Patente in technologieorientierten Mergers & Acquisitions : Nutzen, Prozessmodell, Entwicklung und Interpretation semantischer Patentlandkarten 9783835090194, 3835090194 [PDF]


139 108 12MB

German Pages 338 Year 2006

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Papiere empfehlen

Patente in technologieorientierten Mergers & Acquisitions : Nutzen, Prozessmodell, Entwicklung und Interpretation semantischer Patentlandkarten
 9783835090194, 3835090194 [PDF]

  • 0 0 0
  • Gefällt Ihnen dieses papier und der download? Sie können Ihre eigene PDF-Datei in wenigen Minuten kostenlos online veröffentlichen! Anmelden
Datei wird geladen, bitte warten...
Zitiervorschau

Anja Drel^ler Patente in technologieorientierten Mergers & Acquisitions

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Forschungs-/Entwicklungs-/lnnovationsManagement Herausgegeben von Professor Dr. Hans Dietmar Burgel Universitat Stuttgart (em.) Professorin Dr. Diana Grosse, vorm. de Pay Technische Universitat Bergakademie Freiberg Professor Dr. Cornelius Herstatt Technische Universitat Hamburg-Harburg Professor Dr. Martin G. Mohrle Universitat Bremen

Die Reihe stellt aus integrierter Sicht von Betriebswirtschaft und Technik Arbeitsergebnisse auf den Gebieten Forschung, Entwicklung und Innovation vor. Die einzelnen Beitrage sollen dem wissenschaftlichen Fortschritt dienen und die Forderungen der Praxis auf Umsetzbarkeit erfijllen.

Anja DreBler

Patente in technologieorientierten Mergers & Acquisitions Nutzen, Prozessmodell, Entwicklung und Interpretation semantischer Patentlandkarten

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Martin G. Mohrle

Deutscher Universitats-Verlag

Bibiiografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothel( verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibiiografische Daten sind im Internet uber abrufbar.

Dissertation Universitat Bremen, 2005, u.d.T. Geritz, Anja: Patente in fruhen Phasen technologieorientierter Mergers & Acquisitions. Nutzen - ProzeGmodell - Entwicldung und Interpretation von semantischen Patentlandkarten

I.Aufiage Juni2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I 6WV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Scholler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschiieBiich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschijtzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, SchelSlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0127-2 ISBN-13 978-3-8350-0127-5

Geleitwort -

Geleitwort

Patente gewinnen in den letzten Jahren zunehmend an betrjebswjrtschaftlicher Bedeutung, wie es bspw. durch die positive Auswirkung der Patente auf den Unternehmenserfolg belegt ist. Frau Dr. Drelller hat sich dem besonderen betriebswirtschaftlichen Aspekt technologieorientierter Mergers & Acquisitions zugewendet und untersucht in der vorliegenden Arbeit, inwieweit Patente als Entscheidungshilfen bei der strategischen Unterneiimensentwickiung dienen konnen. Der englisciie Ausdruck Mergers & Acquisitions (M&A) hat sich fur die Vorbereitung und Durchfuhrung eines Zusammenschlusses von Unternehmen, sei es in Form einer Ubernahme oder einer Fusion durchgesetzt. Sinnen die Fiihrungskrafte in einem Unternehmen auf einen solchen Zusammenschluss, sind die Bewertung und Auswahl passender Partner eine wesentliche Aufgabe, die zumeist weit im Vorfeld - ohne offentliche Bekanntgabe einer M&A-Absicht - durchgefuhrt wird. Bei einer solchen Bewertung und Auswahl passender Partner spielen technologische Aspekte insbesondere in Verbindung mit Schutzrechten wie Patenten nicht selten eine Rolle. Die Analyse dieser technologischen Aspekte lasst sich allerdings noch deutlich verbessern. Drei Defizite bestehen: (i) Die in Unternehmen vorhandenen Geschaftsbereiche lassen sich nur unzureichend durch Patente abbilden. (ii) Es existiert ein Mangel an Methoden zur zielgerlchteten Betrachtung, Strukturierung und Bewertung von Patenten. (iii) Es fehit eine Visualisierung von inhaltlichen Verknupfungen zwischen Patenten als Grundlage solider M&A-Entscheidungen. Hier setzt die Arbeit von Frau Dr. Dreliler in zweierlei Hinsicht an, zum einen durch die Empfehlung eines Prozesses zur ErschlieRung von Patentinformationen, der in fruhen Phasen einer M&A-AktIvitat ablaufen soil, zum anderen durch die Ausarbeitung der Technik semantisch erzeugter Patentlandkarten, die den vorgenannten Prozess unterstutzen. In beiderlei Hinsicht erschliedt sie Gebiete, die sowohl theoretisch als auch unternehmenspraktisch von hoher Bedeutung sind. Theoretisch verandert

VI

Geleitwort

die Arbeit zum einen die Stellung von Patentinformationen im M&A-Prozess (vor allem durch den Ruckgriff auf den ressourcenbasierten Ansatz), zum anderen den l\/l&A-Prozess seibst, der zumindest bei patentintensiven M&A-Aktivitaten in den fruhen Phasen neu zu gestalten ist. Methodisch konfiguriert sie in tiefgehender Weise verschiedene multivariate Verfahren, mit denen sie visualisierte Patentanalysen ermdgiicht. Ich wunsche der Arbeit eine weite Verbreitung und die Leser, die die Eignung der Patente als Informationsquelle fur das Technologie- und Innovationsmanagement besonders schdtzen. l\/ldge die darin vorgestellte Methode dazu beitragen, Patente inhaltlich besserzu verstehen, zu strukturieren und zu klassifizieren.

Prof. Dr. IVIartin G. Mdhrle Direktor des Instituts fur Projektmanagement und Innovation Universitat Bremen

Vorwort



VII

Vorwort

I've come a long way, I've gone 500 miles today." Michelle Shocked - Arkansas Traveller

Die Erstellung einer Dissertation ist ein langer Weg. Oft habe ich mich gefuhit als ware ich 500 Meilen am Tag gegangen. Zwar ist die Erstellung eine Einzelleistung, aber sie wird maRgebllch durch Kollegen, Freunde und Fannllie gestutzt und befruchtet. An dieser Stelle mochte ich mich bei den Personen bedanken, die mir wahrend der Zeit der Erstellung meiner Dissertation zur Seite gestanden haben und einen wichtigen Teil meines Lebensweges mit mir gegangen sind. Besonderen Dank gebuhrt meinen Kollegen der ersten Stunde Dr. Wulf-Dieter Spilgies und Dipl.-Oec. Sandra Mijller fur die vielen wertvollen, privaten und wissenschaftlichen Gesprache, die Anregungen zu Vortragen und Artikein und naturlich fiir die Dissertation. Danke an Dipl.-Oec. Ewa Donitz und Dipl.-lng. Diana Zuhlsdorff fur ihre Unterstiitzung und die angenehme Zusammenarbeit. PD Dr. Ralf Isenmann gebuhrt Dank fur die mentale Unterstiitzung der Endphase der Dissertation und naturlich fur die vielen netten Abendessen im Haus am Walde. Herzlichen Dank auch an meinen intellektuellen Sparringspartner Dr. Lothar Walter. Er war mir in alien Lebenslagen ein Ratgeber, dessen Hilfe ich sehr geschatzt habe. Dorit Lafferenz, der guten Seele des Lehrstuhls, vielen Dank u.a. fiir die Hilfe bei der Organisation des Promotlonskolloquiums und fur viele wertvolle Gesprache. DIpl.-lng. (FH) Jens Potthast herzlichen Dank fur die gute Zusammenarbeit bei der Erstellung der PIA und die Programmierung dieses Werkzeugs. Meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Martin G. Mohrle, mochte ich fur die sehr gute Betreuung meiner Arbeit, die vielen Anregungen und die Motivation herzlich danken. Er ist mir in meiner Zeit am Institut fiir Projektmanagement und Innovation sowohl akademisch als auch menschlich ein Vorbild geworden.

VIII



Vorwort

Bei Prof. Dr. Dr. h.c. Sebastian Dworatschek, Prof. Dr. JSrg Freiling und Prof. Dr. Holger Ernst bedanke ich mich fur die Begutachtung meiner Arbeit. Prof. Dr. Patrick J. F. W. Groenen von der Erasmus-UniversitSt Rotterdam herzlichen Dank fur die Unterstutzung des statistischen Teils dieser Arbeit sowie fQr die Moglichkeit, wShrend eines Aufenthalts in Rotterdam wertvolle Erfahrungen sammein zu durfen. Dr. IVIanuela P6tschke, Dr. Julia Simonson und PD Dr. Markus Klein haben meine Arbeit stark befruchtet und mir viele sehr gute Anregungen fur den statistischen Teil gegeben. Danke fur die vielen Gesprache und die im Laufe der Zeit entstandene Freundschaft. Jan Olhdft und Andr6 M. Heinze mfichte ich danken fur die Motivation und den Glauben an mich. Meinen Freundinnen Dr. med. vet. Nina Angela Boshamer, Tina Dingel, Regina Erbi und Dr. med. vet. Daniela Waldmin haben mich in dieser Zeit ebenso gut unterstQtzt wie wahrend unserer gemeinsamen Abiturzeit. Danke fur die Bereitschaft zuzuhoren und meine Faszination fur Patente ausgehaiten zu haben. Besonderen Dank gilt meiner Familie Maria Katharina Elizabeth, Helmut Albert und Ines Geritz sowie meinem Mann Hans Sebastian DreSler fur die MGgllchkeit, die Wege zu gehen, die ich fur richtig gehalten habe. Meine Eltern haben mich gelehrt, dass es keine Grenzen gibt und Engagement der Weg zum Ziel ist. Sie haben mich immer unterstQtzt und mir den notwendigen Freiraum gegeben, um ein selbstandiger Mensch zu werden. Meinem Mann danke ich fur die Motivation und Hilfe in der Endphase dieser Arbeit. Ohne ihn hdtte ich das letzte Stuck dieses Weges nicht gehen konnen. Diese Arbeit ist meinem Vater Helmut Albert Geritz gewidmet, der seit Beginn meines Lebens nie von meiner Seite gewichen ist. Es macht mich traurig, dass er diesen Weg nicht mit mir zusammen zu Ende gehen konnte. Er wSre glucklich und stolz gewesen, dieses Buch in den HSnden zu halten.

Anja Dreliler

InhaltsiJbersicht -

Inhaltsubersicht

1

Einleitung

1

2

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientiertenM&A-Aktivitaten

5

3

2.1

EMPIRISCHEBEDEUTUNGVONM&A-TRANSAKTIONEN

2.2

GRUNDLAGEN DES BEGRIFFS M&A

2.3

ABLAUF EINES M&A-PROZESSES

16

2.4

MOTIVEFURM&A

19

2.5

RESSOURCENORIENTIERTERANSATZALSTHEORETISCHEGRUNDLAGEFURM&A

24

2.6

METHODENZURWERTERMiniUNG VON PATENTEN

32

Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios

4

5

6

7

4.1

INFORMATIONSQUELLEN UND SUCHPROZEU IM FRUHEN STADIUM VON M & A - A K T I V I T A T E N

4.2

EXPLORATIVE FALLSTUDIE FREUDENBERG & Co. KG

61 66

ProzeBschritt 2: Identifikation von Patenten

78 79

5.1

INTELLECTUAL CAPITAL

5.2

PATENTDATENBANKEN UND IHRE FUNKTION ALS KOSTENFREIE DATENQUELLEN

5.3

EXPLORATIVE FALLSTUDIE FREUDENBERG & Co. KG

99 103

Prozeftschritt 3: Selektion von Patenten eines Unternehnnenssegments.. 107 6.1

SELEKTIONSKRITERIEN

108

6.2

EXPLORATIVE FALLSTUDIE FREUDENBERG & Co. KG

122

Prozefischritt 4: Nachselektion von Patenten und semantische Analyse.. 140 SPRACHWISSENSCHAFTLICHER HINTERGRUND UND PRAKTISCHE ANWENDUNG DER SEMANTISCHENPATENTANALYSEMITDEMKNOWLEDGIST2.5™

141

7.2

EXPLORATIVE FALLSTUDIE FREUDENBERG & Co. KG

170

7.3

IDENTIFIKATION UND INTERPRETATION VON AHNLICHKEITSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN PATENTEN .... 182

ProzeBschritt 5: Qualitative Bewertung und Profilabgleich von Unternehmenssegmenten mit semantischen Patentlandkarten 8.1

SEMANTISCHE PATENTLANDKARTEN IM M&A-PROZEH

8.2

EXPLORATIVE FALLSTUDIE DANA CORPORATION - FREUDENBERG DICHTUNGS- UND SCHWINGUNGSTECHNIK

9

51

ProzeBschritt 1: Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt.. 60

7.1

8

7 11

Fazit und kunftlger Forschungsbedarf

Literaturverzeichnis

257 257

266

286 291

Inhaltsverzeichnis -

inhaltsverzeichnis

Geleitwort

V

Vorwort

VII

Inhaltsubersicht

IX

Inhaltsverzeichnis

XI

Abbildungsverzeichnis

XV

Gleichungsverzeichnis

XVII

Tabellenverzeichnis

XIX

Abkurzungsverzeichnis

XXI

1 2

Einleitung

1

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten IVI&A-Aktivitaten

5

2.1

EMPIRISCHEBEDEUTUNGVONM&A-TRANSAKTIONEN

7

2.2

GRUNDLAGEN DES BEGRIFFS M&A

11

2.2.1

Begriffsdefinition

11

2.2.2

Typisierung von M&A

13

2.3 2.4

2.5

2.6

ABLAUF EINES M&A-PROZESSES

16

MOTIVEFURM&A

19

2.4.1

20

Strategische M&A-Motive

2.4.2

Finanzielle M&A-Motive

21

2.4.3

Personliche M&A-Motive des Managements

22

RESSOURCENORIENTIERTERANSATZALSTHEORETISCHEGRUNDLAGEFURM&A

24

2.5.1

26

Charakteristika von Ressourcen

2.5.2

Patente als Untemehmensressourcen

28

2.5.3

Ressourcenorientierte M&A-Motive

29

METHODENzuRWERTERMiniUNG VON PATENTEN

32

2.6.1

33

Quantitative Methoden 2.6.1.1

KostenorientierteBewertungsmethoden

34

2.6.1.2

MarktorientierteBewertungsmethoden

35

2.6.1.3

Gewinnorientierte bzw. ertragswertorientierte Bewertungsmetiioden

37

XII

Inhaltsverzeichnis 2.6.1.4 2.6.2

3

Optjonsprelsmethode

Qualitative Methoden 2.6.2.1

Patentkennzahlen

44

2.6.2.2

Patentaudit

46

2.6.2.3

Patent-Portfolioanalyse

49

Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios

4

4.2

INFORMATIONSQUELLEN UND SUCHPROZEBIM FRUHEN STADIUM VON M & A - A K T I V I T A T E N EXPLORATIVE FALLSTUDIE FREUDENBERG & Co. KG

66

Geschaftsgruppen und Geschaftsl)ereiche der Untemehmensgruppe Freudenberg

67

4.2.2

Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik

70

5.3

78

INTELLECTUAL CAPITAL

79

5.1.1

Human Capital

81

5.1.2

Structural Capital

81

5.1.3

Intellectual Assets

82

5.1.4

5.2

61

4.2.1

Prozeaschritt 2: Identifikation von Patenten 5.1

6

51

Prozedschritt 1: Informationsgewinnung tiber ein potentielles Zielobjekt... 60 4.1

5

37 43

Intellectual Property

85

5.1.4.1

Patent

85

5.1.4.2

Gebrauchsmuster

91

5.1.4.3

Geschmacksmuster

93

5.1.4.4

Marke

94

5.1.4.5

Weitere Schutzrechte

97

PATENTDATENBANKEN UND IHRE FUNKTION ALS KOSTENFREIE DATENQUELLEN

99

5.2.1

Datenbankangebot des Deutschen Patent- und Markenamtes (DEPATISnet)

5.2.2

Datenbankangebot des Europalschen Patentamtes (Esp@cenet)

101

5.2.3

Datenbankangebot des United States Patent and Trademark Office (USPTO)

102

EXPLORATIVE FALLSTUDIE FREUDENBERG & Co. KG

100

103

ProzeBschritt 3: Selektion von Patenten eines Unternehmenssegments... 107 6.1

SELEKTIONSKRITERIEN

108

6.1.1

Aufbau der Patentschrlft und ableitbare Kriterien im Uberblick

110

6.1.2

Zeitraum der Patentveroffentllchung

112

6.1.3

Anmeldeland und Art des gewerbllchen Schutzrechts

113

6.1.4

Anmelder

113

6.1.5

Internationale Patentklassifikatlon (IPC)

115

6.1.6

USPC als Alternative zur IPC

119

Inhaltsverzeichnis

6.1.7 6.2

Weitere Selektionskriterien

EXPLORATIVE FALLSTUDIEFREUDENBERG& Co. KG

6.2.1

6.2.2

7

XIII

122 122

Selektion mittels Zeitraum der Veroffentlichung, Anmeldeland und Art des gewerblichen Schutzrechts

124

Selektion mittels Anmelder

126

6.2.3

Selektion mittels IPC

128

6.2.4

Zusammenfassung der Selektion in Prozedschritt 3

131

6.2.5

Charakterisierung der Patentdatenbasis

132

Prozeftschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse... 140 7.1

SPRACHWISSENSCHAFTLICHER HINTERGRUND UND PRAKTISCHE ANWENDUNG DER SEMANTISCHENPATENTANALYSEMITDEMKNOWLEDGIST2.5™

7.2

7.3

141

7.1.1

Semiotik: Syntaktik, Semantik, Pragmatik

142

7.1.2

Analysestufen des Knowledgist 2.5™

147

7.1.3

Funktionen und Einsatzfelder des Knowledgist 2.5™

154

7.1.3.1

Funktionen des Knowledgist 2.5™

155

7.1.3.2

Einsatzfelder des Knowledgist 2.5™

157

7.1.4

Weitere IT-unterstiitzte Techniken zur Patentanalyse

158

7.1.5

Ausgewahlte Beispiele zu IT-unterstutzten Werkzeugen der Patentanalyse

162

EXPLORATIVE FALLSTUDIEFREUDENBERG& Co. KG

170

7.2.1

Analyse mitdem Knowledgist 2.5™

7.2.2

Ergebnisse der Knowledgist-Extraktion

173

7.2.3

Erhohung der Datenqualitat durch Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring

177

IDENTIFIKATION UND INTERPRETATION VON AHNUCHKEITSBEZIEHUNGEN ZWISCHEN PATENTEN

171

182

7.3.1

Grundzijge und Anwendung des Analysewerkzeugs PIA

186

7.3.2

Datenbasis fur die Auswertungsansatze 1 bis 3

191

7.3.3

Auswertungsansatz1:HierarchischeClusteranalyse

192

7.3.3.1

7.3.3.2 7.3.4

7.3.5

Grundzuge der hierarchischen Clusteranalyse zur Strukturierung von binaren Merkmalen

193

Hierarchische Clusteranalyse in der explorativen Fallstudie

195

Auswertungsansatz 2: Fusionierungsalgorithmus nach Spahni und Analyseprototyp FUSE 199 7.3.4.1

Grundlagen des Fusionierungsalgorithmus nach Spahni

200

7.3.4.2

Anwendung des Fusionierungsalgorithmus nach Spahni

205

7.3.4.3

Analyse der Ergebnisse von FUSE

207

Auswertungsansatz 3: Multidimensionale Skalierung (MDS)

213

7.3.5.1

Grundlagen der MDS

214

7.3.5.2

Anwendung der MDS zur Erstellung von wissenschaftsbezogenen Landkarten - Ubersicht grundlegender Studien

225

XIV

8

Inhaltsverzeichnis 7.3.5.3

AnwendungderMDSaufAhnlichkeitsmatrizen

231

7.3.5.4

Ergebnisse der Multidimensionalen Skalierung

245

Prozeftschritt 5: Qualitative Bewertung und Profilabgieich von Unternehmenssegmenten mit semantischen Patentiandlcarten

257

8.1

257

8.2

SEMANTISCHE PATENTLANDKARTEN IM M&A-PROZEB

8.1.1

Erstellung von semantischen Patentlandkarten

258

8.1.2

Idealtypische Arten von Patentlandkarten

261

EXPLORATIVE FALLSTUDIE DANA CORPORATION - FREUDENBERG DICHTUNGS- UND SCHWINGUNGSTECHNIK

9

266

8.2.1

ProfilundDatenbasisdesAkquisiteurs

267

8.2.2

Patentlandkarten auf Basis semantischer Patentstrukturen

271

8.2.3

Fallbeispiel: Globale Information iiber Dana Corporation und Untemehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik

274

8.2.4

Fallbeispiel: Tiefergehende Infomiation (iber die Dana Corporation und das Untemehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik

278

Fazit und kunftiger Forschungsbedarf

Literaturverzeichnis

286 291

Abbildungsverzeichnis -

-XV

Abbildungsverzeichnis Abbildung2-1:

Anzahl und Volumen von M&A-Transaktionen in Deutschland zwischen 1988 und 2002

Abblldung 2-2:

9

Ubersicht ijber die Anzahl der Transaktionen in technologieorientierten Branchen 2000 bis 2002

10

Abbildung 2-3:

Intellectual Property Audit Map

48

Abbildung 2-4:

Patent-Portfolioansatze

50

Abbildung 3-1

Prozeliablauf der Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode

Abbildung 4-1

zur Strukturierung von Patentportfolios

52

Organisation und Segmentierung der Unternehmensgruppe Freudenberg

68

Abbildung 5-1

Bestandteile des Intellectual Capital

80

Abbildung 5-2

Untergliederung des Intellectual Capital

81

Abbildung 5-3

Schematischer Uberblick uber Intellectual Assets bzw. Intellectual Property

83

Abbildung 6-1

Aufbau der Titelseite einer US-amerikanischenPatentschrift

110

Abbildung 6-2:

Versteckte Patentierung

114

Abbildung 6-3:

Sektionen der Internationalen Patentklassifikation IPC

117

Abbildung 6-4:

IPC-Symbol und hierarchische Untergliederung

118

Abbildung 6-5:

Schematische Zusammenfassung der Selektionsschritte

131

Abbildung 6-6:

Dichtungstechnik gegliedert nach Erteilungsjahrgangen

134

Abbildung 6-7

Schwingungstechnik gegliedert nach Erteilungsjahren

135

Abbildung 6-8

Technologiefeld Dichtungs- und Schwingungstechnik gegliedert nach Erteilungsjahrgangen

137

Abbildung 6-9

Technologiefeld Freudenberg Rest gegliedert nach Erteilungsjahren

139

Abbildung 7-1:

Aufgliederung des ProzeUschrittes 4 in drei Teilschritte

140

Abbildung 7-2:

Semiotisches Dreieck

144

Abbildung 7-3:

Analyseschritte des Knowledgist 2.5™ vom Patent zur SAO-Struktur

148

Abbildung 7-4:

Beispiel fiir die Anwendung des Hidden-Markov-Modells

151

Abbildung 7-5:

Visualisierung von Vernetzungen mit dem BibTechMon™

167

Abbildung 7-6:

Anzahl der extrahierten SAO-Strukturen gegliedert nach Veroffentlichungsdatum.. 175

XVI-

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 7-7:

Anzahl der extrahierten SAO-Strukturen fiir das Paket FB-US-23

176

Abbildung 7-8:

Ablaufmodell der zusammenfassenden Inhaltsanalyse

179

Abbildung 7-9:

Adaption des Ablaufmodells nach Mayring

180

Abbildung 7-10:

AnwendbarkeitderAuswertungsansatze

184

Abbildung 7-11:

Benutzeroberflache und Auswahloptionen des PIA-Werkzeuges

187

Abbildung 7-12:

AhnlichkeitsvergleichederAnalyseoption

189

Abbildung 7-13:

Ablaufechritte der Clusteranalyse

194

Abbildung 7-14:

Kodierung der Problemstrukturen durcli binare Merkmale

195

Abbildung 7-15:

Dendrogramm nach dem Single-Linkage-Verfahren

197

Abbildung 7-16:

Matrix M

201

Abbildung 7-17:

Anwendungsbeispiel des CIA

202

Abbildung 7-18:

Fusionierungsoptionen fiir Basisblock 3

204

Abbildung 7-19:

BeispielfurdieMatrixkodiemng

206

Abbildung 7-20:

Idealtypische Schrittfolge einer IVIDS-Analyse

214

Abbildung 7-21:

Schematische Ansicht des Unfolding von Ahnlichkeitsdaten

241

Abbildung 7-22:

Eigenvektoren der Matrix V

245

Abbildung 7-23:

Shepard-Diagramm fiir die ErgebnismatrixA08

247

Abbildung 7-24:

Semantische Patentlandkarte mit Nachselektionssektoren

250

Abbildung 8-1:

Erstellung einer semantischen Patentlandkarte dargestellt an den verschiedenen Stufen des Erstellungsprozesses

259

Abbildung 8-2:

Idealtypische Patentlandkarten (Typ 1 bisTyp3)

262

Abbildung 8-3:

Idealtypische Patentlandkarten (Typ 4 bis Typ 6)

264

Abbildung 8-4:

Idealtypische Patentlandkarten (Typ 7 bis Typ 9)

265

Abbildung 8-5:

Anzahl der extrahierten SAO-Stmkturen fiir die Patentpakete der Dana Corporation

270

Abbildung 8-6:

Semantische Patentlandkarte (Stre(i-I=0,2667)

275

Abbildung 8-7:

Elbow-Kriterium zur Bestinfimung der optimalen Clusteranzahl

280

Abbildung 8-8:

Cluster 6 - alle Elemente

281

Abbildung 8-9:

Cluster 6-Semantische Bindungen

282

Gleichungsverzeichnis -

-XVII

Gleichungsverzeichnis

Gleichung 2-1:

Biack-Schoies-Forme! zur Berechnung einer europaischen Calloption

39

Gleichung 2-2:

Black-Scholes-Formel zur Berechnung einer europaischen Putoption

39

Gleichung 2-3:

Patentwert von Avonex

42

Gleichung 7-1:

Zielfunktion der Heuristik

204

Gleichung 7-2:

Formel zur Berechnung nach der Rangreihungsnfiethode

215

Gleichung 7-3:

Formel zur Berechnung nach der Ankerpunktmethode

215

Gleichung 7-4:

Fonnel zur Berechnung der Euklidischen Metrik

217

Gleichung 7-5:

Formel zur Berechnung der City-Block-Metrik

217

Gleichung 7-6:

Formel zur Berechnung der Minkowski-Konstante

217

Gleichung 7-7:

Transformationsfunktion

218

Gleichung 7-8:

Transfonnationsfunktion fiir Intervall-MDS

219

Gleichung 7-9:

Transfomnationsfunktion fiir monotone ordinate MDS

219

Gleichung 7-10:

Formel zur Berechnung des Verdichtungskoeffizienten Q

221

Gleichung 7-11:

Monotoniebedingung fur Disparitaten bei monotoner ordinaler MDS

221

Gleichung 7-12:

Allgemeine Formel des Streli-Malies

222

Gleichung 7-13:

Jaccard-lndex. Jy

232

Gleichung 7-14:

Inclusion-Index, ly.

233

Gleichung 7-15: Proximity-Index Py

234

Gleichung 7-16:

Cosinusformel Cy

234

Gleichung 7-17:

Ph-lndex

235

Gleichung 7-18:

PWndex

236

Gleichung 7-19:

Fiktive Ahnlichkeitsmatrix A

238

Gleichung 7-20:

7x7-Beispielmatrix A

242

Gleichung 7-21:

Rekodierte Matrize W*

243

Gleichung 7-22:

Transformation der rekodlerten Matrix W* in Matrix W

244

Gleichung 7-23:

Transfomnation Matrix W in Matrix V

244

Tabellenverzeichnis -

-XIX

Tabellenverzeichnis

Tabelle2-1

Die zehn groUten Firmenubemahmen

8

Tabelle2-2:

Typologisierungsmerkmale von M&A

13

Tabelle 2-3:

Ubersicht uber die BegriMategorien grundlegender Ansatze des RBV

29

Tabelle2-4

Quantitative Patentbewertungsmethoden

34

Tabelle 2-5

BewertungsparameterfurAktienoptionen, Realoptionen und Patente

40

Tabelle 2-6;

Bewertungsparameter fur eine Calloption

42

Tabelle 3-1

Verbindungen zwischen dem M&A-Prozeli und dem Prozell der Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios

Tabelle 4-1 Tabelle 4-2: Tabelle 4-3: Tabelle 5-1 Tabelle 5-2: Tabelle 5-3 Tabelle 5-4: Tabelle 5-5: Tabelle 6-1 Tabelle 6-2: Tabelle 6-3 Tabelle 6-4: Tabelle 6-5: Tabelle 6-6: Tabelle 6-7: Tabelle 7-1 Tabelle 7-2: Tabelle 7-3: Tabelle 7-4: Tabelle 7-5:

59

Profilierung der Zielobjekte nach Einzelkriterien (Long List)

62

Ubersicht und Bewertung der Informationsquellen

66

Umsatze der Unternehmenssegmente im Zeitraum 1997 bis 2002 (in Mio. €)

70

Anzahl der Patentanmeldungen im DPMA, EPA, JPO, USPTO

89

Ubersicht uber die Anzahl der Gebrauchsmusteranmeldungen im DPMA und JP0.92 Anzahl der Geschmacksmusteranmeldungen im DPMA, JPO und USPTO

94

Anzahl der Markenanmeldungen im DPMA, HABM, JPO und USPTO

96

Anzahl der identifizierten Patente, untergliedert nach Produktionsgesellschaft und Datenbank

104

Ausschnitt aus der Datenbasis

120

IPC-Symbole und hierarchische Aufgliederung - Beispiele und Gesamtergebnis..120 Anzahl abweichender Anmeldeinformationen

126

Bedeutung des IPC-Symbols F16J015 gegliedert nach Hierarchieebenen

129

Bedeutung des IPC-Symbols F16F015 gegliedert nach Hierarchieebenen

130

Untergliederung des Technologiefeldes Dichtungs- und Schwingungstechnik

132

Untergliederung der Technologiefelder Freudenberg Rest

133

Eriauterung der verwendeten Marken

150

Kombinationen und Reihungswahrscheinlichkeiten

153

Patinformatics-Techniken und Software-Beispiele

160

Ausgewahlte Werkzeuge zur IT-unterstiitzten Patentanalyse

163

Ausschnitt aus der Ergebnisliste des Knowledgist 2.5™ und von Decopa

165

XXTabelle 7-6:

- Tabellenverzeichnis Anzahl der extrahierten SAO-Strukturen fur das Technologiefeld Dichtungsund Schwingungstechnik

173

Reliabilitatsmalie fur Intra- bzw. Interkoder

181

Tabelle 7-8:

Wahlbare Parameter der PIA

188

Tabelle 7-9:

Analysierte Patentgruppen

192

Tabelle 7-7:

Tabelle 7-10:

Clusterzugehorigkelt

198

Tabelle 7-11:

Anwendungsbeisplele und Kennzahlen

208

Tabelle 7-12:

Ergebnisse der Erkennung und Fusionierung nach Strukturmerkmal A

209

Tabelle 7-13:

Ergebnisse der Erkennung und Fusionierung nach Strukturmerkmal B

211

Tabelle 7-14:

Ergebnisse der Erkennung und Fusionierung nach Strukturmerkmal C

212

Tabelle 7-15:

Richtwerte zur Beurteilung des StreU-Malies

223

Tabelle 7-16:

FallstudlenderWissenschaftskartierung

226

Tabelle 7-17:

Beispielmatrix

232

Tabelle 7-18:

Ahnlichkeitsmatrix fiir den Jaccard-lndex

233

Tabelle 7-19:

Ahnlichkeitsmatrix fiir den Inclusion-Index

233

Tabelle 7-20:

Ergebnismatrix Proximity-Index

234

Tabelle 7-21:

Ahnlichkeitsmatrix fiir die Cosinusformel

235

Tabelle 7-22:

Beispielmatrix fur SAO-Strukturen

235

Tabelle 7-23:

Ahnlichkeitsmatrix fiir Ph-lndex

236

Tabelle 7-24:

Ahnlichkeitsmatrix fiir PWndex

236

Tabelle 7-25:

Eigenschaften von Alscal, Proxscal und Prefscal

239

Tabelle 7-26:

Implementlerte MDS-Modelle in Alscal, Proxscal und Prefscal

240

Tabelle 7-27:

Streli-MaRe fiir die Ahnlichkeitsmatrix A08

247

Tabelle 7-28:

Distanzen der Patente der Patentgruppe FB-US-08 zum Technologiefeld DIchtungs-und Schwingungstechnik

249

Tabelle 7-29:

Zuordnung nach drei Distanzkriterien

252

Tabelle 7-30:

Nicht identifizierte Patente

253

Tabelle 7-31:

Gegenuberstellung der Ergebnisse der semantischen Patentlandkarte und der inhaltlichen Analyse der Patentzusammenfassung

254

Tabelle 7-32:

Zusammenfassende Betrachtung der Ergebnisse

256

Tabelle 8-1:

Systematlsierung der Hauptkriterien und ihrer Auspragungen.....

262

Tabelle 8-2:

Anzahl der Patente je Cluster und Aufteilung des Clusterinhalts nach Unternehmenszugehorigkeit der Patente

281

Tabelle 8-3:

Distanzkriterien

282

Tabelle 8-4:

Beispiele aus Cluster 6

283

AbkiJrzungsverzeichnis



Abkurzungsverzeichnis

AG

Aktiengesellschaft

AKF

Aktivkohlefilter

BIP

Bruttoinlandsprodukt

bspw.

beispielsweise

bzw.

beziehungsweise

CAT

Computer-Aided-Translation

CIA

Cluster Identification Algorithm

Cll

Current Impact Index

CL

Computational Linguistic

DCF

Discounted Cash Flow

d. h.

das heiRt

DPCI

Den/vent Patents Citation Index

DPK

Deutsche Patentklassifikation

DPMA

Deutsches Patent- und Markenamt

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

EPA

Europaisches Patentamt

EPDM

Ethylen-Propylen-Kautschuk

EP-IPC

IPC-Notation des Europaischen Patent- und Markenamtes

EPO

Europaisches Patentubereinkommen

EU

Europaische Union

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FDA

Food and Drug Administration

FDST

Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik

FFPM

Perlfluorelastomeren

FPM

Fluorpropylenkautschuk

FuE

Forschung und Entwicklung

FUSE

Fusionierungsalgorithmus nach Spahni

HABM

Harmonisierungsamt fur den Binnenmarkt

HMM

Hidden-Markov-Model

XXI

- AbkiJrzungsverzeichnis

XXIIi.d.R.

in der Regel

ICE

Inter City Express

INID

Internationally agreed Numbers for the Identification of Date

IPC

Internationale Patentklassifikation

IT

Informationstechologie

JPO

Japanese Patent Office

Kl

Kunstliche Intelligenz

LBO

Leveraged Buy-out

Lol

Letter of Intent

M&A

Mergers & Acquisitions

Mbl

Management-Buy-In

MbO

MbO: Management-Buy-Out

MDS

Muitidimensionale Skalierung

MS

Multiple Sklerose

MTB

Market-to-Book-Wert

NBR

Nitril-Butadin-Kautschuk

NLP

Natural Language Processing

PatG

Patentgesetz

PC

Personal Computer

PCT

Patent Cooperation Treaty

PIA

Patentinformationsanalyse

PIZ

Patentinformationszentrum

PU

Polyurethan

RBV

ressourcenorientierter Ansatz

RDBMS

Relationales Datenbankmanagementsystem

RMDS

Multiple Matrizen

rspk.

respektive

SAO

Subject-Action-Object

SL

Science Linkage

TCT

Technology Cycle Time

TFE

Technologiefruherkennung

TM

Trademark

u. a.

unteranderem

UCREL

University Centre for Computer Corpus Research on Language

Abkurzungsverzeichnis USA



XXIII

Vereinigte Staaten von Amerika

US-IPC

IPC-Notation des USPTO

USPC

United States Patent Classification

USPTO

United States Patent and Trademark Office

vgl.

vergleiche

WIPO

World Intellectual Property Organisation - Weltorganisation fur geistiges Eigentum

WWW

World Wide Web

z. B.

zum Beispiel

Einleitung -

1 Einleitung

Patente verhelfen Unternehmen heute starker als noch vor einigen Jahrzehnten zur Sicherung ihrer technologischen Position. Eine Vernachlassigung von Patenten als Ausdruck des geistigen Eigentums ist heutzutage als eine fahrlassige und teilweise kostspielige Angelegenheit zu werten (vgl. Berman 2002, S. 586 fur eine Ubersicht uber Patentstreitigkeiten zwischen Unternehmen und gezahlten Kompensationen fur Patentverletzungen). Die Transformation der Unternehmenswerte weg vom materiellen hin zu immateriellen Vermogenswerten laBt sich empirisch belegen (vgl. hierzu und im folgenden Rivette, Kline 2000a, S. 33). 1982 wurden noch 62 Prozent des Marktwertes von USamerikanischen Fertigungsunternehmen in materiellen Vermogenswerten vorgehalten. Zwanzig Jahre spater betrug ihr Anteil lediglich noch 30 Prozent. Mehr als zwei Drittel entfielen auf immaterielle Vermogenswerte wie Patente, Gebrauchs- oder Geschmacksmuster sowie Marken. Immaterielle Vermogenswerte werden jedoch nur sehr selten als strategischer Faktor genutzt. Zwar verfijgen 67 Prozent der US-amerikanischen Unternehmen uber immaterielle Vermogenswerte, doch nur 35 Prozent nutzen sie als strateglschen Faktor. Und obwohl Patente als strategische Faktoren nur begrenzt wahrgenommen werden, obliegt ihnen ein groller Einfluli auf die Unternehmensentwicklung. In der Literatur finden sich immer haufiger Ansatze, die den EinfluR von Patenten auf die Unternehmensentwicklung

aufzeigen.

Besonders Mergers&Acquisitions-Aktivitaten

(M&A)

werden als Einsatzfeld fiir die strategische Nutzung von Patenten herangezogen. M&A-Aktivitaten sind fur Unternehmen z. B., eine Mdglichkeit zielgerichtet zu wachsen. Hierbei liegt ein Hauptaugenmerk auf der Identifikatlon des potentiellen Zielobjekts, welches am besten zum eignen Unternehmen und der jeweiligen M&AStrategie padt. Ein solches Zielobjekt verspricht die gewunschte Wirkung auf das Gesamtunternehmen auch tatsachlich zu entfalten. Gerade In den fruhen Phasen des M&A-Prozesses sind allerdings nur sehr wenige Informationen uber ein poten-

2

Einleitung

tielles Zielobjekt verfugbar, und Patente werden nur sehr vereinzelt betrachtet. Die Information tiber die Ausgangslage eines Unternehmens oder die Auswahl eines potentiellen Zielobjekts 1st als kritisch zu erachten. Die vorliegende Arbeit ist dem Themenkreis von M&A und Patenten sowie deren zielgerichtete strateglsche Exploration gewldmet. Sie wendet sich sowohl an Theoretiker als auch Praktiker und greift die theoretischen Grundlagen zahlreicher Aspekte des strategischen Technologiemanagements auf. Die einzelnen Grundbegriffe werden eingefuhrt und theoretisch fundiert. DIese Arbeit versteht sich als Anieitung zur Auseinandersetzung mit der Unternehmensressource Patent. Der Praktiker soil eine kompakte Methode an die Hand bekommen, die es Ihm ermoglicht, in kurzer Zeit Aussagen zur Vorteilhafligkeit einer M&A-Aktivitat zu treffen. Sie soil ebenfalls den theoretischen Gedankenaustausch und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Themenkreis der inhaltlichen Analyse und Visualisierung von Ahnlichkeitsbeziehungen zwischen Patenten anregen. Dieser Gedankenaustausch hat bereits Anfang der 1990er Jahre mit vielversprechenden Ansatzen begonnen und ist seither verebbt. Durch Kapitel 2 wird die Vielfalt der Begrifflichkeiten und Vorgehensweisen sowohl bei M&A-Aktivitaten als auch bei der Bewertung von Patenten aufgezelgt. In der betriebllchen Praxis sind M&A-Aktivitaten von Bedeutung, eine integrierte Sichtweise der Patente als eine zu akquirierende Unternehmensressource fehlt. Aus der wenig ausgepragten Integration von Patenten in die Bewertung von immateriellen Vermogenswerten bei M&A-Aktivitaten laRt sich Forschungsbedarf ableiten. In Kapitel 3 wird der Bedarf einer zielgerlchteten Bewertung von Patenten in alien Schritten des M&A-Prozesses

aufgegriffen

und konzeptionell

umgesetzt.

Die

Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios ist an den Ablauf des M&A-Prozesses angelehnt, um eine Integration dieser neugestalteten Vorgehensweise in den allgemeinen Ablauf einer M&A-Transaktion problemlos zu ermoglichen. Die funf ProzeBschritte werden in den angeschlossenen Kapltein einerseits theoretisch fundiert und andererseits durch eine explorative Fallstudie praktisch unterlegt.

Einleitung



3

Durch Kapitel 4 wird aufgezeigt, wie sich Informationen uber ein potentielles Zielobjekt erheben lassen. Dazu werden in einem ersten Schritt Informationsquellen identifiziert, die bereits in einem friihen Stadium der M&A-Aktivitat verfugbar sind. Zur Illustration des Vorgehens ist eine explorative Fallstudie angeschlossen. Das beschriebene Vorgehen wird fur ein fiktives Zielobjekt schrittweise exemplarisch durchgefuhrt. Mit Kapitel 5 wird die Vorgehensweise bei der Identifikation von gelstigem Eigentum verdeutlicht. Neben Patenten existieren weitere Schutzrechte, die sich unter dem Begriff geistiges Eigentum subsumieren lassen und einer theoretischen Fundlerung bediirfen. Weiterhin haben in den letzten Jahren die Anzahl und der Umfang von Patentdatenbanken zugenommen. Patente sind heute zu jeder Zeit im World Wide Web (WWW) verfugbar. In diesem Kapitel werden neben dem Wissen uber geistiges Eigentum auch die Funktionen von Datenbanken als wichtige Datenquellen vermittelt. Durch Kapitel 6 werden Selektionskriterien eingefuhrt, um die Ergebnisse einer Patentdatenbankabfrage zielgerichtet zu unterteilen. Hierzu werden bibliographische Angaben einer Patentschrift vorgestellt und diese auf den sinnvollen Einsatz zur Selektion von Patentbasen untersucht. Die explorative Fallstudie untermauert den gewahlten Weg. Die Selektionskriterien werden auf die Ergebnisse des vorangegangenen ProzeRschrittes angewendet und dienen als Ausgangsbasis fur das weitere Vorgehen. In Kapitel 7 wird die semantische Patentanalyse als neuartiger Ansatz zur inhaltlichen Analyse von Patentschriften aufgegriffen. Im Mittelpunkt steht dabei die Fokussierung auf den sprachwissenschaftlichen Hintergrund und die praktische Anwendung der zur Verfugung stehenden Werkzeuge. Die inhaltliche Analyse von Patenten stellt bereits seit geraumer Zeit ein sowohl von der Wissenschaft als auch von der Forschung beachtetes Untersuchungsfeld dar. Mit diesem Kapitel wird die inhaltliche Analyse von Patenten auf Basis semantischer Strukturen eingefuhrt, und unterschiedliche Herangehensweisen an die Identifikation von Ahnlichkeitsbeziehungen zwischen Patenten werden aufgezeigt. Drei Anwendungsansatze illustrieren den Weg, Ahnlichkeitsbeziehungen zu erkennen und fur die vorbereitende Beurteilung einer Patentbewertung bei M&A-Aktivitaten nutzbar zu machen.

4

Einleitung

Im Lauf von Kapitel 8 werden unterschiedliche Optionen des Einsatzes von semantischen Patentlandkarten zur qualitativen Bewertung von Unternehmenssegmenten aufgezeigt. Diese semantischen Patentlandkarten sind ein Produkt der Visualisierung inhaltlicher Ahnlichkeitsbeziehungen zwischen Patenten. Die Vielfalt der AnwendungsnnCglichkeiten von semantischen Patentlandkarten wird in Beispielen dargestellt. Gleichsam werden Interpretationshilfen fur die unterschiedlichen Arten von semantischen Patentlandkarten gegeben. Im Rahmen von Kapitel 9 wird die Arbeit zusammengefaSt und ein Ausblick auf zukunftige Forschungsfragen gegeben. Die Optimierungsbedarfe des Einsatzes von semantischen Patentlandkarten sowohl als Forschungsgegenstand als auch in der betriebllchen Praxis werden aufgegriffen und diskutiert.

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten -

2 Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

Mergers und Acquisitions (IVI&A) werden als IVIittel zur Umsetzung von Unternehmensstrategien herangezogen. IVIittel- bis langfristige Wachstunnsziele sowie Wettbewerbsvorteile lassen sich durch M&A-Transaktionen realisieren. Im Mittelpunkt von Unterneiimensbewertungen, die einer M&A-Transaktion vorangeiien, stehen kiassisciierweise bilanzierte materielle Werte. in den letzten Jahren hat jedocli in zahlreichen Branciien eine Verschiebung von materiellen iiin zu immateriellen Werten stattgefunden, so daB klassische Bewertungsansatze zu kurz greifen. Die lieutigen i\/larktwerte einzelner Unternehmen setzen sich im Gegensatz zu fruheren Jahren zu 70 bis 80 Prozent aus immateriellen Vermogenswerten, wie z. B. Patenten Oder Marken, zusammen (O'Haver 2002, S. 498). Ein promlnentes Beispiel fur die Dominanz von solchen Intellectual Properties ist das Pharmaunternehmen Bristol-Myers Squibb. Mehr als 90 Prozent der im Unternehmen vorhandenen Vermogenswerte werden als immateriell charakterisiert (Smith 2002, S. 3.16-3.17). Die Verschiebung der Basis des Marktwertes lied es im Laufe der letzten zwanzig Jahre fur Akquisiteure immer schwieriger werden, Intellectual Property wie Patente bei M&A-Transaktionen zu ignorieren.

„Understanding the relative importance of patents, trademarks, and other proprietary rights in driving, protecting, and monetizing a company's innovation has become an integral part of successful M&A strategies. Companies that fail to secure a solid grasp of their IP assets and competitive position put themselves at a severe disadvantage." (O'Haver 2002, S. 498).

Mit dem Voranschreiten der Transformation von Unternehmenswerten weg von materiellen hin zu immateriellen Werten laBt sich eine Lucke in der Forschungs-

- Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten landschaft erkennen: Im Rahmen von technologiegetriebenen M&A-Transaktionen sollten Patente starker berucksichtigt werden. Eine systematische Betrachtung der Patente als Unternehmenswert im M&A-Prozeli fehit allerdings heute noch. Die Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patenportfolios versucht, diese Lucke zu schlieRen. Aus Sicht des Akqulsiteurs wird der gesamte M&A-ProzeR von der Identifikation von Zlelobjekten bis zur Integration der zu akquirierenden Patente beschritten. Fur das Verstandnis der Konzeption ist ein Grundwissen

uber M&A, den

ressourcenorientierten

Ansatz sowie

Patentbe-

wertungsmethoden ntitzlich. Empirische Beobachtungen der letzten Jahre belegen die Bedeutung von M&ATransaktionen als Wachstumsstrategien. Selbst in Zeiten wirtschaftlicher Rezession werden

M&A-Transaktionen

als Option der Generierung

von

Unternehmens-

wachstum instrumentalisiert (Abschnitt 2.1). Die Definition des Begriffs M&A stellt eine groBe Herausforderung dar. In der Literatur findet sich eIne Fulle an Begriffsdefinitionen, in denen M&A aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Um den Be^riff M&A transparenter zu machen, werden fur die vorliegende Arbeit eine Begriffsdefinition sowie eine Typisierung von M&A festgelegt (Abschnitt 2.2). Die Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios setzt an unterschiedlichen Stellen des M&A-Prozesses an. Da in der Literatur keine eindeutlge Meinung uber die Einteilung des M&A-Prozesses vorherrscht, wird fiir die vorliegende Arbeit diesbeziiglich ebenfalls eine Definition festgelegt (Abschnitt 2.3). Zusatzlich zu den fur die Arbeit zu definierenden Grundlagen sind Motive der Durchfijhrung von M&A-Transaktionen von Bedeutung. Neben den klassischen, in der betriebswirtschaftlichen Literatur bereits etablierten M&A-Motiven (Abschnitt 2.4) steht die Identifikation und Illustration von ressourcenorientierten Motiven im Vordergrund. Ressourcenorientierte Motive helfen u. a. bei der Erklarung technologiegetriebener M&A-Aktivitaten. Der ressourcenorientierte Ansatz und seine Sichtweise auf Patente liefert ein geeignetes theoretisches Erklarungsgerust. Die Grundzuge dieses Ansatzes sollen die Verbindung und die Bedeutung von Patenten bei M&A-Transaktionen unterlegen (Abschnitt 2.5).

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten Eine Ubersicht uber Patentbewertungsmethoden komplettiert die theoretische Fundierung (vgl. Abschnitt 2.6). Die Ressource Patent ist mit traditionellen Bewertungsmethoden, wie z. B. der Discounted-Cash-Flow (DCF)-Bewertung, nur schwer zu fassen. Alternativen, auf Patente zugeschnittene Bewertungsmethoden, versprechen Abhilfe und geben das Rustzeug zur Bewertung von Einzelpatenten an die Hand. Es werden sowohl quantitative als auch qualitative Methoden der Patentbewertung vorgestellt (Abschnitt 2.6). 2.1

Empirische Bedeutung von M&A-Transaktionen

Mergers und Acquisitions (M&A) waren und sind in der Wirtschaftspresse gebrauchliche Begriffe. Nicht erst mit Beginn der drastischen Erhohung der Transaktionsvolumina in den 1990er Jahren fand eine Berichterstattung uber IVI&A statt. Die Ankundigung und Kommentierung von M&A-Transaktionen ist ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaftspresse. Globale Merger-Wellen Merger-Wellen durchziehen die vergangenen beiden Jahrhunderte und gehoren zu den klassischen Phanomenen des Wirtschaftslebens. Als Merger-Wellen werden die Jahresfolgen bezeichnet, in denen sich signifikante Haufungen von M&ATransaktionen hinsichtlich Anzahl und Gesamtwert der Transaktionen erkennen lassen. Die Merger-Welle in den 1990er Jahren weist im Gegensatz zu vorangegangen Wellen, z. B. Mitte der 1980er Jahre, eine deutliche Erhohung des Transaktionsvolumens auf (vgl. Tabelle 2-1). Anzahl und Transaktionsvolumen wuchsen von 1988 bis in das Jahr 2000 kontinuierlich an (vgl. Abbildung 2-1). Hohepunkt dieser Entwlcklung war das Jahr 2000, in dem sich das Transaktionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelte (von 195 Milliarden Euro auf 460 Milliarden Euro).

- Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

Tabelle 2-1:

Die zehn groHten Firmeniibernahmen. Quelle: in Aniehnung an FAZ (2003a, S. 20). Kaufobjekt

Branche

Jahr der Anktindigung

Kaufpreis in Mrd. Euro

Mannesmann (D)

Telekommunikation

2000

189,7

AOL (USA)

Time Warner (USA)

Internet/Med ien

2000

119.5

Pfizer (USA)

Wamer-Lambert (USA)

Pharma

2000

79,7

Exxon (USA)

Mobil Oil (USA)

01

1998

69,9

Glaxo Wellcome KGB)

Smithkline (GB)

Phanna

2000

65,5

Travelers (Citigroup) (USA)

Citicorp (USA)

Banken

1998

63,7

NationsBank (USA)

Bank America (USA)

Banken

1998

55,8

SBC Communications (USA)

Ameritech (USA)

Telekommunikation

1999

54.9

Vodafone (GB)

Air Touch Commun. (USA)

Telekommunikation

1999

54.9

Pfizer (USA)

Pharmacia (USA)

Pharma

2002

53,1

K^ufer Vodafone Group |(GB)

Die Qbernahme von Mannesmann durch die britische Vodafone Gruppe (vgl. Tabelle 2-1) und die in diesem Zusammenhang offentlich ausgetragene Ubernahmeschlacht illustrleren die zunehmende Sensibilisierung der Presse und spiegein den Trend Im Jahr 2000 wider. MIt dem Zusammenbruch der New Economy und den darausfolgenden dramatischen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sanken die Anzahl und das Transaktionsvolumen von M&A in den letzten beiden Jahren kontinuierlich bis auf das Niveau von 1995 ab (vgl. M&A International 2003).

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten -

2500

2000

1500

I fc 1000

500

88

89

90

91

92

94

95

96

97

98

00

01

02

Jahr

Abbildung 2-1:

Anzahl und Volumen von M&A-Transaktionen in Deutschland zwischen 1988 und 2002. Quelle: M&A International GmbH (2003); Eschen (2002, S. 34).

Die Anzahl der in den letzten 15 Jaiiren durciigefuiirten IVI&A-Transaktionen (vgl. Abbildung 2-1) variierte zwischen 1209 Transaktionen im Jahr 1988 und 2173 Transaktionen im Jahr 2001. Einen Hohepunkt markiert das Jahr 2000 mit 1972 Transaktionen und dem hochsten Transaktionsvolumen (460 Mrd. €) im Betrachtungszeitraum. M&A in ausgewahlten Branchen Im folgenden werden M&A-Aktivitaten in der Bundesrepublik Deutschland nach Branchen aufgegliedert. Aus diesem Datenmaterial lassen sich allerdings nur bedingt Branchentendenzen ableiten. Aufgrund der veranderten gesamtwirtschaftlichen Situation nach dem Zusammenbruch der New Economy ist die Anzahl der M&ATransaktionen zwar gesunken, einlge Bereiche zahlen jedoch weiterhin zu den aktiven M&A-Sektoren.

10-

- Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

EDV ^'

40o

:C. •' T-i^rJ^^:'^:^^: ^v;;>^|r::::--r:-~-:5. :-J7-".C^-%l -^i-K 1 176 114 • 137

Elektro

-Jl27 Automotive

•••••79 ho1 |122

MaschJnenbau

^ ^ ^ ^ ^ ^ • 1 113 191

Energje

••••63_

1 1 2002 I S 2001 • i 2000

96

Iflfl Pharma

^ ^ ^ ^ ^ ^ M 178

Chemie

09 118

••••••195 IRR

C

50

100

1

1

1

1

1

1

1

150

200

250

300

350

400

450

_j

500

Anzahl der Transaktionen in den Jahren 2000 bis 2002

Abbildung 2-2:

Ubei^icht iiber die Anzahl der Transaktionen in technologieorientierten Branchen 2000 bis 2002. Quelle: M&A International GmbH (2002).

Betrachtet man die durchschnittliche Anzahl der Transaktionen in den letzten drei Jahren, sind die Branchen EDV, Elektro- und Maschinenbau als den IVI&A-Sektor dominierend zu sehen. Eine tiefergehende Analyse der Entwicklungen innerhalb der Jahrgange zeigt ein anderes Bild. Die EDV-Branche zahlte mit 408 Transaktionen im Jahr 2000 nach dem IVIaschinenbau zu den aktivsten Feldern im Bereich M&A. Die Anzahl der Transaktionen in dieser Branche sank in den folgenden zwei Jahren aul^erordentlich stark bis auf 176 Transaktionen im Jahr 2002. Einen gegenlaufigen Trend weist die Branche Automotive auf. Nach anfanglich geringem Niveau in den Jahren 2000 und 2001 stieg die Anzahl der Transaktionen im Jahr 2002 auf insgesamt 101. Dies steht dem rucklaufigen Trend innerhalb der sechs ubrigen Branchen entgegen. Die Dynamik ist jedoch durch den Zusammenbruch der

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten New Economy gedampft worden. Die Branche Automotive ist davon allerdings nicht so stark getroffen wie die ubrigen Branchen.

2.2

Grundlagen des Begriffs M&A

Die offentliche Ubemahmeschlacht zwischen Sanofi-Synthelabo und Aventis, zwei global agierenden Herstellem von Pharmazeutika, aber auch wenlger spektakulSre Untemehmenskaufe, wie z. B. die Ubemahme von Burgmann Dichtungswerke durch die Freudenberg & Co. KG (vgl. FAZ 2003b, S. 16; Freudenberg 2004), sind aktuelle Indizien fur die Bedeutung von M&A-Transaktionen. Die strategische Unternehmensentwicklung wird durch den Einsatz von M&A vorangetrleben. M&A-Transaktionen sind auch ein Instrument der strategischen Unternehmensplanung, welches selbst in Zeiten angespannter Wirtschaftslage Anwendung findet (vgl. Abschnitt 2.1). Seit Jahrzehnten ist das Phanomen der M&A-Aktivitaten Gegenstand der Forschung. Zahlreiche grundlegende Publikationen wurden veroffentlicht, es gelang allerdings nicht, sich auf eine einheitliche Begrifflichkeit zu einigen (Jansen 2001, S. 43-44). Um ein solches einheitliches Verstandnis der Begriffe Mergers und Acquisitions zu unterstiJtzen, wird im folgenden eine grundlegende Begriffsdefinition vorgenommen (vgl. Abschnitt 2.2.1). Zur Begriffsdefinition werden sowohl deutsche als auch angloamerikanische Definitionen herangezogen und einander gegenubergestellt. Verschiedene Kriterien dienen zur naheren Beschreibung der M&A-Typen (vgl. Abschnitt 2.2.2). 2.2.1

Begriffsdefinition

Bei den Begriffen Mergers und Acquisitions handelt es sIch um die angloamerikanischen Entsprechungen der deutschen Termini Unternehmensfusion und Unternehmensakquisition (vgl. Eschen 2002, S. 20; Baetge, Krumbholz 1991, S. 3):



Unter Unternehmensfusion werden allgemein der ZusammenschluB, die Vereinigung oder Verschmelzung von Unternehmen oder Unternehmensteilen subsumiert.

12

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten •

Die Unternehmensakquisition beschreibt die Qbernahme, den Erwerb bzw. den hundertprozentigen Kauf von Unternehmen Oder Unternehmensteilen (vgl. Gosche 1991, S. 11; Jansen 2001, S. 43).

Die deutschen Begriffe Unternehmensfusion und -akquisition lassen eine eindeutige Definition vermissen, da es an Unterscheidungskriterien mangelt. Ms IHilfskriterium wird die Rechtspersonliclikeit der beteiligten Unternehmen herangezogen (Jansen 2001,8.43-44). Copeland und Weston (2000, S. 676) weiten den Begriff M8JK aus und fugen die Begriffe Expansion, Sell-Offs, Corporate Control und Changes in Ownership Structure (vgl. Copeland, Weston 2000, S. 677) hinzu. Die angefQgten MaUnahmen sind im Rahmen von Unternehmenszusammenschlussen und -ubernahmen denkbar.

Unter Expansion verstehen Copeland und Weston Tender Offers und Joint Ventures. Sie dienen dem Wachstum des Unternehmens und der langfristigen Sicherung der Unternehmensposition im Wettbewerb. Sell-Offs, ins Deutsche als Unternehmensausverkauf zu ubersetzen, werden unterteilt in Spin-Offs und Divestures. Ein Spin-Off ist die Ausgllederung von Unternehmensteilen in ein neues eigenstandiges Unternehmen, wohingegen ein Divesture den Verkauf eines Unternehmensteils an einen Dritten darstellt. Corporate Control sind alle Maf^nahmen, die dazu dienen, die Kontrolle uber ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil zu eriangen. Beispiele hierfur sind der Proxy Contest (vgl. Abschnitt 2.2.2) oder das Greenmailing. Greenmailing beschreibt den Versuch des Ruckkaufes bei einer feindlichen Qbernahme transferierter Aktien (vgl. Copeland, Weston 2000, S. 679; Jansen 2001, S. 62). Das am Kauf der Aktien interessierte Unternehmen bietetfur den Ruckkauf der Antelle einen uberhohten Preis. Als letzten Bestandteil von M&A sehen Copeland und Weston die Veranderung in der Besitzerstruktur, den Changes in Ownership Structure. Als Beispiel fuhren sie u. a. das Leveraged Buy-out (LBO) als eine MaHnahme der VerSnderung der Besitzerstruktur an.

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

Innerhalb der Arbeit sollen zwei Teilbegriffe von M&A differenziert werden. Unter einer M&A-Aktivitat werden alle MaRnahmen subsumiert, die vor dem Abschluli einer Unternehmensakquisition bzw. -fusion vorgenommen werden. Eine M&A-Transaktion versinnbildiiciit alle MaBnahmen, die nach der vertraglichen Besiegelung einer Unternehmensakquisition bzw. -fusion stattfinden. Der Begriff M&A umfaRt beide Teilbegriffe. 2.2.2

Typisierung von M&A

Es existieren Typologisierungsmerkmale (vgl. Tabelle 2-2 - erste Spalte), die fur die Charakterisierung der grundlegenden M&A-Arten heranzuziehen sind (fur eine alternative Typisierung von Unternehmenszusammenschlussen siehe Pausenberger 1989, S. 622; Jansen 2004, S. 46): Tabelle 2-2:

Typologisierungsmerkmale von M&A. Quelle: in Aniehnung an Eschen (2002, S. 26).

Typologisierungsmerkmal

Auspragungsformen

Rechtllche Struktur

Fusion - Obernahme (Akquisition)

Djversifikatlonsrlchtung

horizontal - vertikal - konglomerat

Regionale Weite

national - international

Umfang

Gesamtunternehmung - Geschaftsbereich - Funktionsbereich

KSufer

Strategische KSufer - Finanzinvestor Management-Buy-Out - Management-Buy-In

Angebotsform

Tender Offer - Fusion unter Gleichen - Proxy Contest

Wettbewerbswirkung

fdrderlich - neutral - beschrankend

Das Typologisierungsmerkmal rechtliche Struktur wurde bereits Innerhalb der Begriffsdefinition betrachtet (vgl. Abschnitt 2.2.1). Es werden die Auspragungsformen Fusion (Mergers) und Unternehmensubernahme (Acquisition) unterschleden. In den meisten Fallen werden M&A nach dem Typologisierungsmerkmal (vgl. Tabelle 2-2) der Diverslfikationsrichtung klassifiziert. •

Unter horizontalen M&A-Transaktionen verstehen Weston et al. (2001, S. 6-7; siehe auch Achleitner 2002, S. 142-144; Pausenberger 1989, S. 622-

13

14

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten 623) eine Verbindung von zwei Unternehmen, die in der gleiclien Branche tdtig sind Oder auf derselben Wertschdpfungsebene agieren (Strohmer 2001, S. 19). Ein Beispiel fQr eine horizontale l\/I&A-Transaktion ist die Obernahme von Mobil Oil durch Exxon im Jahre 1999. Die Erweiterung und Komplettierung eigener Produkte, Technologien oder MSrkte steht bei M&A-Transaktionen dieser Art im Vordergrund (Strohmer 2001, S. 19). Aufgrund der negativen Auswirkungen von horizontalen M&A auf den Wettbewerb, werden sie durch staatliche Behdrden Uberwacht (Weston et al. 2001, S. 6). •

Unter vertikalen M&A-Transaktionen versteht Strohmer (2001, S. 19) die Verbindung von Unternehmen, die der gleichen Branche angehfiren, aber innerhalb aufeinanderfolgender Stufen der Wertsch5pfungskette agieren. Ein Beispiel ist die pharmazeutische Industrie mit Forschung und Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von neuen Medikamenten (vgl. Weston et al. 2001, S. 7). Eine M&A-Transaktion dieser Art kann auf die Integration von vor- oder nachgelagerten Stufen der Wertschdpfungskette abzielen, um Wettbewerbsvorteile zu generieren. Der Kauf von ABC Network durch Walt Disney Productions ist ein Beispiel fur eine vertikale M&A-Transaktion (vgl. Brealy, Meyers 2003, S. 930). Disney-Filme sollten durch den Kauf einem breiten Fernsehpublikum zugSnglich gemacht werden.



Konglomerative M&A-Transaktionen beziehen sich auf die Verbindung von Unternehmen, die verschiedenartige Wertschfipfungsketten nutzen. Ein klassisches Beispiel fur eine konglomerative M&A-Transaktion ist die Fusion von Mobil Oil mit der Handelskette Montgomery Ward im Jahre 1973. Konglomerate M&A-Transaktionen werden weiterhin unterteilt in M&ATransaktionen mit dem Ziel der Produktausweitung, der Vereinigung zweier geographisch unabhSngiger MSrkte und der Reinform von konglomerativen M&A-Transaktionen (Weston et al. 2001, S. 7).



Die regionale Weite von M&A-Transaktionen ist ein weiteres Typologisierungsmerkmal. Sogenannte Cross-Border Deals (vgl. u. a. HItt, Harrison und Ireland 2001, S. 143-160) bezeichnen M&A-Transaktionen auf internationaler Ebene. Ein Beispiel ist die Fusion des US-amerikanischen Automobil-

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten herstellers Chrysler Corporation mit seinem deutschen Pendant, der DaimlerBenz AG. •

Der Unfifang von M&A kann je nach strategischer Ausrichtung und den jeweiligen Motiven das Gesamtunternehmen oder nur GeschSfts- bzw. Funktionsbereiche umfassen.



Das Typologlsierungsmerkmal Kaufer weist die Auspragungen (i) strategischer KSufer, (ii) Finanzinvestor, (iii) Management-Buy-In (Mbl) und (iv) Management-Buy-Out (MbO) auf. •

Unter strategischen KSufern werden die Unternehmen verstanden, die mit M&A das Zielobjekt zur Starkung der eigenen Wettbewerbsposition akquirieren. Ziel ist nicht, das Zielobjekt zu zerschlagen, sondern es in das elgene Unternehmen sinnvoll zu integrieren (vgl. Eschen 2002, S. 27).

"

Im Gegensatz zum Integrationswillen des strategischen Kdufers sieht der Finanzinvestor M&A-Transaktionen als Mittel zur Generierung von Renditen. Das Zielobjekt wird als Spekulationsgegenstand verstanden, welches bei entsprechender Gelegenheit durch einen Verkauf oder einen B6rsengang verauBertwird.



Management-Buy-In (Mbl) und (iv) Management-Buy-Out (MbO) sind M&A-Transaktionen seitens des Managements (vgl. Eschen 2002, S. 27). Das Management-Buy-In (Mbl) ist gekennzeichnet durch den Verkauf an Investoren, die vorher nicht mit dem Zielobjekt verbunden waren und nach dem Kauf das Management des Unternehmens ubernehmen. Das Management-Buy-Out (MbO) ist die VerauRerung des Unternehmens oder eines Unternehmensteils an das derzeitige Management.



Neben dem Typologlsierungsmerkmal Kaufer splelt die Angebotsform bei M&A eine wichtige Rolle. Die Angebotsform differiert je nach M&A-Transaktion. •

Ein Tender Offer umschreibt ein dlrektes Obernahmeangebot an die Aktionare des Zlelobjekts (vgl. Jansen 2001, S. 45; Weston et al. 2001, S. 6). Dieses Angebot kann entweder mit oder ohne Einverstandnis des Vorstandes unterbreitet werden.

15

16

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten



Eine Fusion unter Gleichen wird ausgehandelt, wenn beide Unternehmen bereit und in der Lage sind, den Fusionsprozef^ gemeinsam und gleichberechtigt zu durchlaufen.



Der Proxy Contest ist eine Form der feindlichen Obernahme. Ein Minderheitsaktionar eines Unternehmens versucht, die Ausrichtung zu beeinflussen, indem er bei der Hauptversammlung die IVIehrheit der Aktionarsstimmen auf sich vereinigt. Der Proxy Contest als eine Form der feindlichen Obernahme (Hostile Takeovers) hat sich bisher nicht als M&A-Typ durchgesetzt. Die Erfolgsquote der feindlichen Obernahmen fiel von durchschnittlich 41 Prozent in den Jahren 1995 bis 1999 auf 32 Prozent Im Jahr 2000 (vgl. Jansen 2001, S. 40).



Unter der Wettbewerbswirkung werden die Auswirkungen von M&A auf eine Branche beschrieben. Hier steht der volkswirtschaftliche Aspekt im Vordergrund der Beurteilung. Die Unternehmensubernahme Oder Fusion kann eine fordernde, neutrale oder schlechtestenfalls eine beschrSnkende Wirkung auf den Wettbewerb ausuben (vgl. Eschen 2002, S. 28).

2.3 Ablauf eines M&A-Prozesses Nachdem im letzten Abschnitt die unterschledlichen Typologisierungsmerkmale zur Unterscheidung von M&A herangezogen wurden, wird der Fokus im folgenden auf den idealtypischen Ablauf eines M&A-Prozesses gerichtet. In der Literatur existieren unterschiedliche Prozeli- bzw. Phasenmodelle, durch die der Ablauf der engergefaRten Begriffe der Unternehmensfusion bzw. -akquisition aufgearbeitet werden. Wahrend Baetge und Krumbholz (1991, S. 16-24) einen vierstufigen ProzeR beschreiben, unterteilt Jansen (2001, S. 165-239) die Untemehmensakquisition in drei Phasen. Eschen (2002) teilt den Akquisltions- und FusionsprozeR in fijnf grobe Phasen ein. Er weist auf die von Berens et al. (1998, S. 48) ge^uRerte Kritik hin, daS die Interdependenzen zwischen den Phasen nicht ausrelchend beachtet werden. Es handelt sich nicht um Phasen im klassischen Sinn (Eschen 2002, S. 29). Im folgenden wird das von Eschen beschriebene Phasenmo-

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten dell zu einem Tatigkeitsmodell umgedeutet, um der Kritik von Berens et al. gerecht zu werden. Der Begriff Zielobjekt umfalit die Begriffe Fusions- bzw. Akquisitionsobjekt. Rechtliche und technische Aspekte des Obernahmeverhaltnisses werden auBer acht gelassen. Das Modell umfaBtfunf Tatigkeiten: (i) Information uber die Ausgangslage Bevor ein Unternehmen in einen M&A-Prozeli aktiv eintritt, ist es notwendig, Informationen uber die eigene interne und externe Ausgangslage einzuholen. Sinnvoll ist (vgl. Jansen 2001, S. 164-176) eine eingehende Unternehmensanalyse. Hierzu gehort die Analyse der Unternehmensziele und -potentiate ebenso wie die Explizierung der strategischen Potentiate und Lucken des Unternehmens. Neben der Aufnahme dieser internen Ist-Zustande ist die Analyse der externen Umwelt ein wichtiger Bestandtell der Informationsgewinnung. Eine Unnweltanalyse und -prognose sowie die Analyse des M&A-Umfeldes konnen bei Bedarf in verschiedene Analyseebenen unterteilt werden. Vor einer endgultigen Entscheidung uber den Eintritt in einen M&AProzeB sind unterschiedliche Motive (vgl. Abschnitte 2.4 und 2.5) und Strategieerwagungen in Betracht zu Ziehen. (ii) Identifikation relevanter Kriterien zur Auswahl potentieller Zielobjekte Potentielle Zielobjekte sind nicht leicht zu identifizieren. Aus diesem Grund mussen relevante Auswahlkriterien (vgl. Jansen 2001, S. 178), die sich an den in der ersten Phase erhobenen Strategien und Motiven des M&A-willigen Unternehmens orientieren, abgeleitet werden. Ausgehend von diesem Kriterienkatalog wird eine erste Grobauswahl der Zielobjekte getroffen, und die entstehenden Analysebedarfe werden festgelegt. (iii) Selektion der potentiellen Zielobjekte Die jeweiligen Zielobjekte werden nach strategischen und finanziellen Gesichtspunkten analysiert. Das Screening der Zielobjekte erfolgt entweder durch interne M&A-Teams Oder durch externe M&A-Dienstleister, wie z. B. Unternehmensberater, Unternehmensmakler, Investmentbanker sowie Banken und Wirtschaftsprufer. Als Informationsquellen sind in der Regel ausschlieRlich dffentlich zugangliche Quellen

17

18

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-AktIvitaten

explorierbar (Berens, Mertes und Strauch 1998, S. 51; vgl. auch Vorgehen Abschnitt 4.1). Ergebnis der Selektion nach einem festgelegten Kriterienkatalog ist die sogenannte Long List, in der alle potentiellen Zielobjekte mit einem Kriterienprofil festgelialten werden. (iv) Transaktion des Zielobjekts Die Long List wird durch Reduktion der Zielobjektanzahi in eine Short List transformiert. Am Ende dieses Prozesses ist eine Entscheidung uber die Auswahl eines Zielobjekts zu treffen. Im AnschluS erfolgen die Kontaktaufnahme und ggf. Vertragsverhandlungen. Dieser Kontakt kann in einer Due Diligence munden. Detaillierte Informationen uber die internen UnternehmensverhSltnlsse werden nun offengelegt. Der Lol besiegelt die weitergehende Fixierung der bereits abgeschlossenen ersten Vertragsverhandlungen (vgl. Jansen 2001, S. 184). Es werden die wesentlichen Einzelheiten der M&A-Transaktion und das weitere Vorgehen erstmals schriftlich fixiert (vgl. Funk 1995, S. 500). Der Letter of Intent (Lol) ist eine AbsichtserklSrung und beinhaltet neben den bereits en/vShnten Bestandteilen auch Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsklauseln sowie die Verpflichtung des Zielobjektmanagements, vor dem Anschlul^ der Due Diligence keinerlei verdeckte Gesprdche Oder Verhandlungen mit weiteren Kaufinteressenten aufeunehmen (vgl. Jansen 2001, S. 184-185). Die Kaufpreisfestlegung wird ebenfalls terminiert. In der Literatur findet sich eine VIelzahl an finanzwirtschaftlichen BewertungsansStzen zur Kaufpreisermittlung. Neben klassischen Ans^tzen wie der Discounted-Cash-flow-Methode haben in den letzten Jahren neuere AnsStze wie der Realoptionenansatz die Bewertungspraxis erganzt. Haben sich KSufer und Verkaufer geeinigt, konnen die Vertragsunterzeichung (Signing) und der Stichtag fur die Ubergabe des Zielobjekts vereinbart werden. Der Stichtag markiert den Termin, bis zu dem alle juristischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte zu klaren sind (vgl. Berens, Mertes und Strauch 1998, S. 57-58). (v) Integration des Zielobjekts Die fur den endgultigen Erfolg der M&A-Transaktion bedeutendste Frage ist die nach der Integration eines Zielobjekts. Die erfolgreiche Einbindung des Zielobjekts in den

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten Unternehmensverbund ist eine Herausforderung (vgl. Haspeslagh und Jemison 1992,8.129-201). Der Integrationsschritt ist fur den gesamten M&A-Prozeli von hoher Bedeutung. Nur wenn es dem Management innerhalb dieses Prozedschrittes gelingt, die beiden Unternehmen zu einer Einiieit zu verschmelzen, sind wirtschaftiiciie Vorteile erzielbar. Die notwendigen IVIaUnahmen zur Integration hangen im hohen IVIaSe vom Grad der gewunschten Integration ab (vgl. Jansen 2001, S. 233-235). Integrationsmafinahmen sind in unterschiedlichster Form denk- und durchfuhrbar. Je nach zugrunde liegenden Motiven sollen unterschiedliche Synergien bzw. Diversifikationseffekte erzielt werden. Gerds und Schewe (2004, S. 153) decken auf, daR ein negativer Zusammenhang zwischen der H5chstgeschwindigkeit der Integrationsmalinahme und ihrem erfolgreichen Ausgang besteht. Daher schlagen sie sowohl eine Integration Excellence, einen aus funf Schritten bestehenden Ablauf zur Verbindung des Zielobjekts, als auch einen Integration Masterplan, der den Ablauf der Integration festlegt, vor. 2.4

Motive fUrM&A

Der Ablauf des M&A-Prozesses beginnt mit der Information uber die Ausgangslage eines Zielobjekts und endet mit dem Eintritt in die Post-Merger-Integration (vgl. Abschnitt 2.3). M&A findet in alien Branchen, zwischen Unternehmen unterschiedlicher GrSBe und geographischer Herkunft statt. Die Motive fur M&A-Transaktionen sind jedoch nicht immer klar. Sieben und Slelaff (1989, S. 1) sehen Wachstumsstrategien als Hauptmotiv fur M&A. M&A-Transaktionen dienen als externe Form des Wachstums und sind als Alternative zu internem Wachstum, z. B. durch Investitionen, zu werten. Ebenso zahlreich wie die Definitionen von M&A sind M&A-Motive (vgl. Brealey und Myers 2003, S. 931-937; Jansen 2001, S. 173-174; Gerpott 1993, S. 63-64; Gut-Villa 1997, S. 32-38; Huemer 1991, S. 15-16; Goldberg 1983, S. 9-15 und 17-95; fur die M&A-Motiven zugrunde liegenden Theorien siehe u. a. Trautwein 1990, S. 283-295). Aus Sicht des Akquisiteurs sind drei Strange von M&A-Motvien explizierbar: strategische (Abschnitt 2.4.1), finanzielle (Abschnitt 2.4.2) und personliche M&A-Motive (Ab-

19

20

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

schnitt 2.4.3). Diese sind oftmals fur den Start einer M&A-Transaktion ausschlaggebend. Strategische Motive (vgl. Abschnitt 2.4.1) basieren auf dem Wunsch eines Unternehmens, strategische Lucken, z. B. in der Absatzstruktur oder dem Vertrieb, durch M&A-Transaktionen sowie durch Realisierung von Synergien zu schlieUen. Finanzielle Motive (vgl. Abschnitt 2.4.2) richten sich auf die Generierung von kurz- bis mittelfristigen Unternehmensgewinnen. Die Unterbewertung eines Zielobjekts wird dabei genutzt. Der dritte Motivstrang einer M&A-Transaktion wird durch Angehdrige des Managements determiniert (vgl. Abschnitt 2.4.3). Macht- und Kontrollbedurfnis von Managern sind auslosende Momente fur dieses M&A-Motiv. 2.4.1

Strategische M&A-Motive

Strategisch motivierte M&A lassen sich in Aniehnung an die Diversifikationsrichtungen von M&A unterteilen (vgl. Achleitner 2002, S. 142-143 - siehe Abschnitt 2.2.2):

Horizontale M&A dient im besonderen MaSe zur Realisierung von Synergien. Durch M&A konnen in spezifischen Markten die Marktanteile ausgebaut bzw. enveitert werden. Der Wunsch, innerhalb von Einkaufs-, Produktions-, Vertriebs- und Absatzstrukturen Verbundvorteile (Economies of Scope) und Kosteneinsparungen (Economies of Scale - vgl. auch Brealy und Meyers 2003, S. 931) zu generieren, kann ebenfalls ein Grund fur horizontale M&AAktivitaten sein. Vertikale M&A basieren ebenfalls auf dem Motiv, mit der Ubernahme eines Unternehmens Synergien zu erzielen. Durch die Integration von Liefer- oder Absatzwegen fallen Kosten fur die Kommunikation weg, die vor der Obernahme durch Intransparenz der vor- und nachgelagerten MSrkte entstanden sind (Economies of Vertical Integration - vgl. auch Brealy und Meyers 2003, S. 931-932). Die langfristige Sicherung der erforderlichen Inputfaktoren wird durch die Unternehmensubernahme unterstutzt.

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten •

Konglomerative

M&A schaffen vor allem Synergien bei der Kapitalbe-

schaffung. Durch den Zukauf von Unternehmen mit unterschiedlicher Risikostruktur erhoht sich die Risikostreuung des Akquisiteurs. Die Gesamtertragslage des Unternehmens festigt sich durch diese MaBnahme. Es wird eine direkte Wirkung auf die Finanzierungskosten ausgeubt.

Fallbeispiei Utah Power & Light/PacifiCorp. Brealy und Meyers (2003, S. 932-934) fuhren ein weiteres strategisches Motiv, welches auf der Generierung von Synergien basiert, auf. Viele kleine Unternehmen werden aufgrund komplementarer Ressourcen von groBeren Wettbewerbern aufgekauft (vgl. Brealy und Meyers 2003, S. 932). Das neu entstandene Gemeinschaftsunternehmen besitzt im Verbund gesteigerten individuellen Wert fur beide Unternehmenssegmente. Sie sind nicht mehr gezwungen, die fehlenden Ressourcen eigenstandig aufzubauen. Als Beispiel hierfur fuhren Brealy und Meyers (vgl. 2003, S. 932) den UnternehmenszusammenschluR der Elektrizitatsversorger Utah Power & Light und PaciflCorp im Jahre 1989 an. Die von Utah Power & Light zu befriedigenden Bedarfsspltzen wurden im Sommer durch den Betrieb von Klimaanlagen erreicht. PaciflCorp muRte Spitzennachfragen, ausgelost durch den Betrieb von Heizungen, Im Winter decken. Die Einsparungen durch den Unternehmenszusammenschluli betrugen geschatzte 45 Mlllionen US-Dollar pro Jahr. Der Ressourcenbedarf war saisonal komplementar und befahigte den Unternehmensverbund zu masslven Einsparungen. 2.4.2

Finanzielle M&A-Motive

Finanziell motlvierte M&A stellen einen Untersuchungsschwerpunkt innerhalb der neueren wissenschaftllchen Literatur dar. Ihr Hauptziel ist die kurz- und mittelfristlge Generierung von zusatzlichen Unternehmensgewinnen (vgl. Achleitner 2002, S. 144145). Ausgangspunkt der finanziell motivierten M&A ist die Unterbewertung eines Zielobjekts, die sich aus der Analyse der Finanzkennzahlen herleiten laBt (vgl. Vogel 2002, S. 40). Die finanziellen M&A-Motive werden durch die Bewertungstheorie (Va-

21

22

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

luation Theory - vgl. Trautwein 1990, S. 286) erklart. Die der M&A zugrunde liegenden Bewertungsunterschiede werden auf die Economic Disturbance Theory (Gort 1969) und auf Informationsasymmetrien zuruckgefuhrt (vgl. Vogel 2002, S. 40). Bel der Unterbewertung kann es sich sowohl urn eine Unterbewertung an der Borse, ais auch urn eine Unterbewertung eines privaten, nicht borsennotierten Unternehmens handeln. Zwei Akteure werden bei finanzlellen M&A-iVlotiven unterschieden:



Corporate Raiders oder auch Arbitrageure streben bei finanziell motivierten M&A keinen unternehmerischen EinfluS an, sondern zielen auf kurzfrlstige Gewinnrealisierung durch WiederverauRerung des Unternehmens oder einzelner Unternehmenssegmente am Markt ab. Als Sonderform der Arbitrage gilt das Asset Stripping. Das unterbewertete Zlelobjekt wird nach der Obernahme vollstandig zerschlagen, um einen hoheren Gesamtertrag durch die Verauderung der Unternehmensteile zu realisieren.



Von Arbitrageuren sind die Principal Investors zu unterscheiden. Ihre Motive liegen in der langfristigen und gezielten Sicherung einer Wertsteigerung des Zielobjekts. Principal Investors sind in der Regel Gesellschaften, die sich uber Private-Equity-Fonds finanzieren.

Steuerliche Gesichtspunkte spielen bei finanziell motivierter M&A eine Rolle. Erworbene Unternehmen dienen als Steuersparmodell durch Fortschreibung hoher steuerlicher Verlustvortrage und zur Abschirmung rentabler Beteiligungen vor einer drohenden Steuerpflicht (vgl. Vogel 2002, S. 40-41). 2.4.3

Persdnllche M&A-Motive des Managements

Neben den skizzierten strategischen und finanzlellen Motiven (slehe Abschnitt 2.4.1 und 2.4.2) stellen personliche Motive des Managements einen weiteren Motivstrang fur M&A dar. Personliche Motive resultieren aus dem Streben der Manager nach

Einkommen,

Prestige, Macht oder Reduzierung des Entlassungsrisikos..." (vgl. Gerpott 1993, S.

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten 64). In der Literatur werden die einzelnen Motive zu IVIanagerialismus-Theorien zusammengefaRt (vgl. Vogel 2002, S. 41). Subsumiert wird hierunter aucJi die Auszahlungsthese. Jede Auszahlung an den Eigentumer bedeutet fiir das Management den Verlust von Ressourcen und, damit einhergehend, den Verlust von Macht und Kontrolle. Durch die personelie Trennung von Eigentumer und Untemehmensfuiirung entsteht bei der Zieiausriciitung des Unternehmens ein Spannungspotential. Die HybrisHypothese, die sich auf die Agency-Theorie stutzt, sieht in den Zielen von M&A die personlichen Ziele des Managements reflektiert. Diese Ziele widersprechen ggf. den von den Eigenkapitalgebern angestrebten Zielen, wie z. B. der Steigerung des Umsatzes bzw. der Ausschuttungen an die Eigentumer. Die folgenden personlichen Motive sind im besonderen MafJe typisch fur M&AWellen (vgl. Abschnitt 2.1 - siehe auch Vogel 2002, S. 41-42) und konnen zu gewissen Gefahren fuhren:

Faszination der GroRe - Grolie spielt eine herausragende Rolle. Sie wird mit Prestige und Macht gleichgesetzt. Gefahr: Das Ziel des Groftenwachstums wird uber die Steigerung des Marktwertes eines Unternehmens gestellt. GroRenwachstum wird zum Oberziel des Managements und des Unternehmens. Es resultiert im Phanomen der Selbstuberschatzung. Das Management bewertet die Chancen und Risiken von M&A falsch und ist nicht in der Lage, das ubernommene Zielobjekt in die Organisation zu integrieren. Es kommt moglicherweise zur Fehlallokation des Kapitals. Aufgrund hoher Netto-Cash-flows werden M&A-Transaktionen in Branchen vorangetrieben, bezuglich derer das Management uber kein ausreichendes Wissen verfugt. Produkte und Markte, die durch die Ubernahme des Zielobjekts zum Unternehmensschwerpunkt werden, sind nicht ausreichend bekannt, und die Bearbeitung miUlingt. M&A-Transaktionen werden als Mittel zur Ergebnisgestaltung genutzt. Die Ubernahme von Zielobjekten wird zur Gestaltung von Jahresabschlussen eingesetzt. Das Unternehmensmanagement kauft ein Zielobjekt, um den Jahres-

23

24

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten abschlull bewul^t zu beeinflussen. Gefahr: Eine Ablenkung von Managementfehlern soil geschehen. •

Als Point-of-no-return-Effekt wird die Unfahigkeit des Managements bezelchnet, M&A-Aktivitaten abzubrechen, die sich nach einer Due Diligence als nicht sinnvoll en/viesen haben. Gefahr: Der Schaden der Anspmchsgruppen des Unternehmens, und hier im besonderen MaSe der AktionSre, wird vom Management billigend in Kauf genommen (vgl. Vogel 2002, S. 41-42).

Die persdnlichen Motive des Managements als psychologische Anreize fur M&A und ihre Auswirkungen auf M&A-Aktivitaten wurden bereits in zahlreichen empirischen Studien untersucht. Ein Einflul^ von persdnlichen Motiven des Managements auf M&A wird durch Studien von Reid (1968) und You et al. (1986) belegt. 2.5

Ressourcenorientierter Ansatz als theoretische Grundlage fur M&A

M&A-Transaktionen besitzen heute, in Zeiten stagnierender WIrtschaft, empirische Bedeutung als strategisches Instrument des Unternehmenswachstums (Abschnitt 2.1). Gekennzeichnet ist dieses angio-amerikanisch gepragte Forschungsfeid durch vielschichtige Begrifflichkeiten und Abgrenzungsbestrebungen (Abschnitt 2.2). Selbst der Ablauf eines M&A-Prozesses ist in der Literatur nicht einheitlich definiert (Abschnitt 2.3). Erklart wird das PhSnomen M&A durch sehr unterschiedliche Motive (Abschnitt 2.4). In der strategischen Managementforschung ist ein zentraler Erkiarungsansatz zu identifizieren. Der ressourcenorlentierte Ansatz (RBV) ist seit der Veroffentlichung der Monographie "The Theory of Growth of the Firm" 1959 von Edith T. Penrose aus dem strategischen Management nicht mehr wegzudenken. Zahlreiche Arbeiten basieren auf diesen Grundlagen. Sie dienen als theoretisches Gerust zur Erkiarung von MaUnahmen der strategischen Planung und Analyse sowie von M&A (fur weitere Anwendungsfelder siehe Freiling 2001, S. 9-10). Grundlegendes Element des ressourcenorientierten Ansatzes nach Penrose sowie der Erweiterungen ist der Ressourcenbegriff (vgl. Freiling 2001, S. 14; Muser 2000, S. 17-22; Jurgens 1998, S. 23-24; Thiele 1997, S. 39-46). Wie beim M&A-Begriff (vgl.

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten Abschnitt 2.2) hat sich keine einheitliche Definition der Ressource durchgesetzt (vgl. Freiling 2001, S. 13). Die Tatsache, dad es zur Zeit kein einheitliches und in sich stimmiges Begriffssystem innerhalb des ressourcenorientierten Ansatzes gibt, nutzt Freiling (2001, S.22), urn eine Arbeitsdefinition anzubieten. Er versteht unter einer Ressource „...(in IVIarkten beschaffbare) Inputguter, [die] durch Veredelungsprozesse zu unternehmenseigenen Merkmalen fur Wettbewerbsfahlgkeit weiterentwickelt worden sind und bei denen die Moglichkeit besteht, Rivalen von der Nutzung dieser Ressourcen in nachhaltiger Weise auszuschlielien." Die infi Unternehnnen vorhandenen Ressourcen sind ein Erklarungsansatz fur die Einzigartigkeit eines Unternehmens (Hamel und Prahalad 1990; Sanchez und Heene 1996). Die Ressourcenheterogenitat, die von Penrose formuliert wurde, spielt dabei eine zentrale Rolle. Unter Ressourcenheterogenitat versteht man die je nach Unternehmen andersartige Ausstattung mit Ressourcen. Sie sichert einem Unternehmen langfristige Wettbewerbsvortelle und protegiert die Marktposition. Da Ressourcen im obigen Sinne nur unvollkommen handelbar sind, ist ihr Erwerb am Markt schwierig. Die Folge sind eine asymmetrische Ressourcenallokation sowie Wettbewerbsnachteile jener Unternehmen, die eine spezifische Ressource nicht besitzen. Ressourcenheterogenitat ist zugleich ein Erklarungsansatz fur M&A. Unternehmen konnen uber einen Faktormarkt die erforderliche Ressource, z. B. den Zugang zu einer spezifischen Technologie, nicht erwerben. Dieser Faktor wird nicht auf dem Markt gehandelt. Um einen Wettbewerbsvorteil zu generieren und nachhaltig zu sichern, ist ein Zugang zu dieser knappen Ressource zu schaffen. M&A sichert den Zugang zu einer spezifischen kritischen Ressource. In der aktuellen Managementliteratur gewinnt das Patent als Ressource an Stellenwert. Im Rahmen von M&A werden Patente als technologisches Monopol betrachtet (vgl. u. a. O'Haver 2002, S. 497-509) und ihre Bedeutung fur die technologiegetriebene M&A-Aktivitat herausgestellt. Der Forderung nach der Einbeziehung der Ressource Patent in M&A-AktivitSten wird durch verschiedene Ansatze Rechnung getragen (vgl. Ernst 2003, S. 233-242; Breitzman, Thomas 2002a, S. 28-36; Breitzman, Thomas und Cheney 2002b, S. 1-10). Drei Fragestellungen sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung:

25

26

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten



Wie kann eine Unternehmensressource allgemein charakterisiert werden?



Wie ist das Patent als Unternehmensressource in den ressourcenorientierten Ansatz eingebunden?



Welche Motive liegen den M&A aus Sicht des ressourcenorientierten Ansatzes zugrunde?

Erfolgsbestimmende Ressourcen werden von vier Charakteristika gekennzeichnet, die auch weitgehend von Patenten erfullt werden (vgl. Abschnitt 2.5.1). Ressourcen lassen sich in Begriffskategorien bzw. spezifische Ressourcenbegriffe unterteiien (vgl. Abschnitt 2.5.2), wobei das Patent als eine Auspragung des Ressourcenbegriffs verstanden wird. Es bildet eine Grundlage der ressourcenorientierten M&A-Motive (vgl. Abschnitt 2.5.3). Letztere komplettieren das Motivspektrum (vgl. Abschnitt 2.4) und belegen die auslosende Wirkung von Ressourcen fur M&A. 2.5.1

Charakteristika von Ressourcen

Es herrscht keine einhellige Meinung uber die Anzahl und Definitionstiefe der Ressourcencharakteristika. Die nachfolgende Obersichtsdarstellung lehnt sich an die Einteilung von Collis und Montgomery (1995, S.120-124) an. Der Erfullungsgrad der Charakteristika determiniert die Qualitat einer Ressource. Erfolgsbestimmende Ressourcen sind durch vier Charakteristika gekennzeichnet:



Unter Ressourcenheterogenitat (vgl. Metzenthin, 2002, S. 124) wird die unterschiedllche Ausstattung von Unternehmen mit Ressourcen verstanden. Die diverisifizlerte Ressourcenausstattung fiihrt zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen, die je nach Beschaffenheit der Ressourcen von unterschiedlicher Dauer sein kann. Fur die Ressource Patent ist das Kriterium der Heterogenitat erfullt, da es unmoglich ist, eine gleichartige Ressource, das heiUt: ein Patent mit gleichem Schutzumfang und technologischem Inhalt, in zwei Unternehmen vorzufinden. Dies ist durch die rechtlichen Grundlagen im Patentgesetz (PatG) ausgeschlossen.

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten •

27

Ein zentrales Kriterium zur Einschatzung des Wertes einer Ressource ist die Nicht-lmitierbarkeit bzw. die Nicht-Substituierbarkeit. Urn langfristig fiir ein Unternehmen strategische Bedeutung zu besitzen, muli eine Ressource nichtimitierbar sein. Ein Wettbewerber darf nicht in der Lage sein, die Ressource zu reproduzieren (fiir eine Ubersicht auf die unterschiediichen EinfluRgroRen der Niciit-lmitierbarkeit vgl. Barney 1991, S. 107). Von Bedeutung fiir den Wert einer Ressource ist aucii die Niciit-Substituierbarkeit. Barney (1991) unterscheidet zwei Substitutionsarten: (i) die Substitution im weiteren Sinne als eine Kombination ahniiciier Inputguter, die zu vergieichbaren Ergebnissen fuhrt, und (ii) die Substitution im engeren Sinne als Austausch der Ressource durch eine andersartige Ressource. Auf die Ressource Patent trifft die Nichtlmitierbarkeit eingeschrankt zu. Das Patent und sein Schutzumfang bzw. das kodifizierte technische Know-how diirfen per Gesetz durch einen Wettbewerber zeitlich befristet nicht imitiert werden. Die Frage nach der Nicht-Substituierbarkeit ist sowohl im engeren, als auch im weiteren Sinne zu negieren. Fiir die Ressource Patent kann weder die Umgehung des Schutzrechtes durch Modlfikation der Inputguter, noch der vollkommene Austausch der Ressource ausgeschlossen werden.



Die Dauerhaftigkeit von Ressourcenvorteilen stellt ein drittes Kriterium dar. Nur Ressourcen, die uber einen langeren Zeitraum Wettbewerbsvorteile entfalten, sind fur ein Unternehmen ein Sicherungsinstrument des langfristigen Unternehmenserfolges. Durch ein Patent gelingt es, diese Dauerhaftigkeit zu entfalten. Dies gilt, solange die geschijtzte Technologie nicht durch neue Entwicklungen substituiert werden kann und wird. Nicht vorhersehbar sind allerdings Technologieschube, welche die Ressource Patent wertlos werden lassen.



Die Immobilitat beschreibt die Eigenschaft der Ressource, zeitlich und ortlich gebunden zu sein. Aufgrund eines unvollkommenen Faktormarktes sind Patente nicht Oder nur sehr schwer enA/erbbar. Ein Unternehmen erzielt Wettbewerbsvorteile, da es einem Wettbewerber erschwert bzw. versagt wird, die gleiche Ressource zu erwerben. Fiir die Ressource Patent ist der Tatbestand der Immobilitat gegeben. Ein Patent kann zwar als Lizenz auf einem Faktor-

28

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten markt gehandelt werden, dies geschieht allerdings fast immer ausschliel^lich auf Wunsch und durch Freigabe des patentinhabenden Unternehmens. WIrd ein Handel uber einen Faktormarkt nicht aufgenommen, ist das Patent an das anmeldende Unternehmen gebunden.

2.5.2

Patente als Untemehmensressourcen

Patente besitzen charakteristische Merkmale einer Ressource, aber werden sie in der Managementliteratur als Ressourcen im Sinne des ressourcenorientierten Ansatzes verstanden? Patente werden in alien grundlegenden Ansatzen der letzten Jahre und Jahrzehnte als bedeutende Ressource definiert und in die entsprechenden Ressourcenkategorien eingeordnet. Beispielhaft seien die Begriffskategorien von Grant (2002), Collis und Montgomery (1995) sowie Wernerfelt (1989) angefuhrt und die Einordnung von Patenten in das Begriffssystem vorgenommen (vgl. Tabelle 2-3).

Bewertung von Patenter) im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten -

Tabelle 2-3:

Ubersicht iiber die Begriffskategorien grundlegender Ansatze des RBV. Quelle: Wernerfelt (1989, S. 6-7); Collis und Montgomery (1995. S. 119-120); Grant (2002. S. 139-144). Begriffskategorie

Materielle Ressourcen cs CM

Immaterielle Ressourcen

c

2 o

•D

1 Ressourcenbezeichnung bzw. -unterteiiung

Finanzquellen eines Unternehmens

physische Ressourcen

Maschinen, Aniagen, Rohmaterialreserven

technologische Ressourcen

Patente, Urheberrechte, Geschaftsgeheimnisse

Humanressourcen

Physical Resources

Physische Betriebsmittel, wie z. B. 1 das Kabel einer Telefongesellschaft

Intangible Resources

Marken, technologisches Know-how

Organizational Capability

Fahigkeit einer Organisation, eingebettet in die Geschdftsabldufe, Prozesse und Unternehmenskultur

.!2 E o

00

Fixed Assets

Resources with Fixed Longrun Capacity

Fabrikanlagen, Ausstattung des Unternehmens, Schurfrechte, Mitarbeiter mit speziellerAusbildung

Blueprints

Resources with Practically Unlimited Capacity

Patente, Marken, Ansehen des Unternehmens

Cultures

Limited Short-run, but unlimited Long-run Capacity

Teams

o>

c

1

Marken Aus- und Welterbildung, Erfahrung und Anpassungsfahigkeit der Mitarbeiter

^

O O)

Beispiel

finanzielle Ressourcen

Reputation

=r

-29

Patente gehoren in alien drei Ansatzen zum festen Bestandteil der Unternehmensressourcen. Sie sind aus der Sicht des ressourcenorientierten Ansatzes und in der Ruckfuhrung auf Penrose Garanten fur die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen. 2.5.3

Ressourcenorientierte M&A-Motive

Patente stellen fur das Unternehmen wertvolle Ressourcen dar, die fest zum Begriffssystem des ressourcenorientierten Ansatzes gehoren (vgl. Abschnitt 2.5.2). Da Patente als Ressourcen qua Definition u. a. Wettbewerbsvorteile entfalten konnen (vgl. Penrose 1959, S. 24), sind sie als ein auslosendes Moment fur M&A-Aktivitaten zu betrachten.

30

Bewertung von Patenter! im Rahnfien von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

Metzenthin (2002, S. 53-54) differenziert zwischen drei ressourcenorlentierten M&AArten: mit gleichartigen, mit substitutiven und mit komplementaren Ressourcen und den jeweils zugrundeliegenden Motiven.

M&A mit gleichartigen Ressourcen basiert auf dem Wunsch nach Kapazitatsaufstockungen. Es werden Eriossynergien begunstigt, die durch Deckung einer bisher unbefriedigten Nachfrage entstehen. Weitere Motive fur die Akquisition eines Unternehmens mit gleichartigen Ressourcen sind die Kostenreduktion durch Verbundvorteile (Economies of Scale) bzw. Dlversifikationsvorteile (Economies of Scope) (vgl. Abschnitt 2.4.1). Konkretisiert fur die Ressource Patent bedeutet dies: Das Unternehmen enA/irbt durch den Zukauf eines Zielobjektes mit gleichartigen Patenten zusatzliche technologische Kapazitaten und schijtzt somit seine Position am Markt nachdruckllch. Durch Zukauf von geschutztem technologischen Wissen in Form von Patenten kann sich eine Kostenreduktion ergeben, Lizenzkosten konnen wegfallen und for gleichartige Technologien FuE-Anstrengungen uberflussig werden. Substitutive Ressourcen stehen im Vordergrund, wenn das akquirierende Unternehmen den Wunsch hegt, z. B. eine neue Technologie zu enA^erben, um technologisch hochwertigere Produkte zu erzeugen. Motiv fur eine solche M&A-Transaktion sind sowohl Kostensenkungs- als auch Erlossteigerungsaspekte. Das Unternehmen ist mittels M&A in der Lage, alte Technologien durch State-of-the-Art-Technologien in patentierter Form zu ersetzen. Es entstehen Kostensenkungsoptionen uber Wegfall eigener FuE-lnvestitionen. Erlossteigerungen sind durch die vom Patent gesicherte Monopolstellung am Markt und aus Lizenzierungseinnahmen realisierbar. Sind die Ressourcen eines Unternehmens komplementar zueinander, werden Kosten- bzw. Eriossynergien erzielt (vgl. Metzenthin 2002, S. 53-54). Kostensynergien entstehen mittels Zusammenlegung der in beiden Unternehmen vorhandenen Ressourcen. Durch die Verknupfung des Ressourcenpools konnen bisher nicht bediente Markte gezielt angesprochen und Eriossynergien generiert werden. Konkretisiert fiir Patente: Die Vervollstandigung des Patent-

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten portfolios uber Zukauf neuer Patente und die Generierung von schlanken Kostenstrukturen bzw. die Entwicklung neuer Produkte sowie die Ansprache neuer Markte ist ein Effekt von M&A zwischen Unternehmen mit komplementaren Ressourcen.

Eine von der Unternehmensberatung Arthur Andersen (Zusammenschluli am 1. September 2002 zur Ernst & Young Revisions- und Treuhandgesellschaft mbH) durchgefijhrte Internationale Umfrage bei 30 fuhrenden Unternehmen aus der Technologie-, Medien- und Kommunikationsbranche forderte sechs Motive fur M&A zutage: Technologievorteile, Bedarf an Wissen, verbesserte Kundenbeziehungen, Globalisierung, Bedarf an Mitarbeitern und verbesserter Marktwert (vgl. o.V. 2003). Von 65 % der Befragten wurden Technologievorteile als sehr wichtig eingestuft. Technologievorteile sind u. a. durch Zukauf von Ressourcen, wie z. B. Patenten, mittels M&ATransaktionen zu eriangen. Fallbeispiel: M&A-Motive bei Mega-Mergern in der Pharmaindustrie Das Fallbeispiel von Schmidt und Schettler (1999, S. 312-317) zeigt u. a. Motive von M&A auf, die eindeutig technologisch rspk. ressourcenorientiert sind. Im Zeitraum von 1994 bis 1997 analysierten Schmidt und Schettler (1999) sechs Mega-Merger in der pharmazeutischen Industrie. Anhand einer Inhaltsanalyse von Presseberichten und veroffentlichten Verlautbarungen der Kaufer identifizierten sie die meistgenannten M&A-Motive. Neben strategischen Zlelen (Abschnitt 2.4.1), wie der Erhohung des Marktanteils Oder der Erreichung der Marktfuhrerschaft, spielte auch der Zugang zu neuen Technologien eine bedeutende Rolle. Fur vier der sechs Mega-Merger war dieses ressourcenorientlerte M&A-Motiv ausschlaggebend, um eine M&A-Aktivitat einzuleiten. Ressourcenorientierte M&A-Motive werden in der Literatur leider bis heute eher selten beleuchtet. Erganzend zu Schmidt und Schettler ist eine Fallstudie von Pieper (1996,1998) beachtenswert, die einige der berelts genannten Aspekte aufgreift.

31

32

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

Falibeispiel: Interne versus exteme Beschaffung technologischen Wissens

Hinsichtlich interner versus externer Beschaffung von technologischem Wissen wurden 69 akquirierende deutsche Unternehmen untersucht. Vier wichtige Befunde (vgl. Pieper 1998, S. 241-247) sind festzuhalten:



Bei den untersuchten Akquisitionen dominierten fjnanzielle Absichten und nicht der Erwerb von technologischem Wissen als Motiv der Akquisition. Dies steht Im Gegensatz zum Befund von Schmidt und Schettler fur M&A-Transaktionen in der pharmazeutischen Industrie.



Bei technologisch motivierten Akquisitionen uberwog das Motiv der FuE-Substitution. Bine Erganzung der vorhandenen FuE-Ressourcen stand nur selten im Vordergrund. Dieser Befund stutzt die von Metzenthin eingefiihrte Unterscheidung der ressourcenorientierten M&A-Motive.



In der Grundgesamtheit der Untersuchung waren unterschiedliche Akquisitionsstrategien erkennbar. Unterschieden werden konnten technologische Vielakquirierer mit vornehmlichem Substitutionsmotiv, gelegentliche Akquirierer und technologische Diversifizierer mit Erganzungsmotiv. Auch dieser Befund belegt die Einteilung von Metzenthin (2002).



Die Einbettung von enA/orbenem Wissen in die bestehenden Strukturen gelang suboptimal. Die M&A-Transaktionen entfalten nicht die gewunschte okonomische Wirkung, da im Vorfeld der strategische Fit sowie die Chancen und Risiken in Bezug auf die Unternehmensressource Patent nicht betrachtet wurden (vgl. O'Haver 2002, S. 499).

2.6

Methoden zur Wertermittlung von Patenten

Patente als Ressource besitzen fur Unternehmen einen okonomischen Wert. Dies laBt sich bspw. aus den Streitwerten bei Patentverletzung ablesen. Allein im Jahr 2002 wurden in den USA zehn Streitfalle gefiihrt, in denen sich der Streitwert im Bereich zwischen einer Million und mehreren hundert Millionen US-Dollar bewegte.

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

33

Spitzenreiter war die Patentstreitigkeit zwischen Pitney Bowes, einem Weltmarktfuhrer im Mail- und Messagemanagement, und Hewlett-Packard, Hersteller u. a. von PCs und Druckern. Der Streitwert wurde mit 400 Millionen US-Dollar beziffert (vgl. Berman 2002, S. 586). Der Wunsch, den Wert eines Patents zu ermittein, steht nicht ausschlielilich im Mittelpunkt von Patentverletzungsklagen. Bel M&A-Aktivitaten ist die Wertermlttlung von Patenten ein Weg zur Erhohung der Transparenz von Immateriellen Vermogenswerten. Ein akquirierendes Unternehmen soil in die Lage versetzt werden, den Kaufpreis fur die Ressource Patent zu quantifizieren oder einen qualltativen EInblick in die Struktur des Patentportfolios zu bekommen. Patentbewertungsmethoden werden im folgenden In zwei Methodenstrange unterteilt:

Unter quantitativen Patentbewertungsmethoden (Abschnitt 2.6.1) werden alle Ansatze zusammengefaRt, die einen monetaren Patentwert zum Ziel haben. Es werden exemplarisch die Bewertungsmethoden aufgezeigt, die z. B. bei einer Patentverletzung helfen, einen Streitwert festzulegen, aber auch bei der Kaufpreisfestlegung nutzlich sind. Neben den kosten-, markt- und gewinnorientierten Bewertungsmethoden wird die Optionspreismethode skizziert. Durch die qualltativen Bewertungsmethoden (Abschnitt 2.6.2) wird ein Patent beurteilt, ohne seinen Wert monetar festzusetzen. Die qualltativen Patentbewertungsmethoden dienen u. a. der lllustrierung der strategischen Position gegenijber einem Wettbewerber in einem Technologiefeld oder zur Uberprufung der Bedeutung eines Patents fur die strategische Entwicklung eines Unternehmens.

2.6.1

Quantitative Methoden

Unter quantitativen Methoden zur Patentbewertung werden die kostenorientierte, die markt- und gewlnnorientierte Bewertungsmethode sowie die Optionspreismethode

- Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

34-

subsumiert (vgl. Tabelle 2-4). Alle vier Methoden unterstutzen die Berechnung eines monetaren Patentwertes (vgl. hierzu und im folgenden Rings 2000, S. 842-845). Tabelle 2-4:

Quantitative Patentbewertungsmethoden. Quelle: (Eigene Darstellung). Einzeimethode

1 Kostenorientierte Bewertungsmethoden

Methode der historischen Kosten Anschaffungskosten l-ierstellungskosten

Marktorientierte Bewertungsmethoden

Lizenzanalogie Vergleichswertmethode Vergleichspreismethode

Gewinnorientierte Bewertungsmethoden

Ertragswertmethode Cash-Flow-Methode Kostenerspamismethode Lizenzersparnismethode

Optionspreismethode

Cali-/Put-Option

Die Bewertung von Patentgruppen, also einer Kombination mehrerer Patente, ist mit den angefuhrten Methoden (vgl. Tabelle 2-4) nur bedingt mfiglich. Es besteht Forschungsbedarf, urn diese Lucke theoretisch wie konzeptionell zu schlieden. Die Methoden eignen sich auch zur allgemeinen Bewertung von Intellectual Property (vgl. Abschnitt 5.1.4). Ein Einsatz zur quantitativen Bewertung von Patenten ist somit problemlos durchfuhrbar. 2.6.1.1

Kostenorientierte Bewertungsmethoden

Zu den kostenorientierten Methoden zahlen die Anschaffungskosten- und die Herstellungskostenmethode (vgl. Tabelle 2-4). Ihnen ist nach Smith (vgl. 2000, S. 318) schwache Praferenz bei der Auswahl einer geeigneten Bewertungsmethode einzuraumen. Urn diese Methoden (vgl. Tabelle 2-4) anwenden zu konnen, bedarf es der Kenntnis der zuzuordnenden Patentkosten. Innerhalb der kostenorientierten Bewertungsmethoden werden verschiedene Kostenarten unterschieden (vgl. hierzu und im folgenden Rings 2000, S. 842-843). Generell werden acht Kostenarten betrachtet: (i) direkte und (ii) indirekte Patentkosten sowie (iii) historische Patentkosten, wie z. B.

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten (iv) die Investitionskosten fur ein Patent, (v) Reproduktionskosten (Reproduction Cost), (vi) Ersatzkosten (Replacement Cost), (vii) Aufbau- und (viii) Erhaltungskosten sowie (ix) Verteldigungskosten. Die vier letztgenannten Kostenarten spielen aber eine untergeordnete Rolle (Rings 2000, S. 358). Welterfijhrende Beispiele zur Kostendifferenzierung und einen Uberblick uber die kostenorlentlerten Bewertungsnnethoden finden sich bel Parr (1998, S. 20-30), Relliy und Schwelhs (1999, S. 96101) sowIe BertolottI (1996, S. 7-9). EIne Ubersicht uber alle Ansatze gibt LaslnskI (2002,8.4.9-4.16). (i) Die direkten Patentkosten umfassen alle Kosten (vgl. hierzu und im folgenden Rings 2000, S. 842-843), die fur Anmeldung und Aufrechterhaltung eines Patents entstehen, sowie die Kosten fur juristische MaBnahmen, die aus der Verteidigung und Rechtsverfolgung von Patentverletzungen resultieren. Abgegrenzt wird diese Kostenart von den (ii) indirekten Patentkosten, die durch Publizierung der Erfindung und Veroffentlichung eines bisherigen Unternehmensgeheimnisses entstehen. Dies fijhrt zu einem Verlust des Wettbewerbsvorsprungs gegenuber den potentielien Wettbewerbern. (ill) Historische Kosten sind die im Zeitverlauf tatsachlich anfallenden Patentkosten. (iv) Die Reproduktionskosten umfassen alle Kosten, die fur erneute Entwicklung, Anmeldung und Verteidigung eines reproduzierten Patentgegenstandes anfallen wurden. Schon bei der Betrachtung der einzelnen Kostenarten, welche die Grundlage fur die Berechnung eines Patentwerts darstellen, wird deutlich, da(i nur recht selten der exakte Patentwert mit diesen Methoden bestimmbar ist. Es konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dad eine Korrelation zwischen Patentwert und Patentkosten vorliegt. Die einflieRenden Kostenarten konnen sich sowohl wertsteigernd als auch wertneutral oder wertmindernd auswirken. Weitere Kritikpunkte sind die schwierige Abgrenzung des Umfangs der einzubeziehenden Kostenarten, das Fehlen von adaquatem Kostenmaterial und die diffizile Bereinigung von historischen Kostendaten. 2.6.1.2

Marktorientierte Bewertungsmethoden

Die drei Einzelmethoden Lizenzanalogie, Vergleichswert- und Vergleichspreismethode werden unter dem Begriff der marktorientierten Bewertungsmethoden subsumiert (vgl. Tabelle 2-4). Fur alle drei Einzelmethoden sind jeweils funf Schritte zur

35

36

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

Erhebung eines marktorientierten Patentwertes abzuarbejten (vgl. hierzu und im folgenden Rings 2000, S. 844):



Auswahl vergleichbarer Lizenzsatze und Patentwerte fur den Gegenstand,



Starken- und SchwSchenanaiyse des zu bewertenden Gegenstandes,



Schdtzung derzu en/vartenden Nutzungsdauer,



Bestimmung voraussichtiicher Wachstumsraten fur den zu bewertenden Gegenstand und



Festlegung eines Risikoabschiags.

Im Prinzip werden bei alien marktorientierten Methoden vergleichbare Transaktionen als Referenzwert ermittelt. Der Patentwert entspricht dem Gegenwert, den ein Kaufer Oder Lizenznehmer fur ein Patent zu zahlen bereit ist. Vom Marktwert als tatsachlichem Patentwert kann jedoch nur gesprochen werden, wenn ein offener Markt vorliegt und sowohl Lizenzgeber als auch Lizenznehmer uber vollstandige Informationen verfugen. Bei Patentverletzungen (siehe Mehnert 2002, S. 205-251 fur eine generelle Einfuhrung) bzw. Patentverletzungsklagen hat sich die Methode der Lizenzanalogie durchgesetzt (vgl. Tabelle 2-4). Sie folgt den oben beschriebenen Ablaufschritten und wird zur Schadensbewertung in Patentverletzungsprozessen, zur Berechnung von Arbeitnehmervergutungen und zur Bestimmung des Lizenzwertes herangezogen. Aus den Ablaufschritten lassen sich die Nachteile dieser Bewertungsmethode ableiten. Erstens erscheint es in der Praxis schwierig, vergleichbare Patente Oder Lizenzvereinbarungen zu identifizieren, die sich fur eine marktorientierte Bewertung eignen. Zweitens ist eine Branchendifferenzierung schwierig. Patente sind nur bedingt nach BranchenzugehSrigkeit zu klassifizieren.

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten 2.6.1.3

37

Gewinnorientierte bzw. ertragswertorientierte Bewertungsmethoden

Smith (2000, S. 318) sieht in den gewinn- bzw. ertragswertorientierten Bewertungsnfiethoden ein geeignetes Mittel, urn einen Patentwert zu bestimmen. Sie umfassen die vier Einzelmethoden: Ertragswert-, Cash-flow-, Kostenerspamis- und Lizenzersparnismethode. Die gewinn- bzw. ertragswertorientierte Bewertungsmethoden (Income Approach) sind in drei Schritte unterteilbar:



Ermittlung, Separierung und Quantifizierung der dem Patent zurechenbaren Ertrage,



Bestimmung der erwarteten Nutzungsdauer des Patentes und



Diskontierung der ermittelten Ertrage.

Grundlage dieser Bewertungsmethoden sind die zu erwartenden zukunftigen Gewinne, die durch Umrechnung auf einen aktuellen Tageswert den heutigen Patentwert (vgl. hierzu und im folgenden Rings 2000, S. 844) reprasentieren. Eine bekannte Einzelmethode der gewinn- Oder ertragswertorientierten Bewertungsmethoden ist die Lizenzersparnis-Methode. In die Wertberechnung gehen die durch den Patentbesitz generierten Ersparnisse ein. Die Summe wird aus den theoretisch zu zahlenden Lizenzgebuhren abgeleitet. Die Hohe dieser Gebiihr lalit sich auf drei Arten bestimmen: Durch Ubernahme aus fruheren Lizenzvertragen, mittels branchenublicher Lizenzsatze oder uber die Bestimmung des wirtschaftlichen Nutzens. 2.6.1.4

Optionspreismethode

Neben den etablierten Methoden der kosten-, markt-, gewinn- bzw. ertragswertorientierten Bewertung von Patenten stellt die Optionspreismethode einen neuen Bewertungsansatz dar. Grundlage der Optionspreismethode

bildet die Black-

Scholes-Formel (siehe Hull 2001, S. 356-361). 1973 gelang es Fischer Black und Myron Scholes unter Nutzung der geometrlschen Brownschen Bewegung, die als Preismodell in den sechziger Jahren Einzug in die Wissenschaft fand, eine Formel zur Berechnung europalscher Call- und Put-Optionen herzuleiten. HIeraus laRt sich

38

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

eine Analogie zu Patenten herleiten, und zwar sowohl als Call- als auch als PutOption, was im folgenden an zwei Fallbeispielen gezeigt wird. Die Black-Scholes-Formel gestattet es, den Preis eines derivaten Wertpapiers, d. h. eines Wertpapiers, dessen Basis ein bestimmtes Wirtschaftsgut blldet, bei Auslauf der Option zu bestlmmen (vgl. Mehnert 2002, S. 375). Optlonen werden heute auf diverse Wirtschaftsguter ausgegeben, wie z. B. Aktien, Schatzbrlefe, Rohstoffe und Devisen (vgl. Korn und Korn 2001, S. 90). Grundlegend unterschieden werden im Modell von Black und Scholes zwei Optionsarten:



Die Kaufoptlon (Call) ist ein Vertrag, der dem Kaufer das Recht sichert, eine bestimmte Menge eines spezlfischen Wirtschaftgutes, z. B. Rohol, am Ende der Optlonslaufzeit zum vorher festgelegten Preis, dem Ausubungspreis, zu en/verben. Dieser Vertrag ist fur den Kaufer nicht verpflichtend, das bedeutet, der Kaufer muR dieses Wirtschaftsgut nicht enA^erben. Dies tut er z. B. dann nicht, wenn bei Ablauf der Option am Markt ein besserer Preis zu realisieren ist.



Die Verkaufsoption (Put) ist ein Vertrag, der dem Kaufer das Recht sichert, eine bestimmte Menge eines spezlfischen Wirtschaftgutes, z. B. Rohol, am Ende der Optionslaufeeit zum vorher festgelegten Preis zu verauRern.

Black und Scholes operationallsierten fur beide Optlonsarten eine Gleichung, die heute als Black-Scholes-Formel bekannt ist (vgl. Gleichung 2-1 und Gleichung 2-2).

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

C = K.N(d,)-B.e-^''.N(d2)

"'•^-wr

" ^ /*

ln- + (R,-0,5a').t T;

^^=-^

avt 62 = d ^ - a V t Legende: C

= Callpreis

P

= Putpreis

K

= Aktienpreis

B

= Basispreis

Rf

= risikoloser Zinssatz p.a. (als stetige Verzinsung)

e

= Eulersche Zahl = Flacheninhalt unter der Dichtefunktion der Standard-

N(di)

Normalverteilung a

= erwartete Volatilitat des Aktienkurses p.a.

t

= Restlaufzeit des Calls in Jahren

di, d2 = Hilfsvariable Gleichung 2-1:

Black-Scholes-Formel zur Berechnung einer europaischen Calloption. Quelle: Steiner, Bruns (2000, S. 325); siehe auch Loderer, Jorg, Pichler et al. (2000, S. 790-792).

P = B.e-'''*.N(-d2)-K.N(-d,) l n ^ + (R,+0,5.a').t d . = ^

aVt

ln^ + (R,-0,5a')t

d =_B

aVt d2=di-aVt Legende: analog zur Legende von Gleichung 2-1 Gleichung 2-2:

Black-Scholes-Formel zur Berechnung einer europaischen Putoption. Quelle: Steiner, Bruns (2000, S. 325); siehe auch Loderer, Jorg, Pichler et al. (2000, S. 790-792).

39

- Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

40-

Inzwischen ist es gelungen, die Optionspreismethode auf andere Bewertungsobjekte auRerhalb der Finanzwirtschaft zu ubertragen. Die betriebswirtschaftliche Anwendung der Optionspreismetliode auf andere Bereiche, wie z. B. die Bewertung von FuE-Projekten oder Intellectual Property, wird als Theorie der Realen Optionen bezeichnet. Die entsprechenden Bewertungsparameter aus dem Bereich der Finanzoptionen lassen sich allgemein auf die Realoptionen und speziell auf das Patent ubertragen (vgl. Tabelle 2-5). Tabelle 2-5:

Bewertungsparameter fiir Aktienoptionen, Realoptionen und Patente. Quelle: Reitzig (2002, S. 35); Pitkethly (1997, S. 13).

Aktienoption

Realoption

Patent

Barwert der Dividendenauszahlung

Barwert der erwarteten Einzahlungsuberschusse

Barwert der erwarteten Einzahlungsuberschusse aus der patentgeschiitzten Nutzung der Erfindung

Ausubungspreis

Anfangsauszahiung

Investitionskosten

Zeitspanne

Laufzeit der Option

Effektive Nutzungsdauer

Volatiiitat des Aktienpreises

Volatility des Barwertes

Volatilitdt des Barwerts bedingt durch technische, marktbedingte und rechtliche Unsicherheit

Zinssatz fiir risikolose Aniage

Zinssatz fur risikolose Aniage

Zinssatz fur risikolose Aniage

FaiibelspieJ: Avonex 1997 - Patentbewertung durch eine Calloption (vgl. hierzu und im folgenden Danfiodaran (2001, S. 385-387; ein friiheres Berechnungsbeispiel von Damodaran (1994) findet sich in Lanfib (2002, S. 2.13-2.16)) Damodaran (2001, S. 384-387) zeigt, daB die Bewertung eines Patents ebenfalls mit der Calloption durchfuhrbar ist. Er illustriert den Weg, ein einzelnes Patent durch Anwendung der Optionspreismethode zu bewerten, an einem Fallbeispiel. Zuvor werden die Charakteristika der Option eriautert: (i) Grundlage (Underlying) der Option sind die Ban/verte der ErtrSge, die bel der Vermarktung der Erfindung auftreten. (ii) Ausubungspreis: Ban/verte der Aufwendung, die das Unternehmen bei der Vermarktung Investiert. (iii) Ausubungszeit: Die Erfindung kann wahrend der Schutzzeit, die das Patent sichert, jederzeit vermarktet werden (amerikanische Option), (iv)

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten Volatilitat: Die Volatilitat resultiert aus verschiedenen marktbezogenen Einflussen auf die Vermarktung der Erfindung. Als HilfsgroBe fiir die Volatilitat wird die Schwankung von am Aktienmarkt gehandelten Biotechnologieunternehmen herangezogen. (v) Optionspreis: Der Preis fur die Option ergibt sich aus den Anmelde- und Erhaltungsgebijhren, die das Unternehmen fur das Patent zu entrichten hat. (vi) Fair Value: Wenn der nach einem Bewertungsmodell berechnete Fair Value den Optionspreis ubersteigt, ist die Patentanmeldung okonomisch vorteilhaft. Das Unternehmen Biogen verfugt uber ein patentiertes Medikament zur Behandlung von Multipler Sklerose (MS). Die FDA (Food and Drug Administration - eine USamerikanische Zulassungsbehorde u. a. fur Medikamente) hat das Medikament Avonex bereits fiir den US-amerikanischen Markt freigegeben. Es liegen folgende Infomriationen vor:



Nach internen Analysen belauft sich der gegenwartige BanA^ert des Medikaments von Biogen auf 3,422 Milliarden US-Dollar. Diese Summe baslert auf Annahmen uber den potentiellen Markt fiir das Produkt und den en^/arteten Marktpreis. Die Entwicklungskosten wurden nicht einbezogen.



Wird das Medikament Avonex heute am Markt eingefuhrt, belauft sich der Ban/vert, der Entwicklungs- und Einfuhrungskosten des Medikaments am Markt auf 2,875 Milliarden US-Dollar.



Das Unternehmen Biogen kann fiir Avonex einen Patentschutz von maximal 17 Jahren beim USPTO beantragen.



Der risikolose Zinssatz betragt 6,7 % p.a.



Die durchschnittliche Volatilitat im Unternehmenswert fur am Aktienmarkt gehandelte Biotechnologieunternehmen wie Biogen betragt 0,224.



Es llegt die Annahme zugrunde, dafi nur Innerhalb der Patentlaufzeit Uberschudgewinne generiert werden konnen. Nach Ablauf des Patentschutzes werden diese Uberschuligewinne auf den Wettbewerb aufgeteilt, da das Medikament nun von Wettbewerbern hergestellt und vertrieben werden darf.

41

42-

- Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten Die Kosten fur die Verzogerung der Einfuhrung von Avonex am Markt entsprechen dem Jahresbetrag der OberschuUgewinne, die durch den Patentschutz hatten erzielt werden kdnnen. Der Verlust steigt mit jedem Jahr der verzSgerten Einfuhrung urn 1/17y. y steht fur die Anzahl der Verz6gerung in Jahren.

Tabelle 2-6:

Bewertungsparameter fiir eine Calloption. Quelle: (Eigene Darstellung).

Bewertungsparameter

Zuordnung

Barwert der erwarteten Einzahlungsiiberschusse aus der patentgeschutzten Nutzung der Erfindung

S = 3,422 Milliarden US-Dollar

Investitionskosten

K = 2,875 Milliarden US-Dollar

Effektive Nutzungsdauer

t=17Jahre

Volatilitat des Barwerts, bedingt durch technische, marktinduzierte und rechtliche Unsicherheit

a^ = 0,224

Zinssatz fur risikolose Aniage

r = 6,7%

Kosten fur eine verzogerte Einfuhrung von Avonex

y= 1/17 = 5,89%

Aus den Angaben (vgl. Tabelle 2-6) lassen sich folgende Flachen- bzw. Funktionswerte der Nornnalverteilung errechnen (vgl. Gleichung 2-1): di=

1,1362

N(di) = 0,8720

d2 = -0,8512

N(d2) = 0,2076

Die ermittelten Werte werden in eine modifizierte Calloptionsgleichung eingesetzt. Value of Patent = 3,422^"°'°''^^''^ • (0,8720)-2,875 • e^-°°''^''^ • (0,2076)=$ 907 Millionen Gleichung 2-3:

Patentwert von Avonex. Bewertung mit modifizierter Black-Scholes-Formel. Modifikation wegen amerikanischer Option und Opportunitatskosten erforderlich. Quelle: Damodaran (2001, S. 386).

Der Patentwert ist durch eine Calloption bei Vorliegen der benfitigten Informationen quantifizierbar. Fur das patentierte Medikament Avonex ergibt sich hieraus ein Wert von 907 Millionen US-Dollar.

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten 2.6.2

43

Qualitative IVIethoden

Neben den quantitativen bieten die qualitativen IVIethoden Moglichkeiten zur Bewertung von Patenten an. Durch die Bandbreite an Patentbewertungsmethoden wird versucht, die Vielfalt der Einsatzgebiete von Patentbewertungen zu berucksichtigen. Wahrend quantitative Patentbewertungsmethoden

die

Bestimmung

eines

mit

dem

Patent

korres-

pondierenden monetaren Gegenwertes ermoglichen, unterstutzen qualitative Patentbewertungsnnethoden die Wertermittlung von Patenten auf anderer Ebene. Der Patentwert wird durch Zuhilfenahme von unterschiedlichen Kenngrolien qualitativ verslnnbildllcht. Drei qualitative Methoden zur Patentbewertung, die sich in der zugrundegelegten BezugsgroRe voneinander unterscheiden, werden eingefijhrt:



Die Patentkennzahl hat als BezugsgroBe das Einzelpatent Oder das Patentportfolio. Klassischen/veise kommt der Patentkennzahl eine hohe Bedeutung zu (vgl. Abschnitt 2.6.2.1). Durch Patentkennzahlen konnen sowohl unternehmens- als auch technologiebezogene Fragestellungen beantwortet werden (vgl. Mehnert 2002, S. 283-309, fur eine Ubersicht uber Patentkennzahlen siehe Ernst 1996, S. 95). Seit langem sind sie ein Mittel zum qualitativen Vergleich von Patenten und haben eine nachhaltige theoretische Diskussion angeregt.



BezugsgroBe des Patentaudits ist die Gesamtheit aller im Unternehmen vorhandenen Patente. Mit dem Patentaudit (vgl. Abschnitt 2.6.2.2) wird eine relativ neue Konzeption zur qualitativen Betrachtung von Patenten vorgestellt. Das Patentaudit und seine elementaren Bestandteile wurden aus der praktischen Anwendung im Unternehmen entwickelt. Die strategische Einbindung der Ressource Patent stand bei diesem Konzept im Vordergrund. Bei den ausgefuhrten Beispielen zum Patentaudit handelt es sich um erste Konzeptentwurfe. Es lassen sich vielfaltige Anwendungsmoglichkeiten aufzeigen, und ausreichender Splelraum fiir Weiterentwicklungen ist erkennbar.

44

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten •

Technologiefelder oder Produkte bilden die BezugsgrSUe der Patent-Portfolioanalyse. Sie (vgl. Abschnitt 2.6.2.3) ist ein in der unternehmerischen Praxis hSufig eingesetztes Instrument zur Wettbewerberanalyse. Sie unterstutzt ebenfalls die strategische Ausrichtung der unternehmenseigenen Patentpolitik. In den letzten Jahren ist die Patent-Portfolioanaiyse Gegenstand diverser theoretischer En/veiterungen geworden, die unterschiedlichen Aspekten der praktischen Anwendung im Unternehmen Rechnung tragen.

2.6.2.1

Patentkennzahlen

In der qualitativen Patentbewertung sind Patentkennzahlen ein Mittel, um Aussagen Qber den Patentwert zu treffen. Sie basieren auf der statistischen Auswertung von bibliographischen Patentdaten. Je nach Informationsbedarf werden unterschiedliche Patentdaten ausgewertet und z. B. in eine graphische Aufbereitung der Inhalte innerhalb eines Patent-Portfolios einbezogen (vgl. Abschnitt 2.6.2.3). Im folgenden soil ein kurzes Fallbeispiel fur den EInsatz von Patentkennzahlen zur Identifikation und Bewertung der Zielobjekte von M&A-Aktivitaten gegeben werden. In das Fallbeispiel flieHen zwei Artikel ein: (i) Breitzman und Thomas (2002b) beschreiben die Ven/vendung von Patentkennzahlen zur

Evaluierung von ver-

schiedenen M&A-Aspekten. Besonderes Augenmerk liegt auf der Zielobjektauswahl, der Due Diligence sowie der Kompatibilitat und Bewertung von M&A-Kandidaten. (ii) Breitzman, Thomas und Cheney (2002a) wenden die vorgestellten Patentkennzahlen innerhalb einer Fallstudie des Mergers Glaxo-Wellcome mit SmithKlineBeecham (vgl. Tabelle2-1)an. Breitzman, Thomas und Cheney (2002b) definieren drei zentrale Patentkennzahlen: den Current Impact Index (Cll), die Technology Cycle Time (TCT) und die Science Linkage (SL).



Der Current Impact Index (Cll) miRt die Patentzitierquote. Eine hohe Patentzitierquote spricht fur eine hohe Bedeutung der Patentschrift fur die Entwick-

Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten lung im betrachteten Technologiefeld (vgl. Breitzman, Thomas und Cheney 2002b, S.3). •

Die Geschwindigkeit, mit der Innovationen in Patentschriften umgesetzt werden, wird mittels der Patentkennzahl Technology Cycle Time (TCT) gemessen. Die Betrachtung fuRt auf dem durchschnittlichen Alter der zitierten Patentschriften. Ein Kleiner Wert wird als Indikator fur die Zitatlon aktueller Technologien interpretiert.



Die dritte Patentkennzahl, die Science Linkage (SL), operationalisiert die Verbindung der Patentschriften zu anderen wissenschaftlichen Publikationen wie Fachartikein oder Fachbuchern. Eine hohe durchschnittliche Anzahl der zitierten wissenschaftlichen Publikationen wird als Indikator fur groRe Nahe zum Stand der aktuellen Forschung gewertet.

Weitere Patentkennzahlen konnen durch die Betrachtung von bereits ausgelaufenen Patentschriften, Patentfamilien, Patentverlangerungsdaten oder durch Fokussierung von Schlusselwortern generiert werden (vgl. Breitzman, Thomas und Cheney 2002a, S.4). Im Fallbeispiel Glaxo-Wellcome - SmithKline Beecham weiten Breitzman und Thomas (2002a, S. 28-36) den Einsatz von Patentkennzahlen auf verschiedene Schritte innerhalb des M&A-Prozesses aus. Zur Identifikation eines Zielobjekts definieren sie vier Patentkennzahlen, die eine Einschatzung und die Vorselektion von Zielobjekten unterstutzen sollen (vgl. Breitzman, Thomas 2002a, S. 29-30). In der Due Diligence untersuchen sie mit Hilfe der Patentzitatanalyse die Patent-Portfolios auf Schlusselerfinder und Qualitat des zugrundeliegenden Patent-Portfolios. Bel der Analyse der Schlusselerfinder explizieren Breitzman und Thomas die Bindung des hochqualifizierten und produktiven Personals als einen wichtlgen Faktor fur den Erfolg von M&A (zur Schlusselerfinderproblematik siehe u. a. Ernst und Vitt 2000, S. 105; Vitt 1998). Ihre Identifikation hat innerhalb von Due Diligence-Bemuhungen durchaus Berechtigung. Die Analyse des Patent-Portfolios nach beschriebenen Technologien ist eine weitere Hilfestellung bei der Auswahl und der Bewertung des Zielobjekts. Die Kom-

45

46

Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

patibilltat der Merger-Kandidaten wird durch Breitzman und Thomas (2002a) ebenfalls illustriert. Eine zusatzliche Ausweitung der vorgestellten AnsStze ist die quantitative Bewertung des Patent-Portfolios durch Kombination von Patentkennzahlen und deren Einbindung in eine Technologiekennzahl (vgl. Schutzrecht US-Patent 6,175,824). Als Grundlage der Bewertung dient der IVIarket-to-Book-Wert (IVITB) (vgl. Breitzman und Thomas 2002a, S. 32-33). Der MTB wird in eine Formel eingebettet, die nach Eme\terung durch individuelle Patentkennzahlen fur ein Unternehmen den Tech-Score IVITB determiniert. Dies ist eine Bewertung der Qualitat der patentierten Technologien in einem Unternehmen. 2.6.2.2

Patentaudit

Das Patentaudit ist eine neue und bisher wenig standardisierte qualitative Patentbewertungsmethode. Grundlage ist die Struktur vieler Unternehmenswerte technologleorientierter Unternehmen, die sich in den letzten zwanzig Jahren stark verSndert hat. 1982 lagen 62 Prozent des Marktwertes von Fertigungsunternehmen in materiellen Vennogensgegenstanden wie Werksanlagen Oder Ausrustungen vor (vgl. hierzu und im folgenden Rivette und Kline 2000a, S. 33). Heute betragt dieser Anteil, nach Angaben der Okonomen der Brookings Institution, wenlger als 30 Prozent. Das Gros des Marktwertes vieler Unternehmen, und hierbei llegt der Fokus nicht ausschlieUlich auf technologieorientierten Unternehmen, machen immaterielle Vermogenswerte, wie z. B. Intellectual Property, aus (vgl. Abschnitt 5.1.4). Eine Studie der Technologletransferflrma BTG belegt, daS 67 Prozent der US-amerikanischen Unternehmen immaterielle Vermogenswerte, wie z. B. Patente, besitzen, aber nur 35 Prozent diese Vermogenswerte als strategischen Faktor nutzen. Eine Kernfrage ist, wie Unternehmen diese Immateriellen Vermogenswerte strategisch einsetzen konnen, um Gewinne und Wettbewerbsvorteile zu generieren. Eine Antwort hierauf ist das Patentaudit. Es dient dazu, technologische, rechtliche und wertrelevante Informationen uber Patente Oder andere gewerbliche Schutzrechte zu sammein (vgl. Rings 2000, S. 845) und zu bewerten. Diese standardisierten Informationen unterstutzen die Bestimmung eines Patentwertes. Sie sind als Grundlage fur

Bewertung von Patenter) im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten eine strategische Betrachtung der Potentiale eines Patentportfolios geeignet und werden vor alletn in US-amerikanischen Unternehmen eingesetzt. Fallbeispiel: Dow Chemical (vgl. Rivette und Kline 2000b, S. 65; Lev 2001, S. 161-163) Den Wert der bei Dow Chemical vorhandenen Patente zu ermittein wurde durch ein Treffen des Vorstandes Anfang der neunziger Jahre initiiert. Der Leiter der FuEAbteilung, Fred Courson, war nicht in der Lage, den Ertrag aus den sich auf eine Milliarde US-Dollar belaufenden Investitionen in FuE zu beziffern. In der Folge entschlod sich Courson, ein Patentaudit der 29.000 Patente Dow Chemicals durchzufijhren. Ein elementares Problem von Dow Chemicals in diesem Patentaudit-ProzeR war die Zuordnung der Patente zu den einzelnen Bereichen des Unternehmens. Intellectual Property-Management spielte bislang bei Dow Chemical keine herausragende Rolle. Es existierte weder ein funktionlerendes Lizenzierungsprogramm noch ein Wertzuwelsungsschema fur das geistige Eigentum. In einem ersten Schritt wurden alle 29.000 Patente den Geschaftsbereichen des Unternehmens zugeordnet, welche die einzelne patentierte Technologie bereits in Produkten einsetzten oder diese anzuwenden beabsichtigten. Dow Chemical besteht aus 15 ubergeordneten Geschaftsbereichen, die als Struktur fur die Zuordnung dienten. AnschlieRend wurden die Geschaftsbereiche nach ihrem Wachstum in Vergleich zum Wachstum des BIP der Vereinigten Staaten von Amerika abgetragen. Man gruppierte die Patente nach ihrer Bedeutung fur die jeweiligen Geschaftseinheiten. Es wurde unterschieden nach Patenten, die wesentlich fur die Erstellung von Produkten sind, sowie nach Patenten, die im derzeitigen Geschaftplan oder in einem zukiinftigen Geschaftsplan vorgesehen waren. Ebenfails abgetragen wurden jene Patente, die fur die Geschaftselnheit von keinem Interesse waren (vgl. Abbildung 2-3).

47

- Bewertung von Patenten im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

48-

Gebrauch im Unternehmen Wachstum der GeschSftseinheit

gegenwartigem Geschaftsplan

In zukUnftigem Geschflftsplan

Nicht geplant

> Vierfaches des BIP

Zwei- bis Vierfaches des BiP < Zweifaches des BIP

Abblldung 2-3:

Kdine SchlUsselbatente 13 %_

Intellectual Property Audit Map. Quelle: Rivette und Kline (2000b, S. 68).

51 Prozent der von Dow Chemical gehaltenen Patente sind Schlusselpatente fur das Unternehmen (vgl. Abblldung 2-3). Sle sind Ausdruck der technologischen Kernkompetenz von Dow Chemical, da sle direkte Anwendung In Produkten oder anderen kommerziellen Aktivltaten der stark wachsenden Geschaftselnheiten finden. Fur 36 Prozent der Patente gibt es kelne direkten Anwendungsplane In gegenwSrtig oder zukijnftig geplante Produkte. Die geschutzten Technologlen kfinnten jedoch fur Unternehmen von Interesse sein, die in diesem schnellwachsenden Geschaftsfeld tatig sind. 13 Prozent der audltlerten Patente werden von Dow Chemical nicht ven/vendet. Diese Geschaftselnhelt gehort global betrachtet nicht zu den wachsenden Bereichen von Dow Chemical. Aus der Intellectual Property Audit Map lassen sich fur die einzelnen Patentgruppen Strateglen ableiten, die Dow Chemical helfen sollten, Starke und Wert der Patente fur den Wettbewerb zu nutzen. Abschlieflend laiJt sIch festhalten (vgl. Rivette, Kline 2000a, S. 34; Rivette, Kline 2000b, S. 66-67):

Es ist gelungen, die Kosten fur die Aufrechterhaltung von ungenutzten Patenten um $ 50 Milllonen US-Dollar zu reduzieren.

Bewertung von Patenter) im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten •

49

Ungenutzte Patente wurden Universitaten und Non-Profit Organisationen zur Verftigung gestellt.



Die Einnahmen aus Lizenzen konnten von 25 Millionen US-Dollar auf 125 Millionen US-Dollar erhohtwerden.

Diese Erfolge wurden moglich durch ein gezieltes Patentaudit und eine strategische Ausbeutung der im Unternehmen identifizierten Patentwerte. 2.6.2.3

Patent-Portfolioanalyse

Mit der Patent-Portfolioanalyse soli eine weitverbreitete qualitative Bewertungsmethode vorgestellt werden (vgl. Rings 2000, S. 845; Rings 2002, S. 20-21). PatentPortfolios dienen der strategischen Planung von Forschung und Entwicklung (FuE) und weisen grode Ahnlichkeit zu den Technologieportfolios auf (vgl. Brockhoff 1999, S. 222-228). Die in der LIteratur diskutierten Ansatze (vgl. Pfeiffer et al. 1989; Brockhoff 1992, 1999; Ernst 1996; Hofmger 1997; Faix 2001) weisen drei Gemeinsamkeiten auf (vgl. Mohrle und Kreusch 2001, S. 194-196):



Patentinformationen

werden

zur

Unterstutzung

unternehmerischer

Ent-

scheidungen herangezogen. •

Patent-Portfolios dienen zur Beantwortung von Patentierungsfragen innerhalb von Geschaftsbereichen, Technologiefeldern oder Produktiinien, d. h. sie sind auf der bereichsbezogenen Ebene des Patentmanagements angesiedelt (vgl. Faix1998,S. 329-331).



Alle Ansatze bedienen sich moderner Patentdatenbanken, die zum Teil kostenlos im World Wide Web (WWW) zur Verftigung stehen.

Die funf Patent-Portfolioansatze sind in zwei Gruppen unterteilbar (in Aniehnung an Mohrle, Kreusch 2001, S. 194-208):

50-

- Bewertung von Patenter! im Rahmen von technologieorientierten M&A-Aktivitaten

PatentPortfolioansdtze





Technologiefeldorientiert

Produktorientiert

i

i

i i

Pfeiffer et al. Brockhoff Ernst

Abbildung 2-4:

Faix

y Hofinger

Patent-Portfolioansatze. Quelle: in Aniehnung an Mohrle, Kreusch (2001, S, 196).

Bei Pfeiffer et al. (1989). Brockhoff (1992, 1999) und Ernst (1996) werden die Patente zu technologiefeldorientierten Gruppen zusammengefaRt. Faix (2001, S. 144) schlieUt sich dieser Art der Bildung von Patentgruppen an. Er formuliert jedoch vier Alternativen, die sich von der beschriebenen Vorgehensweise, z. B. bei Brockhoff (1999, S. 225-226), unterscheiden. EIne ausftihrliche Beschreibung der einzelnen Portfolioans^tze sind im weiteren bei Mohrle und Kreusch 2001 zu finden.

Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios

51

3 Konzeption einer IT-unterstiitzten IVIethode zur Strukturierung von Patentportfolios

Nachdem Bedeutung und theoretische Fundierung von M&A-Aktivitaten herausgearbeitet wurden (Kapitel 2), sei nun ein Konzept entwickelt, mit der Patente und Patentbasen fur M&A erschlossen werden konnen. Bei diesem Konzept flieBen ein strukturiertes Vorgehen und der Einsatz von Informationstechnologien (IT) zusammen. Zwei Kernaspekte sollen bei der Konzeption aufgegriffen werden: Erstens findet eine IT-unterstutzte Strukturierung des Patentportfolios statt. Das Patent wird nicht ausschlieUlich auf Strukturmerkmale reduziert, anhand derer eine Segmentierung vorgenommen wird. Zweitens wird das Patent als bedeutende Ressource systematisch in die Betrachtung innerhalb der verschiedenen Stufen des M&A-Prozesses (vgl. Abschnitt 2.3) einbezogen. Hierzu werden funf Bedarfe bei einer M&A-AktIvitat patentorientiert aufgegriffen und als ProzeRschritte interpretiert. Bedarfe bei einer M&A-Aktivitat (i) Der Informationsbedarf spiegelt die Notwendigkeit wider, Informationsquellen zu erkennen und die Kernkompetenzen eines Zielobjekts zielgerichtet festzuhalten. (ii) Der Identifikationsbedarf zielt auf die Ressource Patent ab. Fur ein potentielles Zielobjekt sind geeignete Patentdatenquellen enA/unscht, damit das Patentportfolio innerhalb dieser Quellen identifizierbar wird. (iii) Der Selektionsbedarf dient zur ersten Strukturierung der Ressource Patent. Hiermit soil das zu bewertende Unternehmenssegment durch das Patentportfolio abgebildet werden. (iv) Der Analysebedarf basiert auf der Fragestellung, ob inhaltliche Ahnlichkeiten bei der Strukturierung von Patentportfolios hilfreich sind. Die bereits vorgenommene Grobstrukturierung wird durch den Einsatz semantischer Patentanalyse und multivariater Methoden verfelnert, urn den Analysebedarf zu befriedigen. (v) Der Bewertungsbedarf greift einen weiteren zentralen Aspekt auf. Nachdem eine moglichst trennscharfe Strukturierung des Patentportfolios in Unternehmenssegmente gelungen ist, steht der technologi-

- Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios

52-

sche Fit im Mittelpunkt. Bestandteil einer qualitativen Bewertung ist die semantische Patentlandkarte, die uber die inhaltliche Verknupfung zweier Patentportfolios Auskunft gibt. Die fijnf Prozelischritte zur Betrachtung der Ressource Patent bei M&A lassen sich in Form eines Netzplans anordnen, woran Sequenzen und Parallelisierungen ersichtlich werden (vgl. Abbildung 3-1).

PS1: Information PS 4: Analyse

start H PS 2: Identifikation

PS 5: Bewertung H Ende

PS 3: Selektion

Legende: PS = ProzeSschritt

Abbildung 3-1:

ProzeUablauf der Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios. Quelle: (Eigene Darstellung).

Die Prozeflschritte 1, 2 und 3 lassen sich parallel zueinander abarbeiten. Informationssammlung uber ein Zielobjekt sowie die Identifikation und Selektion der jeweiligen Patente sind miteinander verzahnt. Die Analyse der Patente sowIe die anschlieRende Bewertung bauen aufeinander auf. Die ProzeUschritte 4 und 5 sind sequentiell zu bearbeiten. Prozeftschritt 1: Information uber ein potentielles Zielobjekt Im ProzeRschritt 1 steht die Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt im Vordergrund (vgl. Kapitel 4). Zum besseren Verstandnis der Ausgangslage werden Informationsquellen identifiziert und strukturiert. Innerhalb einer explorativen Fallstudie werden die theoretischen Ausfuhrungen umgesetzt. Als potentielles Zielobjekt dient die Freudenberg & Co. KG. Eine Profilierung der Geschaftsgruppen bzw. Geschaftsbereiche der Freudenberg & Co. KG wird vorgenommen. Unternehmens-

Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios segmente bilden die Basis fur den Ansatz der Konzeption. Sie dienen zur Strukturierung von Patentbasen in spezifische Patentportfolios. Dazu wird der Fokus auf das Unternehmenssegnnent Dichtungs- und Schwingungstechnik gelegt. ProzeHschritt 2: Identifikation von Patenten Im ProzeSschritt 2, der parallel zur Informationsgewinnung im ProzeBschritt 1 durchgefijhrt werden kann, steht das Intellectual Capital eines Zielobjekts im Vordergrund. Es werden zwei Aspekte aufgegrlffen: einerseits der theoretische Aufbau und die Bestandteile von Intellectual Capital und andererseits die Identifikation vorhandener Bezugsquellen fur Patentdaten. Angeschlossen an die theoretischen Ausfuhrungen ist die explorative Fallstudie. Sie dient als praktische Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios. Der Themenkreis Intellectual Capital wird theoretisch unterlegt und in seine Bestandteile Intellectual Assets und Intellectual Property untergliedert. Besonderes Augenmerk gilt dem Begriff Intellectual Property. Fur die Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios wird dieser Begriff in funf Teilbegriffe untergliedert: Patent, Gebrauchs-, Geschmacksmuster, Marke und weitere Schutzrechte. Die Bezugsquellen des quantitativ bedeutendsten Schutzrechtes, des Patents, werden in einer zweiten theoretischen Abhandlung aufgegrlffen. Es sind drei relevante Patentdatenbanken ais Quellen zur Identifikation von Patenten rspk. Patentportfolios vorzustellen. Das Datenbankangebot Depatisnet des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) wird ebenso profiliert wie das Espacenet, ein Datenbankangebot des Europaischen Patentamtes (EPA), sowie das Datenbankangebot des United States Patent and Trademark Office (USPTO). Neben der Betrachtung des Datenumfangs werden theoretische Uberlegungen zur Verwendbarkeit der Daten fur die folgenden ProzeRschritte der Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios angestellt. Fur die praktische Umsetzung innerhalb der exploratlven Fallstudie werden die drei eingefiihrten Datenbankangebote genutzt. Anhand der in ProzeBschritt 1 gewonnenen Informationen werden Suchstrateglen umgesetzt, und die Einzelergebnisse werden kritisch betrachtet. Anschliedend

53

54

Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios

wird eine Datenquelle als Grundlage fur die nachfolgenden Prozef^schritte ausgewdhlt. Prozefischritt 3: Selektion von Patenten eines Untemehmenssegments Der ProzeRschritt 3 kann ebenfalls parallelisiert zu ProzeSschritt 1 durchgefuhrt warden. Die Ergebnisse aus dem vorgelagerten Prozefischritt 2, der Identifikation von Patenten rspk. Patentportfolios eines Zielobjekts, gehen in diesen ProzeRschritt ein. Kernfrage ist, wie man die identifizierten Patente des jeweiligen Zielobjekts einem Unternehmenssegment zuordnen kann. Basierend auf dieser Fragestellung wird ein klassischer Kriterienkatalog vorgestellt, der sich an den Aufbau einer Patentschrift aniehnt. Es werden sechs Selektionskriterien aufgefiihrt. (i) Der Zeitraum der Patentveroffentlichung ist als ein Kriterium zur Separierung bereits ausgelaufener von noch geschutzten Erfindungen heranzuzlehen. (ii) Das Anmeldeland und die Art des gewerblichen Schutzrechtes gestatten eine detailliertere Untergliederung des Patentportfolios und eriauben eine spatere Fokussierung auf geographlsche Teilgebiete oder Schutzrechtsarten. (iii) Anmeldeinformationen sind eine geeignete Quelle, urn die Zugehorigkeit zu einem Unternehmenssegment festzustellen. Bei einheitlicher Patentierung, z. B. unter dem Namen einer Fuhrungsgesellschaft, ist dies ggf. problematisch. (iv) Ein weiteres geeignetes Selektionskriterium, um einzelne Technologiefelder abzugrenzen, ist klassischen/veise die Internationale Patentklassifikation (IPC). Dieses Kriterium ist besonders dann zu wahlen, wenn das Unternehmenssegment stark technologieorientlert ausgerlchtet ist. (v) Fur US-amerikanische Patente wird die Internationale Patentklassifikation nur als Zweitklassifikation ven/vendet. Sie stellt als Selektionskriterium eine Alternative dar. (vi) Weitere Selektionskriterien wie Erfinder oder Patenttitel vervollstSndigen den Kriterienkatalog. In der explorativen Fallstudie wird das in ProzeSschritt 2 generierte Patentportfolio nach vier Selektionskriterien unterteilt. In einem ersten Selektionsschritt wird die Datenmenge nach Zeitraum der Patentveroffentlichung sowie dem Anmeldeland und der Art des Schutzrechts selektiert. Im zweiten Selektionsschritt wird eine Untergliederung nach Patentanmelder vorgenommen. Im dritten Schritt kommt die Internationale Patentklassifizierung als Selektionskriterium zum Einsatz. Ziel des Vorgehens

Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios ist eine erste grobe Abgrenzung des Patentportfolios des Unternehmenssegments Dichtungs- und Schwingungstechnik fur das Zielobjekt Freudenberg & Co. KG. Prozedschritt 4: Inhaltliche Analyse und Nachselektion anhand von semantischen Patentstrukturen Infi ProzeRschritt 4 stehen semantische Patentstrukturen im Mittelpunkt der Betrachtung. Zwei Kernaspekte werden aufgenommen: einerseits der sprachwissenschaftliche Hintergrund und seine praktische Umsetzung in Form von Software und andererseits die inhaltliche Analyse zur Identifikatlon von Ahnlichkeitsbeziehungen zwischen Patenten als Grundlage der Nachselektion. Der sprachwissenschaftliche Hintergrund von semantischen Patentanalysen beruht auf der in drei Teildisziplinen unterteilten Semiotik. Die Begriffe Syntaktik, Semantik und Pragmatik werden theoretisch fundiert, um die Grundlagen der Analysestufen des Knowledgist 2.5™, eines Werkzeugs der semantischen Patentanalyse, zu erlautern. Im AnschluB werden erganzend Funktionen und Einsatzfelder des Knowledgist 2.5™ aufgezeigt. Techniken der Patentanalyse finden eine Ausweitung und bilden die Basis fur eine exemplarische Betrachtung von ausgewahlten IT-unterstiitzten Werkzeugen der Patentanalyse. Die stellvertretend fur eine Vielzahl an Patentanalysewerkzeugen gewahlten Beispiele fuflen auf den zuvor dargestellten Techniken. Im AnschluB an die theoretische Betrachtung wird in der explorativen Fallstudie die Patentdatenbasis eingehend profiliert und mit dem Knowledgist 2.5™ analysiert. Die inhaltliche Analyse und Identifikatlon von Ahnlichkeitsbeziehungen ist ein zentraler Bestandteil der Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios. Drei Auswertungsansatze sollen illustrieren, welche Moglichkeiten bestehen, um aufbauend auf der Vorselektion der Unternehmenssegmente (vgl. Kapitel 6) Patentportfolios zu strukturieren.

Ein erster Auswertungsansatz bedient sich der Datengrundlage der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2003). Sie dient als Ansatz der Datenverdichtung. Die aus semantischen Patentstrukturen generierten Daten wer-

55

56

Konzeption einer IT-unterstiJtzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios den mittels einer hierarchischen Clusteranalyse n§her beleuchtet, und eine eingehende Ergebnisbetrachtung wird vorgenommen. •

Ein zweiter Auswertungsansatz nutzt den Fusionierungsalgorithmus nach Spahni (1997). Urn die semantischen Patentstrukturen verarbeiten zu kfinnen, sind sie in eine geeignete Form zu transformieren. Zum besseren VerstSndnis werden die Grundlagen des Fusionierungsalgorithmus eriautert und exemplarisch dargestellt. Abschliedend findet eine Analyse der mit dem Softwareprototypen FUSE erzeugten Ergebnisse statt.



Ein dritter Auswertungsansatz, jener der Multidimensionalen

Skalierung

(MDS) (Backhaus et al. 2003), erfordert die Zwischenschaltung einer Software zur Erzeugung von Ahnlichkeitsmatrizen auf Basis von semantischen Patentstrukturen. Die Software PIA generiert die fur die MDS erforderllchen Ahnlichkeitsmatrizen. Allerdings ist die Skalierung von Ahnlichkeitsmatrizen semantlscher Patentstrukturen nicht unproblematisch. Um eine Skalierung durchzufuhren, sind einige vorbereitende Schritte notwendig.

Ziel ist eine unkomplizierte Nachselektion inhaltlich Shnlicher Patente zu den Patentportfolios einzeiner Unternehmenssegmente. Dies ist visueil mit Patentlandkarten durchfuhrbar. Patentlandkarten sind bewahrte MIttel z. B. zur Technologiefruherkennung und wurden in grundlegenden Studien als Instrument zur Erschliei^ung von technologischen Trends vorgestellt. Aus den Ahnlichkeitsbetrachtungen werden mittels MDS semantische Patentlandkarten erzeugt. Nach Erstellung der semantischen Patentlandkarten erfolgt eine exemplarische Darstellung der Nachselektion sowie eine Evaluation der Strukturierungsergebnisse. ProzeBschritt 5: Qualitative Bewertung und Profilabgleich von Untemehmenssegmenten mit semantischen Patentlandkarten Im ProzeBschritt 5 geht es um den Profilabgleich von Untemehmenssegmenten mit semantischen Patentlandkarten. Dabei werden zwei zentrale Aspekte aufgegriffen: (i) semantische Patentlandkarte Im M&A-ProzeR werden illustriert und (ii) anhand der explorativen Fallstudie Dana Corporation - Freudenberg Dichtungs- und Schwin-

Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios gungstechnik der Nutzen und die Interpretationsmoglichkeiten fur den M&A-Beauftragten aufgezeigt. (i) Die Erstellung einer semantischen Patentlandkarte ist ein komplexer Prozeli, dem zahlreiche Auswahlkriterien zugrunde liegen. Das Vorgehensmodell zeigt die Vorbereitung der Datenbasis sowie des spezifischen Vorgehens zur Erstellung einer semantischen Patentlandkarte auf. Aus einer semantischen Patentlandkarte sind fur den M&A-ProzeB verschiedenartige Implikationen zu explizieren. Ein Hilfsmittel ist die idealtypische Betrachtung der semantischen Patentlandkarte. Theoretisch werden neun Typen der semantischen Patentlandkarte nach zwei Hauptkriterien unterschieden. Die Hauptkriterien Clusterbildung und Uberschneidung sind in Jewells drei Ausprllgungen aufgefachert. Die Idealtypen unterstutzen eine erste Einschatzung der Verflechtung zwischen den verglichenen Patentportfolios rspk. Unternehmenssegmenten. Dargestellt wird der denkbare Einsatz der idealtypischen Patentlandkartentypen als Orientierungshilfe durch einzelne Beispiele. Diese Beispiele illustrieren die Analysemoglichkeiten, die ein M&A-Beauftragter aus semantischen Patentlandkarten Ziehen kann. (ii) Angeschlossen an die theoretischen Betrachtungen Ist der inhaltliche Vergleich von ausgewahlten Patenten der Dana Corporation mit dem Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnlk. Die Dana Corporation wird als Akquisiteur, das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnlk als potentlelles Zielobjekt betrachtet. Nach einer Profilierung der Datenbasis der Dana Corporation wird eine semantische Patentlandkarte erzeugt. Zusatzlich werden drei Auswahlkriterien: die fuzzy-logische Betrachtung von Ahnlichkeitsbeziehungen, Teilausschnitte aus der Gesamtmenge und hohe Ahnlichkelt zu Schlusselpatenten vorgestellt. Bei der fuzzy-logischen Betrachtung der Ahnlichkeiten werden die Begriffe schwache, mittlere und starke Ahnlichkelt zwischen Patenten ohne die gewohnliche Trennscharfe venA/endet. Das Auswahlkriterium Ausschnitt aus der Gesamtmenge stellt die Klassiflkation von Patenten nach Teilaspekten wie z. B. hohe Ahnlichkelt in den Vordergrund. Mit der hohen Ahnlichkelt zu Schlusselpatenten wird ein drittes Auswahlkriterium eingefuhrt. Unter Schlusselpatenten werden Schutzrechte verstanden, die fur ein Unternehmen bedeutende Technologien oder Produktionsprozesse protegieren.

57

58

Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios

Zusatzlich werden zwei Fallbeispiele eingefuhrt. In einem ersten Fallbeispiel werden die Dana Corporation und das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik aufgegriffen. Die semantische Patentlandkarte wird einem Idealtyp zugeordnet und markante Punkte in der Landkarte exemplarisch herausgegriffen. Ziel ist es, die Siclit eines iVI&A-Beauftragten und seine Interpretationsmoglichkeiten herauszustellen. Im zweiten Fallbeispiel steht das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik im Vordergrund. Hier wird zusatzlich die Anwendung der Hierarchischen Clusteranalyse als weiteres Analysewerkzeug aufgezeigt und Cluster innerhalb der semantischen Patentlandkarte gebildet. Ein Cluster dient als Beispiel fur den Unterschied zwischen direkten und indirekten Bindungen innerhalb eines Patentclusters. Basierend auf drei Distanzkriterien werden praktische Beispiele zur Interpretation durch den M&A-Beauftragten gegeben. AbschlieUend soil eine Obersicht uber die Verbindung zwischen dem M&A-Prozeli und der hier skizzierten Konzeption gegeben werden (vgl. Tabelle 3-1). Es werden die einzelnen Phasen des M&A-Prozesses aufgegriffen und die Einsatzmoglichkeit der Konzeption einer IT-unterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios aufgezeigt. Diese Obersicht dient als Orientierungshilfe fur dem M&A-Beauftragten.

-59

Konzeption einer IT-unterstiJtzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios -

Tabelle 3-1:

Verbindungen zwischen dem M&A-Prozeli und dem Prozefl der Konzeption einer IT-unterstiitzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios. Quelle: (Eigene Darstellung).

M&A-Prozea

Prozea Geritz

Identifikation Information relevanter uber die Aus- Kriterien an gangslage potentielle Zielobjekte

Selektion geeigneter Zielobjekte

Transaktion des Zielobjekts

Integration des Zielobjekts

O

O



O

O

Identifikation von Kompetenzinsein

©



©

O



Selektion relevanter Patente

O

O







Qualitative Bewertung von Patenten



©

O

O



Profilierung der technologischen Position



©

O

o

O

Identifikation von Idealtypen semantischer Patentlandkarten



O

o

o

o

1 Auswahl Zielobjekt

Legende:



geeignet

©

bedingt geeignet

0

nicht geeignet

60

Prozeflschritt 1: Informationsgewinnung iiber ein potentielles Zielobjekt

4 Prozeftschritt 1; Informationsgewinnung iiber ein potentielles Zielobjekt

Im Vorfeld einer M&A-AktivitSt sind viele offene Fragen zum Zielobjekt zu klSren. Besonders im fruhen Stadium des i\/l&A-Prozesses kann sich dies ais schwierig realisierbar erweisen. Informationsquellen, die das Zielobjekt samt seiner technologischen Ressourcen sowie seiner organisatorischen Struktur offenlegen, sind gezielt zu identifizieren und zu explorieren. Generell sind zwei Arten von Informationsquellen zu differenzieren: (i) zielobjekteigene und (ii) zielobjektfremde Informationsquellen. Die Konzeption einer ITunterstutzten Methode zur Strukturierung von Patentportfolios nutzt diese Informationsquellen, um im ProzeRschritt 1 die Profilierung des Zielobjekts zu unterstutzen. Fur die zielgerichtete Informationsbeschaffung uber ein potentielles Zielobjekt ergeben sich folgende Fragen:



Welche Informationsquellen eignen sich zur Informationsbeschaffung uber das Zielobjekt?



Welche Informationsquellen sind kostenlos und uneingeschrankt nutzbar und schon in den fruhen Stadien des M&A-Prozesses heranzuziehen?



Welche organisatorischen Strukturen und technologischen Schwerpunkte weist das gewdhlte Zielobjekt auf?



Sind diese Schwerpunkte durch die Informationsquellen profilierbar?

Ziel dieses Kapitels ist es, dem Leser anhand allgemeiner Oberlegungen und praktischer Umsetzung innerhalb der explorativen Fallstudie einen Weg zur Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt aufzuzeigen. Im Mittelpunkt stehen dabei die technologischen Schwerpunkte des potentiellen Zielobjekts.

Prozeflschritt 1: Informationsgewinnung iiber ein potentielles Zielobjekt



61

Im folgenden werden Informationsquellen identifiziert, die bereits im fruhen Stadium des M&A-Prozesses zur Verfijgung stehen. Sie werden illustriert und systematisiert (Abschnitt 4.1). Die Identifikation und Exploration von Informationsquellen zur Profilierung eines Zielobjekts wird durch die Fallstudie zur Unternehmensgruppe Freudenberg & Co. KG bzw. zum Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik aufgezeigt (Abschnitt 4.2). 4.1

Informationsquellen und Suchprozefl im fruhen Stadium von M&AAktivitaten

Am Beginn einer M&A-Aktivitat (vgl. Abschnitt 2.3) steht die Aufnahme der Ausgangslage des zu akquirierenden Unternehmens. Die Profilierung und Selektion von geeigneten Zielobjekten stehen hier im Vordergrund. Geeignete Informationsquellen sollen zur naheren Betrachtung und Charakterisierung von potentiellen Zielobjekten identifiziert werden. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dali das akquirierende Unternehmen sich nach Betrachtung seiner Ausgangslage fur eine technologieorientierte M&A-Strategie entschieden hat (vgl. hierzu und im folgenden Vogel 2002, S. 149), bzw. Know-how-Transfer als strategische StoRrichtung aus der Ausgangslage abgeleitet wurde. SuchprozeB: Reduktion der Long List zur Short List Der SuchprozeB nach einem oder mehreren Zielobjekten erstreckt sich uber die fruhen Stufen des M&A-Prozesses. Innerhalb des funfschrittigen Prozeliablaufes (vgl. Abschnitt 2.3) tangiert die Suche die ProzeBschritte 2 bis 4. Der Suchprozeli kann feiner untergliedert werden. Er besteht aus zwei elementaren Einzelschritten: (i) der Vorauswahl und (ii) dem Screening von Zielobjekten (vgl. u. a. Vogel 2002, S. 149; Bruckner 2001, S. 68-69; Eiffe und Molzer 1993, S. 21; Storck 1993, S. 77-78). Um potentielle Zielobjekte zu sichten, bedarf es der Ableitung relevanter Kriterien. K.-o.Kriterien sind festzulegen (vgl. Vogel 2002, S. 149). Zielobjekte, die diese Minimalanforderungen nicht erfijllen, werden von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Ergebnis der Vorauswahl von Zielobjekten ist die Long List. Sie umfalit alle Zielobjekte, die den geforderten Minimalanforderungen entsprechen. Sie bildet die Ausgangs-

62-

- Prozefischritt 1: Informationsgewinnung ijber ein potentielles Zielobjekt

basis fur die Short List. In der Short List werden alie Zieiobjekte zusammengefal^t, die weitergehenden Screening-Kriterien entsprechen. Tabelle 4-1:

Profiliemng der Zieiobjekte nach Einzelkriterien (Long List). Quelle: Achleitner (2002, S. 193, nach Goldman Sachs).

1 VorlSufige Grundgesamtheit (Long List)

A

B

C

D

E

F

G

H

1

J

K

L

iVI

Gr6(Je: •

Zu groli

"

Zu klein



• •

Geographische Lage: "

Auslandumsatz > 50 Prozent



Business Mix: •

Wenig attraktives Unternehmenssegment > 10 Prozent des Umsatzes





Allgemeine Situation: •

Qualitdt des Managements



In Fusionsverhandlungen/Konkurs

• •

Erhditlichkeit: •

H6he der Investltion zur Kontrollerreichung



Wahrscheinlich erfolgreiche Defense

Potentielle Zieiobjekte (Stiort List)

• • •





Urn eine Transformation der Long in die Short List zu ermoglichen (Tabelle Tabelle 4-1), sind an die Informationsquellen spezifische Anforderungen zu stellen (vgl. hlerzu und im folgenden Berens und Brauner 1998, S. 51). Die Anforderungen sind durch funf Kernfragen zu konkretisieren:

Liefert die Informationsquelle den zur Vorauswahl oder zum Screening notwendigen Umfang an Informationen? 1st die Informationsquelle den Anspruchen entsprechend zuganglich bzw. wie schnell steht die Informationsquelle zur Verfugung?

Proze(ischritt 1: Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt



— 63

Wie zuverlassig ist die Informationsquelle? Besteht ein Risiko der Fehlinformation?

• •

Sind die Informationen fur den ProzeS wichtig? Welche Kosten entstehen durch die Inanspruchnahme der Informationsquelle?

Im folgenden wird eine Auswahl an Informationsquellen vorgestellt und bewertet. Diese werden unterteilt in zielobjekteigene und zielobjektfremde Informationsquellen (in Aniehnung an Gosche 1991, S. 68). Zielobjekteigene Informationsquellen

Unter zielobjekteigenen Informationsquellen werden alle Quellen subsumiert, die vom betrachteten Zielobjekt selbst der Offentlichkeit zur Verfugung gestellt werden. Es werden zwei Gruppen der zielobjekteigenen informationsquellen unterschieden: (i) Firmenprasentationen im World Wide Web (WWW) und (ii) Firmenpublikationen wie Geschaftsberlchte Oder Produktkataloge. (i) Firmenprasentation im World Wide Web (WWW): Im WWW finden sich Firmenprasentationen zu zahlreichen Unternehmen. Sie unterscheiden sich vor allem in Qualitat und Informationsumfang. Ungeachtet dessen sind Firmenprasentationen geeignete erste Informationsquellen, um Basisdaten des Unternehmens in Erfahrung zu bringen. Besonders groBere Unternehmen prasentieren sich zunehmend mit detaillierten Informationen im WWW. (ii) Firmenpublikationen: Unter Firmenpublikationen werden u. a. Geschaftsberlchte, Produktkataloge und Firmenbroschuren verstanden. Der Geschaftsbericht einer Aktiengesellschaft (AG) enthalt alle fiir das Unternehmen relevanten wirtschaftlichen Kennzahlen in geprufter Form und ist ein wichtiges Informationsmedium. Dieser Bericht wird der Offentlichkeit zur Verfugung gestellt und belegt das Unternehmensergebnis. Nicht jedes Unternehmen unterliegt der Publikationspflicht, dennoch erstellen viele Unternehmen Firmenbroschuren, in denen u. a. ein Uberblick uber den Umsatz Oder die Mitarbeiterstruktur gegeben wird. Firmenbroschuren dienen auch als PRInstrument und bieten oftmals einen hervorragenden Einblick In die organisatorische

64

ProzeRschritt 1: Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt

Struktur und die Produktpalette des Unternehmens. Produktkataloge mit exakten Angaben zu alien jm Unternehmen erstellten Produkten sind eine zusatzliche Informationsquelle zur Identifizierung und Profilierung von technologischen Schwerpunkten. Zielobjektfremde Informationsquellen Unter zielobjektfremden Informationsquellen werden alle Quellen verstanden, die nicht durch das betrachtete Zielunternehmen beeinfluBt oder herausgegeben werden. Allgemein sind vier Gruppen von zielobjektfremden Informationsquellen zu unterscheiden: (i) Datenbanken, (ii) Beratungsdienstleister, (lii) Statistiken und (iv) Netzwerke. (i) Datenbanken: Sowohl im WWW als auch in Form von CD-ROMs/DVDs finden Datenbanken Verbreitung und unterstutzen das fruhe Stadium des M&A-Prozesses. Der Versuch, eine Obersicht uber relevante Datenbanken zu geben, scheitert an Vielfalt und Fijlle der Angebote. Daher sollen nur einige exemplarische Angebote genannt werden (fur eine Obersicht uber Informationsquellen In der Bundesrepublik Deutschland siehe u. a. Baumuller 1988, S. 72). Ein Hilfsmittel zur Charakterisierung des Produktportfolios (Paul 1999a, 1999b) eines Unternehmens ist die „Wer liefert was?"Online-Datenbank. Zu entnehmen sind Informationen uber Lleferanten und Hersteller von Produkten aller Art. Ahnliche Informationen liefert die Seibt-lndustrledatenbank, die Informationen uber Produkte, Lleferanten und Dienstleister anbietet. Zusatzlich sind die Datenbanken der zwei groden in Deutschland ansdssigen Marktforschungsinstitute GfK und A.C. Nielsen zu nennen. In diesen Datenbanken findet man Informationen zu alien Guterarten und Markten. Weiterhin von Interesse sind spezifische Datenbanken

mit Analystenberichten

oder

Informationen

uber

Eigentumsver-

haltnisse. (ii) Beratungsdienstleister: Beratungsdienstleister wie Investmentbanken oder Unternehmensberater sind als zielobjektfremde Informationsquellen aus zwei Grunden von Bedeutung. Erstens arbeiten sie regelmaBig an der Vorbereitung und Durchfuhrung von M&A. Anders als unternehmensinterne M&A-Teams verfugen sie uber mehr Routine und Insiden/vissen. Zweitens verdecken sie besonders im fruhen Stadium des M&A-Prozesses den eigentlichen Kaufinteressenten und ermoglichen so eine lange Phase der Anonymitat des potentiellen Akquisiteurs.

Prozedschritt 1: Informationsgewinnung Qber ein potentielles Zielobjekt—

65

(iii) Statistiken: Statistiken aller Art dienen zur Erstellung von Branchen-, Markt- und Wettbewerberanalysen (vgl. Gosche 1991, S. 69). Als Anbieter dieser Informationsquellen treten sowohl staatliche als auch privatwirtschaftliche Stellen auf. Publikationen des Statistischen Bundesamtes sowje der Bundesstelle fur AuRenhandelsinformationen sind valide Informationsquellen. Inhalt dieser Publikationen sind in der Regel allgemelne Informationen uber Branchen und Markte in der Bundesrepublik Deutschland. Interessenverbande oder die Industrie- und Handelskammern bieten detaillierte Statistiken. (iv) Netzwerke: Im Zusammenhang mit dem friihen Stadium des M&A-Prozesses werden unter Netzwerken informelle Beziehungen von Personen verstanden (vgl. Achleitner 2002, S. 193). Diese informellen Netzwerke ermoglichen das gezielte und prazise Abschopfen von Informationen uber das Zielobjekt, ohne dad der Kaufinteressent selbst in Erscheinung tritt. Der Aufbau solcher informellen Netzwerke erfordert Zeit, so daR sie in den meisten Fallen nur von M&A-Dienstleistern genutzt werden konnen. Bewertung von zielobjekteigenen und -fremden Informationsquellen Im folgenden wird eine Obersicht uber die identifizierten Informationsquellen gegeben sowie eine Bewertung vorgenommen (vgl. Tabelle 4-2). Grundlage der Bewertung sind funf von Berens und Brauner (1998, S. 51) formulierte Anforderungen an potentielle Informationsquellen im friihen Stadium des M&A-Prozesses. Aus diesen Anforderungen werden Eigenschaften abgeleitet, die zur Bewertung herangezogen werden.

66-

-Prozeflschritt 1: Informationsgewinnung uberein potentielles Zielobjekt

Tabelle 4-2:

Ubersicht und Bewertung der Informationsquellen. Quelle: (Eigene Darstellung).

0) T3

*^

1 .0) "3

If if

0)

c

C £ (0 O

E

N 03

1

1o

3

N

3 Zielobjekteigene informationsquellen FlrmenprSsentationen im WWW Firmenbroschuren

^ ->

t ->

-> t

t t

Zielobjektfremde Informationsquellen Datenbanken Beratungsdienste Statistiken Netzwerke

Legende:

t t -> ^

t -> -> >^

-> t t ^

t t -> t

i

; J t

1

t

-> -^

1 1

hohe AusprSgung der Eigenschaft (Symbol t), mittlere AusprSgung der Eigenschaft (Symbol ->), niedrige AusprSgung der Eigenschaft (Symbol i)

Zur Informationsgewinnung im fruhen Stadium des M&A-Prozesses spielen besonders zielobjekteigene Informationsquellen eine Rolle (vgl. Tabelle 4-2). Diese Informationsquellen gezielt zu explorieren, steht im Vordergrund, um organisatorische Strukturen des Zielobjekts aufzudecken und das Produktportfolio darzustellen. 4.2

Explorative Fallstudie Freudenberg & Co. KG

Die Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt ist mit Hilfe unterschiedlicher Quellen durchfuhrbar. Im fruhen Stadium einer technologieorientlerten M&AAktlvitat liegt das Interesse vor allem auf der Profilierung der technologlschen Kompetenzen. Zielobjekteigene Informationsquellen stellen die Ausgangsbasis einer solchen Profilierung dar.

Prozefischritt 1: Informationsgewinnung uberein potentielles Zielobjekt

67

Zielobjekt innerhalb der angeschlossenen explorativen Fallstudie ist die Freudenberg & Co. KG. Das Untemehmen ist ein international agierender Konzern, dem es in den letzten 150 Jahren gelungen ist, sich von einer Gerberei zu einem stark diversifizierten Anbieter technologischer Losungen zu entwickeln. Bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gelang es der Firma Freudenberg, eine Dichtungsmanschette zu entwickeln, die als Simmerring® noch heute grolie Bedeutung fur die Schwingungs- und Dichtungstechnik hat (vgl. Freudenberg 2001a, S. 46). Die Unternehmensgruppe Freudenberg schaffte es durch hohe technologische Kompetenz eines der groBten deutschen Familienunternehmen zu werden und befmdet sich im Eigentum von etwa 300 Familiengesellschaftern (Freudenberg 2003a, S. 5). Sie wird gelenkt von einer Fuhrungsgesellschaft, der Freudenberg & Co. KG. Heute ist die Unternehmensgruppe auf funf Kontinenten vertreten. Freudenberg beschaftigt circa 28.000 MItarbeiter in 43 Landern weltweit. Im Jahr 2002 enA/irtschaftete die Unternehmensgruppe Freudenberg mit Aktivitaten in den Bereichen Dichtungs- und Schwingungstechnik, Vliesstoffe, Haushaltsprodukte, Spezialschmierstoffe, Bausysteme, flexible Leiterplatten, Aniagen- und Werkzeugtechnik sowie IT-Dienstleistungen (vgl. Freudenberg 2003b, S. 2) einen Umsatz von 3,9 Milliarden Euro (vgl. Freudenberg 2002, Oberblick). Die organisatorische Struktur der Unternehmensgruppe Freudenberg soil im folgenden aufgedeckt werden. Die einzelnen Unternehmenssegmente und die ihnen unterstellten Geschaftgruppen werden skizziert (vgl. Abschnitt 4.2.1). Schwerpunkt ist die Profilierung der technologischen Kompetenzen der verschiedenen Organisationseinheiten. Das Zielobjekt, das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik, wird anschlieRend naher beleuchtet (Abschnitt 4.2.2). 4.2.1

Geschaftsgruppen und Qeschaftsbereiche der Unternehmensgruppe Freudenberg

Der Konzern Freudenberg wird von der Fuhrungsgesellschaft Freudenberg & Co. KG gelenkt und ist In vier Unternehmenssegmente gegliedert: (i) Dichtungs- und Schwingungstechnik, (ii) Vliesstoffe, (ill) Haushaltsprodukte sowie (Iv) Spezialitaten und Sonstlges (vgl. Abbildung 4-1 - die Unternehmenssegmente werden im Geschaftsbericht 2002 auch als Geschaftsfelder bezeichnet, die Benennung Unternehmenssegment wird jedoch beibehalten).

- Prozelischritt 1: Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt

68-

Freudenberg & Co. KG

Segment Dichtungs- & Schwingungstechnik

Segment Vliesstoffe

Geschafts^iiruppe

Qg^gh^n^qrgpp^

Geschaftsarupoe

Q^ghitftsqrvpp^

Dichtungs- & Schwingungstechnik Europa

Freudenberg Vliesstoffe

Haushaltsprodukte

Spezialschmierstoffe

Dchtungs- & Schwingungstechnik Amerika

Freudenberg/ Politex / Vliesstoffe

Segment Haushaltsprodukte

Vibracoustic Europa

Segment Spezialitdten & Sonstiges

Bausysteme IT-Dienstleistungen QegChltftgl^ffl-gKyhg Flexible Leiterplatten Leder Aniagen- & Werkzeugtechnik Forschungsdienste Service

Abbildung 4-1:

Organisation und Segmentierung der Unternehmensgruppe Freudenberg. Quelle: Freudenberg (Stand Oktober 2002).

Je nach Diversifikation der einzelnen Unternehmenssegmente existiert eine differierende Anzahl an GeschSftsgruppen bzw. -bereichen, die den Unternehmenssegmenten zugeordnet sind. Die Darstellung beruht auf Informationsquellen zur Unternehmensgruppe Freudenberg aus dem Jahr 2002. Die Abgrenzung markiert den Stichtag fur die explorative Fallstudie (vgl. Abschnitt 6.2.1). Unternehmenssegmente: Pfeiler des Kemgeschafts der Freudenberg & Co. KG Es existieren vier Pfeiler des KerngeschSfls der Freudenberg & Co. KG. Hieraus ist bereits eine Diversifizierung erkennbar. (i) Das Unternehmenssegment Dichtungs- und Schwingungstechnik besteht aus drei Geschaftsgruppen: der Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik Europa, der Dichtungs- und Schwingungstechnik Amerika (auch Freudenberg NOK General Partnership) sowie der Vibracoustic Europa. Bis Ende 2002 wurden innerhalb dieses Unternehmenssegments 2.028 Millionen Euro Umsatz erzielt und 15.871 Mitarbeiter beschSftigt (vgl. Freudenberg 2002, S. 11). Ingesamt konnte der Gesamtumsatz im

Prozeflschritt 1: Informationsgewinnung ijber ein potentielles Zielobjekt

69

Vergleich zum Vorjahr urn 4 Millionen Euro gesteigert werden. Die Anzahl der Beschaftigten in diesem Unternehmenssegment stieg um 307 Mitarbeiter (vgl. Freudenberg2001, S. 11) an. (ii) Ein weiteres Unternehmenssegment bilden die Vliesstoffe. Dieser Bereich ist untergjiedert in zwei Geschaftsgruppen: die Freudenberg Vliesstoffe und die Freudenberg Politex Vliesstoffe. Im Jahr 2002 betrug der Gesamtumsatz beider Geschaftgruppen 924 Millionen Euro. HIer sind insgesamt 5.320 Mitarbeiter beschaftigt (vgl. Freudenberg 2002, S. 17). Im Vergleich zum Geschaftsjahr 2001 verringerte sich der Gesamtumsatz um 39 Millionen Euro, die Anzahl der Beschaftigten sank um 62 Mitarbeiter (vgl. Freudenberg 2001, S. 17). (ill) Das Unternehmenssegment Haushaltsprodukte umfaBt die gleichnamige Geschaftsgruppe der Freudenberg Haushaltsprodukte. Im Jahr 2002 erzielte diese Unternehmensgruppe 526 Millionen Euro Umsatz. Zum Jahresende 2002 betrug die Mitarbeiterzahl 1.917 Mitarbeiter (vgl. Freudenberg 2002, S. 21-23). Im Jahr 2002 erzielte das Unternehmenssegment Haushaltsprodukte ein Wachstum. Im Vergleich zu 2001 stIeg der Gesamtumsatz um 11 Millionen Euro. Der Beschaftigtenstamm wurde um 156 Mitarbeiter erhoht (vgl. Freudenberg 2001, S. 21). (iv) Das am starksten diversifizierte Unternehmenssegment wird als Spezialitaten und Sonstiges bezeichnet. Es gliedert sich in drei Geschaftsgruppen sowie funf Geschaftsbereichen: die Geschaftsgruppe

Kluber (Spezialschmierstoffe), die Ge-

schaftsgruppe Freudenberg Bausysteme sowie die Geschaftsgruppe Freudenberg IT-Dienstleistungen. Die funf Geschaftsbereiche sind: Freudenberg Mektec (Flexible Leiterplatten), Freudenberg Leder, Freudenberg Aniagen- und Werkzeugtechnik, Freudenberg Forschungsdienste und Freudenberg Service. 2002 wurden in diesem Unternehmenssegment 685 Millionen Euro Umsatz enA^irtschaftet. Insgesamt wurden im Unternehmenssegment Spezialitaten und Sonstiges 4.513 Mitarbeiter beschaftigt. Im Vergleich zum Vorjahr sank der Gesamtumsatz um 72 Millionen Euro. 340 Mitarbeiter wurden freigesetzt (vgl. Freudenberg 2001, S. 25). Umsatzentwicklung in den Unternehmenssegmenten Die Umsatzentwicklung der letzten sechs Jahre weist fur die Unternehmenssegmente ein uneinheitliches Bild auf (vgl. Tabelle 4-3). Nur das Unternehmenssegment

- Prozeflschritt 1: Informationsgewinnung iiber ein potentielles Zielobjekt

70-

Haushaltsprodukte entwickelte sich im Betrachtungszeitraum kontinuierlich positiv. Besonders im Jahr 2001 wurden innerhalb der Unternehmenssegmente Verluste im Vergleich zum Vorjahr realisiert. Seit 2001 konnten die Untemehmenssegmente Spezialitaten und Sonstiges sowie Vliesstoffe kein Umsatzplus mehr verzeichnen. Das Untemehmenssegment Spezialitaten und Sonstiges hat im Vergleich zu den verbleibenden Untemehmenssegmenten der Freudenberg Gruppe die schlechteste Umsatzentwicklung erzielt. Tabelle 4-3:

Umsatze der Untemehmenssegmente im Zeitraum 1997 bis 2002 (in IVIio.€). Quelle: Freudenberg (2000,2001,2002). 1997

1998

1999

2000

2001

2002

Dichtungs- & Schwingungstechnik

1.333

1.489

1.768

2.037

2.024

2.028

Vliesstoffe

789

804

808

967

964

924

Haushaltsprodukte

382

426

458

495

516

526

Speziaiitdten & Sonstiges

879

933

839

913

757

685

Es hat nach auRen den Anschein, als bildeten die Unternehmenssegmente die unterschiedlichen Berelche durch unverbundene Diversifikationen ab (vgl. hierzu und im folgenden Eschen 2002, S. 302). Eine genauere interne Analyse widerlegt jedoch dieses Bild: Die technologischen Kernkompetenzen in den einzelnen Untemehmenssegmenten sind eine gezielte Weiterentwicklung der seit der Griindung vorhandenen Produktionstechnologien. Alle Bereiche haben sich aus der technologischen Kernkompetenz der Anfange der Freudenberg Unternehmensgruppe, dem Gerben, entwickelt und wurden konsequent ausgebaut. 4.2.2

Untemehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik

Das Untemehmenssegment Dichtungs- und Schwingungstechnik ist ein bedeutender Pfeiler der Freudenberg & Co. KG. Es stellt innerhalb der Unternehmensgruppe Freudenberg den groRten Umsatzfaktor dar. Von 1997 bis 2000 konnte ein Umsatzplus erzielt werden. Erst 2001 ist der Umsatz des Unternehmenssegments Dich-

Prozeflschritt 1: Informationsgewinnung uberein potentielles Zielobjekt

71

tungs- und Schwingungstechnik leicht gesunken (- 0,6 Prozent zum Vorjahresumsatz - vgl. Freudenberg 2001, Uberblick). Im Jahr 2002 gelang es dem Unternehmenssegment Dichtungs- und Schwingungstechnik, wieder an die guten Geschaftserfolge der vorangegangenen Jahre anzuknupfen und mit 2.028 IVIillionen Euro Gesamtumsatz ein leichtes Plus zu en/virtschaften (vgl. Freudenberg 2002, S. 11). Das Unternehmenssegment Dichtungs- und Schwingungstechnik wurde als Untersuchungsgegenstand

der Fallstudie

herangezogen, da es fur die Unterneh-

mensgruppe Freudenberg einen Schwerpunkt ihrer unternehmerischen Tatigkeiten darstellt. Mit den Produkten der Dichtungs- und Schwingungstechnik werden u. a. Kraftfahrzeugindustrie, allgemeine Industrie sowie Medizin und Hygiene bedient. Im folgenden sollen die einzelnen Produktfamilien des Unternehmenssegments Dichtungs- und Schwingungstechnik sowIe die wichtigsten Produkte jeder Produktfamilie vorgestellt werden. Weitergehende Informationen konnen den diversen Firmenbroschuren (z. B. Freudenberg 2000) sowie der Firmenprasentation der Unternehmensgruppe Freudenberg und des Unternehmenssegments Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik (vgl. Freudenberg 2000) entnommen werden. Das Unternehmenssegment Dichtungs- und Schwingungstechnik besteht aus drel Geschaftsgruppen (vgl. Abschnitt 4.2.1). Um einen Eindruck von den Technologiefeldern zu erhalten, fur die das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungsund Schwingungstechnik Losungen anbietet, wird eine EInteilung der Produkte in Produktfamilien vorgenommen (vgl. Freudenberg 2000, S. 17-61). Insgesamt existieren acht Produktfamilien: (i) Die Produktfamilie Simmerringe® und Dampferdichtung umfaBt sieben Produktgruppen. Neben dem klassischen Simmerring® bietet das Unternehmenssegment Freudenberg Schwingungs- und Dichtungstechnik diverse Weiterentwicklungen an. Ein Beispiel ist der Simmerring® mit integrierter Sensorfunktion. Er sorgt einerseits fur die Abdichtung drehender Wellen gegenuber anderen Medien und ubermittelt andererseits die erreichten Drehzahlen. Diese Funktion ist von besonderer Bedeutung fur ABS-Systeme, Fahrdynamikregler sowie fur die Kontrolle des Getriebes oder Motors in einem Kraftfahrzeug.

72

Prozedschritt 1: Informationsgewinnung ijber ein potentielles Zielobjekt

Neben Simmerringen® stellt das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungsund Schwingungstechnik insgesamt sechs Dichtungsarten her: Die Kassettendichtung jst eine besondere Variante des Simmerrings®. Sie wird eingesetzt, wenn Fahrzeuge hohen Belastungen ausgesetzt sind und ein starker Schmutzanfall von aui^en zu erwarten ist. Dies ist u. a. bei Baufahrzeugen der Fall. Gleltringdichtungen verhindern das Austreten verschiedenartiger Fltissigkeiten. Im Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik wurden spezielle

Lfisungen

fur Wasserpumpen

im

Kraftfahrzeug

und

fur

die

Ge-

schirrspulmaschine entwickelt. Ventilschaftabdichtungen mussen zwei Bedingungen erfullen: Sie sollen erstens abdichten und zweitens ausreichend Flussigkeit durchlassen. Diese Art der DIchtung wird im Motor benotigt, wo exakt dosierte Mengen Motorol vom Zylinderkopf in den Verbrennungsraum gelangen sollen. Ist der OlfluU zu groS, kommt es durch das verbrannte Ol zu Umweltbeeintrdchtigungen. Die von Freudenberg hergestellten DSmpferdichtungen werden, wie der GroUteil der Produkte des Unternehmenssegments Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik, in Kraftfahrzeugen alter Art eingebaut. Sie verhindern ein Aufschaukein und Nachschwingen der Fahrzeugkarosse. Die von der Fahrbahn verursachten Schwingungen des Rades und der Achsen sollen durch den Einsatz einer DSmpferdichtung kompensiert werden. Die Ddmpferdichtung Glidelite ist in zwei Bereichen des Kraftfahrzeugs, den Sto(^dampfern und dem Federbein, einbaubar. Ein weiteres Produkt aus dem Bereich DSmpferdichtungen ist der Twin Tube Monoblock, der u. a. aus kohlegeftilltem PTFE (Polytetrafluorethylen) besteht. (ii) Unter die Produktfamille Prazlsions-Formteile (vgl. hierzu und im folgenden Freudenberg 2002, S. 26-33) werden Membranen, Balge, Rahmendichtungen, Elastomerverbundteile und Akkumulatoren subsumiert. Das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik bietet in diesem Bereich zahlreiche Produkte zur Losung technischer Probleme an. Eine vielfach venvendete technische Losung stellen die Membranen dar. Sie trennen verschiedenartige Medien in Pumpen, Kompressoren, Reglern sowie in Ventilen von

Prozedschritt 1: Informationsgewinnung ijberein potentielles Zielobjekt



-73

Fahrzeugen und Kraftfahrzeugbremsen. Neben dem Einsatz in Kraft- und Industriefahrzeugen hat sich der Einsatz von Membranen in der Luft- und Raumfahrttechnik bewahrt. Das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik liefert u. a. eine technische Losung fur den Ariane-5-Treibstoffspeicher sowie fur die Kabinendruckregelung in GroUraumflugzeugen. Elastomerverbundteile stellen eine Verbindung zwischen zwei Werkstoffen dar. Sie werden aus gummielastischen und metallischen Materialien hergestellt und finden Einsatz in der Industriepneumatik sowie in der Medizin- oder Haustechnik. In Ventilkomponenten fiir Druckluftbremsen kommen sie ebenso zum Einsatz wie in Steckverbindungen. In Druckluftbremsen ubernehmen sie die Aufgabe, den Sitz des Ventils zu sichern und abzudichten. In Steckverbindungen werden sie zum zuverlassigen AnschluR zweier Elemente, z. B. im Kuhlwassersammelrohr, eingesetzt. Mit diesen Verbindungselementen kann bei unterschiedlichen Temperaturen und Abdichtungsmedien eine notwendlge Verbindung hergestellt werden. Balge, Staubkappen und Silikonteile sind weitere Bestandteile des Produktprogramms des Unternehmenssegments Freudenberg Dichtungs- und Schwlngungstechnik. Sie finden in der allgemeinen Industrie sowie in der Kraftfahrzeugindustrie Anwendung. Balge, Staubkappen und Silikonteile werden zum Schutz von Elementen wie Achsen, Getriebe, StoBdampfer oder Lenkung im Kraftfahrzeug genutzt. Zur Abschottung von Gelenkwellen und Kugelgelenken gegenuber schadlichen Umwelteinflussen, welche die Gebrauchszuverlassigkelt mindern, werden Elastomerbalge eingesetzt. Durch Gelenkwellenbalge wird die Schmiermittelfullung am vorgesehenen Einsatzort gehalten und ein Eindringen von Schmutz und Nasse verhindert. Klappendichtungen (Butterfly-valve) kommen verstarkt in der Lebensmittelindustrie, der pharmazeutischen und chemischen Industrie zum Einsatz. Durch sie soil eine verlaRliche Abdichtung gegen hoch- bzw. niedrigviskose Flussigkeiten erzielt werden. Klappendichtungen mussen hohen Druck und sehr hohe FlieUgeschwindigkeiten kompensieren konnen. Energiespeicher bzw. -sammler werden in der Fachsprache als Akkumulatoren oder Hydrospeicher bezeichnet. In Maschinen mit hydraulischen Antrieben, wie z. B. Baumaschinen oder Industrierobotern, wird diese Produktfamilie eingesetzt. Je nach

74

Prozedschritt 1: Informationsgewinnung iiber ein potentielles Zielobjekt

Bedarf mussen Akkumulatoren in geeigneter Anzahl und entsprechenden Abmessungen eingebaut werden. In der Automobilindustrie ieisten Akkumulatoren ihren Beitrag u. a. bei der Fahtwerkskontrolle oder als Brems- und Kupplungskraftverstarker. Aktuatoren sind zur Senkung der Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen einzubauen. Ein Beispiel fur einen Aktuator bildet das Ventil zur gezielten Regeneration des Aktivkohlefilters (AKF). Die im Tank und in der Treibstoffleitung angefallenen Kohlenwasserstoffdampfe lagern sich im Aktivkohlefilter ab und werden desorbiert. (iil) Die Produktfamilie der Flach- und Rahmendichtungen (vgl. hierzu und im folgenden Freudenberg 2002, S. 36-37) spielt in der Kraftfahrzeugindustrie und im allgemeinen Maschinenbau eine bedeutende Rolle. Das Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik hat aus diesem Grund den franzosischen Hersteller Meillor akquiriert und dessen Technologiekompetenz in das Unternehmenssegment Dichtungs- und Schwingungstechnik integriert. Flach- und Rahmendichtungen werden hauptsachlich in der Automobilindustrie benotigt. Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik bietet neun FlachdichtungsIGsungen an, die technischen Problemen an verschiedenen Einbauorten Sorge tragen. Neben den klassischen Zylinderkopfdichtungen werden vom Unternehmenssegment Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik Einlali-, Auslad- und Wasserpumpendichtungen angeboten. Spezielle Losungen sind Kompressor-Gas-Dichtungen fur die Klimaanlage sowie Kassettenkasten-Deckeldichtungen und Dichtungen fur Gehause und Behaiter im Motorenbau. Rahmendichtungen sorgen fur die verlaRliche Abdichtung groSer Anbauteile. Das sind u. a. der Ansaugkrummer im Motor oder die Olwanne eines Fahrzeuges. Rahmendichtungen sind extrem schmal und profiliert. Sie konnen dreldimensionalen Dichtflachen bei Bedarf angepalit werden. Ebenfalls zu den Flach- und Rahmendichtungen werden die Entkopplungselemente gezahlt. Sie ubernehmen zusatzlich zu den Funktionen einer konventionellen Rahmendichtung die Absorption von entstehendem KGrperschall. Im Motor werden sie zur Abkopplung des Ventildeckels vom Zylinderkopf eingesetzt.

Prozeflschritt 1: Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt —

75

(iv) Die Produktfamilie der 0-Ringe hat eine lange Tradition bei Freudenberg (siehe hierzu und im folgenden Freudenberg 2000, S. 39-41). Schon im 19. Jahrhundert wurden 0-Ringe aus Naturkautschuk iiergesteilt, urn Wasserleitungen abzudichten. Noch heute dienen 0-Ringe als Dichtelemente und tun den stark veranderten Anforderungen an die Werkstoffe und die Anwendungsfelder Genuge. 0-Ringe werden aus den Werkstoffen Nitril-Butadin-Kautschuk (NBR), Perlfluorelastomeren (FFPIVI) und Ethylen-Propylen-Kautschuk (EPDIVI) iiergesteiJt. Neben dem Einsatz in der Luft- und Raumfahrt- sowie der Haustechnik ubernehmen 0 Ringe statische und dynamische Dichtungsaufgaben in der Dentaltechnik. Hier sind ein besonderes Mali an Bestandigkeit gegen Desinfektionsmittel und hoher Tennperaturwiderstand gefordert. Freudenberg Dichtungs- und Sciiwingungsteciinik verwendet den Werkstoff Fluorpropylenkautschuk (FPM) zur Herstellung von Dichtungen, die diesem Anspruch Rechnung tragen. (v) In der Produktfamilie Hydraulik und Pneumatik (siehe hierzu und im folgenden Freudenberg 2000, S. 43-47) werden spezielle Schlauchsysteme angeboten, die Kraft Oder Bewegung an die Stellen bringen, an denen sie benotigt werden. Vier Schlauchsysteme sind feste Bestandteile des Produktprogramms. In den Bereichen Mobil- und Standardhydraulik nehmen die Dichtelemente hohe Belastungen in Baumaschinen oder Radbaggem auf, halten Verschmutzungen aller Art ab und kompensieren hohe Temperaturschwankungen. Mit dem Stangendichtsystem Syprim bietet Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik eine technische Losung an, die eine fur Baumaschinen wichtige Lekkagefreiheit garantiert. Pneumatikdichtungen mussen den physikalischen Widerspruch (dieser Begriff wird u. a. bei Altshuller 1998, S. 38-41 verwendet) zwischen Elastizitat und Festigkeit uberwinden, um den Anforderungen in der Automatlsierungstechnik, der Nahrungs-, Verpackungs- und Automobiltechnik gerecht zu werden. Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik venA^endet die Werkstoffe Polyurethan (PU) oder verschiedenartige Elastomere, um diese Anforderungen zu erfullen. Pneumatikdichtungen finden u. a. Einsatz in den Turoffnungssystemen des ICE, die mit kolbenstangenlosen Pneumatikzylindern arbeiten.

76

Prozeflschritt 1: Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt

(vi) Die Produktfamilie der Prazisions-Komponenten (siehe hierzu und im folgenden Freudenberg 2000, S. 49-51) fur Bremsen besteht aus Prazisions-Sicherheitsteilen, die in Bremsen und Bremsschlauchen Anwendung finden. FQnf Teilearten umfaBt diese Produktfamilie: (i) Bremsmanschetten, (ii) Schutzkappen fQr Radzylinder, (iii) Dichtungen, (iv) Formteile fur Bremskraflverstarker und (v) VerschluS- und Verbindungsstopfen fur den Bremsflussigkeltsbehaiter. Diese PrSzisions-Siciierheitsteile finden ihren Einsatz In Personen- und Lastkraftwagen sowie bei ZweirSdern, urn die Sicherheit dieser Fahrzeuge zu gewShrleisten. (vii) Die Produktfamilie Vibracoustic bletet Produkte an, die in Zusammenarbeit mit der Phoenix AG im Gemeinschaftsunternehmen Vibracoustic hergestellt werden (siehe hierzu und im folgenden Freudenberg 2000, S. 53-57). Alle angebotenen Produkte erfulien das Ziel, die im Kraftfahrzeug auftretenden Schwingungen, die zur Verschlechterung des Fahrkomforts beltragen, zu verhindern. Zehn Produktarten werden angeboten. Die Torsionsschwingungsdampfer sollen die auftretenden Schwingungen in den Kurbelwellen, Nockenwellen, den Antriebswellen im Getriebe und an der Kardanwelle ddmpfen bzw. vollstSndig tilgen. Ein weiteres Produkt zur TorsionsdSmpfung sind entkoppelte Riemenscheiben, die eine Obertragung von Schwingungen von der Kurbelwelle auf Nebenaggregate, wie z. B. die Wasserpumpe, verhindern. Aggregatelager und Fahrwerkteile gewahrlelsten den Fahrkomfort und die Sicherheit im Kraftfahrzeug, indem sie von der Fahrbahn angeregte Schwingungen reduzieren. Hierzu zShlen Fahn/verkteile wie Federbeinlager oder Lager fur den Antrieb. Durch schaltbare Hydrolager werden storende Motorschwingungen und Schwingungen, die aus Fahrbahnunebenheiten resultieren, reduziert bzw. getilgt. Lineartilger, aktive wie passive, sollen im Kraftfahrzeug auftretende Schwingungen herabsetzen, um das Ziel schwingungs- und vibrationslosen Fahrens zu garantleren. AnschlagdSmpfer (Jounce Bumpers) sollen die Achsen und Radaufhangungen des Kraftfahrzeugs vor Schaden durch die Federung bei starken Fahrbahnunebenheiten schutzen. Neben den Anschlagdampfern aus Polyurethan (PU) bietet Freudenberg Schwingungs- und Dichtungstechnik Anschlagdampfer mit Schutzbalg und Befesti-

Prozelischritt 1: Informationsgewinnung uber ein potentielles Zielobjekt

77

gungsring an, urn den erhdhten Anforderungen der Automobil- und StoBdampferindustrie Sorge zu tragen. (viii) Die Produktfamilie Schwingungstechnik Industrie hat sich auf Systemlosungen im Bereich Schienenfahrzeuge sowie im allgemeinen Maschinenbau spezialisiert. Hier kooperiert Freudenberg Schwingungs- und Dichtungstechnik mit der Schwab AG. (xi) Die Produktfamilie Schwingungstechnik Industrie bietet eine umfangreiche Palette an Produkten zur Losung schwingungstechnischer Probleme an. Zwei Produkte werden stellvertretend dargestellt: Spharolager sind ein Mittel, die Beweglichkeit eines Schienenfahrzeuges zu erhalten und die auftretenden Relativbewegungen zwischen Getriebe und Radachsen aufzunehmen. Von Freudenberg Schwingungs- und Dichtungstechnik und der Schwab AG produzierte Spharolager sind u. a. in die Antriebskupplung des ICE 1 eingebaut. Hydrobuchsen hingegen tragen dazu bei, niederfrequente Schwingungen zu dampfen und hochfrequente Anregungen zu isolieren. In Baumaschinen werden durch Hydrobuchsen die entstehenden Schwingungen gedampft und der daraus resultierende Larm reduziert.

78

Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenter!

5 ProzeHschritt 2: Identifikation von Patenten

Anhand des ProzeSschritts 1 kfinnen die den M&A-ProzeS DurchfQhrenden einen ersten Einblick in die Technologiefelder gewinnen, die ein potentielles Zielobjekt bearbeitet. Nun geht es im ProzeSschritt 2 vertiefend urn die Identifikation von Patenten, welche zum Intellectual Capital eines Untemehmens beitragen. Intellectual Capital wird von Stewart (1997) als „Vierter Produktionsfaktor" bezeichnet und nimmt als strategischer Faktor an Bedeutung zu. 88 Prozent der durch die Foundation for the Malcolm National Quality Award befragten Vorstandsvorsitzenden sehen im Management von Intellectual Capital eine zentrale Unternehmensaufgabe (Kasperzak, Krag und Wiedenhofer 2001, S. 1494). Mit einer gezielten Bewirtschaftung von Intellectual Capital ergibt sich fQr ein Unternehmen ein 30- bis 40-prozentiger Geschwindigkeitsvorteil in der Konzeption und Umsetzung von Strategien. Das Kapitel hat drei Ziele:



ZunSchst sollen die Bestandteile des Intellectual Capital aufgezeigt (vgl. Abschnitt 5.1) und der Leser fur das Thema Patente als Teil des Intellectual Capital sensibilisiert werden. Die einzelnen Begriffe werden entsprechend ihrer Bedeutung fur das weitere Vorgehen aufgegriffen.



Um Patente zu identifizieren, bedarf es geeigneter Quellen. Ein weiteres Ziel des ProzeRschrittes 2 sind daher, wenn moglich, kostengunstige Recherchealternativen zu identifizieren. Sie stehen im WWW zur Verfugung (vgl. Abschnitt 5.2). Die drei groliten kostenfrei zugSnglichen Patentdatenbanken werden exemplarisch vorgestellt.



Anhand der explorativen Fallstudie wird der ProzeRschritt 2 exemplarisch umgesetzt (vgl. Abschnitt 5.3). Eine Recherche zum Zielobjekt Freudenberg & Co. KG erfolgt in alien drei Patentdatenbanken. Die Ergebnisse sind kritisch zu beleuchten.

Prozedschritt 2: Identifikation von Patenten

5.1

——

79

Intellectual Capital

Seit Mitte der achtziger Jahre findet der Begriff Intellectual Capital in der wissenschaftlichen Diskussion verstSrkt Verwendung (vgl. u. a. Teece 1986, S. 285-305). Fur die strategische Managementforschung liefert das Intellectual Capital eine Grundlage dafur, die immer frappierender auftretende Spanne zwischen Markt- und Buchwert eines Unternehmens zu erklSren (vgl. Brodrow, Bergmann 2003, S. 13). Galbraith (1969) verwendete den Begriff Intellectual Capital erstmals im Jahr 1969 (nach Edvinsson 1998, S. 279). Teece (1986) begrundete den Begriff in der Wissenschaft. Der Begriff Intellectual Capital wurde u. a. durch Arbeiten von Brooking (1997), Roos (1997), Stewart (1997), Sullivan (1998) und Smith (2000) erweitert. Unter Intellectual Capital werden verschiedene Arten von Wissen und deren AusprSgung subsumiert. Der Begriff Intellectual Capital ging aus dem ressourcenorientierten Ansatz hervor. Sullivan (1998, S. 21) sieht Intellectual Capital als "Knowledge that can be converted into profit" (siehe auch Abbildung 5-1). Es entwickelte sich eine neue Sichtweise durch den wissensorientierten Ansatz (Knowledge Based View - vgl. u. a. Grant 2002), der das Intellectual Capital in den Vordergrund stellt.

- Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenten

80-

Abbildung 5-1:

Bestandteile des Intellectual Capital. Quelle: Eigene Darstellung in Aniehnung an Sullivan (1998, S. 21).

Das Intellectual Capital eines Unternehmens laUt sich in zwei Begriffe untergliedern (vgl. Abbildung 5-2): (I) in das Human Capital (vgl. Abschnitt 5.1.1), und (li) die Intellectual Assets (vgl. Abschnitt 5.1.2). Eine fur diese Arbeit wesentliche Besonderheit der Intellectual Assets ist das Intellectual Property (vgl. Abschnitt 5.1.3).

-81

Prozedschritt 2: Identifikation von Patenten -

^..^^^

Capital

-_

Intellectual Assets Human Capital r Intellectual A V^^ Property J

1

Abbildung 5-2:

5.1.1

structural Capital

1

1

Untergliederung des Intellectual Capital. Quelle: Eigene Darstellung in Aniehnung an Sullivan (1998, S. 22).

Human Capital

Unter dem Human Capital eines Unternehmens werden die Mitarbeiter im weiteren Sinne verstanden. „Human Capital of the firm may be defined as the capabilities of employees, contractors, suppliers and other company-related people to solve consumers' problems" (Sullivan 1998, S. 22). Das Human Capital umfaBt das gesamte im Unternehmen vorhandene personengebundene Wissen. Dieses Wissen tritt in Form von spezifischen Fahigkeiten oder Know-how der Mitarbeiter zutage. Human Capital wird nicht vom Unternehmen besessen und geht durch Abwanderung der Mitarbeiter verloren. Der Vorteil des Unternehmens liegt in der Moglichkeit, die durch das Human Capital eingebrachten Innovationen in Intellectual Assets oder Intellectual Property (vgl. Abbildung 5-2) umwandein zu konnen. 5.1.2

Structural Capital

Das Structural Capital ist notwendig, um das Human Capital eines Unternehmens, d. h. die Mitarbeiter, bei ihrer Arbeit zu unterstutzen. Structural Capital kann im weiteren Sinne als Infrastruktur eines Unternehmens gesehen werden. Es wird untertellt in (i) MaUnahmen zur direkten und (ii) MaRnahmen zur indlrekten Unterstijtzung des Human Capital, (i) Als direkte MaBnahmen zur UnterstQtzung werden z. B. Computer und Arbeitsmaterialien verstanden; (ii) indirekte MaBnahmen sind u. a. Licht in den

82

ProzeUschritt 2: Identifikation von Patenten

BQroraumen, GebSude Oder die Elektrizitat zur Aufrechterhaltung der ArbeitsfShigkeit (Sullivan 1998, S. 23). Das Structural Capital wird ergSnzt durch (i) Complementary Business Assets und (ii) Generic Complementary Business Assets. (i) Unter den Complementary Business Assets werden

manufacturing facilities,

distribution networks, consumer lists, costumer relationship, supplier networks, service focus, complementary technologies, trademarks and organization capabilities" (Sullivan 1998, S. 24) verstanden. Complementary Business Assets sind z. B. spezielle Fahigkeiten, die fur die Herstellung von Produkten notwendig sind und nicht auf dem freien Markt gehandelt werden. In Gegensatz dazu stehen die (ii) Generic Complementary Business Assets. Dies sind u. a. Fdhigkeiten, die auf dem freien Markt zu erwerben sind und die z. B. in technologische Anwendungen eingehen. 5.1.3

Intellectual Assets

Zum Intellectual Capital zdhlen neben dem skizzierten Human Capital die Intellectual Assets. Intellectual Assets werden im folgenden anhand von zahlreichen Beispielen aus der Literatur illustriert. Sullivan (1998, S. 23) definiert Intellectual Assets als „...the codified, tangible, or physical description of specific knowledge to which the company has ownership rights." Unter Intellectual Assets wird in dokumentierter Form vorliegendes Wissen verstanden. Telle dieses Wissens eignen sich zum Schutz durch gewerbliche Schutzrechte und sind als Intellectual Property zu bezeichnen. Intellectual Assets sind gliederbar in drei Kategorien (vgl. Smith 2002, S. 3.4 - siehe Abbildung 5-3): (i) Rechte (Rights), (ii) Beziehungen zu Anspruchsgruppen (Relationships) und (ill) undefinierte immaterielle Vermogensgegenstande (Undefined Intangibles).

Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenter! -

Abbildung 5-3:

-83

Schematischer Uberblick uber Intellectual Assets bzw. Intellectual Property. Quelle: (Eigene Darstellung).

(i) Rechte werden von jedem Unternehmen erworben, das Vertrage mit anderen Wirtschaftssubjekten abschlieflt. Die aus Vertragen erwachsenen Rechte und deren Bestandteile, wie z. B. die Dauer des Rechtserwerbs Oder die Art der erworbenen Rechte, werden festgehalten. Nach Smith (2002, S. 3.4-3.5) existieren zwolf unterschiedliche Vertragsarten, die es Unternehmen ermoglichen, Rechte an Waren und Dienstleistungen zu vorteilhaften Konditionen zu eriangen. Ein Beispiel fur eine seiche Vertragsart ist der Leasehold Interest. Das Unternehmen erwirbt das Recht, ein Gebaude zu besseren Konditionen als den zur Zeit am Immobilienmarkt ubiichen zu pachten. Das Gebaude verbleibt im Besitz des Eigentiimers. Weitere durch Vertrage ubertragene Rechte sind z. B. Franchlserechte. Sie garantieren einem Unternehmen die Allelnverkaufsstellung auf einem festgelegten Territorium.

84

Prozedschritt 2: Identifikation von Patenter!

(ii) Unter BezJehungen zu Anspruchsgruppen werden Verbindungen mit anderen Wirtschaflssubjekten verstanden. Dabei werden keine VertrSge abgeschlossen und keine Rechte an das Unternehmen ubertragen. Smith (2002, S. 3.5) subsumiert unter Beziehungen zu Anspruchsgruppen u. a. die Bindungen zu den Kunden eines Unternehmens (Customer Relationships). Als Beispiel von fehlenden Kundenbeziehungen fiihrt Smith (2002, S. 3.5-3.6) einen Zeitungskiosk an der Ecke an. Dort kaufen Kunden tdglich ihre Zeitung, ohne dad der Kioskinhaber etwas uber ihre Gewohnheiten oder Lebensumstande weiS. Sollte der Kiosk umziehen, wurden die derzeitigen Kunden auf eine andere Beschaffungsquelle der Tageszeitung ausweichen. In diesem Fall llegt nach Smith keine Beziehung zum Kunden vor. Eine Beziehung dieser Art liegt nur dann vor, wenn Tragheit im Verhaltnis Kunde und Unternehmen erkennbar ist. Starke Kunden-Unternehmensbeziehungen uberdauern einen BesitzenA^echsel, eine Veranderung der Personalstruktur oder einen Umzug des Unternehmens. Falls dieses Tragheitskriterium erfullt ist, liegt eine dauerhafte Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen vor. (ill) Unter undefinierten immateriellen Vermogensgegenstanden (Undefined Intangibles) werden alle Vermogensgegenstande subsumiert, die nicht eindeutig den beiden vorangegangenen Kategorien zuzuordnen sind (vgl. Smith 2002, S. 3.6). Diese Vermogensgegenstande werden z. B. als Firmenwert (Goodwill) oder Wert eines funktlonierenden Unternehmens (Going Concern Value) bezeichnet. Der Begriff Firmenwert setzt sich aus den Teilbegriffen Unternehmenswert bzw. Ertragswert, Substanzwert und Unternehmensmehrwert zusammen. Der Unternehmenswert bzw. Ertragswert ist der Wert „...einer Unternehmung als Ganzes unter Berucksichtigung kunftiger Ertragsen^artungen" (Busse von Colbe, Ordelheide und Gebhardt 2003, S. 236-238). Der „Wert der einzelnen Vermbgensgegenstande nach Abzug der Schulden" stellt den Substanzwert dar. Unternehmensmehrwert ist der Betrag, den ein KSufer uber Unternehmenswert und Substanzwert hinaus bereit ist zu zahlen. Ein Erklarungsansatz fur den Firmenwert ist die Neigung eines Kundenstammes, ein Unternehmen zur festen Bezugsquelle von Produkten und Dienstleistungen zu machen, und es auch an andere Nutzer weiterzuempfehlen. Auch das Vorhandensein von UberschuUertragen ist als Erklarungsansatz ebenfalls tauglich.

Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenten 5.1.4



85

Intellectual Property

Intellectual Property ist ein Instrument zur Sicherung des geistigen Eigentums eines Unternehmens. Es stellt eine Sonderform der Intellectual Assets dar (vgl. Abbildung 5-3). Zu den Intellectual Properties zahlen einerseits der gewerbliche Rechtsschutz inklusive der jeweiligen Schutzrechte sowie andererseits artverwandte Rechtsinstrumente, die eine Schutzfunktion fur im Unternehmen vorhandene Ressourcen entfalten. Intellectual Property wird im ressourcenorientierten Ansatz als Erklarungsgrund zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen herangezogen. In den Begriffskategorien von Wernerfelt (1989), Collis und Montgomery (1995) und Grant (2002) wird Intellectual Property eindeutig als Unternehmensressource definiert. Intellectual Property umfaRt funf Instrumente: (i) Das Patent (Abschnitt 5.1.3.1) ist das weltweit bekannteste Werkzeug zur Sicherung einer technischen Erfindung. Die dem Patent zugerechneten Funktionen werden anschlieRend dargestellt und ihre Bedeutung durch eine Statistik belegt. Ein weiteres Mittel, um technische Erfindungen umfassend zu schutzen, ist (ii) das Gebrauchsmuster (Abschnitt 5.1.3.2). (iii) Das Geschmacksmuster

(Abschnitt

5.1.3.3)

zielt

auf

die

Sicherung

astethisch-

kunstlerischer Gestaltungsmerkmale ab. Ein breites Spektrum an Auspragungen proteglert (iv) die Marke (Abschnitt 5.1.3.4), die zur eindeutigen Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen genutzt wird. (v) Den weiteren Schutzrechten (Abschnitt 5.1.3.5) werden der Halbleiterschutz sowie der Sortenschutz als verbriefte Rechte zur Sicherung gewerblich-geistiger Leistungen zugerechnet. Das Urheberrecht gehort zwar nicht zu den gewerblichen Schutzrechten (vgl. Ensthaler 2003, S. XXV), sichert aber dennoch ein Recht an gelstlg-schopferischen Leistungen einer Person. Eher neuartige Auspragungen von Intellectual Property wie Internet Domain Names und Computersoftware, werden zusatzlich eingefuhrt (vgl. z. B. Smith 2002, S. 3.13). Der Betrachtungszeitraum der folgenden Ausfuhrungen erstreckt sich uber die Jahrgange 1999 bis 2004. 5.1.4.1

Patent

Im folgenden wird auf die Besonderheiten des Patents eingegangen, es werden nicht-patentierbare Bereiche gezeigt, die Statistiken der wichtigsten Patentamter auf

86

Prozelischritt 2: Identifikation von Patenten

Anmeldezahlen hin ausgewertet und die Besonderheiten nationaler Patentgesetze herausgestellt. Das Patent entfaltet umfassenden Nutzen fur den Erfinder. Es schQtzt eine technische Erfindung vor Nachahmung durch Dritte (PatG 1999) und sichert dem Anmelder ein maximal 20 Jahre gultiges Recht, Dritten die Herstellung, Nutzung und den Vertrieb dieser Erfindung zu untersagen. Im Gegenzug wird vom Anmelder verlangt, den Gegenstand der Erfindung in Form einer Patentschrift offenzulegen (PatG 1999). Innerhalb des industriellen FuE-IVIanagements stellt das Patent eine der gebrauchlichsten Formen des Erfindungsschutzes dar (Specht, Beckmann und Amellngmeyer 2002, S. 242). Je nach Verfahrensstand wird eine begriffliche Unterscheidung getroffen: Im folgenden wird unter einem Patentdokument eine die Erfindung darlegende Schrift vor der Patenterteilung verstanden. Die Patentschrift bzw. das Patent bezeichnet den Patenttext nach der Patenterteilung. Der Begriff Patent umfaRt beide Teilbegriffe. Das Patent weist eine Reihe besonderer Eigenschaften auf (Ubersicht in Aniehnung an Specht, Beckmann und Amellngmeyer 2002, S. 256):



Verfugbarkeit: Patentdokumente sind nach der Offenlegung fur einen groUen Nutzerkreis verfugbar. Ein Ausschluli bestimmter Personenkreise von der Informationsquelle Patent ist nicht moglich. Datenbanken erhohen zudem die Verfugbarkeit von Patenten.



Aktualitat: Patente weisen eine hdhere Aktualitat auf als andere Wirtschaftsdaten. Das Patent gibt neues technisches Wissen viel fruher als vergleichbare Informationsquellen preis. Es stellt einen Fruhlndikator zur Analyse von technischen Entwicklungen dar. In der Regel konnen technische Trends bereits drei bis vier Jahre vor der Markteinfuhrung in Patenten identifiziert werden (vgl.Schmoch 1990,8.12).



Objektivitat und Qualitat: Durch gesetzliche Regelungen in nationalen wie internationalen Patentgesetzen sind die Patentaimter an objektive MaRstabe gebunden. Eine konstante Qualitat der Patente ist gesichert.

Prozedschritt 2: Identifikation von Patenten •

87

Exklusivitat und Vollstandigkeit: Das Patent ist eine gesicherte Quelle des technischen Wissens, das sich nicht in anderen Infornnationsquellen auffinden laRt. Circa 90 Prozent des weltweit veroffentlichten technischen Wissens wird von Patenten abgebildet (vgl. Fendt 1988, S. 73).



Hoher Detaillierungsgrad des Klassifikationssystems: Durch Gliederung der Patente in Patentklassen werden einzelne Technologiefelder beschrieben. Ein Hilfsmittel ist die Internationale Patentklassifikation (International Patent Classification). Dieses Klassifikationssystenfi umfaRt 69.000 hierarchische Gruppen.

Sie wird auch in Staaten mit eigener Patentklassifizierung als Zweitsy-

stematik ven/vendet (vgl. Suhr 2000, S. 147). •

Verstandlichkelt: Durch Verwendung einer spezifischen Fachsprache lassen sich die in Patenten angefiihrten technischen Wirkbeziehungen aus dem jeweiligen Fachgebiet relativ leicht nachvollziehen. Ein Patent mull fur einen Durchschnittsfachnfiann aus dem Technologiefeld verstandlich sein.



Geringe Sprachbarrieren: Generell wird das Patent in der jeweiligen Landessprache publiziert. Parallel dazu existieren oftmals Ubersetzungen in die englische Sprache. Dies gilt insbesondere fiir Patentschriften, die vom EPA verdffentlicht werden. Sie liegen in alien drei Amtssprachen des EPA, Englisch, Franzosisch und Deutsch, vor (vgl. o.V. 2002, S. 14).



Vergleichbarkeit: Durch Ven^^endung der Internationalen Patentklassifikation lassen sich Patente sehr gut vergleichen. Ein schnelles Auffinden interessanter Technologiefelder Ist damit gewahrleistet.



Zugriff: Auf Patentdokumente und -schriften kann mittels moderner Medien zugegriffen werden. Durch die weite Verbreitung von Patentdatenquellen, besonders Im WWW (vgl. hierzu z. B. Todte 2002; Stubbe 2002), werden die Zugrlffsmogllchkeiten kontinuierlich enA/eitert und verbessert.



Anwendungsbezug: Mit Erteilung eines Patents ist die gewerbliche Anwendbarkeit der Erfindung durch den Patentprufer festgestellt worden.

- ProzelJschritt 2: Identifikation von Patenter! Patentschutz: Ausnahmen existieren Urn ein Patent zu erhalten, muS die beschriebene technische Erfindung jedoch mehrere Erfordernisse erfullen. Diese sind durch vergleichbare Definitionen im nationalen bzw. intemationalen Patentgesetz festgelegt (vgl. PatG 1999 § 1 Abs. 1). Als nicht patentierbar im Sinne des deutschen Patentrechts gelten (vgl. PatG 1999 § 1 Abs. 2, Ziffer 1-4; Geritz und M6hrle 2002, S. 301-302; Specht, Beckmann und Amelingmeyer 2002, S. 242):



Entdeckungen, insbesondere das Auffinden eines unbekannten Gegenstandes, eines Zustandes oder eines naturwissenschaftlichen PhSnomens,



wissenschaftliche Theorien und mathematische i\/lodelle, die keinen direkten Zusammenhang zu technischem Handein haben,



asthetische Formgebungen, die durch das gewerbliche Schutzrecht bzw. das Urheberrecht oder den Geschmacksschutz vor Naciiahmung geschutzt werden,



Plane, Regein und Verfahren zur gedanklichen TStigkeit, denen es an der praktischen Nutzung von NaturkrSften oder Naturgesetzen fehit,



Software (vgl. Abschnitt 5.1.4.5) sowie



chirurgische, therapeutische und diagnostlsche Verfahren an menschlichen und tierischen Korpern.

Patentanmeldungen: SteigenderZuspruch der Industrie und freier Erfinder Obwohl das Patentrecht Einschrankungen der Schutzfahigkeit kennt, sind in den letzten Jahren die Anmeidezahlen weltweit kontinuierlich gestiegen.

-89

ProzeRschritt 2: Identifikation von Patenter! -

Tabelle 5-1:

Anzahl der Patentanmeldungen im DPMA, EPA, JPO, USPTO. DPMA (2000. S. 19); DPMA (2001, S. 10); DPMA (2002, S. 16); EPA (2002); JPO (2004); USPTO (2004a). Patentanmeldungen

institution 1999

2000

2001

2002

DPMA

61.283

64.862

64.151

64.444

EPA

123.866

145.238

161.295

165.066

JPO

405.655

436.865

439.175

421.044

USPTO

259.618

291.653

324.211

331.580

Bei den Patentanmeldungen der untersuchten vier Jahrgange belegen das japanische Patentamt (Japanese Patent Office - JPO) und das US-amerikanische Patentamt (United States Patent and Trade Mark Office - USPTO) kontinuierlich die beiden ersten Platzen. Insgesamt ist die Zahl der Patentanmeldungen weltweit gestiegen. Das EPA und das USPTO blicken auf eine durchweg positive Entwicklung zuriick. Im Jahr 2000 war beim USPTO der Anstieg mit 32.035 neuen Patentanmeldungen (+ 12,3 Prozent) besonders stark. Ahnliches lalit sich fur das EPA festhalten. Der gleiche Jahrgang war mit 21.372 Patentanmeldungen (+ 17,3 Prozent) der starkste im Betrachtungszeitraum. Eine rucklaufige Entwicklung zeigt das JPO. Diese verlauft allerdings auf sehr hohem Niveau.

Im Vergleich

zu

den

anderen

Patentamtern

sind 421.044

Patent-

anmeldungen (- 4,1 Prozent) eine hohe Anmeldezahl. Sie bewegt sich jedoch unter dem Niveau von 2000 bzw. 2001. Nachdem 2001 die Patentanmeldungen im Vergleich zum Vorjahr leicht gefallen waren (- 711 Patentanmeldungen, - 1,0 Prozent), meldet das DPMA fur 2002 ein leichtes Plus bei den Patentanmeldezahlen (+ 182 Patentanmeldungen, + 0,3 Prozent). Besonderheiten nationaler Patentsysteme In den letzten Jahrzehnten sind die nationalen Patentgesetzgebungen der Industriestaaten weltgehend angeglichen worden, wodurch sich die Rechtssicherheit verstarkt. Ihre Kernbestandteile lassen sich durchaus mit den deutschen und europaischen Standards im Patentrecht vergleichen (vgl. Dabritz 2001, S. 25-28). Dennoch

90

Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenter!

existieren speziell in den zwei anmeldestarksten Nationen, Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), einige Besonderheiten, die im weiteren ausgefuhrt werden sollen. Obwohl das japanische Patentwesen dem deutschen stark ahnelt, ist ein Unterschied in den Anforderungen an die Erfindungshohe festzustellen. Die auBerordentlich hoiie Anzahl an Patentanmeldungen in Japan (vgl. Tabelle 5-1) resultiert aus den geringen Anforderungen an die Erfindungshohe. Dies fuhrt zu einer relativ groSen Anzahl an erteilten Patenten mit geringem technischem Wert (vgl. Specht, Beckmann und Amelingmeyer 2002, S. 249; Faix 1998, S. 77-78; Suhr 2000, S. 114; Schmoch 1990, S. 27). Bei der ErschlieSung japanischer Patente ist zusatzlich die Sprachbarriere erschwerend. Zur Zeit liegt nur die Patentzusammenfassung (Abstract) in englischer Sprache vor. Das japanische Patent in toto bleibt dem auslandischen Interessenten verschlossen. Obwohl das US-amerikanische Patentsystem durch eine Gesetzesanderung am 28. November 2000 (vgl. Milde 2002, S. 207-216) weitgehend an die Patentsysteme der anderen groften Industriestaaten angeglichen wurde, weisen US-amerikanische Patente eine Besonderheit auf. Das US-amerikanische Patentamt ven^^endet weiterhin eine eigene Patentklassifikation, die United States Patent Classification (USPC). Sie ordnet die Patente anhand des in der Patentschrift beschriebenen Objekts einer Patentklasse zu. Die Internationale Patentklassifikation wird ais Sekundarklassifikation venA/endet. Daher kann es teilweise zu groBen Abweichungen in der IPC-Zuordnung kommen (Suhr 2000, S. 147; Schmoch 1990, S. 51-54; vgl. Abschnitt 6.1.5). AuBerdem greift das First-to-lnvent-Prinzip. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland, wo der Erstanmelder das Monopol auf die Erfindung besitzt, ist es in den USA der Ersterfinder. Im Streitfall werden z. B. Laborbucher herangezogen, um den Zeitpunkt der Ersterfindung zu determinieren (Suhr 2000, S. 17,138). Aufgrund der bereits beschriebenen FuHe an technischem Wissen, welches in Patente niedergeschrieben ist, eignen sie sich im besonderen MaRe, um Unternehmen und ihre technologischen Kompetenzen abzubilden. Daher wird im weiteren Verlauf der Arbeit

die

Patentschrift

nehmensprofilen exploriert.

als

Informationsquelle

zur

Generierung

von

Unter-

Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenter!

5.1.4.2

——

91

Gebrauchsmuster

Das Gebrauchsmuster unterscheidet sich vom Patent in Schutzdauer und Anforderung an die Erfindung. Es wird auch als „Patent des kleinen Mannes" oder Schutzrecht fur kleine Erfindungen bezeichnet (vgl. Schmoch 1990, S. 27; Ensthaler 2003, S. 187), da es geringere Anforderungen an die Erfindungshohe stellt. Die Schutzdauer eines Gebrauchsmusters betragt maximal zehn Jahre. Es findet im Gegensatz zum Patent keine Prufung der Neuheit oder der Erfindungshohe statt. Hieraus resultiert die Bezeichnung des ungepruften Schutzrechts (vgl. Schmoch 1990, S. 28). Das Gebrauchsmuster weist drei allgemeine Funktionen auf:



Schnelle Schutzwirkung: Das Gebrauchsmuster entfaltet seine Schutzwirkung frijher als beispielsweise das Patent, da es bereits ab der Anmeldung die technische Erfindung schutzt.



Schwere Vernichtung: Das Gebrauchsmuster ist aufgrund der geringen Anforderungen an die Erfindungshohe im Falle eines Interessenkonflikts nur schwerzu beseitigen (vgl. Schmoch 1990, S. 28).



Schutzwirkung: Das Gebrauchsmuster bietet Schutz fur technische Erfindungen, die sich nicht durch ein Patent schiitzen lassen (vgl. Brandel 1995, S. 169) Oder fur die nur eine geringe Schutzdauer benotigt wird (vgl. Witte und Vollrath1992, S. 64).

Um eine technische Erfindung zum Gebrauchsmuster anmelden zu konnen, mussen drei Anforderungen erfijllt werden. Die technische Erfindung muB - wie das Patent neu und gewerblich anwendbar sein, zudem muB ein erfinderischer Schritt erkennbar sein. Nicht schijtzbar im Sinne des Gebrauchsmustergesetzes sind (Rebel 2001, S. 408):



Erfindungen, die gegen die offentliche Ordnung und die guten Sitten verstoBen,

- Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenter!

92•

Pflanzensorten und Tierarten,



Verfahren und Mikroorganismen,



Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien und mathematische Modelle,



Ssthetische Formschapfungen,



PISne, Regein und Verfahren fur gedankliche TStigkeiten, fur Spiele Oder geschSflliche T§tigkeiten sowie Programme fur Datenverarbeitungsanlagen und



Verfahren zur Wiedergabe von Informationen.

Obwohl das Gebrauchsmuster nicht in alien Industriestaaten als gewerbliches Schutzrecht genutzt wird, erfreut es sich in Japan und der Bundesrepublik Deutschland hoher Beliebtheit. Tabelle 5-2:

Obersicht iiber die Anzahl der Gebrauchsmusteranmeldungen im DPMAundJPO. Quelle: DPMA (2000. S.10); DPMA (2001, S. 10); DPMA (2002, S. 16); JPO (2004).

Gebrauchsmusteranmeldungen

Institution 1999

2000

2001

2002

DPMA

23.584

22.310

20.285

23.428

JPO

10.283

9.587

8.806

8.603

Nur In zwei PatentSmtern, dem DPMA und dem JPO, sind Gebrauchsmuster als Schutzinstrument anzumelden. Die Anmeldezahlen im Betrachtungszeitraum weisen Insgesamt einen rucklSufigen Trend auf. Im DPMA sanken die Anmeldungen 2000 (1.274, - 5,4 Prozent) und 2001 (- 2.025, - 9,1 Prozent) kontinuierlich. Erst 2002 wurde der negative Trend gestoppt und mit 3.143 zusStzlichen Gebrauchsmusteranmeldungen im Vergleich zum Vorjahr wurde ein deutliches Plus erzielt. Auf offensichtlich niedrigerem Niveau bewegen sich die Anmeldungen beim JPO. Seit 1999 ist die Zahl der Gebrauchsmusteranmeldungen jShrlich gesunken. Die negativste Entwicklung war zwischen 2000 und 2001 zu beobachten. Die Zahl der Gebrauchsmusteranmeldungen reduzierte sich um 781 (- 8,1 Prozent) auf insgesamt

Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenter!

— —

93

8.806 Gebrauchsmusteranmeldungen. Im Jahr 2002 wurde mit 8.603 Gebrauchsmusteranmeldungen der niedrigste Stand erreicht. Im Gegensatz zur Praxis in der Bundesrepublik Deutschland werden in Japan Gebrauchsmuster auf ihre Neuheit hin gepruft. 5.1.4.3

Geschmacksmuster

Das Geschmacksmuster ist ein gewerbliches Schutzrecht, das dem Gestalter eines IVIodells Oder Musters ermoglicht, die spezifische Gestaltung zu schiitzen (vgl. Ensthaler 2003, S. 167). Es wird unter dem Begriff der asthetischen Schutzrechte subsumiert. Diese Schutzrechte stehen dem Urheberrecht nahe (vgl. Rebel 2001, S.

419-420). Der Schutz bezieht sich auf die Formgebung von zwei- wie dreidimensionalen Erzeugnissen. Durch Anmeldung eines Modells Oder Musters zum Gebrauchsmuster ist ein sich auf maximal 20 Jahre erstreckender Schutz zu erwirken: Die Herstellung und Verbreitung durch Dritte ohne die Zustimmung des Geschmacksmusterlnhabers wird ausgeschlossen. Der aus dem Geschmacksmuster resultierende Schutz ist allerdings geringer als der Patent- (siehe Abschnitt 5.1.3.1; Barske 2001, S. 141-144; Cohausz 1993, S. 74-77) Oder der Gebrauchsmusterschutz (siehe Abschnitt 5.1.3.2). Dm Geschmacksmusterschutz zu erhalten, mijssen drei materiellrechtliche Voraussetzungen vorliegen:



Neuheit: Eine asthetische Formgebung wird als neu akzeptiert, wenn sie zum Zeitpunkt der Anmeldung den jeweiligen Fachkreisen unbekannt war.



Schopferische Eigenart: Es muli eine Unterscheidbarkeit zu Modellen oder Mustern vorliegen, die durch einen Durchschnittsfachmann geschaffen werden konnen.



Reproduzierbar: Das Modell oder Muster muR gewerblich herstellbar und verwendbar sein.

Es wird keine Prufung auf Neuheit und Eigentumlichkeit durch das Patentamt vorgenommen.

94-

- Prozelischritt 2: Identifikation von Patenten

Im Vergleich zu anderen gewerblichen Schutzrechten findet das Geschmacksmuster nur selten Anwendung (vgl. Tabelle 5-3). Das Geschmacksmuster ist in alien groBen Patentamtem anzumelden. Tabelle 5-3:

Anzahl der Geschmacksmusteranmeldungen im DPMA, JPO und USPTO. Quelle: DPMA (2000, S. 10); DPMA (2001. S. 10); DPMA (2002. S. 16); JPO (2004); USPTO (2004a). Geschmacksmusteranmeldungen

Institution 1999

2000

2001

2002

DPMA

73.506

71.375

63.344

62.667

JPO

37.368

38.496

39.423

37.230

USPTO

17.761

18.292

18.280

n.a.

Fur den Geschmacksmusterschutz ist ein rucklaufiger Trend in den Anmeldezahlen erkennbar. Im Betrachtungszeitraum sind beim DPMA die Anmeldezahlen kontinuierlich auf 62.667 Geschmacksmusteranmeldungen zuruckgegangen. Der Jahrgang 2001 schneidet mit einem Ruckgang um 8.031 Anmeldungen (- 11,3 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr besonders schlecht ab. Ahnliches gilt fiir das JPO (37.230 Anmeldungen im Jahr 2002) und das USPTO (18.280 Anmeldungen im Jahr 2001, keine Angaben fiir 2002). Fur beide Patentamter zeigt sich trotz eines positiven Trends in den Jahren 1999 und 2000 seither ein ruckiaufiges Ergebnis bei den Geschmacksmusteranmeldungen. Seit Marz 2000 liegen die rechtlichen Voraussetzungen dafur vor, um ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster beim Harmonisierungsamt fiir den Binnenmarkt (HABM) anzumelden. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster bietet dem Anmelder die Moglichkeit, Geschmacksmusterschutz fur alle europaischen Mitgliedstaaten des HABM anzumelden. Seit dem 1. Januar 2003 werden Anmeldungen fiir das Gemeinschaftsgeschmacksmuster entgegengenommen - Statistiken zum Anmeldeaufkommen liegen zur Zeit noch nicht vor. 5.1.4.4

Marke

Die Marke ist ein gewerbliches Schutzrecht und spielt bei der Sicherung vor Nachahmung von Produkten und Dienstleistungen eine bedeutende Rolle. Vor 1995 war

Prozeftschritt 2: Identifikation von Patenten



95

der Begriff Warenzeichen in der Bundesrepublik Deutschland gebrauchlich. Im Jahr 1995 wurde mit der Einfuhrung des Markengesetzes das Warenzeichengesetz auRer Kraft gesetzt. Die Schutzdauer einer IVIarke beginnt mit dem Anmeldetag beim Deutschen Patentund Markenamt (DPIVIA). Es besteht ein funfjahriger Nutzungszwang fur eine erteilte Marke. Zehn Jahre nach dem Ablauf des Monats, in dem eine IVIarke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPIVIA) angemeldet wurde, endet der Schutz. Er kann gegen Gebuhr beliebig oft um weitere zehn Jahre verlangert werden (vgl. DPMA 2002, S. 9). Die Marke weist drei Vorteile auf:



Schutz: Die Marke entfaltet diverse Schutzrechtsfunktionen, u. a. die Untersagung der Ven^/endung einer Marke oder das Ausschlielllichkeitsrecht, welches sich auf die Nutzung einer Marke bezieht.



Identifikation: Eine Marke sichert das eindeutige Erkennen bzw. Wiedererkennen eines Produktes oder einer Dienstleistung.



Differenzierung: Durch eine Marke ist ein Produkt oder eine Dienstleistung leicht von weiteren auf dem Markt befindlichen ahnlichen Produkten oder Dienstleistungen zu unterscheiden.

Schutzfahig sind nach dem Markengesetz generell Bezeichnungen, die zur Differenzierung von Produkten oder Dienstleistungen von Konkurrenzunternehmen dienen. Dies sind u. a. Geschaftbezeichnungen, der Schutz von spezifischen Unternehmenskennzeichen, die geographische Herkunftsangabe sowie die Kollektivmarken (vgl. Rebel 2001, S. 441; Barske 2001, S. 144). Die Marke kann in sieben Auspragungen vorliegen (Ensthaler 2003, S. 275-278): (i) Wortmarken bestehen aus einzelnen Wortern oder kurzen zusammenhangenden Texten, wie z. B. Werbeslogans. Personennamen, d. h. Vor- und Nachnamen von existierenden wie fiktiven Personen, sind ebenfalls schutzfahig. (ii) Abbildungen sind, wie alle Marken, schutzfahig, wenn sie graphisch darstellbar sind. Nach dem Mar-

- Prozefischritt 2: Identifikation von Patenten

96-

kengesetz sind einzelne Buchstaben nicht schutzfahig. Nur Buchstabenkombinationen, die keine Fachabkurzungen darstellen, sind zum Markenschutz anzumelden. Weitere Optionen der Eintragung als Marke stellen (iii) Horzeichen, (iv) dreidimensionale Gestaltungen, (v) Wort-Bildzeichen, (vi) Farbmarken sowie (vii) Kollektivmarken dar. Keine Eintragung ins l\/larkenregister erfolgt, wenn die angemeldete IVIarke keine Unterscheidungskraft aufweist. Die alleinige Beschreibung eines Produkts oder einer Dienstleistung fuhrt ebenfalls nicht zur Registrierung einer Marke, wenn die Beschreibung auch weiterhin flir alle Wettbewerber zuganglich sein soli (DPMA 2002, S. 6). Ein Beispiel hierfur sind Fachbegriffe oder umgangssprachliche Ausdrucke aus dem Wirtschaftsverkehr, die fur eine weitere VenA/endung freigehalten werden mussen (vgl. Rebel 2001, S. 448). Vom IVIarkenschutz ebenfalls ausgeschlossen sind alle Zeichen, die zur Identifikation und Representation eines Staates nach auUen dienen. Dies sind Wappen, Flaggen, Hoheitszeichen, Siegel sowie Bezeichnungen von Kommunen, staatlichen oder internationalen Organisationen (vgl. DPMA 2002, S. 6; Rebel 2001, S. 448). Ein weiterer Grund, die Eintragung einer Marke zu venA/eigern, ist die beabsichtigte Irrefuhrung eines Konsumenten. Tsiuschende Angaben uber die Art, die Herkunft oder die Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung fuhren zur Venveigerung einer Markeneintragung. Die Marke ist als Schutzrecht in alien vier groUen PatentSmtern gebrauchlich. Im folgenden wird ein Oberblick uber die Anmeldezahlen der jungeren Vergangenheit gegeben werden (Tabelle 5-4). Tabelle 5-4:

Anzahl der Markenanmeldungen im DPMA, HABM, JPG und USPTO. Quelle: DPMA (2000, S. 10); DPMA (2001, S. 11); DPMA (2002, S. 16); HABM (2002); JPO (2004); USPTO (2004a) Marl(enanmeldungen

Institution

2002

1999

2000

DPMA

76.434

86.983

67.361

57.416

HABM

41.264

57.340

48.866

45.104

2001

JPO

121.861

145.668

123.754

117.406

USPTO

295.165

375.428

296.388

258.873

Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenten



97

Neben nationalem Schutz durch Markenregistrierung beim DPMA ist es wie beim Geschmacksmuster (vgl. Abschnitt 5.1.4.3) erdenklich, beim HABM eine Gemeinschaftsmarke anzumelden (vgl. Ensthaler 2003, S. 318). Die Gemeinschaftsmarke entfaltet ihre Schutzfunktion uber alle europaischen Mitgliedstaaten der Organisation und schutzt Marken, Modelle und iViuster vor Nachahmung (vgl. auch von Kapff 2002, S. 179-188). In den letzten zwei Jahren des Betrachtungszeitraums hat sich die Zahl der Markenanmeldungen in alien vier Patentamtern verringert. Im Vergleich zu 2001 wies das USPTO nnit 37.515 Patentanmeldungen weniger den absolut groliten Ruckgang auf. Im Jahr 2001 verzeichneten das DPMA (- 9.945), das JPO (- 6.348) und das HABM (- 3.752) absolut hohe Ruckgange. 5.1.4.5

Weitere Schutzrechte

Neben den gewerbllchen Schutzrechten Patent, Gebrauchs- und Geschmacksmuster sowie Marke (vgl. Abschnltte 5.1.4.1 - 5.1.4.4) existieren noch drel weitere Schutzinstrumente fur gewerbliche bzw. geistig-schopferische Leistungen. Zudem gibt es zwei Sonderarten, namlich Internet Domains und Software.



Unter Halbleiterschutz wird der gewerbliche Schutz von dreidimensionalen Strukturen (Topographien) sowie der Aufbau von Elementen mikroelektronischer Halbleitererzeugnisse verstanden. Schutzvoraussetzung ist, dal^ die Halbleitererzeugnisse nicht alltaglich sind und eine gewisse Eigenart besitzen. Es resultiert ein zehnjahriger Schutz vor Nachahmung des elektronischen Halbleitererzeugnisses. Nicht geschutzt sind die Topographien vor privatem Gebrauch, dem Gebrauch zu Analysezwecken sowie zur Bewertung und Ausbildung (vgl. Specht, Beckmann, Amelingmeyer 2002, S. 251; Wagner, Thieler 2001, S. 134-135; Geritz, Mohrle 2002, S. 301-302). Im Jahr 2002 wurden 41 Topographieanmeldungen beim DPMA eingereicht. Dies verdeutlicht den geringen Stellenwert der Topographien im gewerbllchen Rechtsschutz.



Neben dem Halbleiterschutz existiert ein fur den Schutz von Pflanzensorten geschaffenes gewerbliches Schutzrecht, der Sortenschutz (vgl. Ensthaler 2003, S. 168). Das Sortenschutzgesetz bezieht sich nur auf jene Arten, die im

- Prozefischritt 2: Identifikation von Patenter! Artenverzeichnis des Gesetzes genannt sind. Zu schutzende Pflanzensorten miissen funf Anforderungen erfullen: Sie mussen bestandig, neu, homogen, unterscheidbar und durch eine Sortenbezeichnung identifizierbar sein. Diese Voraussetzungen werden gepriift, bevor ein Sortenschutz erteilt wird. Aus dem Sortenschutz resultiert das Recht auf Erzeugung, Aufbereitung, Inverkehrbringung, Ein- und Ausfuhr sowie Aufbewahrung der geschutzten Pflanzensorte. In Abhangigkeit von der Pflanzensorte betragt der Schutzzeitraum 25 bzw. in bestimmten Fallen 30 Jahre. Ein im weiteren Sinne zu den gewerblichen Schutzrechten zahlendes Instrument zum Schutz geistig-kunstlerischer Neuschopfungen ist das Urheberrecht. Es schutzt Gestalter von Kunstwerken, Literatur Oder Werken der WIssenschaft

sowie

deren

Rechtsnachfolger

oder

NutznIeSer

vor

der

Nachahmung und widerrechtlichen Nutzung ihres geistigen Eigentums (vgl. Ensthaler 2003, S. 1-6). Als schutzfShige Werke werden Programme zur Datenverarbeitung, Filme sowie Werke der Bau- und blldenden Kunst genannt. Ideen, Theorien oder Tatsachen sowie amtliche Werke lassen sich nach dem Urheberrecht nicht vor Nachahmung schijtzen. Der Schutzzeitraum beginnt mit der Schopfung des Werkes und endet 70 Jahre nach dem Tod des Schopfers. Das Urheberrecht muli nicht angemeldet werden (vgl. Bergner 1986, S. 192-197; Specht, Beckmann und Amelingmeyer 2002, S. 251; Wagner und Thieler2001. S. 137). Neben gesetzlich verbrieften Schutzrechten hat sich in den letzten Jahren ein Bereich herausgebildet, der ebenfalls als Intellectual Property bezeichnet wird. Zwei prominente Bespiele sind (i) Internet Domain Names und (ii) Computersoftware.

(i) Laut Smith (2002, S. 3.13) sind Internet Domain Names fur Unternehmen ein Identifikationsfaktor. Sie teilen charakteristische Merkmale mit der Marke (vgl. Abschnitt 5.1.4.4). In einigen Fallen, wie z. B. bei amazon.com, wurde der Internet Domain Name als Firmenname ubernommen. Internet Domain Names stellen einen spezifischen Wert fur das Unternehmen dar.

Prozeflschritt 2: Identifikation von Patenten

99

(ii) Die Computersoftware wird unter Intellectual Property subsumiert, da z. B. in den USA diese Art des geistigen Eigentums durch den Gesetzgeber unter Schutz gestellt wurde. Nach der Revenue Procedure 69-21 (vgl. Smith 2002, S. 3.13-3.14) muB Computersoftware folgende Bestandteile beinhalten:

"...all programs or routines used to cause a computer to perform a desired task or set of tasks, and the documentation required to describe and maintain ttiose programs. Computer programs of all classes, for example, operating systems, executive systems, monitors, compilers and translators, assembly routines, and utility programs as well as application programs included. Computer software does not include procedures which are external to the computer operations, such as instructions to transcription operators and external control procedures."

In der EU sind der Schutz von Computersoftware und dessen Nutzen umstritten (vgl. FAZ 2001, S. 31). Zwar existiert mit dem § 52 EPU eine gesetzliche Regelung, die eIne Patentierung von Computersoftware und angrenzenden Algorithmen und Funktionen ausdrucklich ausschliellt (vgl. FAZ 2001, S. 31), beim EPA finden sich dennoch etwa 30.000 Patentschriften, die diese Art geistigen Eigentums vor Imitation schutzen (vgl. FAZ 2003c, S. 23). Eine Vereinheitlichung der Patentierung von Computersoftware (vgl. FAZ 2000, S. 14) fand bei den Mitgliedstaaten der Europaischen Patentorganisation keine Zustimmung. Der § 52 EPU blieb unverandert. Somit ist die Behandlung von Computersoftware als Patentierungsgegenstand welter offen. Uber eine endgultige Entscheidung zu dieser Streitfrage darf zu diesem Zeitpunkt geratselt werden. 5.2

Patentdatenbanken und ihre Funktion als kostenfreie Datenquellen

Intellectual Property tritt in Form gewerbllcher Schutzrechte auf und ist eine Moglichkeit des Schutzes vor Plagiatismus dar. Besonders wird das Patent als Option

100

Prozedschritt 2: Identifikation von Patenter!

des Erfmdungungsschutzes von Unternehmen genutzt, urn neue Technologien zu protegieren. Patentinformationen sind fur jedermann zugSnglich und erfullen eine umfassende Informationsfunktion. In den letzten Jahren und Jahrzehnten stieg die Anzahl der Patentanmeldungen und Patenterteilungen in den PatentSmtern aller groUen Industrienationen stetig an. Hierdurch wurde eine Nachfrage nach geeigneten Datenqueilen ausgelost. Durch den Einsatz moderner Computersysteme zur Informationsbereltstellung ersetzt die Patentdatenbank die hsindische Recherche in Patentarchiven. Fachinformationen sind aus diversen Patentdatenbankangeboten abfragbar. Generell wird unterschieden in kostenpflichtige Patentdatenbankangebote (vgl. dazu Wurzer 2003a 2003, S. 177-190) und kostenfreie Angebote im WWW. Unter kostenpflichtigen Patentdatenbankangeboten wird u. a. die DPCI von Derwent Information Limited subsumiert. Fur kommerzielle M&A-Berater und Unternehmen sind solche kostenpflichtigen Angebote zugSnglich, fur wissenschaftliche Zwecke eignen sich die kostenfreien Angebote, welche daher in dieser Arbeit naher betrachtet werden. Die Informationsfunktion eines Patents wird durch die Rechercheangebote im WWW der groBen nationalen und multinationalen Patentsimter unterstutzt. Wie die Patentangebote der unterschiedlichen Patentamter ausgestaltet sind, soil im folgenden gezeigt werden. Es werden die Patentdatenbankangebote des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA, vgl. Abschnitt 5.2.1), das Angebot des Europaischen Patentamtes (EPA, vgl. Abschnitt 5.2.2) und das Angebot des United States Patent and Trademark Office (USPTO, vgl. Abschnitt 5.2.3) vorgestellt. 5.2.1

Datenbankangebot des Deutschen Patent- und Markenamtes (DEPATISnet)

Mit dem DEPATISnet bietet das DPMA (DEPATISnet 2001) ein umfangrelches Patentdatenarchiv.

Es umfaSt mehr als 25 Millionen

Patentdokumente

bzw.

-schriflen, die kostenfrei abzufragen sind (siehe hierzu und Im folgenden DEPATISnet 2001; siehe auch Thoma 2002, S. 81-104). Neben dem Zugriff auf alle deutschen Patente seit 1877 eriaubt das DEPATISnet Recherchen zu einer Vielzahl an Patenten aus den PatentSmtem der Welt. Der Datenbestand umfaUt u. a. die USA (Datenbestand ab 1790), Japan (Datenbestand seit 1976) und Europa (Datenbestand seit 1978).

Prozedschritt 2: Identifikation von Patenten





101

Das Rechercheangebot ist unterteilt in funf Recherchearten:



Die Einsteigerrecherche eignet sicii fur einfaciie Suchabfragen. Es werden verschiedene Suchfelder vorgegeben.



Die Expertenreciierche bietet meiir als 20 bibliograpiiische Suchfelder zur Erstellung komplexer Suchanfragen. Die Syntax ist durcii Verwendung von logischen

und

numerischen

Operatoren,

Trunkierungen

Oder

Nachbar-

schaftsoperatoren modifizierbar. •

Die Ikofaxrecherche richtet sicii an Fortgesclirittene im Bereich Patentreclierciie. Fur die Suchanfrage ist die gewunsclite Syntax in das Suchfeld einzutragen.



Die Patentfamilienreciierche ermoglicht das sciineile und unkonnplizierte Auffinden zum Ausgangspatent geiiorender Patente.



Der Nutzer kann die Assistentenreclierche einsetzen. Von Faclileuten des lokalen Patentinformationszentrums (PIZ) wird eine Erstanfrage kostenfrei beantwortet. Ergebnis aller Recherchearten ist eine Trefferliste. Zu alien Treffern wird dem Nutzer eine Anzeige mit den bibllographischen Daten angeboten. Die Dokumentenanzeige erfolgt in pdf-Format. Jede Dokumentseite wird einzeln angezeigt.

5.2.2

Datenbankangebot des Europaischen Patentamtes (Esp@cenet)

Das esp@cenet ist ein Angebot des Europaischen Patentamtes (EPA). Es unterstutzt die Recherche nach Patentanmeldungen in verschiedenen Datenbanken (EPA 1999). Der Nutzer hat kostenfreien Zugriff auf uber 30 Millionen Einzeldokumente aus aller Welt (siehe hierzu und im folgenden EPA 1999). Die verschiedenen Datenbanken weisen unterschledlichen Umfang auf: (i) In der Datenbank der European Patent Office befinden sich die Patentanmeldungen beim EPA der letzten 24 Monate. Neue Anmeldungen werden wochentlich eingepflegt. (ii) In der Datenbank der World Intellectual Property Organisation (PCT) werden die Patentanmeldungen abgelegt, die bei der WIPO in den letzten 24 Monaten eingereicht

102

Prozelischritt 2: Identifikation von Patenter!

worden sind. Die Datenbank wird alle zwei Wochen urn die entsprechenden Neuanmeldungen erweitert. (iii) Die Datenbank Worldwide - 30 million documents - enthalt Patentanmeldungen aus uber 50 Landem. Der Datenbestand wird je nach Datenperiode des jeweiligen Patentamtes erweitert. (iv) Die Datenbank Japan enthSIt alle Zusammenfassungen von japanischen PatentverSffentlichungen seit Oktober 1976. Diese Datenbank wird wegen des Aufwands fur anzufertigende Obersetzungen aus dem Japanischen erst sechs Monate nach ihrer Veroffentlichung mit den jeweiligen Patentanmeldungen gespeist. Alle Datenbankangebote verfugen uber Suchmasken, die vordefmierte Suchfelder anbieten. Eine freie Suchanfrage, wie im Datenbankangebot des Deutschen Patent- und Markenamtes, ist im esp@cenet nicht moglich. 2003 wurde der kostenfreie Service des esp@cenet durch Abfragemoglichkeiten zu Familien- und Rechtsstandsdaten enA/eitert (vgl. Paris 2003, S. 115-118). Es stehen dem Nutzer drei Suchoptionen zur Verfugung:



die Schlagwortsuche,



die Abfrage mittels der Patentnummer und



die Abfrage mittels des Anmeldernamens.

Das Rechercheergebnis wird als Obersicht uber die Treffer inklusive Patenttitel und Veroffentlichungsnummer dargestellt. Zu jedem Treffer sind bibliographische Daten und eine Zusammenfassung des Patentinhalts verfugbar. Das der Suchanfrage entsprechende Patent und eventuell korrespondierende Patentschriften sind durch einen Hyperlink hinterlegt. Alle Treffer werden im pdf-Format angezeigt und sind seitenweise einsehbar. 5.2.3

Datenbankangebot des United States Patent and Trademark Office (USPTO)

Neben den genannten nationalen (DPMA) und europaischen Patentdatenbanken (EPA) im WWW bletet das Patentamt der Vereinigten Staaten von Amerlka (USPTO) eine zusatzliche M6glichkeit, nach Patenten zu recherchieren an (vgl. ThomS 2002, S. 46-53).

Proze(ischritt 2: Identifikation von Patenten

103

Das USPTO bietet umfangreiche Recherchemoglichkeiten. Das USPTO-Datenbankangebot (USPTO 2003) enthalt alle Patentschriften der USA seit 1790, untertejit in sechs Zeitabschnitte. Innerhalb der Datenbanken ist die Reciierche nach USamerikanisciien Patentdokumenten sowie Patentschriften durchfuhrbar. Die Datenbank Patent Applications entiialt alle Patentanmeldungen seit Marz 2001 (vgl. Milde 2002, S. 207-217). Die Datenbank Issued Patents unnfafit alle US-amerikanischen Patentschriften seit 1790. Ab Jahrgang 1976 steht ein Volltextdokument zur Verfugung. Generell stehen zwei Recherchearten zur Auswahl: (i) Die Schnellsuche eriaubt die Eingabe eines Wortes. Ein Suchfeld ist zu definleren. Die Verknupfung von zwei Wortern erfolgt durch Verwendung der boolschen Operatoren. (ii) Die Erweiterte Suche stellt ein Eingabefenster bereit, in dem eine Abfragesyntax eingegeben werden kann. Es sind spezifische Feldbezeichner in einer Ubersicht zusamnfiengefaBt. Alle Abfragen sind durch boolsche Operatoren individuell anpaflbar. Konfiplexe Abfragen sind nur In der aktuellen Datenbank mit eingeschranktem Datenangebot (1976 bis heute) ausfuhrbar. Eine Abfrage in der gesamten Patentdatenbank ist mittels Eingabe einer Patentnummer oder einer US-amerikanischen Patentklassifikation (USPC) ausfuhrbar. In der Datenbank enthalten sind zusatzllch Design Patents, dem Schutzgegenstand nach mit dem deutschen Geschmacksmuster vergleichbar (vgl. Munch 1992, S. 17). Design Patents werden mit dem Prafix D vor der Patentnummer kenntlich gemacht (vgl. Abschnitt 6.1.3). Ergebnis jeder Abfrage ist ein Obersichtsfenster mit Patentnummern sowie Patenttiteln. Durch Auswahl der Patentnummer Oder des Patenttitels ist das Patent in html-Format einzusehen und konnen mittels Viewer angezeigt werden. 5.3

Explorative Fallstudie Freudenberg & Co. KG

Die Organisationsstruktur der Freudenberg & Co. KG ist Grundlage der exemplarischen Patentrecherche. In den Patentdatenbanken (vgl. Abschnitt 5.2) wird eine Namensrecherche durchgefuhrt. Neben den unter der Fuhrungsgesellschaft Freudenberg & Co. KG, Weinheim erteilten Patenten sollen die Patente der jeweiligen Produktionsgesellschaften des Inlands (vgl. Freudenberg 2001a, S. 59) identifiziert und in die Datenbasis aufgenommen werden. Die Namensrecherche unterstutzt die

- Prozedschritt 2: Identifikation von Patenten

104-

Zuordnung zu einer Organisationseinheit. Es werden die Fuhrungsgesellschaft sowie alle Produktgesellschaften (vgl. Tabelle 5-5) abgefragt. Insgesamt sind je 18 Abfragen durchzufuhren. Tabelle 5-5:

Abfrage

Anzahl der identifizierten Patente, untergliedert nach Produktionsgeseilschaft und Datenbank. Quelle: Eigene Recherchen.

Anmelder

c (0

c

i

(0

i (0 3

Q

1

Freudenberg & Co. KG, Weinheim (inklusive Freudenberg-NOK)

739

761

682

2

Freudenberg Aniagen- und Werkzeugtechnik KG, Laudenbach

0

0

0

3

Freudenberg Bausysteme KG, Weinheim

0

0

0

4

Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik KG, Weinheim

0

0

0

6

Freudenberg Gygli GmbH. Weinheim

0

0

0

6

Freudenberg Haushaltsprodukte Augsburg KG, Augsburg

0

0

0

7

Freudenberg Leder KG, Weinheim

0

0

0

8

Freudenberg 0-Ringe KG, Weinheim

0

0

0

9

Freudenberg Schwingungstechnik Industrie GmbH & Co. KG, Velten

0

0

0

10

Freudenberg Simmeringe KG, Weinheim

0

0

0

11 12

Freudenberg Spezialdichtungsprodukte KG, Weinheim

0

0

0

Freudenberg Vllesstoffe KG, Weinheim

0

0

0

13

Hugo FaHbender Dichtungsgesellschaft mbH, Weinheim

0

0

0

14

Integral Accumulator KG, Weinheim

0

0

0

15

KlOber Chemie KG, Maisach-Gerlinden

2

2

4

16

Kluber Lubrication Munchen KG, Munchen

3

1

0

17

Merkel Freudenberg Fluidtechnic GmbH, Hamburg

0

2

0

18

Simrax GmbH Gleitringdichtungen, Weinheim

0

0

0

Die Abfrage mit dem Namen der MuttergeselJsciiaft (vgl. Tabelle 5-5 - Abfrage 1) lleferte in alien Patentdatenbanken die groRte Anzahl an Treffern. Im esp@cenet wurden 761 Patente mit der Anmeldeinformation Freudenberg & Co. KG Identifiziert. Im DEPATISnet wurden 22 Patente weniger erkannt. Die geringste Anzahl an Patenten lieferte das USPTO. Mit 682 Patenten wurden 79 Patente weniger als im esp@cenet und 57 weniger als im DEPATISnet identifiziert.

Prozedschritt 2: Identifikation von Patenter!

^105

Neben Abfrage 1 lieferten nur die Abfragen 15 und 16 Ergebnisse. In der Datenbank des D P M A sind zwei Patente mit der Patentanmeldeinformation Kluber Chemie KG und drei mit Kluber Lubrication Munchen KG erkannt worden. Das esp@cenet wies ebenfalls Ergebnisse fur die Abfragen 15 (zwei Patente) und 16 (ein Patent) aus. Z u satzlich wurden zwei Patente mit der Patentanmeldeinformation Merkel Freudenberg Fluidtechnic identiflziert. Die Ergebnisse des U S P T O lieferten ein anderes Bild. Nur fur die Abfrage 15 sind 4 Patente als Ergebnismenge dargestellt. Die unterschiedlichen Ergebnisse sind wie folgt zu deuten:



Das esp@cenet bietet sowohl Patentdokumente als auch Patentschrlften an. Die Anzahl potentieller Treffer ist daher allgemein hoher.



Der Datenumfang des U S P T O ist eingeschrankt. Eine Recherche nach A n melderinformationen ist auf den Zeitraum ab 1976 beschrankt. Fruhere Patenterteilungen sind nicht in der Ergebnismenge enthalten.



Die differierende Anzahl an Ergebnissen zur Recherche nach Produktionsgesellschaften ist als Ergebnis des unterschiedlichen Datenumfangs und Abfragezeitraums zu sehen. AuRerdem existieren oftmals fehlerhafte Anmeldelnformationen in der Datenbank des U S P T O . Eine Namensrecherche fuhrt nicht i m m e r z u m Erfolg.

Im Ergebnis (vgl. Tabelle 5-5) zeigt sich die Problematik der versteckten Patentierung und der Zuordnung von Patenten zu Unternehmensbereichen. Nur wenige der Produktionsgesellschaften treten als eigenstandlge Anmelder auf. Die Freudenberg & Co. KG nimmt die Anmeldung von Erfindungen unter einem gemeinschaftlichen Dach vor. Fur M&A-Belange bedeutet dies, daB die Patente potentieller Zielobjekte nicht Oder nur schwierig zu identifizieren sind. Die vollstandige Patentbasis als Bewertungsgrundlage fur M&A ist nur schwer zu erkennen. Wichtige Patente sind meist so gut verdeckt, d a d eine Identifikation beinahe unmoglich ist.

106

Prozefischritt 2: Identifikation von Patenten

Fur die weiteren ProzeHschritte ist eine Datenquelle auszuwahlen. Unter Wurdigung der formulierten Restriktionen wird das kostenlose Patentdatenbankangebot des USPTO als Patentdatenquelle gewahlt. Dies erfolgt aus zwei Grunden:



Das USPTO ist die originare Datenquelle fur US-amerikanische Patente. Die Aktualitat der Quellen ist damit gesichert.



Das USPTO ist die einzige der drei kostenlosen Datenbankquellen, die ihre Patente in einem fur die IT-unterstutzte Weiterverarbeitung geeigneten Datenformat anbietet.

Fur die explorative Fallstudie bedeutet dies eine Einschrankung des Betrachtungszeitraums. Es wurden ausschlieBlich Patentschriften identifiziert, die ab dem 01.01.1976 erteilt wurden. Als Patentbasis des potentielien Zielobjekts wurden 686 Patente erkannt (Abfragedatum 20.09.2002, Stichtag 31.07.2002). Neben 682 Patenten, die unter der Fuhrungsgesellschaft bzw. der Firma Carl Freudenberg angemeldet wurden, sind zusatzlich 17 Produktionsgesellschaften als Anmelder abgefragt worden (vgl. Tabelle 5-5). Diese Recherchen lieferten nur fur die Produktionsgesellschaft Kluber Chemie KG ein Ergebnis. Vier US-amerikanische Patente wurden der Patentdatenbasis hinzugefugt.

Prozedschritt 3: Selektion von Patenter! eines Unternehmenssegments

107

6 ProzeBschritt 3: Selektion von Patenten eines Unternehmenssegments

Nach der Identifikation der Patente eines Unternehmens, die im ProzeBschritt 2 ausgefiJhrt wurde, geht es nun darum, die Patente eines Unternehmenssegments zu selektieren. Dieser ProzeBschritt 3 hat seine Relevanz darin, daR es bei IVI&ATransaktionen haufig nicht nur um Untemehmen oder Konzeme in ihrer Gesamtheit, sondem um einzelne Untemehmensegmente geht. Fur den genannten Zweck - die Selektion von Patenten eines Unternehmenssegments -• eignen sich Identifikationsmerkmale, die im Patent enthalten sind. So enthalten Patente relevante Identifikationsmerkmale, wie z. B. Anmelder- oder Erfindernamen, die eine Zuordnung des Patents zu einem Unternehmen oder Unternehmenssegment erieichtern. Im folgenden werden Seiektionskriterien (vgl. Abschnitt 6.1) aufgezeigt, die eine Selektion der zu einem Unternehmenssegment gehorigen Patente unterstutzen. Innerhalb der explorativen Fallstudie ist der Einsatz der Seiektionskriterien zur Abgrenzung des Unternehmenssegments Freudenberg Dichtungsund Schwingungstechnik angeschlossen (vgl. Abschnitt 6.2). Mit der verstarkten Nutzung von Patenten als strategische Instrumente wird die Patentierung allerdings zu einem gezielten „Versteckspiel", was die Aufgabe erschwert und eine Nachselektion innerhalb der Analyseschritte (ProzeBschritt 4) erforderiich macht. Eine Systematik verdeutlicht das Problem. Betrachtet man ein Unternehmen, das zahlreiche Unternehmenssegmente besitzt und zu einem Konzern gehort, so ergeben sich drei generelle Optionen zur Auswahl von Anmeldeinformationen:



Anmeldung unter dem Namen des Mutterkonzerns: Das Patent wird nicht unter dem Namen des Unternehmens oder Unternehmenssegments patentiert, in dem die Erfindung getatigt wurde. Die Zuordnung zur betreffenden Unternehmenseinheit soil moglicherweise durch die Anmeldung unter der hierarchisch ubergeordneten Organisationseinheitgezieltvertuscht werden.

108

Prozeftschritt 3: Selektion von Patenten eines Unternehmenssegments •

Anmeldung unter dem Namen eines zum Konzern gehfirigen Unternehmens: Die Erfindung wurde in einem Unterneiimenssegment getatigt, aber die iniialtliche

Zugehfirigkeit

wird

dadurch

verdeckt,

dali

unter

dem

Unter-

nehmensnamen angemeldet wird. Eine zusdtzliche Variante der verstecl

Originalpatent

^Semantische^ ^Analyse

Syntaktische\ Analyse y^

^Lexikalische he\ ^Analyse

SAO Pump - moves - water Seal - support - flange Seal - prevent - fluid loss

Pre-Formatter

Abbildung 7-3:

Analyseschritte des Knowledgist 2.5™ vom Patent zur SAO-Struktur. Quelle: Eigene Darstellung in Aniehnung an Invention Machine (2002, S. 6-10).

Prozelischritt 4: Nachselektion von Patenten und semantische Analyse

149

Schritt 1: Bereinigung und Zerlegung des Patenttextes durch den Pre-formatter Im ersten Schritt, der Pre-Formatter-Analyse, wird der Patenttext transformiert. Das Patent wird in ein Textformat umgewandelt, Abbildungen und andere nichttextliche Elemente werden entfernt. Lexikalische Fehler korrigiert der Knowledgist 2.5™ mit Hilfe eines Wfirterbuchs. Eine Untergliederung des Patenttextes in einzelne Satze wird vorgenommen. Schritt 2: Lexikalische Analyse und Zuordnung potentieller Wortarten Im zweiten Schritt unterzieht der semantische Prozessor des Knowledgist 2.5™ die einzelnen SStze einer lexikalischen Analyse. Dies geschieht ebenfalls mit Hilfe eines Wfirterbuches, das Informationen uber potentielle Wortarten und Zeitformen wie Prasens, Imperfekt, Plusquamperfekt der betrachteten Satzelemente enthalt. Jeder Satzteil wird mit einem Marker (Tag) versehen (vgl. u. a. Schutzrecht US-Patent 6,167,370, S. 8; Invention Machine 2000, S. 7), der aile relevanten Informationen uber das Satzelement festhalt. Folgendes Satzgefuge dient als Beispiel fur die Vorgehensweise (vgl. Tsourikov et al. 2000, S. 7): "The present invention shields a noise of an external magnetic field with the slider and improves a recording performance because the slider is isolated magnetically". Nach der Identifikation der Marken enthdit das Satzgefuge folgende Informationen: The_ATI present_JJ invention_NN shield_VBZ a_AT noise_NN ofJN an_AT externaLJJ magnetic__JJ field_NN withJN the^ATI slider^NN and_CC improves_VBZ a_AT recording_NN performance_NN because_CS the_ATI slider_NN is_BEZ isolated_VBN magnetically. Jede Marke hat eine spezifische Bedeutung (vgl. Tabelle 7-1) und bestimmt die Wortart des Satzelementes.

150-

Tabelle 7-1:

1 Marke

- Prozelischritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

Eriauterung der verwendeten Marken. Quelle: UCREL1993 Bedeutung

Beispiel

AT

Artlkel

the, no

ATI

Artikel - Singular

an, every

BEZ

3. Person PrSsens Singular von sein

is

CC

Steuernde Konjunktion

and, or

cs

Unterordnende Konjunktion

because, unless, so, for

IN

Prdposition

about, above, in, of

JJ

Gebrduchliches Adjektiv

conceptual, sequentuai

NN

GebrSuchliches Substantiv - Singular

computer

VBN

Partizip Perfekt

isolated, shielded

VBZ

Verb In der Fomfi der 3. Person PrSsens Singular

comprises

i

Durch die lexikalische Analyse wird eine Grobstrukturierung der einzelnen Satzelemente vorgenommen. Jedem Satzteil werden eine Wortart oder evti. melirere Wortarten und Zeitformen zugewiesen. Ein Beispiel ist das englischsprachige Wort shield, das einerseits als Substantiv (Marke NN) und andererseits als Verb (l\/larke VB) markiert werden kann. Urn solche Konflikte innerhalb eines Satzes aufzudecken und die passende Marke im Satzzusammenhang zu erkennen, wird im nachsten Schritt die syntaktische Analyse vorgenommen. Schritt 3: Festlegung der wahrscheinlichsten Wortreihung mittels syntaktischer Analyse FQr eine weitere Detaillierung des untersucliten Patenttexts sorgt die syntaktische Analyse. Die markierten W6rter werden ausfiihrlicher untersucht. Die Analyse ist in zwei Zwischenschritte untergliedert. Im ersten Zwischenschritt werden die syntaktischen Regein angewendet. Dies fuhrt zu einer Reduktion der Marken. Im zweiten Zwischenschritt werden statistische Auswertungen herangezogen. Sie bestimmen, welche Wortreihungen unter syntaktischen Gesichtspunkten logisch sind. Im Vorfeld der Konzeption und Programmierung des semantlschen Prozessors wurden technische Dokumente aller Art und im besonderen MaSe Patente analysiert und Reihungswahrscheinlichkeiten von Wortern berechnet. Als Unterstutzung wird das

-151

Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenter) und semantische Analyse -

Hidden-Markov-Model (HMM) hinzugezogen (vgl. Rabiner 1989). Mit diesem Modell sind die Wortarten, die mit hoher Wahrscheinliciikeit vorliegen, determinierbar. Dm eine syntaktische Analyse vorzunehmen, benotigt der Prozessor eine Grammatik der verwendeten Sprache. Der Prozessor muU erkennen, ob die Worte nach den Regein der Zeichenverwendung aufgebaut sind, urn ihnen anschlieBend eine eindeutige Wortart und Stellung innerhalb des Satzbaus zuweisen.

Pump

VBZVB 2.65e-08 ^--VB VBZ 3.54C-08

I

jil!*i

VB NNSv4.00e-07

NN389 NN NNS 5.84C-07

Marke

Bedeutung

Beispiel

NNS

Gebrduliches Substantiv - Plural

pencils.days, weeks

NPL

Substantiv mit lokativem Charakter - Singuar

island, street, circus

VB

Grundform eines Verbs

shine, water

Zur Eriauterung der weiteren Marken siehe Tabelle 7-1

Abbildung 7-4:

Beispiel fiir die Anwendung des Hidden-Markov-Modells. Quelle: Invention Machine (2000, S. 8).

Beispiel: Komplexitat der syntaktischen Analyse Das Beispiel zeigt die Analyse einer Kombination aus drei Wortern mit dem HiddenMarkov-Modell. Jedem Wort wird ein Wahrscheinlichkeitswert entsprechend seiner Wortart zugewiesen (vgl. Abbildung 7-4 - Wert im Kasten). Dieser Wert bestimmt die Wahrscheinllchkeit der einzelnen Wortklasse. Diese Werte (vgl. Abbildung 7-4 Werte oberhalb der Pfeile) geben die Reihungswahrscheinlichkeiten der jeweiligen Kombination an (vgl. Tabelle 7-1).

152

ProzeUschritt 4: Nachselektion von Patenter! und senfiantische Analyse

Ms Beispiel wird das englischsprachige Wort pump betrachtet, das sowohi ein Verb als auch ein Substantiv darstellt (vgl. hierzu und im folgenden Invention Machine 2000, S. 8-9; siehe auch Tabelle 7-1). Fur die Kombination Verb und Verb in der 3. Person Singular ergibt sich eine Reihungswahrscheinlichkeit von 3,54x10"®. GrSlier ist die Wahrscheinlichkeit der Kombination von Substantiv und Verb in der 3. Person Singular. Dieser Wert wird mit 1,66x10® angegeben. Die Wahrscheinlichkeitswerte fur das Zusammentreffen zweier Wortarten sind der Hidden-Markov-Matrix zu entnehmen (vgl. Invention Machine 2000, S. 8). Fur jede denkbare Kombination der Wortarten wird ein Reihungswahrscheinlichkeitswert errechnet (vgl. Tabelle 7-2). In diesem Beispiel sind zwaif Wahrscheinlichkeitswerte (2x2x3 Kombinationsmaglichkeiten) zu ermitteln. Der wahrscheinlichste Pfad bzw. die wahrscheinlichste Wortfolge weist den hdchsten Gesamtwert auf (vgl. Abbildung 7-4 - Pfad gekennzeichnet durch dickere Pfeile bzw. grau unterlegte KSsten; siehe auch Tabelle 7-2).

Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse -

Tabelle 7-2:

-153

Kombinationen und Reihungswahrscheinlichkeiten. Quelle: (Eigene Darstellung).

Lfd. Nr. der Kombination Kombination

Wahrscheinlichlieit der Kombination

1

VB-VBZ-VBZ-VB

9,38x10'^®

2

VB-VBZ-VBZ-NPL

3,54x10"^^

3

VB-VBZ-NNS-NPL

2,45x10-^^

4

VB-NNS - NNS-VB

2,67x10"''^

5

VB-NNS - NNS-NPL

2,77x10""'*

6

VB-NNS - NNS-NN

2,13x10-^'

7

NN-VBZ-VBZ-VB

4,40 xlO-""*

8

NN-VBZ-VBZ-NPL

1,66x10-^^

9

NN-VBZ-NNS-NPL

1,15x10-^^

10

NN-NNS - NNS-VB

3.90 xlO-""^

11

NN-NNS-VBZ-NPL

5,84x10-^^

12

NN-NNS - NNS-NN

3,10x10-''*

Unklar ist der Bezug der Wdrter zueinander. Die Bedeutungsanalyse wird im folgenden Schritt der semantischen Analyse geleistet. Schritt 4: Semantische Analyse Die semantische Analyse weist den Wortern eine Bedeutung zu. Die Kernaussagen des Satzgefuges werden erkannt. Die fur den Sinn relevanten Bestandteile des Satzes werden extrahiert und im SAO-Format dargestellt (vgl. Stauch 2001, S. 2-3). Die fur das Verstandnis des Zusammenhangs irreievanten Satzbestandteile filtert der semantische Prozessor heraus. Innerhalb der semantischen Analyse wird die Bedeutung der Zeichen naher untersucht (vgl. Ulrich 2002, S. 258-259). Es sind die Hauptstrukturelemente Subjekt (Subject), Pradikat (Action) und Objekt (Object) zu identifizieren, und eine sinnvolle

154

Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

Relation zwischen diesen Elementen ist herzustellen. Durch die SAO-Relation wird der Inhalt eines Satzes ausreicliend reprasentierbar. Innerhalb der semantischen Analyse illustriert ein Beispiel die Vorgehensweise (vgl. hierzu und im folgenden Invention Machine 2000, S. 9): "Niacin also reduces Cholesterol in high doses, but also has side effects". Durch die lexikalische und syntaktische Analyse werden die Worter Niacin und Cholesterol als Substantive erkannt. Sie werden mit Marken versehen. Unklar ist jedoch der Zusammenhang zwischen diesen Wortern. Welches Wort ist das Subjekt und welches das Objekt innerhalb des Satzgefuges? Die semantische Analyse deckt diese Relationen auf. Niacin ist das Subjekt, Cholesterol das Objekt und reduces ist das Pradikat des Satzes. Fur diese Kombination liefert die Hidden-Markov-Matrix den hochsten Reihungswahrscheinlichkeitswert (vgl. Invention Machine 2000, S. 8). Ein Satzgefuge kann jedoch mehrere SAO-Strukturen enthalten. Fur das Beispiel gilt, dad „Niacin has side effects" eine weitere semantisch eindeutige und extrahierbare SAO-Struktur darstellt. 7.1.3

Funktionen und Einsatzfelder des Knowledgist 2.5™

Der Knowledgist 2.5™ basiert auf komplexen Analyseprozessen, die im semantischen Prozessor implementiert sind. Diese Art der semantischen Patentanalyse bietet eine ausbaufahige Grundlage fur weitere Analyseansatze, wie den der patentorientierten Ideenfindung (vgl. Walter, Geritz und Mohrle 2003). Generell sind zwei Unterscheidungen beim Einsatz des Knowledgist 2.5™ zu treffen. Erstens unterstiitzt er mit den implementierten Funktionen spezifische Analysebedurfnisse und zweitens dient er als Hilfsmittel in sehr unterschiedlichen Einsatzfeldern. Im folgenden werden die Funktionen (Abschnitt 7.1.3.1) und die Einsatzfelder (Abschnitt 7.1.3.2) der Software Knowledgist 2.5™ vorgestellt. Unter Funktionen werden die Kern- und Hilfsfunktionen, wie z. B. der Synonymfilter Oder die Zusammenfassungsfunktion, verstanden (siehe hierzu und im folgenden Invention Machine 2003). Die Einsatzfelder dienen der Ubertragung von Funktionen oder Funktionskombinationen auf spezielle technologieorientierte Fragestellungen.

Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenten und semantische Analyse

155

7.1.3.1 Funktionen des Knowledgist 2.5^^ Der Knowledgist 2.5™ bietet dem Nutzer acht unterschiedliche Funktionen der semantischen Text- bzw. Patentanalyse an. Zum einen gibt es funf Kernfunktionen, die nach der Art der Datenquelle gegliedert sind, und zum anderen drei Hilfsfunktionen, die auswertungsunterstutzend eingesetzt werden. Kernfunktionen: Werkzeuge der semantischen Text- und Patentanalyse

Durch die Funktion E-IVIail Processing wird der Wissensbestand in der E-Mail-Korrespondenz zielgerichtet auf SAO-Strukturen untersucht. Die Funktion E-Mail Processing anaiysiert englischsprachige E-Mails und extrahiert die enthaltenen SAO-Strukturen. Der Fokus kann auf vordefinierten Schlusselwortern (Focus on Sentences with Word) liegen. Ebenso ist ein Zeitraum der Analyse festzulegen. E-Mail-Attachments konnen in die Analyse einbezogen werden. Die Funktion Local File Processing ermoglicht die semantische Analyse von Dokumenten, die lokal auf der Festplatte des PCs oder auf einem Netzlaufwerk abgelegt sind. Es werden sowohl einzelne Dokumente als auch ganze Ordner der semantischen Analyse unterzogen. Schlusselworter sind definierbar. In Folge dessen werden jene Dokumente ausgeschlossen, die keines der definierten Schlusselworter enthalten. Das Local File Processing unterstiJtzt zudem die Analyse von verknijpften Dokumenten. Verknupfungen zu Dokumenten im WWW sind problemlos in die Analyse einzubinden. EIne zentrale Funktion der semantischen Analyse von Patenten ist die Patent Search. Es werden verschiedene bibliographische Felder, wie z. B. Anmelder, Patentnummer oder IPC, angeboten. Eine Datenbankabfrage Ist durch diese Felder individuell gestaltbar. Der Knowledgist 2.5™ stellt dem Nutzer Zugang zu sieben verschledenen Patentdatenbanken sowie zur Patent Corporation Treaty Electronic Gazette zur Verfugung (Invention Machine 2001a, S. 7). Je nach Bedarf ist eine EInschrankung auf eine oder mehrere Patentdatenbanken moglich. Ein Limit der zu analysierenden Patentdokumente kann gesetzt und die Fokussierung auf definlerte Schlusselworter gelegt werden.

156

Prozelischritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse



Die Funktion Web Search ahnelt der Recherche mit einer Standardsuchmachine wie Google Oder Yahoo. Im Gegensatz zu Standardsuchmaschinen sondiert der Knowledgist 2.5™ das Deep Web (vgl. Invention Machine 2001b, S. 5). Die Intersetseiten des Deep Webs sind nicht durch URL anzusteuern, sondern erfordern die Komplettierung eines im WWW hinterlegten Suchformulars. Die Schlusselwortsuche ist in drei Modi durchfuhrbar: (i) mittels einer UND-VerknQpfung der Schlusseiwfirter, (ii) mittels einer ODER-Verknupfung der SchlusselwOrter und (iii) mittels der Suche nach der exakten SchlQsselwortfolge. Eine Vorauswahl der maximal zu analyslerenden Treffer verhlndert die Analyse von zu groUen Treffermengen. Der Knowledgist 2.5™ ist in der Lage uber 2000 Internetseiten nach den Schlusselwortern zu durchsuchen. Etwa 70 Prozent dieser Seiten stammen aus dem Deep Web. Zur leichteren Orientierung sind sie nach Industriezweigen klassifiziert.



Das Web Site Processing unterstQtzt die direkte Verarbeitung von Internetseiten sowie der dazugehorigen Links. Beim Web Site Processing ist ein Fokus auf Schlusselworter und eine Begrenzung der maximal zu analyslerenden Internetseiten optional definierbar.

Hilfsfunktionen: Werkzeuge zur Auswertungsunterstutzung



Die Funktion Summary unterstutzt bei der gezielten Zusammenfassung von Inhalten des jeweiligen Quelldokuments. Die Summary-Funktion wird durch Auswahl des Summenzeichens, vor dem jeweiligen Dokumenttitel gestartet. Die Zusammenfassung eines Patents enthSIt eine Obersicht uber das Anwendungsfeld und das Ziel der technischen L6sung sowie die verwendete L6sungsmethode. Je nach Wunsch ist der Detaillierungsgrad der Zusammenfassung zu erhohen oder zu verringern. Die Zusammenfassung kann dem Reporting der Abfrage hinzugefugt werden.



Die Funktion Reporting dient der Dokumentation relevanter SAO-Strukturen. Der Report enthSIt neben Daten, die zur Reproduzierbarkeit der Abfrage beitragen, selektierte SAO-Strukturen. Sie sind mittels einer Auswahloption indi-

Prozeftschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

157

viduell hinzuzufugen. Durch die Dokumentzusammenfassung wird der Report (vgl. Summary-Funktion) angereichert. Er ist speicher- und druckbar. •

Die Filter- und Synonym-Funktion reduziert die SAO-Strukturen nach zwei Kriterien. (i) Der Standard- sowie der technische Filter verringern die Anzahl der Problemlosungsstrukturen durch Anwendung von Filterfunktionen. (li) Die Synonym-Funktion fasst alie Problemlosungsstrukturen zusammen, die auf Shnlichen Schlusselwortern basieren. Filter und Synonymlisten sind individuell zu erstellen und zu modifizieren (Abschnitt 7.2.1). Die Filter- und Synonymfunktion steht ausschlieRlich auf der Nutzeroberflache zur Verfugung, Die gefllterten bzw. anhand der Synonyme zusammengefaliten SAO-Strukturen sind nicht exportlerbar.

7.1.3.2

Einsatzfelder des Knowledgist 2.5^'^

Neben dem in dieser Arbeit verfolgten Hauptzweck - der Nachselektion von Patenten im M&A-Prozeli - gibt es weitere Einsatzfelder des Knowledgist 2.5'^'^. Im Quick Guide stent Invention Machine neben den Funktionen des Knowledgist 2.5™ drei davon vor:

Bin Einsatzfeld ist die Bestimmung und Analyse der Technologien von Wettbewerbern. In einem ersten Schritt werden die relevanten Patente zu einem definierten Schlusselwort sowie einem Patentanmelder durch eine Patentrecherche identifiziert. Sie werden anschlieliend der semantischen Patentanalyse unterzogen. Die extrahierten Problemlosungsstrukturen sind nach ahnlichen SAO-Strukturen zu untersuchen. Diese Analyseoption gibt dem Nutzer einen Uberblick uber die Technologien der potentiellen Wettbewerber und ermoglicht ihm, die bestehenden Dlfferenzen zwischen den jeweiligen SAOStrukturen zu erkennen. Ebenfalls hilfreich ist der Knowledgist 2.5™ im zweiten Einsatzfeld, namlich bei der Identifikation von Markten fur bereits vorhandene technische Losungen. Der Nutzer umschreibt die Technologie in Form einer oder mehrerer

158

Prozelischritt 4: Nachselektion von Patenten und semantische Analyse SAO-Strukturen. Durch die Funktion Patent Search werden alle Patente identifiziert, in denen die definierten SAO-Strukturen innerhalb des Patenttextes erscheinen. Durch die Analyse der extrahierten 0-Strukturen sind neue Markte zu lokalisleren. Als Beispiel wird die Suche nach clean (A-Struktur) und ultrasonic vibration (S-Struktur) angefuhrt. Der Knowledgist 2.5™ ermittelt alle Patente, die innerhalb des Patenttextes beide Strukturen enthalten und extrahiert aus diesen Patenten die relevanten SAO-Strukturen. Die Analyse hilft bei der Beantwortung zweler Fragen: (i) Was konnte ebenfalls gereinigt werden (Suchgegenstand 0-Struktur)? Und: (ii) In welchen Anwendungsfeldern sind Ultraschallschwingungen einsetzbar (Suchgegenstand AO- S-Strukturen)? •

Ein drittes Einsatzfeld ist die Suche nach bereits vorhandenen technischen Losungen. Hierzu ist sowohl die Funktion Patent Search als auch die Web Search einsetzbar. Die technische Losung wird in Form einer SAO-Struktur abstrahiert. Die jeweiligen S- und 0-Strukturen sind als Schlusselworter fur die Recherche zu ven/venden. Ergebnis ist eine Auflistung aller SAO-Strukturen, die aus der Recherche hervorgehen. Sie sind auf vergleichbare SAO-Strukturen hin zu untersuchen.

7.1.4

Weitere IT-unterstutzte Techniken zur Patentanalyse

Der Knowledgist 2.5™ bietet zahlreiche Funktionen, die bei der Analyse in diversen Komblnationen einsetzbar sind. Neben dem Knowledgist 2.5™ gibt es auf dem Softwaremarkt eine Vielzahl an Produkten, die Patente auf sehr unterschiedliche Art und Weise zu erschlieUen versuchen. In diesen Produkten sind Techniken implementlert, die unter dem Begriff Patinformatics zusammenzufassen sind. Unter Patinformatics wird die Wissenschaft verstanden, Patentinformationen gezielt IT-unterstiJtzt zu analysieren und inhaltliche Zusammenhange darzustellen. Diese Zusammenhange werden beim Lesen eines Patents nicht Oder nur unter sehr groBem Aufwand sichtbar. Der Begriff Patinformatics lehnt sich stark an die in der Biologie bzw. der Chemie gebrSuchlichen Begriffen Bioinformatics und Cheminformatics an (vgl. Trippe 2003, S. 211). Unter Patinformatics werden die Begriffe Patent Intelli-

Proze(lschritt 4: Nachselektion von Patenten und semantische Analyse

159

gence, Patent Mapping und Patent Citation Analysis subsumiert (vgl. hierzu und im folgenden Trippe 2003, S. 211):

Patent Intelligence wird als der Gebrauch von Patentinformationen zur Identifikation von technoiogischen Kompetenzen verstanden. Text- Oder Datamining (siehe auch Zeller 2003) sind Hilfsmittel hierzu. Die generierten Informationen werden zur strateglschen Planung der Technologieentwicklung Oder der Technologiefriihaufklarung genutzt. Patent Mapping (siehe hierzu auch Kohonen 2001; Yoon, Yoon und Park 2002, S. 291-300; Yoon und Park 2004, S. 37-50) ist eine graphische Darstellung von Patentinformationen. Es dient zur Aufdeckung inhaltlicher Verbindungen zwischen Patenten und basiert u. a. auf Frequenzanalysen. Die Patent Citation Analysis beantwortet verschiedene Fragen, die einerseits im strateglschen und andererseits im operativen Management angesledelt sind. Die Patent Citation Analysis unterstutzt die Identifikation von Schlusseltechnologien eines Unternehmens.

- Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

160-

Tabelle 7-3:

Patinformatics-Techniken und Software-Beispiele. Quelle: Trippe (2003. S. 213).

Techniken

Software-Beispiele

List Cleanup und Grouping of ConceptTechniken

VantagePoint, Clear-Research, OmmViz, Aureka, Themen-Scape

List Generation (Histograms)

VantagePoint, ClearResearch, Aureka Reporting, Knowledgist, Technology Watch, Wisdomain Analysis Module, Delphion PatLab II, SciFinder,

Co-occurrence Matrices and Circle Graphs

SclFinder Panorama, VantagePoint, ClearResearch, Aureka Reporting, Wisdomain Analysis Module, Delphion PatLab II

Clustering of Structured (Fielded) Data

Technology Watch, ClearResearch, OmniViz, VantagePoint

Clustering of Unstructured (Text) Data

Aureka Themescape, ClearResearch, OmniViz, Vivisimo, Delphion Text Clustering, VantagePoint

Mapping Docunnent Clusters

Aureka ThemeScape, TechScape, Technology Watch, ClearResearch, OmniViz, Vantage Point

Adding Temporal Component to Cluster Map

Aureka ThemeScape, ClearResearch, OmniViz

Citation Analysis

M-CAM, Aureka Citation Trees, Delphion Citation Link, Metrics Group Citation Bridge, Wisdomain Citation Module

SAO Functions

Knowledgist 2.5"'"'^

Hinter diesen Oberbegriffen verbergen sich neun einzelne Analysetechniken (vgl. Tabelle 7-3). Trippe (2003, S. 212-219) definiert die Hauptinhalte der Patinformatics Techniken folgendermaUen:

List Cleanup und Grouping of Concepts ist die handische Oder automatische Standardisierung von Begriffen innerhalb eines Datenfeldes. Durch das List Cleanup wird eine Liste urn jene Begrlffe reduziert, die keine Relevanz fur die Suchanfrage aufweisen. Das Grouping von Konzepten umfadt die Standardisierung von Begriffen zur Beseitigung falscher Schreibweisen und Einfuhrung von Synonymen sowie alternativer Begriffe zur Beschreibung ahnlicher Konzepte. Ein Softwarebeispiel ist Aureka der Firma Micropatent. Die List Generation visualisiert diverse patentrelevante Metriken. Es werden z. B. Histogramme von Datenfeldern angeboten, die einen Vergleich gestatten.

Prozedschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

161

Ein Softwarebeispiel fur die Umsetzung der List Generation ist SciFinder der Firma CAS. •

Die Co-occurrence Matrices und Circle Graphs stellen Datenfelder dar, indem je ein Feld auf der x- bzw. y-Achse (Co-occurrence IVIatrices) oder auf den gegenuberliegenden Seiten eines Kreises (Circle Graphs) abgetragen wird. Die Haufigkeit des gemeinsamen Auftretens von Datenfeld x und Datenfeld y wird in der Matrix vermerkt oder als Linie zwischen den Elementen auf einem Kreis gekennzeichnet. Diese Technik offenbart sowohl die Verbindungen an sich als auch die Starke der Verbindungen zwischen zwei Datenfeldern. Mit Aureka Reporting liefert die Firma Micropatent ein weiteres Modul, das diese Technik nutzt.



Das Clustering of Structured (Fielded) Data dient der Analyse und Anordnung von Patenten nach standardisierten Angaben, wie z. B. Anmelder oder Erfinder (INID-Code [71] und [72]). Diese Technik bezieht sich hauptsachlich auf bibliographische Daten. Patente, die einen hohen Prozentsatz an strukturierten Daten teilen, werden als ahnlich erachtet. OmniViz der gleichnamigen Firma macht sich diese Technik zu Nutze.



Beim Clustering of Unstructured (Text) Data wird der Volltext eines Patents untersucht. Im Gegensatz zu bibliographischen Angaben eines Patents wird der Patenttext als unstrukturierter Text wahrgenommen (Camus und Brancaleon 2003, S. 155). Der Analysefokus liegt in der Offenlegung von Konzepten und Satzgliedern, die bisher nicht betrachtet wurden. Dieser Teil des Patents enthalt die vom Autor beabsichtigte Struktur. Die Analyse dieser Textart ist daher weitaus komplexer als die strukturierter Daten. Es werden jene Patente als ahnlich erachtet, die einen hohen Prozentsatz an identischen Konzepten Oder Satzgliedern enthalten. Ein Softwarebeispiel ist Delphion Text Clustering der Firma Thomson Delphion.



Die Mapping Document Clusters sind eine weitere Option, Ahnlichkeiten zwischen Patenten zu visualisieren. Es werden jene Patente in einer Ebene gemeinsam dargestellt, die defmierte Elemente teilen. Je mehr Ahnlichkeit zwischen zwei Patenten vorliegt, desto naher werden sie auf der Ebene

162

Prozeftschritt 4: Nachselektion von Patenten und semantische Analyse abgebildet. Analyseziel ist es, die Beziehungen zwischen den Patenten bzw. Patentclustern sichtbar zu machen. Mit ClearResearch stellt die Firma ClearForest ein Werkzeug zum Document Cluster Mapping zur Verfugung. •

Adding Temporal Components to Cluster Maps dient dazu, den Cluster Maps eine Zeitkomponente hinzuzufugen. Die Visualislerung der Zeitkomponente erfolgt z. B. mit Hilfe von Farben. Die Entstehung und Entwicklung eines Technologiezweiges oder eines neuen technologischen Trends transparent zu machen, Ist Hauptziel dieser Technik. OmniViz setzt diese Technik in einem Softwareprodukt um.



Die Citation Analysis ist ein bewahrtes Mittel zur Identifikation von bibliometrischen Beziehungen zwischen Patenten. Durch die Zitierung von Entgegenhaltungen (INID-Code [56]) sind diese Verbindungen aufeudecken. Sie sind z. B. numerisch festzuhalten, zu Kennzahlen zusammenzufassen oder in Zitatbaumen darzustellen. Diese Technik wird in Wisdomain Citation der gleichnamigen Firma genutzt.



Die semantische Patentanalyse nach Invention Machine wird als SAO-Funktion bezeichnet (vgl. Trippe 2003, S. 219 - 220). Sie stellt einen Weg dar, Patente inhaltlich zu erschlieRen (Abschnitt 7.1.2). SAO-Funktionen symbolisieren die im Patent enthaltenen Problemlosungsstrukturen.

7.1.5

Ausgewahite Beispiele zu IT-unterstutzten Werkzeugen der Patentanalyse

Neben den von Trippe formulierten Patinformatics-Techniken (Abschnitt 7.1.4) werden weitere Techniken wie Ontologien und Text sowie Data Mining zur Patentanalyse herangezogen. Die verschiedenartigen Anforderungen an die Analyse von Patenten bieten Raum fur zahlreiche Softwareprodukte und -prototypen. Im folgenden werden

vier

Beispiele

aufgezeigt:

(i)

Decopa,

(ii)

BibTechMon™, (ill)

IPC-

Spektralanalyse und (iv) ArchiPat. Sie nutzen zum einen Patinformatics-Techniken, zum anderen aber auch weitere Analysetechniken. Neben der Vielzahl an kommerziellen Produkten werden Prototypen entwickelt, die speziflschen Anforderungen Sorge tragen. Die Identifikation von rechtlichen Kon-

Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse -

-163

flikten und die Explizierung von technischem Wissen in Patenten sind zwei relevante Aspekte, die im Vordergrund sowohl kommerzieller als aucii wissenschaftlicher Forschungsbestrebungen stehen. Rechtliche Aspekte, wie die inhaitiiciie Uberlappung von Patentanspruchen (vgl. Decopa) oder die Entgegenhaltung bei Patenteinspruchen (vgl. BibTechMon"^"^), werden durch die Werkzeuge aufgegriffen. Die Betrachtung des im Patent verankerten technologischen Wissens ist ein weiterer bedeutender Aspekt. Das im Patent eingebettete technologische Wissen wird zur Identifikation von M&A-Zielobjekten genutzt (IPC-Spektralanalyse). Aber auch Wissensextraktion aus Patenten gewinnt an Bedeutung (ArchlPat). Tabelle 7-4:

Ausgewahlte Werkzeuge zur IT-unterstutzten Patentanalyse. Quelle: (Eigene Darstellung). Techniken

Software

Patinformatics-Techniken

weitere Techniken

Decopa

List Cleanup & Grouping of Concepts Mapping Document Cluster

Neuronale Netze Ontologiebaume

BibTechMon™

Co-occurrency Matrices Mapping Document Cluster

Federmodell

IPC-Spektralanalyse

-

Neuronale Netze Semantische Textanalyse

ArchlPat

Clustering of Structured (Fielded) Text Text- und Data-Mining Clustering of Unstructured Data

Decopa: Einsatz von Ontologiebaumen und Neuronalen Netzen Bei der Software Decopa (siehe u.a DE 19737939; DE 19834363; DE 19964094; DE 29923527) handelt es sich um ein dezentrales computerunterstutztes Werkzeug zur Patentanalyse (siehe hierzu und im folgenden IPCentury® 2001, S. 1). Es besteht aus einem neuronalen Netzwerk mit aufbereiteten inhaltlichen Informationen aus Patenten und anderen relevanten Quellen. Decopa unterstutzt den PatentanalyseprozeR durch drei Recherchearten. (i) Der Bereich Research hllft, eine vorhandene Idee in Entwicklungstrends einzuordnen. (ii) Im Bereich Development steht die Frage im Vordergrund, ob eine Entwicklung schutzfahig ist und wie sie sich von den bereits geschutzten Entwicklungen abhebt. (ill) Die Abhangigkeiten von Patenten unterein-

164

Prozedschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

ander werden im Bereich Business untersucht. Abhangigkeiten und die Auspragung der Abhangigkeiten zwischen Patenten werden eingehender analysiert. Die Software Decopa bietet dem Nutzer, je nach Kenntnisstand, unterschiedliche Analysemagjichkeiten an. Es wird unterschieden in Einsteiger-, Fortgeschrittenenoder Expertenanalyse. Die Analysearten sind mit den drei Recherchearten kombinierbar. Die Patentanalyse von Decopa basiert auf dem Patenttext. Aus dem Patenttext werden Wechselwirkungspaare, als l\/littel-Wirkungsprinzipen oder Patentkonzept benannt, extrahiert. Im folgenden werden die Konzepte zu alien anderen Konzepten der betrachteten Patente in Relation gesetzt. Ein Konzept stellt qua Definition (vgl. Steiner 2003, S. 252) eIn formales Neuron dar. Zieht man graphentheoretische Uberlegungen hinzu, ist der gewichtete Graph, der aus Knoten und Kanten in Form von gewichteten Bezugen entsteht, als neuronales Netz zu sehen (fur weitere theoretische Oberlegungen siehe Stelner 2003, S. 250-262). Beispielhafter Vergleich Decopa - Knowiedgist 2.5™ Die Ergebnisstruktur unterscheldet sich elementar von den Ergebnissen des Knowiedgist 2.5*^^. Die von Decopa generierten Konzepte lassen sich nicht explizit aus dem Patenttext ableiten bzw. nicht im Patenttext identifizieren. Dies soil im folgenden durch ein Beispiel belegt werden. Analysiert wurde das US-Patent 6,422,933 (Flexible, open-pored cleaning body). Der Knowiedgist 2.5™ extrahierte 31 SAO-Strukturen im Vergleich zu 19 MittelWirkungsbeziehungen, die durch die Decopa Software ermittelt wurden.

-165

Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse -

Tabelle 7-5:

Ausschnitt aus der Ergebnisliste des Knowledgist 2.5™ und von Decopa. Quelle: (Eigene Darstellung).

Knowledgist 2.5^'^

Decopa Netzwerk

SAO-Struktur

Mittel-Wirkungsbeziehungen

adjacent ridges

fill

gaps

abrasion

with other solid surfaces

areas of lowheight

provide

said protuberances

agent

in any substance

body portion material

compose

said body portion

after-treatment

with aftertreatment

cleaning body

contain

water

body

is the unformed material

cleaning body

improve

durability of cleancoating ing body

that forms

Der Vergleich der extrahierten Strukturen erbrachte keinerlei direkte Ubereinstimmungen. Decopa kann als erganzendes Softwareinstrument zum Knowledgist 2.5™ gesehen werden. Gleichwohl eigne! sich das Decopa Netzwerk zur Analyse von Patenten unter Berucksichtigung der Schutzfunktion, da:



rechtliche Aspekte, wie z. B. die Kollision von Patentanspruchen, untersucht werden,



das Abstraktionsniveau durch die Ven/vendung von Ontologlebaumen erhoht wird und somit nicht offensichtliche Zusammenhange deutlich werden und



das System aufgrund des dezentralen Aufbaus des neuronalen Netzes dynamisch angelegt ist. Eventuelle Anderungen in der Patentsprache werden im Netz reprasentiert.

BibTechMon™: Federmodell als Visualisierungsalternative Im Vergleich mit Decopa nimmt bei der Software BibTechMon™ die Visualisierung von Vernetzungen zwischen Patenten eine starkere Rolle ein. Der BibTechMon™ ist ein Resultat der Forschungsanstrengungen des Austrian Research Centers Seibers-

166

Prozedschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

dorf. Er ermSglicht die Darstellung von Strukturen in Texten aller Art. Durch automatische Verschlagwortung von Texten und die Anwendung von Text Mining ist es mit BibTechl\/lon™ gelungen, Beziehungen zwischen Schlusselwortern darzustellen (siehe hierzu und im folgenden Widhalm 2003). Operationalisiert werden die Beziehungen durch das Jaccard-Ahnlichkeitsmali (vgl. Brosius 2002, S. 619) und die Objektstrukturierung durch ein Iterationsmodell (Kopcsa und Schiebel 1998, S. 7-17). BibTechMon"^"^ wurde bereits zur Warenkorbanalyse, zum Monitoring von technologischen Entwicklungen bei Spezialstahlen, zur bibliometrischen Analyse von Texten sowie zur Identifikation von Themenschwerpunkten eingesetzt (vgl. Dachs, RoedigerSchluga und Widhalm 2001, S. 1-16). Einsatz auch zur Patentanalyse Ein zusatzliches Anwendungsfeld ist die Identifikation von Patenten, die bei einer Patentanfechtung entgegenzuhalten sind. Der BibTechMon™ liefert relevante Patentcluster. Er hat durch die automatische Verschlagwortung und Klassifikation der Patente den Vorteil, daS der Nutzer die Menge der Schriften nicht mehr selbst lesen und managen muS. Durch Einsatz von Mappingtechnologien (vgl. Horlesberger, Kopcsa und Schiebel 2002, S. 1-10) gelingt eine Visualisierung der Patentnetzwerke (vgl. Abbildung 7-5), allerdings ohne Berucksichtigung semantischer Strukturen, wie sie mit dem Knowledgist 2.5"^'^ offengelegt werden konnen.

ProzeBschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse -

X |(ijlajii fejjj» jJMm !ift)» jfjywt t^..;^f-

-167

:SP^J^

1$^£fWAPP ^w^±^m sie das Datenmaterial reprdsentieren (vgi. Borg 2000, S. 6). Diesem Phdnomen kann durch Ausweichen auf ein starkeres MDS-l\/lodell entgegengewirkt werden. Ein Alternativalgorithmus, der eine Degeneration ordinaier Daten verhindert, ist in der Betaversion von Prefscal implementiert. Prefecal basiert auf einer neuartigen Optimierungsfunktion. Die Penalized Stress Function (vgl. Busing 2003) venneidet die Degeneration der MDS. Ein MindestmaB an StreS ist daher fur jede Losung wunschenswert (vgl. Borg und Staufenbiehl 1997, S. 104), ein sehr geringer StreR-Wert bel Prefscal muR allerdings nicht automatisch ein Zeichen der Degeneration sein. Allgemein gilt, dal^ sehr geringe Streil-Werte aus unterschledlichen Ursachen herruhren kSnnen (vgl. hierzu und im folgenden Borg und Groenen 1997, S. 44):



Je weniger Objekte skaliert werden sollen, desto kleiner das Strel^-MaH.



Je hoher die Dimensionalitat gewahit wird, desto kleiner das Stre(^-Ma&



Je mehr Fehler in den Proximitaten vorliegen, desto hoher das StreR-MaS



Bel ordinaier MDS mit schwacher Monotoniebedingung: Je mehr Bindungen innerhalb der Proximitaiten vorliegen, desto niedriger ist das Strel^-Mall.



Je mehr fehlende Proximitaten vorliegen, desto niedriger das StreR-MaS.



Intervall-MDS fuhrt tendenziell zu hoheren StreU-MaRen als ordinate MDS.

Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse 7.3.5.2

225

Anwendung der MDS zur Erstellung von wissenschaftsbezogenen Landkarten - Ubersicht grundlegender Studien

Die in den Grundzugen vorgestellte IVIDS ist ein Instrument zur Kartierung unterschiedlicher Sachverhalte. Neben der Visualisierung und Kartierung von Wissenschaftsdaten und Worthaufigkeiten stellen auch Patente einen Untersuchungsgegenstand dar. In der Literatur sind bereits einige grundlegende Studien dokumentiert, die den Einsatz der MDS und ihren Nutzen aufzeigen. Infi folgenden werden drei Studien illustriert: (i) Tijssen (1992) widmet sich der Kartierung von Wissenschaftsdaten. Anhand von acht Fallstudien (vgl. Tabelle 7-16) stellt er unterschiedliche Spielarten der MDS (vgl. Abschnitt 7.3.5.1) und ihre Anwendungsfelder vor. (ii) Peters und van Raan (1993a, 1993b) wenden die MDS auf Oberschneidungsmatrizen an. Die Landkartentypen bilden Aspekte des Chemieingenieun/vesens ab und greifen auf verschiedenen Detaillierungsebenen an. (iii) Engelsman und van Raan (1994) erstellen erstnnalig eine auf Patentdaten basierende Landkarte. Ihr Kartierungsansatz beruht auf drei Detaillierungsebenen. Tijssen (1992): Carthography of Science

Tijssen (1992) stellt die Anwendung der MDS auf Daten wie z. B. auf Zitatmatrizen vor. In Cartography of Science - Scientometric Mapping with Multidimensional Scaling fuhrt er acht Fallstudien ein (vgl. Tabelle 7-16). Tijssen untergliedert die Untersuchungsgegenstande in vier sich uberschneidende Anwendungsfelder (1992, S. 66): Informationswissenschaften (Fallstudien 1,3,5 und 6), Wissenschaftspolitik (Fallstudien 2 und 4), Bibliothekswissenschaften (Fallstudien 5,6 und 7) sowie erkenntnistheoretische und sozialwissenschaftliche Studien (Fallstudie 8). Tijssen wahit fur alle Fallstudien ein einheitliches, dreistufiges Vorgehen bei der Erstellung von Landkarten. (i) Eine Datensammlung geht (ii) der Auswahl einer MDSMethode voraus. (iii) Die Interpretation der Landkarte zur Beantwortung einer zentralen Fragestellung rundet das Vorgehen ab. Im folgenden wird exemplarisch fur jedes Anwendungsfeld ein Beispiel des jeweiligen Vorgehens dargestellt.

226-

- Prozelischritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

Tabelle 7-16:

1 Nr.

Fallstudien der Wissenschaftskartierung. Quelle: Tijssen (1992,8.73-288).

Fallstudientitel

Seitenangabe

1

Mapping co-word structures: A comparison of Multidimensional Scaling and LEXIMAPPE

73-87

2

A quantitative assessment of Interdisciplinary structures in science and technology: Co-classification analysis of energy research

91-121

3

Quasi-correspondence analysis on scientometric transaction matrices

125-143

4

Literature-based statistical analysis of international scientific co-operation: An exploratory case-study of the Netherlands

145-159

5

A Method for mapping bibliometric relations based on field-classifications and citations of articles

163-183

6

Integrating multiple sources of infomnation in literature-based maps of science 187-207

7

In search of core journals: A multidimensional approach

211-235

8

External and internal representations of science: A Comparison of bibliometric maps and experts' mental maps

241-288

Fallstudie 1: tnformationswissenschaften Fur die Fallstudie im Anwendungsfeld Informationswissenschaften werden die UberschneidungshSufigkelten von Wortern (Co-Word Frequency) aus wissenschaftlichen Publikationen als (i) Datenmaterial herangezogen. (ii) Zur Visualisierung der Zusammenhange werden Standardmethoden der MDS gewahlt. Aus technischer Sicht wird sowohl mit metrischen als auch nicht-metrischen Modellen experimentlert. (iii) Die erzeugten Landkarten helfen bei der Identlfikation der Verknupfung von Themenschwerpunkten. Fallstudie 2: Wissenschaftspolitik Die Wissenschaftspolitik steht im Blickpunkt der zweiten Fallstudie. (i) Das Datenmaterial wird aus einer Oberschneldungsanalyse von Klassifikationscodes auf Publikationen aus dem Forschungsfeld der Energleforschung generiert. (ii) Zur Visualisierung der ZusammenhSnge werden Standardmethoden der MDS angewendet. (iii) Welche Strukturen und Verknupfungen Innerhalb des interdiszlplinaren Forschungsfeldes bestehen, wird mit der Landkarte der Wissenschaftspolitik beantwortet.

Prozedschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

227

Fallstudie 6: Bibliothekswissenschaften Bibliothekswissenschaften sind ein Feld, in dem eine Vielzahl an standardisierten Informationen anfallt. (i) Grundlage der Fallstudie sind Haufigkeitsdaten der gegenseitigen Zitierung von Zeitschriften sowie von forschungsfeldubergreifenden Publikationen. (ii) Die Fallstudie illustriert den Einsatz von gewichtenden MDS-Modellen. Die Visualisierung multipler Matrizen (RMDS) wird dargestellt. (ill) Die Landkarte unterstutzt die Darstellung der relationalen Strukturen zwischen den Datensatzen. Fallstudie 8: Erkenntnistheoretische und sozialwlssenschaftliche Studien Erkenntnistheoretische und sozialwissenschaftliche Studien sind ein weiteres Anwendungsfeld der Kartierung mittels MDS. (i) Das zugrundeliegende Datenmaterial besteht aus Uberschneidungshauflgkeiten von Wortern und Klassifikationen. (ii) Zur Analyse werden sowohl Standardmethoden als auch gewichtete MDS-Modelle eingesetzt. Aulierdem werden Unfolding-Technlken (vgl. Abschnitt 7.3.5.3 ~ Schritt 3) auf das Datenmaterial angewendet. (iii) Ergebnis der Studie 1st ein explorativer Vergleich von Expertenurteilen mit bibliometrischen Landkarten. Generelle Erkenntnisse Als Indices verwendet Tijssen (1992) hauptsachlich zwei Kennzahlen, den Jaccardund den Inclusion-Index (vgl. Abschnitt 7.3.5.3 - Schritt 1). Ergebnis der Fallstudien sind unterschiedlich aussagekraftige Landkarten, die alle durch MDS erzeugt wurden. Diese Landkarten helfen In den Anwendungsfeldern, Einblicke in verborgene Strukturen zu gewinnen. Generell laRt sich das von Tijssen (1992) skizzierte Verfahren auf bibliometrische Patentdaten anwenden, allerdings zeichnet er ein solches Vorgehen nicht vor. Dementsprechend birgt sein Ansatz sowohl in verfahrenstechnischer als auch technischer HInsicht Entwicklungspotential. Zu beachten sind hierbei die Besonderheiten von Patenten und deren Komplexitat. Soil eine Ausweitung, besonders auf den Patenttext, vorgenommen werden, greifen bibliometrische Betrachtungen zu kurz.

228

Prozedschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

Peters und van Raan (1993a): Co-word-based science maps of chemical engineering. Part I. Representations by direct multidimensional scaling Nach Tijssen (1992) wurde von Peters und van Raan (1993a) eine Studie in zwei Teilen vorgelegt. Erstens konstruieren sie (1993a) die direkte Anwendung der IVIDS auf Oberschneidungsnfiatrizen von Wfirtern. Als Untersuchungsgegenstand wShlen sie das Forschungsfeld des Chemieingenieurwesens. Ein Verfaliren zur Erstellung der Landkarten wird ausgefuhrt: In einem ersten Schritt werden relevante Datenquellen exploriert und aussagekraflige Worter identifiziert. Im zweiten Teil der Studie erfolgt die Generierung von Landkarten mit differenziertem Detaillierungsgrad. Im ersten Teil der Studie werden drei Datenquellen herangezogen: Zum einen Publikationen aus zehn remnnonierten Zeitschriften (vgl. Peters und van Raan 1993a, S. 25) des Chemieingenieurwesens, weiche den Zeitraum der sechs vorangegangenen Jahre abdecken, zum anderen um BeitrSge 23 ausgewiesener WIssenschaftlern dieses Feldes aus dem gleichen Betrachtungszeitraum sowie Publikationen einer Fachkonferenz. Insgesamt sind 9.555 Publikationen als Datenbasis identifiziert worden. Mittels einer Analyse werden die am hSuflgsten verwendeten Worter aus dem Titel und Abstract (Word-Frequency Analysis) extrahlert. Ein t-Test pruft die Worthauflgkeiten auf Signifikanz. Durch eine Uberschneidungsanalyse wird im AnschluB die Datengrundlage der Landkarten generiert. Peters und van Raan (1993a, S. 26) experimentieren bei der Operationalisierung der Oberschneidungen mit drei Ahnlichkeitskennzahlen: dem Jaccard-lndex, dem Inclusion-Index und dem Proximity-Index (vgl. AbschnItt 7.3.5.3). I\1ittels MDS werden sodann drei Landkarten mit unterschiedlichem Detaillerungsgrad erzeugt. (i) Die High Quality IVIainstream Map legt allgemeine Zusammenhange innerhaib des Chemieingenieurwesens offen. Grundlage dieserzeitschriftenbasierten Landkarte sind 8.554 Publikationen bzw. die aus diesen Publikationen extrahierten Worter. Auf einen Blick werden die fur das Chemielngenieurwesen maBgeblichen Worter, deren Verknupfungen und Bedeutung innerhaib des Forschungsfeldes deutlich. (li) Die Research-Front IVIap gibt einen Uberblick uber die Arbeltsgebiete der 23 fuhrenden Wissenschaftler des Chemieingenieurwesens. Fur diese autorenbasierte Landkarte wurden 912 Publikationen ausgewertet. (iii) Die Special Topic Map illu-

Prozedschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

— • 229

striert die Forschungsbereiche, die im Rahmen von Konferenzbeitragen aufgegriffen wurden. 89 Beitrage wurden fur die konferenzbasierte Landkarte ausgewertet. Die drei Landkarten wurden von 50 Wissenschaftlern mittels eines Fragebogens (vgl. Peters und van Raan 1993a, S. 44-45) evaluiert. Kritikpunkte waren die Verwendung von bibliometrischen Analysen und die Verkurzung des Wissenschaftsgebietes auf ein einziges Wort (Peters und van Raan 1993a, S. 35). Peters und van Raan (1993a): Co-word-based science maps of chemical engineering. Part II. Representations by combined clustering and multidimensional scaling Im zweiten Teil der Studie stellen Peters und van Raan ein weiteres Beispiel aus dem Chemieingenieun/vesen und einen weiteren Ansatz zur Kartierung vor. Die Datenquellen des ersten Teils werden modifiziert, indem neue Quellen aufgenommen werden (Peters und van Raan 1993b, S. 48). So werden, wie im ersten Teil, drei Datenquellen exploriert. Peters und van Raan schlagen ein zweistufiges Vorgehen vor: Im ersten Schritt wird das Ergebnis einer Zitatanalyse herangezogen. Durch SlngleLinkage-Clusterung (vgl. Abschnitt 7.3.3.1) entstehen einerseits Wortcluster, welche die Verbindungen innerhalb eines Clusters aufdecken, und andererseits werden die Verbindungen zwischen Clustern verdeutlicht. Eine weitere Moglichkeit, Landkarten zu erstellen, sind Wortprofile. Diese Profile basieren auf den in Titel und Zusammenfassung venvendeten Schlusselwortern. Zur Konstruktion von Landkarten werden im zweiten Teil der Studie zwei neue Ahnlichkeitskennzahlen verwendet. Zur Operationalisierung der Wortiiberschneidungen kommt die Cosinusfunktion zum Einsatz. Die Ahnlichkeit zwischen Clustern wird durch eine gewichtete Cosinusfunktion ausgedruckt (vgl. Peters und van Raan 1993b, S. 48-49). Das Modul Alscal dient zur Visualisierung der Ahnlichkeitsbeziehungen. Ergebnisse des Vorgehens sind drei Landkarten: (i) die Journal-based Map, (ii) die Author-based Map und (iii) die Conference-based Map. Fur jede Detailierungsebene zeigen die Landkarten die Verknupfungen der einzelnen Worter untereinander auf. Alle Landkarten werden von Experten evaluiert. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der ersten Studie fuhrt das zweistufige Vorgehen zu einer besseren Interpretierbarkeit der Landkarten. Die Analyse der Wortahnlichkeiten belegt dies ebenfalls.

230

ProzeUschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

Peters und van Raan (1993a) schlagen zusStzlich zu den Landkarten eine Auswejtung durch Einfuhrung von Clusterbezeichnungen vor. Die einzelnen Cluster werden durch Kreise symbolisiert, die der Anzahl der Publikationen entsprechen. Eine zusatzliche Information stellt die Zusammensetzung der Publikationen nach Journal und Sektionscode dar. Das von Peters und van Raan gewahlte Vorgehen ist auf die spezifischen Angaben von Patenten ubertragbar. Engelsman und van Raan (1994): A patent-based cartography of technology Engelsman und van Raan nahmen die Idee der Landkarte auf und adaptierten sie fur Patentdaten (Engelsman und van Raan 1994, S. 1-26). Untersuchungsgegenstand ihres Kartierungsansatzes sind drei Technologieebenen: (i) Auf der Makroebene werden geographische Gebiete und ihre technologischen Entwicklungen betrachtet. (ii) Auf der Mesoebene wird die Betrachtung von Komblnatlonen verschiedener Technologiefeldern vorgenommen, und (iii) auf der Mikroebene werden individuelle Technologiefelder beleuchtet. Innerhalb dieser Technologieebenen konstruieren sie sowohl Landkarten fur Wort- als auch fur Klassifikationsuberschneidungen. ZunSchst

werden

28

Technologiefelder

durch

IPC-Symbole

charakterisiert

(Engelsman und van Raan 1994, S. 4). Fur jedes Technologiefeld werden die Patente des Erteilungsjahrgangs 1987 Identifiziert und Worter aus dem Titel sowie dem Abstrakt extrahiert. Ebenfalls betrachtet werden die unterschiedlichen Klassifikationssymbole. Sodann erstellt man Oberschneidungsmatrizen fur die Worter bzw. Klassifikationen. Zur Konstruktion der Landkarten werden verschiedene Matrizen herangezogen. Fur die Makrobene wird die Oberschneidungsmatrix fur Worter und Kiassifikationen genutzt. Auf Meso- und Mikroebene exploriert man ausschlief^lich die Oberschneidungsmatrix der Wfirter. Die Generierung von Patentlandkarten erfolgt mittels MDS.

Prozeflschritt 4: Nachselektion von Patenter) und semantische Analyse

231

Landkarten fur verschiedene Technologieebenen Landkarten sind das Ergebnis dieser Analysen, die auf der jeweiligen Technologieebene einen Einblick in die Verknupfungen der Patente eriauben. (i) Auf IVIakroebene werden die Patentsituation in Europa, weltweit sowie in Japan betrachtet (Engelsman und van Raan 1994, S. 15). Jede Landkarte visualisiert die Zusammenhange zwischen den Technologiefeldern in den jeweiligen Betraciitungssituationen. (ii) Auf Meso- und Mikroebene werden Landkarten erstellt, die den Zusammenhang zwischen Wortern in ausgewahlten Technologiefeldern aufzeigen (Engelsman und van Raan 1994, S. 18-24). Die Mesoebene beleuchtet den Zusammenhang von Wortern aus den einzelnen Technologiefeldern Bearbeitung, Beforderung und Roboter, Melitechnik und Sensoren sowie optische Apparaturen. Auf Mikroebene werden Landkarten zu den Technologiefeldern optische Apparaturen, Beschichtung und Kristallzuchtung sowie Bergbau, Bauingenieurwesen und Baumaterialien erstellt. Das Vorgehen von Engelsman und van Raan skizziert eine denkbare Exploration von Patentdaten auf bibllometrischer Ebene. Eine Herausforderung stellt allerdings die Loslosung von reiner Bibliometrie und die Hinwendung zur Analyse des von hoher Komplexitat gekennzeichneten Patenttextes dar. 7.3.5.3

Anwendung der MDS auf Ahnlichkeitsmatrizen

Die Ansatze von Tijssen (1992), Peters und van Raan (1993a, 1993b) sowie Engelsman und van Raan (1994) zeigen, wie Wissenschafts- bzw. Patentlandkarten erstellt werden konnen. Im folgenden wird dies als Grundlage verstanden und eine Ausweitung der Ansatze auf semantische Textstrukturen aufgezeigt. In vier Schritten (vgl. Abschnitt 7.3.5.1) wird die MDS an semantische Textstrukturen angepaBt. Im ersten Schritt werden funf Verfahren zur Operationalisierung der Ahnlichkeitsbeziehungen dargestellt. Die Wahl des DistanzmaBes erfolgt im zweiten Schritt. Die zur Ermlttlung der Konfiguration geeigneten MDS-Modelle werden im dritten Schritt elngeftihrt. Abgeschlossen wird die Adaption mit dem vierten Schritt, der Festlegung der Zahl und der Interpretation der Dimensionen. Dies dient zur endgultigen Generierung von Ergebnissen, die dem ProzeRschritt 5 als Grundlage zur weitergehenden Betrachtung semantischer Patentlandkarten dienen. Das Hauptaugen-

232

ProzeRschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

merk gilt der transparenten Gestaltung der notwendigen Prozesse, urn dem M&ABeauftragten ein leicht einsetzbares Werkzeug an die Hand zu geben. Adaptionsschritt 1: Messung der Ahnlichkeiten Die Messung von Ahnlichkeiten kann neben den vorgestellten Methoden (vgi. Abschnitt 7.3.5.1 - Schritt 1) auch mit weiteren Indices erfolgen. Im folgenden werden ftinf Indices, (i) der Jaccard-lndex, (ii) der Inclusion-Index, (ill) der Proximity-Index, (iv) die Cosinusformel und der (v) Pl-lndex an einem Beispiel illustriert. Fur die Indices (i) bis (iv) wird eine Beispielmatrix zugrundegelegt (vgl. Tabelle 7-17). Sie enth§lt die Anzahl der W6rter, die im Patentverglelch als identisch erkannt wurden. Exemplarisch sind dies Patent Nr. 1, 2 und 3 die identische WSrter im Patenttext aufweisen. Tabelle 7-17:

Beispielmatrix. Quelle: (Eigene Darstellung). Cj

4

2

1

2

6

3

1

3

3

Ci

Legends: Cj : Anzahl der Wdrter in Patent i q : Anzahl der Wdrter in Patent j Cjj: Anzahl der Oberschneidungen zwischen Patent i und Patent j

mit i,j = 1,2,3 (i) Mit dem Jaccard-lndex Jy wird der relative Grad der Oberschneidungen zwischen Wortern gemessen (vgl. Glelchung 7-13). Jij = Ci/(Ci+Cj-Cij) mit Cjj: Anzahl der Oberschneidungen zwischen Patent i und j Cj: Anzahl der WOrter in Patent i Cj: Anzahl der WOrter in Patent j Glelchung 7-13: Jaccard-lndex. Jy

Quelle: Peters, van Raan (1993, S. 26). Angewendet auf die Beispielmatrix (vgl. Tabelle 7-17) zeigt der Jaccard-lndex eine starkere Kontrastierung der Oberschneidungen zwischen den einzelnen Patenten

-233

Prozefischritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse -

(vgl. Gleichung 7-13). Er eignet sich besonders zur Darstellung von Beziehungen zwischen Wortern mit mittlerer Haufigkeit und einer geringen Streuung. Tabelle 7-18:

Ahnlichkeitsmatrix fijr den Jaccard-lndex. Quelle: (Eigene Darstellung). Jj

Ji

1

0,25

0,16

0,25

1

0,5

0,16

0,5

1

(ii) Der Inclusion-Index Ijj (vgl. Peters, van Raan 1993a, S. 26) stellt einen Zusammenhang zwischen der Gesamtanzahl an Oberschneidungen und der geringsten Anzahl an W6rtem in den betrachteten Patenten dar (vgl. Gleichung 7-14). liJ = Ci/Ci V i . j mitCj < C j

Gleichung 7-14: Inclusion-Index, ly. Quelle: Peters, van Raan (1993a, S. 26). Die Anwendung belegt im Vergleich zum Jaccard-lndex die starkere Profilierung des Inclusion-Index (vgl. Tabelle 7-19). Der Vergleich zwischen Patent 1 und 2 fallt beim Inclusion-Index grofler aus. Er eignet sich eher fur Vergleiche von Wortern mit breiter Streuung. Dies bedeutet, es werden unterschiedliche Worthaufigkeiten - geringere, mittlere und hohe - in die Betrachtung einbezogen. Tabelle 7-19:

Ahnlichkeitsmatrix fur den Inclusion-Index. Quelle: (Eigene Darstellung). 1]

Ii

1

0,5

0,25

0,5

1

0.5

0,25

0,5

1

(lii) Der Proximity-Index Py bezieht die Anzahl der betrachteten Publikationen mit in die Betrachtung ein (vgl. Gleichung 7-15).

234

ProzeRschritt 4: Nachselektion von Patenten und semantische Analyse

Pij = NCij/(CiCj)Vij

mit N: Anzahl der betrachteten Publikationen Gleichung 7-15: Proximity-Index Pij. Quelle: Peters, van Raan (1993a, S. 26). Wahrend der Inclusion-Index die Oberschneidungen zwischen Patent Nr. 1 und den Patenten 2 und 3 unterschiedlich wertet, gewichtet der Proximity-Index diese Information glelch (vgl. Tabelle 7-20). Insgesamt miSt der Proximity-Index die Verbindungen zwischen hSufig auftretenden Wortern starker als Verbindungen zwischen weniger hdufig auftretenden Wartern. Bei der Darstellung von neuartigen Entwicklungen fQhrt dies ggf. zur Verzerrung. Tabelle 7-20:

Ergebnismatrix Proximity-Index. Quelle: (Eigene Darstellung). Pj

Pi

1

0,25

0,25

0,25

1

0,11

0,25

0,11

1

(iv) Die Coslnusformel Cy wird von Peters und van Raan (1993, S. 48) eingefuhrt (vgl. Gleichung 7-16) und 1st eine Sonderform des Inclusion-Index.

Cj-Cj

Gleichung 7-16: Coslnusformel Cy. Quelle: Peters und van Raan (1993, S. 48). Wie beim Inclusion-Index werden die Unterschiede im Vergleich von Patent Nr. 1 mit den Patenten Nr. 2 und 3 kontrastiert. Den hochsten Wert weist der Vergleich zwischen Patent Nr. 2 und 3 auf (vgl. Tabelle 7-21). Die Coslnusformel ist anzuwenden, wenn eine Kontrastierung zwischen interessanten und weniger interessanten Wortern gewunscht ist.

-235

Prozedschritt 4: Nachselektion von Patenten und semantische Analyse -

Tabelle 7-21:

Ahnlichkeitsmatrix fur die Cosinusformel. Quelle: (Eigene Darstellung).

Cj

Ci

1

0,41

0,28

0.41

1

0,71

0,28

0,71

1

(v) Mit den beiden folgenden Indices wurde versucht, mehrere Uberschneidungsmatrizen in Einklang zu bringen, die aus unterschiedlichen Strukturen bestehen (vgl. Tabelle 7-22). Der sogenannte Ph-lndex miBt den relativen Grad der Uberschneidung zwischen zwei Patenten, ohne die Art der Uberschneidungen - SAO-, AO- oder S-Uberschneidung - zu gewichten. Dagegen wird durch den Pb-lndex die Uberschneidungsart gewichtet. Tabelle 7-22:

Beispielmatrix fiir SAO-Strukturen. Quelle: (Eigene Darstellung). SAO/AO/Sj

SAOj/AOi/Si

10/10/10

1/2/5

0/1/2

1/2/5

15/15/15

2/2/3

0/1/2

2/2/3

20/20/20

Legende: Pi (20) = Anzahl der SAO-Strukturen in Patent i/j 1/2/3

= Anzahl der SAO-/AO-/S-0berschneidungen

Der PIrlndex berechnet sich nach Gleichung 7-17: SAO,.AO,.S, ^

SAOj+SAOj-SAOjj

^

SAOjj: Anzahl der identlschen SAO - Strukturen AOjj: Anzahl der identischen AO -Strukturen Sjj: Anzahl der identischen S - Strukturen SAOj: Anzahl der SAO - Strukturen in Patent j SAOj: Anzahl der SAO - Strukturen in Patent i Gleichung 7-17: Pli-lndex. Quelle: (Eigene Darstellung).

- Prozedschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

236-

Beim Ph-lndex handelt es sich um eine Erweiterung des Jaccard-lndex (vgl. Gleichung 7-13). Wendet man die Gleichung auf die Beispielmatrix fur SAO-Strukturen an, IdHt sich eine Ahnlichkeitsmatrix erstellen (vgl. Tabelle 7-23). Tabelle 7-23:

Ahnlichkeitsmatrix fiir Ph-lndex. Quelle: (Eigene Darstellung). Pl1j

Pl1i

1

0,333

0,1

0,333

1

0,212

0,1

0,212

1

Der Pl2-lndex wird mit Hilfe von Gleichung 7-18 errechnet.

^

a.SAO,j-^p.AOy-^x•S,j nfiin(SAOi,SAOj)

'^

Gewlchtungsfaktoren mit a, p, x = 1 SAOjj: Anzahlder identlschen SAO - Stmkturen AOjj: Anzahlder identlschen AO - Stmkturen Sy: Anzahlder Identlschen S - Strukturen SAOj: Anzahl der SAO - Strukturen Patent I SAOj: Anzahl der SAO - Strukturen Patent j Gleichung 7-18: Pl2-lndex. Quelle: (Eigene Darstellung). Wendet man die Gleichung auf die Beispielmatrix fur SAO-Strukturen an, laSt sich eine Ahnlichkeitsmatrix erstellen, die sich vom P l r l n d e x unterscheidet (vgl. Tabelle 7-23). Tal)elle 7-24:

Ahnlichkeitsmatrix fur Plrlndex. Quelle: (Eigene Darstellung). Pl2i

1 Pl2i

0,129

0,027

0.129

1

0,134

0,027

0,134

1

ProzeRschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse — Der Pl2-lndex kontrastiert viel starker als der Plrlndex die verschiedenen Uberschneidungsarten innerhalb der semantischen Patentstrukturen. Er zeigt den auf inhaltlichen Uberschneidungen der SAO-Strukturen basierenden Fit zwischen den Patenten. Die inhaltliche Verknupfung tritt deutlicher hervor. Der Plrlndex ist allerdings als Hilfsmall durchaus einsetzbar. Die Indizes lassen sich automatisch mit dem Werkzeug der PI A generieren. Die Patentanalyse mit der PIA (vgl. Abschnitt 7.3.1) liefert die fur eine multidimensionale Skalierung erforderllchen Ahnlichkeitsmatrizen (vgl. Abschnitt 7.3.1). Grundlage der Erstellung einer Ahnlichkeltsmatrize ist der paanA/eise Vergleich der aus zwel Patentschriften extrahierten SAO-Strukturen. Zur Operationalisierung der Ahnlichkeiten zwischen den SAO-Strukturen zweier Patente i und j wird im folgenden das AhnlichkeltsmaB Pb-lndex gewShlt. Die Gewichtungsparameter werden mit a= 0,74, p=0,25 und x=0.01 festgelegt. SAOObereinstimmungen werden hoher gewichtet als AO- oder S-Ubereinstimmungen. Identische SAO-Strukturen weisen auf die Verwendung gleichartigen Problemlosungswlssens hin und stellen eine direkte Verbindung zwischen den Patenten i und j dar. Identische AO-Strukturen symbolisieren gleichartiges Problemwissen innerhalb der betrachteten Patente, wobei die Losung differiert. Die inhaltliche Verbindung zwischen den Patenten Ist weniger stark. Die S-Struktur kann als Schlusselwort interpretiert werden. Identische Schlusselworter oder Losungswissen stellen die schwachste Form der Inhaltlichen Verbindung zwischen Patenten dar. Der Index generiert kardinale Ahnlichkeitskennzahlen, die wegen der unterschiedlichen Nennergrdlien der Einfachheit halber als ordinal angenommen werden. Die Skala der Ahnlichkeitswerte ist auf den Wertebereich von 0 bis 1 normiert. Der Skalenwert 0 zeigt auf, daU keine Ahnlichkeiten zwischen den beiden Patenten vorhanden sind. Der Skalenwert 1 steht fur vollkommen identische Strukturen. Innerhalb der Fallstudie wurde ein Set (20030901_A20) identifiziert, in dem der Skalenwert einen Wert grolSer als 1 annahm. Es handelt sich hierbei um einen klelnen, in der Regel vernachlassigbaren systematischen Fehler bei der Erstellung der Ahnlichkeitsmalie. Dieser systematische Fehler sei an einem Beispiel eriautert. Ein Patent 1 enthalt eine einzelne SAO-Struktur und ein weiteres Patent 2 zwei SAO-Strukturen. Alle drei SAO-Strukturen sind identisch. Verglelcht man nun Patent 1 mit Patent 2,

237

238

ProzeUschritt 4: Nachselektion von Patenter) und semantische Analyse

erhait man fur diesen Vergleich eine Anzahl von zwei identischen SAO-Strukturen im Patent 1. Dieses Ergebnis fuhrt zur Berechnung eines Pb-lndexes, der gr^Ber als 1 ist. Ergebnis der PIA-Analyse ist eine Ahnllchkeitsmatrix A. Diese Matrix enthSit ordinate Ahnlichkeitskennzahlen und ist quadratiscii und symmetrisch (vgl. Gleichung 7-19).

A=

1 0,2 0,01" 0,2 1 0,1 0,01 0,1 1

Gleichung 7-19: Fiktive Ahnllchkeitsmatrix A. Quelle: (Elgene Darstellung). Schritt 2: Wahl des Distanzmaftes In Schritt 2 erfolgt, basierend auf der idealtyplschen Vorgehenswelse der MDS (vgl. Abbildung 7-22), die Wahl des DistanzmaRes. Aus den vorgestellten Metriken (vgl. Abschnitt 7.3.5.1) wurde die euklidische Distanz gewahlt. Sie hat sich im Rahmen zahlreicher MDS-Studien bewShrt. Borg und Groenen (1997, S. 14) raten von der Venvendung anderer Metriken bei explorativen Studien ab. Die Anwendung von anderen Distanzmetriken als der euklldischen Metrik kann zu einer Verzerrung in der Visualisierung der Distanzdaten fuhren. Die City-Block-Metrik neigt z. B. zur Generierung gleicher Distanzwerte. Schritt 3: Ermittlung der Konfiguration Der Schritt 3 dient zur Identifikation eines MDS-Modells fur die generierten semantischen Ahnlichkeitsmatrizen. In SPSS 12 stehen sowohl metrische als auch nichtmetrische Modelle zur Skalierung von Ahnlichkeitsdaten zur Verfiigung. Da die generierten Ahnlichkeitsdaten als ordinate Daten angenommen werden (vgl. Abschnitt 7.3.5), werden die metrischen MDS-Modelle von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Borg und Groenen (1997, S. 25-26) weisen darauf hin, daR die Representation der Distanzdaten durch ordinale MDS-Modelle in der Regel den Ergebnissen der metrischen MDS-Modelle gleichkommt. Innerhalb der ordinalen MDS-Modelle werden unterschiedliche Betrachtungsansatze fur identische Proximitaten (vgl. Abschnitt 7.3.5.1) unterschleden. Fur die Ahnlich-

-239

Prozelischritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse -

keitsmatrizen wird ein primarer Ansatz (Primary Approach to Ties) gewahit, urn identische Proximitaten zu entkoppeln. Schritt 4: Zahl und Interpretation der Dimensionalitat Im Schritt 4 soil nach Backhaus et al. (2003) die Dimensionalitat einer MDS-Konfiguration gewahit werden. Fur die explorative Fallstudie steht im besonderen MaRe die Visualisierung von inhaltlichen Verknupfungen zwischen Patenten im Vordergrund. Daher wurden MDS-Konfigurationen mit mehr als zwei DImensionen ausgeschlossen. Softwarewerkzeuge Zur Berechnung der Konfigurationen wurden die statistische Auswertungssoftware SPSS 12 mit den Modulen Alscal (SPSS 2003a) und Proxscal (SPSS 2003b) sowie die Betaversion von Prefscal 1.0 getestet. Neben diesen Softwarewerkzeugen existieren weitere Instrumente, die eine MDS unterstutzen wie KYST nach Kruskal et al. (1978), Systat von Wilkinson und Hill (1994), SAS, Statistica mit dem MinissaAlgorithmus von Roskam und Lingoes (1981), Multiscale nach Ramsay (1977) sowie FSSA (Faceted Smallest Space Analysis) von Shye (1991). Die Softwarewerkzeuge zur Skalierung von Ahnlichkeitsmatrizen zeichnen sich durch unterschledliche Eigenschaflen (vgl. Tabelle 7-25) und implementierte MDS-Modelle aus (vgl. Tabelle 7-26). Im folgenden werden die Eigenschaften und implementierten MDS-Modelle der getesteten Softwarewerkzeuge vorgestellt. Tabelle 7-25:

Eigenschaften von Alscal, Proxscal und Prefscal. Quelle: in Aniehnung an Borg und Groenen (1997, S. 420), Eigene Recherchen.

Allgemelne Eigenschaften

Alscal (SPSS 12)

Proxscal (SPSS 12)

Prefscal 1.0

Minimieren von Streli

nein

ja

nein

Mininfiieren von S-Stre(i ja

nein

nein

Minimieren von Penalized Stress

nein

nein

ja

Maximale Anzahl der Objekte

100

Abhangig von der Rechenkapzitat

Abhangig von der Rechenkapzitat

Mininfiale Anzahl der

4

2

2

240-

- Prozefischritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse

Objekte Maxinfiale Dimensionalitdt

6

n-1

n+m-1

Fehlende Werte eriaubt?

ja

ja

ja

n : Anzahl der Objekte m : Anzahl der Dinnensionen

Tabelle 7-26:

Implementierte MDS-Modelle in Alscal, Proxscal und Prefscal. Quelle: in Aniehnung an Borg und Groenen (1997, S. 420; Eigene Recherchen).

Modelle

Alscal (SPSS 12)

Proxscal (SPSS 12)

PrefscaM.O

Ordinal primSrerAnsatz

Ja

Ja

Ja

Ordinal sekunddrer Ansatz

Ja

Ja

Ja

Interval

Ja

Ja

Ja

Verhaitnis

Ja

Ja

Ja

Absolut

Ja

Nein

Nein

Spline

Nein

ja

Ja

Alscal Alscal skaliert die Objekte durch Minimierung des S-StreS-MaSes (vgl. Abschnitt 7.3.5 - Tabelle 7-15). Der Algorithmus wurde von Takane et al. (1977) entwickelt und ist bereits seit geraunfier Zeit als Modul in SPSS verfugbar. Alle wichtigen MDSModelle sind mit Alscal berechenbar (vgl. Tabelle 7-26). Die Anzahl der zu skalierenden Objekte Ist allerdings auf 100 limitiert. Aus diesem Grund wird Alscal fur die Skallerung der Ahnlichkeitsmatrizen nicht weiter in Betracht gezogen. Bel Alscal ergaben sich auRerdem Probleme bel der Transformation der Ahnlichkeitsdaten in Distanzen. Proxscal Das Modul Proxscal skaliert die Objekte durch Minimierung des Strell-MaHes nach Kruskal (vgl. Abschnitt 7.3.5 - Tabelle 7-27) und basiert auf dem Algorithmus von De Leeuw und Helser (1980). Durch Proxscal werden alle gangigen metrischen wie nicht-metrischen MDS-Modelle unterstutzt. Im Gegensatz zu Alscal kann jedoch eine

Prozeftschritt 4: Nachselektion von Patenter! und semantische Analyse -

-241

unbeschrankte Anzahl an Objekte skaliert werden. Ebenso besteht keine Limitierung in der Dimensionalitat. Von Proxscal werden Matrizen mit fehlenden Werten akzeptiert. Transformationsprobleme, wie bei Alscal beobachtet, traten nicht auf. In der experimentellen Erprobung von Proxscal wurden Konfigurationen generiert, die eindeutig Zeichen der Degeneration aufwiesen. Fur Tests nnit Ahnlichkeitsmatrizen, die vonn PIA-Werkzeug generiert wurden, lieferte Proxscal ebenfalls Ergebnisse, die eindeutig Zeichen der Degeneration (vgl. Abschnitt 7.3.5.1; vgl. auch Borg und Staufenbiel 1997,

S. 98-104) aufwiesen.

Prefscal Nur Prefscal unterstutzt das Unfolding von Matrizen (vgl. Borg und Groenen 1997, S. 231-269; fur eine schematische Darstellung des Unfolding siehe Abbildung 7-22), welches eine Degeneration der Konfiguration, wie bei Proxscal beobachtet, verhindert. Patente 1-10