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German Pages 318 Year 2006
Jorg Sydow/Stephan Manning (Hrsg.) Netzwerke beraten
Jorg Sydow/Stephan Manning (Hrsg.)
Netzwerke beraten Uber Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke
GABLER
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detailllerte bibliografische Daten sind Im Internet uber abrufbar.
Dr. Jorg Sydow ist Professor fur Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmenskooperation, am Institut fur Management, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, der Freien Universitat Berlin. Dipl.-Kfm. Stephan Manning ist wissenschaftlicher MItarbeiter am Institut fur Management, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, der Freien Universitat Berlin.
1. Auflage Juni 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ulrike Lorcher / Katharina Harsdorf Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Buslness Media. www.gabler.de Das Werk einschlieRlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung aufterhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspelcherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. In diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0018-4 ISBN-13 978-3-8349-0018-0
IVorwort Consulting ist eine Dienstleistung, die typischerweise von Organisationen fiir Organisationen erbracht wird; nur im Ausnahmefall, so etwa beim Coaching, beraten Individuen andere Individuen. Die zentrale These des vorliegenden Bandes ist, dass es in Zukunft - mehr noch als in der Gegenwart - darum gehen wird, dass neben Individuen und Organisationen auch Netzwerke von Organisationen beraten werden. Organisations- und Netzwerkberatung wird zum anderen - und dies wohl ebenfalls in zunehmendem Mai^e - durch Beratungsnetzwerke erfolgen, also durch Netzwerke von Individuen und Organisationen, die gemeinsam Beratungsleistungen anbieten. Deshalb der doppeldeutige Titel dieses Bandes: „Netzwerke beraten''. Die Idee zu diesem Band entstand infolge langjahriger Beobachtung der Beratungsbranche durch die Herausgeber und aus Anlass der Suche nach einem aktuellen Thema fiir das „Netzwerk-Forum", das alle drei Semester am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universitat Berlin stattfindet. Im Rahmen dieser Veranstaltung halten ausgewiesene Praktiker Vortrage, die Studierenden der Betriebswirtschaftslehre und anderer Facher einen vertieften Einblick in die Praxis der Netzwerkorganisation und des Netzwerkmanagements - und dieses Mai eben der Netzwerkberatung sowie des Managements von Beratungsnetzwerken - geben. Ziel der Veranstaltung in jenem Sommersemester war und Ziel dieses Bandes ist es, einen moglichst umfassenden Uberblick uber zum einen die unterschiedlichen Aufgaben, Ansatze und Instrumente der Netzwerkberatung und zum anderen die vielfaltigen Funktionen, Formen und Steuerungsanforderungen von Beratungsnetzwerken zu geben. Unser besonderer Anspruch dabei ist es, beispielhaft die Bandbreite an kleinen und grofien, privaten und (halb-)offentlichen Beratungsanbietem vorzustellen. Die Buchbeitrage der folgenden Autoren basieren auf Prasentationen im „NetzwerkForum'', das von den Herausgebern dieses Bandes veranstaltet wurde: Martin Dilrr, Vice President bei A.T. Kearney; Frank Mang, Geschaftsfuhrer im Bereich Financial Services bei Accenture; Jiirgen Howaldt, Direktor der Sozialforschungsstelle Dortmund; Ralyh Klocke von der PZN Kooperationsberatung, Bielefeld; Barbara Kozok und Jo Topfer von der berlin open space cooperative eg; Helmut Muller und Claudia Scholta vom RKW Sachsen sowie Roswita Konigswieser, Vorstand der Geschaftsfiihrung und Gesellschafterin von Konigswieser & Network, Wien. Ihnen alien sei an dieser Stelle nicht nur fiir ihr Engagement im „Netzwerk-Forum'', sondern auch fiir die Ausarbeitung ihrer Vortragsmanuskripte herzlich gedankt.
Vorwort
Neben den Vortragenden im „Netzwerk-Forum" wurden fur diesen Band weitere Praktiker und Wissenschaftler gewonnen, die sich mit Netzwerkberatimg und Beratungsnetzwerken befassen. Zu den Praktikem gehoren Bernhard Hausberg vom VDI Technologiezentrum in Diisseldorf; Andreas Heine, Carsten Liesener und Dierk Blechschmidt von der Siemens Management Consulting, Miinchen; Achim Loose, Gesellschafter der Kokon Consult, Koln; Marvin Weisbord und Sandra Janoff vom Future Search Network, Philadelphia. Zu den Wissenschaftlem gehoren Dietmar Fink und Christoph Wamser von der FH Bonn-Rhein-Sieg sowie GUnther Ortmann von der Helmut-Schmidt-Universitat Hamburg. Nicht nur diesen Autoren sei fiir ihr Engagement in diesem Band gedankt, sondem auch Irmgard Hoemke, die einmal mehr virtuos das druckreife Manuskript aufbereitet hat. Schliefilich - und nicht letztlich - sei all den Studierenden gedankt, die im Rahmen des „Netzwerk-Forums" nicht nur gute Fragen gestellt, sondem auch uns als Veranstalter und Herausgeber immer wieder gefordert haben, unsere Vorstellungen zu Gegenstand und Herausforderungen der Netzwerkberatung sowie zu Merkmalen und Managementanforderungen von Beratungsnetzwerken zu prazisieren.
Berlin-Dahlem im April 2006
VI
Jorg Sydow und Stephan Manning
I Inhaltsverzelctinis
Einfuhrung Von der Organisationsberatung zur Netzwerkberatung? - Vom Beratungsunternehmen zum Beratungsnetzwerk? Stephan Manning und ]drg Sydow
1
Organisationen und Netzwerke: Beratende und Beratene Achim Loose
19
Zur Marktentwicklung der Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke Dietmar Fink und Christoph Wamser
37
Netzwerkberatung Netzwerkberatung - Aufgaben, Ansatze, Instrumente Jorg Sydow
57
Supply Chain Management: Gesamthafte Optimierung von Netzwerken durch innovative Beratungsansatze von A.T. Kearney Martin DUrr
85
Kooperationspotenziale nutzbar machen: Beratung und Entwicklung von Netzwerken kleiner und mittlerer Unternehmen Ralph Klocke 101 Beratung und Coaching von Netzwerken im Rahmen regionaler Verbundinitiativen: Der Ansatz des RKW Sachsen Helmut MUller und Claudia Scholta 115 Cluster und Kompetenznetze beraten - Erfahrungen des VDI Technologiezentrums Bernhard Hausberg 127 Systemische Netzwerkberatung bei IKEA- Oder: Umgestaltung einer globalen Wertschopfungskette in 18 Stunden Marvin Weisbord und Sandra Janojf
145
Inhaltsverzekhnis
Siemens Management Consulting - Inhouse Consulting im Netzwerk Andreas Heine, Carsten Liesener und Dierk Blechschmidt
153
Beratungsnetzwerke Beratungsnetzwerke - Funktionen, Formen, Steuerung Stephan Manning
^79
Die AUianz von Accenture und SAP: Qualitatssprung durch Teamwork bei der Beratung von Finanzdienstleistem Frank Mang
^oo
„Connectivity is King" - Zur RoUe von Beratungsnetzwerken bei der Entwicklung regionaler Intemetportale Stephan Manning 209 Boscop eg - eine Synapse im open space-Netzwerk Barbara Kozok und Jo Topfer Beratung im Netz - Neue Innovations- und Beratungsarrangements an der Schnittstelle von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik JUrgen Howaldt
227
247
Ausblick Kann man Netzwerke beraten? Roswita Konigswieser
271
Gemeinsame Sache? Netzwerkberatung, Beratungsnetzwerke, communities of change GUnther Ortmann 293
Autorenverzeichnis
I VIM
315
St^i^pliMn.
ZIHH
Veranderte Beratung — Netzwerke beraten Die Beratung von privaten und offentlichen Organisationen gilt seit Jahren als Wachstumsmarkt - auch in Deutschland (vgl. z.B. Kieser 1998; Armbriister/Kieser 2001; Faust 2002). Erst seit kurzem scheint das Wachstum - zumindest im privatwirtschaftlichen Bereich - abzuflauen; die ersten Jahre des neuen Jahrtausends gelten manchen in der Branche gar als Krisenjahre. Vieles spricht aber dafiir, dass dies nur ein voriibergehendes Phanomen ist und sich die Branche bald wieder erholt, stellt sie doch ein Symbol dar fur den gesellschaftlichen Umbau zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Die Art der Beratung scheint sich jedoch nachhaltiger zu verandern: So geht es angesichts des anhaltenden Trends zur Virtualisierung und Vernetzung von privaten und offentlichen Organisationen immer haufiger nicht mehr allein um die Beratung einer einzelnen Organisation im Sinne eines „island of planned coordination in a sea of market relations" (Richardson 1972, S. 883). Vielmehr steht immer haufiger die Beratung von Organisationen, die im Netzwerk kooperieren, bzw. die Beratung dieser Netzwerke oder Kooperationen selbst im Vordergrund. Diese firmieren unter Begriffen wie (strategische) Allianzen, Biindnisse, Joint Ventures, Partnerschaften, Arbeitsgemeinschaften oder Supply Chains, kommen manchmal aber auch als so genannte virtuelle Unternehmen daher. Tatsachlich zeigt fiir den privatwirtschaftlichen Bereich eine neuere Erhebung bei 223 europaischen Unternehmen, dass deren Management erwartet, dass diese Formen der Kooperation bis 2010 noch an Be-
Netzwerke beraten, hrsg. von J. Sydow und S. Manning Gabler-Verlag • Wiesbaden 2006, S. 1-18
Stephan Mannins und Jorg Sydow
deutiing zunehmen werden (Pfohl et al. 2004). Aber auch Kooperationen zwischen offentlichen, halb-offentlichen und privaten Organisationen haben empirisch an Relevanz gewonnen (vgl. z.B. Budaus/Eichhom 1997). Entsprechend wird Vemetzung als Beratungsgegenstand zunehmend bedeutsam: Als Beispiele im privaten Sektor sei die - haufig offentlich geforderte - regionale Vemetzung mittelstandischer Untemehmen zur Btindelung ihrer Technologie- oder Vermarktungskompetenz oder die Entwicklung von Informations- und Logistiksystemen in Zuliefemetzwerken genannt. Im offentlichen Sektor sind typische Beispiele die Vemetzung von verschiedenen Stakeholdem einer Region zur konzertierten regionalen Entwicklung oder von Gebietskorperschaften, Ministerien und Privatuntemehmen zur koordinierten Bereitstellung offentlicher Leistungen in Stadten und Gemeinden. Aber auch eine zunehmende Vemetzung von Beratungsuntemehmen und einzelnen Beratem lasst sich beobachten (vgl. Konigswieser 1998; Loose 2001). Das heifit, Beratung selbst wird vermehrt netzwerkformig angeboten, wobei Beratungsnetzwerke verschiedene Auspragungen haben konnen: So gibt es dauerhafte (uber-)regionale Verbiinde von kleinen und mittelstandischen Beratungsuntemehmen; befristete oder langerfristige Konsortien von Beratungsuntemehmen, Forschungseinrichtimgen und anderen Organisationen zur Bewaltigung offentlicher Grofiauftrage; Kooperationen grofierer Beratungs- und IT-Untemehmen zur Vermarktung, Umsetzung und Pflege von komplexen IT-L6sungen. Griinde fiir den allgemeinen Trend in Richtung Vernetzung bestehen aus Sicht von Beratungsuntemehmen in der Moglichkeit, fiir zunehmend komplexe Beratungsaufgaben Kompetenzen zu biindeln, aber auch Kapazitaten auszulasten und gleichzeitig flexibel auf sich wandelnde Beratungsbedarfe zu reagieren; Beratungsnetzwerke helfen also einerseits komplexe Bedarfe zu bewaltigen, andererseits Auftragsrisiken abzufedem (Konigswieser 1998). Die spezielle Vernetzung von Beratungs- und IT-Untemehmen hangt wiederum mit dem Trend zusammen, dass Klienten bei der Einfuhrung und Pflege komplexer IT-Systeme vermehrt spezialisierte Beratung nachfragen. Schliefilich lasst sich in diesem Zusammenhang ein Trend beobachten, wonach IT-orientierte Beratungsuntemehmen spezialisierte Spin-Offs griinden, um gebiindelt IT-Services im Auftrag verschiedener Klientenuntemehmen zu iibemehmen (vgl. Kipping 2002). Insgesamt lasst sich diese Entwicklung auf die Kurzformel bringen: Netzwerke beraten. Diese Formel impliziert zunachst zweierlei: Beratung von Netzwerken und Beratung durch Netzwerke. Erweitert man die Formel, so gelangt man zu dem interessanten und nicht unwahrscheinlichen - Fall, dass zunehmend auch Netzwerke Netzwerke beraten, dass also Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke geleistet wird.
Von der Or2anisationsberatun2 zur Netzwerkberatuns?
Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke Die Beratung privater und offentlicher Organisationen ist sowohl in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre (z.B. Staehle 1991; Kieser 1998; Armbriister/Kieser 2001; Mohe 2004; Walger 2005) und Organisations- und Wirtschaftssoziologie (z.B. Deutschmann 1993; Faust 2002; Kiihl 2005) als auch in der angelsachsischen Managementlehre (z.B. Sturdy 1997; Fincham 1999; Clark/Fincham 2002; Werr/Styhre 2002; Heusinkveld/Benders 2005) schon seit geraumer Zeit zu einem Gegenstand emsthafter theoretischer wie empirischer Forschung geworden. Dennoch fehlt es bislang an einem breit akzeptierten Begriffsverstandnis.
2.1
Von der Organisationsberatung ...
Gemeinhin wird unter Unternehmens- oder Organisationsberatung eine Dienstleistung verstanden, die zum Ziel hat, Klientenorganisationen zu unterstiitzen, Probleme zu identifizieren und zu losen und damit die Leistungs- und Uberlebensfahigkeit dieser Organisationen zu sichern oder zu verbessern. Knapper formuliert: Beratung ist eine komplexe Hilfeleistung (Schein 2002), die traditionell von einzelnen Beratern und Beraterinnen bzw. kleinen oder grofieren Beratungsunternehmen erbracht wird. Diesen wird unterstellt, iiber Wissen und Kompetenzen zu verfiigen, die die Klientenorganisation benotigt und selbst nicht - ohne fremde Hilfe - aufbauen kann. Beratung hat hier primar die Funktion, Fakten, Methoden und Techniken, aber auch Werte und Normen an die Klientenorganisation zu vermitteln. Daneben stellen Beratungsunternehmen Kapazitaten fiir Leistungen, zum Beispiel Marktanalysen, bereit, fiir die Klientenorganisationen keine eigenen Ressourcen vorhalten mochten. Des Weiteren treten Beratungsunternehmen haufig als „neutraler" Beobachter auf, dessen Einbeziehung bei komplexen Fragen durch Stakeholder einer Organisation gewiinscht ist und der kraft seiner Expertenmacht die Durchsetzung von Entscheidungen erleichtem kann. Schliefilich iibernehmen Berater die Funktion eines „Sinnsti£ters'' in unsicheren und widerspriichlichen Situationen, treten zuweilen aber auch als wichtiger Koalitionspartner von Organisationsmitgliedern in mikropolitischen Prozessen auf (vgl. dazu genauer Kieser 1998). Diese Funktionen gilt es hinsichtlich ihrer Relevanz und spezifischen Auspragung bei der Netzwerkberatung zu iiberpriifen. Umgekehrt ist zu untersuchen, wie Beratungsnetzwerke - im Vergleich zu Beratungsunternehmen - in der Lage sind, diese verschiedenen Funktionen zu erfiillen. Organisationsberatung tritt des Weiteren ublicherweise in zwei grundlegend alternativen, jedoch in der Praxis zum Teil kombinierten Ansatzen auf: inhaltsorientiert (auch: fachlich oder strategisch) und prozessorientiert (auch: systemisch oder
Stephan Manning und Jorg Sydow
partizipativ) (vgl. z.B. Willke 1996; Moldaschl 2001). Inhaltsorientierte Beratung hat die direkte Vermittlung von Fachwissen, zum Beispiel so genannter Best Practices, zum Gegenstand und ist an die inhaltliche Expertise des Beraters gekniipft; aber auch an seine Fahigkeit, Probleme zu definieren, von deren expertengestiitzter Losbarkeit er den Klienten iiberzeugen kann. Prozessorientierte Beratung hat dagegen zum Ziel, den Klienten - meist mit Hilfe systemischer (Gro6-)Gruppenverfahren - zu befahigen, auf Basis seiner eigenen Ressourcen und Kompetenzen selbst Problemlosungen zu entwickeln. Hier besteht die Kompetenz des Beraters zum Beispiel in seiner Ausbildung und Erfahrung in systemischer Prozessmoderation. In jedem (!) Fall handelt es sich bei Beratung um einen eigend)mamischen und zugleich kontextuell eingebetteten Interaktionsprozess, der durch eine mehr oder minder starke Mitwirkung des Kunden im Sinne einer „Kundenintegration" gekennzeichnet ist (Kleinaltenkamp 1997). Der Unterschied zwischen den Ansatzen besteht jedoch in den RoUen, die Berater und Klienten zueinander einnehmen, und den Instrumenten und Techniken, die in den Ansatzen zur Anwendung kommen. Um Beratung in Netzwerkzusammenhangen zu verstehen, erscheint die Frage der Ausiibung von RoUen durch Berater und Klienten von besonderer Bedeutung; aber auch die Relevanz der beschriebenen Beratungsansatze ist zu iiberpriifen. Mit ihren verschiedenen Funktionen und Ansatzen kann Beratung schliel^lich mehr oder weniger professionell erfolgen. Haufig wird der Beratungsbranche unterstellt, zwar Professionalitat zu vermitteln, jedoch keinen wirklichen professionellen Normen zu unterliegen (vgl. Kuhl 2001; Alvesson/Johansson 2002); dies gilt umso mehr fiir die noch vergleichsweise junge Beratung in und von Netzwerken. Erwartungen einer Klientenorganisation an die Professionalitat von Beratungsanbietem speisen sich zumeist aus deren Reputation bzw. ausgewiesenem Erfolg sowie den gemeinsamen Erfahrungen zwischen Klienten und Berater. Wohl gemerkt stiitzt sich Beratung auf wissenschaftliche Erkenntnisse, zum Beispiel des „Scientific Management", der Kleingruppen- und Konfliktforschung oder des strategischen Managements (vgl. Staehle 1999), um „professionelle" Problemdiagnosen und -losungen zu vermitteln. Welchen „gesicherten Erkenntnissen" indes beispielsweise Netzwerkberatung unterliegt, ist eine interessante, nicht nur akademische Frage. In jedem Fall unterliegt Beratung einer eigenen „professionellen" Geschaftslogik, mit der Erkenntnisse und Erfahrungen auf praktische Erfordemisse angewandt werden, wobei es jedoch unmoglich zu sein scheint, Wirkungen von Beratungsleistungen hinreichend genau zu evaluieren (vgl. Kieser 1998, 2002); nicht zuletzt deshalb, weil Beratungsprozesse durch die Integration des Kunden eine Eigendynamik entfalten, die eine Standardisierung von Beratungsleistungen sowie eine „objektive" Bewertung ihrer Qualitat erschwert. Fragen nach Funktionen, Ansatzen und der Professionalitat von Beratung scheinen insbesondere relevant, wenn der Gegenstand von Beratung noch wenig erforscht ist bzw. geringe Erfahrungen mit Beratung in Bezug auf den Gegenstand bestehen. Diese Situation besteht in der im Folgenden vorgestellten Netzwerkberatung, die selbst von
Von der Orsanisationsberatung zur Netzwerkberatung?
fiihrenden Branchenvertretern, wie Roswita Konigswieser, bis heute als „Lernfeld'' bezeichnet wird (vgl. auch Konigswieser in diesem Band).
2.2
... zur Netzwerkberatung ...
Um Funktionen und Ansatze der Netzwerkberatung einordnen und deren Professionalitat bewerten zu konnen (vgl. Sydow in diesem Band), bedarf es zunachst einer begrifflichen Klarung. So sollen unter Netzwerkberatung - im Unterschied zur Organisationsberatung - alle Beratungsaktivitaten subsumiert werden, die sich auf die Bildung, das Management, die (Weiter-)Entwicklung, aber auch die Beendigung von interorganisationalen Netzwerkbeziehungen richten. Die Adressaten von Netzwerkberatung sind - ebenfalls im Unterschied zur Organisationsberatung - mehrere rechtlich selbstandige Akteure, die in einem Netzwerk zusammenarbeiten. Gleichwohl wird Netzwerkberatung haufig von einzelnen Netzwerkakteuren, etwa fokalen Unternehmungen, in Auftrag gegeben. Entscheidend ist jedoch, dass es sich bei den Klienten um Netzwerkakteuie handelt. Denkbar sind aber auch Situationen, in denen das gesamte Netzwerk als Klient auftritt, wenngleich „das Netzwerk'' in der Praxis typischerweise durch einzelne Akteure vertreten wird (s.o.). In alien Fallen karm Netzwerkberatung sowohl extern durch ein eigenstandiges Beratungsunternehmen (oder -netzwerk) als auch intern durch eine Beratungsabteilung oder eine Organisation im Netzwerk erfolgen. Bislang wurde Netzwerkberatung insbesondere im privatwirtschaftlichen Bereich kaum wissenschaftlich untersucht (vgl. aber Loose 2001). Im offentlichen Bereich gibt es dagegen eine Reihe von Studien insbesondere zur Beratung und Entwicklung regionaler Stakeholder-Netzwerke (vgl. z.B. Cummings 1984; Gray 1989). AUerdings mangelt es an Arbeiten, die sich mit Funktionen und Ansatzen, aber auch Anforderungen an die Professionalitat von Netzwerkberatung explizit auseinandersetzen. Kern dieser Auseinandersetzung sollte sein, wie Beratungsanbieter Klienten bei der Bildung, der Entwicklung, dem Management und der Beendigung von Netzwerkbeziehungen unterstiitzen konnen und welche Beratungsansatze sie auf welche Weise und in welcher Kombination anwenden. Da von ausgehend ware die Professionalitat von Netzwerkberatung vor allem daran zu messen, inwiefern Beratungsanbieter zum einen die verschiedenen - wermgleich haufig unterschiedlich machtvoUen - Netzwerkakteure in den Beratungsprozess einbeziehen bzw. deren Interessen und Ziele beriicksichtigen, zum anderen inwiefern sie die haufig diskutierten Spannungsverhaltnisse - zwischen Kooperation und Wettbewerb, Autonomie und Abhangigkeit, Vertrauen und KontroUe - unter denen Netzwerkakteure zusammenarbeiten, zum Thema machen bzw. mit diesen umgehen (vgl. im Detail Sydow in diesem Band).
Stephen Manning und Jorg Sydow
2.3
... und Beratungsnetzwerken
Ahnlich wie die Netzwerkberatung sind Beratungsnetzwerke bisher nur vereinzelt zum Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung geworden (vgl. aber bereits Krystek/Miiller 1992; Konigswieser 1998; Lenz/Schmidt 1999; Lilja/Poulfelt 2001). Unter Beratungsnetzwerken werden im Folgenden Untemehmungsnetzwerke verstanden, die von Beratungsuntemehmen oder einzelnen Beratem (Ein-Personen-Unternehmen) koordiniert werden und die primar auf die Erbringung von Beratungsleistungen ausgerichtet sind. AUgemein bezeichnen Untemehmungsnetzwerke „eine Organisationsform okonomischer Aktivitaten zwischen Markt und Hierarchie ..., die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbstandigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhangigen Untemehmungen [auch: Ein-Personen-Untemehmungen] auszeichnet" (Sydow 1992, S. 82). Im Unterschied zu Beratungsuntemehmen bieten in Beratungsnetzwerken daher stets mehrere rechtlich selbstandige Akteure Beratungsleistungen (arbeitsteilig) an und sind - mehr oder weniger stark - in Beratungsprozesse einbezogen. Gleichwohl konnen einzelne Netzwerkakteure als Auftragnehmer agieren. Inwiefem sich Beratungsnetzwerke fiir bestimmte Ansatze und Funktionen von Beratung besser eignen als Beratungsuntemehmen, ist eine offene Frage. Auch ist bislang unbeantwortet, ob Beratungsnetzwerke iiberhaupt so organisiert werden konnen, dass dauerhafte Wettbewerbsvorteile entstehen konnen, das heifit, ob sie gar Kandidat fiir die Ausbildung „kooperativer Kemkompetenzen" (Duschek 1998) sind. Ein wichtiger Faktor in Beratungsnetzwerken scheint in jedem Fall deren Wissensintensitat bzw. die Bedeutung von Wissen als Netzwerkressource zu sein, wodurch Lemen zwischen rechtlich unabhangigen Beratem stimuliert wird (vgl. auch Sydow/van Well 1996). AUerdings ist zu fragen, wie in Beratungsnetzwerken mit den bereits erwahnten Spannungsverhaltnissen - zwischen Kooperation und Wettbewerb, Vertrauen und KontroUe sowie Autonomie und Abhangigkeit - umgegangen wird. Analog zur Netzwerkberatung zeigt sich die Professionalitat von Beratungsnetzwerken daher zum einen darin, wie - vor dem Hintergmnd von Klientenanfordemngen - die Fahigkeiten und Kapazitaten von Netzwerkakteuren sinnvoU kombiniert werden, zum anderen, wie im Beratungsnetzwerk die genannten Spannungsverhaltnisse etwa bei der Ressourcenallokation gemanagt werden (vgl. hierzu die Einfiihrung von Manning in diesem Band). Nur ein professionelles Beratungsnetzwerk in diesem Sinne scheint schliefilich in der Lage, nicht nur Organisations- sondem auch Netzwerkberatung anzubieten und dabei professionelles Netzwerkmanagement zu vermitteln.
Von der Orsanisationsberatung zur Netzwerkberatung?
2.4
Organisationsberatung trotz Netzwerkberatung — Beratungsunternehmen trotz Beratungsnetzwerken
Wenngleich der Fokus der folgenden Auseinandersetzung und des gesamten Bandes auf Netzwerken liegt, soil nicht suggeriert werden, dass Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke Organisationsberatung und Beratungsunternehmen obsolet machen. Im Gegenteil: So sind Netzwerke zum einen haufig Gegenstand von Organisationsberatung, wenn es etwa darum geht, Verwaltungen bei der Entwicklung regionaler Innovationsnetzwerke zu unterstiitzen oder Klientenorganisationen zu helfen, ihr Zuliefernetzwerk zu analysieren, wobei die Grenzen zur Netzwerkberatung im engeren Sinne (s.o.) fliefiend sind. Vor allem aber: Netzwerkbildung und -entwicklung induziert immer internen Organisationswandel, wodurch ein entsprechender organisationsbezogener Beratungsbedarf ausgelost wird. Umgekehrt kann Organisationsberatung mehr oder minder gtinstige Voraussetzungen fiir die Bildung externer Netzwerke schaffen. Beratungsnetzwerke bestehen ihrerseits stets aus einzelnen Beratungsunternehmen, die weiterhin auch autonom ihre Leistungen anbieten werden. Ebenso werden viele Klienten - insbesondere im offentlichen Bereich - weiterhin auf grolie Beratungsunternehmen setzen, die von ihrer Reputation profitieren und Netzwerke, zum Beispiel zu extemen Experten, hochstens „im eigenen Namen'' aufbauen. Damit ist jedoch angedeutet, dass auch die Ubergange vom Beratungsunternehmen zum Beratungsnetzwerk fliefiend sind und Netzwerkfragen allemal fiir Beratungsunternehmen relevant sind bzw. mehr derm je sein werden. Vor diesem Hintergrund wird im restlichen Teil dieses einleitenden Beitrags versucht, den Besonderheiten von Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerken gegeniiber Organisationsberatung und Beratungsunternehmen etwas naher zu kommen. Dabei riicken zwei Aspekte in den Mittelpunkt: Erstens die Organisation von Beratungsprojekten, zweitens das Management von Klientenbeziehungen - in und zwischen Organisationen und Netzwerken. Dabei wird auf eine dynamische Organisationsform aufmerksam gemacht, die verspricht, sowohl das Management von Beratungsprojekten als auch von Klientenbeziehungen in Netzwerken effektiv zu unterstiitzen: das Projektnetzwerk. Abschliefiend werden verschiedene Konstellationen der Beratung von und in Netzwerken diskutiert und eine Typologie von Netzwerken vorgestellt, die es erlaubt, Funktionen und Ansatze von (Netzwerk-)Beratung durch Beratungsunternehmen und -netzwerke zu kontextualisieren. Daraus lassen sich weitere Implikationen fiir den professionellen Einsatz von Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerken ableiten.
Stephan Manning und Jorg Sydow
3
Beratungsprojekte und Klientenbeziehungen In Netzwerken
Die Organisation von Beratungsprojekten und das Management von Klientenbeziehungen sind - neben Funktionen, Ansatzen und der Professionalitat von Beratung zentrale Gegenstande der Beratungsforschung (vgl. etwa EngwallAVestling 2004; Alvesson/Johansson 2002; Fincham 1999). Ahnlich wie im Fall der Beratungsfunktionen und -ansatze mangelt es jedoch an Studien, die sich mit Besonderheiten von Beratungsprojekten und Klientenbeziehungen in Netzwerken befassen (vgl. aber zu letzteren ansatzweise Loose 2001). Um aber sowohl die Potenziale und Risiken von Beratungsnetzwerken als auch die Eigenheiten von Netzwerkberatung zu verstehen, lohnt ein genauerer Blick auf diese Aspekte des Beratungsgeschafts.
3.1
Organisation von Beratungsprojekten in Netzwerken
Ein typisches Merkmal der meisten Beratungsleistungen ist deren Projektartigkeit. Wenngleich Beratung auch als kleinteilige Leistung, etwa in Form einzelner oder wiederholter Beratungsgesprache, zum Beispiel als „Coaching" (vgl. Sydow in diesem Band), vorkommt, ist fiir viele Beratungsleistungen eine komplex-arbeitsteilige Erstellung und eine partielle Einmaligkeit in ihrer Ziel- und Umsetzung sowie eine zeitliche Befristung kennzeichnend. In dem Fall weisen Beratungsleistungen typische Eigenschaften von Projekten auf (vgl. Griin 1992). Das Besondere bei Beratungsprojekten besteht jedoch in ihrem Dienstleistungscharakter, also ihrer Immaterialitat und der Einbeziehung des Klienten (vgl. Engelhardt et al. 1993) sowie der Wissensintensitat der erbrachten Leistung (Kieser 1998). Eine Hauptschwierigkeit, Projekte im AUgemeinen und Beratungsprojekte im Besonderen zu organisieren, besteht darin, dass Projekte einerseits eigenstandige Unternehmungen sind, andererseits als „temporare Systeme" in verschiedene „Umsysteme" - wie Organisationen und interorganisationale Netzwerke - eingebettet sind (vgl. z.B. Blomquist/Packendorf 1998; Scherf 2002; Czamiawska/Maza 2003). Im Besonderen haben Beratungsprojekte die Eigenschaft, dass sie Veranderungen in permanenten Klientenorganisationen oder -netzwerken herbeifiihren soUen (vgl. etwa Bosterling 1995), also - vielleicht starker als andere Projekte - direkt auf permanente Umsysteme einwirken. Welche Veranderungen genau durch Beratungsprojekte ausgelost werden, ist jedoch aufgrund der Immaterialitat und Eigendynamik von Beratungsleistungen weder leicht vorherzusagen noch im Nachhinein zu ermitteln (vgl. dazu Kieser 1998). Nicht zuletzt spielt der Klient fiir den Beratungserfolg eine wichtige Rolle, indem er -
Von der Organisationsberatung zur Netzwerkberatung?
neben seiner Integration in den Beratungsprozess - die Umsetzung von Beratungsergebnissen in hohem Mafie mit verantwortet. Daher ist die Aushandlung von Zielen, Interessen und Erwartungen in Beratungsprojekten ein machtvoUer und schwieriger Prozess (vgl. Alvesson/Johansson 2002), ganz gleich, ob es sich um Fach- oder Prozessberatung, strategische oder systemische Beratung handelt (vgl. Keil 2000). Haufig stellen sich Beratungsziele gar erst im Laufe des Beratungsprozesses heraus (vgl. Engwall/Westling 2004), was sowohl auf Seite der Klienten als auch der Berater eine hohe Unsicherheit begriinden kann (Sturdy 1997). In der Netzwerkberatung ist die Aushandlung von Zielen, Interessen und Erwartungen bei Beratungsprojekten sowie die Umsetzung von Beratungsergebnissen eine besondere Herausforderung, denn es besteht zunachst die Frage, wer eigentlich in den Beratungsprozess einbezogen werden soil und auf wen sich die Intervention auf welche Weise auswirkt. Selbst wenn es einen eindeutigen Klienten gibt, besteht das Problem, dass dieser Klient Veranderungen im Netzwerk aufgrund mangelnder Weisungsmacht schwieriger durchsetzen kann als in einer hierarchischen Organisation. Bei der Organisation von Netzwerkberatungsprojekten scheint es daher unter anderem wichtig zu sein, Promotoren im Netzwerk zu gewinnen, die jenseits formaler Autoritat dabei helfen, Veranderungen umzusetzen (vgl. auch Bosterling 1995). Beratungsnetzwerke haben wiederum das Potenzial, komplexe Beratungsprojekte durch flexiblen Einsatz von Netzwerkpartnem kostengiinstig durchzufiihren. AUerdings gibt es - ahnlich wie in Klientennetzwerken - in Beratungsnetzwerken ein Steuerungsdefizit, das aus der fehlenden einheitlichen Leitung resultiert. Umso wichtiger - auch vor dem Hintergrund der schwierigen Bewertung von Beratungsleistungen - scheint es daher, verbindliche Regeln der Allokation von Aufgaben und Ressourcen sowie der Zusammenarbeit in Beratungsteams im Netzwerk zu etablieren. Die Erfolgsaussicht von Beratungsprojekten (in Netzwerken) hangt jedoch auch von der Qualitat von Klientenbeziehungen ab. Gerade Netzwerkarrangements scheinen pradestiniert fiir ein flexibles und zugleich professionelles Beziehungsmanagement in Hinblick auf einzelne Beratungsprojekte und iiber diese hinaus zu sein. Inwieweit dem so ist, wird im Folgenden kurz diskutiert.
3.2
Management von Klientenbeziehungen in Netzwerken
Das Management von Klientenbeziehungen ist eine wesentliche Aufgabe im Beratungsgeschaft. Denn im Projektgeschaft allgemein besteht das systematische Problem, dass Projekte enden und Geschaftsbeziehungen diskontinuierlich sind (vgl. Hadjikhani 1996). Um ein langfristiges Projektgeschaft zu ermoglichen, ist es daher erforderlich, wichtige (potenzielle) Klienten dauerhaft zu binden. Dies gelingt in der
Stephan Mannins und Jorg Sydow
Beratung etwa dadurch, dass systematisch ein Folgeberatungsbedarf generiert wird (Emst/Kieser 2002). Voraussetzung dafiir ist jedoch die Schaffung von Vertrauen, etwa durch die erwartungsgemafie Erbringung von (Vor-)Leistungen, aber auch durch die glaubhafte Versicherung der Fahigkeit, bestimmte (Folge-)Leistungen zu erstellen. Neben Vertrauen wird in langerfristigen Klientenbeziehungen jedoch haufig auch ein- oder beidseitige - Abhangigkeit generiert, die die Anbahnung und Durchfiihrung von (aufeinander folgenden) Beratungsprojekten „unterstutzt" (vgl. auch Fincham 1999). Dabei andert sich zuweilen die RoUe des Beraters - etwa vom extemen Experten zum (quasi-intemen) Coach (vgl. auch Schein 2002). Gerade in der Netzwerkberatung kann es passieren, dass Beratungsanbieter liber die Zeit als „Netzwerkpartner" quasi-integriert werden, also vom „extemen" zum „internen" Berater oder Coach „wechseln". Damit kann jedoch - von Netzwerkteilnehmem - die „Objektivitat" und „Neutralitat" des Beraters in Frage gestellt werden (vgl. etwa Sturdy 1997; Fincham 1999). Ebenso denkbar ist jedoch, dass Beratimgsanbieter multiple Klientenbeziehungen in Netzwerken aufbauen. Dadurch besteht die Chance, mehrere Klienten zu bedienen, aber auch das Risiko, Interessenskonflikte und multiple Verpflichtungen einzugehen. Fine offene Frage ist, wie Beratungsanbieter mit Akteursfluktuationen im Netzwerk umgehen. Dabei bestiinde eine Strategie etwa im Aufbau kontroUiert redundanter Kontakte zu Netzwerkpartnem. Umgekehrt bieten sich Beratungsnetzwerke fiir das Management von Klientenbeziehungen (auch in Klientennetzwerken) dadurch an, dass einzelne Netzwerkpartner mehr oder weniger eigenstandig die Betreuung einzelner Klienten iibemehmen konnen. Entsprechend soUte sich auch die Selektion von Partnem im Beratungsnetzwerk unter anderem nach deren Klientenkontakten richten, sofem diese Kontakte als „Netzwerkressource" nutzbar sind. Dieses Potenzial stellt jedoch zugleich eine Managementherausforderung dar: So ist zum einen Klientenvertrauen eine schwer ubertragbare Ressource; zum anderen ist zu verhindem, dass Partner in Beratungsnetzwerken Klientenkontakte nur fur eigene Zwecke akquirieren. Die wechselseitige Dynamik von Beratungsprojekten und Klientenbeziehungen in Netzwerken lasst sich schliefilich gut mit dem Modell des „Projektnetzwerks" einfangen (vgl. SydowAVindeler 1999). Projektnetzwerke sind Netzwerke, deren Teilnehmer ihre Beziehungen zueinander vomehmlich iiber wiederkehrende Projektzusammenarbeit (re-)produzieren - wie die meisten Beratungsnetzwerke. Klienten sind „Teilnehmer" von Projektnetzwerken, sofem sie (potenziell) wiederholt Beratungsleistungen von Beratungsnetzwerken nachfragen. Durch Beratungsprojekte werden Klienten- und Dienstleisterbeziehungen im Netzwerk reproduziert, wobei durch erfolgreiche Teilnahme Netzwerkpartner ihre Netzwerkposition starken konnen. Wie Beratimgsnetzwerke als Projektnetzwerke gesteuert werden konnen, soil jedoch erst an spaterer Stelle interessieren (vgl. zu Beratungsnetzwerken Manning in diesem Band).
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Von der Orsanisationsberatung zur Netzwerkberatung?
Konstellatlonen der Beratung von und in Netzwerken Zusammenfassend soUen nun Funktionen und Ansatze der Beratung sowie Merkmale von Beratungsprojekten und Klientenbeziehungen noch einmal systematisch in Hinblick auf Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke zusammengetragen werden. Ziel soil es sein, verschiedene Beratungskonstellationen und deren Managementimplikationen zu identifizieren. Zunachst konnen vier verschiedene Grundkonstellationen der Beratung von und in Netzwerken unterschieden werden (s. Abb. 1):
Ahb. 1:
Konstellatlonen der Beratung von und in Netzwerken
Adr^mi
C^pKilsatton
ItetaMTtrk
Anbtetm* UnlBn^hiT^fi
(I) Organisationsberatung (II) Netzwerkberatung durch Beratungsunternehmen durch Beratungsunternehmen (III) Organisationsberatung durch Beratungsnetzwerke
(IV) Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke
In Fall (I) werden Organisationen durch Beratungsunternehmen beraten. Hier scheinen Netzwerke auf den ersten Blick iiberhaupt keine RoUe zu spielen. AUerdings ist Organisationsberatung denkbar, bei der Netzwerke zum Thema gemacht werden (z.B. bei der AUianzberatung) oder zumindest einen wichtigen Beratungskontext darstellen (z.B. bei der strategischen Beratung eines Herstellers, der von bestimmten Handlem abhangig ist). Auf der anderen Seite konnen autonom agierende Beratungsunternehmen Netzwerke informell als Ressource heranziehen, wenn sie zum Beispiel externe Experten projektbezogen engagieren. In Fall (II) werden Netzwerke, also Zusammenschliisse zwischen rechtlich selbstandigen, wirtschaftlich bzw. funktional jedoch meist abhangigen Akteuren, durch Beratungsunternehmen beraten. Hier sind Netzwerke nicht nur Gegenstand, sondem auch explizit Adressaten von Beratung. Das heifit, wenngleich haufig einzelne Akteure als Auftraggeber auftreten, handeln diese als mehr oder weniger machtvoUe Vertreter eines Klientennetzwerks, dessen Mitglieder in den Beratungsprozess mehr oder weniger explizit einbezogen oder zumindest beriicksichtigt werden. In Fall (III) werden Organisationen durch Netzwerke beraten, d.h. Klientenorganisationen greifen auf einen Zusammenschluss von rechtlich unabhangigen Beratern zu, die ihre Beratungsleistungen im Netzwerk koordinieren.
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Stephan Mannins und Jorg Sydow
In Fall (IV) werden schliefilich Netzwerke durch Netzwerke beraten, d.h. sowohl von Seiten des Beraters als auch des Klienten kommt es hier tendenziell zur Herausbildung multiple! Beratungskontakte und -beziehungen in den bereits genannten Spannungsverhaltnissen. Die jeweiligen Konstellationen konnen unterschiedliche Funktionen von Beratung implizieren. So werden Klientennetzwerke Beratung moglicherweise aus anderen Griinden nachfragen als einzelne Klientenorganisationen. Ebenso ist anzunehmen, dass viele Beratungsnetzwerke von anderen Klienten, zum Beispiel kleinen und mittelstandischen Untemehmen, beauftragt werden als (grofie) Beratungsuntemehmen. Hinsichtlich der Ansatze von Beratung ist vorstellbar, dass der Bedarf an inhalts- und prozessorientierter Beratung in Klientennetzwerken in anderen Kontexten auftritt als in Klientenorganisationen, zum Beispiel mag es vielen Klientennetzwerken - im Gegensatz zu Klientenorganisationen - an entsprechender (Netzwerk-)Managementerfahrung fehlen, so dass in diesem Fall eine Fachberatung nachgefragt wird. Wiederum ist denkbar, dass Beratungsnetzwerke eher die Fahigkeit haben, verschiedene Beratungsansatze zu kombinieren als einzelne Beratungsuntemehmen. Je nach Konstellation konnte sich wiederum die Art und Weise unterscheiden, wie Beratungsprojekte angebahnt und durchgefiihrt werden. So macht es einen Unterschied, ob Beratungsprojekte mit einzelnen Klientenorganisationen oder mit Klientennetzwerken geplant und umgesetzt werden. Umgekehrt erscheint die AUokation von Ressourcen fiir Beratungsprojekte in Beratungsnetzwerken anders abzulaufen als in Beratungsuntemehmen. Schliefilich mogen sich Klientenbeziehungen je nach Konstellation anders entwickeln. So wurde die Bedeutung potenziell multipler Klienten- und Beraterbeziehungen in Klienten- bzw. Beratemetzwerken bereits angesprochen. Eine noch differenziertere Betrachtung gelingt, wenn verschiedene Typen von Netzwerken unterschieden werden, die Beratung anbieten bzw. nachfragen. In der Netzwerkforschung gibt es zahlreiche Versuche, Netzwerktypen zu unterscheiden (vgl. im Uberblick Sydow et al. 2003). Eine wichtige Unterscheidung ist die zwischen starker hierarchischen und starker heterarchischen Netzwerken. Hierarchische Netzwerke sind durch eine strategische Steuerung, meist ausgehend von einem fokalen Unternehmen gekeruizeichnet. Heterarchische Netzwerke sind dagegen starker partizipativ angelegt und werden typischerweise durch koUektiv legitimierte Gremien gesteuert. Eine weitere Unterscheidung wird zwischen eher dynamischen und eher stabilen Netzwerken gemacht. Erstere verweisen auf Netzwerke mit haufig wechselnden Partnem sowie einer diskontinuierlichen Zusammenarbeit zwischen ihnen. Letztere verweisen dagegen auf kontinuierliche und lang anhaltende Beziehimgen. Netzwerke, die beraten werden, lassen sich entlang dieser zwei Merkmalsdimensionen verorten. Die Frage ist, in welchem Zusammenhang der Netzwerktyp mit den Funktionen und Ansatzen der Beratung, der Anbahnung und dem Ablauf von Beratungsprojekten sowie dem Aufbau von Klientenbeziehungen steht. Beispielhaft lasst sich diese Uberlegung an hierarchisch-stabilen, so genannten „strategischen Netzwerken"
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(Sydow 1992) erlautern, die beraten werden soUen. So konnte eine zentrale Funktion von Netzwerkberatung in diesem Fall darin bestehen, Netzwerkbeziehungen auf das fokale Netzwerkunternehmen auszurichten, wobei Zieldivergenzen zwischen Netzwerkakteuren aufgrund der strategischen Steuerung weniger ins Gewicht fallen diirften. Je nach Beratungsgegenstand kdnnten inhalts- und prozessorientierte Beratungsansdtze kombiniert werden, wobei eine partizipative Einbeziehung der Netzwerkpartner insbesondere bei der Umsetzung von Beratungsergebnissen erforderlich erscheint. Dies hangt jedoch davon ab, wie Beratungsprojekte sich entwickeln, wobei davon auszugehen ist, dass das fokale Untemehmen eine zentrale RoUe als Promoter und Vermittler von Beratungsprozessen einnehmen wird. Das Management von Beratungsprojekten ist schliefilich vor dem Hintergrund einer eventuell langerfristigen Beziehung zwischen Berater und Netzwerkakteuren, insbesondere dem fokalen Unternehmen, zu betrachten, infolge derer sich Berater ggf. als „externe Netzwerkpartner'' etablieren und ein Projektmanagement im vertrauten Kontext ermoglichen. Aber auch Netzwerke, die beraten, lassen sich in ahnlicher Weise qualifizieren. Als Beispiel sei hier ein heterarchisch-dynamisches, projektformig organisiertes Beratungsnetzwerk genommen. Dessen Funktion kdnnte es primar sein, komplexe Interventionen - eher als kontinuierliches Coaching - klientenorientiert anzubieten, und dafiir jeweils geeignete Berater bereitzustellen. Ein derartiges Beratungsnetzwerk scheint sowohl fiir Ansatze der inhalts- als auch der prozessorientierten Beratung nicht zuletzt in Kombination - geeignet; es eroffnet jedoch gleichzeitig den einzelnen Mitgliedem die Moglichkeit - starker als in Hierarchien - neben Netzwerkprojekten auch eigene Beratungsprojekte abzuwickeln. Dabei erscheint es wichtig, Anreiz- und Kontrollmechanismen zu etablieren, um eine moglichst hohe und langfristige Leistungsfahigkeit des Beratungsnetzwerks sicherstellen. Die Teilautonomie der Partner im Netzwerk erlaubt es wiederum, multiple Beziehungen zu (potenziellen) Klienten aufzubauen. Dabei besteht jedoch - wie bereits beschrieben - die Schwierigkeit, diese Beziehungen im Netzwerkzusammenhang nutzbar zu machen. Ebenso entsteht die Frage, welche Anreize Netzwerkakteure haben, im Netzwerk zu verbleiben, wenn sie iiber genug eigene Kontakte verfiigen und wenige Griinde dafiir bestehen, diese dem Netzwerk zur Verfiigung zu stellen. Wichtig scheint in diesem Fall die Herausbildung einer Netzwerkidentitat und -kultur der gemeinschaftlichen Arbeit und Nutzung von Ressourcen im Beratungsgeschaft. Fragen nach der „netzwerktypgerechten'' Organisation von Beratungsprojekten und -beziehungen potenzieren sich in Konstellationen, in denen Netzwerke Netzwerke beraten. Zunachst besteht in diesem Fall - zumindest theoretisch - auf beiden Seiten die Schwierigkeit zu erkennen, wer als Partner oder Ansprechpartner im Netzwerk in Frage kommt. Dies wiederum richtet sich nach der Art und Weise, wie das jeweilige Netzwerk gemanagt wird b z w welchem Typ es zuzuordnen ist. Auch ist zu fragen, inwiefern sich Netzwerkakteure ihrer Einbettung im Netzwerk bzw. der Einbettung des Klienten im Netzwerk iiberhaupt gewahr sind, also inwiefern sich Berater und Klienten gegenseitig als Netzwerkakteure wahrnehmen. Des Weiteren ist von Inte-
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resse, ob sich die Klientennetzwerke und die Beratungsnetzwerke in ihrem Typus ahneln soUten, zum Beispiel beide als strategische Netzwerke ausgebildet sein soUten, und welche Bedeutung dies fiir Beratungsprozess und -ergebnis haben konnte. Oder sind strategische Netzwerke - der wohl haufigste Kliententyp - durchaus effektiv und effizient auch durch heterarchisch organisierte Beratungsnetzwerke zu bedienen? Dabei scheinen in jedem Fall Projektnetzwerke „zwischen" Berater- und Klientennetzwerken erforderlich zu sein, um gemeinsame Projekte - jeweils kontextspezifisch - zu organisieren (vgl. auch Loose 2001). Diese hohen - theoretischen - Anforderungen diirfen jedoch nicht dariiber hinwegtauschen, dass in der Praxis Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke in verschiedenen, mehr oder weniger ausgepragten Varianten, an Bedeutung zunehmen wird. So erscheint insbesondere eine zugleich distanziert-unabhangige und klientermah-kontextbezogene Beratung von Organisationen wie von Netzwerken den Einsatz von zumindest informellen - Beratungsnetzwerken bereits heutzutage zu erfordem. Derm es besteht die gangige Praxis, ehemalige BeraterkoUeglnnen beim Klientenunternehmen informell in die wiederholte Akquisition und Durchfiihrung von Beratungsprojekten einzubeziehen. Analog ist eine Praxis vorstellbar, wonach Partner eines Beratungsnetzwerkes in Klientennetzwerke integriert und so kontinuierlich Klientenbeziehungen in bzw. zwischen Netzwerken unterhalten werden. Eine wichtige Grundlage dafiir scheint ein professionelles Management von Beratungsprojekten und -beziehungen im Netzwerk auf beiden Seiten zu sein, wobei anzunehmen ist, dass langerfristig - bestimmte Vertreter des Klienten- und Beratemetzwerkes das Beziehungsmanagement gemeinsam iibemehmen konnen. Was eine solche professionelle Beratung in und von Netzwerken beinhalten bzw. wie diese aussehen kann, soil in diesem Band deutlich werden.
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OrpMitM^cw^n unci N#t2¥wke:
Netzwerkberatung praktizieren: Erfahrungen aus der Beratungspraxis Die Beratung von und in Netzwerken ist ein noch junges Betatigungsfeld fiir Berater. Netzwerkberatung ist jedoch bisher nicht als eigenstandiger und eintraglicher Wachstumsmarkt „entdeckt'' worden. So gibt es beispielsweise im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater bisher keine Arbeitsgruppe oder Sektion, die sich mit diesem Thema beschaftigt. Netzwerkberatung, als eine eigenstandige Beratungsform, scheint gegenwartig noch ein Schattendasein zu fiihren. Dies entweder, weil eine derart „eigenstandige" Beratungsform grundsatzlich als nicht erforderlich erscheint - alles Relevante zum Thema Netzwerkberatung kann auch mit den vorhandenen, traditionellen und modemen Erkenntnissen sowie Methoden der Organisationsberatung bearbeitet werden. Oder weil das Nachfragepotenzial den Aufwand derartiger Entwicklungsarbeit nicht rechtfertigen wiirde. Als Berater, der seit mehreren Jahren Netzwerke berat, Netzwerkorganisationen betreut und selbst in einem Beraternetzwerk aktiv tatig ist, mochte ich zunachst von meinen praktischen Erfahrungen bei der Beratung von und in Netzwerken berichten. Mit Blick auf die Beratung von und in Netzwerken ist meine Ausgangsperspektive diejenige einer eigenstandigen Beratungsunternehmung, die unter anderem Netzwerke kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) betreut. Konkret bedeutet dies, dass in der Kegel 5 bis 30 Unternehmen am Netzwerk teilnehmen und diese zwischen 1 und 100 Mitarbeiter haben. Im folgenden Abschnitt mochte ich unter anderem der Frage nachgehen, welche grundlegenden und praxisrelevanten Probleme in Netzwerken einer externen Beratung bediirfen. Darauf aufbauend mochte ich zweitens den Weg vom „Einzelkampfer" zum „Beratungsnetzwerk" kurz skizzieren und drittens nach den zentralen Unterschieden zwischen Organisations- und Netzwerkberatung Netzwerke beraten, hrsg. von J. Sydow und S. Manning Gabler • Wiesbaden 2006, S. 19-36
Achim Loose
fragen und hierbei die Bedingungen ausloten, die diese Unterschiede auf die Beratung von und in Netzwerken haben konnen.
Netzwerkberatung dlfferenzieren: Wer berat eigentlich wen? Zum Einstieg in das Thema mochte ich - ebenso wie Manning/Sydow in der Einleitung zu diesem Band - vier grundlegende Konstellationen der Beratung unterscheiden, in der Beratende und Beratene aufeinander treffen konnen (vgl. Abb. 1).
Abb. 1:
Konstellationen der Beratung in und von Netzwerken („V' bzw. „n" stehen hierfiir die am Beratungsprozess jeweils beteiligten Unternehmungen aufBerater- undloder Klientenseite) Organisatioii
Unlemehineii
(1) Organisationsberatung durch Beratungsunternehmen:„klassische" Organisationsberatung (1:1)
l^tzwerk
(III) Organisationsberatung durch Beratungsnetzwerke: Beratung von Netzwerken (1:n)
Metzwerk
(II) Netzwerkberatung durch Beratungsunternehmen: Beratung In Netzwerken (n:1) (IV) Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke: Beratung von und in Netzwerken (n:n)
Diese Unterscheidung von vier praxisrelevanten Beratungskonstellationen ist natiirlich nur eine analytische. In der Praxis der Netzwerkberatung kommen wiederkehrend Mischformen dieser idealtypischen Konstellationen vor, und im Verlauf eines Beratungsprozesses wird mitunter mehrmals die Ebene der Beratung gewechselt. Doch hierzu spater mehr. Betrachtet man die Veroffentlichungen zu diesen vier Beratungskonstellationen, so fallt auf, dass sich die seit iiber 30 Jahren publizierte und in Folge sehr umfangreiche Literatur zur Organisationsentwicklung und Untemehmensberatung fast ausschliefilich mit dem oberen linken Feld der Matrix - der „klassischen" Organisationsberatung (1:1) - beschaftigt (vgl. zu einem Literaturuberblick
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Orsanisationen und Netzwerke: Beratende und Beratene
Loose 2006). Hierbei geht es ausschliefilich um die Beratung von Organisationen durch Organisationen sowie die hierbei entstehenden theoretischen, praktischen und methodischen Problemstellungen im Beratungsprozess. Die zentralen Leitbilder der „klassischen" und „modernen" Organisationsberatung, die hierbei Theorie und Praxis anleiten, sind Fremd-, Mit- und Selbstorganisation (vgl. Kieser 1996; Loose 2006). Eher unberiicksichtigt blieben bisher entsprechende Betrachtungen mit Blick auf die Beratung eines Netzwerkes durch eine einzelne (Beratungs-)Organisation (II), die Beratung einer einzelnen Organisation durch ein (Beratungs-)Netzwerk (III) sowie diejenige eines Netzwerkes durch ein (Beratungs-)Netzwerk (IV) (zu den Beratungskonstellationen II und IV vgl. Loose 2001). Auch ich kann mich an dieser Stelle nicht mit der erforderlichen Ausfiihrlichkeit alien vier Konstellationen widmen und mochte mich im Folgenden auf die Falle II und IV beschranken.i Zunachst aber ein kurzer Erfahrungsbericht aus unserer Beratungspraxis. Wer sich mit der Beratung von Netzwerken - als Einzelberater oder beratendes Netzwerk - befasst, steht am Beginn eines Beratungsprozesses in der Kegel vor einem Orientierungsproblem. Am Beginn eines Beratungsprozesses geht es immer um eine Klarung des Beratungsauftrages sowie eine erste „Ortsbestimmung'' des Rat suchenden Netzwerkes. Hierbei sind in der Kegel folgende Einstiegsfragen relevant: 1. Wer ist der oder wer sind die Auftraggeber und/oder Klienten? 2. Was soil Gegenstand der Beratung sein? Aus welchem Grund ist ein Berater oder ein Beratungsnetzwerk beauftragt worden? 3. Um welchen Typus von Netzwerk - soweit dieser bereits identifiziert wer den kann - handelt es sich? 4. In welcher Entwicklungsphase befindet sich das Kat suchende Netzwerk? Die ersten beiden Fragen gehoren zum unverzichtbaren Klarungsbedarf jeder (Organisations-)Beratung. Nicht nur systemische Berater sprechen mit Blick auf diese Einstiegsfragen von Auftrags- und Kontextklarung - und meinen damit vor allem die Schaffung einer gemeinsamen Ausgangsbasis, klarer gegenseitiger Erwartungen und von moglichst viel Anfangstransparenz (vgl. Simon/Kech-Simon 2001, S. 13 ff.; Kleve 2003). Uniibersichtlich wird es im spateren Verlauf eines Beratungsprozesses zumeist ohnehin. Auf das Thema der Auftrags- und Kontextklarung im Kahmen einer Netzwerkberatung und die hierbei relevanten Probleme mochte ich an dieser Stelle nicht naher eingehen. Diese Problematik ist im Besonderen von systemischen Organisationsberatern ausfiihrlich thematisiert worden, muss allerdings unter den besonderen Kahmenbedingungen der Netzwerkberatung neu geklart werden. Nicht immer sind hierbei Auftraggeber und Beratene identisch, die Beweggriinde der Beratung im Netzwerk bekannt und/oder einvernehmlich geklart oder die Erwartungen an den Berater bei alien Teilnehmern oder Betroffenen deckungsgleich. Es lassen sich also - so viel sei hier lediglich angemerkt - im Kahmen einer Netzwerkberatung auch diesem Thema neue Perspektiven abgewinnen und weitere Klarungsbedarfe identifizieren.
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Achim Loose
Ausfiihrlicher betrachten mochte ich hingegen die dritte und vierte Einstiegsfrage. Deren Beantwortung ermoglicht sowohl dem Berater als auch dem Klienten eine erste Verortung des jeweiligen Netzwerkes.
2.1
Netzwerktypen: Zur Einordnung des Rat suchenden Netzwerks (I)
Beginnen mochte ich mit der Frage nach dem Netzwerktyp. Hierzu kann das Rat suchende Netzwerk in einer Matrix verortet werden, die mit Blick auf die zeitlich begrenzte, projektformige, aber oftmals wiederkehrende Durchfiihrung der Zusammenarbeit, Eigenschaften wie stabil und dynamisch sowie hierarchisch und heterarchisch in das Zentrum der Typisierung stellt. Im Rahmen einer solchen Zuordnung lassen sich vier praxisrelevante Netzwerktypen lokalisieren: strategische Netzwerke, regionale Netzwerke, Projektnetzwerke und virtuelle Untemehmungen.
Abb. 2:
Praxisrelevante Netzwerktypen (vgl Sydow 1999)
hierarchisch
heterarchisch
Stabil Legende:
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SN = strategische Netzwerke PN = Projektnetzwerke RN = regionale Netzwerke VU = virtuelle Untemehmung
dynamisch
Orsanisationen und Netzwerke: Beratende und Beratene
Welcher basale Informationsgewinn kann durch eine derartige Einordnung fiir Berater und Klient erreicht werden? Hauptmerkmal eines strategischen Netzwerkes ist die markt- und ressourcenorientierte Fiihrung durch eine - selten mehrere - fokale Unternehmung(en). Die im Zentrum der Zusammenarbeit stehende Untemehmung verfiigt in der Kegel liber grofie Handlungsspielraume, ist richtungsweisend fiir die Entwicklung des Netzwerkes und majSgeblich an der Ausgestaltung der - nicht nur okonomischen - Beziehungen zu netzwerkexternen (Markt-)Partnern beteiligt. Wettbewerbsvorteile der strategischen Netzwerkpartner konnen sich u.a. auf Innovations-, Zeit-, Qualitats- sowie Preis- und Kostenvorteile durch die unternehmungsiibergreifende Zusammenarbeit beziehen. Die strategische Fiihrung durch in der Kegel eine Unternehmung lasst hier eher hierarchisch organisierte Kommunikations- und Informationsprozesse sowie zentralisierte Entscheidungsverfahren erwarten. Zudem ist die wirtschaftliche Abhangigkeit der anderen Netzwerkpartner von dem strategischen Akteur zumeist grofier als in anderen Netzwerktypen. Daher sind die Autonomiespielraume der Partner geringer, die Notwendigkeit, der strategisch fiihrenden Unternehmung - wenn auch mitunter widerstrebend - zu folgen, grofier. Ein nicht unbedeutender Hintergrund bei der Beantwortung der ersten und zweiten Einstiegsfrage (Auftrags- und Kontextklarung) sowie fiir die weitere Dramaturgie des Beratungsprozesses. Dies im Besonderen immer dann, wenn die Einstellungen zur extemen Beratung sowie die Erwartungen an den Beratungsprozess im Netzwerk stark divergieren, gleichzeitig aber alle Partner von der Beratung mehr oder weniger betroffen sind und/oder ihre engagierte Beteiligung fiir einen Beratungserfolg unverzichtbar ist. Dann gilt es, ein Beratungsthema zu identifizieren oder ein Problem zu definieren, welches im Netzwerk mehrheitsfahig ist oder von (fast) alien Partnem geteilt wird. Regionale Netzwerke zeichnen sich demgegeniiber starker durch die raumliche Nahe der beteiligten - zumeist kleinen und mittleren - Untemehmungen aus. Die oftmals fehlende strategische Fiihrerschaft durch eine einzelne Untemehmung impliziert eine eher dezentrale und emergente Netzwerkentwicklung, die aufgrund der Polyzentriertheit dieser Netzwerkform in unterschiedlichsten Untemehmungen ihren Ausgangspunkt, in anderen ihre Fortsetzung finden kann. Ein Mehr an Heterarchie, der Wunsch nach Gleichberechtigung und gerechter Behandlung, geringere gegenseitige Abhangigkeiten - zumindest in der Griindungsphase eines Netzwerkes, grofiere Autonomiebediirfnisse, emst zu nehmende individuelle Be- und Empfindlichkeiten kennzeichnen diese regionalen Netzwerke. In den von uns zumeist betreuten Netzwerken sind die beteiligten Untemehmungen eher in Ausnahmefallen Neugrundungen (wie etwa in Griindungsnetzwerken), sondem zumeist gut am (regionalen) Markt eingefiihrte, oftmals in der zweiten oder dritten Generation erfolgreich gefiihrte Untemehmen mit einem soliden und treuen Kundenstamm. Die Untemehmer bzw. Geschaftsfiihrer sind selbstbewusst, fiihrungserfahren in KMU und verfugen in der Kegel iiber viel Know-how in ihrem Fachgebiet. Perspektivisch woUen sie die Zukunfts- und Wettbewerbsfahigkeit ihrer Untemehmen nachhaltig sichem und sehen in einer unternehmungsiibergreifenden Vernetzung eine entsprechende Option. Dies
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Achim Loose
sind Eigenschaften und Einstellungen, die fiir den Verlauf eines Beratungsprozesses im Besonderen, wenn es um eine Prozessmoderation geht - bedeutsam bis bestimmend werden konnen und von deren sensibler Beriicksichtigung oftmals der Beratungs- und ebenso der Netzwerkerfolg entscheidend abhangen. Projektnetzzverke sind Netzwerke, die sich primar iiber zeitlich begrenzte Formen der Zusammenarbeit (Projekte) reproduzieren. Die Beziehungen bleiben im Anschluss an die gemeinsame Durchfiihrung eines Kundenauftrags in der Kegel latent vorhanden und sind jederzeit wieder aktivierbar (vgl. SydowAVindeler 1999 sowie Manning in diesem Band). Das Projektmanagement in derartigen Projektnetzwerken ist oftmals an das klassische, eher hierarchische Management von Projekten angelehnt. In den von uns betreuten Beratungsprojekten ist das regionale Netzwerk oftmals Ausgangsbasis fiir derartige Projektnetzwerke. Das auf Dauer angelegte, stabile und zumeist mit eigener Rechtsform etablierte regionale Netzwerk bildet die Keimzelle fiir die zeitlich begrenzte „Ausgriindung" eines Projektnetzwerkes. In diesem werden dann ausgewahlte Partner des regionalen Netzwerkes mit den erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen projektspezifisch aktiv. Und dies zumeist unter einer eher hierarchisch agierenden Projektleitung, die aus dem regionalen Netzwerk auf Zeit inthronisiert wird. Interessant ist hierbei erstens das wiederkehrende Zusammenspiel von regionalem und Projektnetzwerk mit wechselnden Zusammensetzungen. Zweitens die sowohl heterarchische als auch hierarchische Koordination der Akteure, die sowohl als gleichberechtigte Partner (im regionalen Netzwerk), als auch als weisungsberechtigte Projektleitung (im Projektnetzwerk) agieren konnen. Wichtig ist hierbei im Besonderen, dass jeder Partner in jeder RoUe kompetent agieren konnen muss. Zum einen ist er gleichberechtigtes Mitglied und gefragter Mitentwickler des regionalen Netzwerks, zum anderen projektleitende Fxihrungskraft mit exklusivem Kundenkontakt und hierarchischer Entscheidungsbefugnis. Diese unterschiedlichen RoUen mit den entsprechenden extemen Erwartungen und eigenen Selbstbeschreibungen sind oftmals problematisch imd konnen in einem gecoachten Prozess der RoUendefinition im Rahmen einer weitergehenden Netzwerkberatung geklart werden. Die virtuelle Unternehmung ist schlieiSlich eine Organisationsform okonomischer Aktivitaten, bei der der Einsatz interorganisationaler Informations- und Kommunikationssysteme eine grolSere RoUe spielt als bei den anderen drei Netzwerktypen. Im Extremfall existiert diese Unternehmung fiir den Kunden „nur ihrer Wirkung nach" (Sydow 2001) und konstituiert sich als d)niamisch-temporares Netzwerk funktional spezialisierter Untemehmungen auf Grundlage innovativer interorganisationaler Informationssysteme - und ist damit eine Sonderform des Projektnetzwerkes. In den von uns beratenen KMU-Netzwerken kommt dieser Form des Netzwerks nur eine untergeordnete RoUe zu. Informations- und Kommunikationstechnik sind hier zumeist mehr oder weniger widerstrebend akzeptierte Hilfsmittel der Vemetzung (z.B. Intranet). Die eigentliche Integration des Netzwerks sowie die erforderliche interne Kommunikation erfolgt in der Regel iiber andere Verfahren (Beziehungskapital, Vertrauen, personliche
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Organisationen und Netzwerke: Beratende und Beratene
Treffen) und weniger liber interorganisational zum Einsatz kommende Informationssysteme.
2.2
Netzwerkentwicklung: Zur Einordnung des Rat suchenden Netzwerks (II)
Die vierte (Einstiegs-)Frage zielt auf den Stand der Entwicklung, die aktuelle Entwicklungsphase eines Rat suchenden Netzwerks. Ich mochte im Folgenden vier Phasen unterscheiden: Initiierungs- und Griindungsphase (1); Konsolidierungsphase (2); Ausbau- Oder Schrumpfungsphase (3); Beendigungs- oder Zerfallphase (4). Dariiber hinaus mochte ich - um den Blick auch auf das mogliche Tatigkeitsspektrum eines externen Netzwerkberaters weiter zu fokussieren - im Folgenden zwischen Each- und Prozessberatung differenzieren (vgl. hierzu auch Sydow in diesem Band) und phasenspezifische Fragen an exteme Berater hinsichtlich Each- und/oder Prozessberatung vorstellen. In der Initiierungs- und Griindungsphase geht es bei der Netzwerkberatung um die Kanalisierung einer oft noch unscharfen Kooperations- bzw. nebulosen Netzwerkidee. Mehr Kooperation, verstarkte Zusammenarbeit und reflexiv betriebene Vemetzung mit anderen Unternehmungen scheinen den „Netzwerkinitiatoren" die strategische Option zu sein, die zu entsprechenden ersten Umsetzungsschritten einer anfanglich wenig konkreten Idee fiihrt. Entsprechende Fragen an exteme Berater sind u.a. in Abbildung 3 dokumentiert. Die Konsolidierungsphase ist demgegeniiber von einer zunehmenden Organisiertheit bzw. reflexiven Strukturiertheit (vgl. Ortmann et al. 1997, S. 315 ff.) der Zusammenarbeit, einer Verbesserung oder Verfeinerung der Abstimmungs- und Austauschprozesse, von flexibler netzwerkinterner Spezialisierung sowie im Besonderen von der Entwicklung einer eigenen, Identitat stiftenden Netzwerkkultur gekennzeichnet. Und ebenso geht es jetzt um die „Anpassung'' der Netzwerkuntemehmungen an die Erfordernisse des Netzwerks sowie die „Feinabstimmung" des Netzwerks hinsichtlich der Erwartungen und Moglichkeiten der beteiligten Partner. Fragen, die in dieser Entwicklungsphase zumeist im Vordergrund stehen, sind in Abbildung 4 dokumentiert.
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Achim Loose
Abb. 3:
Fragestellungen
an und Themenbereiche fur externe
Fadiberatung Ehene 4m
Welche Aufbaukosten entstehen fiir die Untemehmungen eines Netzwerkes? Auf der Basis welcher Kalkulationsgrundlagen erstellen die beteiligten Unternehmen ihre Angebote bzw. ermitteln sie ihre projektspezifischen Preise? 1st hierbei eine Annaherung der Betriebe erforderlich? Muss fiir gemeinsame Projekte eine Deckungsbeitragsrechnung in den Betrieben eingefiihrt werden? Wie ist die Gewinnsituation in den Betrieben? Welche Gewinne werden mit welchen Projekten gemacht?
Ebene des Metzwerkes Wie wird das Projektgeschaft der Kooperation dauerhaft finanziert? Sollen Provisionen von den beteiligten Partnern an das Netzwerk gezahlt werden? Wie hoch sollte die Anzahl an Kooperationspartnem maximal sein?
Ff^zessberaliiiig Ebeiie der Untemelmiitiig Klarung der individuellen Voraussetzungen fiir Kooperation und Zusammenarbeit (Potenzialund Kooperationsfahigkeitscheck) Wie woUen wir uns mittel- bis langfristig in das Netzwerk einbringen?
Wie ist die Akzeptanz der Kunden auf das Angebot von „Leistungen Was erwarten wir von dem Netzaus einer Hand"? werk, von der Welche Rechtsformen Netzwerkfiihrung bieten sich fiir eine sowie unseren regional ausgerichtete Partnern im Kooperation an?2 Netzwerk? Wer iibernimmt die Gewahrleistung und Haftung? Wie haftet der Projektleiter, wenn dieser aus der Runde der kooperierenden Unternehmen kommt? Welche Vertrage sollten zwischen den Partnern abgeschlossen werden? Welche offentlichen Fordermoglichkeiten zum Aufbau bzw. zur Reorganisation von Netzwerken gibt es?
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Netzwerkberater
Moderation eines ersten Erfahrungsaustausches Klarung der Erwartungen an sowie die Ziele des Netzwerks; Wofiir werden die Einnahmen des Netzwerkes verwendet? Welche finanziellen Anreize gibt es im Rahmen der Kooperation fiir die Partnerunternehmen? Wer iibernimmt die Leistungsfunktion (Projektmanagement) bei gemeinsamen Auftragen? Welche Leistungen konnen, sollen oder miissen durch die Kooperation grundsatzlich iibernommen werden?
Orgamsationen und Netzwerke: Beratende und Beratene
Abb. 4:
Fragestellungen an und Themenbereiche fur externe Netzwerkberater
Welche Qualifizierungsmafinahmen sind fiir Geschaftsfiihrer und Mitarbeiter im Rahmen der Zusammenarbeit im Netzwerk relevant?
iiiii
Begleitende Steuerberatung sowie juristischer Rat in Rechtsfragen
Verkniipfung von Organisations- und Personalentwicklung auf betrieblicher Ebene mit Blick auf die Anforderungen des Netzwerks Andert sich die (eigene) Unternehmenskultur durch die Zusammenarbeit in einer Kooperation? (z.B. „vom Einzelkampfer zum Teamspieler'') 1st es sinnvoll, die Mitarbeiter von Anfang an in den Vernetzungs- und Kooperationsprozess einzubinden?
Prozessentwicklung „vom-Besten-lemen''; Wie kann sich Vertrauen zwischen den beteiligten Unternehmen entwickeln? Welche Mafinahmen konnen einen Vertrauensbildungsprozess fordern? Konnen Verbande das Netzwerk aktiv unterstiitzen? Wer konnte zudem Multiplikator der Kooperationsidee sein? Mit welchen Marketinginstrumenten soil das Netzwerk arbeiten? Wie kann das aktive Engagement der Partner motiviert sowie (nicht nur finanziell) belohnt werden? Wie kann die Kooperation weitere „vertrauensvoile'' Partner finden? Welche Betriebe haben einen vergleichbaren Qualitatsstandard sowie vergleichbare Anspriiche an die eigenen Leistungen wie wir? Welche Betriebe haben vergleichbare Kundengruppen wie unsere Betriebe? Sollen weitere Partner an der Kooperation beteiligt werden?
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Abb. 5:
Fragestellungen an und Themenbereiche fiir externe Netzwerkberater
Fadtb^atiing
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'^mmmhmm^%
Ify^iie Am
' '^-^'-iUntamtlimiiiig Welche Qualifizierungsmafinahmen sind fiir Geschaftsfiihrer
\
und Mitarbeiter im Rahmen der Zusammenarbeit im Netzwerk relevant?
1
1