Praxis der Viszeralchirurgie: Gastroenterologische Chirurgie [2.  Auflage]
 3540290400, 978-3-540-29040-7 [PDF]

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Zitiervorschau

J. R. Siewert M. Rothmund V. Schumpelick Praxis der Viszeralchirurgie Gastroenterologische Chirurgie

J. R. Siewert M. Rothmund V. Schumpelick (Herausgeber)

Praxis der Viszeralchirurgie

Gastroenterologische Chirurgie V. Schumpelick (Bandherausgeber) F. Harder (Editor emeritus) 2. Auflage

Mit 746 zum Teil farbigen Abbildungen und 146 Tabellen

123

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Volker Schumpelick Universitätsklinik und Poliklinik Medizinische Fakultät der RWTH Pauwelsstr. 30 52057 Aachen

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Rüdiger Siewert Chirurgische Klinik und Poliklinik Technische Universität München Klinikum rechts der Isar Ismaninger Str. 22 81657 München

Prof. Dr. med. Matthias Rothmund Zentrum für Operative Medizin I Klinikum der Philipps-Universität Baldinger Straße 35043 Marburg

ISBN 3-540-29040-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg ISBN 978-3-540-29040-7 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Dr. Fritz Kraemer, Heidelberg Projektmanagement: Willi Bischoff, Heidelberg Design: deblik Berlin Copy-Editing: U. Illig, Stockdorf Satz und Reproduktion der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Druck- und Bindearbeiten: Stürtz GmbH, Würzburg SPIN: 10826995 Gedruckt auf säurefreiem Papier

106/2111/BF – 5 4 3 2 1 0

V

Vorwort Auf fahrende Züge aufzuspringen, zählt nicht zu den charaktervollsten Formen der Fortbewegung. Und dennoch gibt es Angebote, die man nicht ausschlagen kann, weil sie einfach zu verlockend sind. Die Nachfolge von Felix Harder bei diesem Standardwerk anzutreten, war gleichermaßen ehrenvoll und verpflichtend. Standards, die Felix Harder zusammen mit den beiden anderen Herausgebern gesetzt hatte, galt es zu halten, Gutes sollte bewahrt, Bewährtes gegebenenfalls verbessert werden. Ergänzungen waren gewünscht (so die komplette Hernienchirurgie), aber der Umfang des Bandes durfte nicht zunehmen, wohl aber die Qualität eines ohnehin schon sehr guten Werkes. Diese Aufgabe war verlockend, aber eigentlich kaum lösbar, und nun liegt der fertige Band vor uns. Dass dies möglich war, verdanke ich vor allem den bisherigen Autoren, die ohne Murren ihre Beiträge großzügig auf das Essenzielle gekürzt und auf den aktuellen Kenntnisstand ausgerichtet haben. Aber auch allen neuen Autoren ist zu danken, dass sie sich in dieses Konzept eingebunden und uns mit ihren Ausführungen bereichert haben. Insbesondere danke ich meinen Mitarbeitern und hier vor allem in erster Linie Herrn Kollegen Priv.-Doz. Dr. Marc Jansen für die straffe Hand bei der Realisation in denkbar kurzer Zeit. Ohne das jetzige und frühere Aachener Team wäre diese Aufgabe nicht zu lösen gewesen, hierfür danke ich allen Beteiligten. Ganz besonderer Dank gilt aber auch Herrn Dr. Fritz Kraemer vom Springer Verlag für seine unermüdliche Betreuung und meiner wissenschaftlichen Sekretärin Frau Martina Schmitt für die mühevolle redaktionelle Umsetzung in allen Schritten. Diese neue Auflage der Praxis der Viszeralchirurgie folgt dem erklärten Konzept der Herausgeber, »gebündeltes und fundiertes Wissen in verständlicher, äußerst gefälliger Form aufzubereiten«. Vollständigkeit zu erreichen, ist eine Illusion, alles zu sagen ist nach Cicero die sicherste Form zu langweilen. So bitten wir den geneigten Leser um Verständnis für etwaige Auslassungen und Unvollständigkeiten, damit wir auch genügend Raum und Auftrag für eine nächste Auflage schaffen. Für die Herausgeber Volker Schumpelick

VI

Vorwort der 1. Auflage Die drei Bände »Praxis der Viszeralchirurgie« – neben der gastroenterologischen Chirurgie betrifft das die onkologische und endokrine Chirurgie – sind sichtbarer Ausdruck der sich fortwährend weiterentwickelnden Spezialisierung innerhalb der Viszeralchirurgie. In der Tat hatten 1981 die Herren Proff. Martin Allgöwer, Louis Hollender und H.-J. Peiper die »Chirurgische Gastroenterologie« in 2 Bänden noch ohne die nun vorgenommene Unterteilung als interdisziplinäres Werk herausgegeben. Sie dokumentierten damit auch ihre Vorstellung der Einheit der Viszeralchirurgie. Je nach Wirkungsort wird heute die Tätigkeit des Viszeralchirurgen fachlich unterschiedlich weit gefasst und interdisziplinär vernetzt sein. Selbst innerhalb definierter Schwerpunkte der Chirurgie zeichnen sich Gebiete mit höchster Spezialisierung ab, die allerdings ein entsprechend großes Einzugsgebiet voraussetzen. Dieser Band soll einerseits einen Überblick über die gastroenterologische Chirurgie geben und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, mit Hilfe von Experten, die diversen nichtoperativen Disziplinen angehören, einen noch fokussierten Blick auf bestimmte Gebiete zu erzielen. Angesichts der kurzen Halbwertszeit unseres medizinischen Wissens stellt sich die Frage nach der Berechtigung einer derartigen Publikation. Immerhin bleibt ein größerer Grundstock der behandelten Materie über längere Zeit gültig. Davon ausgehend werden hier aktuelle Fragen aufgeworfen und Lösungen von Spezialisten vorgeschlagen, welche dem praktizierenden Chirurgen oder jenem in Weiterbildung wertvolle Dienste beim raschen Nachschlagen erweisen können. Mittels allfälliger, punktueller Aktualisierungen über elektronische Datenbanken kann danach der Leser stets noch neueste Trends erfassen. Auch als Quelle für den Unterricht in Weiter- und Fortbildung ist dieses dreibändige Werk gerade dank seiner ausgesprochenen Interdisziplinarität gedacht. Den Autoren aus zahlreichen sehr unterschiedlichen Fachgebieten sei für ihren Einsatz und ihr Verständnis beim Entstehen dieses Buches gedankt. Besondere Anerkennung gebührt den Herren PD Dr. Walter Marti und PD Dr. Daniel Oertli für die Redaktion und Abstimmung der Manuskripte sowie Frau Susanne Demou für ihre minutiöse und geduldige Koordinationsarbeit. Auch dem SpringerVerlag sei an dieser Stelle für die Zusammenarbeit der Dank der Herausgeber ausgesprochen. Basel, Februar 2002 Prof. Dr. Felix Harder

VII

Inhaltsverzeichnis I

Spezielle diagnostische Techniken

1

Diagnostische Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

A. Zielke

2

Interventionelle Sonographie . . . . . . . . . . . . . . .

H. Bartels

15

S. Truong, O. Schumacher, V. Schumpelick

3

Allgemeine radiologische Diagnostik des MagenDarm-Traktes und der Gallenwege einschließlich Computertomographie und Magnetresonanztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Radiologische Interventionen im Gastrointestinaltrakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 Blutung, Blutersatz, Blutgerinnung . . . . . . . . . . . . 185 L. Lehr

31

Nuklearmedizinische Verfahren . . . . . . . . . . . . . .

47

Motilitätstests des Gastrointestinaltraktes (inkl. Langzeit-pH-Metrie) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

Resorptionstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 Abdominelle Sepsis und Peritonitisbehandlung . . . . 205 H. Bartels, C. Töns, A. Schachtrupp

63

M. Jansen, B. Dreuw, F. Hölzl, G. Böhm, V. Schumpelick

7

20 Allgemeine chirurgische Prinzipien beim akuten Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 M. Stumpf, R. Rosch

L. Degen, C. Beglinger

6

19 Antibiotikatherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 G. Welty

K. Schnabel

5

17 Ambulante Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 K. Ophoff, J. de Jager, V. Schumpelick

W. Steinbrich, W. Wiesner

4

16 Postoperativer Verlauf und seine Störungen – Chirurgische Intensivmedizin in der Viszeralchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

22 Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens . . . . . . . . . . . . . . . 215 R. Babst, J. Rosenkranz

77

W.F. Caspary, J. Stein

23 Allgemeine chirurgische Prinzipien in der Behandlung des Ileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 S. Müller

8

Spezielle Labordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

C. Beglinger, R. Driesch

III Therapieindikationen und Durchführung der Therapie

II Allgemeine Viszeralchirurgie 9

Therapeutische Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

S. Truong, O. Schumacher, N. Butz

24 Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

241

H.J. Stein, H. Feussner, B.H.A. von Rahden, M. Feith, D. Liebermann-Meffert, J.R. Siewert

10 Prinzipien der Laparoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . 123 A. Tittel, V. Schumpelick

11 Präoperative Risikoabschätzung . . . . . . . . . . . . . . 131

25 Hiatushernien und andere Erkrankungen des Zwerchfells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 H.J. Stein, B.H.A. von Rahden, H. Feussner

A. Reber, D. Scheidegger, R. Babst

26 Verletzungen von Ösophagus und Magen . . . . . . . 307 12 Prinzipien der Laparotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

H.J. Stein, B.H.A. von Rahden, H. Bartels, J.R. Siewert

J. Conze, R. Schwab

27 Gutartige Erkrankungen von Magen und Duodenum 323 13 Die chirurgische Naht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 K. Böttcher, W.R. Marti

14 Drainage der Bauchhöhle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 P. Bertram, K.-H. Treutner

15 Allgemeine Transplantationsmedizin . . . . . . . . . . . 165 R. Pfitzmann, P. Neuhaus

E. Bollschweiler, J. Faß, A.H. Hölscher, K. Homayounfar, D. Oertli, C. Prinz

28 Chirurgische Behandlung der morbiden Adipositas

381

M.K. Müller, S. Wildi, P.-A. Clavien, M. Weber

29 Erkrankungen des Dünndarms (außer Morbus Crohn) 391 A. Erckmann, F. Erckmann, M. Jansen, E. Schippers, V. Schumpelick

VIII

Inhaltsverzeichnis

30 Gefäßerkrankungen des Dünndarms und des Kolons 399 J. Schölmerich, C. Herfarth

39 Lebertransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 F. Braun, K.-P. Platz, A.R. Müller

31 Dünndarmtransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 F. Braun, K.-P. Platz, F. Fändrich, A.R. Müller

32 Morbus Crohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431

40 Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 C. Beglinger, P.-A. Clavien, L. Degen, O. Drognitz, R. Fried, U.T. Hopt, R. Kasperk, C. Krones, F. Lammert, D. Oertli, M. Schäfer

C. Tjaden, T. Hackert, J. Schmidt

41 Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 33 Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

447

S. Willis, R. Kasperk, M. Saklak, F. Ulmer, J. Braun, V. Schumpelick

D. Oertli, M. Zuber

42 Chirurgie des großen Netzes . . . . . . . . . . . . . . . . 745 D. Liebermann-Meffert

34 Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Ch. Peiper

35 Proktologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 C.G.M.I. Baeten, C. Beglinger, G. Curti, L. Degen, M. Rossi, M. von Flüe

43 Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753 J. Conze, K. Junge, U. Klinge, C. Krones, R. Rosch, V. Schumpelick

44 Kindliche Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779 G. Steinau, M. Lörken

36 Erkrankungen der Gallenwege . . . . . . . . . . . . . . . 549 C. Ackermann, P. Born, M. Classen, H. Feussner, F. Harder, B. Kern, S. Krähenbühl, F. Lammert, C. Looser, D. Oertli, R. Peterli, R. Schlumpf, J.R. Siewert, G.A. Stalder, J. Wydler

37 Erkrankungen der Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 R. Margreiter, T. Roeren, C. Sieber, R. Schlumpf, J. Wydler

38 Portale Hypertension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 J. Bauer, P.-A. Clavien, W.A. Gantert, B. Müllhaupt, E.L. Renner, M. Selzner, C. Sieber, J.E. Tuttle-Newhall, M. von Flüe

45 Spezielle gastroenterologische Probleme in der Kinderchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 D. von Schweinitz

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 M. Jansen, J. Otto

IX

Autorenverzeichnis Ackermann, C., Priv.-Doz. Dr.

Böttcher, K., Prof. Dr.

Curti, G., Dr.

St. Claraspital Allgemeinchirurgische Abteilung Kleinriehenstr. 30 CH-4016 Basel

Hochtaunus Kliniken GmbH Chirurgische Klinik I Urseler Str. 33 61348 Bad Homburg

Kantonsspital Luzern Chirurgische Klinik A CH-6000 Luzern 16

Babst, R., Prof. Dr.

Born, P., Priv.-Doz. Dr.

Chefarzt Chirurgie A und Leiter Unfallchirurgie Kantonsspital Luzern CH-6000 Luzern

Klinikum rechts der Isar II. Medizinische Klinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Baeten, C.G.M.I., Dr.

Braun, F., Dr.

Akademisch Ziekenhuis Department of Surgery NL-6221 CB Maastricht

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel Klinik für Allgemein- und Thoraxchirurgie Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel

Degen, L., Dr. Kantonsspital Basel Gastroenterologie Petersgraben 4 CH-4031 Basel

de Jager, J., Dr.

Bartels, H., Prof. Dr. Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Bauer, J., Dr. Klinikum Nürnberg-Nord Medizinische Klinik 2 Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1 90419 Nürnberg

Beglinger, C., Prof. Dr. Kantonsspital Basel Petersgraben 4 CH-4031 Basel

Bertram, P., Priv.-Doz. Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Böhm, G., Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Bollschweiler, E., Priv.-Doz. Dr. Klinikum der Universität zu Köln Klinik und Poliklinik für Viszeralund Gefäßchirurgie Kerpener Straße 62 50937 Köln (Lindenthal)

Braun, J., Prof. Dr. Klinik für Allgemein- und Unfallchirurgie Rotes Kreuz Krankenhaus St. Pauli-Deich 24 28199 Bremen

Butz, N., Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Dreuw, B., Priv.-Doz. Dr. St. Johannes-Hospital Chirurgische Abteilung An der Abtei 7–11 47166 Duisburg

Driesch, R., Dr. Universitätsklinikum Aachen Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Drognitz, O., Dr. Caspary, W.F., Prof. Dr. Universitätsklinikum Frankfurt Medizinische Klinik II Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt a.M.

Universitätsklinikum Freiburg Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie Hugstetter Str. 55 79095 Freiburg

Erckmann, A. Classen, M., Prof. (em.) Dr. Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Juliusspital Würzburg Chirurgische Klinik Juliuspromenade 19 97070 Würzburg

Erckmann, F. Clavien, P.-A., Prof. Dr. Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich

Conze, J., Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Juliusspital Würzburg Chirurgische Klinik Juliuspromenade 19 97070 Würzburg

Fändrich, F., Prof. Dr. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel Klinik für Allgemein- und Thoraxchirurgie Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel

X

Autorenverzeichnis

Faß, J., Prof. Dr.

Homayounfar, K., Dr.

Lehr, L., Prof. Dr.

Klinikum Kassel Klinik für Allgemein- Viszeral- und Thoraxchirurgie Mönchebergstr. 41–43 34125 Kassel

Klinikum Kassel Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie Mönchebergstr. 41–43 34125 Kassel

Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Feith, M.

Hopt, U.T., Prof. Dr. Dr.

Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Universitätsklinikum Freiburg Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie Hugstetter Str. 55 79095 Freiburg

Feussner, H., Prof. Dr.

Jansen, M., Priv.-Doz. Dr.

Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Fried, R., Dr.

Junge, K.

Kantonsspital Basel Petersgraben 4 CH-4031 Basel

Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Liebermann-Meffert, D., Prof. Dr. Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Looser, C., Dr. St. Claraspital Radiologische Abteilung Kleinriehenstr. 30 CH-4016 Basel

Lörken, M., Dr.

Gantert, W.A., Prof. Dr. St. Anna-Hospital St. Anna-Str. 32 CH-6006 Luzern

Hackert, T., Dr. Universitätsklinikum Heidelberg Chirurgische Klinik Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg

Harder, F., Prof. Dr. (em.) Kantonsspital Basel Department für Chirurgie Spitalstr. 21 CH-4031 Basel

Herfarth, C., Prof. Dr. Universitätsklinikum Heidelberg Chirurgische Klinik Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg

Hölscher, A.H., Prof. Dr. Klinikum der Universität zu Köln Klinik und Poliklinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie Kerpener Straße 62 50937 Köln (Lindenthal)

Margreiter, R., Prof. Dr. Kasperk, R., Prof. Dr. St. Johannes-Hospital Chirurgische Abteilung An der Abtei 7–11 47166 Duisburg

Universitätsklinik Innsbruck Klin. Abt. für Allgemein- und Transplantationschirurgie Anichstraße 35 A-6020 Innsbruck

Kern, B., Dr. med.

Marti, W.R., Prof. Dr.

St. Claraspital Allgemeinchirurgische Abteilung Kleinriehenstrasse 30 CH-4016 Basel

Kantonsspital Basel CH-4031 Basel

Klinge, U., Prof. Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Krähenbühl, S., Priv.-Doz. Dr. Universitätsspital Basel Klinische Pharmakologie Hebelstrasse 32 CH-4031 Basel

Krones, C., Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Hölzl, F., Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Universitätsklinikum Aachen Unfallchirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Lammert, F., Prof. Dr. Universitätsklinikum Bonn Medizinische Klinik I Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn

Müller, A.R., Prof. Dr. Ilmtalklinik GmbH Krankenhausstraße 70 85276 Pfaffenhofen

Müller, M. K., Dr. Universitätsspital Zürich Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich

Müller, S., Priv.-Doz. Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Müllhaupt, B., Priv.-Doz. Dr. Universitätsspital Zürich Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich

XI Autorenverzeichnis

Neuhaus, P., Prof. Dr.

Renner, E.L., Prof. Dr.

Schippers, E., Prof. Dr.

Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Virchow-Klinikum Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Augustenburger Platz 1 13353 Berlin

University of Manitoba Dept. of Internal Medicine Section of Hepatology, Health Sciences Center 809-715 McDermot Avenue Winnipeg, MB Canada R3E 3P4

Juliuspital Würzburg Chirurgische Klinik Juliuspromenade 19 97070 Würzburg

Oertli, D., Prof. Dr. Kantonsspital Basel Departement Chirurgie Spitalstr. 21 CH-4031 Basel

Roeren, T., Prof. Dr. Kantonsspital Aarau Institut für Radiologie Tellstraße CH-5001 Aarau

Ophoff, K., Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Rosch, R., Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Peiper, Ch., Priv.-Doz. Dr. Evangelisches Krankenhaus Diakoniewerk Ruhr Witten Pferdebachstr. 27–43 58455 Witten

Rosenkranz, J. Dr.

Peterli, R., Dr.

Rossi, M.

St. Claraspital Allgemeinchirurgische Abteilung Kleinriehenstr. 30 CH-4016 Basel

Kantonsspital Luzern Infektiologie und Spitalhygiene CH-6000 Luzern 16

Chirurgie A Kantonsspital Luzern CH-6000 Luzern

Schachtrupp, A., Priv.-Doz. Dr. Pfitzmann, R., Dr. Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Virchow-Klinikum Klinik für Allgemeinchirurgie Augustenburger Platz 11 13353 Berlin

Marien Hospital Düsseldorf Klinik für Allgemein- Gefäß- und Viszeralchirurgie Rochusstr. 2 40479 Düsseldorf

Saklak, M., Dr. Platz, K.-P., Dr. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel Klinik für Allgemein- und Thoraxchirurgie Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel

Prinz, C., Prof. Dr. Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Chirurgische Universitätsklinik der RWTH Aachen Pauwelsstraße 30 52057 Aachen

Schäfer, M., Priv.-Doz. Dr. Universitätsspital Zürich Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Rämistr. 100 CH-8091 Zürich

Scheidegger, D., Prof. Dr. Reber, A., Priv.-Doz. Dr. med. Dr. phil. Spital Zollikerberg Chefarzt Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin CH-8125 Zollikerberg

Kantonsspital Basel Departement Anästhesie Petersgraben 4 CH-4031 Basel

Schlumpf, R., Prof. Dr. Kantonsspital Aarau Klinik für Chirurgie Tellstraße CH-5001 Aarau

Schmidt, J., Prof. Dr. Universitätsklinikum Heidelberg Chirurgische Klinik Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg

Schnabel, K., Dr. Friedrichstr. 24 75417 Mühlacker

Schölmerich, J., Prof. Dr. Universitätsklinikum Regensburg Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93053 Regensburg

Schumacher, O., Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Schumpelick, V., Prof. Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Schwab, R., Dr. Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie Rübenacher Str. 170 56072 Koblenz

Selzner, M., Dr. Universitätsspital Chirurgische Klinik Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich

Sieber, C., Prof. Dr. Klinikum Nürnberg Medizinische Klinik 2 Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1 90419 Nürnberg

XII

Autorenverzeichnis

Siewert, J.R., Prof. Dr.

Treutner, K.-H., Prof. Dr.

Wildi, S., Dr.

Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

Schlosspark Klinik Chirurgie II Heubnerweg 2 14059 Berlin

Universitätsspital Zürich Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich

Stalder, G.A., Prof. Dr.

Truong, S., Prof. Dr.

Rebgasse 6 CH-4142 Münchenstein

Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Stein, H.J., Prof. Dr. Paracelsus Medizinische Universität Universitätsklinik für Chirurgie Müllner Hauptstr. 48 A-5020 Salzburg

Stein, J., Prof. Dr. Dr. Universitätsklinikum Frankfurt Medizinische Klinik II Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt a.M.

Steinau, G., Priv.-Doz. Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Steinbrich, W., Prof. Dr. Kantonsspital Basel Departement Medizinische Radiologie Petersgraben 4 CH-4031 Basel

Stumpf, M., Priv.-Doz. Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Tittel, A., Priv.-Doz. Dr. Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Tjaden, C., Dr. Universitätsklinikum Heidelberg Chirurgische Klinik Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg

Marien Hospital Düsseldorf Klinik für Allgemein-Gefäß- und Viszeralchirurgie Rochusstr. 2 40479 Düsseldorf

Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Tuttle-Newhall, J.E., Dr. Duke University Medical Center Department of Surgery POB 3247, Hanes House 3000 Erwin Road N.C. 27710 Durham USA

Wydler, J., Dr. Kantonsspital Aarau, Klinik für Chirurgie Abteilung Viszeralchirurgie Tellstrasse CH-5001 Aarau

Zielke, A., Priv.-Doz. Dr. Ulmer, F., Dr. Chirurgische Universitätsklinik der RWTH Aacehn Pauwelsstraße 30 52057 Aachen

Klinikum Offenbach GmbH Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie Starkenburgring 66 63099 Offenbach

von Flüe, M., Prof. Dr.

Zuber, M., Priv.-Doz. Dr.

St. Claraspital Allgemeinchirurgische Abteilung Kleinriehenstr. 30 CH-4016 Basel

Kantonsspital Chirurgische Klinik CH-4600 Olten

von Rahden, B.H.A., Dr. Klinikum rechts der Isar Chirurgische Klinik und Poliklinik Ismaninger Str. 22 81675 München

von Schweinitz, D., Prof. Dr. Kinderspital Innenstadt Klinikum der Universität München Lindwurmstraße 4 80337 München

Weber, M., Priv.-Doz. Dr. Universitätsspital Zürich Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Rämistrasse 100 CH-8091 Zürich

Welty, G., Dr. Töns, C., Prof. Dr.

Willis, S., Priv.-Doz. Dr.

Universitätsklinikum Aachen Chirurgische Klinik Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

Wiesner, W., Priv.-Doz. Dr. Klinik Stephanhorn Brauerstr. 95 CH-9016 St. Gallen

1 1 Diagnostische Sonographie A. Zielke

1.1

Technische Neuerungen in der Sonographie – 4

1.1.1 Kontrastverstärkter Ultraschall

1.2

–4

Sonographie in chirurgischen Notfallsituationen

–4

1.2.1 Stumpfes Bauchtrauma – 4 1.2.2 Akutes Abdomen – 5

1.3

Perkutane Sonographie in der präoperativen Diagnostik – 8

1.4

Endosonographie/endoskopischer Ultraschall – 9

1.5

Intraoperative Sonographie/laparoskopischer Ultraschall – 11 Literatur – 12

4

1

Kapitel 1 · Diagnostische Sonographie

) ) Analog den technischen Weiterentwicklungen weitet sich das Indikationsspektrum des Ultraschalls in der Viszeralchirurgie kontinuierlich aus. Dies gilt vor allem für die Endosonographie des Gastrointestinaltraktes und den durch Kontrastmittel verstärkten Ultraschall. Die Endosonographie hat bei der Festlegung der stadiengerechten Behandlung viszeraler Tumoren eine herausragende Bedeutung. Beim Ösophagus- und Rektumkarzinom ist sie obligater Teil der Behandlungsplanung. In diesem Zusammenhang ist deutlich geworden, dass die individuelle methodische Qualifikation beim Einsatz des Ultraschalls das entscheidende Qualitätsmerkmal in der »klinischen Routine« ist. Nach wie vor bleibt deshalb die anhaltende Beschäftigung mit dem Ultraschall für den Viszeralchirurgen unerlässlich. Im folgenden Kapitel werden die Grundzüge der Ultraschalldiagnostik mit den Schwerpunkten »stumpfes Bauchtrauma«, »akutes Abdomen« und »perioperatives Staging« vorgestellt und der Stellenwert des Ultraschalls in diesen Indikationsgebieten angerissen. Die allgemeine Sonomorphologie der jeweiligen Erkrankungen kann hier nicht detailliert wiedergegeben werden, dazu muss auf einschlägige Lehrbücher verwiesen werden.

1.1

ermöglichen. Stabilere Mikrosphären (z. B. SonoVue, Optinson) erlauben eine kontinuierliche Beschallung ohne Ruptur. Damit werden Untersuchungen mit Beurteilung des An- und Abflutverhaltens differenter Gewebe möglich. Spezielle Geräte erlauben beide Effekte, d. h. eine kontinuierliche Bilddarstellung mit der gezielten Induktion von Rupturen durch eingestreute Pulse mit hohem mechanischen Index zu kombinieren. Die folgenden UCA sind derzeit (6/2005) in Europa zugelassen: 4 Levovist (Galaktose/Palmitinsäure; 1996 Schering; Zulassung für Herz, Abdomen, Neurokranium), 4 Optison (Octafluropropan mit Albuminhülle; 1998, Amersham; Zulassung für Herz) und 4 SonoVue (Schwefelhexaflourid mit Phospholipidhülle; Bracco 2001; Zulassung für Herz, Leber und Brust). Vor ihrer Anwendung sind zwar keine speziellen Untersuchungen erforderlich. Die Anwendung sollte aber an Experten in der Sonographie gebunden sein. Unerwünschte Reaktionen auf UCA ergaben sich nur in Einzelfällen (Histaminliberation, 1/10.000, UAW Datenbank 1/2004). Die einzige Kontraindikation besteht aktuell in einer Schwangerschaft. Der zunehmende klinische Einsatz der UCA hat jüngst zu einer Leitlinie für ihre Anwendung geführt (EFUSMB Study Group 2004).

Technische Neuerungen in der Sonographie

In der Viszeralchirurgie finden UCA vor allen Dingen in der Diagnostik fokaler Läsionen der Leber Anwendung.

1.1.1 Kontrastverstärkter Ultraschall Der Ultraschall mit Kontrastmitteln (»contrast enhanced ultrasound«, CEUS) ist eine sich rasch entwickelnde Anwendung, von der erwartet werden muss, dass sie maßgeblich die prä- und intraoperative Diagnostik verändern wird. Ultraschallkontrastmittel (UCA) agieren als Kontrastverstärker des intravaskulären Raums. Sie erlauben es aber auch, neben der Darstellung von Gefäßen die parenchymatöse Mikrovaskulatur darzustellen. Abhängig vom UCA können z. B. in Angleichung an das triphasische Leber-CT eine arterielle, portalvenöse, spät-venöse und parenchymatöse Phase differenziert und zur Charakterisierung von fokalen Läsionen genutzt werden. Offensichtliche Vorteile gegenüber CT und MRT sind u. a. die strahlungsfreie, real-time Darstellung ohne Blous-tracking, einschließlich ihrer nahezu beliebigen Wiederholbarkeit. Ein wesentlicher Unterschied zum CT und MRT besteht darin, dass UCA im intravaskulären Raum verbleiben und erst mit einiger Zeitverzögerung durch das RES geklärt werden. Diese Information kann diagnostisch genutzt werden. Die derzeitigen UCA entsprechen in ihrem Aufbau Mikrogasblasen, die von einer Hülle umgeben sind. Diese Mikrosphären werden intravaskulär transportiert, verursachen starke Reflexe und stellen so Blutfluss und parenchymatöse Mikrovaskulatur dar. Spezielle technische Gerätemodifikationen sind unerlässlich, wobei 2 unterschiedliche nichtlineare Antworten der Mikrosphären erhalten werden. Mit Luft gefüllte Mikrosphären wie z. B. Levovist, haben eine niedrige Resistenz gegenüber dem Schalldruck. Sie rupturieren leicht und setzten das Gas frei, wobei die Reflexinformationen nach Ruptur und Freisetzung diagnostisch verwertbar sind. Bei der Anwendung dieser UCA ist ein intermittierendes Schallmuster mit erniedrigter Bildrate erforderlich, um eine Wiederauffüllung des UCA in das Gewebe zu

Aufgrund charakteristischen Kontrastverhaltens in den verschiedenen Phasen der Perfusion können die Läsionen in aller Regel sicher zugeordnet werden. In Expertenhand stehen die Leistungsdaten des CEUS denjenigen der CT oder der MRT nicht nach. Indikationen an der Leber sind derzeit Metastasen, Abszesse, Hämangiome, FNH und ggf. HCC, sofern nicht bereits ein konventioneller Ultraschall eindeutige Befunde liefert (Übersicht bei Nicolau et al. 2005). Zunehmend wird CEUS in der Therapiekontrolle der Radiofrequenzablation angewendet (Übersicht bei Lemke et al. 2005). Eine weitere Indikation werden die entzündlichen Darmerkrankungen (Übersicht bei Schlottmann et al. 2005). 1.2

Sonographie in chirurgischen Notfallsituationen

1.2.1 Stumpfes Bauchtrauma Indikation. Jeder Patient mit einem stumpfen Bauch- oder

Thoraxtrauma, bei dem aufgrund des Unfallmechanismus ein Akzelerations-/Dezelerationstrauma angenommen werden muss, sofern ein Spiral-CT nicht verfügbar ist oder nicht durchgeführt werden kann, wie z. B. beim hämodynamisch instabilen Patienten. Spezielle Untersuchungstechnik. Ein systematischer, standardi-

sierter, den gesamten Abdominalraum und das Retroperitoneum erfassender Untersuchungsablauf ist erforderlich. Dieser kann von einem erfahrenen Untersucher in wenigen Minuten geleistet werden. Sofern im Schockraum in der Initialphase der Versor-

5 1.2 · Sonographie in chirurgischen Notfallsituationen

1

jedoch fehlerbehaftet. Sie kann möglicherweise durch die Anwendung von Scores verbessert werden. Kontrollierte Untersuchungen hierzu stehen noch aus. Stellenwert. Die Sonographie im Schockraum stellt eine Stan-

. Abb. 1.1. Schematische Darstellung der Schnittebenen des perkutanen Ultraschalls in der Notfalldiagnostik beim stumpfen Bauchtrauma (FAST)

gung eines Polytrauma eine orientierende Sonographie durchgeführt wird, kann die Beschränkung auf einen abgekürzten Untersuchungsgang sinnvoll sein (»focussed assessment with sonography for trauma«, FAST (. Abb. 1.1).

Beim hämodynamisch instabilen Patienten ist für die Festlegung der weiteren Behandlung der Nachweis bzw. der Ausschluss größerer Mengen freier Flüssigkeit oftmals wichtiger als der subtile Nachweis einer Organverletzung.

Dies gelingt auch weniger erfahrenen Untersuchern mit hoher Spezifität (Fröster et al. 1993). Es ist obligat die Untersuchung innerhalb der ersten Stunden zeitlich gestaffelt zu wiederholen. Dies erhöht die diagnostische Ausbeute und die Validität (Blackbourne et al. 2004). Bei Patienten mit forcierter Volumentherapie können in bis zu 25% der Fälle zunehmende Mengen freier Flüssigkeit erst im weiteren Verlauf dargestellt werden. Spezielle Sonomorphologie. Prinzipiell können bereits geringe Mengen freier Flüssigkeit (ab 20 ml) dargestellt werden, wobei dies u. U. spezielle Lagerungen verlangt. Ort und Menge der Flüssigkeit sind abhängig von der Blutungsquelle. Befindet sich diese im Oberbauch, so sind nach 150–250 ml Flüssigkeiten in Morrison- oder Koller-Pouch darstellbar. Befindet sie sich dagegen im Unterbauch, so füllt sich der Morrison-Pouch bei einem Erwachsenen erst nach etwa 600 ml. Näherungsweise kann unterstellt werden, dass bei einem Erwachsenen ein 5 mm breiter Saum im Morrison- und Koller-Pouch eine freie Menge von 500–750 ml bedeutet, ein 5 mm breiter Saum auf der Leberkonvexität etwa 1000 ml freier Flüssigkeit entspricht und dass bei nennenswerten Mengen Flüssigkeit in allen Abdominalregionen, einschließlich der parakolischen Rinnen, stets die Litergrenze überschritten ist. In der Regel bedeutet der Ausschluss freier Flüssigkeit beim hämodynamisch stabilen Patienten, dass mit einer notfallmäßigen Laparotomie nicht gerechnet werden muss (Farahmand et al. 2005; Rose et al. 2005). Umgekehrt trägt der sofortige Nachweis von freier Flüssigkeit im rechten oberen Quadranten die größte Wahrscheinlichkeit für die Notwendigkeit einer Laparotomie. Die über den Nachweis freier Flüssigkeit zu stellende Indikation zur Laparotomie ist beim hämodynamisch stabilen Patienten

dardprozedur im diagnostischen Algorithmus schwerstverletzter Patienten dar und ist Bestandteil nationaler und internationaler Leitlinien. Mehrere große Übersichtarbeiten und Metaanalysen der letzten Jahre haben aufgezeigt, dass Sensitivität und Spezifität der Sonographie stets im Bereich der diagnostischen Peritoneallavage liegen. Hier definiert die Sonographie die »neue« Routine. Allerdings muss sie als Diagnostikum im Schockraum heute differenzierter bewertet werden. Bei ausschließlich ultraschallbasierter Diagnostik ist in 10–20% mit einer verzögerten Feststellung versorgungsbedürftiger Läsionen und einer Quote unnötiger Laparotomien um 10–15% zu rechnen (Stengel et al. 2003; Bakker et al. 2005). Umgekehrt schließt ein negativer sonographischer Befund beim hämodynamisch instabilen Patienten eine versorgungsbedürftige innere Verletzung keinesfalls aus, sodass im Zweifelsfall die Laparotomie erwogen werden muss. Derzeit ist unklar, ob durch Wiederholung der Sonographie oder durch andere Verfahren die Ergebnisse verbessert werden können. Eine jüngere Cochrane-Analyse zeigte bei ultraschallbasierten Trauma-Algorithmen zwar einen Trend zu weniger CT-Untersuchungen auf. Die derzeitige Datenlage erlaubte aber die abschließende Bewertung der Nützlichkeit US-basierter Algorithmen nicht (Stengel et al. 2005). Stets wurden mehr intraabdominelle Verletzungen sicherer mit CT detektiert als mit der Sonographie.

Zusammenfassend kann derzeit formuliert werden, dass die Sonographie als Screeningmethode am Anfang eines TraumaAlgorithmus sehr gut eingesetzt werden kann. Die Sonographie ist sicher indiziert beim kreislaufinstabilen Patienten mit einem stumpfen Bauchtrauma, bei dem eine CT nicht möglich ist und bei dem die Entscheidung zur Laparotomie durch den Nachweis freier Flüssigkeit rational unterstützt wird. Beim hämodynamisch stabilen Patienten sollte die Sonographie nicht die letzte oder ausschließliche Methode der Abdominaldiagnostik in einem Traumazentrum sein. Die Nützlichkeit der Ultraschalldiagnostik bezüglich der Indikationsstellung zur Laparotomie beim hämodynamisch stabilen Patienten ist derzeit am schlechtesten einzuschätzen.

1.2.2 Akutes Abdomen Indikation. Der Nutzen einer routinemäßigen Ultraschalldiagnostik von Patienten mit akut aufgetretenen Abdominalbeschwerden ist umstritten. Zwar ist anerkannt, dass die Genauigkeit der Diagnosen beim akuten Abdomen durch US gesteigert werden kann, jedoch ist nicht belegt, dass auch das Endergebnis chirurgischer Behandlung oder Kosten positiv beeinflusst wird. Methodisch anspruchsvolle Untersuchungen, die eine Bewertung der Nützlichkeit der Sonographie erlaubten, gibt es derzeit nicht. Da die Ultraschalldiagnostik wenig Zeit beansprucht und keine Risiken bietet, ist ein großzügiger Einsatz beim akuten Abdomen zu befürworten. Es ist wichtig das Spektrum der Erkrankungen mit dringendem chirurgischem Behandlungsbedarf zu kennen.

6

1

Kapitel 1 · Diagnostische Sonographie

In einer multizentrischen Datenbasis von mehr als 15.000 Patienten in Westeuropa waren nur 5 Entitäten für mehr als 90% der notfallmäßigen Operationen verantwortlich (de Dombal 1992): 4 Akute Appendizitis (40–50%) 4 Akute Cholezystitis (15–20%) 4 Ileus (10–20%) 4 Ulkusperforation (2–5%) 4 Akute Divertikulitis (2–5%) Der Nutzen der Sonographie bei diesen ausgewählten Diagnosen wird im Folgenden näher erläutert. Spezielle Untersuchungstechnik. Grundsätzlich gilt, dass nicht nur die Region größten Interesses untersucht werden soll, sondern stets ein vollständiger und standardisierter Untersuchungsablauf durchgeführt wird. Da häufig Luft oder Ingesta die Darstellung beeinträchtigen, ist die Technik der dosierten Kompression hilfreich. Dabei wird mit der Sonde eine am Schmerzempfinden der Patienten dosierte, kontinuierliche Kompression auf die Bauchdecke ausgeübt. Die Sonde wird dabei in einer der palpierenden Hand ähnlichen Art und Weise langsam bewegt. Durch die Kompression werden die durch Luft und Ingesta hervorgerufenen Sichtbehinderungen reduziert.

Akute Appendizitis Spezielle Sonomorphologie. Das spezifische Kriterium der akuten Appendizitis ist die pathologische Kokarde, d. h. eine Zielscheibenstruktur mit einem Durchmesser von >6 mm, im Mittel um 12 mm. Mit modernen Geräten gelingt die Darstellung einer »normalen Appendix« sehr häufig (. Abb. 1.2).

große Gruppe der zur Verlaufskontrolle hospitalisierten – nicht aber die nach klinischen Kriterien eindeutig zu operierenden oder ambulant zu kontrollierte Fälle (Orr et al. 1995). Vergleiche zwischen Sonographie und CT liegen vor, wobei in aller Regel die CT seitens der diagnostischen Leistung besser abschnitt (Kaiser et al. 2004). Akute Cholezystitis, Choledocholithiasis Spezielle Sonomorphologie. Bei der akuten Cholezystitis finden

sich Wandverdickung auf mehr als 4 mm, Schichtungsphänomen der Wand, Flüssigkeitssäume und echoreiche perizystische Strukturvermehrung. Die komplizierten Formen, d. h. Abszedierung, Perforation oder Gangrän der Gallenblase, wie auch der Gallensteinileus, können von Experten sicher zugeordnet werden (Ripolles et al. 2001). Die Darstellung eines auf 10 mm und mehr dilatierten Ductus choledochus ist verdächtig auf das Vorliegen einer biliären Obstruktion. Stellenwert. In einer kürzlich vorgestellten Metaanalyse betrug die adjustierte Sensitivität und Spezifität der Sonographie für die Erkennung einer akuten Cholezystitis 88% (95% KI: 74–100%) und 80% (95% KI: 62–98%). Bei einer vergleichbaren Sensitivität für die Detektion von Konkrementen in den Gallenwegen, war die Spezifität in dieser Fragestellung mit 99% deutlich höher und besser als die CT (Trowbridge et al. 2003).Von Experten werden mehr als 90% der Konkremente >10 mm und immerhin noch 70% der kleineren Konkremente erfasst. Der Stellenwert des Sonographie bei der akuten Cholezystitis und dem Ikterus ist damit unbestritten.

Ileus

Ein eindeutiger sonographischer Befund sollte einer Operation zugeführt werden.

Spezielle Sonomorphologie. Diagnostische Kriterien des Ileus sind distendierte, mit hypoechogener Flüssigkeit, oder hyperechogenem Ingesta gefüllte Darmschlingen, die hypoechogene Wandverdickung zeigen. Ein Nebeneinander dilatierter und kollabierter Schlingen charakterisiert den mechanischen Ileus. Wandverdickung auf >6 mm muss an eine Ischämie als Ileusursache, respektive -folge denken lassen. Die Invagination ist durch ein aus mehreren konzentrischen Ringen aufgebautes Zielscheibenphänomen (doppeltes, konzentrisches Ringzeichen) und die Zeichen des mechanischen Ileus gekennzeichnet.

Die Nützlichkeit der Sonographie wird deshalb vor allem durch die Sensitivität bestimmt, die eindeutig von der Erfahrung abhängig ist (Chan et al. 2005). Dies betrifft auch den Ausschluss einer Appendizitis mit der Sonographie, der mit großer Zurückhaltung interpretiert werden sollte. Selbst in den Händen anerkannter Experten sind bis 15% der im Sonogramm negativ oder als nicht diagnostisch befundeten Patienten an einer Appendizitis erkrankt (Schuler et al. 1998). Nur im Kontext mit klinischen Algorithmen sind negative Laparotomieraten 10 mm sollte ein Karzinom unterstellt werden, insbesondere dann, wenn in der Wand oder dem Polyp Unregelmäßigkeiten vorliegen. Die Karzinomrate liegt dann bei 35–65% (Sun et al. 2004; Chattopadhyay et al. 2005). Frühe Stadien werden regelmäßig übersehen. Die Resektabilität wird wegen häufig inkorrekter Einschätzung der Infiltrationstiefe in die Leber sowie der Beteiligung von Lymphknoten und Peritoneum, in der Regel überschätzt. Bis zu 60% der sonographisch als kurabel gewertete Fälle sind nicht R0-resektabel. Hier bietet die CT die besseren Daten zur präoperativen Planung (Donohue 2001). Pankreaskarzinom. Die perkutane Sonographie ist als Screening

fest etabliert, jedoch selbst in der Hand von Experten in 10–25% technisch unzureichend. Bei jedem dritten Patienten ist der Pankreasschwanz nicht vollständig beurteilbar. Wegen der technisch schwierigen Beurteilung des Gesamtorgans ist der prädiktive Wert eines negativen sonographischen Befundes bereits demjenigen der ungerichteten CT deutlich unterlegen (Hopt u. Heydasch 1997). Speziell bei der Vorhersage der portalvenösen Infiltration erreichten Experten der perkutanen FKDS eine Sensitivität von 75–82% mit einer Spezifität von 92–95% (Gesamtgenauigkeit 85–87%). Sie war damit nahezu identisch zu CT und Angiographie (Bunk et al. 2001). Differenzierte, Morphologieorientierte Scoresysteme zur Beurteilung der Resektabilität sind zwar publiziert, aber derzeit noch nicht überprüft worden. Goldstandard zur präoperativen Abklärung ist der EUS (7 unten). Mit der CEUS kann die Aussagekraft der Sonographie wahrscheinlich verbessert werden. Sehr erfahrene Anwender haben mit einer Spezifität von oberhalb 90% Karzinome von Pankreatitis trennen und die Resektabilität mit sehr hoher Sicherheit vorhersagen können (Rickes et al. 2002).

Kolonkarzinom. Die Kokarde ist die Leitstruktur des Kolonkarzinoms, jedoch ist eine Unterscheidung zwischen Karzinom, Divertikulitis und Lymphom nicht sicher möglich. Auch ist das Karzinom in bis zu 25% der Patienten nicht auffindbar. Dennoch wird, offenbar mit zunehmender Erfahrung, eine Sensitivität und Spezifität von 80–90% berichtet. Die perkutane Sonographie erlaubt keine Aussage über das Lymphknotenstadium, die Sensitivität beträgt hier nur 40%. Das TNM-Stadium wird von einigen Untersuchern mit besserer Genauigkeit durch perkutane Sonographie nach Füllung des Kolons mit Wasser beschrieben (»Hydrosonographie«). Sofern die Tumoren dargestellt werden konnten, wurde eine Spezifität von 70–90% für das uT-Stadium und 46– 71% für das uN-Stadium erreicht (Düx et al. 1997; Chung et al. 2004). Die derzeit einzige gesicherte Indikation beim Kolonkarzinom ist deshalb die Sonographie der Leber zum Screening auf hepatische Filialisierung.

1.4

Endosonographie/endoskopischer Ultraschall

Indikation. Der Vorteil des endoluminalen Ultraschalls (EUS)

des Gastrointestinaltraktes, der Gallenwege und des Pankreas besteht in der Umgehung von Artefakte verursachenden Strukturen (z. B. beim Pankreas) und in der Tatsache, dass Regionen, die bei der perkutanen Sonographie kaum beurteilt werden können, in dieser Technik hochauflösend untersucht werden können (z. B. beim Ösophagus und Rektum). Indikationen für den EUS sind deshalb die Malignome des Ösophagus und ösophagokardialen Überganges, des Rektums und des Pankreas. Gesichert ist in diesen Indikationen auch, dass es kosteneffektive Strategien zum lokalen Staging sind. Zunehmend werden auch Tumoren des Magen zur stadiengerechten Behandlungsplanung mit EUS untersucht. Sie werden deshalb im Folgenden näher erläutert. Besonders wertvoll ist die EUS bei submukösen Tumoren, bei denen der intramurale Sitz nahezu immer belegt werden kann.

10

1

Kapitel 1 · Diagnostische Sonographie

Weitere Indikationen sind die EUS des Analkanals, beim Fistelleiden und bei Funktionsstörungen des Beckenbodens einschl. der Inkontinenz (Übersichten bei Hinninghofer u. Enck 2003; Rieger et al. 2004; Fusaroli u. Caletti 2005). Ösophaguskarzinom. Multimodale Therapiekonzepte für das

Ösophaguskarzinom erfordern ein differenziertes prätherapeutisches Staging. Hier hat die EUS einen festen Platz, weil sie bezüglich der Genauigkeit mit der Ausdehnung und Infiltrationstiefe bestimmt werden können, allen anderen bildgebenden Verfahren überlegen ist. Es besteht eine enge Korrelation zwischen der EUS Ausdehnung des Tumors durch die Wandschichten und dem pTStadium (. Tab. 1.2). Durch die Beurteilung der Aufhebung der Wandschichten kann mit der Ausnahme des pTis-Carcinoma die Infiltrationstiefe präzise festgelegt werden. In ca. 25% können die Tumoren nicht mehr passiert werden und in der Mehrzahl dieser Fälle liegt ein T3- oder T4-Stadium vor. Neue Möglichkeiten ergeben sich durch Minisonden, die über die Biopsiekanäle gängiger Endoskope platziert werden können. Diese Schallsonden arbeiten mit Frequenzen zwischen 7,5 MHz und 30 Mhz. Sie können die Rate des Überstaging von T1-Karzinomen des Ösophagus reduzieren. Die Treffsicherheit der EUS erreicht beim T-Stadium im Mittel 85% (82–95%) und beim N-Stadium eine Spezifität zwischen 70 und 80% (Catalano et al. 1999). Die EUSgesteuerte FNA suspekter Lymphknoten erhöht die Spezifität der Festlegung des N-Stadiums erheblich (Eloubeidi et al. 2001). Die Einschätzung der Resektabilität ohne FNA ist immerhin noch in etwa 75% zutreffend.

Durch die Festlegung des T und N-Stadiums und die Beurteilung der Resektabilität hat die EUS einen unmittelbaren Einfluss auf die Verfahrenswahl (neoadjuvante, primär chirurgische, primär palliative Strategien). Sie kann nach neoadjuvanter Therapie mit Erfolg zum Re-Staging genutzt werden (Chak et al. 2003).

Magenkarzinom. Die EUS stellt einen unverzichtbaren Bestand-

teil in der Umsetzung stadienabhängiger Therapiekonzepte dar. In Analogie zum o. g. wird das T-Stadium durch Beurteilung der Wandschichten festgelegt. Da Serosa und Subserosa mit der EUS nicht differenziert werden können, ist beim Magenkarzinom die Unterscheidung der T2- und T3-Tumoren problematisch. Das

. Tabelle 1.2. Sonographische Ausdehnung eines Tumors entsprechend der TNM-Klassifikation beim Ösophaguskarzinom uT1

Tumor reicht bis in die mittlere echoreiche Schicht, die jedoch nicht durchbrochen ist

uT2

Tumor reicht bis in die äußere echoreiche Schicht, die jedoch nicht durchbrochen ist

uT3

Tumor durchbricht alle Wandschichten mit Unterbrechung auch der äußersten echoreichen Schicht

uT4

Tumor ist von paraösophagealen Strukturen nicht abgrenzbar oder Nachweis einer Infiltration

uN+

Verdacht auf Lymphknotenbeteiligung

T-Stadium wird in 69–92% korrekt, das N-Stadium in 50–88% richtig beurteilt. Die Gesamtgenauigkeit liegt bei 75–80%. Der prädiktive Wert einer EUS ohne suspekte Lymphknoten beträgt bei den früheren Tumorstadien über 90% (Xi et al. 2003). Die EUS neigt aufgrund der entzündlichen Umgebungsreaktionen zum Überstaging von Frühkarzinomen und T1-Tumoren. Ist ihr Anteil hoch, kann die Genauigkeit der EUS auf unter 50% sinken. Im Hinblick auf technische Operabilität ist das Staging in 80– 97% korrekt; die Voraussage der R0-Resektabilität in 80%. Aufgrund der spezifischen Sonomorphologie des Magenlymphoms und der MALT-Lymphome kann mit EUS nahezu immer die Diagnose gestellt werden. Auch hier ist die EUS das Referenzverfahren um Therapieeffekte nachzuweisen (Levy et al. 1997). Hinsichtlich der häufig submukös gelegenen GIST des Magens, kann eine EUS-gesteuerte endoskopische FNA die Diagnose präoperativ mit höchster Sicherheit erarbeiten (Ando et al. 2002). Pankreaskarzinom. Die EUS ist derzeit der Goldstandard in der Detektion exokriner wie neuroendokriner Pankreastumore. Die Sensitivität der Detektion eines Pankreaskarzinoms liegt global bei 85% und kann bis 97% betragen. Selbst bei Tumoren unter 2 cm beträgt sie mindestens 75% und maximal 90%. Die Detektionsrate für Tumoren kleiner 2 cm ist damit dem CT und der perkutanen Sonographie weit überlegen (Maguchi 2004). Mit der EUS-FNA suspekter Areale kann eine Sensitivität von 94% mit einer Spezifität bis 100% für duktale Karzinome erreichten werden (Harewood u. Wiersema 2002). Bezüglich des T- und NStaging ist die EUS mit mehr als 90% Sensitivität und nahezu 80% Genauigkeit allen anderen Verfahren überlegen – in jeweils weniger als 10% wird ein Über- oder Unterstaging registriert. Die EUS ist auch hilfreich in der Differenzialdiagnostik von Pankreaszysten und zystischen Pankreaskarzinomen. Nur die einfachen Zysten mit dünnwandigen Septen dürfen als unverdächtig angesprochen werden. Die besten Ergebnisse werden derzeit mit EUS-FNA und Analyse der Zystenflüssigkeit auf CEA, Ca19–9, Ca125 u. a. Tumormarker erreicht (Brugge et al. 2004). Bezüglich der Infiltration der Pfortader ist die EUS der Angiographie ebenbürtig und erreichte in Studien in denen die Gefäßinfiltration auch histologisch verifiziert wurde, eine Gesamtgenauigkeit von 70% (Yusoff et al. 2003). Durch entsprechende Selektion konnte die Rate der R0-Resektionen durch EUS von 60 auf 80% angehoben werden und sogar auf 86%, wenn Angiographie und EUS zusammen zur Beurteilung der Gefäßinvasion herangezogen wurden (Brugge et al. 1996).

Der prädiktive Wert einer EUS ohne Tumorbefund liegt bei nahezu 100% und ersetzt somit jedes andere bildgebende Verfahren zum Ausschluss einer fokalen Läsion.

Rektumkarzinom. Auch beim Rektum werden in der Regel 5 Wandschichten mit unterschiedlichem Reflexverhalten erkannt (59). Die Infiltrationstiefe wird entsprechend der TNM-Klassifikation anhand der Infiltration der Wandschichten unterteilt (. Tab. 1.3). Wegen der vom T- und vom N-Stadium geleiteten, differenten Behandlungsstrategien ist die EUS beim Rektumkarzinom heute unverzichtbar. Die Stärken der Methode liegen in der Differenzierung der T2- und T3-Tumoren sowie dem Nachweis des T4-Stadiums. Die Gesamtgenauigkeit in der Vorhersage des T-Stadiums kann mit 85% (64–91%), die des N-Stadiums mit

11 1.5 · Intraoperative Sonographie/laparoskopischer Ultraschall

1

. Tabelle 1.3. Sonographische Ausdehnung eines Tumors entsprechend der TNM-Klassifikation beim Rektumkarzinom uT1

Tumor reicht bis in die innere echoarme Schicht, mittlere echoreiche Schicht intakt

uT2

Tumor reicht bis in die innere echoarme Schicht, mittlere echoreiche Schicht durchbrochen, intakte äußere echoreiche Schicht

uT3

Tumor durchbricht alle Wandschichten mit Unterbrechung auch der äußersten echoreichen Schicht

uT4

Tumor infiltiriert in pararektale Strukturen

uN+

Verdacht auf Lymphknotenbeteiligung

78% (64–87%) angegeben werden. Auch beim Rektumkarzinom kann durch EUS-gesteuerte FNA die Spezifität des N-Stagings und damit die Präzision der Zuweisung der Patienten zu neoadjuvanter Therapie erhöht werden. Die Patientenselektion durch EUS-FNA kann zu einer Reduktion lokaler Rezidivraten führen (Harewood 2004). Stellenwert. Die Nützlichkeit des EUS in der »klinischen Routine« ist in den vergangenen Jahren mehrfach kritisch diskutiert worden. Die Diskussion wird angeregt von Mitteilungen, die beispielsweise für den routinemäßigen Einsatz des EUS beim Magen- und Ösophaguskarzinom eine kombinierte Genauigkeit für das T- und N-Staging von nur 35% ergaben (Bosing et al. 2003). Ebenso wurde gezeigt, dass die Sensitivität des T-Staging bei Ösophagus und Magentumoren im EUS von 73% auf 53% sank, wenn die Untersucher für klinische Informationen verblindet waren (Meining et al. 2002). Auch für die EUS des Rektums wurden kürzlich außerhalb von Studien sehr viel schlechtere Leistungsdaten mitgeteilt, als sie aus den kontrollierten Studien erwartet worden waren (z. B. nur 63% Gesamtgenauigkeit nach [Marusch et al. 2002]). Eine systematische Übersichtsarbeit über die zum EUS beim Rektumkarzinom zwischen 1985 und 2003 publizierten Studien konnte zudem einen Trend zu zunehmend schlechteren Ergebnissen aufzeigen, je mehr Patienten in der jeweiligen Studie untersucht und je aktueller die Studien publiziert worden waren (Harewood 2005). Diese und andere kritische Mitteilungen verdeutlichen, dass die persönliche methodische Qualifikation das entscheidende Qualitätsmerkmal in der »klinischen Routine« ist.

1.5

Intraoperative Sonographie/ laparoskopischer Ultraschall

Indikation. Aufgrund der rasanten Entwicklung der CT- und MRT-Diagnostik kommt der intraoperativen Sonographie (IOUS) zunehmend die Aufgabe eines ergänzenden intraoperativen Diagnostikums zu. Die Anwendungen sind vielfältig (Übersichten bei Kane 2005; Machi et al. 2004; Rau u. Hünerbein 2005). Haupeinsatzgebiete der IOUS sind die Komplettierung des Tumorstagings und die optimierte Führung von Resektionsbehandlungen an Leber und Pankreas. Bei der Staging-Laparoskopie ist die laparoskopisch durchgeführte Ultraschalluntersuchung (LUS) unverzichtbar. Eine weitere Indikation betrifft die intraoperative Diagnostik der Gallenwege – auch zur intraoperativen Qualitätskontrolle. Seltener, aber von herausragendem Stellenwert, ist die IOUS/LUS beim endokrinen Pankreastumor. Eine neue Indikation betrifft die Radiofrequenzablation hepatischer Läsionen.

Staging-Laparoskopie. Obgleich ausschließlich prospektive Beobachtungsstudien und Fallsammlungen publiziert sind, kann der Stellenwert der LUS im Rahmen einer Staging-Laparoskopie nicht mehr in Zweifel gestellt werden. 4 Beim Ösophaguskarzinom ist die LUS das sensitivste Verfahren zur Detektion intraabdomineller Lymphknotenmetastasen (Sensitivität bis 80%) und der selteneren Lebermetastasierung (Sensitivität bis 75%). Zusätzliche, die Therapie beeinflussende Befunde können in 10–20% erwartet werden, wobei therapieentscheidende Befunde vor allem bei höheren Tumorstadien und distaler Lokalisation des Karzinoms angetroffen werden (Krasna et al. 2001). 4 Beim Magenkarzinom ist die Verbesserung der StagingLaparoskopie durch die LUS weniger eindrucksvoll. Zwar kann auch hier in den höheren Tumorstadien (T3 und T4) mit dem LUS die diagnostische Genauigkeit des Stagings erhöht werden, aber in der Mehrzahl der Fälle können bereits mit der Laparoskopie die relevanten Befunde alleine erhoben werden (Yusoff et al. 2003). 4 Beim Pankreaskarzinom kann die LUS die diagnostische Genauigkeit erheblich steigern. Entscheidend ist der Nachweis bzw. der Ausschluss der Gefäßinfiltration und der peritonealen oder hepatischen Metastasierung. Die Metastasierung klärt im allgemeinen die Laparoskopie. Hinsichtlich der Beurteilung der Gefäßinfiltation konnte mit Hilfe des LUS bei präoperativ als resektabel gewerteten Patienten in 14 und 59% eine Infiltration der Portalvene bzw. der AMS nachgewiesen werden. Die LUS ist somit hilfreich die Kriterien der onkologischen Irresektabilität zu überprüfen (Minnard et al. 1998; Zhao et al. 2003). 4 Bei primären und sekundären Lebertumoren konnten durch die Kombination von Laparoskopie und LUS in zusätzlichen 15–30% Patienten identifiziert werden, welche entgegen der präoperativen Wertung nicht kurativ resezierbar waren (DeCastro et al. 2004). Die per LUS gesteuerte intraoperative Biopsie ist eine gesicherte Anwendung (Berger et al. 2004). 4 Beim kolorektalen Karzinom kann insbesondere bei laparoskopischen Resektionen zusätzliche Information durch die LUS erwartet werden. Wenn die LUS bei der Laparoskopie eingesetzt wurde, konnte in bis zu einem Drittel der Fälle eine Änderung präoperativer Wertungen oder per alleiniger Laparoskopie erhobener Befunde registriert werden. Selbst wenn die präoperative Diagnostik und die Blickdiagnostik per Laparoskopie negativ waren, werden hinsichtlich des Staging der Leber in bis zu 10% »okkulte« Metastasen aufgedeckt. Bei dieser Indikation hat der Einsatz des LUS das größte Potenzial zusätzliche therapierelevante Befunde aufzudecken.

12

1

Kapitel 1 · Diagnostische Sonographie

Lebermetastasen. Die IOUS/LUS ist nach wie vor das sensitivste

Verfahren um Lebermetastasen von Kolon-, Magen- und Pankreastumoren aufzudecken. Der Zugewinn an diagnostischer Information beträgt zwischen 3 und 26%. In der Kombination von Laparoskopie und LUS kann damit die onkologische Inoperabilität in 80–100% korrekt vorausgesagt werden (Mortensen et al. 1996). Erste Untersuchungen zeigen auch, dass die Detektionsrate mit Hilfe der US-Kontrastmittel (CE-IOUS) noch verbessert werden kann (Torzilli 2004). Überwiegend wird die IUOS der Leber zum Ausschluss weiterer fokaler Läsionen der Leber im Rahmen von Standardresektionen eingesetzt (7 oben). Im Vergleich zu allen anderen bildgebenden Verfahren ist sie bei dieser Fragestellung führend mit einer Sensitivität und Spezifität von 96% und 98%. Je nach Umfang der präoperativen Diagnostik und Gewichtung der IOUS, werden in bis zu 40% zusätzliche Raumforderungen erfasst. Gleichwohl wird nur selten, im Mittel um 10%, eine relevante Änderung der operativen Strategie erforderlich (Paul et al. 1996). Gallenwegschirurgie. Wenngleich versierte Untersucher beim

Nachweis von Gallenwegskonkrementen Daten mitgeteilt haben, die der intraoperativen Cholangiographie nicht nachstehen, hat sich ein genereller Einsatz bislang nicht durchgesetzt (Nies et al. 1996). Pankreaschirurgie. Der Einsatz der IOUS bei Operationen zur

internen Drainage bei der chronischen, kalkulösen Pankreatitis wird klar befürwortet (Prinz et al. 1992). Per IOUS gelingt das Auffinden des Pankreasganges in Sekunden und ergibt sich die Möglichkeit einer nicht invasiven Qualitätskontrolle der vollständigen Entfernung aller Pankreatiokolithen. Im Bezug auf die Differenzialdiagnostik Pankreatitis vs. malignem Pankreastumor hat die IOUS/LUS bislang nicht überzeugt. Möglicherweise ergeben sich neue Optionen mit Ultraschallkontrastmitteln (7 oben). Die portalvenöse Infiltration kann zwar mit hoher Spezifität (bis 97%) aber nur niedriger Sensitivität (58%) erfasst werden (van Delden et al. 1996). Aus diesen Gründen ist ein routinemäßiger Einsatz der IOUS beim exokrinen Pankreaskarzinom derzeit nicht sinnvoll. Im Gegensatz hierzu ist bei den endokrinen Pankreastumoren eine zeitgemäße chirurgische Therapie ohne IOUS nicht denkbar. IOUS stellt beim Insulinom, dem häufigsten dieser sehr seltenen Tumore, nach dem Ausschluss der hepatischen Filialisierung durch einen perkutanen US, die einzige sinnvolle Lokalisationsdiagnostik dar und ist hier, wie bei allen anderen endokrinen Pankreastumoren, das einzige sinnvolle Lokalisationsverfahren (Fendrich et al. 2004).

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1

Kapitel 1 · Diagnostische Sonographie

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2 2 Interventionelle Sonographie S. Truong, O. Schumacher, V. Schumpelick

2.1

Allgemeines

2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4

Vorteile – 16 Material für die Punktion Punktionstechnik – 17 Komplikationen – 17

– 16

2.2

Sonographisch gesteuerte interventionelle Diagnostik – 17

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4

Schilddrüse – 19 Leber – 19 Pankreas – 20 Flüssigkeiten in Körperhöhlen

2.3

Sonographisch gesteuerte interventionelle Therapie – 20

2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5

Schilddrüse – 20 Nebenschilddrüsen – 20 Leber – 21 Aszites, Pleuraergüsse, postoperative und parenchymatöse Verhalte Abszesse und Empyeme – 24

Literatur – 28

– 16

– 20

– 23

16

Kapitel 2 · Interventionelle Sonographie

2.1.2 Material für die Punktion

) ) Die Sonographie hat in der Viszeralchirurgie eine weite Verbreitung gefunden und besitzt nicht nur einen hohen Stellenwert in der apparativen Diagnostik, sondern auch in der interventionellen Anwendung. Hierbei wird zwischen diagnostischen und therapeutischen Interventionen unterschieden. Die diagnostischen Interventionen umfassen die gezielte Entnahme von Gewebeproben sowie die Punktion von Flüssigkeitsansammlungen zur mikrobiologischen, zytologischen oder histologischen Untersuchung. Die therapeutischen Maßnahmen umfassen dauerhafte Drainagen von Abszessen, Empyemen und Ergüssen mit Hilfe von Kathetersystemen sowie unterschiedliche Techniken zur Ablation von Tumoren und Zysten.

2

2.1

Allgemeines

2.1.1 Vorteile Die Sonographie ist als bildgebendes Verfahren schnell verfügbar und kann jederzeit ortsungebunden, d. h. am Krankenbett, eingesetzt werden. Ihre Anwendung ist kostengünstig und führt zu keiner Strahlenbelastung. Entsprechende Analysen zeigen auf, dass CT-gesteuerte Interventionen um den Faktor 1,89 kostspieliger sind als ultraschallgesteuerte Maßnahmen (Douglas et al. 2001). Das dabei benötigte Material bei CT-gestützten Interventionen ist 4-fach teurer. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der Echtzeitvisualisierung des betreffenden Befundes sowie die unmittelbare dynamische Darstellung des Erfolges der Maßnahme. Hieraus resultiert, z. B. für die Entnahme von Gewebeproben, eine höhere Genauigkeit gegenüber der CT-Bildgebung. Dies äußert sich in einer statistisch niedrigeren Rate falsch-negativer Ergebnisse gegenüber der CT-gesteuerten Biopsie (Douglas et al. 2001). Die genannten Fakten spiegeln sich in einer stark steigenden Fallzahl ultraschallgesteuerter Interventionen wider (. Abb. 2.1). Sonographisch schlecht darstellbare Prozesse, z. B. im Becken, intrathorakal oder interenterisch gelegen, sind für eine ultraschallgesteuerte Intervention weniger gut geeignet. In diesen Fällen ist die Computertomographie überlegen. Auch sehr adipöse Patienten profitieren bei entsprechender Befundlokalisation von einer CT-gesteuerten Technik.

Für die Interventionen steht eine große Auswahl an Punktionsnadeln sowie Katheterbestecken zur Verfügung. Nadeln mit einem Außendurchmesser über 1 mm werden als Grobnadeln bezeichnet, bei Nadelweiten unter 1 mm spricht man von Feinnadeln. Häufig werden Nadeldurchmesser auch in French (1 Fr = 0,33 mm bzw. 1 mm = 3 Fr) und Gauge angegeben. Die Bezeichnung der Nadeln ist nicht einheitlich und meistens von der Herstellfirma abhängig. Je nach Einsatzzweck werden InjektionsAspirationsnadeln und Schneid-Stanz-Biopsienadeln unterschieden. Zur Punktion von liquiden Prozessen eignen sich Nadeln mit einer einfachen angeschliffenen Hülse. Wird mit solchen Nadeln ein solider Gewebeverband fächerförmig unter permanentem Sog punktiert, lassen sich einzelne Zellen oder Zellverbände für eine zytologische Auswertung gewinnen. Das Material wird auf einen Objektträger gebracht und mit Alkohol fixiert. Die anschließende Färbung und Interpretation erfolgt durch den Pathologen. Die Entnahme eines soliden Gewebezylinders, die sog. Biopsie, erfordert die Verwendung eines speziellen Hohlnadelsystems. Hierzu stehen Nadelsysteme mit verschiedenen Schneide- oder Stanzmechanismen zur Verfügung. Die gewonnene Probe wird in Formalin überführt und an den Pathologen weitergeleitet. 4 Chiba-Nadel: Durchmesser 0,6–0,95 mm mit schrägem Schliff und Mandrin zur Aspiration von Flüssigkeiten und zur Gewinnung einer Aspirationszytologie (. Abb. 2.2a). 4 Menghini-Set: Durchmesser 0,5–1,8 mm. Spezielles NadelSpritzen-Set zur Leberbiopsie. Ähnlich wie bei der VacucutNadel wird durch Aspiration und Vorschieben ein Gewebezylinder von 2–3 cm Länge gewonnen (. Abb. 2.2b). 4 Otto-Kanüle: Durchmesser 0,8–1,2 mm. Diese Schneidbiopsiekanüle ist weniger traumatisch. Die Spitze der Hülse ist mit zwei feinen Schneiden versehen, so dass durch Drehung der Nadel beim Vorschieben ein Gewebezylinder herausgetrennt werden kann. Dabei ist die Anlage eines Vakuums über eine Spritze erforderlich (. Abb. 2.2c). 4 Vacucut-Nadel: Durchmesser 0,7–1,2 mm. Durch Einsatz eines dicht schließenden O-Ringes im Konus der Kanüle wird beim Zurückziehen des Mandrins in der Hülse ein Vakuum erzeugt. Beim Vorschieben der Nadel wird ein Gewebszylinder gewonnen (. Abb. 2.2d, e). 4 Trucut-Nadel: Durchmesser 0,9–2,0 mm zur Entnahme von Stanzbiopsien. Es lassen sich definierte Gewebezylinder herausschneiden. Die Nadel wird mit manueller und automatischer Abschussvorrichtung angeboten. Gelegentlich kommt es dabei zum Herausreißen von Gewebepartikeln, was die Blutungsgefahr erhöht (. Abb. 2.2f). Zur Entnahme von Gewebezytologien ist eine 22-G-Nadel ausreichend. Größere Nadeln bedingen eine höhere Komplikationsrate ohne Informationsgewinn.

. Abb. 2.1. Fallzahlen US- und CT-gesteuerter Interventionen (Douglas et al. 2001)

Die Entscheidung, ob eine Zytologie oder Biopsie entnommen wird, sollte zusammen mit dem Pathologen, der die Proben untersucht, getroffen werden.

17 2.1 · Allgemeines

a

b c d e

f . Abb. 2.2a–f. Punktionsnadeln für Zytologie bzw. Biopsie. a ChibaNadel, b Menghini-Set, c Otto-Kanüle, d, e Vacucut-Nadel mit verschiedenen Schliffen, f Trucut-Nadel

Zur Frage der diagnostischen Wertigkeit beider Methoden existieren mehrere Untersuchungen, welche die Aspirationszytologie als gleichwertig gegenüber der Stanzbiopsie ausweisen. Die Ursachen falsch-negativer Punktionsergebnisse liegen nicht selten in der zu geringen Menge an gewonnenem Material, der Punktion von nekrotischem Gewebe oder aber in einem Verfehlen des Herdes. Größere Tumoren sollten möglichst im Randbereich punktiert werden. Für Zusatzuntersuchungen wie Spezialfärbungen, Rezeptorbestimmungen oder die Subtypisierung von Lymphomen muss eine Stanzbiopsie erfolgen; eine alleinige Aspirationszytologie ist nicht ausreichend (Douglas et al. 2001). Eine Auswertung von 1685 Feinnadelpunktionen unterschiedlicher Organe ergab eine Erfolgsquote von 86–100% (Otto 2002) für die einzelnen Gewebe (. Tab. 2.1).

lässt sich die sog. Freihandtechnik anwenden. Hierzu führt eine Hand den Schallkopf und die andere Hand die Punktionsnadel (. Abb. 2.3a, b). Eine Korrektur der Nadelspitze ist an Hand des Ultraschallbildes möglich, und der Erfolg der Intervention kann direkt beobachtet und dokumentiert werden (Real-time-Visualisierung). Bei großen Befunden können Punktionsrichtung und Ziel am Patienten markiert und die Nadel zunächst ohne Schallkontrolle eingebracht werden. Mit Hilfe dieser Technik können z. B. Pleuraergüsse und subkutane Verhalte sicher punktiert werden. Zielgenauere Punktionen werden durch eine fixe Verbindung von Schallkopf und Punktionskanüle möglich. Die Nadel wird mit Hilfe einer an den Schallkopf adaptierten Führungsschiene schräg in das Schallfeld vorgeschoben, wobei die Nadelspitze in der Regel gut darstellbar ist (. Abb. 2.3c). Der Verlauf des Stichkanals kann in das Gerät einprogrammiert werden. Ein Nachteil der Methode ist die häufige Abweichung der Nadel von der vorgesehenen Punktionsrichtung durch die Kompression des Gewebes mit dem Schallkopf. Die besten Resultate werden bei der Verwendung von speziellen Punktionsschallköpfen erreicht. Es handelt es sich in der Regel um Linearscanner mit einer zentralen Aussparung, in die spezielle Einsätze mit Stichkanälen unterschiedlichen Durchmessers eingesetzt werden können (. Abb. 2.4). Über diese Stichkanäle werden dann die Nadeln in das Gewebe vorgeschoben, während das Gerät den exakten Verlauf des gewählten Punktionskanals in das Sonobild einblendet (. Abb. 2.3d). Hierbei kann durch Kompression von außen der Weg zum Punktionsziel verkürzt werden. Abweichungen der Nadel vom vorgesehenen Punktionsweg sind mit dieser Technik praktisch ausgeschlossen (Otto 2002). Die höchste Treffsicherheit bei der sonographisch gesteuerten Punktion wird bei der Verwendung von Punktionsschallköpfen erreicht.

2.1.3 Punktionstechnik Jede Intervention ist zunächst mit einer Punktion verbunden. Ist der zu punktierende Prozess über eine kurze Distanz erreichbar,

. Tabelle 2.1. Erfolgsquote von Feinnadelpunktionen (Otto 2002)

Organ

(n)

Leber

561

34,2

89,3

Pankreas

232

14,2

94,0

Retroperitoneum

166

10,1

91,0

Niere

87

5,3

94,3

Milz

5

0,3

16

1,0

Aszites

117

7,1

Pleura

116

7,1

86,2

Weitere (Schilddrüse, Brust etc.)

339

20,7

89,7

Gesamt

639

Intestinaltrakt

2

(%)

100

Erfolgsquote (%)

100 93,8 100

91,2

2.1.4 Komplikationen Die Komplikationsrate nach Feinnadelpunktion liegt insgesamt deutlich unter 1% (. Tab. 2.2). Die häufigsten Komplikationen sind allgemeiner Art und betreffen Schmerzen, Blutungen und Infektionen. Seltener sind organspezifische Komplikationen wie z. B. Pneumothoraces, Pankreatitiden oder Stichkanalmetastasierungen nach der Punktion von malignen Tumoren. 2.2

Sonographisch gesteuerte interventionelle Diagnostik

Die stetige Verbesserung der Bildgebung mittels Ultraschall erweitert gleichzeitig das Spektrum der interventionellen sonographischen Diagnostik. Die häufigste Indikation für die interventionelle Diagnostik besteht in der Gewinnung von Gewebeproben unterschiedlicher Organe. Weitere Indikationen für diagnostische Interventionen betreffen Probengewinnung und Untersuchung von Aszites und Pleuraergüssen sowie liquiden Verhalten. Erfolgt hierbei gleichzeitig eine Entlastung der betreffenden Flüssigkeitsansammlung, erweitert sich die Punktion zur therapeutischen Intervention.

18

2

Kapitel 2 · Interventionelle Sonographie

. Abb. 2.3a–d. Techniken der sonographisch gesteuerten Punktion. a, b Punktion in Freihandtechnik, c Punktion mit Führungsschiene, d Punktion mit Punktionsschallkopf

a

b

c

d

. Abb. 2.4. Punktionsschallkopf mit Biopsienadel

. Tabelle 2.2. Komplikations- und Letalitätsrate nach Feinnadelpunktion

Autor

Patienten (n)

Komplikationsrate (%)

Letalitätrate (%)

Weiss (1988)

60.949

0,55

0,0075

Fornari (1989)

10.766

0,18

0,018

Nolsoe (1990)

3.500

0,20

0,028

Weiss (1996)

95.070

0,81

0,0011

19 2.2 · Sonographisch gesteuerte interventionelle Diagnostik

2.2.1 Schilddrüse Aufgrund ihrer oberflächlichen Lage ist die Schilddrüse für diagnostische Punktionen gut zugänglich. Zur Feinnadelbiopsie eignen sich Chiba-Nadeln von 20 G. Die Punktion kann hierzu freihändig nach Palpation oder sonographisch gesteuert erfolgen. Bei der freihändigen Punktion ist immer gleichzeitig die A. carotis zu palpieren, um eine akzidentelle Verletzung des Gefäßes zu vermeiden. Der anvisierte Knoten wird dann mittels mehrerer leicht gestreuter Stichbewegungen biopsiert. Nicht palpable Knoten und Läsionen, die mit freihändiger Technik erfolglos punktiert wurden, sollten ultraschallgesteuert biopsiert werden (Mittendorf et al. 2002). Die Empfehlungen bezüglich der Indikation zur Biopsie hängen stark von den regionalen Gegebenheiten bezüglich der Inzidenz von Schilddrüsenerkrankungen ab (Deandrea et al. 2002).

Die bioptische Abklärung von solitären Knoten sowie zystischen Strukturen ist in 70–100 % der Fälle erfolgreich, wobei die Erfolgsquote von der Größe, der Dignität sowie vom histologischen Typ der Befunde abhängt (Ogawa et al. 2001).

. Abb. 2.5. Stanzbiopsie mit Trucut-Nadel: Punktionszylinder einer Metastase eines Kolonkarzinoms

. Abb. 2.6. Aspirationszytologie mittels Feinnadelpunktion: Ausstrichpräparat eines hepatozellulären Karzinoms

2

Bei negativem Ergebnis sollte die Punktion wiederholt werden. Im Rahmen der Tumornachsorge bei Schilddrüsenkarzinomen nach totaler Thyreoidektomie wird für die Biopsie von Rezidivtumoren eine Sensitivität von 94–100% angegeben (Krishnamurthy et al. 2001). 2.2.2 Leber Eine Indikation zur perkutanen Leberbiopsie besteht unter bestimmten Vorraussetzungen sowohl bei diffusen Lebererkrankungen als auch bei fokalen Gewebeveränderungen bzw. Tumoren. Bei diffusen Gewebeveränderungen, z. B. einer Hepatitis oder Zirrhose, kann eine Leberblindpunktion nach sonographischer Voruntersuchung erfolgen. Solitäre bzw. fokale Gewebeveränderungen müssen sonographisch gesteuert punktiert werden. Der Stichkanal sollte dabei immer durch einen mindestens 1 cm breiten Mantel gesunden Gewebes verlaufen. Die Erfolgsquote wird mit 93–95% angegeben. Hierbei wird eine Blutung als häufigste Komplikation in 0,5% der Fälle beobachtet. Die Probengewinnung kann mittels Feinnadelaspiration oder Stanzbzw. Schneidbiopsie erfolgen, wobei das Blutungsrisiko für die Biopsietechniken höher ist (. Abb. 2.5 und 2.6).

20

Kapitel 2 · Interventionelle Sonographie

2.2.3 Pankreas

2

Die sonographisch gesteuerte Punktion des Pankreas ist aufgrund der Lage des Organs und Darmgasüberlagerung erschwert. Der Stichkanal muss häufig transgastral oder transhepatisch gewählt werden, sodass nur feine Chiba-Nadeln von 20–22 G verwendet werden sollten. Die Angaben zur Erfolgsquote reichen von 60– 100%, wobei die meisten Studien bei etwa 80% liegen. Bei der Punktion von Pankreaskarzinomen wird oft die Möglichkeit einer Tumorzellverschleppung erwähnt, die zur Ausbildung von Impfmetastasen im Stichkanal führen kann. Das Risiko scheint aber eher gering zu sein, da in der Literatur bisher nur 10 Fälle beschrieben sind. Die Rate schwerer Komplikationen wie Pankreatitiden, Pankreasgang-Leckagen und relevanter Blutungen wird mit 0,4% angegeben (Sparchez 2002). Cave Bei der Punktion des Pankreas dürfen nur Feinnadeln verwendet werden. Größere Nadelsysteme, z. B. Trucut-Nadeln, können eine Pankreatitis auslösen.

2.2.4 Flüssigkeiten in Körperhöhlen Flüssigkeitsansammlungen im Pleuraspalt und in der Abdominalhöhle sind einer Punktion in der Regel gut zugänglich. Eine diagnostische Punktion kann mit 20-G-Kanülen in Freihandtechnik oder, bei kleinen Flüssigkeitsmengen, mit Hilfe eines Punktionsschallkopfes vorgenommen werden. Die Diagnostik umfasst makroskopische Beurteilung sowie laborchemische, mikrobiologische und zytologische Untersuchungen.

Sonographisch gesteuerte interventionelle Therapie

2.3

2.3.1 Schilddrüse Ablationstechniken zur Behandlung von Schilddrüsenknoten sind sowohl für autonome Adenome als auch für zystische Knoten beschrieben. Für beide Entitäten existieren Erfahrungen mit einer sonographisch gesteuerten perkutanen Ethanolinjektion (PEI). Die Ablation von autonomen Adenomen erfolgt durch 1–3 Injektionen von 95%-igem Ethanol unter sonographischer Kontrolle. Das Volumen wird so gewählt, dass die durch die Injektion der Flüssigkeit entstehenden Schallreflexe den betreffenden Befund komplett einnehmen. Bei Schmerzäußerung des Patienten wird die Injektion vorher unterbrochen (Guglielmi et al.

2004). Die benötigten Ethanolvolumina bewegen sich hierbei zwischen 1 und 5 ml. Der Behandlungserfolg und die Notwendigkeit weiterer Injektionen wird an Hand der Volumenabnahme des Knotens im Rahmen von Kontrolluntersuchungen bewertet. Zur Sklerosierung von zystischen Knoten wird der Befund zunächst ultraschallgesteuert punktiert und dann der flüssige Inhalt aspiriert. Anschließend werden 25% des aspirierten Volumens in Form von 95%-igem Ethanol in der Zystenhöhle installiert (Guglielmi et al. 2004). Auch hier ist die Volumenabnahme der Läsion der Bewertungsmaßstab für den Behandlungserfolg. Parameter zur Bewertung des Langzeiterfolges waren bei Zysten die Volumenabnahme auf weniger als 25% des Ausgangswertes und bei autonomen Adenomen die Volumenabnahme auf unter 50%, ein normales Serum-TSH sowie die szintigraphisch normale Hormonaktivität des initial supprimierten Schilddrüsenparenchyms (. Tab. 2.3). Die durchschnittliche Volumenabnahme der mit PEI behandelten autonomen Adenome beträgt nach 5 Jahren nur 64%, und lediglich 60% der behandelten Patienten weisen normale TSH-Werte auf (Guglielmi et al. 2004). Aufgrund dieses mäßigen Erfolges hat sich die PEI bei der Behandlung autonomer Adenome nicht durchgesetzt. Die Injektion von Salzsäure (PHI) in Zysten hat schlechtere Ergebnisse als die reine Aspiration und wird daher nicht empfohlen (Chu et al. 2003). 2.3.2 Nebenschilddrüsen Bei sekundärem Hyperparathyreoidmus (HPT) sind die ultraschallgesteuerte perkutane Ethanolinjektion (PEIT) sowie Calcitriolinjektion (PCIT) als ablative Verfahren beschrieben. Der Erfolg dieser Behandlungsmethoden wird in der Literatur unterschiedlich bewertet, wobei das Ausmaß der Hormonstörung und das Volumen der vergrößerten Nebenschilddrüsen einen großen Einfluss auf das Langzeitergebnis haben (deBarros et al. 2004). Bei durchschnittlichen Parathormon-Serumspiegeln von 633 pg/ml bzw. 727 pg/ml betrugen die Erfolgsraten der PEIT 80% bei 46 Patienten (Kakuta et al. 1999) resp. 77% bei 9 behandelten Patienten (Kitaoka et al. 1994). Rodriguez et al. (2002) berichten im Rahmen einer Auswertung verschiedener Studien über eine erfolgreiche PEIT in 80% der Fälle bei einem Parathormon 3 mg/dl.

te Sonden mit leitfähiger Spitze in die Leber eingebracht und ein Wechselstrom mit 375–500 kHz appliziert, welcher über eine an der Haut angebrachte Flächenelektrode abfließt. Der Stromfluss induziert eine hochfrequente Oszillation von Ionen an der Sondenspitze und führt zu einer Erhitzung des umliegenden Gewebes. Ab einer Temperatur von 60°C entsteht die gewünschte Koagulationsnekrose, die das Tumorgewebe zerstört. Die abgegebene Energie beträgt je nach Tumor 60–250 Watt. Entsprechend der Tumorausdehnung können Einzelelektroden (. Abb. 2.7) oder selbstexpandierende Schirmelektroden eingesetzt werden. Die Applikationsdauer des Stromes je Herd beträgt 10–30 min, wobei der Destruktionsgrad des Gewebes an Hand einer Impedanzmessung oder Temperaturkontrolle abgeschätzt werden kann. Zur Vermeidung von Nachblutungen und Tumorzellverschleppung muss der Stichkanal nach Abschluss der Behandlung koaguliert werden. Dies geschieht durch langsamen Rückzug der Elektroden bei reduzierter Generatorleistung (Kettenbach et al. 2004). Ergebnisse. Der Langzeiterfolg bei der Behandlung des hepatozellulären Karzinoms sowie von Metastasen kolorektaler Metastasen ist jeweils in mehreren Studien dokumentiert (. Tab. 2.4 und 2.5). Komplikationen. Bei allen interventionell-ablativen Therapieverfahren an der Leber sind als Hauptkomplikationen die Blutung, Leberabszesse sowie die Verschleppung von Tumorzellen zu nennen. Die Rate an behandlungspflichtigen Komplikationen nach RFA wird durchschnittlich mit unter 2% angegeben (Ahmed et al 2002).

. Tabelle 2.4. Ergebnisse der perkutanen RFA bei hepatozellulären Karzinomen

Autor

Tumorgröße (cm)

Art der Elektrode

Nekrosegrad (%)

Rezidivrate (%)

Beobachtungsintervall (Monate)

Überlebensrate (ÜLR)

39

3,0

Einzelnadel

95

41

23

1-/3-/5-JahresÜLR: 94/68/40% 44 Monatea

Curley (2000)

110

3,4

Schirmelektrode

95

49

19



Hansler (2003)

20

3,1

Einzelnadel

85

30

15

15 Monate: 60%

Rossi (1996)

a

Patienten (n)

mittlere Überlebenszeit

22

Kapitel 2 · Interventionelle Sonographie

. Tabelle 2.5. Ergebnisse der perkutane RFA bei kolorektalen Lebermetastasen

2

Autor

Patienten (n)

Tumorzahl (n)

Tumorgröße (cm)

Überlebensrate (ÜLR)

Gillams (2000)

69

2,9

3,9

1-/2-/3-/4-Jahres-ÜLR: 90/69/34/22% 33 Monatea

Solbiati (2001)

117

2,0

2,8

1-/2-/3-Jahres-ÜLR: 93/69/46% 36 Monatea

Oshowo (2003)

25



3,0

3-Jahres-ÜLR: 53% 37 Monatea

a

mittlere Überlebenszeit

Interstitielle Laserablation Indikation. Die Laserablation eignet sich zur Behandlung von Lebermetastasen kolorektaler Karzinome und Mammakarzinome sowie multifokalen Erstmanifestationen oder Rezidiven von hepatozellulären Karzinomen (HCC). Der erzielbare Durchmesser der Gewebedestruktion beträgt bis zu 4 cm. Bei der Verwendung eines Applikators können, entsprechend eines Sicherheitsabstandes von 1 cm, Tumoren bis 2 cm behandelt werden. Mit Hilfe mehrerer Applikatoren können Herde bis 5 cm Größe abladiert werden.

Kryotherapie Indikation. Die Indikation umfasst hepatozelluläre Karzinome und Metastasen verschiedener Primärtumoren. Die Herde sollen gut abgrenzbar sein und eine Größe von 5 cm nicht überschreiten. Pro Behandlung können maximal 3–4 Herde angegangen werden. Ein Vorteil der Kryodestruktion liegt darin, dass auch Tumorherde in Nachbarschaft zu großen Blutgefäßen mit nur geringem Risiko einer Thrombose therapiert werden können. Die Kryotherapie wird am häufigsten mittels Laparotomie durchgeführt, kann aber auch laparoskopisch und perkutan zur Anwendung kommen (Garcea et al. 2003).

Technik. Bei der Laserablation handelt es sich um ein thermoablatives Verfahren durch Erhitzung des Gewebes mit Hilfe eines speziellen Laserlichtes. Ein Neodym-YAG-Laser generiert ein Laserlicht mit einer Wellenlänge von 1064 nm, das über feine Lichtleiter, die in einer speziellen Sonde gebündelt sind, in das Gewebe geleitet wird. Die Laserenergie führt zu einer Erhitzung des Gewebes bis auf eine Zieltemperatur von 60°C. Für den synchronen Betrieb mehrerer Applikatoren stehen spezielle Lichtweichen zur Verfügung. Der Vorteil liegt in einer Zeitersparnis gegenüber der sequenziellen Nutzung eines einzigen Applikators (Stroszczynski et al. 2004).

Technik. Bei der Kryotherapie führt die kontrollierte Abkühlung der zu behandelnden Tumorherde auf unter −20°C zu einer Kältenekrose und Destruktion. Dabei kommen spezielle Kryosonden zum Einsatz, die mittels flüssigem Stickstoff eine Temperatur von bis zu −100°C erreichen und diese an das umliegende Gewebe abgeben. Mit einer einzelnen Kryosonde können Kältenekrosen bis zu 4,9×2,2×2,2 cm, mit mehreren Sonden Nekrosen bis zu 6,0×4,9×5,6 cm erzeugt werden (Silverman et al. 2000). Für jeden zu abladierenden Herd sind 2 Zyklen von 6–15 min Dauer erforderlich (Feifel et al. 1999).

Ergebnisse. Die Laserablation ist eine relativ junge Methode, sodass bisher lediglich wenige Einzelcenterstudien vorliegen (Auswahl . Tab. 2.6). Die Rate an klinisch relevanten Komplikationen (Abszesse, Galleleckagen, Nachblutungen) wird mit 1,3% angegeben (Mack et al. 2001).

Ergebnisse. Bei der Behandlung von kolorektalen Lebermetastasen und hepatozellulären Karzinomen beträgt die mittlere Überlebenszeit nach Kryotherapie zusammengenommen 30,7 Monate (Garcea et al. 2003). . Tab. 2.7 listet die Ergebnisse verschiedener Studien zum Langzeitverlauf der behandelten Patienten auf. Alle

. Tabelle 2.6. Ergebnisse der perkutane Laserablation bei kolorektalen Lebermetastasen (MET) und hepatozellulären Karzinomen (HCC)

Autor Giorgio (2000)

Mack (2001)

Pacella (2001) Vogl (2004) a

mittlere Überlebenszeit

Patienten (n)

Tumor

Komplette Tumornekrose (%)

Überlebensrate (ÜLR)

77

HCC

82



25

MET

77



705

MET



1-/3-/5-Jahres-ÜLR: 93/50/30% 41,8 Monatea

74

HCC

97

1-/3-/5-Jahres-ÜLR: 99/68/15%

603

MET



1-/3-/5-Jahres-ÜLR: 94/56/37% 42 Monatea

23 2.3 · Sonographisch gesteuerte interventionelle Therapie

2

. Tabelle 2.7. Ergebnisse der Kryotherapie bei kolorektalen Lebermetastasen (MET) und hepatozellulären Karzinomen (HCC)

Autor

Patienten (n)

Tumor

Mittlere Überlebenszeit (Monate)

Überlebensrate (ÜLR)

Zhou (1998)

235

HCC



1-/3-/5-Jahres-ÜLR: 78/54/27%

Weaver (1998)

136

MET

30



Weaver (1995)

47

MET



2-Jahres-ÜLR: 62%

Hewitt (1998)

20

MET

32

1-/2-Jahres-ÜLR: 88/60%

Behandlungen erfolgten im Rahmen einer Laparotomie durch intraoperativ-sonographisch gesteuerte Punktion. Die Komplikationsrate wird allgemein als vergleichbar zur Metastasenresektion angegeben. Perkutane Ethanolinstillation Indikation. Bei der perkutanen Ethanolinstillation (PEI) handelt es sich um die älteste minimalinvasive Ablationstechnik zur Behandlung von Lebertumoren. Allgemein empfohlen wird die PEI für die Behandlung kleiner Lebertumoren bis 3–5 cm und bis zu 3 Herden. Die Therapie größerer Herde >5 cm ist im Rahmen einer One-shot-PEI unter Narkose möglich, wobei hier Ethanolvolumina von 50–100 ml mit mehreren Injektionen in einer Sitzung installiert werden (Sparchez et al. 2003). Hauptindikation für die PEI ist das nicht resektable hepatozelluläre Karzinom auf dem Boden einer Leberzirrhose. Auch bei kleinen Metastasen kolorektaler Karzinome sowie von Mammakarzinomen bei Inoperabilität des Patienten ist eine PEI möglich, jedoch wird sie hierfür als deutlich ineffektiver gegenüber den anderen Ablationsverfahren bewertet. Technik. Die erste Beschreibung dieser Technik stammt aus dem Jahre 1983. Der eingespritzte Alkohol diffundiert hierbei in das umliegende Gewebe und verursacht eine Tumornekrose durch Proteindenaturierung, Zelldehydratation und Okklusion kleiner Gefäße. Injiziert wird 96%iges Ethanol über 20–22G-Chiba-Nadeln oder spezielle Nadeln mit seitlichen Öffnungen. Das erforderliche Alkoholvolumen berechnet sich aus der Formel V=4/3 π (r+0,5)3. Die Rate kompletter Tumornekrosen beim HCC ist abhängig von der Herdgröße (Sparchez et al. 2003).

Ergebnisse. Bei Tumoren 5 cm 60% (Sparchez et al. 2003). Bei solitären HCC-Herden bis 5 cm ist sie fast ebenbürtig zur Resektion (3-Jahres-Überlebensrate bei Resektion 79% und nach PEI 71%). . Tab. 2.8 fasst die Ergebnisse bisheriger Studien zusammen. Aufgrund der Weiterentwicklung neuerer Techniken, insbesondere der Laserablation, Kryoablation und Radiofrequenzablation, wird sich die Indikation für eine PEI in der Zukunft auf ein selektiertes Patientengut mit kleinen Lebertumoren beschränken (Giovannini 2002). Die Komplikationsrate wird mit 3,2% angegeben (Di Stasi et al. 1997).

2.3.4 Aszites, Pleuraergüsse, postoperative und parenchymatöse Verhalte Die Hauptindikation zur therapeutischen Punktion von Aszites, Pleuraergüssen, postoperativen und parenchymatösen Verhalten besteht meistens in der Entlastung größerer Flüssigkeitsmengen. Prinzipiell können sowohl die einmalige komplette Punktion sowie die Einlage einer Drainage erfolgen. Die Intervention kann bei der Punktion von Aszites und Pleuraergüssen in der Regel in Freihandtechnik nach sonographischer Markierung der Punktionsstelle durchgeführt werden. Indikationen zur sonographisch gesteuerten perkutanen Punktion bzw. Drainage sind: 4 Aszites 4 Pleuraergüsse 4 Hämatome 4 Wundserome 4 Biliome und Leberzysten 4 Pankreaspseudozysten

. Tabelle 2.8. Ergebnisse der PEI bei hepatozellulären Karzinomen

Autor

Patienten (n)

Tumorgröße (cm)

Überlebensrate (ÜLR)

Ebara (1993)

133

≤3,0

1-/3-/5-Jahres-ÜLR: 96/61/37%

Shiina (1993)

146



1-/2-/3-/4-/5-Jahres-ÜLR: 79/64/46/38/38%

Livraghi (1995)

293 (Child A) 149 (Child B) 20 (Child C) 121 (Child A) 28 (Child A) 16 (Child A)

Single ≤5 Single ≤5 Single ≤5 Multipel Single ≤5 Fortgeschritten

3-/5-Jahres-ÜLR: 79/47% 3-/5-Jahres-ÜLR: 63/29% 3-/5-Jahres-ÜLR: 12/0% 3-/5-Jahres-ÜLR: 68/36% 3-/5-Jahres-ÜLR: 53/30 3-/5-Jahres-ÜLR: 16/0%

Giorgio (2000)

268

0,6–14

1-/2-/3-/4-/5-Jahres-ÜLR: 93/83/74/65/59%

24

2

Kapitel 2 · Interventionelle Sonographie

Bei der Punktion von Pleuraergüssen lässt sich die Komplikationsrate durch den Einsatz der Sonographie zur Punktionssteuerung senken.

2.3.5 Abszesse und Empyeme Zur Therapie intraabdomineller Abszesse hat sich die interventionelle perkutane Abszessdrainage (PAD) als alternative Behandlungsmöglichkeit zur operativen Therapie etabliert. Die Punktion und Drainage kann sowohl CT- als auch Ultraschallgesteuert erfolgen. Vorteile für die Bildgebung mittels Ultraschall ergeben sich aus der Schnelligkeit, der Mobilität, der fehlenden Strahlenbelastung und nicht zuletzt wegen der geringen Kosten der Methode (Men et al. 2002). Zudem gestattet der Ultraschall eine Real-time-Darstellung der anzugehenden Befunde. Im Allgemeinen wird die sonographisch gestützte Intervention bei gut zugänglichen sowie solitären Abszessen empfohlen, deren Punktion mit einem geringen Verletzungsrisiko für benachbarte Strukturen wie Blutgefäße, Hohlorgane oder Pleurahöhle verbunden ist.

Abszesse mit Verbindung zu Hohlorganen können mittels PAD nur passager entlastet werden. Zur definitiven Sanierung ist eine zweizeitige operative Therapie erforderlich.

Ätiologie. Intraabdominelle Abszesse können im Rahmen verschiedenster Erkrankungen sowie als postoperative Komplikation auftreten. Daher ist das Patientengut sehr heterogen. Ursächlich sind entzündliche Erkrankungen intraabdomineller Organe, Hohlorganperforationen, pyogene Absiedlungen in parenchymatöse Organe und nicht zuletzt postoperative Infekte aufgrund von Keimverschleppungen oder Nahtinsuffizienzen. Abszessformationen in Weichteilen treten nach Verletzungen oder Injektionen von Medikamenten auf. . Tab. 2.9 zeigt die typischen Abszesslokalisationen nach Häufigkeit. Indikation. Vor der Entscheidung zum interventionellen Vorgehen müssen Lokalisation, Ätiologie und Ausdehnung des Befundes sonographisch oder computertomographisch erfasst sein.

. Tabelle 2.9. Lokalisation intraabdomineller Abszesse (n=62; Jansen et al. 1999) Abszesslokalisation

Häufigkeit

Subhepatisch

29%

Subphrenisch links

29%

Intrahepatisch

18%

Parakolisch

10%

Douglas/kleines Becken

6%

Subphrenisch rechts

5%

Retroperitoneal

3%

Prinzipiell ist zunächst bei allen sonographisch darstellbaren und perkutan erreichbaren putriden Verhalten die Indikation für eine Drainage zu prüfen. Indikationen zur US-gesteuerten perkutenen therapeutischen Abszessdrainage sind: 4 Leberabszesse 4 Milzabszesse 4 Intrahepatische Abszesse 4 Abszesse im Becken 4 Enterische Abszesse 4 Retroperitoneale Abszesse 4 Perityphlitische Abszesse 4 Lungenabszesse 4 Pleuraempyeme Kontraindikationen zur interventionellen Therapie bestehen bei nicht geeignetem perkutanem Zugangsweg sowie bei Krankheitsursachen, die primär eine chirurgische Behandlung erfordern. Hierzu zählen u. a. Darmnekrosen, infizierte nekrotisierte Tumoren, infizierte Pankreasnekrosen und sequestierte, gekammerte sowie organisierte entzündliche Verhalte, bei denen eine suffiziente Entlastung nicht zu erwarten ist. Zur Differenzierung von infizierten und nicht infizierten liquiden Verhalten kann eine diagnostische Nadelaspiration durchgeführt werden. Hierbei muss eine Stichführung durch den Darm vermieden werden, da sonst ein falsch-positives mikrobiologisches Ergebnis sowie eine Keimverschleppung und Infektion bei der Punktion steriler Flüssigkeiten resultieren kann. Die mikrobiologische Untersuchung kann wichtige Hinweise zur Ätiologie von Abszessen liefern und hilft, eine ggf. begleitende antibiotische Behandlung zu optimieren. Bei Patienten, die bereits eine antimikrobielle Therapie erhalten, fällt der Bakteriennachweis in putriden Sekreten nicht selten negativ aus. Das Fehlen von Leukozyten bei nachgewiesener bakterieller Kontamination wird im Rahmen von Immunsuppressionen oder bei Patienten mit Immundefekten beobachtet. Wird bei der diagnostischen Punktion klares Sekret gewonnen, kann auf die Einlage einer Drainage verzichtet werden. Cave Vor der Einlage einer perkutanen Abszessdrainage (PAD) darf die Abszesshöhle nicht komplett abpunktiert werden, da sonst eine sichere Platzierung der Drainage nicht möglich ist.

Material und Technik. Die Platzierung der Drainage kann, nach lokaler Betäubung der Haut, unter sterilen Kautelen mittels Seldingertechnik oder Trokartechnik erfolgen (. Abb. 2.8 und 2.9). Bei der Seldingertechnik wird der Abszess mit einer Chiba-Nadel unter sonographischer Kontrolle punktiert und die korrekte Lage durch Aspiration von trübem oder putridem Sekret bestätigt (. Abb. 2.8a). Gleichzeitig kann eine Probe zur mikrobiologischen Diagnostik asserviert werden. Nun wird über die Nadel ein Führungsdraht mit J-Spitze eingebracht und die Chiba-Nadel entfernt (. Abb. 2.8b). Nach Inzision der Haut im Bereich der Eintrittsstelle des Drahtes und Dilatation des Stichkanals wird die Drainage über den Draht in der Abszesshöhle platziert (. Abb. 2.8c). Der Draht wird entfernt und die Drainage mittels Annaht gesichert (. Abb. 2.8d). Bei der Trokartechnik ist die Drainage mittels einer Nadel und eines Mandrins von innen geschient und kann unter sonographischer Kontrolle nach Hautinzision bis in den Abszess vorgeschoben werden. Hierbei muss

25 2.3 · Sonographisch gesteuerte interventionelle Therapie

a

a

b

b

c

c

d

d

2

. Abb. 2.8a–d. Punktion mittels Seldingerdraht. a Punktion und Aspiration (optische Beurteilung, Mikrobiologie), b Einbringen Seldingerdraht, Entfernung Punktionskanüle, c Platzierung der Drainage über den Seldinger-Draht, d Drainage nach Entfernen des Seldinger-Drahtes

. Abb. 2.9a–d. Punktion mittels Trokar. a Punktion und Aspiration (optische Beurteilung, Mikrobiologie), b Entfernung der Punktionskanüle, Hautinzision, Punktion mit kombiniertem Trokar-Drainagesystem, c Entfernung des Trokars und Platzierung der Drainage, d Drainage nach Entfernung des Trokars

über die innere Trokarnadel stetig aspiriert werden, um das Erreichen der Abszesshöhle erkennen zu können. Dann wird die Drainage bei fixierter Nadel noch wenige Zentimeter vorgeschoben und nach Zurückziehen von Nadel und Mandrin mittels Annaht gesichert (. Abb. 2.9). Der Vorteil der Trokarsysteme liegt im besseren Penetrationsvermögen bei sehr festen Abszessmembranen, jedoch ist diese Technik mit einer leicht höheren Komplikationsrate im Vergleich zur Seldingertechnik behaftet.

Bei der Wahl der Drainage kann auf ein weites Spektrum an Kathetersystemen mit Kalibern von 6–12 French für einlumige Otto-Systeme und 12–24 French für doppellumige Spülkatheter (Van-Sonnenberg-Systeme) zurückgegriffen werden (. Abb. 2.10). Eine klinische Studie konnte zeigen, dass bei der Behandlung von 64 Patienten mit intraabdominellen Abszessen die Verwendung von 7-French-Pigtailkathetern sowie 14-FrenchSpülkathetern keine signifikanten Unterschiede bezüglich Er-

26

Kapitel 2 · Interventionelle Sonographie

2

a

a

b . Abb. 2.10a,b. Systeme zur perkuntanen Abszessdrainage (PAD). a Einlumiger Otto-Katheter, b doppellumiger Van-Sonnenberg-Spülkathether

folgsrate, Rezidivrate, Komplikationshäufigkeit, Drainagedauer und Rate an offen-chirurgischen Revisionen offenbarte (Rothlin et al. 1998). Bei zähem Sekret und relevanten Anteilen von Zelldetritus und Gewebenekrosen sind dünne einlumige Katheter aber oft nicht ausreichend, weswegen viele Autoren empfehlen, den größtlumigen Katheter zu verwenden, der unter den gegebenen Umständen sicher und komplikationsarm eingebracht werden kann. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist neben der suffizienten Platzierung der Drainage das intermittierende Anspülen und Offenhalten des Systems. Dabei müssen Sekretmengen und Sekretqualität täglich dokumentiert und beurteilt werden (Göhl et al. 1999). Der Rückgang von Fieber und Leukozytose in den ersten 2–3 Tagen nach der Intervention ist als klinischer Parameter des Therapieerfolges zu beobachten und zu dokumentieren. Direkt nach Einlage der Drainage sollte die Abszesshöhle mehrere Male mit physiologischer Kochsalzlösung gespült werden, bis das Aspirat klar wird. Ein mehrmaliges Anspülen in den folgenden Tagen ist erforderlich, um den Katheter offen zu halten. Ein plötzliches Sistieren des ablaufenden Sekretes sollte an eine Verlegung oder Dislokation des Katheters denken lassen.

b . Abb. 2.11a,b. Perkutane Drainage eines Leberabszesses. a Abszess im Sonogramm, b Abszess nach Platzierung der PAD und Darstellung der Abszesshöhle mit Kontrastmittel

Entscheidend für den Erfolg einer PAD ist die regelmäßige Spülung der Abszesshöhle über die einliegende Drainage.

Leberabszesse. Bakterielle Abszesse der Leber stellen eine der häufigsten Indikationen für die Einlage einer PAD dar. Leberabszesse entstehen im Rahmen von Entzündungen der Gallenwege,

2

27 2.3 · Sonographisch gesteuerte interventionelle Therapie

. Abb. 2.12. Perityphlitischer Abszess im Sonogramm

in der Folge von Traumata oder abdominellen Operationen sowie mittels hämatogener Aussaat bei abszedierenden Infekten des Darmes. Solitäre Abszesse können mit sehr gutem Erfolg sonographisch gesteuert punktiert werden, während bei multilokularen und konfluierenden Abszessformationen die CT-gesteuerte Drainage empfohlen wird. Im Allgemeinen ist eine Drainagedauer von 3–5 Tagen bei begleitender antibiotischer Behandlung ausreichend (van Sonnenberg et al. 2001). Auch die einmalige Punktion und Aspiration von Leberabszessen als therapeutische Option ist beschrieben. Die in der Literatur beschriebene Erfolgsrate der PAD liegt bei 70–93% (. Abb. 2.11), die der offenchirurgischen Drainage bei 51–70% (Vogl u. Estifan 2001). Pankreasabszesse. Abszedierungen des Pankreas treten nach Operationen sowie im Rahmen von Pankreatitiden auf. Die interventionelle Entlastung wird wegen der Nachbarschaft zu Blutgefäßen und Hohlorganen im Allgemeinen CT-gesteuert empfohlen. Einmalige Punktionen sind mit einer hohen Rezidivrate bis 70% behaftet, weswegen stets die Einlage eines Drainagesystems erfolgen sollte (Men et al 2002). Milzabszesse. Abszedierungen der Milz sind selten und treten gehäuft bei immungeschwächten Patienten auf. Es handelt sich dann meist um hämatogene Absiedlungen im Rahmen einer Endokarditis oder posttraumatische Superinfektionen von Hämatomen (Green 2001). Milzabszesse sind gut einer interventionellen Therapie zugänglich, es gelten hierbei die gleichen Empfehlungen wie bei der Behandlung von Leberabszessen. Abszesse im Becken. Intraabdominelle Abszesse treten gehäuft im Becken auf, da dieses den tiefsten Raum der Abdominalhöhle bildet und sich entzündliche Sekrete aufgrund der Schwerkraft ansammeln können. Weiterhin beherbergt das Becken Strukturen, die häufig selbst Ausgangspunkt einer Entzündung sind. So finden sich putride Verhalte im Rahmen von Appendizitiden, Sigmadivertikulitiden und als Tuboovarialabszesse. Bei der Therapie der durch Abszess komplizierten Sigmadivertikulitis in den Stadien I und II nach Hinchey kann z. B. durch eine interventionelle Abszessdrainage der notfallmäßige operative Eingriff umgangen und, nach einer Drainagedauer von bis zu 12 Tagen,

die elektive einzeitige Resektionstherapie erfolgen (Bertram et al. 2002) Beckenabszesse könne auf verschiedenen Routen interventionell angegangen werden. Sonographisch gesteuert stehen transrektale und transvaginale Punktionstechniken zur Verfügung (Ryan et al. 2003), während mittels CT-gesteuerter Technik transgluteale und parakokkygeal-infragluteale Punktionswege gewählt werden können (Men et al. 2002). Enterische Abszesse. Enterische Abszesse können im Rahmen von Appendizitiden (. Abb. 2.12), Sigmadivertikulitiden, Anastomoseninsuffizienzen, perforierten Tumoren oder eines M. Crohn auftreten. Die interventionelle Punktion ist sowohl sonographisch gesteuert als auch CT-gesteuert möglich. In den meisten Fällen stellt die enterische Abszessdrainage eine temporäre bzw. adjuvante Maßnahme im Rahmen der notwendigen chirurgischen Therapie dar (Men et al. 2002). Hier muss an Hand des klinischen Verlaufes und der Befundkonstellation im Einzelfall abgewogen werden, ob die alleinige Drainage ausreichend ist oder ob eine definitive operative Behandlung im Intervall erfolgen soll (. Abb. 2.13). Ergebnisse. Je nach Lage und Ätiologie der Befunde wird in der Literatur eine Heilungsrate von 33–100% angegeben. . Tab. 2.10

. Tabelle 2.10. Heilungsraten bei interventioneller Abszessdrainage (Göhl et al. 1999)

Abszesslokalisation

Heilungsrate

Postoperative intraperitoneale Abszesse

33–78%

Pyogene Leberabszesse

69–92%

Milzabszesse

50–100%

Abszesse kleines Becken

52–100%

Abszesse mit Verbindung zum Darm

51–84%

Infizierte Pankreaspseudozysten

67–94%

Pankreasabszesse

14–79%

28

2

Kapitel 2 · Interventionelle Sonographie

. Abb. 2.13. Drainage eines Abszesses mittels PAD. Darstellung einer Fistel von der Abszesshöhle zum Kolon durch die Gabe von wasserlöslichem Kontrastmittel über den einliegenden Otto-Katheter

fasst die Ergebnisse mehrerer klinischer Studien zur Erfolgsrate der interventionellen Abszessdrainage zusammen. Mehrere Studien an vergleichbaren Patientenkollektiven konnten zeigen, dass die interventionellen Techniken im Vergleich zur operativen Therapie annähernd gleiche Erfolgsraten aufwiesen. Komplikationen. Als schwerwiegende Komplikationen im Rahmen der interventionellen Drainage sind Hohlorganperforationen und Blutungen aus parenchymatösen Organen und Gefäßen zu nennen. Eine Keimverschleppung in benachbarte Kompartimente kann zu Septikämien führen. Die Rate schwerer Komplikationen, die eine chirurgische Therapie nach sich ziehen, ist von der Lokalisation der drainierten Abszesse abhängig und wird mit 1–5% beziffert (Göhl et al. 1999).

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3 3 Allgemeine radiologische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes und der Gallenwege einschließlich Computertomographie und Magnetresonanztomographie W. Steinbrich, W. Wiesner

3.1

Allgemeines

– 32

3.2

Abdomenübersichtsaufnahmen – 32

3.3

Ösophagogastrointestinale Kontrastmitteldiagnostik

– 32

3.3.1 Wahl des Kontrastmittels – 32 3.3.2 Kontrastmittelapplikation – 36 3.3.3 Bilddokumentation – 36

3.4

Computertomographie – 37

3.4.1 Indikationsstellung – 37 3.4.2 Untersuchungstechnik – 39

3.5

Magnetresonanztomographie

– 42

3.5.1 Indikationsstellung – 42 3.5.2 Magnetresonanzcholangiographie und Magnetresonanzcholangiopankreatikographie – 43

3.6

Angiographie – 44

3.6.1 Indikationsstellung – 44

Literatur – 44

32

Kapitel 3 · Allgemeine radiologische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes und der Gallenwege

) ) Die Auswahl geeigneter diagnostischer Verfahren in der prä- oder postoperativen Abklärung des Gastrointestinaltraktes wird durch die Vielzahl verfügbarer Methoden bereichert, aber auch erschwert. Neben dem diagnostischen Ziel und dem Patientenkomfort spielen heute zunehmend auch ökonomische und im Hinblick auf kurze Liegezeiten auch ablauftechnische Aspekte eine Rolle. Hilfreich erscheint deswegen eine systematische Analyse des Kompetenzspektrums der jeweiligen Methoden im Gesamtzusammenhang der Patientenversorgung. Hinsichtlich der Bewertung der Methoden kann dabei grundsätzlich zwischen Erkenntnissen über funktionelle, oberflächenmorphologische, tiefenmorphologische und Umgebungsveränderungen unterschieden werden.

3

3.1

Allgemeines

Konventionell radiologische Kontrastmittelverfahren (Ösophagogramm, Magen-Darm-Passage, Magen-Doppelkontrastdarstellung, Dünndarmdarstellung nach Sellink, Kolon-Monooder -Doppelkontrastuntersuchung) sind als oberflächenmorphologische Verfahren mit einigen funktionellen Aspekten, insbesondere der Motilitätsbeurteilung, anzusehen. Auch der Endoskopie bleibt – abgesehen von möglichen Tiefenbiopsien – die Beurteilung tieferer Wandschichten des Gastrointestinaltraktes grundsätzlich verborgen. Gerade die Frage der transmuralen Ausbreitung spielt aber – nicht nur in der Beurteilung von tumorösen Prozessen, sondern auch bei entzündlichen Veränderungen – eine erhebliche Rolle. Entsprechend haben inzwischen Schichtbildtechniken (Sonographie, Computertomographie und Magnetresonanztomographie) einen breiten Eingang in die gastrointestinale Diagnostik gefunden. Die Endosonographie überzeugt dabei mit der besten räumlichen Auflösung. Diese erlaubt als einziges bildgebendes Verfahren die Analyse der Integrität oder Desintegrität einzelner Wandschichten. Allerdings ist ihr eine begrenzte Umgebungssicht durch eine limitierte Eindringtiefe zu eigen. Demgegenüber ist die räumliche Auflösung von Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) begrenzt; diese Verfahren bieten aber eindeutig die beste Gesamtübersicht über das Untersuchungsfeld. Insgesamt gewinnt gerade in chirurgischen Zusammenhängen die Schichtbilddiagnostik sowohl präoperativ als auch hinsichtlich der Beurteilung postoperativer Komplikationen zunehmend an Bedeutung. Entsprechend werden immer häufiger ein oberflächenkompetentes Verfahren (endoskopischer oder radiologischer Natur) in Kombination mit einem Schichtbildverfahren eingesetzt. 3.2

Abdomenübersichtsaufnahmen

Abdomenübersichtsaufnahmen gehören unbestritten ins Routinerepertoire bei der Abklärung des akuten Abdomens und zwar unmittelbar im Anschluss an die klinische Untersuchung (7 Kap. 20). Auch bei unklaren abdominellen Beschwerden können Abdomenübersichtsaufnahmen bereits richtungsweisende Befunde ergeben, wenn nach der Regel »stone – bone – gas – mass« systematisch nach pathologischen Verkalkungen, Skelettpathologien, pathologischen Darmgasverteilungen inkl. freier

Luft oder etwaigen Raumforderungen oder Fremdkörpern gesucht wird (. Abb. 3.1; Field 1994). Bezüglich Raumforderungen ist als Primäruntersuchung allerdings meist die abdominelle Sonographie vorzuziehen. Es werden in der Regel 2 a.p.-Aufnahmen angefertigt, eine davon stets im horizontalen Strahlengang, sei es im Stehen oder in Linksseitenlage (LSL). Auf der Aufnahme im horizontalen Strahlengang muss unabhängig von der Körperposition immer das Zwerchfell mit abgebildet sein, um hier freie Luft nachweisen zu können. Der Aufnahme in Linksseitenlage wird nachgesagt, dass sie noch kleinere Luftansammlungen sicher nachweist als die Stehendaufnahme. Allerdings kann die stehende Abdomenübersichtsaufnahme auch von einer stehenden Thoraxaufnahme ergänzt werden, der ebenfalls eine sehr hohe Sensitivität für den Nachweis von freier intraperitonealer Luft bescheinigt wird (Miller et al. 1980; . Abb. 3.1). Bei kleinen Mengen freier intraperitonealer Luft grenzt sich hierbei die Luftsichel durch einen schmalen, weichteildichten und vom Zwerchfell gebildeten Streifen von der basalen Lunge ab. Die Aufnahme in LSL wird immer erforderlich bei nicht stehfähigen Patienten. Ergänzend wird stets auch eine a.p.-Aufnahme in Rückenlage angefertigt – dies wegen der in Rückenlage etwas anderen Positionierung der Abdominalorgane. Hierdurch können Fehlzuordnungen überblähter Schlingen im Rahmen der Obstruktionsdiagnostik verhindert und Volvulus- und Invaginationszustände besser erkannt werden. Bei klinisch eindeutigem akuten Abdomen und initial negativem Röntgenbild hinsichtlich Spiegelbildungen und freier Luft sollte nicht gezögert werden, die Abdomenübersichtsaufnahme im horizontalen Strahlengang kurz bis mittelfristig zu wiederholen, da zum Teil rasche Befundänderungen zu beobachten sind. Besteht allerdings der Verdacht auf eine mesenteriale Ischämie, erscheint heute eher die unmittelbare Durchführung eines Spiral-CT mit zeitgerechter intravenöser KM-Applikation angeraten (. Abb. 3.2). 3.3

Ösophagogastrointestinale Kontrastmitteldiagnostik

Um bei konventionellen Kontrastmitteluntersuchungen hinsichtlich der Art der Kontrastmittelapplikation, der Wahl des Kontrastmittels (KM) und der Art der Dokumentation der Untersuchungsergebnisse das richtige Vorgehen zu wählen, ist sowohl im präoperativen als auch im postoperativen Management unbedingt eine exakte Definition des Untersuchungsziels erforderlich. Hierzu ist mit der Anmeldung der Untersuchung eine detaillierte Information, bei komplexeren Zustandsbildern auch ein direktes Gespräch zwischen Zuweiser und Untersucher erforderlich. Bei postoperativen Zuständen mit komplexen Anastomosenverhältnissen empfiehlt sich chirurgischerseits zudem die Anfertigung einer Operationsskizze, da diese nicht nur für die Interpretation der radiologischen Befunde, sondern auch für die Vorgehensweise entscheidend sein kann. 3.3.1 Wahl des Kontrastmittels Bariumsulfat Wegen seiner großen Kontrastdichte und seiner hohen Oberflächenaffinität stellt unverändert Bariumsulfat das KM der Wahl

33 3.3 · Ösophagogastrointestinale Kontrastmitteldiagnostik

. Abb. 3.1. a Thoraxübersicht sitzend p.a.: Freie subdiaphragmale Luft rechts (Pfeil) nach intestinaler Perforation. b Abdomenübersicht liegend a.p.: Sigmavolvulus mit mechanischem Kolonileus.

3

c Abdomenübersicht liegend a.p.: »body packer« mit multiplen Kokaingefüllten Plastikpäcken im Kolon (Pfeilspitzen)

34

Kapitel 3 · Allgemeine radiologische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes und der Gallenwege

. Abb. 3.2. Computertomographie des Abdomens. Volvulus mit strangulierter Dünndarmschlinge. Beachte die verdickte, venös gestaute und bereits ischämisch geschädigte Darmwand (Pfeile)

3

. Abb. 3.3a,b. Ösophagographie. a Monokontrastdarstellung eines stenosierenden Ösophaguskarzinoms. b Doppelkontrastdarstellung desselben Befundes mit Bariumsulfat. Beachten Sie die im Doppel-

kontrast deutlich bessere Beurteilbarkeit des Befundes anhand des für Barium typischen Wandbeschlags

zur differenzierten Beurteilung von Oberflächenprozessen dar (. Abb. 3.3). Es wird dennoch im Umfeld von chirurgischen Eingriffen am Gastrointestinaltrakt immer weniger eingesetzt. Neben den bekannten Kontraindikationen gegen Bariumsulfat bei akuten Zuständen wie Ileus oder Perforation mit der Gefahr des Austritts von KM in die freie Bauchhöhle und der Entstehung einer Bariumperitonitis spielt dabei auch das Zeitmanagement eine zunehmende Rolle. Der Einsatz von Bariumsulfat erfordert nämlich sowohl hinsichtlich der weiteren Diagnostik (CT) als

auch hinsichtlich allfälliger Eingriffe zunächst eine aufwändige Darmreinigung (Henrich 1986). Hierdurch kann das weitere Prozedere um 1–2 Tage verzögert werden. Häufig ist zudem die lokale Situation bereits durch die Endoskopie abgeklärt, sodass KM-Untersuchungen der Hohlorgane präoperativ eher zur Abklärung der Grobanatomie (Länge einer endoskopisch nicht überwindbaren Stenose, Zweittumor etc.) eingesetzt werden als zur Feindiagnostik und deshalb mit wasserlöslichem Kontrastmittel durchgeführt werden können.

35 3.3 · Ösophagogastrointestinale Kontrastmitteldiagnostik

Weitgehend unbestritten ist der Einsatz von Bariumsulfat in der präoperativen Ösophagusdiagnostik wegen der rascheren Selbstreinigung des Ösophagus und in der Dünndarmdiagnostik (selektive Dünndarmpassage, Enteroklysma nach Sellink), sofern diese Untersuchungen nicht unmittelbar postoperativ erfolgen (Herlinger 1978; Miller et al. 1979). Direkt postoperativ wird Bariumsulfat besonders in Verbindung mit Enteroanastomosen tunlichst vermieden, und sollte – wenn notwendig – erst eingesetzt werden, wenn zuvor mittels wasserlöslichem Kontrastmittel die Dichtigkeit der Anastomose bestätigt werden konnte. Hinsichtlich des Nachweises feinerer Fisteln, ausgehend von Nahtinsuffizienzen nach Ösophagusersatzoperationen gibt es allerdings Hinweise, dass diese mit Bariumsulfat besser erfasst werden. Das Auftreten einer bariuminduzierten Fremdkörpermediastinitis ist nicht zu befürchten, wenn vorgängig ein breiterer KM-Austritt mit Höhlenbildung durch Applikation eines wasserlöslichen KM ausgeschlossen worden ist. Auch zum Nachweis feinerer Fisteln am Dünn- und Dickdarm im Rahmen von chronisch entzündlichen Erkrankungen (M. Crohn) wird mit Vorteil Bariumsulfat eingesetzt. Bei bekannter oder dringend vermuteter Aspiration sollte auf die Schluckprüfung mittels großer Mengen Bariumsulfat verzichtet werden. Die Untersuchung kann jedoch mit kleinen Mengen Bariumsulfat durchgeführt werden, da dieses bei nur geringer Aspiration mukoziliär wieder aus den oberen Atemwegen entfernt werden kann. Hinsichtlich der differenzierten Analyse des Schluckaktes (sog. differenzierte Schluckpassage), die immer auch mittels Video dokumentiert werden sollte, wird Bariumsulfat in unterschiedlichen Viskositätsstufen, zum Teil untermengt mit Keks oder Brot, appliziert. Auf die Doppelkontrasttechnik des Ösophagus, Magens, und Dickdarms wird hier nicht weiter eingegangen. Sie ist in der radiologischen Literatur ausführlich beschrieben.

Bariumsulfat ist den wasserlöslichen Kontrastmitteln in der Diagnostik des Gastrointestinaltraktes deutlich überlegen, darf aber vor allem früh postoperativ und vor geplanten Operationen nicht eingesetzt werden (Bariumperitonitis).

Hyperosmolare, wasserlösliche, nichtsterile Kontrastmittel Diese werden heute bei der Mehrzahl der prä- und postoperativen KM-Untersuchungen des Gastrointestinaltraktes eingesetzt. Auch sie sollten allerdings bei Aspirationsverdacht vermieden werden, da die Hyperosmolarität dieser Kontrastmittel bei Aspiration zum Lungenödem führen kann. Ebenfalls Folge der Hyperosmolarität ist eine Verdünnung im Dünndarm durch Wasserausscheidung, die insbesondere bei Passagebehinderungen zur Einschränkung des Kontrastes führt (fraktionierte Dünndarmpassage). Dieser wasseranziehenden volumenvermehrenden Wirkung ist die Stimulation der Darmperistaltik zuzuschreiben, die zum Teil auch therapeutisch eingesetzt wird (paralytische Subileuszustände). Vorsicht ist wegen des dabei entstehenden Wasserverlustes allerdings bei dehydrierten Patienten und bei Kindern geboten (Cohen 1987; Laubenberger et al. 1994). Umgekehrt erfolgt bei Passagebehinderungen eine Eindickung im Kolon, was zu erheblichen störenden Artefaktbildungen bei einer nachfolgenden CT führen kann. Insgesamt ist der Oberflächenbeschlag der Schleimhaut des Darmes bei allen wasserlöslichen

3

. Abb. 3.4. Monokontrastuntersuchung des Kolons mit wasserlöslichem Kontrastmittel. Großes, der lateralen Wand des Colon descendens breitbasig aufsitzendes villöses Adenokarzinom (Pfeilspitzen). Nebenbefundlich einzelne Kolondivertikel (kleine Pfeile)

Kontrastmitteln deutlich schlechter als bei Bariumsulfat, sodass die Feinbeurteilung von Schleimhautulzerationen und Polypenbildungen erheblich eingeschränkt ist. Die Darstellung erfolgt in Einfachkontrasttechnik (. Abb. 3.4). Am Dickdarm kann durch rektale Gabe von Luft und am Magen durch orale Applikation von CO2-Pulver eine Doppelkontrastdarstellung versucht werden (. Abb. 3.5). Hyperosmolare wasserlösliche sterile Kontrastmittel Diese werden bevorzugt zur Darstellung natürlicher Gänge, aber auch pathologischer Fisteln und Höhlen mit externem oder endoskopischem Zugang verwendet (ERCP, PTC, T-Drain-Darstellungen, Fistelfüllungen etc.) Wegen ihrer Wasserlöslichkeit werden sie auch bei gegebener Perforation oder Nahtinsuffizienz leicht aus der freien Bauchhöhle oder dem interstitiellen Gewebe resorbiert (Laubenberger et al. 1994). Isoosmolare wasserlösliche Kontrastmittel Die isoosmolaren wasserlöslichen Kontrastmittel sind deutlich teurer als alle zuvor genannten kontrastgebenden Substanzen und sollten deshalb zurückhaltend eingesetzt werden. Als Indikationen gelten Untersuchungen des Schluckaktes und des Ösophagus bei Patienten mit Verdacht auf Perforation resp. postoperative Anastomoseninsuffizienz und zusätzlichem Verdacht auf ausge-

36

Kapitel 3 · Allgemeine radiologische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes und der Gallenwege

3

. Abb. 3.5. Versuchte Doppelkontrastuntersuchung des Kolons mit wasserlöslichem Kontrastmittel und anschließender Luftinsufflation. Mäßiger Wandbeschlag mit jedoch genügender Darstellung eines ausgeprägten Pflastersteinreliefs (großer Pfeil) bei M.-Crohn-Rezidiv vor einer ileosigmoidalen Anastomose (kleine Pfeile)

. Abb. 3.6. Selektive Dünndarmpassage (Füllung des Dünndarmes mit Bariumsulfat und anschließende Auswaschung mit Methylzellulose). Glatt berandeter, mäßig stenosierender Tumor im Ileum (Pfeile). Die Operation ergab ein Leiomyom

prägte Aspiration. Weiter werden sie mit Vorteil bei der unmittelbar postoperativen Kontrolle von oberen gastrointestinalen Anastomosen z. B. im Rahmen von Ösophagusersatzoperationen eingesetzt, bei denen die peristaltikanregende Wirkung der hochosmolaren Kontrastmittel nicht erwünscht ist (Rubin et al. 1981).

3.3.3 Bilddokumentation

3.3.2 Kontrastmittelapplikation Diese ist meist durch das Zielorgan vorgegeben (oral bis BauhinKlappe, rektal über Darmrohr ab Bauhin-Klappe). Für die selektive Dünndarmpassage ist die Applikation von verdünntem Bariumsulfat und Methylzellulose zur Doppelkontrasttechnik über eine im duodenojejunalen Übergangsbereich platzierte Sonde unbestritten, da die schrittweise Füllung des Dünndarms so wesentlich besser steuerbar ist als bei oraler Applikation (. Abb. 3.6; Maglinte 1994). Fistelfüllungen erfolgen – wenn immer möglich – durch äußere Fistelöffnungen über Knopfsonden, kleine Ballonkatheter oder Mikrokatheter. Eine ausreichende Kontrastierung setzt meist die Blockierung des Rückflusses voraus, was am besten mit feinen Ballonkathetern gelingt. T-Drain-Darstellungen der Gallenwege können mit der Funktionsprüfung des choledochoduodenalen Abflusses kombiniert werden (7 Spezialliteratur).

Digitale Bilddarstellungen haben sich bei allen konventionellen KM-Untersuchungen hinsichtlich der räumlichen Auflösung als ausreichend erwiesen und werden in Zusammenhang mit der »Last-image-hold«-Technik (Speicherung des jeweils letzten Bildes eines Durchleuchtungsganges) auch strahlendosisreduzierend eingesetzt. Die Dokumentation differenzierterer Befunde setzt allerdings auch heute noch die Anfertigung von optimal eingestellten Einzelaufnahmen voraus. Bei Darstellung im Monokontrast ist dabei generell die Dokumentation in unterschiedlichen Projektionen erforderlich, um die gesamte Zirkumferenz eines Darmabschnittes randständig zu erfassen. Die Mehrebenendarstellung empfiehlt sich insbesondere auch bei komplexen Anastomosenverhältnissen oder Fistelgangsystemen zum besseren Verständnis der Anatomie. Die detaillierte Analyse des Schluckaktes einschließlich der hypopharyngealen KM-Passage setzt eine Videoaufzeichnung mit anschließender Bild-zu-Bild-Analyse voraus, um die sehr raschen Bewegungsabläufe detailliert studieren zu können (Dodds et al. 1989). Auch bei unklaren Passagebehinderungen nach gastrointestinalen Eingriffen (Anastomosenstenosen, Schlingenabknickungen etc.) erfolgt sinnvollerweise eine Video-

37 3.4 · Computertomographie

dokumentation, damit diese gemeinsam von Radiologen und Chirurgen ausgewertet werden kann. 3.4

Computertomographie

3.4.1 Indikationsstellung Die Computertomographie stellt unbestrittenermaßen die beste Zusammenhangsuntersuchung des Abdomens dar, und zwar insofern, als hier sowohl Hohlorgane als auch parenchymatöse Organe einschließlich der peritonealen und retroperitonealen Umgebungsstrukturen zuverlässig abgebildet werden. Sie wird – nach einer initialen Sonographie – entsprechend bevorzugt bei allen unklaren abdominellen Zustandsbildern eingesetzt, seien sie akut, subakut oder chronisch. Die gute Zusammenhangsdarstel. Abb. 3.7. Computertomographie des Oberbauches. Innerhalb der kontrastierten Leber hypodens zur Darstellung kommende Einblutungen nach posttraumatischer Leberruptur (Pfeile). Intraperitoneale Einblutung mit freier Flüssigkeit um die Milz und Leber (Pfeilspitzen)

. Abb. 3.8. Computertomographie des Oberbauches. Schwere exsudative Pankreatitis mit ausgeprägten peripankreatischen Flüssigkeitskollektionen (Pfeile)

3

lung wird, sofern es der Allgemeinzustand des Patienten erlaubt mit Vorteil auch beim stumpfen Abdominaltrauma angewendet, weil hier Verletzungen der parenchymatösen Abdominalorgane, Einblutungen in die freie Bauchhöhle oder den Retroperitonealraum und Luftaustritte aus Hohlorganen gleichermaßen gut erfasst werden (. Abb. 3.7; Novelline et al. 1999). Auch bei suggestiver klinischer Symptomatik und entsprechend gezielteren klinischen Fragestellungen kann der Einsatz der Computertomographie sinnvoll sein. Wie die Literatur zeigt, werden auch bei klinisch »klaren« Fällen mit einer akuten abdominellen Symptomatik häufig therapierelevante andere Diagnosen oder Nebenbefunde erhoben. Bei definitiv diagnostizierter Erkrankung liegt der Wert der Computertomographie eher in Zusatzinformationen, die meist den Schweregrad, die Ausbreitung und/oder allfällige Komplikationen betreffen, z. B. akute Pankreatitis (. Abb. 3.8; Freeny 1994).

38

Kapitel 3 · Allgemeine radiologische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes und der Gallenwege

. Abb. 3.9. Computertomographie des Unterbauches. Perityphilitischer Abszess nach perforierter Appendizitis (Pfeilspitzen)

3

. Abb. 3.10. Computertomographie des Unterbauches. Akute perforierte Sigmadivertikulitis mit verdickter und und stark KM anreichernder Wand (Pfeile) und riesigem intraperitonealen Abszess mit Luft-Flüssigkeitsspiegel (Pfeilspitzen)

Die Kompetenz des Verfahrens hinsichtlich des Nachweises fokaler Leber- oder Milzläsionen ist hinlänglich bekannt und auch das Pankreas wird einschließlich Umgebungsstrukturen zuverlässig abgebildet (. Abb. 3.8). Der Nachweis und die Beurteilungen von Pathologien an den Hohlorganen ist demgegenüber weit schwieriger und setzt zum Teil eine differenzierte Untersuchungstechnik voraus (z. B. Kontrastmittelfüllung). Dennoch wird das Verfahren zunehmend auch bei akut und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Appendizitis, Divertikulitis, M. Crohn) zur Ausdehnungsbestimmung und zum Komplikationennachweis (Abszesse, Blutungen, Ileus etc.) eingesetzt (. Abb. 3.9 bis 3.11; Novelline et al. 1999; Rao 1999). Auch die peritoneale Ausbreitung von entzündlichen oder neoplastischen Prozessen einschließlich des Nachweises von Abszessen gelingt

bei ausreichender Darmkontrastierung übersichtlich. In vielen Fällen bietet sich gerade bei großen perityphilitischen oder peridivertikulitischen Abszessen die präoperative CT-gesteuerte Punktion und Abszessdrainage an (. Abb. 3.11; Forstner et al. 1995). Bei Einsatz der Spiraltechnik und gutem Timing des KM-Bolus können embolische Verschlüsse an den zentralen Abschnitten der Intestinal- und Nierenarterien aber auch thrombotische Läsionen im venösen System mit hoher Zuverlässigkeit nachgewiesen werden. Die Beurteilung von Gallenblasenerkrankungen erfolgt mit der Sonographie und auch bei Gallenwegserkrankungen ist die CT nicht als Verfahren der Wahl zu betrachten.

39 3.4 · Computertomographie

3

. Abb. 3.11a,b. Computertomographie des Unterbauches. a Großer intraperitonealer Abszess (Pfeilspitzen) mit kleinem Lufteinschluss (Pfeil) bei Status nach Appendicitis perforata. b Vollständige Regredienz des Abszesses nach CT-gesteuerter Punktion und Einlage eines Pigtail-Katheters innerhalb von 7 Tagen

a

b

Der Indikationsbereich der Computertomographie hat sich in den letzten Jahren durch die Einführung der Mehrzeilenspiraltechnik nochmals erweitert (3D-Rekonstruktion, Gefäße, Darm).

Die Möglichkeit, in einem Durchgang gleich mehrere Schichten aufzunehmen, hat nicht nur zu einer weiteren wesentlichen Beschleunigung der Messungen geführt, sondern ermöglicht gleichzeitig die Rekonstuktion sehr dünner Schichten. Hierdurch werden heute bei der Mehrzahl der Untersuchungen isotrope 3D-Datensätze erstellt, die in allen 3 Raumrichtungen eine ausgezeichnete räumliche Auflösung bieten. Hiervon profitiert vor allem die Diagnostik tubulärer Strukturen wie Gefäße und Darm die einerseits in Schnittbildern in beliebiger Richtung rekonstruiert als auch als 3D-Ansicht betrachtet werden können (Vogl et al. 2002). Letzteres Verfahren hat sich in Form der CT-Angiographie auch für die abdominelle Aorta und die Viszeralarterien bewährt (. Abb. 3.13; Wintersperger et al. 2004). Neuerdings ist

zudem die Erstellung von 3D-Datensätzen des Kolons nach negativer Kontrastierung mit endoluminaler Rekonstruktion als CT-Kolonographie (. Abb. 3.14a) zum Nachweis endoluminaler Pathologien beschrieben worden (Gluecker u. Fletcher 2002). Bereits weitgehend durchgesetzt hat sich das CT-Enteroklysma zur Dünndarmdiagnostik (. Abb. 3.14b), das damit das konventionelle Enteroklysma unter Durchleuchtung verdrängt. Auf die Fähigkeit der Computertomographie über Dichtewertmessungen und über die räumliche und zeitliche Analyse von Kontrastmittelanreicherungen eine spezifische Diagnose zu stellen sei hier nur am Rande hingewiesen. Hierauf wird in den organbezogenen Kapiteln noch eingegangen. 3.4.2 Untersuchungstechnik Die heute üblichen schnellen Spiral-CT-Scanner ermöglichen optimale Untersuchungsergebnisse auch bei stärker kompromittierten Patienten besonders auch bei respiratorischer Insuffizienz. Das Untersuchungsergebnis wird deshalb heute mehr von der

40

3

Kapitel 3 · Allgemeine radiologische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes und der Gallenwege

. Abb. 3.12a,b. Computertomographie des Oberbauches. a Knotige Durchsetzung des Omentum majus im Sinne eines »omental cake« (Pfeile) sowie reichlich maligner Aszites (Pfeilspitzen). b Diffuse und homogene karzinomatöse Verdickung des gesamten Peritoneums (Pfeilspitzen)

a

b

Untersuchungsstrategie beeinflusst, als durch Artefakte eingeschränkt. Wichtig ist dabei vor allem die Abstimmung der Kontrastmittelapplikation auf den Zeitablauf und die speziell interessierende Region. Die orale Applikation einer größeren Menge stark verdünnten wasserlöslichen Kontrastmittels gehört bis auf ausgeprägte Ileuszustände zur allgemeinen Routine der CT. Das KM soll dabei gleichmäßig fraktioniert über 60 min verabreicht werden, um eine kontinuierliche Kontrastierung aller Darmabschnitte zu gewährleisten. Bei bekannten subtotalen Obstruktionen oder paralytischem Subileus ist eine entsprechend verlängerte Transitzeit zu berücksichtigen. Da bei stationären Patienten die orale KMApplikation in der Regel auf den Stationen vorgenommen wird, kommt hier dem Pflegepersonal eine erhebliche Mitverantwortung für das Untersuchungsergebnis zu. Bei ausgeprägten Ileusbildern ist der Darm meist erheblich mit Flüssigkeit gefüllt. Da in diesen Situationen ohnehin keine ausreichende KM-Verteilung zu erwarten ist, empfiehlt sich der Verzicht auf die orale Kontrastmittelgabe. Dies hat außerdem noch den positiven Effekt, dass KM-Anreicherungen eines i.v. applizierten Kontrastmittels im

Bereich verdickter Darmwände so besser nachgewiesen werden können (. Abb. 3.15). Bei gezielten Ösophagusuntersuchungen empfiehlt sich die Markierung der Ösophagusinnenwand mit einem hochviskösen, besser haftenden Kontrastmittel. Bei Kombination mit einer Oberbauch- oder gesamten Abdominaluntersuchung muss zusätzlich der Darm wie oben beschrieben markiert werden. Bei bekannten oder vermuteten Beckenprozessen wird zudem das Rektum, Colon sigmoideum und Colon descendens mit verdünntem wasserlöslichen Kontrastmittel von rektal her gefüllt. Die KM-Menge sollte dabei so bemessen sein, dass der Anschluss an die Oralpassage etwa im Bereich der linken Kolonflexur erreicht wird (ca. 200 ml). Die forcierte intravenöse Kontrastmittelapplikation gehört ebenfalls zum Standard abdomineller CT-Untersuchungen. Wegen der Schnelligkeit moderner CT-Anlagen können unterschiedliche Phasen der KM-Zirkulation analysiert werden, wobei der gezielte Einsatz eine präzise Fragestellung voraussetzt. Nativstudien werden für den Nachweis von Verkalkungen und Kon-

41 3.4 · Computertomographie

3

. Abb. 3.13a,b. Multidetektor-Computertomographie: 3D-CT-Angiographie. a Koronare Übersicht: A. mesenterica superior mit ihren Setenästen. b Kräftige Riolan-Arkade bei Abgangsverschluss der A. mesenterica superior und Kollateralversorgung aus der A. mesenterica inferior

a

b

krementen (Pankreas, Niere) sowie für den Nachweis von Frischblut resp. frischen Hämorrhagien benötigt. Auch Fremdkörper können dabei unter Umständen am besten identifiziert werden (Kalovidouris et al. 1999). Die sog. arterielle Phase wird mit Vorteil zur Untersuchung der Leber, des Pankreas, der Nieren, aber auch entzündlicher Konglomerate, eingesetzt (Tabuchi et al. 1999). Sie erlaubt bei sorgfältiger Bildanalyse auch den Nachweis embolischer Verschlüsse der zentralen Abschnitte der intestinalen Arterien. In der portalen Phase (KM-Rückstrom aus der Vena lienalis und Vena mesenterica superior in die Pfortader) werden hingegen fokale Leberläsionen bevorzugt erfasst und gewisse Pathologien, wie z. B. Verschlüsse der mesenterialen Venen nachgewiesen (Yun et al. 1999). Spätaufnahmen (Steady State der KM-Verteilung zwischen intravasalem und interstitiellem Raum) sind zur Beurteilung von Hämangiomen der Leber hilfreich (Freeny et al.

1986). Die bei normaler Nierenfunktion in dieser Phase bereits kräftige KM-Anreicherung im Nierenbecken, den Ureteren und der Harnblase ermöglicht die begleitende Beurteilung der ableitenden Harnwege. Der Einsatz der Mehrzeilenspiralcomputertomographie (Multidetektor-Computertomographie) ermöglicht die kontrastdynamische Untersuchung ganzer Körperabschnitte. Zudem ist die interaktive dreidimensionale Analyse der generierten isotropen 3D-Datensätze auf modernen Workstations bereits zum Standard geworden. Dies hat vor allem die Analyse von Gefäßen und Darmstrukturen erheblich verbessert. Eine differenzierte Darmdiagnostik setzt aber auch hier eine Aufweitung des Darmlumens und eine Kontrastierung voraus. Am Dickdarm erfolgt diese überwiegend durch rektale Luftinsufflation z. B. in Form der CT-Kolonographie (. Abb. 3.14a), am Dünndarm durch Applikation eines Gemisches aus wasserlöslichem Kontrastmittel

42

Kapitel 3 · Allgemeine radiologische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes und der Gallenwege

3

a . Abb. 3.14a,b. Multidetektor-Computertomographie: a CT-Kolonographie mit dreidimensionaler Rekonstruktion und »endoskopischer Ansicht« eines Kolonpolypen. b CT-Enteroklysma in koronarer Rekonstruktion mit Darstellung einer Wandverdickung des terminalen Ileums bei M. Crohn

b

. Abb. 3.15. Computertomographie des Unterbauches. Stenosierendes Sigmakarzinom. Kurzstreckige hochgradig stenosierende, zirkumferenzielle und lobulierte Wandverdickung des mittleren Sigmas mit starker KM-Anreicherung und prästenotischer Dilatation (Pfeil)

und Methylzellulose über eine Dünndarmsonde in Form des »CT-Entroklysmas« (. Abb. 3.14b). 3.5

Magnetresonanztomographie

3.5.1 Indikationsstellung Die Magnetresonanztomographie (MRT) beschränkt sich in der abdominellen Diagnostik auf einige Spezialindikationen. Der hohe Weichteilkontrast des Verfahrens an den parenchyma-

tösen Oberbauchorganen (Leber, Nieren und Milz) und die Möglichkeit der MRT mittels verschiedener Sequenzen gewisse Substanzen wie Blut, Wasser, Fett (. Abb. 3.16) und Eisen (Hämosiderin) eindeutig zu identifizieren verleihen dieser Methode vor allem in der Beurteilung von fokalen Leber-, Nieren- und Nebennierenläsionen aber auch in der Verlaufsbeurteilung der Eisenüberladung von Leber, Milz und Pankreas bei Patienten mit Hämochromatose eine hohe Aussagekraft (Stark 1988). Der bisherige gegenüber der Computertomographie immer wieder angeführte Vorteil der Magnetresonanztomographie zur

43 3.5 · Magnetresonanztomographie

. Abb. 3.16a,b. Magnetresonanztomographie der Nieren. 2 Angiomyolipome (Pfeile) mit fettäquivalentem Signal auf den T1-gewichteten, nicht fettgesättigten Spinechosequenzen (a) und eindeutiger Unterdrückung des Signals nach Fettsättigung auf den T2-gewichteten schnellen Spinechosequenzen (b)

3

a

b

multiplanaren Bildgebung ist mit den Möglichkeiten der Multidetektor-CT, standardmäßig isotrope 3D-Datensätze zu erstellen, hinfällig geworden. Zur Gefäßdiagnostik hat sich im Abdomen – im Gegensatz zum Gehirn – die Magnetresonanzangiographie nicht durchgesetzt. Die sehr schnellen Mehrzeilen-CT erlauben meist artefaktfreiere Bilder mit einer zudem besseren räumlichen Auflösung (. Abb. 3.13). Weiterhin gelingt die in chirurgischen Zusammenhängen so wichtige Darstellung pathologischer Blutansammlungen, Abszessformationen und extraintestinaler Gasausbreitungen deutlich besser mit der Computertomographie.

3.5.2 Magnetresonanzcholangiographie und

Magnetresonanzcholangiopankreatikographie Als Spezialindikation im Rahmen des hier zu behandelnden Themenkreises ist die magnetresonanztomographische Darstellung der Gallenwege und des Pankreasganges – die sog. Magnetresonanzcholangiographie (MRC) oder auch Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP) zu erwähnen (. Abb. 3.17). Mittels Spezialsequenzen gelingt dabei die signalreiche Darstellung von Flüssigkeit (in den Gängen) bei gleichzeitiger Signalunterdrückung im umgebenden Gewebe (Coakley u. Schwartz 1999). Die so ausschließlich flüssigkeitshaltige Hohlräume darstellenden Schichtbilder werden sekundär zu einem Summationsbild der Oberbauchregion verarbeitet, das aus unterschiedlichen Richtungen angesehen werden kann, da es sich um einen echten 3D-Datensatz handelt (MIP-Rekonstruktion).

44

Kapitel 3 · Allgemeine radiologische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes und der Gallenwege

3

. Abb. 3.17. MRCP. Normale intrahepatische Gallenwege (kleine Pfeile) und nicht dilatierter Ductus choledochus (große Pfeile). Schlanker Ductus pancreaticus (Pfeilspitzen)

Die MRCP vermag inzwischen die rein diagnostische ERCP sowohl beim Nachweis von Gangstenosen als auch Gallengangkonkrementen im Bereich der zentralen Gänge abzulösen. Allerdings bietet es bisher keine Möglichkeiten, interaktiv eine Intervention (z. B. eine Steinextraktion oder eine Gallenwegsdrainage) durchzuführen, sodass in diesen Fällen die ERCP ihre Bedeutung behalten wird.

. Abb. 3.18. Digitale Subtraktionsangiographie nach selektiver Sondierung der arteria mesenterica superior. Nachweis einer intestinalen Blutung aus einem kleinen Angiom/Angiodysplasie im Bereich der rechten Kolonflexur (Pfeil)

teilresektionen kann ebenso wie der Nachweis von Stenosen an den Intestinalarterien im Rahmen einer Angina abdominalis bei geeigneter technischer Ausstattung inzwischen zuverlässig mit der CT-Angiographie durchgeführt werden (. Abb. 3.13). Auf die im Rahmen der Katheterangiographie möglichen Interventionen wird in 7 Kap. 4 noch ausführlich eingegangen.

Literatur 3.6

Angiographie

3.6.1 Indikationsstellung Der Einsatz der arteriellen Katheterangiographie beschränkt sich im hier darzustellenden Themenkreis inzwischen weitgehend auf den Nachweis endoskopisch unklarer intestinaler oder posttraumatischer Blutungen. Mit immer feineren Kathetersystemen ist es bei den intestinalen Blutungen Standard geworden, die einzelnen Darmabschnitte selektiv und superselektiv darzustellen und damit auch kleine blutende Angiome oder Angiodysplasien nachzuweisen (. Abb. 3.18; Wetzel et al. 1986). Sistierte Blutungen aus nichtangiomatösen Läsionen wie Ulzerationen oder Divertikeln lassen sich allerdings auch bei diesem differenzierten Vorgehen nicht fassen. Eine weitere Indikation ist der Nachweis peripherer embolischer Gefäßverschlüsse an den Intestinalarterien, soweit diese nicht mit der Spiral-CT identifiziert werden können. Die präoperative Diagnostik der Gefäßanatomie besonders vor Leber-

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45 Literatur

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3

4 4 Radiologische Interventionen im Gastrointestinaltrakt K. Schnabel

4.1

Perkutane Gastrostomie und Gastrojejunostomie – 48

4.2

Perkutane Jejunostomie

4.3

Perkutane Zäkostomie

4.4

Stenteinlage – 50

– 50 – 50

4.4.1 Oberer Gastrointestinaltrakt – 50 4.4.2 Kolon – 51

Literatur – 52

48

Kapitel 4 · Radiologische Interventionen im Gastrointestinaltrakt

) ) Die Erhaltung bzw. rasche Wiederherstellung der enteralen Ernährung trägt wesentlich zur Erholung eines schwer kranken Patienten bei. Die durchleuchtungsgesteuerte perkutane Gastrostomie bzw. Gastrojejunostomie stellt neben der endoskopischen und der chirurgischen Gastrostomie eine einfache und zuverlässige Methode zur künstlichen Ernährung dar. Die perkutane Einlage eines Katheters in das Jejunum ist eine Ausnahmesituation. Sie findet Anwendung nach totaler oder partieller Gastrektomie und ist technisch sehr anspruchsvoll. Rasche Entlastung des Kolons bei drohender Perforation bietet die perkutane Zäkostomie. Sie dient als Reservemaßnahme nach dem erfolglosen Versuch einer endoskopischen Entlastung und bei Vorliegen einer absoluten Kontraindikation für eine chirurgische Maßnahme. Die häufigsten Obstruktionen von Magen und Duodenum sind durch maligne Tumore bedingt. Die chirurgische Entlastung (Resektion, Umgehung) ist die Methode der ersten Wahl. Im fortgeschrittenen Tumorstadium ist die Einlage einer Metallgitterprothese (Stent) eine geeignete palliative Maßnahme, um die Passage rasch wiederherzustellen. Obstruktionen des Kolons bedürfen einer raschen Entlastung. Durch die Einlage eines Stents ist eine sichere, rasch durchzuführende Wiederherstellung der Darmpassage möglich.

4

4.1

Perkutane Gastrostomie und Gastrojejunostomie

Die Technik der durchleuchtungsgesteuerten perkutanen Gastrostomie (PG) wurde erstmals 1983 beschrieben (Ho 1983; Tao u. Gillies 1983; Wills u. Oglesby 1983). Seither wurde die Methode noch verfeinert und hat sich als Alternative zur perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) etabliert. In zahlreichen Artikeln wurde über die gewonnenen klinischen Erfahrungen berichtet (Alzate et al. 1986; de Baere et al. 1999; Dewald et al. 1999; Gray et al. 1987, 1989; Halkier et al. 1989; Hicks et al. 1990; Ho et al. 1985, 1988; Laasch et al. 2003; O’Keefe et al. 1989; Saini et al. 1990; van Sonnenberg et al. 1986a, b). Indikationen. Die häufigsten Indikationen sind schwere Schluck-

störungen. Meistens sind diese verursacht durch Erkrankungen bzw. Verletzungen des ZNS. Eine weitere große Gruppe stellen Patienten mit malignen Erkrankungen im Bereich von Oro-und Hypopharynx sowie im Ösophagus dar. Anwendung findet die PG auch bei Patienten mit Anorexie oder zur gastrointestinalen Dekompression bei fortgeschrittenem Tumorleiden. Eine Auflistung findet sich in folgender Übersicht (modifiziert nach Simons et al. 1996). Kontraindikationen. Als absolute Kontraindikationen gelten die Interposition von Leber oder Darmschlingen zwischen Magenvorderwand und vorderer Bauchwand sowie eine zu hohe Lage des Magens hinter dem Rippenbogen. Relative Kontraindikationen sind Hepatomegalie, Aszites, partielle Gastrektomie, Tumorbefall des Magens und Gerinnungsstörungen. Bei Patienten mit langjähriger Steroidtherapie können Komplikationen durch Heilungsstörungen an der Punktionsstelle und eine muskuläre Atrophie der Magenwand auftreten.

Häufige Indikationen für die Gastrostomie/transgastrische Jejunostomie 5 Dysphagie – Zerebrovaskulärer Insult – Neurologische Schluckstörungen – Maligne Tumore im HNO-Bereich und Ösophagus – Demenz – Unfallopfer – Komatöse Patienten – Massive Aspirationen 5 Dünndarmerkrankungen – M. Crohn – Kurzdarmsyndrom (Darmischämie) – Strahlenenteritis 5 Anorexie – Anorexia nervosa – Schwere psychische Depression – Fortgeschrittenes Tumorleiden – Präoperative Ernährung bei Kachexie 5 Motilitätsstörungen – Gastroparese nach Roux-Y-Anastomose 5 Gastrointestinale Dekompression – Gastroparese (z. B. bei Diabetes) – Paralytischer Ileus – Mechanischer Ileus im präfinalen Tumorstadium

Vorbereitung. Der Gerinnungsstatus wird am Tag vor der Intervention erhoben. Von Mitternacht des Untersuchungstages an muss der Patient nüchtern sein. Vom Patienten oder seinem Vormund wird das schriftliche Einverständnis eingeholt. Eine gründliche Durchsicht der Krankengeschichte bezüglich möglicher Kontraindikationen ist obligat. Der Patient wird auf dem Durchleuchtungstisch (C-Bogen) gelagert. Seine Überwachung erfolgt mittels Pulsoxymetrie und EKG. Schon vor Beginn der Intervention sollten ein intravenöser Zugang und eine nasogastrale Sonde platziert werden. Eine intravenöse Sedation ist nicht bei jedem Patienten nötig. Technik. Mit sonographischer Hilfe wird der kaudale Rand des linken Leberlappens auf der Haut markiert. Anschließend wird der Magen mittels eingelegter nasogastraler Sonde mit Luft insuffliert. Im seitlichen Strahlengang wird die Magenvorderwand lokalisiert. Die Punktionsstelle befindet sich in einem Winkel zwischen linkem Leberlappen und dem linken Rippenbogen, lateral des Musculus rectus abdominis (. Abb. 4.1). Nach Markierung der Punktionsstelle auf der Haut und Applikation von Lokalanästhetikum wird eine 5–10 mm messende Hautinzision gemacht. Danach erfolgt die Punktion mit einer 18-G-(Gauge-)Trokarnadel. Zur Befestigung der Magenwand an der Bauchwand können sog. Sicherungsanker verwendet werden (Brown et al. 1986; Cope 1980; Dewald et al. 1999). Nach der Punktion wird die Nadellage durch Aspiration von Magengas oder durch Injektion einer geringen Menge wasserlöslichen Kontrastmittels kontrolliert. Über die Nadel wird ein 0,038-Inch-Führungsdraht eingeführt (Seldinger-Technik). Der Punktionskanal wird auf einen Durchmesser von 12 F (French) aufdilatiert. Dann kann ein kurzer selbstretinierender Katheter

49 4.1 · Perkutane Gastrostomie und Gastrojejunostomie

4

. Abb. 4.1. Perkutane Gastrostomie (Schema). Schematische Darstellung des Punktionsortes der perkutanen Gastrostomie. Die Lagebeziehungen von Magen, Leber und Xyphoid werden gezeigt

mit einem gebogenen Ende (z. B. Nephrostomie-Katheter) im Magen platziert werden. Normalerweise schließt die Magenwand den Katheter dicht ein, sodass bei komplikationslosem Verlauf mit der Ernährung in den Magen mittels Bolus nach etwa 24 h begonnen werden kann. Soll ein jejunaler Katheter eingelegt werden, muss der Führungsdraht durch den Pyloruskanal ins Duodenum manipuliert werden. Dies gelingt meistens durch ein Vorschieben des stumpfen Nadeltrokars bis zum Magenausgang. Eine Schleifenbildung des Führungsdrahtes im Magen muss unbedingt vermieden werden. Die Spitze des Führungsdrahtes sollte im Bereich des duodenojejunalen Überganges platziert werden. Dann erfolgt die Einlage des 50–60 cm langen Jejunostomiekatheters, der einen Durchmesser von 12 oder 14 F aufweist. Die korrekte Katheterlage wird mittels Injektion von Kontrastmittel dokumentiert (. Abb. 4.2). Von verschiedenen Herstellern werden unterschiedliche Katheterkonfigurationen angeboten (z. B. Gastrostomieset der Firma Cook oder der Firma Meditech). Durch die antegrade Darmperistaltik ist die Gefahr der Dislokation im Vergleich zu dem kurzen Gastrostomiekatheter vermindert, doch muss auch der längere Jejunostomiekatheter an seiner Eintrittsstelle an der Hautoberfläche fixiert werden. Durch die Lage der Katheterspitze im Dünndarm kann bei komplikationslosem Verlauf mit der Ernährung 8–12 h nach Kathetereinlage begonnen werden. Die Dünndarmnahrung kann allerdings nicht als Bolus, sondern nur mittels einer speziellen Pumpe verabreicht werden. Nachdem der Punktionskanal fibrosiert ist (3–4 Wochen), wird in den meisten Fällen der initial eingelegte Katheter durch einen großlumigeren Katheter ersetzt. Im Falle einer erwünschten Bolusernährung in den Magen wird ein kurzer Katheter eingewechselt, der durch einen Ballon oder ein Körbchen an der Mageninnenwand fixiert wird. Der Jejunostomiekatheter kann später durch eine handelsübliche, dicklumige nasogastrale Sonde (14 F) ersetzt werden, die auf die erforderliche Länge gekürzt und dann über einen Führungsdraht eingewechselt wird. Die Katheterspitze wird wiederum im Bereich des gastrojejunalen Überganges platziert. Die flüssige Nahrung kann dann ohne Pumpe per Tropfinfusion appliziert werden. Ergebnisse und Komplikationen. Durch eine sorgfältige Evalua-

tion der Patienten können Komplikationen weitgehend vermieden werden (Bell et al. 1995; Dewald et al. 1999). Ein unsicherer

. Abb. 4.2. Lagekontrolle des Gastrojejunostomiekatheters durch Injektion von wasserlöslichem Kontrastmittel. Katheterspitze im gastrojejunalen Übergangsbereich

Zugangsweg (hohe Lage des Magens, Überlagerung durch andere Organe) ist der Hauptgrund für das Scheitern einer PG. Hochgradige Ösophagusstenosen können, im Gegensatz zur endoskopischen Methode, unter Durchleuchtungskontrolle noch mit dünnen Kathetern passiert werden um Luft in den Magen zu insufflieren. Die technische Erfolgsquote der PG liegt, wie bei der PEG, zwischen 95 und 100%. Für die chirurgische Methode wird ein Erfolg in 100% der Fälle angegeben (Darcy 1996a). Leichte Komplikationen werden in 1,3–22% (PG), 2–22% (PEG) und 1–10% (chirurgische Gastrostomie) der Fälle beobachtet. Dazu zählen u. a. die vasovagale Reaktion, Hypotension, Dyspnoe, Arrhythmie und Hautinfektionen. Zu den schweren Komplikationen zählen u. a. die Blutung, Punktion einer interponierten Darmschlinge, Peritonitis, Abszessbildung, Pankreatitis und die tracheobronchiale Aspiration. Für die PG werden schwere Komplikationen in 0–3,3% beschrieben. Bei der PEG rangieren sie zwischen 3 und 19%. Die chirurgische Gastrostomie ist in 0–17% mit schweren Komplikationen belastet. Sie ist durch die notwendige Laparatomie auch am traumatischsten. Cave Die PEG hat unter allen Methoden das höchste Risiko lokaler Infektionen an der Punktionsstelle und ungewollter Punktionen interponierter Darmschlingen.

Die interventionsgebundene Mortalität beträgt 0,8% für die PG, 1% für die PEG und 1,8% für die chirurgische Gastrostomie. Die 30-Tage-Mortalitäten betragen 11%, 16,3% und 10,4% (Darcy 1996b; Simons et al. 1996; Dewald et al. 1999). Nach erfolgreicher Platzierung eines Katheters spielt seine Handhabung eine wesentliche Rolle. Dünnlumige Katheter (12– 14 F) neigen eher zu Blockierungen, wobei dieses Problem bei

50

4

Kapitel 4 · Radiologische Interventionen im Gastrointestinaltrakt

regelrechter Zerkleinerung von Nahrung und Medikamenten sowie einer gründlichen Spülung des Katheters nach Gebrauch vermieden werden kann (Wolfsen et al. 1990). Durch eine initiale Gastropexie wird das Risiko einer peritonealen Leckage minimiert, da frühe Katheterdislokationen umgangen werden. Auch durch die Verwendung eines gastrojejunalen Katheters, der eine Länge von 50–60 cm aufweist, wird das Risiko einer Katheterdislokation und einer peritonealen Leckage vermindert. 3–4 Wochen nach Kathetereinlage ist das Risiko einer peritonealen Verunreinigung durch eine Leckage an der Magenwand minimiert, da sich zu diesem Zeitpunkt ein stabiler fibröser Trakt zwischen Magen und Hautoberfläche gebildet hat, sodass ein Übertritt von Mageninhalt in das Peritoneum kein Problem mehr darstellt. Bei Patienten mit schwerem gastroösophagealem Reflux wird mit Vorteil der längere GJ-Katheter eingesetzt. Die Nahrungsapplikation in den Magen in Form eines Bolus hat häufiger Aspirationen zur Folge. Bei Patienten mit hochgradiger maligner Obstruktion des Gastrointestinaltraktes kann alternativ zur Einlage einer nasogastralen Sonde auch ein großlumiger perkutaner Katheter in den Magen eingelegt werden, um den Magen zu entlasten. Das technische Vorgehen ist identisch mit der Vorgehensweise bei der PG. Eine effektive Dekompression wird mit Kathetern >16 F erreicht. Wegen des erhöhten Risikos einer Leckage muss die Magenwand in jedem Fall mittels Sicherungsankern an der vorderen Abdominalwand fixiert werden. 4.2

Perkutane Jejunostomie

Die direkte perkutane Jejunostomie findet nur eine seltene Anwendung. Sie kann als Ersatz zur PG bei ungünstiger anatomischer Position des Magens oder nach totaler Gastrektomie eingesetzt werden. Problematisch ist bei der perkutanen Jejunostomie allerdings die exakte Lokalisation der zu punktierenden Darmschlinge, deren Fixation und die sichere intraluminale Platzierung des Katheters im Darmlumen, da die Dünndarmschlingen stark gegeneinander verschieblich sind und nur ein geringes Kaliber aufweisen. Trotz allem wird von mit dieser Methode erfahrenen Radiologen der technische Erfolg auf etwa 95% beziffert (Cope et al. 1998; Gray et al. 1987; Rosenblum et al. 1990). Eine Darmpunktion unter CT-Durchleuchtung soll die Risiken minimieren (Davies et al. 2001). Die verwendeten Katheter weisen ein geringes Kaliber auf (8–10 F). Die Ernährung erfolgt, wie bei der chirurgisch angelegten Fistel, mittels einer flüssigen Dünndarmnahrung, die mit einer Pumpe infundiert wird. Ist der Fistelgang einmal etabliert, kann der Katheter im Bedarfsfall problemlos über einen Führungsdraht ausgewechselt werden. 4.3

Perkutane Zäkostomie

Eine Distension des Zäkums kann aus einer mechanischen Obstruktion oder einer Pseudoobstruktion des Kolons resultieren. Mit zunehmender Dauer der Dilatation und einer Distension über 10–12 cm besteht ein erhöhtes Risiko für eine Darmperforation und es ist eine rasche Entlastung notwendig. Auch bei der kolischen Pseudoobstruktion (Ogilvie-Syndrom), die sich unter konservativer/endoskopischer Therapie nicht innerhalb von 48–72 h bessert, ist eine Dekompression des Kolons angezeigt.

1977 wurde erstmals über die Möglichkeit der koloskopischen Entlastung beim nicht obstruierten Kolon berichtet (Kukora u. Dent 1977). Alternativ wurde zur Behandlung der Pseudoobstruktion 1986 die perkutane Entlastung mittels Einlage eines Katheters publiziert (Casola et al. 1986; Haaga et al. 1987). Da das Zäkum zu mindestens 270° seiner Zirkumferenz von Peritoneum umgeben ist, ist ein extraperitonealer Zugang praktisch nicht möglich. Obwohl bei den in der Literatur publizierten Fällen meist ein transperitonealer Zugang gewählt wurde, stellte die Peritonitis kein wesentliches Problem dar (van Sonnenberg et al. 1990). Die Punktion des ballonierten Darmes ist technisch einfach und kann mit Hilfe der Durchleuchtung oder der CT durchgeführt werden. Die Verwendung von T-Ankern zur Fixation der Darmwand an der vorderen Abdominalwand wird nicht als zwingend erachtet. Erfolgt die Einlage über einen Führungsdraht (Seldinger-Technik), muss die Punktionsstelle graduell aufdilatiert werden, mit dem höheren Risiko einer peritonealen Verunreinigung. Bei der sog. Trokar-Technik wird der auf die Punktionsnadel montierte Katheter direkt eingebracht. Dazu eignen sich Katheter mit einem Durchmesser von 7–9 F. Der eingeführte Katheter muss einen Retentionsmechanismus besitzen (z. B. Nephrostomiekatheter mit Haltefaden oder kleinlumiger Blasenkatheter mit Ballon). Durch kontinuierlichen Sog kann der Darm ausreichend entlastet werden. Der Katheter darf nicht entfernt werden, bis sich eine fibröse Verbindung zwischen Darmlumen und Hautoberfläche gebildet hat (mindestens 2 Wochen) um eine peritoneale Verunreinigung zu vermeiden. Im Falle einer mechanischen Obstruktion und einer Kontraindikation zur operativen Entlastung kann im Notfall mit der perkutanen Einlage eines dicklumigen Katheters (24–30 F) eine rasche Entlastung erreicht werden. Zur präoperativen oder palliativen Entlastung einer malignen Stenose ist jedoch die transluminale Einlage einer Metallgitterprothese (Stent) besser geeignet. 4.4

Stenteinlage

4.4.1 Oberer Gastrointestinaltrakt Obstruktionen des oberen Gastrointestinaltraktes führen zu anhaltendem Erbrechen und in der Folge zu einer Dehydratation des Patienten. Die häufigste Ursache von Magenausgangsstenosen ist die maligne Obstruktion. Hochgradige Obstruktionen im Rahmen einer Ulkuskrankheit sind heutzutage selten (Shone et al. 1995). Bisher stellten chirurgische Maßnahmen (Resektion, Gastroenterostomie) die einzig mögliche Behandlungsmethode dar. Die Überbrückung maligner Stenosen im oberen Gastrointestinaltrakt mittels Metallgitterprothesen (Stents) stellt eine wenig invasive Alternative zur chirurgischen Entlastung dar. Sie wird im fortgeschrittenen Tumorstadium zur palliativen Entlastung angewandt und erfordert nur eine kurze Hospitalisationszeit. Auch hartnäckige benigne Stenosen im Rahmen einer chronischen Ulkuskrankheit können auf diese Weise behandelt werden. Im Ösophagus und in den Gallenwegen ist diese Behandlungsform bereits seit Jahren etabliert (Gasparri et al. 1987; Rossi et al. 1994; Song et al. 1994). Zunehmend findet diese Methode auch im oberen Gastrointestinaltrakt Anwendung. Eine genauere Beschreibung erfolgt im 7 Kap. 9.

51 4.4 · Stenteinlage

4.4.2 Kolon Die häufigste Ursache höhergradiger Obstruktionen des Kolons sind maligne Stenosen und entzündliche Engen im Rahmen einer chronischen Divertikulitis. Etwa 30% der an einem Kolonkarzinom leidenden Patienten werden durch eine Obstruktion symptomatisch. Bis vor wenigen Jahren wurde in der Notfallsituation zur Entlastung des Kolons eine Zäkostomie angelegt, da die primäre Resektion und Anastomosierung im unvorbereiteten Darm mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden ist (Carty u. Corder 1992; Leitmann et al. 1992). Wie im oberen Gastrointestinaltrakt ist eine Wiederherstellung der Passage durch die Einlage einer Metallgitterprothese (Stent) möglich. Die Intervention ist vergleichbar mit einer diagnostischen Endoskopie und für den Patienten wenig belastend. Die Wiedereröffnung des Darmlumens erlaubt eine bessere präoperative Vorbereitung, sodass die Darmoperation später einzeitig vorgenommen werden kann. Im Falle eines fortgeschrittenen Tumorleidens kann die Prothese auch palliativ als definitive Maßnahme belassen werden. Voraussetzung. Diagnose einer Dickdarmobstruktion mittels Abdomenleeraufnahmen liegend und stehend bzw. Linksseitenlage. Die exakte Höhe der Darmobstruktion wird mittels Endoskopie und/oder Kolonkontrasteinlauf dargestellt. Zur Erfassung der gesamten Tumorausdehnung ist die zusätzliche Durchführung einer Computertomographie (CT) erforderlich.

. Abb. 4.3a,b. Stent im Colon sigmoideum. a Langstreckige Stenose im Sigma. b Zustand nach endoskopisch eingelegtem Stent

4

Vorbereitung. Zur Vorbereitung sollten mehrere Reinigungseinläufe durchgeführt werden. Vor der Intervention muss das schriftliche Einverständnis des Patienten eingeholt werden. Ein intravenöser Zugang ist erforderlich. Überwachung der vitalen Parameter während der Intervention. Durchführung. Die Untersuchung wird auf einem Durchleuchtungstisch durchgeführt. Das Endoskop wird bis zum distalen Ende der Stenose vorgeführt und ein hydrophiler Führungsdraht durch die Darmenge manipuliert. In der Regel gelingt die Behandlung problemlos bis zur Höhe der linken Kolonflexur. Der technische Ablauf ist mit dem zur Einlage eines Stents in den oberen Gastrointestinaltrakt identisch (7 oben). Dünnlumige Gitterprothesen werden über den Arbeitskanal des Endoskopes eingelegt. Dicklumige Stents müssen direkt über einen stabilen Führungsdraht platziert werden. Zur Anwendung kommen verschiedene Stenttypen mit Durchmessern von 20–30 mm und einer Länge von 60 oder 90 mm im entfalteten Zustand. Auf eine Ballondilatation der Tumorstenose und des Stents wird in der Regel verzichtet, um nicht eine Darmperforation zu provozieren. Die Lage des Stents wird mittels Kontrasteinlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel kontrolliert. Die erfolgreiche Intervention zeigt sich unmittelbar in Form der sofort einsetzenden Darmtätigkeit. Nach vierundzwanzig Stunden erfolgt eine Kontrolle mittels Abdomenleeraufnahme. Durch die wieder einsetzende Peristaltik besteht das Risiko zur Stentmigration. Die klinischen Zeichen der Darmobstruktion bessern sich in der Regel rasch, doch zeigt das radiologische Bild der Obstruktion erst verzögert eine Normalisierung (. Abb. 4.3).

52

4

Kapitel 4 · Radiologische Interventionen im Gastrointestinaltrakt

Ergebnisse und Komplikationen. Die ersten Ergebnismitteilungen über Stenteinlagen ins Kolon stammen aus dem Jahr 1993 (Spinelli et al.). Zwischenzeitlich wurden zahlreiche Serien zu diesem Thema publiziert, die eine Einschätzung der Wertigkeit dieser Methode erlauben. Die größten publizierten Serien stammen von Baron et al. (1998), De Gregorio et al. (1998) und Mainar et al. (1999). Eine gute Übersicht erlaubt die Publikation von Mauro et al. (2000). In der Gruppe von Mainar et al. wurden insgesamt 72 Stents bei 71 Patienten platziert. Die klinische Erfolgsquote betrug 93%. In 2 Fällen konnte die Darmenge mit dem Führungsdraht nicht passiert werden. In drei Fällen war wegen schlechter Positionierung die Einlage einer zweiten Prothese erforderlich. Eine klinische Besserung der Obstruktionssymptomatik trat in 93% innerhalb von 96 h auf. Zwischen Stenteinlage und Operation vergingen im Mittel 8,6 Tage. Die technischen Erfolsraten wurden zwischen 90–100% angegeben bei Benutzung verschiedener Stenttypen. Der klinische Erfolg lag bei 75–100%. Die Mehrzahl der Stents wurde im rektosigmoidalen Übergang platziert. Die wesentlichen Komplikationen sind Stentmigrationen (7–40%), Restenosen (8–15%) und Perforationen (1–16%). In seltenen Fällen kommt es zu Blutungen. Die größte aus dem deutschsprachigen Raum publizierte Serie stammt von Binkert et al. (1998a, b). Die Erfolgsquoten gleichen denen der vorher erwähnten Autorengruppen. Bei 10 Patienten wurde ein Stent in präoperativer und bei 3 Patienten in palliativer Absicht eingelegt. In der Mehrzahl der Fälle lag ursächlich ein maligner Tumor vor. Dabei wurde eine Senkung der Behandlungskosten um 19,7% durch kürzere Hospitalisationszeiten ermittelt. Bei Patienten mit malignem Grundleiden betrug die Kostenreduktion 28,8%.

Die Beobachtungen aller Autoren zeigen, dass durch die Einlage einer Metallgitterprothese ins Kolon eine sichere, rasch durchzuführende Entlastung einer Stenose möglich ist. Am besten lassen sich kurzstreckige Einengungen des Darmlumens, die mit einem einzelnen Stent überbrückt werden können, behandeln.

Bei längeren Stenosen, die zur Überbrückung mehr als einen Stent benötigen, ist das Risiko einer Stentmigration erhöht. Ziel der Behandlung ist die präoperative Vorbereitung, um anschließend ein einzeitiges chirurgisches Vorgehen zu ermöglichen. Die palliative Stenteinlage erspart dem in seinem Allgemeinzustand ohnehin schon reduzierten Patienten einen operativen Eingriff zur Darmentlastung. Mit der Einführung größerer und ummantelter Stents wird eine längere Funktion gewährleistet. Schwere Komplikationen werden nach Stenteinlage nur selten beobachtet.

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53 Literatur

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4

5 5 Nuklearmedizinische Verfahren L. Degen, C. Beglinger

5.1

Grundlagen

5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5

Radionuklide – 56 Radiopharmazeutika – 56 Maßeinheiten – 56 Apparaturen – 57 Bildanalyse – 57

– 56

5.2

Klinische Indikationen

– 57

5.2.1 Gastrointestinale Blutung – 57 5.2.2 Meckel-Divertikel – 58

5.3

Gastrointestinale Motilität

– 58

5.3.1 Magenentleerung – 58 5.3.2 Dünndarm- und Kolontransit – 59 5.3.3 Ösophagus – 59

5.4

Entzündliche und infektiöse Krankheiten – 60

5.4.1 Leukozytenszintigraphie – 60 5.4.2 67Ga-Zitrat-Szintigraphie – 60

5.5

Szintigraphie der Leber – 60

5.6

Onkologische Applikation – 60

5.7

Positronenemissionstomographie (PET) – 61 Literatur – 62

56

Kapitel 5 · Nuklearmedizinische Verfahren

5.1.3 Maßeinheiten

) ) Obwohl nuklearmedizinische Verfahren vielfach anderen radiologischen Techniken in der anatomischen Bildauflösung unterlegen sind, bieten sie im klinischen Alltag in spezifischen Situationen wichtige Vorteile. Ihren Stellenwert finden sie vor allem in der Analyse von Funktionsabläufen, aber auch in der Diagnostik von Tumoren. Neben Grundprinzipien werden im nachfolgenden Kapitel neuere nuklearmedizinische Methoden dargestellt, deren technische Besonderheiten hervorgehoben und vor allem die klinischen Indikationen kritisch beleuchtet.

5 5.1

Grundlagen

5.1.1 Radionuklide

Als Radionuklid wird ein instabiles Nuklid, also eine instabile Kernkonfiguration, mit einer spezifischen Zahl von Neutronen und Protonen verstanden (z. B. Technetium-99m, Indium-111). Ein Isotop zeichnet sich im Gegensatz dazu durch die gleiche Atomzahl, aber durch eine unterschiedliche Masse, bedingt durch die unterschiedliche Zahl von Neutronen, aus (z. B. Iod-123; Iod-125 oder Iod-131).

Zur diagnostischen Bildgebung beim Menschen eignen sich Radionuklide, die entweder Gammaphotonen oder charakteristische Röntgenstrahlen von genügender Energie ausstrahlen, die den Körper durchwandern und wieder verlassen können. Isotope mit primär niedriger Photonenenergie (180 mmHg – Kontraktionsamplitude 7 s – Mehrgipflige Kontraktionswellen – Repetitive Kontraktionswellen 5 Abnorme Kontraktionssequenz – Simultane Kontraktionen (Progression >20 cm/s) >10% der Schluckakte – »Dropped waves« (Amplitude 10% der Schluckakte – Repetitive Kontraktionswellen >30% der Schluckakte

Der untere Ösophagussphinkter (UÖS) ist ein komplexes Gebilde aus angiomuskulärem Dehnverschluss, Hiss’schem Winkel, der Muskelschlinge von Willis (Fibrae obliquae) und der Schleimhautrossette von Magendi. Makroskopisch ist kein echter Sphinktermuskelwulst erkennbar, aber in der Manometrie zeigen sich typische Charakteristika. Lokalisation, abdominelle Länge, Gesamtlänge, Ruhedruck, Symmetrie und Relaxation des UÖS können mit der Ösophagusmanometrie bestimmt werden (. Tab. 6.1). Die Kompetenz des unteren Ösophagussphinkters ist eine Funktion der abdominellen Länge und des Druckes. Je kürzer der intraabdominelle Teil des Ösophagus ist, ein desto höherer Druck ist für seine Kompetenz erforderlich (Bonavina et al. 1987; DeMeester et al. 1979a; O’Sullivan et al. 1982).

Bei einer Hiatushernie mit komplett intrathorakaler Lage des UÖS und damit abdomineller Länge von 0 cm ist häufig auch ein normaler Ruhedruck nicht in der Lage, die mechanische Kompetenz des UÖS aufrechtzuerhalten.

Die detaillierte Messung beider Parameter ist demnach für . Tabelle 6.1. Manometrische Normalwerte für den unteren Ösophagussphinkter (nach Zaninotto et al. 1988

6

die Beurteilung eines insuffizienten Sphinkters entscheidend (Zaninotto et al. 1988). Instrumente zur Ösophagusmanometrie Die Untersuchung der Ösophagusmotilität mit manometrischen Methoden erfordert die endoluminale Platzierung eines geeigneten mehrkanaligen Messkatheters in den Ösophagus und Anschluss an eine Messkette, bestehend aus Druckaufnehmer, Verstärker und Aufzeichnungseinheit. Technisch stehen zur Druckmessung im Wesentlichen 2 Systeme zur Verfügung: wasserperfundierte Druckaufnehmer, die derzeit den Standard darstellen, und Halbleiter-Druckaufnehmer. Ein Messkatheter für die Perfusionsmanometrie ist aus einzelnen dünnen Polyethylen- oder Polyvinylschläuchen von 0,8 mm Innendurchmesser zusammengeklebt, die die Messkanäle darstellen. Jeder Kanal wird mit Flüssigkeit perfundiert, die am vorgesehenen Messpunkt durch eine kleine Seitöffnung austritt. Druckschwankungen in der Flüssigkeitssäule, die durch Behinderung des Flüssigkeitsaustritts, z. B. durch motilitätsbedingte Druckerhöhung, entstehen, werden über die Wassersäule zu einem extrakorporalen Druckaufnehmer geleitet, dort in elektrische Signale umgewandelt, zu einem Verstärker weitergeleitet und auf einem PC gespeichert oder ausgedruckt (. Abb. 6.1). Für Messungen der Ösophagusmotilität werden die Messöffnungen so konfiguriert, dass sie über eine Strecke von 20 cm in festen Abständen von 3–5 cm longitudinal angeordnet sind. Für die Untersuchung der Sphinkteren hat sich eine Anordnung 45° (8 Kanäle) oder 90° (4 Kanäle) versetzt in einer Ebene (radiär) bewährt. Einen idealen Kompromiss stellt eine 8-Kanal-Sonde dar mit 5 longitudinalen und 4 radiären Messöffnungen, von denen der vorletzte longitudinale Messpunkt einen der 4 radiären Messpunkte darstellt (. Abb. 6.1). Damit ist eine Motilitätsmessung über die gesamte Länge des Ösophagus und eine dreidimensionale Messung des UÖS ohne Wechsel des Katheters möglich. Moderne wasserperfundierte hydraulische Kapillarperfusionssysteme mit Hochdruckpumpen (Arndorfer Pumpen), elektronischen Verstärkern und Anschluss an einen PC halten einen konstanten Arbeitsdruck von 1000 mmHg bei einer Flussrate von 0,5 ml/min pro Kapillare aufrecht. Damit können Druckschwankungen bis 200 mmHg exakt registriert werden, was zur Beurteilung der Ösophagusperistaltik und des UÖS erforderlich ist (Weihrauch 1981). Der Aufwand für Eichung und Entlüftung ist bei regelmäßigem Gebrauch nur gering. Intrakorporale elektronische Halbleiter-Druckaufnehmer, »solid-state transducer«, setzen Druckereignisse direkt in elektrische Signale um und ermöglichen damit neben stationären Messungen auch ambulante 24-Stunden-Messungen, da sie keine Flüssigkeitsperfusion benötigen. Nachteile sind eine höhere mechanische Störanfälligkeit, Temperaturabhängigkeit, hohe Anschaffungs- und Reparaturkosten und die konstruktionsbedingte Unmöglichkeit, 4 Messpunkte radiär in einer Ebene auf einem Katheter anzuordnen. Vorteile sind ein nur minimaler Kalibrierungsaufwand und die Unabhängigkeit der Messwerte von der Körperhaltung.

SD

Median

2,5%

5%

Perzentile

Ruhedruck (mmHg)

14,9

5,1

13,8

6,1

8,0

Abdominelle Länge (cm)

2,2

0,7

2,2

0,9

1,1

Gesamtlänge (cm)

3,7

0,7

3,6

2,4

2,6

Techniken der stationären Ösophagusmanometrie

Ruhedruck (mmHg)

14,9

5,1

13,8

6,1

8,0

Stationäre Rü ckzugsmanometrie (»station pull-through technique«). Ein Messkatheter wird nach Vorschieben der Messpunk-

te bis in den Magen in Schritten von 0,5 oder 1 cm durch den UÖS bzw. OÖS zurückgezogen. Aus der erhaltenen Druckkurve

66

Kapitel 6 · Motilitätstests des Gastrointestinaltraktes (inkl. Langzeit-pH-Metrie)

6

. Abb. 6.1. 8-Kanal-Perfusionsmanometrie und Katheterdesign. Ein modernes Manometriesystem besteht aus einem mindestens 10-KanalNiedrig-Compliance-Kapillarperfusionssystem mit Hochdruckpumpe (C). Es wird ein 8-Kanal-Polyvinylkatheter (A) mit 5 sequenziellen und 4 radiären Perfusionsöffnungen verwendet, wobei ein Lumen sowohl sequenziell als auch radiär genutzt wird (links oben). Dieses Katheterdesign erlaubt eine 5-Kanal-Manometrie des Ösophagus sowie eine radiäre 4-Kanal-Manometrie des UÖS ohne Wechsel des Katheters. Die Atmung wird mit einem Responce Transducer (R, Kanal 10) und die Willkürschluck-

aktivität z. B. über ein zervikales Mikrofon registriert (M, Kanal 9). Die Kanäle 1–8 sind Druckkanäle und werden mit den 8 Kanälen des Messkatheters verbunden. Die Hochdruckpumpe liefert einen konstanten Druck von 1000 mmHg und perfundiert die einzelnen Messlumina des Katheters. Zwischengeschaltet sind Druckaufnehmer (B, 1–8), in denen der Druck in elektrische Signale umgewandelt wird. Diese elektrischen Signale werden über einen Verstärker (D) aufgenommen, verstärkt und in einen PC (F) zur graphischen Aufarbeitung, Speicherung und Ausgabe auf einem Printer übernommen

. Abb. 6.2. Normaler UÖS in der langsamen Rückzugsmanometrie. Normaler UÖS mit 4 radiären Messkanälen und langsamer motorisierter Rückzugstechnik gemessen. Länge 5 cm, abdominelle Länge 4 cm und Ruhedruck von 18 mmHg

können Länge, abdomineller Länge und der Druck des UÖS oder OÖS bestimmt werden. Durchzugsmanometrie. Ein Messkatheter wird nach Vorschieben bis in den Magen mit konstanter Geschwindigkeit durch den UÖS zurückgezogen. Bei einer Rückzugsgeschwindigkeit von 1 cm/s spricht man von einer schnellen Durchzugsmanometrie (»rapid-pull-through technique«). Sie muss in Atemstillstand des Patienten ohne Schlucken durchgeführt werden. Es ist somit

möglich, aus der erhaltenen Druckkurve die Länge und den Druck des UÖS oder OÖS zu bestimmen, eine Differenzierung in abdominellen und thorakalen Anteil des UÖS ist nicht möglich. Bei einer Rückzugsgeschwindigkeit von 0,1 cm/s spricht man von einer langsamen Durchzugsmanometrie (»slow-motorized-pull-through technique«). Hierbei darf der Proband normal atmen, aber nicht schlucken. Diese Technik erlaubt eine Differenzierung in abdominellen und thorakalen Anteil des UÖS und lässt sich besonders einfach auswerten (. Abb. 6.2 und 6.3).

67 6.1 · Ösophagusmanometrie und 24-Stunden-pH-Metrie

6

. Abb. 6.3. Pathologischer UÖS in der langsamen Rückzugsmanometrie. Pathologischer UÖS mit 4 radiären Messkanälen und langsamer motorisierter Rückzugstechnik gemessen. Länge 3 cm, abdominelle Länge 2 cm und Ruhedruck von 0 mmHg

. Abb. 6.4. Normale Ösophagusperistaltik. Normale Ösophagusperistaltik und computerunterstützte Auswertung der Amplitude mit graphischer Darstellung im 2,5-, 5-, 95- und 97,5-Perzentile des Normalwertbereiches

Mehrpunktmanometrie. Ein Katheter mit z. B. 5 in festem Ab-

stand von 5 cm angeordneten Druckmesspunkten wird stationär im Ösophagus platziert. Dabei sollte zur Vergleichbarkeit der Messungen der oberste Messpunkt 1 cm unterhalb des OÖS zu liegen kommen. Die zeitgleiche Aufzeichnung der Drucke an den Messpunkten erlaubt es, peristaltische Kontraktionen des Ösophagus zu registrieren und neben Dauer und Amplitude der Druckereignisse am jeweiligen Messpunkt auch die Geschwindigkeit und Fortleitung der Peristaltikwelle zu berechnen (. Abb. 6.4 und 6.5). Standardisierter Untersuchungsgang der stationären Manometrie Zunächst wird der Manometriekatheter über die Nase soweit vorgeschoben, bis alle Messpunkte im Magen liegen (ca. 75-cmMarke) und 5 min abgewartet, bis die schluckbedingten Artefakte abgeklungen sind. Eine komplette Ösophagusmanometrie besteht aus verschiedenen Tests, um die mechanischen Charakteris-

tika der Sphinkteren und die Motilität des Ösophagus vollständig beurteilen zu können. Stationäre Rückzugsmanometrie. Dazu wird die Manometrie-

sonde von 75 cm bis 39 cm ab Naseneingang zurückgezogen und nach jedem cm Rückzug solange abgewartet, bis eine artefaktfreie Messung über mindestens 5 Atemzüge aufgezeichnet ist. Für jeden einzelnen Messpunkt werden Untergrenze, Obergrenze, Atemumkehrpunkt und Druck am Atemumkehrpunkt des UÖS ausgewertet und die Ergebnisse gemittelt. Aus der Differenz von Obergrenze und Untergrenze ergibt sich die Länge, aus der Differenz von Atemumkehrpunkt und Untergrenze die abdominelle Länge des UÖS. Langsame motorisierte Durchzugsmanometrie. Alternativ kann bei Vorhandensein eines Rückzugsmotors eine langsame motorisierte Durchzugsmanometrie durchgeführt werden. Dazu wird die Manometriesonde soweit vorgeschoben, bis die 4 radiä-

68

Kapitel 6 · Motilitätstests des Gastrointestinaltraktes (inkl. Langzeit-pH-Metrie)

. Abb. 6.5. Pathologische Ösophagusperistaltik. Pathologische Ösophagusperistaltik und computerunterstützte Auswertung der Amplitude mit graphischer Darstellung im 2,5-, 5-, 95- und 97,5-Perzentile des Normalwertbereiches

6

ren Messpunkte im Magen liegen (ca. 65-cm-Marke). Die Sonde wird an einen Rückzugsmotor fixiert und der Patient aufgefordert, während der Messung nicht zu schlucken. Dann wird die Sonde mit konstanter Geschwindigkeit von 0,1 cm/s durch den UÖS zurückgezogen, bis die Messpunkte sicher im Ösophagus liegen. Zur Berechnung von Mittelwerten und um zu vermeiden, dass bei ungewolltem Schlucken des Patienten eine Auswertung unmöglich ist, wird diese Messung dreimal wiederholt. Für jeden einzelnen Messpunkt werden Untergrenze, Obergrenze, Atemumkehrpunkt und Druck am Atemumkehrpunkt des UÖS ausgewertet und die Ergebnisse gemittelt. Aus der Differenz von Obergrenze und Untergrenze ergibt sich die Länge, aus der Differenz von Atemumkehrpunkt und Untergrenze die abdominelle Länge des UÖS. Die langsame Durchzugsmanometrie ist die Grundlage für eine automatisierte Auswertung und eine Darstellung als Vektorbild (. Abb. 6.6 und 6.7).

. Abb. 6.6. Vektorvolumen eines normalen UÖS. Der dargestellte Blickwinkel zeigt vom Magen in den Ösophagus unter einem Winkel von 35° (totales SVV: 14.388 mmHg2×mm, abdominelles SVV: 9823 mmHg2×mm)

Relaxationsmessung des UÖS. Dazu werden die 4 radiären Messpunkte aus dem Magen, in dem die Atemruhelage registriert wurde, an den zuvor ermittelten Atemumkehrpunkt platziert und hier fixiert. Dann erhält der Proband 5 Schlucke von 5 ml raumtemperierten Wassers zu trinken, um den zeitlichen Verlauf des Druckabfalls beim Schlucken relativ zum Magenruhedruck zu ermitteln. Mehrpunktmanometrie zur Motilitätsmessung des tubulären Ösophagus. Hierzu wird der Katheter so platziert, dass der kra-

nialste Messpunkt 1 cm unterhalb der Untergrenze des OÖS liegt. Dann erhält der Proband 10 Schlucke von 5 ml raumtemperierten Wassers zu trinken, mit ausreichenden Pausen von mindestens 30 s dazwischen, um die postdeglutorische Refraktärzeit der Speiseröhre abzuwarten. Manometrie des OÖS. Hierzu wird der Katheter in Rückzugstechnik mit 1-cm-Schritten zurückgezogen, bis die 4 radiären Messpunkte im OÖS platziert sind. Dann erhält der Proband 5 Schlucke von 5 ml raumtemperierten Wassers zu trinken, um die Relaxation des OÖS zu messen und der Katheter wird in 1-cmSchritten komplett aus der Speiseröhre zurückgezogen und ent-

. Abb. 6.7. Vektorvolumen eines defekten UÖS. Der dargestellte Blickwinkel zeigt vom Magen in den Ösophagus unter einem Winkel von 35°. Auffällig ist die vor dem Sphinkter (S) gelegene Hiatushernie (H) und das geringe Volumen im Vergleich zum normalen UÖS. (Totales SVV: 1010 mmHg2×mm, abdominelles SVV: 0 mmHg2×mm)

69 6.1 · Ösophagusmanometrie und 24-Stunden-pH-Metrie

6

fernt. Aus der Messkurve kann der Ruhedruck, die Untergrenze, die Obergrenze, die Länge, die Symmetrie, und die Relaxation des OÖS bestimmt werden.

diese Weise lassen sich die Gesamtlänge, die abdominelle Länge und der Ruhedruck am Atemumkehrpunkt berechnen. Sie stellen die Eckdaten für die mechanische Kompetenz des UÖS dar (. Tab. 6.1).

Aus dem Messwert der Obergrenze des UÖS und der Untergrenze des OÖS ergibt sich die Länge des tubulären Ösophagus.

Ambulante Langzeitmanometrie 24-Stunden-Messungen der Ösophagusmotilität, evtl. kombiniert mit gleichzeitiger 24-Stunden-pH-Metrie erlauben eine exaktere Beurteilung der Ösophagusmotilität und eine genauere Differenzierung primärer Ösophagusmotilitätsstörungen (Stein 1993; Stein u. DeMeester 1993). Durch spezialisierte Software ist eine weitgehend automatische Auswertung möglich (Bremner et al. 1993), wobei die Erkennung und Ausschließung von Artefakten einen erheblichen Aufwand für den Untersucher darstellt (Eypasch et al. 1990). Eine Beurteilung der Relaxation des UÖS ist mit speziellen Dent-Sleeve-Kathetern möglich, was die Erkennung transienter Relaxationen des UÖS als Ursache für eine Refluxkrankheit ermöglicht. Eine Beurteilung der mechanischen Charakteristika des UÖS, nämlich Länge, abdominelle Länge und Ruhedruck ist allerdings nur mit zusätzlicher stationärer Manometrie möglich.

Interpretation und Auswertung der Ösophagusmanometrie Bei der Rückzugsmanometrie und der Durchzugsmanometrie registrieren die Messöffnungen im Magen zunächst dessen Ruhedruck. Bedingt durch die atemabhängigen Druckschwankungen erhält man eine sinusartige Druckkurve, die bei Einatmung zu einem Peak von wenigen mmHg und bei Ausatmung zu einem Tal führt. Beim Rückzug des Katheters kommt es bei der Passage einer Messöffnung durch den UÖS zu einem Anstieg der Druckkurve, die nach Passage des oberen Endes des UÖS auf Werte unterhalb der Magenruhedruckkurve abfällt. Bedingt durch die Zwerchfellschenkel verstärkt sich die atemabhängige Amplitude der Sinusschwingung zu Beginn des Sphinkters bzw. beim Durchtritt des Katheters durch das Zwerchfell. Der Beginn des Sphinkterkomplexes kann so auch dann erkannt werden, wenn kein Druck mehr messbar ist. Im Verlauf der Passage des Katheters durch den UÖS wird der Einfluss der Atmung auf die Druckkurve negativ. Das heißt, die Einatmung führt zu einem Tal und die Ausatmung zu einem Peak. Dies ist bedingt durch den negativen Druck im Thorax. Der Punkt, an dem der Atemeinfluss von positiv auf negativ umschlägt, heißt Atemumkehrpunkt. Er markiert die Grenze, ab der der UÖS dem negativen intrathorakalen Druckniveau ausgesetzt ist. Per Definition wird an dieser Stelle der Druck gemessen als Mittelwert der atembedingten Sinusschwingung, da so der Einfluss der Atmung eliminiert wird. Auf

. Tabelle 6.2. Normalwerte der 24-Stunden-ÖsophaguspH-Metrie (DeMester Score ≤14,71)

Weiser München n=31

Fuchs Kiel n=10

Cheadle Dundee n=50

DeMeester Omaha n=50

% pH20 mg/dl, H2-Anstieg20 ppm, Symptome: – Laktasemangel bei Diabetes mellitus möglich – Schneller intestinaler Transit mit Laktosemalabsorption trotz normaler Laktaseaktivität (z. B. Postgastrektomie-Syndrom) 5 Plasmaglukoseanstieg4 g/5 h (26,6 mmol/5 h), d. h. 16% der verabreichten Dosis (25 g). Als normaler Anstieg der Serumkonzentration von D-Xylose gelten Werte von >10 mg/dl (nach 15 min) oder >20 mg/dl (30 min) bzw. >30 mg/dl (nach 60 min). Wertigkeit und Interpretation. Ein pathologischer D-Xylose-

test deutet auf Reduktion der Resorptionsfläche des Dünndarms (Sprue, Darmresektion, Kurzdarm) hin. Ein falsch-negativer Test kann durch Malabsorption bei Krankheiten des distalen Dünndarms (z. B. M. Crohn des Ileums) oder bei Maldigestion durch exokrine Pankreasinsuffizienz, Cholestase und Gallensäurenmangel bedingt sein. Leberkrankheiten mit Aszites, Niereninsuffizienz und bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms können zu einem falsch-positivem Test führen.

Ein pathologischer D-Xylosetest weist in erster Linie auf eine Resorptionsstörung im Dünndarm hin, kann aber auch bei der bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms pathologisch sein. Unter letzterer Bedingung normalisiert sich der Test nach einer Antibiotikatherapie (z. B. Doxycyclin).

Fehlerquellen. Fehlerhafte Urinsammlung, Harnwegsinfekte,

Resorptionsstörungen durch Medikamente (Indometacin, Neomycin, Metformin), Aszites, starke Veränderungen der Magenentleerung.

Glukose-H2-Atemtest H2-Atemtests beruhen auf der bakteriellen Fermentation von Kohlenhydraten durch gramnegative Bakterien im Dünn- oder Dickdarm. Glukose wird normalerweise im Dünndarm vollständig resorbiert und gelangt nicht in den Dickdarm.

Wertigkeit und Interpretation. Der Glukose-H2-Atemtest wird als der praktikabelste Test zur Erfassung einer bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms angesehen. Ein Anstieg der endexspiratorischen H2-Konzentration nach oraler Glukosegabe (75 g) um >20 ppm zeigt an, dass eine bakterielle Metabolisierung des Zuckers stattgefunden hat. Da eine Malabsorption von Glukose ohne Magenresektion (Billroth II) oder Dünndarmresektion nicht vorkommt, zeigt ein frühzeitiger Anstieg der H2-Konzentration in der Atemluft eine bakterielle Überbesiedlung des oberen Dünndarms an. Sensitivität (65–93%) und Spezifität (ca. 90%) des Tests für eine Erfassung einer bakteriellen Überbesiedlung sind zufriedenstellend (Bai 1998; Toskes et al. 1998).

Laktulose-H2-Atemtest Die rasche Bildung, Resorption und Exhalation von H2 aus Kohlenhydraten kann für die Bestimmung der orozäkalen Transitzeit benutzt werden. Durchführung. Ein nicht resorbierbarer Zucker (z. B. Disaccharid-Laktulose) wird oral verabreicht und die H2-Konzentration in der Atemluft sequenziell in kurzen Abständen (5 min) bestimmt. Der erste abgrenzbare Anstieg der H2-Konzentration korreliert dabei mit der Ankunft der Testlösungsfront im Zäkum (validiert für 10 g Laktulose in 150 ml Wasser). Wertigkeit und Interpretation. Die Bedeutung des Tests liegt eher bei der Möglichkeit, intraindividuelle Vergleichsuntersuchungen unter Therapieeinfluss durchzuführen, weniger aussagefähig ist die klinisch-diagnostische Bedeutung, da eine erhebliche interindividuelle Variabilität (d. h. große Streubreite; R: 30–150 min) besteht (Stein et al. 1999). 14

C-Glykocholatatemtest Der 14C-Glykocholatatemtest war der erste Atemtest zur Erfassung einer bakteriellen Überbesiedlung.

81 7.3 · Resorptionstests für den unteren Dünndarm

7

Testprinzip und Durchführung. Der Test basiert auf der Fähigkeit . Tabelle 7.3. Pathologische Vitamin-B12-Resorption im Schillingtest nach Ileumresektion. (Nach Stein et al. 1999)

von Bakterien des Dünndarms, Gallensäuren zu dekonjugieren. Anschließende Resorption und Metabolisierung der 14C-markierten Glyzinkomponente führen zu einem Anstieg von 14CO2 in der Atemluft. Gemessen wird das 14CO2/CO2-Verhältnis (Stein et al. 1999; Toskes et al. 1998).

Ileumres ektion (cm)

Wertigkeit und Interpretation. Der Test ist pathologisch, wenn

>4,5% der applizierten Radioaktivität in 6 h in der Atemluft erscheint. Der 14C-Glykocholatatemtest vermag jedoch nicht zwischen einer bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms oder Malabsorption von Gallensäuren (Dekonjugation im Dickdarm) zu unterscheiden. Beim 14C-Glykocholatatemtest werden 185 MBq (5 µCi) 14Cmarkierte Gallensäure oral als Tracerdosis verabreicht. Obwohl diese geringe Menge an Radioaktivität unterhalb der Freigrenze liegt, ist die Anwendung beim Menschen zumindest in Deutschland problematisch, da 14C-Glykocholsäure nicht als Radiopharmazeutikum, sondern lediglich als Radiochemikalie zugelassen ist; zudem gibt es zunehmend prinzipielle und ökologische Bedenken gegenüber dem langlebigen β-Strahler, sodass sich generell Atemtests unter Verwendung des β-Strahlers 14C nicht durchgesetzt haben. Als Alternative kann der 13C-Glykocholatatemtest eingesetzt werden, wobei das Risiko der Strahlenbelastung entfällt. 14

C-D-Xyloseatemtest

Testprinzip und Durchführung. Der

90

97

Vitamin B12 wird nach Kopplung an Intrinsic Factor im unteren Dünndarm resorbiert (Caspary 1999c; Neale 1990). Nach Resektion des unteren Dünndarms vermag der obere Dünndarm die spezifische Vitamin-B12-Resorption nicht adaptativ zu erwerben. Das Ileum besitzt spezifische Rezeptoren für den Vitamin-B12Intrinsic-Factor-Komplex, sodass die Ausdehnung einer Ileumresektion negativ mit der Vitamin-B12-Resorption korreliert (Caspary et al. 1999b; . Tab. 7.3). Der Schillingtest setzt eine normale Nierenfunktion voraus. Mit Intrinsic Factor stellt er die klassische Funktionsprüfung für den unteren Dünndarm dar.

Durchführung. Dem nüchternen Patienten werden oral 0,5 µCi 14

C-D-Xyloseatemtest basiert auf der Fähigkeit gramnegativer Bakterien, D-Xylose zu 14 CO2 zu metabolisieren. 14CO2 wird in der Atemluft nach Gabe von 1 g D-Xylose mit einem Tracer von 14C D-Xylose gemessen. Wertigkeit und Interpretation. Die Sensitivität des Tests liegt zwischen 65–95%. Die Limitation liegt ebenfalls in der Strahlenbelastung durch das langlebige 14C (Stein et al. 1999; Toskes et al. 1998). In der Zwischenzeit steht auch der 13C-Xyloseatemtest mit dem nicht strahlenden stabilen Isotop 13C zur Verfügung.

7.3

Pathologischer Schillingtest (%)

Resorptionstests für den unteren Dünndarm

Resorptionstest zur Erfassung der Funktion des unteren Dünndarms sind der Vitamin-B12-Resorptionstest (Schillingtest) sowie der SeHCAT-Test. 7.3.1 Vitamin-B12-Resorptionstest (Schillingtest) Malabsorption von Vitamin B12 kann auftreten als Ursache von: 4 Intrinsic-Factor-Mangel (bei Perniziosa oder nach Magenresektion), 4 Pankreasinsuffizienz (fehlerhafter Transfer von Vitamin B12 vom R-Protein zum Intrinsic Factor), 4 Bindung/Metabolisierung (zu Cobamiden) durch Bakterien bei bakterieller Überbesiedlung des Dünndarms, 4 Funktionseinschränkung (z. B. M. Crohn) oder Fehlen des terminalen Ileums (Resektion; Behrend et al. 1995; Caspary 1999b; Filipsson et al. 1978).

57

Co-Vitamin B12 verabreicht (bei Auslegung als Ileumfunktionstest mit Intrinsic Factor). Um die renale Exkretion von resorbiertem markiertem Vitamin B12 zu steigern, werden 1 h nach der Applikation des markierten Vitamins B12 intramuskulär 1000 µg nicht radioaktiv markierten Vitamins B12 verabreicht (»flushig dose«). Dadurch werden die im Serum vorhandenen VitaminB12-bindenden Proteine abgesättigt. Über den Mechanismus der kompetitiven Verdrängung wird radioaktives Vitamin B12 aus der Bindung mit seinen Transportproteinen herausgelöst und aus den intrazellulären Speichern entfernt. Nach beiden Applikationen wird der Urin komplett über 24 h gesammelt (Schröder et al. 1999; Stein et al. 1999). Wertigkeit und Interpretation. Eine renale Ausscheidung von

10–30% der verabreichten Radioaktivität im 24-h-Urin entspricht der Norm. Über die möglichen Interpretationen der Ergebnisse des Schillingtestes mit und ohne Intrinsic Factor . Tab. 7.4. Der Vitamin-B12-Resorptionstest mit Intrinsic Factor ist nicht spezifisch für eine Ileumfunktionsstörung, da bei bakterieller Überbesiedlung des Dünndarms Vitamin B12 von Bakterien zu unwirksamen Cobamiden metabolisiert wird (Brandt et al. 1977) und somit zu einem pathologischen Testausfall führen kann. Auch bei Pankreasinsuffizienz und Sprue kann der Test pathologisch sein. Fehlerquellen. Unvollständige Urinasservation ist die häufigste Fehlerquelle. Eine Nierenfunktionsstörung kann zu falsch-positiven Testresultaten führen.

7.3.2

75

SeHCAT-Test

Die klinisch-chemische Diagnostik des enteralen Gallensäurenverlusts durch enzymatische Bestimmung der Gallensäuren im Stuhl mit der 3α-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-Methode, die

82

Kapitel 7 · Resorptionstests

. Tabelle 7.4. Vitamin-B12-Resorption (Schillingtest) bei verschiedenen Krankheiten

7

Test

Perniziosa/ Gastrektomie

Sprue/Zöliakie

Bakterielle Überbesiedlung

Primäre Vitamin-B12Malabsorption oder Ileumresektion

Pankreasinsuffizienz

Vitamin B12

Niedrig

Niedrig/normal

Niedrig

Niedrig

Niedrig

Vitamin B12 + Intrinsic Factor

Normal

Niedrig/normal

Niedrig

Niedrig

Niedrig

Vitamin B12 nach Antibiotikatherapie

Niedrig

Niedrig/normal

Normal

Niedrig

Niedrig

Vitamin B12 nach glutenfreier Diät

Niedrig

Normal

Niedrig

Niedrig

Niedrig

Vitamin B12 nach Pankreasenzymsubstitution

Niedrig

Niedrig/normal

Niedrig

Niedrig

Normal

Bestimmung postprandialer Anstiege konjugierter Gallensäuren im Serum mittels RIA sowie der 14C-Glykocholatatemtest (Strahlenbelastung) haben sich klinisch nicht durchgesetzt. Methode der Wahl zur Erfassung eines enteralen Gallensäurenverlusts ist eine nuklearmedizinische Methode, der SeHCAT-Test (Bai 1998; Nylin et al. 1994; Sciaretta et al. 1986; Stein et al. 1999). Testprinzip. Verwendet wird eine künstliche Gallensäure, 75Selen-

markierte (im Steroidgerüst an Position 23) Homotaurocholsäure. Nach aktiver Aufnahme im Ileum durchläuft 75SeHCAT ca. 3- bis 12-mal pro Tag den enterohepatischen Kreislauf. Gemessen wird die Retention der markierten Gallensäure über einen Zeitraum von 24–48 h. Eine verminderte Retention signalisiert somit einen erhöhten enteralen Verlust (Sciaretta et al. 1986). Durchführung. Nach Ermittlung des Nüchternnullwerts und

einer Kontrolle 30 min nach Einnahme von 37 kBq (10 µCi) 75 SeHCAT wird zunächst (nach 3 h) die Ausgangsaktivität über dem Abdomen mit einer Großfeldgammakamera bestimmt. Weitere Messungen erfolgen an den nachfolgenden Tagen (2., 4., 7. Tag). Normalerweise werden 80% der Gallensäure nach 24 h retiniert, nach 72 h 50% und 19% nach 7 Tagen. Als pathologisch wird eine 75 SeHCAT-Retention 45 mmol/24 h weisen auf eine Hyperoxalurie hin. 7.5

Synopsis

Die Interpretation pathologischer Laborparameter und Funktionstests in Bezug auf die zu erwartenden Krankheiten wird in . Tab. 7.6 zusammenfassend dargestellt. . Tab. 7.7 differenziert Ursachen der Malabsorption durch Dünndarmkrankheiten von Störungen der luminalen Digestion und Lymphabflussstörungen durch Labor- und Funktionstests.

. Tabelle 7.7. Vergleich von Laborergebnissen bei 3 Typen der Malabsorption: Krankheiten des Dünndarms, gestörte intraluminale Digestion oder Lymphabflussstörungen

Test

Mukosakrankheit

Störungen intraluminaler Digestion Pankreaskrankheit

Bakterielle Überbesiedlung

Lymphabflussstörung

Stuhlfett

Erhöht

Stark erhöht

Leicht erhöht

Erhöht

Dünndarmbiopsie

Pathologisch

Normal

Leicht pathologisch

Meist pathologisch

Prothrombinzeit

Evtl. verlängert

Evtl. verlängert

Evtl. verlängert

Evtl. verlängert

β-Carotin im Serum

Niedrig

Niedrig

Evtl. erniedrigt

Niedrig

Serumcholesterin

Niedrig

Niedrig

Niedrig

Niedrig

Albumin im Serum

Niedrig

Normal

Evtl. erniedrigt

Niedrig

Serumeisen

Niedrig

Normal

Normal

Normal

Serumfolsäure

Niedrig

Normal

Normal

Normal

Vitamin B12 im Serum

Normal

Normal/erniedrigt

Evtl. erniedrigt

Normal

D-Xylosetest

Pathologisch

Normal

Evtl. pathologisch

Normal

Schillingtest

Pathologisch

Evtl. pathologisch

Pathologisch

Normal

Atemtests (H2)

Normal/pathologisch

Normal

Pathologisch

Normal

Pancreolauryltest

Normal

Pathologisch

Normal

Normal

α1-Antitrypsinclearance

Pathologisch

Normal

Normal

Pathologisch

Screeningtests auf Malabsorption

Spezifische Malabsorptionstests

87 Literatur

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90

Kapitel 8 · Spezielle Labordiagnostik

8.1

Gastrointestinale Hormone

8.1.1 Verteilung der GEP-endokrinen Zellen

im menschlichen Körper

C. Beglinger ) )

8

Der Begriff »Hormon« wurde erstmals durch Bayliss und Starling im Jahre 1902 verwendet, als sie die biologische Wirkung von Sekretin beschrieben. Das Peptid Sekretin hatten sie aus der Dünndarmmukosa extrahiert und nach intravenöser Verabreichung beobachtet, dass der Extrakt einen starken Anstieg der Pankreassekretion verursachte. Das erste Hormon war also ein Botenstoff aus dem Magen-Darm-Trakt; der Begriff wurde in der Folge für Substanzen verwendet, die als Botenstoffe von einer Zelle (einem Organ) produziert werden und via Blut ihre Wirkung an einem anderen Organ ausüben. Heute sind über 20 verschiedene endokrine Zelltypen im Magen-Darm-Trakt bekannt. Die meisten davon wurden erst in den letzten zwei Jahrzehnten entdeckt. Gleichzeitig mit der Entdeckung dieser endokrinen Zelltypen wurde man auf eine Gruppe von seltenen Krankheiten aufmerksam, die mit einer hormonellen Dysfunktion dieser Zellen verknüpft ist: die hormonproduzierenden Tumoren des Magen-Darm-Traktes (Falkner et al. 1984). Die endokrinen Zellen gehören zu einem Gewebe, das heute als »gastroenteropankreatisches« System oder als GEP-System bezeichnet wird. Es stellt somit das größte endokrine Organ des menschlichen Körpers dar (Dockray 1979; Rawdon u. Andrew 1993; Capella 1995). Hormonproduzierende Tumoren des GEPSystems, sog. GEP-Tumoren, sind Raritäten. Gemeinsames Merkmal dieser Tumoren ist die Ausstattung mit einem Apparat zur Synthese und Sekretion von gastrointestinalen Hormonen, Neurotransmittern und Neuropeptiden. Wegen ihrer Symptome stellen sie häufig eine »Knacknuss« für den Arzt dar. Im Folgenden werden die wichtigsten gastrointestinalen Hormone vorgestellt.

Das GEP-System stellt das größte endokrine Organ des Menschen dar; es ist ein integraler Bestandteil des neuroendokrinen Systems (Oberg 1998; Solcia 2000). Die wichtigsten Zelltypen mit ihren Hauptprodukten sind in . Tab. 8.1 abgebildet. Die Produkte dieser Zellen sind vorwiegend Peptide; sie wirken auf mindestens 4 verschiedene Arten, die als endokrin, neurokrin, parakrin oder autokrin bezeichnet werden (. Abb. 8.1 und Übersicht). Letztlich wirkt jedes dieser Hormone auf einen spezifischen Rezeptor; dessen Aktivierung in der Folge zu einer veränderten Zellaktivität führt. Eine schematische Darstellung dieses Ablaufes ist in . Abb. 8.2 dargestellt. Wirkungsmechanismen von gastrointestinalen Peptiden 5 Endokrin: klassisches Hormon 5 Neurokrin: Neurotransmittersubstanz, von Nervenzellen freigesetzt 5 Parakrin: lokaler Effekt von Zelle zu Zelle 5 Autokrin: Selbstregulation

8.1.2 Gastrointestinale Peptide Verschiedene gastrointestinale Peptide können in strukturell verwandte Gruppen zusammengefasst werden. Diese chemische Gruppierung sagt aber nichts aus über die biologische Wirkung der einzelnen Peptide, bindet doch jedes selektiv an einen spezifischen Rezeptor. Im Folgenden werden die wichtigsten Vertreter der verschiedenen Peptidfamilien vorgestellt, wobei die physiolo-

. Tabelle 8.1. Verteilung von GEP-endokrinen Zellen im menschlichen Gastrointestinaltrakt

Zelltyp

Hauptprodukt

Pankreas

Magen

Dünndarm Duodenum/Jejunum

Ileum

A

Glukagon

+







B

Insulin

+







D

Somatostatin S-14

+

+

+

+

D

Somatostatin S-28







+

PP

Pankreatisches Polypeptid

+







EC

5-Hydroxytryptamin

(+)

+

+

+

G

Gastrin



+

+

(+)

J

Cholezystokinin (CCK)





+

(+)

S

Sekretin





+

(+)

GIP

GIP





+

(+)

N

Neurotensin





+

+

L

GLP-1 und PYY





(+)

+

VL

Unbekannt





+

+

8

91 8.1 · Gastrointestinale Hormone

Endokrine Wirkung (Das Peptid erreicht sein Ziel über die Blutbahn)

Autokrine Wirkung (Das Peptid wirkt auf die produzierende Zelle)

Parakrine Wirkung (Lokale Wirkung)

. Abb. 8.1. Schematische Darstellung der verschiedenen Wirkungsmechanismen von gastrointestinalen Hormonen: endokrin, autokrin, parakrin

gische Bedeutung und die klinische Relevanz im Vordergrund stehen. Gastrin-Cholecystokinin-(CCK-)Familie Gastrin. Gastrin wird vorwiegend in den G-Zellen des Magenantrums produziert. Das Gen für Gastrin kodiert für ein Prohormon, das in verschiedenen Schritten zum aktiven Gastrin transformiert wird. Gastrin wird vor allem durch Nahrungssubstrate freigesetzt. Die stärksten Stimuli für eine Gastrinfreisetzung sind kleine Peptide, Aminosäuren und Kalzium. Gewisse Substanzen im Wein, im Bier sowie im koffeinfreien Kaffee sind ebenfalls potente Stimuli für eine Gastrinfreisetzung. Die Gastrinfreisetzung führt zu einer Stimulation der Magensäureproduktion via spezifische Rezeptoren, die an den Parietalzellen, aber auch an den histaminfreisetzenden enterochromaffinen (ECL) Zellen exprimiert werden. Die Gastrinrezeptoren sind mit den CCK2- (früher CCK-B)-Rezeptoren identisch (Rehfeld 1999).

Erhöhte Gastrinspiegel werden in der Klinik nach medikamentöser Säuresekretionshemmung, nach Achlorhydrie sowie bei Patienten mit Helicobacter-pylori-Infektion gefunden. Die seltenen gastrinproduzierenden Tumoren sind auch als ZollingerEllison-Syndrom bekannt.

Klinische Zustände mit Hypergastrinämie 5 5 5 5

Chronisch, atrophe Gastritis Helicobacter-pylori-Infektion Zollinger-Ellison-Syndrom (Gastrinom) Einnahme von Säuresekretionshemmern (H2-Rezeptorantagonisten, Protonenpumpenhemmer)

Cholezystokinin (CCK). CCK wird vorwiegend in den I-Zellen des proximalen Dünndarms produziert, doch wird es auch von Nervenzellen exprimiert und sezerniert (Milenov et al. 1998). Das Produkt der endokrinen Zellen ist ein Peptid von 58 oder 33 Aminosäuren (CCK33), während aus Nervenendigungen ein kürzeres Peptid (CCK8) freigesetzt wird. Fett und, etwas weniger ausgeprägt, Eiweiße sind die stärksten Stimuli für eine CCK-Freisetzung. Vor allem langkettige Fettsäuren, die mehr als 12 Kohlenstoffatome enthalten, sind verantwortlich für die postprandiale CCK-Freisetzung. Das dadurch freigesetzte CCK stimuliert die Gallenblasenkontraktion durch Aktivierung von spezifischen Rezeptoren, den CCK1- (früher CCK-A-)Rezeptoren. Diese Rezeptoren sind vor allem an Muskelzellen der Gallenblase, aber auch an Nervenfasern aufzufinden. Zusätzlich zur Gallenblasenkontraktion stimuliert CCK auch die exokrine Pankreasenzymsekretion durch Aktivierung von CCK1-Rezeptoren an Nervenendigungen; CCK hemmt zudem die Magenentleerung sowie die

. Abb. 8.2. Schematische Darstellung der Agonistenwirkung auf den Rezeptor

Zielzelle Endokrin Rezeptor Neurokrin

Agonist

Parakrin Autokrin

Antwort

92

Kapitel 8 · Spezielle Labordiagnostik

Nahrungsaufnahme. Die Hemmung der Magenentleerung nach fettreicher Mahlzeit führt zu einer langsameren Entleerung der Nahrung in den Dünndarm, wodurch mehr Zeit für die Fettverdauung zur Verfügung steht. CCK ist demzufolge ein zentraler Regulator des Verdauungsprozesses. Es gibt keine bekannte Überproduktion von CCK. Patienten mit aktiver Sprue haben eine verminderte CCK-Freisetzung; diese verminderte CCK-Freisetzung wird jedoch durch eine adäquate Therapie (glutenfreie Diät) wieder normalisiert.

8

Sekretinfamilie Sekretin. Sekretin ist ein Peptid aus 27 Aminosäuren, das in den S-Zellen der duodenalen und jejunalen Mukosa produziert wird. Der Hauptstimulus der Sekretinfreisetzung ist die Magensäure, die in das Duodenum gelangt. Die Menge Magensäure, die den Dünndarm erreicht, bestimmt demnach die Sekretinfreisetzung. Sekretin ist der stärkste Reiz der Pankreasflüssigkeits- und der Pankreasbikarbonatsekretion. Die freigesetzte Bikarbonatmenge neutralisiert in der Folge einen großen Teil der in den Dünndarm gelangten Magensäure (die restliche Neutralisation erfolgt durch Galle und durch Dünndarmsekrete). Damit entsteht ein optimales Milieu für die Pankreasenzyme und den resultierenden Verdauungsprozess (Pankreasenzyme haben ihr Wirkungsoptimum im neutralen Milieu). Glucose-dependent insulinotropic peptide (GIP). GIP ist strukturell eng mit Sekretin verwandt. Es wird vorwiegend in den Krypten der Duodenal- und Jejunalmukosa produziert. Die Nahrungsaufnahme, vor allem Kohlenhydrate und Fette, stimulieren die GIP-Freisetzung ins Blut. Die Hauptfunktion von GIP ist eine verstärkte Insulinsekretion nach Einnahme von Kohlenhydraten. GIP ist also ein Teil eines Schutzsystems, das den Körper vor einer ungenügenden Insulinsekretion bewahrt. GIP stimuliert demzufolge die Insulinproduktion nur, wenn die zirkulierenden Blutzuckerspiegel erhöht sind. Bisher sind keine Krankheiten bekannt, die auf eine gestörte GIP-Sekretion zurückgeführt werden können. Vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP). Die Aufklärung der

Genstruktur hat ergeben, dass VIP Teil eines großen Prohormons darstellt, das ein zweites, strukturell verwandtes Peptid enthält. Dieses zweite Peptid wird Peptid-Histidin-Methionin oder PHM genannt. PHM und VIP können auf den gleichen Rezeptor einwirken. Beide Peptide sind keine eigentlichen Hormone, sondern wirken als Neurotransmitter. Zirkulierende Blutspiegel sind deshalb sehr gering und bleiben durch Mahlzeiten unverändert. Die biologischen Wirkungen von VIP sind mannigfaltig. Im Vordergrund stehen Steigerung von Blutfluss und intestinalen Sekretionen, Hemmung der enteralen Muskulatur und Stimulation der Pankreasbikarbonatsekretion. Zurzeit ist nicht klar, welche dieser Wirkungen physiologisch sind, da keine geeigneten Antagonisten zur Verfügung stehen, die die Hormonwirkung blockieren könnten. Hohe Blutkonzentrationen von VIP führen zu einer ausgeprägten sekretorischen Diarrhö (Stuhlentleerungen von >1 l pro 24 h möglich), die mit schwerer Hypokaliämie sowie einer Hyperchlorhydrie einhergehen kann; das Krankheitsbild wurde deshalb auch als endokrine Cholera bezeichnet. Die Ursache dieses klinischen Bildes ist ein VIP-produzierender Tumor, ein VIPOM.

PP-Familie Pankreatisches Polypeptid (PP). PP wird ausschließlich im Pan-

kreas gefunden, vor allem am Rande der Langerhans-Inseln und viel weniger ausgeprägt verstreut zwischen den Azini des exokrinen Pankreas. Intravenös verabreichtes PP ist ein potenter Hemmer der exokrinen Pankreassekretion, doch ist unklar, ob dies eine physiologische Wirkung darstellt. Die genaue physiologische Bedeutung von PP ist bisher unbekannt. Die PP-Sekretion ins Blut wird durch Nahrungsaufnahme stimuliert. Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass die Blutspiegel von PP mit zunehmendem Alter ansteigen; die Ursache und die Bedeutung diese Phänomens sind jedoch unbekannt. Patienten mit Niereninsuffizienz weisen deutlich erhöhte BlutPP-Konzentrationen auf, was darauf hinweist, dass die Nieren bei der Metabolisierung von PP eine wichtige Rolle spielen. Schließlich haben Patienten mit chronischer Pankreatitis reduzierte Blut-PP-Spiegel, was mit einer zunehmenden Destruktion des Pankreas erklärt wird. Ein klinisches Syndrom, das mit erhöhtem Plasma-PP-Spiegel assoziiert ist, ist bisher jedoch nicht bekannt. Neuropeptid Y (NPY). NPY ist ein Neurotransmitter; das Peptid kommt sowohl im ZNS, aber auch im peripheren Nervensystem vor. Eine intravenöse Infusion von NPY verursacht eine starke Vasokonstriktion, eine Steigerung des peripheren Blutdruckes und eine Hemmung der Kolonmotilität; zusätzlich spielt NPY eine zentrale Rolle in der Appetitregulation. Peptid YY (PYY). PYY ist im Gegensatz zu NPY ein Hormon. Es wird in endokrinen Zellen des distalen Dünndarms (hauptsächlich im Ileum) und des Kolons produziert und freigesetzt. Die Freisetzung von PYY erfolgt vor allem durch Fette. Die biologischen Wirkungen von PYY umfassen die Hemmung der exokrinen Pankreassekretion, die Hemmung der Magensekretion sowie der Magenentleerung. PYY wurde deshalb als Enterogastron bezeichnet. Als Enterogastrone werden Hormone bezeichnet, die durch Fette freigesetzt werden und in der Folge Magensäuresekretion und Magenentleerung hemmen: Damit soll erreicht werden, dass die Entleerung von fetthaltiger Nahrung in den Dünndarm verzögert wird, was schließlich zu einer verbesserten Verdauung von Fetten führen soll. Kürzlich wurde beschrieben, dass PYY an der Regulation von Appetit und Sättigung beteiligt ist: PYY3–36, eine im Blut zirkulierende Form des Peptids, hemmt den Appetit und induziert ein Sättigungsgefühl. PYY erfüllt deshalb primär physiologische Aufgaben; Krankheiten, die auf eine inadäquate PYY-Freisetzung zurückgeführt werden können, sind nicht bekannt.

Somatostatine Das Gen von Somatostatin kodiert für ein aus 116 Aminosäuren bestehendes Prohormon (Gillies 1997). Dieses Prohormon wird sowohl im Gehirn als auch im Magen-Darm-Trakt gefunden. Aus diesem Prohormon werden zwei verschiedene, molekulare Hauptformen gebildet, Somatostatin-28 (S-28) und Somatostatin-14 (S-14). Somatostatine werden sowohl in Nervenzellen als auch in endokrinen Zellen exprimiert. Im Magen-Darm-Trakt werden mehr als 90% des Somatostatins in der Mukosa gefunden und weniger als 10% in den Muskelschichten des Darmes (Alumets et al. 1977). In der Mukosa des Darmes, aber auch im exokrinen Pankreas, wird Somatostatin in den D-Zellen nachgewiesen. Sowohl S-14 als auch S-28 werden in der Mukosa des

93 8.1 · Gastrointestinale Hormone

Magen-Darm-Trakts gefunden, S-14 vorwiegend im Magen und im Pankreas, S-28 im Jejunum und im Ileum. Nach Einnahme einer fettreichen Mahlzeit steigen nur die Plasmakonzentrationen von S-28 an, während die S-14-Konzentrationen unverändert bleiben. S-28 gilt deshalb primär als zirkulierendes Hormon, während S-14 eine parakrine oder neurokrine Wirkung ausübt. Die biologischen Wirkungen von Somatostatin sind vielfältig; ein Teil davon kann auch therapeutisch ausgenützt werden. Eine Zusammenfassung der biologischen Wirkungen von Somatostatin wird in der folgenden Übersicht gegeben. Praktisch alle biologischen Wirkungen von Somatostatinen sind hemmender Natur. Biologische Wirkungen von Somatostatinen im MagenDarm-Trakt 5 Hemmung von gastrointestinalen Hormonfreisetzungen – Gastrin – CCK – Sekretin – VIP – Insulin – Glukagon 5 Hemmung von exokrinen Sekretionen – Magensäureproduktion – Exokrine Pankreassekretion 5 Hemmung der Motilität – Magenentleerung – Gallenblasenkontraktion 5 Hemmung der Wasser- und Elektrolytsekretion des Darmes 5 Hemmung der Splanchnikus- und Portalvenendurchblutung

Die pharmakodynamischen Wirkungen von Somatostatinen haben die Grundlage für die Entwicklung von synthetischen Analogen mit verlängerter Wirkungsdauer gebildet. Verschiedene dieser langwirkenden Somatostatinanaloga sind heute therapeutisch verfügbar und werden zur Behandlung von Krankheiten mit exzessiver Hormonproduktion (GEP-Tumoren), aber auch zur Behandlung von Varizenblutungen (Reduktion der Splanchnikus- und Portaldurchblutung) und von Fisteln verwendet.

Erhöhte Blutspiegel von Somatostatin führen zu Diabetes mellitus (Hemmung der Insulinsekretion) und zu Gallensteinen (Hemmung der Gallenblasenkontraktion). Somatostatinproduzierende Tumoren können dabei die Ursache darstellen, doch sind solche Tumoren extreme Raritäten.

8

8.1.3 Klinische Bedeutung von gastrointestinalen

Hormonen Die klinische Bedeutung von gastrointestinalen Hormonen wird primär definiert durch ihre Rolle in hormonproduzierenden Tumoren. Diese endokrinen Tumoren des Gastrointestinaltraktes sind zwar sehr selten, doch verursachen sie in der Regel sehr eindrückliche klinische Symptome (Arnold u. Frank 1996). Die gastrointestinalen Hormone können aber auch an andern Krankheiten beteiligt sein (Beispiele: Gallensteine, Motilitätsstörungen, Pankreatitis). Interessant ist die Beobachtung, dass fast alle dieser Peptide auch im Gehirn nachgewiesen werden können. Diese Befunde bilden die Grundlage für die »HirnDarm-Achse«. Die Bedeutung der gastrointestinalen Hormone im ZNS ist zurzeit noch unklar, doch gibt es indirekte Hinweise für zentrale Integrationsfunktionen von verschiedenen gastrointestinalen Prozessen (Sekretion, Motilität, Perzeption, Blutfluss, Nahrungsaufnahme). Es braucht noch viel Forschungsarbeit, um die Bedeutung der einzelnen Peptide genau zu verstehen. Voraussetzung sind spezifische Rezeptorantagonisten für jedes einzelne Peptid, damit die genaue Funktion definiert werden kann.

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94

Kapitel 8 · Spezielle Labordiagnostik

8.2

Serumenzymdiagnostik R. Driesch

) )

8

Enzyme sind katalytisch wirksame Proteine, die die Geschwindigkeit von biochemischen Reaktionen beschleunigen und damit den Stoffumsatz erhöhen. Sie enthalten ein oder mehrere aktive Zentren, die für die hohe katalytische Aktivität und Spezifität verantwortlich sind. Eine medizinisch wichtige Unterscheidung ist unter anderem die zytosolische/membranständige/mitochondriale, zelluläre/extrazelluläre Lokalisation oder die Unterscheidung von hepatischen/nicht hepatischen Enzymen. Enzymaktivitätsmessungen stellen wichtige und häufig durchgeführte Laboranalysen dar, da ihr Erscheinen oder Verschwinden aus Körpermaterial, in dem sie unter physiologischen Bedingungen gar nicht oder nur in geringer bzw. in hoher Konzentration vorkommen, von diagnostischer Bedeutung ist. So führt die Schädigung von Hepatozyten zum Austritt von zellulären Enzymen (z. B. ALT, AST) in den Blutkreislauf und dort in Abhängigkeit vom Ausmaß der Schädigung zu einem messbaren Enzymaktivitätsanstieg. Andererseits führt die chronische Schädigung von Pankreaszellen zum Untergang dieser Zellen und damit zu Abnahme, z. B. der Pankreaselastase-Konzentration im Stuhl. Die diagnostische Aussagekraft kann erhöht werden durch Messung organspezifischer (z. B. Lipase oder Pankreasamylase) oder in bestimmten Organen in besonders hoher Aktivität vorliegender Enzyme (z. B. ALT), durch Quotientenbildung von Enzymaktivitäten, z. B. zytosolischer und mitochondrialer Enzyme zur Abschätzung der Schwere der Einzelzellschädigung, durch gemeinsame Beurteilung der Aktivitäten mehrerer Enzyme oder von Isoenzymen zur Erhöhung der Organspezifität und Beobachtung des Verlaufs der Enzymaktivitäten zur Abschätzung des Ausmaßes der Organschädigung und unter Therapie zur Beurteilung der Normalisierung und damit Ausheilung einer Schädigung.

8.2.1 Leber- und Gallenwegenzyme Alkalische Phosphatase (AP) Die Gesamt-AP ist eine Familie von 4 durch separate Gene kodierten Isoenzymen und weiteren bis zu 16 durch posttranslationale Modifikationen unterscheidbare immunologische distinkte Isoformen und Varianten. Diese immunologisch und durch verschiedene physikochemische Eigenschaften unterscheidbaren, nahezu ubiquitär vorkommenden Isoenzyme und Isoformen können durch überlappende Substratspezifitäten als Gesamt-AP gemessen werden. AP kommt praktisch in allen Geweben und Körperflüssigkeiten (Serum, Urin, Galle, Lymphe) mit jedoch relativ hohen spezifischen Aktivitäten in Leber (Haptozyten und Gallengangsepithelien), Knochen (Osteoblasten), Intestinum (Mikrovilli der intestinalen Mukosa), Plazenta, Niere (proximaler Tubulus) und Leukozyten vor. In der Zirkulation gesunder Probanden ist vorwiegend Leber- und Knochen-AP vorhanden, deren fraktioneller Anteil altersabhängig variiert (Knochen-AP bei Kindern und in der Adoleszenz in Abhängigkeit vom Knochenwachstum erhöht). In der Schwangerschaft ab dem dritten Monat ist die AP-Aktivität auf etwa das 2- bis 3-fache des oberen Normbereiches erhöht. Probanden der Blutgruppen B und 0

haben einen relativ hohen Anteil des intestinalen Isoenzyms in der Zirkulation (besonders nach fettreicher Mahlzeit), weshalb der Patient bei der Blutentnahme 12 h nüchtern sein sollte. Als Untersuchungsmaterial eignet sich Serum und Plasma (nur Heparin-P).

Bei cholestatischen (hepatobiliären) Lebererkrankungen benigner und maligner Ursache kommt es zur Induktion der AP in Hepatozyten und Gallengangsepithelien und verstärkter Abgabe in die Zirkulation. In malignen Geweben kommt es zur Expression weiterer Isoenzyme, sodass die Bestimmung der AP als Zusatzdiagnostik von malignen Tumoren mit Knochen- und/oder Lebermetastasen dienen kann.

Die Zurückführung der AP-Erhöhung auf das involvierte Organ oder Gewebe ist durch Zusatzbestimmungen weiterer Enzymaktivitäten (z. B. LAP, γ-GT) oder durch Bestimmung von AP-Isoenzymen möglich. Eine Reihe von hepatotoxischen Medikamenten können die Gesamt-AP erhöhen bzw. vermindern. Alaninaminotransferase (ALT) ALT (früher GPT) kommt mit den höchsten spezifischen Aktivitäten in Leber (85% zytosolisch) und Niere vor, in geringeren Konzentrationen in Herz, Skelettmuskel, Pankreas, Milz, Lunge und Erythrozyten. Die Erythrozytenaktivität der ALT beträgt das 7-fache der Serumaktivität (Hämolyse!).

Die ALT im Blut ist eine sensitive Kenngröße gestörter Leberzellintegrität (Hepatozytennekrose) im Rahmen primärer (Hepatitis, toxische Leberschäden) und sekundärer (hämodynamisch, ischämisch) Lebererkrankungen.

Die Halbwertszeit des Enzyms beträgt 47±10 h. Bei Zellmembranpermeabilitätserhöhungen kommt es im Rahmen von Nekrosen zu einem vorzeitigen (relativ zur AST) Austritt des Enzyms in die Blutbahn. Da ALT-Aktivitätserhöhungen nur selten und in geringem Ausmaß bei extrahepatischen Erkrankungen gemessen werden, sind ALT-Erhöhungen weitgehend leberspezifisch. Höchste Aktivitäten finden sich bei akuter fulminanter (toxischer, infektiöser) Leberdystrophie und akuten Hepatitiden. Mäßige Anstiege finden sich bei Leberzirrhose (abhängig vom Aktivitätsgrad), Stauungsleber (Rechtsherzinsuffizienz, schwerem Kreislaufschock, akuter Anoxie), Traumatisierungen und post operationem. Die Bildung des Enzymquotienten AST/ALT dient zur Differenzialdiagnostik akuter und chronischer Lebererkrankungen. Leberschädigungen durch Pharmaka (unter anderem hochdosierte Salicylat- und Heparintherapie) können zur ALT-Erhöhung führen. Aspartataminotransferase (AST) AST (früher GOT) ist ein nahezu ubiquitär vorkommendes Enzym mit höchsten spezifischen Aktivitäten in Myokard, Leber (Hepatozyten), Skelettmuskel und Niere. Es tritt jedoch auch in Pankreas, Milz, Lunge und Erythrozyten (15-mal höher als im Serum) auf. In den Hepatozyten liegt das Enzym zu etwa 80% mitochondrial vor. Die Halbwertszeit im Blut beträgt 17±5 h.

95 8.2 · Serumenzymdiagnostik

Bei Zellmembranpermeabilitätserhöhungen im Rahmen von Nekrosen kommt es wegen der überwiegend mitochondrialen Bindung zu einem späteren Austritt der AST relativ zur zytosolischen ALT. Da die AST weder ein leber- noch ein (herz)muskelspezifisches Enzym ist, ist die diagnostische Spezifität gering. Starke Erhöhungen treten bei akuter Hepatitis und schweren toxischen Leberschädigung (Leberdystrohpie) auf. Mäßige Erhöhungen werden gefunden bei Myokardinfarkt, Muskeldystrophie, Stauungsleber, akuter Pankreatitis, Lungenembolie, Nieren- und Hirninfarkt und geringe Erhöhungen bei Leberzirrhose (abhängig vom Aktivitätsgrad), Myokarditis und iatrogen nach intramuskulären Injektionen, Herzmassage, Defibrillation und postoperativ auf. Auch hochdosierte Salicylat- und Heparintherapie führt zur allerdings geringen AST-Erhöhung. Stärkere Hämolysen in vivo und in vitro führen zu AST-Erhöhungen im Serum. Zur Differenzialdiagnose akuter und chronischer Lebererkrankungen kann der AST/ALT-Quotient eingesetzt werden. In sehr seltenen Fällen tritt in der Zirkulation eine Makro-AST, bestehend aus einem hochmolekularen Komplex von AST und Immunglobulinen mit verlängerter biologischer Halbwertszeit auf. Dies führt zu unerklärlichen, isolierten und persistierenden AST-Aktivitäten bei fehlenden klinischen und histologischen Zeichen einer Leber- oder Muskelschädigung. Gammaglutamyltransferase (γ-GT) γ-GT ist ein nahezu ubiquitär, mit der größten Menge in der Leber vorliegendes Enzym, das auch in Hirn, Lunge, Dünndarm, Milz, Mamma, Testes und Prostata vorkommt, jedoch nicht in Muskel, Knochen und Erythrozyten. Intrazellulär ist es zum kleineren Anteil im Zytosol lokalisiert mit einer größeren Fraktion in die Zellmembran integriert. Aktivitätserhöhungen im Serum sind vorwiegend durch hepatobiliäre Erkrankungen bedingt, wobei die höchsten Anstiege bei intrahepatischen und posthepatischen Gallengangsobstruktionen auftreten. Hierbei steigen die γ-GT-Aktivitäten früher an und persistieren länger als die der AP.

Da es bei hepatobiliären Erkrankungen in über 95% der Fälle zu Aktivitätserhöhungen kommt, gilt die γ-GT als die sensitivste Kenngröße dieser Erkrankungen.

Mäßige Anstiege der γ-GT werden bei Fettlebern alkoholischer und nicht alkoholischer Ursache, Medikamentenintoxikationen und Zirrhose, besonders alkoholischer Ätiologie gefunden. Langzeitige Medikation mit Antikonvulsiva und Sedativa (z. B. Phenobarbital, Phenytoin), Cephalosporinen und oralen Kontrazeptiva führt ebenso wie chronischer Alkoholabusus durch Enzyminduktion zu erhöhten Serumaktivitäten. Auch andere Medikamente wie Phenylbutazon, Hydantoine und Rifampicin ebenso wie akute und chronische Pankreatitis führen zu mäßigen γ-GT-Anstiegen. Bei Nierenerkrankungen bleibt die γ-GT im Normbereich, wohingegen Prostatakarzinome ebenso wie die Schwangerschaft zu mäßigen γ-GT-Anstiegen führen. Wie oben angedeutet, eignet sich die Bestimmung der γ-GT-Aktivität in Verbindung mit dem »carbohydrate-deficient transferrin« (CDT) zur Diagnose und Abstinenzkontrolle des chronischen Alkoholabusus.

8

Glutamatdehydrogenase (GLDH) Es handelt sich um ein mitochondrial in den Hepatozyten der Leber lokalisiertes Enzym, wobei es im Lebergewebe im azinuszentralen Läppchenbereich (Zone 3, in der Umgebung der Zentralvene) angereichert ist. Daneben findet sich das Enzym in geringeren Aktivitäten auch in Myokard, Nieren, Hirn, Skelettmuskel, Erythrozyten und Leukozyten.

Diagnostisch wird die Messung der GLDH-Aktivität im Serum als Kenngröße der Leberzellnekrose eingestzt.

Eine Freisetzung der GLDH aus den Hepatozyten zeigt wegen der mitochondrialen Lokalisierung und der hohen Molmasse eine tiefgreifende Einzelzellschädigung an. Da sich alkoholtoxische Leberschädigungen bevorzugt und frühzeitig in den Hepatozyten der Zone 3 manifestieren, sind isolierte GLDH-Erhöhungen im Serum ein Frühsymptom der Alkohohepatitis ebenso wie für eine Stauungsleber bei Rechtsherzinsuffizienz. Die Halbwertszeit in der Zirkulation beträgt 18 h. Starke Erhöhungen des Enzyms treten also bei akuter Hepatitis, akuten toxischen Leberschädigungen (z. B. durch Halothan und Phalloidin), mäßige Erhöhungen bei Leberzirrhosen, Stauungsleber (bei Rechtsherzinsuffizienz) und Mononucleosis infectiosa mit Leberbeteiligung auf. Geringe Erhöhungen werden bei Myokardinfarkt, akuter Pankreatitis und Lebertumoren gefunden. Für die Abschätzung des Schweregrades der Einzelzellschädigung der Hepatozyten kann der GLDH-Transaminasenquotient herangezogen werden, wobei der Quotient umso kleiner wird, je tiefgreifender die Zellnekrose ist.





AST + ALT 03 GLDH

Pseudocholinesterase (PCHE) Zu den Pseudocholinesterasen gehört eine Gruppe (ca. 29 genetische Varianten) von substratunspezifischen Sekretionsenzymen der Leber, die als Kenngröße der Lebersynthesefunktion diagnostisch Bedeutung haben. Sie kommen auch im Pankreas, Herz, Hirn und Serum vor, die Halbwertszeit in der Zirkulation beträgt ca. 10 Tage. Bei ca. 4% aller Individuen treten klinisch relevante atypische Pseudo-PCHE auf, die teilweise hochgradig verminderte Aktivitäten haben und gegenüber Inhibitoren wie Dibucain und Fluorid in unterschiedlicher Ausprägung resistent sind.

Indikationen zur Bestimmung der PCHE-Aktivität sind der Verdacht auf Vergiftung mit Insektiziden vom Typ organischer Phosphorsäuren, die zu einer kompetitiven Enzyminhibition führen.

In Abwesenheit atypischer PCHE-Varianten oder bekannter Enzyminhibitoren (z. B. Morphin, Phenothiazin) ist die PCHEAktivität ein sensitiver Indikator der Synthesekapazität der Leber. Verminderungen um 50% und mehr treten z. B. bei schweren akuten und fortgeschrittenen chronischen Lebererkrankungen (Zirrhose, Tumoren) auf. Erhöhungen der PCHEAktivität sind klinisch von untergeordneter Bedeutung.

96

Kapitel 8 · Spezielle Labordiagnostik

Dibucain-Zahl (DZ). Atypische Formen der PCHE mit deutlich

reduzierten Aktivitäten werden durch erhöhte Resistenz gegenüber Inhibitoren wie Dibucain und Fluorid nachgewiesen. Die Erkennung ist präoperativ wichtig, wenn Muskelrelaxanzien vom Typ des Succinylcholins (Succamethonium), welches durch PCHE abgebaut wird, Verwendung finden. Es kommt zu stark verlängerten Apnoephasen, die durch Substitution humaner PCHE therapierbar sind. Das Ausmaß der Hemmung, angegeben durch die Dibucain-Zahl (DZ) wird nach Messung der PCHEAktivität im Serum in einem Parallelansatz ohne und mit Dibucain nach der Formel berechnet





Dibucain – gehemmte PCHE DZ = 1– 0309 × 100 ungehemmte PCHE

Erniedrigung der DZ bei Heterozygoten im Bereich von 36–75 und bei Homozygoten ≤35 deuten auf atypische PCHE-Varianten hin.

8 8.2.2 Pankreasenzyme α-Amylase Die vorwiegend von Pankreas und Speicheldrüsen sezernierte α-Amylase spielt in der Diagnostik der Pankreatitis eine Rolle.

Das mit höchsten Konzentrationen in den Azinuszellen des exokrinen Pankreas und in Speicheldrüsen auftretende Enzym kommt in geringeren Aktivitäten auch in anderen Drüsen, Organen, Geweben, Blutzellen und Tumoren vor. Als einziges Serumenzym tritt es physiologisch auch im Urin auf, da es aufgrund seiner geringen Molekülgröße uneingeschränkt glomerulär filtriert und nur etwa zu 50% tubulär rückresorbiert wird. Die Halbwertszeit im Blut beträgt 9–18 h. Entzündungsbedingte Nekrosen des exokrinen Pankreas und/oder der Speicheldrüse ebenso wie Abflussstörungen des Pankreas oder der Speicheldrüsen führen zu einem verstärkten Übertritt des Enzyms in den Blutkreislauf. Auch bei abnehmender renaler Clearance und einigen Tumoren (Lunge, Ovar) treten Erhöhungen der Serumaktivität auf. Als Makroamylasämie bezeichnet man die Bildung von Komplexen der Amylase mit Immunglobulinen, die zu einer maximal 4-fachen persistierenden Erhöhung der Serumaktivität führt. Makroamylasämie kann therapeutisch durch Infusion von Amylase-bindender Hydroxyethylstärke induziert werden. Die Makroamylasämie hat eine Prävalenz von 0,1% und keine Krankheitsrelevanz. Bei akuter Pankreatitis steigt die Serumaktivität innerhalb von 2–12 h an, erreicht mit dem 3- bis 40-fachen der Normalaktivität ihr Maximum nach 12–72 h und fällt innerhalb von 3–5 Tagen wieder in den Referenzbereich ab. Der Aktivitätsanstieg ist nicht mit dem Schweregrad der Pankreasnekrose korreliert. Die Isoenzymbestimmung der Pankreasamylase gelingt u. a. mit Hilfe inhibitierender monoklonaler Anti-S-Typ Antikörper durch selektive Hemmung der Speichelamylase.

Lipase Die Bestimmung der Aktivität der Pankreaslipase im Serum dient als Kenngröße von Pankreasnekrosen, z. B. bei (akuter) Pankreatitis.

Synthese und Sekretion des Enzyms erfolgt durch die Azinuszellen des Pankreas, die geringen Mengen extrapankreatischer Lipase werden aufgrund eines abweichenden pH-Optimums bei der Analytik nicht miterfasst. Wegen vollständiger tubulärer Resorption ist Pankreaslipase im Urin normalerweise nicht nachweisbar. Die Halbwertszeit im Blut beträgt 7–14 h. Die Enzymfreisetzung erfolgt bei Pankreasnekrosen im Rahmen akuter und chronisch-rezidivierender Entzündungen oder Traumatisierungen wie auch bei Pankreasgangobstruktion, Tumoren und Gewebeödemen. Bei unkompliziertem Verlauf der akuten Pankreatitis steigt die Lipaseaktivität im Serum innerhalb von 4–8 h an, erreicht den Gipfel (2- bis 50-fache des oberen Referenzbereiches) bei 24 h und fällt innerhalb von 8–14 Tagen zu Referenzwerten ab. Die Erhöhung steht nicht in direkter Proportionalität zur Schwere der akuten Erkrankung. Weiter Ursachen für Erhöhungen der Pankreaslipase können sein: ERCP, Niereninsuffizienz, Virushepatitis, Opiate; Normalaktivitäten treten bei akuter Parotitis auf. An die sehr seltene Makrolipase (Komplex aus Lipase und Immunglobulin G) muss bei moderaten Lipaseerhöhungen ohne klinisches Korrelat und normaler Amylaseaktivität gedacht werden.

Literatur Gressner A, Arndt T (2006) Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik, Bd. 1. Springer, Heidelberg McCormick DB, Klee GG (2001) Tietz fundamentals of clinical chemistry, 5th ed. Saunders, Philadelphia Thomas L (2005) Labor und Diagnose, 6. Aufl. TH-Books, Frankfurt/Main

9 9 Therapeutische Endoskopie S. Truong, O. Schumacher, N. Butz

9.1

Übersicht über die therapeutischen Möglichkeiten – 101

9.2

Polypektomie

– 101

9.2.1 Technik – 101 9.2.2 Komplikationen – 102 9.2.3 Vorgehen nach Polypektomie – 103

9.3

Endoskopische Mukosaresektion

– 103

9.3.1 Indikationen – 103 9.3.2 Technik – 104

9.4

Endoskopische Papillotomie und Steinextraktion aus den Gallenwegen – 104

9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4

Indikationen – 104 Technik – 105 Endoskopische Therapie von Gallengangskonkrementen – 106 Ergebnisse – 107

9.5

Endoskopische transpapilläre Gallengangsdrainage – 107

9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4

Indikationen – 107 Technik – 107 Ergebnisse – 108 Komplikationen – 109

9.6

Endoskopische Therapie der chronischen Pankreatitis – 109

9.6.1 Stenosen des Ductus wirsungianus – 109 9.6.2 Steine im Ductus wirsungianus – 109 9.6.3 Pankreaspseudozysten – 110

9.7

Endoskopische Therapie gutartiger Stenosen im Gastrointestinaltrakt – 110

9.7.1 Endoskopische Therapieverfahren – 111 9.7.2 Endoskopische Therapie der Ösophagusachalasie

9.8

– 111

Endoskopische palliative Tumortherapie im gastrointestinalen Trakt – 112

9.8.1 Endoskopische Stentimplantation – 112 9.8.2 Lasertherapie – 113

9.9

Perkutane endoskopische Gastrostomie – 114

9.9.1 Indikationen – 114 9.9.2 Technik – 114 9.9.3 Komplikationen – 115

9.10

Blutstillung bei oberer gastroduodenaler Blutung – 115

9.10.1 9.10.2 9.10.3 9.10.4

Differenzialdiagnostik – 115 Ablauf in der Klinik – 117 Endoskopische Therapie – 117 Technik – 117

9.11

Fremdkörperextraktion Literatur – 120

– 119

101 9.2 · Polypektomie

9.2

) ) Die Begriffe »therapeutische« und »operative« oder »chirurgische« Endoskopie werden heute überwiegend synonym für alle Eingriffe verwendet, die unter endoskopischer Kontrolle durchgeführt werden. Zahlreiche chirurgische Eingriffe können heute auf endoskopischem Wege mit dem damit verbundenen geringeren Risiko für den Patienten vorgenommen werden. Die erste therapeutische Maßnahme, die über den Arbeitskanal des flexiblen Endoskops durchgeführt wurde, war die Abtragung von gestielten Polypen mit einer Drahtschlinge unter Verwendung von Hochfrequenzströmen (Deyhle et al. 1974). Das Spektrum der therapeutischen Endoskopie ist seitdem breiter geworden. Die Grundvoraussetzung dafür liefert die Industrie mit stetigen technischen Verbesserungen, z. B. durch die Produktion großlumiger Operationsendoskope oder durch die Weiterentwicklung der entsprechenden Hilfsinstrumente, wie Schlingen, Dormiakörbchen, Papillotomen, Zangen, Scheren, Injektionssonden und Clipapplikatoren. Bei allen im Folgenden dargestellten Behandlungstechniken handelt es sich um klinisch etablierte Verfahren. Die Vorteile der therapeutischen Endoskopie sind: 5 Defensives Eingreifen ohne Eröffnung einer Körperhöhle 5 Minderung der Komplikationsrate 5 Möglichkeit der ambulanten Behandlung bzw. kürzere stationäre Aufenthaltsdauer 5 Niedrige Behandlungskosten

9.1

Übersicht über die therapeutischen Möglichkeiten

Zu den standardisierten therapeutischen Eingriffen gehören heute: 4 Endoskopische Blutstillung 4 Polypektomie 4 Endoskopische Mukosaresektion (EMR) 4 Bougierung und Dilatation von Stenosen 4 Palliative Therapie maligner Stenosen durch 5 Laser 5 Stenteinlage 5 Endokavitäre Strahlentherapie in Afterloading-Technik 5 Lokale Applikation von Kryo- oder Thermosonden 5 Lokale Alkoholinjektion 5 Schlingenresektion 4 Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) 4 Endoskopische Papillotomie (EPT) 5 Gallengangsdrainage 5 Entfernung von Gallengangssteinen 4 Endoskopische Drainage von Pankreaspseudozysten, Therapie von chronischen Pankreatitiden 4 Fremdkörperentfernung 4 Sondeneinführung zur Dekompression bei Ileus 4 Koloskopische Dekompression bei Pseudoobstruktion 4 Blutstillung 4 Septektomie bei Zenker-Divertikel

9

Polypektomie

Als Polypen (griech. polypos = Tintenfisch) bezeichnet man erhabene Schleimhautveränderungen oder Vorwölbungen in das Darmlumen, die über das Niveau der Schleimhaut hinausragen. Man unterscheidet »nicht neoplastische« und »neoplastische« Polypen. Bei den neoplastischen Polypen beträgt der Anteil der Adenome ca. 80% (Winawer et al. 1988; Hamilton et al. 2000). Die histologische Differenzierung sowie die Feststellung von Malignitätsgrad, Infiltrationstiefe und Lymphgefäßeinbrüchen ist nur durch die Aufarbeitung des gesamten Gebildes möglich. Die Polypektomie ist daher primär ein diagnostischer Eingriff. Auf der anderen Seite können aus benignen Adenomen invasive Karzinome entstehen (Adenom-Karzinom Sequenz; Hermanek 1992), sodass die gezielte endoskopische Polypektomie die Inzidenz von kolorektalen Karzinomen um bis zu 90% senken kann (Winawer et al. 1993, Brenner et al. 2001; Citarda et al. 2001). Cave Kontraindikationen zur endoskopischen Polypektomie sind hämorrhagische Diathesen, Polypen mit einem Basisdurchmesser von mehr als 3 cm, floride entzündliche Darmerkrankungen und dekompensierte kardiopulmonale Insuffizienz.

Für eine sichere histologische Beurteilung ist die komplette Polypektomie, d. h. die Abtragung sämtlicher Polypenanteile, notwendig. 9.2.1 Technik Vor der Polypektomie muss eine Darmvorbereitung durch orthograde Spülung oder Gabe von Laxanzien durchgeführt werden. Immunsupprimierte Patienten oder Patienten mit Vitien erhalten kurz vor dem Eingriff eine Antibiotikagabe zur Endokarditisprophylaxe. Vor der Abtragung sind der ganze Polyp sowie seine Basis genau zu inspizieren. Zur besseren Inspektion ist manchmal eine Umlagerung des Patienten oder Manipulation des Polypen mit der geschlossenen Biopsiezange erforderlich. Die Polypektomieschlinge wird in Höhe des Polypen ausgefahren und über den Polypen gelegt. Unter gleichzeitigem Vor-

. Abb. 9.1. Technik der endoskopischen Polypektomie mittels Diathermieschlinge

102

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

a

9

b

c

. Abb. 9.2a–c. Schritte bei der endoskopischen Abtragung eines Kolonadenoms. a Gestieltes Adenom vor der Abtragung, b Anlage eines Endo-

loop vor der Abtragung, c Bild des komplett abgetragenen gestielten Adenoms

schieben der Sonde wird die Schlinge soweit eingezogen, bis sie den Stiel umfasst. Die Abtragung erfolgt mit intermittierenden Stromstößen. Um die Blutungsgefahr zu minimieren, soll ein sog. Koagulationsstrom verwendet werden. Damit eine Verletzung der Darmwand durch die Spitze der Schlinge vermieden wird, muss die Schlinge mit dem Polypen während der Stromapplikation von der Darmwand weg in das Lumen luxiert werden (. Abb. 9.1). Zur Vorbeugung von Komplikationen im Rahmen der Polypektomie, z. B. Blutungen oder Perforationen, kann vor der Abtragung eine submuköse Unterspritzung an der Basis des Polypen mit verdünnter Adrenalinlösung (1:10.000) durchgeführt werden. Bei großen gestielten Polypen kann auch eine Ligatur an der Basis des Polypen mittels Endoloop oder Haemoclip angebracht werden (. Abb. 9.2). Die Komplikationsrate der Polypektomie kann durch eine submuköse Unterspritzung vor der Abtragung signifikant gesenkt werden.

Eine spätere Sekundärblutung kann zwischen dem 2. und 14. postoperativen Tag auftreten. Als Ursache wird angenommen, dass sich das Blutkoagel, welches sich an der Abtragungsstelle ausbildet, durch eine nachfolgende Entzündungsreaktion im Abtragungsbereich ablöst. Sekundärblutungen werden häufig bei Patienten beobachtet, die Thrombozytenaggregationshemmer oder Antikoagulanzien einnehmen. Die Inzidenz einer Blutung nach Polypektomie wird in der Literatur mit 0,8–1,7% angegeben (Frühmorgen et al. 1990). Therapie. Tritt eine Blutung unmittelbar nach der Polypektomie auf, so kann die Blutungsstelle endoskopisch durch folgende Techniken behandelt werden: 4 Endoskopische Ligatur (Endoloop, Clips; . Abb. 9.3) 4 Lokale Unterspritzung durch mit Kochsalz verdünnte Adrenalinlösung (1:10.000) 4 Elektrokoagulation (cave: Perforation bei Koagulation an der Abtragungsstelle)

9.2.2 Komplikationen Blutungen und Perforation stellen die häufigsten Komplikationen der Polypektomie dar. Weitere seltene Komplikationen wie Postpolypektomiesyndrom, Pneumoperitoneum und Milzruptur werden in der Literatur beschrieben. Blutung Die häufigste Komplikation ist die Blutung, die gewöhnlich sofort nach Polypektomie auftritt. Es handelt sich in der Regel um eine leichte Sickerblutung, die spontan sistiert. Gelegentlich kommt es auch zu einer arteriellen Spritzblutung, die eine sofortige endoskopische Therapie erfordert. Ursachen für Blutungskomplikationen 5 5 5 5 5

Abtragung eines breitbasigen Polypen Unvollständige Gefäßkoagulation Polypektomie bei Patienten mit Gerinnungsstörungen Mangelhafte Technik bei der Abtragung Verwendung von Schneidestrom mit hoher Stromstärke

. Abb. 9.3. Behandlung einer Nachblutung nach Polypektomie durch nachträgliches Anlegen eines Endoloop an die Basis des Polypen

103 9.3 · Endoskopische Mukosaresektion

9.3

9

Endoskopische Mukosaresektion

Nur bei massiver, endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung ist eine operative Therapie indiziert.

Perforation Das Risiko einer Darmperforation nach Polypektomie im Kolon liegt zwischen 0,25% und 0,5% (Frühmorgen et al. 1990). Klinische Symptomatologie. Charakteristisch sind abdominelle

Schmerzen mit zunehmender Intensität, Peritonismus und Fieber. Häufig lässt sich eine subphrenische Luftsichel in der Abdomenleeraufnahme im Stehen nachweisen. Die Diagnose einer Perforation ergibt sich in manchen Fällen bereits während der endoskopischen Untersuchung: Die insufflierte Luft entweicht, das Darmlumen kollabiert, und der Patient klagt gleichzeitig über heftige Schmerzen. In manchen Fällen verläuft die Perforation auch schleichend, und die Symptome treten erst nach einem Intervall von einigen Stunden bis zu 36 h auf. Bei einer gedeckten Perforation tritt die Beschwerdesymptomatik häufig verzögert auf (12–24 h nach der Polypektomie). Bei der Röntgenuntersuchung lässt sich keine freie Luft in der Bauchhöhle nachweisen. Die Beschwerden sind wahrscheinlich Folge einer Hitzeschädigung der Darmwand sowie einer entzündlichen Reaktion des Peritoneums. Therapie. Bei einer freien Perforation ist die sofortige chirurgische Therapie indiziert. Nach Knoch liegt die Letalität einer Kolonperforation unter 20%, wenn innerhalb der ersten 8 h gehandelt wird. Sie steigt auf über 50%, wenn die Perforation erst nach 24 h oder später einer Therapie zugeführt wird. Bei einer gedeckten Perforation wird das Therapieverfahren kontrovers diskutiert. Bei Patienten mit milden klinischen Symptomen kann eine konservative Therapie durch Antibiotikagabe und parenterale Ernährung unter strengen klinischen und laborchemischen Kontrollen versucht werden.

9.2.3 Vorgehen nach Polypektomie Nichtneoplastische Polypen wie Hamartome (bei juvenilen und Peutz-Jeghers Polypen) und hyperplastische Polypen weisen kein malignes Potenzial auf. Eine Nachsorge mit endoskopischer Kontrolle ist nur bei Patienten mit multiplen Polypen oder bei familiären Karzinombelastungen zu empfehlen. Neoplastische Polypen wie Adenome können sich zu invasiven Karzinomen entdifferenzieren. Daher ist nach kompletter Polypektomie eine erste Kontrolle nach 3 Jahren, dann in 5-jährigem Intervall indiziert. Bei inkompletter Polypektomie ist eine endoskopische Kontrolle bereits nach 3 Monaten erforderlich. Invasives Wachstum (pT1): Bei Low-risk-Frühkarzinomen ist eine endoskopische Kontrolle nach 6, 24 und 60 Monaten erforderlich. Bei High-risk-Frühkarzinomen ist eine chirurgische Therapie indiziert (Schmiegel et al. 2000; Hahne et al. 2004).

Die endoskopische Mukosaresektion (EMR) wird zur Behandlung von Frühkarzinomen des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes eingesetzt.

Frühkarzinome (Carcinoma in situ, mukosale, intramukosale, intraepitheliale Karzinome) sind histologisch nur auf die Mukosa beschränkt und weisen eine niedrige Rate von Lymphknotenmetastasen auf (0–5%; Kojima et al. 1998). Bei Infiltration der Submukosa erhöht sich die Rate der Lymphknotenmetastasen auf bis zu 35% (Netzer et al. 1998; Frühmorgen et al. 2003; . Tab. 9.1). Im Rahmen der Weiterentwicklung und Verbesserung der Endoskopie, z. B. durch Chromoendoskopie und Vergrößerungsendoskopie (High-resolution- und Magnifikationsendoskopie), ist die Früherkennungsrate der Frühkarzinome und adenomatösen Krebsvorstufen im Gastrointestinaltrakt angestiegen. In Japan beträgt der Anteil der Frühkarzinome bei Ösophaguskarzinomen 24% (Yoshinaka et al. 1991), bei Magenkarzinomen 50% (Shimuzu et al. 1995) und bei Kolonkarzinomen 20% (Schida et al. 1996). Zur Behandlung dieser Frühkarzinome stehen verschiedene endoskopische Verfahren wie photodynamische Therapie, Lasertherapie, Argon-Plasma-Koagulation oder endoskopische Mukosaresektion zur Verfügung. Im Vergleich zu den thermischen Destruktionsverfahren ist bei der EMR eine histologische Untersuchung des resezierten Präparates möglich (Rembacken et al. 2001). Aus diesem Grund wird die EMR zunehmend in westlichen Ländern zur Therapie von Frühkarzinomen im Gastrointestinaltrakt eingesetzt. 9.3.1 Indikationen Im Ösophagus ist die EMR bei Frühkarzinomen der Typen m1 und m2 indiziert, wobei der Tumordurchmesser weniger als 2 cm betragen soll. Bei Magenfrühkarzinomen ist die Indikation zur EMR beim intestinalen Typ, bei Mukosabefall und bei den makroskopischen Typen I, IIa und IIb ohne Ulzeration gegeben (. Abb. 9.4). Außerdem soll der Tumordurchmesser kleiner als 2 cm sein (Tani et al. 2003). Im Allgemeinen soll der Tumor gut differenziert und nicht größer als 2 cm im Durchmesser sein. Bei ulzerierter Form ist aufgrund der Fibrosierung eine Anhebung der Läsion von der Submukosa durch Unterspritzung nicht möglich. Vor der endoskopischen Mukosaresektion ist ein Ausschluss von Lymphknotenmetastasen durch den Einsatz der Endosonographie

. Tabelle 9.1. Häufigkeit von Lymphknotenmetastasen

Tumorinfiltration Organ

Mukosa

Submukosa

Ösophagus

4%

35%

Magen

0–5%

10–20%

Kolon

2–3%

8–12%

104

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

. Tabelle 9.2. Einteilung der Karzinominvasion

Stadium

Definition

m1

Epithelialkarzinom oder Mukosakarzinom mit Infiltration in die Lamina propria

m2

Befall zwischen m1 und m3

m3

Mukosakarzinom mit Infiltration in die Lamina muscularis mucosae

sm1

Submukosakarzinom mit Befall des ersten Drittels der Submukosaschicht

sm2

Submukosakarzinom mit Invasion des mittleren Drittels der Submukosaschicht

sm3

Massive Invasion der Submukosa

. Abb. 9.4. Makroskopische Einteilung der Frühkarzinome

. Abb. 9.5. Diathermiemesser mit isolierter Spitze

9

möglich. Die Trefferquote zur Differenzialdiagnose zwischen Mukosa- und Submukosabefall liegt bei der Endosonographie mit 20-MHz-Schallkopf bei 71–91%. Dies ist von Bedeutung, da eine endoskopische Mukosaresektion nur bis einschließlich des Stadium m2 eine ausreichende Sicherheit bietet. Tumoren der Stadien m3 + sm1 stellen wegen der relevanten Rate an Lymphknotenmetastasen nur eine relative Indikation zur EMR dar (. Tab. 9.2 und . Abb. 9.8; Shim 2001). 9.3.2 Technik Prinzipiell können folgende 3 Techniken angewendet werden: 4 Technik mit Injektion und Exzision ohne Aspiration (StripBiopsie) 4 Aspirationsmukosektomie mit Zylindervorsatz (Inohue et al. 1993) 4 Modifizierte Technik, z. B. EMR mittels Diathermiemesser mit isolierter Spitze (Ohkuwa et al. 2001) Injektion und Exzision ohne Aspiration (Strip-Biopsie). Bei der

Strip-Biopsie-Technik wird zunächst die Basis der Läsion durch eine submuköse Injektion mit Kochsalzlösung oder mit dickflüssig-viskösen Substanzen mit langanhaltendem Effekt, wie z. B. Glyzerol, Hydroxypropyl, Methylzellulose oder Natriumhyaluronat, unterspritzt (Fujishiro et al. 2004). Zur besseren Erkennung der Läsion kann auch eine Mischung von 0,5 ml Methylenblau und 10 ml NaCl verwendet werden. Die durch die Unterspritzung erhabene Läsion wird dann mittels endoskopischer Schlinge reseziert (. Abb. 9.6). Diese Technik lässt sich einfacher durch den Einsatz von Endoskopen mit 2 Arbeitskanälen durchführen: Über den ersten Arbeitskanal wird die Schlinge um die zu resezierende Läsion gelegt, über den zweiten Arbeitskanal wird die Läsion gleichzeitig mit Hilfe einer Fasszange angehoben. Anschließend kann die Läsion abgetragen werden. Eine Markierung der Läsion vor submuköser Unterspritzung erleichtert die nachfolgende Abtragung. Die Unterspritzung selbst senkt das Perforationsrisiko während der Abtragung. Aspirationsmukosektomie mit Zylindervorsatz. Nach Lokalisa-

tion der Läsion mittels Chromoendoskopie wird diese durch sub-

muköse Unterspritzung mit Kochsalzlösung oder einer gleichwirksamen Substanz angehoben. Der Zylindervorsatz aus transparentem Plastik wird an der Spitze des Endoskops angebracht. Die eingeführte dünne Schlinge wird nun an der inneren Kante des Zylindervorsatzes ausgefahren. Der Tumor wird in den Zylinder hineingesaugt und die Schlinge kann zugezogen werden; danach erfolgt die Abtragung des Tumors (. Abb. 9.7). EMR mittels Diathermiemesser mit isolierter Spitze. Nach der Unterspritzung wird zunächst eine kleine Inzision mit einem konventionellen Messer durchgeführt. Die weitere Tumorexzision erfolgt dann mit dem Diathermiemesser mit isolierter Spitze. Diese isolierte Spitze verhindert das Tieferschneiden bei der Resektion (. Abb. 9.5).

Endoskopische Papillotomie und Steinextraktion aus den Gallenwegen

9.4

Die endoskopische Sphinkterotomie wurde im Jahre 1974 in Deutschland durch Classen und Demling sowie in Japan durch Kawai eingeführt. Die Spaltung des Sphinkter Oddi ist die Voraussetzung für viele diagnostische und therapeutische Eingriffe im Gallengang- und Pankreasgangsystem. 9.4.1 Indikationen

Indikationen zur endoskopischen Papillotomie 5 5 5 5 5 5

Gallengangskonkremente Papillenstenose Septische Cholangitis Biliäre Pankreatitis Drainage bei postoperativen Gallengangsläsionen Gallengangsdrainage bei inoperablem Verschlussikterus

Die Durchführung einer endoskopischen Papillotomie sollte immer mit einer therapeutischen Option begründet sein.

105 9.4 · Endoskopische Papillotomie und Steinextraktion aus den Gallenwegen

b

a

c . Abb. 9.6a–d. Schritte bei der Strip-Biopsie eines breitbasigen Adenoms. a Schematische Darstellung der Technik der Strip-Biopsie, b endos-

9

d kopisches Bild des Adenoms vor der Biopsie, c gleiches Adenom nach submuköser Injektion, d Abtragungsstelle nach Strip-Biopsie

. Abb. 9.8. Stadien der Karzinominvasion in Mukosa und Submukosa

9.4.2 Technik

. Abb. 9.7a,b. Technik der Aspirationsmukosektomie. a Kopf des Instruments mit ausgefahrener Diathermieschlinge, b einzelne Arbeitsschritte bei der Mukosektomie

Zur endoskopischen Papillotomie (EPT) wird ein Duodenoskop mit Seitenoptik verwendet. Nach Darstellung der Papilla vateri und Sondierung des Gallengangs mit dem Papillotom wird der Schneidedraht in 12-Uhr-Position eingestellt (. Abb. 9.9). Diese ist wichtig, um eine Verletzung von Duodenalwand oder Pankreasgang zu vermeiden. Mit kurzen Stromstößen wird eine Kombination von Schneide- und Koagulationsstrom durch einen Hochfrequenzgenerator abgegeben. In der gleichen Zeit wird das Papillotom zurückgezogen. Zur Vermeidung von Blutungen sollen

106

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

Steins vorgeschoben. Nach Öffnen der Fangarme wird dann der Stein unter Vor- und Rückwärtsbewegungen in das Körbchen eingefangen und aus dem Gallengang entfernt (. Abb. 9.10). Die Erfolgsrate der endoskopischen Steinextraktion nach EPT liegt bei ca. 85%. Gallengangsteine sind schwierig oder unmöglich zu entfernen, wenn die Steine sehr groß sind oder wenn ein Missverhältnis zwischen der Größe der Steine und der Lumenweite des Gallengangs besteht (. Abb. 9.11). Schwierigkeiten sind ab einer Steingröße von 15 mm Durchmesser zu erwarten.

. Abb. 9.9. Technik der EPT

9

die Schnittführungen nicht über die Querfalten der Papille hinausgehen. Die gesamte Komplikationsrate der EPT liegt unter 6,8% (Blutung 2,6%, Cholangitis 1,8%, akute Pankreatitis 1,3%, Perforation 1,1%; Barthet et al. 2002; Mutignani et al. 2004). 9.4.3 Endoskopische Therapie von Gallengangs-

konkrementen Steinextraktion Die endoskopische Steinextraktion kann mit Hilfe eines Dormiakörbchens durchgeführt werden. Dazu wird das Dormiakörbchen in geschlossenem Zustand in den Gallengang proximal des

Steinfragmentation Es gibt verschiedene Techniken zur Fragmentierung von Gallengangssteinen, wenn eine endoskopische Extraktion bei großen Konkrementen misslingt: 4 Mechanische Lithotripsie 4 Elektrohydraulische Lithotripsie 4 Ultraschalllithotripsie 4 Laserlithotripsie Die Techniken können entweder durch endoskopisch retrograden Zugang oder durch einen perkutan transhepatischen Zugang erfolgen. Mechanische Lithotripsie Der mechanische Lithotripter funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Steinextraktion mit Dormiakörbchen. Er besteht aus einem Körbchen in einem längsstabilen und flexiblen Stahlmantel (. Abb. 9.12). Bei der Lithotripsie wird über einen Gewindemechanismus Zug auf den Führungsdraht des Dormiakörbchens ausgeübt, sodass die Fangarme des Körbchens das eingefangene Konkrement durchschneiden. Die allgemeine Erfolgsrate der mechanischen Lithotripsie liegt bei 85%.

. Abb. 9.10a,b. Bergung eines Gallengangkonkrements. a Darstellung des Konkrements im Ductus choledochus, b Extraktion des Konkrements mit Dormiakörbchen

107 9.5 · Endoskopische transpapilläre Gallengangsdrainage

9

9.4.4 Ergebnisse Eine Steinextraktion ist in 85% der Fälle mittels Dormiakörbchen und Ballonkatheter möglich. Von allen Fragmentationstechniken ist die mechanische Lithotripsie die einfachste Technik im Hinblick auf Praktikabilität, Effizienz und Kosten. Die Erfolgsrate der mechanischen Lithotripsie liegt bei 85%. Dies führt zu einer allgemeinen Steigerung der gesamten Erfolgsrate von endoskopischen Methoden bei Gallengangsteinen bis auf 97%. Laser, elektrohydraulische Lithotripsie und Schockwellen sind zusätzliche effektive Methoden. Die endoskopische Platzierung von Gallengangsendoprothesen unter Belassung der Konkremente bleibt älteren Patienten mit hohem chirurgischem Risiko vorbehalten (Costamagna et al. 2001; Shah et al. 2002; Neuhaus 2004). Mit den aktuell verfügbaren endoskopischen Verfahren ist es möglich, 97% aller Gallenwegskonkremente zu extrahieren.

. Abb. 9.11. Missverhältnis zwischen großem Konkrement und engem Lumen im distalen Ductus choledochus

9.5

Endoskopische transpapilläre Gallengangsdrainage

9.5.1 Indikationen

. Abb. 9.12. Abbildung eines mechanischen Lithotripters

Lasertherapie Bei dieser Technik kommt ein gepulster Laser zum Einsatz, dessen hohe Energie während der Behandlung in mechanische Energie umgewandelt wird, die den Stein desintegriert. Über einen in den Arbeitskanal des Endoskops eingeführten flexiblen Lichtleiter wird dabei die Laserenergie zum Konkrement transportiert. Der Vorteil des Lasers scheint zu sein, dass die hohe Energie auch große Steine zerstören kann. Der Nachteil dieser Methode besteht darin, dass der Eingriff nur unter endoskopischer Sicht durchgeführt werden kann und mit hohen Kosten verbunden ist. Die Erfolgsrate der Laserlithotripsie wird mit 95% angegeben, Nebenwirkungen wurden bisher im Bereich der Gallengänge nicht beobachtet. Extrakorporale Schockwellen In einer prospektiven multizentrischen Studie bei 113 Patienten mit Gallengangsteinen konnte Sauerbruch eine Erfolgsrate von 86% berichten (Sauerbruch u. Stern 1989). Die hospitale Mortalität wurde mit 1,8% angegeben, die Nebenwirkungsrate betrug insgesamt 27%.

Die Hauptindikation zur Implantation einer Endoprothese oder eines Stents stellen in etwa 90% der Fälle inoperable maligne Verschlüsse der Gallenwege dar, welche der Häufigkeit nach durch Karzinome des Pankreaskopfes, der Gallenwege und durch Metastasen bedingt sind. Für diese Tumoren findet sich ein Altersgipfel in der 6. bis 7. Lebensdekade. Die Beschwerden der Patienten bei den genannten Krankheitsbildern sind so uncharakteristisch, dass die Diagnosestellung häufig erst beim Auftreten eines Ikterus erfolgt. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist bei Gallenwegskarzinomen in bis zu 60% der Fälle mit einer regionären Metastasierung in Lymphknoten oder Leber zu rechnen. In fast 50% der Fälle sind Fernmetastasen nachweisbar. Zu diesem Zeitpunkt sind kurative Maßnahmen nur noch in Ausnahmefällen möglich. Das therapeutische Vorgehen hat dementsprechend einen palliativen Charakter. Im Vordergrund der Maßnahme steht dabei die mechanische Entlastung der Gallenwege. Aufgrund der Ergebnisse einer Metaanalyse von 8 veröffentlichten retrospektiven und 2 prospektiven randomisierten Studien konnten Saleh und Mitarbeiter bei malignem Verschlussikterus, bezüglich der postoperativen Morbidität und Mortalität, keinen vorteilhaften Effekt für eine präoperative Gallengangsdrainage mit Stent oder Endoprothese feststellen. Eine Indikation zur präoperativen Gallengangsdrainage ist damit nicht gegeben (Saleh et al. 2002). Zu den gutartigen Erkrankungen, welche die restlichen 10% ausmachen, zählen die distale Choledochusstenose infolge einer chronischen Pankreatitis, die postoperative Striktur, die postoperative Gallenleckage, die sklerosierende Cholangitis u. ä. m. (Bilsel et al. 2003; Stiehl 2004). 9.5.2 Technik Der Eingriff wird mit einem Fiberglasendoskop mit Seitenoptik durchgeführt. Das Prothesenset nach Soehendra und Reynders-

108

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

. Abb. 9.13. Verschiedene Endoprothesen zur Gallengangdrainage

9

Frederix besteht aus Führungsdraht, Schubkatheter, Führungskatheter und Endoprothese. Am häufigsten werden zurzeit folgende 3 Prothesen eingesetzt (. Abb. 9.13): 4 Die Pigtail-Prothese weist an der Spitze eine bogenförmige Krümmung auf, durch die die Prothese nach erfolgter Platzierung im Gallengang gehalten wird. 4 Die doppelte Pigtail-Prothese mit zusätzlicher Biegung am distalen Ende soll die Gefahr einer prothesenbedingten Duodenalläsion vermeiden. 4 Die gerade Prothese nach Huibregste ist mit einem flügelartigen Einschnitt an beiden Enden versehen.

Kunststoffprothesen werden im Allgemeinen gegenüber den kostspieligen Metallstents bevorzugt. Letztere haben aufgrund ihrer größeren Lumina (bis etwa 10 mm) einen exzellenten initialen Drainageeffekt. Sie verstopfen jedoch infolge von Tumorein- und -überwuchs und haben den Nachteil, dass sie nicht entfernbar sind. Metallstents sollten daher nicht bei benignen Stenosen verwendet werden. Wiederholte Okklusionen sowie Dislokationen der Kunststoffprothesen und Cholangitiden bei malignen Verschlüssen sind die Hauptindikationen für Metallstents. Meist handelt es sich hierbei um Patienten mit langsam fortschreitenden Neoplasmen, wie z. B. Klatskin-Tumoren (Soehendra u. Seitz 2003). Nach der Durchführung einer endoskopischen Papillotomie wird mit Hilfe des Führungskatheters ein Führungsdraht in den Gallengang eingeführt und unter Röntgendurchleuchtung durch die Stenose bis in die intrahepatischen Gallenwege vorgeschoben. Anschließend wird der Führungskatheter entfernt. Die Endoprothese wird auf den Führungsdraht gefädelt und mit dem Schubkatheter durch den Arbeitskanal des Endoskops in den Gallengang eingeführt. Unter radiologischer und endoskopischer Kontrolle wird die Prothese durch die Stenose vorgeschoben. Das distale Ende der Prothese soll bei korrekter Lage ca. 1 cm in das Duodenallumen hineinragen (. Abb. 9.14). 9.5.3 Ergebnisse Die technische Erfolgsrate der endoskopischen Platzierung von Gallengangsendoprothesen liegt in der Literatur bei 84%. Misserfolge sind durch eine duodenale Stenose oder nicht durchführbare endoskopische Papillotomie bei Patienten nach reseziertem

. Abb. 9.14a–e. Technik der endoskopischen Platzierung einer Endoprothese bei Stenosierung des Gallengangs. a Darstellung der Stenose, b Vorschieben des Führungsdrahtes über die Stenose, c Vorschieben der Endoprothese, d Endoprothese in situ, e schematische Darstellung der exakten Lage der Prothese

a

b

c

d

e

109 9.6 · Endoskopische Therapie der chronischen Pankreatitis

9

9.5.4 Komplikationen Frühkomplikationen sind entweder durch die Papillotomie selbst oder durch die Endoprothese bedingt. Als Komplikationen der Papillotomie werden in der Literatur Blutungen mit 1%, Pankreatitis mit 1% und Perforationen mit 0,55% angegeben. Endoprothetisch bedingte Komplikationen sind akute Cholezystitis (1%), Okklusion der Endoprothese (2%) und akute Cholangitis (7–18%). Als Spätkomplikationen sind häufig Okklusionen der Drainage mit bis zu 36% zu verzeichnen. In seltenen Fällen treten auch hier noch Dislokationen und Perforation der Drainage auf. Bei 10% aller Patienten entwickeln sich Duodenalstenosen. Mortalität. Die gesamte Hospitalletalität bei endoskopischen Eingriffen liegt in der Literatur bei bis zu 6%. Unter Verwendung von großkalibrigen Endoprothesen ist eine Senkung der Cholangitisrate und damit auch der Letalität auf bis zu 3,5% zu verzeichnen. Bifurkationstumoren weisen aufgrund inkompletter Drainage bei einseitiger Prothesenimplantation eine hohe Letalität bis 25% auf. Papillentumoren haben eine Mortalitätsrate von lediglich 2% (Rey et al. 2002). Prothesenokklusion. Die Ursache der Katheterokklusion liegt

. Abb. 9.15. Abb. 9.15. Bilaterale Drainage mit 2 Endoprothesen bei Klatskin-Tumor (getrennte Schienung von rechtem und linkem Ductus hepaticus)

Magen, z. B. bei Billroth-II- oder Roux-Y-Anastomosen, bedingt. Hochgradige Stenosen, die ein Vorschieben des Führungsdrahtes verhindern, führen ebenfalls zu Misserfolgen bei der Implantation. Die Erfolgsrate bei Leberhilustumoren liegt mit 58% eindeutig niedriger als bei Tumoren im extrahepatischen Gallengangssystem (97%; Cheng 2002). Effektivität der Drainagen. Nach technisch erfolgreicher Platzie-

rung der Endoprothese ist in ca. 90% der Fälle ein Abfall des Serumbilirubins auf unter 50% des Ausgangswertes zu beobachten. Eine fehlende Effektivität der Drainage kann durch Dislokation oder Verstopfung des Drains bedingt sein. Bei KlatskinTumoren gelingt häufig nur ein partieller Drainage-Effekt. Aus diesem Grunde sollte angestrebt werden, die Prothesen einzeln in den linken und rechten D. hepaticus zu platzieren (. Abb. 9.15). Der Abfall des Bilirubinspiegels erfolgt in der Regel innerhalb von 4 Wochen. Überlebenszeiten nach Prothesenimplantation. Die mittlere Überlebenszeit nach Prothesenplatzierung liegt bei 4,2 Monaten. Es besteht eine deutliche Abhängigkeit der Überlebenszeit von der Effektivität der Endoprothese. Bei effektiver Drainage beträgt die Überlebenszeit 7,5 Monaten im Gegensatz zu 1,2 Monaten bei nicht effektiv drainierten Patienten (Freeman u. Overby 2003). Eine Normalisierung des Bilirubins nach Prothesenplatzierung ist demnach als günstiger prognostischer Faktor hinsichtlich der Überlebenszeit zu werten. Die Verwendung einer möglichst großlumigen Gallengangsdrainage verlängert das Intervall bis zu deren Okklusion und senkt damit die Cholangitisrate.

in einer Inkrustierung des Katheterlumens durch Ablagerung von Galle und Zelldetritus. Diese Komplikation wird in der Literatur in bis zu 50% der Fälle angegeben. Die durchschnittliche Liegedauer der Prothesen beträgt 3,4 bis 5 Monate. Bei Katheterokklusion ist ein rechtzeitiger Katheterwechsel erforderlich, um einer septischen Cholangitis vorzubeugen (Kaasis et al. 2003). 9.6

Endoskopische Therapie der chronischen Pankreatitis

Obstruktionen des Pankreasganges durch narbige Stenosen oder intraduktale Konkremente sind nicht selten Ursache von Schmerzen bei akut rezidivierender Pankreatitis oder chronischer Pankreatitis. Eine endoskopische Therapie ist im Rahmen der folgenden pathologischen Befunde indiziert: 9.6.1 Stenosen des Ductus wirsungianus Bei kurzstreckigen Pankreasgangstenosen mit Gangdilatation vor den Stenosen können diese nach Seldinger-Technik aufbougiert oder mit dem Ballon aufdilatiert und anschließend mit einer 7-French-Endoprothese geschient werden. 9.6.2 Steine im Ductus wirsungianus Pankreasgangsteine können nach EPT mit einem Dormiakörbchen oder Ballon aus dem D. wirsungianus entfernt werden. In den meisten Fällen sind die Konkremente im Gang impaktiert und müssen mit der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) zertrümmert werden. Mit der sonographisch gesteuerten ESWL lassen sich solche Steine am Hauptgang erfolgreich desintegrieren, sodass die kleinen Fragmente spontan abgehen können (Soehendra u. Seitz 2003).

110

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

9.6.3 Pankreaspseudozysten Im Verlauf der chronischen Pankreatitis kommt es bei 25% der Patienten zur Entwicklung von Pankreaspseudozysten. Innerhalb der ersten 6 Wochen bilden sich 40% der Pseudozysten spontan zurück. Nach 12 Wochen ist die Spontanregression von Pseudozysten nur noch sehr gering, und Komplikationen werden in bis zu 2/3 der Fälle beobachtet. Ursächlich für die Entstehung von Komplikationen ist die Größenzunahme der Zysten auf über 5 cm. Treten Beschwerden auf, kann in geeigneten Fällen, bei geringerer Belastung des Patienten, eine endoskopische Pseudozystendrainage durchgeführt werden (Mayerle et al. 2004). Indikationen zur endoskopischen Pseudozystendrainage 5 Symptomatische Zysten (Schmerzen, Verschlussikterus, Kompression des Duodenums) 5 Infizierte Zysten 5 Zysten >6 cm im Durchmesser . Abb. 9.16. Endoskopische transgastrische Drainage einer Pankreaspseudozyste mittels Kunststoffprothese

9

Vorbereitungen und Voraussetzungen für eine endoskopische Zystendrainage. Vor der Drainage sollten Untersuchungen wie

z. B. Computertomographie, Gastroduodenoskopie, Endosonographie und ERCP zur Klärung der folgenden Fragestellungen durchgeführt werden: 4 Kontakt (Abstand) der Zysten zur Magenwand 4 Gefäße an der Zystenwand 4 Zysteninhalt (liquide oder mit festem Detritus), bei festem Zysteninhalt ist die Anlage einer nasozystischen Drainage zur Spülung erforderlich 4 Septierung der Zysten Eine perkutane Punktion der Zysten vor endoskopischer Drainage mit Untersuchung des Zysteninhaltes auf Tumorzellen, Bakterien und Amylase wird allgemein empfohlen (Soehendra u. Seitz 2003).

Ergebnisse. Die Erfolgsrate der Zystendrainage bei chronischer Pankreatitis liegt bei 92%, die Rezidivrate wird mit 10% angegeben (Baron et al. 2002; Neuhaus 2004). Komplikationen. Die Gesamtkomplikationsrate liegt bei 17%.

Die Infektion ist dabei die häufigste Komplikation und kann durch Wechsel und Spülung über eine nasozystische Sonde behandelt werden. Das Risiko schwerwiegender Komplikationen wie Perforation und Blutung kann durch eine sorgfältige Untersuchung vor der endoskopischen Zystendrainage vermindert werden (Soehendra u. Seitz 2003).

Endoskopische Therapie gutartiger Stenosen im Gastrointestinaltrakt

9.7

Instrumentarium. Als Instrumentarium werden benötigt:

4 Duodenoskop mit Seitenoptik 4 Diathermienadel mit zentraler Bohrung für den Führungsdraht 4 10-French-Plastikprothese oder eventuell nasozystischer 7-French-Katheter

Gutartige Stenosen im Gastrointestinaltrakt sind keineswegs seltene Krankheitsbilder. Die Inzidenz von klinisch relevanten Anastomosenstenosen liegt dabei zwischen 5,2 und 18,1% je nach Anastomosenart (. Tab. 9.3; Truong 1993).

Technik. Anhand der computertomographischen und gastrosko-

Ursachen gutartiger Stenosen im Gastrointestinaltrakt

pischen Befunde kann die durch die Zysten verursachte Vorwölbung in der Magenhinterwand lokalisiert werden. Die Punktion erfolgt mit der Diathermienadel, und zwar in senkrechter Richtung zur Magenwand. Die korrekte Lage der Nadel in der Zyste kann durch Gabe von Kontrastmittel oder Aspiration des Zysteninhaltes festgestellt werden. Der Außenkatheter wird zunächst vorgeschoben und der Innenkatheter anschließend entfernt. Zuletzt wird der Führungsdraht eingeführt. Nach Dilatation mit dem Ballon bis 8 oder 10 mm kann die 10-French-Prothese mit mehreren Seitenlöchern eingelegt werden (. Abb. 9.16).

5 5 5 5 5 5 5 5

Die Lokalisation der Punktionsstelle sowie die Gefäßdarstellung mittels Endosonographie erleichtert die Drainage von Pankreaszysten und senkt deren Komplikationsrate.

5 5 5 5

Kongenital Reflux: peptische Stenose Verätzung (Säure, Lauge, KCl-Tabletten) Bestrahlung: aktinische Stenose Nach Verödungstherapie (Ösophagusvarizen) Webs: Plummer-Winson-Syndrom Ring (Schatzki-Ring) Entzündliche Erkrankungen: Viren (Herpes, Zytomegalie), Bakterien (Tbc), Granulomatosen (M. Crohn, Sarkoidose), Ulzera Dermatose: Sklerodermie, Pemphigoid, M. Behçet Durchblutungsstörungen: ischämische Enterokolitis Postoperative Anastomosenstenose Achalasie

111 9.7 · Endoskopische Therapie gutartiger Stenosen im Gastrointestinaltrakt

9

9.7.2 Endoskopische Therapie der Ösophagus-

achalasie

. Tabelle 9.3. Inzidenz von Anastomosenstenosen

Anastomose

n

Inzidenz

Kolorektal

1950

9,0%

Ösophagogastrostomie

924

8,7%

Ösophagojejunostomie

474

5,2%

Koloninterponat

381

18,1%

9.7.1 Endoskopische Therapieverfahren Bewährt haben sich die Bougierung mit den flexiblen SilikonBougies verschiedener Durchmesser nach Savary-Gilliard und die endoskopische Dilatation mit dem Ballon unter Sicht. Bougierung mit Savary-Gilliard-Bougies. Zunächst erfolgt eine

endoskopische Platzierung des Führungsdrahtes über die Stenose hinaus (evtl. unter radiologischer Kontrolle). Anschließend wird der Bougie mit dem gewünschten Durchmesser über den Führungsdraht vorgeschoben und die Stenose dabei aufgedehnt. Endoskopische Ballondilatation. Unter endoskopischer Sicht wird der Ballon über den Arbeitskanal des Endoskops in die Stenose eingeführt und stufenweise dilatiert (. Abb. 9.17). Bei kurzstreckiger, narbiger Stenose ist evtl. eine Einkerbung des Narbenrings durch Elektroinzision oder Argon-Plasma-Koagulation notwendig. Ergebnisse. Die initiale Erfolgsrate liegt bei 90%, der Langzeiterfolg bei 68%, die Rezidivrate der Stenose bei 30%. Schwerwiegenden Komplikationen wie Perforation und Blutung kommen insgesamt in weniger als 0,7% der Fälle vor. Die durch das Verfahren bedingte Letalität liegt bei 0,3% (Truong 1993).

Das Perforationsrisiko kann durch die stufenweise Bougierung (oder Dilatation) in kleinen Schritten gesenkt werden.

a

b

Ätiologie und klinische Einteilung Die Achalasie ist eine neuromuskuläre Erkrankung der glatten Ösophagusmuskulatur, gekennzeichnet durch die fehlende schluckreflektorische Relaxation des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) sowie das Fehlen der Peristaltik des Ösophagus. Je nach Ausmaß der Ösophagusdilatation wird die Achalasie in 3 Schweregrade unterteilt. 4 Stadium I: keine Dilatation des Ösophagus, nachweisbare tertiäre Peristaltikwellen 4 Stadium II: deutliche Dilatation des Ösophagus, keine nachweisbare Peristaltik 4 Stadium III: extreme Dilatation des Ösophagus, keine nachweisbare Peristaltik Die Vigorous achalasia (hypermotile Achalasie) ist eine Übergangsform zwischen Ösophagusspasmus und Achalasie. Sie ist gekennzeichnet durch eine inkomplette schluckreflektorische Relaxation des UÖS bei vorhandener tertiärer Motilität. Die bei der Achalasie zu beobachtende Ösophagusdilatation tritt hier nicht auf. Diagnostik Die notwendigen Untersuchungen zur Diagnose einer Achalasie umfassen die Röntgendarstellung nach Kontrastmittelschluck, die Manometrie sowie die Endoskopie einschließlich der Entnahme von Gewebeproben. Typische Befunde bei Ösophagusachalasie 5 Röntgenkontrastschluck – Ösophagusdilatation, Flüssigkeitsspiegel – Fehlende Luftblase im Magenfundus – Stenose im ösophagogastralen Übergang (weinkelchartig oder Stundenglasstenose) 5 Manometrie des UÖS – Ruhetonus normal bis erhöht – fehlende schluckreflektorische Erschlaffung

6

c

. Abb. 9.17a–c. Technik der Ballondilatation einer Anastomosenstenose. a Anastomosenstenose vor der Dilatation, b Aufdehnen der Stenose mit dem Ballon, c endoskopischer Befund der Stenose nach Dilatation

112

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

5 Manometrie des Ösophagus – Ruhedruck größer als Magentonus 5 Endoskopie – Megaösophagus – Ösophagitis mit Speiseresten, evtl. Soorbefall – Problemlose Passage mit dem Endoskop

Die Indikation zur operativen Behandlung durch Kardiamyotomie besteht prinzipiell bei jungen Patienten, außerdem nach zweimaliger erfolgloser Ballondilatation oder Botulinustoxininjektion sowie bei Patienten mit einer Achalasie im Stadium III.

Im Rahmen der Endoskopie ist die Entnahme einer Gewebeprobe zum Ausschluss eines Malignoms unbedingt erforderlich. Vor der Therapie einer Achalasie muss ein Malignom durch Biopsie und bildgebende Verfahren ausgeschlossen werden.

Therapie Patienten mit symptomatischer Achalasie der Stadien I und II sind für eine endoskopische Therapie geeignet. Es existieren 2 Verfahren: die Ballondilatation und die Injektion von Botulinustoxin.

9

Endoskopische palliative Tumortherapie im gastrointestinalen Trakt

9.8

Cave

Endoskopische Ballondilatation. Als Dilatator kann entweder ein hydrostatischer oder pneumatischer Ballon eingesetzt werden. Nach endoskopischer Passage durch die Kardia wird ein Führungsdraht in den Magen vorgeführt. Nach Entfernung des Endoskops kann der Ballondilatator unter radiologischer Kontrolle in der Kardia platziert und aufgedehnt werden. Bei der Verwendung eines pneumatischen Ballons (Microvasive, Boston Scientific) empfiehlt sich eine Dilatation mit 35 mm Durchmesser unter einem Druck von 8–10 psi (55,2–69 kPa) für 1–3 min. In der Regel sind 2 Dilatationsbehandlungen erforderlich. Der Langzeiterfolg beträgt 74–86% nach 5 Jahren und 62% nach 19 Jahren. Die Perforationsrate liegt bei 1–4,5% (Alonso-Aguirre et al. 2003).

Die Hauptziele der endoskopischen palliativen Tumortherapie im Gastrointestinaltrakt sind die Wiederherstellung der Passage, die Rekanalisierung der tumorbedingten Stenose und dadurch die Beseitigung der Dysphagie oder des Ileus mit der Möglichkeit einer enteralen Ernährung. Möglichkeiten der endoskopischen palliativen Therapie von malignen Stenosen im Gastrointestinaltrakt sind: 4 Stentimplantation 4 Laser 4 Perkutane, endoskopische Gastrostomie 4 Endokavitäre Strahlentherpie in After-Loading-Technik 4 Lokale Applikation von Kryo- oder Thermosonde 4 Schlingenresektion 4 Photodynamische Therapie 4 Argon-Plasma-Koagulation (APC) 4 Injektionsmethoden (Alkohol, Zytostatika) Alle endoskopischen Palliativtherapien haben zum Ziel, effektiv und komplikationsarm zu sein und zu keiner Beeinträchtigung bzw. Verschlechterung der Lebensqualität zu führen. Im Folgenden werden die 2 zurzeit am häufigsten angewandten Verfahren behandelt. 9.8.1 Endoskopische Stentimplantation

Injektion von Botulinustoxin. Die endoskopische Injektion von

Botulinustoxin in den UÖS wurde 1994 von Parischa eingeführt und ist vor allem bei alten Patienten indiziert. Der Vorteil liegt hier beim fehlenden Perforationsrisiko. Unter endoskopischer Sicht werden in alle 4 Quadranten des UÖS ca. 25 MU Botulinustoxin intramuskulär injiziert. Der Initialerfolg dieser Methode liegt bei 66%. Bereits nach 12 Monaten sind aber nur noch 32% der behandelten Patienten beschwerdefrei (Vaezi u. Richter 1999, Hoogerwerf u. Pasricha 2002).

Indikationen zur Stentimplantation 5 5 5 5 5

Ösophagotracheale Fisteln (Gelbmann 2004) Langstreckige Tumorstenosen Ösophagusstenosen durch Tumoren anderen Ursprungs Stenosen nach Ausschöpfung anderer Therapieverfahren Rasch wachsende Tumoren

. Tabelle 9.4. Strukturen verschiedener selbstexpandierender Metallstents

Wall-Stent

Ultraflex-Stent

Gianturco-Stent

Esopha- Coil

Material

Rostfreier Stahl

Nitinol

Rostfreier Stahl

Nitinol

Durchmesser vor Freisetzung

18 Fr

24 Fr

24 Fr

32 Fr

Durchmesser nach Freisetzung

20 mm

18 mm

18 mm

18 mm

Stentretraktion

30%

27–40%

10%

40%

Expansionskraft

+

+

++

+++

Therapie von Fistel

+

+

+



Therapie von Kardiatumor

+

+





9

113 9.8 · Endoskopische palliative Tumortherapie im gastrointestinalen Trakt

Material. Selbstexpandierende Metallstents bestehen aus einem schlauchförmigen Drahtgeflecht, das die Tendenz hat, sich nach seiner Freisetzung aktiv auf einen bestimmten Lumendurchmesser auszudehnen. Dieser Metallschlauch ist in komprimiertem Zustand auf einem Katheter befestigt. Durch die Verwendung von Stentsystemen mit Kunststoffhülle kann eine Tumordurchwucherung verhindert werden. Im Handel sind verschiedene Stentsysteme mit unterschiedlichen Eigenschaften erhältlich (. Tab. 9.4).

Die Implantation von selbstexpandierenden Metallstents ist nur bei malignen Stenosen, keinesfalls jedoch bei benignen Stenosen indiziert.

Technik. Der Eingriff kann unter Sedierung oder in Allgemeinnarkose durchgeführt werden. Bei hochgradiger Tumorstenose ist eine endoskopische Bougierung oder Dilatation bis auf den Lumendurchmesser des nichtexpandierten Stents erforderlich (normalerweise bis 0,8 cm), damit dieser platziert werden kann. Nach endoskopischer Lokalisation und Markierung des proximalen und distalen Endes der Stenose kann die Tumorlänge und damit die entsprechende Stentlänge ermittelt werden. Unter radiologischer Sicht kann dann der Stent über einen Führungsdraht eingeführt und freigesetzt werden (. Abb. 9.18). Ergebnisse. Der technische Erfolg liegt bei 96%, die Rückbildungsrate der Dysphagie wird zwischen 71 und 85% angegeben. Die Gesamtkomplikationsrate liegt zwischen 3 und 17% (Stentmigration, Stentobstruktion durch Tumor oder durch Bolus, Arrosionsblutung). Die Reinterventionsrate liegt bis 65% (. Tab. 9.5; Christie et al. 2001, Wang et al. 2001, Bartelmann et al. 2000, Homs et al. 2002).

.8 9 .2

Lasertherapie

5 Kurzstreckiger, exophytischer Tumor 5 Tumor mit hoher Lokalisation im Bereich des oberen Ösophagussphinkters 5 Tumorüberwucherung

. Tabelle 9 .5.

. Abb. 9 .18 a,b. Platzierung eines Stents bei stenosierendem Ösophaguskarzinom. a radiologischer Befund der langstreckigen Stenose, b radiologischer Befund nach Stentimplantation mit freier Passage des Kontrastmittels

Ergebnisse der palliativen Therapie inoperabler Ösophagus- und Kardiakarzinome mit selbstexpandierenden Metallstents

n

Rückbildung (Dysphagie)

100

85%

3%

Wang (2001)

82

96%

Bartelmann (2000)

153

Homs (2004)

216

Christie (2001)

b

a

Indikationen der Lasertherapie

Komplikation

Stentmigration

Tumorobstruktion

Reintervention

Überlebenszeit (Monate)

9%

37%

78%

4,2

17%

6%

28%

65%

4,5

78%

10%

8%

9%

2,6

71%

17%

12%

14%

11%

4,1

114

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

a

9

b

. Abb. 9.19a,b. Technik der Laserablation eines Ösophaguskarzinoms. a Bild des Tumors während der Einwirkung des Lasers, b Tumor nach Rekanalisierung durch den Laser

Technik. Zur Lasertherapie maligner Tumoren im Gastrointestinaltrakt wird häufig der Neodym-YAG-Laser verwendet. Die besondere Wirkung des Neodym-YAG-Lasers beruht auf einer hohen Eindringtiefe aufgrund seiner Absorptionseigenschaften in Wasser und Blut. Der Laserstrahl wird über eine flexible Quarzfaser durch den Arbeitskanal des Endoskops an die Tumorstenose herangebracht. Bei einer Ausgangsleistung von 100 Watt, einer Entfernung von 1 cm und einer Impulsdauer von 1–2 s vermag die Laserenergie eine Verdampfung der intrazellulären Flüssigkeit und damit eine schichtweise Tumorablation zur Rekanalisierung der Stenose herbeizuführen. Niedrigere Energien haben lediglich einen Koagulationseffekt, und erst nach Abstoßung der Nekrosen wird die gewünschte Lumenerweiterung erzielt. Es ist empfehlenswert, erst nach vorausgegangener Bougierungstherapie mit der Laser-Anwendung am unteren Tumorende zu beginnen, um die Achsrichtung nicht zu verfehlen. Die Laserbestrahlung dauert 20–30 min pro Sitzung und muss zunächst in 2- bis 5-tägigen Abständen durchschnittlich viermal wiederholt werden (. Abb. 9.19). Ergebnisse. Die Rekanalisierungsquote liegt bei ca. 90%. Im

Durchschnitt sind 4 Therapiesitzungen notwendig. Die Gesamtkomplikationsrate liegt bei 9–10%. Schwerwiegende Komplikationen wie Perforation treten in 4–5%, Fistelbildung in 1% und Blutungen in 1% der Fälle auf. Die verfahrensbedingte Letalität liegt bei 1%. 9.9

Perkutane endoskopische Gastrostomie

Seit der Einführung im Jahre 1980 durch Gauderer hat sich die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) als enterales Langzeiternährungsverfahren bewährt. Auch für ambulante Patienten ist sie sehr geeignet.

9.9.1 Indikationen

Häufigste Indikationen zur enteralen Langzeiternährung mittels PEG 5 Reversible und irreversible Schluckstörungen 5 Schädel-Hirn-Traumen 5 Tumorobstruktionen im oberen Gastrointestinaltrakt oder im HNO-Bereich 5 Tumorkachexie 5 Bewusstseinseintrübung 5 Kurzdarmsyndrom 5 Zystische Fibrose 5 Anorexia nervosa

9.9.2 Technik Prinzipiell gibt es 2 Techniken zur PEG-Platzierung: die transorale Fadendurchzugsmethode (Gauderer et al. 1980) und die Direktpunktionstechnik (Negri et al. 1984; Vestweber 1984). Transorale Fadendurchzugsmethode. Der Eingriff beginnt mit der Einführung des Gastroskops in Rückenlage des Patienten und Luftinsufflation, bis der Magen der Bauchwand anliegt. Die Punktionsstelle liegt in der Regel in der Mitte einer Verbindungslinie zwischen Nabel und unterem linkem Rippenbogen. In einem abgedunkelten Raum kann die optimale Kontaktfläche und damit die Punktionsstelle diaphanoskopisch bestimmt und unter endoskopischer Sicht durch Fingerdruck von außen überprüft werden. Nach Desinfektion des Punktionsbereiches erfolgt eine Lokalanästhesie aller Bauchwandschichten bis zum Magenlumen hin. Nach Anlegen einer 3–4 mm langen Stichinzision wird die Punktionsnadel von außen perkutan mit aufgesteckter Kunststoffkanüle unter endoskopischer Kontrolle in das Magenlumen

9

115 9.10 · Blutstillung bei oberer gastroduodenaler Blutung

. Tabelle 9.6. Komplikationen der PEG bei 1410 Patienten (Vestweber 1988)

Komplikationen

n

Letalität

5

0,3

Peritonitis

2

0,1

Revisionsbedingte Blutung

3

0,2

Perforation

4

0,3

Fehlpunktion





Dislokation

6

0,4

Aspiration

12

0,9

Leck

1

0,8

Persistierende Fistel

3

0,2

68

4,8

113

8,0

Wundinfektion Gesamt . Abb. 9.20. Korrekte Lage der inneren Andruckplatte nach PEGAnlage

vorgeschoben. Anschließend wird die Punktionsnadel zurückgezogen. Über die Kunststoffkanüle wird der Führungsfaden in den Magen eingeführt, mit einer Polypektomieschlinge gefasst und dann gemeinsam mit dem Endoskop peroral entfernt. Nunmehr wird der Katheter am Führungsfaden befestigt und unter vorsichtigem Zug an dem aus der Kunststoffkanüle herausragenden Faden in den Magen und dann zusammen mit der Kunststoffkanüle durch die Bauchdecken soweit herausgezogen, bis die Silikonkautschukscheibe an der Mageninnenwand anliegt (. Abb. 9.20). Nach äußerer Fixation des Katheters erfolgt die Befestigung des Luer-Lock-Anschlusses. Cave Bei fehlender Diaphanoskopie bzw. nicht sichtbarer Pellotierung der Magenwand unter Fingerdruck ist die Anlage einer PEG kontraindiziert.

Direktpunktionsverfahren. Ein Spezial-Foley-Katheter 12-French wird in eine Splitkanüle eingelegt, über die Magenwand intragastral plaziert und geblockt. Die Nachteile dieses Verfahrens sind häufige Dislokation durch den Defekt des Halteballons sowie das Wegschieben der Magenvorderwand von der Bauchwand während der Insertion mit der möglichen Folge einer Fehlpunktion.

9.9.3 Komplikationen Komplikationen der PEG treten relativ selten auf (. Tab. 9.6). Die verfahrensbedingte Letalität liegt bei 0,3%, die Morbiditätsrate bei 8% (Vestweber 1988). Die Ursachen für Todesfälle waren Sedierungseffekte, Aspirationen sowie nekrotisierende Fasziitiden. Ursachen der Komplikationen. In der Literatur werden folgende

Ursachen von Komplikationen genannt:

4 Fehlende Diaphanoskopie bei der Punktion (bei adipösen Patienten oder Patienten mit Aszites) 4 Patienten mit Stenosen im Gastrointestinaltrakt 4 Patienten mit Sepsis 4 Infiltrative Prozesse der Magenwand 4 Die PEG-Sonde wurde zu fest an der Magenwand fixiert (Nekrose der Magenwand mit nekrotisierender Fasziitis) 9.10

Blutstillung bei oberer gastroduodenaler Blutung

Blutungen des oberen Gastrointestinaltraktes sind mit einer Prävalenz von 0,1% bei einer durchschnittlichen Letalität von 10% ein ernst zu nehmendes, nicht seltenes Ereignis. Zu den häufigsten Symptomen gehören Hämatemesis und Teerstuhl (Meläna) bzw. bei sehr starken Blutungen des oberen Gastrointestinaltraktes auch Blutstuhl (Hämatochezie). Die Indikation zur endoskopischen Abklärung ist immer gegeben, auch wenn eine Vielzahl der Blutungen von selbst zum Stillstand kommt. Hierbei hat sich gezeigt, dass es notwendig ist, standardisiert vorzugehen. Die initiale Behandlung ist entscheidend für das Outcome des Patienten. Man muss eine zügige hämodynamische Stabilisierung erreichen, d. h. frühzeitig Blutprodukte transfundieren. Ein spezielles Team für die Notfallendoskopie mit schneller Anwesenheit sollte zur Verfügung stehen. Diese initiale zügige Vorgehensweise ist nicht nur für die Morbidität und Mortalität, sondern auch für die Kostenrechnung von positiver Bedeutung (Marek 2003). 9.10.1 Differenzialdiagnostik In den letzten Jahren zeigt sich eine Abnahme der peptischen Ulzera als Ursache für die obere gastrointestinale Blutung von 59% auf 38% (Marek 2003; Jensen et al. 2003). Als Hauptgrund wird die sich verbreitende Eradikationstherapie bei Helicobacter-

116

9

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

. Abb. 9.21. Angiodysplasie

pylori-positiver Gastritis gesehen. Außerdem sind die Entwicklung und der Einsatz von neuen antisekretorischen Medikamenten und nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) neuerer Generation bedeutsam. Als Risikofaktor spielt die chronische Einnahme von NSAR bei Magenulzera eine größere Rolle (57%) als bei Duodenalulzera (53%). Bei der Helicobacter-Infektion ist es umgekehrt: 45% der Magenulzera und 50% der Duodenalulzera sind Helicobacterbedingt. Hingegen ist bei einer Helicobacter-Infektion nur in 10–20% ein Ulkus nachzuweisen (Jensen u. Savides 2003). Bei ca. einem Drittel der Ulzera kommt es zu Blutungen. Viele haben nur sehr geringe (95%

2–4%

. Abb. 9.25. Endoskopische Blutstillung einer spritzenden Blutung mittels Haemoclip

119 9.11 · Fremdkörperextraktion

. Tabelle 9.9. Gegenüberstellung der wichtigsten Blutungsarten und Blutstillungsverfahren

Clip

Injektion

APC

YAGLaser

HeaterProbe

Forrest Ia, IIa

+

+







Forrest Ib, IIb, IIc

?

+

+

?

(+)

(+)

+

(+)

?

(+)

+

?

?

+

?

Tumor Angiodysplasie Entzündung

?

sonde, die durch eine Heizspirale auf eine definierte Temperatur erhitzt werden kann, und die mono- oder multipolare Elektrokoagulation. Hierbei fließt Strom entweder von Sonde zu Sonde oder von Sonde zur Neutralelektrode, also durch den Patienten. Alle genannten Verfahren beruhen auf der Erhitzung des Gewebes, einer Koagulation des Gefäßes und der Umgebung mit Blutstillungsraten über 80% und entsprechenden Nebenwirkungen im Sinne von thermischen Wandverletzungen mit Perforationsgefahr (Lin et al. 2003) Auch die Nachblutungsraten sind mit z. B. 18% bei der Heater-Probe zu hoch (Soehendra et al. 2001).

Nach endoskopischer Blutstillung beim Typ Forrest Ia ist immer eine endoskopische Verlaufskontrolle erforderlich.

Vergleich der verschiedenen Blutstillungstechniken. In . Tab. 9.9

sind nochmals die wichtigsten Blutstillungsverfahren den entsprechenden Blutungsarten gegenübergestellt. Gewertet ist die Eignung der Verfahren für die unterschiedlichen Blutungsmodalitäten. Letztendlich muss aber im Einzelfall entschieden werden. Wie bereits oben erwähnt muss auch die Lokalisation der Blutung mit in die Verfahrenswahl einbezogen werden (Grund u. Lange 2000). Protonenpumpeninhibitoren. Zeitgleich bzw. unmittelbar nach

der endoskopischen Intervention ist die kontinuierliche Hochdosisgabe eines Protonenpumpeninhibitors (z. B. Omeprazol/ Pantoprazol 80–240 mg i.v.) für 3 Tage indiziert, da sie signifikant zur Reduktion der Rezidivblutungsrate beiträgt (Martin et al. 2003; Bardou et al. 2003). Danach ist zur Rezidivprophylaxe die orale Therapie mit 20 mg eines Protonenpumpenhemmers indiziert. H2-Rezeptorantagonisten spielen nach neuesten Studien wegen der deutlichen Unterlegenheit gegenüber den Protonenpumpeninhibitoren nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Nachblutungsrisiko liegt nach einer kombinierten Therapie bei 2–10%. Manche Zentren führen eine Routinekontrollendoskopie nach 24 h durch.

9

Die Therapie der oberen Gastrointestinalblutung hat in den letzten 20 Jahren einen erheblichen Wandel erfahren. Heute wird primär ein endoskopisches Behandlungskonzept verfolgt. Eine Operation ist nur noch bei Massenblutungen und einem endoskopischen Therapieversagen angezeigt (Grund u. Lange 2000).

9.11

Fremdkörperextraktion

Fremdkörper im Gastrointestinaltrakt gehen in 85–98% der Fälle per via naturalis spontan ab. Bei einem Missverhältnis zwischen Größe des Fremdkörpers und dem Lumendurchmesser des Verdauungskanals ist ein Spontanabgang nicht möglich. In solchen Fällen ist eine Fremdkörperextraktion durch die Endoskopie indiziert. Indikationen. Impaktierte Fremdkörper im Ösophagus müssen wegen der Gefahr einer Aspiration entfernt werden. Spitze, scharfkantige oder große (>2,5 cm im Durchmesser) Fremdkörper müssen wegen der Gefahr einer Verletzung der Hohlorgane des Gastrointestinaltraktes ebenfalls extrahiert werden. Fremdkörper mit toxischen Substanzen, z. B. Knopfbatterien oder mit Rauschgift gefüllte Beutel bei Body-Packern, sollen wegen der Gefahr einer lokalen Verätzung oder Intoxikation ebenfalls entfernt werden. Nach einer Verweildauer von mehr als 3 Tagen wird ein Spontanabgang des Fremdkörpers unwahrscheinlich, deshalb ist die Indikation zur Extraktion nach dieser Zeit gegeben (Soehendra u. Seitz 2003). Untersuchungen vor der Fremdkörperextraktion. Bevor die Indikation zur endoskopischen Fremdkörperextraktion gestellt wird, müssen Art und Lokalisation des Fremdkörpers festgestellt sowie bereits eingetretene Verletzungen der Hohlorgane diagnostiziert werden. Hierzu sind Röntgenübersichtsaufnahmen von Thorax und Abdomen und evtl. Kontrastmittelschluck oder Kolonkontrasteinlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel geeignet. Die Befragung des Patienten oder Begleitpersonen nach der Art und Form des Fremdkörpers können ebenfalls hilfreich sein. Technik. Als Instrumentarium zur Fremdkörperextraktion kommen zur Anwendung: Fremdkörperschlinge, Fremdkörperzange, Dormiakörbchen, Schere usw. Der Eingriff soll wegen der Aspirationsgefahr in Allgemeinnarkose durchgeführt werden. Scharfe Gegenstände (z. B. Rasierklingen und Messer) sollen über einen Obertube oder eine am distalen Endoskopende montierten flexiblen Schutztrichter entfernt werden (. Abb. 9.26). Das Durchstoßen eines Bolus in den Magen ist wegen der Gefahr einer Perforation bei Verrutschen des Endoskops möglichst zu vermeiden.

Nach dem Eingriff soll ggf. eine Röntgenkontrolle zum Ausschluss einer Perforation durchgeführt werden.

120

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

9

. Abb. 9.26. Endoskopische Entfernung einer Rasierklinge mittels »Overtube«

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122

Kapitel 9 · Therapeutische Endoskopie

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9

10 10

Prinzipien der Laparoskopie A. Tittel, V. Schumpelick

10.1

Historische Entwicklung – 124

10.2

Funktionsprinzip

– 124

10.3

Anlage des Pneumoperitoneums – 125

10.3.1 10.3.2 10.3.3

Offene Anlage des Pneumoperitoneums – 125 Geschlossene Anlage des Pneumoperitoneums – 125 Direkte Trokarpunktion – 125

10.4

Indikationen und Kontraindikationen – 126

10.5

Apparative Ausstattung – 126

10.6

Pathophysiologie des Pneumoperitoneums – 126

10.6.1 10.6.2 10.6.3

Kardiale und hämodynamische Auswirkungen Pulmonale Auswirkungen – 126 Immunologische Auswirkungen – 127

10.7

Komplikationen

10.7.1 10.7.2 10.7.3 10.7.4 10.7.5 10.7.6 10.7.7

Gefäßverletzungen – 127 Verletzungen viszeraler Organe – 127 Emphysem – 128 Narbenhernien – 128 Wundinfektionen – 128 Postoperative Adhäsionen – 128 Gasembolie – 128

Literatur – 128

– 127

– 126

124

Kapitel 10 · Prinzipien der Laparoskopie

) ) Die erste laparoskopische Cholezystektomie 1987 bildete den Startpunkt für einen breiten klinischen Einsatz der Laparoskopie in der Chirurgie. Geringere postoperative Schmerzen, eine rasche Rekonvaleszenz und bessere Kosmetik faszinierten gleichermaßen Chirurgen und Patienten und bewirkten eine explosionsartige weltweite Verbreitung laparoskopischer Operationen. Initial engagierten Enthusiasten vorbehalten sind laparoskopische Operationstechniken heutzutage etablierter und unverzichtbarer Bestandteil des viszeralchirurgischen Tätigkeitsspektrums.

10.1

10

. Tabelle 10.1. Erstbeschreibungen laparoskopischer Operationstechniken

Jahr

Erstbeschreiber

Eingriff

1980

Semm

Laparoskopische Appendektomie

1987

Mouret

Laparoskopische Cholezystektomie

1982

Ger

Laparoskopische Hernienreparation

1991

Dallemagne

Laparoskopische Fundoplikation

1991

Jacobs

Laparoskopische Kolonresektion

1992

Gagner

Laparoskopische Adrenalektomie

1993

Corbitt Jr.

TAPP-Reparation

1993

McKernan

TEP-Reparation

1993

Belachew

Laparoskopisches »gastric banding«

1994

Weerts

Laparoskopische proximale selektive Vagotomie

1994

Katkhouda

Laparoskopische Leberteilresektion

1996

Cushieri

Laparoskopische Pankreasteilresektion

Historische Entwicklung

Die Geschichte der Laparoskopie im engeren Sinne begann 1901 zeitgleich mit den Untersuchungen von Ott und Kelling (Kelling 1902; Ott 1901). Ott inspizierte bei seinem Ventroskopie genannten Verfahren die Abdominalhöhle mit Hilfe eines Kopfspiegels und eines durch die Bauchwand eingebrachten Spekulums. Kelling legte bei Hunden erstmalig ein Pneumoperitoneum an, um dann ein Zystoskop durch die Bauchwand in die Abdominalhöhle einzuführen. Er nannte sein Verfahren Kölioskopie und veröffentlichte es 1902. 1910 publizierte der Schwede Hans Christian Jacobaeus seine Erfahrungen mit der Thorako- und Laparoskopie beim Menschen (Jacobaeus 1910). Der deutsche Internist Kalk führte 1925 die Laparoskopie in die Innere Medizin ein (Kalk 1929). Er veröffentlichte zwischen 1929 und 1959 mehr als 21 Arbeiten zum Thema Laparoskopie. 1929 entwickelte er eine neue, wegweisende 135°-Optik und standardisierte ein in Lokalanästhesie durchführbares Verfahren mit 2 Trokaren. 1937 berichtete der amerikanische Gastroenterologe John C. Ruddock über seine persönlichen Erfahrungen bei 500 Laparoskopien (Ruddock 1937). Trotz dieser beeindruckenden Serie war die Laparoskopie in den USA im Gegensatz zu Europa nur wenig verbreitet. 1938 entwickelte der Ungar Veress die noch heute gebräuchliche Sicherheitspunktionskanüle zum Aufbau des Pneumoperitoneums, bei der ein stumpfes federgetriebenes Innenteil nach Durchstoßen der Bauchwand schützend vor die scharfe Kanülenspitze springt (Veress 1938). Weitere wegweisende technische Entwicklungen sind mit dem Gynäkologen Semm verbunden, der eine Vielzahl noch heute gebräuchlicher Instrumente, u. a. 1964 den automatisierten, elektronisch gesteuerten Laparoinsufflator, 1972 den Endokoagulator, 1978 die Endoschlinge oder den zu Übungszwecken gebräuchlichen Pelvitrainer entwickelte. Die Entwicklung der Glasfibertechnologie 1958, der Kaltlichtquelle 1962 und der Hochleistungs-Hopkins-Optik 1962 sowie die Einführung der Farbvideographie 1968 und der CCD-ChipKamera führten zu der heute gebräuchlichen Videolaparoskopie mit ihrer genauen und für alle am Eingriff Beteiligten sichtbaren Darstellung des Operationssitus. Von Chirurgen erfunden und von Internisten zu diagnostischen Zwecken eingesetzt, nutzten Gynäkologen früh die therapeutischen Möglichkeiten der Laparoskopie. Bereits 1933 berichtete Fervers über die erste laparoskopische Adhäsiolyse (Fervers 1933). In den folgenden Jahrzehnten wurde die Laparoskopie vorwiegend von Gynäkologen weiterentwickelt. So verwundert es nicht, dass die erste laparoskopische Appendektomie 1980 vom Gynäkologen Semm durchgeführt wurde.

Die von Philippe Mouret 1987 erstmalig durchgeführte laparoskopische Cholezystektomie erregte dann schlagartig allgemeinchirurgisches Interesse und verdrängte lawinenartig die konventionelle Cholezystektomie im klinischen Alltag (Mouret 1996). Ohne Überprüfung durch prospektiv randomisierte Studien etablierte sie sich als Standardeingriff zur Behandlung der Cholelithiasis. Bis zum heutigen Tage sind laparoskopische Operationstechniken für nahezu alle allgemeinchirurgischen Operationen entwickelt worden (. Tab. 10.1). 10.2

Funktionsprinzip

Funktionsprinzip der Laparoskopie ist die Schaffung eines kuppelförmigen intraabdominellen Arbeitsraums, in dem dann mit durch Trokare eingebrachten Instrumenten unter videoendoskopischer Kontrolle die Operation durchgeführt wird. Routinemäßig wird dieser Kuppelraum durch Gasinsufflation in die Bauchhöhle aufgebaut und als Pneumoperitoneum bezeichnet. Neben Kohlendioxid können auch gereinigte Raumluft, Stickstoff oder die Edelgase Helium und Argon insuffliert werden (Neuhaus et al. 2001). In der Abwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Gase hat sich Kohlendioxid als Standardinsufflationsgas etabliert. Trotz seiner Beeinflussung des SäureBasen-Haushaltes sprechen vor allem die fehlende Brennbarkeit, geringe Kosten und eine hohe Löslichkeit des Kohlendoxids für seine Anwendung im klinischen Alltag.

125 10.3 · Anlage des Pneumoperitoneums

Standardinsufflationsgas ist Kohlendioxid, das mit einem Insufflationsdruck von 10–15 mmHg und einer Insufflationsrate von 3–6 l/min insuffliert wird.

10

fahr kann dann der Optiktrokar samt Staboptik oder alternativ auch ein an der Spitze konischer Hassontrokar durch die Peritonealinzision in die Bauchhöhle unter Sicht vorgeschoben und mit der CO2-Insufflation begonnen werden (Hasson 1971). Komplikationen. Trotz des Vorgehens unter Sicht lassen sich

10.3

Anlage des Pneumoperitoneums

Unabdingbare Voraussetzung jeder Laparoskopie ist ein etabliertes Pneumoperitoneum, dessen Anlage unter Allgemeinanästhesie in offener und geschlossener Technik oder nach direkter Trokarpunktion erfolgen kann. In der Anfangsphase der Laparoskopie wurde überwiegend die geschlossene Anlage des Pneumoperitoneums durchgeführt. Berichte über Gefäß- und Hohlorganverletzungen führten jedoch zu einer zunehmenden Verbreitung der offenen Technik zur Anlage des Pneumoperitoneums. Eine Metaanalyse prospektiver randomisierter und nichtrandomisierter Studien zum Vergleich der offenen und geschlossenen Technik zur Anlage eines Pneumoperitoneums zeigt ein tendenziell verringertes Risiko schwerwiegender Komplikationen bei Anwendung der offenen Zugangstechnik (Merlin et al. 2003). Die European Association of Endoscopic Surgery (EAES) konstatiert jedoch in ihrer Leitlinie zum Pneumoperitoneum, dass aufgrund der vorliegenden Datenlage eine Überlegenheit der offenen oder geschlossenen Zugangstechnik nicht zu belegen ist (Neudecker et al. 2002). 10.3.1 Offene Anlage des Pneumoperitoneums Technik (. Abb. 10.1). Nach Hautinzision, Durchtrennung des Subkutangewebes und Spaltung der Muskelfaszien erfolgt die sparsame Inzision des Peritoneums unter Sicht mit einer Präparationsschere. Dabei können etwaige Adhäsionen zur ventralen Bauchwand erkannt und abgelöst werden. Ohne Verletzungsge-

iatrogene Verletzungen nicht vollständig vermeiden (Bonjer et al. 1993; Schäfer et al. 2001). Etwaige Gasverluste entlang des Trokars aufgrund der im Vergleich zur geschlossenen Technik größeren Trokarinzision lassen sich durch eine Tabaksbeutelnaht auf Faszienniveau minimieren. Lediglich bei ausgeprägter Adipositas stößt die offene Anlage des Pneumoperitoneums an ihre Grenzen. Um eine adäquate Übersicht auf Peritonealniveau zu erhalten, muss dann die Trokarinzision so groß gewählt werden, dass eine gasdichte Abdichtung während der Insufflation nahezu unmöglich wird. 10.3.2 Geschlossene Anlage des Pneumo-

peritoneums Technik. Nach Hautinzision erfolgt bei der geschlossenen Tech-

nik zunächst die Blindpunktion der Bauchhöhle mit der VeressKanüle. Nach verschiedenen Sicherheitstests kann dann die Insufflation der Bauchhöhle mit CO2 begonnen werden. Bei etabliertem Pneumoperitoneum wird dann ein Sicherheitstrokar mit einer erneuten Blindpunktion in die Bauchhöhle eingebracht. Nach diesem ersten, sog. »Optiktrokar« können alle weiteren Arbeitstrokare dann unter videoendoskopischer Kontrolle platziert werden. Komplikationen. Vor allem bei schlanken Patienten oder Pa-

tienten mit Adhäsionen zur Bauchdecke nach Voroperationen droht die Verletzung intraabdomineller Gefäße und Hohlorgane durch die zweimalige Blindpunktion der Bauchhöhle. Zur Minimierung dieses Risikos ist die Beachtung der etablierten, nachfolgend aufgeführten Sicherheitstests entscheidend: 4 Abdomenpalpation der relaxierten Bauchdecke zur Lokalisation der Aorta und Aortenbifurkation; 4 Prüfung der Durchgängigkeit der Veress-Sicherheitskanüle; 4 Rotationstest: Die frei in der Bauchhöhle liegende VeressNadel muss widerstandfrei bewegbar sein. 4 Injektions-/Aspirationstest: 5–10 ml Kochsalzlösung müssen sich bei korrekter intraabdomineller Lage der Veress-Nadel widerstandsfrei injizieren lassen, ohne sich danach erneut aspirieren zu lassen. 4 »Schlürftest«: Ein auf die Veress-Nadel aufgebrachter Tropfen Kochsalzlösung muss beim Anheben der Bauchdecken durch den entstehenden intraabdominellen Unterdruck in die Bauchhöhle hineinlaufen. 4 Manometertest: Zu Beginn der CO2-Insufflation mit 1 l/min sollte der zeitgleich gemessene Druck unter 8–10 mmHg liegen; Ausnahme: extrem adipöse Bauchdecken. 10.3.3 Direkte Trokarpunktion

. Abb. 10.1. Offene Anlage des Pneumoperitoneums

Bei diesem selten angewandten Vorgehen wird der erste Trokar blind und ohne vorhergehende Gasinsufflation in die Bauchhöhle eingeführt (Woolcott et al. 1997). Obwohl 2 prospektive randomisierte Studien signifikante Vorteile für die direkte Trokarpunk-

126

Kapitel 10 · Prinzipien der Laparoskopie

tionstechnik gegenüber der geschlossenen Technik zur Anlage eines Pneumoperitoneums zeigen (Byron et al. 1993; Nezhat et al. 1991), stößt sie bei den meisten Chirurgen auf Ablehnung und ist dementsprechend nur wenig verbreitet (Catarci et al. 2001). Eine Variante des direkten Zugangs ist die Verwendung sog. optischer Trokare mit transparenten Obturatoren (Visi-Port, Optiview), die mit in den Trokar eingeführter Optik das Eingehen in die Bauchhöhle unter Sicht ermöglichen. Die durch das Vorgehen unter Sicht suggerierte Sicherheit des Verfahrens wird jedoch von einem Review der amerikanische Food and Drug Administration (FDA) relativiert, der von 37 Verletzungen großer intraabdomineller Gefäße und 4 Todesfällen bei Anwendung derartiger Systeme berichtet (Sharp et al. 2002). 10.4

10

Indikationen und Kontraindikationen

Indikationen und Kontraindikationen der laparoskopischen Chirurgie unterliegen, bedingt durch die zunehmende chirurgisch-laparoskopische Erfahrung, einem stetigen Wandel und werden in den entsprechenden organspezifischen Kapiteln dargestellt. Grundsätzlich ist eine Ausweitung der Indikationen und eine Abnahme der Kontraindikationen zu laparoskopischen Eingriffen zu konstatieren. Cave Als allgemeine absolute Kontraindikationen gelten dekompensierte kardiopulmonale Erkrankungen.

Relative Kontraindikationen sind die fortgeschrittene diffuse Peritonitiden, dekompensierte Ileuszustände, Schwangerschaft im dritten Trimenon und Kopfverletzungen mit erhöhtem Hirndruck. 10.5

Apparative Ausstattung

Die apparative Grundausstattung zur Laparoskopie besteht aus einem CO2-Insufflator mit automatischer Kontrolle des Insufflationsdrucks und -flusses und einer Videokette, bestehend aus Hopkins-Optik, Miniaturvideokamera, Kameraprozessor und Hochleistungskaltlichtquelle. Diese Komponenten werden in der Regel in einem fahrbaren Videoturm integriert, der zudem noch Videorecorder bzw. -printer zu Dokumentationszwecken beinhaltet. Neben der Modifikation klassischer chirurgischer Instrumente wie Scheren, Fasszangen und Klammernahtgeräten für den laparoskopischen Einsatz begünstigte die Laparoskopie auch die Entwicklung völlig neuartiger Instrumente zur Blutstillung und gleichzeitiger bzw. nachfolgender Gewebsdurchtrennung unter Verwendung von Ultraschall oder bipolarem Strom mit niedriger Spannung und hoher Stromstärke (Ultracision, LigaSure). 10.6

Pathophysiologie des Pneumoperitoneums

Die pathophysiologischen Folgen des Pneumoperitoneums sind komplex. Sie sind Untersuchungsgegenstand einer Vielzahl tierexperimenteller und klinischer Studien, deren Ergebnisse auf-

grund der komplexen Wechselwirkungen nicht immer widerspruchsfrei sind. Die Hauptschädigungsmechanismen des CO2Pneumoperitoneums sind die Erhöhung des intraabdominellen Drucks und die durch CO2-Resorption bedingte Hyperkapnie mit nachfolgender Azidose. Zusätzlich begünstigen Gasverluste eine Hypothermie der Patienten. 10.6.1 Kardiale und hämodynamische

Auswirkungen Die kardiovaskulären Veränderungen während laparoskopischer Eingriffe beruhen auf dem Zusammenspiel von Anästhesie, CO2-Pneumoperitoneum und Patientenlagerung, das in einer Vielzahl klinischer und tierexperimenteller Studien untersucht wurde (Zuckerman et al. 2001). Die meisten Studien zeigen übereinstimmend einen Anstieg des zentralen Venendrucks, des mittleren arteriellen Drucks, der Herzfrequenz und des peripheren und pulmonalarteriellen Gefäßwiderstands. Insgesamt resultiert eine Reduktion des Herzzeitvolumens (Henny et al. 2005). Als Erklärung des reduzierten Herzzeitvolumens werden sowohl eine relative Hypovolämie durch den reduzierten venösen Rückstrom zum Herzen bei Erhöhung des intraabdominellen Drucks als auch eine reduzierte kardiale Funktionsreserve diskutiert (Zuckerman et al. 2001). Die durch CO2-Resorption hervorgerufene Hyperkapnie bewirkt am Herzen eine Verschlechterung der Kontaktilität sowie Bradykardien und Arrhythmien. Zudem führt sie zu einer Erhöhung des Sympathikotonus mit erhöhten Serumspiegeln von Adrenalin, Noradrenalin und Angiotensin (Henny et al. 2005). Das reduzierte Herzzeitvolumen hat eine verschlechterte Durchblutung der intraabdominellen Organe zur Folge (Henny et al. 2005). An den Nieren kommt es zu einer Verringerung der glomerulären Filtrationsrate und der Urinproduktion (Junghans et al. 1997). Auch die mesenteriale und portohepatische Durchblutung sind durch die Erhöhung des intraabdominellen Drucks während des Pneumoperitoneums reduziert (Schilling et al. 1997). 10.6.2 Pulmonale Auswirkungen Die während des Pneumoperitoneums zu beobachtende Hyperkapnie erreicht bei konstanter Ventilation nach 40 min CO2Insufflation ihr Maximum (Baraka et al. 1994). Danach wird CO2 in den Körperkompartimenten angereichert, wobei bis zu 120 l gespeichert werden können. Da während laparoskopischer Eingriffe CO2 nahezu ausschließlich über die Lungen abgeatmet werden kann, sollte der Hyperkapnie von Beginn der Laparoskopie an durch eine kompensatorische Hyperventilation mit erhöhtem Atemzugvolumen entgegengewirkt werden. Trotz Hyperventilation halten die respiratorische Azidose und erhöhte CO2-Abatmung für mindestens eine Stunde postoperativ an und sind bei eingeschränkter kardiopulmonaler Funktion deutlich verlängert (Hsieh 2003; Kazama et al. 1996). Die Erhöhung des intraabdominellen Drucks während des Pneumoperitoneums führt zu einer Kranialverlagerung des Zwerchfells mit intrathorakaler Druckerhöhung. Dies bewirkt erhöhte Beatmungssdrücke, basale Dystelektasen, eine Verringerung der funktionellen Residualkapazität und der pulmonalen Compliance um bis zu 50%. Eine Verschlechterung des Ventila-

127 10.7 · Komplikationen

tions-/Perfusionsquotienten und eine Zunahme intrapulmonaler Shunts sind die Folge. Im Gegensatz zu Lungengesunden erhöht dies bei kardiopulmonal vorgeschädigten Patienten das Risiko einer Hypoxämie (Henny et al. 2005). 10.6.3 Immunologische Auswirkungen Chirurgische Eingriffe beeinflussen als kontrolliertes Trauma die Immunantwort der Patienten. Das Ausmaß der postoperativen Immunsuppression korreliert dabei mit der Intensität des chirurgischen Traumas. Für laparoskopische Eingriffe wird im Vergleich zu identischen konventionellen Operationen ein geringeres Trauma postuliert, das entsprechend zu einer geringeren Alteration des Immunsystems führen sollte. Bei der Untersuchung der Auswirkungen des Pneumoperitoneums auf das Immunsystem muss zwischen systemischen immunologischen Folgen und der lokalen Beeinflussung der peritonealen Immunität unterschieden werden. Die meisten tierexperimentellen Untersuchungen der peritonealen Immunität zeigen nach laparoskopischen Eingriffen im Vergleich zu offenen Operationen einen besseren Erhalt der Anzahl und Funktion der Makrophagen, eine verringerte Produktion des Tumornekrosefaktors durch peritoneale Makrophagen und eine geringere Rate postoperativer septischer Komplikationen als Ausdruck der besseren peritonealen Immunabwehr (Novitsky et al. 2004). Auch die systemische Immunantwort ist nach laparoskopischen Eingriffen weniger beeinträchtigt als nach identischen konventionellen Operationen. Dies gilt sowohl für die Zytokininausschüttung als auch für die zellvermittelte Immunantwort in tierexperimentellen und klinischen Studien (Sietses et al. 1999). Mehrere, überwiegend jedoch nicht randomisierte Studien zeigten nach laparoskopischer Cholezystektomie signifikant geringere Interleukin-6- und CRP-Spiegel im Vergleich zur konventionellen Cholezystektomie. Dieser Vorteil fand sich auch nach anderen Eingriffen. Untersuchungen zu seltener analysierten Zytokinen (z. B. sTNFR, IL-8) konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen laparoskopischen und konventionellen Eingriffen nachweisen (Buunen et al. 2004). 10.7

Komplikationen

Nachfolgend dargestellt werden relevante laparoskopiespezifische Komplikationen und laparoskopiespezifische Besonderheiten allgemeiner Operationskomplikationen. Eingriffsspezifische Komplikationen (z. B. Anastomoseninsuffizienzraten oder postoperative funktionelle Störungen) unterscheiden sich in der Regel nicht zwischen laparoskopischen und konventionellen Operationen und werden in den organspezifischen Kapiteln abgehandelt.

10

Sickerblutung entlang der Trokare, die sich durch Kompression oder Elektrokoagulation stillen lässt und so den weiteren Fortgang der Laparoskopie nicht stört. Nur selten wird eine operative Revision der Trokareinstichstelle mit Schnitterweiterung und gezielter Gefäßumstechung notwendig. Schwerwiegender und bedrohlicher ist die Verletzung der großen intraabdominellen Gefäße im Rahmen laparoskopischer Operationen. Sie treten in der Regel bei der geschlossenen Anlage des Pneumoperitoneums durch die Blindpunktion mit der Veress-Nadel bzw. dem ersten Trokar auf. Die Inzidenz dieser Komplikation wird mit 0,04–0,1% und ihre Mortalität mit 8–13% angegeben (Catarci et al. 2001; Champoult et al. 1996; Deziel et al. 1993; Rovaiaro et al. 2002; Saville et al. 1995). Sowohl Bonjer als auch Sigman konnten eine erhöhte Rate Gefäßverletzungen nach geschlossener Anlage des Pneumoperitoneums im Vergleich zum offenen Vorgehen nachweisen (Bonjer et al. 1997; Sigman et al. 1993). Bei einer Blutung in die freie Bauchhöhle hinein wird die Verletzung rasch bemerkt, blutet die Verletzung jedoch ins Retroperitoneum kann sie dem Operateur initial verborgen bleiben und sogar erst postoperativ klinisch symptomatisch werden. Cave Jede Verschlechterung der Kreislaufsituation während laparoskopischer Operationen muss daher den Verdacht auf eine Verletzung großer intraabdomineller Gefäße wecken und Anlass zu einer sorgfältigen Exploration der Abdominalhöhle sein. Der Nachweis einer Gefäßverletzung führt dann zur sofortigen Konversion mit Freilegung und Versorgung des verletzten Gefäßes.

10.7.2 Verletzungen viszeraler Organe Auch die Verletzung von Hohlorganen erfolgt in der Regel beim Einbringen der Veress-Nadel bzw. der Trokare. Sie tritt bei geschlossener Anlage des Pneumoperitoneums mit einer Häufigkeit von 0,06–0,14% auf und ihre Letaltät liegt bei bis zu 2,5% (Catarciet al. 2001; Dezielet al. 1993; Schäfer et al. 2001). 80% der Verletzungen betreffen dabei den Magen-Darmtrakt und nur 20% die Harnblase (Catarci 2001). Ausgedehnte Verwachsungen zur ventralen Bauchwand nach Voroperationen erhöhen das Risiko von Hohlorganverletzungen im Rahmen laparoskopischer Operationen. Bei offener Anlage des Pneumoperitoneums ist die Rate der Hohlorganverletzungen reduziert (Bonjer et al. 1997; Sigman et al. 1993). Neben direkten Trokar- oder Veress-Nadelverletzungen kann es beim Einsatz monopolaren Stroms durch unkontrollierten Stromfluss zur Neutralelektrode zu Darmwandschädigungen außerhalb des eigentlichen Operationsgebietes kommen. Diese Darmwandschädigungen können zunächst unbemerkt bleiben und werden dann erst postoperativ durch die sich entwickelnde Peritonitis klinisch symptomatisch.

10.7.1 Gefäßverletzungen Die häufigsten Gefäßverletzungen während laparoskopischer Eingriffe betreffen die Bauchwandgefäße. Sie werden trotz Diaphanoskopie und einer am anatomischen Verlauf der epigastrischen Gefäße orientierten Trokarplatzierung in bis zu 0,46% der Laparoskopien verletzt. Klinisch imponieren sie in der Regel als

Hohlorganverletzungen erfordern die sofortige chirurgische Versorgung durch Übernähung oder Resektion, die sich bei entsprechender operativer Erfahrung auch laparoskopisch durchführen lassen, da sich bei therapeutischer Verzögerung ihre Morbidität deutlich erhöht (Reich 1992).

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Kapitel 10 · Prinzipien der Laparoskopie

10.7.3 Emphysem Die Häufigkeit subkutaner Emphyseme wird auf 0,3–3,0% geschätzt (Derouin et al. 1996). Bei präperitonealer Fehllage der Veress-Nadel oder bei Dislokation des Insufflationstrokars während der Laparoskopie kann es zur Insufflation des präperitonealen Raumes und zur nachfolgenden Entwicklung eines CO2Hautemphysems kommen, das sich jedoch in der Regel nach kurzer Zeit resorbiert. Im Rahmen laparoskopischer Eingriffe kann es durch den intraabdominellen Überdruck über den Hiatus oesophagei zu einer mediastinalen CO2-Verteilung und Entwicklung eines kollaren Hautemphysems, in seltenen Fällen auch zum Pneumoperikard und Pneumothorax, kommen (Kalhan et al. 1990). Auch dieses Emphysem wird zumeist postoperativ rasch resorbiert und erfordert keine weiteren therapeutischen Maßnahmen. Ausgedehnte Emphyseme können jedoch zur Hyperkapnie und kardiovaskulären Dekompensation führen (Munro 2002). Weitere relativ häufige Emphysemprädilektionsstellen sind das Omentum majus und das Mesenterium. An diesen Lokalisationen entstehen die Emphyseme in der Regel bei der Gasinsufflation über die Veress-Nadel und können so irrtümlich dem Operateur eine präperitoneale Fehllage suggerieren.

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mentellen Ergebnisse decken sich mit klinischen Beobachtungen. Nach konventionellen Eingriffen werden postoperative Adhäsionen zur Laparotomienarbe in bis zu 95% der Fälle beobachtet, wobei das Ausmaß der Adhäsionsbildung von der Inzisionslokalisation und der Art des Eingriffs abhängt (Menzies et al. 1990). Nach laparoskopischen Eingriffen wird dagegen die Häufigkeit postoperativer Adhäsionen mit 0,8–3,5% pro Trokarinzision angegeben (Pattaras et al. 2002). 10.7.7 Gasembolie Eine sehr seltene, aber gefährliche Komplikation des Pneumoperitoneums ist die CO2-Embolie, deren Letalität mit bis zu 28% angegeben wird (Magrina 2002). Als Hauptursache gilt die Fehlplatzierung der Veress-Kanüle in Gefäße oder parenchymatöse Organe. Aufgrund der guten Wasserlöslichkeit von CO2 werden erst größere intravasale Gasmengen klinisch auffällig und erfordern dann eine sofortige aggressive Therapie durch Ablassen des Pneumoperitoneums, kombinierte Linksseiten- und Kopftieflage, Hyperventilationsbeatmung mit 100% O2, Versuch der intrakardialen Gaselimination durch Aspiration eines zentralvenösen Venenkatheters und kardiopulmonale Reanimation im Falle einer Asystolie (Haroun et al. 2001).

10.7.4 Narbenhernien

Literatur Narbenhernien werden mit einer Häufigkeit von 0,2–1,8% nach laparoskopischen Operationen beobachtet (Bonjer et al. 1997; Holzinger et al. 2002; Lajer et al. 1997; Mayol et al. 1997). Bedingt durch die Häufigkeit umbilikal plazierter Trokare und durch das fehlende Kulissenphänomen der Bauchwandmuskulatur in der Linea alba treten ca. 25% aller Narbenhernien umbilikal auf. Die Rate der Narbenhernien korreliert mit dem Durchmesser der eingesetzten Trokare (Holzinger et al. 2002). Ein Trokardurchmesser >10 mm begünstigt die Entwicklung einer Narbenhernie (Montz et al. 1994).

Für alle Trokareinstichstellen mit einem Durchmesser >10 mm wird ein konsequenter Faszienverschluss gefordert (Köckerling et al. 1997; Lajer et al. 1997).

10.7.5 Wundinfektionen Wundinfektionen werden nach laparoskopischen Operationen im Vergleich zu konventionellen Eingriffen seltener beobachtet. Sie treten nach aseptischen laparoskopischen Eingriffen mit einer Häufigkeit von 0,04% auf, bei potenzieller bakterieller Kontamination wird die Rate mit 2,3% in der Literatur angegeben (Bittner et al. 2002; Zitser et al. 1997). 10.7.6 Postoperative Adhäsionen Tierexperimentelle Untersuchungen konnten eine geringere postoperative Adhäsionsbildung nach laparoskopischen Operationen im Vergleich zu identischen offenen Operationen nachweisen (Krähenbühl et al. 1998; Tittel et al. 1994). Diese experi-

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11 11

Präoperative Risikoabschätzung A. Reber, D. Scheidegger, R. Babst

11.1

Präoperative Evaluation – 132

11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4 11.1.5 11.1.6 11.1.7

Risikoklassifikationen – 132 Alter – 132 Vorbestehende Erkrankungen – 132 Ernährungszustand – 132 Präoperative Routineuntersuchungen – 133 Präoperatives Patientengespräch – 133 Anästhesietechniken – 133

11.2

Postoperative Risikoabschätzung: Verbesserung des Outcomes und der Langzeitverläufe – 134

11.3

Stationäre versus ambulante Anästhesie/Chirurgie – 134 Literatur – 134

132

Kapitel 11 · Präoperative Risikoabschätzung

) ) Der gesellschaftliche Anspruch auf risikoarme und exakt planbare Abläufe in der täglichen Spitalroutine wächst und verstärkt damit die Gewichtung der präoperativen Risikoabschätzung mit dem Ziel, die für den vorgesehenen Eingriff relevanten Begleiterkrankungen mit vernünftigem Aufwand zu erkennen und, falls möglich, vor dem Krankenhauseintritt zu verbessern. Eine optimale perioperative Betreuung verbessert den Outcome und Langzeitverlauf des Patienten. Durch das ansteigende Patientenalter und der damit verbundenen Zunahme von bedeutenden Begleiterkrankungen können auch einfache viszerale Eingriffe ausgedehnte präoperative Vorbereitungen benötigen. Es muss eine möglichst frühe Besprechung mit allen beteiligten Spezialisten stattfinden (Chirurgen, Anästhesisten, Gastroenterologen und Hausärzte).

11.1

Präoperative Evaluation

11.1.1 Risikoklassifikationen

11

Das Ziel der präoperativen Evaluation ist die Risikoreduktion hinsichtlich eines geplanten Eingriffs. Auf Grund der klinischen Untersuchung und der laborchemischen Daten wird das perioperative Risiko festgelegt. Dazu stehen verschiedene Klassifizierungssysteme zur Verfügung. Am häufigsten wird das Schema der American Society of Anesthesiologists (ASA) verwendet (. Tab. 11.1). Alle diese Klassifikationen belassen einen großen Ermessensspielraum und berücksichtigen nicht alle für das perioperative Risiko wichtigen Parameter. Nicht berücksichtigt sind z. B. Art und Dauer des operativen Eingriffs, die Erfahrung der beteiligten Ärzte und das Alter des Patienten. Eine solche international anerkannte Klassifizierung wie die ASA ist aber nützlich, wenn man Komplikationen bei der gleichen viszeralen Operation an verschiedenen Zentren vergleichend untersuchen will. 11.1.2 Alter Auch wenn bei der ASA-Klassifizierung das Alter nicht berücksichtigt wird, ist es wichtig zu wissen, dass beim geriatrischen Patienten ein erhöhtes perioperatives Komplikationsrisiko be-

. Tabelle 11.1. ASA-Risikogruppen I

Normaler, gesunder Patient

II

Patient mit leichter Allgemeinerkrankunga

III

Patient mit schwerer Allgemeinerkrankunga und Leistungseinschränkung

IV

Patient mit inaktivierender Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung darstellt

V

Moribunder Patient, von dem nicht erwartet wird, dass er die nächsten 24 h überlebt (mit oder ohne Operation)

a

z. B. kardiovaskuläre und respiratorische Erkrankungen, Hypovolämie, Stoffwechselerkrankungen, Anämie, Leber- und Nierenerkrankungen

steht (Cook u. Rooke 2003). Trotz der Fortschritte in der perioperativen Betreuung wird eine deutliche Reduktion des Risikos bei diesen Patienten nicht mehr möglich sein, da stets noch ältere Patienten sowohl elektiv als auch notfallmäßig operiert werden. Es ist nicht das Alter an sich als vielmehr die Begleiterkrankungen, die bei der Risikoeinstufung eine Rolle spielen (Bulder et al. 1999; Nieran u. Zakrzewski 1999). Allerdings können schon kleinere intraoperative Komplikationen wie z. B. Blutdruckabfall bei einer Blutung beim geriatrischen Patienten zu schwerwiegenden Folgen führen. 11.1.3 Vorbestehende Erkrankungen Bei elektiven chirurgischen Eingriffen stehen kardiovaskuläre Probleme bei Erwachsenen im Vordergrund. Zeichen koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenerkrankungen oder Hypertonie bedeuten ein erhöhtes perioperatives Risiko (Mangano 1990). Diese Erkrankungen können intraoperativ durch die Auswirkung der Anästhetika auf das Herz-Kreislauf-System oder durch große Volumenverschiebungen bei Abdominaleingriffen zu Komplikationen führen. Postoperativ sind diese Patienten vor allem durch schmerzbedingte Stressreaktionen oder Infektionen mit Fieber stark gefährdet. Unter den Atemwegserkrankungen mit erhöhtem perioperativen Risiko sind die Infektionen der oberen Atemwege und die obstruktiven Lungenerkrankungen zu nennen. Wir wissen heute, dass die früher häufig angewendeten Lungenfunktionstests wenig über mögliche postoperative pulmonale Komplikationen aussagen (Wong et al. 1995; Zollinger u. Pasch 2002). Verglichen damit ist die ASA-Klassifizierung nicht nur billiger in der Durchführung, sondern auch besser, da sie zusätzlich zu pulmonalen auch nichtpulmonalen Faktoren miteinbezieht. Bei Patienten mit vorbestehenden Lungenerkrankungen kann durch spezielle Anästhesieführung (s. unten) und durch eine Verkürzung der Operationszeit das Risiko für eine prolongierten intensivmedizinischen Betreuung vermindert werden. Offene wie auch laparoskopische Eingriffe beeinflussen das Zwerchfell und damit die pulmonale Funktion. Anästhesiebedingt verschiebt sich das Zwerchfell nach kranial und kann zur Atelektasenbildung und damit verbundener Gasaustauschstörung führen (Reber et al. 1998). Patienten mit vorbestehender eingeschränkter Lungenfunktion neigen auch nach laparoskopischen Cholezystektomien zu pulmonalen Komplikationen (Erice et al. 1993). Nach offenen Oberbaucheingriffen bleibt die Vitalkapazität bis zu einer Woche postoperativ reduziert, während nach Unterbaucheingriffen bereits nach 3 Tagen die präoperativen Werte wieder erreicht werden (Dureuil et al. 1987). 11.1.4 Ernährungszustand Viele vor allem ältere hospitalisierte Patienten sind mangelernährt (Cook u. Rooke 2003). Eine klare Definition von Mangelernährung fehlt. Zur Erfassung des Risikofaktors »Mangelernährung« haben sich für die klinische Praxis eine genaue Anamnese betreffend ungewolltem Gewichtsverlust innerhalb der letzten 6 Monate, Nahrungsaufnahme und übliche präoperative Evaluation von Organfunktionen (Lunge, Skelettmuskulatur, Immunsystem), zusammengefasst als das sog. »Subjective Global Assessment« (SGA), als genügend erwiesen (Detsky et al. 1987).

133 11.1 · Präoperative Evaluation

Prospektiven Studien zeigen, dass das SGA ein guter Prädiktor ist für postoperative Komplikationen bei allgemeinchirugischen Patienten und bei Patienten nach Lebertransplantation (Baker et al. 1982; Pikul et al. 1994). Die Beurteilung der Mangelernährung als Risikofaktor für postoperative Komplikationen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese auch durch Patientenfaktoren wie Alter, Komorbidität, durch operationstechnische Faktoren wie Operationsdauer, Fähigkeit des Chirurgen und Blutverlust mitbeeinflusst werden. Die klinische Relevanz der Mangelernährung beruht auf der Möglichkeit zur therapeutischen Intervention. So konnte wiederholt bestätigt werden, dass eine Ernährungstherapie bei mangelernährten Patienten sowohl zu einer Verbesserung des Ernährungszustands als auch zu einer Reduktion postoperativer Komplikationen und der Letalität führt. Eine Vielzahl von prospektiven randomisierten Studien bei mangelernährten Patienten mit gastrointestinalen Malignomen zeigen, dass durch eine präoperative parenterale Ernährung während 7–10 Tagen die Rate postoperativer Komplikationen durchschnittlich um 10% (von 40 auf 30%) gegenüber den Kontrollen reduziert werden kann (Klein et al. 1997). Heute wird der weniger komplikationsträchtigen enteralen Ernährung für die prä- und postoperative Ernährungstherapie der Vorzug gegeben.

Relevant mangelernährte Patienten mit malignen gastrointestinalen Tumoren profitieren von einer 5- bis 7-tägigen präoperativen enteralen Zusatzernährung, die mit Omega-3Fettsäuren, Arginin und Ribonukleinsäuren angereichert ist.

Gegenüber Kontrollgruppen fanden sich bei den Verumpatienten signifikant weniger infektiöse Komplikationen und eine verkürzte Hospitalisationsphase (Braga et al. 2002). Die gleichen klinischen Vorteile scheinen auch normalernährte Patienten mit gastrointestinalen Tumoren zu haben, welche ein angereichertes enterales Substrat 5–7 Tage prä- und 7 Tage postoperativ erhielten (Braga et al. 1999), zu erleben. Die enterale Zufuhr fettarmer Energiedrinks kann zudem noch bis wenige Stunden vor einem chirurgischen Eingriff gegeben werden. Eine enterale Ernährungtherapie kann bei funktionierendem Gastrointestinaltrakt wieder frühzeitig (unter Umständen wenige Stunden postoperativ) begonnen werden. Eine postoperative parenterale Ernährungstherapie findet dagegen meist nur noch bei nicht funktionstüchtigem Gastrointestinaltrakt von stark mangelernährten Patienten und von Patienten bei denen die Nahrungskarenz 10 Tage überschreitet, Anwendung (Souba 1997). Der enteralen Applikationsform ist, wenn immer möglich, der Vorzug zu geben (www.dgem.de; www.ake-nutrition.at). 11.1.5 Präoperative Routineuntersuchungen Die mit Abklärungen verbundenen Kosten können durch den gezielten Einsatz der präoperativen Untersuchungen deutlich gesenkt werden. Zwangsläufig nimmt damit die Bedeutung der Anamnese und klinischen Untersuchung bei der Einschätzung des perioperativen Risikos zu. Elektrokardiogramm, Thoraxröntgenbild und Laboruntersuchungen dürfen nicht mehr routinemäßig, sondern nur gezielt bei Risikogruppen bzw. bei begründetem Verdacht verordnet werden (Narr et al. 1996).

11

Das präoperativ routinemäßig durchgeführte Thoraxröntgenbild hat einen schlechten prognostischen Wert. Postoperativ aufgetretene Komplikationen konnten nur bei 50% der Patienten mit präoperativ erhobenen pathologischen Befunden in Zusammenhang gebracht werden (Acapem et al. 1992). Stellt man die Aussagekraft dieser Untersuchung den anfallenden Kosten gegenüber, darf die Röntgenaufnahme nur zur Sicherung einer klinischen Verdachtsdiagnose eingesetzt werden. Eine Metaanalyse hat gezeigt, dass nur 1,3% der Röntgenbefunde unerwartet, d. h. weder durch Patientenbefragung noch durch die klinische Untersuchung diagnostizierbar waren (Archer et al. 1993). Auch die routinemäßige Durchführung eines EKG bei Patienten unter 60 Jahren ohne anamnestische Hinweise auf eine kardiale Erkrankung bringt keinen diagnostischen Beitrag (0,4%; Moorman et al. 1985). Es ist unklar, wie häufig das präoperative Ruhe-EKG der einzige Hinweis auf einen früher stattgefundenen Myokardinfarkt sein kann und welche Bedeutung dieser Befund für das perioperative Risiko hat. Die Inzidenz stummer Myokardinfarkte steigt bei älteren Patienten. Die Framingham-Studie zeigte, dass bei 28% der Infarkte weder der Patient noch der primär betreuende Arzt vor dem Routine-EKG einen Hinweis auf die durchgemachte Erkrankung hatten (Kannel u. Abbott 1984). In den USA werden jährlich 30 Milliarden Dollar für Laboruntersuchungen ausgegeben. 10% dieses Betrags wurde für Routinescreening präoperativ ausgegeben (Pasternak 1996). Wir haben gute Erfahrung mit einem Fragebogen gemacht, den der Patient selbst ausfüllen muss: Eine Schablone, die über den Fragebogen gelegt werden kann, zeigt durchzuführende Untersuchungen an (nicht publiziert). Damit wird der Patient für seine Angaben mitverantwortlich. Wenn er z. B. angibt, keine blutverdünnenden Medikamente einzunehmen und nie abnormal lange bei Bagatellverletzungen zu bluten, so kann beispielsweise eine rückenmarknahe Regionalanästhesie auch ohne Laboruntersuchungen durchgeführt werden. 11.1.6 Präoperatives Patientengespräch Im präoperativen Gespräch muss das für den Patienten günstigste Anästhesieverfahren ausgesucht werden. Wie Roizen und Fischer (1997) aber gezeigt haben, sind noch andere Faktoren wie z. B. Angstreduktion bei der Anästhesieplanung zu berücksichtigen, die für den Patienten von großer Bedeutung sind, aber mit der gewählten Technik direkt nichts zu tun haben. Adäquate Aufklärung impliziert eine positive Kommunikation mit dem Patienten, die zu weiter gehender Vertrauensbildung beitragen kann (Bock et al. 2004) Neuere Untersuchungen zeigen, dass videounterstützte Schulung der Anästhesisten für dieses Patientengespräch die Patientenzufriedenheit stark verbessert (Harms et al. 1997). Die patientengerechte Information und das Besprechen möglicher Komplikationen gehören selbstverständlich dazu. 11.1.7 Anästhesietechniken Trotz der Vielfalt neuer Anästhetika und unterschiedlichster Anästhesieverfahren gibt es keine Untersuchung, die zeigt, dass eines dieser Verfahren einem anderen gegenüber eindeutige Vorteile hat. Jeder Anästhesist hat seine bevorzugten Techniken, die er beherrscht und mit denen er gute Resultate erzielt. Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile. Yeager konnte zeigen, dass

134

Kapitel 11 · Präoperative Risikoabschätzung

Patienten, die für einen großen intraabdominellen bzw. intrathorakalen Eingriff neben der Allgemeinanästhesie zusätzlich eine Periduralanästhesie erhielten, eine signifikant niedrigere Inzidenz von kardiovaskulären Komplikationen aufwiesen als Patienten mit Allgemeinanästhesie allein (Yeager et al. 1987). Baron et al. (1992) fanden hingegen zwischen diesen 2 Anästhesieverfahren keinen Unterschied in der kardialen und pulmonalen Morbidität bei Patienten mit abdominalen Aortenaneurysmen. Obwohl in der Literatur Kontroversen zu diesem Thema bestehen, sollte bei pulmonalen Risikopatienten für große Abdominaleingriffe ein kombiniertes Verfahren gewählt und die Periduralanästhesie in der postoperativen Phase fortgeführt werden. Da die Periduralanästhesie eine periphere Vasodilatation und Zunahme der regionalen Durchblutung bewirkt, scheint die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen bei dieser Technik, verglichen mit anderen Anästhesieverfahren, geringer zu sein. Auch hier fehlt aber eine große Studie, die statistisch einen Unterschied in der Überlebensrate zeigt. Der paralytische Ileus ist eine häufige postoperative Komplikation nach Abdominaleingriffen. Unter kontinuierlicher rückenmarknaher Leitungsanästhesie setzt die Darmperistaltik früher ein als unter Schmerzbehandlung mit intravenösen Opiaten (Liu et al. 1995). In der Kolonchirurgie konnte mit der Periduralanalgesie die postoperative Erholung der Patienten verkürzt werden (Liu et al. 1995).

11

11.2

Postoperative Risikoabschätzung: Verbesserung des Outcomes und der Langzeitverläufe

Die intraoperativ eingeleiteten Maßnahmen müssen fließend in die unmittelbare postoperative Betreuung des Patienten im Aufwachraum oder auf der Intensivstation übergehen. Das Zusammenspiel sorgfältig aufeinander abgestimmter Therapieschritte verbessert die Behandlungsergebnisse (Lawrence et al. 1995). Dazu gehören eine effiziente Schmerztherapie in den ersten Tagen nach der Operation, evtl. kombiniert mit einer postoperativ weitergeführten Regionalanästhesie, frühe orale Ernährung (siehe Abschnitt »Ernährungszustand«) und die Frühmobilisation (Mønicke et al. 1995). Eine wirksame, auf den Patienten abgestimmte Schmerztherapie kann die Hospitalisationsdauer verkürzen und erhöht den Aktivitätsgrad des Patienten nach der Entlassung (Gottschalk et al. 1998). Unter Berücksichtigung aller dieser Faktoren konnten gewisse Patienten nach laparoskopischen Kolonresektionen bereits am zweiten postoperativen Tag entlassen werden (Bardram et al. 1995). 11.3

Stationäre versus ambulante Anästhesie/Chirurgie

Der wachsende Kostendruck im Gesundheitswesen führte zu einer Verlagerung von stationären chirurgischen Patienten zu teilstationären und ambulanten Patienten. Dies erfordert eine Neuorientierung des präoperativen Patientenmanagements. Die Patienten können nicht mehr am Tag vor der Operation im Krankenhaus vorbereitet werden, sondern müssen in einer Anästhesiesprechstunde oder -ambulanz gesehen werden. Wichtig ist dabei vor allem, dass in interdisziplinärer Absprache geklärt wird, ob mit einer Vorbehandlung (kardial, respiratorisch, metabolisch)

eine perioperative Risikoverminderung erreicht werden kann. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Planung des Eingriffs. Kurzfristige Verschiebungen von ambulanten oder teilstationären Patienten muss unbedingt vermieden werden. Für Patienten der ASA-Klassifizerungen I und II mit kleineren ambulanten Eingriffen werden neben der klassischen Prämedikationsvisite in der Sprechstunde auch Telefoninterviews durch den Anästhesisten durchgeführt. Diese Form von präoperativer Evaluation ist dann sinnvoll, wenn der Algorithmus der präoperativen Abklärungen klar definiert ist. Eine vollständige klinische Untersuchung solcher Patienten bei der Indikationsstellung durch den Chirurgen in dessen Praxis ist sehr wichtig. Telefonvisiten ersparen hingegen dem Patienten mehrere Besuche in verschiedenen Arztpraxen im Krankenhaus. »Postoperative nausea and vomiting« (PONV) gehört zu den signifikanten Komplikationen speziell in der ambulanten Chirurgie, wo die Inzidenz bis zu 30% betragen kann (Green u. Jonsson 1993). Bei ambulanten Patienten beeinflusst PONV die Entlassungszeiten entscheidend. In einer Metaanalyse konnten leider keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Anästhetika bezüglich der PONV Häufigkeit festgestellt werden (Tramer et al. 1997). Trotz neuerer, zum Teil sehr teurer Medikamente bleibt PONV bei chirurgischen Patienten ein echtes Problem. Der Zeitpunkt der Entlassung nach ambulanten Operationen ist ein Kompromiss zwischen der größtmöglichen Sicherheit für den Patienten und dem ökonomischen Druck. Es gibt leider weder Scoring-Systeme noch standardisierte zeitliche Grenzen, die eine absolute Sicherheit für die Entlassungsfähigkeit der Patienten geben (Chung 1995). Die Zielsetzung einer Kostenreduktion durch Verlagerung der teuren stationären präoperativen Voruntersuchungen in die preiswertere Ambulanz kann nur dann als erreicht gelten, wenn die folgenden Punkte erfüllt werden: 4 Patienten am Operationstag im bestmöglichen Zustand 4 Reduktion der Angst des Patienten vor Anästhesie und Operation 4 Reduktion der operativen Morbidität 4 Frühe, interdisziplinäre Planung des perioperativen Managements 4 Qualifizierte Betreuung der Patienten in der gesamten perioperativen Phase 4 Keine Terminverschiebungen

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12 12

Prinzipien der Laparotomie J. Conze, R. Schwab

12.1

Anatomie der Bauchwand – 138

12.2

Chirurgische Zugangswege

12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.2.5 12.2.6 12.2.7

Mediane Laparotomie (Dieffenbach 1848) – 139 Paramediane Laparotomie – 139 Subkostale Laparotomie/Rippenbogenrandschnitt (Courvoiser 1890) Quere Laparotomie – 140 Wechselschnitt (McBurney 1894) – 140 Pfannenstielschnitt – 140 Flankenschnitt/lumbaler Schrägschnitt – 140

Literatur – 140

– 139

– 140

138

Kapitel 12 · Prinzipien der Laparotomie

) ) In der Viszeralchirurgie ist »primum non nocere« als oberste Maxime ärztlichen Handels kaum zu verwirklichen, vielmehr muss es »primum non nocere quam minimae« (so wenig wie möglich) heißen. Der ideale chirurgische Zugang in die Abdominalhöhle sollte schnell durchführbar, eine gute Übersicht ermöglichen und ggf. erweiterbar sein. Daneben sollte er komplikationsarm sein, d. h. wenig Serome, Hämatome und Infektionen, sowie eine niedrige Inzidenz von Narbenhernien aufweisen. Kein abdomineller Zugangsweg ist frei von Narbenhernien. Sie treten bei allen Laparotomien und Laparoskopien in unterschiedlichen Inzidenzen von bis zu 15% auf (Hoer et al. 2002; Mudge u. Hughes 1985). Da anscheinend zurzeit das Auftreten von Narbenhernien nicht vollständig zu vermeiden ist, sollte dies bei der primären Schnittführung berücksichtigt werden. Wenn möglich sollte deshalb ein Abstand zu knöchernen Strukturen von bis zu 5 cm angestrebt werden, vor allem im Bereich des Beckenknochens und des Rippenbogen.

12.1

12

Anatomie der Bauchwand

Zwischen Thoraxunterrand und Oberrand des knöchernen Beckens besteht eine große Skelettlücke, die durch eine weiche, vielschichtige Bauchdecke verschlossen ist. Sie setzt sich zusammen aus breiten Muskeln, Faszien, Aponeurosen und Peritoneum. Dadurch wird eine Beweglichkeit des Brustkorbs und des gesamten Rumpfes gewährleistet. Die muskuläre Grundlage der Bauchwand wird durch autochthone Muskeln gebildet. Thorax, Becken und Processus costarii der Lendenwirbel stellen den knöchernen Rahmen dar, in dem die einzelnen Muskeln mit ihren Faszien eingespannt werden: Der M. rectus abdominis spannt sich paramedian auf beiden Seiten der Mittellinie aus. Er verläuft vertikal von der unteren Thoraxapertur bis zur Symphyse. Er bildet die gesamte Dicke der Bauchwand, wobei ihm im kaudalen Anteil der unbedeutende M. pyramidalis vorgelagert liegt. Er entspringt an der Außenfläche des 5. bis 7. Rippenknorpels und am Proc. xiphoideus des Brustbeins. Von einem bindegewebigen Führungsschlauch, der Rektusscheide, umgeben zieht der vordere Bauchmuskel nach kaudal, wo er sehnig zwischen Tuberculum pubicum des Schambeins und der Symphyse ansetzt. Die Rektusscheide wird gebildet durch die medialen, sehnigen Ausläufer der lateralen Bauchwandmuskulatur. Man unterteilt eine vordere und hintere Wand die in der Mittellinie, der Linea alba, verbunden sind. Die Hinterwand ist dabei nicht über die gesamte Länge ausgebildet. Wenige Zentimeter unterhalb des Nabels ziehen die Fasern der Hinterwand ebenfalls nach ventral. Diese Übergangslinie wird als Linea arcuata bezeichnet. Der Muskelbauch des M. rectus abdominis wird durch 3–4 zwischengeschaltete, longitudinale gefaserte Sehnenstreifen unterteilt, den Intersectiones tendineae. Sie sind ausschließlich mit dem vorderen Blatt der Rektusscheide verwachsen. Dies verhindert eine Gesamtverschieblichkeit des Muskels in der Rektusscheide und ermöglicht die isolierte Funktion einzelner Rektusabschnitte. Die neurovaskuläre Versorgung verläuft am lateralen Rand innerhalb der Rektusscheide entlang der Muskelhinterwand. Die seitliche Bauchwand wird durch drei paarig angelegte Muskeln gebildet. Lateral entspringen sie meist muskulär an der

knöchernen Umrahmung der Bauchwand und gehen medial in breite Sehnenplatten über. Der M. obliquus externus abdominis ist der äußerste der lateralen Muskelgruppe. Er entspringt meist von der 5. bis 12. Rippe und zieht schräg von laterokranial nach mediokaudal und bildet das vordere Blatt der Rektusscheide. An seinem Unterrand bildet er vermittels einer breiten Aponeurose die Vorderwand des Leistenkanals bevor diese in das Lig. inguinale einstrahlt. Der M. obliquus internus abdominis entspringt fächerartig von der Fascia thoracolumbalis, der Linea intermedia des Darmbeinkamms und der Spina iliaca anterior superior. Er verläuft dem M. obliquus externus entgegengesetzt von laterokaudal nach medio-kranial. Nach medial spaltet sich die Internus-Aponeurose bis herab zur Linea arcuata in 2 Blätter, die das vordere und hintere Blatt der Rektusscheide bilden. Unterhalb der Linea arcuata strahlt auch das hintere Blatt in die vordere Rektusscheide ein. Der M. transversus abdominis entspringt von der Innenfläche der 7. bis 12. Rippe, von der Fascia thoracolumbalis, von der Crista iliaca sowie vom lateralen Anteil des Lig. inguinale. Oberhalb der Linea arcuata strahlt seine Aponeurose in das hintere Blatt, unterhalb davon, ähnlich dem M. obliquus internus, in das vordere Blatt der Rektusscheide ein. Im mittleren anterioren Anteil ist die Aponeurose des M. transversus verbreitert, im kranialen und kaudalen Anteil reicht der muskuläre Anteil bis an die Rektusscheide heran. Diese aponeurotische Struktur verläuft konkav parallel zum lateralen Rand der Rektusscheide und wird als Linea semilunaris (Spieghel) bezeichnet.

. Abb. 12.1. Schematische Darstellung der Bauchwand in Abhängigkeit zur Schnitthöhe

139 12.1 · Anatomie der Bauchwand

12

In der Mittellinie verflechten sich die Externusfasern einer Seite mit den Internus- und Transversusfasern der Gegenseite und bilden die Linea alba. Diese kann je nach Position in ihrer Breite variieren, und im supraumbilikalen Anteil als sog. Rektusdiastase ohne Krankheitswert erscheinen (. Abb. 12.1). 12.2

Chirurgische Zugangswege

Für die Wahl des Zugangsweges und dessen Ausdehnung ist ausschließlich die Überschaubarkeit des Operationsgebiets maßgeblich. Bei zu klein gewähltem Zugangsweg kann vermehrtes Ziehen an der Bauchdecke zu Wundheilungsstörungen führen!

Abhängig von der Indikation des geplanten chirurgischen Eingriffes stehen dem Chirurgen verschiedene typische Zugangswege zur Verfügung. 12.2.1 Mediane Laparotomie (Dieffenbach 1848) Die Längsinzision der Mittellinie ermöglicht den schnellsten Zugang in die Abdominalhöhle mit der besten Übersicht. Sie ist je nach Bedarf zur Symphyse nach kaudal und nach kranial bis hin zur Sternotomie erweiterbar. Da hierbei vornehmlich bindegewebige Strukturen durchtrennt werden, ist dieser Zugangsweg relativ blutungsarm. Auch querverlaufende Erweiterungen mit Kerbung oder Durchtrennung der Rektusmuskulatur sind möglich. Die mediane Längsinzision ist der Universalzugang für Explorationen und Notfallsituationen. Zur Erhaltung des Lig. teres hepatis, der Chorda umbilicalis und Erleichterung des umbilikalen Wundverschlusses erfolgt die Schnittführung typischerweise unter Linksumschneidung des Nabelpfeilers (. Abb. 12.2a). 12.2.2 Paramediane Laparotomie Mediane pararektale Laparotomie. Diese Inzision wird einen Querfinger neben der Mittellinie durchgeführt (. Abb. 12.2b). Nach Eröffnung der vorderen Rektusscheide wird der mediale Rand des Rektusmuskels nach lateral mobilisiert. Die hintere Rektusscheide wird in gleichen Abstand zur Mittellinie längs inzidiert (. Abb. 12.3a). Dieser Zugangsweg ist mit einer hohen . Abb. 12.3. Schematische Darstellung des lateralen und medialen pararektalen Zugangsweges

. Abb. 12.2a–h. Schematische Darstellung der unterschiedlichen abdominellen Zugangswege. a median, b paramedian, c pararektal, d subkostal, e quer, f Wechselschnitt, g Pfannenstiel, h Flankenschnitt

Rate von Narbenhernien behaftet und zeigt keinen wirklichen Vorteil zur medianen Laparotomie (Guillou et al. 1980). Laterale pararektale Laparotomie. Diese Inzision wird einen

Querfinger medial des lateralen Rektusrandes längsverlaufend durchgeführt (. Abb. 12.2c). Nach Eröffnung der vorderen Rektusscheide wird der laterale Rand des Rektusmuskels nach medial mobilisiert und dann die hintere Rektusscheide ebenfalls längsverlaufend eröffnet (. Abb. 12.3b). Obwohl dieser Zugangsweg mit einer geringeren Narbenhernieninzidenz einhergeht (Burger et al. 2002; Donaldson et al. 1982; Cox et al. 1986), ist er zeitaufwendiger und ist mit einem

140

Kapitel 12 · Prinzipien der Laparotomie

höheren Blutverlust behaftet. Zusätzlich muss die Gefahr der Verletzung der epigastrischen Gefäße und bei entsprechender Schnittverlängerung die Durchtrennung von ein oder mehreren Interkostalnerven mit sekundärer Bauchwandrelaxation bedacht werden (O’dwyer u. Courtney 2003; Donaldson et al. 1982).

der Muskulatur im Bereich der Linea alba und Eröffnung des Peritoneums. Vorteile dieses Zugangs sind neben der besseren Kosmetik vor allem eine niedrige Komplikationsrate und Narbenhernieninzidenz. Nachteilig ist die eingeschränkte Übersicht. Vor allem in der Gynäkologie hat sich dieser Zugangsweg als Standardzugang verschiedener Indikationen durchgesetzt.

12.2.3 Subkostale Laparotomie/Rippenbogen-

randschnitt (Courvoiser 1890) Der rechtseitige Rippenbogenrandschnitt ist ein typischer Zugangsweg für Eingriffe an den Gallenwegen. Seit Einführung der laparoskopischen Cholezystektomie wird er nur noch selten durchgeführt. Linksseitig kann er als Zugang zur Splenektomie genutzt werden. Wegen der Nähe zum Rippenbogen wird heute vornehmlich die quere Laparotomie genutzt (. Abb. 12.2d). 12.2.4 Quere Laparotomie

12

Querschnitte kommen vor allem bei diagnostisch klaren Eingriffen außerhalb des kleinen Beckens zum Einsatz. Der quere Zugang kann bogenförmig oder gerade, im Ober-, Mittel- oder Unterbauch erfolgen. Er ist problemlos auf die Gegenseite erweiterbar. Beim Querschnitt wird die Rektusmuskulatur ggf. mit Verlängerung durch die laterale Bauchwandmuskulatur, durchtrennt (. Abb. 12.2e). Dieser Zugangsweg ist zeitaufwendiger und mit einem höheren Blutverlust verbunden (Greenall et al. 1980). Der Verschluss der Querinzision erfolgt typischerweise in zweischichtiger Technik. Obwohl die Narbenhernieninzidenz im Vergleich zur medianen Laparotomie unterschiedlich diskutiert wird (Burger et al. 2002, Greenall et al. 1980, Regnard et al. 1988), scheint die quere Laparotomie mit weniger Schmerzen und pulmonalen Komplikationen verbunden zu sein (Regnard et al. 1988, Grantcharow u. Rosenberg 2001; Inaba et al. 2004; Proske et al. 2005). 12.2.5 Wechselschnitt (McBurney 1894) Klassischer Zugangsweg der konventionellen Appendektomie. Die quere Hautinzision von 3–5 cm Länge wird über dem McBurney-Punkt durchgeführt (. Abb. 12.2f). Scharfe Präparation bis auf die Faszie. Inzision der Externusfaszie lateral der Rektusscheide im Faserverlauf. Stumpfes Auseinanderdrängen des M. internus und M. transversus unter sorgfältiger Schonung des N. iliohypogastricus. Bei tiefer querer Hautinzision lässt sich durch Zug der Weichteile noch kranial mit hohem Faszieneinstieg ein gutes kosmetisches Ergebnis erzielen. 12.2.6 Pfannenstielschnitt Der deutsche Gynäkologe Herman Johannes Pfannenstiel (1862– 1909) beschrieb 1900 den nach ihm benannten tiefen Unterbauch-Querschnitt. Dabei erfolgt eine 8–12 cm lange quere Inzision 2–3 cm oberhalb der Symphyse im Bereich des Schamhaaransatzes mit Durchtrennung der Haut, Subkutis und vorderer Rektusscheide sowie der angrenzenden Externusfaszie nach lateral (. Abb. 12.2g). Nach Mobilisation des Rektusmuskel vom vorderen Blatt der Rektusscheide erfolgt die mediane Spaltung

12.2.7 Flankenschnitt/lumbaler Schrägschnitt Es handelt sich um den klassischen Zugangsweg in das Retroperitoneum, erstmalig beschrieben durch Sir Astley Cooper vor 190 Jahren. Die Schnittführung erfolgt von unterhalb des Rippenbogens im Bereich der mittleren Axillarlinie schräg nach mediokaudal und kann bis 2–3 Querfinger parallel zum Leistenband verlängert werden (. Abb. 12.2h). Eine typische Komplikation ist die postoperative Erschlaffung der ipsilateralen abdominellen Bauchwandmuskeln. Diese als »Relaxatio« bezeichnete Vorwölbung der lateralen Bauchwand entsteht durch Verletzung der interkostalen Nerven. Sie tritt in bis zu 12% der Fälle auf (Honig et al. 1992). Durch Vermeidung einer Schnittführung in Höhe des 11. Interkostalraumes kann diese Komplikation weitestgehend vermieden werden (Gardner et al. 1994).

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142

Kapitel 13 · Die chirurgische Naht

13.1

Nahtmaterial und Nahttechnik

Seide, nach längerer Implantationszeit einen Teil ihrer Reißfestigkeit (Postlethwait 1970).

W.R. Marti ) ) Seit Einführung der chirurgischen Naht wurde das Fadenmaterial bis heute stetig weiterentwickelt. Die natürlichen Materialien wurden weitgehend durch die synthetischen Fäden ersetzt, die durchwegs bessere Eigenschaften besitzen. In der gastrointestinalen Chirurgie haben sich resorbierbare Fäden durchgesetzt. Dabei ermöglichen monofile, resorbierbare Fäden, die doppelt armiert sind, die sichere und kostengünstigste Form der fortlaufend genähten, extramukösen Darmanastomose auf Stoß. Nur technisch schwierige Anastomosen am Ösophagus oder transanal am Dickdarm, bei denen die Nähte vorgelegt werden, müssen in Einzelknopfnahttechnik genäht werden.

13.1.1 Eigenschaften des Nahtmaterials

Fadenstruktur. Die Eigenschaft eines Fadens wird durch seine Struktur wesentlich mitbestimmt. Es gibt monofilen und multifilen Strukturaufbau. Die monofilen Fäden sind homogen aus einem Fadenfilament aufgebaut und haben eine völlig glatte Oberfläche (z. B. Metall, Polyamid, Polypropylen, Polybutester, Glycomer 631, Polydioxanon, Polyglyconat oder Poliglecaprone 25). Beim multifilen Fadenaufbau werden die einzelnen Fadenfilamente um ihre Längsachse verdreht, d. h. verzwirnt, oder aber sie werden geflochten (z. B. Metall, Polyamid, Polyester, Seide oder Catgut). Werden multifile Fäden beschichtet oder überzogen, so spricht man von ummantelten Fäden oder pseudomonofilem Fadenaufbau (z. B. Polyglycolsäure, Polyglactin 910 oder Lactomer 9–1). Der pseudomonofile Faden verbindet die Vorzüge des monofilen Fadens (gute Gewebegleitfähigkeit) und des multifilen Fadens (gute Flexibilität und Knüpfeigenschaft). Durch die dünne Beschichtung ist die Oberfläche des Fadens aber verletzlich. Elastizität. Die Elastizität des Fadens entspricht der Längen-

Physikalische Eigenschaften Fadenstärke. Die ursprüngliche Bezeichnung der Fadenstärke

13

entspricht der amerikanischen Pharmakopoe (USP). Sie geht von einer Fadenstärke »0« aus, die für nichtresorbierbares und synthetisches, resorbierbares Fadenmaterial einem Durchmesser von 0,300–0,399 mm und für natürliches, resorbierbares Fadenmaterial einem Durchmesser von 0,400–0,499 mm entspricht. Natürliche, resorbierbare Fäden sind also bei gleicher Stärkenbezeichnung dicker als nichtresorbierbare oder synthetische Fäden. Ausgehend von »0« werden dickere Fäden fortlaufend mit 1, 2, 3 usw. und dünnere mit 2/0, 3/0, 4/0 usw. bezeichnet. Letzteres entspricht dem Mehrfachen von Null (2×0, 3×0 usw.). Um diese verwirrende Bezeichnung der Fadenstärke zu ordnen, wurde 1973 in Straßburg in der Europäischen Pharmakopoe (abgekürzt Ph. Eur. I oder EP I) eine neue Bezeichnungsskala festgelegt, die weitgehend mit der USP abgestimmt ist. Die Stärkenbezeichnung in der Ph. Eur. I ist metrisch, sie gibt den Fadendurchmesser in 1/10 mm wieder. Die Nahtmaterialien werden mit der USP- und der Ph.-Eur.-I-Stärkenangabe etikettiert. Zur Vermeidung von Verwechslung hat man sich geeinigt, die Fadenstärke nach der Ph. Eur. I durch den Zusatz »metric« zu kennzeichnen. . Tab. 13.1 stellt den für die viszerale Chirurgie wichtigen Bereich der Fadenstärke gemäß USP und Ph. Eur. I dar. Von einer Stärkebezeichnung zur nächst dünneren nimmt der Fadenquerschnitt jeweils um 25–50% ab. Reißfestigkeit. Die Reißfestigkeit eines Fadens entspricht der

notwendigen Kraft, gemessen in Newton (N), die zum Zerreißen des entsprechenden Fadens führt. Sie wird am gestreckten Faden (lineare Reißfestigkeit) oder im Knoten (Knotenbruchfestigkeit) gemessen. Die Knotenbruchfestigkeit ist immer geringer als die lineare Reißfestigkeit und ist damit der limitierende und klinisch wesentliche Faktor. Die Reißfestigkeit ist einerseits von der Fadenstärke und vom Fadenmaterial abhängig, andererseits wird sie aber auch vom Gewebe, in das der Faden implantiert wird, und durch die Dauer der Implantation beeinflusst. Außer Fäden aus Metall, Polypropylen und Polyester verlieren alle anderen Materialien, wie z. B. auch das nichtresorbierbare Polyamid oder

zunahme unter Belastung, die sich nach Aufheben des Zuges wieder zurückbildet. Bei zu großer Fadenelastizität geht das Gefühl für einen sicheren Knotensitz verloren und zudem besteht die Gefahr, dass sich die abgeschnittenen Fadenenden in den Knoten zurückziehen. Bei zu geringer Elastizität ist der Faden spröde und kann beim Knüpfen brechen (Catgut, Seide oder Zwirn). Kapillarität. Die Kapillarität (Dochtwirkung) bewirkt eine Flüssigkeitsaufnahme des Fadens. Sie ist beim bei geflochtenen Fäden und Catgut besonders ausgeprägt. Im Gegensatz dazu sind Metallfäden und monofiles Nahtmaterial frei von Kapillarität. Durch die Beschichtung kann die Kapillarität von multifilen Fäden vermindert werden. Die Flüssigkeitsaufnahme führt zum Aufquellen des Fadens und vermindert damit die Reißfestigkeit. Zudem

. Tabelle 13.1. Einteilung der Fadenstärke nach der Pharmakopoe der USA (USP) und nach der europäischen Pharmakopoe (EP I) für nichtresorbierbare und resorbierbare synthetische Fäden

Fadenstärke USP

Fadenstärke EP I

Durchmesser (mm)

6/0

0,7

0,070–0,099

5/0

1,0

0,100–0,149

4/0

1,5

0,150–0,199

3/0

2,0

0,200–0,249

2/0

2,5

0,250–0,299

2/0

3,0

0,300–0,349

0

3,5

0,350–0,399

1

4,0

0,400–0,499

2

5,0

0,500–0,599

3

6,0

0,600–0,699

143 13.1 · Nahtmaterial und Nahttechnik

wird die Dochtwirkung auch als möglicher begünstigender Faktor für die Keimverschleppung durch die Haut oder Darmwand angesehen. Gebrauchseigenschaften Die Flexibilität eines Fadens ist eine wichtige Eigenschaft für einfache Handhabung und günstige Knüpfeigenschaft. Die multifilen und pseudomonofilen Fäden (Polyester, Polyamid, Polyglycolsäure, Polyglactin 910 oder Lactomer 9–1), aber auch neuere monofile Fäden aus Glycomer 631 oder Poliglecaprone 25 zeichnen sich durch eine geradezu optimale Flexibilität aus. Ein reibungsloses Gleiten des Fadens durch das Gewebe hängt vor allem von der Oberflächenbeschaffenheit des Fadens ab. Geflochtene Fäden haben eine rauere Oberfläche als monofile Fäden. Durch die Sägewirkung besteht die Gefahr von Durchschneiden des Gewebes. Die Beschichtung verbessert die Gleiteigenschaften multifiler Fäden entscheidend. Insgesamt vereinen die beschichteten, pseudomonofilen Fäden (Polyglycolsäure, Polyglactin 910 oder Lactomer 9–1) die guten Eigenschaften am besten. Die entscheidendsten Gebrauchseigenschaften sind die Knüpfbarkeit und die Knotensicherheit des Fadens. Sie setzten eine hohe Flexibilität, eine optimale Elastizität und eine nicht zu glatte Fadenoberfläche voraus. Glatte Fäden erlauben zwar ein leichtes Gleitenlassen der Schlinge, wegen mangelnden Reibungswiderstands verrutschen diese aber leicht und haben die Tendenz, sich spontan wieder zu öffnen. Raue Fadenoberflächen erschweren das Herabgleiten der Schlinge, sein Knotensitz lässt sich aber präziser bestimmen und der Knoten sitzt zudem auch sicherer. Die Knotensicherheit ist nicht nur vom Fadenmaterial, von der Fadenstruktur und den Gebrauchseigenschaften abhängig, sondern auch von der verwendeten Knotenkombination und bei monofilen Fäden zusätzlich von der Fadenstärke. Je größer der Fadendurchmesser eines monofilen Fadens ist, desto rigider ist er und desto mehr Schlingenkombinationen müssen gelegt werden, um einen sicheren Knotensitz zu erreichen. Beim monofilen Polypropylenfaden der USP-Stärke 5/0 reichen 3 gegenläufig gelegte Einhandknoten, um eine Knotenbruchfestigkeit von 64% der linearen Reißfestigkeit des Fadens zu erreichen. Bei der USP-Stärke 2 werden schon 6 gegenläufig gelegte Einhandknoten benötigt, um eine Knotenbruchfestigkeit dieser Größenordnung zu erreichen (Semjonow et al. 1993). Bei Fadenstärken von USP 3/0 bis 5/0, in der die monofilen Fäden (Polyglyconat, Polydioxanon, Glycomer 631 und Polyglecaprone 25) in der viszeralen Chirurgie am häufigsten verwendet werden, sollte mindestens ein chirurgischer Knoten, gefolgt von 3 gegenläufigen Einhandknoten angelegt werden, um einen genügend sicher sitzenden Knoten zu erreichen. Der chirurgische Knoten kann dabei auch durch 2 gleichläufige »Rutschknoten« ersetzt werden. Letzteres erlaubt das präzisere Legen des ersten noch rutschfähigen Knotens, der mit dem zweiten gleichläufigen Einhandknoten noch verschoben werden kann. Geflochtene, beschichtete Fäden (Polyglykolsäure, Polyglactin 910 und Lactomer 9–1) sind mit einer Knotenkombination von 2 gleichläufigen, gefolgt von 2 gegenläufigen Einhandknoten alle sicher zu knoten (Debus et al. 1997). Cave Das unkritische Legen von zu vielen Knoten führt zur Implantation von unnötig viel Fremdmaterial.

13

Die Verwendung von komplizierten selbstblockierenden Knoten (Israelsson et al. 1994) ist sehr zeitaufwendig. Bei laparoskopischen Operationen erfordert intrakorporelles Knoten sehr viel Geschicklichkeit. Der Einfachheit halber kommen deshalb extrakorporell entweder vorgelegte Rutschknoten nach Tayside, Melzer und Roeder (Shimi et al. 1994), oder bevorzugt konventionelle Knoten, die mit Knotenschieber platziert werden, zur Anwendung. Biologische Eigenschaften Die Gewebeverträglichkeit eines Nahtmaterials ist umso besser, je geringer die Fremdkörperreaktion ist, die es auslöst. Sie wird am Ödem, dem entzündlichen zellulären Infiltrat und der Ausdehnung der reaktiven Fibrose gemessen. Je inerter sich ein Fadenmaterial verhält (z. B. Metallfäden), desto besser ist seine Gewebeverträglichkeit. Resorbierbares Fadenmaterial und multifile nichtresorbierbare Fäden führen zu einer stärkeren Gewebereaktion als nichtresorbierbare, monofile Fäden (Setzen et al. 1997). Die stärkste Gewebereaktion verursachen die historischen Fadenmaterialien wie Catgut (Fremdeiweiß) und die natürlichen Fasern Zwirn und Seide. Die heute gebräuchlichen resorbierbaren Fäden verursachen im Vergleich zum gleichzeitig gesetzten chirurgischen Gewebetrauma keine relevante Gewebereaktion mehr (Smit et al. 1991). Die Resorbierbarkeit eines Fadens ist heute die wichtigste biologische Eigenschaft. Resorbierbares Nahtmaterial wird durch biochemische Vorgänge in seine Bestandteile aufgelöst und abtransportiert, sodass nach einer gewissen Zeit kein Nahtmaterial mehr vorhanden ist (Resorptionszeit). Resorbierbar sind die synthetischen Materialien Polyglykonat, Polydioxanon, Glycomer 631, Polyglecarone 25, Polyglykolsäure, Polyglactin 910 und Lactomer 9–1. Sie werden durch Hydrolyse gespalten. Catgut hingegen wird durch proteolytische Enzyme abgebaut. Die Resorption des Fadens verursacht mit der Zeit eine Verminderung der Reißfestigkeit. Klinisch wichtiger als die Resorptionszeit ist demnach die Zeit, nach der ein Faden die für seine Aufgabe kritische Reißfestigkeit unterschreitet. Die durchschnittlichen Resorptionseigenschaften verschiedener resorbierbarer Fäden sind in . Tab. 13.2 dargestellt. Dabei gilt es zu beachten, dass bei gleicher Fadenstärke die initiale Reißfestigkeit der verschiedenen Materialien sehr unterschiedlich ist. Die Resorptionszeiten können jedoch durch körpereigene Flüssigkeiten und bakterielle Infektionen zum Teil erheblich verkürzt werden (Greenberg et al. 2004; Muftuoglu et al. 2004). Auch nichtresorbierbare Nahtmaterialien wie Seide, Zwirn und Polyamid verlieren über Monate bis Jahre im Gewebe bis zu 50% ihrer Ausgangsreißfestigkeit (Postlethwait 1970; Greenwald et al. 1994). Dieser Vorgang beruht aber auf einer mechanischen Fragmentierung des Materiales, das im Gewebe liegen bleibt. Die Eigenschaften der verschiedenen Nahtmaterialien sind in . Tab. 13.3 dargestellt. 13.1.2 Nichtresorbierbares Nahtmaterial Natürliches Nahtmaterial Da die synthetischen Nahtmaterialien durchwegs bessere Eigenschaften aufweisen als die natürlichen Materialien, werden Letztere praktisch nicht mehr verwendet. Sie sind aber hier der Vollständigkeit halber noch aufgeführt.

144

Kapitel 13 · Die chirurgische Naht

. Tabelle 13.2. Reißfestigkeit und Resorptionseigenschaften resorbierbaren Nahtmaterials. (Zusammenstellung nach Bezwada et al. 1995; Brown 1992; Debus et al. 1997; Israelson et al. 1994; Katz et al. 1970; Rodeheaver et al. 1996)

Nahtmateriala

Reißfestigkeit linear (N)

Reißfestigkeit im Knoten (N)

Reißkraft der ursprünglichen linearen Reißkraft (%) 7 Tage

28 Tage

Catgut plain

25

23

30

0



40

Chromcatgut

25

23

60

30

0

60

Polyglactin 910 (Vicryl rapid)

40

20

40

0



42

Poliglecapron 25 (Monocryl gefärbt)

85

43

65

35

0

120

Polyglactin 910 (Vicryl)

58

33

90

70

0

90

Polyglykolsäure (Safil)

62

39

90

70

0

120

Lactomer 9–1 (Polysorb)

66

42

73

53

0

70

Glycomer 631 (Biosyn)

89

40

86

67

16

110

Polyglyconat (Maxon)

67

39

80

70

45

180

Polydioxanon (PDS II)

53

29

90

80

70

180

a

13

14 Tage

Reißkraft der ursprünglichen linearen Resorptionszeit in Tagen

Synthetisches Nahtmaterial USP 2/0, EP I 3; Catgut und Chromcatgut USP 3/0, EP I 3

Seide. Die heutzutage hergestellten Seidenfäden (z. B. NC-Seide,

Perma-Hand Seide oder Sofsilk) sind geflochtene Fäden, die beschichtet oder imprägniert werden und dadurch den Nachteil der starken Dochtwirkung verloren haben. Im Vergleich zu den synthetischen Materialien verursachen sie aber eine ausgeprägte Gewebereaktion. Zwirn. Er besteht aus Zellulose (hergestellt aus Flachs oder Baumwolle). Zwirn hat eine starke Dochtwirkung, löst wie Seide eine starke Gewebereaktion aus und verursacht häufig Fistelbildungen. Metall. Meist werden solche Fäden aus korrosionsbeständigem Edelstahl hergestellt (z. B. Suturdraht). Monofil sind sie extrem unflexibel und schwierig zu knüpfen. Bei multifiler Struktur sind diese Nachteile weniger ausgeprägt.

Synthetisches Nahtmaterial Polyamid. Die Polyamide unterscheiden sich nach ihrer Struktur in Nylon 6 (Perlon) und das neuere Nylon 6/6. Polyamid ist das älteste, heute noch gebräuchliche synthetische Fadenmaterial. Polyamidfäden werden als geflochtene, imprägnierte (z. B. Nurolon, Surgilon), pseudomonofile (z. B. Supramid, Suturamid, Bralon) oder monofile (z. B. Dermalon, Dafilon, Ethilon, Suturamid, Monosof, Seralon) Fäden hergestellt. Sie haben eine hohe Reißfestigkeit und eine bessere Gewebeverträglichkeit als die organischen, natürlichen Fadenmaterialien. Polyamid kommt am meisten bei der Hautnaht, in monofiler Form auch für Hernienplastiken zur Anwendung.

Polyester. Die Polyesterfäden werden geflochten (z. B. Mersilene, Terylene), beschichtet (z. B. Synthofil, Ethibond, Surgibraid, Ti-Cron) oder monofil (z. B. Mirafil, Miralene) hergestellt. Die Eigenschaften von Polyesterfäden sind denen des Polyamids sehr ähnlich. Die Knotensicherheit ist etwas besser. Sie werden ebenfalls für die Hautnaht, aber auch für Gefäßnähte eingesetzt. Polypropylen. Alle Polypropylenfäden werden in monofiler Struktur hergestellt (z. B. Prolene, Surgilene, Surgipro II, Serapren, Premilene). Sie zeichnen sich durch höchste Reißfestigkeit, minimale Gewebereaktion und sehr gute Gleitfähigkeit aus. Hingegen müssen diese Fäden wegen der schlechteren Knüpfeigenschaften und der schlechteren Knotensicherheit mit mindestens einem chirurgischen Knoten gefolgt von 3 gegenläufigen Einhandknoten geknüpft werden. Polypropylen wird vor allem für Gefäßnähte und für den Hautverschluss verwendet. Polyester. Aus Polybutester werden monofile Fäden hergestellt

(z. B. Novafil). Sie haben dieselben Vorteile wie das Polypropylen und zeichnen sich außerdem durch bessere Knüpfeigenschaften und bessere Knotensicherheit aus. Der Anwendungsbereich entspricht dem des Polypropylens.

13

145 13.1 · Nahtmaterial und Nahttechnik

. Tabelle 13.3. Eigenschaften verschiedener Nahtmaterialien (– schlecht; + mäßig, ++ gut, +++ sehr gut). (Zusammenstellung nach Bezwada et al. 1995; Brown 1992; Debus et al. 1997; Faulkner et al. 1996; Holmlund 1974; Israelson et al. 1994; Nockemann 1980; Semjonow et al. 1993; Trimbos et al. 1995)

Nahtmaterial

Reißkraft im Knoten

Kapillarität

Knüpfeigenschaften

Gleitfähigkeit

Flexibilität

Knotensicherheit

Gewebeverträglichkeit

Seide

+



+++

++

+++

+++

+

Polyamid (monofil)

++

+++b

+

+++

+

+

++

Polyester (geflochten)

++



++

++

+++

++

++

Polypropylen

+++

+++b

+

+++

++



+++

+++

b

+++

++

+++

++

+

+++

++



++

++

+

+



++



Nichtresorbierbar

Polybutester Resorbierbar Catgut plain Chromcatgut

++

++

+

+



+++

c

++

+++

++

+++

++

+++

Polyglactin 910a

+++

++c

+++

++

+++

++

+++

Lactomer 9–1a

+++

++c

a

Polyglykolsäure

Poliglecapron 25

++

+++

++

+++

++

+++

b

++

+++

+++

+

+++

b

+++

Glycomer 631

++

+++

+++

+++

+++

++

+++

Polyglyconat

++

+++b

++

+++

+++

+

+++

Polydioxanon

++

+++b

++

+++

++

+

+++

a

b

c

Mit Beschichtung, gar keine Kapillarität, mäßig ausgeprägte Kapillarität

13.1.3 Resorbierbares Nahtmaterial Natürliches Nahtmaterial Catgut. Wegen einer zumindestens theoretischen Gefahr der BSE-Übertragung wurde die Anwendung von Catgut bei Menschen inzwischen in verschiedenen Ländern, wie z. B. auch in Deutschland, untersagt.

Synthetisches Nahtmaterial Die synthetischen resorbierbaren Fadenmaterialien haben sich wegen ihrer vorteilhaften Eigenschaften in der viszeralen Chirurgie durchgesetzt. In . Tab. 13.2 werden die Reißfestigkeit und das Resorptionsverhalten, in . Tab. 13.3 die Eigenschaften dieser Fäden zusammengefasst. Polyglykolsäure. Aus Polyglykolsäure wurden die ersten synthe-

tischen Fäden produziert. Aus einem Polymer von reiner Polyglykolsäure wird Safil hergestellt, das aus Einzelfilamenten geflochten wird. Um seine Eigenschaften zu verbessern, wird der Faden mit Polyglyconat beschichtet. Er zählt deshalb zu den pseudomonofilen Fäden. Seine initiale Reißfestigkeit ist hoch. Innerhalb 4 Wochen nach Implantation verliert die Polyglykol-

säure jedoch die Reißfestigkeit vollständig. Die Polyglykolsäure eignet sich für gastrointestinale Anastomosen, für seroseröse Nähte, für Ligaturen wie auch für Nähte der Gallenwege. Polyglactin 910. Es besteht aus einem Kopolymer aus Glycolid

und Lactid im Verhältnis von 9 : 1 und ist mit Polyglactin 370 und Kalziumstearat beschichtet (Vicryl). Die Beimischung von 10% Milchsäure verändert die Resorptionseigenschaft und Reißfestigkeit dieses pseudomonofilen Fadens im Vergleich zu Polyglykolsäure nicht wesentlich. Auch sein Einsatzgebiet ist dasselbe. Im Gegensatz dazu wird Vicryl rapid, der zwar aus demselben Kopolymer, mit jedoch einem geringerem Molekulargewicht und mit derselben Beschichtung versehen ist, sehr schnell resorbiert. Er kommt allenfalls für die intrakutane Naht zur Anwendung. Lactomer 9–1. Dieses Fadenmaterial setzt sich aus einem Kopolymer aus Glycolid und Lactid im Verhältnis 1:1 zusammen (Polysorb). Er ist multifil, mit Glycolid und Lactid, Polyethylenoxid, Glyzerin und Kalziumlaktat beschichtet. Er zählt ebenfalls zu den pseudomonofilen Fäden. Seine Reißfestigkeit ist mit der von Polyglykolsäure vergleichbar. Er wird hingegen etwas schneller resorbiert.

146

Kapitel 13 · Die chirurgische Naht

Glycomer 631. Es handelt sich um ein synthetisches Polyesterderivat aus Glycolid, Trimethylenkarbonat und Dioxanon (Biosyn). Dieser neu entwickelte monofile Faden hat sehr gute Gebrauchseigenschaften. Im Vergleich zur Polyglykolsäure hat er bei ähnlichem Resorptionsverhalten eine höhere initiale Reißfestigkeit. Durch die monofile Struktur eignet er sich sehr gut für die einreihige fortlaufende Darmnaht und als Schlaufennaht für den Laparotomieverschluss. Poliglecapron 25. Dieser monofile Faden besteht aus dem Kopo-

lymer aus Glycolid und E-Caprolacton im Verhältnis 3:1 (Monocryl). Wie Glycomer 631 hat er eine sehr hohe initiale Reißfestigkeit, wird aber deutlich schneller resorbiert. Polyglyconat. Es handelt sich wiederum um einen monofilen

Faden aus dem Kopolymer Polyglykolsäure und Trimethylenkarbonat in einem Verhältnis 2:1 (Maxon). Trimethylencarbonat verbessert die Flexibilität des Fadens. Im Vergleich zu Polyglykolsäure wird der Faden deutlich langsamer resorbiert (. Tab. 13.2). Dieser Faden eignet sich für alle gastrointestinalen Anastomosen und wie Glycomer 631 als Schlaufennaht für den Laparotomieverschluss. Polydioxanon. Dieser monofile Faden besteht aus dem Polymer Polydioxanon (PDS II). Er hat eine geringere Ausgangsreißfestigkeit als Polyglyconat. Polydioxanon ist das am langsamsten resorbierbare Fadenmaterial, das heute zur Verfügung steht. Er ist etwas weniger flexibel als Polyglyconat und deshalb auch etwas schwieriger zu knoten. Es zeichnet sich durch eine hohe Pankreassaftresistenz aus (Muftuoglu et al. 2004). Sein Anwendungsbereich deckt sich mit dem von Polyglyconat.

13

Polyglytone 6211. Dieser monofile Faden besteht aus Glycolid,

Caprolacton, Trimethylencarbonat und Lactid (Caprosyn). Er ist sehr rasch resorbierbar und ersetzt wie Vicryl rapid die resorbierbaren Fadenmaterialien tierischen Ursprungs (Catgut). 13.1.4 Alternativen zum Nahtmaterial Fibrinkleber beruhen auf der Polymerisation von humanem Fibrinogen durch Thrombinzusatz. Seine Anwendung beschränkt sich auf besondere Situationen mit schwierig zu erreichender Hämostase in der Milz- und Leberchirurgie. Korrekt durchgeführte Darmanastomosen können damit nicht verbessert, fehlerhafte Nahttechniken nicht korrigiert werden. Als synthetische Klebstoffe kommen Cyanoacrylate (z. B. Indermil, Dermabond) höchstens für den Hautschluss zur Anwendung. Die nahtlose Darmanastomose mittels biofragmentierbarem Anastomosenring (Valtrac) führt im Vergleich zur einreihigen fortlaufenden Darmnaht oder zur Stapleranastomose auch zu guten Resultaten (Thiede et al. 1998). Trotzdem konnte er sich nicht durchsetzten. Im Vergleich zur einfachen und ebenfalls schnell durchzuführenden einreihigen, fortlaufenden Handnaht mit einem doppelt armierten, monofilen Faden ist er durch einen erheblich höheren Preis belastet. Im Bereich des tiefen Rektums, wo heutzutage am ehesten Stapler zur Darmanastomosierung verwendet werden, ist seine Anwendung schwierig. Außerhalb des Rektums sind Vorteile schwer erkennbar.

Hautklammern ermöglichen einen raschen Hautverschluss. Die Adaptation der Wundränder mit Klammern ist oft weniger exakt als mit der Naht. Im Abdomen können zur Blutstillung an Stelle von Ligaturen auch Clips oder Klammern aus Titan oder resorbierbaren Materialien gesetzt werden. Sie kommen vor allem in der laparoskopischen Chirurgie und im kleinen Becken zur Anwendung. Zudem gibt es auch Klammerapparate, die in einem Schritt an einer Gewebebrücke beidseits Klammern setzen und das Gewebe in der Mitte durchtrennen. Technisch noch einfacher können mit Ultraschall- oder Diathermiezangen (Ultracision, Ligasure) Gewebebrücken in einem Schritt durchtrennt und dabei die Gefäßenden versiegelt werden. Bei ausgedehnten Skelettierungen kann damit Operationszeit eingespart werden. Auf Klammerinstrumente für gastrointestinale Anastomosen wird in 7 Kap. 13.2 im Detail eingegangen. 13.1.5 Wahl des Nahtmaterials Die Wahl des Nahtmaterials ist vielerorts schul- und traditionsgebunden sowie von dem im Hause vorhandenen Fadensortiment abhängig. In der gastrointestinalen Chirurgie wird wo immer möglich resorbierbares Nahtmaterial verwendet. Unsere eigenen, aufgrund der vorangegangenen Ausführungen aufgestellten Empfehlungen sind in . Tab. 13.4 zusammengestellt. 13.1.6 Nadeln Alle Nadeln sind aus hochwertigem Stahl gefertigt. Sie werden entweder gerade, viel häufiger jedoch gebogen verwendet. Ihre Einteilung erfolgt in chirurgische Nadeln mit Öhr oder atraumatische Nadeln, bei denen der Faden praktisch stufenlos eingegossen wurde. Chirurgische und atraumatische Nadeln Bei den chirurgischen Nadeln, die entweder mit einem Langlochöhr oder einem Federöhr versehen sind, muss der Faden eingefädelt werden. Am Federöhr kann der Faden fixiert werden, wodurch die Gefahr des verfrühten Ausfädelns beim Nähen vermindert wird. Nahtmaterial, das mit chirurgischen Nadeln versehen ist, ist günstiger als solches mit atraumatischen Nadeln. Der bedeutende Nachteil in chirurgischen Nadeln liegt jedoch darin, dass sie beim Durchziehen ein größeres Loch im Gewebe verursachen als atraumatische Nadeln. In der gastroenterologischen Chirurgie werden vor allem für die Anfertigung von Anastomosen praktisch ausschließlich atraumatische Nadeln verwendet. Nadelkorpus Angepasst an die Fadenstärke werden verschiedene Nadelgrößen angeboten. Die gebogenen Nadeln werden als 1/4-, 3/8-, 1/2oder 5/8-Kreis angeboten. Außerdem gibt es auch Sonderformen, wie z. B. J-förmige, asymptotisch gebogene Nadeln. Diese werden vor allem in der laparoskopischen Chirurgie verwendet. Der Nadelkorpus entspricht entweder einer nichtschneidenden Rundkörpernadel, oder ist innen oder außen schneidend, meist im Querschnitt dreieckig geformt. Rundkörpernadeln hinterlassen die dünnsten Stichkanäle im Gewebe und werden

147 13.1 · Nahtmaterial und Nahttechnik

13

13.1.7 Hautnähte . Tabelle 13.4. Wahl des Nahtmaterials

Ort der Naht

Empfohlenes Nahtmaterial

Alternative

Anastomosen am Ösophagus und Magen

Polyglyconat (3/0) Glycomer 631 (3/0)

Polyglykolsäure (3/0) Polyglactin 910 (3/0) Lactomer 9–1 (3/0)

Anastomosen am Darm

Polyglyconat (4/0) Glycomer 631 (4/0)

Polyglykolsäure (4/0) Polyglactin 910 (4/0) Lactomer 9–1 (4/0)

Choledochotomie und biliodigestive Anastomose

Polyglyconat (5/0) Glycomer 631 (5/0)

Polyglykolsäure (4/0) Polyglactin 910 (4/0) Lactomer 9–1 (5/0)

Anastomose am Pankreas

Polydioxanon (4/0) Polyglyconat (4/0) Glycomer 631 (4/0)

Lactomer 9–1 (4/0)

Ligaturen

Polyglykolsäure (2/0–4/0) Polyglactin 910 (2/0–4/0)

Lactomer 9–1 (2/0–4/0)

Laparotomieverschluss

Polyglykonat (1) Polydioxanon (1) Glycomer 631 (1)

Polyglykolsäure (1–2) Polyglactin (1–2)

Subkutannaht

Keine Naht Redon-Saugdrainage

Polyglykolsäure (3/0) Polyglactin 910 (3/0)

Hautnaht

Polypropylen (3/0–5/0) Polyamid (3/0–5/0)

Hautklammern Polyglactin 910 und Steristrip Polyglytone 6211 und Steristrip

Gefäßnaht

Polypropylen Polybutester

Polyester Polytetrafluoroethylen

Die Hautnaht soll nur so weit angezogen werden, bis die beiden Hautränder gerade adaptiert sind. Zusätzlicher Zug verschlechtert die Gewebeperfusion. Auch der Stichabstand hat diesen Aspekt zu berücksichtigen. Das Gewebe darf mit der Pinzette nicht traumatisiert werden.

Das kosmetische Resultat einer Hautnaht ist oft mehr von der atraumatischen Technik des Chirurgen mit exakter Adaptation der Hautränder und vom möglichst raschen Entfernen des Nahtmaterials bei gesicherter Wundheilung abhängig als von der Stichführung oder dem Fadenmaterial (Parell u. Becker 2003). Wir bevorzugen die Einzelknopfnaht für die Hautnaht bei potenziell kontaminierten Eingriffen. Bei septischen Eingriffen wird auf den Hautschluss ganz verzichtet. In der nichtseptischen, nichtkontaminierten Chirurgie ziehen wir fortlaufende Techniken vor, darunter auch die Intrakutannaht. Eine Subkutannaht dient der Blutstillung und der Vermeidung von subkutanen Hohlräumen. Sie führt aber zu zusätzlicher Einlagerung von Fremdmaterial, Immobilisierung der Hautränder und auch zu Fettgewebsnekrose. Gute Blutstillung und ein subkutanes Redondrain, das höchstens für 1–2 Tage belassen wird, sind vorzuziehen. Die Hautränder bleiben dabei frei verschieblich. Einzelknopfnähte Die überwendliche Einzelknopfnaht (. Abb. 13.1) stellt die einfachste Stichführung dar. Sie soll alle Hautschichten umfassen und damit knapp bis in die Subkutis reichen. Die exakte Hautadaptation ist wegen Tendenz zu Inversion nicht zuverlässig. Die vertikale Rückstichnaht nach Donati (. Abb. 13.2) fasst zur perfekten Hautadaptation nach dem Ausstich auf der Gegenseite mit einem Rückstich nur noch das Korium. Die vertikale Rückstichnaht nach Allgöwer (. Abb. 13.3) ist eine Variante der Donati-Naht. Sie fasst auf der Gegenseite des Einstiches vor allem das Korium, der Rückstich erfolgt intrakutan. Die Beschränkung des Gegenstiches schont die Gewebs-

deshalb am Gastrointestinaltrakt bevorzugt verwendet. Für die Naht von Faszien kommen außen schneidende Nadeln zur Anwendung. Nadelspitzen Die Nadelspitzen sind entweder relativ stumpf, im Sinne einer Sicherheitsspitze, was die Penetrationsgefahr der Operationshandschuhe vermindert, ganz spitzig, was nur kleinste Stichkanäle verursacht, oder in verschiedenen geometrischen Formen scharf geschliffen. Für von Hand genähte Anastomosen werden spitzige, nicht schneidende Nadeln verwendet. Zur Durchdringung von festem Bindegewebe und Faszien werden scheidende Nadelspitzen verwendet.

. Abb. 13.1. Überwendliche Einzelknopfnaht

148

Kapitel 13 · Die chirurgische Naht

Steristrips gesichert werden. Auch diese Hautnahttechnik ergibt sehr gute kosmetische Ergebnisse und hat den Vorteil, dass die Fadenentfernung entfällt. Sie soll jedoch nur bei ganz sterilen Eingriffen, bei denen der Hautschluss nicht unter Zug steht, zur Anwendung kommen (z. B. Inguinalhernienoperation). Durch die lange Fadenliegezeit kann es zu Fremdkörperreaktionen der Haut kommen.

. Abb. 13.2. Vertikale Rückstichnaht

Fadenentfernung Die Fäden der Hautnaht werden generell zu spät entfernt. Dies führt zu zusätzlichen punktförmigen Narben an den Einstichstellen. Der optimale Zeitpunkt der Fadenentfernung ist variabel und ist vor allem von der Lokalisation der Naht am Körper und vom Grad der Wundheilung abhängig. Bei ungestörter Wundheilung können nach Platysma- und Hautnaht am Hals sowie nach Tumorektomie an der weiblichen Brust die Fäden schon am 3. postoperativen Tag entfernt werden. Diese Wunden sollen nach der Fadenentfernung jedoch noch mit Steristrip gesichert werden. Am Abdomen können die Fäden nach 10 Tagen, an den Extremitäten nach 14 Tagen entfernt werden. Vorausgesetzt, dass die Wunde mit monofilem Faden genäht wurde, können die Patienten ab dem 2. postoperativen Tag ohne spezielle Wundabdeckung wieder duschen oder in die Sauna gehen (Papp u. Alhava 2003). 13.1.8 Gastrointestinale Nähte

13

. Abb. 13.3. Einseitig intrakutane Rückstichnaht

perfusion und ermöglicht gleichzeitig eine gute Adaptation der Hautränder. Geknotet wird auf der besser durchbluteten Seite (zu beachten bei Hautlappen). Bei geraden Inzisionen können die Knöpfe alternierend auf beiden Seiten zu liegen kommen (. Abb. 13.3). Fortlaufende Nähte Wird die überwendliche Naht fortlaufend angelegt, so wird sie als Kürschnernaht bezeichnet. Diese Stichführung eignet sich für Regionen mit dickem Korium. Andernfalls kann die Adaptation leiden. Bei der fortlaufenden einseitige intrakutanen Rückstichnaht nach Allgöwer ist die Stichführung durch das Gewebe quer zur Wunde angeordnet, die Fadenanteile über der Haut liegen schräg zu den Wundrändern. Die Adaptation der Wundränder ist optimal. Die Intrakutannaht mit invertierten Knöpfen und völlig versenktem Nahtmaterial fasst das Korium. Sie wird mit ungefärbtem monofilem oder pseudomonofilem Nahtmaterial durchgeführt, das resorbierbar ist. Diese Form der Hautnaht sollte mit

Während normalerweise die Verklebung der Serosaflächen einer Darmanastomose in den ersten 4–6 h erfolgt, ist die mechanische Festigkeit in der ersten Phase (ca. 4 Tage) der Anastomosenheilung vor allem durch das Nahtmaterial gegeben (Nockemann 1980). In der zweiten Phase, bis zum 14. Tag, lassen die zunehmende Proliferation von Fibroblasten und Muskelzellen sowie die Kollagenbildung die Eigenfestigkeit der Anastomose so weit ansteigen, dass deren Reißfestigkeit nicht mehr allein von der Anwesenheit des Nahtmaterials abhängt. Etwa nach 10 Tagen erreicht die genähte Anastomose gegen den Berstungsdruck die Resistenz intakten Darmes, seine Reißfestigkeit aber erst nach 4–6 Wochen (Herrmann et al. 1964). In einer dritten Phase, die bis zu mehreren Monaten dauert, erfolgt der endgültige Umbau der Wandschichten über die Anastomose hinweg und erreicht die mechanische Festigkeit von intaktem Darm (Herzog 1974).

Der Begriff Nahtreihe bezeichnet eine zusammengehörige Folge von Nähten, ungeachtet der Anzahl Gewebeschichten, die von einer einzelnen Naht gefasst wird. Dementsprechend beschreibt der Begriff Nahtschicht die Gewebeschichten, die mit einer einzelnen Naht gefasst werden.

Basierend auf der Erkenntnis, dass die Serosaflächen schnell verkleben und dies eine größere Sicherheit vor Insuffizienz bietet, wurden einstülpende Techniken von Jobert (1822) und Lembert (1826) eingeführt. Zahlreiche Abwandlungen in zwei- oder gar dreireihiger Technik erreichten das gleiche Ziel der dichten Darmanastomose. Diese Nahttechniken verursachten aber zum Teil eine erhebliche Stenosierung des Darmlumens. Anfangs der 50er-Jahre wurde die schichtgerechte Adaptation der Darmwand »auf Stoß« untersucht. Gambee beschrieb 1951 eine solche ein-

149 13.1 · Nahtmaterial und Nahttechnik

13

. Abb. 13.4. Extramuköse Naht auf Stoß (von außen gestochen, Standardnaht)

. Abb. 13.5. Abb. 13.5. Rückstichnaht vom Lumen her gestochen (allschichtig vom Lumen her gestochen, Rückstich durch die Mukosa)

reihige Nahttechnik. Dieser Gedanke der schichtgerechten, nicht in- oder evertierenden Naht wurde auch von Allgöwer propagiert und durch gute klinische Ergebnisse belegt (Allgöwer et al. 1971; Max et al. 1991). Die Naht auf Stoß führt zudem auch zu einer raschen Wiederherstellung der Gefäßversorgung im Anastomosenbereich (Herzog 1974). Eine zweireihige Technik bietet keine Vorteile, stülpt unnötig ein und beansprucht entbehrliche Handgriffe. Voraussetzung für eine sichere einreihige Naht auf Stoß sind gewebeschonende Operationstechnik, eine Stichführung, die eine gute Adaptation ohne Ischämisierung der Darmränder erzielt und eine sichere Knotentechnik. Die spannungsfreie Annäherung gut durchbluteter Darmenden ist dabei Voraussetzung. Im Zweifelsfall kann die arterielle Durchblutung mit einem Dopplergerät nachgewiesen werden.

retraktor (»lone star retractor«) für die transanale Naht einer koloanalen Anastomose.

Einzelknopfnähte Die einfachste Stichführung ist die allschichtige Albert-Naht, mit der die Adaptation der Schichten auf Stoß aber schwierig ist. Die Stichkanäle führen außerdem bis ins Darmlumen, was Infektionen besonders bei Verwendung von geflochtenem Nahtmaterial begünstigen kann. Die außen geknüpfte extramuköse Naht auf Stoß (. Abb. 13.4) adaptiert bei exakter Durchführung alle Wandschichten, ohne ins Darmlumen zu führen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Submukosa als bestes Nahtlager mitgefasst wird. Die allschichtige, vom Lumen her gestochene und innen geknüpfte Rückstichnaht durch die Mukosa (. Abb. 13.5) eignet sich zur genauen Adaptation der Schleimhaut bei der Hinterwandnaht von Anastomosen, die von außen her nicht zugänglich sind, z. B. nach tiefer Rektumresektion. Die vorgelegte Einzelknopfnaht, evtl. für die Hinterwand mit Lift- oder Seilbahntechnik, wird für technisch schwierige Anastomosen eingesetzt. Diese Technik eignet sich für die Anastomose am tiefen Rektum (. Abb. 13.6) oder für die Ösophagojejunostomie. Für aufwendige Einzelknopfanastomosen, bei denen die Fäden vorgelegt werden müssen, verwenden wir flexible Stahlfedern als Fadenhalter (Demartines et al. 1998). Die Fäden sind unter leichtem Zug fixiert, dadurch kann das Verstricken der einzelnen Fäden vermieden werden. . Abb. 13.7 zeigt die flexiblen Stahlfedern, aufgesetzt auf einen selbsthaltenden Gummiband-

Fortlaufende Nähte Mit der Verfügbarkeit von monofilen, resorbierbaren Fäden (Polyglyconat, Polydioxanon oder Glycomer 631), die doppelt armiert sind, hat sich die fortlaufende, einreihige, extramuköse Naht für die gastrointestinalen Anastomosen durchgesetzt. Im Vergleich zur einreihigen Einzelknopfnaht mit identischer Stichführung stellt sie eine weitere Vereinfachung dar. Sie erfordert weniger Manipulationen und Kontakte mit bakteriell kontaminiertem Gewebe, ist dicht, gewebeschonend und außerdem zeitund kostensparend. Die fortlaufende Darmnaht ist überall dort geeignet, wo der Gastrointestinaltrakt frei beweglich, also wendbar ist. So kann die ganze Anastomose fortlaufend in Vorderwandtechnik durchgeführt werden. Die Nahtreihe wird mit einem doppelt armierten Faden mesenterial begonnen, der nach dem ersten Stich doppelt geknotet wird. Antimesenterial wird ein offener Haltefaden vorgelegt. Besteht eine ausgeprägte Lumendifferenz, so kann diese durch eine antimesenteriale Längsinzision ausgeglichen werden. Mit extramukösen Stichen wird nun die Naht weitergeführt, wobei darauf geachtet werden muss, dass sich die Mukosa nicht zwischen die genähten Darmenden einschlägt (. Abb. 13.8). Solange die fortlaufende Naht zum Operateur hinführt, dirigiert der Assistent mit der Pinzette den Faden nach Durchziehen der Nadel, bis die Schlaufe präzise gelegt ist und wieder von Hand geführt werden kann. Der Operateur sorgt dabei dafür, dass überschüssige Schleimhaut beim Anziehen des Fadens im Lumen verschwindet. Erfolgt die Naht vom Operateur weg, sind diese Rollen vertauscht. Der monofile Faden muss stetig aber nur so weit unter Zug stehen, dass eine lockere Adaptation der Darmränder die Dichtigkeit der Anastomose gewährleistet, ohne eine Ischämie oder einen Tabaksbeuteleffekt zu erzeugen. Beim Erreichen des antimesenterialen Haltefadens wird dieser entfernt und der Darm gewendet. Mit dem zweiten Fadenende wird die Gegenseite der Anastomose in gleicher Technik genäht und der Faden antimesenterial 6-fach geknotet. Diese Stichführung stellt den Standard für die handgenähten Anastomosen an wendbaren Abschnitten des Gastrointestinaltraktes dar (Harder et al. 1987).

150

Kapitel 13 · Die chirurgische Naht

. Abb. 13.6. Lift- oder Seilbahntechnik. Vom Lumen her gestochene, vorgelegte Einzelknopfnaht. Vor dem Knoten werden die beiden Darmenden analog einer Seilbahngondel entlang den angespannten Fäden zusammengeführt. Das gerade Stahlfedermodell aus der Mayo-Klinik (McDonald et al. 1995) verhindert das Verstricken der einzelnen Fäden untereinander

13

. Abb. 13.7. Transanale Anastomose (allschichtige Einzelknopfnaht vorgelegt). Der Analkanal wird mit einem selbsthaltenden Gummibandretraktor dargestellt. Die allschichtigen Einzelknopfnähte werden vorgelegt und an der flexiblen Stahlfeder fixiert

151 13.1 · Nahtmaterial und Nahttechnik

a

b

c

d

e

f

13

. Abb. 13.9. Abb. 13.9. Fortlaufende, allschichtige, einreihige Hinterwandnaht (Gastroenterostomie)

. Abb. 13.8a–f. Einreihige, fortlaufende Naht am Darm in Vorderwandtechnik. a Extramuköse Darmnaht, mesenterial begonnen und nach dem ersten Stich doppelt geknotet. b Die beiden Fadenenden werden quer zur Verlaufsrichtung des Darmes auf das Operationsfeld gelegt, wobei einer der beiden Fäden hinter dem Darm durchgezogen wird. Setzen eines antimesenterialen Haltefadens. Fortlaufende Naht extramukös unter Mitfassen der Submukosa vom Mesenterialansatz weg in Richtung Operateur. c Fadenführung mit nichttraumatisierender Pinzette durch den Assistenten und Einstülpen der überschüssigen Schleimhaut durch den Operateur. d Wenden des Darmes nach Vollenden der ersten Vorderwandnaht und Entfernen des Haltefadens. e Identische fortlaufende Naht der »zweiten Vorderwand« unter Verwendung des zweiten armierten Fadenendes. f Knüpfen der beiden Fadenenden mit einem 6-fachen Knoten

An nicht wendbaren, aber dennoch gut zugänglichen Abschnitten des Gastrointestinaltraktes wird die Hinterwand vom Lumen her in einer einreihigen, allschichtigen, fortlaufenden Technik genäht. Wir wenden diese Technik für alle Gastroenterostomien (Demartines et al. 1991), Seit-zu-Seit- oder End-zuSeit-Enteroenterostomie und am oralen Abschnitt des Rektums an. . Abb. 13.9 zeigt eine Gastroenterostomie. Nach Eröffnung des Darmes quer und des Magens längs wird die Naht mit einem doppelt armierten monofilen Faden an der Ecke begonnen. Der Stich führt allschichtig längs in das Darmlumen und quer zur

Darmschlinge wieder nach außen. Am anliegenden Magen wird ebenfalls allschichtig quer ein- und axial zur Gastrotomie wieder ausgestochen. Nach dem Knüpfen des Fadens wird nun die Hinterwand auf den Operateur zu fortlaufend, allschichtig genäht. Um die Naht der Hinterwand zu erleichtern, wird vorgängig die zweite Ecke mit einem Haltefaden markiert. Die Vorderwand wird, wie an den wendbaren Darmabschnitten, in extramuköser, fortlaufender Technik verschlossen. 13.1.9 a Whl der a Nhttechnik Aufgrund der klinischen Situation und des zur Verfügung stehenden Materials soll für jedes Gewebe die geeignete Nahttechnik gewählt werden. Unsere Empfehlungen, die in . Tab. 13.5 zusammengefasst sind, gründen auf den Ergebnissen klinischer und experimenteller Untersuchungen und auf der klinischen Erfahrung. Sie müssen auch im Zusammenhang mit . Tab. 13.4 betrachtet werden.

Ziel jeder Nahttechnik ist es, einen ungestörten Verlauf der Wundheilung zu ermöglichen und zu sichern sowie ein gutes funktionelles Ergebnis zu erreichen.

152

Kapitel 13 · Die chirurgische Naht

. Tabelle 13.5. Wahl der Nahttechnik

Ort der Naht

Empfohlene Nahttechnik

Alternative

Anastomosen am Ösophagus

Einreihige, extramuköse Einzelknopfnaht Hinterwand mit Rückstichnähten von innen

Stapleranastomose

Anastomosen am Magen

Fortlaufende, einreihige, extramuköse Naht

Stapleranastomose

Anastomosen am beweglichen Darm und proximalen Rektum

Fortlaufende, einreihige, extramuköse Naht

Anastomosen am tiefen Rektum

Stapleranastomose

Extramuköse Einzelknopfnaht distal vorgelegt Hinterwand mit Rückstichnähten in Lifttechnik

Anorektale Anastomosen

Transanale, allschichtige Einzelknopfnaht

Stapleranastomose

Choledochotomieverschluss

Fortlaufende Allschichtnaht

Überwendliche Einzelknopfnaht

Biliodigestive Anastomose

Überwendliche Einzelknopfnaht außen geknotet

Anastomose am Pankreas

Fortlaufende Naht, am Darm extramukös

Zusätzliche fortlaufende Teleskopnaht

Laparotomieverschluss

Fortlaufende Naht mit Schlingenfaden

Bei problematischem Verschluss zusätzlich Entlastungsnähte (Ausziehnaht)

Hautnaht

Einseitig intrakutane Rückstichnaht nach Allgöwer

Vertikale Rückstichnaht nach Donati Klammern oder Intrakutannaht und Steristrip

Literatur

13

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153 13.2 · Klammerinstrumente in der gastrointestinalen Chirurgie

13

Klammerinstrumente in der gastrointestinalen Chirurgie

13.2

K. Böttcher ) )

a

Eine moderne Chirurgie am Gastrointestinaltrakt ohne Klammernahtinstrumente ist nicht mehr vorstellbar. Stapleranastomosen ermöglichen in vielen Bereichen im Vergleich zur Handnaht eine Senkung der postoperativen Letalität und Morbidität. Der Einsatz von Klammernahtgeräten ermöglicht bei vielen Patienten eine Verbesserung der Lebensqualität durch die Pouchbildung nach Gastrektomie und kontinenzerhaltender Operation beim tiefsitzenden Rektumkarzinom. Dagegen ist der Einsatz an beweglichen, intraperitonealen Darmabschnitten zum Anlegen einer Anastomose wenig sinnvoll. Hier bietet sich die Handnaht als kostengünstige Alternative an. Ein breites Verfahrensspektrum und neue Operationsstrategien in der laparoskopischen Chirurgie sind erst durch den Staplereinsatz möglich.

b

c

13.2.1 Gerätetypen und Anwendungsprinzipien Insgesamt stehen 3 verschiedene Typen von Staplern unterschiedlicher Größe zur Verfügung: lineare (TA, PLS) und zirkuläre Stapler (CEEA, CDH) sowie lineare Cutter (GIA, PLC). Daneben sind auch Stapler für Ligaturen und zum Hautverschluss erhältlich. Alle Geräte sind in der überwiegenden Mehrzahl als Einweginstrumente erhältlich. Hauptanbieter der Stapler sind die Firmen Auto-Suture (USSC, Norwalk, USA) und Ethicon (Sommerville, USA). Lineare Stapler Lineare Stapler (. Abb. 13.10) lassen sich vor allem für den partiellen oder totalen Verschluss von Hohlorganen verwenden.

. Tabelle 13.6. Lineare Stapler

Auto-Suture

Ethicon

Bezeichnung

TA Premiuma Premium Multifire TAb Roticulatorc

Proximate Linear Stapler TL, TXb Proximate Accessc

Magazingröße (mm)

TA Premium: 30, 55, 90 Premium Multifire TA: 30, 60, 90 Roticulator: 30, 55

TL: 30, 60, 90 TX: 30, 60 Access: 55

Klammergröße (mm)

2,5/3,5/4,8

2,5/3,5/4,8

Klammer

Titan

Titan

Verwendbarkeit

Einweg/Mehrweg

Einweg/nachladbar

a

Stahlinstrument mit Nachladeeinteilung, b Einweggerät mit Nachladeeinheit, c biegsamer Schaft

. Abb. 13.10a–c Auswahl verfügbarer Klammernahtgeräte für die gastrointestinale Chirurgie. a, b Lineare Stapler: Proximate Linear Stapler 60 und 30 mm; c abwinkelbarer Linearstapler: Proximate Access 55 mm

Je nach Einsatzzweck sind verschiedene Stapler mit Magazinlängen zwischen 30 und 90 mm auf dem Markt (. Tab. 13.6). Kleinere Größen sind in fast allen Bereichen des Gastrointestinaltraktes einsetzbar, die 90-mm-Geräte eignen sich besonders zum Verschluss des Magenstumpfes oder für die Magenschlauchbildung. Die U-förmigen Metallklammern aus Titan sind in doppelter Reihe angeordnet, geschlossen nehmen sie die Form eines »B« an. Je nach Dicke des zu verschließenden Gewebes sind Geräte mit Klammern der Größen 3,5 und 4,8 mm erhältlich, zum Verschluss von Gefäßen sind auch Magazine mit Klammern von 2,5 mm verfügbar. Seit einigen Jahren sind auch abwinkelbare Geräte mit einem biegsamen Schaft (Roticulator, Proximate Access) verfügbar, die das Einführen auch in enge Bereiche, etwa ins kleine Becken zum Verschluss eines tiefen Rektumstumpfes, erlauben (. Abb. 13.10c). Für den Einsatz in der laparoskopischen Chirurgie sind 30und 60-mm-Geräte mit 2,5 und 3,5 mm Klammerlänge auf dem Markt (Multifire Endo TA, Fa. Auto Suture; Endopath ELC ohne Messer, Fa. Ethicon). Lineare Cutter Lineare Cutter (. Abb. 13.11) dienen vor allem der Anlage von Seit-zu-Seit-Anastomosen sowie der Durchtrennung unter gleichzeitigem beidseitigen Verschluss von Darmschlingen.

Je nach Anwendungsgebiet sind Gerätelängen zwischen 50 und 100 mm erhältlich (. Tab. 13.7). Die 90- und 100-mm-Geräte sind am besten für die Anlage intestinaler Pouches beim Magenersatz oder in der kolorektalen Chirurgie geeignet. Je nach Dicke

154

Kapitel 13 · Die chirurgische Naht

. Abb. 13.11a,b. Lineare Cutter: Proximate Linear Cutter 75 mm (a), abwinkelbarer linearer Cutter für den laparoskopischen Einsatz: Endo Gia Universal Roticulator 60 mm (b) a

b

. Tabelle 13.8. Zirkuläre Klammernahtgeräte

. Tabelle 13.7. Lineare Cutter

13

Auto-Suture

Ethicon

Bezeichnung

GIA Premiuma Multifire GIAb

Proximate Linear Cutter (PLC)b

Magazingröße (mm)

GIA Premium: 50, 90 Multifire GIA: 60, 80

55, 75, 100

Klammergröße (mm)

3,8/4,8

2,5/3,5/4,8

Klammer

Titan

Titan

Verwendbarkeit

Einweg/Mehrweg

Einweg

a

Stahlinstrument mit Nachladeeinteilung, b Einweginstrument mit Nachladeeinheit

des zu verschließenden und durchtrennenden Gewebes stehen auch hier unterschiedliche Magazine mit Klammerlängen von 2,5–4,8 mm zu Verfügung. Zum Einsatz in der laparoskopischen Chirurgie werden auch endoskopische lineare Cutter (z. B. Endopath ELC, Fa. Ethicon; Multifire Endo GIA, Fa. Auto-Suture) in verschiedenen Magazinlängen von 30–60 mm und Klammerlängen von 2,5 und 3,5 mm angeboten; zur besseren Handhabung sind diese zum Teil auch abwinkelbar (. Abb. 13.11b). Zirkuläre Stapler Zirkuläre Stapler (. Abb. 13.12) dienen zur Anlage von Endzu-End-, End-zu-Seit-, Seit-zu-End- und Seit-zu-Seit-Anastomosen.

Zirkuläre Stapler sind in verschiedenen Ausführungen erhältlich (. Tab. 13.8). Abnehmbare Instrumentenköpfe mit verschiedenen Durchmessern erleichtern die intraoperative Handhabung der Geräte. Der gebogene Premium Plus CEEA (»circular end-to-end anastomosis«, Fa. Auto-Suture) ist mit einem Instrumentenkopf-

Auto-Suture

Ethicon

Bezeichnung

Premium Plus CEEA

Proximate Circular Stapler (CDH)

Instrumentenkopfdurchmesser (mm)

21, 25, 28, 31, 34

21, 25, 29, 33

Anastomosendurchmesser (mm)

11,4/15,0/18,0/ 21,2/24,2

12,4/16,4/20,4/24,4

Schaft

Gebogen

Gerade/gebogen

Klammer

Titan

Titan

Verwendbarkeit

Einweg

Einweg

durchmesser von 21, 25, 28, 31 und 34 mm erhältlich, die resultierenden Anastomosenweiten betragen 11,4, 15,0, 18,0, 21,2 und 24,2 mm. Nach Auslösen und Teilöffnung des Staplers kippt die extrem flache Andruckplatte um fast 90° in Richtung auf den Zentralstab und erleichtert so das Zurückziehen des Gerätes. Der Proximate CDH-Stapler (Intraluminalstapler, Fa. Ethicon) wird mit Kopfgrößen von 21, 25, 29 und 33 mm angeboten, die zu einem Anastomosendurchmesser von 12,2, 16,4, 20,4 und 24,4 mm führen. Damit führt das CDH-Gerät im Vergleich zum CEEA bei gleichem Außendurchmesser zu einer größeren Anastomosenweite. Die Länge der Titanklammern beträgt in allen Geräten 5,5 mm. Während der Premium Plus CEEA-Stapler zum Auslösen vollständig geschlossen werden muss, ermöglicht das Proximate CDH-Gerät eine individuelle Anpassung der geschlossenen Klammerhöhe zwischen 1,0 und 2,5 mm an das jeweilige Gewebe. Dadurch kann das Gewebstrauma reduziert und einer Anastomoseninsuffizienz durch Drucknekrose entgegengewirkt werden (Chung 1987). CDH-Stapler sind mit geradem und gebogenem Schaft, Premium Plus CEEA-Stapler nur mit gebogenem Schaft erhältlich. Die leichte Biegung der Instrumente erleichtert das Einführen z. B. in die Ampulla recti sowie in das Mediastinum bei trans-

155 13.2 · Klammerinstrumente in der gastrointestinalen Chirurgie

13

. Abb. 13.12a,b. Zirkuläre Stapler: Premium Plus CEEA 34 mm (a), CDH 29 mm (b)

a

b

hiataler distaler Ösophagektomie mit hoher intramediastinaler Ösophagojejunostomie. Zum Einsatz in der laparoskopischen Chirurgie sind die Geräte auch in gasdichter Ausführung erhältlich. Zirkuläre Anastomosen ermöglicht auch der sog. biofragmentierbare Anastomosenring (BAR, Valtrac, Fa. Braun-Dexon, Spangenberg, 7 Kap. 13.1.4). Bei allen zirkulären Klammernahtgeräten müssen Tabaksbeutelnähte angelegt werden, um das Darmlumen dicht an den Amboss bzw. das Gerät adaptieren zu können. Diese können per Hand oder auch mit den verfügbaren Tabaksbeutelnahtklemmen manuell angelegt werden, die ebenfalls verfügbare automatische Tabaksbeutelnahtklemme (Pursestring-Klemme, Fa. AutoSuture), die eine durch kleine Drahtklammern gehaltene Tabaksbeutelnaht automatisch im richtigen Abstand zur Resektionslinie platziert, ist dagegen in Abhängigkeit von der Lokalisation und Gewebebeschaffenheit nicht immer zuverlässig. 13.2.2 Indikationen Die von der Industrie in großer Zahl hergestellten Klammernahtgeräte werden in nahezu allen Bereichen der gastroenterologischen Chirurgie als Alternative zur Handnaht angewendet (. Tab. 13.9).

Ein großer Vorteil dieser Nahttechniken ist, dass sie standardisiert sind, eine gute Durchblutung der Randlefzen gewährleisten und immer von gleicher Zuverlässigkeit sind.

In tierexperimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass bei handgenähten Anastomosen passagere fokale Vaskularisationsänderungen auftreten, die wahrscheinlich auf einen unterschiedlich dosierten Knotendruck zurückzuführen sind (Hölscher u. Siewert 1992). Dieses wird jedoch bei Klammernähten durch eine immer gleich dosierte Kompression verhindert. Somit sind Klammernähte unabhängig von dem Ausbildungsstand und der Tagesform des Chirurgen. Grundsätzlich sind automatische Nähapparate dort besonders sinnvoll einsetzbar, wo sie durch ohnehin im Ablauf der Operation entstandene oder von der Natur vorgegebene Öffnungen eingeführt werden können.

Die Deckung der Klammernahtreihen mit seromuskulären Einzelknopfnähten ist nicht notwendig. In der laparoskopischen Chirurgie ermöglichen die hierfür entwickelten Geräte fast alle auch in der offenen Chirurgie möglichen Operationsverfahren. Neben einer zeitsparenden und sicheren Rekonstruktion führt der Staplereinsatz auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität, so kann z. B. die Rate kontinenzerhaltender Operationen in der Rektumchirurgie in schwierigen anatomischen Situationen (enges Becken beim Mann) erhöht werden. Durch einen sicheren Verschluss bzw. eine saubere und rasche Durchtrennung keimbesiedelter Hohlorgane wird die Kontamination des Operationsfeldes deutlich vermindert. Weiterhin führt die Klammernahttechnik zu einer geringeren Traumatisierung der Anastomose, wobei die Metallclips eine maximale Dichtigkeit ohne Gewebsischämie ermöglichen.

Den größten Fortschritt ermöglichen Klammergeräte in der laparoskopischen Chirurgie, die ohne diese Geräte in vielen Bereichen nicht denkbar wäre.

. Tabelle 13.9. Anerkannte Indikationen zur Anwendung von Klammernahtgeräten in der gastrointestinalen Chirurgie

Organgebiet

Anwendung

Ösophagus

Abtragung Zenker-Divertikel Schlauchmagenbildung Intrathorakale Ösophagogastrostomie

Dünndarm

Abtragung Meckel-Divertikel

Magen

Verschluss des Magenstumpfes Verschluss des Duodenalstumpfes Ösophagojejunostomie intraabdominal und intramediastinal Bildung eines Jejunumpouches

Kolon/Rektum

Tiefe kolorektale, koloanale und ileoanale Anastomosen zum Teil in »Double-staplingTechnik« Ileum- und ggf. Kolonpouchbildung

156

Kapitel 13 · Die chirurgische Naht

13.2.3 Anwendungsmöglichkeiten Ösophaguschirurgie Lineare Klammernahtgeräte sind besonders zum Blindverschluss bei Abtragung von Ösophagusdivertikeln geeignet, alternativ kann auch in geeigneten Fällen eine transorale Schwellenspaltung beim Zenker-Divertikel mit dem linearen Cutter erfolgen (Omote et al. 1999). Bei der transthorakaler Ösophagektomie kann der Ösophagus problemlos in der Pleurakuppel mit einem linearen Klammernahtgerät verschlossen und abgesetzt werden, um einer Keimverschleppung vorzubeugen. Die Magenschlauchbildung zur Passagerekonstruktion erfolgt mit linearen Staplern oder Cuttern. Klare Indikationen für zirkuläre Klammernahtgeräte sind die ösophagogastrale Anastomose nach subtotaler Ösophagektomie, wenn sie im Thorax angelegt wird, sowie die hohe intramediastinale Ösophagojejunostomie. Hier kommen überwiegend Gerätekopfgrößen von 25 oder 28 mm zur Anwendung. Der Einsatz der Zirkulärstapler erlaubt eine wesentlich höhere intramediastinale Anlage der Anastomose als bei Handnaht und vermeidet die Thorakotomie. Der blinde Schenkel der Ösophagojejunostomie kann problemlos mit einem linearen Stapler verschlossen werden.

13

Magenchirurgie Klare Indikationen sind der Verschluss des Duodenalstumpfes sowie die Transsektion und der Verschluss des proximalen Magenstumpfes mit linearen Klammernahtgeräten. Lineare Cutter werden bevorzugt zur Bildung eines Jejunumpouches (Magazingröße 90–100 mm) nach totaler Gastrektomie sowie zur Anlage von Gastroenterostomien verwendet. Auch die Anlage einer Braun-Fußpunktanastomose nach Magenresektion ist hiermit möglich. Zirkuläre Klammernahtgeräte dienen zur Anlage der Ösophagojejunostomie (7 oben), aber auch die Erstellung einer Gastroduodenostomie (Billroth I) ist hiermit möglich. In der laparoskopischen Chirurgie eignen sich lineare Cutter zur Magenwedgeresektion bei Stromatumoren oder beim Magenfrühkarzinom vom Mukosatyp (Böttcher et al. 1998; Katai et al. 1997; Ohgami et al. 1999). Auch die Anlage einer palliativen Gastroenterostomie bei einer Magenausgangsstenose ist eine gute Indikation. Dünndarmchirurgie Klare Indikationen zum Einsatz von Klammernahtgeräten in der Dünndarmchirurgie sind selten. Die Abtragung eines MeckelDivertikels mit einem linearen Klammernahtgerät ist eine häufige Indikation, dagegen sind Seit-zu-Seit-Anastomosen zwischen zwei Dünndarmschlingen mit dem linearen Cutter sowie Seit-zu-End-Anastomosen im Sinne einer Roux-Y-Ableitung mit zirkulären Klammernahtgeräten seltene Indikationen. Kolorektale Chirurgie Klare Indikation in der kolorektalen Chirurgie ist die Anlage einer kolorektalen Anastomose bei der anterioren Resektion mit zirkulären Klammernahtgeräten; hier sollten die Geräte mit dem größten Durchmesser (Premium Plus CEEA 34, CDH 33) bevorzugt werden. Je nach Länge des Rektumstumpfes kann dieser dabei mit einem linearen Stapler verschlossen werden und die Anastomosierung transanal mit dem zirkulären Stapler erfolgen

(sog. »Double-stapling-Technik«). Manchmal bietet sich auch eine kolorektale Anastomosierung in Seit-zu-End-Technik von abdominal an. Nach Einknoten des Kopfes eines zirkulären Staplers in den mit einer Tabaksbeutelnaht versehenen Rektumstumpf erfolgt die kolorektale Anastomose in Seit-zu-End-Technik von abdominal her. Der resultierende blinde Schenkel wird wiederum mit einem linearen Stapler verschlossen. Weitere Indikationen für zirkuläre Klammernahtgeräte sind die Wiederherstellungsoperationen nach Hartmann-Operation, für lineare Klammernahtgeräte der Verschluss des Rektumstumpfes bei anteriorer Resektion oder Hartmann-Operation. Die intrapelvine Pouchbildung bei ileorektalen oder ileoanalen Anastomosen geschieht am vorteilhaftesten durch 90 oder 100 mm lange lineare Cutter, die hier am besten zweimal zum Einsatz kommen. Auch die Anlage eines Kolonpouches, dessen Länge nicht mehr als 5 cm betragen sollte, ist mit linearen Cuttern leicht möglich. Zur Anlage der pouchrektalen bzw. pouchanalen Anastomosen empfiehlt sich ein zirkuläres Klammernahtgerät. Wahrscheinlich führt nach Pouchbildung eine bessere Mikrozirkulation im Bereich des Pouchapex sowie nach Seit-zuEnd-Anastomosen zu einer geringeren Rate an Anastomoseninsuffizienzen (Haalböök et al. 1996). 13.2.4 Probleme und Empfehlungen Prinzipiell sind bei wiederverwendbaren Geräten Fehler durch eine falsche Montage des Klammernahtgerätes sowie des Magazines möglich. Bei Anwendung des linearen Cutters ist darauf zu achten, das Skalpell vollständig durchzuziehen, um eine inkomplette Durchtrennung des Gewebes zu vermeiden. Auch empfiehlt es sich hier, die Seit-zu-Seit-Anastomose möglichst antimesenterial anzulegen, um Blutungen zu vermeiden. Tritt eine Blutung auf, muss eine Durchstechungsligatur vorgenommen werden; auf eine Kauterisierung ist zu verzichten, um thermische Schäden zu vermeiden. Bei der Anlage einer Ösophagojejunostomie muss darauf geachtet werden, dass der Ösophagus nicht durch zu starke Dilatation einreißt. Bei engen Lumina sollte der Ösophagus nach i.v.-Injektion von Glukagon digital oder mittels einer Kornzange dilatiert werden.

Nach Verwendung eines zirkulären Staplers empfiehlt es sich, die ausgestanzten Ringe auf Vollständigkeit zu überprüfen.

Diese schließt jedoch Insuffizienzen nicht vollständig aus. Bei tiefen Rektumanastomosen empfiehlt sich daher die Dichtigkeitsprüfung mit Methylenblaulösung oder Luftinsufflation, bei Flüssigkeits- oder Gasaustritt erfolgt die Übernähung ggf. mit einer Anus-praeter-Anlage, in seltenen Fällen muss die Anastomose auch neu angelegt werden. Als Nachteile der Stapleranwendung besonders am Rektum werden neben den hohen Kosten vor allem der Verbleib der Titanklammern genannt, der zum einen über eine erhöhte Induktion von Kollagenbildung im Nahtbereich Stenosen bedingen, zum anderen zu einer CT-Beeinflussung führen kann (Dziki et al. 1993). Dagegen gibt es keine gesicherten Hinweise aus klinischen Studien, die zeigen, dass Metall als Nahtmaterial eine höhere Kanzerogenität besitzt als Fadenmaterial (Hölscher u. Siewert 1992).

157 13.2 · Klammerinstrumente in der gastrointestinalen Chirurgie

13.2.5 Kostenanalyse Aufgrund knapper werdender Ressourcen und des zunehmenden ökonomischen Drucks muss der Einsatz von Klammernahtgeräten nicht nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Effektivität, sondern auch ihrer Effizienz (Kosten-Nutzen-Analyse) beurteilt werden (Izbicki et al. 1998). Neben operationstechnischen Überlegungen ist die Zeitersparnis ein immer wieder genannter Vorteil von Stapleranastomosen. Habu et al. (1989) konnten an einem großen Patientengut eine statistisch signifikante Zeitersparnis von 18 min bei der Staplerösophagojejunostomie (n=94) gegenüber der Handnaht (n=145) erzielen. Bei kolorektalen Anastomosen betrug der Zeitgewinn beim Staplereinsatz 17 min (Everett et al. 1986). Dieser Zeitgewinn wird jedoch mit hohen Kosten erkauft. So betragen die reinen Materialkosten z. B. für die Rekonstruktion nach Gastrektomie in Staplertechnik 640,– € (Handnaht: 180,– €), nach Rektumresektion 460,– € (Handnaht: 73,– €). Selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung von Operationszeiten und Personalkosten ergibt sich bei Klammernahtanastomosen ein finanzieller Mehraufwand von etwa 30% (Izbicki et al. 1998).

Klammernahtgeräte sollten deshalb am Gastrointestinaltrakt nur dort zum Einsatz kommen, wo sie besondere Vorteile bieten (. Tab. 13.9).

Allerdings erscheint im klinischen Alltag das Argument der Zeitersparnis relevanter als aus den vorliegenden Studien hervorgeht. So wird z. B. nach langen und schwierigen Resektionen in der onkologischen Chirurgie die Belastung des Operateurs durch zeitsparende Rekonstruktionsmöglichkeiten erheblich reduziert.

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13

Katai H, Sasako M, Sano T, Maruyama K (1997) Wedge resection of the stomach for gastric leiomyosarcoma. Br J Surg 84:560–561 McGuire J, Wright IC, Leverment JN (1997) Surgical staplers: a review. J R Coll Surg 42:1–9 Ohgami M, Otani Y, Kumai K, Kubota T, Kim Y-I, Kitajima M (1999) Curative laparoscopic surgery for early gastric cancer: five years experience. World J Surg 23:187–192 Omote K, Feussner H, Stein HJ, Ungeheuer A, Siewert JR (1999) Endoscopic stapling divertculostomy for Zenker´s diverticulum. Surg Endoscopy 13:535–538

14 14

Drainage der Bauchhöhle P. Bertram, K.-H. Treutner

14.1

Allgemeine Prinzipien der intraabdominellen Drainage – 160

14.2

Drainagesysteme und physikalische Prinzipien – 160

14.3

Material und Struktur von Drainagen – 161

14.4

Drainagetypen

14.5

Prophylaktische Drainage: Indikationen – 162

14.5.1 14.5.2 14.5.3 14.5.4 14.5.5 14.5.6 14.5.7

Ösophaguschirurgie – 162 Magen- und Dünndarmchirurgie Kolorektale Chirurgie – 162 Hepatobiliäre Chirurgie – 163 Milzchirurgie – 163 Pankreaschirurgie – 163 Septische Chirurgie – 163

14.6

Therapeutische Drainage – 163 Literatur – 163

– 161

– 162

160

Kapitel 14 · Drainage der Bauchhöhle

) ) Der Einsatz von abdominellen Drainagen ist wie kaum ein anderes Thema weiterhin durch Subjektivismen und fehlende, klinisch verwertbare Studien gekennzeichnet. Die prophylaktische und routinemäßige Drainage der Bauchhöhle in elektiven Situationen kann nicht mehr generell empfohlen werden. Die therapeutische Drainage ist grundsätzlich zur Entlastung von pathologischen Flüssigkeitsverhalten indiziert. Die synthetischen Kunststoffe Polyurethan und Silikon haben die auf Naturprodukten basierenden Materialien nunmehr vollständig abgelöst. Drainagen werden unter den physikalischen Prinzipien Schwerkraft, Kapillarwirkung und Sog eingesetzt. Unterschieden wird zwischen offenen, halboffenen oder geschlossenen Drainagesystemen.

14.1

Allgemeine Prinzipien der intraabdominellen Drainage

Ziel der abdominellen Drainage ist die Ableitung von infektiösen oder potenziell infektiösen Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle. Grundsätzlich werden 2 differente Indikationen zur intraabdominellen Drainage unterschieden: die prophylaktische und die therapeutische Drainage. 4 Die prophylaktische Drainage wird während der Operation oder unmittelbar vor Verschluss der Bauchhöhle vorgenommen, um die im Anschluss an die Operation zu erwartenden Flüssigkeits- oder Sekretansammlungen abzuleiten. 4 Die therapeutische Drainage wird eingesetzt, um entstandene Flüssigkeits- oder Sekretverhalte zu entlasten und unterliegt in vielen Fällen der Notfallindikation.

14

Aufgrund drainagebedingter Komplikationen, wie sie vor allem im Tierexperiment nachweisbar sind, wird der Sinn der prophylaktischen und routinemäßigen abdominellen Drainage vor allem in Elektivsituationen zunehmend in Frage gestellt. Zu den Komplikationen gehören Drucknekrosen am Darm, Gefäßarrosionen mit Blutungen, aszendierende Infektionen entlang der Drainage, Hernien an den Drainageaustrittsstellen, Schmerzen, Darmstrangulationen, Drainageretraktion oder Verbleiben von Drainageanteilen in situ (Ernst et al. 1993; Raves 1984). Für viele Chirurgen hat die prophylaktische Drainage eine Indikatorfunktion als »Blutungsdrainage« für 48 h oder »Insuffizienzdrainage« für 7 Tage. Bei Okklusion können sie jedoch falsche Sicherheit vortäuschen. Unter beiden Indikationen kann die Drainage häufig nicht die Relaparotomie umgehen. Sinnvoll kann die Drainage aber durchaus kurz- oder auch mittelfristig zur Ableitung da eingesetzt werden, wo erfahrungsgemäß Flüssigkeits- oder Sekretverhalte im Verlauf zu erwarten sind. Insbesondere bei Anastomosenlokalisationen mit hohen Leckageraten, bei entzündlichen Prozessen oder größeren Ablöseflächen vermag die prophylaktische Drainage eine nachträgliche und potenziell risikobelastete interventionelle Entlastung zu umgehen. Cave Weder die prophylaktische noch die therapeutische Drainage sind, auch bei Einlage multipler Drainagen, in der Lage, den gesamten Abdominalraum suffizient zu drainieren.

. Abb. 14.1a–f. Prädilektionsstellen der Flüssigkeitsansammlungen in der Peritonealhöhle. a, b rechts und links subphrenisch, c subhepatisch, d, e parakolisch rechts und links, f Douglas-Raum

Die Ursache liegt in der Bildung von Abdominalkompartimenten, die einerseits anatomisch vorgegeben sind und andererseits als postoperativer Zustand durch Veränderung der Anatomie oder Verklebungen zusätzlich auftreten können. Die Einlage der prophylaktischen Drainage erfolgt deswegen in das entsprechende Operationsgebiet oder in die anatomisch vorgegebenen Prädilektionsstellen einer Flüssigkeitsansammlung (. Abb. 14.1). Bei der Zieldrainage einer Anastomose muss ein Kontakt jedoch vermieden werden, um die Wundheilung nicht zu kompromittieren. Eine dauerhafte Sekretableitung mittels Drainagesystemen ist nicht zuverlässig gewährleistet. Durch Koagelbildung oder Fibrinausschwitzungen kann es zu einer Verlegung der Drainage oder dem abhängigen Schlauchsystem kommen. Die Anlage einer abdominellen Drainage erfolgt wenn immer möglich von innen nach außen durch eine gesonderte Inzision. Zur Vermeidung von Dislokationen oder Retraktionen werden Drainagen immer mittels nichtresorbierbarer Naht an der Haut fixiert. 14.2

Drainagesysteme und physikalische Prinzipien

Grundsätzlich werden 3 verschiedene Drainagesysteme unterschieden (. Tab. 14.1): 4 Die offene Drainage leitet das Sekret direkt in einen Verband. 4 Das halboffene Drainagesystem fördert Flüssigkeiten in Drainagebeutel, die über der Austrittstelle der Drainage direkt auf die Haut geklebt werden. 4 Geschlossene Drainagesysteme leiten das Sekret unmittelbar in eine Flasche oder einen Beutel.

161 14.4 · Drainagetypen

. Tabelle 14.1. Drainagesysteme und physikalische Prinzipien

. Tabelle 14.2. Drainagematerialien

Drainagesysteme

Physikalisches Prinzip

Modifizierte Naturprodukte

Synthetische Kunststoffe

Offen

Schwerkraft

Kautschuk

Polyvinylchlorid

Halboffen

Kapillarwirkung

Latex

Polyurethan

Geschlossen

Sog (Vakuum)

Weichgummi

Silikon

Nach dem physikalischen Prinzip der Ableitung unterscheidet man Drainagen, die durch Schwerkraft, Kapillarwirkung oder Sog arbeiten. Flexible Rohrsysteme, die am tiefsten Punkt ausgeleitet werden, fördern das Sekret aufgrund des Schwerkraftprinzips. Unterstützend wirken Bauchpresse oder Lungenexkursionen durch eine zusätzliche Kompression des zu drainierenden Areals. Drainagesysteme mit mehreren kleinen Kanälen mit kleinem Querschnitt oder eingelegtem Gewebe mit Dochtwirkung fördern Sekret nach dem Prinzip der Kapillarwirkung. Auf Dauersog oder Vakuum basierende geschlossene Drainagesysteme evakuieren Sekret unabhängig von ihrer Lage entgegen der Schwerkraft. Bei diesem Drainageprinzip muss das eingesetzte Schlauchsystem eine ausreichende Stabilität aufweisen, um nicht zu kollabieren (. Tab. 14.1; Robinson 1986). 14.3

Material und Struktur von Drainagen

Als Drainagematerial werden heutzutage entweder modifizierte Naturstoffe aus Rohkautschuk oder durch Polymerisation (Polyvinylchlorid), Polyadduktion (Polyurethan) und Polykondensation (Silikon) hergestellte, synthetische Kunststoffe eingesetzt. Rohkautschuk wird nach Vulkanisierung durch Zusatz von Antioxidanzien, Schwefel und Stabilisatoren in Latex- oder Weichgummiprodukte überführt. Bei der Verwendung von Polyvinylchlorid (PVC) wird durch Veränderungen des Polymerisationsverfahrens, Zugabe von Weichmachern und Gleitmitteln die gewünschte flexible und elastische Drainageeigenschaft erreicht. Insbesondere bei längerer Liegedauer können jedoch diese Verbindungen aus den Drainagen herausgelöst werden und in den Körper gelangen. Das eingesetzte Material wird spröde. Wegen unzureichender Biokompatibilität (Feisetzung von Weichmachern) sind diese Materialien nicht mehr einzusetzen. Polyurethane (PUR) entstehen durch Polyaddition niedermolekularer Monomere zu einem makromolekularen Hochpolymer. Chemische Modifikationen ermöglichen die Herstellung verschiedenartiger Materialeigenschaften. Silikone (Organosiloxane) werden durch Polykondensation aus Ketten von Siliziumund Sauerstoffatomen mit Besetzung der freien Valenzen durch Kohlenwasserstoffe gebildet. Durch die Zugabe von Füllstoffen wie Kieselsäure entsteht der weiche Silikonkautschuk (Dimethylpolysiloxan) (. Tab. 14.2; Schumpelick et al. 1993).

Form und materielle Struktur der Drainage sollten idealer Weise dem intraabdominellen Einsatzort sowie der zu erwartenden Liegedauer und der zu erfüllenden Funktion entsprechen.

14

So ermöglichen Drainagetypen mit einer singulären Öffnung die Evakuation von Sekreten in einer gezielten Lokalisation, während Drainagen mit multiplen Öffnungen prinzipiell über die gesamte Länge ihrer Strecke Flüssigkeiten aufnehmen können. Drainagen mit kleinen Kanälen mit kleinem Querschnitt unterliegen hingegen der Gefahr der Obstruktion durch Koagel oder nekrotisches Gewebe. Saugdrainagen benötigen eine ausreichende Materialfestigkeit. Bei großlumigen Saugdrainagen mit singulärer Öffnung besteht die Gefahr, dass Gewebe den Kanal verlegt und durch den Sog oder bei Retraktion der Drainage geschädigt wird. Ist eine längere Verweildauer vorgesehen, werden zweckmäßigerweise Drainagetypen aus weichen und flexiblen Materialien gewählt. Komplikationen. Zu berücksichtigen ist, dass jede Drainage als Fremdkörper wirkt, auch wenn die derzeit eingesetzten Materialien über weite Strecken als sehr gut kompatibel gelten müssen. Zumindest Beeinträchtigungen der lokalen körpereigenen Immunabwehr in Form von Bakterientranslokation oder Behinderung der peritonealen Phagozytosefähigkeit gelten als erwiesen. Zudem gibt es starke Indizien für Anastomosenheilungsstörungen durch unmittelbar an der Anastomose platzierte Drainagen. Jederzeit zu berücksichtigen ist das potenzielle Risiko einer aszendierenden Infektion sowie der Gewebearrosion bei längeren Liegezeiten oder der Gewebeschädigung bei Retraktion. Hernierungen im Drainagekanal sind ebenso möglich wie Strangulationen um die Drainage. Außerdem wird die Bildung von Adhäsionen durch Drainagen induziert (Ernst et al. 1997; Guo et al. 1993a, b; Mora et al. 1991). Während der Dauer ihrer Anwendung sind Drainagen der permanenten Wechselwirkung biochemischer Reaktionen ausgesetzt, die sich durch körpereigene enzymatische Reaktionen oder bakterielle Besiedlungen ergeben. Neben den durch Form und Struktur verursachten Problemen, muss deshalb zunehmend auch die lokale und vor allem systemische Schädigung des Organismus durch Freisetzung atomarer und molekularer Bestandteile, von Stabilisatoren und Weichmachern, Berücksichtigung finden. Diesen Umstand gilt es zuallererst bei der Anwendung in der Kinderchirurgie zu bedenken. Die Forderungen an die im Einzelfall zu wählende Drainage richten sich maßgeblich nach Ort, Dauer und Funktion der zu erfüllenden Aufgabe. Grundsätzlich ist jedoch klar, dass es nicht eine Drainage für alle Anwendungen gibt (Treutner et al. 2003).

14.4

Drainagetypen

Der am häufigsten eingesetzte Drainagetyp bei problematischen intestinalen Anastomosen oder nach Hohlorganperforationen mit lokaler Peritonitis ist der Drainagetyp »easy flow« mit kapil-

162

Kapitel 14 · Drainage der Bauchhöhle

. Abb. 14.2. Drainagetypen zur intraabdominellen Drainage. a Easy-flow-Drainage, b Aachener-Drainage, c Robinson-Drainage, d Latexrohrdrainage a

b

c

d

lärem Förderprinzip. Als Schwerkraftdrainagen werden die Robinson-Drainage oder – insbesondere bei notwendigen Dauerspülbehandlungen wie der infizierten Pankreasnekrose – großlumige Latexrohrdrainagen als Abflusssysteme eingesetzt. Zur Drainage von flächigen Arealen oder bei Verwendung von Sog kommt die »Jackson-Pratt« oder »Aachener-Drainage« zum Einsatz (. Abb. 14.2).

14.5

darmresektionen nicht die Notwendigkeit einer routinemäßigen Drainage besteht. Ist nach Dünndarmnaht eine Drainage zu platzieren, so muss in jedem Fall der Douglas-Raum mit erfasst werden, da eine sichere Zuordnung der Drainage zur Nahtstelle nach Einsetzen der Peristaltik nicht gewährleistet ist. Nach Gastrektomie liegt die Insuffizienzrate an der Ösophagojejunalen Anastomose zwischen 3% und 58,9% (Ichikawa et al. 2004; Ikeguchi et al. 2001). Insbesondere die Nähe zum Mediastinum rechtfertigt in diesem Fall die Drainage.

Prophylaktische Drainage: Indikationen 14.5.3 Kolorektale Chirurgie

14

Bereits 1984 kam Lennox zu dem Schluss, dass prinzipiell auf die routinemäßige prophylaktische Drainage in der Elektivchirurgie verzichtet werden kann, auch wenn sie dem Bedürfnis des Chirurgen nach mehr Sicherheit oft widerspricht (Lennox 1984). Diese elektiven Situationen sollen im Einzelnen besprochen werden. 14.5.1 Ösophaguschirurgie Nach Ösophagusresektionen mit intrathorakaler Anastomosierung ist eine Anastomoseninsuffizienz aufgrund der entstehenden Mediastinitis mit fatalen Konsequenzen behaftet. Die prophylaktische Drainage ist hier obligat. Bei der kollaren Anastomose nach Magentransposition ist die Anastomoseninsuffizienz durch Ausbildung einer Speichelfistel mit hoher Selbstheilungstendenz gekennzeichnet. Nach eigenen Erfahrungen wird auf die Anlage einer Drainage verzichtet. 14.5.2 Magen- und Dünndarmchirurgie Anastomosen am Magen und Dünndarm sind insbesondere durch ihren Serosaüberzug und die Entwicklung modernen Anastomosentechniken und Klammernahtinstrumente vergleichsweise geringgradig insuffizienzgefährdet. Dies bedingt, dass insbesondere nach unkomplizierten Magen- und Dünn-

Insbesondere für die Kolon- und Rektumchirurgie mit einer Insuffizienzrate von bis zu 9,8% besteht eine heftige Kontroverse über den Nutzen der routinemäßigen Drainage. So belegen zahlreiche Klinische Studien aus den letzten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts, dass die negativen Effekte der Drainage die positiven überwiegen. Eine Studie bei 48 Patienten ohne Drainage versus 52 Patienten mit Saugdrainage nach Rektumresektion erbrachte den Nachweis größerer Sekretverhalte bei einliegender Drainage. Das Vorliegen einer Anastomoseninsuffizienz konnte auch bei liegender Drainage nicht diagnostiziert werden (Sagar et al. 1995). Vergleichbare Ergebnisse ergab eine Analyse von 148 Patienten ebenfalls nach Kolonresektionen (Sagar 1993). Eine randomisierte Studie an 156 Patienten mit Drainage und 161 Patienten ohne Drainage nach Kolonanastomosen kranial der Beckeneingangsebene ergab weder eine Senkung der Insuffizienzrate noch der Komplikationen bei Auftreten einer Leckage bei einliegender Drainage (Merad et al. 1998). Die Auswertung einer multizentrischen Studie an 494 Patienten mit analer oder rektaler Anastomose ergab, dass auch durch eine prophylaktische Saugdrainage (n=247) die Rate und Schwere postoperativer Komplikationen gegenüber der Kontrollgruppe ohne Drainage (n=245) nicht gesenkt werden konnte (Merad et al. 1999). Eine Metaanalyse von 4 kontrollierten und randomisierten Studien (n=414) konnte ebenfalls keinen positiven Effekt der Routinedrainage bei kolorektalen Eingriffen erkennen (Urbach et al. 1999). Scott et al. konnten in einer retrospektiven Analyse von 165 Patienten mit Kolonanastomosen im

163 Literatur

kleinen Becken nach Tumorresektion zwar keine erhöhte Insuffizienzrate mit Jackson-Pratt-Drainagen nachweisen, jedoch war die Drainage auch nicht hilfreich bei der Diagnostik einer Anastomoseninsuffizienz (Scott et al. 1996). Andere Untersuchungen kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass die prophylaktische Drainage zur Ableitung des sero-sanguilenten Sekretes bei diesen Eingriffen erforderlich, aber nur während der ersten 7 Tage effektiv ist (Allen-Mersh et al. 1989). Eine andere Studie an 59 Patienten mit infraperitonealer rektaler Anastomose ergab im Hinblick auf die Morbidität keinen signifikanten Unterschied mit oder ohne Drainage (Brown et al. 2001). In einer Studie an 44 Patienten mit Anastomoseninsuffizienz erbrachte die multivariate Analyse keinen Hinweis auf die Drainage als Risikofaktor (Makela et al. 2003). 14.5.4 Hepatobiliäre Chirurgie Die kontrovers diskutierte Frage der Drainage nach Cholezystektomie ist durch die Laparoskopie endgültig in Richtung Drainageverzicht entschieden. Lediglich nach Choledochusrevisionen oder nach Einlage einer T-Drainage vermag eine Zieldrainage gelegentliche kleinere Leckagen abzuleiten. Nach biliodigestiver Anastomose wird eine Drainage für 48 h empfohlen (Ihse et al. 1996). In der Leberchirurgie wird die prophylaktische Drainage kontrovers diskutiert. Einige Autoren sehen auch nach ausgedehnten Resektionen keine Indikation zur Drainage (Burt et al. 2002; Fong et al. 1996). In einer anderen Studie an 1803 Patienten wurde auch nach ausgedehnten Leberesektionen nur nach biliärer Rekonstruktion drainiert (Jarnagin et al. 2002). Andere Autoren stellen insbesondere nach Resektionen bei chronischen entzündlichen Lebererkrankungen eine Indikation zu Drainage (Fuster et al. 2004), während diese von anderen unter derselben Indikation abgelehnt wird (Liu et al. 2004). 14.5.5 Milzchirurgie Nach elektiver Splenektomie erübrigt sich eine prophylaktische Drainage. Andere Autoren führen jedoch nach laparoskopischem Vorgehen wegen Splenomegalie die routinemäßige Drainage durch (Smith et al. 2004). 14.5.6 Pankreaschirurgie Nach Pankreasresektionen wird die routinemäßige prophylaktische Drainage von den meisten Autoren durchgeführt (Adam et al. 2004; Fahy et al. 2002; Takano et al. 2000). Andere Autoren sehen jedoch auch nach Duodenopankreatektomie und Pankreasschwanzresektionen keinen Vorteil der routinemäßigen Drainage in Bezug auf Morbidität und Mortalität (Conlon et al. 2001). 14.5.7 Septische Chirurgie Im Falle einer diffusen Peritonitis kommt das Verfahren der programmierten Lavage stadienabhängig zur Anwendung, da bedingt durch Verklebungen und Fibrinausschwitzungen eine

14

suffiziente Ableitung aller Sekrete in der Abdominalhöhle durch eine Drainage alleine nicht erfolgreich ist. Diese muss mit einem Laparostoma als offene Drainage, das temporär mittels eines Polyglactinnetzes verschlossen wird, kombiniert werden. 14.6

Therapeutische Drainage

Die therapeutische Drainage zur Entlastung von Hämatomen, Abszessen, Seromen und Sekretverhalten wird, wenn immer möglich, zunehmend perkutan sonographisch oder aber auch radiologisch interventionell durchgeführt. Diese Vorgehensweise gilt als Verfahren der Wahl bei Patienten mit lokalisierten Abszessen ohne Zeichen der generalisierten Peritonitis nicht nur nach kolorektalen Eingriffen (Khurrum et al. 2002). Sind Flüssigkeits oder Sekretverhalte einer perkutanen Drainage nicht zugänglich oder besteht eine diffuse Peritonitis, so ist die offene chirurgische Drainage indiziert.

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14

Kapitel 14 · Drainage der Bauchhöhle

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15 15

Allgemeine Transplantationsmedizin R. Pfitzmann, P. Neuhaus

15.1

Geschichte – 166

15.2

Grundbegriffe – 166

15.3

Indikationen und Kontraindikationen zur Transplantation – 166

15.4

Organspende, -konservierung und Spenderoperation – 167

15.4.1 15.4.2

Organspende – 167 Organspendeoperation, Organkonservierung

15.5

Immunologie – 168

15.6

Spender-Empfänger-Matching

15.7

Immunsuppressive Therapie Literatur – 171

– 169 – 169

– 168

166

Kapitel 15 · Allgemeine Transplantationsmedizin

) ) Bei irreversiblem Funktionsverlust eines Organs, der durch medikamentöse und intensivmedizinische Maßnahmen nicht mehr zu therapieren ist, stellt die Transplantation die effizienteste und damit erfolgreichste Behandlungsmethode dar. Aufgrund der zunehmenden Fortschritte sowie der verbesserten Ergebnisse in den letzten 20 Jahren hat sich die Organtransplantation zu einer etablierten chirurgischen Therapie entwickelt. Nachdem heute die Organtransplantation zu einem standardisierten Routineverfahren gehört, stehen nicht mehr die chirurgischen Techniken, sondern die Weiterentwicklung immunsuppressiver Medikamente und die Organprotektion im Vordergrund. Zentrales Problem ist die limitierte Verfügbarkeit von Spenderorganen bei steigenden Patientenzahlen, der nur eingeschränkt durch Lebensspende (Leber, Niere) entgegengewirkt werden kann.

15.1

15

Geschichte

Organe oder Organteile von einem Individuum auf ein anderes zu übertragen um damit zu heilen, ist seit jeher die Idee der Menschheit. Erste Aufzeichnungen können bis ca. 500 v. Chr. zurückdatiert werden; wissenschaftlich belegte Organtransplantationen hingegen finden sich erst im 18. und 19. Jahrhundert. Ein entscheidender Schritt bzw. Meilenstein in der Organtransplantation gelang A. Carell im Jahre 1908 mit der Verbesserung der Gefäßnaht. Somit war das Haupthindernis aus chirurgisch-technischer Sicht beseitigt. In den folgenden Jahren konnten dann durch grundlegende tierexperimentelle Ergebnisse über die Organperfusion und -konservierung mittels Hypothermie erste erfolgreiche Organtransplantationen durchgeführt werden. 1936 erfolgte dann durch den ukrainischen Chirurgen Y. Voronoy in Kiew die erste klinische humane Nierentransplantation, diese scheiterte jedoch, da die Niere ihre Funktion nicht aufnahm. Anfang der 50er-Jahre, als durch weitere tierexperimentelle Untersuchungen die immunologisch bedingte Transplantatabstoßung und weniger die chirurgische Technik als entscheidendes Kriterium für den Erfolg einer Organtransplantation evident wurde, verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt auf die immunologische Problematik bzw. die immunologischen

. Tabelle 15.1. Erste erfolgreiche klinische Organtransplantationen

Erste Transplantation

Organ

Operateur

1954

Niere

Murray/Merrill

1963

Leber

Starzl

1963

Lunge

Hardy

1967

Herz

Barnard

1967

Pankreas

Kelly

1985

Dünndarm

Deltz

1988

Kombination Leber/ Dünndarm

Grant

Mechanismen. 1954 gelang die erste erfolgreiche Nierentransplantation beim Menschen durch J. Murray und J. Merrill bei Zwillingen. Danach nahm die Transplantationsmedizin einen rasanten Verlauf (. Tab. 15.1). Seither wurden weltweit über eine 3/4 Million Organtransplantationen durchgeführt und sie gehören heutzutage zur klinischen Routine. 15.2

Grundbegriffe

Grundsätzlich wird zwischen der Transplantation solider Organe (z. B. Niere, Leber, Herz) und Gewebetransplantationen (z. B. Hornhaut, Knochenmark, Inselzellen) unterschieden. Eine Sonderstellung nimmt die Knochenmarktransplantation (zelluläre Transplantation) ein, bei der nach weitgehender Zerstörung des Immunsystems des Empfängers (Radio-Chemotherapie) Spenderstammzellen übertragen werden und so das Immunsystem des Empfängers neu konstituiert wird. Transplantationen können auch nach genetischen, anatomischen sowie funktionellen Gesichtspunkten unterteilt werden. Immunologische Klassifikation. Die Transplantation eines Ge-

webes oder eines Organs bei demselben Individuum wird als autologe Transplantation bezeichnet. Sie wird am häufigsten in der plastisch-rekonstruktiven sowie Knochenchirurgie (Knorpel, Sehnen, Beckenkammspan etc.) angewandt. Die Transplantation zwischen genetisch identischen Empfängern (eineiigen Zwillingen) wird als isogen bezeichnet. Sie kommt klinisch nur selten zur Anwendung und spielt in der experimentellen Forschung eine wesentliche Rolle. Die Übertragung von Geweben bzw. Organen zwischen genetisch verschiedenen Individuen der gleichen Spezies wird als allogene (homologe) Transplantation bezeichnet und klinisch am häufigsten angewandt. Die Transplantation zwischen verschiedenen Spezies hingegen wird als xenogen (Xenotransplantation) bezeichnet. Anatomische Klassifikation. Die Transplantation des Spender-

organs an die gleiche Stelle wie das erkrankte Organ wird als orthotop (z. B. Herz, Lunge, Leber) bezeichnet, die Transplantation eines Organs in eine andere Körperregion als heterotop (z. B. Niere, Pankreas). Funktionelle Klassifikation. Die orthotope Transplantation stellt eine substitutive Transplantation dar, d. h. das Transplantat muss vollständig die Funktion übernehmen. Die Belassung des erkrankten und zusätzliche Transplantation eines funktionierenden Organs zur Funktionsunterstützung bezeichnet man als auxiliäre Transplantation (z. B. Herz, Leber).

15.3

Indikationen und Kontraindikationen zur Transplantation

Indikation zur Transplantation ist der vollständige und irreversible Funktionsverlust eines Organs oder Gewebes. Hierbei werden für die einzelnen Organe bzw. Organsysteme unterschiedliche Kriterien für die Indikationsstellung gewichtet. Eine Sonderstellung nimmt wiederum die Knochenmarktransplantation ein, bei der die Transplantation aufgrund der weitgehenden Zerstörung des Empfängerknochenmarks bei der Behandlung von Leukämien etc. durchgeführt wird.

167 15.4 · Organspende, -konservierung und Spenderoperation

Kontraindikationen zur Transplantation des Empfängers sind grundsätzlich eine HIV-Infektion bzw. -Erkrankung und Malignome, beim Spender eine HIV-, Hepatitis-B-/-C-Infektion und Malignome. Relative Kontraindikationen zur Transplantation sind schwerwiegende Nebenerkrankungen des Empfängers (Diabetes, Arteriosklerose, etc.). 15.4

Organspende, -konservierung und Spenderoperation

Grundlegende Voraussetzung für die Transplantation ist die Organspende und die Organkonservierung. Hierbei sind prinzipiell Patienten von 0–70 Jahren potenzielle Organspender, in Ausnahmefällen auch ältere Patienten (biologisches Alter entscheidend!). Überwiegend werden in Deutschland Empfänger mit einem Alter zwischen 0 und 65 Jahren, je nach Organ, in Ausnahmefällen auch älter, akzeptiert. 15.4.1 Organspende Bei den Organspendern handelt es sich um zerebral schwerstgeschädigte Patienten (Hirntote), die generell auf Intensivstationen behandelt werden und bei denen es trotz aller therapeutischen Maßnahmen zu einer progredienten Hirnschädigung mit tödlichem Ausgang gekommen ist. Eine weitere Option, die Lebendorganspende (Niere, Leberlappen) nimmt in Deutschland in den letzten Jahren zu (ca. 10%). Sie erfolgt in der Regel als Organspende durch einen engen Verwandten oder andere Personen, die dem Empfänger in besonderer persönlicher Weise offenkundig nahe stehen. Gerechtfertigt wird die Lebendspende zum einen durch die besseren Langzeitergebnisse nach Organtransplantation (Niere), die schnelle Verfügbarkeit eines Spenderorgans und – in zunehmendem Maße – aufgrund der zu geringen Organspenden durch hirntote Spender. Da durch die Lebendspende potenzielle Risiken für den Spender entstehen, muss er vor der geplanten Spendeoperation sorgfältigst evaluiert werden. Neben der Funktionstüchtigkeit des zu transplantierenden Organs ist auch die Funktionstüchtigkeit des verbleibenden Organs bzw. Organteils abzuklären. Ferner muss der Spender gründlichst über operative Risiken sowie über potenzielle Langzeitfolgen der Organspende aufgeklärt werden. Organentnahme von Verstorbenen Voraussetzung für die Organentnahme ist die Feststellung und Dokumentation des Hirntodes (7 Übersicht). Der Nachweis erfolgt hierbei gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer durch zwei unabhängige und in dieser Diagnostik erfahrene Ärzte, die beide nicht dem Transplantationsteam angehören dürfen (7 Übersicht). Der Hirntod wird definiert als der völlige Funktionsausfall des gesamten Gehirns einschließlich des Stammhirns. Festgestellt wird der Hirntod durch eine zweimalige klinische Untersuchung im Abstand von mindestens 12 h, bei der u. a. der Ausfall der Hirnreflexe sowie ein Apnoetest geprüft werden. Zusätzlich können fakultativ eine zerebrale Angiographie oder ein EEG durchgeführt werden. Die Organspende bzw. -entnahme in Deutschland ist durch das Transplantationsgesetz vom 01.12.1997 mit der erweiterten Zustimmungslösung reglementiert. Für die Entscheidung zu

15

einer Organspende ist hierbei der Wille des Verstorbenen ausschlaggebend. Angehörige (in der Rangfolge: Ehepartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern, nächste Angehörige) sollen in seinem Sinne entscheiden. Die Organentnahme ist nach dem Gesetzestext auch erst dann zulässig, wenn der Organspender nach den Regeln, die dem neuesten Stand der Kenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, für hirntot erklärt worden ist und der Eingriff durch einen Arzt vorgenommen wird. Klinische Symptome des Hirntodes 5 Koma 5 Ausfall aller Hirnstammreflexe – Keine Lichtreaktion der Pupillen – Kein Kornealreflex – Keine Trigeminusschmerzreaktion – Kein Würgereflex – Kein okulozephaler Reflex (sog. Puppenkopfphänomen: bei Drehbewegungen des Kopfes bleiben die Augen starr und geradeaus stehen) – Kein vestibulookulärer Reflex (kalorische Prüfung: bei Eiswasserspülung des äußeren Gehörganges kommt es zu keiner Augenbewegung) – Kein Bulbovagalreflex (okulokardialer Reflex; bei festem Druck auf die Bulbi kommt es zu keiner Pulsfrequenzabsenkung) 5 Ausfall der Spontanatmung (spezielle Prüfungsvorschriften)

Ablauf der Hirntoddiagnostik 5 Ausschluss von Diagnosehindernissen – Relaxation – Schock – Unterkühlung – Metabolisches oder endokrines Koma – Vergiftung bzw. sedierende Medikamente (toxikologisches Gutachten) 5 Klinische Untersuchung durch zwei Ärzte (beide Ärzte nicht dem Transplantationsteam zugehörig; beide Ärzte müssen in der Hirntoddiagnostik bzw. Intensivmedizin mehrjährige Erfahrung haben) 5 Beobachtungszeit und Wiederholung der klinischen Untersuchung nach wenigstens 12 h in Abhängigkeit vom Alter und der Todesursache des Patienten oder Anwendung technischer Verfahren (Beobachtungszeit entfällt) – EEG – Angiographie – Dopplersonographie – Evozierte elektrische Potenziale – Hirnszintigraphie

Allokation Für die Bundesrepublik Deutschland, Österreich, die Beneluxstaaten und Slowenien wird die Organspende zentral durch Eurotransplant (ET) in Leiden/Niederlande geregelt. Potenzielle Organempfänger und -spender werden hier gemeldet und gemäß den für alle verbindlichen Organvergabekriterien nach Blut-

168

Kapitel 15 · Allgemeine Transplantationsmedizin

gruppe, Körpergröße, Körpergewicht, Wartezeit und speziellen Gewebsmerkmalen (z. B. HLA-Typisierung bei der Niere) ein Spenderorgan zugeteilt. 15.4.2 Organspendeoperation,

Organkonservierung Die Organentnahme erfolgt unter aseptischen Bedingungen, bei den abdominellen Organen durch eine mediane Laparotomie, bei den thorakalen Organen durch eine mediane Sternotomie. Es erfolgt zunächst die makroskopische Beurteilung der Organe (z. B. Herz: Beurteilung der Kontraktilität, Palpation der Koronarien auf eventuelle Verkalkungen; Leber: Farbe, Konsistenz, Grad der Verfettung). Die Organentnahme setzt neben einem operativen Geschick auch die Erfahrung mit Transplantationen voraus, da die Transplantation eines insuffizient entnommenen Organs durch anatomische Besonderheiten oder eine unzureichende Organkonservierung fatale Folgen für den Empfänger hätte (Transplantatversagen). Operationstechnik Nach entsprechender Präparation und Vollheparinisierung wird die Durchblutung der abdominellen Organe durch Abklemmen der Aorta in Zwerchfellhöhe unterbrochen. Eine einheitliche Konservierungslösung für alle Organe hat sich bisher noch nicht durchgesetzt, so dass die Perfusion der abdominellen Organe mit kalter Konservierungslösung separat von der Perfusion der thorakalen Organe erfolgt. Leber, Niere und Pankreas werden hierbei durch retrograde Perfusion der Aorta abdominalis konserviert. Nach entsprechender Organkonservierung erfolgt bei der Mehrorganentnahme zunächst die Entnahme der thorakalen Organe und in den weiteren Schritten die Entnahme von Leber, Pankreas und den Nieren.

15

Organkonservierung Ziel der Organperfusion ist es, das Blut vollständig aus dem Spenderorgan zu entfernen. Die Heparinisierung verhindert Mikrothrombosierungen in der Endstrombahn der Spenderorgane. Gleichzeitig wird das Organ möglichst rasch auf eine Temperatur von 4–8°C heruntergekühlt, um den Energiebedarf und den Sauerstoffverbrauch des Zellstoffwechsels auf ein Minimum zu reduzieren. Neben der zentralen Kühlung durch die Perfusionslösung erfolgt eine zusätzliche Oberflächenkühlung (topisch) mit Eiswasser während der Organperfusion. Die Konservierungslösung ermöglicht hierbei eine längere Lagerung bzw. Transport des Organs bei einer Temperatur von 4–8°C. Die verwendeten Konservierungslösungen enthalten Elektrolyte, Pufferbasen, Aminosäuren etc, die einerseits Ischämieschäden verringern bzw. vermeiden, andererseits eine spätere Schädigung durch die Reperfusion des Spenderorgans vermindern sollen. Die am häufigsten verwendeten Konservierungslösungen sind die University-of-Wisconsin-Lösung und die HTK (Bretschneider)Lösung. Zur Lagerung wird das steril in mehrere Plastikbeutel verpackte Organ in einer Kühlbox von außen mit Crush-Eis gekühlt, so dass eine Temperatur von ca. 4–8°C während der Lagerungsbzw. Transportphase aufrechterhalten werden kann.

Ischämiezeiten Als kalte Ischämiezeit wird die Phase vom Beginn der Perfusion bis zum Beginn der Implantation eines Spenderorgans bezeichnet, als warme Ischämiephase hingegen die Zeit zwischen der Herausnahme des Organs aus der Kühlbox bis zur Freigabe des Blutstroms im Empfänger in das transplantierte Organ. Da die Organe in der Phase der Implantation häufig noch topisch gekühlt werden, wird hier zumeist noch der Begriff der Anastomosenzeit verwendet.

Die Dauer der Ischämietoleranz der einzelnen Organe ist vom Organ selbst und von der verwendeten Konservierungslösung abhängig. Herz und Lunge sollten innerhalb einer Ischämiezeit von 4–6 h, Leber und Pankreas innerhalb von 12–16 h und die Nieren innerhalb von 24 h transplantiert werden.

Da die Organentnahme heutzutage weitestgehend standardisiert ist, werden explantierte Nieren häufig über weite Strecken versandt und von anderen Operateuren transplantiert. Für die Leber- und Pankreastransplantation wird ebenfalls die Organentnahme durch andere Chirurgen akzeptiert, während die Herzund Lungenentnahme fast ausnahmslos durch das Zentrum erfolgt, welches auch das Organ bzw. die Organe transplantiert. 15.5

Immunologie

Organtransplantationen sind in der Regel allogene Transplantationen, bei denen es ohne entsprechende Behandlung bzw. immunsuppressive Therapie zur Entwicklung von Abstoßungsreaktionen kommt. Sie werden durch sog. Histokompatibilitätsantigene, die auf dem Chromosom 6 als »major histocompatibility complex« (MHC) kodiert sind, hervorgerufen. Die Expression dieser Histokompatibilitätsantigene findet auf nahezu allen Körperzellen, so auch auf den menschlichen Leukozyten (»human leukocyte antigens«, HLA) statt. Aufgrund dieser genetisch determinierten Unterschiede von biochemischen Strukturen auf der Zelloberfläche werden diese vom Immunsystem des Empfängers als fremd erkannt und führen zu einer Abwehrreaktion (Transplantatabstoßung bzw. Rejektion). Hierbei wird zwischen einer zellvermittelten und einer antikörpervermittelten (humoralen) Immunantwort bzw. Abstoßung unterschieden. Die zellvermittelte Immunantwort wird durch T-Lymphozyten gewährleistet. Nach Fremdantigenerkennung und Präsentation auf der Zelloberfläche sog. dendritischer Zellen (»passenger leukocytes« und Makrophagen) wird eine zellvermittelte bzw. akute Abstoßungsreaktion induziert. Hierbei stimulieren die T-Helferzellen mit Hilfe von Interleukinen die Proliferation von T-Effektorzellen. Diese sind zytotoxisch wirksam (T-Killerzellen) und können auch die immunologische Toleranz für das Antigen fördern (T-Suppressorzellen). Eine wichtige Rolle im Ablauf dieser Immunantwort stellen dabei das Interleukin-2 und die entsprechenden Rezeptoren auf der Oberfläche der T-Lymphozyten dar. Die Proliferation dieser immunkompetenten Zellen verursacht im Transplantat eine Entzündungsreaktion mit mononukleären Zellen, die zu Zellnekrosen und Fibrosierung des Transplantates führen kann. Die Stimulierung bzw. Proliferation von B-Lymphozyten, die die humorale Immunantwort repräsentieren, führt zur Bildung

169 15.7 · Immunsuppressive Therapie

gegen das Transplantat gerichteter zytotoxischer Antikörper. Sie sind besonders für Schäden an den Transplantatgefäßen verantwortlich, die über Gefäßwandnekrosen, Intimaproliferation oder sklerosierende Veränderungen zu einer obliterativen Vaskulopathie (vaskuläre Rejektion) und damit letztendlich zum Funktionsverlust des Organs führen.

Grundsätzlich werden hyperakute, akute und chronische Abstoßungen unterschieden.

Transplantationserfolg erwiesen. Bei der Herz-, Lungen-, Leberund Pankreastransplantation scheint der Einfluss von untergeordneter Bedeutung zu sein. Die HLA-Typisierung erfolgt molekulargenetisch mittels PCR (»polymerase chain reaction«). Wegen der möglichen Präexistenz zytotoxischer HLA-Antikörper muss vor jeder Transplantation ein »cross-match« mit Lymphozyten des Spenders und dem Serum des Empfängers durchgeführt werden, da bei einer positiven Reaktion eine hyperakute Rejektion zu befürchten ist. 15.7

Ursache für die hyperakute Abstoßung sind präformierte Antikörper im Empfänger, die gegen die Antigene des Spenders gerichtet sind. Sie verlaufen innerhalb von Minuten bis Stunden, treten jedoch aufgrund der routinemäßigen »cross-match«Untersuchung (Kreuzprobe) sehr selten auf. Die akute bzw. zelluläre Abstoßung verläuft protrahiert über mehrere Tage und stellt den größten Teil der zu diagnostizierenden Rejektionen dar. Sie spricht in der Regel gut auf eine hochdosierte immunsuppressive Medikation bzw. Abstoßungsbehandlung an. Eine chronische Abstoßung tritt nach Monaten bis Jahren nach Transplantation auf, verläuft langsam schleichend und hat sowohl eine zelluläre als auch eine humorale Komponente. Sie ist häufig therapieresistent, führt zum chronischen Transplantatversagen und erfordert die Retransplantation. Um diese für das Transplantat schwerwiegenden Immunantworten zu vermeiden bzw. zu unterdrücken, werden das »crossmatch« und vor allem die immunsuppressive Therapie eingesetzt. Einen Sonderfall stellt die Graft-versus-host-Erkrankung (GvHD) dar, die nach Knochenmarktransplantation eine häufige Komplikation darstellt (bis zu 50%), bei der Transplantation solider Organe jedoch sehr selten auftritt. Sie entsteht bei der Übertragung immunkompetenter Zellen (T-Zellen, NK-Zellen) im Transplantat in einen immungeschwächten bzw. immunsupprimierten Empfänger, d. h. durch die Immunreaktion der übertragenen Zellen gegen die Histokompatibilitätsantigene des Empfängers. Die GvHD lässt sich therapeutisch nur schwer beeinflussen und ist mit einer hohen Letalität verbunden. 15.6

Spender-Empfänger-Matching

Bei der Organtransplantation wird grundsätzlich die Kompatibilität des AB0-Blutgruppensystems zwischen Spender und Empfänger eingehalten, die den Regeln der Bluttransfusion folgt. Der Rhesusfaktor und andere Blutgruppenmerkmale sind vernachlässigbar. Besonders wichtig für die Organtransplantation ist dabei das HLA-System, insbesondere die Merkmale HLA-A, -B und -DR. Da zwei A-, B- und DR-Sätze von den Eltern vererbt werden, sind beim Vergleich der HLA-Typen zwischen Spender und Empfänger insgesamt 6 Merkmale zu berücksichtigen. Die HLA-Merkmale C, DP und DQ spielen nur eine untergeordnete Rolle und können vernachlässigt werden. Grundsätzlich gilt hierbei die Erfahrung für alle Organtransplantationen, dass eine hohe Übereinstimmung in den HLA-Merkmalen eine geringere Immunantwort zeigt. Infolge logistischer Gründe beschränkt sich die Anwendung der HLA-Typisierung jedoch auf die Nierentransplantation. Hierfür ist ein definitiver Einfluss des HLA-Systems auf den

15

Immunsuppressive Therapie

Ziel der immunsuppressiven Therapie ist die Unterdrückung von Abstoßungsreaktionen und die weitgehende Erhaltung der immunologischen Reaktivität des Empfängerorganismus gegenüber Infektionserregern.

Da eine Rejektion zeitlebens auftreten kann, ist eine lebenslange immunsuppressive Therapie erforderlich. Bei der immunsuppressiven Therapie werden eine initiale Induktionstherapie, eine Basisimmunsuppressionstherapie (Erhaltungstherapie) und eine Abstoßungstherapie unterschieden. Die immunsuppressive Therapie ist unterschiedlich und richtet sich hierbei nach dem jeweiligen transplantierten Organ. Grundsätzlich erfolgt nach Transplantation eine initiale (hochdosierte) Induktionstherapie, die im weiteren Verlauf als Erhaltungstherapie fortgeführt wird. Im Spätverlauf (>1 Jahr) kann die Immunsuppression häufig mit Ciclosporin oder Tacrolimus allein, ggf. mit einem weiteren Medikament, durchgeführt werden. Das Bestreben ist es hierbei, die immunsuppressive Therapie und deren Nebenwirkungen soweit wie möglich zu reduzieren. Bei zu geringer Immunsuppression besteht das Risiko der Induktion von Abstoßungsreaktionen, bei zu hoch dosierter immunsuppressiver Therapie steigt das Risiko für Infektionen und im Langzeitverlauf insbesondere das Risiko für die Entwicklung von Malignomen (z. B. B-Zell-Lymphome). Zur Immunsuppression stehen Ciclosporin A, Tacrolimus, Prednisolon, Azathioprin, Mycophenolatmofetil, Antilymphozytenglobulin (ALG), Antithymozytenglobulin (ATG), OKT3 (CD3-Antikörper), Rapamycin und zur Induktionstherapie die Interleukin-2-Antikörper Basiliximab und Daclizumab zur Verfügung (. Tab. 15.2). Methotrexat und Cyclophosphamid haben bei der humoralen Immunantwort eine entsprechende Indikationsstellung. Bei überwiegend humoralen Abstoßungsreaktionen können noch die Plasmapherese und/oder Bestrahlungstherapie eingesetzt werden. Bei der Abstoßungstherapie erfolgt zunächst eine Methylprednisolon-Stoßtherapie mit jeweils 0,5(–1) g/Tag i.v., in der Regel für 3 Tage, ggf. auch länger. In Einzelfällen genügt es, bei geringgradigen Rejektionen die Erhaltungsimmunsuppression zu erhöhen. Bei steroidresistenten Rejektionen erfolgt die Therapie mit ATG oder monoklonalen Antikörpern (5 mg OKT3) über 3 bis max. 10 Tage. In einigen Fällen hat sich bei häufigen oder steroidresistenten Rejektionen die Umstellung der immunsuppressiven Therapie von Ciclosporin A auf Tacrolimus oder die zusätzliche Gabe von Mycophenolatmofetil als erfolgreich erwiesen.

170

Kapitel 15 · Allgemeine Transplantationsmedizin

. Tabelle 15.2. Immunsuppressiva nach Organtransplantation

15

Substanz

Induktionstherapie

Erhaltungstherapie

Abstoßungstherapie

Ciclosporin A

+

+



Tacrolimus (FK506)

+

+

(+)

Azathioprin

+

+



Kortikosteroide

+

+

+

Mycophenolatmofetil

+

+



Sirolimus

+

+



ALG/ATG

+



+

OKT3





+

Basiliximab, Daclizumab

+





Ciclosporin A. Der 1976 entdeckte und seit 1981 im klinischen Einsatz befindliche Calcineurininhibitor hemmt die Bildung von Interleukin-2 und somit die Proliferation von T-Lymphozyten nach Antigenstimulation. Es stellt eines der am häufigsten eingesetzten Immunsuppressiva nach Organtransplantation dar. Aufgrund der individuell unterschiedlichen Absorption und Metabolisierung in der Leber erfolgt die Ciclosporin-A-Dosierung durch Messung des Ciclosporin-Talspiegels. Je nach transplantatiertem Organ werden unterschiedlich hohe poly- bzw. monospezifische Ciclosporin-Spiegel angestrebt (monospezifisch: 100–350 ng/ml). Nebenwirkungen des Ciclosporins sind vor allem Nephro- und Neurotoxizität (Tremor, Kopfschmerzen), arterielle Hypertonie, ein diabetogener Effekt, Hyperlipoproteinämie, Hirsutismus, Gingivahyperplasie und Osteoporose. Tacrolimus (FK506). Der 1984 entdeckte Calcineurininhibitor

mit ähnlichem Wirkungsmechanismus wie Ciclosporin A wird neben der Induktions- und Erhaltungstherapie auch erfolgreich zur Abstoßungsbehandlung eingesetzt. Gegenüber Ciclosporin A hat Tacrolimus eine effizientere Wirkung bei der Verhinderung akuter und chronischer Abstoßungen nach Lebertransplantation gezeigt. Die Tacrolimus-Dosierung erfolgt hierbei auch nach Messung eines Blut-Talspiegels und in Abhängigkeit vom jeweils transplantierten Organ (5–20 ng/ml). Nebenwirkungen von Tacrolimus sind zum einen Nephro- und Neurotoxizität, eine stärkere diabetogene Wirkung als Ciclosporin A und gastrointestinale Beschwerden. Azathioprin. Das seit 1961 im Einsatz befindliche Immunsuppressivum verhindert relativ unspezifisch die Zellproliferation durch Alkylierung von DNA-Präkursoren und die Inhibition verschiedener Enzymsysteme. Es weist deshalb bei relativ moderater immunsuppressiver Wirkung eine erhebliche myelotoxische Wirkung auf und wird in der Regel als drittes Medikament neben Ciclosporin und Prednisolon (Dreifachtherapie) zur Induktionsund Erhaltungstherapie eingesetzt. Es findet noch vereinzelt nach Herz- und Lungentransplantation Anwendung.

Kortikosteroide. Insbesondere Prednisolon und Methylprednisolon werden in der Initialtherapie eingesetzt, wegen der dosisabhängigen Nebenwirkungen (Diabetes, Osteoporose, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Wundheilungsstörungen, Hautatrophie, avaskuläre Knochennekrosen, Adipositas, Katarakt etc.) jedoch früh reduziert und nach Möglichkeit ausgeschlichen. Bei einer erforderlichen Langzeittherapie (>3–4 Monate) sollte die Dosierung unterhalb der sog. Cushing-Schwelle liegen. Einen besonderen Stellenwert besitzt der Einsatz der Kortikosteroide in der Behandlung von akuten zellulären Abstoßungsreaktionen mit Dosierungen von 0,5–1 g Methylprednisolon i.v./Tag. Mycophenolatmofetil. Das Derivat der Mycophenolsäure besitzt eine hohe Selektivität für T- und B-Lymphozyten. Es wird zur Induktion, Erhaltungs- und Abstoßungstherapie zwischen 0,5– 3 g/Tag eingesetzt. Wichtigste Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl, Diarrhö und Knochenmarkdepression, insbesondere Thrombozytopenien). Es wird erfolgreich nach Herz-, Nieren- und Lebertransplantationen eingesetzt. Rapamycin (Sirolimus). Das Makrolid hemmt einerseits die T-Zell-Proteinsynthese durch Kinaseninhibition und andererseits die intrazelluläre Transduktion des Proliferationssignals, das durch die Bindung von Interleukin-2 an seinen Rezeptor verursacht wird. Da ein Einfluss auf die glatte Gefäßmuskulatur nachgewiesen wurde, könnte Rapamycin möglicherweise durch Hemmung der Intimaproliferation Einfluss auf chronische Abstoßungsreaktionen (Graftsklerose, Vaskulopathie) haben. Wichtige Nebenwirkungen sind eine Knochenmarkdepression, ausgeprägte Leuko- und Thrombopenien, gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit und Völlegefühl, Kopfschmerzen und, bei vorbelasteten Patienten, Migräneanfälle). Es wird für die Induktions- und Erhaltungstherapie nach Leber- und Nierentransplantation genutzt. Antilymphozytenglobuline (ALG) bzw. Antithymozytenglobuline (ATG). Die Antiseren, richten sich gegen Oberflächenmerk-

male von Lymphozyten und wirken dadurch lymphozytotoxisch. Sie werden ausschließlich zur Induktions- und Abstoßungstherapie eingesetzt. Durch sie kann kurzfristig eine starke Immunsuppression erreicht werden, die mit einer ausgeprägten Lymphopenie einhergeht. Die Nebenwirkungen bleiben hierbei auf Infektionen und allergische Reaktionen beschränkt. In Einzelfällen können anaphylaktoide Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock ausgelöst werden, da es sich um Fremdeiweiße handelt. Da sie zur Antikörperbildung führen, ist die Wirkung zeitlich begrenzt. OKT3. Der spezifische monoklonale CD3-Antikörper führt durch

Elimination und Blockade von T-Lymphozyten zu einer ausgeprägten Lymphopenie und daher zu einer sehr potenten, aber nur wenig selektiven Immunsuppression. Es findet nach steroidresistenten Abstoßungen Anwendung und muss unter Intensivüberwachung appliziert werden (anaphylaktoide Reaktionen). Da es sich um einen Mausantikörper handelt, kommt es zur Bildung von neutralisierenden Antikörpern. Interleukin-2-Antikörper (Basiliximab, Daclizumab). Die Anti-

körper reagieren mit den IL-2 Rezeptoren von aktivierten Lymphozyten. Sie haben eine höhere Selektivität als OKT3, führen

171 Literatur

jedoch auch zur Bildung von neutralisierenden Antikörpern. Sie werden u. a. für die Induktionstherapie nach Lebertransplantation genutzt.

Literatur Brent L (1997) A history of transplantation immunology. Academic Press, New York Deutsche Stiftung Organtransplantation (Hrsg) (1998) Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen, Transplantationsgesetz Deutsche Stiftung Organtransplantation, Neu Isenburg Ginns LC, Cosimi B, Morris PJ (1999) Transplantation. Blackwell Science, Oxford, UK Ginns LC, Cosimi B, Morris PJ (1999) Immunosuppression. In: Ginns LC, Cosimi B, Morris PJ (eds) Transplantation. Blackwell Science, Oxford, UK Hakim NS, Danovitch GM (2001) Transplantation Surgery. Springer, London Handbuch Transplantation (2004) mmi, München Largiader F (Hrsg) (1999) Checkliste Organtransplantation. Thieme, Stuttgart New York Pfitzmann R, Neuhaus P, Hetzer R (Hrsg) (2001) Organtransplantation. Transplantation thorakaler und abdomineller Organe. De Gruyter, Berlin New York Schlake HP, Roosen K (Hrsg) (1995) Der Hirntod als der Tod des Menschen Edition Deutsche Stiftung Organtransplantation. Neu Isenburg Thiru S, Waldmann H (2001) Pathology and Immunology of transplantation and rejection. Blackwell Science, Oxford, UK Wood K (ed) (1995) The handbook of transplant immunology. Med Sci Publications, Stokes Pages, Bucks, UK

15

16 16

Postoperativer Verlauf und seine Störungen – Chirurgische Intensivmedizin in der Viszeralchirurgie H. Bartels

16.1

Überwachung der Vitalfunktionen

16.1.1 16.1.2 16.1.3

Pulmonale Funktion – 175 Kardiovaskuläre Funktion – 175 Renale Funktion – 175

16.2

Überwachung des Operationssitus – 176

16.3

Postoperative Komplikationen – 176

16.3.1 16.3.2

Inzidenz und Prävalenz – 176 Zielgerichtete Diagnostik – 177

16.4

Therapie der Komplikationen – 177 Literatur – 179

– 174

174

Kapitel 16 · Postoperativer Verlauf und seine Störungen – Chirurgische Intensivmedizin in der Viszeralchirurgie

) )

16

Moderne Chirurgie und Intensivmedizin bedingen sich gegenseitig. Große viszeralchirurgische Eingriffe (z. B. Ösophagektomie, Multiviszeralresektion, Lebertransplantation) sind ohne unterstützende intensivmedizinische Maßnahmen nicht denkbar. Zur Absicherung des postoperativen Verlaufs ist die Überwachung vitaler Organfunktionen unverzichtbar, ggf. müssen spezielle Therapieformen (z. B. Beatmung, Kreislauftherapie, extrakorporale Ersatzverfahren) zur Anwendung kommen. Es gilt, die schwere Belastung des Patienten durch Operation und Anästhesie schnellstmöglich zu überwinden und damit die Voraussetzung für ein erfolgreiches Gelingen des Eingriffs zu schaffen. Die eigentliche chirurgische Aufgabe ist die Überwachung des Operationssitus. Nach gastroenterologischen Eingriffen sind postoperative Komplikationen ganz überwiegend auf Störungen im Bereich des Operationssitus und benachbarter Areale (eigentliche chirurgische Komplikation) zurückzuführen. Dabei stellt die septische Komplikation die schwerste Belastung des postoperativen Verlaufs dar und ist heute als Hauptursache für postoperative Morbidität und Mortalität anzusehen. Somit kommt dem Komplikationsmanagement in der Viszeralchirurgie eine ganz besondere Bedeutung zu. Ziel aller Überwachungsmaßnahmen ist es, Störungen im postoperativen Verlauf frühestmöglich zu erfassen und diagnostische und therapeutische Maßnahmen einzuleiten, bevor sekundäre Organversagen auf die bereits eingetretene (septische) Komplikation hinweist. Sepsis, schwere Sepsis und septisches Multiorganversagen (MOV) – heute das eigentliche Problem in der chirurgischen Intensivmedizin – macht wiederum den gemeinsamen Einsatz aller intensivmedizinischen Maßnahmen erforderlich, die sich gegen die jeweils aktuellen Störungen der Vitalfunktionen richten. Die Intensivtherapie ist dabei nicht nur notwendige Unterstützung für aufwendige diagnostische oder operative Verfahren, sondern stellt geradezu die Voraussetzung dafür dar. Sie hat aber rein symptomatischen Charakter. Ihr Einsatz kann nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, z. B. bei einer Anastomoseninsuffizienz durch aggressives interventionelles Vorgehen die Insuffizienz rasch nach außen zu drainieren und durch Ableitung von Gastrointestinalinhalt aus diesem Bereich die Kontamination begrenzt zu halten oder durch operative Intervention eine chirurgische Herdsanierung herbeizuführen.

16.1

Als auslösende Ursache für diese Homöostasestörungen werden heute die initiale Gewebeschädigung/Verletzung, der Ischämie/Reperfusionsschaden nach Hypoxie- und Schockphasen und die intestinale Translokation diskutiert (Alverdy et al. 2003). Immunologisch zeigt sich dann eine systemische Hyperinflammation (SIRS: »systemic inflammatory response syndrom«) und metabolisch typische Veränderungen, die als Postaggressionssyndrom (Postaggressionsstoffwechsel) bezeichnet werden (ACCP/SCCM Consensus Conference Committee 1992). Beide Phänomene können in einem Netzwerk sich gegenseitig regulierender Feed-back-Mechanismen über die Aktivierung zahlreicher zellulärer Komponenten zu Mikrozirkulationsstörungen auch in initial nicht betroffenen Organsystemen und progredienter Eiweißkatabolie führen und letztendlich in ein Multiorganversagen einmünden. Durch die genannten Mechanismen werden Immunmediatoren (z. B. Zytokine) freigesetzt, neuronale (z. B. Schmerz, Angst) und systemische Reaktionen (z. B. Tachykardie) getriggert und Barorezeptoren z. B. durch intravasale FlüssigkeitsVerschiebungen stimuliert (Plank u. Hill 2000). Die Folge ist eine reaktive Ausschüttung von Hormonen, die der sympathoadrenalen Achse (autonomes Nervensystem, Nebenniere) und Hypothalamus-Hypophysen-Achse zuzuordnen sind. Dabei ist die sympatho-adrenale Reaktion als zentraler Mechanismus zur schnellen Aktivierung von kardiovaskulären, respiratorischen und metabolischen Reaktionen entscheidend für das Überleben des Organismus (Hartl et al. 2003). Dementsprechend ist die aggressive Behandlung der systemischen Hyperinflammation vorrangig, während der Versuch, die Eiweißkatabolie zu beeinflussen, eher von nachgeordneter Bedeutung ist (Rensing u. Bauer 2001). Damit steht am Beginn aller Behandlungsmaßnahmen die effektive Schocktherapie durch Volumensubstitution und ausreichende Oxygenierung. Ziel muss es sein, in kürzester Zeit eine ausreichende nutritive Perfusion aller Organe wiederherzustellen und im weiteren Verlauf auch Hypotonie- und Hypoxiephasen zu vermeiden. Die Wirksamkeit einer effizienten Schocktherapie ist heute gut belegt (Rivers et al. 2001). Wenn irgend möglich sollte dabei auf zusätzliche Anwendung von Katecholaminen (Vasopressoren) ganz verzichtet werden, wegen der damit verbundenen Gefahr der intestinalen Minderdurchblutung und sekundären Translokation (MeierHellmann 2000; Rensing u. Bauer 2001). Die zur eigentlichen Überwachung der Vitalfunktionen erforderlichen Maßnahmen sind in . Tab. 16.1 zusammengestellt.

Überwachung der Vitalfunktionen

Nach großen viszeralchirurgischen Eingriffen (z. B. Ösophagektomie, Multiviszeralresektion, Lebertransplantation) sind die vitalen Organfunktionen unmittelbar postoperativ immer gestört. Der chirurgische Patient reagiert auf den operativen Eingriff mit ganz spezifischen endokrinen, metabolischen und immunologischen Reaktionsmustern (Stressantwort). Ist das Operationstrauma nur gering, erfolgt in der Regel in kurzer Zeit die Wiederherstellung der metabolischen und immunologischen Homöostase. Ist das Operationstrauma aber massiv und länger anhaltend, kann dies zu ausgeprägten Veränderungen der endogenen Regulationsprozesse führen mit lebensbedrohlicher Rückwirkung auf den Gesamtorganismus (ACCP/SCCM Consensus Conference Committee 1992; Hartl et al. 2003; Hotchkiss u. Karl 2003).

. Tabelle 16.1. Postoperative Überwachung: Vitalfunktionen Pulmonal

BGA, Pulsoxymetrie, Rönten-Thorax, Atemfrequenz, Atemmechanik, Atemgeräusche, (Respiratorüberwachung)

Kardiovaskulär

Puls, Blutdruck, EKG, hämodynamisches Monitoring, (Echokardiographie, Pulmonaliskatheter)

Hepatorenal

Urinausscheidung, Gallesekretion

Metabolisch

Temperatur, Laktat, BE, Bikarbonatverbrauch

Laborchemisch

BB, Gerinnung, Elektrolyte, Kreatinin, CK, GPT, Bilirubin, alkalische Phosphatase, α-Amylase

175 16.1 · Überwachung der Vitalfunktionen

Werden zur Unterstützung und Aufrechterhaltung gestörter Funktionen invasive Verfahren der modernen Intensivmedizin benötigt (z. B. Beatmung, Kardiaka, Ultrafiltration/Dialyse), beinhaltet das jeweilige Monitoring auch immer die Kontrolle der zur Anwendung kommenden Therapie. Bezüglich Indikationsstellung und Durchführung spezieller Therapieverfahren sei auf Lehrbücher der Intensivmedizin verwiesen. An dieser Stelle sollen nur einige grundsätzliche Gesichtspunkte Erwähnung finden. 16.1.1 Pulmonale Funktion Chirurgischer Eingriff und Anästhesie verändern die Atemmechanik und den Gasaustausch im Sinne einer restriktiven Ventilationsstörung anhaltend bis in die postoperative Phase hinein. Auslösende Ursachen dafür sind Gasaustausch-Störungen, Depression des Atemzentrums und Veränderung der Atemmechanik (The Acute Respiratory Distress Syndrome Network 2000). Ihre klinische Bedeutung liegt darin, dass nach großen Eingriffen der Patient nur unzureichend in der Lage ist, tief einzuatmen und effektiv abzuhusten. Das bewirkt auf der einen Seite eine verminderte Ventilation noch perfundierter Lungenabschnitte mit Entwicklung eines Rechts-/Links-Shunts und Hypoxämie, auf der anderen Seite Sekretretention, Infektion und Pneumonie. Dementsprechend sind die vorrangigen Behandlungsziele der respiratorischen Therapie die Verbesserung der Ventilation, Erlernen spezieller Hustentechniken und Sekretmobilisation.

Für eine postoperative Nachbeatmung gilt, dass zur Vermeidung von Spätkomplikationen (z. B. Pneumonie, Thromboembolie, Dekubitus) der Patient schnellstmöglich auf assistierte Beatmungsformen und dann auf Spontanatmung zurückgeführt werden muss (Manthous 2002).

Beim extubierten Patienten ist das gesamte Spektrum der physikalischen Therapie (z. B. Lagerung, Krankengymnastik, Mobilisation, apparative Maßnahmen zur Atemvertiefung) einzusetzen (Esteban et al. 2004). Grundvoraussetzung dafür ist aber ein weitgehend schmerzfreier und kooperativer Patient, der auch in der Lage sein muss, die geforderten Manöver immer wieder selbständig durchzuführen. Damit ist die Schmerztherapie heute wesentlicher Bestandteil jeder postoperativen Behandlung (Kehlet u. Holte 2001; Simanski u. Neugebauer 2003). 16.1.2 Kardiovaskuläre Funktion Die häufigsten Ursachen für Herz-Kreislauf-Instabilität im postoperativen Verlauf sind Restwirkung von Anästhetika (negativ-inotrope Wirkung), Tachykardie (Hypovolämie, Rhythmusstörung), Schmerz, Agitation, Kältezittern (erhöhter Sauerstoffverbrauch) und Imbalanzen im Säure-Basen- und Wasser-Elektrolyt-Haushalt. Eine kontrollierte Aufwärmphase, ausreichende analgetische Therapie und Vermeidung von Hypoxämie- und Hypotoniephasen hilft die Stressantwort zu minimieren (Scamer et al. 2002). Dies gilt vor allem für Patienten mit kardialer Risikoerhöhung (American Society of Anesthesiology 2002) und nach Operationen, die als »high risk-surgery« klassifiziert werden,

16

d. h. Eingriffen mit langen Operationszeiten, großen Flüssigkeitsverschiebungen und hohem Blutverlust (Eagle et al. 2002). Neben den Routine-Überwachungsparametern liefert die Echokardiographie bei speziellen Fragestellungen zusätzliche Information über Herzfüllung und Kontraktilitätsmuster. Darüber hinaus können durch ein erweitertes hämodynamisches Monitoring andere Determinanten der Herz-Kreislauffunktion wie Vorlast, Kontraktilität und Nachlast erfasst und auch gezielt therapeutisch beeinflusst werden. Diese Überwachung mit einem Pulmonaliskatheter (Swan-Ganz-Katheter) wird in den letzten Jahren kontrovers diskutiert (Task Force of the American College of Critical Care Medicine 1999). Unverändert gilt aber, dass bei korrekter Messerhebung und Interpretation der Daten durchaus wertvolle Hinweise für relevante Therapieentscheidungen zur Verfügung stehen. 16.1.3 Renale Funktion Die Niere ist postoperativ Zielscheibe einer Reihe von neuroendokrinen Reaktionen mit negativer Rückwirkung auf die glomerulären und tubulären Funktionen. Damit ist das Nierenversagen ein multifaktoriell verursachtes klinisches Syndrom, charakterisiert durch die abrupte jedoch prinzipiell reversible Abnahme der Urinproduktion bei gleichzeitiger Akkumulation von Stoffwechselendprodukten und Störungen im Wasser-Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt.

Das prärenale Versagen ist Folge von Hypovolämie, Druckabfall und Hypoxämie, das renale Versagen ist die »Niere als Opfer« bei Sepsis oder in Folge von tubulotoxischen Noxen (z. B. Antibiotika, Röntgenkontrastmittel).

Das postrenale Versagen, bedingt durch Obstruktion der ableitenden Harnwege oder Katheterkomplikationen, dürfte heute in der Intensivmedizin diagnostisch und therapeutisch kein eigentliches Problem mehr darstellen. Daraus ergibt sich für das postoperative Management erneut die Forderung nach einer suffizienten Volumentherapie und ausreichenden Oxygenierung. Die Indikation für Vasopressoren ist kritisch zu stellen (Vasokonstriktion!) und der Einsatz nephrotoxischer Substanzen (z. B. Antibiotika) sollte nur unter laufender Serum-Spiegelkontrolle durchgeführt werden. Die Infusionstherapie muss zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Nierenfunktion den Basisbedarf an Wasser und Elektrolyten, den Korrekturbedarf bei eingetretenen Verlusten und darüber hinaus die Bereitstellung notwendiger Bau- und Nährstoffe berücksichtigen, die dem gesteigerten Energiebedarf im Postaggressionsstoffwechsel und dem jeweiligen Ausmaß der Katabolie angepasst sind (postoperative Ernährungsregime) (Marek u. Zagola 2002; Tüller u. Marsch 2002). Im klinischen Alltag ist die stündliche Urinausscheidung ein sehr genauer Parameter zur globalen Überwachung der Vitalfunktionen im postoperativen Verlauf. Sistiert die Urinausscheidung und sind vordergründig andere Erklärungen dafür (z. B. Hypovolämie, Herzinsuffizienz, respiratorische Azidose) ausgeschlossen, muss immer und zuerst an Störungen im Bereich des Operationssitus gedacht und unverzüglich eine entsprechende Diagnostik eingeleitet werden.

176

Kapitel 16 · Postoperativer Verlauf und seine Störungen – Chirurgische Intensivmedizin in der Viszeralchirurgie

16.2

Überwachung des Operationssitus

Die postoperative Überwachung hat grundsätzlich die Risikosituation des Patienten, Ausmaß und Dauer der Operation und eingriffsspezifische Besonderheiten mit den sich daraus ergebenden möglichen Veränderungen und Komplikationen zu berücksichtigen. Nach viszeralchirurgischen Eingriffen gibt der intraoperative Situs die besten Hinweise auf die möglichen postoperativen Komplikationen. Der erfahrene Chirurg weiß das und gibt diese Information auf die Intensivstation weiter. Das bedeutet, dass im postoperativen Management die unten aufgeführten Maßnahmen zur Überwachung des Operationssitus unbedingt mit Berücksichtigung finden müssen.

5 Postoperative Überwachung: Operationssitus 5 Wiederholte klinische Untersuchung (Inspektion, Palpation, Auskultation) 5 Röntgen-Thorax, Sonographie, Endoskopie, (Bronchoskopie, Duplexsonographie) 5 Wundkontrolle, Beurteilung von Sekreten aus Drainagen und Sonden 5 Temperaturverlauf, Laboranalysen 5 Beurteilung von Compliance, Kooperationsfähigkeit und Belastbarkeit z. B. beim Mobilisationsversuch

16

Dabei kommt der wiederholten physikalischen Untersuchung und Befunderhebung eine zentrale Bedeutung zu. So können durch Inspektion, Palpation und Auskultation u. a. Abwehrspannung, Schmerzlokalisation, Distension des Abdomens, Peristaltik, Darmparalyse, aktuelle Wundsituation, aber auch Hautemphysem, Hydratationszustand und Venenfüllung erfasst werden. Und es gilt, den Patienten immer wieder hinsichtlich seiner Bewusstseinslage, Kooperationsfähigkeit und Belastbarkeit z. B. bei Mobilisationsversuchen zu beurteilen Die Menge und Zusammensetzung von Drainagesekreten muss kontrolliert werden (cave: Dislokation der Drainagen, Verstopfung durch Blutkoagel). Laborchemische Analysen geben Hinweise auf pathologische Veränderungen wie Blutung (Hb), intestinale Leckage (α-Amylase), Pankreasfistel (α-Amylase) oder Gallefistel (Bilirubin). Nach hepatobiliären Eingriffen ist die Gallesekretion nach außen ein mitentscheidender Parameter zur Beurteilung der Leberfunktion. Ein gesteigerter Reflux über die Magensonde lässt intestinale Motilitätsstörungen erfassen und kann in seltenen Fällen bei blutigem Reflux beweisend für eine intraluminale Blutung sein. Die Sonographie steht weiterhin im Mittelpunkt der Überwachung des operierten Abdomens und erlaubt Beurteilung und Verlaufskontrolle von Veränderungen an parenchymatösen Organen (z. B. Hämatom) und macht intraabdominelle und intrathorakale Flüssigkeitsansammlung sichtbar. Die Asservierung dieser Flüssigkeit (z. B. Blut, Erguss, Aszites, Intestinalinhalt) gelingt durch schallgezielte Feinnadelpunktion. Die Röntgen-Thoraxaufnahme kann neben der Beurteilung von Herz und Lunge entscheidende Zusatzinformationen liefern wie Zwerchfellhochstand, Mediastinalemphysem, Erguss, Pneumothorax oder Überblähung des Interpositionsorgans nach Ösophagusersatz. Spezielle Fragestellungen lassen sich duplexsonographisch oder angiographisch (z. B. Leberdurchblutung), endoskopisch (z. B. Anastomoseninsuffizienz, Interponatdurch-

blutung) oder nach trachealwandnahen Resektionen bronchoskopisch (z. B. tracheale Läsionen, Bronchusfistel) überprüfen. In klinisch nicht eindeutigen Situationen müssen diese Untersuchungen und Analysen in kurzen Zeitabständen wiederholt werden. Nur so lassen sich Veränderungen rasch erfassen und objektivieren. Häufig liefern Zusatzinformationen wie Temperaturverlauf, metabolische Azidose, veränderte Stoffwechselsituation (z. B. gesteigerter Insulinbedarf, Laktat), Kreislaufinstabilität oder Oligo-Anurie entscheidende Hinweise. Insofern ist die Überwachung von Vitalfunktionen und die Überwachung des Operationssitus nicht voneinander zu trennen und sollte im Idealfall in der gemeinsamen Verantwortung eines erfahrenen Chirurgen liegen. 16.3

Postoperative Komplikationen

Ziel der postoperativen Überwachung ist es, Komplikationen frühzeitig zu erkennen, bevor sekundäre Organversagen auf die bereits eingetretene Katastrophe hinweisen.

Das bedeutet, dass schon beim ersten Verdacht auf das Vorliegen einer Komplikation eine zielgerichtete Diagnostik eingeleitet werden muss. In der Regel entstehen Probleme nicht aus der Komplikation selbst, sondern aus dem Umgang mit ihr, d. h. aus der zu spät erfolgten Diagnostik und inadäquaten Therapie. Bei jedem Ereignis, das vom erwarteten glatten postoperativen Verlauf abweicht, muss der Verdacht auf eine Komplikation geäußert werden. Solche Ereignisse sind u. a.: 4 Laborchemische Veränderungen (z. B. Leukozytose, Leukozytopenie, Thrombozytopenie, Anstieg der Retentionswerte, Hyperbilirubinämie) 4 Störungen der Vitalfunktionen (pulmonal, kardiovaskulär, hepatorenal), für die es vordergründig keine andere Erklärung gibt 4 Pathologische Röntgenbefunde (z. B. Röntgen-Thorax), sonographisch Nachweis von Flüssigkeitsretention 4 Änderung der Bewusstseinslage des Patienten (z. B. Apathie, Unruhe, Verwirrtheit) und seiner Belastbarkeit in Mobilisationsphasen 4 Veränderungen in Drainageflüssigkeiten, pathologisches Wundsekret, Darmparalyse, Erbrechen, Fieber Das Auftreten dieser Symptome – einzeln oder in Kombination – muss bei entsprechender Beurteilung der klinischen Gesamtsituation immer Anlass für eine zielgerichtete Diagnostik sein. 16.3.1 Inzidenz und Prävalenz Eine prospektive Dokumentation und Analyse der postoperativen Verläufe von über 8000 Patienten mit großen viszeralchirurgischen Eingriffen im eigenen Krankengut zeigt, dass in ca.10% der Fälle Komplikationen überhaupt auftreten. Dabei finden sich chirurgische (d. h. operationstechnisch-bedingte) Komplikationen fünfmal häufiger als allgemeine (nichtchirurgische) Komplikationen. Bei den chirurgischen Komplikationen stehen die septischen Komplikationen weitaus an erster Stelle, die überwiegend auf eine Anastomoseninsuffizienz zurückzuführen

177 16.4 · Therapie der Komplikationen

sind und bereits am dritten postoperativen Tag auftreten können (Bartels 2001). Auch bei einem technisch problemlosen Verlauf der Operation muss somit immer an eine Anastomoseninsuffizienz gedacht werden, dies gilt erst recht bei schwierigem oder technisch unbefriedigendem Operationsablauf (Informationspflicht des Operateurs). Damit orientiert sich die Diagnostik bei einem gestörten postoperativen Verlauf an der Art des Eingriffes, am Zeitpunkt des Auftretens der Komplikation und an der Wahrscheinlichkeit des zugrunde liegenden Problems. Vorrangig muss das Vorliegen einer chirurgischen Komplikation ausgeschlossen werden, bevor seltene Differenzialdiagnosen erwogen werden. 16.3.2 Zielgerichtete Diagnostik Grundsätzlich bieten bettseitige Untersuchungsverfahren den Vorteil, dass sie einfach durchführbar sind, beliebig oft wiederholt werden können und eine rasche Information liefern. Damit entfällt der häufig aufwendige und risikoreiche Transport in Diagnoseeinheiten mit der Schwierigkeit, Überwachungs- und Therapiemaßnahmen kontinuierlich weiterzuführen. Die entsprechenden Verfahren einer zielgerichteten Diagnostik bei Verdacht auf Vorliegen von postoperativen Komplikationen sind in nachfolgender Tabelle zusammengestellt. Zielgerichtete Diagnostik bei postoperativen Komplikationen 5 Bettseitige Diagnostik – Klinische Beurteilung – Sekret aus Drainagen (Intestinalsekret?) – Sonographie (Flüssigkeitsretention?) – Endoskopie (Durchblutung?, Fistel?) – Anastomosenkontrolle mit Gastrografin 5 Externe Diagnostik – CT (Flüssigkeitsretention?, Fistelstraßen?) – Interventionelle Angiographie 5 Chirurgische Diagnostik – Diagnostische Laparotomie

allerdings bei ausgeprägtem Meteorismus, bei extremer Adipositas des Patienten, bei abdominellen Drainagen und Wund(Bauchwand-)Defekten. Endoskopisch kann der Vitalitätsnachweis von Anastomosen geführt werden. Es wird z. B. beurteilt, wie die Schleimhautdurchblutung eines Interponats ist, ob eine Insuffizienz vorliegt, wie groß sie ist und welche Heilungstendenz sie im Verlauf zeigt. Für die Computertomographie gilt die gleiche Fragestellung wie bei der Sonographie. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt aber in der von der Erfahrung des Untersuchers unabhängigen objektiven Befunddokumentation, semiquantitativen Dichtemessung (z. B. Differenzialdiagnose Hämatom/Abszess) und darin, dass eine Beurteilung auch dann möglich ist, wenn eine sonographische Befundung nicht gelingt. Die Angiographie bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten wie z. B. Blutungsnachweis/Lokalisation oder intestinale Perfusion und Leberdurchblutung. Wenn es nicht gelingt mit den angegebenen Diagnoseverfahren ein morphologisches Korrelat für die klinische Situation des Patienten zu liefern, aber weiterhin der hochgradige Verdacht auf eine chirurgische Komplikation besteht, bleibt als Ultima Ratio die diagnostische Laparotomie. Sie ist auch heute noch eines der wichtigsten diagnostischen und/ oder therapeutischen Prinzipien in der Viszeralchirurgie. Im eigenen Krankengut konnte in über 60% der Fälle allein mit bettseitiger Diagnostik die Art der vorliegenden Komplikation gesichert werden (Bartels 2003). Nur ein Drittel der Patienten benötigte dazu stationsexterne Diagnoseinheiten und knapp 5% mussten ohne vorherige Diagnosestellung laparotomiert werden (chirurgische Diagnostik). Diese Zahlen unterstreichen, dass das chirurgische Know-how für den Patienten in der postoperativen Phase von entscheidender Bedeutung ist. Der Chirurg weiß, was nach einer Operation passieren kann und wann das Ereignis erfahrungsgemäß auftreten wird, da er die Schwachstellen der jeweiligen Operation am besten kennt. Er beherrscht die adäquaten Diagnoseverfahren (z. B. Sonographie, Beurteilung von Drainagesekret, Endoskopie) und verfügt in enger Kooperation mit Endoskopikern und interventionellen Radiologen auch über die geeigneten Therapiemöglichkeiten. 16.4

Der einfachste Nachweis einer Anastomoseninsuffizienz gelingt über die Differenzierung von Wundsekreten und Drainageflüssigkeit. Die Diagnose ist gesichert, wenn sich Intestinalinhalt direkt oder als Marker ein Farbstoff über die Zieldrainage entleert. Darüber hinaus kann die laborchemische Analyse mit Bestimmung der α-Amylase Hinweise auf die Höhenlokalisation der Leckage geben (Bartels 2003). Die Passageprüfung mit Gastrographin als dynamische Untersuchungsmethode liefert insofern mehr Informationen, weil eine quantitative Beurteilung der Insuffizienz möglich wird. Gleichzeitig kann dargestellt werden, wohin die Insuffizienz drainiert und ob die Drainageableitung nach außen suffizient ist. Diese Aussage ist von entscheidender Bedeutung für die weitere Therapieplanung. Die Bedeutung der Ultraschallsonographie liegt darin, dass in Kenntnis des Operationssitus gezielt nach freier Flüssigkeit und freier Luft gefahndet werden kann und – bei konservativem Behandlungsversuch – eine Verlaufskontrolle jederzeit möglich wird. Untersuchungstechnisch erschwert ist die Sonographie

16

Therapie der Komplikationen

Die therapeutischen Konsequenzen sind meist »selbstevident«, wenn die Diagnose gestellt ist. Bei der frühen postoperativen Nachblutung muss bei entsprechender Blutungsintensität schnellstmöglich eine operative Blutstillung erfolgen. Aufgabe der Intensivmedizin dabei ist, bis zum Operationszeitpunkt eine ausreichende Kreislauffunktion und Oxygenierung aufrecht zu erhalten. Hinsichtlich der postoperativ-septischen Komplikationen hat sich das therapeutische Spektrum heute durch Fortschritte der interventionellen Radiologie grundsätzlich erweitert. Dies gilt im besonderen Maße für spezielle Abszessdrainagen, Anastomoseninsuffizienz-Drainagen und die interventionelle Angiographie, die die Möglichkeit einer sofortigen Blutstillung durch Stents oder Coiling bei septischen Arrosionsblutungen bietet (Bartels u. Stein 2004; Theisen et al. 2005). Bei intraabdominellen Abszessen ist das interventionelle Vorgehen mit perkutaner Abszessdrainage (PAD) heute die Therapie der Wahl. Dafür sprechen die hohe Erfolgsrate von über 80% – definiert als suffiziente Abszessdrainage ohne nachfol-

178

16

Kapitel 16 · Postoperativer Verlauf und seine Störungen – Chirurgische Intensivmedizin in der Viszeralchirurgie

gende chirurgische Reintervention –, die geringe Komplikationsrate von 29 kann als Anhaltspunkt dienen. Ein starker Indikator ist die Unmöglichkeit, die Infektionsursache zu beheben (Lamme et al. 2004; Schein 2002; Seiler et al. 2000). Auch kann die Instabilität des Patienten während der ersten Operation ein verkürztes Vorgehen – z. B. ein Packen bei diffuser Blutung – im Sinne eines schadenbegrenzenden Eingriffs (»damage control«; Schein 2002) und somit eine weitere Intervention bedingen. Bei geplanter Relaparotomie ist die Anlage eines temporären Bauchdeckenverschlusses sinnvoll, um die Reintervention zu vereinfachen und die Faszien zu schonen. Die »Etappenlavage« fördert einerseits die Elimination von infektiösem Material und eine Kontrolle der Infektionsquelle (Teichmann u. Mansfeld 2001), andererseits bedingt sie eine eigene Morbidität durch Verletzung von Gewebe (Fistelbildung) und Freisetzung von Entzündungsmediatoren (Lamme et al. 2004; Seiler 2000). Der Zeitpunkt der Beendigung ist nicht genau definiert. Neben dem makroskopischen Aspekt einer annährend sauberen Abdominalhöhle ist die Rekompensation der Organfunktion grundlegend.

Die Indikationen zur programmierten Relaparotomie oder Etappenlavage nach 24–72 h sind vielfältig, z. B. wenn die Sanierung der Infektionsquelle fraglich erscheint, MPI >29 oder nur eine verkürzte Erstoperation möglich ist. Beendigung des Programms, wenn Bauchhöhle annähernd sauber.

Relaparotomie nach Bedarf. Das Ziel dieser Therapieform ist die

Aufgabe starrer Interventionsintervalle um die therapiebedingte Mortalität und Morbidität zur vermindern. Die Indikation ergibt sich in erster Linie aus dem klinischen Verlauf, d. h. bei Persistenz oder Rezidiv der Infektion (Hau u.1995). In einer kürzlich vorgestellten retrospektiven Untersuchung von Lamme et al. (2004) wurde eine Reduktion der Mortalität (36 auf 21,8%) sowie der chirurgisch bedingten Komplikationsrate bei bedarfsadaptierter Revision im Gegensatz zu programmieren Revision festgestellt (Lamme et al. 2004).

211 21.2 · Peritonitis und abdominelles Kompartmentsyndrom

Laparostoma Die Anlage eines temporären Bauchdeckenverschlusses (Laparostoma) zielt darauf ab, die Abdominalhöhle wie eine Abzesshöhle zu behandeln. Ein temporärer Bauchdeckenverschluss ist außer bei der programmierten Relaparotomie auch zur Senkung bzw. der Vermeidung eines erhöhten intraabdominellen Drucks indiziert. Das verwendete Material zur passageren Deckung des Laparostomas ist bei kurzfristiger Verwendung belanglos und kann auch aus Plastikfolien bestehen (Schein 2002). Am geeignetsten sind Materialien, die lagerungsstabil, sekretdurchlässig und individuell anpassbar sind. Resorbierbare Netzmaterialien (z. B. Polyglactin 910 oder Polyglycolsäure) vereinen diese Eigenschaften und können darüber hinaus auch bei infektiösen Komplikationen wie enterokutanen Fisteln oder bis zur endgültigen Wundheilung belassen werden. Die Häufigkeit dieser Komplikation bleibt in den meisten Studien unter 10% (Ghimenton u.2000). Die Applikation von Vakuum mit Hilfe einer selbstklebenden Folie und einem negativen Druck von 100 bis 150 mmHg wurde überwiegend bei abdominellem Trauma, aber auch bei intraabdomineller Infektion beschrieben. Bei Anwendungszeiten bis zu einem Monat treten enterokutane Fisteln bei bis zu 4,5% der Patienten auf (Stone 2004; Barker 2000).

Die Laparostomaanlage dient zur programmierten Relaparotomie und zur Behandlung des abdominellen Kompartmentsyndroms.

Interventionelle Therapie Bei einer umschriebener Ansammlung von infektiösem Material an chirurgisch nicht oder nur risikoreich zugänglichen Stellen der Leibeshöhle kann die sonographisch oder computertomographisch gesteuerte Punktion erfolgreich sein. Diese Situation kann bei gedeckt perforierter Sigmadivertikulitis ohne systemische Mitbeteiligung bestehen. Eine chirurgische Behandlung kann dann elektiv erfolgen (Cheadle u. Spain 2003). Ein interventionelles Vorgehen kann auch im postoperativen Verlauf indiziert sein, wenn eine Leckage spät, also 7–10 Tage postoperativ erfolgt und aufgrund der intraabdominellen Verklebungen lokalisiert bleibt (7 Kap. 2). Antibiotikatherapie Grundsätzlich sollte bei der Peritonitis eine kalkulierte Antibiotikatherapie eingeleitet werden, die auch die anaeroben Keime einschließt. Ein intraoperativer Abstrich und eine mikrobielle Untersuchung sind dringend zu empfehlen, um die Therapie resistenzgerecht umstellen zu können. Die Therapiedauer bei etablierter Peritonitis beträgt 5–7 Tage wenn eine Kontrolle der Infektionsquelle besteht (Cheadle u. Spain 2003). Die Empfehlungen zur antibiotischen Therapie der Peritonitis beruhen auf einer Vielzahl von prospektiven Untersuchungen und haben einen Evidenzgrad von I (7 Kap. 19). Die zugrunde gelegten Studien sind hinsichtlich der chirurgischen Therapie nicht vergleichbar und erfassen Patienten mit primär guter Prognose, d. h. ohne Organversagen und zumeist mit Appendizitis und perforiertem Ulkus als Grundlage. Dennoch stehen 8 Antibiotika bzw. deren Kombinationen im Vordergrund (Holzheimer u. Dralle 2001a), die eine vergleichbare Rate an Nebenwirkungen und Therapieerfolg besitzen:

4 4 4 4 4 4 4 4

21

Piperacillin/Tazobactam Ampicillin/Sulbactam Gentamycin + Clindamycin Tobramycin + Clindamycin Meropenem, Imipenem Aztreonam + Clindamycin Cefoxitin, Cefotetan Cefotaxim + Metronidazol

21.2.7 Mortalität und Prognose Nach Bohnen (Bohnen et al. 1983) beträgt die Mortalität in der generalisierten Peritonitis 38%. Bei perforierter Appendizitis und perforiertem Duodenalulkus liegt sie bei 10%. Wenn andere intraabdominelle Ursachen oder eine postoperative Peritonitis vorliegen kann die Mortalität 50–60% erreichen. Ein Organversagen ist in dieser Untersuchung mit einer Mortalität von 76% assoziiert. Die Mortalitätsraten der Peritonitis haben sich in der letzten Zeit allenfalls leichtgradig verbessert. In Abhängigkeit von Ursache und Schweregrad kann die Mortalitätsrate aller Patienten zwischen 30 und 50% betragen (Holzheimer u. Dralle 2001b; Koperna u. Schulz 2000). Wichtigsten Determinanten für die Prognose sind Alter und die Schwere der Erkrankung gemessen anhand des APACHE II oder des MPI-Wertes (Cheadle u. Spain 2003; Billing et al. 1994). Ein MPI29 wurde eine Mortalität von 59% beobachtet (Billing et al. 1994). Wenn die Infektursache kontrolliert werden kann, beträgt die Mortalität zwischen 9 und 14% (Bartels et al. 1992; Billing et al. 1992). Es bleibt zu klären, inwieweit die Prognose der Peritonitis derzeit noch bestimmt wird von der Behandlung (inkl. chirurgischer, antibiotischer und intensivmedizinischer Therapie; Lamme et al. 2004; Bosscha et al. et al. et al. 1999) als vielmehr von der Schwere der Erkrankung bzw. dem Maß der Immunantwort (Cheadle u. Spain 2003; Holzheimer u. Dralle 2001b; Wickel et al. 1997).

Die Mortalität ist maßgeblich bestimmt durch Schwere der Erkrankung bzw. dem Maß der Immunantwort und kann trotz adäquater Therapie bis zu 80% erreichen.

21.2.8 Abdominelles Kompartmentsyndrom Beginnend mit Arbeiten von Kron und Fietsam (Fietsam 1989; Kron et al. 1984) ist mittlerweile anerkannt, dass auch die Bauchhöhle Eigenschaften eines Kompartimentes aufweist. Entsprechend kann gezeigt werden, dass ab einer kurzfristigen intraabdominellen Volumenzunahme von ca. 5 l der intraabdominelle Druck (IAD) exponenziell ansteigt (McDougall et al. 1994). Primär kann eine Verschiebung von Flüssigkeit in das Abdomen mit Anstieg des IAD bei abdominellem Trauma, Pankreatitis, Peritonitis oder intraabdomineller Blutung resultieren (Balogh et al. 2003b; Pupelis et al. 2002; Ivatury et al. 1997). Ein Anstieg des IAD kann auch iatrogen bedingt sein, wenn bei ent-

212

Kapitel 21 · Abdominelle Sepsis und Peritonitisbehandlung

sprechendem Ödem der Bauchdeckenverschluss erzwungen wird (Töns 2000). Daneben kann es auch ohne primäre Beteiligung des Abdomens sekundär zu einem Anstieg des IAD bei schwerer Verbrennung und bei Verletzungen der Extremitäten kommen (Latenser et al. 2002; Biffl et al. 2001; Kopelman et al. 2000). Faktoren, die auf eine bevorstehende Erhöhung des IAD hinweisen können, sind (Balogh et al. 2003c): 4 Hoher Bedarf an Flüssigkeit (≥7,5 l in 6 h) 4 Verminderte Urinausscheidung (≤150 ml in 6 h) 4 Verringerter Hämoglobinwert (≤8 g/dl) 4 Vermindertes Herzzeitvolumen (≤2,6 l/min/m) 4 Azidose (Basendefizit ≥12 mEq/l) Ferner wurden ein erhöhter Beatmungsdruck oder eine deutlich positive Flüssigkeitsbilanz in diesem Zusammenhang beschrieben (McNelis et al. 2002). Ein Anstieg des IAD geht mit einer verschlechterten Durchblutung intra- und extraabdomineller Organsysteme (z. B. Leber, Darm, Niere, Thorax, Gehirn) einher und führt zu einer Minderung der Organfunktion und sogar zum Organversagen. Ab welchem Niveau eine Erhöhung des IAD als pathologisch zu werten ist, ist nicht definiert. Gemäß der vorliegenden Untersuchungen ist jedoch anzunehmen, dass schädliche Konsequenzen bereits ab einer Höhe von 10–12 mmHg resultieren (Malbrain et al. 2004; Kirkpatrick et al. 2000; Sugrue 1999). Ein abdominelles Kompartmentsyndrom (AKS) bezeichnet einen Anstieg des IAD auf >20 mmHg zusammen mit einer Minderung von Organfunktionen, wobei typischerweise die respiratorische (hohe Atemwegsdrücke), renale (Anurie) und kardiozirkulatorische Funktion (niedriges Herzzeitvolumen) betroffen sind (Schachtrupp et al. 2003; Ertel et al. 2000; Mayberry 1999; Moore et al. 1998; Meldrum et al. 1997; Burch et al. 1996). Die Letalität dieser Komplikation kann bis zu 60% betragen (Balogh et al. 2003c; Hong et al. 2002; Ivatury et al. 1998; Meldrum et al. 1997).

Abdominelles Kompartmentsyndrom: IAD >20 mmHg und Organfunktionsstörung wie hohe Atemwegsdrücke, Anurie und niedriges Herzzeitvolumen. Die Letalität kann 60% betragen.

21

Neben einer relevanten mechanischen Komponente, die durch Höhertreten der Zwerchfelle und durch Behinderung des venösen Rückstroms zu Minderung von Lungenvolumina und intravasaler Flüssigkeit führt, ist eine bakterielle Translokation sowie eine Aktivierung von Mediatoren und hormoneller Regelkreise als Pathomechanismus anzunehmen (Rezende-Neto et al. 2002). In bisherigen klinischen Untersuchungen konnte ein Zusammenhang zwischen abdominellem Kompartmentsyndrom und MODS bzw. MOV beobachten werden (Balogh et al. 2003c; Raeburn et al. 2001; Offner et al. 2001; Sugrue 1999). Prospektivrandomisierte Studien zur Mortalität oder Therapie des AKS liegen nicht vor und sind aufgrund der hohen Letalität und der damit verbundenen ethischen Problematik nicht zu erwarten. Zudem ist die Inzidenz des AKS variabel und liegt bei Patienten gemischter allgemeinchirurgischer oder internistischer Intensivstationen bei 1–8% (Malbrain et al. 2004; Hong et al. 2002).

Bei AKS besteht eine Prädisposition zum Multiorganversagen. Die Inzidenz bei intensivmedizinischen Patienten liegt allgemein bei 1–8%

Therapie. Es besteht Konsens darüber, dass bei Vorliegen eines AKS eine Laparotomie durchzuführen ist, um eine permanente Dekompression mittels Anlage eines temporären Bauchdeckenverschlusses zu erreichen (Balogh et al. 2003a; Hobson et al. 2002). Hinsichtlich der Höhe des IAD, ab der eine Dekompression auch ohne fassbare Organveränderungen erfolgen sollte, liegen keinerlei prospektive Untersuchungen vor. Bei einer persistierenden Erhöhung des IAD auf 25 mmHg oder mehr ist jedoch eine Dekompression zu empfehlen. Neben der Therapie der bereits vorliegenden Druckerhöhung muss es jedoch ein wesentliches Anliegen sein, präventiv einem iatrogen bedingten Anstieg des IAD entgegen zu wirken. Hierzu gehört der Verzicht auf einen forcierten Bauchdeckenverschluss oder auf die Verwendung von Stahldrähten mit Gegendruckplatten als sog. »Platzbauchtherapie oder -prophylaxe«. Neben diesen Ansätzen liegt es nahe, einer Reduktion der renalen, kardiozirkulatorischen oder pulmonalen Funktionen durch gezielte Stützung dieser Organsysteme zu begegnen. Beispielsweise wurde beobachtet, dass die Gabe von Flüssigkeit zu einer Normalisierung des Herzzeitvolumens (HZV) führen kann (Tiwari et al. 2002). Hierbei war zum Teil auch eine Verbesserung der Urinausscheidung und der Organdurchblutung nachweisbar (Friedlander et al. 1998). Ob aber eine Organdysfunktion oder ein morphologischer Organschaden auch ohne Dekompression verhindert werden können, ist zweifelhaft (Tiwari et al. 2002). In diesem Zusammenhang ist von der Verwendung der sog. »Füllungsdrücke« (z. B. zentralvenöser Druck oder pulmonalkapillärer Okklusionsdruck) zur Abschätzung des Volumenbedarfs abzuraten, da eine nicht genau nachvollziehbare Beeinflussung dieser Parameter durch den transdiaphragmal weitergeleiteten IAD gegeben ist (Chang et al. 1998). Stattdessen ist eine direkte Erfassung des intravasalen Volumens wie z. B. durch Erfassung des intrathorakalen Blutvolumens zu empfehlen, da dieses nicht vom intrathorakalen Druck beeinflusst wird.

Bei Patienten mit einem entsprechend erhöhten Risiko, eine intraabdominelle Hypertension (IAH) zu erleiden, ist eine Überwachung des IAD zu empfehlen (Sugrue 2002). Hierbei gilt die Messung des intravesikalen Drucks (Blasendrucks) derzeit noch als »Goldstandard« für die Abschätzung des IAD, da die Methodik wenig invasiv und bettseitig durchführbar ist.

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Kapitel 21 · Abdominelle Sepsis und Peritonitisbehandlung

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21

22 22

Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens R. Babst, J. Rosenkranz

22.1

Verletzungsmuster

– 216

22.2

Patientenbeurteilung nach »Advanced-trauma-life-support«Kriterien – 216

22.3

Diagnostik

22.3.1 22.3.2 22.3.3

Basisdiagnostik – 217 Erweiterte Diagnostik – 217 Abklärungsalgorithmen bei Abdominaltrauma

22.4

Antibiotikaprophylaxe und -therapie – 220

22.5

Operative Therapieprinzipien

22.5.1 22.5.2 22.5.3

Lagerung und Zugänge – 220 Technik der Revisionslaparotomie – 220 Techniken der Blutstillung – 221

22.6

Behandlungsprinzipien der Einzelorgane – 221

22.6.1 22.6.2 22.6.3 22.6.4 22.6.5 22.6.6

Milz – 221 Leber – 222 Gastrointestinaltrakt – 223 Gefäßverletzungen beim Abdominaltrauma Niere und ableitende Harnwege – 226 Zwerchfell und Bauchdecke – 227

22.7

Frühpostoperative Ernährung nach Abdominaltrauma – 227

22.8

Abdominelles Kompartmentsyndrom – 229

– 217

Literatur – 229

– 219

– 220

– 225

216

Kapitel 22 · Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens

) ) In Mitteleuropa überwiegt das stumpfe Abdominaltrauma als Folge von Verkehrs- und Arbeitsunfällen gegenüber penetrierenden Abdominalverletzungen. Abdominalverletzungen liegen bei 20–40% der polytraumatisierten Patienten vor (Bardenheuer et al. 1997; Staib et al. 2004). Obwohl das Schädel-Hirn-Trauma die häufigste Ursache der Frühletalität beim polytraumatisierten Patienten darstellt, ist das Abdominaltrauma mit 19% zu einem beachtlichen Teil an der Gesamtletalität von polytraumatisierten Patienten beteiligt. Im Gegensatz zum Schädel-Hirn-Trauma finden sich die meisten Todesfälle beim Abdominaltrauma in den ersten 6 h nach Klinikeintritt, was eine hohe zeitliche Priorität bei Diagnostik und Therapie dieser abdominellen Verletzungen begründet (Demetriades et al. 2004). Während die korrekt diagnostizierte und therapierte Abdominalverletzung eine Mortalitätsrate von 6,3% aufweist, steigt diese bei verpassten Abdominalverletzungen auf 17% rasch an (Sung et al. 1996). Übersehen werden hierbei neben Pankreasverletzungen v. a. Rupturen der Hohlorgane. Um die Morbidität und Letalität nach Abdominaltrauma zu senken, muss das klinische Management standardisierten Abklärungs- und Therapiekonzepten folgen. Damit können unnötige Zeitverluste vermieden und die Zahl verpasster relevanter Abdominalverletzungen gesenkt werden. Diese Konzepte orientieren sich dabei am Gesamtzustand des Patienten und setzen die Prioritäten nach pathophysiologischen Gesichtspunkten (z. B. ATLS 1997).

22.1

Verletzungsmuster

Unterschieden werden stumpfe und penetrierende Abdominalverletzungen. Stumpfe Abdominaltraumen sind Folge direkter oder indirekter Gewalteinwirkung durch Dezeleration im Rahmen von Verkehrsunfällen oder Stürzen aus großer Höhe. Diese können v. a. bei Überrolltraumen mit erheblichen Weichteilavulsionen einhergehen.

. Abb. 22.1. Abklärungsalgorithmus beim Abdominaltrauma nach ATLS-Kriterien

Penetrierende Traumen werden in ihren Folgen durch die topographische Lage sowie durch Fläche und involvierte Energie der Penetration bestimmt. So sind Stichverletzungen durch ihren limitierten Stichkanal prognostisch meist günstiger als Schussverletzungen, bei denen die Traumafolgen von Projektilenergie, Projektilart und Schusskanal abhängig sind. Pfählungsverletzungen werden durch Eindringtiefe und Art des Pfählungsgegenstandes in ihrer Verletzungsschwere bestimmt. 22.2

Patientenbeurteilung nach »Advancedtrauma-life-support«-Kriterien

Die Erstbeurteilung (»primary survey«) des Verletzten zielt auf rasches Erkennen und Behandeln gestörter Vitalfunktionen ab (. Abb. 22.1). Mit der ABCDE-Regel – Überprüfung und Sicherstellen der Atemwege (A), der Atmung (»breathing«, B), des Kreislaufs (C), des neurologischen Status (»disability«, D) und dem Entkleiden des Patienten unter Kontrolle der Hypothermie (»exposure«, E) – wird ein effizientes und strukturiertes Management in der Akutphase gewährleistet. Diese Erstbeurteilung wird unterstützt durch ein kontinuierliches Monitoring von Hämodynamik und Oxygenation, 3-KanalElektrokardiographie und die Einlage eines Ureterkatheters, sofern dies nicht kontraindiziert ist. Zusätzlich erfolgt das Legen einer Magensonde. Kann der Patient kreislaufmäßig stabilisiert oder stabil gehalten werden, erfolgen insbesondere beim polytraumatisierten Patienten konventionelle Röntgenaufnahmen des Thorax, des Beckens und der seitlichen Halswirbelsäule. Zu diesen Basisabklärungen gehört auch die Ultraschalluntersuchung des Abdomens. Können die Störungen der Vitalfunktionen erfolgreich behandelt werden, wird der Patient detailliert von Kopf bis Fuß (»secondary survey«) untersucht. Hierher gehört auch die Anamnese bezüglich Allergien, Medikation, Vorerkrankungen, Zeitpunkt der letzten Mahlzeit und die genaue Unfallanamnese, aus der häufig bereits Hinweise auf das mögliche Verletzungsmuster erarbeitet werden können.

Erstbeurteilung (»primary survey«) – Atemwege – Beatmung – Kreislauf – Neurologischer Status – Entkleiden

Röntgen Thorax, Becken, HWS seitlich Ultraschall Abdomen

22

Detaillierte Untersuchung (»secondary survey«) – Anamnese – Status – Zusatzuntersuchungen nach Bedarf

Unterstützung der Vitalfunktionen Monitoring: EKG, Urin-Output Blutgase, Sättigung, Blutdruck

Vitalfunktionen stabil

Fortgesetzte Unterstützung der Vitalfunktionen

217 22.3 · Diagnostik

Die hämodynamische Stabilität, Unfallmechanismus und -lokalisation bestimmen den Zeitpunkt der fokussierten Untersuchung des Abdomens. Hierbei wird das gesamte Abdomen nach äußeren Verletzungen abgesucht. Dies beinhaltet auch eine Beurteilung der Flanken, des Rückens und des Perineums. Bei thorakalen Verletzungen, insbesondere bei Stichverletzungen und Rippenfrakturen unterhalb der vierten Rippe muss an die Möglichkeit einer abdominellen Mitbeteiligung gedacht werden. 22.3

Diagnostik

22.3.1 Basisdiagnostik Sonographie Während die diagnostische Peritoneallavage mit bis zu 30% falsch-negativen Ergebnissen (Fabian et al. 1986) an Bedeutung verloren hat, hat sich die Ultraschalluntersuchung als Notfalldiagnostik der ersten Wahl etabliert. Mit einer Spezifität von 95% und einer Sensitivität von 71% ist sie auch in der Hand von Unfallchirurgen mit relativ geringer Ultraschallerfahrung ein zuverlässiges Instrument zum Nachweis freier Flüssigkeit im Abdomen (McCarter et al. 2000). Damit kann sie das weitere therapeutische Vorgehen relevant mitbestimmen. Neben der Nichtinvasivität der Methode liegen die Vorteile auch in einer raschen Verfügbarkeit, der Wiederholbarkeit v. a. bei konservativer Behandlung von Leber- oder Milzrupturen und der Durchführbarkeit während kreislaufstabilisierenden Maßnahmen.

Die Ultraschalluntersuchung hat sich zu einem Standard in der Erstdiagnostik von polytraumatisierten Patienten entwickelt.

Im Gegensatz zur Computertomographie ist die Sensitivität des Ultraschalls bei Hohlorganrupturen auch in der Hand eines Geübten relativ gering, d. h. zur Ausschlussdiagnose kaum geeignet. Konventionelle Röntgendiagnostik Im Gegensatz zu Röntgenaufnahmen des Beckens, des Thorax und der seitlichen Halswirbelsäule gehört die konventionelle Röntgenuntersuchung des Abdomens nicht zur Basisdiagnostik des Polytraumapatienten. Labordiagnostik Die im Schockraum durchgeführte Blutentnahme dient in erster Linie der Blutgruppenbestimmung und Kreuztestung. Während Hämoglobin- und Hämatokritwerte zu Beginn durch noch nicht stattgefundene Flüssigkeitsumverteilung aus dem Extravasalraum kaum Anhaltspunkte für die Blutungsschwere geben, sind diese als Verlaufskontrollen durch repetitive Bestimmung geeignet, die suffiziente Substitution verlorengegangener Blutvolumina zu monitorisieren. Arterielle Blutgasanalysen und die Kontrolle der Gerinnungsparameter können jedoch bereits im Schockraum indirekte Hinweise auf den respiratorischen und hämodynamischen Zustand des Patienten geben. Der Urinstatus kann durch Nachweis einer Mikrohämaturie Hinweise auf Verletzungen der Nieren oder der ableitenden Harnwege geben und für ein Drogenscreening oder einen Schwangerschaftsnachweis verwendet werden.

22

22.3.2 Erweiterte Diagnostik Voraussetzung für die Durchführung einer erweiterten Diagnostik ist ein bezüglich Vitalparametern stabiler oder stabil zu haltender Patient. Die erweiterte Diagnostik richtet sich dabei nach dem Verletzungsmuster, hat sich aber auch nach dem zeitlichen Aufwand, gegeben durch Infrastruktur und verfügbares Fachpersonal, zu richten. Computertomographie Durch moderne Computertomographen mit simultaner Aufnahme mehrerer Schichten hat sich der zeitliche Aufwand für die Computertomographie erheblich vermindert. So ist mit neuesten Spiralcomputertomographen eine Aufnahme von 120 cm Länge in 1 mm Schichten innerhalb von 30 s möglich. Diese rasche Aufnahmetechnik vermindert störende Bewegungsartefakte. In größeren Traumazentren werden zudem zunehmend CT-Anlagen im oder in der unmittelbaren Umgebung von Schockräumen platziert. Durch Ankopplungsmöglichkeiten der Schockraumliege an den CT-Tisch entfällt bei entsprechend eingerichteten Zentren das zeitaufwendige Umlagern des Patienten. Dies hat dort zum Teil zu Änderungen im Schockraumalgorithmus geführt. Unabhängig davon ist die Ultraschalluntersuchung bei hämodynamisch instabilen Patienten weiterhin das erste diagnostische Instrument der Wahl. Sensitivität und Spezifität liegen bei 97,6% bzw. 98,7% (Hoff et al. 2002), der negative prädiktive Wert einer unauffälligen Computertomographie liegt bei 99,63% (Livingston et al. 1998).

Dies führt zum Postulat (Livingston et al 1998), Patienten mit isoliertem stumpfem Bauchtrauma bei einem unauffälligen CT nicht mehr zu hospitalisieren.

Die Stärke der Computertomographie liegt v. a. in der besseren Beurteilbarkeit des Retroperitoneums. Der Entscheid zur konservativen Behandlung von Läsionen solider Bauchorgane stützt sich auf die computertomographische Beurteilung der Organläsion und vor allem auf die Stabilität der Vitalfunktionen. Die Computertomographie mit intravenöser Kontrastgabe kann zusätzlich Informationen bezüglich Perfusion und – bei Nierenverletzungen – Funktion der soliden Bauchorgane liefern. Wie bei der Ultraschalluntersuchung können Hohlorganrupturen und mesenteriale Verletzung der frühen CT-Diagnostik entgehen, bei entsprechendem Verdacht werden sequenzielle CT-Untersuchungen durchgeführt. Untersuchung der Harnwege Eine intraoperative Pyelographie kann bei notfallmäßiger Notwendigkeit einer Nephrektomie die Funktion der kontralateralen Niere dokumentieren, falls diese präoperativ nicht durch eine Computertomographie mit Kontrastmittelgabe belegt wurde. Schwere Beckenverletzungen mit Blutaustritt aus dem Meatus urethrae, Pfählungsverletzungen im Dammbereich oder computertomographischen Kontrastmittelextravasaten im Blasenbereich bilden die Indikation zu einer retrograden Urethrozystographie.

218

Kapitel 22 · Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens

Kontrastmitteluntersuchung des Gastrointestinaltraktes Durch Kontrastmittelfüllung des Magens in Kopftieflage über eine Magensonde können distale Ösophagusrupturen oder Zwerchfellrupturen abgeklärt werden, die endoskopisch retrograde Cholangiographie (ERC) mit Darstellung des Pankreasganges ist bei Verdacht auf eine entsprechende Verletzung die spezifischste und sensitivste Methode zu deren Nachweis (Harerell et al. 1998), der Stellenwert der Magnetresonanzpankretikographie (MRP) ist hier noch nicht klar (Lin et al. 2004). Angiographie Beim kreislauflabilen Patienten ist die Diagnostik durch Angiographie zu zeitaufwendig. Die meisten Fragestellungen können üblicherweise durch die Computertomographie geklärt werden. Beim hämodynamisch stabilen Patienten hat die interventionelle Angiographie mit der Möglichkeit der Embolisation einen gewissen Stellenwert erlangt: so in der Blutstillung bei Beckentraumen oder auch gewissen Formen der Milzruptur. Diese Interventionen setzen jedoch eine jederzeitige Verfügbarkeit und Kompetenz des radiologischen Personals voraus. Proktosigmoidoskopie Die Anorektoskopie und evtl. Rektosigmoidoskopie sind bei Verdacht auf Rektumbeteiligung bei Pfählungsverletzungen im Dammbereich indiziert, auch bei Beckenverletzungen mit analem Blutabgang sollten diese Untersuchungen zum Ausschluss einer Rektumbeteiligung durchgeführt werden. Laparoskopie Die Laparoskopie hat bei der Diagnostik des kreislaufinstabilen, polytraumatisierten Patienten aufgrund des Zeitaufwandes keine Bedeutung. Sie kann aber bei monotraumatisierten, kreislaufstabilen Patienten zur Klärung unklarer Befunde der bildgebenden diagnostischen Verfahren dienen. Sie hat insbesondere bei Stichverletzung eine Bedeutung erlangt, da sich mit ihrer Hilfe die Rate unnötiger Laparotomien und die damit verbundene Zugangsmorbidität senken lässt (Simon et al. 2002). Einschränkungen in der laparoskopischen Diagnostik bestehen jedoch bei retroperitonealen Verletzungen, die mit dieser minimal-invasiven Methode schlecht oder nicht einsehbar sind. Peritoneallavage Mit der guten Verfügbarkeit von Ultraschall, Computertomographie und Laparoskopie hat die Peritoneallavage aufgrund ihrer Invasivität und der damit verbundenen Komplikationsrate an Bedeutung verloren. Als Monitorisierungsmethode bei länger dauernden Eingriffen und wenig freier Flüssigkeit im Abdomen hat die Peritoneallavage jedoch weiterhin ihre Berechtigung. Zudem bestehen Hinweise, dass mit einer Kombination von diagnostischer Peritoneallavage und Computertomographie Sensitivität und Spezifität der Einzeluntersuchungen weiter erhöht werden kann und die Kombination v. a. in Hinsicht auf Hohlorganverletzungen dem CT allein überlegen ist (Gonzalez RP et al. 2001).

22 22.3.3 Abklärungsalgorithmen

bei Abdominaltrauma Standardisierte Abklärungsalgorithmen helfen in der Akutphase eine problemorientierte Therapie ohne Zeitversug zu planen. Die

Behandlungsprioritäten richten sich danach, ob das Abdominaltrauma isoliert oder im Verband mit Begleitverletzungen vorliegt. Letztere beeinflussen nicht nur die Therapie, sondern auch die Abklärungsprioritäten. Neben einer raschen Übersicht über vitalitätsgefährdende Verletzungen und relevante Begleitverletzungen müssen im Schockraum folgende Fragen geklärt werden: 4 Ist die Abdominalverletzung stumpf oder penetrierend? 4 Ist der Kreislauf stabil oder instabil? 4 Lässt sich ultrasonographisch freie Flüssigkeit nachweisen? 4 Wie ist der Volumenbedarf des Patienten und wie verhalten sich Hämoglobin, Hämatokrit und Diurese im Verlauf? Isoliertes stumpfes Bauchtrauma Beim isolierten stumpfen Bauchtrauma richtet sich der Abklärungsalgorithmus ausschließlich nach der Kreislaufstabilität (. Abb. 22.2). Bei Kreislaufinstabilität beschränkt sich die Diagnostik des Abdomens nach Ausschluss von Begleitverletzungen auf die Ultraschalluntersuchung. Der Nachweis von freier Flüssigkeit stellt hier die Indikation zur unverzüglichen Notfalllaparotomie. Bei stabilem Kreislauf sollte der Sonographie bei freier Flüssigkeit eine Computertomographie folgen, um die Blutungsursache zu lokalisieren und bei Läsionen solider Organe die Möglichkeiten eines konservativen Vorgehen abschätzen zu können. Die Indikationen zur konservativen Therapie von Läsionen parenchymatöser Bauchorgane haben in den vergangenen Jahren stets zugenommen. Hämodynamische Instabilität stellt dabei eine absolute Kontraindikation dar. Voraussetzung für ein konservatives Vorgehen ist eine engmaschige Kreislaufüberwachung auf einer Intensivstation, wiederholte Hämoglobin- und Hämatokritkontrollen sowie repetitive sonographische Verlaufsuntersuchungen. Bei Instabilität dieser genannten Überwachungsparameter muss die konservative Vorgehensweise überdacht werden. Auch Anzeichen einer Peritonitis erfordern eine unverzügliche operative Exploration. Begleitverletzungen Extraabdominelle Begleitverletzungen bestimmen die abdominellen Abklärungsalgorithmen. Bestimmend in der Abklärungsund Therapiepriorität ist hier in erster Linie der Schweregrad der Begleitverletzung und ihr Einfluss auf die Kreislauf(in)stabilität. Schädel-Hirn-Trauma. Das Vorliegen eines mittelschweren Schädel-Hirn-Traumas (GCS 500 ml / h Thorakotomie

tiefe Verletzungen im zentralen Drittel

hämodynamisch stabil

Sonographie: freie Flüssigkeit

Sonographie: keine freie Flüssigkeit

ventrolaterale Bauchwand

Flanke / Rücken

Peritoneum perforiert

Peritoneum intakt

Wunddébridement Laparotomie Wunddébridement

CT-Bilanzierung Retroperitoneum

Gefäß- / Organläsion

Befund negativ

Wunddébridement

220

Kapitel 22 · Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens

werden. Stichverletzungen in der lateralen Bauchwand oder Flanke mit möglichem retroperitonealem Verlauf können laparoskopisch kaum abgeklärt werden, hier empfiehlt sich eine computertomographische Abklärung zum Ausschluss retroperitonealer Verletzungen.

Hämodynamische Instabilität und Stichkanal im medialen Drittel des Abdomens erfordert aufgrund der potenziellen Verletzungen der zentralen Gefäßachse eine sofortige Laparotomie auch ohne sonographischen Nachweis freier Flüssigkeit.

Schussverletzung. Bei abdominellen Schussverletzungen ist aufgrund der Kavitationsschäden entlang des Schusskanals immer eine Exploration durch Laparotomie indiziert. Ist der Patient kreislaufstabil, kann eine vorgängig durchgeführte Computertomographie Hinweise auf retroperitoneale Verletzungen geben. Pfählungsverletzung. Der Abklärungsalgorithmus bei der Pfählungsverletzung gleicht dem der Schussverletzung, bei Pfählung im Bereich des Dammes wird eine Anorektoskopie durchgeführt, um eine Rektumbeteiligung auszuschließen.

22.4

Antibiotikaprophylaxe und -therapie

Die prophylaktische Antibiotikagabe hat sich sowohl in der Viszeralchirurgie wie auch in der Traumatologie als Standard durchgesetzt. Auch bei perforierenden Abdominalverletzungen konnte der Nutzen der prophylaktischen Gabe von Breitspektrumantibiotika nachgewiesen werden (Thadepalli et al. 1973). Der Nutzen einer Antibiotikagabe über mehr als 24 h hingegen konnte bei Patienten mit Abdominaltrauma bisher nicht belegt werden. Dies gilt auch bei Patienten mit Hohlorganperforation. Aufgrund des Hypermetabolismus und des Flüssigkeitsumsatzes . Abb. 22.4. Standardinzisionen und ihre Erweiterungen beim Abdominaltrauma. (Aus Trentz u. Käch 1995)

22

beim Traumapatienten kann eine Dosisanpassung von Vorteil sein (Luchette et al. 2000). Dies gilt insbesondere bei Transfusion größerer Mengen von Blutersatzprodukten, wo ein Zusammenhang des Infektrisikos mit der Transfusionsmenge nachgewiesen werden konnte (Delgado et al. 2002). 22.5

Operative Therapieprinzipien

22.5.1 Lagerung und Zugänge Die Lagerung und Abdeckung des Patienten sollte die intraoperative Erweiterung des abdominellen Zugangs durch Sternotomie oder anterolaterale Thorakotomie zulassen; auch die Möglichkeit, Thoraxdrainagen zu legen, sollte nicht durch zu begrenzte Abdeckungen verhindert werden. Perineale Verletzungen erfordern eine Steinschnittlagerung, um rektoskopieren, débridieren und drainieren zu können. Die mediane Laparotomie ist der Zugang, der im Bedarfsfalle am einfachsten durch Subkostalschnitte nach links oder rechts erweitert werden kann, um z. B. den Zugang bei Leberverletzungen zu erleichtern (. Abb. 22.4). 22.5.2 Technik der Revisionslaparotomie Über eine Minilaparotomie kann – außer bei Verdacht auf eine Hohlorganperforation – mit einem Cellsaver als Erstmaßnahme das freie Blut aus der Bauchhöhle gesammelt werden. Nach Laparotomie werden anschließend die 4 Quadranten im Gegenuhrzeigersinn beginnend im linken oberen Quadranten exploriert und der Bauchraum mit Tüchern für eine initiale Blutstillung austamponiert. Bei nicht sicher lokalisierbarer oder lokal nicht kontrollierbarer Blutung empfiehlt sich ein Ausklemmen der Aorta. Vor allem bei schlechter Gefäßfüllung beim schockierten Patienten ist dies über eine anterolaterale Thorakotomie supradiaphragmal leichter zu bewerkstelligen als intra-

221 22.6 · Behandlungsprinzipien der Einzelorgane

abdominal, zudem bietet dieser zusätzliche Zugang die Möglichkeit der offenen Herzmassage und der Entlastung einer Perikardtamponade. Bis zum Ausklemmen supradiaphragmal wird die abdominale Aorta durch einen Assistenten gegen die Wirbelsäule komprimiert. Bei infradiaphragmaler Ausklemmung der Aorta kann eine Magensonde im Ösophagus helfen, die Aorta auch bei schlechtem Füllungszustand zu orten. Eine weitere Alternative ist die Ballonokklusion über einen inguinal in die A. femoralis eingebrachten Angiographiekatheter. Nach dieser temporären Blutungskontrolle werden verletzte Darmabschnitte ausgeklemmt oder mit Staplernaht verschlossen. Unter adäquater Volumensubstitution werden die 4 Quadranten systematisch inspektorisch und palpatorisch nach Organläsionen abgesucht. Anschließend erfolgt die Inspektion von Magenhinterwand, Duodenum und Pankreas über eine Eröffnung der Bursa omentalis. Schließlich wird der gesamte Dünndarm und der Kolonrahmen vom Treitz’schen Ligament nach distal revidiert und schlussendlich auch das kleine Becken und die Blase inspiziert. Neben der Inspektion der Einzelorgane werden auch Ausmaß und Dynamik retroperitonealer Blutungen bzw. Hämatome beurteilt. Bei Patienten mit relevantem Blutverlust, mit Hypothermie und mit Gerinnungsstörung wird auf eine anatomische Rekonstruktion von Hohlorganverletzungen oder auf eine zeitaufwendige, penible Blutstillung verzichtet und die Laparotomie bzw. die intraabdominelle Intervention auf eine »damage control surgery« beschränkt (Rotondo et al. 1997). Dies bedeutet, dass der Abdominaleingriff in erster Linie auf volumenrelevante Blutstillung und Vermeidung weiterer Kontamination auf Tuchtamponaden bzw. Staplernähte beschränkt wird. Eine etappenweise oder definitive Versorgung des Intestinums erfolgt erst nach intensivmedizinischer Stabilisierung der pathologischen Kreislauf- und Gerinnungsparamenter. Als Parameter zur Durchführung eines »Damage-control-surgery«-Protokolls werden eine Azidose (pH3 cm in die Parenchymtiefe

Hämatom

Rupturiertes intraparenchymatöses Hämatom mit aktiver Blutung

Lazeration

Parenchymatöse Zerstörung von 25–50% eines Leberlappens

Lazeration

Parenchymatöse Zerstörung von >50% eines Leberlappens

Vaskulär

Juxtahepatische venöse Verletzung, d. h. der extrahepatischen Lebervenen und/ oder der V. cava

Vaskulär

Hepatische Avulsionsverletzung

Nach stumpfem Bauchtrauma können 85% der Leberverletzungen erfolgreich konservativ (Malhotra et al. 2000) behandelt werden. Die Voraussetzungen für die konservative Therapie entsprechen denen bei Milzverletzungen (7 oben). Auch bei Leberverletzungen sollte – sofern die Kreislaufstabilität dies zulässt – eine Computertomographie durchgeführt werden, um den Schweregrad der Leberverletzung zu beurteilen. Die Indikation zur konservativen Therapie wird dabei weniger von der computertomographischen Einteilung des Schweregrades als vielmehr vom hämodynamischen Verhalten des Patienten und dessen Volumenbedarf abhängig gemacht. Bei kreislaufinstabilen Patienten mit höhergradigen Leberverletzungen empfiehlt sich als primäre Maßnahme das perihepatische »packing« durch Bauchtücher nach Mobilisation der Leber über eine quere Oberbauchlaparotomie oder die subkostal rechts erweiterte mediane Laparotomie. Oberflächliche Leberläsionen oder subkapsuläre Hämatome (Grad I und II nach Moore) sind meist einer konservativen Therapie zugänglich (. Tab. 22.2), schwerere Lebertraumen werden in Abhängigkeit der hämodynamischen Stabilität behandelt: Ist der Patient stabil, kann nach computertomographischer Beurteilung des Schweregrades der Verletzung eine angiographische Intervention zur Blutstillung angeschlossen werden

223 22.6 · Behandlungsprinzipien der Einzelorgane

(Hagiwara et al. 2002). Besteht nach Volumentherapie weiterhin eine Instabilität, wird nach chirurgischem »packing« die angiographische Intervention im Sinne einer »damage control« angeschlossen (Johnson 2002) oder je nach Befund oberflächliche Leberläsionen mittels »Argonbeamer« verschorft oder Einrisse mit »mesh-wrapping« komprimiert. Bei vornehmlich arteriellen Blutungen kann, falls ein Pringle-Manöver die Blutung kontrolliert, eine selektive Ligatur der zuführenden Leberarterie erfolgversprechend sein (Richardson 2000).

Von Versuchen, diffuse venöse Blutungen mit Umstechungen oder Ligaturen zu kontrollieren, wird abgeraten, da diese Blutungen durch die Manipulationen eher verstärkt werden. Hier hat die Kompression durch »packing« eher Aussicht auf Erfolg.

Juxtakavale venöse Blutungen werden entweder durch Freilegung der verletzten Vene durch »finger-fracture« des umliegenden Gewebes und gezielte Ligatur behandelt oder durch Ausklemmen des betroffenen Venenanteils und anschließende Naht der Läsion. Der Nutzen des früher beschriebenen atriokavalen Shunts zur Blutungskontrolle bei diesen Läsionen wird aufgrund der ungenügenden Datenlage in Frage gestellt. Obwohl die Letalität auch bei schweren Lebertraumen durch o. g. Maßnahmen hat gesenkt werden können, sind diese Verletzungen mit einer erheblichen Morbidität assoziiert. Häufig sind Revisionslaparotomien nötig, um durch Lebernekrosen bedingte Abszesse oder Gallenfisteln zu behandeln. 22.6.3 Gastrointestinaltrakt Perforationen der Hohlorgane stellen diagnostisch beim stumpfen Abdominaltrauma in der Akutsituation eine Herausforderung dar. Klinisch manifestiert sich eine peritoneale Reizung oft erst verzögert und sie fehlt beim intubierten, relaxierten Patienten vollständig. Patienten, bei denen ein dringender Verdacht auf eine Hohlorganruptur besteht und deren Hämodynamik weitere Abklärung zulässt, sollten neben einer sorgfältigen sonographischen Untersuchung computertomographisch abgeklärt werden. Freie Luft in der CT-Untersuchung mit Kontrastmittel ist praktisch beweisend für eine Hohlorganruptur, Darmwandhämatome oder Mesenterialhämtome müssen zumindest einen hochgradigen Verdacht erwecken. Hier kann die diagnostische Peritoneallavage bei Nachweis intraabdomineller Bakterien u.U. diagnostisch richtungsweisend sein.

Keine der aktuell zur Verfügung stehenden Untersuchungen kann eine Läsion der Hohlorgane sicher ausschließen (Williams et al. 2003), hier sind eine engmaschige klinische Verlaufskontrolle sowie ein sequenzieller Gebrauch der bildgebenden Verfahren zu fordern.

Ösophagus Traumatische Läsionen des Ösophagus sind aufgrund seiner geschützten Lage selten und entgehen leicht der Primärdiagnostik. Extravasate in der Gastrografinpassage können hier den Verdacht erhärten.

22

Therapeutisch muss die Läsion rasch operativ angegangen werden. Durch Mobilisation des linken Leberlappens wird der distale Ösophagus umfahren und über einem dicken Magenschlauch geschient. Die Läsion wird anschließend mit resorbierbarem Faden (3–0) genäht und durch eine Magenmanschette im Sinne einer Fundoplicatio gesichert. Falls die Läsion auch nach Eröffnung des Hiatus oesophagei nicht vollständig beurteilt und versorgt werden kann, muss die Läsion durch eine Thorakotomie links zwischen 7. und 8. Interkostalraum von thorakal nach direkter Naht mit Fundoplikation oder Pleuraflap abgedeckt werden. Höherliegende Verletzungen werden entsprechend den Standardzugängen zum Ösophagus angegangen und versorgt. Magen Magenverletzungen treten meist im Rahmen perforierender Abdominaltraumen auf und erfordern dann auch stets eine Inspektion der Magenhinterwand durch Eingehen in die Bursa omentalis. Die gute Durchblutung der Magenwand erlaubt nach sparsamem Débridement der Wunde in den meisten Fällen eine direkte Naht, die anschließend durch eine Magensonde entlastet wird. Bei ausgedehnteren Verletzungen wie beispielsweise Schussverletzungen ist gelegentlich eine Resektion erforderlich, die nach den üblichen Kriterien der Magenchirurgie erfolgt. Auf eine ausreichende Dekontamination des Abdomens durch Spülung ist bei diesen Eingriffen zu achten. Duodenum Duodenalverletzungen sind, da sie eine erhebliche Traumaenergie erfordern, beim Abdominaltrauma mit einer Inzidenz zwischen 3 und 12% selten (Timaran et al. 2001), stellen aber, da auch biliäre und pankreatische Strukturen involviert sein können, oft eine große therapeutische Herausforderungen dar. Zusätzlich sind die Läsionen diagnostisch leider oft schlecht zu erfassen, obwohl gerade bei Duodenalverletzungen nur eine frühe Therapie die Mortalität und Morbidität entscheidend senken kann (Lucas u. Ledgerwood 1975). Häufig wird die Diagnose im Rahmen der Revisionslaparotomie bei periduodenalen Begleitverletzung gestellt. Computertomographisch muss freie, retroperitoneale Luft oder eine periduodenale Flüssigkeitskollektion an die Verletzung denken lassen. Konservativ therapierbare Duodenalwandhämatome sind bei fehlendem Kontrastmittelaustritt schlecht oder nicht von operationsbedürftigen Läsionen der Duodenalwand zu unterscheiden. Weder eine Gastrographinpassage noch die Peritoneallavage weisen eine genügende Sensitivität auf, um in der Diagnostik einen wesentlichen Beitrag zu leisten (Timaran et al. 2001). Im Zweifelsfall müssen deshalb wiederholt Ultraschall- oder besser CT-Untersuchungen durchgeführt werden. Durch Mobilisation der rechten Kolonflexur und des Duodenums nach Kocher, sowie durch Eröffnung der Bursa omentalis wird das Duodenum inspiziert (. Abb. 22.5), isolierte Läsionen bis 50% der Zirkumferenz können nach sparsamem Débridement durch Allschichtnaht spannungsfrei direkt verschlossen werden. Ausgedehntere, kurzstreckige Läsionen können durch Mobilisation des Duodenums und Segmentresektion meist Endzu-End anastomosiert werden. Läsionen >75% der Zirkumferenz der Pars II werden unter Berücksichtigung der Papilla vateri am sichersten mit einer Roux-Y-Duodenojejunostomie verschlossen. Bei verzögert diagnostizierten Läsionen mit unsicherem Verschluss ist in seltenen Fällen eine Diversion des Duodenums

224

Kapitel 22 · Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens

a

b

. Abb. 22.5. Zugang zum 3. und 4. Abschnitt des Duodenums, der A. und V. mesenterica superior und zum Pankreaskopf

zur Vermeidung einer High-output-Fistel nötig. Für die Notfallsituation ist in diesen Situationen eine Pylorusexklusion das technisch einfachste und schnellste Verfahren (. Abb. 22.6). Bei schweren Oberbauchtraumen scheint ein etappenweises Vorgehen im Sinne der »damage control« die sicherere Vorgehensweise als die primäre Rekonstruktion (Carillo et al. 1996). Verletzungen der Gallengänge werden, falls vom Allgemeinzustand möglich, in eine End-zu-Seit-Roux-Y-Choledochojejunostomie abgeleitet. Die Duodenopankreatektomie (Operation nach Whipple) ist selten notwendig und gilt als Rückzugsverfahren, falls oben genannte Verfahren fehlschlagen (Lin 2004). Dünndarmverletzungen Dünndarmverletzungen können bei Rissen unter 50% der Zirkumferenz durch direkte Naht spannungsfrei wieder verschlossen werden, ausgedehntere Läsionen oder devitalisierte Darmabschnitte werden segmentreseziert und durch End-zu-End Anastomose anastomosiert. Wegen der geringen Morbidität sind Ausleitungsmanöver in der Regel nicht indiziert. Bei erheblicher Kontamination oder Zweifeln bezüglich der Vitalität von Darmabschnitten kann ein »second look« angebracht sein.

22

Kolon- und Rektumverletzungen Bei kleineren Kolonläsionen kann, wie bei Dünndarmläsionen, eine direkte Naht erfolgen, ausgedehntere Läsionen werden durch Segmentresektion oder – falls nötig – Hemikolektomien versorgt. Eine Ausleitung ist auch hier nur in Ausnahmefällen indiziert, eine Steigerung der Morbiditätsrate durch direkte Anastomosierung gegenüber einer temporären Stomie konnte nicht nachgewiesen werden und sollte deshalb vermieden werden (Demetriades et al. 2001). Die Morbidität bei Kolonverletzungen ist erheblich, so treten bei über einem Drittel der Patienten im Verlauf intra- oder extraabdominelle Komplikationen auf (Williams et al. 2003).

Milz Ductus choledochus

Duodenum

RouxSchlinge

. Abb. 22.6. Ausschluss des Duodenopankreas bei schwersten Verletzungen im Bereich des Duodenums und Pankreaskopfes: Antrektomie, Gastroenteroanastomose, Vagotomie, T-Drainage des Choledochus, Schlauchduodenostomie. Da diese anisoperistaltische Schlinge nicht die beste Entlastung des stark in Mitleidenschaft gezogenen Duodenalstumpfes bietet, ist als Alternative eine Gastroenterostomie mit Enteroanastomose nach Braun oder Drainage des Magnes mit Roux-Y-Schlinge vorzuziehen

225 22.6 · Behandlungsprinzipien der Einzelorgane

22

a

. Abb. 22.7a,b. Zugang zu den inframesokolischen Gefäßen. a Inzision des Peritoneums. b Das rechte Hemikolon wird vollständig nach links herübergeschlagen und das Duodenopankreas ausgiebig nach Kocher mobilisiert

b

Rektumverletzungen durch Pfählungsverletzungen sind häufig einer rektosigmoidoskopischen Diagnostik zugänglich, extraperitoneale Rektumläsionen erfordern nach Möglichkeit eine Direktnaht mit Diversion des Stuhlflusses in Form einer doppelläufigen Sigmoidostomie, die bei einer ausschließlich extraperitonealen Verletzung laparoskopisch durchgeführt werden kann. Bei intraperitonealen Läsionen erfolgt eine endständige Sigmoidostomie mit Rektumstumpfverschluss nach Hartmann (Navsaria et al. 2001). Aufgrund der häufigen Mitbeteiligung des Harnableitungssystems sollte nach Möglichkeit präoperativ eine urographische Abklärung erfolgen. 22.6.4 Gefäßverletzungen beim Abdominaltrauma Intraabdominelle Gefäßverletzungen treten beim Abdominaltrauma in den meisten Fällen in Kombination mit anderen intraabdominellen Läsionen auf, am häufigsten zusammen mit Leber- oder Dünndarmverletzungen (Carillo et al. 1997). Während in den USA Schussverletzungen die häufigste Ursache darstellen, stehen in Europa Stichverletzungen im Vordergrund. Neben diesen direkten Verletzungsmechanismen können Dezelerationstraumen zu Avulsionsverletzungen der A. mesenterica superior führen, während Kompressionstraumen eher Intimaläsionen dieses Gefäßes oder der Nierenarterien mit nachfolgenden Thrombosen zur Folge haben. Zur Versorgung der Gefäßverletzungen wird primär wie bei der Revisionslaparotomie vorgegangen und das Abdomen in 4 Quadranten mit Tüchern tamponiert. Begleitende Darmläsionen werden durch eine Staplernaht verschlossen um eine weitere Kontamination zu verhindern und dann sekundär versorgt. Bei großen Hämatomen in der Mesenterialwurzel ist gelegentlich eine proximale Kontrolle von Arteria und Vena me-

senterica sup. notwendig. Dies erfolgt entweder durch Mobilisation der rechten Kolonflexur und Verlagerung des gesamten Dünndarmpaketes nach links oder durch direktes Eingehen auf die Gefäße unterhalb des Doudenums, am Treitz-Ligament (. Abb. 22.7). Die Gefäßrekonstruktion erfolgt entweder durch direkte Anastomosierung, durch eine Venenpatchangioplastie oder durch Veneninterponat. Peripherere Gefäßläsionen werden durch Ligatur unter Kontrolle der Darmperfusion versorgt. Unsicher perfundierte Darmabschnitte werden reseziert oder bei Erhalt durch eine »Second-look«-Operation kontrolliert.

4 paravesikaler Venenplexus

1 Rektum 2 Sakrum 3 präsakraler Venenplexus

5 Symphyse

Tamponade . Abb. 22.8. Schematische Darstellung der Beckenkammtamponade gegen den stabilisierten Beckenring

226

Kapitel 22 · Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens

. Abb. 22.9. Zugang zur Aorta: Milz, Pankreasschwanz und -korpus und das linke Hemikolon werden nach rechts herübergeschlagen. Die Aorta liegt vom Hiatus bis zur Bifurkation frei. Sie wird nur noch von der linken V. renalis überkreuzt

Leber Milz (von dorsal)

Magen (von dorsal)

Flexura coli dextra Pancreas, Flexura coli sinistra Colon transversum (von dorsal)

Colon descendens (von dorsal) Jejunum

Colon sigmoideum (von dorsal) Zäkum Rektum

22

Retroperitoneale Hämatome bei Beckenfrakturen werden in erster Linie durch Stabilisierung des Beckenrings mit Fixateur externe oder Beckenzwinge und eventuell Tamponade gegen den stabilisierten Ring behandelt (. Abb. 22.8). Eine Eröffnung der Hämatome empfiehlt sich nur, falls eine Plattenosteosynthese zur transiliosakralen Stabilisierung notwendig ist oder falls Pulsationen des Hämatoms auf eine arterielle Läsion hindeuten. Hämatome im Bereich der Leberpforte bedürfen der Revision, um Verletzungen der Gallenwege, der A. hepatica oder der V. porta auszuschließen. Bei paraduodenalen Hämatomen sollten duodenale, biliäre Verletzungen oder Läsionen des Pankreas ausgeschlossen werden. Perirenale Hämatome werden dann revidiert, wenn der Patient kreislaufinstabil ist, in der Computertomographie Kontrastmittelextravasate nachweisbar sind und perforierende Verletzungen vorliegen. Perikolische Hämatome werden, falls sie aufsteigend durch eine Beckenfraktur verursacht werden, belassen, andernfalls muss eine Kolonläsion durch Mobilisation des linken bzw. rechten Hemikolons ausgeschlossen werden. Läsionen der Aorta oder der V. cava (. Abb. 22.9 und 22.10) werden durch direkte Naht versorgt, allenfalls unter Interposition von V.-saphena- oder V.-femoralis-superficialis-Grafts. Insbesondere bei Verletzungen der V. cava können primär unbedeutende retroperitonelae Hämatome durch Eröffnung des Retroperitonealraumes zu heftigen Blutungen führen. Diese wird primär durch Kompression, dann durch Ausklemmen der V. cava proximal und distal der Läsion kontrolliert, die Läsion wird direkt vernäht, bei perforierenden Verletzungen erfolgt primär die Naht der Hinterwand von endoluminal. Geringe Stenosierungen der V. cava können toleriert werden.

Duodenum (Pars ascendens), A. mesenterica inf.

22.6.5 Niere und ableitende Harnwege Nierenläsionen erfordern aufgrund des umgebenden Weichteilmantels eine erhebliche Traumaenergie. Bei höhergradigen Nierenverletzungen sind begleitende abdominelle Verletzungen mit 72–90% daher die Regel (Knudson et al. 2000). Beim kreislaufstabilen Patienten sollte präoperativ eine CT-Kontrastmitteluntersuchung durchgeführt werden. Diese gibt nicht nur Informationen über die Morphologie der Nierenverletzung, sondern auch Auskunft über begleitende Gefäßverletzungen und die Nierenfunktion. Die konservative Therapie ist die Therapie der Wahl. Nur bei kompletten Zerreißungen mit Devaskularisation (Grad V nach Moore) ist eine primäre Nephrektomie indiziert. Bei bilateralen Verletzungen oder afunktioneller Niere der Gegenseite sollte jedoch eine Nierenerhaltung versucht werden (Knudson et al. 2000). Bei pulsierenden perirenalen Hämatomen erfolgt eine Darstellung der beidseitigen Nierengefäßstiele über eine paraaortale Inzision medial der V. mesenterica inferior, hier können beide Nierenarterien und die linke Nierenvene abgeklemmt werden. Die Nierenfreilegung erfolgt anschließend über eine Mobilisation des linken bzw. rechten Hemikolons (. Abb. 22.11 und 22.12). Die Versorgung der Nierenverletzung erfolgt prinzipiell ähnlich wie bei Milzläsionen: durch Polresektion, Renorrhaphie mit Netz oder oberflächlicher Verschorfung. Rupturen des Nierenbeckens werden durch fortlaufende Naht verschlossen und durch DoppelJ-Katheter drainiert. Einrisse der Nierenarterie werden nach Ausklemmung direkt genäht, postoperativ muss bei Verdacht angiographisch eine Nierenarterienstenose ausgeschlossen werden, um der Entwicklung einer renal bedingten Hypertonie durch Stenose frühzeitig entgegentreten zu können.

227 22.7 · Frühpostoperative Ernährung nach Abdominaltrauma

22

. Abb. 22.10a–d. Versorgung von Verletzungen der Vena cava. a Exklusionsklemme; b Rotation des Gefäßes zwischen Snares, Ligatur von Lumbalvenen; c Naht einer Hinterwandverletzung vom Lumen her; d Kompression der zwischen Zügeln mündenden Lumbalvenen bis zum Beenden der Gefäßnaht. (Aus Starzl et al. 1962)

a

b

c

Läsionen der Ureteren werden durch direkte Naht nach Einlage eines Doppel-J-Katheters versorgt und das Retroperitoneum nach außen drainiert. 22.6.6 Zwerchfell und Bauchdecke Zwerchfellrupturen sind schwierig zu diagnostizieren; bei größeren Defekten kann eine kranial liegende Magensonde einen Hinweis geben. Gefährdet für Spätkomplikationen im Sinne von Inkarzerationen von Darm sind jedoch v. a. Patienten mit kleineren Läsionen, beispielsweise bei links thorakoabdominellen Stichverletzungen. Bei diesen sollte durch Laparoskopie oder -tomie aktiv nach einer Läsion des Zwerchfells gesucht werden. Kleinere Läsionen können von abdominell, größere Defekte besser über eine posterolaterale Thorakotomie versorgt werden. Sie erlaubt eine sicherere Naht oder Defektüberbrückung mit einem nichtresorbierbaren Netz. Defekte der Bauchwand erfordern aufgrund der Inkarzerationsgefahr eine sofortige Revision. Hier erfolgt entweder eine direkte Naht, oder, bei großen Defekten, die Implantation von resorbierbaren Netzen, die eine spätere Spalthauttransplantation auf das sich bildende Granulationsgewebe erlauben.

d

22.7

Frühpostoperative Ernährung nach Abdominaltrauma

Der Vorteil der frühzeitigen enteralen Ernährung beim polytraumatisierten Patienten hat sich in vielen Studien gezeigt: Sie ist nicht nur mit weniger Komplikationen behaftet als die parenterale Ernährung, sondern hat auch positive Einflüsse auf die Darmmukosa. Gerade bei Polytraumatisierten kann die systemische Immunantwort durch Zusatz von immunmodulierenden Substanzen wie Omega-3-Fettsäuren, Arginin, Glutamin, Nukleotiden und Antioxidanzien günstig beeinflusst werden. Durch Verminderung der Atrophie der Enterozyten wird die Immunbarriere des Dünndarms erhalten, was die Entzündungsreaktion nach Trauma und das Multiorganversagen vermindert (Galban et al. 2000). Die bei Intensivpatienten mit Abdominaltrauma häufig bestehende Gastroparese kann durch die Einlage einer Jejunalsonde umgangen werden, Reflux wird über eine Magensonde kontrolliert. Auch bei Gastroparese und fehlenden Darmgeräuschen bleibt der Dünndarm in der Lage, Nahrung zu resorbieren (Marik et al. 2001).

228

Kapitel 22 · Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens

V. mesenterica inferior

Rechte Nierenvene

b

a

Rechte Nierenarterie

Aorta

GefäßSchleifen

. Abb. 22.11a–c. Zugang zur vaskulären Kontrolle beider Nieren. a Inzision des Peritoneums medial der V. mesenterica inferior; b vaskuläre Kontrolle des Nierenstiels beider Nieren; c Zugang zur Exploration der linken Niere. (Aus McAninch 1986)

c

. Abb. 22.12a,b. Zugang zur rechten Niere. a Mobilisation der rechten Flexur und des Duodenopankreas nach Kocher; b Freilegung der rechten Niere und Setzen von Gefäßklemmen

22

a

b

Linke Nierenvene

Linke Nierenarterie

229 Literatur

Die Sondenkost sollte rasch (d. h. vor 24 h) postoperativ begonnen werden. Kontraindikationen gegen einen frühen Ernährungsbeginn können kritische Anastomosen oder Übernähungen darstellen. Neben Senkung der Infektrate und Morbidität hat die frühe enterale Ernährung auch einen positiven Effekt auf die Kosten: Sie ist nicht nur preiswerter als die parenterale Ernährung, sie senkt auch die Hospitalisationsdauer.

22.8

Abdominelles Kompartmentsyndrom

Abdominelle Kompartmentsyndrome entstehen durch Volumenzunahme im Abdomen (z. B. Blutungen, Ileus), Volumenabnahme oder Complianceänderung des Kompartments (forcierter Bauchwandverschluss, abdominelle Verbrennungen). Sie äußern sich abdominell in einem gespannten, geblähtem Abdomen, vermindertem Urin-Output (45 cm H2O), einen sinkenden Sauerstoffpartialdruck bei Anstieg des Kohlendioxidpartialdrucks und Ausbildung einer Azidose. Der zentrale Venendruck steigt und das Schlagvolumen nimmt ab. Mit einer Inzidenz zwischen 3–15% (Morris et al. 1993; Ertel et al. 1998) bei Traumapatienten und einer hohen Mortalität bei verzögerter Therapie hat die Entität des abdominellen Kompartmentsyndrom in den letzten Jahren zunehmendes Interesse erlangt.

Bei klinischem Verdacht sollte der abdominelle Druck entweder über den Harnblasendruck oder über die gastrische Mukosatonometrie überwacht werden (Saggi et al. 1998).

Druckwerte über 25 mmHg gelten als pathologisch und werden mit einer sofortigen, abdominellen Dekompression, d. h. einem Laparostoma, behandelt. Der temporäre Bauchdeckenverschluss erfolgt dabei spannungsfrei mit einem Kunststoffnetz oder mit einem Vakuumsystem, wobei das Vakuum hier unter Kontrolle des Blasendrucks dosiert werden sollte (7 auch 21.2.8).

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230

Kapitel 22 · Spezielle chirurgische Prinzipien in der Behandlung des traumatischen Abdomens

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22

23 23

Allgemeine chirurgische Prinzipien in der Behandlung des Ileus S. Müller

23.1

Grundlagen

23.1.1 23.1.2 23.1.3

Epidemiologie – 232 Klassifikation – 232 Pathophysiologie – 232

– 232

23.2

Klinische Symptomatik

23.3

Diagnostik

23.3.1 23.3.2 23.3.3 23.3.4

Anamnese und klinische Untersuchung Laboruntersuchungen – 234 Sonographie – 234 Radiologische Diagnostik – 234

23.4

Therapieziele und Indikationsstellung – 235

23.5

Konservative Strategie – 235

23.5.1 23.5.2 23.5.3

Allgemeine Maßnahmen – 235 Konservative Therapie – 235 Medikamentöse Therapie – 236

23.6

Operationstechnik

23.6.1 23.6.2 23.6.3 23.6.4

Allgemeine Maßnahmen Dünndarmileus – 236 Dickdarmileus – 236 Laparoskopie – 236

23.7

Ergebnisse

23.8

Ileusprophylaxe

– 233

– 233

– 236

– 237

Literatur – 237

– 237

– 236

– 233

232

Kapitel 23 · Allgemeine chirurgische Prinzipien in der Behandlung des Ileus

) ) Als Ileus bezeichnet man alle Störungen der intestinalen Passage. Dazu gehört neben den häufigen mechanischen Formen auch die Beeinträchtigung der Peristaltik aufgrund einer Paralyse. Die Passagebehinderung kann total oder inkomplett sein. Klinisch lassen sich akute von subakuten, chronischen und chronisch rezidivierenden Formen unterscheiden. Ein unbehandelter Darmverschluss führt in der fortgeschrittenen Form zu progredientem Organversagen das als »Ileuskrankheit« bezeichnet wird.

23.1

Grundlagen

23.1.1 Epidemiologie Der Ileus macht ca. 5% aller chirurgischen Laparotomien aus. Davon fallen 70% auf den Dünndarm und 30% auf den Dickdarm (Post u. Schuster 2000). In den Entwicklungsländern stellen inkarzerierte Hernien heute noch den größten Anteil dar. Mit zunehmender Verfügbarkeit von Operationen aus verschiedenen Indikationen sind postoperative Adhäsionen mit bis zu 80% in den Industrienationen die häufigste Ursache (Treutner u. Schumpelick 2000). Zu den häufigsten Voroperationen gehören kolorektale und gynäkologische Eingriffe. Die Appendektomie, als häufig durchgeführter Eingriff, ist in bis zu 40% der Fälle die Ursache für eine Passagestörung. Das Risiko für einen Adhäsionsileus besteht lebenslang. Die Letalität erreicht auch heute noch Werte von 5–15% (Menzies et al. 2001). 23.1.2 Klassifikation Der mechanische Ileus ist durch eine Behinderung der normalen Darmpassage charakterisiert. Er kann als inkomplette oder komplette Passagestörung vorkommen. Daneben ist eine Differenzierung nach der Lokalisation in einen Dünndarm- bzw. einen Dickdarmileus möglich. Das Vorliegen einer Beeinträchtigung der Darmdurchblutung hat eine entscheidende Bedeutung bei der Therapieplanung. Ätiologisch sind extramurale Ursachen, die eine Kompression des Darms verursachen, von der intramuralen Okklusion durch Veränderungen der Darmwand und von der intraluminären Obturation durch abnormalen Darminhalt zu unterscheiden (. Tab. 23.1). Der paralytische Ileus zeichnet sich durch eine funktionelle Motilitätsstörung aus. Die seltene primäre Form kommt bei Myopathien und Neuropathien vor. Die sekundäre Form hat ein breites Spektrum von möglichen Ursachen. Dazu zählen toxische Einflüsse durch Medikamente (Tranquilizer, Neuroleptika mit anticholinerger Wirkung) aber auch bakterielle Toxine bei Abszessen und Peritonitis. Zu den metabolischen Ursachen gehören Hypokaliämie, Urämie, Porphyrie und Diabetes. Reflektorisch tritt ein Ileus postoperativ durch die Manipulation am Darm und bei retroperitonealen Irritationen wie Hämatomen, Uretersteinen und Wirbelsäulentraumen auf.

23

23.1.3 Pathophysiologie Die Obstruktion des Darms führt durch den Aufstau der Darminhalte zu einer Distension des Darms proximal des Passagestopps.

Dadurch kommt es reflektorisch zu einer Relaxation der glatten Muskulatur. Durch die Zunahme der Wandspannung, insbesondere beim Kolon, werden Mikrozirkulation und Mukosabarriere gestört. Die Folge ist eine Flüssigkeitssequestration in das Darmlumen, die durch eine vermehrte Sekretion bei verminderter Resorption verstärkt wird. Beim hohen Dünndarmileus steht der Reflux aus dem Jejunum und das Erbrechen im Vordergrund, da es zu keiner wesentlichen Darmdilatation kommt. Neben der intraluminären Druckerhöhung kann es zur Erhöhung des intraabdominellen Druckes und damit zum abdominellen Kompartmentsyndrom kommen. Die Folgen reichen von Organdysfunktionen (Nieren, Leber, Herz, Lungen) bis zum Multiorganversagen (7 Kap. 21.2; Madl u. Druml 2003). Weitere Mechanismen sind die bakterielle Überwucherung mit Darmkeimen, die vornehmlich gram-negativ und anaerob sind. Die bakteriellen Zerfalls- und Stoffwechselprodukte wirken entweder direkt auf die Schleimhaut oder führen zur Mediatorfreisetzung. Durch die geschädigte Darmwand kommt es zum Erliegen der Mukosabarriere und damit gesteigerter Translokation von Bakterien und Toxinen über das Pfortaderblut und Lymphbahnen in den systemischen Kreislauf. Diese Bakteriämie kann zur Sepsis und damit systemischen Ileuskrankheit führen (Henne-Bruns et al. 1990; Roscher u. Lommel 1998). Allen Mechanismen gemeinsam sind die systemischen Auswirkungen des intravasalen Flüssigkeitsdefizits mit Elektrolytverschiebungen bis hin zum hypovolämischen Schock.

Durch die Obstruktion kommt es zunächst zu einer gesteigerten Peristaltik, um das Hindernis zu überwinden. Klinisch lässt sich eine Stenoseperistaltik oder Pendelperistaltik auskultieren. In der Spätphase geht die vermehrte Peristaltik in eine Paralyse über. Die Strangulation des Darms bedingt primär eine lokale Hypoxie der Darmwand mit Azidose und Entzündungsreaktion mit Mediatorenfreisetzung. Die Mukosa reagiert am sensibelsten auf die Ischämie und stellt die Eintrittspforte für Bakterien mit folgender systemischer Infektion bis zum septischen Schock. Je nach Ausmaß der Durchblutungsstörung kommt es frühzeitig zu einem generalisierten Krankheitsbild. Postoperativer Ileus Allein durch die Manipulationen bei einer Laparotomie werden die Makrophagen in der Darmwand aktiviert. Das ist der Ausgangspunkt einer Entzündungskaskade mit Ausschüttung von Zytokinen, Chemokinen und Substanzen wie NO und Prostaglandinen. In den Gefäßen der Muskularis kommt es zu einer Extravasation von Leukozyten in die Darmmuskelschicht. Diese leukozytäre Infiltration und die lokale Sekretion von leukozytären Mediatoren (Proteasen, Radikale) bewirken eine Verminderung der muskulären Kontraktilität (Kalff et al. 2003). Daneben gibt es Hinweise auf einen neuronalen Weg, bei dem durch eine zentrale Stimulation des sympathischen Nervensystems die Inhibierung des autonomen Nervensystems in der Darmwand verursacht wird (Behm u. Stollmann 2003). Pathophysiologie des Ileus: Passagestopp → Darmdistension → Störung der Mikrozirkulation → bakterielle Überwucherung → Flüssigkeitssequestration → Hypovolämie

233 23.3 · Diagnostik

23

. Tabelle 23.1. Klassifikation und Ätiologie des Ileus

Mechanisch

Ohne Störung der Blutzirkulation: Obstruktion

Mit Störung der Blutzirkulation: Strangulation

Kompression

Adhäsionen Briden Tumoren

Torsion Inkarzeration Volvulus Hernien Malrotation

Obturation

Atypischer Darminhalt (Nahrung, Fremdkörper, Gallenstein, Bezoar, Mekonium) Tumor Membranen

Invagination

Okklusion

Entzündungen/Stenose (Divertikulitis, M. Crohn, Kolitis) Extraluminäre Raumforderungen M. Hirschsprung Atresien

Funktionell

Primär

Sekundär

Myopathien Neuropathien Pseudoobstruktion (Ogilvie-Syndrom) Strukturelle Darmwandveränderungen (Sklerodermie, Amyloidose)

Toxisch/entzündlich 5 Vergiftungen, Medikamente 5 Abszess 5 Peritonitis Metabolisch 5 Elektrolytstörung 5 Eiweißmangel 5 Diabetes 5 Urämie 5 Porphyrie Reflektorisch 5 Postoperativ 5 Ureterstein, volle Blase 5 Beckenfraktur 5 Retroperitoneales Hämatom

Arterielle Embolie Arterielle Thrombose Venöse Thrombose

Nichtokklusive mesenteriale Ischämie Vaskulitis

Vaskulär

23.2

Klinische Symptomatik

Die Symptomatik ist in der Frühphase oft uncharakteristisch. Danach treten Übelkeit, Erbrechen, krampfartige Bauchschmerzen und Stuhlverhalt auf. Je nach Höhe des Verschlusses und der Ileusform variiert die Ausprägung der Hauptsymptome. Der hohe Dünndarmileus ist durch Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen großer Mengen charakterisiert. Der übrige Darm entleert sich normal und das Abdomen erscheint leer. Bei einem tiefen Dünndarmileus stehen Übelkeit und Erbrechen sowie krampfartige Schmerzen bei hochgestellter Peristaltik im Vordergrund. Durch den Meteorismus ist das Abdomen aufgetrieben. Die Symptome des Dickdarmileus beginnen verzögert mit unspezifischen abdominellen Beschwerden mit oder ohne kolikartigen Charakter und Obstipation. Übelkeit und Erbrechen kommen erst sehr spät hinzu. Bei langsam progredienten Prozessen sind Stuhlunregelmäßigkeiten häufig der erste Hinweis. Der paralytische Ileus zeichnet sich durch Singultus, Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus und Stuhlverhalt aus. Auskultatorisch fehlt die Peristaltik. Das Abdomen ist meist gespannt. Durch die Hypovolämie kommt es zur Tachykardie und Hypo-

tonie. Oligo-/Anurie und septischer Schock sind in den Spätphasen zu beobachten. 23.3

Diagnostik

23.3.1 Anamnese und klinische Untersuchung Da bis zu 80% des mechanischen Ileus auf postoperative Adhäsionen zurückgehen, ist die Frage nach bisherigen Operationen von entscheidender Bedeutung. Neben der Appendektomie gehören gynäkologische Eingriffe im kleinen Becken zu den häufigsten Auslösern für einen postoperativen Adhäsionsileus. Dabei handelt es sich um ein lebenslanges Risiko, das auch nach über 20 Jahren nach dem Primäreingriff zum Ileus führen kann. Bei der Palpation können Meteorismus, Resistenzen oder Peritonismus gefunden werden. Neben dem Abtasten der Bruchpforten ist die rektale Untersuchung essenziell. Hier können Rektumkarzinome diagnostiziert werden. Blut am tastenden Finger gibt Hinweise auf eine Strangulation, Invagination oder vaskulären Ileus. Auskultatorisch unterscheidet man die patho-

234

Kapitel 23 · Allgemeine chirurgische Prinzipien in der Behandlung des Ileus

gnomonische Pendelperistaltik mit hochgestellten Darmgeräuschen von der Atonie beim funktionellen Ileus. Erstmaßnahmen beim Ileus 5 5 5 5 5 5

Venöser Zugang Magensonde Rektale Untersuchung Blasenkatheter Hebe-Senk-Einlauf Operationsindikation?

23.3.2 Laboruntersuchungen Ileusspezifische Laborparameter existieren nicht. Sie können nur Aussagen über den Schweregrad des vorliegenden Darmverschlusses machen und eine gezielte präoperative Infusionstherapie ermöglichen. Zur Diagnostik gehören Blutbild, Elektrolyte, Kreatinin oder Harnstoff, Gerinnungsstatus, Blutzucker, Transaminasen, α-Amylase und Gesamteiweiß. Eine Blutgasanalyse kann zum Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts hilfreich sein. . Abb. 23.1. Dünndarmileus des mittleren Drittel mit multiplen Spiegeln und stehenden Schlingen im Mittelbauch. Das Kolon ist leer

23.3.3 Sonographie Die Sonographie ist die wichtigste Untersuchung zur Differenzierung zwischen mechanischem und paralytischem Ileus sowie zur Ursachenabklärung (7 Kap. 2). Durch die bettseitige Verfügbarkeit und beliebige Wiederholbarkeit bei minimaler Belastung des Patienten hat sie auch in der Verlaufsbeobachtung einen hohen Stellenwert. Mit der Sonographie lassen sich sowohl die dilatierten und mit Flüssigkeit gefüllten Darmschlingen als auch die Peristaltik beurteilen. Diese Veränderungen gehen häufig den Spiegelbildungen im Röntgenbild voraus. Darmwandveränderungen wie Hämatome und Invagination lassen sich direkt darstellen. Freie intraabdominelle Flüssigkeit ist ein Hinweis auf ein fortgeschrittenes Krankheitsbild, das rasche Therapie erfordert (Grassi et al. 2004). Daneben lassen sich auch alle anderen intraabdominellen Organe und Strukturen beurteilen und so der Ursache des Darmverschlusses weiter abklären.

Sonographie ist die wichtigste Untersuchung zur Differenzierung zwischen mechanischem und paralytischem Ileus.

23.3.4 Radiologische Diagnostik

23

Abdomenübersicht im Stand. Dies ist die klassische radiologische Diagnostik des Ileus mit einer Sensitivität von 98%. Die Abdomenübersicht im Stand oder in Linksseitenlage identifiziert Spiegelbildungen und lässt Rückschlüsse auf die Lokalisation des Passagestops zu. Ein hoher Ileus zeigt meist nur wenig Spiegel, vielleicht nur im linken Oberbauch auf. Beim tiefen Dünndarmileus können multiple Spiegel bis zum rechten Unterbauch auftreten. Die Überblähung des Zökums ist charakteristisch für den Dickdarmileus, wobei je nach Höhe des Verschlusses der gesamte

Kolonrahmen durch Spiegel abgebildet ist. Freie intraabdominelle Luft als Zeichen der Perforation wird sicher erkannt. Eine Aerobilie ist ein Hinweis auf einen Gallensteinileus (. Abb. 23.1 und 23.2). Kolonkontrasteinlauf. Beim Dickdarmileus kann die rektale Gabe von wasserlöslichem Kontrastmittel Art und Höhe des Stops darstellen. Gleichzeitig hat das Kontrastmittel eine laxierende Wirkung. Magen-Darm-Passage. Beim Dünndarmadhäsionsileus kann mittels oraler Gabe von wasserlöslichen Kontrastmitteln eine inkomplette Passagestörung von einem kompletten Ileus differenziert werden. Das hochmolare Gastrografin führt zur Verdünnung des Darminhalts und hat eine laxierende Wirkung, die therapeutisch genutzt werden kann. Gelangt das Kontrastmittel in das Kolon kann weiter konservativ therapiert werden, andernfalls ist die Operation indiziert. Ebenfalls kann die Magen-DarmPassage zur Lokalisationsdiagnostik beitragen. Die zusätzliche Flüssigkeitsverschiebung verstärkt allerdings auch die Hypovolämie. Um die Gefahr der Aspiration mit folgender Pneumonie zu verringern, kann das Kontrastmittel über eine duodenal platzierte Sonde appliziert werden. Bei Patienten mit Obstruktion wird für Gastrografin eine therapeutische Erfolgsrate von bis zu 85% beschrieben (Biondo et al. 2003). Computertomographie mit Kontrastmitteleinlauf. Das CT hat

eine ähnliche Sensitivität (98%) in der Feststellung einer Obstruktion wie die Abdomenleeraufnahme. Der Vorteil liegt in der Erkennung differenzialdiagnostisch wichtiger Erkrankungen und Begleitbefunden. Daneben lassen sich dilatierte Schlingen vor, kollabierte Darmschlingen hinter dem Stopp und die Ursache des Stops direkt darstellen. Insbesondere Tumoren des Kolons und im kleinen Becken können sicher diagnostiziert werden.

235 23.5 · Konservative Strategie

23

. Abb. 23.2. Dickdarmileus bei stenosierendem Rektumkarzinom. Aufnahme in Linksseitenlage mit multiplen Dünn- und Dickdarmspiegeln

Durch eine 3D-Rekonstruktionen lassen sich zusätzliche Hinweise gewinnen. Durch die intravenöse Kontrastmittelgabe lässt sich eine Aussage zur Durchblutungssituation der Darmwand machen (Peck et al. 1999; Scaglione et al. 2004). 23.4

Therapieziele und Indikationsstellung

Ziel der Behandlung des Ileus ist die Wiederherstellung der Passage durch Beseitigung der Ursache der Passagestörung. Eine absolute Operationsindikation besteht bei komplettem Passagestopp und dringendem Verdacht auf Strangulation oder mesenterialer Ischämie sowie bei Peritonitis. In diesen Fällen fehlen objektive bildgebende oder laborchemische Parameter mit prädiktivem Wert. Der klinische Befund eines akuten Abdomens ist hier führend. Ohne Anhalt für Durchblutungsstörung kann ein konservativer Therapieversuch eingeleitet werden. Dies trifft insbesondere für postoperative Adhäsionen bei Zustand nach multiplen Voroperationen, bei partiellen Obstruktionen bei Neoplasien und bei Patienten mit wesentlichen Begleiterkrankungen zu. Cave Bei mechanischem Ileus besteht die Gefahr der Darmnekrose bei verzögerter Operation!

Antibiotikatherapie zur Verringerung der Auswirkungen der Translokation der Darmkeime ist indiziert. Hierzu eignen sich die Kombination von Cephalosporinen der 3. Generation und Metronidazol. Nach Antibiogrammen von Blutkulturen oder intraabdominellen Abstrichen kann die Therapie dann angepasst werden. Das Ableiten der Blase durch einen Dauerkatheter ist sinnvoll um die Diurese abzuschätzen und einen eventuell vorliegenden Harnverhalt, der als Peristaltik Bremse wirkt, zu beseitigen. Daneben kann die Abschätzung des intraabdominellen Druckes, der zu kardialer, respiratorischer und renaler Insuffizienz, Minderperfusion von Darm und Leber sowie Erhöhung des intrakraniellen Druckes führen kann, zur Festlegung des Operationszeitpunktes beitragen. Ein Hebe-Senk-Einlauf ist sowohl zur Anregung der Peristaltik als auch zur Operationsvorbereitung sinnvoll. 23.5.2 Konservative Therapie Ein konservativer Therapieversuch ist bei inkompletten Passagestörungen und beim funktionellen Ileus sinnvoll. Eine kausale Therapie eines mechanischen Hindernisses oder der den Ileus auslösenden Grunderkrankung ist jedoch meist chirurgischer Natur. Cave

23.5

Konservative Strategie

23.5.1 Allgemeine Maßnahmen Jeder Ileuspatient muss supportiv behandelt werden, um eine Verschlechterung des Allgemeinzustands im Sinne der »Ileuskrankheit« zu verhindern. Als Erstmaßnahme erhält der Patient einen großlumigen Zugang, über den eine Flüssigkeitssubstitution mit Elektrolytlösungen (z. B. Ringer-Lösung) erfolgt. Weiterhin wird dem Patienten eine Magensonde gelegt, um den Magen zu entlasten und das Aspirationsrisiko zu verringern. Eine

Eine Strangulation mit Darmischämie muss bei konservativen Therapieversuchen sicher ausgeschlossen werden.

Bei tiefem Dünndarmileus kann eine Gastrografin-Passage zur Lösung der Obstruktion führen. Dies gilt insbesondere für den rezidivierenden Adhäsionsileus. Ein konservativer Versuch kann bis zu 48 h durchgeführt werden. Danach ist bei weiterhin bestehendem Reflux über die Magensonde und dilatierten Dünndarmschlingen die operative Therapie angezeigt (Choie et al. 2002). Cox et al. (1993) erzielten bei 88% der Patienten, die auf eine konservative Therapie ansprachen, diesen Erfolg innerhalb der ersten 48 h. Andere Studien haben die konservative Phase bis

236

Kapitel 23 · Allgemeine chirurgische Prinzipien in der Behandlung des Ileus

zu 5 Tagen ausgedehnt (Seror et al. 1993). Eine allgemeingültige Zeitspanne ist nicht anzugeben und eine engmaschige Überwachung des Patienten ist unerlässlich. Eine Entlastung des Darms kann durch eine lange, transnasal eingeführte Dekompressionssonde (Dennis-Sonde) erfolgen. Diese wird endoskopisch postpylorisch platziert und wandert durch den an der Spitze befindlichen Ballon durch die Peristaltik weiter. Die Füllung des Ballons kann variiert werden. Die 2 weiteren Kanäle der Sonde dienen zum Spülen und zum Auffangen des Darminhalts in einem Drainagebeutel. Bei Tumoren im Ileozökalbereich kann die Sonde den Patienten aus der Akutphase bringen und eine bessere Vorbereitung des Patienten für die definitive Sanierung möglich machen. Weiterhin kann man die lange Intestinalsonde als innere Schienung nach offener Adhäsiolyse bis zum Colon ascendens vorgeschoben und nach 10–14 Tagen entfernt werden (Gowen 2003). Die konservative Behandlung des Ileus bei stabilem Patienten reduziert die stationäre Behandlungsdauer im Vergleich zur operativen Therapie. Die Rezidivraten und Reoperationszahlen unterscheiden sich nicht. Allerdings ist das Zeitintervall bis zu einer erneuten Obstruktion verkürzt im Vergleich zu operierten Patienten (Fevang et al. 2004; Miller et al. 2000). 23.5.3 Medikamentöse Therapie Es liegen keine gesicherten Daten zur Peristaltik-anregenden Therapie vor. Neostigmin, ein Acetylcholinesterase-Inhibitor, steigert die Kontraktilität von Dünn- und Dickdarm. Als Dosierung wird 0,4–0,8 mg in 24 h oder 2,5 mg über 3–60 min angegeben (Paran et al. 2000; Trevisani et al. 2000; van der Spoel et al. 2001). Durch die diffuse Stimulation des gesamten Gastrointestinaltraktes ohne gerichtete Propulsion kann es zu Krämpfen kommen. Prokinetische Substanzen wie Metoclopramid haben antiemetische Wirkung, indem sie als Dopaminantagonist und Cholinstimulanz wirken. Trotz guten theoretischen Ansatzes konnte die Wirksamkeit in kontrollierten Studien nicht nachgewiesen werden. Erythromycin, ein Makrolidantibiotikum, steigert als Motilinagonist die Aktivität des Gastrointestinaltraktes. In einer Dosierung von 3–4×200–250 mg i.v., oder 3×0,5 g p.o. (Kreis et al. 2003) zeigte es Wirkung am oberen Gastrointestinaltrakt. Andere randomisierte Studien konnten keine Wirksamkeit nachweisen (Smith et al. 2000). 23.6

im Abdomen und erleichtert so den Laparotomieverschluss. Zum anderen führt sie zu zusätzlicher Schädigung der Darmserosa durch Serosaeinrisse und Einblutungen, die dann Ausgangspunkt für neue Verwachsungen sind und die postoperative Atonie verlängern. Ebenso kommt es zu einer massiven Bakteriämie und Endotoxinämie. Dennoch ist die vorsichtige Dekompression allgemein akzeptiert. Retrograd kann sie über die Magensonde oder eine lange Intestinalsonde erfolgen. Diese wird manuell langsam vorgeschoben und der Darminhalt abgesaugt. Dabei sollte der Darm nicht mit Klemmen abgeklemmt werden sondern digital oder mit feuchten Tupfern ausgestrichen werden. Orthograd kann der Darminhalt über ein Darmrohr abgeleitet werden. Die offene Dekompression sollte nur in Ausnahmefällen und auch dann nur an Stellen erfolgen, die ohnehin reseziert werden müssen oder an denen ein Stoma angelegt werden muss. 23.6.2 Dünndarmileus Je nach Ursache des Passagestopps reicht eine Durchtrennung von Briden und Adhäsionen, Desinvagination oder Lösung von inkarzerierten Hernien aus. Bei Obstruktionen durch Bezoare oder Gallensteine müssen diese Fremdkörper entfernt werden. Durchblutungsgestörte Darmabschnitte, die sich nach Lösung der Verschlingung nicht erholen, sollten im Zweifel reseziert werden. Bei Verlegung des Darmlumens durch Tumoren oder Peritonealkarzinose ist häufig nur eine Palliation möglich. Dazu sind neben der Entfernung der betroffenen Abschnitte Umgehungsanastomosen oder die Stomaanlage geeignet. 23.6.3 Dickdarmileus Die häufigste Ursache für einen Dickdarmileus ist das Kolonkarzinom. Zur Entlastung des Darms kann je nach Lokalisation des Tumors eine doppelläufige Transversostomie oder eine Zökostomie angelegt werden. Prinzipiell sollte aber eine primäre Resektion mit Sanierung der Ursache einem mehrzeitigen Verfahren vorgezogen werden. Dabei sollte intraoperativ eine Darmspülung erfolgen. Je nach Situation kann die primäre Anastomose mit einer protektiven Ileo- oder Transversostomie geschützt werden. Bei massiver Darmdilatation sollte ein mehrzeitiges Verfahren gewählt werden. Die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann hat bei gleichzeitiger Perforation und Peritonitis sowie beim alten Menschen in schlechtem Allgemeinzustand ihren Platz (Maurer et al. 1998).

Operationstechnik 23.6.4 Laparoskopie

23.6.1 Allgemeine Maßnahmen

23

Das Ziel einer Operation ist die Beseitigung der Ursache der Passagestörung und die Entlastung des gestauten Darms. Es gibt keine objektiven Kriterien zur Beurteilung der Vitalität des Darms. Farbe, Peristaltik und mesenteriale Durchblutung geben allenfalls Anhaltspunkte. Eine Möglichkeit zur Objektivierung der Durchblutung könnte die Laserfluoreszenzangiographie sein. Im Zweifelsfall muss Dünndarm reseziert werden. Eine Dekompression muss differenziert betrachtet werden. Zum einen verbessert sie durch Verringerung des intraluminalen Druckes die Darmdurchblutung, führt zu einer Drucksenkung

Die Laparoskopie gewinnt als Verfahren in der Chirurgie immer mehr Bedeutung. Theoretisch lassen sich auch für den Ileuspatienten die Vorteile laparoskopischen Operationstechnik postulieren. Allerdings ist sie nur in 50–70% erfolgreich und weist somit die höchsten Konversionsraten auf. Daneben zeichnet sie sich durch eine deutlich verlängerte Operationszeit, ein hohes Risiko iatrogener Darmverletzungen und eine hohe Rate an frühpostoperativer Komplikationen aus. Nutzbringend kann sie bei strenger Indikationsstellung bei Patienten ohne Voroperation, nach laparoskopischen Eingriffen oder nach limitierter Voroperation sein (Nagle et al. 2004; Neufang u. Becker 2000).

237 Literatur

23.7

Ergebnisse

Die Letalität ist entscheidend von der Ausprägung der systemischen Folgen der Passagestörung abhängig. Aber auch die Grunderkrankung hat einen deutlichen Einfluss. Die Gesamtletalität beim operierten Dünndarmileus schwankt zwischen 2 und 21%, die mit dem Ausmaß der Operation und Ursache des Ileus korreliert (Roscher et al. 1991). Auch heute noch liegt die Letalität bei adhäsionsbedingtem Ileus zwischen 1,4% und 9,8% (Kossi et al. 2003; Menzies et al. 2001). Beim malignen Dünndarmileus ist die Mortalität der Operation durch die Verfahrenswahl von 33% bei einer Dünndarmresektion auf 6% bei der Anlage einer Umgehungsanastomose gesenkt werden (Bittner et al. 1985; Walsh u. Schofield 1984). 23.8

Ileusprophylaxe

Sowohl die Dünndarm- (Noble 1937) und Mesenterialplikatur (Childs u. Philipps 1960) als auch die Schienung mittels langer Intestinalsonden (Miller u. Abbot 1934, White 1956, Baker 1959, Dennis 1969) sind keine Methoden zur Prophylaxe peritonealer Adhäsionen. Ziel dieser Massnahmen ist lediglich eine Stabilisation des Dünndarms ohne Abknickung, Torquierung oder Herniation während Heilung und Ausbildung neuer Verwachsungen nach Adhäsiolyse. Die Ileusrezidivquoten dieser Verfahren liegen über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren bei Angaben zwischen 0% und 27% (Treutner u. Schumpelick 2000). Außerdem können sowohl bei der Plikatur als auch bei der Sondenschienung Perforationen und Fisteln auftreten, bei Intestinalsonden finden sich ferner Ösophagitis, Blutungen und Invaginationen als weitere Komplikationen (Fass et al. 1997). Die langen Intestinalsonden haben heutzutage ihren Platz in der Entlastung des Darms, sei es endoskopisch platziert oder intraoperativ eingebracht. Entscheidend zur Prophylaxe ist die Vermeidung von peritonealen Läsionen, die die Ausgangspunkte für Adhäsionen darstellen. Neben dem direkten Operationsgebiet können auch Schädigungen des Peritoneums durch Austrocknung und Hakenzug Adhäsionen induzieren. Fremdkörper wie Nähte, Klammern und Netze aus resorbierbaren und nicht-resorbierbaren Materialien haben vergleichbare Effekte. Allgemeine Maßnahmen sind neben der Verwendung von puderfreien Handschuhen die schonende Präparation und sorgfältige Blutstillung.

Eine schonende Präparation ist die beste Ileusprophylaxe.

Als adjuvante Maßnahmen sind experimentell viele Ansätze zur Trennung der peritonealen Flächen versucht worden. Keine hat bisher die breite Anwendung in der Viszeralchirurgie gefunden. In der Gynäkologie haben sich Folien bewährt, die nach Operationen an den Adnexen deren Verklebung verhindern und damit auf das Behandlungsziel der Fertilität ausgerichtet sind. Für die Viszeralchirurgie ist eine Prophylaxe erforderlich, die die gesamte Abdominalhöhle abdeckt. Hierbei sind flüssige Barrieren denkbar. Experimentelle und erste klinische Ergebnisse gibt es zu Icodextrin. Icodextrin ist ein Glukosepolymer aus Maisstärke, das seit Jahren als 8%-ige Lösung zur Peritonealdialyse eingesetzt wird. Die Glukose-Einheiten werden bei Dextrin durch α-1,4-

23

Bindungen verbunden. Diese Bindungen sind Substrat für Amylase, die in der menschlichen Peritonealhöhle nicht vorkommt. Dadurch bleibt Icodextrin länger in der Peritonealhöhle, wird im Kreislauf allerdings rasch zu Glukose abgebaut. Die Trennung der Gewebe durch diese flüssige Barriere (»Hydroflotation«) ist mit einer peritonealen Halbwertszeit von 72–96 h gegenüber Elektrolytlösungen deutlich prolongiert (Hosie et al. 2001; Verco et al. 2000). Vielversprechende experimentelle Ergebnisse gibt es für Lipidverbindungen. Diese konnten ihre Effizienz in unterschiedlichen Modellen, auch gegenüber anderen Lösungen und festen Barrieren, zeigen (Müller et al. 2003; Müller et al. 2005). Klinische Studien stehen jedoch aus. Zur Prophylaxe von Adhäsionen nach Adhäsiolyse könnte auch die autologe Transplantation von Peritonealzellen eingesetzt werden. Nach Peritonealbiopsie würden die Peritonealzellen in einer Zellkultur vermehrt und dem Patienten dann am Ende des Eingriffs appliziert. Methodik und Wirksamkeit konnten im Tierversuch dargestellt werden (Bertram et al. 1999).

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Kapitel 23 · Allgemeine chirurgische Prinzipien in der Behandlung des Ileus

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24

243 24.1 · Funktionelle Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Ösophagus

Funktionelle Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Ösophagus

24.1

24.1.1 Der Schluckakt

Die komplexen Bewegungen der Mundhöhlenmuskulatur kontrollieren die orale Phase des Schluckaktes, bei der die Nahrung von der Mundhöhle in den Pharynx transportiert wird. Die Einleitung des Schluckvorgangs während der oralen Phase erfolgt willkürlich. Zur Bolusformation werden Zunge und bukkale Muskulatur benötigt. Der Bissen wird durch Andrücken der Zunge an den harten Gaumen in den Pharynx gepresst (. Abb. 24.1). Wenn der Bissen das Gaumensegel oder die Rachenhinterwand berührt, setzt die rein reflektorisch ablaufende pharyngeale Phase des Schluckvorgangs ein. Die pharyngeale Phase besteht aus 4 rasch aufeinander folgenden und einander zeitlich überlappenden Vorgängen (Dodds et al. 1990; . Abb. 24.1): 4 Der Nasopharynx wird durch den weichen Gaumen und die Pharynxhinterwand abgeschlossen. So wird ein Transport des Bissens in den Nasopharynx verhindert. 4 Die Mundbodenmuskeln ziehen den Larynx zusammen mit dem Zungenbein nach vorne und oben unter den Zungengrund. Dadurch schiebt sich die Epiglottis über den Larynxeingang. Der sagittale Durchmesser des Oropharynx vergrößert sich. 4 Kurz aufeinander folgend kontrahieren sich der obere, der mittlere und der untere Teil des M. constrictor pharyngis. Mit einem Druck von 150–200 mmHg im Oropharynx und 200–250 mmHg im Hypopharynx wird der Bissen gegen den Ösophaguseingang gepresst. 4 Zu Beginn der pharyngealen Phase, d. h. bereits vor der peristaltischen Kontraktion der Pharynxmuskulatur, erschlafft der obere Ösophagussphinkter. Die Erschlaffung dauert ca. 1 s und endet mit einer sich in den tubulären Ösophagus fortsetzenden peristaltischen Welle.

Der Schluckakt wird in 3 Phasen eingeteilt: 4 Orale Phase 4 Pharyngeale Phase 4 Ösophageale Phase

Die Steuerung dieses komplexen Transportes erfolgt über Afferenzen und Efferenzen der Hirnnerven V, IX, X und XII und steht unter der Kontrolle des Schluckzentrums in der Medulla oblongata (Weissbrodt 1976).

) ) Der Ösophagus des erwachsenen Menschen ist ein ca. 24–27 cm langer Muskelschlauch mit phasisch-tonisch kontrahierten Sphinkteren am proximalen und distalen Ende (oberer und unterer Ösophagussphinkter). Die Funktion kann mit einer artesischen Pumpe verglichen werden, die die Nahrung gegen ein Druckgefälle vom intrathorakalen Ösophagus mit seinem negativen Ruhedruck (ca. –6 mmHg) in den Magen mit seinem positiven Ruhedruck (ca. +6 mmHg) transportiert. Oberer und unterer Ösophagussphinkter dienen als Barrieren oder funktionelle Ventile zwischen Hypopharynx und tubulärem Ösophagus bzw. tubulärem Ösophagus und Magen. Durch die phasisch-tonische Kontraktion der Sphinkteren entsteht im Ruhezustand eine Druckbarriere, die die Kompartimente funktionell voneinander trennt. Bei der Boluspassage erschlaffen die Sphinkteren und geben den Weg für die Speise frei. Der Transport eines Nahrungsbolus vom Hypopharynx in den Magen und die Verhinderung von Reflux aus dem Magen erfordert ein koordiniertes Zusammenspiel zwischen der Pumpe des tubulären Ösophagus und dem proximalen und distalen Ventil. Eine Dysfunktion der tubulären Speiseröhre und eine fehlende oder unkoordinierte Relaxation des oberen oder unteren Ösophagussphinkters behindern den Nahrungstransport. Eine gestörte Barrierefunktion des unteren Ösophagussphinkters führt zum Reflux von Mageninhalt.

oral

pharyngeal

normal

1

2

3

4

5

pathologisch

. Abb. 24.1. Die orale und pharyngeale Phase des Schluckaktes und ihre Störungen bei neurologischen Erkrankungen. 1 Bolusformation; 2 palatonasaler Abschluss; 3 Larynxverschluss durch Höhertreten des

Larynx und Hyoids; 4 Pharynxkontraktion; 5 Öffnung des oberen Ösophagussphinkters

244

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

Die ösophageale Phase des Schluckaktes beginnt mit der Relaxation des oberen Ösophagussphinkters und endet mit dem Schluss des unteren Ösophagussphinkters nach Passage des Nahrungsbolus in den Magen. Die ösophageale Phase des Schluckaktes ist komplett reflexkontrolliert. Die efferente Innervation der quergestreiften Muskulatur des oberen Ösophagussphinkters und des oberen Ösophagusdrittels erfolgt über direkte Fasern aus den Nn. vagi und den Nn. recurrentes.

Muskulatur 1 Lage

Laryngopharynx (Hypopharynx)

M. constrictor inf.

24.1.2 Pharyngoösophageales Segment Als pharyngoösophageales Segment wird die anatomische und funktionelle Einheit aus Pharynxmuskulatur, oberem Ösophagussphinkter und proximalem tubulärem Ösophagus bezeichnet (Liebermann-Meffert 1997).

24

Funktionelle Anatomie Der Pharynx bildet den Anfangsteil des Intestinalrohres. Der Nasopharynx ist der Raum kranial des weichen Gaumens, der die Nasenhöhle fortsetzt. Der Oropharynx ist der Raum zwischen weichem Gaumen (Uvula), der Spitze der Epiglottis und der Zunge, der die Mundhöhle fortsetzt. Der 6–7 cm lange Laryngopharynx oder Hypopharynx ist der Raum zwischen der Spitze der Epiglottis und dem unteren Rand des Ringknorpels. Dorsal werden alle 3 Räume durch den Gewebemantel der Constrictorpharyngis-Muskulatur und die Wirbelsäule begrenzt. Der an der Schädelbasis ansetzende Schlauch aus Muskulatur, Submukosa und Schleimhaut des Pharynx bildet den gemeinsamen Abschnitt der Nahrungs- und Luftwege. Am Übergang des Hypopharynx in den Ösophagus und in den Larynx treffen die komplexen Mechanismen des Schluckens, der Atmung und der Phonation aufeinander. Mechanisch beteiligt sind Knorpel- und Knochenstrukturen (Maxilla, Zungenbein, Schildknorpel, Ringknorpel, Epiglottis), dehnbare und mobile Weichteile (Pharynx, Ösophagus) und Verschiebezonen (Faszien, Bindegewebe), in die Pharynx und Ösophagus eingebettet sind. »Sphinkteren« aus Muskulatur und Knorpel verschließen mit reziproker Wirkung den Eingang in den Ösophagus und in die Trachea und vermeiden damit die »Via falsa« für Nahrung und Luft. Der aus Skelettmuskulatur bestehende obere Ösophagussphinkter liegt mit seinem Eingang auf Höhe des 5. bis 6. Halswirbelkörpers. Die anatomisch prominenteste Struktur des Sphinkters ist die Pars fundiformis des M. cricopharyngeus, die am Ringknorpel entspringt und einen horizontalen Gürtel um die Ösophagushinterwand bildet. Der eigentliche tubuläre Ösophagus beginnt am unteren Rand des M. constrictor pharyngis inferior etwa auf Höhe des 6. Halswirbels und betritt nach 3–6 cm den Thorax auf Höhe der Incisura jugularis des Sternums. Vor der Wirbelsäule verläuft er nach kaudal in direkter Nachbarschaft mit der Rückwand der Trachea im hinteren Mediastinum. Schon im Halsbereich ist der Ösophagus ein dünnwandiger, im Ruhezustand kollabierter Muskelschlauch. An seinem Beginn ist die Schlinge der krikopharyngealen Muskulatur als längliche Engstelle endoskopisch zu sehen, bzw. als Hochdruckzone manometrisch zu messen. Sie liegt etwa 15 cm von der Zahnreihe entfernt. Die Wandarchitektur des Pharynx und des proximalen Ösophagus unterscheidet sich grundlegend (. Abb. 24.2). Die Wand des Pharynx besteht aus einer sich nach kaudal fortsetzenden Gruppe von 3 Muskelanteilen, den Mm. constrictores pharyngis

2 Lagen

Ösophagus

. Abb. 24.2. Schematische Darstellung der Anordnung der Muskelfasern im Bereich des Hypopharynx, oberen Ösophagussphinkters (M. constrictor inferior) und proximalen Ösophagus

superior, medius und inferior. Die Muskelbündel setzen auf der lateralen Seite an der Basis des Os sphenoidale, am Tubenknorpel, am Processus pterygoideus, am Zungenbein sowie am Schildund Ringknorpel an. In der dorsalen Mittellinie inserieren sie in Kontinuität an der »submukösen Aponeurose«, die über die Fascia pharyngobasilaris fest am Fornix der Schädelbasis haftet. Dabei verlaufen die Muskelbündel in etwa gleicher Richtung schräg von lateral kaudal nach medial kranial. In der Mittellinie überkreuzen sich die Fasern geflechtartig. Hierdurch werden Verkürzungen in der Quer- und Längsachse möglich (Liebermann-Meffert 1997). Der M. constrictor pharyngis inferior teilt sich in eine schräg verlaufende, an der Linea obliqua des Schildknorpels ansetzende Pars thyropharyngea sowie in eine transversale Muskelschlinge, die am Ringknorpel ansetzende Pars cricopharyngea. Durch die Umorientierung der Muskelfasern aus der schrägen in die transversale Richtung entsteht oberhalb des M. cricopharyngeus in der dorsalen Mittellinie ein muskelarmes bzw. muskelfreies, potenziell gewebeschwaches dreieckiges Areal (7 Kap. 24.2, . Abb. 24.11). Diese nach Gustaf Killian benannte Muskellücke ist die typische Austrittsstelle für das pharyngoösophageale ZenkerDivertikel (Kilian 1908). Die Schlinge des M. cricopharnyngeus ist, gemessen am Autopsiepräparat, zwischen den beiden Ansatzstellen 2,5–3 cm lang. Sie bildet den engsten Teil der Pharynxkonstriktoren. Manometrisch entspricht die hufeisenförmige Schlinge des M. cricopharyngeus mit Widerlager an der unteren Ringknorpelplatte eindeutig der Hochdruckzone des manometrischen oberen Ösophagussphinkters. Diese anatomische Besonderheit erklärt die radiale und axiale Asymmetrie des Sphinkters (Liebermann-Meffert 1997; Skandalakis u. Ellis 2000). Die Faseranordnung im M. cricopharyngeus ähnelt mehr der des Ösophagus als der des Pharynx (. Abb. 24.2). Abweichend vom M. cricopharyngeus und der übrigen Pharynxmuskulatur besitzt die Wand des Ösophagus allerdings 2 getrennte Lagen von Muskulatur unterschiedlicher Verlaufsrichtung mit senkrecht aufeinander stehenden Muskelbündeln (. Abb. 24.2). Diese bestehen aus dem Stratum longitudinale und dem Stratum circulare. Die Faserbündel der longitudinalen äußeren Schicht des Ösophagus entspringen am Unterrand der Rückfläche der Ringknorpelplatte und fächern sich zunächst beiderseits nach lateral und dorsal auf, um nach etwa 1 cm eine geschlossene Schicht

245 24.1 · Funktionelle Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Ösophagus

um den Ösophagus zu bilden. Das hieraus entstehende Dreieck fehlender Längsmuskulatur entspricht der sog. Laimer-Muskellücke (Laimer 1883; 7 Kap. 24.2, . Abb. 24.11). Die Wand des Pharynx und des oberen Ösophagussphinkters besteht vollständig aus quergestreifter Muskulatur. Im proximalen Ösophagus mischen sich zunehmend glatte Muskelfasern und Faserbündel mit der quergestreiften Muskulatur. Die Innervation des pharnygoösophagealen Segments erfolgt überwiegend aus Ästen des N. recurrens (X. Hirnnerv), zu geringeren Teilen auch aus den Hirnnerven IX und XII (Aharinejad u. Firbus 1989; Weissbrodt 1976). Die willkürliche Innervation des oberen Ösophagussphinkters und der anderen quergestreiften, am Schluckvorgang beteiligten Muskeln zeigt sich besonders deutlich unter speziellen Trainingsbedingungen: Eine willkürliche Aktivierung der Pharynxmuskeln gestattet das »Bauchreden« und eine Ösophagussprache nach Laryngektomie. Nach Lähmung der thorakalen Atemmuskulatur kann eine »glossopharyngeale« Atmung erlernt werden, bei der die Luft durch Schluckbewegungen in die Lungen gedrückt wird. Eine willkürliche Hemmung der Sphinktermuskulatur ist die Voraussetzung für das »Schwertschlucken«. Normale Funktion Während der Atmung und des Sprechens ist der obere Ösophagussphinkter tonisch kontrahiert, wodurch das Schlucken von Luft während der Atmung verhindert und die Luftwege gegen Aspiration geschützt werden. Während des Schluckens relaxiert der obere Ösophagussphinkter (. Abb. 24.1), die Epiglottis schließt und verhindert damit die Aspiration (Dodds et al. 1990). Die manometrisch messbare Hochdruckzone im oberen Ösophagussphinkter ist etwa 3 cm lang. Während des Schluckaktes steigt der Druck im Hypopharynx rapide an. Es entsteht ein deutliches Druckgefälle zwischen dem pharyngealen Druck und dem negativen Ruhedruck des intrathorakalen Ösophagus. Dieser Druckgradient beschleunigt den Transport von Nahrung aus dem Hypopharynx in den Ösophagus, sobald der obere Ösophagussphinkter relaxiert. Der Nahrungsbolus wird damit sowohl durch die peristaltische Welle des Hypopharynx in den Ösophagus geschoben als auch durch das Druckgefälle angesaugt. Die Compliance des oberen Ösophagussphinkters und des zervikalen Ösophagus ist für diese Phase des Schluckaktes von entscheidender Bedeutung. Nach Passage des Bolus schließt sich der obere Sphinkter innerhalb des Bruchteils einer Sekunde. Der unmittelbare Verschlussdruck erreicht zunächst das Doppelte des Ruhedrucks. Diese »Postrelaxationskontraktion« setzt sich auf den proximalen Ösophagus als peristaltische Welle fort. Der hohe Verschlussdruck des oberen Ösophagussphinkters und die Initiierung einer peristaltischen Welle im proximalen Ösophagus verhindern die Regurgitation des Bolus. Funktionsstörungen Fehlfunktionen der pharyngoösophagealen Phase des Schluckaktes können aus einer Dyskoordination der neuromuskulären Vorgänge während des Kauens, der Initiation des Schluckaktes und der Propulsion des Materials vom Oropharynx in den zervikalen Ösophagus resultieren. Dies äußert sich in Dysphagie, pharyngealer Regurgitation, Aspiration und/oder rezidivierenden Atemwegsinfekten. Die Funktionsstörungen können demzufolge in eine der folgenden Kategorien oder eine Kombination dieser Kategorien klassifiziert werden (Kahrilas 1995):

24

4 4 4 4

Inadäquater oropharyngealer Bolustransport Parese des Pharynx Elevationsstörung des Pharynx Dyskoordination der krikopharyngealen Relaxation mit der pharyngealen Kontraktion 4 Fehlende oder eingeschränkte Compliance des pharyngoösophagealen Segmentes auf dem Boden einer restriktiven Myopathie Ätiologie. Bei den pharyngoösophagealen Funktionsstörungen

liegt in der Regel eine kongenitale oder erworbene Veränderung des zentralen oder peripheren Nervensystems vor. Dies beinhaltet Schlaganfälle, Hirnstammtumoren, Poliomyelitis, Multiple Sklerose, M. Parkinson, Pseudobulbärparalyse, periphere Neuropathie oder Verletzung der Hirnnerven, die am Schluckakt beteiligt sind. Primär muskuläre Erkrankungen, wie eine bestrahlungsinduzierte Myopathie, Dermatomyositis, myotone Dystrophie oder Myasthenia gravis, sind weniger häufig. Selten kann auch eine extrinsische Kompression durch eine Struma, zervikale Lymphadenopathie oder eine Hyperostose der Halswirbelsäule zu einer zervikalen Dysphagie führen (Kahrilas 1995; Feussner und von Rahden 2006). Klinik. Ein allgemein anerkannter Normalbereich des Ruhe-

druckes im oberen Ösophagussphinkter existiert nicht. Dies ist durch technische Schwierigkeiten bei der Druckmessung wie Asymmetrie der Druckmaxima und rasche spontane Druckschwankungen bedingt. Ein gegenüber gesunden Kontrollen erhöhter Druck ist bei Patienten mit Globusgefühl beschrieben worden. Ob das Globusgefühl tatsächlich durch eine Sphinkterhypertonie bedingt ist oder ob diese Patienten nur mit einem unverhältnismäßig hohen Druckanstieg auf die Manometriesonde reagieren, ist ungewiss. Beobachtungen über eine Hypertonie des oberen Ösophagussphinkters bei Patienten mit gastroösophagealem Reflux sind widersprüchlich (Castell et al. 1990; Castell u. Dalton 1995). Ein verminderter Ruhedruck ist bei Ausfall der Innervation des Sphinkters zu erwarten. Hinweise für eine Hypotonie sind bei neurologischen Krankheiten, wie Multipler Sklerose, beschrieben. Ob diesem Befund eine klinische Relevanz zukommt, ist derzeit unklar. Am häufigsten beginnt und endet die Sphinktererschlaffung vorzeitig. Seltener setzt die Erschlaffung zeitgerecht ein, endet aber zu früh. Bei einer Koordinationsstörung mit verzögerter Relaxation des oberen Ösophagussphinkters wird der Bolus gegen den noch verschlossenen Sphinkter gedrückt. Eine Verzögerung der Relaxation um mehr als 0,3 s kann zur Aspiration führen. Die Störung kommt z. B. bei familiärer Dysautonomie vor. Eine unvollständige oder sogar fehlende Erschlaffung des oberen Sphinkters (die sog. zervikale Achalasie, Feussner und von Rahden 2006) findet sich bei verschiedenen neurologischen Krankheiten, beispielsweise der Pseudobulbärparalyse. Sie kann dort zu schwerster Dysphagie führen. Eine zervikale Achalasie ist auch gelegentlich bei Patienten mit Schilddrüsen- oder zervikalem Ösophaguskarzinom, nach Thyreoidektomie, Laryngektomie oder nach Halstrauma beschrieben worden. Klare Beweise für eine zervikale Achalasie gibt es bisher nur bei neurologischen Krankheiten. In radiologischen Studien wird oft eine während des Schluckaktes erkennbare Einkerbung im dorsalen Bereich des M. cricopharyngeus als obere Achalasie gedeutet. Eine solche persistierende Einkerbung findet sich in 5% aller untersuchten Individuen und ist kein Zeichen einer oberen Achalasie (Ott 1995).

246

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

Bei Patienten mit Zenker-Divertikel kann mittels konventioneller Manometrie mit wasserperfundierten Systemen häufig keine Funktionsstörung aufgezeigt werden. Mit speziellen Druckaufnehmern und Untersuchungstechniken lässt sich jedoch in der Regel ein erhöhter »Intrabolusdruck« nachweisen. Muskelbiopsien aus dem krikopharyngealen Sphinkter zeigen bei Patienten mit Zenker-Divertikel eine restriktive Myopathie, die mit einem Verlust der Compliance des pharyngoösophagealen Segments in der Hochfrequenzvideographie korreliert. Demzufolge scheint sich das Divertikel als Folge eines repetitiven Stresses beim Bolustransport durch ein nicht ausreichend aufdehnbares pharyngoösophageales Segment zu entwickeln. Eine Dyskoordination der Sphinkterrelaxation mit der pharyngealen Kontraktion stellt eine weitere mögliche Ursache des Zenker-Divertikels dar. Da eine derartige Dyskoordination nicht über die gesamte Länge des Sphinkters vorliegen muss, kann sie während einer Routinemanometrie leicht übersehen werden (Ekberg 1999; Peters u. Mason 1999). Eine Schwäche der bukkalen Muskeln bewirkt beim Trinken Tröpfeln aus dem Mund, eine Schwäche der Zunge erschwert die Bolusbildung und somit die Einleitung des Schluckaktes. Sie kann gelegentlich zu pharyngooraler Regurgitation führen. Eine Schwäche des weichen Gaumens führt zur Störung des palatonasalen Abschlusses mit nasaler Aspiration und Austritt der Nahrung durch die Nase. Eine laryngeale Aspiration ist möglich bei einer Schwäche der Larynxheber, die normalerweise den Abschluss des Larynx bewirken, bei pharyngealer Stase infolge Schwäche der Pharynxmuskulatur oder bei Koordinationsstörungen des oberen Ösophagussphinkters. Bei Gesunden kommt es nur zur Aspiration, wenn während des Schluckaktes geatmet wird (Kahrilas 1995). 24.1.3 Tubulärer Ösophagus

24

Der tubuläre Ösophagus ist ein gestreckter Muskelschlauch zwischen oberem und unterem Ösophagussphinkter. Jeweils etwa 3–6 cm sind zervikal bzw. abdominell lokalisiert. Die Lage des Ösophagus in den 3 Körperräumen Hals, Brust und Bauch führte zur klassischen Unterteilung in einen zervikalen, thorakalen und abdominellen Abschnitt. Die Pars cervicalis des tubulären Ösophagus beginnt am Unterrand des oberen Ösophagussphinkters etwa auf Höhe des 6. Halswirbels, verläuft zwischen Wirbelsäule und Trachea und endet am Oberrand des Sternums etwa auf Höhe des 2. bis 3. Brustwirbelkörpers. Die Pars thoracalis erstreckt sich vom Oberrand des Sternums bis zum Hiatus oesophageus (etwa auf Höhe des 7. bis 9. Brustwirbelkörpers). Auf Höhe des 4. Brustwirbels legt sich der Aortenbogen von links an den Ösophagus an und verursacht eine Impression. Zwischen der Aortenimpression und dem Hiatus oesophageus liegt die Aorta links zwischen Ösophagus und Wirbelsäule. Direkt kaudal und medial der Aortenimpression liegt der Abgang des linken Hauptbronchus aus der Trachea und verursacht von ventral her eine Impression des Ösophagus. Kaudal der Trachealbifurkation verläuft der Ösophagus zwischen Aorta und Perikard. Eine abnorme Kompression der Pars thoracalis kommt zustande, wenn die A. subclavia dextra nicht aus dem Truncus brachiocephalicus, sondern aus der Aorta descendens entspringt und hinter dem Ösophagus hindurch nach rechts zieht (A. lusoria, Dysphagia lusoria). Es handelt sich um eine seltene

Anomalie. Bedeutend häufiger sind Impressionen durch einen vergrößerten linken Vorhof. Als Pars abdominalis des Ösophagus wird das 2–5 cm lange intraabdominale Segment des distalen Ösophagus, jenseits des Durchtritts durch das Zwerchfell, bezeichnet (LiebermannMeffert 1997). Dieser topographisch-anatomischen Einteilung steht eine Einteilung aus chirurgischer Sicht gegenüber, die auch gut der embryonalen Entwicklung und damit der Gefäßversorgung, dem Lymphabfluss und den muskelanatomischen Gegebenheiten Rechnung trägt (Liebermann-Meffert et al. 2001; Skandalakis u. Ellis 2000): Unterschieden werden – orientiert an der chirurgisch bedeutenden Beziehung zum Tracheobronchialsystem bzw. der Karina – zwischen suprabifurkalem (suprakarinalem) und infrabifurkalem (infrakarinalem) Ösophagus. Funktionelle Anatomie Abweichend vom übrigen Intestinalrohr hat der Ösophagus keine begrenzende Serosa und kein Mesenterium. Anstelle einer Serosa besitzt der Ösophagus zervikal und thorakal einen Überzug aus Bindegewebe (Adventitia), dessen locker angeordnete kollagene und elastische Fasern einerseits zwischen die Bündel der Tunica muscularis einstrahlen, andererseits in das Bindegewebsnetz des Mediastinums übergehen. Dieses periösophageale Gewebe führt die feinen Gefäße und Nervenfasern für die Ösophaguswand. Träger der Motilität, Elastizität und Plastizität des Ösophagus ist seine Muskulatur. Die vom Kliniker in der Regel inkorrekt als »Muscularis propria« bezeichnete Tunica muscularis umgibt das Lumen in 2 Lagen. Die Muskelzüge der äußeren Lage verlaufen parallel zur Längsachse des Ösophagus, die der inneren Lage liegen hierzu in rechtem Winkel (. Abb. 24.3). Diese Anordnung spiegelt sich in der traditionellen Bezeichnung »Längs-« und »Ringmuskulatur« wider. Die Tunica muscularis besteht im oberen Teil der Speiseröhre nahezu ausschließlich aus quergestreifter Skelettmuskulatur. Im distalen Teil des Ösophagus besteht die gesamte Tunica muscularis aus glatter Muskulatur. Obwohl sich quergestreifte und glatte Muskulatur im anatomischen Bild, in der embryonalen Entwicklung, der Innervation und dem in vitro physiologischen Verhalten deutlich unterscheiden, verläuft die Peristalsis entlang des Ösophagus normalerweise ohne erkennbaren Unterschied ab. Die Interaktionen zwischen den verschiedenen Muskelzelltypen und ihre jeweilige Rolle bei Motilitätsstörungen sind unklar (Liebermann-Meffert 1997). Die Längsmuskulatur (Stratum longitudinale) entspringt am Ringknorpel und fächert sich sofort auf, wobei die mehr lateralen Anteile nach dorsal in Richtung zur Wirbelsäule umbiegen und sich mit denen der Gegenseite zur kompletten äußeren Muskelschicht des Ösophagus vereinigen. Die Muskelbündel dieser Außenschicht sind lang und verlaufen gestreckt nach kaudal. Der Zusammenhang ist durch dünne Septen aus lockerem Bindegewebe, die auch in die tiefere zirkuläre Muskelschicht ziehen, gewährleistet. Am Ort dieser Bindegewebesepten treten Gefäße und Nerven in die Submukosa ein. Sie verdrängen dabei die Muskelzüge und verursachen lokal längsgerichtete schmale Spalten, die nur von lockerem Bindegewebe bedeckt sind (Liebermann-Meffert 1997). Die Ringmuskulatur (Stratum circulare) entspringt ebenfalls am kaudalen Ende des Ringknorpels und schließt sich ohne erkennbare Begrenzung an die in gleicher Richtung orientierte Pars cricopharyngea des M. constrictor pharyngis inferior an.

24

247 24.1 · Funktionelle Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Ösophagus

. Abb. 24.3. Architektur der Muskelwand des tubulären Ösophagus und ösophagogastralen Übergangs. Links: äußere, längsverlaufende Muskellage; rechts: innere, transversal (zirkulär) verlaufende Muskellage mit Umorientierung im Bereich des ösophagogastralen Übergangs in »gastric sling fibers« und »clasps«, die zusammen den funktionellen Apparat des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) bilden (7 auch . Abb. 24.7 und 24.8)

OÖS

UÖS

Die Muskelbündel setzen sich kontinuierlich nach kaudal fort; sie bilden dabei keinesfalls zirkulär an den Faserenden geschlossene Ringe, sondern formen »spangenförmige« Halbkreise um den Ösophagus, deren Enden sich lateral dachziegelartig überlappen. Eine spiralförmige Muskelanordnung, wie man sie bei einigen Tierarten antrifft und gelegentlich auch in einzelnen anatomischen Darstellungen der Ösophagusmuskulatur des Menschen sieht, besitzt der Mensch weder in der Längs- noch in der Ringschicht, weder im tubulären Ösophagus noch im Bereich des ösophagogastralen Übergangs (Liebermann-Meffert 1997; Skandalakis u. Ellis 2000). Das Epithel des tubulären Ösophagus ist ein geschichtetes 0,2–0,4 mm dickes, nicht verhornendes Plattenepithel, das alle Charakteristika einer auf mechanische Belastung ausgerichteten Schutzschicht aufweist. Das Epithel ist durch Bindegewebepapillen mit der Lamina propria verzahnt. Die Länge der Papillen beträgt im Mittel die Hälfte der gesamten Epitheldicke. Bei mechanischer Belastung dient die Submukosa als Verschiebeschicht, auf der das Epithel zusammen mit der Lamina propria und der Muscularis mucosae gleiten kann. Eine Verbesserung der Oberflächengleitfähigkeit wird durch Schleim aus den submukösen Drüsen und den Speicheldrüsen erzielt. Abgeschilferte Plattenepithelzellen werden durch die Basalzellschicht ersetzt. Die Lebensdauer der Epithelzellen beträgt etwa eine Woche. Die Lamina propria enthält auch beim Gesunden reichlich Lymphozyten, Plasmazellen und Mastzellen, jedoch nur sehr spärlich eosinophile und neutrophile Granulozyten.

Normale Funktion Die dünne Wand des Muskelschlauchs ist im Ruhezustand kollabiert und weitet sich beim Schlucken eines Nahrungsbolus mit Einsetzen einer peristaltischen Welle. Die propulsive Pumpfunktion der tubulären Speiseröhre wird durch die Anordnung der Muskulatur ermöglicht. Die Pumpfunktion der tubulären Speiseröhre ist essenziell für den Transport des Speisebolus vom distalen Ösophagus in den Magen. Der Speisebolus muss gegen ein Druckgefälle von etwa 12 mmHg (von –6 mmHg intraösophagealer Ruhedruck auf +6 mmHg intragastraler Ruhedruck) transportiert werden (. Abb. 24.4), was eine effektive, koordinierte Pumpaktion der Speiseröhrenmuskulatur erfordert (DeMeester u. Stein 1996; Stein et al. 1992). Während der Peristaltik wird der Ösophagus zunächst durch die Kontraktion der proximalen Muskulatur nach oral gezogen. Am distalen Ende des Ösophagus ist die Aufwärtsbewegung stärker ausgeprägt, sodass sich der untere Ösophagussphinkter beim Schlucken um bis zu 3 cm nach oral verlagert. Kurz bevor die peristaltische Welle den unteren Ösophagussphinkter erreicht, beginnt das Zurückgleiten in Ruhelage. Die peristaltische Welle im tubulären Ösophagus generiert in der Regel einen Spitzendruck zwischen 30 und 150 mmHg. Der Spitzendruck steigt von proximal nach distal an. Eine primäre peristaltische (d. h. eine durch einen bewussten Schluckakt eingeleitete) Kontraktionssequenz läuft nach initialer Inhibition der gesamten Ösophagusmuskulatur mit einer Propagationsgeschwindigkeit von ca. 2–4 cm/s von proximal nach distal und

248

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

. Abb. 24.4. Schematische Darstellung der topographischen Anatomie und des Ruhedruckprofils des oberen Gastrointestinaltrakts beim Erwachsenen

Ventil

Pumpe

Ventil

Oberer Ösophagussphinkter

Tubulärer Ösophagus

Unterer Ösophagussphinkter

-10

-5

0

5

10

15

20

25

30

Ruhedruck (mm Hg)

24

erreicht den unteren Ösophagussphinkter ca. 7–9 s nach Beginn des Schluckens (. Abb. 24.5). Die Propagationsgeschwindigkeit der peristaltischen Welle ist von der Größe, der Viskosität und der Temperatur des geschluckten Bolus abhängig. Wenn genügend lange Pausen (mehr als 20 s) zwischen den einzelnen Schluckakten eingehalten werden, resultiert ein gleicher Bolus in der Regel in einer identischen peristaltischen Kontraktionssequenz. Beim raschen Schlucken nimmt die Kontraktionsamplitude mit jedem konsekutiven Schluck ab. Bei einer Pause von weniger als 10 s zwischen einzelnen Schluckakten bleibt der tubuläre Ösophagus relaxiert, eine peristaltische Welle wird nur für den letzten der konsekutiven Schlucke initiiert. Dieses Phänomen wird als postdeglutitive Inhibition bezeichnet (Castell u. Dalton 1995). Das Fortschreiten der peristaltischen Welle in der tubulären Speiseröhre wird durch eine sequenzielle Aktivierung der Muskulatur aus dem Schluckzentrum über efferente Vagusfasern gesteuert. Eine Kontinuität der Ösophagusmuskulatur ist hierfür nicht erforderlich, solange die vagale Innervation intakt bleibt. Wird die Ösophagusmuskulatur durchtrennt, setzt sich bei intakter Innervation die peristaltische Welle distal der Durchtrennungsstelle ohne Unterbrechung fort. Afferente Impulse aus Rezeptoren der Ösophaguswand sind für einen geordneten Ablauf der primären peristaltischen Welle nicht notwendig (Weissbrodt 1976; Diamant 1989). Eine Distension des Ösophagus oder Irritation der Schleimhaut durch mechanische, thermische oder chemische Reize kann ebenfalls eine peristaltische Kontraktionssequenz einleiten. Diese sog. sekundäre Peristalsis tritt unabhängig von einer Stimulation des Pharynx auf und wird nicht vom zentralen Nervensystem gesteuert. Die sekundäre Peristalsis stellt somit einen lokalen Reinigungsreflex des tubulären Ösophagus dar. Als tertiäre Peristalsis wird die spontane peristaltische Aktivität des tubulären Ösophagus bezeichnet, die nicht durch einen Schluckakt oder extrinsische Stimulation initiiert wird. Da dies jedoch häufig mit dem Begriff »tertiäre Kontraktionen« verwechselt wird, sollte man hier besser von autonomer Peristalsis sprechen (Kahrilas 1995).

Funktionsstörungen Simultane manometrische und videoradiographische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Speisetransport durch den tubulären Ösophagus in den Magen und die Clearance von aus dem Magen regurgitiertem Material vom zeitgerechten Ablauf und der Amplitude der peristaltischen Welle abhängen. Für eine geregelte Boluspropagation ist eine Mindestamplitude von etwa 30 mmHg und eine Propagationsgeschwindigkeit von unter 20 cm/s erforderlich (Kahrilas 1995). Funktionsstörungen des tubulären Ösophagus sind durch ein Fehlen der Peristalsis, abnorme Kontraktionssequenzen oder abnorme Kontraktionsformen gekennzeichnet. Dies kann zu einer Verlängerung der Transitzeit des Bolus vom oberen Ösophagussphinkter in den Magen, mit und ohne klinisch manifeste Dysphagie, Regurgitation und/oder retrosternale Schmerzen führen.

Funktionsstörungen betreffen entweder primär und ausschließlich den Ösophagus (primäre Motilitätsstörungen) oder können als Folge einer zugrunde liegenden anderen Erkrankung oder einer generalisierten neurologischen, muskulären oder metabolischen Störung auftreten (sekundäre Motilitätsstörungen). Der Ösophagus kann vor allem bei Patienten mit Kollagenerkrankungen und Vaskulitiden mitbetroffen sein. Die Diagnose und Klassifikation von Funktionsstörungen des tubulären Ösophagus erfolgt in der Regel mittels Ösophagumanometrie. Ausgeprägte Funktionsstörungen können jedoch auch mittels Transitszintigraphie oder röntgenologischer Kontrastmitteldarstellung und videofluoroskopischer bzw. kinematographischer Aufzeichnung des Schluckaktes erfasst werden. Mit der Einführung der Standardösophagusmanometrie wurde eine Reihe von primären Funktionsstörungen als separate Entitäten definiert. Es handelt sich hierbei um die »Achalasie«, den »diffusen Ösophagospasmus«, den sog. »NussknackerÖsophagus« und die große Gruppe der »unspezifischen Motilitätsstörungen« (7 Kap. 24.7 und folgende Übersicht).

24

249 24.1 · Funktionelle Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Ösophagus

. Abb. 24.5. Mechanisches Modell und manometrische Funktion der menschlichen Speiseröhre und ihrer Sphinkteren beim Schluckakt

mm Hg 60

S

50 40

Ventil

Oberer Ösophagussphinkter

30

17 cm

20 10 0 30

Proximal

20 10 0 -10 30

Mitte

20

Pumpe

Tubulärer Ösophagus

10 0 -10 40 30

Distal

20 10 0 -10 40

Ventil

Unterer Ösophagussphinkter

30

41 cm

20 10 0 -10 2s

Primäre und sekundäre Motilitätsstörungen der Speiseröhre 5 Primäre Motilitätsstörungen – Achalasie – Diffuser Ösophagospasmus – »Nussknacker-Ösophagus« – Unspezifische Motilitätsstörungen – (Hypertensiver unterer Ösophagussphinkter) 5 Sekundäre ösophageale Motilitätsstörungen bei – Kollagenerkrankungen und Vaskulitiden (progressive Sklerodermie, Polymyositis und Dermatomyositis, »mixed connective tissue disease«, systemischer Lupus erythematodes u. a.) – Chronisch idiopathische Pseudoobstruktion – Neuromuskuläre Erkrankungen – Diabetes mellitus – Schilddrüsenerkrankungen – Paraneoplastische Syndrome – Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) – Alkoholismus – Infektionen – Bestrahlungsschäden – Medikamentenwirkungen

Klassische manometrische Kriterien zur Diagnose und Klassifikation primärer Motilitätsstörungen des tubulären Ösophagus 5 Achalasie – Inkomplette oder fehlende schluckreflektorische Relaxation des unteren Ösophagussphinkters – Aperistalsis der tubulären Speiseröhre – Erhöhter Ruhedruck des unteren Ösophagussphinkters – Erhöhter intraösophagealer Ruhedruck 5 Diffuser Ösophagospasmus – Häufig simultane Kontraktionssequenzen (>20%) – Repetitive und mehrgipflige Kontraktionen – Intermittierend normale Peristalsis – Kontraktionen von hoher Amplitude und langer Dauer 5 »Nussknacker-Ösophagus« – Erhöhte Kontraktionsamplitude (>180 mmHg) – Verlängerte Kontraktionsdauer – Normale Peristalsis 5 Unspezifische Motilitätsstörung – Erniedrigte oder fehlende Kontraktionsamplitude – Unterbrochene Kontraktionssequenzen – Abnorme Morphologie der Kontraktionen – Normale Funktion des unteren Ösophagussphinkters

250

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

Die klassische Einteilung der primären Motilitätsstörungen des tubulären Ösophagus basiert gewöhnlich auf der Analyse von 6–10 Nassschlucken, die im Rahmen einer Standardmanometrie durchgeführt werden. Die Technik der ambulanten 24-StundenManometrie der tubulären Speiseröhre multipliziert die zur Verfügung stehenden Kontraktionsdaten und erhöht damit die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Analyse (Stein et al. 1991; Stein u. DeMeester 1993). Die breite klinische Anwendung der ambulanten 24-Stunden-Manometrie bei Patienten mit typischen primären Motilitätsstörungen in der Standardmanometrie zeigte jedoch eine überraschend große Diskrepanz zwischen den beiden Untersuchungstechniken. Dies weist darauf hin, dass die derzeitige Klassifikation der Motilitätsstörungen klinisch wenig relevant ist. Dies wird auch durch die Beobachtung unterstützt, dass sich im Verlauf der Erkrankung der Charakter einer Motilitätsstörung grundsätzlich ändern kann. So wurde wiederholt der Übergang eines »Nussknacker-Ösophagus« zum »diffusen Ösophagospasmus« und zur »klassischen Achalasie« berichtet. Die primären Motilitätsstörungen der Speiseröhre wären damit nicht als separate Krankheitsbilder, sondern als Ausdruck einer gemeinsamen zugrunde liegenden Abnormität der Ösophagusfunktion zu betrachten (Stein 2004). 24.1.4 Ösophagogastraler Übergang

24

Im Bereich des ösophagogastralen Übergangs ändern sich morphologische Strukturen und funktionelles Verhalten der beiden benachbarten Segmente grundlegend. Dennoch liegen über keine andere Region des Gastrointestinaltraktes derartig viele unterschiedliche Definitionen und Terminologien vor wie über den ösophagogastralen Übergang (Friedland 1978). Die Stelle, »wo der Ösophagus zum Magen wird«, wird seit den hippokratischen Schriften als Kardia bezeichnet. Aufgrund variierender Untersuchungsmethoden und Konzepte wird die genaue Lokalisation der Kardia jedoch nach wie vor unterschiedlich angegeben. Nach makroanatomischer Definition wird anhand des sich verändernden Verlaufs der zirkulären Muskelschicht ein 2–3 cm langes Segment zwischen dem distalen tubulären Ösophagus und der sackartigen Ausweitung des Magens als Zone des ösophagogastralen Übergangs bezeichnet und hierfür der Terminus Kardia verwendet. Dieser Abschnitt der Umstrukturierung der Faseranordnung der inneren Muskelschicht verursacht im kontrahierten Ruhezustand eine spaltförmige und schräg gestellte Einengung »zwischen« Ösophagus und Magen, die auch dem Ostium cardiacum ventriculi und damit der chirurgischen Definition des Mageneingangs entspricht (Liebermann-Meffert u. Brauer 1995). Im Bereich des ösophagogastralen Übergangs wechselt auch die Anordnung der Schleimhautfalten aus einer Längsrichtung im tubulären Ösophagus in eine Transversalrichtung im proximalen Magen. Nach radiologischer Definition stellt diese Faltenübergangslinie den Sitz der Kardia dar. Alternativ wird radiologisch auch die im Doppelkontrast erkennbare trichterförmige Verengung des Ösophagus oberhalb des Magens als Sitz der Kardia angegeben. Für die radiologisch häufig beschriebene funktionelle sackartige Erweiterung des distalen Ösophagus, als Vestibulum oder synonym Ampulla oesophagea bezeichnet, oder eine oberhalb des Diaphragmas zu sehende Ampulla epiphrenica gibt es in der anatomischen Literatur kein Korrelat.

Die entscheidende Funktion dieser Zone besteht in der Aufrechterhaltung einer funktionellen Barriere zwischen dem negativen Ruhedruck des tubulären Ösophagus und dem positiven Ruhedruck des Magens und damit der Verhinderung eines gastroösophagealen Refluxes bei gleichzeitiger Gewährleistung eines ungehinderten ösophagogastralen Speisetransports. Dies wird durch die Architektur der terminalen Ösophagusmuskulatur erbracht. Sie repräsentiert den funktionell definierten unteren Ösophagussphinkter. Für den Endoskopiker liegt der ösophagogastrale Übergang im Bereich gut sichtbarer Grenzen zwischen Plattenepithel des Ösophagus und Zylinderepithel des Magens, der Z-Linie (Savary u. Miller 1978). Diese liegt normalerweise 1–2 cm kranial des Ostium cardiacum und etwa auf Höhe des oberen Drittels der manometrisch messbaren Hochdruckzone im Bereich des ösophagogastralen Übergangs. Im Gegensatz zur manometrischen Hochdruckzone erfährt die Lokalisation der endoskopischen Z-Linie im Lauf des Lebens auch bei Gesunden deutliche Verschiebungen und kann vor allem bei Patienten mit langjähriger Refluxkrankheit über mehrere Zentimeter nach oral in den tubulären Ösophagus wandern. Bei histologischem Nachweis einer intestinalen Metaplasie in diesem Bereich wird dann von einem Endobrachyösophagus oder Barrett-Ösophagus gesprochen.

Deshalb hat sich heute das orale Ende der Magenfalten als endoskopische Landmarke für die Lokalisation der Kardia eingebürgert und in der Praxis bewährt.

Funktionelle Anatomie Bis zu seinem Durchtritt durch den Hiatus oesophageus verläuft der distale Ösophagus im netzartig angeordneten lockeren Bindegewebe des hinteren Mediastinums. Der Hiatus oesophageus phrenoösophageale Membran Zwerchfell Pleura

Z- Linie

unterer ösophagealer Sphinkter

Peritoneum

Magenfalten

. Abb. 24.6. Schematische Darstellung der Strukturen des ösophagogastralen Übergangs

24

251 24.1 · Funktionelle Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Ösophagus

. Abb. 24.7. Verlauf der äußeren longitudinalen und inneren zirkulären Muskulatur im Bereich des ösophagogastralen Übergangs (»sling« und »clasp fibers«)

longitudinaler

gastrische SlingFasern

zirkulärer ösophagealer Muskel

UOS Clasps

mittlere Magenmuskulaturschicht

wird v. a. durch das Crus mediale dextrum der Pars lumbalis des Zwerchfells gebildet. Im Bereich des Hiatus ist der dorsale Anteil des distalen Ösophagus im retroperitonealen Bindegewebe verankert. Die Vorderwand der Pars abdominalis des distalen Ösophagus und ösophagogastralen Übergangs ist mit Peritoneum überzogen und über die phrenoösophageale Membran mit dem Zwerchfell verbunden. Das Gewebe der phrenoösophagealen Membran ist zart und individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Sie enthält Kollagen und elastische Fasern und besteht aus Pleura, subpleuraler Faszie, phrenoösophagealer Faszie, Fascia transversalis und Peritoneum (. Abb. 24.6). Diese Strukturen erlauben die für den Schluckakt und die Relaxation des unteren Sphinkters erforderliche freie Beweglichkeit des distalen Ösophagus im Hiatus oesophageus und gewährleisten zugleich, gemeinsam mit den Aufhängungsstrukturen des proximalen Magens, die intrabdominale Verankerung des ösophagogastralen Übergangs. Zunehmendes Alter ändert die Gewebebeschaffenheit der phrenoösophagealen Membran infolge progressiven Ersatzes der elastischen Fasern durch kollagene Fasern. Dadurch wird die Membran unelastisch und schlaff. Fettgewebe tritt vermehrt im Bindegewebespalt auf. In Verbindung mit einem weiten Hiatus und dem vor allem bei Adipositas erhöhten intraabdominalen Druck ist dies die Voraussetzung für eine Hiatushernie (Liebermann-Meffert 1997; Skandalakis u. Ellis 2000). Die Faserbündel der Längsmuskulatur des distalen tubulären Ösophagus verlaufen über die Kardia hinweg und werden zur Längsmuskulatur des Magens. Dabei ändern sie an der Vorderund Hinterwand des Magens ihre Richtung und liegen hier rechtwinklig zur Magenachse (. Abb. 24.7). Auch die Architektur der Ringmuskulatur ändert sich am ösophagogastralen Übergang. Während kleinkurvaturseits die Muskelzüge über den terminalen Ösophagus und Mageneingang hinaus ihren horizontalen Verlauf beibehalten und kurze, U-förmige Muskelbündel entlang der Magenstraße bilden (sog. »clasp fibers« oder Muskelklammern), werden die Muskelbündel großkurvaturseits zu schräg verlaufenden Faserzügen, den Fibrae obliquae oder »gastric sling fibers« (. Abb. 24.7). Die Enden der »Clasp«- und »Sling«-Fasern stehen somit in nahezu rechtem Winkel zueinander (. Abb. 24.8; Liebermann-Meffert et al 1979; Liebermann-Meffert u. Brauer 1995).

. Abb. 24.8. Schematische Darstellung der Zugrichtung der »sling« und »clasp fibers«

Die Fibrae obliquae, die den während der Kontraktion mobilen His-Winkel bilden und hier ihre größte Faserkonzentration haben, stellen damit das wesentliche anatomische Korrelat des manometrischen unteren Ösophagussphinkters des Menschen dar (Liebermann et al. 1979; Stein et al. 1995; Mattioli et al. 1993). Normale Funktion Der untere Ösophagussphinkter stellt beim Menschen die wesentliche Barriere zwischen dem positiven intraabdominellen Druck im Magen und dem negativen Ruhedruck in der intrathorakalen tubulären Speiseröhre dar. Im Ruhezustand ist der Sphinkter tonisch kontrahiert und verhindert damit Reflux von Mageninhalt in den Ösophagus. Beim Schluckakt relaxiert der Sphinkter. Dadurch wird eine Nahrungspassage ermöglicht. Die Relaxation des unteren Ösophagussphinkters beginnt mit der Einleitung des pharyngealen Schluckes und wird erst durch das Eintreffen der peristaltischen Welle am gastroösophagealen Übergang beendet. Mageninhalt, der während der Sphinkterrelaxation in den distalen Ösophagus refluieren kann, wird somit durch die peristaltische Welle gemeinsam mit dem Nahrungsbolus in den Magen befördert.

252

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

Beim Gesunden liegt der mittlere Ruhedruck des unteren Ösophagussphinkters zwischen 10 und 20 mmHg. Neben dem Ruhedruck tragen auch die intraabdominelle Position des Sphinkters und seine Länge zur Kompetenz der Kardia bei. So kann ein Sphinkter mit ausreichendem Ruhedruck allein aufgrund einer zu kurzen Sphinkterlänge Ursache einer Kardiainkompetenz sein. Das Sphinkter-Vektor-Druck-VolumenDiagramm integriert alle radialen Druckwerte über die gesamte Länge der Hochdruckzone in einen Messwert und erlaubt damit eine bessere Quantifizierung der Barrierefunktion als die alleinige Messung des Ruhedrucks oder der Sphinkterlänge (Stein et al. 1991; Stein u. Korn 1997). Der Sphinkter ist auch in Ruhe starken Druckschwankungen unterworfen: Phasische Druckschwankungen treten zusammen mit Funduskontraktionen auf, deren Intensität wiederum von den Phasen des intestinalen myoelektrischen Komplexes, d. h. von der Nüchternaktivität des Darms abhängt. In Abständen von 10–30 min kann eine kurz dauernde vollständige Sphinktererschlaffung ohne vorhergehenden Schluckakt beobachtet werden. Proteinhaltige Mahlzeiten führen zu einem Anstieg, fetthaltige Mahlzeiten zu einem Abfall des Sphinkterdruckes. Die Rezeptoren für diese Druckänderungen sitzen möglicherweise im Duodenum. Der Übertragungsmechanismus (hormonell, nerval) ist nicht sicher bekannt. Der untere Ösophagussphinkter wird in seiner Funktion als Antirefluxmechanismus durch weitere Strukturen unterstützt. Bei Anstieg des intraabdominalen Druckes superponiert sich der intraabdominale Druck auf den Sphinkterdruck. Ein reflektorischer Druckanstieg findet dabei aber offenbar nicht statt. Dieser Mechanismus ist auch bei Patienten mit axialer Hiatushernie nachweisbar. Allerdings liegt bei der Mehrzahl der Patienten mit Refluxkrankheit eine axiale Hiatushernie vor, sodass dieser eine über die Sphinkterinkompetenz hinausgehende Rolle bei der Pathophysiologie der Refluxkrankheit zukommen muss (7 Kap. 24.6). Darüber hinaus scheint auch eine intakte Zwerchfellzwinge einen gewissen protektiven Effekt gegen Reflux aufzuweisen (DeMeester u. Stein 1996; Kahrilas 1995). Funktionsstörungen Eine inadäquate Barrierefunktion des unteren Ösophagussphinkters führt zum gastroösophagealen Reflux. Auch das Ausbleiben einer peristaltischen Welle nach einem pharyngealen Schluckakt führt aufgrund der dadurch induzierten Sphinkterrelaxation und fehlender Schutzwirkung der ösophagealen Peristaltik zu einer Refluxepisode. Gemeinsam mit der postprandialen Dilatation des Magens ist dieses Phänomen für die sog. inadäquaten, transienten oder spontanen Relaxationen des unteren Ösophagussphinkters verantwortlich.

Inadäquate Sphinkterrelaxationen sind die wesentliche Ursache des physiologischen Refluxes beim Gesunden und bei Patienten mit episodisch verlaufender Refluxkrankheit (Kahrilas 1995).

24

Ein hypertensiver Sphinkter (Ruhedruck >35 mmHg) mit kompletter schluckreflektorischer Relaxation findet sich gelegentlich bei Patienten mit dem sog. Nussknacker-Ösophagus oder mit diffusem Ösophagospasmus. Ob dem alleinigen Nachweis eines hypertensiven Sphinkters bei kompletter und koordinierter

schluckreflektorischer Erschlaffung und regelrechter Peristaltik ein Krankheitswert zukommt ist umstritten. Eine fehlende, inkomplette oder unkoordinierte schluckreflektorische Relaxation des Sphinkters (Achalasie) behindert die Nahrungspassage und führt zur Dysphagia sowie, vermutlich sekundär, zu Aperistalsis und Dilatation der tubulären Speiseröhre (7 Kap. 24.7).

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253 24.2 · Divertikel

24.2

24

Divertikel

) ) In der Speiseröhre gibt es verschiedene Divertikel-Erkrankungen, die sich hinsichtlich Pathophysiologie, Lokalisation, klinischer Bedeutung und Therapie unterscheiden. Unter pathophysiologischen Gesichtspunkten (Belsey 1966) werden Pulsionsdivertikel von Traktionsdivertikeln unterschieden, je nachdem ob sie durch Pulsionskräfte von innen oder durch Traktion von außen entstehen (. Abb. 24.9).

24.2.1 Pathophysiologie, Klassifikation

und Implikationen für die Klinik Bei den zumeist juxtasphinktär gelegenen Pulsionsdivertikeln stülpt sich die Schleimhaut durch eine Muskellücke vor (»Schleimhauthernie«). Ursächlich ist ein aborales funktionelles oder mechanisches Passagehindernis (in der Regel autochthone oder postoperative Sphinkteröffnungsstörung) und den dadurch proximal entstehenden erhöhten intraluminalen Druck. Das am oberen Ösophagussphinkter gelegene zervikale, Hypopharynx- oder auch Zenker-Divertikel ist eine häufige Erkrankung, während das im distalen Ösophagus, nahe dem unteren Ösophagussphinkter entstehende, epiphrenische Divertikel sehr selten ist. Im Gegensatz dazu ist das zumeist parabronchial gelegene Traktionsdivertikel eine Ausstülpung aller Ösophaguswandschichten. Es entsteht durch »Traktion« von entzündlich veränderten Lymphknoten oder in Folge embryonaler Fehlentwicklung (Liebermann-Meffert et al. 2000). Von allen diagnostizierten Ösophagusdivertikeln sind ca. 70% zervikale Divertikel, 21,5% parabronchiale Divertikel und ca. 8,5% epiphrenische Divertikel (. Abb. 24.10). Bei funktionellen Divertikeln handelt es sich um nur passager auftretende Ausbuchtungen der Ösophaguswand, z. B. im Rahmen eines diffusen Ösophagospasmus. Sie sind in der Regel nur röntgenologisch nachweisbar (sog. Pseudodivertikel). Ein eigenes, von den Ösophagusdivertikeln abzugrenzendes Krankheitsbild stellt die sog. intramurale Pseudodivertikulose des Ösophagus dar. Hier handelt es sich um eine seltene gutartige Erkrankung der Ösophaguswand mit Dilation der submukosalen Drüsen (Herter et al. 1997).

. Abb. 24.10. Typische Lokalisation und Häufigkeitsverteilung der Ösophagusdivertikel

Während die Pulsionsdivertikel (mit der zugrunde liegenden Motilitätsstörung) oft symptomatisch sind (Dysphagie, Regurgitation, Globusgefühl, evtl. Aspiration), sind Traktionsdivertikel meistens asymptomatisch. Daher stellen letztere auch selten eine Operationsindikation dar. Großzügig wird die Operationsindikation hingegen beim Zenker-Divertikel gestellt, da die Erkrankung progredient verläuft. 24.2.2 Zervikales, Hypopharynx- oder Zenker-

Divertikel

Pathogenese

Funktionsstörungen

OOS

UOS

Embryonal

+

Traktion (Lk)

+

Postoperativ

+

. Abb. 24.9. Schematische Darstellung der Pathogenese der Ösophagusdivertikel

Typisches Beispiel eines Pulsionsdivertikels ist das Hypopharynxdivertikel, das sich praktisch immer an der pharyngealen Hinterwand im Bereich der dreieckigen Kilian-Muskellücke oberhalb des horizontalen Faserbündels des M. cricopharyngeus bildet (. Abb. 24.11; Liebermann-Meffert et al. 2000). Diese Divertikel werden auch als Zenker-Divertikel bezeichnet (benannt nach dem deutschen Pathologen Zenker, der gemeinsam mit von Ziemsen 1874 27 Fälle beschrieb). Nur selten kommt es zur Divertikelbildung durch die sog. Laimer-Muskellücke (Jamieson-Divertikel), die aboral der Pars transversa des M. cricopharyngeus lokalisiert ist (Liebermann-Meffert et al. 2000). Verantwortlich für die Ausbildung des hypopharyngealen (zervikalen) oder Zenker-Divertikels ist in der Regel eine Fehlfunktion des oberen Ösophagussphinkters (OÖS; Ekberg 1999; Peters u. Mason 1999). In seltenen Fällen besteht eine unvoll-

254

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

Der Nachweis eines Divertikels erfolgt in aller Regel durch eine Röntgenkontrastuntersuchung des Ösophagus (Cook u. Kahrilas 1999; Ekberg 1999). Schon der erste Breischluck führt meist zur Darstellung. Kleinere Divertikel können gelegentlich im a.p.-Strahlengang übersehen werden. Deshalb hat die Röntgenuntersuchung auch in seitlichen und schrägen Ebenen zu erfolgen. Die Endoskopie ist zum Divertikelnachweis weniger geeignet, hat jedoch ihren Platz zum Nachweis/Ausschluss anderer Pathologien wie Tumoren, Ulzerationen oder Blutungen (Bowdler u. Stell 1987; Cook u. Kahrilas 1999). Vor allem die Darstellung eines zervikalen Divertikels kann mit einem flexiblen Endoskop schwierig sein. Beim zervikalen Divertikel ist der kausale Zusammenhang mit einer Funktionsstörung des oberen Ösophagussphinkters so überzeugend, dass der Nachweis einer zugrunde liegenden Funktionsstörung nicht erzwungen werden muss (Manometrie nicht obligatorisch). . Abb. 24.11a,b. Anatomische Darstellung der Muskellücken am pharyngoösophagealen Übergang (a) und typische Lokalisation des Zenker-Divertikels (b)

ständige oder gar gänzlich ausbleibende schluckreflektorische Erschlaffung (krikopharyngeale Achalasie). In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bestehen Koordinationsstörungen zwischen Sphinkterschluss und Pharynxentleerung. Am häufigsten lässt sich ein vorzeitiger Sphinkterschluss nachweisen. Inwieweit hierfür autochthone Funktionsstörungen des Muskels verantwortlich sind, bzw. sekundäre Faktoren wie chronischer gastroösophagealer Reflux eine Rolle spielen, ist noch unklar (Peters u. Mason 1999). Durch den entstehenden Überdruck im Hypopharynx kommt es zur Ausbuchtung durch die anatomisch präformierte, muskelschwache Pforte der Hypopharynxwand im Killian-Dreieck, oberhalb der Pars horizontalis des M. cricopharyngeus (. Abb. 24.11). Unbehandelt nehmen Zenker-Divertikel im Verlauf von Jahren deutlich an Größe zu. Entsprechend ihrer Größenausdehnung werden sie nach Brombart (1953) in 4 Stadien eingeteilt: 4 Im Stadium I hat das Divertikel im Profil die Form eines etwa 2–3 mm langen Rosendorns. 4 Im Stadium II zeigt das Divertikel die Form einer bis zu 10 mm langen Keule. 4 Das Divertikel des Stadiums III ist bereits länger als 10 mm und nach abwärts gerichtet. Das Divertikel liegt in der krikopharyngealen Impression am pharyngoösophagealem Übergang, komprimiert den Ösophagus aber noch nicht. 4 Im Stadium IV kann das Divertikel beträchtliche Größe erreichen. Es senkt sich zwischen Ösophagus und Wirbelsäule, sodass die Speiseröhre komprimiert und verdrängt wird (. Abb. 24.12). Symptomatik und Diagnostik

24

Dysphagie, Regurgitation unverdauter Nahrung, Globusgefühl und rezidivierende Aspiration sind die wesentlichen Symptome und Befunde des zervikalen Ösophagusdivertikels.

Indikationsstellung zur operativen Therapie Der Nachweis eines zervikalen Divertikels stellt – unabhängig vom momentanen Beschwerdebild und Brombart-Stadium – eine chirurgische Indikation dar, zumal das Operationsrisiko sehr gering ist und es im Verlauf von wenigen Jahren zu einer deutlichen Größenzunahme des Divertikels kommt (Cook u. Kahrilas 199; Ellis u. Crozier 1981). Nur in Ausnahmefällen können bei allgemein inoperablen Patienten konservative Maßnahmen erwogen werden, die allerdings meist erfolglos bleiben. Von klinischer Relevanz ist die Frage, ob vor einer geplanten chirurgischen Behandlung eines Zenker-Divertikels eine gastroösophageale Refluxkrankheit ausgeschlossen werden muss. Eine Reihe von Autoren vertritt die Ansicht, dass der obere Ösophagussphinkter einen Schutz vor Aspiration des gastroösophagealen Refluats in den Bronchialbaum darstellt (Feussner u. Siewert 1992). Unter dieser Vorstellung wäre bei Patienten mit ausgeprägtem gastroösophagealem Reflux die zervikale Myotomie lebensbedrohlich. Ein streng wissenschaftlicher Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese steht bislang jedoch aus. Wir empfehlen bei anamnestischen oder endoskopischen Hinweisen auf eine schwere Refluxkrankheit die Objektivierung durch eine Langzeit-pHMetrie. Nur bei medikamentös nicht kontrollierbarem Reflux wird die Indikation zur simultanen chirurgischen Behandlung des Zenker-Divertikels und der Refluxkrankheit gestellt (Feussner u. Siewert 1992). In der eigenen Erfahrung ist dies bei weniger als 2% der Patienten mit Zenker-Divertikel erforderlich. Operatives Vorgehen Über lange Zeit wurde diskutiert, ob die zervikale Myotomie als obligater Bestandteil der chirurgischen Behandlung des ZenkerDivertikels zu betrachten ist. Aus theoretischer Sicht ist das Rezidiv bei Verzicht auf die Myotomie vorprogrammiert (Shaw et al. 1996). Tatsächlich wird dies auch durch klinische Studien bestätigt, die nach Divertikulektomie ohne Myotomie deutlich höhere Rezidivraten und höhere Raten an frühpostoperativen lokalen Komplikationen (Wundinfekte, Fisteln, Mediastinitis) zeigen, als nach Divertikelabtragung mit Myotomie des oberen Ösophagussphinkters (Ellis u. Crozier 1981; Feussner u. Siewert 1999; Omote et al. 1999).

255 24.2 · Divertikel

24

. Abb. 24.12a,b. Radiographische Darstellung eines Zenker-Divertikels Brombart-Grad IV

In der klinischen Praxis hat sich heute die zervikale Myotomie als integraler Bestandteil der chirurgischen Behandlung des Zenker-Divertikels durchgesetzt (Bonavina et al. 1985; Feussner u. Siewert 1999; Orringer 1980).

Liegt ein kleines Divertikel vor (Brombart-Grad I–II), kann es belassen werden. Der Eingriff wird nach Therapie der zugrunde liegenden Funktionsstörung des oberen Ösophagussphinkters (zervikale Myotomie) beendet. Liegt ein großes Divertikel vor (Brombart-Grad III–IV), kann es nach oral hin fixiert (Divertikulopexie) oder abgetragen werden (Divertikulektomie; Ellis u. Crozier 198, Gutschow et al. 2002). Technisch erfolgt die Freilegung des pharyngoösophagealen Übergangs am besten durch eine Inzision entlang des Vorderrandes des linken M. sternocleidomastoideus. Der Eingriff erfolgt in Allgemeinnarkose mit dem Kopf des Patienten in Reklination

und Rechtsdrehung (Siewert u. Hölscher 1989). Die Durchführung des Eingriffs in lokaler Betäubung ist bei kooperativen Patienten grundsätzlich möglich. Ein besonderer Vorteil ist dabei, dass der Patient während der Operation aufgefordert werden kann zu schlucken. Hierdurch wird die Identifikation der Pars horizontalis des Musculus cricopharyngeus vor allem bei kleinen Divertikeln erheblich erleichtert. Die Präparation erfolgt vor der Gefäßnervenloge unter Durchtrennung des M. omohyoideus bis zur prävertebralen Faszie, wobei der Ösophagus, sofern er durch eine Magensonde geschient werden konnte, gut tastbar ist. Die Darstellung des Divertikels erfolgt vor der prävertebralen Faszie von lateral her, um die Gefahr einer Rekurrensläsion zu minimieren. Nach allseitiger Präparation des Divertikelsackes können nun die unmittelbar unterhalb des Divertikelhalses liegenden, horizontal verlaufenden Fasern des M. cricopharyngeus identifiziert und von kranial über ca. 2–4 cm nach kaudal gespalten werden. Hierdurch erfolgt die extramuköse Myotomie des funktionsgestörten oberen Ösophagussphinkters (. Abb. 24.13).

256

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

. Abb. 24.13a,b. Zervikale Myotomie und Divertikelabtragung: Nach allseitiger Präparation des Divertikelsackes und Divertikelhalses werden die unmittelbar unterhalb liegenden horizontal verlaufenden Fasern des M. cricopharyngeus identifiziert und von kranial her über eine Länge von

ca. 2–4 cm nach kaudal gespalten. Die Abtragung des Divertikels erfolgt am sichersten mit einem Klammernahtgerät (a). Eine Übernähung der Abtragungsstelle ist nicht erforderlich (b). Situs nach zervikaler Myotomie und Divertikelabtragung

Die vollständige Spaltung aller Muskelfasern ist für den weiteren Therapieerfolg entscheidend, da auch bei Belassen von nur kleinsten Muskelsträngen die Obstruktion persistieren kann.

24

Das Absetzen des Divertikels erfolgt am sichersten durch einen linearen Klammernahtapparat (. Abb. 24.13a). Eine Übernähung der Klammernahtreihe ist nicht erforderlich (. Abb. 24.13b). Kleine Divertikel werden belassen und nach oben an der prävertebrale Faszie fixiert (. Abb. 24.14). Nach abschließender Wundkontrolle empfiehlt sich die Einlage einer geeigneten, weichen Drainage. Nur das Platysma wird mit resorbierbaren Einzelknopfnähten locker adaptiert. Im postoperativen Verlauf ist die Wunde sorgfältig zu kontrollieren. Lokale oder systemische Entzündungszeichen sollten immer Anlass geben, die Dichtigkeit der Ösophagusschleimhaut durch Röntgenkontrastdarstellung mit wasserlöslichem Kontrastmittel zu überprüfen. Etwaige Insuffizienzen heilen bei großzügiger Wiedereröffnung der Halswunde innerhalb von 2– 3 Wochen aus. Voraussetzung dafür ist eine gute Drainage des Sekrets nach außen. Ungenügend drainierte Insuffizienzen führen zur Mediastinitis und stellen eine vitale Bedrohung des Patienten dar. Zur Vermeidung von Nahtinsuffizienzen an der Divertikelabtragunsgstelle empfehlen verschiedene Autoren ein grundsätzliches Belassen und Pexieren des Divertikels parallel zum Hypopharynx an der Fascia praevertebralis (Divertikulopexie . Abb. 24.14). Die funktionellen Ergebnisse sind nach Divertikulopexie, sofern eine zervikale Myotomie durchgeführt wurde, der Divertikelabtragung vergleichbar. Als Alternative zum klassischen offenen Vorgehen wird die transorale Spaltung der

. Abb. 24.14. Divertikulopexie: Bei kleinen Divertikeln wird der Divertikelsack parallel zum Hypopharynx nach oben an der Fascia praevertebralis fixiert

257 24.2 · Divertikel

24

. Abb. 24.15a–c. Transorale Schwellenspaltung. a Einstellung der Schwelle zwischen Ösophagusmund und Divertikelöffnung mittels Stützlaryngoskop; b transorales Einführen des linearen Klammernahtgerätes; c Situs nach Auslösen des Klammernahtgeräts: V-förmige Öff-

nung der Schwelle zwischen Ösophagus und Divertikel; die Ränder sind durch Klammern verschlossen (Pfeile). E Ösophagusmund, C Schwelle zwischen Ösophagusmund und Divertikelöffnung, D Divertikel. (Nach Omote et al. 1999)

Schwelle zwischen Divertikelhals und Ösophagusmund mittels Laser oder Diathermie eingesetzt (Mulder u. van den Hazel 1999). Mit der Verfügbarkeit von Linearstaplern hat sich die transorale Schwellenspaltung als elegantes und sicheres Verfahren bewährt und wird zunehmend angewendet (Omote et al. 1999; Peracchia et al. 1998). Da eine vollständige Myotomie des oberen Ösophagussphinkters die entscheidende Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Behandlung des Hypopharynxdivertikels ist, kommen für die Schwellenspaltung allerdings nur Divertikel mit ausreichender Größe (Brombart-Grad III–IV) in Frage. Die Qualität des Staplerverfahrens ist durch Studien belegt: Bei kleinen Divertikeln (3 cm) waren aber beide Verfahren gleichwertig (Gutschow et al. 2002). Eine wesentliche Voraussetzung für die transorale Schwellenspaltung ist aufgrund der Rigidität der Linearstapler derzeit auch eine ausreichende Reklinierbarkeit des Kopfes. Mit der Entwicklung flexibler Klammernahtapparate wird sich diese Einschränkung jedoch wahrscheinlich relativieren (Bremner u. DeMeester 1999; Eubanks u. Pellegrini 1999; Pagliero 1985). Technisch erfolgt beim transoralen Vorgehen zunächst die Einstellung der Schwelle zwischen Ösophagusmund und Divertikelöffnung mittels modifiziertem Stützlaryngoskop in Intubationsnarkose (. Abb. 24.15a). Bei maximal rekliniertem Kopf wird dann das Klammernahtgerät mit der breiten Branche

in den proximalen Ösophagus, mit der schmalen Branche in den Divertikelhals eingeführt (. Abb. 24.15b). Durch das Auslösen des Klammernahtgerätes wird die Schwelle zwischen Ösophagus und Divertikel, und damit der dazwischen verlaufende M. cricopharyngeus, durchtrennt, und gleichzeitig die Durchtrennungslinie seitlich verklammert (. Abb. 24.15c). Es handelt sich also de facto um eine Myotomie. Der Divertikelsack verbleibt. 24.2.3 Epiphrenisches Divertikel Auch die epiphrenischen Divertikel sind klassische Pulsionsdivertikel. Sie entstehen als Folge eines erhöhten intraluminalen Drucks im distalen Ösophagus, auf dem Boden einer Öffnungsstörung des unteren Ösophagussphinkters oder, seltener, einer hypertensiven Funktionsstörung des distalen Ösophagus. Die zugrunde liegende Funktionsstörung ist entweder eine primäre Ösophagusmotilitätsstörung (hypermotile Achalasia, diffuser Ösophagospasmus) oder die Folge eines vorangegangenen chirurgischen Eingriffs im Bereich des ösophagogastralen Übergangs. Eine physiologische Muskellücke besteht im Bereich des distalen Ösophagus zwar nicht, jedoch konnte in anatomischen Untersuchungen eine Verdünnung der Muskulatur im linkslateralen Segment des distalen Ösophagus aufgezeigt werden (Lieber-

258

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

. Abb. 24.16a,b. Radiographische Darstellung eines typischen epiphrenischen Divertikels, das sich nach links lateral entwickelt

. Abb. 24.16a,b. Radiographische Darstellung eines typischen epiphrenischen Divertikels, das sich nach links lateral entwickelt

mann-Meffert et al. 2000). Dementsprechend entwickeln sich epiphrenische Divertikel in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nach links-lateral (. Abb. 24.16). Symptomatik und Diagnostik Patienten mit epiphrenischen Divertikeln berichten über Regurgitation, Dysphagie und/oder retrosternale Schmerzen. Diese Symptome sind häufig Ausdruck der zugrunde liegenden Motilitätsstörung und nicht des Divertikels. Epiphrenische Pulsionsdivertikel können alleine aufgrund ihrer Lokalisation gelegentlich nicht von parabronchialen Divertikeln unterschieden werden. Eine Ösophagusmanometrie ist zum Nachweis oder Ausschluss einer zugrunde liegenden Funktionsstörung obligat (Stein 1997).

24

Indikationsstellung zur operativen Therapie Beim epiphrenischen Divertikel wird die Indikation zum chirurgischen Vorgehen in Abhängigkeit von den röntgenologischen, endoskopischen und manometrischen Befunden sowie der Symptomatik gestellt (Allen 1999). Große Divertikel mit Speiseretention oder Regurgitation, Ulzera und Blutungen stellen eine absolute Indikation zur Divertikelabtragung und Myotomie dar. Kleinere Divertikel können sich nach Ausschaltung der Funktionsstörungen des unteren Ösophagussphinkters

(z. B. durch Myotomie oder pneumatische Dilatation) zurückbilden. Operatives Vorgehen Das Standardvorgehen beim epiphrenischem Divertikel ist die linkstransthorakale Freilegung und Divertikelabtragung (Allen 1999; Siewert u. Hölscher 1989). Der Erfolg der Operation hängt von der gleichzeitigen Mitbehandlung der zugrunde liegenden Funktionsstörung des distalen Ösophagus und unteren Ösophagussphinkters ab. Besteht eine hypertone Funktionsstörung oder Öffnungsstörung des unteren Ösophagussphinkters, ist auch hier die extramuköse Myotomie (wie bei der Achalasie) wesentliche Ergänzung der Divertikelabtragung (Allen 1999). Zur Verhinderung eines postoperativen Refluxes, Abdichtung etwaiger Mukosaläsionen und Verhinderung einer Vernarbung wird die Myotomie mit einem Funduszipfel gedeckt (Thal- oder Dor-Fundoplastik; . Abb. 24.17). Abtragung epiphrenischer Divertikel, distale Mytotomie des Ösophagus und Thal-Fundoplastik können in Zentren mit Erfahrung auch minimal-invasiv, auf laparoskopischem oder thorakoskopischem Wege, erfolgen (Chami et al. 1999; Rosati et al. 1998; Saw et al. 1998).

259 24.2 · Divertikel

24

. Abb. 24.17a,b. Epiphrenische Divertikel. a Präoperative Röntgenkontrastdarstellung, b Röntgenkontrastdarstellung nach laparoskopischer transhiataler Divertikelabtragung, Mytomie sowie Thal-Fundoplastik

24.2.4 Parabronchiales Divertikel Parabronchiale Divertikel sind typischerweise Traktionsdivertikel. Die gesamte Ösophaguswand ist ausgebuchtet, hervorgerufen durch Traktion von durch Entzündung adhärenten Lymphknoten. Zumeist sind parabronchiale Traktionsdivertikel im Zusammenhang mit einer spezifischen Lymphadenitis beschrieben worden, weshalb sie mit dem Rückgang der Tuberkulose ebenfalls seltener geworden sind. Der größere Teil der heute beobachteten parabronchialen Divertikel dürfte als Resultat einer unvollkommenen embryonalen Trennung der Luft- und Speiseröhre zu interpretieren sein, bei der es aufgrund einer persistierenden fibrösen Gewebebrücke zwischen beiden Organen und sekundärer Zugwirkung zur Ausbuchtung der Ösophaguswand kommt (Liebermann-Meffert et al. 2000). Symptomatik, Diagnostik, operativen Therapie Parabronchiale Traktionsdivertikel sind meist asymptomatisch und daher nur in Ausnahmefällen, bei eindeutiger divertikelassoziierter Symptomatik (Odynophagie, Dysphagie, Regurgitation oder chronische Aspiration), eine Operationsindikation. Eine absolute Indikation zur Intervention besteht nur bei Fistelbildung

zu den Atemwegen oder zum Mediastinum. Die Freilegung des Traktionsdivertikels erfolgt durch rechtsseitige Thorakotomie. Das Divertikel wird freipräpariert, ligiert und durch eine einstülpende Naht versorgt. Bei Vorliegen einer ösophagobronchialen Fistel muss diese isoliert versorgt werden, z. B. durch Interposition eines Muskellappens. 24.2.5 Ergebnisse der chirurgischen Therapie

der Ösophagusdivertikel Die langfristigen Ergebnisse der chirurgischen Therapie der Ösophagusdivertikel sind, unabhängig von ihrer Lokalisation und bei adäquater Indikationsstellung und Selektion des Therapieverfahrens, mit einer Erfolgsrate von über 90% überzeugend gut. Die Letalität liegt zwischen 0 und 1,4%. Komplikationen sind selten (Allen 1999; Cook u. Kahrilas 1999; Feussner u. Siewert 1999; Stein et al. 1992). Bei der zervikalen Myotomie und Divertikelabtragung bzw. Divertikulopexie ist in etwa 2% der Fälle mit einer (einseitigen) Rekurrensparese zu rechnen (Barthlen et al. 1990; Bonavina et al. 1985; Feussner u. Siewert 1999). In etwa der Hälfte der Fälle

260

24

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

Submuköse Tumoren des Ösophagus

kommt es zur spontanen Rückbildung. Beim transoralen Vorgehen besteht praktisch kein Risiko einer Rekurrensparese (Omote et al. 1999; Peracchia et al. 1998). Postoperative Fisteln nach Abtragung von Pulsionsdivertikeln und distaler Myotomie werden in der Literatur mit einer Rate zwischen 1,0 und 2,5% angegeben. Unterbleibt die Myotomie, kommt es bei bis zu 15% der Patienten zur Fistelbildung. Die Häufigkeit der Entstehung eines Rezidivs steht ebenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit der Art des durchgeführten Eingriffes. Bei alleiniger Divertikelabtragung muss mit einer Rezidivquote von bis zu 16% gerechnet werden. Bei Ergänzung der Divertikelabtragung durch eine Myotomie des oberen Ösophagussphinkters bzw. durch adäquate Therapie der Funktionsstörung des unteren Ösophagussphinkters kann die Rate der postoperativen Rezidive auf unter 5% gesenkt werden (Allen 1999; Belsey 1966; Cook u. Kahrilas 1999; Feussner u. Siewert 1999; Stein et al. 1992).

24.3

Literatur

24.3.1 Symptomatik und Diagnostik

Barthlen W, Feussner H, Hannig Ch, Hölscher AH, Siewert JR (1990) Surgical therapy of Zenker’s diverticulum: Low risk and high efficiency. Dysphagia 5:13–19 Bonavina L, Khan NA, DeMeester TR (1985) Pharyngoesophageal dysfunction. The role of cricopharyngeal myotomy. Arch Surg 120:541–549 Bremner CG, DeMeester TR (1999) Endoscopic treatment of Zenker’s diverticulum. Gastrointest Endosc 49:126–128 Brombart M (1953) Le diverticule pharyngo-oesophagien de Zenker. Considerations pathogenetiques. J Belg Radiol 76:128 Cook JI, Kahrilas PJ (1999) AGA technical review on management of oropharyngeal dysphagia. Gastroenterology 116:455–478 Ekberg O (1999) Neue chirurgisch-pathologische Aspekte des ZenkerDivertikels. Diagnostische Bildgebung und Funktionsanalyse. Chirurg 70:747–752 Feussner H, Siewert JR (1999) Traditionelle extraluminale Operation des Zenker-Divertikels. Chirurg 70:753–756 Gutschow CA, Hamoir M, Rombaux P, Otte JB, Goncette L, Collard JM (2002) Management of pharyngoesophageal (Zenker’s) diverticulum: which technique? Ann Thorac Surg 74:1677–1682 Herter B, Dittler HJ, Wuttge-Hannig A, Siewert JR (1997) Intramural pseudodiverticulosis of the esophagus: a case series. Endoscopy 29:109–113 Liebermann-Meffert D, Stein HJ, Duranceau A (2006) Anatomy and embryology of the esophagus. In: Orringer MB (ed) Shackelford’s surgery of the alimentary tract, vol I. WB Saunders, Philadelphia (in Druck) Omote K, Feussner H, Stein HJ, Siewert JR (1999) Endoscopic stapling diverticulostomy for Zenker’s diverticulum. Surg Endosc 13:535–538 Peters JH, Mason R (1999) Die pathophysiologische Basis des ZenkerDivertikels. Chirurg 70:741–746 Rosati R, Fumagalli U, Bona S, Bonavina L, Peracchia A (1998) Diverticulectomy, myotomy, and fundoplication through laparoscopy: a new option to treat epiphrenic esophageal diverticula? Ann Surg 227: 174–178 Saw EC, McDonald TP, Kam NT (1998) Video-assisted thoracoscopic resection of an epiphrenic diverticulum with esophagomyotomy and partial fundoplication. Surg Laparosc Endosc 8:145–148 Stein HJ, DeMeester, Hinder RA (1992) Outpatient physiologic testing and surgical management of foregut motility disorders. Cur Probl Surg, 29:415–555 Zenker FA, von Ziemsen H (1874) Krankheiten des Oesophagus. In: von Ziemsen H (Hrsg) Handbuch der Speciellen Pathologie und Therapie; vol 7 (suppl), pp 1–87. Vogel, Leipzig

Das führende Symptom bei Patienten mit submukösen Ösophagustumoren ist die Dysphagie, seltener auch Odynophagie oder eine Refluxsymptomatik. Diagnostische Mittel der Wahl sind die Kontrastmittel-Schluckuntersuchung und die Endoskopie. Die Pharyngoösophagographie zeigt meist den sich mit glatter Oberfläche in das ösophageale Lumen vorwölbenden und damit die Obstruktion verursachenden Tumor (. Abb. 24.18). Auch für die Höhenlokalisation ist diese Untersuchungsmethode am besten geeignet. Die Endoskopie zeigt eine Schleimhautvorwölbung und die – je nach Tumorgröße variable – Lumenobstruktion. Die Schleimhaut selbst ist intakt. Verifizieren lässt sich ein submuköser Ösophagustumor durch den endoskopischen Ultraschall. Verzichtet werden sollte auf die Entnahme einer Biopsie, da hierdurch die Tumorenukleation erschwert werden kann (Bonavina et al. 1995). Nicht obligat, sondern nur bei Verdacht auf Malignität indiziert, ist eine Computertomographie.

) ) Unter submuköse Tumoren (»submucosal tumors; SMTs) des Ösophagus werden verschiedene histologische Entitäten subsumiert, denen das submuköse, intramurale Wachstumsmuster gemeinsam ist. Am häufigsten sind Leiomyome (ca. 70%), aber auch andere mesenchymale Tumoren kommen vor (z. B. Rhabdomyome, Fibrome etc.). Meistens handelt es sich um benigne Tumoren. Bisweilen kommen aber auch GIST-Tumoren vor, die im Ösophagus jedoch wesentlich seltener sind als z. B. im Magen. Eine Operationsindikation besteht, wenn die Tumoren symptomatisch sind (zumeist Dysphagie) oder die Dignität – z. B. bei beobachteter Größenzunahme – unklar ist. Operatives Prinzip ist die Enukleation des Tumors, die auch in minimal-invasiver Technik durchgeführt werden kann (von Rahden et al. 2004).

24.3.2 Operative Therapie Die operative Therapie ist indiziert, wenn der Tumor symptomatisch, oder die Dignität unklar ist. Das chirurgische Prinzip zur Behandlung der SMT ist die Enukleation. Der zumeist von einer bindegewebigen Kapsel umgebene Tumor wird in toto aus seinem Tumorlager »herausgeschält« (enukleiert). Zuvor müssen Serosa und Muskularis längs inzidiert werden, unter sicherer Schonung der Vagusäste. Die Enukleation submuköser Ösophagustumoren lässt sich auch sehr gut in minimal-invasiver Technik durchführen (von Rahden et al. 2004). Verwendet wird sowohl die Thokoskopie (. Abb. 24.19) als auch – bei durch transhiatale Präparation erreichbaren Tumoren – die Laparoskopie. Als hilfreich hat sich die Verwendung einer simultanen Endoskopie erwiesen (sog. »Rendezvousverfahren«; Pross et al. 2004; von Rahden et al. 2004): Die simultane Endoskopie ist hilfreich bei der exakten Lokalisation des Tumors, wobei insbesondere der Diaphanoskopieeffekt des im Ösophagus leuchtenden Endoskops eine wertvolle Hilfe bei der Präparation darstellt. Die Überwachung der Präparation von intraluminal aus hilft ferner die Integrität der Mukosa sicherzustellen.

260

24

Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

Submuköse Tumoren des Ösophagus

kommt es zur spontanen Rückbildung. Beim transoralen Vorgehen besteht praktisch kein Risiko einer Rekurrensparese (Omote et al. 1999; Peracchia et al. 1998). Postoperative Fisteln nach Abtragung von Pulsionsdivertikeln und distaler Myotomie werden in der Literatur mit einer Rate zwischen 1,0 und 2,5% angegeben. Unterbleibt die Myotomie, kommt es bei bis zu 15% der Patienten zur Fistelbildung. Die Häufigkeit der Entstehung eines Rezidivs steht ebenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit der Art des durchgeführten Eingriffes. Bei alleiniger Divertikelabtragung muss mit einer Rezidivquote von bis zu 16% gerechnet werden. Bei Ergänzung der Divertikelabtragung durch eine Myotomie des oberen Ösophagussphinkters bzw. durch adäquate Therapie der Funktionsstörung des unteren Ösophagussphinkters kann die Rate der postoperativen Rezidive auf unter 5% gesenkt werden (Allen 1999; Belsey 1966; Cook u. Kahrilas 1999; Feussner u. Siewert 1999; Stein et al. 1992).

24.3

Literatur

24.3.1 Symptomatik und Diagnostik

Barthlen W, Feussner H, Hannig Ch, Hölscher AH, Siewert JR (1990) Surgical therapy of Zenker’s diverticulum: Low risk and high efficiency. Dysphagia 5:13–19 Bonavina L, Khan NA, DeMeester TR (1985) Pharyngoesophageal dysfunction. The role of cricopharyngeal myotomy. Arch Surg 120:541–549 Bremner CG, DeMeester TR (1999) Endoscopic treatment of Zenker’s diverticulum. Gastrointest Endosc 49:126–128 Brombart M (1953) Le diverticule pharyngo-oesophagien de Zenker. Considerations pathogenetiques. J Belg Radiol 76:128 Cook JI, Kahrilas PJ (1999) AGA technical review on management of oropharyngeal dysphagia. Gastroenterology 116:455–478 Ekberg O (1999) Neue chirurgisch-pathologische Aspekte des ZenkerDivertikels. Diagnostische Bildgebung und Funktionsanalyse. Chirurg 70:747–752 Feussner H, Siewert JR (1999) Traditionelle extraluminale Operation des Zenker-Divertikels. Chirurg 70:753–756 Gutschow CA, Hamoir M, Rombaux P, Otte JB, Goncette L, Collard JM (2002) Management of pharyngoesophageal (Zenker’s) diverticulum: which technique? Ann Thorac Surg 74:1677–1682 Herter B, Dittler HJ, Wuttge-Hannig A, Siewert JR (1997) Intramural pseudodiverticulosis of the esophagus: a case series. Endoscopy 29:109–113 Liebermann-Meffert D, Stein HJ, Duranceau A (2006) Anatomy and embryology of the esophagus. In: Orringer MB (ed) Shackelford’s surgery of the alimentary tract, vol I. WB Saunders, Philadelphia (in Druck) Omote K, Feussner H, Stein HJ, Siewert JR (1999) Endoscopic stapling diverticulostomy for Zenker’s diverticulum. Surg Endosc 13:535–538 Peters JH, Mason R (1999) Die pathophysiologische Basis des ZenkerDivertikels. Chirurg 70:741–746 Rosati R, Fumagalli U, Bona S, Bonavina L, Peracchia A (1998) Diverticulectomy, myotomy, and fundoplication through laparoscopy: a new option to treat epiphrenic esophageal diverticula? Ann Surg 227: 174–178 Saw EC, McDonald TP, Kam NT (1998) Video-assisted thoracoscopic resection of an epiphrenic diverticulum with esophagomyotomy and partial fundoplication. Surg Laparosc Endosc 8:145–148 Stein HJ, DeMeester, Hinder RA (1992) Outpatient physiologic testing and surgical management of foregut motility disorders. Cur Probl Surg, 29:415–555 Zenker FA, von Ziemsen H (1874) Krankheiten des Oesophagus. In: von Ziemsen H (Hrsg) Handbuch der Speciellen Pathologie und Therapie; vol 7 (suppl), pp 1–87. Vogel, Leipzig

Das führende Symptom bei Patienten mit submukösen Ösophagustumoren ist die Dysphagie, seltener auch Odynophagie oder eine Refluxsymptomatik. Diagnostische Mittel der Wahl sind die Kontrastmittel-Schluckuntersuchung und die Endoskopie. Die Pharyngoösophagographie zeigt meist den sich mit glatter Oberfläche in das ösophageale Lumen vorwölbenden und damit die Obstruktion verursachenden Tumor (. Abb. 24.18). Auch für die Höhenlokalisation ist diese Untersuchungsmethode am besten geeignet. Die Endoskopie zeigt eine Schleimhautvorwölbung und die – je nach Tumorgröße variable – Lumenobstruktion. Die Schleimhaut selbst ist intakt. Verifizieren lässt sich ein submuköser Ösophagustumor durch den endoskopischen Ultraschall. Verzichtet werden sollte auf die Entnahme einer Biopsie, da hierdurch die Tumorenukleation erschwert werden kann (Bonavina et al. 1995). Nicht obligat, sondern nur bei Verdacht auf Malignität indiziert, ist eine Computertomographie.

) ) Unter submuköse Tumoren (»submucosal tumors; SMTs) des Ösophagus werden verschiedene histologische Entitäten subsumiert, denen das submuköse, intramurale Wachstumsmuster gemeinsam ist. Am häufigsten sind Leiomyome (ca. 70%), aber auch andere mesenchymale Tumoren kommen vor (z. B. Rhabdomyome, Fibrome etc.). Meistens handelt es sich um benigne Tumoren. Bisweilen kommen aber auch GIST-Tumoren vor, die im Ösophagus jedoch wesentlich seltener sind als z. B. im Magen. Eine Operationsindikation besteht, wenn die Tumoren symptomatisch sind (zumeist Dysphagie) oder die Dignität – z. B. bei beobachteter Größenzunahme – unklar ist. Operatives Prinzip ist die Enukleation des Tumors, die auch in minimal-invasiver Technik durchgeführt werden kann (von Rahden et al. 2004).

24.3.2 Operative Therapie Die operative Therapie ist indiziert, wenn der Tumor symptomatisch, oder die Dignität unklar ist. Das chirurgische Prinzip zur Behandlung der SMT ist die Enukleation. Der zumeist von einer bindegewebigen Kapsel umgebene Tumor wird in toto aus seinem Tumorlager »herausgeschält« (enukleiert). Zuvor müssen Serosa und Muskularis längs inzidiert werden, unter sicherer Schonung der Vagusäste. Die Enukleation submuköser Ösophagustumoren lässt sich auch sehr gut in minimal-invasiver Technik durchführen (von Rahden et al. 2004). Verwendet wird sowohl die Thokoskopie (. Abb. 24.19) als auch – bei durch transhiatale Präparation erreichbaren Tumoren – die Laparoskopie. Als hilfreich hat sich die Verwendung einer simultanen Endoskopie erwiesen (sog. »Rendezvousverfahren«; Pross et al. 2004; von Rahden et al. 2004): Die simultane Endoskopie ist hilfreich bei der exakten Lokalisation des Tumors, wobei insbesondere der Diaphanoskopieeffekt des im Ösophagus leuchtenden Endoskops eine wertvolle Hilfe bei der Präparation darstellt. Die Überwachung der Präparation von intraluminal aus hilft ferner die Integrität der Mukosa sicherzustellen.

261 24.4 · Heterotope Magenmukosa im Ösophagus

24

Literatur Bonavina L, Segalin A, Rosati R, Pavanello M, Peracchia A (1995) Surgical therapy of esophageal leiomyoma. J Am Coll Surg 181:257–262 Pross M, von Rahden BHA, Schubert D, Feussner H (2004) Rendezvousverfahren im Bereich des Ösophagus. Chir Gastroenterol 20:100–104 von Rahden BHA, Stein HJ, Feussner H, Siewert JR (2004) Enucleation of submucosal tumors of the esophagus: minimally invasive versus open approach. Surg Endosc 18:924–930

24.4

Heterotope Magenmukosa im Ösophagus

) ) Heterotope (oder auch ektope) Magenschleimhaut (»heterotopic gastric mucosa«, HGM) kommt in verschiedensten Lokalisationen des Gastrointestinaltraktes vor: Diese als Relikt der Embyronalentwicklung angesehenen Schleimhautinseln sind u. a. am Zungengrund, im Duodenum, im Jejunum, in der Gallenblase, im Rektum und in Meckel-Divertikeln beschrieben. Im Ösophagus findet sich heterotope Magenmukosa bisweilen unmittelber unterhalb des oberen Ösophagussphinkters. Handelt es sich um eine makroskopisch sichtbare Magenschleimhautinsel, so spricht man auch vom sog. »Inlet-Patch« oder »gastric inlet patch«. Heterotope Magenmukosa kann für Symptome verantwortlich sein und zu Komplikationen führen (von Rahden et al. 2004).

24.4.1 Epidemiologie und Diagnostik

. Abb. 24.18. Die Pharyngoösophagographie (Schluckuntersuchung mit Konstrastmittel) zeigt ein glattberandete Kontrastmittelaussparung, verursacht durch ein das Ösophaguslumen obstruhierendes Leiomyom

Die Häufigkeit heterotoper Magenmukosa im Ösophagus wird unterschätzt. Dies liegt zumindest zum Teil an der Schwierigkeit, den Prädilektionsort (die Region unmittelbar unterhalb des oberen Ösophagussphinkters) zu untersuchen: Diese Region liegt knapp unterhalb des vom HNO-Arzt mit dem starren Endoskop einsehbaren Bereich und ist auch bei der flexiblen Endoskopie

. Abb. 24.19. Typischer thorakoskopischer Aspekt eines Leiomyoms, das sich, in der Wand der Speiseröhre gelegen, auch in die Pleurahöhle vorwölbt. Zu sehen ist der nach anterior retrahierte Lungenlappen, der Nervus phrenicus und die Vena azygos mit den einmündenden Interkostalvenen

. Abb. 24.20. Endoskopische Darstellung einer großen makroskopisch sichtbaren Insel heterotoper Magenschleimhaut, unmittelbar unter dem oberen Ösophagussphinkter (Inlet-Patch)

261 24.4 · Heterotope Magenmukosa im Ösophagus

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Literatur Bonavina L, Segalin A, Rosati R, Pavanello M, Peracchia A (1995) Surgical therapy of esophageal leiomyoma. J Am Coll Surg 181:257–262 Pross M, von Rahden BHA, Schubert D, Feussner H (2004) Rendezvousverfahren im Bereich des Ösophagus. Chir Gastroenterol 20:100–104 von Rahden BHA, Stein HJ, Feussner H, Siewert JR (2004) Enucleation of submucosal tumors of the esophagus: minimally invasive versus open approach. Surg Endosc 18:924–930

24.4

Heterotope Magenmukosa im Ösophagus

) ) Heterotope (oder auch ektope) Magenschleimhaut (»heterotopic gastric mucosa«, HGM) kommt in verschiedensten Lokalisationen des Gastrointestinaltraktes vor: Diese als Relikt der Embyronalentwicklung angesehenen Schleimhautinseln sind u. a. am Zungengrund, im Duodenum, im Jejunum, in der Gallenblase, im Rektum und in Meckel-Divertikeln beschrieben. Im Ösophagus findet sich heterotope Magenmukosa bisweilen unmittelber unterhalb des oberen Ösophagussphinkters. Handelt es sich um eine makroskopisch sichtbare Magenschleimhautinsel, so spricht man auch vom sog. »Inlet-Patch« oder »gastric inlet patch«. Heterotope Magenmukosa kann für Symptome verantwortlich sein und zu Komplikationen führen (von Rahden et al. 2004).

24.4.1 Epidemiologie und Diagnostik

. Abb. 24.18. Die Pharyngoösophagographie (Schluckuntersuchung mit Konstrastmittel) zeigt ein glattberandete Kontrastmittelaussparung, verursacht durch ein das Ösophaguslumen obstruhierendes Leiomyom

Die Häufigkeit heterotoper Magenmukosa im Ösophagus wird unterschätzt. Dies liegt zumindest zum Teil an der Schwierigkeit, den Prädilektionsort (die Region unmittelbar unterhalb des oberen Ösophagussphinkters) zu untersuchen: Diese Region liegt knapp unterhalb des vom HNO-Arzt mit dem starren Endoskop einsehbaren Bereich und ist auch bei der flexiblen Endoskopie

. Abb. 24.19. Typischer thorakoskopischer Aspekt eines Leiomyoms, das sich, in der Wand der Speiseröhre gelegen, auch in die Pleurahöhle vorwölbt. Zu sehen ist der nach anterior retrahierte Lungenlappen, der Nervus phrenicus und die Vena azygos mit den einmündenden Interkostalvenen

. Abb. 24.20. Endoskopische Darstellung einer großen makroskopisch sichtbaren Insel heterotoper Magenschleimhaut, unmittelbar unter dem oberen Ösophagussphinkter (Inlet-Patch)

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Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

nur beim vorsichtigen, schrittweisen Rückzug inspizierbar. Dennoch sollte jede endoskopische Untersuchung des oberen Gastrointestinaltraktes die Inspektion auf einen makroskopisch sichtbaren Inlet-Patch einschließen (. Abb. 24.20). Die Häufigkeit der ösophagealen heterotopen Magenmukosa wird in historischen Serien auf 0,67% (Taylor 1927) bis zu 70% (wenn mikroskopische Areale einbezogen wurden; Schridde 1904) beziffert. In der größten Autopsieserie (Rector u. Connerly 1941) betrug die Häufigkeit 4,5%. 24.4.2 Pathophysiologie, Symptomatik

und Klassifikation Die Mehrzahl der Träger heterotoper Magenmukosa ist asymptomatisch. Allerdings kann ein Inlet-Patch auch für Symptome verantwortlich sein. Als ursächlich wird hier eine Säuresekretion durch die heterotope Magenschleimhaut angesehen (Galan et al. 1998). Auch eine maligne Entartung hetertoper Magenmukosa ist beschrieben (von Rahden et al. 2005). 24.4.3 Operative Therapie Die Mehrzahl der HGM-Träger ist asymptomatisch und bedarf – in Anbetracht des geringen Entartungsrisikos – keiner Therapie. Die Frage, ob und wann eine Biopsie indiziert ist, kann derzeit nicht sicher beantwortet werden. Empfehlenswert ist jedoch die Abklärung makromorphologisch sichtbarer Befunde zur Unterscheidung benigner oder maligner Inlet-Patch-Komplikationen. Ebensowenig wie diagnostische Standards verfügbar sind, gibt es Standards für die Therapie. Im Falle der malignen Progression sollte nach den Prinzipien der Behandlung anderer maligner Läsionen der zervikalen Speiseröhre vorgegangen werden (von Rahden et al. 2005). Für benigne Inlet-Patch-Komplikationen (wie z. B. symptomatische Säuresekretion, Stenosen) kommen medikamentöse und endoskopisch-endoluminale Therapieverfahren in Betracht.

Literatur Galan AR, Katzka DA, Castell DO (1998) Acid secretion from an esophageal inlet patch demonstrated by ambulatory pH monitoring. Gastroenterology 115:1574–1576 von Rahden BHA, Stein HJ, Becker K, Liebermann-Meffert D, Siewert JR (2004) Heterotopic gastric mucosa of the esophagus. Literaturereview and proposal of a clinicopathologic classification. Am J Gastroenterol 99:543–551 von Rahden BHA, Stein HJ, Becker K, Siewert JR (2005) Complete response of a rare cervical esophageal adenocarcinoma in heterotopic gastric mucosa to neoadjuvant radiochemotherapy. Dig Surg 22:107–112

24

24.5

Ringe, Webs, Infektionen, Ulzera

) ) Man unterscheidet im distalen Ösophagus muskuläre Ringe und Mukosaringe (sog. Schatzki-Ring). Webs sind irreguläre, asymmetrische, membranartige Einengungen des Hypopharynx oder Ösophagus. Infektionen des Ösophagus kommen überwiegend bei immunsupprimierten Patienten und Patienten mit malignen Tumoren vor. Die häufigsten Erreger sind Kandida, Zytomegalievirus und Herpes-simplex-Virus. Arzneimittelulzera in der Speiseröhre entstehen durch Auflösung von Tabletten oder Kapseln im Ösophagus, bei zugrunde liegender Motilitätsstörung, Stenose oder falscher Einnahme.

24.5.1 Ösophagusringe »Muskuläre Ringe« oder »kontraktile Ringe« der Speiseröhre sind durch eine lokale Verdickung der Muscularis propria verursacht. Es handelt sich um in ihrer Weite rasch wechselnde und relativ breitbasige Einengungen des Ösophaguslumens im Bereich des unteren Ösophagussphinkters (Hirano et al. 2000). In der radiologischen Literatur werden sie auch als »A-Ringe« bezeichnet. Die klinische Relevanz dieser Ringe ist fraglich. Entsprechend der Definition des Erstbeschreibers (Schatzki u. Gray 1953, 1956) handelt es sich beim Schatzki-Ring um eine membranartige ringförmige Einengung des Ösophaguslumens am Oberrand einer Hiatushernie. Der Ring trägt Plattenepithel an der Ober- und Zylinderepithel an der Unterseite. In der radiologischen Nomenklatur wird hierfür synonym auch der Begriff »B-Ring« verwendet. Eine ringförmige Einengung des Ösophaguslumens ohne Nachweis einer Hiatushernie sollte gemäß dieser Definition nicht als Schatzki-Ring bezeichnet werden. Abzugrenzen sind die Ösophagusringe von den eigentlichen Ösophagusstenosen oder Strikturen. Ätiologie und Pathogenese Ätiologie und Pathogenese der muskulären Ringe sind nicht bekannt. Häufig kann bei sorgfältiger manometrischer Untersuchung jedoch eine Motilitätsstörung im Bereich des Ringes aufgezeigt werden (Hirano et al. 2000). Ob diese Ursache oder Folge des Ringes darstellt, ist unklar. Schatzki-Ringe werden überwiegend im mittleren und höheren Lebensalter diagnostiziert und stellen deshalb wahrscheinlich keine angeborene Missbildung, sondern eine erworbene Veränderung dar. Ein kausaler Zusammenhang mit der Refluxkrankheit oder medikamenteninduzierten Schleimhautläsionen wurde zwar wiederholt postuliert, ist jedoch nicht bewiesen (DeVault 1996; Jamieson et al. 1989; Ott et al. 1996). Pathologischanatomisch ist das Epithel intakt und entzündliche Infiltrate fehlen. In der Submukosa findet sich eine Vermehrung von Kollagen, das als morphologisches Substrat des Rings angesehen wird. Klinisches Bild und Diagnostik Muskuläre Ringe werden meist als radiologischer Zufallsbefund diagnostiziert und sind nur selten symptomatisch. Ein SchatzkiRing von weniger als 13 mm Durchmesser kann Dysphagie verursachen. Typisch sind intermittierende Beschwerden mit beschwerdefreien Intervallen. Gelegentlich kommt es zur Bolus-

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Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

nur beim vorsichtigen, schrittweisen Rückzug inspizierbar. Dennoch sollte jede endoskopische Untersuchung des oberen Gastrointestinaltraktes die Inspektion auf einen makroskopisch sichtbaren Inlet-Patch einschließen (. Abb. 24.20). Die Häufigkeit der ösophagealen heterotopen Magenmukosa wird in historischen Serien auf 0,67% (Taylor 1927) bis zu 70% (wenn mikroskopische Areale einbezogen wurden; Schridde 1904) beziffert. In der größten Autopsieserie (Rector u. Connerly 1941) betrug die Häufigkeit 4,5%. 24.4.2 Pathophysiologie, Symptomatik

und Klassifikation Die Mehrzahl der Träger heterotoper Magenmukosa ist asymptomatisch. Allerdings kann ein Inlet-Patch auch für Symptome verantwortlich sein. Als ursächlich wird hier eine Säuresekretion durch die heterotope Magenschleimhaut angesehen (Galan et al. 1998). Auch eine maligne Entartung hetertoper Magenmukosa ist beschrieben (von Rahden et al. 2005). 24.4.3 Operative Therapie Die Mehrzahl der HGM-Träger ist asymptomatisch und bedarf – in Anbetracht des geringen Entartungsrisikos – keiner Therapie. Die Frage, ob und wann eine Biopsie indiziert ist, kann derzeit nicht sicher beantwortet werden. Empfehlenswert ist jedoch die Abklärung makromorphologisch sichtbarer Befunde zur Unterscheidung benigner oder maligner Inlet-Patch-Komplikationen. Ebensowenig wie diagnostische Standards verfügbar sind, gibt es Standards für die Therapie. Im Falle der malignen Progression sollte nach den Prinzipien der Behandlung anderer maligner Läsionen der zervikalen Speiseröhre vorgegangen werden (von Rahden et al. 2005). Für benigne Inlet-Patch-Komplikationen (wie z. B. symptomatische Säuresekretion, Stenosen) kommen medikamentöse und endoskopisch-endoluminale Therapieverfahren in Betracht.

Literatur Galan AR, Katzka DA, Castell DO (1998) Acid secretion from an esophageal inlet patch demonstrated by ambulatory pH monitoring. Gastroenterology 115:1574–1576 von Rahden BHA, Stein HJ, Becker K, Liebermann-Meffert D, Siewert JR (2004) Heterotopic gastric mucosa of the esophagus. Literaturereview and proposal of a clinicopathologic classification. Am J Gastroenterol 99:543–551 von Rahden BHA, Stein HJ, Becker K, Siewert JR (2005) Complete response of a rare cervical esophageal adenocarcinoma in heterotopic gastric mucosa to neoadjuvant radiochemotherapy. Dig Surg 22:107–112

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Ringe, Webs, Infektionen, Ulzera

) ) Man unterscheidet im distalen Ösophagus muskuläre Ringe und Mukosaringe (sog. Schatzki-Ring). Webs sind irreguläre, asymmetrische, membranartige Einengungen des Hypopharynx oder Ösophagus. Infektionen des Ösophagus kommen überwiegend bei immunsupprimierten Patienten und Patienten mit malignen Tumoren vor. Die häufigsten Erreger sind Kandida, Zytomegalievirus und Herpes-simplex-Virus. Arzneimittelulzera in der Speiseröhre entstehen durch Auflösung von Tabletten oder Kapseln im Ösophagus, bei zugrunde liegender Motilitätsstörung, Stenose oder falscher Einnahme.

24.5.1 Ösophagusringe »Muskuläre Ringe« oder »kontraktile Ringe« der Speiseröhre sind durch eine lokale Verdickung der Muscularis propria verursacht. Es handelt sich um in ihrer Weite rasch wechselnde und relativ breitbasige Einengungen des Ösophaguslumens im Bereich des unteren Ösophagussphinkters (Hirano et al. 2000). In der radiologischen Literatur werden sie auch als »A-Ringe« bezeichnet. Die klinische Relevanz dieser Ringe ist fraglich. Entsprechend der Definition des Erstbeschreibers (Schatzki u. Gray 1953, 1956) handelt es sich beim Schatzki-Ring um eine membranartige ringförmige Einengung des Ösophaguslumens am Oberrand einer Hiatushernie. Der Ring trägt Plattenepithel an der Ober- und Zylinderepithel an der Unterseite. In der radiologischen Nomenklatur wird hierfür synonym auch der Begriff »B-Ring« verwendet. Eine ringförmige Einengung des Ösophaguslumens ohne Nachweis einer Hiatushernie sollte gemäß dieser Definition nicht als Schatzki-Ring bezeichnet werden. Abzugrenzen sind die Ösophagusringe von den eigentlichen Ösophagusstenosen oder Strikturen. Ätiologie und Pathogenese Ätiologie und Pathogenese der muskulären Ringe sind nicht bekannt. Häufig kann bei sorgfältiger manometrischer Untersuchung jedoch eine Motilitätsstörung im Bereich des Ringes aufgezeigt werden (Hirano et al. 2000). Ob diese Ursache oder Folge des Ringes darstellt, ist unklar. Schatzki-Ringe werden überwiegend im mittleren und höheren Lebensalter diagnostiziert und stellen deshalb wahrscheinlich keine angeborene Missbildung, sondern eine erworbene Veränderung dar. Ein kausaler Zusammenhang mit der Refluxkrankheit oder medikamenteninduzierten Schleimhautläsionen wurde zwar wiederholt postuliert, ist jedoch nicht bewiesen (DeVault 1996; Jamieson et al. 1989; Ott et al. 1996). Pathologischanatomisch ist das Epithel intakt und entzündliche Infiltrate fehlen. In der Submukosa findet sich eine Vermehrung von Kollagen, das als morphologisches Substrat des Rings angesehen wird. Klinisches Bild und Diagnostik Muskuläre Ringe werden meist als radiologischer Zufallsbefund diagnostiziert und sind nur selten symptomatisch. Ein SchatzkiRing von weniger als 13 mm Durchmesser kann Dysphagie verursachen. Typisch sind intermittierende Beschwerden mit beschwerdefreien Intervallen. Gelegentlich kommt es zur Bolus-

263 24.5 · Ringe, Webs, Infektionen, Ulzera

impaktation. Die Röntgenkontrastdarstellung zeigt typischerweise eine membran- oder ringartige Einschnürung am Oberrand einer axialen Hiatushernie. Angedeutete ringartige Strukturen lassen sich in der Mehrzahl der Patienten mit axialen Hiatushernien nachweisen. Voraussetzung für die Diagnose ist eine Distension des unteren Ösophagusdrittels bei der Untersuchung und Provokation mit einem soliden Bolus (Smith et al. 1998). Endoskopisch findet sich beim Schatzki-Ring eine Membran mit intakter Schleimhaut. Therapie Eine spezifische Therapie ist nur bei symptomatischen Patienten erforderlich. Die Dilatation stellt die Therapie der Wahl beim symtomatischen muskulären Ring dar. Dünne Schatzki-Ringe können leicht durch Vorschieben des Endoskops zerrissen werden. Bei festeren Ringen werden bei 0°, 90°, 180° und 270° endoskopisch größere Biopsien entnommen. Alternativ kann auch eine pneumatische Dilatation oder Bougierung erfolgen. In einer randomiserten Studie zeigte sich kein Unterschied zwischen Bougierungsbehandlung und endoskopischer Quadrantenbiopsie (Chotiprasidhi u. Minocha 2000). Unabhängig vom Therapieverfahren sollte bei Patienten mit assozierter Refluxkrankheit eine Rezidivprophylaxe mit medikamentöser Säuresuppression oder, alternativ, laparoskopischer Fundoplikation erfolgen. Bei Bolusimpaktationen ist die Mobilisation des Bolus mit dem Endoskop, der endoskopischen Biopsie- oder Fremdkörperzange möglich. Auch die Auflösung eines impaktierten Fleischbolus mit Papain-Lösung oder eines anderen Fleischweichmachers kann versucht werden. 24.5.2 Ösophageale Webs Die irregulären Einengungen von Hypopharynx oder Ösophagus werden auch als »Spinnengeflecht« bezeichnet. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer sideropenischen Anämie werden synonym die Begriffe Plummer-Vinson-Syndrom, Patterson-Kelly-Syndrom oder sideropenische Dysphagie verwendet. Das typische Web sitzt an der Ösophagusvorderwand direkt unterhalb der postkrikoidalen Impression, d. h. am Unterrand des oberen Ösophagussphinkters. Eine zweite häufige Lokalisation ist der Hypopharynx. Sehr selten werden Webs im mittleren und unteren Ösophagusdrittel beschrieben. Ätiologie und Pathogenese Ätiologie und Pathogenese der Webs sind nicht bekannt. In den Vereinigten Staaten, England und Skandinavien werden Webs v. a. bei Frauen des mittleren Lebensalters mit chronischer Eisenmangelanämie beschrieben. In Zentraleuropa findet sich bei den meisten Patienten mit Web keine Anämie. Zudem hängt die Häufigkeit der Diagnosenstellung, wie bei den Ösophagusringen, von der Untersuchungstechnik und der Aufmerksamkeit des Radiologen ab. Bei entsprechender Technik finden sich webartige Strukturen bei mehr als 5% der asymptomatischen Bevölkerung. Pathologisch-anatomisch ist das Web von intaktem Epithel überzogen. Eine maligne Entartung von Webs ist beschrieben, scheint allerdings eine extreme Seltenheit zu sein. Klinisches Bild und Diagnostik Beim postkrikoidalen Web kann es intermittierend zu Dysphagie, v. a. für feste Speisen, kommen. Der Patient beschreibt beim

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Schlucken eine Regurgitation von Nahrung in den Hypopharynx oder das Steckenbleiben des Speisebolus. Die Diagnose basiert in der Regel auf der Röntgenkontrastdarstellung. Am besten gelingt die Diagnose mittels dynamischer Aufzeichnung des Schluckaktes im seitlichen Strahlengang. In der flexiblen Endoskopie wird das krikopharyngeale Web oft übersehen oder beim blinden Einführen des Endoskops in den proximalen Ösophagus bereits zerstört. Therapie Eine spezifische Therapie ist nur bei symptomatischen Patienten erforderlich. Die endoskopische Zerreißung des Web ist einfach und gefahrlos möglich und stellt damit die Therapie der Wahl dar. Die Behandlung einer gleichzeitig vorhandenen Anämie hat keinen Einfluss. Umstritten ist, ob nach der Behandlung eine radiologische und/oder endoskopische Kontrolle zur Früherfassung eines Rezidivs oder Karzinoms zu erfolgen hat. 24.5.3 Infektionen der Speiseröhre Soorösophagitis Eine Schädigung der Speiseröhrenschleimhaut durch Candida albicans wird als Soorösophagitis bezeichnet und wie folgt klassifiziert: 4 Grad I: wenige weiße Plaques bis zu 2 mm Größe mit Hyperämie, aber ohne Ödeme und Ulzerationen 4 Grad II: multiple weiße, mehr als 2 mm messende Plaques mit Hyperämie und Ödem, aber ohne Ulzerationen 4 Grad III: konfluierende Plaques mit Hyperämie, Ödem und Ulzerationen Die Soorösophagitis ist eine opportunistische Infektion. Eine gestörte, zellulär vermittelte Immunität scheint zur Kolonisation des Ösophagus mit Kandida zu prädisponieren, während eine Granulozytopenie für eine disseminierte Kandidiasis verantwortlich zu sein scheint. Odynophagie und Dysphagie sind die wesentlichen Symptome der Soorösophagitis. Entscheidend für die Diagnose sind Bürstenabstrich und Kandida-Agglutinationstiter. Biopsien sind häufig falsch-negativ, Kulturen des abgesaugten Speiseröhrensekrets falsch-positiv. Schwierig ist die endoskopische Unterscheidung von mit Soor durchwachsenen Speiseresten bei Patienten mit Motilitätsstörungen (z. B. Achalasie) und den Frühformen der Soorösophagitis, speziell dem Stadium I. Die Therapie der unkomplizierten Soorösophagitis erfolgt durch orale Gabe von Nystatin. In therapieresistenten Fällen und bei Patienten mit hohem Risiko für eine disseminierte Kandidiasis können auch andere Antimykotika (Ketoconazol oder Amphotericin B) indiziert sein (Walsh et al. 1988). Virale Infektionen der Speiseröhre Virale Infektionen der Speiseröhre werden durch Zytomegalieund Herpes-simplex-Viren verursacht. Prädisponiert hierfür sind vor allem AIDS-Patienten. Retrosternale Schmerzen und Odynophagie sind die wesentlichen Symptome. Spezifisch für HIV-infizierte Patienten sind idiopathische Ulzera im Ösophagus und Infektionen durch Pilze, Bakterien oder Parasiten (Laine u. Bonacini 1994). Bei diesen Patienten sind auch Infektionen mit mehreren pathogenen Keimen nicht selten (Baer u. McDonald 1994).

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Kapitel 24 · Gutartige Erkrankungen von Ösophagus und Kardia

Endoskopische Biopsie und Bürstenabstrich gelten als Goldstandard für die Diagnosestellung (Laine u. Bonacini 1994). Nach Sicherung der Diagnose erfolgt die Therapie mit entsprechender antiviraler Medikation (Bonacini u. Laine 1998).

24.6.1 Epidemiologie und natürlicher Verlauf

In der westlichen Welt ist die gastroösophageale Refluxkrankheit die häufigste gutartige Erkrankung des oberen Gastrointestinaltraktes. Die Inzidenz ist steigend.

24.5.4 Arzneimittelulzera Arzneimittelinduzierte Ulzera der Speiseröhre wurden für mehr als 100 Substanzklassen beschrieben. Von der Häufigkeit stehen vor allem orale Tetrazyklinpräparate, Clindamycin, Anticholinergika, Kaliumchlorid, Azetylsalizylsäure (Aspirin), Eisenpräparate, Steroide und nichtsteroidale Antiphlogistika im Vordergrund. Ursache für die Entstehung von Arzneimittelulzera in der Speiseröhre ist eine Auflösung von Tabletten oder Kapseln im Ösophagus bei zugrunde liegender Motilitätsstörung, Stenose oder falscher Einnahme (wie z. B. Tabletteneinnahme im Liegen, Tabletteneinnahme ohne reichlich Flüssigkeit). Heftige retrosternale Schmerzen und Dysphagie sind die wesentlichen Symptome. Eine Restitutio ad integrum ist zwar auch bei zirkulären Epitheldefekten möglich, häufig kommt es jedoch zur Ausbildung von Stenosen (Jaspersen 2000; Kikendall 1999).

Literatur Baehr PH, McDonald GB (1994) Esophageal infections: risk factors, presentation, diagnosis, and treatment. Gastroenterology 106:509– 532 Bonacini M, Laine LA (1998) Esophageal disease in patients with AIDS: diagnosis and treatment. Gastrointest Endosc Clin N Am 8:811– 823 Chotiprasidhi P, Minocha A (2000) Effectiveness of single dilation with Maloney dilator versus endoscopic rupture of Schatzki’s ring using biopsy forceps. Dig Dis Sci 45:281–284 DeVault KR (1996) Lower esophageal (Schatzki’s) ring: pathogenesis, diagnosis and therapy. Dig Dis 14:323–329 Hirano I, Gilliam J, Goyal RK (2000) Clinical and manometric features of the lower esophageal muscular ring. Am J Gastroenterol 95:43–49 Jaspersen D (2000) Drug-induced esophageal disorders: pathogenesis, incidence, prevention and management. Drug Saf 22:237–249 Schatzki R, Gray JE (1956) The lower esophageal ring. Am J Roentgenol 75:246–250 Walsh TJ, Hamilton SR, Belitsos N (1988) Esophageal candidiasis. Managing an increasingly prevalent infection. Postgrad Med 84:193–196

24.6

Refluxkrankheit und BarrettÖsophagus

In Deutschland leiden etwa 10–15% der Bevölkerung unter Refluxbeschwerden. Bei der überwiegenden Mehrzahl der betroffenen Patienten ist das Ausmaß der Erkrankung jedoch gering und führt nicht zum Arztbesuch. Bis zu 40% der Patienten, bei denen aufgrund von Refluxbeschwerden eine Endoskopie durchgeführt wird, haben jedoch eine erosive Ösophagitis. Langzeitstudien zum Spontanverlauf der Refluxkrankheit zeigen, dass bei etwa der Hälfte der Patienten die Refluxösophagitis ein einmaliges Ereignis im Leben ist. Bei der anderen Hälfte der Patienten verläuft die Refluxkrankheit rezidivierend und führt bei ca. 20% zu progredienten peptischen Schleimhautschäden im tubulären Ösophagus. Der Schweregrad der Ösophagitis zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sowie eine eingeschränkte Barrierefunktion des unteren Ösophagussphinkters und eine Beimischung von Duodenalinhalt im gastroösophagealen Regurgitat stellen die wesentlichen Prädiktoren für einen rezidivierenden oder progredienten Verlauf der Refluxkrankheit dar (Stein et al. 1998). Wenn sich im natürlichen Verlauf der Erkrankung Schleimhauterosionen zu Ulzera vertiefen, erfolgt in der Regel eine narbige Ausheilung. Bindegewebsnarben führen zur Wandstarre und Einengung des Lumens, d. h. zur peptischen Stenose. Seit Einführung der Protonenpumpenhemmer sind peptische Ösophagusstenosen eine Seltenheit geworden. Bei etwa 10% der Patienten mit erosiver Refluxösophagitis kommt es bei der Abheilung der Epitheldefekte zum Ersatz oder Umwandlung des zugrunde gegangenen Plattenepithels zu Zylinderepithel (Zylinderepithelmetaplasie). Die Zylinderepithelmetaplasie im distalen Ösophagus ist damit keine eigentliche Komplikation der Refluxkrankheit, sondern eine typische Form der Ausheilung von Epitheldefekten im Plattenepithel der Speiseröhre. Bedecken die Läsionen die gesamte Zirkumferenz des distalen Ösophagus über eine Länge von mindestens 3 cm, spricht man von einem Endobrachyösophagus (. Abb. 24.21a). Erstbeschreiber ist der französische Chirurg Lortat-Jacob (Lortat-Jacob 1957). Bezeichnet wird diese Veränderung heute jedoch weltweit als Barrett-Ösophagus, nach dem britischen Chirurgen Norman Rupert Barrett (Barrett 1957). Der klassische »Long-segment«Barrett-Ösophagus (langstreckig, >3 cm) wird unterschieden vom »Short-segment«-Barrett-Ösophagus (kurze Segmente, 3 cm) wird unterschieden vom »Short-segment«-Barrett-Ösophagus (kurze Segmente, 3 cm 5 »Short-segment«-Barrett-Ösophagus: zungenförmige oder zirkuläre, endoskopisch gut sichtbare Ausläufer mit spezialisierter intestinaler Metaplasie im distalen Ösophagus über eine Länge von