Popularmusik in der digitalen Mediamorphose: Wandel des Musikschaffens von Rock- und elektronischer Musik in Osterreich
 3835060740, 9783835060746 [PDF]

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Zitiervorschau

Regina Sperlich Popularmusik in der digitalen Mediamorphose

SOZIALWISSENSCHAFT

Regina Sperlich

Popularmusik in der digitalen Mediamorphose Wandel des Musikschaffens von Rockund elektronischer Musik in Österreich

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Alfred Smudits

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Universität Wien, 2005 Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Wien sowie der Universität Wien

1. Auflage September 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Ingrid Walther Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-6074-6

V

Geleitwort Gegen Ende der 1980er Jahre hatte ich das Vergnügen, mit Kurt Blaukopf im Rahmen des Instituts Mediacult an einem Forschungsprojekt zum Thema „Auswirkungen neuer Technologien auf das Kulturschaffen und den Status der Kulturschaffenden“ zu arbeiten. Während er sich intensivst mit Fragen der Musik beschäftigte, versuchte ich unter Berücksichtigung aller Kunstgattungen umfassende theoretische Überlegungen anzustellen. In diesem Zusammenhang entwickelten wir das Konzept der Mediamorphosen, das sich auch schon in den Titeln der aus diesem Forschungsunternehmen resultierenden Buchtitel niederschlug: Beethovens Erben in der Mediamorphose (1989) hieß es bei Blaukopf, Mediamorphosen des Kulturschaffens (2002) bei mir. Blaukopf sprach damals schon gelegentlich und in weiterer Folge immer selbstverständlicher von Mediamorphosen-Forschung, wenn er unsere Arbeiten im Bereich der Kultur- und Medienforschung meinte. Mir schien das damals recht gewagt, ein doch noch recht wenig bewährtes und rezipiertes theoretisches Konzept zur Benennung weitreichender Forschungstätigkeiten zu verwenden. Mittlerweile aber hat die weitere Entwicklung Blaukopf Recht gegeben. Zahlreiche Arbeiten sind bereits erstellt worden, die sehr gut unter dem Titel Mediamorphosen-Forschung gefasst werden können, darunter auch zahlreiche akademische Abschlussarbeiten, die ich betreuen durfte. Die vorliegende Studie von Regina Sperlich steht ganz in dieser Tradition. Sie befasst sich mit den avanciertesten Entwicklungen im musikalischen Bereich und vermittelt dabei auf anschauliche Weise das wesentlichste Charakteristikum der Mediamorphosen-Forschung, nämlich Interdisziplinarität. Denn wenngleich natürlich der soziologische Anspruch im Vordergrund steht, sind die zentralen Fragen, die die aktuelle Entwicklung des Musiklebens betreffen, nur unter Berücksichtigung ökonomischer, (urheber)rechtlicher, (kultur)politischer, aber natürlich auch künstlerisch-kultureller Aspekte kompetent zu behandeln. Ebenfalls charakteristisch für die Mediamorphosen-Forschung ist der Anspruch auf „Politikrelevanz“, also der Anspruch, dass Forschung nicht um ihrer selbst willen betrieben wird, sondern dass die Ergebnisse derselben in letzter Konsequenz als Entscheidungshilfen für kultur- und medienpolitische AkteurInnen dienen können und sollen. Indem Regina Sperlich diesen Prinzipien folgt, gelingt es ihr ein fundiertes Szenario in Bezug auf die Auswirkungen der Digitalisierung im Bereich zweier ausgewählter Segmente der Popularmusik zu entwerfen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Mediamorphosen-Forschung, im konkreten Fall zur Einschätzung der aktuellsten Entwicklungen im Musikbereich, zu leisten.

Prof. Dr. Alfred Smudits

VII

Vorwort Diese Publikation stellt die überarbeitete und gekürzte Fassung meiner Dissertation Popularmusik in der digitalen Mediamorphose: Transformationen von Rockmusik und elektronischer Musik in Österreich dar, die ich im Oktober 2005 am Institut für Soziologie der Universität Wien abgeschlossen habe.

Für die Unterstützung während der langen Phase des Verfassens dieser Arbeit möchte ich mich bei folgenden Personen herzlich bedanken: Alfred Smudits, meinem Betreuer und Erstbegutachter; Rudolf Richter, meinem Zweitbegutachter und Leiter „meines“ Dissertationsseminars; Peter Tschmuck, Professor am Institut für Kulturmanagament der Universität für Musik und Darstellende Kunst; Karl Nitsch, Julia Retschitzegger, Barbara Pichler, Andreas Gebesmair, Margit Rohringer, Stephanie Rammel, Doris Hana sowie allen InterviewpartnerInnen (siehe Liste im Anhang).

Mag.a Dr.in Regina Sperlich

IX

Inhaltsverzeichnis

Einleitung .................................................................................................................................. 1 1 Die Theorie der Mediamorphosen des Kultur- und des Musikschaffens ..................... 13 1.1

Das Konzept der Mediamorphosen von Kurt Blaukopf und Alfred Smudits ............. 13

1.1.1

Produktivkrafttheorie der Medien/Kommunikationstechnologien ............................ 13

1.1.2

Kriterien zur Beschreibung von Mediamorphosen .................................................... 15

1.1.3

Fünf Mediamorphosen des Kulturschaffens bei Smudits .......................................... 16

1.2

Der Mediamorphosenansatz von Roger Fidler.......................................................... 17

1.2.1

Sechs Prinzipien von Mediamorphosen..................................................................... 17

1.2.2

Drei Mediamorphosen bei Fidler ............................................................................... 19

1.2.3

Drei Domains der Kommunikation............................................................................ 21

1.3

Die fünf Mediamorphosen des Kulturschaffens ......................................................... 23

1.3.1

Die schriftliche Mediamorphose oder erste grafische Mediamorphose .................... 23

1.3.2

Die zweite grafische Mediamorphose........................................................................ 23

1.3.3

Die chemisch-mechanische Mediamorphose............................................................. 25

1.3.4

Die elektronische Mediamorphose............................................................................. 27

1.3.5

Die digitale Mediamorphose...................................................................................... 32

1.4

Die digitale Mediamorphose des Kulturschaffens ..................................................... 36

1.5

Paradigmenwechsel in der Musikindustrie durch Mediamorphosen ........................ 37

1.6

Die digitale Mediamorphose des Musikschaffens...................................................... 38

1.6.1

Musikproduktion........................................................................................................ 39

1.6.2

Musikdistribution ....................................................................................................... 39

1.6.3

Disintermediation traditioneller MarktmittlerInnen und Verringerung von Marktbarrieren für Musikschaffende? ....................................................................... 39

1.6.4

Ein neuer Typus des/r Musikschaffenden.................................................................. 40

1.6.5

Zwei Potenziale der digitalen Mediamorphose für Musikschaffen ........................... 40

2 Forschungsvorhaben, Methode und Material ................................................................ 43 2.1

Der Forschungsgegenstand ....................................................................................... 43

2.2

Forschungsfragen ...................................................................................................... 44

2.3

Analysedimensionen................................................................................................... 44

X

2.4

Erhebung und Interpretation von Sekundärdaten...................................................... 45

2.5

Qualitative ExpertInneninterviews ............................................................................ 45

2.6

Die InterviewpartnerInnen......................................................................................... 47

3 Der Arbeitsmarkt der Musikschaffenden im Wandel ................................................... 53 3.1

Transformation von Kunst- und Kulturarbeitsmärkten ............................................. 53

3.2

Der Wandel der Arbeit von einer industriellen zu einer post-industriellen Gesellschaft................................................................................................................ 53

3.3

Transformation von Arbeit und Wirtschaft von einer industriellen zu einer Wissens-, Informations- und Netzwerkgesellschaft.................................................... 54

3.3.1 3.3.2

Wissens-, Informations- und Netzwerkgesellschaft................................................... 54 Pierre Bourdieus ökonomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital und das Feld der Kulturproduktion ............................................................................ 54

3.3.3

Musikschaffende als Cultural Entrepreneurs, WissensarbeiterInnen und NetzwerkerInnen........................................................................................................ 57

3.3.4

Neue Ungleichheiten.................................................................................................. 58

3.4

Reflexive Modernisierung der Kulturindustrien ........................................................ 58

3.4.1

Reflexive Spezialisierung .......................................................................................... 59

3.4.2

Flexibilisierung, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Cultural Entrepreneurs als ArbeitskraftunternehmerInnen.............................................................................. 60

3.5

Musikarbeitsmarkt als Kulturarbeitsmarkt................................................................ 62

3.6

Verträge zwischen Musikschaffenden und Labels oder Verlagen ............................. 66

3.6.1

Label- bzw. Leistungsschutzvertrag .......................................................................... 66

3.6.2

Verlagsvertrag............................................................................................................ 68

3.7

Einkünfte von Musikschaffenden................................................................................ 68

3.7.1

Live-Konzerte ............................................................................................................ 70

3.7.2

DJing .......................................................................................................................... 71

3.7.3

Tonträgerverkauf........................................................................................................ 72

3.7.4

Auftragsarbeiten......................................................................................................... 72

3.7.5

Merchandizing ........................................................................................................... 72

3.7.6

Förderungen ............................................................................................................... 73

3.7.7

Tantiemen aus Urheberrechten .................................................................................. 73

3.7.8

Musik-Postversand (Online-Mailorder), Music-Downloads und Handy-Music ....... 74

XI

4 Musik als Ware, neue Musikwertschöpfung und die Tonträgerindustrie in der Krise......................................................................................................................... 75 4.1

Musik als Kultur-, Wirtschafts-, Unterhaltungs- und Wissensgut ............................. 75

4.2

Das Spannungsfeld von Musik als privates Gut versus öffentliches Gut................... 76

4.2.1

Musik als Promotion-Tool zwecks Umwegrentabilität ............................................. 77

4.2.2

Digitale Musik: Verschärfter Konflikt zwischen Musik als “Exposure“ und Musik als geistiges Eigentum .................................................................................... 78

4.3

Die Musikindustrie..................................................................................................... 80

4.4

Österreichische Musikwirtschaft und -wertschöpfung............................................... 81

4.5

Musikwertschöpfungskette alt und neu ...................................................................... 84

4.6

Lage und Entwicklung der österreichischen und internationalen Tonträgerindustrie ..................................................................................................... 87

4.6.1

Repertoireentwicklung am Tonträgermarkt ............................................................... 87

4.6.2

Die Krise der Tonträgerindustrie ............................................................................... 89

4.6.3

Gründe für die Krise .................................................................................................. 97

5 Musikschaffende und -produzentInnen ........................................................................ 107 5.1

KomponistInnen, TexterInnen, InterpretInnen und StudiomusikerInnen ................ 107

5.2

Musikschaffende als HomestudioproduzentInnen.................................................... 107

5.2.1

MIDI, Sequencer und Sampler................................................................................. 108

5.2.2

Heimstudio und mobiles Studio als neue Paradigmen des Produktionsprozesses... 108

5.3

Rock versus elektronische Produktionsweise und -ästhetik?................................... 112

5.4

Live-MusikerInnen und DJs stark im Kommen?...................................................... 112

5.4.1

Computer als Live-Instrument auf der Bühne.......................................................... 113

5.5

Musikschaffende als DistributeurInnen ................................................................... 113

5.6

TonstudioproduzentInnen......................................................................................... 113

5.7

Erweiterung des Begriffes des/r Musikschaffenden................................................. 114

5.8

Fallbeispiele Musikschaffende................................................................................. 115

5.8.1

Die EinzelkämpferInnen – SolomusikerInnen, ProduzentInnen und DJs................ 115

5.8.2

Musiker von Rock- und Popbands ........................................................................... 119

5.8.3

Musiker von Bands elektronischer Musik ............................................................... 123

5.8.4

Resümee Fallbeispiele MusikerInnen ...................................................................... 126

XII

6 MusikmanagerInnen und -verlegerInnen ..................................................................... 129 6.1

MusikmanagerInnen................................................................................................. 129

6.2

MusikverlegerInnen & -publisherInnen................................................................... 130

6.3

Fallbeispiel ManagerIn und VerlegerIn .................................................................. 131

7 Musiklabels ...................................................................................................................... 133 7.1

Major Labels ............................................................................................................ 133

7.1.1

IFPI – International Federation of Phonographic Industry ...................................... 134

7.1.2

Die vier Major Labels .............................................................................................. 137

7.1.3

Hauptaufgaben der regionalen Töchterfirmen der Majors....................................... 141

7.1.4

Strategien der Majors gegen die Krise..................................................................... 144

7.1.5

Resümee Major Labels............................................................................................. 147

7.2

Independent Labels .................................................................................................. 148

7.3

Fallbeispiele Independent Labels ............................................................................ 150

7.3.1

Elektronik-Labels..................................................................................................... 150

7.3.2

Pop-Rock & Heavy Metal Labels ............................................................................ 153

7.3.3

Sonstige Labels ........................................................................................................ 157

7.3.4

Resümee Fallbeispiele der Independent Labels ....................................................... 158

8 Vertrieb und Einzelhandel.............................................................................................. 163 8.1

Physischer Tonträgervertrieb und -einzelhandel..................................................... 163

8.2

Online-Musikvertrieb und -handel........................................................................... 166

8.3

Fallbeispiele Musikvertrieb und -handel ................................................................. 168

8.3.1

„Physische/r” Vertrieb und Record-Stores mit „virtueller Anbindung“.................. 169

8.3.2

On-Demand- und Online-Music-Stores ................................................................... 171

8.4

Resümee Musikvertrieb und -handel........................................................................ 174

9 Live-Music-Event: VeranstalterInnen, AgentInnen und BookerInnen ..................... 177 9.1

Der Trend zum Live-Music-Event ............................................................................ 177

9.2

Österreichische Veranstalterszene........................................................................... 180

9.2.1

Österreichische Pop-/Rock- und elektronische Musik-Festivals ............................. 180

9.2.2

Wiener Clubszene .................................................................................................... 181

9.2.3

„Legendäre“ Wiener Festivals elektronischer Musik: Phonotaktik, Hyperstrings und Picknick mit Hermann................................................................. 181

XIII

9.2.4

Fallbeispiele Konzert- und Club-VeranstalterInnen ................................................ 182

9.3

AgentInnen und BookerInnen................................................................................... 184

9.3.1

Fallbeispiel Agentur und Booking ........................................................................... 184

10 Massenmusikmedien: Radio, Fernsehen und Presse .................................................. 187 10.1

Musik in österreichischen Medien ........................................................................... 187

10.2

Musikradio ............................................................................................................... 188

10.3

Musikfernsehen ........................................................................................................ 197

10.3.1

TV-Casting-Show Starmania im ORF ..................................................................... 197

10.3.2

Weitere Musikfernsehformate im ORF.................................................................... 200

10.3.3

Private Musikfernseh- und -videokanäle ................................................................. 200

10.4

Musikpresse.............................................................................................................. 201

10.5

Resümee Musik und Massenmedien: “From Push to Pull“ .................................... 202

11 MusikkonsumentInnen und neue Musikmediennutzung ........................................... 205 11.1

Fließende Grenzen ................................................................................................... 205

11.2

Handy als “Music-Device“ der Zukunft? ................................................................ 205

11.3

Computer- und Internet und deren Penetration und Nutzung in Österreich ........... 208

11.4

Die Krise des Tonträgermarktes als Massenmarkt und die Kategorie Alter im Vergleich zu anderen sozialen Kategorien ......................................................... 215

11.5

MP3, Music-Downloads, Peer-to-Peer-File-Sharing, Musik-Brennen und deren Auswirkungen auf den Musikkonsum............................................................. 220

11.5.1

MP3, Internet und Kontrollverlust der RechteinhaberInnen.................................... 220

11.5.2

Peer-to-Peer Music-File-Sharing über Musiktauschbörsen ..................................... 221

11.5.3

Music-Downloading und -Brennen in Deutschland................................................. 225

11.5.4

Musikbrennen in Österreich..................................................................................... 229

11.5.5

Motive für unautorisiertes Free-Downloading und Musiktauschen: Download als Substitut oder Stimulat eines CD-Kaufs?........................................................... 230

11.5.6

Resümee Peer-to-Peer-Filesharing........................................................................... 232

XIV

12 Musik im Internet........................................................................................................... 235 12.1

Das Internet – eine “disruptive Technology“.......................................................... 235

12.2

Daten zu Musik im Internet in Österreich................................................................ 238

12.3

Produktionsmedium ................................................................................................. 244

12.4

Informationsmedium ................................................................................................ 245

12.4.1

Musikschaffende ...................................................................................................... 245

12.4.2

Labels und andere Gewerbetreibende ...................................................................... 246

12.4.3

Virtuelle Medien ...................................................................................................... 246

12.4.4

MP3-Downloads und Music-Streams ...................................................................... 247

12.5

Kommunikationsmedium.......................................................................................... 247

12.5.1

Email ........................................................................................................................ 247

12.5.2

Virtuelles Feedback.................................................................................................. 247

12.6

Distributions- und Transaktionsmedium.................................................................. 248

12.6.1

Musikschaffende ...................................................................................................... 248

12.6.2

Labels und andere Gewerbetreibende ...................................................................... 248

12.6.3

Neue Online-Music-Plattformen.............................................................................. 249

12.7

Rahmenbedingungen für und Konsequenzen von Online-Musikdistribution........... 249

12.7.1

Digital-Rights-Management “DRM“....................................................................... 249

12.7.2

Internationale Standard-Kodes: ISRC und ISWC.................................................... 250

12.7.3

Pauschalabgaben und Leerkassettenvergütung........................................................ 251

13 Resümee und Ausblick ................................................................................................... 255 13.1 13.1.1

Veränderte Wertschöpfungskette ............................................................................. 255 Musik als Wissensgut, neue Wertschöpfungskette und die Krise der Tonträgerindustrie.................................................................................................... 255

13.1.2

Produktion................................................................................................................ 257

13.1.3

Management............................................................................................................. 258

13.1.4

Verlag....................................................................................................................... 258

13.1.5

Major Labels ............................................................................................................ 259

13.1.6

Independent Labels .................................................................................................. 260

13.1.7

Vertrieb und Handel................................................................................................. 261

13.1.8

Live-Musik............................................................................................................... 262

13.1.9

Musikmassenmedien: Radio, Fernsehen und Printmedien ...................................... 262

13.1.10 Musikkonsum und neue Mediennutzung ................................................................. 263

XV

13.2

Musik und Internet ................................................................................................... 265

13.3

Ein neuer Typus des/r Musikschaffenden ................................................................ 266

13.4

Mehr Unabhängigkeit zum Preis von sozialer Unsicherheit ................................... 268

Anhang .................................................................................................................................. 271 Quellenverzeichnis ............................................................................................................... 291

XVII

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Analogien Kommunikationstechnologien und Produktivkräfte ........................ 15 Abbildung 2: Zeittafel menschlicher Kommunikation............................................................. 20 Abbildung 3: Kernbereiche des Tonträgermarktes .................................................................. 80 Abbildung 4: Wertschöpfungsbereiche der österreichischen Musikwirtschaft 1998 .............. 82 Abbildung 5: Wertschöpfungsbereiche Musikproduktion und -distribution der österreichischen Musikwirtschaft 1998 ............................................................. 82 Abbildung 6: Erweiterte Wertschöpfungskette eines Musikwerkes ........................................ 85 Abbildung 7: Wertschöpfungskette der Online-Musik ............................................................ 86 Abbildung 8: Marktanteile des Repertoires im österreichischen Gesamtmarkt 1990-2004 .... 88 Abbildung 9: Top 15 der internationalen Musikmärkte Veränderungen des “Retail Value“ 2002-2003.................................................................................. 91 Abbildung 10: Jahreswachstumsraten am österreichischen Tonträgermarkt 1992 bis 2004 ... 92 Abbildung 11: Top 18 der internationalen Musikmärkte CD 2002-2003................................ 94 Abbildung 12: Top 15 der internationalen Musikmärkte – DVD 2002-2003.......................... 95 Abbildung 13: Anteil Tonträgerart – österreichischer Markt 1998-2004 ............................... 96 Abbildung 14: Musik-CDRs/DVDs und Musik-CDs/DVDs 2000-2004................................. 99 Abbildung 15: Besitzstand von CD/DVD-Brennern, -DVD-/MP3-Playern und DVDLaufwerken der österreichischen Haushalte 2001-2004 ............................... 100 Abbildung 16: Was wird in Österreich auf CDRs gebrannt?................................................. 101 Abbildung 17: Inhalte der bespielten CD-Rs/CD-RWs in Deutschland 2000-2003.............. 103 Abbildung 18: Brenner-Reichweite von Musik in Deutschland 2001-2003.......................... 104 Abbildung 19: Marktanteile der Musikmajors am globalen Gesamtmarkt (Stand 2002) ...... 133 Abbildung 20: Veränderung der Marktanteile der 6-größten Firmen (2004) am Gesamtumsatz der österr. IFPI Firmen zwischen 1989 und 2004 ......... 136 Abbildung 21: Registrierte Labels und Bezugsberechtigte in Österreich 1990-2002 ........... 149 Abbildung 22: Haupteinkaufsstätten – Anteile am österreichischen Gesamtmarkt 1998-2004...................................................................................................... 164 Abbildung 23: AKM-Einnahmen aus Live-Darbietungen 1998-2004................................... 177 Abbildung 24: AKM-Sendezeitstatistik ORF-Hörfunk 1997-2004 ....................................... 192 Abbildung 25: AKM-Sendezeitstatistik Ö3 1997-2004......................................................... 192 Abbildung 26: AKM-Sendezeitstatistik FM4 1997-2004...................................................... 193 Abbildung 27: IKT-Ausstattung der österr. Haushalte 2002-2004........................................ 207 Abbildung 28: Nutzungsarten des Internets der InternetnutzerInnen zwischen 16 und 74 Jahren in österr. Haushalten im 1. Quartal 2003 u. 2. Quartal 2004 ............. 214 Abbildung 29: KäuferInnen (österr. Musikmarkt) 1998-2004............................................... 216

XVIII

Abbildung 30: Altersgruppen der KäuferInnen (österr. Musikmarkt) 1998-2004................. 218 Abbildung 31: Music-Download-Reichweite in Deutschland 2002-2003............................. 226 Abbildung 32: Brenner-Reichweite von Musik in Deutschland 2001-2003.......................... 227 Abbildung 33: Österreichische Popularmusik im Internet Feb. 2000 und Jun. 2002 ............ 238 Abbildung 34: Österreichische KünstlerInnen im Internet 2000/2002 .................................. 240 Abbildung 35: Österreichische Musiklabels im Internet 2000/2002 ..................................... 241 Abbildung 36: Österreichische VeranstalterInnen im Internet 2000/2002 ............................ 242

XIX

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Struktur der gesamten österr. Musikwirtschaft (Beschäftigung und Wertschöpfung) ...................................................................................................... 63 Tabelle 2: Struktur des österr. Musikmarktes – Produktion : Distribution .............................. 64 Tabelle 3: Beschäftige der Musikindustrie 1986 und 1998 in absoluten Zahlen..................... 65 Tabelle 4: Einzelne Bereiche der österr. Musikwirtschaft und ihre Wertschöpfung ............... 83 Tabelle 5: Top 15 der internationalen Musikmärkte Formate 2002-2003 ............................... 93 Tabelle 6: Marktanteile der IFPI-Firmen vom Gesamtumsatz der IFPI-Firmen 1993-2003 .............................................................................................................. 135 Tabelle 7: Radio-Halbjahres-Tagesreichweiten 2001-2004 Alter 10+ .................................. 195 Tabelle 8: Radio-Halbjahres-Tagesreichweiten 2001-2004 Alter 14-49 .............................. 195 Tabelle 9: Radio-Halbjahres-Marktanteile 2001-2004 Alter 10+......................................... 195 Tabelle 10: Radio-Halbjahres-Marktanteile 2001-2004 Alter 14-49.................................... 196 Tabelle 11: EDV-Besitz und Internet-Zugang der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren 4. Quartal 1996 bis 1. Quartal 2005 ................................................................... 210 Tabelle 12: Internet/Ort des Internet-Zugangs der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren 4. Quartal 1996 bis 1. Quartal 2005 ................................................................... 210 Tabelle 13: Frequenz der Internet-Nutzung der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren 4. Quartal 2004 bis 1. Quartal 2005 ................................................................... 211 Tabelle 14: Strukturvergleich Internet-Nutzung der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren 1. Quartal 2005 .................................................................................................... 212 Tabelle 15: Art der Präsenz von österreichischen KünstlerInnen, Labels und VeranstalterInnen im Netz ................................................................................ 239

1

Einleitung Elektronische Medien haben die Produktions- und Distributionsweisen von Musik im letzten Jahrhundert umfassend verändert. Der Tonträger (in Form der Schallplatte, der Musikkassette und der CD) gemeinsam mit den entsprechenden Abspielgeräten sowie Radio und Fernsehen stehen dabei als technische Distributionsmittel absolut im Vordergrund und determinieren 1

auch die Produktion und Konsumption von Musik, insbesondere Popularmusik. Der technologische Standard Tonträger – industriell als Massenware angefertigt und verbreitet – stellt dabei die entscheidende Einheit der „Tonträgerindustrie“ dar. Dieses „Tonträgermodell“ ist heute aber infrage gestellt. In den 80er Jahren beginnt ein soziokultureller Wandel des Kunst- und Kulturschaffens, der wieder stark von technischen Medien – diesmal digitale Informations- und Kommunikationstechnologien (im Musikbereich insbesondere Musikcomputer und Internet) – geprägt ist und der keinen Bereich im Musikleben (daher Musikschaffen, -distribution und -konsumption) unberührt lässt. Dieser Transformationsprozess kann in Anlehnung an die Theorie der „Mediamorphosen des Kulturschaffens“ (Smudits 2002) als „digitale Mediamorphose des Musikschaffens“ bezeichnet werden. Eine Auswirkung der digitalen Mediamorphose ist, dass Musikdistribution nicht mehr an wenige technische Formate gebunden ist, sondern verschiedene physische und nichtphysische Formate (wie MP3s oder Streams) annehmen kann. Damit tritt das Abspielen von „Scheiben“ in den Hintergrund und stattdessen gewinnt „unphysische“ digitale Musik, die direkt über Abspielgeräte (wie iPod, MP3-Player, Memory-Stick, Handy oder Personal Computer) sowie über Kommunikationsnetzwerke, insbesondere Internet, konsumiert wird, an Bedeutung. Diese neuen Produktions- und Verbreitungsmöglichkeiten führen durch breite Zugänglichkeit und

hohe

NutzerInnenfreundlichkeit

teilweise

zur

Reduktion

von

traditionellen

Markteintrittsbarrieren für Musikschaffende, welche auch mit der Umgehung alter „Mittlerrollen“ sowie mit dem Auftreten neuer AkteurInnen einhergeht. Eine wesentliche Musikmarktbarriere stellt bisher jener Umstand dar, dass der Musikmarkt zu mindestens 75 % von vier internationalen Großkonzernen Universal, BMG-SONY, Warner und EMI kontrolliert wird, die vor allem internationales Repertoire, also wenig lokales Repertoire produzieren und verwerten. Dieses „Marktoligopol“ ist eine der Ursachen der negativen Außenhandelsbilanz von österreichischer Musik, insbesondere von Popularmusik. Zudem bringt die digitale Mediamorphose einen neuen Typus des/r Musikschaffenden hervor. Dieser steht in engem Zusammenhang mit der Öffnung des Marktes als Effekt der verbesserten Zugänglichkeit zu digitalen Produktions- und Distributionsmedien. Digitale Production1

Popularmusik basiert mehr als klassische Musik auf der Produktion und Verbreitung von Tonträgern, während klassische Musik stärker der lebendigen Darbietung verpflichtet ist. Diese Grenzziehung ist allerdings fragil.

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Technology ist in den letzten Jahren immer preiswerter und nutzerfreundlicher geworden. So können sich zunehmend mehr Musikschaffende ein eigenes Homestudio leisten und müssen für ihre Produktion nicht mehr professionelle und kostenintensive Tonstudios aufsuchen. Daher fungiert der neue Typus des/r Musikschaffenden vor allem als ProduzentIn, aber auch als “Cultural Entrepreneur“. Zudem stellt dieser nicht nur Kunstschaffende/r, sondern auch ManagerIn, PromoterIn, VertreiberIn und vor allem „NetzwerkerIn“ dar. Schließlich hat die digitale Mediamorphose auch Auswirkungen auf den Musikkonsum. Bereits durch den Preisverfall von Music-Production-Software sind viele KonsumentInnen zu ProduzentInnen mit eigenem Homestudio geworden. Mit dem Internet sind KonsumentInnen aber nicht mehr nur EmpfängerInnen, sondern potenziell auch SenderInnen digitaler Musik. Dies hat verschiedenste Implikationen auf das Musikwesen. Heute ist davon stark das Urheberrecht betroffen, dessen Umgehung mithilfe von unautorisiertem Music-Downloading über Tauschbörsen den öffentlichen Diskurs über Musik im Internet bisher stark dominiert hat. Seit seiner Etablierung genießen UrheberInnen auf ihre Musikwerke Monopolstatus und werden damit zu den exklusiven RechtehalterInnen dieser Werke. Es sind aber auch Ausnahmen vom exklusiven Urheberrecht vorgesehen, eine davon ist die private Kopie zum eigenen Gebrauch. Neue Kopiertechnologien (wie Fotokopiermaschine, Kassetten- und Videorekorder), die schon immer Vervielfältigungstechnologien darstellen, haben bereits in der Vergangenheit an diesem Monopol gerüttelt. Heute aber ist der Monopolstatus im Licht von Internet und Musiktauschbörsen stärker als bisher infrage gestellt. Da das Internet (zumindest in seiner momentanen Form) keine einseitige Kontrolle über Musikverbreitung zulässt und allen, die grundsätzlich Zugang zum Internet haben, das relativ gleiche „Recht“ (auf Empfangen und Senden) gewährt, steht das historisch gewachsene Urheberrechtsregime teilweise infrage. Dies führt zu einem gewissen Grad zum Konflikt zwischen RechteinhaberInnen und KonsumentInnen, der sich bis jetzt am stärksten anhand der Nutzung so genannter Musiktauschbörsen und deren Bekämpfung durch die Tonträgerindustrie entbrannt hat. Zugleich kommen aber auch Digitale Right Management-Systeme auf den Markt, also technische Zugangsbarrieren zu Werken, die zu einem gewissen Grad wieder Kontrolle durch die RechteinhaberInnen ermöglichen, wenn auch nur bedingt, weil diese Technologien (wie das Urheberrecht selbst) potenziell umgangen werden können. Dieser Konflikt trifft nicht nur die Musikindustrie, sondern mittlerweile auch andere Kulturindustrien, die sowohl auf technischen Medien in Produktion und Distribution als auch auf dem Copyright ihrer Inhalte beruhen, wie die Video-, Film- und Spieleindustrien. Die Musikindustrie stellt aber die erste Kulturindustrie dar, die massiv von der digitalen Mediamorphose betroffen ist, weil aufgenommene Musik weniger speicherintensiv ist als beispielsweise Film und Video. Zudem kann die Datenmenge von Musikfiles mithilfe des Formats MP3 (durch Datenkompression) wesentlich „verkleinert“ werden, wodurch deren Distribution über das

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Internet stark erleichtert wird. Mit steigenden Breitbandkapazitäten und -zugängen und der Weiterentwicklung von effektiven Kompressionstechnologien sind aber zunehmend auch speicherintensivere Inhalte wie Film und Video und damit ganze Kulturindustrien mit dem Copyright-Kontrollproblem konfrontiert. Zugleich ermöglicht die neue Zugänglichkeit zu Musik und anderen technologieinduzierten Inhalten eine starke Verbreitung und damit die Chance des Erreichens neuer ZuhörerInnen (vor allem auch auf internationaler Ebene). Damit eröffnen sich neue Potenziale für Musikpromotion und -vertrieb, auch wenn beide heute im Internet erst am Anfang stehen. Dazu ist hinzuzufügen, dass die Krise des Tonträgers auch eine Krise des damit einhergehenden Massenmarktmodells darstellt. Musik- und Medienmärkte haben sich seit den 80er Jahren immer stärker ausdifferenziert und segmentiert und sind in viele Nischenmärkte zerfallen, die jeweils eigenen Regeln folgen. Damit funktioniert Popmusik-Mainstream als Mainstream (der den Geschmack einer Masse von KonsumentInnen trifft) aber zunehmend schlechter. Die Theorie der Mediamorphosen des Kulturschaffens, die den wesentlichen theoretischen Bezugspunkt dieser Forschungsarbeit darstellt, basiert auf dem „Produktivkraftansatz der Medien“, in dem Kulturproduktion und damit KulturproduzentInnen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen. Folglich stellen Arbeits- und Produktionsprozesse, Berufsbilder, sozialer und rechtlicher Status von Kulturschaffenden, Kulturverbreitung, Strukturen der Kulturproduktion sowie politische und rechtliche Rahmenbedingungen, wie Urheberrecht und Medienrecht, wesentliche Dimensionen dar. In dieser Studie werden die Auswirkungen der digitalen Mediamorphose auf Arbeits- und Produktionsprozesse sowie -bedingungen der Musikschaffenden – insbesondere in Rock2

musik und elektronischer Musik – untersucht. Musikschaffen wird dabei als kreativer Prozess gedacht, welcher nach Hesmondhalgh folgende Ebenen beinhaltet: “1. Conception: design, realisation, interpretation [...] composition and improvisation of songs, etc, 2. Execution: performance in recording studios [...] und 3. Transcription on a final master: involving [...] mixing (music, film).“ (2002, 55 in Bezug auf Ryan 1992, 108) Daher fallen unter den Begriff „Musikschaffende“ KomponistInnen, MusikinterpretInnen, StudiomusikerInnen, ProduzentInnen sowie Live-MusikerInnen und DJs. Zugleich werden aber auch AkteurInnen aus fast allen anderen Bereichen der Musikwertschöpfungskette, insbesondere Label- und AgenturbetreiberInnen, untersucht. Die beiden Stilfelder Rock und elektronische Musik werden ausgewählt, weil diese Stilfelder der Popularmusik darstellen, die in vielfältiger Weise durch die digitale Mediamorphose beeinflusst wurden und werden. Durch die Begrenzung auf zwei Stilfelder wird zudem die Möglichkeit geschaffen, zwei Felder einer-

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Dabei wird das Stilfeld der elektronischen Musik als U(-nterhaltungs)-Musik, nicht aber als E(-rnste)Musik erforscht.

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seits intensiv für sich zu beleuchten sowie andererseits miteinander zu vergleichen, um so Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Die Forschungsfrage lautet: - Welche sind die zentralen Auswirkungen der digitalen Mediamorphose auf die Arbeitsund Produktionsbedingungen der österreichischen Musikschaffenden im Speziellen in Rockmusik und der elektronischen Musik? Daran schließen sich drei Unterfragen an: - Erleichtern oder erschweren die Arbeits- und Produktionsbedingungen in der digitalen Mediamorphose den Zugang zum nationalen wie internationalen Musikmarkt für österreichische Musikschaffende? Werden traditionelle Zugangsbarrieren abgebaut oder werden neue Zugangsbarrieren geschaffen? - Inwiefern bringen die Produktionsverhältnisse in der digitalen Mediamorphose einen neuen Typus des/der Musikschaffenden hervor? - Kommt es durch die geänderten Rahmenbedingungen eher zu einer Autonomisierung künstlerischer Arbeit oder zum Verlust sozialer und ökonomischer Absicherung? Mit zwei Methoden wird das Forschungsmaterial erhoben, dessen Interpretation diese Frage/n beantworten wird. Zum einen wird eine Sekundärdatenrecherche und -analyse durchgeführt. Dazu werden quantitative Daten (bereits vorliegende Statistiken und Studien) gesammelt, ausgewertet und interpretiert. Die zentralen Themenbereiche, zu denen Daten recherchiert und verarbeitet werden, sind: Beschäftigung von österreichischen Musikschaffenden, Tonträgermarkt (in Österreich und international) und seine Krise, Musiklabels, Tonträgervertrieb und -handel (in Österreich), Live-Bereich (in Österreich), österreichische traditionelle Musikmedien (Radio, Fernsehen und Printmedien) und neue Musikmedien, insbesondere Internet und Handy und schließlich Musikkonsum. Zum anderen stellen 41 qualitative ExpertInneninterviews (sowie eine Emailbefragung) das Hauptmaterial für die Analyse dar. Befragt werden Musikschaffende sowie weitere ExpertInnen aus fast allen Bereichen der Musikwertschöpfung insbesondere in der Rockmusik und elektronischen Musik in Österreich. Alle Interviews werden aufgenommen, transkribiert und teilweise mit dem computer-gestützten qualitativen Textauswertungs-programm WinMax kodiert und vergleichend interpretiert. Auf einige Schwierigkeiten, die stark mit der beforschten Thematik zusammenhängen, soll kurz eingegangen werden: Diese Forschungsarbeit behandelt ein globales Thema (da die Tonträgerindustrie eine globale Industrie und digitale Technologien ein globales Phänomen darstellen), das aber auf lokaler Ebene anhand von österreichischem Popmusikschaffen (mit starkem Wienbezug) im Rahmen

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von zwei ausgewählten Stilfeldern, die auch soziale Felder darstellen, erforscht wird. Diese Herangehensweise stellt keinen Widerspruch dar, weil die Handlungen von den globalen auf die lokalen AkteurInnen wirken und deren Handlungen wiederum teilweise auf die “global Players“ zurückwirken. Der Zusammenhang zwischen globaler und lokaler Industrie ist aber keinesfalls deterministisch oder linear zu verstehen, sondern stellt sich als sehr komplex dar. Die internationale Tonträger- und Medienindustrie äußert sich zudem in den Handlungen von AkteurInnen, die je nach ihrer Verortung lokal/er und/oder international/er agieren können. Dieses Projekt hat eindeutig den Fokus auf lokale AkteurInnen sowie lokale und nationale Strukturen gelegt, die auch im Zusammenhang der globalen AkteurInnen und Strukturen kontextualisiert werden. Letztere werden aber nicht in ihrer ganzen Komplexität beleuchtet. Zugleich werden die Strukturen und Handlungen der lokalen AkteurInnen (vor allem unter der Lupe Rock und elektronische Musik) als „Fallbeispiel“ „Popmusikland Österreich“ sowie der digitalen Mediamorphose dargestellt und generalisiert. Eine weitere Problematik ergibt sich durch die zwei Materialsorten und ihre Darstellungsweise. Einerseits wird Primärmaterial in Form von qualitativen Interviews, andererseits werden Sekundärdaten über Musik- und Medienmarkt sowie Musikarbeitsmarkt erhoben und analysiert. Die Darstellung der Analyse des Interviewmaterials sowie des quantitativen Materials (vor allem in Form von Grafiken und Tabellen) erfordert jeweils eine „Übersetzung“ und äußert sich zu einem gewissen Grad in unterschiedlichen Textsorten. Die Aktualität des Themas stellt sich als eine weitere Schwierigkeit heraus. Da das Feld im Laufe des Arbeitsprozesses an der Studie sehr stark „im Fluss“ ist, hat die Forscherin häufig damit zu kämpfen, hinter der aktuellen Entwicklung und somit neu zu generierenden Informationen herzuhinken. Zugleich gilt es, sich auf die Analyse des Hauptmaterials und die Forschungsfragen zu konzentrieren. Kritisch ist anzumerken, dass die Kategorie Gender in dieser Arbeit weitgehend unbeleuchtet geblieben ist, obgleich sie ziemlich offensichtlich zu Tage tritt. Bei Durchsicht der Interviewpartnerliste fällt auf, dass Frauen außerordentlich unterrepräsentiert sind (von 41 Interviewten sind nur drei Frauen). Das hat verschiedene Gründe, entspricht aber in etwa der Unterrepräsentanz von Frauen in der Popularmusik sowie insbesondere in den ausgewählten Stilfeldern. Die Frage, warum Frauen nach wie vor eine äußerst marginale Rolle in Rock- und elektronischer Musik spielen, muss aber in einer anderen Arbeit gestellt und beantwortet werden.

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Diese Arbeit besteht aus zwölf Kapiteln. Im ersten Kapitel „Die Theorie der Mediamorphosen des Kultur- und des Musikschaffens“ wird der theoretische Zugang dieser Arbeit und damit die Theorie der „Mediamorphosen des Kulturschaffens“ vom Soziologen Alfred Smudits vorgestellt. Diese ist auch als eine „Produktivkrafttheorie der Medien“, in der Kommunikationstechnologien als Produktivkräfte definiert werden, zu verstehen. Mediamorphosen stellen im sozialen Wandel des Kulturschaffens und dem jeweiligen aktuellen Stand der Kommunikationstechnologien entsprechende dominante kommunikative Transformationen dar. Smudits definiert fünf solche Mediamorphosen des Kulturschaffens, wovon die vorletzte die elektronische und die vorläufig letzte die digitale Mediamorphose darstellt. Die fünf Mediamorphosen werden in diesem Kapitel mit Schwerpunkt auf den letzten drei bzw. auf den Mediamorphosen der „technischen Kodierung“ beschrieben. Zudem wird ein weiterer Mediamorphosenansatz von Roger Fidler (1997) dem Ansatz von Smudits gegenübergestellt. Im Unterschied zu Smudits widmet sich Fidler mit diesem Terminus nicht dem Wandel des Kulturschaffens, sondern dem gesamtgesellschaftlichen Wandel im Kontext neuer Kommunikationstechnologien. Fidler geht im Gegensatz zu Smudits nur von drei Mediamorphosen aus, die digitale Mediamorphose erhält dabei seine größte Aufmerksamkeit. Das zweite Kapitel „Forschungsvorhaben, Methode und Material“ stellt Forschungsgegenstand, -frage/n, zentrale Analysedimensionen, Methoden und Auswertungsverfahren vor. Zusätzlich werden die InterviewpartnerInnen kurz vorgestellt. Eine ausführlichere Darstellung der einzelnen Interviewten kann im Anhang nachgelesen werden. Im dritten Kapitel „Der Arbeitsmarkt der Musikschaffenden im Wandel“ wird die Transformation von Kunst- und Kulturarbeitsmärkten sowie speziell des Musikarbeitsmarktes beleuchtet. Dieser Wandel wird in den Kontext eines generellen Wandels von einer industriellen zu einer postindustriellen Wissens-, Informations- und Netzwerkgesellschaft gesetzt. Dabei wird stark auf die Theorie der „Netzwerkgesellschaft“ von Manuel Castells (1996) Bezug genommen. Zudem werden die Begriffe ökonomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital von Pierre Bourdieu (1997) herangezogen, um die Termini Information, Wissen, Kulturproduktion und Informations- und Kommunikationstechnologien zu besprechen und voneinander differenzieren zu können. Daran anschließend werden die relativ neuen Rollen des/r Musikschaffenden als Cultural Entrepreneur, WissensarbeiterIn und NetzwerkerIn sowie neue Formen von Ungleichheiten aufgrund des Umstrukturierungsprozesses von Wirtschaft und Beschäftigung (auch in der Musik) aufgezeigt. Zudem wird die Transformation von Arbeit im Kontext reflexiver Spezialisierung, um eine „breitere Produktpalette schneller auf den Markt zu bringen“ (Sennett 1998, 64-65), gezeigt. In der Kulturindustrie wird insbesondere die Autorenfunktion ausgelagert (vgl. Lash 2002, 208), was zwar zu einer Autonomisierung von Musikschaffenden führen kann, die den Vorteil birgt, dass der Einstieg in den Arbeits-

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/Markt leichter wird, aber mit dem Nachteil der anwachsenden Konkurrenz sowie des erhöhten individuellen Risikos. Zudem wird gezeigt, dass der/die Cultural Entrepreneur einer speziellen Form des/r Arbeitkraftunternehmers/in entspricht. Daraufhin folgt eine Auseinandersetzung mit dem Musikarbeitsmarkt als spezielle Form des Kulturarbeitsmarktes. Kulturarbeitsmärkte gelten heute als Wachstumsmärkte. Insbesondere durch die derzeitige Tonträgerkrise bedingt, trifft dieses Wachstum aber weniger auf den Musikarbeitsmarkt zu. Dabei wird auf drei Studien Bezug genommen. Schließlich werden bestimmte Bereiche von Musikschaffen als Beschäftigung eingehender beleuchtet: Verträge zwischen Musikschaffenden und Labels oder Verlagen sowie Einkunftsarten von Musikschaffenden. Im vierten Kapitel „Musik als Ware, neue Musikwertschöpfung und die Tonträgerindustrie in der Krise“ erfolgt zuerst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Musik als Ware“, die zugleich Kultur-, Wirtschafts-, Unterhaltungs- und Wissensgut darstellt. Zudem wird das Spannungsfeld von Musik als privates und öffentliches Gut dargelegt, das seine Entsprechung im Konflikt zwischen “Music-Exposure“ und der Kontrolle der Verbreitung/des Zugangs (durch Urheberrecht und Digital-Rights-Managementsysteme) findet. Auch wird die Möglichkeit von Musik (z.B. als CD oder MP3-Download) als Promotion-Tool zwecks Umwegrentabilität diskutiert, welches sich Music-Exposure zunutze macht. Daran anschließend wird besprochen, inwiefern digitale Musik den relativ alten Konflikt zwischen Musik als öffentliches Gut und Musik als privates Gut (als Copyright) verschärft. Auch wird gezeigt, welche Chancen und Risiken mit einem offeneren Zugang (weniger Kontrolle) sowie mit einem weniger offenen Zugang (mehr Kontrolle) verbunden sind. Im nächsten Abschnitt wird kurz die Struktur der Musikindustrie mit ihren Kernbereichen aufgespannt. Dann wird der Anteil der Wertschöpfung der Musikwirtschaft an der gesamten österreichischen Wertschöpfung gezeigt. Dafür wird auf eine Studie von Scheuch (2000) zur österreichischen Musikwirtschaft Bezug genommen. Da die digitale Mediamorphose stark die Wertschöpfungskette eines Musikwerkes verändert, wird in der Folge sowohl die alte als auch die neue Musikwertschöpfungskette dargestellt und die Bedeutung dieses Wandels diskutiert. Schließlich geht es um eine Bestandsaufnahme der Lage und Entwicklung der österreichischen und internationalen Tonträgerindustrie, die derzeit von einer nachhaltigen Krise betroffen ist. Um die Krise beschreibbar zu machen, werden etliche Daten dargestellt, diskutiert und Gründe für die derzeitige Krise aufgezeigt. Die Reihenfolge der Kapitel fünf bis elf wird durch die Logik der („alten“) Musikwertschöpfungskette bestimmt. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit den „Musikschaffende[n] und -produzentInnen“, den UrheberInnen von Musik. In diesem wird gezeigt, dass der Preisverfall und die AnwenderInnenfreundlichkeit von Music-Production-Technology dazu geführt hat, dass sich immer mehr

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Musikschaffende ein eigenes Homestudio leisten können und somit zu MusikproduzentInnen werden. Zudem wird auf die Veränderung des Arbeitsprozesses durch Digital-ProductionTechnologies sowie kurz auf die Unterschiede der Produktionsweisen und -ästhetiken zwischen Rock und elektronischer Musik eingegangen. Auch werden weitere Rollen von Musikschaffenden in der digitalen Mediamorphose vorgestellt. Schließlich werden aufgrund der Interviews Einzelfälle von Musikschaffenden präsentiert und analysiert. Unter anderem wird gezeigt, dass eine der Strategien, um die soziale Existenz über den Beruf „Musikschaffende/er“ zu sichern, zumeist “Multitasking“ (bzw. mehrere Tätigkeiten auszuführen) darstellt. In einem relativ kurzen sechsten Kapital richtet sich die Aufmerksamkeit auf die heutige Bedeutung von MusikmanagerInnen und -verlegerInnen. Nur einige wenige österreichische Musikschaffende verfügen über das Kapital, sich ein professionelles Management leisten zu können, auch wenn es etliche Vorteile für sie bringen könnte. Die Berufsgruppe der MusikverlegerInnen wird in Zukunft durch die wachsende Relevanz von Urheberrechten (weil unphysischer digitaler Musikvertrieb wichtiger wird) an Bedeutung gewinnen. Das siebente Kapitel beschäftigt sich mit Musiklabels bzw. mit Major Labels und deren österreichischen Tochterfirmen einerseits sowie mit Independent Labels andererseits. Im ersten Teil wird die Geschichte der vier Major Labels (die bis 2003 noch fünf Labels darstellen) und deren Hauptaufgaben gezeigt. Eine wesentliche Aufgabe stellt nach wie vor “Arts & Repertoire“ dar, also das Auffinden und die Betreuung innovativer Acts. Diese Funktion wird aber in den letzten Jahren zunehmend von den Major Labels vernachlässigt, was auch wesentlich zur Krise der Tonträgerindustrie beiträgt. Stattdessen wird diese Funktion mehr von Independent Labels übernommen. Weiters werden Strategien der Majors gezeigt, um der momentanen Tonträgerkrise etwas entgegenzusetzen. Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels zu Independent Labels wird u.a. erörtert, inwiefern Independent Labels Vorteile aus der digitalen Mediamorphose ziehen können. Wieder auf dem Interviewmaterial basierend werden Fallbeispiele von Labels beschrieben und analysiert. Das achte Kapitel widmet sich dem Vertrieb und dem Einzelhandel von Musik, beides Bereiche der Musikwertschöpfungskette, die zurzeit stark von der digitalen Mediamorphose sowie von der Tonträgerkrise betroffen sind. Nach wie vor beruhen Vertrieb und Handel im Wesentlichen auf physischer Distribution, daher auf dem postalischen Versenden und dem Verkauf von Tonträgern im Geschäft. Doch Postgebühren sind relativ teuer, der Postweg (vor allem der internationale) relativ riskant und die Stellflächen im Handel limitiert. Durch die Flächenbegrenzung im Geschäft kann das vorhandene Repertoire auch nicht adäquat abgebildet werden. Die KonsumentInnen können oft das gewünschte Produkt im Laden gar nicht finden und müssen, um fündig zu werden, auf Online-Kanäle (und teils auf Tauschbörsen) zurückgreifen. Musikdistribution über Internet bzw. Music-e-Commerce kennt das Problem der

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überfüllten Regale nicht und stellt zurzeit den Zukunftsmusikmarkt dar, auch wenn sich dieser nach wie vor im marginalen Bereich befindet. Folglich wird der momentane Stand des Online-Musikvetriebes und -handels dargelegt und anschließend Fallbeispiele sowohl aus dem physischen Bereich (mit Anbindung an das Internet in Form von Homepage und Webshop) sowie aus dem virtuellen Bereich bzw. Online-HändlerInnen präsentiert. Im neunten Kapitel „VeranstalterInnen, AgentInnen und BookerInnen“ wird zu Beginn „Der Trend zum Live-Music-Event“ aufgezeigt, der auch im Kontext einer allgemeinen Entwicklung zum Live-Event sowie der digitalen Mediamorphose zu verstehen ist. Im Anschluss daran folgt eine knappe Beschreibung der österreichischen VeranstalterInnenszene sowie der wichtigsten Pop/Rock- und elektronischen Musikfestivals, der Wiener Club-Szene und von drei bereits zurückliegenden elektronischen Musikfestivals, die sich für die Identitätsbildung der Wiener elektronischen Musikszene als wesentlich herausgestellt haben. Auch werden die Rollen von MusikagentInnen und BookerInnen besprochen. Zudem werden sowohl für den Veranstaltungs- als auch für den Agentur-/Booking-Bereich Fallbeispiele präsentiert. Das zehnte Kapitel behandelt die traditionellen Massenmedien: Radio, Fernsehen und Presse und deren Musikpromotionsfunktion in der digitalen Mediamorphose. Es wird der Frage nachgegangen, ob diese Medien diese Funktion noch erfüllen. Auch wenn sich die Musikindustrie nach wie vor an den Massenmedien orientiert, verlieren diese langsam gegenüber neuen Medien an Marktmacht. Im aktuellen Stadium muss Musikpromotion aber noch zweigleisig – sowohl in alten als auch in neuen Medien – durchgeführt werden. Die Medien Radio, Fernsehen und Printmedien in ihrer Funktion als Musikpromoter werden jeweils für sich beleuchtet, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf Musikradio und Musikfernsehen liegt. Um die Situation des Radios darzustellen, werden auch heimische (Klassik- und Pop-) und internationale Popmusik-Repertoireanteile des ORF gesamt und der Sender Ö3 und FM4 sowie die Reichweiten und die Marktanteile unterschiedlicher Sender (darunter Ö3, FM4, Ö1 und Privatradios) präsentiert. Der Abschnitt über Musikfernsehen beschäftigt sich auch mit dem Fernsehformat Musik-Casting-Show anhand des (österreichischen) Beispiels Starmania. Am Ende dieses Kapitels wird gezeigt, dass ZuhörerInnen in Zukunft wahrscheinlich Musik aktiver „an sich ziehen“ und sich weniger als früher von Musik, Informationen und Unterhaltung berieseln lassen werden. Das nächste (elfte) Kapitel „MusikkonsumentInnen und neue Musikmediennutzung“ schließt direkt an diese Aussage des vorigen Kapitels an. Das Modell der elektronischen Mediamorphose „ein Sender – viele Empfänger“ verliert an Gültigkeit, stattdessen emanzipiert sich der „Konsument [...] [und] ist in Form von Internetforen und Weblogs selbst längst der Sender“ (Renner 2004, 215). Zunächst wird das Handy als Kommunikationsmittel beleuchtet. Obgleich in seinen technischen Möglichkeiten zurzeit noch begrenzt, wird das Handy wegen seines inhärenten Mobilitätscharakters wahrscheinlich das digitale “Music-Device“ der Zu-

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kunft darstellen. In Österreich sind wegen einer hohen Handy-Penetrationsrate auch gute Voraussetzungen dafür gegeben. Im Anschluss daran wird das Internet und der Personal Computer diskutiert und etliche Daten zur Internet- und PC-Penetration und -Nutzung in Österreich sowie zur Kreditkartennutzung präsentiert. Im nächsten Abschnitt des elften Kapitels geht es wieder um die Krise des Tonträgermarktes, diesmal im Zusammenhang mit der sozialen Kategorie „Alter“ (im Vergleich zu anderen sozialen Kategorien). Dazu werden IFPI-Austria-Daten zu Tonträgerkaufverhalten österreichischer MusikkonsumentInnen sowie zum Kaufverhalten von bestimmten Altersgruppen gezeigt. Die Trennlinie zwischen Musikkauf und „Nicht-Musikkauf“ korrespondiert teilweise mit den Faktoren „Freizeit“ versus „Arbeitszeit“, die mit bestimmten Altersgruppen von MusikkonsumentInnen (und deren Lebensphasen) zusammenhängen. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels setzt sich mit dem populären Format MP3, Peer-to-PeerTauschbörsen und deren Auswirkungen auf Musikkonsum und Kaufverhalten von Musik auseinander. Die Technologien MP3 und Peer-to-Peer-Tauschbörsen werden dazu näher in ihrer Funktionsweise beschrieben. Auch wird das Phänomen des „Trittbrettfahrens“ (im Zusammenhang mit einer „Reziprozitätsnorm“) in Tauschbörsen erläutert. Daran anschließend werden die Gerichtsprozesse der Musikindustrie gegen Tauschbörsen und -nutzerInnen und deren Auswirkung behandelt. Dazu werden wiederum Daten präsentiert und diskutiert. Daraufhin folgt eine Auseinandersetzung mit Music-Downloading- und Brennerverhalten in Deutschland sowie zu Brennerverhalten in Österreich. Schließlich werden weitere Studien zu unautorisiertem Free-Downloading (teils im Rahmen von Musiktauschbörsen) gezeigt, die sich damit auseinandersetzen, ob Free-Downloading eher als Stimulus oder als Substitut für einen CD-Kauf zu bewerten ist. Das zwölfte Kapitel setzt sich mit dem Querschnittthema „Musik im Internet“ auseinander. Zu 3

Beginn wird das Internet als eine “disruptive Technology“ diskutiert und eine kurze Geschichte des Internets vorgestellt. Es werden zuerst quantitative Daten zu Musik im Internet in Österreich bzw. zu Webauftritten von den AkteurInnen MusikerInnen, Labels und VeranstalterInnen (vgl. SR-Archiv 2000) präsentiert und diskutiert. Danach wird Musik im Internet auf den „Achsen“ Produktions-, Informations-, Kommunikations- und Distributions- und Transaktionsmedium anhand der Webauftritte (und anderer „Internet-Aktionen“) unterschiedlicher AkteurInnen wie „Musikschaffende“, „Labels und andere Gewerbetreibende“ (wieder auf Basis des qualitativen Interviewmaterials) analysiert. Das Kapitel endet mit einem Abschnitt zu „Rahmenbedingungen für und Konsequenzen von Online-Musikdistribution“, in welchem die Problembereiche Digital-Right-Management-Systeme, Internationale Standardkodes ISRC

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Der Begriff „disruptive technology“ stammt von Clayton M. Christensen (2003). Zitiert in Interview mit Rantasa/mica .

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und ISWC und Pauschalabgaben, insbesondere in Form der Leerkassettenabgabe, behandelt werden. Die Studie schließt mit einem Resümee und Ausblick, in welchem noch einmal die Forschungsfragen vorgestellt und durch Resümees der einzelnen Bereiche der Musikwertschöpfungskette beantwortet werden. Zum Schluss wird der neue Typus des/der Musikschaffenden als ein „Produkt“ der digitalen Mediamorphose im Gegensatz zum Typus des Musikschaffenden aus der vorangegangenen elektronischen Mediamorphose ins Bild gerückt. Darüber hinaus wird die mit diesem Typus verbundene Zunahme an Autonomisierung zum Preis der Verringerung sozialer Absicherung erläutert.

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1 Die Theorie der Mediamorphosen des Kultur- und des Musikschaffens

1.1

Das Konzept der Mediamorphosen von Kurt Blaukopf und Alfred Smudits

Der Begriff Mediamorphose wird erstmals von dem Musiksoziologen Kurt Blaukopf für den Wandel von Musik durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien („IKTs“) verwendet (vgl. Blaukopf 1989). Blaukopf interessiert sich dabei vor allem für Musik in der elektronischen Mediamorphose, also Tonträgerproduktion und -distribution sowie Musikradio und -fernsehen. Mit dieser Wortschöpfung, die eine „Metamorphose (der Musik), die durch Technik ausgelöst oder ermöglicht wird“ bezeichnet, versuchte Blaukopf den „Gesamtprozess [...], der alle Elemente der musikalischen Kommunikation erfasst“ (Blaukopf 1989, 5), aufzuzeigen. Blaukopf nennt drei zentrale Untersuchungsebenen: „1.die Anpassung der musikalischen Botschaft an die technischen Bedingungen der Aufnahme und Wiedergabe; 2. die Nutzung der technischen Möglichkeiten im Interesse der musikalischen Botschaft; 3. die durch diese Momente bedingte oder ermöglichte Veränderung der Rezeption der musikalischen Botschaft.“ (Blaukopf 1989, 5-6)

Auch wenn der Mediamorphosenansatz von Blaukopf vor allem für den Bereich Musik formuliert wird, ist er nicht in erster Linie ein musiksoziologischer, sondern vielmehr ein mediensoziologischer Ansatz, der Medien als kommunikative Produktions- und Verbreitungsmittel begreift. Die Theorie der Mediamorphosen des Kulturschaffens wird später vom Soziologen Alfred Smudits weiterentwickelt. Smudits beschreibt fünf Mediamorphosen: erste und zweite grafische, chemisch-mechanische, elektronische und digitale Mediamorphose (vgl. Smudits 2002). Mediamorphosen zeigen, sobald sie genügend ausgereift sind, eigene strukturelle Merkmale (vgl. Smudits 2002, 43). Dieser Prozess ist aber nicht linear, sondern dialektisch zu denken. Zudem sind sie sowohl „Funktionen“ als auch „Initiatoren gesellschaftlicher Veränderungen“, als solche „idealtypisch zu verstehen“ und finden „nie in Reinkultur“ statt (Smudits 2002, 46). Nachdem im Anfangsstadium von Mediamorphosen zuerst eher „alte Inhalte über neue Kommunikationstechnologien transportiert“ werden, verändern sie nach und nach „das gesamte Beziehungsgefüge der Kommunikationskultur“. Dabei transformieren sie alle Bereiche des Kulturschaffens, nämlich Produktions-, Verbreitungs-, Distributions- und Rezeptionsweisen (vgl. Smudits 2002, 91). 1.1.1

Produktivkrafttheorie der Medien/Kommunikationstechnologien

Eine wichtige Annahme der Theorie der Mediamorphosen von Smudits ist in Anlehnung an die Theorien von Marx und der Frankfurter Schule (insbesondere Theodor Adorno und Wal-

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ter Benjamin), dass Kommunikationstechnologien Produktivkräfte des Kulturschaffens darstellen, welche den jeweiligen „Stand der technologischen Entwicklung einer Gesellschaft“ (Smudits 2002, 73) widerspiegeln. Kommunikative Produktivkräfte („Medien“) und Kommunikationskultur Produktivkräfte sind einerseits „Geräte, Werkzeuge, Maschinen als gegenständliche, materiell fassbare Produktionsmittel“, andererseits aber auch „die Arbeitsvermögen, also die Fähigkeiten und Verfahrensweisen der Menschen, mit diesen Produktionsmitteln umzugehen, sie kompetent zu bedienen“ (Smudits 2002, 73). Smudits entwickelt eine „Produktivkrafttheorie der Medien“, in der Kommunikationstechnologien als Produktivkräfte zu verstehen sind, die einerseits Medien (Produktionsmittel) und andererseits Kodes (Regelsysteme und Arbeitsvermögen, mit diesen umzugehen) meinen. Kodes sind zum Beispiel verbale Sprache, Bilder (inklusive, Fotografie, Film und Video), Musik und Körpersprache, aber auch andere Ausdrucksformen wie Design, Architektur und Mode, die sich erst in Medien realisieren müssen, um wahrnehmbar zu werden. Dabei besteht ein dialektisches Verhältnis zwischen Kodes und Medien. Smudits differenziert drei Sorten von Kodierungen: 1. lebendige, 2. symbolisch-grafische und 3. technische Kodierung. Typische Voraussetzungen dieser drei Arten von Kodierungen sind für -

die lebendige und ikonische Kodierung – Präsenz,

-

die symbolisch-grafische – Kompetenz,

-

die technische Kodierung die technische Apparatur.

Daher kann von „präsenzintensiven“, „kompetenzintensiven“ und „technikintensiven“ Kodierungen und von voll ausgeprägten Formen von Mediamorphosen gesprochen werden (vgl. Smudits 2002, 33-43). Das Verhältnis von Medien und Kodes ist aber kein abstraktes, weil Produktivkräfte vom jeweiligen aktuellen Stand der Technik abhängen, welcher gesellschaftlich und historisch fundiert ist und in einem permanenten Veränderungsfluss steht (vgl. Smudits 2002, 74). „Kommunikative Produktionsverhältnisse“ oder „Kommunikationskultur“ hängen mit den allgemeinen Produktionsverhältnissen zusammen (vgl. Smudits 2002, 76-77) (siehe Abbildung 1 unten).

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Abbildung 1: Analogien Kommunikationstechnologien und Produktivkräfte Medien

Kodes

Produktionsmittel

Arbeitsvermögen

Kommunikationstechnologien

Produktivkräfte

Texte, Gesten

Güter, Dienstleistungen

Kommunikationskultur

Produktionsverhältnisse

Quelle: Smudits 2002, 75

Spezifische kommunikative Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse – „ideologische, ästhetische Barrieren, Nachfrage und Angebot“ – sowie allgemeine – „politökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen“ (Smudits 2002, 78) – sind die entscheidenden Faktoren der Mediamorphosen. Sie zeigen, dass sich diese Theorie vom bürgerlichen Ideal des/r Künstlers/in als Genie distanziert und stattdessen die strukturellen, kommunikativen Produktionsmittel und soziokulturellen Bedingungen von Kunst- und Musikschaffen in den Vordergrund stellt. 1.1.2

Kriterien zur Beschreibung von Mediamorphosen

Aus dem Produktivkraftansatz ergeben sich die wesentlichen Kriterien zur Beschreibung von Mediamorphosen, die vor allem struktureller Art sind (vgl. Smudits 2002, 99-100): -

Berufsstatus: Dabei wirken Unterscheidungen wie angestellt versus freiberuflich, selbständig versus unselbständig sowie Vollzeit- versus Teilzeitbeschäftigung. Der Status hat vor allem auch Auswirkungen auf Sozial- und Pensionsversicherung der Kulturschaffenden.

-

Grad der Subsumtion unter eine industrielle/kapitalistische Produktionsweise: Zwei Arten von Subsumtion sind voneinander zu unterscheiden (vgl. Smudits 2002, 147148): -

Formelle Subsumtion bedeutet, dass zwar das künstlerische Schaffen bezüglich Vertrieb und Management an einen Kunstmarkt gebunden ist, aber nicht die künstlerische Produktionsweise selbst davon berührt wird.

-

Reelle Subsumtion meint, dass nicht nur Management und Vertrieb, sondern auch die Arbeits- und Produktionsweisen und somit das Schaffen des Kunstwerkes vom kapitalistischen Kunst- und Medienmarkt berührt werden.

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-

Professionalisierung: verweist auf Kulturschaffen als Beruf und führt zu einer gesellschaftlichen Integration der Kulturschaffenden in den Arbeitsmarkt (u.a. durch Institutionalisierung von Kulturberufen) und in das Bildungssystem.

-

Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten: Es ist zwischen Einkommen aus Werken (z.B. Verkauf von Tonträgern), Dienstleistungen (Live-Konzerte, DJing, Auftragsarbeiten für Film, Fernsehen oder Werbung, u.a.) und Tantiemen aus Urheberrechten (z.B. aus Radio-Airplay, mechanischen Rechten von Tonträgern oder MusicDownload oder Handy-Klingelton) zu unterscheiden.

Diese produktions- und berufsorientierten Kriterien stellen Funktionen von zwei weiteren Kategorien dar, die erstmals in der elektronischen Mediamorphose voll zum Tragen kommen und in der digitalen Mediamorphose noch zusätzlich an Einfluss gewinnen (vgl. Smudits 2002, 100): -

Mediatisierung: bezeichnet die Vermitteltheit von Kunstwerken durch technische Medien. Paradigmatisch dafür sind in der elektronischen Mediamorphose Radio und Fernsehen, die beide als Kulturindustrien auch die technischen Produktionsmittel bereitstellen und Beschäftigungsmöglichkeiten für Kulturschaffende etablieren.

-

Kommerzialisierung: Künstlerische Produkte werden als Waren in einem kapitalistischen Markt vertrieben, um Einkommen für Kulturschaffende generieren zu können. Mit der Zunahme der Kommerzialisierung des Kulturschaffens zieht sich der Staat immer mehr aus der traditionellen Rolle als Kunst- und Kulturmäzen zurück und überlässt die Kunst und die KünstlerInnen sich selbst und den Bedingungen des kapitalistischen Kunstmarktes.

1.1.3

Fünf Mediamorphosen des Kulturschaffens bei Smudits

Im sozialen Wandel des Kulturschaffens bestehen dem jeweiligen aktuellen Stand der Kommunikationstechnologien entsprechende dominante kommunikative Transformationen, daher verschiedene Formationen von Mediamorphosen. Smudits definiert fünf zentrale Mediamorphosen des Kulturschaffens (vgl. Smudits 2002, 44-45): 1. Schriftliche Mediamorphose oder erste grafische Mediamorphose: Grafische, symbolische und ikonische Kodierung durch die Erfindung von Schriftzeichen sowie Höhlenmalerei (präsenz- und kompetenzintensiv). 2. Zweite grafische Mediamorphose: Grafische und symbolische Kodierung und Entwicklung einer kompetenzintensiven Schreib- und Lesekultur durch die Erfindung des Buchdrucks sowie die massenweise Verbreitung gedruckter Schriftzeichen über Papier (kompetenzintensiv).

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3. Chemisch-mechanische Mediamorphose: Technische Kodierung durch die Erfindung der Fotografie, des Grammophons und des Films (technikintensiv). 4. Elektronische Mediamorphose: Technische Kodierung und das Entstehen einer technikintensiven Kommunikationskultur durch „alle möglichen Arten von Ton- und/oder Bildaufzeichnung und/oder -übertragung“ wie Radio und Fernsehen (technikintensiv). 5. Digitale Mediamorphose: Technische Kodierung durch die Entwicklung des Computers, des Internets und der mobilen Telefonie zur Übertragung digitaler Daten/Kommunikation (technikintensiv). Die fünf Mediamorphosen beschreiben einen Wandel von lebendiger und präsenzintensiver zu grafisch-symbolischer und kompetenzintensiver sowie weiters zu technikintensiver Kodierung. Die technikintensiven Mediamorphosen setzen ebenfalls Kompetenz und Präsenz voraus, aber mit geringerer Intensität. Gleichzeitig verschwimmen in der digitalen Mediamorphose die Grenzen dieser Unterscheidungen und es kommt zu „hybriden“ kommunikativen Kommunikationsformen (siehe Fidler (1997) unten). 1.2

Der Mediamorphosenansatz von Roger Fidler

Der amerikanische Kommunikationswissenschafter Roger Fidler entwickelte ebenfalls einen „Mediamorphosis“-Ansatz (vgl. Fidler 1997), der mit Smudits’ Mediamorphosenansatz vergleichbar ist. Im Unterschied zu Smudits widmet sich Fidler mit diesem Terminus aber nicht dem Wandel des Kulturschaffens, sondern dem gesamtgesellschaftlichen Wandel im Kontext neuer Kommunikationstechnologien. 1.2.1

Sechs Prinzipien von Mediamorphosen

Fidler beschreibt sechs Prinzipien von Mediamorphosen bzw. “principles of mediamorphosis in perspective“ (Fidler 1997, 29). Diese Prinzipien werden in der Folge an Beispielen aus dem Feld Musik sowie der digitalen Mediamorphose anschaulich gemacht. 1. Koevolution und Koexistenz (“Coevolution and Coexistence“) Alle Formen der Kommunikationstechnologien koexistieren und entwickeln sich innerhalb eines expandierenden, komplexen und anpassungsfähigen Systems. Jede neu auftauchende und sich entwickelnde Medienform beeinflusst im Laufe der Zeit und in verschiedenem Ausmaß die bereits vorhandenen Kommunikationsformen. Das heißt, dass es nach einem Nebeneinander langsam zur Integration von unterschiedlichen Medien, Inhalten und Stilen kommt. Zum Beispiel wird der Musikcomputer zu Beginn eher als Musikinstrument einer bestimmten Gruppe von MusikerInnen (neuer elektronischer Musik) benutzt. Mittlerweile ist digitale Music-Production-Technology für die breite Masse von Musikschaffenden, aber auch Amateu-

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rInnen zugänglich und hat Einfluss auf sämtliche musikalische Ausdrucksformen und Musikstile. 2. Mediamorphosen (“Mediamorphosis“) Neue Medien treten weder spontan noch alleine für sich auf, sondern Schritt für Schritt durch die Transformation der alten Medien. Sobald neue Kommunikationsformen auf den Plan treten, neigen die alten Formen dazu, sich an die neuen anzupassen und sich weiterzuentwickeln. Daher sterben die alten Medien auch selten aus. Zum Beispiel wird die Vinyl-Schallplatte nie gänzlich durch die CD verdrängt und erlebt durch die Clubkultur, in der DJs Vinyl-Platten zum Fetisch machen, einen Revival. 3. Propagieren (“Propagation“) Neue Kommunikationsformen setzen zuerst die Charakteristika bereits vorhandener Medienformen fort. Die alten Eigenschaften verbreiten sich durch neue kommunikative Kodes. Zum Beispiel dient das Internet zu Beginn insbesondere als Informations- und Kommunikationsmedium, um über Musik und Filme u.a. über Websites und Email zu kommunizieren und sie somit zu promoten. Die Kommunikation über Email stellt einen Hybrid aus den alten Formen Fax und Telefon bzw. aus schriftlicher und mündlicher Kommunikation dar. Selten wird das Internet aber nach wie vor zum Produzieren von Musik durch zwei oder mehr Personen (z.B. zum gemeinsamen virtuellen Proben) verwendet. 4. Überleben (“Survival“) Alle Formen der Kommunikationstechnologien müssen sich anpassen und weiterentwickeln, um in einer sich im Wandel befindenden Umwelt überleben zu können, sonst sterben sie aus. Zum Beispiel ist unklar, ob die CD ihre derzeitige Krise überleben wird, weil digitale Musik über tonträgerlose Medien wie Computer-Festplattte, Handy oder Memory-Stick, iPod oder MP3-Player transportiert werden kann. Die CD bietet im Gegensatz zur DVD relativ wenig inhaltlichen und sound-technischen Mehrwert. 5. Chance und Notwendigkeit (“Opportunity and Need“) Neue Medien werden nicht nur wegen ihrer technologischen Vorzüge angenommen. Damit sie angenommen werden, müssen sie eine sozial, politisch oder ökonomisch motivierte Chance bieten. Zum Beispiel setzte sich die digitale Musikkassette (DAT) wegen ihres relativ hohen Preises nie als Standard am KonsumentInnenmarkt durch, wird aber wegen ihrer soundtechnischen Qualität in der Musikproduktion verwendet. Im Fall des Formates MP3 ist es nicht die Industrie, die den KonsumentInnen das Format unterbreitet. MP3 wird von TechnikerInnen am Fraunhofer Institut in Deutschland entwickelt und von den KonsumentInnen begeistert angenommen. Durch die Datenkompression im Verhältnis von ca. 1:10 erleichtert

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MP3 die Distribution eines Soundfiles über das Internet. Daher etabliert sich MP3 bereits früh als der Standard, um Musik über das Internet zu verbreiten (siehe Kap. 11). 6. Verzögerte Annahme (“Delayed Adoption“) Kommerziell erfolgreich werden neue Medien sowie Medienunternehmen erst nach einer längeren Zeitspanne. Musikdistribution im Internet ist dafür ein Beispiel. Von Medien- und MarktforscherInnen werden zuerst eine schnellere Durchsetzung und ein größeres Wachstum angenommen. Bis heute ist aber noch immer unklar, ob und in welchen Dimensionen und Modellen sowie in welchem Zeitraum sich digitale Musikdistribution über Internet und mobile Telefonie durchsetzen wird. 1.2.2

Drei Mediamorphosen bei Fidler

Fidler geht nicht wie Smudits von fünf, sondern von nur drei Mediamorphosen aus (siehe unten): -

1. Mediamorphose: durch Aufkommen gesprochener Sprache (“spoken language“) vor ca. 30.000 Jahren beginnend.

-

2. Mediamorphose: durch schriftliche Sprache (“written language“) und ikonische Symbole wie Höhlenmalerei (Anfänge vor ca. 6.000 Jahren).

-

3. Mediamorphose: durch Erfindung digitaler Sprache (“digital language“) vor ca. 200 Jahren (vgl. Fidler, z.B. 35).

Fidler weist weder der elektronischen noch der chemisch-mechanischen Kodierung die Relevanz zu, um sie in ihrer ausgeprägten Form wie Smudits als eigenständige Mediamorphosen zu bezeichnen. Die digitale Mediamorphose erhält von allen drei Mediamorphosen Fidler’s größte Aufmerksamkeit. Er verortet deren Beginn bereits anfangs des 19. Jahrhundert (siehe Zeittafel Abbildung 2 unten), während Smudits sie erst in den 70/80er Jahren des 20. Jahrhundert ansetzt. Fidler sieht die Anfänge der digitalen Mediamorphose bereits in den Konzepten von Digitalität, hingegen meint Smudits’ Digitalität vor allem die Anwendungen digitaler Computertechnologien.

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Abbildung 2: Zeittafel menschlicher Kommunikation Vor ..... Jahren

Signifikante Ereignisse und Entwicklungen

-

Ausdruckssprache (“Expressive Language“)* und Kommunikationswerkzeuge

-

gesprochene Sprache und erste Mediamorphose Höhlenmalerei in Südeuropa

-

Ende der Eiszeit Auftauchen der ersten großen landwirtschaftlichen Gemeinschaften Beginn der Bronzezeit in Kleinasien geschriebene Sprache und zweite Mediamorphose antike Herrscherreiche Entwicklung von Schreibtechnologien handgeschriebene Bücher und Bibliotheken römische Straßen und erste Kurierdienste Entwicklung von Druck- und Zellstoffpapier in Asien Entwicklung von Zellstoffpapier in Europa Beginn der europäischen Renaissance in Italien Handelsrevolution in Europa handgeschriebene “Newsletter“ und “Newsbooks“ Entwicklung des Drucks (Druckerpresse) in Europa Gedruckte Zeitungen, Zeitschriften und Bücher Industrielle Revolution

-

digitale Sprache+ und die dritte Mediamorphose elektrische Anwendungen für Kommunikationsmedien drahtlose Kommunikation, Film Ferngesprächstelefonie (transkontinental) Rundfunk – Radio, Radio-Faxmaschine Rundfunk – Fernsehen Mainframe Computer Kabelfernsehen, erstes transatlantisches Telefonkabel ARPANET (Vorgänger des Internets), elektronische Mail (Email) Mikroprozessoren, Personal Computer, Videorekorder digitales Faxgerät, Compact-Disc digitales Radio und Fernsehen virtuelle Realität und Konferenzsysteme World Wide Web Mosaic “Net Browsers“

100.000

10.000

Vor/nach Christus 1.000

100

10

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* Ausdruckssprache (“expressive language“) beinhaltet Zeichen und Symbole sowie Kunst, Musik und Tanz. + Der Ursprung digitaler Sprachen wird allgemein mit der Entwicklung elektronischer Computer in den 1940ern assoziiert, das darunterliegende Konzept kann aber bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden.

Quelle: Fidler 1997, 54 (frei vom Englischen ins Deutsche übersetzt).

1.2.3

Drei Domains der Kommunikation

Neben den drei Mediamorphosen definiert Fidler als weitere wesentliche Kategorien drei “Domains“, die horizontal zu den Mediamorphosen liegen, mit denen eine differenzierte Betrachtung von Mediamorphosen und deren Vergleich möglich wird (vgl. Fidler 1997, 32-44, 50): 1. Interpersonal Domain Darunter sind Kommunikationsformen, die über verbale und nonverbale Sprache funktionieren sowie relativ partizipatorisch und interaktiv sind, zu subsumieren. Das sind Formen des interaktiven Informationsaustausches, wie Face-to-Face-Konversation, Telefonie, Email und Fax. Diese Domain stellt die einzige von allen der Domains dar, die unmittelbare Kommunikation zwischen Menschen zulässt. Weitere Ausprägungen dieser Domain sind zwar ebenfalls interaktiv, funktionieren aber nicht unmittelbar, sondern über Kommunikationstechnologien und zeitlich verzögert, wie Telegraf, Telefax oder Email. Fidler zählt auch die Kommunikation zwischen Menschen und Computerprogrammen zu dieser Domain. 2. Broadcast Domain Fidler begrenzt diese Domain nicht wie sonst üblich auf die typischen Massenmedien Radio und Fernsehen, sondern sieht darin alle Wenig- bzw. Ein-zu-Viele-Kommunikationsformen, die stark strukturierte, auditive oder visuelle Inhalte zu einem relativ passiven (und teilweise Massen-)Publikum übermitteln. Darunter fallen zum Beispiel Theaterperformances und öffentliche Reden, aber auch Live-Konzerte und das Spielen von Musiktonträgern. Die Inhalte der Broadcast Domain sprechen das Publikum vor allem auf einer emotionalen und sinnlichen und nicht so sehr kognitiven Ebene an. Die Vermittlung (die direkt oder medial stattfindet) erfolgt meist sequenziell – daher mit einem Anfang und einem Ende sowie mit fixem Ort und Zeitregime. Das Publikum hat dabei relativ wenig Kontrolle über die eigene Art der Aneignung. Diese Domain ist weniger interaktiv als die anderen zwei Domains. ProduzentInnen geben die Inhalte vor, die vom Publikum zumeist nicht einfach transzendiert oder verändert werden können. In Zukunft werden elektronische Massenmedien aber mehr Interaktivität zwischen ProduzentInnen und Publikum zulassen.

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Der Aspekt der Passivität muss aber für die Rezeption von Musiktonträgern und von LiveKonzerten relativiert werden. Zwar sind Inhalte und Struktur von Tonträgern fast immer durch ProduzentInnen vorgegeben, Tonträger können aber an beinahe jedem Ort durch tragbare Abspielgeräte (wie Walkman, Disc-Man, MP3-Player, iPod, Minifestplatte oder Handy) rezipiert werden. Parziell hat die Rezeption von Tonträgern durch die Mobilität auch Ähnlichkeit mit der kommunikativen Situation der Document Domain (siehe unten). Außerdem ist es technisch möglich, ein Music-File auf eine Computerfestplatte zu kopieren, zu manipulieren und über Internet zu distribuieren. Von Passivität kann im Zuge dessen keine Rede mehr sein. Auch die Kommunikation zwischen PerformerInnen und Publikum eines LiveKonzerts und insbesondere Rockkonzerts ist zumeist keine, in der das Publikum als passiv bezeichnet werden kann. 3. Document Domain Zu dieser Domain werden alle vermittelten Wenig- oder Ein-zu-Vielen-Medien zur Verbreitung von strukturierten, handschriftlichen, typografischen oder visuellen Inhalten zu einer Leserschaft durch tragbare Medien wie Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und andere gedruckte Schriftstücke wie Notenblätter zugeordnet. Fidler subsumiert darunter auch digitale „seiten-basierte“ Kommunikationsformen, die über Computer-Netzwerke, insbesondere über das World Wide Web funktionieren. „Hypertexte“ stellen Texte dar, die miteinander „verlinkt“ sind und „Hypermedien“ entsprechen Medien, in denen verschiedene Medien wie Video, Sound und Text untereinander „verlinkt“ werden. Die „LeserInnen“ dieser Medien haben relativ viel Kontrolle über den Aneignungsprozess, da die Zeit sowie die Wahl des Ortes, zu/an der/dem sie lesen, weitgehend ihrer eigenen Kontrolle überlassen sind. Sie müssen auch nicht dem linearen Pfad eines Buches oder einer Zeitung folgen, sondern sie können selektiv lesen. Selektives Vorgehen ist auch bei der Aneignung von Hypertexten Voraussetzung, um überhaupt rezipieren und verstehen zu können. Diese Freiheit erfordert aber auch die Fähigkeit, Informationen relativ schnell aufnehmen zu können und zu verarbeiten. Auch Web-basierte Medien beinhalten, falls sie über einen tragbaren Laptop rezipiert werden, im Vergleich zu Medien der Broadcast Domain ein relativ hohes Maß an Mobilität. 4. Hybride Domain Fidler sieht in Zukunft hybride Formen jenseits dieser drei Domains entstehen bzw. werden die Grenzen zwischen diesen drei Domains durchlässiger. Daher entwickelt sich möglicherweise eine vierte Domain (vgl. 51), in der sich alle möglichen Medien und Gattungsformen durchmischen und zu etwas Eigenem formieren.

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1.3

Die fünf Mediamorphosen des Kulturschaffens

Im Folgenden werden die fünf Mediamorphosen in Anlehnung an den Mediamorphosenansatz von Smudits – jede für sich – genauer erläutert und diskutiert. Im Zuge dessen werden auch die Theorien des Kommunikationswissenschafters Roger Fidler, des Soziologen Manuel Castells und des Musikökonomen Peter Tschmuck miteinfließen. Dabei geht es um ein relativ allgemeines Bild, das den Transformationsprozess im Speziellen im Bezug auf Musikschaffen sowie teils auf das Gesellschaftssystem im Allgemeinen aufzeigt. 1.3.1

Die schriftliche Mediamorphose oder erste grafische Mediamorphose

Grundlage der schriftlichen oder ersten grafischen Mediamorphose ist das Aufkommen von Schriftzeichen sowie die Erfindung von Papyrus (vgl. Fidler 1997, 61-62). Die Einführung des phonetischen Alphabets im antiken Griechenland (sowie weitere einheitliche und standardisierte Schriftsysteme in anderen Kulturen) bringt „eine Rationalisierung des schriftlichen Kodes“ (Smudits 2002, 78) und zugleich eine Standardisierung der schriftlichen Kommunikation. Die Verbreitung der Schrift führt zu einer zunehmenden Unterscheidung in mündlichen und schriftlichen Kode. Die Entwicklung einer einheitlichen Notenschrift ist mit der des Alphabets vergleichbar. Das Musikleben ist nun durch die Differenz zwischen lebendiger Kodierung und Vermittlung sowie von der Aufzeichnung grafischer Unikate geprägt (vgl. Smudits 2002, 78-79). Das Berufsbild der Musikschaffenden zeigt in dieser Phase MusikerInnen als DienstleisterInnen und Live-DarbieterInnen, die im Wesentlichen vom „Geschmack von MäzenInnen (fordernde Patronage) oder einer überschaubaren Gruppe von höfischen oder lokalen RezipientInnen“ abhängig sind (Smudits 2002, 113). 1.3.2

Die zweite grafische Mediamorphose

Für die zweite grafische Mediamorphose kennzeichnend ist die Entstehung und Verbreitung des Buchdrucks durch die Erfindung der Druckerpresse mit beweglichen Lettern von Gutenberg sowie der Erfindung des Papiers, das die Verbreitung von Büchern im größeren Ausmaß erst ermöglicht. Bereits 600 nach Christi findet sich mechanisches Drucken in China und Korea, aber die Herrscherhäuser verhindern dort die Verbreitung dieser neuen Technologie, weil sie sie als Instrumente zur Herrschaftssicherung benutzen. Durch Handel und militärische Konflikte mit den ChinesInnen erlernen auch die AraberInnen bereits im achten Jahrhundert die Methoden des Druckens sowie die Fähigkeit der Herstellung von Baumwollfaserpapier und produzieren auf diese Weise Bücher und religiöse Dokumente. Den EuropäerInnen sind diese Technologien bereits lange vor dem 15. Jahrhundert bekannt, aber sie sind zuerst nicht daran interessiert, sie auch anzuwenden. Obgleich das erste Baumwollfaserpapier bereits 1.200 nach Christi produziert wird, erhält es in Europa bis nach der großen europäischen

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Pestepedemie (in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts) keinen Warencharakter (vgl. Fidler 1997, 63-64). Johann Gutenberg ist übrigens nicht der Erfinder der Druckerpresse, aber er entwickelt eine effiziente und praktikable Druckmethode (durch den Einsatz von beweglichen Lettern), mit der in relativ kurzer Zeit eine Vielzahl von qualitativ hochwertigen Schriftstücken hergestellt werden kann. Diese Vereinfachung und Beschleunigung des Druckprozesses führt auf Dauer zu einer enormen Preissenkung und zur Verbreitung von gedruckten Schriftstücken, zuerst insbesondere von Bibeln. In Europa findet parallel zur Verbreitung der Druckerpresse eine umfassende Umwälzung des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems statt: der Aufstieg des Bürgertums, der Städte und die Entstehung des Handelskapitalismus. Eine Alphabetisierung der breiten Bevölkerung erfolgt aber erst im sechzehnten Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Aufkommen gedruckter Zeitungen (vgl. Fidler 1997, 64-66). In dieser Mediamorphose verändert sich das Feld der Musik durch die Verbreitung einer einheitlichen Notenschrift, welche ähnlich wie das Alphabet eine kulturelle Produktivkraft darstellt (siehe oben). Durch die Notenschrift kommt es zur Trennung zwischen DarbieterInnen/InterpretInnen und eigentlichen UrheberInnen, den KomponistInnen. Diese Differenzierung beinhaltet eine Hierarchisierung, die die abstrakte Komposition über die konkrete Interpretation und Live-Darbietung stellt (die sich auch im Urherberrecht widerspiegelt, in dem InterpretInnen im Gegensatz zu KomponistInnen nicht als UrheberInnen definiert werden). Dieser Prozess hat zwar schon in der ersten grafischen Mediamorphose begonnen, die Trennung zwischen Konkretem und Abstraktem konnte sich aber mit Musikunikaten nicht so weitgehend durchsetzen wie in Form von standardisierten gedruckten Noten. Mit den Notenblättern wird außerdem die Eigenleistung von MusikerInnen, die ein Werk vom Blatt einstudieren, nachvollziehbar und vergleichbar. Ein Musikstück kann durch Noten an mehreren Orten gleichzeitig aufgeführt werden sowie von nachfolgenden Generationen rezipiert und interpretiert werden. Die Leistungen der Musikschaffenden werden durch die Notenblätter zu Waren, bei deren kommerziellen Verbreitung Verlage, die meistens identisch mit Druckereien sind, die entscheidende Rolle spielen. Es findet eine Trennung zwischen ProduzentInnen (v.a. KomponistInnen) und DistributeurInnen (v.a. Verlage) statt und es entsteht erstmals ein Arbeitsmarkt für MusikerInnen, AgentInnen, ManagerInnen und VerlegerInnen (vgl. Smudits 2002, 107-113). Die rechtliche Grundlage zur finanziellen Abgeltung dieser Berufsgruppen (vor allem KomponistInnen und VerlegerInnen) bildet das Urheberrecht (das österreichische Urheberrecht existiert seit 1885). Musikschaffende können durch das Urheberrecht, das insofern Anreiz zur Schaffung von Werken gibt, als es Tantiemen aus der Nutzung von Werken garantiert, zwar freier agieren, weil sie mit ihrer Dienstleitung nicht mehr direkt von MäzenInnen abhängig sind, dafür müssen sie aber auch ihre Produkte auf einem Markt darbieten und verkaufen. Im

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Vergleich zur Situation der ersten grafischen Mediamorphose impliziert dieser neue Status zwar eine Zunahme an Freiheiten und neuen Einkommensmöglichkeiten, aber auch eine ökonomische Verunsicherung (vgl. Smudits 2002, 113-115). 1.3.3

Die chemisch-mechanische Mediamorphose

Die chemisch-mechanische Mediamorphose ist durch eine Vielzahl an technischen Erfindungen im Bild- und Tonbereich gekennzeichnet. Neben der Erfindung der Fotografie und des Films kommt es Ende des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal zu Schallaufzeichnungen. 1877 entwickelt Thomas Edison den Phonographen (der zuerst als Diktaphon gedacht ist und nicht als Musikabspielgerät), 1888 Berliner das Grammophon und 1897 wird die Schellack, die erste Schallplatte serienreif. Die Verbreitung von Musik beschränkt sich damit nicht mehr auf gedruckte Noten auf Papier, sondern die „eingefrorene“ lebendige Darbietung mittels einer Aufnahme durch den Tonträger Schellack gewinnt an Bedeutung. Damit hat die Geburtsstunde der Tonträgerindustrie geschlagen. Da diese Tonaufzeichnungen aber zuerst qualitativ limitiert und in physischer Form relativ umständlich zu den RezipientInnen gelangen müssen, weil das Material der Schellacks relativ zerbrechlich ist, ist die Massendistribution zu Beginn nur begrenzt durchsetzbar (vgl. Smudits 2002, 124-125). Auch in der mechanisch-chemischen Mediamorphose entstehen neue Berufsbilder wie FotografInnen, FilmregisseurInnen und -produzentInnen, Im Feld der Musik werden für Schallplattenproduktionen KomponistInnen und reproduzierende MusikerInnen, die Musik „einspielen“, benötigt (vgl. Smudits 2002, 136). Das Tin Pan Alley-Modell Wesentlich dominiert die chemisch-mechanische Mediamorphose im Musikleben die Tin Pan Alley-Ära, die zuerst noch einen Hybrid aus zweiter schriftlicher und chemisch-mechanischer Mediamorphose darstellt und ungefähr von 1900 bis in die 1920er Jahre anhält. Tin Pan Alley ist der Spitzname einer Straße in Manhatten/New York West 28th Street zwischen Broadway und Sixth Avenue, in der Musikverlagshäuser angesiedelt sind, die dieses Musikvertriebsmodell repräsentieren. In dieser Phase geben die technischen Innovationen Schellack und Phonograph sowie die AkteurInnen MusikverlegerInnen, Musiktheaterhäuser und Tonträgerunternehmen den entscheidenden Ton im Musikgeschäft an. KomponistInnen und TexterInnen werden von der Music-Publishing-Industrie angeheuert, um Songs zu komponieren und zu texten. Den „Stoff“ dieses Musikapparates liefert ein Musikrepertoire, das als leichte Unterhaltungsmusik bezeichnet werden kann und „[…] zum Großteil aus süßlichen Walzermelodien, Marschmusik und aus Nummern der Musikrevuen sowie Vaudeville-Theater [bestand]. Verfasst wurde diese Musik von Komponisten und Liedtextern, die in der europäischen Kultur wurzelten und in der Lage waren, Notentexte herzustellen.“ (Tschmuck 2003, 58)

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In diesem profitablen Modell besteht eine Arbeitsteilung „von Textern, Komponisten, Arrangeuren, und so genannten Songpluggern, die zur Aufgabe hatten, was man heute Promotion 4

nennt“ . Tin Pan Alley zeigt bereits Ähnlichkeiten mit dem heutigen Modell der Tonträgerindustrie bzw. ist es sein Vorbote, nur liegt der Schwerpunkt damals auf dem Verkauf und der Bewerbung von Notenblättern und das in engem Zusammenhang mit Broadway-Musicals und deren Stars: „Über den Namen des Interpreten konnte man neue Songs verbreiten. Im Tin Pan Alley Modell haben die Musikverleger damals gut gelebt, weil es verschiedene Broadwaytheaterunternehmen gab, die das Interesse hatten, sich selbst zu bewerben und Publikum anzuziehen und daher Bedarf an einer guten Source, einem bekannten Interpreten hatten. Es war ein harter Konkurrenzkampf. Die Theater versuchten, sich gegenseitig Interpreten abzuwerben. Das heißt, [heute wie damals] ist der Musiker immer 5

die Prostituierte.“

Heute ist die CD (damals Notenblätter) Voraussetzung, damit Live-Konzerte (damals Musical-Shows) promotet werden können, zugleich schaffen die Live-Konzerte durch die Präsenz (und den Namen) der MusikperformerInnen erst ein Publikum, das Tonträger kauft. Sowohl durch Tonträger als auch Live-Konzerte (und der damit verbundenen Medienrezeption) kann der Name einer/s Muskers/in als PerformerIn (damals Musical-Star) aufgebaut werden. Sobald MusikerInnen berühmt sind, werden sie für sämtliche Musiklabels, Verlage und VeranstalterInnen (damals Theaterhäuser) zu „heißer Ware“. Das Tin Pan Alley-Modell stellt mit seinem Fokus auf Verwertung von Musiknoten ursprünglich ein Modell der zweiten schriftlichen Mediamorphose dar, kann aber durch eine reformierte Copyright-Gesetzgebung in die chemisch-mechanische Mediamorphose herübergerettet und damit zuerst bestärkt werden. Im US 1909 Copyright Act werden „Abgaben in der Höhe von 2 Cent auf jeden Musik-Zylinder, jede Schallplatte und Klavierrolle vorgesehen.“ Bemerkenswert ist, dass „[d]as Verbindungsglied zwischen Musikverlegern und Tonträgerproduzenten [...] der Musiktheatermarkt [war]. Die Musikverleger verdienten dank des Copyrights sowohl an Live-Aufführungen in den Musiktheatern als auch am Tonträgerverkauf.“ (Tschmuck 2003, 59) Die chemisch-mechanische Mediamorphose führt aber letztendlich zur Durchsetzung des Tonträgers, somit zum Rückgang des Musiknotenmarktes und folglich zur Verschiebung der Machtverhältnisse zu Gunsten von Tonträgerunternehmen und zu Ungunsten von Verlagen: „Im Zentrum stand nunmehr der Tonträger, für den die Musikverlage das Copyright-ge-

4 5

Zitat aus Interview mit Huber/Institut für Popularmusik. Ebenda.

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schützte Repertoire lieferten und die Live-Aufführung zum wichtigen Promotionsinstrument wurde.“ (Tschmuck 2003, 283) 1.3.4

Die elektronische Mediamorphose

Der Einsatz von Elektrizität und Elektronik in der Kommunikation und die daraus resultierenden Anwendungen Telefon, Telegraf, Radio und Fernsehen stellen den wesentlichen Innovationsschub der elektronischen Mediamorphose dar. Sämtliche Kodes – ob visuelle oder auditive – werden Schritt für Schritt in den elektronischen Kode übersetzt. Erst jetzt kann durch die zunehmende Dominanz der technischen Vermittlung lebendiger Kodes – akustischer oder visueller Art – von einer voll ausgeprägten „Mediatisierung“ gesprochen werden. Gemeinsam mit dieser Mediatisierung findet eine wachsende Kommerzialisierung des Kunstund Kulturschaffens statt. Kulturproduktionen treten vermehrt in Warenform auf. Dieser Warencharakter hat zwar bereits mit der zweiten grafischen Mediamorphose begonnen, durch die erstarkende Kommerzialisierung zeigt er sich aber als „das der Kulturindustrie zugrunde liegende wirtschaftliche Prinzip“ (Smudits 2002, 144). Beide Prinzipien – Mediatisierung und Kommerzialisierung – bedingen einander und verändern den Kunstarbeitsmarkt vor allem in Hinblick auf den Arbeitsprozess der Kulturschaffenden. Die Kulturschaffenden – insbesondere im reproduzierenden Bereich – werden ebenfalls unter die industrielle und kapitalistische Produktionsweise „reell subsumierbar“ (Smudits 2002, 147), während die traditionellen künstlerischen Tätigkeiten „formal subsumiert“ werden (vgl. Smudits 2002, 153) (siehe oben). In dieser Mediamorphose beginnt ein „Prozess [...] den man als ‚Industrialisierung kulturellen Schaffens bezeichnen könnte“ (Smudits 2002, 142). Damit treten zwei weitere wichtige Entwicklungen auf, die sich noch stärker in der digitalen Mediamorphose durchsetzen werden: die „Ökonomisierung der Ästhetik“ sowie die „Ästhetisierung der Ökonomie“: -

Die Ökonomisierung der Ästhetik bewirkt, dass die „ökonomische Funktion, der Anlage- oder Marktwert, die Rentabilität von Werken, die materialisierten Leistungen, wie von Künstlerpersönlichkeiten“ (Smudits 2002, 213) zu zentralen Prinzipien von Kulturproduktion werden. Kunst wird zur Ware, gleichzeitig verliert im Vergleich zum Markt- bzw. Tauschwert ihr kultureller Wert an Bedeutung. Das führt dazu, dass sich der Staat immer mehr aus der Verantwortung des Kunstmäzens zurückzieht.

-

Die Ästhetisierung der Ökonomie resultiert daraus, dass sich das Wirtschaftssystem künstlerischer Ästhetik für ihre eigenen Präsentationszwecke bedient (vgl. Smudits 2002, 217).

Beide Prozesse – die Ökonomisierung der Ästhetik und Ästhetisierung der Ökonomie – sind miteinander verschränkt und ihr Fortschreiten ist nicht aufhaltbar. KünstlerInnen sind zwar

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nie frei von Zwängen und Bedingungen ihres Schaffens gewesen, unter einem wirtschaftlichen Primat – das beiden Prozessen zugrunde liegt – droht aber die Gefahr, dass der Anspruch auf Freiheit der Kunst und damit einhergehend auf öffentliche Förderung zunehmend aufgegeben wird. Da die elektronische Mediamorphose neue/s Fähigkeiten, Wissen und Organisationsformen nachfragt, werden auch neue Tätigkeitsfelder innerhalb traditioneller Berufe sowie gänzlich neue Berufe geschaffen. Dies gilt auch für das Feld der Musik, wo sich durch die elektronischen Technologien neue Tätigkeitsfelder vor allem für reproduzierende MusikerInnen, StudiomusikerInnen und MusikproduzentInnen eröffnen (vgl. Smudits 2002, 131-135). In diesen Berufen sowie im Verhältnis zwischen Kreativen und ZuhörerInnen wirkt sich die verstärkte Mediatisierung aus (vgl. Smudits 2002, 150). Seitens der Kulturschaffenden ist nun ein kontinuierliches Up-Daten ihrer Medien- und Technikkompetenzen notwendig. Neben „künstlerischem Talent“ werden zudem soziale Kompetenzen wie Kooperationsfähigkeit nachgefragt. In der elektronischen Mediamorphose bieten elektronische Medien als Kulturindustrien – daher Film-, phonographische sowie Radio- und Fernsehindustrie – vielen Kulturschaffenden neue Einkommensmöglichkeiten. Künstlerisches Arbeiten findet somit zunehmend im Rahmen von „weisungsgebundener Lohnarbeit“ in Kulturindustrien statt, die diese Arbeit gemeinsam mit den notwendigen Produktionsmitteln bereitstellen (vgl. Smudits 2002, 149). Smudits hält vier wesentliche Einflussquellen der elektronischen Medien/Kulturindustrien auf die Produktionsbedingungen der Kulturschaffenden fest: „Das Medium/die Kulturindustrie [...] a) [...] transportiert oder speichert bereits vorhandene Arbeiten von Kulturschaffenden. [...] Grundsätzlich stehen den betroffenen Kulturschaffenden aber Abgeltungen für die technische Nutzung ihrer Schöpfungen oder Leistungen zu, b) [...] bietet den Kulturschaffenden spezifische Tätigkeitsbereiche an. [...] In diesem Fall bietet das Medium/die Kulturindustrie neben Einkommen- auch Beschäftigungsmöglichkeiten. c) [...] hat indirekte Auswirkungen auf die Situation der Kulturschaffenden, wobei es sich meistens um einen materiell nicht angebbaren Effekt handelt, also nicht um Abgeltung oder Honorare, sondern z.B. um Prestigezuwachs (oder -verlust). Dieser Tatbestand soll als PR-Effekt bezeichnet werden.“ (Smudits 2002, 137-138)

Der Punkt b.) wird in der digitalen Mediamorphose teilweise aufgehoben werden. Einerseits wird das Equipment für Homestudios leistbarer, womit Selbständigkeit und Marktzugang der Kulturschaffenden

erleichtert

wird,

andererseits

werden

Beschäftigte

von

den

Kulturindustrien aus Kostengründen ausgelagert. Der Punkt c.) verschärft sich in der digitalen Mediamorphose, z.B. werden Tonträger in Form von Gratis-CDs oder als -MP3s als Promotion-Tool eingesetzt.

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Im Gegensatz zur grafischen Mediamorphose, die das Urheberrecht hervorbringt, entsteht in der elektronischen Mediamorphose das Leistungsschutzrecht, das die InterpretInnen schützt und ihnen Tantiemen garantiert. Gleichzeitig ermöglichen elektronische Technologien nicht nur neue Einnahmen, sondern auch neue Formen der Piraterie, vor allem durch das Kopieren mittels Musikkassette oder Videokassette. Um das private Kopieren von Inhalten (darunter Musik) zum nichtkommerziellen Gebrauch zu legalisieren, wird die Leerkassettenabgabe, eine Pauschalabgabe und Kompensation für das Kopieren zum privaten Gebrauch auf so genannte Leerkassetten eingeführt. Vom Medium als Botschaft zu Botschaften als Medien In der elektronischen Mediamorphose werden Radio und Fernsehen zu den zentralen Medien. Vor allem das Fernsehen wird zum Massenmedium. Im Musikbereich wird die Vinyl-Schallplatte das wichtigste Distributionsmedium. Marshall McLuhan bringt diese mediale Situation mit dem Satz „das Medium ist die Message“ (Mc Luhan 1964) auf den Punkt, der besagt, dass eine Botschaft durch eine geringe Anzahl von SenderInnen zu Millionen von EmpfängerInnen – und das zur gleichen Zeit – gesendet werden kann. Im Gegensatz zum Kino, das im öffentlichen Raum rezipiert wird, werden die Massenmedien Radio und Fernsehen zumeist im privaten oder quasi-privaten Bereich/en (auch) bei Ausübung anderer Tätigkeiten rezipiert. Diese Massenmedien wirken oft als Hintergrundkulisse und sind als solche Bestandteil alltäglicher Interaktion. Die ZuseherInnen und HörerInnen behalten zudem eine gewisse Autonomie und Interaktionsmöglichkeit. Fernsehen ist folglich nicht Medium „einer“ so genannten Massenkultur, sondern eine technische Apparatur, die eine Vielzahl an Lesarten und Interaktionen zulässt. Das bedeutet aber nicht, dass diesem System neutrale Medieninstitutionen zu Grunde lägen, es ideologiefrei oder seine Wirkung vernachlässigbar wäre (vgl. Castells 1996, 331-336). Fernsehen wirkt „universell“, weil es den Kontext (“frame“) der Äußerungen vieler möglicher sozialer Gemeinschaften – politische, kulturelle, wirtschaftliche u.a. – bildet. Im Fernsehen werden die verschiedenen Botschaften in Form von Informationen, Unterhaltung, Propaganda, Entspannung, Hypnose durchmischt und sind somit kaum mehr voneinander unterscheidbar (vgl. 336). Seit den 80er Jahren findet eine starke Differenzierung von Medien und Medieninhalten statt. Radio und seine Programme spezialisieren sich, zugleich explodiert die Anzahl der Fernsehkanäle durch Kabel und Satellitenfernsehen und führt zu einer Diversifikation der Programme. Auch in der Popmusik kommt es seit den 80er Jahren zu einer Differenzierung in vielfältige Musikstile, „-publiken“ und -medien, insbesondere Musikradio-, -fernsehkanäle, darunter Musikvideokanäle. Musikvideos stellen heute einen signifikanten Anteil aller Videoverkäufe dar. Der Videorekorder ermöglicht zudem bisher unbekannte Interaktions- und Feedbackmöglichkeiten und wird entweder als Alternative oder zur Zeitverschiebung des TVProgramms (Aufnahme von TV-Sendungen, um sie erst zu einem späten Zeitpunkt zu konsu-

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mieren) genutzt. Im Musikbereich wird der Walkman als individuelle, selbststeuerbare und tragbare „Musikkulisse“ auf den Markt gebracht (vgl. Castells 338). Das Resultat dieser pluralistischen Medienwirklichkeit, die den Vorboten der digitalen Mediamorphose darstellt, ist ein segmentiertes Publikum, das – obgleich in seiner Zahl massiv – kein Massenpublikum im alten Sinn mehr darstellt, weil es weder simultan noch uniform als ein Publikum agiert (vgl. Castells 339). Die neuen Medien – Radio und Fernsehen – sind also nicht mehr Massenmedien im traditionellen Sinn, die eine begrenzte Anzahl von Botschaften zu einem homogenen Massenpublikum senden. Die wesentliche Veränderung besteht für Castells darin, dass nicht mehr das Medium (für das das Fernsehen paradigmatisch steht) die Botschaft repräsentiert, sondern die Eigenschaften der Botschaft die Merkmale des Mediums formen. In der Unterhaltungs- und Medienbranche drückt sich das in einem „Bindungsverlust [der ‚Publiken’] an bestimmte Programme und Sender [aus] [...]. Unter diesen Voraussetzungen wurde Unterhaltung weniger eine Verhältniskategorie als zunehmend zielgruppenspezifisch definiert“ (Mühl-Benninghaus 2004, 20). Die Diversifikation von Inhalten, Medien und Publikum ist zugleich Resultat der Orientierung am Massenmarkt, der durch Segmentierung die Möglichkeit zur Expansion bereithält. Durch „Nischenbildung“ des Massenmarktes, die zu vielen Nischenmärkten führt, verschwindet auf Dauer der Massenmarkt, weil die Nischen ihre Eigenleben entwickeln. Die Diversifizierung von Botschaften, Medien und Publikum bedeutet aber nicht zwangsläufig Mediendemokratisierung (vgl. 340). Zwei Modelle der Musikindustrie: Radio und Tonträger Der Beginn der elektronischen Mediamorphose fällt im Wesentlichen mit dem Auftauchen des neuen Mediums Rundfunk in der ersten Hälfte der 20er Jahre zusammen. Die damaligen Tonträgerfirmen sehen den Rundfunk vorerst als Konkurrenzmedium zur Schellack. Aus diesem Grund ignorieren sie das Radio zuerst und reagieren dann darauf verärgert (vgl. Tschmuck 2003, 72-73). Die elektrischen Aufnahmeverfahren durch Mikrofontechnik revolutionieren die Tonspeicherung und die elektrische Schallplatte wird entwickelt. Ähnlich wie später beim Aufkommen der CD, die die Vinyl-Schallplatte zu einem großen Teil ersetzen wird, werden die akustischen Aufnahmen durch die elektrischen Schallplatten sowie die akustischen Phonographen durch elektrische Plattenspieler ersetzt (vgl. 83). Damit blüht die Tonträgerindustrie zwar noch einmal auf, es kommt dann aber zur nachhaltigen Krise und zu einer radikalen Umstrukturierung der alten Musikindustrie. Zuerst führt die Krise in allen europäischen Ländern zu einer „starken Marktkonzentration“, später – Ende der 1930er Jahre – zu einem Zusammenbruch der Tonträgerindustrie (vgl. 93f, 99-100). Die neuen HauptakteurInnen sind Rundfunkunternehmen, die sich mit den Verlagshäusern von Tin Pan Alley zusammentun, „weil aus der Verwertung der Rundfunkrechte mehr Einnahmen zu lukrieren waren als aus dem Tonträgerverkauf“ (Tschmuck 2003, 100). Im Laufe des Zweiten Weltkrieges beherrscht die Radioindustrie weitgehend den Musikmarkt (vgl. 107-108). Der dominante

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Musikstil dieser Periode ist in den USA der Jazz (bzw. der Swing), der von Big Bands in Radiostationen live eingespielt wird. Daher sind es nicht Tonträger, sondern Live-Konzerte, die über Radio vermittelt werden (in Verbindung mit gedruckten Noten), die das zentrale Element der Musikwertschöpfung darstellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg – Anfang der 50er Jahre – findet der nächste große Paradigmenwechsel in der Musikindustrie statt. Auf technischer Ebene werden die Vinyl-Langspielplatte sowie die Single auf den Markt gebracht. Die andere relevante technische Innovation ist die Musikkassette, welche zuerst nicht von der Musikindustrie angenommen wird, weil diese befürchtet, dass sie die Schallplatte ersetzen könnte (vgl. Tschmuck 2003, 130-132). Die größte Revolution findet aber auf musikalisch-ästhetischem Gebiet mit dem Aufstieg des Rock’n’Roll statt. Auch bei dieser Revolution wollen die Majors der Musikindustrie zuerst nicht mitmachen, weil ihnen der Rock’n’Roll zu obszön, lasziv und deshalb für den Massenmarkt zu riskant erscheint. Durchsetzen kann sich der neue Musikstil, der im engen Zusammenhang mit einem fundamentalen Wertewandel der Gesellschaft, insbesondere der Jugend steht, durch das Engagement kleiner Independent Labels und Radiostationen (vgl. 132 f.). Ähnlich den Tonträgerunternehmen in den 1920er Jahren, die nicht mit dem Radio kooperieren wollten, sehen die großen Rundfunkunternehmen die kleinen Radiostationen, die die neue Musik im Gegensatz zu ihnen spielen, als KonkurrentInnen an und arbeiteten deshalb nicht mit ihnen zusammen (vgl. 140). Die Entwicklung führt letztendlich dazu, „dass Mitte der 1950er Jahre […] die US-Majors die Kontrolle über die Wertschöpfungskette in der Musikindustrie“ verlieren: „Die Voraussetzungen dafür war die Entwicklung der praktisch unzerbrechlichen Vinyl-Platte, die das aufwändige Distributionsnetz der Majors überflüssig machte.“ (Tschmuck 2003, 140) Die VinylPlatte hat im Vergleich zur Schellack vor allem den Vorteil, unzerbrechlich zu sein und somit kann sie mit der Post transportiert werden (vgl. 275). Folglich wird durch sie die Musikdistribution sehr stark erleichtert. Außerdem erlaubt der Einsatz des Magnetophons erstmals Musikproduktion in der eigenen Garage (vgl. 140) und damit eine Unabhängigkeit der Musikschaffenden von ProduzentInnen. In den 60er Jahren führt die Rock’n’Roll-Revolution zu einem Wachstum des Tonträgermarktes um das Zweieinhalbfache (vgl. Tschmuck 2003, 270). Bei den Plattenlabels verschwinden langsam „die Stäbe angestellter Song-Schreiber und Komponisten“, welche durch „autonom agierende Künstler ersetzt [werden], die über A&R-Manager zum Plattenlabel gebracht wurden“. Gleichzeitig bringt diese Zeit eigenständige Radio-Disc-Jockeys bzw. „Showleute mit unternehmerischen Fähigkeiten, die sich selbst und die Musik, die sie spielten, zu vermarkten wussten“ (Tschmuck 2003, 276) sowie einen neuen Typus von MusikproduzentIn hervor, der/die sich nicht wie früher nur als TechnikerIn, sondern auch als Kreative/r versteht.

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Der Rock’n’Roll-Revolution der 50er-Jahre und der damit einhergehenden Dezentralisierung des Musikmarktes folgt in den 60er-Jahren eine neue Ära der Konsolidierung, in der sich große Tonträgerkonzerne formieren und eine oligopolistische Struktur durchsetzen, die im Grunde bis heute anhält. Die Musikindustrie ist von ihrer Industriestruktur her durch „vertikale Integration“ geprägt und überlässt innovative Experimente kleinen Independent Labels und unabhängigen MusikproduzentInnen, „die das Marktrisiko tragen, aber über Distributionsverträge an die Majors gebunden sind, die bei Erfolg Künstler wie auch die Plattenlabels akquirieren“ (Tschmuck 2003, 283-284). Die vier globalen Musikkonzerne EMI, Warner Music, SONY-BMG und Universal Music Group sind aber Teile größerer Medienkonzerne, die ihre Musikabteilungen – je nach Marktlage – auch abstoßen könnten, wenn diese nicht die entsprechenden Gewinne abwerfen (siehe Kap. 7). 1.3.5

Die digitale Mediamorphose

Die digitale Mediamorphose ist eine Fortführung der elektronischen Mediamorphose in neuer Qualität. Die Voraussetzung der digitalen Mediamorphose stellt die Digitalisierung bzw. die digitale Kodierung von Information und Kommunikation dar. Zwei Phänomene sind voneinander zu unterscheiden: Erstens, „digitale Kodierung bei herkömmlichen elektronischen Geräten“ und zweitens „Computernetzwerke als eigenständige neue Medien“ (Smudits 2002, 175). Fidler und Smudits verorten die Anfänge von Digitalität (die noch keine Mediamorphose ausmachen) jeweils verschieden. Fidler setzt die Anfänge bereits im beginnenden 19. Jahrhundert an, weil zu dieser Zeit bereits Konzepte digitaler Sprache entwickelt werden (vgl. Fidler 1997, 71-72). Smudits hingegen setzt den Beginn ungefähr in den 1970er Jahren mit der Erfindung von Computern auf digitaler Basis an. Im Laufe der 1980er und 1990 Jahre gewinnt die digitale Mediamorphose spürbar an Stärke, auch wenn sie sich bis heute noch lange nicht vollständig durchgesetzt hat. Diese Phase zwischen den 70er und den 90er Jahren zeigt aber nicht nur rasante technische und mediale Veränderungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie auf Basis von Mikroprozessoren, sondern auch wirtschaftliche und gesellschaftliche: Postfordismus, Ende der Massenproduktion und Globalisierung. Der Unterschied zwischen analogen und digitalen Medien Digitale Systeme beruhen im Unterschied zu analogen Computersystemen, die auf dem Dezimalsystem basieren, auf dem binären Zählsystem mit den Einheiten 0 und 1, so genannten “bits“. In der digitalen Kodierung können sowohl Texte als auch Bilder, Klänge u.a. auf “bits“ reduziert werden. Die Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen Gattungen (wie Text, Bild, Video, Ton) werden somit im digitalen System hinfällig (vgl. Fidler 1997, 73-74). Um sie für die menschliche Wahrnehmung dechiffrieren zu können, muss digitale Sprache wiederum ins analoge (bzw. Dezimal-)System übersetzt werden, weil „jedem Digitalmedium

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ist stets ein Analogmedium in Funktionseinheit nachgeschaltet“ (Schanze 2004, 67-68). Daher ist „das Digitale“ auch weniger „als absoluter und radikaler Einschnitt, sondern eher als Transformation“ (Schröter, Jens 2004, 24) „des Analogen“ zu verstehen. Fünf zentrale Spezifika digitaler Technologien und durch sie erzeugte oder übertragene Klänge und Bilder sind nach Smudits: „1. die maximale Vernetzbarkeit verschiedener Kommunikationstechnologien 2. die ständige Steigerung der Kapazität sowie der Qualität der Kanäle und Speicher bei gleichzeitiger Miniaturisierung dieser Geräte 3. die Orientierung auf den Bildschirm als zentrales Arbeits-, Kommunikations- und Unterhaltungs‚Gerät’ 4. die prinzipielle Veränderung in Bezug auf die Erstellung von Bildern oder Klängen: mittels digitaler Kodierung wird ‚Wirklichkeit’ nicht exakt wiedergegeben, sondern es werden prinzipiell immer eigene Wirklichkeiten geschaffen 5. die Tendenz, den digitalen Kode zu einem universellen Kode werden zu lassen, zumal – im Gegensatz zum analogen elektronischen Kode – nunmehr auch verbale Texte in digitaler Form bearbeitet werden können.“ (Smudits 2002, 128-129)

Im Folgenden wird näher auf die einzelnen fünf Punkte eingegangen: Ad. 1. Die maximale Vernetzbarkeit verschiedener Kommunikationstechnologien Auf der einen Seite ist mit Vernetzbarkeit die Verbindung unterschiedlicher Medien und Mediengattungen miteinander (also „Multimedia“), auf der anderen Seite die Vernetzung von Medien und Inhalten über Telekommunikationsnetze gemeint. Neben mobilen Telekommunikationsnetzwerken ist heute das Internet das am weitestgehend genutzte Netz, um Informationen zu kommunizieren. Der Vorläufer des Internets – das ARPANET – wird in den 1960er Jahren aus militärischen Überlegungen entwickelt, um im Kriegsfall Daten so störungsfrei und effizient wie möglich über weite Distanzen innerhalb eines dezentralen Netzwerkes senden und empfangen zu können. Die Erfinder des ARPANETs sind Ingenieure der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T (vgl. z.B. Fidler 1997, 75-76). Mit der Erfindung des World Wide Web, einer nutzerfreundlichen grafischen NetbrowserBenutzeroberfläche durch Tim Berners Lee in den 90er Jahren steht der Durchsetzung des Internets als Massenmedium für die breite Bevölkerung nichts mehr im Wege. Durch den Einzug von Email und World Wide Web setzt sich auch globale digitale Vernetzung in der Interpersonal Domain (wie Email und Chat), in der Broadcast Domain (z.B. MP3-Files, VideoStreams, Internet-Radio) und in der Document Domain (z.B. Websites, Text-Files) durch. Ad. 2. Die ständige Steigerung der Kapazität sowie der Qualität der Kanäle Auch wenn die Breitbandkapazitäten von digitalen Netzwerken im Steigen sind und für die KonsumentInnen auch immer günstiger werden, ist die fehlende Bandbreite trotzdem noch ein

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Problem, weil der Bedarf ständig zunimmt. Das Internet wurde ursprünglich nicht als Breitbandnetz zum Übertragen riesiger Datenmengen erdacht, sondern zum schnellen und effizienten Austausch von Informationen in Kriegsfällen sowie später in Wissenschaft und Forschung. Eine Methode, das Breitbandproblem technisch zu lösen, ist die Datenkompression, wie mit MP3, das die Komprimierung von Musikfiles im Verhältnis von 1:10 ermöglicht (siehe Kap. 11). Ad. 3. Die Orientierung auf den Bildschirm als zentrales Arbeits-, Kommunikations- und Unterhaltungsgerät Die Orientierung auf den Bildschirm hängt auch mit der Konvergenz von interpersoneller, Broadcast und Document Domains zusammen. Nun können Texte, Musik und Videos quasi „auf einmal“ auf einer Website zusammengespielt und rezipiert werden. Gleichzeitig kommt es aber auch zu einer Schwerpunktverlagerung auf den grafischen – und daher Text und Bild – Bereich. Das heißt auch, dass zuerst alle Inhalte über die grafische Oberfläche des Bildschirms prozessiert und wahrgenommen werden. Ad. 4. Die prinzipielle Veränderung in Bezug auf die Erstellung von Bildern oder Klängen Im Musikbereich sind es momentan nicht so sehr die völlig artifiziellen Klänge, die ohne jeglichen „natürlichen“ Ursprung produziert werden, sondern so genannte “Samples“ von bereits vorhandenen Musikaufnahmen, Live-Musik oder Geräuschen, die als Basis für Musikschaffen bzw. zum „Sampeln“ verwendet werden. Bei „gesampelter“ Musik handelt es sich also weder um ein rein artifizielles Produkt, noch um eine pure Wiedergabe von bereits vorhandenem Sound. Der kreative und innovative Input variiert dabei aber stark (zwischen reinem Auflegen, daher „Reproduktion“, und eigener „Kreation“). Ad. 5. Der digitale Kode trachtet danach, sich alle anderen Kodes einzuverleiben Diese Tendenz zeigt auch die Kontinuität zur elektronischen Mediamorphose, in der der elektronische Kode danach strebt, der Universelle zu werden. Nun ist der Kode aber nicht nur elektronisch, sondern auch digital. Die Digitalisierung von Inhalten ermöglicht auch die Konvergenz und damit das Zusammenbringen von verschiedenen Textsorten wie Musik, Bild und Schrift, daher „Multimedialität“.

“Computer Mediated Communication“ („CMC“) und die Kultur „realer Virtualität“ Die neue Kommunikationskultur der digitalen Kommunikationsnetzwerke, von vielen AutorInnen “Computer-Mediated-Communication“ oder kurz “CMC“ genannt, basiert nach Castells im Gegensatz zu den Massenmedien auf keinem universellen Kommunikationsmedium mehr. Im Unterschied zu Fernsehen, Radio und Tonträgern schließt CMC trotz seiner rasanten Ausbreitung nach wie vor und wahrscheinlich auch in Zukunft große Bevölkerungsgruppen aus (vgl. Castells 1996, 358), vor allem Gruppen höheren Alters, mit niedrigem Bil-

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dungsgrad, niedrigem Einkommen, teils weiblichen Geschlechts, sowie EinwanderInnen oder Menschen, die in so genannten Schwellenregionen leben (siehe Kap 11). Mit CMC setzt sich ein Prozess fort, der mit dem Medium Fernsehen in der elektronischen Mediamorphose bereits begonnen hat. Durch „Multimedia“ wird die begonnene Differenzierung der ZuschauerInnen und ZuhörerInnen und damit Segmentierung von Medienmärkten fortgesetzt. Zwei wesentliche NutzerInnengruppen von neuen Medien sind nach Castells voneinander zu unterscheiden: “[…] the interacting and the interacted, meaning those who are able to select their multidirectional circuits of communication, and those who are provided with a restricted number of prepacked choices. And who is what will be largely determined by class, race, gender and country.” (Castells 1996, 371)

Durch CMC kommt es also zu einer weiteren Differenzierung sozialer Schichtungen, die stark auf Zugang und Nichtzugang zu Wissen und Bildung beruht. Dieser Zugang stellt aber eine Voraussetzung dafür dar, mit Computer und Internet umgehen zu können. Sowohl Personal Computer als auch Internet verlangen einen eher inter-„aktiven“ und kognitiven Zugang. Die NutzerInnen müssen aktiv nach Informationen oder Unterhaltung suchen und dazu vorher oft schon wissen, wonach sie suchen. Es besteht aber auch Koexistenz der Massenmedienkultur und einer Kultur der “VirtualCommunities“ in elektronischen Kommunikationsnetzwerken (wie z.B. das Internet) (vgl. Castells 1996, 371). Als Pendant dazu findet sich im Musikbereich einerseits die Massenmusikkultur, die oft abfällig als “Mainstream“ bezeichnet und andererseits Music-Communities, deren Mitglieder durch ihre Affinität zu bestimmten Musikstilen wie Goa, Techno, Trance, HipHop, House, Drum’n’Bass konstituiert werden. Auch wenn dieses System grundsätzlich interaktiver, selektiver und vor allem differenzierter als früher ist, werden diese Botschaften doch durch ein allgemeines kognitives Muster wahrgenommen. Ähnlich wie beim Medium Fernsehen findet also das Verwischen verschiedener Inhalte, Kommunikationsformen und -medien in ein und demselben Kommunikationssystem statt: “[…] interactive educational programs look like video-games; newscasts are constructed as audio visual shows, trial cases are broadcast as soap operas; pop music is composed for MTV; sport games are choreographed for their distant viewers, so that their message becomes less and less distinguishable from action movies; and the like.“ (Castells 1996, 371)

Das Medium ist also nicht mehr die Botschaft, sondern Botschaften behalten ihre Signifikanz durch ihre eigenen Merkmale bei, werden aber im Kommunikationsprozess miteinander durchmischt und lassen im Zuge dessen ihre „eigentlichen“ Kodierungen zurück, um „vielfäl-

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tige semantische Kontexte aus einer willkürlichen Mixtur mannigfaltiger Bedeutungen“ (Castells 1996, 371) zu bilden. Castells führt in Referenz sowie in Opposition zum Terminus „virtuelle Realität“ den Terminus „reale Virtualität“ ein. Er geht davon aus, dass erfahrene Realität immer schon virtuell ist, weil sie über Symbole (daher Sprache) wahrgenommen und konstruiert wird. Die Symbole umgeben die kulturellen Praxen mit Bedeutungen, zugleich entfliehen Bedeutungen aber immer auch ihren strikten semantischen Definitionen (vgl. Castells 1996, 372). In anderen Worten hat es niemals eine klare Trennung zwischen wahrnehmbarer Realität und symbolischer Repräsentation gegeben, aber das gegenwärtige Kommunikationssystem generiert im Gegensatz zu früheren Erfahrungen und Wirklichkeiten eine „reale Virtualität“: “It is a system in which reality itself (that is, people’s material/symbolic existence) is entirely captured, fully immersed in a virtual image setting, in the world of make believe, in which appearances are not just on the screen through which experience is communicated, but they become the experience.” (Castells 1996, 373)

Das Merkmal des neuen Systems ist seine Einschließung von und Ausdehnung auf alle kulturellen Äußerungen. In diesem „Multimediakommunikationssystem“ funktionieren alle möglichen Arten von Botschaften im binären Kode von Präsenz und Absenz (vgl. Castells 1996, 374). Dabei zeigt sich wieder eine Kontingenz zum Massenmedium Fernsehen, das im binären Kode von „sein oder nicht sein“ (336) funktioniert. Der Unterschied zwischen der Massenmedienrealität und der realen virtuellen Realität ist, dass nicht mehr wenige einzelne Massenmedien (Fernsehen, Radio, Printmedien und Tonträger), sondern eine Vielzahl an Medien und medialen Inhalten gleichzeitig existiert, die sich miteinander vermischen, gegenseitig beeinflussen und verändern. Folglich ist „ein Medium nicht [mehr] auf eine bestimmte Art der Nutzung festzulegen“ (Friedrichsen 2004, 78-79 in Bezug auf Monaco 2000). 1.4

Die digitale Mediamorphose des Kulturschaffens

Der Kunst- und Kulturbereich ist bereits von der digitalen Mediamorphose erfasst worden. Innerhalb der Verwertungskette des Kulturschaffens sind alle Bereiche betroffen, daher im Groben gesprochen: „- Kreation und Produktion: der Computer als Werkzeug zur Generierung und Bearbeitung, Speicherung und Wiedergabe von Werken - Verbreitung: künstlerisch-kreative und kommerzielle Nutzung von Computernetzwerken - Rezeption: neue Zugangsarten zu allen Arten von kulturellen Gütern und Dienstleistungen.“ (Smudits 2002, 174-175)

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Die digitale Mediamorphose hat wie die vorangegangenen Mediamorphosen auch weitreichende Konsequenzen auf das Urheberrecht. Die Kontrolle von urheberrechtlich geschützten digitalen Inhalten wird nun schwerer und einfacher zugleich. Über das Internet kann Musik leicht kopiert und distribuiert werden, was auch zur Problematik von unautorisierten FreeMusic-Downloads führt (siehe Kap. 11 und 13). 1.5

Paradigmenwechsel in der Musikindustrie durch Mediamorphosen

Im Laufe des 20. Jahrhundert beherrschen drei große Paradigmen die Musikindustrie, die jeweils von Revolutionen ästhetischer und/oder technologischer Art in eine neue Ära geführt werden. Alle drei Revolutionen stehen im Zusammenhang mit kompetenz- und technikinten6

siven Mediamorphosen (vgl. Tschmuck 2003, 278-280): 1. Ära der Musikverlage: Im Mittelpunkt des Musikabsatzmodells stehen bis in die 1920er-Jahre Schallplatten/Schellacks in Verbindung mit gedruckten Notenbättern (chemisch-mechanische Mediamorphose). Jazz/Swing Revolution in den frühen 20er Jahren 2. Rundfunk-Ära: Große Rundfunkunternehmen bestimmen bis zu den 1950er-Jahren die Musikwirtschaft. Die Live-Übertragung von Big-Bands steht bei Einnahmengenerierung im Vordergrund; die Tonträger sind eher Nebensache (elektronische Mediamorphose). Rock ‚n’ Roll-Revolution Mitte der 1950er Jahre 3. Ära der Tonträgerkonzerne: Die Tonträgerproduktion wird bis Ende 1990er revolutioniert. Radio und Fernsehen fungieren als die zentralen Medien, um Musik zu promoten (elektronische Mediamorphose). Digitale Revolution 4. Nach dem Erfolg der CD, der auch zur Stärkung der Ära der Tonträgerkonzerne führt, folgt die Krise der Tonträgerindustrie. Welche neue Ära aus der digitalen Mediamorphose letztendlich hervorgeht, ist derzeit noch nicht klar absehbar. Eine vorläufige Technikfolgenabschätzung erfolgt in dieser Forschungsarbeit. Die Majors der Musikindustrie machen jeweils drei Phasen durch, bis sie das neue Modell in der vierten und letzten Phase akzeptieren (vgl. Tschmuck 2003, 279): -

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Phase 1: Die Ignoranz des Neuen;

Die technikintensiven Mediamorphosen sind chemisch-mechanische, elektronische und digitale Mediamorphose.

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-

Phase 2: Das Herunterspielen der Relevanz des Neuen für die eigene Geschäftstätigkeit;

-

Phase 3: Der Kampf gegen das Neue und seine ProtagonistInnen;

-

Phase 4: Die Akzeptanz des Neuen.

In allen drei Revolutionen sind es vor allem Independent Labels, kleine und Independent Radiostationen sowie die ErfinderInnen neuer Produktions- und Kommunikationstechnologien, die die anstehenden ästhetischen und technischen Innovationen vorantreiben und zur Transformation des Musikmarkts führen (vgl. Tschmuck 2003, 312). 1.6

Die digitale Mediamorphose des Musikschaffens

Mit der digitalen Mediamorphose setzen sich drei bereits mit der vorhergegangenen elektronischen Mediamorphose begonnene Entwicklungen fort, die weitreichende Folgen für das Musikschaffen haben (vgl. Smudits 2002, 181): -

Das Musikschaffen wird durch digitale Technologie rationalisiert;

-

Die Nachfrage nach technischen Kompetenzen und neuen Qualifikationen der Musikschaffenden sowie der Musikhörenden steigt;

-

Die künstlerische Arbeit wird technikintensiver und technikbewußter.

Alle drei Punkte beziehen sich auf eine „technik- und kompetenz-intensive Kultur“ mit zwei Seiten: Einerseits sind Investitionen notwendig, „um sich sowohl die technischen Geräte wie auch die Kompetenzen anzueignen“, was zu einer Zunahme an gesellschaftlicher Ungleichheit führen kann. Andererseits kommt es nach einer Phase der hohen Preise von Produktionsmitteln zu einer starken Preissenkung von Produktions-, Reproduktions- und Distributionsmitteln des Kulturschaffens, die nicht nur zu einem “Empowerment“ der Musikschaffenden, sondern auch des Publikums führt (vgl. Smudits 2002, 196) (siehe auch Kap. 5 und 11). Wie andere digitale Güter ist die Reproduktion und Verbreitung von Musik durch die Digitalisierung nicht mehr an bestimmte technische Formate gebunden. Digitale Musik kann verschiedene physische oder nichtphysische Formate (z.B. MP3) annehmen sowie von einem ins andere Format transformiert werden. Dies eröffnet die Möglichkeit der Konvergenz verschiedener Einzelmedien miteinander (Video, Texte etc.). Musik ist aber besonders von Digitalisierung betroffen, weil: „Musik ist im Gegensatz zu anderen Waren ein Produkt, das in digitalisierter Form auf einfache Weise von Computern verarbeitet werden kann. Zusätzlich lässt sich gerade Musik problemlos über Telekommunikationsnetze übertragen [...] Musik ist im Vergleich zu allen anderen von der Medienindustrie angebotenen Inhalten am einfachsten zu erfassen und zu bearbeiten.“ (Schöner 2001, 84-85)

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Aus diesen Gründen verändert die Digitalisierung den Musikbereich bisher stärker als andere Kulturindustrien. Die wichtigsten Veränderungen sollen in der Folge kurz umrissen werden. 1.6.1

Musikproduktion

Der Musikcomputer wird zum relevanten Arbeits- und Produktionsmittel und verändert die Arbeitsweisen eines Teils der Musikschaffenden (vgl. Smudits 2002, 177). Nach einer eher „teuren“ Phase der digitalen Musikproduktionstechnologien folgt eine Phase der Preissenkung mit dem Effekt der Verbreitung nicht nur unter Musikschaffenden, sondern auch unter -amateurInnen. Musikschaffende können durch das Homestudio selbst zu ProduzentInnen werden. 1.6.2

Musikdistribution

Im Wesentlichen kennzeichnet die digitale Mediamorphose „dass das Musikgeschäft nicht mehr an den Tonträger gebunden ist, sondern eine Dienstleistung darstellt, die man über das Internet in Anspruch nehmen kann“ (Tschmuck 2003, 225). Zu Beginn der digitalen Mediamorphose ist es noch ein physisches Trägermedium – die CD – das den Markt bestimmt. Das CD-Absatzwachstum bremst sich aber nach der Marktsättigung ein und die Stagnation hält im Grunde bis heute an. Die Herausforderung, die den radikalen Anstoß zur Umwälzung gibt, erfolgt auf rein technischer Ebene seit Mitte der 90er Jahre durch die schnelle und massive 7

Verbreitung von MP3. Im Speziellen haben Musiktauschbörsen den Austausch von MP3 auf eine Massenbasis gestellt. Rechtliche Maßnahmen der Industrie gegen TauschbörsennutzerInnen sowie gegen BetreiberInnen der Tauschbörsen wegen Urheberrechtsverletzungen sind nur begrenzt fruchtbar. Tonträgerfirmen sind mittlerweile ebenfalls, um Musik über bezahlungspflichtige Internet- oder mobile Telefonieservices anzubieten, Kooperation mit Telekom- und Computerfirmen eingegangen. Nichtsdestotrotz steckt die kommerzielle Musikdistribution über Internet und Handy heute noch in den Kinderschuhen, auch wenn es in diesem Bereich zurzeit sehr viel Bewegung gibt. 1.6.3

Disintermediation traditioneller MarktmittlerInnen und Verringerung von Marktbarrieren für Musikschaffende?

Die neuen Produktions- und Verbreitungsmöglichkeiten führen wegen verstärkter Zugänglichkeit und Nutzerfreundlichkeit zur Reduktion von traditionellen Musikmarkteintrittsbarrieren. Eine wesentliche Marktbarriere ist, dass der Musikmarkt (im Jahr 2002 in Marktanteilen) zu 75 % (vgl. DerStandard 13./14. Dez. 2003, 30) von fünf (und seit Ende 2003 von vier) internationalen Großkonzernen Universal, BMG-SONY, Warner und EMI kontrolliert

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MP3: Motion Picture Expert Group 2 Layer 3: MP3 ist ein Komprimierungsverfahren, das die Distribution von Musik über das Internet stark erleichtert und damit im großen Rahmen erst ermöglicht.

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wird. Von diesem „Oligopol“ ist Österreich als kleiner Musikbinnenmarkt stark betroffen. Dazu gehört, dass eher Repertoire anderer Länder verwertet wird als eigenes hervorzubringen und kommerziell zu verwerten, was in einer negativen Außenhandelsbilanz resultiert (siehe Kap. 4 und 7). Neben der Preissenkung von Music-Production-Technology kann das Internet helfen, Marktbarrieren abzubauen. Ein Fallen von Marktbarrieren durch die Nutzung neuer Medien geht teils mit der Umgehung alter „Mittlerrollen“ einher. Im englischen Sprachraum wird dieser Prozess gängig “Disintermediation“ bei gleichzeitiger “Reintermediation“ bzw. das Auftreten neuer MarktmittlerInnen genannt. Zugleich bleibt es im unüberschaubaren World Wide Web unsicher, ob nachhaltige Aufmerksamkeit erlangt werden kann. Daher ist es in der näheren Zukunft unwahrscheinlich, dass eine Band bzw. ein/e MusikerIn einen neuen Hit ausschließlich über das Internet promoten oder vertreiben wird können. Traditionelle Massenmedien wie Radio, Fernsehen und Printmedien sowie die Marktmacht der Major Labels sind weiterhin für Erfolg am Tonträgermarkt wesentlich (vgl. Janson & Mansell 1998, 40). 1.6.4

Ein neuer Typus des/r Musikschaffenden

Die digitale Mediamorphose bringt einen neuen Typus des/r Musikschaffenden hervor, der mehrere Funktionen in einer Person „Komponist, Interpret, Produzent, Homestudio-Besitzer, Label-Betreiber, Internet-Anbieter, DJ und Marketing-Manager in eigener Sache“ (Gebesmair 2000b, 128) in sich vereint. Die Musikschaffenden gründen ihrerseits „Klein- bis Kleinstunternehmen [...], um wiederum ihre Produkte großen Unternehmen anzubieten“ (Smudits 2002, 183). Die künstlerische Produktion der Musikschaffenden wird dabei zunehmend zur „Visitkarte“ bzw.: „[…] eines von mehreren ‚Angeboten’ ihrer Produktpalette, und zwar vermutlich dasjenige, das die geringsten ökonomischen Erträge verspricht, das allerdings auf der anderen Seite hohen symbolischen Ertrag bringen kann, einen Ertrag, der im Weiteren gleichsam als Referenz für Aufträge im kommerziellen Bereich Verwendung findet“ (Smudits 2002, 192-193).

Künstlerische Produktion (z.B. in Form von CD-Alben) wird also zum Werbemittel für andere Produktionen oder Services wie Live-Acts und Musikschaffende zu Werbenden „mit dem Ziel, ihren Marktwert innerhalb der industrialisierten Kultur zu verbessern“ (Smudits 2002, 193). 1.6.5

Zwei Potenziale der digitalen Mediamorphose für Musikschaffen

Die Digitalisierung des Musikschaffens beinhaltet im Wesentlichen zwei Potenziale: Einerseits „verstärkte Mediatisierung und Kommerzialisierung“ oder sie kann „die Regeln von traditionellen Formen des Warentauschs auf eine Weise in Frage stellen, beeinträchtigen oder

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gar konterkarieren, die völlig neue [...] Produktions- und Distributionsstrukturen [...] ergeben“ (Smudits 2002, 176). Die Voraussetzung für die zweite Möglichkeit ist eine „Demokratisierung der Ästhetik“ des Musikschaffens (Smudits 2002, 223), für welche erst die notwendigen rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Falls nicht, besteht potenziell die Gefahr, dass der Musikmarkt immer mehr in globalen Mainstream und lokale Nischenmärkte zerfällt und damit eine noch größere Ungleichheit zwischen privilegierten und nicht privilegierten MusikerInnen als bisher entsteht (vgl. Wallis, Baden-Fuller, Kretschmer und Klimis 1998).

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2

2.1

Forschungsvorhaben, Methode und Material

Der Forschungsgegenstand

In diesem Forschungsprojekt werden die Auswirkungen der digitalen Mediamorphose auf Arbeits- und Produktionsprozesse sowie -bedingungen der Musikschaffenden untersucht. Der Fokus liegt auf österreichischen Musikschaffenden und Labels. Unter dem Terminus „Musikschaffen“ fasst Hesmondhalgh (2002, 55) folgende Tätigkeiten: “Conception: design, realisation, interpretation [...] composition and improvisation of songs, etc. Execution: performance in recording studios, on film and television sets Transcription on a final master: involving editing (film, books and magazines), mixing (music, film).”

Daher fallen unter den Begriff „Musikschaffende“ KomponistInnen, TexterInnen, MusikinterpretInnen, StudiomusikerInnen, MusikproduzentInnen und DJs. Außerdem liegt der Schwerpunkt auf solchen Musikschaffenden, die sich für ihre Musikproduktion, aber auch Musikdistribution digitaler Technologien und neuer Kommunikationstechnologien bedienen. Dazu zählen insbesondere der Music-Computer (Hard- und Software) und das Internet, aber auch andere neue Kommunikationsformen wie das Handy. Zudem wird insbesondere die Situation von Musikschaffenden zweier Stilfelder der Popmusik beleuchtet, nämlich der elektronischen Musik und Rockmusik. Diese beiden Stilfeldgruppen werden ausgewählt, weil elektronische Musik und Rock Stilfelder darstellen, die in vielfältiger Weise entscheidend durch die digitale Mediamorphose beeinflusst wurden und werden. Rockmusik und elektronische Musik werden dabei als Stile breit gefasst. Das heißt, Grenzen zu anderen Stilen wie Jazz, Funk, Avantgarde u.a. werden offen gehalten, auch weil eine klare Abgrenzung gar nicht möglich ist. Grundsätzlich geht es vor allem um eine pragmatische Herangehensweise durch Selbstverortung der interviewten Musikschaffenden sowie LabelbetreiberInnen u.a. AkteurInnen. Hingegen ist es kein Anliegen, die Stile Rock und elektronische Musik musikwissenschaftlich oder musiktheoretisch zu definieren und eine Einordnung der Interviewten zu treffen. Die elektronische Musik wird tendenziell auf den Unterhaltungs- bzw. Popmusikkontext begrenzt, wobei die klare Abgrenzung zwischen „e“(-rnster Musik) und „U“(-nterhaltungsmusik) in der elektronischen Musik auch nicht immer klar oder sinnvoll ist. Im Gegensatz zur elektronischen Musik ist die Rockmusik per se als popkulturelles Stilfeld definiert. Viele Musikschaffende sind in beiden Bereichen tätig, oder ihre Musik lässt sich nicht eindeutig zu Popularmusik oder ernster Musik zuordnen. Durch die Begrenzung auf zwei Stilfelder wird

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aber die Möglichkeit geschaffen, beide Felder miteinander zu vergleichen, um so Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. 2.2

Forschungsfragen

Die zentrale Forschungsfrage lautet: -

Welche sind die zentralen Auswirkungen der digitalen Mediamorphose auf die Arbeits- und Produktionsbedingungen der österreichischen Musikschaffenden im Speziellen in Rockmusik und elektronischer Musik?

Daran schließen sich drei Unterfragen an: -

Erleichtern oder erschweren die Arbeits- und Produktionsbedingungen in der der digitalen Mediamorphose den Zugang zum nationalen wie internationalen Musikmarkt für österreichische Musikschaffende? Werden traditionelle Zugangsbarrieren abgebaut oder werden neue Zugangsbarrieren geschaffen?

-

Inwiefern bringen die Produktionsverhältnisse in der digitalen Mediamorphose einen neuen Typus des/r Musikschaffenden hervor? Wie unterscheidet sich dieser vom Typus des/r Musikschaffenden in der elektronischen Mediamorphose?

-

Kommt es durch die geänderten Rahmenbedingungen eher zu einer Autonomisierung künstlerischer Arbeit oder zum Verlust sozialer und ökonomischer Absicherung?

2.3

Analysedimensionen

Die wesentlichen Dimensionen, anhand derer die Auswirkungen der Arbeits- und Produktionsbedingungen im Kontext der digitalen Mediamorphose beschrieben und analysiert werden, sind: -

Arbeitsmarkt und Einnahmen von Musikschaffenden

-

Musikschaffen und -produktion

-

Musikmarkt

-

Musikmanagement

-

Musikverbreitung und -distribution - Musiklabels: Major und Independent Labels - Musikverlage - Musikvertrieb und -handel: Traditioneller und online Musikvertrieb und -handel - Live-Acts: AgentInnen/BookerInnen und VeranstalterInnen - Musikmedien: Traditionelle Medien Radio, Fernsehen und Printmedien und neue Medien, insbesondere das Internet

-

Musikkonsum

45

2.4

Erhebung und Interpretation von Sekundärdaten

Es wird eine Sekundärdatenrecherche und -analyse durchgeführt. Dazu werden quantitative Daten (bereits vorliegende Statistiken und Studien) gesammelt und ausgewertet, die insbesondere gröbere Trends und Entwicklungen aufzeigen und den Kontext zum qualitativen Interviewmaterial (siehe unten) bilden. Die wesentlichen Themenbereiche, zu denen Daten recherchiert und verarbeitet werden, sind: -

Beschäftigung von österreichischen Musikschaffenden

-

Tonträgermarkt, in Österreich und international, und seine Krise

-

Musiklabels (Major Labels und Independent Labels) in Österreich und international

-

Tonträgervertrieb und -handel, insbesondere in Österreich

-

Live-Bereich in Österreich

-

Österreichische Musikmedien: „Traditionelle“ Musikmedien (Radio, Fernsehen und Printmedien) und neue Musikmedien (insbesondere Internet und Handy)

2.5

Musikkonsum Qualitative ExpertInneninterviews

Das Hauptmaterial liefern insgesamt 41 qualitative ExpertInneninterviews (vgl. Meuser & Nagel 1991) (sowie eine einzelne Emailbefragung). Befragt werden Musikschaffende sowie andere ExpertInnen aus allen Bereichen der Musikwertschöpfung, insbesondere in Rock und elektronischer Musik in Österreich (siehe Liste unten). Ein großer Teil dieser Interviews (33) wird im Rahmen einer Studie (Sperlich 2004) am Wiener Institut MEDIACULT im Zeitraum zwischen April und November 2003 durchgeführt. Weitere acht Interviews werden im November und Dezember 2004 (nur im Rahmen dieser Dissertation) geführt. Alle Interviews finden in Wien statt. Für die Interviewsituation werden zwei Leitfäden produziert, einer für Musikschaffende und einer für die anderen ExpertInnen (siehe Anhang). Da die Einstiegsfrage offen formuliert wird, ist die Thematisierung von anderen Bereichen durch die Befragten im Fluss des Gesprächs möglich. Zugleich ist es nicht ausgeschlossen, dass je nach Kontext der Interviewten bestimmte Bereiche intensiver nachgefragt werden oder von den Interviewten selbst aufgeworfen werden. Grundsätzlich dauern die Interviews ca. zwischen einer und zwei Stunden. Alle Interviews werden transkribiert. Beim ExpertInneninterview nach Meuser und Nagel (1991) werden „ExpertInnen als FunktionsträgerInnen innerhalb eines organisatorischen oder institutionellen Kontextes“ verstanden. Die Gegenstände des ExpertInneninterviews sind „[d]ie damit verknüpften Zuständigkeiten, Aufgaben, Tätigkeiten und die aus diesen gewonnenen exklusiven Erfahrungen und

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Wissensbestände“ (Meuser & Nagel 1999, 444). Meuser & Nagel unterscheiden außerdem zwei Formen von Erfahrungswissen von ExpertInnen: 1. Betriebswissen: Die ExpertInnen werden als Zielgruppe betrachtet und geben mit ihrem Betriebswissen Auskunft über ihr eigenes Handlungsfeld. 2. Kontextwissen: Die ExpertInnen werden als komplementäre Handlungseinheit gesehen. Daher haben die Interviewten die Aufgabe, Informationen über Kontextbedingungen des Handelns der Zielgruppe zu liefern. Aus diesem Grund sind ExpertInneninterviews hier eine Datenquelle „unter anderen“ (vgl. Meuser & Nagel, 445-446). Grundsätzlich bestehen in allen Interviews beide Ebenen, sowohl die des Betriebswissens (über das eigene Handlungsfeld) als auch des Kontextwissens (über die Kontextbedingungen). In den Interviews mit Musikschaffenden, ProduzentInnen und LabelbetreiberInnen wird im Speziellen nach Betriebswissen gefragt und weniger nach Kontextwissens, während der Rest der ExpertInnen mehr nach Kontextwissen befragt wird. Die ersten 32 Interviews werden mit dem computergestützten qualitativen Textauswertungsprogramm WinMax kodiert. Durch diese Arbeit wird ein systematischer Vergleich der Interviews anhand von Kodes möglich. Dazu wird jeder Interviewtext für sich (über Bildschirm) gelesen und bestimmte Textstellen ausgewählt, die vorher definierten Kodes/Kategorien zugewiesen werden. Diese Kodes werden zuerst im Trockentraining anhand von ca. fünf Interviews entwickelt. In der Folge können die ausgewählten Textstellen, die einem Kode zugewiesenen worden sind, bestimmt werden, mit den Textstellen anderer (zugewiesener) Kodes verglichen und am Ende zusammengefasst werden. Die jeweils zu Kodes zugeordneten Textstellen formen die Grundlage für die weitere vergleichende Interpretation (die Kode für Kode erfolgt). Neun weitere Interviews (acht davon wurden in der Phase November und Dezember 2004 geführt), werden ohne WinMax interpretiert. Alle Interviews werden zwischen Jänner und März 2005 aufgrund neu recherchierter Informationen aktualisiert und ergänzt. In der Folge werden so genannte „Profile“, die kurze strukturierte Zusammenfassungen der Interviews darstellen, verfasst. Vier Quellen werden dazu im Wesentlichen benutzt: Interviewtranskripte, Informationen, von den Websites der Interviewten bzw. (wenn vorhanden) ihrer Labels/Organisationen und weiteres textbasiertes Material wie Tätigkeitsberichte oder journalistisches Web-Material. Die „Profile“ der KünstlerInnen unterscheiden sich etwas von denen der anderen InterviewpartnerInnen. Erstere enthalten mehr „Betriebswissen“ und zweitere mehr „Kontextwissen“, wobei beide Sorten von Wissen in beiden Gruppen enthalten sind. Die meisten Profile der KünstlerInnen und Labels beinhalteten die folgenden Kategorien: Werdegang, Stilfeld, Einnahmen, Promotion zwecks Umwegrentabilität, Berufsbild, Label/Vertrieb, traditionelle Medien, (eigene) Website, Email-Kommunikation, unautorisierte MP3-Downloads.

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An die ehemals Interviewten wird das persönliche Profil zwecks Feedback im Zeitraum zwischen Jänner und Februar 2005 über Email geschickt. Damit bekommen die Interviewten die Möglichkeit, die Informationen zu aktualisieren und zu ergänzen. Zusätzlich werden zwei neue Profile verschickt: Ein Profil auf Grundlage einer Befragung über Email und ein weiteres Profil wird auf Basis eines Protokolls einer Präsentation über eine Music-Download8

9

Plattform im Forum Musikwirtschaftsjourfix am Institut für Kulturmanagement verfasst. 2.6

10

Die InterviewpartnerInnen

1. Mario Rossori

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Betreiber des Labels Pate Records, des Verlages Edition Rossori, Kolumnist in Sound&Media, Organisator des Musikpreises Amadeus Awards, Betreuer der Gemeinschaftsstände der österreichischen Musikindustrie auf internationalen Musikmessen POPKOMM und MIDEM, Initiator und Betreiber des Projektes Sync-rights.com zum Aufbau einer B2B FilmMusik-Datenbank im Internet. 2. Rudolf Schauer Gründer, ehemaliger Geschäftsführer und mittlerweile Franchisegeber der Musikinstrumentehandlung Klangfarbe. 3. Harald Büchel Betreiber der Musik-Internet-Plattform music channel und der Firma FF Arts & Media Consultants. 4. Jürgen Bauer Betreiber des Labels ecco.chamber. 5. Alexander Hirschenhauser Betreiber des Plattenladens Black Market Music sowie des Vertriebes Soul Seduction und Soul Seduction Digital Distribution SSDD. 6. Christian Fennesz Computermusiker und Produzent.

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9 10 11

Leiter und Initiator des Musikwirtschaftsjourfix, das u.a. im Wintersemester 2004 am IKM stattfindet, ist Prof. Dr. Peter Tschmuck. Von den insgesamt 43 Profilen erfolgt von 25 Personen eine Rückmeldung. Siehe genauere Beschreibungen der InterviewpartnerInnen im Anhang. Die Interviews sind in chronologischer Folge ihrer Durchführung angeordnet.

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7. Harry Fuchs Leiter des Projekt Pop! der AKM, Geschäftsführer des Österreichischen Musikfonds, Mitglied der Austrian Music Award Academy und Kuratoriumsmitglied des Österreichischen Musikrates; freier Journalist u.a. in Sound & Media und in Planet.tt. 8. Stefan Parnreiter Betreiber des Labels Artonal Recordings, Geschäftsführer und Booker der Lokale fluc/fluc mensa. 9. Martin Brandlmayr Schlagzeuger, Vibraphoner und Computermusiker der Bands radian, trapist, kapitalband und autistic doughters. 10. Susanne Kirchmayr alias electric indigo DJ, Produzentin und Labelbetreiberin von indigo:inc, Mitglied der Formation colophony circuit (gem. mit Mia Zabelka). 11. Thomas Rabitsch Produzent, Tonstudiobesitzer von Thomas Rabitsch Music Productions/Recording Studios. 12. Dierk Rossiwall alias Roswell 47 DJ, Geschäftsführer des Vinyl-Ladens Bounce. 13. Peter Legat Songwriter und Gitarrist der Band Count Basic. 14. Maria Buchinger Betreiberin der Agentur MusikMarketing, des Labels filosofie, Organisatorin der Veranstaltungsserie popnews, Studentin d. Musikwissenschaft/Uni Wien sowie Mitarbeiterin der Geschäftsstelle „Erhebung“ der AKM, ehemalige Mitarbeiterin der Symphonic Library. 15. Mex Wolfsteiner Schlagzeuger der Band Trio Exklusiv, ehemaliger Mitarbeiter des SR-Archivs. 16. Hannes Dorn Betreiber des Labels Demonware Records und des Mailorder-Record-Shop onlineshoppingmailorder.com. 17. ravissa DJ, Produzentin, Betreiberin d. Multimedia-Labels, Doorbitch, Multimedia-Trainerin. 18. Robert Jelinek Künstler und Betreiber des Labels Sabotage Communication, Subetage Records, Craft Records.

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19. Alex Sauer alias Anders. Sänger und Texter der Band Seltsam. 20. Ramon Bauer Betreiber des Labels mego und des Mailorder-Shops M.DOS, Computermusiker mit Hauptband General Magic, Musikprojekte gemeinsam mit Peter Rehberg/Pita, Chicks on Speed und GD Luxxe. 21. Muff Sopper Geschäftsführer der Veranstaltungshalle Planet Music. 22. Markus Lidauer Leiter des Büros des SKE-Fonds der austro mechana. 23. Peter Rantasa Direktor des mica, Mitbesitzer des Clubs und Labels rhiz. 24. Sascha Bém Schlagzeuger der Band Core (früher Paradise Now!). 25. Peter-Paul Skrepek Musiker, Präsident der Musikergilde, Vorsitzender der Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (KMSfB), Vorstandsmitglied der OESTIG/LSG, des Österreichischen Musikrates, des Österr. Kulturrats, Kuratoriumsmitglied des Künstlersozialversicherungsfonds, Mitglied des ORF-Publikumrats, Betreiber des Labels Weltweit Records. 26. Günther Bernhart Gitarrist und Songwriter der Band Temple X. 27. Stefan Trischler Mitglied der HipHop-Band Kaputtnicks, Redakteur des FM4- Soundparks. 28. Didi Neidhart Redakteur und Journalist der Musikzeitschrift skug, DJ, ehemaliges Mitglied der Band Wipeout. 29. Wolfgang Kopper Musiker des gameboy music club, des Musikkreises MS20 u.a. musikalischer Formationen, ehemaliger Kurator des mica. 30. Harald Huber Leiter des Institutes für Popularmusik der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, Vizepräsident des österreichischen Musikrates, Musiker (Komponist, Pianist und Keyboarder).

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31. Claus Prechtl und Thomas Mair Mitarbeiter des Labels Sunshine Enterprises, DJs. 32. Harald Gandler und Mastic Will Gitarrist und Sänger der Band Mastic Scum. 33. Helmut Steinmetz Präsident der austro mechana (mittlerweile im Ruhestand). 34. Daniel Wisser Gründungsmitglied des Ersten Wiener Heimorgelorchesters („EWHO“), Autor und Verleger v. derpudel. 35. Wolfgang Schlögl Musiker und Produzent I-Wolf (Solo-Act) sowie Mitglied der Band Sofa Surfers, Slow Club (gem. mit Hansi Lang u. Thomas Rabitsch). 36. Günther Wildner Musikmanager, Betreiber der Agentur und des Verlags Wildner Music, Live- und Studiomusiker (E-Bass, Gitarre, Gesang), Generalsekretär des Österreichischen Musikrates (ÖMR), Vorstandsmitglied der MKAG (Musiker-Komponisten-Autoren-Gilde), Vorstandsmitglied des österreichischen Kulturrates und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Popularmusik. 37. Wolfgang Mitter Agent von Miooow Cooperative. 38. Walter Gröbchen Betreiber der Agentur und des Labels monkey music, gemeinsam mit SR-Archiv Betreiber des Projektes MusiktankstelleMuseumsquartier. 39. Georg Hitzenberger DJ und Geschäftsführer des Internet-Radios PLAY.FM, DJ. 40. Hannes Eder General Manager des Labels Universal Music Austria. 41. Frank Januschke Labelmanager von derfreieRaumfürMusik.

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42. (Emailbefragung) Vlado Dzihan: Musiker (dZihan & Kamien) Produzent, Mitinhaber des Labels Couch Records. 43. Protokoll einer Präsentation und Diskussion beim „Musikwirtschaft Jourfix“ von Michael Aschauer und Ferdinand Schwenkert Produktmanager und Mitarbeiter von aon musicdownload der Telekom Austria.

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3

Der Arbeitsmarkt der Musikschaffenden im Wandel

3.1

Transformation von Kunst- und Kulturarbeitsmärkten

Die Entwicklung von Kulturarbeitsmärkten und insbesondere des Musikarbeitsmarktes hängt mit dem allgemeinen Wandel von Arbeit in der digitalen Mediamorphose zusammen. Drei wichtige Ansätze der Transformation von Beschäftigung sind im Zusammenhang mit der digitalen Mediamorphose zu verorten, denen gemeinsam ist, dass sie von einer veränderten Wertschöpfung ausgehen, bei der „Wissen, Innovation und technische Entwicklung [...] die entscheidende Rolle spielen“ (Steinbicker 2001, 9): - Der Wandel von einer industriellen Gesellschaft mit Schwerpunkt auf industrielle Produktion zu einer post-industriellen Gesellschaft mit dem Fokus auf den Dienstleistungssektor (Bell 1976). - Die Transformation zu einer Wissens- (Drucker 1969, Stehr 2001), Informations-(z.B. Webster 2002) oder Netzwerk-Gesellschaft (Castells 1997, Dijk 1999) mit Schwerpunkt auf Informationsverarbeitung und Kommunikationsnetzwerke. - Eine Transformation hin zu reflexiver Modernisierung (Beck, Giddens&Lash 1994; Lash&Urry 1994; Lash 2002). Beck definiert reflexive Modernisierung als “a radicalization of modernity, which breaks up the premises and contours of industrial society and opens paths to another modernity“ (Beck 1994, 3) (siehe unten). 3.2

12

Der Wandel der Arbeit von einer industriellen zu einer post-industriellen Gesellschaft

In der post-industriellen Gesellschaft werden Wissen und Information (und damit Bildung) zu zentralen Ressourcen für Produktivität und Entwicklung und folglich auch für Arbeit und Be13

schäftigung (vgl. Bell 1999, xvi). Für den amerikanischen Soziologen Manuel Castells ist im Gegensatz zu Bell nicht „Wissen und Information“ (Castells 1996, 31) an sich, sondern deren Anwendungen die entscheidende Ressource (vgl. Castells 1996, 204). Auch Musik entwickelt sich vom Modell des Vertriebs von Tonträgern zur Dienstleistung mit weitreichenden Implikationen für die Beschäftigungsstruktur von Musikschaffenden.

12

13

Sowohl der zweite (Informations- und Netzwerkgesellschaft) als auch der dritte Ansatz (reflexive Modernisierung) sind ebenso als post-industrielle Ansätze anzusehen. Aus analytischen Gründen werden die Ansätze aber differenziert. Ein wichtiger Vertreter der Idee der Transformation von einer industriellen zu einer post-industriellen Gesellschaft ist der amerikanische Soziologe Daniel Bell, der sein Werk The Coming of the Post-Industrial Society erstmals 1973 publizierte (mit Neuauflagen 1976 und 1999).

54

3.3

Transformation von Arbeit und Wirtschaft von einer industriellen zu einer Wissens-, Informations- und Netzwerkgesellschaft

3.3.1

Wissens-, Informations- und Netzwerkgesellschaft

Castells geht davon aus, dass sich zunehmend die Netzwerkgesellschaft durchsetzt, deren Grundlage eine „Informationstechnologierevolution“ (Castells 1996, 27ff) ist, aus der ein neues „Informationstechnologieparadigma“ (60ff) hervorgeht. Diese Revolution kann mit der digitalen Mediamorphose verglichen werden. Das Mediamorphosenkonzept geht aber im Gegensatz dazu von einer evolutionären Entwicklung aus. Die Charakteristika dieses neuen Paradigmas sind für Castells: 1. Information stellt sein Rohmaterial dar; 2. Durchdringung aller Bereiche menschlicher Tätigkeit und Existenz; 3. Flexibilität – nicht nur Prozesse werden durch Nutzung von neuen Technologien modifiziert, sondern auch Organisationen und Institutionen; 4. Wachsende Konvergenz spezifischer Technologien zu einem integrierten System (vgl. Castells 1996, 60-63). Diese Revolution bereitet die materielle Basis für eine „informationelle Ökonomie“, die nicht nur auf Information basiert, sondern auch global ist. Information und Wissen haben für Castells als kritische Komponenten der Ökonomie zwar schon immer eine Rolle gespielt, nun werden sie aber erstmals eigenständige Produkte des Produktionsprozesses (vgl. Castells 14

1996, 67). Das heißt, dass Informations- und Kommunikationstechnologien kritisch für Arbeitsprozesse werden. Sie erlauben Fehlerkorrekturen, erzeugen Rückkoppelungseffekte und ermöglichen Flexibilität von Produktionsprozessen (vgl. 241-242). 3.3.2

Pierre Bourdieus ökonomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital und das Feld der Kulturproduktion

Zur Klärung, wie die Begriffe Information, Wissen, Kulturproduktion und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKTs) voneinander zu differenzieren sind, kann der Begriff der „Kapitalien“ des französischen Soziologen Pierre Bourdieu (1997) beitragen. Bourdieu unterscheidet vier Erscheinungsformen von Kapitalien: ökonomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital. Der Begriff der Kapitalien ist für Bourdieu nicht ohne den Begriff

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Es gibt eine Reihe von KritikerInnen der Annahme, dass durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien ein neues Stadium erreicht wird, wie es Castells annimmt. Zum Beispiel setzt James Curry entgegen, dass Wissen und Wissensvermittlung für Produktivität in allen Epochen wesentlich ist. Im Gegensatz zu Castells teilt er nicht die Annahme eines qualitativen Sprungs durch die IKT-Revolution (vgl. Curry 1997, 2).

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des Feldes zu denken. Die Struktur eines Feldes, wie zum Beispiel der Popularmusik, ist durch die Verteilungsstruktur der vorhandenen und anerkannten Kapitalien bestimmt. Daher bedingen sich Feld und Vorhandensein von Kapitalien jeweils gegenseitig. Die verschiedenen AkteurInnen innerhalb eines Feldes (in ihrer Funktion als „KapitalbesitzerInnen“, die um die vorhandenen Kapitalien kämpfen) stellen die Strukturelemente dar, die Einfluss auf die Praxen haben. Bourdieu definiert ökonomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital folgendermaßen: 1. Ökonomisches Kapital Ökonomisches Kapital ist über materiellen Reichtum und in Geld umtauschbares Kapital definiert und geht allen anderen Formen voraus. Die anderen Kapitalsorten können auch mit Hilfe von ökonomischem Kapital erworben werden, aber nur durch die Leistung einer Transformationsarbeit (vgl. Bourdieu 1997, 70-71). 2. Kulturelles Kapital Kulturelles Kapital existiert in drei Formen: A. In verinnerlichtem, inkorporiertem, körpergebundenem Zustand: Mit dieser Kapitalsorte ist kultureller Besitz gemeint, der zu einem festen Bestandteil der Person und damit zum „Habitus“ geworden ist. Es kann daher nicht durch Schenkung, Vererbung, Kauf oder Tausch kurzfristig weitergegeben werden. Diese „Ressource“, die v.a. verinnerlichtes Wissen und Kennen darstellt, wird durch Bildung und Erfahrung erworben und setzt einen Verinnerlichungsprozess voraus, der Unterrichts- und Lernzeit erfordert. Der Prozess bleibt immer von den Umständen seiner ersten Aneignung geprägt und wird auf dem Wege der sozialen Vererbung weitergegeben. Seine wahre Natur als Kapital wird zumeist verkannt, stattdessen wird es als legitime oder „natürliche“ Fähigkeit, Autorität oder angeborene Begabung gesehen, die auf allen Märkten zum Tragen kommt, wo das ökonomische Kapital keine volle Anerkennung findet. Es ist Basis für weitere materielle und symbolische Profite (vgl. Bourdieu 1997, 56-58). B. In objektiviertem Zustand in Form von kulturellen Gütern: Damit sind zum Beispiel Musik, Technologien und Medien gemeint. Diese Kapitalform kann zum Gegenstand materieller Aneignung werden und setzt ökonomisches Kapital voraus. Andererseits setzt es aber auch inkorporiertes Kulturkapital (also Wissen, Know-how und Erfahrung) voraus. Es besteht nur als materiell- und symbolisch-aktives Kapital, sofern es von Handelnden angeeignet wird und verwendet wird. Der Ort dieser Aneignung ist das Feld der kulturellen Produktion (z.B. Kunst, Bildung, Wissenschaft, etc.) und darüber hinaus das Feld der sozialen Klassen (vgl. 58-61). C. In institutionellem Zustand: Damit ist das legitime kulturelle Kapital angesprochen: z.B. der schulische oder universitäre Titel, der Zeugnis kultureller Kompetenz ist, und

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der seinen InhaberInnen einen dauerhaften und rechtlich garantierten konventionellen Wert überträgt (vgl. 61-62). 3. Soziales Kapital Soziales Kapital stellt das Kapital der sozialen Verpflichtungen und Beziehungen dar, also Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen. Die Existenz eines Beziehungsnetzes ist Produkt einer fortlaufenden Institutionalisierungsarbeit, die für Produktion und Reproduktion dauerhafter und nützlicher Verbindungen notwendig ist, die Zugang zu materiellen und symbolischen Profiten verschaffen (vgl. 65-66). Wie kulturelles Kapital lässt sich soziales Kapital unter bestimmten Voraussetzungen in ökonomisches Kapital konvertieren (vgl. 52). 4. Symbolisches Kapital Symbolisches Kapital beruht auf der legitim anerkannten Form der drei bereits genannten Kapitalien. Es generiert sich durch gesellschaftliche Anerkennung seitens der Mitglieder bestimmter Felder, die den BesitzerInnen von symbolischem Kapital einen Kredit an Ansehen und Prestige einräumen, zum Beispiel in Form von Preisen, Titel, Zertifikaten und Orden. Wissen steht für die verinnerlichte, subjektive Form des kulturellen Kapitals, welches Voraussetzung aber auch Konsequenz von kulturellem Kapital in objektiviertem Zustand, also in Form kultureller Güter (wie Musik, Bücher, Filme, aber auch Medien wie das Internet) ist. Beide Formen des kulturellen Kapitals – subjektives und objektives kulturelles Kapital – sind ohne einander undenkbar: sowohl Wissen braucht zum Beispiel Bücher und damit Information und umgekehrt. Auch soziales Kapital kommt für die Generierung von kulturellem Kapital/Wissen mit ins Spiel. Umgekehrt hat kulturelles Kapital/Wissen sowie ökonomisches Kapital für die Generierung von sozialen Beziehungen, also sozialem Kapital Bedeutung. Die Ansätze der Informations-, Wissens- und Netzwerkgesellschaft setzen voraus, dass kulturelles Kapital/Wissen sowie soziales Kapital (z.B. für Networking) zur Generierung von ökonomischem Kapital entscheidender werden. Diese Verobjektivierung von kulturellen und sozialen Kapitalien macht wiederum den Schutz von kulturellen Gütern, daher von geistigem Eigentum durch Urheberrechte notwendig. Für Kulturproduktion und -industrie sind das „objektivierte Kapital“ bzw. Kulturgüter die entscheidenden Produkte, um Mehrwerte zu schaffen. Das Feld der Kulturproduktion, in dem Produktion und Austausch von Kulturgütern (bzw. objektiviertem kulturellen Kapital) stattfindet, ist auch „Schauplatz einer Auseinandersetzung zwischen zwei Hierarchisierungsprinzipien“: einerseits „dem heteronomen Prinzip, das diejenigen begünstigt, die das Feld ökonomisch und politisch beherrschen“, das dem „Subfeld der Massenproduktion“ (z.B. in der Popmusik die Tonträgerindustrie) entspricht, sowie anderer-

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seits „dem autonomen Prinzip“, das dem „Subfeld der eingeschränkten Produktion“ (Bourdieu 2001, 344) entspricht. Das zweite Feld hat als „[...] Grundregel die Unabhängigkeit von externen Aufträgen [...] [und] basiert [...] auf einer Umkehrung der Grundprinzipien des Feldes der Macht und desjenigen der Ökonomie: Wer verliert, gewinnt. Profitstreben ist damit unvereinbar, und dass der Aufwand sich in irgendeiner Weise bezahlt macht, wird nicht garantiert; das Streben nach weltlichen Ehren und Anerkennung ist verpönt.“ (Bourdieu 2001, 344-345)

Beide Prinzipien finden in stark vereinfachter und idealisierter Form ihre Entsprechung in der Dichotomie zwischen den Bildern bürgerliche/r Avantgarde-KünstlerIn (dessen/deren Kunst vor allem der künstlerischen Autonomie verpflichtet ist) versus “Cultural Entrepreneur“ (dessen/deren Kunst dem ökonomischen Profit verpflichtet ist). Teils bestehen aber auch „Mischformen“ bzw. Formen, die zwischen den beiden Polen angesiedelt sind. 3.3.3

Musikschaffende als Cultural Entrepreneurs, WissensarbeiterInnen und NetzwerkerInnen

In der Wissens- und Netzwerkgesellschaft gibt es einen steigenden Bedarf nach Informationsberufen (vgl. Castells 1997, 218). Im Unterschied zur Industriearbeit basiert Wissensarbeit „nicht mehr auf langjähriger Erfahrung, sondern auf systematisch erworbenen Kenntnissen, was dem Wissensarbeiter Anpassungsfähigkeit verleiht und die Umstellung auf neue Techniken und neue Aufgaben zum Normalfall werden lässt“ (Steinbicker 2001, 32). Das Pendant zum/r WissensarbeiterIn ist in den so genannten Cultural oder Creative Industries der/die “Cultural Entrepreneur“ (z.B. vgl. Ellmeier 2002). Dieser Begriff steht in engem Zusammenhang mit der zunehmenden Kommerzialisierung (und damit der gesteigerten Bedeutung von ökonomischem Kapital als Voraussetzung) von/für Kunst, Kultur und folglich auch von/für Musik. Musikschaffende müssen ihre Kunst sowie sich selbst verstärkt vermarkten und verkaufen. Neben fachspezifischen und technischen Kompetenzen gewinnen so genannte „Schlüsselqualifikationen“ wie „Teamarbeit, Eigenverantwortung und Kreativität“ (Schiffbänker, & Kernbeißer 2001, 9) (daher soziales Kapital) sowie die Fähigkeit der „Eigenpotenzial-Analyse“ (ebenda, 18) an Relevanz. Letzteres bedeutet auch, sich selbst als „Marke“ immer wieder neu zu definieren, zu reflektieren und zu präsentieren. „Kreative Kompetenz“ (als Form des kulturellen Kapitals) bleibt aber nach wie vor das Markenzeichen von Musikschaffenden sowie anderen Kulturschaffenden. Kreativität bezeichnet „die geistige Fähigkeit, außerhalb der gewöhnlichen Bahnen zu denken, Probleme zu erfassen und neue, originelle Lösungen zu finden“ (AMS 2001a, 24). Die spezifische Art der Kreativität korrespondiert in Kunstarbeitsmärkten in der Regel mit einer „Kernprofessionalität“ (Haak & Schmid 1999, 11). Im Feld Musik entspricht das v.a. der Fähigkeit zu komponieren und/oder der Beherrschung eines Instruments, der eigenen Stimme oder des Musikcomputers. Daneben

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besteht aber auch durch ein hohes Ausmaß an Konkurrenz am Kreativmarkt die Notwendigkeit einer „Funktionsvielfalt der Künstlerberufe“ (Haak & Schmid 1999, 18) und damit von verschiedenen Tätigkeitsprofilen. Das hat zur Folge, dass Musikschaffende häufig „in mehreren Musiksparten gleichzeitig arbeiten“ (AMS 2001a, 22). Eine Musikausbildung (wie sie zumindest im klassischen Bereich bei den meisten Musikschaffenden vorliegt) macht somit nach wie vor Sinn, weil sie kreative Kernkompetenzen (wie Komponieren, Beherrschung eines Instrumentes, Musiktheorie etc.) vermittelt, aber auch die Basis für weitere Differenzierungen des Berufprofils bereitstellt. Zudem entwickelt sich unter dem Einfluss der digitalen Mediamorphose der Beruf des/r Musikschaffenden von „der Meisterschaft“ (z.B. die Beherrschung eines Instruments) hin zu einem informations- und wissensbasierten Beruf. Seit der Einführung des Computers in die Welt des Musikschaffens wird Musikproduktion zwar technischer, aber auch prozessorientierter, informationsbasierter und grafischer. Der Computer stellt als Arbeitsinstrument vor allem eine grafische Nutzeroberfläche dar, die Fehlerkorrekturen und prozessorientiertes Arbeiten durch selbstreflexives und selbstgesteuertes Lernen erlaubt (siehe Kap. 5) 3.3.4

Neue Ungleichheiten

Der Preis des Umstrukturierungsprozesses, der in der Informations- und Netzwerkgesellschaft stattfindet, ist eine neue Art sozialer Segregation (vgl. Castells 1996, 206). Mit dem Anwachsen der Zahl informations- und wissensintensiver (“information-rich“) Berufe, kommt es auch zur Zunahme der Anzahl von Jobs im unteren Bereich der Beschäftigungsskala (vgl. 273). Laut Castells wird zwar eine substanzielle Zahl an qualifizierten Jobs in dynamischen Sektoren (darunter auch viele kulturwirtschaftliche Sektoren) geschaffen, gleichzeitig verschwindet aber durch die Automatisierung eine große Anzahl von Jobs. Zum Beispiel sind etliche professionelle Tonstudios davon betroffen, weil digitale Music-Technology leistbarer wird und nun im eigenen Homestudio produziert werden kann, ohne dass ein professionelles Tonstudio aufgesucht werden muss. Außerdem bedarf es weniger InstrumentalmusikerInnen, die im Studio Live-Musik einspielen, weil am Computer die Live-Situation teilweise simuliert werden kann. Die Gefahr des Anwachsens sozialer Ungleichheit gilt für Musikschaffende noch mehr als für andere Sparten, weil im Popmusikmarkt ein marginales Starsystem vorherrscht, das im krassen Gegensatz zur breiten Basis der Musikschaffenden steht, die, um überhaupt kreativ arbeiten zu können, oft bereit sind, schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen (vgl. Hesmondhalgh 2002, 168). 3.4

Reflexive Modernisierung der Kulturindustrien

Die Transformation von Arbeit und Beschäftigung lässt sich auch als eine Transformation hin zu reflexiver Modernisierung beschreiben (vgl. Beck, Giddens & Lash 1994; Lash & Urry

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1994; Lash 2002). Ulrich Beck definiert reflexive Modernisierung als per se post-industrielles Konzept, nämlich als “a radicalization of modernity, which breaks up the premises and contours of industrial society and opens paths to another modernity“ (Beck 1994, 3). Die Informations- und Kommunikationstechnologien spielen dabei eine entscheidende Rolle: “They are the condition of highly reflexive production in the workplace and for the sort of aesthetic and sensibility.“ (Lash 1994, 213) 3.4.1

Reflexive Spezialisierung

Teil dieser reflexiven Modernisierung ist in der Kulturindustrie – und wiederum als ein Teil von ihr in der Musikindustrie – eine Transformation von Massenproduktion zu flexibler Spezialisierung, die es möglich macht, eine „breitere Produktpalette schneller auf den Markt zu bringen“ (Sennett 1998, 64-65). Flexible Spezialisierung geht mit vertikaler Desintegration von großen Organisationseinheiten – also mit “Outsourcing“ oder “Departmentalization“ von ganzen Abteilungen – einher. In der Kulturindustrie wird insbesondere die „Autorfunktion“ ausgelagert. Stattdessen bilden sich “teams of co-workers“ (Lash 2002, 208). Diese Form der Arbeitsteilung entspricht einer zwischen zuliefernden ProduzentInnen (Kreative und kleine Labels) und internationalen, „beauftragenden“ Kulturindustrieunternehmen (vgl. Krätke 2002, 82). Für die Musikindustrie bedeutet diese Arbeitsteilung für die Kreativen zwar eine Autonomisierung der Produktion, die in wirtschaftlicher und sozialrechtlicher Hinsicht den Vorteil birgt, dass der Einstieg in den Arbeits-/Markt grundsätzlich leichter geworden ist, aber mit dem Nachteil der anwachsenden Konkurrenz sowie des erhöhten individuellen Risikos. Die flexible Produktion ist nach Lash und Urry innovations- und wissensintensiv sowie „reflexiv“. „Reflexiv“ meint in diesem Zusammenhang, dass viel Arbeit in das Produktdesign investiert wird (vgl. Lash & Urry 1996, 122) infolge dessen funktionieren die Produkte der Kulturindustrie am Markt zunehmend wie Design und/oder Werbung: “What all the cultural industries produce becomes increasingly, not like commodities but advertisements. As with advertising firms, the cultural industries sell not themselves but something else and they achieve this through ‘packaging’ [...] they sell brands of something else.” (Lash & Urry 1996, 139)

Auch musikalische Produktion wird teils zum Werbemittel für andere Produkte oder Services und Musikschaffende zu Werbenden ihrer Musik. Ein Beispiel dafür ist in der Wiener elektronischen Musikszene, die CD-Produktionen verstärkt als „’Promotion-Tool’ für DJ-Booking“ (Huber 2001) verwendet.

60

3.4.2

Flexibilisierung, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Cultural Entrepreneurs als ArbeitskraftunternehmerInnen

Die am schnellsten wachsenden Kategorien von Arbeitsverhältnissen sind derzeit befristete Arbeitsverträge, Teilzeitarbeit sowie neue Selbständigkeit (vgl. Castells 1997, 265-266). Solche atypischen Beschäftigungsformen haben folgende Charakteristika: Flexibilität, Mobilität, Projektarbeit, kurzfristige Verträge, Teilzeitbeschäftigung, freiwillige oder äußerst schlecht bezahlte Aktivitäten, arbeitgeberähnliche Beschäftigte, Scheinselbständige/Freiberufler (vgl. MKW Wirtschaftsforschung 2001, 28). In den letzten Jahren kann ein genereller Trend zu atypischen Beschäftigungsverhältnissen in allen Industrieländern beobachtet werden (z.B. vgl. Tálos & Fink 1999). Laut Statistik Austria (2005) ist Teilzeiterwerbstätigkeit „innerhalb der letzten Jahrzehnte beträchtlich angestiegen und charakterisiert hauptsächlich das Berufsleben von erwerbstätigen 15

Frauen“ (Statistik Austria 2005, 11). Im 2. Quartal 2004 beträgt die Quote der in Teilzeit

unselbständigen beschäftigten Frauen 39,9 % gegenüber Männern 5 % (vgl. ebenda). Außerdem erhalten flexible Arbeitszeitformen „einen immer höheren Stellenwert in der Arbeitswelt. Bereits mehr als ein Drittel der unselbständigen Erwerbstätigen (35,4 %) bzw. 1,159.700 Personen unterliegen variablen Arbeitszeitregelungen. Im Vordergrund stehen dabei die verschiedene Gleitzeitformen, welche insgesamt auf 17,8 % der Unselbständigen zutreffen“ (ebenda 12). Das Vollzeitbeschäftigungsmodell bleibt aber gleichzeitig als das dominante Modell bestehen. Je nach Marktnachfrage und Personalkosten werden Beschäftigte in Vollzeit oder Teilzeit (als Angestellte, freie DienstvertragsnehmerInnen oder WerkvertragsnehmerInnen) angeheuert oder gekündigt (vgl. Castells 1996, 272). 16

In Österreich steigt die allgemeine Selbständigenquote bzw. die selbständige Erwerbstätigkeit „ohne Landwirtschaft“ zwischen den Jahren 1985 und 2003 von 7,2 % nur leicht auf 17

8 %. Bei Kunst- und Kulturschaffenden ist der Anteil der Selbständigen aber höher als im Rest der beschäftigten Bevölkerung (vgl. Haak & Schmid 1999, 15) und darunter der Anteil der Musikschaffenden besonders hoch: „Da der Beruf Musiker häufig als Neben- oder Teiltätigkeit ausgeübt wird und somit ein großes Arbeitskräfteangebot vorherrscht, bleibt häufig 18

nur der Weg in die Selbständigkeit.“ (ebenda 5-6)

15

16 17

18

In Österreich sind laut Mikrozensus

„Teilzeitarbeit basiert im Zuge dieser Erhebung auf der Frage nach der Selbsteinschätzung der RespondentInnen – im Kernprogramm der Arbeitskräfteerhebung wird Teilzeit zusätzlich noch als Stundenanzahl (weniger als 36 Wochenstunden) kalkuliert.“ (Statistik Austria 2005, 12) Selbständige in % aller Erwerbstätigen (selbständige und unselbständige Erwerbstätige). Wirtschaftskammer Österreichs: „Selbständig Erwerbstätige.“ Daten von Wifo, Hauptverband der Sozialversicherungsträger. www.wko.at/statistik/jahrbuch/am-selbstaendige.pdf (12.8.2004). Haak & Schmid (1999, 6) begründen ihre Analyse aufgrund von Daten aus den Jahren 1978, 1987 und 1995 aus Deutschland.

61 19

2001

von 10.400 darstellenden KünstlerInnen und MusikerInnen

20

7.300

21

(70,19 %)

22

selbständig und 3.100 (29,81 %) unselbständig beschäftigt. Der Frauenanteil steigt innerhalb dieser Gruppe bei den Selbständigen zwischen 1980 und 2001 von 18 % auf 41 % um 23 %Punkte stark, während der Frauenanteil im selben Zeitraum bei den unselbständigen Beschäftigten nach einer Steigerung (1990 39 %) mit 29 % gleich bleibt (vgl. Harauer, Mayerhofer, Mokre 2000, 59, ergänzt durch Daten vom Mikrozensus 2001, zitiert in Schiffbänker & Mayerhofer 2003, 26 (Tab. 7)). Hinter dieser so genannten Selbständigkeit verbergen sich oft prekäre und schlecht honorierte Beschäftigungsverhältnisse, auch in Form von Teilzeitarbeit. Die substanzielle Steigerung von temporären, Teilzeit- und selbständigen Arbeitsverhältnissen kann zwar auch die Möglichkeit von vielfältigeren Arbeitsoptionen beinhalten, aber für die Mehrheit der Beschäftigten bedeutet sie keine Verbesserung, sondern ein erhöhtes Armutsrisiko (vgl. Castells 1996, 272). Nach Tálos und Fink liegen die Nachteile von prekären Beschäftigungsverhältnissen „vor allem auf der Ebene der Instabilität und Diskontinuität des Arbeitsverhältnisses – und damit Einkommenssicherung“ (Tálos & Fink 1999, 9). Die Musikindustrie reagiert mit flexibler Spezialisierung und Outsourcing von MitarbeiterInnen auf den allgemeinen Wirtschaftstrend. Neue Informationstechnologien unterstützen die Dezentralisierung von Arbeitsaufgaben und -prozessen durch Subcontracting, Outsourcing, Consulting und Downsizing (vgl. Castells 1996, 265). Kulturschaffende sind wiederum besonders betroffen, weil sie prekäre Arbeit in Form von flexiblen Arbeitsaufträgen, um überhaupt kreativ arbeiten zu können, oft nicht zurückweisen können (vgl. Hesmondhalgh: 167168). Sie gründen auch als Reaktion auf diese Flexibilisierungsmaßnahmen ihrerseits „Kleinbis Kleinstunternehmen [...], um wiederum ihre Produkte großen Unternehmen anzubieten“ (Smudits 2002, 183). Dass eine solche „Form von Unternehmern […] am entstehen [ist] in Form von ‚unternehmerischen Einzelnen’ bzw. von ‚unternehmerischen Kulturarbeitern’ (Cultural Workers)“ zeigt unter anderem eine Studie zur Ausschöpfung und Entwicklung des Arbeitsplatzpotenzials im kulturellen Sektor im Zeitalter der Digitalisierung (MKW Wirtschaftsforschung Juni 2001, im Auftrag der Europäischen Kommission, 11). Eine weitere Untersuchung des Ökonomischen Potenzials der ‚Creative Industries’ in Wien (Kulturdokumentation, Mediacult, Wifo 2004, 27-28) unterstützt ebenfalls diese Annahme, demnach sind 55,2 % der Musikwirtschaftsunternehmen in Wien Ein-Personen-Unternehmen (41,2 % der

19 20 21 22

Mikrozensus-Daten zitiert aus Schiffbänker & Mayerhofer (2003), 26. Die beiden Gruppen KünstlerInnen und MusikerInnen wurden in einer einzigen Kategorie erhoben. Die Differenzen ergeben sich durch Rundungen. Diese Prozentsätze beruhen auf Eigenberechnung.

62

Unternehmen haben 1-19 Beschäftigte, und nur 2,9 % zwischen 20 und 99, nur 0,7 % über 100 Beschäftigte). Der Cultural Entrepreneur lässt sich auch als eine bestimmte Art des „Arbeitskraftunternehmer[s]“ (Pongratz & Voss 2001, 4) bezeichnen, der idealtypisch drei wesentliche Eigenschaften besitzt: „- Selbstkontrolle: Verstärkte selbständige Planung, Steuerung und Überwachung der eigenen Tätigkeit; - Selbstökonomisierung: Zunehmend aktiv zweckgerichtete ‚Produktion’ und ‚Vermarktung’ der eigenen Fähigkeiten und Leistungen – auf dem Arbeitsmarkt wie innerhalb von Betrieben; - Selbst-Rationalisierung: Wachsende bewusste Durchorganisation von Alltag und Lebensverlauf und Tendenz zur ‚Vertrieblichung’ der Lebensführung.“ (Pongratz & Voss 2001, 4)

Die Kontrolle nicht nur über die professionelle Tätigkeit, sondern auch über die Arbeitsorganisation und Arbeitsökonomie funktioniert also nicht mehr hauptsächlich über einen Betrieb, sondern immer mehr durch einzelne Individuen (vgl. Pongratz & Voss 2001, 7). Diese müssen aber auch den Großteil des Risikos tragen, das damit verbunden ist. Arbeitnehmerrecht und Schutz entfallen für so genannte neue Selbständige und selbständige UnternehmerInnen, was bei unterbrochenen Beschäftigungskarrieren, längeren Phasen der Teilzeitarbeit und/oder Arbeitslosigkeit ein stark erhöhtes Armutsrisiko impliziert. 3.5

Musikarbeitsmarkt als Kulturarbeitsmarkt

Kulturarbeitsmärkte können „zu den dynamischsten Teilzeitarbeitsmärkten gezählt werden. Sie haben zukünftig weitere gute Wachstumschancen und scheinen weniger anfällig für offene Arbeitslosigkeit oder anpassungsfähiger gegenüber starkem Strukturwandel zu sein“ (Haak & Schmid 1999, 7). Sie zeigen vor, was in anderen Arbeitsmärkten auch passiert, dass „das Beschäftigungssystem eine stärkere Differenzierung“ (ebenda 30) erfährt. Mit dieser Differenzierung gehen die bereits erwähnten diskontinuierlichen Erwerbsbiografien, Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit einher. Viele Kunstschaffende, insbesondere im Popularmusikbereich, scheinen außerdem gar nicht in Sozial- und Arbeitslosenstatistiken auf, weil sie nicht sozialversichert und/oder angestellt beschäftigt sind/waren. Die bereits erwähnte EU-Studie „Ausschöpfung und Entwicklung des Arbeitsplatzpotenzials im kulturellen Sektor im Zeitalter der Digitalisierung“ (MKW Wirtschaftsforschung Juni 2001) zeigt wie einige andere Studien zur Kulturwirtschaft auch, dass ein Zuwachs „in den kreativen Beschäftigungen des kulturellen Sektors zu erwarten“ ist. Die Beschäftigung innerhalb des kulturellen Sektors nimmt in der EU zwischen 1995 und 1999 mit 4,8 % stark zu, das jahresdurchschnittliche Beschäftigungswachstum beträgt 2,1 % (MKW Wirtschaftsforschung 2001, 11-12). Die Studie prognostiziert ein weiteres Wachstum der kreativen Beschäftigun-

63

gen im kulturellen Sektor. Auch die Untersuchung des ökonomischen Potenzials der Creative Industries in Wien zeigt ein Beschäftigungswachstum der Creative Industries in Wien zwischen 1998 und 2002 von 6,2 % (vgl. Kulturdokumentation, Mediacult, Wifo 2003, 24). Das Beschäftigungswachstum gilt aber nicht für die Wiener Musikwirtschaft, die insgesamt einen Beschäftigungsrückgang von 11,4 % verzeichnet (siehe unten). Scheuch (2000) zeigt, dass zwischen den Jahren 1986 und 1998 die Zahl der beschäftigten Musikschaffenden in Österreich (KomponistInnen, TexterInnen, Orchester und reproduzierenden KünstlerInnen) signifikant zugenommen hat. Nach Scheuch, der in seiner Studie vom Jahr 2000 die Wertschöpfung der österreichischen Musikindustrie untersucht, sind 1986 11.500 und 1998 16.100 als MusikerInnen beschäftigt. Dieses Ergebnis ist aber mit Vorsicht zu genießen, weil die Vergleichbarkeit der Daten von 1986 (Scheuch & Holzmüller 1989, 30) 23

und 1998 (Scheuch 2000) nur ungenügend gegeben ist. Der Anteil der Beschäftigten in der österreichischen Musikindustrie liegt nach dieser Studie 1998 bei 42.537 Personen, das sind 1,09 % von insgesamt 3.888.300 Beschäftigten in Österreich. 1998 gibt es 12.325 KomponistInnen, TexterInnen sowie reproduzierenden KünstlerInnen, 3.775 Personen in Orchester und Chor sowie 600 Personen in Tonstudios und als MusikproduzentInnen tätig. Insgesamt sind im Jahr 1998 in der Musikwirtschaft 42.537 Personen beschäftigt (Scheuch 2000, 19). Die Prozentsätze der Beschäftigen sowie ihrer Wertschöpfung in den verschiedenen Hauptbereichen der Wertschöpfung zeigt Tabelle 1 (unten): Tabelle 1: Struktur der gesamten österr. Musikwirtschaft (Beschäftigung und Wertschöpfung) Bereich

Beschäftigte

%

Wertschöpfung

%

in Mrd. ATS* Produktion

18.080

42

4,744

16

Distribution

11.421

27

16,971

57

Ausbildung

10.652

25

6,163

20

2.384

6

2,054

7

42.537

100

29,932

100

Musikinstrumente Insgesamt Quelle: Scheuch 2000, 98. * 1 Euro =13,7603 ATS.

23

In der Scheuch-Studie von 1989 geht nicht hervor, ob 1986 die im „Chor“ Beschäftigten hinzugenommen wurden oder nicht. Anzunehmen ist, dass die im „Chor“ Beschäftigten 1986 nicht hinzugezählt wurden, weil „Chor“ als eigene Kategorie in der Studie von 1989 nicht aufscheint. Daher kann nicht eruiert werden, wie hoch die Beschäftigungszunahme innerhalb der Produktion tatsächlich war (siehe Tabelle 3 unten).

64

Wird allein die Beschäftigung in Produktion und Distribution sowie ihre Wertschöpfung im Musikbereich betrachtet, so ergibt sich folgendes Bild (siehe Tabelle 2 unten): Tabelle 2: Struktur des österr. Musikmarktes – Produktion : Distribution Bereich

Beschäftigte

%

Wertschöpfung

%

in Mrd. ATS* Produktion

18.080

61

4,744

22

Distribution

11.421

39

16,971

78

Insgesamt

29.501

100

21,715

100

Quelle: Scheuch 2000, 98. *1 Euro =13,7603 ATS

Scheuch weist trotz des niedrigen Prozentsatzes darauf hin, dass „in der Wertkette der Musikwirtschaft die ‚Kreation’ und ‚Produktion’ der zentrale Auslöser für alle weiteren wirtschaftlichen Effekte [darstellt]“ (Scheuch 2000, 19). Leider kann ebenfalls kein differenzierter Vergleich der Beschäftigten in den einzelnen Berufsgruppen im kreativen Bereich zwischen 1986 und 1998 vorgenommen werden, weil 1986 und 1998 jeweils andere Kategorien 24

von Musikschaffenden zusammengefasst wurden (vgl. Scheuch 2000, 9). Interessant sind beim näheren Hinsehen an dieser Stelle vor allem die Veränderungen zwischen 1986 und 1998 in „restlichen“ Bereichen (also nicht in den eigentlich kreativen Bereichen) (siehe 25

Tabelle 3 unten), aber auch hier sind nicht alle Kategorien vergleichbar. Laut dieser Zahlen geht hervor, dass es zwischen 1986 und 1998 ein starkes Beschäftigungswachstum in der Tonträgerindustrie (von 350 auf 800 Beschäftigte), der Tonstudios (von 280 auf 600 Beschäftigte), der Verlage (von 180 auf 430) sowie der Agenturen (von 100 auf 150) gibt, während der Rückgang der Beschäftigten im öffentlichen Rundfunk bzw. dem ORF von 1.613 auf 26

1.000 massiv ist (siehe Tabelle 3 unten).

24

25

26

1986 werden KomponistInnen und TexterInnen einerseits sowie Orchester und reproduzierende KünstlerInnen andererseits zusammengefasst, während 1998 KomponistInnen, TexterInnen und reproduzierende KünstlerInnen einerseits sowie Orchester und Chor andererseits als messbare Kategorien zusammengefasst werden (vgl. Scheuch 2000, 9). Keine Daten zur Beschäftigung liegen von 1986 für Ausbildung, Musikinstrumente, Handel mit Geräten der Unterhaltungselektronik sowie Tonträgerhandel vor. Außerdem können die Zahlen der Verwertungsgesellschaften nicht interpretiert werden, weil 1986 alle Verwertungsgesellschaften als Basis dienten, 1998 jedoch nur die Musikverwertungsgesellschaften. Da die Vergleichbarkeit der Zahlen nicht zur Gänze gegeben ist, wird die Differenz (absolut und in %) an dieser Stelle nicht angeführt. Wegen Inkohärenz der Daten ist es auch nicht möglich, die %-Sätze der einzelnen Bereiche innerhalb eines Jahres für Beschäftigung (gesichert) anzugeben.

65

Tabelle 3: Beschäftige der Musikindustrie 1986 und 1998 in absoluten Zahlen Österreich

1986

1998

KomponistInnen, TexterInnen

5.000

12.325 (inkl. repr. KünstlerInnen)

Orchester, reproduzierende KünstlerInnen

6.500

3.775 (nur Orch. u. Chor)

MusikerInnen gesamt

11.500

16.100

Tonstudios und MusikproduzentInnen

280

600

Tonträgerindustrie

350

800

Musikverlage

180

430

Agenturen

100

150

Tonträgerhandel

2.145

Bühne und Aufführung

4.227

Festspiele

490

Filmmusik

420 210

CD-Presswerke

1.264

Tonträgereinzelhandel

2.145

Unterhaltungselektronik (Musikanteil)

1.380

27

1.613

1.000

50 % Kabel (musikbez. Anteil)

125

200

220 (alle)

185 (nur Musik)

50 % ORF (musikbez. Anteil)

Verwertungsgesellschaften Ausbildung Musikinstrumente (Erzeugung, Großhandel,

10.652 2.384

Einzelhandel) Quelle: Scheuch 2000, 96,103. Scheuch & Holzmüller 1986, 3.

27

Hier herrscht Inkonsistenz der Daten bei Scheuch: Auf S. 97 spricht er (für 1998) von 1.590 Beschäftigten in „Rundfunk und Kabelnetze (Musikanteil)“, auf S. 103 (wo er die Daten von 1986 u. 1998 miteinander vergleicht) gibt er (wie in der Tabelle oben angeführt) für „50 % ORF“ 1.000 und für „50 % Kabel“ 200 Beschäftigte an. Es kann angenommen werden, dass es sich beim so genannten „Rest“ der „Rundfunk und Kabelnetz (Musikanteil)“-Beschäftigten (390 Beschäftigte) um Beschäftigte bei Privatradios handelt. Da diese Kategorie aber nicht explizit von Scheuch (auf S. 103) als solche angeführt wird, kann dieser Wert nicht als gesichert genannt werden.

66

Die bereits erwähnte Studie Untersuchung des ökonomischen Potenzials der ‚Creative Industries’ in Wien (Feb. 2004) zeigt ein etwas anderes Bild (vgl. Kulturdokumentation, Mediacult, 28

Wifo). Ihr zufolge gibt es in Wien zwischen 1998 und 2002 unterschiedliche Beschäfti29

gungszuwächse in spezifischen Sektoren der Creative Industries. Andere Sektoren weisen einen Beschäftigungsrückgang auf, darunter mit 11,4 %, der Musiksektor (vgl. Kulturdokumentation, Wifo, Mediacult 2004, 11-12, 23-25). Besonders hoch ist der Rückgang von 32,3 % im so genannten industriellen Bereich “Manufacturing and Reproduction“, der laut dieser „Creative Industries-Studie“: „Herstellung von unbespielten Ton-, Bild- und Datenträgern, Herstellung von Rundfunk-, Fernseh- und phonotechnischen Geräten, Herstellung von Musikinstrumenten, Vervielfältigung von bespielten Tonträgern“ (182) umfasst. Im Vergleich dazu ist der Rückgang im Bereich “Content Origination“ (also „Verlag(e) von bespielten Tonträgern, Musikverlage, künstlerische und schriftstellerische Tätigkeiten und Darbietungen“ (ebenda, 182)) von 8,9 % relativ moderat. Nur im Bereich “Exchange“ (also „Betrieb und technische Hilfsdienste für kulturelle und unterhaltende Leistungen, Erbringung von unternehmensbezogenen Dienstleistungen, Einzelhandel mit elektrischen Haushalts-, Rundfunk- und Fernsehgeräten sowie Musikinstrumenten, sonstiges Gaststättengewerbe“ (ebenda 182)) findet ein Wachstum von 5,5 % statt. Diese Ergebnisse sind auch als Ausdruck der Krise der Tonträgerindustrie zu verstehen. Die Bereiche “Manufacturing and Reproduction“ sowie „Verlagswesen“, die nach wie vor stark an Tonträgerproduktion und -distribution gekoppelt sind, sind von dieser Krise besonders betroffen (siehe Kap. 4). 3.6 3.6.1

Verträge zwischen Musikschaffenden und Labels oder Verlagen Label- bzw. Leistungsschutzvertrag

Musikschaffende schließen Verträge mit Labels über eine oder mehrere Tonträgerproduktion/en ab. Der „Labelvertrag“, der auf dem Leistungsschutzrecht basiert, garantiert im Idealfall auf längere Sicht Einnahmen aus Tonträgern. Die Bindung ist meist exklusiv, das heißt, dass der Tonträger nur bei dem Label veröffentlicht wird, mit dem der Vertrag abgeschlossen wurde. Die Exklusivität ist für das Label wichtig, weil es nur so zum einzigen Verwerter der

28

29

Die Beschäftigungszahlen der Wiener Musikindustrie stammen aus zwei verschiedenen Quellen: vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger 2002 mit 6.795 Beschäftigen und Arbeitsstättenzählung 2001 mit 8.894 (in insgesamt 1292 Unternehmen) (Kulturdokumentation, Mediacult, Wifo 2003, 26). Beide Quellen kommen durch unterschiedliche Erhebungsmethoden zu verschiedenen Ergebnissen: „So werden etwa im Hauptverband der Sozialversicherungsträger die neuen Selbständigen bzw. die freien Dienstnehmer zwar zahlenmäßig erfasst [...], werden aber nicht innerhalb der NACE-Klassen zugeordnet.“ (Kulturdokumentation, Mediacult und Wifo, 24) Die Sektoren mit steigender Beschäftigung sind Museen und Bibliotheken, Werbung, Software, Multimedia, Internet, Spiele, Bildende Kunst, Darstellende und Unterhaltungskunst, Architektur sowie Literatur & Verlagswesen und Printmedien (vgl. Kulturdokumentation, Mediacult, Wifo 2004, 11-12).

67

Leistungsschutzrechte wird. Sie kann aber Nachteile für Musikschaffende mit sich bringen, vor allem wenn sie der Vertrag über mehrere Tonträgerproduktionen (und damit über Jahre) an das eine Label bindet. Andererseits können auch kurzfristige Verträge wegen der inhärenten Unverbindlichkeit für Musikschaffende problematisch sein. Oft geht ein Leistungsschutzvertrag mit einem Verlagsvertrag Hand in Hand. Musiklabels – vor allem die kapitalstarken Major Labels – schießen meist ähnlich wie Bankinstitute die Produktions-, Tourneen und Marketingkosten für Musikschaffende vor, die durch den Vertrieb von Tonträgern wieder hereinkommen müssen. Die Produktionskosten sind oft – trotz neuer Technologien – für die Bands hoch. Eine Band oder ein/e einzelne/r Musikschaffende/r ist infolge häufig gezwungen, lange Zeit Schulden in Form von so genannten “Recoupables“ abzuzahlen. Insbesondere für Newcomer stellt dieses „System“ aufgrund ihrer Kapitalschwäche und mangelnder Erfahrung eine Hürde dar. Ein/e Newcomer-KünstlerIn/-Band bekommt im Popgeschäft meist 12-13 % vom Gesamtgewinn und muss gleichzeitig eine sehr hohe Stückzahl verkaufen, ca. zwischen 200.000 und 1.000.000 Kopien, um überhaupt einen Gewinn zu machen (vgl. Gomery 2000, 326). Es bestehen aber auch Verträge zwischen „kleinen“ Musikschaffenden und Independent Labels, bei denen die Musikschaffenden höhere Margen bekommen. Die so genannten Superstars haben naturgemäß eine potentere Verhandlungsbasis für ihre Verträge mit den Tonträgerfirmen als andere Musikschaffende, auch weil die Labels im Wesentlichen von deren Erfolg abhängig sind: “for a well-known artist, the minimum is 14 to 15 percent, and often 17 to 20 percent, with 4 percent going to the producer. These rates, however, may escalate after a specific number of sales“ (U.S. Congress: Office of Technology Assessment 1989, 104. Zitiert in: Sperlich 2000, 25).

In einem „Winner-Takes-it-All-Market“ wie dem Musikmarkt besteht ein großes Gefälle an spitzenverdienenden Superstars und einem breiten Spektrum an Musikschaffenden, die schlecht bis gar nichts verdienen. In der digitalen Mediamorphose stellt sich zunehmend die Frage, ob Musikschaffende Labels überhaupt noch brauchen. Wenn ein Label als Partner wegfällt, verringern sich auch „die flexiblen Kosten für Vertrieb und Fertigung [...] [und], desto größer wird der Gewinn des Künstlers sein“ (Renner 2004, 278). Auf ein Label ganz zu verzichten, macht aber nur für diejenigen KünstlerInnen Sinn, die sich entweder auf einer semiprofessionellen Ebene ihrer Karriereleiter befinden oder die bereits so erfolgreich sind, dass sie sich von ihrem Label wirtschaftlich unabhängig machen können. Alle anderen Musikschaffenden, die noch wesentlich durch den Verkauf von Tonträgern Einkommen generieren, bedürfen nach wie vor der Marketing-, Vertriebskraft und des Know-hows eines Labels.

68

3.6.2

Verlagsvertrag

In der digitalen Mediamorphose verschiebt sich das Musikgeschäft langsam vom Vertrieb des physischen Tonträgers CD Richtung nicht-physischen Vertrieb. Als ein Ergebnis davon werden Verlage als PartnerInnen für Musikschaffende relevanter. Gleichzeitig werden Verlagsverträge (die auf dem Urheberrecht basieren) wichtiger als Labelverträge (die auf dem Leistungsschutzrecht basieren), weil Urheberrechte bis 70 Jahre nach dem Tod des/r UrheberIn währen (und so zu Einnahmen führen), während Leistungsschutzrechte nur bis 50 Jahre nach 30

Veröffentlichung eines Tonträgers gelten. Verträge zwischen Musikschaffenden und Verlagen behandeln im Wesentlichen die Art/en der Rechteverwertung eines Werkes (auf Basis des Urhebervertragrechtes) und in diesem Zusammenhang auch Aufgaben wie PR. Manchmal übernehmen Verlage auch Managementaufgaben. In der Regel bekommen Musikschaffende bei einem Verlagsdeal aber bessere Margen als bei einem Label- bzw. Leistungsschutzvertrag. Verleger und Manager Günther Wildner gibt im Interview folgenden Aufteilungsschlüssel an: „Die Aufteilung ist 60:40 zwischen Künstler und Verlag, davon der Textautor 31

30 % und der Komponist 30 %.“

Der generelle Trend – der auch im Zusammenhang mit schwindenden Produktions- und Marketingbudgets verstanden werden muss – ist, dass Musikschaffende als „Miteigentümer und Auftraggeber“ in Zukunft selbst zum zentralen Ausgangspunkt jeglicher Musikwertschöpfung werden: „Statt arbeitsteilige Prozesse, in denen alle zerrieben werden, gibt es eine Person, die von Anfang bis Ende mitverantwortlich ist und sich nicht entziehen kann“ (Renner 2004, 279). Diese Rolle entspricht des/r Cultural Entrepreneurs. Das heißt auch, dass die Stoßrichtung zu kleineren Produktionsteams bzw. -strukturen gehen, die kostengünstiger produzieren, vermarkten und distribuieren und gleichzeitig so viele Rechte wie möglich in einer Hand behalten. 3.7

Einkünfte von Musikschaffenden

Die jeweiligen Einkünfte von Musikschaffenden divergieren stark. Dieser Umstand hängt mit dem vorherrschenden marginalen Starsystem zusammen, welches im krassen Gegensatz zur Mehrheit der Musikschaffenden steht, die oft prekäre Arbeitsverhältnisse akzeptiert, um im „eigentlichen Beruf“ arbeiten zu können. Hesmondhalgh analysiert diesen prekären Status folgendermaßen, die so genannten “Creative workers“: “[…] trade in financial reward and security for creative autonomy. [...] In fact all cultural workers, creative workers [...] sometimes accept poorer working conditions (for example, long, difficult hours) for the benefits of being involved in creative projects.“ (Hesmondhalgh, 167-168)

69

Dieses System steht in Verbindung mit einem Überangebot und der damit verbundenen Unsicherheit der Nachfrage im Musikarbeitsmarkt. Das Überangebot führt – wie in anderen Kunstarbeitsmärkten auch – zu einem Winner-Takes-it-All-Market, in dem – zumindest über eine gewisse Zeit – Stars eine Quasi-Monopolstellung einnehmen und den größten Teil vom Kuchen abbekommen, während der Rest relativ leer ausgeht (vgl. Haak & Schmid 1999, 22 in Bezug auf Frank and Cook 1995). So genannte kreative Arbeit erfährt aber auch wegen eines permanenten Überangebots in Form von unterschiedlichen Reservoire-Pools, die miteinander konkurrieren, tendenziell Abwertung: “The biggest pool is composed of non-professional cultural workers, who work occasionally and have to take other jobs to subsidise their artistic activities.“ (Hesmondhalgh 2002, 57) Dies führt zu einem deklassierten Status der Mehrheit von Kulturschaffenden und zu einem Arbeitsmarkt “in which most creative workers are either underemployed, at least in terms of the creative work they actually want to do, or underpaid“ (Hesmondhalgh 2002, 57). Im Popmusikmarkt wird dieser Konflikt zusätzlich durch die gängige Vertragspraxis sowie speziell in Österreich durch die Marginalität des Popmusikmarktes verschärft (siehe oben). Laut der Broschüre „Berufs-Info Medien, Kultur, Unterhaltung“ des AMS (2001b, 76-77) liegen monatliche Brutto-Anfangsgehälter von MusikerInnen (in Österreich) zwischen 1.090,32

und 1.8717,- Euro, sowie für SängerInnen bei 1.453,- Euro. Es ist aber davon auszugehen, dass die Spanne noch höher ist, weil viele Musikschaffende, insbesondere im Popularmusikbereich (und damit auch im Rock und in der elektronischen Musik) als solche gar nicht in den Beschäftigungsstatistiken aufscheinen (und damit auch nicht ihre Gagen), weil sie dem Musikberuf als Nebenberuf oder sogar „nur“ in ihrer Freizeit nachgehen. In einer bereits etwas länger zurückliegenden Studie (1993), einer Primärerhebung zur Lage der KomponistInnen in Österreich, wird das Gesamteinkommen aus allen Tätigkeiten (inklu33

sive den nicht-musikschaffenden Tätigkeiten) erhoben: „Der Median liegt etwa bei 13.000 34

Schilling .“ (Smudits et al. 1993, 12) Der überwiegende Teil der befragten Musikschaffenden hatte zwar Einkünfte aus musikalischen Tätigkeitsfeldern (also z.B. Live-Konzerte sowie Unterrichten) (83,2 %), aber exklusive ihrer kompositorischen Tätigkeit (vgl. ebenda 43). Nur 12 % verdienten aus rein kompositorischer Tätigkeit „mehr – und zum Teil sehr viel mehr – als 10.000,- Schilling im Monat“. Bei den Einnahmequellen aus kompositorischer Tätigkeit 30 31 32

33

34

vgl. § 60 UrhG (Urheberrecht) (siehe Kap. 6). Zitat aus Interview mit Wildner/wildnermusic. Es geht aus der Publikation nicht hervor, wie die AutorInnen der Studie zu diesen Werten kommen. Angeführt sind MusikerInnen im klassischen und U-Musikbereich sowie StudiomusikerInnen. Der Median (Zentralwert) „ist die Merkmalsausprägung desjenigen Elements, das in der der Größe nach geordneten Beobachtungsreihe in der Mitte steht.“ (Bleymüller et al. 1996, 15) 1 Euro = 13,7603 Schilling.

70

fällt außerdem die Dominanz von Einnahmen in Form von Tantiemen aus Urheberrechten mit 67 % auf (vgl. ebenda 44-45).

35

Diese Zahlen lassen sich zwar nicht so ohne weiteres auf die Situation von Musikschaffenden der Popularmusik übertragen, sie zeigen aber die Tendenz, dass für die meisten Musikschaffenden – egal ob sie Musik als Haupt- oder Nebenberuf betreiben – die Notwendigkeit be36

steht, „mehrere Standbeine [...] innerhalb der Musikbranche“ zu haben. In anderen Worten 37

heißt das: “Multitasking is the key.“ Die Musikschaffenden, die es schaffen, ein relevantes Einkommen durch Musikschaffen zu generieren, müssen also in sehr verschiedenen Bereichen des Music-Business Einkommen lukrieren. Sobald ein Tonträger veröffentlicht wird, ist dieser zwar zumeist als Einnahmequelle wichtig, aber wenige MusikerInnen bringen häufig Tonträger bzw. so viele heraus, dass sie ausschließlich durch Verkäufe und Tantiemen von Tonträgern leben können (siehe unten). Die Notwendigkeit des Multitasking wird sich durch die digitale Mediamorphose noch verschärfen, weil die Einnahmen aus dem Tonträgerverkauf weiter zurückgehen werden und infolge andere Bereiche stärker ins Blickfeld rücken (müssen), v.a. Live-Acts, Aufträge im audiovisuellen Bereich (Film, Fernsehen und Werbung), Kunst- und Theater, sowie im Multimedia-, Internet- und Handy-Bereich. Die wichtigsten Einnahmequellen von Musikschaffenden im Rock und in der elektronischen Musik werden in der Folge dargestellt. 3.7.1

Live-Konzerte

Einige der befragten ExpertInnen gehen von einem Revival des Live-Acts aus. Tatsächlich sprechen auch Daten für einen Anstieg des Live-Geschehens (siehe Kap. 9). Neue Medien wie Internet und Handy haben positive Effekte auf den Verkauf von Live-Konzert-Tickets, weil viele Fans sich aktiv via Internet über Live-Events informieren, Tickets bereits mit Mailorder-Online bestellen, um dann zu den Konzerten zu gehen. Die Frage ist, ob sich dieser Trend auch in steigende Einkommensmöglichkeiten für Musikschaffende umsetzen lässt. Die Krise des Tonträgers verstärkt die Konkurrenz im Live-Musikgeschäft, weil viele Musikschaffende die Verluste von ihrem Tonträgerverkauf durch andere Einnahmequellen, insbe38

sondere Live-Acts zu kompensieren versuchen: „Wenn sie aber dabei schlecht organisiert sind, hat die verschärfte Konkurrenz den umgekehrten Effekt und die Live-Auftritte gehen

35

36 37 38

Die im „KomponistInnen-Report“ befragten KomponistInnen verorteten sich zu 39,5 % im U-Musik-Bereich, 39 % im E-Bereich sowie 21,2 % im Multi-Crossover-Bereich (vgl. Smudits et al. 1993, 28-29). Zitat aus Interview mit Rabitsch/Thomas Rabitsch Music Productions/Recording Studios. Zitat aus Interview mit Schlögl/I-Wolf/Sofa-Surfers. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Mitter/Miooow.

71 39

zurück.“ Gleichzeitig bleibt der Tonträger (trotz Krise) vorerst die wichtigste Voraussetzung bzw. Visitkarte, um z.B. Live-Acts-Auftritte zu bekommen. Zwar sind Konzerte von Newcomern zumeist nicht gut bezahlt, für viele Musikschaffende stellt der Live-Bereich aber dennoch eine wesentliche Einnahmequelle dar. Speziell internationale Tourneen sind für Musikschaffende eines kleinen Musikmarktes wie Österreich zudem notwendig, um sich ein internationales Publikum zu erspielen. Die Einnahmen der einzelnen Musikschaffenden im Live-Bereich unterscheidet sich von Stilfeld zu Stilfeld. Die Einzel- und Duokonstellationen im elektronischen Musikbereich befördern zwar im Vergleich zu einer mehrköpfigen Rockband Mehreinnahmen pro Auftritt. Trotzdem bestehen vor allem bei internationalen Touren auch für sie hohe Kosten (u.a. für Transport und Unterkunft), die nicht immer durch die Konzerteinnahmen abgedeckt werden können. 3.7.2

DJing

DJing ist zu einer wesentlichen Haupt- und Nebeneinnahmequelle für Musikschaffende geworden. Teilweise stehen DJs im Wettbewerb zu anderen Live-MusikerInnen, vor allem weil ein bis zwei DJs pro Abend für VeranstalterInnen zumeist weniger kostenintensiv als eine mehrköpfige Live-Band sind. DJ-Gagen für so genannte Stars sind in den letzten Jahren ex40

plodiert, z.B. „Gagen bis zu 30.000-40.000 Schilling“ . Solche Gagen werden aber sehr sel41

ten bezahlt. In der Regel ist DJing für österreichische DJs eine kleine Nebenerwerbsquelle. Aufgrund einer vielfältige Clubszene gibt es z.B. in Wien viel Nachfrage nach DJs. Nichtsdestotrotz sind die Einkommensmöglichkeiten beschränkt, weil nur wenige größere Clubs wie 42

das Flex vorhanden sind, die DJs höhere Gagen zahlen. Um höhere Einkommen zu erzielen, müssen sich DJs – wie andere Live-MusikerInnen auch – internationale Märkte erschließen. Zum Beispiel ist Electric Indigo eine der wenigen DJs, die hauptberuflich vom Auflegen leben kann. Ihre Inlandsgagen unterscheiden sich signifikant von ihren Auslandsgagen, wobei sie ihr Einkommen zu ca. „95 % im Ausland“ generiert. Electric Indigo hat bereits in 33 Ländern auf allen Kontinenten aufgelegt. Im Ausland gibt sie (2003) ihre Standardgage mit 1.300 Euro (plus Flug und Hotel) an. In Österreich bekommt sie im Flex unter normalen Bedingun-

39 40 41

42

Zitat aus ebenda. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Bauer/ecco.chamber; 1 Euro =13,7603 Schilling. In Bezug auf Zitate aus Interviews mit Kirchmayr alias electric indigo und Claus Prechtl & Thomas Mair/ Sunshine Enterprises. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Rossiwall/Bounce.

72

gen wesentlich weniger (300 Euro) oder „freitags bei einer großen Party [...] 500 oder 600 43

Euro“ . 3.7.3

Tonträgerverkauf

Wenige österreichische MusikerInnen erreichen ein signifikantes Einkommen durch Tonträgerverkäufe. Die CD dient vielmehr als „Visitkarte“ für Einnahmen aus anderen Bereichen, v.a. aus Konzertauftritten oder Aufträgen. Um Tonträgermärkte zu erreichen, müssen sich Musikschaffende diese oft mit vielen – für sie kostenintensiven – Live-Auftritten im In- und Ausland erspielen. Außerdem ist der Einsatz großer Summen an Marketinggeld für die Promotion des Tonträgers notwendig, das durch den Verkauf der Tonträger wieder hereinkommen muss. Die steigenden Marketingkosten korrelieren mit der Übersättigung und der Unübersichtlichkeit von Tonträgermärkten. Diese hohen Marketingsummen können normalerweise nur von Major Labels aufgebracht werden. Den meisten Independent Labels fehlen die notwendigen finanziellen Ressourcen. Gleichzeitig ist aber die Vermarktung von Nischenprodukten, auf die die meisten Independent Labels spezialisiert sind, oft ohne allzu große Marketinggelder möglich (siehe Kap. 7). 3.7.4

Auftragsarbeiten

Für Auftragsarbeiten birgt die digitale Mediamorphose Chancen hinsichtlich neuer Einnahmen für Musikschaffende. Den AuftraggeberInnen (zum Beispiel beim Film die Produktion eines Soundtracks) kommen neue Produktionen häufig günstiger, als wenn sie sich die Lizenzen von bereits bestehenden Werken erwerben müssen. Auftragsarbeiten werden nicht nur für Film, Fernsehen, Theater, Werbung sowie im Kunstbereich, sondern auch für Remix-Aufträge nachgefragt. Dabei haben digitale Technologien tendenziell die Produktionsbedingungen vereinfacht und verbilligt. Teils stellen Auftragsarbeiten auch sehr wesentliche Einkommensressourcen dar, z.B. bedeutet für Schlögl alias I-Wolf und Sofasurfer eine Auftragsarbeit für einen Soundtrack „ca. ein halbes Jahreseinkommen“. Die Musikschaffenden, die durch Aufträge relevante Einkommen generieren, sind zumeist bereits längere Zeit im Geschäft. Newcomer bekommen in der Regel eher keine Auftragsarbeiten angeboten. Auch im so genannten Kunst- und Festivalbereich sowie für internationale Veranstaltungen (zumeist Festivals) werden Aufträge vergeben. Remixes sind ebenfalls eine relevante Einnahmequelle, insbesondere für Musikschaffende der elektronischen Musik. 3.7.5

Merchandizing

Etliche Musikschaffende lukrieren entscheidende Einnahmen aus Merchandizing. Hier funktioniert der mit der Musik assoziierte Bandname als Verkaufsanregung für andere Ware. 43

Zitat aus Interview mit Susanne Kirchmayr alias electric indigo.

73

3.7.6

Förderungen

In Österreich bietet neben den Kunst- und Kulturförderungen von Bund und Ländern u.a. der SKE (Soziale & Kulturelle Einrichtungen)-Fonds der Verwertungsgesellschaft austro mechana Stipendien und Zuschüsse zu Künstlersozial- und Pensionsversicherung an zeitgenössische KomponistInnen sowie Orchester, VeranstalterInnen, Kleinlabels und Organisationen, die als Schwerpunkt aktuelle Musik aus Österreich präsentieren. Der SKE-Fonds generiert 44

seine Gelder durch die Einnahmen aus der Leerkassettenabgabe. Dieser „Pauschalbetrag“ wird auf den Preis leerer Kassetten, CD-Rohlinge sowie mittlerweile auf Computerfestplatten als Kompensation für die Einnahmenverluste, die aus dem privaten (und nicht kommerziellen) 45

Kopieren hervorgehen, aufgeschlagen. Für das Kunststipendium werden insgesamt 10.000 Euro vergeben. Diese Summe kann nach subjektivem Ermessen (z.B. für Lebenserhaltung, 46

Produktionskosten oder Equipment) verwendet werden. 3.7.7

Tantiemen aus Urheberrechten

Aus Urheberrechten finden nur ca. 10 % der österreichischen Musikschaffenden ein relevantes Auskommen. Alle anderen, ca. 90 % der Musikschaffenden, leben nicht oder nicht wesentlich von Tantiemen aus Urheberrechten (vgl. Gebesmair 2000a, 111). Die Urheberrechtstantiemen kommen auf drei Ebenen zur Geltung: erstens verdienen MusikerInnen an mechanischen Rechten (auf Tonträgerproduktionen) sobald ein Tonträger gepresst wird, zweitens 47

für Radio- oder Fernseh-Airplay-Einsätze und drittens für Live-Auftritte. In Zukunft werden aber Urheberrechtstantiemen aus neuen Medien, also aus Music-Downloads, -Streams, Klingeltönen eine signifikantere Rolle spielen. Der Live-Bereich spielt für die Tantiemenauschüttungen bei vielen Musikschaffenden nach wie vor die wichtigste Rolle. Weniger wichtig – wenn man sich die Musikschaffenden als Gesamtgruppe ansieht – sind hingegen die Bereiche Tonträgervertrieb und Radio-/Fernsehsendung. Für etliche der interviewten Musikschaffenden stellen Tantiemen nur ein Taschengeld und kein wesentliches Einkommen dar. Selbst bei einer relativ gut verdienenden Band bestehen die Tantiemen aber auch nicht immer aus großen Summen. Für KomponistInnen, die viel komponieren, werden die Tantiemen aber als Einkommen relevant. Zum Beispiel Schlögl schätzt, dass die Tantiemen aus Urhebberechten (vor allem aus Radio-Play) ca. ein Viertel seines Einkommens konstituieren.

44 45 46 47

Die Leerkassettenvergütung basiert auf § 60 UrhG (Urheberrecht). Die „Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch“ wird in § 42 geregelt. In Bezug auf Email von Markus Lidauer/SKE-Fonds (Mai 2005). Zitat aus Interview mit Wolfsteiner/Trio Exklusiv.

74

3.7.8

Musik-Postversand (Online-Mailorder), Music-Downloads und Handy-Music

Musikverkauf über Postversand via Online-Bestellung von CDs funktioniert bei den meisten interviewten Musikschaffenden über die eigene Artist- und/oder Label-Website – und dabei entweder über einen eigenen Webshop oder einfach über Email – relativ gut, auch wenn der Verkauf über die eigene Website für Einkommensflüsse noch selten relevant ist. Online-Mailorder erfolgt auch über externe Online-Plattformen, wie Amazon.at/Amazon.de. Auch wenn der legale Music-Download möglicherweise zum “Upcoming-Business“ wird und sich „mit einer beeindruckenden Wachstumsrate“ entwickelt, bewegt er sich zurzeit noch im marginalen Bereich. Insbesondere für so genanntes Nischenrepertoire besteht die Schwierigkeit, in markt- bzw. verkaufsrelevante Online-Musik-Plattformen wie iTunes oder OD2 hinein zu kommen. Der Verkauf von Klingeltönen funktioniert zwar etwas besser als der Verkauf von Music-Downloads, weil Klingeltöne teurer als Music-Downloads sind, bleibt aber zumeist auch noch im niedrigen Bereich (siehe Kap. 8 und 13).

75

4

4.1

Musik als Ware, neue Musikwertschöpfung und die Tonträgerindustrie in der Krise

Musik als Kultur-, Wirtschafts-, Unterhaltungs- und Wissensgut

Musik ist ein Kultur-, Unterhaltungs- und Wirtschaftsgut, das vor allem in der Freizeit und/oder neben der Ausübung von Tätigkeiten (z.B. im Haushalt, im Büro oder öffentlichen Raum über Computer, Handy, Disc-Man, Radio etc.) konsumiert wird. Musik muss erfahren werden und verlangt je nach Umgebung mehr oder weniger Aufmerksamkeit von ihren RezipientInnen. Da jeder Mensch aber nur ein begrenztes Potenzial an Aufmerksamkeit, Zeit und Einkommen hat, um Musik zu erfahren, muss Musik, um die Gunst dieser Aufmerksamkeit mit vielen anderen kommerziellen Unterhaltungsgütern wie Filmen, Videos, Büchern, Computerspielen konkurrieren. Gleichzeitig ist „Musikkonsum [gemäß jüngeren Studien] immer [auch] vor dem Hintergrund alternativer Freizeitangebote“ (Huber & Nicoletti 2005, 33) zu sehen, das heißt, Musikkonsum erfolgt nie rein in Konkurrenz, sondern vor allem komplementär zum Konsum anderer Freizeitgüter und -services. Musik ist wie viele andere kulturelle Güter (wie Videos, Bücher und Computerspiele) kein einfacher Gebrauchsgegenstand, sondern ein nicht-physischer „Gegenstand“, der sich erst in Medien materialisieren muss, um wahrnehmbar zu werden. Vor allem bei Jugendlichen dienen Musikstilfelder und ihre Stars zur Identitätsstiftung, Peergruppen- und CommunityBildung. Musik hat also wichtige soziale Funktionen und ist als solche ein wichtiger Aspekt von Lebensstilen und Werthaltungen. In welchen technischen Formaten sich Musik präsentiert, ob in Form einer CD, Musikkassette, MP3-Download, Radio, etc. ist aber, abgesehen vom Qualitätsaspekt des jeweiligen Mediums, weniger relevant. Die einzige Ausnahme ist Live-Musik, weil sie die unmittelbarste und authentischste Vermittlungsform zwischen Musikschaffenden und HörerInnen darstellt. Live-Musik gewinnt momentan im Kontext der digitalen Mediamorphose und dem Trend zur Eventkultur (vgl. MühlBenninghaus 2004, 34) und Club-Music-/DJ-Kultur an Bedeutung (siehe Kap 9). In der digitalen Mediamorphose kommt zum Abspielen von Tonträgern das direkte Abspielen von Musik mit Geräten wie MP3-Player, Handy oder PC hinzu. Diese Entwicklung zeigt, dass sich die Musikabspielmedien stark differenziert und in der Zahl potenziert haben. Folglich ist der Tonträger (vor allem die CD) nur mehr eine Möglichkeit unter vielen, Musik zu rezipieren, auch wenn er zurzeit nach wie vor die wichtigste technisch vermittelte Einheit der Tonträgerindustrie, auf der auch ihr Geschäftsmodell im Wesentlichen basiert, ist. Neben dem Format ist zwischen Musikkonsum im öffentlichen und privaten Raum zu unterscheiden. Live-Konzerte finden zumeist in einem öffentlichen oder halböffentlichen Raum bei

76

Anwesenheit eines Publikums statt, während mit Tonträgern und/oder Radio vermittelte Musik sowohl öffentlich (z.B. in einer Bar als Hintergrundmusik, durch Auflegen von Schallplatten eines/r DJ, oder als Filmmusik im Kino) als auch privat zu Hause bzw. „für sich“ rezi48

piert werden kann.

Für eine weitere Differenzierung von Musik als Wirtschaftsgut ist die Unterscheidung von Kulturgütern des Soziologen Ryan (1992) in private, quasi-private und quasi-öffentliche verwendbar. Er versteht „privat“ versus „öffentlich“ als privater versus öffentlicher „Besitz“: -

1. Musik als privates Gut in Form von Tonträgern wie CDs, Vinyl, Musikkassetten, oder -videos, DVDs sowie Music-Downloads, die von KonsumentInnen gekauft werden.

-

2. Musik als quasi-privates Gut in Form von Konzerten, sowie Filmmusik oder

-

3. Musik als quasi-öffentliches Gut in Form von MTV (Musikvideofernsehen), Radio-

Musikfilm, die über Ticketkauf erstanden werden, u.a. musik, Konzertsendungen, Untermalung von Fernsehsendungen oder -werbung, „Musikstreams“ im Internet-Radio (vgl. Ryan 1992). Die klare Trennung dieser verschiedenen Musikgüter wird in der digitalen Mediamorphose unschärfer. 4.2

Das Spannungsfeld von Musik als privates Gut versus öffentliches Gut

Die Dichotomie von Musik als privates (durch Urheberrecht und Leistungsschutzrecht geschütztes) und öffentliches (bzw. öffentlich zugängliches) Gut ist seit den Anfängen der Musikindustrie ein Spannungsfeld zwischen MusikproduzentInnen und MusikverwerterInnen auf der einen Seite und MusikkonsumentInnen auf der anderen Seite. Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um eine Dichotomie, sondern ein Kontinuum zwischen zwei Polen. Musik ist ursprünglich ein öffentlich zugängliches Gut, das über das Urheberrecht (als ein „Privatisierungsmechanismus“) zum/r privaten Gut/Ware gemacht wird. Dieser Schutz wird erstmals durch das Urheberrecht auf Musiknoten etabliert, der Musikschaffenden und -verlegerInnen Einnahmen aus Tantiemen aus Kompositionen gewährt und damit auch Anreiz zum Komponieren gibt. Die jeweils neu aufkommende Technologie nährt den Konflikt immer wieder aufs Neue, weil sie Musik (als privates Gut) durch gesteigerte Zugänglichkeit wieder tendenziell zum öffentlichen Gut macht. Zum Beispiel schafft die Musikkassette die Möglichkeit, Musik (als Live-, Radio- oder Tonträgermusik) mittels Leerkassetten zu kopieren. Zwar entgehen den Musikschaffenden und der Musikindustrie durch die private, nicht-kommerzielle Musik-

48

Auch Live-Musik wird privat praktiziert, z.B. durch Spielen eines Musikinstrumentes zu Hause.

77

kopie Einnahmen, sie führt aber auch zu Promotion mit möglichen Umwegrentabilitätseffekten. 4.2.1

Musik als Promotion-Tool zwecks Umwegrentabilität

Der Einsatz von Musik als Promotion-Tool zwecks Umwegrentabilität ist nichts Neues, sondern basiert auf dem alten Spannungsfeld, dass ein privates Kulturprodukt (wie eine MusikCD) nicht nur zum Verkauf, sondern auch als Promotion-Tool eingesetzt werden kann, um Einnahmen aus anderen Produkten und Serviceleistungen (wie Konzerttickets, DJ-Gigs oder Auftragsarbeiten) zu stimulieren. Zwar können durch CDs Aufmerksamkeit auf eine Marke (den Namen des/r Musikschaffenden oder des Musiklabels) gelenkt werden, ob der gewünschte Umwegrentabilitätseffekt auch eintritt und in welchem Ausmaß, ist aber relativ unvorhersehbar. Als Promotion-Tool kann eine CD oder ein MP3 auch eine Art der Qualitätskontrolle (mit der sich KonsumentInnen vorinformieren können) darstellen, die Musik entweder aufwertet – indem die HörerInnen „auf den Geschmack“ kommen und in der Folge Musik (z.B. ein Konzertticket) kaufen – oder aber abwertet, weil ein Gewöhnungs- oder Erwartungseffekt auf Gratismusik in Form von Gratis-CDs oder -MP3s) eintritt. In vielen Fällen wird diese Art der Promotion keinen Effekt zeigen, das heißt, keine Auswirkungen auf das Konsumverhalten haben. Musik als Promotion-Tool nutzt den Netzwerkcharakter von Musikmärkten. Wichtige Steuerungsmerkmale dieser Netzwerkstrukturen sind Reputation, Kommunikation und Vertrauen (vgl. Haak & Schmid 2001, 22, 33), welche Teil einer „ClubLogik“

49

darstellen, deren Mitgliedschaft meist auf freiwilliger Basis besteht und die

Kommunikation von Mitgliedern mit ähnlichen Werten, Geschmäckern und Interessen erlaubt (vgl. Lacroix & Tremblay 1997, 126), wie zum Beispiel die Club-Szenen der elektronischen Dance-Music (vgl. Thornton 1996). Musikalische Produkte und Serviceleistungen als Promotion-Tool schaffen als Referenz Aufmerksamkeit auf die „Marke MusikerIn“. Sie kommunizieren die Marke und (wenn sie erfolgreich beim Publikum ankommen) schaffen Vertrauen. Deshalb fungiert Musik als Promotion-Tool zum Reputationsaufbau des Namens der Musikschaffenden, damit das Publikum motiviert wird, in der Folge Konzerttickets zu kaufen oder DJ-Gigs zu besuchen (also damit der gewünschte Umwegrentabilitätseffekt einsetzt). Sobald die Marke aber aufgebaut ist, d.h. MusikerInnen sich einen Namen beim Publikum gemacht haben, lässt sich die Musik (in Form von Tonträgern oder Live-Konzerten) auch direkt verkaufen und muss nicht mehr als Promotion-Tool fungieren. Je weniger Kapital in einem Markt vorhanden ist, desto mehr be-

49

Clubs spielen zwar seit Beginn der Moderne eine wichtige Rolle, sie sind aber damals vor allem politischer und ideologischer Art. Nach Lacroix und Tremblay (1997, 126) gibt es neben der „Club-Logik“, noch die „Publishing-Logik“ (vor allem in Musik-, Filmindustrie und Verlagswesen) und die „Flow-Logik“ (in der Radio- und Fernsehindustrie).

78

darf es dieser Art der Promotion, um Umwegrentabilitätseffekte zu erzeugen, also KonsumentInnen zum Kauf von „anderen“ Musikgütern oder -services (Live-Konzerte und ClubEvents) zu verführen. Je mehr aber versucht wird, Aufmerksamkeit über Musik-PromotionTools beim Publikum zu schaffen, desto geringer wird die Aufmerksamkeit insgesamt. 4.2.2

Digitale Musik: Verschärfter Konflikt zwischen Musik als “Exposure“ und Musik als geistiges Eigentum

In der digitalen Mediamorphose verschärft sich das Spannungsfeld und damit der Konflikt zwischen Musik als privates Gut (als geistiges Eigentum) und Musik als öffentliches Gut bzw. “Exposure“. Musikschaffende sind auf beiden Seiten als MusikproduzentInnen (UrheberInnen) und als MusikkonsumentInnen vertreten. Das Kopieren ist durch das Internet und MP sehr viel einfacher und schneller als in der elektronischen Mediamorphose (siehe Kap. 11). Beim Kopieren von digitaler Musik findet (z.B. im Vergleich zum Kopieren von einer Radiosendung auf eine Musikkassette) zumeist kein oder nur ein geringer Qualitätsverlust statt. Neben den digitalen Kopiermöglichkeiten für KonsumentInnen erhöhen sich auch die Verwertungsmöglichkeiten für ProduzentInnen und DistributeurInnen. Musik ist ein Informations- und Wissensgut, das durch das Copyright (insbesondere auf Tonträger) „privatisiert“ (bzw. zum privaten Gut gemacht) werden kann. In digitalisierter Form ist Musik aber nicht mehr auf ein bestimmtes Speichermedium festgelegt. Die wesentlichen Merkmale eines Informations- bzw. Wissensgutes sind nach Dijk (1999) folgende: -

Relativ hohe Investitionskosten, aber relativ niedrige Distributions- und Nutzungskosten: Ein Informationsgut muss nur einmal produziert werden und kann dann endlos genutzt werden, ohne dass es im Zuge dessen „abgenutzt“ oder „aufgebraucht“ wird. Neben den Distributionskosten haben sich in der digitalen Mediamorphose die Produktionskosten (und daher Fixkosten) von Musik (vor allem durch die Preissenkung von Music-Producing-Software) reduziert.

-

Immaterielles Produkt: Musik basiert ähnlich wie viele andere Kulturgüter (wie Film & Video, Bücher) nicht auf materieller, sondern auf ideeller Grundlage, die erst durch Instrumente oder Medien (wie Tonträger, Videos oder den menschlichen Körper (Stimme)) eine materielle Form bekommt. Anders als ein materielles Produkt (wie Schuhe) kann es nicht von einem/r BesitzerIn zum/r anderen abgegeben (im Sinn von „aufgegeben“) werden.

-

Ergebnis individueller und kollektiver Arbeit: Musik wird durch UrheberInnen „erfunden“. Diese Urheberschaft muss nicht notwendigerweise durch eine einzelne Person, sondern kann auch über ein Kollektiv entstehen. Am Anfang jeglicher Verwertung von Musik steht also ein Schaffensprozess, der auf bereits vorhandene/s Musik-

79

schaffen und -traditionen zurückgreift. Daher ist dieser Prozess immer sowohl individueller als auch kollektiver Art (vgl. Dijk 1999, 129-130). Das Spannungsfeld, in dem das Wissensgut Musik steht, zeigt auf einem Kontinuum zwischen den Polen starke Kontrolle von geistigem Eigentum (limitierter Zugang) und weniger starke Kontrolle (mehr “Exposure“ von Musik). Zugang zu der Musik, die HörerInnen interessiert, ermöglicht nicht nur Promotionseffekte, sondern etliche andere Effekte, die sich aus den Eigenschaften von Musik als Wissensgut ergeben wie: Informations- und Wissensvermittlung, Erfahrungsaustausch, Experimentieren, Beratung, Identitätsstiftung und Community-Building, Qualitätskontrolle, Forschung etc.. Von mehr Zugang profitiert vor allem eine alternative Musikkultur, also Independent Musikschaffende und Labels, die ihre Einnahmen nicht überwiegend aus Tonträgerverkauf generieren, und andere AkteurInnen, die auf einfache und preiswerte Weise Musik bereitstellen oder finden wollen, um Musik zu entdecken oder auch selbst damit zu experimentieren und zu produzieren. Hingegen führt viel Kontrolle (durch Urheberrecht oder technische Schutzmaßnahmen in Form von Copyright-Management-Systemen – siehe Kap. 11 u. 12) zur Preisstabilität, der Wahrung von Urheber- und Verwertungsrechten und damit zu Einnahmen. Der Nachteil davon ist, dass mit viel Kontrolle das Oligopol der vier Musikkonzerne zementiert wird bei gleichzeitiger Verstopfung alternativer Musikkanäle wie Nischen- und Internet-Radios, Musiktauschbörsen und Musik-Internet-Plattformen. Auch der Musikverkauf wird durch zu viel Kontrolle teilweise behindert. Gekauft wird zumeist (z.B. Konzerttickets, Tonträger, MusicDownloads) die Musik, die bereits einen Namen (meist der/die Musikschaffende oder in seltenen Fällen der Musiklabels) hat und für Qualität steht; und/oder es wird gekauft, was bereits über Musikmedien, Mundpropaganda, CD-Geschenke, Konzerte, DJing gehört wird und gefällt. Die Musikindustrie hat folglich bei zu viel Kontrolle mit einem Marketingproblem zu kämpfen, das sie durch Aufbringen von hohen Summen an Marketinggeld zu kompensieren 50

versucht. Ein zu rigides verstandenes Copyright-Regime führt zudem zur Behinderung von Innovationen, in Musikproduktion z.B. in der DJ-Sampling-Kultur. Vollkommene Aufgabe der Kontrolle birgt die Gefahr, dass MusikkonsumentInnen nicht mehr für Musik bezahlen, weil Musik im Internet gratis erhältlich ist und somit an Wert verliert. Das Eintreffen beider Extreme – totale Kontrolle versus totale freie Nutzung – ist zwar zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, beide Szenarien bestimmen aber in der derzeitigen Krise den Diskurs über die Zukunft des Tonträgermarktes wesentlich.

50

In Bezug auf Zitat aus Interview mit Rantasa/mica.

80

4.3

Die Musikindustrie

Peter Wicke definiert die Musikindustrie als „Bezeichnung für den Gesamtzusammenhang der Herstellung und Verwertung von Musik nach den Gesetzen industrieller Massenproduktion, das heißt integriert in eine arbeitsteilig-kooperative und rationalisierte Produktionsweise auf technischer Grundlage“ (Wicke, 1997). Zur Musikindustrie gehört eine Vielzahl von Geschäftsbereichen, welche laut Kulle die folgenden darstellen (siehe Abbildung 3 unten): Abbildung 3: Kernbereiche des Tonträgermarktes

Vorgelagerte Märkte: Musikverlage Audioträgerhersteller

Nebengelagerte Märkte:

Kernbereich :

Merchandiser Film/Video Werbung Sponsoring Musiktheater Hersteller von Musikinstrumenten

Interpreten , Textdichter Komponisten Musikstudio Tonträgerhersteller Handel

Komplementäre/Substitutive Märkte: Musikfachhandel Musikfachpresse Rundfunk, Musikfernsehen Konzertveranstaltungen Unterhaltungsgeräteindustrie Audioträgerhersteller

Nachgelagerte Märkte: Importeure Diskotheken

Quelle: Kulle, Jürgen 1998, 119.

Die Musikindustrie zeigt sich somit als eine komplexe, zu einem sehr hohen Grad ausdifferenzierte und arbeitsteilige Industrie mit vielen Interaktionen der einzelnen Glieder der Wertschöpfungskette untereinander. Alle diese Teile sind von der digitalen Mediamorphose betroffen, aber nicht jeder einzelne Teil im gleichen Maße. Durch die Mediamorphose kommt es auch zur weiteren Ausdifferenzierung und damit zu einer Zunahme unterschiedlicher professioneller Tätigkeitsfelder. Gleichzeitig werden aber auch mehr GeneralistInnen nachgefragt. Der Großteil der Musikindustrie ist heute außerdem eine globale Industrie, die ihrerseits Teil großer internationaler Medienkonglomerate darstellt, deren Musikabteilungen nur einen Bruchteil ihres gesamten Wertschöpfungsspektrums ausmachen.

81

4.4

Österreichische Musikwirtschaft und -wertschöpfung

Der Wirtschaftswissenschafter Fritz Scheuch (2000) legte eine Studie zur Wertschöpfung der österreichischen Musikwirtschaft (mit Daten von 1998) vor. 1998 beträgt die gesamte Wertschöpfung der österreichischen Musikwirtschaft 2.175 Milliarden Euro und macht damit einen Anteil von 1,25 % des mehrwertsteuerbereinigten Bruttoinlandsproduktes aus. 1998 sind in der Musikwirtschaft 42.537 Personen beschäftigt (vgl. Scheuch 2000, 19). Die Musikwirtschaft ist somit laut Scheuch in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht bedeutender als zum Beispiel „die Textilwirtschaft, die Papierindustrie, die chemische Industrie, die Kunststoffindustrie und der Bereich der Herstellung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen“ sowie gleichbedeutend mit „dem Bereich Hotels, Gasthöfe und Pensionen“ (Scheuch 2000, 19). Dieses Ergebnis ist insofern zu relativieren, weil Scheuch Ausbildung und Musikinstrumentehandel als Bereiche der Musikwirtschaft definiert, die üblicherweise als keine Kernbereiche der Musikwirtschaft angesehen werden. Werden die nicht „eigentlichen“ musikindustriellen Bereiche Produktion und Distribution, sondern auch Ausbildung, Musikinstrumenteproduktion und 51

-handel zur Wertschöpfung der Musikwitschaft hinzugezogen, stellen sich die Anteile der einzelnen Bereiche an der Wertschöpfung der Musikwirtschaft (in %) wie in Abbildung 4 (siehe unten) gezeigt dar. In der österreichischen Musikwertschöpfung überwiegt damit die Musikdistribution mit 57 %. Auch die Musikausbildung ist mit 20 % relativ dominant. Werden zwei Sonderstellungen der Wertschöpfungskette herausgenommen – Presswerke (die anteilsmäßig 19 % der Musikwertschöpfung ausmachen) und Musiknutzungsanteil von Geräten der Unterhaltungselektronik (17 % der Wertschöpfung) – liegt das Verhältnis an der Wertschöpfung von 22 % Produk52

53

tion zu 78 % Distribution (siehe Abbildung 5 unten).

51

52

53

Die „Musikindustrie“ konstituiert sich im Wesentlichen über die Wertschöpfung(-skette) eines mechanischen Tonträgers, während die „Musikwirtschaft“ (je nach Definitionsrahmen) auch andere wirtschaftlich relevante Musikbereiche beinhaltet. Die Produktion besteht nach Scheuch aus: MusikautorInnen, ausübenden KünstlerInnen, Tonstudios, MusikproduzentInnen, Tonträgerindustrie, Musikverlagen und Agenturen. Distribution setzt sich nach Scheuch aus Bühne und Aufführung, Tonträgerhandel und Presswerke, Rundfunk und Fernsehen, anteilige Filmproduktion und -aufführung, Verwertungsgesellschaften, Handel mit Geräten der Unterhaltungselektronik zusammen.

82

Abbildung 4: Wertschöpfungsbereiche der österreichischen Musikwirtschaft 1998

Werschöpfungsbereiche der österreichischen Musikwirtschaft 1998 in %

7%

16%

20%

57% Musikkreation und –produktion

Distribution

Ausbildung

Musikinstrumente

Quelle: Scheuch 2000, 20. Abbildung 5: Wertschöpfungsbereiche Musikproduktion und -distribution der österreichischen Musikwirtschaft 1998

Wertschöpfungsbereiche Musikproduktion und -distribution der österreichischen Musikwirtschaft 1998 in %

22%

78%

Musikkreation u.-produktion

Quelle: Scheuch 2000, 20.

Musikdistribution

83

Detailliert aufgelistet stellen sich die einzelnen Bereiche (in Wert und %) der Musikwertschöpfung in Österreich folgendermaßen dar (siehe unten). Tabelle 4: Einzelne Bereiche der österr. Musikwirtschaft und ihre Wertschöpfung

Wertschöpfungsbereiche

Wertschöpfung in

Wertschöpfung

Mrd. Euro (ATS)

in Prozent

Komponisten, Texter, reproduzierende Künstler

2,87 %* 0.061* (0,842)

Orchester, Chöre, Ensembles

0,116 (1,599)

5,45 %

Tonstudios und Musikproduzenten

0,007 (0,100)

0,34 %

Tonträgerindustrie

0,075 (1,031)

3,44 %

Musikverlage

0,079 (1,091)

3,64 %

Musikagenturen

0,006 (0,081)

0,27 %

Produktion gesamt

0,345 (4,744)

15,85 %

Ausbildung gesamt

0,448 (6,163)

20,59 %

Erzeugung von Musikinstrumenten

0,089 (1,221)

4,08 %

Großhandel mit Instrumenten u. Equip.

0,019 (0,263)

0,87 %

Einzelhandel mit Instrumenten u. Equip.

0,041 (0,570)

1,90 % 6,86 %

Instrumentehandel gesamt

0,149 (2,054)

Bühne und Aufführung

0,217 (2,981)

9,96 %

Festspiele

0,018 (0,254)

0,848 %

Konzertlokalbesuch

0,135 (1,853)

6,19 %

Filmmusik

0,014 (0,190)

0,63 %

CD-Presswerke

0,240 (3,300)

11,02 %

Tonträgereinzelhandel

0,088 (1,210)

4,04 %

Unterhaltungselektronik (Musikanteil)

0,211 (2,910)

9,72 %

Rundfunk und Kabelnetze (Musikanteil)

0,300 (4,131)

13,80 %

Verwertungsgesellschaften Distribution gesamt

Österreich gesamt

0,142 (0,300)

0,47 %

1,233 (16,971)

56,69 %

Euro 2,175

100 %

(ATS 29,932)

Quelle: Scheuch 2000, 96-97. * Anmerkung: Die %-Sätze beruhen mit Ausnahme der Ergebnisse „gesamt“ auf Eigenberechnung, bis auf Euroangabe zu „Österreich gesamt“ beruhen die Eurowerte ebenfalls auf Eigenberechnung (Basis sind jeweils die ATS-Werte in der „Klammer“, Unschärfen beruhen auf Rundungen), 1 Euro = 13,7603 ATS.

84

Scheuch vergleicht die Musikwirtschaft Österreichs mit der Großbritanniens (vgl. Scheuch 54

2000, 14, 21, 103-105) und kommt zu dem Ergebnis , dass Großbritannien typisch „’musikindustriellen’ Charakter“ aufweist, während in Österreich eine „reproduzierende Aufführungskultur“ vorherrscht (Scheuch 2000, 21, 104). Auf der anderen Seite „schlägt strukturell in Österreich die Tätigkeit der Tonträgerherstellung der CD-Presswerke stark durch: 38,4 % der Wertschöpfung werden dadurch erwirtschaftet, im Vergleich dazu in Großbritannien nur 7,4 %“. In Großbritannien erwirtschaftet die Musikindustrie „mit 3,7 mal so vielen Beschäftigten [...] die 4,5fache Wertschöpfung“ (104) der österreichischen Musikindustrie. Dieser Mangel einer musikwirtschaftlichen Struktur weist nach Scheuch darauf hin, dass ein Bedarf nach der „Ansiedelung, Förderung und Ausweitung der Musikproduzententätigkeit und Tonträgerindustrie“ (114) in Österreich vorhanden ist. Damit sind vor allem Songwriter, MusikproduzentInnen und Musiklabels angesprochen. Nur 85 % aller produzierten Alben erwirtschaften in Österreich ihre Produktionskosten, nur an die 10 % erreichen den “Break-Even“ und überhaupt nur 5 % werfen Gewinne ab.

55

Zudem ist die „Ausbildung ein zentraler Impulsgeber für den Beginn der Wertschöpfungskette [...], der rein mengenmäßige Nachteil der Kleinstaatlichkeit kann nur durch eine Erhöhung in der Ausschöpfung von Talenten kompensiert werden“ (115). „Die Ausbildungsinfrastruktur Österreichs [ist zwar] flächendeckend und bedeutend“, um aber auf Dauer am Markt erfolgreich zu sein, ist es vor allem notwendig, sich auf internationalen Märkten zu bewähren: „Dies gilt [aber] für alle Glieder der Wertkette und Bereiche der Musikwirtschaft, um für den gesamten Cluster Hebelwirkungen verursachen zu können (Agenturen, Produzenten, Filmproduktion, TV und Hörfunk, Tonträgerindustrie)“ (Scheuch 2000, 115). Insbesondere Fördermaßnahmen für die Ankurbelung des österreichischen Musikexportes sind also notwendig, um österreichisches Repertoire auf internationalen Märkten besser positionieren zu können. 4.5

Musikwertschöpfungskette alt und neu

Die traditionelle Wertschöpfungskette eines Musikwerkes von der Schaffung des Werkes durch MusikerInnen bis zum Kauf eines Tonträgers durch MusikkonsumentInnen zeigt die folgende Abbildung 6 (unten):

54

55

Da die von Scheuch herangezogenen Zahlen der Musikwirtschaft Großbritanniens zum großen Teil mit den von ihm erhobenen Zahlen der österreichischen Musikwirtschaft nicht vergleichbar sind (weil die Daten aus Großbritannien nicht (wie bei Scheuch 2000) die Bereiche Ausbildung, Handel, Erzeugung von Musikinstrumenten, Radio, TV und Kabelfernsehen beinhalten (was Scheuch auch selbst erläutert – S. 104, einzelne Bereiche aber dennoch miteinander vergleicht), werden die von Scheuch verglichenen Zahlen der Musikwirtschaft Großbritanniens im Vergleich zu den Daten der Musikwirtschaft Österreichs an dieser Stelle nicht ausgewiesen. vgl. „Morak: Musikfonds soll den Kreativstandort Österreich fördern.“ Aktuelle Meldungen Bundeskanzleramt Österreich 4.7.2005. www.bka.gv.at (4.7.2005).

85

Abbildung 6: Erweiterte Wertschöpfungskette eines Musikwerkes Schaffung eines Musikwerkes

Verlag, Aufführung eines Musikwerkes

Aufnahme u. Produktion Herstellung eines Mastertapes

Vervielfältigung eines Tonträgers

KomponistInnen, TexterInnen

InterpretInnen, VerlegerInnen, VeranstalterInnen

ProduzentIn, StudiotechnikerInnen

Tonträgerfirma, Technische Produktion

Veröffentlichung, Erscheinen, Bemusterung eines Tonträgers

Verbreitung, Distribution, Verkauf eines Tonträgers

Sendung, öffentliche Wiedergabe eines Tonträgers

Hören, Kauf, Private Vervielfältigung

Handel/ Vertrieb Clubs

Rundfunk (Radio, Fernsehen), Discothek, Gaststätte , Laden

Kunde/ -in, HörerIn

Erstverwertung

Zweitverwertung

Tonträgerherstellung und -verwendung (Unternehmensfunktion des Tonträgerherstellers) Quelle: Zerdick 1999, 52. In: Fritsche, Mast, Sieber 2000, 6; Kulle 1998, 249 (leicht abgeändert).

Zu Beginn der Musikwertschöpfung stehen UrheberInnen, daher KomponistInnen und TexterInnen, die das Musikwerk schaffen, sowie darstellende KünstlerInnen, die es interpretieren und entweder live im Konzert oder im Studio einspielen oder „einsingen“. In der Folge gelangt das Musikstück zur Veröffentlichung und wird zum Musikgut. Zwei wesentliche Formen der Veröffentlichung müssen unterschieden werden: Veröffentlichung durch einen Verlag, der die Komposition als geistiges Werk verlegt und VeranstalterInnen, Rundfunkstationen oder Internet-PlattformbetreiberInnen lizenziert. Oder das Werk wird als Tonträger (durch Tonstudio und ProduzentIn) produziert, dann wird es meistens durch ein Musiklabel vervielfältigt und veröffentlicht. Distribuiert wird dieser Tonträger einerseits über Vertriebe, aber auch über Rundfunk, Discotheken, Gaststätten, Clubs, Groß- und Einzelhandel und gelangt so zu den MusikhörerInnen. De facto sind viele Musiklabels zugleich Verlage, daher produzieren und vertreiben sie nicht nur den materiellen Tonträger, sondern verlegen und lizenzieren das Musikstück auch. Die Einsammlung und Ausschüttung dieser Tantiemen

86 56

erfolgt durch Verwertungsgesellschaften.

Vor allem Radio und Fernsehen, aber auch

Aufführungsstätten für Live-Musik erfüllen die Funktion, den Tonträger bei der breiten Masse bekannt zu machen und als UrheberrechtstantiemenzahlerInnen für Einnahmen der Musikschaffenden zu sorgen. Damit sind aber noch immer nicht alle Beteiligten der Wertschöpfungskette genannt, wie z.B. AgentInnen, die Konzerte für Musikschaffende bei den VeranstalterInnen buchen und Public Relation (PR) machen; ManagerInnen, die Musikschaffende betreuen, beraten und die wirtschaftlichen Agenden abnehmen; Presswerke, die Musiktonträger pressen sowie Musikinstrumentevertrieb und -handel. Die Wertschöpfungskette eines Musikwerkes bzw. vor allem eines Tonträgers ist heute aufgrund der digitalen Mediamorphose einem starken Veränderungsdruck unterworfen. Nimmt man Online-Musik als ein mögliches Modell, sieht die Wertschöpfungskette eines Musikwerkes laut Kulle (1998) folgendermaßen aus (siehe Abbildung 7 unten): Abbildung 7: Wertschöpfungskette der Online-Musik Schaffung eines Musikwerkes

Verlag und Aufführung eines Musikwerkes

Aufnahme u. Herstellung eines Tonträgers

MusikerInnen, TexterInnen, KomponistInnen, VerlegerInnen

Speicherung in einer Musikdatenbank

Netzwerkverbindung, Herunterladen von Musik

Online-Dienst als ServiceProvider

Private Vervielfältigung

KonsumentInnen

Musikalische Content-Provider als RechteinhaberInnen Quelle: Kulle 1998, 249 (leicht abgeändert)

Nach wie vor komponieren, interpretieren oder improvisieren Musikschaffende Musikstücke und spielen Konzerte. Die Produktion des Mastertapes/eines Tonträgers erfolgt aber immer öfter im eigenen Homestudio. Tendenziell werden professionelle Tonstudios nur mehr zum Mastern und Mischen aufgesucht. Außerdem gelangt die Musik dieses Mastertapes zunehmend in digitaler Form, in verschiedenen Formaten sowie über neue Distributionswege – insbesondere Internet und mobile Telefonie – zu den KonsumentInnen. Die Nutzung digitaler Datenbanken und neuer dezentraler Kommunikationskanäle führt teils zur Umgehung von alten Mittlerrollen in der Wertschöpfungskette. Da aber in der Regel für Musikproduktion und -marketing immer noch relativ viel Kapital benötigt wird und Promotion weiterhin über

56

Es gibt jeweils eigene Verwertungsgesellschaften für KomponistInnen, InterpretInnen und Labels/ProduzentInnen.

87

traditionelle Medien und Netzwerke erfolgt, bleibt die Rolle von traditionellen MarktmittlerInnen (insbesondere Labels, Agenturen und Verlagen) zwischen KünstlerInnen und Medien sowie KünstlerInnen und Fans vorerst zentral. Zugleich treten neue MarktmittlerInnen auf und/oder alte MarktmittlerInnen definieren ihre Rollen neu. Die traditionellen MittlerInnen werden sich in Zukunft darauf einstellen müssen, dass mehr mit ihnen konkurrierende MitspielerInnen Musik in verschiedenen Formen verwerten und anbieten. Manche MittlerInnen werden dabei auch ersetzt (zurzeit vor allem im Tonträgervertrieb und -handel). Im Laufe dieser Entwicklung kommt es zu gänzlich neuen Berufsbildern innerhalb der Musikbranche. Die neuen MarktmittlerInnen sind oft nicht in der Musikindustrie beheimatet, sondern gehören anderen Industrien wie Computer-, mobiler Telefonie- oder Internet-Provider-Industrie an. Immer wieder ist Musik für diese Unternehmen vor allem Vehikel, um ihre eigenen Kommunikationsprodukte und -services zu verkaufen. Aber auch ureigenste Funktionen der Musikindustrie werden teilweise von neuen MitspielerInnen wie OnlinehändlerInnen wie Amazon.com, iTunes oder Fernseh- und Musikvideokanälen übernommen, die früher fest in der Hand der Musikindustrie lagen, wie zum Beispiel Arts & Repertoire und damit das Entdecken, der Aufbau und die Promotion von Newcomern. Schließlich können auch Fans potenziell – sobald die Musik (über CD, Internet u.a.) durch Kauf oder gratis zu ihnen gelangt ist – zu MusikproduzentInnen (durch Sampeln) oder -distributeurInnen (durch Online-Vertrieb) werden. Auf der Ebene der Fans hat diese “Disintermediation“ krasse Konsequenzen für die Musikindustrie und die Musikschaffenden, weil die Musikstücke, die einmal am Markt (und damit im Internet und mobilen Netzwerken) sind, von der Musikindustrie nur sehr eingeschränkt kontrolliert werden können. 4.6

4.6.1

Lage und Entwicklung der österreichischen und internationalen Tonträgerindustrie Repertoireentwicklung am Tonträgermarkt

Zurzeit beherrschen vier internationale Major Labels den globalen Gesamtmarkt. Im Jahr 2002 (damals noch in der Formation von fünf Majors) dominieren sie den globalen Tonträgermarkt mit 75 % Marktanteilen (vgl. Der Standard 2003, 30) (siehe Kap. 7). Von diesem „Oligopol“ ist der kleine Musikbinnenmarkt Österreichs stark betroffen, weil die österreichischen Tochterfirmen dieser Labels mehr internationales als heimisches Repertoire verwerten. Zahlen der IFPI-Austria zeigen, dass zwischen 1990 und 2004 der Durchschnittswert des Anteils österreichischer Popmusik bei 11,81 %, der Anteil der Klassik bei 8,81 % und somit einen Gesamtanteil des österreichischen Repertoires von 20,62 % konstituiert. Der durch-

88

schnittliche Anteil der internationalen Popularmusik am österreichischen Gesamtmarkt macht 57

im genannten Zeitraum 79,38 % – also fast 80 % – aus (siehe Abbildung 8 unten). Abbildung 8: Marktanteile des Repertoires im österreichischen Gesamtmarkt 1990-2004

Quelle: IFPI Austria (2003-2005): „Der österreichische Musikmarkt 2002.“ „Der österreichische Musikmarkt 2003.“ „Der österreichische Musikmarkt 2004.“ In: Sound & Media spezial (März 2003) (März 2004) (März 2005)

57

Diese Durchschnittswerte beruhen auf Eigenberechnung.

89

Im Jahr 2003 kann nach einer Welle der sukzessiven Verminderung des österreichischen Anteils mit einem Anteil von 15 % der österreichischen Popularmusik (und einem Klassikanteil von 8 %) dem Abwärtstrend der österreichischen Popmusik wieder etwas entgegen gesteuert werden. Die Jahre 1990 bis 1992 zeigen zuerst noch wesentlich höhere Anteile des heimischen Repertoires – zwischen 23,2 % und 23,5 %. Der Anteil der heimischen Popmusik liegt zwischen 1990 und 1994 nie unter 12,2 %. Ab 1995 verschlechtern sich die Anteile österreichischer Popularmusik mit einem Tiefstand von 9,3 % 1996. Bis 2002 überschreitet das heimische Popmusikrepertoire nicht die 11,3 % (2001). Der Anteil der klassischen Musik nimmt zwischen 1994 und 2000 stetig ab: Liegt er 1994 noch bei 12,8 %, rutscht er ab dem Jahr 2000 auf 7,7 % (um 5,1 %-Punkte zwischen 1994 und 2000) und erhöht sich erst wieder im Jahr 2003 um vage 0,3 %-Punkte (siehe Abbildung 8 oben). Die TV-Casting-Show Starmania, eine Kooperation zwischen ORF und dem Major Label Universal Music Austria trägt wesentlich zur Verbesserung der Anteile des österreichischen Pop-Repertoires in den Jahren 2003 (15 %) und 2004 (14 %) bei (siehe Kap. 10). Möglicherweise spielen zusätzliche Komponenten wie der neue österreichweite private Musikvideo TVSender goTV eine positive Rolle. Dieser erfreuliche Aufwärtstrend ändert aber nichts an der prekären Gesamtsituation des überproportionalen Überhangs des internationalen Repertoires mit 78 % auch im Jahr 2004. Außerdem ist nicht klar, ob der relativ hohe Österreichanteil nach dem weiteren Abklingen des Starmania-Bonus (der auch zu mehr Aufmerksamkeit beim Publikum im Austropopsegment führt) weiter anhalten wird. Dieser kleine Österreichanteil hängt mit strukturellen Mängeln der österreichischen Popularmusik zusammen. Seit der Blütezeit des Austropops ist es der Musikindustrie (mit ganz wenigen Ausnahmen) nicht mehr gelungen, österreichische Acts einem internationalen Publikum zu präsentieren und zu verkaufen. Die Vermarktung und der Vertrieb von österreichischem Repertoire funktioniert zwar teilweise in Nischenmärkten wie der elektronischen Musik, aber auch in diesem Feld zumeist mangelhaft hinsichtlich Rentabilität. Diesen Zustand verursachen vor allem die Kleinheit des Marktes, die prekäre Mediensituation (siehe Kap. 10), die Strategie der Majors vor allem auf internationales Repertoire zu setzen (Kap. 7) sowie die Vertriebs- und Handelslandschaft (siehe Kap. 8). 4.6.2

Die Krise der Tonträgerindustrie

Die letzte relevante Erfindung nicht auf kreativer, sondern auf technischer Ebene, von der die Tonträgerindustrie massiv profitiert, ist die Einführung der CD. Diese bringt immense Neueinnahmen vor allem weil MusikkäuferInnen ihre Schallplattensammlungen durch CDSammlungen ersetzen. Von 1985 bis 1996 – also über ein Jahrzehnt – sieht die österreichische Musikindustrie von Jahr zu Jahr Zuwächse der CD-Absätze. Der Erfolg der CD hat auch damit zu tun, dass sie einen massiven Qualitätssprung hinsichtlich Musik und Handhabung für die KonsumentInnen bedeutet: „Die CD war unempfindlicher als das Vinyl, die Titel ließen

90

sich einfach anwählen – eigentlich konnte man kaum noch etwas falsch machen.“ (Renner 2004, 22-23) Aber seit Mitte der 90-Jahre stagniert das CD-Wachstum und seit 2001 sind massive Rückgänge zu verzeichnen. Die derzeitige Krise, die vor allem eine Krise des Formats CD darstellt, war aber in mehrfacher Hinsicht vorprogrammiert. Dass es eine Krise ist, machen IFPI-Zahlen auf internationaler wie nationaler Ebene deutlich (siehe Zahlen unten). Für das Jahr 2003 zeigen die IFPI Zahlen zu den Top der 15 internationalen Musikmärkte (siehe Abbildung 9 unten), dass mit Ausnahme der Länder Vereinigtes Königreich (+0,1 %), 58

Australien (+5,9 %) und Russland (+23,7 %), alle anderen der 15 Top Musikmärkte – inklusive Österreich –, ein deutliches Minusjahreswachstum aufweisen. Deutschland, das den wichtigsten ausländischen Musikmarkt für den österreichischen Musikmarkt darstellt, ist mit den massivsten Einbußen von allen Ländern mit 19 %, konfrontiert. Ebenso haben Länder wie Frankreich und Schweden mit traditionell hohem heimischen Repertoire 2003 Einbrüche im nationalen Tonträgerumsatz hinzunehmen: Frankreich 14,4 % und Schweden 14,7 %. Auch im Jahr 2002 zeigen nur drei Länder positive Jahreswachstumsraten: Frankreich 4,1 %, Italien 59

1,1 % und Brasilien 7,4 %. Die höchste Einbuße des Jahres 2002 von den Top 15 hat Spanien mit 15,6 % zu verzeichnen. Insgesamt kann in beiden Jahren von einem eindeutigen Abwärtstrend der Top 15 Tonträgermärkte gesprochen werden.

58

59

Die Zahlen von Russland sind kritisch zu lesen, weil dort der Anteil des Tonträgerschwarzmarktes sehr hoch ist. Auch bei Brasilien sind die Zahlen wegen dessen blühendem Schwarzmarkt kritisch zu lesen.

91

Abbildung 9: Top 15 der internationalen Musikmärkte Veränderungen des “Retail Value“ 2002-2003 Top 15 der internationalen Musikmärkte 2002-2003 Veränderungen des "Retail Values" in %

30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 -5,0 -10,0 -15,0 -20,0 -25,0

USA JAP

UK FRA GER KAN AUS ITA ESP HOL MEX BRA RUS SWE AUT

2002 -8,2

-9,3

-2,2

-7,5

-8,4

-5,9

1,1 -15,6 -6,2 -16,4 7,4

2003 -6,0

-9,2

0,1 -14,4 -19

4,1

-2,9

5,9

-4,4

-9,4

-5,7

-7,1

-5,1 -16,2 -17,4 23,7 -14,7 -5,9

Quelle: IFPI (April 2004). the recording industry world sales 2003.

Auch der österreichische Tonträgermarkt ist seit Mitte der 90er Jahre mit einem deutlichen Abwärtstrend seiner Umsätze konfrontiert. Die letzten Jahreszuwachsraten im positiven Bereich sind 1995 zu verzeichnen, seit damals liegen alle Veränderungen (in %) innerhalb eines Jahres im Minusbereich, 2000 sogar bei 10,2 %. 2003 stellt sich zwar wegen der StarmaniaEuphorie etwas besser dar, aber selbst in diesem Jahr ist ein Minus von 3,6 % vorhanden (siehe unten Abbildung 10 unten). Auch 2004 bleibt der Abwärtstrend mit 6,9 % bestehen.

92

Abbildung 10: Jahreswachstumsraten am österreichischen Tonträgermarkt 1992 bis 2004

60

Quelle: Bis 2000 von Peter, Tschmuck (2002/2003), ab 2001: IFPI Austria (2004-2005): „Der österreichische Musikmarkt 2003.“ „…2004.“ In: Sound & Media spezial (März 2004) (März 2005).

Diese Einbußen lassen sich auch an den Rückgängen des Tonträgerabsatzes zeigen. Zwischen 2002 und 2003 sind bei den Top 15 internationalen Musikmärkte teils hohe Einbrüche in den CD-Absätzen festzustellen (siehe Tabelle 5 und Abbildung 11 unten). In den USA – dem weltgrößten Tonträgermarkt – fallen die CD-Absätze in Stückzahlen um 7,1 % korrespondierend mit einem Umsatzrückgang von 6 %. Auch der zweitgrößte CD-Absatzmarkt Japan zeigt Einbußen von 10,1 % und ein Umsatzminus von 9,2 %. Nur drei Länder verzeichnen Zuwächse im CD-Verkauf (nach Stückzahl): Vereinigtes Königreich: 5,6 %, Australien 7,5 % 61

und Russland sogar 66,5 %. Einzige Ausnahme ist Mexiko, welches zwar Zuwächse im CDAbsatz von 4,7 % hat, aber dennoch ein Umsatzminus von 16,2 %. Uneinheitlicher ist das Bild bei den Absätzen der Formate Singles, LPs und MCs der Top 15 internationalen Musikmärkte (siehe unten).

60

61

Die Daten stammen von Tschmuck, Peter (ursprünglich von der IFPI) von der Lehrveranstaltung (Seminar) „Musikwirtschaft I“ am IKM der Universität für Musik und Darstellende Kunst im Wintersemester 2000/2003. Peter Tschmuck zitiert seinerseits aus IFPI-Austria-Berichten/Sound & Media spezial früherer Jahrgänge (vor 2001). Die Prozentsätze der CD-Absatzzahlen basieren auf Eigenberechnungen.

93

Tabelle 5: Top 15 der internationalen Musikmärkte Formate 2002-2003

Top 15 der internationalen Musikmärkte Formate 2002-2003 in Mio. Stück US 03 US 02 Japan 03 Japan 02 UK 03 UK 02 Frankreich 03 Frankreich 02 Deutschland 03 Deutschland 02 Kanada 03 Kanada 02 Australien 03 Australien 02 Italien 03 Italien 02 Spanien 03 Spanien 02 Niederlande 03 Niederlande 02 Mexiko 03 Mexiko 02 Brasilien 03 Brasilien 02 Russland 03 Russland 02 Schweden 03 Schweden 02 Österreich 03 Österreich 02

CD 746,0 803,3 205,8 228,9 233,9 221,6 117,9 130,4 146,8 179,4 53,1 57,0 52,9 49,2 36,2 36,8 53,9 61,7 24,6 27,9 53,5 51,1 58,1 79,5 30,3 18,2 23,7 26,4 14,3 14,5

Singles LPs MCs DVD VHS 12,1 1,5 17,2 17,5 1,6 8,4 1,7 32,4 10,7 3,5 86,5 1,4 4,0 18,2 1,1 77,1 2,2 4,6 11,0 2,1 36,4 2,0 0,9 6,4 0,6 52,5 2,2 1,9 3,6 1,5 30,9 0,4 2,5 6,9 0,5 40,5 0,5 5,0 3,1 0,8 26,8 1,1 15,5 9,0 1,9 39,0 1,1 14,6 3,8 3,3 0,9 0,4 4,0 0,8 0,6 1,1 1,6 1,2 10,0 0,05 0,4 5,1 0,1 11,9 0,03 0,6 2,4 1,2 2,8 0,03 1,3 1,3 0,1 3,5 0,02 3,4 0,4 0,2 3,8 0,01 1,0 1,5 0,01 2,2 0,01 2,4 0,5 0,03 3,2 0,2 0,1 4,8 0,2 3,6 0,2 0,1 2,0 0,2 0,3 0,004 2,1 1,1 0,6 0,02 2,9 0,9 0,007 0,001 3,7 0,2 0,08 2,8 0,4 0,2 0,1 85,0 0,1 0,1 0,3 0,1 95,0 0,03 0,1 2,4 0,03 0,2 0,9 0,1 4,0 0,05 0,3 0,2 0,1 2,2 0,1 0,2 0,5 0,02 2,1 0,09 0,2 0,02 0,06

Quelle: IFPI (April 2004): the recording industry world sales 2003.

94

Abbildung 11: Top 18 der internationalen Musikmärkte CD 2002-2003

Top 18 der internationalen Musikmärkte CD in Mio. Stück 2002-2003

900,0 800,0 700,0 600,0 500,0 400,0 300,0 200,0 100,0 0,0 USA JAP UK FRA GER KAN AUS ITA ESP HOL MEX BRA RUS SWE AUT SWI NOR BEL 2003 CD 746,0 205,8 233,9 117,9 146,8 53,1 52,9 36,2 53,9 24,6 53,5 58,1 30,3 23,7 14,3 18,6 12,9 16,1 2002 CD 803,3 228,9 221,6 130,4 179,4 57,0 49,2 36,8 61,7 27,9 51,1 79,5 18,2 26,4 14,5 21,3 14,7 17,8

Quelle: IFPI (April 2004): the recording industry world sales 2003.

Relativ durchgehende Wachstumsrückgänge zwischen 2002 und 2003 zeigt das Musikvideo. Dieser Rückgang steht in Relation zum Wachstum der Musik-DVD. Zuwächse bei Musikvideos verzeichnet nur Mexiko und weder Zuwächse noch Verluste weisen die Niederlande, Russland und Schweden auf. In allen Top 15-Märkten (für Mexiko liegen keine Zahlen vor) besteht ein immenses Wachstum des Musik-DVD-Absatzes. Die DVD fängt zwar die Verluste des CD-Absatzes nicht auf, die Wachstumsraten sind aber dennoch bemerkenswert: zwischen 2002 und 2003 In den USA ein Plus von 63,6 %, in Japan von 65,5 %, im Vereinigten Königreich von 77,8 % und in Deutschland sogar von 136,8 % (siehe Abbildung 12 unten).

95

Abbildung 12: Top 15 der internationalen Musikmärkte – DVD 2002-2003

Top 15 der internationalen Musikmärkte DVD in Mio. Stück 2002-2003 20,0 18,0 16,0 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0

US

JAP

UK FRA GER KAN AUS ITA ESP HOL MEX BRA RUS SWE AUT

2003 DVD 17,5 18,2

6,4

6,9

9,0

4,0

5,1

1,3

1,5

4,8

3,7

0,1

0,9

0,5

2002 DVD 10,7 11,0

3,6

3,1

3,8

1,6

2,4

0,4

0,5

2,0

2,8

0,03

0,2

0,02

Quelle: IFPI (April 2004): the recording industry world sales 2003.

In Österreich zeigen die Anteile der sechs wichtigsten Formate (CD(-Album), CD-Single, Musikkassette, Mini-Disc und DVD) am Gesamttonträgerumsatz im Zeitraum 1998 und 2004 folgendes Bild (siehe unten Abbildung 13):

96

Abbildung 13: Anteil Tonträgerart – österreichischer Markt 1998-2004

Anteil Tonträgerart - österreich. Markt 1998-2004 in % Basis: Umsatz 100,0 90,0 80,0 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 0,0

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

CD

89,1

92,3

92,8

93,2

94,4

90,2

89,0

CD-Single

6,0

4,8

4,5

4,1

3,3

3,7

3,0

MC

4,6

2,8

2,5

2,4

1,3

0,5

0,5

Vinyl

0,2

0,1

0,1

0,3

0,4

0,5

0,5

Mini-Disc

0,1

0,1

0,1 0,6

5,1

7,0

DVD CD

CD-Single

MC

Vinyl

Mini-Disc

DVD

Quelle: IFPI (Austria 2001-2005): „Der österreichische Tonträgermarkt 2000.“ „Der österreichische Musikmarkt 2001.“ „Der österreichische Musikmarkt 2002.“ „Der österreichische Musikmarkt 2003.“ „Der österreichische Musikmarkt 2004.“ In: Sound & Media spezial (März 2001) (März 2002) (März 2003) (März 2004) (März 2005)

Aus Abbildung 13 zu den Anteilen der einzelnen Tonträgerformate zwischen 1998 und 2004 (auf Basis Umsatz) folgt: -

62

CD(-Album): Das Compact-Disc-Album (CD) verzeichnet zwischen 1998 und 2002 noch eine Steigerung der %-Punkte von 5,3 (von 89,1 % 1998 auf 94,4 % 2002), fällt aber dann um 5,5 %-Punkte in zwei Jahren (2003 und 2004). Auch wenn der CD-

62

Die Mini-Disc wird wegen ihrer Marginalität an dieser Stelle außer Acht gelassen.

97

Anteil am Gesamtumsatz noch immer 89 % ausmacht, kann im Zusammenhang mit den gezeigten CD-Absatzrückgängen (auf nationaler sowie internationaler Ebene – siehe oben) ein Abwärtstrend festgestellt werden. -

Single-CD: Zwischen 1998 und 2002 erlebt die Single-CD einen Rückgang ihres Anteils am Gesamtumsatz um 2,7 %-Punkte, gewinnt zwischen 2002 und 2003 gegenüber den anderen Formaten um 0,4 %-Punkte hinzu, verliert dann aber wieder 2004 um 0,7-%-Punkte und liegt damit 2004 bei 3 %. Die Single-CD wird wahrscheinlich obsolet werden, weil die meisten Menschen sich gratis oder in bezahlter Form Single Tracks aus dem Internet herunterladen.

-

MC (Music-Cassette): Zwischen 1998 und 2003 besteht ein steter Abwärtstrend der Anteile der Musikkassette am Umsatz (von 4,6 % 1998 auf 0,5 % 2000). Die Differenz beträgt zwischen 1998 und 2003 4,1 %-Punkte. Die Anteile der Musikkassette befinden sich somit im geringfügigen Bereich des Marktes. Die MC ist in den Industriestaaten nur mehr ein Relikt der elektronischen Mediamorphose. Dies gilt aber nicht für Länder der so genannten dritten Welt, wo sie nach wie vor wichtigstes Musikträgermedium ist.

-

Vinyl: Die Anteile vom Vinyl am gesamten Tonträgerumsatz stehen zwischen 1998 und 2000 mit 0,1 % auf sehr niedrigem Niveau. Vinyl kann aber ab 2001 etwas zulegen. Zwischen 2000 und 2003 steigt der Anteil von 0,1 % auf 0,5 %. Diesen Anteil hält Vinyl auch im Jahr 2004. Das sehr bescheidene Wachstum kann im Zusammenhang mit der Entwicklung einer lebendigen DJ-Kultur interpretiert werden. DJs sind diejenigen, die heute am meisten Vinyl-Schallplatten kaufen. Gleichzeitig gilt Vinyl am meisten von allen Formaten als Sammelstück mit Fetischcharakter.

-

DVD (Digital Versatile Disc): Die DVD legt in ihrem Anteil am Umsatz gesamt zwischen 2002 und 2004 um 6,4 %-Punkte (von 0,6 % auf 7 %) zu. Im Kontext der internationalen Entwicklung der DVD-Absätze ist also ein klarer Trend hin zur MusikDVD festzustellen. Mit der DVD können zusätzliche Inhalte/Informationen zur Musik als mit der CD vermittelt werden. Daher ist es mit der DVD eher möglich, zusätzlichen Mehrwert als mit der CD zu bieten, die auf den Ton reduziert ist (siehe Abbildung 13 oben).

-

Compilation: Der Compilation-Markt ist ähnlich wie der CD-Single-Markt sehr stark zurückgegangen (vgl. Renner 2004). Diese Entwicklung hat auch mit der Übersättigung des Marktes mit diesem Format in den letzten Jahren zu tun.

4.6.3

Gründe für die Krise

Die Gründe für die Krise des Tonträgermarktes, die vor allem eine Krise des Tonträgerformats CD sowie der Major Labels ist, sind vielfältig, komplex und hängen wesentlich mit

98

dem Fortschreiten der digitalen Mediamorphose zusammen. Auf Ursachen wird in der Folge näher eingegangen werden. 1. Privatkopie und das Downloaden und Brennen auf CD-Rohlinge Von der Industrie wird das Downloading und vor allem das Zur-Verfügung-Stellen von Musikdateien im MP3-Format im Internet (vor allem durch die Nutzung von Musiktauschbörsen) sowie das Kopieren („Brennen“) von Musiktiteln auf CD-Rohlinge angeführt, um die Rückgänge des CD-Marktes zu erklären. Music-Downloads im MP3-Format als Substitut für CDKäufe als die Hauptursache der Krise sind aber umstritten. Es sind sowohl seriöse Studien vorhanden, die belegen, dass MP3-Downloads den Kauf von CDs substituieren, als auch Studien, die zeigen, dass diese eine Promotion und einen Umwegrentabilitätseffekt bewirken können (vgl. z.B. Friedrichsen et al. 2004). Diese Studien zum Music-Download und seinem Effekt auf das Kaufverhalten von MusikkonsumentInnen werden in Kapitel 11 präsentiert und diskutiert. Daher beschränkt sich die Auseinandersetzung an dieser Stelle auf das Brennen von Musikinhalten auf CD-Rohlinge zum privaten, nicht kommerziellen Gebrauch. Ähnlich 63

wie beim Kopieren mit Musikkassetten kann das Brennen von Musikdateien auf CD-Rohlinge den Kauf von CDs substituieren und/oder einen Marketingeffekt mit sich bringen. Im Gegensatz zum MP3-Download, das eher ein flüchtiges Dasein auf einer Festplatte fristet, tendieren gebrannte Musikdateien auf CD-Rohlingen aber mehr zum Substitut eines CDKaufes. Daten der IFPI Austria zeigen für den österreichischen Musikmarkt, dass im Jahr 2002 die Zahl der Musik-CDs/-DVD-Rohlinge (auf die Musik kopiert werden) mit 24 Mio. Stück zum ersten Mal die Zahl der gekauften Musik-CDs/-DVDs (18,9 Millionen Stück) mit 5,1 Mio. Stück weit überschreitet. 2003 pendelt sich der Absatz der Musik-CD/DVD-Rohlinge zwar wieder auf 18,8 Mio. Stück im Verhältnis zu den verkauften Musik-CDs/DVDs mit 18,6 Mio. ein, aber die Musik-CD/DVD-Rohlinge bleiben trotzdem mit 0,2 Mio. in der Mehrzahl. Außerdem steigt der Absatz von Musik-CD/DVD-Rohlingen 2004 wieder auf 19,5 % Mio. Stück an und liegt damit um 2 Mio. Stück höher als der Absatz von Musik-CDs/DVDs, der auf 17,5 Mio. Stück fällt (siehe Abbildung 14 unten)

63

Beim Kopieren/Brennen bzw. Speichern von digitaler Musik auf CD-Rohlinge kommt es kaum zum Qualitätsverlust der kopierten Inhalte, beim Kopieren auf Musikkassette hingegen schon.

99

Abbildung 14: Musik-CDRs/DVDs und Musik-CDs/DVDs 2000-2004

Musik-CDRs/DVDRs und Musik-CDs/DVDs 2002-2004 in Mio Stück 30 24

23,5 25 20,5 20

18,9

18,8 18,6

19,5

17,5

15

15 9

10 5 0 2000

2001

2002

Gebrannte Musik-CDRs/DVDRs

2003

2004

Verkaufte Original CDs/DVDs

Quelle: FPI Austria (2004-2005): „Der österreichische Musikmarkt 2003.“ „….2004.“ In: Sound & Media spezial (März 2004) (März 2005). Anmerkung: Die Angaben der IFPI-Daten im IFPI-Austria-Bericht 2004 (2005) sind im Vergleich zum IFPIReport 2003 (2004) etwas missverständlich dargestellt: Im IFPI-Austria-Bericht 2004 (2005) sind ausschließlich Musik-CD-Absätze und CD-Rohlinge-Absätze angegeben, im IFPI-Austria-Bericht 2004 (2005) werden „Musik-CDs“ und „Musik-DVDs“ in eine einzige Kategorie zusammengefasst, gleichzeitig werden aber in dieser Kategorie dieselben Musik-CD- und CD-Rohlinge-Absatz-Werte des Jahresberichtes 2003 angegeben.

Außerdem steigt laut Erhebungen von GfK die Möglichkeit österreichischer Haushalte, CDs und DVDs mit den/der dafür notwendigen Geräten und Software, daher so genannten „Brennern“, zu kopieren, DVDs via DVD-Player und DVD-Laufwerk (auf PC) sowie Music-MP3s über MP3-Player abzuspielen in den letzten Jahren sehr stark an (siehe Abbildung 15 unten) (siehe Kap. 11).

100

Abbildung 15: Besitzstand von CD/DVD-Brennern, -DVD-/MP3-Playern und DVD-Laufwerken der österreichischen Haushalte 2001-2004

Besitzstand von CD/DVD-Brennern, DVD-/MP3-Playern und DVD-Laufwerken der österreichischen Haushalte 2001-2004 in % 35 30 25 20 15 10 5 0

2000

2001

2002

2003

2004

DVD-Rom Laufwerk

3

8

16

23

31

CD-Brenner

8

16

24

30

33

5

12

14

26

5

6

DVD-Brenner DVD-Player

2

5

MP3-Player

9

Quelle: GfK. Zitiert in: IFPI-Austria (2004-2005): „Der österreichische Musikmarkt 2003.“ „…2004.“ In: Sound & Media spezial (März 2004) (März 2005).

Die Abbildung 15 (oben) zeigt folgende Entwicklung: -

DVD-Laufwerk: Dessen Besitz wächst in österreichischen Haushalten zwischen 2000 und 2004 um 28 %-Punkte (von 3 % auf 31 %). Damit besitzen beinahe ein Drittel aller Haushalte ein DVD-Laufwerk in ihrem PC).

-

Der Besitzstand von CD-Brennern wächst im selben Zeitraum um 25 %-Punkte (2001: 8 %, 2004: 33 %). Damit hat in Österreich ein Drittel der Haushalte die Möglichkeit, CDs zu brennen.

-

64

Der DVD-Brenner-Besitz steigt zwischen 2002 und 2003 – daher innerhalb eines Jahres – um 7 %-Punkte (von 5 % 2002 auf 12 % 2003).

-

DVD-Player: Der Besitzstand von DVD-Playern zum Abspielen von DVDs nimmt 65

zwischen 2000 und 2003 um 24 %-Punkte zu (von 2 % 2000 auf 26 %); damit sind etwas über ein Viertel aller Haushalte mit DVD-Playern ausgestattet.

101

-

MP3-Player besitzen 2002 5 % der österreichischen Haushalte. Innerhalb von nur zwei Jahren steigt der Anteil der Haushalte mit MP3-Playern um 4 %-Punkte auf 9 % (2004) an.

Zur Frage, welche Inhalte in Österreich in den Jahren 2002 und 2003 auf CD/DVD-Rohlingen hauptsächlich gebrannt werden, geben ebenfalls IFPI Austria-Daten Antwort (siehe Abbildung 16 unten): Abbildung 16: Was wird in Österreich auf CDRs gebrannt?

Was wird in Österreich auf CDRs gebrannt? gebrannte Inhalte 2002-2003 in %

120

100 5,4 6,2

3,2 4,5 5,8

80

9,5

13,9

60

33,4

Filme/Videos Spiele/Software Texte Fotos

32,4

Eigene Daten Musik

40

20

43,4

40,2

2002

2003

0

Quelle: IFPI Austria (2002-2004). „Der österreichische Musikmarkt 2002.“ „…2003.“ In: Sound & Media Spezial (März 2003) (März 2004).

Aus Abbildung 16 (siehe oben) ergibt sich folgendes Bild: -

Musik: wird am meisten von allen Inhaltssorten gebrannt, nimmt aber zwischen 2002 und 2003 im Verhältnis zu den anderen Inhaltsanteilen um von 43,4 % auf 40,2 %.

64 65

Für 2000, 2001 und 2004 sind zu DVD-Brennern keine Zahlen seitens der IFPI-Austria vorhanden. Für 2004 sind zu DVD-Playern keine Zahlen seitens der IFPI-Austria vorhanden.

102

-

Eigene Dateien: bilden die zweitgrößte Content-Gruppe. Deren Anteil reduziert sich im Verhältnis zu den anderen Inhalten von 33,4 % auf 32,4 %.

-

Fotos: legen von 9,5 % auf 13,9 % am stärksten von allen Inhalten zu.

-

Texte: der Anteil der viertgrößten Gruppe nimmt von 6,2 % auf 5,8 % ab.

-

Spiele/Software: deren Anteil reduziert sich von 5,4 % auf 4,5 %.

-

Filme/Videos: machen anteilsmäßig ab 2003 3,2 % von allen gebrannten Inhaltssorten aus.

GfK Panel Services Consumer Research Gmbh führt für das Brennverhalten der KonsumentInnen in Deutschland eine systematische Studie über den Zeitraum von 2000 bis 2003 durch. Im Vergleich zu den besprochenen IFPI Austria Daten werden teils andere sowie mehr Inhaltskategorien definiert und gemessen. Außerdem liegen die absoluten Stückzahlen der gebrannten CDs vor (siehe Abbildung 17 unten). Aus den Daten der Abbildung 17 folgt für das Brennverhalten der KonsumentInnen in Deutschland: -

66

Musik: Zwischen 2000 und 2003 nimmt der Anteil der Musik von allen gebrannten 67

Inhalten von 54 % auf 44 % ab. Die gebrannte Stückzahl nimmt aber mit 227 Mio. Stück stark zu: von 133 Mio. Stück 2000 auf 316 Mio. Stück 2003 -

Musikvideos (nur 2003): Deren Anteil macht zwar insgesamt nur 1 % aller gebrannten Inhaltssorten aus, aber in Stückzahlen sind das 9 Mio..

-

Daten: Der Anteil der gespeicherten Daten steigt von 16 % auf 17 %. Die Stückzahl erhöht sich damit von 40 Mio. auf 119 Mio. Stück, eine Zunahme von 79 Mio. Stück.

-

PC-/Konsolen-Spiele: Deren Anteil von allen gebrannten Inhalten sinkt von 14 % auf 7 %, aber die Stückzahl legt um 18 Mio. (bzw. von 35 Mio. auf 53 Mio.) zu.

-

Spielfilme/Kinofilme (Zahlen nur für die Jahre 2002 und 2003): Dieser Anteil steigt von 11 % 2002 auf 14 % 2003. In Stückzahlen zeigt sich ein massives Wachstum von 68

42 Mio. (57 Mio. 2002 und 99 Mio. 2003). -

Fotos/Videos: gewinnen anteilsmäßig legen von 4 % auf 10 % zu. Die Stückzahlen wachsen von 10 Mio. auf 70 Mio. und damit um 60 Mio..

66 67

68

2000: 04/00-02/01 Die Stückzahlen von 2000 beruhen auf Eigenberechnungen und Verzerrungen ergeben sich durch Rundungen. Die Stückzahlen von 2002 beruhen auf Eigenberechnungen und Verzerrungen ergeben sich durch Rundungen.

103

Abbildung 17: Inhalte der bespielten CD-Rs/CD-RWs in Deutschland 2000-2003

Inhalte der bespielten CD-Rs/CD-RWs in Deutschland 2000-2003 in % (Basis in Mio Stück) 100% 90%

4 4

4 6

9

8

2 10 5

11

80% 14

14

13

sonstige Inhalte

10

70% 60%

2 6 5

16

7

15

50%

17

Spielfilm/Kinofilm

1

PC-/Konsolenspiele

40% 30%

Fotos/Videos Anwendersoftware

14

Daten Musikvideos 54

55

50

20%

Musik 44

10% 0% Basis 247

Basis 332

Basis 515

Basis 714

2000*

2001

2002

2003

Quelle: Gfk Panel Services Consumer Research GmbH (2004): Brennerstudie. www.ifpi.de/news/379/brennerstudie2004.pdf (10.11.2004). *04/00-03/01

Diese Zahlen zeigen einen massiven Zuwachs des Brennens von Inhalten aller Art. Für das Kopieren von Musik auf CD-/DVD-Rohlinge heißt das, auch wenn der Anteil von Musik aller gebrannten Tonträgerinhalte zwischen 2000 und 2003 um 10 %-Punkte zurückgeht, nimmt aber die Stückzahl um 183 Mio. (von 133 Mio. 2000 auf 316 Mio. 2003) zu. Hinzu kommen noch 9 Mio. Stück Musikvideos 2003. Die Zahlen sagen aber nichts darüber aus, ob es sich bei den gebrannten Musik-CD/DVD-Rohlingen sowie anderen gebrannten Inhalten um legale oder illegale Kopien handelt bzw. sagen sie nichts über den Ursprung der Kopiervorlage/des Originals, die kopiert/gebrannt wurde, aus. Die „Brennerstudie“ erhebt außerdem Reichweiten des Brennens von Musik hinsichtlich der Kategorien Alter und Geschlecht (siehe Abbildung 18 unten):

104

Abbildung 18: Brenner-Reichweite von Musik in Deutschland 2001-2003

Entwicklung der Brenner-Reichweite von Musik in Deutschland 2001-2003 Wurden CD-Rohlinge mit Musik bespielt (gebrannt)? auf Basis 63,6 Mio. priv. Deutsche ab 10 Jahren in %

9

50 Jahre und älter

12,9 13,8 29,7

40-49 Jahre

40,6 38,2 37,4

30-39 Jahre

52,4 48,2 52

20-29 Jahre 39,1

10-19 Jahre 25

Frauen

27

Gesamt

0

10

20

2002 2003

54,4 49,9

33,9 29,3 29,2

Männer

2001 62,8 58,1

30

37,3 38

35,6 33,6 40

50

60

70

Quelle: Gfk Panel Services Consumer Research GmbH (2004): Brennerstudie. www.ifpi.de/news/379/brennerstudie2004.pdf (10. 11.2004).

Insgesamt steigen die Anteile aller Kategorien zwischen 2001 und 2002, nehmen aber mit Ausnahme der ältesten Gruppe zwischen 2002 und 2003 ab. Die Frage „Wurden CD-Rohlinge mit Musik bespielt (gebrannt)?“ beantworten mit „Ja“ 2001: 27 %, 2002: 35 % und 2003: 33,6 %. Bei Geschlecht und Alter zeigen sich folgende Ergebnisse: -

Geschlecht: Eine Steigerung des Brennens von Inhalten besteht zwar sowohl bei Männern als auch bei Frauen, aber die Differenz zwischen den Geschlechtern steigt zwischen 2000 und 2003 um 4,5 %-Punkte von 4,2 % (2000: 29,2 % Männer versus 25 % Frauen) auf 8,7 % (2003: 38 % Männer versus 29,3 % Frauen).

-

Alter: Auch hier besteht eine starke %-Steigerung zwischen 2001 und 2003 bei - den 10-19-jährigen: um 10, 8 %-Punkte (von 39,1 % 2001 auf 49,9 % 2003),

105

- den 20-29-jährigen: um 6,1 %-Punkte (von 52 % auf 58,1 %), - den 30-39-jährigen: um 10, 8 %-Punkte (von 37, 4 % auf 48,2 %), - den 40-49-jährigen: um 8, 5 %-Punkte (29, 7 % auf 38,2 %), sowie - den 50-jährigen und Älteren: um 4,8 %-Punkte (von 9 % auf 13,8 %). Das heißt, dass zwischen 2001 und 2003 massive Steigerungen bei der jüngsten Altersgruppe, den 10-19-jährigen sowie den 20-39-jährigen zu verzeichnen sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit der Zunahme des Breitband-Internet-Zugangs das Herunterladen und Brennen von speicherintensiven Inhalten (vor allem Filme/Videos, Musik und Spiele) in der näheren Zukunft weiter ansteigen wird (siehe auch Kapitel 11). Aber auch das CD-Brennen muss als eine Zwischenstufe der digitalen Mediamorphose gesehen werden, weil immer mehr miniaturisierte, tragbare Speichermedien zum Abspielen digitaler Musik zur Verfügung stehen, zum Beispiel Handy oder iPod, mit dem sich KonsumentInnen an verschiedene Play-Stationen „andocken“ können. Außerdem ist es möglich, Musik direkt über einen PC oder Laptop zu konsumieren. 2. Sättigung des Marktes mit CDs Die Musikindustrie bekommt durch die Einführung der CD immensen Aufwind. Mit der Verbilligung der Technologie ist sie aber nicht bereit, die anfangs hohen CD-Preise zu senken. Ein solch massives Wachstum des CD-Verkaufs wie bis Mitte der 90er Jahre muss ohne adäquatem kreativen Input irgendwann durch die Sättigung des CD-Marktes zu seinem Ende kommen. 3. Schlechte wirtschaftliche Lage Die relativ schlechte konjunkturelle Lage in Österreich im Allgemeinen stellt zwar keine Hauptursache dar, ist aber ein Aspekt, der die derzeitige Krise des Tonträgermarktes verstärkt. In Zeiten, in denen das Geld für das monatliche Haushaltseinkommen knapp ist, be69

steht weniger finanzieller Spielraum, Geld für Konsumgüter wie CDs auszugeben. 4. Vernachlässigung von Arts & Repertoire und Konzentration auf so genannte „Schnelldreher“

Die Major Labels vernachlässigen seit den 80er-Jahren die Weiterentwicklung von lokalem Arts & Repertoire. Statt Arts & Repertoire voranzutreiben und konzentrieren sie sich auf so genannte Schnelldreher (vgl. Pernica 2003, 67). Das heißt, dass sie vor allem in Produktionen

69

Konsumausgaben der privaten Haushalte steigen seit 1989 tendenziell immer flacher an (in Bezug auf Daten der Statistik Austria (2004) Tab 5.08 Statistisches Jahrbuch 2004, 290. www.statistik.at (10.11.2004)).

106

investieren, die möglichst bald Erfolge zeigen, oder in solche, die bereits erfolgreich sind. Vier Arten von Produkten sind damit gemeint: 1.

„Altes“ Repertoire bzw. so genannte „Zweitauswertung [...] mit einem kalkulierbaren Investment und geringen Personalkosten“ (Renner 2004, 105). Dieses wird aus dem eigenen Backkatalog der Majors gehoben und zu neuem Leben erweckt, das heißt, neu herausgebracht und vermarktet.

2.

Medial „gehypete/s“ Produktionen/Repertoire, darunter auch TV-Casting-Shows wie Starmania: Bei dieser Art von Shows handelt es sich vor allem um nachgesungenes („altes“) Repertoire der Majors, aber teilweise auch um eigenständige Produktionen (siehe Kap. 10).

3.

Repertoire von bereits erfolgreichen Superstars wie Robbie Williams und Madonna.

4.

Innovatives und “Independent“ Repertoire wird durch die Übernahme von Independent Labels eingekauft.

Der Mangel an Innovationsbereitschaft ist also nicht nur auf technischer Ebene zu verorten, sondern vor allem auch im „fehlende[m] Mut zu künstlerischen Neuerungen“ (Tschmuck 2003, 205).

107

5

Musikschaffende und -produzentInnen

5.1

KomponistInnen, TexterInnen, InterpretInnen und StudiomusikerInnen

KomponistInnen und TexterInnen sind die UrheberInnen von Musik. Die Urheberschaft eines Musikstückes ist der Auslöser für die weiterfolgende Wertschöpfung, an deren Ende idealerweise die MusikkonsumentInnen stehen. MusikinterpretInnen interpretieren mittels Instrument und/oder Stimme Kompositionen und sind dem Recht nach keine UrheberInnen im eigentlichen Sinn. Vor allem in der Popmusik fallen die beiden Rollen der KomponistIn und der InterpretIn aber häufig zusammen. Unter den InterpretInnen befindet sich auch die Gruppe der StudiomusikerInnen, die im Tonstudio Musik (durch akustische Instrumente oder Stimme) einspielen. Deren Bedeutung ist zwar durch digitale Producing-, insbesondere Sampling-Technology ersetzt oder reduziert worden, aber es wird auch in Zukunft nicht auf ihre im Tonstudio eingespielte Musik verzichtet werden können. 5.2

Musikschaffende als HomestudioproduzentInnen

Die digitale Mediamorphose führt in den letzten Jahren zu einer starken Preissenkung von Music-Production-Equipment, das dadurch zur Massenware wird. Die Preise sind innerhalb 70

weniger Jahre bis zu 20 % des ursprünglichen Preises hinuntergegangen. Für ein so genanntes Homestudio brauchen PoduzentInnen nur mehr „einen halbwegs guten Rechner, ein Mi71

krofon und ein Mischpult, und [...] Monitorboxen, um das Ganze realistisch zu hören“ . Der Preis für ein Homestudio wird von verschiedenen ExpertInnen unterschiedlich angesetzt: von 72

73

„1.500 Euro (ohne Computer)“ , über „10.000 Euro“ (inklusive Computer) bis zu „15.000 74

Euro“ . Musikschaffende können daher leichter in den Besitz ihrer eigenen Produktionsmittel kommen, um ihr Mastertape zu produzieren, ohne mehr ein professionelles Tonstudio aufsuchen und den damit verbundenen finanziellen Mehraufwand leisten zu müssen. Gleichzeitig ist das Bild insofern zu vervollständigen, als durch Music-Production-Technology auch die Notwendigkeit der ständigen Aktualisierung des Equipments (von Hard- und Software) und der finan-

70 71 72 73 74

In Bezug auf Zitat aus Interview mit Schauer/Klangfarbe. Zitat aus Interview mit Trischler/FM4-Soundpark/Kaputtnicks. Zitat aus Interview mit Schauer/Klangfarbe. Zitat aus Interview mit Schlögl/I-Wolf. Zitat aus Interview mit Wolfsteiner/Trio Exklusiv.

108

zielle Aufwand ebenfalls steigen. Diese Kosten reichen aber bei weitem nicht an die Kosten eines traditionellen professionellen Tonstudios mit Mindeststandard heran. 5.2.1

MIDI, Sequencer und Sampler

Neben einem leistungsstarken Computer, einem Mischpult, Mikrofon und Abspielboxen gehören heute drei wichtige Music-Production-Programme, die seit den 80er Jahren auf dem Markt sind, zum heutigen Mindeststandard eines Homestudios: MIDI (“Music Instrumental Digital Interface“) MIDI ist ein digitaler Synthesizer, bzw. „eine digitale Schnittstelle und Datenübertragungsform“, mit der „nicht die Klangereignisse selbst aufgenommen und verarbeitet werden, sondern nur Referenzen auf diese“ (Burow 1998, 100). Der MIDI Standard legt ein Protokoll fest und erlaubt „Geräten verschiedener Hersteller auf dem Musikproduktionstechnologie-Sektor [...] miteinander musikalische Information auszutauschen“ (Stepanek 2004, 30). Sequencer Ein Sequencer ist „ein Computerprogramm, das es ermöglicht, in vielfältigster Weise MIDIDaten aufzuzeichnen, zu bearbeiten und wiederzugeben“ (Burow 1998, 103). Diese Software funktioniert „wie eine Mehrspur-Band-Maschine“ und „bietet [...] dem Benutzer meist eine Reihe von am Bildschirm von oben nach unten angeordneten ‚Spuren’, die jeweils musikalische Information für eine ‚Stimme’ enthalten“ (Stepanek 2004, 33). Sampler Ein Sampler ist „ein elektronisches Musikinstrument, das es gestattet, beliebige Klänge, seien sie von natürlichen Instrumenten, seien es Umweltgeräusche oder sonstige akustische Ereignisse, digital aufzuzeichnen und auf Computer-Speichermedien (wie Disketten, Festplatten, CD-ROM u.ä.) zu archivieren“ (Burow 1998, 90-91). Der Sampler hat das Bild des Musikschaffenden stark verändert, weil er erlaubt: „Musik mit Klängen aus ‚zweiter Hand’ zu schaffen – nämlich aus Klängen, die bereits auf Tonträgern vorhandenen waren [...] Durch den Sampler wurde also jeglicher Tonträger zu einem potentiellen Materiallager musikalischer Neuschöpfungen“ (Stepanek 2004, 32). Die Möglichkeiten und Praxen des Samplers bringen in den 80er Jahren einen neuen Musikstil hervor: HipHop und Rap. 5.2.2

Heimstudio und mobiles Studio als neue Paradigmen des Produktionsprozesses

Durch die Preissenkung, die relativ leichte und schnelle Erlernbarkeit und damit erhöhte Zugänglichkeit zu den Produktions- und Kommunikationsmitteln wird Musikproduktion im Heimstudio zum neuen Paradigma: “Musicians can produce finished or part-finished work in their own home studios (Goodwin 1992, 89.90). Indeed, the bedroom has become a metonym for a new cultural politics of access and empowerment.“ (Toynbee 2000, 95) Der erleichterte

109

Zugang zum Equipment (Music-Hardware und Software) sowie zu digitalen Soundquellen führt zu einer Demokratisierung von Musikproduktion, das heißt auch, dass der Marktzugang für Newcomer und Musikschaffende mit kleinen Produktionsbudgets erleichtert wird. Durch das Heimstudio verändert sich das Bild der Musikschaffenden. Der/Die HeimstudioProduzentIn wird zur zentralen Figur des Musikproduktionsprozesses, der/die „Hand75

76

werker[In]“ , „Techniker[In]“ und „Arrangeur[In]“ ist und dafür vor allem “Production77

Skills“ benötigt. Tatsächlich arbeiten viele Musikschaffende nun auch als ProduzentInnen (für ihre eigenen Produktionen sowie als Serviceleistung für Produktionen anderer). Daher liefern die meisten Musikschaffenden mittlerweile ihren Labels eine bereits fertige Produktion ab: “In a number of cases now, after contract, the artist appropriates all the functions of the production process, and just presents the final tape which he/she brings and […] ’leases’ to the record company (Laing 1989).“ (Lash & Urry 1999, 119-120) Individualisierung des Arbeits- und Produktionsprozesses auf künstlerischer und wirtschaftlicher Ebene Durch das Homestudio wird der Produktionsprozess des/r Musikschaffenden individueller, weil ein/e Musikschaffende/r alleine für sich produzieren kann und nicht mehr die Band als Produktions- und Kommunikationseinheit benötigt. Der PC legt als Apparatur eine individualisierte Produktionsweise auch nahe. Gleichzeitig wird die Kommunikation über das Internet interaktiver und zwar nicht nur auf lokaler, sondern auch auf internationaler Ebene. ArbeitskollegInnen können in kurzer Zeit relativ unabhängig von Ort und Zeit über Email erreicht werden. Das alte Paradigma der elektronischen Mediamorphose als Zentrum für Kreation und Produktion war die Rockband, die örtlich und zeitlich an Proberaum und Tonstudio gebunden ist. Auch wenn durch Transportmittel und Kommunikationsmittel wie Post, Telefon und Fax Mobilität und Kommunikation – auch auf internationaler Ebene – gegeben sind, stellen sie sich im Vergleich zu den jetzigen Möglichkeiten relativ inflexibel und langsam dar. Ein Vorteil des „alten“ Settings ist das gemeinsame Kommunizieren über Musik vor Ort. Dezentralisierung und Beschleunigung des Produktionsprozesses Durch die digitale Mediamorphose können sich Produktions- und Kommunikationsprozesse dezentralisieren und beschleunigen. Das Arbeiten an einzelnen Parametern wie Stimme, Instrumenten und Rhythmen und deren „Einfrieren“ mittels separaten Aufnehmens wird durch digitale Music-Production-Technologie vereinfacht. Die einzelnen Parameter können im di75 76 77

Zitat aus Interview mit Trischler/Kaputtnicks/FM4-Soundpark. Zitat aus Interview mit DJ ravissa. Unter „Production-Skills“ fallen u.a. auch „Programmierkompetenz“ (vgl. Stepanek 2004, 29).

110

gitalen Studio wieder zu einem ganzen Stück zusammengefügt werden. Es ist auch möglich, dass die einzelnen „Zutaten“ an verschiedenen Orten der Welt eingespielt werden. Die Musikschaffenden müssen sich nicht mehr unbedingt an einem Ort treffen, um miteinander Musik zu spielen. Die notwendige Kommunikation kann (potenziell) rein virtuell/online stattfinden. Eine weitere Möglichkeit, die das Internet bietet, ist, dass einzelne Musikschaffende einer Band über weite Distanzen hinweg individuell für sich an Teilen eines Musikwerks auf ihrem PC arbeiten, mittels Internet (Email und MP3s) über die Musik miteinander rein virtuell kommunizieren, und die einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammenführen. Das Proben im traditionellen Sinn wird durch die virtuelle Kommunikation aber zumeist nicht obsolet. Diese wirkt sich oft ergänzend auf die herkömmliche Probesituation aus, weil der kreative Prozess (über Laptop, Email-Kommunikation oder durch Verschicken und Bearbeiten von digitalen Musikfiles) vor- oder nachbereitet werden kann. Diese Art des Arbeitens ist vor allem für Bands von Vorteil, deren Mitglieder an verschiedenen Orten leben und die sich nur von Zeit 78

zu Zeit zum Proben oder Produzieren treffen. Mobilisierung des Produktionsprozesses

Eine Weiterentwicklung des Homestudios ist das mobile Studio in Form von Laptop, Mischpult, transportablem Mikrofon und Abspielboxen. Der Produktionsprozess wird dadurch vom Ort unabhängig. Die Miniaturisierung des PCs in Form des Laptops erlaubt ein mobiles Arbeiten (Komponieren, Proben aber auch das Aufnehmen von externen Soundquellen) in Echtzeit sowie im Prozess des Reisens. Musikschaffende können die Auto- oder Zugfahrt mit dem Laptop für musikalisches Arbeiten “on tour“ nutzen. Außerdem ist es möglich, dass Sound an jedem beliebigen Ort der Welt aufgenommen wird, in die individuelle Sound-Library hinzu79

gefügt und weiter bearbeitet wird.

Auch dabei kommt es zu einer Beschleunigung,

Individualisierung und zur Vervielfältigung von Optionen der einzelnen MusikproduzentInnen, die den Laptop immer bei sich tragen können. „Disposable“ Kunst: Modellierbare Musik am PC-Bildschirm Der musikalische Produktionsprozess wird zunehmend durch die Logik des Arbeitens mit Computerprogrammen bestimmt. Dazu gehört auch die Konvergenz verschiedener Medien wie Schrift, Audio, Bild, das Arbeiten über eine grafische Anwenderoberfläche sowie der Handhabung von Tastatur und Maus(-klick). Prinzipien dieser Arbeit sind Cut&Paste, Re-Do, Speichern, Kopieren, aber auch Datenverlust. Diese Art zu arbeiten impliziert ein prozess-

78 79

In Bezug auf Zitate aus Interviews mit Gandler und Mastic Will/Mastic Scum und Günther/Temple X . In Bezug auf Zitat aus Interview Schlögl/I-Wolf.

111 80

orientiertes und flexibles Produzieren. Das Werk wird „disposabel“

bzw. wird der

Produktionsprozess ein fortlaufender „Editing-Prozess“, in dem das Material modelliert und verändert werden kann. Die Folge ist eine Vervielfachung von Möglichkeiten, aber auch der Komplexität. Letztere kann teilweise auch von Nachteil sein, weil sie die Gefahr der Verzet81

telung und des Mehraufwandes birgt.

An dieser Stelle dreht sich die Tendenz zur

Beschleunigung wieder um. Um einer Verlangsamung entgegenzuwirken, erfordert der Computer ein planmäßiges und konzeptionelles Vorgehen. Ein weiterer Aspekt der Produktion mit Musikcomputer ist Selbstreferenzialität. Musikschaffende können auf ihre Werkgeschichte in Form ihres persönlichen abgespeicherten Archivs zurückgreifen. Es ist ihnen möglich, verschiedene Versionen eines Musikprodukts zu archivieren und somit zurückliegende Arbeitsprozesse nachvollziehbar zu machen. Dieses Material kann wieder zum Ausgangspunkt für neue Ideen, Kreativität und Produktionen werden. Eine andere Option ist, dass sich Musikschaffende „selber sampel[n]“, indem sie Musik live einspielen und mit den einzelnen Spuren im Homestudio weiterarbeiten. Auf diese Weise kann der/die InterpretIn zum/r Komponisten/in werden: „[…] durch die Technologisierung habe ich die Möglichkeit, Musik zu schreiben, also zu komponieren, nicht im Sinne eines klassischen Werkes, aber im Sinne von Pop [...] Es ist zwar ein Puzzlespiel, 82

‚mosaikmäßig’, [aber] man kann einfach zu Hause Sachen zusammenbasteln.“

Hinzu kommt die Nutzung „fremder“, digitaler Soundquellen, auf deren Grundlage wieder „gesampelt“ und produziert werden kann. Der musikalische Produktionsprozess nähert sich durch die Digitalisierung dem Prozess der bildenden Kunst an. Das musikalische Werk wird einem Werkstück ähnlich, wie zum Beispiel einer Skulptur, an dem Musikschaffende zu verschiedenen Zeiten und Orten alleine oder auch gemeinsam mit anderen KünstlerInnen arbeiten können. Den Musikschaffenden ist es möglich, ihre Produktionen immer wieder neu aufzurufen, anzuhören und zu bewerten. Die so erreichte Distanz zum Werk ermöglicht Reflexion als Teil des Schaffensprozesses und damit auch Freiräume. Gleichzeitig muss die Produktion nicht mehr im „Hier und Jetzt“ des Proberaums oder des professionellen Tonstudios, sondern kann Schritt für Schritt entstehen. Der ökonomische Effekt davon ist, dass der/die Musikschaffende nicht „dauernd Geld [im Ton83

studio] verliert“ , um etwas auszuprobieren.

80 81 82 83

Zitat aus Interview mit Bém/CORE. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Legat/Count Basic. Zitat aus Interview mit Wolfsteiner/Trio Exklusiv. Ebenda.

112

5.3

Rock versus elektronische Produktionsweise und -ästhetik?

Im Unterschied zur elektronischen Musik findet der kreative Prozess bei RockmusikerInnen nach wie vor stärker im Proberaum und im professionellen Tonstudio statt. Selbst wenn die Aufnahme völlig digital erfolgt, ist das Produzieren im professionellen Tonstudio für viele Rockbands, weil akustische Instrumente und Stimmen live eingespielt werden, noch wichtig. Eine professionelle Studioaufnahme erhöht die Produktionskosten aber um ein Vielfaches. Eine rein elektronische Produktionsweise und Ästhetik existieren aber nicht, erstens, weil Musik, um wahrnehmbar zu werden, analoger Medien bedarf; zweitens, weil sich signifikante Unterschiede im Klang ergeben. Ob akustische Instrumente eingespielt werden oder ob die Musik rein digital generiert wird: man „hört [es bei der Produktion] einfach [...], dass es von 84

einem analogen Gerät kommt“ . Auch die meisten ElektronikerInnen arbeiten sowohl in akustischen als auch in digitalen Sphären. Der bestimmte Klang hat im Rock auch einen technologischen Aspekt, der vom spezifischen Gitarrensound und von der analogen Verstärkertechnologie herrührt: „[D]ie reine Rockmusik 85

[lebt] von der Gitarre, vom Gitarrensound“

sowie von Gitarrenverstärkern, die auf so

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genannter „Röhrentechnologie“ basieren. Der so generierte Sound klingt „wärmer“ für das menschliche Ohr“ als reiner, digitaler Sound, bei dem tendenziell „zu viel“ auf einmal gehört wird, das heißt „[D]ie Qualität einer analogen Aufnahme ist unbestritten ausgezeichnet. Das 87

ist Psychoakustik [...] diese ‚wärmeren’ Klänge gefallen uns besser.“ Die Röhrentechnologie hat aber den Nachteil, dass sie „schwer, teuer und mühsam [...] aufgrund der Masse“ zu transportieren ist. Die professionellen Studios greifen auf diese Technologie zurück und bieten damit Musikschaffenden, insbesondere aus dem Rocksegment, durch den spezifischen Sound den notwendigen Mehrwert. 5.4

88

Live-MusikerInnen und DJs stark im Kommen? 89

Wie bereits im Kapitel 3 gezeigt wurde, gibt es Hinweise auf ein Revival des Live-Events

(siehe Kap. 9). Ein/e relativ neue/r MitspielerIn der Eventkultur ist seit den 90er Jahren der/die DJ, welche/r „[a]us einem reinen Lieferanten[/in] [...] so etwas wie ein Autor[In]“ (Stepanek 2004, 52) geworden ist. Als AutorInnen können DJs bezeichnet werden, weil sie

84 85 86

87 88 89

Zitat aus Interview mit ravissa. Zitat aus Interview mit Schauer/Klangfarbe. Eine Röhre ist ein elektromechanisches Bauelement. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Schauer/ Klangfarbe. Zitat aus Interview ebenda. Ebenda. In Bezug auf Zitate aus Interviews u.a. mit Sopper/Planet Music, Skrepek/Musikertgilde.

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Musikmaterial aus der Retorte „revitalisieren“, re-mixen und so etwas Eigenständiges und Neues produzieren. 5.4.1

Computer als Live-Instrument auf der Bühne

Der Laptop wird auch als Live-Instrument von Live-MusikerInnen und DJs verwendet. Er führt teils zu einer Reduzierung von Gerätschaften und kann „auf der Bühne mehr Freiraum“

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schaffen. Andererseits begrenzt die Apparatur der digitalen Technologie die Performance, 91

weil sie relativ unflexibel ist, „zum Beispiel um live elektronisch improvisieren zu können“ . Auf der Bühne wirken Laptops auch eher statisch bzw. regen sie eher nicht zur Bewegung der PerformerInnen an. Außerdem führt der Bildschirm des Computers dazu, dass kein direkter Blickkontakt zwischen PerformerIn und Publikum stattfindet und somit die Kommunikation gebrochen wird. 5.5

Musikschaffende als DistributeurInnen

Musikschaffende können den herkömmlichen Vertriebsweg umgehen und Musik via Tonträgerversand oder „unkörperlich“ in Form von Music-Downloads via Internet direkt zu ihren Fans über eine eigene Website distribuieren. Daher erhalten Musikschaffende die Möglichkeit der “Disintermediation“. Zugleich ist durch das Überangebot an Tonträgern Marketing und Promotion schwieriger und teurer geworden. Insbesondere Nischenprodukte können aber über Internet gezielt beworben werden. 5.6

TonstudioproduzentInnen

ProduzentInnen schaffen in Kooperation mit KomponistInnen, InterpretInnen und StudiotechnikerInnen den Musiktonträger. Sie liefern dabei nicht nur produktionstechnischen, sondern auch kreativen Input (vgl. Stepanek 2004, 47). Wie bereits gezeigt wurde, führt die digitale Mediamorphose dazu, dass Musikschaffende durch das Homestudio selbst zu ProduzentInnen werden. Gleichzeitig produzieren insbesondere Rockbands, deren Musik nach wie vor auf akustischen Instrumenten und Stimme beruht, immer noch im professionellen Tonstudio. Durch die Homestudiokultur werden professionelle Tonstudios aber teilweise obsolet.

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Besonders getroffen hat es das „mittelgroße Studio:“ „[…] die ganz Großen, die speziell auch in der Werbung arbeiten, die gibt es [noch]. Studios, die rein im Musikbereich arbeiten, gibt

90 91 92

Zitat aus Interview mit Schauer/Klangfarbe. Ebenda. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Schauer/Klangfarbe.

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es relativ wenige mittlerweile. Wenn es sie gibt, sind sie gleichzeitig die Privatstudios der 93

professionellen Arrangeure.“

Die verbleibenden Studios gingen als Konsequenz auf die prekäre Lage stark „mit ihren Prei94

sen herunter“ , das heißt, dass nicht nur Homestudioproduktionen, sondern auch professionelle Produktionen nun leistbarer sind. Diese professionellen TonstudioproduzentInnen nehmen heute vor allem drei Rollen in Anspruch: erstens als ArrangeurInnen und BeraterInnen; zweitens als EigenproduzentInnen und „KomponistInnen“. Ein Beispiel für diese beiden Rollen ist der Tonstudiobesitzer Thomas Rabitsch. Er ist ursprünglich in verschiedenen Bands als Live-Keyboarder tätig und wird später durch die Aufstockung seines Heimstudios zum professionellen Studioproduzenten: „[…] wenn mich eine Plattenfirma beauftragt mit der Produktion eines Albums von einer Gruppe, dann bin ich ausschließlich Produzent. Ich bin sozusagen das Bindeglied zwischen der Band und dem Tonträger. Ich schaue, dass das in die richtige Form gebracht wird auf Hard-Disc, kann Impulse setzen, kann sie beraten [...] Ganz anders ist es, wenn ich einen Kompositionsauftrag bekomme, wo ich für einen Film oder für eine Fernsehsignation ein Motiv selber komponiere und produziere. Das mache 95

ich alleine, außer es ist eine große Filmmusik, wo viel los ist. Das mache ich dann mit Musikern.“

Drittens ist das Mastern und Mixen von Produktionen eine weitere Hauptfunktionen von professionellen Tonstudios. Beim Mastern wird dafür gesorgt, dass die Produktion als Tonaufnahme auf verschiedenen, gängigen Abspielgeräten funktioniert bzw. wird versucht, einen Mittelweg für die sound-technischen Voraussetzungen der unterschiedlichen Geräte zu finden. 5.7

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Erweiterung des Begriffes des/r Musikschaffenden

Das Berufsbild des/r Musikschaffenden hat sich durch die digitale Mediamorphose erweitert. Die Grenzen zwischen professionellem und AmateurInnenbereich einerseits sowie zwischen E(-rnster)-Musik und U(-nterhaltungs)-Musik andererseits verschwimmen. Die (zweite) Trennung erscheint nicht nur aber vor allem im elektronischen Musikbereich nicht mehr adäquat, weil viele Musikschaffende in beiden Bereichen gleichzeitig verortet sind oder diese Zuschreibung auf sie nicht mehr zutrifft. Die Trennung zwischen E- und U-Musik ist aber nach wie vor für die Einkommenssituation von Musikschaffenden bedeutsam, weil ernste Musik in der Regel stärker durch die öffentliche Hand gefördert wird und durch das Abrechnungs-

93 94 95 96

Ebenda. Zitat aus Interview mit Büchel/music channel. Zitat aus Interview mit Rabitsch/Thomas Rabitsch Music Production/Recording Studios. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Schauer/Klangfarbe.

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schema der Verwertungsgesellschaften AKM und austro mechana mit E-Musik höhere Urheberrechtstantiemen generiert werden können als mit Unterhaltungsmusik. Musikschaffende übernehmen nicht mehr nur die ursprünglichen Funktionen von Kreation und Produktion, sondern auch solche technischer, wirtschaftlicher und kommunikativer Art wie Management, Labelbetrieb, Marketing, PR und Vertrieb. Oft gründen Musikschaffende ein eigenes Label, um ihre Musik herauszubringen. Das heißt, dass sie zu “Cultural Entrepre97

neurs“ werden. Das Lernen, kontinuierliche Aktualisieren und Ausführen all dieser Tätigkeiten kann zwar zu mehr Unabhängigkeit von MarktmittlerInnen führen, es drohen aber teilweise Diskrepanzen zwischen diesen zusätzlichen Aufgaben und dem Beruf als MusikerIn. Die Gefahr der Verzettelung ist groß. Um dem entgegenzusteuern, gehen einzelne Mitglieder einer Band teils arbeitsteilig vor, indem sie unterschiedliche Tätigkeitsfelder untereinander aufteilen. In der Regel übernimmt aber eine Person die Hauptfunktion des/r Bandmangers/in. 5.8 5.8.1

Fallbeispiele Musikschaffende Die EinzelkämpferInnen – SolomusikerInnen, ProduzentInnen und DJs 98

1. Christian Fennesz (Solomusiker und Produzent)

Berufsbild: Fennesz ist Solomusiker und Produzent und kann von seinen Einkünften aus dem Musikschaffen ausschließlich und gut leben. Er sieht sich als „Ein-Mann-Firma“. Zwar hat er 50 % seiner geschäftlichen Agenden an das Britische Label Touch übergeben, darunter auch seinen Web-Auftritt, etliche Tätigkeitsbereiche sind für ihn aber nicht delegierbar, weil eine gewachsene und komplexe Struktur dahinter steht. Das Booking macht teils Touch sowie sein Booker Danilo Pellegrinelli. Stilfeld: Fennesz ist v.a. in Elektronikavantgarde sowie in Techno, Drum & Bass und Ambient verortet. Er hat sowohl im Club- als auch im ernsten/kulturellen Bereich Anbindungen. Label: Er veröffentlicht auf dem Wiener Label mego und dem Londoner Label Touch. Fennesz will seine Arbeit aber nicht zu stark mit einem Label verbunden sehen, weil er vor allem für das stehen möchte, was er selbst macht. Digitale Technik und Produktionsprozess: Fennesz beginnt bereits früh – in den 80er Jahren – als Rockgitarrist mit elektronischem Equipment zu arbeiten. Als Sampler und Mischpulte billiger werden, kauft er sie sich diese, um selbst zu produzieren. Seither ist er Solomusiker und -produzent, auch wenn er zeitweise Kooperationen mit anderen MusikerInnen eingeht. Im

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Daneben gibt es noch andere neue Tätigkeitsfelder, bei denen Musik als Service fungiert, wie Musik im „dritten Sektor“ (z.B. Musiktherapie). In Bezug auf Zitat aus Interview mit Fennesz (12.5.2003). Die Information wird durch die Website www.fennesz.com und durch ein Email im Jänner 2005 aktualisiert und verifiziert.

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Studio verwendet er auch akustische Instrumente wie Gitarre oder er lädt InstrumentalistInnen ein. Er ist nicht auf den Computer fixiert. Grundsätzlich produziert er im Heimstudio, nimmt dort auf und arbeitet mit der Hard-Disc bzw. am Computer weiter. Außerdem geht er je nach Bedarf mit Konzept oder mit Improvisation an die Entwicklung seiner Stücke heran. Das Mastering findet in einem Tonstudio in London statt. 99

2. Susanne Kirchmayr alias electric indigo, indigo:inc (DJ und Produzentin)

Berufsbild: electric indigo verdient mit DJing ein gutes Enkommen, insbesondere auf internationaler Ebene. Bis Jänner 2005 hat sie bereits in 33 Ländern auf allen Kontinenten aufgelegt. Dass sie sich um sehr viele organisatorische Dinge kümmern muss, empfindet sie nicht als belastend. Was sie vom eigenen Produzieren (dem sie gerne mehr Zeit widmen würde) ablenkt, ist zeitintensives Auflegen. Jahre lang wickelt sie das Booking zum großen Teil selbst ab. Seit 2002 organisiert es eine Freundin mit der Berliner Agentur Escorteaze für ihre Europa-Gigs. Eine andere Freundin in Chicago wickelt ihr Booking für Nordamerika ab. Stil: Minimal House, Techno und Electro. Seit 2002 finden Live-Acts mit dem Projekt colophony circuit

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in Kooperation mit der Musikerin Mia Zabelka statt.

Der Stil dieses

Projektes ist „sehr artsy“ und funktioniert v.a. im Hochkulturkontext (z.B. in Museen, im Wiener Konzerthaus oder im Rahmen des Linzer Festivals Ars Electronica). Credibility und Haltung: “Credibility“ ist in ihrer Szene sehr relevant: „[D]iese Propagierung einer Haltung und eines Lebensentwurfes“ ist für sie wichtiges Kriterium, um „irgendein Fantum“ sowohl auf der „Kommerzseite“ als auch auf der „Undergroundseite“) erzeugen zu können. Label/Vertrieb: Seit 2003 betreibt electric indigo ihr eigenes Label indigo:inc. Auf diesem erscheinen bis Anfang 2005 fünf Releases. Der Vertrieb erfolgt über kompakt in Köln/Deutschland. Digitale Technologie und Produktionsprozess: electric indigo sampelt „nicht wirklich gerne“, weil es ihr mehr Spaß macht, „selbst etwas zu basteln“. Wenn, dann „sampelt [sie] sich selber“. Von Anfang hat an sie immer auch auf DAT aufgenommen.

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In Bezug auf Zitate aus Interview mit Kirchmayr/electric indigo (14.5.2003). Die Information wird im Jänner 2005 durch die Website www.indigo-inc.at sowie durch einen Email-Kontakt im Jänner 2005 aktualisiert und verifiziert.

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www.indigo-inc.at (Februar 2005). Gelegentlich treten die Sängerin Barca Baxant sowie die Elektronikkünstlerin Dorit Chrysler mit ihnen auf.

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3. Thomas Rabitsch, Thomas Rabitsch Music Productions/Recording Studios (Produzent)

Berufsbild: Rabitsch ist Produzent und Tonstudiobesitzer von Thomas Rabitsch Music Productions/Recording Studios und kann ausschließlich von seinen Einkünften aus dem Musikschaffen leben. Stil: Alle Stile außer volkstümliche Musik. Digitale Technologie und Produktionsprozess: Rabitsch ist zuerst Live-Keyboarder in verschiedenen Bands und wird durch Aufstockung seines Heimstudios zum professionellen Studioproduzenten. Seine Erfahrung aus Live-Spiel und Improvisation kommen ihm heute in seiner Produzententätigkeit sehr entgegen. Der Vorteil der Digitaltechnik liegt für ihn v.a. darin, dass alle Daten und Parameter speicherbar sind und so nichts verloren geht. Das erleichtert auch die Arbeit an mehreren Projekten gleichzeitig. Als Produzent arbeitet er einerseits als Sound-Berater und andererseits als eine Art „Komponist“. Hinsichtlich seiner Kompositionsaufträge erhält er nur mehr durch sich selbst Feedback. 103

4. ravissa (DJ und Produzentin)

Berufsbild: ravissa lebt zurzeit des Interviews v.a. von Einnahmen als Multimediatrainerin am WIFI. Auflegen ist ebenfalls eine bedeutsame Einnahmequelle. Ihr Ziel ist, LP-Produktionen herauszubringen und damit Geld zu verdienen. Stil: Chicago house, minimal house, techno, break beats, electro bass und jungle. Digitale Technologie und Produktionsprozess: Neben ihrer Rolle als DJ sieht sie sich als Musikproduzentin (deren Rolle sie v.a. als Technikerin versteht) und sie ist als Club-Veranstalterin tätig. Die MusikerInnen spielen die Live-Musik ein und sie als Produzentin arrangiert die Musik am Rechner neu, bessert aus und legt Effekte „darüber“. Ihre Basis ist „auf jeden Fall die digitale Welt“, aber sie benötigt auch analoge Geräte, z.B. hat sie einen Drum-Computer, mit dem sie Drums einspielt. Es ist für sie hörbar, wenn die Musik von einem analogen Gerät kommt. Sie besitzt auch einen „modularen Synthesizer“. Für die Audioprogramme, wie Q-Base, lässt sie sich anfangs von versierten Leuten etwas zeigen. Sie arbeitet vor allem mit dem Pianisten und Keyboarder Dieter Kolbeck zusammen. Wichtig ist für ravissa, „ein bisschen eine Ahnung vom Klavierspielen [zu haben] [...], weil das macht es einfach aus“. Sie kann zwar keine Noten lesen, aber nach Gehör (nach-)spielen. Sie hört sich Platten an, merkt sich Passagen und entwickelt daraus eigene Ideen für eine Produktion. Sie ist Besitzerin eines kleinen Homestudios. Wenn sie ins professionelle Studio geht, kommt sie bereits mit einem fast fertigen Mix zum Bearbeiten hin.

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In Bezug auf Zitate aus Interview mit Rabitsch (15.5.2003). Die Information wird durch die Website www.rabitsch.cc sowie aufgrund eines Emailkontaktes im Jänner/Februar 2005 aktualisiert und verifiziert.

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5. Wolfgang Schlögl alias I-Wolf/Sofa Surfers (Solo- und Bandmusiker, Produzent und 104/105

DJ)

Berufsbild: Allein vom Musikmachen leben kann Schlögl seit 1998. Vorher sichert er seine Existenz durch Jobs in verschiedenen Bereichen. Schlögl ist Solomusiker und Bandmusiker. “Multitasking“ und ein „eigenes Profil“ sind wichtige Komponenten seiner Karriere. Stilfeld/er: Sein Ansatz war und ist „immer der popkulturelle“. Auch wenn er in der elektronischen Musik verortet ist, arbeitet er auch in unterschiedlichen Stilfeldern. Die Band: Sofa Surfers wird 1996 gegründet. Sofa Surfers legt wegen gesundheitlicher Probleme eines Bandmitgliedes drei Jahre bis Herbst 2004 eine Pause ein. Diese Zeit nutzt I-Wolf, seine Sololaufbahn voranzutreiben. Der Prozess zum Solo-Act verändert auch seinen Produktionskontext, er wird zu einer „öffentlichen Figur“, womit er erst umzugehen lernen muss. Label: Schlögl ist sowohl als I-Wolf als auch mit Sofa Surfers beim Wiener Label Klein Records. Technologie und Produktionsweise: 1990 kauft sich Schlögl im Kontext einer Studioauflösung seinen ersten Sampler. 1991/1992 beginnt er sich für die aufkommende Wiener Partykultur zu interessieren. In diesem Umfeld beginnt er mit seiner Band Red Red Rosery, mit digitaler Technologie zu experimentieren. Durch die Verbilligung von digitalem Equipment muss die Band nicht mehr zwingend ein professionelles Tonstudio aufsuchen. Sein Zugang zur digitalen Technolgie ist von kreativer Art. Schlögl besitzt zum Zeitpunkt des Interviews in seinem Homestudio drei Hardware-Stücke: ein Röhrenmischpult, einen -kompressor und einen Equalizer und außerdem einen „fein ‚ge-tuned-ten‘ PC“ (Kostenpunkt insgesamt ca. 10.000 Euro). Er nutzt das digitale Homestudio auch für neue Methoden der Klangerzeugung. Im Homestudio ist es für ihn möglich, einfacher und schneller zu arbeiten als in einem großen professionellen Tonstudio. Er hat Zugang zu zwei Tonstudios, aber das Arbeiten dort ist trotz potenzieller Hilfe von Technikern langwierig und zeitaufwändig. Schlögl besitzt auch ein „virtuelles“ Studio mit seinem Laptop und Mikro. Er spielt Samples „irgendwo“ ein (z.B. für

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In Bezug auf Zitate aus Interview mit ravissa (21.5.2003). Die Information wird durch die Website www.doorbitch.nu im Februar 2005 aktualisiert. In Bezug auf Zitate aus Interview mit Schlögl/I-Wolf (24.11.2004). Die Information wird durch die Websites www.kleinrecords.com sowie www.sofasurfers.net im Jänner 2005 aktualisiert. Schlögl ist nicht als „reiner“ Einzelkämpfer anzusehen, weil er sowohl als Solo-Musiker (und Produzent) als I-Wolf als auch als Bandmusiker der Band Sofa Surfers kreativ tätig ist. Zum Zeitpunkt des Interviews im November 2004 ist er aber durch sein neues CD-Album I-Wolf & Burdy meet the Babylonians in der Öffentlichkeit als I-Wolf präsenter als als „Sofa Surfer“. Daher wird er unter der Kategorie „Einzelkämpfer“ verortet, auch wenn diese Zuordnung (nicht zuletzt durch seine Bandzugehörigkeit) keine eindeutige ist.

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die letzte CD das Bläserorchester Karandilla in Sofia), klärt das aber vorher urheberrechtlich mit den jeweiligen MusikerInnen ab. 5.8.2

Musiker von Rock- und Popbands 106

1. Alex Anders/Seltsam (Band- und Solomusiker)

Band Seltsam: Anders. ist seit 1997 Sänger und Texter der Band Seltsam. Stil: Pop, Rock mit deutschen Texten. Label: Seit 2004 Plattenvertrag mit dem Label Rojam Records. Digitale Technologie und Produktionsprozess: Im Alter von 18 Jahren hat Anders. mit seiner damaligen Band erste Berührungen mit digitaler Musikproduktion, z.B. lernt er zu arrangieren und „in Spuren und Schichten zu denken“. Zugang zum Equipment bekommt die Band über den damaligen Schlagzeuger von Seltsam, der Sohn eines Besitzers eines Secondhand-Musikladens ist. Anders. komponiert und textet vor allem zusammen mit dem Rhythmusgitarristen Hatti. Die Band probt zuerst im Proberaum und nimmt dann im Homestudio auf. Abseits von der Band produziert Anders. alleine mit Keyboard und Sampling. Er entwickelt Vieles zuerst durch Improvisation mit der Gitarre. 107

2. Günther Bernhart/Temple X (Bandmusiker)

Die Band Temple X wird 1994 gegründet. Später ergibt sich eine musikalische Zusammenarbeit und Tour von Temple X mit Frank Tovey aka Fad Gadget ( u.a. auch als Back-Up-Band von Depeche Mode und Triple X), die bis zu Tovey’s plötzlichem Tod im Jahr 2002 andauert. Stil: Rock mit viel Elektronik. Berufsbild: Bernhart sieht sich selbst als „Berufsmusiker“. Diesen Beruf muss er sich aber durch diverse Nebenjobs finanzieren. Seit Jahren ist er als Assistent für verschiedene KünstlerInnen beschäftigt sowie auch beim Theaterbau (Kulissenbau) selbständig tätig. Zusammen mit ihrem Mischer und Tontechniker führt Bernhart organisatorische und Managementaufgaben sowie das Booking durch. Digitale Technologie, Internet und Produktionsprozess: Bernhart komponiert, textet und ist der „kreative Kopf“ der Band. Die Band trifft sich ca. alle drei Wochen für ein paar Tage zum Arbeiten und Proben in Tirol. Im Proberaum nimmt die Band Spuren auf, die Demos entstehen im Homestudio. Bernhart arbeitet mit Laptop und einem kleinem Mischpult, Soundkarte sowie der Software Logic (Kosten alles zusammen ca. 5.000 Euro). Die Bandmitglieder 106

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In Bezug auf Zitate aus Interview mit Anders./Seltsam (22.5.2003). Die Information wird durch die Website www.seltsam-online.com sowie eines Emailkontaktes im Jänner/Februar 2005 aktualisiert und verifiziert. In Bezug auf Zitate aus Interview mit Bernhart/Temple X (3.6.2003). Die Information wird durch die Website www.temple-x.net sowie aufgrund eines Emailkontaktes im Jänner 2005 verifiziert.

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schicken sich gegenseitig MP3s, die sie dann am PC wieder zu einem Gesamtwerk zusammenbringen. Er verwendet das Internet auch zur Zitatrecherche für seine Liedtexte, und die Band nutzt das Internet zur Vor- und Nachbereitung ihrer Proben. 108

3. Sascha Bém/CORE, (ehemals) Paradise Now! (Bandmusiker)

Die Band CORE wird 1991 mit dem Bandnamen Paradise Now! gegründet. 2002 trennt sich die Band vom Sänger Markus; Chris übernimmt den Stimmpart, und die Band benennt sich in CORE um. Stil: „Kerniger Rock“ mit englischen Texten. Die musikalische Ausrichtung liegt im „physischen Bereich:“ Schlagzeug, Bass, Gitarre, Gesang. Das Hauptaugenmerk liegt auf Songs. Label: 1996 geht die Band einen Deal mit BMG Ariola Austria ein. Das erste Album erhält Airplay in ganz Europa sowie auf 62 amerikanischen Radiostationen. Die Zusammenarbeit zwischen Paradise Now! und BMG Ariola Austria endet 2000. Insgesamt entstehen bei BMG 2 Album-Releases. CORE hat für sein neues Album away mit dem französischen Label XIII Bis Records (ab 2002) einen „Lizenzdeal“ für Europa und mit einem amerikanischen Agenten einen „Repräsentationsdeal“ für Amerika. Nach ausständigen Zahlungen kündigt CORE im Herbst 2004 das Vertragsverhältnis mit XIII Bis Records (Vertrieb: in Österreich bei Edel). Berufsbild: Neben dem Musikmachen lebt Bém von Jobs in Marketingbereichen. Bém ist der organisatorische Kopf der Band. Eine Zeit lang leistet sich die Band ein professionelles Management, aber da das Delegieren von Aufgaben zeitaufwändig und komplex ist, gibt sie diese Kooperation wieder auf. Digitale Technologie und Produktionsprozess: Die Komposition entsteht „Old-School-mäßig“ im Proberaum mit Instrumenten und Stimme. Die Herangehensweise an eine Produktion ist, dass zuerst Vieles über Improvisation in der Band entwickelt wird. Da der Gitarrist auch singt, kommen oft Ideen von ihm vorab, bevor der Rest der Band einsteigt und damit weiterarbeitet. Beim Aufnehmen arbeitet die Band digital, weil es einfacher, billiger und schneller ist. Das verändert die ästhetische Komponente ihrer Musik aber nicht. Was sich durch die Digitalisierung verändert, ist „eine gewisse Non-Chalance mit der Aufnahme“, das heißt, dass nicht mehr „alles heilig“ ist, weil der Materialaufwand nicht mehr so viel kostet. Später arbeitet CORE für bestimmte Projekte wieder absichtlich analog, je nachdem, was besser zum jeweiligen Projekt passt. Die Band besitzt eine „sehr kleine, kompakte RecordingEinheit“, die aber nur zur Pre-Production dient. Das heißt, dass CORE im Proberaum schreibt und Layouts aufnimmt. Bevor sie ins Studio gehen, haben sie bereits ein komplettes Album aufgenommen, das vom Sound her schon relativ weit gediehen ist.

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In Bezug auf Interview mit Bém/CORE (Ende Mai 2003). Die Information wird durch die Website www.corecosmos.com sowie durch einen Emailkontakt im Jänner/Februar 2005 aktualisiert und verifiziert.

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4. Peter Legat/Count Basic (v.a. Bandmusiker)

Count Basic: Peter Legat (Gitarre) ist „Mastermind“ dieser Big-Band. Stil: Soul, R’n’B, Funk, Acid Jazz, Jazz. Label/Vertrieb: Das (frühere) Independent Label der Band Spray Records wird im laufenden Vertrag an den Major BMG verkauft. Wegen der dadurch erhöhten Produktions- und PR-/ Marketingkosten bleiben weniger Gewinne als zuvor übrig. Die Verkaufszahlen der Releases sind zwar recht hoch, aber für einen Major noch immer „Peanuts“. Der Vertrieb ist beim Album Bigger & Brighter in Österreich positiv zu bewerten und die Band bekommt genügend Produktions- und Marketingbudget. Die Schwierigkeiten in Promotion und Vertrieb beginnen für Legat, sobald er die Grenzen Österreichs verlässt. Berufsbild: Legat könnte ausschließlich vom Musikschaffen leben. Das Standbein Lehre am Institut für Popularmusik ist aber eine zusätzliche Basis. Er ist in der internationalen Jazzszene bekannt. Sein Manager ist Alexander Spritzendorfer und sein Booker Andy Haring. Verlag: Um die Einnahmen aus Tantiemen nicht mit einem Verlag teilen zu müssen und um die eigenen Rechte selbst zu verwalten, hat Legat seine eigene Edition gegründet. Digitale Technologie und Produktionsprozess: Das Album Bigger&Brighter wird gänzlich digital aufgenommen und bearbeitet. Unangenehm mit der Digitalisierung verbunden ist für Legat eine Tendenz zum Ausufern der Arbeit: „du [hast] jetzt von den Spuren her überhaupt kein Limit mehr“. Gleichzeitig ist die Produktion aber billiger geworden. Seine Songs schreibt er nach wie vor mit Hilfe der Gitarre. Er produziert in kleinen Einheiten vor. Die Demos funktionieren bereits im Homestudio und wenn es darum geht, z.B. Gesang, Gitarre oder Bläser ernsthaft aufzunehmen, geht er in ein Arbeitsstudio. 110

5. Harry Gandler und Mastic Will/Mastic Scum (Bandmusiker) Band Mastic Scum wird 1992 gegründet.

Stil: Deathmetal, Hardcore und Grindcore (mit englischen Texten). Berufsbild: Die Tätigkeit des Musikschaffens steht bei allen Bandmitgliedern im Verhältnis zum Brotberuf ca. 50:50. Für Harry ist die IT-Branche und für Will ist Eventmanagement zusätzliches Standbein. Um die wesentliche organisatorische Arbeit in der Band kümmert sich Harry, z.B. um Konzertmanagement, allgemeine Anfragen, und Email beantworten sowie „Cover Artworks oder Homepagegestaltung“. Will kommuniziert v.a. mit VeranstalterInnen und unterstützt die Band hinsichtlich Promotion. Das Booking macht Bruchstein Records.

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In Bezug auf Zitate aus Interview mit Legat/Count Basic (19.5.2003). Die Information wird durch die Website www.countbasic.com sowie aufgrund eines Emailkontaktes im Jänner 2005 aktualisiert und verifiziert.

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Label: Fünfzehn Releases entstehen (bis Anfang des Jahres 2005) (Tapes, EPs, CD-Albums, sowie Split-Eps, -tapes, und -CDs (mit einer zweiten Band)) bei etlichen Labels: Rodel Records, Obliteration Rec. (Japan). Ohne Maulkorb Prod. (Österr.), Epidemie Prod. (Tschech. Rep.), Fecal Forces Prod./Sad Tapes (Slov.), Shindy Prod. (Tschech. Rep.). Noise V. (Deutschland) sowie Demonware Rec. (Wien). Die Band lässt sich zumeist nur auf eine oder maximal zwei Produktion/en mit einem Label ein und geht bei jedem weiteren Release zu einem größeren Label. Eine Ausnahme ist das deutsche Label Cudgel Agency, bei dem sie seit 2002 unter Vertrag sind. Das Label übernimmt Studiokosten, Produktion und die gesamte Promotion. Ihr Vertrieb ist Twilight Vertrieb. Produktionsprozess: Die Band probt wie eine Rockband im herkömmlichen Proberaum. Songstrukturen kommen durch Ideen von den einzelnen Bandmitgliedern und werden dann von der Band ausgearbeitet. Andererseits „jammen“ sie manchmal einfach „darauf los“ und entwickeln auf diese Weise ihre Songs. Die Band hat sowohl in Wien als auch in Zell am See einen Proberaum. Der Schlagzeuger besetzt zum Proben ein digitales Schlagzeug zu Hause, um die Nachbarn nicht mit Lärm zu belästigen. Die Produktion des neuen Albums mind erfolgt im Recordable Studio in Niederösterreich. 111

6. Mex Wolfsteiner/Trio Exklusiv, ehemals SR-Archiv (Bandmusiker)

Die Band Trio Exklusiv beginnt zuerst als Trio, wird aber durch das neue Bandmitglied Martin Zrost zum Quartett. Stil: Eine Mischung aus Elektronik und Live-Instrumenten sowie Jazz, Disco, Pop und Soundtracks mit mexikanischen Einschlägen, aber vom Stil her sehr offen. Label: Trio Exklusiv veröffentlicht bei den Labels Geco Tonwaren/Vertrieb Hoanzl, Intonation Recordings/Virgin Records Austria und Universal Music Austria. Berufsbild: Musik ist zwar sein Hauptstandbein, reicht aber für ihn selten allein zum Lebensunterhalt. Wolfsteiner arbeitet ca. 6 Jahre lang Teilzeit im SR-Archiv, das er im Februar 2004 verlässt Für das Trio Exklusiv übernimmt er Bandmanagementagenden sowie das Booking für Österreich. Digitale Technologie und Produktionsweise: Am Anfang ist das Erlernen der notwendigen Programme (Protools, Cubase oder Logic) für Wolfsteiner zeitaufwändig. Durch die digitale Technologie hat er die Möglichkeit Musik zu komponieren. Er besitzt zu Hause ein elektronisches Schlagzeug, auf dem er die Sounds einspielt, Wolfsteiner spielt aber vor allem akusti-

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In Bezug auf Zitate aus Interview mit Gandler und Mastic Will/Mastic Scum (8.9.2003). Die Information wird durch die Website www.masticscum.com sowie eines Emailkontaktes mit Gandler im Jänner 2005 aktualisiert und verifiziert. In Bezug auf Zitate aus Interview mit Wolfsteiner/Trio Exklusiv (20.5.2003). Die Information wird durch die Website www.trioexklusiv.at sowie eines Emailkontaktes im Jänner 2005 aktualisiert und verifiziert.

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sches Schlagzeug. Den Großteil seines Materials produziert er, indem er im Studio ins Mikrofon einspielt und sich „selbst sampelt“, das heißt, er schneidet seine eigenen Drumloops. In der Folge arbeitet er am Computer mit Einzelspuren weiter. Durch das Homestudio fällt der Zeitdruck im professionellen Studio weg. Auch kann die laufende Produktion ständig verbessert bzw. an ihr weitergearbeitet werden. 5.8.3

Musiker von Bands elektronischer Musik

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113

1. Martin Brandlmayr/radian (Band- und Solomusiker)

radian: Brandlmayr ist seit 1996 Schlagzeuger, Vibraphoner und Computermusiker der Band radian sowie in anderen kollektiven Formationen und Soloprojekten tätig. Stilfeld: Elektronische Musik, eine Art „Funk“ mit akustischen Inhalten. Label: Veröffentlichungen erscheinen von radian bei den Labels rhiz, mego und dem Chicagoer Label Thrill Jockey. Mit kapital band 1 ist Brandlmayr auch beim jungen Wiener Elektroniklabel mosz. Berufsbild: Brandlmayr ist hauptberuflich Musikschaffender und kann ausschließlich davon leben. radian teilt sich die anfallende organisatorische Arbeit teilweise untereinander auf. Zu einem gewissen Grad ignoriert Brandlmayr aber zu viel organisatorische Arbeit. Diese „Dilettantenmethode“ ist für sein künstlerisches Überleben notwendig, um sich dafür frei zu spielen. Für Networking muss er aber viel Zeit investieren. Innerhalb der Band radian ist er für die Organisation der Reiseinfrastruktur verantwortlich. Stefan Nemeth führt die meisten offiziellen Organisationsangelegenheiten von radian durch. Das Booking läuft für Europa (aber nicht für Deutschland) über die Booking-Agentur von mego, ansonsten über Thrill Jockey sowie Danilo Pellegrinelli. Digitale Technologie und Produktionsprozess: Seit dem dritten Jahr seiner Musikausbildung beschäftigt sich Brandlmayr mit Sampling-Technologie. Seinen ersten Sampler kauft er sich 1993. Die sich dadurch eröffnenden Audiomöglichkeiten sind zu Beginn verwirrend. Innerhalb radians experimentieren sie damit, wie akustische Instrumente an die Elektronik angenähert werden können sowie umgekehrt. Brandlmayr setzt sich damit auseinander, wie er durch das Schlagzeug (v.a. mit “Brushes“) Grundelemente elektronischer Klänge herstellen kann, z.B. „weißes Rauschen“. Manchmal besteht sein Zugang vor allem über Improvisation, aber insbesondere radian-Stücke sind oft zur Gänze durchkonstruiert. Meist ist es „ein Zwiegespräch zwischen den akustischen und den elektronischen Instrumenten, aber das Endergeb-

112

113

Brandlmay/radian tritt sowohl als Band- als auch als Solomusiker auf. Da er als Musiker mehr über die Band als über ihre Soloperformanz auftritt, wird als „Bandmusiker“ klassifiziert. In Bezug auf Interview mit Brandlmayr/radian (14.5.2003). Die Information wird durch die Website www.radian.at aktualsiert und durch Emailkontakt im Jänner 2005 verifiziert.

124

nis ist komplett fixiert“. Er arbeitet immer schon im akustischen Bereich, u.a. verwendet radian fast nur mehr analoge Synthesizern, weil die sich im Gegensatz zu digitalen Synthesizer durch eine „Tiefe vom Klang soundmäßig selber tragen können“. Grundsätzlich ist die Produktion fertig, bevor radian ins Studio geht, um aufzunehmen. Dort nimmt die Band die akustischen Instrumente, also Bass und Schlagzeug auf. Sonst wird im Studio nur gemischt und gemastert, aber beides nicht zwingend im selben Studio. Die ersten zwei Alben produziert radian im Studio Amann in Wien, die letzte CD-Produktion rec.extern mit einem Tonstudio in Chicago. 114

2. Stefan Trischler/Kaputtnicks, FM4-Soundpark (Bandmusiker und Produzent) Band Kaputtnicks wird 1996 gegründet. Stil von Kaputtnicks: HipHop, Rap

Label/Vertrieb: Label: Duck Squad und Geco Tonwaren,Vertrieb: Hoanzl und Soul Seduction Vienna. Berufsbild: Trischler verdient seinen Lebensunterhalt hauptsächlich durch seine Tätigkeit als freier Dienstnehmer bei FM4-Soundpark, der im Kontext des Radiosenders FM4 zu einer der wichtigsten Web-Adressen für viele Musikschaffende alternativer Musik wurde (siehe Kap. 10 und 12). Digitale Technologie und Produktionsprozess: Trischler lernt als Jugendlicher etwas Klavier, Schlagzeug und Gitarre. Für ihn folgt das Musikmachen am Computer aber „anderen Gesetzen“. Der Produzent ist für ihn v.a. „Handwerker“, der “production skills“ benötigt. Durch das eigene Heimstudio ist es möglich, länger „die Sachen ausreifen lassen“. Es ist nicht mehr notwendig, im Studio das Aufnehmen „auf zwei Tage zu limitieren, weil es so viel kostet“ mit der Konsequenz, „dass die Leute ein bisschen experimentierfreudiger werden“. 115

3. Vlado Dzihan/dZihan & Kamien, Couch Records (Bandmusiker, Produzent und DJ)

dZihan & Kamien und Couch Records: Seit 1997 ist Dzihan Teil des Duos dZihan & Kamien und Mitbetreiber von Couch Records. Stil: “Urban Music“ mit Einflüssen aus Funk, Jazz und orientalischem Folk. Label: Couch Records, vor der Labelgründung (zusammen mit Mario Kamien) als Band Mc Sultan bei Spray Records unter Vertrag, welches von BMG gekauft wurde, daher gründet dZihan gemeinsam mit Oliver und Mario Kamien selbst das Label Couch Records.

114

115

116

In Bezug auf Zitate aus Interview mit Trischler/Kaputtnicks/FM4-Soundpark (4.6.2003). Die Information wird durch die Website www.webbeatz.de/Members/kaputtnicks-main.htm Anfang 2005 aktualisiert. Ein Teil der Information dieses Profils beruht auf einer Emailbefragung, die mit Dzihan im Herbst 2003 durchgeführt wird und Anfang 2005 durch Informationen auf der Websites www.couchrecords.com und www.departure.at aktualisiert wird.

125

Vertrieb: Soul Seduction, beim fünften Studio-Album Fakes erfolgt der internationale Vertrieb durch Couch Records selbst (der nationale weiterhin durch Soul Seduction).

117

Berufsbild: dZihan kann ausschließlich vom Musikberuf leben und ist seit 1997 Mitinhaber des Labels Couch Records. Produktionsprozess: Für das vierte CD-Album Gran Riserva (2002) arbeiteten dZihan & Kamien mit MusikerInnen aus verschiedenen Kulturkreisen (in Wien, London, Istanbul und Tos118

kana) sowie mit ihren Vätern zusammen.

Dieses Album verkaufte (bis Jänner 2005) welt-

weit ca. 50.000 Stück. Im Februar 2005 kommt von dZihan&Kamien das fünfte Album Fakes heraus. 119

4. Daniel Wisser/Erstes Wiener Heimorgelorchester (Bandmusiker)

EWHO: Das EWHO wird 1994 von Thomas Pfeffer, Jürgen Plank und Florian Wisser gegründet. Die gesamte Band spielt auf Heimorgeln, die mit einer Begleitautomatik ausgestattet sind, welche auch den Rhythmus vorgibt (z.B. „Tango“, „Bossa“, „Rock“). Die Orgeln reproduzieren den Pop-Sound der Hitparade vor 10 bis 15 Jahren. Im September 2005 veröffentlicht das EWHO sein drittes CD-Album AUTO PLAY, das im Sept. 2005 im Burgtheater Kasino Live-Prämiere hat. Stil: Das EWHO ist auf keinen Stil festgelegt, es spielt aber v.a. Pop und Dance-Music und insbesondere deutsche aber auch englische Texte. Berufsbild: Alle vier EWHOs leben mit Ausnahme ihres Akademietheater-Engagements eher rudimentär von ihrer Tätigkeit und den Einnahmen aus dem EWHO. Von Oktober 2004 bis Juni 2005 (sowie darüber hinaus im September 2005) ist das EWHO für das Stück Untertagblues

120

am Akademietheater für die Musikproduktion und -Live-Auftritte engagiert. Das

EWHO befindet sich an der Schnittstelle zwischen Amateur- und professionellem Bereich. Die Frage nach einer weiteren Professionalisierung stellt sich v.a. auch durch die aktuelle Theaterproduktion und -performance, die zu Mehreinnahmen führt. Ansonsten bestreiten sie ihren Lebensunterhalt mit anderen Jobs, v.a. im Kulturbereich, aber auch in anderen Feldern. Wisser ist als Programmierer sowie als Autor und Verleger tätig.

116 117 118 119

120

vgl. Zitate aus Interview mit Oliver Kamien. In: Sound & Media No 1 (Jänner 2005), 14-15. Ebenda. vgl. Schilhart, Roman: „Prome Cuts: dZihan & kamien.“ http://fm4.orf.at/station/97756/main (19.1.2003). In Bezug auf Zitate aus Interview mit Wisser/EWHO (12.11.2004). Die Information wird durch die Website www.ewho.at sowie eines Emailkontaktes im Februar 2005 aktualisiert und verifiziert. Untertagsblues ist vom Autor Peter Handke geschrieben und der Regisseurin Friederike Heller inszeniert.

126

Label/Vertrieb: Zwei CD-Alben (Die Affen (2002) und Wir haben nur die Orgeln von unseren Kindern geerbt (2003)) und eine CD-Single werden über die Labels Trost und Plag dich nicht und das dritte CD-Album Auto Play (2005) über Plag dich nicht vertrieben. Digitale Technologie und Produktionsprozess: Die Heimorgel und deren Klangspektrum bestimmt stark den Stil und den Charakter dieser Band, der auch als „Synthie-Pop“ bezeichnet werden kann. Entweder entwickeln die einzelnen Bandmitglieder ihre Ideen für sich und tragen sie dann in die Gruppe hinein oder ein Song entsteht durch Improvisation in der Gruppe. Drei der „EWHOs“ haben über die Jahre zu Hause ein kleines Heimstudio aufgebaut. Ihr Ethos ist, dezidiert kein Sampling zu verwenden. Mit MIDI arbeiten sie „ausdrücklich nicht“. Das Keyboard, auf dem gespielt wird, soll auch der Tongenerator sein. Im Laufe der Zeit geht es zunehmend um „Professionalismen“, u.a. darum wie eine Aufnahme klingen soll, damit sie „gut“ klingt, oder um die Kohärenz der einzelnen Nummern auf einer CD-Produktion. Im Unterschied zum ersten Album erhalten das zweite und dritte Album durch das Tonstudio Amann ein Mastering. 5.8.4

Resümee Fallbeispiele MusikerInnen

Produktionsprozess und digitale Technologie in elektronischer Musik und Pop/Rock Vergleicht man die interviewten Rockmusiker mit den ElektronikerInnen hinsichtlich des Produktionsprozesses, so zeigt sich, dass in der Rockmusik einige MusikerInnen noch relativ „traditionell“ produzieren. Bei etlichen Bands und SolokünstlerInnen sowohl im Pop-/RockBereich als auch in der elektronischen Musik (darunter solche, die als typische „ElektronikerInnen“ gelten) überwiegen aber Mischformen aus analogen/akustischen und digitalen Produktionsweisen. Außer einer Band arbeiten alle dargestellten Musikschaffenden (auch die Pop-/Rock-Bands) – mehr oder weniger – musikproduktionstechnisch bereits im digitalen Homestudio. Die digitale Produktionstechnologie nimmt aber bei den ElektronikerInnen signifikanten Einfluss auf die Ästhetik der Produktion, während bei den Pop-/RockmusikerInnen die Ästhetik relativ unberührt bleibt. Es finden sich darunter aber auch Pop-/Rock-Bands, bei denen die digitale Technologie bereits Einfluss auf die Ästhetik nimmt. EinzelkämpferInnen: ElektronikerInnen, ProduzentInnen und DJs Fünf MusikerInnen lassen sich als EinzelkämpferInnen bezeichnen, und sind zusätzlich auch als ProduzentInnen tätig. Vier von ihnen können eindeutig im Stilfeld elektronische Musik verortet werden. Außerdem arbeiten drei von ihnen auch als DJs (wenn auch von der Intensität und dem Einkommen her verschieden). Diese Kombinationen sind keinesfalls zufällig: sowohl ProduzentInnen als auch DJs gehen produktionstechnisch bedingt tendenziell „einsamere“ Wege. Sie arbeiten vor allem als singuläre Einheiten sowohl in kreativer als auch wirtschaftlicher Hinsicht und können als Cultural Entrepreneurs bezeichnet werden.

127

MusikerIn als Hauptberuf Jene interviewten MusikerInnen, die ausschließlich von ihrem Einkommen aus Musikschaffen leben (die zum großen Teil der Kategorie „EinzelkämpferInnen“ zuzurechnen sind), können das nur, weil sie “Multitasking“ betreiben. Das heißt, sie generieren in verschiedenen Bereichen Einkommen, insbesondere durch Tonträgerverkauf, Live-Konzerte, DJing, Produktionsaufträge sowie durch Aufträge für Film und Fernsehen. Gleichzeitig sind sie alle seit langer Zeit im Musikgeschäft tätig. So haben sie es über viele Jahre geschafft, sich einen Namen zu machen und erhalten von Medien auch die nötige Aufmerksamkeit. Selbst diese MusikerInnen, die durch Musikschaffen ein relevantes Einkommen generieren können, sind aber keine “Stars“. Sie sind nicht „reich“ und müssen kontinuierlich und hart weiterarbeiten, um auch in Zukunft einigermaßen im Musikgeschäft „mitzuspielen“. Allein die Medienpräsenz führt heute selten dazu, dass ein Act sich auch entsprechend gut auf Tonträgerebene verkauft. Nur 85 % aller in Österreich produzierten Alben erwirtschaften die Produktionskosten, nur an die 10 % erreichen den “Break-Even“ und überhaupt nur 5 % wer121

fen Gewinne ab.

Diese Problematik zeigt sich gut am Beispiel der Wiener elektronischen

Musikszene. Diese Szene hat es v.a. über internationale Umwege und Festivals wie Phonotaktik in den 90er Jahren geschafft, auch in Österreich entsprechende mediale Aufmerksamkeit zu erhalten (siehe auch Kap. 7 u. 10). Zum Beispiel Schlögl/I-Wolf sieht eine Diskrepanz zwischen der relativ hohen Aufmerksamkeit, die er von Medien erhält, und seinem tatsächlichen Einkommen als Musikschaffender. Viele Leute kennen zwar seine Musik, das heißt aber 122

nicht zwingend, dass sie auch seine Tonträger kaufen , was kein untypisches Schicksal von Musikschaffenden der Wiener elektronischen Musikszene darstellt. Szene als „goldener Käfig“ Schlögl sieht seine Verortung in der Wiener elektronischen Musikszene zwiespältig: einerseits bedeutet sie „Heimat“ (die auch Einkommen ermöglicht), andererseits riskiert er, dass seine „wahre Szenegefolgschaft wegbricht“, wenn er versucht, ein breiteres Publikum anzusprechen. Wisser thematisiert im Interview Ähnliches für das Erste Wiener Heimorgelorchester (EWHO), das sich stilistisch nie sehr festlegen wollte. Aber auch für das EWHO ist es schwierig, aus „der Elektronikschiene in Wien überhaupt einen Weg“ herauszufinden. Promotion und Marketing findet bisher v.a. über persönliche Netzwerke innerhalb dieser Szene 123

statt.

Damit sind – je nach Kontext und Karrierestufe von einzelnen Musikschaffenden –

Chancen und Risiken verbunden. Einerseits ermöglicht die Überschaubarkeit einer Musik121

122 123

vgl. „Morak: Musikfonds soll den Kreativstandort Österreich fördern.“ Aktuelle Meldungen Bundeskanzler amt Österreich 4.7.2005. In Bezug auf Zitat aus mit Schlögl/I-Wolf. Zitat aus Interview mit Wisser/EWHO.

128

szene das Netzwerken untereinander. Andererseits birgt die Kleinheit einer Szene als stilistisches, ökonomisches, aber auch soziales Feld die Gefahr der Selbstbezogenheit. Daher bestehen v.a. zwei wesentliche Hürden für Musikschaffende im Zusammenhang mit einer Musikszene: Einerseits gibt es eine Hürde für so genannte Newcomer, Zugang zu einer Szene zu finden, sich in ihr zu integrieren, einen Namen zu machen und damit verbunden genügend “Credibility“ aufzubauen, die sich eventuell auch in signifikanten Einkommensflüssen bemerkbar macht. Andererseits besteht eine Hürde für bereits in der Szene etablierte Musikschaffende, ab einem gewissen Erfolgsniveau neue Publikumsschichten auch außerhalb der Szene (und v.a. auf internationalen Märkten) zu erreichen. Darüber hinaus kann es, vor allem im Zusammenhang mit zunehmender Konkurrenz, für etablierte Musikschaffende schwierig sein, ihr bereits erreichtes Level zu halten. Einzelkämpfertum Das Einzelkämpfertum bzw. die Einheit von Kunstschaffen und Ökonomie ist vor allem in der elektronischen Musikszene (v.a. in Wien) keine Seltenheit. Auch wenn für Newcomer diese Strategie Sinn macht, weil sie ihre Produktions- und Marketingkosten niedrig hält, birgt sie auf Dauer ökonomische Probleme, da das Erreichen der nächsten Karrierestufe erschwert wird. Dazu bedarf es einer arbeitsteiligen Vorgangsweise, in einem professionellen Team, z.B. mit KünstlerIn, Label (und/oder Verlag), professionellem Management und Booking124

Agentur.

Außerdem hat die Einzelkämpferstrategie nicht nur Auswirkungen auf einzelne

Musikschaffenden, sondern auch auf die Musikszene insgesamt. Ein Resultat ist, dass der notwendige Wissenstransfer, der für den Aufbau von Netzwerken und von neuen Kooperationen (und damit verbundenen Projekten) notwendig wäre, nicht stattfindet. Angesprochen ist insbesondere der Wissens-Transfer von „alten Hasen“ zu Newcomern. So genannte „Monopolisierung“ von Wissen von wenigen „Alten“, die schon lange Zeit im Geschäft sind, bremst auch die Innovationspotenziale und Weiterentwicklung einer gesamten Musikszene sowohl in kreativer als auch ökonomischer Hinsicht (siehe auch Kap. 7).

124

In Bezug auf Zitat aus Interview mit Mitter/miooow.

129

6

MusikmanagerInnen und -verlegerInnen

6.1

MusikmanagerInnen

Artist-ManagerInnen positionieren das Repertoire der Musikschaffenden am nationalen und/oder internationalen Markt. Außerdem übernehmen sie für die Musikschaffenden die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Tätigkeiten, damit sich diese vor allem auf den kreativen Arbeitsprozess konzentrieren können. Trotz des finanziellen Mehraufwandes, der für Leistungen von Musikmanagements aufzubringen ist, kann die professionelle Arbeitsteilung und Marktpositionierung von Musikschaffenden auf längere Sicht zu Mehreinnahmen führen. Primäre Voraussetzung dafür ist, dass ein realistisches Marktpotenzial der jeweiligen Musikschaffenden besteht. Aber nur äußerst wenige österreichische Musikschaffende verfügen über ausreichend Kapital, um sich ein professionelles Management leisten zu können. Erst diejenigen Musikschaffenden, die die nächste oder übernächste Karierestufe erreichen, können sich auch eine/n ManagerIn leisten. Andererseits fehlt es durch den generellen Mangel an MusikmanagerInnen auch an einer österreichischen Managementkultur, die solch eine „professionelle“ Beziehung zwischen Musikschaffenden und ManagerInnen befördert. Auch diese Geschäftsbeziehung wird oft über einen Vertrag geregelt. Ein zu klärender Punkt für einen Managementdeal ist zum Beispiel, welche Seite die Produktions- und Marketingkosten 125

vorstreckt und nach welchem Schlüssel die PartnerInnen am Gewinn beteiligt werden.

Management ist ein vielfältiges Tätigkeitsfeld und umfasst nicht nur die Ausübung wirtschaftlicher Aufgaben (wie Auswahl und Beauftragung von Tonstudios und Vertrieben, PR etc.), sondern auch „persönliche Beratung“ von Musikschaffenden „in allen Fragen bis zur 126

Karriereentwicklung“ . Zu den Kompetenzen von ManagerInnen gehört auch die Fähigkeit der Marktanalyse und des Projektmanagements. Management beinhaltet außerdem Arts & Rerpertoire-Management und -Consulting. ManagerInnen übernehmen den Aufbau und die Koordination des gesamten Produktionsteams

127

und erfüllen neben Projektmanagement auch

Kommunikations- und Netzwerkfunktionen. Das generelle Manko in der wirtschaftsbezogenen Ausbildung von Musikberufen wirkt sich negativ auf die Qualität von Musikmanagements aus. Dieser Mangel wird nun durch neue Ausbildungen, einerseits einem postgradualen Lehrgang in Musikmanagement an der privaten Donauuniversität Krems und andererseits einem Lehrgang zum/r Musikkauffrau/-mann, der

125 126 127

In Bezug auf Zitat aus Interview mit Wildner/wildnermusic. In Bezug auf ebenda. Ebenda.

130

von der deutschen Business Akademie für Medien, Event und Kultur (Ebam) in Kooperation mit dem Wiener Label Blankton in Wien angeboten wird, zum Teil behoben. 6.2

MusikverlegerInnen & -publisherInnen

Musikverlage erteilen Nutzungsrechte an einem Musikwerk für VeranstalterInnen, Rundfunkstationen, Film&Video-Industrie sowie neuerdings an neue MusikanbieterInnen, wie OnlineHändlerInnen und MobilnetzbetreiberInnen. Zusätzlich sind Verlage für Promotion der Veröffentlichungen von Werken und für die Kontrolle der Geldflüsse (vor allem in Form von Tantiemen aus Sende- und Aufführungsrechten) zuständig. Die Major Labels haben jeweils ihre eigenen Musikverlage, aber auch viele Independent Labels sind selbst als Verlage tätig (siehe Kap. 7). Einige Musikschaffende geben ihre Verlagsrechte (Urheberrechte) und deren Kontrolle aber nicht aus der Hand. In der digitalen Mediamorphose wird die Aufteilung in Verlag versus Plattenfirma zunehmend obsolet. Die traditionelle Trennung von verschiedenen Aufgabenbereichen, die bisher auf Verlag und Label aufgeteilt waren, wird damit weniger zweckmäßig (vgl. Renner 2004, 276). Die Entwicklung weg vom physischen Tonträger hin zur virtuellen Musik (v.a. Internetund Handy-Music) wird eine Stärkung von Verlagsrechten bewirken. Wenn die Umsätze aus Tonträgern zurückgehen, weil weniger Nachfrage besteht, dann bleiben die Einnahmen aus 128

den Lizenzierungen, daher Urheberrechten, übrig.

Ein wichtiger Aspekt davon ist, dass die

Verlagsrechte „wesentlich länger als die Musiklabelrechte“ (Leistungsschutzrechte)

129

andau-

ern. Die Verlagsrechte (die auf dem Urheberrecht basieren) währen bis siebzig Jahre nach Ableben einer/s Komponisten/in,

130

die „Labelrechte“ (bzw. Leistungsschutzrechte) aber nur

bis fünfzig Jahre nach der Aufnahme/Veröffentlichung. Verlage verdienen somit länger als Musiklabels an Musikrechten. Außerdem gewinnen für die Verlage neue Einnahmequellen durch Lizenzen mit neuen MusikverwerterInnen, wie z.B. für Handy-Klingeltöne, an Bedeutung. Diese Märkte im Music-Online- und Mobilnetzbereich sind erst im Entstehen und lange 131

noch nicht ausgeschöpft.

128 129 130

131

Oft laufen die neuen Auswertungsformen über Verlage und nicht

In Bezug auf Zitat aus Interview mit Wolfsteiner/SR-Archiv/Trio Exklusiv. Zitat aus und In Bezug auf Zitate aus Interview mit Büchel/music channel. § 60 UrhG: „Das Urheberrecht an Werken der Literatur, der Tonkunst und der bildenden Künste [...] endet 70 Jahre nach dem Tod (31. Dezember des Sterbejahres) des Urhebers [...] 50 Jahre nach Vortrag oder Aufführung bzw. Veröffentlichung für die Verwertung auf Bild- und Schallträger.“ Der Verkauf von Klingeltönen führt zurzeit zu mehr Einnahmen als aus Music-Downloads. Der MusicDownload-Preis liegt meist bei ca. 99 Cent, während ein Klingeltonpreis bei 2 bis 3 Euro liegt. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Wildner/wildner music.

131

über Labels, z.B. wenden sich Markenartikelfirmen gerne direkt an den Verlag, um zu lizen132

zieren.

Eine Studie von Mediatime (2002) stellt fest, dass sich Verlage in Zukunft auch mehr in Produktfinanzierung einbringen und sich weitergehend als bis jetzt um die Auswertung von Rechten kümmern werden müssen: „Bisher sind oft Verlage zu den Rechten ohne eigenes Barinvestment, z.B. durch Promotionleistungen, Künstlerbetreuung usw. gekommen, die der Längerfristigkeit des Urheberrechts (70 Jahren post mortem actoris) gegenüber den Künstler- und Produzentenleistungsschutzrechten (50 Jahre nach Aufnahme bzw. Veröffentlichung) nicht gerecht werden. Ein Schwerpunkt wird daher auf das Sammeln und gemeinschaftliche Auswerten solcher, oft nachliegender Rechte zu legen sein.“ (Mediatime 2002, 22)

Um den Wert der Musik zu steigern, werden die Musikverlage in Zukunft mehr dazu beitragen, den Namen des/r KünstlerIn mit aufzubauen. Verlage übernehmen daher in Zukunft Funktionen von Musiklabels, wie finanzielles Investment, A&R, Künstlermanagement, PR und Marketing von Musikwerken und extensivere Auswertung von Musikrechten.

133

Somit

verwischt sich die Aufteilung in „Tonträgerfirma“ und „Verlag“. Zugleich betreiben VerlegerInnen ihre eigenen kleinen Labels, und umgekehrt betreiben LabelinhaberInnen ihren 134

eigenen Verlag. 6.3

Fallbeispiel ManagerIn und VerlegerIn

Wildner Music

135

Günther Wildner bietet Musikmanagement, Promotion, Booking, und Sponsoring an und arbeitet auch als Verleger. Seine Stilfelder, in denen er arbeitet, sind Pop, Jazz und Cross-Over. Der Songwriter Thomas Raab ist zurzeit des Interviews sein Haupt-Act, für den er exklusiv als Manager arbeitet. Raab bewegt sich in den Segmenten „Song“ und „Pop“.

136

Alleine vom

Künstlermanagement könnte Wildner aber nicht leben. Ein wesentliches Einkommen generiert er nur, weil er „sehr viele Dinge zugleich“ anbietet: u.a. CD-Promotion, Verfassen von

132 133 134 135

136

In Bezug auf Zitate aus Interview mit Wildner/wilndermusic. In Bezug auf ebenda. Ebenda. Die Information beruht v.a. auf Interview mit Günther Wildner/wildner music (29.11.2005), welche durch die Website www.wildnermusic.com sowie durch einen Emailkontakt im Feb. 2005 aktualisiert und verifiziert wird. Weitere Acts, die Wildner betreut, sind hocky, swete, king 5, und roadhouse. www.wildnermusic.com (Februar 2005).

132

Subventionsanträgen, Booking, Sponsoring für Plattenlabels oder KünstlerInnen. Gleichzeitig betätigt er sich in der Verbandsarbeit im Musikrat und in der Musikergilde und arbeitet als externer Mitarbeiter für das Institut für Popularmusik. Das heißt, auch er betreibt “Multitasking“ zu seiner ökonomischen Absicherung. Der Nachteil der Breite seines Tätigkeitfeldes ist, dass seine Spezialisierung leidet. Wildner würde sich gerne mehr auf Künstlermanagement konzentrieren. Seine Firma Wildner Music ist auch ein Verlag. Die Idee hinter dem Verlag ist, sich langfristig an Rechten von KünstlerInnen zu beteiligen und auf diesem Weg auch Einnahmen zu lukrieren. Bei einem Verlagsdeal gilt die prozentuelle Aufteilung 60:40 zwischen KünstlerIn und Verlag. Gleichzeitig ist das Verhältnis zwischen TextautorIn und KomponistIn (von den 60 % „KünstlerInnen“) 30:30. Die Verlagsarbeit ist eine äußerst spezialisierte Tätigkeit, dazu gehört auch die Nutzung von neuen Verwertungsformen. Bei den mechanischen Rechten (auf Tonträger-Releases) sind die Einnahmen im Bereich Music-Download mit 99 Cents pro Download zurzeit noch gering. Klingeltöne sind bereits ertragreicher, weil zwei bis drei Euro pro Klingelton verrechnet werden.

133

7

Musiklabels

Die Plattenlabels sind nach wie vor mächtige Glieder in der Musikwertschöpfungskette. Labels haben ein weites Aufgabenfeld, sie selektieren aus dem musikalischen Angebot die potenziell „marktfähigen“ Acts heraus, kontaktieren Tonstudios, stellen das Kapital für die Produktion im Voraus zur Verfügung und sorgen für Marketing, Promotion, Vertrieb und Zweitund Drittauswertungen der Tonträger. Außerdem spüren sie Newcomer auf und sorgen für deren Aufbau und Promotion. Grundsätzlich ist zwischen Major und Independent Musiklabels zu unterscheiden. 7.1

Major Labels

Momentan gibt es vier internationale Major Labels, die bis zum Jahr 2003 noch fünf Firmen darstellten: Bertelsmann Music Group (BMG), Sony Music Entertainment, Universal Music Group, EMI und Warner Music Group beherrschen im Jahr 2002 den globalen Gesamtmarkt 137

mit 75 % Marktanteil (vgl. Der Standard 2003, 30) (siehe Abbildung 19 unten):

Abbildung 19: Marktanteile der Musikmajors am globalen Gesamtmarkt (Stand 2002)

Marktanteile der Musik-Majors am globalen Gesamtmarkt in % (Stand 2002)

Universal Music Group (UMG) 25,0

25,9 Sony Music Entertainment EMI Warner Music Group (WMG)

11,1 14,1 11,9

12,0

Bertelsmann Music Group (BMG) Sonstige

Quelle: Der Standard 13./14.2003, 30.

137

Ende 2003 schließen sich BMG und SONY zu einem Unternehmen zusammen, was in der Abbildung 19 (Stand 2002) noch nicht berücksichtigt ist.

134

Von diesem mächtigen internationalen Oligopol ist der kleine Musikmarkt Österreich stark betroffen, was zum Beispiel bedeutet, dass die österreichischen Tochterfirmen dieser Major Labels vor allem internationales und in geringerem Ausmaß heimisches Repertoire produzieren und verwerten (siehe Kap. 4). 7.1.1

IFPI – International Federation of Phonographic Industry

Alle vier Major Labels haben in Form von Tochterfirmen Niederlassungen in Österreich, die Mitglieder der International Federation of Phonograpahic Industry (IFPI) sind, die auch eine Vertretung in Österreich, die IFPI Austria, hat. Ihre Mitglieder sind nicht nur die Tochterfirmen der Major Labels, sondern auch einige Independent Labels. Drei zentrale Aufgaben der IFPI sind hervorzuheben: „Rechteverwertung für österreichische Tonträgerproduzenten“, „Bekämpfung von Musikpiraterie“ und „Bereitstellung branchenspezifischer Informationen 138

und Wirtschaftsdaten“ . Zum letzten Punkt gehört, dass die IFPI internationale und nationale 139

Daten zum Musikmarkt und zur Piraterie erhebt und veröffentlicht.

Hinsichtlich der Marktanteile der einzelnen IFPI-Austria-Firmen ist 2004 das Label Universal Music Group mit 32,5 % am heimischen Markt führend, Bertelsmann Music Group/Ariola und Sony Music Entertainment (die seit Ende 2003 vereinigt sind) verfügen gemeinsam über 26,8 %, EMI über 15 % und Warner Music Group über 11,3 %. Außerdem gibt es eine Reihe von Independent IFPI-Labels, von diesen können die Labels Koch (das zu Universal Music gehört) und Zomba (bei BMG-SONY) als „große“ Independent Labels bezeichnet werden (siehe Tabelle 6 unten).

138

139

140

140

Weitere von der IFPI Austria genannte Aufgaben sind: Veranstaltung des Amadeus - Austrian Music Award; Management von www.phononet.at - Der Österreichische Musikkatalog im Internet; Management der Austria Top 40. www.ifpi.at. Auch in Form eines jährlichen IFPI-Piracy Reports. IFPI (2005): the recording industry 2005 commercial piracy report. In der Tabelle 1 wird der Merger von SONY und BMG Ende 2003 nur für „C4“ (2004) und „C6“ (2004), daher auch“ C4“ und „C6“ %-Punkte 1989-2004 berücksichtigt.

135

Tabelle 6: Marktanteile der IFPI-Firmen vom Gesamtumsatz der IFPI-Firmen 1993-2003

Jahre

Marktanteile der IFPI-Firmen vom Gesamtumsatz der IFPI Firmen 1993-2003 in % 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04

Amadeo

1,8

1,9

1,2

*0,0

*0,0

1,4

1,3

1,0

1,3 *0,0 *0,0

Bellaphon Records BMG Ariola EchoZyx Music ** Edel Records Austria EMI Austria Gig

1,8

1,6

1,4

1,3

1,3

1,5

1,2

0,7

1,1

18,7 21,8 22,6

23,6

22,1

5,1

5,1

5,7

5,5

3,7 ***

1,4

1,2

2,2

2

2,4

2,6

3,5

3,9

2,4

4

5,2

15,3 0,9

0,6

1,4

0,8

0,2

0,3

0,2

0,5

17 14,8 16,2 18,3 17,8 16,0 14,6

13,4

12,9

13,7

14,0

-4,7

2,3

1,5

0,9

1,0

1,2

-1,2

3,8

3,3

2,6

3,7

6,7

6,7

17 20,2 22,5 20,9 16,1 13,7 17,1

17,4

16,4

16,8

15,0

15,0

3

0,6

0,3

%Punkte 89-04

****

Hoanzl

1,0

1,4

1,4

Ixtuluh

0,8

0,7

0,7

1,2

1,5

1,5

2,2

0,3

-1,9

0,9

1,0

0,1

9,5

12,8

0,7

1,9

1,7

1,7

Koch Lotus Records Musica Polygram* Preiser Records Reverso

4,9

5,1

4,2

4,3

2,7

23,7 21,1 22,7

12,1 12,4 12,4 SONY Music Entertainment Soul Seduction Universal Music 15 13,4 13,4 Warner Music Austria Zomba Records 71,0 72,6 74,1 C4: Anteil d. 4-größten Firmen 88,2 89,2 90,8 C6: Anteil d. 5-größten Firmen

4,7

***** 0,0 24,2

5,7

6,8

6,3

5,2

5,2

4,9

0,7 22,8 19,1

0,6 12,2

7,6

1,3

20 19,4

19

0,6

0,6 +++

0,5

4,9

0,8

1,9

2

1,9

1,3

+

2,8

++

12,3 12,7 11,7 11,6 13,2 14,4 14,5 12,4

0

5,1

2,5 24,7 25,4 26,4

11,5

27,7

36,1

34,7

32,5

32,5

15,6

14,6

12,7

11,3

-3,7

13,6

12,7 12,8 13,5 13,6 11,0 15,1 16,5

3,4

2,7

2,0

++++

75,9

72,9 65,9 68,5 71,5 71,4 73,7 72,4 72,1

74,1

80

77,9

# 85,6

14,6

92,8

90,0 86,2

90,9

94,3

91,1

# 94

5,8

2,0

1,1

87 89,6 87,6 93,3

2,9

14

11,7

91 89,4

Quellen: Zahlen für 1993-1996 Marktanteile der IFPI-Mitglieder It. Thomas Böhm, IFPI, Email vom 6.4.00; für 1997 Sound & Media spezial, 25. März 1999; für 1998 und 1999 Sound & Media spezial, 23. März 2000. In: Gebesmair 2000a, 66, Tabelle 7. Zahlen von 2000-2004: „ Der österreichische Tonträgermarkt 2000. “ sowie

136

„Der österreichische Musikmarkt 2001“, „…2002“, „…2003“, „…2004.“ In: Sound&Media spezial (März 2001) (März 2002) (März 2003) (März 2004) (März 2005). * bei Polygram enthalten. ** Echo heißt seit 1995 Echo-Zyx aufgrund der Beteiligung von Zyx. *** Es ist unklar, warum die Zahl 1997 nicht ausgewiesen ist. **** Gig geht in Reverso auf. ***** Musica ist von 1991-1998 kein Mitglied der IFPI. + Koch wird von Universal übernommen. ++ Polygram wird von Universal übernommen. +++ Reverso wird von BMG übernommen. ++++ Zomba wird von BMG übernommen. # SONY-Entertainment und BMG (durch Merger Ende 2003) als ein einzelnes Unternehmen bewertet.

Durch den Vergleich der Daten 1989 und 2004 wird deutlich, dass die Marktanteile der Major Labels am Anteil der IFPI-Austria-Firmen in diesem Zeitraum wesentlichen Schwankungen unterliegen (siehe oben Tabelle 6 und Abbildung 20 unten). Abbildung 20: Veränderung der Marktanteile der 6-größten Firmen (2004) am Gesamtumsatz der österr. IFPI Firmen zwischen 1989 und 2004

Quelle: siehe Quelle und Anmerkungen Tabelle 6 (oben) *SONY und BMG noch als Einzelunternehmen angeführt, bei C4 und C6 Merger SONY-BMG (als ein einziges Unternehmen) ab 2004 berücksichtigt.

137

Universal Music spielt im Zeitraum zwischen 1989 und 2004 die aktivste Rolle, weil es nicht nur den ehemals mächtigen Major PolyGram, sondern auch das starke Independent Label Koch aufkauft. Auch das Label BMG übernimmt die Independent Labels Reverso und Zomba. Gleichzeitig werden in den letzten Jahren eine Reihe von weiteren Independent Labels als Mitglieder in das IFPI-Imperium aufgenommen, darunter die Vertriebe Hoanzl und Soul Seduction. Nichtsdestotrotz erhöht sich der Anteil (insbesondere durch die Übernahme von PolyGram durch den Merger von SONY und BMG Ende 2003) der vier stärksten Labels bzw. der Major Labels („C4“) in den letzten fünfzehn Jahren um 14,9 %-Punkte und der sechs stärksten Labels („C6“) um 5,8 %-Punkte. Daher kann von einer gesteigerten Machtkonzentration der Major Labels am österreichischen Markt gesprochen werden. 7.1.2

Die vier Major Labels

Die vier Major Labels werden im Folgenden näher vorgestellt (vgl. Gebesmair 2000a, 30-36 und Tschmuck 2003): Universal Music Group/Universal Music Austria (Tochterfirma in Österreich) 141

Universal Music Group

ist heute als internationaler Marktführer Teil des größten Entertain-

ment-Unternehmens der Welt, der Universal Group (dazu gehören auch Universal TV Net142

works und Universal Theme Parks ), die selbst Bestandteil von Vivendi-Universal, einer der weltweit größten Medien- und Kommunikationskonzerne, ist. Das Label Music Corporation of America (MCA) entsteht 1924 „als Talent Agentur für Clubs und Dance Halls“ (Gebesmair 2000a, 35). Die MCA ist „seit den 1960er Jahren durch ständige Expansion zum Musik-Major herangewachsen“. 1962 wird „die US-Secca erworben, die seit 1951 die Muttergesellschaft des Filmkonzerns Universal war“. 1973 wird „Decca ins MCA-Label umgewandelt“ (Tschmuck 2003, 217). Es folgen Akquisitionen von namhaften Independent Labels, darunter 1990 Geffen und GRP Records (vgl. ebenda). 1991 wird der japanische Konzern Matsushita Electric Industrial zum Mehrheitseigentümer von MCA. Vier Jahre später, 1995, kauft Seagram (v.a. Spirituosenhersteller und -vertrieb) die MCA. Nachdem Seagram „die MCA-Mehrheit erworben hatte, fusioniert die MCA Music Entertainment Group mit der Universal Studios Inc. zur Universal Music Group“ (Tschmuck 2003, 220). 1998 kauft Universal Music Group das Major Label Polygram, das zu diesem Zeitpunkt „bereits der größte Musikkonzern der Welt“ ist. Ab diesem Zeitpunkt beherrschen (bis zum Merger von Sony Music Group und BMG im Jahr 2003) statt sechs nur mehr fünf Major MusicLabels den internationalen Musikmarkt. In der Folge kommt es zu einer „konzerninterne[n]

141 142

www.umusic.com. Universal Studios und Universal Pictures werden 2004 an General Electric verkauft.

138

Umstrukturierung der Musiksparte in die Universal Music Group (UMG), die nunmehr die einstmalige MCA Music Entertainment Group und die PolyGram umfasst“ (Tschmuck 2003, 220). 1999 „erwirbt die UMG die restlichen Anteile an Def Jam und fusioniert die Label Decca und Philips zur Decca Music Group“ (Tschmuck 2003, 220). 2000 wird die Universal Music Group vom französischen Mischkonzern Vivendi übernommen, womit der Firmensitz nach Europa wandert (vgl. Gebesmair. 2000a, 36). Auch UMG geht in den letzten Jahren strategische Kooperationen mit Musik-Internet-Unternehmen ein, „indem sie das Internetmusikportal Listen.com kaufte und mit Emusic und MP3.com zwei Vorreiter von Musikdienstleistungen im Internet erworben wurden“ (Tschmuck 2003, 220). Sony Music Entertainment/Sony Music Austria (Tochterfirma) – BMG/BMG Ariola Austria GmbH (Tochterfirma) Sony Music Entertainment Das amerikanische Label Columbia wird in den 1980er Jahren gegründet. 1934 erwirbt die American Record Corporation (ARC) das Label Columbia, nachdem der exklusive Eigentümer, das Bankkonsortium Grigsby & Grunow, Konkurs anmeldet. Vier Jahre später, 1938, wird Columbia vom Rundfunkunternehmen Columbia Broadcasting System (CBS) gekauft (vgl. Tschmuck 2003, 92). Es dauert einige Jahrzehnte, bis CBS vom japanischen Elektronikkonzern SONY übernommen wird. SONY’s Musikengagement reicht bereits in die 60er Jahre zurück. In dieser Zeit wird ein Joint Venture zwischen SONY und CBS eingegangen. SONY revolutioniert den Musikmarkt durch die technologische Entwicklung Walkman. Außerdem ist SONY gemeinsam mit der deutschen Firma Philipps grundlegend an der Entwicklung der Compact Disc (CD) beteiligt, die den Tonträgermarkt auf lange Zeit stark belebt und die erste wichtige Phase (auf Vertriebsebene) der digitalen Mediamorphose einleitet. Nach der Einführung der CD im Jahr 1982, die von CBS wesentlich mitgetragen wird, wird CBS 1988 von SONY übernommen (vgl. Gebesmair 2000a, 30). Durch die Akquisition von CBS hat Sony „nicht nur die Kontrolle über eine Vielzahl von Sublabels [...], sondern über einträgliche Künstlerverträge (wie z.B. jenen von Michel Jackson) und über die umfangreichen Backkataloge in fast allen Musikrichtungen, die auf CD zweit- oder drittverwertet werden konnten“ (Tschmuck 2003, 217). Zwei Unternehmen sind Teil von Sony Music Entertainment

143

– Sony Music Entertainment

Inc. und Sony Music Entertainment (Japan) Inc. –, erstere hat mit Sitz in New York ist v.a. für das internationale Repertoire, zweitere vor allem für das japanische Repertoire verantwortlich (vgl. Gebesmair 2000a, 31).

143

www.sonymusic.com.

139

BMG 144

Bertelsmann

ist mit dem Label Ariola seit 1958 im Music-Business aktiv, aber ins globale

Musikgeschehen tritt es erst relativ spät ein. 1979 kauft Bertelsmann das amerikanische Label Arista und 1986 das Traditionslabel RCA Records (RCA übernimmt 1928 die Victor Talking Machine Company und wird damit zum wichtigsten Tonträgerproduzenten der 30er und 40er Jahre) (vgl. Gebesmair 2000a, 32). 1987 werden „die Tonträgeraktivitäten [...] in der Bertelsmann Music Group (BMG) zusammengefasst“ (Tschmuck 2003, 216-217). Zusätzlich kauft BMG eine große Anzahl von Independent Labels auf der ganzen Welt auf „und verfügt nun über ein Netz von rund 200 Sublabels“ (Gebesmair 2000a, 32). Ähnlich wie Sony Music hält BMG seinen Firmenhauptsitz in New York, aber für den deutschsprachigen und osteuropäischen Raum ist BMG Entertainment GSA/Eastern Europe mit Sitz in München zuständig (vgl. ebenda). Sony-BMG Im November 2003 geben Sony Music Entertainment und BMG ihre Pläne zu einem 50:50145

Joint Venture bekannt.

Damit vereinen sich der zweit- und fünftgrößte Musikkonzern zum 146

zweitgrößten Music Major.

Seitdem dominieren nur mehr vier Major Labels den globalen

Musikmarkt. Impala, eine Organisation, die 2.500 Independent Labels repräsentiert, bekämpft den Merger, weil dieser gemäß Impala das Gleichgewicht des Marktes empfindlich störe. Die Folge dieses Mergers sind Einsparungen durch Rationalisierung von rund 2.000 Arbeits147

plätzen, das sind ca. ein Viertel der MitarbeiterInnen des fusionierten Unternehmens.

In 148

Deutschland führt der SONY-BMG-Merger zum Abbau von etwa einem Fünftel der Stellen.

Aber sowohl die EU-Kommisson als auch die US Federal Trade Commission akzeptieren die 149

Firmenfusion und sehen keine Wettbewerbseinschränkung gegeben.

144 145 146 147

148

149

www.bmg.com, www.bertelsmann.de. BBC-News (Nov. 2003). In: BBC News 6.11.2003. BBC-News (Feb. 2004). In: BBC-News 12.2.2004. pressetext austria (Jul. 2004). In: pressetext austria, Brüssel, 16.7.2004 (In Bezug auf einen Bericht der Financial Times (FT)). pressetext austria (Mai 2004). pressetext austria, (In Bezug auf einen Bericht der Financial Times (FT)) München 27.5.2004. BBC-News (Nov. 2004). In: BBC-News 6.11.2004.

140

Der BMG-Napster-Deal Drei Jahre vor dem Merger – Ende 2000 – macht BMG internationale Schlagzeilen, weil es 150

eine Kooperation mit der populären, von einem US-Urheberrechtsprozess

geplagten Mu-

siktauschbörse Napster eingeht. Napster wird von dem amerikanischen Studenten Shawn Fanning entwickelt. Obwohl BMG viel Kapital investiert, ist im Konzern zu wenig Rückhalt der Führung vorhanden, um ein funktionales Geschäftsmodell in Form eines legalen AbonnentInnenservice durchsetzen zu können. Der damalige Bertelsmann Chef Thomas Middelhoff verlässt in der Folge BMG (vgl. Röttgers 2003, 28ff. und Renner 2004, 157-158). Der Bertelsmann-Konzern akquiriert aber in den letzten Jahren auch andere Online-Music-Unternehmen, um das kommerziellen Potenzial des Internets auszuschöpfen, und gründet dazu die DirectGroup, in der „zuletzt die Internetaktivitäten der Bertelsmann e-Commerce Group (BeCG) zusammengefasst“ werden. Der BeCG unterstehen „die beiden Onlinevertriebsfirmen BMG direct und CDNow sowie das Musikschließfachsystem myplay.com“ (Tschmuck 2003, 219). EMI/Virgin/EMI Music Austria (Tochterfirma) 151

Das britische Label Electric and Musical Industry Ltd. (EMI)

entsteht 1931 durch die Fu-

sion von der Gramophone Company mit Columbia Gramophone. Mit der Übernahme des Labels Capitol tritt EMI 1955 erst relativ spät in den amerikanischen Musikmarkt ein, nachdem es sich vorher weitgehend auf den europäischen Markt konzentrierte. 1979 versucht die EMI „mit dem Kauf der United Artists Record Co. [...] ihre Aktivitäten am US-Markt zu verstärken“ (Tschmuck 20003, 218), und 1979/80 kommt es zum Zusammenschluss zwischen EMI und dem englischen Elektronikkonzern Thorn. Gemeinsam betreiben sie eine aggressive Labelübernahmepolitik, darunter 1992 die Virgin Music Group sowie 1994 die deutsche Intercord. 1994 geht EMI eine Kooperationsvereinbarung mit dem japanischen Elektronikkonzern Toshiba ein. 1996 zieht sich Thorn aus dieser Kooperation mit der EMI zurück. Daraufhin konzentriert sich EMI wieder mehr auf das Musikgeschäft, unter anderem übernimmt sie 1996 das HipHop Label Priority zu 50 % und 1998 zu 100 % (vgl. Gebesmair 2000a, 32-33 und Tschmuck 2003, 218-219). Hauptstandbeine der EMI-Group sind „der weltweit (wertmäßig) größte Musikverlag EMI Music Publishing [...] und die Tonträgerherstellung bzw. -distribution über die HMV-Einzelhandelskette“ (Tschmuck 2003, 219). 2000 fusioniert EMI mit Warner, aber der Merger wird von der Wettbewerbsbehörde abgelehnt. 2002/2003 scheitert ein zweiter Versuch der Fusion der beiden Konzerne zu einem Unternehmen. Warner Music Group wird im Herbst 2003 von der Investorengruppe Edgar Bronfman Jr. zur Gänze über150

151

Kläger sind alle fünf Major Musiklabels inklusive BMG s (durch ihre Mitgliedschaft in der RIAA- die Recording Industry Association of America). www.emigroup.com.

141

nommen und sticht damit das Angebot von EMI aus (vgl. Gebesmair 2000a, 32-33 u. Tschmuck 2003, 218-219). Warner Music Group/Warner Music Austria (Tochterfirma) 1958 gründet die Warner Brothers Filmgesellschaft das Musiklabel Warner Brothers Records. Warner Brothers verkauft 1967 seine Anteile des Musiklabels Warner Reprise an die Filmproduktions- und Filmverleihfirma Seven Arts, die im selben Jahr das Musiklabel Atlantic Records erwirbt. Als Warner-Reprise-Atlantic wird das Unternehmen 1969 an die Kinney Corporation verkauft und in Warner Communication umgewandelt. Das Label Elektra wird 1970 erworben (vgl. Tschmuck 2003,

179). Auch im Jahr 1970 wird WEA Warner/

Elektra/Atlantic gegründet, „durch seine Ausdehnung der Geschäfte nach Europa, Asien und einige Entwicklungsländer konnte Warner zwischen 1975 und 1990 seinen Umsatz verdreifachen“ (Gebesmair 2000a. 33). 1989 fusioniert Warner Communication mit dem Time-LifeVerlagshaus, welches nicht nur Verleger von Büchern und Zeitschriften ist, sondern auch Verfügungsgewalt über sämtliche Kabelnetze (wie CNN und TNT) und eine mächtige Filmindustrie von Warner Brothers hat. 2000 kommt es zum Zusammenschluss von Warner und AOL, dem amerikanischen Internet-Service-Provider. Warner Music Group,

152

der letzte glo-

bal agierende amerikanische Musikkonzern, ist seit Ende 2003 zur Gänze in der Hand der kanadischen Investorengruppe Bronfman Jr.

153

Ein versuchter Merger zwischen Warner und 154

EMI schlägt fehl bzw. wird durch Bronfman Jr. ein Angebot der EMI vereitelt.

In Deutsch-

land folgen dieser Akquisition drastische Einsparungen, sowohl im Musik- und KünstlerIn155

nenangebot als auch Entlassungen. 7.1.3

Hauptaufgaben der regionalen Töchterfirmen der Majors

Fünf zentrale Aufgaben der nationalen Tochterfirmen der Majors (zu denen häufig einzelne Abteilungen innerhalb der Major Labels existieren) lassen sich festhalten: 1. A & R (Artist & Repertoire) Diese Funktion soll die „Schaffung und Vermarktung von lokalem Repertoire“ (Pernica 2003, 31) garantieren und stellt einen komplexen und aufwändigen Tätigkeitsbereich dar. Vor allem Erfahrung, Know-how und Fingerspitzengefühl einzelner MitarbeiterInnen sind dafür not-

152 153

154

155

www.music.warnerbros.com. Da die USA nach wie vor der größte Musikmarkt der Welt sind, haben nicht nur die Warner Music Group, sondern auch Sony Music Entertainment und Bertelsmann Music Group ihre Headquarter in New York. pressetext austria (Nov. 2003): “2,6 Mrd. Dollar für Musiksparte von Time Warner.“ In: pressetext deutschland, New York 24.11.2003. pressetext austria (Now. 2003): „Warner Music spart Stellen bei Künstlern ein.“ In: pressetext deutschland, New York, 24.11.2003.

142

wendig. A&R-ManagerInnen übernehmen neben dem Auffinden und der Betreuung und Beratung der Musikschaffenden oft auch die Moderation zwischen Label und Musikschaffenden (vgl. Renner 2004, 52). Falls es zum Wechsel in oder zur Rationalisierung einer A&R-Position kommt, hat das häufig Nachteile für die KünstlerInnen. Die Tendenz zum Personalabbau führt bei den Major Labels dazu, dass immer weniger Kontinuität in der Beziehung zwischen 156

Labels und Musikschaffenden besteht: „Leute verschwinden“

oder denen, die nachkommen,

fehlt das nötige Know-how. Solche Rationalisierungen sind sowohl Folge als auch Ursache der Krise der Tonträgerindustrie. Statt der Major Labels haben zunehmend Independent Labels die Chance ergriffen, lokale KünstlerInnen und Repertoire aufzuspüren und aufzubauen, aber mit der Schwäche, dass es ihnen in der Regel an notwendigem Kapital fehlt. 2. Marketing und Produktmanagement Die Majors vernachlässigen in den letzten Jahren zunehmend die Aufbauarbeit von lokalem Repertoire. Folglich setzen sie beim Marketing und Produktmanagement des fertigen Produkts weitgehend auf internationales, vor allem US-amerikanisches Repertoire (vgl. Pernica 2003, 56). Durch die digitale Mediamorphose wird zwar die Musikproduktion einfacher und billiger, damit drängen aber noch mehr Produkte auf den Markt und somit wird das Marketing für diese Musikprodukte in Zukunft noch wichtiger. Marketing benötigt aber beträchtlichen finanziellen Aufwand, was Major Labels gegenüber Independent Labels große Vorteile verschafft. 3. PR/Promotion Pressearbeit „beinhaltet nicht nur die Versorgung mit Promotion-CDs, Foto- und Pressematerial, auch die Organisation bzw. Koordination von Interviews bzw. Senderbesuche werden zunehmend beliebter, um der zunehmenden Konkurrenz an Veröffentlichungen entgegen zu wirken“ (Pernica 2003, 32). Die Major Labels halten traditionell enge Kontakte zu MedienpartnerInnen in Radio, Fernsehen und Printmedien, die nach wie vor die wichtigsten Medien darstellen, um ein Musikprodukt bei einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. InternetForen, -Medien und Fan-Zines werden zwar ebenfalls wichtiger, sind aber zumeist nur für eine relativ kleine Musikhörerschaft – bei einem so genannten „Nischenpublikum“ – relevant 157

(siehe Kap. 12). In Zukunft wird „intelligente Promotion“

an Bedeutung gewinnen, v.a.

Networking (wie das Kontaktieren von JournalistInnen, Internet-Nutzerdatenerhebungen) sowie das aktive Sich-Einschalten in Web-Diskussionsforen.

156 157

Zitat aus Interview mit Anders./Seltsam. Zitat aus Interview mit Hannes Eder/Universal Music Austria.

143

4. Vertrieb Die Aufgabe des Vertriebes ist die Belieferung des Handels mit Musik, heute noch weitgehend in Form von physischen Tonträgern, vor allem CDs. Die Krise der CD trifft vor allem den Vertrieb und Handel mit physischen Tonträgern. Mittlerweile sind die Major Labels neue Vertriebspartnerschaften für die Realisierung von Online-Music und mobiler Musik eingegangen. Die bisher wichtigste Partnerschaft erfolgt mit der Computerfirma Apple, die seit 2003 ihren Music-Download-Store iTunes in den USA sowie seit 2004 auch in ein paar europäischen Ländern, darunter Österreich, erfolgreich anbietet. 5. Rechteverwertung Ein weiterer Aufgabenbereich der Labels ist die Verwertung der eigenen Musikrechte, einerseits aus dem Label-/Tonträgergeschäft (mechanische Rechte/Leistungsschutzrechte), andererseits – wenn sie auch im Besitz eines Verlags sind – ihrer Verlagsrechte (bzw. Urheberrechte). Verlagsrechte werden in Zukunft – mit dem Verfall der Bedeutung des Tonträgers – noch wichtiger werden. Das heißt auch, Zweit- und Drittauswertungen des Label-Backkatalogs werden für Einnahmen bedeutsamer, wie der Verkauf von Ringtones, Musikvideos oder Compilations. Aus diesem Grund gewinnt strategisches Management und Public Relations in punkto neuer Kooperation mit PartnerInnen, die als MusikverwerterInnen der aktuellen Acts oder des Backkatalogs in Frage kommen, an Relevanz. Das Spektrum der PartnerInnen, die Rechte nutzen, wird sich in der digitalen Mediamorphose also erweitern. Momentan treten mobile NetzbetreiberInnen und Online-HändlerInnen stärker auf den Plan. Musiklabels sind zwar noch immer diejenigen, die die großen Backkataloge, das notwendige Know-how und die Netzwerke mitbringen, um Musikrechte effizient verwerten zu können. Dieser Umstand kann sich aber ändern, wenn eine Firma, wie zum Beispiel Apple, einen gesamten Musikkatalog eines Major Labels aufkauft, um ihn zu vertreiben und dafür ExpertInnen aus dem Music-Business anheuert. Manche dieser Labelkernkompetenzen werden bereits von Firmen und Berufsgruppen in anderen Sparten übernommen. Im Gegensatz zu den Majors können kleine Einheiten flexibler agieren und auf aktuelle Trends schneller reagieren. Zum Beispiel übernehmen kleine Agenturen Management-, Promotion- und Marketingaufgaben (vgl. Renner 2004, 272). Der Vertrieb geht verstärkt Kooperationen mit Online-HändlerInnen wie iTunes von Apple, Amazon.com oder OD2 ein, auch wenn diese sich noch im Anfangsstadium befinden. Es stellt sich die Frage: Werden in Zukunft Major Labels oder Labels überhaupt noch gebraucht? Know-how, Kapitalstärke, Backkatalog (und damit verbundene Musikrechte) sowie die globalen und lokalen Netzwerke

158

158

der Majors sprechen eher für einen weiteren Bestand und Be-

Historisch gewachsene Netzwerke haben die Majors in allen Bereichen der Musikwertschöpfungskette.

144

darf nach Major Labels, ihre Inflexibilität und Langsamkeit, auf Trends und Potenziale ästhetischer und technologischer Art und adäquater auf Konsumbedürfnisse zu reagieren, eher dagegen. 7.1.4

Strategien der Majors gegen die Krise

Die Krise des Tonträgers und damit der Tonträgerindustrie (siehe Kap. 4) trifft vor allem die Major Labels. Die Majors haben insbesondere folgende Strategien verfolgt, um der Krise des Tonträgermarktes entgegen zu treten:

159

1. Klagen von Web-Plattformen, Tauschbörsen und EinzelnutzerInnen Neben dem Klagen von Web-Plattformen und Tauschbörsen, um sie dann teils selbst aufzu160

kaufen,

sind Major Labels verstärkt dazu übergegangen, einzelne TauschbörsennutzerInnen

zu klagen, die Music-Uploads über ihre PC-Festplatte für andere NutzerInnen zum Download frei zur Verfügung stellen. In der Regel werden diese TauschbörsennutzerInnen durch die IFPI mit dem Hinweis, dass ihre Handlung illegal ist und ihre IP-Adresse nun bekannt ist, verwarnt. Kommt es dennoch zu Klagen, finden zumeist zivilrechtliche Einigungen zwischen 161

IFPI Austria und den Geklagten statt.

Diese „Policy“ stellt seit einigen Jahren einen Bruch

der IFPI zu der vorher üblichen Vorgangsweise dar. Früher konzentriert sich die IFPI weitgehend auf die kommerzielle Piraterie. Heute verfolgt sie sukzessive auch nicht kommerzielle Handlungen, insbesondere das Uploaden und damit das öffentliche Zur-Verfügung-Stellen von Musikdateien in Musiktauschbörsen u.a. quasi-öffentlichen Online-Foren.

162

Damit geht

die IFPI (nachdem sie sich zuerst mehr auf das Klagen von Tauschbörsen und Internetplattformen konzentrierte) teils gegen ihre eigenen, ehemaligen und/oder aktuellen MusikkonsumentInnen vor. Jessica Litman kritisiert bereits im Jahr 2000 den Wandel des Begriffs der Piraterie, auf dem diese Strategie basiert und zur Kriminalisierung einer zentralen Gruppe von KonsumentInnen führt: “[…] piracy used to be about folks who made and sold large numbers of counterfeit copies. Today, the term ‚piracy’ seems to describe any unlicensed activity especially if the person engaging in it is a male teenager.” (Litman 2000)

159

160

161 162

Als Beispiele für die Strategien wird vor allem Universal Music Austria dienen (in Bezug auf Interview mit dem Geschäftsführer von Universal Music Austria Hannes Eder). Nach einem Gerichtsprozess aufgekauft wurden zum Beispiel mp3.com vom Major Label Universal oder Napster durch BMG (siehe oben). In Bezug auf Zitat aus Interview mit Eder/Universal Music Austria. Zwar dürfen private Kopien zum eigenen Gebrauch (zum Beispiel durch Downloading) hergestellt werden, nach Urheberrechtsgesetz § 42 (5) handelt es sich aber nicht um eine Privatkopie „wenn sie zu dem Zweck vorgenommen wird, das Werk mit Hilfe des Vervielfältigungsstückes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zum eigenen Gebrauch hergestellte Vervielfältigungsstücke dürfen nicht dazu verwendet werden, das Werk damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“.

145

Auch wenn das Recht auf der Seite der klagenden Labels steht, bleibt die Frage, ob Nutzen oder Schaden der Klagen gegen EinzelnutzerInnen von Tauschbörsen überwiegt. Zwar wird von der Musikindustrie (insbesondere IFPI und RIAA (Recording Industriy Association of America)) mit Studien argumentiert, die zeigen, dass das MP3-Up- und -Downloading durch die Klagewelle eingedämmt wird. Da es forschungstechnisch aber sehr schwierig ist, das Nutzerverhalten von Tauschbörsen eindeutig nachzuweisen, sind diese Zahlen kritisch zu lesen. Außerdem sind Zahlen von Musikindustrie-unabhängiger Seite vorhanden, die belegen, dass die Nutzung von Tauschbörsen weiter zugenommen hat. Dies gilt vor allem in Hinblick auf SchülerInnen und StudentInnen, die Hauptnutzergruppe von Tauschbörsen, die gleichzeitig auch Hauptzielgruppe der Musikindustrie ist (siehe Kap 11). 2. Digital Rights Management (DRM) Zwei wesentliche Technologien sind zu unterscheiden: -

Die Verschlüsselung von digitalen Musikstücken soll verhindern, dass digitale Musik kopiert wird bzw. soll nur jenen NutzerInnen das Kopieren gewährt werden, die auch legitimen Zugang zum Schlüssel (meist in Form eines Kodewortes) haben.

-

Ein digitales Wasserzeichen oder “Fingerprint“ ermöglicht durch Anbringung an ein digitales Musikstück, dass dieses Werk immer eindeutig identifizierbar ist. Damit hinterlässt das Musikstück „Spuren“ (z.B. im Internet), was die Kontrolle des Abspiel- oder Kopiervorganges durch NutzerInnen dieses Musikstückes ermöglicht.

Mit Verschlüsselung soll verhindert werden, dass digitale Musik online oder via Handy „so 163

ohne weiteres verschickbar ist“ . Damit kann im limitierten Bereich privates, nicht kommerzielles Kopieren möglich sein. In welchem Rahmen, bestimmen beim DRM die Labels.

164

Die

Chance, einen allgemeingültigen und marktfähigen DRM-Standard durchzusetzen, wurde mit 165

dem Scheitern der Plattform SDMI (Secure Digital Music Initiative)

vergeben. Generell gilt

Kopierschutz bei den meisten KonsumentInnen als nicht attraktiv, weil er fast immer eine „Qualitätsreduzierung“ (Renner 2004, 253) sowie geringe Nutzerfreundlichkeit impliziert. DRM verärgert viele KonsumentInnen, weil sie z.B. ihre legal erworbene CD auf bestimmten Geräten (z.B. PC oder Auto-CD-Player) nicht abspielen können oder davon keine Kopie zum privaten Gebrauch anfertigen können. Zugleich verbietet das neue Urheberrecht die Umgehung von Kopierschutzmechanismen (auch, um eine Privatkopie herzustellen). Eine all-

163 164 165

Zitat aus Interview mit Eder/Universal Music Austria. Z.B. wie viele Privatkopien erstellt werden können. SDMI war der einzig relevante Versuch der Entwicklung eines einheitlichen DRM-Standards. Unter anderem scheiterte diese Initiative, an der Musik-, Elektronik- und Internetindustrie beteiligt war, an den verschiedenen Interessenslagen seiner TeilnehmerInnen.

146

gemeine Skepsis gegenüber digitalen “Fingerprints“ besteht, weil damit der Datenschutz der Internet-NutzerInnen aufgehoben oder stark reduziert wird. Schließlich sind die meisten DRM’s unsicher, weil sie „geknackt“ und damit umgangen werden können (siehe Kap. 11 u. 13). 3. Konzentration auf „Schnelldreher“ Die Konzentration auf so genannte „Schnelldreher“ (Pernica 2003, 67) ist sowohl Ursache als auch Wirkung der Krise des Tonträgermarktes (siehe Kap. 4). Um sich mit neuem Repertoire zu versorgen, setzen Major Labels in den letzten Jahren verstärkt auf Schnelldreher, die, wie der Name sagt, zu schnellem Geld verhelfen sollen. Dazu gehören auch die Entdeckung und der Aufbau junger PopmusikerInnen mit Hilfe von TV-Casting-Shows wie Starmania, die durch die Kooperation zwischen ORF und das Label Universal Music Austria zustande kommt (siehe Kapitel 10). 4. Senkung des CD-Preises und Preisdifferenzierung Eine weitere Strategie ist die Senkung der CD-Preise (vor allem durch die Major Company Universal Music). Es wird auch Marktsegmentierung in Form von Preisdifferenzierung genutzt, indem CDs mit wenig aufwändiger Verpackung zu einem niedrigen Preis und CDs mit ästhetisch schöner Verpackung zu einem höheren Preis angeboten werden. Der Nachteil der Strategie ist, dass die Stellflächen im Handel dafür allzu begrenzt sind. 5. CD als Life-Style-Produkt Mit der Strategie, eine CD als Life-Style-Produkt anzubieten, wird Mehrwert durch Ästhetisierung der Verpackungen und die Bereitstellung von Informationen durch ein Booklet geboten. So können CDs leichter zu Sammelstücken werden. Für ein aufwändiges, grafisch ansprechendes Produkt steigen aber die Produktionskosten und damit der Preis. Diese Strategie geht v.a. dann auf, wenn eine Fan-Community vorhanden ist, die auf Sammelstücke Wert legt. 6. Synergien durch vertikale Integration und Zweit- und Drittverwertungen Durch vertikale Integration werden sämtliche Medienwertschöpfungsegmente, darunter Musik, genutzt. Somit kann ein Produkt, zum Beispiel ein Animationsfilm, zu vielen weiteren Produkten (inklusive Musik) wie CD (zum Soundtrack), Computerspiel, Werbemusik oder Klingelton zweit- und drittverwertet werden. Für diese Strategie sind möglichst viele Teile 166

der Musik- und der Medienwertschöpfung im „eigenen Haus“ zu behalten.

Major Labels

haben dabei Vorteile, weil sie Teil größerer Medienkonglomerate sind, die vielfältige Musikverwertungen erlauben. Durch die Digitalisierung nicht nur von Musik, sondern auch von

147

Film, Video und Fernsehen wird diese Strategie in Zukunft noch zusätzlich an Bedeutung gewinnen. 7. Transformation von Massenproduktion zu flexibler Spezialisierung Diese Strategie bedeutet, eine „breitere Produktpalette schneller auf den Markt zu bringen“ (Sennett 1998, 64-65). Daher steht sie in engem Zusammenhang mit den Punkten 4, 5 und vor allem 6 (siehe oben). Sie geht oft mit vertikaler Desintegration von großen Organisationseinheiten, also mit “Outsourcing“ oder auch “Departmentalization“ von ganzen Abteilungen und damit Entlassungen von MitarbeiterInnen einher (siehe Kap. 3). 8. Einstieg in das Music-Download- und Klingelton-Geschäft Vorreiter unter den Musik-Services auf Online-Basis ist das Musikservice iTunes von Apple (siehe Kap. 8). Beim Music-Download-Shop fällt der Zwischenhändler für die Labels weg, und damit kann das Produkt billiger angeboten werden. Gleichzeitig sparen die Labels bei Marketing und Promotion aber nichts ein. Zum Beispiel bei Universal Music Austria beträgt der prozentuelle Anteil von Mobile-Music an ihrem Gesamtumsatz 2004 etwas über 2 %. Für eine noch weitergehende Online- und mobile Auswertung ist die umfassende Rechteklärung der Verträge zwischen Label und den Musikschaffenden notwendig. 7.1.5

Resümee Major Labels

Die Majors entwickeln sich unter anderem durch den Druck aus den eigenen Reihen mehr und mehr zu Venture-KapitalistInnen. Sie gehören größeren Konzernen an, die ihre Musikabteilungen, sollten diese nicht profitabel genug sein, auch abstoßen können. Das Risiko wird infolge zunehmend auf die Musikschaffenden abgewälzt, die zumeist relativ schwache Glieder in der Musikwertschöpfungskette darstellen. Falls die Musikschaffenden nicht die erwarteten Gewinne in kurzer Zeit bringen, wenden sich die Majors von ihnen ab. Früher wurde den MusikerInnen noch eine längere Toleranzspanne zugestanden, um sich zu profilieren. Durch das schwindende Kapital im Kontext der Krise des Tonträgermarktes werden immer weniger junge Acts aufgebaut, denen auch die entsprechende Zeit gewährt wird, sich am Markt zu bewähren, sondern Wert „an sich“, daher wird Optimierung von Kapital zentraler Motor der Majors (vgl. Renner 2004, 125). Ohne eine eigene Vision in der Domäne musikalische Kreativität werden die verbleibenden Funktionen der Major Labels aber beliebig und durch andere Industrien leicht ersetzbar (vgl. ebenda, 198). Die Majors funktionieren von Beginn an nach dem Modell des Massentonträgermarktes und der Massenmedien. Seit den 80er Jahren reduziert sich dieses Popmusikmodell durch die Fokussierung auf immer weniger und größere Superstars. Die für den Massenmarkt produzierte Musik wird aber immer weni-

166

In Bezug auf Zitat aus Interview mit Eder/Universal Music Austria.

148

ger treffsicher und geht auch teilweise an den Bedürfnissen von vielen KonsumentInnen vorbei. Mit der weiteren Differenzierung der Musikstile und der Segmentierung der Medien- und Musiklandschaft funktioniert der Tonträgermarkt als Massenmarkt zunehmend weniger. 7.2

Independent Labels

So genannte „Nischenmusik“ hat es im Gegensatz zur Mainstream-Musik leichter, ihre Absatzmärkte zu finden, weil die Nischenmusikschaffenden und -labels meist billiger produzieren und keinen Massenmarkt bedienen müssen. Dadurch sind die MusikerInnen hinsichtlich ihrer eigenen Kreativität auch weniger erpressbar als MusikerInnen, die einen Massenmarkt anpeilen. Diese Nischenmusiken werden von ihrem Publikum oft selbst (auch mit Hilfe von Medien) gesucht. Das Publikum ist auch eher bereit, „ihre“ MusikerInnen durch Kauf von Tickets, CDs oder Merchandizing-Produkten wie T-Shirts zu honorieren. Nischenmärkte funktionieren aber in jeglicher Hinsicht diametral zu Massenmärkten, daher auch in punkto Distribution (in kleinen Stückzahlen von Independent Labels vermarktet und distribuiert sowie von Szenemedien und -journalistInnen vermittelt) und Konsumption (Szenepublikum). Majors können zwar Independent Labels kaufen oder Joint-Ventures mit ihnen eingehen, laufen dabei aber Gefahr, deren Innovationspotenzial und “Credibility“ durch zu viel Vereinnahmung beim Szenepublikum zu untergraben. Die SpezialistInnen von Nischenmärkten sind kleine und mittelgroße Independent Labels. Sie konzentrieren sich im Gegensatz zu den Majors meist auf eine oder wenige Musiknischen wie elektronische Musik, Dance, Metal, Jazz oder World, oder auf Subnischen wie Downbeat, Techno, Trance, HipHop, Ambient u.a.. Die “Indies“ kennen ihre lokalen Szenen und so ist der persönliche Bezug und Einsatz für Musikschaffende, ein Gespür für den Markt sowie Verbindungen mit den lokalen Szene-Clubs und -medien meistens gegeben. Diese Konzentration auf „Weniger“ kann also ein Vorteil sein, weil die Labels mehr Know-how über lokale Szenen generieren können. Sie sind so auch eher als große Einheiten in der Lage, talentierte MusikerInnen sowie aktuelle Trends schnell zu erkennen und auf sie zu reagieren. Außerdem sind Independent Labels im Gegensatz zu Majors eher fähig, sich als eine Labelmarke, die für einen bestimmten Musikstil oder eine Haltung steht, zu positionieren. Identität und “Credibility“ sind für Szene-Labels oft äußerst wichtig. Nischenlabels können versuchen, ihre Community nicht nur durch bestimmte Musikstilfelder an sich zu binden, sondern auch mit Lebensstil (z.B. durch ästhetisch ansprechende Plattencovers, T-Shirts etc.). Dabei helfen auch neue Medien wie Label-Website (inklusive Gästebücher, elektronischer Newsletter, etc.) und Email, die eigene Community aufzubauen und mit ihr in Kontakt zu bleiben. Eine Chance von Independent Labels ist, die von Major Labels vernachlässigte A&R-Arbeit zu forcieren. Independent Labels können somit teilweise von der Krise der Major Labels profitieren. Sie haben

149

zwar ebenfalls Kaufkraftrückgänge zu verzeichnen, aber nicht im selben Ausmaß wie die 167

Majors.

Seit 1990 kommt es in Österreich zu einer immensen Erhöhung der Zahl der Labels (siehe Abbildung 21 unten). Zwischen 1990 und 2002 steigt die Anzahl der bei der LSG (Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH – die Verwertungsgesellschaft für Labels und InterpretInnen) registrierten Labels massiv von 1.398 auf 4.932 (um 3.534). Die Zahl der Tantiemen-bezugsberechtigten Labels erhöht sich von 294 auf 1.428 (um 1.134). Abbildung 21: Registrierte Labels und Bezugsberechtigte in Österreich 1990-2002

Quelle: Datenbankauswertung der LSG 2003 (Rückgang 2000 auf 2001 durch Datenbankbereinigung der LSG) zitiert in: Kulturdokumentation, Mediacult, Wifo (2004), 189.

Independent Labels bekommen durch neue digitale Produktionsmittel und neue Kommunikationskanäle Zugang zu Märkten, insbesondere auch zu internationalen Märkten, der ihnen zuvor fehlt, weil ihnen als kapitalschwache Labels „nicht viel Marketinggeld“ zur Verfügung 168

steht.

Der große Nachteil der Independents liegt aber weiterhin in der Kapitalschwäche, die

die Handlungsspielräume sehr einschränkt. Außerdem haben Independent Labels im Gegen167 168

Im Bezug auf Zitat aus Interview mit Rossori/Pate Records. Zitat aus Interview mit Rantasa/mica.

150

satz zu den Major Labels oft keinen eigenen Vertrieb, sondern müssen andere Vertriebe beauftragen, darunter Major Labels oder neuerdings Online-Vertriebe, die zurzeit kaum Repertoire von Independent Labels in ihren Katalog aufnehmen. 7.3 7.3.1

Fallbeispiele Independent Labels Elektronik-Labels

1. ecco.chamber

169

ecco.chamber beginnt als Compilation-Label, aber seit 2002 betreut es zu 90 % „Artist-Projekte“ und die Tätigkeit hinsichtlich Compilations ist nur mehr „peripher“. Das Label übernimmt abgesehen von der künstlerischen Produktion „alle Major-Funktionen“. Die wesentlichen Stilfelder des Labels sind Downbeat, “sophisticated electronic music styles like broken beat, groove, nu-jazz, downbeat, dub, and abstract-sounds“. Einer der wichtigen La170

bel-Acts ist die A capella Band Bauchklang,

deren Stil „eine Mischung“ aus „elektroni-

sche[r] Musik mit Stimme“ darstellt. Die Verträge zwischen Musikschaffenden und Label dauern zumeist für die Laufzeit eines Albums an. Meistens liefern die Musikschaffenden den fertigen Tonträger beim Label ab. ecco.chamber bietet aber auch Post-Production an. Die Einnahmen werden 50:50 zwischen Musikschaffenden und Label aufgeteilt. ecco.chamber unterstützt teils auch Auslandstourneen ihrer Acts. Labelchef Bauer’s „größtes Bestreben“ ist „hinaus aus Österreich“ auch im Sinne eines „abgerundeten Repertoires“. Einnahmen: 2002 verkauft ecco.chamber alle seine Artist-Projekte, zusammen genommen „insgesamt ca. 70.000 Tonträger“. ecco.chamber wird im Jahr 2003 in 26 Ländern vertrieben. Der Absatz liegt bei ca. 85 %. ecco.chamber’s Hauptvertrieb ist Soul Seduction, der Kooperationspartner in fast allen Ländern, auch Independent Vertriebe, hat. Ein „paar Einnahmen“ resultieren aus Tantiemen (v.a. aus Radio-Play). Maxi-CDs lassen sich kaum mehr verkaufen. Das Label produziert aber ein paar hundert Stück, um Radiopromotion zu bekommen. Vinyl ist ein Minusgeschäft, aber ebenfalls ein gutes Marketingtool. Verlag: ecco.chamber ist auch ein Verlag und als solcher bei der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA gemeldet. Der Aufwand, Verlagsrechten nachzugehen, zahlt sich für Jürgen Bauer erst ab einer höheren verkauften Stückzahl aus, die die wenigsten Independent KünstlerInnen erreichen. Die Schwelle liegt bei „30.000, 40.000, 50.000 verkauften Stück,

169

170

Die Information beruht v.a. auf Interview mit J. Bauer/ecco.chamber (8.5.2003) und wird durch die Websites www.eccochamber.com und www.departure.at im Feb. 2005 aktualisiert. Bandmitglieder von Bauchklang sind Gerald Huber, Andreas Fränzl, Karl Schrumpf, Alex Böck, Peter Groisböck.

151

damit sich das rentiert, da wirklich nachzuforschen, oder um (internationale) CD-Publisher in einzelnen Ländern zu finden, [...] die sich vor Ort kümmern“. Berufsbild Labelchef Jürgen Bauer: Bauer ist als Geschäftsführer von ecco.chamber für die Finanzen und personellen Angelegenheiten verantwortlich. Er selbst „kann natürlich davon leben“ und hat zum Zeitpunkt des Interviews zwei Full-Time-Beschäftigte und drei Halbtagsbeschäftigte. 171

2. mego

mego wird 1994 von Ramon Bauer (Geschäftsführer), Peter Meininger und Andreas Pieper gegründet. 1995 steigt Peter Rehberg/Pita ein und Meininger zieht sich zurück. Pita obliegt durch seine internationalen Konzertreisen stark das Arts & Repertoire. Der mego-Stil ist im Bereich elektronische Musik sowie Avantgarde und Ambient verortet. Von den Artists bekommt das Label zumeist fertige Produkte. Es lässt aber auch, wenn notwendig, im Tonstudio mastern oder verfeinern. mego stellt kein reines Musiklabel dar, sondern auch ein Label für 172

visuelle KünstlerInnen und einigt sich mit den KünstlerInnen zumeist über eine Produktion.

mego hat seinen eigenen Vertrieb für Produkte, die es selbst produziert (zusammen mit einer 173

„Hand voll“ „Allied Labels“).

Außerdem betreibt es seine eigene Booking-Agentur MdBs

seit Jänner 2000. Dafür nutzt das Label die seit Jahren aufgebauten internationalen Kontakte. Einnahmen: Wenn Bauer alle Label-Releases in einen Topf zusammengeben würde, wäre mego „maximal kostendeckend“. Manche Releases, zum Beispiel die von Christian Fennesz, verkaufen sich aber „mehr als kostendeckend“. mego produziert in der Regel niedrige Stückzahlen zwischen 1.000 und 2.000 Stück. Das Verhältnis von Absatz Inland : Ausland ist ca. 15 % : 85 %. Der Export ist aber zum Zeitpunkt des Interviews im Steigen. Ihre Hauptmärkte sind Japan, Australien, USA, Kanada und fast jedes europäische Land. In Polen und Ungarn hat das Label zum Beispiel auch kleine Vertriebe. Verlag: mego ist laut Gewerbeschein ein Verlag, was anfangs nur „eine Notlösung“ gedacht war, weil es keine entsprechenden Verlage in Österreich gab. mego-Musik wird zwar auch auf dem Radiosender Ö1 gespielt, es scheint aber oft nicht in den Abrechnungen auf, und dem Label fehlen die personellen Ressourcen, jedem einzelnen Fall (nicht nur national, sondern auch weltweit) nachzugehen.

171

172

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Die Information beruht v.a. auf dem Interview mit R. Bauer/mego (26.5.2003) und wird durch die Website www.mego.at im Feb. 2005 aktualisiert. Veröffentlicht wird von mego in unterschiedlichsten technischen Formaten: CD, MiniDisc, DVD, Internet, Video, Vinyl, u.a. Diese „Allied“-Labels sind Angelika Köhlermann, d0c recordings, falsch, rhiz, mosz [neu], Synaesthesia (Melbourne) und Wavetrap.

152

M.DOS ist mego’s bekannter Web-Mailorder-Shop seit 1997, der „ungefähr 2.500 Platten“ und auch Produkte von „ein paar hundert Labels“ anbietet. Dieser „Internet-Only-Shop“, erhält das Label „am meisten am Leben“. In der Zwischenzeit hat sich auch eine kleine Vertriebsstruktur aufgebaut, mit ca. 20-30 Zwischenhändlern auf der ganzen Welt. M.DOS funktioniert wie ein Versand, nur über Internet. Bezahlen können KundInnen sowohl mit Kreditkarte als auch mit sämtlichen anderen Zahlungsformen (siehe Kap. 12). Berufsbild: Bauer ist seinem Gewerbeschein nach PR-Agent, tatsächlich ist er Geschäftsführer von mego. Alle drei Besitzer inklusive Ramon Bauer sind für mego ehrenamtlich tätig. Die Labelarbeit fungiert in finanzieller Hinsicht für ihn v.a. als Promotion zur Generierung von Einkünften als Musiker (z.B. Live-Auftritte). Bauer verdient etwas durch „Artists174

Jobs“.

Die restlichen MitarbeiterInnen (die GrafikerInnen und die drei mego-Angestellten)

sowie mego-PartnerInnen arbeiten „regulär“ für mego. 3 Sunshine Enterprises

175

Zu Beginn ist Sunshine Enterprises ein Sublabel des Major Labels BMG (mit dem es ungefähr sechs bis sieben Platten veröffentlicht). Da das Label nicht „von der Gnade von irgendeinem, der über uns sitzt, abhängig sein“ will, trennt sich das Label von BMG. Sunshine Enterprises wird als 50:50-GmbH von Mathias Kant und Heinz Tronniger betrieben. Stilfelder sind elektronische Musik, insbesondere Clubmusik: „von Uptempo wie House, Broken Beats“. Die Labeltätigkeit fängt „erst Sommer 2000 so richtig an“. Der erste Release ist das Solo-Album ...but is it art von Nigel Hayes (Sommer 2000). Sunshine Enterprises arbeitet ähnlich wie ein kleines Major Label, indem es sämtliche Geschäftsfelder unter einem Dach integriert: Record Label, Verlag, Tonstudio SunshineMusic, Booking, Clubs (Passage, Roxy, v.a.), Sequence Network Festival sowie Event-Consulting. Einnahmen: Der Geschäftsbereich Label ist seit 2002 in den „schwarzen Zahlen“, nachdem Sunshine Enterprises 2001 noch ein leichtes Minus in Kauf nehmen muss. Obwohl der Tonträgermarkt insgesamt „schlechter geworden ist“, verkauft das Label (zum Zeitpunkt des Interviews) mehr Releases als früher. Summa Summarum setzt Sunshine Enterprises bis Juni 2003 auf 23 Releases aufgeteilt auf knapp 50.000 Tonträger ab. Bis Juni 2003 werden sechs Alben veröffentlicht. Das erste Album Amor von Madrid de los Austrias erscheint 2001 und setzt (bis Frühjahr 2005) 20.000 Tonträger ab. Das neue Album Mas Amor erscheint im 176

Frühjahr 2005.

Ihr Zentralvertrieb ist Soul Seduction in Wien, über den Sunshine Enterpri-

ses auch Kontakte zu ausländischen Vertrieben hält. Für bestimmte Länder hat das Label ei174 175

176

Peter Rehberg bzw. Pita lebt vor allem von seinen internationalen Auftritten. Die Information beruht v.a. auf Interview mit Prechtl und Mair/Sunshine Enterprises (26.6.2003) und wird durch die Website www.sunshine.at im Feb. 2005 aktualisiert. vgl. Zitat aus Interview mit Heinz Tronigger In: Sound & Media No. 4 (2005), 22.

153

gene Vertriebe. Der Auslandsvertrieb ist für Sunshine Enterprises nicht „weniger als 75 %“ des Tonträgerabsatzes. Sunshine Enterprises hat auch einen eigenen Verlag. Wenn Musikschaffende ein Album mit dem Label gemeinsam produzieren, ist Voraussetzung, dass sie auch zum Verlag gehen. Das Booking ist „nicht für alle [Sunshine-Enterprise]-Künstler gedacht“. Tantiemen aus Urheberrechten: Bis zum Zeitpunkt des Interviews (im Juni 2003) kostet Sunshine Enterprises das Einzahlen von Tantiemen (für Club-Veranstaltungen) mehr, als Einnahmen an Tantiemen hereinfließen. Tantiemen sollen aber „eine wichtige Säule werden“. Eine der wichtigsten Einnahmequellen (und lange Zeit die wichtigste) ist die Gastronomie aus dem Clubbereich durch die Wiener Lokale Passage und Roxy. Mit den Tourneen ihrer MusikerInnen verdienen sie nichts, welche aber eine gute Promotion für den Verkauf von Sunshine-Enterprises-Alben darstellen. Tonstudio: In der Regel kommen die Musikschaffenden mit einer fertigen Produktion zu Sunshine Enterprises. Das Label hat durch das eigene Tonstudio SunshineMusic aber auch die Möglichkeit „im Haus“ zu produzieren, zu mastern und somit Einfluss auf die Produktion zu nehmen. Berufsbild: Sowohl Prechtl als auch Mair sind zum Zeitpunkt des Interviews im Frühjahr 177

2003 zu 20 Stunden bei Sunshine Enterprises angestellt.

Prechtl ist vor allem für Buchhal-

tung und Mair insbesondere für die Labelarbeit zuständig. Da sie auch als DJs arbeiten, können sie mit ihren Einnahmen aus der Labelarbeit davon leben. Beim DJing ergibt sich auch ein Promotionseffekt für das Label. 7.3.2

Pop-Rock & Heavy Metal Labels

1. Demonware Records

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Demonware Records ist ein Independent Wiener Label, das Mitte 1997 von Hannes Dorn gegründet und weitgehend allein betrieben wird. Der Label-Stil ist Heavy Metal, Deathmetal, Hardcore, Grindcore und Hardrock. Artists sind ausschließlich österreichische UndergroundBands, u.a. Mastic Scum, thal und Seeds of Sorrow. Einnahmen Label: Bereits seit ca. 1995 betreibt Dorn seinen eigenen Internet Mailorder Shop onlineshoppingmailorder.com, über den Dorn Musik von Undergroundmusikbands vertreibt. Produkte sind neben CDs auch Kassetten, T-Shirts, Fan-Zines und Lyric-Scripts. Seine Einnahmen aus dem Label kommen vor allem aus Tonträgerverkauf und Merchandising. Die Auflage von einem Release bewegt sich zwischen 500 und 1.000 Stück. Dorn geht zu Beginn

177

Leitung von Sunshine Enterprises: Matthias Kant (kaufmännische Geschäftsleitung, Gastronomie und Club) und Heinz Tronniger (A&R-Manager), Mischa Janisch und Georg Tomandl (Tonstudio SunshineMusic).

154

seiner Labeltätigkeit direkt zu Großmärkten wie Mediamarkt und Saturn und versucht, Demonware-Releases direkt zu vertreiben, was „teilweise […] klappt, teilweise aber auch nicht“. Der Vertrieb in Österreich erfolgt auch über NSM Records. Dorn organisiert in der aktiven Labelzeit zum Beispiel Konzerte, wenn „eine CD-Präsentation angestanden ist“. Er betreibt auch einen Verlag und bindet seine Labeldeals in der Regel an einen Verlagsdeal. Die Betreuung des Verlages hat er gegen Provision an den Verlag Weinberger abgegeben. Die Einnahmen aus Tantiemen aus dem Verlag gehen aber gegen null. Für drei bis vier Produktionen wird das Tonstudio Wild One Music beauftragt. Website: Die Homepage www.demonware.com, die im Februar 1998 gestartet wird, ist für das Label „das Promotion-Tool schlechthin“. Diese Homepage ist v.a. auch „Visitkarte“, die „viel Papier spart“ mit Bandübersicht/Informationen über Bands und Release-Informationen. Durch die Website haben BesucherInnen auch eine Sicht auf die Daten zum zentralen MailorderShop onlineshoppingmailorder.com. Auf diesem Online-Shop werden nicht nur CDs, sondern auch Merchandise-Produkte (wie T-Shirts) angeboten. Außerdem besteht eine Unterteilung in Metalshop oder Rockshop. Der durchschnittliche Verkaufspreis für eine CD liegt bei ca. 1112 Euro. Manche qualitativ „besseren“ CDs werden bis zu 17 Euro angeboten. Sein Anteil an den Produkten ist „die normale Händlerspanne“ von 30 %. Er bietet auf der Website auch Gratis-MP3s an. Außerdem gibt es Zugang zu Labelinformationen, Presse-Reviews über Releases, Interviews mit Bands, Foto-Galerie von Bands, Links (zu Bands, Medien, etc.), Gästebuch, und die Möglichkeit, sich für den e-Newsletter zu registrieren. Der Web-Shop bringt auch Promotion zwecks Umwegrentabilität für die EDV-Firma. Auch die CDs haben Promotionsfunktion für Label und Bands. Für Promotionzwecke hat Demonware Records auch MP3-Files auf Internet-Plattformen wie www.mp3.com platziert plus Informationen über die jeweiligen Bands, um die BesucherInnen zur eigenen Homepage zu lenken. Berufsbild: Dorn bezieht sein Haupteinkommen aus der IT-/EDV-Branche. Das Label läuft lange Zeit als Experiment und funktioniert nicht auf gewinnbringender Basis. Nach fünf Jahren Labellaufzeit „kommt nicht das große Geld herein, wie erhofft“. Daher hat er seine Labeltätigkeit vorläufig stillgelegt. 2. derfreieRaum fürMusik

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Das junge Rock-/Pop-Label arbeitet „ganz exklusiv“ mit ausgewählten KünstlerInnen zusammen. Das Label konzentriert sich auf österreichische KünstlerInnen und richtet seine 178

179

Die Information beruht v.a. auf einem Interview mit Dorn/Demonware Records (21.5.2003) und wird durch die Website www.demonware.com sowie durch einen Emailkontakt mit Dorn im Feb. 2005 aktualisiert und verifiziert. Die Information beruht v.a. auf Interview mit Januschke/derfreieRaum fürMusik (21.12.2004) und wird durch die Website www.freiraum-musik.com sowie durch einen Emailkontakt mit Januschke im Feb. 2005 aktualisiert und verifiziert.

155

Vermarktung international aus. Geplant ist, einen Act pro Jahr zu veröffentlichen. Im Dezember 2004 betreut derfreieRaum fürMusik drei Acts: Die Falschen Freunde, Tyler und Side Effect. Das Label bietet auch Künstlermanagement an. Bei jedem Act wird sowohl ein individuell zugeschnittenes Marketingkonzept, als auch Live- und Promotionskonzept entwickelt. Daher werden keine exklusiven Vertriebsvereinbarungen eingegangen, sondern es werden die Vertriebs-PartnerInnen jeweils pro Act ausgewählt. Längerfristig will derfreieRaum fürMusik nicht nur als Musiklabel tätig sein, sondern auch eine Plattform für Kreative in den Musik zuarbeitenden Bereichen wie Mode, Video und Event-Management bieten. Das heißt, derfreieRaum fürMusik wird „eine Art Vermittlungsagentur“, z.B. um „Imagekampagnen“ durchzuführen. Das Team will sowohl klassische Vertriebswege als auch neue Wege wie Web-Shops nutzen. Networking ist besonders wichtig, u.a. um eine Community zu schaffen, mit Leuten, die bei ihnen mitarbeiten sowie mit KundInnen, die ihre Produkte kaufen. Produktionsprozess und -kosten: Das Label sucht für jeden Act ein passendes Tonstudio. Die Produktionskosten übernimmt derfreieRaum fürMusik. Neben den Tonstudiokosten übernimmt das Label die Kosten für Video und Support. Einnahmen: Finanziell schreibt derfreieRaum fürMusik zum Zeitpunkt des Interviews (im Dez. 2004) noch keine Gewinne. Von einem Side Effect-Release werden in Japan 3.000 Stück abgesetzt. Außerdem ist geplant, Internet-Downloads kostenpflichtig anzubieten. Dazu bestehen einige Optionen, z.B. mit der vom mica gegründete Download-Plattform OMD und v.a. mit iTunes. Als kleines Label hat der freieRaum fürMusik aber Schwierigkeiten, seine Musik über iTunes zu vertreiben. Konzerte: Das Label ist vor dem Zeitpunkt des Interviews abwechselnd in den Wiener Clubs Chelsea und im B72, immer mit bestimmten Themenabenden, z.B. HipHop, präsent. Hinsichtlich Auslandstourneen liegt der Fokus zurzeit v.a. auf Österreich. Berufsbild: Januschke kommt aus der Medienbranche. Er ist gemeinsam mit Irene Jennenwein und Clemens Niederhammer Mitbegründer des Labels derfreieRaum fürMusik und übernimmt die Funktion des Labelmanagers. 3. Pate Records

180

Pate Records ist ein Label, das im Stilfeld Alternative-Music bzw. „FM4-Musik“, Pop und Rock/Pop sowie darüber hinaus angesiedelt ist. Dieses wird durch Labelchef Mario Rossori

180

Die Information beruht v.a. auf Interview mit Rossori/Pate Records (30.4.2003). Die Information wird durch die Website www.poppate.com im Feb. 2005 aktualisiert.

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betrieben, der sich vor allem förderungswürdigen, jungen KünstlerInnen widmet. Rossoris 181

Vertrieb ist Ixthuluh Musik.

Verlag Edition Rossori: Rossori ist seit 1990 als Verleger tätig, er betreute einige österreichische Stars. Momentan kümmert sich Rossori v.a. um den Aufbau junger Acts. Sync-rights.com: Rossori leitet dieses Projekt zum Aufbau einer B2B Film-Musik-Datenbank im Internet, welches von www.departure.at gefördert wird. Berufsbild: Seit 2001 betreibt Rossori das Alternative-Music Independent Label Pate Records. Weitere Tätigkeitsfelder sind Verlag (Edition Rossori), Journalismus (u.a. publiziert er als Poppate eine Kolumne im Musikmagazines Sound&Media), Organisation von Musikmessen und Event-Management. Rossori ist auch im Vorstand des Österreichischen Musikrates, im Fachverbandausschuss der Audiovisions- und Filmindustrie und im Vorstand des SR-Archivs tätig. 4. monkey music

182

Walter Gröbchen gründet die Kommunikations- und Consulting-Agentur monkey music im Jahr 2000, die seit 2004 auch ein Label beinhaltet, als eine „autarke Zelle, um Projekte selber 183

vorantreiben zu können“ . Der Schwerpunkt liegt auf Promotion- und Produktionsdienstleistungen für die Musik- und Medienindustrie im gesamten deutschen Raum, zum Zeitpunkt des Interviews ist das Verhältnis ca. 60 % Deutschland zu 40 % Österreich. monkey music hat sowohl in Wien als auch in Berlin jeweils eine Dependance. Das Stilfeld von monkey music ist Popularmusik im weitesten Sinne, von elektronischer Avantgarde bis Mainstreampop. Einnahmen lukriert die Agentur aus mechanischen Rechten/Leistungschutzrechten, Verlagsrechten, Music-Download-Verkauf sowie Special Deals (zum Beispiel mit dem Mobilfunkbetreiber ONE oder Filmmusik). Zwei Jahre lang schreibt monkey music leichte Verluste, zum Zeitpunkt des Interviews aber bereits Gewinne. Ein Projekt mit dem Mobilnetzbetreiber ONE funktioniert „fast auf Nonprofitversuchsbasis“ (dabei stellt monkey music ONE bestimmtes Material zur Verfügung). Grundsätzlich handelt es sich dabei „um das Türöffnen“. Der Verlag stellt zuerst viele Jahre eine Verlagsedition dar, soll aber zum Verlag als Eigenfirma und Gmbh werden.

181

182

183

Record Pool ist das erste Sublabel von Pate Records und auch als „Pool“ gedacht, „in dem die jungen Bands ‚schwimmen lernen’ sollen und dann vielleicht von Pate Records oder einem anderen Label übernommen werden“. Die Information beruht v.a. auf einem Interview mit Gröbchen/monkey music (13.12.2004) und wird durch die Website www.monkeymusic.com sowie durch einen Emailkontakt mit Gröbchen im Feb. 2005 aktualisiert und verifiziert. Auch wenn monkey music sich v.a. als Agentur definiert, wird es trotzdem an dieser Stelle als „Label“ eingeordnet, weil es sich v.a. auf „Produktionsleistungen“ konzentriert und auch Consulting für Labels und andere Firmenaufträge übernimmt.

157 184

Berufsbild: Gröbchen ist Agentur- und Labelbetreiber, Verleger und Consultant.

Der

professionelle Schwerpunkt verlagert sich aber zunehmend in Richtung Verlag, der noch in der Aufbauphase ist. Er ordnet sich selbst den „Pragmatikern“ zu, das heißt, wesentlich ist nicht immer nur die künstlerische, sondern auch die wirtschaftliche Idee hinter einem Projekt. Er lebte bis jetzt kaum von Einnahmen aus monkey music, sondern vor allem von seinen Beraterhonoraren. 7.3.3 Sonstige Labels aRtonal

185

Das Label aRtonal, das sich dem Stilfeld „gitarrenlastige Improvisationsmusik“ widmet, formiert sich zuerst durch persönliche Kontakte des Labelbetreibers Stefan Parnreiters zu MusikerInnen aus Linz, die im Bereich improvisierte Gitarrenmusik verortet sind. Einnahmen: aRtonal ist im Mai 2003 beinahe kostendeckend. Die wichtigsten Einnahmequellen kommen (zu diesem Zeitpunkt) aus Konzert- und Festivalauftritten. aRtonal-MusikerInnen treten z.B. regelmäßig in den Wiener Clubs fluc und rhiz auf. Das Booking für seine Musikschaffenden funktioniert in Österreich gut, ist aber im Ausland schwierig. Förderungen bekommt aRtonal durch den SKE-Fonds. Die Förderungen sind an Veranstaltungen zweckgebunden. Für Plattenproduktionen werden die Förderungen des SKE-Fonds nur direkt an bezugsberechtige KomponistInnen ausgeschüttet. Parnreiter sucht im Namen der MusikerInnen um die Gelder an, die zwar an Musikschaffende ausbezahlt, aber innerhalb vom Label aufgeteilt werden, z.B. um die Produktionskosten abzudecken. Tonträger: Der aRtonal-CDVerkauf funktioniert (zum Zeitpunkt d. Interviews) relativ marginal. Der erste Album-Release tumido von Tumido wird zuerst mit 1.000 Stück veröffentlicht, davon werden die meisten Stück durch die MusikerInnen selbst bei „Konzerten ziemlich gut verkauft“. Daher lässt Parnreiter noch 500 Stück nachpressen. Seit damals erscheinen weitere Veröffentlichungen. Vertriebe, die aRtonal Tonträger distribuieren, sind Extraplatte sowie Mdos. Außerdem hat aRtonal spezielle Vertriebe in Deutschland, Italien, Frankreich, USA und Japan. Auftragsarbeiten: Parnreiter bemüht sich zum Zeitpunkt des Interviews um Aufträge in der Multimediabranche für Tonunterlegungen für GrafikerInnen. Da er durch das Label einen großen Pool von verschiedenen MusikerInnen zur Verfügung hat, kann er „von Kammermusik bis Technobeats alle passende Sounds für Animationen“ liefern. CDs werden teils als Promotion zwecks Umwegrentabilität gratis verteilt. 184

185

Zum Zeitpunkt des Interviews (im Dezember 2004) besteht monkey music neben Walter Gröbchen (Wien, Berlin) aus: Uwe Hofer (Geschäftsführer), Eva Brunner (Assistance, Promotion, Webadmin.) und Georg Rosa (Head of Promotion & Special Projects). Die Information beruht v.a. auf einem Interview mit Parnreiter/aRtonal (13.5.2003) und wird durch die Website www.artonal.at im Februar 2005 aktualisiert.

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Verlag: Über kurz oder lang will Parnreiter aRtonal zu einem Musikverlag machen. Da der Verleger an allen Einnahmen beteiligt ist, profitieren auch MusikerInnen, weil er dahinter sein muss, dass die Musik promotet und lizenziert wird. Tantiemen: Durch Live-Auftritte von aRtonal-KünstlerInnen „läppert sich ein bisschen etwas zusammen“. Berufsbild: Seit Herbst 2002 ist Parnreiter Betreiber des Labels aRtonal Recordings und seit ca. 2004 Geschäftsführer und Booker der Lokale fluc und fluc mensa am Praterstern im 2. Bezirk in Wien. Von zweiterem Tätigkeitsbereich generiert er im Gegensatz zur Labelarbeit ein relevantes Einkommen. 7.3.4

186

Resümee Fallbeispiele der Independent Labels

EinzelkämpferInnen und „mittelständische“ Labels alter und junger AkteurInnen Die untersuchten Labels organisieren sich (ähnlich wie die KünstlerInnen – siehe Kap. 5) entweder als Ein-Mann-Firma und daher als EinzelkämpferInnen oder als „mittelständische“ Labels. Mit „mittelständischen“ Labels sind hier kleinere und größere Labels gemeint, die mehr als eine Person als permanente LabelmitarbeiterInnen beschäftigen. Dabei sticht im Gegensatz zu den Musikschaffenden (bei denen insbesondere ElektronikerInnen zum „Einzelkämpfertum“ tendieren) keine Verbindung zwischen Labelgröße und Musikstilfeld ins Auge. Auch sind auf diese Labels in relativ gleichem Maße alte und neue AkteurInnen der Musikindustrie verteilt. Gleichzeitig haben relativ viele „alte AkteurInnen“ relativ „junge“ Labels sowie relativ „junge AkteurInnen“ junge Labels gegründet. Große Marken zu kleiner Rentabilität Erfolg einer bekannten „Labelmarke“ bedeutet nicht unbedingt, dass sich dieser auch in Rentabilität niederschlägt. Zum Beispiel wirft das Label mego, das als erfolgreiches Wiener Label der Vienna Electronica bekannt ist und bereits seit 1994 Releases sämtlicher namhafter elektronische MusikerInnen herausbringt, gerade ausreichend Gewinne ab, dass es überleben kann. Eine Ursache dafür ist zu einem nicht geringen Teil die latente Kapitalschwäche. Die LabelbetreiberInnen überleben zumeist mit Idealismus und Selbstausbeutung. Dabei zeigt sich eine Parallele zu KünstlerInnen der Wiener elektronischen Musikszene. Sie werden zwar von den Medien beachtet, manchmal sogar zu einem hohen Grad, diese mediale Aufmerksamkeit drückt sich aber nur bedingt in wesentlichen ökonomischen Gewinnen aus. Auch wenn Reputation in Form von internationalen Netzwerken (hinsichtlich VertriebspartnerInnen und Fans) und medialer Aufmerksamkeit vorhanden ist, führt dies nicht zwingend dazu, dass sich die Labelbetreiber (oder MitarbeiterInnen) eine nachhaltige Existenz aufbauen können.

186

In Bezug auf Zitat aus Email von Parnreiter (Februar 2005).

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Das Gesamtbild zeigt daher, dass „die wenigsten [der Labels] davon leben [können]. Wir sprechen in Wirklichkeit von ein paar ganz wenigen, die das können.“

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Multitasking und vertikale Integration Um überleben zu können, integrieren die untersuchten Independent Labels vertikal mehrere Geschäftszweige unter einem Dach. Neben den Hauptgeschäftszweigen Arts & Repertoire, Tonträgervertrieb, -Marketing und -Promotion haben einige dieser Labels ihren eigenen Musikverlag sowie Tonstudio, Club- und/oder Festivalveranstaltung, Booking-Agentur oder Catering Service. Neue Produktions- und Kommunikationstechnologien haben diese Geschäftszweige um eine virtuelle Ebene erweitert, dazu gehören die Label-Homepage und der OnlineMusic-Shop. Außerdem werden neuerdings Formen von Musikservices konzipiert und realisiert, wie das digitale On-Demand-Vertriebsprojekt Musiktankstelle MuseumsQuartier von 188

monkey music oder das digitale Film-Musik-Internet-Vertriebsprojekt Sync-rights.com

von

Pate Records (siehe unten). Oder Musikproduktion, -distribution und damit verbundene -services werden auf breiterer Basis im Bereich Creative Industries (z.B. Musik für Mode oder Design) entwickelt. Die Labels benötigen also zusätzliche Einnahmequellen, um den Geschäftszweig Label aufbauen und/oder am Leben erhalten zu können. Aber die vertikale Integration ist kein hinreichendes Kriterien für wirtschaftliche Rentabilität. Sunshine Enterprises hat durch seine gastronomische Basis und sein Tonstudio wahrscheinlich bessere Voraussetzungen, als Label ökonomisch zu funktionieren. mego und derfreieRaumfürMusik setzen stark auf Life-Style-Produkte, was zum Beispiel im Fall von mego gut funktioniert, weil es auf eine starke Community setzen kann, die Life-Style als Sammelobjekte goutiert. Unterkapitalisierung, Wissensmonopolisierung und Inseldasein Vielen Labels fehlt die wirtschaftliche Basis, um das eigene Unternehmen so aufzubauen, dass es wesentliche Gewinne abwerfen kann. Teilweise hängen die wirtschaftlichen Probleme auch mit Mängeln in der Ausbildung im musikwirtschaftlichen Bereich zusammen. Ähnlich wie bei den Musikschaffenden elektronischer Musik eine Tendenz zum Einzelkämpfertum vorzufinden ist, besteht bei Independent Labels ein Hang zum „Insel-Dasein“. Wolfgang Mitter von der Agentur Miooow Coop. stellt diese Situation folgendermaßen dar: Statt „verschiedene Talente zusammenzubringen und zu vernetzen, um Macht zu erreichen“ sowie um Know-how weiterzugeben, wird auf die Prämisse „Kontrolle ist alles“ gesetzt. Diese Strategie ist „das Kennzeichen eines unterkapitalisierten Marktes“. Einige wenige der Wiener „mittelständischen“ Labels, insbesondere in der elekronischen Musikszene, haben sich und einige

187 188

Zitat aus Interview mit J. Bauer/ecco.chamber. Die Musiktankstelle und Sync-rights.com bekommen Förderungen vom Wiener Creative-Industries-Unternehmen departure.

160

FreundInnen als Acts aufgebaut und promotet, aber das „Label nicht dazu genutzt, um andere Leute auch durchzuschleusen“. Sie haben zwar „internationale Vertriebsnetzwerk[e]“ vorzuweisen, das bedeutet aber nicht, „dass sie auch gut davon leben können“. Die meisten dieser Labels überleben, weil sie Aufträge in anderen Bereichen (wie Musikproduktions-, Filmoder Kunstbereich) lukrieren. Ein solches „System“ funktioniert nur in „Boomzeiten“, also nicht nachhaltig bzw. nicht in „schlechteren“ Zeiten. Seit wenigen Jahren herrscht aber „die Krise der elektronischen Musik“. Die Alternative zur „Einzelkämpferstrategie“ wäre, einen „Organismus“ aus „Künstler gemeinsam mit Management, sowie Promotionsagentur, 189

Booking-Agentur und Label“ zu bilden, in dem „alle miteinander an einem Strang ziehen“ . Die Einzelkämpferstrategie beinhaltet außerdem Wissensmonopolisierung einzelner Labels, 190

die diese für sich als Wettbewerbsvorteil funktionalisieren,

welche dazu führt, „dass

191

gemeinsames Auftreten nur über persönliche Netzwerke geht“ . Auf die Dauer stellt diese Monopolisierung ein Mittel dar, unter dem die gesamte Nische/Musikszene, darunter vor allem Newcomer, leidet/n. Ein Aspekt davon ist, dass kein Wissenstransfer von den „alten“ zu 192

den neuen Labels stattfindet.

Stattdessen wäre es produktiver, zu kooperieren bzw. zu

„koordinieren und [zu] verbinden“ (Renner 2004, 285), auch um in größeren Interessensgemeinschaften kollektive Anliegen durchsetzen zu können. Da sich aber Independent Labels stark über ihre Autonomie definieren, ist die Chance auf kollektive Organisierung und gemeinsame Strategien gering. Neue Förderungen und Kooperationsformen Zur Verbesserung der Situation von Creative Industries-Unternehmen wurden in jüngerer Zeit einige Förderungen gestartet. Die Stadt Wien forcierte die Gründung der Wiener Creative In193

dustries Förderstelle departure . Einige der für diese Arbeit interviewten Labelbetreiber reichten bei departure Musikprojekte ein, die auch bewilligt werden. Bei diesen Projekten handelt es sich um die Umsetzung von innovativen Online- und/oder On-Demand-Music-Services sowie um die Forcierung neuer Arten von Kooperationen, darunter zwei Projekte dezidiert zur Förderung von Musikexport. Auf Bundesebene wurde ebenfalls mit der Schaffung des iP ImpulsProgramm creativwirtschaft

194

eine Förderungsinitiative für Creative-Industries-

Unternehmen (und speziell für Unternehmen musikbezogener Dienstleistungen und neuartiger Produkte) ins Leben gerufen. Darüber hinaus wurden musikspezifische Einrichtungen (für 189 190 191 192 193 194

Zitate aus Interview mit Mitter/Miooow. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Rantasa/mica. Zitat aus ebenda. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Jelinek/Sabotage Communications. www.departure.at. www.impulsprogramm.at.

161

Pop- und zeitgenössische Musik) geschaffen, wie die Gründung des Österreichischen Musikfonds und der Agentur Austrian Music Export (eine Tochterfirma des music information centers austria mica).

163

8

Vertrieb und Einzelhandel

8.1

Physischer Tonträgervertrieb und -einzelhandel

Der traditionelle Tonträgervertrieb „bestückt“ den Groß- und Einzelhandel sowie Rundfunkund Fernsehanstalten, Diskotheken, Clubs mit Tonträgern und ist gleichzeitig auch für Marketing und Pressearbeit der Handelsware zuständig. Der Handel ist dabei „das Nadelöhr des Musikbusiness [...] und [nach wie vor] die beste Promotion, die man haben kann, ist die Han195

delspräsenz“ . Zwei wesentliche Erscheinungsformen des physischen Tonträgerhandels – Groß- und Einzelhandel – müssen unterschieden werden: „Die Betriebstypen des Großhandels sind Sortimentgroßhändler, Rackjobber und Automatengrossisten. Das Betriebssystem des Einzelhandels sind Großbetriebsformen (sog. Megastores, Warenhauskonzerne und Elektromärkte), Filialenunternehmen, Fachmärkte, Verbrauchermärkte, unabhängige Facheinzelhändler, Direktvermarkter des Einzelhandels und sonstige Einkaufsstätten.“ (Kulle 1998, 150-151)

196

Vertrieb und Handel sind zurzeit jene Teile der Musikwertschöpfungskette, die durch “Disintermediation“ stark bedroht sind. Ähnlich wie bei den Major Labels besteht eine Betroffenheit aufgrund von Gratis-Music-Downloads im/vom Internet und Brennen von Musik auf CDRohlinge. Gleichzeitig verstärkt sich die Konkurrenz durch neue Online-Plattformen wie 197

Amazon.com

oder iTunes von Apple.

Zahlen der IFPI Austria zeigen, dass die Anteile sowohl des Fachhandels als auch der Großbetriebsformen und “Direct Mail“ am österreichischen Gesamtmarkt zwischen 1998 und 2004 abnehmen. Hingegen ist der Anteil des Music-e-Commerce, wenn auch nach wie vor im geringfügigen Bereich, seit 2001 stark im Steigen begriffen (siehe Abbildung 22 unten):

195 196 197

Zitat aus Interview mit J. Bauer/ecco.chamber. Der Fokus liegt hier auf dem Einzelhandel. Z.B. erfolgt bei Amazon.com oder Amazon.de die Distribution via Versandhandel von physischen Tonträgern, welche über Internet bestellt werden.

164

Abbildung 22: Haupteinkaufsstätten – Anteile am österreichischen Gesamtmarkt 1998-2004

Haupteinkaufsstätten - Anteile am österreichischen Gesamtmarkt 1998-2004 in % 100% 90%

6

5,5

6

6 3

6 4

13

13

7 5

16

13

12

12

80%

9 6 11

70% 60% 50%

69,5

69

66

66

67

66

64

40% 30% 20% 10% 11,5

12,5

12

12

11

10

10

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

E-Commerce

Sonstige

0%

Fachhandel

Großbetriebsformen

Direct Mail

Quelle: IFPI Austria (2002–2005): „Der österreichische Musikmarkt 2001.“ „…2003.“ „…2004“ In: sound & media spezial (März 2002) ( März 2004) ( März 2005).

Demnach stellt sich die Situation des Musikhandels in Österreich im Zeitraum zwischen 1998 und 2004 folgendermaßen dar (siehe Abbildung 22 oben): -

Großbetriebsformen: Auch wenn der Anteil dieser Handelsform am gesamten Markt im Zeitraum 1998 bis 2004 (um 5,5 %-Punkte) von 69,5 % auf 64 % sinkt, ist er mit 64 % nach wie vor überproportional vertreten.

-

Fachhandel: Zwischen 1998 und 2003 reduziert sich der Anteil des Fachhandels am Gesamtmarkt (um 1,5 %-Punkte) von 11,5 % auf 10 %. Die Anteile in den Jahren dazwischen liegen darüber: 1999 bei 12,5 % sowie 2000 und 2001 bei 12 %. Das heißt, der Fachhandel stellt eine relativ marginale Handelsform dar.

-

Direct-Mail: Der Anteil sinkt zwischen 1998 und 2004 (um 2 %-Punkte) von 13 % auf 11 %, liegt aber im Jahr 2000 sogar bei 16 %. Damit steht Direct-Mail anteilsmäßig knapp (um 1 %-Punkt) vor dem Fachhandel. Das heißt, dass die Musik-

165

konsumentInnen Tonträger etwas lieber via Post oder Email bestellen, als sie im Fachgeschäft zu kaufen. -

e-Commerce:

198

Dieser Anteil steigt zwischen 2002 und 2004 (um 3 %-Punkte) von

3 % auf 6 %. Auch wenn e-Commerce 2004 damit immer noch eine marginale Handelsform darstellt, kann davon ausgegangen werden, dass Music-e-Commerce in der näheren Zukunft die größten Wachstumspotenziale aller Handelsformen birgt: „der mögliche Umsatzanteil des Online-Verkaufs [wird] von den österreichischen Unternehmern und Analysten in den nächsten Jahren als sehr hoch eingeschätzt“ (Mediatime 2002, 173) (siehe unten und Kap. 12). Die Krise des Tonträgerhandels geht nicht nur mit der digitalen Mediamorphose und dem Anstieg des Music-e-Commerce einher, sondern ist auch selbstverschuldet. Die Halbwertszeit der CDs in den Stellflächen der Großbetriebsformen des Einzelhandels (die ein hohes Maß an Konzentration durch Elektrogeräteketten wie Saturn und Mediamarkt erfahren) wird in den letzten Jahren immer kürzer: „[…] eine CD darf dort nicht mehr länger als acht bis zwölf Wochen im Regal stehen. Entweder sie hat sich in diesen acht bis zwölf Wochen nicht zu einem starken Dreher entwickelt […] der dann länger bleiben darf, weil er sich verkauft [...] wird [er] retourniert, ausgelistet, aus dem Repertoire gestri199

chen.“

Die Limitierungen der Flächen sind aber nicht nur für Nischenrepertoires von Nachteil, weil sich Nischenmusik in kleinen Stückzahlen verkauft und folglich längere Halbwertszeiten be200

nötigt,

die Verkürzung der Präsentationsdauer bewirkt eine Verzerrung des Gesamtange-

bots: “studies have shown that nearly two thirds of all people who visit brick-and-mortar record retailers leave the store without finding what they were looking for“ (Kusek & Leonhard 2005, 86). Die KonsumentInnen können die gewünschte CD im regulären Handel also nicht mehr finden, weil sie nie in den Katalog aufgenommen oder sehr bald wieder entfernt wurde. Das Internet bietet sich dann oft als einzige Alternative an, das im Handel kaum auffindbare Produkt aufzuspüren. Zudem wird Musik von den Großhandelsketten oft zu Dumpingpreisen angeboten und dient in erster Linie zur „Frequenzstimulierung“ bzw. dazu, KonsumentInnen in den Laden zu locken, um Elektrogeräte mit höherer Handelsspanne zu verkaufen. Der Einzelkleinhandel, der für die Vielseitigkeit des Angebots noch sorgt, wird durch die aggressive Preispolitik von

198 199 200

Music-e-Commerce wird erst ab 2001 gemessen. Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction/Black Market Music. In Bezug auf ebenda.

166

Ketten wie Saturn oder Mediamarkt stark unter Druck gesetzt und teils schwer beschädigt. Viele EinzelhändlerInnen mussten aufgrund der massiven Preiskonkurrenz Konkurs anmelden. Die Kurzsichtigkeit der Major Labels, auf den Vertrieb der Großhandelsketten zu bauen, brachte sie letztendlich selbst in deren Abhängigkeit und trug zum Ruin so mancher KleinhändlerInnen bei. Damit verursachten die Major Labels ihre eigene Krise mit (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 86-87). Ein prominentes Opfer im Einzelhandel in Österreich ist nach dem Crash des Libro-Konzerns im November 2004 kein kleiner Fachladen, sondern die Virgin Megastore-Dependance in der Mariahilfer Straße in Wien. Der Store war „der größte Einzelhändler in Österreich mit dem zweifellos breitesten Sortiment [...]. Neue frische Künstler konnten über Verkäufe bei Virgin am Markt etabliert werden. Und das galt nicht nur für internationales, sondern auch heimisches Repertoire.“

201

Kleinen Plattenläden wie Substance in der Westbahnstraße ist es zwar

möglich, aus dem Virgin-Crash Vorteile zu ziehen, weil die ehemaligen Virgin-KundInnen nun zu ihnen ins Geschäft kommen, diese Mehreinnahmen machen aber nicht die Ausfälle durch das Wegfallen des Virgin-Vertriebs (insbesondere in den Bereichen Jazz und an202

spruchsvolle Elektronik) wett. 8.2

Online-Musikvertrieb und -handel

Der Online-Handel kann im Vergleich zum physischen Handel mit Tonträgern ein unbegrenztes Sortiment zur Verfügung stellen, ohne sich mit räumlichen Begrenzungen von Stellflächen aufhalten zu müssen. Durch die Aufhebung der Raumbegrenzung ist es auch für Nischenrepertoires potenziell möglich, in Online-Kataloge aufgenommen, präsentiert und promotet zu werden. Hirschenhauser vom Vertrieb Soul Seduction bringt diesen Umstand folgendermaßen auf den Punkt: „Man muss […] bedenken, dass diese digitalen Vertriebsmöglichkeiten […] einen größeren Markt erschließen, der bisher im physischen Vertrieb teilweise aus Gründen der eingeschränkten internationalen Möglichkeiten nun verstärkt ausgebaut werden kann. Die internationale Verfügbarkeit von 203

Kleinproduktionen aus Österreich wird zum Teil dadurch erst möglich.“

Auch im Marketing eröffnen sich im „virtuellen Raum“ neue Möglichkeiten, weil sich MusikkonsumentInnen, die informiert werden (bzw. sich selbst aktiv informieren), Musik über Internet potenziell auch kaufen (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 58) (siehe Kap. 11). Eine Vari-

201 202

Nüchtern & Prli (2004). In: Falter 49/04, 75. vgl. ebenda. Die Schließung des Virgin Mega Stores ist in diesem Fall aber nicht nur im Zusammenhang mit der Krise des Tonträgermarktes, sondern auch im Auslaufen des Mietvertrages von Virgin Music zu sehen, weil ein neuer Mietvertrag zu einer stark erhöhten Miete geführt hätte (Information von einem Experten).

167

ante von Online-Music-Marketing stellt „virtuelle Beratung“ dar. Durch elektronisches „Profiling“ ist es möglich, KundInnen mit interaktiven “Tools“ personalisierte, automatisierte Vorschläge zu machen: “to help consumers find products that they might like, based on the buying and preference habits of other people who have similar habits“ (Kusek & Leonhard 2005, 155). Marketing (in Form von Online-Suchwerkzeugen und virtueller Beratung) wird dabei selbst zum Vertrieb, weil die KonsumentInnen, die Musik online suchen und finden, diese tendenziell in Form von Music-Downloads oder Tonträgern über e-Mailorder auch kaufen. Das führt teils dazu, dass virtuelle Beratung die persönliche ersetzt. Persönliche Beratung im Geschäft ist – abgesehen von kleineren Fachhandlungen – bereits ein selten anzutreffendes Luxusservice geworden. Selbst für sehr versierte MusikverkäuferInnen ist es, sobald sie ein breites Sortiment anbieten, nur mehr schwer möglich, sich kontinuierlich über sämtliche Trends und Musikstile auf dem Laufenden zu halten. Automatisierte, interaktive virtuelle Beratung kann für einzelne KundInnen sogar adäquater sein als persönliche Beratung. Wie mit anderen automatisierten Services auch funktioniert aber virtuelle Beratung im Einzelfall nicht immer. Daher wird ein dritter Weg sein, sowohl virtuelle als auch Face-to-Face-Beratung anzubieten. In den meisten Fällen läuft der Vertrieb von Musik im Internet aber noch auf Mailorder-Basis. Das heißt, dass die Bestellung zwar über Internet erfolgt, die Musik aber als physischer Tonträger – zumeist als CD – per Post verschickt wird. Der legale Music-Download bewegt sich prozentuell zwar noch im marginalen Bereich, dafür aber „mit einer beeindruckenden Wachstumsrate“

204

(siehe oben). Eine Barriere stellt derzeit dar, dass neben dem nicht-

proprietären Format MP3 kein „Music-File-Formate“-Standard vorhanden ist. Im Gegenteil: die wichtigen AnbieterInnen konkurrieren miteinander (neben Apple Microsoft, Real Networks und Sony) und versuchen, ihr eigenes Format am Markt durchzusetzen (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 91-92). Ein weiteres Hindernis für Music-e-Commerce ist in Österreich die generell niedrige Kreditkartendichte der Bevölkerung. Vor allem Jugendliche – nach wie vor die Zielgruppe Nummer 1 von Popmusik – sind selten KreditkartenbesitzerInnen. Da eine hohe Handy-Penetration in Österreich (v.a. auch unter Jugendlichen) vorhanden ist und über Handy (via Telefon-Rechnung) einfacher abgerechnet werden kann als über Internet, ist es möglich, dass die Zukunft nicht-physischer Musikdistribution eher im m-Commerce als im eCommerce liegt. Vorreiter unter den Music-Download-Services auf Internet-Basis ist derzeit iTunes von der Computerfirma Apple, das als erste Online-Plattform den legalen Music-Download auf breiter Basis (durch Lizenzen mit allen Major Labels), mit einem attraktiven Preismodell (99 Cents

203 204

Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction. In: Sound & Media No 2 (Feb. 2005), 19. Zitat aus Interview mit Eder/Universal Music Austria.

168

pro Music-Download) und dem Rückgriff auf die eigene Apple-Community anbietet. Die Music-Downloads haben für Apple vor allem die Funktion, den Verkauf des digitalen Musik-Abspielgeräts iPod (mit höherer Handelsspanne) zu stimulieren. Ob Apple jemals mit dem musikalischen Inhalt allein höhere Profite generieren wird können, ist offen. Das heißt, Musik dient dem Online-Handel vor allem als Umwegrentabilitätseffekt für den Verkauf von anderen Waren oder Serviceleistungen mit höherer Handelspanne (als Musik selbst). Im Online-Musikhandel findet ebenfalls Konzentration und Internationalisierung mit Nachteilen für das Nischenrepertoire und den heimischen Markt statt: „[…] sämtliche ‚österreichische’ Online-Retailer im Musikbereich [sind] nur mehr Ableger internationaler Anbieter (amazon.at, primus-online.at, usw.). Selbst das österreichische Portal ‚lion.cc’ war hinsichtlich seines E-Shops nur die österreichische Filiale eines großen deutschen Tonträgerversenders. Die von ihnen versendete Ware wird nicht in Österreich eingekauft, sondern direkt aus dem Ausland an die österreichischen Endkonsumenten geliefert.“ (Mediatime 2002, 23)

Zur Konzentration des Online-Handels gehört, dass lokales und Independent Repertoire nur bedingt vom Online-Musikhandel aufgenommen wird. Es kommen aber mittlerweile neue Kooperationsformen zustande, die die Integration von Independent Repertoire zum Ziel haben. 8.3

Fallbeispiele Musikvertrieb und -handel

Vor

allem

für

spezialisierte

Plattenläden

mit

relevantem

“Standing“

in

einer

Szene/Community eröffnen sich neue Chancen, wie etwa der auf elektronische Musik-spezialisierte Vertrieb Soul Seduction mit angegliedertem Laden Black Market Music oder der Vinylplattenladen Bounce, der sich vor allem bei DJs einen Namen gemacht hat. Neben dem traditionellen Vertrieb und Handel (der teils auch Online-Angebote ins Leben gerufen hat) sind ganz neue Initiativen auf digitaler und Online-Basis gestartet worden, wie die Musiktankstelle MusumsQuartier, die Plattform Open Music Distribution bzw. manymusics.org vom Musikexport Büro des music iinformation center austria sowie die Plattform music channel und aon musicdownload von der Telekom Austria (siehe auch Kap. 12).

169

8.3.1

„Physische/r” Vertrieb und Record-Stores mit „virtueller Anbindung“

1. Vertrieb Soul Seduction und Store Black Market Music

205

Der Vertrieb Soul Seduction, der von Alexander Hirschenhauser 1994 mit angegliedertem Laden Black Market Music (seit 1990) im 1. Bezirk in Wien gegründet und geführt wird, ist sowohl national als auch international ausgerichtet. Soul Seduction vertreibt Musik bekannter Wiener Labels aber auch etlicher ausländischer Labels und Musikschaffender. Eine der wichtigsten Aufgaben des Vertriebs sieht Hirschenhauser in der Promotion und im Marketing für Labels. Das bedeutet auch, Anzeigen zu schalten sowie Radiopromotion und Plakataktionen durchzuführen. Ausländische Absatzmärkte hat Soul Seduction auf allen Kontinenten. Vom Umsatz her ist das Verhältnis Ausland zu Inland (von Soul Seductions gesamter Wertschöpfung, Import miteinbezogen) ungefähr 50 % : 50 %. Zum Zeitpunkt des Interviews im Frühjahr 2003 kippt aber „das Verhältnis langsam zu Gunsten der internationalen Absatzmärkte“. Werden die österreichischen Produktionen als Wertschöpfungsbasis genommen, beträgt die Exportrate (zu diesem Zeitpunkt) sogar zwischen 85 % und 95 %. Soul Seduction und Black Market Music nutzen neue Kommunikationskanäle intensiv. Dazu gehören die Label-Homepage, ein Online-Music-Shop, Email, aber auch auf Software basierende Abrechnungssysteme. Email und Handy vereinfachen und verbilligen die Möglichkeiten der internationalen Kommunikation entscheidend. Die Pressearbeit des Vertriebs und Stores erfolgt seit längerer Zeit ebenfalls vorwiegend online. Die Homepage stellt ein „reines Verkaufsinstrument“ dar und funktioniert anstelle eines herkömmlichen Postversands. 207

gänglich.

206

Kurze Samples in Form von Streams sind zum Hineinhören zu-

Über die Website ist es möglich, Informationen von Internet-NutzerInnen, die

sich freiwillig registrieren, zu generieren und dadurch ein persönliches “Profiling“ vorzunehmen: „ganz anonym, aber doch wissend, das ist der User xy“ und „der hat sich das angeschaut, der hat sich das angehört, der hat das weiter geblättert und das bestellt“. Daraus kann Soul Seduction „drei, vier Empfehlungen“

205

206

207 208

208

generieren und anbieten. NutzerInnen können für

Die Information basiert auf einem Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction (8.5.2003) und wird im Feb. 2005 durch die Websites www.soulseduction.com und www.departure.at sowie das Interview mit Hirschenhauser In: Sound & Media No. 2 (Feb. 2005), 19 aktualisiert. Stile, unter denen Musik auf der Website soulseduction.com angeboten werden, sind: Alternative/Pop/Rock, Ambient/Electronica/Avantgarde; Big Beat/Break beat, Blues, Drum & Bass/Jungle; Electro, Ethnic/World, Hip Hop, House, Jazz; Latin, Lounge/Easy Listening, Nujazz/Headz/Groove, Ragga/Dancehall, Reggae, Rhythm & Blues, R’n’B, Soul/Funk/Dance; Soundtracks und Tech/Trance/Rave. www.soulseduction.com (Feb. 2005). Zitate aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction/Blackmarket Music. Ebenda.

170

eine (sichere) Transaktion einen Account MySoul (mit Passwort und Username/Email) durch eine persönliche Registrierung anlegen. In Zukunft wird Soul Seduction auch Music-Downloads über die Homepage verkaufen. Damit nutzt Soul Seduction die Chance, dass die Verkaufsfläche im Netz bis dato weniger „unter 209

Druck [steht] [...] als die Verkaufsfläche im Saturnmarkt“ . Soul Seduction reicht (im Winter 2004) beim Call music to sell des Wiener Creative-Industries-Förderunternehmens departure einen Projektantrag „Erweiterung soulseduction.com um einen Downloadshop“ bewilligt

wird

und

zum

Ziel

hat:

„[...]

den

bereits

bestehenden

210

ein, der

Webshop

www.soulseduction.com, der bis dato für den Vertrieb von Tonträgern (CDs, etc.) diente, um 211

die Funktionalität eines digitalen Downloadshops zu erweitern.“

Dieses Online-Vertriebs-

projekt namens Soul Seduction Digital Distribution SSDD wird als „eigenständiges Unternehmen […] von Philipp und Stephan Dorfmeister“ geführt. Soul Seduction beauftragt dazu SSDD „mit dem Vertrieb [ihrer] […] Label im Internet“. Im Februar 2005 sind „zehn Labels exklusiv unter Vertrag“. SSDD hat im Februar 2005 „15 Verträge mit Internet-Distributoren unterzeichnet. Darunter finden sich i-Tunes, und Music Load (T-Online), aber auch viele kleine, hochspezialisierte Internet-Sites.“ Kein Track/Download wird in diesem Service unter 212

99 Cents angeboten.

2. Vinyl-Store Bounce

213

Dierk Rossiwall ist seit 2003 Geschäftsführer des Vinyl-Plattengeschäftes Bounce im 4. Bezirk in Wien, das nach seiner Startphase ausgezeichnet läuft. Seine Partner sind Kurt Wögin214

ger und Rainer Gessmer.

Die HauptkundInnen von Bounce sind DJs, für die „Vinyl nach

wie vor das DJ-Material Nr.1 ist“. Auch für Bounce ist der Community-Bonus (v.a. hinsichtlich DJs) ein entscheidender Faktor. Als Plattenladen „leben [sie] gut“ mit ihrem „so genannten Nischendasein“. „Dass man wirklich seine Nische hat“ ist für Läden wie Bounce seiner Ansicht nach „Überlebensstrategie“. Zusätzlich ist ein gutes Sortiment ausschlaggebend, um 215

erfolgreich zu sein. 209 210 211 212

213

214 215

Das Netzwerk mit HändlerInnen wird immer „größer und vernünftiger“,

Zitate aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction/Blackmarket Music. www.departure.at (Febr. 2005). Ebenda. In Bezug auf Zitat/Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction. In: Sound & Media No 2 (Febr 2005), 19. Die Information beruht v.a. auf Zitaten aus Interview mit Rossiwall/Bounce (15.5.2003) und wird durch einen Emailkontakt mit Dierk Rossiwall im Jänner 2005 aktualisiert. In Bezug auf Prli, Thomas (2003). In: Falter 4/03, 68. Vom Stil her bietet Bounce jegliche Dancefloor-Music außer House und Techno an: Drum & Bass, Hiphop & R&B (Kommerz und Underground), Breakz, UK Garage/Grime, Ghetto Tech/Electro, Ragga/Dancehall sowie etwas Funk+Disco.

171

sodass Bounce immer leichter und schneller Spezialitäten anbieten kann. Die Webpage www.bouncerecords.biz hat lange Zeit „nur“ der Information (Darstellung des Musikstilangebotes), Kommunikation (Information zu Kontakt-Adresse und -Email) und als Orientierungshilfe (Stadtplan, Öffnungszeiten) gedient, seit Februar 2005 bietet Bounce Musik auch zum Verkauf über seinen eigenen Online-Shop an. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich in die Mailorder-Liste einzutragen, um Bounce-Neuigkeiten via Email zu empfangen. 8.3.2

On-Demand- und Online-Music-Stores

1. Musiktankstelle Museumsquartier

216

Die Idee zum “On Demand-Record Store“-Projekt, die von Walter Gröbchen (monkey music) gemeinsam mit Johnny Dibon (SR-Archiv) geboren wird, basiert auf dem Wiener SR-Archiv, welches seit 1994 besteht. Im Laufe der Zeit hat sich ein großes Archiv für österreichische Popularmusik, auch teilweise in bereits digitalisierter Form angesammelt. Es befindet sich im quartier 21 im MuseumsQuartier in Wien, wo sich auch die Musiktankstelle, ein “recordstore in a box“ mit zwei „Zapfsäulen“ bzw. Computern befindet. Die Frage, die sich als Ausgangspunkt stellt, ist, „kann man […] zu einer Belebung des [SR-]Repertoires und zu einem Business-Modell […] übergehen?“ Drei Voraussetzungen wären dafür gegeben: erstens besteht bereits ein Archiv von Tonträgern, für ca. 3.000 Tracks sind Lizenzen sind vorhanden (insgesamt stünden 52.000 Titel zur Verfügung, die aber zu einem großen Teil erst zu digitalisieren und rechtlich zu klären sind); zweitens wird dem SR-Archiv Kompetenz zugestanden; drittens ist die Ausrichtung des SR-Archivs nicht rein kommerziell. An der Musiktankstelle beteiligte Labels sind nicht nur die Major Labels Universal Music und BMG, sondern auch das Wiener Independent Label Cheap Records. Weitere PartnerInnen sind Exozet Wien/Berlin, prmiary.Key.systems GmbH (Technologiepartner) und der alternative Radiosender FM4. Die Wiener Creative-Industries-Förderinstitution departure

217

unterstützt das Projekt mit einer Förderung. Der einzelne Music-Download kostet 99 Cents. Zwischen Anfang September 2004 und Dezember 2004 werden ca. 1.000 gebrannte CDs in der Musiktankstelle verkauft. Über die Musiktankstelle dürfen aber zu diesem Zeitpunkt noch keine Music-Downloads zur Ver-

216

217

Die Information beruht auf einem Interview mit Gröbchen/monkey music (13.12 2004) sowie auf einem Protokoll eines Referates, das Gröbchen zusammen mit Dibon/SR-Archiv bei einem Musikwirtschafts-JourFix am Institut für Kulturmanagement am 31.1.2005 hält. Die Information wird durch die Websites www.monkeymusc.com, www.musiktankstelle.at und www.departure.at sowie durch einen Emailkontakt mit Gröbchen im Feb. 2005 aktualisiert und verifiziert. Das Projekt Musiktankstelle MuseumsQuartier wird zwecks departure um Förderung eingereicht, welche bewilligt wird.

172 218

fügung gestellt werden, sondern es werden CDs (mit der gewünschten Musik) gebrannt.

Zwar würde die Bezeichnung Musiktankstelle darauf schließen lassen, dass KonsumentInnen ihren iPod mitbringen, aber (zum Zeitpunkt des Interviews) sind die dazu notwendigen Lizenzen für Music-Downloads noch nicht geklärt. Das betrifft nicht nur das Repertoire der Major Labels, sondern auch vieler Independent Labels. Das Ziel der Betreiber ist es, Rechte so weit zu klären, dass nach zwei Jahren an die 20.000 Titel zur Verfügung gestellt werden können. In Planung ist, das inhaltliche Angebot sowohl auf historischer als auch aktuell-musikalischer Ebene auszubauen. Zusätzlich soll das Modell vom Standort des Wiener MuseumsQuartiers losgelöst werden und sich nicht nur auf das Brennen und Versenden von CDs beschränken, sondern auch eine Music-Download-Lösung bereitstellen. Ziel ist, „eine Art Record Store“ anzubieten bzw. „eine Kombination aus Hardund Software mit einem PC oder Apple, an den man den iPod anhängen“ oder eine CD brennen kann. Eine weitere Idee ist, dass in jeder Hartlauer- oder Eduscho/Tchibo-Filiale eine Musiktankstelle in Form eines Computers steht, bei der KundInnen Music-Downloads kaufen können. Stationäre HändlerInnen haben bis jetzt hinsichtlich des physischen Musikhandels nur begrenzte Stellflächen zur Verfügung. Durch die Musiktankstelle könnte ein großes Repertoire via Music-On-Demand angeboten werden kann. Schließlich ist die Anbindung an das Internet geplant, MusikkonsumentInnen könnten durch Online-Mailorder die gewünschte CD bestellen und per Postversand zugeschickt bekommen. Letztendlich hängt der Erfolg der Musiktankstelle aber wesentlich von der möglichen Breite des Angebots und daher davon ab, ob es gelingt, die Lizenzen von den wichtigen RechteinhaberInnen (v.a. Major aber auch Independent Labels) für die Musiktankstelle zu bekommen. 2. Open Music Distribution (OMD) manymusic(s) Die Download- bzw. Vertriebsplattform “Open Music(s) Distribution“ (OMD) bzw. www.manymusics.org wird unter Federführung des mica in Kooperation mit dem EU-Projekt European Music Navigator sowie IAMIC, the International Network of Music Information Centers mit Förderungsmitteln der Europäischen Kommission entwickelt und implementiert. Die Agentur Austrian Music Export

219

ist für das Projektmanagement zuständig. manymu-

sics.org ist auch im Kontext der Maßnahmen zur Förderung des Musikexportes des music information centers austria zu verstehen. Die Plattform wurde komplementär zu den bereits bestehenden kommerziellen Music-Download-Services gedacht. Auf OMD können RechteinhaberInnen (KomponistInnen, Bands, Ensembles, Labels) ihre Musik-Tracks zum Verkauf (in

218 219

So genannte WAV-Files können gebrannt werden. www.musikexport.at.

173 220

Form von einzelnen Tracks, gesamten Alben oder ganzen Music-Shops) anbieten.

Im Som-

mer 2005 fehlt es manymusic(s) aber noch an Breite des Repertoires und es bleibt abzuwarten, wie viele Musikschaffende, Labels und Vertriebe auf den „OMD-Zug“ aufspringen werden. 3. music channel

221

Das Internetportal music channel (www.musicchannel.cc), das im Herbst 2003 vom Betreiber Harald Büchel gelaunched wird, ist ein “One Stop Info Shop“. Der music channel setzt vor allem auf journalistische Information bzw. stellt diese Plattform ein Informationsmagazin mit einem vielfältigen Angebot an Rezensionen, Artikeln, Features und News dar, mit der weiteren Option, CDs, DVDs, Vinyls und sonstige Audio- und Videoprodukte, die im Web-Shop auf Mailorderbasis zu erstehen. Der Plan besteht (zum Zeitpunkt des Interviews im Frühjahr 2003), „ein funktionales Download Lizenz Modell (für) (Musik-)Download“ auf dem music channel zusätzlich zum Mailorder-Shop anzubieten. Bis Frühjahr 2005 funktioniert der Web-Shop aber ausschließlich auf physischer Basis bzw. auf der Bestellung und dem Versand von Tonträgern. Über 180.000 Produkte und damit alle in Deutschland und Österreich erhältlichen Tonträger können online bestellt werden. Auch auf dem music channel wird eine Form von „personalisierter Beratung“ via My musicchannel angeboten. Durch freiwillige Registrierung „kann jeder User individuell aus den Genres auswählen und bestimmte ‚ausklicken‘, die dann nicht mehr angezeigt wer222

den“ . Außerdem werden “Community Tools“ wie NoticeBoard, Chat angeboten, NutzerInnen können auch selbst Reviews und Kommentare verfassen. 4. aon musicdownload

223

aon musicdownload wird am 1. Oktober 2003 gestartet. Diese Internet-Musik-Plattform der Telekom Austria bietet wie die anderen vorgestellten Online Services keine „eigene“ Musik an, sondern bezieht die distribuierte Musik über die Firma OD2. OD2 wird 1999 von Peter Gabriel gegründet und später von der US-Firma loudeye gekauft. Sie besitzt Dependancen in Brüssel und Köln und bietet im Windows Media Format Songs v.a. aus dem Repertoire der

220 221

222 223

Wie z.B. soulseduction.com oder auch der Vertrieb Extraplatte. Die Information beruht v.a. auf einem Interview mit Büchel/music channel (7.5.2003) und wird aufgrund von Informationen auf der Website www.musicchannel.cc im Feb. 2005 aktualisiert. www.musicchannel.cc. Die Information beruht vor allem auf einem schriftlichen Protokoll eines Referates von Aschauer und Schwenkert/aon musicdownload bei einem Musikwirtschafts-JourFix am Inst. f. Kulturmanagement (20.12.2004) sowie auf Informationen auf der Website musicdownload.aon.at. Die Information wird im März 2004 via Email verifiziert.

174 224

Major Plattenfirmen an.

Der Vertrag zwischen Telekom Austria und OD2 besteht mit der

Kölner Dependance. aon musicdownload erhält zwischen 10 % und 20 % der Revenues, hinzu kommen aber 15.000 Euro pro Jahr an Lizenzzahlungen, die aon musicdownload an OD2 zu leisten hat. Die Vertragsdauer zwischen der Telekom Austria und OD2 läuft bis Herbst 2005, wobei aon musicdownload eine weiterführende Kooperation anstrebt (Stand März 2005). Der Preis pro Music-Download beträgt zwischen 0,99 Euro und 1,29 Euro sowie 1 Cent pro Music-Stream. Pro Titel benötigen KundInnen eine Breitbandstärke von 128 Kilobit pro Se225

kunde, daher ist als technische Grundvoraussetzung ein Breitbandanschluss notwendig.

Alle

Titel können auch 30 Sekunden probegehört werden. Die Music-Downloads sind auf CD kopierbar und die Kopien auf MP3-Player übertragbar. Es bestehen aber auch Usability-Ein226

schränkungen.

Weiters werden Kundenbindungsmaßnahmen Gewinnspiele, Newsletter und

24-Stunden-Support angeboten. Die Hauptintention der Telekom Austria, aon musicdonwload zu betreiben, ist nicht das Geschäft mit Musik-Tracks selbst, sondern Breitband- bzw. ADSL-Anschlüsse in Form eines gebündelten Content-Angebotes (Die Telekom Austria ist Anbieter weiterer Content-Angebote wie Online Fernsehen, die Single-Börse love.at etc.). Das heißt, dass die Telekom Austria nicht vordergründig zum Musikanbieter werden will. Von aon musicdownload bestehen aber Anstrengungen, gemeinsam mit Labels lokalen, österreichischen Musik-Content anzubieten, vor allem mit EMI Austria und Universal Music Austria sind bereits gute Erfahrungen gemacht worden. Die Verträge werden aber immer zwischen den Labels und OD2 abgeschlossen, wobei die Labels bereits eine gewisse Anzahl an Verkäufen vorweisen müssen, um in den Web-Shop aufgenommen zu werden. Das schließt bis dato die Aufnahme des Repertoires kleinerer Independent Labels aus. 8.4

Resümee Musikvertrieb und -handel

Auf der Ebene der Großhandelsformen findet in den letzten Jahren eine zunehmende Konzentration und Homogenisierung des Angebotes statt, welche die Krise des Handels gemeinsam mit den verschärften Bedingungen der digitalen Mediamorphose mitbedingen. Diese Homogenisierung schafft aber auch Nachfrage nach spezialisierten Nischenangeboten sowie nach individueller Beratung und Information. Als Resultat eröffnen sich auch neue Chancen für NischenmusikanbieterInnen (Independent Label, Vertriebe und EinzelhändlerInnen) sowie 224

225 226

Musik wird zu folgenden Stilen angeboten: Rock, Pop, Blues/Jazz, Klassik, Schlager/Volksmusik, Soul/R'n'B Funk, Weltmusik/Reggae, Electronic/Dance, Country/Folk, Rap/HipHop, Alternative und Diverses. Angebotene Bezahlverfahren sind SMS, Kreditkarte und Bankeinzug. Z.B. darf ein Track zehnmal gebrannt/kopiert werden.

175

für den Online-Musik-Vertrieb und -Handel, der keine Flächenlimits mehr kennt und mit entsprechenden elektronischen Suchwerkzeugen und virtueller Beratung neue Formen von Musikservices anbieten kann. Es ist unklar, ob der Musikhandel auf längere Sicht hauptsächlich auf dem Format CD basieren kann. Die CD wird wahrscheinlich als ästhetisiertes Produkt ähnlich wie Vinyl zum Sammel- und Life-Style-Objekt nur mehr von bestimmten Fan-Communities konsumiert werden. Popmusik ist seit langer Zeit Life-Style-Produkt. Musikschaffende und Labels können auch auf Basis der Lebensstile ihrer Fan-Communities Produkte und Services anbieten. Ästhetisches Design von CD- oder LP-Covers und Merchandizing-Produkten spielt dabei eine bedeutsame Rolle. Design ist auch ein wichtiger Aspekt, damit CDs zu Sammelstücken werden (können). Viele Anzeichen sprechen heute dafür, dass sich Musikdistribution auf den digitalen Weg von Music-Downloads oder -Streams verlagern wird. Ob sich aber Online-Musikdistribution auf Massenbasis im vollen Umfang realisieren wird, ist derzeit unklar. Falls ja, ist es ungewiss, welche Geschäftsmodelle sich durchsetzen werden, ob es ein großes Vertriebsmodell oder mehrere Modelle gleichzeitig nebeneinander geben wird. Eine weitere Frage ist, ob nicht Music-Streaming größere Potenziale birgt, als es bis jetzt wahrgenommen wird. Für MusicStreams spricht, dass sie im Gegensatz zu Music-Downloads nicht auf einem Medium archiviert werden müssen (diese Archivierung birgt Speicherkapazitätsengpässe). Music-Streams werden hingegen immer aktuell online abgerufen. Daher muss zum Abspielen der Musik kein Archiv angelegt werden, auch wenn Streams im Prozess des Abspielens relativ viel Bandbreite benötigen. Streaming wird heute vor allem von Internet-Radios (meist auf Gratis-Basis) oder für Hörproben (als Samples zum Hineinhören) zur Verfügung gestellt, aber weniger zum Verkauf auf Einzel-Stream-Basis. Streams bieten sich momentan eher als Bestandteile von Online- oder Handy-Abo-Services als auf Einzelverkaufsbasis an. Das Potenzial von MusicAbo-Services (via Stream und/oder Download) ist bisher wenig ausgelotet worden. Da der Trend hin zu Musik als Serviceleistung gehen wird, ist anzunehmen, dass Abo-Services an Bedeutung gewinnen, auch weil mit ihnen mehr Kundenbindung als beim Verkauf von einzelnen Music-Downloads erreicht werden kann. Gegen Streams spricht aber, dass MusikkonsumentInnen bisher gewohnt sind, Musik, die sie kaufen, um sie zu konsumieren, auch zu besitzen. Der Einzelhandel wird oft zweigleisig sowohl physische Tonträger als auch Online-Verkauf (sowie auch über e-Mailorder den Verkauf physischer Produkte und/oder Music-Downloads) anbieten. Stores werden teils zu “lifestyle zones“ oder “music arcades“ und als solche zu Szene-Treffpunkten, an denen Kommunikation über Musik und die mit ihr verbundenen LifeStyle-Produkte (wie T-Shirts) eine wesentliche Rolle spielt (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 88). Das heißt auch, dass die Stores, die eine eingeschworene Music-Community als Rückgrat

176

besitzen, sowohl “Offline“ als auch Online in der Lage sind, sich Marktvorteile zu verschaffen. Die Musiktankstelle MuseumsQuartier birgt als “On-Demand-Store“, an dem iPods mit „frischer Musik“ „aufgefüllt“ werden sowie mit einer zusätzlichen Online-Variante möglicherweise das Potenzial eines Zukunftsmodells. Es ist aber völlig unklar, ob das Modell im MuseumsQuartier überleben wird können. Die notwendigen Lizenzen v.a. der Major Labels fehlen noch. Auch die aktuelle Begrenzung auf den Ort MuseumsQuartier stellt ein Hindernis dar. Ähnlich geht es der Internet-Plattform music channel, deren Schwerpunktsetzung auf ein journalistisches Informationsangebot eine gute Basis darstellt, weil Information, Promotion und Vertrieb im Web gemeinsam angeboten werden. Das Problem der zu geringen Breite des Online-Angebots betrifft gegenwärtig sämtliche neue Modelle und AnbieterInnen. Diese Breite im Angebot wird aber im Online-Music-Vertrieb und -Handel für das Überleben der einzelnen Services entscheidend sein. Die mögliche Breite hängt stark mit der Lizenzierung der Musik von Major Labels zusammen. Daher sind insbesondere die Major Labels, teils auch Independent Labels am Zug, schneller und mehr Lizenzen zu vergeben. Aber es ist davon auszugehen, dass die Labels auf diesem Weg neue Marktbarrieren errichten und damit Marktkontrolle ausüben. Wiederum AnbieterInnen wie aon musicdiownload haben zurzeit noch hohe Auflagen, die es Independent Repertoires erschweren, in das Online-Sortiment aufgenommen zu werden. Obwohl auf digitaler Ebene kein Platzmangel wie im physischen Handel und Vertrieb vorherrscht, bestehen also zahlreiche Barrieren. Das Online-Music-Geschäft wird im Handel in der näheren Zukunft wahrscheinlich vor allem als Promotion-Tool für andere lukrativere Ware (mit höherer Handelsspanne) wie Hardware (iPod von iTunes) oder physische Tonträger sowie Serviceleistungen wie Breitbandanschlüsse (wie z.B. aon musicdownload), aber weniger als relevantes bares Musik-Geschäft funktionieren.

165

konsumentInnen Tonträger etwas lieber via Post oder Email bestellen, als sie im Fachgeschäft zu kaufen. -

e-Commerce:

198

Dieser Anteil steigt zwischen 2002 und 2004 (um 3 %-Punkte) von

3 % auf 6 %. Auch wenn e-Commerce 2004 damit immer noch eine marginale Handelsform darstellt, kann davon ausgegangen werden, dass Music-e-Commerce in der näheren Zukunft die größten Wachstumspotenziale aller Handelsformen birgt: „der mögliche Umsatzanteil des Online-Verkaufs [wird] von den österreichischen Unternehmern und Analysten in den nächsten Jahren als sehr hoch eingeschätzt“ (Mediatime 2002, 173) (siehe unten und Kap. 12). Die Krise des Tonträgerhandels geht nicht nur mit der digitalen Mediamorphose und dem Anstieg des Music-e-Commerce einher, sondern ist auch selbstverschuldet. Die Halbwertszeit der CDs in den Stellflächen der Großbetriebsformen des Einzelhandels (die ein hohes Maß an Konzentration durch Elektrogeräteketten wie Saturn und Mediamarkt erfahren) wird in den letzten Jahren immer kürzer: „[…] eine CD darf dort nicht mehr länger als acht bis zwölf Wochen im Regal stehen. Entweder sie hat sich in diesen acht bis zwölf Wochen nicht zu einem starken Dreher entwickelt […] der dann länger bleiben darf, weil er sich verkauft [...] wird [er] retourniert, ausgelistet, aus dem Repertoire gestri199

chen.“

Die Limitierungen der Flächen sind aber nicht nur für Nischenrepertoires von Nachteil, weil sich Nischenmusik in kleinen Stückzahlen verkauft und folglich längere Halbwertszeiten be200

nötigt,

die Verkürzung der Präsentationsdauer bewirkt eine Verzerrung des Gesamtange-

bots: “studies have shown that nearly two thirds of all people who visit brick-and-mortar record retailers leave the store without finding what they were looking for“ (Kusek & Leonhard 2005, 86). Die KonsumentInnen können die gewünschte CD im regulären Handel also nicht mehr finden, weil sie nie in den Katalog aufgenommen oder sehr bald wieder entfernt wurde. Das Internet bietet sich dann oft als einzige Alternative an, das im Handel kaum auffindbare Produkt aufzuspüren. Zudem wird Musik von den Großhandelsketten oft zu Dumpingpreisen angeboten und dient in erster Linie zur „Frequenzstimulierung“ bzw. dazu, KonsumentInnen in den Laden zu locken, um Elektrogeräte mit höherer Handelsspanne zu verkaufen. Der Einzelkleinhandel, der für die Vielseitigkeit des Angebots noch sorgt, wird durch die aggressive Preispolitik von

198 199 200

Music-e-Commerce wird erst ab 2001 gemessen. Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction/Black Market Music. In Bezug auf ebenda.

166

Ketten wie Saturn oder Mediamarkt stark unter Druck gesetzt und teils schwer beschädigt. Viele EinzelhändlerInnen mussten aufgrund der massiven Preiskonkurrenz Konkurs anmelden. Die Kurzsichtigkeit der Major Labels, auf den Vertrieb der Großhandelsketten zu bauen, brachte sie letztendlich selbst in deren Abhängigkeit und trug zum Ruin so mancher KleinhändlerInnen bei. Damit verursachten die Major Labels ihre eigene Krise mit (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 86-87). Ein prominentes Opfer im Einzelhandel in Österreich ist nach dem Crash des Libro-Konzerns im November 2004 kein kleiner Fachladen, sondern die Virgin Megastore-Dependance in der Mariahilfer Straße in Wien. Der Store war „der größte Einzelhändler in Österreich mit dem zweifellos breitesten Sortiment [...]. Neue frische Künstler konnten über Verkäufe bei Virgin am Markt etabliert werden. Und das galt nicht nur für internationales, sondern auch heimisches Repertoire.“

201

Kleinen Plattenläden wie Substance in der Westbahnstraße ist es zwar

möglich, aus dem Virgin-Crash Vorteile zu ziehen, weil die ehemaligen Virgin-KundInnen nun zu ihnen ins Geschäft kommen, diese Mehreinnahmen machen aber nicht die Ausfälle durch das Wegfallen des Virgin-Vertriebs (insbesondere in den Bereichen Jazz und an202

spruchsvolle Elektronik) wett. 8.2

Online-Musikvertrieb und -handel

Der Online-Handel kann im Vergleich zum physischen Handel mit Tonträgern ein unbegrenztes Sortiment zur Verfügung stellen, ohne sich mit räumlichen Begrenzungen von Stellflächen aufhalten zu müssen. Durch die Aufhebung der Raumbegrenzung ist es auch für Nischenrepertoires potenziell möglich, in Online-Kataloge aufgenommen, präsentiert und promotet zu werden. Hirschenhauser vom Vertrieb Soul Seduction bringt diesen Umstand folgendermaßen auf den Punkt: „Man muss […] bedenken, dass diese digitalen Vertriebsmöglichkeiten […] einen größeren Markt erschließen, der bisher im physischen Vertrieb teilweise aus Gründen der eingeschränkten internationalen Möglichkeiten nun verstärkt ausgebaut werden kann. Die internationale Verfügbarkeit von 203

Kleinproduktionen aus Österreich wird zum Teil dadurch erst möglich.“

Auch im Marketing eröffnen sich im „virtuellen Raum“ neue Möglichkeiten, weil sich MusikkonsumentInnen, die informiert werden (bzw. sich selbst aktiv informieren), Musik über Internet potenziell auch kaufen (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 58) (siehe Kap. 11). Eine Vari-

201 202

Nüchtern & Prli (2004). In: Falter 49/04, 75. vgl. ebenda. Die Schließung des Virgin Mega Stores ist in diesem Fall aber nicht nur im Zusammenhang mit der Krise des Tonträgermarktes, sondern auch im Auslaufen des Mietvertrages von Virgin Music zu sehen, weil ein neuer Mietvertrag zu einer stark erhöhten Miete geführt hätte (Information von einem Experten).

167

ante von Online-Music-Marketing stellt „virtuelle Beratung“ dar. Durch elektronisches „Profiling“ ist es möglich, KundInnen mit interaktiven “Tools“ personalisierte, automatisierte Vorschläge zu machen: “to help consumers find products that they might like, based on the buying and preference habits of other people who have similar habits“ (Kusek & Leonhard 2005, 155). Marketing (in Form von Online-Suchwerkzeugen und virtueller Beratung) wird dabei selbst zum Vertrieb, weil die KonsumentInnen, die Musik online suchen und finden, diese tendenziell in Form von Music-Downloads oder Tonträgern über e-Mailorder auch kaufen. Das führt teils dazu, dass virtuelle Beratung die persönliche ersetzt. Persönliche Beratung im Geschäft ist – abgesehen von kleineren Fachhandlungen – bereits ein selten anzutreffendes Luxusservice geworden. Selbst für sehr versierte MusikverkäuferInnen ist es, sobald sie ein breites Sortiment anbieten, nur mehr schwer möglich, sich kontinuierlich über sämtliche Trends und Musikstile auf dem Laufenden zu halten. Automatisierte, interaktive virtuelle Beratung kann für einzelne KundInnen sogar adäquater sein als persönliche Beratung. Wie mit anderen automatisierten Services auch funktioniert aber virtuelle Beratung im Einzelfall nicht immer. Daher wird ein dritter Weg sein, sowohl virtuelle als auch Face-to-Face-Beratung anzubieten. In den meisten Fällen läuft der Vertrieb von Musik im Internet aber noch auf Mailorder-Basis. Das heißt, dass die Bestellung zwar über Internet erfolgt, die Musik aber als physischer Tonträger – zumeist als CD – per Post verschickt wird. Der legale Music-Download bewegt sich prozentuell zwar noch im marginalen Bereich, dafür aber „mit einer beeindruckenden Wachstumsrate“

204

(siehe oben). Eine Barriere stellt derzeit dar, dass neben dem nicht-

proprietären Format MP3 kein „Music-File-Formate“-Standard vorhanden ist. Im Gegenteil: die wichtigen AnbieterInnen konkurrieren miteinander (neben Apple Microsoft, Real Networks und Sony) und versuchen, ihr eigenes Format am Markt durchzusetzen (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 91-92). Ein weiteres Hindernis für Music-e-Commerce ist in Österreich die generell niedrige Kreditkartendichte der Bevölkerung. Vor allem Jugendliche – nach wie vor die Zielgruppe Nummer 1 von Popmusik – sind selten KreditkartenbesitzerInnen. Da eine hohe Handy-Penetration in Österreich (v.a. auch unter Jugendlichen) vorhanden ist und über Handy (via Telefon-Rechnung) einfacher abgerechnet werden kann als über Internet, ist es möglich, dass die Zukunft nicht-physischer Musikdistribution eher im m-Commerce als im eCommerce liegt. Vorreiter unter den Music-Download-Services auf Internet-Basis ist derzeit iTunes von der Computerfirma Apple, das als erste Online-Plattform den legalen Music-Download auf breiter Basis (durch Lizenzen mit allen Major Labels), mit einem attraktiven Preismodell (99 Cents

203 204

Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction. In: Sound & Media No 2 (Feb. 2005), 19. Zitat aus Interview mit Eder/Universal Music Austria.

168

pro Music-Download) und dem Rückgriff auf die eigene Apple-Community anbietet. Die Music-Downloads haben für Apple vor allem die Funktion, den Verkauf des digitalen Musik-Abspielgeräts iPod (mit höherer Handelsspanne) zu stimulieren. Ob Apple jemals mit dem musikalischen Inhalt allein höhere Profite generieren wird können, ist offen. Das heißt, Musik dient dem Online-Handel vor allem als Umwegrentabilitätseffekt für den Verkauf von anderen Waren oder Serviceleistungen mit höherer Handelspanne (als Musik selbst). Im Online-Musikhandel findet ebenfalls Konzentration und Internationalisierung mit Nachteilen für das Nischenrepertoire und den heimischen Markt statt: „[…] sämtliche ‚österreichische’ Online-Retailer im Musikbereich [sind] nur mehr Ableger internationaler Anbieter (amazon.at, primus-online.at, usw.). Selbst das österreichische Portal ‚lion.cc’ war hinsichtlich seines E-Shops nur die österreichische Filiale eines großen deutschen Tonträgerversenders. Die von ihnen versendete Ware wird nicht in Österreich eingekauft, sondern direkt aus dem Ausland an die österreichischen Endkonsumenten geliefert.“ (Mediatime 2002, 23)

Zur Konzentration des Online-Handels gehört, dass lokales und Independent Repertoire nur bedingt vom Online-Musikhandel aufgenommen wird. Es kommen aber mittlerweile neue Kooperationsformen zustande, die die Integration von Independent Repertoire zum Ziel haben. 8.3

Fallbeispiele Musikvertrieb und -handel

Vor

allem

für

spezialisierte

Plattenläden

mit

relevantem

“Standing“

in

einer

Szene/Community eröffnen sich neue Chancen, wie etwa der auf elektronische Musik-spezialisierte Vertrieb Soul Seduction mit angegliedertem Laden Black Market Music oder der Vinylplattenladen Bounce, der sich vor allem bei DJs einen Namen gemacht hat. Neben dem traditionellen Vertrieb und Handel (der teils auch Online-Angebote ins Leben gerufen hat) sind ganz neue Initiativen auf digitaler und Online-Basis gestartet worden, wie die Musiktankstelle MusumsQuartier, die Plattform Open Music Distribution bzw. manymusics.org vom Musikexport Büro des music iinformation center austria sowie die Plattform music channel und aon musicdownload von der Telekom Austria (siehe auch Kap. 12).

169

8.3.1

„Physische/r” Vertrieb und Record-Stores mit „virtueller Anbindung“

1. Vertrieb Soul Seduction und Store Black Market Music

205

Der Vertrieb Soul Seduction, der von Alexander Hirschenhauser 1994 mit angegliedertem Laden Black Market Music (seit 1990) im 1. Bezirk in Wien gegründet und geführt wird, ist sowohl national als auch international ausgerichtet. Soul Seduction vertreibt Musik bekannter Wiener Labels aber auch etlicher ausländischer Labels und Musikschaffender. Eine der wichtigsten Aufgaben des Vertriebs sieht Hirschenhauser in der Promotion und im Marketing für Labels. Das bedeutet auch, Anzeigen zu schalten sowie Radiopromotion und Plakataktionen durchzuführen. Ausländische Absatzmärkte hat Soul Seduction auf allen Kontinenten. Vom Umsatz her ist das Verhältnis Ausland zu Inland (von Soul Seductions gesamter Wertschöpfung, Import miteinbezogen) ungefähr 50 % : 50 %. Zum Zeitpunkt des Interviews im Frühjahr 2003 kippt aber „das Verhältnis langsam zu Gunsten der internationalen Absatzmärkte“. Werden die österreichischen Produktionen als Wertschöpfungsbasis genommen, beträgt die Exportrate (zu diesem Zeitpunkt) sogar zwischen 85 % und 95 %. Soul Seduction und Black Market Music nutzen neue Kommunikationskanäle intensiv. Dazu gehören die Label-Homepage, ein Online-Music-Shop, Email, aber auch auf Software basierende Abrechnungssysteme. Email und Handy vereinfachen und verbilligen die Möglichkeiten der internationalen Kommunikation entscheidend. Die Pressearbeit des Vertriebs und Stores erfolgt seit längerer Zeit ebenfalls vorwiegend online. Die Homepage stellt ein „reines Verkaufsinstrument“ dar und funktioniert anstelle eines herkömmlichen Postversands. 207

gänglich.

206

Kurze Samples in Form von Streams sind zum Hineinhören zu-

Über die Website ist es möglich, Informationen von Internet-NutzerInnen, die

sich freiwillig registrieren, zu generieren und dadurch ein persönliches “Profiling“ vorzunehmen: „ganz anonym, aber doch wissend, das ist der User xy“ und „der hat sich das angeschaut, der hat sich das angehört, der hat das weiter geblättert und das bestellt“. Daraus kann Soul Seduction „drei, vier Empfehlungen“

205

206

207 208

208

generieren und anbieten. NutzerInnen können für

Die Information basiert auf einem Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction (8.5.2003) und wird im Feb. 2005 durch die Websites www.soulseduction.com und www.departure.at sowie das Interview mit Hirschenhauser In: Sound & Media No. 2 (Feb. 2005), 19 aktualisiert. Stile, unter denen Musik auf der Website soulseduction.com angeboten werden, sind: Alternative/Pop/Rock, Ambient/Electronica/Avantgarde; Big Beat/Break beat, Blues, Drum & Bass/Jungle; Electro, Ethnic/World, Hip Hop, House, Jazz; Latin, Lounge/Easy Listening, Nujazz/Headz/Groove, Ragga/Dancehall, Reggae, Rhythm & Blues, R’n’B, Soul/Funk/Dance; Soundtracks und Tech/Trance/Rave. www.soulseduction.com (Feb. 2005). Zitate aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction/Blackmarket Music. Ebenda.

170

eine (sichere) Transaktion einen Account MySoul (mit Passwort und Username/Email) durch eine persönliche Registrierung anlegen. In Zukunft wird Soul Seduction auch Music-Downloads über die Homepage verkaufen. Damit nutzt Soul Seduction die Chance, dass die Verkaufsfläche im Netz bis dato weniger „unter 209

Druck [steht] [...] als die Verkaufsfläche im Saturnmarkt“ . Soul Seduction reicht (im Winter 2004) beim Call music to sell des Wiener Creative-Industries-Förderunternehmens departure einen Projektantrag „Erweiterung soulseduction.com um einen Downloadshop“ bewilligt

wird

und

zum

Ziel

hat:

„[...]

den

bereits

bestehenden

210

ein, der

Webshop

www.soulseduction.com, der bis dato für den Vertrieb von Tonträgern (CDs, etc.) diente, um 211

die Funktionalität eines digitalen Downloadshops zu erweitern.“

Dieses Online-Vertriebs-

projekt namens Soul Seduction Digital Distribution SSDD wird als „eigenständiges Unternehmen […] von Philipp und Stephan Dorfmeister“ geführt. Soul Seduction beauftragt dazu SSDD „mit dem Vertrieb [ihrer] […] Label im Internet“. Im Februar 2005 sind „zehn Labels exklusiv unter Vertrag“. SSDD hat im Februar 2005 „15 Verträge mit Internet-Distributoren unterzeichnet. Darunter finden sich i-Tunes, und Music Load (T-Online), aber auch viele kleine, hochspezialisierte Internet-Sites.“ Kein Track/Download wird in diesem Service unter 212

99 Cents angeboten.

2. Vinyl-Store Bounce

213

Dierk Rossiwall ist seit 2003 Geschäftsführer des Vinyl-Plattengeschäftes Bounce im 4. Bezirk in Wien, das nach seiner Startphase ausgezeichnet läuft. Seine Partner sind Kurt Wögin214

ger und Rainer Gessmer.

Die HauptkundInnen von Bounce sind DJs, für die „Vinyl nach

wie vor das DJ-Material Nr.1 ist“. Auch für Bounce ist der Community-Bonus (v.a. hinsichtlich DJs) ein entscheidender Faktor. Als Plattenladen „leben [sie] gut“ mit ihrem „so genannten Nischendasein“. „Dass man wirklich seine Nische hat“ ist für Läden wie Bounce seiner Ansicht nach „Überlebensstrategie“. Zusätzlich ist ein gutes Sortiment ausschlaggebend, um 215

erfolgreich zu sein. 209 210 211 212

213

214 215

Das Netzwerk mit HändlerInnen wird immer „größer und vernünftiger“,

Zitate aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction/Blackmarket Music. www.departure.at (Febr. 2005). Ebenda. In Bezug auf Zitat/Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction. In: Sound & Media No 2 (Febr 2005), 19. Die Information beruht v.a. auf Zitaten aus Interview mit Rossiwall/Bounce (15.5.2003) und wird durch einen Emailkontakt mit Dierk Rossiwall im Jänner 2005 aktualisiert. In Bezug auf Prli, Thomas (2003). In: Falter 4/03, 68. Vom Stil her bietet Bounce jegliche Dancefloor-Music außer House und Techno an: Drum & Bass, Hiphop & R&B (Kommerz und Underground), Breakz, UK Garage/Grime, Ghetto Tech/Electro, Ragga/Dancehall sowie etwas Funk+Disco.

171

sodass Bounce immer leichter und schneller Spezialitäten anbieten kann. Die Webpage www.bouncerecords.biz hat lange Zeit „nur“ der Information (Darstellung des Musikstilangebotes), Kommunikation (Information zu Kontakt-Adresse und -Email) und als Orientierungshilfe (Stadtplan, Öffnungszeiten) gedient, seit Februar 2005 bietet Bounce Musik auch zum Verkauf über seinen eigenen Online-Shop an. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich in die Mailorder-Liste einzutragen, um Bounce-Neuigkeiten via Email zu empfangen. 8.3.2

On-Demand- und Online-Music-Stores

1. Musiktankstelle Museumsquartier

216

Die Idee zum “On Demand-Record Store“-Projekt, die von Walter Gröbchen (monkey music) gemeinsam mit Johnny Dibon (SR-Archiv) geboren wird, basiert auf dem Wiener SR-Archiv, welches seit 1994 besteht. Im Laufe der Zeit hat sich ein großes Archiv für österreichische Popularmusik, auch teilweise in bereits digitalisierter Form angesammelt. Es befindet sich im quartier 21 im MuseumsQuartier in Wien, wo sich auch die Musiktankstelle, ein “recordstore in a box“ mit zwei „Zapfsäulen“ bzw. Computern befindet. Die Frage, die sich als Ausgangspunkt stellt, ist, „kann man […] zu einer Belebung des [SR-]Repertoires und zu einem Business-Modell […] übergehen?“ Drei Voraussetzungen wären dafür gegeben: erstens besteht bereits ein Archiv von Tonträgern, für ca. 3.000 Tracks sind Lizenzen sind vorhanden (insgesamt stünden 52.000 Titel zur Verfügung, die aber zu einem großen Teil erst zu digitalisieren und rechtlich zu klären sind); zweitens wird dem SR-Archiv Kompetenz zugestanden; drittens ist die Ausrichtung des SR-Archivs nicht rein kommerziell. An der Musiktankstelle beteiligte Labels sind nicht nur die Major Labels Universal Music und BMG, sondern auch das Wiener Independent Label Cheap Records. Weitere PartnerInnen sind Exozet Wien/Berlin, prmiary.Key.systems GmbH (Technologiepartner) und der alternative Radiosender FM4. Die Wiener Creative-Industries-Förderinstitution departure

217

unterstützt das Projekt mit einer Förderung. Der einzelne Music-Download kostet 99 Cents. Zwischen Anfang September 2004 und Dezember 2004 werden ca. 1.000 gebrannte CDs in der Musiktankstelle verkauft. Über die Musiktankstelle dürfen aber zu diesem Zeitpunkt noch keine Music-Downloads zur Ver-

216

217

Die Information beruht auf einem Interview mit Gröbchen/monkey music (13.12 2004) sowie auf einem Protokoll eines Referates, das Gröbchen zusammen mit Dibon/SR-Archiv bei einem Musikwirtschafts-JourFix am Institut für Kulturmanagement am 31.1.2005 hält. Die Information wird durch die Websites www.monkeymusc.com, www.musiktankstelle.at und www.departure.at sowie durch einen Emailkontakt mit Gröbchen im Feb. 2005 aktualisiert und verifiziert. Das Projekt Musiktankstelle MuseumsQuartier wird zwecks departure um Förderung eingereicht, welche bewilligt wird.

172 218

fügung gestellt werden, sondern es werden CDs (mit der gewünschten Musik) gebrannt.

Zwar würde die Bezeichnung Musiktankstelle darauf schließen lassen, dass KonsumentInnen ihren iPod mitbringen, aber (zum Zeitpunkt des Interviews) sind die dazu notwendigen Lizenzen für Music-Downloads noch nicht geklärt. Das betrifft nicht nur das Repertoire der Major Labels, sondern auch vieler Independent Labels. Das Ziel der Betreiber ist es, Rechte so weit zu klären, dass nach zwei Jahren an die 20.000 Titel zur Verfügung gestellt werden können. In Planung ist, das inhaltliche Angebot sowohl auf historischer als auch aktuell-musikalischer Ebene auszubauen. Zusätzlich soll das Modell vom Standort des Wiener MuseumsQuartiers losgelöst werden und sich nicht nur auf das Brennen und Versenden von CDs beschränken, sondern auch eine Music-Download-Lösung bereitstellen. Ziel ist, „eine Art Record Store“ anzubieten bzw. „eine Kombination aus Hardund Software mit einem PC oder Apple, an den man den iPod anhängen“ oder eine CD brennen kann. Eine weitere Idee ist, dass in jeder Hartlauer- oder Eduscho/Tchibo-Filiale eine Musiktankstelle in Form eines Computers steht, bei der KundInnen Music-Downloads kaufen können. Stationäre HändlerInnen haben bis jetzt hinsichtlich des physischen Musikhandels nur begrenzte Stellflächen zur Verfügung. Durch die Musiktankstelle könnte ein großes Repertoire via Music-On-Demand angeboten werden kann. Schließlich ist die Anbindung an das Internet geplant, MusikkonsumentInnen könnten durch Online-Mailorder die gewünschte CD bestellen und per Postversand zugeschickt bekommen. Letztendlich hängt der Erfolg der Musiktankstelle aber wesentlich von der möglichen Breite des Angebots und daher davon ab, ob es gelingt, die Lizenzen von den wichtigen RechteinhaberInnen (v.a. Major aber auch Independent Labels) für die Musiktankstelle zu bekommen. 2. Open Music Distribution (OMD) manymusic(s) Die Download- bzw. Vertriebsplattform “Open Music(s) Distribution“ (OMD) bzw. www.manymusics.org wird unter Federführung des mica in Kooperation mit dem EU-Projekt European Music Navigator sowie IAMIC, the International Network of Music Information Centers mit Förderungsmitteln der Europäischen Kommission entwickelt und implementiert. Die Agentur Austrian Music Export

219

ist für das Projektmanagement zuständig. manymu-

sics.org ist auch im Kontext der Maßnahmen zur Förderung des Musikexportes des music information centers austria zu verstehen. Die Plattform wurde komplementär zu den bereits bestehenden kommerziellen Music-Download-Services gedacht. Auf OMD können RechteinhaberInnen (KomponistInnen, Bands, Ensembles, Labels) ihre Musik-Tracks zum Verkauf (in

218 219

So genannte WAV-Files können gebrannt werden. www.musikexport.at.

173 220

Form von einzelnen Tracks, gesamten Alben oder ganzen Music-Shops) anbieten.

Im Som-

mer 2005 fehlt es manymusic(s) aber noch an Breite des Repertoires und es bleibt abzuwarten, wie viele Musikschaffende, Labels und Vertriebe auf den „OMD-Zug“ aufspringen werden. 3. music channel

221

Das Internetportal music channel (www.musicchannel.cc), das im Herbst 2003 vom Betreiber Harald Büchel gelaunched wird, ist ein “One Stop Info Shop“. Der music channel setzt vor allem auf journalistische Information bzw. stellt diese Plattform ein Informationsmagazin mit einem vielfältigen Angebot an Rezensionen, Artikeln, Features und News dar, mit der weiteren Option, CDs, DVDs, Vinyls und sonstige Audio- und Videoprodukte, die im Web-Shop auf Mailorderbasis zu erstehen. Der Plan besteht (zum Zeitpunkt des Interviews im Frühjahr 2003), „ein funktionales Download Lizenz Modell (für) (Musik-)Download“ auf dem music channel zusätzlich zum Mailorder-Shop anzubieten. Bis Frühjahr 2005 funktioniert der Web-Shop aber ausschließlich auf physischer Basis bzw. auf der Bestellung und dem Versand von Tonträgern. Über 180.000 Produkte und damit alle in Deutschland und Österreich erhältlichen Tonträger können online bestellt werden. Auch auf dem music channel wird eine Form von „personalisierter Beratung“ via My musicchannel angeboten. Durch freiwillige Registrierung „kann jeder User individuell aus den Genres auswählen und bestimmte ‚ausklicken‘, die dann nicht mehr angezeigt wer222

den“ . Außerdem werden “Community Tools“ wie NoticeBoard, Chat angeboten, NutzerInnen können auch selbst Reviews und Kommentare verfassen. 4. aon musicdownload

223

aon musicdownload wird am 1. Oktober 2003 gestartet. Diese Internet-Musik-Plattform der Telekom Austria bietet wie die anderen vorgestellten Online Services keine „eigene“ Musik an, sondern bezieht die distribuierte Musik über die Firma OD2. OD2 wird 1999 von Peter Gabriel gegründet und später von der US-Firma loudeye gekauft. Sie besitzt Dependancen in Brüssel und Köln und bietet im Windows Media Format Songs v.a. aus dem Repertoire der

220 221

222 223

Wie z.B. soulseduction.com oder auch der Vertrieb Extraplatte. Die Information beruht v.a. auf einem Interview mit Büchel/music channel (7.5.2003) und wird aufgrund von Informationen auf der Website www.musicchannel.cc im Feb. 2005 aktualisiert. www.musicchannel.cc. Die Information beruht vor allem auf einem schriftlichen Protokoll eines Referates von Aschauer und Schwenkert/aon musicdownload bei einem Musikwirtschafts-JourFix am Inst. f. Kulturmanagement (20.12.2004) sowie auf Informationen auf der Website musicdownload.aon.at. Die Information wird im März 2004 via Email verifiziert.

174 224

Major Plattenfirmen an.

Der Vertrag zwischen Telekom Austria und OD2 besteht mit der

Kölner Dependance. aon musicdownload erhält zwischen 10 % und 20 % der Revenues, hinzu kommen aber 15.000 Euro pro Jahr an Lizenzzahlungen, die aon musicdownload an OD2 zu leisten hat. Die Vertragsdauer zwischen der Telekom Austria und OD2 läuft bis Herbst 2005, wobei aon musicdownload eine weiterführende Kooperation anstrebt (Stand März 2005). Der Preis pro Music-Download beträgt zwischen 0,99 Euro und 1,29 Euro sowie 1 Cent pro Music-Stream. Pro Titel benötigen KundInnen eine Breitbandstärke von 128 Kilobit pro Se225

kunde, daher ist als technische Grundvoraussetzung ein Breitbandanschluss notwendig.

Alle

Titel können auch 30 Sekunden probegehört werden. Die Music-Downloads sind auf CD kopierbar und die Kopien auf MP3-Player übertragbar. Es bestehen aber auch Usability-Ein226

schränkungen.

Weiters werden Kundenbindungsmaßnahmen Gewinnspiele, Newsletter und

24-Stunden-Support angeboten. Die Hauptintention der Telekom Austria, aon musicdonwload zu betreiben, ist nicht das Geschäft mit Musik-Tracks selbst, sondern Breitband- bzw. ADSL-Anschlüsse in Form eines gebündelten Content-Angebotes (Die Telekom Austria ist Anbieter weiterer Content-Angebote wie Online Fernsehen, die Single-Börse love.at etc.). Das heißt, dass die Telekom Austria nicht vordergründig zum Musikanbieter werden will. Von aon musicdownload bestehen aber Anstrengungen, gemeinsam mit Labels lokalen, österreichischen Musik-Content anzubieten, vor allem mit EMI Austria und Universal Music Austria sind bereits gute Erfahrungen gemacht worden. Die Verträge werden aber immer zwischen den Labels und OD2 abgeschlossen, wobei die Labels bereits eine gewisse Anzahl an Verkäufen vorweisen müssen, um in den Web-Shop aufgenommen zu werden. Das schließt bis dato die Aufnahme des Repertoires kleinerer Independent Labels aus. 8.4

Resümee Musikvertrieb und -handel

Auf der Ebene der Großhandelsformen findet in den letzten Jahren eine zunehmende Konzentration und Homogenisierung des Angebotes statt, welche die Krise des Handels gemeinsam mit den verschärften Bedingungen der digitalen Mediamorphose mitbedingen. Diese Homogenisierung schafft aber auch Nachfrage nach spezialisierten Nischenangeboten sowie nach individueller Beratung und Information. Als Resultat eröffnen sich auch neue Chancen für NischenmusikanbieterInnen (Independent Label, Vertriebe und EinzelhändlerInnen) sowie 224

225 226

Musik wird zu folgenden Stilen angeboten: Rock, Pop, Blues/Jazz, Klassik, Schlager/Volksmusik, Soul/R'n'B Funk, Weltmusik/Reggae, Electronic/Dance, Country/Folk, Rap/HipHop, Alternative und Diverses. Angebotene Bezahlverfahren sind SMS, Kreditkarte und Bankeinzug. Z.B. darf ein Track zehnmal gebrannt/kopiert werden.

175

für den Online-Musik-Vertrieb und -Handel, der keine Flächenlimits mehr kennt und mit entsprechenden elektronischen Suchwerkzeugen und virtueller Beratung neue Formen von Musikservices anbieten kann. Es ist unklar, ob der Musikhandel auf längere Sicht hauptsächlich auf dem Format CD basieren kann. Die CD wird wahrscheinlich als ästhetisiertes Produkt ähnlich wie Vinyl zum Sammel- und Life-Style-Objekt nur mehr von bestimmten Fan-Communities konsumiert werden. Popmusik ist seit langer Zeit Life-Style-Produkt. Musikschaffende und Labels können auch auf Basis der Lebensstile ihrer Fan-Communities Produkte und Services anbieten. Ästhetisches Design von CD- oder LP-Covers und Merchandizing-Produkten spielt dabei eine bedeutsame Rolle. Design ist auch ein wichtiger Aspekt, damit CDs zu Sammelstücken werden (können). Viele Anzeichen sprechen heute dafür, dass sich Musikdistribution auf den digitalen Weg von Music-Downloads oder -Streams verlagern wird. Ob sich aber Online-Musikdistribution auf Massenbasis im vollen Umfang realisieren wird, ist derzeit unklar. Falls ja, ist es ungewiss, welche Geschäftsmodelle sich durchsetzen werden, ob es ein großes Vertriebsmodell oder mehrere Modelle gleichzeitig nebeneinander geben wird. Eine weitere Frage ist, ob nicht Music-Streaming größere Potenziale birgt, als es bis jetzt wahrgenommen wird. Für MusicStreams spricht, dass sie im Gegensatz zu Music-Downloads nicht auf einem Medium archiviert werden müssen (diese Archivierung birgt Speicherkapazitätsengpässe). Music-Streams werden hingegen immer aktuell online abgerufen. Daher muss zum Abspielen der Musik kein Archiv angelegt werden, auch wenn Streams im Prozess des Abspielens relativ viel Bandbreite benötigen. Streaming wird heute vor allem von Internet-Radios (meist auf Gratis-Basis) oder für Hörproben (als Samples zum Hineinhören) zur Verfügung gestellt, aber weniger zum Verkauf auf Einzel-Stream-Basis. Streams bieten sich momentan eher als Bestandteile von Online- oder Handy-Abo-Services als auf Einzelverkaufsbasis an. Das Potenzial von MusicAbo-Services (via Stream und/oder Download) ist bisher wenig ausgelotet worden. Da der Trend hin zu Musik als Serviceleistung gehen wird, ist anzunehmen, dass Abo-Services an Bedeutung gewinnen, auch weil mit ihnen mehr Kundenbindung als beim Verkauf von einzelnen Music-Downloads erreicht werden kann. Gegen Streams spricht aber, dass MusikkonsumentInnen bisher gewohnt sind, Musik, die sie kaufen, um sie zu konsumieren, auch zu besitzen. Der Einzelhandel wird oft zweigleisig sowohl physische Tonträger als auch Online-Verkauf (sowie auch über e-Mailorder den Verkauf physischer Produkte und/oder Music-Downloads) anbieten. Stores werden teils zu “lifestyle zones“ oder “music arcades“ und als solche zu Szene-Treffpunkten, an denen Kommunikation über Musik und die mit ihr verbundenen LifeStyle-Produkte (wie T-Shirts) eine wesentliche Rolle spielt (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 88). Das heißt auch, dass die Stores, die eine eingeschworene Music-Community als Rückgrat

176

besitzen, sowohl “Offline“ als auch Online in der Lage sind, sich Marktvorteile zu verschaffen. Die Musiktankstelle MuseumsQuartier birgt als “On-Demand-Store“, an dem iPods mit „frischer Musik“ „aufgefüllt“ werden sowie mit einer zusätzlichen Online-Variante möglicherweise das Potenzial eines Zukunftsmodells. Es ist aber völlig unklar, ob das Modell im MuseumsQuartier überleben wird können. Die notwendigen Lizenzen v.a. der Major Labels fehlen noch. Auch die aktuelle Begrenzung auf den Ort MuseumsQuartier stellt ein Hindernis dar. Ähnlich geht es der Internet-Plattform music channel, deren Schwerpunktsetzung auf ein journalistisches Informationsangebot eine gute Basis darstellt, weil Information, Promotion und Vertrieb im Web gemeinsam angeboten werden. Das Problem der zu geringen Breite des Online-Angebots betrifft gegenwärtig sämtliche neue Modelle und AnbieterInnen. Diese Breite im Angebot wird aber im Online-Music-Vertrieb und -Handel für das Überleben der einzelnen Services entscheidend sein. Die mögliche Breite hängt stark mit der Lizenzierung der Musik von Major Labels zusammen. Daher sind insbesondere die Major Labels, teils auch Independent Labels am Zug, schneller und mehr Lizenzen zu vergeben. Aber es ist davon auszugehen, dass die Labels auf diesem Weg neue Marktbarrieren errichten und damit Marktkontrolle ausüben. Wiederum AnbieterInnen wie aon musicdiownload haben zurzeit noch hohe Auflagen, die es Independent Repertoires erschweren, in das Online-Sortiment aufgenommen zu werden. Obwohl auf digitaler Ebene kein Platzmangel wie im physischen Handel und Vertrieb vorherrscht, bestehen also zahlreiche Barrieren. Das Online-Music-Geschäft wird im Handel in der näheren Zukunft wahrscheinlich vor allem als Promotion-Tool für andere lukrativere Ware (mit höherer Handelsspanne) wie Hardware (iPod von iTunes) oder physische Tonträger sowie Serviceleistungen wie Breitbandanschlüsse (wie z.B. aon musicdownload), aber weniger als relevantes bares Musik-Geschäft funktionieren.

177

9

Live-Music-Event: VeranstalterInnen, AgentInnen und BookerInnen

9.1

Der Trend zum Live-Music-Event

Es zeichnet sich ein Trend zum Revival des Live-Music-Events ab, der auch im Zusammenhang mit der digitalen Mediamorphose zu verstehen ist. Daher wird sich „Musik [...] wieder 227

228

vermehrt auf der Bühne abspielen“ . Die jährlichen AKM-Einnahmen

aus dargebotener

Unterhaltungsmusik zeigen folgendes Bild (siehe Abbildung 23 unten). Abbildung 23: AKM-Einnahmen aus Live-Darbietungen 1998-2004

Quelle: AKM Jahresberichte 1998-2004.

Die AKM-Einnahmen steigen demnach zwischen 1998 und 2003 von 9,79 Mio. auf 12,36 Mio. um 2,57 Mio. Euro (um 26,25 %) an. 2004 macht der U-Musik-Anteil zwar wieder etwas weniger – 12,04 % (um 0,72 Mio. Euro bzw. 5,53 %) als 2003 – aus, aber die Ent-

227 228

Zitat aus Interview mit Skrepek/Musikergilde. Die AKM (www.akm.co.at) ist die österreichische Urheberrechtsgesellschaft für AutorInnen, KomponistInnen und MusikverlegerInnen.

178

wicklung ist insgesamt (mit 2,25 Mio. bzw. um 22,98 % jährlichen Mehreinnahmen seit 1998) trotzdem als positiv zu bewerten. Die Einnahmen aus Klassikdarbietungen wachsen zwischen 1998 und 2004 stetig (insgesamt um 0,31 Mio. Euro bzw. 31,63 %) an. Dieser Trend zum Live-Music-Event ist auch als Teil einer allgemeinen Entwicklung zum Live-Event zu verstehen. Die Diversifizierung der Unterhaltungs- und Medienindustrie trägt dazu bei, dass „das gemeinschaftsbildende Unterhaltungserlebnis, das Jahrzehnte an die Medienrezeption gebunden war“, von den Massenmedien, insbesondere Radio und Fernsehen, losgelöst wird. Folglich ist das Live-Erlebnis „überwiegend ein Merkmal der Eventkultur. Diese konnte sich in den letzten beiden Jahrzehnten zu einem eigenständigen ökonomischen Faktor innerhalb der Unterhaltungsangebote entwickeln“ (Mühl-Benninghaus 2004, 34). Der Live-Event wird zwar auch in Form von mediatisierten Live-Events in Fernsehen, Radio und Internet in Echtzeit zelebriert, das Merkmal des Events bleibt aber die lebendige Darbietung und damit verbunden die Inszenierung von Authentizität und Unmittelbarkeit. Authentizität stellt sich aber nicht ausschließlich durch die hautnahe Live-Darbietung selbst, sondern auch durch das gemeinschaftliche Erlebnis ein. Da das kollektive und sinnliche Erlebnis im Vordergrund steht, muss es sich nicht um eine Live-Darbietung im herkömmlichen Sinn handeln, sondern kann auch einen DJ-Gig darstellen. Der Event ist auch Teil der „Erlebnisgesellschaft“, die der Soziologe Gerhard Schulze (2000) 229

analysiert hat.

Diese ist durch die Merkmale „Ästhetisierung des Alltagsleben“ (33), „Viel-

falt“ (36), „Vermehrung des Möglichen“ bzw. Vermehrung von „Angebot“, „Nachfragekapazitäten“ (insbesondere durch verfügbare/s Einkommen und Freizeit), „Zugänglichkeit“ und „gestaltbare[n] Bereiche[n]“ (56-58) gekennzeichnet. Grundsätzlich herrscht in ihr eine „Erlebnisorientierung“ (58-59) vor. Vorrangige Faktoren, die in der Vielzahl von Erlebnismöglichkeiten den Identitäten Sicherheit und Sinn geben können, sind „Stil“ (102) und „Distinktion“ (von anderen Stilen) (108), die beide eng mit „Lebensphilosophie“ und Bildung „kollektiver Glaubensgemeinschaft[en]“ (112) – auch in Form von Stilgemeinschaften – verknüpft sind, daher mit sozialer Inklusion und Exklusion/Ab- und Ausgrenzung von anderen. Der Event stellt in der Erlebnisgesellschaft den Anlass der Zusammenkunft von Stilgemeinschaften und damit ein sinn- und gemeinschaftstiftendes Ereignis dar. Die Erlebnisgesellschaft schafft einen „Erlebnismarkt“ (417) bzw. viele unterschiedliche Erlebnismärkte. Die ErlebnisanbieterInnen in diesen Märkten haben „Publikumswirksamkeit als Handlungsziel“ (473). Auch der Rockboom der letzten Jahre trägt zum Revival von Live-Konzerten und Festivals bei. Die Inszenierung von Rock lebt stark von Bühnenpräsenz und lässt sich so auch zelebrie-

229

Live-Musik weist Eventcharakter auf, dieser wird aber durch die Erlebnisgesellschaft bestärkt. Bzw. ist der Musikevent ein Teil der Erlebnisgesellschaft, auch wenn er tatsächlich älter als diese Gesellschaftsform ist.

179

ren.

230

Ticketpreise von Großrockkonzerten so genannter Superstars explodieren seit einigen 231

Jahren, werden aber vom Publikum nichtsdestotrotz bezahlt.

Neben dem Rockboom weist

aber auch das Stilfeld elektronische Dance-Music eine wachsende Club- bzw. DJ-Kultur auf. Trotz der teils sehr hohen DJ-Gagen für einige wenige internationale Superstars stellt DJing aber für die meisten DJs nur eine Nebenerwerbsquelle dar (siehe Kap 3 u 4). Bei gleichzeitigem Weiterbestand der Krise der Tonträgerindustrie kann der Trend zum Event dazu führen, dass die an der Aufführungskultur partizipierenden Berufsgruppen – DJs, LiveMusikerInnen, ManagerInnen, AgentInnen, BookerInnen, VeranstalterInnen, SponsorInnen – in Zukunft an Bedeutung hinzugewinnen. Laut Tschürtz von der Agentur ink kann man „heute ein mittelgroßes Festival sehr gut mit österreichischen Acts – egal aus welchem Genre 232/233

– füllen, was vor fünf, sechs Jahren undenkbar gewesen wäre“

. Nach Wolfgang Mitter

(Agentur Miooow Coop.) versuchen aber viele KünstlerInnen, die Einkommensrückgänge, die durch die Krise im Tonträgerverkauf entstehen, mit Live-Acts zu kompensieren. Das Resultat ist eine verschärfte Konkurrenz Live-Musikmarkt. Falls die KünstlerInnen „schlecht organi234

siert sind“, nehmen ihre Konzertengagements und -einnahmen sogar ab.

Außerdem ist der Tonträger als Promotion-Tool für Live-Acts nach wie vor unentbehrlich. Normalerweise wird die CD zuerst veröffentlicht und promotet, in der Folge können die Live235

Shows veranstaltet werden.

Zugleich stellen CD und Konzert jeweils Komplimentärgut

bzw. -service zueinander dar. Das heißt, wenn KonsumentInnen ein Konzert gut gefallen hat, kaufen sie auch die CD oder umgekehrt kaufen sie Konzerttickets, wenn ihnen die CD gut gefallen hat. Neue Medien wie Internet und Handy unterstützen den Trend zum Event in Form von interaktiven Informationsangeboten und Online-Direktticketverkauf. KonzertbesucherInnen suchen zunehmend selbst nach Information über das Internet oder Handy, bestellen Tickets via Online-Mailorder. Außerdem wird der Live-Musikevent als Medienprodukt mittlerweile in

230

231

232 233

234 235

Die elektronische Musik ist auch im Zusammenhang mit dem neuen Rockboom zurzeit in die Defensive geraten. In Bezug auf Fasthuber (2005). In: Falter 5/05, 61. Als die Rolling Stones 2003 im Ernst-Happel-Stadium spielen, kostet ein Sitzplatz „je nach Sicht auf die Bühne zwischen 59 und 84 Euro“. 1982 sind es noch 270 ATS. In Bezug auf Fasthuber (2003). In: Falter 24/03, 22-23; 1 Euro =13,7603 ATS. Zitat von Tschürtz/Agentur ink. In: Stöger, Gerhard (2005). In: Falter 14/05, 63. Unter den heimischen Rockformationen, die 2004 oder 2005 Tonträger veröffentlichen (und großteils im deutschsprachigen Rock angesiedelt sind), fallen z.B. die Bands Heinz (bei acute/edel), Roter Stern Silberstern, Garish, Jonas Goldbaum, Mondscheiner. In Bezug auf Stöger (2005). In: Falter 14/05, 62-63. Auch im englischsprachigen Rock gibt es Veröffentlichungen österr. Acts, z.B. von Naked Lunch. In Bezug auf Stöger (2004). In: Falter 8/04, 58. Zitat aus Interview mit Mitter/Miooow. In Bezug auf ebenda.

180

sämtlichen Formaten vermarktet, verkauft oder gratis angeboten (als Promotion zwecks Umwegrentabilität bzw. auch um KundInnen längerfristig zu binden). Der Trend zum Music-Event zeigt sich also einerseits in Angebot und Nachfrage nach LiveEreignissen, andererseits in mediatisierten Formen, darunter auch gebündelt in „Paketen“ (im Angebot von Konzerttickets zusammen mit Medien-/Musikprodukten und -services). 9.2

Österreichische Veranstalterszene

Die österreichische Veranstalterszene war in den letzten Jahren durch starke Turbulenzen gekennzeichnet: „Der Zusammenschluss der vier wichtigsten Agenturen zur Promoters Group 236

Austria (PGA) endete nach eineinhalb Jahren mit einem Crash.“ 237

GroßveranstalterInnen,

Neben österreichischen

die nach dem Scheitern der PGA wieder als EinzelakteurInnen

arbeiten, gibt es in Österreich viele kleine und mittelgroße VeranstalterInnen. Eine Expertise von Fuchs (2000) nennt 500 derartige VeranstalterInnen, die oft Kulturinitiativen darstellen, „von denen ein Großteil (auch unbekannten) österreichischen Bands die Möglichkeit zu einem Auftritt gibt“ (Fuchs 2000, 21). Wie in anderen Bereichen der Musikwertschöpfungskette leiden diese mittelgroßen AkteurInnen oft an latenten finanziellen Ressourcenmängeln. Um das Risiko „so gering wie möglich zu halten“, tendieren die VeranstalterInnen zu/r: „- Veranstaltungen mit etablierten, meist internationalen KünstlerInnen, die eine entsprechende Publikumsresonanz und dadurch zumindest eine Kostendeckung erwarten lassen. - Durchführung von weniger Veranstaltungen. - Veranstaltung von Kleinbands (Duo, Trio) bzw. DJs, für die der technische, personelle und damit finanzielle Aufwand relativ gering ist.“ (Fuchs 2000, 21-22)

9.2.1

Österreichische Pop-/Rock- und elektronische Musik-Festivals

Wichtige Festivals der Pop-/Rock-Szene, die stark heimische Acts präsentieren, sind in den Jahren 2004 und 2005 die Wienfestivals (bei freiem Eintritt) Donauinsel Festival, Stadtfest Wien und Gürtel Nightwalk (auf der Gürtelmeile in Wien). Festivals mit teils heimischen, teils 238

internationalen Acts stellen das Jazzfest Wien, Jazzfest Wiesen,

Forest Glade und Summer-

Splash (jeweils in Wiesen im Burgenland) und das FM4 Frequency Festival am Salzburg Ring dar. Auf internationale Acts allein konzentrieren sich die Riesenpopfestivals Nova

236 237 238

In Bezug auf Fasthuber (2003). In: Falter 24/03, 22. In Bezug auf Fuchs (2003): In: Sound & Media (April 2003). Auf beiden Jazz-Festivals – Jazzfest Wien und Jazzfest Wiesen – ist nicht ausschließlich Jazz-Musik, sondern auch Popmusik zu hören.

181

Rock/Pannonia

Fields/Nickelsdorf,

Nuke/Pielachtal/St.

Aerodrome/Civitas

Pölten,

239

Nova/Wiener Neustadt/Niederösterreich.

Elektronische Avantgarde-Musik wird durch das Ars Electronica Festival (das im „Kunstkontext“ agiert) in Linz und das Donaufestival Krems/Korneuburg abgedeckt. Relativ neu ist seit 2003 das temp~ electronic music festival in Greifenstein/Niederösterreich, das auch 2004 und 2005 stattfindet, sowie im September 2005 das Wiener Festival Picknick am Wegesrand, das die Wiener elektronische Musikszene präsentiert

240

und in seiner Namensgebung an des

legendäre Wiener Festival Picknick mit Hermann von 1997 anknüpft (siehe unten). 9.2.2

Wiener Clubszene

241

242

In Wien gibt es neben bereits etablierten größeren „Hallen“ und Stadien

eine Vielzahl an

mittelgroßen und -kleineren Lokalen (in denen teils Pop, Rock, elektronische Lounge und/oder Dance-Music präsentiert werden) und kleineren Clubs der Wiener Gürtelmeile

243

sowie weitere Clubs/Veranstaltungsorte, in denen Live-Konzerte und/oder Parties regelmäßig stattfinden. Zusätzlich sind in den letzten Jahren etliche neue Clubs und Aufführungsstätten, meist aufgrund von privaten Initiativen junger motivierter Veranstalterteams entstanden. 9.2.3

„Legendäre“ Wiener Festivals elektronischer Musik: Phonotaktik, Hyperstrings 244

und Picknick mit Hermann

Die Wiener Elektronikfestivals Phonotaktik, Hyperstrings und Picknick mit Hermann, die im Zeitraum zwischen 1995 und 2002 veranstaltet werden, gelten mittlerweile als legendär. Sie tragen zum damaligen Zeitpunkt wesentlich zur Etablierung der elektronischen Musik in Wien (insbesondere auch beim Publikum und bei der internationalen und nationalen Presse) bei, weil sie als Plattform die Stärkung der Positionen der EinzelkünstlerInnen sowie „etwas Übergreifendes“, das die Szene als ein Gesamtes nach außen präsentiert, bieten. Initiiert werden sie u.a. von Peter Rantasa (heute Direktor des music information centers austria (mica)).

239

240 241

242

243

244

In Bezug auf Jordan, B. (2005): „No one knows...“ http://fm4.orf.at/borisjordan/191032/main (12.4.2005) und Falter Kultursommer 2004: Beilage zur Stadtzeitung Wien (Juni bis September 04). Stöger, Gerhard (2005). In: Falter 36/05, 52. Es gibt auch in anderen österreichischen Städten Clubszenen, als Beispiel wird aber an dieser Stelle nur die Clubszene Wiens berücksichtigt. Für Großkonzerte sorgt in Wien die Stadthalle Wien und der Gasometer sowie das Ernst-Happel- und Hanapi-Stadium, in denen zumeist internationale Popstars spielen. Lokale der Gürtelmeile sind u.a. rhiz (siehe unten), B72, Chelsea, Cafe Concerto, Cafe Carina, mezzani und Loop. Die Information beruht v.a. auf zwei Interviews mit Rantasa/mica (28.5 u. 23.6.2003) und wird durch die Website www.mica.at im Jänner/Februar 2005 aktualisiert.

182

Phonotaktik (1995) (1999) (2002): Phonotaktik 1995 setzt erstmals „radikal auf ListeningElectronics“ und befindet sich in der Grenzüberschreitung zwischen E- und U-Musik. Das Festival ist international ausgerichtet, aber zugleich mit starkem Anteil österreichischer Acts. Wichtige ProtagonistInnen der Wiener Szene sind zum Festival eingeladen. Zum Abschlusskonzert spielen Kruder & Dorfmeister, die heute nach wie vor das internationale „Aushängeschild“ der Wiener elektronischen Musikszene darstellen. Für die Promotion kann die Festivalleitung die Wiener Stadtzeitung Falter als Kooperationspartner gewinnen. Außerdem wird Rob Young vom Britischen Musikmagazin Wire eingeladen, zu berichten. Die österreichischen Medien geben der elektronischen Musikszene in Wien erst zu dem Zeitpunkt die notwendige Beachtung, nachdem bereits die internationalen Medien ihre Aufmerksamkeit auf die Wiener Szene gerichtet hatte. Weitere Phonotaktik-Festivals finden in den Jahren 1999 und 2002 statt. Hyperstrings (1996) ist als ein Festival über E-Gitarren eine Auseinandersetzung von Rockmusik mit elektronischer Musik. Picknick mit Hermann (1997) findet im Herrmannpark in Wien „auf der grünen Wiese“ mit ca. 2.000 BesucherInnen statt. 9.2.4

Fallbeispiele Konzert- und Club-VeranstalterInnen 245

1. Passage, Roxy und Sequence Network Festival Vienna

Als Clubveranstalter betreibt das Label Sunshine Enterprises (siehe Kap. 7) einerseits die Passage (frühere Babenbergerpassage an der Wiener Ringstraße) sowie den kleinen Club Roxy im 3. Bezirk. Da im Roxy nur 100-150 Leute Platz finden, ist es für die ClubbetreiberInnen schwierig, Gäste aus dem Ausland einzuladen. Hingegen ist die Passage auf 500 m2 für 600 Leute gebaut, folglich ist dieser Club für Engagements internationaler DJs attraktiver. Die Passage wird Ende September 2003 eröffnet, wo „elektronische Musik mit einem gewissen Qualitätsanspruch, die aber ein breites Publikum anspricht“ geboten wird. 246

2. Planet Music

Ursprünglich wird das Rockhaus als Verein zur Förderung der österreichischen Rockmusik gegründet. Da der Name Rockhaus manche BesucherInnen oder GeschäftspartnerInnen (insbesondere im Bereich Sponsoring) abschreckt, wird es (ca. 1998) in Planet Music umbenannt, was sich auf die Reputation des Veranstaltungshauses positiv auswirkt. Durch diese Namens-

245

246

Die Information beruht v.a. auf einem Interview mit Prechtl und Mair/Sunshine Enterprises (26. Juni 2003) und wird durch die Website www.sunshine.at im Februar 2005 aktualisiert. Die Information beruht v.a. auf einem Interview mit Sopper/Planet Music (26.5.2003) und wird mittels der Website www.planet.tt sowie durch einen Emailkontakt mit Sopper im Feb. 2005 aktualisiert und verifiziert.

183

änderung können die BetreiberInnen auch „inhaltlich breiter“ werden und so Mehreinnahmen generieren. Die Stilfelder von Planet Music bewegen sich – relativ breit gefächert – innerhalb von Rock, Pop, HipHop und elektronische Musik. Planet Music kann als Veranstaltungshalle den Vorteil daraus ziehen, dass es das einzige Haus in dieser Größenordnung (für 640 BesucherInnen) ist. Außerdem steht die Veranstaltungshalle für einen „Österreichschwerpunkt“, im Laufe eines Jahres treten zwischen 500 und 550 heimische Gruppen auf. Planet Music veranstaltet außerdem Wettbewerbe wie den Austrian Band Contest, Younxstars

247

und Planet

Future Festival, die für Newcomer-Bands bestimmt sind und manchmal die einzigen Auftrittsmöglichkeiten für diese darstellen. Neben Wettbewerben finden auch Kleinfestivals, bei denen mehrere Acts gemeinsam auftreten, statt. Die Besucherzahlen sind zum Zeitpunkt des Interviews im Frühjahr 2003 leicht im Steigen begriffen. Die Einnahmen aus Live-Konzerten werden nach einem bestimmten Schlüssel zwischen Planet-Music und Bands verteilt: ab dem fünfzigsten Ticket 60 % für die KünstlerInnen und ab dem hundertsten Ticket 70 %. Planet Music erhält auch Förderungen von der Stadt Wien. Eine weitere wichtige Einnahmequelle ist eine „erweiterte Gastronomie“ in Form eines Catering-Services. Dieser Dienst wird vor allem für MusikerInnen angeboten. Außerdem werden Buffets organisiert, die einen „aufsteigende[n] Geschäftszweig“ darstellen. Eine weitere Einnahmequelle ist der Musikatlas, das Musikmarktbranchenverzeichnis mit Kontakten/Adressen der österreichischen Musikszene, das „sich als sehr wichtiges Element der heimischen Musikszene herausgestellt [hat]“. Letztendlich sind die Kostenüberschüsse, die mit dem Musikatlas durch die starke Auslastung hereinkommen, die Basis, um wiederum in Musikprojekte heimischer Gruppen investieren zu können. Außerdem ist „der Österreichische Musikatlas […] unter www.musikatlas.at online für jeden Käufer des Printmediums (16 Euro pro Jahr) in seiner Gesamtheit mit allen Datendetails und allen Features zugänglich“. Einen weiteren wichtiger Geschäftsbereich stellt das Printmagazin Planet.tt dar, eine Gratisprogrammzeitschrift, die Planet Music selbst, aber auch LeserInnen nichts kostet. Neue Einnahmen können auch durch neue Sponsoring-PartnerInnen lukriert werden, wofür die Namensänderung in Planet Music nützlich ist. Die Planet-Music-Kommunikation findet heute zu 90 % über Email statt. Wöchentlich wird ein e-Newsletter mit Programm versendet. Die Homepage www.planet.tt wird sehr stark frequentiert. Das Internet führt aber (zum Zeitpunkt des Interviews) insgesamt zu Mehrkosten. Die zusätzlichen Kosten können auch nicht mit Werbe-/Inseratleistungen von PartnerInnen kompensieren werden, obwohl die Website zum großen Teil in Eigenregie betreut wird. Die Mehraufwendungen hängen auch mit einem Generationenwechsel zusammen, durch welchen Planet Music in der Promotion der Konzerte noch zweigleisig vorzugehen hat. Einerseits ver-

247

Younxstars ist ein Wetttbewerb für Bands, deren Mitglieder unter 21 Jahre alt sind.

184

langt das ältere Publikum nach wie vor Werbung durch Plakate auf der Straße, andererseits fragt die jüngere Generation die Präsenz im Internet nach. Generell wirkt sich das Internet positiv auf den Betrieb aus, weil durch Internet-Nutzung das Interesse an Musik bzw. Live-Acts zunimmt und folglich das Live-Geschehen stark belebt wird: „Die Leute holen sich die Infos und gehen dann gezielt zu Veranstaltungen.“ Das Publikum bestellt über die Homepage auch zunehmend Tickets. Dieser Direktversand via OnlineMailorder befindet sich zum Zeitpunkt des Interviews „definitiv im Aufschwung“. Auch ein lebhaftes Treiben im virtuellen Gästebuch, insbesondere nach Veranstaltungen, ist bemerkbar. Das Gästebuch wird dazu genutzt „untereinander zu kommunizieren.“ Das Feedback wird auch bezüglich Konzertprogrammierung ausgewertet. 9.3

AgentInnen und BookerInnen

In Zukunft werden AgentInnen/BookerInnen bedeutsamer, die das internationale Booking für Musikschaffende abwickeln. BookerInnen buchen Konzerttermine für Live-Acts, DJ-Gigs und Tourneen. Auf internationaler Ebene ist Booking ein sehr spezifischer, langwieriger und teurer Prozess, weil dazu die notwendigen internationalen Netzwerke mit regionalen 248

BookerInnen vor Ort erst aufgebaut und erhalten werden müssen.

Es bedarf oft einer 249

Spezialisierung nach Stilrichtung oder Event-Art (z.B. Party-, Festival oder Club-Booking).

Für etliche Musikschaffende bestehen aber Barrieren, ein Booking-Service in Anspruch zu nehmen.

Email

ist

mittlerweile

auch

beim

Booking

zu

einer

wesentlichen

Kommunikationsweise geworden. 9.3.1

Fallbeispiel Agentur und Booking

1. Miooow Cooperative

250

In den letzten fünf Jahren bildet Wolfgang Mitter einige junge Leute zu MusikagentInnen aus, 251

zusammen gründen sie die Agenturplattform Miooow Cooperative.

Der stilistische Schwer-

punkt liegt auf elektronischer U-Musik, HipHop und teils auf Rock. Als AgentInnen sind sie vor allem auch Zwischenglied zwischen VeranstalterInnen und KünstlerInnen. Sie kümmern sich um Booking von Konzerttourneen und Einzel-Shows und übernehmen häufig auch Pro-

248 249 250

251

In Bezug auf Zitate aus Interviews mit Fennesz und Brandlmayr/radian. Im Bezug auf Zitat aus Interview mit Wildner/wildnermusic. Die Information beruht v.a. auf einem Interview mit Mitter/miooow (10.12.2004), welche durch die Website www.miooow.com sowie einem Emailkontakt und ein Telefongespräch mit Mitter im Feb. 2005 aktualisiert und verifiziert wird. Mioow coop. besteht zum Zeitpunkt des Interviews aus Mitter, Jennifer Nessler, Christian Kemmler, Jelena First-Matouschek, Isabelle Pfeiffer, Lara Fritz und Sarah Fritz.

185

motions-, Label- und Managementaufgaben. Somit agieren sie auch als VermittlerInnen für Know-how, Kontakte, Live-Auftritte und Finanzierung der KünstlerInnen. Mitter verdient 80 % seiner Provisionen mit Einzelveranstaltungen, Tourneen und Festivals im Ausland. Sein Hauptgeschäft sind Tourneen, 20 % seiner Einnahmen generiert Mitter durch Import ausländischer Bands. Von 100 % seines Einkommens aus Shows, die er im Ausland bucht, kommen 80 % aus Europa. Bei einigen Live-Acts tritt er selbst als Veranstalter (in Wien) auf. Mit Ausnahme seiner Künstlerkontakte erfolgt für Mitter der Erstkontakt zumeist über Email. Vielen KollegInnen (v.a. VeranstalterInnen), mit denen er seit Jahren kooperiert, begegnet er nie Face-to-Face. Die MusikerInnen kennt Mitter immer, weil der Kontakt meist bei den Live-Shows entsteht.

187

10 Massenmusikmedien: Radio, Fernsehen und Presse

10.1 Musik in österreichischen Medien Popmusik hat im Vergleich zu anderen Konsumgütern hinsichtlich Promotion einen wesentlichen Vorteil: „Der Popsong ist eines der wenigen Produkte, das sich durch audiovisuelle Medien in seiner Gesamtheit vermitteln lässt.“ (Renner 2004, 199-200) Im Gegensatz zu einem Nahrungsmittel, das von KonsumentInnen erst käuflich erstanden werden muss, um erfahrbar zu werden, kann Musik über elektronische und digitale Medien direkt und ganzheitlich ver252

mittelt werden. Da die „emotionale Wirkung [...] vom unmittelbaren Hören aus[-geht]“ , ist es auch möglich, durch elektronische Musikpromotion direkt Emotionen anzusprechen. Somit stellen Radio und Fernsehen nach wie vor die Medien dar, die Musik bei einem breiten Publikum bekannt machen. Im Gegensatz dazu können gedruckte Zeitungen und Fachmagazine Musik nur in abstrakter Form vermitteln. Aber sowohl Radio als auch Fernsehen sind relativ passive und wenig interaktive Medien. Heute kommen neue Medien der direkten Musikvermittlung mit ins Spiel, die Musik sowohl multimedial (durch Video, Ton und Schrift) als auch interaktiv über Internet (v.a. Web und Email) oder Handy präsentieren und distribuieren. Da diese vor allem „Individualmedien“ darstellen, können sie eher den spezifischen Geschmack einzelner HörerInnen befriedigen. Österreichische Pop-/Rockmusik und elektronische Musik haben wegen einer generell limitierten Medienlandschaft und wenig kritischer Popmusikberichterstattung mit einem permanenten Mangel an Medienpräsenz zu kämpfen. Außerdem werden die österreichischen Medien, die über Popmusik und elektronische Musik berichten, international kaum rezipiert. Das führt dazu, dass Public Relations oft über internationale Umwege, also deutsche, englische oder amerikanische Medien erfolgen müssen, um in Österreich Aufmerksamkeit zu bekom253

men.

Österreichische Massenmedien greifen lieber auf bereits vorhandene „Musikhypes“ 254

zurück, als selbst über neue Musik zu berichten.

Zum Beispiel wird in den 90er Jahren die

Wiener elektronische Musikszene von der österreichischen Presse erst wahrgenommen, als bereits internationale Medien über sie berichten (vgl. Lauth 2002, 80-92). Zudem führt die wirtschaftliche Schwäche vieler österreichischer Independent Labels dazu, dass nur kleine

252 253 254

Zitat aus Interview mit Gröbchen/monkey music. In Bezug auf Zitate aus Interviews mit Rantasa/mica. Eine Ausnahme stellte der Medienhype um die TV-Casting-Show Starmania dar. Dieser wird durch das Fernsehen initiiert.

188

Marketingbudgets zur Verfügung stehen, daher erfolgt Zugang zur nationalen und internatio255

nalen Presse zumeist über persönliche Netzwerke.

Auch wenn sich die Musikindustrie in der Pressearbeit nach wie vor an traditionellen Medien orientiert, entstehen durch neue Medien Chancen, Aufmerksamkeit zu erhalten, wie zum Beispiel mit Internet-Radio, das sehr spezifische Nischenpubliken ansprechen kann. Außerdem werden neue Musikkanäle oft von aktiven HörerInnen rezipiert, die die Medien selbst aufsuchen und aus dem Angebot die Musik, die interessiert, auswählen. Auf längere Sicht führt diese Entwicklung dazu, dass die klassischen Massenmedien Fernsehen und Radio langsam gegenüber neuen Medien an Marktmacht verlieren (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 57-58). Im aktuellen Stadium muss Musikpromotion aber häufig noch zweigleisig – sowohl in alten als auch in neuen Medien – betrieben werden. Promotion und Distribution erfolgen am besten im „kombinierten Angebot unterschiedlicher Medien“ (Mühl-Benninghaus 2004, 34). 10.2 Musikradio Bis vor kurzer Zeit stellt Musikradio das Medium dar, das „die zentrale Grundlage der Nachfrage für Musik auf Tonträgern“ schafft, weil es neue Hits sendet und so eine vorhandene Hörerschaft erreichen kann. Dabei besteht „[…] ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Radioveranstaltern und Tonträgerherstellern; denn die Radioveranstalter benötigen Programminhalte für ihre Sendungen, die größtenteils aus Musik bestehen, und Tonträgerhersteller brauchen Radioveranstalter als Zugang zur Öffentlichkeit, um ihre Musik vorzustellen, damit die Tonträgertitel etabliert werden können.“ (Kulle 155-156)

Die Major Labels halten traditionell Kontakte zu den wichtigen Radiosendern (sowie vice versa die Radiostationen zu ihnen) und werden daher von diesen auch gespielt. Dieses Zusammenspiel funktioniert aber heute weniger reibungsfrei als früher. Vor allem das Repertoire der Independent Labels bekommt wenig bis gar keine Chance, von Ö3 und anderen kommerziellen, auf ein breites Publikum ausgerichtete Formatradios präsentiert zu werden. Mit der Änderung des österreichischen Mediengesetzes kommt es 1998 auch in Österreich zur Liberalisierung der Radiolandschaft und in der Folge zur Geburt der Privatradios. Die Reform trägt aber wenig zur Steigerung der Vielfalt des Radioprogramms bei, sondern führt zur Standardisierung und Kommerzialisierung nicht nur der privaten Radios, sondern auch des öffentlichrechtlichen Radios, insbesondere des ORF-Popsenders Ö3. Die Digitalisierung des Radios bzw. ein Aspekt der Digitalisierung trägt zusätzlich zu dieser Entwicklung bei. Zur Optimierung des Programms und damit der Einschaltquoten wird „die Musikplanungssoftware aus den USA, allen voran der Markführer Selector“ (Renner 2004, 56) hinzugezogen. Ö3 richtet 255

In Bezug auf Zitate aus Interviews mit Rantasa/mica.

189

sich heute vor allem nach den Ergebnissen der großen “hot Acts“ der deutschen Radiostationen. Im Gegensatz dazu kann der Sender beim nationalen Produkt kaum auf Referenzwerte zurückgreifen, auf die er sich verlassen kann. Um zu erforschen, welche Musik das österrei256

chische Publikum als hörbar empfindet, werden Tests wie Selector eingesetzt.

Damit wird

aber die ursprüngliche Selektionsfunktion des Radio-DJs durch Technik ersetzt und auf die Funktion des Ansagers und Moderators reduziert (vgl. Kusek und Leonhard 2005, 61). Die Software Selector funktioniert folgendermaßen: „Der Computer komponiert die tägliche Playlist, holt sich die Songs aus dem digitalen Archiv, wo sie vom Redakteur aufwändig kategorisiert wurden; nach Länge, Tempo, Künstlerbekanntheit, Genre, Sprache, bisherige Rotation und verschiedenen weiteren Punkten [...]. Der Redakteur kontrolliert die Daten, vergleicht seine Playlist mit der des Wettbewerbers und stellt die ‚Musikuhr’ ein. Sie schreibt fest, welches Profil ein Sender zu welcher Tageszeit haben soll.“ (Renner 2004, 57)

Diese „Musikuhr“ basiert auf Marktforschung, die sich aber als Mittel zur Programmierung als „Innovationskiller“ herausstellt. Das Ergebnis ist ein Programm als gleichmäßiger Musikfluss, der „dezent im Hintergrund funktioniert und sich dem ermittelten Hörgeschmack perfekt anpasst“ (Renner 2004, 58), weil nur mehr „gespielt [wird] [...] was Konsument schon kennt“. Dazu muss jene Musik herausgefiltert werden, die für MusikhörerInnen potenziell interessant sein könnte (um das Radio wieder aufzudrehen und/oder um sich die Musik in Form eines Tonträgers oder Music-Downloads zu kaufen). Die Politik der maximalen Quote produziert folglich „am Bedarf der Konsumenten vorbei […], denn was sie im Hintergrund, also im Radio hören wollen, hat wenig mit dem zu tun, was sie kaufen würden“ (Renner 2004, 200). Diese Strategie hat auch die Krise der Tonträgerindustrie mitverursacht. Auf Dauer trifft sie nicht nur die Musikindustrie, sondern auch RadiomacherInnen, weil ein Programm des geringsten Widerstandes irgendwann in Langeweile bei der HörerInnenschaft umschlagen muss.

257

Zwar „erleben wir [zurzeit] den Peak des kommerziellen Radios. [...] Der

sensible Beobachter weiß [aber], so gut wird es von den Zahlen her nie wieder werden, weil Alternativen an jeder Ecke hervorbrechen“, wie „digitales Satellitenradio, digitales Mittel258

wellenradio, Webradio“ . Am Beispiel des öffentlich-rechtlichen ORF-Alternative-Music-Senders FM4 zeigt sich, dass 259

es auch „zu einer Professionalisierung der kleinen Formate gekommen ist“ . FM4 kann sich in den letzten zehn Jahren als der Jugendsubkultursender in Alternative-Music sowie auch

256 257

258

In Bezug auf Zitate aus Interview mit Eder/Universal Music Austria. Diese Art der Programmierung stellt eine internationale Entwicklung des kommerziellen Radios dar, die auch in den USA stattfindet (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 61). Zitat aus Interview mit Gröbchen/monkey music.

190

darüber hinaus: „als Plattform für Themen abseits des gesellschaftlichen und kulturellen Mainstreams“ etablieren, insbesondere „für die jüngste Zielgruppe hat der Sender damit eine 260

bedeutende Funktion“ . FM4 stellt auch ein „tolles Promotion-Tool für Undergroundmusik“

261

dar. Aber „nur“ weil eine Band durch FM4 gespielt wird und dadurch öffentliche

Aufmerksamkeit erhält, verkauft sie nicht zwangsläufig nennenswert Tonträger. FM4-Höre262

rInnen sind typische ”Heavy User“, die sehr viel Musik hören.

Die Kaufkraft der FM4-

HörerInnen lässt aber insgesamt nach. Eder, Geschäftsführer vom Major Label Universal Music Austria, sieht diesen Rückgang durch den Gratis-Music-Download bedingt, der von FM4-HörerInnen stärker als von anderen Hörerschichten in Anspruch genommen wird. Zugleich sind FM4-HörerInnen aber nach wie vor eine Zielgruppe, die im Verhältnis relativ viele Tonträger kauft.

263

264

FM4 betreibt auch die Music-Internet-Plattform FM4-Soundpark , auf der das Repertoire verschiedener MusikerInnen zu finden ist. Die Idee hinter FM4-Soundpark ist, Musikschaffenden im Alternative-Music-Bereich eine virtuelle Plattform zu geben und auf diesem Weg als Radiosender selbst neue Musik zu finden und zu präsentieren, die bisher noch nicht auf Tonträgern veröffentlicht wurde. Zusätzlich versucht FM4 mithilfe des Soundparks, österreichische Musikschaffende, die sich musikalisch im FM4-Stilspektrum bewegen, durch Promo265

tion zu unterstützen.

Auf FM4-Soundpark findet jährlich der Wettbewerb Alternative Ama266

deus Awards statt, der über Web-Voting der NutzerInnen funktioniert.

Weiters gibt FM4

eine Compilation-Serie FM4-Soundselections heraus und organisiert in Zusammenhang mit diesen Compilations FM4-Soundpark-Tours (siehe Kap. 12). Es besteht mittlerweile eine Reihe von Internet-Radiostationen, die über Audio-Stream digitale Musik über Internet anbieten. Einerseits wird mit Internetradios das Mainstream-Poppub267

likum , andererseits aber auch spezifische Nischenpubliken bedient:

259 260 261 262 263 264 265 266

267

Zitat aus ebenda. Zitat aus Stöger (2005) (Kommentar). In: Falter 4/05, 21. Zitat aus Interview mit Mitter/miooow. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Eder/Universal Music Austria. Ebenda. fm4.orf.at/soundpark. In Bezug auf Zitate aus Interview mit Trischler/Kaputtnicks/FM4-Soundpark (4.6.2003). Beim Alternative Amadeus Awards werden die zwanzig besten MusikerInnen in Österreich des letzten Jahres gekürt (Gewinner 2003 Attwenger, 2004 I-Wolf und 2005 gustav) Die konventionellen öffentlich-rechtlichen Radiostationen (sowie auch die Privatradios) bieten mittlerweile ebenfalls Internet-Radio an, z.B. Ö3 – http://oe3.orf.at.

191

“There are countless Internet radio service providers today. AOL, Musicmatch, and Yahoo’s launch dominate the Internet Broadcasting Arbitron Ratings. AOL’s Internet Radio Network is the most widely listened to, with an estimated four million unique listeners who tuned in at least once a month.” (Kusek & Leonhard 2005, 61- 62)

In Wien startet im Mai 2004 das Internet-Radio Play.FM sche Club-Musik.

269

268

als eine Plattform für elektroni-

Durch dieses Internet-Radio können elektronische Club-/Dance-Szenen

Wiens (Live-Events und Studio-DJ-Sets) gratis via Internet-Stream über die Website PLAY.FM angehört werden (siehe Kap. 12). Aber auch andere Internet-Foren wie Label-Internet-Plattformen, Chatforen, Mailing-Listen und vor allem Musiktauschbörsen haben in den letzten Jahren eine Art Radiofunktion übernommen und werden von MusikhörerInnen zur Informationsgewinnung über neue Musik und/oder zum Musikhören genutzt. In so genannten Mainstream-Medien gehen österreichische Acts leicht unter, weil sie mit internationalen Acts konkurrieren müssen. Die Popmusik, die von Ö3 und anderen Formatradios gesendet wird, stellt überwiegend internationales (nicht nur aber vor allem US-domi270

niertes) Repertoire dar. Diese Tendenz zeigt auch die AKM-Sendestatistik

des österreichi-

schen Anteils am gespielten Repertoire im ORF-Radio (siehe Abbildung 24 unten). Der Durchschnittswert des Anteils am österreichischen Repertoire liegt zwischen 1997 und 2004 bei 19,74 %, also knapp ein Fünftel. Vergleicht man die Österreichanteile der Jahre 1997 und 2004 im ORF-Radioprogramm, so liegt der Anteil im Jahr 2004 mit 19,49 % um 3,79 %-Punkte niedriger als 1997 (23,28 %). Auffällig ist, dass mit dem neuen Mediengesetz und der damit einhergehenden Radioliberalisierung ab 1998 der Österreichanteil am Repertoire insgesamt sinkt. Den niedrigsten Wert erreicht der Österreichanteil 2001 mit 17,73 %. Der Anteil liegt im Jahr 2003 mit 20,08 % um 2,35 %-Punkte höher als 2001, fällt aber 2004 wieder auf 19,49 % zurück.

268 269 270

www.play.fm/index.php (2.12.2004). PLAY.FM ist offline in der Electric Avenue/spoiler im MuseumsQuartier angesiedelt. Die AKM (www.akm.co.at) ist die österreichische Urheberrechtsgesellschaft für AutorInnen, KomponistInnen und MusikverlegerInnen.

192

Abbildung 24: AKM-Sendezeitstatistik ORF-Hörfunk 1997-2004

Quelle: AKM- Sendezeitstatistik: www.akm.or.at (Sept. 2005) Abbildung 25: AKM-Sendezeitstatistik Ö3 1997-2004

Quelle: AKM- Sendezeitstatistik: www.akm.or.at (Sept. 2005)

193

Bei Ö3, dem wichtigsten österreichischen und öffentlich-rechtlichen Popsender, liegt der Österreich-Repertoireanteil deutlich unter dem allgemeinen ORF-Durchschnitt. Der durchschnittliche Anteil an österreichischem Repertoire von Ö3 beträgt in acht Jahren, also zwischen 1997 und 2004 bei 15,59 %. Vergleicht man die Jahre 1997 und 2004, liegt der Anteil 2004 um vage 0,02 %-Punkte geringfügig höher als 1997. Den niedrigsten Anteil innerhalb dieses Zeitraums erreicht Ö3 im Jahre 2000 mit 14,47 %, den höchsten 2002 mit 17,49 % (siehe Abbildung 25 oben). Diese höheren Werte in den Jahren 2002 und 2003 (15,75 %) hängen möglicherweise mit dem Erfolg der TV-Show Starmania zusammen, weil die Show von allen Medien (darunter auch Ö3) aufgegriffen und promotet wurde. FM4 stellt den Sender im heimischen Pop- bzw. im Alternative-Music-Segment dar, der am meisten von allen ORF-Popsendern österreichisches Repertoire präsentiert. Der durchschnittliche Anteil des heimischen Repertoires liegt bei FM4 zwischen 1997 und 2004 mit 27,53 % deutlich über dem Österreichanteil des ORF-Radios Den niedrigsten Wert erreicht FM4 im Jahr 2000 mit 22,3 %, den höchsten Wert 2004 mit 34,81 %. Vergleicht man die Jahre 1997 und 2004, so liegt der Österreichanteil 2003 sogar um 7,79 %-Punkte höher als 1997 (siehe Abbildung 26 unten). Abbildung 26: AKM-Sendezeitstatistik FM4 1997-2004

Quelle: AKM- Sendezeitstatistik: www.akm.or.at (Sept. 2005).

194

Die Tagesreichweiten und Marktanteile (sowohl im Ganzjahresvergleich 2002-2004 als auch im Halbjahresvergleich 2001-2004) von FM4 liegen aber – ähnlich wie der ORF-Sender Ö1 – im Vergleich zu anderen Sendern niedrig (die Werte von FM4 sind etwas höher als von Ö1). Damit zeigt sich, dass FM4 (ähnlich wie Ö1) einen typischen Nischenmusiksender darstellt. Die höchsten Anteile sowohl bei Tagesreichweiten wie Marktanteilen verzeichnet 271

erwartungsgemäß der öffentlich-rechtliche Popsender Ö3.

Auch wenn FM4 (und teils auch

der öffentlich-rechtliche Sender Ö1) die Aufgabe der Promotion neuer österreichischer Popmusik übernimmt, zeigen seine geringen Reichweiten und Marktwerte (im Vergleich zu den Werten von Ö3), dass der Sender nur sehr spezifische Zuhörerschichten anspricht (siehe oben). Die niedrigen Österreichanteile im öffentlich-rechtlichen Radio führten – ähnlich wie in anderen europäischen Ländern – zu einer Diskussion über die Steigerung der Radioquote des heimischen Repertoires. Durch eine verordnete heimische Radioquote kann öffentlich-rechtliches Radio verpflichtet werden, einen bestimmten Prozentsatz des Repertoires aus heimischer Herkunft zu spielen. So liegt in Frankreich, das eine solche Quotenregelung vorsieht, der heimische Anteil bei 40 %. Mit einer Erhöhung der heimischen Radioquote könnte erreicht werden, dass mehr Einnahmen aus Urheberrechtstantiemen durch Radio-Airplay an 272

österreichische Musikschaffende fließen.

Außerdem hätte sie den positiven Effekt, dass

mehr österreichische Musik über das Radio promotet würde. Die Gefahr einer obligaten Radioquote wäre aber, dass sich „eigene geförderte Szenen bilden [...] in denen nur [bestimmte] 273

Produzenten dominieren“ . Von Seiten der österreichischen Bundesregierung bestehen auch keine Pläne, eine obligate Radioquote einzuführen. Der ORF ist nach dem bereits geltenden Rundfunkgesetz eigentlich verpflichtet, ein vielfältiges Angebot inklusive österreichisches 274

Repertoire zu spielen.

Die Entwicklung der öffentlich-rechtlichen und privaten Radiosender in Österreich soll im Folgenden genauer anhand des Vergleichs der Halbjahresreichweiten und -marktanteile von 2001 bis 2004 dargestellt und diskutiert werden.

271 272 273 274

Ö3 finanziert als starker Sender die „kleinen“ Sender Ö1 und FM4 mit. In Bezug auf Zitat aus Interviews mit Steinmetz/austro mechana und Legat/Count Basic. Zitat aus Interview mit Trischler/FM4-Soundpark,/Kaputtnicks. Siehe www.rtr.at/web.nsf/deutsch/Rundfunk_Rundfunkrecht_Gesetze_RFGesetze_ORF-G?OpenDocument (2.12.2004).

195

Tabelle 7: Radio-Halbjahres-Tagesreichweiten 2001-2004 Alter 10+

Radio-Halbjahres-Tagesreichweiten 2001-2004 Alter 10+ Montag bis Sonntag 1. HJ 01 2. HJ 01 1. HJ 02 2. HJ 02 1. HJ 03 2. HJ 03 1. HJ 04 2. HJ 04 ORF Hörfunk gesamt 76,9 75,5 76,0 74,8 75,3 74,7 75,0 75,0 Ö3 42,6 41,0 41,3 41,0 41,9 40,6 40,0 40,0 ORF Regionalradios gesamt 37,8 36,8 37,0 36,6 35,7 36,8 36,8 37,3 Privatsender Inland ges. 20,8 19,9 21,9 22,8 21,5 21,4 21,5 22,8 Österreich 1 7,2 7,5 8,2 7,6 8,3 7,7 8,4 8,6 Antenne Sender ges.* 6,6 6,9 6,6 6,5 6,2 6,6 6,6 Kronehit* 5,4 5,1 4,9 4,4 4,1 4,3 4,7 FM4 3,7 3,5 3,8 3,5 3,9 4,0 4,0 4,3 Quelle: Radiotest Medienforschung ORF. Medienforschung.orf.at (18.04.2005)

Tabelle 8: Radio-Halbjahres-Tagesreichweiten 2001-2004 Alter 14-49

ORF Hörfunk gesamt Ö3 Privatsender Inland ges. ORF Regionalradios ges. Antenne Sender ges.* FM4 KRONEHIT* Österreich 1

Radio-Halbjahres-Tagesreichweiten 2001-2004 Alter 14-49 Montag bis Sonntag 1. HJ 01 2. HJ 01 1. HJ 02 2. HJ 02 1. HJ 03 2. HJ 03 1. HJ 04 2. HJ 04 77,3 75,5 75,4 75,0 76,1 75,2 74,9 74,5 57,0 54,7 55,5 55,1 56,4 54,7 53,7 53,5 28,0 27,3 29,3 30,3 27,8 27,7 28,2 28,9 26,1 24,9 24,8 24,8 24,5 25,5 25,1 25,5 9,4 9,5 9,4 9,0 8,6 9,5 8,9 5,9 5,6 6,1 5,7 6,1 6,5 6,6 6,9 7,5 7,2 7,1 6,2 5,9 6,3 6,7 4,9 4,9 5,0 4,9 5,5 5,0 5,3 5,9

Quelle: Radiotest Medienforschung ORF. Medienforschung.orf.at (18.04.2005)

Tabelle 9: Radio-Halbjahres-Marktanteile 2001-2004 Alter 10+ Radio-Halbjahres-Marktanteile 2001-2004 Alter 10+ Montag bis Sonntag 1. HJ 01 2. HJ 01 1. HJ 02 2. HJ 02 1. HJ 03 2. HJ 03 1. HJ 04 2. HJ 04 ORF Hörfunk gesamt 82 83 82 80 83 82 81 80 Ö3 37 38 38 36 39 37 35 35 ORF Regionalradios gesamt 39 38 37 38 37 37 38 38 Privatsender Inland ges. 15 15 16 17 15 16 16 17 Österreich 1 5 5 5 4 5 5 5 5 Antenne Sender ges.* 4 5 4 4 4 4 5 Kronehit* 4 3 4 2 2 2 3 FM4 2 2 2 2 2 2 3 2 Quelle: Radiotest Medienforschung ORF. Medienforschung.orf.at (18.04.2005)

196

Tabelle 10: Radio-Halbjahres-Marktanteile 2001-2004 Alter 14-49

ORF Hörfunk gesamt Ö3 Privatsender Inland ges. ORF Regionalradios ges. Antenne Sender ges.* FM4 KRONEHIT* Österreich 1

Radio-Halbjahres-Marktanteile 2001-2004 Alter 14-49 Montag bis Sonntag 1. HJ 01 2. HJ 01 1. HJ 02 2. HJ 02 1. HJ 03 2. HJ 03 1. HJ 04 2. HJ 04 78 78 78 76 80 79 77 76 50 50 50 48 52 49 47 47 20 19 20 21 18 19 20 21 23 23 22 23 22 24 24 23 6 6 6 5 5 6 6 3 4 3 3 3 4 4 4 5 4 5 3 3 4 4 2 2 2 2 3 2 3 3

Quelle: Radiotest Medienforschung ORF. Medienforschung.orf.at (18.04.2005)

Die Zahlen der Halbjahreswerte der Reichweiten und Marktanteile zwischen 2. Halbjahr 2001 und 2. Halbjahr 2004 zeigen folgendes Bild (siehe Tabelle 7, Tabelle 8, Tabelle 9 und Tabelle 10). In der Altersgruppe der 10+ Jährigen: -

Der ORF gesamt verliert um geringfügige 0,5 %-Punkte Reichweite (75 %) sowie um 3 %-Punkte an Marktanteil (80 %) und hat damit mehr als drei Viertel des gesamten Radiopublikums auf seiner Seite, wenn auch mit leicht fallender Tendenz.

-

Ö3 verliert um 1 %-Punkt Reichweite (40 %) und um 3 %-Punkte Marktanteil (35 %). Damit sind Ö3 zwar mit Abwärtskurs aber immerhin mehr als ein Drittel der Radiohörerschaft dem Popsender treu.

-

FM4 gewinnt 1,2 %-Punkte an Reichweite (4,3 %) und bleibt mit 2 % Marktanteilen gleich. FM4 bewegt sich somit unter der 5 %-Marke, dafür aber mit steigender Tendenz.

-

Ö1 gewinnt um 1,1 %-Punkte an Reichweite (8,6 %) und bleibt mit 5 % Marktwert gleich.

-

Die privaten inländischen Sender gesamt gewinnen um 2,9-Punkte Reichweite (22,8 %) und um 2 %-Punkte an Marktanteil (17 %). Damit haben sie in Reichweite im 2. Halbjahr 2004 über ein Fünftel der Hörerschaft und mit deutlich steigender Tendenz auf ihrer Seite.

In der Altergruppe 14-49 zeigt sich eine ähnliche Entwicklung, aber mit unterschiedlicher bzw. deutlich ausgeprägterer Gewichtung: -

Der ORF gesamt verliert 1 %-Punkt an Reichweite (74,5 %) sowie 2 %-Punkte an Marktanteil (76 %). Damit hält der ORF beim Publikum der 14-49-jährigen (mit leicht fallender Tendenz) drei Viertel.

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-

Ö3 verliert um 0,8 %-Punkte Reichweite (53,5 %) sowie um 3 %-Punkte an Marktanteil (47 %). Ö3 hat also mehr als die Hälfte des Publikums der 14-49-jährigen hinter sich (deutlich mehr als die größere Berechnungsgruppe 10+).

-

FM4 kann seine Reichweite (6,9 %) um 1,3 %-Punkte verbessern sowie seinen Marktanteil bei 4 % halten und liegt damit ebenfalls deutlich höher als in der Gruppe 10+.

-

Ö1 gewinnt an Reichweite (5,9 %) um 1 %-Punkt sowie an Marktanteil (3 %) um 1 %-Punkt. Die Anteile liegen – wenn auch mit steigender Tendenz – deutlich niedriger als bei der größeren Gruppe der 10+.

-

Die Privatsender im Inland gesamt können ihre Reichweite (28,9 %) um 1,6-Punkte sowie ihren Marktanteil (21 %) um 2 %-Punkte erhöhen. Damit ist das Ergebnis im 2. Halbjahr 2004 dieser Gruppe um 4 % höher als der Gruppe der 10+.

Trotz der klaren Führung des Senders Ö3 zeigt sich ein leichter Abwärtstrend dieses „großen“ öffentlich-rechtlichen Popsenders zu Gunsten aller anderen Radiosender, darunter insbesondere der Privatradios. Der Trend stellt sich (bis auf den Sender Ö1) außerdem in der Altersgruppe 14 bis 49 stärker als in der Gruppe 10+ dar. 10.3 Musikfernsehen Laut Renner funktioniert heute die Symbiose zwischen Musikindustrie und Fernsehen im Allgemeinen besser als zwischen Musikindustrie und Radio: „Wenigstens folgen hier Verkäufe, wenn man gezielt für den Kanal produziert. Doch der Kunde kauft die CD nicht wegen musikalischer Qualitäten, sondern wegen der Show“ (Renner 2004, 200). Die Bindung zu den Kunden funktioniert demnach über den Fernseh-Event und nicht über Musik. Die Show kann sich zwar positiv auf den CD-Verkauf auswirken, aber sobald diese zu Ende ist, versiegt auch der CD-Verkauf bald wieder. Außerdem stellt nach Huber und Nicoletti das Fernsehen seit den 80er Jahren durch das Angebot spezieller Musiksender „die primäre Schnittstelle zum jugendlichen [Popmusik-]Publikum“ dar. Eine zusätzliche Stärkung erfährt das Fernsehen über den „Sat- und Kabel-TV-Boom der frühen 90er Jahre“, der „den Einfluss des Musikfernsehens in Österreich gestärkt“ (Huber & Nicoletti 2005, 34) hat. 10.3.1

TV-Casting-Show Starmania im ORF

Am effektivsten scheint die Verbindung zwischen Musik und Fernsehen in den letzten Jahren über das Fernsehformat der Musik-Castingshow zu funktionieren, wie in Deutschland Deutschland sucht den Superstar und in Österreich Starmania. Die “Story“, die diese Show erzählt, ist ähnlich der des Musicals Chorus Line: „die Bewerbung als solche und die verschiedenen Gefühlssituationen, die damit verbunden sind, Musik und Niederlage und von

198 275

Jubel und Triumph und Enttäuschung“ . Die Geschichte von Starmania handelt davon, wie eine bis dato unbekannte Persönlichkeit aus einem Pool bereits „vorgecasteter“ junger Persönlichkeiten über die Laufzeit einer Staffel ein Star wird. Im Zuge der Drehzeit der Sendung werden Images von mehreren möglichen Stars geschaffen. Bei jeder neuen Show scheidet ein/e Kandidat/in aus und zum Schluss gibt es eine/n SiegerIn. Auch bei dieser TV-CastingShow schlägt die Digitalisierung im Zuge des Votings zu: Die FernsehzuschauerInnen können Feedback durch ihre Telefon-, Handy- und SMS-Votings geben. Sie werden so involviert und gleichzeitig zu den Entscheidungsträgern, wer Popstar wird und wer nicht. Die Zahlen des Tele-Votings zeigen ein sehr großes Interesse des Publikums, an diesem Prozess teilzunehmen: „18 Votings mit insgesamt 15.008.066 Votes per Telefon und SMS - das ist die Televoting-Bilanz von Starmania. […] Die höchste Beteiligung verzeichnete Starmania im großen Finale am 21. Februar 2003 [der ersten Staffel], aus dem Michael Tschuggnall als Sieger hervorging, mit 3.058.171 276

Votes.“

Diese Feedbackfunktion ermöglicht nicht nur Interaktion und damit Bindung des Publikums, sondern die Voter finanzieren auch die Sendung (ein Tele-Voting kostet einige zusätzliche Cents) mit (vgl. Renner 2004, 84). Die Show verfolgt aber insgesamt eine „vierfache Ökonomie“: 1. der maximalen Reichweiten und Einschaltquoten, die 2. die gewünschten WerbepartnerInnen bringen (vgl. Stadlbauer 2003, 25), 3. der Finanzierung durch die Tele-Votings. 4. Der Fernsehsender ORF tritt selbst als Musikproduzent auf und ist an allen Starmania-Produktionen und anderen Rechteverwertungen (wie Konzerten, CDs, Mer277

chandizing und anderem Output der Show) zu 30 % beteiligt.

Der Erfolg von Starmania ist vor allem bei den jüngeren Zuschauerschichten signifikant. Die erste Staffel von Starmania (2002/2003) wird von rund einem Drittel aller ÖsterreicherInnen ab zwölf Jahren in Haushalten mit Kabel- oder Satellitenempfang zur Starmania-Sendezeit Fernsehen gesehen. Mehr als die Hälfte der Zwölf- bis 29-jährigen in Kabel- oder Satellitenhaushalten, die zur Sendezeit das Fernsehgerät einschalten, sehen die zweite Staffel von Star-

275 276 277

Zitat aus Interview mit Huber/Institut für Popularmusik. mediaresearch.orf.at/index2.htm?studien/studien_starmania.htm (27.12.2004). In Bezug auf Interview mit Rabitsch/Thomas Rabitsch Music Production/Recording Studio.

199

mania (51 Prozent KaSat-Marktanteil). Bei den unter 30-jährigen Frauen liegt der Anteil noch 278

höher.

Aber trotz des Erfolges der Fernsehshow als Medienereignis bleibt die Frage nach dem Output für die ehemaligen Casting-Stars, daher Musikschaffenden und auch die österreichische Musikindustrie. Es werden bei Starmania an die 120 Titel für CDs produziert. Aus sechzehn Sendungen gingen Michael Tschuggnall am Ende der ersten Staffel (2002/2003) sowie Verena Pötzl aus der zweiten Staffel (2003/2004) als SiegerInnen hervor. Langfristigen Erfolg im „Pop-Business“ hatte aber ausschließlich Christina Stürmer, die Zweitplatzierte der 279

ersten Staffel. Ihre Releases verkaufen sich „ausgezeichnet“ . Laut Labelchef Eder von Stürmers Label Universal Music Austria, gab es „einen derart erfolgreichen Popstar [...] in 280

Österreich in den letzten fünfzehn Jahren nicht“ . Hingegen verkaufen die Releases der GewinnerInnen der ersten und zweiten Staffel Tschuggnall und Pötzl nur mäßig. Ähnlich erging es im Übrigen den Stars des deutschen TV-Casting-Show Pendants Deutschland sucht den Superstar, dessen GewinnerInnen nach dem Ende der jeweiligen Staffel ebenfalls wenig Erfolg generieren konnten. Laut Helms war das „vorhersehbar“, weil der Erfolg der „TV-Superstars“ „lag in dem Spaß begründet, den sie dem Publikum beim Wettbewerb der Entscheidungsträger gegeneinander boten. Mit dem Ende der Show endete auch diese Funktion. Das verkaufte Produkt der Shows war ja die Produktion, nicht die fertige Ware“ (Helms 2005, 36).

Im Gegensatz zum Medienhype der Wiener elektronischen Musikszene, der sich einstellte, als 281

die österreichischen Medien erst durch Berichte von Medien

aus dem Ausland bemerkten,

dass es in Wien eine interessante Szene gibt, die innovative Produkte hervorbringt (vgl. Lauth 2002), sind die Starmania-Persönlichkeiten allein durch die mediale Aufmerksamkeit „ge282

hypt“ worden.

Das Fernsehen selbst fungiert als Event- und Trend-Setter. Dabei „berichtet

[es] nicht über Ereignisse, sondern verhelfe ihnen überhaupt erst zur Existenz“ (Klein & Friedrich 2003, 89 in Bezug auf Dayan/Katz 1987). Der Medien-Event steht im Vordergrund, er ist aber äußerst schnelllebig. Sobald das Ereignis (und damit der Hype) wieder vorbei ist,

278 279

280 281 282

Siehe Pressetext des ORFs zitiert In: Thomas Rabitsch’s Website www.rabitsch.cc (10.11.2004). Das erste Album Stürmer’s Freier Fall (2003) verkaufte über 110.000 Einheiten, das zweite Soll das wirklich alles so sein“(2004) liegt (im Dez. 2004) bei ungefähr 65.000 Stück. Zitat aus Interview mit Eder/Universal Music Austria (20.12.2004). Insbesondere die internationale Medienberichterstattung über Phonotaktik 9 (siehe Kap. 9). Mittlerweile ist der Medien-Hype um die Wiener elektronische Musikszene längst Vergangenheit (vgl. Stöger (2005). In: Falter 36/05, 53).

200

geht die Aufmerksamkeit für die Stars wieder verloren. Nachhaltigkeit im Sinne von Generierung von Mehrwert durch den Medienhype ist kaum vorhanden. 10.3.2

Weitere Musikfernsehformate im ORF

Seit Anfang der 90er Jahre fehlt im österreichischen Fernsehen eine TV-Popshow, die kontinuierlich Live-Popmusik-Acts zeigt. Regelmäßige TV-Live-Auftritte sind aber unabdingbar, 283

damit das Gesicht zur Stimme beim Publikum bekannt wird. 284

Schlager-Segment,

Abgesehen vom Volksmusik-

das regelmäßig in der Primetime vom ORF bespielt wird, zeigt der ORF

seit langer Zeit wenig Musikfernsehen, insbesondere im Pop-/Rock-Bereich. Wenn doch, dann ist die Musik meist Aufhänger, um bestimmte Zuschauerschichten vor das Fernsehgerät zu locken. Ein Beispiel dafür ist DIE AUSTRO-POP-SHOW, die im November und Dezember 2004 an vier Freitagabendsendungen die 70er, 80er und 90er Jahre des Austropops bis heute beleuchtet. Auch wenn neue Acts ihren Platz bekommen, ist die Sendung insgesamt vor allem auf das Moment Austropopnostalgie ausgerichtet. Die ORF-Sendung Treffpunkt Kultur bietet am späten Montagabend (22.30 bis 24 Uhr) zwar eine kleine Plattform für zeitgenössische Musikschaffende live aufzutreten, dieser Auftritt 285

findet aber gegen Ende der Sendung statt. 10.3.3

Private Musikfernseh- und -videokanäle

Auch beim Fernsehen gibt es durch die Liberalisierung des Rundfunkgsetzes Nischen, die in der Lage sind, etwas Positives im Popbereich zu bewegen. In Wien setzt der private TV-Sender PulsTV seit Frühjahr 2004 durch regelmäßig stattfindende Interviews mit österreichischen und internationalen Musikschaffenden neue Akzente der Information und Präsentation von Popmusik. Ein weiteres Beispiel stellt der private österreichische Musikvideokanal goTV dar, der seit 1. Mai 2004 in ganz Österreich zu empfangen ist. Seine Hauptzielgruppe ist zwischen 14 und 29 Jahre, das Publikum insgesamt sogar zwischen 12 und 39 Jahre – bei diesen „er286

zielt goTV täglich mehr als 10 Prozent (NettoRW)“ . Dieser Sender wird weniger als TVSender, sondern eher wie ein Radiosender programmiert und konzentriert sich in seiner Berichterstattung vor allem auf österreichische Pop-/Rockmusik und zu einem kleineren Teil auf Dance. goTV hat sich damit gut in der Nische positioniert, lässt aber gleichzeitig die „scharfen Spitzen von FM4“ sowie die ganz „kommerziellen Geschichten“ 283

284 285 286 287

287

aus. Es sind aber wenige

In Bezug auf Statement A. Kahr in Paneldiskussion „Stilfeld Rock & Pop“ am Symposium „Kreativität und Pluralismus“/Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien (24.4.2004). Wie z.B. im ORF die Sendung Musikantenstadl. Die ORF-Reform 2007 bleibt in dieser Arbeit unberücksichtigt. www.web-media.at/144008.htm (1.12.2004). Zitat aus/In Bezug auf Zitat aus Interview mit Eder/Universal Music Austria.

201 288

professionell produzierte Musikvideos von österreichischen Musikschaffenden vorhanden.

goTV stellt zwar mindestens eine/n neue/n österreichische/n KünstlerIn/Act pro Woche vor, ein Nischenvideokanal wie goTV mit relativ kleiner Reichweite kann aber nur eine breitere 289

Wirkung haben, wenn ein Act auch in anderen Massenmedien Aufmerksamkeit erhält.

Der Nachteil des Formats Musikvideo ist, dass die Produktionskosten relativ teuer sind. 290

Manchmal gehen 50 % des gesamten Produktionsbudgets eines Acts in Videoproduktionen.

Das kann sich aber ähnlich wie in der Musikproduktion durch die Digitalisierung und das Sinken der Preise von Videoproduktionsmitteln (bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität) bald ändern. Bei den Videokanälen MTV und VIVA muss ein hoher Werbe- oder Kostendeckungsbeitrag (an die 10.000 Euro) bezahlt werden, damit das Video mehrere Wochen vom Sender gespielt wird. Wer nicht bezahlen kann, wird auch nicht gespielt, selbst wenn er/sie programmatisch 291

in die Sendelinie hineinpassen würde.

Am Beispiel der großen Musikvideokanäle MTV und

VIVA zeigt sich zudem, dass nach der anfänglichen, von Innovationen geprägten Aufbruchsstimmung (und damit Diversifizierung von TV-Musikvideo) Kommerzialisierung, eine Homogenisierung und damit Nivellierung des Fernsehmusikvideoprogramms folgten: “Over time, and much like radio, music television programming became less and less diverse and more and more expensive for the labels, to the point that it was no longer effective in representing the cutting edge. It had simply become part of the establishment.“ (Kusek & Leonhard 2005, 63)

Beim Musikvideo im Besonderen sowie beim Medium Fernsehen muss berücksichtigt werden, dass vor allem die Werbewirtschaft die Logik des Programms vorgibt. Innovationen musikästhetischer Art finden daher nur unter einem werbeökonomischen Primat Platz (vgl. Gebesmair 2004, 41). 10.4 Musikpresse Im Gegensatz zu Radio und Fernsehen können Zeitungen und Magazine Musik nicht unmittelbar und ganzheitlich, sondern nur als eine Abstraktion vermitteln. Aber „ein gedruckter Artikel kann mich dazu bringen, mir Dinge anzuhören, die ich sonst nicht wahrgenommen

288

289 290

291

In Bezug auf Statement von Felicitas Hager/goTV in Paneldiskussion „Stilfeld Rock & Pop“ am Symposium „Kreativität und Pluralismus“/Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien (24.4.2004). Ebenda. In Bezug auf Statement A. Kahr/Produzent in Paneldiskusssion „Stilfeld Rock & Pop“ am Symposium „Kreativität und Pluralismus“/ Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien (24.4.2004). In Bezug auf Interview mit Wildner/wildnermusic.

202 292

hätte“. Musikprintmedien sind daher vor allem auch „für Professionisten interessant“

und in

Form von Musikmagazinen, Tageszeitungen u.a. Magazinen als Trendsetter funktional. Nischenzeitschriften haben außerdem zumeist Music-Community-Charakter. Daher ist “Credibility“ von Zeitschriften wichtig, weil Opportunismus von Communities nicht goutiert wird. Zudem sind etliche österreichische JournalistInnen in bestimmten Musikszenen verortet und es ist ihnen deshalb ein persönliches Anliegen, über die Musik, die sie mögen, zu berichten. Im “Mainstream“-Bereich stoßen sie dabei aber oft auf redaktionelle Barrieren. Allgemein greifen Zeitungen und Magazine daher bestehende Trends eher auf, als sie selbst anzuzetteln. Das hängt auch damit zusammen, dass Popmusik in Österreich immer ein Randthema darstellt und sehr selten erhöhte Aufmerksamkeit durch Medienberichterstattung erfährt. So gibt es in 293

Österreich nur wenig relevante Musikmagazine mit höherer Auflage.

Printmedien sind ähnlich wie die Radiostationen bereits bald auf die Kommunikation/-vermittlung im Internet – als einen weiteren Vermittlungskanal – aufgesprungen. Da das WWW als grafische Oberfläche wahrgenommen wird, bietet es sich als „Hyper-Lesemedium“ auch an bzw. kann relativ leicht in das neue Medium integriert werden. 10.5 Resümee Musik und Massenmedien: “From Push to Pull“ Die herkömmliche Medienpräsenz funktioniert über den Weg der Massenmedien von Musik unter dem Einfluss der digitalen Mediamorphose nicht mehr reibungslos: „Der Weg zum Erfolg in der Musikwirtschaft führte lange über die Kanäle der Massenkommunikation. Um dort wahrgenommen zu werden, brauchte man ein gewisses Gewicht. Hatte man dieses Gewicht dank finanzieller Ressourcen erreicht, sorgte die Präsenz für den weiteren Verkauf. Durch die Digitalisierung gelten neue Spielregeln, gibt es unzählige neue Kanäle.“ (Renner 2004, 286)

Früher produziert das Fernsehen den Superstar und das Radio spielt den Superstar. Aber die Massenmedien haben heute ihre Funktion der Musikpromotion und -marketings durch den Druck der maximalen Quote weitgehend aufgegeben. Popmusik wird (im Radio) zur Berieselung und (im Fernsehen) zur Farce bzw. zum „Rattenfänger“, um junge Menschen (sowohl Starmania-KandidatInnen als auch junges Publikum) für einen Fernseh-Event über einen gewissen Zeitraum an sich zu binden. Musik nutzt dem Zweck, eine Fernsehgeschichte (in Form von einzelnen Fernsehereignissen) mitzuerzählen und nicht umgekehrt dient Fernsehen dazu,

292 293

Zitat aus Interview mit Gröbchen/monkey music. Im Rockbereich gibt es das Planet.tt-Magazin, das sich stark an einer Musikschaffenden-Community orientiert. Andere österreichische Genre-spez. Musikmagazine sind music manual (www.musicmanual.at) (Pop, Jazz, Klassik), concerto (www.concerto.at) (Jazz, Blues, World Music und Pop), jazzzeit (www.jazzzeit.at.). Daneben gibt es noch Subkultur/Szene-Magazine wie skug (www.skug.at.) oder the gap (www.thegap.at).

203

Musikgeschichte/n zu erzählen. Die fehlende Medienpräsenz hinterlässt eine Lücke, die bis dato nicht von neuen digitalen Medien ausgefüllt wird. Zwar kann das Internet pointierter und interaktiver als ein Massenmedium Informationen vermitteln sowie verschiedene Ebenen wie Schrift, Ton und Bild miteinander verknüpfen, aber es erreicht nicht wie Radio oder Fernsehen für CD-Verkäufe bedeutsame Masse. Auf Dauer wird das Kommunikationsmodell „Ein-Medium-zu-Vielen-ZuhörerInnen“ durch das Modell „Viele-Sender-zu-Vielen-EmpfängerInnen“ abgelöst werden. Musik wird weniger über Medienpräsenz zu einer breiten Masse kommuniziert werden, sondern durch viele punktuelle Interaktionen innerhalb eines Netzwerkes mit verschiedenen Medien und AkteurInnen. Zudem wird die Botschaft, die über eine Vielzahl an Kanälen transportiert werden kann, im Vergleich zum Medium wichtiger. Auch wenn potenziell jede/r innerhalb dieses Netzwerkes sowohl SenderIn als auch EmpfängerIn sein kann, braucht es aber nach wie vor SenderInnen, die soviel Aufmerksamkeit und “Credibility“ bei HörerInnen besitzen, damit die jeweilige Botschaft auch ankommt. Daher muss „[…] [d]ie Kommunikation [...] erheblich präziser werden, Präsenz allein genügt nicht. Der Weg beginnt beim opinion leader, der persönlich und privilegiert angesprochen werden will. Erst danach orientiert sich Kommunikation an Szenen, verankert sich in der Nische, um schließlich den Mainstream zu erreichen.“ (Renner 2004, 286)

Wer aber sind heute die dominanten Opinion-Leader? MedienmacherInnen sind im Bereich Popmusik in Österreich eher keine Opinion-Leader, weil österreichische Massenmedien, die Musik vermitteln, die Tendenz haben, eher bestehende Trends aufzugreifen, als sie selbst zu produzieren. Auch Independent Labels und Verlage haben mit ihren Websites Schaufenster für neue Musik eingerichtet, die zumeist aber nur in der eigenen Community wirken. Fans werden in Zukunft über viele verschiedene Kommunikationsmittel – Mundpropaganda, Musiktauschbörsen, Internetradio, Chatforen u.a. Online-Plattformen sowie weiterhin über die Massenmedien Musikradio, Fernsehen und Zeitschriften – möglicherweise selbst zu OpinionLeadern. Sie werden die Musik, die sie interessiert, aktiver „an sich ziehen“ und sich weniger als früher von Informationen und Unterhaltung „berieseln“ lassen: “[…] in the future, media will become less and less ‚push’ and more and more ‚pull’, with the typical couch potato turning into a ‚couch program director’s spontaneous ‚couch producer’, or even a ‚couch publisher’. That is because most consumers like the feeling choice and control that ‚pull’ offerings afford.” (Kusek & Leonhard 2005, 162)

205

11

MusikkonsumentInnen und neue Musikmediennutzung

11.1 Fließende Grenzen In der digitalen Mediamorphose hebt sich die klare Grenze zwischen KünstlerInnen und Publikum auf. KonsumentInnen können durch Zugang zu relativ preisgünstiger Music-Production-Software selbst zu MusikproduzentInnen werden. Gleichzeitig verschwimmen die Grenzen zwischen MusikpromoterInnen, -distributeurInnen und -zuhörerInnen. Musikkommunikation und damit Musikpromotion, -distribution und -konsum werden sich in Zukunft verstärkt in Netzwerken digitaler Kommunikationskanäle abspielen und weniger über klar vorgegebene Promotions- und Distributionswege. Das hängt damit zusammen, dass das Modell der elektronischen Mediamorphose „ein Sender – viele Empfänger“ an Gültigkeit verliert. Stattdessen emanzipiert sich „[d]er Konsument [...] [und] ist in Form von Internetforen und Weblogs selbst längst der Sender“ (Renner 2004, 215). Sobald digitale Musik über verschiedene Formate digitaler Tonträger und Geräte wie Computerfestplatten, Memory-Sticks, MP3Playern, Handys, Internet-Plattformen, Musiktauschbörsen, Internet-Radios ungesichert zu den HörerInnen gelangt ist, können diese auch potenziell zu SenderInnen dieser Musik werden. Die Revolution, die momentan in der digitalen Mediamorphose stattfindet, stellt daher zuerst eine der MusikkonsumentInnen dar, auf die die Musikindustrie bisher mehr oder weniger schwerfällig reagiert hat. Folglich verschwimmen auch die klaren Rollen aller anderen AkteurInnen der Musikindustrie. Sie sind einmal EmpfängerInnen, dann SenderInnen, einmal ProduzentInnen, dann PromoterInnen oder DistributeurInnen, dann wieder KonsumentInnen. Gleichzeitig durchmischen und verändern sich diese Rollen. 11.2 Handy als “Music-Device“ der Zukunft? Bereits vor der digitalen Mediamorphose wird Musik durch miniaturisierte Abspielgeräte wie tragbare Radios und Kassettenrecorder, später Walkman und Disc-Man „mobilisiert“. Zuerst spielt noch der physische Tonträger zusammen mit den tragbaren Abspielgeräten die entscheidende Rolle. Tonträger in Form von „Scheiben“ (insbesondere CDs) und Kassetten werden aber in Zukunft zwecks Mobilität von Musik an Bedeutung verlieren, während digitale Musik in Form von MP3s, Streams und in anderen digitalen Formaten direkt über Abspielgeräte mit sich getragen und konsumiert wird. Das Handy ist bis jetzt das am weitesten fortgeschrittene mobile Kommunikationsmittel und als solches das „Individualmedium“ schlechthin. Es wird zumeist am Körper getragen und ist somit permanent für die NutzerInnen verfügbar. Umgekehrt sind auch die Handy-BesitzerInnen ständig für die Außenwelt erreichbar. Als eine Art „zweite Haut“ (Schanze 2004, 71) ist

206

das Handy ein persönliches und intimes Kommunikationsmittel. Die Aspekte Personalisierung und Intimität lassen sich mit den drei Ordnungsprinzipien Schanzes (die Ordnung des Raumes, der Zeit und der Person (vgl. 2004, 71-72)) unter die Ordnung der Person subsumieren. In der Ordnung des Raumes offenbart sich, dass das Mobiltelefon permanent „Ferne überwinden“ (71) kann. Die allgegenwärtige Nähe als „’Anschluss’ an die äußere Welt“ (Nowotny 1990, 34)

294

ist aber auch allgegenwärtige Ferne, weil ständig auf Distanz

kommuniziert wird (nur im Unterschied zum „alten“ Telefon auch am eigenen Leib). In der Ordnung der Zeit folgt das Handy dem „Prinzip der Echtzeit“ und damit der „Direktheit“. Die mündliche Kommunikation findet in der Gegenwart und ohne Verzögerung statt, auch wenn gleichzeitig auch über SMS mit zeitlicher Verzögerung und in schriftlicher Form kommuniziert werden kann. Außerdem stellt das Handy einen Hybrid aus allen drei Domains von Fidler dar (siehe Kap. 1). Zunächst ist es als ein interaktives Kommunikationsmittel (sowohl auf mündlicher als auch schriftlicher Ebene (SMS)) zu sehen und gehört folglich der “Interpersonal Domain“ an. Zweitens ist es als Musik- und Videoabspielgerät (von MP3s oder Streams) in der “Broadcast Domain“ verortet, in der Musik, Video oder Computerspiele angeboten und konsumiert werden. Drittens zeigt es durch seine Kleinheit und Leichtigkeit (und damit Tragbarkeit und Mobilität) bei gleichzeitiger Seiten- und Textbasiertheit (ähnlich wie das World Wide Web) auch Charakteristika der “Document Domain“. Wie das Internet (in Verbindung mit dem PC) stellt das Handy ein multimediales Medium dar, das sowohl Text als auch Bild und Ton (daher auch Musik) auf einmal vermitteln kann. Das führt dazu, dass im Handy nicht nur Kommunikation, sondern auch die Vermittlung von Information, Unterhaltung sowie Transaktion erfolgen kann. All diese Komponenten werden für den Konsum digitaler Musik in Zukunft eine Rolle spielen. Ein großer Anteil der österreichischen Haushalte besitzt bereits ein Handy (siehe Abbildung 27 unten):

294

Nowotny spricht über den Anschluss des „alten“ Telefons.

207

Abbildung 27: IKT-Ausstattung der österr. Haushalte 2002-2004

IKT-Ausstattung der österr. Haushalte 2002-2004 in % 93 93,6 91,2

100 90 80

69,4

74,7 72,2

70 60 50 40

30,9

36,2

40,3

45,4

49,3

53

30 20 10 0 Internetzugang

Computer* Juni 2002

März 2003

Mobiltelefon**

Fernsehen***

2. Quart. 2004

Quelle: Statistik Austria (2004): IKT-Einsatz in Haushalten: Ergebnisse d. Europäischen Erhebung über den Einsatz v. Informations – und Kommunikationstechnologien in Haushalten 2004, Wien, 39-41.Statistik Austria (2003): IKT-Einsatz in Haushalten: Europäische Erhebung über den IKT-Einsatz in Haushalten 2003, 73ff. * Haushalte mit Personalcomputer und/oder tragbarem Computer (Notebook) ** Haushalte mit internetfähigem Mobiltelefon und/oder anderem Mobiltelefon *** Haushalte mit TV ohne Kabel- oder Satellitenanschluss und/oder Kabelfernsehen. Der Wert des Fernsehens 2002 besteht nur in gerundeter Form 295

Wie diese Zahlen der Statistik Austria in Abbildung 27 (oben) zeigen,

liegt im 2. Quartal

2004 der Anteil des Mobiltelefonbesitzes in österreichischen Haushalten bei 72,2 % (aber mit sinkender Tendenz, im 1. Qu. 2003 beträgt er noch 74,7 %). Damit verfügen weit mehr Haushalte über ein Handy als über einen Internet-Anschluss. Diese Werte der Statistik Austria müssen aber den höheren Werten (nach ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren) des Austrian Internet 296

Monitors (AIMs) von INTEGRAL’s gegenübergestellt werden.

Im 4. Quartal 2004 besitzen

laut AIM bereits „78 % der Österreicher ab 14 Jahren [...] ein Handy“, das sind 5,3 Millionen Personen. Gleichzeitig stagniert der Markt: „seit Anfang 2004 (76 %) kamen [...] nur mehr wenig neue Handy-Besitzer dazu“. Die Nutzung von SMS findet ebenfalls weite Verbreitung:

295

296

Bei dem Vergleich dieser Daten der Statistik Austria gilt es zu berücksichtigen, dass möglicherweise eine gewisse Verzerrung gegeben ist, weil jeweils zwei verschiedene Quartale gemessen wurden. In puncto Mobiltelefon misst der AIM den Besitz pro Einzelperson (der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahre) sowie hinsichtlich Besitz von PCs und Zugang zum Internet an verschiedenen möglichen Orten wie zu Hause, Büro, Schule, Universität etc.

208 297

„38 % der Handy-Besitzer versenden und 44 % empfangen mehrmals pro Woche ein SMS.“

Auch können laut AIM im 2. Quartal 2004 53 % der ÖsterreicherInnen von zu Hause aus ins Internet einsteigen sowie im 1. Qu. 2005 sogar 59 %. 69 % haben im 2. Qu. 2004 grundsätzlich

Zugang

zu

einem

PC

sowie

im

1.

Qu.

2005

sogar

72 %. Daher liegt laut AIM die Handy-Penetration mit 78 % nur etwas über der Internet- und PC-Penetration (siehe auch unten). Da die Abrechnung von Music-Downloads oder Streams beim Handy über die Telefonrechnung erfolgt, ist die bargeldlose Bezahlung im Vergleich zum e-Commerce relativ einfach. Wegen der starken Verbreitung des Mobiltelefons in Österreich (insbesondere auch unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen) und seinen Eigenschaften Mobilität und permanente Verfügbarkeit, die sich ausgezeichnet mit Musikkonsum und m-Commerce verbinden lassen, wird das Handy möglicherweise das mobile Music-Device der Zukunft werden. Laut Mediatime wird diese Zukunft folgendermaßen aussehen: „[...] Konsumenten [werden] mit mobilen Endgeräten (Mobiltelefone, PDAs, etc.) aus[ge]statte[t], die so klein oder noch kleiner sind wie die heutigen, auf denen 1000 oder 2000 oder noch mehr MP3-Titel gespeichert werden können. Dieses Handy stellt der Konsument zu Hause in eine docking-station seiner Hifi-Anlage und spielt die Musik von dort. Wenn er sich ins Auto setzt, steckt er das Handy in die docking-station des Autos und hört seine 1000 liebsten Titel im Auto – er besitzt ein portables Musikarchiv mit einer ungeahnten Größenordnung, ständig bei sich und ständig abspielbereit.“ (Mediatime 2002, 21)

Derzeit stehen einer solchen Music-Handy-Zukunft aber noch wesentliche technische Barrieren entgegen. 11.3

Computer- und Internet und deren Penetration und Nutzung in Österreich

Das Internet ist ähnlich wie das Handy ein Hybrid der drei Domains, die Fidler (1997) beschreibt: Interpersoneller, Broadcast und Document Domain (siehe Kap 1 und 12). Über Email und Chat kann nicht nur von einer Person zu einer anderen Person, sondern von einer Person zu vielen Personen und umgekehrt von vielen Personen zu einer Person oder vielen Personen kommuniziert werden. Musiktauschen über Peer-to-Peer-File-Sharing-Systeme oder Email basiert auf interaktiver Kommunikation und stellt eine Form der interpersonellen Domain dar. Formen der Broadcast Domain sind im Internet ebenfalls zahlreich v.a. über das World Wider Web vorhanden (v.a. Music-, Video-, Spiele-Downloads und -Streams). Das WWW lässt sich durch seine Hypertextbasiertheit auch in der Document Domain verorten. Neben dem wesentlichen Aspekt der Interaktivität (die sich durch alle drei Domains zieht) ist

297

mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm (25.4.2005).

209

Multimedialität ein wichtiges Merkmal des Internets. Folglich ist es mittlerweile Kommunikations- wie auch Informations-, Unterhaltungs- und Transaktionsmedium. Vor allem die Transaktionsebene ist stark am Zunehmen (siehe Kap. 12). Über das Internet können somit ganze Unterhaltungspakete angeboten werden, durch welche Musik zusammen mit anderen Informationen wie Artikeln, Interviews, Videos oder Spielen präsentiert werden. Als nach wie vor insbesondere über den PC vermitteltes Medium ist das Internet aber zu einem relativ geringen Grad mobil, auch wenn es grundsätzlich über Handy zugänglich ist. Der Laptop bietet zwar durch Tragbarkeit Mobilität, trotzdem ist sein Transport sperriger als beim handlichen Handy. Zwar ist der „Anschluss zur Welt“ gegeben, dieser stellt sich aber als weniger permanent und distanzierter als beim Handy dar. Auch die beliebteste und häufigste Internet-Kommunikationsform – Email – ist weniger direkt als die mündliche Kommunikation über Handy. Folglich ist das „Prinzip der Echtzeit“ und „Direktheit“ zwar im Internet (über Chat, VideoConferencing, Internet-Telefonie, Live-Streams) vorhanden, zumeist erfolgt die Kommunikation (via Email) aber zeitlich verschoben, textbasiert und nicht direkt. Zahlen zu Computerbesitz und Zugang zum Internet der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren liefert der Austrian Internet Monitor des Marktforschungsinstitutes INTEGRAL.

298

Der AIM

misst im Gegensatz zu den oben von der Statistik Austria dargestellten Daten nicht die Internet-Anschlüsse in privaten österreichischen Haushalten, sondern verschiedene Indikatoren wie Zugangsort zum Internet oder die Intensität der Internet-Nutzung. Auch liegen Daten über einen größeren Zeitraum und aktuellere Daten vor. Der AIM kommt im 2. Quartal 2004 zu höheren Werten als die Statistik Austria (siehe Abbildung 27 oben). Demnach verfügen im 2. Qu. 2004 69 % der ÖsterreicherInnen einen PC sowie im 1. Qu. 2005 sogar 72 %. Außerdem haben im 2. Qu. 2004 53 % sowie im 1. Qu. 2005 59 % von zu Hause aus Zugang zum Internet. Im Büro sind es im 1. Qu. 2005 nur 27 % mit einem Internet-Zugang. Die Möglichkeit, ins Internet einzusteigen, besteht im 1. Qu. 2005 sogar für 66 %. Jugendliche, SchülerInnen und StudentInnen ab 14 Jahren haben zumeist Internet-Zugang in der Schule, Universität 299

oder „woanders“ (wie bei FreundInnen, Cafés etc.).

Im 1. Qu. 2005 nutzen 7 % der Öster-

reicherInnen das Internet in der Schule, 3 % in der Universität und 10 % „Woanders“ (FreundInnen, Café etc.) (siehe Tabelle 12 unten). 50 % haben im 1. Qu. 2005 Zugang zu einer Soundkarte, 63 % zu einem CD-Rom-Laufwerk, 48 % zu einem DVD-Laufwerk, 46 % zu einem CD-Brenner sowie 33 % zu einem DVDBrenner (siehe Tabelle 11 unten).

298

„Der AIM ist eine Eigenstudie des Marktforschungsinstituts INTEGRAL, bei der seit 1997 die InternetNutzung in Österreich kontinuierlich erhoben wird. Seit 2005 werden pro Jahr 12.000 telefonische Interviews, repräsentativ für die Österreicherinnen und Österreicher ab 14 Jahren (ca. 6.750.000 Personen) durchgeführt, bisher waren es 14.000. Die Zusammenfassung für ein Quartal basiert nun auf jeweils 3.000 Interviews.“ mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm (2.5.2005).

210

Tabelle 11: EDV-Besitz und Internet-Zugang der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren 4. Quartal 1996 bis 1. Quartal 2005

PC vorhanden Drucker CD-Rom Internet-Zugang Soundkarte DVD-Laufwerk CD-Brenner Scanner DVD-Brenner

96* 97* 36 38 24 28 17 24 3 5 13 20

EDV-Besitz und Internet-Zugang der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren in % 98* 99* 00* 01* 02* 03* 1.Qu.04 2.Qu.04 3.Qu.04 4.Qu.04 1.Qu.05 42 49 56 61 63 68 70 69 71 71 72 38 44 52 56 60 63 64 63 64 64 63 34 42 49 54 59 62 62 62 64 63 63 9 16 33 42 47 51 54 53 55 55 59 28 35 39 44 48 49 47 48 48 49 50 16 25 38 40 45 46 48 48 20 29 39 41 43 45 46 46 29 32 36 38 38 41 40 41 7 18 21 25 29 31 33

Quelle: AIM, Intergral 1. Quartal 2005, n=3.000, Grundgesamtheit; ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren * Ergebnisse des 4. Quartals (bis 4. Qu. 01: n=4.500, ab 1. Qu. 2002: n=3.500, ab 1. Qu. 05: n= 3.000) Medienforschung ORF. mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm (2.5.2005) Tabelle 12: Internet/Ort des Internet-Zugangs der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren 4. Quartal 1996 bis 1. Quartal 2005

Grundsätzl. möglich Zu Hause Im Büro In der Schule An der Uni Woanders (Freunde, Cafe)

96* 97* 14 20 4 5 6 10 2 3 3 4 2 3

Internet / Ort des Internet-Zugangs der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren in % 98* 99* 00* 01* 02* 03* 1.Qu.04 2.Qu.04 3.Qu.04 4.Qu.04 1.Qu.05 27 34 46 53 56 61 62 62 64 64 66 9 16 33 42 47 51 54 53 55 55 59 13 16 21 23 25 27 26 27 28 27 27 5 7 6 6 7 7 7 7 6 7 7 3 3 3 3 3 2 2 2 2 3 3 7 12 14 14 16 13 10 9 11 12 10

Quelle: AIM, Intergral 1. Quartal 2005, n=3.000, Grundgesamtheit; ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren * Ergebnisse des 4. Quartals (bis 4. Qu. 01: n=4.500, ab 1. Qu. 2002: n=3.500, ab 1. Qu. 05: n= 3.000) Medienforschung ORF. mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm (2.5.2005)

Der Anteil der IntensivnutzerInnen liegt im 1. Qu. 2005 bei 50 % der Internet-NutzerInnen, die „(fast) täglich“ bzw. „mehrmals pro Woche“ ins Internet gehen (siehe Tabelle 13 oben).

299 300

300

Es kann kein ganzheitliches Bild von SchülerInnen gezeigt werden, weil erst ab 14 Jahren erhoben wurde. „Bei den Internet-Zugängen zu Hause setzen sich ADSL-Anschlüsse immer mehr durch. ADSL-Modems liegen bei 23 %, hingegen ging „die Verbreitung von Kabelmodems (20 %) um 2 Prozentpunkte zurück, während ISDN-Modems mit 12 % stabil blieben. 2 % gelangen derzeit über Funk ins Internet“. Auch „der Anteil an analogen Modems ist weiterhin rückläufig und liegt nur mehr bei 27 % [...] Gleichzeitig stiegen Breitband-Anschlüsse (ADSL und Kabel) innerhalb eines Jahres von 36 % auf 43 % an.“ Zitiert in: mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm (2.5.2005).

211

Tabelle 13: Frequenz der Internet-Nutzung der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren 4. Quartal 2004 bis 1. Quartal 2005

Grundsätzl. möglich Niemals (Fast) täglich Mehrmals pro Woche Intensiv-NutzerIn Ein paar Mal/Monat Seltener Internet-NutzerIn

96* 97* 14 20 5 7 2 2 2 4 4 6 3 4 2 2 9 12

Frequenz der Internet-Nutzung der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren in % 98* 99* 00* 01* 02* 03* 1.Qu.04 2.Qu.04 3.Qu.04 4.Qu.04 1.Qu.05 27 34 46 53 56 61 62 62 64 64 66 7 6 6 6 6 5 6 5 7 6 7 5 10 19 24 27 30 33 33 33 33 37 6 9 12 13 12 13 14 14 13 13 13 11 19 31 38 39 44 46 47 46 46 50 5 5 6 5 7 7 7 6 7 8 6 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 19 28 40 47 50 55 56 56 58 85 59

Quelle: AIM, Intergral 1. Quartal 2005, n=3.000, Grundgesamtheit; ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren * Ergebnisse des 4. Quartals (bis 4. Qu. 01: n=4.500, ab 1. Qu. 2002: n=3.500, ab 1. Qu. 05: n= 3.000) Medienforschung ORF. mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm (2.5.2005).

Die Veränderungen des Nutzungsverhaltens werden durch den Vergleich der Werte von PCBesitz sowie Internet-Zugang der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren des 4. Qu. 1996 und 4. Qu. 2004, also innerhalb der letzten acht Jahre, deutlich (siehe Tabelle 13 oben): -

Der Anteil mit Zugang zum PC steigt von 36 % auf 71 % (um 35 %-Punkte).

-

Der Internet-Zugang zu Hause wächst von 4 % auf 55 % (um 51 %-Punkte). Der „grundsätzlich mögliche“ Internet-Zugang legt von 14 % auf 64 % um 50 %-Punkte zu. Etwas niedrigere Wachstumsraten (aber nach wie vor hohe) weist der Internet-Zugang im Büro auf. Dieser nimmt von 6 % auf 27 % (um 21 %-Punkte) zu. Der Zugang zum Internet in der Schule steigt von 2 % auf 7 % (um 5 %-Punkte). Der Internet-Anschluss an der Universität bleibt mit 3 % gleich und der Zugang von „woanders“ wächst von 2 % auf 12 % (um 10 %-Punkte).

-

Der Besitz einer Soundkarte, der die Bedingung darstellt, um Musik über PC abzuspielen, steigt von 13 % auf 49 % (um 36 %-Punkte).

-

Der Besitz eines CD-Rom-Laufwerks, das Voraussetzung ist, CD-Roms abzuspielen, und, falls ein CD-Brenner vorhanden ist, auch, um zu brennen, wächst von 17 % auf 64 % (um 47 %-Punkte) massiv an.

Daten zum Besitz von CD-Brennern und von DVD-Laufwerken liegen erst ab dem 4. Quartal 2001 und von DVD-Brennern ab dem 4. Quartal 2002 vor. Die Steigerung des Besitzes in beiden Kategorien ist innerhalb kurzer Zeit massiv (Tabelle 11 oben): -

Der Besitz von CD-Brennern steigt in diesem Zeitraum von 20 % auf 46 % (um 26 %Punkte).

-

Der Besitz von DVD-Laufwerken wächst von 16 % auf 48 % (um 32 %-Punkte).

212

-

Der Besitzstand von DVD-Brennern legt von 7 % auf 31 % (um 24 %-Punkte) zu.

Auch die Art der Internet-Nutzung verändert sich innerhalb der letzten acht Jahre bzw. zwischen 4. Qu. 1996 und 4. Qu. 2004 sehr stark. Der Anteil der „IntensivnutzerInnen“ bzw. derjenigen, die (fast) täglich oder zumindest mehrmals die Woche das Internet verwenden, steigt von 4 % auf 46 % (um 42 %-Punkte) sowie vom 4. Qu. 2004 auf das 1. Qu. 2005 zusätzlich (um 4 %-Punkte) auf 50 % (siehe Tabelle 13 oben). Die Sozialstruktur der „IntensivnutzerInnen“ und „Internet-NutzerInnen“ (die Sozialstruktur der Intensiv-Internet-Nutzung überspitzt die „normale“ Internet-Nutzung etwas) zeigt Tabelle 14 (unten): Tabelle 14: Strukturvergleich Internet-Nutzung der ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren 1. Quartal 2005

Angaben in % Basis in Tsd. Geschlecht: Männer Frauen Alter: 14-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60 Jahre und älter Schubildung: Pflichtschule Fachschule/Lehre Matura/Universität Berufliche Stellung: Leitend Nicht leitend Selbständig Hausfrau/-mann Pensionist SchülerIn/StudentIn Sonstiges

Strukturvergleich 1. Quartal 2005 Öster. Bev. Ab 14 Jahren Internet-NutzerIn Intensiv-NutzerIn 6.750 4.000 3.350 48 52

56 44

58 42

9 15 20 17 14 25

14 21 26 20 13 6

15 22 26 19 11 6

26 50 24

20 46 34

21 41 38

9 31 8 6 27 10 6

14 38 11 4 8 16 7

15 36 11 3 6 18 6

Quelle: AIM, Intergral 1. Quartal 2005, n=3.000, Grundgesamtheit; ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren Medienforschung ORF. mediaresearch.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm (2.5.2005)

Die Daten zur Sozialstruktur bzw. zu Alter, Geschlecht, Bildung und zur beruflichen Stellung der „IntensivnutzerInnen“ und „Internet-NutzerInnen“ zeigen folgendes Bild: -

Alter: Die Gruppe der 20-49-jährigen bildet anteilsmäßig mit 67 % die größte Gruppe der IntensivnutzerInnen (sowie der Internet-NutzerInnen). Sie stellt gleichzeitig 52 % der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren dar. Der Anteil der IntensivnutzerIn-

213

nen liegt bei den 14-19-jährigen weniger hoch als erwartet bei 15 % (14 % InternetNutzerInnen). Dafür liegt der Anteil bei den 20-29-jährigen mit 22 % (21 % InternetNutzerInnen) und bei den 30-39-jährigen bei 26 % (26 % Internet-NutzerInnen) am höchsten. Äußerst niedrig stellt sich der Anteil der IntensivnutzerInnen und InternetNutzerInnen bei den über 60-jährigen mit jeweils 6 % dar, die aber 25 % der Gesamtbevölkerung repräsentieren. Eine Access-Barriere aufgrund höheren Alters ist bei letzteren deutlich sichtbar. -

Geschlecht: Mehr Männer, 58 %, und weniger Frauen, 42 %, sind IntensivnutzerInnen (sowie 56 % Männer und 44 % Frauen Internet-NutzerInnen). Frauen stellen aber 52 % der Bevölkerung ab 14 Jahren dar.

-

Bildung: Die Anteile der IntensivnutzerInnen mit Fachschul-/Lehrabschluss mit 41 % (46 % der Internet-NutzerInnen) sowie mit Matura/Universitätsabschluss mit 38 % (34 % der Internet-NutzerInnen) liegen um Etliches höher als der Anteil mit Pflichtschulabschluss (21 %) (20 % der Internet-NutzerInnen).

-

Berufliche Stellung: Der Anteil der IntensivnutzerInnen der „Nicht leitenden“ mit 36 % (38 % der Internet-NutzerInnen) stellt die größte Gruppe dar. Diese ist zu 31 % in der Gesamtbevölkerung vertreten. Im Vergleich zu anderen Gruppen sind die Anteile der IntensivnutzerInnen bei SchülerInnen und StudentInnen mit 18 % (16 % Internet-NutzerInnen) relativ hoch, vor allem weil sie nur 10 % der Gesamtbevölkerung repräsentieren. Besonders niedrig liegen die Anteile der IntensivnutzerInnen bei Hausfrauen/-männern: 3 % (4 % Internet-NutzerInnen) und vor allem PensionistInnen 6 % (8 % Internet-NutzerInnen), die letzteren machen aber 27 % der Gesamtbevölkerung aus.

Detailliertere Nutzungsarten des Internets von österreichischen Internet-NutzerInnen zwischen 16 und 74 Jahren im 1. Qu. 2003 und 2. Qu. 2004 zeigen Daten der Statistik Austria (siehe Abbildung 28 unten):

301

301

Beim Vergleich dieser Zahlen der Statistik Austria gilt zu berücksichtigen, dass möglicherweise eine geringe Verzerrung gegeben ist, weil zwei verschiedene Quartale, 1. Qu. 2003 und das 2. Qu. 2004, gemessen wurden.

214

Abbildung 28: Nutzungsarten des Internets der InternetnutzerInnen zwischen 16 und 74 Jahren in österr. Haushalten im 1. Quartal 2003 u. 2. Quartal 2004

Nutzungsarten des Internets der InternetnutzerInnen zwischen 16 und 74 Jahren in österr. Haushalten im 1. Quartal 2003 u. 2. Quartal 2004 in %

10 6,2

Web-Radio hören u. Web-Fernsehen sehen

20,9 25,8

Kauf und Bestellung von Waren und Dienstleistungen

Spielen/Herunterladen von Spielen und Musik*

28,9 19,1

Andere Formen der Kommunikation (z.B. Chatten)

29,3 20,3 2003 2004 30,5 35,2

Internet-Banking zum Kauf o. Verkauf v. Waren u. Dienstleistungen

65 68,8

Finden von Informationen über Waren und Dienstleistungen

39,2

Lesen/Herunterladen von Zeitungen, Zeitschriften und ähnlichem

31

88 87,4

Senden oder Empfangen von E-mails

0

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Quelle: Statistik Austria (Hrg.) (2004): IKT-Einsatz in Haushalten: Ergebnisse d. Europäischen Erhebung über den Einsatz v. Informations- und Kommunikationstechnologien in Haushalten 2004, Wien; Statistik Austria (2003): IKT-Einsatz in Haushalten: Europäische Erhebung über den IKT-Einsatz in Haushalten 2003. * Im 2 Quartal 2004 wurde auch das Herunterladen von Bildern gemessen. Anmerkung: Internet-Banking zum Kauf oder Verkauf von Waren und Dienstleistungen sowie Kauf und Bestellung von Waren und Dienstleistungen wurde innerhalb der letzten drei Monate vor Befragungszeitpunkt (im 1. Quartal 2003 und 2. Quartal 2004) gemessen. Die restlichen Kategorien beziehen sich jeweils allein auf das 1. Quartal 2003 und 2. Quartal 2004.

215

Die Zahlen zu Nutzungsarten des Internets durch Internet-NutzerInnen von Abbildung 28 zeigen: -

„Email“ stellt die beliebteste Anwendung der Internet-NutzerInnen dar. Im 2. Qu. 2004 verwenden 88 % der Internet-NutzerInnen Email. Das zeigt, dass das Internet insbesondere als Kommunikationsmittel verwendet wird. Gefolgt wird Email im Beliebtheitsgrad von:

-

der Kategorie „Finden von Informationen über Waren und Dienstleistungen“. Diese liegt mit einem Anteil von 68,8 % und einer Wachstumsrate von 3,8 %-Punkten an zweiter Stelle.

-

An dritter Stelle liegt im 2. Qu. 2004 der Anteil der Internet-NutzerInnen mit 35,2 %, die „Internet-Banking zum Kauf oder Verkauf von Waren und Dienstleistungen“ verwenden, sowie mit einer relativ hohen Wachstumsrate von 4,7 %-Punkten.

-

Der Anteil, „der Zeitungen/Zeitschriften und Ähnliches liest oder herunterlädt“ sinkt um 8,2 %-Punkte von 39,2 % auf 31 %, steht aber noch an vierter Stelle. Die Verringerung kann ein Anzeichen dafür sein, dass Zeitungen der verstärkten Konkurrenz mit anderen digitalen Informationsgütern im Netz ausgesetzt sind.

-

Relativ hohe Wachstumsraten zeigt der Anteil, der „Waren und Dienstleistungen über das Internet kauft und bestellt“. Dieser Anteil steigt von 20,9 % auf 25,8 % um 4,9 %-Punkte und liegt somit an fünfter Stelle. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Nutzung des Internets als Transaktionsmedium im Zunehmen ist.

-

Der Anteil der Internet-NutzerInnen, der „andere Formen der Kommunikation (wie z.B. Chatten)“ nutzt, sinkt von 29,3 % auf 20,3 %.

-

Ebenfalls stark fällt der Anteil der NutzerInnen, die Spiele oder Musik spielen und/oder herunterladen von 28, 9 % auf 19,1 % um 9,8 %-Punkte und liegt damit nur mehr an siebenter Stelle.

-

Auch relativ signifikant nimmt der Anteil der Internet-NutzerInnen, die „Web-Radio hören oder Web-Fernsehen sehen“, von 10 % auf 6,2 % um 3,8 %-Punkte ab.

11.4

Die Krise des Tonträgermarktes als Massenmarkt und die Kategorie Alter im Vergleich zu anderen sozialen Kategorien

Der Konsum von physischen Tonträgern verringert sich: IFPI Austria-Zahlen von 1998 bis 2004 zeigen, dass insgesamt weniger Personen weniger CDs als früher kaufen sowie pro Kopf weniger für CDs ausgeben (siehe Abbildung 29 unten):

216

Abbildung 29: KäuferInnen (österr. Musikmarkt) 1998-2004

KäuferInnen (österr. Musikmarkt) 1998-2004 100%

3,12

3,04

3,19

3,07

2,89

2,81

2,66

7,8

7,6

7,4

6,7

6,5

6,6

6,6

100,28

99,56

98

92

90

89

88

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

80%

60%

40%

20%

0%

Ausgaben pro KäuferIn in Euro

Stück pro KäuferIn

KäuferIn in Mio

Quelle: „Der Österreichische Tonträgermarkt 2000.“ „Der österreichische Musikmarkt 2003“, „…2003.“ „…2004.“ In: Sound & Media spezial (März 2001) (März 2004) (März 2005).

Vergleicht man die Jahre 1998 und 2004 miteinander, zeigt sich, dass es in diesem Zeitraum zu starken Einbrüchen in drei Musikkonsumkategorien am österreichischen Tonträgermarkt kommt: -

Die Ausgaben pro KäuferIn sinken um 0,46,- Euro (um 14,74 %) auf 2,66,-Euro.

-

Die Stückzahlen pro KäuferIn gehen um 1,2 (um 15,38 %) auf 6,6 Stück zurück.

-

Die Zahl der KäuferInnen verringert sich um 12,28 Mio. (um 12,25 %)

302

auf 88 Mio.

(siehe auch Kap. 4). Andererseits steigen die Ausgaben für Music-Downloads, die über das Internet gekauft werden (auch wenn sie den Rückgang im CD-Bereich nicht wettmachen). Diese Rückgänge hängen auch damit zusammen, dass der Massentonträgermarkt durch die Differenzierung in etliche Musikstile bei gleichzeitiger Segregation in viele kleine Nischenmusikmärkte nicht mehr so einwandfrei wie früher funktioniert. Die Nutzung neuer Medien verstärken die Differenzierung und Segregation. Beide gehen auch mit verstärkter Individualisierung von Lebensstilen und Geschmäckern von MusikkonsumentInnen einher. Daher muss der/die AnbieterIn, 302

Prozentsätze beruhen auf Eigenberechnung.

217

der/die noch „die Masse erreichen will, [...] im einzelnen […] ein Gefühl von Individualität erwecken“ (Renner 2004, 215). Eine Anforderung, die für kommerzielle Popmusiken mit Ausrichtung auf den Massengeschmack immer schwieriger zu erfüllen ist. Im Gegenteil haben die Major Labels (aber auch etliche Vertriebe, Handel und Massenmedien) die notwendigen Innovationen im Repertoire vernachlässigt und auf die Strategie des geringsten Widerstandes gesetzt (siehe Kap. 7, 8, 10). Die „economy of scales“

303

mit „Zielgerade Massen-

markt“ können aber auch deshalb weniger gut realisiert werden, weil durch die Diversifikation der Stile das „Repertoire von Codes mit Konsensbedeutungen, das durch die wirtschaftliche Konkurrenz entsteht: der Mainstream […] immer schwerer wahrnehmbar“ (Helms 2005, 35) ist. Im Gegensatz zum so genannten „Mainstream“ besitzt Nischenmusik bessere Voraussetzungen, individuelle Konsumbedürfnisse zu befriedigen, weil zumeist ein persönlicher Bezug zwischen ProduzentInnen und Fans vorhanden ist und die Fans tendenziell bewusster, treuer und aktiver sind, Musik ihrer Szenen aufzuspüren, Konzerte aufzusuchen und auch Tonträger zu kaufen. Der Rückgang des Massenmarktes hängt zudem damit zusammen, dass die ehemaligen Hauptkäuferschichten der Popmusik – Jugendliche, junge Erwachsene und unter diesen vor allem SchülerInnen und StudentInnen – weniger CDs als früher kaufen. Viele von ihnen nutzen zum Musikhören statt CDs Music-Downloads aus Musiktauschbörsen, um sich mit Musik auseinanderzusetzen, neue oder alte Musik zu finden oder um Musik gratis aus dem Netz herunterzuladen. Alter zeigt sich daher als die Kategorie der Veränderung des Musikkonsumverhaltens, die auch in direktem Zusammenhang mit der digitalen Mediamorphose zu sehen ist. Seit der Rock’n’Roll Revolution sind Jugendliche und junge Erwachsene die Hauptzielgruppe der Tonträgerindustrie. Dieser Umstand korrespondiert mit der Verbindung von Popmusikkulturen und „subkulturellem Kapital“ (Thornton 1996). Thornton, die den Begriff des subkulturellen Kapitals in Anlehnung an den Bourdieuschen Kapitalbegriff geprägt hat, beschreibt „subkulturelles Kapital“ folgendermaßen: “[…] subcultural capital is embodied in the form of being ‚in the know’, using (but not over-using) current slang, looking as if you were born to perform the latest dance styles [...] The assertion of subcultural distinction relies, in part, on a fanatasy of classlessness. This may be one reason why music is the cultural form privileged within youth’s subcultural worlds. Age is the most significant demographic when it comes to taste in music.” (Thornton 1996, 11-12)

Technische Medien haben sich seit den 50er Jahren „zur einflussreichsten Instanz musikalischer Sozialisation Jugendlicher entwickelt und die zuvor dominierenden traditionellen Instanzen Familie, Schule und Kirche in den Schatten gestellt“ (Huber & Nicoletti 2005, 34). 303

Die „economy of scales“ verfolgen vor allem das Ziel, die Produktpalette zugunsten einiger weniger Massenprodukte zu verringern, um die Gewinnspanne zu erhöhen (vgl. Gebesmair 2000a, 73).

218

Verfügbarkeit von Musik ist also immer eng mit dem Zugang zu neuen Kommunikationstechnologien (z.B. Internet) und der dazu notwendigen Hardware (wie PC, iPod oder MP3-Player) verbunden (ebenda 2005, 35). Im Zusammenhang mit neuen Kommunikationstechnologien steht heute, dass die Gruppe „Jugend“ der Musikindustrie als Kaufkraft langsam wegdriftet. Zur selben Zeit gewinnen aber auch die älteren Schichten für Musikkonsum an Bedeutung (siehe Abbildung 30 unten). Abbildung 30: Altersgruppen der KäuferInnen (österr. Musikmarkt) 1998-2004

Altersgruppen der KäuferInnen (österr. Musikmarkt) 1998-2004 in % (Basis: Umsatz gesamt) 100% 90%

9

9

10

11

12

13

14

9

9

9

8

9

9

10

17

18

19

19

19

21

26

25

80% 70%

22

60% 50%

25

26

26

27

40% 30%

24

22

20

22

19

17

16

20% 10%

24

16

16

15

16

15

15

14

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

0%

bis 19

20-29 J.

30-39 J.

40-49 J.

50-59 J.

ab 60 J.

Quelle: „Der Österreichische Tonträgermarkt 2000.“ „Der Österreichische Musikmarkt 2001, 2002, 2004.“ In: Sound & Media spezial (März 2001, 2002, 2003, 2005).

Vergleicht man die Jahre 1998 und 2004 miteinander, so nimmt der Prozentanteil am Tonträgergesamtumsatz der Altersgruppen der „bis 19-jährigen“ im Verhältnis zu den anderen Altersgruppen um 2 %-Punkte und der 20-29-jährigen um 8 %-Punkte ab. Auch der Anteil der 30-39-jährigen verringert sich um 1 %-Punkt. Währenddessen steigen die Anteile der 40-49jährigen um 5 %-Punkte, der 50-59-jährigen um 1-%-Punkt und der über 60-jährigen um 5 %Punkte. Folglich verringert sich der Anteil der unter 40-jährigen um 11 %-Punkte, während der Anteil der ab 40-jährigen um 11 % zulegt (siehe Abbildung 30 oben). Falls sich diese Entwicklung fortsetzt, verringert sich in Zukunft die Kaufkraft der Altersschichten bis 29-jährigen (und möglicherweise auch der 30 bis 39-jährigen) noch zusätzlich, während die

219

älteren Altersschichten ab 40 Jahren mehr Potenzial bzw. Musikkaufkraft entwickeln. Das bedeutet, dass sich die Kaufkraft von den jüngeren zu den älteren Schichten verschiebt – im Gegensatz zum Konsum, der bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach wie vor am höchsten ist. Zugleich ist aber „die Erneuerung der Kunstform [...] nach wie vor von Heranwachsenden“ (Renner 2004, 11) zu erwarten. Auch wird innovative bzw. „progressivere“ Musik weiterhin vor allem in frühen, identitätsstiftenden Jahren gesucht und konsumiert. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der subjektive Musikgeschmack und die Musikidentität schon konstituiert sind, ist die Offenheit gegenüber neuen Musikentwicklungen und -stilen zumeist eingeschränkter bzw. „konservativer“. Die Trennlinie zwischen Musikkauf und „Nicht-Musikkauf“ korrespondiert mit den Faktoren Freizeit versus Arbeitszeit, die stark mit den jeweiligen Altersgruppen der MusikkonsumentInnen zusammenhängen: „Der popinteressierte Erwachsene hat einen knappen Zeithaushalt, muss Familie, Job und Hobby unter einen Hut bringen. Er kann sich deshalb nicht so intensiv mit den ständigen Veränderungen im Kulturangebot beschäftigen und braucht Beratung. Wenn er weiß, was er will, muss das Objekt der Begierde schnell zu finden sein.“ (Renner 2004, 259)

Jungen KäuferInnenschichten steht im Verhältnis zu den älteren KäuferInnenschichten relativ viel Freizeit zur Verfügung, um im Internet und Tauschbörsen nach attraktiver Musik (darunter auch Gratis-Musik) zu suchen, sie verfügen aber über relativ wenig finanzielle Ressourcen, Musik käuflich zu erwerben. Außerdem besitzen sie mehr Zeit, um sich mit den Informations- und Kommunikationstechnologien (insbesondere auch Tauschbörsen) auseinanderzusetzen und mithilfe dieser Musik „zu testen“: “[…] the kids turn to the ‚Net’ [...]. They don’t just download or stream hundreds of songs; they also visit artist sites, send text messages, find out about shows, listen to online radio, get most of their information on their favorite bands, trade files with their friends via instant messaging and SMS [...] To them, file-sharing is a great way to test a song or an artist.” (Kusek & Leonhard 2005, 101-102)

Beim Peer-to-Peer-File-Sharing und anderen Formen des Musiktauschens spielen neben dem „spionistischen“ Element auch ein kommunikativer und sozialer Aspekt eine wesentliche Rolle (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 99). Zugang zu und Know-how im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologie, Neugierde und genügend Eigenzeit ermöglichen es jüngeren HörerInnen, auch Gratis-Music-Downloads aufzuspüren und herunterzuladen. Insgesamt führt die erhöhte Diskursivität zu mehr Beschäftigung mit und zu mehr Wissen über Popmusik. Tauschbörsen werden dabei auch zur Qualitätskontrolle genutzt mit drei möglichen Konsequenzen: Die Nutzung kann zu mehr Kauflust führen, zum Substitut eines

220

Kaufs (vor allem, wenn eine CD gebrannt wird), oder keinen Effekt auf das Kaufverhalten haben (siehe unten und Kap. 4). Im Gegensatz zu den jüngeren KonsumentInnen steht den älteren KonsumentInnen durch Erwerbstätigkeit, Familienleben oder anderen Verpflichtungen meist weniger Freizeit zum Musiksuchen und zur Beschäftigung mit IKTs zur Verfügung. MusikhörerInnen ab ca. 30 Jahren sind wegen eines größeren Mangels an „Verfügbarkeit an Eigenzeit“ (Nowotny 1990, 138) auch eher bereit, Music-Sites und -Services aufzusuchen, die für Qualität von Inhalt und Technik sowie Sicherheit bei einem vernünftigen Preis-Leistungsverhältnis stehen und zusätzlich Suchwerkzeuge bereitstellen. Außerdem stehen ihnen durch höheres Einkommen mehr Ressourcen zur Verfügung, um Musik käuflich zu erwerben. Zugleich ist aber die Annahme, dass jüngere Personen das Internet generell intensiver als ältere Menschen nutzen, durch Zahlen des AIM zu differenzieren. Wie Tabelle 14 oben zeigt, weisen laut AIM im 1. Qu. 2005 die 30-39-jährigen mit 26 % sogar den höchsten Anteil der intensiven Internet-NutzerInnen auf, gefolgt von den 20-29-jährigen mit 22 % und den 40-49jährigen mit 19 %. Die 14-19-jährigen kommen nur an vierter Stelle mit 15 % der IntensivnutzerInnen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass sich sowohl bei den 14-19-jährigen als auch bei den 20-29-jährigen starke IntensivnutzerInnen von Peer-to-Peer-FileSharing-Systemen und damit Free-Music-DownloaderInnen finden. 11.5 MP3, Music-Downloads, Peer-to-Peer-File-Sharing, Musik-Brennen und deren Auswirkungen auf den Musikkonsum 11.5.1

MP3, Internet und Kontrollverlust der RechteinhaberInnen

Tauschbörsen sowie das Thema digitale Musik im Internet überhaupt sind nicht ohne das „nicht-proprietäre“ Format MP3 vorstellbar. MP3 ist ein Audio-Komprimierungsverfahren von Musikdateien bzw. so genannten WAV-Dateien im Verhältnis von etwa 1:10, das von Brandenburg am Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen in Erlangen/Deutschland entwickelt wurde. Durch die Kompression von Musikdateien (d.h. Einsparung von Speicherund Breitbandkapazitäten) erleichtert MP3 den freien Austausch von Audiodateien über das 304

Internet, und das fast in CD-Qualität.

Zwar führt die Datenkompression zu geringfügigen

Qualitätseinbußen, diese sind aber bei ernster Musik (und von geschulten HörerInnen) stärker wahrnehmbar als bei Rockmusik. Gleichzeitig ist trotz der Komprimierung zumeist Breitbandzugang zum Internet notwendig, weil das Down- und Uploaden von MP3s noch immer 304

„Die Musik kann mithilfe eines MP3-kompatiblen Abspielprogramms (z.B. Winamp, RealJukebox) auf dem PC gehört werden, wenn eine Audio-Karte und Boxen vorhanden sind. Diese Abspielprogramme können kostenfrei aus dem Internet heruntergeladen werden. Die MP3-codierte Musik kann auch auf MP3-tauglichen CD- oder DVD-Playern oder speziellen MP3-Playern abgespielt werden, die von verschiedenen Herstellern als feststehende oder tragbare Geräte angeboten werden.“ (Haug & Weber 2003, Teil II, 3)

221

reichlich Speicherkapazität verlangt. MP3 ist zurzeit der gängigste Standard aller digitalen 305

Musikformate im Internet.

Die Einführung und Durchsetzung von MP3 hat die Musikindustrie gespalten. Die einen sehen MP3 – vor allem im Zusammenhang mit Musiktauschbörsen – als ein Mittel, um Raubkopien zu erstellen und zu distribuieren und deswegen als eine Hauptursache für die Entstehung der derzeitigen Krise der Tonträgerindustrie. Andere – vor allem Newcomer-MusikerInnen und -Labels – betrachten MP3 als ein kostengünstiges und effizientes Promotion-Tool, um durch “Exposure“ ihre Musik über Internet an die Öffentlichkeit zu bringen (siehe Kap. 4). Viele dieser zweiten Gruppe befürworten zwar Gratis-MP3-Downloads als Promotion, aber oft nicht das Brennen von MP3s auf CD-Rohlinge. Die Grenze zwischen den beiden Gruppen den BefürworterInnen und GegnerInnen bildet sich zumeist dort, wo Einnahmen aus Tonträgerverkäufen bedeutsamer werden oder Musikschaffen zum Hauptberuf zur Existenzsicherung auf Tonträgerbasis wird.

306

Die Kontrolle über die Musik durch die RechteinhaberInnen ist seit Beginn der Musik- und Tonträgerindustrie, also bereits seit der Erfindung des Notendrucks, nur begrenzt gegeben. Jede neu aufkommende Kopiertechnologie führt zu einem Kontrollverlust. Gleichzeitig eröffnen sich mit jeder neuen Consumer-Technology neue Einnahmequellen für die Musikindustrie, teilweise auch weil die GesetzgeberInnen auf den damit entstandenen Kontroll307

verlust reagieren.

Das Internet stellt den Kontrollverlust über Werke und Urheberrechte und

den daraus resultierenden Konflikt zwischen RechteinhaberInnen und KonsumentInnen wieder auf eine neue Qualitätsstufe. Gleichzeitig bietet das Internet neue Formen der Kontrolle, wie Verschlüsselungs- und Wasserzeichentechnologien (siehe Kap. 7 und 13). 11.5.2 Peer-to-Peer Music-File-Sharing über Musiktauschbörsen Mit der Erfindung der ersten Musiktauschbörse Napster durch den Bachelor-Student Shawn Fanning 1999 wird Musiktauschen im Internet innerhalb kurzer Zeit zu einem globalen Massenphänomen, das sich bald nicht mehr nur auf SchülerInnen und StudentInnen beschränkt. Durch die Nutzung von Musiktauschbörsen bzw. Peer-to-Peer-File-Sharing-Systemen können

305

306

307

Zum Beispiel zeigt eine Studie des britischen Internet-Anbieters Play Louder MSP, dass 66 % der Befragten als Format MP3 bevorzugen sowie im Vergleich dazu nur 11 % AAC (das Format für iTunes von Apple) und nur 5 % Windows Media Audio) (siehe unten) (vgl. Play Louder MSP (Juli 2005). In: Playloudermsp.com press-release 16.6.2005.) Außerdem spielen für manche MusikerInnen Persönlichkeitsrechte wie die Qualitätskontrolle von Aufnahmen (z.B. von Live-Konzertmitschnitten) eine Rolle, um die freie Distribution ihrer Musik über MP3, die mit einem individuellen Kontrollverlust der eigenen Musik einhergeht, abzulehnen oder ihr kritisch gegenüber zu stehen. Wie z.B. mit der Einführung der Leerkassettenabgabe als Kompensation für den Entgang von Einnahmen durch das Kopieren von Musik auf Leerkassetten, CD-Rohlinge oder MP3-Player.

222 308

MP3s in einem dezentralen Netzwerk

getauscht werden. Nachdem sich NutzerInnen die

nötige Software von der jeweiligen Website (wie z.B. Napster, KaZaA, Gnutella, WinMx, etc.) heruntergeladen und installiert haben, ist es ihnen möglich, MP3s herunterzuladen sowie (durch „Freigabe“) Music-Files heraufzuladen und damit für andere NutzerInnen zum Downloaden zur Verfügung zu stellen (letzteres ist bei unautorisierten Musik-Files nach dem Urheberrecht untersagt). Nach dem Einloggen im Server des jeweiligen File-Sharing-Systems können alle NutzerInnen, die sich zur selben Zeit im Internet und in der selben Tauschbörse befinden, durch eine Suchmaschine auf die aktuelle Liste der gerade im Netz vorhandenen Music-Files zugreifen, die sich aus allen im Netz befindlichen MP3s auf Computer-Festplatten der eingeloggten NutzerInnen, die ihre Dateien frei geschaltet haben, zusammensetzt. Der PC des/r Einzelusers/in wird somit zum Server, der sowohl sendet als auch empfängt. Musiktauschbörsen stellen selbst „ein öffentliches Gut dar“ (Haug & Weber 2003, Teil II, 16) und verwandeln ein privates Gut (in Form von digitaler Musik und anderer kreativer Güter wie Videos) in ein öffentliches Gut. Dies kann bedeuten, dass das Urheberrecht von Musikwerken im Netz übergangen wird, birgt aber auch Vorteile, die in der Ökonomie als „Network-Externalities“ bezeichnet werden und durch den „Nonrivalitätschrakter“ von quasiöffentlichen Gütern zustande kommen. Zum Beispiel verringern sich durch Nonrivalität die Suchkosten von Musik (vgl. Oberholzer & Strumpf 2004, 1). Tauschbörsen bieten zudem die Möglichkeit des Music-Samplings (bzw. „Hineinhörens“) und folglich des Kennenlernens von Musik. Trittbrettfahren und Reziprozitätsnorm in Tauschbörsen Tauschbörsen basieren auf dem Prinzip, dass NutzerInnen ihre Music-Files anderen NutzerInnen zur Verfügung stellen. Grundsätzlich besteht aber auch die Möglichkeit des „Trittbrettfahrens“ (Haug & Weber 2003). Bei der Nutzung von Tauschbörsen können Music-Files (oder andere Dateien wie Videos) auch ausschließlich heruntergeladen werden. Nach österreichischem Urheberrecht ist Trittbrettfahren in Tauschbörsen erlaubt, das Zur-Verfügung-Stellen von MP3s auf Massenbasis (wie es in Musiktauschbörsen praktiziert wird) aber keinesfalls. Eine empirische Studie von Adar und Hubmann (2000) zeigt für die Tauschbörse

308

Die unterschiedliche Funktionsweise von zentralen Netzen und dezentralen Netzwerken von Tauschbörsen beschreiben Friedrichsen et al. (2004): „Bei zentralen Netzwerken wie Napster werden Name und ‚Lagerplatz’ aller im Netzwerk vorhandenen Dateien auf zentralen Verzeichnis-Servern gespeichert. Schickt ein User nun eine Suchanfrage ab, wird die Anfrage mit dem zentralen Datei-Verzeichnis verglichen. Der Server sendet die Suchergebnisse zurück an den User, der daraufhin den gewünschten Download starten kann. Bei der eigentlichen Datenübermittlung spielt der zentrale Server keine Rolle mehr, sie erfolgt direkt vom Computer des einen Nutzers auf den Computer des anderen Nutzers. Der zentrale Server ist einzig und allein für die effektive Dateisuche zuständig. In dezentralen Netzen existiert kein Server, der über die Dateien im Netzwerk Buch führt. Stattdessen wird eine Suchanfrage innerhalb des Netzes direkt von einem Computer zum nächsten weiter versandt, bis die gesuchten Dateien entdeckt werden und dem Suchenden der Lageort dieser Dateien mitgeteilt werden kann.“ (44-45)

223

Gnutella (im Zeitraum eines Wochenendes) „einen sehr hohen Anteil an Trittbrettfahrern 309

(66%)“ (Haug & Weber 2003, Teil II, 5).

Viele Musiktauschbörsen funktionieren aber trotz

Trittbrettfahrens oder weisen nur eine geringe Rate auf. Haug und Weber finden in ihrer eige310

nen empirischen Studie (2003)

nur einen relativ niedrigen Anteil von 18 % „die bei

Tauschbörsen Musik herunterladen“, aber „selbst nichts frei“ (9) geben.

311

Sie begründen die

Funktionalität von Tauschbörsen mit der „Reziprozitätsnorm, die auch in persönlichen freundschaftlichen Netzwerken Gültigkeit hat, nur mit dem Unterschied, dass persönliche Netzwerke nicht anonym sind, Tauschbörsennutzung aber zumeist schon. Diese Norm basiert auf einer „Haltung der Freigiebigkeit“ (Haug & Weber 2003, Teil II, 14) bzw. der Erwartungshaltung, „wer bekommt, gibt auch“ oder umgekehrt der Haltung „wer nicht gibt, bekommt auch nicht“ (vgl. Haug & Weber 2003, Teil II, 14-15). Gerichtsprozesse gegen Tauschbörsen und ihre NutzerInnen Der Gerichtsprozess der Recording Industry Association of America (RIAA) gegen die erste populäre Tauschbörse Napster schafft es zwar, Napster über den rechtlichen Weg lahmzulegen, aber die Ausbreitung des Phänomens Musiktauschen ist ab dem Fall Napster nicht mehr zu stoppen. Zum Prozess von Napster sowie von weiteren gerichtlichen Verfahren gegen Tauschbörsen wie KaZaA und deren Konsequenzen liegen unzählige Analysen vor, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird. Ein Effekt dieses Gerichtsprozesses ist aber, dass Musiktauschen durch die Presse um den Napster-Gerichtsprozess erst recht massiv bekannt und populär wird. Im Sinne von Foucaults Annahme im Werk „Sexualität und Wahrheit“ (1991), dass Repression und damit Verbot und Bestrafung Diskurse befördern, führt das Verbot und die Gerichtsverfahren gegen Tauschbörsen und ihre NutzerInnen zu einer gesteigerten öffentlichen Aufmerksamkeit (unter anderem in Massenmedien und Internet-Foren).

309

310

311

Haug & Weber streichen hervor, dass bei der Studie von Adar und Hubmann methodische Probleme bestehen, die teilweises durch die Anonymität der NutzerInnen verursacht sind und die einer nicht präzisen Definition des Trittbrettfahrens resultieren (vgl. Haug & Weber 2003, Teil II, 5). Auch bei ihrer eigenen Studie bekennen Haug und Weber methodische Probleme: „Es wurden 4.340 Fragebögen ausgefüllt. Aufgrund der Stichprobenselektivität kann die Studie nur explorativen Charakter haben; für die Gewinnung erster Erkenntnisse über das Verhalten der Teilnehmer in Online-Tauschbörsen scheint dies jedoch eine angemessene Methode zu sein (Bandilla 1999, 18; Hauptmanns 1999, 37). Um die Ergebnisse der Hypothesentests in einer Replikation überprüfen zu können, müsste ein Zufallsstichproben-Design verwendet werden. Der Hauptvorteil der Online-Umfrage liegt jedoch darin, dass die schwer erreichbare Zielgruppe der MP3-User in bemerkenswert hoher Zahl erreicht wurde und Informationen über weitgehend unerforschtes Gebiet gewonnen werden konnten. Bisherige Untersuchungen über Internetnutzung beschränken sich zumeist auf die Teilnehmer in Diskussionsforen und Mailinglisten.“ (Haug & Weber 2003, Teil II, 7-8) Die AutorInnen merken zusätzlich an: „Inwiefern diese Angaben ehrlich sind, kann selbstverständlich nicht beurteilt werden“ (Haug & Weber 2003, Teil II, 9), ein Problem mit dem sich aber die meisten OnlineBefragungen auseinandersetzen müssen (da NutzerInnen anonym sind und der einzelne Computerzugang oft nicht mit Computerbesitz übereinstimmt, Mehrfach-Accounts durch eine Person angelegt werden können, etc.).

224

Durch diese öffentliche „Diskursivierung“ werden Tauschbörsen erst recht bekannt und finden zunehmend Massenverbreitung: “While few participated in file sharing prior to 1999 (the founding year of the now defunct Napster), there were more than three million simultaneous users sharing over a half a billion files on the most popular network (FastTrack/KaZaA) in 2003. Each week there are more than one billion downloads of music files alone. Participation in file sharing has also grown. Over 60 million Americans above the age of twelve have downloaded music (Ipsos-Reid, 2002b).” (Oberholzer & Strumpf 2004, 1)

Peer-to-Peer-File-Sharing wird also mithilfe der Gerichtsprozesse eine der populärsten und gängigsten Aktivitäten im Internet. Die Verfahren geraten aber auch zur Negativwerbung für die Tonträgerindustrie, weil sie die teilweise bestehenden Ressentiments gegen die Tonträgerindustrie von Seiten der eher liberal eingestellten Internet-Communities verstärken. Seit ca. 2003/2004 scheint sich aber durch die verschärfte Gangart der Recording Industry Association of America (RIAA) und der IFPI (bzw. der IFPI-Austria durch die „Aktion scharf“) das Blatt zu wenden. Eine Erhebung von Pew Internet & American Life von 2004

312

zeigt, dass die Kampagne der RIAA zwar auf mehreren Ebenen effektiv ist, aber trotzdem nur bedingt, weil es zugleich wieder zu einer Zunahme der Zahl amerikanischer File-SharerInnen insgesamt kommt. Laut dieser Pew-Umfrage gibt ein Drittel von ehemaligen Music-DownloaderInnen (immerhin beinahe 6 Mio. Internet-NutzerInnen) an, dass sie Downloading aufgrund der Gerichtsprozesse gegen File-SharerInnen durch die RIAA den Rücken gekehrt hätten. Speziell bekennen sich zu einem solchen Rückzug „typische Internet-NutzerInnen“, also männliche Internet-Nutzer, Online-NutzerInnen zwischen 18 und 29 Jahren und diejenigen mit Breitband-Internet-Zugang zu Hause. Auch unter den Internet-NutzerInnen, die nie Musik heruntergeladen haben, geben 60 % an, dass die RIAA-Gerichtsverfahren sie vom Downloading in der Zukunft abhalten würden. Insgesamt werden Frauen mit Internet-Zugang eher von den Gerichtsprozessen abgeschreckt als Männer (vgl. Pew Internet & American Life April 2004, 1-2). Aber die Zahl der DownloaderInnen, die weiterhin Music-Files herunterlädt, 313

nimmt seit Dezember 2003 laut dieser Untersuchung weiter zu.

Diese Untersuchung zeigt

zudem, dass von den aktiven Music-DownloaderInnen ca. ein Drittel Peer-to-Peer-Netzwerke und 24 % Email und Instant-Messaging zum Musikherunterladen verwenden. Weitere 20 % laden Files von „music-related Web sites“, etwa von Musikmagazinen oder MusikerInnen-

312

313

Pew Internet & American Life erhebt regelmäßige Daten zur Internet-Nutzung in Amerika (vgl. Pew Internet & American Life Project April 2004, July 2003, Sept. 2000). Zitat aus Pew-Studie: “In the most recent survey, we found that 18 % of Internet users said they download music files. That is a modest increase from the 14 % of Internet users who reported in a survey just before last Christmas that they downloaded music files online. But it is still considerably below the 29 % who said they had done this when we surveyed in the spring 2003. Among current music downloaders, 38 % say they are downloading less because of the RIAA suits.“ (Pew Internet & American Life April 2004, 4)

225

Homepages, herunter. 17 % der DownloaderInnen nutzen bereits kommerzielle Services wie iTunes, aber nur 7 % der Internet-NutzerInnen sagen, dass sie Musik aufgrund dieser neuen Services gekauft hätten (vgl. Pew Internet & American Life April 2004, 4). Eine britische Studie zu File-Sharing, die vom Internet-Anbieter Play Louder MSP (2005) 314

durchgeführt wurde, zeigt, dass 51 % der 843 Befragten

das Downloading, falls dieses legal

ist, über P2P-File-Sharing-Systeme gegenüber anderen Services bevorzugen. Hingegen bevorzugen nur 35 % den Kauf von Downloads über Online-Shops wie iTunes, MSN, oder Sony Connect und nur 14 % Music-Subscription-Services wie Napster (aktuell). Ein großer Anteil – 84 % der Befragten – gibt an, dass er bereit wäre, für File-Sharing zu bezahlen. 48 % sind einigermaßen und 46 % sehr daran interessiert, dass ihr Internet-Service-Provider im 315

Servicepaket eine legale File-Sharing-Plattform anbietet. 11.5.3

Music-Downloading und -Brennen in Deutschland

Die „Brennerstudie“ aus Deutschland Daten zur Entwicklung der Download-Reichweite und Brennerreichweite der Bevölkerung in Deutschland (von Deutschen ab dem Alter von 10 Jahren) liefert die „Brennerstudie“ des Gfk 316

Panel Services Consumer Research GmbH (2004)

(siehe auch Kap. 4). Die Situation in

Deutschland lässt sich zwar nicht 1:1 auf Österreich umlegen. Trotzdem kann von einer ähnlichen Entwicklung des Downloading- und Brennerverhaltens ausgegangen werden. Erstens weil es sich um einen relativ einheitlichen deutschen Tonträgermarkt handelt, in dem sich das Konsumverhalten durch Ähnlichkeiten des Sprach- und Kulturraumes darstellt. Zweitens hat IFPI Deutschland ähnliche Maßnahmen gegen Music-Downloading wie die IFPI Austria gesetzt. Die Download-Reichweite (siehe Abbildung 31 unten) ist laut dieser Studie viel niedriger als die Brennerreichweite (siehe Abbildung 32 unten).

314 315 316

Davon 566 aus dem Vereinigten Königreich. In Bezug auf Play Louder MSP (Juli 2005). In: Playloudermsp.com press-release 16.6.2005. Im Gegensatz zu den Daten der Statistik Austria zum Internet-Nutzungsverhalten (siehe oben), die auch Downloading von Musik einschließen, wird in der „Brennerstudie“ nicht der Anteil der Internet-NutzerInnen, sondern die Reichweite (von Downloading und Brennen) der deutschen Bevölkerung erhoben. Dies ergibt ein ganzheitlicheres Bild über das Verhalten deutscher KonsumentInnen als die oben gezeigten Daten von Internet-NutzerInnen in Österreich.

226

Abbildung 31: Music-Download-Reichweite in Deutschland 2002-2003

Music-Download-Reichweite in Deutschland 2000-2003 Wurden Musiktitel aus dem Internet heruntergeladen? in % auf Basis 63,6 Mio. priv. Deutsche ab 10 Jahren

0,9 1,4 2

50 Jahre und älter

3,6 5,9 6,7

40-49 Jahre

10,1 11,3 8,6 8,9

30-39 Jahre

14,3

16,2 16,3

20,9

20-29 Jahre

13,7

10-19 Jahre

3,4 4,7

9,7 10,9

6,4 7,7

0

5

13,3

16

10,1 11,5 10

2001 2003

16,1 15,8

7 7,4

Männer

Gesamt

2000 28,1

2002

10,3

Frauen

25,9

15

20

Quelle: Gfk Panel Services Consumer Research GmbH (2004): Brennerstudie. www.ifpi.de/news/379/brennerstudie2004.pdf (10. 11.2004)

25

30

227

Abbildung 32: Brenner-Reichweite von Musik in Deutschland 2001-2003

Brenner-Reichweite von Musik in Deutschland 2001-2003 Wurden CD-Rohlinge mit Musik bespielt (gebrannt)? in % auf Basis 63,6 Mio. priv. Deutsche ab 10 Jahren

9 12,9 13,8

50 Jahre und älter

29,7 40,6 38,2

40-49 Jahre

37,4 52,4 48,2

30-39 Jahre

2001

52 62,8

20-29 Jahre

2002

58,1

2003

39,1 54,4

10-19 Jahre 49,9 25 33,9

Frauen 29,3 29,2

37,3 38

Männer

27 35,6 33,6

Gesamt

0

10

20

30

40

50

60

70

Quelle: Gfk Panel Services Consumer Research GmbH (2004): Brennerstudie. www.ifpi.de/news/379/brennerstudie2004.pdf (10.11.2004)

2003 beträgt die gesamte Download-Reichweite 11,5 % (2002: 10,1 %), während die Brenner-Reichweite 3,6 % ausmacht. Die Download-Reichweite nimmt zwischen 2000 und 2003 (auf niedrigerem Level) zu: Sind es im Jahr 2000 noch 6,4 % der Deutschen, die Musik vom Internet herunter laden, so sind es 2003 bereits 11,5 %, um 5,1 %-Punkte mehr als 2003. Beim Brennen von Musik kommt es 2003 nach einer Zunahme zwischen 2001 und 2002 um 8,6 %-Punkte (von 27 % auf 35,6 %) und zwischen 2003 zu einer geringfügigen Abnahme von 2 %-Punkten bzw. einem Rückfall auf 33,6 %. Hier zeigt sich kein unmittelbarer Zu-

228

sammenhang zwischen Herunterladen von Musik vom Internet und Brennen von Musik auf CD/DVD-Rohlinge (siehe Abbildung 31 und Abbildung 32 oben). Aus dem Vergleich der Daten über das Downloading- und Brennerverhalten in Deutschland ergibt sich zudem folgendes Bild für die Altersgruppen: -

Die 20-29-jährigen stellten die stärkste Altersgruppe sowohl hinsichtlich MusicDownloading als auch Musik-Brennen dar. Music-Downloading steigt in dieser Altersgruppe zwischen 2000 und 2003 von 16,3 % auf 28,1 % (um 11,8 %-Punkte). Brennen von Musik wächst zwischen 2001 und 2002 von 52 % auf 62,8 % (um 12,8 %-Punkte), fällt dann aber 2003 (um 4,7 %-Punkte) auf 58,1 %. Daher werden im Jahr 2003 von den 20-29-jährigen um 30 %-Punkte mehr Musik gebrannt als Musik heruntergeladen wird.

-

Unerwartet ist das Ergebnis, dass sich die jüngste Altersgruppe der 10-19-jährigen und die Gruppe der 30-39-jährigen sowohl in ihrem Downloading als auch in ihrem Brennerverhalten ähnlich sind. 2000 laden 10,3 % der 10-19-jährigen und 8,6 % der 30-39317

jährigen und 2003 15,8 % der 10-19-jährigen

und 16,2 % der 30-39-jährigen Musik

vom Internet herunter. Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Gruppe der 30-39-jährigen beim Downloading um 0,4 %-Punkte höher liegt als der Anteil der jüngeren Gruppe. Das Brennen von Musiktiteln klettert zwischen 2001 und 2003 bei den 10-29jährigen von 39,1 % auf 54,4 % (um 15,3 %-Punkte). 2003 fällt der Wert (um 4,5 %Punkte) auf 49,9 % zurück. Bei den 30-39-jährigen wächst die Brennerreichweite zwischen 2001 und 2002 (um 15,4 %-Punkte) von 37,4 % auf 52,8 % an, pendelt sich dann 2003 auf 48,2 % (um 4,6 %-Punkte) wieder ein. Die 10-19-jährigen liegen also 2003 nur um 1,7 %-Punkte vor den 30-39-jährigen.

318

Die Kategorie Geschlecht zeigt eindeutig, dass mehr Männer als Frauen Musik vom Internet sowohl downloaden als auch brennen. 16 % der Männer ab 10 Jahren aber nur 7,7 % Frauen ab 10 Jahren laden 2003 Musiktitel vom Netz. Außerdem brennen 2003 38 % Männer und nur 29,3 % (um 8,7 %-Punkte weniger) Frauen Musik. 2002 brennen noch 37,3 % der Männer und 33,9 % der Frauen Musik. Das bedeutet, dass die Einbrüche zwischen 2002 und 2003 insbesondere durch den Rückgang (um 4,6 %-Punkte) des Brennens bei Frauen zustande kommen. Männer verzeichnen sogar eine marginale Zunahme von 0,7 %-Punkten. Dieses Ergebnis stimmt mit anderen Studien überein (bzw. sind sie auch durch die Ergebnissen der

317

318

Die 10-19-jährigen sind die einzigen, die einen leichten Rückgang um -0,3 % seit 2002 von 16,1 auf 15,8 % verzeichnen. Sollte die obige Annahme stimmen, dass Unterschiede in der Intensität von Music-Downloading und -Brennen mit verschiedenen Lebensphasen zusammenhängen, fiele das maximale Level (von Brennen und Downloading) nicht in die Phase der Schulzeit, sondern in die Phase von Studium/Ausbildung bis zum Einstieg in die Erwerbsarbeit und Familiengründung, in der dann die Intensität nachlässt (siehe auch oben).

229

älteren Internet-User von oben zu ergänzen) wonach: “females, older individuals, and individuals with ethical predisposition towards legal justice tend to pirate less“ (Gopal, Bhattarcharjee & Sanders 2004, 6). Die deutschen Daten zeigen keinen unmittelbareren Zusammenhang zwischen Gratis-Downloads und Brennen. Eine Online-Studie von Friedrichsen, Gerloff, Grusche und van Damm (2004) über das Nutz- und Kaufverhalten von MusikkonsumentInnen zeigt, dass, wenn ein Zusammenhang zwischen Music-Downloads und Brennen besteht, dieser nur gering ist (siehe unten). Gebrannt werden CDs zumeist, um Kopien von gekauften CDs zu erstellen. Dies zeigt einen sehr „traditionellen“ Kopier- und Distributionsvorgang, der dem Kopieren von Musik auf Leerkassetten ähnlich ist (mit dem Unterschied, dass es bei CD/DVD-Rohlinge kaum zu einem Qualitätsverlust kommt). Der große Unterschied zwischen Nutzung von Music-Downloads und CD/DVD-Rs liegt nach Haug und Weber (2003, Teil II, 2) darin, dass die bespielten CD/DVD-Rohlinge (ähnlich wie die mit Musik bespielten/kopierten Leerkassetten) vor allem „im Freundeskreis Verbreitung“ finden, während Music-Downloads in Tauschbörsen „vor allem und im großen Stil unter Fremden getauscht“ (2) werden. 11.5.4

Musikbrennen in Österreich

Wie bereits in Kapitel 4 dargestellt wurde, zeigen Daten der IFPI Austria, dass im Jahr 2002 die Zahl der Musik-CDs/-DVD-Rohlinge mit 24 Mio. Stück zum ersten Mal die Zahl der gekauften Musik-CDs/-DVDs (18,9 Millionen Stück) mit 5,1 Mio. Stück weit überschreitet. 2003 pendelt sich der Absatz der Musik-CD/DVD-Rohlinge zwar wieder auf 18,8 Mio. Stück im Verhältnis zu den verkauften Musik-CDs/DVDs mit 18,6 Mio. ein, aber die MusikCD/DVD-Rohlinge bleiben mit 0,2 Mio. in der Mehrzahl. Außerdem steigt der Absatz von Musik-CD/DVD-Rohlingen 2004 auf 19,5 % Mio. Stück an und liegt damit um 2 Mio. Stück höher als der Absatz von Musik-CDs/DVDs, der auf 17,5 Mio. Stück fällt. Musik wird am meisten von allen Inhaltssorten gebrannt. Durch diese Daten kann aber nicht der Zusammenhang zwischen Downloading und Brennen gezeigt werden, weil Daten zum Downloading fehlen.

230

11.5.5

Motive für unautorisiertes Free-Downloading und Musiktauschen: Download als Substitut oder Stimulat eines CD-Kaufs?

Friedrichsen, Gerloff, Grusche & van Damm fanden in ihrer Studie (2004) fünf hauptsächliche Motive von Free-MP3-Downloads:

319

1. „Entdecken neuer Bands“ 74 % (davon 52 % „voll zutreffend“, 22 % „zutreffend). 2. „Reinhören in CDs“ 71 % (davon 43 % „voll zutreffend“, 28 % „zutreffend). 3. „Ergänzung der CD-Sammlung“ 44 % (davon 23 % „voll zutreffend“, 21 % „zutreffend). 4. „Brennen von Mix-CDs“ 30 % (davon 23 % „voll zutreffend“, 17 % „zutreffend). 5. „Geld sparen“ 30 % (davon 17 % „voll zu treffend“, 13 % „zutreffend“) (vgl. 102). Folglich ist der direkte Zusammenhang zwischen Music-Downloading und Brennen nur bei Punkt 4 „Brennen von Mix-CDs“ (30 %) vorhanden sowie das Substituieren eines Kaufs durch den Punkt 5 „Geld sparen“ (30 %). Die ersten beiden Motive von Gratis-Downloads „Entdecken neuer Bands“ (74 %) und „Reinhören in CDs“ (71 %) verstärken die Annahme, „dass MP3-Downloads oftmals vor allem der Selektion von Musik dienen“ (Friedrichsen, Gerloff, Grusche & van Damm 2004, 101) und damit zum Music-Sampling und zum „Testen“ verwendet wird. Die von der Musikindustrie oft vertretene Annahme, Music-DownloaderInnen würden v.a. gratis herunterladen, um sich CD-Käufe zu ersparen, trifft als Motiv von den Motiven der Studie von Friedrichsen, Gerloff, Grusche und van Damm (2004) am geringsten zu, aber trotzdem immer noch auf 30 % der Online Stichprobe (17 % „voll zutreffend“ und 13 % „zutreffend“). Auch relativ bedeutsam ist das Motiv der „Ergänzung der eigenen CDSammlung“ mit 44 % (23 % „voll zutreffend“, 21 % „zutreffend“): „der Wunsch, mit mp3s die eigene Liedersammlung weiter auszubauen, ist zwar offensichtlich vorhanden, aber scheint doch nicht so stark ausgeprägt zu sein [...] Die ‚Durchschnittsnote’, die von allen mp3-Nutzern vergeben wurde, liegt bei 3,12, also kein allzu starker Wert.“ (103) Laut einer Untersuchung von Gopal, Bhattacharjee & Sanders (2004) bestehen für die KonsumentInnen im Wesentlichen drei Möglichkeiten, mit einem heruntergeladenen Song zu verfahren: “buy a legitimate version of the song, keep the illegal copy (this constitutes piracy), or discard the downloaded song“ (2004, 12). Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass

319

Das Sample der Studie von Friedrichsen, Gerloff, Grusche & von Damm (2004), mit dem eine Online Fragebogenerhebung, v.a. in Kooperation mit dem Internet-MP3-Magazin Tonspion über einen Link plaziert auf dessen Plattform sowie über Emails durchgeführt wurde, zeigt folgende demografische Merkmale: Geschlecht: 79 % männlich, 21 % weiblich, 79 % männlich (88); Alter: bis 14 Jahre: bis zu 1 %, 15-19: 19 %, 20-24: 35 %, 25-29: 24 %, 30-34: 13 %, 35 und älter: 9 % (89), Beruf/Ausbildung: Berufstätige: 33 %, Student/Auszubildende: 46 %, Schüler; 17 %, andere: 4 % (90), hauptsächlich genutzter Internet-Zugang: DSL/LAN: 62 %, ISDN: 20 %, Modem: 18 % (90).

231

Music-Downloads von so genannten Superstars wahrscheinlicher Piratkopien darstellen als die Music-Downloads von relativ unbekannten MusikerInnen (vgl. 2004, 22). Piraterie oder Nicht-Piraterie gehen demnach mit dem geschätzten Wert der Musik (der bei Musik der „Nicht-Superstars“ höher zu liegen scheint) durch die KonsumentInnen einher: “For higher valued songs, online search and sampling capabilities have beneficial impacts on sales. Lower valued music items are pirated more than higher valued items, ceteris paribus, and consequently sales of those suffer. [...] Hence online music sharing technologies tend to threaten some superstars and favor other lesser known artists.” (Gopal, Bhattacharjee und Sanders 2004, 37-38)

Das Gegenteil zeigen Ergebnisse einer Studie von Oberholzer (Harvard Business School) und Strumpf (UNC Chapel Hill) von 2004 an, nämlich, dass File-Sharing einen positiven Effekt auf bereits gut verkaufte bzw. erfolgreiche CDs hat: For these [already good selling] albums, we find that the impact of file sharing on sales is likely to be positive, leaving the ability of major labels to promote and develop talent intact. Our estimates indicate that less popular artists who sell few albums are most likely to be negatively affected by file sharing (Note, however, that even for this group the estimated effect is statistically insignificant).” (Oberholzer & Strumpf 2004, 24-25)

Diese positive Auswirkung auf bereits erfolgreich verkaufte Alben fällt aber gering aus: “We find that file sharing has no statistically significant effect on purchase of the average album in our sample.“ (Oberholzer & Strumpf 2004, 24) Das bedeutet, dass File-Sharing sowohl einen (geringfügig) positiven Effekt auf den Ver-/Kauf von Alben so genannter Superstars als auch einen (geringfügig) negativen Effekt auf Ver-/Kauf von Alben wenig(er) populärer KünstlerInnen hat (vgl. 25). Aber selbst wenn MP3-Downloads zu einem negativen Effekt auf die finanzielle Kompensation (und damit auf Einnahmen) nicht so populärer MusikerInnen führen, ist für die Studienautoren nicht offensichtlich, dass damit auch ein negativer Effekt auf Musikproduktion gegeben ist. MusikerInnen produzieren meistens trotz fehlender finanzieller Kompensation. Gleichzeitig resultiert Peer-to-Peer-File-Sharing aber in mehr Konsumption von Musik (vgl. Oberholzer & Strumpf 2004, 25). In einer weiteren Studie vom Jahr 2004 von der Technischen Universität Freiburg gibt „mehr als ein Drittel der Befragten […] an, jetzt mehr Künstler und Gruppen zu kennen“. Diese Studie zeigt eine CD-Kauf-Stimulierung aufgrund von Downloading: „mehr als die Hälfte der User kauften seit Nutzung von Tauschbörsen mehr Alben als zuvor, nur ca. 13 % der Befragten weniger“ (Sound & Media No. 3 (April 2004), 22). Die Studie von Friedrichsen, Gerloff, Grusche & von Damm (2004) (siehe oben) hingegen zeigt, dass sich „[...] die Anzahl der gekauften CDs bei den Befragten durch den Download von mp3s anscheinend nicht dramatisch verringert. Insgesamt 69 Prozent der Befragten, die mp3s herunterladen, gaben an,

232

zumindest gleich viele (50 Prozent) oder sogar mehr (19 Prozent) CDs zu kaufen, seitdem sie mp3s aus dem Internet herunterladen. Allerdings kauft auch ein Viertel (25 %) der Befragten weniger CDs, 6 Prozent kaufen gar keine CDs mehr.“ (96)

Dabei besteht aber eine wichtige Ausnahme, nämlich die Gruppe der extremen MP3-DownloaderInnen „mit über 100 mp3s im letzten Monat“ (mit hohem Anteil junger Musikkonsu320

mentInnen),

die auffällige Veränderungen ihres Kaufverhaltens aufweist:

„Extremes Downloadverhalten führt zu starken Veränderungen des CD-Kaufverhaltens, allerdings kann dabei auch durchaus eine Stimulierung festgestellt werden. 24 Prozent der Nutzer, die sich fast täglich mp3-Dateien im Internet besorgen, haben sich dadurch auch zu CD-Käufen anregen lassen. Bei Nutzern, die ‚seltener’ Songs aus dem Netz auf ihren Rechner laden, liegt der Anteil nur bei 14 Prozent. Demgegenüber steht die Tatsache, dass schon 14 Prozent der Intensivnutzer mit täglichen Downloads inzwischen gar keine CDs mehr kaufen, während bei den zurückhaltenden DownloadNutzern das fast niemand angab.“ (97-98)

Diese extremen DownloaderInnen stellen also noch immer die IntensivmusikkäuferInnen dar: „Den höchsten Intensivkäufer-Anteil weist nämlich mit 62 Prozent die Gruppe derjenigen auf, die angegeben hatten, sie würden mehrmals wöchentlich mp3s aus dem Internet herunterladen.“ (Friedrichsen, Gerloff, Grusche und von Damm 2004, 99) Intensiv-DownloaderInnen kaufen also nach wie vor viel Musik, wenn auch etwas weniger als früher. Dieses Ergebnis wird wiederum von einer aktuelleren britischen Studie vom Musikforschungsunternehmen Leading Question (2005) untermauert, die besagt „dass illegale Filesharer auch diejenigen sind, die am meisten Geld für legale Downloads ausgeben. Sie investieren viereinhalb Mal mehr in legale Files als der durchschnittliche Konsument.“ 11.5.6

321

Resümee Peer-to-Peer-Filesharing

Es kann durch die vorliegenden Forschungsergebnisse gezeigt werden, dass Peer-to-PeerFile-Sharing etliche positive Effekte auf Musikkonsum und Musikkauf hat, Effekte (wie PR und Kaufstimulierung), die sich nicht auf Kaufsubstitution reduzieren lassen, auch wenn letzteres – zu einem gewissen Grad – zutrifft. Das Internet lässt sich nicht wie ein traditionelles Massenmedien kontrollieren, weil mit seiner Hilfe EmpfängerInnen zu SenderInnen werden können. Daher ist im Internet und in Tauschbörsen insbesondere keine nachhaltige Regulierung durch Defensivkontrolle (weder durch DRM noch durch Gerichtsprozesse) zu

320

321

78 Prozent aller Propanden der Studie von Friedrichsen, Gerloff, Grusche & von Damm (2004) waren unter 30 Jahre alt. Die größte Gruppe der Befragten, 35 %, war zwischen 20 und 24 Jahre alt. Außerdem waren 46 % der Propanden StudentInnen bzw. Auszubildende, 33 % Berufstätige und 17 % SchülerInnen (vgl. 8889). derStandard.at 27.7.2005.

233

erreichen, weil digitale Schlüssel immer auch zum Öffnen verwendet werden und sich das Gesetz auch ignorieren lässt. Selbst wenn einige Tauschbörsen aufgrund von Gerichtsverfahren gezwungen werden, zu schließen, oder einzelne NutzerInnen bestraft werden, wird das Phänomen Musiktauschen auf legalem oder illegalem Weg weiterbestehen. Aufgrund der Negativwerbung, die die Gerichtsprozesse der Tonträgerindustrie bescher(t)en bei weiterem Anstieg von Tauschbörsennutzung, muss die Kriminalisierung von Tauschbörsen und deren NutzerInnen als eher kontraproduktiv qualifiziert werden. Die Legalisierung von Tauschbörsen wäre sinnvoll. Dazu müssten aber alle involvierten AkteurInnen, die Musikindustrie, TauschbörsenbetreiberInnen und GesetzesgeberInnen, an einem Strang ziehen. Die Legalisierung sowie die Kooperationen zwischen Plattenlabels und anderen AkteurInnen der Musikindustrie wie Medien, Vertriebe und Handel einerseits und Musiktauschbörsen andererseits, könnten die kommerzielle Verwertung von Tauschbörsen und folglich die Entwicklung von neuen Vertriebsmodellen sowie Musik-Promotion- und Marktforschungs-Tools befördern.

235

12

Musik im Internet

12.1 Das Internet – eine “disruptive Technology“ Nach der Computerrevolution ist das Internet zurzeit der Faktor, der den Betrieb der Tonträgerindustrie verändert. Die oft als „Revolution“ bezeichnete Entwicklung ist aber, wie der Begriff der digitalen Mediamorphose andeutet, vielmehr Transformation als ein sprunghafter Wechsel vom Tonträgermodell in ein virtuelles, digitales Paradigma. Fidler (1997) nennt diesen Aspekt einer Mediamorphose „verzögerte Annahme“, demnach werden neue Medien und Medienunternehmen erst nach einer längeren Zeitspanne kommerziell erfolgreich und von einer breiten Masse angenommen als ursprünglich erwartet wurde. Vor dem Hintergrund der Veränderungen der Medien- und Musikwirtschaft zeichnet sich derzeit die Krise des physischen Tonträgers CD ab, deren Ursache nicht allein im Internet und seiner Nutzung zu finden ist, sondern auch in überholten Strukturen der Tonträgerindustrie (siehe Kap. 4, 7, 8 und 10). Der Vorläufer des Internets – das ARPANET – wird in den 1960er Jahren in den USA aus militärischen Überlegungen entwickelt, um im Kriegsfall Daten so störungsfrei wie möglich über weite Distanzen senden und empfangen zu können. Seine Erfinder sind Ingenieure der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T (vgl. Fidler 1997, 75-76). Mit der Erfindung des World Wide Web, einer nutzerfreundlichen grafischen Netbrowser-Nutzeroberfläche in den 90er Jahren durch Tim Berners Lee sowie der Liberalisierung der staatlichen Telekommunikationssysteme wird das Internet vom Elitemedium (zuerst von Militär, dann von Universitäten) nach und nach zu einer Art Massenmedium (wenn auch keines in der Art wie die „alten“ Massenmedien Fernsehen und Radio) (siehe Kap. 1). Ursprünglich ist das Internet nicht als Breitbandnetz zum Übertragen riesiger Datenmengen konzipiert. Eine Methode, Breitbandengpässe technisch zu lösen, besteht in Datenkompression unter anderem mit dem Format MP3 (siehe Kap. 11). Datenkompression löst Breitbandbegrenzungen aber nicht hinreichend, weil das Internet durch zunehmende Zugänglichkeit und Kommerzialisierung immer größere Datenmengen zu bewältigen hat. Das Internet stellt einen Hybrid der drei Domains Interpersoneller, Broadcast und Document Domain, die Fidler (1997) beschreibt, dar. Die Interaktivität liegt als wesentliches Merkmal quer zu den Domains, ist „das Zugleich von Mobilität, Echtzeit und Personalisierung“ (Schanze 2004, 72). Diese drei Aspekte implizieren eine Entbindung von Raum und Zeit und eine Individualisierung der NutzerInnen. Eine weitere zentrale Eigenschaft des Internets stellt Multimedialität dar. Die Orientierung am Bildschirm des PCs oder Laptops impliziert die Konzentration auf den grafischen Bereich und den visuellen Sinn (siehe Kap. 1 und 11).

236

Das Internet ist im Kontext wachsender Breitband-Internet-Zugänge nicht mehr allein Informations- und Kommunikations-, sondern auch Distributions- und Transaktionsmedium. Auf allen drei Ebenen dient es als Unterhaltungsmedium, wobei die Grenze zwischen Information und Unterhaltung eine durchlässige ist. Das entscheidende Moment für das Veränderungspotenzial des Internets liegt darin, dass im Internet „[d]er Konsument [...] in Form von Internetforen und Weblogs selbst längst der Sender“ (Renner 2004, 215) geworden ist. Somit werden die Rollen der AkteurInnen der Musikindustrie im Netz durchlässiger und uneindeutiger (siehe Kap 11). Dies führt zu neuen und vielfältigen Netzwerken und Kooperationen (auch wenn diese – mediumbedingt – häufig lose sind). Darunter fallen Kontakte rein virtueller Art, die ausschließlich anonymer Art sein können, wie in öffentlichen oder quasi-öffentlichen virtuellen Räumen (z.B. Tauschbörsen oder Chat). Das Internet führt somit zur Potenzierung von Handlungsoptionen, aber auch zu neuen Zwängen. Die AkteurInnen müssen sich durch die Vervielfachung des Möglichen geplanter und gezielter informieren und kommunizieren, weil sonst die Gefahr der Überforderung besteht. 322

Das Internet stellt eine “disruptive Technology“

mit potenziell subversivem Charakter dar,

die alte Regime stören kann. Indem durch das Internet die Dichotomie von SenderInnen und EmpfängerInnen aufgehoben wird, erlaubt es ein massives “Music-Exposure“ und damit Musikpromotion (siehe Kap. 4). Als Informations- und Kommunikationsmedium kann seine Nutzung ein Gegengewicht zu hohen Marketingbudgets darstellen. In der Popmusikindustrie wurden und werden vor allem so genannte Superstars durch hohe Summen für Marketing auf323

gebaut. Einfacher und günstiger Zugang zu Information schafft dazu ein Gegengewicht.

Damit fallen auch Zugangsbarrieren zum Markt und es eröffnen sich neue Promotions- und Vertriebspotenziale für Musikschaffende und Labels, die bisher wenig Möglichkeiten hatten, ihre Musik einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren (Kap. 7, 8, u. 10). Durch gezielten Einsatz kann das Internet die Arbeit von AkteurInnen in Musiknischen unterstützen. Damit beschleunigt es auch die Segmentierung des Musikmarktes in Nischen. Diese stellt eine Folge der Expansion des Massenmarktes dar (auch weil Nischen neue „Marktterritorien“ darstellen), zugleich steht sie aber im Widerspruch zum Massenmarkt, weil Nischenmärkte eigene Wissensbestände, Geschmackstile und Kulturen, die sich oft in Opposition zum kommerziellen Massenmarkt bzw. so genannten “Mainstream“ befinden, pflegen. KonsumentInnen sind durch das erhöhte Angebot von Musik/-stilen und Musikmedien gezwungen, selektiver auszuwählen. Dabei spielt Zeit und Aufmerksamkeit (sowie Alter) eine wichtige Funktion. Musikkonsum verändert sich also als Folge der Nutzung digitaler Musikmedien

322

323

Der Begriff „disruptive technology“ stammt von Clayton M. Christensen (2003) zitiert in Interview mit Rantasa/mica. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Rantasa/mica.

237

und -kanäle (siehe Kap. 11), zugleich verschwindet aber nicht die konsumierende Masse, auch wenn sich diese weiter in Nischen differenziert und als Masse weniger greifbar wird. Für Nischen bieten sich durch das Internet gegenüber so genannter „Mainstream“-Popmusik Vorteile. Die eigene Community kann via Internet relativ leicht erreicht werden. Zum Beispiel wissen die MusikerInnen und Labels der Wiener elektronischen Musikszene Mitte der 90er Jahre, das Internet als Promotions- und Distributionsmittel für sich zu nutzen. Wiener elektronische Musik muss anfänglich über internationale Medien Umwege (über das Internet) beschreiten, um von den heimischen Medien Aufmerksamkeit zu erhalten (siehe Kap 10). Außerdem sind die Musikschaffenden und Labels gezwungen, ihre eigenen Plattformen zu gründen, weil ihre Musik sonst niemand promotet und vertreibt. Aber selbst wenn das Internet hilft, Marktbarrieren für Musiknischen abzubauen, bleibt es schwer, sich allein über das Medium Internet einen Namen und Markt aufzubauen. Für Promotion muss nach wie vor der Weg über die Massenmedien gegangen werden, die in Österreich mit wenigen Ausnahmen gegenüber neuen Musikströmungen kaum aufgeschlossen sind. Zugleich verschiebt sich aber das Verhältnis zwischen traditionellen und virtuellen Medien zu Gunsten des Internets. Die flache Struktur des Netzes impliziert aber auch die Gefahr der Informations- und Kommunikationsüberflutung. Somit besteht das Risiko, dass Zeit, Aufmerksamkeit und Kosten zum Suchen zunehmen. Sobald aber die suchenden Personen, die Zugang zum Internet haben, ihre Musik-Internet-Stationen kennen, ist das Zeit- und Kostenproblem reduziert. Die „Musikinflation“ im Internet intendiert zudem auch positive Effekte. Auf Seiten der Musikschaffenden und Labels kann sie zur Professionalisierung und Qualitätssteigerung der Musik sowie des Webauftrittes führen, auf Seiten der KonsumentInnen kann sie eine Zunahme an Wissen und ein bewussteres Auswahlverhalten bewirken. Somit werden im potenziellen Informationschaos vor allem jene Internet-„Stationen“ von KonsumentInnen goutiert, denen “Credibility“

aufgrund

ihres

Angebots

von

qualitativ-hochwertiger

Musik

und

nutzerfreundlicher Services (siehe Kap 8) zugestanden wird sowie solche, bei denen Fans eine Verbindung zu den MusikerInnen herstellen können. Bereits bekannte Namen haben es dabei leichter, während jene Namen, die erst eingeführt werden müssen, über das Internet allein eher eine geringe Chance erhalten, bekannt zu werden. Auch besteht im Internet ein höheres Maß an Wettbewerb zwischen den „Web-Stationen“, weil immer mehr Musik im Netz präsentiert wird, und maximale Vergleichbarkeit für KonsumentInnen vorhanden ist. Ein Fallen von Marktbarrieren durch die Nutzung des Internets und somit Marktmachtverlust von traditionellen AkteurInnen ist nur teilweise zu beobachten. Am meisten von “Disintermediation“ durch neue Online-Music-Angeboten betroffen ist derzeit der traditionelle Musikvertrieb und -handel. Andererseits zeigt das Beispiel iTunes, dass es einem glaubwürdigen Akteur abseits der Musikindustrie – Apple – gelingen kann, die Musik aller Major Labels in

238

s/einem Katalog zu vereinen und so den Online-Handel zu beleben und zu beschleunigen (siehe Kap. 8). 12.2 Daten zu Musik im Internet in Österreich Das SR-Archiv für Popularmusik erhebt im Februar 2000 und Juni 2002 eine quantitative Studie zu „Musik & Internet in Österreich“ (zitiert in Mediatime 2002). Aufgrund dieser Daten (einer Fragebogenerhebung) lassen sich Veränderungen im Zeitraum von 28 Monaten bei MusikerInnen und Bands, Labels und VeranstalterInnen im Internet erkennen. Abbildung 33 (unten) veranschaulicht, dass die Präsenz der AkteurInnengruppen, MusikerInnen & Bands, Labels und VeranstalterInnen, im Internet innerhalb des besagten Zeitraums stark zunimmt: Abbildung 33: Österreichische Popularmusik im Internet Feb. 2000 und Jun. 2002

Österreichische Popularmusik im Internet 2000-2002

118

Veranstalter

40

223

Labels

2002 2000

43

1218

MusikerInnen und Bands

270 0

200

400

600

800

1000

1200

1400

Quelle: SR Archiv für Popularmusik (2002: Musik & Internet in Österreich. Februar 2000 und Juni 2002. zitiert In: Mediatime 2002, 40, 43, 45, zusammenfassend zitiert in: Kulturdokumentation, Mediacult, Wifo 2004, 197.

Demnach steigt im Zeitraum 2000-2002 die Anzahl der im Web präsenten KünstlerInnen von 270 auf 1218 um 195 %, die Anzahl der Labels von 43 auf 223 um 180 bzw. 418,6 % sowie die Veranstalter von 40 auf 118 um 78 bzw. 351 % (siehe Abbildung 33 oben). Tabelle 15 (unten) zeigt aufgrund der Achsen Information, Kommunikation, Distribution/Transaktion und Promotion zwecks Umwegrentabilitat (bzw. „Entertainment“), welche Inhalte im Internet von KünstlerInnen, Labels und VeranstalterInnen im Februar 2000 und Juni 2002 (aufgrund der Studie des SR-Archivs 2000/2002) angeboten werden (siehe auch Abbildung 34 (KünstlerInnen), Abbildung 35 (Labels) und Abbildung 36 (VeranstalterInnen) unten).

239

Tabelle 15: Art der Präsenz von österreichischen KünstlerInnen, Labels und VeranstalterInnen im Netz Information u. Services KünstlerInnen Band/MusikerInnengeschichte Booking-Adresse Konzertankündigung Newsrubrik Mehrsprachig Pressespiegel Newsletter versenden Linkpage Labels Labelkatalog Bilder v. KünstlerInnen u/o Cover Mehrsprachig Band/MusikerInnengeschichte Linkpage präsentieren Bandinfos Infos über Auftritte Info über Label selbst Newsrubriken KünstlerInnensuche nach Kategorien Pressespiegel Suchmaschine auf Homepage offerieren Jobangebote VeranstalterInnen Aktuelle Termine Ausreiserouten u. öffentl. Anbindung Linkpage Künstlerinfo zu Veranstaltungen Photos v. KünstlerInnen Mailing-Listen

Kommunikation

Distrib./Transaktion Promot.-Umwegrent./Entertain.

Guestbook Fanclub Chatroom Newsletter versenden

Mailorder

Hörbeispiele (WAV, MP3 o. Real Audio) Videoclips Songtexte Sponsor u/o Banner-Exchanges

Guestbook Möglk., Bands zu buchen Chat-Room Fanclub

Mailorder

Hörbeispiele (WAV, MP3 o. Real Audio) Gewinnspiele, Geschenke Songtexte Videofiles Sponsor u/o Banner-Exchanges

Mailing-Listen

Reservierungssystem auf Emailbasis Online-Ticketservice

Hörbeispiele (WAV, MP3 o. Real Audio)

Quelle: SR Archiv für Popularmusik (2002: Musik & Internet in Österreich. Februar 2000 und Juni 2002. zitiert in: Mediatime 2002, 40, 43, 45. Diese Tabelle wurde aufgrund der Ergebnisse der Studie (zu KünstlerInnen, Labels und VeranstalterInnen) erstellt.

Bei der Auswertung dieser Inhalte (Tabelle 15 oben) offenbart sich in der Anzahl der Angebote ein klarer Überhang des Internets als Informations- und Servicemedium sowie als Kommunikationsmedium. Als Distributions- und Transaktionsmedium steht die Internet-Nutzung zwischen erst in ihren Anfängen. Zusätzlich werden Inhalte als Promotion zwecks Umwegrentabilität zur Verfügung gestellt: wie Hörbeispiele (in MP3-, Real-Audio, WAV-Format) und manchmal auch Videoclips und Songtexte.

240

Abbildung 34: Österreichische KünstlerInnen im Internet 2000/2002

Österreichische KünstlerInnen im Internet 2000/2002 in %

Chatroom

12

1

Newsletter versenden

32

3,5

Fanclub

3,5

Videoclips

5

Sponsoren u/o Banner-Exchanges

15 16 26

8

Songtexte

27

12 6

Hörbeispiele in WAV - Format

12

Pressespiegel

44

22

Guestbook

23,5

Counter/Zählmaschinen

23,5

Homepage auf Gratis-Servern

23,5 20

Mailorder

95 30

25 23

Mehrsprachig

92

30

Linkpage

81

40

Newsrubrik

79

42

Hörbeispiele in MP3 - Format

63

42 13

Hörbeispiele in Real Audio -Format

47

Hörbeispiel (Summe)

68

50

Konzertankündigung

89

52

Booking-Adresse

89

62

Band/Musikergeschichte

94

65 0

10

20

30

40

50

60 2000

70

80

90

100

2002

Quelle: SR-Archiv für Popularmusik (2000, 2002): Musik & Internet in Österreich. Februar 2000 und Juni 2002. Zitiert in: Mediatime 2002, 40.

241

Abbildung 35: Österreichische Musiklabels im Internet 2000/2002

Österreichisches Musiklabels im Internet 2000/2002 in %

Videofiles

17

2,3

Fanclub

2,3

offerieren Jobangebote

2,3

Chat-Room

2,3

Songtexte

14 13 13 22

2,3

Gewinnspiele, Geschenke

26

7

Sponsoren u/o Banner-Exchanges

7

Möglichkeit Bands zu buchen

13 35

7

Suchmaschine auf Homepage

22

7

Hörbeispiele in WAV - Format

13

7

52

Pressespiegel

18,6

Guestbook

48

21 39

Künstlersuche nach Kategorien

25,5 28 26 28

9

Mailorder ohne Angabe d. Bezahlungsform Mailorder per Kreditkarten Hörbeispiele in MP3 - Format

69

31

News-Rubriken

39,5

Informationen über Label

39,5

74 96 83

Informationen über die Auftritte

39,5

präsentieren Bandinfos 39

Mailorder per Nachname Linkpage

96

44 44 91

49

Hörbeispiele (Summe)

87

55 69

Mailorder (Summe)

58

26

Hörbeispiele in Real Audio - Format

62

Band-/Musikergeschichte

87

65 52

mehrsprachig

70 78 74,5

Bilder von KünstlerInnen u/o Cover Labelkatalog

81 0

20

40

60 2000

80

87 100

120

2002

Quelle: Quelle: SR Archiv für Popularmusik (2002: Musik & Internet in Österreich. Februar 2000 und Juni 2002. Zitiert in: Mediatime 2002, 43.

242

Abbildung 36: Österreichische VeranstalterInnen im Internet 2000/2002

Österreichische VeranstalterInnen im Internet 2000/2002 in %

32

Hörbeispiele

5 47

Online-Ticketservice

21

Reservierungssystem auf Email-Basis

47 26 81

Mailing Listen

42 92

Fotos von KünstlerInnen

58

Künstlerinfo zu Veranstaltungen

87 74 87 84

Linkpage Anreiserouten und öffentliche Anbindungen

81 95 100

Aktuelle Termine

95 0

20

40

60 2000

80

100

120

2002

Quelle: Quelle: SR Archiv für Popularmusik (2002: Musik & Internet in Österreich. Februar 2000 und Juni 2002. Zitiert in: Mediatime 2002, 45.

Nimmt man aufgrund der Daten der KünstlerInnen (Abbildung 34), Labels (Abbildung 35) und VeranstalterInnen (Abbildung 36) (siehe oben) eine hierarchische Reihung nach Prozentsätzen der Anteile der AnbieterInnen der jeweiligen Angebote vom Juni 2002 vor, so zeigen sich folgende Angebote/Services als die beliebtesten:

243

-

KünstlerInnen - 1. Counter/Zählmaschinen (95 %), - 2. Band-/Musikergeschichte (94 %), - 3. Guestbook (92 %) , - 4. Booking-Adresse und Konzertankündigung (jeweils 89 %), - 5. Linkpage (81 %), - 6. Newsrubrik (79 %), - 7. Hörbeispiele (Summe) (68 %), - 8. Hörbeispiele im MP3-Format (63 %), - 9. Pressespiegel (44 %).

-

Labels - 1. Bandinfos (96 %) und Information über das Label selbst (96 %), - 2. Linkpage (91 %), - 3. Band-/Musikergeschichte, Labelkatalog, Hörbeispiele (Summe) (jeweils 87 %), - 4. Information über Auftritte (83 %), - 5. Bilder von KünstlerInnen und/oder Cover (78 %), - 6. Newsrubriken (74 %), - 7. Mailorder (Summe), Hörbeispiele in MP3-Format (jeweils 69 %), - 8. Mehrsprachig, Pressespiegel (jeweils 52 %), - 9. Guestbook (48 %).

-

VeranstalterInnen - 1. aktuelle Termine (100 %), - 2. Photos von KünstlerInnen (92 %), - 3. Linkpage, Künstlerinformation zu Veranstaltungen (jeweils 87 %), - 4. Mailing-Listen, Anreiserouten und öffentliche Anbindungen (jeweils 81 %), - 5. Reservierungssysteme auf Email-Basis, Online-Ticketservice (jeweils 47 %), - 6. Hörbeispiele (gesamt) (32 %).

Anhand der Reihung bestätigt sich die Nutzung des Internets von Anbieterseite vor allem zur Präsentation von Information und zur Kommunikation. Das heißt, dass das Internet stark als Promotions- und Marketinginstrument genutzt wird, um Fans und andere AkteurInnen zu informieren und mit ihnen in Kontakt zu treten bzw. umgekehrt damit Fans mit Musikschaffenden, Labels oder mit anderen Fans kommunizieren können. Erst marginal wird das Internet im Juni 2002 als Transaktionsmedium verwendet. Auf den Websites von MusikerInnen und

244

Labels wird Mailorder mit verschiedenen Bezahlungsarten (bei Labels mit Kreditkartenbezahlung (26 %)) angeboten. Hier handelt es sich um die Bestellung von physischen Tonträgern. Etwas anders stellt sich Transaktion bei den VeranstalterInnen dar, die Reservierungssysteme auf Emailbasis und Online-Ticket-Service anbieten (47 %). Zugleich gilt zu berücksichtigen, dass auf der Distributions- und Transaktionsebene seit 2002 viele neue und vielfältigere Musikangebote und -services im Internet entstanden sind. Im Folgenden wird das Medium Internet hinsichtlich Musik (Musikschaffenden, Labels, Medien, Vertrieb und Handel) differenzierter auf den Ebenen Produktion, Information, Kommunikation und Distribution/Transaktion beleuchtet. 12.3 Produktionsmedium Eher selten wird das Internet als Medium für kreative Produktionsprozesse, um Musik zu komponieren, zu produzieren, im Kollektiv virtuell zu proben oder Musik live (als Netzkunst) einer virtuellen Öffentlichkeit zu präsentieren, genutzt. Grundsätzlich sind dafür die noch nicht vorhandenen Breitband-Internet-Zugänge eine Barriere. Komprimierungsverfahren wie MP3 können abhelfen, sie lösen das Problem aber nicht immer hinreichend. Die meisten Bands verwenden das Internet als Informations- und Kommunikationsmedium, um sich mit anderen KollegInnen oder Bandmitgliedern über Musikstücke auszutauschen oder für Recher324

chezwecke.

Diese Kommunikation kann zwar Teil des kreativen Schaffensprozesses

darstellen, lässt sich aber trotzdem nur indirekt als kreativer Prozess an sich bezeichnen. Es finden aber auch „Zusammentreffen“ rein virtueller Art statt, das heißt, zwischen Personen, die sich “Face-to-Face“ nie kennengelernt haben. FM4 Soundpark (siehe unten) organisierte eine Aktion, bei der Musikschaffende ihre Files ins Web stellen, und andere MusikerInnen daraufhin musikalisch etwas dazu beitragen können. Diese Möglichkeit nutzt zum Beispiel eine Sängerin, um über ein Music-File des Musikers Wolfgang Schlögl a.k.a. I-Wolf „darüber zu singen“. Daraus entsteht ein Kontakt, der dazu führt, dass Schlögl die Sängerin zu sich ins Studio nach Wien einlädt und sie etwas gemeinsam produzieren. Das Internet ist auch ein Pool, digitale Music-Samples zum Produzieren zu finden. Nach Neidhart/skug existieren virtuelle Communities, deren Mitglieder Musik ausschließlich mit virtuellen Soundquellen aus dem Internet produzieren/sampeln, um in der Folge die so entstandenen Produkte wieder einer virtuellen Community zu präsentieren. Dabei besteht „über325

haupt keinen Bezug mehr zum natürlich generierten Sound“ .

324 325

In Bezug auf Zitate aus Interviews mit Mastic Will und Gandler/Mastic Scum, Bernhart/Temple X.. Zitat aus Interview mit Neidhart/skug.

245

12.4 Informationsmedium Das Internet ist bis dato vor allem Informations- und Kommunikationsmedium und daher im Musikbereich insbesondere Marketing- und Promotioninstrument. Dies bestätigt auch die europäische Studie von INDICARE/Berlecon (Mai 2004), die in sieben europäischen Ländern (Deutschland, UK, Spanien, Frankreich, Ungarn, den Niederlanden und Schweden) mit NutzerInnen digitaler Online Musik durchgeführt wurde (siehe auch unten): “Digital music on the Internet is an excellent tool for musicians and their labels to promote new works and foster sales. This is particularly true for less known musicians, since many digital music users discover new music and unknown artists on the Internet [...] 64 % of the digital music users who have discovered a new artist on the Internet have subsequently bought a CD by the artist, 31 % have visited a concert, and 16 % have bought more digital music by this artist.” (INDICARE/Berlecon Research Mai 2005, 50)

Einen Aspekt stellt die Vereinfachung und Verbilligung der Distribution von Musikpromotion dar, die früher auf dem Postweg erfolgen musste. Die Virtualisierung der Kommunikation führt zur Einsparung von Postgebühren und Kurierdiensten. Auch Online- Mailorder-Bestellung kann eine Beschleunigung und Verbilligung für AnbieterInnen mit sich bringen, weil NutzerInnen selbst den Kaufprozess durch Online-Formulare und bargeldlose Bezahlung ab326

wickeln. Dadurch ersparen sich AnbieterInnen Kosten auf administrativer Ebene.

Online-Pressearbeit ist für sämtliche Teile der Musikwertschöpfung wichtig. Die meisten Musikschaffenden und Labels stellen Informationen wie Pressematerial auf ihren Homepages zur Verfügung (siehe Zahlen der SR-Archiv-Studie oben). Fans, Presse oder GeschäftspartnerInnen können sich Fotos, Pressetexte, darunter biographisches Material, digitale Musik, Videos, aktuelle Tourdaten/Termine direkt vom Internet herunterladen. Das erspart die postalische 327

Beschickung von Material an die Presse.

Manche Bands bieten auch Songtexte an. MP3s

als Downloads oder Streams werden oft zum Hineinhören gratis auf Websites angeboten. 12.4.1

Musikschaffende

Durch das Internet ist eine direkte Kommunikation zwischen Musikschaffenden und Fans, KollegInnen und GeschäftspartnerInnen und das auch auf internationaler Ebene möglich. Die meisten Musikschaffenden – vor allem der jüngeren Generation – besitzen mittlerweile ihre eigene Homepage. Diese stellt oft eine Visitkarte dar, mit der neben Informationen und Produkten auch Identität, Ästhetik und damit Lebensstile vermittelt werden. Es spielt aber nicht immer nur die Homepage eine Rolle, sondern auch „Netzwerk-Seiten“, wie etwa von female

326 327

In Bezug auf Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction. In Bezug auf ebenda.

246

pressure, ein Netzwerk aus/für weibliche/n DJs, ProduzentInnen u.a., das von electric indigo gegründet wurde. 12.4.2

Labels und andere Gewerbetreibende

Auch für Labels stellt eine Homepage eine Visitkarte dar. Eine Label-Website kann auch helfen, die eigene Fan-Community auf- und auszubauen, z.B. durch das Angebot einer Bandübersicht, Release-Informationen, MP3-Files zum „Hineinhören“ und Online Shops, wo CDs via e-Mailorder erworben werden können. 12.4.3

Virtuelle Medien

Es bestehen im In- wie im Ausland immer mehr virtuelle Musikmedien speziell in Musiknischen so genannte Online-Zines. Ein gedruckter Artikel in einem Musikmagazin wird meist noch als wichtiger erachtet. Für manche MusikerInnen wird aber Presse über Internet schon etwas relevanter. Fallbeispiel FM4-Soundpark Eine wichtige virtuelle österreichische Web-Adresse im Alternative-Music-Segment ist der FM4-Soundpark (fm4.orf.at/soundpark), der im Oktober 2001 gestartet wird. Hinter FM4Soundpark steht auch die Absicht, Musikschaffenden von Alternative-Music eine Plattform zu bieten und dabei selbst neue Musik zu finden und zu spielen, die bisher noch nicht auf Tonträgern veröffentlicht wurde. Auf FM4 hat sich eine sehr aktive NutzerInnen-Community gebildet (siehe Kap 10). 328

Fallbeispiel Internet-Radio PlayFM

Das Internet-Radio PLAY.FM für den Clubbereich wird 2004 im MuseumsQuartier (MUQUA) in Wien gestartet. PLAY.FM ist als eine Plattform für elektronische Club-Music, daher als Medium für und von der Club-Szene gedacht und damit ein Community- und Vernetzungstool sowie ein Service für NutzerInnen, die in Club-Music „hineinschnuppern“ wollen. Seit Winter 2004 müssen sich NutzerInnen auf PLAY.FM registrieren, das Service ist aber kostenlos. Neben Audio-Streams sind Video-Streams über PLAY.FM via Internet zugänglich. Die Live-Streams machen den größten Teil des Contents aus. Das Live-EventAngebot aus Wiener Clubs in der Datenbank erweitert sich rasant. Seit Anfang Dezember 2004 bietet PLAY.FM auch Studio-Live-Sendungen direkt aus dem MuseumsQuartier über Stream an. Unter anderem gestalten Wiener Labels, Agenturen und Record-Stores regelmäßig Sendungen. Die Aufzeichnung ist auf der Website abrufbar. Auch werden Mix-Tapes von DJs

328

In Bezug auf Zitate aus Interview mit Hitzenberger/PLAY.FM.

247

online gestellt. Die Musik wird als MP3 aufgenommen und in einen Stream (zu CD-Qualität) verwandelt. 12.4.4

MP3-Downloads und Music-Streams

Als Promotion-Tool wird MP3 oft als “Teaser“ angeboten, um den potenziellen KäuferInnen Geschmack auf einen Track oder ein Album zu machen. Oft sind es dreißig Sekunden MP3s, die zum Hineinhören dargeboten werden. Manche bieten auf ihrer Website auch ein, zwei oder sogar mehrere ganze Tracks als Downloads an. Andere stellen ihre gesamte Musik als freie Music-Downloads auf ihrer Homepage zur Verfügung. Viele AnbieterInnen verwenden aus Sicherheitsgründen statt Downloads Streams, die zudem die Möglichkeit von Videopräsentation bieten. 12.5 Kommunikationsmedium 12.5.1

Email

Kommunikation findet im Musikbereich stark über Email statt und das damit verbundene 329

„Netzwerken“ ist zur „normalen Szeneaktivität“

geworden. Vor allem internationale

Kommunikation ist heute ohne Email undenkbar. So berichtet der Musiker Fennesz, dass seine Kommunikation – vor allem die internationale – bereits seit Jahren fast ausschließlich über Email durchgeführt wird. Das heißt, dass Email – abgesehen vom Versenden wichtiger Dokumente – den klassischen Postweg sowie Telefonkommunikation und Fax ersetzt. Die Kehrseite der zunehmenden Email-Kommunikation ist aber, dass Email-Beantworten immer mehr Zeit beansprucht. Email-Newsletter sind zu einem wichtigen Promotion-Tool im Musikbereich geworden. Sie stellen vor allem ein Informationsinstrument dar, weil sie aber über Email verschickt werden, sind sie auch eine Möglichkeit, mit der eigenen Community in Kontakt zu kommen und auch zu bleiben. 12.5.2

Virtuelles Feedback

Feedbackmöglichkeiten sind unter anderem durch e-Surveys, die auf der eigenen Website implementiert sind, vorhanden. Weitere Feedback- (und Promotion-)Tools bestehen darin, sich aktiv in Chatforen oder in virtuellen Gästebüchern einzuschalten.

329

Zitat aus Interview mit J.Bauer/ecco.chamber.

248

12.6 Distributions- und Transaktionsmedium In den meisten Fällen läuft der Vertrieb von Musik im Internet noch auf Mailorder-Basis. Noch selten, wenn auch im Steigen begriffen, wird Musik direkt über das Internet via Download oder Stream angeboten. Die Music-Download-Plattform iTunes des Computerkonzerns Apple nimmt im Online-Vertrieb seit Frühjahr 2003 einen wichtigen Schritt in Richtung PayPer-Music-Download mit einem attraktiven Preismodells (99 Cents pro Music-Download) im Rückgriff auf die Apple-Community vor. Der Wert von iTunes liegt aber vor allem auf symbolischer Ebene, weil es Apple erstmals geschafft hat, Music-Downloads auf breiter Basis in Kooperation mit allen Major Labels anzubieten. Grundsätzlich erschließen „diese digitalen Vertriebsmöglichkeiten […] einen größeren Markt […] der bisher im physischen Vertrieb teilweise aus Gründen der eingeschränkten internatio330

nalen Möglichkeiten nun verstärkt ausgebaut werden kann.“

Insgesamt sind die Einnahmen

am Gesamtmarkt aber noch marginal. Der Anteil von Music-e-Commerce steigt nach IFPIAustria zwischen 2002 und 2004 um 3 %-Punkte von 3% auf 6 %. (siehe Daten Kap. 8). Trotzdem ist der herkömmliche Vertriebsweg nach wie vor der zentrale. Das macht es oft notwendig, zweigleisig – über physischen und virtuellen Vertrieb – vorzugehen. Somit bleibt vorläufig das alte Marketing- und Promotionsproblem aufgrund von Massenmedien, -vertrieb und -handel virulent. 12.6.1

Musikschaffende

Für Musikschaffende besteht die Möglichkeit, CDs oder Music-Downloads durch OnlineMailorder über ihre Homepage zu vertreiben. Ein Online-Shop wird von vielen als Visitkarte angesehen. Der Direktvertrieb funktioniert mit Fans oft gut, weil zumeist ein Bezug (z.B. über Live-Konzerte) zwischen MusikerInnen und Fans besteht, auch wenn sich die Verkaufszahlen noch im limitierten Rahmen halten. Verkauft werden über Mailorder nicht nur CDs, sondern auch Merchandize-Produkte, wie T-Shirts. 12.6.2

Labels und andere Gewerbetreibende

Zum Beispiel bietet das Wiener Label mego über seine Homepage www.mego.at den Mailordershop M.DOS an. Über die Jahre hat sich eine kleine Vertriebsstruktur mit ca. 20-30 ZwischenhändlerInnen auf der ganzen Welt aufgebaut. M.DOS funktioniert wie ein Versand, nur über Internet. Auch das Label Demonware Records bietet über seine Homepage www.demonware.com Zugang zum Mailorder-Shop namens onlineshoppingmailorder.com

330

Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction. In: Sound & Media No 2 (Feb. 2005), 19.

249

an. In diesem werden nicht nur CDs, sondern auch Merchandize-Produkte über zwei “Online331

Music-Shops“ (Metal-Shop oder Rock-Shop) angeboten 12.6.3

(siehe Kap. 7).

Neue Online-Music-Plattformen

Beim Handel überwiegt noch Internet-Mailorder von physischen Tonträgern und Verkauf. In der näheren Zukunft wird der Handel aber vermehrt Music-Downloads über das Netz verkaufen. Dieser neue Distributionskanal bietet sich an, weil der Online-Handel im Vergleich zum physischen Handel mit Tonträgern ein unbegrenztes Sortiment zur Verfügung stellen kann. Dadurch wird es auch möglich, mehr Nischenrepertoire in einem Katalog zu präsentieren. 12.7

Rahmenbedingungen für und Konsequenzen von Online-Musikdistribution

Die folgenden Überlegungen beschränken sich nicht ausschließlich auf digitale Musik im Internet, sondern betreffen die Distribution von kreativen Inhalten in der digitalen Mediamorphose im Allgemeinen. Auch behandeln sie sowohl Voraussetzungen als auch Konsequenzen von Online-Musikdistribution. 12.7.1

Digital-Rights-Management “DRM“

Die digitale Mediamorphose hat nicht nur auf breiter Basis Zugang zu digitaler Musik geschaffen, sondern auch die technischen Möglichkeiten, diesen Zugang zu kontrollieren. Zwei wesentliche Schutzmaßnahmen sind dabei zu unterscheiden: Wasserzeichen/digitaler „Fingerabdruck“ und Verschlüsselung. Das Ziel eines digitalen Wasserzeichens oder „Fingerabdrucks“ ist die Identifizierbarkeit und damit Nachverfolgbarkeit einer Aufnahme oder eines Werkes im Internet und anderen digitalen Kanälen. Auch beim Kopieren im Internet wird das Wasserzeichen mitkopiert. Daher ist ein digitaler Kode, der einmal an eine Aufnahme oder ein Musikstück „angeheftet“ wurde, später im Netz identifizierbar und kann auch zu einer Abrechenbarkeit auf Einzelbasis des Werkes beitragen. Die Erfassung setzt aber voraus, dass im Netz „Zählmaschinen“ vorhanden sind (z.B. beim Internet Service Provider oder auch direkt am PC von NutzerInnen), die den Kopiervorgang jedes Mal dokumentieren. Viele KonsumentInnen sind aber, obgleich Wasserzeichen keinerlei Nutzungseinschränkungen von digitaler Musik implizieren, aus Datenschutzgründen skeptisch gegenüber digitalen Wasserzeichen. Bei der digitalen Verschlüsselung wird der Zugang zur Aufnahme oder zum Werk kontrolliert und somit zumeist auch limitiert. Nur die NutzerInnen, die den Schlüssel zum Schloss haben, können auch kopieren und damit „lesen“. Für KonsumentInnen, die eine CD legal erworben

331

In Bezug auf Zitate aus Interview mit Dorn/Ware Records.

250

haben, können Verschlüsselungstechnologien aber unpraktisch und ärgerlich sein, wenn sie verhindern, dass eine CD auf verschiedenen Geräten abspiel- oder kopierbar sind. CDs können (auch ohne Zutun) irgendwann kaputt werden. Falls es vorher nicht möglich war, auf legale Weise eine Kopie anzufertigen, kann keine private Kopie hergestellt werden. Gleichzeitig befördern Digital-Rights-Management-Systeme (DRMs) wegen ihrer oft inhärenten Nutzerunfrendlichkeit kaum den Verkauf von CDs oder Downloads. KonsumentInnen wollen zumeist CDs und Downloads auf verschiedenen Geräten abspielen. Wenn sie dabei massive Einschränkungen erfahren, werden sie stattdessen auf Gratis-Internet-Angebote ohne Nutzerbarrieren in Anspruch nehmen. ExpertInnen sind sich außerdem in einem Punkt einig: Kopierschutzmaßnahmen lassen sich umgehen. Die technischen Schutzmaßnahmen wurden zwar mit dem Umgehungsverbot rechtlich in der letzten Urheberrechtsnovelle abgesichert, dieses Recht ist aber kaum exekutierbar und führt zu einer sukzessiven Aufhebung des Rechtes auf die Privatkopie. Dass KonsumentInnen gegenüber DRMs im Zusammenhang mit digitalem Musikkonsum skeptisch eingestellt sind, zeigt auch eine europaweite Studie (mit insgesamt 4.852 Befragten) von INDICARE/Berlecon Research im Mai 2005, die in Deutschland, UK, Spanien, Frankreich, Ungarn, den Niederlanden und Schweden durchgeführt wird. Diese Studie belegt, dass KonsumentInnen keine Musikservices akzeptieren, die die Flexibilität ihres digitalen Musikkonsums einschränken. Stattdessen wollen sie „Flexible usage rights, device transferability and – to a lower degree – the ability to share are important prerequisites of attractive digital music offerings to consumers.“ (INDICARE/Berlecon Research 2005, 29) Die Ergebnisse der Studie besagen auch, dass die Hauptquelle digitaler Musik nach wie vor CDs darstellen. Folglich gilt die DRM-Skepsis vor allem hinsichtlich Kopierschutzmaßnahmen auf CDs bzw. hat sie ihre Grundlage in schlechten Erfahrungen, die KonsumentInnen mit diesen gemacht haben. Gerade 29 % der NutzerInnen digitaler Musik beziehen diese Musik von OnlineStores und nur 9 % auch öfter (vgl. 49). NutzerInnen digitaler Musik sind laut dieser Studie kaum gewillt, für Music-Streams und zeitlich limitiertes „Renting“ zu bezahlen (vgl. 29-30). Grundsätzlich herrscht bei den Befragten ein großes Wissensmanko hinsichtlich DRMs, wobei das Wissen in den einzelnen Ländern variiert (vgl. 36). Dieses Manko sehen die StudienautorInnen auch im Zusammenhang mit der mangelnden Informationspolitik von Online-Music-Stores (vgl. 50). 79 % der NutzerInnen solcher Stores wussten nicht, ob die von ihnen bezogene Musik DRM-geschützt war oder nicht (vgl. 49). 12.7.2

Internationale Standard-Kodes: ISRC und ISWC

Eine Basis für Einzelabrechnung könnte die flächendeckende Registrierung und folglich Identifizierung sämtlicher Musikaufnahmen durch den International Standard Recording Code - ISRC sein:

251

“The ISRC [...] is the international identification system for sound recordings and music videorecordings. Each ISRC is a unique and permanent identifier from a specific recording which can be permanently encoded into a product as its digital fingerprint. Encoded ISRC provide the means to 332

automatically identify recordings for royalty payments.”

Der ISRC kennzeichnet eine Aufnahme, womit die Nachvollziehbarkeit dieser Musik durch Lesegräte (z.B. von Radiostationen) gewährleistet wird: „Da weiß man, wer die Komponisten 333

sind, und man weiß, wer sie interpretiert hat.“

Daher ist der ISRC „eine der vielen

Voraussetzungen, damit eine Einzelabrechnung überhaupt möglich ist [...], die man braucht, 334

um über Digital Rights Management Systeme tatsächlich arbeiten zu können“ . Die flächendeckende Einführung des ISRCs ist aber mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. Auch würde sich damit belegen lassen, dass viel mehr Nischenrepertoire vorhanden ist, als offiziell bis jetzt (wegen „ungenauer“ Pauschalabrechnungen) aufscheint. Laut einiger befragter ExpertInnen ist das nicht im Interesse der Major Labels, die als Hauptakteur der Durchsetzung des ISRCs fungieren müssten, weil damit auch das Konkurrenzrepertoire verstärkt aufscheinen würde. Ein anderer internationaler Kode ist der ISWC bzw. der International Standard ‚Work’ Code. Der ISWC stellt „eine Zahl, die man mit dem Auge lesen kann“ dar, die an jedes Werk anzubringen ist und damit das Werk identifiziert. Daher ist der ISRC „eine der vielen Voraussetzungen, damit eine Einzelabrechnung überhaupt möglich ist [...], die man braucht, um über 335

Digital Rights Management Systeme tatsächlich arbeiten zu können“ . Die flächendeckende Einführung des ISRCs ist aber ebenfalls mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. 12.7.3

Pauschalabgaben und Leerkassettenvergütung

Neben dem Music-Download-Modell bestehen weitere Music-Internet-Geschäftsmodelle. Ein Modell schlägt Jeremy Griffin von Cherry Lane Digital auf dem mica-Symposium „Wie ge336

winnt die Online Musik an Fahrt?“ (2003) vor,

nämlich in Form von Pauschalvergütungen,

die von MusikkonsumentInnen über Gebühren z.B. bei Internet Service Providern oder in Form einer Gerätesteuer zu bezahlen sind, damit sie in einem gewissen Rahmen Musik frei herunterladen können. 332 333 334 335 336

www.ifpi.org. Zitat aus Interview mit Skrepek/Musikergilde. Ebenda. Zitat aus Interview mit Steinmetz/austro mechana. Griffin, Jeremy (2003): Monetizing Anarchy. Vortrag am Symposium: „Wie gewinnt die Online Musik an Fahrt?“/mica-focus #8 am 21.3.2003. www.mica.at (Juni 2003).

252

Eine spezifische Form der Pauschalabgabe ist in Österreich bereits etabliert. Die Leerkassettenabgabe, die im Preis von Leerkassetten in Form eines geringen Betrags enthalten ist, ist von KonsumentInnen, die Leerkassetten kaufen, seit 1981 als Abgabe mitzubezahlen. Sie fungiert als Kompensation für den Verlust an Einnahmen aus der Privatkopie „die damit [...] legalisiert wird [...]. Als Privatkopie bezeichnet wird eine Kopie des Originals für den privaten Gebrauch ohne kommerzielle Interessen.“

337

Die Privatkopie darf in niedriger Stückzahl

an andere Personen weitergegeben werden, sie darf aber nicht (unautorisiert) an eine Masse von MusikkonsumentInnen (wie in Tauschbörsen der Fall) distribuiert werden: „eine genaue Definition der erlaubten Menge an Kopien und dem legalen Empfängerkreis für die Kopien gibt es im Gesetzestext aber nicht“ (Friedrichsen et al. 2004, 32). Diese Abgabe wird von der Verwertungsgesellschaft austro mechana eingehoben, die auch für die Ausschüttung an die KomponistInnen zuständig ist. Die digitale Mediamorphose verringert zwar die Einnahmen aus dem Verkauf der Leerkassetten, schafft aber auch neue Einnahmen durch die Erweiterung der Abgabe auf CD-Rohlinge und MP3-Playern. Die Einnahmen können sich in den letzten Jahren wieder erhöhen. Im 338

Jahr 2002 werden das erste Mal mehr CD-Rohlinge als bespielte CDs gekauft.

Laut einer

von der austro mechana durchgeführten Marktstudie werden 40 % der CD-Rohlinge in den 339

Haushalten für das Brennen von Musik verwendet.

Diese Mehreinnahmen basieren darauf,

dass die austro mechana als erste Verwertungsgesellschaft auf europäischer Ebene den Definitionsrahmen der Leerkasettenabgabe auf die CD-R ausgeweitet hat. Nachdem der SKEFonds lange Zeit große Einbrüche in Kauf nehmen musste, weil immer weniger Menschen Leerkassetten und stattdessen CD-Rohlinge kauften, sind „im Jahr 2002 zum ersten mal deutlich mehr Einnahmen gewesen aus der Leerkassettenvergütung [...] de facto spürbar [...] wie340

der seit 1990“ . Die Leerkassettenvergütung umfasst zurzeit: „[...] jedes mechanische Teil, das bespielt werden kann. Früher waren es die anlogen Audio- und Videobänder, dann sind digitale Bänder, das DATBand und dann digitale Scheiben dazu gekommen. Die Minidisk, die CDR (die CDROM) [...] auch bespielbare DVDs. Es ist nicht eine Frage des Formats, sondern eigentlich nur eine Frage, ist ein Medium bespielbar oder nicht, gleichzeitig ist es eine Streitfrage.“

337 338 339 340 341

341

Zitat aus Interview mit Lidauer/SKE-Fonds. austro mechana/SKE-Fonds-Bericht 2003. In Bezug auf Zitat aus Interview mit Steinmetz/austro mechana. Zitat aus Interview mit Lidauer/SKE-Fonds. Ebenda.

253

Zusätzlich besteht eine Erweiterung der Leerkassettenabgabe auf MP3-Player. Der Oberste Gerichtshof (OGH) untersagt aber in einem Urteil im August 2005 die Einhebung der Leerkassettenabgabe auf PC- und Notebook-Festplatten. MP3-Player werden hingegen von OGH 342

als eindeutig vergütungspflichtige Musikabspielgeräte definiert.

Vor allem die Gerätein-

dustrie ist gegen diese Einhebung der Leerkassettenabgabe eingestellt, obwohl „die Tarife im Einzelnen ganz niedrig sind, es waren früher wenige Schilling [...] und jetzt sind es ein paar 343

Cents pro Spielstunde oder pro Stück“ . Die Leerkassettenabgabe ist aber auch nur unter einem Solidaritätsprinzip zur Kompensation der Einnahmenverluste von KünstlerInnen vertretbar, weil sie ebenfalls von KonsumentInnen zu bezahlen ist, die mit Leerkassetten, CDRohlingen keine Musik kopieren (wie z.B. Interviews oder Software etc.). Die Zunahme des Einsatzes von “Digital Rights Management“-Systemen und deren Umgehungsverbot führen zu einer fortschreitenden Reduzierung des Rechtes auf die Privatkopie, was auch eine Reduktion der Akzeptanz bei den KonsumentInnen mit sich bringen kann. Aber auch seitens der Musikschaffenden und anderer AkteurInnen wird diese Abgabe widersprüchlich betrachtet, weil ihre Verteilungsschlüssel ungenau sind. Das Argument taucht immer wieder auf, dass bei dieser Verteilung Nischenrepertoire tendenziell benachteiligt würde: „[...] wenn einer [ein Musikschaffender] experimentelle Musik macht, der bekommt nie irgendetwas von dem Ku344

chen, weil er unter der Wahrnehmungsgrenze dieser Verteilungsmethoden liegt“ . Die Kritikpunkte beeinflussen auch die Debatte der Ausweitung der Leerkassettenabgabe auf sämtliche Musikabspielgeräte, wie sie zum Beispiel in Deutschland bereits besteht. Es gilt aber zu bedenken, dass digitale Musik immer mehr über Memory-Sticks, MP3-Player, iPods, u.a., folglich über eine Vielzahl von Geräten direkt anstatt über „gebrannte“ CD-Rohlinge abgespielt werden wird. Früher oder später wird die austro mechana also nicht umhin kommen, auch eine Geräteabgabe einzuführen. Die Leerkassettenabgabe könnte als Legitimierung der Privatkopie zu einem gewissen Grad sicherstellen, dass das Internet weiterhin ein relativ freies Informations- und Kommunikationsmedium bleibt und nicht zu einem neuen Massenmedium ummodelliert wird, dessen Inhalte von nur wenigen SenderInnen und DistributeurInnen kontrolliert werden. Mit der Leerkassettenabgabe werden durch den SKE-Fonds außerdem soziale und kulturelle Förderungen (auch für innovative Projekte) an KünstlerInnen ausbezahlt. Falls diese Förderungen wegfielen, gäbe es zu ihnen keine Alternative. Sollte man sich darauf einigen, dass der Freiraum, den die Privatkopie gewährt, weiterhin zu befürworten ist, sollte aber mit dem Kauf 342

343 344

„Entscheidend für den OGH sei dabei gewesen, dass Festplatten von PCs ‚regelmäßig zu einem gewichtigen - und nicht zu vernachlässigendem – Teil für andere Zwecke als für Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch genutzt werden’“ zitiert in: derStandard.at 31.8.2005. www.derstandard.at (2.9.2005) Zitat aus Interview mit Steinmetz/austro mechana. Zitat aus Interview mit Hirschenhauser/Soul Seduction.

254

einer CD oder eines Music-Downloads auch ein uneingeschränktes privates Nutzungsrecht sämtlicher Abspielgeräte gewährleistet sein. Gleichzeitig wird sich das Verteilungsproblem nicht zur Gänze lösen lassen. Umgekehrt wäre ein Verbot der Privatkopie, das von manchen VertreterInnen der Musik- und Medienindustrien gefordert wird, fatal. Ein derartiges Verbot entspricht nicht der historisch gewachsenen Konsumentenkultur. Zugleich steht das Recht auf Privatkopie in einer Informationsgesellschaft dem Recht auf Informationsfreiheit sehr nahe. Mit einem Verbot der Privatkopie würde die Mehrheit der KonsumentInnen kriminalisiert, die aus vielfältigsten Gründen nicht auf privates Kopieren und das damit verbundene Informationsrecht verzichten werden. In der Folge würde das Urheberrechtskontrollproblem – vor allem auch im Lichte der Nutzung des Internets – für die Musikindustrie nur noch unkontrollierbarer werden, weil viele NutzerInnen weiterhin schwarz kopieren werden. Ein Verbot ist auch abzulehnen, weil es nicht durch eine einfache Gesetzesänderung, sondern nur mit Hilfe der Anwendung polizeistaatlicher Methoden (wie Bespitzelung, Aufhebung des Datenschutzes) exekutierbar ist, die wenig zur Konsumstimulierung führen werden und mit Grundrechten unvereinbar sind.

255

13 Resümee und Ausblick In dieser Arbeit wurden die Auswirkungen der digitalen Mediamorphose auf die Arbeits- und Produktionsprozesse und -bedingungen österreichischer Musikschaffender untersucht. Die zentrale Forschungsfrage lautete: Welche sind die zentralen Auswirkungen der digitalen Mediamorphose auf die Arbeitsund Produktionsbedingungen der österreichischen Musikschaffenden im Speziellen in der Rockmusik und elektronischer Musik? Die erste daran anknüpfende Unterfrage lautete: Erleichtern oder erschweren die Arbeits- und Produktionsbedingungen in der digitalen Mediamorphose den Zugang zum nationalen wie internationalen Musikmarkt für österreichische Musikschaffende? Werden traditionelle Zugangsbarrieren abgebaut oder werden neue Zugangsbarrieren geschaffen? 13.1 Veränderte Wertschöpfungskette Zur Beantwortung der Forschungsfrage(n) wurden die Auswirkungen der digitalen Mediamorphose auf fast alle Bereiche der Musikwertschöpfungskette beleuchtet. 13.1.1 Musik als Wissensgut, neue Wertschöpfungskette und die Krise der Tonträgerindustrie Musik stellt ein Kultur-, Wirtschafts- und Wissensgut dar, das vor allem in der Freizeit und/oder neben der Ausübung von Tätigkeiten konsumiert wird. Gleichzeitig ist Musik ein nicht-physischer „Gegenstand“, der sich erst materialisieren muss, um wahrnehmbar zu werden. In der digitalen Mediamorphose ist dieses Gut nicht mehr an ein bestimmtes Speichermedium gebunden. Der Tonträger ist nur mehr eine Möglichkeit von vielen, Musik zu rezipieren. Neben dem Abspielen von Tonträgern wird das direkte Abspielen von Geräten wie MP3-Player, Memory-Stick, Handy oder PC wesentlicher. Durch den damit einhergehenden Kontrollverlust der ProduzentInnen und UrheberInnen über ihre Werke verschärft sich der Konflikt zwischen Musik als privates Gut und als öffentliches Gut, daher zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen. Der Kontrollverlust von ProduzentInnen gilt nicht nur für die Musikindustrie, sondern auch für die Film & Video- und Spieleindustrie. Musik bietet aber in allen Formen “Exposure“, Promotion und potenzielle Umwegrentabilitätseffekte. Musik als Promotion-Tool zwecks Umwegrentabilität (z.B. Gratis-CDs oder Downloads)

basiert

auf

dem

Charakter

von

Musik

als

Wissensgut,

das

zum

Reputationsaufbau der „Marke MusikerIn“ genutzt wird. Musik kann dabei an Wert gewinnen (weil Neugierde auf mehr Musik gemacht wird) oder an Wert verlieren (weil KonsumentInnen die Musik bereits erfahren haben und davon im positiven oder negativen

256

Sinn gesättigt sind). Oder Musikpromotion kann gar keinen Effekt auf den Wert von Musik und das Kaufverhalten haben. In der digitalen Mediamorphose wird es aber zugleich schwieriger, über Musik als Promotion-Tool Aufmerksamkeit zu erhalten, weil diese ein knappes Gut darstellt. Von mehr und einfachem Zugang zu Musik profitiert v.a. eine alternative Musikkultur. Viel Kontrolle über Musik als privates Gut führt zur Preisstabilität, der Wahrung von Urheber- und Verwertungsrechten und damit im optimalen Fall zu Einnahmen für Musikschaffende. Die Musikindustrie hat bei zu viel Kontrolle mit einem Marketingproblem zu kämpfen. Vollkommene Aufgabe der Kontrolle birgt die Gefahr, dass niemand für Musik bezahlt. Das Eintreffen beider Extreme – totale Kontrolle versus totale freie Nutzung – ist zurzeit unwahrscheinlich. Die Musikindustrie ist heute eine globale und äußerst ausdifferenzierte Industrie, die ihrerseits nur einen Teil großer internationaler Medienkonglomerate ausmacht. Von dem „Oligopol“ der vier großen Majors ist der kleine Musikmarkt in Österreich stark betroffen, v.a., weil die Tochterfirmen dieser Labels insbesondere internationales Repertoire verwerten. Die Wertschöpfungskette eines Musikwerkes unterliegt aufgrund der digitalen Mediamorphose und der Krise des Tonträgermarktes starken Veränderungen. Die Produktion eines Mastertapes erfolgt immer öfter im Homestudio von Musikschaffenden. Außerdem gelangt die Musik weniger oft als früher über den traditionellen Handel zu den KonsumentInnen, sondern zunehmend über digitale Distributionswege. Die Nutzung digitaler Datenbanken und neuer dezentraler Kommunikationskanäle führt teils zur Umgehung von alten „Mittlerrollen“ (wie Labels, Vertriebe, Handel und Medien). Da aber für Musikproduktionen immer noch oft relativ viel Kapital benötigt wird und die Distribution noch häufig über traditionelle Medien und Netzwerke erfolgt, bleibt die Rolle von MittlerInnen vorerst zentral. Die letzte wesentliche Erfindung, von der die Tonträgerindustrie massiv profitiert, ist die CD, vor allem, weil MusikkäuferInnen ihre Schallplattensammlungen durch CD-Sammlungen ersetzen. Seit Mitte der 90 Jahre stagniert das CD-Wachstum bzw. der Markt und seit 2001 kommt es zu massiveren Rückgängen. Von der Industrie wird das Up- und Downloaden von MP3s aus dem Internet sowie das Brennen von Musiktiteln auf CD-Rohlinge als Hauptursache der Krise angeführt. Unautorisierte Music-Downloads im MP3-Format als Substitut für CD/DVD-Käufe sind aber als Hauptursache der Krise umstritten. Mit dem Anstieg der Bandbreite wird das Up- und Downloaden und Brennen von speicherintensiven Inhalten zunehmen. Gleichzeitig muss das CD- und DVD-Brennen als eine Zwischenstufe der digitalen Mediamorphose gesehen werden, weil digitale, unphysische Musik immer mehr via miniaturisierter, portabler Speichermedien abgespielt werden wird. Ein entscheidender Faktor der Krise ist, dass die Major Labels seit den 80er-Jahren die Entwicklung von lokalem Arts & Repertoire und damit musikalischer Innovation vernachläs-

257

sigen. Weitere zentrale Faktoren, die die Krise mitverursachen, sind in der österreichischen Tonträgerhandel- und Musikmedienlandschaft zu verorten, die eine Verengung der Präsentation und des Vertriebs des vorhandenen Repertoires bewirkt haben. 13.1.2

Produktion

Das alte Paradigma stellt die Rockband als Zentrum für Kreation und Produktion dar, die örtlich und zeitlich an Proberaum und Tonstudio gebunden ist. Die digitale Mediamorphose führt zu einer starken Preissenkung von Music-Production-Equipment sowie von Kommunikationsmitteln und damit zu einem Paradigmenwechsel. Musikschaffende können nun in den Besitz ihrer eigenen Produktionsmittel kommen und ihr Mastertape selbst produzieren. Der/Die HeimstudioproduzentIn wird zur zentralen Figur des Musikproduktionsprozesses. Der Marktzugang für Newcomer und Musikschaffende mit kleinen Produktionsbudgets wird damit erleichtert. Durch die digitale Mediamorphose können sich Produktions- und Kommunikationsprozesse dezentralisieren, individualisieren und beschleunigen. Eine Weiterentwicklung des Homestudios ist das mobile Studio. Die Zeit, die früher durch Reisen verloren geht, kann heute für die Produktion im Prozess des Reisens genutzt werden. Außerdem ist es möglich, Sound an beliebigen Orten der Welt aufzunehmen, zur persönlichen Sound-Library hinzuzufügen und weiterzubearbeiten. Der musikalische Produktionsprozess wird zunehmend durch die Logik der Arbeitsweise anhand von Computerprogrammen bestimmt, er wird prozessorientierter und flexibler. Produktion muss nicht mehr im „Hier und Jetzt“ des Proberaums oder des professionellen Tonstudios stattfinden, sondern kann laufend verändert werden. Im Unterschied zur elektronischen Musik findet der kreative Prozess bei RockmusikerInnen nach wie vor stärker im Proberaum und im professionellen Tonstudio statt. Beides erhöht aber die Produktionskosten um ein Vielfaches. Durch die Homestudiokultur werden professionelle Tonstudios teilweise obsolet, insbesondere „mittelgroße Studios“. Die verbliebenen Studios sind in der Konsequenz stark „mit ihren 345

Preisen heruntergegangen“ . Die TonstudioproduzentInnen nehmen heute vor allem drei Rollen in Anspruch: 1. technische ArrangeurInnen und BeraterInnen; 2. kreative EigenproduzentInnen; 3. Mastern und Mixen. Das Berufsbild des/r Musikschaffenden erfährt eine Erweiterung. Auch AmateurInnen können zu MusikproduzentenInnen werden. Musikschaffende haben nicht mehr nur Funktionen von Kreation und Produktion, sondern auch technischer, wirtschaftlicher und kommunikativer Art wie Management, Label, Marketing, PR und Vertrieb. Potenziell drohen aber

345

Zitat aus Interview mit Schauer/Klangfarbe.

258

Diskrepanzen zwischen diesen „anderen“ Aufgaben und dem eigentlichen Beruf als MusikerIn. Alle interviewten MusikerInnen, die ausschließlich von ihrem Einkommen aus Musikschaffen leben, sind dazu nur deshalb in der Lage, weil sie so genanntes Multitasking betreiben (das heißt, in mehreren Bereichen Einkommen generieren) und seit langer Zeit im Musikgeschäft tätig sind. Sie haben es geschafft, sich einen Namen in einer oder mehreren Musikszene/n zu machen und erhalten von Medien die nötige Aufmerksamkeit. Sie sind aber keine Stars und müssen kontinuierlich weiterarbeiten, um auch in Zukunft im Musikgeschäft mitspielen zu können. Allein die Medienpräsenz ist heute selten hinreichende Voraussetzung dafür, dass ein Act auch ausreichend Tonträgerverkäufe erzielt. Elektronische Musikschaffende, DJs und ProduzentInnen (die nicht selten die drei Rollen auf einmal einnehmen) arbeiten häufig nach dem Modell des/r Einzelkämpfers/in, wenn auch mit losen, zeitlich begrenzten Kooperationen. Diese Einheit aus Kunst und Ökonomie impliziert zwar wirtschaftliche Vorteile, birgt aber auch Nachteile, weil damit eine weitere Professionalisierung verhindert werden kann. Für eine derartige Professionalisierung braucht es ein arbeitsteiliges Vorgehen in einem Team (z.B. mit Musikschaffendem/r, Management, Agentur und Label). Ein weiteres Resultat der Einzelkämpferstrategie ist, dass der Wissenstransfer, der für den Aufbau von Netzwerken und neue Kooperationen notwendig wäre, nicht ausreichend stattfindet. Die Überschaubarkeit einer Musikszene, wie z.B. der elektronischen Musikszene, ermöglicht zwar ein Netzwerken und damit die Kommunikation verschiedener AkteurInnen untereinander, sie birgt aber auch die Gefahr der Selbstbezogenheit. In Verbindung damit stehen zwei Hürden für Musikschaffende: für Newcomer, Zugang zu einer Szene zu finden, sich in ihr einen Namen zu machen und für in der Szene bereits etablierte Musikschaffende, ab einem gewissen Erfolgsniveau neue Publikumsschichten außerhalb der Szene zu erreichen. 13.1.3

Management

Nur wenige österreichische Musikschaffende verfügen über ausreichend Kapital, um sich ein professionelles Management leisten zu können. Gleichzeitig fehlt es durch den generellen Mangel an MusikmanagerInnen auch an einer österreichischen Managementkultur. Das Manko in der wirtschaftsbezogenen Ausbildung von Musikberufen wirkt sich negativ auf die Qualität von Musikmanagements aus. 13.1.4

Verlag

In der digitalen Mediamorphose wird die Aufteilung in Verlag versus Plattenfirma zunehmend obsolet. Die traditionelle Trennung von verschiedenen Aufgabenbereichen, die bisher auf Verlage und Labels aufgeteilt waren, wird weniger zweckmäßig (vgl. Renner 2004, 276). Verlage übernehmen ähnliche Funktionen wie Musiklabels, darunter Auswertung von Musik-

259 346

rechten.

Die Bedeutung von Verlagen wächst, weil sich in der digitalen Mediamorphose das

Musikgeschäft vom Vertrieb des physischen Tonträgers CD zum nicht-physischen Vertrieb verschiebt und weil die Verlagsrechte länger andauern als die Labelrechte. Die Verlage können durch Lizenzen für neue MusikverwerterInnen, wie Handy-Klingeltöne, neue Einnahmequellen generieren. Sie müssen folglich wieder verstärkt A&R-Funktionen wahrnehmen. 13.1.5

Major Labels

Die Major Labels Bertelsmann Music Group (BMG), Sony Music Entertainment, Universal Music Group, EMI und Warner Music Group beherrschen im Jahr 2002 den globalen Gesamtmarkt mit 75 % Marktanteil. Von diesem internationalen „Oligopol“ ist der kleine Musikmarkt Österreich stark betroffen. Diese Struktur stellt eine Marktbarriere für Musikschaffende aber auch andere kleinere ökonomische Einheiten wie Independent Labels dar. Fünf zentrale Aufgaben der nationalen Tochterfirmen der Majors und deren Veränderungen durch die digitale Mediamorphose sind festzuhalten: 1. A & R (Artist & Repertoire): Der/die A&R-ManagerIn übernimmt neben dem Auffinden und der Betreuung der Musikschaffenden auch die Moderation zwischen Label und Musikschaffenden. Der Personalabbau der Majors führt dazu, dass weniger Kontinuität in der Beziehung zwischen Labels und Musikschaffenden besteht. 2. Marketing und Produktmanagement: Durch die digitale Mediamorphose ist zwar die Musikproduktion einfacher und billiger geworden, damit drängen aber mehr Produkte auf den Markt, wodurch Marketing noch wichtiger wird. Dieses benötigt aber auch erhebliche finanzielle Ressourcen. 3. PR/Promotion: Die Major Labels pflegen enge Kontakte zu MedienpartnerInnen im Radio, Fernsehen und in Printmedien, die nach wie vor die wichtigsten Medien für Musikpromotion darstellen. 4. Vertrieb: Mittlerweile gehen die Major Labels neue Vertriebspartnerschaften für OnlineMusik und mobile Musik ein. 5. Rechteverwertung: Zweit- und Drittverwertungen von Rechten werden für Einnahmen wichtiger bzw. sogar zu einem Kerngeschäft. Musiklabels sind noch immer die HauptakteurInnen, die große, relevante Backkataloge, Know-how und Netzwerke mitbringen, um Musikrechte umfassend zu verwerten. Dieser Umstand könnte sich in Zukunft ändern, wenn eine Firma einen Musikkatalog eines Major Labels aufkauft, um ihn zu vertreiben. Einige der Label-Kernkompetenzen werden von Firmen und Berufsgruppen in anderen Sparten übernommen. Im Gegensatz zu den Majors können kleine Einheiten flexibler agieren.

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In Bezug auf Zitate aus Interview mit Wildner/wildnermusic.

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Zurzeit sprechen Backkatalog, Kapitalstärke, Know-how und die professionellen Netzwerke der Majors für einen weiteren Bestand und Bedarf nach Major Labels, ihre Inflexibilität und Langsamkeit, auf Trends ästhetischer und technologischer Art zu reagieren, aber dagegen. Die Majors haben folgende Strategien verfolgt, um der Tonträgermarktkrise entgegenzutreten: 1. Klagen gegen Web-Plattformen, Tauschbörsen und EinzelnutzerInnen 2. Digital Rights Management (DRM) 3. Konzentration auf „Schnelldreher“ 4. Senkung des CD-Preises und Preisdifferenzierung 5. CD als Life-Style-Produkt 6. Synergien durch vertikale Integration: In einem Medienunternehmen wird ein Medienprodukt (z.B. ein Animationsfilm) zu weiteren Produkten verwertet, so genannte Zweit- und Drittverwertungen, wie eine Soundtrack-CD, ein Computerspiel oder Klingelton. Für diese Strategie sind möglichst viele Teile der Medienwertschöpfung im eigenen Haus zu behalten. 7. Transformation von Massenproduktion zu flexibler Spezialisierung, um eine „breitere Produktpalette schneller auf den Markt zu bringen“ (Sennett 1998, 64-65). Sie geht oft mit vertikaler Desintegration von großen Organisationseinheiten, daher mit “Outsourcing“ und damit Entlassungen von MitarbeiterInnen einher. 8. Einstieg in das Music-Download- und Klingelton-Geschäft. Die Majors entwickeln sich zunehmend zu einer Art Venture-KapitalistInnen. Darunter leiden vor allem Newcomer, weil sie nicht mehr die notwendige Halbwertszeit gewährt bekommen, um sich und ihr musikalisches Potenzial zu entwickeln. 13.1.6

Independent Labels

Die Independent Labels kennen ihre lokalen Szenen, so sind sie eher als große Einheiten in der Lage, auf aktuelle Trends schnell zu reagieren. Durch neue digitale Produktionsmittel und Kommunikationskanäle können sie preisgünstiger produzieren und Zugang zu Märkten bekommen, insbesondere auch zu internationalen Märkten. Der Nachteil liegt für die „Indies“ insbesondere in ihrer Kapitalschwäche. Die untersuchten Independent Labelbetreiber (die selbst oft auch als Musikschaffende tätig sind) organisieren sich ähnlich wie die Musikschaffenden entweder als EinzelkämpferInnen (als Ein-Personen-Unternehmen) oder als „mittelständische“ Labels (d.h. größer als Ein-Personen-Unternehmen). Auch wenn Reputation in Form von internationalen Netzwerken und medialer Aufmerksamkeit vorhanden ist, führt diese heute nicht mehr zwingend dazu, dass

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sich die Labels eine nachhaltige materielle Existenz aufbauen können. Um zu überleben, integrieren die Musiklabels mehrere Geschäftszweige. Neue Produktions- und Kommunikationstechnologien haben diese Geschäftszweige um eine virtuelle Ebene erweitert. Das heißt, die Labels müssen wie andere AkteurInnen der Musikindustrie auch Multitasking betreiben. 13.1.7

Vertrieb und Handel

Vertrieb und Handel sind zurzeit jene Teile der Musikwertschöpfungskette, die stark von “Online-Disintermediation“ bedroht sind. Die Konkurrenz aus dem virtuellen Raum wird stärker. Die Krise des Tonträgerhandels ist auch hier selbst verursacht. Die Halbwertszeit der CDs in den Stellflächen der Großbetriebsformen des Einzelhandels wird immer kürzer. Diese Limitierung ist vor allem für Nischenrepertoires eine Marktbarriere, weil sich diese in relativ kleinen Stückzahlen verkaufen, die längere Halbwertszeiten benötigen. KonsumentInnen können die gewünschte CD oft im regulären Handel nicht mehr finden und müssen auf Musik im Internet ausweichen. Der legale Music-Download bewegt sich zurzeit zwar noch im marginalen Bereich, aber mit einer beeindruckenden Wachstumsrate. Ein Hindernis für Music-e-Commerce ist in Österreich die niedrige Kreditkartendichte, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Da eine hohe Handy-Penetration in Österreich besteht, das Handy tragbar/mobil und die bargeldlose Abrechnung über Handy einfacher als über Internet durchführbar ist, liegt die Zukunft des unphysischen Vertriebs möglicherweise eher im m-Commerce als im e-Commerce, auch wenn dafür noch technische Barrieren zu überbrücken sind. Der Online-Handel kann im Vergleich zum physischen Handel mit Tonträgern ein unbegrenztes Sortiment zur Verfügung stellen. Folglich könnte auch Nischenrepertoire mehr Chance bekommen, in Online-Kataloge aufgenommen und zugleich promotet zu werden. Lokales und Independent Repertoire findet momentan aber nur bedingt in den Online-Handel Eingang. Promotion wird im Internet tendenziell zum Vertrieb, weil KonsumentInnen, die Musik online suchen und finden, diese in Form von Music-Downloads oder via Mailorder von Tonträgern potenziell auch kaufen. Es ist heute noch unklar, ob der Musikhandel auf längere Sicht weiterhin auf dem Format CD basieren kann. Die CD wird wahrscheinlich als ästhetisiertes Produkt ähnlich wie Vinyl zum Sammel- und Life-Style-Objekt werden. Gleichzeitig ist ungewiss, ob sich Online-Musikdistribution auf Massenbasis im vollen Umfang durchsetzen kann. Eine weitere Frage ist, ob Music-Streams größeres Potenzial bergen. Streams werden heute vor allem von InternetRadios oder für Hörproben zu Promotionszwecken genutzt, aber nur im geringen Ausmaß zum direkten Verkauf von Einzel-Streams. Streams bieten sich eher als Bestandteile von Online- oder Handy-Abo-Services an. Das Potenzial von Music-Abo-Services ist aber bisher wenig ausgelotet worden.

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Der Einzelhandel wird oft noch zweigleisig sowohl physische als auch Online-Distribution anbieten. Es werden insbesondere solche Stores, die eine eingeschworene Music-Community als Rückgrat besitzen, Marktvorteile haben. Zugleich ist die Breite des Angebots aber im Online-Bereich weitgehend für das Überleben der einzelnen Services entscheidend. Mit einer geringen Breite des Online-Angebots kämpfen etliche neue Online-AnbieterInnen. Die Major Labels sind am Zug, schneller und mehr Lizenzen als bisher zu vergeben. Auch wenn die Labels Rechte mit MusikerInnen/UrheberInnen erst ausverhandeln müssen, nutzen sie aber ihren Backkatalog auch strategisch, um neue Barrieren zu errichten und damit auf andere AkteurInnen Marktmacht auszuüben. Obwohl auf digitaler Ebene für die „Lagerung“ von Musik kein Platzmangel wie im physischen Handel und Vertrieb vorherrscht, gibt es also zahlreiche Barrieren, insbesondere für Nischenrepertoire. Das Online-Music-Geschäft wird im Handel in der näheren Zukunft oft noch Promotion zwecks Umwegrentabilität für andere lukrative Ware (mit höherer Handelsspanne) sein, aber weniger bares Musikgeschäft darstellen. 13.1.8

Live-Musik

Es zeichnet sich ein Trend zum Revival des Music-Live-Events ab, der Teil einer allgemeinen Entwicklung hin zum Aufleben des Live-Unterhaltungsevents sowie der digitalen Mediamorphose ist. Da das kollektive und sinnliche Erlebnis im Vordergrund steht, muss es sich nicht um eine Live-Darbietung im herkömmlichen Sinn handeln, sondern kann auch ein DJSet darstellen. Auch der Rockboom der letzten Jahre trägt zum Revival von Live-Konzerten und Festivals bei. Neue Medien wie Internet und Handy unterstützen den „Trend zum Event“ mit interaktiven Informationsangeboten und Direktticketverkauf. KonzertbesucherInnen suchen zunehmend selbst aktiv nach Information via Internet oder Handy, bestellen Online-Tickets. Außerdem wird der Live-Event selbst als Medienprodukt in sämtlichen Formaten vermarktet, verkauft oder gratis angeboten. Bedeutsamer werden in Zukunft auch BookerInnen/AgentInnen, um Veranstaltungen zu buchen und die notwendigen Kontakte zwischen MusikerInnen und VeranstalterInnen herzustellen. Die Funktion neuer Medien für die Kommunikation kann in diesem Segment zum Aufbau und Erhalt von professionellen Netzwerken nicht unterschätzt werden. Zugleich ist der Tonträger CD als Promotion-Tool für Live-Acts nach wie vor unentbehrlich. 13.1.9

Musikmassenmedien: Radio, Fernsehen und Printmedien

Österreichische Pop-/Rockmusik und elektronische Musik haben wegen einer limitierten Medienlandschaft mit einem permanenten Mangel an Medienpräsenz zu kämpfen. Auch wenn sich die Musikindustrie nach wie vor an traditionellen Massenmedien orientiert, verlieren

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diese langsam gegenüber neuen Medien an Marktmacht. Im aktuellen Stadium muss Musikpromotion aber zweigleisig – sowohl in alten als auch in neuen Medien – erfolgen. Die herkömmliche Medienpräsenz von Musik über den Weg der Massenmedien funktioniert unter dem Einfluss der digitalen Mediamorphose nicht mehr so reibungslos wie früher: „Durch die Digitalisierung gelten neue Spielregeln, gibt es unzählige neue Kanäle.“ (Renner 2004, 286) Gleichzeitig haben die Massenmedien ihre Funktion der Musikpromotion durch den Druck der maximalen Quote weitgehend aufgegeben. Die fehlende Medienpräsenz hinterlässt eine Lücke, die bis dato nicht von neuen digitalen Medien ausgefüllt wird. Zwar kann das Internet pointierter und interaktiver als ein Massenmedium Informationen vermitteln sowie verschiedene Ebenen wie Schrift, Ton und Bild miteinander verknüpfen, aber es erreicht nicht wie Radio oder Fernsehen eine für CD-Verkäufe relevante Masse. Auf Dauer wird das Kommunikationsmodell „Ein-Medium-zu-vielen-ZuhörerInnen“ durch „Viele-SenderInnenzu-vielen-EmpfängerInnen“ abgelöst. Zudem wird „die Botschaft“ im Vergleich zum Medium wichtiger, die nun über eine Vielzahl an Kanälen transportiert werden kann. Auch wenn potenziell jede/r innerhalb dieses Netzwerkes sowohl SenderIn als auch EmpfängerIn sein kann, braucht es aber nach wie vor SenderInnen, die soviel Aufmerksamkeit und Credibility bei HörerInnen haben, dass die jeweilige Botschaft auch angenommen wird. Daher muss „[...] [d]ie Kommunikation [...] erheblich präziser werden, Präsenz allein genügt nicht. Der Weg beginnt beim opinion leader, der persönlich und privilegiert angesprochen werden will. Erst danach orientiert sich Kommunikation an Szenen, verankert sich in der Nische, um schließlich den Mainstream zu erreichen.“ (Renner 2004, 286)

Wer aber sind die Opinion-Leader von morgen? Die Fans werden in Zukunft über viele Kommunikationsmittel – Mundpropaganda, Musiktauschbörsen, Chatforen u.a. Online-Plattformen – zu Opinion-Leadern werden. Sie werden die Musik, die sie interessiert, aktiver „an sich ziehen“ und sich weniger oft als früher von Informationen und Unterhaltung berieseln lassen (vgl. Kusek & Leonhard 2005, 162). 13.1.10 Musikkonsum und neue Mediennutzung In der digitalen Mediamorphose hebt sich die klare Grenze zwischen KünstlerInnen und Publikum auf. Gleichzeitig geht der Konsum von Tonträgern zurück – ein Anzeichen dafür, dass der Tonträgermarkt als Massenmarkt nicht mehr so einwandfrei wie früher funktioniert. Musikkommunikation und -konsumption werden sich in Zukunft verstärkt in Netzwerken digitaler Kommunikationskanäle abspielen und somit nach weniger klar vorgegebenen Promotionsund Distributionswegen als früher. Das hängt damit zusammen, dass das Modell der elektronischen Mediamorphose „ein Sender – viele Empfänger“ an Gültigkeit verliert. Stattdessen

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emanzipiert sich „[d]er Konsument [...] [und] ist in Form von Internetforen und Weblogs selbst längst der Sender“ (Renner 2004, 215). Der Rückgang des Tonträgermassenmarktes hängt zudem mit dem Umstand zusammen, dass die ehemalige Hauptkäuferschicht Jugendliche und junge Erwachsene weniger Tonträger als früher kauft. Jüngere KäuferInnen verfügen im Vergleich zu älteren Musikkäuferschichten über relativ viel Freizeit, nach Musik über das Internet zu suchen, aber auch über weniger finanzielle Ressourcen und Bereitschaft, Musik käuflich zu erwerben. MusikhörerInnen ab ca. 30 Jahren sind im Gegensatz dazu wegen eines größeren Mangels an „Verfügbarkeit an Eigenzeit“ (Nowotny 1990, 138) eher bereit, Music-Sites und -Services aufzusuchen, um Musik auch käuflich zu erwerben. Lebensphasen spielen also eine Rolle, Musik über kommerzielle Online-Music-Plattformen zu beziehen oder nicht. Die Einführung und massive Nutzung von MP3 hat die Musikindustrie gespalten. Die Grenze zwischen den BefürworterInnen und GegnerInnen bildet sich da, wo Einnahmen aus Tonträgerverkäufen bedeutsamer werden und Musikschaffen zur Existenzsicherung auf Tonträgerbasis wird. Music-Downloading aufgrund von Tauschbörsennutzung bieten die Möglichkeit des “Music-Samplings“ und damit des Erfahrens und Kennenlernens von Musik. Eine zentrale Auswirkung des Gerichtsprozesses gegen die populäre Musiktauschbörse Napster besteht darin, dass Musiktauschen durch die Presse um den Prozess erst recht bekannt und auf Massenbasis populär wurde. Seit ca. 2003/2004 scheint sich durch die verschärfte Gangart der IFPI, auch über Gerichtsprozesse gegen Einzeluser vorzugehen, das Blatt etwas zu wenden. Es sind aber nur bestimmte Schichten (v.a. ältere Internet-NutzerInnen und Frauen), die sich von den Maßnahmen abschrecken lassen. Gleichzeitig nimmt das Downloading über Tauschbörsen weltweit insgesamt weiterhin zu. Auch konnte durch die vorliegenden Forschungsergebnisse gezeigt werden, dass Peer-to-Peer-File-Sharing viele positive Effekte auf Musikkonsum und Musikkauf hat, darunter auch Kaufstimulierung und Qualitätskontrolle. Das Internet funktioniert nicht wie ein Massenmedium nach dem „Ein-Sender-zu-vielenEmpfängerInnen-Prinzip“ und daher lässt es sich nicht zu einer neuen Art „BroadcastDomain-Medium“ bzw. zu einem „Ein-zu-Viele-Medium“ transformieren. Somit kann es im Internet auf Dauer keine Defensivkontrolle geben, weil digitale Schlüssel, die zum Schließen gemacht sind, auch zum Öffnen verwendet werden und sich das Gesetz teilweise ignorieren lässt. Die nach wie vor äußerst beliebten Tauschbörsen und deren Nutzung lassen sich nicht nachhaltig defensiv kontrollieren. Aufgrund der Negativwerbung, die die Gerichtsprozesse der Tonträgerindustrie bescheren bei gleichzeitiger (indirekter) Publicity für und kontinuierlichem Anstieg von Tauschbörsennutzung, muss die Kriminalisierung und Bekämpfung von Tauschbörsen und deren NutzerInnen als eher kontraproduktiv qualifiziert werden. Die Legalisierung von Tauschbörsen wäre notwendig und würde die Entwicklung neuer Modelle der

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kommerziellen Verwertung von Tauschbörsen, von Kooperationen zwischen Tauschbörsen und anderen AkteurInnen sowie als Promotion- und Marktforschungs-Tool erleichtern. Für eine Legalisierung müssten alle involvierten AkteurInnen an einem Strang ziehen, was aus heutuger Sicht aber unwahrscheinlich ist. 13.2 Musik und Internet Das Internet ist mittlerweile im Musikbereich nicht nur Informations- und Kommunikations-, sondern auch Distributions- und Transaktionsmedium. Das Hauptmoment des Veränderungspotenzials des Internets besteht darin, dass „[d]er Konsument [...] in Form von Internetforen und Weblogs selbst längst der Sender“ (Renner 2004, 215) ist. Damit verbunden ist auch ein Fallen von Zugangsbarrieren für Musikschaffende und Labels, die bis dato wenig Chancen hatten, ihre Musik einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Durch gezielten Einsatz kann das Internet insbesondere die Arbeit in Musiknischen unterstützen, weil die eigene Community über Internet relativ leicht erreichbar ist. Nichtsdestotrotz bleibt es schwer, sich allein über das Medium Internet einen Namen aufzubauen. Die flache Struktur des Netzes impliziert auch die Gefahr der Informations- und Kommunikationsüberflutung. Zeit, Aufmerksamkeit und Kosten zum Suchen nehmen zu. Auch die Konkurrenz der Musikschaffenden und Labels untereinander steigt durch die Minimierung der Eintrittsbarrieren im Netz. Die „Musikinflation“ kann aber auch positive Aspekte induzieren, wie die Professionalisierung und Qualitätssteigerung von Musik sowie des Web-Auftrittes der Musikschaffenden sowie die Zunahme an Wissen und ein bewussteres Auswahlverhalten der KonsumentInnen. Produktionsmedium: Eher selten ist die Nutzung des Internets als Medium für kreative Produktionsprozesse, um Musik zu komponieren, zu produzieren, im Kollektiv virtuell zu proben oder Musik live (als „Netzkunst“) einer virtuellen Öffentlichkeit zu präsentieren. Informationsmedium: Das Internet ist bis dato vor allem Informations- und Kommunikationsmedium, daher im Musikbereich Medium für Marketing- und Promotionszwecke. Online-Pressearbeit ist für sämtliche Segmente der Musikwertschöpfung wesentlich geworden. Die meisten Musikschaffenden und Labels vor allem der jüngeren Generation besitzen heute ihre eigene Homepage, die auch als Visitkarte, mit der neben Informationen und Produkten auch Identität, Ästhetik und Lebensstil vermittelt werden, darstellt. Als Promotion-Tool wird MP3 von Musikschaffenden oft als “Teaser“ angeboten. Kommunikationsmedium: Email ersetzt heute – abgesehen vom Versenden wichtiger Dokumente – den klassischen Postweg sowie teils Telefonkommunikation und Fax. Vor allem auf internationaler Ebene führt Email zu einer starken Verbilligung der Kommunikation. Distributions- und Transaktionsmedium: In den meisten Fällen funktioniert der Vertrieb von Musik im Internet noch auf Mailorderbasis. Selten wird Musik in digitaler Form direkt über

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das Internet via Music-Up-/Download oder -Stream vertrieben. In welchem Ausmaß sich Music-Downloads am Markt durchsetzen werden, ist noch nicht absehbar. Die digitale Mediamorphose schafft nicht nur die Zugänglichkeit zu digitaler Musik auf breiter Basis, sondern auch die technischen Möglichkeiten, diese Zugänglichkeit zu kontrollieren. Zwei wesentliche Schutzmaßnahmen sind zu unterscheiden: digitales/r Wasserzeichen und digitale Verschlüsselung. Für KonsumentInnen, die eine CD legal erworben haben, sind Kopierschutzmaßnahmen oft unpraktisch und ärgerlich, lassen sich diese technischen Maßnahmen auch umgehen. Die Leerkassettenabgabe fungiert als Kompensation für die KünstlerInnen für den Verlust an Einnahmen aus dem Gebrauch der privaten Kopie. Die Privatkopie wird durch diese Abgabe legalisiert. Mit der Zunahme des Einsatzes von Digital Rights Management-Systemen kommt es zu einer sukzessiven Reduzierung des Rechtes auf die Privatkopie. Damit wird die Leerkassettenabgabe auf Dauer in Frage gestellt. Die Leerkassettenabgabe könnte als Legitimierung der Privatkopie zu einem gewissen Grad sicherstellen, dass das Internet ein relativ freies Informations- und Kommunikationsmedium bleibt und nicht zu einem neuen Massenmedium ummodelliert wird. Mit der Leerkassettenabgabe werden durch den SKE-Fonds soziale und kulturelle Förderungen an KünstlerInnen ausbezahlt, falls diese wegfielen, gäbe es zu ihnen keine Alternative. Bei Weiterbestand der Privatkopie müsste mit dem Kauf einer CD oder eines Music-Downloads auch ein uneingeschränktes privates Nutzungsrecht sämtlicher Abspielgeräte gewährleistet sein. Ein Verbot der Privatkopie entspricht nicht unserer historisch gewachsenen Konsumentenkultur und würde das Urheberrechtskontrollproblem für die Musikindustrie nur noch verschärfen. Ein Verbot ist auch abzulehnen, weil es nur mit Hilfe der Anwendung polizeistaatlicher Methoden exekutierbar wäre. 13.3 Ein neuer Typus des/r Musikschaffenden Die zweite Unterfrage lautet: Inwiefern bringen die Produktionsverhältnisse in der digitalen Mediamorphose einen neuen Typus des/r Musikschaffenden hervor? Wie unterscheidet sich dieser vom Typus des/r Musikschaffenden in der elektronischen Mediamorphose? Die elektronische Mediamorphose bringt durch verstärkte Mediatisierung und Kommerzialisierung einen neuen Typus des/r Musikschaffenden hervor, der/die in fixen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen in/für die Kulturindustrie arbeitet. Dieser Status, der von Abhängigkeit der Kulturschaffenden von Kulturindustrien gekennzeichnet ist, hängt wesentlich damit zusammen, dass die Produktionsmittel der elektronischen Mediamorphose relativ kostspielig und für die meisten Musikschaffenden kaum leistbar sind. Folglich müssen die notwendigen Produktionsmittel den Musikschaffenden von den Kulturindustrien zur Verfügung

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gestellt werden. Die Rockband stellt einen fortgeschrittenen Bandtyp bzw. ein Produktionskollektiv der elektronischen Mediamorphose dar, der im Wesentlichen von der elektrischen Gitarre (und Gitarrenverstärkern), Proben im Proberaum und der teuren und aufwändigen Aufnahme in einem Tonstudio lebt. Die Band ist zwar als ökonomische Einheit grundsätzlich unabhängig (weil sie mit verschiedenen PartnerInnen Verträge ihrer Wahl eingeht), funktioniert aber dennoch in symbiotischer Abhängigkeit von TonstudioproduzentIn und Label (das Produktion, Marketing und Promotion vorfinanziert und organisiert). Musikalisches Können zeigt sich insbesondere in der Beherrschung der Musikinstrumente Gitarre, Bass und der Stimme und deren Live-Performance. Der hohe Kapitalaufwand dieser Produktionsweise stellt in mehrfacher Hinsicht eine Barriere für Newcomer- und NischenmusikerInnen dar. In der digitalen Mediamorphose werden die technischen Produktionsmittel für die einzelnen Musikschaffenden leistbar/er, folglich wird der/die HeimstudioproduzentIn zu einer wesentlichen und relativ autonomen Figur des Musikproduktionsprozesses. Dieser neue Typus der digitalen Mediamorphose ist ein unabhängigerer als der Typus des/r Musikschaffenden der elektronischen Mediamorphose. Ist der Typus der elektronischen Mediamorphose eine Art Pendant zur/m IndustriearbeiterIn, der/die in einem Betrieb mit den dort vorhandenen teuren Produktionsmitteln in einem fixen Beschäftigungsverhältnis steht oder – in autonomerer Form – als ein Glied im kreativen und ökonomischen Verband „Rockband“ agiert, so stellt der Typus der digitalen Mediamorphose, der “Cultural Entrepreneur“, das Pendant zum/r WissensarbeiterIn und zum/r NetzwerkerIn der Informations- und Netzwerkgesellschaft dar, der/die sowohl in kreativer, performativer als auch wirtschaftlicher Hinsicht flexibel/ler und mobil/er ist. Der Unabhängigkeit in der Produktion folgt durch neue Kommunikationskanäle eine zunehmende Autonomisierung in Promotion und Vertrieb (die erst am Anfang steht). Dieser Cultural Entrepreneur lässt sich auch als eine Art „Arbeitskraftunternehmer“ (Pongratz & Voss 2001, 4) bezeichnen, der die Kontrolle aber auch das Risiko über die eigene professionelle Tätigkeit sowie die Arbeitsökonomie trägt (vgl. Pongratz & Voss 2001, 7). Trotz der Nachfrage wirtschaftlicher, sozialer und technischer Kompetenzen, bleibt aber „kreative Kompetenz“ das Markenzeichen von Musikschaffenden (vgl. Haak & Schmid 1999, 18). Gleichzeitig entwickelt sich der Beruf des/r Musikschaffenden von der Meisterschaft zu einem informations- und wissensbasierten und produktionsorientierten Beruf, der “ProductionSkills“ sowie Managementkompetenzen verlangt. Darüber hinaus werden Musikschaffende zunehmend zu „Miteigentümer[n] und Auftraggeber[n]“ (Renner 2004). Die Stoßrichtung geht zu kleineren Produktionsteams, die kostengünstiger und flexibler produzieren, vermarkten und distribuieren. Diesen kreativen und ökonomischen Einheiten fehlt aber zumeist das notwendige Kapital und folglich die notwendige Rentabilität, um auf Dauer auch ökonomisch erfolgreich sein zu können. Dazu bedarf es neuer Finanzierungsmodelle, wie SponsorInnen, öffentliche FördergeberInnen, Public-Pri-

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vate-Partnerships sowie in Form von zeitlich begrenzten Projektkooperationen zwischen kapitalschwächeren und kapitalstärkeren AkteurInnen. Falls die Finanzierungsengpässe von diesen kreativen Zellen nicht lösbar sind, führt die Demokratisierung der Produktion auf längere Sicht wieder zu einer Verengung des am Markt vorhandenen Repertoires, weil dann nur kapitalstarke AkteurInnen (daher v.a. Major Labels) die Promotion-Power aufbringen, die notwendige Präsenz zu schaffen, um auf Dauer genügend Aufmerksamkeit auf Musikschaffende zu lenken und deren Produkte zu verkaufen. Die Musikschaffenden, die nicht ihr eigenes Label und/oder ihren Verlag gründen, können nur dann auf die Kooperationen mit einem Label und/oder Verlag verzichten, wenn sie sich auf einer semiprofessionellen Ebene ihrer Karriereleiter befinden oder bereits so erfolgreich sind, um selbständig agieren zu können. Alle anderen Musikschaffenden, die noch wesentlich vom Tonträgerverkauf Einkommen generieren, bedürfen nach wie vor der Marketing- und Vertriebspotenz sowie des Know-how eines Labels. Gleichzeitig ist es möglich, dass es auch auf der Vertriebsebene in Zukunft zu einer noch stärkeren Demokratisierung des Internet(oder Handy-)Vertriebes kommt. Damit könnte es auch für Nischenmusik möglich werden, mehr Präsenz und Aufmerksamkeit erhalten. 13.4 Mehr Unabhängigkeit zum Preis von sozialer Unsicherheit Die dritte und letzte Unterfrage lautet: Kommt es durch die geänderten Rahmenbedingungen eher zu einer Autonomisierung künstlerischer Arbeit oder zum Verlust sozialer und ökonomischer Absicherung? Musikschaffende können in der digitalen Mediamorphose zwar unabhängiger von Labels, Vertrieben, Verlagen und anderen AkteurInnen agieren, gleichzeitig sind dieser Unabhängigkeit auf mehreren Ebenen Grenzen gesetzt. Professionelle Produktionen – insbesondere wenn sie das Einspielen akustischer Instrumente und von Gesang implizieren – verlangen noch immer nach einer Aufnahme und Bearbeitung in einem professionellen Tonstudio, was die Produktionskosten stark hinaufsetzt. Damit werden MusikerInnen wieder von finanziellen Vorschüssen eines Labels abhängig. Zugleich führt die Demokratisierung der Produktionsmittel zu einer Zunahme von veröffentlichten Produktionen und zu mehr Konkurrenz unter Musikschaffenden. Da der österreichische Markt immer schon zu klein ist, müssen für das Mehr an Produktionen neue Marktterritorien erschlossen werden. Musikexport ist dazu äußerst wichtig, der zwar in bestimmten Nischen wie der elektronischen Musik teilweise gelungen ist, aber meistens auch nur bruchstückhaft und auf relativ niedrigem ökonomischem Niveau. Insbesondere im Musikexport bedarf es daher effektiver Förderungsmaßnahmen. Gleichzeitig kann durch OnlineDistribution der Markt expandieren, auch wenn unklar ist, in welchem Ausmaß. Solange der

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Vertrieb hauptsächlich noch über den physischen Weg erfolgen muss, sind mit der Distribution von niedrigen Stückzahlen ins Ausland relativ hohe Kosten und Risiken verbunden. Zugleich wird durch die Zunahme der Anzahl von Musikproduktionen Promotion teurer. Da Major Labels die kapitalstärksten Labels sind, wird ihre Position dadurch wiederum bestärkt. Andererseits ist es für Independent Labels durch ihre spezifischen Fan-Communities leichter, das Internet für Promotionszwecke gezielt in/für ihre/n Music-Communities einzusetzen. Die Notwendigkeit von “Multitasking“ zur Existenzsicherung von Musikschaffenden (und anderen Berufsgruppen in der Musikindustrie) wird in der digitalen Mediamorphose noch weiter zunehmen, weil die Einnahmen aus dem Tonträgerverkauf kontinuierlich zurückgehen werden. Gleichzeitig gewinnen Einnahmen aus dem Auftragsbereich, Tantiemen (aus Urheberrechten), Music-e-Commerce und Music-m-Commerce sowie zu einem gewissen Grad aus dem Live-Segment (darunter DJing) weiter an Bedeutung. Durch den Wegfall der Fixierung auf den Tonträgervertrieb, dem ein Winner-Takes-It-All-Market zu Grunde liegt, entstehen mehr Chancen für mittelständische Musikschaffende, über Multitasking und die Nutzung neuer Kommunikations-, Promotions- und Vertriebskanäle ein zumindest existenzsicherndes Einkommen generieren zu können. Vor allem die Musikschaffenden mit einer starken FanCommunity als Rückgrat haben dabei Vorteile und können neue Medien dazu nutzen, Kontakt mit ihren alten Fans zu halten und zusätzlich neue Kontakte aufzubauen.

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Anhang

I. Interviewleitfäden Interviewleitfaden Musikschaffende Einstiegsfragen -

Können Sie mir Ihren beruflichen Werdegang erzählen? Welche Rolle haben dabei Digitalisierung und neue Kommunikationskanäle gespielt?

Unterfragen Bilder und Kompetenzen -

Welche Kompetenzen waren für Sie notwendig? Wie bzw. durch wen haben Sie diese erworben? - Wie hat sich Ihr persönliches Berufsbild durch die Digitalisierung und neue Kommunikationskanäle verändert? - Besteht eine Diskrepanz Ihrer künstlerischen Arbeit und anderer notwendiger professioneller Tätigkeiten? Verbilligung/Verteuerung -

Verbilligung oder Verteuerung der Produktions- und Distributionsmittel? In welchen Bereichen? Internetnutzung -

Eigene Website Musikinternetplattformen, wie z.B. mp3.com und allgemeine e-Commerce Plattformen, wie Amazon.com, etc. Für welche Bereiche? - Werbung, Marketing/Promotion - Distribution/Vertrieb von CDs oder Soundfiles/Transaktion - Networking - Kreation Traditionelle Medien -

Welche Rolle spielen die „alten” Medien (Radio, Fernsehen, Print) für Marketing, Promotion und Einnahmen etc.? Labels/Verlage -

Kooperieren Sie mit einem Major Label? Welche Rolle spielen alternative Produktions- und Vertriebsnetze bzw. Independent Labels? Mit welchen/m Label/s kooperieren Sie?

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- Kooperieren Sie mit einem Verlag? - Auf welcher Basis? Welche Art von Verträgen (z.B. Laufzeit, exklusiv etc.)? Einnahmen -

Welches sind Ihre wichtigsten Haupteinnahmequellen? In welchen Bereichen existiert Promotion zwecks Umwegrentabilitäten? (z.B. Promotion für Auftritte durch CD-Verkauf)? - Verhältnis Einnahmen/Tonträgervekäufe/Konzerte/DJing Inland und Ausland? Urheberrechte - Inwiefern spielen Tantiemen aus Urheberrechten für Sie eine Rolle? - Welche Haltung haben Sie zur unautorisierten MP3-Downloads? - Inwiefern halten sie das Modell einer erweiterten Leerkassettenabgabe für sinnvoll? - Welche anderen neuen Modelle der Tantiemeneinhebung sind für Sie vorstellbar? Verwertungsgesellschaften -

Wie ist Ihr Verhältnis zu Verwertungsgesellschaften? Bei welcher/n Verwertungsgesellschaft/en sind sie Mitglied? Sind Sie zufrieden? - Wo besteht Veränderungsbedarf? Gesetzgeber -

Wo sehen Sie einen Handlungsbedarf?

Interviewleitfaden ExpertInnen Einstiegsfragen -

Können Sie mir bitte Ihren beruflichen Werdegang erzählen? Welche Rolle haben dabei Digitalisierung und neue Kommunikationskanäle gespielt?

Unterfragen Bilder und Kompetenzen -

Welche Kompetenzen sind für Sie selbst und Musikschaffende heute notwendig? Wie hat sich ihr Berufsbild und das von Musikschaffenden durch die Digitalisierung und neue Kommunikationskanäle verändert?

Verbilligung/Verteuerung -

Inwiefern Verbilligung oder Verteuerung der Produktions- und Distributionsmittel? In welchen Bereichen? Internetnutzung -

Eigene Website Musikinternetplattformen, wie z.B. MP3.com bzw. allgemeine e-Commerce Plattformen, wie Amazon.com, etc. Für was?

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- Werbung, Marketing/Promotion - Distribution/Vertrieb von CDs oder Soundfiles/Transaktionen - Networking - Kreation Traditionelle Medien -

Welche Rolle spielen die „alten” Medien (Radio, Fernsehen, Print) für Marketing, Promotion und Einnahmen etc.? KooperationspartnerInnen - Wer sind wichtige KooperationspartnerInnen von Ihnen? Labels/Verlage - Welche Rolle spielen Major Labels und Vertriebe? - Welche Rolle spielen alternative Produktions- und Vertriebsnetze? - Welche Rolle spielen Verträge? - Auf welcher Basis? Welche Art von Verträgen (z.B. Laufzeit, exklusiv etc.)? Einnahmen -

Welches sind Ihre wichtigsten Haupteinnahmequellen? Besteht Promotion zwecks Umwegrentabilitäten? Verhältnis Einnahmen/Tonträgervekäufe/Konzerte/DJing etc. Inland und Ausland? Was werden Ihrer Ansicht nach in Zukunft die wichtigsten Haupteinnahmequellen von Musikschaffenden sein? Urheberrechte -

Inwiefern spielen Tantiemen aus Urheberrechten für Sie eine Rolle? Welche Haltung haben Sie zur unautorisierten MP3-Downloads? Inwiefern ist das Modell einer erweiterten Leerkassettenabgabe sinnvoll bzw. notwendig? - Welche anderen neuen Modelle der Tantiemeneinhebung sind für Sie vorstellbar? Verwertungsgesellschaften -

Wie ist Ihr Verhältnis zu Verwertungsgesellschaften? Von welcher/n Verwertungsgesellschaft/en sind sie Mitglied bzw. vertreten? Sind Sie zufrieden? - Wo besteht ein Veränderungsbedarf? Gesetzgeber -

Wo sehen Sie einen Handlungsbedarf?

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II. Die InterviewpartnerInnen Die InterviewpartnerInnen, deren Aussagen das wesentliche Datenmaterial für die Analyse in dieser Dissertation darstellen, sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden (die Reihenfolge innerhalb der Berufsgruppen erfolgt chronologisch nach den Zeitpunkten der Interviews zwischen Ende April 2003 und Ende Dezember 2004). Die KünstlerInnen 1. Christian Fennesz Christian Fennesz beginnt 1981 Musikwissenschaft und Ethnologie an der Universität Wien zu studieren. Er spielt zuerst als Rockmusiker bzw. als Gitarrist und Sänger der Band Maische und ist (1994/1995) Produzent der Gruppe Play the Tracks of. Gemeinsam mit Christof Kurzmann leitet er das Orchesters 33 1/3. In den späten 80er, Anfang der 90er Jahre beginnt seine Laufbahn als Solo- und Computermusiker. Kooperationen gibt es unter anderem mit Peter Rehberg/Pita und Jim O’Rourke, Martin Brandlmayr und Werner Dafeldecker. Fennesz ist v.a. in klassischer Elektronik-Avantgarde, aber auch Techno, Drum & Bass oder Ambient stilistisch verortet. Außerdem hat er sowohl im Club- als auch im e-/kulturellen Bereich Anbindungen. (www.fennesz.com) (Interview am 12.5.2003) 2. Martin Brandlmayr/Band radian Martin Brandlmayr studiert zwei Jahre Biologie in Innsbruck, bricht das Studium aber ab, um klassisches und Jazz-Schlagzeug an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien zu studieren. Er ist im Stilfeld elektronische Musik in Verbindung mit akustischer Musik, einer Art „Funk“ mit akustischen Inhalten, verortet. Brandlmayr ist seit 1996 gemeinsam mit Stefan Nemeth (Synthesizer) und John Norman (Bass) Schlagzeuger, Vibraphoner und Computermusiker der Band radian. Er spielt aber auch in anderen musikalischen Formationen wie Trapist, Kapital Band 1, Autistic Daughters sowie in Soloprojekten. (www.radian.at, trapist.klingt.org,

www.kapitalband1.com,

www.autisticdaughters.com.)

(Interview

am

14.5.2003) 3. Susanne Kirchmayr alias (DJ) electric indigo/Label indigo:inc 1989 beginnt Susanne Kirchmayr als Hobby-DJ im Wiener Lokal Trabant HipHop-, Rare Groove-, Funk- und Jazzplatten aufzulegen. Durch zwei Schlüsselplatten kommt sie auf den Geschmack von Techno. Durch ihre Beziehung zu DJ Hell bekommt sie Zugang zur deutschen Technoszene. Sie zieht 1993 nach Berlin, wo sie sich durch ihre Arbeit in dem Berliner Plattengeschäft Hard Wax und kontinuierliches Auflegen in der Techno-Szene etablieren kann. Kirchmayr ist in den Stilen Minimal House, Techno und Electro verortet. Seit 1996 lebt sie wieder in Wien. 1998 gründet sie die Web-Plattform female:pressure zur Kommunikation

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und Promotion von weiblichen DJs, Produzentinnen etc. und 2003 ihr Plattenlabel indigo:inc reordings. Bis Anfang 2005 hat sie in 33 Ländern auf allen Kontinenten aufgelegt. (www.indigo-inc.at, www.femalepressure.net) (Interview am 14.5.2003) 4. Thomas Rabitsch/Tonstudio Thomas Rabitsch Music Productions/ Recording Studios Rabitsch lernt ab seinem zehnten Lebensjahr Klavier. In seiner Gymnasialzeit ist er als Keyboarder in verschiedenen Bands tätig. Nach der Matura beginnt er das Lehramtstudium der Philosophie und Psychologie an der Universität Wien, bricht dieses aber später ab. Er ist Gründungsmitglied der Bands Hallucination Company (1977) und Drahdiwaberl (1978). In den 80er Jahren arbeitet er als Live-Keyboarder für Hansi Lang und als Produzent für Harri Stoika, Peter Cornelius, D.Ö.F, Stefanie Werger sowie mit Falco. Er ist in sämtlichen Popmusikstilen außer in der Volksmusik verortet. Mitte der 80er Jahre beginnt seine Auseinandersetzung mit dem Computer als Musikproduktionsmedium. Seit ca. 1988 betreibt er sein eigenes Tonstudio und erhält Aufträge für Theater-, Film- und Fernsehmusikproduktionen, u.a. für Fernseh-Signations des ORF, und arbeitet als Produzent für sämtliche Musikschaffenden der österreichischen Popmusikszene (z.B. eine Produktion gemeinsam mit Wolfgang Schlögl für Hansi Lang in Slow Club). Er ist musikalischer Leiter der der ORF-Shows Starmania (1. Staffel Winter 2002/2003, 2. Staffel Winter 2003/2004) sowie der Austropop Show (Winter 2004). (www.rabitsch.cc) (Interview am 15.5.2003) 5. Peter Legat/Band Count Basic Legat beginnt in Wien Architektur zu studieren, bricht aber ab und besteht 1980 die Aufnahmeprüfung am Konservatorium in Wien, um Jazzgitarre zu studieren. Er ist Songwriter, Gitarrist und Vertragslehrer am Institut für Popularmusik der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien und über die Jahre Mitglied verschiedenster musikalischer Formationen, darunter auch die Band Count Basic, die er 1991 gründet und die sein derzeitiges Hauptpro347

jekt darstellt.

Er komponiert in den Stilen Soul, R’n’B, Funk, Acid Jazz und Jazz. Legat hat

gute Anbindung an die internationale Jazzszene. Remixes entstehen u.a. in Kooperation mit Kruder & Dorfmeister, Pulsinger und Demon Flowers. (www.countbasic.com) (Interview Nr. 13 am 19.5.2003) 6. Mex Wolfsteiner/Band Trio Exklusiv Wolfsteiner beginnt im Alter von ca. 12 Jahren in der Musikschule Schlagzeug zu lernen. In Wien studiert er Publizistik an der Universität Wien, bricht aber später ab. Er wird Mitglied der Band M.G. Firebug. Durch Auftritte mit M.G. Firebug lernt er Christof Kurz-

347

Weitere Bandmitglieder von Count Basic sind: Kelli Sae (Sängerin aus New York), Willi Langer (E-Bass), Dieter Kolbeck (Keyboards), Dirk Eichinger (Schlagzeug), Laurinho Bandeira (Percussion), Martin Fuss (Tenorsaxophon, Flöte), Bumi Fian (Trompete) und Christian Radovan (Posaune).

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mann/charizma kennen, der ihn zu More Extended Versions bringt. Wolfsteiner spielt nach Auflösung von More Extended Versions in verschiedenen Formationen, v.a. Orchester 33 1/3 und Planet E. Er ist Mitglied der Band Trio Exklusiv. Trio Exklusiv beginnt zuerst als Trio, 348

wird aber mit Martin Zrost zum Quartett.

Der Trio-Exklusiv-Stil ist eine Mischung aus E-

lektronik und Spiel von Live-Instrumenten sowie von Jazz, Disco, Pop und Soundtracks mit mexikanischen Einschlägen. Wolfsteiner arbeitet neben seiner musikalischen Tätigkeit ca. sechs Jahre lang im SR-Archiv in Wien (das Archiv für Popularmusik in Österreich), das er aber im Februar 2004 verlässt. Für Trio Exklusiv übernimmt er (inoffiziell) Bandmanagementagenden sowie das Booking für Österreich. (www.trioexklusiv.at, www.sra.at) (Interview am 20.5.2003) 7. DJ ravissa/Multimedia-Label Doorbitch ravissa spielt ab ihrem dreizehnten Lebensjahr eineinhalb Jahre lang Schlagzeug. Mit 14 Jahren beginnt sie das Studium der Fotografie und (später) Multimedia an der Höheren Grafischen Lehranstalt in Wien, das sie mit Matura und Diplomarbeit (über Live-Streaming) abschließt. Bereits mit sechzehn Jahren legt sie als DJ bei “Psychedelic Events“ in der Wiener Goa/Trance-Szene sowie bei Raves auf. Ihren Zugang in die Technoszene erhält sie insbesondere durch ihren Vater, der sie zu Raves mitnimmt. Bevor sie wegen eines Ohrenleidens pausiert, hat sie bereits „in jeder Location in Wien aufgelegt“ und auch in Clubs im Ausland. Sie ist u.a. Mitorganisatorin der Free Republic Party 2002 in Wien. Nach der Matura studiert sie zwei Semester Elektrotechnik an der Technischen Universität Wien und dann einige Semester Soziologie an der Universität Wien. Nach einer DJ-Pause wegen des Ohrenleidens fängt sie wieder mit dem Auflegen an. Ihre Stilfelder beschreibt sie als Chicago House, Minimal House, Techno, Break Beats, Electro Bass und Jungle. Sie widmet sich im Frühjahr 2003 vermehrt der Studioarbeit. ravissa lebt zurzeit des Interviews vor allem von Einnahmen als Multimedia-Trainerin am Wifi, wo sie Seminare für Webdesign und für Videocutting anbietet. Zu einem späteren Zeitpunkt ist sie auch als Club-Veranstalterin tätig. (www.doorbitch.nu) (Interview am 21.5.2003) 8. Alexander Sauer alias Anders./Band Seltsam Alex Anders. musikalische Früherziehung beginnt mit fünf Jahren am Konservatorium Wien Liesing. Von 1983 bis 1988 erhält er Unterricht in klassischer Gitarre. Später baut er sich mit dem Hörgerät seines Großvaters eine Elektrogitarre und beginnt zu komponieren. Mit achtzehn Jahren gründet er seine erste Band. Er absolviert zwei Jahre lang den Lehrgang InterMedia an der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn (ohne Abschluss) und schließt später 348

Bandmitglieder von Trio Exklusiv sind Wolfsteiner (Schlagzeug, Percussion, Programming, Electronics, Keyboards), Richard Klammer (Trompete, Flügelhorn, Stimme, Percussion) und Franz Reisecker (Stimme, Gitarre, Programming, Electronics).

277

die Multimedia-Producer-Ausbildung am Institut SAE in Wien ab. Anders. ist Mitglied der Band Seltsam, die in den Stilen Pop und Rock (mit deutschen Texten) verortet ist (weitere Seltsam-Bandmitglieder sind Aladin (Gitarre, Stimme), Hatti (Gitarre, Stimme) und Maxi (Schlagzeug)). Daneben arbeitet/e Anders. als Grafiker, als freier Mitarbeiter beim Aktuellen Dienst des Radio Vorarlberg sowie als Sounddesigner, Musical-Schauspieler und Multimedia-Producer. (www.seltsam-online.com) (Interview am 22.5.2003) 9. Sascha Bém/CORE Bém beginnt mit vier Jahren Klavier und mit acht Jahren Schlagzeug zu spielen und gründet 1986 seine erste Schulband in Wien. Er studiert einige Semester Wirtschaft und gründet 1991 zusammen mit Christopher Harras, Harry Jilg und Sänger Markus Paradise Now!. 1996 bindet sich die Band vertraglich mit BMG Ariola Austria, woraus zwei Alben hervorgehen. Das erste Album erhält Air-Play in ganz Europa sowie auf 62 amerikanischen Radiostationen. Paradise Now! tourt durch europäische Länder, tritt auch in den USA auf und spielt in Österreich als Supportband, u.a. von U2, The Rolling Stones, Lenny Kravitz, Marilyn Manson. Die Zusammenarbeit zwischen Paradise Now! und BMG Ariola Austria endet 2000. Im Februar 2002 trennt sich die Band von Sänger Markus. Chris übernimmt stattdessen den Stimmpart. Die neue Bandformation benennt sich in CORE um und ist im Stil „kerniger“ Rock (mit englischen Texten) verortet. Neben dem Musikmachen lebt Bém auch von Jobs im Bereich Marketing. (www.corecosmos.com) (Interview Ende Mai 2003) 10. Günther Bernhart/Temple X Bernhart lernt ca. ab dem fünfzehnten Lebensjahr Gitarre. Er schließt eine Lehre als Elektroinstallateur ab. Seit 1994 ist er Songwriter und Gitarrist der Band Temple X. Bandmitglieder sind Günther Bernhart (Stimme, Gitarre), Thomas Sperlbauer (Bass), Martin Obojes (Keyboards, Sequencer) und Ulrich Pallua (Schlagzeug). Die Band ist im Stil Rock mit viel Elektronik verortet. Die vier Bandmitglieder sind ursprünglich aus Tirol, zurzeit des Interviews leben zwei von ihnen in Wien. Später ergibt sich eine musikalische Zusammenarbeit von Temple X mit dem Produzenten Frank Tovey a.k.a. Fad Gadget (auch als eine Back-Up-Band von Depeche Mode und Triple X), die bis zu Tovey’s plötzlichem Tod 2002 anhält. Seit Jahren verdient Bernhart seinen Lebensunterhalt als Assistent für verschiedene bildende Künstler, außerdem ist er beim Theaterbau (Kulissenbau) tätig. (www.temple-x.net, www.fadgadget.co.uk) (Interview am 3.6.2003) 11. Wolfgang Kopper/Spielgemeinschaft Gameboy Music Club, Musikkreis MS 20 Koppers Einstieg ins Musikmachen beginnt in den frühen 80er Jahren als Sänger und Texter der Musikgruppe Karl Gott, einer New Wave Band. Später ist er auch Musiker bei den Formationen Liedbund Rote Fahne Neubau und Röslein Tott, alle im Umfeld des Lokals Blue

278

Box in Wien, wo er auch als Kellner tätig ist. In Essen studiert er Kommunikation, Film- und Fotodesign, wird später Mitglied des Panoptischen Kreises Wien und arbeitet als Fotograf in einem Wiener Fotostudio. Mitte der 80er Jahre betreibt Kopper das Kassettenlabel Empty Wien. Er ist Mitarbeiter des Wiener Elektronik-Festivals phonotaktik, dreieinhalb Jahre (bis Herbst 2003) als Kurator des music information center austria (mica) tätig und 1998-2004 Mitorganisator des Wiener Gürtel Nightwalk. 2002 gründet er gemeinsam mit Herbert Weixelbaum den gameboy music club, eine Formation aus MusikerInnen, die mit der Musikkonsole Gameboy Musik machen. Den Stil des gameboy music clubs beschreibt Kopper als „micromusic“. Er ist Teil von weiteren musikalischen Formationen wie Musikkreis MS 20 und dem Duo Groisz Kopper. Er bietet auch gameboymusic-Schulungen an, u.a. für Kinder und Jugendliche. (www.gameboymusicclub.org, plagdichnicht.sil.at/mkms20.php3) (Interview am 23.6. und 19.9.2003) 12. Harald Gandler und „Mastic Will“/Band Mastic Scum Harry Gandler ist Gitarrist und Will Sänger der Band Mastic Scum, die 1992 von Harry und seinem Bruder Man (Schlagzeug) gegründet wird. 1994 kommen Steff (Bass) und Will (Stimme) dazu. Alle vier stammen aus Zell am See in Salzburg. Harry und Man leben zum Zeitpunkt des Interviews in Wien. 2003 stößt Alex zur Band, der Gitarre, Bass, Klavier, Schlagzeug und Flöte spielt und den Bassisten Steff ablöst. Den Stil von Mastic Scum beschreiben sie als Deathmetal, Hardcore und Grindcore (mit englischen Texten). Für Harry ist neben dem Musikschaffen die IT-Branche eine wichtige Einnahmequelle. Will verdient seinen Lebensunterhalt neben Musikmachen mit Eventmanagement im Musik- und Sportbereich. (www.masticscum.com) (Interview Nr. 32 am 8.9.2003) 13. Vlado Dzihan/Duo dZihan und Kamien/Label Couch Records Dzihan stammt aus Sarajevo/Bosnien, studiert dort Klavier und Posaune und ist Mitglied verschiedener Bands aus dem ehemaligen Jugoslawien. Von 1987 bis 1991 ist er Assistent von Goran Bregovic (der v.a. durch den Soundtrack für die Filme von Kusturica – z.B. Time of the Gypsies, Underground und Arizona Dream – bekannt ist). Zusammen mit Mario Kamien ist er Mitglied der Band Mc Sultan. Seit 1997 ist er Mitinhaber des Wiener Labels Couch Records und Teil des Duos dZihan & Kamien. Seinen Stil beschreibt dZihan als “Urban Music“ mit Einflüssen aus Funk, Jazz und orientalischem Folk. (www.couchrecords.com) (Email im Herbst 2003) 14. Daniel Wisser/Band Erstes Wiener Heimorgelorchester (EWHO) Wisser studiert Germanistik an der Universität Wien und ist seit 1989 als Autor und Verleger (Herausgeber der Literaturzeitschrift und des gleichnamigen Wiener Verlages Der Pudel) sowie als Programmierer tätig. 1996 erhält er ein Literaturstipendium des Landes Burgenland.

279

Er ist gemeinsam mit Thomas Pfeffer, Jürgen Plank und Florian Wisser Gründungsmitglied des Ersten Wiener Heimorgel Orchesters. Gespielt wird auf (digitalen) Heimorgeln, die jeweils nicht mehr als 100 Euro gekostet haben und Instrumente imitieren. Das EWHO legt sich auf keinen Stil fest, auch wenn die Tendenz in Richtung „Synthie-Pop“ und DanceMusic (mit deutschen Texten) geht. Von Oktober 2004 bis Juni 2005 (sowie darüber hinaus im Herbst 2005) ist das EWHO für die Musikproduktion das Theaterstücks Untertagblues (von Peter Handke, Regisseurin Friederike Heller) am Akademietheater engagiert. (www.ewho.at) (Interview am 12.11.2004) 15. Wolfgang Schlögl alias I-Wolf/Band Sofa Surfers Wolfgang Schlögl beginnt mit fünf Jahren Klavier zu lernen und besucht das Musischpädagogische Oberstufenrealgymnasium in Wiener Neustadt, wo er Cello und Klavier lernt und die Klavierlehrerprüfung mit Matura abschließt. Danach beginnt er Politikwissenschaft an der Universität Wien zu studieren, bricht das Studium aber zu einem späteren Zeitpunkt ab. Seit dem 15. Lebensjahr spielt Schlögl Keyboard und Bass (und singt) in Rockbands. Bass lernt er sich autodidaktisch. Sein Ansatz ist „immer der popkulturelle“ bzw. interessieren ihn, auch wenn er in der elektronischen Musik fest verortet ist, unterschiedliche Stilfelder. Schlögl ist (seit 1996) Gründungsmitglied der Band Sofa Surfers, gemeinsam mit Wolfgang Frisch, Markus Kienzl, und Michael Holzgruber (Schlagzeug). Timo Novotny macht bald ihre Visuals und begleitet sie auf ihren Tourneen. Wegen gesundheitlicher Probleme eines Bandmitgliedes legen Sofa Surfers drei Jahre bis Herbst 2004 eine Pause ein. Diese Zeit nutzt I-Wolf, seine Sololaufbahn voran zu treiben. (www.sofasurfers.net, www.kleinrecords.com) (Interview am 24. 11. 2004) Labels, Verlage, Musikmanagement, Agenturen, VeranstalterInnen 1. Mario Rossori/Label Pate Records/Verlag Edition Rossori u.a. Rossori studiert Betriebswirtschaftslehre und gründet 1984 mit Georg Leitner die Konzertagentur JOHNNY Concerts. Neben Konzerten in ganz Österreich organisiert er auch Europatourneen. Seit 1991 ist Rossori mit einem Wiener Musikverlag und einer Eventagentur ARGE gemeinsam mit dem Wiener Label Spray Records selbständig tätig und seit 2000 ist Rossori Organisator des österreichischen Musikpreises Amadeus Awards sowie der Gemeinschaftsstände der österreichischen Musikindustrie auf internationalen Musikmessen wie POP.KOMM in Köln oder MIDEM in Cannes. Zwischen 1996 und 1999 ist er Konsulent für das music information center austria (mica), für das er Veranstaltungen zur Promotion österreichischer Musik im In- und Ausland durchführt. Seit 2001 betreibt Rossori das Wiener Independent Label Pate Records im Stil von Alternative Music bis Rock/Pop. Weitere Tätigkeitsfelder sind der Verlag Edition Rossori, journalistische Aktivitäten (u.a. als Poppate

280

einer Kolumne in Sound& Media) und Eventmanagement. Rossori ist Mitglied des Vorstandes des Österreichischen Musikrates, des Fachverbandsausschuss der Audiovisionsund Filmindustrie und des SR-Archivs und betreibt das Projekt Sync-rights.com zum Aufbau einer Business-to-Business-Datenbank für die Film- und Werbebranche mit Musiktiteln im Internet. (www.poppate.com, Sync-rights.com) (Interview am 30.4.2003) 2. Jürgen Bauer/Label und Verlag ecco.chamber Jürgen Bauer stammt aus Deutschland, lebt aber seit über 20 Jahren in Wien. Er ist „Diplomwirtschaftsingenieur“. Ungefähr 1991 beginnt er XXX-Parties (als einer der drei Mister X, Mister X und Mister X) in Wien zu organisieren. Mit der Zeit werden die XXX-Parties immer größer und finden in den Wiener Gasometern (mit 5.000 Leuten) mit internationalen DJs statt. Die Gazometer-Events enden im Oktober 1998. Bis Ende 1999 werden auf dem Label XXX Records über 40 Compilations, Alben und Maxis veröffentlicht. Bauer lagert dann das Label XXX aus und gründet das Wiener Label ecco.chamber im Stilfeld “sophisticated electronic music styles like broken beat, groove, nu-jazz, downbeat, dub, and abstract-sounds“. Seit 2001 konzentriert er sich v.a. auf ecco.chamber. Als Jürgen Bauer KEG betreibt er auch das Raumbeschallungsprojekt audio identity (www.eccochamber.com) (Interview am 8.5.2003) 3. Stefan Parnreiter, Label aRtonal und Lokale fluc und fluc mensa In der Schulzeit beginnt Parnreiter im Umfeld eines Jugendzentrums in Oberösterreich Konzerte (mit bis zu 1.000 Leuten) zu organisieren. Er studiert Politikwissenschaft und Romanistik an der Universität Wien und ist ca. zwei Jahre als Journalist für die Musikzeitschrift skug tätig. Seit Herbst 2002 ist er Betreiber des Wiener Labels aRtonal Recordings, das im Stilfeld „gitarrenlastige Improvisationsmusik“ angesiedelt ist und seit ca. Anfang 2004 ist Parnreiter auch Geschäftsführer und Booker der Lokale fluc und fluc mensa am Praterstern im 2. Bezirk in Wien. (www.artonal.com, www.fluc.at) (Interview am 13.5.2003) 4. Maria Buchinger/Agentur MusikMarketing, Veranstaltungsreihe popnews, Label filosofie Maria Buchinger ist seit ihrer Matura vor allem im Tourismusbereich tätig. Sie arbeitet ein Jahr (ca. im Zeitraum 2002) auf selbständiger Basis für die Wiener Firma Vienna Symphonic Library als Marketingassistentin sowie am Aufbau der Produktionsabteilung. In ihrer Freizeit ist sie Sängerin und spielt Klavier. Ab September 2001 baut Buchinger die Wiener Agentur MusikMarketing und das Label filosofie in Wien auf. Das Stilfeld liegt v.a. in der Pop- und Rockmusik mit Ausdehnung auf Punk, Jazz und Soul. Buchinger organisiert die Veranstaltungsserie popnews für junge Popmusikschaffende im Wiener Club Roter Engel sowie ab Herbst 2003 im Stiegl’ s Ambulanz im Alten AKH in Wien. Im Sommer 2003 zeigt sie im Rahmen der Sommerszene Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz in Wien junge Bands. Ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Agentur, dem Label sowie der Ver-

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anstaltungsserie sind seit März 2004 bis auf Weiteres stillgelegt. Seit dem Wintersemester 2003/2004 studiert Buchinger Musikwissenschaft an der Universität Wien. Seit März 2005 ist sie bei der AKM – Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger in der Geschäftsstelle

„Erhebung“

(in

Teilzeit)

angestellt.

(www.musikmarketing.at,

www.popnews.at, www.filosofie.at) (Interview am 19.5.2003) 5. Hannes Dorn/Label und Verlag Demonware Records Hannes Dorn absolviert eine HTL und studiert Betriebsinformatik an der Technischen Universität Wien. Über seine Schwester kommt er in Kontakt mit MusikerInnen. Seit 1997 betreibt er auf nebenberuflicher Basis das Wiener Label Demonware Records im Stil Heavy Metal, Deathmetal, Hardcore, Grindcore und Hardrock. Bereits seit 1995/1996 hat Dorn seinen eigenen Internet Mailorder Shop onlineshoppingmailorder.com. Er ist Eigentümer einer Firma in der EDV-Branche mit Fokus auf Produktion und Betreuung von Websites, darunter auch von Bands. Die Tätigkeit des Labelbetreibers ist vorläufig (seit ca. 2003) auf Produktionsebene

stillgelegt,

aber

Dorn

betreut

weiterhin

den

Mailorder-Shop.

(www.demonware.com, www.onlineshoppingmailorder.com) (Interview am 21.5.2003) 6. Robert Jelinek/Label Sabotage Communications Jelinek stammt aus Prag/Tschechien und studiert in Linz, Düsseldorf, Rom, Chicago und Wien bildende Kunst. Er ist Betreiber der Wiener Labels Sabotage Communications (mit Sublabel Sabotage Records), welches für ihn immer unter einem „Kunstaspekt“ läuft. Das Label ist in den Stilen New Electronica, Drum and Bass, Ambient, Jungle und HipHop verortet. Am 7. Mai 1999 zieht er einen symbolischen Schlussstrich und Sabotage Records wird offiziell im Flex zu Grabe getragen. In der Folge gründet Jelinek Subetage Records sowie Craft Records. Seit ca. 1999 setzt Jelinek kaum mehr Aktivitäten im Bereich elektronische Musik. Auf dem Label Subetage kommen (zum Zeitpunkt des Interviews im Frühjahr

2003)

DVDs

und

Videos

heraus.

Er

organisiert

(2002/2003)

eine

Veranstaltungsserie u.a. zum Thema HipHop. (www.sabotage.at) (Interview am 22.5.2003) 7. Ramon Bauer/Label mego, Internet-Vertrieb M.DOS, Bookingagentur MdBs Bauer macht seit seinem zehnten Lebensjahr Musik (vorerst als Schlagzeuger). 1992 kauft er seinen ersten Sampler und wird zum Computermusiker. Seine „Hauptband“ stellt General Magic gemeinsam mit Andi Pieper dar, außerdem macht er verschiedene Projekte mit Peter Rehberg/Pita, Chicks on Speed sowie GD Luxxe. Er ist Eigentümer und Geschäftsführer des Wiener Labels mego. Das Label wird 1994 von Ramon Bauer (Geschäftsführer), Peter Meininger und Andreas Pieper gegründet. 1995 steigt Peter Rehberg/Pita ein und Peter Meininger zieht sich zurück. mego ist bekannt für elektronische Musik, insbesondere Avantgarde

282

und Ambient. M.DOS ist seit 1997 ihr bekannter Web-Mailorder-Shop. Seit Jänner 2000 führt mego die Booking-Agentur MdBs. (www.mego.at) (Interview am 26.5.2003) 8. Muff Sopper/Veranstaltungshalle und Musikmagazin Planet Music In der Schulzeit ist Sopper Mitglied einer Band und gründet später den Vereins VÖM Vereinigte Österreichische Musikförderer. Er übernimmt 1989 das Rockhaus von der Gemeinde Wien. 1998 wird das Rockhaus in Planet Music umbenannt. Sopper ist Geschäftsführer der Veranstaltungshalle Planet Music, Veranstalter (u.a. von zwei Bühnen des Donauinselfestes), Herausgeber/Verleger des Branchenverzeichnisses Musikatlas und der Zeitschrift PlanetMusic.tt. Planet Music veranstaltet auch Wettbewerbe wie den Austrian Band Contest und Younxstars, die beide für Newcomer-Bands bestimmt sind. Der Stil ist v.a. Rock, Pop, HipHop, elektronische Musik etc. (www.planet.tt) (Interview am 26.5.2003) 9. Claus Prechtl und Thomas Mair/Label und Verlag Sunshine Enterprises Claus Prechtl studiert eine Zeit lang Jus an der Universität Wien. Durch die Veranstaltung eines Clubs in der Meierei im Wiener Stadtpark kommt er in Kontakt mit dem Wiener Label Sunshine Enterprises. Prechtl ist bei Sunshine Enterprises zum Zeitpunkt des Interviews v.a. für

den

Bereich

Buchhaltung

und

Finanzen

zuständig.

Thomas

Mair

studiert

Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Durch sein Diplomarbeitsprojekt nimmt er (2000) Kontakt mit Sunshine Enterprises auf. Sein Tätigkeitsfeld ist (seit Oktober/November 2002) v.a. im Bereich Label sowie Club- und finanzielle Planung (darunter auch die Akquirierung von Förderungen). Beide sind zum Zeitpunkt des Interviews mit 20 Stunden bei Sunshine Enterprises angestellt und leben zusätzlich von DJ-Jobs. Zu Beginn ist Sunshine Enterprises, das nun als 50:50-GmbH von Matthias Kamp und Heinz Tronigger betrieben wird, ein Sublabel des Major Labels BMG, wovon es sich aber bald trennt. Die Stilrichtung von Sunshine Enterprises ist elektronische Musik, insbesondere Clubmusik: „von uptempo wie house, broken beats“. Das Tonstudio SunshineMusic ist an das Label angeschlossen (und befindet sich auch im selben Haus). Außerdem ist Sunshine Enterprises Clubbetreiber von den Wiener Clubs Passage (seit 2003) und Roxy. (www.www.sunshine.at, www.sunshinemusic.at (studio)) (Interview am 26.6.2003) 10. Günther Wildner/Künstlermanagement, Agentur und Verlag Wildner Music Wildner studiert an der Universität Wien Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft und Soziologie und absolviert am Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaften in Wien die Postgraduate-Ausbildung zum „akademisch geprüften Kulturmanager“. Er ist Live- und Studiomusiker (E-Bass, Gitarre, Gesang). 1998 gründet er die Wiener Agentur Wildner Music mit Spezialisierung auf „Musikbusinessdienstleistungen“ in den Genres Pop, Jazz und CrossOver. Wildner bietet Musikmanagement, Promotion, Booking, und Sponsoring an und ist

283

auch Verleger. Der Songwriter Thomas Raab ist zurzeit des Interviews im November 2004 sein Haupt-Act, für den er exklusiv als Manager arbeitet. Außerdem ist er Generalsekretär des Österreichischen Musikrates (ÖMR), Vorstandsmitglied der MKAG (Musiker-KomponistenAutoren-Gilde), Vorstandsmitglied des österreichischen Kulturrates und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Popularmusik. (www.wildnermusic.com) (Interview am 29. 11. 2004) 11. Wolfgang Mitter/Agentur Miooow Cooperative Mitter studiert in Wien Betriebswirtschaft und schließt 1984 sein Studium ab. Er gründet gemeinsam mit anderen den Wiener Selbstverwaltungsbetrieb Vertiko für Altwarenhandel und Restauration, der sich dann mit anderen selbstverwaltenden Betrieben zu einem Verein formiert. 1993 beschließt er, im Kulturmanagement zu arbeiten und organisiert einige Jahre lang das Kulturprogramm für den Veranstaltungssaal des Wohnprojektes Sargfabrik in Wien. Er wechselt dann in eine Bürogemeinschaft mit der Großagentur Artist-Marketing und übernimmt dort auf selbständiger Basis den Bereich Jugendmusikmarketing. In den letzten fünf Jahren bildet er junge Leute zu MusikagentInnen aus, gemeinsam gründen sie die Wiener 349

Agentur-Plattform Miooow Cooperative

mit Schwerpunkt auf elektronischer U-Musik,

HipHop und teils Rock. (www.miooow.com) (Interview am 10.12.2004) 12. Walter Gröbchen/Agentur und Label monkey music Gröbchen studiert nach der Matura zwei Semester an der Universität Wien Philosophie und Publizistik. Parallel dazu beginnt er für die Jugendkultur-Zeitschrift Etcetera sowie für Radiosender als freier Mitarbeiter zu arbeiten (von 1981 bis 1993 u.a. bei der Ö3 Musicbox und Nachtexpress). 1993 wird Gröbchen Marketingchef und A&R-Manager für das Independent Label GIG Records, das noch im selben Jahr vom Major BMG gekauft wird. Er wechselt zum Label Warner Music nach Hamburg, wo er im Bereich Special Marketing tätig ist. Ein Jahr später wird er A&R-Consultant für MCA und Universal Music. 1999 entscheidet er sich für die Selbständigkeit als A&R-Consultant und Verleger und gründet 2000 die Kommunikations- und Consultingagentur monkey music mit angeschlossenem Label und Verlag. Der monkey music-Stil ist „Popularmusik im weitesten Sinne“, von elektronischer Avantgarde bis Mainstream-Pop. Zusammen mit dem SR-Archiv und der Firma Exozet neue Medien Produktion

initiiert

er

das

Projekt

Musiktankstelle

MuseumsQuartier

im

MUQUA.

(www.monkeymusic.at, www.musiktankstelle.at) (Interview am 13. 12. 2004)

349

Miooow coop. besteht aus Mitter sowie Jennifer Nessler, Christian Kemmler und Jelena First-Matouschek, Isabelle Pfeiffer, Lara Fritz und Sarah Fritz.

284

13. Hannes Eder/Major Label Universal Music Austria Seit dem zwölften Lebensjahr spielt Eder in der Punkband The Bates. Mit 16 Jahren beginnt er journalistisch zu arbeiten, v.a. als Musikkritiker, und kommt zum ORF-Radiosender Ö3. Später wird er Chefredakteur der Sendung Treffpunkt Ö3. Auch arbeitet er bei verschiedenen Zeitungen sowie anderen Ö3-Programmen. Bei Ö3 übernimmt Eder zunehmend Funktionen im Marketing und Programmmanagement. Später arbeitet er beim alternativen ORF-RadioSender FM4 und moderiert dort die Sendung House of Pain. Sein Verantwortungsbereich bei FM4 erstreckt sich mit der Zeit auch auf die Bereiche Programminhalte wie “Comedy“, die Vermarktung des Senders sowie Formatentwicklung. Seit 2003 ist er General Manager des Major Labels Universal Music Austria (Firmensitz in Wien), welches in ist in sämtlichen Stilrichtungen verortet ist. (www.universalmusic.at) (Interview Nr. 40 am 20.12.2004) 14. Frank Januschke/Label derfreieRaum fürMusik Frank Januschke studiert in München Journalismus. 1992 absolviert er ein Volontariat bei einem lokalen deutschen Radiosender. Er geht zur Süddeutschen Zeitung und später zu Prinz, einer Stadtzeitung, die in mehreren deutschen Städten erscheint. Danach wechselt er zum Bayrischen Fernsehen. 1995 bis 2001 arbeitet er beim Radiosender Antenne Bayern. Er zieht nach Wien, v.a. weil seine Band Die falschen Freunde einen Vertrag mit dem Label Intonation hat. Im Januar 2002 beginnt er für den Radiosender Ö3 zu arbeiten, wo er Programmaktionen konzipiert und umsetzt. 2002 wird er vom ORF zur Neugründung der Jugend 1 Redaktion (Ö3 Top 40, Arena und Donnerstag Nacht) geholt. Im Sommer 2003 macht er sich selbständig, um sich v.a. den Bereichen Sendungskonzeption, -entwicklung, Programm und Projektmanagement zu widmen, z.B. arbeitet er für den TV-Sender pulsTV (Musiksendung on stage). Januschke gründet Anfang 2003 gemeinsam mit Irene Jennenwein und Clemens Niederhammer das Wiener Label derfreieRaum fürMusik (Stilfeld Rock-Pop), wo er die Funktion des Labelmanagers übernimmt. (www.freiraum-musik.com) (Interview am 21.12. 2004) Vertriebe und Handel 1. Rudolf Schauer/Musikinstrumentevertrieb und -handlung Klangfarbe Schauer gründet als Sechzehnjähriger seine erste Band. Seit seinem achtzehnten Lebensjahr macht er Theaterinszenierungen mit elektronischer Musik. 1984 gründet er die Wiener Musikinstrumentehandlung Klangfarbe. Die Klangfarbe handelt als Einzel- und Großhändler mit Musikinstrumenten und tontechnischen Geräten. Einzelne Abteilungen (Gitarren-, Akustik und Elektronikabteilungen) werden aber verkauft und laufen im Franchising weiter. Zum Zeitpunkt des Interviews im Frühjahr 2003 zieht sich Schauer von seiner Ge-

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schäftsführertätigkeit zurück, er ist aber nach wie vor als Franchisegeber und Consulter an die Klangfarbe gebunden (www.klangfarbe.at) (Interview am 7.5.2003) 2. Harald Büchel/Firma FF Arts & Media Consultants, Musik-Internet-Plattform music channel Harald Büchel studiert in St. Gallen, Wien und München Jus. Ab 1988 ist er Geschäftsführer der IFPI, von 1992 bis 2000 Geschäftsführer von BMG-Ariola in Österreich und 2001 noch Consulent für BMG-Ariola. Er ist Eigentümer der Internetplattform music channel sowie der Wiener Firma FF Arts & Media Consultants. Das Consulting-Unternehmen hat seine Schwerpunkte in “consulting, conceptioning and contracting“ im Kultur- und Medienbereich. Das Internetportal music channel (Launch im Herbst 2003) ist ein “One Stop Info Shop“ bzw. als Informationsmagazin mit einem vielfältigen Angebot an Rezensionen, Artikeln, Features und News konzeptioniert, aber darüber hinaus werden über den Webshop CDs, DVDs, Vinyls und sonstige Audio- und Video-Produkte zum Verkauf angeboten. Das Stilspektrum umfasst: Pop, R&B, Electronic, Dance, World, HipHop, Jazz, Rock, Schlager, Klassik und sonstige. (www.musicchannel.cc) (Interview am 7.5.2003) 3. Alexander Hirschenhauser/Vertrieb Soul Seduction/Plattenladen Black Market Music, Soul Seduction Digital Distribution SSDD Alexander Hirschenhauser betreibt von 1986 bis 1993 den legendären Club Soul Seduction im Wiener Lokal Volksgarten. 1990 startet er den Wiener Plattenladen Black Market Music und 1994 den Vertrieb Soul Seduction Distribution, der heute ein breites Stilspektrum anbietet: Alternative/Pop/Rock, Ambient/Electronica/Avantgarde; Big Beat/Break Beat, Blues, Drum & Bass/jungle; Electro, Ethnic/World, HipHop, House, Jazz; Latin, Lounge/Easy Listening, Nujazz/Headz/Groove,

Ragga/Dancehall,

Reggae,

Rhythm

&

Blues,

R’n’B,

Soul/Funk/Dance; Soundtracks; Tech/Trance/Rave. Das neue Online-Vertriebsprojekt namens Soul Seduction Digital Distribution SSDD wird als eigenständiges Unternehmen geführt und von Soul Seduction SSDD mit dem Vertrieb im Internet beauftragt. (www.soulseduction.com) (Interview am 8.5.2003) 4. Dierk Rossiwall alias Roswell 47/Vinyl-Plattenladen Bounce Rossiwall beginnt mit vierzehn Jahren Gitarre und Bass zu spielen. Er spielt in den 80ern in Punk-Bands (z.B. von Extrem, Cold World) und ist in den 90ern DJ und Veranstalter (z.B. ca. vier Jahre Organisator von Elektroploitation, einer Partyserie im Lokal Chelsea sowie später im Flex und im WUK (jeweils in Wien)) tätig. Rossiwall arbeitet auch als Booker für den Star DJ Godfather (aus Detroit). In Wien ist er hinsichtlich Veranstaltungen zurzeit des Interviews nicht mehr sehr aktiv. Seit 2003 ist er Geschäftsführer des Wiener Vinyl-Plattengeschäftes Bounce. Bounce bietet Dancefloor-Music, ausgenommen House und Techno, an, also Drum & Bass, HipHop & R&B (sowohl Kommerz und Underground), Breakz, UK Garage/Grime,

286

Ghetto Tech/Electro, Ragga/Dancehall sowie etwas Funk+Disco. HauptkundInnen sind DJs. (www.bouncerecords.biz) (Interview am 15.5.2003) 5. Michael Aschauer und Ferdinand Schwenkert, aon musicdownload der Telekom Austria Michael Aschauer ist Produktmanager von aon musicdownload und Ferdinand Schwenkert sein Mitarbeiter. Für die Abwicklung der Internet-Musik-Plattform aon musicdownload sind sie beide zuständig. aon musicdownload wird am 1.10.2003 gestartet. Dieses Webportal der Telekom Austria bietet keine eigene Musik an, sondern bezieht diese über die Firma OD2. OD2 wird 1999 von Peter Gabriel gegründet und später von der US-Firma loudeye gekauft, welche im Windows Media Format Songs v.a. aus dem Repertoire der Major Plattenfirmen anbietet. (musicdownload.aon.at) (schriftliches Protokoll aufgrund eines Referates im Musikwirtschafts-JourFix am Institut für Kulturmanagement am 20.12.2004) Medien 1. Stefan Trischler/Band Kaputtnicks/FM4-Internet-Plattform FM4-Soundpark Seit seinem dreizehnten Lebensjahr macht Trischler am Computer Musik und mit 16 Jahren bringt er sich Schlagzeug, Gitarre und Klavier bei. Nach der Matura beginnt er als Redakteur bzw. freier Mitarbeiter beim alternativen, populären ORF-Radio-Sender FM4, insbesondere für die Web-Plattform FM4-Soundpark zu arbeiten. Außerdem ist er HipHopper und Produzent der Band Kaputtnicks, die vor allem mit dem politischen Protestsong „Briefe an den Bundeskanzler“ im Kontext der österreichischen Nationalratswahl 2000 bekannt wird. Die Band wird 1996 gegründet. Bandmitglieder sind neben Trischler „Trishes“ (MC) Oliver Müllner „Ölee“ (MC), Florian Scheibein „f.l.o.“ (DJ, MC). (fm4.orf.at/soundpark, www.webbeatz.de/Members/kaputtnicks-main.htm) (Interview am 4.6.2003) 2. Didi Neidhart/Musikmagazin skug/(ehemals) Band Wipeout Neidhart studiert Publizistik, Kommunikationswissenschaften und Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Audiovision an der Universität Salzburg. Von 1988 bis 1993 arbeitet er im Rahmen der Stadtwerkstatt in Linz für TV-Projekte. Von 1993 bis 1999 ist er Mitglied der 350

Band Wipeout.

Seit 2001 gestaltet er Sendungen für die Radiofabrik Salzburg (cafe bizarre)

sowie für Radio fro/Linz. Zum Zeitpunkt des Interviews (im Frühjahr 2003) arbeitet er in einem Jugendzentrum in Hallein/Salzburg. Im Februar 2005 ist Neidhart als DJ in München tätig. (www.skug.at, www.fuckhead.at/wipe-out/index3.htm) (Interview am 16.6.2003)

350

Weitere Bandmitglieder von Wipeout sind neben Didi Bruckmayr (Stimme, Lyrics), Wolfgang „Fadi“ Dorninger (Synthesizer, Sampler, Electronics, Programming), Dieter Kern (Elektronisches Schlagzeug, Programming) (seit 1999), Alex Jöchtl (Sound Engineer).

287

3. Georg Hitzenberger/Internetradio PLAY.FM 1993 entdeckt Hitzenberger die Wiener Clubszene. Er legt seit ca. fünf Jahren als DJ volcano auf und organisiert seit ca. fünf Jahren eine Drum’n’Bass Veranstaltungsreihe im Wiener Lokal subzero. Als DJ legt er in Österreich u.a. in Clubs wie Flex, WUK, Arena, B72, Couchuc, Café Leopold/MQ, Schikaneder, Donau, Pulse, Shelter, The Monastery, Ra’mien sowie in europäischen Clubs auf. Seit 2004 ist er Projektmanager vom Internet Club-MusicRadiosender PLAY.FM. (www.play.fm) (Interview am 17.12.2004) MusikförderInnen und -pädagogInnen 1. Harry Fuchs/Nachwuchsprojekt Projekt pop! der AKM/ Österreichischer Musikfonds. Fuchs studiert Publizistik, Kommunikationswissenschaft und Medienpädagogik an der Universität Wien und absolviert das WIFI-Management-College. Während seines Studiums arbeitet er für das Wiener Rockhaus, u.a. in den Bereichen Tourenmangament, PR sowie als Chefredakteur und Herausgeber der Juke Box/Sound Box, dem ehemaligen Magazin des Rockhauses. Fuchs ist lange als Radiojournalist für Rot-Weiß-Rotes Radio von Ö3 tätig und schreibt für die deutsche Musikwoche. Heute betreibt Fuchs ein Wiener „Büro für Kulturkommunikation“, er ist leitender Redakteur vom Österreichischen Musikatlasses, Autor der Publikation „Geschichte der Popularmusik in Wien“ und publiziert als freier Journalist in vielen anderen Medien wie Sound & Media und im Magazin Planet.tt. Seine Haupttätigkeit stellt zurzeit des Interviews die Projektleitung des Projekt pop! der AKM – Gesellschaft für Autoren, Komponisten und Musikverleger dar. Außerdem ist er seit 2005 Geschäftsführer des neu gegründeten Österreichischen Musikfonds. Fuchs ist zudem Mitglied der Austrian Music Award Academy und Kuratoriumsmitglied des Österreichischen Musikrates. (www.harryfuchs.com, www.projektpop.com) (Interview am 13.5.2003) 2. Peter Rantasa/music information center austria, Label/Club rhiz, Festivals Phonotaktik, Picknick mit Hermann u.a. Peter Rantasa studiert Elektroakustik und experimentelle Musik an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien und ist als Leiter der Abteilung für Kulturvermittlung der Stadt Salzburg im Museums- und Ausstellungswesen tätig. Später ist er als Veranstalter der Festivals Heimischquer, Phonotaktik (1995, 1999, 2002), Picknick mit Hermann (1996) und Hyperstrings (1997) tätig. 1992 gründet er zusammen mit Herbert Molin das Wiener Lokal und Musiklabel rhiz. Seit 1999 ist Rantasa Direktor des Music Information Center Austria (mica), das 1994 im Auftrag der Republik Österreich als gemeinnütziger Verein und Servicezentrum für in Österreich lebende Musikschaffende gegründet wird. Im Sommer 2004 gründet mica die Wiener Musikagentur Austrian Music Export (als Tochterfirma), welche auch für das Projektmanagement der neuen Music-Internet-Plattform www.manymusics.org zuständig ist.

288

Rantasa ist Direktor der World Culture Forum Alliance (WCFA), Vizepräsident der International Association of Musical Libraries, Archives and Documentation Centres, Vorstandsmitglied des European Music Office und Vorstandsmitglied des Internationalen Musikrates/UNSESCO (www.mica.at, www.musikexport.at, www.manymusics.org www.rhiz.org) (Interview am 28.5. u. 23.6.2003) 3. Peter Paul Skrepek/Musiker-Komponisten-Autoren Gilde u.a. Skrepek ist seit 1971 Musiker (Gitarrist, Studiomusiker und Komponist), Textautor, Kabarettist, Journalist und Interessensvertreter. Er spielt zusammen mit sämtlichen AustropopmusikerInnen, darunter Wolfgang Ambros, Reinhard Fendrich, Drahdiwaberl, Falco, Ostinato, Heli Deinboek, Sigi Maron, Roland Neuwirth, Maria Bill, Hubert von Goisern & Alpinkatzen, STS und Thomas Rabitsch. Er ist in den Stilen improvisierte Musik, Pop, Jazz verortet. Außerdem ist er als Theatermusiker tätig (Theatergruppe Habsburg Recycling). Skrepek hat zurzeit des Interviews Funktionen in etlichen Interessensverbänden inne, er ist Vorsitzender der Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (KMSfB), Präsident der MusikerKomponisten-Autoren Gilde, der größten Interessensvertretung für freiberufliche Musikschaffende Österreichs, Präsident der Musikergewerkschaft – Sektion Musik in der Gewerkschaft KMSfB sowie der Österreichischen Note, Vorstandsmitglied der OESTIG/LSG, des Österreichischen Musikrates, des Österreichischen Kulturrats, der Vereinigung österreichischer Kurorchester und des Vereins der Freunde der Musikuniversität Wien, Kuratoriumsmitglied des Künstlersozialversicherungsfonds, Mitglied des ORF-Publikumrats (Vertreter der Kunst) sowie Labelbetreiber von Weltweit Records. (www.musikergilde.at) (www.kmsfb.at), (Interview 2.6.2003) 4. Harald Huber/Institut für Popularmusik Huber studiert Lehramt für Musikerziehung und Philosophie, Psychologie und Pädagogik an der Universität Wien, Tonsatz und Elektroakustik an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien und absolviert das Post-Graduate-Studium Soziologie am Institut für Höhere Studien. Der Titel seiner Habilitationsschrift lautet „Der Song und die Stilfelder der Musik“. Huber ist Leiter des wissenschaftlichen Bereichs des Institutes für Popularmusik der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien (www.ipop.at) und Musiker (Komponist, Pianist und Keyboarder) mit eigenen Formationen (BLOX, wiener u.r.theater (Theaterimprovisation)). Er ist Vizepräsident des österreichischen Musikrates. (www.mdw.ac.at/ipop) (Interview am 26.6.2003)

289

Verwertungsgesellschaften 1. Markus Lidauer/SKE-Fonds der austro mechana Lidauer erhält eine musikalische Ausbildung ab dem sechsten Lebensjahr. An der Wirtschaftsuniversität Wien studiert er Handelswissenschaften und schließt 1992 den Lehrgang des Institutes für kulturelles Management und Kulturwissenschaften (IKM) ab. Seit 1987 ist er Projektmitarbeiter bei Musical- und Theaterproduktionen, Produktionsassistent beim steirischer herbst ´91 und den Wiener Festwochen ´92. 1991 ist er als Produktionsleiter am Theater des Augenblick in Wien tätig. Danach arbeitet er für ‚freie’ Theater- und Tanzproduktionen, zuletzt in der Tangentiale – Mehrspartenfestival Wien-Budapest. Seit 1994 ist er Geschäftsführer des SKE-Fonds der Verwertungsgesellschaft austro mechana. Lidauer ist Mitglied des Beirats IG Netz/IG Freie Theaterarbeit und seit 1997 Mitarbeiter in Arbeitsgruppen zur Künstlersozialversicherung, Verfasser der Publikationen „Zur sozialen und finanziellen Situation der Komponisten“ (ÖMZ 10/2001) und Mitglied der Kurie für Musik/K-SVF. (www.ske-fonds.at), (Interview am 28.5.2003) 2. Helmut Steinmetz/Verwertungsgesellschaft austro mechana Steinmetz studiert Jus und ist seit 1975 Direktor der Verwertungsgesellschaft austro mechana mit Sitz in Wien. Davor ist er von 1972 bis 1975 Direktor der Literar Mechana. Die austro mechana ist für die mechanischen Rechte von KomponistInnen, TexterInnen und MusikverlegerInnen, die ihren Arbeitsmittelpunkt in Österreich haben, zuständig. Die Aufgabe der austro mechana ist, „dass UrheberInnen für die Verwertung (Nutzung) ihrer musikalischen Werke Tantiemen erhalten“. (www.akm.ac.at) (www.aume.at) (Interview am 20.11.2003).

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