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German Pages 266 Year 2007
Klein · Modellgestütztes Service Systems Engineering
S C H R I F T E N Z U R E D V- O R I E N T I E R T E N B E T R I E B S W I R T S C H A F T
H E R A U S G E G E B E N V O N P R O F. D R . D R . h . c . m u l t . A . - W. S C H E E R
In den „Schriften zur EDV-orientierten Betriebswirtschaft“ werden Beiträge aus Wissenschaft und Praxis veröffentlicht, die sich durch ausgeprägten Anwendungsbezug und hohes fachliches Niveau auszeichnen.
Ralf Klein
Modellgestütztes Service Systems Engineering Theorie und Technik einer systemischen Entwicklung von Dienstleistungen
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität des Saarlandes, Saarbrücken 2007
1. Auflage Juli 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0825-0
Geleitwort Ein professionelles und methodisch fundiertes Dienstleistungsmanagement entwickelt sich in jüngster Vergangenheit zunehmend zum kritischen Erfolgsfaktor für Unternehmen, sowohl im Dienstleistungssektor als auch in allen anderen Wirtschaftsbereichen. Dabei stellt vor allem die ansteigende Komplexität von Dienstleistungen und Dienstleistungsspektren sowie der dazugehörigen Gestaltungsprozesse und Organisationen neue Anforderungen an die Entwicklungsmethodik. Das Scheitern zahlreicher Neuentwicklungen am Markt, aber auch das Phänomen erfolgreich konzipierter Angebote trotz mangelnder Transparenz oder konträrer Ansichten der an der Entwicklung beteiligten Personen deuten zum einen auf ein unzureichendes Verständnis von den Gesamtzusammenhängen in entsprechenden Vorhaben und zum anderen auf einen mangelhaften Einsatz von Methoden und Techniken in der Praxis hin. Diese Problemstellung greift Herr Klein in seiner Dissertation auf. Er betrachtet den Prozess der Dienstleistungsentwicklung aus einem systemtheoretischen Blickwinkel und überträgt Ansätze der Systemtheorie auf den Kontext der Dienstleistungsentwicklung, um dadurch einen operativen Erklärungs- und Gestaltungsansatz für die effiziente Durchführung von Service Engineering Vorhaben zu erhalten. Die Analyse erfolgt primär anhand des Luhmann’schen Systemverständnisses und charakterisiert Service Engineering Prozesse als autonome, nicht vollständig kontrollier- und steuerbare Systeme, deren Intension in der Beherrschung der Komplexität im Sinne kontingenter Möglichkeiten liegt. Auf dieser Interpretation aufbauend wird zur Unterstützung der angestrebten Improvisationsfähigkeit in der Praxis mittels des Transfers von Ansätzen der Systems Engineering Bewegung das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering entwickelt. Das dadurch bereitgestellte Instrumentarium setzt sich aus Prinzipien, Vorgehensmodellen sowie Methoden zusammen, wobei insbesondere ein Schwerpunkt auf die Gestaltung von Modellierungsmethoden zur Explizierung komplexer Sachverhalte innerhalb des Service Engineering Systems gelegt wird. Mit dem vorliegenden Buch beschreibt Herr Klein ein im Vergleich zu bisher existierenden Ansätzen neues Paradigma der Dienstleistungsentwicklung, das sich durch seine Prozessorientierung auszeichnet und zu einem gänzlich neuen Managementverständnis in Service Engineering Projekten führt. August-Wilhelm Scheer
Vorwort Der Ansatz, mittels des Transfers systemtheoretischer Konzepte auf den Themenkomplex Service Engineering ein unkonventionelles, effizienzsteigerndes Designparadigma für die Entwicklung von Dienstleistungen zu schaffen, bildet den Kern der vorliegenden Arbeit. Er entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Die zugrunde liegende Idee und das entwickelte Lösungskonzept entstammen dabei dem anwendungsorientierten Forschungsprojekt »CASET – Computer Aided Service Engineering Tool«, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde. Wie wohl die meisten Vorworte so ist auch dieses Vorwort chronologisch ein Nachwort. Daher möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und allen danken, die mich bei der Erstellung der Arbeit unterstützt haben. Mein erster Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. AugustWilhelm Scheer, für die wissenschaftliche Betreuung der Arbeit; aber auch vor allem für die zahlreichen Einsichten, die weit über den universitären Tellerrand hinaus gingen, sowie die keineswegs selbstverständliche Förderung einer zugleich eigenständigen und professionellen Arbeitsweise. Ich danke Herrn Prof. Dr. Peter Loos für die großzügige Unterstützung meiner Arbeit sowie die Übernahme des Korreferats. Mein Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Hartmut Bieg, der bereits während meines Studiums wichtige Weichen für mich stellte, für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes. Ganz herzlich danke ich all meinen Freunden und Kollegen am IWi für die einzigartige Arbeitsatmosphäre und die außergewöhnlich schöne Zeit, die ich gemeinsam mit ihnen verbringen durfte. Stellvertretend seien hier Dr. Malte Beinhauer, Lucie Bender, Dr. Anja Hofer, Dr. Florian Kupsch, Daniel Wagner, Sven Zang und Dr. Fabrice Zangl genannt. Insbesondere bedanke ich mich bei Ralf Angeli und Dr. Kristof Schneider darüber hinaus für die äußerst akribische Durchsicht des Manuskripts, die intensive Beschäftigung mit meinem Thema sowie die konstruktiven Anregungen. Ferner gilt mein Dank Florian Harr und Stephanie Wunderlich, die mich bei der Entwicklung des Softwareprototyps bzw. bei der Literaturrecherche mit sehr viel Engagement und Eigeninitiative unterstützt haben. Ein herausragender Dank unter allen gebührt Dr. Oliver Grieble und Katja Herrmann. Ihnen danke ich für die perfekte Zusammenarbeit im Rahmen diverser Projekte und Fachpublikationen, für die zahllosen Diskussionen und wertvollen Impulse sowie für die unumschränkte
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fachliche und persönliche Unterstützung vom ersten Arbeitstag bis hin zur Disputation. Es war eine tolle, sehr bereichernde Zeit! Ein besonderes Anliegen ist es mir, an dieser Stelle meiner lieben Freundin Alexandra Altmayer zu danken. Sie hat über einen langen Zeitraum die mit der Erstellung einer Dissertation verbundenen Konsequenzen verständnisvoll und geduldsam ertragen, eigene Interessen und Bedürfnisse häufig zurückgestellt, mich stets rückhaltlos unterstützt und immer wieder motiviert. Mein letzter, tief empfundener Dank richtet sich nach Abschluss eines weiteren Lebensabschnitts schließlich an meine Eltern, deren Anteil an dieser Arbeit weit größer ist, als es ihnen vermutlich bewusst sein wird. Sie sind mir über all die Jahre der unverbrüchliche Rückhalt gewesen, der dieses Vorhaben überhaupt erst ermöglicht hat. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Ralf Klein
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis
xi
Tabellenverzeichnis
xiii
Abkürzungsverzeichnis 1
2
Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen 1.1 Problemstellung aus Sicht von Praxis und Wissenschaft . . . . . . . . 1.2 Idee zur Lösung der Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Struktureller und wissenschaftlicher Untersuchungsansatz . . . . . . .
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1 1 7 9 11
Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung 2.1 Gegenstandsbereich »Dienstleistung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Allgemeines über die Essenz von Dienstleistungen . . . . . . . . 2.1.2 Immaterialität als konstitutives Merkmal . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Integration externer Faktoren als konstitutives Merkmal . . . . . 2.1.4 Zusammenfassung und Abgrenzung des Gegenstandsbereichs . . 2.2 Problembereich »Service Engineering« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Aspekte des Service Engineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Objektbezogenes Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Prozessbezogenes Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Zusammenfassung und Abgrenzung des Problembereichs . . . . . 2.3 Lösungsansatz »Systems Engineering« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Systems Engineering als Lösungsansatz für Gestaltungsprobleme 2.3.2 Notwendigkeit einer systemischen Denkweise . . . . . . . . . . . 2.3.3 Facetten des Systems Engineering . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Zusammenfassung und Abgrenzung des Lösungsansatzes . . . . . 2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering . . . . . . . 2.4.1 Dienstleistungsentwicklung mittels Systems Engineering . . . . . 2.4.2 Systemwissenschaftliche Einordnung und Disziplinenauswahl . .
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17 17 17 20 22 25 28 28 28 30 32 34 34 37 40 42 44 44 48
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Inhaltsverzeichnis
3
Analyse des Service Engineering Systems 3.1 Charakterisierung des Service Engineering Systems . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Paradigmen der Systemtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Transfer der Theorie autopoietischer Systeme auf soziale Phänomene 3.1.3 Wesen des Dienstleistungserbringungssystems . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Wesen des Service Engineering Systems . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Ausdifferenzierung des Prozesssystems . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Ausdifferenzierung des Objektsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Interdependenzen zwischen Prozess- und Objektsystem . . . . . . . . 3.2.4 Zusammenfassung der Ausdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . .
59 59 59 78 85 92 100 102 108 112 115
4
Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering 4.1 Aufbau des modellgestützten Service Systems Engineering . . . . . 4.1.1 Prinzipien der Systemgestaltung und der Modellierung . . . 4.1.2 Vorgehensmodelle zur Lösung von Konstruktionsproblemen 4.1.3 Methodenwissen und Modelltheorie . . . . . . . . . . . . . 4.2 Modelle des Prozesssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems 4.3.1 Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Qualitätscharakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems . . 4.4.1 Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121 121 123 127 134 142 144 146 150 156 157 159 164 171 172 177 188
5
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Reflexion, Prototyping und Genese 195 5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 5.2 Prototypische Umsetzung des Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5.3 Erweiterungsmöglichkeiten von Konzeption und Prototyp . . . . . . . . . . . 209
Literaturverzeichnis
213
Abbildungsverzeichnis 1.1
Struktureller Untersuchungsansatz der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
2.1 2.2 2.3 2.4
Betrachtungsebenen des Service Engineering . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering . . . . . . . . . Wissenschaftstheoretischer Ansatz der Allgemeinen Systemtheorie . . . . . . Problemlösungsansatz des Service Systems Engineering im Rahmen der Systemwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 47 50
. . . . . . . . . . . .
54
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12
Paradigmawechsel der Systemtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsstruktur der Systemtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Service Engineering System als Spezialisierung eines sozialen Systems Darstellung eines sozialen Systems im Sinne Luhmanns . . . . . . . . . Dienstleistung als soziales System dritten Grads . . . . . . . . . . . . . Charakterisierung des Service Engineering Systems . . . . . . . . . . . GAP-Modell der Dienstleistungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems . . . . . Einfaches Service Engineering Aktivitätenmodell . . . . . . . . . . . . Prozess zur integrierten Gestaltung von Prozess- und Objektsystem . . . Laws of Form – Notation einer »form« . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung eines Systems in der Notation der Laws of Form . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
60 76 78 84 91 94 98 101 105 115 117 118
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14
Bestandteile des modellgestützten Service Systems Engineering . . . . . . Münchener Vorgehensmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehensmodell der Soft Systems Methodology . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines Vorgehensmodell zur Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . Aufbau von Modellierungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metamodell des modellgestützten Service Systems Engineering . . . . . . Modellierungsmethoden des modellgestützten Service Systems Engineering Entscheidungsstrukturmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungsstrukturmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungszuordnungsmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . Entscheidungszuordnungsmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . Funktionsstrukturmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsstrukturmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionszuordnungsmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . .
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122 128 129 130 135 140 143 144 145 146 147 148 149 150
xii
Abbildungsverzeichnis
4.15 4.16 4.17 4.18 4.19 4.20 4.21 4.22 4.23 4.24 4.25 4.26 4.27 4.28 4.29 4.30 4.31 4.32 4.33 4.34 4.35 4.36 4.37 4.38 4.39 4.40 4.41 4.42 4.43 4.44 4.45 4.46 4.47 4.48 4.49 4.50
Funktionszuordnungsmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . Organisationsablaufmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . Organisationsablaufmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . Organigramm – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organigramm – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ideenmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ideenmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbermodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbermodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . Kundenmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kundenmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungenmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungenmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . Funktionalitätenmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . Funktionalitätenmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . Qualitätselementemodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . Qualitätselementemodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . Produktstrukturmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . Produktstrukturmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . Produktzuordnungsmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . Produktzuordnungsmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . Prozessmodulkette – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessmodulkette – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessmodulzuordnungsmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . Prozessmodulzuordnungsmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . Schnittstellenmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . Schnittstellenmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . Fehlerquellenmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlerquellenmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . . . . . Ereignisgesteuerte Prozesskette – Sprachkonzept . . . . . . . . . . Ereignisgesteuerte Prozesskette – Beispielnotation . . . . . . . . . . Ereignisgesteuerte Prozesskette – Justierung der Modellkomplexität Funktionszuordnungsmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . Funktionszuordnungsmodell – Beispielnotation . . . . . . . . . . . Ressourcenstrukturmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . . . . Ressourcenzuordnungsmodell – Sprachkonzept . . . . . . . . . . .
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151 152 154 154 156 158 160 161 162 163 164 166 167 168 169 170 171 173 174 175 176 178 179 180 182 182 184 185 185 186 187 188 189 191 192 192
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
Y-CIM-Modell für Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . IT-Architektur eines Service Engineering Tools . . . . . . . . . . Grafische Benutzungsoberfläche des CASET-Prototyps . . . . . . Funktionsmodule des CASET-Prototyps . . . . . . . . . . . . . . Grafische Benutzungsoberfläche der ARIS 6 – Collaborative Suite
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202 203 204 206 208
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Tabellenverzeichnis 1.1
Wissenschaftlicher Untersuchungsansatz der Arbeit . . . . . . . . . . . . . .
15
2.1 2.2 2.3
Auswahl systemischer und verwandter Ansätze unterschiedlicher schaftsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kategorisierung von Systems Engineering Konzepten . . . . . . . . Wissenschaftstheoretische Integration von Interdisziplinen . . . . .
39 43 51
3.1 3.2 3.3 3.4
Schlüssel für den Nachweis von Autopoiesis . . . . . . . . . . . . . . Vorgehensmodelle zur Dienstleistungsentwicklung – Literaturübersicht Ausdifferenzierung des Prozessystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstleistungssysteme – Literaturübersicht . . . . . . . . . . . . . . .
4.1 4.2 4.3
Aufgaben des Projektmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Gegenüberstellung von System- und Modellbegriffen . . . . . . . . . . . . . 138 Abstraktionsebenen der Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Wissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. 89 . 103 . 105 . 109
Abkürzungsverzeichnis AGIL AML ANSI ARIS ARIZ BMBF CASET CATWOE CGI CIM DFKI EDV EFQM EIA EU FMEA GERT HTML IDS IEC IEEE ISO ISSS IT IWi MIL-STD MS NP OE OECD PDPC PHP QFD SADT
Adaptation–Goal Attainment–Integration–Latent Pattern Maintainance ARIS Markup Language American National Standards Institute Architektur integrierter Informationssysteme Algoritm Rešenija Izobretatel’skich Zadaˇc Bundesministerium für Bildung und Forschung Computer Aided Service Engineering Tool Customer–Actor–Transformations–Weltanschauung–Owners–Environment Common Gateway Interface Computer Integrated Manufacturing Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Elektronische Datenverarbeitung European Foundation for Quality Management Electronic Industries Alliance Europäischen Union Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse Graphic Evaluation and Review Technique Hypertext Markup Language Integrierte Datenverarbeitungssysteme International Electrotechnical Commission Institute of Electrical and Electronic Engineers International Organization for Standardization International Society for the Systems Sciences Informationstechnologie Institut für Wirtschaftsinformatik Military Standard Microsoft Non-deterministic Polynomial Time Organisationseinheit Organisation for Economic Co-operation and Development Process Decision Program Chart PHP: Hypertext Preprocessor, urspr. Personal Home Page Tools Quality Function Deployment Structured Analysis and Design Technique
xvi
ServCASE SERVQUAL SQL SWOT TOTE TRIZ UML VBScript VVR XML ZBM
Abkürzungsverzeichnis
Computer Aided Engineering für IT-basierte Dienstleistungen Service Quality Structured Query Language Strengths–Weaknesses–Opportunities–Threats Test–Operation–Test–Exit Theory of Inventive Problem Solving Unified Modeling Language Visual Basic Script Vergleichs-Veränderungs-Rückmeldeeinheiten Extensible Markup Language Ziel-Bedingungs-Maßnahmeneinheiten
Kapitel 1 Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen A service organization has two choices in today’s combative business environment: Succeed at developing new service products, or fail as a company. Robert G. Cooper/Scott J. Edgett
1.1 Problemstellung aus Sicht von Praxis und Wissenschaft Wie Cooper und Edgett (1999, S. 1) im Eingangszitat auf zugespitzte Weise formulieren, hat sich für viele Dienstleistungsunternehmen die kontinuierliche Suche nach innovativen Angeboten zu einem kritischen Erfolgsfaktor entwickelt. Diese Feststellung wird schnell augenscheinlich, wenn man einen Blick auf die tiefgreifenden Veränderungen wirft, die in Dienstleistungsbranchen wie z. B. dem Energie-, dem Telekommunikations- oder dem Mediensektor aktuell stattfinden. So führen Globalisierungs- und Deregulierungstendenzen sowie einschneidende technologische Innovationen zu einem Eindringen neuer bzw. branchenfremder Unternehmen in etablierte Märkte (OECD 2005a, S. 2) und dadurch zu einem starken Anstieg der Wettbewerbsintensität (Edvardsson/Olsson 1996, S. 141). Dieser spiegelt sich in der Verfügbarkeit alternativer Angebote, einem harten Preiswettbewerb sowie sinkenden Gewinnmargen wider (Homburg/Faßnacht/Günther 2002, S. 487). Das große Interesse an Dienstleistungsmärkten lässt sich mit dem dort vorzufindenden, langfristigen Wachstum begründen, der mit dem andauernden Wandel insbesondere von westlichen Industrienationen hin zur postindustriellen Gesellschaft einhergeht (Fitzsimmons/Fitzsimmons 2001, S. 8–9). Hier bedingt nach dem Engel’schen Gesetz (1857, S. 169–172) der wachsende Wohlstand, der sich in Form eines steigenden disponierbaren Einkommens konkretisiert, eine Zunahme der Nachfrage nach Leistungen, die zur Befriedigung höherrangiger
2
Kapitel 1 Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen
Bedürfnisse der Maslow’schen Pyramide (1970, S. 35–58) beitragen. Dabei sind es primär nicht Sachgüter, die das Verlangen nach Selbstverwirklichung erfüllen. Vielmehr richtet sich das Interesse größtenteils auf Dienstleistungsangebote, wobei diese durchaus auch um materielle Bestandteile angereichert sein können (Desmet/Van Looy/Van Dierdonck 2003, S. 9). Die Chancen prosperierender Dienstleistungsmärkte bieten sich allerdings nicht nur Unternehmen in klassischen Dienstleistungsbranchen, wie z. B. Handel, Transport oder Banken und Versicherungen. Die Potenziale eröffnen sich gleichfalls produzierenden Unternehmen (Bullinger/Scheer 2006, S. 4). Diese können ihr Leistungsspektrum mit produktnahen Dienstleistungen erweitern, um damit das eigene Angebot für den Kunden aufzuwerten. Sie treten nicht mehr einfach als Hersteller von Sachleistungen auf, sondern präsentieren sich als ganzheitliche Problemlöser, die die Bedürfnisse des Kunden zielgenau und möglichst vollständig adressieren. Gerade zu Zeiten, in denen physische Erzeugnisse unterschiedlicher Anbieter immer vergleichbarer werden und die entsprechenden Märkte stagnieren (Casagranda 1994, S. 7), sind es Dienstleistungen, die innerhalb eines kundengerecht zusammengestellten Leistungsbündels der eigentlichen Differenzierung gegenüber Konkurrenzprodukten dienen und die somit als Alleinstellungsmerkmal fungieren (Luczak/Reichwald/Spath 2004, S. 1). Während Dienstleistungen in produzierenden Unternehmen früher als unbeliebte Kostentreiber galten (Windrum/ Tomlinson 1999, S. 391), entwickeln sie sich dort heute immer mehr zu einem strategischen Wettbewerbsinstrument. Der Umgang mit Dienstleistungen bildet folglich kein Randphänomen, das lediglich einzelne Unternehmen tangiert. Vielmehr kommt dem Thema auf der Ebene der gesamten Volkswirtschaft eine Schlüsselrolle zu, was sich anhand von Kennzahlen exemplarisch belegen lässt. So werden inzwischen 69 Prozent der Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik Deutschland alleine durch den Dienstleistungssektor erwirtschaftet (Statistisches Bundesamt 2006, S. 11). Diesem lassen sich 60 Prozent aller Erwerbstätigen unmittelbar zuordnen (OECD 2000, S. 133). Berücksichtigt man des Weiteren, dass im verarbeitenden Gewerbe inzwischen mehr Personen mit der Erbringung von Dienstleistungen betraut als Personen im eigentlichen Produktionsprozess beschäftigt sind (Institut der Deutschen Wirtschaft 1997, S. 20), erhöht sich die tatsächliche Quote sogar auf über 80 Prozent. Vergleichbare Zahlen finden sich ebenso für die Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) (Anxo/Storrie 2001) bzw. diejenigen der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) (OECD 2005b) und statistisch lässt sich ausnahmslos eine kontinuierlich ansteigende Entwicklung beobachten. Um in solch einem attraktiven und aufgrund der Vielzahl von (potenziellen) Wettbewerbern zugleich dynamischen Marktumfeld einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erzielen zu können, müssen Unternehmen immer wieder neue Wege finden, wie sie mittels der Ausgestaltung ihrer wertschöpfenden Aktivitäten einen herausragenden Wert für den Kunden erzeugen können (Porter 1985, S. 3). Sie sind gezwungen, ihr Angebot permanent an den jeweils aktuellen Wünschen und Bedürfnissen der Nachfrager auszurichten, und stehen demzufolge kontinuierlich unter einem hohen Innovationsdruck (Weerawardena/McColl-Kennedy 2002, S. 13). Dieser wird im Fall von Dienstleistungen zusätzlich durch den kaum vorhandenen Schutz durch
1.1 Problemstellung aus Sicht von Praxis und Wissenschaft
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das Patentrecht und die damit vergleichsweise einfache Möglichkeit einer zeitnahen Leistungsimitation durch Konkurrenten verstärkt (Atuahene-Gima 1996, S. 44). Resümierend lässt sich festhalten, dass die umfassenden Individualisierungsströmungen und damit die Schlüsselrolle von Dienstleistungsentwicklungen nicht mehr als vorübergehende und kurzfristige Trends, sondern als konstitutive Rahmenbedingungen und entscheidende Herausforderungen für das Management der großen Mehrheit der Unternehmen in den westlichen Industrienationen zu werten sind (Casagranda 1994, S. 7). Obwohl diese Erkenntnis weitgehend Akzeptanz gefunden hat (z. B. Coyne 1993, S. 3–4, Morris/Westbrook 1996, S. 45, oder Kaplan 2000, S. 30), scheitern nach wie vor 40 Prozent der neu am Markt eingeführten Dienstleistungen, wie eine Studie von Cooper/Edgett (1999, S. 9) feststellt. Zudem ist häufig eine Proliferation von Angebotsvarianten als Folge eines unkontrollierten Aktionismus zu beobachten, was sowohl zur Überforderung des Kunden führt als auch eine ungewollte Herausforderung für die eigenen Mitarbeiter darstellt (Edgett 1993, S. 35). Die Ursache dafür, dass die mit der Einführung innovativer Dienstleistungen verbundenen Chancen in der Realität in vielen Fällen nur unzureichend genutzt werden, liegt in der im Vergleich zum produzierenden Gewerbe intuitiveren und weniger systematischen Herangehensweise innerhalb entsprechender Entwicklungsprojekte einerseits (Scheer 2002d, S. 2) sowie am Mangel spezifischer Methoden und Werkzeuge andererseits (Bullinger 1999, S. 52). Das Fehlen eines methodischen Vorgehens spiegelt sich bspw. in einem unsystematischen Generieren und Definieren von Ideen, in der mangelnden Abstimmung von Dienstleistungsdesign, Kundenbedürfnissen und verwendeten Technologien oder in unzureichenden Tests hinsichtlich möglicher Schwachstellen wider (de Brentani 1989, S. 239–240). Neben den fachlichmethodischen Defiziten können auch die Vernachlässigung von Expertenmeinungen (de Brentani 1993, S. 20), fehlende Unterstützung des Managements (Johne/Vermaak 1993, S. 33) oder ungeeignete organisatorische Strukturen (Edvardsson/Haglund/Mattsson 1995, S. 30–33) zum Scheitern einer neu konzipierten Dienstleistung am Markt führen. Das Erreichen eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils verlangt demzufolge nach einem strukturierten Innovations- und Entwicklungsmanagement im Sinne eines Service Engineering, das auf die Konzeption und Anwendung methodischer Instrumentarien für die systematische Planung und Realisierung von Dienstleistungsprodukten und -prozessen abzielt (Scheer 1998, S. 1). Neben der Reduzierung der Misserfolgsrate (Zeithaml/Bitner 2003, S. 246) bringt die Umsetzung eines systematischen Service Engineering noch eine Reihe weiterer Vorteile mit sich. Hierzu gehören bspw. die Möglichkeit eines gezielten Auf- bzw. Ausbaus von Geschäftsfeldern (Fähnrich et al. 1999, S. 5), die Verkürzung von Entwicklungszeiten bei Sicherstellung der Durchführung aller relevanten Prozessschritte (Demuß 2003, S. 3), die Reduzierung von Entwicklungskosten aufgrund einer zielgerichteten Arbeitsweise (Hofmann/Klein/Meiren 1998, S. 21), die konsequente Orientierung an Marktpreisen und damit eine explizite Wirtschaftlichkeitsbetrachtung über den gesamten Entwicklungsprozess (Schreiner 2005, S. 5), die Erhöhung der Transparenz sowie die Erleichterung der Handlungsorientierung bei allen in das Vorhaben involvierten Personen (Schachtner 1999, S. 85) und die ganzheitliche Unterstützung
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Kapitel 1 Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen
durch den Einsatz leistungsfähiger IT-Systeme (Herrmann/Klein/The 2006, S. 650). Die Implementierung des Service Engineering Ansatzes in Unternehmen trägt somit entscheidend dazu bei, dass sie sich dauerhaft von anderen Unternehmen abgrenzen und somit einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil realisieren können. Während Einigkeit über die Zweckmäßigkeit einer systematischen Vorgehensweise bei der Entwicklung von Dienstleistungen besteht, liegt bis dato kein allgemein anerkanntes Lösungskonzept vor, dessen inhaltliche Ausgestaltung den Erfordernissen der Problemstellung in vollem Umfang gerecht wird. Stattdessen existieren Initiativen, die im jeweils zugrunde liegenden Anwendungskontext bestimmte interessierende Aspekte unter einer spezifischen Zielsetzung beleuchten. Dass die Generierung eines ganzheitlichen Ansatzes nicht aus der Praxis heraus erfüllt werden kann, ist aufgrund der Heterogenität des betreffenden Leistungsspektrums (Payne 1993, S. 7) und der damit einhergehenden Vielfalt zu berücksichtigender Sachverhalte offensichtlich. Vielmehr sind die einzelnen Serviceanbieter nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen bestrebt, das optimale Ergebnis bzgl. ihres eigenen Tätigkeitsbereichs respektive ihres speziellen Branchenfokus zu erreichen. Wegen der nachweislich hohen Relevanz des Themas ist es jedoch auf den ersten Blick umso erstaunlicher, dass seitens der Wissenschaft lange Zeit anscheinend ein eher geringes Forschungsinteresse an dieser Fragestellung bestand (Brouwer/ Kleinknecht 1997, S. 1239) und bis heute ebenfalls kein entsprechendes Konzept entwickelt wurde. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik der Dienstleistungsentwicklung begann im Unterschied zur artverwandten und bereits seit langem praktizierten systematischen Gestaltung von Gütern und von Software (Nüttgens/Heckmann/Luzius 1998, S. 14) erst Mitte der 1980er Jahre, wie der Literaturüberblick bei Küpper (2001) oder de Jong/Vermeulen (2003) belegt. Sie fand zunächst in der Betriebswirtschaftslehre statt und wurde am Anfang primär von einer marketing-orientierten Sichtweise beeinflusst (z. B. MacMillan/McCaffery/ van Wijk 1985, Berry 1986, Cohen 1986 oder Easingwood 1986). Die Arbeiten betonen eine nachfrageseitige Betrachtung, indem sie nahezu ausnahmslos Fragen der Kundenzufriedenheit sowie der Dienstleistungsqualität in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Diskurses stellen. Dabei bleibt jedoch weitgehend der Sachverhalt unberücksichtigt, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Leistungsangebots ebenso entscheidend von dessen Planung und Gestaltung abhängt (Haller 2002, S. 73). Diesem Defizit nehmen sich verstärkt seit Anfang der 1990er Jahre vor allem amerikanische (z. B. Bowers, Heskett, Scheuing oder Shostack), britische (z. B. Cowell, Easingwood, Johne oder Johnston), kanadische (z. B. Cooper, de Brentani, Edgett oder Stuart), skandinavische (z. B. Edvardsson, Mattsson oder Sundbo) sowie deutsche Forscher (z. B. Bullinger, Fähnrich, Luczak oder Scheer) an. Schwerpunktmäßig konzentrieren sich die Arbeiten zum Service Engineering bzw. zum New Service Development auf eine Reihe bestimmter Fragestellungen. Hierzu zählen bspw. die Klassifizierung von Entwicklungsprozessen (z. B. Moriarty/Moran 1990, Ennew/Watkins 1992 oder Schreiner 2005), die Erstellung eines Vorgehensmodells für den Entwicklungsprozess (z. B. Scheuing/Johnson 1989a, Ramaswamy 1996 oder Tax/Stuart 1997) bzw. für
1.1 Problemstellung aus Sicht von Praxis und Wissenschaft
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einen abgegrenzten Teil daraus (z. B. Bushman/Cooper 1980, Shostack/Kingman-Brundage 1991 oder Johne/Davis 1993), das Design von Dienstleistungen (z. B. Shostack 1995, Kim/Kim 2001 oder Corsten/Gössinger 2004), das Identifizieren von kritischen Erfolgsfaktoren bzgl. unterschiedlicher Gesichtspunkte (z. B. Cordero 1990, de Brentani 1991, Thwaites 1992, Voss 1992, Griffin/Page 1993, Storey/Easingwood 1993, Edgett/Parkinson 1994 oder Cooper/Kleinschmidt 1995), die Industrialisierung bzw. Standardisierung von Dienstleistungen (z. B. Burr 2002, Böhmann 2004 oder Scheer/Herrmann 2004) und die Individualisierung von Dienstleistungen (z. B. Tomiyama 2001, Wind 2001 oder Baida/Akkermans/Gordijn 2003). Bei näherer Betrachtung der Bestrebungen fällt auf, dass die Ansätze fast ausschließlich auf einzelne Gesichtspunkte fokussieren. Die Thematik der Gestaltung eines holistischen Ordnungsrahmens für Service Engineering Vorhaben wird beinahe in Gänze vernachlässigt. Lediglich die Arbeiten von Edvardsson/Olsson (1996), Fähnrich (1998), Gill (2004) und Kunau et al. (2005) bilden hier eine Ausnahme, wobei die von ihnen vorgestellten Konzepte sehr abstrakt gehalten sind. Zudem sind sie ohne Möglichkeiten der individuellen Anpassung an situationsspezifische Gegebenheiten ausgestattet, weshalb ihre Operationalisierung für den praktischen Ensatz nicht unmittelbar erfolgen kann. Die eindimensionale Herangehensweise betrifft jedoch nicht nur die untersuchten Fragestellungen, sondern darüber hinaus auch die interessierenden Objekte. Häufig beschränken sich Arbeiten auf die Untersuchung bestimmter Arten von Dienstleistungen bzw. Dienstleistungsbranchen wie Finanz-, Telekommunikationsoder Gesundheitsdienstleistungen, weshalb sich die darin erzielten Ergebnisse aufgrund der Heterogenität des gesamten Dienstleistungsspektrums nicht unreflektiert auf andere Anwendungsbereiche transferieren lassen. Ferner wird in den Arbeiten zur systematischen Dienstleistungsentwicklung zwar vielfach oberflächlich auf die charakteristischen Merkmale einer Dienstleistung hingewiesen (z. B. Lewis 1989, S. 18–19, Klivans 1990, S. 8–9, oder Gadrey/ Gallouj/Weinstein 1995, S. 5–7), die Erstellung eines allgemeinen Erklärungsmodells, das ein tiefgreifendes Verständnis vom Gestaltungsgegenstand vermittelt, das die Ableitung der Wesensart eines entsprechenden Konzeptionsprozesses ermöglicht und damit erst eine bewusste Durchführung von Service Engineering Projekten erlaubt, blieb jedoch bisher generell unberücksichtigt. Das Adressieren einzelner Aspekte wird darüber hinaus dem Sachverhalt nicht gerecht, dass im Rahmen von Dienstleistungserbringungs- (Langeard et al. 1981, S. 81) und -entwicklungsprozessen (Fähnrich et al. 1999, S. 18) eine im Vergleich zur klassischen Produktion und Entwicklung von Sachleistungen stärkere Verschmelzung von Mensch, Technik und Organisation Berücksichtigung finden muss. Insofern erfordert die Herausforderung Service Engineering einen interdisziplinären Ansatz, der die betriebswirtschaftlichen Funktionsbereiche Marketing und Produktion sowie diesbezüglich relevante Erkenntnisse aus der Ingenieurwissenschaft, der Informatik, der Psychologie und der Soziologie miteinbezieht. Die Zusammenführung möglichst weit gefächerter Kernkompetenzen und das Nutzen von Synergien zwischen den Kompetenzen bilden hier einen entscheidenden Schlüssel zum Erfolg (Scheer 2002c, S. 2).
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Kapitel 1 Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen
Aus wissenschaftstheoretischer Sicht lässt sich schließlich kritisch anmerken, dass nahezu alle Arbeiten, sofern die Herleitung des darin enthaltenen Erkenntnisgewinns überhaupt wissenschaftstheoretischen Ansprüchen genügt, auf empirischen (Fall-)Studien mit mehr oder weniger großen Stichproben basieren. Für den Einsatz in angewandten Wissenschaften, zu denen der Untersuchungsgegenstand des Service Engineering zu zählen ist, eignet sich empirische Forschung jedoch nur eingeschränkt. Der Grund hierfür liegt in der Einzigartigkeit eines jeden Entwicklungsvorhabens und der hohen, inhärenten Komplexität des Phänomens Service Engineering, weshalb es sich nur begrenzt quantitativ analysieren lässt und die Suche nach messbaren Größen weniger zu einem theoretischen Verständnis beiträgt, als die beschreibende Darstellung bestimmter Ereignisse und Situationen (vgl. von Hayek 1996, S. 281–306). Empirische Forschung lässt sich daher zur Erfassung der Problemstellung sowie zur Prüfung der entwickelten Gestaltungsmodelle im tatsächlichen Anwendungszusammenhang a posteriori heranziehen. Einen Beitrag zur Entwicklung von Gestaltungsmodellen selbst, die sich auf eine erst zu schaffende Realität beziehen, kann sie allerdings im Kontext von konkreten Dienstleistungsentwicklungsprojekten nicht leisten (Ulrich 1984, S. 174–175). Zusammengefasst fehlt es also hinsichtlich eines erfolgreichen Service Engineering an einem wissenschaftstheoretisch begründeten, interdisziplinär ausgerichteten und für den praktischen Einsatz operationalisierbaren Fundament, mit dessen Hilfe einerseits ein ganzheitliches, tiefenscharfes Verständnis über die Charakteristika einer Dienstleistung sowie ihres Entwicklungsprozesses erzeugt wird und das andererseits ein darauf aufbauendes Instrumentarium zu dessen Durchführung bereitstellt. Eine solche Basis kann als Zentrum für jegliche Art von Untersuchungen im Kontext von Dienstleistungsentwicklungen angesehen werden und demzufolge sämtliche potenziell interessierende Perspektiven auf den Prozess des Service Engineering abbilden. Zudem kann sie aus Sicht der Praxis einen entscheidenden Beitrag im Hinblick auf ein bewusstes Management von Entwicklungsvorhaben leisten. Mittels eines entsprechend ausgestalteten Konzepts für die Durchführung von Service Engineering Vorhaben ließen sich schließlich zentrale, bisher weitgehend vernachlässigte Fragestellungen beantworten. Hierzu gehören z. B.: Wie lassen sich in Service Engineering Projekten relevante von nicht relevanten Einflussfaktoren abgrenzen? Wie kann die volle Komplexität einer Dienstleistung und des dazugehörigen Entwicklungsvorhabens in Form eines Modells ganzheitlich behandelt werden? Wie lassen sich interessierende Aspekte und die hierfür notwendigen Assoziationen gezielt selektieren, ohne gleichzeitig den Gesamtzusammenhang unzulässig zu vereinfachen? Wie lässt sich das charakteristische Moment des Kundeneinbezugs in den Produktionsprozess einer Dienstleistung adäquat abbilden? Wie kann auf die durch die Handlungsautonomie des Kunden verursachte Unruhe innerhalb eines konkreten Dienstleistungsprozesses bereits bei der Entwicklung eingewirkt werden? Auf welche Weise und mit welchen Mitteln ist die Störanfälligkeit manipulierbar? Sind eine kundenindividuelle Leistungsgestaltung und standardisierte Leistungsstrukturen in Bezug auf das zu konzipierende Angebot gegenläufige Entwicklungen oder handelt es sich um komplementäre Zielsetzungen? Kann eine Dienstleistung so gestaltet werden,
1.2 Idee zur Lösung der Herausforderung
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dass es sich einerseits um ein kundenindividuelles Angebot und andererseits um eine standardisierte Leistung handelt? Wie muss ein Beschreibungsmodell für den Entwicklungsprozess und die zu gestaltende Leistung aussehen, damit es in interdisziplinären Teams eingesetzt und von allen an der Entwicklung Beteiligten akzeptiert wird? Wie muss es ausgestaltet sein, damit es die involvierten Personen zur Auswahl geeigneter Handlungen und zum zielführenden Treffen von Entscheidung befähigt?
1.2 Idee zur Lösung der Herausforderung Die Herausforderung, die mit der Erstellung eines solchen Fundaments verbunden ist, besteht primär in der Beherrschung der insgesamt anfallenden Komplexität, d. h. sowohl der des Entwicklungsobjekts Dienstleistung als auch, darauf aufsetzend, der des Entwicklungsprozesses. Die Komplexität spiegelt sich in zwei Sachverhalten wider: zum einen in der Menge und Dynamik der insgesamt Einfluss nehmenden Faktoren sowie der zwischen ihnen wechselseitig vorliegenden Beziehungen, zum anderen in der hohen Verhaltensvarietät der direkt oder indirekt involvierten Personen. Vor allem das intuitionswidrige Verhalten der daran Beteiligten, also die Sozialität innerhalb des neu zu gestaltenden Prozesses sowie des Gestaltungsablaufs selbst, führt zu einer Vielzahl potenziell eintretender Zustände. Formal ausgedrückt, handelt es sich bei dem Vorhaben der Entwicklung einer Dienstleistung um ein hochkomplexes, NP(Entscheidungs-)Problem. Dies bedeutet, dass man anhand einer festzulegenden Benchmark vergleichsweise einfach den wirtschaftlichen Erfolg einer neu konzipierten Dienstleistung nach Abschluss des Entwicklungsvorgangs beurteilen kann. Eine Abfolge geeigneter Entscheidungen, die innerhalb eines Service Engineering Projekts im Hinblick auf das Erreichen der Benchmark zu treffen sind, ist dabei zwar prinzipiell determinierbar, jedoch gleichzeitig aufgrund der großen Varietät des Problems mit einem nicht zu leistenden Rechenaufwand verbunden. Die dem Phänomen Service Engineering inhärente Komplexität sollte allerdings nicht grundsätzlich als nachteilig angesehen und unreflektiert zu reduzieren versucht werden, wie es in nahezu allen Arbeiten zu diesem Thema implizit erfolgt. Vielmehr bleibt nach dem »Gesetz der erforderlichen Vielfalt« (law of requisite variety) von Ashby (1957, S. 207) Komplexität notwendig, um auf die permanenten Veränderungen des Umfelds stets adäquat reagieren zu können. Demnach lässt sich das vielschichtige Objekt Dienstleistung außer durch Zufall nur dann erfolgreich entwickeln, wenn die Varietät der für die Lösung der Herausforderung zur Verfügung stehenden Mittel genügend groß ist. Da allerdings die vollständige Erfassung aller Ereignisse bzw. Informationen und somit die Herstellung vollständiger Transparenz in Entwicklungsprojekten nicht geleistet werden kann, ist sie prinzipiell auch nicht anzustreben. Vielmehr gilt es, die Komplexität im Sinne kontingenter Möglichkeiten zu nutzen und zu verarbeiten, um dadurch die Handlungsfähigkeit innerhalb entsprechender Vorhaben zu erreichen. Es geht also darum, die Dienstleistungsentwicklung als evolutionären, sozialen Prozess
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Kapitel 1 Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen
aufzufassen, die darin anzutreffende Informationsflut handhabbar zu machen und folglich die Beteiligten zum Treffen »richtiger« Entscheidungen zu befähigen. Ein erfolgreiches Service Engineering basiert somit nicht auf dem sturen Festhalten an einmal getroffenen Planungsentscheidungen, sondern auf dem aktiven Aufnehmen von Umfeldveränderungen sowie auf einem gekonnten und zeitnahen Reagieren (Scheer 2002c, S. 2). Eine Möglichkeit, eine adäquate Lösung für die Herausforderung Service Engineering zu finden, scheint in der Übertragung systemtheoretischer Erkenntnisse auf die Dienstleistungsentwicklung zu liegen. Im Mittelpunkt steht die Beleuchtung des Service Engineering aus einem systemtheoretischen Blickwinkel, um somit einen geeigneten Erklärungsansatz für die Gesamtzusammenhänge zu erhalten und entsprechende Gestaltungsregeln ableiten zu können. Mit dem frei setzbaren Systembegriff wird versucht, die Einnahme anderer Perspektiven als die gewohnten auf das Phänomen Dienstleistungsentwicklung zu fördern (Fuchs 2001, S. 13– 21). Es geht dabei einerseits um die ursprüngliche Intention des Systembegriffs, Einheiten mit verarbeitbarer Komplexität in geeigneter Weise von ihrer Umwelt zu isolieren und Ordnung in den Untersuchungsbereich sowie in dessen Beschreibung zu bringen. Andererseits sollen darüber hinaus durch geeignete Grenzziehungen Systemzustände von Umweltzuständen getrennt werden, um deren durch keine Kausalität abzubildende Abhängigkeit voneinander offenzulegen (Baecker 2002, S. 7–8). Mit der Allgemeinen Systemtheorie (General Systems Theory), wie sie bspw. von Bertalanffy (1968) propagiert, steht eine wissenschaftliche Ausarbeitung zur Verfügung, die als Grundlage für einen Transfer systemtheoretischer Erkenntnisse auf den Bereich Service Engineering fungieren kann. Mit der ergänzenden Theorie des Systems Engineering (z. B. Daenzer/Huber 2002) existiert darüber hinaus eine Spezialisierung, die sich mit generischen Ansätzen zur Entwicklung von Systemen auseinandersetzt und damit auch den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit adressiert. Allerdings wurden hier viele Aspekte und neuere Entwicklungen der Systemtheorie nicht mehr eingearbeitet. Anders verhält es sich diesbezüglich mit der speziellen Systemtheorie, die sich auf die Soziologie bezieht und vor allem mit der Arbeit von Luhmann (2002) sowie darauf aufsetzenden Ansätzen eine der aktuellsten Ausprägungen der Systemwissenschaft repräsentiert. Ihr Transfer auf den fokussierten Kontext ist ebenfalls von besonderem Interesse, da sich zum einen das zu konzipierende Objekt Dienstleistung durch den Einbezug von externen, vom Kunden bereitgestellten Faktoren und die damit einhergehende Sozialität auszeichnet. Zum anderen besitzt sie eine hohe Relevanz bzgl. der Interpretation des Service Engineering als evolutionärer, sozialer Prozess. Im Hinblick auf eine angestrebte systemisch-orientierte Dienstleistungsentwicklung sind demnach die Erkenntnisse des Systems Engineering um Wesensmerkmale und aktuelle Entwicklungen der soziologischen Systemtheorie zu erweitern. Das Resultat bildet ein Gedankengebäude, wie es z. B. Ulrich (1984, S. 165–167) proklamiert, das sowohl physikalisch-technische als auch soziologisch-humane Aspekte integriert. Die Systemtheorie scheint somit ein Theoriepotenzial bereitzuhalten, dessen Übertragung auf den Untersuchungsgegenstand Service Engineering zur Lösung der formulierten Problemstel-
1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen
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lung beitragen kann. Zudem weist sie einen Erfahrungsschatz in der Handhabe komplexer Sachverhalte auf, der eine Hilfestellung im Umgang mit der vorliegenden Herausforderung geben kann (Willke 1993, S. 3–4). Die Systemtheorie eignet sich daher insbesondere für den Einsatz bei Phänomenen, die sich nicht auf einfache Kategorien und klare, eindeutige Gesetzmäßigkeiten reduzieren lassen, weil sie in einem umfassenden Maß generalisiert, offen ist und vor allem übergreifende Bezüge herzustellen erlaubt (Jensen 1983, S. 10). Sie erfüllt ebenso das zur holistischen Behandlung des Themas Dienstleistungentwicklung geforderte Kriterium der Interdisziplinarität aufgrund ihres Charakters einer integrierenden Wissenschaft, die sich durch die Ableitung logischer Homologien von Gesetzmäßigkeiten in verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten auszeichnet (von Bertalanffy 1951, S. 115). Letztlich würde mit dem Transfer systemtheoretischer Erkenntnisse auf das Service Engineering ein deduktiv-dogmatischer und somit in Bezug auf die Lösung einer Gestaltungsaufgabe wissenschaftstheoretisch adäquater Erkenntnisweg eingeschlagen.
1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen Die Auseinandersetzung mit der erläuterten Komplexitätscharakteristik von Dienstleistungsentwicklungsvorhaben sowie den dargelegten Defiziten bisheriger Service Engineering Bestrebungen begründet die Forderung nach einem grundlegenden Konzept für das Service Engineering. Dieses soll die angesprochenen Anforderungen aufgreifen, das geforderte Fundament hinsichtlich des theoretischen Verständnisses und der operativen Abwicklung von Dienstleistungsgestaltungsprojekten darstellen und schließlich einen Erklärungsansatz zur Beantwortung der zuvor aufgeworfenen, zentralen Fragestellungen liefern. Die Erzeugung eines solchen Ansatzes mittels der Übertragung systemtheoretischer Erkenntnisse ist das Ziel der vorliegenden Arbeit: Ziel der Arbeit ist die Entwicklung des ganzheitlichen, interdisziplinären Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering. Aufbauend auf einer operationalisierbaren Abgrenzung beinhaltet dieses zum einen die Erzeugung eines tiefenscharfen Verständnisses der Begründungszusammenhänge einer Dienstleistung und ihres Gestaltungsprozesses sowie zum anderen die Bereitstellung eines flexibel an spezielle Gegebenheiten anpassbaren Instrumentariums, das permanent anhand adäquater Modelle informationsintensive Situationen zu verarbeiten hilft und so die Selektion geeigneter Anschlusshandlungen innerhalb von Entwicklungsprojekten ermöglicht. Das holistische Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering repräsentiert also das Ergebnis der Synthese aus der Problemstellung »Service Engineering« und dem Lösungsansatz »Systems Engineering«. Die Namensgebung spiegelt somit die Absicht wider, die generischen Gestaltungsregeln des Systems Engineering für den Einsatz in Dienstleistungsentwicklungsvorhaben zu implementieren. Expliziert man des Weiteren das dritte Wort-
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Kapitel 1 Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen
paar »Service System«, ergibt sich daraus die grundlegende Annahme, im Rahmen des Konzepts das Gestaltungsobjekt selbst als System zu interpretieren. Das vorangestellte Adjektiv »modellgestützt« betont die Bedeutung, die Modellen innerhalb des Ansatzes beigemessen wird. Die Hervorhebung des Schwerpunkts beruht auf dem von Conant/Ashby (1970) aufgestellten Theorem, dass es kein geeigneteres Mittel zur Regulierung eines Systems geben kann als die Schaffung eines ausreichend einfachen Modells. Innerhalb des Konzepts soll diesbezüglich zum einen eine Beschreibungsform von Dienstleistungserbringungs- und -entwicklungssystemen konzipiert werden, die die jeweils charakteristischen Momente des interdependenten Wirkungsgefüges offenlegt und so ein detailliertes Verständnis der essenziellen Zusammenhänge erzeugt. Zum anderen kommt Modellen insbesondere im Rahmen des zur Projektdurchführung bereitgestellten Instrumentariums eine tragende Rolle zu. Hier werden sie als methodenbasierte Möglichkeit der Abstrahierung und Explizierung von wesentlichen Informationen über interessierende Sachverhalte berücksichtigt. Sie lassen sich auf diese Weise zur effizienten Entscheidungsfindung innerhalb von (interdisziplinär zusammengesetzten) Teams zweckmäßig einsetzen und ermöglichen damit die Auswahl geeigneter Anschlusshandlungen. Aus den in der Zielsetzung formulierten Konzeptbestandteilen können unmittelbar drei Forschungsschwerpunkte abgeleitet werden: Forschungsschwerpunkt 1: Wie lässt sich das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering eindeutig und in einer für den praktischen Einsatz operationalisierbaren Form abgrenzen? Wie lässt es sich mit seinem interdisziplinären Wesen in der Wissenschaftslandkarte verorten? Forschungsschwerpunkt 2: Wie kann aufbauend auf dieser Grundlage mittels des systemtheoretischen Gedankenguts ein Beschreibungsmodell für eine Dienstleistung und ihren Entwicklungsprozess abgeleitet werden, das ein umfassendes Bild von der Wirkungsweise sowie von den zentralen Wesenszügen vermittelt? Wie lässt sich die dadurch insgesamt erfassbare Komplexität allgemein in verarbeitbare Systemeinheiten zerlegen und wie kann eine adaptierbare Referenzinstanz eines solchen Ausdifferungsvorschlags aussehen? Forschungsschwerpunkt 3: Wie lässt sich aus Elementen des Systems Engineering Ansatzes ein Instrumentarium ableiten, das zur Unterstützung bei der Durchführung von Dienstleistungsentwicklungsvorhaben eingesetzt werden kann? Wie können dabei vor allem Modellierungsmethoden für die ausdifferenzierten Teilsysteme zielgerichtet konstruiert werden, deren Ergebnisse die Regulierung der jeweils betrachteten Einheit durch die beteiligten Personen ermöglichen und somit die Handlungsfähigkeit innerhalb von Service Engineering Vorhaben sicherstellen?
1.4 Struktureller und wissenschaftlicher Untersuchungsansatz
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1.4 Struktureller und wissenschaftlicher Untersuchungsansatz Zur Beantwortung der Forschungsschwerpunkte und somit zur Befriedigung des zugrunde liegenden kausalen und aktionalen Erkenntnisinteresses wird das in Abbildung 1.1 grafisch illustrierte Vorgehen gewählt. Jeder der Fragestellungen ist in der Arbeit ein Kapitel gewidmet, die von einer Exposition sowie einem Resümee eingerahmt werden. Die vorliegende Arbeit gliedert sich demnach in fünf Kapitel. Im einleitenden ersten Kapitel wurde zunächst mit der Erläuterung der Interdependenz zwischen der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und der Innovation von Dienstleistungen die der Arbeit zugrunde liegende Motivation aufgezeigt und daraus ein Handlungsbedarf abgeleitet (Abschnitt 1.1). Basierend auf der Idee eines systemtheoretischen Lösungsansatzes (Abschnitt 1.2) erfolgte anschließend die Formulierung des konkreten Erkenntnisinteresses (Abschnitt 1.3), bevor in diesem Abschnitt (1.4) die strukturelle und wissenschaftstheoretische Herangehensweise thematisiert werden. Das zweite Kapitel zielt mit der Explizierung des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering auf die Konstruktion eines zur Beleuchtung des Erkenntnisinteresses adäquaten gedanklichen Bezugsrahmens ab. Hierfür wird zunächst mit dem Erfahrungsobjekt »Dienstleistung« der Gegenstandsbereich, d. h. die in der Realität abzugrenzende Klasse von Objekten (Vogt 1983, S. 6), thematisiert (Abschnitt 2.1). Mit den Ausführungen zum Erkenntnisobjekt »Service Engineering« wird dieser im Anschluss auf den Problembereich und damit auf die Klasse der Fragestellungen eingeengt, welche die durch das Erkenntnisinteresse adressierten Eigenschaften des Objekts »Dienstleistung« betreffen (Raffée 1974, S. 55) (Abschnitt 2.2). Den zur Befriedigung des Erkenntnisinteresses ausgewählten systemischen Lösungsansatz spezifizieren die Erläuterungen zum Konzept des »Systems Engineering« (Abschnitt 2.3). Auf dieser Grundlage findet schließlich die Zusammenführung von Problembereich und Lösungsansatz zum Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering statt (Abschnitt 2.4). Dieses wird in einem ersten Schritt nach einer kritischen Diskussion bereits existierender gleichnamiger Ansätze definiert, bevor es danach, dem interdisziplinären Charakter des Erkenntnisinteresses Rechnung tragend, sowohl in der Systemwissenschaft als auch in der Landschaft der Wissenschaftsdisziplinen verortet wird. Auf diesem Bezugsrahmen aufbauend orientieren sich die weiteren Ausführungen an der Grundidee des aus der Organisationslehre bekannten Analyse-Synthese-Konzepts (z. B. Kosiol 1962), das in geeigneter Weise sowohl das kausale als auch das aktionale Erkenntnisinteresse adressiert. Dementsprechend widmet sich das dritte Kapitel der tiefenscharfen Erforschung des Problembereichs, die insbesondere durch das mangelnde Grundverständnis motiviert ist, unter Verwendung geeigneter Bestandteile der Systemtheorie. Dabei wird zum einen eine Charakterisierung des Service Engineering Systems vorgenommen, indem systemtheoretische Erkenntnisse auf die Dienstleistungsentwicklung projiziert werden und damit ihr Wirkungs-
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Kapitel 1 Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen
Abbildung 1.1: Struktureller Untersuchungsansatz der Arbeit
gefüge einer formalen Beschreibung mit maximaler Komplexität zugänglich gemacht wird (Abschnitt 3.1). Zum anderen erfolgt aus diesem Verständnis heraus eine gedankliche Ausdifferenzierung des gesamten Service Engineering Systems in relevante, verarbeitbare Sinneinheiten, die der Bündelung von Informationen über interessierende Sachverhalte dienen und die die Basis für die Zusammensetzung multidisziplinärer Gruppen in entsprechenden Vorhaben bilden (Abschnitt 3.2). Mit Hilfe der Systemtheorie wird also eine profunde Beschreibbarkeit
1.4 Struktureller und wissenschaftlicher Untersuchungsansatz
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der wesentlichen Momente einer Dienstleistungsentwicklung hergestellt und eine adäquate Perspektivierung des Gesamtkomplexes durchgeführt. Ausgehend von dem im Rahmen der Analyse erzeugten, detaillierten Verständnis über Dienstleistungsentwicklungsvorhaben wendet sich das vierte Kapitel der Frage nach der operativen Synthese eines solchen Systems zu. Es beinhaltet die Ausstattung des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering mit einem Instrumentarium, das zur Abwicklung eines konkreten Projekts und zur kreativen Gestaltung der zu konzipierenden Dienstleistung unterstützend eingesetzt werden kann. Dabei erfolgt zunächst die Darstellung des Konzeptaufbaus sowie die Erläuterung der drei Bestandteile Prinzipien, Vorgehensmodelle und Methoden im Allgemeinen bzw. Modellierungsmethoden im Besonderen (Abschnitt 4.1). Nach den eher abstrakten Formen der Handlungsanleitung werden anschließend gemäß des Konzeptschwerpunkts spezifische Modellierungsmethoden generiert, die an den Aspekten des im dritten Kapitel vorgenommen Ausdifferenzierungsvorschlags ausgerichtet sind. Demnach handelt es sich bei den Visualisierungstechniken um solche, die den Entwicklungsprozess selbst (Abschnitt 4.2), die Ontogenese der zu entwerfenden Dienstleistung (Abschnitt 4.3) sowie deren finale Ausgestaltung (Abschnitt 4.4) beschreiben. Gegenstand des abschließenden fünften Kapitels ist eine zusammenfassende Bewertung der vorliegenden Arbeit. Dabei werden zentrale Erkenntnisse resümiert (Abschnitt 5.1), eine prototypische, das Gesamtkonzept unterstützende Softwarelösung präsentiert (Abschnitt 5.2) sowie Implikationen für die Praxis und Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsarbeiten diskutiert (Abschnitt 5.3). Nach der Darlegung des Inhalts der einzelnen Abschnitte stellt sich die Frage nach den wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden, die zur Gewinnung der angestrebten Ergebnisse eingesetzt werden und die deren Korrektheit und Zuverlässigkeit sicherstellen sollen (Chalmers 1994, S. 1). Aus wissenschaftstheoretischer Sicht (vgl. Eberhard 1999, S. 22–58) beschreitet diese Arbeit prinzipiell einen deduktiv-dogmatischen Erkenntnisweg, da systemtheoretische Einsichten auf den Bereich der Dienstleistungsentwicklung übertragen werden. Auf ihm basieren mit der Charakterisierung des Service Engineering Systems (Abschnitt 3.1), die aus der Systemtheorie im Allgemeinen sowie aus der Theorie sozialer Systeme im Besonderen heraus erwächst, und mit der Ausgestaltung der einzelnen Service Systems Engineering Komponenten (Abschnitt 4.1), die aus anwendungsunabhängigen Systems Engineering Ansätzen abgeleitet werden, zwei essenzielle Momente der Arbeit. Darüber hinaus liegt dieser Erkenntnisweg der Folgerung der Zielsetzung und der strukturellen Herangehensweise (Abschnitt 1.3–1.4) sowie der im zweiten Kapitel vorgenommenen Abgrenzung zur Erreichung der Handlungsfähigkeit im Rahmen dieser Arbeit zugrunde. Ebenso findet der induktiv-empiristische Weg Anwendung. Auf ihm beruhen die gedankliche Zerlegung des Service Engineering Systems in operationale Sinneinheiten (Abschnitt 3.2) und die operationale Ausgestaltung der einzelnen Modellierungsmethoden (Abschnitt 4.2–4.4). In beiden Zusammenhängen wird jeweils aus einzelnen, kontextabhängigen Beobachtungen eine allgemeine Referenz abgeleitet. Punktuell wird insbesondere bei der Generierung von Modellierungsmethoden je nach Bedarf auch der
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Kapitel 1 Über das Phänomen (un-)systematischer Dienstleistungsentwicklungen
deduktiv-theoriekritische Pfad eingeschlagen, wenn anhand kritischer Analysen Unzweckmäßigkeiten aufgedeckt und bestehende Ansätze entsprechend weiterentwickelt werden. Des Weiteren greift die beschriebene Herangehensweise noch weitere Erkenntniswege in den Randkapiteln der Arbeit auf. So steht zu Beginn der Arbeit im Rahmen der Abgrenzung des Phänomens von der Umwelt und folglich der Identifikation der Problemstellung der mystischmagische Erkenntnisweg im Mittelpunkt (Abschnitt 1.1). In diesem Sinne werden ebenso erste Beobachtungen und damit die aus der Erfahrung heraus gewonnene Idee thematisiert (Abschnitt 1.2). Im abschließenden fünften Kapitel erfolgt zunächst mittels des dialektisch-materialistischen Pfads die reflektierte Anpassung und Vertiefung der Ergebnisse (Abschnitt 5.1). Die Entwicklung der präsentierten Softwareunterstützung erfolgte im permanenten Austausch mit Partnern aus der Industrie und damit auf dem Erkenntnisweg der Aktionsforschung (Abschnitt 5.2). Dieser wird ebenso bei der abschließenden Genese verfolgt, in der Einsatzpotenziale der gewonnenen Erkenntnisse auf weitere Bereiche abgeleitet werden (Abschnitt 5.3). Den gesamten wissenschaftlichen Untersuchungsansatz der Arbeit fasst unter zusätzlicher Berücksichtigung allgemeiner wissenschaftlicher Prozessmuster Tabelle 1.1 zusammen. Damit findet die Exposition der Thematik ihren Abschluss. An dieser Stelle bleibt zu betonen, dass die Erkenntnisse und Ergebnisse der Arbeit ein »irrationales Moment« im Sinne von Popper (2005, S. 8) enthalten, da der Gang der Untersuchung durch persönliche Erfahrungen und eine sich darauf stützende Intuition beeinflusst wurde. Die Erfahrungen resultieren weitgehend aus dem Studium themenrelevanter Literatur sowie aus dem in den Jahren 2000 bis 2003 am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) durchgeführten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt »CASET : Computer Aided Service Engineering Tool« (vgl. Scheer/Spath 2004), an dem diverse Forschungseinrichtungen, Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche sowie Softwarehersteller mitwirkten. Ziel des Projekts war es, ein Rahmenwerk sowie eine Werkzeugumgebung für die systematische Entwicklung, Gestaltung und EDV-technische Unterstützung von Dienstleistungen zu konzipieren, zu realisieren und in der praktischen Anwendung zu erproben. Trotz der angestrebten Objektivität in der Wissenschaft beruhen die Erkenntnisse dieser Arbeit daher, wie letztlich jede wissenschaftliche Erkenntnis, auf subjektiven Wahrnehmungen. Die vorliegenden Ergebnisse sind somit nicht als absolute Wahrheit zu verstehen, sondern geben die Aussage einer Person wieder. Diese Sichtweise beim Lesen der Arbeit zu reflektieren, trägt zu einem besseren Verständnis der Inhalte bei und entspricht nicht zuletzt dem Grundgedanken einer nicht-objektiven Systemtheorie.
1.4 Struktureller und wissenschaftlicher Untersuchungsansatz
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Tabelle 1.1: Wissenschaftlicher Untersuchungsansatz der Arbeit Kapitel 1
1.1 Problemstellung aus Sicht von Praxis und Wissenschaft 1.2 Idee zur Lösung der Herausforderung 1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen 1.4 Struktureller und wissenschaftlicher Untersuchungsansatz 2
2.2 Problembereich »Service Engineering« 2.3 Lösungsansatz »Systems Engineering« 2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering
mystisch-magisch
erste Beobachtung Hypothesengenerierung Festlegung des Vorgehens
mystisch-magisch deduktiv-dogmatisch deduktiv-dogmatisch
Stand der Forschung, Begriffsbestimmung Stand der Forschung, Begriffsbestimmung Stand der Forschung, Begriffsbestimmung Logische Herleitung
deduktiv-dogmatisch deduktiv-dogmatisch deduktiv-dogmatisch deduktiv-dogmatisch
Analogieschließung
deduktiv-dogmatisch
Dekomposition, Kombination
induktiv-empiristisch
KONZEPT DES MODELLGESTÜTZTEN S ERVICE S YSTEMS E NGINEERING
4.1 Aufbau des modellgestützten Service Systems Engineering 4.2 Modelle des Prozesssystems 4.3 Modelle des Objektsystems, insbes. des Konstruktionssystems 4.4 Modelle des Objektsystems, insbes. des Leistungssystems 5
Problemabgrenzung
A NALYSE DES S ERVICE E NGINEERING S YSTEMS
3.1 Charakterisierung des Service Engineering Systems 3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems 4
Erkenntnisweg
VON D IENSTLEISTUNGEN UND DEREN SYSTEMISCHER E NTWICKLUNG
2.1 Gegenstandsbereich »Dienstleistung«
3
Prozessmuster
Ü BER DAS P HÄNOMEN ( UN -) SYSTEMATISCHER D IENSTLEISTUNGSENTWICKLUNGEN
Analogieschließung
deduktiv-dogmatisch
Dekomposition, Kombination Dekomposition, Kombination Dekomposition, Kombination
induktiv-empiristisch
Ergebnisvertiefung Implementierung Synthese, Umsetzung
dialektisch-materialistisch aktional aktional
induktiv-empiristisch induktiv-empiristisch
R EFLEXION , P ROTOTYPING UND G ENESE
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 5.2 Prototypische Umsetzung des Konzepts 5.3 Erweiterungsmöglichkeiten von Konzeption und Prototyp
Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung Because the interaction process is typically an integral part of a service, the development of a new service is usually far more complex, conceptually, than the development of a new tangible product. Axel Johne/Chris Storey
2.1 Gegenstandsbereich »Dienstleistung« 2.1.1 Allgemeines über die Essenz von Dienstleistungen Den Gegenstandsbereich dieser Arbeit bilden sämtliche potenziell entwickelbaren Dienstleistungen. Obwohl der Dienstleistungsbegriff als alltägliches Phänomen existiert, erweist sich bei näherer Betrachtung seine eindeutige definitorische Abgrenzung und damit die Determinierung des für diese Arbeit relevanten Untersuchungsbereichs als schwierig (Frietzsche 2001, S. 16). Dies zeigt sich insbesondere darin, dass sich trotz des frühzeitigen Erkennens der Herausforderung (Engelhardt/Schwab 1982, S. 503) sowie einer Vielzahl unterschiedlicher Bemühungen bis dato keine allgemein konsensfähige Begriffsdefinition etablieren konnte. Weniger problematisch ist dabei die Erfassung des Begriffsbestandteils Leistung. Dieser zielt auf eine Nutzenstiftung ab (Blum 2003, S. 1) und bezeichnet je nach Zusammenhang das Ergebnis betrieblicher Tätigkeit, die betriebliche Tätigkeit selbst, die Synthese von betrieblicher Tätigkeit und ihrem Ergebnis oder die Erfüllung von Aufgaben in der Gesamtwirtschaft (Maleri 1997, S. 4). Vielmehr stellen die Explizierung der heterogenen Teilmenge Dienstleistung sowie die Abgrenzung von ihrem dichotomen Pendant Sachleistung die komplexeren Herausforderungen dar (Meyer 1991, S. 197).
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
Die bestehenden Ansätze von Dienstleistungsdefinitionen lassen sich zu den drei Kategorien enumerative Abgrenzung, Negativabgrenzung sowie konstitutive Abgrenzung zusammenfassen (Corsten 2001, S. 21). Vertreter enumerativer Definitionen, wie Decker (1975, S. 217), Langeard (1981, S. 233) oder Ascher/Whichard (1987, S. 257), versuchen, den Dienstleistungsbegriff über die Aufzählung bzw. Katalogisierung von Beispielen einzugrenzen. Dabei werden allerdings keine verbindenden Merkmale der zu kennzeichnenden Objekte herausgearbeitet, anhand derer über die Zuordnung einer konkreten Leistung entschieden werden könnte. Implizit wird somit ein intuitives Verständnis von dem Wesen einer Dienstleistung vorausgesetzt, weshalb der Definitionsansatz aufgrund der fehlenden Objektivität aus wissenschaftlicher Sicht abzulehnen ist (Jaschinski 1998, S. 20). Demgegenüber definieren bspw. Clark (1957, S. 491), Rasmussen (1977, S. 46) oder Altenburger (1980, S. 21–22) eine Dienstleistung, indem sie diese negativ von der Gruppe der Sachleistungen abgrenzen. Der residuale Charakter dieses Abgrenzungsversuchs liefert ebenfalls keinen konkreten Anhaltspunkt über die Wesensart einer Dienstleistung, was Shostack (1977, S. 73) mit der Feststellung »By such logic, apples are just like oranges, except for their ›appleness‹« anschaulich verdeutlicht. Zudem enthalten viele Dienstleistungen Sachleistungsanteile, woran dieser binäre Zuordnungsversuch scheitert (Greenfield 2002, S. 20). Beispiele, die das gesamte Spektrum zwischen ausschließlich produkt- und ausschließlich dienstleistungsdominierten Einheiten verdeutlichen, zeigt Shostack (1982, S. 52). Vielversprechender erscheint der dritte Ansatz, den u. a. Bateson (1977, S. 8–9), Lovelock (1983, S. 9) oder Grönroos (1998, S. 322) verfolgen. Dieser greift zur expliziten Charakterisierung und Abgrenzung von Dienstleistungen auf die Determinierung konstitutiver Merkmale zurück. Darunter wird eine prägende Eigenschaft verstanden, die grundlegend den Wesenskern einer Dienstleistung beschreibt (Nüttgens/Heckmann/Luzius 1998, S. 15). Demnach bezeichnet der Begriff Dienstleistung eine Merkmalsstruktur, die sämtlichen als selbige klassifizierten Wirtschaftsgütern gemein sein muss (Rück 1995, S. 4). In Bezug auf die konkreten Charakteristika existieren allerdings unterschiedliche Meinungen (vgl. hierzu den Literaturüberblick bei Zeithaml/Parasuraman/Berry 1985, S. 34, oder Rosada 1990, S. 17–18). Diese resultieren zum einen aus den verschiedenen Blickwinkeln der einzelnen Autoren auf den heterogenen Betrachtungsgegenstand. Zum anderen werden häufig Merkmale als konstitutiv bezeichnet, die jedoch Implikationen von kennzeichnenden Eigenschaften darstellen. Unabhängig von der diesbezüglich geführten Diskussion bedienen sich bei näherer Untersuchung die meisten Ansätze zur Spezifizierung einer Dienstleistung bzw. zur Abgrenzung von Sach- und Dienstleistungen (implizit oder explizit) der beiden Distinktionen »Immaterialität/Materialität« sowie »Interferenz externer Faktoren/Autonomie« (Corsten 2001, S. 27). Bevor diese jeweils auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden, ist es praktikabel, vorab die Komplexität des Betrachtungsgegenstands Dienstleistung durch dessen Ausdifferenzierung zu reduzieren, um dadurch Ansatzpunkte hinsichtlich der kennzeichnenden Eigenschaften zu erhalten. Die Definitionen konstitutiver Faktoren setzen zumeist an den bereits eingangs erwähnten Dimensionen einer Leistung an (Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer 1993, S. 398).
2.1 Gegenstandsbereich »Dienstleistung«
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Vernachlässigt man an dieser Stelle den volkswirtschaftlichen Aspekt, so kann eine Dienstleistung im Laufe ihrer Produktion zwei Zustände einnehmen, nämlich den Zustand des Werdens und den Zustand des Seins (Engelhardt 1966, S. 159). Bei ersterem handelt es sich bei der Dienstleistung um einen Prozess, der üblicherweise auf die Modalitäten der Bedarfsdeckung Dritter abstellt (Berekoven 1974, S. 29). Der zweite Zustand orientiert sich an Sachleistungen als Grundmodell des wirtschaftlichen Guts und fasst Dienstleistungen in analoger Weise als Wirtschaftsgüter im Sinne eines vollständig produzierten Outputs auf (Maleri 1997, S. 3). Eine erweiterte Distinktion einer Leistung schlagen Edvardsson/Olsson (1996, S. 146) vor, indem sie zunächst in Anlehnung an Donabedian (1980, S. 81) die beiden Zustandsdimensionen um den Aspekt Struktur (structure) im Sinne von Ressourcen ergänzen und über das Kriterium Zeit miteinander verbinden. Das Ergebnis bilden die folgenden drei Dimensionen einer Dienstleistung: • Potenzialorientierte Dimension: Die Dienstleistung wird als die Kombination interner Faktoren, sog. Bereitstellungsleistungen, aufgefasst, mittels derer der Dienstleistungsanbieter dem Kunden seine Fähigkeit und Bereitschaft zur Erbringung der Dienstleistung signalisiert. Fokussiert wird also auf die Zeit vor der Initiierung einer Dienstleistungserbringung. • Prozessorientierte Dimension: Die Dienstleistung bezeichnet hier die zu vollziehende Tätigkeit an sich, bei der es zur Inanspruchnahme des Leistungspotenzials des Dienstleistungsanbieters durch den Kunden kommt. Sie umfasst dementsprechend den Zeitraum von der Aktivierung des Leistungspotenzials bis zum Abschluss der Erbringungstätigkeit. • Ergebnisorientierte Dimension: Die Dienstleistung repräsentiert das Produkt, das das Ergebnis des Erbringungsprozesses darstellt. Es handelt sich dabei um die bewirkte Veränderung von Objekt- und/oder Zeit- und/oder Raumbeziehungen (Hill 1977, S. 319). Zeitlich ist dieser Aspekt somit nach dem Anschluss an den Produktionsvorgang einzuordnen. Das Wesen einer Dienstleistung lässt sich nun nach Hilke (1989, S. 10–13) erfassen, indem die drei Dienstleistungsdimensionen gemeinsam betrachtet werden und jeder jeweils ein konstitutives Moment zugewiesen werden kann. Die potenzialorientierte Dimension charakterisiert er in Ermangelung eines physisch existierenden Produkts zum Zeitpunkt des Kundenkontakts durch das Merkmal der Immaterialität. Die prozessorientierte Dimension ist gekennzeichnet durch die Notwendigkeit der Berücksichtigung (mindestens) eines von dem Dienstleistungsnachfrager einzubringenden Faktors. Zur spezifischen Abgrenzung der ergebnisorientierten Dimension zieht Hilke wiederum die Eigenschaft der Immaterialität heran, die er jedem Output eines Dienstleistungsprozesses zuschreibt. Diesem Ansatz schlossen sich in der Folge bspw. Forschner (1989, S. 35–47), Corsten (2001, S. 21–23) oder Meffert/Bruhn (2003, S. 27–30) an, wobei die Zuordnung der konstitutiven Merkmale durchaus kontrovers diskutiert wird (vgl. hierzu den Überblick bei Hentschel 1992, S. 22–25). Diese Diskussion greifen die kommenden Abschnitte auf, in denen zunächst die beiden kennzeichnenden Eigenschaf-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
ten zusammen mit ihren Implikationen vorgestellt und auf ihre Eignung zur Abgrenzung des Betrachtungsgegenstands Dienstleistung überprüft werden.
2.1.2 Immaterialität als konstitutives Merkmal Das konstitutive Merkmal der Immaterialität kann zugleich als das am häufigsten genannte (Zollner 1995, S. 59), das am längsten bekannte (Kleinaltenkamp 2001, S. 33) sowie das umstrittenste Merkmal (Rushton/Carson 1989, S. 27) angesehen werden. Es wurde bereits durch Say (1840, S. 89) in die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung eingeführt und findet ebenso unter den Synonymen Intangibilität, Substanzlosigkeit, Unkörperlichkeit oder Unstofflichkeit Anwendung. Zugrunde liegt dabei die Annahme, dass es neben dem materiellen Sachgut offensichtlich noch weitere Leistungen gibt, die sich durch ihren immateriellen Charakter auszeichnen (Blois 1974, S. 137). Diese werden als Dienstleistungen bezeichnet und repräsentieren das Gegenstück zu Sachgütern, wobei die Distinktion auf dem Kriterium der Materialität beruht (Graumann 1983, S. 29). Die Eigenschaft der Immaterialität impliziert eine Reihe weiterer Merkmale. So begründet sie bspw. die Nicht-Lagerfähigkeit von Dienstleistungen (Rathmell 1966, S. 34). Alternativ finden sich für diesen Sachverhalt auch die Bezeichnungen Nicht-Speicherbarkeit, Vergänglichkeit, Verderblichkeit oder Flüchtigkeit. Aus dieser Wesensart resultiert für dienstleistungsanbietende Unternehmen der Zwang, hinsichtlich der Zufriedenstellung der Kunden permanent ihr Leistungsvermögen aufrecht halten zu müssen (Berry 1999, S. 96). Übersteigt die Nachfrage zu einem Zeitpunkt die vorgehaltene Kapazität, so ist ein Rückgriff auf bereits produzierte Bestände nicht möglich und es besteht die Gefahr, Kunden durch Wartezeiten zu frustrieren bzw. zu verlieren (Lovelock/Wright 2002, S. 12). Des Weiteren ergibt sich aus dem Immaterialitätsmerkmal die Unmöglichkeit eines Eigentumsübertrags des Dienstleistungsergebnisses an Dritte (Albrecht/Zemke 1987, S. 36), weshalb Dienstleistungen auch nicht auf Märkten handelbar sind (Hill 1977, S. 336). Zudem lässt sich aus der Immaterialität eine im Gegensatz zu Sachgütern beschränkte Vorführbarkeit des Leistungsergebnisses ableiten (Lehmann 1995, S. 23). Der Dienstleistungsanbieter ist lediglich in der Lage, gegenüber dem Kunden ein Leistungsversprechen abzugeben. Eine Überprüfung der Dienstleistung vor der Inanspruchnahme ist insofern nicht möglich (Forschner 1989, S. 49). Obwohl das konstitutive Merkmal der Immaterialität sowie seine Implikationen auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen, stößt man diesbezüglich bei näherer Betrachtung immer wieder auf falsifizierende Beispiele. Exemplarisch können hier die materiellen Komponenten bei einer Autoreparatur, die Lagerfähigkeit einer Software oder die vergünstigte Erprobung einer Transportdienstleistung genannt werden. Zudem ist die fehlende Eigentumsübertragung ebenfalls bei Sachgütern zu beobachten, wie die Beispiele Vermietung, Leasing oder Ratenzahlung zeigen (Wyckham/Fitzroy/Mandry 1975, S. 63). Neben diesen Negativbeispielen existieren mit Informationen oder Rechten darüber hinaus immaterielle Wirtschaftsgüter, die nicht der Gruppe der Dienstleistungen zugerechnet werden (Klose 2003, S. 104). Aus letztgenanntem
2.1 Gegenstandsbereich »Dienstleistung«
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Punkt lässt sich bereits schließen, dass das konstitutive Merkmal der Immaterialität kein hinreichendes Kriterium für den Nachweis einer Dienstleistung darstellt. Seine alleinige Anwendung kann die Operationalisierung des theoretischen Konstrukts Dienstleistung demnach nicht leisten (Rück 1995, S. 8). Ob es sich überhaupt als Indikator eignet, lässt sich unter Rückgriff auf die potenzial- und die ergebnisorientierte Dimension untersuchen. In Bezug auf die potenzialorientierte Dimension kann unter Immaterialität zum einen die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft eines Dienstleistungsanbieters als Kombination interner Produktionsfaktoren verstanden werden. Diesbezüglich lässt sich feststellen, dass sich Dienstvon Sachleistungen weder in den einzelnen Produktionsfaktoren, noch in den durch deren Kombination verwirklichten Leistungsbündeln hinsichtlich ihrer materiellen Beschaffenheit grundsätzlich differenzieren (Engelhardt 1989, S. 279). Zum anderen betont u. a. Meyer (1987, S. 28) aus einer marketinggeprägten Perspektive die Immaterialität des angebotenen Absatzobjekts, das im Fall von Dienstleistungen ausschließlich aus einem Leistungsversprechen und nicht aus einem durch den Kunden wahrnehmbaren Endprodukt besteht. Dem ist prinzipiell nicht zu widersprechen, allerdings handelt es sich dabei nicht um ein eindeutiges Abgrenzungskriterium gegenüber Sachgütern. Spezialisiert man nämlich Sachgüter in auftrags- (Kundenproduktion) und erwartungsorientiert (Marktproduktion) hergestellte Leistungen (Riebel 1965, S. 666), dann ist offensichtlich, dass der Absatz einer auftragsorientierten Produktion ebenfalls auf einem Leistungsversprechen basiert. Das Kriterium der Immaterialität ist folglich im Hinblick auf eine potenzialorientierte Abgrenzung von Dienstleistungen ungeeignet (Meyer 1983, S. 21). Die intuitivere Interpretation der Immaterialität als konstitutives Merkmal einer Dienstleistung liefert die ergebnisorientierte Dimension, in der Dienstleistungen als immaterielle Produkte im Sinne von Leistungsresultaten verstanden werden. Dies schützt jedoch nicht davor, dass ebenso bezüglich dieses Aspekts in der Literatur divergierende Vorstellungen existieren. Die restriktivste Auffassung sieht eine Dienstleistung als substanzlos, d. h. durch die menschlichen Sinne nicht erfassbar, an (Maleri 1997, S. 97–98). Wie bereits anhand des Beispiels der Autoreparatur angeführt wurde, ist das Charakteristikum der Nichtwahrnehmbarkeit mit Verständnisschwierigkeiten behaftet. Dies gilt im übrigen nicht nur für sachbezogene, sondern auch für personenbezogene Dienstleistungen wie z. B. Haarschnitte (Corsten 1985, S. 95). Dieser Unstimmigkeit wird entgegnet, dass bei der Betrachtung strikt zwischen dem (immateriellen) Dienstleistungsergebnis im Sinne einer bewirkten Veränderung irgendeiner Art (Corsten 1986, S. 17) und dem (materiellen) Trägermedium zu trennen ist, an dem dieses sich vergegenständlicht (Gerhardt 1987, S. 79–80). Während die Separierung in der prozessorientierten Dimension normalerweise beobachtbar ist, verschmelzen beide Komponenten in der Ergebnisdimension zu einer unauflöslichen Einheit (Engelhardt 1966, S. 160). Der immaterielle Bestandteil geht in der materiellen Veränderung des Trägermediums auf, weshalb er im Anschluss an den Erbringungsprozess nicht mehr gesondert wahrgenommen bzw. von dem Ergebnis einer regulären Sachgüterproduktion differenziert werden kann (Rück 1995, S. 12). Die isolierte Behandlung der beiden Elemente in dieser Dimension ist demnach, wenn überhaupt,
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
ausschließlich gedanklich durchführbar (Corsten 1988, S. 85). Eine rein fiktive und nicht beobachtbare Aufsplittung bildet im Hinblick auf die angestrebte Operationalisierung der Dienstleistung zum Zwecke ihrer Entwicklung allerdings eine wenig praktikable Konstellation, da sie die erforderliche trennscharfe Abgrenzung des Entwicklungsobjekts Dienstleistung nicht liefern kann. Hierfür wäre ein Instrument vonnöten, das mittels einer objektiven Messung den immateriellen sowie den materiellen Anteil des Leistungsergebnisses quantifiziert (McDougall/Snetsinger 1990, S. 27). Da die Wahrnehmung der Anteile aber in hohem Maße von den individuellen Fähig- und Fertigkeiten des jeweiligen Leistungsnehmers bestimmt wird (Woratschek 1996, S. 60), ist die Realisierung eines solchen Instruments nicht zu erwarten (Schneider 1997, S. 326). Darüber hinaus beziehen einige Autoren, wie z. B. Scheuch (1982, S. 77), Hilke (1989, S. 13– 14) und Forschner (1989, S. 43), das konstitutive Merkmal der Immaterialität nicht auf das prozessuale Ergebnis (Output), sondern auf den potenziell aus den Veränderungen gezogenen Nutzen für den Dienstleistungsnachfrager (Outcome). Im Fall der Autoreparatur stellen demnach die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Sachguts sowie die daraus resultierende Gebrauchsfähigkeit das Ergebnis der Dienstleistung dar und nicht etwa der Austausch defekter Teile. Diese zwischen Output und Outcome differenzierende Betrachtungsweise wird in der Regel über eine Zweiteilung der Ergebnisdimension erfasst (Haischer/Bullinger/Fähnrich 2001, S. 645–648). Vereinzelt findet sich auch eine Betonung dieses Aspekts durch die Einführung einer vierten Dienstleistungsdimension, der sog. Nutzendimension (Mengen 1993, S. 14). Häufig wird der Mehrwert einer Fokussierung auf den Nutzen einer Dienstleistung jedoch angezweifelt (Völker 1984, S. 45). Unabhängig davon, wie sinnvoll eine Nutzenbetrachtung in bestimmten Zusammenhängen sein mag, die Gleichsetzung der Immaterialität der Dienstleistung mit ihrer potenziellen Nutzenabgabe ist im Hinblick auf die Abgrenzung des Konstrukts Dienstleistung nicht operabel. Zum einen verfügt jedes Wirtschaftsgut, also auch jedes Sachgut, per definitionem über die Fähigkeit zur Nutzenstiftung (Blum 2003, S. 1). Zum anderen kann anhand des Ergebnisses nicht mehr intersubjektiv festgestellt werden, ob überhaupt eine Dienstleistung ausgeübt wurde. Folglich eignet sich auch die potenzielle Nutzenstiftung nicht, um die Immaterialität als arttypische Eigenschaft von Dienstleistungen nachzuweisen (Rück 1995, S. 14).
2.1.3 Integration externer Faktoren als konstitutives Merkmal Neben dem Merkmal der Immaterialität nimmt ebenso die Integration externer Faktoren, verstanden als die Einbringung des Kunden oder eines seiner Objekte zur Dienstleistungserstellung (Stauss 1994, S. 220), einen hohen Stellenwert im Rahmen der Charakterisierung von Dienstleistungen ein. Dies unterstreicht ihre Titulierung als eine conditio sine qua non der Dienstleistungsproduktion (Corsten 1985, S. 127). Unter externen Faktoren werden Produktionsfaktoren verstanden, die vom Abnehmer oder Verwerter der Dienstleistung in den Produktionsprozess eingebracht bzw. dem Produzenten überlassen werden müssen (Maleri 1997,
2.1 Gegenstandsbereich »Dienstleistung«
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S. 147). Es handelt sich dabei nicht um den Abnehmer der Dienstleistung, sondern um dessen Beteiligung bzw. Mitwirkung am Produktionsprozess (Frietzsche/Maleri 2006, S. 203). Sie unterscheiden sich von den internen Produktionsfaktoren dahingehend, dass sie nicht vom Produzenten in der erforderlichen Ausprägung auf entsprechenden Märkten beschafft werden können und sich somit seiner autonomen Disponierbarkeit entziehen (Frietzsche 2001, S. 14–15). Aus diesem Grund ist für eine Dienstleistung ein genereller Präsenz- oder Kontaktzwang zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager bzw. dessen Objekt im Laufe des Dienstleistungserbringungsprozesses signifikant (Waack 1978, S. 6). Die daraus resultierende interaktive Beziehung zwischen den Beteiligten impliziert demnach bei jeder Dienstleistung ein individuelles Engagement (Hennig 2001, S. 19). Da der Nutzen einer Dienstleistung für den Kunden einerseits direkt der Befriedigung physischer oder psychischer Bedürfnisse dient und andererseits in der Erhaltung bzw. Veränderung technisch-physikalischer Eigenschaften oder ökonomischer Zustände von abnehmerseitigen Gütern liegen kann (Maleri 1997, S. 87–95), lassen sich externe Faktoren entsprechend in zwei Gruppen einteilen. Zur ersten Gruppe gehören abnehmerseitige (aktive) Mitwirkungsoder (passive) Beteiligungsakte, die bspw. in Form von Arbeitsleistungen oder Zeit investiert werden (Fuchs 1968, S. 194–195). Der zweiten Gruppe gehören materielle oder immaterielle Objekte jeglicher Art an, wie z. B. immobile und mobile Sachgüter, Nominalgüter, Informationen oder Rechte (Rosada 1990, S. 15). Die jeweilige Erscheinungsform des externen Faktors verkörpert also während der Leistungserstellung das Leistungsobjekt, auf das im Zuge der Dienstleistungsproduktion eingewirkt wird und ohne das eine ökonomisch sinnvolle Produktion nicht möglich ist (Frietzsche 2001, S. 15). Sowohl in funktionaler als auch in faktorieller Hinsicht stellt der externe Faktor daher die causa efficiens für die Entstehung der Dienstleistung dar (Corsten 2001, S. 125). Aus dem Merkmal der Integration externer Faktoren lässt sich unmittelbar die Simultaneität von Produktion und Konsumtion im Dienstleistungsbereich ableiten (Bruhn 2003, S. 15). Diese als uno-actu-Prinzip bezeichnete Eigenschaft des Erstellungsvorgangs basiert auf dem Interaktionsprozess zwischen Leistungsanbieter und -empfänger (Lehmann 1995, S. 31), in dem nicht nur der Anbieter, sondern ebenso der Kunde Werte (co-)generiert (Ramírez 1999, S. 51). Im Gegensatz zur industriellen Herangehensweise werden Produktion und Verbrauch damit nicht mehr als isolierte, zeitlich und räumlich getrennte Vorgänge verstanden. Vielmehr sind sie als sich überschneidende und interdependente Wertschöpfungsbereiche aufzufassen (Hansen/Hennig 1995, S. 318). Die Einbindung des externen Faktors impliziert weiterhin, dass es sich beim Erbringungsprozess um eine in hohem Maße individuelle Leistung handelt (Meyer 1991, S. 199), weshalb Dienstleistungen nicht für einen anonymen Markt angeboten werden können (Kleine 1976, S. 9). Die Ursache hierfür liegt in den anbieter- und abnehmerseitigen Schwankungen im Rahmen des Dienstleistungsprozesses, die die Standardisierbarkeit des Ergebnisses limitieren (Meyer 1991, S. 199–200). Obwohl der Individualitätscharakter aufgrund des damit einhergehenden Bereitstellungsaufwands aus Anbietersicht zunächst nachteilig zu bewerten ist, bietet er zugleich die Chance, über individuell zugeschnittene Angebote eine
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
hohe Bedürfnisbefriedigung beim Kunden zu erzielen und sich auf diese Weise zu profilieren (Faßnacht 1998, S. 724). Eine weitere Implikation der Integration von externen Faktoren bildet die Standortgebundenheit. Darunter versteht man die aus der Notwendigkeit eines persönlichen Kontakts hervorgehende Anforderung an den Dienstleistungsanbieter, die Leistung dort erbringen zu können, wo der Kunde sie nachfragt (Albrecht/Zemke 1987, S. 36). Prinzipiell gilt, dass mit zunehmender Intensivierung des Anbieter/Abnehmer-Verhältnisses die Bindung an den jeweiligen Standort steigt (Stauss 1994, S. 220). Wie bereits bei dem konstitutiven Moment der Immaterialität gezeigt, finden sich ebenfalls für das Charakteristikum des externen Faktors sowie für die entsprechenden Implikationen Gegenbeispiele. So räumt Maleri (2001, S. 138) ein, dass ein zeitgleiches Zusammentreffen von Produktion und Absatz nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme darstellt. Demgegenüber hält er ein räumliches Zusammentreffen von Produktion und Absatz zwar für durchaus üblich, jedoch nicht für zwingend notwendig, wie er exemplarisch mit dem Kauf eines Hotelvouchers in einem Reisebüro belegt. Ebenso lassen sich die im Zusammenhang mit der bereits erläuterten Problematik der Trägermedien genannten Kritikpunkte auf das uno-actu-Prinzip übertragen, da mittels Speichermedien das Dienstleistungsergebnis auch noch nach Abschluss des Erstellungsprozesses in Anspruch genommen werden kann (Hennig 2001, S. 20–21). Gegen die implizierte Standortgebundenheit lässt sich anführen, dass das Erfordernis des physischen Kontakts zwischen Anbieter und Abnehmer insbesondere durch den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien häufig gelockert oder aufgehoben werden kann (Bieger 2000, S. 9). In der Literatur wird daher die Einbindung externer Faktoren als Wirkursache der Dienstleistungserbringung weitgehend anerkannt, ihre Eignung als konstitutives Merkmal einer Dienstleistung jedoch teilweise bestritten (vgl. Altenburger 1980, S. 85, Corsten 1985, S. 134, oder Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer 1993, S. 402–403). Um die Qualität des externen Faktors als begründendes Charakteristikum einer Dienstleistung bewerten zu können, ist eine eingehendere Untersuchung mittels einer Unterscheidung verschiedener Eindringungstiefen in den Produktionsprozess sinnvoll (Mengen 1993, S. 25). Im ersten Fall wird der externe Faktor lediglich in den Erstellungsprozess integriert, d. h. vom Leistungsabnehmer zur Verfügung gestellt. Im zweiten Fall wird die von außen bereitgestellte Leistung sowohl integriert als auch transformiert, d. h. sie wird zum Bearbeitungsgegenstand, an dem eine nutzenstiftende Zustandsveränderung durchgeführt wird (Mengen 1993, S. 26– 27). Die zweite Gruppe kann wegen ihrer höheren Integrationstiefe auch als Untermenge der ersten Gruppe aufgefasst werden. Verknüpft man die Klassifikation mit der Frage nach der Qualifikation der Eigenschaft »Integration externer Faktoren« im Hinblick auf die Abgrenzung einer Dienstleistung, kommt man zu folgenden Ergebnissen: Im ersten Fall würden unter dem Begriff Dienstleistung sämtliche Prozesse subsumiert, die durch einen Kunden bzw. durch von diesem bereitgestellte Informationen initiiert (und gesteuert) werden. Da dieser Aspekt gleichfalls im Rahmen von Auftragsproduktionen zu beobachten ist, wäre jede auftragsorientierte Sachgüterproduktion dieser Kategorie zuordenbar und somit als Dienstleistung anerkannt. Der zweite Fall engt den Objektbereich mit der Forderung nach einer Trans-
2.1 Gegenstandsbereich »Dienstleistung«
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formation des integrierten Faktors weiter ein. Allerdings existieren ebenso Formen auftragsorientierter Sachgüterproduktionen, die dieser Anforderung genügen und dementsprechend als Dienstleistung anzusehen wären (Rück 2000, S. 223). Exemplarisch seien an dieser Stelle Prozesse erwähnt, in denen der Auftraggeber Objektfaktoren bereitstellt, um diese in Produkte einer höheren Wertschöpfungsstufe umwandeln zu lassen (Engelhardt/Kleinaltenkamp/ Reckenfelderbäumer 1993, S. 403). Zusammenfassend resultiert aus diesen Überlegungen zur Integration externer Faktoren das Begriffsverständnis, dass mittels Dienstleistungen grundsätzlich auch Sachgüter hergestellt werden können, wobei der Umfang des Dienstleistungsspektrums über die gewählte Integrationstiefe justiert wird (Rück 1995, S. 16). Eine weitere Schwierigkeit bezüglich der Abgrenzung und Operationalisierung einer Dienstleistung anhand des Kriteriums des externen Faktors liegt in der adäquaten Berücksichtigung von Informationen als dessen potenzielle Ausprägungen (Kleinaltenkamp 1993, S. 105). So argumentieren Altenburger (1980, S. 85) und Graumann (1983, S. 38–39), dass die Einbindung externer Informationen für jegliche Produktionsart, also auch im Rahmen einer erwartungsorientierten Herstellung von Sachgütern (z. B. in Form von Marktuntersuchungen), notwendig sei und deshalb nicht als Abgrenzungsmerkmal herangezogen werden könne. Allerdings lässt sich dieser Einwand entschärfen, da es sich bei den angesprochenen Informationen um solche handelt, die keine Beziehung zu einem konkreten Kundenauftrag aufweisen, folglich autonom vom Hersteller bezogen werden können und daher per definitionem nicht der Klasse externer Faktoren angehören (Mengen 1993, S. 28). Demgegenüber versucht Kaas (1991, S. 2–3) die Sonderrolle von Informationen dahingehend zu lösen, dass er explizit zwischen externen Faktoren einerseits und externen Informationen andererseits unterscheidet, wobei beide auch gemeinsam in den Produktionsprozess eingehen können. Da jedoch nahezu alle Arten von externen Faktoren Informationen mit hoher Bedeutung für die Ingangsetzung und den Verlauf des Erstellungsprozesses enthalten, ist diese Distinktion kaum haltbar (Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer 1992, S. 14). Ebenso schwierig gestaltet sich die Problematik der Abgrenzung von Informationen in Bezug auf die beiden angesprochenen Eindringungstiefen von abnehmerseitigen Bereitstellungsleistungen in den Erbringungsprozess. Die Differenzierung zwischen Steuerungs- und Bearbeitungsinformationen kann zwar prinzipiell formal-logisch vorgenommen werden (Bode 1993, S. 73/95). Ihre Operationalisierung dürfte aber in der praktischen Anwendung häufig zu Zuordnungsschwierigkeiten führen (Rück 1995, S. 17), wie das Beispiel einer beliebigen Beratungsleistung belegt.
2.1.4 Zusammenfassung und Abgrenzung des Gegenstandsbereichs Die vorausgegangenen Ausführungen haben die Abgrenzungsproblematik des Gegenstandsbereichs Dienstleistung verdeutlicht. Nachdem enumerative Definitionsansätze und Negativabgrenzungen direkt als unzweckmäßig eingestuft werden konnten, erbrachte die kritische Analyse des Wesens einer Dienstleistung anhand der beiden potenziellen konstitutiven Charakteristika Immaterialität sowie Integration (mindestens) eines externen Faktors weiterfüh-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
rende Erkenntnisse. Die Immaterialitätseigenschaft erweist sich demnach sowohl aus potenzialorientierter als auch aus ergebnisorientierter Sicht hinsichtlich einer eindeutigen Identifizierung einer Dienstleistung als ungeeignet. Sie stellt ein Negativkriterum dar (Hill 1977, S. 315), das auf einer monopolaren Klassifikation materieller Produktionsgüter basiert (Cordero 1990, S. 113). Insbesondere eine rein fiktive Unterscheidung zwischen dem Ergebnis einer Dienstleistung und der dadurch bewirkten Änderung eines Trägermediums ist abzulehnen, da die beiden Bestandteile im Rahmen von Entwicklungsvorhaben operativ nicht sinnvoll voneinander separierbar sind und eine damit potenziell einhergehende Vernachlässigung bzw. Nichtbeachtung des materiellen Trägermediums unzweckmäßig wäre. Ähnlich verhält es sich mit dem konstitutiven Merkmal der Integration des externen Faktors. Auch hieraus kann keine unmissverständliche Dichotomie von (auftragsorientierten) Sach- und Dienstleistungen abgeleitet werden. Dieses Abgrenzungsdefizit führt zum einen dazu, dass in der Literatur weitere Merkmale (z. B. Rück 1995, S. 18–25) oder Merkmalskombinationen (z. B. Benkenstein/Güthoff 1996, S. 1502, oder Bruhn/Meffert 2001, S. 5) zur Spezifizierung des Dienstleistungsspektrums vorgeschlagen werden. Diese lassen sich jedoch entweder mithilfe falsifizierender Beispiele leicht widerlegen oder sind für die Intention einer Entwicklung ungeeignet (z. B. die Abgrenzung anhand des »make or buy«-Prinzips). Zum anderen wird diesem Umstand entgegenzutreten versucht, indem für bestimmte Merkmale ein Kontinuum aufgespannt wird, in das sich sämtliche Leistungsinstanzen einordnen lassen. Darin werden mittels einer (mehr oder weniger unscharf) gesetzten Markierung Dienstleistungs- von Sachgüterausprägungen getrennt (z. B. Zeithaml 1981, S. 186, oder Scharitzer 1993, S. 95). Nicht zuletzt aufgrund der jeweils fehlenden, objektiven Maßeinheit führt dies allerdings stets zu nicht operationalisierbaren Definitionsansätzen, wie dem von Grönroos (1990, S. 27): »A service is an activity or series of activities of a more or less intangible nature that normally, but not necessarily, take place in interactions between the customer and service employees and/or physical resources or goods and/ or systems of the service producer, which are provided as solutions to customer problems.« Resümierend lässt sich auf der Basis des geführten Diskurses festhalten, dass die Aufstellung einer allgemein anerkannten Definition einer Dienstleistung nicht ohne Weiteres geleistet werden kann. Aus diesem Grund wird nachfolgend eine zweckmäßige Abgrenzung des Gegenstandsbereichs Dienstleistung für den Kontext von Entwicklungsvorhaben vorgenommen, die ausdrücklich nicht den Anspruch auf universelle Gültigkeit erhebt: Eine Dienstleistung bezeichnet einen potenziell absatzfähigen Produktionsprozess, der als solcher in Anspruch genommen wird und dabei eine gewisse Mindestaktivität sowohl aufseiten des Anbieters als auch aufseiten des Abnehmers erfordert. Das diskriminierende Moment einer Dienstleistung liegt demnach in ihrem prozeduralen Charakter. Sie beschreibt eine Verrichtung, die an sich dem Dienstleistungsnachfrager einen Nutzen stiftet und somit für diesen einen Wert besitzt. Dabei ist es an dieser Stelle im Gegensatz
2.1 Gegenstandsbereich »Dienstleistung«
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zur Meinung von Berekoven (1983, S. 5) oder Maleri (1997, S. 3) nicht von Bedeutung, ob es sich bei dem Leistungsabnehmer um einen unternehmensexternen oder -internen Kunden handelt. Ebenso ist, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung einer Dienstleistung, die Frage irrelevant, ob tatsächlich ein Entgelttransfer stattfindet. Die beteiligten Wirtschaftseinheiten müssen lediglich ein Gefühl für die Geldwertigkeit der Dienstleistung besitzen (Scheer 2002a, S. 13) und es muss ein Markt in Form (mindestens) einer alternativen Leistungserstellungsmöglichkeit existieren. Die Forderung nach einer Mindestaktivität von beiden Partnern bewirkt den Ausschluss von rein anbieter- bzw. kundenseitigen Eigenleistungen. Darunter fallen die erwartungsorientierte Sachgüterproduktion einerseits sowie Selbstbedienungen des Kunden andererseits. Jede Dienstleistung weist infolgedessen ein Mindestmaß an Sozialität auf. Die bemerkenswerteste Eigenschaft des Definitionsansatzes liegt in der Substitution der Dichotomie von Sach- und Dienstleistungen durch deren Dualismus. Da Dienstleistungen auf die Prozessdimension und Sachgüter auf die Ergebnisdimension fokussieren, können sie nicht mehr als Alternativen derselben logischen Kategorie angesehen werden. Dies impliziert, dass mittels Dienstleistungen ebenso Sachleistungen hergestellt werden können, vorausgesetzt, deren Produktion wird als Prozess in Anspruch genommen. Als Dienstleistungen werden also auch sämtliche auftragsorientierten Sachgüterproduktionen interpretiert, d. h. die Fertigungsabläufe der Objekte, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht existieren und der Spezifikation durch den Leistungsabnehmer bedürfen. Dabei ist der Einbindungsgrad des Abnehmers bzw. der Individualisierungsgrad der Dienstleistung unerheblich, weshalb gleichfalls das Bündeln standardisierter Leistungspotenziale zur gewünschten Leistung unter dem Dienstleistungsbegriff subsumiert wird (Kleinaltenkamp 1993, S. 109–110). Einzig erwartungsorientierte Sachgüterproduktionen, in deren Verlauf dem Kunden keinerlei Möglichkeit zur Spezifizierung des Outputs eingeräumt wird, werden ausgeklammert. Der prozedurale Definitionsansatz besitzt hinsichtlich einer Operationalisierung für entwicklungstechnische Zwecke den Vorteil, dass er sich auf die einzige sinnlich wahrnehmbare Dienstleistungsdimension beschränkt und somit ohne fiktive Differenzierungen auskommt (Rück 1995, S. 24). Die Determinierung des Gegenstandsbereichs liefert eine trennscharfe Eingrenzung der relevanten Wirtschaftsgüter. Es handelt sich dabei jedoch aufgrund der dargelegten Problematik nicht um die exakte Bestimmung dessen, was sich objektiv nachvollziehbar als Dienstleistung bezeichnen lässt. Vielmehr soll das Spektrum sämtliche Güter beinhalten, die subjektiv als Dienstleistung aufgefasst werden können. Damit wird die Einbeziehung von Gütern in Kauf genommen, die unter gewissen Gesichtspunkten möglicherweise nicht als Dienstleistungen empfunden werden. Im Gegenzug werden allerdings keine potenziell in Frage kommenden Leistungen a priori von den Untersuchungen ausgeschlossen, wodurch sich die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf ein breites Anwendungsspektrum übertragen lassen. Aufbauend auf der Spezifizierung des Gegenstandsbereichs Dienstleistung erläutert der folgende Abschnitt den Problembereich dieser Arbeit, der sich mit Fragen der Entwicklung von Dienstleistungen auseinandersetzt.
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
2.2 Problembereich »Service Engineering« 2.2.1 Aspekte des Service Engineering Obwohl die systematische Entwicklung von Sachgütern bereits seit der Einführung der fließbandbetriebenen Automobilproduktion durch Henry Ford zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Theorie und Praxis thematisiert wurde (Checkland 1981, S. 128–129), begann die Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung im Dienstleistungssektor erst zu Beginn der 1980er Jahre (Vermeulen 2001, S. 54). Nachdem zunächst nur vereinzelt Veröffentlichungen erschienen (z. B. Haaroff 1983, Lovelock 1984 oder Johne/Harborne 1985), entstand im Laufe der 1990er Jahre schließlich eine Vielzahl von Forschungsarbeiten. Diese lassen sich tendenziell zwei Entwicklungslinien zuordnen. Der Terminus »New Service Development« fasst dabei die Ergebnisse zusammen, die primär im angloamerikanischen Raum aus dem Forschungsumfeld des Dienstleistungsmarketings heraus erwachsen sind (Scheer/Grieble/Klein 2004a, S. 17). Demgegenüber basieren die Erkenntnisse der zumeist im deutschsprachigen Raum vorzufindenden Arbeiten zum »Service Engineering« auf dem Transfer und der Adaptation von ingenieurwissenschaftlichem und softwaretechnischem Know-how (Meiren/Barth 2002, S. 10–11). Der interdisziplinär ausgerichtete Ansatz des Service Engineering impliziert die grundsätzliche Möglichkeit, Dienstleistungen ähnlich wie Sachgüter oder Software entwickeln zu können, wobei explizit auf die Notwendigkeit einer adäquaten Berücksichtigung »weicher« Faktoren, wie Aspekte der Gestaltung von Kundenschnittstellen oder Auswahl und Qualifikation von Mitarbeitern, hingewiesen wird (Hofmann/Klein/Meiren 1998, S. 20). Die Unterscheidung zwischen »New Service Development« und »Service Engineering« wird im Folgenden nicht weiter beibehalten, die Begriffe werden im Kontext dieser Arbeit synonym verwendet. Nicht zuletzt aufgrund der verschiedenen Ursprünge existieren unterschiedliche Vorstellungen über die Ausgestaltung dessen, was unter Service Engineering zu verstehen ist (vgl. hierzu die Übersichten bei Johne/Storey 1998 und Johnson et al. 2000). Im Hinblick auf eine nähere Analyse lassen sich die einzelnen Ansätze vorab nach ihrem jeweiligen Bezugspunkt selektieren. So beschreiben objektbezogene Begriffsauffassungen das Service Engineering über den Innovationscharakter des zu entwickelnden Angebots, wohingegen prozessbezogene Begriffsdeutungen auf die Organisation des Entwicklungsprozesses fokussieren (Jaschinski 1998, S. 27).
2.2.2 Objektbezogenes Begriffsverständnis Das objektbezogene Begriffsverständnis sieht die Dienstleistung als spezielle Eigenschaft des Entwicklungsprozesses an, die im einfachsten Fall entweder als radikal oder als inkrementell klassifiziert werden kann (de Brentani 2001, S. 170). In analoger Weise unterscheidet Mengen (1993, S. 55) zwischen Neu- und Weiterentwicklungen. Dieser unternehmensbezogenen
2.2 Problembereich »Service Engineering«
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Sichtweise schließt sich auch Jaschinski (1998, S. 27–28) an, der die Dienstleistung darüber hinaus anhand des Neuheitsgrads für den entsprechenden Zielmarkt zergliedert. Stellen Elemente und Strukturen der Dienstleistung objektiv ein Novum dar, werden diese als Dienstleistungsinnovation bezeichnet. Existieren diese aber in einer vergleichbaren Form bereits am Markt oder in einer anderen Industrie, sodass es sich lediglich aus der subjektiven Sicht eines Anbieters um eine Neuheit handelt, wird von einer Dienstleistungsimitation gesprochen. Ansoff (1987, S. 109) führt die Distinktion nach dem (subjektiven) Neuheitsgrad der zu gestaltenden Leistung mit der nach dem (objektiven) Neuheitsgrad des dazugehörigen Zielmarkts unter Verwendung einer Kreuztabellierung zusammen und leitet daraus die vier Innovationsformen »new products/new markets«, »new product lines«, »new product line extensions« und »product improvement« ab. Das Spektrum potenzieller Innovationsformen fächert Lovelock (1984, S. 45–46) weiter auf, indem er den für Sachgüter entworfenen Ansatz von Heany (1983, S. 4) auf den Dienstleistungssektor überträgt. Daraus resultieren die Ausprägungen »major innovations«, »start-up businesses«, »new services for the currently saved market«, »product-line extensions«, »service improvements« und »style changes«. Diese Instanzen sind im Übrigen nahezu deckungsgleich mit der Entwicklungskategorisierung von Sachgütern nach Booz, Allen & Hamilton (1982, S. 8), die lediglich zusätzlich noch den Typ »cost reductions« bereitstellt. Den Ansatz von Lovelock transformieren Lovelock/Wirtz (2004, S. 116–117) in einer Weiterentwicklung dahingehend, dass sie auf bestimmte Abstufungen verzichten und dafür die Differenzierung zwischen dem Dienstleistungsresultat und dem Erbringungsprozess hervorheben. Hierbei entstehen die Kategorien »major service innovations«, »major process innovations«, »productline extensions«, »process-line extensions«, »supplementary-service innovations«, »service improvements« und »style changes«. Darüber hinaus schlagen Scheer et al. (2003, S. 7) die Kreation von Leistungen mittels neuer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen als dritte Innovationsart vor, die ebenfalls in unterschiedlichen Innovationsgraden vorliegen können. Sie betonen dabei die wechselseitige Verursachung von Produkt-, Prozess- und Kooperationsinnovationen, die dazu führt, dass die Innovationsarten in der Regel nicht einzeln auftreten. Das Phänomen der Interdependenz lässt sich ebenso bei weiteren Innovationsarten beobachten, wie bei neuen Technologien (Chandy/ Tellis 2000), neuen Kundengruppen (Mishra/Kim/Lee 1996) bzw. neuen Kundenbedürfnissen (Cooper/de Brentani 1991) oder neuen Anwendungsfeldern (Veryzer 1998). Aus diesem Grund ist deren reziproke Absonderung im Hinblick auf die Operationalisierung des Begriffs Service Engineering nicht zweckmäßig. Gleiches gilt für die Determinierung unterschiedlicher Innovationsgrade, da für die jeweiligen Kategorien, wie bspw. »service improvements« oder »style changes«, kein trennscharfes Abgrenzungskriterium aufgestellt werden kann. Einen alternativen Klassifizierungsvorschlag unterbreiten Johne/Storey (1998, S. 190–192). Dieser geht zurück auf den »Organic Business Development«-Ansatz von Johne (1996, S. 177–178), der im Rahmen der Entwicklung von Sachgütern die Erscheinungsformen Produkt-, Prozess-, Markt- sowie Produktaugmentationsinnovationen identifiziert. Neben den
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
Verbesserungen der Produktionsprozesse sowie der Kundenstruktur ist dabei vor allem die Separierung der Produktaugmentationsentwicklung von der eigentlichen Produktentwicklung von Interesse. Während sich die Produktentwicklung auf das Kernprodukt bezieht, beinhaltet die Produktaugmentationsentwicklung die Konstruktion der Art und Weise, wie die Eigenschaften des Hauptprodukts beworben und an den Kunden herangetragen werden (Johne/ Pavlidis 1996, S. 442). Hierzu gehören z. B. Veränderungen der Kundenberatung, der Verpackungsart oder Werbemaßnahmen (Levitt 1969, S. 2). Die Art der Präsentation ist nachgewiesenerweise gleichermaßen ein Schlüsselfaktor für den Markterfolg von Dienstleistungen (Easingwood/Storey 1993, S. 51). Aus diesem Grund greifen bspw. Grönroos (1990, S. 73) oder Storey/Easingwood (1998, S. 335) diesen Aspekt auf und differenzieren explizit zwischen Basis- und Augmentationsdienstleistungen. Letztere umfassen dabei sämtliche Prozesse, in denen der Kunde eine Dienstleistung bewerten, kaufen und konsumieren kann (Johne/ Storey 1998, S. 190). Viele Prozesseinheiten von Dienstleistungen bestehen jedoch sowohl aus Aktivitäten mit als auch aus Aktivitäten ohne Kundenkontakt und lassen sich dadurch nicht eindeutig der Gruppe der Basis- bzw. Augmentationsdienstleistungen zuordnen. Insofern ist auch diese Unterscheidung in Bezug auf die Spezifizierung des Problembereichs nicht zielführend.
2.2.3 Prozessbezogenes Begriffsverständnis Beim zweiten Bezugspunkt von Service Engineering Konzepten steht ein prozessorientiertes Verständnis im Vordergrund. Service Engineering beinhaltet danach die gesamte Organisation des Entwicklungsprozesses neuer Dienstleistungsangebote (Meyer Goldstein et al. 2002, S. 122). In Bezug auf den zuvor erläuterten Erbringungsprozess einer Dienstleistung bildet der Prozessaspekt des Service Engineering die dazu komplementäre Komponente innerhalb des Dienstleistungsmanagements eines Unternehmens (Ramaswamy 1996, S. 27). Das Aufgabenspektrum des Entwicklungsprozesses umspannt nach Cooper et al. (1994, S. 283) sämtliche Aktivitäten, die zwischen der Ideenphase und der Markteinführung zu bearbeiten sind. Edvardsson et al. (2002) schließen außerdem daran angrenzende Bereiche wie (Unternehmens-) Kultur, (Innovations-)Strategie sowie die Aufstellung und Umsetzung einer unternehmensspezifischen Dienstleistungspolitik mit ein, die die Gestaltung der organisatorischen Rahmenbedingungen betreffen und nicht unmittelbarer Bestandteil der Entwicklung einer konkreten Dienstleistung sind. In der Literatur wird das dadurch umrissene Aufgabenspektrum aus unterschiedlichen Perspektiven untersucht. Eine Vielzahl von Arbeiten thematisiert die Ausdifferenzierung des Entwicklungsprozesses in einzelne Phasen und deren Organisation (vgl. hierzu den Überblick bei Schneider/Wagner/Behrens 2003 oder Daun/Klein 2004). Die resultierenden Vorgehensmodelle arrangieren hinsichtlich des Aktivitätenumfangs das gesamte Dienstleistungsmanagement (z. B. Deutsches Institut für Normung 1998, S. 64), den vollständigen Entwicklungsprozess (z. B. Cowell 1988, S. 299) oder einzelne Teile daraus (z. B. Shostack/Kingman-Brundage
2.2 Problembereich »Service Engineering«
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1991, S. 247–249), wobei der Detaillierungsgrad von normativen Leitfäden (z. B. Scheuing/ Johnson 1989b, S. 30) bis hin zu komplexen Beschreibungen der zu durchlaufenden Schritte (z. B. Shostack 1984, S. 29–40) reicht. Die meisten Vorgehensmodelle basieren direkt oder indirekt auf den Prozeduren zur Entwicklung von Sachgütern von Booz, Allen & Hamilton (1982, S. 11) und dem Verein deutscher Ingenieure (1993, S. 9), weshalb sie untereinander eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen (Bowers 1989, S. 16). Ihre Transformation auf den Dienstleistungssektor ist opportun, da die Entwicklungsvorhaben von Sachgütern und Dienstleistungen prinzipiell dem gleichen generischen Ablauf folgen (Johne/Storey 1998, S. 201). Die durch die Charakteristika von Dienstleistungen verursachten Unterschiede zeigen sich hingegen in der relativen Bedeutung einzelner Phasen für den gesamten Prozess (Wildemann 2004, S. 38) sowie in ihrer konkreter Umsetzung in der Praxis (Mohammed-Salleh/Easingwood 1993, S. 25– 26). Einen weiteren Schwerpunkt der prozessorientierten Service Engineering Literatur stellt die kritische Rolle der darin involvierten Personengruppen dar, die im Hinblick auf eine effiziente und erfolgreiche Dienstleistungsentwicklung adäquat einzubinden sind. Dazu gehören bspw. die Gruppe der Dienstleistungsentwickler (Drew 1995, S. 5), das Kundenkontaktpersonal (Schneider/Bowen 1984, S. 86–96) oder die Gruppe potenzieller Kunden (Martin/Horne 1995, S. 54). Zahn/Stanik (2006, S. 303) heben den Gedanken der Zusammenarbeit von einer unternehmensinternen auf eine unternehmensübergreifende Ebene, indem sie die Besonderheiten eines im Netzwerkverbund ablaufenden Entwicklungsprozesses diskutieren. Zudem unterbreiten u. a. Kleinaltenkamp/Frauendorf (2006) einen Vorschlag zur Organisation der Ressource Wissen im Kontext des Service Engineering Prozesses. Als weiterer Aspekt wird die Notwendigkeit des Einsatzes von Methoden (z. B. Gill 2004, S. 79–89) und Werkzeugen (z. B. Klein/Stauß 2004, S. 5) betont, die entweder neu zu konzipieren oder aus der klassischen Produktentwicklung zu adaptieren sind (Bullinger 1999, S. 54). Eine exponierte Stellung innerhalb des Entwicklungsprozesses nimmt die Phase der Dienstleistungskonstruktion ein. Unter Konstruktion wird im ingenieurtechnischen Verständnis der Teil des industriellen Entwicklungsprozesses verstanden, der auf den Ergebnissen der Programmplanung aufbaut und zeitlich vor der Arbeitsvorbereitung liegt (Pahl et al. 2003, S. 3). In Anlehnung daran bezeichnet der Begriff Dienstleistungskonstruktion die Spezifizierung der zu entwickelnden Leistung mittels konstruktionswissenschaftlicher Vorgehenspläne und Methoden (Jaschinski 1998, S. 28). Die Spezifizierung umfasst sämtliche Schritte der Leistungsontogenese von der Ideenskizzierung bis hin zum umsetzungsfähigen Dienstleistungskonzept (Zeithaml/Berry/Parasuraman 1990, S. 84–86), wobei die Ergebnisse der einzelnen Aktivitäten zu dienstleistungsdarstellenden Modellen unterschiedlichen Detaillierungsgrads führen (Ramaswamy 1996, S. 409). Dabei können auf den Dienstleistungsbereich adaptierte Techniken der Ingenieurwissenschaften wie z. B. »structured analysis and design technique (SADT)« (Congram/Epelman 1995), »function analysis« (Berkley 1996), »conjoint analysis« (Verma et al. 2001), »quality function deployment (QFD)« (Zacharias 2006) oder »theory of inventive problem solving (TRIZ)« (Chai/Zhang/Tan 2005) zum Einsatz kommen. Von
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
dem Begriff der Dienstleistungskonstruktion ist der des Dienstleistungsdesigns abzugrenzen. Dieses beschreibt die Tätigkeiten des Entwicklungsprozesses, die sich mit der Konzeption sinnlich wahrnehmbarer Effekte beschäftigen (Gummesson 1993, S. 145). Im Unterschied zu Sachgütern liegt der Schwerpunkt nicht auf dem äußeren Erscheinungsbild des Endprodukts (Hubka/Eder 1992, S. 112). Stattdessen wird wegen der dargelegten Dienstleistungscharakteristik auf die Präsentationsform des erkennbaren Prozessumfelds, insbesondere auf die eingesetzten Humanressourcen und die verwendeten Kommunikationsmittel, fokussiert (Kahl/ Ganz/Meiren 2006, S. 556).
2.2.4 Zusammenfassung und Abgrenzung des Problembereichs Zur vereinfachten Einordnung und gegenseitigen Abgrenzung der diversen Ansätze des Service Engineering ist der Rückgriff auf das von Fähnrich (1998, S. 37–38) aufgestellte Rahmenwerk zur Strukturierung der Fachdisziplin hilfreich (vgl. Abbildung 2.1). Service Engineering findet danach sowohl auf einer (real-)wissenschaftlichen als auch phänomenbezogenen Betrachtungsebene statt. Letztere differenziert weiterhin zwischen der Entwicklung einer konkreten Dienstleistung (Projektebene) und der dauerhaften Institutionalisierung des Themas in einem Unternehmen (Unternehmensebene) (Fähnrich/Meiren 1998, S. 146–147). Innerhalb der drei Perspektiven finden sich jeweils die Aspekte Entwicklungsobjekt, Entwicklungsprozess sowie Methoden, deren Abhängigkeiten durch horizontale Pfeile angedeutet sind. Im Unterschied zu den vorherigen Ausführungen wird der Gesichtspunkt Methoden hier nicht als Element des prozessorientierten Begriffsverständnisses angesehen, sondern zur Betonung einer ingenieurtechnischen Herangehensweise diesem gleichberechtigt gegenübergestellt. Als Bestandteil der Fachdisziplin Service Engineering wird zudem die individuelle Adaptation wissenschaftlicher Erkenntnisse zunächst an unternehmens- und schließlich an dienstleistungsspezifische Gegebenheiten angesehen, was die vertikalen Pfeile versinnbildlichen. Im Unterschied zur Abgrenzung des Gegenstandsbereichs Dienstleistung stellt die Determinierung des Problembereichs Service Engineering weniger ein definitorisches Problem dar. Stattdessen besteht die Herausforderung in der Aufstellung einer Begriffsabgrenzung, die eine trennscharfe Zuordnung entsprechender Vorhaben erlaubt. Auf der Grundlage der Schilderungen zum objekt- und prozessbezogenen Begriffsverständnis sowie der in dieser Arbeit verwendeten Dienstleistungsdefinition wird der Terminus Service Engineering wie folgt konkretisiert: Service Engineering bezeichnet den Prozess der originären Entwicklung oder Veränderung jeglichen Ausmaßes und jeglicher Art von Leistungen, deren Produktionsprozess den Anforderungen an eine Dienstleistung genügt, unter Verwendung geeigneter Prinzipien, Vorgehensmodelle, Methoden und Werkzeuge sowie unter Berücksichtigung des unternehmerischen Umfelds, in dem dieser abläuft.
2.2 Problembereich »Service Engineering«
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Wissenschaftliche Ebene
Unternehmensebene
Projektebene
Abbildung 2.1: Betrachtungsebenen des Service Engineering (in Anlehnung an Fähnrich 1998, S. 38)
Wie die Definition einer Dienstleistung stellt auch das Service Engineering das prozedurale Moment in den Mittelpunkt. Die Dienstleistungsentwicklung umfasst demnach die Organisation und Durchführung sämtlicher Tätigkeiten, die zwischen Ideenfindung und Markteinführung bearbeitet werden können. Dabei ist es irrelevant, ob es sich um die Neukonzeption einer Dienstleistung oder um die Veränderung bzw. Erweiterung eines bereits existierenden Angebots handelt. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass das Vorhaben aus Sicht des entwickelnden Unternehmens etwas Neues hervorbringt, dem ein potenzieller Abnehmer einen (Mehr-)Wert beimisst. Die Restriktion einer Markt- oder sogar Weltneuheit wird aufgrund der in dieser Arbeit vorliegenden Ausrichtung auf die praktische Umsetzung von Service Engineering Projekten in Unternehmen ausdrücklich nicht gefordert. Ebenso wenig soll im Kontext dieser Arbeit der Problembereich durch die Art der Innovation eingeschränkt werden. Service Engineering behandelt demnach nicht nur Vorhaben, die unmittelbar auf die Realisierung von innovativen Prozessen der Dienstleistungserbringung abzielen. Es schließt gleichermaßen Neuheiten hinsichtlich des materiellen Outputs, eingesetzter Technologien, eingegangener Kooperationen etc. mit ein unter der Bedingung, dass der zugrunde liegende Produktionsprozess sämtliche Voraussetzungen an die Existenz einer Dienstleistung hinreichend erfüllt. Die Forderung nach dem Einsatz geeigneter Prinzipien, Vorgehensmodelle, Methoden und Werkzeuge betont die systematische Herangehensweise im Rahmen entsprechender Vorhaben einerseits sowie die Anlehnung an ingenieur- und softwaretechnisches Know-how andererseits. Prinzipien bezeichnen allgemein gültige Grundsätze, Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die einen hohen Abstraktionsgrad besitzen und an denen sich das Handeln bzw. Denken ausrichtet (Hildebrand/Hofmann 1995, S. 292). Einen konkreteren Anwendungsbezug weisen Vorge-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
hensmodelle auf, die die gesamte Entwicklung in idealisierte, wiederholbare und strukturierte Teilaufgaben untergliedern, diese dokumentieren und deren zeitliche Reihenfolge determinieren (Nüttgens 1995, S. 18). Innerhalb der einzelnen Teilaufgaben können wiederum Methoden zum Einsatz kommen. Diese geben detaillierte und systematische Handlungsvorschriften wieder, wie unter Beachtung bestimmter Prinzipien ein vorgegebenes Ziel erreicht werden kann (Stickel/Groffmann/Rau 1997, S. 440). Zur Unterstützung des Methodeneinsatzes sowie generell im Rahmen von Entwicklungsprojekten kann schließlich Software als Werkzeug verwendet werden. Exemplarisch seien hier Groupware-Systeme, Projektmanagement-Software, Office-Tools oder Prozessmodellierungswerkzeuge genannt (Schreiner/Stauß 2004, S. 32–35). Abschließend thematisiert die Service Engineering Definition die Rolle angrenzender bzw. bedingender Unternehmenstätigkeiten, wie bspw. das Management der Unternehmenskultur oder der Innovationsstrategie. So sind die Ergebnisse der entsprechenden Prozesse in Form von unternehmensspezifischen Vorgaben explizit als Nebenbedingungen im Rahmen einzelner Entwicklungsprojekte (passiv) zu berücksichtigen, deren (aktive) Gestaltung soll jedoch dem Service Management überlassen bleiben. Damit unterscheidet sich der hier verwendete Ansatz von Konzepten, die sich neben der Betrachtung einzelner Service Engineering Vorhaben ebenfalls mit Fragen der Institutionalisierung des Themenkomplexes Dienstleistungsentwicklung in Unternehmen auseinandersetzen. Nach der Spezifikation dessen, was unter Service Engineering im Kontext dieser Arbeit verstanden wird, erfolgt im kommenden Abschnitt die Vorstellung des Systems Engineering Konzepts. Dabei handelt es sich um einen auf bestimmten Denkmodellen und Grundprinzipien beruhenden Lösungsansatz, dessen Übertragung auf den Problembereich einen essenziellen Beitrag zur bewussten und zielgerichteten Gestaltung von Service Engineering Vorhaben zu leisten verspricht.
2.3 Lösungsansatz »Systems Engineering« 2.3.1 Systems Engineering als Lösungsansatz für Gestaltungsprobleme Entwicklungsprozesse von Dienstleistungen umfassen, wie zuvor erläutert, sämtliche Tätigkeiten zwischen der Ideenfindung und der Markteinführung bzw. einen bestimmten Ausschnitt daraus (Deutsches Institut für Normung 1998, S. 28). Formuliert man den Problembereich in einer allgemeineren Form, beschäftigt sich das Service Engineering mit der Überführung eines unerwünschten Anfangszustands (auftretender Entwicklungsbedarf) in einen erwünschten End- oder Zielzustand (marktfähige Dienstleistung) und kann folglich abstrahiert als Problemlösevorgang verstanden werden. Im Unterschied zu einer Aufgabe, für deren Bewältigung Mittel und Methoden bekannt sind, kennzeichnet ein Problem das Vorhandensein einer der Transformation entgegenstehenden Barriere (Klix 1976, S. 639–641).
2.3 Lösungsansatz »Systems Engineering«
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Anhand des Bekanntheitsgrads des Zielzustands sowie der zu dessen Erreichung benötigten Mittel und Methoden lassen sich drei Kategorien von Barrieren differenzieren (Dörner 1987, S. 14). Eine ungenaue Spezifikation des Zielzustands wird als dialektische oder Analysebarriere, die Unkenntnis über die Mittel zur Zielerreichung als Gestaltungs- oder Synthesebarriere bezeichnet. Interpolations- bzw. Identifikationsbarrieren existieren dann, wenn sowohl Informationen über den Zielzustand als auch über die einzusetzenden Mittel vorliegen, jedoch die richtige Kombination und Anwendung der Mittel erst gefunden werden muss (Patzak 1982, S. 163). Eine vergleichbare Differenzierung stellt die Dichotomie zwischen geschlossenen (well-defined) und offenen (ill-defined) Problemen dar (Simon 1990, S. 116). Während es sich bei geschlossenen Problemen um reine Mittelprobleme handelt, beinhalten offene Probleme sowohl Mittel- als auch Zielprobleme. Die Entwicklung einer Dienstleistung entspricht demnach am ehesten einem offenen Problem, da zu Beginn des Prozesses einerseits die exakte Ausgestaltung der Dienstleistung unklar ist und andererseits im Verlauf der Umsetzung eine Reihe von (Teil-)Barrieren durch kontinuierliches Handeln, Anpassen und Neugestalten zu überwinden sind. Die Schwierigkeit der Lösung des Problems Service Engineering zeigt sich, wenn man es mittels der Charakteristika von »bösartigen« Problemen nach Rittel (1971, S. 19–20) als ein solches identifiziert. Bösartige Probleme behandeln besonders schwierige Fragestellungen, die von der traditionellen Wissenschaft häufig gemieden, nicht anerkannt oder vergeblich in Angriff genommen wurden (Czayka 1974, S. 75). Danach sind bei der Lösung des Problems der Dienstleistungsentwicklung folgende Hindernisse zu bewältigen, von denen keines im Zusammenhang mit »zahmen« Problemen auftritt: 1. Jede Beschreibung eines bösartigen Problems ist vorläufig: Zu Beginn eines jeden Service Engineering Vorhabens lässt sich das zu behandelnde Problem lediglich auf einem hohen Abstraktionsniveau beschreiben. Erst im Laufe des Projekts wird die exakte Struktur des Problems offengelegt und die Formulierung entsprechend detailliert. Der zur Lösung notwendige Informationsbedarf liegt somit nicht bereits zu Beginn des Projekts vor, sondern ist abhängig vom gewählten Lösungsweg und verändert sich mit der Zeit. 2. Problemformulierungs- oder -verständnisprozess und Problemlösungsprozess sind nicht voneinander zu trennen: Jede Aussage über die Problemstellung impliziert sogleich eine Aussage über deren Lösung. Besteht das Problem in der Ermangelung eines kundenbedürfnisbefriedigenden Angebots, so ist die Lösung in der Entwicklung einer neuen Leistung bzw. einer Leistungsergänzung zu suchen. Jede weitere Aussage über die Entwicklung steuert wiederum Informationen über die Art der Problemlösung bei. Der Service Engineering Ablauf ist damit ein ständiger Prozess der Vorstellungsbildung und wird erst zum Zeitpunkt der Markteinführung der Leistung vollständig verstanden. 3. Jedes bösartige Problem kann als Symptom eines anderen, »höheren« Problems betrachtet werden: Ist ein Unternehmen nicht in der Lage, Dienstleistungen effizient zu entwickeln, kann dies als Symptom einer mangelhaften Institutionalisierung des Service
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
Engineering gesehen werden. Diese lässt sich möglicherweise auf ein ungenügendes Innovationsverständnis bei den dafür verantwortlichen Personen oder auf bestimmte äußere Umstände zurückführen. Die Schwierigkeit besteht nun zum einen in dem Erkennen des »richtigen« Problemniveaus sowie zum anderen in der Konkretisierung von hoch angesiedelten Fragestellungen. 4. Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand eines Objekts, für die keine eindeutige Erklärung existiert, sondern eine große Anzahl von Erklärungen zur Auswahl steht: Hinsichtlich der Überführung eines Kundenbedürfnisses in eine marktfähige Dienstleistung gibt es nicht den richtigen Lösungsweg und somit keine mittels eines experimentum crucis ermittelbare Ideallösung. Stattdessen liegen mehrere Lösungsmöglichkeiten vor und die Entscheidungsfindung wird maßgeblich durch Meinungen und Überzeugungskraft beeinflusst. 5. Bösartige Probleme sind wesentlich einzig: Dieses Charakteristikum weist darauf hin, dass jedes einzelne Service Engineering Vorhaben als Unikat angesehen werden muss. Trotz aller Übereinstimmungen, die möglicherweise zu bereits abgewickelten Projekten bestehen, ist nicht bestimmbar, ob die unterscheidenden Merkmale bedeutender und einflussreicher sind als die gemeinsamen. Hieraus folgt einerseits, dass der Rückgriff auf Erfahrungswissen nicht unreflektiert erfolgen darf. Andererseits können keine adäquaten wissenschaftlichen Expertisen vorhanden sein, da diese auf Klassenwissen beruhen. 6. Lösungen für bösartige Probleme können nicht nach den Kategorien »richtig« oder »falsch«, sondern nach den Kategorien »gut«, »schlecht«, »mittelmäßig« beurteilt werden: Die Einschätzung von (Teil-)Lösungen innerhalb von Service Engineering Projekten unterliegt dem subjektiven Empfinden des Beurteilenden. Die Herstellung eines Konsenses zwischen den beteiligten Personen stellt die Hauptschwierigkeit im Rahmen der Projektplanung dar. Die Generierung von Lösungsideen ist demnach weniger kritisch zu sehen als die intersubjektive Beurteilung von alternativen Lösungswegen sowie die darauf beruhende Entscheidungsfindung. 7. Für die Lösung bösartiger Probleme gibt es keinen endgültigen Test: Prinzipiell kann unmittelbar nach der Markteinführung einer Dienstleistung festgestellt werden, dass die Umsetzung des neuen Angebots nicht so gut ist, wie man noch während des Projekts geglaubt hatte. Selbst bei intensivster Einbeziehung des Kunden in den Entwicklungsprozess kann der Erfolg der Dienstleistung am Markt nicht durch einen endgültigen Test gewährleistet werden. 8. Es gibt bei bösartigen Problemen keinen abgeschlossenen Katalog von zulässigen Zügen: Anders als bspw. beim Schachspiel existiert im Rahmen von Service Engineering Vorhaben keine Beschränkung hinsichtlich der zu bearbeitenden Aktivitäten. Generell lassen sich immer wieder innovative Herangehensweisen kreieren und in Form neuer Aufgaben definieren, wobei sich die jeweilige Beurteilung der Angemessenheit im konkreten Fall mit der unter Punkt 6 geschilderten Problematik konfrontiert sieht.
2.3 Lösungsansatz »Systems Engineering«
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9. Bei bösartigen Problemen gibt es kein »Recht auf Irrtum«: Für die Entwicklung einer Dienstleistung hat ein Unternehmen nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen genau einen Versuch. Des Weiteren kann ein experimentelles Vorgehen nach der »trial and error«-Methode schon bei wenigen Fehlschlägen zu einem Verlust an Vertrauen bei vorhandenen bzw. potenziellen Kunden führen, das nur mittels unverhältnismäßig großen Anstrengungen wieder zurückgewonnen werden kann. 10. Bei der Lösung bösartiger Probleme gibt es im Grunde keine Sachzwänge: Bei der Gestaltung und Umsetzung einer neuen Dienstleistung sind grundsätzlich keine Einschränkungen zu beachten. Zwar sind im Rahmen von Service Engineering Projekten z. B. ökonomische oder zeitliche Vorgaben zu berücksichtigen. Diese sollen jedoch nicht das Auffinden neuer Lösungen behindern und sind, falls sie sich als restriktiv erweisen, stets zu hinterfragen. Prinzipiell wird das Akzeptieren einer Entscheidung als Indikator für Resignation und als Aufgabe einer Veränderungsabsicht aufgefasst. Klassische wissenschaftliche Methoden, wie bspw. diejenigen des Operations Research, stoßen bei dem Versuch, bösartige Probleme zu lösen, häufig an ihre Grenzen. Die Lösung eines derartigen Problems bedarf vielmehr eines umfassenden Systematisierungsansatzes, der in einem hohen Maß generalisiert, offen ist und vor allem übergreifende Bezüge herzustellen erlaubt (Jensen 1983, S. 10). Eine Theorie solchen Typus repräsentiert die Systemtheorie. Sie stellt insbesondere den Umgang mit der Komplexität einer betrachteten Problemstellung in den Mittelpunkt des Interesses, wie dies kein anderer Ansatz in vergleichbarer Weise leistet (Negele 1998, S. 36). Der Teilbereich, der sich dabei mit Gestaltungsproblemen beschäftigt, wie sie im Fall der Dienstleistungsentwicklung vorliegen, wird als Systems Engineering oder Systemtechnik bezeichnet. Bevor jedoch das Wesen des Systems Engineering näher erläutert wird, ist es für das Verständnis des Systemansatzes zweckmäßig, zunächst in die der Systemtheorie zugrunde liegende Denkweise einzuführen.
2.3.2 Notwendigkeit einer systemischen Denkweise Die kognitive Grundlage der Systemtheorie bzw. des Systems Engineering Ansatzes bildet das Postulat des Systemdenkens. Darunter versteht man die Forderung nach einer ganzheitlichen, integrativen Denkweise, die zu einem besseren Verständnis komplexer Erscheinungen führen sowie deren Gestaltung ermöglichen soll (Ulrich/Probst 1991, S. 11). Das Denken in Kategorien von Ganzheiten stellt damit die Antithese zum Reduktionismus dar, der Phänomene sukzessive in die konstituierenden und voneinander unabhängigen Einzelelemente zerlegt (Checkland 2001, S. 311). Dieser klassische Erklärungsansatz erschließt die isolierten Objekte, indem er sie in labortechnisch repetitierbaren Versuchsanordnungen demonstriert und die daraus abgeleiteten, allgemeinen Gesetzmäßigkeiten über Analogien zur Interpretation von Besonderheiten verschiedener Einzelphänomene zur Verfügung stellt (Kneer/Nassehi 2000, S. 18). Systemdenken zielt demgegenüber weniger auf eine isolierte Analyse des Innerns einzelner Teile ab, sondern ordnet diese vielmehr unter Betonung der dazwischen liegenden Ver-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
flechtungen zur Erkenntnisgewinnung in ein übergeordnetes Ganzes, das System, ein (Klir 2001, S. 37). Da die Definition des Terminus System eine der größten philosophischen Herausforderungen der Systemwissenschaft darstellt (Joslyn/Turchin 1993), soll dieser hier lediglich kurz, in differentialistischer Form nach Luhmann (1997, S. 595) als eine von einer entsprechenden Umwelt abgegrenzte Gesamtheit in einem Raum/Zeit-Kontinuum eingeführt werden. Hinsichtlich einer ausführlichen Beschreibung sei auf Abschnitt 3.1.1 verwiesen. Im Vordergrund des Systemdenkens steht folglich die Frage nach dem »Weshalb?«, also nach der Finalität (Mittel/Zweck), und weniger die nach der Kausalität, dem »Warum?« (Ursache/ Wirkung) (Müller-Merbach 1992, S. 866). Systemdenken adressiert Problembereiche, die eine organisierte Komplexität aufweisen, d. h. bei denen sich zum einen die betrachteten Objekte nicht sinnvoll auf eine handhabbare Anzahl von Variablen einschränken lassen und zum anderen die einzelnen Variablen wechselseitig die Bedingungen ihrer Möglichkeiten darstellen (von Bertalanffy 1956, S. 2). Im Gegensatz zur unorganisierten Komplexität liefert hierbei eine monokausale Verkettung der Einzelelemente kein Erklärungspotenzial. Erst die vollständige Erfassung aller reziproken Vernetzungsbedingungen vermittelt einen Eindruck des interessierenden Phänomens (Kneer/Nassehi 2000, S. 21). Phänomene dieser Art und damit holistische Untersuchungen finden vor allem in nicht-begrenzten (unrestricted) Wissenschaften wie der Soziologie oder den Wirtschaftswissenschaften Anwendung (Optner 1965, S. 21). Im Gegensatz zu begrenzten (restricted) Wissenschaften wie bspw. der Physik zeichnen diese sich dadurch aus, dass sich die entsprechenden Forschungsgegenstände möglicherweise singulär und mit den Techniken einer Wissenschaftsdisziplin beschreiben lassen (Pantin 1968, S. 18). In der Realität treten sie jedoch niemals isoliert auf, sodass ihre Analyse häufig den Einbezug benachbarter Forschungsgebiete erfordert. Dies lässt sich am Untersuchungsobjekt dieser Arbeit illustrieren, da es beim Service Engineering um die Entwicklung eines durch Sozialität geprägten, wirtschaftswissenschaftlichen Prozesses unter Einsatz ingenieur- und softwaretechnischen Know-hows geht. Obwohl Reduktionismus und Holismus ursprünglich als sich gegenseitg ausschließende Ansätze angesehen wurden, so gelten sie inzwischen in der wissenschaftlichen Praxis als komplementäre Instrumente, die nebeneinander existieren und in nahezu allen Disziplinen parallel eingesetzt werden (Goguen/Varela 2001, S. 349–351). Die aus einem solchen Methodenpluralismus hervorgehenden, unterschiedlichen Erkenntnisse führen schließlich zu einem reichhaltigen Bild und somit einem besseren Verständnis des beobachteten Effekts (Müller-Merbach 1992, S. 868–869). Dabei eröffnet speziell der Systemansatz die Chance, die Komplexität des jeweiligen Gegenstandsbereichs nicht künstlich zu reduzieren, sondern als Herausforderung anzusehen und kontrollierbare Verfahren zu dessen Bearbeitbarkeit zu generieren (Willke 1993, S. 4). Die Entwicklung des Denkens in Ganzheiten lässt sich dabei bis in die Antike zurückverfolgen (von Bertalanffy 1972b, S. 18). Detaillierte Darstellungen über die historische Entwicklung geben bspw. Checkland (1981, S. 23–78) oder Müller (1996, S. 14–179). Systemdenken rückte insbesondere mit dem Übergang von der durch Newton und Descartes geprägten me-
2.3 Lösungsansatz »Systems Engineering«
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chanistisch-reduktionistischen hin zu einer organisch-ganzheitlichen Weltanschauung in den Mittelpunkt der Wissenschaft (Capra 1986, S. 80). Viele der seitdem entstandenen Ansätze der Biologie, der Soziologie, der Psychologie, der Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften, der Mathematik, Physik und Informatik sowie der Philosophie und Linguistik bauen auf einem holistischen Grundverständnis auf. Sie bilden die Basis der heutigen Systemtheorie, wobei ein Großteil der Einflüsse sich selbst nicht als deren Bestandteil betrachtet (vgl. Tabelle 2.1). Tabelle 2.1: Auswahl systemischer und verwandter Ansätze unterschiedlicher Wissenschaftsbereiche (in Anlehnung an Pulm 2004, S. 23) Disziplin
Ansätze
Biologie
Darwin (2003): Auslese; Prigogine (1998): Dissipative Strukturen; von Foerster (1995): Kybernetik 2. Ordnung; Maturana/Varela (2000): Autopoietische Systeme; Laszlo (1996): Evolution
Soziologie
Smith (2003), Durkheim (1999): Arbeitsteilung; Parsons (1959): Theorie sozialen Handelns; Luhmann (2004): Systemtheorie; Banathy (2000): Cultural Evolution
Psychologie
Piaget (1996): Genetische Epistemologie; Campbell (Heyes/Hull 2001): Evolutionary Epistemology; von Glasersfeld (1997): Radikaler Konstruktivismus; Varga von Kibéd/ Sparrer (2002): Organisationsaufstellungen; Dörner (1989): Problemlösen
Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften
Goode/Machol (1957), Daenzer/Huber (2002): Systems Engineering; Forrester (1972): System Dynamics; Malik (2003), Gomez (1981), Ulrich/Probst (1991): Systemisches Management (St. Gallen); Checkland/Scholes (1990): Soft Systems Methodology; Peters (2000): Kreatives Chaos; Senge (1990): Fifth Discipline
Mathematik, Physik, Informatik
Einstein (2001): Relativitätstheorie; Whitehead/Russell (2002): Principia Mathematica; Planck, Heisenberg (2000): Quantentheorie; von Neumann/Morgenstern (2004): Spieltheorie; Wiener (1955): Kybernetik; McCulloch (2000): Künstliche Intelligenz; Feigenbaum (Gleick 1998): Chaostheorie; Holland (2000): Emergence; Spencer-Brown (1997): Laws of Form
Philosophie, Linguistik
Kant (2004), Hegel (2003): Erkenntnistheorie; de Saussure (1967): Strukturalismus; Wittgenstein (2003): Tractatus logico-philosophicus; Korzybski (1995): Allgemeine Semantik
Die Systemtheorie selbst entstand aus der Beobachtung, dass all diese Ansätze trotz phänomenologisch heterogener Gegenstandsbereiche Ähnlichkeiten in Begriffen und Grundüberlegungen aufweisen. Die Analogie der Beschreibungen führte schließlich zur Erforschung der gemeinsamen, die verschiedenen Forschungsfelder verbindenden Prinzipien. Die Herstellung von Ordnung und die Weiterentwicklung komplexer Phänomene wurden nicht mehr als Spezialprobleme verschiedener Wissenschaftsdisziplinen angesehen, sondern als zentrale Herausforderungen von universeller Reichweite begriffen. Über die Analogisierung der Konzepte entstand aus Theorien mit voneinander unabhängigem Ursprung die gerichtete Entwicklung des Forschungsprogramms der Systemtheorie (Krohn/Küppers 1990, S. 9). Dieses ist seiner Anlage und Absicht nach ausdrücklich interdisziplinär ausgerichtet und soll das Defizit tradi-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
tioneller Wissenschaften beheben, Phänomene nicht ganzheitlich, sondern lediglich in Bezug auf einzelne Aspekte untersuchen zu können (Czayka 1974, S. 66–67). Insofern geht die Systemtheorie über das Beantworten isolierter Fragestellungen hinaus und ermöglicht die Beschäftigung mit komplexen Zusammenhängen, indem sie das begriffliche Instrumentarium sowie die theoretischen Grundlagen für ein anwendbares Systemdenken bereitstellt (Ackoff 1964, S. 54). Es handelt sich somit um einen integrativen Mechanismus, was sich erkenntnismäßig in der Orientierung an Problemen an Stelle von fachspezifisch abgegrenzten Kategorien und praxeologisch in der Orientierung an Projekten manifestiert (Händle/Jensen 1974, S. 38). Der Unterschied zwischen Entwicklern und Anwendern der Systemtheorie lässt sich anhand zweier Fragen verdeutlichen. Während Systemwissenschaftler die Frage »Have we learned something?« stellen, interessiert die Nutzer der Systemtheorie »Does it work?« (Cook/Ferris 2005, S. 6).
2.3.3 Facetten des Systems Engineering Mit der Anwendung des Systemdenkens und der systemtheoretischen Grundlagen auf komplexe Gestaltungsprobleme beschäftigt sich die Fachrichtung des Systems Engineering bzw. der Systemtechnik. Ausgangspunkt des Systems Engineering war der Bedarf nach einer interdisziplinär-orientierten Theorie und der entsprechenden Technik zur organisierten und zielgerichteten Überführung eines vielschichtigen Gestaltungsproblems in eine ganzheitliche Problemlösung. Der Bedarf trat zu Beginn der 1950er Jahre einerseits in der Rüstungs- und Raumfahrtindustrie der USA auf (z. B. Quade 1964), wo aufgrund des erfolgreichen Einsatzes von Systemkonzepten im Rahmen risikoreicher Programme (z. B. Polaris oder Apollo) die Orientierung an dem dazu definierten Systems Engineering Standard MIL-STD 499 (1969) schließlich für alle Vorhaben verpflichtend vorgeschrieben wurde (Negele 1998, S. 36). Zur gleichen Zeit fanden andererseits vergleichbare Bestrebungen im industriellen Umfeld statt. Exemplarisch seien hier die Entwicklung von Telekommunikationsnetzen durch die Radio Corporation of Amerika bzw. die Bell Telephone Laboratories oder von Transportsystemen angeführt (Goode/Machol 1957, S. 4). Hinsichtlich der definitorischen Abgrenzung des Service Engineering Konzepts existiert eine Vielzahl von Ansätzen, denen bis auf den Hinweis auf eine ganzheitliche Betrachtungsweise wenig gemein ist. Die Interpretationen reichen von einer Wissenschaft (z. B. Tien/Berg 2003, S. 23), einer übergreifenden Ingenieurdisziplin (z. B. Daenzer/Huber 2002, S. X), einer Kunst (z. B. Hitchins 2003, S. 309), einer Art des Vorgehens (z. B. Kossiakoff/Sweet 2003, S. 3) bis hin zu einer Ansammlung von Methoden und Werkzeugen (z. B. Sage/Rouse 1999, S. 12) oder einer Mischung von alledem (z. B. Hall 1962, S. 4), je nach Ausrichtung der entsprechenden Definition. Infolgedessen bildeten sich in Wissenschaft und Praxis mannigfaltige Systems Engineering Konzepte mit jeweils unterschiedlichen Perspektiven und stark heterogener Einbindung des Systemgedankens heraus. Um die Vielfalt der Konzepte kategorisieren zu können, soll innerhalb von Engineering Vorhaben die philologische Distinktion zwischen
2.3 Lösungsansatz »Systems Engineering«
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dem handelnden Subjekt und dem Objekt einer Handlung Berücksichtigung finden, d. h. es wird eine konzeptionelle Trennung der gestaltenden Einheit von dem zu gestaltenden Objekt vorgenommen. Erstere wird im Folgenden als Prozesssystem bzw. Handlungssystem, letztere als Objektsystem bzw. Sachsystem bezeichnet (Ehrlenspiel 2003, S. 20). Wichtig ist jedoch zu betonen, dass es sich hierbei um eine rein gedankliche Differenzierung handelt, da in der Realität Prozess- und Objektsystem nicht unabhängig voneinander existieren können. So liegen zum einen in dem Objektsystem die vom Prozesssystem zu lösenden Entwicklungsaufgaben begründet. Zum anderen gibt das Objektsystem das Ergebnis der Handlungen des Prozesssystems wieder (Ropohl 1975, S. 45). Die Anwendung des Systemgedankens bezog sich anfänglich primär auf die Gestaltung des Objektsystems, innerhalb dessen wiederum zwischen Aspekten des (statischen) Aufbaus und der (dynamischen) Verhaltensweise des Untersuchungsgegenstands unterschieden wird (Hubka 1984, S. 51). Eine Fokussierung auf den strukturellen Aufbau ist dabei allerdings vergleichsweise selten vorzufinden und beschränkt sich zumeist auf die Darstellung von Strukturbeziehungen in allgemeiner Form sowie auf die Verwendung der Prinzipien Dekomposition (z. B. Simon 1962, S. 468), Modularisierung (z. B. Dahmus/Gonzalez-Zugasti/Otto 2001, S. 410), Standardisierung (z. B. Ulrich 1995, S. 431–432) und Variantenbildung (z. B. Daenzer/Huber 2002, S. 33–36). Ein deutlich größeres Gewicht wird auf die Abbildung der Verhaltensweise und somit auf den funktionalen Aufbau des interessierenden Objekts gelegt, was sich mit der Nähe bzw. der Überschneidung des Systems Engineering mit dem simultan erwachsenen Forschungsbereich der Kybernetik (vgl. Wiener 1955) begründen lässt. Dieser ermöglicht eine adäquate Modellierung von Regelkreisen (Rückkopplungen, feedback-loops) und sonstigen Wirkungszusammenhängen zwischen Funktionen innerhalb eines Objekts und darauf aufbauend die Durchführung von Simulationen. In Bezug auf die Art des jeweils betrachteten Objekts fungierten, wie die einleitend genannten Beispiele zeigen, zunächst ausschließlich mechanistische Systeme als Untersuchungsgegenstand. Als Emery/Trist (1960) im Rahmen einer Untersuchung erkannten, dass eine Verbesserung technischer Systeme nicht zwangsweise eine Erhöhung der Produktivität zur Folge hat, wurden erstmals soziale Aspekte in das Spektrum interessierender Sachverhalte mitaufgenommen und entsprechende Gesamtheiten als sozio-technische Systeme bezeichnet. Diese Entwicklung führte Ulrich (1968) dahingehend fort, dass er anhand des Systems Unternehmen komplexe Gebilde unter rein sozialen Gesichtspunkten betrachtete. Dieser Ansatz mündete schließlich in dem zusammen mit Krieg (1972) veröffentlichten und u. a. von Bleicher (1991) und Müller-Stewens/Lechner (2003) weiterentwickelten »St. Galler Management-Modell«. Während das Objektsystem auf die Ausgestaltung des zu entwickelnden Phänomens abzielt, behandelt das Prozesssystem die Organisation des dazugehörigen Evolutionsprozesses. Die Organisation lässt sich des Weiteren aus einer technischen sowie aus einer soziologischen Perspektive beleuchten (Kosiol 1962, S. 22). Die technische Sichtweise widmet sich dem Aktionengeflecht, das der Erreichung von Zielen durch Willenshandlungen dient. Der Prozess der Systemgestaltung verkörpert somit eine spezielle Verfahrenstechnik, d. h. eine Tech-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
nik der integrativen Strukturierung. Diese erfordert die exakte Kenntnis über Strukturformen und Funktionsweisen von Prozesssystemen und bedingt ein methodisches Instrumentarium, mittels dessen allgemeine Aussagen über Gesetzmäßigkeiten von Systemen auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand transformiert und in der Realität implementiert werden können (Fuchs-Wegner 1971, S. 263). Die notwendigen theoretischen Informationen über die Eigenschaften und Verhaltensweisen von Prozesssystemen werden in Form von Prinzipien sowie Vorgehensmodellen dokumentiert und sind Bestandteile der Systems Engineering Theorie. Die Bedeutung der Formulierung generischer Vorgehensweisen zeigt sich insbesondere darin, dass diese im Mittelpunkt der Systems Engineering Standardisierungsbestrebungen MIL-STD 499B (1994), ISO/IEC 15288 (2002), ANSI/EIA 632 (2003) und IEEE 1220 (1998) stehen (Cook/Kasser/Ferris 2003, S. 3–4). Aussagen über die im Rahmen des Gestaltungsprozesses anzuwendenden Methoden und einzusetzenden Werkzeuge sind demgegenüber dem Bereich der Systems Engineering Technik zuzuordnen, wobei das Wissen über die Methoden wiederum einen theoretischen Gesichtspunkt darstellt. Im Unterschied zur technischen fokussiert die soziologische Sichtweise auf eine Organisation als Verknüpfungsform von interpersonalen (sozialen oder soziären) Beziehungen, Prozessen und Gebilden. Bis auf wenige, lediglich rudimentär durchgeführte Untersuchungen findet dieser Aspekt im Rahmen der Systems Engineering Forschung jedoch keine Berücksichtigung, was sich mit der starken Verankerung des Systems Engineering Ansatzes in der Kybernetik sowie den Ingenieurwissenschaften plausibilisieren lässt.
2.3.4 Zusammenfassung und Abgrenzung des Lösungsansatzes Zusammenfassend visualisiert Tabelle 2.2 die Distinktion zwischen Prozess- und Objektsystem sowie deren jeweilige Ausdifferenzierung in Objektaufbau und -verhalten bzw. Organisationstechnik und -soziologie nochmals in tabellarischer Form. Anhand der Systematik werden die bedeutendsten Systems Engineering Ansätze kategorisiert, wobei unterschieden wird, ob ein Aspekt darin einen Schwerpunkt (•) oder eine beiläufige Perspektive (◦) einnimmt. In Bezug auf die zeitliche Entwicklung des Systems Engineering zeigt die Übersicht, dass zunächst vor allem kybernetisches Wissen zur generellen Charakterisierung von Objektverhalten übertragen wurde. Speziell aus dem ingenieurwissenschaftlichen Umfeld erwuchsen mit der Zeit Verallgemeinerungen im Hinblick auf Objektstrukturierungen und Vorgehensmodelle. Erläuterungen zu organisationssoziologischen Gesichtspunkten treten nur ansatzweise auf oder es wird alternativ dazu auf entsprechende sozialwissenschaftliche Quellen verwiesen, wie z. B. Miller/Form (1980) oder Abraham/Büschges (2004). Analog zur Abgrenzung des Problembereichs stellt die Definition des Lösungsansatzes weniger eine definitorische als vielmehr eine deklaratorische Herausforderung dar. Die Operationalisierung des Systems Engineering Konzepts verlangt nach einer trennscharfen Determinierung der generellen Ausrichtung des Systems Engineering Ansatzes sowie der inhaltlichen
2.3 Lösungsansatz »Systems Engineering«
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Tabelle 2.2: Kategorisierung von Systems Engineering Konzepten Quelle
Objektsystem
Goode/Machol (1957) Hall (1962) Forrester (1972) Chestnut (1973) Ropohl (1979) Rouse (1980) Patzak (1982) Hubka (1984) Boardman (1990) Sage (1992) Wymore (1993) Buede (2000) Daenzer/Huber (2002) Ehrlenspiel (2003) Hitchins (2003) Kossiakoff/Sweet (2003) Pahl et al. (2003)
Prozesssystem
Objektaufbau
Objektverhalten
◦ ◦
• • • • • • • • •
◦ • ◦ • • • ◦ • • • •
• • ◦ • • • •
Organisationstechnik
Organisationssoziologie
• • • ◦ ◦ • ◦ • • • • •
◦ ◦ •
Konzeptbestandteile. Aus dieser Grundüberlegung heraus soll Systems Engineering für den Kontext dieser Arbeit wie folgt definiert werden: Systems Engineering bezeichnet den Bereich der Systemwissenschaft, der sich auf dem kognitiven Fundament des Systemdenkens mit der Entwicklung und Anwendung von Theorieelementen, bestehend aus Prinzipien, Vorgehensmodellen und Methodenwissen, sowie Technikelementen, bestehend aus Methodenanwendungen und Werkzeugen, zur sowohl strukturellen und funktionalen Gestaltung von (komplexen) Objekten als auch zur verfahrenstechnischen und organisationssoziologischen Abwicklung des Entwicklungsprozesses beschäftigt. Systems Engineering wird per definitionem als integraler Bestandteil einer eigenständigen Systemwissenschaft aufgefasst. Es handelt sich demnach weder um eine Interdisziplin, d. h. eine anwendungsfallbezogene Kooperation von relevanten Wissenschaftsbereichen, noch um einen Ausschnitt aus der realwissenschaftlichen Disziplin, aus der jeweils originär die Inhalte des Systems Engineering abgeleitet wurden oder in der die mittels Systems Engineering zu entwickelnden Gegenstände beheimatet sind. Der Hinweis auf die Anwendung des Systemdenkens betont ergänzend die Bedeutung einer holistischen Betrachtungsweise des Problems, ohne jedoch gleichzeitig reduktionistische Analysen gänzlich auszuschließen. Inhaltlich setzt
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
sich der Systems Engineering Ansatz zum einen mit der Frage auseinander, wie aus konkreten Gestaltungsabläufen von verschiedenen Gebilden allgemeine Gesetzmäßigkeiten abgeleitet werden können. Zum anderen widmet er sich dem Transfer der gewonnenen Erkenntnisse auf einen konkreten Anwendungsfall. Die Erkenntnisse selbst lassen sich wiederum in Bezug auf ihre Wesensart in theoretische und technische Erkenntnisse ausdifferenzieren. Theoretische Erkenntnisse liefern die wissenschaftliche Basis für die Lösung von Gestaltungsproblemen und spiegeln sich in Prinzipien, Vorgehensmodellen und Methodenwissen wider. Diesen stehen Techniken gegenüber, die als Methodenanwendungen und Werkzeuge in der Praxis unmittelbar eingesetzt werden können. Beide Komponenten bedingen sich wechselseitig, da einerseits spezielle Techniken aus der Theorie deduziert werden, andererseits Erfahrung aus der Anwendung von Techniken zur Adaptation der Theorie führt. Zudem enthält die Systems Engineering Definition eine Aussage über das betroffene Einsatzspektrum von Theorie und Technik. Dieses umfasst gleichwohl den Aufbau und das Verhalten des zu konstruierenden Objekts wie die Verfahrenstechnik zu dessen Entwicklung. Als Präsupposition wird des Weiteren die sozial-psychologische Perspektive auf die Organisation von Prozesssystemen thematisiert. Nachdem mit dem Systems Engineering Konzept ein Lösungsansatz vorgestellt wurde, der komplexe Gestaltungsprobleme adressiert, werden im Folgenden der Problembereich und der Lösungsansatz unter besonderer Berücksichtigung des Einsatzes von Modellierungsmethoden zum Konzept des »modellgestützten Service Systems Engineering« zusammengeführt.
2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering 2.4.1 Dienstleistungsentwicklung mittels Systems Engineering Anhand der Charakteristika bösartiger Probleme nach Rittel (1971, S. 19–20) wurde in Abschnitt 2.3.1 verdeutlicht, dass die Entwicklung von Dienstleistungen eines ganzheitlichen Lösungsansatzes bedarf und dass diese Voraussetzung vor allem von der Systemtheorie, insbesondere von dem Teilbereich Systems Engineering, erfüllt wird. Systems Engineering Ansätze lassen sich weiterhin dahingehend unterscheiden, ob sie die Ableitung allgemeingültiger Gesetzmäßigkeiten in Entwicklungsvorhaben oder deren Transformation auf ein Anwendungsfeld thematisieren. Letztere Gruppe fokussiert primär auf die Konzeption von mechanistischen Objekten und bezieht in Form einer sozio-technischen Betrachtung den menschlichen Zugang zu diesen Objekten in die Überlegungen mit ein. Die Synthese des Problembereichs mit dem Lösungsansatz zum Konzept des Service Systems Engineering zielt im Kontext dieser Arbeit ausschließlich auf die Übertragung von Systems Engineering Ansätzen auf den Bereich der Dienstleistungsentwicklung ab; das Gewinnen neuer Erkenntnisse für das Systems Enginee-
2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering
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ring wird nicht als ihr Untersuchungsgegenstand angesehen. Die Herausforderung der Zusammenführung besteht zum einen in einer systemtheoretischen Auffassung des durch Sozialität geprägten Erbringungsprozesses und zum anderen in einer adäquaten Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich im Unterschied zu bisher betrachteten Anwendungsfeldern des Systems Engineering bei dem zu gestaltenden Sachverhalt gerade nicht um ein technisches Konstrukt, dessen Funktionsweise und der Schnittstelle zu dessen Anwendern handelt. Bisher finden sich in der Literatur drei Quellen, die sich dieser Herausforderung annehmen. Den ersten und gleichzeitig bis dato tiefgreifendsten Versuch der Erarbeitung eines Service Systems Engineering Konzepts unternimmt Pyzdek (1994). Aufbauend auf den beiden Axiomen, dass (1) Dienstleistungssysteme existieren und (2) gut geplante Dienstleistungssysteme im Durchschnitt ad-hoc entwickelte Dienstleistungssysteme übertreffen, analysiert er zunächst Dienstleistungssysteme aus soziologischer und organisationstheoretischer Perspektive. Pyzdek legt damit in Analogie zu dem Dienstleistungsverständnis dieser Arbeit eine prozesszentrierte Definition einer Dienstleistung unter Betonung der darin enthaltenen sozialen Aspekte zugrunde. Aus den analytischen Überlegungen leitet er den Mangel bestehender Systems Engineering Konzepte ab, sich ausschließlich mit Mensch/Maschine-Schnittstellen zu beschäftigen und interpersonale Schnittstellen gänzlich zu vernachlässigen. Wie dieser Gesichtspunkt innerhalb der Methoden des Systems Engineering Berücksichtigung finden kann, zeigt er ausführlich anhand der Beispiele Total Quality Management und Reliabilitätsmanagement sowie stichwortartig anhand einer Reihe mathematisch geprägter Methoden auf. Obwohl die Ergebnisse auf einem interessanten Grundgedanken aufbauen, gehen die Ausführungen jedoch nicht über eine Skizzierung der Konzeptidee sowie die Darlegung eines Beispiels hinaus. In einer weiteren Arbeit über das Service Systems Engineering konstatieren Tien/Berg (2003) zu Beginn, dass sowohl die aktuellen Entwicklungen im Bereich des Systems Engineering als auch die der Dienstleistungsforschung von Informations- und Kommunikationstechnologien einerseits und Entscheidungstechnologien andererseits maßgeblich vorangetrieben werden. Auf der Grundlage dieser Feststellung führen sie eine Kreuztabellierung der beiden Technologiearten mit den vier von ihnen identifizierten Dienstleistungscharakteristika »informationsgetrieben«, »kundenzentriert«, »E-orientiert« und »produktivitätsfokussierend« durch und erhalten so ein Rahmenkonzept für das Service Systems Engineering, dessen acht Felder sie mit Beispielen ausfüllen und kurz erläutern. Hierzu lassen sich drei Aspekte kritisch anmerken. Erstens wird die im Hinblick auf eine sinnvolle Anwendbarkeit des Systemansatzes notwendige Bedingung, Dienstleistungen als Systeme anzunehmen, nicht gefordert. Zum Zweiten kann bezweifelt werden, dass sämtliche Methoden des Service Systems Engineering entweder aus Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie oder der Entscheidungstechnologie hervorgehen. Zudem lässt sich drittens mittels einfacher Gegenbeispiele bzw. Rekurses auf die Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs in dieser Arbeit nachweisen, dass die vier von Tien/Berg genannten Merkmale den Terminus nicht in eindeutiger Weise unitarisch zusammenfassen.
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
Die dritte Quelle repräsentiert eine deutschsprachige Arbeit zum Themenkomplex des Service Systems Engineering und stammt von Opitz/Schwengels (2005). Sie motivieren die Generierung des Konzepts, indem sie sich von ihm einen Beitrag zur Standardisierung von Dienstleistungen versprechen. Allerdings diskutieren Opitz/Schwengels auf der Basis eines vergleichsweise einfachen, durch die Ingenieurwissenschaften geprägten Systemverständnisses, was den Charakter von Dienstleistungen nicht adäquat erfasst und somit die Gewinnung tiefgehender Erkenntnisse erschwert. Des Weiteren kann bemängelt werden, dass sie zwar sowohl die einzelnen Begriffsbestandteile »Service«, »Systems« und »Engineering« als auch die daraus ableitbaren Wortpaare »Service Engineering«, »Systems Engineering« und »Service System« isoliert erläutern, ihnen aber eine Integration der Aspekte zu einem holistischen Ansatz mit emergenten Eigenschaften nicht gelingt. Auf der Grundlage der Analyse bestehender Ansätze des Service Systems Engineering sowie insbesondere der Erläuterungen zum Gegenstandsbereich, Problembereich und Lösungsansatz in den vorangehenden Abschnitten soll das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering wie in Abbildung 2.2 visualisiert auf folgende Weise definiert werden: Das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering bezeichnet aufbauend auf einem systemischen Verständnis einer Dienstleistungsentwicklung (Service Engineering System) die Bereitstellung adaptierter Theorie- und Technikelemente des Systems Engineering Ansatzes zur Anwendung im Rahmen entsprechender Entwicklungsvorhaben unter besonderer Berücksichtigung von Modellierungsmethoden. Beim modellgestützten Service Systems Engineering handelt es sich also um die Anwendung eines an die spezifischen Gegebenheiten von Service Engineering Vorhaben angepassten Systems Engineering Ansatzes. Demnach zielt das Konzept auf das Angebot von geeigneten Theorieelementen, bestehend aus Prinzipien, Vorgehensmodellen und Methodenwissen, sowie auf das Angebot von geeigneten Techniken, bestehend aus Methodenanwendungen und Werkzeugen, zur effizienten Entwicklung von Dienstleistungen ab. Dabei wird zudem deren wechselseitige Beeinflussung erfasst. Die Frage nach einer potenziellen Generalisierung von dienstleistungsunabhängigen Erkenntnissen in das Systems Engineering soll an dieser Stelle nicht ergründet werden. Als notwendige Bedingung für den Einsatz des Service Systems Engineering Konzepts wird eine systemische Auffassung der Dienstleistungsentwicklung zugrunde gelegt. Unter Rückgriff auf die bereits eingeführte Ausdifferenzierung zwischen dem zu entwickelnden Objekt und dem dazugehörigen Entwicklungsprozess bedeutet dies, dass sowohl die Dienstleistungserbringung als auch die Dienstleistungsentwicklung als zwei eigenständige, real existierende Systeme anzunehmen sind, zwischen denen zugleich aber ein enges, interdependentes Verhältnis vorliegt. Die Besonderheit der hier aufgestellten Definition des Service Systems Engineering liegt in der Hervorhebung des Modellierungsaspekts durch das vorangestellte Adjektiv »modellgestützt«. Dieses adressiert ein formales Beschreibungsmodell für eine als System interpretierte
2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering
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Dienstleistungswissenschaft
Systemwissenschaft
Service Engineering
Systems Engineering
Abbildung 2.2: Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Dienstleistungserbringung und -entwicklung, das das jeweils zugrunde liegende interdependente Wirkungsgefüge in der erforderlichen Tiefenschärfe offenlegt. Angesprochen sind von der Akzentuierung des Weiteren die Methoden des Systems Engineering, die das Erstellen von und den Umgang mit Modellen beinhalten, sowie das entsprechende Wissen darüber. Zur Begründung der Notwendigkeit einer fokussierten Betrachtung dieses Gesichtspunkts sei nochmals an die Komplexität des Service Engineering Problems erinnert. Nach dem »Gesetz der erforderlichen Vielfalt« (law of requisite variety) von Ashby (1957, S. 207) kann die Beherrschung derartiger Problemstellungen außer durch Zufall nur dann gelingen, wenn die Varietät der für die Problemlösung zur Verfügung stehenden Mittel und Maßnahmen genügend groß ist, da nur Vielfalt Vielfalt absorbieren und somit Komplexität reduzieren kann.
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
In einer weiteren Arbeit gelingt Conant/Ashby (1970) der Nachweis dafür, dass für den erfolgreichen Umgang mit einem System die Schaffung eines ausreichend einfachen Modells zwingend erforderlich ist. Diese Erkenntnisse aufgreifend strebt das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering sowohl die Erzeugung eines detaillierten Verständnisses von Dienstleistungsentwicklungsprozessen mittels eines formalen Beschreibungsmodells als auch die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Modellierungsmethoden an, die eine adäquate Abbildung von relevanten Sinneinheiten des Objekt- bzw. Prozesssystems erlauben und damit ein effizientes Management von Service Engineering Vorhaben erst ermöglichen. Bevor die für die Ausgestaltung des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering notwendige systemtheoretische Analyse des Dienstleistungsentwicklungssystems durchgeführt wird, soll im folgenden Abschnitt zunächst der dieser Arbeit zugrunde liegende systemwissenschaftliche Ordnungsrahmen herausgearbeitet und anschließend das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering darin wissenschaftstheoretisch eingebettet werden. Mittels des geschaffenen Ordnungsrahmens wird zum einen aufgezeigt, welche Erkenntnisse aus den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen als Grundlage in das interdisziplinäre Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering einfließen. Zum anderen demonstriert er ein Vorgehen bei der Untersuchung von komplexen Phänomenen im Allgemeinen sowie von Dienstleistungsentwicklungsvorhaben im Besonderen.
2.4.2 Systemwissenschaftliche Einordnung und Disziplinenauswahl Für das Forschungsprogramm der Systemtheorie bildeten sich eine Reihe von Zielsetzungen heraus. Beispielhaft sei hier auf die Ansätze von Boulding (1956, S. 197–198), von Bertalanffy (1968, S. 37) oder Rapoport (1972, S. 45) verwiesen. Eine die gängigsten Beschreibungen integrierende und daher weitgehend anerkannte Zielsetzung formuliert die International Society for the Systems Sciences (ISSS), die unter dem Namen Society for General Systems Research im Jahre 1956 gegründet wurde. Demnach verfolgt die systemtheoretische Forschung den Zweck, die Entwicklung von theoretischen Systemen zu fördern, die in mehr als einer der traditionellen Wissenschaftsdisziplinen einsetzbar sind. In ihren Aufgabenbereich fällt (1) die Entdeckung der Isomorphien von Konzepten, Gesetzen und Modellen in unterschiedlichen Disziplinen und der zweckdienliche Transfer in andere Fachrichtungen, (2) das Vorantreiben der Entwicklung adäquater theoretischer Modelle in Bereichen, wo diese benötigt werden, (3) die Eliminierung redundanter Bestrebungen in verschiedenen Forschungsfeldern sowie (4) die Förderung der Einheit der Wissenschaft durch die Verbesserung der Kommunikation zwischen Spezialisten (von Bertalanffy 1968, S. 10). Während hinsichtlich der Zielsetzung weitgehend Konsens hergestellt werden konnte, kristallisierten sich jedoch die beiden wissenschaftstheoretischen Ansätze Allgemeine Systemtheorie (General Systems Theory) nach von Bertalanffy (1968) und Systemforschung (Systems Research) nach Ackoff (1964) heraus, die die Intention auf unterschiedliche Art zu erreichen versuchen. Die Allgemeine Systemtheorie bezweckt die Formulierung allgemeingültiger, forma-
2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering
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ler Systemgesetze auf abstrakter Ebene, die über die Anwendung in den Einzelwissenschaften zu einer Integration der Wissenschaft und zu interdisziplinärer Zusammenarbeit führen sollen (Oberkampf 1976, S. 26). Demgegenüber beabsichtigt der Ansatz der Systemforschung, die Einheit der Wissenschaft durch das Aufstellen und die Lösung ganzheitlich-multidisziplinärer Problemstellungen zu bewirken, ohne dabei auf eine Metadisziplin zurückzugreifen (Ackoff 1964, S. 56). Bevor die beiden Richtungen zu einem allgemeinen Ansatz zusammengeführt werden können, bedarf es einer isolierten Analyse des jeweils zugrunde liegenden Identitätsprinzips (Czayka 1974, S. 8), die anhand des Gegenstandsbereichs (bzw. Erfahrungsobjekts) und Problembereichs (bzw. Erkenntnisobjekts) durchgeführt wird. Allgemeine Systemtheorie Der Ansatz der Allgemeinen Systemtheorie geht zurück auf den Biologen Ludwig von Bertalanffy (1951), der diesen später zusammen mit dem Ökonomen Kenneth Boulding sowie dem Biomathematiker Anatol Rapoport weiterentwickelte und förderte (Händle/Jensen 1974, S. 12–13). Das zentrale Anliegen der Allgemeinen Systemtheorie besteht darin, Ähnlichkeiten (Analogien, Homologien, Homomorphien und Isomorphien) in den Objekten sowie den Konzepten, Hypothesen und Theorien der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zu entdecken (von Bertalanffy 1968, S. 37). Dahinter steht die Annahme, dass Eigenschaften, Zustände und Verhaltensweisen von äußerlich unterschiedlichen Phänomenen durch Gesetze und Modelle erklärt werden können, sofern diese bestimmte formale Übereinstimmungen aufweisen. Die Gemeinsamkeiten sollen in Form allgemeiner Gesetzesaussagen erfasst bzw. in allgemeingültigen Formalmodellen abgebildet werden (Grochla 1974, S. 12). Dieses formalmethodische Instrumentarium besteht aus logisch konsistenten, formalen Kalkülen, die allerdings keinen empirischen Gehalt besitzen und aus denen sich daher keine Aussagen über die Wirklichkeit ableiten lassen (Gaitanides et al. 1975, S. 109–110). Nutzbar werden sie erst durch den Einsatz im Rahmen der Konstruktion von Realmodellen, wodurch sie schließlich implizit realen Sachverhalten zugeordnet werden (Schanz 1975, S. 6). Ihr Anwendungsspektrum beschränkt sich nicht nur auf die Wissenschaftsgebiete, aus denen sie ursprünglich abgeleitet wurden. Zugleich sind solche Formalmodelle ebenso auf andersartige Disziplinen zur Bildung von Erklärungsmodellen bzw. explanatorischen Theorien übertragbar (Ropohl 1979, S. 102). Gerade hierin liegt die heuristische Funktion der Allgemeinen Systemtheorie (Grochla 1972, S. 131). Zur Verdeutlichung visualisiert Abbildung 2.3 den geschilderten Prozess der Gewinnung von Formalmodellen und deren Anwendung auf unterschiedliche Erkenntnisobjekte. Wissenschaftstheoretisch kann die Allgemeine Systemtheorie als Formal- (oder Ideal-)Wissenschaft bezeichnet werden (Kosiol/Szyperski/Chmielewics 1972, S. 74). Ihr Gegenstandsbereich umfasst nicht die konkreten Phänomene der Realität, sondern sämtliche, in den unterschiedlichen Einzeldisziplinen vorliegenden empirischen Theorien und Modelle (Czayka 1974, S. 65). Was die zugrunde liegenden Einzeldisziplinen angeht, so beschränkt sich der Gegenstandsbereich auf die Theorien und Modelle der Realwissenschaften. Er beinhaltet folg-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
Formalwissenschaften
Realwissenschaften
Realphänomene
Abbildung 2.3: Wissenschaftstheoretischer Ansatz der Allgemeinen Systemtheorie (in Anlehnung an Vogt 1983, S. 18)
lich eine Teilmenge des Gegenstandsbereichs der Wissenschaftstheorie, die darüber hinaus die wissenschaftlichen Aussagensysteme von Formalwissenschaften untersucht (Kosiol/Szyperski/Chmielewics 1972, S. 70). In Bezug auf den gemeinsamen Gegenstandsbereich unterscheidet sich die Allgemeine Systemtheorie von der Wissenschaftstheorie in den jeweiligen Problembereichen. Während die Wissenschaftstheorie die relevanten Objekte hinsichtlich deren Methodik, Schlüssigkeit und wissenschaftlicher Zulässigkeit erforscht (Kosiol/Szyperski/ Chmielewics 1972, S. 70), versucht die Allgemeine Systemtheorie, aus diesen allgemeingültige formale Modelle und Aussagensysteme durch die Abstraktion von realen Inhalten herauszufiltern. Der Einsatz der Formalmodelle im Rahmen von explanatorischen Theorien ist jedoch nicht mehr Bestandteil ihres Aufgabenbereichs. Diese Funktion wird von den Einzelwissenschaften übernommen (Franken/Fuchs 1974, S. 43). Da das Erkenntnisobjekt der Allgemeinen Systemtheorie in der Wissenschaftslandschaft einzigartig ist, kann die Forderung des Identitätsprinzips als hinreichend erfüllt angesehen und die Begründung einer eigenen Wissenschaftsdisziplin rechtfertigt werden (Czayka 1974, S. 64). Kritisch kann zur Allgemeinen Systemtheorie angemerkt werden, dass sie auf der allgemein akzeptierten Struktur wissenschaftlicher Disziplinen aufsetzt. Dies verhindert die unmittelbare Auseinandersetzung mit konkreten holistischen Problemstellungen der Praxis, da diese zunächst auf einzelne Disziplinen aufgeteilt werden müssen, bevor sie schließlich in Form von abgeleiteten Realmodellen von der Allgemeinen Systemtheorie aufgegriffen werden können (Ackoff 1964, S. 54). Des Weiteren stellt sie zwar mit ihrem Angebot an Formalmodellen die Grundlage für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit bereit. Zugleich verzichtet sie jedoch auf deren Einbezug in den eigenen Problembereich und vernachlässigt auf diese Weise vollständig die Realitäts- und Anwendungsorientierung ihrer formalen Aussagensysteme (Vogt 1983, S. 33).
2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering
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Systemforschung Hauptvertreter und Begründer der Systemforschung ist der Mathematiker Russell L. Ackoff (1964), der mit diesem Ansatz eine Gegenposition zur Allgemeinen Systemtheorie einnimmt. Während die Allgemeine Systemtheorie auf die Organisation von aus verschiedenen Objektbereichen der Realität abgeleiteten, isomorphen Strukturen im Rahmen eines kohärenten Theoriekomplexes abstellt (Boulding 1956, S. 197), verzichtet die Systemforschung auf die Etablierung einer übergreifenden Wissenschaft. Die Ausgangsbasis der wissenschaftlichen Bemühungen bildet ein bestimmter, real existierender Problembereich, der ganzheitlich-multidisziplinär angegangen und nicht durch den Blickwinkel bestimmter Fachrichtungen eingeschränkt werden soll (Czayka 1974, S. 67). Die Systemforschung vernachlässigt aus diesem Grund die traditionelle Einteilung wissenschaftlicher Disziplinen und konstituiert auf einer realwissenschaftlichen Ebene multidisziplinäre Einheiten bestehend aus Spezialisten einzelner Fachrichtungen, die sowohl angewandtes (technologisches) als auch reines (theoretisches) Wissen über das zugrunde liegende System erarbeiten sollen (Ackoff 1961, S. 37–38). Systemforschung fokussiert also im Unterschied zur Allgemeinen Systemtheorie weniger auf den Umgang mit dem Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit in Form von Gesetzen und Theorien (Boulding 1956, S. 198), als vielmehr auf den Prozess der Wissensgenerierung (Ackoff 1964, S. 52). Diesen Prozess der interdisziplinären Kooperation auf Wissenschaftsebene zeigt Tabelle 2.3. Tabelle 2.3: Wissenschaftstheoretische Integration von Interdisziplinen (in Anlehnung an Kosiol/Szyperski/ Chmielewics 1972, S. 83/87)
Als Prozessauslöser fungieren die beiden Erkenntnisobjekte x und y. Hinsichtlich der Lösung des Problembereichs x existiert in der Wissenschaftsdisziplin A unter anderem eine explanatorische Theorie T1 . Analog liegt in dem Forschungsgebiet B die explanatorische Theorie T2 über den Untersuchungsgegenstand x vor. Die explanatorischen Theorien beschreiben empirisch-kognitive Gesetzmäßigkeiten, die keiner Zielsetzung unterliegen (Kosiol 1964, S. 749). Sie besitzen insofern allgemeine Gültigkeit und legen einen potenziellen Anwendungsspielraum fest (Albert 1963, S. 48). Da die explanatorischen Theorien lediglich einen Rahmen aufspannen und folglich nicht unmittelbar zur Lösung von komplexen Problemstellungen einsetz-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
bar sind, werden sie innerhalb der Einzelwissenschaften in die instrumentalen Theorieformen T1 und T2 transformiert. Die Umformung in praxeologische Aussagensysteme orientiert sich an der Formulierung des Erfahrungsobjekts x sowie an den damit verbundenen Mitteln, Verfahren und Bedingungen (Albert 1963, S. 49). Im Ergebnis können die instrumentalen Theorien als Anwendungen gegebener Realtheorien verstanden werden, die auf die Bedürfnisse des praktischen Handelns ausgerichtet sind und als Grundlage für eine wissenschaftlich fundierte Ableitung und Bewertung von operationalen Handlungsregeln auf der Phänomenebene dienen (Kosiol 1964, S. 750). Die instrumentalen Theorien werden nach dem Verständnis der Systemforschung aber nicht direkt der Phänomenebene zur Behandlung der Problemstellung zur Verfügung gestellt. Dies wäre mit dem Nachteil verbunden, dass jede Bearbeitung des Problems x zu einer Ad-hocKooperation führen würde, wobei weder die Vollständigkeit der beteiligten Disziplinen gewährleistet wäre, noch auf ein wissenschaftliches Fundament zurückgegriffen werden könnte (Kosiol/Szyperski/Chmielewics 1972, S. 84). Stattdessen führt die Systemforschung die instrumentalen Theorieformen zu einem objektorientierten, interdisziplinären, instrumentalen Theoriesystem Tx auf realwissenschaftlicher Ebene zusammen, das kurz als Interdisziplin bezeichnet wird (Vogt 1983, S. 26). Interdisziplinen weisen jedoch nicht den Charakter einer selbständigen Wissenschaft im herkömmlichen Sinne auf. Ihr Inhalt beschränkt sich zunächst auf die Theoriebestände der integrierten Einzeldisziplinen, wobei der wissenschaftliche Informationsgehalt unverändert übernommen wird. Darüber hinaus ermöglicht die Institutionalisierung und die Etablierung einer eigenständigen Forschung die Entwicklung neuer instrumentaler Aussagen und Erkenntnisse. Demzufolge können Interdisziplinen in Abgrenzung zu analytischen Fachdisziplinen auch als synthetische Wissenschaften interpretiert werden (Kosiol/Szyperski/Chmielewics 1972, S. 85). Sie lassen sich dann selbst wiederum in Verbindung mit der Untersuchung anderer Erkenntnisobjekte heranziehen, wie die Entstehung des praxeologischen Aussagesystems Ty aus den instrumentalen Theorien Tx und T3 verdeutlicht (Kosiol/ Szyperski/Chmielewics 1972, S. 87). Die auch als Technologien bezeichneten instrumentalen Theorien können wie beim Problembereich x unmittelbar als wissenschaftliche Grundlage bei der operationalen Lösung benutzt werden. Zudem lassen sich wie im Fall des Erkenntnisobjekts y aus ihnen Techniken Ky ableiten, die als Handlungsanleitungen in der Praxis Anwendung finden (Kosiol/Szyperski/Chmielewics 1972, S. 81). Unter dem Begriff Technik werden dabei sämtliche Ganzheiten von Routinen, Methoden(anwendungen) und Hilfsmitteln des menschlichen Handelns subsumiert, die innerhalb eines Bereichs menschlicher Tätigkeit unterstützend eingesetzt werden können (von Gottl-Ottilienfeld 1923, S. 8). Im Unterschied zur Technologie gehen diese allerdings nicht über die reine Beherrschung der relevanten Wissenschaftstheorien hinaus und führen nicht unmittelbar zur Veränderung bzw. Erweiterung des wissenschaftlichen Aussagensystems (Moser 1971, S. 172). Die Systemforschung kann als Oberbegriff für die Klasse aller Interdisziplinforschungen den realwissenschaftlichen Disziplinen zugeordnet werden (Kosiol/Szyperski/Chmielewics 1972,
2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering
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S. 74). Im Gegensatz zur Allgemeinen Systemtheorie umfasst ihr Gegenstandsbereich nicht die Theorien und Modelle der Einzeldisziplinen, sondern sämtliche empirischen Objektsysteme der Phänomenebene (Boulding 1956, S. 200). Die Erfüllung des Identitätsprinzips der Systemforschung durch die Determinierung des Problembereichs gestaltet sich im Vergleich zur Allgemeinen Systemtheorie ungleich schwieriger, da es sich hier um einen Prozess und nicht um ein konkretes Ergebnis handelt. So kann das Erkenntnisobjekt als Erhaltung einer evolutorischen Vorgehensweise (Boulding 1964, S. 28) bei der ganzheitlichen Beschreibung und Analyse von realen Phänomenen formuliert werden (Zahn 1972, S. 8), die eine problemorientierte, multidisziplinäre Kooperation bereits im Stadium der Theoriebildung verlangt (Ackoff 1961, S. 37), wobei insbesondere unbeabsichtigte Nebenwirkungen absichtsgeleiteter Handlungen antizipiert werden sollen (Schanz 1975, S. 12). Trotz der Verkettung einer Reihe von Aspekten ist bei genauer Betrachtung erkennbar, dass die Festlegung des Problembereichs zwar einerseits gewisse Möglichkeiten zur Begründung einer eigenständigen Wissenschaftsdisziplin offeriert, andererseits aber kein eindeutiges Alleinstellungsmerkmal herausstellt (Kosiol/ Szyperski/Chmielewics 1972, S. 78). Neben der inhaltlichen Unbestimmtheit aufgrund der Nichterfüllung des Identitätsprinzips lassen sich noch weitere Kritikpunkte an dem Ansatz der Systemforschung anführen. Das Postulat einer ganzheitlichen Betrachtungsweise impliziert bspw. die Forderung nach einer Aufhebung der traditionellen Disziplinengrenzen und einer neugegründeten Disziplinstruktur, die sich an den in der Realität vorkommenden Phänomenklassen ausrichtet. In diesem Zusammenhang wird allerdings weder ein Strukturierungsvorschlag unterbreitet, noch wird ersichtlich, welche Phänomene überhaupt als System behandelt werden sollen (Czayka 1974, S. 67). Der Terminus Systemforschung fungiert damit als Überbegriff für »spezielle« Systemtheorien und -techniken, die in den Einzelwissenschaften Einsatz finden und denen als Merkmal eine ganzheitliche Vorgehensweise gemein ist (Händle/Jensen 1974, S. 18). Des Weiteren sagt die Systemforschung nichts darüber aus, wie hinsichtlich eines konkreten Untersuchungsgegenstands die Selektion der Disziplinen vorzunehmen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu organisieren ist (Vogt 1983, S. 35). Aus wissenschaftstheoretischer Sicht kann zudem der mit der Forderung der ganzheitlichen Erfassung eines Phänomens einhergehende logische Widerspruch kritisiert werden, da es sich bei der Wissenschaft an sich um eine selektive Aktivität handelt (Schanz 1975, S. 12). Systemtheoretische Ausrichtung des Service Systems Engineering Allgemeine Systemtheorie und Systemforschung beschreiben nicht die einzig möglichen Erscheinungsformen systemtheoretischer Herangehensweisen. Vielmehr nehmen sie die Randpositionen eines Spektrums ein, innerhalb dessen sich weitere Ansätze einordnen lassen (Ackoff 1964, S. 51). Eine solche Mischform soll auch dem Konzept des Service Systems Engineering zugrunde gelegt werden. Dabei werden die positiven Gesichtspunkte der beiden systemtheoretischen Ansätze kombiniert und gleichzeitig die herausgestellten Defizite zu be-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
Formaltheorie Realtheorie
Maturana
Daenzer/Huber
Service Systems Engineering Theorie
Checkland
Miller
(Luhmann)
Service Systems Engineering Technik
Objekt
Phänomenebene
Technik
Theorieebene
seitigen versucht. Das in dieser Arbeit verwendete wissenschaftstheoretische Schema sowie die darin eingebundene Theorie und Technik des Service Systems Engineering visualisiert Abbildung 2.4.
Abbildung 2.4: Problemlösungsansatz des Service Systems Engineering im Rahmen der Systemwissenschaft
Das wissenschaftstheoretische Schema besteht aus den beiden Hälften Theorieebene und Phänomenebene. Erstere setzt sich zusammen aus den Ebenen Formaltheorie und Realtheorie, bei letzterer wird zwischen den beiden Ebenen Technik und Objekt unterschieden. Die systemwissenschaftlichen Aspekte verteilen sich auf die drei Bestandteile Allgemeine Systemtheorie, Spezielle Systemtheorie und Spezielle Systemtechnik. Damit lassen sich sowohl Probleme theoretischer als auch praktischer Art einordnen (Systemtheorie vs. Systemtechnik), wobei theoretische Probleme in erkenntnistheoretische Probleme der Systemtheorie an sich (All-
2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering
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gemeine Systemtheorie) und empirische Probleme der Einzelwissenschaften (Spezielle Systemtheorie) differenziert werden (Händle/Jensen 1974, S. 18). Die Allgemeine Systemtheorie ist der formaltheoretischen Ebene zugeordnet und entspricht in Bezug auf Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt dem zuvor beschriebenen, gleichnamigen Ansatz. Sie umfasst also sämtliche Realmodelle der Einzelwissenschaften (Gegenstandsbereich), welche sie hinsichtlich der Ableitung allgemein gültiger Formalmodelle (Problembereich) erforscht. Während das Ergebnis ursprünglich in mathematischen Aussagensystemen mündete (z. B. Mesarovi´c/Takahara 1989), entwickelten sich im Rahmen der Systembewegung (systems movement) eine Reihe weiterer Isomorphien abbildender Konzepte, Prinzipien und Methoden (Klir 2001, S. 47). Übersichten finden sich bspw. bei Leonard/Beer (1999) oder Flood/ Jackson (1991), wobei letztere zudem eine Typologisierung der Ansätze anhand der Kriterien Systemkomplexität und Interessenvielfalt beteiligter Einheiten vornehmen. Spezielle Systemtheorien basieren auf den Formalmodellen der Allgemeinen Systemtheorie. Im Gegensatz zu diesen besitzen sie jedoch einen konkreten Anwendungsbezug. Die von einer Speziellen Systemtheorie gebildeten Realmodelle gehören damit einerseits zum Gegenstandsund Problembereich der entsprechenden Einzeldisziplin. Andererseits verkörpern sie Erkenntnisobjekte der Realdimension einer allgemeinen Systemwissenschaft. Sie repräsentieren die Schnittmenge, die sich aus der Überschneidung von Allgemeiner Systemtheorie mit den orthogonal dazu stehenden Einzeldisziplinen ergeben (Kosiol/Szyperski/Chmielewics 1972, S. 77). In dem vorliegenden Ordnungsrahmen werden sie als eigenständiger, integraler Teil des Theoriebestands der entsprechenden Einzelwissenschaft betrachtet. Spezielle Systemtechniken leiten sich wiederum aus den Speziellen Systemtheorien der Einzeldisziplinen ab und werden dementsprechend als eigenständiger, integraler Teil von deren Bestand an Techniken angesehen. Auch in ihnen spiegelt sich die Überlagerung der Problembereiche von Allgemeiner Systemtheorie und der Theorie der entsprechenden Einzeldisziplin wider. Dies zeigt sich darin, dass sie Realtechniken mit Techniken der Systemgestaltung kombinieren. Spezielle Systemtechniken beschreiben folglich für einen konkreten Objektbereich konzipierte Ganzheiten von Routinen, Methoden(anwendungen) und Hilfsmittel, die zum einen den Einsatz naturwissenschaftlicher Erkenntnisse über den zugrunde liegenden Phänomenbereich beinhalten (Grochla 1964, S. 59) sowie zum anderen dabei auf die Erzeugung von Beziehungen zwischen gegebenen oder im Verlauf der Systemgestaltung zu bestimmenden Elementen abzielen (Wegner 1966, S. 26). Wie die Eingliederung der Speziellen Systemtheorien und -techniken in die existierende wissenschaftliche Disziplinenlandschaft bereits erkennen lässt, kommt der Ordnungsrahmen ohne die Konstituierung einer zweiten, synthetischen Theoriebildungsebene in Form von Interdisziplinen aus und trägt damit der Kritik am Ansatz der Systemforschung Rechnung. Der Forderung nach einer ganzheitlichen-multidisziplinären Behandlung von Problemstellungen wird stattdessen mit der Errichtung von Forschungs- und Gestaltungsprojekten begegnet. Wie der Prozess der Formulierung und Lösung bestimmter Phänomene nach dem wissenschaftstheo-
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
retischen Schema abläuft, soll nun anhand des Konzepts des Service Systems Engineering illustriert werden. Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Bemühungen bilden (hermeneutische) Erklärungsprobleme, die entweder aus (praxeologischen) Gestaltungsproblemen oder aus einem Realitätsausschnitt direkt resultieren (Ulrich 1984, S. 168–169). Sie bezwecken die Aufklärung bzw. Formung realer Phänomene und wirken konstituierend für interdisziplinäre Forschungsprojekte, sofern sie nicht ohne signifikanten Verlust an empirischem Gehalt einer einzelnen Disziplin zugeordnet werden können. Wie bereits in Abschnitt 2.1 dargelegt, besteht im Fall des Service Systems Engineering der Realitätsausschnitt (Gegenstandsbereich) aus der Menge aller potenziell entwickelbaren Dienstleistungen. Diesbezüglich stellt sich das Gestaltungsproblem, wie der Entwicklungsvorgang im Rahmen eines Gestaltungsprojekts möglichst effizient und effektiv abgewickelt werden kann (Problembereich), was wiederum das Beschreibungsproblem von Wirkungszusammenhängen in Dienstleistungserbringungs- und -entwicklungsprozessen impliziert (vgl. Abschnitt 2.2). Mit der Fokussierung auf das Gestaltungsinteresse wird dem Konzept, wie den Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften im Allgemeinen, ein reduzierter Erklärungsanspruch unterstellt (Böhme/van den Daele/Krohn 1973, S. 140). Im Unterschied zu den Naturwissenschaften steht damit weniger eine auf Explikationen, sondern vorwiegend eine auf die Zukunftsgestaltung ausgerichtete Zielvorstellung im Mittelpunkt (Ulrich 1971, S. 47). Gemäß dem Charakter der Problemstellung ist eine Auswahl der zu involvierenden Wissenschaftsdisziplinen zu treffen, welche durch interdisziplinäre Zusammenarbeit auf der realwissenschaftlichen Theoriebildungsebene das Problem einer theoretischen Lösung zuführen sollen. Im Hinblick auf das modellgestützte Service Systems Engineering wird dazu auf die Wirtschaftswissenschaft, in der das Erfahrungsobjekt Dienstleistung hauptsächlich untersucht wird, auf die Soziologie, die sich mit dem charakteristischen Moment der Sozialität beschäftigt, auf die Ingenieurwissenschaft, die sich mit der Konstruktion von Leistungen auseinandersetzt, sowie auf die Wirtschaftsinformatik zurückgegriffen. Die Wirtschaftsinformatik liefert Erkenntnisse über die Entwicklung der Leistung »Software« sowie vor allem einen Theoriebestand über die Erstellung und den Einsatz von (semi-formalen) Modellen. Des Weiteren steuert sie die Grundlagen für die Konzeption und Entwicklung der computergestützten Dienstleistungsentwicklungsplattform bei, die sämtliche Techniken des Service Systems Engineerings informationstechnisch begleitet (vgl. Abschnitt 5.2). Das Ergebnis des Forschungsprojekts wird in Form der Speziellen Systemtheorie »Service Systems Engineering Theorie« manifestiert. Diese setzt sich zusammen aus den instrumentalen Teiltheorien und einer speziellen Systemtheorie der beteiligten Einzeldisziplinen sowie den Formalmodellen verschiedener Ansätze der Allgemeinen Systemtheorie. Insbesondere findet im Kontext dieser Arbeit das Konzept des Systems Engineering Anwendung. Daneben werden weitere Theorien berücksichtigt, wie die Theorie autopoietischer Systeme nach Maturana (1975) und darauf aufbauend die Theorie sozialer Systeme nach Luhmann (2002) bei der Charakterisierung des Service Engineering Systems, die Soft Systems Methodologies
2.4 Synthese des modellgestützten Service Systems Engineering
57
nach Checkland (1981) in Verbindung mit der Beschreibung allgemeiner Verfahren zur Problemlösung sowie Aspekte der Living Systems Theory nach Miller (1978) im Rahmen der Zuordnung von Aufgabenträgern zu Funktionen des Dienstleistungsentwicklungsprozesses. Was die Eingliederung der Service Systems Engineering Theorie angeht, so soll sie an dieser Stelle den Wirtschaftswissenschaften zugeteilt werden. Dies wird mit der historischen Entwicklung des Service Engineering Ansatzes begründet, dessen Ursprünge primär in den Arbeiten der Dienstleistungs- bzw. Marketingforschung liegen (Bullinger/Meiren 2001, S. 152). Aufgrund der inzwischen stattfindenden Institutionalisierung des Service Engineering und der inhaltlichen Spezifizierung des Forschungsprogramms wäre ebenso die Gründung einer eigenständigen Disziplin denkbar (Fähnrich/Optiz 2006, S. 100–103). Aus der Service Systems Engineering Theorie lässt sich wiederum eine Service Systems Engineering Technik ableiten. Konkret werden aus einer idealtypischen Beschreibung des Service Engineering Systems zunächst auf realwissenschaftlicher Theorieebene unterschiedliche Modellierungstechnologien in Form von Sprachkonzepten und Notationen sowie anschließend die dazugehörigen Modellierungstechniken generiert, die einerseits die Planung und Steuerung des Entwicklungsprozesses sowie andererseits die Konstruktion des Entwicklungsobjekts Dienstleistung in der Praxis ermöglichen sollen. Die Spezielle Systemtechnik bildet die Voraussetzung für die praktische Lösung des ursprünglichen Gestaltungsproblems. Das Bedürfnis einer Dienstleistungsentwicklung löst die Konstituierung eines Gestaltungsprojekts und die adäquate Disziplinenauswahl aus. Während der interdisziplinären Kooperation auf Phänomenebene kann auf die Spezielle Systemtechnik und andere, disziplinspezifische Techniken der involvierten Wissenschaftsbereiche zurückgegriffen werden, wobei vor allem die gemeinsame Orientierung an systemtheoretischen Modellen und Begriffen die Zusammenarbeit erleichtert. Bevor in Abschnitt 4 das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering dargelegt wird, erfolgt im nächsten Abschnitt die analytische Herleitung eines idealtypischen Service Engineering Systems auf Basis einer systemtheoretischen Terminologie. Die Kenntnis über das Wirkungsgefüge des gesamten Entwicklungssystems bildet im Rahmen praktischer Gestaltungsprobleme die Voraussetzung für die formale Projektion noch nicht existierender Systeme, in der die einzelnen Bestandteile unter Berücksichtigung der dazwischen liegenden, systemimmanenten Interdependenzen zu einer optimierten Gesamtheit synthetisiert werden (Wegner 1966, S. 70). Die nachfolgende Systemanalyse gliedert sich in zwei Phasen. Zunächst wird die Abgrenzung des Service Engineering Systems von seiner Umwelt vorgenommen und schrittweise ein formales Beschreibungsmodell mit maximaler Komplexität aufgebaut, um den größtmöglichen Erkenntnisgewinn und so das tiefstmögliche Verständnis sicherzustellen. Die Durchführung dieses Schritts erfordert vorab die Schaffung eines einheitlichen Begriffsapparats durch die Spezifikation grundlegender Ausdrücke sowie deren Verhältnis zueinander, ohne das weder eine unmissverständliche Zusammenarbeit möglich ist noch das erkenntnistheoretische Potenzial der Systemtheorie erschlossen werden kann (Jensen 1983, S. 23). Der zweite Schritt
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Kapitel 2 Von Dienstleistungen und deren systemischer Entwicklung
beinhaltet die gezielte Reduktion der Systemkomplexität in handhabbare Einheiten mittels einer gedanklich vorgenommenen Ausdifferenzierung. Diese Phase zielt auf die Disjunktion von wesentlichen und unwesentlichen Momenten in Bezug auf konkrete Fragestellungen ab, um dadurch zu Erkenntnissen über Charakter und Gesetzmäßigkeiten des betrachteten Ausschnitts und schließlich des gesamten Service Engineering Systems zu gelangen (Oertli-Cajacob 1977, S. 24).
Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems Only very naive people are capable of believing that the nature of man could be transformed into a purely logical one. Friedrich Nietzsche
3.1 Charakterisierung des Service Engineering Systems 3.1.1 Paradigmen der Systemtheorie Die Systemtheorie vollzog im Laufe der Zeit zwei Paradigmawechsel, die sich im Übergang zwischen den Leitdifferenzen Ganzes/Teil, System/Umwelt und Identität/Differenz widerspiegeln (Luhmann 2002, S. 20). Der Terminus Paradigma bezeichnet dabei ein Überzeugungen, Wertvorstellungen und Techniken definierendes Denkmodell, auf dem das Arbeiten in einem Wissenschaftsgebiet basiert. Dieses hält grundsätzliche und allgemein anerkannte Annahmen bereit, um eine handlungs- und forschungsrelevante Verringerung der Realitätskomplexität zu gewährleisten. Ein Paradigma dient dem Abgleich und der Beurteilung von Erfahrungen und ermöglicht dadurch erst die Orientierung innerhalb einer Wissenschaftsdisziplin (Kuhn 1976, S. 25–36). Unter einer Leitdifferenz versteht man eine Unterscheidung, an der sich eine Theorie orientiert. Sie kann auch die Qualität eines Paradigmas einnehmen, sofern sie für die gesamte Informationsverarbeitung maßgeblich ist (Luhmann 2002, S. 19). Mit jeder paradigmatischen Umdisposition der Systemtheorie erfolgte eine fundamentale Theorieerweiterung und folglich eine Steigerung der analytischen Kapazität, die jedoch gleichzeitig mit einer höheren Eigenkomplexität der Theorie einherging (Willke 1993, S. 7). Der ursprüngliche Theorierahmen wird also nicht verworfen, sondern geht jeweils vollständig in der neuen Fassung auf und behält somit auch nach einer Überführung Gültigkeit. Dies führt schließlich dazu, dass die gesamte Systemtheorie inzwischen eine nur schwer zu handhabende Komplexität erreicht hat. Ihre Beschreibung ist insbesondere mit drei Proble-
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
men behaftet (Willke 1993, S. 12–13). Erstens stellen die einzelnen Gesichtspunkte ein stark interdependentes Wirkungsgefüge dar, sodass die Einführung eines Aspekts jeweils die Kenntnisse anderer Aspekte voraussetzt und sie im Grunde simultan wiedergegeben werden müssten. Zweitens erfordert die Einordnung eines Gesichtspunkts in den Gesamtkomplex einen gewissen Überblick über die Hauptlinien systemtheoretischer Argumentationen, wobei sich dieser frühestens nach der Erläuterung einiger Grundbestandteile herausbilden kann. Drittens wirkt die verwendete Sprache häufig ungewohnt und künstlich. Der Grund dafür liegt in der im Rahmen der Entwicklung des Theoriekonzepts eingeführten Termini sowie in der vorgenommenen Belegung von Begriffen mit Bedeutung, die von der des allgemeinen Sprachgebrauchs abweicht. Mit dem Wissen über diese Probleme wird nachfolgend versucht, die zur Beschreibung und zum Verständnis des Service Engineering Systems notwendigen systemtheoretischen Grundlagen sukzessive aufzubauen. Zur Unterstützung des schrittweisen Vorgehens wird auf die drei Leitdifferenzen Ganzes/Teil, System/Umwelt bzw. Identität/Differenz zurückgegriffen (vgl. Abbildung 3.1). Der so generierte Themenkomplex soll als Basis für die Entwicklung eines die Varietät einer Dienstleistungsentwicklung entsprechend wiedergebenden Beschreibungsmodells fungieren und dieses mit einem äußerst umfangreichen Auflösungs- und Analysevermögen ausstatten.
Systemgrenze
extern
offen
intern
Beobachter
geschlossen
Abbildung 3.1: Paradigmawechsel der Systemtheorie
Gemäß der Abbildung lassen sich die Leitdifferenzen zunächst mittels der Kriterien Systemgrenze und Beobachter skizzieren. Originär werden Systeme als geschlossene, klar definierte und konkret existierende Einheiten angenommen, die von außen vollständig kontrollierbar sind. Sie gelten als besondere Objekte im Unterschied zu irgendwelchen anderen Objekten. Den ersten Paradigmawechsel charakterisiert die Öffnung von Systemen und damit der Übergang von fremdbeobachteten und -gesteuerten Systemen hin zu gegenüber der Umwelt abge-
3.1 Charakterisierung des Service Engineering Systems
61
grenzten und selbststeuernden Systemen. Durch die Differenz von System und Umwelt vollzieht sich der Wechsel von einem absoluten zu einem relativistischen Systemverständnis. Die Betrachtung beschränkt sich demnach nicht mehr auf ein isoliertes Objekt und dessen Struktur. Vielmehr kann grundsätzlich alles erfasst werden, was vorkommt, sofern man es anhand des zugrunde liegenden Unterscheidungsmoments jeweils dem System oder seiner Umwelt zuordnen kann. Mit dem ersten Paradigawechsel verbunden ist eine Reduzierung externer Einflussmöglichkeiten. Bedingt durch den Umweltbezug von Systemen fokussiert die Systemdarstellung auf den funktionalen Aspekt und demnach auf die Frage, mit welchen Regelkreisen und Steuerungsmechanismen Systeme auf Umweltimpulse reagieren. Ihre Operationsweise kann dabei als zuverlässig und berechenbar bezeichnet werden. Die Annahme der Kontrollierbarkeit wird bei solchen Trivialmaschinen aufgehoben, sodass Systeme durch einen externen Beobachter lediglich mit entsprechenden Methoden lenkend beeinflusst werden können. Der zweite Paradigmawechsel löst sich von der Vorgabe, dass der Beobachter eines Systems grundsätzlich in der Umwelt anzusiedeln ist. Die Möglichkeit seiner Integration führt zur Theorie selbstreferenzieller Systeme, die sich eigenständig durch ihre Abgrenzung zur Umwelt bilden und sich in der Umwelt erhalten können. Dieser Ansatz ermöglicht die Unterscheidung der systemeigenen System/Umwelt-Distinktion von der eines externen Beobachters. Die aus ihrer Fähigkeit der Identitätserzeugung resultierende Autonomie führt dazu, dass das Systemverhalten für Außenstehende nicht mehr prognostizierbar ist. Im Gegensatz zu den Trivialmaschinen der System/Umwelt-Leitdifferenz stellen selbstreferenzielle Systeme Maschinen dar, deren Operationen u. a. von ihrer Historie beeinflusst werden und zufällig kreativ sind. Eine externe Systemkontrolle oder -steuerung wird somit vollständig ausgeschlossen, lediglich von außen vorgenommene Interventionen sind möglich. Nach diesem kurzen Überblick über die Entwicklung des Systembegriffs wird im Folgenden anhand der drei Leitdifferenzen Ganzes/Teil, System/Umwelt sowie Identität/Differenz der Theoriekomplex schrittweise aufgebaut, der das Systemverständnis dieser Arbeit widerspiegelt und der die Basis des in Abschnitt 3.1.3 konzipierten Dienstleistungserbringungssystems sowie des in Abschnitt 3.1.4 konzipierten Service Engineering Systems bildet. Ganzes/Teil-Leitdifferenz Die einfachste Form des Terminus System repräsentiert die Aussage von Aristoteles, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile sei (von Bertalanffy 1972a, S. 21). Dies bedeutet, dass einerseits eine verlustlose Disaggregation eines Systems in voneinander unabhängige Elemente nicht möglich ist und andererseits selbst vollständiges Wissen über einzelne Aspekte keine zwingenden Folgerungen auf die Verfassung des komplexen Phänomens zulässt (Müller 1996, S. 210). Das Zustandekommen von Eigenschaften eines Systems, die nicht mehr aus den Eigenschaften der Elemente kausal erklärbar bzw. formal ableitbar, sondern erst für die übergeordnete Ebene charakteristisch sind, wird als Emergenz bezeichnet (Etzioni 1968, S. 45). Emergente Eigenschaften wirken somit konstituierend für eine qualitativ neue Betrachtungs-
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ebene und bilden zunächst die einzig notwendige Bedingung für die Existenz eines Systems in einem gegebenen Raum/Zeit-Kontinuum (Krohn/Küppers 1992, S. 389). Die Ermittlung der eine Emergenz motivierenden Mechanismen und Gesetze stellt häufig keine triviale Aufgabe dar. Vielmehr führt sie im Einzelfall an die Grenzen des natur- und sozialwissenschaftlichen Wissens (Willke 1993, S. 154). Da Elemente im Rahmen der Systemtheorie als nicht weiter auflösbare Einheiten definiert sind, können sie nicht zur Begründung der neuen Qualitäten einer höheren Ebene herangezogen werden. Demnach lassen sich emergente Eigenschaften ausschließlich auf die Relationierung der Elemente zurückführen und nicht auf deren Auflösung oder interne Umstrukturierung (Grobstein 1973, S. 45). Systeme selektieren also aus allen potenziellen Verknüpfungen diejenigen, die ein koherentes, abgestimmtes Verhalten der einzelnen Systemelemente gewährleisten, und spezifizieren damit einen Phänomenbereich (Morin 1974, S. 558). Zudem sind die einzelnen Relationen zwischen den Elementen nicht isoliert zu bewerten, sondern miteinander in Beziehung zu setzten, da diese sich wiederum im Hinblick auf die Realisierung emergenter Eigenschaften häufig wechselseitig bedingen (Luhmann 2002, S. 44). Die Eröffnung neuer Möglichkeiten eines Systems verlangt folglich sowohl die Verknüpfung der Elemente als auch die Konditionierung der Relationen bzgl. einer gemeinsamen Verfolgung gleicher Ziele und unterliegt in zweifacher Weise einer Selbsteinschränkung. Das »Zusätzliche« der Emergenz basiert somit paradoxerweise auf »Beschränkungen«. Das für die eindeutige Definition einer Systemeinheit notwendige Relationenmuster, bestehend aus allgemeinen Beziehungen sowie deren Konditionierung, wird als dessen (instrumentale) Organisation bezeichnet (Varela/Maturana/Uribe 1974, S. 188). Die Organisation ist folglich per definitionem invariant, sodass ihre Veränderung zwangsläufig ein anderes System begründet (Varela 1984, S. 25). Demgegenüber steht der Begriff der Struktur. Diese umfasst die tatsächlich gegebenen Bestandteile sowie die konkret dazwischen existierenden Beziehungen (Klaus 1968, S. 625). Damit eine Struktur als eine Ausprägung einer bestimmten Systemeinheit bzw. -klasse angesehen werden kann, müssen ihre Relationen der zugrunde liegenden Organisation genügen (Maturana 1975, S. 316). Dies bedeutet zum einen, dass diejenigen Relationen eines Systems, die eine Instanz der Organisation beschreiben, eine unechte Teilmenge sämtlicher Strukturbeziehungen darstellen. Zum anderen führen Modifikationen an der Struktur nicht automatisch zur Auflösung des Systems, sofern seine Organisation unverändert bleibt. Verschiedene Systeminstanzen mit unterschiedlichen Strukturen können also derselben Systemklasse angehören, was einem System erlaubt, auf Veränderungen reagieren zu können (von Krogh/Roos 1995, S. 36). Der Bereich, der alle möglichen Relationen und Interaktionen einer Menge von Elementen beinhaltet, wird Raum genannt, wobei er von den Eigenschaften seiner Elemente beeinflusst wird (Maturana 1975, S. 315). Die Konstitution eines konkreten Systems in einem Raum setzt daher voraus, dass die gegebenen Elemente in diesem Raum definiert werden und die Eigenschaften besitzen, die die Herstellung der die Organisation erfüllenden, konkreten Relationen zulassen (Maturana/Varela 1980, S. 77). Die Struktur eines Systems legt somit über die darin
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enthaltenen Komponenten den Raum fest, in dem es existiert. Sie determiniert jedoch nicht die emergenten Eigenschaften einer Systemeinheit (Holten 1999, S. 144). Diese resultieren einzig aus der Organisation, da sie den Bereich bestimmt, in dem das System als Ganzes durch die Menge der die Organisation konstituierenden Relationen interagieren kann und als Ganzes behandelt wird (Maturana 1975, S. 316). Bisher wurde der Prozess der Systembildung als einmaliger Vorgang angesehen, der durch das Kriterium der Emergenz geprägt ist. Dieser Prozess lässt sich bei komplexen Effekten häufig rekursiv wiederholen, d. h. ein ursprünglich gebildetes System besitzt potenziell selbst Interdependenzen zu anderen Entitäten, aus denen emergente Eigenschaften hervorgehen können. In diesem Fall findet ein Wechsel der Betrachtungsebene und damit eine Relativierung der Definition eines Elements als nicht weiter zerlegbare Einheit eines Systems statt. Das zunächst gebildete System wird zu einem Element einer nächsthöheren Ordnung uminterpretiert, das in Verbindung mit anderen Elementen dieser Ordnung emergente Eigenschaften konstituieren kann (Simon 1990, S. 196). Auf diese Weise lässt sich der Grundaufbau eines komplexen Objekts stufenweise (re-)konstruieren. Eine Hierarchisierung kann alternativ auch durch Verschachtelung von Ganzes/Teil-Distinktionen, also mittels Bildung von Subsystemen, über einer Grundmenge von Basiselementen und dem durch diese aufgespannten Raum durchgeführt werden, ohne dass gleichzeitig ein Wechsel des Emergenzniveaus einhergeht (Hall 1989, S. 59). Während erstere Zerlegung also nicht weiter auflösbare Einheiten entstehen lässt (Theorie der Systemkomplexität), stellen Teilsysteme das Ergebnis letzterer Aufspaltung dar (Theorie der Systemdifferenzierung). Beispielhaft ausgedrückt erhält man im ersten Fall die Steine, Balken, Nägel etc. eines Hauses, im zweiten Fall dessen Zimmer (Luhmann 2002, S. 41). Anhand der Hierarchiearten lässt sich auch der Unterschied zwischen den bisher als äquivok behandelten Begriffen Element, Teil und Subsystem verdeutlichen. So fungieren Elemente als potenzielle Bestandteile eines Systems, die erst dann zum Teil des Ganzen werden, wenn sie in dessen Kontext entsprechenden Gesetzmäßigkeiten unterliegen (Willke 1993, S. 159–160). Ein Subsystem dient demgegenüber der Differenzierung eines bestimmten Bereichs innerhalb eines Systems gegenüber anderen zum Zwecke der Komplexitätseinschränkung. Der allgemeinere Terminus Teil umfasst als Distinktion zum Ganzen wiederum beide Begriffe und kann in beiden Kontexten verwendet werden (Göpfert 1998, S. 16). Die vertikalen Strukturierungen eines Phänomens ermöglichen jeweils dessen Betrachtung auf unterschiedlichen Detaillierungsniveaus, aus denen das jeweils zur Analyse qualifizierteste auszuwählen ist. Untere Ebenen liefern dabei ein spezifischeres Bild der Systemstruktur, während höhere Ebenen ein tieferes Verständnis der Gesamtzusammenhänge vermitteln und eine Beurteilung der Relevanz einzelner untergeordneter Einheiten erlauben (Mesarovi´c/Macko 1969, S. 35).
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System/Umwelt-Leitdifferenz Im ersten Paradigmawechsel erfolgte eine Ablösung der Ganzes/Teil-Unterscheidung durch die Differenz von System und Umwelt. Dieser u. a. durch von Bertalanffy initiierte Übergang ist geprägt von der Vorstellung, dass Systeme nicht mehr geschlossene und an sich existierende Ganzheiten darstellen, sondern ihre Berechtigung aus einer spezifisch vorgenommenen Abgrenzung zu ihrer Umwelt beziehen (von Bertalanffy 1968, S. 39). Die Festlegung der Grenze und nicht mehr die Organisation wird als konstitutiver Faktor der Systembildung begriffen und zielt auf eine sinnvolle Trennung zwischen der insgesamt anfallenden und der jeweils verarbeitbaren Komplexität ab (Willke 1993, S. 6–7). Die theoretische Umdisponierung führt dazu, dass sich auf dieser Grundlage nun neben materiellen Konkretisierungen zusätzlich auch abstrakte Einheiten als Untersuchungsgegenstand begreifen lassen. Die ursprüngliche Theorie der Systemdifferenzierung kann als die Zusammensetzung eines separierten Gesamtsystems aus darin enthaltenen System/Umwelt-Distinktionen reformuliert werden. An Stelle der Subsysteme tritt bei wiederholter Anwendung des Differenzierungskonzepts schließlich eine Anzahl umweltoffener Systeme. Die Ausdifferenzierung besitzt gegenüber der ursprünglichen Hierarchisierung den Vorteil, dass sie nicht auf eine eindimensionale Realteilung in disjunkte Einheiten eingeschränkt ist. Vielmehr lässt sie sich innerhalb eines Gesamtsystems gleichzeitig nach verschiedenen Gesichtspunkten durchführen, wobei jede einzelne Teilsystem/Umwelt-Unterscheidung wiederum das Gesamtsystem aus einer eigenen, von den übrigen Aspekten unabhängigen Sicht repräsentiert (Luhmann 2002, S. 37– 38). In Bezug auf die Theorie der Systemkomplexität ist Analog zur Abhandlung der Ganzes/Teil-Unterscheidung die Geschlossenheit des Elementbegriffs wiederum nicht absolut zu verstehen, sondern in Relation zur Betrachtungsebene eines Systems zu setzen. Verlangt eine Systemanalyse ein tieferes Verständnis eines Elements, kann der aktuelle System/Umwelt-Zusammenhang aufgelöst und auf eine Systemebene niedrigerer Ordnung übergewechselt werden. Der Paradigmawechsel eröffnet neue Analysemöglichkeiten von Systemen, da diese nicht mehr ausschließlich auf Strukturuntersuchungen eingeschränkt sind. Die Offenheit schafft die Voraussetzung für die Erfassung der Interaktionsbeziehungen zwischen System und Umwelt in Form von äußeren Eigenschaften, die sich aus Eingangsgrößen (Inputfaktoren) und Ausgangsgrößen (Outputfaktoren) zusammensetzen. Mit dieser Erweiterung um das Input/Output-Begriffsschema rückt erstmals eine funktionale Systemvorstellung in den Vordergrund. Die Betrachtung der Transformation systemspezifischen Inputs zu systemspezifischem Output fokussiert auf die Verhaltensweise eines Systems, wobei die Struktur die internen Bedingungen bzw. Regeln der Verarbeitung repräsentiert (Händle/Jensen 1974, S. 31). In Ergänzung zur Frage nach der strukturellen Abbildung eines Systems (»What is this thing?«) findet in der System/Umwelt-Leitdifferenz vor allem die Beobachtung gewisser Interaktionsbeziehungen zur Umwelt Anwendung (»What does it do?«) (Ashby 1957, S. 1).
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In seiner einfachsten Form wird die funktionale Systembetrachtung mittels des Input/OutputSchemas häufig mit dem Konzept einer »Black Box« verbunden (Luhmann 2002, S. 275). Unter einer Black Box versteht man eine unbekannte Maschine, von deren grundsätzlicher Determinierbarkeit ausgegangen wird, wobei der determinierbare Mechanismus selbst von außen nicht ersichtlich ist (Glanville 1988, S. 100). Übertragen auf ein System bedeutet dies, dass der als invariant angenommene Aufbau einer Systeminstanz sowie die darin ablaufenden Operationen verborgen bleiben und sie als undurchschaubare Einheit akzeptiert wird. Die Untersuchung des Systemverhaltens sieht sich der Herausforderung gegenüber, dass Systeme in der Regel (scheinbar) alternative bzw. aufgrund der hohen Komplexität nicht nachvollziehbare Reaktionen auf einen Umweltreiz produzieren und daher aus dem Verhältnis zwischen Eingangs- und Ausgangsgrößen keine lineare Kausalitätslogik abgeleitet werden kann (Kneer/ Nassehi 2000, S. 22). Der Output wird also nicht a priori durch den Input determiniert, sondern hängt von den Möglichkeiten des Systems ab, auf der Grundlage seiner Struktur einen bestimmten Anstoß verarbeiten zu können. Unter der Annahme der Black Box wird das Systemverhalten daher aus der Beobachtung von Regelmäßigkeiten im Input/Output-Verhältnis rekonstruiert. Das Ergebnis dokumentiert sich in der Klassifikation der Ausgangsgrößen, die durch eine Manipulation der Eingangsgrößen hervorgerufen werden (Jensen 1983, S. 35). Lockert man die Annahme der Black Box, so lassen sich neben Angaben zu Eingangs- und Ausgangsfaktoren zusätzlich Zustände in die Systemwiedergabe miteinbeziehen. Dabei handelt es sich um die zeitpunktbezogene und zweckgerichtete Summe von Eigenschaftsausprägungen eines Systems, die dessen äußerlich feststellbare Verfassung zu einem bestimmten Zeitpunkt repräsentieren (Grochla 1974, S. 14). Aus der Aneinanderreihung von Zuständen im linearen Zeitverlauf resultiert schließlich eine Skizze des den Output erzeugenden Systemverhaltens (Müller 1996, S. 212). Eine detaillierte Kenntnis von der systeminternen Struktur oder den zwischen den Zuständen stattfindenden Übergängen ist für die Erstellung nicht erforderlich (Vogt 1983, S. 56). Die Abbildung der Reaktion eines Systems auf einen Umweltreiz kann folglich als Kombination einer konkreten Zustandsfolge mit einer Klassifizierung des Systemoutputs dargestellt werden. Häufig ist jedoch eine Charakterisierung des Verhaltens über eine Folge von eingefrorenen Systemzuständen nicht zufriedenstellend. Von Interesse sind stattdessen die dahinter liegenden Operationen, die einen Zustand in den jeweils nächsten transformieren (von Kempski 1964, S. 297). Um die Anpassungsvorgänge eines Systems in einer irreversiblen Zeit detailliert erfassen zu können, ist zunächst eine Komplexitätserweiterung der Systemtheorie um eine zeitliche Dimension vonnöten (Luhmann 2002, S. 77). Diese stattet Elemente sowie die dazwischen liegenden Beziehungen mit Zeitvariablen aus. Die einzelnen Systembestandteile besitzen sowohl ein Entstehungs- als auch ein Verfallsdatum. Das daraus resultierende Intervall determiniert die Lebensdauer eines Elements, die im Extremfall infinitesimal klein sein kann und Elemente auf bestandslose Ereignisse reduziert. Kombiniert mit der zeitlichen Verknüpfung von Elementen mittels einer Vorgänger/Nachfolger-Differenzierung wird dadurch
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die notwendige Voraussetzung geschaffen, Systeme in einer irreversiblen Zeit adäquat abbilden zu können. Zur besseren Handhabung der Theoriekomplexität wird explizit eine Unterscheidung von Systemstruktur und Systemprozess vorgenommen (Willke 1993, S. 100). Dabei ist jedoch zu beachten, dass beide Perspektiven sich gegenseitig bedingen und die Behandlung des einen Aspekts automatisch die Anwesenheit des jeweils anderen miteinschließt. So handelt es sich einerseits bei dem Vorgang der Strukturänderung um einen Prozess, andererseits weisen Prozesse gewisse Strukturen auf. Aus diesem Grund eignen sich Begriffspaare wie »Statik/Dynamik« oder »Konstanz/Wandel« wenig zur Beschreibung der Distinktion von Struktur und Prozess (Luhmann 2002, S. 73). Vielmehr weisen sie verschiedene Zeitschichten auf, sodass als Unterscheidungsmerkmal zweckdienlicher deren Verhältnis zu einer irreversibel angesetzten Zeit herangezogen werden kann (Koselleck 1979, S. 144). Strukturen sind gekennzeichnet durch das Konservieren von Zeit und garantieren dadurch eine gewisse Reversibilität von Verhältnissen. Sie stellen hinsichtlich ihrer Bestandteile einen begrenzten Umfang an Manipulationsmöglichkeiten zur Verfügung, innerhalb diesem Relationen zeitunabhängig aufgehoben oder geändert werden können. Prozesse hingegen markieren die Unumkehrbarkeit der Zeit. Sie entstehen dadurch, dass konkrete, irreversible Ereignisse zeitlich aufeinander aufbauen und aneinander anschließen (Luhmann 2002, S. 74). Prozesse können daher nicht rückwärts ablaufen. Ungewollte Änderungen lassen sich lediglich unter bestimmten Umständen dahingehend rückgängig machen, dass ein Ereignis der Vergangenheit unter Inkaufnahme eines Aufwands an Zeit (und Kosten) durch eine entsprechende Operation erneut erzeugt wird (Luhmann 2002, S. 71). Aufbauend auf diesen theoretischen Grundlagen kann der das Systemverhalten verursachende Prozess näher spezifiziert werden. Die in einer diskreten Abfolge verbundenen Systemzustände lassen sich als Bezugspunkte für den Ereignisfluss interpretieren, der den Prozess konstituiert (Jensen 1983, S. 40). Zustände und somit auch die diese bedingenden Strukturen werden also über die Referenzierung auf Ereignisse temporalisiert. Innerhalb des Prozesses werden Ereignisse bzw. Zustände von Operationen generiert, denen selbst ebenfalls ein momenthafter Charakter zugesprochen wird. Gleichzeitig fungieren sie als Auslöser von Operationen. Ein Prozess repräsentiert also eine Folge von durchgeführten Aktivitäten, die sich über die Verknüpfung mit Ereignissen in einen temporären Rahmen einordnen lassen. Er lässt sich demnach in Abhängigkeit von der Zielsetzung einer Untersuchung als Ereignisfolge, als Operationsfolge oder als bipartite Verknüpfungen von Ereignissen und Operationen betrachten. Aufgrund der Spezifizierung der Prozessstrukturform gestattet die funktionale Sichtweise insbesondere eine stark formalisierte Darstellung von Systemen und bildet damit die Grundlage für weitere Analysen (Klaus 1968, S. 693). Das Input/Output-Schema diente bisher als Initiator bzw. Ergebnis eines Prozesses. Da externe Einflüsse auf ein System jedoch häufig keine einmaligen Vorgänge darstellen, erfährt auch die Differenz zwischen Eingangs- und Ausgangsfaktoren eine Temporalisierung. Umweltreize können potenziell zu mehreren Zeitpunkten auf ein System einwirken und eine entsprechende
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Leistungsabgabe verursachen. Damit erhält die Differenz von Umwelt und System eine asymmetrische Form. Jedes System verfügt synchron zur Zeit über eine Input- (Zulieferung) sowie über eine Outputgrenze (Abnahme), wobei diese zur Sicherstellung einer geordneten Erfassung der System/Umwelt-Unterscheidung explizit zu trennen sind (Luhmann 2002, S. 277). Das Vorhandensein der beiden Systemgrenzen eröffnet Möglichkeiten der Systemsteuerung. Damit ein Prozess starten kann, müssen in der Regel vorher bestimmte Bedingungen vorliegen. Ebenso unterliegen seine Ergebnisse gewissen Erwartungen. Durch die Bereitstellung geeigneter Bedingungen bzw. durch die Abnahme und Wertschätzung der erzeugten Leistungen kann die Umwelt das System stützen und somit das Systemverhalten beeinflussen. Die Zuordnung von Auslösebedingungen, bezweckten Folgen oder beiden Aspekten, die auf die Richtigkeit des Handelns abzielen, wird als Programmierung des Handelns bezeichnet. Diese lassen sich in Abhängigkeit ihres Bezugs auf Bedingungen bzw. Ergebnisse in Konditionalbzw. Zweckprogramme differenzieren (Luhmann 2002, S. 278). Des Weiteren kann zwischen System und Umwelt sowohl input- als auch outputseitig ein Austausch realer Faktoren erfolgen. Diese lassen sich jeweils nach den drei Kategorien Materie, Energie und Information klassifizieren (Ellis/Ludwig 1962, S. 3), wobei Informationen nie isoliert, sondern immer in Verbindung mit Materie bzw. Energie als deren Träger auftreten (Baetge 1974, S. 37). Materie fasst sämtliche Objekte zusammen, die eine Masse besitzen und einen physikalischen Raum belegen (Miller 1978, S. 11). Für die Systembetrachtung können deren physikalische, chemische, elektrische, magnetische oder metallurgische Grundeigenschaften von Interesse sein (Chestnut 1973, S. 54). Energie ist definiert als das Vermögen, Arbeit zu verrichten (Höfling 1990, S. 108). Der Energieaspekt adressiert die Kompetenz eines Systems, durch die Umwandlung, Übertragung und Verteilung der zugelieferten Energie entsprechende energetische Ausgabefaktoren erzeugen zu können (Chestnut 1973, S. 49–50). Information wurde als dritte Grundgröße der Systemwelt eingeführt (Wiener 1955, S. 155) und subsumiert alles, was codiert und durch einen Kanal zwischen Sender und Empfänger übermittelt werden kann (Shannon 1948, S. 380–381). In Abhängigkeit von der betrachteten semiotischen Sprachebene können drei Dimensionen der Information unterschieden werden (Shannon/Weaver 1964, S. 4). Demnach versteht man unter Information eine Folge oder Anordnung von Zeichen, die mit einer bestimmten Häufigkeit auftreten (Syntax), denen eine Bedeutung beigemessen werden kann (Semantik) oder die zur Vorbereitung von Handlungen und Entscheidungen verwendet werden können (Pragmatik) (Morris 1946, S. 219). Insbesondere die Pragmatik steht bei dem Informationsaspekt der Systemtheorie im Vordergrund, da dieser sich auf die Genauigkeit bzw. Richtigkeit von Daten und ihre zeitgerechte Bereitstellung bzw. Verarbeitung bezieht (Chestnut 1973, S. 56). Von der mikroperspektivischen Betrachtung eines Systems und seiner Umwelt sind die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Systemen in einer Umwelt zu unterscheiden (Luhmann 2002, S. 36–37). Hierbei bestimmt der Grad der jeweiligen Systemoffenheit sowie die -anpassungsfähigkeit die Intensität wechselseitiger Möglichkeiten der Beeinflussung. Ebenso individuell gestaltet sich die Wahrnehmungsfähigkeit eines Systems bzgl. Anzahl und Art umliegender
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Systeme. Darüber hinaus kann ein System ein tieferes Verständnis der wahrgenommenen Systeme aufweisen. In diesem Fall ist es in der Lage, die primär gegebenen Einheiten seiner Umwelt als externer Beobachter aufzulösen und die konstituierenden Relationen zu erkennen (Luhmann 2002, S. 256). Das Wissen über die verschiedenen, sich wechselseitig überschneidenden System/Umwelt-Perspektiven vermittelt dem System schließlich ein detailliertes Gesamtbild seiner Umwelt. Auf dieser Grundlage kann ein System wiederum eigene Unterscheidungsschemata anwenden und somit seine Umwelt für sich neu ordnen. Ein solches Muster stellt bspw. die Distinktion in Zulieferer und Abnehmer von Leistungen dar. Die Vielfalt an Differenzierungsstrategien wird bestimmt durch den Objektivierungsgrad eines Systems. Während sich einfachere Unterscheidungsmuster an dem System selbst orientieren (z. B. artgleich/artungleich), gestatten objektivierende Strategien die Bildung neutraler Typologien von Umweltsystemen (Luhmann 2002, S. 257). Identität/Differenz-Leitdifferenz Die Substitution der System/Umwelt-Leitdifferenz durch diejenige von Identität und Differenz ist Gegenstand des zweiten Paradigmawechsels. Der maßgeblich von Maturana und Varela geprägte Ansatz stellt aufbauend auf der Theorie offener Systeme deren Selbstreferenz in den Mittelpunkt der Betrachtung. Selbstreferenz bezeichnet die Fähigkeit einer Entität, unabhängig von externen Einflüssen einen Bezug zu sich selbst herstellen und seine Einheit (Identität) durch die Abgrenzung von seiner Umwelt (Differenz) eigenständig konstituieren zu können. Sie setzt sowohl das Vorhandensein einer Umwelt (von Foerster 1960, S. 33) als auch die Fähigkeit eines systemintern angesiedelten Beobachters voraus, seine Einheit mittels eigener Handlungen und Gedanken in rekursiver Weise spezifizieren zu können (Maturana 1975, S. 315). Die Bezugnahme einer Entität auf sich selbst verlangt also nach der Erzeugung und Anwendung einer Selbstbeschreibung, die als Differenz von System und Umwelt systemintern zur Orientierung verwendet wird (Luhmann 2002, S. 25). Selbstreferenzialität bedeutet ebenfalls, dass die Einheit eines Systems durch eine relationierende Operation erzeugt werden muss und nicht als grundsätzlich gegeben angenommen werden kann (Luhmann 2002, S. 58). Auf der Grundlage der Identität/Differenz-Unterscheidung kann explizit die System/UmweltDistinktion aus Sicht eines externen Beobachters von der im System selbst vorliegenden differenziert werden (Luhmann 2002, S. 25). Hinsichtlich der Art der Entitäten existieren drei Formen der Selbstreferenz, die sich jeweils an einer Leitunterscheidung manifestieren. So spricht man von basaler Selbstreferenz, wenn die Distinktion von Element und Relation zugrunde gelegt wird und es sich bei der Entität, die sich referiert, um ein Element handelt (Luhmann 2002, S. 600). Reflexivität bzw. prozessuale Selbstreferenz beruht auf der Differenz von Vorher zu Nachher. Das sich referierende Selbst stellt in diesem Fall nicht ein Moment der Unterscheidung dar, sondern der durch sie konstituierte Prozess. Dieser sowie die selbstreferenzierende Operation weisen dabei die gleichen prozesstypischen Merkmale auf, sodass bspw. im Rahmen eines prozessual-selbstreferenzi-
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ellen Planungsvorgangs Handlungen durch Handlungen initiiert werden müssen (Luhmann 2002, S. 601). Zudem ermöglicht die Reflexivität, dass ein Prozess seinen Ablauf bzw. auch sein Nichtstattfinden bewerten und kontrollieren kann (Luhmann 2002, S. 612). Die Unterscheidung System/Umwelt dient der dritten Form der Selbstreferenz als Grundlage, bei der das System als das Selbst fungiert. Diese als Reflexion bezeichnete Art der Selbstreferenz entspricht der eingangs erwähnten Operation, mit der das System sich selbst in Abgrenzung von seiner Umwelt markiert (Luhmann 2002, S. 601). Die ersten Anwendungen der Theorie selbstreferenzieller Systeme betrafen deren Selbstorganisation, wobei an dieser Stelle unter dem Terminus Organisation nicht wie in den Schilderungen zur Ganzes/Teil-Differenz der instrumentale, sondern der funktionale Aspekt, also der Prozess des Organisierens, verstanden wird (Grochla 1975, S. 2). Der Begriff beinhaltet die Herstellung und die Beseitigung von Strukturbeziehungen durch das System selbst. Entsprechende Systeme sind in der Lage, eigenständig nach Bedarf Relationen zwischen Elementen zu erzeugen oder aufzuheben (Ashby 1962, S. 266). Selbstorganisation kann je nach Kontext durch zwei unterschiedliche Auslöser motiviert werden. Zum einen stellt sie eine selbsteingeleitete Reaktion auf einen Umweltimpuls bzw. auf die Änderung von Umweltbedingungen dar. Zum anderen kann Selbstorganisation intrinsisch motiviert sein und beschreibt einen vom System initiierten Strukturwechsel, um dadurch einen höheren Erfüllungsgrad des Systemzwecks erzielen zu können (Ashby 1947, S. 128). Selbstorganisationale Systeme erfassen hierzu die qualitativen Auswirkungen, die durch einen Strukturwechsel hervorgerufen werden. Sie dokumentieren diese als Eigenschaften von Relationen bzw. von Konditionierungen und erzeugen so eine das zukünftige Systemverhalten beeinflussende kognitive Landkarte. Die Fähigkeit der Selbstorganisation wird daher auch als Wahrnehmungslernen (learned perception) bezeichnet (Farley 1960, S. 7). Die Theorie der Selbstorganisation beeinflusst grundlegend das Verständnis des zu Beginn dieses Kapitels eingeführten Begriffs der Emergenz. Dieser wurde zunächst in Bezug auf den Strukturaspekt eines Systems betrachtet und sagte aus, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile sei. In vergleichbarer Weise lässt sich der Terminus ebenso auf die Prozessdimension eines Systems anwenden. Hier beschreibt er das Auftreten von neuen Elementen oder neuen Ereignissen im Rahmen von Evolutionsprozessen, die unerwartete und nicht vorhersagbare Eigenschaften aufweisen (Popper/Eccles 1977, S. 22). In dem Theoriekontext selbstreferenzieller Systeme erhält Emergenz jedoch eine tiefgreifendere Bedeutung. Sie konstituiert sich fortan nicht mehr »von unten«, d. h. durch die Anpassung und Spezialisierung von Systemen an ihre Umwelt, sondern durch eine von einem System getroffene Auswahl »von oben«, d. h. durch eine auf der Grundlage der Selbstreferenz eigenständig vorgenommene Neuanordnung von bereits Existierendem, die zu einer Änderung des Komplexitätsaufbaus führt (Luhmann 2002, S. 43). Nach diesem Verständnis kann insofern nicht mehr von der Vorstellung ausgegangen werden, Ursache/Wirkung-Zusammenhänge objektiv determinieren zu können (Stünzner 1996, S. 113). Im Zusammenhang mit der Theorie der Selbstorganisation erhält Emergenz eine weitere Wesensart. Von Emergenz wird hier gesprochen, wenn selbstre-
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ferenzielle Zirkel entstehen, die sich dergestalt miteinander verketten, dass sie die Elemente eines neuen Systems darstellen (Teubner 1992, S. 191–192). Somit offeriert die Fähigkeit zur Selbstreferenz einen Erklärungsansatz dafür, wie aus einer evolutionär erwachsenen Situation heraus eine qualitative Veränderung in Form einer einsetzenden Autonomie stattfinden kann (Hastedt 1988, S. 176). Selbstreferenz befähigt zur Neuorganisation gegebenen Materials, sodass sich neue Eigenschaften sowie neue Elemente von neuen Systemen herausbilden, die gegenüber den vorher existierenden Verhältnissen autonom sind. Das Aufkommen selbstreferenzieller Konstellationen kann folglich als gradueller Prozess aufgefasst werden, der in der Generierung neuer, autonomer Systeme mündet (Roth 1987, S. 400). Eine weitere auf der Theorie der Selbstreferenz beruhende Anwendung diskutiert die Theorie autopoietischer Systeme, die den Gedanken des Selbstbezugs von der Ebene der Strukturbildung und -änderung auf die Ebene der Konstitution von Elementen überträgt (Luhmann 2002, S. 313). Autopoietische Systeme werden definiert als Klasse mechanistischer Systeme, deren Instanzen durch ein Netzwerk aus Produktionsprozessen von Bestandteilen konstituiert sind, die (1) rekursiv an der Generierung und Verwirklichung der Produktionsprozesse des Netzwerks, das sie herstellte, teilnehmen und die (2) das Produktionsnetzwerk durch die Bestimmung des topologischen Bereichs seiner Verwirklichung als konkrete Einheit in dem Raum konstituieren, in dem sie sich befinden (Maturana 1981, S. 21). In Abgrenzung dazu werden mechanistische Systeme, deren Organisation nicht die ihre Einheit realisierenden Elemente herstellen kann bzw. deren Erzeugnis etwas davon abweichendes ist, allopoietische Systeme genannt (Varela/Maturana/Uribe 1974, S. 188–189). Autopoietische Systeme repräsentieren demnach zum einen lebende Gebilde, die als selbsterstellend charakterisiert werden können. Sie produzieren ihre konstituierenden Elemente, indem sie durch ihr Operieren fortlaufend Strukturen bilden, die ihrer Organisation genügen. Die Bestandteile interagieren miteinander in einem zirkulären Prozess, aus dem neue, für die Erhaltung des Systems notwendige Komponenten hervorgehen (Kneer/Nassehi 2000, S. 48–49). Autopoietische Systeme werden also über basale Selbstreferenz gebildet und beziehen daraus ihre Einheit (Luhmann 2002, S. 600). Charakteristisch für selbsterzeugende Systeme ist zum anderen die operative Geschlossenheit ihrer inneren Steuerungsstruktur (Willke 1993, S. 65). Der Terminus Geschlossenheit verweist in diesem Zusammenhang aber nicht mehr auf die Inexistenz einer Umwelt, wie dies in der Ganzes/Teil-Leitdifferenz der Fall war. Er bedeutet hier, dass autopoietische Systeme alles, was sie als Einheit verwenden, unter rekursiver Verwendung bereits konstituierter Einheiten selbst als Einheit herstellen (Luhmann 2002, S. 602). Autopoietische Systeme sind damit in Bezug auf ihre homöostatische Organisation unabhängig von Input und Output und unbeeinflussbar von ihrer Umwelt (von Krogh/Roos 1995, S. 38). Eine Steuerung des systemspezifischen Operationsmodus von außen ist nicht möglich bzw. führt zwangsweise zur Auflösung der autopoietischen Qualität des Systems. Die operative Geschlossenheit bezieht sich allerdings einzig auf die Zirkularität der Selbststeuerung der eigenen Reproduktion (Willke 1993, S. 65). Gleichzeitig sind autopoietische Systeme notwendigerweise auch offen gegenüber ihrer Umwelt, insofern sie die zur Durchführung der selbsterstellenden Prozesse erforderlichen
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materiellen und energetischen Faktoren aus dieser beschaffen bzw. abgeben (Flämig 1998, S. 162). Die partielle Geschlossenheit der inneren Steuerungsstruktur kann folglich als Voraussetzung für die Offenheit angesehen werden. Autopoietische Systeme sind aufgrund ihrer Umweltabhängigkeit nicht autark, wohl aber autonom, da der Austausch von Input und Output eigengesetzlich bestimmt wird (Kneer/Nassehi 2000, S. 51). In den Erläuterungen zur Ganzes/Teil-Leitdifferenz wurde dargestellt, dass Systemklassen durch die ihnen zugrunde liegende Organisation determiniert sind und Strukturen besitzen, die dieser genügen, darüber hinaus aber durchaus noch weitere Elemente und Relationen umfassen können. Verbunden mit dem Konzept der Autopoiesis bedeutet dies, dass eine selbsterstellende Konfiguration nicht automatisch in der gesamten Systemstruktur vorliegen muss. Sie erzeugt lediglich den Strukturteil, der die spezifische Organisation eines Systems erfüllt. Daneben können auch allopoietische oder indifferente Komponenten auftreten (Bühl 1987, S. 226). Gerade diese eröffnen dem System einen gewissen Spielraum in der Aufrechterhaltung der spezifischen Organisation, da sie potenziell bei einer Umgruppierung der autopoietischen Einheit bzw. zur gleichzeitigen Realisierung mehrerer autopoietischer Entwicklungspfade unmittelbar aktiviert werden können und nicht erst aus der Umwelt akquiriert werden müssen (Maturana 1980a, S. 73). Zudem ist es nicht notwendig bzw. häufig nicht möglich, dass ein selbsterstellendes System von Anfang an aus selbsterzeugten Elementen besteht. Es reicht aus, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt sämtliche zunächst extern vorgegebene Bestandteile durch intern erzeugte Komponenten ersetzt worden sind (an der Heiden/Roth/Schwegler 1985, S. 129). Selbsterstellende Systeme können darüber hinaus die Fähigkeit zur Selbsterhaltung besitzen. Diese liegt dann vor, wenn ein System unter der Annahme einer endlichen Lebensdauer der konstitutiven Bestandteile zu jeder Zeit eine räumlich zusammenhängende Einheit formt (Roth 1986, S. 155). Ein selbsterzeugendes System ist also nur dann auch selbsterhaltend, falls seine Lebensdauer die der Elemente wesentlich überragt und es aufgrund einer gezielt durchgeführten Reproduktion von Komponenten die Existenz der spezifischen Organisation dauerhaft und ohne Unterbrechung der Einheit sicherstellen kann. Aufgrund der für die Reproduktion notwendigen selbstreferenziellen Eigenschaft beinhaltet die zirkuläre Erzeugung der Systembestandteile ebenfalls die Erzeugung der Elementzustände, sodass Zustände folglich an der Hervorbringung des jeweils nächsten Zustands konstitutiv beteiligt sind (Roth 1986, S. 157). Autopoietische Systeme besitzen daher eine Historie, sofern die Reihenfolge der konkret vorliegenden Strukturzustände bzw. -wandlungen an die Interaktion mit der Umwelt geknüpft und unumkehrbar ist, grundsätzlich wegen des Merkmals der Autonomie jedoch auch ein anderer Verlauf denkbar gewesen wäre (Luhmann 1978a, S. 429). Selbsterhaltungsmechanismen funktionieren prinzipiell endlos, sofern keine Bedingungen vorliegen, die die vollständige Kompensation der zerfallenen Elemente verhindern. Hierzu können bspw. systeminterne Gründe, wie die Erfüllung vorgegebener Ziele, oder systemexterne Gründe, wie die mangelnde materielle und energetische Versorgung aus der Umwelt oder eine durch intervenierende Eingriffe herbeigeführte Auflösung des autopoietischen Charakters, zählen.
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Die Theorie autopoietischer Systeme erweitert außerdem das Verständnis der beiden Perspektiven Struktur und Prozess. Wie bereits dargestellt, entsteht die Struktur eines Systems durch die Realisation bestimmter Beziehungen in einem Raum, die die Organisation und damit die emergenten Eigenschaften eines Systems verwirklichen (Nadel 1957, S. 8). Die Organisation selbst wiederum repräsentiert eine feste Auswahl von Relationen aus einer Vielzahl kombinatorischer Möglichkeiten und limitiert dadurch die Strukturbildung des Systems. Der dauerhafte Erhalt eines Systems erfordert daher, dass die der Organisation zugrunde liegenden Verknüpfungen beim Auswechseln der Strukturelemente konstant gehalten, d. h. zusammen mit neuen Elementen reproduziert werden (Luhmann 2002, S. 384). Die Reproduktion von Systemkomponenten impliziert also immer auch die Reproduktion der Reproduktionsmöglichkeit (Luhmann 2002, S. 258). Insofern liefert die Organisation als Selektion von Potenzialität die zur Selbsterstellung qualifizierter Elemente notwendigen Vorgaben, ohne die sich ein System nicht selbst erhalten kann (Luhmann 2002, S. 384). Im Gegensatz dazu steht beim Prozessaspekt nicht die identische Generierung gleicher Bestandteile im Vordergrund, sondern die laufende Neukonstituierung anschließbarer, neuer Elemente. Während im Rahmen des Strukturaspekts bei der kontinuierlichen Festlegung der nächsten Elemente das Prinzip der Exklusion anderer Systemmöglichkeiten zur Anwendung kommt, ist dies beim Prozessaspekt das Prinzip der Anschlussfähigkeit. Ein Prozess wird von der Vorher/Nachher-Differenz dergestalt geprägt, dass er sich ausgehend von einem aktuellen Element durch den Übergang zu einem dazu passenden Element gründet (Luhmann 2002, S. 388). Die Selektivität des neuen Ereignisses setzt dabei die des vorherigen Ereignisses voraus, sodass ein Prozess eine Zeit in Anspruch nehmende Selektivitätsverstärkung repräsentiert (Luhmann 2002, S. 482). Neben einer solchen einseitigen Selektivitätsverstärkung, wie sie im Fall morphogenetischer Prozesse auftritt, kann diese darüber hinaus in teleologischen Prozessen auch wechselseitig vorliegen (Luhmann 1978a, S. 429). Dies bedeutet, dass Ereignisse nur deshalb ausgelöst bzw. Handlungen nur deshalb ausgewählt werden, weil sie Folgen haben werden, die wiederum nur eintreten können, sofern die Auslöseereignisse realisiert werden. Ermöglicht wird die Sequenz interdependenter Elemente durch die Selektion des zugrunde liegenden Prozessziels, an dem sich die einzelnen Selektionen orientieren (Luhmann 2002, S. 484–486). Die beiden Systemdimensionen Struktur und Prozess existieren jedoch nicht beziehungslos nebeneinander; vielmehr wirken sie komplementär und beeinflussen sich wechselseitig (Luhmann 2002, S. 388). So verliert ein Prozess aufgrund der Vergänglichkeit der Ereignisse kontinuierlich seine Substanz, die nur mithilfe der Strukturmuster reproduziert werden kann (Luhmann 2002, S. 474). Deren laufende Reaktivierung liefert die limitierenden Vorgaben, unter denen sich Handlungen selbst durch die Selektion von Relationierungen spezifizieren können. Die Struktur oder genauer die Organisation ist folglich autopoietisches Erfordernis der Möglichkeit anschlussfähigen Handelns (Luhmann 2002, S. 392). Gleichzeitig bildet die Selbsterstellung von Elementen die Voraussetzung dafür, dass die Struktur eines Systems sich ändern kann oder nicht. Die autopoietische Reproduktion kann sich an der vorliegenden Organisa-
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tion orientieren und Ereignisse erzeugen, die eine Konformität mit der ursprünglich vorliegenden Struktur aufweisen und diese damit bestätigen. Sie kann jedoch aus der Situation heraus auch innovative bzw. abweichende Handlungen generieren, vorausgesetzt die Handlungsfolge bleibt verständlich und anschlussfähig. In diesem Fall referenziert das eingetretene Ereignis auf eine diskontinuierlich geänderte Struktur (Luhmann 2002, S. 474–475). Die Systemstruktur kann also ausschließlich zusammen mit eintretenden Ereignissen wirken, so wie umgekehrt Ereignisse nur in Kombination mit strukturell angelegten Ursachen gelten (Kneer/ Nassehi 2000, S. 122). Das Konzept der Autopoiesis nimmt des Weiteren Einfluss auf den Vorgang der internen Systemdifferenzierung, was sich insbesondere anhand des Prozessaspekts verdeutlichen lässt (Luhmann 2002, S. 258). Die Reproduktion von Handlungen verlangt einerseits nach deren Eignung im Hinblick auf eine sinnhafte Prozessfortführung unter Berücksichtigung struktureller Limitationen und damit nach deren Anschlussfähigkeit. Neben dieser Bedingung kann sie andererseits Möglichkeiten eröffnen, im System neue System/Umwelt-Distinktionen zu erzeugen. Die Generierung vertrauter Systemdifferenzierungen stützt die Reproduktionsmöglichkeiten aufgrund der Einschränkung auf geeignete Verhaltensweisen. Zugleich offerieren die dabei mitproduzierten Sinnüberschüsse das Potenzial zur Einführung neuer Unterscheidungen bzw. neuer Restriktionen und damit zur weiteren Stabilisierung der Einschränkbarkeit des Ursprungssystems durch Differenzierung. Die reflexive Systembildung erfolgt dabei autokatalytisch und erfordert keine Einflussnahme des übergeordneten Systems. Dieses ermöglicht lediglich durch seine eigene Ordnung die Selbstselektion des Teilsystems. Gleichzeitig verursacht das Ausdifferenzieren von neuen Systemen jedoch Adaptationsprozesse in seiner Umwelt, da sich hier für alles eine veränderte Umwelt entwickelt, an die es sich entsprechend anzupassen gilt (Luhmann 2002, S. 258–260). Die Beziehung zwischen einem System und seiner Umwelt bzw. einem System und den Systemen in seiner Umwelt kann zwei Formen annehmen, mittels derer sich die Art der Anpassungsprozesse beschreiben lassen (Luhmann 2004, S. 267): Strukturelle Kopplung und (Inter-)Penetration. Der Begriff der strukturellen Kopplung bezeichnet den Umstand, dass die Umwelt eine Änderung der Systemstruktur verursachen kann, wobei sie aufgrund des Autonomiemerkmals des selbstreferenziellen Systems keinen Einfluss auf die Wahl der konkreten Struktur besitzt. Zwei Systeme gelten als Ergebnis ihrer sequenziellen Interaktionen als strukturell gekoppelt, wenn ihre jeweiligen Strukturen sequenzielle Änderungen erfahren, ohne dass sie dabei ihre Identität einbüßen (Maturana 1975, S. 326). Insofern kann weder die Umwelt die strukturellen Änderungen im System lenken, noch kann das System die durch seinen internen Strukturwechsel ausgelöste strukturelle Variation in seiner Umwelt exakt determinieren. Aus diesem Grund ist es im Gegensatz zur Beschreibung allopoietischer Systeme inkorrekt, die strukturelle Kopplung als semantische Kopplung zu interpretieren (Holten 1999, S. 150). Technisch verlaufen die Adaptationsprozesse dergestalt, dass die von außen einwirkenden, von dem betrachteten System unabhängigen Ereignisse als Inputfaktoren angesehen werden, die vom System wahrgenommen werden und interne Prozesse stimulieren können (von Krogh/Roos 1995, S. 38).
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Analog lassen sich die kompensierenden strukturellen Zustandsänderungen des Systems als Outputfaktoren begreifen. Das Ergebnis der strukturellen Kopplung als Herstellung einer dynamisch strukturellen Übereinstimmung zwischen einem autopoietischen System und seiner Umwelt bzw. zwischen autopoietischen Systemen ist die effektive raum-zeitliche Abstimmung der jeweiligen Zustandsänderungen (Maturana 1975, S. 320). Strukturelle Kopplung zielt auf die Existenz eines autopoietischen Systems in Kompatibilität mit seiner Umwelt ab, ohne dass Anpassung eine Operationsanweisung darstellt (Luhmann 2004, S. 270). Daneben existiert die Intersystembeziehung der (Inter-)Penetration. Auch sie beschäftigt sich mit reziproken Abhängigkeiten zwischen zwei Systemen, die wechselseitig füreinander zur Umwelt gehören. Der Terminus Penetration besagt, dass ein System seine eigenen Operationen zum Aufbau eines anderen Systems zur Verfügung stellt (Luhmann 2002, S. 290). Die Durchführbarkeit von Handlungen in einem penetrierten System hängt davon ab, ob Leistungen oder Vorgaben in dem penetrierenden System garantiert sind. Die Umweltvoraussetzungen werden dabei jedoch nicht operativ in das aufnehmende System eingeschlossen (Luhmann 2004, S. 268). Interpenetration ist entsprechend dann gegeben, wenn sich beide Systeme durch ihre Konstituierung wechselseitig befähigen. (Inter-)Penetrationsverhältnisse können sowohl das Verhalten als auch die Strukturbildung von Systemen beeinflussen. So kann bei einer Penetrationsbeziehung das penetrierte System sinngebend auf die Selektion von Handlungen im penetrierenden System wirken und somit dessen Verhalten mitlenken. Besteht eine Interpenetrationsbeziehung, interveniert das aufnehmende System darüber hinaus im Rahmen der Strukturbildung des penetrierenden Systems (Luhmann 2002, S. 290). Das Interpenetrationsverhältnis filtert demnach aus den systemeigenen Strukturselektionen diejenigen, die für die interpenetrierenden Systeme deren Selbstreproduktion ermöglichen. Interpenetration stellt also Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Systemen her, die sich dadurch auszeichnen, dass sie mit dem Konzept der Autopoiesis kompatibel sind, wobei das Zustandekommen einer solchen Intersystembeziehung die Differenz und das Ineinandergreifen von Autopoiesis und Struktur erfordert (Luhmann 2002, S. 298). Zusammenfassung und Definition des Systembegriffs Aufgrund des Umfangs des dargestellten Theoriekomplexes fasst Abbildung 3.2 die zentralen Begriffe sowie deren Beziehungen zueinander in einem allgemeinen Informationsmodell zusammen. Die Beschreibung erfolgt in Form eines Klassendiagramms nach der Unified Modeling Language (UML)-Notation der Version 2.0 (Object Management Group 2003, Object Management Group 2004; zur ausführlichen Erläuterung der UML-Notation vgl. bspw. Rumbaugh/Jacobson/Booch 2005, Fowler 2004 oder Oestereich 2005). Obwohl die UML-Notation originär zur Analyse und Entwicklung von Software entwickelt wurde, ist das Informationsmodell für diesen Zweck, im Gegensatz zu den später auftretenden Klassendiagrammen, nur bedingt anwendbar. Es stellt eine grafische Repräsentation der eingeführten Terminologie
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dar und dient hier ausschließlich der Veranschaulichung und Explizierung der systemtheoretischen Begriffsstruktur. Im Zentrum des Modells befindet sich die Klasse »System«, die sich differenzialistisch über die Abgrenzung zu einer entsprechenden »Umwelt« definiert. Der System/Umwelt-Unterscheidung kann entweder eine bestimmte »Sicht« oder die Erfüllung eines bestimmten »Zwecks« zugrunde liegen. Die potenzielle Fähigkeit eines Systems, seine eigene System/ Umwelt-Distinktion systemintern wahrzunehmen, spiegelt die rekursive Beziehung »Selbstreferenz (Reflexion)« wider. Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine Verbindung zwischen einer Systeminstanz mit sich selbst und nicht mit irgendeiner anderen Ausprägung handelt. Die Objektklasse »Organisation« beinhaltet die für die Konstitution eines Systems notwendigen und hinreichenden Relationentypen, die durch konkrete Strukturinstanzen abgedeckt werden müssen. Die Möglichkeit, innerhalb eines Systems beliebige, nicht zwangsweise disjunkte Teilsysteme abbilden zu können, wird durch die Dekomposition »Differenzierung« erfasst. Materielle, energetische oder informationelle »Leistungen« können in Abhängigkeit davon, ob sie das System aus seiner Umwelt aufnimmt oder dorthin abgibt, in zweifacher Weise mit dem System in Verbindung gebracht werden, womit der asymmetrischen Form der System/ Umwelt-Differenz Rechnung getragen wird. Beziehungen zwischen einem System und Systemen in seiner Umwelt beschreibt die rekursive Assoziation »Intersystembeziehung«. Diese kann in den Typ der »strukturellen Kopplung« und unter der Voraussetzung, dass das aufnehmende System autopoietischen Charakters ist, den der »(Inter-)Penetration« ausdifferenziert werden. Der Übergang von der System/Umwelt-Differenz zur Unterscheidung von Element und Relation erfolgt über die beiden Systemaspekte »Struktur« und »Prozess«, die jeweils durch eine eigene Klasse dokumentiert sind. Analog zur Reflexion wird auch die »Selbstreferenz (Reflexivität)« in Form einer rekursiven Beziehung zwischen Prozessinstanzen einbezogen. Die wechselseitige Beeinflussung beider Dimensionen visualisieren die Assoziationen »Limitierung« und »Stimulanz«. Sowohl Strukturen als auch Prozesse besitzen den gleichen strukturellen Aufbau, bestehend aus Elementen und dazwischen liegenden Beziehungen. Im Fall von Strukturen werden »dauerhafte Elemente« miteinander verknüpft und diese räumliche Verknüpfung als »Relation« bezeichnet. Potenzielle Interdependenzen zwischen den Relationen berücksichtigt die rekursive Assoziationsklasse »Konditionierung«. Demgegenüber reihen sich in Prozessen »ereignishafte Elemente (Operationen)« an »Ereignisse« und umgekehrt, wobei die Ereignisse zugleich als Auslöser und Erzeugnis der Operationen anzusehen sind. Die Zuordnung von Ereignissen und Strukturausprägungen stellt die Temporalisierung der Struktur sicher. Die für die autopoietische Reproduktion von Elementen erforderliche »(basale) Selbstreferenz« ist wiederum als Interelementbeziehung festgehalten. Neben der Lebensdauer kann als Differenzierungsmerkmal von Elementen auch deren Art des Zustandekommens herangezogen und somit zwischen »autopoietischen«, »allopoietischen« sowie »indifferenten Elementen« unterschieden werden.
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
Objektklasse
Assoziationsklasse
1..*
Initiator
0..*
startet
Abbildung 3.2: Begriffsstruktur der Systemtheorie
Assoziation mit (min..max)-Kardinalitäten
Spezialisierung/ Generalisierung
Assoziation mit Rollenname und Leserichtung
Dekomposition/ Aggregation
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Basierend auf den vorangegangenen Ausführungen wird der Begriff des Systems in Anlehnung an von Bertalanffy (1951, S. 121–122), Klír/Valach (1967, S. 15) und Hall/Fagen (1974, S. 127) wie folgt definiert: Ein System beschreibt eine gegenüber seiner Umwelt abgegrenzte Gesamtheit in einem Raum/Zeit-Kontinuum, bestehend aus einer Menge von Elementen, die Eigenschaften besitzen und durch Beziehungen miteinander verknüpft sind. Aus der Definition wird ersichtlich, dass sie auf dem Systemverständnis der System/UmweltLeitdifferenz beruht und die Theorie der Ganzes/Teil-Distinktion mitberücksichtigt. Demnach konstituiert sich ein System einzig über das Treffen einer Unterscheidung und impliziert damit die Umwelt als das Ausgeschlossene der Unterscheidung sowie die Unterscheidung selbst als den Bezug des Systems auf die Umwelt (Baecker 2002, S. 9). Weitere für die Begriffsbildung bedeutsamen Merkmale lassen sich auf die Termini Elemente, Eigenschaften sowie Beziehungen dezimieren. Die Definition berücksichtigt den Umstand, dass nicht alle Teilsysteme des Service Engineering Systems als autopoietisch zu charakterisieren sind. Um das Anwendungsspektrum des Systemkonzepts nicht von vornherein einzuengen, wird die Definition in einer universellen Form aufgestellt (Brunnberg/Kiehne 1972, S. 59). Diese ergibt sich zum einen dadurch, dass keine Einschränkungen hinsichtlich der Art der wesentlichen Argumente vorgenommen werden. Über eine detaillierte Spezifizierung der zugrunde liegenden Merkmale (Intension) sowie eine Systemtypisierung anhand relevanter Klassifikationskriterien (Extension) lassen sich Systeme jedoch näher bestimmen und voneinander abgrenzen (Fuchs 1973, S. 39). Die allgemeingültige Wesensart des Definitionsansatzes wird zum anderen durch den Verzicht auf den Einbezug der Autopoiesis sowie weiterer Begriffsmerkmale, wie Ordnung (Hassenstein 1972, S. 29), Regelung (Ackoff 1960, S. 2) oder Zielerfüllung (Churchman 1971, S. 34), als wesentliche Argumente unterstrichen. Mit der Herleitung des systemtheoretischen Verständnisses dieser Arbeit und der daraus generierten Definition des Systembegriffs wurde die Basis für den Aufbau eines Service Engineering Beschreibungsmodells gelegt. Dieses zielt auf eine Charakterisierung der Dienstleistungserbringung und -entwicklung als autopoietische soziale Systeme höheren Grads ab. Damit wird die Intention verfolgt, die durch die Systemtheorie bereitgestellte Mächtigkeit der Identität/Differenz-Leitdifferenz in das Beschreibungsmodell einfließen zu lassen, um dieses so mit einem möglichst hohen Analysevermögen auszustatten. Die Anwendung des Autopoiesiskonzepts im Theoriekontext der Dienstleistungserbringung bzw. der Dienstleistungsentwicklung erfolgt im Folgenden jedoch nicht unmittelbar. Als Zwischenschritt dorthin wird im nächsten Abschnitt, die wesentlichen Momente des Gegenstands- und Problembereichs berücksichtigend, ein grundlegendes Verständnis vom Aufbau sozialer Systeme geschaffen sowie die Übertragbarkeit des Selbsterhaltungsansatzes auf soziale Systeme erläutert.
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
3.1.2 Transfer der Theorie autopoietischer Systeme auf soziale Phänomene Um den autopoietischen Charakter des sozialen Systems und somit auch des Bestandteils Dienstleistungsentwicklung nachweisen zu können, wird zunächst angenommen, dass es sich beim System der Generierung einer neuen Dienstleistung um eine interne Systemdifferenzierung des Systems Unternehmen bzw. Unternehmensverbund (z. B. im Fall einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit; vgl. Kersten/Kern/Zink 2006) handelt. Es beschreibt den funktionalen Ausschnitt eines Unternehmens, der mit der Konzeptionierung von Dienstleistungen beauftragt ist. Sowohl das System Unternehmen als auch das Entwicklungssystem weisen die wesentlichen Eigenschaften einer Organisation auf, wobei der Begriff Organisation an dieser Stelle in seiner institutionalen Form Anwendung findet (Grochla 1975, S. 2). Demnach versteht man darunter für bestimmte Zwecke eingerichtete Einheiten, die einen speziellen Kreis von Individuen als Mitglieder behandeln (Kosiol 1962, S. 16) und sich darüber hinaus durch ihre arbeitsteilige Gliederung, das Vorhandensein einer Leitungsinstanz sowie einer formalen oder informalen Verfassung auszeichnen (Abraham/Büschges 2004, S. 21–22). Da Organisationen wiederum spezifische Ausprägungen sozialer Systeme darstellen (Luhmann 1982b, S. 10), lassen sich Unternehmen ebenso wie Service Engineering Vorhaben als Ausprägungen sozialer Systeme interpretieren (Ulrich 1968) (vgl. Abbildung 3.3).
Abbildung 3.3: Service Engineering System als Spezialisierung eines sozialen Systems
In Bezug auf die Theorie sozialer Systeme existieren bereits einige Versuche, die aus der Biologie abgeleitete Theorie der Autopoiesis zu übertragen. Darunter befinden sich Autoren wie Beer (1980, S. 71) oder Jantsch (1989, S. 334), die unkommentiert und unreflektiert soziale Systeme und Unternehmen generell als autopoietisch ansehen. Andere reduzieren die autopoietische Theorie im Zuge der Adaptation auf einzelne Aspekte des Gesamtkontexts, was zu missverständlichen Aussagen oder Fehlinterpretationen führt. So kennzeichnet z. B. van Kempen (1991, S. 142) autopoietische Systeme aufgrund ihres Austauschs von Materie, Energie und Information als offen gegenüber ihrer Umwelt, ohne jedoch das dafür ursächliche Charakteristikum der operativen Geschlossenheit überhaupt zu erwähnen. Eine widerspruchsfreie Umsetzung der Theorie der Autopoiesis auf soziale Systeme hängt entscheidend vom Verständnis der Bestandteile und des strukturellen Aufbaus eines sozialen Systems ab. Die naheliegendste Auffassung von sozialen Systemen sieht lebende Systeme in Form von Menschen als deren konstituierende Elemente an. So suggeriert Maturana (1980b, S. 11–14)
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die Vorstellung, dass die soziale Domäne als Ergebnis der Interaktionen lebender Systeme generiert wird. Die (instrumentale) Organisation eines sozialen Systems besteht aus spezifischen Interaktionen von ausnahmslos autopoietischen Bestandteilen. Ein Austausch von Komponenten impliziert damit eine Veränderung der Struktur des sozialen Systems. Realisiert werden soziale Systeme im konsensuellen Bereich, d. h. sie entstehen aus der strukturellen Kopplung der beteiligten Organismen (Maturana 1975, S. 323). Dabei entsteht ein doppeltes Abhängigkeitsverhältnis. Einerseits beeinträchtigt das soziale System die teilnehmenden Individuen, da es für diese Teil ihrer Umwelt ist. Andererseits wirken die vom sozialen System beeinflussten Interaktionen der Komponenten rekursiv wieder auf dieses selbst ein. Individuen können simultan und sukzessiv an mehreren sozialen Systemen partizipieren. Teilnehmer operieren dann nach Maturana in jedem System so, als ob sie ausschließlich diesem angehören würden. Gleichwohl überschneiden sich die Zustände aller sozialen Systeme innerhalb des betrachteten lebenden Systems. Analog zu Maturana sieht auch Hejl die Teilnehmer als die Elemente sozialer Systeme an, die diese durch ihre Interaktionen konstituieren. Zur Aufdeckung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden von sozialen und lebenden Systemen kommentiert Hejl (1984, S. 62–64) zunächst grundlegende Termini der Theorie autopoietischer Systeme. Zu diesem Zweck führt er insbesondere die Distinktion zwischen der Produktion der Komponenten und den Zuständen der Komponenten ein. Lebende Systeme charakterisiert er als selbstreferenziell und selbsterhaltend in dem Sinn, dass ersteres Merkmal die operativ geschlossene Organisation der Elementzustände bezeichnet und die zweite Eigenschaft die Fähigkeit von Systemen beschreibt, in einem zyklisch verlaufenden Prozess sich selbst zu erzeugen. Lebende Systeme stehen als materielle Basis weiteren Systemen zur Verfügung, die dann zwar selbstreferenziell, nicht jedoch selbsterhaltend sein können. Zudem spezifiziert Hejl den Autonomiebegriff. Dieser kennzeichnet die von einem externen Beobachter wahrgenommene Unabhängigkeit der Zustandsänderungen operational geschlossener, lebender Systeme auf aus seiner Sicht gleichartige Störungen bzw. Modulationen der Umwelt. Er grenzt sich insofern explizit von dem Begriffsverständnis von Varela (1979, S. 55) ab, der ein autonomes System über das Merkmal der operationalen Geschlossenheit charakterisiert, d. h. über ein Netzwerk von interagierenden Komponenten, dessen Interaktionen sich in rekursiver Weise selbst produzieren und das sich in einer Umwelt als Einheit etabliert. Des Weiteren unterscheidet Hejl (1984, S. 68–70) zwischen sozialen Bereichen und sozialen Systemen. Unter einem sozialen Bereich versteht er den von lebenden Systemen ausgebildeten Prozess wechselseitiger Interaktionen und damit Modulationen, der zu einer partiellen Parallelisierung der lebenden Systeme führt. Demzufolge kann soziales Verhalten als jedes Verhalten verstanden werden, das auf der Basis einer sozial erzeugten Realitätsdefinition oder -konstruktion generiert wird oder das zu ihrer Bildung oder Veränderung führt. Soziale Bereiche bieten sozial erzeugte Möglichkeiten für Kommunikation und koordiniertes Handeln. Sofern sich ein lebendes System einem sozialen Bereich entsprechend verhält, werden seine Handlungen von den anderen lebenden Systemen, mit denen es diesen sozialen Bereich kon-
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
stituiert, in dem von ihm beabsichtigten Sinn interpretiert. Im Vergleich dazu definiert Hejl ein soziales System als eine Gruppe lebender Systeme, die einerseits jeweils in mindestens einem kognitiven Zustand mit einem anderen lebenden System übereinstimmen und die andererseits mit Bezug auf diese parallelisierten Zustände interagieren. Dies bedeutet, dass die Gruppenmitglieder eine gemeinsame Realität und somit einen Bereich sinnvollen Handelns generiert haben und auf diesen bezogen interagieren müssen. Im Gegensatz zur Definition sozialer Bereiche besitzt die Definition sozialer Systeme aufgrund der Kombination der Bedingungen einen eher restriktiven Charakter. Jedes Individuum ist an einer Vielzahl von sozialen Systemen beteiligt. Es kann daher als Schnittpunkt sozialer Systeme angesehen werden, über das sich soziale Systeme zu einem Netzwerk verbinden lassen. Aufbauend auf diesen Begriffsprägungen analysiert Hejl (1984, S. 72–75) die Eigenschaften sozialer Systeme und führt im Hinblick auf die Übertragung der autopoietischen Theorie auf soziale Systeme eine Reihe von Kritikpunkten an. So werden soziale Systeme durch Individuen konstituiert, die prinzipiell über die Systemzugehörigkeit frei entscheiden können. Wenn sie teilnehmen, geben sie nicht ihre Eigenständigkeit auf. Dies wäre jedoch der Fall, wenn das soziale System autopoietischen Charakters wäre, da dann alle Prozesse der Selbsterhaltung unterzuordnen wären und folglich die Eigenständigkeit der Komponenten verloren ginge. Zudem ist die Möglichkeit der simultanen Zugehörigkeit einzelner Menschen zu unterschiedlichen sozialen Systemen zu berücksichtigen. Sofern diese autopoietisch wären, würde dies eine Konkurrenzsituation hinsichtlich der Unterordnung ihrer Elemente verursachen. Ferner produzieren soziale Systeme im Unterschied zu selbsterhaltenden Ganzheiten ihre Bestandteile in physischer Hinsicht nicht selbst. Dies betont auch Varela (1981a, S. 15), indem er die Fähigkeit der Selbsterhaltung ausschließlich chemischen Prozessen in lebenden Systemen zuweist. Ein weiterer Kritikpunkt an dem Transfer der Autopoiesis auf soziale Systeme ist darin zu sehen, dass soziale im Gegensatz zu selbstreferenziellen Systemen nicht alle Zustände ihrer Elemente organisieren und damit nicht die eindeutige, den Individuen zugängliche Systemrealität manifestieren. Zuletzt verfügen die Komponenten von sozialen Systemen über einen unmittelbaren Zugang zur jeweiligen Umwelt, was nicht mit dem Ansatz der Autopoiesis vereinbar ist. Während Zeleny (1981, S. 14) die Übertragung der Theorie der Autopoiesis auf soziale Systeme prinzipiell für möglich, wenngleich auch für schwierig umzusetzen hält, lehnen Krohn/ Küppers (1990, S. 303) und vor allem Varela (1981b, S. 38) als Konsequenz aus der Kritik die Interpretation menschlicher Institutionen als selbstreproduzierende Systeme gänzlich ab. Sie argumentieren insbesondere damit, dass diese eine eigene Emergenzebene voraussetzen würden und daher nicht als autopoietische Systeme auf der Basis der Autopoiesis menschlicher Individuen hergestellt werden können (Teubner 1992, S. 192). Stattdessen kennzeichnet Varela soziale Systeme als autonome Einheiten in dem zuvor zitierten Sinn, d. h. sie können zwar nicht ihre Bestandteile, wohl aber die dazwischen liegenden Beziehungen eigenständig erzeugen. Er versteht soziale Systeme also als selbstorganisierende Einheiten, deren operative Geschlossenheit die Interaktionen von strukturell gekoppelten Individuen umfasst und auf Begriffen wie Instruktionen oder sprachliche Übereinstimmung basiert.
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Einen alternativen Erklärungsansatz bzgl. des Untersuchungsgegenstands soziales System liefert Parsons (1970), indem er die Distinktion Individuum/Kollektiv durch die Kontrastierung von Handlung und System ersetzt (Luhmann 1978b, S. 212). Soziale Systeme repräsentieren demnach Systeme, als deren Komponenten Handlungen fungieren. Seinen Fokus legt Parsons allerdings nicht auf die zwischen den einzelnen Handlungen liegenden Relationen. Vielmehr zielt er auf die analytische Dekomposition des konstitutiven Elements Handlung ab und versucht auf diese Weise eine begriffstheoretische Grundlage für eine Systemanalyse zu schaffen. Die dazu notwendige Theorie baut auf zwei unterschiedlichen Ansätzen auf. Zum einen werden Handlungen anhand eines Begriffsschemas determiniert, das aus den Klassen Akteur, soziales Objekt, Orientierung des Handelnden sowie Modalität des Objekts besteht (Parsons/ Shils 1962, S. 235). Zum anderen wird eine Segmentierung in Abhängigkeit von dem System/ Umwelt-Verhältnis in interne/externe sowie in Abhängigkeit von der zeitlichen Differenzierung in instrumentelle-zukunftsbezogene/konsumatorische-gegenwartsbezogene Orientierung bzw. Modalität vorgeschlagen (Parsons/Platt 1990, S. 23–25), aus deren Kombinationen das Vier-Funktionen-Schema mit den Grundfunktionen einer Handlung »adaptation«, »goal gratification«, »integration« und »latent pattern maintainance« resultiert (AGIL-Schema) (Parsons/ Bales/Shils 1953, S. 189). Schließlich führt Parsons beide Konzeptualisierungsvorschläge zusammen, indem er sie mittels einer Kreuztabellierung aufeinander projiziert (Parsons 1960, S. 470). Einen ähnlichen Weg wie Parsons beschreitet auch Luhmann (2002) bei der Erstellung einer Theorie sozialer Systeme. Bei der Spezifizierung der elementaren Bestandteile greift er jedoch nicht ausschließlich auf das Konstrukt Handlung zurück, sondern führt den Dualismus von Kommunikation und Handlung ein, dem die Differenz von Konstitution und Beobachtung zugrunde liegt (Luhmann 2002, S. 241). Soziale Systeme werden nach Luhmann grundsätzlich in der Domäne der Kommunikationen realisiert. Eine Kommunikation repräsentiert die Synthese der Komponenten Information, Mitteilung und Verstehen, deren emergente Einheit die Grundlage für das Zustandekommen von Sozialität bildet (Martens 1991, S. 629). Da Kommunikation aber nicht direkt beobachtet, sondern lediglich erschlossen werden kann, ist die Zurechnung der Mitteilungskomponente in Form von Handlung auf einzelne Personen erforderlich. Erst durch diese Verknüpfung erhält Kommunikation eine Richtung vom Mitteilenden auf den Mitteilungsempfänger, die ausschließlich durch eine Folgehandlung in entgegengesetzter Richtung umgekehrt werden kann. Ein Kommunikationssystem kann demnach nur in Form eines Handlungssystems beobachtet und beschrieben werden bzw. sich selbst beobachten und beschreiben. Ein soziales System bildet sich folglich auf der Basis des Grundgeschehens Kommunikation als Handlungssystem (Luhmann 2002, S. 226–227). Im Unterschied zu Parsons arbeitet Luhmann jedoch nicht mehr mit einer strukturell-funktionalen Systemtheorie auf der Basis der Ganzes/Teil-Leitdifferenz, die unter der Annahme bestimmter Systemstrukturen die Frage nach den funktionalen, das System erhaltenden Leistungen stellt. Vielmehr thematisiert er in einem funktional-strukturellen Ansatz die Frage nach der grundsätzlichen Funktion eines Systems. Zwangsläufig muss folglich von einem absolu-
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tistischen Systemverständnis Abstand genommen werden, da die Funktion von Systemen nur nachbildbar ist, sofern der Orientierungspunkt in dem Verhältnis zwischen dem System und seiner Umwelt liegt. Die Umwelt wirkt sinngebend auf die Systembildung ein und ist somit nicht mehr nur als bedingendes, sondern als konstitutives Moment anzusehen, womit eine wesentliche Erhöhung der analytischen Kapazität der Systemtheorie einhergeht. Erst die Abgrenzung von System und Umwelt zeigt auf, welche internen Prozesse und Strukturen zu welchen Zwecken funktional sein können, wodurch sich wiederum funktionale Äquivalente bzw. Alternativen von Prozessen und Strukturen aufzeigen lassen. Identität und Ordnung eines sozialen Systems repräsentieren demnach relationale Termini und sind auf die Erfüllung ihrer Funktion hin beurteilbar (Willke 1993, S. 5–7). Luhmann baut also seine Theorie sozialer Systeme nicht wie Parsons auf einer strukturellen Analyse des elementaren Bestandteils Handeln unter Ergänzung systemtheoretischer Aspekte auf. Stattdessen betont er die zeitliche Relationierung von Elementen und den damit verbundenen Prozess der Systembildung. Er stellt allgemeine systemtheoretische Konstruktionsüberlegungen an, um daraus einen Erklärungsansatz für den Ablauf von Kommunikationen bzw. Handlungen in sozialen Systemen abzuleiten (Luhmann 1978b, S. 216). Er überträgt dazu insbesondere die Theorie autopoietischer Systeme auf Kommunikationssysteme mit dem Ziel, eine tiefgreifendere, auch elementare Operationen berücksichtigende Theorie zu schaffen (Luhmann 1987, S. 307). Mit diesem Ansatz richtet Luhmann sich an die Prozessdimension eines Systems und impliziert die Annahme, dass sich ein soziales System ausschließlich aus momenthaften Elementen bildet. Es besteht also aus Ereignissen, die an Zeitpunkte gebunden sind und im Entstehen bereits wieder vergehen. Daraus ist jedoch nicht zu folgern, dass jede Handlung eine infinitesimal kleine Zeiteinheit dauert. Jede Handlung nimmt eine gewisse Zeitspanne in Anspruch, innerhalb derer sie abgebrochen oder in ihrer Ausrichtung geändert werden kann. Diese Zeitspanne selbst wird als die Bezugsgröße der Zeitdimension des Systems aufgefasst, das die Handlung als Element verwendet. Unabhängig davon verkörpern umfangreiche Handlungen bei näherer Betrachtung Handlungsprozesse, die eine Aggregation bzw. Sequenz elementarer Handlungsereignisse darstellen und sich in diese zerlegen lassen. Auf welchem Aggregationsniveau sich das elementare Ereignis einer Einzelhandlung bildet, wird durch das Emergenzniveau des Verwendungszusammenhangs des jeweiligen Systems bestimmt (Luhmann 1982a, S. 369). Systeme, die in diesem Sinne aus temporalisierten Elementarhandlungen bestehen, sind aus Gründen der Selbsterhaltung gezwungen, sich dauerhaft durch das System der Kommunikationen rekursiv selbst zu reproduzieren. Entscheidend ist dabei der zugrunde liegende Zwang zur Autonomie, der sich daraus ergibt, dass das System in jeder noch so günstigen Umwelt zerfallen würde, wenn es die ereignishaften Bestandteile nicht mit Anschlussfähigkeit ausstattet und reproduziert (Luhmann 2002, S. 28). Nach der autopoietischen Theorie sichert es seine Anschlussfähigkeit, indem es die Elemente, aus denen es besteht, mittels der Elemente, aus denen es besteht, reproduziert. Das Erfordernis selbstreferenzieller Reproduktion liefert die Orientierung für die Synthetisierung und Verwendung der Elemente als Einheit (Luhmann
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1982a, S. 369). Diese Bedingung basaler Selbstreferenz, die die Grundlage für die Verknüpfbarkeit von Kommunikation bildet, setzt wiederum die Einheit der Kommunikation als Einheit von Identität (mit sich selbst) und Differenz (zu sich selbst) voraus (Whitehead 1979, S. 69). Soziale Systeme reproduzieren sich demnach über Kommunikationen ständig neu und identifizieren sich durch ihre Differenz zur Umwelt. Zusammenfassend kann eine Kommunikation folglich als anschlussfähiges Ereignis sowie als im Kommunikationssystem konstituiertes Element der Reproduktion des Kommunikationssystems charakterisiert werden, das eine Einheit von Identität und Differenz repräsentiert, die in Form einer Handlung einem Handelnden mit fester zeitlicher Verankerung zugerechnet werden kann (Luhmann 1982a, S. 370). Im Umgang mit sozialen Systemen stellt sich die Frage nach ihrem konzeptionellen Verhältnis zu Menschen. Luhmann reduziert in diesem Kontext Individuen auf ihr psychisches System, das er als ein aus Gedanken bzw. Vorstellungen konstituiertes Bewusstseinssystem beschreibt. Für psychische Systeme unterstellt er prinzipiell die gleichen Annahmen wie für soziale Systeme. So operiert das Bewusstseinssystem ebenfalls selbstreferenziell-geschlossen auf der Basis des konstitutiven Bestandteils Gedanke und reproduziert diesen in einem autopoietischen Prozess. Nach diesem Verständnis sind das soziale und das psychische System füreinander Umwelt und agieren jeweils autonom. Genauer gesagt, konstituiert sich die Emergenzebene des sozialen Systems bei dem Zusammentreffen psychischer Systeme als Verkettung von neu gebildeten Sinnelementen in Form von Kommunikationen als Einheit von Information, Mitteilung und Verstehen (Teubner 1992, S. 192). Soziale Phänomene werden demnach nicht als das Resultat kommunizierender oder handelnder Individuen angesehen, sondern sind das verselbständigte Produkt fortlaufender, aneinander anschließender Kommunikation (Luhmann 2002, S. 355–359). Allerdings funktionieren beide Systeme nicht unabhängig voneinander. Vielmehr fungieren das soziale und das psychische System wechselseitig als Umweltbedingung für ihre Existenz bei Aufrechterhaltung ihres autopoietischen Charakters. Sie stehen in einem Interpenetrationsverhältnis, das auf dem Vorhandensein von Sinn basiert (Reese-Schäfer 1999, S. 82–83). Sinn ermöglicht das Sichverstehen und die Reproduktion von Bewusstsein in der Kommunikation und zugleich die Transformation der Kommunikation auf das Bewusstsein der beteiligten Individuen (Luhmann 2002, S. 297). Von der beschriebenen Abhängigkeit zwischen sozialen und psychischen Systemen bei der Konstituierung bzw. Reproduktion eines sozialen Systems ist das Verhältnis zwischen sozialen Systemen und personalen Systemen im Rahmen der Handlungszurechnung zu differenzieren. Im Unterschied zu psychischen Systemen handelt es sich bei Personen um konstruierte Einheiten, die ausschließlich der Zurechnung dienen (Luhmann 1978b, S. 218). Sie entstehen durch die Beobachtung von psychischen Systemen, wobei als Beobachter sowohl soziale als auch psychische Systeme herangezogen werden können und die Konstitution von Personen durch Selbstbeobachtung explizit mitberücksichtigt wird. Der Ausdruck Personalisierung sozialer Systeme betont den Beobachtungssachverhalt und hebt die Abhängigkeit der Reproduktion des Kommunikationssystems von den personalen Attributionen der Beteiligten hervor (Luhmann 2002, S. 155). Damit lässt sich verdeutlichen, dass sich soziale Systeme dann als Zu-
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
sammenhang personalen Handelns beobachten lassen, wenn die Beschreibung des Handelns Ereignisse mit Eigenschaften assoziiert, die Personen zugerechnet werden (personal causality) (Bierhoff 1989, S. 157–158). Die Feststellung, eine Person habe gehandelt und damit ein beobachtbares Ereignis herbeigeführt, setzt wiederum voraus, dass Personen die Kenntnis von Handlungsmöglichkeiten sowie die Fähigkeit zu deren Umsetzung unterstellt werden können (Giddens 1988, S. 60–61). Eine grafische Zusammenfassung der Theorie sozialer Systeme nach dem Verständnis von Luhmann gibt Abbildung 3.4.
Psychische Systeme
Soziales System
Personale Systeme
Abbildung 3.4: Darstellung eines sozialen Systems im Sinne Luhmanns
Ebenso wie sich soziale Systeme im Sinne Luhmanns hinsichtlich des zugrunde liegenden Emergenzniveaus von psychischen Systemen unterscheiden, können Autonomisierungen innerhalb des sozialen Phänomenbereichs selbst auftreten. So können sich Kommunikationssysteme gegenüber selbigen emanzipieren, sodass sich innerhalb desselben Phänomenbereichs höherstufige autopoietische Systeme herausbilden (Teubner 1987, S. 430–431). Um die unterschiedlichen Emergenzniveaus von autopoietischen Systemen in einem Phänomenbereich explizit benennen zu können, wird auf das Maß des Ordnungsgrads zurückgegriffen. In Bezug auf soziale Systeme wird die Gesellschaft als Gesamtheit aller stattfindenden Kommunikationen mit dem Ordnungsgrad eins belegt. Systeme zweiter Ordnung konstituieren sich innerhalb der Gesellschaft durch das Herauskristallisieren von Spezialkommunikationen, die sich miteinander zu einer autonomen Einheit mit eigener Identität verketten. Auf analoge Weise können sich Systeme höherer Ordnung herausdifferenzieren (Teubner 1992, S. 193). Diese Festlegung spielt insbesondere in Verbindung mit der Charakterisierung von Dienstleistungserbringungssystemen eine bedeutende Rolle, der sich der nächste Abschnitt zuwendet.
3.1 Charakterisierung des Service Engineering Systems
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3.1.3 Wesen des Dienstleistungserbringungssystems Das System der Dienstleistungserbringung als Instanz eines sozialen Systems wird im Folgenden als ein Kommunikationssystem im Sinne Luhmanns verstanden, d. h. Kommunikationen werden als dessen konstituierende Komponenten angesehen. Diese Fokussierung auf den funktional-strukturellen Systemansatz in Verbindung mit dem Konzept der Autopoiesis wird damit begründet, dass zum einen mit der Fokussierung auf den funktionalistischen Aspekt eines sozialen Systems die beiden Wesensmerkmale einer Dienstleistungserbringung Prozessualität und Sozialität in bestmöglicher Weise adressiert werden. Zum anderen kann damit auf das maximale analytische Erklärungspotenzial der Systemtheorie uneingeschränkt zurückgegriffen werden. Das System der Dienstleistungserbringung beschreibt demnach eine zeitlich fortschreitende Abfolge von sich selbst reproduzierenden Kommunikationen, die zum Zwecke der Erfüllung des zugrunde liegenden Leistungsversprechens durchgeführt werden. Wegen der teleologischen Ausrichtung des Produktionssystems zeichnet sich der Erbringungsprozess durch eine wechselseitige Selektionsverstärkung aus, d. h. die Auswahl der nächsten Kommunikation baut nicht nur auf den vorangegangenen Ereignissen auf, sondern orientiert sich gleichfalls an den aus einer bestimmten Selektion resultierenden Folgen. Der Kommunikationsprozess lässt sich schließlich über die zugerechneten Handlungen von einem internen oder externen Beobachter im Sinne von Maturana/Varela (1980, S. 8) wahrnehmen und beschreiben. Bei näherer Betrachtung einer Dienstleistungserbringung erkennt man, dass sie sich nicht durch rekursive Verkettung und Selbstreproduktion von Kommunikationen in einer allgemeinen Form, d. h. über einfache, diffuse Interaktion, generieren kann. Stattdessen ist eine systemtheoretische Spezialisierung und die Gründung eines höheren Emergenzniveaus notwendig. Um sich der Essenz der Dienstleistungserbringung zu nähern, soll sie zunächst nach ihrer Funktion als allgemeiner Produktionsprozess und somit als Transaktion in einer (institutionellen) Organisation angenommen werden. Eine Organisation repräsentiert ein System, das aus (Kommunikationen von) Entscheidungen besteht, die sich rekursiv selbst reproduzieren (zu Knyphausen-Aufsess 1988, S. 238). Eine Entscheidung ist dabei als autonome und selbstreferenziell erzeugte Einheit aus Information, Mitteilung und Verstehen aufzufassen, die zwangsläufig über sich selbst sowie über die abgelehnten Alternativen informieren muss (Luhmann 2000, S. 142). Ihr Ziel besteht stets in der Eliminierung destruktiver Aspekte bzw. der Förderung produktiver Aspekte von Arbeit (Baecker 1999, S. 192). Durch den Informationsaspekt insistiert jede Operation einer Organisation das Oszillieren zwischen Selbst- und Fremdreferenz. Es reicht demnach nicht aus, dass jede Entscheidung sich auf das gesamte System von Entscheidungen bezieht. Gleichfalls beinhaltet sie eine Fremdreferenz im Sinne der Motivation der Entscheidung. Erst diese Kopplung ermöglicht es einer Organisation, bei operativer Geschlossenheit Offenheit gegenüber der Umwelt zu reproduzieren (Luhmann 2000, S. 65). Zusammenfassend lassen sich Organisationen als selbstreferenziell-geschlossene, soziale Systeme zweiten Grads, in denen sich Entscheidungen als Elemente konstituieren, und folglich als ein auf Basis der Gesellschaft herausgebildetes Emergenzphänomen interpretieren.
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
Auf diesem Verständnis aufbauend verkörpert die Dienstleistungserbringung ein Subsystem der Organisation. Der Erstellungsvorgang setzt sich ausschließlich aus selbstreferenziell reproduzierenden Entscheidungen zusammen. Andere potenzielle Kriterien für das System der Dienstleistungserbringung, wie z. B. Ziele oder Hierarchien, sind demnach Entscheidungen unterzuordnen und als deren Resultat auszulegen. Dies gilt gleichfalls für im Produktionsvorgang von Dienstleistungen, insbesondere in Bereichen des Back Office, auftretende manuelle Operationen bzw. körperliche Verrichtungen. Diese sind als Handlungen zu begreifen, deren Zerlegung in die zugrunde liegenden Entscheidungskommunikationen als unzweckmäßig angesehen werden. Hierbei ist zu betonen, dass die Barrieren der Dekomposition in Entscheidungen stets durch die Organisation selbst determiniert werden und somit ein Ergebnis von Entscheidungen darstellen (Luhmann 2000, S. 63–64). Da Entscheidungen im Vergleich zu gesellschaftlichen Kommunikationen eine geringere Anschlussstärke aufweisen (zu Knyphausen-Aufsess 1988, S. 241), sind sie in besonderem Maße auf ihre Struktur als Bedingung der Möglichkeiten basaler Selbstreferenz angewiesen (Luhmann 2002, S. 393). Im Allgemeinen fungieren Erwartungen als Struktur in sozialen Systemen (Luhmann 2002, S. 398), die diesem durch die Steuerung des Übergangs von einer Kommunikation zur nächsten eine »innere Führung« verleihen (Luhmann 2002, S. 384). In Organisationen repräsentieren bspw. Herrschaftsverhältnisse zwischen den Mitgliedern eine Strukturform, die die Befugnis zur Entscheidungskommunikation steuern (Luhmann 2000, S. 67). Im Fall der Dienstleistungserbringung steht insbesondere das zwischen dem Anbieter und dem Kunden vereinbarte Leistungsversprechen als eine weitere Strukturinstanz im Mittelpunkt, da dieses einen bedeutenden Beitrag zur Lösung des Problems der Autopoiesis der Organisation liefert und damit die Durchführung der Dienstleistung unterstützt. So bildet ein entsprechend präpariertes Leistungsversprechen den entscheidenden Anknüpfungspunkt, an dem sich jede einzelne Entscheidung innerhalb des Erbringungsvorgangs orientieren kann. Die Interpretation der Dienstleistungserbringung als Organisation könnte genau dann herangezogen werden, wenn eine Dienstleistung ausschließlich innerhalb der betrachteten Organisation stattfinden würde. Da jedoch zugleich Einflüsse aus der Umwelt des Markts, über dessen Grenze sich eine Organisation definiert, in Form externer Faktoren auftreten, greift der Ansatz zu kurz. Er beinhaltet das Problem, dass der Leistungsempfänger zwar am Produktionsprozess mitwirkt, gleichzeitig aber aufgrund der fehlenden Mitgliedschaft nicht als Bestandteil der Organisation angesehen werden kann. Stattdessen gehört er der Umwelt und damit nicht dem Raum kognitiver Verknüpfungen an, in dem psychische Systeme durch ihr Interpenetrationsverhältnis zum Organisationssystem dieses ermöglichen. Dieser Sachverhalt ist nach der Definition einer Dienstleistung nicht nur dann gegeben, wenn unternehmensexterne Personen als Kunden agieren. Der Gedanke kann ebenso auf unternehmensinterne Abnehmer transferiert werden, solange ein alternatives Marktangebot im Hinblick auf die erstellte Leistung existiert, was bei Dienstleistungen per definitionem immer gegeben sein muss. Demnach lassen sich Anbieter und Nachfrager der Dienstleistung stets als zwei voneinander unabhängige Organisationen begreifen, die als Vertragspartner auftreten. Die Beziehung drückt sich also nicht nur in dem Handlungstyp der Kooperation im Zuge der Leistungserstellung aus, sondern
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ebenso in dem des Austauschs von Zahlungen oder in einer anderen Form der Verrechnung (Teubner 1992, S. 195). Eine solche Auffassung spiegelt sich insbesondere in der dezentralen Organisationsform der »Profit Center« (z. B. Schwab 2004, S. 36) innerhalb von Unternehmen bzw. Konzernen wider. Der nicht integrierbare Aspekt des Austauschs ist Gegenstand einer anderen Instanz sozialer Systeme zweiten Grads. Gemeint sind Wirtschaftssysteme, die als Emergenzphänomen aus der Gesellschaft heraus erwachsen. Wirtschaftssysteme konstituieren selbstreferenziell neuartige Elemente in Form von (Kommunikationen von) Zahlungen und verknüpfen diese zirkulär miteinander, d. h. eine Zahlung dient der Ermöglichung weiterer Zahlungen. Insofern besitzt auch die Wirtschaft einen autopoietischen Charakter (Luhmann 2002, S. 625). Organisiert wird die Reproduktion der Zahlungsakte durch Verträge, mittels derer sich die Tauschprozesse formalisieren lassen (Teubner 1989, S. 160). Die Dienstleistung kann nun analog zur Organisation als ein Problemlöser für die Autopoiesis des Wirtschaftssystems herangezogen werden. Auch hier stellt sie eine potenzielle Struktur dar und liefert durch das Aufzeigen, wofür man zu zahlen bereit ist oder nicht, einen wichtigen Orientierungspunkt. Anders als in Organisationssystemen gehören in dieser Konstellation sowohl der Dienstleistungsanbieter als auch der -abnehmer dem betrachteten System an. Im Gegenzug findet allerdings der Gesichtspunkt der Kooperation in keinster Weise Berücksichtigung, sodass gleichfalls eine isolierte Betrachtung des Tauschaspekts nicht zweckdienlich ist. Organisations- und Wirtschaftssystem beschreiben also jeweils ein soziales System zweiten Grads und repräsentieren Emergenzphänomene auf der Grundlage des Gesellschaftssystems. Beide Erscheinungsformen besitzen im Zusammenhang mit Dienstleistungen Gültigkeit, klammern aber isoliert betrachtet entscheidende Sachverhalte aus. Da sie auf unterschiedlichen Kommunikationsarten aufbauen, die sich weder verschmelzen noch miteinander verknüpfen lassen, können Dienstleistungen auch nicht als Übergangsform gedeutet werden. Eine Lösung des Problems bietet sich jedoch, wenn man die Dienstleistungserbringung nicht zwischen Organisations- und Wirtschaftssystem, sondern jenseits davon, auf einem höheren Emergenzniveau einzuordnen versucht. Als Resultat erhält man die Instanziierung eines Netzwerks als soziales System dritten Grads, das auf der fest institutionalisierten Unterscheidung von Organisations- und Wirtschaftssystem aufbaut. Netzwerke entstehen somit durch den Wiedereintritt der Unterscheidung von Markt und Hierarchie in diese selbst. Folglich wiederholt sich bei Netzwerken innerhalb der Distinktion Wirtschaft/Organisation nochmals dieselbe Unterscheidung, wodurch Organisationen mit marktlichen Aspekten ausgestattet werden et vice versa. Genau diese Doppelkonstitution des institutionellen Arrangements zeichnet schließlich das Emergenzphänomen von Netzwerken aus (Teubner 1992, S. 197–199). Die Dienstleistungserbringung lässt sich als eine Sonderform eines Netzwerks interpretieren. Dieses umfasst die Vertragsbeziehung zwischen den autonomen Akteuren Anbieter und Kunde ebenso wie deren formale Organisation im Rahmen des Erstellungsablaufs. Im Vergleich zu klassischen Netzwerken zeichnen sich Dienstleistungen dadurch aus, dass das Motiv der Konstituierung nicht in der Realisierung von Optimierungspotenzialen liegt (Imai/Itami 1984,
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S. 285). Als Beispiel für einen solchen Fall sei das Franchising angeführt, wo der »Residual Claim« für den Franchisee wegen der Ersparnis von »Monitoring Costs« in der Regel höher als vergleichbare Anreize im firmeneigenen Vertrieb ist (Dnes 1991, S. 134–136). Vielmehr lassen sich Dienstleistungen per definitionem nicht innerhalb eines Organisations- oder Wirtschaftssystems erstellen, sodass für ihre Erbringung das Zustandekommen eines sozialen Systems dritten Grads und damit eines entsprechend hohen Emergenzniveaus essenziell notwendig ist. Des Weiteren differenziert sich das System der Dienstleistungserbringung von normalen Netzwerken dadurch, dass es nicht als eigenständiger kollektiver Akteur gegenüber seiner Umwelt in Erscheinung tritt. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn ein Netzwerk als Anbieter oder Kunde der Dienstleistung fungiert. Im Hinblick auf die Entstehung von Dienstleistungsnetzwerken ist entscheidend, dass diese neuartige Elemente herstellen und operativ verknüpfen können. In Analogie zur Definition einer Netzwerkoperation nach Teubner (1992, S. 199) setzt sich das System der Dienstleistungserbringung aus (Kommunikationen von) Serviceoperationen zusammen, die sich über die soziale Doppelattribution von Handlungen auszeichnen, d. h. ein kommunikatives Ereignis innerhalb einer Leistungserbringung wird gleichzeitig einem der autonomen Vertragspartner sowie der Gesamtorganisation zugerechnet. Bei Serviceoperationen handelt es sich folglich um emergente Phänomene gegenüber reinen Zahlungs- oder Entscheidungskommunikationen, da sie uno actu auf ein Wirtschafts- und ein Organisationssystem referenzieren. Gelingt es dem System der Dienstleistungserbringung die Doppelattribution von Handlungen in die Erzeugung und Anwendung einer Selbstbeschreibung einfließen zu lassen, konstituiert es sich selbst als autonome Einheit. Um zudem den autopoietischen Charakter des Systems der Dienstleistungserbringung hinreichend nachzuweisen, wird auf einen hierfür von Varela/ Maturana/Uribe (1974, S. 192–193) definierten, sechsstufigen Schlüssel zurückgegriffen (vgl. Tabelle 3.1). 1. Determinierung der Einheitsgrenzen durch Interaktionen: Das System der Dienstleistungserbringung zielt auf die Produktion einer Dienstleistung ab. Diese Zielsetzung stattet das System mit Sinn aus. Jede Serviceoperation lässt sich nun anhand der zu erstellenden Dienstleistung als Bezugsobjekt bzw. anhand des damit verbundenen Sinns eindeutig dem System bzw. seiner Umwelt zurechnen. Die Grenzen des Systems der Dienstleistungserbringung sind in diesem Sinne eindeutig bestimmbar. 2. Konstituierung der Einheit durch Elemente: Das System der Dienstleistungserbringung setzt sich aus Serviceoperationen zusammen. Es stellt demnach keine nicht weiter zerlegbare Ganzheit dar, sondern kann als eine grundsätzlich analysierbare Einheit interpretiert werden. 3. Bestimmung des mechanistischen Charakters der Einheit: Das Dienstleistungsnetzwerk ist dadurch charakterisiert, dass zwischen den einzelnen Serviceoperationen ein logisches Abhängigkeitsverhältnis besteht. So bauen Serviceoperationen durch ihre reaktiven Verknüpfungen auf vorherigen Serviceoperationen auf und lösen selbst wiederum Anschlusskommunikationen aus. Die Eigenschaften der Elemente genügen also gewis-
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Tabelle 3.1: Schlüssel für den Nachweis von Autopoiesis nach Varela/Maturana/Uribe (1985, S. 164–165) Schritt
Bedingung
Folge bei Nichterfüllung
1
Stelle durch Interaktionen fest, ob die Einheit genau angebbare Grenzen hat.
Einheit ist unbeschreibbar.
2
Stelle fest, ob die Einheit durch Elemente konstituiert wird, d. h. ob sie Bestandteile aufweist.
Einheit ist unanalysierbares Ganzes.
3
Stelle fest, ob die Einheit ein mechanistisches System ist, d. h. ob die Eigenschaften der Bestandteile gewissen Relationen genügen, die die Interaktionen und Transformationen dieser Bestandteile innerhalb der Einheit determinieren.
Einheit beruht auf nicht näher definierbaren, übernatürlichen Beziehungen.
4
Stelle fest, ob die Bestandteile, die die Grenzen der Einheit bilden, diese Grenzen durch präferenzielle Nachbarschaftsrelationen und Interaktionen untereinander konstituieren, wie sie durch ihre Eigenschaften im Raum ihrer Interaktionen determiniert werden.
Grenzen der Einheit werden durch die Untersuchung und nicht durch die Einheit selbst determiniert.
5
Stelle fest, ob die Bestandteile der Grenzen der Einheit durch die Interaktionen der Bestandteile der Einheit erzeugt werden, sei es durch Transformation zuvor erzeugter Bestandteile, sei es durch Transformation und/oder Verkoppelung von Elementen, die nicht den Bestandteilen angehören, durch die Grenzen der Einheit jedoch in diese eindringen.
Einheit ist nicht autopoietisch, da es Bestandteile gibt, die nicht durch die Bestandteile der Einheit erzeugt werden, oder da es Bestandteile der Einheit gibt, die nicht an der Erzeugung anderer Bestandteile mitwirken.
6
Stelle fest, ob alle die anderen Bestandteile der Einheit auch durch die Interaktionen ihrer Bestandteile, wie unter Punkt 5, erzeugt werden, und ob all jene, die nicht durch die Interaktionen anderer Bestandteile erzeugt werden, als notwendige, permanent konstitutive Bestandteile an der Erzeugung anderer Bestandteile mitwirken.
Einheit ist nicht autopoietisch, da es Bestandteile gibt, die nicht durch die Bestandteile der Einheit erzeugt werden, oder da es Bestandteile der Einheit gibt, die nicht an der Erzeugung anderer Bestandteile mitwirken.
sen Relationen, die die Transformationen und Interaktionen der Bestandteile innerhalb des Systems bestimmen. Insofern repräsentiert das System der Dienstleistungserbringung ein mechanistisches System. 4. Festlegung der Einheitsgrenzen durch die Einheit selbst: Der aufgrund des teleologischen Merkmals dem System der Dienstleistungserbringung zugrunde liegende Sinn bildet den Bezugspunkt, an dem sich die Komponente Serviceoperation orientiert. Dadurch sind die einzelnen Kommunikationen aus dem System heraus eng verbunden, sodass die Grenzen der Einheit durch die Nachbarschaftsrelationen der Kommunikationen determiniert werden. Darüber hinaus können die Grenzen ausschließlich aus dem Produktionssystem heraus festgelegt werden, da zum einen Serviceoperationen an sich durch Menschen nicht unmittelbar beobachtbar sind und zum anderen die beteiligten Individuen in dem hier verwendeten Verständnis von sozialen Systemen zur Umwelt des Erbringungssystems gerechnet werden.
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
5. Erzeugung der Elemente der Einheitsgrenze durch Reproduktion: Das System der Dienstleistungserbringung ist als Kommunikationssystem wegen der Momenthaftigkeit seiner Bestandteile und dem daraus resultierenden Zwang zur Autonomie permanent gezwungen, neue Bestandteile selbst zu generieren. Das System der Dienstleistungserbringung muss demnach dauerhaft Serviceoperationen erzeugen, da es sonst aufhört zu existieren. Dienstleistungsrealisierungen bestehen also, solange kommuniziert wird. Ist das System dazu nicht mehr in der Lage, z. B. durch Abbruch oder Fertigstellung der vereinbarten Leistung, kann nicht mehr sinnvoll von einem (aktiven) Dienstleistungsproduktionsprozess gesprochen werden. Da dies für sämtliche Serviceoperationen der Fall ist, gilt es ebenso für diejenigen, die die Grenzen der Einheit festlegen. 6. Erzeugung aller Elemente durch Reproduktion: Es wurde bereits unter Punkt 5 gezeigt, dass diese Bedingung für alle Serviceoperationen im System der Dienstleistungserbringung erfüllt ist. Da das System der Dienstleistungserbringung im Sinne eines Kommunikationssystems allen sechs Bedingungen genügt, kann es nach der Definition von Varela/Maturana/Uribe autopoietisch genannt werden. Es agiert damit operational geschlossen, d. h. es kommuniziert autonom. Umweltreize werden von dem System durchaus wahrgenommen, die Entscheidung, ob und mit welcher Serviceoperation es darauf reagiert, trifft es jedoch eigenständig. Der Prozess der Dienstleistungserbringung wird also komplett als eine Sonderform der Kommunikation betrachtet und anhand jeder dafür in Frage kommenden Handlung überprüft, ob auf Seiten der beteiligten Akteure ein reproduzierbares und weiterführendes Verständnis der Dienstleistung vorliegt oder nicht. Das Leistungsversprechen dient dabei als eine Struktur, die die Realisierung einer Serviceoperation ermöglicht, sofern die jeweilige Fremdreferenz auf die Transaktion der Dienstleistung gelingt. Darüber hinaus üben weitere Strukturen einen starken Einfluss aus, da auf eine Serviceoperation zusätzlich sowohl die Strukturen des Wirtschafts- als auch die des Organisationssystems wirken. Die Initiierung jeder Serviceoperation wird somit zugleich durch die Anforderungen aus dem Vertragsverhältnis zwischen den Einzelakteuren einerseits sowie denjenigen des Dienstleistungsnetzwerks andererseits limitiert. Realisiert wird die Autopoiesis des Systems der Dienstleistungserbringung in dem Raum kognitiver Verknüpfungen, in dem die psychischen Systeme der daran beteiligten Personen untereinander interagieren. Die Herstellung dieses Raums setzt bei den Individuen die Fähigkeit zur Interpenetration mit dem Dienstleistungsproduktionssystem voraus, deren Umsetzung zur Bildung eines konsensuellen Bereichs im Sinne Maturanas führt (Maturana 1975, S. 323). Die beteiligten Individuen sind damit nicht Bestandteil des autopoietischen Kerns des Systems der Dienstleistungserbringung, sondern gehören zu dessen Umwelt. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zum Systemverständnis von z. B. Hejl, der soziale Systeme als Netzwerk miteinander operierender Individuen ansieht. Da sich das Dienstleistungsproduktionssystem nicht aus Menschen, sondern aus sich selbst erzeugenden Kommunikationen zusammensetzt, sind prinzipiell alle an der Durchführung eines Umsetzungsvorgangs beteiligte Mitarbeiter ersetzbar. Die Tatsache, dass Serviceoperationen getätigt werden, hängt von dem Interpene-
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trationsverhältnis mit beliebigen Personen ab. Dezisiv ist einzig die Fähigkeit ihres psychischen Systems, einen konsensuellen Bereich mit dem System der Dienstleistungserbringung generieren zu können. Abbildung 3.5 visualisiert abschließend das Emergenzphänomen Dienstleistungserbringung. Die aus der autopoietischen Reproduktion von Gedanken bestehenden, psychischen Systeme bilden das Fundament, auf dem sich das Emergenzphänomen der sozialen Systeme konstituieren kann. Als unterste Stufe sozialer Systeme und damit als soziales System ersten Grads wird die Gesellschaft angenommen, die sich aus sämtlichen Kommunikationen zusammensetzt. Aus ihr heraus können über die rekursive Verkettung von Spezialkommunikationen in Form von Entscheidungs- und Zahlungskommunikationen die autonomen sozialen Systeme Organisation und Wirtschaft erwachsen. Die feste Institutionalisierung dieser beiden sozialen Systeme zweiten Grads stellt wiederum die Voraussetzung für die Entstehung von emergenten Systemen der Dienstleistungserbringung dar, da für die dauerhafte Selbsterstellung von Serviceoperationen und somit die Erfüllung des vereinbarten Leistungsversprechens gleichzeitig ein Interpenetrationsverhältnis zu Ausprägungen beider Basissysteme zwingend notwendig ist.
Abbildung 3.5: Dienstleistung als soziales System dritten Grads
Die Charakterisierung der Dienstleistungserbringung, die sich ausschließlich als autopoietisches soziales System dritten Grads konstituieren kann, lässt bereits erahnen, welche Herausforderungen mit der Konzeptionierung eines solchen, zum Planungszeitraum noch nicht existenten, autonomen Systems einhergehen. Eine detaillierte Beschreibung der Implikationen erfolgt im nachfolgenden Abschnitt im Rahmen der Analyse des Service Engineering Systems.
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3.1.4 Wesen des Service Engineering Systems Das Service Engineering System weist prinzipiell die gleichen Wesenszüge wie das System der Dienstleistungserbringung auf. Es besitzt ebenso ein eindeutiges Ziel und stellt damit eine funktionale Perspektive in den Mittelpunkt. Neben der Prozessualität zeichnet es sich auch durch seine Sozialität aus, wenngleich diesem Gesichtspunkt nicht die konstitutive Bedeutung wie im Fall der Dienstleistungserbringung zuteil wird. Zur Erschließung des grundsätzlichen Wesens des Entwicklungssystems einer Dienstleistung kann demnach auf die vorangegangenen Ausführungen zurückgegriffen werden. In Abhängigkeit davon, ob die Dienstleistungserbringung von einem Unternehmen oder einem Unternehmensverbund konzipiert wird, lässt sie sich entweder als Organisation oder als Netzwerk begreifen. Da in dieser Arbeit auf den Aspekt der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen von Dienstleistungsentwicklungsvorhaben jedoch nicht fokussiert wird, soll eine projektmäßige Abwicklung des Service Engineering Prozesses innerhalb eines Unternehmens angenommen werden. Unter einem Service Engineering System wird somit im Folgenden eine Organisation verstanden, d. h. ein soziales System zweiten Grads auf der Basis von Gesellschaft. Zu dessen Konstitution und Aufrechterhaltung können ausschließlich die psychischen Systeme der Individuen fungieren, die das Kriterium der Mitgliedschaft erfüllen. Die Gruppe der Unternehmens- bzw. Projektzugehörigen muss dabei für den Zeitraum des Entwicklungsvorhabens nicht zwangsweise konstant sein. In das Entwicklungssystem lassen sich auch potenzielle Kunden im Hinblick auf eine marktgerechte Gestaltung der Dienstleistung einbinden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Mitwirkung unentgeltlich erfolgt, weil die Mitarbeit ansonsten einem Vertragsverhältnis unterliegen würde und folglich das Entwicklungssystem nicht mehr als Organisation, sondern als (Dienstleistungs-)Netzwerk aufzufassen wäre. Das Service Engineering System besteht folglich aus Entscheidungen als Elementarakte, deren Autopoiesiseigenschaft wieder mithilfe des Schlüssels von Varela/Maturana/Uribe (1974, S. 192–193) nachgewiesen werden kann (vgl. Tabelle 3.1): 1. Determinierung der Einheitsgrenzen durch Interaktionen: Entscheidungen lassen sich anhand der Zielsetzung des Service Engineering Systems bzw. anhand des Objekts, auf das sich ihre Fremdreferenz bezieht, unmissverständlich dem System oder seiner Umwelt zuweisen. Somit können die Grenzen des Systems eindeutig bestimmt werden. 2. Konstituierung der Einheit durch Elemente: Das Service Engineering System begründet sich aus Kommunikationen von Entscheidungen. Insofern handelt es sich nicht um eine atomare Einheit und kann prinzipiell analysiert werden. 3. Bestimmung des mechanistischen Charakters der Einheit: Wie alle Kommunikationen besitzen auch Entscheidungen einen ereignishaften Charakter. Da historisch betrachtet Entscheidungen aus bereits getroffenen Entscheidungen resultieren bzw. selbst neue Entscheidungen hervorrufen, stehen diese untereinander in einem zeitlich-logischen Verhältnis und verursachen demzufolge als Entscheidungsprozess gewisse Transforma-
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tionen. In diesem Sinne kann das Service Engineering System als mechanistisch bezeichnet werden. 4. Festlegung der Einheitsgrenzen durch die Einheit selbst: Das Service Engineering System ist aufgrund seines teleologischen Charakteristikums mit einem Sinn ausgestattet, an dem es sich bei der Reproduktion von Entscheidungen orientiert. Entscheidungen determinieren folglich unabhängig von der Beschreibung eines Beobachters ihre Nachfolgekommunikationen und begründen somit eigenständig ihre Grenzen. Das Entwicklungssystem ist dabei zwar auf ein Interpenetrationsverhältnis mit psychischen Systemen angewiesen, kann allerdings in seiner Selektion durch diese nicht manipuliert werden, da sie keinen Einfluss auf die Konstitution von Entscheidungen ausüben. 5. Erzeugung der Elemente der Einheitsgrenze durch Reproduktion: Aufgrund der bereits angesprochenen Momenthaftigkeit des Elements Entscheidung ist das Service Engineering System ständig gezwungen, Anschlussentscheidungen hervorzubringen. Gelingt es dem System nicht, sich auf diese Weise dauerhaft zu erhalten, handelt es sich nicht mehr um ein Emergenzphänomen. Das Dienstleistungsentwicklungssystem verliert damit seine Autonomieeigenschaft und hört zwangsweise auf zu existieren. Da dies für alle Entscheidungskommunikationen zutrifft, gilt es gleichfalls für diejenigen, die die Grenzen der Einheit determinieren. 6. Erzeugung aller Elemente durch Reproduktion: Da sämtliche Entscheidungen des Service Engineering Systems dieser Anforderung genügen, wie bereits unter Punkt 5 nachgewiesen wurde, kann diese Bedingung ebenso als erfüllt angesehen werden. Da das Service Engineering System allen Bedingungen genügt, ist sein autopoietischer Charakter hinreichend nachgewiesen. Es konstituiert sich aus Entscheidungskommunikationen, die auf der Basis basaler Selbstreferenz rekursiv erzeugt werden. Das Entwicklungssystem handelt dadurch operational geschlossen, es entscheidet autonom. Sobald diese Bedingung der operativen Geschlossenheit nicht mehr erfüllt ist, verliert das betrachtete System seinen autopoietischen Charakter. Dies ist beim System der Dienstleistungsentwicklung bspw. dann der Fall, wenn die Reproduktion von Entscheidungen nicht mehr aus dem System heraus festgelegt wird, sondern restriktive Vorschriften des Systems (Gesamt-)Unternehmen zwingend zu berücksichtigen sind. Das Service Engineering System wird dann zum Bestandteil des autonomen Systems Unternehmen, verliert jedoch zugleich seine eigene Autonomie. Limitiert wird die rekursive Selbsterstellung durch die Struktur des Systems. Hierzu zählen wie bei allen Organisationssystemen die Erwartungen, die sich von außen in Form von Hierarchie bzw. Machtbeziehungen zwischen den involvierten Akteuren wahrnehmen lassen. Insbesondere wirken jedoch die Erwartungen hinsichtlich der zu entwickelnden Dienstleistung auf die Selektion von Entscheidungen ein und beschränken diese. Im Gegenzug wirken getroffene Entscheidungen stimulierend auf die Vorstellung über die Ausgestaltung des zu konzipierenden Angebots. Durch diese Oszillation zwischen Prozess- und Strukturdimension des Service Engineering Systems erfolgt schließlich eine graduelle Detaillierung der Erwartungen in Bezug auf die Dienstleistung. Besteht die Vorstellung zu Beginn eines Entwicklungsvorhabens
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lediglich aus einer Idee, so konkretisieren sich die Erwartungen im Laufe der Konzeption bis hin zu einer ausführlichen Beschreibung sämtlicher interessierender Sachverhalte der Leistungserbringung. Darunter fallen sowohl die prozessualen und strukturellen Aspekte als auch die dazwischen auftretenden Interdependenzen. Bezug nehmend auf die im Rahmen der Einführung des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering in Abschnitt 2.4.1 vorgestellten Terminologie, entspricht folglich der Prozess des Service Engineering Systems und die dazugehörige Struktur der Ablaufplanung dem dort abgebildeten Prozesssystem sowie die Struktur der Dienstleistungserbringung, bestehend aus dem Prozess des Erstellungsablaufs und der entsprechenden Struktur des Leistungsversprechens, dem Objektsystem. Abbildung 3.6 verdeutlicht den Aufbau des Service Engineering Systems nochmals grafisch. Dienstleistungsentwicklungssystem Prozess
Struktur
Prozesssystem (gegenwartsbezogen)
Dienstleistungserbringungssystem Prozess
Struktur
Objektsystem (zukunftsbezogen)
Abbildung 3.6: Charakterisierung des Service Engineering Systems
Das autopoietische Moment des Service Engineering Systems wie auch des Systems der Dienstleistungserbringung hat weitreichende Konsequenzen. Im Hinblick auf das Entwicklungssystem impliziert diese Eigenschaft, dass der tatsächliche Ablauf eine immanente Unruhe besitzt, die von den beteiligten Individuen a priori nicht gänzlich vorhersehbar und damit prinzipiell nicht vollständig planbar ist. Der Gestaltungsprozess kann zu jedem Zeitpunkt einen für einen Beobachter unerwarteten Verlauf annehmen, der in einem für ihn ersichtlichen (z. B. Umweltreiz) oder nicht nachvollziehbaren (z. B. Motivation eines beteiligten psychischen Systems) Ereignis begründet ist. Sämtliche Planungsbemühungen spiegeln demnach den Versuch wider, den zukünftigen Verlauf eines Entwicklungsvorhabens sowie die damit zusammenhängenden Sachverhalte unter Berücksichtigung der vorgegebenen Zielsetzung in Form von Sollvorgaben zu optimieren. Diese resultieren in Handlungsvorschlägen, die als eine die Selektivität von Folgekommunikationen limitierende Struktur interpretiert werden können. Allerdings unterliegt das Entscheidungssystem durch die operative Geschlossenheit nicht dem
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Zwang, diese befolgen zu müssen. Aus diesem Grund ist hinsichtlich einer effizienten Dienstleistungsentwicklung eine permanente Erfassung der aktuellen Situation und im Fall einer Abweichung von Soll- und Ist-Wert daran anschließend eine flexible Anpassung der Planung an die tatsächlichen Gegebenheiten erforderlich. Systemtheoretisch formuliert erzeugt also das Service Engineering System aufgrund einer Selbstbeobachtung Entscheidungen, die die Erwartungen bzgl. des weiteren Verlaufs stimulieren und damit eine Veränderung der Struktur hervorrufen. Während das dargelegte Arrangement des Entwicklungsprozesses gleichermaßen für die Konzeption von Dienstleistungen wie für die Gestaltung von erwartungsorientierten Sachgüterproduktionen gilt, unterscheiden sich die beiden Engineering Systeme vor allem in der inhaltlichen Ausgestaltung des Prozessaspekts im Objektsystem. Herstellungsprozesse von erwartungsorientierten Sachgüterproduktionen enthalten in der Regel keinerlei Sozialität und können weitgehend automatisiert ablaufen. Sie stellen reine Handlungssequenzen dar, die entweder von sachlichen oder menschlichen Aktionseinheiten durchgeführt werden und nicht auf dahinter liegende Kommunikationen überprüft werden müssen. Der Gesamtvorgang lässt sich so weit spezifizieren, dass keine bzw. ausschließlich unmissverständliche Kommunikation zwischen den tätigkeitsausführenden Akteuren stattfindet und ein Ablauf lediglich in Ausnahmefällen durch außerordentliche Störungen unterbrochen wird. Demgegenüber repräsentiert das System der Dienstleistungserbringung eine soziale Einheit mit autopoietischem Charakter. Die Hauptaufgabe des Service Engineering Systems besteht folglich in der Paradoxie, mittels selbstreferenzieller Reproduktion von Entscheidungen eine exakte Struktur von einer sich zukünftig konstituierenden, autonomen Einheit zu konzipieren. Die Bestrebung besteht mit anderen Worten in der Unmöglichkeit der Beschreibung eines per definitionem nicht vollständig determinierbaren Dienstleistungserbringungssystems, das sich erst nach Abschluss des Entwicklungsprozesses realisieren und somit auch erst ab diesem Zeitpunkt in seiner konkreten Ausprägung beobachtet werden kann. Der Kommunikationsprozess der Dienstleistungserbringung ist somit prinzipiell nicht in Gänze vorhersehbar, wobei die Unruhe bzw. Störanfälligkeit des Verlaufs mit steigender Sozialität zunimmt. Da das Service Engineering System den konkreten Erbringungsprozess nicht abbilden kann, zielt es stattdessen auf die Erzeugung von Erwartungen ab, die später als selektivitätseinschränkende Struktur auf den Produktionsprozess wirken. Dahinter steht die Absicht, die Erwartungen der beteiligten Akteure in Bezug auf die Ausgestaltung der Leistung zu detaillieren, um auf diesem Weg eine bestmögliche Limitierung des Dienstleistungserstellungsvorgangs zu erreichen. Analog zum Entwicklungsprozess kommt dabei wiederum der Anfertigung eines Sollvorgehens eine hohe Bedeutung zu. Allerdings kann der konkrete Verlauf im Rahmen des Service Engineering Systems nicht regelmäßig mit den tatsächlichen IstWerten verifiziert werden. Demzufolge lassen sich lediglich Abläufe darstellen, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten werden. Der Unsicherheit bzgl. des Erbringungsprozesses kann zum einen mit der Abbildung verschiedener Prozessvarianten begegnet werden, die sich als Fallunterscheidungen zu einem komplexen Gesamtprozess zusammenführen las-
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
sen. Zum anderen lassen sich einzelne Stellen im Erbringungsprozess antizipieren, an denen potenzielle Kommunikationsstörungen auftreten können. Diese führen in der Regel zu unerwarteten bzw. unerwünschten Handlungsverläufen und folglich zu einer hohen Varianz der Prozessinstanzen. Für den Fall des Eintritts einer unerwarteten Serviceoperation bzw. ihrer korrespondierenden Handlung können Verfahren definiert werden, die den sozialen Prozess wieder in die gewünschte Kommunikationsfolge zurückführen sollen. Um die Leistungserbringung stärker zu programmieren und damit die Varianz der Ablaufalternativen bereits im Vorfeld zu reduzieren, lassen sich den Störungen präventiv entgegenwirkende Kommunikationen in den Prozess einbinden. Die Einbettung von spezifizierenden Serviceoperationen bezweckt eine frühzeitige Determinierung des Leistungsversprechens und die Abstimmung des gesamten Produktionsprozesses. Exemplarisch für diesen Sachverhalt können Service Level Agreements angeführt werden, die den Umfang verschiedener Leistungsstufen von informationstechnischen Unterstützungen standardisieren und vertraglich regeln (Ludwig et al. 2003). Es handelt sich dabei um den Versuch, soziale Elemente über Strukturbeschränkungen möglichst weit vorne im Erstellungsprozess zu bündeln. Die Intention liegt in der exakten Synchronisation der Vorstellungen hinsichtlich Leistungsversprechen und Erstellungsablauf bei allen involvierten psychischen Systemen zu Beginn des Erbringungsprozesses. Auf dieser Grundlage lässt sich schließlich der weitere Ablauf weitgehend technisieren. Das Ergebnis stellt eine mehr oder weniger erfolgreiche Isolierung von Kausalbeziehungen dar mit der Folge, dass (1) der Prozess kontrollierbar, (2) die eingesetzten Ressourcen planbar und (3) Fehler erkennbar und zurechenbar werden (Luhmann 1991, S. 98). Erst die Erzeugung kausal geschlossener Operationsbereiche erlaubt einen automatisierten Ablauf von Handlungen. Auf dieser Grundlage können in Dienstleistungsunternehmen standardisierte Prozessabläufe institutionalisiert werden. Im Hinblick auf eine effiziente Dienstleistungserbringung lässt sich daraus ein idealisierter Prozessablauf anhand eines dreistufigen Schemas (vgl. Corsten/ Gössinger 2004, S. 129) ableiten. Die erste Phase »Vorproduktion« beinhaltet die Zusammenführung von Ressourcen, die unabhängig vom externen Faktor vollzogen werden kann. Der Anbieter baut hier seine Leistungsbereitschaft auf, die ihn zur Erstellung der Leistung befähigt. Daran schließt sich die Phase »Vereinbarung« an, in der unter Berücksichtigung struktureller Vorstellungen die zu erbringende Leistung spezifiziert wird. Dabei handelt es sich um den Abschnitt, der von der Sozialität zwischen Anbieter und Kunde maßgeblich geprägt ist und sich als einziger nicht technisieren lässt. Gelingt die Spezifizierung des Leistungsversprechens und des Produktionsablaufs vollständig, kann die dritte Phase »Endproduktion« wiederum kausal geschlossen durchgeführt werden. Die Konditionierung von Serviceoperationen ermöglicht vor allem den Einsatz ingenieurwissenschaftlicher Konzepte und Methoden in den Phasen Vor- und Endproduktion, was in der Literatur unter dem Schlagwort »Industrialisierung von Dienstleistungen« diskutiert wird (z. B. Levitt 1976, Scheer 1996 oder Eversheim/ Kuster/Liestmann 2003). Die dadurch realisierbaren Potenziale werden in der Regel jedoch
3.1 Charakterisierung des Service Engineering Systems
97
lediglich anhand von Beispielen aufgezeigt, den für die Anwendung notwendigen Voraussetzungen wird vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Aus der Charakterisierung des Systems der Dienstleistungserbringung als autopoietisch lassen sich nicht nur Aussagen über die Manipulationsmöglichkeiten seiner Effizienz im Rahmen der Entwicklung treffen. Gleiches gilt ebenso für die Qualität des zu konzipierenden Leistungsangebots. Analysiert man bestehende Ansätze zur Erfassung der Dienstleistungsqualität, wie z. B. das dynamische Prozessmodell (Boulding et al. 1993), das Beziehungsqualitätsmodell (Liljander/Strandvik 1993), das qualitative Zufriedenheitsmodell (Stauss/Neuhaus 1995) oder die Qualitätsmodelle von Klaus (1985) und Bitner (1990), dann stellt man fest, dass sich Qualitätsmängel immer auf das Moment der Sozialität, genauer auf die Unruhe des Kommunikationsprozesses und/oder schwach ausgeprägte Strukturen zurückführen lassen. Dies soll exemplarisch am bekanntesten und zugleich einflussreichsten Konzept zur Erfassung von Dienstleistungsqualität, dem GAP-Modell nach Parasuraman/Zeithaml/Berry (1985, S. 44), verdeutlicht werden (vgl. Abbildung 3.7). Die darin aufgezeigten Diskrepanzen fungieren jeweils als Indikatoren, die zu einer Beeinträchtigung der Dienstleistungsqualität führen können. • GAP 1 : Diskrepanz zwischen den Kundenerwartungen und deren Wahrnehmung durch das Management: Die Qualität der Dienstleistung kann durch die unterschiedlichen Vorstellungen bzgl. ihrer Ausgestaltung bei dem Kunden einerseits und der Unternehmensführung andererseits gemindert werden. Es liegen demnach unterschiedliche Strukturen bei beiden Akteuren vor, die sich in einem die Kundenbedürfnisse nicht vollständig abdeckenden Leistungsangebot des Unternehmens widerspiegeln. Dieser Ursache kann über Strukturen des Entwicklungsprozesses, z. B. mit der Integration von Marktforschungsaktivitäten, entgegnet werden. • GAP 2 : Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Kundenerwartungen durch das Management und ihrer Wahrnehmung in Spezifikationen der Dienstleistungsqualität: Dieser Mangel beschreibt das potenzielle Defizit, dass dem Service Engineering System der Transfer der Bedürfnisanalyse auf die Komponenten eines detaillierten Dienstleistungsdesigns nicht gelingt. In diesem Fall erzeugt das Entwicklungssystem eine unzweckmäßige (Produktions-)Struktur, die die Generierung von Serviceoperationen nicht zielführend im Sinne des Managements leitet. • GAP 3 : Diskrepanz zwischen den Spezifikationen der Dienstleistungsqualität und der tatsächlich erstellten Leistung: Bei dieser Problematik existiert zwar eine zweckmäßige Struktur innerhalb des Systems der Dienstleistungserbringung. Allerdings wird die Limitierung bei der Autopoiesis nicht uneingeschränkt beachtet. Die Autonomieeigenschaft setzt sich demnach über die Strukturempfehlung hinweg. • GAP 4 : Diskrepanz zwischen erstellter Dienstleistung und der an den Kunden gerichteten Kommunikation über diese Dienstleistung: Unter dieser Diskrepanz versteht man die Schwierigkeit, dass bereits vor der Instanziierung des Systems der Dienstleistungserbringung durch Kommunikationen, wie z. B. Werbung, Kundenerwartungen beeinflusst werden und diese nicht mit der tatsächlich hergestellten Dienstleistung harmonisieren.
Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
Dienstleister
Kunde
98
Abbildung 3.7: GAP-Modell der Dienstleistungsqualität (in Anlehnung an Zeithaml/Parasuraman/Berry 1992, S. 62)
Es werden also entweder unpassende Erwartungen beim Kunden erzeugt oder der tatsächliche Erstellungsprozess weicht ausreichend stark von der Planung ab. Analog zu GAP 3 tritt auch hier das Phänomen des Hinwegsetzens über selektivitätseinschränkende Strukturen im Rahmen der Reproduktion von Serviceoperationen auf. • GAP 5 : Gesamtqualität der Dienstleistung als Diskrepanz zwischen den Erwartungen und Wahrnehmungen der Kunden: Diese Lücke verkörpert das Gesamtdefizit an Qualität. Sie hängt unmittelbar von den zuvor skizzierten Diskrepanzen ab und reflektiert deren Bedeutung und Ausmaß, d. h. GAP
5 = f (GAP 1,
GAP
2,
GAP
3, GAP 4).
In Verbindung mit der gleichfalls von Parasuraman/Zeithaml/Berry (1988) entworfenen SERVQUAL-Skala repräsentiert sie eine Kennzahl für die Quantifizierung der Qualität einer Dienstleistung.
3.1 Charakterisierung des Service Engineering Systems
99
Vergleicht man die Aussagen im Hinblick auf die Effizienz und die Qualität einer Dienstleistungserbringung, stellt man fest, dass diese keine diametralen Zielsetzungen darstellen. Vielmehr adressiert die Effizienz in erster Linie die mechanistisch ablaufenden, automatisierbaren Handlungssequenzen, während sich die Qualität primär in den durch Sozialität geprägten Abschnitten des Erbringungsprozesses widerspiegelt. Beide Zielkriterien bedingen sich wechselseitig und sind in Bezug auf eine ideale Dienstleistungsproduktion gemeinsam zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass die Charakteristik der einzelnen Handlungssequenzen prinzipiell nicht unveränderbar ist. So lassen sich mittels der Integration geeigneter Maßnahmen in den Service Engineering Ablauf Strukturen bei den involvierten psychischen Systemen erzeugen. Diese sorgen dafür, dass bei den an der Leistungserbringung Beteiligten, d. h. sowohl bei den Kunden als auch bei den Mitarbeitern des Unternehmens, eine einheitliche Erwartungshaltung vorliegt und sich somit häufig auch durch Sozialität geprägte Abschnitte »industrialisieren« lassen. Als Beispiel für derartige strukturbildende Maßnahmen seien hier adäquate Schulungs- oder Marketingaktivitäten genannt, die in Abhängigkeit von dem unmittelbaren Einbezug des jeweils adressierten Personenkreises in den Entwicklungsprozess einzuplanen sind. Für die Ausgestaltung eines Erbringungsprozesses und die darin enthaltene Sozialität lässt sich aus den vorangegangenen Erkenntnissen eine allgemeine Handlungsanleitung ableiten, die im Rahmen der Konstruktion hinsichtlich der Unterstützung der beiden Zielsetzungen generell zu beachten ist. Die einzelnen Schritte sind dabei nicht einmalig, linear zu durchlaufen. Vielmehr ist eine dauerhafte Bearbeitung der Phasen und ein permanentes Oszillieren zwischen diesen vonnöten, bis schließlich der gesamte Erbringungsprozess der zu gestaltenden Dienstleistung eine die beiden Kriterien ausreichend erfüllende Form annimmt. 1. Erfassung der Haupthandlungsstränge für die wesentlichen Ablaufalternativen des Erstellungsprozesses. 2. Identifikation der Handlungen, die aufgrund der Sozialität auf dahinter liegende Kommunikationen von Serviceoperationen zu hinterfragen sind. 3. Identifikation von zentralen Kommunikationen, die die weitere Handlungsabfolge maßgeblich beunruhigen können. 4. Identifikation von strukturbildenden Maßnahmen, die zur Beruhigung des Prozesses beitragen. 5. Bündelung »sozialer« Handlungen in zentralen Kommunikationsknoten, wobei die betrachteten Handlungen tendenziell in den jeweils frühest möglichen Kommunikationsknoten zu platzieren sind. 6. Erlebnisorientierte Gestaltung der »sozialen« Handlungen mit dem Ziel, einerseits eine unmissverständliche Kommunikationswahrnehmung sicherzustellen und andererseits – sofern möglich – die jeweilige Handlung weitgehend in eine »industrialisierbare« Handlung zu transformieren.
100
Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
7. Bewusste Gestaltung von »industrialisierbaren« Handlungen bzw. Handlungssequenzen mit dem Ziel, diese unter Einbezug von Instrumenten aus der erwartungsorientierten Leistungsproduktion weitgehend zu standardisieren und automatisieren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Sinn des autopoietischen Service Engineering Systems, bestehend aus (Kommunikationen von) Entscheidungen, in der Entwicklung eines autopoietischen Systems der Dienstleistungserbringung, bestehend aus (Kommunikationen von) Serviceoperationen, liegt. Die jeweils prägende Eigenschaft der Autopoiesis hat zur Folge, dass der jeweilige Ablauf, wenn überhaupt, nur indirekt über Strukturen manipulierbar ist. Das Service Engineering System zielt daher auf die Konkretisierung der Vorstellung über die zu entwickelnde Dienstleistung ab, die ihm selbst wiederum im Rahmen der Reproduktion von Entscheidungen zur Orientierung dient. Die aus dem Konzeptionsprozess resultierende Vorstellung über die Dienstleistung fungiert schließlich als Struktur für deren Erstellung. Nachdem nun eine tiefgreifende Vorstellung darüber vorliegt, was unter einem Erbringungsund einem Erstellungsprozess einer Dienstleistung zu verstehen ist, soll im nächsten Schritt eine geeignete Struktur erarbeitet werden, die die Interpenetration der an einem Service Engineering Vorhaben Beteiligten bzw. deren psychischer Systeme bestmöglich unterstützt und somit die Grundlage für eine Zusammenarbeit darstellt. Die Erwartungen bzgl. beider Prozessarten sind dazu in einem artifiziell ausdifferenzierten Systemgebilde zu präzisieren. Dieser Entscheidung liegt das von Conant/Ashby (1970) aufgestellte Theorem zugrunde, dass zur erfolgreichen Regulierung eines Systems die Anfertigung eines isomorphen Abbilds zwingend notwendig ist. Aus der Anwendung des Theorems im Kontext des Service Engineering Systems folgt, dass die Strukturen, d. h. die ideell ausdifferenzierten Systeme, im Hinblick auf eine effiziente Dienstleistungsentwicklung als Modelle virtualisiert werden müssen, um damit die vorliegende Sozialität zu steuern. Da ein einzelnes Modell aufgrund der hohen Komplexität des Service Engineering Systems nicht operational wäre, werden im nächsten Abschnitt potenzielle Ausdifferenzierungen des gesamten Service Engineering Systems diskutiert und es wird abschließend ein konkreter Gliederungsvorschlag unterbreitet. Die damit einhergehende Komplexitätsreduktion bildet die Basis für die Beherrschbarkeit der Gestaltungssituation im Allgemeinen sowie für die im Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering ausgearbeiteten Modellierungsmethoden im Besonderen.
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems Das Service Engineering System verfolgt primär zwei Ziele. Zum einen soll es ein fiktives System der Dienstleistungserbringung generieren, das im Anschluss an die Entwicklung als Struktur in konkreten Erstellungsprozessen fungieren kann. Zum anderen soll dieses auf effiziente Art und Weise erreicht werden, weshalb der Konstruktionsprozess nicht ad-hoc durchzuführen, sondern über eine hierfür geeignete Struktur bewusst zu gestalten ist. Um eine Handhabbarmachung der gesamten Komplexität zu bewirken und somit die Behandlung beider In-
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
101
tentionen zu operationalisieren, empfiehlt sich der Rückgriff auf die bereits in Abschnitt 2.3.3 eingeführte Distinktion des gesamten Service Engineering Systems in Prozess- und Objektsystem. Allerdings ist zu betonen, dass beide Teilsysteme sich wechselseitig bedingen und bei der Fokussierung auf einen Aspekt der Einfluss des jeweils anderen stets mit zu berücksichtigen ist. So gehen Veränderungen am Konzept der zu erstellenden Dienstleistung unmittelbar aus Handlungen (bzw. Kommunikationen) des Prozesssystems hervor, während der aktuelle Zustand des Objektsystems die Selektion der nächsten Aktivität (bzw. Kommunikation) maßgeblich mitbestimmt (vgl. Abbildung 3.8).
Abbildung 3.8: Einfache Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
Beide Gesichtspunkte für sich weisen in der Regel immer noch eine die Aufnahmekapazität der beteiligten Individuen übersteigende Komplexität auf. Um diese erfassen und verarbeiten zu können, ist die Ausgrenzung weiterer Bereiche vonnöten. Die Ausdifferenzierung bezweckt eine sinnhaft strukturierte Transformation der Komplexität in handhabbare Einheiten, die erst erkennbar werden lässt, welche internen Systemprozesse und -strukturen zu welchen Zwecken und mit welchen Stabilisierungs- und/oder Veränderungschancen funktional sein können (Willke 1993, S. 7). Die konkrete Konstitution des artifiziellen Systems wird somit einzig durch die Zielsetzung bzw. den damit verknüpften Sinn begründet und gewinnt aus ihr heraus die spezifische Form (Wegner 1966, S. 22). Da die Möglichkeiten der Komplexitätsverarbeitung sowie das Sinnverständnis direkt von dem Dienstleistungsentwicklungsvorhaben und den darin involvierten Personen abhängt, existiert keine allgemeingültige Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems. Stattdessen wurde eine Vielzahl von potenziellen Gliederungen für das Prozess- bzw. Objektsystem entwickelt, die nun nachfolgend zunächst einzeln skizziert und anschließend auf ihre Interdependenzen hin analysiert werden. Darauf aufbauend wird ein Vorschlag für die Ausdifferenzierung des gesamten Dienstleistungsentwicklungssystems unterbreitet, der den organisatorischen Rahmen für das in Abschnitt 4 erläuterte Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering und insbesondere die darin eingebundenen Visualisierungstechniken bildet.
102
Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
3.2.1 Ausdifferenzierung des Prozesssystems Das Prozesssystem repräsentiert eine Struktur des Service Engineering Systems, die der Bewältigung der Komplexität und der Reduzierung der Störanfälligkeit des autopoietischen Entwicklungsprozesses dient. Während im Rahmen des Innovationsmanagements oder der klassischen Produktentwicklung unterschiedliche Formen von Prozessmodellen, wie bspw. Organisationsfluss-, Entscheidungsfluss-, Konversationsprozess- oder Antwortmodelle (Saren 1984), vorzufinden sind, bestehen sie im Fall von Dienstleistungen ausschließlich aus einer Anordnung von Aktivitäten, die sich mit der Planung, dem Entwurf und der Gestaltung des Objektsystems befassen (Ehrlenspiel 2003, S. 20). Alle darin eingebundenen Aktionen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Ausführung entweder direkt einen Planungsfortschritt im Objektsystem bewirkt oder mittelbar im Fall von Steuerungs- und Überwachungsaufgaben dazu beiträgt (Schumann 1994, S. 131). Neben den reinen Handlungen werden oftmals auch eine Reihe angrenzender Aspekte darunter subsumiert, wie die handlungsausführenden Individuen oder die Sachmittel, durch die Individuen bei der Aufgabenerfüllung unterstützt werden (Bleicher 1972, S. 174). Aus unterschiedlichen Kontexten erwuchsen diverse Vorschläge hinsichtlich eines optimalen Vorgehens im Rahmen der Dienstleistungsentwicklung, wie die ausführlichen Diskussionen darüber bspw. bei Johnson et al. (2000), Schneider/Wagner/Behrens (2003) oder Daun/Klein (2004) zeigen. Eine Literaturübersicht über die meistzitierten Strukturierungsvorschläge gibt Tabelle 3.2. Die Mächtigkeit der aufgelisteten Vorgehensmodelle lässt sich aus dem angegebenen Detaillierungsgrad ablesen. Dieser setzt sich zusammen aus der Anzahl der verwendeten Abstraktionsebenen und der Anzahl der insgesamt angegebenen Aktivitäten, wobei sich die Angaben ausschließlich auf die Phasen der Entwicklung beziehen und der teilweise berücksichtigte Aspekt der Erbringung hier außen vor bleibt. Die in Bezug auf den Detaillierungsgrad breite Spanne wird bei einem Vergleich der Modelle von Fähnrich et al. (1999) und Meiren (2000) deutlich. Darüber hinaus erfasst die Tabelle die Art der Phasenanordnung sowie die jeweils vorgesehenen Möglichkeiten der Berücksichtigung von Meilensteinen. Neben den angegebenen Kriterien ließen sich auch noch weitere Faktoren zur Charakterisierung von Referenzabläufen heranziehen. Als Beispiel hierfür sei der jeweils betrachtete Umfang des Lebenszyklus einer Dienstleistung genannt. Während einige Gliederungen diesen vollständig abdecken (z. B. Haller 2002), beschränken andere sich auf den Entwicklungszeitraum (z. B. Scheuing/ Johnson 1989b) oder sogar nur auf einzelne Teile daraus (z. B. Bushman/Cooper 1980). Des Weiteren lassen sich die Modelle dahingehend differenzieren, ob sie generell einsetzbar (z. B. Deutsches Institut für Normung 1998) oder für die Entwicklung einer bestimmten Art von Dienstleistung, wie Finanz- (z. B. Donnelly/Berry/Thompson 1985) oder Gesundheitsdienstleistungen (z. B. Bowers 1987), kreiert wurden. Ein anderes Unterscheidungsmerkmal stellt die Form ihres Zustandekommens dar. Hier treten empirisch generierte Ansätze (z. B. Mohammed-Salleh/Easingwood 1993) ebenso in Erscheinung wie Anpassungen von Konzepten artverwandter Bereiche wie die Produkt- (z. B. Jaschinski 1998) oder Softwareentwicklung (z. B. Rau et al. 2004). Schließlich weisen manche Vorgehensmodelle gewisse Schwerpunkte
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
103
Tabelle 3.2: Vorgehensmodelle zur Dienstleistungsentwicklung – Literaturübersicht (in Anlehnung an Scheer/ Herrmann/Klein 2004, S. 101) Quelle
Detaillierungsgrad
Ablaufart
Meilensteine
13 8 6 30 6
Iteration Sequenz Sequenz Sequenz Sequenz
— — — 1 —
1 2 1 1 1
7 19 15 10 13
Sequenz Sequenz Iteration Sequenz Sequenz
— — 2 — —
Edvardsson/Olsson (1996) Ramaswamy (1996) Tax/Stuart (1997) Deutsches Institut für Normung (1998) Jaschinski (1998)
2 1 1 1 2
25 5 7 4 19
Sequenz Sequenz Iteration Sequenz Iteration
— — — — 14
Meyer/Blümelhuber (1998b) Cooper/Edgett (1999) Fähnrich et al. (1999) Johnson et al. (2000) Meiren (2000)
1 1 1 2 3
5 5 4 17 74
Sequenz Sequenz Sequenz Sequenz beliebig
— 5 — — 6
Reichwald/Goecke/Stein (2000) Liestmann (2001) Haller (2002) Schneider/Scheer (2003) Rau et al. (2004)
1 2 1 2 2
8 17 6 24 10
Sequenz Iteration Sequenz Iteration Iteration
— — — 4 —
Bullinger/Schreiner (2006)
2
14
Iteration
—
Hierarchien
Phasen
Shostack (1984) Bowers (1985) Donnelly/Berry/Thompson (1985) Grden-Ellson (1986) Johnson/Scheuing/Gaida (1986)
2 1 1 2 1
Cowell (1988) Scheuing/Johnson (1989b) Shostack/Kingman-Brundage (1991) Mohammed-Salleh/Easingwood (1993) Edgett (1996)
auf, wie die Kunden- (z. B. Schneider 2004) bzw. die Mitarbeiterintegration (z. B. Edvardsson/ Olsson 1996) oder die Einbindung von Methoden und Werkzeugen (z. B. Ramaswamy 1996). Trotz der intensiven Auseinandersetzung mit dem Prozess der Dienstleistungsentwicklung besitzen jedoch nahezu alle genannten Modelle wesentliche Schwachstellen (Bullinger/Meiren 2001, S. 163). So erfolgen die Beschreibungen in der Regel auf einem hohen Abstraktionsniveau und eignen sich daher nicht zur unmittelbaren Anwendung in der Praxis. Im Gegenzug ist mit einer ausreichenden Detaillierung unter Angabe konkreter Arbeitsschritte und einzusetzender Methoden das Problem verbunden, dass diese aufgrund der Heterogenität des Dienstleistungsspektrums kaum allgemeingültig vorgenommen werden kann. Eine Lösung des Problems könnte in einer Abkehr von einem starren Entwicklungsablauf und in der Berücksichti-
104
Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
gung von Konfigurationspotenzialen liegen. Mit Ausnahme des Modells von Meiren (2000) sehen die Vorgehensdefinitionen aber keine Anpassungsmöglichkeiten vor. Weiterhin lässt sich oftmals eine fehlende praktische Evaluation bemängeln. Zwar entstammen die Modelle vereinzelt aus praxeologisch-empirischen Untersuchungen (z. B. Edgett 1996), die Mehrheit der Vorschläge resultiert allerdings aus theoretischen und anwendungsunerprobten Überlegungen. Als letzter Kritikpunkt kann schließlich die mangelnde informations- und kommunikationstechnische Unterstützung angeführt werden. Derzeit verwendete Werkzeuge unterstützen lediglich separate Ausschnitte des Service Engineering Prozesses (Herrmann/Klein 2004a, S. 176). Ganzheitliche Lösungen wurden bisher ausschließlich im Rahmen von Forschungsprojekten als Prototyp implementiert. Exemplarisch seien diesbezüglich die beiden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekte »CASET : Computer Aided Service Engineering Tool« (Scheer/Spath 2004) sowie »ServCASE : Computer Aided Engineering für IT-basierte Dienstleistungen« (Fähnrich/Meiren 2004) genannt. Vor allem die beiden Kritikpunkte der unzureichenden Detaillierung und der mangelnden Konfigurierbarkeit adressieren unmittelbar das Wesen von Vorgehensmodellen. Zur Behebung dieser Schwachstellen wird im Folgenden die inhaltliche Trennung dessen, was getan wird, von dem, wie es getan wird, eingeführt (Fairlie-Clarke/Muller 2003, S. 255–256). Demnach wird zunächst in Anlehnung an die aus der Informatik, insbesondere aus dem Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz, stammende hierarchische Planung (Bacchus/Yang 1994) eine abstrakte Aktivitätenhierarchie generiert. Hierbei erfolgt eine sukzessive Lösung des Planungsproblems, indem es anfangs auf hohem Granularitätsniveau gelöst und anschließend diese Lösung schrittweise bis in elementare Aktionen verfeinert wird (Schumann 1994, S. 42). Mithilfe entsprechender Methoden der Künstlichen Intelligenz kann so die Effizienz der Suche nach geeigneten Anschlusshandlungen derart gesteigert werden, dass der Planungsaufwand im Verhältnis zum Umfang des Vorgehensplans nicht mehr exponentiell, sondern nur noch linear ansteigt (Knoblock 1990, S. 923). Das Ergebnis der hierarchischen Planung stellt eine über mehrere Abstraktionsebenen erfasste, universell einsetzbare »Maximal-Stückliste« von typisierten Tätigkeiten dar, die jedoch nicht abgeschlossen, sondern flexibel anpassbar und erweiterbar ist. Dabei bleiben sowohl die sequenzielle oder simultane Anordnung der Teilschritte als auch die dazwischen vorliegenden Interaktionen unberücksichtigt (Fairlie-Clarke/Muller 2003, S. 256). Sämtliche Beziehungen treten erst bei der individuell gestaltbaren Instanziierung der Aktivitäten im Rahmen von konkreten Service Engineering Vorhaben in Erscheinung. Ein einstufig ausdifferenziertes Aktivitätenmodell für die Entwicklung von Dienstleistungen illustriert Abbildung 3.9 Das Aktivitätenmodell weist auf oberster Abstraktionsebene fünf Teilaspekte auf, die zusammen einen stark vereinfachten Ablauf eines Service Engineering Projekts wiedergeben. Jeweils darunter ist das Ergebnis angeführt, das nach dem Abschluss sämtlicher Aktivitäten eines Teilaspekts erzielt werden sollte. Der Gesichtspunkt (0) Strategiemanagement wurde dabei der Vollständigkeit halber als Vorphase mitaufgenommen, obwohl er nach der in Abschnitt 2.2.4 zugrunde gelegten Definition nicht als Bestandteil des Service Engineering Prozesses
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
105
Abbildung 3.9: Einfaches Service Engineering Aktivitätenmodell
anzusehen ist, sondern einer anderen Klasse von Unternehmensaktivitäten angehört. Als eine mögliche funktionale Ausdifferenzierung des Prozesssystems wird die Unterscheidung der Dimensionen (1) Ideenmanagement, (2) Projektmanagement, (3) Dienstleistungskonzeption sowie (4) Dienstleistungsimplementierung vorgeschlagen. Diese erhebt jedoch keinen universellen Geltungsanspruch. Da die genannten Phasen aufgrund ihrer niedrigen Granularität in Service Engineering Projekten kaum operationalisierbar sind, werden diese in Tabelle 3.3 um zwei weitere Detaillierungsniveaus ergänzt. In der ersten Spalte sind dort die Phasen der nächstniedrigeren Abstraktionsstufe aufgelistet, hinter denen in der dazugehörigen Zeile die jeweils darunter aggregierten Aktivitäten stehen. Dabei sei nochmals betont, dass die Tätigkeiten weder vollständig, noch notwendigerweise in der angegebenen Reihenfolge zu durchlaufen sind. Mit seinen über 100 Teilsystemen bildet das so ausdifferenzierte Aktivitätenmodell die Grundlage für die Instanziierung eines Dienstleistungsentwicklungsvorhabens, wobei sich die Planerstellung im Kontext des modellgestützten Service Systems Engineering unter Verwendung einer hierfür in Abschnitt 4.2 konzipierten Modellierungsmethode durchführen lässt. Tabelle 3.3: Ausdifferenzierung des Prozessystems Phase
Aktivitäten
0
S TRATEGIEMANAGEMENT
Strategien festlegen
Unternehmens- Innovationsstrategie strategie festlegen festlegen
Leistungsstrategie festlegen
Projektvorgaben ableiten
Wirtschaftliche Rahmenvorgaben ableiten
Organisatorische Rahmenvorgaben ableiten
Technische Rahmenvorgaben ableiten
106
Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
Tabelle 3.3: (Fortsetzung)
1
I DEENMANAGEMENT
Potenziale identifizieren
Suchfeldbestimmung durchführen
Marktpotenziale identifizieren
Technologiepotenziale identifizieren
Vorschläge generieren
Ideen generieren
Ähnliche Leistungen erfassen
Kundennutzen Abgleich von formulieren Ideen mit Potenzialen
Abgleich von Ideen mit Leistungsprogramm
Vorschläge controllen
Vorschläge klassifizieren
Vorschläge bewerten
Vorschläge selektieren
Vorschläge freigeben
2
P ROJEKTMANAGEMENT
Abgleich von WettbewerbsPotenzialen vorteil evalumit Unterneh- ieren mensaktivitäten
Vorschläge anpassen
Grobentwurf erstellen
Anforderungen KundenMarktUnternehmens- GesetzesEntwicklungs- Designanalysieren anforderungen anforderungen anforderungen anforderungen aufgabe spezifikation bestimmen bestimmen bestimmen bestimmen abstrahieren festlegen Businesspläne Anforderungen Zielmarkt aufstellen an Ressouranalysieren cenbedarfe bestimmen
Markteinführung planen
Finanzplan aufstellen
Zielkosten festlegen
Abgleich von Projektvorschlägen und Leist.progr.
Projektvorschläge generieren
Adäquate Technologien auswählen
Konzeptdesignaktivitäten durchführen
Ausgewählte Konzepte ausarbeiten
Technische Machbarkeit evaluieren
Projektvorschläge und Businesspl. controllen
Kundenfeedback einholen
Projektvorschläge (intern) evaluieren
Projektvorschläge freigeben
Businesspläne Businesspläne evaluieren freigeben
Projekt planen
Projekt budgetieren
Projekt terminieren
Projektressourcen aktivieren
Projekt controllen
Zeit-/Kostenplanung überwachen
Designmeilensteine überwachen
Funktionalen Datenfluss managen
3
D IENSTLEISTUNGSKONZEPTION
Prinzipielle Gesamtlösungen konzipieren
Funktionalitätenstruktur aufstellen
Abgleich von Funktionalitätenstruktur mit Anford.
Dienstleistungstypen festlegen
Veränderungen Entwicklungsmanagen prozess evaluieren
Prinzipielle Gesamtlösungen aufstellen
Geeignete Gesamtlösungen selektieren
Projekt bei höherem Management promoten
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
107
Tabelle 3.3: (Fortsetzung) Ergebnis konzipieren
Leistungssystem generieren
Basiskomponenten gestalten
Leistungssystem analysieren
Anforderungen Abgleich von aktualisieren Leistungssystem mit Designspez.
Konstruktionsänderungen managen
Prozess generieren
Prozesssystem generieren
Leistungsund Ressourcenbezug herstellen
Fehler- und Störgrößeneinfluss minimieren
Prozessspezifikation generieren
KundenQualitätsplan schnittstellen- erstellen spezifikation generieren
Ressourcen planen
Personal, Einrichtung, Hardware planen
Hilfsmittel, Werkzeuge, Software planen
Vertriebskonzept erstellen
Supportkonzept erstellen
Marketingkonzept erstellen
Neue Ressourcen organisieren
Beschaffungs- Festlegung/ spezifikation Qualifikagenerieren tion von Zulieferern
Konzeption controllen
Synthese der Einzelkonzepte
Verträge und Genehmigungen generieren
Businesspläne Konzeption aktualisieren evaluieren
4
D IENSTLEISTUNGSIMPLEMENTIERUNG
Dienstleistungskonzept umsetzen
Umsetzungsaktivitäten planen
Konzeption freigeben
Prozessorganisation planen
Technische Realisierung durchführen
Customizing durchführen
Konfigurationskontrolle durchführen
Dokumentationen erstellen
Dienstleistung IT-Abnahtechnisch metest validieren
Prozess Check-up durchführen
Abgleich von Dienstleistung und Designspez.
Zertifizierung erhalten
Feldversuche durchführen
Kundenreaktion überwachen und rückmelden
Dienstleistung Dienstleiswirtschafttungskonzept lich validietesten ren
Marketing testen
Preis validieren
Erbringungskosten validieren
Umsätze prognostizieren
Finanzschemata entwickeln
Supportprozesse einrichten
Dienstleistung »Produktion promoten hochfahren« (Roll-out)
Markteinführung durchführen
Dienstleistung Mitarbeiteran Leistungs- schulungen bereich durchführen übergeben
Markteinführung durchführen
Nachdem nun ein umfassender Ausdifferenzierungsvorschlag für den Entwicklungsprozess vorliegt, widmet sich der nächste Abschnitt den in Bezug auf eine sinnvolle Komplexitätsreduktion funktionalen Zerlegungsmöglichkeiten des Objektsystems und damit der zu konzipierenden Dienstleistung.
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
3.2.2 Ausdifferenzierung des Objektsystems Die Erstellung des Objektsystems bezweckt die Explizierung sämtlicher Aspekte, die im direkten Zusammenhang mit der zu entwickelnden Dienstleistung stehen. Es umfasst gemäß dem in Abschnitt 2.2.4 deklarierten Problembereich zum einen die Beschreibung des konsumierbaren Angebots. Zum anderen beinhaltet das Objektsystem ebenso dessen vollständige Ontogenese über alle Stadien des Gestaltungsvorhabens hinweg, d. h. angefangen von der Idee bis hin zur Spezifikation des finalen Leistungsgebildes. Während der erste Gesichtspunkt auch über das Ende von Service Engineering Projekten hinweg zum Management der Dienstleistungserbringung genutzt werden kann, fungiert letzterer lediglich als Hilfsmittel und verliert nach Projektabschluss weitgehend seine Bedeutung. Lediglich als Vergleichsmaßstab für artähnliche Entwicklungsvorhaben oder im Fall eines Designreengineering der Dienstleistung kann er wieder in Erscheinung treten. In der dienstleistungsbezogenen Literatur finden sich eine Reihe von Vorschlägen zur Ausdifferenzierung des Objektsystems, die sich fast ausschließlich auf die komplexitätsreduzierende Zerlegung der absatzfähigen Leistung beschränken und deren Zustandekommen bis auf wenige Ausnahmen, wie z. B. Edvardsson/Olsson (1996), unberücksichtigt lassen (vgl. Tabelle 3.4). Analog zur Teilsystembildung im Prozesssystem divergieren auch bzgl. des Objektsystems die Ausdifferenzierungsvorschläge in Abhängigkeit vom funktionalen Blickwinkel (Clark/Johnston/Shulver 2000, S. 73). So finden sich bspw. outputorientierte Ansätze, die primär auf die vom Kunden wahrgenommenen, nutzenstiftenden Leistungen (customer benefit package; z. B. Collier 1994, S. 63) fokussieren. Hierunter können neben den materiellen und immateriellen Leistungsbestandteilen ebenso Faktoren wie das Dienstleistungserlebnis (moment of truth; z. B. Beaujean/Davidson/Madge 2006, S. 63) oder die erzielte Wirkung der Dienstleistung (z. B. Grieble/Scheer 2000, S. 30) subsumiert werden. Darüber hinaus lassen sich die Elemente Bepreisung, Kommunikation und Vertrieb des klassischen Produktmarketings (z. B. Magrath 1986, S. 47) oder strategische Aspekte (z. B. Gemmel/Van Looy/Van Ossel 2003, S. 36) als Spezialisierungen dieses Gesichtspunkts anführen. Ergebnisorientierte Ansätze werden vor allem in der Marketingliteratur häufig um prozessorientierte Ausdifferenzierungen ergänzt (Lovelock 1996, S. 313). Damit tragen sie der Wesensart von Dienstleistungen Rechnung, nach der im Gegensatz zur erwartungsorientierten Marktproduktion der Abnehmer nicht nur mit dem fertig erstellten Produkt in Berührung kommt, sondern gleichfalls in den Erstellungsprozess eingebunden wird. Da ein unmittelbarer Kontakt jedoch nicht zu jedem Zeitpunkt der Dienstleistungsproduktion vorliegen muss, unterscheiden Lovelock/Wirtz (2004, S. 46) namentlich zwischen einer nicht vom Kunden wahrnehmbaren (Vor-)Produktion (service operations) sowie einer ihn involvierenden Leistungszusammenstellung und -übergabe (service delivery). Den Prozessgedanken aufgreifend komplettieren Booms/Bitner (1981, S. 48) schließlich den klassischen Marketing-Mix um die Aspekte Prozess, Personal und Ausstattung.
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
109
Tabelle 3.4: Dienstleistungssysteme – Literaturübersicht Quelle
Teilsysteme
Booms/Bitner (1981)
product – price – place – promotion – participants – physical evidence – process of service assembly
Hilke (1984)
Potenzial – Prozess – Ergebnis
Heskett (1987)
role of the people – technology – equipment – layout – procedures
Ballantyne/Christopher/Payne (1995)
environmental setting – processes – job design – people
Edvardsson/Olsson (1996)
concept (primary needs / secondary needs / core service / supporting services) – process (quality requirements / internal customers’ expectations / end customers’ expectations) – system (organisation & control / employees / customers / physical environment)
Tax/Stuart (1997)
process – skills & knowledge – physical facilities
Treis/Oppermann (1998)
interne Personen – interne Objekte – organisatorischer Ablauf – zeitlicher Ablauf – Ergebnispräsentation – Leistungsumfeld – Produktname – Kundenservice – Preis – distributionswirtschaftliche Bedingungen – leistungsbezogene Marktkommunikation
Johnston/Clark (2001)
value – form & function – experience – outcomes
Gemmel/Van Looy/Van Ossel (2003)
service concept (performance measurement / service strategy / innovation / internationalization) – operations & technology (capacity management / facilities & location / information technology / collaboration / competencies / people / job & role design / empowerment / process design & management) – customer value (customer relationships & loyalty / customer satisfaction / pricing / communication & promotion)
Lovelock/Wirtz (2004)
service operations – service delivery – service marketing
Bullinger/Schreiner (2006)
Potenzial – Prozess – Ergebnis – Markt
Konzepte, wie das von Hilke (1989, S. 10), lösen aus dem Prozessteilsystem die bei der Erbringung der Dienstleistung eingesetzten Ressourcen heraus und verringern damit dessen Komplexität. Unter dem Sammelbegriff Ressourcen werden all diejenigen Faktoren eingeordnet, die zur Durchführung des Produktionsvorgangs notwendig sind (Scheer 2002a, S. 20). Hierunter fallen nach der klassischen Produktionstheorie nach Gutenberg (1983, S. 3) die Objektklassen Betriebsmittel (Grundstücke, Maschinen, Gebäude), menschliche Arbeitsleistung (Mitarbeiter) und Werkstoffeinsatz (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) sowie der dispositive Faktor (Leitung, Planung, Organisation, Überwachung). Neuere Ansätze berücksichtigen darüber hinaus Produktionskomponenten nichtsachlicher Natur, wie immaterielle Vorleistungen und Güter, Zusatzfaktoren (direkte Dienstleistungen Dritter, indirekte Unterstützungsleistungen, Umweltbeanspruchung) sowie Informationen (Kern 1992, S. 17). Je nach Anwendungszusammenhang können jedoch für den Umgang mit Produktionsfaktoren auch andere Konstel-
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
lationen von Ausdifferenzierungen funktional sein, wie die Diskussionen bei Maleri (1997, S. 147–182) oder Corsten (2001, S. 120–135) zeigen. Die bisherigen Zergliederungsvorschläge konzentrieren sich ausschließlich auf die Sichtenbildung bei bereits entwickelten, marktfähigen Leistungen, die es im Rahmen von Service Engineering Vorhaben jedoch erst zu gestalten gilt. Da die Konstruktion einer Dienstleistung aufgrund der ihr innewohnenden hohen Komplexität einerseits sowie wegen der unzureichenden Informationslage zum Zeitpunkt des Projektbeginns andererseits nicht unmittelbar erfolgen kann, ist die Detaillierung des Entwicklungslebenszyklus vonnöten. Die Ausdifferenzierung des Entstehungsprozesses steht dabei orthogonal zur zuvor erläuterten Sichtenbildung auf Dienstleistungen. Das bedeutet, dass sich jedes einzelne Stadium des gesamten Konstruktionsablaufs auf jede Perspektive der absatzfähigen Leistung beziehen lässt. Der Entwicklungslebenszyklus beinhaltet die sukzessive Spezifizierung des zu gestaltenden Angebots, indem über die Ontogenese hinweg die für den jeweiligen Entwicklungsschritt notwendigen Informationen systematisch zusammengetragen und in die Leistungsbeschreibung eingeflochten werden. In der Literatur zum Innovationsmanagement (z. B. Pleschak/Sabisch 1996 oder Hauschildt 1997), zur Entwicklung von Sachgütern (z. B. Urban/Hauser 1993 oder Brockhoff 1999) sowie zum Systems Engineering Konzept (z. B. Sage/Armstrong 2000 oder Kossiakoff/Sweet 2003) finden sich diesbezüglich eine Vielzahl von Ansätzen, die im Wesentlichen jedoch vergleichbare Objekte aufweisen. Die einfachste Form einer Leistungsbeschreibung stellen Ideen dar (vgl. Vahs/Burmester 1999, S. 137–221). Diese dienen zunächst der unsystematischen Erfassung sowie der anschließenden Ordnung sämtlicher Aspekte, die in Bezug auf eine potenziell zu entwickelnde Leistung zu Beginn eines Gestaltungsprozesses vorliegen. Die Dokumentation der Ideen unterliegt im Allgemeinen keinen formalen Vorgaben oder Beschränkungen, um den für die frühe Phase des Entwicklungsablaufs bedeutsamen Faktor der Kreativität nicht zu limitieren. Erst mit Abschluss der Ideenfindung gilt es, die gesammelten Informationen zu sortieren. Die zielgerichtete Weiterentwicklung einer Ideenskizze erfordert in der Regel die Generierung nicht vorhandener Informationen, die allgemein zu einem besseren Verständnis des Tatbestands beitragen, den zugrunde liegenden Bedarf determinieren und ein Abschätzen der wesentlichen Produkteigenschaften ermöglichen sollen (Schwankl 2002, S. 116–123). Die Informationsbeschaffung findet im Rahmen geeigneter Analysen statt, die im Hinblick auf diverse interessierende Gesichtspunkte durchgeführt werden können. Exemplarisch seien hier die Perspektiven des Five-Forces-Modells von Porter (1988, S. 26) Branchenwettbewerber, potenzielle Anbieter, Kunden, Lieferanten und Substitutionsprodukte genannt. Die dritte Sicht auf den Entwicklungslebenszyklus neben den Ideen und Analysen bildet die Determinierung der von der Leistung zu erreichenden Qualitätscharakteristika in Form von Merkmalen und Parametern (Danner 1996, S. 45). Sie ist die unmittelbare Vorstufe zur finalen Leistungsgestaltung. Da die Festlegung der gewünschten Eigenschaften selbst wiederum eine vielschichtige Aufgabe darstellt und häufig nicht direkt aus den Analysen abgelesen werden kann, erfolgt ihre Ableitung daraus in der Regel in mehreren Schritten. Die Reihenfolge orien-
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
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tiert sich in den meisten Fällen an der Methode des Quality Function Deployment (QFD), wie sie von Akao (1990) eingeführt wurde. Demnach wird zunächst eine Beschreibung der Leistung in Form der an sie gerichteten Anforderungen erstellt. Dazu zählen neben den aus Kundenbedürfnissen resultierenden Anforderungen auch solche, die aus anderen externen (z. B. Gesetze oder Wettbewerbsumfeld) und firmeninternen (z. B. strategische Richtlinien, Ressourcen) Vorgaben entstammen (Ehrlenspiel 2003, S. 213). Die nächstspezifischere Dokumentationsform für eine Dienstleistung, in die die erhobenen Anforderungen zu überführen sind, repräsentieren die teleologischen, d. h. die Wirkung von Leistungen adressierenden Funktionen. Im Gegensatz zum deskriptiven Funktionsbegriff ist darunter jedoch nicht die Beschreibung einer Tätigkeit des betrachteten Systems zu verstehen. Vielmehr bezeichnen teleologische Funktionen einerseits Zusammenhänge zwischen dem Systemoutput und bestimmten Umwelteigenschaften. Andererseits legen sie ein Zielniveau fest, das der Systemoutput erreichen soll, ohne dass aber eine zielsetzende Instanz explizit angeführt wird (Ropohl 1979, S. 61–63). Den erfolgreichen Umgang mit teleologischen Funktionen im Rahmen von Entwicklungsvorhaben thematisiert ausführlich die Methode der Funktionenanalyse (function analysis), wie sie von Miles (1961) erstmals angedacht und von Akiyama (1994) detailliert ausgearbeitet wurde. Um Missverständnisse in Bezug auf den Funktionsbegriff zu umgehen, wird er nachfolgend ausschließlich im präzise definierten, deskriptiven Sinn verwendet und die teleologische Form des Ausdrucks als Funktionalität bezeichnet. Die unscharfen Dokumentationsformen von Anforderungen und Funktionalitäten dienen der Hinführung auf die Determinierung der Qualitätscharakteristika einer Dienstleistung. Hierunter werden konkrete Zielgrößen kritischer Merkmale und Parameter tatsächlich existierender bzw. zu entwickelnder Leistungskomponenten verstanden. Qualitätscharakteristika verkörpern folglich den Orientierungspunkt, an dem sich die Gestaltung der einzelnen Produktbestandteile ausrichtet (Akao 1990, S. 5). In Bezug auf den Vorgang ihrer Generierung ist auf einen Unterschied zwischen erwartungssorientierten Sachgüterproduktionen und Dienstleistungen hinzuweisen. Im ersten Fall richten sich die Zielsetzungen zunächst nur an die physischen Produktbestandteile, aus denen dann anschließend sukzessive die Richtlinien für den dazugehörigen Produktionsprozess sowie die darin eingesetzten Ressourcen abgeleitet werden (Gogoll 1996, S. 68). Da bei Dienstleistungen nicht alleine der Output aus dem Erstellungsprozess dem Kunden offeriert wird, sondern gleichfalls der Ablauf sowie die darin involvierten Ressourcen, richten sich die Qualitätscharakteristika simultan sowohl an Ergebnis- als auch an Prozess- sowie Potenzialkomponenten (Zacharias 2006, S. 747–748). Dabei sind insbesondere sämtliche Abhängigkeiten zwischen den Elementen der einzelnen Dimensionen bereits unmittelbar bei der Generierung der Qualitätscharakteristika zu beachten. Mit der Darlegung der Ausdifferenzierungsmöglichkeiten des Objektsystems, inklusive des Entwicklungslebenszyklus, liegt nun auch ein detailliertes Verständnis des zweiten großen Bestandteils eines Service Engineering Vorhabens vor. Da Prozess- und Objektsystem nicht unverbunden nebeneinander existieren, wendet sich der folgende Abschnitt den Wechselwirkungen zu, die zwischen den beiden Perspektiven vorliegen.
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
3.2.3 Interdependenzen zwischen Prozess- und Objektsystem Wie zuvor erwähnt, besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Strukturbestandteilen von Prozess- und Objektsystem. Beiden ist zunächst gemein, dass es sich jeweils um einen Gestaltungsprozess handelt, wobei einerseits die zielgerichtete Kombination der notwendigen Entwicklungsaufgaben und andererseits die markt-, kunden- und unternehmensgerechte Produktkonzeption im Mittelpunkt steht. Die wechselseitige Beeinflussung der beiden Systeme lässt sich anhand der aufeinander aufbauenden Aspekte (1) Komplexität von Dienstleistungsentwicklungsorganisation und Dienstleistungsarchitektur, (2) Handlungen, die zu der jeweiligen spezifischen Ausgestaltung führen, sowie (3) die daraus hervorgehende Dynamik von Prozess- und Objektsystem verdeutlichen (Göpfert 1998, S. 176). Komplexe Dienstleistungen, die aus einer Vielzahl von Teilleistungen bestehen, erzeugen Komplexität im Prozesssystem. Sie bedingen die Planung einer entsprechenden Anzahl von Teilprozessen, die möglicherweise zusätzlich untereinander verknüpft sind und nicht isoliert erbracht werden können. Zur Bewältigung der Entwicklungsaufgabe wird eine Zuordnung von Teilaufgaben auf organisatorische Einheiten vorgenommen, wobei sich die Teilaufgaben in der Regel aus den Teilleistungen ergeben. Für den Zusammenhang zwischen Objekt- und Prozesssystem kann empirisch gezeigt werden, dass mit zunehmender Anzahl von Teilleistungen sowie mit Zunahme der dazwischen vorliegenden Interdependenzen der Kommunikationsbedarf zwischen den in den Entwicklungsprozess eingebundenen organisatorischen Einheiten steigt und sich somit die Störanfälligkeit des Prozesssystems erhöht (Morelli/Eppinger/Gulati 1995, S. 220). Je umfangreicher die zu entwickelnde Dienstleistung also ist, desto mehr Ressourcen werden beansprucht und desto intensiver gestalten sich die Beziehungen zwischen diesen Ressourcen. Zugleich bildet die Komplexität des Prozesssystems die Basis für die Komplexität des Objektsystems, da die Entwicklungspotenziale von den dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen determiniert werden. Hinsichtlich der beteiligten Individuen kann als Ursache hierfür neben individuellen Präferenzen und Motiven vor allem das Streben nach einer effizienten Aufgabenerfüllung genannt werden (Milgrom/Roberts 1992, S. 126–127). Die Interpretation des Service Engineering Systems als Ansammlung von Ressourcen, deren individuelle Kombinierbarkeit die Basis für Wettbewerbsvorteile darstellt, greift den Grundgedanken der ressourcenbasierten Theorie (resource-based theory) auf (Penrose 1959, S. 24–26). Demnach üben die Ressourcen, auf die im Entwicklungsvorhaben zurückgegriffen werden kann, einen maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg des gesamten Service Engineering Systems aus. Eine hervorgehobene Stellung nehmen hierbei die Ressource Wissen sowie die Fähigkeit, dieses Wissen einzusetzen und gezielt zu verknüpfen, ein. Systemtheoretisch wird dieses Abhängigkeitsverhältnis zwischen Prozess- und Objektsystem als das bereits angesprochene Gesetz der erforderlichen Vielfalt bezeichnet (Ashby 1957, S. 207). Dieses besagt, dass auf die Komplexität der Umwelt lediglich mittels einer ausreichend hohen Eigenkomplexität des Systems entsprechend reagiert werden kann (Hare 1967, S. 136).
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
113
Des Weiteren beeinflusst die Objektkonzeption den Handlungsablauf et vice versa. Wie zuvor dargelegt, manipuliert der Aufbau des Objektsystems durch seine Komplexität die Organisation des Entwicklungsprozesses. Dabei beeinflusst insbesondere der Grad der zwischen den Teilleistungen bestehenden Interdependenzen die Art der Koordination einzelner Handlungen und somit die Quantität der notwendigen Kommunikationen. Dies gilt gleichermaßen für eine unternehmensintern sowie für eine unternehmensübergreifend organisierte Arbeitsteilung (Venkatesan 1992, S. 103). Liegt eine hohe Abhängigkeit zwischen den einzelnen Teilleistungen vor, sind eine enge Zusammenarbeit sowie ein intensiver Informations- und Wissensaustausch sicherzustellen. Um dies zu gewährleisten, sind oftmals eine hierarchische Kontrolle sowie zentralisierte Steuerungsfunktionen im Rahmen des Projektmanagements erforderlich (Sanchez/Mahoney 1996, S. 65). Lassen sich die Teilleistungen aufgrund einer geringen wechselseitigen Beeinflussung weitgehend isoliert betrachten, kann eine stark entkoppelte Form der Arbeitsteilung gewählt werden. Der reduzierte Kommunikationsbedarf begünstigt die Bildung autonomer Einheiten, denen die Verantwortung für die Entwicklungsaktivitäten eines Dienstleistungsmoduls übertragen werden kann. Die Funktionen des Projektmanagements umfassen dann im Wesentlichen die Spezifizierung und Sicherstellung von Prozessschnittstellen sowie die zeitliche Abstimmung synchron arbeitender Entwicklungseinheiten (Ulrich 1995, S. 434). Ebenso spiegeln die Dienstleistungsarchitektur sowie die Ausprägung des Erbringungsprozesses das Prozesssystem wider. Nach dem Verständnis der ressourcenbasierten Theorie determinieren die Verfügbarkeit und Verknüpfbarkeit von Ressourcen innerhalb eines Service Engineering Projekts die zu entwickelnde Dienstleistung. Jede Handlung im Laufe des gesamten Konstruktionsprozesses ist geprägt von den daran teilnehmenden psychischen Systemen. Diese legen über die subjektive Wahrnehmung von Problemen sowie die individuell vorgenommene Dekomposition des Entwicklungsobjekts in Teilleistungen die Ausgestaltung des Dienstleistungssystems fest (Levinthal/March 1993, S. 98–99). Da Gestaltungsentscheidungen weitreichende Konsequenzen für verschiedene Bereiche mit sich bringen, werden diese in der Regel nicht von einzelnen Personen vorgenommen, sondern sind das Ergebnis eines (Aushandlungs-)Kommunikationsprozesses der partizipierenden psychischen Systeme (Wolff/von Wulffen 1999, S. 252–253). Damit beeinflussen bspw. spezifische Kompetenzen (Meyer/Utterback 1993, S. 31–32), Machtstrukturen, Informationskanäle sowie Motive und Präferenzen der Handelnden die Ausgestaltung des Dienstleistungssystems. Von hoher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die bestehende organisatorische Arbeitsteilung in der Entwicklungsorganisation, da durch diese zum einen Denkstrukturen und Problemlösungsmuster (Henderson/Clark 1990, S. 15–16) und zum anderen spezifische Kompetenzen und Machtbeziehungen der Beteiligten festgelegt sind. Der dritte Vergleichspunkt wechselseitiger Einwirkung stellt die Dynamik dar. Aufbauend auf der Annahme eines Einflusses des Objektsystems auf die Instanziierung des Prozesssystems impliziert eine dynamische Betrachtungsweise, dass Veränderungen in der Dienstleistungsarchitektur in einer adäquaten Anpassung des Handlungssystems münden (Witte 1988, S. 145). Umgekehrt lässt sich ebenso schließen, dass eine statische Dienstleistungsarchitektur zu ei-
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
ner Etablierung von Entwicklungsabläufen führt. Die Änderungshäufigkeit und -intensität des Dienstleistungsdesigns hängen zum einen von dem Vorhandensein eines dominanten Designs (dominant design) ab. Darunter versteht man die breite Akzeptanz bestimmter DesignKonzepte und Funktionen einer Leistung am Markt (Abernathy/Utterback 1988, S. 33). Existiert ein dominantes Design, sind damit grundlegende Gestaltungsentscheidungen vorab bereits festgelegt. Zum anderen reduzieren sich die Modifikationen an der Objektarchitektur mit zunehmender Anzahl durchgeführter Service Engineering Projekte, sofern gewisse Analogien zwischen den Dienstleistungssystemen bestehen. In diesem Fall bildet sich mit der Zeit eine hinsichtlich der Bewältigung der Entwicklungsaufgabe effiziente Organisationsstruktur heraus. Dazu gehört z. B. die Etablierung einer bestimmten Aufgabenteilung zwischen organisatorischen Einheiten oder die Kristallisierung von bestimmten Problemlösungsstrategien sowie von Kommunikationsstrukturen und informalen Netzwerken, die sich am spezifischen Koordinationsbedarf der Dienstleistungsarchitektur ausrichten (Henderson/Clark 1990, S. 15). Sind des Weiteren die einzelnen Teilleistungen lediglich lose miteinander gekoppelt, wird die effizienzsteigernde Spezialisierungsbestrebung zusätzlich begünstigt. Als Folge einer solchen Institutionalisierung entsteht eine Tendenz, vermehrt Exploitationen bestehender Konzepte zu ungunsten der Exploration neuer Ideen durchzuführen (Levinthal/ March 1993, S. 105–106). Mit der Konkretisierung der Organisationsfragmentierung droht der Verlust der Fähigkeit zu leistungsübergreifenden, strukturellen Innovationen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass bestehende Leistungsbestandteile neuartig miteinander kombiniert werden (Henderson/Clark 1990, S. 12). Die Ursache hierfür liegt in der Auflösung bestehender Kompetenzen (Tushman/Anderson 1986, S. 439), die neben dem Wissen über die Teilleistungen an sich vor allem den Wert existierender Organisationsstrukturen umfassen (Henderson/ Clark 1990, S. 18–19). Damit kann die empirische Feststellung erklärt werden, dass neugegründete Unternehmen vergleichsweise häufiger mit strukturellen Innovationen erfolgreich waren, wohingegen sich etablierte Unternehmen in der Weiterentwicklung von Teilleistungen innerhalb bestehender Leistungsarchitekturen hervorheben konnten (Christensen/Rosenbloom 1995, S. 242). Zusammenfassend birgt die Kapselung von Prozess- und Objektkomponenten die Gefahr der Unfähigkeit zu strukturellen Innovationen und damit langfristig das Problem einer obsoleten Dienstleistungsarchitektur (Langlois/Robertson 1995, S. 75). Gleichzeitig bietet sie aber Möglichkeiten einer effizienten Dienstleistungsgestaltung durch die flexible Anpassung an Veränderungen. Obwohl eine Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems in Prozess- und Objektsystem aus Gründen der Komplexitätsreduktion sinnvoll ist, haben die Ausführungen über die bestehenden Interdependenzen zwischen den beiden Teilsystemen gezeigt, dass eine isolierte Behandlung innerhalb eines Entwicklungsvorhabens nicht möglich ist. Vielmehr lässt sich daraus die Forderung nach einer gemeinsamen Gestaltung der beiden Systemstrukturen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Abhängigkeiten ableiten. Wie ein solcher Entwicklungsprozess ablaufen kann, zeigt exemplarisch Abbildung 3.10. Der Prozess besteht im Kern aus jeweils einem Problemlösungszyklus für das Objekt- und das Prozesssystem, die paral-
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
115
lel voneinander ablaufen. Jeder Zyklus besteht aus den Phasen Generierung, Evaluierung und Kritik der Lösungsalternativen und wird so lange durchlaufen, bis eine befriedigende Lösung erreicht wird. Um die wechselseitige Abhängigkeit zu berücksichtigen, werden die erzeugten prozess- bzw. objektbezogenen Alternativen in den jeweils anderen Problemzyklus eingebunden. Die dort vorgenommenen Modifikationen lassen sich wiederum in den Ursprungskreislauf zurückleiten und können bei Bedarf weitere Iterationsschleifen anstoßen.
Abbildung 3.10: Prozess zur integrierten Gestaltung von Prozess- und Objektsystem (in Anlehnung an Göpfert 1998, S. 190)
Mit der Thematisierung der zwischen Prozess- und Objektsystem bestehenden Interdependenzen schließt der allgemeine Überblick über potenzielle Zergliederungsformen der beiden Teilsysteme, die im Rahmen von Service Engineering Projekten nach Bedarf zur Komplexitätsreduktion herangezogen werden können. Im nächsten Abschnitt wird aus diesen Erläuterungen ein allgemeiner Ausdifferenzierungsvorschlag abgeleitet und in einer das zugrunde liegende Systemverständnis adäquat wiedergebenden Notation dargestellt.
3.2.4 Zusammenfassung der Ausdifferenzierung Sämtliche Zergliederungsempfehlungen repräsentieren eine methodisch wichtige, allerdings rein gedankliche Abstraktion vom Service Engineering System. Es handelt sich dabei um verschiedene Gesichtspunkte der Betrachtung für den gleichen einheitlichen Sachverhalt. Die Determinierung geeigneter (Teil-)Systemgrenzen ist zum einen subjektiv vom Beobachter sowie zum anderen vom jeweils interessierenden Aspekt abhängig. Um die Effizienz der Durchführung von Dienstleistungsentwicklungsprojekten zu gewährleisten, wird im Folgenden ein all-
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
gemeiner Ausdifferenzierungsvorschlag unterbreitet, der die Gesamtkomplexität entsprechender Vorhaben über mehrere Detaillierungsniveaus reduziert. Dieser ist durch die Explizierung eindeutig kommunizierbar und kann somit als unmissverständliche Struktur im Service Engineering System fungieren. Es sei jedoch betont, dass die Gliederungsreferenz lediglich eine Sichtweise auf den Tatbestand neben anderen darstellt. Die Dekompositionsempfehlung für das System der Dienstleistungsentwicklung soll anhand des von Spencer-Brown (1997) entwickelten, operativen Kalküls der »Laws of Form« abgebildet werden. Bei den Gesetzen der Form handelt es sich um den Versuch, das zweiwertige Schema der boolschen Algebra mit der Arithmetik zu verknüpfen (Luhmann 2004, S. 71). Dieses Kalkül bildet die Grundlage des differenzialistischen Ansatzes, auf dem Luhmann seine Theorie sozialer Systeme aufbaut (Hennig 2000, S. 157), wobei seine Art und Weise der Übertragung auf den Bereich sozialer Systeme nicht unkritisch gesehen wird (SchönwälderKuntze/Wille/Hölscher 2004, S. 247). Ähnlich wie bei Luhmann (1997, S. 15) wird im Rahmen dieser Arbeit nicht zuletzt aufgrund der Behandlung von teilweise logisch intraktablen Sachverhalten weniger auf mathematische Möglichkeiten des Kalküls fokussiert. Vielmehr stehen im Folgenden eine systemtheoretische Interpretation gezielt ausgewählter Aspekte sowie die Notation der Laws of Form im Mittelpunkt der Betrachtung. Spencer-Brown (1997, S. 1) stellt zunächst fest, dass jeder Bezeichnung (indication) eine Unterscheidung (distinction) vorausgeht. Eine getroffene Unterscheidung separiert zwei voneinander unabhängige Bereiche, wobei Bestandteile einen Seitenwechsel nicht ohne eine Grenzkreuzung vornehmen können. Der Raum, in dem die Unterscheidung getroffen wurde, wird inklusive seines gesamten Inhalts Form genannt. Die aus der Unterscheidung resultierenden beiden Seiten einer Form werden jedoch nicht synchron an der Formbildung beteiligt. Die operative Verwendung einer Form kann ausschließlich von einer Seite ausgehen. So wird die vorgenommene Unterscheidung als hinreichende Voraussetzung für die Bezeichnung genau einer Seite angesehen. Die Form einer Unterscheidung besagt demnach, dass jede Bezeichnung eines Sachverhalts eine selektive Operation darstellt, die aus der Nicht-Bezeichnung des ausgegrenzten Bereichs resultiert. In Bezug auf die Notation der Unterscheidung wird auf eine Markierung (mark) in Form eines Hakens (cross) zurückgegriffen, um die Asymmetrie zwischen der bezeichneten Innenseite (marked state) und der unbezeichneten Außenseite (unmarked state) zu dokumentieren. Die vertikale Linie des Hakens visualisiert die Unterscheidung selbst, während die horizontale Linie die markierte Seite anzeigt (vgl. Abbildung 3.11). Die Anwendungspotenziale der Form bauen auf lediglich zwei Axiomen auf, die die Gesetze der Form bilden (Spencer-Brown 1997, S. 2–5). Das erste besagt, dass das erneute Treffen einer Unterscheidung diese in ihrem Wert bestätigt (law of calling). Daraus folgt die Gleichheit zwischen einer einfachen und einer wiederholten Bezeichnung einer Seite (form of condensation). Das zweite Axiom drückt aus, dass der Wert einer beabsichtigten wiederholten Überschreitung einer Grenze nicht mit dem Wert der ersten beabsichtigten Überschreitung identisch ist (law of crossing). Werden die beiden Überschreitungen zusammengenommen, wird das Zeichen der Markierung gelöscht und es entsteht ein Raum ohne Zeichen, der auf
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
m
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u
Abbildung 3.11: Laws of Form – Notation einer »form«
den unmarkierten Zustand hinweist (form of cancellation). Daneben besteht die Möglichkeit des Wiedereintritts der Unterscheidung in den Bereich des von ihr Unterschiedenen (re-entry). Ein Wiedereintritt bedeutet, dass die zugrunde liegende Unterscheidung realisiert wird, indem ihre Form beobachtet, d. h. dauerhaft zwischen ihren beiden Seiten gewechselt wird, ohne dabei die Unterscheidung zu bestätigen oder aufzuheben (Baecker 1999, S. 25). Eine Wiedereinführung wird nach Spencer-Brown wie folgt notiert: m
u
Die Analogie zwischen der differenzialistischen Definition einer Form und dem konstitutiven Moment eines Systems in der Abgrenzung von seiner Umwelt (vgl. Abschnitt 3.1.1) ist offensichtlich. Zur Explizierung dieses Sachverhalts wird daher im Folgenden der Systemgedanke im Allgemeinen sowie anschließend das soziale System im Besonderen mithilfe der aus der indischen Logik herangezogenen Figur des Tetralemmas (Varga von Kibéd/Sparrer 2002, S. 87–94) in der Notation der Gesetze der Form dargestellt (vgl. Abbildung 3.12). Das Tetralemma besteht aus (1) dem Treffen einer Unterscheidung sowie der asymmetrisierenden Bezeichnung der Innenseite, (2) der korrespondierenden, aber nicht näher bezeichneten Außenseite, (3) der Form der Unterscheidung, d. h. der Beobachtung der beiden Seiten sowie der Trennungslinie durch einen externen Beobachter, (4) dem impliziten Kontext sowie (5) zunächst den beiden Seiten innerhalb ihres impliziten Kontexts (schwaches re-entry) und (6) dann der Wiedereinführung der Unterscheidung in den Raum der Unterscheidung (starkes re-entry) (Baecker 2002, S. 10). Die sechs Positionen des Tetralemma-Schemas sowie die zwischen diesen stattfindende Oszillation spiegeln den Systembegriff einschließlich des Aspekts der Reflexion bzw. der Wiedereinführung wider. Angewendet auf das Beispiel eines sozialen Systems können die sechs Punkte wie folgt beschrieben werden (Baecker 2002, S. 11): 1. Kommunikation: Alle Kommunikation ist Kommunikation im sozialen System. 2. Umwelt: Jedes soziale System ist ein System in einer Umwelt. 3. Intelligenz: In der Art der Abstimmung seiner Zustände mit den Zuständen seiner Umwelt ist das soziale System intelligent, wenn und so lange es sich reproduziert.
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
s
s
u
s
u
s
u
u
Abbildung 3.12: Darstellung eines Systems in der Notation der Laws of Form (in Anlehnung an Baecker 2002, S. 10)
4. Welt: Neben dem sozialen System und seiner Umwelt existiert noch eine Welt, über die jedoch keine Aussage getroffen werden kann, da sie sonst System wäre. 5. Sinn: Im Medium des Sinns kommuniziert das soziale System nicht mit, aber über seine Umwelt. 6. Rationalität: Im Medium der Rationalität reflektiert das soziale System die getroffene Unterscheidung. Auf dieser Grundlage lässt sich nun der Ausdifferenzierungsvorschlag für das Service Engineering System in der Notation der Gesetze der Form wie folgt abbilden. Im ersten Schritt soll die essenzielle, bereits zu Beginn der Arbeit eingeführte Distinktion Prozess/Objekt für Entwicklungsvorhaben Berücksichtigung finden, d. h. Service Engineering
Prozess
Objekt
Demnach kann »Service Engineering« durch die Bezeichnung eines »Prozesses« bzw. die Selektion einer diesen konstituierenden Kommunikation bestimmt werden. Das »Objekt« als Umwelt des Prozesses behandelt die Konstruktion eines Kontexts, der im Zuge der Auswahl einer Kommunikation im Entwicklungsprozess als Voraussetzung der Möglichkeit der Auswahl erzeugt wird. Die Markierung der Unterscheidung und die Wiedereinführung der Unterscheidung von Prozess und Objekt in den Raum der Unterscheidung erlauben einen bewussten Umgang damit innerhalb von Service Engineering Abläufen und stellen die Grundvoraussetzung für das Postulat der operativen Geschlossenheit des Prozesssystems dar. Gemäß den Erläuterungen zu Zergliederungsmöglichkeiten des Objektsystems in Abschnitt 3.2.2 soll das Objektsystem in die Bestandteile »Konstruktion« sowie »Leistung« differenziert werden.
3.2 Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems
119
Während unter dem Leistungssystem alle Aspekte subsumiert werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem absatzfähigen Angebot stehen und daher auch zu dessen Management über das Entwicklungsvorhaben hinaus nutzbar sind, umfasst das Konstruktionssystem sämtliche die Ontogenese der Leistung betreffende Gesichtspunkte. Substituiert man das Objektsystem in Gleichung (1) durch die Distinktion Konstruktion/Leistung, so erhält man: Service Engineering
Prozess
Konstruktion
Leistung
Da die drei identifizierten Perspektiven auf Service Engineering Projekte immer noch eine hohe, kaum handhabbare Komplexität aufweisen, sollen diese im nächsten Schritt zur Operationalisierung weiter aufgefächert werden. Das Prozesssystem wird dazu in drei Teilbereiche untergliedert. Der erste Teilbereich beschäftigt sich mit »Entscheidungen« als den konstitutiven Faktoren des Entwicklungssystems. Von Entscheidungen wird das Spektrum der »Funktionen« abgegrenzt. Hierunter werden alle Handlungen innerhalb von Service Engineering Projekten verstanden, deren Hinterfragung auf eine zugrunde liegende Entscheidung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Entwicklungsablaufs nicht zweckmäßig ist. Den letzten Teilbereich bildet die »Organisation«. Im Rahmen des Organisationssystems werden die zuvor isoliert betrachteten Entscheidungen und Funktionen temporalisiert und miteinander in einen logisch-zeitlichen Zusammenhang gebracht (Ablauforganisation). Außer mit dem Fortschritt des Geschehens in Entwicklungsprojekten beschäftigt sich das Organisationssystem des Weiteren mit diversen institutionalen Problemen und Bestandsphänomenen (Aufbauorganisation). Das Prozesssystem kann somit in der Notation der Gesetzte der Form beschrieben werden als:
Prozess
EntscheiFunktion dung
Organisation
Ebenso lässt sich das Konstruktionssystem weiter in seine Bestandteile zerlegen. Eine Untergruppe bilden »Ideen«, die die einfachste Form einer Leistungsbeschreibung repräsentieren. Darunter fallen alle Aspekte, die im Umgang mit Ideen behandelt werden können, wie z. B. deren Generierung, Strukturierung oder Speicherung. Der zweite Gesichtspunkt umfasst sämtliche »Analysen«, die im Kontext eines Service Engineering Prozesses durchgeführt werden können. Diese werden zumeist aus dem Informationsdefizit der Ideen initiiert und dienen der bedarfsgerechten Beschaffung von benötigten Informationen. Die letzte Separierung innerhalb des Konstruktionssystems beinhaltet die Verarbeitung der aus Analysen gewonnenen Informationen und setzt sich mit der systematischen Determinierung der »Qualitätscharakteristika« des zu entwickelnden Objekts auseinander. Diese kann entweder direkt erfolgen oder sukzessive über die Bestimmung von Anforderungen und Funktionalitäten abgeleitet werden. Zusammenfassend kann das Konstruktionssystem formalisiert wiedergegeben werden:
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Kapitel 3 Analyse des Service Engineering Systems
Konstruktion
Idee
Analyse
Qualitätscharakteristik
In Bezug auf das Leistungssystem greift der Ausdifferenzierungsvorschlag auf die Triade Ergebnis/Prozess/Potenzial zurück. Entsprechend werden der Output des Erbringungsprozesses und alle damit in Verbindung stehenden Attribute als »Produktsystem« abgegrenzt. Das Teilsystem »Prozess« thematisiert die Erbringung einer Dienstleistung und adressiert die Gesichtspunkte, die im Rahmen der Vorbereitung der Leistungserstellung, im Produktionsvorgang selbst sowie bei der darin auftretenden Sozialität zwischen Anbieter und Kunde eine Rolle spielen. Zuletzt fokussiert das »Ressourcensystem« auf die in die Erbringung involvierten Leistungspotenziale sowie deren wechselseitigen Abhängigkeiten. Demzufolge lässt sich das Leistungsgebilde wie folgt systematisieren:
Leistung
Produkt Prozess
Ressource
Wie die Erläuterungen zu den einzelnen Teilsystemen bereits erkennen ließen, sind weitergehende Ausdifferenzierungen der angegebenen Systeme denkbar, werden jedoch an dieser Stelle nicht vorgenommen. Der Gliederungsvorschlag für das Service Engineering System kann somit zusammenfassend durch Einsetzen der Gleichungen (3) bis (5) in Gleichung (2) in der Notation des Gesetze der Form beschrieben werden als
Service Engineering
EntscheiFunktion dung
Organisation
Idee
Analyse
Qualitätscharakteristik
Produkt Prozess
Ressource
Mit der Ausdifferenzierungsempfehlung findet die Analyse des Service Engineering Systems ihren Abschluss. Resümiert man diese, so wurde zunächst anhand einer systemtheoretischen Charakterisierung des Erbringungs- und Entwicklungsprozesses einer Dienstleistung kontrolliert Schritt für Schritt ein tiefenscharfes systemisches Verständnis des interessierenden Phänomens mit hoher Komplexität und umfassendem Analysepotenzial erzeugt. Das Resultat führte zu der Erkenntnis, dass eine Zusammenarbeit der an einem Entwicklungsvorhaben Beteiligten einer einheitlichen Strukturierung des gesamten Sachverhalts bedarf. Aus diesem Grund wurde anschließend ein Vorschlag zur Ausdifferenzierung des gesamten Service Engineering Systems in seine Subsysteme unterbreitet, der mittels einer gezielten Eingrenzung der insgesamt anfallenden Komplexität dessen Handhabbarkeit bewirken soll. Auf diesen Grundlagen und Erkenntnissen aufbauend erfolgt nun im nächsten Abschnitt die Erarbeitung des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering, das ein operationales Instrumentarium für die zielgerichtete Durchführung von Dienstleistungsentwicklungsprojekten bereitstellt.
Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering Alle Erkenntnis ist Erkenntnis in Modellen oder durch Modelle, und jegliche menschliche Weltbegegnung überhaupt bedarf des Mediums »Modell«. Herbert Stachowiak
4.1 Aufbau des modellgestützten Service Systems Engineering Der Entwicklungsprozess von Dienstleistungen stellt kein klassisches Optimierungsproblem dar, wie in Abschnitt 2.3.1 anhand der Charakteristika bösartiger Probleme nach Rittel (1971, S. 19–20) aufgezeigt wurde. Aus diesem Grund kann die Konzipierung eines universell gültigen, formalen Lösungsalgorithmus zur optimalen Durchführung entsprechender Projekte prinzipiell nicht geleistet werden, wodurch jedoch eine perfektionierte Bearbeitung einzelner Teilaufgaben ausdrücklich nicht ausgeschlossen wird. Das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering reagiert auf die charakteristischen Merkmale, indem es stattdessen den involvierten Personen eine instrumentelle Unterstützung zur Verfügung stellt und dadurch die Selektion einer geeigneten Anschlusskommunikation ermöglicht. Es offeriert eine Reihe von Theorieelementen, die sich für den praktischen Einsatz sukzessive in spezielle Techniken unterschiedlichen Abstraktionsgrads überführen lassen und damit der Handlungsorientierung dienen. Eine Übersicht über die Theoriekomponenten des modellgestützten Service Systems Engineering gibt Abbildung 4.1. Der Theorieteil des Konzepts besteht aus den drei Elementen »Prinzipien«, »Vorgehensmodelle« sowie »Methodenwissen«, die bereits in Abschnitt 2.2.4 eingeführt wurden. Prinzipien beschreiben demnach allgemein gültige Grundsätze, Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die als gro-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Rahmenkonzept des modellgestützten Service Systems Engineering Prinzipien
Vorgehensmodelle
Methodenwissen
Abbildung 4.1: Bestandteile des modellgestützten Service Systems Engineering
be Handlungsanweisung zu verstehen sind. Im Kontext des modellgestützten Service Systems Engineering wird hier zwischen Richtlinien, die generell die konstruktionsbezogene Entscheidungsfindung stützen, und Modellierungsgrundsätzen, deren Einhaltung auf die Gewährleistung einer ausreichend guten Modellqualität abzielt, differenziert. Im Vergleich dazu verfügen Vorgehensmodelle über einen konkreteren Anwendungsbezug und bezwecken die Aufschlüsselung einer Aufgabe in idealisierte, wiederholbare und strukturierte Teilschritte sowie deren zeitliche Anordnung. Vorgehensmodelle überführen in ihrer abstraktesten Form als Problemlösungszyklus jegliche Aufgabenstellung graduell in eine adäquate Lösung. Daneben existieren zum einen objektbezogene Phasenmodelle, die den gesamten Entwicklungsprozess eines Systems umfassen, und zum anderen Projektmanagementabläufe, die simultan dazu ablaufen und primär auf wirtschaftlich-abwicklungstechnische Aspekte fokussieren. Die dritte Theoriekomponente des modellgestützten Service Systems Engineering beschäftigt sich mit dem Management von Methodenwissen, d. h. mit dem Wissen über detaillierte und regelbasierte Handlungsanweisungen zum Erreichen bestimmter Ziele. Gemäß des dem Konzept zugrunde liegenden Schwerpunkts richtet sich dabei das Hauptaugenmerk auf Modellierungsmethoden, die sowohl isoliert als auch in Verbindung mit klassischen Methoden der Konstruktionstechnik oder der Arbeitswissenschaft zum Zwecke der visuellen Ergebisaufbereitung eingesetzt werden können.
4.1 Aufbau des modellgestützten Service Systems Engineering
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Aus der vorangegangenen Beschreibung geht bereits implizit hervor, dass der Abstraktionsgrad der Konzeptbestandteile in Abbildung 4.1 von links nach rechts abnimmt. Die Anwendung allgemeiner Verfahren liefert in der Regel vergleichsweise grobe Resultate, ihre Durchführung geht allerdings gleichzeitig mit einem relativ geringen Aufwand einher. In Bezug auf das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering lässt sich daraus schließen, dass Prinzipien und größtenteils auch Vorgehensmodelle ohne bzw. mit relativ geringem Anpassungsaufwand auf den dienstleistungsspezifischen Kontext übertragen werden können. Der Einsatz von Methoden in Dienstleistungsentwicklungsprojekten verlangt jedoch aufgrund des höheren Detaillierungsgrads nach deren vorheriger Anpassung. Der weitere Verlauf der Konzeptbeschreibung des modellgestützten Service Systems Engineering gestaltet sich somit folgendermaßen: Im nächsten Abschnitt werden zunächst die beiden Komponenten Prinzipien und Vorgehensmodelle dargelegt, bevor anschließend aus den systemtheoretischen Grundlagen heraus eine verallgemeinerte Struktur von Modellierungsmethoden abgeleitet wird. Danach werden jeweils für die Subsysteme des Prozess- und des Objektsystems dienstleistungsspezifische Modellierungsmethoden in Form von Sprachkonzepten und Notationen generiert, deren konkrete Instanziierungen schließlich die Zusammenarbeit in multidisziplinären Gruppen unterstützen und nach Conant/Ashby (1970, S. 97) eine effiziente Gestaltung von Service Engineering Vorhaben ermöglichen.
4.1.1 Prinzipien der Systemgestaltung und der Modellierung Die Systemtheorie im Allgemeinen sowie das Systems Engineering im Besonderen halten eine Reihe von Prinzipien bereit, die sich gleichfalls im Kontext des modellgestützten Service Systems Engineering anwenden lassen. Wie bereits erwähnt, versteht man unter Prinzipien abstrakte Grundsätze, die einem Handelnden bei der Ausübung einer Tätigkeit der Orientierung dienen (Stahlknecht/Hasenkamp 2005, S. 212). Gemäß ihrer etymologischen Bedeutung bilden sie das Fundament, auf das universal im Rahmen der Dienstleistungsentwicklung Bezug genommen werden kann. Wenn auch ihre methodische Qualität als relativ gering zu beurteilen ist, so geben sie dennoch eine Richtung vor, wie die gewünschten Resultate »wahrscheinlich« besser erzielt werden können. Auf Prinzipien kann vor allem dann referenziert werden, wenn keine konkreten Handlungsanweisungen in Form von Methoden vorliegen. Ein Rückgriff auf Prinzipien signalisiert demnach einen Mangel an wissenschaftlich begründeten Heuristiken. Bei der Behebung eines Methodendefizits können ebenfalls Prinzipien als Orientierungspunkt herangezogen werden. Die abstrakten Grundsätze lassen sich dann im Hinblick auf einen konkreten Anwendungsfall in detaillierte Arbeitsanweisungen transformieren und somit operationalisieren. Der Einsatz von Prinzipien kann jedoch auch bei der Existenz einer geeigneten Methode zweckmäßig sein, wenn bspw. die höhere Qualität des Resultats den zusätzlichen Aufwand nicht rechtfertigt (Heinrich 1993, S. 215). Systems Engineering Ansätze stellen eine Reihe von Prinzipien zur Komplexitätsbewältigung im Rahmen der Analyse und insbesondere Konzeption innerhalb komplexer Entwicklungsvor-
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haben bereit. Diese lassen sich in der Regel gleichzeitig nutzen, wobei in Einzelfällen auch Disparitäten auftreten können. Um Missverständnisse zu vermeiden, lassen sich bei divergierenden Zielsetzungen vorab Dominanzbeziehungen zwischen den verwendeten Prinzipien definieren. Im ingenieurwissenschaftlichen Umfeld wird häufig auch unter dem Schlagwort »design for x« (Huang 1996, S. 1) oder »restriktionsgerechte Konstruktion« (Eversheim 1996, S. 7.35) eine Hauptforderung aufgestellt, die die generelle inhaltliche Ausrichtung vorgibt und der alle weiteren Prinzipien untergeordnet sind. Als fokussierter Konstruktionsaspekt können z. B. die Entwicklungskosten (Ehrlenspiel/Kiewert/Lindemann 2003), der Kundenbezug (Piller 2003), die Umwelt (Steinmetz 1993, S. 50–51) oder der Produktionsablauf (Boothroyd/ Dewhurst/Knight 2001) angeführt werden. Überträgt man diesen Gedanken auf das Service Engineering und berücksichtigt dabei die charakteristische Unruhe des Erbringungsprozesses, soll die im Kontext dieser Arbeit proklamierte Gesamtausrichtung in Anlehnung an Palani Rajan et al. (2003) mit dem Konstruktionsprinzip »design for flexibility« betitelt werden. Um der Autonomieeigenschaft des in der Zukunft ablaufenden Erbringungsprozesses Rechnung zu tragen, zielt das Entwicklungsvorhaben somit primär auf die Konzeption variantenreicher Strukturspektren für das System der Dienstleistungsproduktion ab. Diese können dann die aufgrund der Heterogenität von Dienstleistungsausprägungen verursachte Unsicherheit wirkungsvoll limitieren und erlauben dadurch eine kundenorientierte Prozessabwicklung. Eine Variantenstandardisierung bewirkt folglich eine zielgerichtete Individualisierung der Abläufe. Dem Grundsatz des »design for flexibility« lassen sich eine Reihe weiterer Prinzipien unterordnen, die wiederum Hauptbestandteile von Systems Engineering Ansätzen darstellen und sich gleichermaßen auf das Prozess- und das Objektsystem anwenden lassen (z. B. Heinrich 1993, S. 216, Weld 1994, Göpfert 1998, S. 53–55, oder Daenzer/Huber 2002, S. 23/29): • Prinzip der Modularität: Das Prinzip der Modularität postuliert die Abgrenzung von Systemkomponenten nach klar definierten Kriterien. Dahinter steht die Intention einer eindeutigen Kapselung von Einheiten, die schließlich deren Mehrfachverwendbarkeit sowie eine bessere Handhabung des Gesamtsystems gewährleisten soll. Module lassen sich einerseits als relativ autonome Einheiten und andererseits als integraler Bestandteil einer übergeordneten Ganzheit charakterisieren, weshalb Koestler (1968, S. 48) sie auch als »janusköpfige Holons« bezeichnet. • Prinzip der Unabhängigkeit: Das Unabhängigkeitsprinzip (auch: Prinzip der maximalen Kohäsion) ist eng mit dem Modularitätsprinzip verbunden und verlangt nach einer Minimierung der Schnittstellenanzahl und -intensität einer Einheit bzgl. aller relevanten Beziehungsdimensionen. Durch die bestmögliche Abkopplung einzelner Bestandteile lässt sich der Abstimmungs- und Koordinationsbedarf zwischen den Modulen minimieren, wodurch sie unabhängig voneinander analysiert und gestaltet werden können. • Prinzip der Integrität: Das Integritätsprinzip repräsentiert das Korrektiv zum Prinzip der Unabhängigkeit. Da sich ein System gerade durch die Interdependenzen zwischen seinen Elementen auszeichnet, kann deren isolierte Behandlung lediglich zu approxi-
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mativen Ergebnissen führen. Folglich wendet sich das Integritätsprinzip von einer separierenden Betrachtungsweise ab und fordert einen bewussten Umgang mit den zwischen den Komponenten liegenden Relationen. • Prinzip der Dekomposition: Das Dekompositionsprinzip (auch: Top-Down-Prinzip, »vom Groben zum Detail«, »vom Abstrakten zum Konkreten«) empfiehlt eine bedarfsgerechte Verringerung des Abstraktionsgrads mittels einer fortgesetzten Ausdifferenzierung ausgewählter Einheiten. Jeder Zergliederungsschritt erschließt ein neues Detaillierungsniveau, wodurch sich eine zielorientierte Einengung des Betrachtungsfelds vornehmen lässt. Das Dekompositionsprinzip akzentuiert folglich den hierarchischen Aufbau einer Einheit und legt sukzessive ihre innere Organisation offen. • Prinzip der Variantenbildung: Das Prinzip der Variantenbildung legt dem Systemgestalter die Generierung von Lösungsmöglichkeiten nahe, die auf einem bestimmten Abstraktionsniveau vorstellbar sind. Damit soll eine kritische Auseinandersetzung mit einer Problemstellung angeregt und eine vorschnelle Ausarbeitung einer suboptimalen Idee verhindert werden. Im Hinblick auf das Verhältnis einzelner Varianten untereinander kann zwischen Prinzip- und Detailvarianten differenziert werden. Erstere unterscheiden sich in ihrer Grundausrichtung signifikant voneinander, wohingegen letztere auf der gleichen Basis aufbauen und sich lediglich im Detail anders ausgestalten. • Prinzip der minimalen Präjudizierung: Das Prinzip der minimalen Präjudizierug ergänzt das Prinzip der Variantenbildung dahingehend, dass es eine Leitlinie für die Auswahl geeigneter Varianten vorgibt. Demnach ist bei Unsicherheit bzgl. der zu präferierenden Lösungsalternative diejenige zu selektieren, die für die weitere Entwicklung die größten Freiräume offenhält, d. h. am wenigsten präjudiziert. Der Grundsatz verfolgt demnach das Ziel, Spezifizierungen im Zweifelsfall zu minimieren, um sie später bei der Vorlage zusätzlicher Informationen mit geringerem Risiko festlegen zu können. • Prinzip des Least Commitment: Das Prinzip des Least Commitment wurde in der Informatik, genauer dem Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz, entwickelt und steht in enger Verbindung mit dem Prinzip der minimalen Präjudizierung. Es empfiehlt, Entscheidungen innerhalb von Planungsprozessen möglichst lange hinauszuzögern und erst dann zu treffen, wenn sie unumgänglich sind. Die konkrete Anordnung von Aktivitäten wird demnach nur soweit determiniert, wie dies unbedingt erforderlich ist. • Prinzip des Piecemeal Engineering: Das ursprünglich von Popper (2002, S. 58–64) aufgestellte Prinzip des Piecemeal Engineering (auch: »Stückwerkstechnologie«) bezieht sich auf die Konsequenzen von Veränderungen in komplexen Systemen. Sind diese nicht vollständig absehbar, so empfiehlt der Grundsatz eine graduelle Realisierung der Umsetzungsvorhaben. Im Gegensatz zu radikalen Modifikationen besitzt diese Herangehensweise den Vorteil, dass im Fall des Erkennens unzweckmäßiger Schritte diese mit vergleichsweise geringem Aufwand korrigiert werden können. Den beschriebenen Grundsätzen ähneln vor allem diejenigen des Software Engineering (z. B. Balzert 1982, S. 27–67, oder Boehm 1983). Diese finden sich in den erläuterten Prinzipien zum
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einen explizit (z. B. Prinzip der Modularisierung) oder implizit (z. B. Prinzip der Hierarchisierung) wieder, zum anderen bleiben sie bei zu starkem Fokus auf softwaretechnische Umstände an dieser Stelle unberücksichtigt (z. B. Prinzip der Lokalität). Darüber hinaus führt Heinrich (1993, S. 217–220) noch Prinzipien zum Gestalten der Arbeitsorganisation ein, die er weiter in die Kategorien allgemeine Prinzipien der Arbeitsorganisation, Prinzipien der Aufgabengestaltung, Prinzipien der Arbeitsstrukturierung sowie Prinzipien des Handlungsspielraums untergliedert. Da diese aber auf die Unterstützung sozial-psychologischer Herausforderungen im Rahmen der institutionellen Organisationsgestaltung abzielen und dieser Gesichtspunkt nicht Bestandteil des wissenschaftlichen Diskurses dieser Arbeit ist, werden sie hier nicht weiter vertieft. Umso bedeutender ist dafür im Hinblick auf die Akzentuierung des Modellaspekts die Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung (Becker/Rosemann/Schütte 1995, S. 437–439). Diese wurden aufbauend auf Arbeiten zur Qualitätsbestimmung von Datenmodellen (z. B. Batini/Ceri/Navathe 1992 oder Moody/Shanks 1994) zusammengestellt und in Anlehnung an die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (z. B. Baetge/Kirsch/Thiele 2005) tituliert (Rosemann/Schwegmann/Delfmann 2005, S. 47–48). Im Unterschied zu diesen und deren Derivaten, wie z. B. die Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung, die Grundsätze ordnungsmäßiger Datenverarbeitung oder die Grundsätze ordnungsmäßigen Datenschutzes, dienen die Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung allerdings nicht der Revisionsunterstützung. Vielmehr beabsichtigen sie, die Beurteilbarkeit der Qualität eines Informationsmodells über Zieldefinitionen und Modellierungskonventionen zu ermöglichen (Schütte 1998, S. 112). Entsprechende Metriken stellen sie dafür jedoch nicht bereit (Rosemann 1996, S. 85), wenngleich Schütte (1998) einen Schritt zur Behebung dieses Mangels auf der Basis eines benutzerbezogenen Qualitätsbegriffs (Balzert 1998, S. 256) unternimmt. Ohne an dieser Stelle näher auf das dieser Arbeit zugrunde liegende Modellverständnis einzugehen (vgl. hierzu Abschnitt 4.1.3), werden die Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung im Folgenden dargelegt: • Grundsatz der Konstruktionsadäquanz: Der Grundsatz der Konstruktionsadäquanz postuliert die pragmatisch korrekte Wiedergabe des abzubildenden Sachverhalts. Im Vordergrund stehen also die Kriterien inhaltlicher Umfang des interessierenden Ausschnitts sowie Zweckbezogenheit des Modells, über die zwischen allen Beteiligten Konsens bestehen bzw. hergestellt werden soll. • Grundsatz der Sprachadäquanz: Der Grundsatz der Sprachadäquanz fordert die syntaktische und semantische Richtigkeit des Modells. Demnach sind zum einen die vorgegebenen Notationsregeln bei der Modellerstellung zwingend einzuhalten. Zum anderen ist die struktur- bzw. verhaltensgetreue Repräsentation des Originals sicherzustellen. • Grundsatz der Wirtschaftlichkeit: Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verlangt nach einem angemessenen Kosten/Nutzen-Verhältnis im Kontext der Modellkonstruktion. Es ist zu gewährleisten, dass der Wert der zur Modellgenerierung oder -überarbeitung gebundenen Ressourcen denjenigen des ökonomischen Gesamtnutzens nicht übersteigt.
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• Grundsatz des systematischen Aufbaus: Der Grundsatz des systematischen Aufbaus empfiehlt eine gezielte Verknüpfung korrespondierender Modelle. Die Schnittstellen können dabei horizontaler oder vertikaler Natur sein. Zudem soll bei komplexen Zusammenhängen eine ordnende Architektur zur besseren Orientierung eingesetzt werden. • Grundsatz der Klarheit: Der Grundsatz der Klarheit zielt auf eine adäquate grafische Aufbereitung der generierten Modelle ab. Hierzu gehört, dass diese anschaulich und transparent visualisiert werden. Modelle sollen somit ein Mindestmaß an (grafischer) Strukturiertheit und intuitiver Lesbarkeit aufweisen. • Grundsatz der Vergleichbarkeit: Der Grundsatz der Vergleichbarkeit stellt auf das Verhältnis von Modellen untereinander ab. Die Modellierung soll dergestalt erfolgen, dass eine semantische Gegenüberstellung zweier Abbildungen mit dem Ziel der Identifikation einer Deckungsgleichheit oder von Abweichungen durchgeführt werden kann. Sowohl die Auflistung der allgemeinen Konstruktionsprinzipien als auch diejenige der Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung sind nicht als eine abgeschlossene Gesamtheit zu verstehen. Vielmehr lassen sich im Rahmen von konkreten Service Engineering Vorhaben einzelne Handlungsrichtlinien selektieren oder bei Bedarf neue hinzufügen. Da Prinzipien aufgrund ihres Abstraktionsgrads lediglich eine grobe Orientierung liefern, wird im nächsten Abschnitt mit der Herleitung eines allgemeinen Vorgehensmodells zur Problemlösung eine detailliertere, zugleich aber aufwendigere Komponente des Service Systems Engineering vorgestellt.
4.1.2 Vorgehensmodelle zur Lösung von Konstruktionsproblemen Zwischen den abstrakten Prinzipien, die eine grobe Handlungsausrichtung vorgeben, und der präzisen Technik der Modellierung lassen sich bzgl. des Abstraktionsgrads allgemeine Vorgehensmodelle zur Problemlösung ansiedeln. Sie bieten ein heuristisches Vorgehenskonzept zur systematischen, graduellen Überführung einer Problemstellung in eine geeignete Lösung. In der konkreten Ausgestaltung können die Vorgehensmodelle selbst wiederum ein breites Spektrum an Detaillierungsgraden aufweisen. Dieses reicht von objektunabhängigen Anleitungen zur Problemlösung über allgemeine Phasenmodelle des Konstruierens oder des Projektmanagements bis hin zu spezifischen Abläufen zur Gestaltung von Dienstleistungen, wie sie in Abschnitt 3.2.1 behandelt wurden. Die Grenzen zwischen den einzelnen Formen der Ablaufbeschreibungen sind dabei fließend. Des Weiteren lassen sich einzelne Modelle nahezu beliebig miteinander kombinieren. So kann ein Problemlösungszyklus bspw. innerhalb einer Konstruktionsphase oder in rekursiver Weise innerhalb eines anderen Problemlösungszyklus eingesetzt werden. Die abstrakteste Form von Vorgehensmodellen stellen Problemlösungslogiken dar. Diese haben ihre Wurzeln häufig in der kognitiven Psychologie, die sich u. a. mit Handeln und Problemlöseverhalten des Menschen befasst (z. B. von Cranach et al. 1980, S. 35–75, oder Tschan 2000, S. 42–51), und wurden von anderen Wissenschaftsdisziplinen unverändert bzw. leicht
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adaptiert übernommen. Als Beispiele aus dem kognitionswissenschaftlichen Umfeld können die Problemlösungssequenz nach Dewey (1938, S. 105–117), das Test-Operation-Test-Exit (TOTE)-Schema nach Miller/Galanter/Pribram (1973, S. 34), die Vergleichs-VeränderungsRückmelde (VVR)- bzw. Ziel-Bedingungs-Maßnahmen (ZBM)-Einheiten nach Hacker (2005, S. 213–225 und 379–380), der Zyklus handlungsregulierender Informationsverarbeitung nach von Cranach/Ochsenbein/Valach (1986, S. 202–206) sowie das Rubikonmodell der Handlung nach Heckhausen (1989, S. 203–218) genannt werden. Als modifizierte Vorgehensmodelle aus anderen Wissenschaftsdisziplinen seien hier exemplarisch der Problemlösungszyklus des Systems Engineering nach Hall (1962, S. 88–93) oder Daenzer/Huber (2002, S. 47–55), der Vorgehenszyklus nach Ehrlenspiel (2003, S. 81–86), der Algorithmus zur Lösung von Erfindungsaufgaben (ARIZ – algoritm rešenija izobretatel’skich zadaˇc) nach Al’tšuller (1986, S. 28–29) oder die diskursive Lösungssuche nach Wulf (2002, S. 68–75) angeführt. All diesen Logiken ist gemein, dass sie auf der Analyse/Synthese-Distinktion beruhen und entsprechende Aktivitäten im Rahmen eines Ablaufplans zeitlich miteinander in Beziehung setzen (Pulm 2004, S. 78). Aus dieser Erkenntnis heraus leitet Lindemann (2003, S. 3–5) schließlich das Münchener Vorgehensmodell ab, das ein flexibel anwendbares Grundmuster zur Zerlegung, Planung und Reflexion des Problemlösungsprozesses wiedergibt und dabei insbesondere auf die Vorbereitung der Lösungssuche fokussiert (vgl. Abbildung 4.2).
Abbildung 4.2: Münchener Vorgehensmodell (Lindemann 2003, S. 4)
Daneben existiert zur Lösung schwach strukturierter Probleme mit mehreren Beteiligten ein Lösungskonzept, das primär die Lösungsfindung selbst unter Verwendung von Elementen der Systemtheorie betont. Es handelt sich hierbei um die von Checkland (1981) entwickelte Soft Systems Methodology (vgl. Abbildung 4.3). Diese entwarf er aufgrund der Einsicht, dass die traditionelle Vorgehensweise, bestehend aus einer Zieldeterminierung und darauf aufbauender Kennzahlenfestlegung zur Alternativenbewertung und -auswahl, im Fall weicher, nicht näher spezifizierbarer Problemstellungen in der Regel nur ineffizient durchgeführt werden kann
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(Checkland 1972, S. 6). Checkland realisiert, dass die beteiligten Personen einen prägenden Bestandteil des Untersuchungsprozesses bilden und ihre Nichtbeachtung einer Lösungsfindung unter standardisierten, nicht realen Laborbedingungen entspricht. Die Soft Systems Methodology verkörpert daher ein Konzept, das den Perspektivwechsel zwischen der unmittelbaren Auseinandersetzung mit der realen Situation und dem Treffen formaler Aussagen mittels Konzepten der Systemtheorie über diese ermöglicht. Sie benutzt das interdisziplinäre Moment der Systemtheorie, um die potenziell divergierenden Beobachtungen der beteiligten Personen zu harmonisieren. Im Mittelpunkt der Lösungsfindung stehen demnach die Standpunkte der Individuen in Form der Strukturierung der Problemsituation und nicht die technischen Aspekte des Problems (Gomez/Malik/Oeller 1975, S. 671). Deren Auswahl und Umsetzung sind stattdessen das Resultat der während des Ablaufs der Soft Systems Methodology getroffenen Übereinkünfte (Checkland/Scholes 1990, S. 1–8).
Abbildung 4.3: Vorgehensmodell der Soft Systems Methodology (Checkland/Scholes 1990, S. 27)
Abbildung 4.4 visualisiert den Versuch, die beschriebenen Ansätze von Lindemann und Checkland zu synthetisieren und damit die jeweiligen Vorteile zu verbinden. Das Modell besteht aus sieben Phasen, wobei diese im Einzelfall weder alle mit der gleichen Intensität bearbeitet werden müssen noch zwangsweise in der angegebenen Reihenfolge zu durchlaufen sind. Rücksprünge und Iterationen sind dabei ebenso zulässig wie die simultane Gestaltung mehrerer Schritte oder eine rekursive Verkettung ganzer Zyklen. Eine exponierte Stellung kommt in dem Modell der Phase »Lösungsfindung« zu. Um die Eigenschaften der schwachen Strukturiertheit sowie der durch mehrere involvierte Individuen erzeugten Multiperspektivität in Dienstleistungsentwicklungsprojekten adäquat berücksichtigen zu können, wird dieser Schritt in Analogie zur Soft Systems Methodology nicht in der realen, sondern in einer abstrakten Ge-
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dankenwelt unter Verwendung der Systemtheorie behandelt. Nutzer der Problemlösungslogik müssen daher in der Lage sein, sich in beiden Welten bewegen und die dazwischen liegende Grenze bewusst in beide Richtungen überschreiten zu können. Wie das Lösungskonzept im Detail funktioniert, wird nachfolgend anhand der inhaltlichen Beschreibung der einzelnen Phasen erläutert.
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Abbildung 4.4: Allgemeines Vorgehensmodell zur Problemlösung
1. Zielidentifizierung: Die Zielidentifizierung beinhaltet die grobe Determinierung der Prozessintention, die im Kontext von Service Engineering Vorhaben als Instanz eines bösartigen Problems lediglich unstrukturiert und auf einem hohen Abstraktionsniveau vorgenommen werden kann. Wegen des niedrigen Detaillierungsgrads herrscht bei allen Beteiligten grundsätzlich Einigkeit über das bezweckte Resultat. 2. Zielverdeutlichung: Die Zielverdeutlichung strebt die Gewinnung und Analyse möglichst vieler Erkenntnisse über die unstrukturierte Situation an. Die Informationsbeschaffung orientiert sich einerseits an diversen Perspektiven auf die Problemstellung, die in weitreichenden Diskussionen zwischen den beteiligten Individuen offengelegt werden. Andererseits sind Informationen aus direkten Beobachtungen, Verhaltensstudien, formalen Interviews oder dem Studium relevanter Wissensquellen miteinzubeziehen. 3. Zielstrukturierung: Innerhalb der Zielstrukturierung werden die unterschiedlichen Ansichten der Individuen sowie die Ergebnisse ihrer Interaktionen und Diskussionen zu einem einheitlichen Verständnis in Bezug auf die zu lösende Problemstellung verschmolzen. Dieses sog. »rich picture« soll insbesondere eine grobe Vorstellung über den Grad der potenziellen Veränderbarkeit betroffener Sachverhalte sowie über das Klima, in dem diese stattfinden, beinhalten. Dabei ist darauf zu achten, dass die Strukturierung nicht vorschnell (gemäß dem Prinzip der Variantenbildung) und zu detailliert (gemäß dem Prinzip der minimalen Präjudizierung) vorgenommen wird.
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4. Lösungsfindung: Zur Lösungsfindung erfolgt ein Perspektivwechsel von der realweltlichen in die systemtheoretische Gedankenwelt. Darin werden die zu generierenden Resultate durch das Oszillieren zwischen den beiden Unterphasen »Basisdefinition relevanter Systeme« und »konzeptionelle Modelle« erarbeitet, was tendenziell mit dem in Abschnitt 3.2.3 erwähnten Wechseln zwischen Objekt- und Prozesssystem verglichen werden kann. a) Basisdefinition relevanter Systeme: In einem ersten Schritt sind die Systeme, denen im Kontext der Problemlösung mutmaßlich eine essenzielle Bedeutung beigemessen wird, zu identifizieren und zweckmäßig abzugrenzen. Die jeweiligen Systembeschreibungen sollten sowohl formale als auch informale Kriterien umfassen, die dessen charakteristische Wesenszüge widerspiegeln. Die Basisdefinition zielt also darauf ab, ein idealisiertes Abbild (eine Struktur) von den Systemen zu gestalten, die im Rahmen einer Verbesserung der Problemsituation tangiert werden, und besteht aus den sechs, das Akronym CATWOE konstituierenden Faktoren: • Customers: Diejenigen, an die das Ergebnis der Transformation adressiert ist. • Actors: Diejenigen, die den Transformationsprozess durchführen. • Transformations: Der Umwandlungsprozess selbst. • Weltanschauung: Die Sichtweise (Sinn, Kultur, Werte etc.), die den Transformationsprozess in einen Gesamtzusammenhang einbettet und damit Bedeutung verleiht. • Owners: Diejenigen, die die Entscheidungskompetenz im Transformationsprozess besitzen. • Environment: Die (beschränkende) Umwelt des Systems. Innerhalb von Service Engineering Vorhaben sollten demnach alle relevanten Systeme nach den CATWOE-Kriterien dargelegt werden. Hierbei ist es erstrebenswert, mehrere Basisdefinitionen von demselben Sachverhalt erstellen zu lassen, um durch unterschiedliche Perspektiven und Detaillierungsgrade ein reichhaltigeres Bild von den angestrebten Zuständen sowie den dafür notwendigen Veränderungen zu erhalten. b) Konzeptionelle Modelle: Aufbauend auf den Basisdefinitionen relevanter Systeme sind konzeptionelle Modelle von diesen Systemen zu erstellen. Während erstere eine reine Systemdeskription verkörpern, beschreiben konzeptionelle Modelle die Aktivitäten, die das System durchführen muss, um zu dem in der Basisdefinition ausformulierten System zu werden. Bei den Modellen handelt es sich folglich um ein strukturiertes Set an Tätigkeiten, die logischerweise zur Generierung des jeweils fokussierten Systems durchzuführen sind. Die Modelle sollten eine abstrakte Form aufweisen und sich ausdrücklich nicht auf ein in der Realität existierendes System beziehen, da sie schließlich als Standard dienen, gegen den ein existierendes System bzw. die definierten Erwartungen über das neu zu gestaltende System zum Zwecke einer Schwachstellenanalyse verglichen werden kann. Zur Sicherstel-
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lung der Qualität konzeptioneller Modelle sind sie stets mit formalen Systemkonzepten sowie sonstigem Systemdenken abzugleichen: • Formale Systemkonzepte: Ein Modell genügt einem formalen Systemkonzept, sofern es folgende neun Charakteristiken aufweist: (1) Ziel oder Mission, (2) Kriterien zur Leistungsmessung, (3) Entscheidungsfindungsprozess, (4) Subsysteme, (5) Interaktionen der Elemente, (6) Umsystem, (7) Grenzen des Entscheidungsfindungsprozesses, (8) dispositive Ressourcen des Entscheidungsträgers, (9) (langfristige) Stabilität. • Sonstiges Systemdenken: Dieser Schritt empfiehlt die Zuhilfenahme sonstiger Systemkonzepte, wie z. B. Systems Dynamics (Forrester 1972) oder das Viable System Model (Beer 1981), zur Beurteilung der Basisdefinitionen sowie der konzeptionellen Modelle von relevanten Systemen. 5. Analyse der Eigenschaften: Die Analyse der Eigenschaften generierter Lösungsalternativen umfasst die Gegenüberstellung der konzeptionellen Modelle mit der real vorliegenden Situation, wobei unterschiedliche Modellalternativen vorgeschlagen und diskutiert werden können. Der Vergleich lässt sich anhand vier verschiedener Schwerpunkte durchführen, die auch simultan Anwendung finden können: (1) geordnetes Fragenstellen hinsichtlich der vorliegenden Problemstellung auf der Basis konzeptioneller Modelle, um eine Debatte über potenzielle Veränderungen zu eröffnen, (2) Simulation einer Ereigniskette der Vergangenheit unter der fiktiven Annahme der Implementierung eines konzeptionellen Modells und Abgleich der beiden Verläufe, (3) Debattierung grundsätzlicher, strategischer Fragestellungen im Unterschied zu detaillierten Prozessuntersuchungen, die sich im Rahmen der Erstellung konzeptioneller Modelle ergeben haben, (4) Anfertigung eines Ist-Modells der Realsituation, dessen Form sich weitgehend an diejenige des konzeptionellen Modells anlehnt, und Identifizierung der Abweichungen. Alle vier Vorgehensweisen garantieren eine bewusste, kohärente und somit rechtfertigbare Durchführung des Abgleichs zwischen den konzeptionellen Modellen und der Realität. Dabei sei erwähnt, dass der Vergleich auch im Kontext von Neugenerierungen durchgeführt werden kann, indem an die Stelle der Realsituation zuvor definierte Erwartungen treten. 6. Lösungsauswahl: Die Lösungsauswahl behandelt die Bewertung der Veränderungsvorschläge, die aus der Analyse der Eigenschaften hervorgegangen sind. Von den Beteiligten wird eine intensive Auseinandersetzung mit und Diskussion über die potenziellen Veränderungen erwartet, um somit die Sinnhaftigkeit der vorgeschlagenen Modifikationen sowohl aus systemischer als auch aus realweltlicher Perspektive zu gewährleisten. Das Resultat dieser Phase stellt die Determinierung der kulturell anzustrebenden und aus Sicht der involvierten Personen technisch durchführbaren Maßnahmen dar. 7. Sicherstellung der Zielerreichung: Im letzten Schritt wird die Sicherstellung der Zielerreichung gefordert, indem die Implementierung der empfohlenen Modifikationen permanent auf ihre Zweckmäßigkeit hin untersucht wird. Treten Abweichungen bzgl. der beabsichtigten Wirkungen auf, ist in eine entsprechende Phase zurückzukehren.
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Neben den allgemeinen Problemlösungszyklen existieren präzisere, an konstruktionsspezifische Gegebenheiten angepasste Phasenmodelle, deren Einsatz jedoch mit einem höheren Aufwand einhergeht. Als die einflussreichsten Phasenmodelle der Konstruktion können das des Vereins deutscher Ingenieure (1993) sowie das von Pahl et al. (2003) angesehen werden. Darüber hinaus finden sich im ingenieurwissenschaftlichen Umfeld eine Vielzahl ähnlicher Anleitungen, die allerdings jeweils unterschiedliche Aspekte in den Mittelpunkt stellen. Exemplarisch seien Ansätze genannt, die die Produktion und andere Disziplinen verschmelzen (Pugh 1990), auf die simultane Durchführung von Marketing-, Produktentwicklungs- und Produktionsaktivitäten fokussieren (Andreasen/Hein 1987), Zyklen aus Synthese, Evaluierung und Auswahl beleuchten (Roozenburg/Eekels 1995), die graduelle Detaillierung einer Lösung berücksichtigen (Budgen 1994), Iterationen im Ablauf hervorheben (Cross 2001), die sukzessive Eingrenzung potenzieller Alternativen integrieren (Baxter 1996) oder die systematische Einbindung von Versuchen betonen (Ulrich/Eppinger 2000). Weiterhin lassen sich die Divergenzen der einzelnen Phasenvorschläge auf die Heterogenität der Einsatzbereiche zurückführen, für die sie entwickelt wurden. Als Beispiele für solche Einsatzbereiche können die Neuentwicklung von Automobilen (Verband der Automobilindustrie 1998), Bauprojekte (Itten 1974), Anlagenbauprojekte (Hartmann 1974), Organisationsprojekte (Schmidt 1975) oder EDV-Projekte (Kneuper/Müller-Luschnat/Oberweis 1998) angeführt werden. Trotz der divergierenden Schwerpunkte lässt sich in der Literatur grundsätzlich ein einheitlicher Aufbau der Phaseneinteilung beobachten, was insbesondere die vergleichende Darstellung unterschiedlicher Vorgehensmodellvariationen von Madauss (2000, S. 72) belegt. In diesem Kontext gestaltet Haberfellner (1973, S. 378) eine generell gültige und von den materiellen Zielformulierungen eines einzelnen Vorhabens abstrahierende Phasengliederung, die sich aus den acht Stufen »Anstoß zur Vorstudie«, »Vorstudie«, »Hauptstudie«, »Detailstudien«, »Systembau«, »Systemeinführung«, »Systembenützung« sowie »Außerdienststellung bzw. Anstoß zur Um- oder Neugestaltung« zusammensetzt. Parallel hierzu ordnet Haberfellner das Projektmanagement an. Dieses beinhaltet im Gegensatz zur primär inhaltlich-objektbezogenen Sichtweise des Phasenablaufs eine eher wirtschaftlich-abwicklungstechnische Perspektive auf den Projektlebenszyklus. Das Projektmanagement lässt sich wiederum weiter ausdifferenzieren, wobei die meisten Ausarbeitungen eine Zweiteilung in »Projektplanung« und »Projektrealisierung« vornehmen (Freese 2000, S. 501). Das in dieser Arbeit konzipierte Service Systems Engineering Konzept wählt diesbezüglich als Ordnungsrahmen den Ansatz von Burghardt (1995, S. 12) aus, der sämtliche Projektmanagementaktivitäten unter den Gliederungspunkten »Projektdefinition«, »Projektplanung«, »Projektkontrolle« und »Projektabschluss« subsumiert (vgl. Tabelle 4.1). Ein Service Engineering Vorhaben umfasst resümierend die beiden Bestandteile (objektbezogenes) Phasenmodell und (abwicklungsbezogenes) Projektmanagement, die simultan ablaufen. Da sich die Verzahnung der beiden Abläufe in der praktischen Anwendung aufgrund unternehmensspezifischer Gegebenheiten im Allgemeinen sowie der Individualität eines jeden Dienstleistungsentwicklungsprojekts im Besonderen anwendungsunabhängig nicht weiter
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Tabelle 4.1: Aufgaben des Projektmanagements (in Anlehnung an Burghardt 1995, S. 12) Phase
Aufgaben
Projektdefinition
Projektgründung, Definition des Projektziels, Determinierung der Projektorganisation, Determinierung der Prozessorganisation
Projektplanung
Strukturplanung, Aufwandsschätzung, Terminplanung, Einsatzmittelplanung, Kostenplanung, Vertragsmanagement, (Teil-)Projektplanung
Projektkontrolle
Terminkontrolle, Aufwands- und Kostenkontrolle, Sachfortschrittskontrolle, Qualitätssicherung, Projektdokumentation, Konfigurationsmanagement, Projektberichterstattung, Risikomanagement
Projektabschluss
Produktabnahme, Projektabschlussanalyse, Erfahrungssicherung, Projektauflösung
anpassen lässt, wäre eine zusätzliche Verfeinerung an dieser Stelle nicht zweckhaft. Stattdessen zielt die Theorie des modellgestützten Service Systems Engineering darauf ab, in einer nächsten Detaillierungsstufe Modellierungsmethoden zu entwickeln, die dann als Technik zur individuellen Erstellung und Konfiguration von Prozess- und Objektsystem eingesetzt werden können.
4.1.3 Methodenwissen und Modelltheorie Die dritte Komponente des modellgestützten Service Systems Engineering bildet das Wissen über Methoden. Als Methode wird eine nach Mittel und Zweck planmäßige und regelbasierte Prozedur zur Erzielung technischer Fertigkeit bei der Lösung theoretischer und praktischer Aufgaben bezeichnet (Lorenz 1995, S. 876). Ein solches Verfahren operationalisiert in der Regel ein oder mehrere Prinzipien in einer begründeten Weise (Scheer 1990b, S. 125) und kann sowohl bewusst als auch unbewusst ablaufen (Ehrlenspiel 2003, S. 134). Eine Methode zeichnet sich demnach durch die obligatorischen Merkmale der Systematik und Zielorientierung sowie die fakultativen Merkmale der Prinzipienorientierung und der Anleitung aus (Stahlknecht/Hasenkamp 2005, S. 212). Da das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering, motiviert durch das Conant/Ashby-Theorem (1970), primär auf die Bereitstellung von strukturerzeugenden Abbildern zum Management von Dienstleistungsentwicklungsvorhaben respektive zur Konstruktion von Dienstleistungserbringungsprozessen abzielt, wird ein besonderes Augenmerk auf Modellierungsmethoden gelegt. Diese repräsentieren eine spezielle Form von Methoden, die als weiteres konstitutives Moment die Erstellung eines das Ergebnis der Methode widerspiegelnden Artefakts verlangen und hierfür eine Sprache zur Verfügung stellen. Die Sprache selbst setzt sich wiederum aus zwei Gesichtspunkten zusammen: Konzept und Notation (Balzert 2000, S. 38). Der konzeptionelle Aspekt umfasst die Normierung sämtlicher nutzbarer Sprachelemente sowie deren Beziehungen untereinander. Holten (2000, S. 4) hebt dessen unmiss-
4.1 Aufbau des modellgestützten Service Systems Engineering
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verständlichen Charakter hervor, indem er diesen Gesichtspunkt in Anlehnung an Lorenzen (1987, S. 22) als Orthosprache bezeichnet. Im Gegensatz dazu dient die Notation der Repräsentation des Sprachkonzepts, wobei für ein Konzept auch mehrere, inhaltlich gleichwertige Notationen Einsatz finden können (Strahringer 1996, S. 92). Während also das Konzept die Syntax einer Sprache expliziert, legt die Notation die entsprechende Orthografie fest. Betrachtet man Methoden im Allgemeinen, so lässt sich die Systematik unmittelbar aus der Zielsetzung ableiten. Im Fall von Modellierungsmethoden im Besonderen wird zusätzlich der Aspekt der Sprache dazwischengeschaltet. Dies bedeutet, dass innerhalb von Modellierungsmethoden die Zielsetzung zunächst die Sprache und somit die Konstruktion der zur Ergebniswiedergabe bereitstehenden Möglichkeiten vorgibt. Diese wiederum determinieren den zeitlichen und logischen Aufbau der Systematik in Form des Modellierungsprozesses sowie der darin zu befolgenden Regeln, weshalb Strahringer (1996, S. 92) von der Dominanz der Sprache über die Systematik spricht. Resümierend verdeutlicht Abbildung 4.5 die Organisation von Modellierungsmethoden als UML-Klassendiagramm.
Abbildung 4.5: Aufbau von Modellierungsmethoden
Der eindeutige Umgang mit Modellen und Modellierungsmethoden erfordert vorab diverse Anmerkungen zu den im Kontext dieser Arbeit verwendeten erkenntnistheoretischen Präsuppositionen sowie zum Verhältnis der Termini System und Modell. Das zugrunde liegende Verständnis beider Sachverhalte übt einen maßgeblichen Einfluss sowohl auf die Modellqualität als auch auf die Entwicklung von Modellierungsmethoden aus (Wyssusek 2004, S. 392). In dieser Arbeit wird die erkenntnistheoretische Position des operativen Konstruktivismus nach Luhmann (1996, S. 17) eingenommen, der weitgehend auf der in Abschnitt 3.1 ausgearbeiteten Systemtheorie aufbaut. Diese zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass sie die erkennt-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
nistheoretische Relevanz einer ontologischen Darstellung der Realität (vgl. von Glasersfeld 2005) in Frage stellt und infolgedessen die Unterscheidung zwischen einem transzendentalen Subjektivismus und einem empirischen Objektivismus durch diejenige von System und Umwelt substituiert (Luhmann 1990, S. 37). Den Ausgangspunkt des operativen Konstruktivismus bildet die Annahme, dass Erkenntnis ausschließlich durch eine Operation eines kognitiven Systems mit autopoietischem Charakter ermöglicht werden kann (Luhmann 1990, S. 38). Jede Operation reproduziert also die Einheit des Systems und mit ihr dessen Grenzen. Des Weiteren muss es sich bei einer Operation aufgrund der Autonomie des Systems um eine in Bezug auf seine Umwelt kontaktunfähige sowie strukturdeterminierte Operation handeln. Um nun Erkenntnis näher spezifizieren zu können, greift Luhmann auf die Distinktion Operation/Beobachtung zurück (Luhmann 1990, S. 39). Eine Beobachtung definiert er als eine Operation, die auf der Grundlage einer Unterscheidung eine Bezeichnung vornimmt. Dies impliziert, dass die Differenzierung Operation/ Beobachtung rekursiv in sich selbst als Moment der Beobachtung wieder eintreten kann im Sinne von Spencer-Brown (1997, S. 60–66) (»re-entry«). Eine Beobachtung ist dann zugleich eine Operation an sich sowie die Handhabung einer Unterscheidung. Zu einer Erkenntnis wird sie schließlich, wenn sie wiederverwendbare Resultate benutzt und generiert (Luhmann 1990, S. 40), d. h. wenn durch rekursives Beobachten Ergebnisreplikationen erzeugt und diese in Sinneinheiten strukturell kondensiert werden (Luhmann 1990, S. 45). Beobachtungen umfassen neben der Bestätigung vorangegangener Beobachtungen und der Verarbeitung von energetischen oder materiellen Umweltstimuli vor allem die Veränderung von bereits existierenden Strukturen. Hierunter fallen die einfache Kombination unverändert übernommener Systemgebilde ebenso wie deren derivative Abwandlung und Erweiterung durch Analogisierung, Abstrahierung, Reduktion oder Deduktion (Stachowiak 1973, S. 209). Verknüpft man die autopoietische Eigenschaft des Systems mit der Distinktion Operation/ Beobachtung, so folgt daraus, dass für Beobachtungen in der Umwelt des Systems keine Korrelate vorliegen können. Die Einheit einer Differenzierung, auf deren Basis beobachtet wird, gründet sich stets innerhalb des Systems und existiert ausschließlich dort. Das heißt, Erkennen drückt kein Kopieren oder Abbilden einer Außenwelt im System aus, sondern das Realisieren kombinatorischer Gewinne auf der Grundlage der ideellen Ausdifferenzierung eines operativ geschlossenen Systems (Luhmann 1990, S. 41). Erkennende Systeme repräsentieren demnach reale und somit beobachtbare Systeme in einer real existierenden Welt. Diese ist ihnen allerdings kognitiv unzugänglich, weshalb jede Realität eine systemintern durchgeführte Konstruktion darstellt. Eine soziale Realität entsteht dementsprechend aus der Beobachtung der Art und Weise, wie mehrere, potenziell unterscheidbare Beobachter ihre Realität konstruieren. Sie erschließt sich auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung und wird ermöglicht durch die systeminterne Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdreferenz (Luhmann 1996, S. 17–19). In sozialen Systemen wie dem der Dienstleistungsentwicklung kommt der Kommunikation von artifiziellen Systemgebilden eine hohe Bedeutung zu, da im Hinblick auf die Selektion ge-
4.1 Aufbau des modellgestützten Service Systems Engineering
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eigneter Anschlusshandlungen und folglich auf eine effiziente Abwicklung stets eine einheitliche Vorstellung bzgl. des gesamten Sachverhalts bei allen an einer Fragestellung beteiligten Individuen vorliegen muss. Die mental generierten Konstruktionen lassen sich jedoch prinzipiell nicht intersubjektiv austauschen (Milling 1979, S. 41). Hierfür müssen sie zuerst vom kognitiven System gelöst und virtualisiert werden (Größler 2002, S. 239). Für den Übergang auf die nächsthöhere semantische Stufe ist der Einbezug des eingangs erläuterten Mediums der Sprache unumgänglich, für das der Gebrauch von Zeichen charakteristisch ist (Eco 1977, S. 109). Die explizierten Träger der kommunizierten Information besitzen dabei Modellcharakter nach dem Verständnis von Stachowiak (1973, S. 131–133). Sie genügen dem Abbildungsmerkmal, da sie die mentalen Ausdifferenzierungen auf Verbreitungsmedien in Form von Sprache übertragen. Zudem erfüllen sie sowohl das Verkürzungs- als auch das pragmatische Merkmal, indem sie nicht das gesamte ideell ausdifferenzierte Systemgebilde wiedergeben, sondern dieses für bestimmte Perzipienten mit Bezug auf eine bestimmte Zeit sowie auf bestimmte zielorientierte, operationale Funktionen reduzieren. Ein solches Modell kann konzentriert als symbolisches, subjektives, zweckdienliches, gleichzeitig abstrahierendes und explizierendes, ganzheitliches Beziehungsgefüge zur homomorphen Beschreibung von Problemsituationen definiert werden (Dresbach 1999, S. 79). Die zur Modellabbildung zur Verfügung stehenden Beschreibungssprachen lassen sich anhand der Distinktionen formal/nicht-formal und grafisch-orientiert/text-orientiert klassifizieren (Remme 1997, S. 43). Die Formalisierung einer Sprache drückt sich durch die Zugrundelegung einer mathematisch korrekten Definition von Regeln aus, auf deren Einhaltung hin sich Sprachausprägungen eindeutig beurteilen lassen (Fraser/Kumar/Vaishnavi 1994, S. 77). Die zweite Unterscheidung differenziert zwischen Sprachen, deren Alphabet dem der menschlichen Sprache entspricht, sowie Sprachen, deren Zeichenumfang aus Symbolen mit einer eigens dafür entwickelten Semantik besteht. Dabei existiert keine dominierende Sprachform. Vielmehr hängt die jeweilige Zweckdienlichkeit von den konkreten Anforderungen des Kontexts ab, in dem sie eingesetzt wird. Als eine die Vorteile der einzelnen Instanzen zu verbinden versuchende Mischform haben sich, vor allem im Umfeld der Wirtschaftsinformatik, semiformale Sprachen herausgebildet. Darunter versteht man einen nicht-formalen Sprachtypus, der nebeneinander Text- und Grafikkomponenten beinhaltet, wobei Elemente der Sprachbestandteile gemäß einer formalen Sprache zu gebrauchen sind. Alle übrigen Elemente unterstützen die nicht-formale, natürlichsprachige Bezeichnung der Grafikkomponenten (Remme 1997, S. 44). Sämtliche im Rahmen des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering generierten Sprachen zur Beschreibung von Modellen sind semi-formaler Natur. Ihr Aufbau entspricht weitgehend dem des Gehirns, wodurch sie die Potenziale des Gedächtnisses bestmöglich ausschöpfen (vgl. Haber 1970). Sie unterstützen die relationalen Fähigkeiten des neuronalen Netzwerks, indem sie die interessierenden Objekte sinnvoll innerhalb einer Struktur ordnen und somit Assoziationen zwischen sprachlichem und bildhaftem Denken fördern (Bullinger 1996, S. 243). Semi-formale Modellierungssprachen eignen sich zudem besonders
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
gut im Hinblick auf die Abbildung mental konstruierter Ausdifferenzierungen von Systemen, weil sie eine geeignete Struktur zur eindeutigen Formalisierung systemtheoretischer Grundelemente bereitstellen (vgl. Tabelle 4.2) und gleichzeitig genügend Freiheitsgrade in Bezug auf die individuelle Modellgestaltung offen lassen. Die Limitierung besteht aus der Definition des Sprachkonzepts, die über die Begrenzung der Anzahl verwendbarer Symbole und deren Verknüpfungskombinationen erfolgt, sowie der zu verwendenden Notation. Über diese einschränkende Vorstrukturierung hinaus kann jedoch bei der Benennung und Erläuterung der Sprachkomponenten beliebig auf natürlichsprachige Elemente wie z. B. Fachtermini zurückgegriffen werden. Die entwickelten Sprachen betonen damit die leichte Einarbeitung und Erlernbarkeit einer nicht-formalen bzw. textuellen mit der Übersichtlichkeit und Klarheit einer formalen bzw. grafisch-orientierten Sprache (Remme 1997, S. 45). Tabelle 4.2: Gegenüberstellung von System- und Modellbegriffen Systemtheorie
Modelltheorie
System
Modell
Teilsystem
Pool
Element
Objekt
Beziehung
Relation
Eigenschaft
Attribut
Neben der formalen Spezifizierung der Modellsprache kann die inhaltliche Abbildung der ideellen Systemgebilde des Weiteren auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus stattfinden. Analog zu der Auffassung der Object Management Group (2000, S. 2-2) bzw. derjenigen von Scheer (2002a, S. 29) soll in dieser Arbeit zwischen vier Abstraktionsebenen von Modellobjekten differenziert werden (vgl. Tabelle 4.3). Im detailliertesten Fall werden auf der Ausprägungsebene konkrete, individuelle Sachverhalte ohne jegliche Abstraktion visualisiert, wobei jedem Modellobjekt genau ein Systemelement gegenübersteht (Rautenstrauch/Schulze 2003, S. 230). Ein Objekt der Typebene repräsentiert demgegenüber eine Klasse von Systemausprägungen, die aufgrund gleichartiger Eigenschaften zusammengefasst werden. Objekte dieser Ebene spiegeln also keine instanziierten Sachverhalte wider, stehen aber dennoch in einem anwendungsbezogenen Kontext (Grieble 2004, S. 56). Der geht jedoch auf der nächsthöheren Abstraktionsstufe, der Metaebene, vollständig verloren. Objekte dieser Ebene stellen entsprechend nach bestimmten Eigenschaften klassifizierte Einheiten von Typobjekten dar (Hars 1994, S. 11). Mittels Objekten der Metaebene lassen sich bspw. generalisierte Beschreibungsschemata für die Ausprägungs- und Typebene definieren, die sämtliche verwendbaren Darstellungskonstrukte (d. h. Objekte und Relationen) festlegen. Aus Metaobjekten bestehende Modelle können demnach zur konsistenten und vollständigen Determinierung der semi-formalen Sprachsyntax von Anwendungsmodellen eingesetzt werden (Rosemann 1996, S. 37). Den höchsten Abstraktionsgrad besitzen Elemente der Meta2 -Ebene (Scheer 2002a, S. 31),
4.1 Aufbau des modellgestützten Service Systems Engineering
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die jeweils eine Klasse von Metaobjekten bilden. Modelle mit Meta2 -Objekten ermöglichen schließlich eine methodenneutrale Charakterisierung der semi-formalen Modellierungsmethoden der Metaebene, die selbst wiederum in semi-formaler Form vorgenommen werden kann (Jost 1994, S. 91). In Bezug auf die Zusammensetzung einzelner Modelle ist grundsätzlich darauf zu achten, dass darin jeweils nur Objekte eines Abstraktionsniveaus Verwendung finden. Eine Durchmischung innerhalb einer Modellinstanz ist allerdings prinzipiell zulässig und kann im praktischen Einsatz vor allem bei Objekten der Ausprägungs- und der Typebene zweckdienlich sein. Tabelle 4.3: Abstraktionsebenen der Modellierung Abstraktionsebene
Bezeichnung
Objekte
Beispielobjekt
M3
Meta2 -Ebene
Meta2 -Klassen
Objekttyp
M2
Metaebene
Metaklassen
Organisationseinheit
M1
Typebene
Anwendungsklassen
Personalentwickler
M0
Ausprägungsebene
Instanzen
Alexandra Altmayer
Mittels der Unterscheidung der vier Abstraktionsebenen lässt sich der Aufbau der Modellierungskomponente des modellgestützten Service Systems Engineering Konzepts auf. In einem ersten Schritt wird ein Metamodell für sämtliche Sprachkonzepte der ins Konzept eingebundenen Modellierungsmethoden entwickelt. Es gibt hinsichtlich ihrer Syntax eine generalisierte, semi-formale Struktur vor und besitzt insofern den Charakter eines Meta2 -Modells. Diese Form der Standardisierung führt dazu, dass die Sprachen zur Darstellung der jeweiligen Modelle der Typ- und Ausprägungsebene unabhängig vom abzubildenden Sachverhalt einen strukturähnlichen Aufbau besitzen. Damit wird neben der semi-formalen Sprachcharakteristik an sich ein weiterer Beitrag zur Erhöhung der Erlernbarkeit des Konzepts sowie der Akzeptanz der darin enthaltenen Methoden geleistet. Darüber hinaus erlaubt und regelt das Sprachkonzept-Metamodell die Modifizierung von Modellierungssprachen, indem es den hierfür notwendigen Handlungsspielraum festlegt. Die Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems im Allgemeinen sowie die Ausgestaltung der einzelnen Modellierungsmethoden im Besonderen sind folglich als ein möglicher Vorschlag aufzufassen und erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Vielmehr lassen sie sich mithilfe der in Abschnitt 3.2.4 vorgestellten Notation der Laws of Form sowie mithilfe des Metamodells beliebig adaptieren und erweitern, wodurch eine individuelle Anpassung des Konzepts an unternehmensund dienstleistungsspezifische Gegebenheiten vorgenommen werden kann. Eine Illustration des dem Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering zugrunde liegenden Metamodells zeigt Abbildung 4.6. Im Hinblick auf die Explizierung eines bestimmten mental ausdifferenzierten Systems (z. B. Aufbauorganisation eines Netzwerks) wird aus dem Metamodell heraus ein hierfür adäquates Sprachkonzept durch die Instanziierung eines »Modelltyps« (z. B. Organigramm) abgeleitet.
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.6: Metamodell des modellgestützten Service Systems Engineering
Diesem lässt sich über eine Kompositionsbeziehung für jede potenziell auftretende Systemelementart jeweils ein korrespondierender »Objekttyp« (z. B. Organisationseinheit) zuweisen. Neben den »elementrepräsentierenden Objekten« werden modelltechnisch ebenso »teilsystemabbildende Pools« (z. B. Unternehmen) in der Klasse Objekttyp subsumiert. Den zweiten Modelltypbestandteil bilden »Relationentypen« (z. B. »ist hierarchisch übergeordnet«), die als Verknüpfung zwischen Objekttypen definiert werden. Ihre Modelltypzuordnung erfolgt allerdings nicht implizit über die Selektion der Objekttypen, da zwischen zwei Objekten mehrere semantische Beziehungsarten existieren können (z. B. »arbeitet zusammen mit«, »ist diszipli-
4.1 Aufbau des modellgestützten Service Systems Engineering
141
narisch vorgesetzt«, »ist fachlich vorgesetzt«) und deren simultaner Einsatz nicht zweckdienlich wäre. Durch die ausdrückliche Zuweisung zu einem Modelltyp kann des Weiteren über die Zulässigkeit rekursiver Beziehungen entschieden werden. Ist bspw. die Verknüpfung von Organisationseinheiten untereinander in einem Organigramm erwünscht, wäre sie im Rahmen eines Funktionszuordnungsdiagramms jedoch nicht als sinnvoll zu erachten. Dem ganzheitlichen Grundgedanken des Modellierungskonzepts bzw. Systemansatzes trägt die Hinterlegungsassoziation zwischen Modell- und Objekttyp Rechnung. Diese determiniert, auf welche (hinterlegten) Modelltypen ein bestimmter Objekttyp bei einem bestimmten (hinterlegenden) Modelltyp verlinken darf. Modell-, Objekt- und Relationentypen lassen sich selbst wiederum als Spezialisierung eines »visualisierten Metaobjekttyps« auffassen. Hierunter versteht man einen allgemeinen »Metaobjekttyp«, dem eine entsprechende Erscheinungsform zugewiesen wird. Die Unterscheidung zwischen Metaobjekttyp und visualisiertem Metaobjekttyp bringt den Vorteil mit sich, die verwendete Symbolik benutzerorientiert gestalten zu können, ohne dass damit gleichzeitig eine Neudefinition des jeweiligen Modell-, Objekt- bzw. Relationentyps einhergeht. Sämtliche »Metaobjektinstanzen« sind in einem aus »Ordnern« bestehenden Baukastensystem nach einem individuell gestaltbaren Ordnungsraster in Form einer »Ordnerstruktur« verwaltbar. Diese Bibliotheken stellen sicher, dass jede Objekt- und Relationenausprägung modellunabhängig genau einmal erfasst und danach im Kontext weiterer Modellinstanzen gezielt aufgefunden und wiederverwendet werden kann. Bei Metaobjekttypen handelt es sich in der Regel um »originäre Metaobjekttypen«, d. h. ihnen wird zur Beschreibung eine Menge von Attributtypen zugewiesen, deren Attributsausprägungen ausnahmslos unbestimmt sind. Sobald allerdings mindestens ein Attributszustand eingefroren wird, entsteht automatisch eine »Metaobjekttypvariante«. Die Verknüpfung von Metaobjekttypen und Attributtypen begrenzt dabei außer den Umfang der Beschreibung ebenso die Analyse- und Auswertungsmächtigkeit von modellierten Sachverhalten. Die Ausgestaltung des Metamodells unterstützt weitgehend die Anwendung der in Abschnitt 4.1.1 erläuterten Prinzipien zur konstruktionsbezogenen Entscheidungsfindung im Kontext der modellgestützten Virtualisierung mentaler Systemgebilde. Dem Prinzip der Modularität wird zum einen mit der Metaobjekttyp-Attributtyp-Zuordnung und damit der exakt festgelegten Abgrenzung von Komponenten nach eindeutigen Kriterien Rechnung getragen. Zum anderen sorgt die zur Verwaltung von Objektinstanzen vorgesehene Ordnerstruktur für einen redundanzfreien Einsatz wiederverwendbarer Einheiten. Als Konsequenz aus der Modularität lässt sich unmittelbar die grundsätzliche Unabhängigkeit von Objekttypen folgern, die innerhalb der einzelnen Modelltypen Anwendung finden. Ferner wird das Prinzip der Variantenbildung in der Dichotomie von originären Metaobjekttypen und Metaobjekttypvarianten berücksichtigt. Dem in Bezug auf das Systemdenken zentralen Prinzip der Integrität wird mit den Konstruktionspotenzialen von Relationentypen entsprochen. Das Prinzip der Dekomposition und somit die Möglichkeit der Detaillierung eines Moduls deckt die Hinterlegungsbeziehung zwischen Modell- und Objekttyp ab. Lediglich die Prinzipien der minimalen Präjudizierung, des
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Least Commitment sowie des Piecemeal Engineering lassen sich nicht direkt in das Metamodell einbinden, sondern werden beim Vorgang der Modellierung wirksam. Resümierend genügt das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering demnach aufgrund der Charakteristik des Metamodells den nachfolgenden Anforderungen: • Es erlaubt eine durchgängige, redundanzfreie Abbildung und Untersuchung sämtlicher im Kontext der Dienstleistungsentwicklung relevanten qualitativen und quantitativen Informationen über das Service Engineering System. • Es unterstützt den Systemansatz, indem es auf den Begriffen der Systemtheorie basiert und Systems Engineering Prinzipien berücksichtigt. • Es gestattet die individuelle Anpassbarkeit an unternehemens- und dienstleistungsspezifische Gegebenheiten mittels flexibler Möglichkeiten der Sichtenbildung nach verschiedenen Aspekten sowie der Verknüpfungsmöglichkeiten von Objekten. • Es unterstützt aufgrund der semi-formalen Sprachform und der Strukturähnlichkeit aller Modellierungsmethoden die intuitive Erlernbarkeit und den interdisziplinären Einsatz. • Es bildet die Grundlage für eine softwaretechnische Konzeptumsetzung. Das Metamodell bildet also die Basis dafür, dass für jede Situation innerhalb eines Dienstleistungsentwicklungsvorhabens flexibel Modelle konzipiert und somit Strukturen expliziert bzw. synchronisiert werden können. Es ermöglicht dadurch eine unmissverständliche Kommunikation innerhalb interdisziplinärer Gruppen und die Selektion geeigneter Anschlusshandlungen. Aus dem Aufbau des Metamodells lassen sich nun konkrete Vorschläge für Modellierungsmethoden zur Beschreibung der in Abschnitt 3.2.4 ausdifferenzierten Teilsysteme ableiten. Hierzu werden in den nächsten Abschnitten für das Prozesssystem sowie die beiden Teilbereiche Konstruktions- und Leistungssystem des Objektsystems die in Abbildung 4.7 aufgelisteten Modellierungssprachen präsentiert. Diese setzen sich jeweils aus einem den syntaktischen Aufbau wiedergebenden Sprachkonzept sowie einer korrespondierenden Notation zusammen. Eine so spezifizierte Modellierungssprache erlaubt die Visualisierung von Sachverhalten je nach inhaltlichem Abstraktionsgrad sowohl auf Typ- als auch auf Ausprägungsebene.
4.2 Modelle des Prozesssystems Modelle des Prozesssystems besitzen die Aufgabe, Sachverhalte wiederzugeben, die die reine Abwicklung von Service Engineering Vorhaben betreffen. Gemäß der in Abschnitt 3.1 herausgearbeiteten Charakteristik sowie der in Abschnitt 3.2 empfohlenen Ausdifferenzierung des Dienstleistungsentwicklungssystems werden in diesem Abschnitt Vorschläge für entsprechende Modellierungsmethoden auf der Basis des zugrunde liegenden Metamodells unterbreitet. Zunächst steht nachfolgend mit dem Gesichtspunkt Entscheidung das konstitutive Element des Prozesssystems im Mittelpunkt. Anschließend gilt das Interesse den Funktionen, d. h. den
4.2 Modelle des Prozesssystems
143
Modellierungsmethoden des modellgestützten Service Systems Engineering Prozesssystem
Objektsystem
Konstruktionssystem
Leistungssystem
Abbildung 4.7: Modellierungsmethoden des modellgestützten Service Systems Engineering
Handlungen, die auf Kommunikationen durch die an der Entwicklung beteiligten Akteure im Hinblick auf die Beeinflussung des Prozessverlaufs potenziell hinterfragt werden können. Dabei wird sowohl für die Entscheidungs- als auch für die Funktionsmodelle zum einen auf die strukturelle Verbindung der Komponenten untereinander und zum anderen auf die Beschreibung der einzelnen Objekte mittels Zuordnung von relevanten Aspekten fokussiert. Im Rahmen der abschließend stattfindenden Organisationsbeschreibung werden schließlich die beiden zuvor dargelegten Schwerpunkte zeitlich miteinander in Beziehung gesetzt und mit interessierenden Gesichtspunkten verknüpft. Das Ergebnis bildet eine Darstellung des Ablaufs eines Service Engineering Prozesses. Neben der Visualisierung der Ablauforganisation wird
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
für das Organisationssystem ebenfalls eine Offenlegungsmöglichkeit der Aufbauorganisation, d. h. der Projektstruktur, in Form eines Organigramms bereitgestellt.
4.2.1 Entscheidung Die Modellierung des ersten Teilausschnitts des Prozesssystems thematisiert die Visualisierung von Entscheidungen bzw. genauer Kommunikationen von Entscheidungen, die die Elementarakte eines Service Engineering Prozesses bilden und diesen konstituieren. Unter einer Entscheidung wird, wie in Abschnitt 3.1.3 erläutert, eine Operation verstanden, die sich aus den Bestandteilen Information, Mitteilung und Verstehen zusammensetzt und sowohl über sich selbst als auch über abgelehnte Alternativen berichtet (Luhmann 2000, S. 142). Entscheidungsstrukturmodell Das Entscheidungsstrukturmodell verfolgt das Ziel, die strukturellen Beziehungen offenzulegen, die zwischen den Entscheidungen des Prozesssystems existieren. Es intendiert folglich nicht, den zeitlichen Ablauf von sich selbst reproduzierenden Entscheidungseinheiten, d. h. den Service Engineering Prozess, widerzuspiegeln. Welche Art von Entscheidungsrelationen explizierbar sind, zeigt Abbildung 4.8.
Abbildung 4.8: Entscheidungsstrukturmodell – Sprachkonzept
Da das Entscheidungsstrukturmodell auf die (zeitunabhängige) Assoziierung von Entscheidungseinheiten fokussiert, sieht das Konzeptmodell ausschließlich rekursive Verknüpfungsformen vor. Dabei lassen sich zum einen hierarchische Entscheidungsbeziehungen (»Entscheidungsstruktur«) abbilden. Diese dienen der Dekomposition von komplexen Entscheidungen in handhabbare Einheiten, die aufgrund der geringeren Komplexität die Beurteilung und Auswahl von Alternativen erleichtern. Sämtliche darüber hinaus auftretenden »Entscheidungsbeziehungen« werden durch die gleichnamige Klasse erfasst. Unterschiedliche Abhängigkeitstypen lassen sich durch die Angabe von der jeweiligen »Entscheidungsbeziehungsart« differenzieren. Abschließend visualisiert Abbildung 4.9 nochmals die Zusammenhänge anhand eines
4.2 Modelle des Prozesssystems
145
Beispielmodells in einer geeigneten Notation. Die Zerlegungsverknüpfungen sind darin mit gerichteten, alle sonstigen Relationen mit ungerichteten Kanten dargestellt. Die unterschiedlichen Strichformen der ungerichteten Kanten symbolisieren jeweils einen eigenen Abhängigkeitstyp. Die rechts unten neben manchen Entscheidungen platzierten Hinterlegunssymbole in Form eines Dreiecks weisen auf die Verknüpfung mit einer Ausprägung des Entscheidungszuordnungsmodells hin, das einzelne Entscheidungen näher spezifiziert und Gegenstand des nächsten Abschnitts ist.
Abbildung 4.9: Entscheidungsstrukturmodell – Beispielnotation
Entscheidungszuordnungsmodell Das Entscheidungszuordnungsmodell zielt im Gegensatz zum Entscheidungsstrukturmodell nicht auf die Darlegung der zwischen Entscheidungen vorliegenden Beziehungen ab, sondern dient der Detaillierung einer einzelnen Entscheidung. Die Explizierung wird dabei über die Kopplung der Entscheidung mit jeweils interessierenden Aspekten vorgenommen. Welche Gesichtspunkte dies im Einzelnen sein können, zeigt das Sprachkonzept in Abbildung 4.10. Das Konstrukt »Entscheidung« gibt den in der entsprechenden Definition erwähnten Fremdbezug wieder, d. h. sie beinhaltet den Sachverhalt, über den zu urteilen ist. Handelt es sich bei der Entscheidung um eine für den Gesamtprozess bedeutsame Bewertung eines Zwischenbzw. eines Endergebnisses, kann dies durch die Anmodellierung eines »Meilensteins« hervorgehoben werden. Mit der ausdrücklichen Erfassung der »Kriterien«, anhand derer eine Entscheidung zu treffen ist, kann das Entscheidungszuordnungsmodell in Kombination mit dem Entscheidungsstrukturmodell zur Darstellung von Problem-Entscheidungs-Plänen (process decision program chart (pdpc); vgl. Danner 1996, S. 31) eingesetzt werden. Des Weiteren lassen sich »Umfelddaten«, die zur Beurteilung der Situation vonnöten sind, mittels eines ge-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.10: Entscheidungszuordnungsmodell – Sprachkonzept
eigneten Mediums einbinden. Ebenfalls können obligatorisch oder fakultativ einzuhaltende »Bedingungen« eingebunden werden, die die Grenzen des Entscheidungsspielraums determinieren. Die organisatorische Perspektive wird im Entscheidungszuordnungsmodell zum einen mit der Angabe von »Organisationseinheiten«, die für die Entscheidungsfindung verantwortlich sind, und zum anderen durch die von dem Ausgang der Entscheidung unmittelbar Betroffenen berücksichtigt. Darüber hinaus lassen sich sämtliche »Alternativen« visualisieren, die dem Entscheidungsträger zur Auswahl stehen. Für jede Alternative sind die mit ihrer Selektion verbundenen »Vor-« und »Nachteile« sowie die damit einhergehenden Konsequenzen abbildbar, wodurch der Modelltyp auch als grafische Entscheidungsvorlage in Entwicklungsvorhaben verwendet werden kann. Abschließend gibt Abbildung 4.11 die Ausprägung eines Entscheidungszuordnungsmodells in einer entsprechenden Notation wieder.
4.2.2 Funktion Eine zweite separierende Sicht auf das Prozesssystem behandelt die Menge der Funktionen. Darunter werden sämtliche im Service Engineering Projekt auftretenden Handlungen verstanden, die potenziell im Hinblick auf die autopoietische Reproduktion und damit die Aufrechterhaltung des Entwicklungsprozesses von den beteiligten Beobachtern auf die dahinter stehenden Entscheidungskommunikationen überprüft werden können. Sie sind zur Erreichung des Projektziels zwingend durchzuführen, da ihre Nichtbearbeitung Ablaufstörungen hervor-
4.2 Modelle des Prozesssystems
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Abbildung 4.11: Entscheidungszuordnungsmodell – Beispielnotation
ruft und zu einer Abweichung vom Idealverlauf führt. Tritt eine solche Abweichung ein, erzeugt ihre Behebung wiederum neue Entscheidungen und beeinflusst folglich die Effizienz des gesamten Entwicklungsvorhabens nachteilig. Da es sich bei Funktionen prinzipiell um den visualisierten Teil einer Entscheidungskommunikation handelt, werden zu ihrer Abbildung analog zum vorherigen Abschnitt ein entsprechendes Struktur- sowie ein Zuordnungsmodell vorgeschlagen. Funktionsstrukturmodell Wie bereits im Entscheidungsstrukturmodell so steht ebenso im Funktionsstrukturmodell die Visualisierung aller zwischen Funktionen theoretisch denkbaren Assoziationen und damit die statische Funktionsstruktur im Mittelpunkt des Interesses. Das in Abbildung 4.12 veranschaulichte Sprachkonzept des Modelltyps weist entsprechend eine Analogie zu demjenigen des vorherigen Abschnitts auf. »Funktionen« lassen sich in zweierlei Weise rekursiv miteinander in Beziehung setzen. Die Dekompositionsrelation »Funktionsstruktur« ermöglicht die Beschreibung von Aktivitäten auf unterschiedlichen Verdichtungsstufen. Auf der obersten Stufe stehen komplexe Funktionsbündelungen, die sich in Teilfunktionen mit geringerer Komplexität aufgliedern lassen. In Abhängigkeit vom Detaillierungsgrad werden häufig die vier Hierarchieebenen Funktionsbündel, Funktion, Teilfunktion sowie Elementarfunktion vorgeschlagen (Scheer 2001, S. 25), wobei deren Abgrenzung willkürlich gewählt werden kann und daher vor der operationalen Anwendung zunächst eindeutig zu determinieren ist. Ebenso sind vor der Instanziierung des Modelltyps feste Regeln zur Untergliederung (top-down) bzw. zur Aggregation (bottom-up) aufzustellen, die eine konsistente Funktionshierarchiebildung garantieren. Exemplarisch lassen sich
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.12: Funktionsstrukturmodell – Sprachkonzept
hierfür die Kriterien identische Verrichtung, identisches Informationsobjekt oder Zugehörigkeit zum identischen Geschäftsprozess nennen (Nüttgens/Keller/Scheer 1992, S. 16). Innerhalb jeder Dekomposition lassen sich zudem verschiedene »Funktionsstrukturarten« erfassen. Dadurch kann bspw. festgehalten werden, ob eine Teilfunktion ein zwingend notwendiger oder ein optionaler Bestandteil der übergeordneten Funktion darstellt. Neben den hierarchischen lassen sich gleichfalls logische Abhängigkeiten zwischen Tätigkeiten abbilden (»Funktionsbeziehungen«). Da diese in unterschiedlichen Formen in Erscheinung treten können, offeriert das Sprachkonzept die Berücksichtigung von Distinktionsmöglichkeiten (»Funktionsbeziehungsart«). Auf diese Weise kann z. B. optisch unterschieden werden, ob sich zwei Funktionen gegenseitig bedingen oder sich wechselseitig ausschließen. Abbildung 4.13 visualisiert eine Beispielausprägung eines Funktionsstrukturmodells. Darin sind zum einen anhand der gerichteten Kanten die hierarchischen Funktionsrelationen zu erkennen. Die gewählte Linienart gibt dabei an, ob es sich um einen obligatorischen (durchgezogene Linie) oder um einen fakultativen (gestrichelte Linie) Tätigkeitsausschnitt handelt. Zum anderen geben die ungerichteten Kanten die logischen Verknüpfungen zwischen einzelnen Aktivitäten wieder. Hier lässt sich zwischen verschiedenen Beziehungstypen wie positive, negative oder sonstige Abhängigkeiten differenzieren. Des Weiteren werden analog zum Entscheidungsstrukturmodell Hinterlegungssymbole verwendet, die wiederum auf eine detaillierte Beschreibung einer einzelnen Funktion hinweisen. Zur Spezifizierung kann dann ein Funktionszuordnungsmodell eingesetzt werden, wie es im nächten Abschnitt erläutert wird. Funktionszuordnungsmodell Das Funktionszuordnungsmodell dient der Repräsentation eines einzelnen Prozessschritts innerhalb von Service Engineering Vorhaben. Die Konkretisierung erfolgt wie schon beim Entscheidungszuordnungsmodell über die Anbindung von interessierenden Aspekten an die zu beschreibende Funktion. Welche Gesichtspunkte dies im Detail sein können, verdeutlicht Abbildung 4.14 grafisch. Die Selektion der angegebenen Objekte basiert dabei auf einer
4.2 Modelle des Prozesssystems
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Abbildung 4.13: Funktionsstrukturmodell – Beispielnotation
an Entwicklungsverläufe adaptierten Fassung des generalisierten ARIS-Geschäftsprozessmodells (vgl. Scheer 2002a, S. 10–31). Jede »Funktion« dient allgemein der Erfüllung eines bestimmten »Ziels«, das sie mit Bedeutung ausstattet und das als Orientierungspunkt bei der Durchführung fungiert. In Bezug auf involvierte »Organisationseinheiten« sind in der Regel die drei Gruppen Abnehmer bzw. Kunde des Ergebnisses, Bearbeiter der Tätigkeit sowie für die Funktion verantwortliche Person(en) von Bedeutung und daher explizit im Sprachkonzept erwähnt. Darüber hinaus ist die Einbindung weiterer Rollen denkbar, wie sie z. B. ausführlich in der Living Systems Theory von Miller (1978) Berücksichtigung finden. Exemplarisch seien hier die Rollen Beschaffung (ingestion), Verteilung (distribution), Aufbereitung (conversion), Produktion (production), Ausgabe (extrusion), Antrieb (motor), Unterstützung (support) oder Zeitkontrolle (time) genannt (Leonard/Beer 1999, S. 22–24). Die zur Bearbeitung der Funktion notwendigen sowie die dabei erzeugten und abzugebenden »Umfelddaten« sind ebenso erfassbar wie der erforderliche Input bzw. der hergestellte Output an »Leistungen«. Zudem können die Durchführung der Tätigkeit unterstützende Hilfsmittel in Form von »Hard-« und »Software« an eine Funktion anmodelliert werden. Das gleiche gilt für »Methoden«, die sich während des Prozessschritts sinnvoll anwenden lassen und dabei als Anleitung zur effizienten Problemlösung beitragen. Außerdem ist ein entsprechendes Konstrukt zur Vi-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.14: Funktionszuordnungsmodell – Sprachkonzept
sualisierung von Planungs- und Ausführungsvoraussetzungen sowie von die Durchführung beschränkenden »Bedingungen« vorgesehen. Ferner erlaubt das Funktionszuordnungsmodell die Darstellung des »Funktionsstatus« und leistet dadurch einen bedeutsamen Beitrag zur Überwachung des gesamten Service Engineering Prozesses. Ein Funktionsstatus kann potenziell die Zustände ausgeführt, in Bearbeitung, ausführbar, nicht ausführbar, geplant, in Planung, planbar, Planungsproblem definierbar, Planungsproblem nicht definierbar, abgebrochen oder falsifiziert annehmen (Schumann 1994, S. 124). Weitere zur Prozesssteuerung und -kontrolle relevanten Informationen wie bspw. der geplante Ressourceneinsatz, die geplante Dauer, der geplante Anfangs- und Endtermin sowie die entsprechenden tatsächlich realisierten Werte sind in Form von Objektattributen pflegbar. Einen Notationsvorschlag für die dargelegten Konstrukte sowie für die adäquate Berücksichtigung unterschiedlicher Assoziationsarten zeigt Abbildung 4.15. Abschließend sei angemerkt, dass das Funktionszuordnungsmodell in der vorgestellten Form zur Beschreibung einer Funktion nach dem in Abschnitt 4.1.2 eingeführten CATWOE-Schema geeignet ist: Customer – Organisationseinheit, Actor – Organisationseinheit, Transformations – Funktion, Weltanschauung – Ziel, Owners – Organisationseinheit, Environment – Bedingung.
4.2.3 Organisation Die Sicht der Organisation bildet die dritte Ausdifferenzierung des Prozesssystems. Unter Organisation wird in diesem Kontext einerseits die Tätigkeit des Organisierens, d. h. der Ab-
4.2 Modelle des Prozesssystems
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Abbildung 4.15: Funktionszuordnungsmodell – Beispielnotation
lauf des Geschehens in einem Dienstleistungsentwicklungsprojekt als Prozess, verstanden. Andererseits umfasst Organisation den Aufbau des Vorhabens als Gebilde und Beziehungszusammenhang, in dem dieser Vorgang stattfindet, und spiegelt damit die zugrunde liegende Projektstruktur wider (Kosiol 1968, S. 17). Diese Differenzierung orientiert sich im Wesentlichen an der bereits von Nordsieck (1934) verwendeten Unterscheidung zwischen Ablauflehre und Beziehungslehre, die grundlegend für die Distinktion Ablauf-/Aufbauorganisation in der Betriebswirtschaftslehre ist (Gaitanides 1992, S. 1). Während sich die Ablauforganisation namentlich auf die zeitlich-logische Struktur der Arbeits- und Bewegungsvorgänge, vor allem auf ihre Rhythmisierung und Terminierung, bezieht, umfasst die Aufbauorganisation insbesondere institutionale Probleme und Bestandsphänomene, vor allem die Gliederung des Service Engineering Vorhabens in aufgabenteilige Einheiten und ihre Koordination (Kosiol 1962, S. 32). Dieser gedanklichen Dualisierung folgend werden zur grafischen Wiedergabe des Teilsystems Organisation zum einen das Projektablaufmodell zur Repräsentation des Entwicklungsverlaufs sowie zum anderen das Organigramm zur Explizierung zeitlich unabhängiger Regelungen (Scheer 2002a, S. 2) in Service Engineering Projekten empfohlen. Projektablaufmodell Das Projektablaufmodell dient der Abbildung des zeitlich-logischen Verhaltens von Dienstleistungsentwicklungsprojekten. Es temporalisiert dazu die zuvor beschriebenen Elemente
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Entscheidung und Funktion, indem es sie in eine irreversibel angesetzte Zeit einordnet und miteinander verknüpft. Neben der zeitlichen Anordnung beinhaltet der Modelltyp die Möglichkeit der Erfassung logischer Interdependenzen im Service Engineering Prozess. Das formale Sprachkonzept zeigt Abbildung 4.16.
Abbildung 4.16: Organisationsablaufmodell – Sprachkonzept
Der Modelltyp des Projektablaufmodells behandelt im Wesentlichen die zeitliche und logische Aneinanderreihung von »Entscheidungen« und »Funktionen«. Um eine unmissverständliche Prozessbeschreibung sicherzustellen, wird in Bezug auf deren zeitliche Anordnung die Einschränkung vorgenommen, dass jede Entscheidung bzw. Funktion jeweils maximal eine eingehende und maximal eine ausgehende Kante besitzen darf. Dabei dürfen beide Elemente in beliebiger Reihenfolge, d. h. Entscheidung – Entscheidung, Entscheidung – Funktion, Funktion – Entscheidung und Funktion – Funktion, modelliert werden. Neben reinen Sequenzen lassen sich ebenso Parallelisierungen und Fallunterscheidungen darstellen. Aufsplittungen und Zusammenführungen von Prozesssträngen sowie sonstige die Ablaufsteuerung sicherstellende Logik werden mithilfe von »Konnektoren« ausgedrückt, die im Hinblick auf komplexe Ablauffolgen auch miteinander verbunden werden können. Der Einsatz von Konnektoren ist jedoch insofern reglementiert, dass ein aufgliedernder Konnektor immer eine eingehende und mehrere ausgehende Kanten sowie ein zusammenführender Konnektor immer mehrere eingehende und eine ausgehende Kante besitzen muss. Die Methode sieht sowohl für verknüpfende als auch für distribuierende Konnektoren drei Erscheinungsformen von Operatoren vor. Dabei handelt es sich um konjunktive (»und« – »∧«), disjunktive (»entweder/oder« –»×«) sowie adjunktive (»und/oder« – »∨«) Verknüpfungsoperatoren (Keller/Teufel 1997, S. 170). Mit dieser Konstellation von Entscheidungen, Funktionen und Konnektoren steht ein Instrumentarium
4.2 Modelle des Prozesssystems
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zur Verfügung, das die eindeutige Beschreibung eines Service Engineering Prozesses ermöglicht. Neben der Kontrollflusssteuerung erlaubt der Modelltyp des Prozessablaufmodells die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte. So lassen sich organisatorische Rollen durch die Verwendung von Pools in die Ablaufdarstellung mitaufnehmen. Für jede involvierte »Organisationseinheit« wird hierzu ein eigener abgeschlossener Bereich erzeugt, in den hinein die entsprechenden Entscheidungs- bzw. Funktionsobjekte abgelegt werden. Die Objekt-PoolZuordnung reflektiert in der Regel bei Entscheidungen die Rolle »Verantwortung« und bei Funktionen die Rolle »Bearbeitung«. Eine davon abweichende Semantik ist ebenfalls denkbar und kann bei Bedarf eingeführt werden. Des Weiteren lassen sich interessierende Informationen erfassen, wie sie im Rahmen des Entscheidungs- bzw. Funktionszuordnungsmodells an das jeweilige Konstrukt anmodelliert wurden. Im Fall einer Verwendung ist aus Gründen der Übersichtlichkeit zu beachten, dass ausschließlich solche Objekte anzuzeigen sind, denen im Kontext der Prozessbeschreibung eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Exemplarisch seien hier die Angabe einer Software, die zur Abwicklung einer Funktion neu eingeführt werden soll, oder die Explizierung eines Meilensteins, an den eine stop-or-go-Entscheidung gekoppelt ist, genannt. Zur Angabe von im Hinblick auf den Projektverlauf weniger bedeutsamen Gesichtspunkten kann wiederum über eine Hinterlegung auf das entsprechende Zuordnungsmodell verwiesen werden. Zum Schluss verdeutlicht Abbildung 4.17 das Sprachkonzept des Projektablaufmodells anhand einer Beispielinstanziierung nochmals grafisch. Organigramm Im Unterschied zum Prozessablaufmodell fokussiert das Organigramm nicht auf die Abbildung der zeitlichen Komplexität eines Entwicklungsprozesses, sondern auf die Darstellung einer angemessenen Projektstruktur (Scheer 1997, S. 28). Diese beinhaltet die Wiedergabe der Leitungsorganisation eines Entwicklungsvorhabens und setzt sich zusammen aus organisatorischen Einheiten sowie deren Aufgabenverteilungen und Kommunikationsbeziehungen. Es fungiert somit als Hilfsmittel zur personellen Besetzung von Projekten einerseits sowie zur Distribution von durchzuführenden Aufgaben auf Teilprojekte, Stellen oder direkt auf beteiligte Personen andererseits. Das Sprachkonzept eines Organigramms zeigt Abbildung 4.18. Das zentrale Element in Organigrammen bilden »Organisationseinheiten«. Darunter werden gleichartige Aufgabenkomplexe subsumiert, die der Reduzierung der Komplexität der Gesamtprojektbeschreibung dienen (Scheer 2001, S. 53). Die Aggregation einzelner Tätigkeiten zu Aufgabenkomplexen kann dabei wiederum in Analogie zum Funktionsstrukturmodell in Abschnitt 4.2.2 verrichtungs-, objekt- oder prozessorientiert erfolgen (Galler 1997, S. 50). Im Fall von Entwicklungsvorhaben bezeichnen Organisationseinheiten zumeist (Teil-)Projekte, die hinsichtlich der Bearbeitungskomplexität sinnvoll gekapselt und voneinander separiert sind. Organisationseinheiten lassen sich in rekursiver Weise über eine Dekompositionsassoziation hierarchisch miteinander in Beziehung setzen. Als Verknüpfungskriterium wird in der
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.17: Organisationsablaufmodell – Beispielnotation
Abbildung 4.18: Organigramm – Sprachkonzept
4.2 Modelle des Prozesssystems
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Regel die Weisungsbefugnis gewählt, die die Entscheidungs- und Berichtswege innerhalb der abzubildenden Projektorganisation determiniert (Scheer 1997, S. 29). An der Wahl der Kardinalitäten ist außerdem zu erkennen, dass nicht nur reine Baumstrukturen, sondern ebenfalls Netzstrukturen zulässig sind. Eine Organisationseinheit kann folglich mehreren anderen Einheiten über- und untergeordnet sein. Demnach sind neben Einlinien- auch Mehrlinien- oder Netzwerkstrukturen durch den Modelltyp darstellbar (vgl. Scholz 1997, S. 141–147). In Bezug auf die Bewältigung des einer Organisationseinheit zugewiesenen Aufgabenspektrums lassen sich »Stellen« daran anmodellieren. Unter einer Stelle wird eine Menge von qualifikatorischen Anforderungen verstanden, die in der Regel von (genau) einem »Akteur« hinsichtlich der Bearbeitung eines bestimmten Teils des insgesamt zugewiesenen Funktionsumfangs aufzubringen sind (Galler 1997, S. 50). Stellen bieten die Möglichkeit, Qualifikationsprofile für einzelne Organisationseinheiten unabhängig von konkreten Personen zu explizieren, und unterstützen damit die effiziente Verteilung vorhandener Akteure auf die Gesamtheit der Organisationseinheiten sowie die bedarfsgerechte Akquisition von Akteuren. Die Zuordnung von Akteuren zu Organisationseinheiten kann jedoch auch unmittelbar, d. h. ohne den Einsatz von Stellenspezifikationen, vorgenommen werden. Die Verknüpfung eines Akteurs mit unterschiedlichen Stellen bzw. unterschiedlichen Organisationseinheiten ist dabei zulässig. Als weiterer Objekttyp lässt sich in Organigrammen das Konstrukt »Rolle« berücksichtigen, das inhaltliche Ähnlichkeiten zum Begriff der Stelle aufweist. Auch wenn das Rollenkonzept häufig nicht einheitlich interpretiert wird, so lassen sich Rollen allgemein als organisatorische Funktionen zur Zusammenfassung von Mitarbeitern mit gleichen Qualifikationen oder Kompetenzen bzw. einer gemeinsamen Teilmenge von Qualifikationen oder Kompetenzen definieren (Rupietta 1992, S. 29). Von einer Stelle unterscheidet sich eine Rolle lediglich dadurch, dass sie nicht mittelbar in eine Aufbauorganisation eingebettet ist. Die Instanziierung einer Rolle erfolgt oft situationsabhängig und ihre Gültigkeitsdauer ist häufig limitiert. Zudem zeichnet sie ihre im Vergleich zur Stelle flexiblere Wesensart aus, da sie in der Regel nicht an verbindliche Vorgaben gebunden ist, sondern einen eher informellen Charakter besitzt (Habermann 2001, S. 77). Ein Beispielmodell für ein Organigramm in der innerhalb des ARISKonzepts (vgl. Scheer 2001) verwendeten Notation zeigt Abbildung 4.19. Mit der Präsentation des Modelltyps Organigramm enden die Erläuterungen zu den Modellen bzw. Modellierungsmethoden des Prozesssystems. Nach der Auseinandersetzung mit der verfahrenstechnischen Strukturierung von Entwicklungsprojekten in Form der Teilsysteme Entscheidung, Funktion und Organisation wendet sich der nächste Abschnitt gemäß der zugrunde liegenden Distinktion Prozess-/Objektsystem für das Service Engineering System dem Objektsystem und damit der Abbildung der zu entwickelnden Dienstleistung zu. Dabei werden im Folgenden zunächst die Visualisierungsmöglichkeiten von einzelnen Entwicklungsstufen des zu gestaltenden Angebots präsentiert, bevor sich Abschnitt 4.4 der Ausgestaltung der absatzfähigen Endleistung widmet.
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.19: Organigramm – Beispielnotation
4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems Das Objektsystem beinhaltet innerhalb von Service Engineering Vorhaben sämtliche Aspekte, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der zu entwickelnden Dienstleistung selbst stehen. Da die simultane Repräsentation aller relevanten Informationen bei den meisten Dienstleistungen jedoch eine kaum zu handhabende Komplexität aufweist, wurde bereits in Abschnitt 3.2.4 für das Konzept des modellgestützten Service System Engineering die Ausdifferenzierung des Objektsystems in die Teilsysteme Konstruktions- sowie Leistungssystem vorgenommen. Bevor Modellierungsmethoden zur unmittelbaren Darstellung der Dienstleistung selbst erläutert werden, erfolgt zunächst die Visualisierung von unterstützenden Teilsystemen, die im Laufe der Ontogenese zur sukzessiven Überführung von Ideen in detaillierte Konzeptbeschreibungen herangezogen werden. Diese Modelle des Konstruktionssystems zeichnen sich dadurch aus, dass sie ausschließlich für den Einsatz in (Re-)Engineering Vorhaben entwi-
4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems
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ckelt werden und nach Abschluss eines Projekts prinzipiell nicht mehr von Bedeutung sind. Demgegenüber lassen sich Modelle des Leistungssystems, wie sie in Abschnitt 4.4 thematisiert werden, gleichfalls im Rahmen des Managements operativer Erbringungsprozesse von Dienstleistungen nutzen. Die Modellierungsmethoden des Konstruktionssystems unterteilen sich in drei Sparten. Die erste Rubrik widmet sich den Abbildungs- und Festschreibungsmöglichkeiten von Ideen. Für die Anfangsphase des Service Engineering Ablaufs wird mit dem Ideenmodell ein Instrumentarium bereitgestellt, das zur Systematisierung eines Brainstormings beiträgt, ohne jedoch die dafür erforderliche Kreativität zu limitieren. Das zweite Subsystem beschäftigt sich mit Modellierungsarten zur Explizierung von planmäßig generierten Informationen, die zur Weiterentwicklung des Leistungskonzepts benötigt und mittels Analysen gewonnen werden. Hierbei wird beim Ansatz des modellgestützten Service Systems Engineering zwischen Analysemodellen, die die Erfordernisse des Markts unter besonderer Berücksichtigung der dort agierenden Wettbewerber und der von ihnen angebotenen Leistungen herauskristallisieren, und solchen, die die Bedürfnisse der potenziellen Kunden herausarbeiten, unterschieden. Der dritte Teilbereich behandelt die Spezifizierung konkreter Leistungsmerkmale, die schließlich die Vorstufe zur Detaillierung des konkreten Leistungsangebots darstellen. Darunter fallen verschiedene Stufen der Annäherung in Form von Anforderungen, Funktionalitäten sowie Qualitätselementen, für die entsprechende Modellierungsmethoden vorgeschlagen werden.
4.3.1 Idee Das Subsystem der Idee umfasst jegliche Form von Gedankengängen, die im Zusammenhang mit der zu gestaltenden Dienstleistung auftreten können. Dazu zählen neben direkten Leistungsbestandteilen auch mittelbare Aspekte unterschiedlicher Art, wie z. B. Ziele, (Neben-) Wirkungen, Risiken oder Konkurrenzangebote. Aufgrund der Essenz einer Idee ist das System damit sehr weit gefasst und nur schwer abgrenzbar. Seine Aufgabe besteht primär auch nicht in der Separierung einzelner Gesichtspunkte. Vielmehr geht es darum, in allgemeiner Form die Gestalt der Informationsverarbeitung in den beteiligten psychischen Systemen zu replizieren. Die Funktionsweise des Ideensystems trägt dadurch wesentlich zur Stimulierung mentaler Prozesse im Kontext sozialer Systeme und somit zur Organisation kreativer Abläufe bei. Ideenmodell Das Ideenmodell zielt darauf ab, sämtliche in Relation zu der Gestaltungsaufgabe stehenden Gesichtspunkte mit dieser zu verknüpfen. Es lässt eine Idee greifbar und damit eindeutig kommunizierbar werden. Da die Auswahl an Perspektiven auf eine Dienstleistung beliebig groß sein kann, selektiert der Modelltyp Ideenmodell eine Reihe von in frühen Phasen der Ent-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
wicklung interessierenden Aspekten. Diese fokussieren in der Regel auf die Skizzierung eines potenziellen Leistungsangebots. Darüber hinaus werden Informationen mitaufgenommen, die eine Leistung auf bestimmte Ausschlusskriterien hin überprüfbar machen oder eine andere Form der Bewertungen zulassen. Abbildung 4.20 zeigt das Sprachkonzept des Ideenmodells mit einer empfohlenen Auswahl an Objekttypen. Weitere lassen sich unter Berücksichtigung der in Abschnitt 4.1.3 dargelegten Metamodellstruktur nach Bedarf ergänzen.
Abbildung 4.20: Ideenmodell – Sprachkonzept
Den Kern des Ideenmodells bildet das neu angedachte Konzept einer »Leistung«. Zur Orientierung für das Fällen von Entscheidungen in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung des Angebots ist es von Bedeutung, Assoziationen zu den dafür vorgesehenen »Zielgruppen« anzulegen. Die wesentlichen »Merkmale« selbst wiederum lassen sich durch das entsprechende Konstrukt erfassen. Dieses kann ohne inhaltliche Einschränkungen instanziiert werden, um kein außergewöhnliches Charakteristikum unberücksichtigt lassen zu müssen. Es fungiert demnach als ein Sammelkonstrukt für alle nicht eigens kategorisierten Objekttypen. Häufig ist es jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht wünschenswert, möglichst viele Aspekte in das Modell aufzunehmen. Stattdessen ist eine gezielte Wiedergabe kritischer Erfolgsfaktoren sowie wesentlicher Eigenschaften anzustreben. Das Sprachkonzept enthält des Weiteren zwei rekursive Leistungsrelationen. Damit sind zum einen »Leistungsverknüpfungen« visualisierbar, die Abhängigkeiten zwischen dem neuen und bereits existierenden Produkten anzeigen. Darunter können bspw. Leistungsbündelungen fallen, die um das aktuell betrachtete Element ergänzt werden sollen. Zum anderen lassen sich »Ähnlichkeitsbeziehungen« zwischen Produkten in Ideenmodellen festhalten. Diese dienen der Offenlegung von Konkurrenzsituationen
4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems
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zu anderen Objekten des eigenen Leistungsportfolios oder zu Angeboten von Wettbewerbern. Außerdem lassen sich dadurch Verbindungen zu vergleichbaren Produkten signalisieren, die in der Vergangenheit entwickelt wurden und aus deren Konstruktionsprozess sich Erkenntnisse für das aktuelle Service Engineering Vorhaben ableiten lassen. Weiterhin können in Ideenmodellen »Bedingungen« abgebildet werden. Hierzu zählen z. B. Terminrestriktionen (fester Markteinführungstermin), Unternehmensvorgaben (wenige Veränderungen an bestehenden Prozessen) oder sonstige Beschränkungen finanzieller, räumlicher, zeitlicher oder technischer Natur. Einzelne Konditionen lassen sich auch durch ein eigenes Konstrukt widerspiegeln, wie es hier exemplarisch anhand von »Gesetzen« vorgeführt wird. Diese Vorgehensweise kann dann gewählt werden, wenn dem betonten Restriktionstypus besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Bei Gesetzen kann dies bspw. im Kontext von öffentlichen oder Finanzdienstleistungen der Fall sein. Die obere Reihe der ins Sprachkonzept einbezogenen Konstrukttypen bezweckt die Ermöglichung einer strategischen Beurteilbarkeit der betrachteten Idee. Hierzu werden die aus der Methode der SWOT-Analyse (vgl. Hans/Köppen 2001, S. 93–94) bekannten Elemente »Vorteile« (strengths), »Nachteile« (weaknesses), »Chancen« (opportunities) und »Risiken« (threats) zur Verfügung gestellt, wobei sich im Unterschied zum ursprünglichen Methodenverständnis die Betrachtung nicht auf das Unternehmen, sondern auf die zu gestaltende Leistung richtet. Anhand der vier Kriterien lassen sich die Potenziale einer Idee über die Konfrontation einer produktspezifischen Analyse der Vor- und Nachteile mit extern induzierten Chancen und Risiken einschätzen (Kotler 1994, S. 79–83). Hinsichtlich einer Instanziierung des Ideenkonzepts kann auf die in Abbildung 4.21 angegebene Notation zurückgegriffen werden. Wie eingangs angeführt, ist insbesondere beim Ideenmodell die Liste der vorgeschlagenen Objekttypen nicht als abgeschlossen anzusehen. Vielmehr ist neben den genannten Gesichtspunkten noch eine Vielzahl weiterer Explikationen denkbar. Als eine Ergänzung des Modelltyps wäre die Berücksichtigung rekursiver Dekompositionsassoziationen einzelner Objekttypen untereinander anzusehen. Sie ermöglichen die Zerlegung und damit Verfeinerung eines Aspekts in einer Baumstruktur. Auf diese Weise ließe sich der Modelltyp zur Darstellung von Mind-Maps (vgl. Buzan 1988) sowie von Ishikawa- bzw. Fischkräten-Diagrammen (vgl. Ishikawa 1985) einsetzen. Resümierend zeichnet sich das Ideenmodell durch die Darstellung sämtlicher Gedanken aus, die zunächst über ein potenzielles Dienstleistungsangebot innerhalb eines Unternehmens generiert werden können. Wird eine Ideenskizze als umsetzungswürdig angesehen, gilt es im nächsten Entwicklungsschritt, im Rahmen von Analysen zusätzliche Informationen gezielt zusammenzutragen.
4.3.2 Analyse Analysen verfolgen generell das Ziel, in systematischer Weise nicht vorhandene Informationen zu produzieren. Die Beschreibung lässt bereits erahnen, in welcher Vielfalt Analysen im Rahmen von Service Engineering Vorhaben in Erscheinung treten können. Da sich die Menge
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.21: Ideenmodell – Beispielnotation
der Analysen in dieser Arbeit nicht vollständig aufführen lässt, beschränken sich die nachfolgenden Erläuterungen auf die beiden Aspekte, die sich in der Regel in jedem Entwicklungsprojekt an das Ideenmanagement anschließen. Es handelt sich dabei um die Analyse der Wettbewerbssituation bzgl. des angedachten Angebots sowie die Analyse der adressierten Kundengruppen. Wettbewerbermodell Dem Modelltyp des Wettbewerbermodells kommt die Aufgabe zu, die neu zu gestaltende Leistung in das für sie relevante Wettbewerbsumfeld einzuordnen. Daraus sollen zum einen Aussagen über die prinzipielle Sinnhaftigkeit der Weiterentwicklung abgeleitet werden, die im Fall von zu hohen Markteintrittsbarrieren in Form von Kosten oder Risiken in Frage zu stellen ist. Zum anderen lässt sich der Modelltyp im Hinblick auf konkrete Erfolgsfaktoren bzw. Anforderungen an das Produkt auswerten, die aus dieser Perspektive resultieren. Abbildung 4.22 verdeutlicht den konzeptionellen Sprachaufbau des Wettbewerbermodells, das für jede Zielregion separat anzulegen ist. Den Kern des Wettbewerbermodells bildet die zu analysierende »Leistung«. Diese lässt sich über rekursive Assoziationen mit anderen konkret existierenden oder zukünftig denkbaren Leistungen verknüpfen. Im Sprachkonzept wird zwischen »komplementären« sowie »in Kon-
4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems
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Abbildung 4.22: Wettbewerbermodell – Sprachkonzept
kurrenz« stehenden Angebotsbeziehungen explizit differenziert. Diese Distinktion der Beziehungsart kann dabei nicht nur auf Produkte anderer Unternehmen, sondern ebenso auf Relationen innerhalb des eigenen Leistungsspektrums angewendet werden. Externen Lösungen lässt sich wiederum die dazugehörige Organisation zuweisen. Auch hier können analog zur Leistungsdarstellung über die Beziehung zu dem betrachteten »Markt« aktuell agierende Wettbewerber ebenso wie potenzielle Konkurrenten der Zukunft erfasst werden. Über den Objekttyp »Merkmal« lassen sich außerdem diejenigen Momente von Leistungen betonen, die zur Charakterisierung der jeweiligen Rolle in dem untersuchten Markt von entscheidender Bedeutung sind. Hierzu können Eigenschaften wie z. B. Preise, Marktanteile oder Erfolgsfaktoren zählen. Schließlich sind im Wettbewerbermodell eine Reihe von Konstrukten abbildbar, die das gesamte Marktumfeld speziell aus Sicht der skizzierten Leistungsidee näher darlegen. Dazu gehören die bereits im Ideenmodell eingeführten »Chancen« und »Risiken«, die mit dem Angebot der angedachten Leistung auf dem betrachteten Markt einhergehen. Darüber hinaus lassen sich »Bedingungen« wie Eintrittsbarrieren oder kritische Erfolgsfaktoren berücksichtigen, die unabhängig von einzelnen Konkurrenten bzw. deren Leistungen vorzufinden sind. Ebenso können »Gesetze« und andere Vorgaben wiedergegeben werden, die vor allem bei stark reglementierten Dienstleistungsbranchen länder- und regionenspezifische Implikationen mit sich bringen können und daher die Ausgestaltung der Leistung maßgeblich beeinflussen. Eine Instanziierung des Wettbewerbermodells in einer dafür vorgeschlagenen Notation visualisiert
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.23. Als ergänzende Modellierungskonvention wird darin für den praktischen Einsatz die Anordnung der Wettbewerber und ihrer Produkte in der Reihenfolge ihrer Marktmacht empfohlen.
Abbildung 4.23: Wettbewerbermodell – Beispielnotation
Kundenmodell Das Kundenmodell fokussiert im Unterschied zum Wettbewerbermodell nicht auf die Angebotsseite eines Markts, d. h. auf Anbieter vergleichbarer oder komplementärer Produkte, sondern auf die Nachfragerseite in Form von potenziell adressierbaren Zielgruppen und deren Eigenschaften. Das Ziel des Kundenmodells liegt darin, ein detailliertes Bild von den möglichen Kunden und ihren Bedürfnissen zu vermitteln sowie darauf aufbauend die Ausgestaltung einer geeigneten Vertriebsstrategie zu unterstützen. Das Sprachkonzept des Modelltyps zeigt Abbildung 4.24.
4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems
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Abbildung 4.24: Kundenmodell – Sprachkonzept
Im Zentrum der Modellierungsmethode, deren Ausprägung einer Dienstleistung hinterlegt werden kann, stehen die »Zielgruppen«, an die sich das zu generierende Angebot richtet. In Abhängigkeit von der Art der zu entwickelnden Leistung kann der Umfang einer Zielgruppe von einer Person im Fall einer Individualdienstleistung bis hin zu einer nicht zählbaren Menge bei einem für einen mehr oder weniger anonymen Markt konzipierten Produkt reichen. Die Instanzen potenzieller Kundenkreise müssen zudem untereinander hinsichtlich der jeweils zusammengefassten Personen nicht zwangsweise disjunkt sein. Vielmehr können einzelne Kunden auch mehreren Zielgruppen angehören. Um eine möglichst kundengerechte Multikanalstrategie für die angedachte Leistung zu verwirklichen, ist eine Explizierung der den einzelnen Kundengruppen zugesprochenen »Bedürfnisse« vonnöten. Diese bildet die Grundlage für die Entscheidung, welchen Kundenkreisen eine Leistung auf welchen »Vertriebswegen« angeboten werden soll. Die Selektion der Vertriebswege wird jedoch nicht generell, sondern im Verhältnis zu zuvor ausdifferenzierten »Märkten« vorgenommen, um somit deren Besonderheiten adäquat berücksichtigen zu können. Die Unterscheidung von verschiedenen Absatzräumen erlaubt zusammen mit den Informationen aus dem Wettbewerbermodell die individuelle Konditionierung der Dienstleistung in Abhängigkeit von der Kundengruppe, dem Vertriebsweg und dem jeweils anvisierten Markt. Darüber hinaus kann auf dieser Basis die Reihenfolge und die Intensität festgelegt werden, in der (monetär und personell) in die Realisierung der Vertriebswege im Rahmen eines Service Engineering Vorhabens investiert werden soll. Schließlich sind im Modelltyp Kundenmodell ebenso »Bedingungen« und »Merkmale« abbildbar, die besonders zu erwähnende Eigenschaften von Bedürfnissen, abnehmenden Personenkreisen sowie Vertriebswegen je Markt ausdrücklich hervorheben. Bevor nun der thematische Übergang von den Analysemodellen zu den Modellierungsmethoden, die die Qualitätscharakteristik einer Dienstleistung beschrei-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
benden, stattfindet, schildert Abbildung 4.25 exemplarisch die Instanz eines Kundenmodells in einer dafür bereitgestellten Notation.
Abbildung 4.25: Kundenmodell – Beispielnotation
4.3.3 Qualitätscharakteristik Im Anschluss an die Erhebung der Angebots- und Nachfragesituation in Bezug auf die zu entwickelnde Dienstleistung erfolgt in der Regel ihre eigentliche Konstruktion. Da die Ausgestaltung der einzelnen Leistungsbestandteile aufgrund der Komplexität des zu gestaltenden Sachverhalts zumeist jedoch nur unmittelbar aus den gewonnenen Erkenntnissen abgeleitet werden kann, lassen sich zur schrittweisen Überführung dafür geeignete Heuristiken heranziehen. Diese werden im System der Qualitätscharakteristik zusammengefasst. Seine Aufgabe liegt somit in der Transformation von unspezifischen, aus der Analyse gewonnenen Anforderungen in objektive Merkmale konkreter Leistungselemente, die im Rahmen der Konstruktion der eigentlichen Leistung als Zielvorgaben fungieren und dort sicherzustellen sind. Die Transformationsfunktion wird im Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering in drei Teilbereiche ausdifferenziert. Die Vorgehensweise orientiert sich dabei weitgehend an der Methode des Quality Function Deployment (QFD), wie sie von Akao (1990)
4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems
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propagiert wird. Allerdings werden im Unterschied zum klassischen QFD nicht nur subjektive Kundenbedürfnisse als Ausgangsgrößen der Umwandlung berücksichtigt, sondern darüber hinaus auch weitere Kriterien, aus denen Anforderungen an das zu entwickelnde Angebot erwachsen können. Des Weiteren findet nachfolgend kein direktes Abbilden von Anforderungen auf objektive Gestaltungselemente statt. Vielmehr werden als zusätzliche Verfeinerung Funktionalitäten im Sinne teleologischer Funktionen dazwischengeschaltet, wie sie aus der Funktionenanalyse nach Akiyama (1994) bekannt sind. Aus den Überlegungen resultieren die drei Modellierungsmethoden Anforderungenmodell, Funktionalitätenmodell sowie Qualitätselementemodell, die das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering zur Konstruktionsunterstützung anbietet. Bevor nun die Darlegung der drei Modelltypen erfolgt, sei nochmals deren Bedeutung für die effektive Gestaltung einer erfolgreichen Dienstleistung betont. Sie erleichtern die Kommunikation zwischen den beteiligten Funktionsbereichen (Marketing, Konstruktion, Produktion etc.) aufgrund der verwendeten semi-formalen Sprachform bereits in frühen Phasen des Konstruktionsprozesses und beseitigen entsprechende Schnittstellenverluste, die typisch für die in hohem Maße arbeitsteilige Dienstleistungsentwicklung sind (Gogoll 1996, S. 67). Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur frühzeitigen Einbindung von Bedürfnissen sowie sämtlichen Perspektiven auf das zu entwickelnde Produkt und ermöglichen dadurch eine effektive und effiziente Planung eines kundengerechten Dienstleistungsangebots. Anforderungenmodell Das Anforderungenmodell setzt auf den Resultaten der angebots- und nachfrageseitigen Marktanalyse auf. Sein Ziel besteht darin, aus den zuvor gewonnenen Erkenntnissen eine möglichst vollständige Liste der Anforderungen zu generieren, die von den unterschiedlichen Quellen an die neue Dienstleistung gestellt werden. Anders formuliert geht es um die Überführung der Frage nach dem »warum« in die Frage nach dem »was«. Das Sprachkonzept des Modelltyps stellt Abbildung 4.26 dar. Anforderungen lassen sich demnach aus diversen Quellen ableiten. Dazu gehören bspw. »Leistungen« anderer Wettbewerber, die ein Unternehmen aus strategischen Gesichtspunkten zur Erstellung eines Konkurrenzangebots veranlassen. Ebenso zählen hierzu »Bedingungen«, wie z. B. technologische Neuerungen, oder »Gesetze«, die zu einer Überarbeitung bzw. Neugestaltung eines Produkts führen. Weiterhin können Anforderungen unmittelbar aus »(Kunden-) Bedürfnissen« oder mittelbar aus »Zielgruppen« hervorgehen. Diese Anforderungen entstammen häufig aus qualitativen Marktanalysen, deren Resultate zur Gewinnung von strategischen (Primärbedürfnis), taktischen (Sekundärbedürfnis) und operationalen (Tertiärbedürfnis) Erkenntnissen gebündelt werden (Urban/Hauser 1993, S. 347). Die Anforderungen selbst lassen sich wiederum in zweifacher Weise untereinander verknüpfen. Die rekursive Dekompositon (»Anforderungsstruktur«) erlaubt die Zerlegung einer An-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.26: Anforderungenmodell – Sprachkonzept
forderung in verschiedene Bestandteile. Dabei können je nach Bedarf abgeleitete Anforderungen sowohl zu übergeordneten Einheiten zusammengefasst als auch in Substrukturen aufgespalten werden. Alle weiteren Relationen zwischen Anforderungen lassen sich in der Klasse »Anforderungsbeziehung« erfassen, wobei unterschiedliche Ausprägungsformen von Assoziationen als »Anforderungsbeziehungsart« Berücksichtigung finden. Hierunter fallen z. B. positive oder negative Abhängigkeiten, die zwischen einzelnen Anforderungen existieren können. Wie eine Instanz eines Anforderungenmodells aussehen kann, zeigt Abbildung 4.27 mit einer entsprechenden Beispielnotation. Dazu sei angemerkt, dass zur Explizierung weiterer Informationen einerseits die Anordnung der Ursachen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung empfohlen wird und andererseits die Gewichtung der Relation zwischen Ursache und Anforderung mittels einer angemessenen Strichstärke zum Ausdruck gebracht werden kann. Funktionalitätenmodell Sind die Anforderungen an die neu zu gestaltende Dienstleistung erhoben, bietet sich als nächster Schritt deren Transformation in geeignete Funtionalitäten, d. h. teleologische Produktfunktionen, an. Hierunter werden Tätigkeiten oder Verrichtungen von dynamischen, ineinandergreifenden, prozessintegrierenden Sachverhalten verstanden, die einem bestimmten Zweck dienen (Akiyama 1994, S. 25). Im Unterschied zum QFD werden Anforderungen also nicht unmittelbar auf bestimmte Leistungsmerkmale übertragen, sondern es wird eine Betrachtung von Wirkungen eingefügt, die durch das zu konzipierende Angebot erzielt werden müssen. Die Erfassung einer zusätzlichen Dimension soll eine feingranularere und somit
4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems
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Abbildung 4.27: Anforderungenmodell – Beispielnotation
zielgenauere Übersetzung der unspezifisch formulierten Anlässe und Bedürfnisse in das neue Leistungsangebot erreichen. Zudem lässt sich dadurch das vollständige Instrumentarium der Funktionenanalyse nach Akiyama (1994) in das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering einbinden, was insbesondere aufgrund der darin enthaltenen Explizierung des Dienstleistungsaspekts gegenüber dem klassischen QFD-Konzept einen Vorteil bietet. Zusammengefasst wird also mit dem Modelltyp Funktionalitätenmodell die Ableitung der Frage nach dem »wie« aus der Frage nach dem »was« angestrebt. Die Struktur des Funktionalitätenmodells gibt Abbildung 4.28 wieder. Die Ausgangsbasis des Funktionalitätenmodells bilden die im Anforderungenmodell ermittelten Ansprüche (»Anforderungen«), die von den unterschiedlichen Quellen an die neue Dienstleistung gestellt werden. Diese zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie noch keinen Bezug zu einem Leistungsbestandteil aufweisen. Dieser wird erstmals in diesem Modelltyp hergestellt, indem den Anforderungen »Funktionalitäten« des Leistungsangebots gegenübergestellt werden. Dabei handelt es sich jedoch ausschließlich um teleologische Funktionen, die von irgendwelchen Leistungsbestandteilen zu erfüllen sind. Eine Aussage darüber, welche Wirkungsweisen durch welche konkreten Komponenten abgedeckt werden sollen, wird an dieser Stelle jedoch nicht getroffen. Anforderungen müssen nicht zwangsweise durch eine Funktionalität befriedigt werden, sondern können durch beliebig viele Funktionalitäten ab-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.28: Funktionalitätenmodell – Sprachkonzept
gedeckt werden. Gleichzeitig lässt sich eine Funktionalität auch auf mehrere Anforderungen beziehen. Funktionalitäten lassen sich analog zu den Anforderungen im entsprechenden Modell auf zweierlei Art rekursiv miteinander kombinieren. Zum einen handelt es sich um eine hierarchisierende Dekompositionsassoziation (»Funktionalitätenstruktur«), die eine Aggregation von Teilwirkungen in eine übergeordnete Funktionalitäteneinheit et vice versa ermöglicht. Zum anderen lassen sich alle denkbaren Relationierungsarten von geforderten Leistungswirkungen untereinander, wie z. B. positive und negative Korrelationen, in Form von Instanzen der Klasse »Funktionalitätenbeziehungsart« mit der Assoziation »Funktionalitätenbeziehung« berücksichtigen. Wie eine Ausprägung des Modelltyps Funktionalitätenmodell aussehen kann, visualisiert Abbildung 4.29. Wie bei den Anlässen im Anforderungenmodell, so wird auch hier vorgeschlagen, die Anforderungselemente in der Reihenfolge ihrer Bedeutung, beginnend mit dem wichtigsten Anspruch, untereinander anzuordnen. Ebenso kann die Intensität des Abdeckungsgrads einer Anforderung durch eine einzelne Funktionalität durch die Strichstärke der dazwischen gezogenen Kante hervorgehoben werden. Qualitätselementemodell Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die Wirkungsweise der zu konzipierenden Dienstleistung thematisiert wurde, nähert sich das Qualitätselementemodell weiter der Konzeption eines bedürfnisgerechten Angebots. Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen bezweckt es die Spezifizierung von Qualitätsmerkmalen konkreter Leistungskomponenten, deren Realisierung die gewünschten Wirkungen erzielen soll. Die Idee der Identifikation von Kriterien
4.3 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Konstruktionssystems
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Abbildung 4.29: Funktionalitätenmodell – Beispielnotation
einzelner Bestandteile, die zusammen die Funktionalitäten der Dienstleistung sicherstellen sollen, entstammt aus dem QFD und bildet dort einen Schwerpunkt. Aus der Charakteristik einer Dienstleistung resultiert jedoch ein entscheidender Unterschied im Vergleich zur klassischen, die Herstellung erwartungsorientierter Güterproduktionen betreffenden Variante. Während im Rahmen der Entwicklung einer Sachleistung die Wirkungsweisen zunächst auf Eigenschaftsausprägungen physischer Produkte und anschließend sukzessive auf die Merkmale des dahinter stehenden Produktionsprozesses sowie der darin involvierten Ressourcen übertragen werden (Hauser/Clausing 1988, S. 73), adressieren Dienstleistungen primär den Erstellungsprozess selbst. Daneben lassen sich Funktionalitäten aber ebenso unmittelbar durch materiellen Output und Ressourcen erreichen, wobei Elemente der einzelnen Dimensionen sowohl in einem konkurrierenden als auch in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen können. Aus diesem Grund können die Qualitätselemente im Service Engineering nicht schrittweise, sondern müssen simultan für die drei Leistungsperspektiven Produkt, Prozess und Ressource determiniert werden. Diesen Sachverhalt in semiformaler Form widerzuspiegeln, ist Aufgabe des Modelltyps Qualitätselementemodell. Das Qualitätselementemodell, dessen Sprachkonzept Abbildung 4.30 zu entnehmen ist, bildet also den Übergang der Fragestellung nach dem »wie« zur Fragestellung nach dem »womit«.
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.30: Qualitätselementemodell – Sprachkonzept
Grundlage des Qualitätselementemodells sind die ermittelten teleologischen Funktionen (»Funktionalitäten«), für deren Realisierung nun konkrete »Leistungsobjekte« gefunden werden müssen. Dabei ist die Abdeckung einer Funktionalität durch mehrere Leistungsobjekte ebenso denkbar, wie einzelne Komponenten zur Erreichung unterschiedlicher Wirkungen beitragen können. Sind die Leistungsobjekte identifiziert, lassen sich im nächsten Schritt »Qualitätsmerkmale« daran anmodellieren und zeitgleich quantifizieren. Auf diese Weise kann dargestellt werden, welche Eigenschaft eines Leistungsbestandteils mit welchem Wert belegt sein muss, damit eine gewünschte Wirkung erzielt wird. Da im Fall von Dienstleistungen Funktionalitäten nicht nur von outputrelevanten, sondern darüber hinaus auch von Prozess- und Ressourcenkomponenten realisiert werden können, erlaubt das Qualitätselementemodell aus Gründen der Übersichtlichkeit die Bündelung von Konstrukten in der entsprechenden »Leistungsdimension«. Analog zum Anforderungen- und Funktionalitätenmodell lassen sich außerdem zwei Arten rekursiver Verknüpfungen von Leistungsobjekten grafisch hervorheben. Während die »Leistungsobjektstruktur« die Explizierung von Aggregations- bzw. Zerlegungsassoziationen ermöglicht, können alle sonstigen Relationen zwischen den Angebotsbestandteilen mittels »Leistungsobjektbeziehungen« abgebildet werden. Die Klasse »Leistungsobjektbeziehungsart« lässt dabei die bewusste Anwendung von unterschiedlichen Verknüpfungsarten zu. Eine Instanziierung des Modelltyps visualisiert Abbildung 4.31. Wie bereits in den beiden Modellierungsmethoden zuvor wird auch hier die Anordnung des Ausgangselements Funktionalität in der Reihenfolge der jeweiligen Bedeutung im betrachteten Kontext sowie die Variation der Kantenstärke zwischen Wirkungen und Leistungskomponenten in Abhängigkeit vom real vorliegenden Intensitätsgrad empfohlen.
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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Abbildung 4.31: Qualitätselementemodell – Beispielnotation
Mit dem Qualitätselementemodell enden die Ausführungen über die Methoden zur Darstellung des ausdifferenzierten Konstruktionssystems. Diese repräsentieren Hilfsmittel, mittels derer eine Idee schrittweise sowie unter Einbezug angebots- und nachfragespezifischer Momente in quantifizierte Konstruktionsmerkmale konkreter Leistungsbestandteile überführt werden kann. Sie liefern somit die Basis für die finale Gestaltung des Leistungssystems und seiner Subsysteme, für die im nächsten Abschnitt geeignete Modellierungsmethoden vorgestellt werden.
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems Das Objektsystem, das in Abgrenzung zum Prozesssystem sämtliche Aspekte der zu gestaltenden Dienstleistung behandelt, umfasst neben dem zuvor diskutierten Konstruktionssystem
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
ebenso das eigentliche Leistungssystem. Dieses zeichnet sich durch die Thematisierung aller Sachverhalte aus, die nicht der konstruktionstechnischen Heranführung an das neue Angebot dienen, sondern im unmittelbaren Zusammenhang mit diesem selbst stehen. Da auch das Leistungssystem wie das Prozess- und das Konstruktionssystem in der Regel eine hohe Komplexität aufweist und daher nur schwer handhabbar ist, wird es zur Operationalisierung im Kontext des modellgestützten Service Systems Engineering gemäß der in Abschnitt 3.2.4 vorgenommenen Ausdifferenzierung in die Subsysteme Produkt, Prozess und Ressource aufgespalten. Hierfür werden in den nachfolgenden Abschnitten Modellierungsmethoden vorgestellt, die den Anforderungen der unterschiedlichen Sichten auf eine Dienstleistung Rechnung tragen und die interessierenden Tatbestände zum Ausdruck bringen. Die daraus resultierenden Modelle lassen sich nicht nur als Anleitung zur Realisierung der konzipierten Leistung nutzen, sie können gleichfalls nach Beendigung des Entwicklungsprojekts als Managementunterstützung im Rahmen konkreter Erbringungsprozesse fungieren. Die Modellierungsmethoden des Leistungssystems unterteilen sich in drei Gruppen und orientieren sich damit grundsätzlich an dem von Grieble/Klein/Scheer (2002) aufgestellten Rahmenkonzept zur Visualisierung einer Dienstleistung. Zunächst werden outputrelevante Gesichtspunkte des Erbringungsprozesses betrachtet. Deren Darstellung erfolgt in Form von Produktmodellen, die der Beschreibung einzelner Leistungen bzw. Leistungskomponenten sowie der Beschreibung von Leistungsbeziehungen jeweils aus einer unternehmensinternen und -externen Sicht dienen. Das zweite Teilsystem adressiert die Prozess- und damit die charakteristische Dimension einer Dienstleistung. Zur adäquaten Wiedergabe dieser bedeutsamen Perspektive werden eine Reihe von Modelltypen vorgestellt. Hierzu gehören zum einen Möglichkeiten zur abstrakten und detaillierten Visualisierung des Erbringungsablaufs selbst und zum anderen Explizierungen von Einzelaspekten, wie die vorgehensorientierte Spezifikation einzelner Ablaufeinheiten, die Konkretisierung von Prozessschnittstellen und die Erfassung von den Ablauf beunruhigenden Faktoren. Der dritte Bereich beschäftigt sich mit der Repräsentation der Ressourcen, die in den Erstellungsablauf einer Dienstleistung eingebunden sind. Aufgrund der Vielfalt der potenziell auftretenden Ressourcenarten werden in allgemeiner Form die Anbindung an eine betroffene Funktion einerseits sowie unterschiedliche Beschreibungsstrukturen im Hinblick auf eine Ressourcenart andererseits erläutert.
4.4.1 Produkt Ein Produktmodell kann nach Genderka (1995, S. 13) allgemein definiert werden als »Teil eines Unternehmensdatenmodells, das als Träger der Produktinformationen alle charakteristischen Merkmale und Daten eines Produkts über dessen gesamten Lebenszyklus abbildet«. Ein Produktmodell für eine Dienstleistung lässt sich sowohl zur Visualisierung des Leistungsversprechens als auch zur Darstellung des aus dem Erbringungsprozess hervorgehenden Outputs heranziehen. Es setzt sich typischerweise zusammen aus der Strukturdarstellung
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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der Dienstleistungsbestandteile sowie der Definition von Leistungsinhalten (Bullinger/Meiren 2001, S. 155). Dieser Einteilung folgend sieht das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering den Einsatz der beiden Modelltypen Produktstrukturmodell und Produktzuordnungsmodell vor. Ohne das jeweilige Sprachkonzept zu modifizieren, wird in beiden Fällen auf Typbzw. Ausprägungsebene zudem eine Differenzierung zwischen einer unternehmensexternen und einer unternehmensinternen Perspektive empfohlen. Während die nach außen gerichtete Sichtweise das Leistungsangebot aus dem Blickwinkel des Vertriebs und des Marketings unter Einbezug des Kundeninteresses betrachtet, fokussiert die nach innen gerichtete Sichtweise vor allem auf organisatorische Aspekte. Produktstrukturmodell Mit dem Modelltyp Produktstrukturmodell wird generell das Ziel verfolgt, die unterschiedlichen Beziehungsformen, die zwischen Leistungen auftreten können, entsprechend zu visualisieren (vgl. Abbildung 4.32).
Abbildung 4.32: Produktstrukturmodell – Sprachkonzept
Leistungen können in diesem Modelltyp auf zweierlei Weise miteinander verknüpft werden. Einerseits lassen sie sich zu einem übergeordneten Element aggregieren und somit in einen strukturellen Zusammenhang bringen (»Struktur«). Die Berücksichtung der »Strukturart« gibt den zugrunde liegenden Typus der Leistungshierarchie an, der sowohl unternehmensexterner (z. B. Kundengruppen) oder -interner Natur (z. B. Unternehmensbereiche) sein kann. Andererseits können beliebige »Beziehungen« nicht-hierarchischer Art berücksichtigt werden. Dabei besteht ebenfalls die Möglichkeit, den Leistungsrelationen jeweils über die Kantenrol-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
le eine »Beziehungsart« zuweisen zu können. Hinsichtlich der Leistungsart kann zwischen »Leistungsbündeln«, »immateriellen Leistungen« sowie »materiellen Leistungen« differenziert werden. Zwei Beispiele für die Ausprägung eines Leistungsbaums aus externer bzw. interner Sicht zeigt Abbildung 4.33 in einer dafür vorgeschlagenen Notation.
Abbildung 4.33: Produktstrukturmodell – Beispielnotation
Im externen Leistungsbaum steht die Beschreibung von Leistungsbündeln im Vordergrund, die für einen bestimmten Kunden bzw. ein bestimmtes Kundensegment zusammengestellt wurden. Darunter werden alle Einzelleistungen und bereits zuvor gruppierten Leistungen subsumiert, die ein Unternehmen tatsächlich am Markt anbietet. Diese lassen sich sowohl aus immateriellen als auch aus materiellen Leistungskomponenten beliebig kreieren, wodurch u. a. auch sog. hybride Produkte abgebildet werden können (Steinbach/Botta/Weber 2005, S. 546). Der Hauptvorteil dieser Darstellungsform liegt in der Möglichkeit, situations- und kundenspezifische Leistungsangebote aus unternehmensintern standardisierten Komponenten erstellen zu können (Wind 2001, S. 39). Auf welcher Beschreibungsebene (Elementarleistung, Teilleistung, Leistung oder Leistungsbündel; Scheer 1997, S. 113) und mit welcher Intensität (Belz et al. 1997, S. 29) die Verschmelzung zu solch einer Verkaufsleistung vorgenommen wird, schreibt der Modelltyp nicht vor. Durch die Form der hierarchischen Beziehungen kann bestimmt werden, ob ein Element einen festen oder fakultativen Bestandteil des angebotenen Leistungsbündels bildet. Abhängigkeiten zwischen einzelnen Bestandteilen werden durch ungerichtete Kanten ausgedrückt. Mit dem externen Leistungsbaum lassen sich zudem sämtliche Aspekte des von Shostack (1977) entwickelten Molekularmodells vollständig beschreiben. Der interne Leistungsbaum wird zur Abbildung des Produktportfolios eines Unternehmens eingesetzt, und zeigt dieses in der Regel von der obersten Ebene (Gesamtorganisation) bis zur untersten (Leistungskomponente). Die einzelnen Objekte sind entweder über die Kan-
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
175
tenbeziehung »besteht aus« (gerichtete Kante) oder »ist abhängig von« (ungerichtete Kante) verbunden. Den größten Nutzen liefert der Modelltyp interner Leistungsbaum beim Einsatz im Controlling, da die einzelnen Leistungen und damit die dahinter liegenden Attributwerte nach beliebigen Gesichtspunkten (z. B. Produkt, Kunden, Sparten, Regionen) aggregiert werden können. Produktzuordnungsmodell Im Gegensatz zum Produktstrukturmodell behandelt das Produktzuordnungsmodell nicht die zwischen den Leistungen bestehenden Beziehungen, sondern dokumentiert eine einzelne Leistung, indem es diese mit den jeweils interessierenden Aspekten verbindet. Den konzeptuellen Aufbau des Modelltyps zeigt Abbildung 4.34.
Abbildung 4.34: Produktzuordnungsmodell – Sprachkonzept
Das Produktzuordnungsmodell erlaubt die Verknüpfung der verschiedenen Leistungsarten mit unterschiedlichen Objekttypen. Dazu zählen bspw. die Konstrukte »Vertriebsweg«, »Werbemaßnahme« und »Ausrichtung« (»Bedürfnis« oder »Zielgruppe«), die in erster Linie die Erläuterung von Verkaufsleistungen unterstützen. Demgegenüber repräsentieren Objekttypen wie »Leistungsmerkmal«, »Gesetz« oder »Organisationseinheit« Gesichtspunkte, die aus einer unternehmensinternen Sicht auf eine Dienstleistung von Interesse sind. Das Element »Ziel« kann je nach Anwendung in beiden Zusammenhängen eingesetzt werden. In Bezug auf die Leistungsarten wird wiederum unterschieden, ob es sich bei dem betrachteten Sachverhalt um eine reine »immaterielle Leistung« bzw. »materielle Leistung« handelt oder ob
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
ein »Leistungsbündel« vorliegt. Zwei Instanziierungen eines Leistungszuordnungsmodells in einer passenden Notation zeigt Abbildung 4.35.
Abbildung 4.35: Produktzuordnungsmodell – Beispielnotation
Das externe Produktzuordnungsmodell visualisiert in erster Linie die relevanten Aspekte einer am Markt angebotenen Leistung. Die Objekte Zielgruppe und Bedürfnis tragen der Notwendigkeit Rechnung, dass vor der Bildung einer Verkaufsleistung genau definiert werden muss, welches Kundensegment angesprochen bzw. welches Bedürfnis befriedigt werden soll. Je nachdem, ob der Leistungsmix an einer bestimmten Kundengruppe oder einem bestimmten Bedürfnis ausgerichtet ist, kann das entsprechende Konstrukt gewählt werden. Da der Vertriebsweg die Ausgestaltung des gesamten Dienstleistungserbringungsprozesses und damit der einzelnen Prozessmodule stark beeinflusst, wird im externen Produktzuordnungsmodell zu dessen Dokumentation ein eigener Objekttyp zur Verfügung gestellt. Mit dem Objekt Werbemaßnahme lässt sich im Modell die Art und Weise beschreiben, wie die dargestellte Verkaufsleistung beworben werden soll. Über eine Kombination von Objekttypen, den zugehörigen Attributen sowie einer potenziellen Prozesshinterlegung können somit die 8 P’s des Dienstleistungsmarketings (product, placement, promotion, price, participants, physical evidence, process und productivity) abgebildet werden (Meyer Goldstein et al. 2002, S. 123), die von MacCarthy (1960), Booms/Bitner (1981) sowie Lovelock/Wright (2002) sukzessive entwickelt wurden. Das interne Produktzuordnungsmodell zielt auf die Beschreibung eines Leistungsobjekts aus unternehmensinterner Sicht ab. Charakteristische Merkmale und Daten einer Leistung lassen sich darin über Objektattribute festhalten. Alternativ dazu können Merkmale aber auch durch die Verwendung eines eigenen Konstrukts explizit hervorgehoben werden. Ferner lassen sich sowohl unternehmensinterne als auch -externe, an der Leistungserstellung beteiligte
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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Organisationseinheiten darstellen. In stark reglementierten Branchen, wie z. B. dem Finanzdienstleistungssektor, ist es wichtig, die das Produkt beeinflussenden Gesetze, Vorschriften oder Regelungen im Rahmen der Visualisierung einer Leistung zu dokumentieren. Auf diese Weise kann bei Gesetzesänderungen aus dem Produktmodell direkt abgelesen werden, welche Teile des Produktportfolios in welchem Ausmaß davon betroffen sind. Das Leistungsobjekt stellt zudem die Schnittstelle zu den Prozessmodellen dar, weil ihm die im Rahmen der Leistungserstellung zu durchlaufenden Prozesse hinterlegt sind.
4.4.2 Prozess Unter einem Prozess bzw. Geschäftsprozess kann allgemein eine zeitlich-logische Abfolge von Aktivitäten zum Zweck einer Leistungserstellung verstanden werden. Unter Einsatz von Ressourcen wird dabei ein Ergebnis erzeugt, das für einen unternehmensinternen oder -externen Kunden einen Wert darstellt (Scheer 2002a, S. 3). Bei der Betrachtung von Geschäftsprozessen werden Zustandsänderungen von Funktionen dargestellt und damit das dynamische Verhalten eines Systems abgebildet. Für die adäquate Darstellung der im Dienstleistungskontext bedeutsamen Prozessdimension wird in diesem Abschnitt zunächst der Modelltyp der Prozessmodulkette zur Skizzierung eines Ablaufs auf hohem Abstraktionsniveau eingeführt. Anschließend werden diese Abbildungsart ergänzende Einzelaspekte, wie die ablauforientierte Spezifikation von Prozessmodulen, die Darstellung der zwischen Prozessmodulen vorliegenden Schnittstellen und die Erfassung von potenziell auftretenden Störungen, jeweils in Form einer eigenen Modellierungsmethode thematisiert. Schließlich wird mit dem Modelltyp der Ereignisgesteuerten Prozesskette eine Möglichkeit zur detaillierten Beschreibung des Erbringungsvorgangs erläutert. Prozessmodulkette Mit dem Modelltyp der Prozessmodulkette wird die Zielsetzung verfolgt, den Erstellungsprozess einer Dienstleistung zu dekomponieren und anhand abstrakter Prozessmodule vergleichsweise einfach und übersichtlich zu beschreiben. Ein Prozessmodul bildet dabei eine abgeschlossene Einheit, die einen sinnvoll und logisch eindeutig abgegrenzten Funktionsbereich eines Geschäftsprozesses widerspiegelt. Im Kern handelt es sich bei diesem Modelltyp um eine Wertschöpfungskette (Porter 1985, S. 33–61), die um logische Verknüpfungsoperatoren sowie um dienstleistungsspezifische Besonderheiten erweitert wurde. Abbildung 4.36 visualisiert die Struktur der Prozessmodulkette. Im Mittelpunkt der Prozessmodulkette stehen die »Prozessmodule«, durch deren Aneinanderreihung (»Prozessmodulanordnung«) ein komplexer Prozess der Dienstleistungserbringung generisch zusammengesetzt werden kann. Dabei lassen sich über die Berücksichtigung der »Prozessmodulanordnungsart« unterschiedliche Formen der Ablauffolge erfassen. Insbeson-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.36: Prozessmodulkette – Sprachkonzept
dere sind dadurch unproblematische Modulübergänge von solchen differenzierbar, die hinsichtlich einer reibungslosen Prozessdurchführung einer exakten Ausarbeitung der dazwischen liegenden Schnittstelle bedürfen. Um nicht nur zeitliche, sondern ebenso logische Modulabhängigkeiten adäquat abbilden zu können, sieht die Prozessmodulkette analog zum Projektablaufmodell in Abschnitt 4.2.3 die Verwendung von konjunktiven, adjunktiven sowie disjunktiven Verknüpfungsoperatoren vor. In dieser Form kann die Prozessmodulkette gleichermaßen zur Virtualisierung des Geschäftsmodells einer Dienstleistung genutzt werden (Winter 2003, S. 100). Hierzu gestaltet Heinrich (2002, S. 87) ein zweidimensionales Modell, bestehend aus einer Kundenprozessanalyse einerseits sowie einer darauf aufbauenden Deduktion von Serviceprozessmodulen andererseits. Zudem lassen sich die aus der von Shostack (1981) entwickelten Prozessbeschreibungsmethode Service Blueprinting bekannten Elemente »Kundenintegrationsgrad« und »Risiko« einarbeiten. Im Fall des Kundenintegrationsgrads werden die Prozessbausteine einer Ebene zugeordnet, die den Wahrnehmungsgrad der Tätigkeit aus Sicht des Kunden reflektiert (Meyer/ Blümelhuber 1998a, S. 927). Dabei ist insbesondere die Sichtbarkeitslinie (line of visibility) hervorzuheben, die Aktivitäten nach dem Kriterium differenziert, ob diese in Anwesenheit des Kunden durchgeführt werden oder nicht. Das Aufzeigen von Risiken spielt vor allem bei Dienstleistungen eine wichtige Rolle, die in intensiver Zusammenarbeit mit dem Kunden erbracht werden. Sie erlauben die Erfassung von potenziellen Fehlerquellen und damit von den Erbringungsprozess beunruhigenden Ursachen. Die grafische Hervorhebung von Hindernissen bildet die Grundlage zur Determinierung präventiver Maßnahmen, wodurch eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität herbeigeführt werden kann. Die Visualisierung relevanter Aspekte des Risikomanagements wird durch die Beschreibung des Diagrammtyps Fehlerquellenmodell weiter spezifiziert, der in Prozessmodulketten dem Risikokonstrukt hinterlegt werden kann und später noch thematisiert wird.
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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Des Weiteren können in der Prozessmodulkette auch signifikante Eigenschaften oder Veränderungen einzelner Bausteine durch die Ergänzung zusätzlicher »Umfeldobjekte« abgebildet werden. Um die Übersichtlichkeit des Modells zu wahren, sollten diese jedoch nur dann eingebunden werden, sofern sie für den Gesamtprozess von besonderer Bedeutung sind. Beispiele für Erweiterungen können die Modellierung eines Prozessverantwortlichen im Zusammenhang mit einer Outsourcing-Entscheidung oder eines Anwendungssystems im Fall einer Softwareeinführung an den betroffenen Prozessbaustein sein. Welche Konstrukte im Detail zur Verfügung stehen, wird im nachfolgenden Abschnitt durch den Modelltyp Prozessmodulzuordnungsmodell sowie in Abschnitt 4.4.3 innerhalb des Funktionszuordnungsmodells näher erläutert. Ein abschließendes Beispiel für eine Prozessmodulkette mit ausgewählten Modellkonstrukten zeigt Abbildung 4.37.
Abbildung 4.37: Prozessmodulkette – Beispielnotation
Um eine Wiederverwendbarkeit der Prozessmodule in unterschiedlichen Dienstleistungserbringungsabläufen zu gewährleisten, sind sie in Form von allgemein gehaltenen, produktunabhängigen Standardprozessbausteinen zu definieren. Leistungsspezifische Abweichungen hinsichtlich des Erbringungsprozesses können durch die Kreation von Varianten abgebildet
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
werden. Dadurch sowie aufgrund der flexiblen Anpassungsmöglichkeiten der hinterlegten Attribute und einer durchzuführenden Parametrisierung lassen sich Dienstleistungsprozesse für unterschiedliche Einsatzszenarien und leistungsspezifische Anforderungen individuell konfigurieren. Die Bausteine können in einem Prozess-Repository, das unterschiedliche Bibliotheksformen annehmen kann, gespeichert und verwaltet werden. Als Beispiel für ein solches Ordnungsraster sei der Modelltyp der Prozessauswahlmatrix genannt, in dem sich Prozessmodule und Varianten strukturiert ablegen lassen (Scheer/Grieble/Klein 2006, S. 39). Damit wird ein Prozessmodulbaukasten implementiert, auf den bei der Entwicklung neuer Produkte oder bei der Durchführung eines Business Process Reengineering (vgl. Hammer/Champy 1994) bzw. eines Continuous Process Improvement (vgl. Harrington 1991) zurückgegriffen werden kann. Prozessmodulzuordnungsmodell Der Diagrammtyp des Prozessmodulzuordnungsmodells dient der detaillierten Beschreibung eines einzelnen Prozessmoduls, ohne jedoch auf die darin stattfindenden Aktivitäten näher einzugehen. Vielmehr steht die Spezifikation des Prozessmoduls im Hinblick auf seine Integration in den Gesamtablauf im Vordergrund. Interessierende Aspekte des Modelltyps sind also unmittelbar den Ablauffluss determinierende Faktoren, wie Bedingungen, Einschränkungen oder Outputspezifikationen. Zusammen mit der Prozessmodulkette ermöglicht das Prozessmodulzuordnungsmodell die Abbildung des Erbringungsprozesses einer Dienstleistung auf einem hohen Abstraktionsniveau, mit deren Hilfe der Produktionsvorgang flexibel und effizient gesteuert werden kann (Brown/Durchslag/Hagel III 2002, S. 60). Das Sprachkonzept des Prozessmodulzuordnungsmodells visualisiert Abbildung 4.38.
Abbildung 4.38: Prozessmodulzuordnungsmodell – Sprachkonzept
Im Mittelpunkt des Modells steht das zu beschreibende »Prozessmodul«. Dieses lässt sich mit »Bedingungen« auf dreierlei Art (»Bedingungsart«) verknüpfen. Bei der ersten Form handelt es sich um Präsuppositionen, die erfüllt sein müssen, damit die Prozesskomponente gestartet werden kann. Analog hierzu dienen nachgelagerte Bedingungen bzw. Zustände der Beschrei-
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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bung der Situation, die beim erfolgreichen Abschluss des Prozessmoduls eintreten muss. Das Ablaufelement verpflichtet sich demnach, beim Eintreffen sämtlicher Präsuppositionen sowie bei korrekt vorliegender Konfiguration die entsprechenden nachgelagerten Bedingungen herzustellen. Als dritte Bedingungsart fungieren Einschränkungen, die während des betrachteten Prozessabschnitts eingehalten werden müssen, damit dieser wie vorgesehen abgewickelt werden kann. Um Verletzungen von Einschränkungen nicht zwangsweise zu einem Abbruch des Prozessmoduls führen zu lassen, können diese durch die Festlegung von Ausnahmeregelungen, die der entsprechenden Bedingung als Prozessmodell hinterlegt sind, abgefangen werden. Bedingungen können zudem im Prozessmodulzuordnungsmodell nicht nur einzeln mit der interessierenden Ablaufkomponente in Verbindung gebracht werden. Stattdessen lassen sie sich bei Bedarf mithilfe logischer Konnektoren (»Logische Verknüpfungsart«) miteinander zu komplexen Bedingungsgeflechten kombinieren. Einer weiteren Besonderheit der abstrakten Darstellung des Erbringungsprozesses wird mit der Einbindung von »Leistungen« begegnet. Da im Rahmen der komplexitätsreduzierten Betrachtung des Ablaufs mittels Prozessmodulen auf eine tiefgreifende Dokumentation der einzelnen Prozesspartikel verzichtet wird, kann als Alternative die Ablaufsteuerung über die exakte Vorgabe von Input- und Outputleistungen vorgenommen werden. Das Grundschema der Leistungsbeschreibung umfasst die Attribute Menge, Zeit und Qualität. Diese legen fest, welcher Input bzw. Output in welcher Menge und Qualität zu welchem Zeitpunkt existieren muss, damit der Prozess ordnungsgemäß ablaufen kann. Sollte hinsichtlich der Dienstleistungserstellung eine genauere Spezifikation vonnöten sein, kann die Liste der charakterisierenden Merkmale entsprechend ergänzt werden. Neben Leistungen lassen sich bei Bedarf ebenso weitere Umfeldobjekte gemäß den Erläuterungen zum Funktionszuordnungsmodell in Abschnitt 4.4.3 an ein Prozessmodul anmodellieren. Im Fall der die Notation des Prozessmodulzuordnungsmodells vorstellenden Beispielabbildung 4.39 wurden exemplarisch die Konstrukte Organisationseinheit und Risiko ausgewählt. Schnittstellenmodell Für eine lückenlose Prozessbeschreibung auf niedrigem Detaillierungsniveau sorgt die Dokumentation und Gestaltung der zwischen den Bausteinen liegenden Schnittstellen. Die Visualisierung einer Dienstleistungserstellung als Prozessmodulkette weist jedoch lediglich auf die Existenz von Schnittstellen hin, ohne diesbezüglich einen informationstechnischen Mehrwert zu liefern. Da die Steuerung des Übergangs zwischen zwei Prozesspartikeln häufig einer fachkonzeptuellen Schnittstellenspezifikation bedarf, kann diese, sofern erforderlich, in Form eines Schnittstellenmodells abgebildet werden. Um die Repräsentation unabhängig von den jeweils angrenzenden Modulen zu halten, wird in Anlehnung an Klein/Kupsch/Scheer (2004, S. 20) ein standardisiertes Beschreibungsschema zugrunde gelegt, dessen Sprachkonzept in Abbildung 4.40 wiedergegeben wird.
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Abbildung 4.39: Prozessmodulzuordnungsmodell – Beispielnotation
Abbildung 4.40: Schnittstellenmodell – Sprachkonzept
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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Das Schema setzt sich aus zwei Gliederungsperspektiven zusammen. Auf der einen Achse werden sämtliche »Prozessmodule« erfasst, die unmittelbar von der Schnittstelle tangiert werden. Aufgrund der Verknüpfungsmöglichkeit von Prozessmodulen unter Verwendung von Konnektoren kann die Untersuchung der Wechselwirkungen sowohl eingangs- als auch ausgangsseitig die Einbeziehung mehrerer Prozessmodule notwendig werden lassen. Die zweite Achse enthält die »Schnittstellendimensionen«, auf die im Rahmen der Steuerung des Modulübergangs zu fokussieren ist. Welche Dimensionen dabei aufeinander abzustimmen sind, ist letztendlich für jeden Sachverhalt individuell festzulegen. Allerdings lassen sich generische Kriterien anführen, welche im Einzelfall durch Konsens zwischen den modellierenden Parteien um domänenspezifische Einzelheiten zu erweitern sind. Als ein allgemeines Beispiel für Kernkriterien kann das sich aus den Aspekten Qualität, Zeit und Kosten konstituierende, sog. »magische Dreieck« genannt werden (Gerboth 2002, S. 417), das in bestimmten Kontexten um diverse Gesichtspunkte, wie z. B. Flexibilität (Bogaschewsky/Rollberg 1998, S. 8–11), erweitert wird. Einen Kriterienkatalog speziell für die Synchronisation von Prozesskomponenten unterbreiten Klein/Zürn (2006, S. 739). Dieser umfasst zusätzlich zu den aus der Informationstechnologie bekannten Aspekten Daten und Technik eine Reihe organisatorischer Dimensionen. Hierzu zählen u. a. räumliche, zeitliche und rechtliche Gesichtspunkte. Als Beispiel für eine Schnittstellendokumentation seien Informationen genannt, die von einem Modul an einem bestimmten Wochentag an einem bestimmten Ort in einer bestimmten Form bereitgestellt, vom nachfolgenden Modul jedoch zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort in einem anderen Format benötigt werden. Rechtliche Aspekte stehen vor allem dann im Mittelpunkt, wenn ein unternehmensübergreifender Leistungserstellungsprozess dargestellt wird, sodass verschiedene Unternehmen für die Abarbeitung einzelner Prozessbausteine verantwortlich sind (Herrmann/Klein 2002, S. 43). Im Kreuzungsbereich der beiden Achsen lassen sich die involvierten Prozesseinheiten aus den gewählten Blickwinkeln bedarfsgerecht gegenüberstellen. Dazu werden separat für jede Ablaufkomponente Ausprägungen von fest definierten »Schnittstellenmerkmalen« innerhalb der einzelnen Dimensionen expliziert. Hierbei sind sowohl Attribute des Prozessmoduls, die als Merkmal hervorgehoben werden, als auch andere interessierende Objekttypen einsetzbar. Treten bei einer Analyse der Instanzen eines Schnittstellenmerkmals zu überbrückende Diskrepanzen auf, können einzelnen Prozessmodulen »Ziele«, d. h. zu erfüllende Vorgaben, sowie »Maßnahmen«, die zu deren Realisierung führen, auferlegt werden. Die Gesamtstruktur des Schnittstellenmodells verdeutlicht abschließend Abbildung 4.41 anhand eines Beispiels grafisch. Fehlerquellenmodell Das Fehlerquellenmodell fungiert als Beschreibungsmöglichkeit für die im Erbringungsprozess identifizierten potenziellen Ablaufschwierigkeiten und kann demzufolge dem Objekttyp Risiko hinterlegt werden. Es handelt sich bei diesem Modelltyp um eine dienstleistungsspe-
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.41: Schnittstellenmodell – Beispielnotation
zifische Adaptation des zur Abbildung von operationellen Risiken entwickelten Risiko-Detailanalyse-Modells (Brabänder/Ochs 2002), das insbesondere um Aspekte der unter der Bezeichnung Ausfalleffektanalyse genormten Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA) (Deutsches Institut für Normung 1990) ergänzt wurde. Das Fehlerquellenmodell liefert somit eine wichtige Informationsbasis für ein effektives Qualitätsmanagement, da es systematisch und formalisiert mögliche Fehler im Prozessablauf rechtzeitig zu erkennen und deren Ursache bereits im Vorfeld konsequent abzustellen hilft (Gogoll 1996, S. 82). Abbildung 4.42 gibt die Grundform des Modelltyps wieder. An einer potenziellen Fehlerquelle (»Risiko«) lassen sich zur Fehlerdokumentation »Organisationseinheiten«, wie z. B. der verantwortliche Ansprechpartner, sowie die »Folgen«, die mit dem Eintreten eines Fehlers verbunden sind, festhalten. Die Überwachung, Analyse und damit die Minimierung eines Fehlerpotenzials bedingen die Pflege entsprechender »Kennzahlinstanzen«, anhand derer sich Veränderungen explizit nachvollziehen lassen und
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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Abbildung 4.42: Fehlerquellenmodell – Sprachkonzept
sich eine dauerhafte Fehlerbewertung vornehmen lässt. Als Kennzahlen können Eintritts-, Kundenbedeutungs- oder auch Aufdeckungswahrscheinlichkeiten Berücksichtigung finden (Eversheim/Kuster/Liestmann 2003, S. 433). Im Hinblick auf das Fehlermanagement lassen sich »Fehlerursachen«, zur Minimierung der Eintrittswahrscheinlichkeit (präventiv) zu ergreifende »Maßnahmen« sowie quantitative und qualitative »Zielsetzungen« dokumentieren. Auf dieser Grundlage können wiederum die zuvor genannten Kennzahlinstanzen zur Ermittlung des nach der Durchführung der empfohlenen Maßnahmen verbleibenden Restrisikos genutzt werden. Schließlich lässt sich einer Fehlerquelle ein Prozessmodell hinterlegen, das den im Fall des Eintretens eines Risikos zu durchlaufenden Vorgang darlegt. Ein Beispiel für ein Fehlerquellenmodell kann Abbildung 4.43 entnommen werden.
Abbildung 4.43: Fehlerquellenmodell – Beispielnotation
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Ereignisgesteuerte Prozesskette Zur ausführlichen Modellierung von Dienstleistungsprozessen wird die im Rahmen des ARISKonzepts (Scheer 2001) entwickelte Methode der Ereignisgesteuerten Prozesskette (Keller/ Nüttgens/Scheer 1992) eingesetzt. Diese basiert im Wesentlichen auf der Petri-Netz-Theorie (Petri 1962) und kann als eine Variante von Bedingungs-Ereignisnetzen interpretiert werden, die um logische Verknüpfungsoperatoren, wie sie bspw. in dem stochastischen NetzplanVerfahren GERT Einsatz finden, ergänzt wurde (Scheer 1997, S. 50). Die dadurch zugrunde liegenden Formalvorschriften für die Ausgestaltung des Prozesskontrollflusses (Keller/Teufel 1997, S. 166–175) ermöglichen insbesondere eine im mathematischen Sinn korrekte Darstellung von zeitlich-logischen Abläufen und bilden die elementare Grundlage für eine Workflowsteuerung (Klein/Kupsch/Scheer 2004, S. 4). Den konzeptionellen Aufbau von Ereignisgesteuerten Prozessketten beschreibt Abbildung 4.44.
Abbildung 4.44: Ereignisgesteuerte Prozesskette – Sprachkonzept (in Anlehnung an Scheer 2001, S. 128)
Der Sprachumfang einer Ereignisgesteuerten Prozesskette besteht in ihrer Grundform aus der Darstellung der zu einem Prozess gehörenden Funktionen und Ereignisse in deren zeitlichlogischer Abfolge. Unter »Funktionen« werden sämtliche betriebswirtschaftlichen Vorgänge subsumiert. Eingetretene Zustände sowie Bedingungskomponenten werden unter dem zeitpunktbezogenen Konstrukt »Ereignis« zusammengefasst (Stonebraker 1992). Eine Unternehmensverrichtung wird dabei immer von mindestens einem Ereignis angestoßen und erzeugt nach ihrem Abschluss immer mindestens das Ereignis, dass die Funktion beendet wurde. Damit die die Kontrollflusssteuerung beschreibenden Regeln und Bedingungen berücksichtigt werden können, sind wie in der Prozessmodulkette die »logischen Verknüpfungsoperatoren« Konjunktion, Adjunktion sowie Disjunktion einsetzbar. »Umfeldobjekte« und insbesondere potenzielle »Risiken« lassen sich über die Verknüpfung mit Funktionen ebenfalls analog zur Prozessmodulkette anbinden. Die detaillierte Darlegung einzelner Funktionen in Form einer umfassenden Umfeldobjektzuordnung erfolgt im Rahmen des Modelltyps Funktionszuordnungsmodell, wie er bereits in Abschnitt 4.2.2 im Kontext des Prozesssystems eingeführt wurde und im Abschnitt 4.4.3 als objektsystemspezifische Adaptation nochmals vorgestellt wird. Ein einfaches Anwendungsmodell für eine Ereignisgesteuerte Prozesskette zeigt Abbildung 4.45.
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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Abbildung 4.45: Ereignisgesteuerte Prozesskette – Beispielnotation
Dienstleistungserbringungsprozesse als Gegenstand der Modellierung können bereits bei einem kleinen Objektsystem eine hohe Komplexität erreichen und sind daher anspruchsvoll in der Handhabung (Klein/Kupsch/Scheer 2004, S. 5). Aus diesem Grund erlaubt die Ereignisgesteuerte Prozesskette im Unterschied zur Prozessmodulkette, die zur Abbildung eines Ablaufs auf einem allgemeinen Niveau dient, die Justierung der Modellkomplexität des gesamten Erbringungsprozesses auf ein gewünschtes Maß. Dies wird durch die Möglichkeit realisiert, vertikale Hierarchisierungen und horizontale Unterteilungen vornehmen zu können, wie Abbildung 4.46 verdeutlicht. Durch die vertikale Hierarchisierung können Dienstleistungsprozesse in Abhängigkeit vom gewünschten Abstraktionsniveau in verschiedenen Granularitätsgraden dargestellt werden. Die Kapselung eines Prozessausschnitts zu einer übergeordneten Funktion führt zu einem generalisierteren, die Aufsplittung einer Funktion in gekoppelte Teilaktivitäten zu einem detaillierteren Abbild des zu modellierenden Sachverhalts. Wiedergegeben wird die Dekomposition durch ein Hinterlegungssymbol an der verallgemeinerten Funktion. Die horizontale Unterteilung erhöht die Übersichtlichkeit der Abbildung durch die Aufteilung eines komplexen Gesamtablaufs in kleinere Teilabschnitte. Dabei bleibt im Gegensatz zur Dekomposition die Abstraktionsstufe konstant. Die Verbindung wird über Prozesswegweiser, visualisiert in Form von Schnittstellen, hergestellt. Das Ereignis, an dem der Prozess getrennt wird, ist Bestandteil beider Prozesse. Der Vorgänger-Teilprozess endet mit einer Prozessschnittstelle, die den Namen des Nachfolger-Teilprozesses trägt. Entsprechend beginnt der Nachfolger-Teilprozess mit einer Schnittstelle, die nach dem Vorgänger-Teilprozess benannt ist (Rump 1999, S. 84). Damit endet die Darstellung der zeitabhängigen Dimension des Erbringungsprozesses und somit, nach der zuvor diskutierten Produktbetrachtung, der zweiten Perspektive auf die zu konstruierende Leistung. Der vorgeschlagenen Ausdifferenzierung des Service Engineering Systems zufolge wendet sich der nächste Abschnitt der Abbildung der im Rahmen der Dienstleistungserbringung eingesetzten Ressourcen, d. h. der potenzialorientierten Sichtweise, zu.
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
Abbildung 4.46: Ereignisgesteuerte Prozesskette – Justierung der Modellkomplexität (in Anlehnung an Keller/ Teufel 1997, S. 169/171)
4.4.3 Ressourcen Ressourcenmodelle dienen der Beschreibung der von Dienstleistungsanbietern vorzuhaltenden Produktionsfaktoren, die bei der Erstellung unter Einbezug von externen Faktoren kombiniert werden. Da die Aktivierung der Ressourcen von äußeren Einflüssen abhängig ist und sich von einem Unternehmen nur beschränkt steuern lässt, kommt Informationsmodellen dieser Dimension insbesondere im Rahmen des Managements fixer Gemeinkosten, die in der Regel den größten Kostenblock darstellen, eine wichtige Bedeutung zu. Wie bereits in Abschnitt 3.2.2 dargelegt, fasst der Begriff Ressource alle Objekte zusammen, die im Rahmen der Produktion von Dienstleistungen kombiniert und transformiert werden können. Eine exemplarische Auflistung der darunter zu verstehenden Faktoren findet sich dort ebenfalls. Im Folgenden wird der Modelltyp Funktionszuordnungsmodell näher vorgestellt sowie ein kurzer Überblick über den allgemeinen Aufbau weiterer Modellierungsmethoden der Potenzialdimension gegeben.
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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Funktionszuordnungsmodell Der Modelltyp Funktionszuordnungsmodell bildet im Leistungssystem das zentrale Bindeglied zwischen Prozess- und Ressourcenmodellen, da es die einzelnen Tätigkeiten des Prozesses mit den darin eingesetzten Inputfaktoren assoziiert. Darüber hinaus lassen sich Outputfaktoren und weitere interessierende Aspekte grafisch festhalten. Im Gegensatz zu der im Kontext der Prozessmodelle erläuterten Funktionsbetrachtung steht im Funktionszuordnungsmodell nicht der Zweck, den eine Funktion innerhalb eines Prozesses erfüllt, im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Beschreibung eines einzelnen betrieblichen Vorgangs. Abbildung 4.47 zeigt das Sprachkonzept des Funktionszuordnungsmodells und damit die mit einer Funktion verknüpfbaren Elemente.
Abbildung 4.47: Funktionszuordnungsmodell – Sprachkonzept
Im Zentrum des Funktionszuordnungsmodells steht die betrachtete »Funktion«. Die bei der Dienstleistungserbringung stattfindende Interaktion zwischen einer »Kunden-« und einer »Organisationseinheit« wird durch das Anmodellieren der entsprechenden Konstrukte berücksichtigt. Durch die Extraktion der Kunden- bzw. Kundentypobjekte aus der Gruppe der Organisationseinheiten sollen diese als Hauptursache für die Störanfälligkeit der Funktion explizit hervorgehoben werden. Die einzelnen Fehlerquellen selbst können wiederum durch die Zuordnung von »Risiken« erfasst werden. Über die jeweilige Zuweisung einer »Kantenrolle« lässt sich des Weiteren die Form des Zusammenarbeitens ausdrücken. Auf Seiten des Kunden handelt es sich hier um den Intensitätsgrad, der sich z. B. anhand der Stufen Abnehmer, Betrachtungsobjekt, Informant, Co-Designer und Partner (Nägele/Vossen 2006, S. 536) bzw. mit
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
einem einfachen (Chase 1981, S. 700) oder auch ausgefeilten (Kellogg/Chase 1995, S. 1740– 1743) Kundenkontaktmaß beschreiben lässt. Auf der anderen Seite kann der unternehmensinternen Organisationseinheit die Bedeutung »ist fachlich verantwortlich«, »führt aus«, »entscheidet über«, »stimmt zu«, »wirkt beratend mit« oder »muss informiert werden« zuteil werden. Aufgrund der essenziellen Bedeutung des sozialen Moments im Erbringungsprozess, das in der Literatur auch als »moment of truth« bezeichnet wird (Carlzon 1987), lassen sich im Funktionszuordnungsmodell die jeweiligen Organisationseinheiten durch das Anmodellieren weiterer Aspekte zusätzlich spezifizieren. Gemäß der in Abschnitt 3.1.3 erläuterten Wesensart des Erbringungsprozesses handelt es sich bei den Gesichtspunkten um Strukturformen der psychischen Systeme des Kunden bzw. des Dienstleistungsanbieters. Seitens des Kunden setzen sie sich aus »Erwartungen« zusammen, die er an die betrachtete Funktion stellt und die in persönlichen Bedürfnissen, bisherigen Erfahrungen, mündlichen Empfehlungen oder Kommunikationen durch das Unternehmen ihren Ursprung haben (Nerdinger 2003, S. 6–8). Um zudem die Erwartungshaltung quantifizieren und somit überprüfen zu können, lässt sich auf der Basis eines Kundenzufriedenheitsmaßes eine entsprechende Attribuierung des Erwartungsobjekts vornehmen. Den Erwartungen des Kunden stehen auf der Seite des anbietenden Unternehmens die »Kompetenzen« der an der fokussierten Funktion beteiligten Mitarbeiter gegenüber. Deren Fähigkeiten sind so zu konzipieren, dass sie in bestmöglicher Weise zur Erfüllung der Erwartungen beitragen. Zu den Kompetenzen gehören die Fachkenntnisse der Mitarbeiter, ihre persönlichen Eigenschaften, wie die Einstellung gegenüber dem Kunden, der individuellen Persönlichkeit und der Motivation (Homburg/Stock 2000, S. 45–46), und vor allem ihre sozialen Fähigkeiten. Hierunter werden die verbale, nonverbale, emotionale, diagnostische, adaptive sowie moralische Kompetenz subsumiert (Altmayer 2005, S. 101). Neben den Aspekten der Sozialität kann außerdem das »physische Umfeld« anhand geeigneter Objektinstanziierungen detailliert werden, in dem die interessierende Interaktion stattfindet. Hierzu lassen sich Facetten der Ausstattung (z. B. Gebäude, Mobiliar, Arbeitsgeräte), der Atmosphäre (z. B. Klima, Licht, Farbe, Akustik, Gerüche), der Ortsorientierung (z. B. Beschilderung, Beschriftung) und der Funktionsorientierung (z. B. Anwendungs- und Bedienungshinweise) mit dem dafür vorgesehenen Konstrukt hervorheben (Kahl/Ganz/Meiren 2006, S. 557). Neben den Objekttypen Kundeneinheit, Organisationseinheit, Risiko und physisches Umfeld lassen sich noch eine Reihe weiterer Gesichtspunkte an einer Funktion abbilden. Hierzu zählen bspw. unterstützende »Software« sowie eingesetzte »Hardware« und »Maschinen«. Zudem können zur Bearbeitung erforderliche »Inputdaten« bzw. bei der Durchführung der Aktivität erzeugte »Outputdaten« über gerichtete Kanten angebunden werden. Ebenfalls über gerichtete Kanten lassen sich »Input-« und »Outputleistungen« darstellen. Dabei handelt es sich in der Regel jedoch nicht um fertige, absatzfähige Produkte, sondern vielmehr wird deren Bearbeitungsstatus wiedergegeben, jeweils vor und nach dem betrachteten Arbeitsschritt. Abbildung 4.48 visualisiert eine Instanz des Modelltyps Funktionszuordnungsmodell in einer adäquaten Beispielnotation.
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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Abbildung 4.48: Funktionszuordnungsmodell – Beispielnotation
Die an dieser Stelle erwähnten Konstrukte bilden keine abschließende Liste. Je nach Bedarf können weitere Objekte unter Beachtung der in Abschnitt 4.1.3 dargelegten Metamodellstruktur hinzugefügt werden. Denkbar ist bspw. die Verwendung von Dokumenten, Dateien oder Wissenskategorien. Ressourcenmodelle im Allgemeinen Sämtliche Faktoren, die sich unter dem Sammelbegriff Ressourcen erfassen lassen, können weiterhin einzeln mittels jeweils dafür konstruierten Modellierungsmethoden detailliert werden. Als ein Beispiel hierfür sei auf den in Abschnitt 4.2.3 erläuterten Modelltyp Organigramm verwiesen, der die Zusammenhänge zwischen organisationalen Ressourceneinheiten expliziert. Da jedoch von Erbringungsprozess zu Erbringungsprozess die Art der relevanten Ressourcentypen stark divergieren kann und deshalb die Liste der im Kontext dieser Arbeit angeführten Ressourcentypen auch nicht als abschließend zu verstehen ist, sollen im Folgenden zwei generische Strukturen von Modellierungsmethoden vorgestellt werden, die sich für jeden Ressourcentyp instanziieren lassen. Analog zu der Beschreibungsform von z. B. Entscheidungen in Abschnitt 4.2.1 handelt es sich um Struktur- und Zuordnungsmodelle, deren Aufbau die Abbildungen 4.49 und 4.50 zeigen. Sie stellen eine einfache Möglichkeit der Sprachgestaltung dar und können je nach Anwendungsfall um weitere Assoziationen ausgebaut werden. Im Hinblick auf die für den praktischen Einsatz ebenfalls notwendige Notation kann insbesondere
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Kapitel 4 Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering
auf die in den Abschnitten 4.2.2 und 4.4.3 verwendeten Konstrukte zurückgegriffen werden. Sollten Beschreibungskonzepte für im Rahmen dieser Arbeit nicht erwähnte Ressourcentypen erforderlich sein, sind entsprechende Symbole zu erzeugen.
Abbildung 4.49: Ressourcenstrukturmodell – Sprachkonzept
Im Mittelpunkt der Ressourcenstrukturmodelle steht das Verhältnis von gleichartigen Ressourcen untereinander. Hierbei geht es also darum, die verschiedenen potenziell auftretenden Beziehungsarten zwischen Ausprägungen einer Ressourcenart abbildbar zu machen. Im Wesentlichen wird an dieser Stelle zwischen zwei Verknüpfungsarten differenziert. Zum einen kann eine fokussierte Ressource über mehrere Stufen dekomponiert und somit hierarchisch aufgeschlüsselt werden (»Ressourcenstruktur«). Da sich eine Zerlegung häufig nach unterschiedlichen Gesichtspunkten vornehmen lässt, beinhaltet das Sprachkonzept die Berücksichtigung entsprechender »Ressourcenstrukturarten«. Sämtliche nicht-hierarchischen Verknüpfungen zwischen Entitäten eines Ressourcentyps erfasst die Klasse »Ressourcenbeziehung«, wobei auch hier zwischen unterschiedlichen Assoziationsformen differenziert werden kann (»Ressourcenbeziehungsart«).
Abbildung 4.50: Ressourcenzuordnungsmodell – Sprachkonzept
Während sich Ressourcenstrukturmodelle auf die Relationen zwischen Objekten eines Ressourcentyps konzentrieren, dienen Ressourcenzuordnungsmodelle der Spezifizierung einer einzelnen Ressourceninstanz. Dies geschieht dergestalt, dass der Ressourcenausprägung ein oder mehrere »beschreibende Aspekte« zugewiesen werden. Um unterschiedliche Relationierungsmöglichkeiten zwischen einer Ressource und einem interessierenden Gesichtspunkt
4.4 Modelle des Objektsystems, insbesondere des Leistungssystems
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betonen zu können, enthält das Modell die Klasse »Beziehungsart«. Existiert jeweils genau eine Assoziationsart zwischen der Ressource und einem beschreibenden Aspekt, kann auf die Angabe der Beziehungsart verzichtet werden. Damit enden die Ausführungen über die Abbildungsmöglichkeiten von Ressourcen. Gleichzeitig finden auch die Erläuterungen über die vorgeschlagenen Modellierungsmethoden zur Explizierung des ebenfalls empfohlenen Ausdifferenzierungsvorschlags von Service Engineering Systemen insgesamt ihren Abschluss. Sowohl die proponierte Form der Dekomposition von Dienstleistungsentwicklungsprojekten in relevante Sinneinheiten als auch die Ausgestaltung jeder einzelnen Modellierungsmethode sind demzufolge nicht als fest determiniert und nicht abänderbar anzusehen, sondern können mithilfe der Notation der Laws of Form sowie des den Methoden zugrunde gelegten Metamodells individuell hinsichtlich eines beliebigen Anwendungssachverhalts adaptiert werden. Damit ist eine Grundlage geschaffen worden, auf der uneingeschränkt jeder Aspekt zu jedem Zeitpunkt in interdisziplinär zusammengesetzten Teams allgemeinverständlich visualisiert und folglich eindeutig kommuniziert werden kann. Es lassen sich komplexe Situationen in handhabbare und operationale Einheiten strukturieren und aufgrund der allgemeinverständlichen Darstellungsform lassen sich die psychischen Systeme der beteiligten Personen synchronisieren, wodurch jederzeit die Selektion geeigneter Anschlusshandlungen im autonomen Service Engineering System sichergestellt werden kann.
Kapitel 5 Reflexion, Prototyping und Genese We are all continually faced with a series of great opportunities brilliantly disguised as insoluble problems. John W. Gardner
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bildete die Feststellung, dass mit der Deindustrialisierung der Gesellschaft eine Industrialisierung von Dienstleistungen ausgelöst wurde und die kontinuierliche Suche nach innovativen, die Bedürfnisse der Kunden befriedigenden Dienstleistungen entscheidend zur nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beiträgt. Dabei sind eine Intensivierung dieses Trends und folglich eine anwachsende Bedeutung des Themas Service Engineering zu konstatieren. Das Scheitern zahlreicher Neuentwicklungen am Markt, aber auch das Phänomen erfolgreich konzipierter Angebote trotz mangelnder Transparenz oder konträrer Ansichten der an der Entwicklung beteiligten Personen führen unmittelbar zu der Erkenntnis, dass es grundsätzlich an einem profunden Verständnis der Gesamtzusammenhänge mangelt. In entsprechenden Projekten dominiert zumeist die Intuition das Handeln, weshalb Optimierungsreserven unerschlossen bleiben und Service Engineering Vorhaben häufig nicht zufriedenstellend durchgeführt werden. Als Ursache hierfür wurde in erster Linie ein Defizit in der Beherrschung der insgesamt anfallenden Komplexität identifiziert. Da die vollständige Erfassung aller Ereignisse und Informationen wegen der zugrunde liegenden hohen Varietät nicht geleistet werden kann, wird stattdessen die Dienstleistungsentwicklung als evolutionärer, sozialer Prozess aufgefasst. Auf der Grundlage dieser Interpretation soll schließlich die insgesamt anfallende Informationsflut handhabbar gemacht und somit eine stetige Befähigung zum Treffen »richtiger« Entscheidungen erreicht werden. Die Herstellung der angestrebten Improvisationsfähigkeit in Dienstleistungsentwicklungsprojekten adressiert das ganzheitliche und interdisziplinäre Konzept des modellgestützten Service
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Kapitel 5 Reflexion, Prototyping und Genese
Systems Engineering. Hierzu wurden systemtheoretische Erkenntnisse auf den Problembereich »Dienstleistungsentwicklung« projiziert, um so zum einen durch eine hohe Auflösungsstärke eine tiefenscharfe Kenntnis von dem interdependenten Wirkungsgefüge einer Dienstleistung und ihres Entwicklungsprozesses zu erhalten. Das daraus resultierende Wissen erlaubt vor allem die Einordnung eingetretener Ereignisse in den Gesamtkontext und eine präzise Beurteilung der Konsequenzen von Handlungsalternativen im Prozessverlauf. Zum anderen wurde mittels des Transfers des Systems Engineering Ansatzes ein flexibel anpassbares Instrumentarium bereitgestellt, das interdisziplinär zusammengesetzte Teams bei der Entscheidungsfindung durch das Angebot von geeigneten Kommunikationsmedien primär in Form von Modellen gezielt unterstützt. Hinsichtlich der Erzielung dieser Ergebnisse wurden zunächst im zweiten Abschnitt der Gegenstandsbereich »Dienstleistung« sowie der Problembereich »Service Engineering« kritisch diskutiert und operational abgegrenzt. Daraus resultierte die Erkenntnis, dass sich das Erfahrungsobjekt Dienstleistung nur schwerlich für den praktischen Einsatz explizieren lässt und beide Bereiche mit dem prozessualen und dem sozialen Merkmal prinzipiell die gleichen essenziellen Wesenszüge aufweisen. Im Anschluss daran wurde der Lösungsansatz »Systems Engineering« eindeutig deklariert, was insbesondere die Verschiedenartigkeit der diesbezüglich vorzufindenden und aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen hervorgegangenen Perspektiven erforderlich werden lies. Auf der Grundlage der determinierten Begriffswelt konnte anknüpfend das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering motiviert und synthetisiert werden, wobei neben dem zugrunde gelegten Begriffsverständnis ebenso die Kritik an bestehenden, gleichnamigen Ansätzen Berücksichtigung fand. Dem notwendigerweise interdisziplinären Charakter des Konzepts Rechnung tragend, wurde abschließend aus der Verschmelzung der Ansätze »Allgemeine Systemtheorie« nach von Bertalanffy (1968) sowie »Systemforschung« nach Ackoff (1964) ein wissenschaftstheoretischer Ordnungsrahmen aufgespannt, in dem das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering verortet sowie mit den relevanten Einzeldisziplinen und systemischen Theorien verknüpft wurde. Auf die Einführung des Konzepts folgte im dritten Kapitel die Analyse des Service Engineering Systems durch den Transfer systemischer Ansätze auf das fokussierte Erkenntnisobjekt. Die Analyse verlief mit der systemtheoretischen Charakterisierung und anschließenden Ausdifferenzierung des Gesamtsystems Dienstleistungsentwicklung in zwei Schritten. Für die Charakterisierung des Service Engineering Systems wurde zunächst sukzessive ein Theoriegebäude mittels der Systemtheorie im Allgemeinen aufgebaut, das nach dem Gesetz der erforderlichen Vielfalt von Ashby (1957, S. 207) zum Umgang mit der dem Problembereich inhärenten Komplexität unerlässlich ist. Daran schloss sich die Erläuterung der Theorie sozialer Systeme im Besonderen an, wie sie auf der Grundlage des Autopoiesiskonzepts von Maturana (1980a) durch Luhmann (2002) aufgestellt wurde. Seine funktional-strukturelle Interpretation eignet sich in Verbindung mit dem systemtheoretischen Netzwerkverständnis von Teubner (1992) vor allem deshalb zur Anwendung auf den untersuchten Kontext, weil sie die zuvor herausgearbeiteten Wesensmerkmale Sozialität und Prozessualität des Dienstleistungserbringungs-
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
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und -entwicklungsprozesses exakt adressiert und das emergente Moment des Erfahrungsobjekts zu explizieren ermöglicht. Zudem stellt sie eine der umfangreichsten und aktuellsten Ausprägungen systemtheoretischer Forschung dar. Das Ergebnis bildete ein Modell, das das zu konzipierende Objekt sowie den entsprechenden Entwicklungsprozess einer formalen Beschreibung auf einem sehr hohen Detaillierungsniveau zugänglich werden lässt. Danach lässt sich die Dienstleistungserbringung als selbsterhaltendes, teleologisches und soziales System interpretieren, das sich als Emergenzphänomen über den Wiedereintritt der institutionalisierten Unterscheidung von Markt und Organisation in diese selbst bildet und das aus (Kommunikationen von) Serviceoperationen besteht. Ein bedeutender Mehrwert dieser Interpretation liegt vor allem in der ermöglichten Explizierung der Aspekte Qualität und Effizienz und damit in der Auflösung des aus ihnen hervorgehenden Spannungsfelds. So lassen sich Erbringungsprozesse im Hinblick auf beide Kriterien bewusst manipulieren und damit optimieren, ohne dass dies zu einer Zieldivergenz führen muss. Des Weiteren ermöglicht die Auslegung eine zielgenaue Positionierung und Anwendung existierender Qualitätsmanagement(z. B. Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985) und Industrialisierungskonzepte (z. B. Scheer 1996) im Erbringungsablauf. Analog zur Dienstleistungserbringung kann ebenso der Entwicklungsprozess als teleologisches, autopoietisches System aufgefasst werden. Seine Entscheidungsautonomie wird wiederum lediglich durch die Systemstruktur limitiert. Diese besteht zum einen aus den Erwartungen, die den Entwicklungsprozess selbst betreffen. Zum anderen werden vor allem Erwartungen bzgl. der zu generierenden Dienstleistung in struktureller Form erzeugt. Dieser Strukturbestandteil wirkt in konkreten Angebotserstellungen wiederum selektivitätseinschränkend. Da seine Güte primär für die wahrgenommene Qualität der Dienstleistung durch den Kunden sowie die Implementierbarkeit von Industrialisierungskonzepten verantwortlich ist, verkörpert die Ontogenese dieses zweiten Strukturelements die Hauptaufgabe des Service Engineering Systems. Mit dem Zweck, die hergeleitete Komplexität der insgesamt zu generierenden Struktur beherrschbar zu machen, schloss sich der Charakterisierung des Service Engineering Systems im zweiten Analyseschritt dessen Ausdifferenzierung in relevante Sinneinheiten an. Ausgehend von der bereits implizit eingeführten Distinktion zwischen dem Entwicklungsprozess selbst (Prozesssystem) und dem zu gestaltenden Angebot (Objektsystem) wurden diese beiden Teilaspekte zunächst isoliert behandelt. In Bezug auf das Prozesssystem wurde auf der Basis einer Analyse existierender Service Engineering Vorgehensmodelle ein Aktivitätenmodell im Sinne von Fairlie-Clarke/Muller (2003) herausgearbeitet, das mit drei Gliederungsebenen und über 100 Elementartätigkeiten eine Art »Maximal-Stückliste« für die Abwicklung von Dienstleistungsentwicklungsvorhaben darstellt. Darauf folgte eine Literaturanalyse bestehender Aufbauvorschläge für das Objektsystem Dienstleistung, bevor im nächsten Schritt die Interdependenzen zwischen den beiden Teilsystemen beleuchtet wurden. Das Ergebnis des zweiten Analyseschritts bildete schließlich die folgende operationalisierbare Aufteilung der Struktur des gesamten Service Engineering Systems in neun eindeutig voneinander abgegrenzte Einheiten:
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Service Engineering
Kapitel 5 Reflexion, Prototyping und Genese
EntscheiFunktion dung
Organisation
Idee
Analyse
Qualitätscharakteristik
Produkt Prozess
Ressource
Die hierzu eingesetzte Notation der Gesetze der Form (laws of form) nach Spencer-Brown (1997) unterstreicht dabei, dass es sich bei dem Ausdifferenzierungsvorschlag um eine Referenz handelt, die sich beliebig an unternehmens- oder dienstleistungsspezifische Gegebenheiten anpassen und weiter verfeinern lässt. Nach Abschluss der Analyse des Service Engineering Systems wurde darauf aufbauend im vierten Kapitel das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering vorgestellt. Dieses zielt auf die Bereitstellung eines praktikablen Instrumentariums für die Erzeugung geeigneter Strukturen in Dienstleistungsentwicklungsprojekten ab. Es bietet dazu ein Set an Prinzipien, Vorgehensmodellen sowie Methoden an, die sich in Abhängigkeit vom erforderlichen Detaillierungsgrad der Erwartungsbildung heranziehen lassen. Prinzipien repräsentieren hierbei die allgemeinste Form der Handlungsanweisung. Als generell dominierender Konstruktionsgrundsatz wurde aufgrund der aus der Autonomie des zu gestaltenden Dienstleistungsproduktionsprozesses hervorgehenden Unruhe in Anlehnung an Palani Rajan et al. (2003) das Prinzip »design for flexibility« proklamiert. Dieses besagt, dass im Zweifel die Angebotsstruktur möglichst variantenreich auszugestalten ist, um den Beteiligten auch beim Eintreten unerwarteter Ereignisse Handlungsoptionen anzubieten oder sie zur zielgerichteten Improvisation zu befähigen. Diesem Prinzip untergeordnet offeriert das Konzept eine Reihe von Richtlinien aus der klassischen Produkt- bzw. Softwareentwicklung, die generell die konstruktionsbezogene Entscheidungsfindung stützen, sowie von Modellierungsgrundsätzen, deren Einhaltung eine ausreichend gute Modellqualität gewährleisten soll. Als zweiter Bestandteil des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering wurden Vorgehensmodelle thematisiert. Diese zeichnen sich im Vergleich mit Prinzipien durch einen konkreteren Anwendungsbezug aus und beinhalten die Aufschlüsselung einer Aufgabe in idealisierte, wiederholbare und strukturierte Teilschritte sowie deren zeitliche Anordnung. Diesbezüglich wurde zunächst aus dem allgemeinen Münchener Vorgehensmodell nach Lindemann (2003) sowie dem Vorgehensmodell der Soft Systems Methodology nach Checkland (1981) ein generischer Problemlösungszyklus synthetisiert, der wegen seiner abstrakten Form jegliche Aufgabenstellung graduell in eine adäquate Lösung überführen kann und dafür Elemente der Systemtheorie verwendet. Er eignet sich aufgrund seiner Charakteristik insbesondere zum Umgang mit schwach strukturierten Problemen sowie mit der durch mehrere involvierte Personen erzeugten Multiperspektivität, wobei sein praktischer Einsatz ein hinreichendes systemtheoretisches Verständnis voraussetzt. Neben dem Problemlösungszyklus umfasst der Aspekt Vorgehensmodelle im Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering ebenso objektbezogene Phasenmodelle. Sie umfassen den gesamten Entwicklungsprozess eines neu zu konzipierenden Systems und sind folglich weniger abstrakt
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
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als Problemlösungszyklen. Konkret wurde in diesem Zusammenhang der Ansatz von Haberfellner (1973) vorgestellt. Dieser kristallisiert aus einer Vielzahl von Vorgehensmodellen, die sich auf die Gestaltung unterschiedlicher Objekte beziehen, einen allgemeingültigen Phasenverlauf. Zudem fanden Projektmanagementabläufe Erwähnung, die primär auf wirtschaftlichabwicklungstechnische Aspekte fokussieren und die sich parallel zu dem die Ontogenese eines Systems behandelnden Prozess ereignen. Die dritte und zugleich konkreteste Form der Handlungsanweisung innerhalb des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering betraf den Umgang mit Methoden (-wissen), d. h. den Umgang mit detaillierten und regelbasierten Anweisungen zum Erreichen bestimmter Ziele. Da nach dem Theorem von Conant/Ashby (1970), das Modelle als ideale Regulative für Systeme identifiziert, der Virtualisierung der Systemstruktur eine besondere Bedeutung beizumessen ist, wurde hier gemäß dem zugrunde liegenden Konzeptschwerpunkt das Hauptaugenmerk auf Modellierungsmethoden gelegt. Diese können sowohl isoliert als auch in Verbindung mit klassischen Methoden der Konstruktionstechnik oder der Arbeitswissenschaft zu deren visueller Ergebnisaufbereitung eingesetzt werden. Modellierungsmethoden zeichnen sich dadurch aus, dass sie als konstitutives Moment die Erstellung eines das Ergebnis der Methode widerspiegelnden Artefakts verlangen und hierfür eine Sprache zur Verfügung stellen. Im Kontext der systemischen Dienstleistungsentwicklung wurden sie dazu genutzt, um mittels einer jeweils geeigneten Sprache, bestehend aus einem Sprachkonzept sowie einer Notation, einzelne Teilsysteme zu explizieren. Modellierungsmethoden bezwecken also die Abstrahierung wesentlicher Informationen in Bezug auf eine bestimmte, interessierende Sinneinheit in Form eines Artefakts, anhand dessen eine unmissverständliche Kommunikation zwischen relevanten Personen stattfinden kann und sich Handlungsempfehlungen ableiten bzw., genauer gesagt, Entscheidungen über adäquate Folgekommunikationen treffen lassen. Zu diesem Zweck wurden schließlich auf der Grundlage der zuvor ausdifferenzierten neun Teilaspekte des Service Engineering Systems insgesamt 21 Modellierungsmethoden vorgestellt. Diese wurden anlehnend an die Perspektivierungsreferenz in erster Instanz in Methoden unterteilt, die auf die Abbildung von Gesichtspunkten (1) des Entwicklungsprozesses selbst (Prozesssystem), (2) der Ontogenese des zu gestaltenden Angebots (Objektsystem, insbesondere Konstruktionssystem) sowie (3) der fertig konzipierten Dienstleistung (Objektsystem, insbesondere Leistungssystem) abzielen. Dabei wurde, soweit vorhanden, auf existierende Methoden aus dem Bestand der Architektur integrierter Informationssysteme (ARIS) (vgl. Scheer 2001) zurückgegriffen. Diese wurden ferner bei Bedarf an spezielle Erfordernisse angepasst. Bei den meisten Methoden handelte es sich jedoch um Neuentwicklungen, wobei sich die Ausführungen zum Leistungssystem an den von Grieble/Klein/Scheer (2002) konzipierten Ordnungsrahmen anlehnen. Inhaltlich sind neben dem insgesamt vorliegenden Abdeckungsgrad durch die Summe der Modellierungsmethoden insbesondere die konzeptspezifischen Möglichkeiten (1) zur schrittweisen Überführung von Anforderungen in konkrete Leistungsbestandteile, (2) zur Differenzierung zwischen (standardisierten) internen und (kundenbzw. kundengruppenindividuellen) externen Produktmodellen, (3) zur Abbildung abteilungs-
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und unternehmensübergreifender Erbringungsprozesse auf unterschiedlichen Detaillierungsniveaus, (4) zur Antizipation und zum (proaktiven) Management von sozialen Unruhepunkten im Erstellungsablauf sowie (5) zur Gestaltung des »moment of truth« der Interaktion zwischen einem Kunden und dem Dienstleistungsanbieter zu betonen. Sämtlichen präsentierten Methoden ist gemein, dass sie Artefakte in einer semi-formalen Form erzeugen, was nach Haber (1970) aufgrund der Analogie zum Aufbau neuronaler Netze in menschlichen Gehirnen die intuitive Erlernbarkeit und Akzeptanz einzelner Methoden unterstützt. Der Effekt wird zusätzlich durch die Strukturgleichheit der Modellierungsmethoden verstärkt. Diese resultiert aus der Zugrundelegung eines Metamodells, dem alle Sprachkonzepte genügen. Damit ist vor allem der Vorteil verbunden, dass einzelne Modellierungsmethoden beliebig an praktische Bedürfnisse angepasst bzw. erweitert werden können. Die Konsistenz der Modellierungsmethoden bleibt bei Veränderungen so lange erhalten, wie die Konzepte der einzelnen Sprachen die durch das Metamodell vorgegebene Struktur besitzen. Zudem lässt sich über Verknüpfungsmöglichkeiten eine detaillierte Abbildung des interdependenten Wirkungsgefüges zwischen den Modellen erzeugen, sodass die Konsequenzen für alle Aspekte der Dienstleistungsentwicklung beim Eintreten einer Veränderung unmittelbar nachvollzogen werden können. Auf diese Weise lässt sich bspw. dauerhaft feststellen, welche Anforderung(en) einer Leistungseigenschaft zugrunde liegt (liegen) oder welche (Teil-) Prozesse von dem Inkrafttreten einer gesetzlichen Änderung betroffen sind. Resümierend wurde in der vorliegenden Arbeit auf der Basis einer eindeutigen definitorischen Abgrenzung ein tiefenscharfes und die Komplexität des Erkenntnisobjekts erfassendes Beschreibungsmodell der Gesamtzusammenhänge des Dienstleistungserbringungs- und -entwicklungsprozesses aufgebaut. Um die dem Modell notwendigerweise inhärente Eigenkomplexität handhabbar zu machen, wurden zudem umfassende und flexibel anpassbare Möglichkeiten der Strukturbildung bzgl. der beiden Abläufe aufgezeigt sowie eine Referenzstruktur generiert. Für die Auswahl geeigneter Anschlusshandlungen wurde darüber hinaus ein Instrumentarium erarbeitet, das ein breites Spektrum von abstrakten bis hin zu individuellen, an tatsächliche Gegebenheiten adaptierbaren Mitteln bereitstellt. Anhand eines detaillierten Grundverständnisses vom Phänomen Dienstleistungsentwicklung, einer adäquaten Systembildung sowie einer darauf aufbauenden Selektion und Manipulation geeigneter Instrumente werden an Service Engineering Projekten beteiligte Personen prinzipiell befähigt, zu jedem Zeitpunkt eine sich dynamisch verändernde und daher hochkomplexe Informationssituation verarbeiten und »richtige« Entscheidungen treffen zu können. Die Ergebnisse dieser Arbeit bilden in diesem Sinn das essenzielle Fundament für eine gekonnt improvisierte und gleichzeitig effiziente Durchführung von Dienstleistungsentwicklungsvorhaben, die aufgrund der ihnen innewohnenden, hohen Varietät nicht als vollständig planbar, sondern als evolutionärer, sozialer Prozess verstanden werden.
5.2 Prototypische Umsetzung des Konzepts
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5.2 Prototypische Umsetzung des Konzepts Um die evidenten Potenziale des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering für den praktischen Einsatz zu operationalisieren und gleichzeitig eine erhöhte Akzeptanz bei den an entsprechenden Projekten involvierten Personen herzustellen, wurde am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) im Rahmen des in der Exposition erwähnten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts »CASET : Computer Aided Service Engineering Tool« die gleichnamige prototypische Softwarelösung zur informationstechnischen Unterstützung konzipiert und implementiert. Die Umsetzung eines Prototyps in dem von Scheer (2002b, S. 7) verstandenen Sinn erfolgte hierbei in einem evolutionären, iterativen Prozess, in dem erzielte Ergebnisse bzgl. des Konzepts und des Werkzeugs immer wieder mit den am CASETProjekt beteiligten Unternehmen sowie auf Tagungen und Konferenzen diskutiert wurden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse flossen wiederum in die Entwicklung ein und führten so zu einer Validierung hinsichtlich der Praxistauglichkeit der erarbeiteten Lösungsansätze. Bei dem CASET-Werkzeug handelt es sich um eine auf Internettechnologien basierende Plattform, die den Einsatz des vom Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering angebotenen Instrumentariums in verteilt arbeitenden Entwicklungsprojekten unterschiedlicher Größenordnung fördert. Seine zentrale Aufgabe liegt in der Koordination der Informationsflüsse zwischen den an der Entwicklung beteiligten Mitarbeitern und damit in der Assistenz kollaborativen Arbeitens. Dies betrifft nicht nur die Bereitstellung der zur Entscheidungsfindung bzw. der zur Konkretisierung von Leistungseigenschaften jeweils benötigten Daten, sondern auch die Organisation des Rückflusses entscheidungsrelevanter Informationen aus der Entwicklung ähnlicher Angebote. Um Informationsdefizite zu vermeiden und die Time-toMarket zu minimieren, erzeugt die Softwarelösung außerdem über die Parallelisierung der Projektaktivitäten eine ganzheitliche Sicht auf die im Entwicklungsprozess auftretenden Fragestellungen. Die vom Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering bereitgestellten Modellierungsmethoden wurden in die bereits existierende Software zur Modellierung, Navigation und Analyse von Modellinstanzen »ARIS 6 – Collaborative Suite« der IDS Scheer AG eingepflegt und über eine Schnittstelle mit der CASET-Plattform verbunden. Anhand einer Zuordnung von Modellierungsmethoden zu einzelnen Funktionsmodulen des Werkzeugs wird eine systematische, bedarfsgerechte Versorgung mit Modellinformationen sichergestellt. Im Unterschied zu derzeit in Service Engineering Vorhaben eingesetzten Werkzeugen, die jeweils nur einen separaten Ausschnitt des Dienstleistungsentwicklungsprozesses abdecken, begleitet der Prototyp den gesamten Lebenszyklus einer Entwicklung, d. h. von der Ideenfindung bis zur Markteinführung (Herrmann/Klein 2004a, S. 176). Damit bereits im praktischen Einsatz befindliche Software zur Bearbeitung einzelner Teilfunktionen nicht zwangsweise abgelöst werden muss, sondern auch weiterhin genutzt werden kann, wurden Möglichkeiten der Anbindung externer Werkzeuge an die CASET-Plattform berücksichtigt. Damit trägt der kon-
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zipierte Prototyp prinzipiell dem Gedanken des Computer Integrated Manufacturing (CIM) Rechnung, der die ganzheitliche Betrachtung von Logistik- und Entwicklungsprozessen in Verbindung mit einer integrierten informationstechnischen Unterstützung verfolgt (vgl. Jost 1993, S. 6–9, oder Scheer 2004). Dieser erstmals von Harrington (1973) vorgestellte Ansatz fokussiert auf den gesamten Lebenszyklus einer Leistung und löst die aufgrund der engen ablauforganisatorischen Verzahnung nicht zweckdienliche Trennung in einzelne Funktionsbereiche auf. CIM umfasst somit die integrierte Informationsverarbeitung für betriebswirtschaftliche und technische Aufgaben eines Unternehmens (Scheer 1990a, S. 2). Zur Einordnung des CASET-Werkzeugs in den CIM-Kontext visualisiert Abbildung 5.1 einen Ordnungsrahmen, bei dem es sich um eine Weiterentwicklung des von Scheer (1983, S. 2) ursprünglich für Industriebetriebe konzipierten und von Krämer/Zimmermann (1996, S. 570) später auf den Dienstleistungsbereich übertragenen Y-CIM-Modells handelt.
Abbildung 5.1: Y-CIM-Modell für Dienstleistungen (in Anlehnung an Herrmann/Klein/The 2006, S. 653)
Das Y-CIM-Modell spiegelt mit den beiden Ästen die in der Fertigungsindustrie hinsichtlich der informationstechnischen Unterstützung von Prozessen getroffene Unterscheidung zwischen auftragsbezogenen, organisatorischen (linker Ast) sowie produktbezogenen, fertigungstechnischen (rechter Ast) Prozessen wider. Dieser Differenzierung kommt im Dienstleistungsmanagement die gedankliche Trennung in den Dienstleistungserbringungsprozess und den Dienstleistungsentwicklungsprozess gleich, wobei bzgl. der Distinktion zwischen dem industrie- und dem dienstleistungsbezogenen Y-CIM-Modell an dieser Stelle auf Herrmann/Klein (2004a, S. 183–184) verwiesen sei. Der CASET-Prototyp deckt folglich die gesamte obere Hälfte des rechten Asts des Modells ab und bildet eine Integrationsplattform für sämtliche in diesem Kontext eingesetzten, informationstechnischen Werkzeuge. Die technische Implementierung des Prototyps erfolgte gemäß der in Abbildung 5.2 demonstrierten IT-Architektur. Aufgrund der Zielsetzung, mit dem Werkzeug verteilt arbeitende Pro-
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Client
Datenhaltung
Anwendung
Präsentation
jektteams bei der Entwicklung einer Dienstleistung unterstützen zu wollen, wurde der Prototyp als Web-basiertes Client/Server-Informationssystem (z. B. Buck-Emden 1999, S. 21–27) realisiert. Dieses basiert auf einer dreischichtigen (3-Tier) Client/Server-Konfiguration, die sich aus den Layern »Präsentation«, »Anwendung« und »Datenhaltung« zusammensetzt.
Server
Abbildung 5.2: IT-Architektur eines Service Engineering Tools
Die Präsentationsschicht beinhaltet einen Web-Browser, in dem die Benutzungsoberfläche grafisch dargestellt wird. Er fungiert als dezentrales Zugangsmedium und enthält keine Anwendungslogik. Diese ist vollständig in der Applikationsschicht verortet. Mittels der Kommunikation mit dem dort angesiedelten, zentralen Web-Server lassen sich zum einen die einzelnen CASET-Funktionsmodule aufrufen, deren Logik jeweils als PHP-Skript implementiert wurde und somit vollständig serverseitig abläuft. Zum anderen können über den Web-Server die Funktionen von beliebigen Web-basierten Werkzeugen in den Applikationsumfang eingebunden und über die CASET-Plattform zur Verfügung gestellt werden. Daneben umfasst der Anwendungslayer den Server der Software »ARIS 6 – Collaborative Suite«, über die das Management der Modellierungsmethoden und Modelle gesteuert wird. Mittels des Javabasierten ARIS-Web-Designers lässt sich ein Modell über eine entsprechend parametrisierte Verknüpfung unmittelbar aus der im Web-Browser jeweils aktuell angezeigten Funktion, deren Bearbeitung durch das Modell unterstützt werden soll, aufrufen. Des Weiteren existiert eine Schnittstelle zwischen dem ARIS- und dem Web-Server, über die ein Informationsaustausch zwischen CASET-Funktionsmodulen und ARIS-Modellen durchgeführt werden kann. Als letzte Applikationsform sind Tools aufgeführt, die lokal beim Anwender installiert sind
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Kapitel 5 Reflexion, Prototyping und Genese
und die sich anhand eines geeigneten Scriptings in die CASET-Oberfläche einbinden lassen. Exemplarisch seien hierfür MS-Office-Programme erwähnt, die sich zur Verarbeitung von Dokumenten im Format von MS-Word, MS-Excel, etc. ansteuern lassen. In Bezug auf die dritte Schicht der gewählten Client/Server-Konfiguration erfolgt die Datenhaltung auf zwei Datenbanken. So werden Modellinformationen auf der der »ARIS 6 – Collaborative Suite« zugrunde liegenden Oracle-Datenbank gespeichert, während alle weiteren Informationen in einer MySQL-Datenbank abgelegt werden. Die grafische Benutzungsoberfläche, wie sie nach erfolgreicher Anmeldung am CASET-Prototyp erscheint, zeigt Abbildung 5.3. Neben der Browser-üblichen Titel-, Symbol- und Menüleiste setzt sich die eigentliche Arbeitsfläche des Werkzeugs aus drei Bereichen (Frames) zusammen. Der linke Frame enthält die Grundfunktionen des Tools und ist permanent sichtbar. Dazu gehören z. B. der Aufruf des (Multi-)Projektmanagementmoduls (»Aktuell«), die Selektion eines einzelnen Projekts zu dessen Bearbeitung (»Eigene Projekte«) oder die Anlage eines neuen Service Engineering Projekts (»Neues Projekt«). In Bezug auf die selektierbaren Einzelprojekte sowie die berücksichtigten Projekte innerhalb der (Multi-)Projektmanagementkomponente beschränkt sich die Anzeige auf diejenigen Vorhaben, die dem aktuell angemeldeten Nutzer explizit zugewiesen sind.
Abbildung 5.3: Grafische Benutzungsoberfläche des CASET-Prototyps
5.2 Prototypische Umsetzung des Konzepts
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In Abhängigkeit vom jeweils ausgewählten Hauptmenüelement gestaltet sich die Zusammensetzung der restlichen Arbeitsfläche, die selbst nochmals horizontal unterteilt ist. Der obere Bereich ist mit dem linken Frame derart logisch verknüpft, dass dort über zwei Ebenen eine Ausdifferenzierung der Grundfunktionen in Teilfunktionen vorgenommen werden kann. Die Gliederungsoption wird primär zur Anordnung der Prozessschritte im Rahmen der Bearbeitung eines einzelnen Dienstleistungsentwicklungsprojekts genutzt. Darüber hinaus findet eine einstufige Aktivitätendifferenzierung bei einer Reihe von Funktionen, wie bspw. der Projektvergleichskomponente oder dem Community-Modul, Anwendung. Das untere Areal ist wiederum mit dem oberen assoziiert und beinhaltet schließlich die eigentliche Arbeitsfläche. Hier lassen sich Informationen, Formulare, Vorlagen oder sonstige Werkzeuge je nach zugrunde liegendem Dateiformat unter Zuhilfenahme der zuvor erwähnten Web-Applikationen oder lokal installierten Software anzeigen bzw. bearbeiten. Sollten die beiden Gliederungsniveaus des oberen Frames nicht genügen, um die Komplexität einer Sinneinheit handhabbar abzugrenzen, so lassen sich als dritte Dekompositionsstufe Registerkarten in den unteren Arbeitsbereich einbinden. Damit steht eine weitere Hierarchieebene zur Verfügung, die innerhalb des Prototyps vor allem zum Aufruf feingranularer Elementarfunktionen eines Service Engineering Projekts verwendet wird. Zur Repräsentation von Zusatzinformationen oder (grafischen) Auswertungen können des Weiteren Pop-up-Fenster über die Navigationsleisten oder aus einem in der Arbeitsfläche aktiven Funktionsmodul generiert werden. Über die gleichen Wege lassen sich zudem (Webbasierte oder lokale) Anwendungen in einem separaten Fenster öffnen, sofern die Beanspruchung des gesamten Fensterplatzes, d. h. ohne räumliche Limitierung durch den linken und den oberen Navigationsframe, praktikabel erscheint oder technische Gründe gegen die Öffnung des entsprechenden Werkzeugs im Arbeitsbereich der CASET-Plattform sprechen. Analog zum Aufruf der Anwendung im Arbeitsbereich können ebenso beim Starten eines Programms in einem eigenen Fenster mittels eines entsprechend parametrisierten Scripts die gewünschten Inhalte direkt annonciert werden. Nach der Darstellung der technologischen Implementierung sowie der grafischen Benutzungsoberfläche beschreibt Abbildung 5.4 die im CASET-Prototyp realisierten Funktionsmodule in Form eines Funktionsbaums. Dieser enthält auf oberster Ebene die zehn Grundfunktionen, die über den linken Navigationsframe angesteuert werden, sowie auf zweiter Ebene deren jeweilige Subfunktionsmodule, wobei die umgesetzten Phasen eines Entwicklungsprozesses (ca. 50 Funktionsmodule) nicht im Einzelnen aufgelistet sind. Anstatt alle Funktionsmodule singulär zu erläutern, werden im Folgenden die wesentlichen Komponenten des Werkzeugs skizziert: • (Multi-)Projektmanagement: Die CASET-Plattform bietet eine Reihe klassischer Projektmanagementfunktionen an. Sie unterstützt dabei aber nicht nur den Umgang mit einem einzelnen Vorhaben, sondern erlaubt darüber hinaus die Berücksichtigung all derjenigen Dienstleistungsentwicklungsprojekte, in die der gerade angemeldete Nutzer involviert ist. Diese Art des Multiprojektmanagements umfasst neben der Möglichkeit, sich einen zeitlichen Projektüberblick in tabellarischer Form oder mit einem Gantt-
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Abbildung 5.4: Funktionsmodule des CASET-Prototyps
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Diagramm zu verschaffen, auch die Aggregierung wesentlicher (Finanz-)Kennzahlen über verschiedene Projekte hinweg. Des Weiteren gehören zum Funktionsumfang dieser Komponente ein Kalender mit integrierter Terminverwaltung, ein Adressbuch, ein Notizbuch sowie eine Helpdeskfunktion zur Überwachung von Anfragen. • Generisches Vorgehensmodell: Da Service Engineering Projekte ebenso heterogen wie die Menge existierender Dienstleistungen sind, wurde kein starres, sondern ein flexibel an dienstleistungs- und unternehmensspezifische Gegebenheiten anpassbares Vorgehensmodell implementiert. Es setzt sich zusammen aus einzelnen Phasenmodulen, wobei deren konkrete Selektion zu Beginn eines Projekts auf drei Arten erfolgen kann: (1) Standardprozess, der die essenziellen Phasen eines Entwicklungsprojekts enthält, (2) Projektklassifizierung über einen morphologischen Kasten anhand individuell determinierbarer Kriterien, aus der eine vorkonfigurierte Modulauswahl resultiert, (3) individuelle Kombination einzelner Phasenmodule. Dabei kann ein anfänglich festgelegter Prozess aufgrund des modularen Aufbaus während des gesamten Zeitraums der Entwicklung nach Bedarf adaptiert werden. Die einzelnen Phasenmodule selbst lassen sich außerdem nach einem festen Schema beliebig neu oder als Variante anlegen, konfigurieren oder zeitlich/logisch mit anderen Vorgehensmodellkomponenten verknüpfen. • Anbindung von Modellen über die »ARIS 6 – Collaborative Suite«: Wie bereits im Kontext der IT-Architektur des CASET-Werkzeugs angedeutet wurde, lassen sich aus den Grundfunktionen oder Phasenmodulen heraus über eine entsprechend parametrisierte Verknüpfung gezielt einzelne Modelle im ARIS-Web-Designer (vgl. Abbildung 5.5) aufrufen und dort bearbeiten. Somit wird gewährleistet, dass die Modellierungsmethoden des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering exakt im Entwicklungsprozess positioniert werden und auf die angedachte Weise zur situationsspezifischen Entscheidungsfindung beitragen können. Zudem ist es möglich, eine im Prototyp angelegte Vorgehensmodellinstanz in ein konkretes ARIS-Modell zu überführen. Dort wird für jede Phase des Service Engineering Projekts ein Objekt instanziiert, dessen Attribute die Phaseninformationen enthalten. Somit lässt sich das Vorgehensmodell im Laufe eines Entwicklungvorhabens jederzeit bequem in der »ARIS 6 – Collaborative Suite« anpassen. Vorgenommene Änderungen können wiederum mit dem CASET-Quellmodell abgeglichen und darin übernommen werden. Eine Modifikation des generischen Vorgehensmodells in ARIS führt somit automatisch zu einer Veränderung der Phasenanordnung in der Projektnavigation des CASET-Prototyps. • Projektvergleich: Zum Treffen von Entscheidungen im Verlauf eines Service Engineering Projekts kann es immer wieder zweckdienlich sein, auf Erfahrungswissen bereits abgeschlossener bzw. aktueller Entwicklungsvorhaben zurückzugreifen. Aus diesem Grund ermöglicht der CASET-Prototyp zu jedem Zeitpunkt die Durchführung eines Benchmarkings in Abhängigkeit vom interessierenden Sachverhalt, um anhand entsprechender Kriterien die für einen Vergleich relevanten Projekte zu identifizieren und aus diesen geeignete Handlungsanweisungen für den aktuell behandelten Kontext abzuleiten.
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Abbildung 5.5: Grafische Benutzungsoberfläche der ARIS 6 – Collaborative Suite (Release 6.2)
• Methodenbaukasten: Aufgrund des häufig nur mangelhaft vorhandenen Service Engineering Know-hows in Unternehmen wurde ein Methodenbaukasten implementiert. Dieser beinhaltet eine erweiterbare Liste von Methoden, die im Rahmen von Entwicklungsvorhaben Einsatz finden können. Zu jeder Methode existieren eine allgemeine Beschreibung, ein konkreter Ablaufplan, eine Bewertung in Bezug auf ihre Einsetzbarkeit sowie diverse, im Prototyp hinterlegte Templates. Eine Methode selbst kann wiederum mit bestimmten Phasenmodulen assoziiert werden, innerhalb derer ihr Einsatz sinnvoll erscheint. • Selbstbewertung: Zur Gewährleistung einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit gilt es, die generelle Innovationsfähigkeit und -bereitschaft des Unternehmens und seiner Mitarbeiter kontinuierlich zu überwachen und auszubauen. Dieses Funktionsmodul macht einem Unternehmen das Angebot, diesbezüglich seinen aktuellen Entwicklungsstand nach den Kriterien der European Foundation for Quality Management (1996) zu ermitteln. Hierzu sind vier unterschiedliche Wege vorgesehen: (1) Benchmarking mit anderen Unternehmen, (2) (unternehmensinterner) Fragebogen, (3) Standardformular und (4) Workshop, der unternehmensintern organisiert wird.
5.3 Erweiterungsmöglichkeiten von Konzeption und Prototyp
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• Community: Da dem Kommunikationsaspekt im sozialen System Dienstleistungsentwicklung eine hohe Bedeutung beigemessen wird, wurde zu seiner Unterstützung ein eigener Funktionsbaustein realisiert. Die Community-Komponente eröffnet außer der Möglichkeit, projektunabhängige Fachinformationen zu bestimmten Themenkomplexen gezielt abzulegen, zu suchen und zu bewerten, auch die Infrastruktur zum synchronen (Chat) oder asynchronen (Foren) Informationsaustausch zwischen beteiligten Personen. Darüber hinaus sind wichtige Termine von Messen, Konferenzen oder sonstigen Veranstaltungen ohne konkreten Projektbezug sowie Links zu potenziell interessierenden Websites dort pflegbar.
5.3 Erweiterungsmöglichkeiten von Konzeption und Prototyp Die Offenheit des Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering sowie die Breite des neu aufgestoßenen Themenfelds ermöglichen und fordern die Beantwortung einer Vielzahl weiterer Fragen und Schritte. Einige thematische Anknüpfungspunkte und methodische Erweiterungspotenziale konnten im Zuge der Entwicklung des vorliegenden Konzepts des modellgestützten Service Systems Engineering identifiziert werden. Gleiches gilt für den das Konzept informationstechnisch unterstützenden CASET-Prototyp. Die einzelnen Aspekte resultieren in erster Linie aus Diskussionen, die mit den am CASET-Projekt beteiligten Personen sowie auf Tagungen und Konferenzen geführt wurden. Aus ihnen ergeben sich die nachfolgend beispielhaft aufgeführten, möglichen Entwicklungstrends und weiterer Forschungsbedarf: • Aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering bzw. einzelne Aspekte daraus gemäß der Denkrichtung des kritischen Rationalismus nach Popper (2005) grundsätzlich zu überprüfen. Demnach sind deduktiv hergeleitete Konzeptimplikationen (z. B. Prognosen) mit »anderen Sätzen« hinsichtlich logischer Beziehungen zu vergleichen. Die Prüfung kann dabei allgemein in vier »Richtungen« durchgeführt werden (Popper 2005, S. 8–9): (1) der logische Vergleich der Folgerungen untereinander, wodurch die innere Widerspruchsfreiheit des Konzepts überprüft wird, (2) die Untersuchung der logischen Form des Konzepts bzgl. seiner Eigenschaft, eine empirisch-wissenschftliche und nicht etwa z. B. eine tautologische Theorie zu sein, (3) der Vergleich mit anderen (Service Engineering) Ansätzen im Hinblick auf die Frage, ob das Konzept einen wissenschaftlichen Fortschritt repräsentiert, und schließlich (4) die Prüfung durch empirische Anwendung der deduzierten Implikationen. Die Prüfungen des zweiten und dritten Punkts wurden bereits in der Arbeit vorgenommen und können als abgeschlossen angesehen werden. In Bezug auf den ersten und vierten Punkt lässt sich anmerken, dass die Implikationen aus dem Konzept sämtlichen bisher wechselseitigen Vergleichen sowie allen empirischen, in der praktischen
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Anwendung (u. a. im Rahmen des Forschungsprojekts CASET) durchgeführten Tests standhielten, sodass es insgesamt als vorläufig verifiziert gelten kann. Dennoch ist das Konzept nicht zuletzt zur Erlangung einer höheren Robustheit weiterhin zu überprüfen. • Das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering bildet ein breites Fundament, das ein großes Analysevermögen sowie ein reichhaltiges Instrumentarium bereitstellt. Wegen seines grundlegenden Charakters lassen sich bestehende Ansätze des Dienstleistungsmanagements beliebig darin integrieren. Dies betrifft Ansätze des Beschaffungs- (z. B. Corsten/Peckedrath 2001) und Produktionsmanagements (z. B. Frietzsche 2001) ebenso wie solche des Kosten- (z. B. Markus/Wiss 2002), Qualitäts(z. B. Pfitzinger 2001) oder Marketingmanagements (z. B. Bruhn 2006). Des Weiteren ließen sich auch mit einem speziellen Fokus ausgestattete Konzepte bspw. der Psychologie (z. B. Groß-Engelmann 1999), der Soziologie (z. B. Strulik 2004) oder der Ingenieurwissenschaft (z. B. Reinertsen 1998) in adaptierter Form einbinden und somit in einen Gesamtzusammenhang einordnen. Die Mächtigkeit des Konzepts kann auf diese Weise nahezu uneingeschränkt gesteigert werden. • Einen weiteren Anknüpfungpunkt für zukünftige Forschungsaktivitäten stellen die vom Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering angebotenen Modellierungsmethoden dar. Diese lassen sich nicht nur als Medium der Informationsexplizierung und Kommunikation einsetzen. Vielmehr können sie einen wesentlichen Beitrag zum Controlling eines Entwicklungsvorhabens liefern, wie es exemplarisch Herrmann/ Klein (2004b) aufzeigen. Hierzu wären an den jeweiligen Modellobjekten steuerungsrelevante Merkmale in Form von Kennzahlenattributen zu determinieren. Unter Berücksichtigung der angelegten Beziehungen zwischen den Objekten ließen sich die entsprechenden Attributsausprägungen hinsichtlich festgelegter Zielsetzungen verdichten. Auf diesem Weg könnten mithilfe der Modelle vollständig und systematisch die das Projektmanagement erforderlichen Kenngrößen abgeleitet und überwacht werden. Vorteilhaft ist in diesem Zusammenhang auch, dass wegen der umfassenden Möglichkeiten der Objektattribuierung in der verwendeten Modellierungssoftware »ARIS 6 – Collaborative Suite« für eine solche Konzepterweiterung unmittelbar eine geeignete informationstechnische Unterstützung mitumgesetzt wäre. • Entsprechend der Ausrichtung der vorliegenden Arbeit konzentrierte sich der darin verfolgte wissenschaftliche Diskurs auf die Entwicklung des Phänomens Dienstleistung. Punktuell (vor allem in der Einleitung) wurde auf den Trend hingewiesen, dass Unternehmen zukünftig nicht mehr als Anbieter einzelner Leistungen gegenüber ihren Kunden auftreten, sondern verstärkt als Problemlöser, der kundenspezifische Produktbündel, bestehend aus Sach- und Dienstleistungen, zur individuellen Bedürfnisbefriedigung offeriert. Aus dieser Perspektive wäre das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering dahingehend zu analysieren und eventuell anzupassen, dass es den zusätzlichen Anforderungen genügt. In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere, die in Abschnitt 2.1 diskutierte Abgrenzung der beiden Leistungskategorien adäquat zu berücksichtigen. Als Beispiel für eine derartige Erweiterung sei auf den Ansatz zur ganz-
5.3 Erweiterungsmöglichkeiten von Konzeption und Prototyp
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heitlichen Gestaltung hybrider Produkte von Scheer/Grieble/Klein (2002) bzw. Scheer/ Grieble/Klein (2004b) verwiesen. • Ferner lassen sich auch Erweiterungspotenziale in Bezug auf den konzipierten Softwareprototyp identifizieren. Wie in Abschnitt 5.2 dargelegt, trägt er dem Grundgedanken des Computer Integrated Manufacturing Rechnung. Dementsprechend ist hier die Einbindung weiterer, bereits existierender Werkzeuge anzustreben, um seinen Umfang an unterstützten Vorgehensmodell- und Querschnittsfunktionen zu erweitern. Das Ziel besteht darin, sämtliche Tätigkeiten innerhalb eines Service Engineering Projekts entweder unmittelbar über die zentrale Plattform oder über eine daran angebundene Software informationstechnisch abwickeln zu können. Darüber hinaus wäre zur Vervollständigung der CIM-Vorstellung eine Verknüpfung mit den im Erbringungsprozess eingesetzten Anwendungen wünschenswert, um dort die aus der Entwicklung generierten Informationen ohne Medienbruch zur Verfügung stellen zu können. Das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering eröffnet eine neue Betrachtungsebene, die hinsichtlich einer bewussten und effizienten Durchführung von Dienstleistungsentwicklungsprojekten noch weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen sowie insbesondere einer ausgiebigen Evaluation der Ergebnisse in der Praxis bedarf. Die nachhaltige methodische und auch softwaretechnische Umsetzung des entwickelten Ansatzes sowie die stetige Erweiterung und Konkretisierung der einzelnen Bestandteile bilden den Rahmen für zukünftige Forschungsaktivitäten in diesem Bereich. Mit dem Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering ist jedoch ein Fundament gegeben, das einen entscheidenden Beitrag zum erfolgreichen Umgang mit der Herausforderung »Service Engineering« liefern und demnach zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil von Unternehmen beitragen kann. Vor allem aufgrund der Charakteristik, dass der Ansatz ohne die Bedingung vollständiger Transparenz auskommt und diese folglich auch nicht zu erreichen versucht, stellt er ein neues Paradigma gegenüber bisherigen Ansätzen dar und führt zu einem neuen Managementverständnis sowie zu einer Prozessorientierung innerhalb von Dienstleistungsentwicklungsvorhaben. Somit legt das Konzept des modellgestützten Service Systems Engineering nicht zuletzt den Grundstein dafür, dass Unternehmen in Bezug auf die von Cooper und Edgett im Eingangszitat der Arbeit benannten Zukunftsofferten den passenden Weg einschlagen.
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