einem sehr großen oder als Reihenschaltung mit einem sehr kleinen Widerstand vorstellen.

65 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

. Abb. 2.23 Zusammenhang zwischen der Phasenverschiebung , dem Verlustwinkel ı und den Impedanzanteilen, dargestellt in der komplexen Ebene für das Reihenmodell

! Vorsicht Fehlerquelle! In der Literatur findet man die beiden Ausdrücke Q D R=X und Q D X=R etwa gleich häufig. Wann welche Formel stimmt, hängt von der Modellannahme ab: Q D RR =XR stimmt für das Reihenmodell, Q D XP =RP für das Parallelmodell. Die Aussage Die Güte ist groß stimmt unabhängig von der Modellannahme immer dann, wenn der Ohm’sche Anteil keine große Rolle spielt. Anwendungsbeispiel: Bestimmung der Güte eines Bauteils

Die Güte eines Bauteils lässt sich aus dem zeitlichen Versatz zwischen dem Strom- und Spannungsverlauf bestimmen. Dazu dient die in . Abb. 2.24 für einen nicht idealen Kondensator gezeigte Anordnung. Der Kondensator wird in Reihe zu einem Shunt genannten Ohm’schen Widerstand RS geschaltet und durch eine Versorgungsspannung uQ D UO Q sin.!t/ versorgt. Mittels eines Oszilloskops wird die Spannung uS .t/ am Shunt und die am Kondensator anliegende Spannung uC .t/ D uQ .t/  uS .t/ verglichen. Die Spannung am Shunt liefert zusammen mit dem Innenwiderstand Ri des Oszilloskops den Strom iC durch den Kondensator: iC .t/ D uS .t/=.RS C Ri / : (2.45) Stellt man man nun iC .t/ und uC .t/ auf einem Bildschirm dar, so lässt sich die Zeitverzögerung zwischen Strom und Spannung ablesen. Damit ist die Güte bestimmt: Q D j tan.U  I /j.

Für einen idealen Kondensator .Rp ! 1/ müsste der Strom der Spannung um eine Viertelperiode vorauseilen. Je dominanter der Einfluss des Widerstandes, desto kleiner der Zeitversatz zwischen Strom und Spannung.

. Abb. 2.24 Messung des Verlustwinkels mittels Zweikanaloszilloskops und Shunt-Widerstands. Die beiden Kanäle messen uQ .t/ und uS .t/

2

66

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.25 Ersatzschaltbild eines realen Kondensators. .RR / und .LR / werden auch als ESR und ESL bezeichnet

2 1 Bei hohen Frequenzen werden Spulen zu Kondensatoren und umgekehrt

Auf der Entwurfsseite ist es nötig, Modelle für den Einfluss der Parasitärelemente zu entwickeln, die den Frequenzverlauf der Impedanz und der Güte vorhersagen. Hierzu werden Ersatzschaltbilder entworfen und durchgerechnet. Diese Modelle sollten aber nicht überbewertet werden. Sie dienen in erster Linie dazu festzustellen, wo die Abweichungen von der Idealfunktion zu groß werden. Und zu diesem Zwecke reicht eine recht grobe Näherung. Das tatsächliche Verhalten eines Kondensators beinhaltet, wie in . Abb. 2.25 gezeigt, seine gewünschte Funktion .C /, die Widerstände der Leitungen, Elektroden und Lötstellen .RR /, deren Induktivitäten .LR / sowie einen endlichen Leitwert .1=RP / des Dielektrikums7 . Die Impedanz eines realen Kondensators ist daher in guter Näherung Z D RR C ZL C .Z C k RP / :

(2.46)

Der Parallelwiderstand spielt nur bei Anwendungen zur Spannungspufferung eine Rolle. In allen anderen Fällen gilt   1 : Z  RR C ZL C Z C D RR C j !L  !C

(2.47)

Bei der Verwendung von Kondensatoren sind also immer drei Bereiche zu unterscheiden: 1. bei kleinen Frequenzen normale Kondensatorfunktion, 2. bei Näherung an !RC D 1 Zunahme der Ohm’schen Verluste, 3. oberhalb der Reihenresonanz ! 2 LC D 1 Dominanz der Induktivität. Man spricht bei dieser Frequenz auch von der Eigenresonanz des Kondensators. Der Frequenzbereich der Anwendung bestimmt also, welcher Kondensator zu wählen ist. Die folgende Gl. (2.48) zeigt, dass der Phasenwinkel der Gesamtimpedanz ein Maß dafür ist, welche Rolle der Reihenwiderstand spielt:  Z D arctan

! 2 LC  1 RR ! C

 :

(2.48)

Denn wenn dieser Widerstand verschwindet, kann der Winkel zwischen Strom und Spannung nur noch ˚Z D 90ı unterhalb der Eigenresonanz und C90ı darüber betragen. Als Maß für den Einfluss der Parasitärelemente wird der Verlustwinkel ıZ oder der Verlustfaktor D angegeben: 

1  ! 2 LC ıZ D arccotan RR ! C





RR ! C D arctan 1  ! 2 LC

 D arctan.D/ D arccotan.Q/ : (2.49)

7

Nach den Englischen Begriffen equivalent series resistace und equivalent series inductance werden die ReihenParasitärelemente auch als ESR und ESL bezeichnet.

2

67 2.1  Funktionsweise und Eigenschaften passiver Bauelemente

. Abb. 2.26 Ersatzschaltbild einer realen Spule: der Parallelwiderstand RP ist nur bei Spulen mit Wirbelstromverlusten relevant. Bei hohen Frequenzen nimmt der Reihenwiderstand RR wegen des skin effect zu

An dieser Gleichung ist bei genauerem Hinsehen die generelle Regel8 bestätigt: Die Güte Q ist immer dann groß, wenn parasitäre Widerstände keine große Rolle spielen. Bei realen Spulen sind je nach Material und Frequenz der Verwendung unterschiedliche Effekte zu berücksichtigen. . Abb. 2.26 zeigt ein häufig verwendetes Ersatzschaltbild. Der Parallelwiderstand RP muss nur berücksichtigt werden, wenn ein ferromagnetischer Kern zu Wirbelstromverlusten führt. Bei ferromagnetischen Kernen nimmt bei großen Strömen die Induktivität ab: Wenn dem steigenden Strom I aufgrund der Sättigung ein nicht mehr steigendes (d. h. fast konstantes) Magnetfeld gegenüber steht, dann nimmt die Induktivität wie L  1=I ab. Der Reihenwiderstand RR ist wegen des skin effect (siehe . Abb. 5.7 und Erklärung dazu) bei hohen Frequenzen und kleinen Drahtdurchmessern als frequenzabhängig anzunehmen: p RR  !. Wie in . Abb. 2.26 gezeigt, werden die Parasitärkapazitäten zu einer einzigen Parallelkapazität C zusammengefasst. Dies ist nur eine in der Praxis gängige Näherung. In Wirklichkeit sind die Parasitärkapazitäten kontinuierlich entlang der Spulen-Windungen verteilt. Zum Verständnis des prinzipiellen Impedanzverlaufs ist das in . Abb. 2.26 gezeigte Schaltbild ausreichend. Man erhält   ZL j!LRP D RR C : (2.50) Z D RR C RP k 1  ! 2 LC RP .1  ! 2 LC / C j!L Bei der Verwendung von Spulen sind nach (2.50) im Allgemeinen vier Bereiche zu unterscheiden: 1. bei ! D 0 ist Z D RR , also Ohm’sches Verhalten, 2. bei kleinen Frequenzen .RR  !L  RP / normale Spulenfunktion, 3. bei Näherung an ! D L=RP Zunahme der Ohm’schen Verluste, 4. oberhalb der Parallelresonanz ! 2 LC D 1 Dominanz der Parasitärkapazitäten. In Aufgabe 2.36 wird eine reale Spule inklusive skin effect (siehe auch . Abb. 5.7) durchgerechnet. Auch für Spulen kann, unabhängig vom gewählten Ersatzschaltbild, eine Güte Q, ein Verlustfaktor D D 1=Q und ein Verlustwinkel ıZ angegeben werden. Für das in . Abb. 2.26 gezeigte Ersatzschaltbild ergibt sich zum Beispiel eine Güte QD

!LRP2 .1  ! 2 LC / : .RR C RP /! 2 L2 C RR RP2 .1  ! 2 LC /2

(2.51)

Im doppelten Grenzfall C ! 0 und RP ! 1 ergibt sich die Standardformel für gute Spulen bei niedrigen Frequenzen: Q  !L=RR . 8 Diese Regel ist auf sehr viele verschiedene Situationen, zum Beispiel Reihen- und Parallelschwingkreise anwendbar. Sie beinhaltet, dass große Güte mit großen Parallelwiderständen und kleinen Reihenwiderständen einhergeht. Man frage also nicht, ob ein Widerstand groß oder klein, sondern ob er wichtig oder unwichtig sei.

68

2

Kapitel 2  Passive Bauelemente

Bei sehr hohen Frequenzen muss auch der proximity effect und die elektromagnetische Abstrahlung bei der Modellierung von Spulen berücksichtigt werden. Die Beschreibung dieser Effekte findet sich in der Fachliteratur zur Hochfrequenztechnik. Die Ersatzschaltbilder von Widerständen hängen stark von der Bauart ab. Besteht ein Widerstand aus einem gewickelten Draht, dann ist das in . Abb. 2.26 gezeigte Ersatzschaltbild einer Spule angemessen. Besteht er als diskretes Bauteil aus einer dünnen, auf einen Träger aufgebrachten Schicht, dann sind die Parasitärelemente so klein, dass sie praktisch in allen Fällen zu vernachlässigen sind. Widerstände in Hybridschaltungen oder in integrierten Halbleiterschaltungen haben dagegen immer parasitäre Kapazitäten zu den darunter oder zu den darüber liegenden Schichten. Ihr Verhalten hängt also von dem der benachbarten Bauelemente ab.

2.2

Fragen und Aufgaben zu den passiven Bauelementen

2.2.1 Fragen aus mündlichen Prüfungen 2.1 Welchen chemischen Bindungstyp haben Materialien mit der schlechtesten Leitfähigkeit?

a) Ionische Bindung, b) kovalente Bindung, oder c) metallische Bindung? 2.2 Welche Materialien verringern die Stärke von sie durchdringenden Magnetfeldern?

a) Diamagnetische Materialien, b) paramagnetische Materialien, oder c) ferromagnetische Materialien? 2.3 Woran erkennt man, dass der magnetische Kern einer Spule gesättigt ist?

a) Die Spule wird warm. b) Das lässt sich ohne Aufschneiden der Spule nicht herausbekommen. c) Die Induktivität sinkt mit steigender Stromstärke. 2.4 Wann gelten die Ihnen bekannten Brechungsgesetze für elektrische und magnetische Fel-

der? a) Sie gelten immer. b) Sie gelten nur, wenn keine Ströme fließen. c) Sie gelten nur im statischen Falle. 2.5 Welche Eigenschaften sollte ein Kondensator-Dielektrikum haben?

a) Es sollte eine sehr kleine relative Dielektrizitätskonstante haben. b) Es sollte den Strom gut leiten. c) Es sollte eine sehr gleichmäßige Dicke haben. 2.6 Wie ändert sich der Energieinhalt des Magnetfeldes einer Spule, wenn der sie durchflie-

ßende Strom verdoppelt wird? a) Er wächst um den Faktor 1,414213... b) Er wird ebenfalls verdoppelt. c) Er wächst um den Faktor 4.

69 2.2  Fragen und Aufgaben zu den passiven Bauelementen

2.7 Welchen Nachteil haben gewickelte Kondensatoren?

a) Sie haben eine große parasitäre Induktivität. b) Sie sind sehr teuer. c) Sie haben einen großen Widerstand. 2.8 Wann empfiehlt sich die Verwendung von Elektrolytkondensatoren?

a) Wenn sehr hohe Frequenzen abgeblockt werden sollen. b) Wenn für wenig Geld eine große Kapazität benötigt wird. c) Wenn die parasitären Widerstände sehr klein sein sollen. 2.9 Ein Plattenkondensator mit einem Stück Papier als Dielektrikum sei auf eine Spannung

von 10 V vorgeladen. Anode und Elektrode werden danach elektrisch getrennt. Was passiert, wenn das Papier herausgezogen wird? a) Die Spannung bricht zusammen, da ein Kurzschluss entsteht. b) Wegen der Energieerhaltung passiert gar nichts. c) Die Spannung steigt auf über 10 V an. 2.10 „Eine Spule mit einem Ferritkern ist besser für hohe Frequenzen geeignet als eine mit

einem Eisenkern.“ Stimmt das? 2.11 „Wer den Verlustwinkel misst, kennt die Güte eines Bauteils.“ Stimmt das? 2.12 „Bei extrem hohen Frequenzen verhalten sich Spulen und Kondensatoren ähnlich wie

Widerstände.“ Stimmt das? 2.13 „Die Güte eines Doppelschichtkondensators nimmt bereits bei Frequenzen knapp ober-

halb von f D 10 Hz deutlich ab.“ Stimmt das? 2.14 „Magnetische Feldlinien treten immer im Winkel von ca. 90ı aus einem Eisenkern her-

aus.“ Stimmt das? 2.15 „Der Widerstandswert eines Metallschichtwiderstandes steigt mit der Temperatur an.“

Stimmt das? 2.16 Wann lassen sich Magnetfelder mit Hilfe der sogenannten Magnetkreise berechnen? 2.17 Was hat die Güte eines Bauelements mit dessen parasitärem Widerstand zu tun? 2.18 Bitte nennen Sie eine praktische Anwendung des Brechungsgesetzes für magnetische

Feldlinien! 2.19 Wo befindet sich das Dielektrikum eines Aluminium-Elektrolytkondensators mit flüssi-

gem Elektrolyten? 2.20 Was verstehen Sie unter dem Begriff Schichtwiderstand ?

2

70

Kapitel 2  Passive Bauelemente

2.2.2 Klausuraufgaben

2

2.21 Zwei Kondensatoren mit C1 D 2;5 nF und C2 D 10 nF werden in Reihe geschaltet.

Welche Kapazität haben die beiden zusammen? 2.22 Finden Sie einen einfachen Ausdruck ohne das k-Zeichen für 1=.a k b/. 2.23 Zwei Kondensatoren mit C1 D 2;75 nF und C2 D 1;25 nF werden parallel geschaltet.

Welche Kapazität haben die beiden zusammen? 2.24 Zwei Tantal-ELKOs mit einer Kapazität von C1 D C2 D 30 ˙ 3 F sollen zur Verbes-

serung der Spannungsfestigkeit der Gesamtanordnung in Reihe geschaltet werden. Wie kann das funktionieren? 2.25 In . Abb. 2.27 sehen Sie den zeitlichen Verlauf eines Magnetfeldes durch eine Drahtsch-

eife. Sowohl die Feldstärke B als auch die induzierte Spannung sind in beliebigen Einheiten angegeben. In diesen Einheiten sei der Wert der Spannung U.t D 0 ms/ D U0 D 2. Bitte skizzieren Sie den Verlauf der Spannung über den gesamten Zeitbereich. 2.26 In . Abb. 2.28 ist die gemessene Induktivität zweier Spulen als Funktion des hindurch-

fließenden Wechselstromes gezeigt. Um welchen Typ von Spulen handelt es sich? Welche Effekte sorgen für die Abnahme der Induktivität? Wie könnte der Induktivitätsverlauf abgeflacht werden?

. Abb. 2.27 Zur Aufgabe 2.25: Zeitlicher Verlauf des Magnetfelds B durch eine Spule. Zum Zeitpunkt t D 1 ms ist die Spannung der Spule bekannt: U0 D 2

. Abb. 2.28 Zur Aufgabe 2.26: Gemessene Induktivitäten L einer 12 mH Spule und einer 5;5 mH Spule als Funktion des Wechselstromes I

71 2.2  Fragen und Aufgaben zu den passiven Bauelementen

. Abb. 2.29 Zur Aufgabe 2.30: Ultracap Kondensator. Solche Kondensatoren haben heute Kapazitäten im Kilofarad Bereich (Foto: EPCOS AG)

2.27 Ein Kette mit elektrischen Tannenbaumkerzen wird oft als Reihenschaltung der Einzel-

kerzen realisiert. Wie kann verhindert werden, dass der Ausfall einer einzigen Kerze zum Ausfall der gesamten Kette führt? 2.28 An einer 230 V Netz-Steckdose wird zur Entstörung ein C D 1 F Keramikkondensa-

tor mit einem Verlustfaktor D D tan ı D 0;02 eingesetzt. Wie groß ist die Verlustleistung des Kondensators? Welche Energie verbraucht der Kondensator im Laufe eines Jahres? Um welchen Faktor ginge diese zurück, wenn der Keramikkondensator durch einen Folienkondensator mit tan ı D 104 ersetzt werden würde? 2.29 Ein auf 1 Volt aufgeladener Plattenkondensator hat zwischen den Elektroden ein 0;1 mm

dickes Blatt Papier mit einer elektrischen Suszeptibilität von E D 1;5 eingeklemmt. Der Kondensator wird von allen elektrischen Verbindungen getrennt. Was passiert, wenn dann das Papier herausgezogen wird? 2.30 Der in . Abb. 2.29 gezeigte Kondensator vom Typ UltraCap ist bis zu 2;5 V spannungs-

fest und hat eine Kapazität von 5 kF. Bitte leiten Sie aus der Definition 2.1 für die Kapazität einen Ausdruck für den maximalen Energieinhalt her. 2.31 Ein Kunststoff-Kondensator soll mit dem einzigen übergeordneten Ziel entwickelt wer-

den, eine möglichst hohe Energiedichte zu erreichen. Welche Strategie verfolgen Sie: maximale Flächenkapazität oder maximale Spannungsfestigkeit? Bitte begründen Sie Ihre Strategie! Wäre bei Elektrolyt-Kondensatoren die gleiche Vorgehensweise richtig? 2.32 Ein Kondensator wurde zum Schutz gegen kurzzeitige Energieeinbrüche parallel zur

Spannungsversorgung geschaltet. Er hat den in . Abb. 2.30 gezeigten Frequenzverlauf des Verlustwinkels (siehe 7 Abschn. 2.1.5). Welchen Ohm’schen Längswiderstand muss man diesem Kondensator bei f D 1 Hz und bei f D 100 Hz zuordnen? Kurz nach Inbetriebnahme brennt der Kondensator ab. Welcher Kondensator-Typ könnte das sein? Worin könnte der Grund für das Abbrennen liegen? 2.33 Bitte skizzieren Sie den Impedanzverlauf eines realen Folienkondensators mit einer Ka-

pazität von 100 nF.

2

72

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.30 Zur Aufgabe 2.32: Frequenzverlauf des Verlustwinkels eines handelsüblichen 50 F Kondensators

2

. Abb. 2.31 Zur Aufgabe 2.36: Ersatzschaltbild einer realen Spule [6]. Der Widerstand des Wickeldrahtes RL .!/ steigt durch den Skin-Effekt mit der Frequenz an

2.34 Die relative magnetische Permeabilitiät r eines Stoffes kann man bestimmen, indem

man einen Ring mit der Materialdicke r aus ihm formt und mit einem Draht umwickelt. Bitte beschreiben Sie: Wie lässt sich aus dem Impedanzverlauf r bestimmen? 2.35 Bestimmen Sie die Induktivität einer langen Spule der Länge l, Windungszahl N und

Radius r mit r  l. 2.36 . Abb. 2.31 zeigt das vom Hersteller angegebene Ersatzschaltbild einer realen Spule

(vergleiche [6] S. 452). Die Zahlenwerte sind RS D 1 m; RC D 6 ; C D 68 fF; L D 1 nH. Der Widerstand des Spulendrahtes, RL .!/ ist wegen des skin effect frequenzabhängig: p p RL D 3;4 = Hz  !=2 . Bis zu welcher Frequenz ist die Spule einsetzbar?

2.37 In einer gedruckten Schaltung wird ein R D 100  Widerstand durch eine ` D 1 cm lan-

ge, b D 2 mm breite und d D 0;2 mm dicke Schicht realisiert. Wie groß sind der spezifische Widerstand  und der Schichtwiderstand ? 2.38 Zur Stabilisierung einer Leitung wird neben einen C D 1 F Aluminium Elektro-

lytkondensator noch ein zweiter, C D 1 nF Tantal-Kondensator gelötet. Dient der zweite Kondensator der Kapazitätserhöhung? 2.39 . Abb. 2.32 zeigt eine Eisenkonstruktion in Form von drei verbundenen Quadraten der

jeweiligen Seitenlänge s mit drei Kupferwicklungen. Die N1 Windungen im linken Quadrat wird von einem Strom I1 durchflossen, die zweite Wicklung ist nicht angeschlossen. Die N3 vom Strom I3 durchflossenen Windungen haben die gleiche Orientierung wie die linke Wicklung. Die gesamte Konstruktion ist aus Rohlingen mit dem Querschnitt A D .s=8/2 gefertigt. Bitte zeichnen Sie das Schaltbild des Ersatzkreises und berechnen Sie den magnetischen Fluss ˚B1 durch die linke Wicklung als Funktion von I1 , N1 , s und  für den Fall, dass I3 D 0 ist.

73 2.2  Fragen und Aufgaben zu den passiven Bauelementen

. Abb. 2.32 Zur Aufgabe 2.39: Eisenkonstruktion aus drei verbundenen Quadraten und Kupferwicklungen mit N1 , N2 und N3 Windungen. Die Quadrate haben die gleiche Seitenlänge s

Welcher Strom I3 müsste durch die rechte Wicklung fließen, damit in die mittlere Wicklung keine Spannung induziert wird, falls I1 ein Wechselstrom ist? 2.40 Ein Kondensator hat als Dielektrikum eine 0;8 m dünne Schicht aus Polyethylentere-

phthalat9 (PET) mit "r D 3;3. Er wird aus 15 mm breiten Metallbahnen für die Kathode und 12 mm breiten Metallbahnen für die Anode gewickelt. Wie lang müssten die Aluminiumbänder sein, um eine Kapazität von 1 F zu ergeben? 2.41 . Abb. 2.33 zeigt eine Konstruktion aus ferromagnetischen Materialien. Durch eine Spule

wird mit einem durch N D 50 Windungen fließenden, konstanten Strom von I D 1A ein Magnetfeld erzeugt. Der Bereich 1 hat eine Querschnittsfläche von A1 D 4 cm2 und r1 D 250. Der Bereich 2 hat, wie auch die Bereiche 2, 3, 5, 7 und 8 eine Querschnittsfläche von A2 D 2 cm2 und r2 D 1000. Die Bereiche 4 und 6 haben die gleichen Querschnittsflächen A4 D A6 D A2 , aber r4 D r6 D 1. Bitte bestimmen Sie die Stärke des magnetischen Kraftfeldes jBj in den einzelnen Abschnitten.

2.42 Ein so genannter Mischkondensator besteht aus Aluminium-Elektroden, zwischen de-

nen zwei Lagen Dielektrika platziert sind: 10 m Polypropylen mit "r D 2;25 und 20 m Papier mit "r D 3. Welche Dielektrizitätskonstante muss man ansetzen, um zusammen mit der Kondensatorfläche und dem 30 m Abstand den korrekten Kapazitätswert zu erhalten? 2.43 Durch eine 110 kV Gleichstrom-Überlandleitung, deren leitender Teil aus Aluminium mit einem Querschnitt von 300 mm2 besteht, fließt ein Strom von I D 200 A. Das Mol-

. Abb. 2.33 Zur Aufgabe 2.41: Ein geschlossener Körper aus verschiedenen Materialien, angeregt durch eine Stromschleife als Beispiel für eine Magnetfeldberechnung

9

Wenn Ihre Bierflasche nicht aus Glas ist, dann ist sie aus PET.

2

74

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.34 Zur Aufgabe 2.44: Erdleiter in Form einer Halbkugel: Die ebene Oberfläche schließt an die des Erdreiches an, so dass nur der gewölbte Teil der Oberfläche Kontakt zum Boden hat

2 volumen von Aluminium beträgt 1  105 m3 =mol. Wie groß ist die Geschwindigkeit der Elektronen? Wie viele Elektronen passieren pro Zeiteinheit den Leitungsquerschnitt? 2.44 Die Erdung einer Maschine soll mit Hilfe der in . Abb. 2.34 gezeigten EdelstahlElektrode in Form einer Halbkugel erfolgen. Die Elektrode hat einen Radius von r D 5 cm. Das Erdreich hat einen spezifischen Widerstand von   200 m. Wie groß ist der Widerstand der Erdung (gegen ein hypothetisches, unendlich weit entferntes Nullpotenzial)? Welche Schrittspannung muss ein Mensch aushalten, der mit einem Fuß auf der Elektrode steht und mit dem anderen d D 30 cm vom Rand des Erdleiters, während ein Strom von I D 200 A durch den Erdleiter fließt?

2.3

Antworten zu 7 Kap. 2

2.1 Antwort a) ist richtig. Bei der ionischen Bindung sind die Bindungselektronen besonders fest an die Atome gebunden. 2.2 Antwort a) ist richtig. Paramagnetische Materialien verstärken Magnetfelder wenig, fer-

romagnetische Materialien verursachen eine große Feldverstärkung. 2.3 Antwort c) ist richtig. Eine Spule mit ferromagnetischem Kern erzeugt im Wechsel-

stromnetz auch außerhalb der Sättigung Wärme. Da im Zustand der Sättigung die Stärke des magnetischen Kraftfeldes B aber nicht mehr so stark mit dem Strom ansteigt, wird die Induktivität bei großer Stromstärke geringer. Aus diesem Grunde haben Spulen für große Stromstärken auch eine beachtliche Baugröße. In Hochleistungstransformatoren wird die Sättigung zur Gefahr: Schon kleine Stromänderungen können dann zu Überspannungen führen. 2.4 Antwort c) ist richtig. Die Brechungsgesetze folgen genau dann aus den Maxwell’schen

Gleichungen in Materie, wenn alle zeitlichen Ableitungen gleich null gesetzt werden. 2.5 Antwort c) ist richtig. Gute Dielektrika haben eine große relative Dielektrizitätskonstante und eine hohe Durchbruchspannung. Die sehr gleichmäßige Dicke ist nötig, damit die Durchbruchspannung überall gleich groß ist. 2.6 Antwort c) ist richtig. Die Energie steigt mit dem Quadrat der Feldstärke an: W D L I 2 =2. 2.7 Antwort a) ist richtig. Solche Kondensatoren sind günstig zu produzieren. Ihre Ohm’schen Widerstandsanteile hängen von den verwendeten Materialien ab. Entlang der Anschlüsse betrachtet zeigt sich jedoch schon ihre Spulenähnlichkeit. Die Wicklung geht mit einer großen Induktivität einher.

75 2.3  Antworten zu Kap. 2

2.8 Antwort b) ist richtig. Elektrolytkondensatoren sind in der Regel unipolar, langsam, aber

günstig (gemessen in Geld pro Kapazität). 2.9 Antwort c) ist richtig. Luft ist ein hinreichend guter Isolator, um die erste Antwort auszuschließen. Da das Papier bei gegebener Ladung auf den Elektroden das elektrische Feld verringert, diese Verringerung aber nach dem Herausziehen beendet ist, steigt die Feldstärke zwischen den Platten und so die Spannung, und zwar um den Faktor "r des Papiers. 2.10 Ja, das stimmt. Je höher die Frequenz des Spulenstromes, desto größere Wirbelströme

werden in das Eisen induziert. So entstehen Wärmeverluste. Ferrit dagegen leitet den Strom nicht und kann daher keine Wirbelströme in sich tragen. 2.11 Ja, das stimmt. Es gilt tanı D 1=Q: 2.12 Nein, das stimmt nicht. Bei extrem hohen Frequenzen fangen Spulen an, sich wie Kondensatoren zu verhalten und umgekehrt. 2.13 Ja, das stimmt, und deshalb sollte er nicht bei höheren Frequenzen betrieben werden. Er

könnte aufgrund der Wärmeverluste so heiß werden, dass er abbrennt. 2.14 Nein, das stimmt nicht, denn diese bekannte Regel gilt nur, wenn das Eisen von einem

Stoff mit einem viel kleineren r umgeben ist. 2.15 Ja, das stimmt. Fast alle Materialien haben einen mit der Temperatur ansteigenden spezifischen Widerstand. Nur Halbleiter und wenige andere Materialien haben einen mit der Temperatur sinkenden Widerstand. 2.16 Magnetkreise basieren auf einer Analogie der Magnetostatik, die auf der Erhaltung des

magnetischen Flusses basiert und Geometrien voraussetzt, denen man den Verlauf der Feldlinien sofort ansieht. Im Produktentwurf dienen sie daher der Abschätzung der Feldstärken bei kleinen Frequenzen, also bei Transformatoren und elektrischen Maschinen. 2.17 Das hängt von der Modellierung ab. Wird der Widerstand als zur Spule (oder zum

Kondensator) parallel geschaltet angenommen, so geht eine große Güte mit einem großen Widerstand einher. Wird er dagegen als in Reihe geschaltet betrachtet, so ist die Güte genau dann groß, wenn der Widerstandswert klein ist. 2.18 Jede Spule mit einem ferromagnetischen Kern stellt eine praktische Anwendung dar.

Denn bei extrem unterschiedlichem r führt das Brechungsgesetz dazu, dass der Stoff mit dem großen r die Feldlinien in sich führt. Nur so kann erreicht werden, dass praktisch das gesamte Magnetfeld durch dieses Material geht und so eine große Induktivität erreicht wird. Weitere Anwendungen sind Transformatoren, Motoren und Generatoren. Auch bei diesen Geräten sorgen die Brechungsgesetze für die Flusserhaltung und ermöglichen so, durch geometrische Gestaltung der Ferromagnetika die Geometrie der Magnetfelder zu bestimmen. 2.19 Das Aluminium ist die Anode des Elektrolytkondensators, zwischen ihr und der Kathode befindet sich der elektrisch leitfähige Elektrolyt. Dieser bildet zusammen mit dem Aluminium

2

76

Kapitel 2  Passive Bauelemente

an dessen Oberfläche eine wenige Moleküle dünne Schicht Aluminiumoxyd, Al2 O3 . Letztere ist das Dielektrikum.

2

2.20 Der Schichtwiderstand einer dünnen Schicht ist derjenige Widerstand, den ein Quadrat

einer solchen Schicht hat. Vergrößert man die Fläche, so ändert sich dieser nicht, denn Länge und Breite nehmen in gleichem Masse zu. Der Wert des Widerstandes eines rechteckigen, auf eine Platine bzw. auf einen Hybriden gedruckten Widerstandes ist dann einfach dessen Schichtwiderstand multipliziert mit der Länge und dividiert durch die Breite. 2.21 Mit

1 1 1 D C C C1 C2

(2.52)

1 aCb 1 1 D D C : akb ab a b

(2.53)

erhält man C D 2 nF. 2.22 Es ist

Wegen der Gültigkeit dieser Beziehung ist es oft nützlich, Gleichungen so umzustellen, dass das k-Zeichen im Nenner steht. 2.23 Die Kapazitäten müssen addiert werden:

C D C1 C C2 D .2;75 C 1;25/ nF D 4 nF:

(2.54)

2.24 Jeder Kondensator muss gegen Überspannung geschützt werden. Bei Elektrolytkondensatoren kommt hinzu, dass sie nicht umgepolt werden dürfen. Eine Umpolung kann aufgrund von Bauteiletoleranzen auftreten, wie die folgende Überlegung zeigt: Wenn beide Kondensatoren in Reihe liegen, dann fließt durch sie der gleiche Strom

I D C1 

dU1 dU2 D C2  ; dt dt

(2.55)

woraus für beliebige Spannungsveränderungen folgt: U2 C1 D : U1 C2

(2.56)

Wenn nun die Anordnung vollständig entladen wird, dann ist U1 C U2 D 0. Das heißt, wenn die Kondensatoren vor der Entladung nicht genau im Verhältnis C1 =C2 vorgeladen waren, dann wird nach der vollständigen Entladung derjenige mit der kleineren Kapazität umgepolt sein, was im schlimmsten Falle dessen Zerstörung nach sich zieht. Die Umpolung kann durch in Sperrrichtung betriebene Schutzdioden (am besten Schottky-Dioden) auf ca. 0;3 V begrenzt werden. Überspannungen können durch unterschiedliche Leckströme in den Kondensatoren auftreten: Wenn zwei in Reihe geschaltete, gleiche Kondensatoren auf eine Gesamtspannung U aufgeladen werden, dann fällt zunächst an jedem der beiden U=2 ab. Wenn danach, bei konstanten äußeren Bedingungen, einer der beiden Kondensatoren aufgrund seiner größeren Leckströme sich sehr viel schneller entlädt als der andere, dann fällt nach einiger Zeit fast

77 2.3  Antworten zu Kap. 2

. Abb. 2.35 Zur Aufgabe 2.24: Hochohmige Widerstände parallel zum Kondensator schützen von Überspannung

+

+

R > 100 kΩ

die gesamte Spannung an dem Kondensator mit der geringeren Selbstentladung ab. Dies kann nur verhindert werden, indem, wie in . Abb. 2.35 gezeigt, zu beiden Kondensatoren Widerstände parallel geschaltet werden, durch die mehr Strom fließt als die größten zu erwartenden Leckströme. 2.25 Bei diesem Beispiel wurde offensichtlich die Spannungsrichtung so gewählt, dass eine

positive Ableitung des Magnetfeldes zu einer negativen Spannung gehört, zu erkennen an U0 < 0. Da die induzierte Spannung immer proportional zur Ableitung ist, ergibt sich der in . Abb. 2.36 gezeigte Induktionsspannungsverlauf. 2.26 Die Abnahme der Induktivität legt Spulen mit Eisenkern nahe. Deren Magnetisierung erreicht ein Maximum, wenn alle im Eisen vorhandenen Dipole (bzw. die Weißschen Bezirke) im Magnetfeld ausgerichtet sind. Die Polarisierung ist dann praktisch konstant. Die Das von den Leitungswindungen erzeugte Magnetfeld steigt aber proportional zum Strom. Der magnetische Fluss setzt sich also aus einem konstanten, großen Polarisationsterm und einem sehr viel kleineren stromabhängigen Term zusammen. Die induzierte Spannung wächst kaum noch mit dem Strom und die gemessene Induktivität zeigt annähernd ein 1=I Verhalten. Die einzige Möglichkeit, den Bereich konstanter Induktivität hin zu größeren Strömen zu verschieben besteht darin, das Magnetfeld auf mehr Eisen zu verteilen. Spulen für große Ströme sind daher größer als solche für kleine. 2.27 Zu jeder Kerze wird ein NTC-Widerstand parallel geschaltet. Dieser wird so dimensio-

niert, dass er im kalten Zustand einen deutlich größeren Widerstand hat als die Kerze. Fällt die Kerze aus, so fließt der gesamte Strom durch den NTC, er erwärmt sich und sein Widerstand

. Abb. 2.36 Zur Aufgabe 2.25: Zwischen 0 und 2 Millisekunden muss die Spannung konstant sein, denn die Änderung des Magnetfeldes ist konstant. Danach ist die Induktionsspannung Null, denn das Magnetfeld ist konstant, . . . , und so weiter

2

78

Kapitel 2  Passive Bauelemente

sinkt, bis sich ein Gleichgewicht einstellt. Bei richtiger Auslegung leuchten dann die anderen Kerzen nur wenig schwächer als vor dem Ausfall der einen.

2

2.28 Nach (2.41) wird dem Kondensator ein Widerstand von

RD

1 1 D ! CD 2 f C tan ı

(2.57)

zugeordnet. In Zahlen ergibt sich ein Wert von R D 159 k. Die Verlustleistung ist nun P D U 2 =R, also in Zahlen P D 0;33 W. Im Jahr wird also eine Energie W D P  t , also W D 365;25  24 h  0;33 W D 2;914 kWh verbraucht. Bei einer Verbesserung von tan ı um den Faktor 0;02=104 D 200 steigt der Widerstand auf das 200-Fache und der Energieverbrauch sinkt um das 200-Fache auf P D 0;0146 kWh im Jahr. 2.29 Die Ladung ist erhalten. Bezeichnet man mit den Indizes 1 und 2 den Kondensator mit und ohne Papier, muss nach (2.15)

U1  " 1 

A A D U2  " 2  d d

(2.58)

gelten oder mit Hilfe der elektrischen Suszeptibilität U2 D U 1 

1 C E1 : 1 C E2

(2.59)

Das heißt, die Spannung steigt in diesem Fall von 1 Volt auf 2,5 Volt. Dieses Ergebnis ist auch durch den Energie-Erhaltungssatz begründet: Um das Dielektrikum zu polarisieren, muss Arbeit verrichtet werden. Wenn das Dielektrikum nicht mehr polarisiert ist, dann hat es weniger Energie – genau die, die dem Kondensator zugute kommt. Falls das Ergebnis der Intuition widersprechen sollte: Der umgekehrte Vorgang scheint oft leichter verständlich. Schiebt man ein Dielektrikum zwischen die Platten, dann sorgt dessen Polarisation für eine Verringerung des elektrischen Feldes und damit zu einer Abnahme der Spannung. 2.30 Um eine Ladung Q eine Potenzialdifferenz U überwinden zu lassen, ist eine Arbeit

W D Q U nötig.Wie viel Energie gebraucht wird, hängt wegen Q D C U also davon ab, wie viel Ladung bereits auf dem Kondensator ist: W D C U U . Die gesamte zu verrichtende Arbeit ist genau der Energieinhalt: ZW

ZU dW D C

W D 0

U dU D

1 CU 2 : 2

(2.60)

0

In Zahlen ergibt sich W D 15;6 kJ, das sind 4,34 Watt-Stunden. 2.31 Die maximale gespeicherte Energie ist nach (2.18) und (2.19)

Wmax D

"0 "r A 2 Umax : 2d

(2.61)

2

79 2.3  Antworten zu Kap. 2

Vergleicht man also den Energieinhalt zweier aus gleichen Materialien gefertigten Kondensatoren mit den Indizes 1 und 2, so ergibt sich "0 "r A1 2 Umax;1 2d1 "0 "r A2 2 D Umax;2 2d2 2 A1 d2 Umax;1 D 2 A2 d1 Umax;2

Wmax;1 D Wmax;2 !

Wmax;1 Wmax;2

(2.62)

Die Spannungsfestigkeit des Dielektrikums steigt jedoch mit dessen Dicke: Umax;1 =Umax;2 D d1 =d2 . Daher ist Wmax;1 A1 d1 D (2.63) Wmax;2 A2 d2 Dabei sind A1 d1 und A2 dd nichts Anderes als die von den Dielektrika eingenommene Volumina. Das heißt: Bei gegebenen Materialien ist der maximale Energieinhalt des Bauelementes im Wesentlichen durch das Volumen vorgegeben. Physikalisch lässt sich das auch so begründen: Die Energie eines Kondensators ist in dessen elektrischem Feld gespeichert. Die maximale Feldstärke ist eine Eigenschaft des Materials des Dielektrikums. So bestimmt das Dielektrikum die maximale (Feld-)Energiedichte. Die Gesamtenergie ist dann das Produkt aus Energiedichte und Volumen. Mehr Flächenkapazität durch ein dünneres Dielektrikum hilft ebensowenig wie mehr Spannungsfestigkeit durch ein dickeres. Berücksichtigt man allerdings zusätzlich zu den oberen Überlegungen noch die Dicke der Elektroden, so ergeben sich leichte Vorteile für höhere Maximalspannungen, denn eine kleinere Fläche der Elektroden geht mit weniger von ihnen verbrauchtem Volumen einher. Bei einem Elektrolyt-Kondensator kann so nicht argumentiert werden. Je dicker das Dielektrikum wird, desto glatter wird die Oberfläche auf der der Flüssigkeit zugewandten Seite. Mit zunehmender Dicke nimmt also die Fläche ab, ein sehr diffiziles Technologieproblem ohne einfache Lösung. 2.32 Der Verlustwinkel ist ein Maß für das Verhältnis von Längswiderstand und Impedanz.

Man erhält für den Ohm’schen Anteil (ESR) R D tan.ıZ /=.! C /. In Zahlen ergeben sich bei f D 1 Hz RR  1;5 m und bei f D 100 Hz RR  0;26 m. Die sehr große Kapazität legt den Schluss nahe, dass es sich bei dem Kondensator um einen Doppelschichtkondensator handelt. Diese Hypothese wird durch die Tatsache gestützt, dass er abbrennt: Solche Kondensatoren haben Elektroden aus Aktivkohle. Aus dem Frequenzverlauf des Verlustwinkels ist zu sehen, dass Ohm’sche Widerstände ab Frequenzen von 1 Hz eine Rolle spielen. Ab f D 10 Hz sind sie bereits größer als die Impedanz des Kondensators. Aufgrund dieser Indizien ist anzunehmen, dass es auf Seiten der Versorgung ein Störsignal mit mehr als f D 10 Hz gibt, welches im Kondensator in Wärme umgewandelt wird und schließlich zu dessen Zerstörung führt. (Dies ist ein Beispiel aus dem wirklichen Leben. Verursacher war ein nicht ausreichend geglätteter Wechselrichter einer Solaranlage.) 2.33 Ein typischer Impedanzverlauf ist in . Abb. 2.37 gezeigt. Bei kleinen Frequenzen zeigt er das typische 1=.! C / Verhalten. Das Steilerwerden der Impedanzkurve zeigt den Einfluss der Parasitärinduktivität, welche bei sehr hohen Frequenzen dominiert. Das Minimum der Impedanz ist bei Reihenresonanz ! 2 LC D 1 erreicht. Dort ist die Impedanz die Summe der Ohm’schen Widerstände.

80

2

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.37 Zur Aufgabe 2.33: Impedanzverlauf eines realen 100 nFKondensators. Wo genau das Minimum liegt und ab welcher Frequenz das Spulenverhalten dominiert, hängt von Herstellungsdetails ab. Universell ist nur der 1=!C Verlauf bei kleinen Frequenzen

2.34 Die Feldstärke an jedem Punkt innerhalb des Ringes ist immer proportional zum Strom I und zur relativen Permeabilität r des Materials (siehe Aufgabe 1.36) und der Anzahl der Windungen N . Daher lässt sich der magnetische Fluss als Produkt aus einem Geometriefaktor G und diesen Größen schreiben:

˚B D NGr I

(2.64)

Bei N Torus-Windungen wird also gemäß dem Induktionsgesetz von Faraday und Henry Windungen eine Spannung Uind D N

dI d˚B D N 2 Gr dt dt

(2.65)

induziert. Der Faktor vor der Ableitung ist aber (bist auf das Vorzeichen) nichts Anderes als die Induktivität L. Die Induktivität lässt sich zum Beispiel durch Messung der Impedanz Z D R C j!L bestimmen. Diese beginnt bei ! D 0 mit dem p Gleichstromwiderstand des verwendeten Drahtes, R; und fällt bei !0 D R=L auf den 1= 2-Fachen Betrag ab. So folgen aus R und !0 die Induktivität L. Vergleicht man nun zwei mit verschiedenen Materialien und ansonsten gleiche Spulen, so gilt: ! 0;2 L1 r;1 D D ! 0;1 L2 r;2

(2.66)

2.35 Gemäß der Definition 2.2 der Induktivität muss der magnetische Fluss ˚B aus der Feld-

stärke bestimmt werden. Die Feldstärke beträgt B D 0 IN= l (siehe Aufgabe 1.37). Daher beträgt für N Windungen der magnetische Fluss   N ˚B D N A  B D N. r 2 /  0 I : l

(2.67)

Einsetzen in Definition 2.2 ergibt L D r 2 was zu (2.33) äquivalent ist.

 0

l

N2 ;

(2.68)

2

81 2.3  Antworten zu Kap. 2

. Abb. 2.38 Zur Aufgabe 2.36: Impedanzverlauf einer realen Spule. Deutlich ist die Parallelresonanz knapp unter f D 20 GHz zu sehen. Bis f < 10 GHz ist der Impedanzverlauf linear und die Spule verwendbar

2.36 Entscheidend für den Anwendungsbereich ist die Lage der Parallelresonanz von L und

C . In . Abb. 2.38 ist diese deutlich bei knapp f D 20 GHz zu sehen. Für die Resonanz spielt RS keine Rolle, und wir suchen das Minimum des Betrages des komplexen Leitwertes: Y D

1 1 1 1 C D C p : RC C Z C RL C ZL RC C Z C k !=2 C ZL

Differenzieren nach f und das Ergebnis gleich Null setzen ergibt q k 4 C 2  16 2 L2 C.RC2 C  L/  k 2 C fr D  19;8 GHz : 8 2 LC.L  RC2 C /

(2.69)

(2.70)

2.37 Die Lösung folgt unmittelbar aus der Definition 2.3 des spezifischen Widerstandes :

R D  `=A D

` Rbd !D : bd `

(2.71)

Die Zahlen ergeben einen Wert von 4 m  m. Der Schichtwiderstand ist dann gemäß (2.37) RSchicht D =d D 20 . 2.38 Der Tantal-Kondensator erhöht die Gesamtkapazität nur um ein Promille, also im Regelfall um deutlich weniger als die Kapazitätstoleranz des Aluminium-Elektrolyt-Kondensators. Daher ist die Kapazitätserhöhung kein Argument für die Parallelschaltung. Vielmehr decken die beiden Kondensatortypen unterschiedliche Frequenzbereiche der Störungen ab. Der Tantal-Kondensator hat bei hohen Frequenzen eine viel größere Güte als ein AluminiumElektrolyt-Kondensator. Dieser kann dafür bei kleinen Frequenzen wegen der größeren Kapazität viel mehr Ladung aufnehmen. Damit schützt er den Tantal-Kondensator auch vor zu großen Strömen. 2.39 . Abb. 2.39 zeigt die Ersatzschaltung. Alle Widerstände müssen aufgrund der Randbe-

dingungen gleich groß sein. Für U3 D 0 lässt sich der Strom I.U1 / durch die Spannungsquelle U1 direkt aus der Schaltung ablesen: U1 D 3R C R k Œ2R C R k .3R/ I 56 ! U1 D RI 15 15U1 !I D : 56R

(2.72)

82

Kapitel 2  Passive Bauelemente

. Abb. 2.39 Zur Aufgabe 2.39: Ersatzschaltbild zur Berechnung der Magnetfelder

2

Nun wird zurückübersetzt:

U1 ! N1 I1 s 64 R! D A s

(2.73)

I ! ˚B ; mit dem Ergebnis ˚B D .15=3584/  sN1 I1 D 0;0042sN1I1 . Aus der Symmetrie der Schaltung ergibt sich, dass keine Spannung in die N2 Windungen des mittleren Segments induziert wird, wenn N1 I1 D N3 I3 . 2.40 Lösungsstrategie: Zunächst wird der Flächenbedarf berechnet. Dann wird die Geome-

trie genauer untersucht. Lösung: Nach (2.18) wird eine Fläche von AD

CD "0 "r

(2.74)

gebraucht. Wenn eine schmale Metallbahn über einer breiten liegt, dann definiert die schmalere (hier: b D 1;2 cm) die Kapazität. Das überstehende Metall wird, wie in . Abb. 2.12 gezeigt, zum Kontaktieren verwandt. Wenn gewickelt wird, dann tragen mit Ausnahme der letzten Lage immer sowohl die Vorder- als auch die Rückseite zur Kapazität bei. Daher kann die Länge ` wie folgt berechnet werden: A D 2  `b ! ` D

CD : 2b"0 "r

(2.75)

Mit den angegebenen Zahlen ergibt sich eine Länge von ` D 1;14 m. 2.41 Lösungsstrategie: Es wird ausgenutzt, dass die Feldlinien in der Konstruktion verbleiben und so der magnetische Fluss ˚B überall der gleiche ist. Lösung: Die Länge der Teile der Magnetfeldlinien wird, wie durch die grüne Linie angedeutet, aus den Abmessungen der Teilstücke bestimmt. Wenn Material und Querschnitt gleich

2

83 2.3  Antworten zu Kap. 2

sind, können die Längen wie folgt zusammengefasst werden: `1 D 4;5 cm ; `4 C `6 D `46 D 0;5 cm ;

(2.76)

`Rest D 12 cm : Nach dem Ampère’schen Gesetz in seiner diskreten Näherung, (2.9), können nun die Feldstärken in den beliebigen Teilen berechnet werden. Im Bereich der Spule erhält man zum Beispiel B1 D

N  I  0 D 6 mT : `1 A1 `46 A1 `Rest C C r1 A2 r46 A2 r2

(2.77)

Die Berechnung in den anderen Bereichen kann in gleicher Weise erfolgen. Übrigens: Wäre `46 D 0, wäre das Feld 25-mal so stark. Daran ist zu erkennen, welch überragende Rolle mechanische Fertigungstoleranzen und Spaltmaße im Zusammenhang mit der Nutzung von Magnetfeldern haben. 2.42 Am leichtesten lässt sich diese Aufgabe mit einem Gedankenexperiment lösen: Man

stelle sich zunächst zwei in Reihe geschaltete Kondensatoren mit gleicher Fläche A, aber unterschiedlichen Dielektrika vor. Die Gesamtkapazität ist dann mit Hilfe von 1 1 1 1 C D D C C1 C2 "0 A



d1 d2 C "r1 "r2

 (2.78)

zu berechnen. Nun werden die Kondensatoren immer näher zusammengerückt, bis die zwei mittleren Elektroden zu einem einzigen, nirgends angeschlossenen Stück verschmelzen. Wenn die Dicke dieser Zwischenelektrode gegen Null geht, ändert sich nichts am elektrischen Verhalten. Daher beinhaltet (2.78) mit d D d1 C d2 bereits die Lösung: C D

"0 A d1 "r1

C

d2 "r2

D

"0 A  d



d  "r1 "r2 d1 "r2 C d2 "r1

 :

(2.79)

Die Klammer in (2.79) ist die relative Dielektrizitätskonstante für den Gesamtaufbau. Ein mehr formaler Ansatz kommt zum gleichen Ergebnis: Die Konfiguration ist in . Abb. 2.40 gezeigt. Der Gauß’sche Satz für die linke Elektrode mit der Querschnittsfläche A und der Ladung QC besagt QC ="1 D E 1  A, wobei E das Feld im linken Dielektrikum ist. Wird als . Abb. 2.40 Zur Aufgabe 2.42: Kondensator mit zwei Dielektrika

84

Kapitel 2  Passive Bauelemente

rechte Begrenzungsfläche für das Oberflächenintegral gerade die Grenzschicht zwischen den Dielektrika genommen, folgt QC U0  U1 D A : "1 d1

2

(2.80)

Der Gauß’sche Satz auf die rechte Elektrode für eine bis zur Grenzschicht reichende Einhüllende angewandt ergibt, da E und A in entgegengesetzte Richtungen zeigen, Q U1  U2 D A : "2 d2

(2.81)

Das Zwischenpotenzial U1 kann mit Hilfe von Q D QC durch Addition aller Spannungen eliminiert werden: U0  U1 D .QC d1 /=."1 A/ U1  U2 D .QC d2 /=."2 A/ :

(2.82)

Die Addition dieser beiden Gleichungen ergibt genau dasselbe Ergebnis wie (2.78). Zusatzbemerkung: Gl. (2.78) legt die folgende Generalisierung nahe, welche sich mit Hilfe des Gauß’schen Satzes für das elektrische Feld auch beweisen lässt: für n Dielektrika lässt sich die Kapazität eines Kondensators mit der Substitution d! berechnen.

n X di " i D1 ri

(2.83)

2.43 Lösungsstrategie: Zunächst sollte man sich ein Bild machen und dann überlegen: Wenn Strom Ladung pro Zeit und die Geschwindigkeit Stecke pro Zeit ist, was ist dann die Bedeutung der Strecke? Dabei ist es hilfreich, den Zusammenhang zwischen der Ladungsträgergeschwindigkeit und dem Strom (siehe auch (1.5)) zu kennen. Lösung: In . Abb. 1.6 ist ein Stück Kabel schematisch dargestellt. Der Strom durch dieses Kabel ist gerade die Ladungsmenge, die pro Zeit durch die Querschnitts-Fläche A hindurchtritt. Für ne Elektronen ist dies Q D ne  e. Bei einer Drift-Geschwindigkeit ve D x= t der Elektronen sind dies gerade so viele, wie in dem Volumen A  x vorhanden sind. Da Aluminium ein dreiwertiges Metall ist, ist die Dichte der Leitungselektronen dreimal so groß wie die der Atome: .ne =V / D 3.nAl =V / also ist ne D . nVe /  A x D . nVe /  A  ve  t . Insgesamt ergibt sich so die nützliche Formel

I D

n Q e A ve : De t V

(2.84)

Nach ve aufgelöst ergibt sich in Zahlen ve D

m 200  0;023 mm=s: 3  1;602 1019  6;022 1028  3  104 s

(2.85)

Die Drift-Geschwindigkeit ist also erstaunlich klein. An (2.84) kann man sehr schön erkennen, warum schmale Drähte schneller warm werden als dicke Kabel: Der gleiche Strom geht bei kleinerem Leitungsquerschnitt mit einer höheren Geschwindigkeit der Elektronen einher. Pro Stoß mit einem Atomrumpf wird also mehr Energie frei.

2

85 Literatur

So klein die Geschwindigkeit ist, so groß ist die Anzahl der Ladungsträger, die pro Zeiteinheit durch einen Leiterquerschnitt hindurchtreten. n Q I 200 A D D D D 1;25 1021 s1 : t e t e 1;602 1019 As

(2.86)

Das sind etwas mehr als eine Trilliarde Elektronen pro Sekunde. 2.44 Lösungsstrategie: Das Erdreich um die Halbkugel herum wird in konzentrische, infinitesimal dicke Schalen unterteilt. Der Gesamtwiderstand ist die Summe der Schalenwiderstände. Lösung: Nach der Definition 2.3 des spezifischen Widerstandes  können wir den Widerstand einer Halbkugelschale bestimmen:

RD

  ` ! R D r D r : A A.r/ 2 r 2

(2.87)

Der Gesamtwiderstand wird durch Integration bestimmt: Z RD

Z1 dR D

  dr D : 2 r 2 2 r

(2.88)

r

In Zahlen ergibt sich ein Wert von R D 637 . Bis zu einem Abstand r C rFuß ist der Gesamtwiderstand bereits RFuß D 546 . Dies ergibt sich, wenn an Stelle von r bis 1 von r bis r C rFuß integriert wird. Bei einem Strom von I D 200 A ergäbe sich eine Spannung von U D R  I D 546   200 A  110 kV :

(2.89)

Das würde niemand aushalten. An diesem Beispiel zeigt sich die überragende Bedeutung einer vernünftig geplanten Erdung gerade dort, wo große Ströme fließen (Fabriken etc.). Diese muss großflächig und hinreichend weit weg von Lebewesen sein. Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Hering E, Bressler K, Gutekunst J (2017) Elektronik für Ingenieure. Springer, Berlin, ISBN 978-3-662-54213-2 EPCOS AG, Multilayer Ceramic Capacitors, General technical Information, www.epcos.com. Zugegriffen: 2017 Siehe Missouri State University http://emclab.mst.edu/inductance/. Zugegriffen: 2017 Zinke O, Brunswig H (2010) Hochfrequenztechnik 1. 2. Auflage, Springer, Berlin, ISBN 978-3-642-19746-8 Henke H (2015) Elektromagnetische Felder. Springer, Berlin, ISBN 978-3-662-46917-0 Glisson TH (2011) Introduction to Circuit Analysis and Design. Springer, New York, ISBN 9789048194421 Poppe M (2015) Die Maxwellsche Theorie. Springer, Berlin, Heidelberg 2015, ISBN 978-3-662-45593-7

87

Halbleiter-Bauelemente – durch Verunreinigung Perfektion erreichen © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 M. Poppe, Prüfungstrainer Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56649-7_3

In diesem Kapitel werden Halbleiter-Materialien, ihre Eigenschaften und deren Modifizierung durch das Dotieren beschrieben. Ausgehend von der Bänderstuktur der Halbleiter wird das Verhalten von PN-Übergängen, Halbleiter-Metall Kontakten und deren Durchbruchmechanismen diskutiert. Darauf aufbauend werden die Funktionen und die Kennlinien von Solarzellen, PN-, Schottky- und Zener-Dioden beschrieben. Es folgen Kennlinien und Betriebszustände der Bipolar Transistoren. Die Funktion und die Kennlinie des MOS Transistors inklusive der neuen 3D Transistoren werden aus den Eigenschaften des Dünnoxyd-Kondensators hergeleitet. Es werden Modelle für vereinfachte Schaltungsberechnungen vorgestellt und diskutiert. Mit Hilfe dieser Modelle werden Tests auf die jeweiligen Betriebszustände entwickelt. Es folgt die Beschreibung der Funktionsweise und Einsatzfelder von Thyristoren, Leistungstransistoren und IGBTs.

3.1

Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

Software ohne Hardware ist wie eine Idee ohne Gehirn.1 Kern dieser Hardware sind immer integrierte Schaltungen aus Halbleitermaterial. Pro Jahr werden seit Beginn der 2010er Jahre weltweit mehr als 20 Milliarden integrierte Schaltungen ausgeliefert. Im Jahre 2017 betrug der Umsatz der Halbleiterindustrie knapp 380 Milliarden US $. Wer die Funktionen von Halbleiter-Bauelementen versteht, der kennt daher auch die Grundlagen eines sehr großen und dynamisch wachsenden Arbeitsmarktes für Ingenieure.

3.1.1 Halbleiter . Abb. 3.1 zeigt den Verlauf des Potenzials, welcher sich ergibt, wenn Elementarladungen im Abstand von d D 1 nm aufgereiht werden. Ob ein Elektron in dieser Umgebung frei beweglich ist, hängt ausschließlich von dessen Energie ab. Nach den Gesetzen der Quantenmechanik aber gilt: 4 Die Energien können nur bestimmte, durch die Lösung der Schrödinger-Gleichung bestimmte Werte haben. Man spricht von Energieniveaus, auf denen sich die Elektronen aufhalten können.

1

Bajuwarisch A hirnloser Schmarrn.

3

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

3

00 2 -2 4 -4 6 -6 8 -8 10-10 12-12 14-14 -4 -4

}

}

U(x)

U[eV]

. Abb. 3.1 Potenzialverlauf durch einzelne Elementarladungen, errechnet als U D e=.4 "0 jrj/. Je nach Energie sind die Elektronen ortsfest gebunden, innerhalb des Materials frei oder ganz frei

Potenzial in Volt

88

-3 -3

--22

--11

00 +

11 +

22 +

33

frei Strom leitend

}

gebunden

+

Abstand zum Rand in nm

4 Die Lösungen der Schrödinger-Gleichung ergeben eine Schalenstruktur der Elektronen. Kristallstrukturen und praktisch die gesamte Chemie werden durch die Eigenschaften der Elektronen der äußeren Schale bestimmt. 4 Jedes Energieniveau kann von maximal zwei Elektronen besetzt werden.2 1 Halbleiter sind vierwertige Elemente

Silizium (und Germanium) sind Materialien, deren äußere Schale gerade acht Plätze mit vier Elektronen besetzt hat. Diese halten sich überwiegend in so genannten sp3-Hybridorbitalen auf. . Abb. 3.2 zeigt die örtliche Verteilung der äußersten Elektronen. Diese umkreisen also nicht den Kern, sondern sie halten sich in so verteilten Bereichen auf, dass sie im Mittel einen möglichst großen Abstand3 voneinander haben. Die Achsen bilden daher einen Tetraeder. Die Tetraeder-Struktur des Silizium-Atoms bleibt erhalten, wenn, wie in . Abb. 3.3 gezeigt, aus vielen Atomen Silizium-Kristalle werden. Jeder Silizium-Atomkern steht in der Mitte eines Tetraeders der (und das ist neu) nun von zwei Elektronen besetzt ist: eines eigenen und eines vom Nachbaratom. Das Silizium-Kristall besteht aus Tetraedern, deren Achsen von Elektronenpaaren gebildet werden. Alles bisher Geschriebene gilt ebenso für Diamant und Germanium. Neben diesen vierwertigen Elementen eignen sich aber auch im Mittel vierwertige Kombinationen zur Realisierung von Halbleiter-Materialien. Diese, nach ihrer Valenzkombination als III-V-Halbleiter oder II-

- -

. Abb. 3.2 Zur Geometrie des Silizium-Atoms: Die äußeren Elektronen des Silizium-Atoms halten sich bevorzugt in den hier angedeuteten Räumen auf. Die Achsen dieser so genannten Orbitale bilden einen Tetraeder

++ ++

- -

- -

- -

++ ++

2 Das Elektron hat einen halbzahligen Spin. Für diese Art von Teilchen gilt das so genannte Pauli-Prinzip, nach dem die Gesamtwellenfunktion antisymmetrisch gegenüber einer Vertauschung der Teilchen sein muss. Dies wird erreicht, wenn genau zwei Teilchen mit unterschiedlichem Spin das Niveau besetzen. 3 Dieser Tatsache liegt ein fundamentales physikalisches Prinzip zu Grunde. Die stabilsten Verhältnisse sind immer die mit der minimalen Energie. Da sich Elektronen gegenseitig abstoßen, bedeutet ein großer Abstand eine niedrige Energie.

3

89 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

++ ++

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

++ ++

-

-

-

-

-

++ ++

-

++ ++

++ ++

++ ++

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++ ++

++ ++

-

-

++ ++

-

-

-

-

-

-

++ ++

++ ++

-

-

-

-

-

. Abb. 3.3 Prinzipskizze der Silizium-Kristallbindungen: Die Orbitale der Bindungselektronen des Siliziums ergeben sich durch Übereinanderlegen der Orbitale der Einzelatome

++ ++

VI-Halbleiter genannten Materialien finden insbesondere in der Optoelektronik Anwendung. Für all diese Stoffe gilt:

Ein Halbleiter ist ein kovalent gebundener Stoff, dessen Elektronen alle ortsfest sind. Daher leitet er nur bei der Zugabe von Wärme oder Verunreinigung.

U[eV]

Energie relativ zur Fermi-Energie (beliebige Einheiten)

Wie in Silizium Ströme fließen können, ist nur vor dem Hintergrund der Energiestruktur der Elektronen im Kristall zu verstehen. Diese ergibt sich so, wie in . Abb. 3.4 angedeutet: Die äußere Schale des Silizium-Atoms ist nur halb besetzt. Dies wird dadurch erreicht, dass sich in jedem der vier Orbitale genau ein Elektron befindet. Zwei Elektronen pro Orbital sind nach den Gesetzen der Quantenmechanik möglich, aber energetisch ungünstiger. Diese Situation ändert sich, wenn zwei Atome einander angenähert werden. Wenn sich zwei Orbitale mit jeweils einem Elektron nähern, dann ergeben sich energetisch unterschiedliche Kombinationen. Die mit niedrigerer Energie wird von den beiden Elektronen besetzt, die energetisch ungünstigere bleibt leer. Der Energieunterschied zwischen dem ursprünglichen Niveau und der neuen Kombination ist letztendlich für den Zusammenhalt des Kristalls verantwortlich. Die Größe des Energieunterschiedes zwischen den beiden Kombinationen wird die Halbleiter-Eigenschaften bestimmen (s. u.).

//

40 3-2 2-4 1-6 0-8 -10 -1 -12 -2 -14 -3

leer voll

-4

0

//

1 -2 2 -1 4 0 8 1 ... 210 23 3 Anzahl der beteiligten Elektronen -3

} }

Strom leitend

gebunden

. Abb. 3.4 Entstehung der Silizium-Bandstruktur: Hybridorbital für ein Atom (1), Aufspaltung in doppelt besetztes Bindungs-Orbital und leeres Extra-Orbital bei zwei Atomen (2), . . . und so weiter. Bei n Atomen entstehen 4  n Energieniveaus, davon gehört die Hälfte zu Bindungsorbitalen. Sie bilden das Valenzband (bei niedriger Temperatur voll). Die anderen Orbitale bilden das Leitungsband (bei niedriger Temperatur leer)

90

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

1 Die Kombination der sehr vielen Atomorbitale lässt Energiebänder entstehen

3

Wenn n Silizium-Atome einander angenähert werden, so kann ein Kristall entstehen. Dieser hat 2n jeweils doppelt besetzte Bindungs-Orbitale und 2n Orbitale, die zu einer höheren Elektronenenergie gehören. So entstehen also letztlich zwei Energiebänder: ein niedrig liegendes, volles Band für ortsfeste Elektronen (das Valenzband) und ein höher liegendes, zu beweglichen Elektronen gehörendes, leeres Band (das Leitungsband). Die Energielücke zwischen den Bändern heißt Bandlücke und beträgt bei Silizium W D 1;12 eV.4 Elektronen nahe der Unterkante des Leitungsbandes können, da die meisten Niveaus über ihnen nicht besetzt sind, innerhalb der Breite des Bandes beliebige Energiemengen aufnehmen. Hieraus folgt:

Elektronen nahe der Unterkante des Leitungsbandes verhalten sich annähernd wie frei fliegende Teilchen.

Da die beiden Energiebänder nahe beieinander liegen, reicht schon eine geringe Energiemenge, um eines der Elektronen vom Valenzband in das Leitungsband zu heben. Ist die Ursache die Temperatur, so gilt die so genannte Fermi-Verteilung: Für jeden Zustand z mit der Energie Ei ist der Erwartungswert für die Anzahl der Elektronen, nz , gegeben durch nz D

gz : e .Ez EF /=kT C 1

(3.1)

In (3.1) ist EF die so genannte Fermi-Energie , und gz gibt an, wie viele Elektronen gleichzeitig in einem Niveau sein können. In der Regel ist gz D 2. Bei der Temperatur T D 0 K sind alle Niveaus unterhalb der Fermi-Energie besetzt (siehe auch Aufgabe 3.33). Will man wissen, wie viele Elektronen bei einer gegebenen Temperatur im Leitungsband sind, muss außer der Fermi-Verteilung noch bekannt sein, wie die Energieniveaus selbst verteilt sind, ob gleichmäßig im Energieband verteilt, am unteren Ende konzentriert oder am oberen Ende konzentriert. Sind die meisten Energieniveaus am unteren Ende angesiedelt, werden nach der Fermi-Verteilung 3.1 sehr viel mehr Elektronen im Leitungsband zu finden sein, als wenn die meisten Zustände am oberen Ende sind. Im Rahmen der Festkörperphysik kann die Dichte der Elektronen im Leitungsband, ni , in guter Näherung als Funktion der absoluten Temperatur T , der Fermi-Energie EF und der Energie der Unterkante des Leitungsbandes, EL ; berechnet werden: ni  T 3=2 e .EL EF /=.kT / :

(3.2)

ni wird auch intrinsische Elektronendichte des Halbleiters5 genannt. Eine Herleitung kann zum Beispiel in [2] gefunden werden. Die absolute Anzahl ist nur sehr schwer messbar, da schon kleinste Verunreinigungen zu großen Fehlern führen. In [4] wird zum Beispiel angegeben 0;785 eV ni .Si/  6;2  1015 cm3  .T =K/3=2  e 2 kT ni .Ge/  1;76  1016 cm3  .T =K/3=2  e

1;12 eV 2 kT

:

(3.3)

Auf die gleiche Weise lässt sich errechnen, wie viele Elektronen im Valenzband fehlen. Jede Stelle, an der ein Valenz-Elektron fehlt, wird ein Loch genannt. Man erhält für die Dichte p 4 5

Genau genommen wird mit steigender Temperatur die Bandlücke etwas schmaler. Wörtlich: die dem Halbleiter eigene Elektronendichte.

3

91 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

. Tabelle 3.1 Bandlücken und Elektronendichten reiner Halbleiter bei T D 300 K Material

Bandlücke [eV]

Elektronendichte [m3 ]

Silizium [2]

1,12

1;1  1016

Germanium [2]

0,66

2;4  1019

Galliumarsenid [2]

1,42

1;8  1012

der Löcher6

p  T 3=2 e .EF EV /=.kT / :

(3.4)

Die Elektronen im Leitungsband sind diejenigen, die im Valenzband fehlen. Die Vorfaktoren in (3.2) und (3.4) sind fast genau gleich groß (siehe Aufgabe 3.43). Setzt man n D p in die Gleichungen ein, dann folgt EF D .EL C EV /=2, oder anders ausgedrückt: Die Fermienergie eines reinen Halbleiters liegt in der Mitte der Lücke zwischen dem Valenzband und dem Leitungsband.7 In . Tab. 3.1 ist deutlich zu sehen, welch großen Einfluss die Bandlücke auf die Ladungskonzentration hat. Eine Verdoppelung des Bandabstandes verringert die Anzahl der Leitungselektronen um mehr als den Faktor 1000.

3.1.2 Dotierung und PN-Übergang Kein Mensch würde heute über Halbleiter reden, wäre nicht die Idee der Dotierung aufgekommen. Definition 3.1 Dotierung ist die gezielte Verunreinigung eines Halbleiters derart, dass die Dotierungsatome Kristallgitterplätze einnehmen.

Verunreinigung heißt in diesem Fall: Auf 50.000 bis 10 Millionen Silizium-Atome kommt ein Fremdatom. Ist dieses, wie in . Abb. 3.5 gezeigt, fünfwertig, nennt man es einen Donator8.

Si

-

Si

P

-

-

-

Si

-

-

-

-

++ Si ++

-

-

Si -

-

-

-

-

6

-

Si

-

Si

-

-

-

Si

Si

-

-

-

Si

-

-

-

-

-

-

Si

-

-

-

-

-

. Abb. 3.5 Dotierung mit einem Donator (hier Phosphor): Der Atomrumpf fügt sich in das Kristallgitter ein. Das übrig bleibende Elektron findet kein Bindungs-Orbital

p wie positiv, denn das Fehlen eines negativ geladenen Elektrons kann elektrisch wie eine zusätzliche positive Ladung an der Fehlstelle beschrieben werden. 7 Bei hohen Temperaturen steigt die Fermi-Energie jedoch leicht an. 8 Lateinisch: Geber, denn es gibt dem Kristall ein zusätzliches Elektron.

92

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

Si

-

-

-

Si

-

-

Si

-

-

++ Si ++

-

-

Si

Si

-

-

-

Si

-

-

-

-

3

-

-

-

Si

-

Al

Si

-

-

-

-

-

-

Si

-

-

Si

-

-

-

-

-

. Abb. 3.6 Dotierung mit einem Akzeptor (hier Aluminium): Der Atomrumpf fügt sich in das Kristallgitter ein, aber es fehlt ein Elektron

Das zusätzliche Elektron findet kein Bindungs-Orbital, liegt aber energetisch etwas tiefer, als die Silizium-Leitungselektronen. Denn der Atomkern des Donators hat eine positive Ladung mehr als das Silizium und zieht das Extra-Elektron stärker an als ein Silizium-Ion. Die Dotierung führt zu einem sehr großen Anstieg der Leitfähigkeit des Siliziums. Ist das Dotierungsmaterial dreiwertig, dann spricht man von einem Akzeptor, denn es kann, wie in . Abb. 3.6 schematisch angedeutet, ein weiteres Elektron zur Komplettierung der Kristallbindungsorbitale akzeptieren. Dieses ist natürlich nicht ganz so fest gebunden. Energetisch heißt dies: Seine Energie liegt leicht über der des Valenzbandes. Dotierung fügt also den Energiebändern des reinen Siliziums, wie in . Abb. 3.7 gezeigt, zwei weitere, sehr schmale Bänder hinzu: Wird nur mit Donatoren dotiert, so erhält der Halbleiter Extra-Elektronen, die annähernd frei beweglich sind. Wird nur mit Akzeptoren dotiert, so entstehen Löcher. Donator- und Akzeptor-Dotierung heben sich ansonsten praktisch auf: Eine mit zehnmal so viel Donatoren wie Akzeptoren dotierter Halbleiter verhält sich bei Raumtemperatur wie ein mit 10 Prozent weniger Donatoren dotierter Halbleiter. Die Ladungsträger des Dotierungsmaterials nennt man Majoritätsträger9 (zum Beispiel Elektronen bei Phosphor-Dotierung), die jeweils anderen Minoritätsträger. Unabhängig von der Dotierung gilt (Herleitung siehe Aufgabe 3.34) n  p D n2i :

(3.5)

Das bedeutet, dass durch Dotierung im gleichen Maße, in dem die Konzentration der Majoritätsträger steigt, die der Minoritätsträger sinkt. Bei dotierten Halbleitern ist daher in der Regel die Anzahl der Ladungsträger fast genau gleich der Anzahl der Dotierungsatome. Wird an ein N-dotiertes Material eine Spannung angelegt, so bestimmt neben der Ladungsträgeranzahl die Beweglichkeit e der Elektronen den elektrischen Widerstand. . Abb. 3.7 Energiebänder beim dotierten Silizium, links Donator-dotiert, rechts Akzeptor-dotiert. Das Leitungsband ist bei T D 0 K leer.

EF

Leitungsband

Leitungsband

Donator Elektronen Akzeptor Löcher Valenzband

9

Majorität heißt Mehrzahl.

Valenzband

E

F

3

93

Beweglichkeit in

m2 Vs

3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

0,1

Löcher

Elektronen

0,01

10 21

10 22

10 23 10 24 Teilchendichte in m-3

10 25

10 26

. Abb. 3.8 Beweglichkeit  für Elektronen und Löcher als Funktion der Dichte der Dotierungsatome

Definition 3.2 Die Beweglichkeit  ist das Verhältnis von Ladungsträgergeschwindigkeit zur angelegten elektrischen Feldstärke:  D v=E.

Die Beweglichkeit hängt, wie in . Abb. 3.8 gezeigt, von der Dotierungskonzentration ab. In P-dotierten Gebieten wächst unter Einfluss eines äußeren Feldes die Tendenz von Valenzelektronen, jeweils benachbarte Löcher zu besetzen. Dies wird Löcherleitung genannt. Eine genauere quantenmechanische Analyse legt nahe, dieses Phänomen so zu behandeln, als wenn es positive geladene Teilchen mit der Beweglichkeit p gäbe. Die spezifische Leitfähigkeit ergibt sich dann als Funktion der Elementarladung e aus der Definition 3.2 zu

D

1 D e  p p C n n : 

(3.6)

Bei dotierten Halbleitern ist einer der beiden Additionsterme in Gl. 3.6 zu vernachlässigen.

3.1.3 Dioden 1 Treffen ein P- und ein N-Gebiet aufeinander, wandern Elektronen ins P-Gebiet

Grenzt ein P-Gebiet an ein N-Gebiet, so lädt sich das N-Gebiet relativ zum P-Gebiet positiv auf: Die Elektronen des Leitungsbandes sind immer in (ungerichteter) thermischer Bewegung. Einige Elektronen des N-Gebietes erreichen durch puren Zufall auch das P-Gebiet. Dieser Teilchenstrom wird Diffusionsstrom genannt. Die Elektronen des Diffusionsstromes finden im P-Gebiet Löcher vor und besetzen diese. Hierdurch lädt sich das P-Gebiet negativ auf. Denn jedes Akzeptor-Atom bekommt nun ein zusätzliches Elektron. In . Abb. 3.9 ist die Situation schematisch dargestellt. Im N-Gebiet bleiben die Donator-Atomrümpfe einfach ionisiert zurück. Es wird daher positiv geladen. Die Elektronen, welche die Akzeptor-Atome besetzen, fehlen im Leitungsband. So entsteht eine Schicht, in der das Leitungsband praktisch leer ist, die so genannte Verarmungszone oder auch Sperrschicht. In dieser entsteht nach dem

94

3

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.9 PN-Übergang am Beispiel eines abrupten Wechsels bei x D 0 von einem P-Gebiet links auf ein dreimal so hoch dotiertes NGebiet rechts. Die Ladungsdichten  der verbleibenden Atomrümpfe sind proportional zur jeweiligen Dotierung

Gauß’schen Satz ein elektrisches Feld E D .Ex ; 0; 0/ mit Zx

1 Ex D "

.x/dx :

(3.7)

Ex .x/dx :

(3.8)

linker Rand

Und dieses Feld erzeugt eine Potenzialdifferenz Zx U.x/ D  linker Rand

Dieser Vorgang setzt sich so lange fort, bis ein Gleichgewicht entsteht: Je mehr Elektronen Löcher besetzt haben, desto höher wird die Energie, die ein Elektron braucht, um die Potenzialbarriere auf dem Weg zum P-Gebiet zu überwinden. Mit der Besetzung wächst also der Anteil derjenigen Elektronen, die ins P-Gebiet eindringen, vom elektrischen Feld aber zur Umkehr gezwungen werden, bevor sie ein Loch finden. Gleichzeitig erreichen aber auch einige der wenigen im Leitungsband des P-Gebietes vorhandenen Elektronen (Minoritätsträger) die Verarmungszone. Diese finden ein Feld vor, welches sie zu 100 % ins N-Gebiet zieht. Wenn der kleine Anteil der vielen Majoritätsträger gerade so groß ist wie die 100 % der Minoritätsträger, herrscht Gleichgewicht. Der Minoritätsträgerstrom wird, da durch das Feld begünstigt, Feldstrom genannt. 1 Am Übergang entsteht eine Verarmungszone, an der die Diffusionsspannung liegt

Die Potenzialdifferenz zwischen den beiden Gebieten heißt Diffusionsspannung, UD , und kann als Funktion der Dotierungsdichten für Akzeptoren, nA ; und Donatoren, nD ; zu 

nA  nD UD D UT ln n2i

 (3.9)

berechnet werden (siehe zum Beispiel [5]). Dabei ist UT die Temperaturspannung10 UT D k T =e : 10

Die durchschnittliche Elektronenenergie bei der Temperatur T ist E D kT D UT e.

(3.10)

3

95 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.10 Veränderung der potenziellen elektrischen Elektronenenergie We auf dem Weg Metall ! Halbleiter P-Gebiet ! Halbleiter N-Gebiet ! Metall. Das N-Gebiet gibt sowohl an das P-Gebiet als auch an das Metall Elektronen ab, ist also gegenüber beiden positiv geladen. Die Summe der Energieänderungen ist Null

Bei steigender Temperatur gibt es also eine Anstieg der Diffusionsspannung, der jedoch wegen der stark mit der Temperatur ansteigenden intrinsischen Dichte ni weniger als linear ist. Misst man die Spannung zwischen den beiden Gebieten, so findet man an Stelle der Diffusionsspannung allerdings gar nichts, denn sie wird durch die an den Kontakten anliegende Spannung exakt kompensiert. Letztlich ist dies eine Konsequenz der Energieerhaltung. Ein Elektron darf auf dem in . Abb. 3.10 gezeigten Weg weder Energie gewinnen noch verlieren. Die Summe aller Potenzialänderungen ist also Null.

Die Diffusionsspannung entzieht sich einer direkten Messung.

Wird von außen vom P- zum N-Gebiet eine Spannung U angelegt11 , so liegt an der Verarmungszone eine Spannung UVerarmungszone D UD  U

(3.11)

an. Die Weite w der Verarmungszone ist dann für einen abrupten Übergang nach (3.8) zu berechnen: s  nA C nD 2" wD (3.12) .UD  U / : nA  nD e Die Verarmungszone verschwindet also, wenn die Diffusionsspannung von außen angelegt wird12 . In diesem Falle ist das Material elektrisch kurzgeschlossen. Dies gilt auch für andere Dotierungsverläufe (vergl. Lösung 3.44). Da die Ladungsträger am PN-Übergang im Abstand w voneinander getrennt sind, hat jede Sperrschicht auch kapazitives Verhalten. Diese so genannte Sperrschichtkapazität, CS ; kann Das heißt in . Abb. 3.10, dass die Energie auf der linken Seite verringert wird. Dies ist jedoch ein Fall, der praktisch nie eintritt. Schon unterhalb von UD ist die Kennlinie einer Diode (s. u.) so steil, dass UD nicht erreicht wird. 11 12

96

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

aus der Weite ausgerechnet werden: CS D "

3

A w

A CS D r

2.UD U / D 2 nnAACn nD "e

(beliebiger Übergang) (abrupter Übergang) :

(3.13)

Die Anwendung von (3.13) ist nur dann sinnvoll, wenn moderate Ströme fließen. Auch in Durchlasspolung sind Ladungen noch zusätzlich dynamisch gespeichert: die Minoritätsträger in der Nähe der Sperrschicht. Deshalb kann jedem PN-Übergang in Durchlassrichtung eine Diffusionskapazität zugeordnet werden. Bei schneller Umpolung verzögert diese alle Schaltvorgänge. Dioden nutzen die Strom-Spannungs-Kennlinie des PN-Übergangs. Zu deren Verständnis ist folgende Erkenntnis hilfreich:

An einem PN-Übergang folgen die Minoritätsträger dem elektrischen Feld. So entsteht ein Feldstrom. Die Majoritätsträger müssen das Feld überwinden. Die Majoritätsträger, die das gesamte Feld durchqueren, schaffen dies, weil ihre thermische Bewegungsenergie ausreicht, um die Potenzialbarriere zu überwinden. Sie diffundieren also durch den Übergang, weshalb man auch von Diffusionsstrom spricht.

In dem Extremfall, dass zur Diffusionsspannung noch eine große in die gleiche Richtung wirkende Spannung hinzu kommt, wird die Potenzialbarriere für die Majoritätsträger unüberwindlich hoch. Der Strom am PN-Übergang wird ein reiner Minoritätsträgerstrom, dem kein Diffusionsstrom mehr entgegensteht. 1 Verarmungszonen sind für Minoritätsträger durchlässig

Minoritätsträger können aufgrund ihrer thermischen Bewegung zufällig in die Verarmungszone eindringen. Das Feld in der Sperrschicht zieht sie dann zu 100 Prozent herüber. Auf der anderen Seite finden sie sich als Majoritätsträger wieder. Der so zustande kommende Strom wird Sperrstrom IS genannt. Dieser Teil, welcher durch das Eindringen der Minoritätsträger in die Verarmungszone zustande kommt lässt sich im Rahmen der Festkörperphysik (siehe zum Beispiel [6]) berechnen. In der Realität kommen noch Stromanteile hinzu, die durch Paarbildung innerhalb der Sperrschicht entstehen. Diese sind, da durch Fehlstellen und Verunreinigungen verursacht, praktisch nicht berechenbar. Der Mangel an Berechenbarkeit ist jedoch schaltungstechnisch fast immer irrelevant: das Dreifache eines Pikoamperes ist immer noch wenig. Wird die von außen angelegte Spannung auf Null reduziert, herrscht ein Gleichgewicht zwischen Feld- und Diffusionsstrom. Beide Ströme heben sich gegenseitig auf. Der resultierende Gesamtstrom ist Null. Wird die Spannung in Durchlasspolung erhöht, dann nimmt die Höhe der Potenzialbarriere für die Majoritätsträger ab und der Diffusionsstrom nimmt exponentiell zu. Denn der Anteil der Majoritätsträger, die aufgrund ihrer thermischen Bewegungsenergie den Potenzialwall überwinden können, steigt exponentiell an. Dieser exponentielle Anstieg hat übrigens seinen Ursprung in der exponentiellen Energieverteilung im thermodynamischen Gleichgewicht,

3

97 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

siehe auch (3.1). Die Majoritätsträger, die in die Sperrschicht eindringen, kommen an der anderen Seite als Minoritätsträger wieder heraus. Sie rekombinieren ab dem Rande .x D 0/ der Sperrschicht, und ihre Konzentration nimmt jenseits der Verarmungszone exponentiell ab: n  n.x D 0/e x=Ln :

(3.14)

Den Parameter Ln nennt man Diffusionslänge (siehe zum Beispiel [6]). Die oben genannten Effekte führen letztlich zu der Diodenkennlinie   I D IS e U=UT  1 ;

(3.15)

welche für sehr viele schaltungstechnischen Anwendungen hinreichend genau ist. Sie wird nach ihrem Entdecker auch Shockley-Gleichung13 genannt. Entgegen der Intuition bedeutet der lawinenartige Anstieg des Stromes nicht das vollständige Verschwinden der Verarmungszone. Sie wird nur von einem rapide anwachsenden Anteil der Majoritätsträger überwunden. Bei einer Polung des PN-Überganges in Sperrrichtung stellt die Shockley-Gleichung eine Idealisierung dar, die nur selten beobachtet wird (siehe unten). 1 Vor dem Erreichen der Diffusionsspannung verdampft eine Diode

Erst bei U D UD würde der Wert w D 0 erreicht werden. Bei dieser Spannung könnten alle Majoritätsträger ungehindert in das angrenzende Gebiet eindringen. Von diesem Punkt an drehte sich also das Potenzialgefälle an der Sperrschicht um. Es gäbe keine Potenzialbarriere mehr. Das Verhalten der Diode würde sich dem eines (niederohmigen) Widerstandes angleichen, dessen Leitfähigkeit zwischen der des P-Gebietes und der des N-Gebietes liegt. Sie würde zerstört. . Abb. 3.11 zeigt, dass sich der Ohm’sche Widerstand schon eher bemerkbar macht: Im Bereich hoher Ströme weicht das tatsächliche Verhalten einer Diode deutlich von dem durch die Shockley-Gleichung vorhergesagten ab. Im Sperrbereich sagt die Shockley-Gleichung fast unmessbar kleine Ströme (oft unterhalb von einem Nanoampere) voraus. In der Realität werden diese von Verunreinigungseffekten überlagert: Durch kleinste Einlagerungen, Verspannungen und sonstige Defekte in der Kristallstruktur existieren in der Sperrschicht lokale Energieniveaus zwischen dem Valenz- und dem Leitungsband. Dadurch ist es Elektronen aus dem Valenzband möglich, in mehreren

. Abb. 3.11 Der auf den Sperrstrom normierte Strombetrag einer Siliziumdiode. Die durchgezogene Linie ist repräsentiert die ShockleyGleichung. Die gestrichelte Linie zeigt das tatsächliche Verhalten bei großen Strömen, die gepunktete Linie das tatsächliche Verhalten im Sperrbereich

13

William B. Shockley, John Bardeen und Walter H. Brattain bekamen 1956 für die Entdeckung des Transistors den Nobelpreis.

3

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.12 Zur Wirkungsweise einer in Rückwärtspolung betriebenen Zener-Diode: Ein Elektron aus dem Valenzband des P-Gebietes, welches durch den Tunneleffekt unter dem Energieberg hindurchkommt und die Unterkante des Leitungsbandes erreicht, trägt zum Rückwärtsstrom bei

Energieberg Bindungsenergie

98

Leitungsband Valenzband

p

Leitungsband Valenzband n Ort

energetisch kleinen Schritten bis ins Leitungsband zu gelangen. Es reicht oft eine rein thermische Anregung. Auf diese Weise entstehen in der Sperrschicht Elektronen-Lochpaare, die den tatsächlichen Sperrstrom bisweilen um Größenordnungen oberhalb der Vorhersage ansteigen lassen. Die Entstehung innerhalb der Verarmungszone zeigt sich experimentell daran, dass der Strom einer in Rückwärtsrichtung gepolten Diode mit der Spannung und daher mit der Weite der Sperrschicht zunimmt. 1 Zusammenbruch nach Maß: Z-Dioden stabilisieren Spannungen

Bei großen Sperrspannungen kann die Sperrschicht einer Diode sogar durchlässig werden (siehe Aufgabe 3.26). Wird eine Diode so gefertigt, dass diese Spannung reproduzierbar, konstant und einzustellen ist, eröffnet das Ergebnis neue Möglichkeiten in der Schaltungstechnik. Die folgenden Mechanismen lassen eine Diode in Rückwärtsrichtung leitfähig werden: 4 Der Zener-Durchbruch wird meist für Dioden mit Durchbruchspannungen unterhalb von fünf Volt verwendet. Er ist ein nur mit Hilfe des quantenmechanischen Tunneleffektes beschreibbarer Mechanismus. Der Tunneleffekt ist eine Konsequenz der Tatsache, dass sich ein Elektron nach den Gesetzen der Quantenmechanik für eine sehr kurze Zeit in Gebieten aufhalten kann, für deren „Betreten“ ihm normalerweise die nötige Energie fehlt. Wenn sich nun jenseits eines solchen Gebietes eine Region geringer Energie befindet, so besteht eine normalerweise verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit, dass das Elektron in der neuen Region bleibt, so als gäbe es einen Tunnel durch den Energieberg. Bei Zener-Dioden sind es, wie in . Abb. 3.12 gezeigt, die in sehr großer Zahl vorhandenen Valenzelektronen des P-Gebietes, die eigentlich energetisch gebunden sind, sich aber mit endlicher Wahrscheinlichkeit dennoch im N-Gebiet wiederfinden und so den Rückwärtsstrom ansteigen lassen. Der Zener-Effekt tritt auf, wenn durch hohe Dotierung die Sperrschicht so schmal ist, dass Feldstärken von 30 Millionen V=m auftreten. 4 Der Lawinendurchbruch entsteht, wenn das elektrische Feld in der Sperrschicht so groß ist, dass ein Elektron zwischen zwei Kollisionen mit den ortsfesten Halbleiteratomen genug kinetische Energie gewinnt, um mindestens ein weiteres Elektron aus dem Kristallverband zu lösen. Geschieht dies hinreichend oft innerhalb der Sperrschicht, so steigt die Anzahl der Ladungsträger exponentiell, also lawinenartig an. Dioden, die den Lawineneffekt ausnutzen, sind moderat dotiert und haben dadurch eine große Weite der Sperrschicht. Mit Hilfe der Dotierung wird die Durchbruchspannung eingestellt. Für Durchbruchspannungen oberhalb von fünf Volt werden fast ausschließlich Lawinendurchbruchdioden verwendet, weil die große Weite der Sperrschicht eine weniger konzentrierte Wärmeentwicklung bewirkt. Der Lawinendurchbruch hat einen positiven Temperaturkoeffizienten.

3

99 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

Beide Durchbrucharten beenden sich selbst, wenn die Feldstärke in der Sperrschicht unter den kritischen Wert absinkt. Daher stellt sich bei der Reihenschaltung einer Z-Diode mit anderen Bauelementen eine Spannung ein, die leicht unterhalb der Durchbruchspannung liegt. Wird einer der oben beschriebenen Dioden dauerhaft zu viel Strom eingeprägt, wird die Sperrschicht so heiß, dass eine Vielzahl von Elektron-Loch-Paaren entsteht, wodurch der Strom und mit ihm die Hitzeentwicklung noch weiter ansteigt. Das Resultat ist eine Zerstörung der Diode durch einen thermischen Durchbruch. ! Vorsicht ungenaue Sprache! Dioden mit festgelegtem Rückwärtsdurchbruch werden meist pauschal als Z-Dioden bezeichnet, selbst dann, wenn sie nicht auf dem Zener-Effekt basieren.

1 Metall-Halbleiter-Kontakte können neue Dioden entstehen lassen

Verarmungszonen können auch entstehen, wenn dotierte Halbleiter mit Metallen in Kontakt treten. Dies ist schon deswegen von großer Relevanz, weil Halbleiter-Bauelemente irgendwie angeschlossen werden müssen. Entscheidend für das elektrische Verhalten eines HalbleiterMetall-Kontakts ist die Antwort auf die Frage: „Kann ein Elektron dadurch Energie verlieren, dass es so wandert, dass eine Verarmungszone entsteht?“ Dies ist entweder der Fall, wenn ein Donator-Elektron den Halbleiter verlässt oder wenn ein Akzeptor-Loch von einem Elektron aus dem angrenzenden Metall aufgefüllt wird. . Abb. 3.13 zeigt, dass hierüber letztlich die relative Position der Fermi-Niveaus entscheidet: Wenn das Fermi-Niveau eines Metalls niedriger liegt als das eines N-dotierten Halbleiters, dann wandern die Donator-Elektronen in das Leitungsband des Metalls. Nahe dem Metallanschluss entsteht so im Halbleiter eine Verarmungszone. Wenn andererseits das Fermi-Niveau des Metalls höher liegt als dasjenige eines P-dotierten Halbleiters, dann wandern Elektronen aus dem Metall in den Halbleiter ein und besetzen die Fehlstellen der Akzeptor-Ionen. Es entsteht eine Löcher-Verarmungszone im Halbleiter.

Ort

Bindungsenergie

0 Leitungsband Leitungsband

Donator-Elektronen

EF

Leitungsband Valenzband

Ohm

Schottky

Ort 0 Bindungsenergie

. Abb. 3.13 Energieniveaus von Halbleitern (in der Mitte) und Metallen vor einer Kontaktierung. Ist der Halbleiter mit Donatoren dotiert, so entsteht eine Verarmungszone durch Abwandern der Halbleiter-Elektronen (Schottky). Ist der Halbleiter mit Akzeptoren dotiert, so führt das Einwandern von Metall-Elektronen in die Akzeptor-Löcher zur Bildung einer Verarmungszone

Leitungsband Akzeptor-Löcher Valenzband

Leitungsband

Leitungsband Ohm

Schottky

EF

100

3

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

Ähnlich wie im Falle des PN-Überganges entsteht mit der Elektronenwanderung ein Potenzialgefälle, welches durch äußere Spannung verstärkt oder abgebaut werden kann. Man nennt solche Übergänge auch Schottky-Dioden. Denn diese Übergänge entwickeln eine ähnliche Strom-Spannungs-Kennlinie wie PN-Dioden. Allerdings haben Schottky-Dioden mit ca. 0,3 Volt relativ kleine Kniespannungen, und der Stromanstieg ist weniger steil als beispielsweise der von Siliziumdioden. Bewirkt die Wanderung der Elektronen kein Entstehen einer Verarmungszone, dann spricht man von einem Ohm’schen Kontakt. Dies ist nichts als Konvention. Aus . Abb. 3.13 wird deutlich, dass es unmöglich ist, ein Metall zu finden, welches sowohl P-Gebiete als auch N-Gebiete ohne die Entstehung einer Schottky-Diode verbindet. Für die Produktion hochintegrierter Schaltungen ist die Möglichkeit, unterschiedlich dotierte Gebiete elektrisch zu verbinden aber zwingend notwendig. Ein technologischer Ausweg ist die Ausnutzung des Tunneleffekts mittels Hochdotierung der Kontaktstellen. Denn auch bei Schottky-Dioden sinkt die Weite der Verarmungszone mit der Dotierung. Für N > 1026 m3 wird die Anzahl der durch die Verarmungszone tunnelnden Elektronen hinreichend groß, um einen guten Kontakt zu gewährleisten. 1 Solarzellen nutzen die Paarerzeugung in der Verarmungszone

Es gibt Halbleiter-Materialien (meist vom III-V-Typ), bei denen die Energie, die ein Elektron beim Ins-Loch-Fallen (Rekombinieren) verliert, direkt in Form eines Photons abgegeben werden kann. Solche Materialien heißen direkte Halbleiter. Da alle zum Vorwärts-Stromfluss beitragenden Elektronen und Löcher nach dem Passieren des PN-Übergangs rekombinieren müssen, geben solche Dioden Licht ab und heißen daher Leuchtdioden, LED14 . Da fast alle Löcher ganz oben im Valenzband und fast alle Elektronen ganz unten im Leitungsband beheimatet sind, ist die Wellenlänge des abgegebenen Photons durch den Bandabstand vorgegeben: hc hc : (3.16) !  EL  EV Halbleiter-Materialien wie Silizium oder Germanium, bei denen ein erheblicher Teil der Energie nicht an das Photon, sondern an das Kristall abgegeben wird, werden indirekte Halbleiter genannt. Dioden, die den umgekehrten Prozess ausnutzen heißen Photodioden, wenn sie großflächig gebaut werden auch Solarzellen. Wie in . Abb. 3.14 gezeigt, werden für beide Anwendungen verschiedene Teile der Kennlinie ausgenutzt.15 Die Kennlinie der lichtempfindlichen Diode ist um einen konstanten Betrag nach unten verschoben. Dieser Betrag ist proportional zur Einstrahlung. Dabei tragen nur Photonen zum Strom bei, deren Wellenlänge höchstens so groß ist, wie in (3.16) angegeben. EPhoton D

. Abb. 3.14 Kennlinie einer lichtempfindlichen Diode: Je mehr Licht einstrahlt desto weiter wird die Kennlinie nach unten verschoben. Bei U  I < 0 wird Licht in elektrische Energie umgewandelt

14 15

Licht emittierende Diode oder engl: light emitting diode Bei einem Verbraucher fließt der Strom in Richtung C ! , bei einem Generator in umgekehrter Richtung.

3

101 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

3.1.4 Bipolar-Transistoren Transistoren werden konstruiert, um mit kleinen Eingangsleistungen große Ausgangsleistungen zu steuern. Beim Bipolar-Transistor steuert ein kleiner Strom, der Basisstrom, einen großen Strom, den Kollektorstrom. Er besteht, wie . Abb. 3.15 zeigt, aus zwei PN-Übergängen. Damit aus diesen beiden Dioden ein Bipolar-Transistor wird, werden zwei technische Kniffe verwandt: 4 Das Emitter (E) genannte Gebiet wird sehr viel höher dotiert als die darunter liegende Basis. Dadurch wird erreicht, dass im Durchlassbereich der Diode der Strom durch den PN-Übergang fast ausschließlich aus Elektronen besteht. Das N-Gebiet sendet Elektronen aus. Es emittiert Elektronen 4 Die Basis B wird sehr viel dünner als eine Diffusionslänge gemacht. Aus dem Emitter eindringende Elektronen erreichen daher mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den PN-Übergang zwischen Basis und Kollektor. Der Kollektor C sammelt die meisten Elektronen ein, bevor sie in der Basis Löcher besetzen können. Er führt also eine Elektronenkollekte durch. Die beiden Kniffe funktionieren besonders gut, wenn die Kollektor-Basis-Diode gesperrt ist. Dieser PN-Übergang ist dann nur für die Minoritätsträger, also die aus dem Emitter kommenden Elektronen durchlässig. Der Strom durch die Basis-Kollektor-Diode ist also fast genau gleich dem aus dem Emitter kommenden Strom. Damit bleibt für den Strom aus der Basis heraus fast nichts übrig. . Abb. 3.16 zeigt die Bilanz der Ladungsträgerströme. Der Basisstrom setzt sich aus zwei Teilen zusammen: erstens aus dem Löcherstrom durch den PNÜbergang. Dieser ist um so kleiner, je höher das Konzentrationsgefälle vom Emitter zur Basis ist; zweitens aus dem Elektronenstrom, der in der Basis rekombiniert. Dieser Anteil sinkt mit der Weite der Basis. Die restlichen Elektronen des Emitters erreichen die Sperrschicht zum Kollektor. 1 Die Transistor-Stromverstärkung müsste eigentlich Stromsteuerung heißen

Das Erreichen des Kollektors durch die Basis-Minoritäten macht den Transistor zum Stromverstärker: Denn wenn der Emitter-Kollektor-Strom immer ein großes Vielfaches des EmitterBasis-Stromes ist, dann lässt sich über einen kleinen Basisstrom ein großer Kollektorstrom festlegen. Für diesen Betrieb ist der Transistor konstruiert, weshalb man für diese Konfiguration auch von Normal- oder Vorwärtsbetrieb spricht. Man kann die Stromverstärkung

. Abb. 3.15 NPN Bipolar-Transistor als Schaltsymbol, Prinzipskizze und im Querschnitt

E

E E B C

n

B

B

n

p B

p

n

n

C . Abb. 3.16 Ladungsträgerbewegungen im Bipolar-Transistor bei gesperrter Basis-Kollektor-Diode. Die Elektronenbewegungen sind hell, die Löcherbewegungen dunkel dargestellt. Die Pfeile oben geben die technischen Stromrichtungen an

C IE

E B C

IB

IC

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

102

3

a

b

. Abb. 3.17 Kennlinienfeld eines typischen Bipolar-Transistors: oben rechts IC .UCE / für verschiedene Basisströme, unten links IB .IBE /; dazwischen IC .IB /, also die leicht von UCE abhängige Stromverstärkung

Bf im Vorwärtsbetrieb als Funktion des Anteils Ae des Elektronenstromes am Strom durch die Emitter-Diode und der Wahrscheinlichkeit PR eines Elektrons, vor Erreichen der BasisKollektor-Verarmungszone zu rekombinieren, bestimmen: Bf D

IC Ae .1  PR / : D IB Ae PR C .1  AE /

(3.17)

Die Stromverstärkung wächst also mit dem Konzentrationsgefälle vom Emitter zur Basis, und sie wird durch eine dünne Basis begünstigt. Die Eigenschaften eines Bipolar-Transistors werden in einem Kennlinienfeld zusammengefasst, wie es in . Abb. 3.17 gezeigt wird. Diese Darstellung erlaubt es, für eine gegebene äußere Beschaltung die Ströme und Spannungen zeichnerisch und ohne Modellannahmen zu bestimmen. Ein Beispiel ist in Aufgabe 3.40 zu sehen. Die Kennlinie der Basis-Emitter-Diode ähnelt der des normalen PN-Übergangs, steigt aber bei großen Strömen etwas weniger steil an. Die Hochinjektion führt in dem zwischen Emitter und Kollektor liegenden Teil der Basis zum Verschwinden der Löcher und damit zu einer Reduktion der für die Diodenfunktion wirksamen Querschnittsfläche. Zu jedem Basisstrom gehört eine Kollektor-Strom-Spannungs-Kennlinie. Diese ist in weiten Bereichen eine fast gerade, flach verlaufende Kurve. 1 Der Kollektorstrom steigt, wenn die Basis schmaler wird

Die fast gerade verlaufenden Kennlinienabschnitte in . Abb. 3.17 extrapolieren nach links auf einen gemeinsamen Spannungspunkt, der Early-Spannung genannt wird. Das leichte Ansteigen der Kennlinien wird Early-Effekt genannt. Dieser Effekt hat die folgende Ursache: Mit steigendem UCE wird die Basis-Kollektor-Sperrschicht breiter. Dadurch wird der Basis-Bereich, in dem die Elektronen rekombinieren können, noch schmaler. Das Verhältnis IC =IB steigt damit an. Welchen Wert IC hat (bildlich: auf welchem Punkt der Kollektor-Emitter-Kennlinie sich der Transistor befindet), hängt von der äußeren Beschaltung ab. Der Kollektorstrom ist ein Vielfaches des Basisstromes. Der Faktor hängt leicht von der Kollektor-Emitter-Spannung UCE ab. In sehr vielen Fällen ist das um den Early-Effekt erweiterte Ebers-Moll-Modell eine gute Beschreibung des Kollektorstromes in Abhängigkeit der

3

103 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.18 Die Operationsmodi des Transistors von links nach rechts, je nachdem, ob die großen Potenzialbarrieren unten, oben, beidseitig oder gar nicht vorhanden sind. Der Normalbetrieb ist der Vorwärtsbetrieb

Basis-Emitter-Spannung:  IC D IS e UBE =UT

1C

UCE UA

 .NPN  Transistor/ :

(3.18)

In (3.18) wird UA die Early-Spannung genannt. Durch Anlegen verschiedener Spannungen können die PN-Übergänge auf insgesamt vier Arten kombiniert werden. . Abb. 3.18 zeigt, wie. Vertauscht man Emitter und Kollektor (Rückwärtsbetrieb), so ist die Verstärkung meist kleiner als Eins. Entscheidend für die Anwendbarkeit eines Transistors sind fast immer dessen Eigenschaften im Vorwärtsbetrieb. Die Eigenschaften des Rückwärtsbetriebs sind nur bei einigen TTL-Schaltungen relevant. Der Sättigungsbetrieb wird bei schnellen Schaltungen vermieden: In Sättigung ist die Stromverstärkung kleiner als im Vorwärtsbetrieb. In diesem Betriebszustand ist die gesamte Basis, nicht nur der kleine Teil zwischen Kollektor und Emitter, mit Minoritätsträgern angefüllt.16 Da es eine gewisse Zeit braucht, bis all diese Minoritätsträger die Basis wieder verlassen haben, wird der Sättigungsbetrieb langsamer verlassen, als für viele Anwendungen nötig. ! Vorsicht ungenaue Sprache! Ein Transistor sollte niemals voll durchgeschaltet genannt werden. Denn es ist unklar, ob das mit vollem Spannungsabbau, also Sättigung, oder mit voller Verstärkung, also im Vorwärtsbetrieb, oder mit voller Basis, also doch in Sättigung, oder mit voller Geschwindigkeit, also doch Vorwärtsbetrieb bedeutet. Wer in einer Prüfung mehr als voll nur die halbe Punktzahl bekommen möchte, dem reichen die Begriffe Vorwärtsbetrieb und Sättigung – völlig.

Komplementär zum bisher diskutierten NPN-Transistor gibt es den . Abb. 3.19 gezeigten PNP-Transistor. Dieser funktioniert genau so wie der NPN-Transistor, allerdings mit genau umgekehrten Stromrichtungen: im Normalbetrieb fließt beim PNP-Transistor Strom aus der

. Abb. 3.19 NPN- und PNP-Transistor neben ihren Schaltsymbolen. Der Pfeil zeigt immer die Basis-Emitter-, bzw. Emitter-Basis-Diode; in jedem Fall auf ein N-Gebiet

IE IB

E n

B

p B

IE IB

p

B

a

16

C

NPN-Transistor

Man kann, da Ladung gespeichert wird, auch von einer großen Diffusionskapazität sprechen.

n p

n

IC

E

IC

C

b PNP-Transistor

104

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

Basis heraus. Seine Gleichungen nach dem Ebers-Moll-Modell,  IC D IS e UEB =UT

3

1C

UEC UA

 .PNP  Transistor/ ;

erhält man, indem man relativ zum NPN-Transistor alle Spannungs- und Stromrichtungen vertauscht.

3.1.5 MOS-Transistoren Der Metal Oxyde Semiconductor Transistor, kurz MOS-Transistor, kann ohne dauerhafte Eingangsströme die Größe von Ausgangsströmen definieren. Er ist daher der Transistor, der im Verbund mit der CMOS Entwurfstechnik Schaltungen mit besonders geringen Verlustleistungen ermöglicht. Genau aus diesem Grund basieren heute fast alle hochintegrierten Digitalschaltungen auf MOS-Transistoren. Und da ein gutes Oxyd entscheidend für die Qualität eines MOS-Transistors ist, hat sich der Halbleiter mit dem besten eigenen Oxyd, das Silizium mit seinem Oxyd Quarz, SiO2 , durchgesetzt, obwohl andere Halbleiter höhere Beweglichkeiten der Ladungsträger haben, damit also potenziell schneller erscheinen. Silicon Valley hieße ohne den MOS-Transistor heute Germanium Valley. . Abb. 3.20 zeigt den prinzipiellen Aufbau der Transistortypen. Die eigentliche Funktion findet direkt unter dem Gate-Oxid statt. Das Gate-Oxid ist eine aus weniger als 100 Atomlagen bestehende Quarzschicht zwischen dem Gate-Anschluss und dem darunter liegenden Body. Bei den neuesten Prozessorgenerationen finden sogar Gates von nur noch fünf (!) Atomlagen, entsprechend einer Dicke von 1,2 nm, Verwendung. 1 Ein elektrisches Feld zieht den Strom leitende Minoritätsträger unter das Oxid

Die grundsätzliche Wirkungsweise eines MOS-Transistors ist in . Abb. 3.21 zu sehen. Wenn das Gate eines NMOS-Transistors gegenüber dem Body positiv geladen ist, dann sorgt das (durch das schmale Gate-Oxid) sehr starke elektrische Feld dafür, dass die Elektronen im P-Gebiet Energie gewinnen können, indem sie sich an der Unterseite des Gate-Oxids sammeln. Auf diese Weise werden die Löcher unmittelbar unter dem Oxyd besetzt. Es entsteht eine negativ geladene Verarmungszone unter dem Gate-Oxid. Dies schwächt das Feld (gleiche Spannung über einen größeren Abstand). Die Breite der Verarmungszone wächst mit der Potenzialdifferenz zwischen Gate und Body. Ab einer bestimmen Spannung UT h;N , auch Schwellspannung genannt, ist es für das erste Elektron energetisch günstiger, im Leitungsband unter dem Gate-Oxid zu bleiben, als im Body

. Abb. 3.20 NMOS-Transistor (a) und PMOS-Transistor (b) mit den Anschlüssen Body (B), Source (S), Gate (G) und Drain (D). Was Source und was Drain ist, bestimmen die angeschlossenen Potenziale. Die Source ist Quelle der Ladungsträger, die Drain Senke der Ladungsträger

n

p

n

a

p

p n

b

3

105 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.21 Zur Funktionsweise des NMOS-Transistors: a ohne externe Spannung PN-Sperrschichten, b bei kleiner positiver Gate-Body-Spannung Entstehung einer Verarmungszone unter dem Oxyd, c bei UGS > UT h;N Inversionskanal mit Kontakt zu N-Gebieten, d bei UDS > 0 Strom von Drain zur Source

+

a

UG

b +

-

+

UG

c

UG

+

UD

d

zu rekombinieren. Es entsteht eine sehr dünne, Inversionsschicht genannte Lage von Elektronen, die konstruktionsbedingt Kontakt zum angrenzenden Source-Gebiet17 und zum N-Gebiet haben. Dieser Kontakt hat zur Folge, dass das Potenzial in der Inversionsschicht durch das Source-, bzw. Drain-Potenzial bestimmt wird. Es entsteht um das Siliziumdioxid herum ein Kondensator mit einer um UT h;N verschobenen Charakteristik: Q D C  .UG  UT h;N / D

"0 "SiO2 ASiO2  .UG  UT h;N / : dSiO2

(3.19)

Dabei sind ASiO2 und dSiO2 die Fläche und der Durchmesser des Oxyds. Auf dem Gate ist die Ladung CQ, im Silizium die Ladung Q gebunden. Wird die Drain positiv aufgeladen, dann fällt entlang der Inversionsschicht eine Spannung ab (siehe . Abb. 3.22) und ein Strom beginnt in einer Weise zu fließen, die als Anlauf bezeichnet wird. Dessen Größe ergibt sich wie folgt: Unter dem Oxyd variiert die Spannung U im Kanal zwischen U D US D 0 am Source-Ende und U D UD am Drain-Ende. So ist auch die gebundene Ladung eine Funktion des Ortes x zwischen den beiden Gebieten. Auf einem Flächenstück dASiO2 D w  dx ist eine Ladung dQ D 

"w  .UG  UT h;N  U /dx dSiO2

(3.20)

gebunden. Der Strom I D dQ=dt fließt entgegen der Elektronengeschwindigkeit ve D dx=dt . Diese Geschwindigkeit ist ve D n  E und damit ve D n  E D n d U=dx. . Abb. 3.22 Zur Herleitung der MOS-Kennlinie im Anlauf: Bei einem NMOS-Transistor mit der Weite w und der Länge l bewegen sich die Elektronen mit einer Geschwindigkeit ve von der Source zur Drain und ergeben einen Strom I von der Drain zur Source

17

v

Technologisch sind Source und Drain identisch. Welcher von beiden Anschlüssen was ist, wird nur durch die Beschaltung festgelegt. Beim NMOS-Transistor hat die Source das niedrigere, beim PMOS-Transistor das höhere Potenzial. Durch diese Konvention ist sichergestellt, dass ein Kanal entweder durchgängig oder Source-seitig angebunden ist. Wenn er wächst, dann von der Source zur Drain und nicht umgekehrt.

106

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

So ergibt sich für den Strom IDS D 

3

"  w  n dU :  .UG  UT h;N  U / dSiO2 dx

(3.21)

Dies ist eine eine Differenzialgleichung, die durch Integration von 0 bis l und von UD bis 0 gelöst wird: IDS D

 "  w  n 1  .UG  UT h;N /  UD  UD2 dSiO2  l 2

.NMOS; Anlauf/:

(3.22)

Da der Einfluss des Body-Potenzials durch die Verarmungszone meist gering ist, kann man (3.22) auf von Null verschiedene Source-Spannungen, US , generalisieren. Mit UGS D UG  US und UDS D UD  US wird IDS D

 "  w  n 1 2 :  .UGS  UT h;N /  UDS  UDS dSiO2  l 2

(3.23)

Gl. (3.23) gibt den Strom eines NMOS-Transistors von der Drain zur Source an. Die von der Technologie und dem Chip-Entwurf bestimmten Vorfaktoren werden meist zusammengezogen, so dass (3.23) als IDS

 1 2 D ˇN  .UGS  UT h;N /  UDS  UDS 2

(3.24)

geschrieben werden kann. 1 Alle Elektronen, die das Kanalende erreichen, erreichen auch die Drain

Für ein gegebenes UGS hat der Strom nach (3.24) ein Maximum bei UGS  UT h;N D UDS . An diesem Punkt ist UGD D UT h;N , mit anderen Worten: Der Strom erreicht sein Maximum, wenn der Kanal gerade noch an das Drain-Gebiet heranreicht. Wenn UDS noch weiter steigt, dann erreicht der Kanal die Drain nicht mehr. Damit sind die Voraussetzungen, die zu (3.23) führen, nicht mehr erfüllt. . Abb. 3.23 zeigt die neue Situation. Elektronen, die das Kanalende erreichen, werden vom elektrischen Feld zwischen Kanalende und der Drain durch die Verarmungszone gezogen.18 Auf dem Weg zur Drain sind keine Löcher zum Rekombinieren vorhanden.

. Abb. 3.23 Spannungen an einem abgeschnürten NMOS-Transistor: Wenn UGD < UT h;N wird, erreicht der Kanal nicht mehr das Drain-Ende. Das Potenzial am Kanal-Endpunkt hängt nur von UG ab

UB

US

UG

UD

UG - UTh,N = 0 18

Zwischen dem Kanalende und der Drain passiert also das Gleiche wie in der Verarmungszone zwischen Basis und Kollektor eines Bipolar-Transistors im Vorwärtsbetrieb.

3

107 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

Abschnürbereich

Anlauf Drain-Strom in Milliampère

. Abb. 3.24 Die Drain-Strom-SpannungsKennlinie eines MOS-Transistors in nullter Näherung; links der gepunkteten Parabel ist er im Anlauf, rechts im Abschnürbereich

1

UGS = 2,4 V

0,8 0,6

UGS = 2,0 V

0,4 UGS = 1,5 V

0,2 0

UGS = 1,0 V 0

0,5 1 1,5 2 Drain-Source Spannung in Volt

2,5

3

So kann in nullter Näherung angenommen werden, dass der Strom bei einer Erhöhung von UDS über den Wert von UDS D UGS  UT h;N hinaus konstant bleibt: IDS D

ˇN  .UGS  UT h;N /2 : 2

(3.25)

. Abb. 3.24 zeigt, dass der Drain-Strom IDS als Funktion der Spannung UDS jeweils beim 2 =2 vom Anlauf in den Abschnürbereich übergeht. Schneiden mit der Parabel IDS D ˇN UDS Ein von UDS ganz unabhängiger Drain-Strom ist jedoch physikalisch nicht sinnvoll. Das zeigt folgende Überlegung: Wenn bei konstantem Gate- und Source-Potenzial das Drainpotenzial im Abschnürbereich erhöht wird, dann wandert der Endpunkt des Kanals näher an die Source heran. . Abb. 3.23 aber zeigt: Die Spannung zwischen Drain-Ende und Source bleibt dabei immer die selbe: UGS  UTH;N . Gleiche Spannung auf kleinerer Distanz ergibt ein stärkeres Feld. Der Strom muss ansteigen. Bei der Beschreibung des Stromanstiegs wird meist die so genannte Kanallängenmodulation N verwendet, mit deren Hilfe der Ausdruck nullter Ordnung modifiziert wird: IDS D

ˇN  .UGS  UT h;N /2  .1 C N UDS / : 2

(3.26)

! Vorsicht Fehlinterpretation! Dies ist ein rein phänomenologischer Ansatz und nicht die Linearisierung einer physikalisch begründeten Formel. Der Term UDS modifiziert die Kennlinie so, dass sie bei gegebenem UGS nicht mehr nahtlos an den Anlauf anschließt. Denn sie setzt nicht an dem Punkt an, ab dem der Kanal abgeschnürt ist (UGD D UT h;N ), sondern bereits bei UDS D 0. Daher sollte der Faktor  schlicht als einfachste, aus der Kleinsignalanalyse entlehnte Möglichkeit angesehen werden, alle den Strom erhöhenden Effekte zusammenzufassen.

1 3-D-Transistoren minimieren die Ströme in das Substrat hinein

Die Formen von in der Massenproduktion von Digitalchips befindlichen MOS-Transistoren weichen heute teilweise stark von der in . Abb. 3.21 gezeigten Geometrie ab. Seit 2011 werden die Transistoren in den Prozessoren der Firma Intel in Serie so produziert, wie es . Abb. 3.25 darstellt. Durch die senkrechten Anteile des Kanals wird die effektive Weite deutlich größer, als es die (von oben sichtbare) Breite des Kanals ist. Ein unterhaltsames Video hierzu befindet sich im Internet auf youtube. [3]

108

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.25 3 D Transistor: Bei diesem Transistor verläuft der Kanal wie an den Wänden eines Tunnels entlang. Der dargestellte Transistor ist etwa 22 nm lang und Teil eines Intel-Prozessors

3

Bis zur Einführung der Transistoren mit vertikalen Kanalkomponenten waren die Leckströme der Transistoren durch den Source-Body PN-Übergang und den Drain-Body-Übergang ein begrenzender Faktor der Energieeffizienz und der Packungsdichte von Transistoren. Anfang des 21. Jahrhunderts galt folgende Faustformel: Die Summe aller Leckströme ist so groß wie die der Umschaltströme, mit steigender Tendenz. Durch die sehr viel kleinere Fläche zwischen Source und Body bzw. Drain und Body ist dieses Problem praktisch gelöst und heute kein Thema mehr. Die Verkleinerung dieser Flächen hat einen weiteren unschätzbaren Vorteil: Dadurch, dass die Parasitärkapazitäten proportional zur Fläche kleiner werden, steigt die maximal mögliche Schaltfrequenz (siehe . Abb. 3.39 weiter unten). Wer die Funktion des NMOS-Transistors kennt, kennt bis auf einige Vorzeichen auch die des PMOS-Transistors. Denn für den PMOS-Transistor führen die gleichen Überlegungen zur entsprechenden Strom-Spannungs-Gleichung  "  w  p 1 2  .UGS  UT h;P /  UDS  UDS ISD D dS iO2  l 2 (3.27)  1 2 ISD D ˇP  .UGS  UT h;P /  UDS  UDS : 2 ! Vorsicht Vorzeichen! Wenn alle Vorfaktoren positiv sind, fließt beim PMOS-Transistor der Strom von der Source zur Drain. Außerdem gilt im Gegensatz zum NMOS-Transistor: TT h;P ist negativ. Im Abschnürbereich gilt entsprechend in nullter Näherung ISD D

ˇP  .UGS  UT h;P /2 ; 2

(3.28)

und der Kanallängenmodulationsfaktor P in einem Korrekturterm .1P UDS / ist auch negativ, da UDS definitionsgemäß negativ ist (sonst müssten Source und Drain die Namen tauschen).

Die oben genannten Formeln sind gute Wegweiser. Allerdings, je näher die MOS-Technologie der Ein-Nanometer-Marke kommt, desto stärker machen sich Effekte, die bei sehr kurzen Distanzen wichtig werden, bemerkbar. Das Verhalten eines MOS-Transistors, wie er zum Beispiel in neueren smart phones vorkommt, ist praktisch nur noch anhand von Messungen in numerischer Form bekannt.

3.1.6 Leistungshalbleiter Leistungshalbleiter verbinden logische Schaltungen und elektrische Maschinen. Anders ausgedrückt: Leistungshalbleiter machen aus starken Maschinen intelligente starke Maschinen.

109 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.26 Typen und Bauformen verschiedener Leistungshalbleiter-Bauelemente. Für alle Typen gibt es verschiedene Bauformen

So hat die Entwicklung der Leistungshalbleiter erst marktfähige Elektro-Automobile und ruckfrei anfahrende Hochgeschwindigkeitszüge ermöglicht. Heute werden in der Leistungselektronik Thyristoren, Vertical Double Diffused MOS-Transistoren, so genannte VDMOSTransistoren und Insulated Gate Bipolar Transistors, IGBTs eingesetzt. Beispiele hierfür zeigt . Abb. 3.26. Thyristoren sind einschaltbare Dioden. Diese können Spannungen im Kilovoltbereich sperren und Kiloampere schalten. Einmal gezündet bleibt ein Thyristor leitfähig, bis die Spannung gegen Null geht oder der Strom kleiner als der Haltestrom wird. In Wechselstromanwendungen werden gerne TRIACs verwendet, das sind in einem Bauteil zusammengefasste, antiparallele Thyristoren mit gemeinsamem Steueranschluss. Schneller als Thyristoren und ohne Zündung schalten VDMOS-Transistoren, das sind sehr große MOS-Transistoren. Deren Weiterentwicklung, die IGBTs, haben eine zusätzliche Stromvervielfältigung durch eine nachgeschaltete, asymmetrische Diode. 1 Thyristoren sind einschaltbare Dioden

Bereits 1956 wurde das erste Leistungshalbleiter-Bauelement erfunden: der Thyristor. Dieser verhält sich wie eine durch einen kleinen Steuerstrom einschaltbare Diode. Intern besteht ein Thyristor, wie . Abb. 3.27 zeigt, aus vier Dotierungsschichten in der Reihenfolge pnpn. Man kann sich ihn also als Reihenschaltung von drei Dioden vorstellen, von denen entweder die beiden äußeren (D1 und D3 ) oder die mittlere (D2 ) leitet. Der Grundzustand eines Thyristors ist daher praktisch stromlos. Genau wie der NPN-Transistor erhält auch der Thyristor seine Funktionsfähigkeit dadurch, dass die zwischen den N-Schichten gelegene P-Schicht sehr dünn gehalten und deutlich weniger stark dotiert wird als die darüber gelegene N-Schicht (nC in . Abb. 3.27). Diese P-Schicht . Abb. 3.27 Der prinzipielle Aufbau eines Thyristors und sein Schaltsymbol. Dieses verdeutlicht seine Funktion als einschaltbare Diode

3

110

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.28 Eine typische Thyristorkennlinie; links unten in Rot der Sperrbereich, rechts in Magenta der Übergangsbereich, gezeichnet für vier Werte I3 ; I2 ; I1 ; 0 des Gate-Stroms, in Grün der Durchlassbereich

3

verhält sich wie die Transistorbasis, während die mit nC bezeichnete Schicht die Funktion des Emitters übernimmt. Wird die Diode D3 mit Hilfe des Gate-Anschlusses in Vorwärtsrichtung gepolt, dann sorgen Geometrie und Dotierungskonzentrationsgefälle dafür, dass viele Minoritätsträger die Sperrschicht der Diode D2 erreichen. Der größte Teil der Elektronen aus der Kathode erreicht daher die unten liegende N-Schicht – genau wie beim NPN-Transistor im Vorwärtsbetrieb. Der Unterschied: Wenn erst einmal ein Strom fließt, wächst die Anzahl der in die Sperrschicht eindringenden Elektronen lawinenartig an. Denn je mehr Strom fließt, desto mehr Elektronen werden von der Kathode geliefert. In diesem Fall sagt man, der Thyristor wurde gezündet. Er verhält sich nun so ähnlich wie eine einfache Diode, solange mindestens der so genannte Haltestrom fließt oder die Polung umgekehrt wird. Dann bricht der Strom zusammen, der Thyristor ist gelöscht. Das Verhalten eines Thyristors kann in der in . Abb. 3.28 gezeigten Kennlinie zusammengefasst werden. Wird er in Sperrrichtung angeschlossen, so fließt bis zur rückwärtigen Durchbruchspannung UBr nur ein sehr geringer Strom (roter Teil der Kennlinie in . Abb. 3.28). Bei Vorwärtspolung fließt zunächst ein mit dem Gate-Strom anwachsender Strom von der Anode zur Kathode (in Magenta gezeichneter Teil der Kennlinie in . Abb. 3.28). In diesem Bereich ist das Verhalten dem eines Bipolar-Transistors ähnlich. Ab einer Spannung, welche umso geringer ist, je mehr Strom durch das Gate fließt, zündet der Thyristor: die Spannung zwischen Anode und Kathode bricht zusammen, und es können sehr große Ströme fließen (grüner Teil der Kennlinie in . Abb. 3.28). Hat der Thyristor diesen Bereich erreicht, so bleibt er unabhängig vom Gate-Strom gezündet, solange der Haltestrom IH nicht unterschritten wird. Ab einer bestimmten Spannung, der sogenannten Vorwärtsdurchbruchspannung UD0 , zündet der Thyristor selbsttätig, also ohne Gate-Strom. Die Fläche eines Thyristors quer zur Stromrichtung bestimmt den maximalen Stromfluss. Denn je größer diese Abmessungen, desto geringer die Verlustleistungsdichte. Thyristoren sind keine nanoelektronischen Bauelemente. Im Extremfall wird ein ganzer Wafer zu einem einzigen Thyristor. Je geringer die Dotierungen der mittleren Diode, desto breiter ist die Verarmungszone. Bei einer gegebenen Spannung wird damit die Feldstärke an dieser Schicht mit abnehmender Dotierung kleiner. Thyristoren werden daher in krassem Gegensatz zu Prozessoren etc. oft unter Ausnutzung der kompletten Breite einer Siliziumscheibe bei geringer Dotierung im Zentrum gefertigt. Nur so sind an ihm Spannungen im 100 kV-Bereich möglich.

3

111 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.29 Das Schaltsymbol des TRIACs (links) und seine interne Struktur (rechts)

In Wechselspannungskreisen kann mit Hilfe eines Thyristors immer nur die Spannungshalbwelle durchgelassen werden, bei der der Thyristor in Vorwärtsrichtung gepolt ist. Daher werden bei 230 V-Anwendungen im Haushalt meist TRIACs verwendet. Das sind, wie . Abb. 3.29 zeigt, zwei in einem einzigen Bauelement vereinigte Thyristoren, deren GateAnschluss sowohl die eine, als auch die andere Stromrichtung zünden lässt. Mit Triacs werden zum Beispiel Dimmer angesteuert. Das Zünden eines Thyristors ist ein von außen nicht zu beeinflussender Vorgang. Er läuft innerhalb des Bauelements ab und ist durch größere Steuerströme nicht zu beschleunigen. Bei zeitkritischen Anwendungen sind Thyristoren daher zunehmend von Leistungs-MOSTransistoren abgelöst worden. 1 Leistungs-MOS-Transistoren schalten schnell

Leistungs-MOS-Transistoren ermöglichen schon heute Schaltfrequenzen über 500 Hz, Tendenz steigend. Sie werden daher gerne in Wechselrichtern und Schaltnetzteilen eingesetzt. Leistungs-MOSFETs sind meist selbstsperrende NMOS-Transistoren. Aufgrund von hier nicht beschriebenen Besonderheiten bei der Herstellung werden sie im Englischen als Double Diffused Metal Oxide Semiconductor Field Effect Transistor, kurz DMOS-Transistoren bezeichnet. Wenn deren Source- und Drain-Anschlüsse auf den gegenüberliegenden Seiten einer Siliziumplatte (wafer) liegen, spricht man von vertikalen Transistoren (VDMOS). . Abb. 3.30 zeigt, dass bei diesen Transistoren Source und Drain sehr verschieden ausgeführt sind. Der Source-Anschluss umschließt das Gate, so dass bei positiver Gate-Source-Spannung ein leitender Kanal unter dem Siliziumdioxid in den Bereich unter der Mitte des Gate-Anschlusses entsteht. In diesem Bereich reicht der Drain-Anschluss bis unter das Oxid, und die von der Source kommenden Elektronen können bis zum Drain-Anschluss weiterdriften. Die Länge des Inversionskanals wird also nicht durch die Geometrie des Gates, sondern durch die Geometrie der Dotierungsgebiete bestimmt: Die Kanallänge wächst, je weiter das Body-Gebiet unter das Oxid reicht; und sie wird um so kleiner, je weiter das Source-Gebiet reicht. Um sicherzustellen, dass unter allen Umständen die Body-Source-Diode gesperrt bleibt, werden Body und Source in der Regel kurzgeschlossen. Das elektrische Verhalten eines VDMOS-Transistors ist dem eines normalen Transistors ähnlich. Wegen der sehr viel größeren Abmessungen sind die Sperrströme, welche auch dann

. Abb. 3.30 Querschnitt durch einen Leistungs-MOS-Transistor vom Typ VDMOS mit den Anschlüssen Body (B), Source (S), Gate (G) und Drain (D). Der schraffierte Bereich ist Siliziumdioxid. Der Weg der Elektronen ist in Grün dargestellt

B S

p+

n+

G

p-

S B

pnn+ D

n+

p+

112

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.31 Ausgangskennlinie eines VDMOS-Transistors. Die rot gezeichneten Sperrströme fließen bei UGS D 0. Die grün gezeichneten Linien gehören jeweils zu einem festen, von Null verschiedenen Wert von UGS

3

fließen, wenn die Gate-Source-Spannung gleich Null ist deutlich größer als bei anderen MOSTransistoren. Wie . Abb. 3.31 zeigt, sind sie nicht zu vernachlässigen. Dieser Arbeitsmodus wird als Blockierzustand bezeichnet. Für kleine Ströme gelten (3.27) und (3.25) näherungsweise auch hier. In . Abb. 3.31 wird deutlich, dass die Ausgangskennlinie der eines Bipolar-Transistors überraschend ähnelt. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um einen MOS-Transistor handelt. ! Vorsicht Missverständnis! Bei DMOS-Transistoren werden oft Begriffe aus der Bipolar-Technik verwandt, die eigentlich nicht passen: Der Abschnürbetrieb wird aktiver Vorwärtsbetrieb genannt und der Anlauf als Sättigung bezeichnet. Bisweilen werden sogar Source und Drain als Emitter und Kollektor bezeichnet. Diese Bezeichnungen dürfen nicht wörtlich genommen werden.

Wird ein DMOS-Transistor zum Einschalten einer großen Leistung verwandt, dann stellt er zunächst einen sehr großen Widerstand dar. Es liegt daher zunächst eine sehr große DrainSource-Spannung an. Wird an das Gate dann eine Spannung gelegt, so nimmt die Leitfähigkeit zu und damit UDS ab. Um möglichst die Verlustleistung gering zu halten, muss die GateBody-Spannung so groß gewählt werden, dass die Drain-Source-Spannung möglichst schnell zusammenbricht. Der Abschnürbereich (die Sättigung) wird also nur kurzzeitig durchlaufen, und der Transistor erreicht den Anlauf (den Normalbetrieb). In diesem Bereich spielen die Ohm’schen Widerstände im Halbleitermaterial eine erhebliche Rolle. Sie werden in der Größe RDS.on/ D UDS =ID zusammengefasst. Um so große Ströme zu ermöglichen, werden oft ganze Felder von VDMOS-Transistoren auf einem einzigen Wafer parallel geschaltet. Alle zusammen, und das können über 800.000 Transistoren auf einem cm2 sein, verhalten sich dann wie ein einziger großer Transistor. Dessen Stromdichte ist jedoch dadurch begrenzt, dass der gesamte Strom durch die relativ schmale Inversionszone fließt. Die dadurch lokal extrem große Stromdichte wird bei dem IGBTs (Insulated Gate Bipolar Transistor) dadurch überwunden, dass die Body-Drain-Diode zur Stromleitenden Basis-Kollektor-Diode umfunktioniert wird. 1 IGBT heißt die Hochleistungs-Mischung aus MOS- und Bipolar-Transistoren

. Abb. 3.32 zeigt, dass sich ein IGBT technologisch vom VDMOS-Transistor durch eine zusätzliche Diode unterhalb des Drain-Gebietes unterscheidet. Dass durch diese Diode erhebliche größere Ströme ermöglicht werden, erklärt sich wie folgt:

113 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.32 Querschnitt durch einen IGBT mit den Anschlüssen Emitter (E), Gate (G) und Kollektor (C). Der schraffierte Bereich ist Siliziumdioxid. In Grün ist der Weg der Elektronen dargestellt, in Rot der der Löcher

Der Elektronenstrom vom Emitter zum Kollektor eines IGBTs verläuft genauso wie der eines Leistungs-MOS-Transistors von der Source zur Drain, in . Abb. 3.32 also von oben nach unten. Die neue Diode am Ende des Weges der Elektronen ist in Vorwärtsrichtung gepolt, stellt also keine Barriere dar. Dennoch ist sie es, die den Unterschied ausmacht. Denn der Strom an einem in Vorwärtsrichtung gepolten PN-Übergang wird von denjenigen Ladungsträgern dominiert, deren Dichte in Übergangsnähe größer ist. Wenn beispielsweise das zusätzliche untere P-Gebiet 50-mal so hoch dotiert (daher in . Abb. 3.32 mit pC bezeichnet) ist wie das darüber liegende N-Gebiet (daher mit n bezeichnet), dann wandern für jedes Elektron, welches das unten liegende P-Gebiet erreicht, etwa 50 Löcher in das darüber liegende N-Gebiet ein. Es sind diese Löcher, deren Bewegung den größten Teil des Stromes ausmachen. Denn wenn sich die Elektronen von oben nach unten bewegen, müssen sich die Löcher genau in der entgegengesetzten Richtung bewegen. In dem nur sehr schwach dotierten N-Gebiet rekombinieren nur wenige. Die meisten Löcher erreichen daher die nächste, nun allerdings in Sperrrichtung gepolte Diode. Da die Löcher aber im N-Gebiet Minoritätsträger sind, stellt diese Diode auch keine Barriere dar. Der Strom kann bis zum oberen Bauteilanschluss weiterfließen. Im Gegensatz zum Elektronenstrom steht ihm dabei der gesamte Bauteilquerschnitt zur Verfügung, und nicht nur der Kanal unter dem Oxid. Die Überflutung eines in Sperrrichtung gepolten pnÜbergangs ist aber ein Charakteristikum bipolarer Transistoren. Daher wird das ganze Bauteil insulated gate bipolar transistor genannt.

Ein in einer schwach n-dotierten Siliziumscheibe realisierter IGBT verhält sich wie ein NMOS-Transistor, dessen Elektronenstrom durch den Löcherstrom einer stark asymmetrisch dotierten Diode hinter der Drain vervielfältigt wird.

Wird ein p-dotiertes Basismaterial verwendet, so entsteht ein PMOS-Transistor, dessen Löcherstrom durch den Elektronenstrom einer vorwärts gepolten Diode vervielfältigt wird. Im Vergleich zu MOS-Transistoren erreichen IGBTs daher größere Stromdichten, allerdings um den Preis erhöhter Schaltzeiten: Wenn ein großer Strom fließt, ist das schwach dotierte N-Gebiet mit Minoritätsträgern angefüllt. Die angrenzende Diode sperrt erst wieder, wenn all diese Minoritätsträger abgeflossen sind. Die Kennlinie eines IGBTs ist, da dieser technologisch eine Fortentwicklung des LeistungsMOS-Transistors ist, der in . Abb. 3.31 gezeigten Kennlinie sehr ähnlich. Der Unterschied besteht praktisch nur in einer Spannungsverschiebung der Kennlinie um ca. 0,7 V nach rechts. Diese Verschiebung ist der zusätzlichen Diode vor dem Drain- bzw. Kollektor-Anschluss geschuldet. Die Kniespannung dieser Diode kann bei sehr großen Strömen zu einer erheblichen Verlustleistung führen.

3

114

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

Da ein IGBT, genau wie ein Thyristor über eine npnp Schichtenfolge verfügt, ist ein unkontrolliertes Durchzünden grundsätzlich möglich. Es wird jedoch bereits auf der Herstellerseite durch geschickte Wahl der Dotierungsprofile vermieden, so dass es in der Anwendung nicht vorkommt.

3 3.1.7 Ersatzschaltbilder Die Kennlinien aktiver Bauelemente sind entweder solcher Natur, dass sie in Schaltungsberechnungen zu nicht explizit lösbaren Gleichungen führen oder gar nicht analytisch bekannt sind. Daher wird mit Ersatzschaltbildern gearbeitet. Das sind Linearisierungen der Kennlinien. Die Exponentialfunktion in der Diodenkennlinie ist im praktischen Alltag kaum als solche zu erkennen. Dazu müssten Ströme im Nano-Ampere-Bereich dargestellt werden. . Abb. 3.33 zeigt: Bei Strömen im Milli-Ampere-Bereich scheint die Kennlinie aus zwei Geraden zu bestehen, von denen eine auf der Strom-Nulllinie verläuft und die andere bei einer bestimmten Spannung, auch Knickspannung, Kniespannng oder Schleusenspannung genannt, fast senkrecht ansteigt. Daher ist das einfachste Ersatzschaltbild einer Diode in Vorwärtsrichtung eine Konstantspannungsquelle. Definition 3.3 Die Schleusen- oder Kniespannung UK ist die Spannung, bei der ein Diodenstrom von einem Zehntel des maximal zulässigen Stromes fließt.

Oft wird auch die folgende Definition verwendet: Die Schleusenspannung UK ist die Spannung, bei der ein Diodenstrom von I D 1 mA fließt. Die Knick- oder Schleusenspannung ist eine Hilfsgröße ohne theoretisches Fundament. Ihr praktischer Wert liegt darin begründet, dass in ihrer Umgebung erstens selbst bei großen Stromänderungen die Spannung fast konstant ist und zweitens die Ströme bei kleineren Spannungen sehr schnell vernachlässigbar klein werden.

Eine Diode, an der weniger als die Schleusenspannung anliegt, gilt als gesperrt.

. Abb. 3.33 Die Diode und ihre Ersatzschaltbilder: Original, Konstantspannungsquelle, Kleinsignalwiderstand

115 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

C B

VorwärtsBetrieb

RückwärtsBetrieb

IB

Bf IB UBC

UBE

IB

Sperrung

Sättigung

UBC Br I B

UBE

E . Abb. 3.34 Ersatzschaltbilder des NPN-Transistors nullter Ordnung

1 Kleinsignalparameter geben lineare Abweichungen von einem Ausgangspunkt an

Sollen die kleinen Strom-Spannungsschwankungen um einen Punkt herum berechnet werden, so werden der differenzielle Widerstand, r; oder der Kleinsignalwiderstand verwendet (. Abb. 3.33 rechts):  1 dI d  U=UT I e D D IS 1  : r dU dU UT

(3.29)

Dabei bietet sich bei Dioden als Ausgangspunkt die Schleusenspannung an. Erstaunlicherweise ist bei gegebenem Strom der Kleinsignalwiderstand nur von der Temperatur abhängig; alle technologischen Details, selbst das verwendete Material, fallen heraus. In Rückwärtsrichtung gepolt verhält sich eine Diode wie ein spannungsabhängiger Kondensator (siehe (3.13)). Beim Entwurf und bei der Analyse von Schaltungen mit Bipolar-Transistoren ist es ratsam, mit den in . Abb. 3.34 gezeigten, groben Modellen zu beginnen, um Klarheit über die Betriebszustände zu bekommen. Diese Vereinfachungen reichen in der Regel, um bipolare Digitalgatter zu verstehen. Sie heißen auch Ersatzschaltbilder nullter Ordnung, weil noch nicht einmal lineare Zusammenhänge zwischen Strom und Spannung berücksichtigt sind. . Abb. 3.35 zeigt, dass sogar die Annahme einer konstanten Stromverstärkung meist bis auf wenige Prozent genau ist. Im Alltag sind die folgenden auf der Schleusenspannung UK basierenden Tests sehr nützlich um den Betriebszustand eines Transistors festzustellen:

Wenn die Annahmen UBE D UK und IC D Bf IB zum Resultat UBC < UK führen, dann ist der Transistor im Vorwärtsbetrieb; wenn nicht, dann ist er in Sättigung.

Dabei bedeutet in den meisten Fällen UBC < US ; dass UBC negativ ist. Der komplementäre Test lautet:

Wenn die Annahmen UBE D UK und UCE D UK zum Resultat IC < Bf IB führen, dann ist der Transistor in Sättigung; wenn nicht, dann ist er im Vorwärtsbetrieb.

Für Tests des Rückwärtsbetriebs müssen oben Kollektor und Emitter vertauscht werden (siehe Aufgabe 3.39).

3

116

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

3

. Abb. 3.35 Messung der Kollektor-Emitter-Kennlinien IC D f .UCE / für verschiedene Basisströme am Transistor des Typs BC140 (Quelle: FH Münster, Elektrotechnik)

1 Die Menge aller zeitlichen Durchschnittswerte heißt Arbeitspunkt

Mit Hilfe der Ersatzschaltbilder nullter Ordnung lässt sich der Arbeitspunkt abschätzen. Diesem Begriff liegt die Idee zugrunde, dass die Ströme und Spannungen in einer Schaltung über große Zeiträume konstante Mittelwerte haben, um die herum von der Zeit abhängige Änderungen passieren. Im einfachsten Falle wären dies Ströme vom Typ I.t / D I0 C I1 sin.!t /. Hier würde der Strom I0 Strom des Arbeitspunktes genannt werden. Der Arbeitspunkt einer Schaltung ist also die Menge all seiner Strom- und Spannungs-Mittelwerte. Die interessanten, zu analysierenden oder zu verstärkenden Anteile sind dabei in der Regel die Abweichungen vom Arbeitspunkt. Da selbst das Ebers-Moll Transistor-Modell (3.18) schon bei einfachen Schaltungen zu unlösbaren Gleichungssystemen führt, muss linearisiert werden. 1 Kleinsignalströme und -spannungen stehen für totale Differenziale

Dabei hat sich in der Elektrotechnik die Nomenklatur eingebürgert, anstelle totaler Differenziale .dU; dI / kleine Buchstaben .u; i/ zu verwenden. Die Linearisierung des BipolarTransistors basiert aus guten Gründen (siehe Aufgabe 3.45) auf der Hybrid-ParameterMatrix h: ! ! ! ! uBE iB dIB dUBE D Dh D h : (3.30) dIC iC uCE dUCE @UBE Lässt man die Rückwirkung h12 D @U außen vor, dann kann (3.30) als Schaltung für kleiCE ne Strom- und Spannungsänderungen gelesen werden: dUBE D h11 dIB ist eine Variante des Ohm’schen Gesetzes, beschreibt also einen Widerstand: h11 D rBE . Das Differenzial des Kol-

3

117 3.1  Theoretische Grundlagen der Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.36 KleinsignalErsatzschaltbilder für den PNP-Transistor (oben) und den NPN-Transistor (unten) im Vorwärtsbetrieb nach der h-Parameter Matrix

IE

E

PNP-Transistor

iB

rBE

IB

B C

βiB

Linearisierung

rCE

IC

iC

IC

iC

C

NPN-Transistor

iE

βiB

IB

rCE

iB

B E

Linearisierung

IE

rBE iE

lektorstroms setzt sich aus zwei Teilen zusammen: dIC D h21 dIB C h22 dUCE . Dies ist eine Parallelschaltung (Stromsumme!) aus einer von der Basis gesteuerten Stromquelle und einem Widerstand 1=rCE D @IC =@UCE . So ergibt sich insgesamt das in . Abb. 3.36 gezeigte Bild. Der untere Teil der Hybrid-Parameter-Matrix ist durch den rechten Teil des Ersatzschaltbildes dargestellt, der obere Teil durch rBE .19 Für den PNP-Transistor gilt Analoges mit der folgenden Konvention: Alle Richtungen der Ströme sind so gewählt, dass die Ströme im Vorwärtsoder Normalbetrieb positiv sind. Für den PNP-Transistor heißt das: Der Strom fließt in den Emitter herein20 und aus Kollektor und Basis wieder heraus. Bei hohen Frequenzen sind die in . Abb. 3.37 gezeigten Parasitärkapazitäten an den PNÜbergängen zu berücksichtigen (vgl. (3.13)). An jedem PN-Übergang gibt es eine Sperrschichtkapazität. Der MOS-Transistor im Abschnürbereich hat in nullter Näherung einen von UDS unabhängigen Drain-Strom. So ist der NMOS-Transistor in nullter Näherung durch eine Stromsenke und der PMOS-Transistor in nullter Näherung durch eine Stromquelle charakterisiert. In erster Ordnung kann die Abweichung des Drain-Stromes vom Arbeitspunkt unabhängig vom Betriebszustand als iDS D dIDS D

@IDS @IDS dUGS C dUDS @UGS @UDS

(3.31)

. Abb. 3.37 Parasitärkapazitäten des PNPTransistors im Vorwärtsbetrieb

19 Es gibt keine allgemeingültigen Kleinsignal-Ersatzschaltbilder für Transistoren. Denn diese sind Abbild der verwendeten Gleichungssysteme. Ständen anstatt UBE und IC zum Beispiel IB und IC auf der linken Seite von (3.30), so ergäben sich andere Bilder. 20 Zeichnet man Schaltungen so, dass der Strom von oben nach unten fließt und die Pfeile an den Transistoren in die gleiche Richtung zeigen, dann vermeidet man fast alle Vorzeichenprobleme.

118

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

S

D ISD gm

G

IDS gd

Linearisierung

IDS

3

D

iDS

G Linearisierung

D

S

S

PMOS

beide

NMOS

. Abb. 3.38 Das gemeinsame Kleinsignal-Ersatzschaltbild für den PMOS- und den NMOS-Transistor

geschrieben werden. Dies ist also die in . Abb. 3.38 gezeigte Parallelschaltung (Stromsumme) einer spannungsgesteuerten Stromquelle und einem Widerstand. Gl. (3.31) wird meist in der folgenden Form geschrieben: iDS D iD iD

D gm  uGS C gd  uDS

.immer/

D gm  uG C gd  uD

.wenn US konstant ist/:

(3.32)

Dies gilt sowohl für NMOS- als auch für PMOS-Transistoren. Eine genauere Analyse der partiellen Ableitungen führt zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass beide Dotierungsvarianten ein gemeinsames Ersatzschaltbild haben: So ergibt sich zum Beispiel im Abschnürbereich nach (3.26) iD D ˇN .UGS  UT h;N /.1 C N UDS /ug C

ˇN .UGS  UT h;N /N uD 2

(3.33)

für NMOS-Transistoren. Entsprechend wird nach (3.28) für PMOS-Transistoren mit Hilfe von dID D dIDS D dISD iD D ˇP .UT h;P  UGS /.1 C P UDS /ug C

ˇP .UT h;P  UGS /.P /uD ; 2

(3.34)

woraus folgt, dass auch bei diesem alle Faktoren zwischen den Kleinsignal Drain-Strömen und den Kleinsignalspannungen positiv sind. So ergibt sich der in . Abb. 3.38 gezeigte Sachverhalt:

PMOS- und NMOS Transistoren kann ein gleich aussehendes Kleinsignal-Ersatzschaltbild zugeordnet werden und alle in seiner mathematischen Beschreibung auftauchenden g Faktoren sind positiv.

Die höchstmöglichen Umschaltfrequenzen werden durch die Parasitärkapazitäten mit bestimmt. Im Detail ist deren Beschreibung recht komplex (siehe [7]). Sie ergeben sich aus der in . Abb. 3.21 gezeigten Geometrie und sind in . Abb. 3.39 zusammengefasst. Die in . Abb. 3.39 benutzten Bezeichnungen lehnen sich an die des Simulators SPICE [1] an. CGSO und CGDO stehen für gate source overlap und gate drain overlap. Ihr Ursprung ist einerseits die Tatsache, dass in der Realität die Source- und Drain-Dotierungen etwas unter das Gate diffundieren. Andererseits gibt es auch noch elektrische Streufelder, deren Feldlinien nicht

119 3.2  Fragen und Aufgaben zu Halbleiter-Bauelementen

. Abb. 3.39 Parasitärkapazitäten eines MOS-Transistors

senkrecht durch das Gate-Oxid ausgerichtet sind, sondern Gate und Drain bzw. Gate und Source verbinden. In den leitenden Zuständen des Kanals kommt die direkte Kopplung zwischen Kanal und Gate hinzu. CJSB und CJDB stehen für junction source body und junction drain body. Diese sind die Kapazitäten der PN-Übergänge. CGB ist die Parasitärkapazität zwischen Gate und Body. Sie ist von allen die kleinste. Bei den seit 2011 auf dem Markt befindlichen dreidimensionalen Transistoren sind, wie in . Abb. 3.25 gezeigt, CJSB und CJDB gegenüber herkömmlichen MOS-Transistoren um fast eine Größenordnung geringer als bei herkömmlichen Geometrien. So werden höhere Taktraten ermöglicht.

3.2

Fragen und Aufgaben zu Halbleiter-Bauelementen

3.2.1 Fragen aus mündlichen Prüfungen 3.1 Welcher Bindungstyp hält Halbleiter zusammen? Ist das

a) die ionische Bindung, b) die metallische Bindung oder c) die kovalente Bindung? 3.2 Was haben die Energiebänder von Festkörpern mit atomaren Energieniveaus zu tun?

a) Die Energiebänder sind die nahe beieinander liegenden Energieniveaus der Einzelatome. Sie erscheinen als Band, weil es so viele sind. b) Die Energiebänder ergeben sich aus Linearkombinationen der Wellenfunktionen der Elektronen der Atome. c) Es gibt keinen einfachen Zusammenhang, denn Atome werden in der Atomphysik, Festkörper in der Festkörperphysik analysiert. 3.3 Was ist eine Elektronenvolt?

a) Die Energie, die ein Elektron beim Durchlaufen eines Potenzialgefälles von einem Volt gewinnt. b) Die Spannung, welche durch ein Elektron hervorgerufen wird. c) Eine durch thermische Elektronenbewegung entstehende Spannung von 1 V 3.4 Wo liegt energetisch das Energieband der Donator-Elektronen eines n-dotierten Halblei-

ters? a) Es liegt knapp über dem Valenzband. b) Es liegt in der Mitte zwischen dem Leitungs- und dem Valenzband. c) Es liegt knapp unter dem Leitungsband.

3

120

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

3.5 Wie ist die Gesamtladung der Verarmungszone einer nicht angeschlossenen Diode?

3

a) Die Gesamtladung ist positiv, wenn das p-dotierte Silizium höher dotiert ist als das ndotierte, und negativ im entgegengesetzten Falle. b) Die Gesamtladung ist null. c) Die Gesamtladung ist negativ, wenn das p-dotierte Silizium höher dotiert ist als das ndotierte, und positiv im entgegengesetzten Falle. 3.6 Eine Solarzelle wird von einer monochromatischen Leuchtdiode beschienen und liefert trotzdem keinen Strom. Was hat Aussicht auf Erfolg? a) Den Strom durch die Leuchtdiode verdoppeln. b) Die Spannung an der Leuchtdiode um 3 % erhöhen. c) Die Leuchtdiode durch eine Halogenlampe ersetzen. 3.7 Woran erkennt man, dass sich ein Bipolar Transistor im Zustand der Sättigung befindet?

a) Die Stromverstärkung hat ihren Maximalwert. b) Der Emitterstrom ist kleiner als der Kollektorstrom. c) Die tatsächliche Stromverstärkung ist kleiner als die im Datenblatt angegebene. 3.8 Woran erkennt man, dass sich ein Bipolar Transistor im Vorwärtsbetrieb befindet?

a) Die Potenziale sind so, dass die Basis-Emitter Diode in Vorwärtsrichtung gepolt ist und Basis-Kollektor Diode sperrt. b) Die Basis-Kollektor Diode wird in Vorwärtspolung betrieben. c) Es fließt kein Emitterstrom. 3.9 Woran erkennt man einen MOS Transistor im Abschnürbetrieb?

a) Zwischen Source und Drain verhält er sich ähnlich einer Stromquelle. b) Der Drain-Strom ist proportional zur Source-Drain-Spannung. c) Der Strom in die Drain ist größer als der Strom aus der Source. 3.10 „Wird der Haltestrom eines Thyristors unterschritten, so wird er gelöscht.“ Stimmt das? 3.11 „Source und Drain eines Leistungstransistors liegen links und rechts neben dem Gate-

Oxid.“ Stimmt das? 3.12 „Die in der Kleinsignalanalyse vorkommenden Ströme und Spannungen sind mathema-

tisch gesehen partielle Ableitungen.“ Stimmt das? 3.13 „Bei schnellen Schaltungen mit Bipolar-Transistoren sollte der Sättigungsbetrieb vermieden werden.“ Stimmt das? 3.14 „Je größer der Betrag der Early-Spannung eines Transistors, desto besser sind dessen

Stromquelleneigenschaften.“ Stimmt das? 3.15 Was zeichnet einen sogenannten 3 D Transistor aus? 3.16 Was ist ein 3/5-Halbleiter? 3.17 Welche Vor- und Nachteile hat Silizium als Material für Halbleiter-Bauelemente gegen-

über Germanium?

121 3.2  Fragen und Aufgaben zu Halbleiter-Bauelementen

3.18 Was ist ein Schottky-Transistor, und wozu braucht man ihn? 3.19 Bitte nennen und erklären Sie die zwei Effekte, welche bei einer Diode zu erheblichen Abweichungen der Kennlinie von der Shockley-Gleichung führen! 3.20 Was ist ein Zener-Durchbruch?

3.2.2 Klausuraufgaben 3.21 Welche Form bilden die Orbitale der äußeren Elektronen des Silizium-Atoms und

warum? 3.22 Wie viele Joule sind ein Elektronenvolt? 3.23 Welche Ladungsträger können Verarmungszonen durchqueren? 3.24 Ein PN-Übergang habe eine Diffusionsspannung von UD D 0;8 V. Welche Spannung

wird gemessen, wenn das P-Gebiet an den Minus-Anschluss eines Spannungsmessers und das N-Gebiet an dessen Plus-Anschluss gelegt wird? 3.25 In einer Solarzelle, wie die in . Abb. 3.40 gezeigte, verpasst ein Photon gerade die

Verarmungszone und erzeugt ein Elektron-Loch-Paar einige Atomradien neben der Verarmungszone im N-Gebiet. Trägt dieses Photon zum Leistungsertrag der Solarzelle bei?

. Abb. 3.40 Zur Aufgabe 3.25: Modul aus Solarzellen. Die Solarzelle ist das mittlerweile bekannteste HalbleiterBauelement (Foto: www.pixabay.com)

3

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

. Abb. 3.41 Zur Aufgabe 3.29: Gemessene StromSpannungs-Kennlinie einer Diode. Aus dieser Diodenkennlinie lassen sich IS und UT bestimmen

3

10 Strom in Ampère

122

1 0.1 0.01

0.6 0.61 0.62 0.63 0.64 0.65 0.66 0.67 0.68 0.69 0.7 Spannung in Volt

3.26 Welche Durchbruch-Mechanismen gibt es bei Dioden? 3.27 Eine in Sperrrichtung gepolte Diode hat laut Kennlinienformel (3.15) einen fast kon-

stanten Sperrstrom IS . Nimmt man aber die Kennlinie mit einem Oszilloskop auf, dann ist in Sperrrichtung meistens kein Strom auszumachen. Woran liegt das? a) Das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. b) Das liegt an der Rückwärtsbeschleunigung der Minoritätsträger. c) Das liegt am angelegten Strom-Maßstab. 3.28 Stimmt es, dass die Verarmungszone eines PN-Übergangs bei Vorwärtspolung verschwindet? 3.29 . Abb. 3.41 zeigt die gemessene Strom-Spannungs-Kennlinie einer Diode. Bitte be-

stimmen Sie daraus die Temperaturspannung und den Sperrstrom. Welche Kleidungsstücke wurden bei der Messung benötigt? a) Pelzmütze, b) Badehose / Bikini? 3.30 Wie lässt sich eine spannungsgesteuerte Stromquelle am leichtesten realisieren? 3.31 Welche Bedingung muss erfüllt sein, damit ein (P- oder N-) MOS-Transistor in einen

Strom leitenden Zustand kommt? Und welche Bedingung muss zusätzlich erfüllt sein, damit er sich im Anlauf befindet? 3.32 Was bedeutet Hochinjektion (engl: high injection?) a) Intramuskuläre Verabreichung oberhalb des Bauchnabels, b) Minoritätsträger-Überschuss oder c) Eindringen hoch-energetischer Ladungsträger ins Feldoxyd. 3.33 Zeigen Sie, dass bei T D 0 K alle Energieniveaus eines Festkörpers unterhalb der Fermi-

Energie besetzt und alle darüber leer sind. 3.34 Für reines Silizium erfüllen die Elektronendichte n und die Löcherdichte p die Gleichgewichtsbedingung n  p D n2i . Gilt dies auch für dotierte Halbleiter, und wenn ja (nicht), warum (nicht)?

123 3.2  Fragen und Aufgaben zu Halbleiter-Bauelementen

. Abb. 3.42 Zur Aufgabe 3.39: Einfache Anschlussumgebung für einen Bipolar-Transistor

3.35 . Abb. 3.9 zeigt schematisch die Ionenverteilung an einem abrupten PN-Übergang. Bitte

skizzieren Sie die Feldstärke und das Potenzial als Funktion des Ortes. Wenn das Potenzial ganz links Null ist, wie nennt man den Wert, den es ganz rechts hat? 3.36 Bitte skizzieren Sie in halblogarithmischer Darstellung die Ladungsträgerdichten als

Funktion des Ortes einer in Flussrichtung gepolten Diode, an der von außen weniger als die Diffusionsspannung anliegt. Die Akzeptoren-Konzentration sei höher als die DonatorenKonzentration. 3.37 Aus welchen Teilströmen setzt sich der Basisstrom eines Bipolar-Transistors im Normal-

betrieb zusammen, und welcher der beiden hat Auswirkungen auf den Early-Effekt? 3.38 Sie schalten eine Silizium-(PN-)Diode in Reihe mit einer Schottky-Diode, so dass durch

beide ein Strom von 12,9 mA fließt. Welche Spannung fällt an beiden zusammen ab und wie groß ist der Kleinsignal-Widerstand der Gesamtanordnung? 3.39 In . Abb. 3.42 sehen Sie eine Spannungsversorgungseinheit mit zwei Innenwiderstän-

den von R D 1 k und Leerlaufspannungen von UC D U D 5;65 V. Bitte schließen Sie einen PNP-Bipolar-Transistor, (ohne Early-Effekt, ohne Rückwirkungen des Kollektors auf die Basis) mit einer Vorwärts-Stromverstärkung Bf D 20, einer Rückwärts-Stromverstärkung Br D 0;1 und UBE D 0;65 V so an, dass er a) im Vorwärtsbetrieb, b) im Rückwärtsbetrieb, c) gesperrt oder d) in Sättigung ist. Dabei sollen keine zwei Transistor-Anschlüsse auf das gleiche Potenzial gelegt werden.

3.40 In einem Automobil soll ein Schrittmotor von einem Digitalchip angesteuert werden.

Der Chip liefert zwischen 0 und UChip D 3;3 V Ausgangsspannung. Der Schrittmotor braucht jedoch den vollen Hub des Bordnetzes VC C D 12 V: Zur Anbindung wird die in . Abb. 3.43 gezeigte, invertierende Schaltung und ein Transistor mit dem ebenfalls abgebildeten Kennfeld verwandt. Der Ausgangswiderstand der Schaltung darf maximal 500  betragen, der Umschaltpunkt sei so gewählt, dass bei UE D UChip =2 gerade UA D VC C =2. Bitte bestimmen Sie zeichnerisch den Wert der beiden Widerstände. Mit welcher Veränderung der Schaltung könnte die Verlustleistung deutlich gesenkt werden? Wie könnte die Schaltung weniger anfällig für Störungen gemacht werden? Wäre eine kostengünstigere Variante denkbar? 3.41 Was geschieht mit einem Minoritätsträger, nachdem er eine Verarmungszone passiert

hat? 3.42 Warum zündet ein Power-MOS-Transistors nicht in ähnlicher Weise wie ein Thyristor?

3

124

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

3

a

b

. Abb. 3.43 Zur Aufgabe 3.40: Invertierende Schaltung zur Pegel-Anpassung (a) und das Kennlinienfeld des dazugehörigen Transistors (b)

3.43 Zeigen Sie, dass aus den Temperaturabhängigkeiten der Elektronen- und Löcherdichten

(3.2) und (3.4) eines nicht dotierten Halbleiters folgt, dass die Fermi-Energie EF in der Mitte der Bandlücke liegt. 3.44 Ein PN-Übergang hat eine symmetrische Sperrschicht der Breite b. Innerhalb dieser

Sperrschicht sei im x D b=2: : :b=2 die Ionenverteilung in guter Näherung durch   Bereich 18 3 mit N gegeben. Außerhalb der Sperrschicht ist dies die N.x/ D N0  sin x 0 D 10 m b Dichte der Donatoren und Akzeptoren: Wie groß ist die Diffusionsspannung und welchen Wert hat die Sperrschichtbreite b? 3.45 Welche Matrix wird zur Beschreibung der Bipolar-Transistor-Eigenschaften benutzt und warum? Bitte nennen Sie drei der vier Elemente der Matrix. 3.46 Wie müsste das Kleinsignal-Ersatzschaltbild des Bipolar-Transistors verändert werden, wollte man die Rückwirkung der Kollektor-Emitter-Spannung auf die Basis Emitter-Spannung berücksichtigen? 3.47 Bitte skizzieren Sie den Querschnitt durch einen Kondensator auf einem MOS-Chip. Der Kondensator soll die Kathode an Masse und eine möglichst große Flächenkapazität haben. Wie hängt die Kapazität von der Spannung ab? 3.48 Ein Silizium-Chip hat ein d D 1 m tiefes, mit durchschnittlich ND D 1024 m3 Dona-

toren dotiertes Diffusionsgebiet. Wie groß sind dessen spezifischer Widerstand und Schichtwiderstand? Welchen Widerstand hätte eine w D 2 m breite und l D 0;1 mm lange Leiterbahn? Wie würden sich der spezifische Widerstand und der Schichtwiderstand ändern, wenn aufgrund einer unbeabsichtigten Erwärmung der Produktionsumgebung die gleiche Anzahl der Donatoren über die doppelte Tiefe verteilt würde?

125 3.3  Antworten zu Kap. 3

3.49 Welche der folgenden Aussagen stimmt?

Beim Übergang eines NPN-Transistors von der Sättigung zum Rückwärtsbetrieb a) . . . nimmt die Anzahl der in die Basis-Emitter-Verarmungszone gelangenden Majoritätsträger zu. b) . . . nimmt die Anzahl der in die Basis-Emitter-Verarmungszone gelangenden Minoritätsträger zu. c) . . . nimmt die Anzahl der Minoritätsträger in der Basis zu. d) . . . wird die Verarmungszone zwischen Basis und Emitter schmäler. 3.50 Zu welchem Zeitpunkt ist die Verlustleistung eines IGBT maximal? Gilt Entsprechendes auch für einen VDMOS-Transistor?

3.3

Antworten zu 7 Kap. 3

3.1 Antwort c) ist richtig. 3.2 Antwort b) ist richtig. Es gibt zum Beispiel für zwei Atome immer sowohl eine Linearkombination, deren zugehörige Bindungsenergie größer als die ursprüngliche atomare Bindungsenergie ist, und eine mit weniger Bindungsenergie. Bei sehr vielen Atomen ergeben sich zwei Gruppen von Linearkombinationen; solche mit mehr und solche mit weniger Bindungsenergie als beim Einzelatom. Alle Kombinationen mit starker Bindungsenergie liegen energetische nahe beieinander. Sie bilden das Valenzband. Die Kombinationen mit geringerer Bindungsenergie liegen ebenfalls energetisch nahe beieinander. Sie bilden das Leitungsband. 3.3 Antwort a) ist richtig, denn so ist 1 eV definiert. 3.4 Antwort c) ist richtig, und nur deshalb reicht die thermische Energie bei Raumtemperatur aus, (fast) alle Donator-Elektronen ins Leitungsband zu heben. 3.5 Antwort b) ist richtig. Die Verarmungszone entsteht durch Elektronenbewegung innerhalb

dieser Zone. Elektronen besetzen Löcher. Es bedarf keiner Ladungszufuhr von außen. 3.6 Antwort c) ist richtig. Wenn bei intakten Bauteilen kein Strom fließt, so bedeutet dies,

dass die Wellenlänge des Lichts zu groß ist. Eine Halogenlampe hat ein Emissionsspektrum, welches bis in den nahen UV-Bereich reicht und deshalb die besten Chancen bietet. 3.7 Antwort c) ist richtig. In Sättigung wird das Kollektor-Potenzial nahe dem Emitter-

Potenzial fixiert. Der Kollektor-Strom wird dann durch die dem Kollektor vorgeschalteten Widerstände begrenzt. 3.8 Antwort a) ist richtig. Normal- oder Vorwärtsbetrieb heißt: Die Basis-Emitter-Diode ist in

Vorwärtspolung, die Basis-Kollektor-Diode nicht. In diesem Betriebszustand hat ein Transistor die im Datenblatt angegebene Stromverstärkung.

3

126

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

3.9 Antwort a) ist richtig. Die Stromquellenähnlichkeit bei abgeschnürtem Kanal ergibt sich

aus der Tatsache, dass alle Ladungsträger, welche das Kanalende erreichen, von einem Potenzialgefälle zur Drain hingezogen werden. 3.10 Ja, das stimmt. Solange mindestens der Haltestrom fließt, bleibt er niederohmig.

3

3.11 Nein, das stimmt nicht, denn Leistungs-MOS-Transistoren sind in der Regel vertikal aufgebaut. Alles neben dem Gate-Oxid ist Source-Anschluss. Die Drain liegt auf der der Source gegenüber liegenden Seite des Wafers. Die Ladungsträger müssen also die gesamte Dicke des Halbleitermaterials durchqueren. 3.12 Nein, das stimmt nicht; i und u stehen für totale Differenziale. Dagegen sind Kleinsignalwiderstände in der Tat partielle Ableitungen. 3.13 Ja, das stimmt. Im Sättigungsbetrieb des Transistors befinden sich viele Minoritätsträger

in der Basis. Da diese gesperrte PN-Übergänge durchdringen, transportieren sie noch eine Zeitlang nach dem Ausschalten des Transistors Strom. Daher vergeht bis zum Sperren viel mehr Zeit, als aus dem Vorwärtsbetrieb heraus nötig ist. 3.14 Ja, das stimmt. Eine große Early-Spannung bedeutet eine flache I.U / Kennlinie. Die

Kollektor-Emitter-Strecke wird so zur guten Stromquelle. 3.15 Das Kürzel steht für einen dreidimensionalen MOS-Transistor. Source und Drain sind

nicht, wie sonst üblich, in das Substrat eindiffundiert/implantiert. Vielmehr stehen sie wie eine Mauer auf dem als Body fungierenden Substrat. Wegen der geringen Kontaktflächen zum Body sind die Leckströme solcher Transistoren viel geringer als bei konventionellen Transistoren. Der Verbindungskanal zwischen Source und Drain hat die Form eines Tunnels, dessen Auskleidung aus dem Gate-Oxid besteht. 3.16 Dies ist ein Halbleiter, welcher aus der gleichen Anzahl dreiwertiger und fünfwertiger

Atome besteht und eine Gitterstruktur ähnlich der des Siliziums hat. Solche Halbleiter werden meist aus im Periodensystem neben dem Silizium oder dem Germanium stehenden Elementen hergestellt. 3.17 Der größte Vorteil des Siliziums ist sein einfach herzustellendes und gleichzeitig sehr spannungsfestes Oxid: Quarz, SiO2 . Es ermöglicht die effiziente Herstellung von MOSTransistoren. Der Nachteil gegenüber dem Germanium besteht in der kleineren Beweglichkeit der Ladungsträger, weshalb bipolare Germaniumtransistoren meist schneller schalten als solche aus Silizium. 3.18 Ein Schottky-Transistor ist ein Bipolar-Transistor mit einer Schottky-Diode zwischen der

Basis und dem Kollektor. Diese sorgt dafür, dass die Spannung zwischen diesen beiden Anschlüssen nicht unter ca. 0,3 V abfällt. Sättigungseffekte würden aber eine Spannung von 0,6 - 0,7 V erfordern. Daher können Schottky-Transistoren nicht in Sättigung gehen und eignen sich so für schnelle Schaltungen. 3.19 Im Rückwärtsbetrieb führt die Paarerzeugung an Defektstellen in der Verarmungszo-

ne zu einer spannungsabhängigen Vergrößerung des Rückwärtsstromes, welcher dadurch den

127 3.3  Antworten zu Kap. 3

von der Shockley-Gleichung vorhergesagten Wert um Größenordnungen übersteigen kann. Im Vorwärtsbetrieb sorgen die Ohm’schen Widerstände von Substrat und Anschlüssen zu einem Strom, welcher geringer ist als der von der Shockley-Gleichung vorhergesagte. 3.20 Wird bei einer Diode in Rückwärtspolung die sogenannte Zener-Spannung erreicht, so

fängt der Strom an, sehr schnell mit der Spannung anzusteigen. Ursache ist der Tunneleffekt. Dieser beruht auf der Tatsache, dass nach den Regeln der Quantenmechanik ein Elektron kurzzeitig in Bereiche vordringen kann, für die es nicht genug Energie hat. Findet es jenseits eines solchen Bereichs ein Potenzial vor, welches niedriger ist als sein ursprüngliches, so bleibt es dort. Man sagt, es ist durch den Energieberg getunnelt. Bei einer Zener-Diode tunnelt ein Ladungsträger zum Beispiel vom Akzeptor-Band eines P-Gebiets in das Leitungsband eines N-Gebiets. 3.21 Die vier äußeren Elektronenorbitale bilden einen Tetraeder. Bei dieser Form sind alle

Elektronen gleich weit, und damit möglichst weit voneinander entfernt. Energetisch stellt für die vier äußeren Elektronen der Tetraeder also ein Minimum dar: möglichst nah am Kern und gleichzeitig möglichst weit voneinander weg. 3.22 1eV ist der Energiegewinn eines Elektrons beim Durchlaufen einer Potenzialdifferenz von 1 V. Das Potenzial ist aber nichts anderes als Energie pro Ladung: U D W =Q, und die Ladung ist eine Elementarladung Q  1;6 1019 C. Also ist W D Q  U D 1;6 1019 C  1 V D 1;6  1019 J. 3.23 Alle Minoritätsträger können Verarmungszonen passieren, und sie tun es zu 100 %, da

sie vom Feld in der Verarmungszone beschleunigt werden und auf dem Weg durch die Zone (bis auf die statistisch nicht ins Gewicht fallenden entgegenkommenden Minoritätsträger der anderen Fraktion) nichts zum Rekombinieren finden. Außerdem kann ein kleiner Teil der Majoritätsträger die Verarmungszone passieren. Es ist genau der Teil, der genügend Energie besitzt, um die Potenzialbarriere zu überwinden. Bildlich gesprochen ist dies die obere Ecke des thermischen Elektronen-Energiespektrums. 3.24 Es werden 0 Volt (keine Spannung) gemessen, da die Diffusionsspannung nicht nach

außen dringt (siehe auch . Abb. 3.10). 3.25 Ja! Allerdings hat ein Elektron im P-Gebiet am Rande der Verarmungszone nur eine

knapp 50 %ige Wahrscheinlichkeit, in die Zone einzudringen. Dann fliegt es jedoch mit fast 100 %iger Wahrscheinlichkeit bis in das N-Gebiet. Je weiter es vom Rand der Zone entfernt erzeugt wird, um so kleiner wird die Chance, diese zu erreichen. Insgesamt ergibt sich ein weicher Übergang: Tief in der Verarmungszone tragen alle Photonen zum Energiegewinn bei. Am Rande, aber noch innerhalb der Zone wächst die Chance, dass der Impuls des frisch erzeugten Elektrons ausreicht, um gegen das elektrische Feld aus der Verarmungszone herauszukommen. Genau am Rand beträgt die Chance 50 %, um dann mit wachsendem Abstand langsam gegen Null zu gehen. Dabei heißt großer Abstand: deutlich mehr als eine Diffusionslänge. 3.26 Lawineneffekt: Die Elektronen werden in der Verarmungszone so stark beschleunigt,

dass sie bei der nächsten Kollision mit einem Atomrumpf ein Elektron-Loch-Paar erzeugen. So steigt die Anzahl der Ladungsträger bei hinreichender Weite der Sperrschicht lawinenartig

3

128

3

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

an. Dieser Zusammenbruch erfordert also eine niedrige Dotierung, denn eine solche geht mit großen Weiten einher. Zener-Effekt: Wird die Feldstärke innerhalb der Verarmungszone so groß, dass ein Bindungselektron dadurch Energie abgeben kann, dass ein Stückchen entgegen dem elektrischen Feld ins Leitungsband eindringt, dann wechselt das Elektron mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit spontan vom Valenzband ins Leitungsband. Dies ist nur möglich, weil im Rahmen der Quantenmechanik das so genannte Tunneln möglich ist. Tunneln heißt, einen Bereich zu großer Energie überwinden und jenseits des Energieberges wieder herauskommen. Die Wahrscheinlichkeit des Tunnelns fällt sowohl mit dem Abstand, als auch mit der Höhe des Energieberges exponentiell ab. Dieser Zusammenbruch erfordert also eine sehr hohe Dotierung. Thermischer Durchbruch: Der thermische Durchbruch kann zusammen mit den beiden oben genannten Effekten oder bei sehr hohen Temperaturen auftreten. Der Strom in Sperrrichtung wird von in der Verarmungszone erzeugten Elektron-Loch-Paaren dominiert. Mit steigender Temperatur wächst die Anzahl dieser Paare lawinenartig an. Sie erzeugen bei einer in Sperrrichtung anliegenden Spannung USperr in der Sperrschicht eine Wärmeleistung P D .UD C USperr /I (siehe (3.11)). Wenn diese Wärme nicht schnell genug abgeführt wird (Kühlung), dann sorgen also mehr Paare für noch mehr Paare und so weiter, bis die Diode thermisch zerstört ist. 3.27

Zu a) Sagen Sie das nie, und schon gar nicht in einer Prüfungssituation. Entweder, die Theorie sagt das in der Praxis Gefundene richtig voraus, oder sie ist falsch. In diesem Fall ist die Theorie unvollständig: In der Shockley-Gleichung (3.15) ist die thermische Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren nicht berücksichtigt. Diese Erzeugung kann den Strom in Sperrrichtung leicht um einen Faktor 1000 erhöhen. Wenn er aber trotz dieses Faktors noch auf dem Oszilloskop unsichtbar bleibt, dann muss es einen anderen Grund geben. c) ist richtig. Der Sperrstrom liegt um Größenordnungen unterhalb der in Vorwärtsrichtung gemessenen Ströme. Er liegt daher optisch näher bei Null, als das menschliche Auge auflösen kann. Zu b) Das ist natürlich absoluter Quatsch. 3.28 Der Fall, dass die Sperrschicht einer Diode vollständig abgebaut wird, tritt praktisch

nie ein. In der Regel würde das Halbleiter-Bauteil vorher zerstört. Vielmehr bedeutet ein großer Diodenstrom dass die Potenzialbarriere der Sperrschicht ist so flach geworden, dass ein großer Teil der Majoritätsträger hindurch diffundieren kann. Man könnte auch sagen: Die Sperrschicht ist noch da, aber sie ist irrelevant. 3.29 Der lineare Verlauf der Kennlinie zeigt, dass hier mit der Näherung

I  IS e U=UT

(3.35)

gearbeitet werden kann. Aus der Steigung der Geraden kann die Temperaturspannung ermittelt werden, denn für zwei Messpunkte .U1 ; I1 / und .U2 ; I2 / gilt UT D

U1  U2 U1  U2 D : ln.I1 =I2 / log.I1 =I2 /  ln.10/

(3.36)

129 3.3  Antworten zu Kap. 3

Setzt man die Anfangs- und Endwerte der Messreihe ein, so ergibt sich eine Temperaturspannung von UT D 22 mV. Das entspricht einer Temperatur von 21 Grad Celsius und spricht eindeutig für ein Messen mit einer Mütze auf dem Kopf.21 Für den Sperrstrom kann nun UT in einen beliebigen anderen Punkt gemäß IS D I=e U=UT eingesetzt werden. Numerisch ergibt sich IS  9;8 fA. 3.30 Der im Abschnürbereich betriebene PMOS-Transistor verhält sich in nullter Näherung wie eine spannungsgesteuerte Stromquelle. Der im Abschnürbereich betriebene NMOSTransistor verhält sich in nullter Näherung wie eine spannungsgesteuerte Stromsenke. 3.31 Damit ein MOS-Transistor überhaupt leitet, muss die Gate-Source-Spannung weiter von

der Null weg sein als die dazu gehörige Schwellspannung; also beim NMOS-Transistor das positive UGS > UT h;N und beim PMOS-Transistor das negative UGS < UTH;P . Damit der Kanal vollständig ist, müssen die entsprechenden Ungleichungen nicht nur am Source-Ende, sondern auch am Drain-Ende erfüllt sein: beim NMOS UGD > UT h;N und beim PMOS UGD < UTH;P . 3.32 Das ist natürlich der durch die Minoritätsträger bedingte Ladungsüberschuss (siehe Text

unter . Abb. 3.17) 3.33 Die Aussagen folgen direkt aus der Fermi-Verteilung (3.1). Für T ! 0 erhält man wegen e 1 D 1=e 1 D 0

nz .EZ < EF / D 1

und

nz .EZ > EF / D 0 :

(3.37)

Das heißt: Unterhalb der Fermi-Energie ist alles besetzt, oberhalb ist alles leer. 3.34 Ja, es gilt, und dies ist nichts als Statistik, wie die folgende Überlegung zeigt:

Für reines Silizium sind n und p gleich: n D p D ni . Im Gleichgewicht ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elektronen-Loch-Paar entsteht, genau so groß wie die, dass es rekombiniert. Dabei ist die Entstehung ein reiner Temperatureffekt, welcher jedes Siliziumatom treffen kann. Wie ändert sich die Situation, wenn durch Dotierung die Anzahl der Elektronen verdoppelt wird? Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendein Loch ein Wiederbesetzungselektron findet, verdoppelt sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein neues Loch entsteht, bleibt aber gleich. Im Mittel wird daher die Anzahl der Löcher halbiert. Es gilt also n.neu/ D 2n.alt/ und p.neu/ D p.alt/=2. Und damit p.neu/  n.neu/ D 2n.alt/  p.alt/=2 D n.alt/  p.alt/. Diese Überlegung kann generalisiert werden:

Das Produkt aus Löcherkonzentration und Elektronenkonzentration ist von der Dotierung unabhängig.

3.35 Nach (3.7) (eine Anwendung des Gauß’schen Satzes) ist die Feldstärke gleich dem

Integral über die Ladungsdichte. In Regionen konstanter Dichte müssen sich daher, wie in 21

Ein Kollege wies mich darauf hin, dass das Messen in Badehose in seinem Labor ohnehin nicht gestattet sei.

3

130

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

3

. Abb. 3.44 Zur Aufgabe 3.35: Ionenverteilung, elektrisches Feld und Potenzial als Resultat eines idealisierten, weil abrupten PN-Übergangs; links das P-Gebiet, rechts das N-Gebiet (Einheiten beliebig)

. Abb. 3.44 gezeigt, Geraden-Abschnitte ergeben. Das Potenzial ist (bis auf das Vorzeichen) nach (3.8) das Integral über die Feldstärke. Dort, wo die Feldstärke linear ansteigt, fällt das Potenzial parabolisch ab. Es erreicht schließlich den Wert der Diffusionsspannung UD . 3.36 . Abb. 3.45 zeigt beispielhaft den Verlauf. In einer Prüfungssituation sind folgende De-

tails zu beachten: An den Rändern, außerhalb der Rekombinationszone liegt ni genau in der Mitte zwischen P und nmin sowie zwischen N und pmin . In der Verarmungszone und in den Rekombinationsbereichen muss dies nicht mehr der Fall sein. Der mit Elektronendiffusion und mit Löcherdiffusion bezeichnete Bereich hat im halblogarithmischen Maßstab genau dann einen linearen Verlauf, wenn die Dotierungskonzentrationen keine Ortsabhängigkeit mehr haben. Die Verarmungszone reicht weiter in das N-Gebiet als in das P-Gebiet, denn es gilt N  wN D P  wP mit w D wN C wP :

min min

. Abb. 3.45 Lösungsskizze zur Aufgabe 3.36: Verlauf der Ladungsträgerkonzentration einer vorwärts gepolten Diode

131 3.3  Antworten zu Kap. 3

3.37 In . Abb. 3.16 ist zu sehen, dass eine Komponente der Löcherstrom aus der Basis in den

Emitter ist. Die zweite Komponente ist derjenige Anteil des Elektronenstromes aus dem Emitter heraus, der in der Basis rekombiniert. Bei steigender Basis-Kollektor-Spannung nimmt (vergleiche (3.12)) die Sperrschichtweite zu. Dadurch wird die Zone, in der die Elektronen rekombinieren können, schmaler. Das führt zur Abhängigkeit von IC von UBC , also zum Early-Effekt. 3.38 Die Schleusenspannung bzw. Kniespannung einer Halbleiterdiode liegt zwischen UK D

0;6 V und UK D 0;7 V, die der Schottky-Diode etwas über UK D 0;3 V. Es fällt also insgesamt ein knappes Volt ab. Der Kleinsignalwiderstand einer Diode ist nach (3.29) vom Typ unabhängig rDiode D UT =I . Für beide Dioden zusammen ist also r D 2  rDiode D 2  .UT /=I , also in Zahlen r  4 . 3.39 In . Abb. 3.46 sind die Lösungsmöglichkeiten schematisch dargestellt. Die vorletzte in

. Abb. 3.46 gezeigte Schaltung kann nicht ausschließlich aufgrund ihrer Struktur einem Betriebszustand zugeordnet werden. Vielmehr ist die Kenntnis der Rückwärtsstromverstärkung nötig, wie die folgende Überlegung zeigt: Zunächst scheint es, als seien beide Dioden des Transistors in Durchlassrichtung gepolt, der Transistor also in Sättigung ist. Wenn jedoch viel mehr Strom durch die Basis fließt als durch den Kollektor, dann sperrt die Basis-Emitter-Diode und der Transistor ist im Rückwärtsbetrieb. Folgender Test entscheidet: Wenn die Annahme des Rückwärtsbetriebs zu einer Emitter-Basis-Spannung führt, die einer noch nicht leitenden Diode (hier UK  0;65 V) gehört, dann ist die Annahme des Rückwärtsbetriebs richtig, anderenfalls ist der Transistor in Sättigung. Ausgehend von IE D Br  IB UCB  UK

(3.38)

und dem Ohm’schen Gesetz für die Widerstände ergibt sich ein Basis-Potenzial von UB D V C

2VC  UK : 2 C Br

(3.39)

Für Br D 0 fließt kein Emitterstrom, und es ergibt sich ein symmetrischer Spannungsteiler zwischen den Widerständen an Kollektor und Basis. Das Basispotenzial ist mit UB D UK =2 zu klein für einen signifikanten Diodenstrom: In diesem Fall ist also die Annahme des Rückwärtsbetriebs korrekt. Für große Werte von BR wird der Basisstrom sehr klein, und der

. Abb. 3.46 Zur Aufgabe 3.39: Betriebszustände von Bipolar-Transistoren in verschiedenen Konfigurationen. Vorwärtsbetrieb und Rückwärtsbetrieb sind eindeutig. Für die Sperrung gibt es zwei Möglichkeiten. Was zunächst wie Sättigung aussieht, kann sich als Rückwärtsbetrieb herausstellen

3

132

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

Spannungsabfall über dem Emitter steigt. Je größer BR desto mehr sackt das Basispotenzial ab, bis UEB  UK . Dann sorgt die Emitter-Basis-Diode dafür, dass das Potenzial nicht weiter sinkt, und es herrscht Sättigung. Setzt man das Basispotenzial in (3.39) gleich UK , dann lässt sich die Grenze für Br bestimmen:

3

Br >

UK VC  UK

(Sättigung).

(3.40)

Für die gegebenen Werte müsste für die Sättigung Br > 0;13 sein, ist es aber nicht.22 Daher ist der Transistor im Rückwärtsbetrieb. Nur die letzte gezeigte Möglichkeit zeigt den Transistor in Sättigung, denn Bf D 20 > 0;13. Ein Strom von genau 5 mA ergibt sich beim Vorwärtsbetrieb am Emitter, beim Rückwärtsbetrieb links am Kollektor und für die Sättigung an der Basis. 3.40 Der Ausgangswiderstand ist am größten, wenn der Transistor in Vollsperrung ist. Dann ist der Ausgangswiderstand gerade gleich dem an den Kollektor angeschlossenen Widerstand: RC D 500 . Die Summe der Spannungen an diesem Widerstand plus UCE ist gerade die Bordnetz-Spannung VC C . Also gilt IC D .VC C  UCE /=RC . Diese Arbeitsgerade genannte Linie ist in . Abb. 3.47 gestrichelt eingezeichnet. Bei UCE D 6 V schneidet die Gerade die zu einem Basisstrom von IB D 30 A gehörende Ausgangslinie. Dieser Wert für den Basisstrom wird (schwer abzulesen, aber nicht kritisch) bei einer Basis-Emitter-Spannung von etwa UBE  0;65 V erreicht. Wenn diese auch eingangsseitig der Umschaltpunkt sein soll, muss der Strom von IB D 30 A über dem Basiswiderstand einen Spannungsabfall von U.RB / D 3;3 V=2  0;65 V D 1 V hervorrufen. Also ist RB D 33;3 k. Im Hinblick auf die Verlustleistung hat die Schaltung zwei Nachteile: Erstens ist sie so ausgelegt, dass der maximale Stromfluss durch den Transistor gerade bei UA  0 V auftritt: Die Schaltung verbraucht also permanent Strom, wenn der Schrittmotor ausgeschaltet ist. Außerdem ist der Ausgangswiderstand gerade dann am größten, wenn der Strom gebraucht wird, bei UA D VC C . Beide Nachteile könnten überwunden werden, wenn an Stelle des NPNTransistors ein PNP-Transistor Verwendung fände. Die Schaltung hätte bei UA D 0 keinen Stromverbrauch und könnte auf der Kollektorseite hochohmiger ausgelegt werden.

. Abb. 3.47 Zur Aufgabe 3.40: Zeichnerische Bestimmung der Ströme und Spannungen an einem Bipolar-Transistor durch Analyse des Kennfeldes

22

Die Funktion der Eingangs-NPN-Transistoren von TTL-Gattern beruht auf einem sehr kleinen Wert für Br .

133 3.3  Antworten zu Kap. 3

Immer, wenn an einer Stelle in der Schaltung nur sehr geringe Ströme fließen, sind diese Schaltungen störungsgefährdet. Die oben dimensionierte Schaltung ist für den Einsatz einer von Streufeldern gefüllten Umgebung wie im Automobil viel zu störanfällig, weil der Basisknoten sehr hochohmig ist: Der Strom von nur 30 A sollte dauerhaft erhöht werden, indem an Stelle des einfachen Basis-Vorwiederstandes ein Spannungsteiler gegen Masse mit mindestens 0;1 mA Dauerstrom verwendet wird. Der große Wert des Basiswiderstandes zeigt auch an, dass der hier verwendete Transistor ein teures Spitzenmodell ist. Es dürfte ruhig ein etwas günstigerer mit geringerer Verstärkung sein. 3.41 Ein Minoritätsträger, der, nachdem er dem elektrischen Feld folgend die Verarmungszone passiert hat, findet sich als Majoritätsträger auf der anderen Seite wieder. Beispiel: Ein Elektron aus einem P-Gebiet erreicht nach dem Durchqueren einer Sperrschicht immer das dahinter liegende N-Gebiet. Dort ist es Majoritätsträger und kann es bleiben. Es geschieht also gar nichts. 3.42 Das lawinenartige Ansteigen des Thyristorstromes ist mit dem Ansteigen der Querschnittsfläche verbunden, die dem Strom zur Verfügung steht: ein kleiner Zündkanal weitet sich über die gesamte Querschnittsfläche des Bauelements aus. Demgegenüber ist die Querschnittsfläche des Drain-Stromes eines DMOS-Transistors von vornherein vorbestimmt. Die dünnste Stelle ist und bleibt die Inversionsschicht im Body-Gebiet unter dem Oxid. 3.43 Wir setzen an Stelle der Proportionalitäten in (3.2) und (3.4) beliebige, aber nicht von

der Temperatur abhängige Faktoren ˛ und ˇ: n D ˛T 3=2 e .EL EF /=.kT /

und

p D ˇT 3=2 e .EF EV /=.kT / :

(3.41)

Das Gleichsetzen von n und p ergibt e .EL EF /=.kT / D

ˇ .EF EV /=.kT / e : ˛

(3.42)

Logarithmieren und Sortieren ergibt dann eine Gleichung, bei der eine Seite von der Temperatur abhängt, die andere aber nicht:   .EL  EF / .EF  EV / ˇ : (3.43)  D ln .kT / .kT / ˛ Diese Gleichung kann nur für alle Temperaturen T gelten, wenn beide Seiten gleich Null sind. Hieraus folgt zweierlei: 4 Die Proportionalitätskonstanten ˛ und ˇ sind gleich (wegen ln.1/ D 0). 4 Die Fermi-Energie liegt in der Mitte der Bandlücke: EF D .EL C EV /=2: 3.44 Lösungsstrategie: Die Diffusionsspannung ergibt sich durch einfaches Einsetzen. Zur

Berechnung der Sperrschichtbreite wird zunächst der allgemeine Zusammenhang zwischen der Diffusionsspannung und der Sperrschichtbreite für dieses Profil gesucht und das Ergebnis dann nach der Breite aufgelöst. Lösung: Die Diffusionsspannung ist nach (3.9)   1036 cm6  0;92 V : (3.44) UD D 0;025 V  ln 1;21 1020 cm6

3

134

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

Zur Berechnung der Sperrschichtbreite betrachten wir, um Vorzeichenfehler zu vermeiden, nur den Bereich x D 0: : :a mit a D b=2. Die nur in diesem Teil berechnete Spannung muss dann die halbe Diffusionsspannung sein. Zunächst wird nach 3.7 das Feld an einem Punkt x berechnet: Zx

N0 e Ex .x/ D "

3

sin

x 2a

dx D

x o 2aN0 e n 1  cos : "

2a

(3.45)

0

Die Integration über das Feld von Null bis a gibt nach (3.8) die halbe Diffusionsspannung UD D U.a/ D  2

Za

2aN0 e Ex .x/dx D  "

0

Za n

1  cos

x o 2a

dx :

(3.46)

0

Man erhält UD D

4a2 N0 e  .  2/ :

2"

(3.47)

Nun kann nach a aufgelöst werden. In Zahlen ergibt sich s

s UD "0 "S i

D eN0 .  2/ 2

a D b=2 D 2

0;916  8;85 1012  11;7 m 1;6 1019  1024  1;14

(3.48)

mit dem Endergebnis b  7;2 nm :

(3.49)

3.45 Es ist die Hybridparameter-Matrix, auch h-Parameter-Matrix genannt. Sie bietet (gegenüber den Alternativen Kettenparameter-, Leitwert- oder Impedanz-Matrix) folgende Vorzüge: 4 iC und iB stehen auf verschiedenen Seiten. Damit ist die Stromverstärkung ˇ direkt ablesbar. 4 uBE und iB stehen auf verschiedenen Seiten, daher ist der Eingangswiderstand rBE unmittelbar ablesbar. 4 uCE und iC stehen auf verschiedenen Seiten. Daher ist der Ausgangswiderstand rCE unmittelbar ablesbar.

Insgesamt ergibt sich: uBE iC

! D

rBE

@UBE @UCE

ˇ

1=rCE

! 

iB UCE

! Dh

iB uCE

! :

(3.50)

@UBE beschreibt die Rückwirkung der Kollektor-Emitter-SpanDie partielle Ableitung h12 D @U CE nung auf die Basis-Emitter-Spannung. Diese kann in fast allen praktischen Fällen vernachlässigt werden. Die einzige Alternative zur Hybridparameter-Matrix, die alle oben genannten Vorzüge hätte, wäre die inverse h-Parameter-Matrix.

135 3.3  Antworten zu Kap. 3

. Abb. 3.48 Zur Aufgabe 3.47: Als Kondensator gegen Masse geschalteter MOSTransistor

3.46 Die Vernachlässigung der Rückwirkung zeigt sich in der Hybridparameter-Matrix im @UBE : Die vollständige Kleinsignal-Gleichung für uBE ist aber uBE D Weglassen des Terms @U CE h11 iB C h12 uCE : Dabei beschreiben BE D h11 iB einen Ohm’schen Widerstand und uBE D h12 uCE eine von der Kollektor-Emitter-Spannung gesteuerte Spannungsquelle zwischen Basis und Emitter. Da die Spannungen addiert werden, muss es sich um eine Reihenschaltung handeln. Berücksichtigen der Rückwirkung hieße also Ersetzen von rBE durch eine Reihenschaltung aus Widerstand und Spannungsquelle.

3.47 Die größte Kapazität pro Fläche wird bei der Verwendung des Gate-Oxides erreicht.

Man kann also einen wie in . Abb. 3.48 gezeigten NMOS-Transistor verwenden. Ein Querschnitt durch die Anordnung ist in . Abb. 3.21 c) zu sehen. Die Kapazität dieser Anordnung (vergleiche (3.19)) beginnt bei einem Wert C0 D

"0 "SiO2 ASiO2 dSiO2

(3.51)

und wird bei steigender Spannung durch die Bildung der Verarmungszone mit der Breite dV kleiner:23   dSiO2 dV 1 C.U / D ."0 ASiO2 /  C (3.52) "SiO2 "Si p Dabei wächst dV gemäß dV  U . Ab der Schwellspannung kommt die Kapazität zwischen Gate und Kanal hinzu. Während der Gate-Body Anteil immer schwächer wird, wird mit steigender Spannung der Kanal-Anteil immer stärker. Bei großem UGS bleibt ein Kondensator mit einer um UT h;N verschobenen Charakteristik. Gemäß (3.19) wird C D C0 

UG  UTHN UG

(3.53)

3.48 Der spezifische Widerstand  ist nach (3.6)  D .e  ND  n /1 . Bei der Berechnung

des numerischen Wertes muss berücksichtigt werden, dass, wie in . Abb. 3.8 gezeigt, die Beweglichkeit bei starker Dotierung nachlässt. So ergibt sich   2;1  104 m. Der Schichtwiderstand folgt mittels Division durch die Dicke der Schicht: RSchicht D =d , in Zahlen RSchicht  210 . Eine Leiterbahn, die fünfzigmal so lang wie breit ist, hat einen Widerstand von R D 50  RSchicht , also R  11 k. Wären die Donatoren auf die doppelte Eindringtiefe verteilt, würde sich der spezifische Widerstand verdoppeln, denn die Konzentration der Ladungsträger wäre halbiert. Der Schichtwiderstand aber bliebe gleich. 23

Kondensatoren mit mehreren Dielektrika werden im 7 Kap. 2 diskutiert.

3

136

Kapitel 3  Halbleiter-Bauelemente

3.49 In Sättigung werden an beiden PN-Übergängen die Ströme von den Majoritätsträgern,

3

die aus dem Emitter und aus dem Kollektor kommen, dominiert. In der P-dotierten Basis angekommen, finden diese sich als Minoritätsträger wieder. Im Rückwärtsbetrieb ist dagegen der Strom von Majoritätsträgern durch die Emitter-Basis-Diode stark reduziert. Entsprechend wichtiger wird der Strom der aus dem Kollektor kommenden Elektronen. Daher ist Aussage a) falsch und Aussage b) richtig. Im Extremfall einer hohen Sperrpolung an der Basis-Emitter-Diode ist der Strom an diesem PN-Übergang ein reiner Minoritätsträgerstrom. Aussage c) ist ebenfalls falsch: nie sind so viele Minoritätsträger in der Basis wie im Sättigungsbetrieb. Da Rückwärtsbetrieb eine in Sperrpolung betriebene Basis-Emitter-Diode bedeutet, ist diese Verarmungszone im Rückwärtsbetrieb weiter als im Vorwärtsbetrieb oder in Sättigung. Aussage d) ist also auch falsch. 3.50 Am Beginn des Einschaltvorganges ist die Verlustleistung am größten, sowohl beim

IGBT als auch beim VDMOS. Beim Einschalten wird eine der Ausgangskennlinien (welche, wird durch UGS bestimmt) in . Abb. 3.31 von rechts nach links durchlaufen. Je weiter rechts, desto größer ist das Produkt UDS  ID , also die Verlustleistung. Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Nagel LW, Pederson DO (1973) Simulation Program with Integrated Circuit Emphasis (SPICE), siehe www.eecs.berkeley.edu/Pubs/TechRpts/1973/ERL-382.pdf. Zugegriffen: 2017 Hunklinger S (2014) Festkörperphysik, 4. Auflage. De Gruyter Oldenbourg, ISBN 978-3-486-75558-9 siehe Intel 22nm 3D-Tri-Gate-Transistoren auf www.youtube.com/watch?v=v2gDMj42sIM. Zugegriffen: 2018 siehe http://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat Küpfmüller K, Mathis W, Reibiger A (2008) Theoretische Elektrotechnik. 20. Auflage Springer, ISBN 978-3-662-54836-3 Neundorf D, Pfendtner R, Popp H-P (1997) Elektrophysik. Springer Berlin, ISBN 540-62996-3 Göbel H (2014) Einführung in die Halbleiter-Schaltungstechnik. Springer, Berlin, 5. Auflage, ISBN 978-3-642-53869-8

137

Lineare elektrische Netze – dem Strom einen Weg bahnen © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 M. Poppe, Prüfungstrainer Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56649-7_4

Der Einführung in die Begriffswelt der Schaltpläne folgt die Diskussion von Strom- und Spannungspfeilen und deren Bedeutung als Koordinatensysteme. Hieraus folgt eine wenig bekannte, aber sehr einfache Methode zur Bestimmung der richtigen Vorzeichen der Bauelementegleichungen von Energieerzeugern und -verbrauchern. Die Kirchhoff’schen Regeln werden aus Erhaltungssätzen hergeleitet. Es wird gezeigt, welche Schaltungen auf reale Strom- und Spannungsquellen zurückgeführt werden können und wie deren Leistung maximiert wird. Die Netzwerkberechnung wird auf Basis des Knotenpotenzial-Verfahrens, des MaschenstromVerfahrens und des Überlagerungsverfahrens diskutiert. Es wird gezeigt, wie mit Ausnahmen umgegangen wird und wann welches Verfahren das beste ist.

4.1

Theoretische Grundlagen linearer elektrischer Netze

Wenn Netze betrachtet werden, so ist dies der erste Schritt von der Komponente, also vom Bauelement, zum Gesamtsystem. Da die Anzahl der Komponenten in einzelnen Systemen längst Milliardengrenze1 übersprungen hat, werden sowohl vereinfachende Regeln als auch standardisierte Lösungsverfahren gebraucht. In diesem Kapitel werden Netze aus Spannungsquellen, Stromquellen, Widerständen, Kondensatoren und Spulen untersucht. Diese Komponenten haben allesamt lineare Strom-Spannungskennlinien und erlauben so die Anwendung von Lösungsverfahren aus der linearen Algebra.

4.1.1 Vorzeichen, Richtungen und Topologien Zur systematischen Analyse elektrischer Netze haben sich bestimmte Begriffe und Konventionen als nützlich erwiesen. Das beginnt mit der Wahl der Vorzeichen und der dazugehörigen Richtungskonventionen und endet bei topologischen Begriffen zur Beschreibung der Netze. 1 Energie entsteht durch Bewegung entgegen einer Kraft

Vorzeichenfehler sind die Pest der Ingenieurwissenschaften. Daher sind Systeme und Regeln entstanden, um die richtigen Vorzeichen in einen immer gleichen Zusammenhang mit Schaltbildern zu bringen. Letztlich sind diese aus der Mechanik übernommen, wie die folgenden Beispiele zeigen. . Abb. 4.1 stellt Prozesse, bei denen einem System Energie zugeführt wird solchen gegenüber, bei denen Energie dem System verloren geht. Immer, wenn das Produkt aus Kraft mal Geschwindigkeit negativ ist, wird Energie gewonnen, anderenfalls wird Ener1

Der Intel Quadcore Titanium brachte es schon 2008 auf zwei Milliarden Transistoren.

4

138

Kapitel 4  Lineare elektrische Netze

4

. Abb. 4.1 Drei Beispiele aus der Mechanik und aus der Elektrotechnik für den Transfer von Energie: Ein System gewinnt Energie, wenn eine Kraft überwunden wird (obere Reihe). Ein System gibt Energie ab, wenn Kraft und Bewegung in die gleiche Richtung zeigen. Die Pfeile hier zeigen die tatsächliche Richtung an

gie abgegeben.2 Dieses Prinzip gilt ebenso für die Gravitation wie für die Elektrizitätslehre. Betrachtet man ein elektrisches Netzwerk als System, dann gilt daher: Ihm wird Energie zugefügt, wenn eine Ladung dem Feld entgegenbewegt wird oder wenn in einer Stromquelle oder in einer Spannungsquelle der Strom vom Minuspol zum Pluspol fließt. Ihm wird Energie entnommen, wenn in einem Kondensator der Strom von der Anode zur Kathode fließt und so dem Stromkreis Energie für den Aufbau eines Feldes entnommen wird. Dem elektrischen Netzwerk wird auch Energie entnommen, wenn in einem Ohm’schen Widerstand Wärme erzeugt wird. 1 Strom- und Spannungspfeile sind Koordinatensysteme und keine Vektoren

In der Elektrotechnik wird die Stromrichtung durch Pfeile bezeichnet. Diese legen, wie in . Abb. 4.2 gezeigt, jeweils ein Koordinatensystem fest. Der positive Wert eines Stromes bedeutet dann, dass dieser in die vom Pfeil vorgegebene Richtung fließt. Ein negativer Wert bedeutet, dass der Strom der Pfeilrichtung entgegenfließt. Die Spannung wird mit einem Pfeil bezeichnet, der bei einem positiven Wert für die Spannung der Richtung des elektrischen Feldes entspricht, also vom Pluspol zum Minuspol. Nun fließt in einem Generator der Strom immer dem Potenzialgefälle entgegen. Will man in einem einfachen Netz trotzdem nur positive Werte für die Ströme und Spannungen erhalten, müssen die Generatoren entgegengesetzte Pfeile für Strom und Spannung bekommen. Die am häufigsten anzutreffende Konvention besagt: Bei einem (Energie-) Verbraucher sind Strom- und Spannungspfeil parallel. Bei einem Erzeuger sind Strom- und Spannungspfeil

. Abb. 4.2 Strompfeile (rot) sind eindimensionale Koordinatensysteme, die eine Referenzrichtung festlegen. Dagegen zeigen Pfeile, die für Vektoren stehen (schwarz), die tatsächliche Richtung an

I>0 J

I 0/, so fließt er in Richtung des Spannungspfeils, sonst entgegengesetzt. 4.2 Antwort b) ist richtig, denn es gilt r D  U= I: 4.3 Antwort c) ist richtig. In Anwesenheit starker elektromagnetischer Wechselfelder gelten

sie nicht. Die Einschränkung ergibt sich dadurch, dass das elektrische Feld bei sich ändernden Magnetfeldern einen Wirbelanteil bekommt. Dann ist die Maschenregel nicht mehr anwendbar. Die Knotenregel gilt nur, wenn der Knoten selbst keine Ladung speichern kann, wenn also Parasitärkapazitäten vernachlässigbar sind. 4.4 Antwort a) ist richtig. Es dürfen beliebig viele lineare Bauteile sein. Die Abwesenheit

einer Spannungsquelle ist kein Problem, denn man kann eine mit einer Spannung von 0 V einfügen. 4.5 Antwort c) ist richtig. Diesen Maximalfall nennt man auch Anpassung. Sowohl im Kurzschlussfall .R D 0/ als auch im Leerlauf .R ! 1/ ist die Leistung gleich null. 4.6 Antwort a) ist richtig. Das Maschenstrom-Verfahren basiert auf der Maschenregel, also einer Spannungsregel. Es müssen reale Stromquellen in reale Spannungsquellen umgerechnet werden. Für ideale Stromquellen ist dies nicht möglich. 4.7 Antwort b) ist richtig. Die Anzahl k  1 gilt nur bei Netzwerken ohne Stromzufuhr, ins-

besondere bei geschlossenen Netzwerken. 4.8 Antwort b) ist richtig. Die Kirchhoff’schen Gesetze produzieren für ein geschlossenes

Netz aus m Maschen und k Knoten .m C k  1/ Gleichungen, das Maschenstrom-Verfahren m und das Knotenpotenzial-Verfahren k  1 Gleichungen. 4.9 Antwort a) ist richtig. Die zweite Option führt wegen des geringen Innenwiderstandes des

Amperemeters zu einem Kurzschluss. Die dritte Option ist zu ungenau, weil der Strom durch das Voltmeter zum Gerätestrom hinzuaddiert wird. 4.10 Ja, das stimmt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Innenwiderstand bei der Span-

nungsquelle in Reihe, bei der Stromquelle dagegen als parallel zur idealen Quelle liegend angesehen wird. 4.11 Ja, das stimmt. Das gilt ganz allgemein, denn die Ströme und Spannungen in einer Schaltung ändern sich nicht, wenn zu allen Potenzialen ein fester Wert addiert wird.

4

160

Kapitel 4  Lineare elektrische Netze

4.12 Nein, das stimmt nicht. Richtig ist: Beim Knotenpotenzial-Verfahren werden alle Ma-

schengleichungen automatisch mit berücksichtigt. 4.13 Ja, das stimmt. Es gilt also Ri k D Rki . 4.14 Ja, das stimmt deshalb, weil in diesen Fällen der Parallelwiderstand zusammen mit der

idealen Quelle als reale Quelle interpretiert werden kann.

4

4.15 Bestimmung des Innenwiderstandes: Alle Spannungsquellen durch Kurzschlüsse erset-

zen, alle Stromquellen ganz streichen; dann die verbleibenden Widerstände zu einem zusammenfassen! Bestimmung der Leerlaufspannung: Alle im Leerlauf nicht durchflossenen Widerstände durch Verbindungen ersetzten und dann die Spannung ausrechnen! Bestimmung des Kurzschlussstromes: Ausgangsklemmen verbinden und den Strom dort ausrechnen! 4.16 Der Kerngedanke lautet: „Der Strom durch ein Bauteil wird nicht direkt, sondern als

Summe all derjenigen Maschenströme bestimmt, die durch dieses Bauteil fließen.“ Die Bestimmung der Maschenströme geschieht durch Inversion der Widerstandsmatrix, deren Diagonalelemente die Umlaufwiderstände der Maschen sind. 4.17 Der Kerngedanke lautet: „Alle Knotengleichungen werden in einer solchen Weise hin-

geschrieben, dass die Maschengleichungen implizit enthalten sind und nicht gesondert aufgestellt werden müssen.“ Zunächst werden die Strombilanzen aller elektrischen Knoten einzeln als Funktion der Potenziale des Knotens und seiner Nachbarn betrachtet. Dann werden die Gleichungen so sortiert, dass sie die Form Leitwertmatrix  Spannungsvektor D Vektor der Stromquellen erhält. Diese Matrixgleichung lässt sich dann invertieren. 4.18 Strom- und Spannungspfeile sind grundsätzlich frei wählbar, weil sie eindimensiona-

le Koordinatensysteme darstellen. Jedoch sind in einem System stets alle Größen in dem gleichen Koordinatensystem zu berechnen. Daher ist es zunächst ein Fehler, wenn an einem Bauteil der Strom- und der Spannungspfeil in verschiedene Richtungen zeigen. Werden aus praktischen Gründen dennoch antiparallele Strom- und Spannungspfeile verwandt, so kann dies in den Bauelementegleichungen durch ein Minuszeichen ausgeglichen werden, zum Beispiel U D LdI=dt (antiparallele Pfeile) anstelle von U D CLdI=dt (parallele Pfeile). 4.19 Das Maschenstrom-Verfahren bietet sich an,wenn keine idealen Stromquellen vorhanden sind. Das Knotenpotenzial-Verfahren wird gewählt, wenn keine idealen Spannungsquellen vorhanden sind. Das Überlagerungsverfahren erleichtert das Verständnis der Funktionsweise einer Schaltung, da es pro Quelle eine Teilschaltung produziert. Ersatzspannungsquellen/Ersatzstromquellen bieten sich an, wenn dadurch komplexe Zweipole auf zwei oder drei Bauteile reduziert werden können. 4.20 Energie wird im Netz dort gewonnen, wo das Produkt aus Strom und Spannung negativ ist, der Strom also der Spannung entgegen fließt. Bei parallelen Strom- und Spannungspfeilen heißt dies U  I < 0, bei antiparallelen Pfeilen U  I > 0. 4.21 Beim Zusammenfluss bleibt die Wassermenge erhalten: So viel wie in den Zusammenfluss hereinkommt, kommt auch heraus. Das entspricht der Knotenregel oder ersten Kirch-

161 4.3  Antworten zu Kap. 4

. Abb. 4.30 Zur Aufgabe 4.21: Das mechanische Äquivalent zur Knotenregel am Beispiel Passau: In diesem Beispiel ist I4 negativ, so dass die Summe aller Wasserflüsse Null ist (Foto: Google Earth)

. Abb. 4.31 Zur Aufgabe 4.22: Zwei Teilschaltungen zur Anwendung des Überlagerungsverfahrens

hoff’schen Regel. Entsprechend . Abb. 4.30 würde allen Zuflüssen ein positives, dem Unterlauf der Donau aber ein negatives Fluss-Vorzeichen zugeordnet werden. 4.22 Die beiden Stromquellen können zu einer einzigen zusammengefasst werden. So braucht das Überlagerungsverfahren nur zwei Teilschaltungen, wie . Abb. 4.31 zeigt die beiden Teilschaltungen, bei denen sich jeweils drei Widerstände zu einem einzigen zusammenfassen lassen:

Ra D R1 k .R2 C R3 C R4 / Rb D R3 k .R1 C R2 C R4 /

(4.26)

So sind Ia D IQ1 C IQ2 und Ib D UQ =Rb . Der Anteil der Ströme durch den Widerstand R1 ergibt sich nun nach der Stromteilerformel: I.R1 / D Ia

.IQ1 C IQ2 /Ra UQ Ra Rb C Ib D C R1 R1 R1 R1

(4.27)

Der zweite Stromanteil hängt nur noch von R1 ab, weil dieser parallel zur idealen Spannungsquelle liegt. 4.23 Welche der folgenden Messungen an realen Quellen vom Innenwiederstand unabhängig sind, ergibt sich aus Gl. (4.3): 4 Der Kurzschlussstrom einer realen Spannungsquelle ist UQ =RS , also von RS abhängig. 4 Die Leerlaufspannung einer realen Spannungsquelle ist dagegen ULeerlauf D UQ , also unabhängig. 4 Der Kurzschlussstrom einer realen Stromquelle ist IKurzschluss D IQ . 4 Die Leerlaufspannung einer realen Stromquelle ist dagegen vom Widerstand abhängig: ULeerlauf D IQ Rp .

4

162

Kapitel 4  Lineare elektrische Netze

. Abb. 4.32 Zur Aufgabe 4.24: Erweiterung eines Widerstandsnetzwerkes um eine Spannungsquelle. So entstehen in diesem Beispiel drei Maschen. Zu den vier Knoten A; B; C und D gehören drei unabhängige Gleichungen

4

Man erkennt: Eine Messung der Leerlaufspannung ist eine Messung von UQ , eine Messung des Kurzschlussstromes eine von IQ . Von einer Spannungsquelle spricht man, wenn der Innenwiderstand deutlich unter dem des Verbrauchers liegt. Das bedeutet: sehr große Ströme im Kurzschlussfall, Zerstörung der Quelle inklusive. Eine im Leerlauf betriebene Stromquelle produziert dagegen sehr hohe Ausgangsspannungen, was auch nicht vorteilhaft ist. 4.24 Zur Verwendung der Kirchhoff’schen Gesetze sollte als erstes die Spannungsquelle mit eingebaut werden. Dadurch entstehen die in . Abb. 4.32 gezeigten drei Maschen und vier Knoten. Dann werden Strom- und Spannungsrichtungen festgelegt, zum Beispiel so wie in den Pfeilen der 4.24 eingezeichnet. Nennen wir den Strom durch die Quelle IQ und benennen wir die anderen Ströme nach den Nummern der Widerstände, so lauten die ersten drei Knotengleichungen (die Summe aller Ströme am Knoten ist Null):

IQ  I1  I2 D 0 I1 C I3  I4 D 0 I2  I3  I5 D 0 :

(4.28)

Für den Knoten A wird keine Knotengleichung aufgestellt, da in einem geschlossnen System immer eine Knotengleichung redundant ist (siehe . Abb. 4.7). Die drei Maschengleichungen (die Summe aller Spannungen bei einem Maschenumlauf ist Null) sind UCB C UB D C UDC D 0 ! R2 I2 C R3 I3  R1 I1 D 0 UBA C UAD C UDB D 0 ! R5 I5  R4 I4  R3 I3 D 0 UCD C UDA  U D 0 ! R1 I1 C R4 I4  U D 0 :

(4.29)

Das Minuszeichen für die Spannung der Quelle ist Ausdruck der Tatsache, dass Strom und Spannung in ihr entgegengesetzt gerichtet sind. Insgesamt ist also bei der Verwendung der Kirchhoff’schen Regeln eine 6  6-Matrixgleichung aufzustellen und zu lösen. Das ist Aufwand für eine kleine Schaltung. Deutlich übersichtlicher, wie . Abb. 4.33 andeutet, wird die Situation durch die Verwendung des Maschenstrom-Verfahrens. Für die erste Masche, M1, besteht die Gesamtspannungsbilanz aus dem isoliert betrachteten Umlauf U D .R1 C R4 /IM1 , von dem die beiden . Abb. 4.33 Zur Aufgabe 4.24: Festlegung der Maschen M1; M 2 und M 3 und der Umlaufrichtungen

163 4.3  Antworten zu Kap. 4

Koppelterme R1 IM 2 und R4 IM 3 abzuziehen sind. Das Minuszeichen vor den Koppeltermen zeigt an, dass die Umlaufströme durch die Koppelwiderstände in entgegengesetzter Richtung fließen. Entsprechendes gilt für die Maschen M 2 und M 3. So entsteht das Gleichungssystem M1W .R1 C R4 /IM1  R1 IM 2  R4 IM 3 D U M 2W .R1 C R2 C R3 /IM 2  R1 IM1  R3 IM 3 D 0 M 3W .R3 C R4 C R5 /IM 3  R3 IM 2  R4 IM1 D 0 :

(4.30)

Nach Strömen sortiert lässt sich dieses System als Matrixgleichung schreiben: 0 B B @

.R1 C R4 /

R1

R1

.R1 C R2 C R3 /

R4

R3

0 1 U C B C C B C C B C B R3 A  @IM 2 A D @ 0 A : 0 .R3 C R4 C R5 / IM 3 R4

1 0

IM1

1

(4.31)

Der Vergleich von (4.31) mit (4.28) und (4.29) zeigt, wie sehr das Maschenstrom-Verfahren die Situation vereinfachen kann. Sind R1 D R2 und R4 D R5 , dann kann wegen der Symmetrie der Schaltung kein Strom durch R3 fließen. Der Gesamtwiderstand und der dazu gehörige Strom sind dann R D .R1 C R4 / k .R2 C R5 / D 4;5 k ! I  2;7 mA :

(4.32)

Von dem Strom fließt jeweils die Hälfte durch den linken und den rechten Zweig. 4.25 Entsprechend (4.4) bleibt der Innenwiderstand bei Ri D 50 . Der Strombereich ergibt

sich zu IQ .min/ D 1 mV=50  D 20 A bis IQ .max/ D 200 mA. 4.26 Es sei U die an allen Widerständen gleichzeitig anliegende Spannung und Ii D U=Ri D

U  Gi der Strom durch den Widerstand Ri mit i D 1 : : : N . Der Gesamtstrom ist dann, wie in . Abb. 4.9 gezeigt, I D

N X

Ii D U

i D1

N N X X 1 U D DU Gi : R R1 k R2 : : : k RN i D1 i i D1

(4.33)

Der Strom durch den ersten Widerstand ist I1 D U=R1 . Mit Hilfe von (4.33) lässt sich nun die Spannung herauskürzen: I1 D I 

R1 k R2 : : : k RN G1 D I  PN : R1 i D1 Gi

(4.34)

Der Gesamtstrom teilt sich also proportional zu den Leitwerten auf. 4.27 Die Schaltung hat nur zwei äußere Anschlüsse und lässt sich daher in eine Strom-

oder Spannungsquelle umwandeln. Der Innenwiderstand wird berechnet, indem Stromquellen durch Unterbrechungen und Spannungsquellen durch Kurzschlüsse ersetzt werden. Dadurch fallen die Widerstände R1 und R4 weg, und es bleibt ein Innenwiderstand Ri D R2 C R3 übrig.

4

164

Kapitel 4  Lineare elektrische Netze

Zur Berechnung der äquivalenten realen Spannungsquelle betrachten wir die Leerlaufspannung: Der Strom IQ fließt dann durch die Widerstände R1 , R3 und R4 , nicht jedoch über R2 . Daher ist die Leerlaufspannung die, die über R3 abfällt: ULeerlauf D UQ D IQ =R3 . Zur Berechnung der äquivalenten Stromquelle betrachten wir den Kurzschlussstrom. Das ist genau der Anteil an IQ , der nicht über R3 , sondern über R2 fließt. Da die Spannung über diesen beiden Widerständen gleich ist, können wir schreiben:

4

U.R2 / D U.R3 / D R2  I2 D R3  I3

mit

I2 C I3 D IQ :

(4.35)

In (4.35) ist der Strom durch den Widerstand R2 gerade der gesuchte Kurzschlussstrom: IKurzschluss D I2 . Der Kurzschlussstrom der äquivalenten realen Stromquelle lässt sich daher aus (4.35) ausrechnen: R3 : (4.36) IKurzschluss D IQ  R2 C R3 4.28 Zur Symmetrie: a) Die Widerstandsmatrix für das Maschenumlauf-Verfahren ist symmetrisch. b) Die Leitwertmatrix für das Knotenpotenzial-Verfahren ist ebenfalls symmetrisch. c) Die Ladungserhaltungsmatrix für die Leistungsanpassung ist ein reines Fantasieprodukt. 4.29 Sowohl die Leitwertmatrix als auch die Widerstandsmatrix haben ausschließlich positive Diagonalelemente. Die Leitwertmatrix für das Knotenpotenzial-Verfahren hat darüber hinaus ausschließlich negative Nebendiagonalelemente. Die Widerstandsmatrix für das Maschenumlaufverfahren hat überall dort negative Elemente, wo die Umlaufströme durch die Koppelwiderstände (bzw. -impedanzen) in entgegengesetzter Richtung fließen. Daher sind die Lösungen a) falsch, b) richtig, c) richtig und d) auch richtig, denn was immer gilt, gilt auch in Spezialfällen. 4.30 Das ist die Maschenregel, die deswegen funktioniert, weil bei der Coulomb-Kraft, genau so wie bei der Gravitation, jedem Punkt ein Potenzial zugeordnet werden kann. Die Kirchhoff’sche Formulierung des Bergwanderns wäre: Wenn ein Wanderer aus dem Tal auf den Berg klettert und auf einem beliebigen anderen Weg zurückkommt, dann hat er unten im Dorf wieder die gleiche potenzielle Energie wie vorher. Denn die Höhe des Dorfes über dem Meeresspiegel hängt nicht von der Wahl des Weges ab. 4.31 Das gezeigte Netzwerk lässt sich zunächst, ähnlich wie in . Abb. 5.3 gezeigt, durch

Zusammenfassen von Widerständen vereinfachen. Die drei Widerstände R1 , R2 und R3 bilden gemeinsam einen Zweipol mit dem Widerstand R1;2;3 D R3 k .R1 C R2 /. Es sind dann, wie in . Abb. 4.34 gezeigt, nur noch zwei Maschen übrig. Nun können die Spannungsumläufe für die Maschen berechnet werden: M1W M 2W

.R1;2;3 C R4 C R5 /IM1  R6 IM 2 D 0 .Ri C R6 /IM 2  R6 IM1 D U :

(4.37)

Das Minuszeichen vor der Spannungsquelle zeigt an, dass die Stromrichtung so gewählt wurde, dass der Strom in der Quelle vom Pluspol zum Minuspol fließt, ganz im Gegensatz zu einer tatsächlichen, Leistung bereitstellenden Spannungsquelle.

165 4.3  Antworten zu Kap. 4

. Abb. 4.34 Zur Aufgabe 4.31: Zeichnerische Vorbereitung der beiden Standard-Analyseverfahren: Widerstände werden zusammengefasst, Maschenströme und Knotennummern definiert. Für das Knotenpotenzial-Verfahren wird die Spannungsquelle in eine Stromquelle umgerechnet

Die beiden Maschengleichungen können jetzt zu einer Matrixgleichung zusammengefasst werden: ! ! ! R6 .R1;2;3 C R4 C R5 / 0 IM1 D  : (4.38) R6 .Ri C R6 / IM 2 U Das Inverse der Widerstandsmatrix R ist R

1

1 D .R1;2;3 C R4 C R5 /.Ri C R6 /  R62

.Ri C R6 /

R6

R6

.R1;2;3 C R4 C R5 /

! : (4.39)

Die beiden Umlaufströme sind nun nach (4.14) .IM1 ; IM 2 / D R

1



0 U

! :

(4.40)

Um das Knotenpotenzial-Verfahren zur Anwendung kommen zu lassen, muss die Spannungsquelle in eine Stromquelle umgewandelt werden. Dabei behält der Innenwiderstand Ri seinen Wert, wird aber nach (4.4) parallel zu einer Stromquelle IQ D U=Ri geschaltet. In dieser Schaltung liegt Ri parallel zu R6 und sollte daher zusammengefasst werden: R6;i D R6 k Ri , oder G6;i D G6 C Gi . Nach . Abb. 4.34 kann dann direkt die Leitwertmatrix abgelesen werden, indem für jeden Knoten eine Strombilanz entsprechend (4.21) aufgestellt wird: Knoten 0:

keine Gleichung

Knoten 1:

.G4 C G6;i /U1  G4 U3 D IQ

Knoten 2: Knoten 3:

.G1;2;3 C G5 /U2  G1;2;3 U3 D 0 .G1;2;3 C G4 /U3  G1;2;3U2  G4 U1 D 0 :

Denn auch dieses System ist einer Matrizengleichung äquivalent: 1 0 1 0 1 0 U1 .G4 C G6;i / IQ 0 G4 C B C B C B B C B C B 0 .G1;2;3 C G5 / G1;2;3 C A  @ U2 A D @ 0 A : @ G4 G1;2;3 .G1;2;3 C G4 / U3 0

(4.41)

(4.42)

Die Leitwertmatrix ist wie gewünscht symmetrisch, jedoch größer als die Widerstandsmatrix.

4

166

Kapitel 4  Lineare elektrische Netze

. Abb. 4.35 Zur Aufgabe 4.32: Definition der Maschenströme. Hier werden der Einfachheit halber die Maschenströme den Spannungsquellen entsprechend gewählt

4

4.32 . Abb. 4.35 zeigt eine mögliche Wahl der Umlaufströme. Die Spannungsumläufe für die

dort gezeigten Maschen sind: M1 W M2 W

R3 IM1  R3 IM 2 D UQ1 .R2 C R3 /IM 2  R3 IM1  R2 IM 3 D UQ2

M3 W

.R1 C R2 /IM 3  R2 IM 2 D UQ1 ;

(4.43)

als Matrixgleichung zusammengefasst: 0

R3

B BR3 @ 0

R3 .R2 C R3 / R2

0

1 0

IM1

0

1

UQ1

1

C B C B C C  BIM 2 C D BUQ2 C : A @ A @ A .R1 C R2 / IM 3 UQ1 R2

Das Inverse der Widerstandsmatrix R ist 0 .R1 R2 C R1 R3 C R2 R3 / B 1 1 B R D .R1 C R2 /R3 R1 R2 R3 @ R2 R3

.R1 C R2 /R3 .R1 C R2 /R3 R2 R3

R2 R3

(4.44)

1

C R2 R3 C A :

(4.45)

R2 R3

Die Ströme folgen nun aus (4.14) und (4.45): 0

UQ1

1

C B C .IM1 ; IM 2 ; IM 3 / D R1  B @UQ2 A :

(4.46)

UQ1 Das Maschenstrom-Verfahren bietet sich bei dieser Schaltung an, denn sie enthält ausschließlich Spannungsquellen. Damit entfällt die Notwendigkeit einer Quellenumrechnung. Eine genauere Betrachtung der Schaltung zeigt: Mit dem Maschenstrom-Verfahren wird ein großes Werkzeug auf ein kleines Problem losgelassen: Denn der Strom durch R3 ist schlicht IR3 D UQ1 =R3 . Und der Strom über den Widerstand R2 ist IR2 D .UQ2  UQ1 /=R2 . Ist aber IR2 bekannt, dann lässt sich auf die Spannung an R1 schließen. Ein genaues Hinsehen vor der Schaltungsberechnung lohnt also! 4.33 . Abb. 4.36 zeigt die Situation. Grundsätzlich gilt: Ist der Verbraucher sehr viel niederohmiger als die Quelle, dann bricht die Spannung zusammen und es wird keine Leistung abgegeben. Ist der Verbraucher zu hochohmig, dann fließt kein Strom und es wird auch keine Leistung übertragen. Irgendwo dazwischen muss also ein Optimum sein.

167 4.3  Antworten zu Kap. 4

. Abb. 4.36 Zur Aufgabe 4.33: Speisung eines Verbrauchers RV durch eine reale Stromquelle mit einem Parallel-Innenwiderstand Rp

Am Verbraucher und am Innenwiderstand liegt die gleiche Spannung U D IQ  .RV k Rp /. Durch den Verbraucher fließt ein Strom IV D U=RV und erzeugt eine Leistung PV D U  IV . Diese lässt sich nun als Funktion des Quellenstromes IQ und der Widerstände angeben: PV D U  IV D IQ  .Rp k RV /  IV D IQ2 

.Rp k RV /2 : RV

(4.47)

Nun muss die Frage beantwortet werden: Bei welchem Verhältnis x D RV =Rp hat die Leistung am Verbraucher ihr Maximum? Aus (4.47) folgt PV D IQ2  Rp 

x : .1 C x/2

(4.48)

Setzt man die Ableitung von (4.48) nach x gleich Null, so ergibt sich x0 D 1. Anders ausgedrückt:

Der Verbraucher erhält die maximale Leistung genau dann, wenn sein Widerstand genau so groß ist wie der Innenwiderstand der Stromquelle. Ist dies der Fall, spricht man von Leistungsanpassung.

Wird statt eines angepassten Verbrauchers (also x0 D 1) einer mit dem halben Widerstand (also x1 D 1=2) verwendet, so folgt aus (4.48), dass die Leistung auf 8=9-tel der Maximalleistung, also um 11 % sinkt. 4.34 Wenn UM D 0 ist, dann muss R1 =R2 D RU =RS sein. Daher ist

RU D RS 

R1 : R2

(4.49)

Wenn RS so eingestellt ist, dass UM D 0 gemessen wird, dann fließt auch kein Strom durch den Spannungsmesser. Ein endlicher Leitwert des Messgerätes verfälscht also nicht das Ergebnis. Wenn R1 und R2 von ähnlicher Größe sind, dann kann im besten Falle eine Genauigkeit in der Größenordnung UM =UQ erreicht werden. Dabei kann UQ im Bereich von einigen Volt sein und UM im Mikrovolt-Bereich eingestellt werden. 4.35 Lösungsstrategie: Zunächst muss man sich darüber im Klaren werden, welche der beiden Messungen, Strom oder Spannung, kritisch ist. Denn beide können nicht gleichzeitig genau gemessen werden.

4

168

Kapitel 4  Lineare elektrische Netze

. Abb. 4.37 Zur Aufgabe 4.35: Zwei Alternativen für die gleichzeitige Messung von Strom und Spannung an einem Widerstand R: Entweder der Strom wird genau gemessen oder die Spannung – nie beides

I UQ

I UQ

U

U

R

R

Spannung richtig

4

Strom richtig

Lösung: . Abb. 4.37 zeigt, warum immer nur eine der beiden Größen genau gemessen werden kann. Bei der linken Variante (Spannung richtig) ist der gemessene Strom die Summe aus dem interessierenden Strom über R und dem verfälschenende Anteil über das Spannungsmessgerät. Bei der rechten Variante (Strom richtig) ist die gemessene Spannung die Summe aus der interessierenden Spannung über R und dem verfälschenden Anteil über das Strommessgerät. Die Angaben beinhalten, dass sich das Geschenk etwa wie ein Widerstand R > U 2 =P D 225 k verhält. Es muss also ein sehr kleiner Strom bei moderater Spannung gemessen werden. Deshalb ist die Variante Strom richtig hier die bessere. 4.36 Zunächst muss die Stromquelle in eine äquivalente Spannungsquelle gemäß (4.4) um-

gewandelt werden. Dann werden Stromrichtungen festgelegt, zum Beispiel so wie in . Abb. 4.38 gezeigt, also mit allen Maschenströmen im Uhrzeigersinn. Die besondere Schwierigkeit bei dieser Aufgabe ist: Man darf sich nicht davon irritieren lassen, dass sich zwei Maschen kreuzen oder überlappen. Wichtig ist nur: Man muss die Maschen so wählen, dass jede Masche mindestens eine Information beinhaltet, die noch nicht in einer anderen Maschengleichung gegeben ist, und jedes Schaltungselement muss mindestens einmal vorkommen: 1. Pfad:

.Ri C R1 C R3 /IM1 C Ri IM 2 C R1 IM 3 D UQ

2. Pfad:

.Ri C R2 C R4 /IM 2 C Ri IM1  R2 IM 3 D UQ

3. Pfad:

.R1 C ZL C R2 /IM 3 C R1 IM1  R2 IM 2 D 0 :

(4.50)

Die Umlaufwiderstände sind immer positiv. Die Koppelwiderstände tauchen nur mit einem Plus-Zeichen auf, wenn sich beide Maschenströme im Koppelwiderstand addieren. Haben die beiden Maschenströme eine entgegengesetzte Richtung, dann findet ein Minus-Zeichen Anwendung.

. Abb. 4.38 Zur Aufgabe 4.36: Wahl der Maschen bei einer X-Schaltung. Die Stromrichtungen und Maschen können wie dargestellt gewählt werden. Alle Maschenströme werden in diesem Beispiel im Uhrzeigersinn gewählt

Ri 1. Pfad 2. Pfad

R1 R2

R3

UQ

3. Pfad R4

L

169 4.3  Antworten zu Kap. 4

Nun müssen die Ströme sortiert werden, damit die Matrixgleichung aufgestellt werden kann: 1 0 1 0 1 0 UQ .Ri C R1 C R3 / Ri R1 IM1 C B C B C B B C  BIM 2 C D BUQ C : (4.51) Ri .Ri C R2 C R4 / R2 A @ A @ A @ R1 R2 .R1 C ZL C R2 / IM 3 0 Natürlich können auch andere Maschen gewählt werden. Ebenso ist die Umlaufrichtung frei wählbar. Am Ende sollten aber immer die gleichen Ströme durch die Bauteile herauskommen. 4.37 Zur Vereinfachung werden zunächst die Leitwerte Gi D 1=Ri betrachtet. Die Knoten

1 und 2 werden zu einem Doppelknoten zusammengefasst. Die Strombilanz beinhaltet daher die beiden Knotenleitwerte G1 U1 C .G2 C G3 /U2 und die Koppelleitwerte zum Knoten 3: G1 U1 C .G2 C G3 /U2  .G1 C G2 /U3 D 0 :

(4.52)

Die Kopplung zum Massenknoten taucht nicht auf, da der Leitwert mit U D 0 multipliziert wird. Da der Knoten U3 D UQ1 bekannt ist, kann der dazugehörige Term (genau so wie bekannte Ströme) auf die rechte Seite geschrieben werden: G1 U1 C .G2 C G3 /U2 D .G1 C G2 /UQ1 :

(4.53)

Die Spannungsbilanz innerhalb des Doppelknotens lautet U1 D U2 C UQ2 :

(4.54)

Die beiden Gl. (4.53) und (4.54) können zu einer Matrix zusammen gefasst werden: G1 1

! .G2 C G3 / 1



U1 U2

! D

.G1 C G2 /UQ1

!

UQ2

:

(4.55)

Da die idealen Spannungsquellen eine Modifikation des Knotenpotenzial-Verfahrens erzwingen, ist die Matrix in (4.55) weder eine reine Leitwertmatrix, noch ist sie, wie sonst beim Verfahren üblich, symmetrisch. Die Inversion führt trotzdem zur Lösung: U1

!

U2

1 D G1 C G2 C G3

1 1

! .G2 C G3 / G1



.G1 C G2 /UQ1 UQ2

! :

(4.56)

Werden die Leitwerte wieder durch Widerstände ersetzt, so folgt die endgültige Lösung: R3 .R1 C R2 / R1 .R2 C R3 /  UQ1 C  UQ2 R1 R2 C R2 R3 C R1 R3 R1 R2 C R2 R3 C R1 R3 R3 .R1 C R2 / R2 R3 U2 D  UQ1   UQ2 : R1 R2 C R2 R3 C R1 R3 R1 R2 C R2 R3 C R1 R3

U1 D

(4.57)

4

Kapitel 4  Lineare elektrische Netze

170

. Abb. 4.39 Zur Aufgabe 4.37: Zur Vorbereitung des Maschenstrom-Verfahrens werden die Maschenströme und ihre Richtung festgelegt

4

. Abb. 4.39 zeigt den Lösungsansatz nach dem Maschenstrom-Verfahren. Die beiden Maschengleichungen sind M1W

.R2 C R3 /IM1  R2 IM 2 D UQ1

M 2W

.R1 C R2 /IM 2  R2 IM1 D UQ2 ;

(4.58)

in Matrixform: !

.R2 C R3 /

R2

R2

.R1 C R2 /



IM1 IM 2

! D

UQ1

! (4.59)

UQ2

mit der Lösung IM1 IM 2

!

1 D .R1 C R2 /.R2 C R3 /  R22

.R1 C R2 /

R2

R2

.R2 C R3 /

! 

UQ1 UQ2

! :

(4.60)

Setzt man nun U2 D R3 IM1 und U1 D UQ1 C R1 IM 2 , so erhält man die gleichen Ergebnisse wie in (4.57) angegeben. 4.38 In der Physik gilt: Koordinatensysteme sind frei wählbar. Diese Annahme wird heute nicht mehr bezweifelt, denn im Rahmen der theoretischen Mechanik wird gezeigt, dass dieses Prinzip untrennbar mit den Erhaltungssätzen für Energie und Impuls verbunden ist. Wenn für eine besondere Form der Energiebilanz eines geschlossenen Systems, die Lagrange-Funktion, gefordert wird, dass die Zeitkoordinate frei wählbar ist, dann folgt der Energie-Erhaltungssatz. Wird gefordert, dass der Ort frei wählbar ist, folgt die Impulserhaltung, und wenn die Richtung frei wählbar ist, folgt die Drehimpulserhaltung. Die Aussage Strom- und Spannungsrichtungen sind frei wählbar ist ein eindimensionaler Spezialfall der Freiheit, ein beliebiges Koordinatensystem zu wählen. Wenn zum Beispiel das Bezugssystem links als negativ und rechts als positiv definiert (das ist der Normalfall) wird, dann bedeutet eine positive Bewegung eine von links nach rechts, ein positiver Strom einer von links nach rechts, und ein negativer Strom ist einer von rechts nach links. Die Maxwell’schen Gleichungen setzen immer voraus, dass alle in ihnen vorkommenden Größen im gleichen Bezugssystem definiert sind. Deshalb gelten auch alle BauelementeGleichungen in unveränderter Form nur, wenn Strom und Spannung in der gleichen Richtung definiert sind. Wenn in einem Netzwerk aber der Strom als Bewegung positiver Ladungsträger vom Knoten A zum Knoten B, die Spannung aber entgegengesetzt als Potenzialdifferenz von B nach A definiert wird, dann entspricht das dem Fall, dass die Geschwindigkeit in einem Bezugssystem, die Kraft aber in einem um 180ı gedrehten Bezugssystem definiert ist. Nach den

171 Literatur

Gesetzen der physikalischen Modellbildung ist dies ein Fehler. Dieser Fehler kann jedoch korrigiert werden, indem die Bauelemente-Gleichungen dort mit einem Minuszeichen versehen werden, wo Strom und Spannung in entgegengesetzten Richtungen definiert sind (siehe auch . Abb. 4.3). Dies gilt nicht nur für Kondensatoren und Spulen, sondern auch für Widerstände und gekoppelte Induktivitiäten (siehe 7 Kap. 5). Literatur 1. 2. 3. 4.

Böker, Paerschke, Boggasch (2017) Elektrotechnik für Gebäudetechnik und Maschinenbau. Springer, Heidelberg, ISBN 978-3-658-14188-2 Glisson T (2011) Introduction to Circuit Analysis and Design. Springer. New York, ISBN 978-90-481-9442-1 Baukholt H-J (2013) Grundlagen und Elemente der Elektrotechnik. Carl Hanser Verlag, München, 7. Auflage, ISBN 978-3-446-43246-8 Haase H, Garbe H, Gerth H (2009) Grundlagen der Elektrotechnik. Schöneworth, Hannover, 3. Auflage, ISBN 9783980880558

4

5

173

Wechselstromnetze – beliebige Spannungen erzeugen © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2018 M. Poppe, Prüfungstrainer Elektrotechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56649-7_5

In diesem Kapitel werden die grundlegenden Konzepte zur Beschreibung von Phänomenen in Wechselstromnetzen in einfacher und in komplexer Notation dargelegt. Dazu gehören Parallelersatzwiderstände, Effektivwerte, Scheinleistung und Blindleistungskompensation ebenso wie die komplexe Leistungsanpassung. Die Transformatorgleichungen und deren Eigenschaften werden hergeleitet. Auf ihrer Basis wird gezeigt, unter welchen Randbedingungen die Näherung des idealen Transformators benutzt werden kann. Der Einfluss von Verlustbringern wird ebenso behandelt wie der Mechanismus der Stromverdrängung. Als Praxisbeispiel wird der Zündtransformator eines Automobils beschrieben. Die Eigenschaften des Drei-Phasen-Wechselstromes und deren Ausnutzung in Stern- und Dreieckschaltungen werden analysiert und damit Hausnetze erklärt.

5.1

Theoretische Grundlagen der Wechselstromnetze

In diesem Abschnitt werden die Begriffe Effektivwert, Ersatzimpedanz, Schein-, Blind- und Wirkleistung sowie Leistungsanpassung erklärt. Mit Hilfe des Zeigerdiagramms wird die komplexe Wechselstromlehre bildlich dargestellt. In diesem Kontext werden Transformatoren und der Drei-Phasen-Wechselstrom analysiert.

5.1.1 Begriffe und Bilder . Abb. 5.1 zeigt den zeitlichen Verlauf einer Spannung, die sich gemäß u.t / D UO sin.!t C U /

(5.1)

entwickelt. Zur Charakterisierung ihrer Stärke gibt man entweder die Amplitude UO , den im Oszilloskop einfach p zu messenden Spitze-Spitze-Wert US S , oder den so genannten Effektivwert1 Ueff D UO = 2 an. Die Verschiebung des Spannungs-Nulldurchgangs zu früheren Zeiten hin wird Phasenwinkel U genannt. Für Ströme gilt Entsprechendes. Die komplexe Erweiterung (siehe Anhang) dieses Spannungsverlaufes ist u.t / D U e j!t D UO e jU e j!t :

(5.2)

1 Dieser Begriff deutet an, dass eine Wechselspannung der Größe Ueff auf einen Ohm’schen Widerstand im zeitlichen Mittel einen genau so großen Effekt hat wie ein Gleichstrom dieser Größe: Ein Widerstand an einer Wechselspannung mit Ueff D 230 V wird genau so warm wie einer, der an U D 230 V-Gleichstrom angeschlossen wird.

174

Kapitel 5  Wechselstromnetze

. Abb. 5.1 Die Bedeutungen der Größen UO ; USS und Ueff : Stärken harmonisch verlaufender Spannungen können auf mehrere Arten angegeben werden

U SS

U

Ueff -π/2

π/2

π

ωt

1 Zeigerdiagramme veranschaulichen komplexe Größen

5

Komplex erweiterte Wechselspannungen und -ströme können als Vektor in der komplexen Ebene dargestellt werden (siehe Anhang). Diese Darstellung nennt man Zeigerdiagramm. Dabei ist die Länge des Vektors der Maximalwert, also die Amplitude. Dieser wird auch Scheitelwert2 genannt. Der sinusförmige Verlauf einer Wechselspannung entspricht im Zeigerdiagramm einem mit der Kreisfrequenz ! um den Nullpunkt rotierenden Vektor. Die Projektion auf die reelle Achse ist der momentane Wert. Für t D 0 ist der aktuelle Wert gleich der komplexen Amplitude. Bei Strömen ist i.t D 0/ D I und bei Spannungen gilt u.t D 0/ D U . Bei Spannungen, die zum Zeitpunkt t D 0 verschwinden, gilt ferner u.t D 0/ D UO . Alle anderen Spannungen nennt man phasenverschoben. Man erkennt sie daran, das die komplexe Amplitude in (5.2) einen endlichen Phasenwinkel, U ¤ 0 enthält. Für Ströme gilt Entsprechendes. . Abb. 5.2 zeigt, dass mit Hilfe des Zeigerbildes Spannungen addiert werden können. Das gezeigte Bild entspricht der Gleichung  U D R C j!L C

1 j! C

 I

(5.3)

mit I D 0. Auch die Addition von Strömen funktioniert nach dem gleichen Schema (siehe Aufgabe 5.23). Die komplexen Erweiterungen von Widerstand und Leitwert heißen Impedanz Z und Admitanz Y : Original ! komplexe Erweiterung uDRi

!

uDZi

i DG u

!

i DY u:

(5.4)

. Abb. 5.2 Addition von Spannungen in einem Zeigerdiagramm

2

Wird an einem Oszilloskop die so genannte Spitze-Spitze-Spannung einer sinusförmigen Quelle gemessen, so ist das Resultat der doppelte Scheitelwert.

5

175 5.1  Theoretische Grundlagen der Wechselstromnetze

Sie werden jeweils als Summe aus einem Realteil und einem Imaginärteil angegeben: Z D R C jX

(5.5)

Y D G C jB :

Die Beträge der Imaginärteile heißen Blindwiderstand X und Suszeptanz B. Nach (5.4) muss Z D 1=Y sein. Dies führt zusammen mit (5.5) zu B C B2 X BD 2 : R C X2

G C B2 R GD 2 R C X2 RD

XD

G2

G2

(5.6)

Die zu dieser Gleichung führende Rechnung läuft analog zur Bestimmung der Ersatzimpedanzen (siehe unten) ab. 1 Phasenverschiebungen sind Zeitverschiebungen

Alle komplexen Größen können (siehe Anhang) auch durch ihren Betrag und ihren Phasenwinkel angegeben werden. O jZ ; Z D Ze Y D YO e jY ; U D UO e jU ;

 X ; R   B ; Y D arctan G   =.U / ; U D arctan