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German Pages 851 Year 2009
Lothar Papula Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler Band 1
Die drei Bände Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler werden durch eine Formelsammlung, ein Buch mit Klausur- und Übungsaufgaben sowie ein Buch mit Anwendungsbeispielen zu einem Lehr- und Lernsystem ergänzt: Lothar Papula Mathematische Formelsammlung für Ingenieure und Naturwissenschaftler Mit zahlreichen Abbildungen und Rechenbeispielen und einer ausführlichen Integraltafel Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler – Klausur- und Übungsaufgaben Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler – Anwendungsbeispiele Aufgabenstellungen aus Naturwissenschaft und Technik mit ausführlichen Lösungen
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Lothar Papula
Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler Band 1 Ein Lehr- und Arbeitsbuch für das Grundstudium 12., überarbeitete und erweiterte Auflage Mit 609 Abbildungen, zahlreichen Beispielen aus Naturwissenschaft und Technik sowie 352 Übungsaufgaben mit ausführlichen Lösungen STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 1983 2., durchgesehene Auflage 1984 3., durchgesehene Auflage 1986 4., durchgesehene und erweiterte Auflage 1988 5., verbesserte Auflage 1990 6., verbesserte Auflage 1991 7., überarbeitete und erweiterte Auflage 1996 8., verbesserte Auflage 1998 9., verbesserte Auflage 2000 10., erweiterte Auflage Oktober 2001 11., verbesserte und erweiterte Auflage 2007 unveränderter Nachdruck 2008 12., überarbeitete und erweiterte Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Thomas Zipsner | Imke Zander Vieweg +Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Technische Redaktion: Gabriele McLemore, Wiesbaden Satz: Druckhaus Thomas Müntzer, Bad Langensalza Bilder: Graphik & Text Studio, Dr. Wolfgang Zettlmeier, Barbing Druck und buchbinderische Verarbeitung: Tˇeˇsínská Tiskárna, a. s., Tschechien Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Czech Republic ISBN 978-3-8348-0545-4
V
Vorwort
Das dreiba¨ndige Werk Mathematik fu¨r Ingenieure und Naturwissenschaftler ist ein Lehr- und Arbeitsbuch fu¨r das Grund- und Hauptstudium der naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen im Hochschulbereich. Es wird durch eine mathematische Formelsammlung, einen Klausurentrainer und ein Buch mit Anwendungsbeispielen zu einem kompakten Lehr- und Lernsystem erga¨nzt. Die Ba¨nde 1 und 2 lassen sich dem Grundstudium zuordnen, wa¨hrend der dritte Band spezielle Themen u¨berwiegend aus dem Hauptstudium behandelt.
Zur Stoffauswahl des ersten Bandes Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Studienanfa¨nger nach wie vor u¨ber sehr unterschiedliche und in der Regel nicht ausreichende mathematische Grundkenntnisse verfu¨gen. Insbesondere in der Algebra bestehen große Defizite. Die Gru¨nde hierfu¨r liegen u. a. in der Verlagerung der Schwerpunkte in der Schulmathematik und der Abwahl des Faches Mathematik als Leistungsfach in der gymnasialen Oberstufe. Ein nahtloser und erfolgreicher bergang von der Schule zur Hochschule ist daher ohne zusa¨tzliche Hilfen kaum mo¨glich. Dieser erste Band des Lehr- und Lernsystems leistet die dringend beno¨tigte „Hilfestellung“ durch Einbeziehung bestimmter Gebiete der Elementarmathematik in das Grundstudium und schafft somit die Voraussetzung fu¨r eine tragfa¨hige Verbindung („Bru¨cke“) zwischen Schule und Hochschule, ein Konzept, das sich bereits in der Vergangenheit bestens bewa¨hrt hat und deshalb konsequent beibehalten wurde. Im vorliegenden ersten Band werden die folgenden Stoffgebiete behandelt: Allgemeine Grundlagen (u. a. Gleichungen und Ungleichungen, lineare Gleichungssysteme, binomischer Lehrsatz) Vektoralgebra (zuna¨chst in der anschaulichen Ebene und dann im Raum)
Differentialrechnung
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Funktionen und Kurven (als wichtigste Grundlage fu¨r die Differential- und Integralrechnung) (mit zahlreichen Anwendungen aus Naturwissenschaft und Technik)
Integralrechnung Potenzreihenentwicklungen (Mac Laurinsche und Taylorsche Reihen) Komplexe Zahlen und Funktionen
Eine bersicht u¨ber die Inhalte der Ba¨nde 2 und 3 erfolgt im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis.
VI
Vorwort
Zur Darstellung des Stoffes Bei der Darstellung der mathematischen Stoffgebiete wurde von den folgenden berlegungen ausgegangen: Mathematische Methoden spielen zwar in den naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen eine bedeutende Rolle, bleiben jedoch in erster Linie ein (unverzichtbares) Hilfsmittel. Aufgrund der vera¨nderten Eingangsvoraussetzungen und der damit verbundenen Defizite sollte der Studienanfa¨nger nicht u¨berfordert werden. Es wurde daher eine anschauliche, anwendungsorientierte und leicht versta¨ndliche Darstellungsform des mathematischen Stoffes gewa¨hlt. Begriffe, Zusammenha¨nge, Sa¨tze und Formeln werden durch zahlreiche Beispiele aus Naturwissenschaft und Technik und anhand vieler Abbildungen na¨her erla¨utert. Einen wesentlichen Bestandteil dieses Werkes bilden die bungsaufgaben am Ende eines jeden Kapitels (nach Abschnitten geordnet). Sie dienen zum Einu¨ben und Vertiefen des Stoffes. Die im Anhang dargestellten (und zum Teil ausfu¨hrlich kommentierten) Lo¨sungen ermo¨glichen dem Leser eine sta¨ndige Selbstkontrolle. Mit der Verbesserung von Bildern wurden die Beispiele noch versta¨ndlicher und optimiert. Dazu za¨hlen auch zusa¨tzlich aufgenommene Beispiele im Kapitel Potenzreihenentwicklung.
Zur a¨ußeren Form Zentrale Inhalte wie Definitionen, Sa¨tze, Formeln, Tabellen, Zusammenfassungen und Beispiele sind besonders hervorgehoben: Definitionen, Sa¨tze, Formeln, Tabellen und Zusammenfassungen sind gerahmt und grau unterlegt. Anfang und Ende von Beispielen sind durch das Symbol
&
gekennzeichnet.
Bei der (bildlichen) Darstellung von Fla¨chen und ra¨umlichen Ko¨rpern wurden Grauraster unterschiedlicher Helligkeit verwendet, um besonders anschauliche und aussagekra¨ftige Bilder zu erhalten.
Zum Einsatz von Computeralgebra-Programmen In zunehmendem Maße werden leistungsfa¨hige Computeralgebra-Programme wie z. B. MATLAB, MAPLE, MATHCAD oder MATHEMATICA bei der mathematischen Lo¨sung naturwissenschaftlich-technischer Probleme in Praxis und Wissenschaft erfolgreich eingesetzt. Solche Programme ko¨nnen bereits im Grundstudium ein nu¨tzliches und sinnvolles Hilfsmittel sein und so z. B. als eine Art „Kontrollinstanz“ beim Lo¨sen von bungsaufgaben verwendet werden (berpru¨fung der von Hand ermittelten Lo¨sungen mit Hilfe eines Computeralgebra-Programms auf einem PC). Die meisten der in diesem Werk gestellten Aufgaben lassen sich auf diese Weise problemlos lo¨sen.
Vorwort
VII
Vera¨nderungen gegenu¨ber der 11. Auflage Der vorliegende Band wurde vollsta¨ndig u¨berarbeitet und erweitert. Neu aufgenommen wurde ein Kapitel u¨ber Komplexe Zahlen und Funktionen (bisher in Band 2).
Eine Bitte des Autors Fu¨r Hinweise und Anregungen – insbesondere auch aus dem Kreis der Studentenschaft – bin ich stets sehr dankbar. Sie sind eine unverzichtbare Voraussetzung und Hilfe fu¨r die permanente Verbesserung dieses Lehrwerkes.
Ein Wort des Dankes . . . . . . an alle Fachkollegen und Studenten, die durch Anregungen und Hinweise zur Verbesserung dieses Werkes beigetragen haben, . . . an die Mitarbeiter des Verlages, ganz besonders aber an Frau Gabriele McLemore und Herrn Thomas Zipsner, fu¨r die hervorragende Zusammenarbeit wa¨hrend der Entstehung und Drucklegung dieses Werkes, . . . an Frau Schulz vom Druck- und Satzhaus „Thomas Mu¨ntzer“ fu¨r den ausgezeichneten mathematischen Satz. Wiesbaden, im Fru¨hjahr 2009
Lothar Papula
IX
Inhaltsverzeichnis
I Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1 Einige grundlegende Begriffe u¨ber Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1 Definition und Darstellung einer Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Mengenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3
2 Die Menge der reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.1 Darstellung der reellen Zahlen und ihrer Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Anordnung der Zahlen, Ungleichung, Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Teilmengen und Intervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 7 8
3 Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
3.1 Lineare Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Quadratische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Gleichungen 3. und ho¨heren Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Allgemeine Vorbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Kubische Gleichungen vom speziellen Typ a x 3 þ b x 2 þ c x ¼ 0 . . 3.3.3 Bi-quadratische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Wurzelgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Betragsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Definition der Betragsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Analytische Lo¨sung einer Betragsgleichung durch Fallunterscheidung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Lo¨sung einer Betragsgleichung auf halb-graphischem Wege (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 10 11 11 12 12 13 15 15
4 Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
5 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
5.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Der Gaußsche Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Ein Anwendungsbeispiel: Berechnung eines elektrischen Netzwerkes . . . . .
23 26 35
6 Der Binomische Lehrsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
bungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Zu Abschnitt 1 und 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Abschnitt 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 41
18 19
X
Inhaltsverzeichnis
Zu Abschnitt 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Abschnitt 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Abschnitt 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42 42 44
II Vektoralgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
1.1 1.2 1.3 1.4
Definition eines Vektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichheit von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parallele, anti-parallele und kollineare Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vektoroperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Addition von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Subtraktion von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 46 47 48 49 51 52
2 Vektorrechnung in der Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
2.1 Komponentendarstellung eines Vektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Darstellung der Vektoroperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Addition und Subtraktion von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Skalarprodukt zweier Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Definition und Berechnung eines Skalarproduktes . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Winkel zwischen zwei Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Linear unabha¨ngige Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Ein Anwendungsbeispiel: Resultierende eines ebenen Kra¨ftesystems . . . . . .
54 58 58 59 61 61 64 67 69
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
3.1 Komponentendarstellung eines Vektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Darstellung der Vektoroperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Addition und Subtraktion von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Skalarprodukt zweier Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Definition und Berechnung eines Skalarproduktes . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Winkel zwischen zwei Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Richtungswinkel eines Vektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Projektion eines Vektors auf einen zweiten Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Ein Anwendungsbeispiel: Arbeit einer Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Vektorprodukt zweier Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Definition und Berechnung eines Vektorproduktes . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.1 Drehmoment (Moment einer Kraft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.2 Bewegung von Ladungstra¨gern in einem Magnetfeld (Lorentz-Kraft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Spatprodukt (gemischtes Produkt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Linear unabha¨ngige Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72 75 75 77 79 79 82 83 85 88 90 90 96 96 97 98 102
Inhaltsverzeichnis
XI
4 Anwendungen in der Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
4.1 Vektorielle Darstellung einer Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Punkt-Richtungs-Form einer Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Zwei-Punkte-Form einer Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Abstand eines Punktes von einer Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Abstand zweier paralleler Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Abstand zweier windschiefer Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Schnittpunkt und Schnittwinkel zweier Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Vektorielle Darstellung einer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Punkt-Richtungs-Form einer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Drei-Punkte-Form einer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Gleichung einer Ebene senkrecht zu einem Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Abstand eines Punktes von einer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Abstand einer Geraden von einer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Schnittpunkt und Schnittwinkel einer Geraden mit einer Ebene . . . . . . 4.2.7 Abstand zweier paralleler Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.8 Schnittgerade und Schnittwinkel zweier Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 105 107 108 110 112 114 117 117 119 122 123 125 126 130 132
bungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135
Zu Abschnitt 2 und 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Abschnitt 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135 141
III Funktionen und Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1 Definition und Darstellung einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146
1.1 Definition einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Darstellungsformen einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Analytische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Darstellung durch eine Wertetabelle (Funktionstafel) . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Graphische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4 Parameterdarstellung einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146 147 147 148 148 149
2 Allgemeine Funktionseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
Nullstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symmetrieverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodizita¨t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umkehrfunktion oder inverse Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151 152 154 157 159
3 Koordinatentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
3.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Parallelverschiebung eines kartesischen Koordinatensystems . . . . . . . . . . . . . 3.3 bergang von kartesischen Koordinaten zu Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Definition der Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Darstellung einer Kurve in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163 164 168 168 171
XII
Inhaltsverzeichnis
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173
4.1 Reelle Zahlenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Definition und Darstellung einer reellen Zahlenfolge . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Grenzwert einer Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Grenzwert einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Grenzwert einer Funktion fu¨r x ! x 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Grenzwert einer Funktion fu¨r x ! 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Rechenregeln fu¨r Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Ein Anwendungsbeispiel: Erzwungene Schwingung eines mechanischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Stetigkeit einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Unstetigkeiten (Lu¨cken, Pole, Spru¨nge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173 173 175 177 177 181 183 184 185 186
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6
Definition einer ganzrationalen Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstante und lineare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quadratische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polynomfunktionen ho¨heren Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horner-Schema und Nullstellenberechnung einer Polynomfunktion . . . . . . . Interpolationspolynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Allgemeine Vorbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 Interpolationspolynom von Newton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Ein Anwendungsbeispiel: Biegelinie eines Balkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190 191 194 198 203 207 207 208 212
6 Gebrochenrationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
212
6.1 Definition einer gebrochenrationalen Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Nullstellen, Definitionslu¨cken, Pole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Asymptotisches Verhalten einer gebrochenrationalen Funktion im Unendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Ein Anwendungsbeispiel: Kapazita¨t eines Kugelkondensators . . . . . . . . . . . .
212 213 219 222
7 Potenz- und Wurzelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
7.1 7.2 7.3 7.4
Potenzfunktionen mit ganzzahligen Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wurzelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Potenzfunktionen mit rationalen Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Anwendungsbeispiel: Beschleunigung eines Elektrons in einem elektrischen Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223 225 228
8 Kegelschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230
8.1 Darstellung eines Kegelschnittes durch eine algebraische Gleichung 2. Grades mit konstanten Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Gleichungen eines Kreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Gleichungen einer Ellipse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Gleichungen einer Hyperbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Gleichungen einer Parabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Beispiele zu den Kegelschnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230 231 232 234 237 239
229
Inhaltsverzeichnis 9 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5
XIII 243
Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinus- und Kosinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tangens- und Kotangensfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Beziehungen zwischen den trigonometrischen Funktionen . . . . . . Anwendungen in der Schwingungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5.1 Harmonische Schwingungen (Sinusschwingungen) . . . . . . . . . . . . . . 9.5.1.1 Die allgemeine Sinus- und Kosinusfunktion . . . . . . . . . . . . . 9.5.1.2 Harmonische Schwingung eines Federpendels (Feder-Masse-Schwinger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5.2 Darstellung von Schwingungen im Zeigerdiagramm . . . . . . . . . . . . . 9.5.3 Superposition (berlagerung) gleichfrequenter Schwingungen . . . . . 9.5.4 Lissajous-Figuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257 258 265 270
10 Arkusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
10.1 10.2 10.3 10.4 10.5
243 248 249 250 252 252 252
Das Problem der Umkehrung trigonometrischer Funktionen . . . . . . . . . . . Arkussinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arkuskosinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arkustangens- und Arkuskotangensfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trigonometrische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271 272 274 275 278
11 Exponentialfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
11.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Definition und Eigenschaften einer Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Spezielle, in den Anwendungen ha¨ufig auftretende Funktionstypen mit e-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Abklingfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Sa¨ttigungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.3 Wachstumsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Geda¨mpfte Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.5 Gauß-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280 280
12 Logarithmusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
12.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Definition und Eigenschaften einer Logarithmusfunktion . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Exponential- und Logarithmusgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292 295 298
13 Hyperbel- und Areafunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
300
13.1 Hyperbelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1.1 Definition der Hyperbelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1.2 Die Hyperbelfunktionen y ¼ sinh x und y ¼ cosh x . . . . . . . . . 13.1.3 Die Hyperbelfunktionen y ¼ tanh x und y ¼ coth x . . . . . . . . . 13.1.4 Wichtige Beziehungen zwischen den Hyperbelfunktionen . . . . . . . 13.2 Areafunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Definition der Areafunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Die Areafunktionen y ¼ arsinh x und y ¼ arcosh x . . . . . . . . . .
300 300 301 303 304 305 305 305
282 282 285 288 289 291
XIV
Inhaltsverzeichnis
13.2.3 Die Areafunktionen y ¼ artanh x und y ¼ arcoth x . . . . . . . . . . 13.2.4 Darstellung der Areafunktionen durch Logarithmusfunktionen . . . 13.2.5 Ein Anwendungsbeispiel: Freier Fall unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
306 307
bungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309
Zu Zu Zu Zu Zu Zu Zu Zu Zu Zu
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
1 ...................................................... 2 ...................................................... 3 ...................................................... 4 ...................................................... 5 ...................................................... 6 ...................................................... 7 ...................................................... 8 ...................................................... 9 und 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 12 und 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
308
309 310 311 312 313 316 316 317 317 320
IV Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1 Differenzierbarkeit einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
1.1 Das Tangentenproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Ableitung einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Ableitung der elementaren Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323 324 328
2 Ableitungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14
Faktorregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quotientenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kettenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombinationen mehrerer Ableitungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Logarithmische Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ableitung der Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implizite Differentiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differential einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ho¨here Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ableitung einer in der Parameterform dargestellten Funktion (Kurve) . . . . Anstieg einer in Polarkoordinaten dargestellten Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Anwendungsbeispiele aus Physik und Technik . . . . . . . . . . . . . . . 2.14.1 Bewegung eines Massenpunktes (Geschwindigkeit, Beschleunigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.14.2 Induktionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.14.3 Elektrischer Schwingkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331 332 333 335 337 343 344 346 347 350 352 354 357 361 361 364 365
Inhaltsverzeichnis
XV
3 Anwendungen der Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
366
3.1 Tangente und Normale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Linearisierung einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Monotonie und Kru¨mmung einer Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Geometrische Vorbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Kru¨mmung einer ebenen Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Charakteristische Kurvenpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Relative oder lokale Extremwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Wendepunkte, Sattelpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Erga¨nzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Extremwertaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Kurvendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Na¨herungsweise Lo¨sung einer Gleichung nach dem Tangentenverfahren von Newton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Iterationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2 Tangentenverfahren von Newton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
366 368 371 371 372 374 382 382 388 392 394 400
bungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
Zu Abschnitt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Abschnitt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Abschnitt 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414 414 418
406 406 407
V Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 1 Integration als Umkehrung der Differentiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
422
2 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426
2.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Das bestimmte Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426 429
3 Unbestimmtes Integral und Fla¨chenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
4 Der Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung . . . . . . . . . . . .
440
5 Grund- oder Stammintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
444
6 Berechnung bestimmter Integrale unter Verwendung einer Stammfunktion
446
7 Elementare Integrationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
450
8 Integrationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
453
8.1 Integration durch Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.2 Spezielle Integralsubstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
453 453 454
XVI
Inhaltsverzeichnis
8.2 Partielle Integration oder Produktintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Integration einer echt gebrochenrationalen Funktion durch Partialbruchzerlegung des Integranden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Partialbruchzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Integration der Partialbru¨che . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Numerische Integrationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Trapezformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Simpsonsche Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
468 469 471 475 476 481
9 Uneigentliche Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
487
9.1 Unendliches Integrationsintervall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Integrand mit einer Unendlichkeitsstelle (Pol) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
488 492
10 Anwendungen der Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
495
10.1 Einfache Beispiele aus Physik und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Integration der Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Biegelinie (elastische Linie) eines einseitig eingespannten Balkens 10.1.3 Spannung zwischen zwei Punkten eines elektrischen Feldes . . . . . 10.2 Fla¨cheninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Bestimmtes Integral und Fla¨cheninhalt (Erga¨nzungen) . . . . . . . . . . 10.2.2 Fla¨cheninhalt zwischen zwei Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Volumen eines Rotationsko¨rpers (Rotationsvolumen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Bogenla¨nge einer ebenen Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Mantelfla¨che eines Rotationsko¨rpers (Rotationsfla¨che) . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Arbeits- und Energiegro¨ßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Lineare und quadratische Mittelwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.8 Schwerpunkt homogener Fla¨chen und Ko¨rper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.8.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.8.2 Schwerpunkt einer homogenen ebenen Fla¨che . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.8.3 Schwerpunkt eines homogenen Rotationsko¨rpers . . . . . . . . . . . . . . 10.9 Massentra¨gheitsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9.1 Grundbegriffe und einfache Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9.2 Satz von Steiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9.3 Massentra¨gheitsmoment eines homogenen Rotationsko¨rpers . . . . .
495 495 498 500 501 501 506 512 518 521 525 531 536 536 538 544 549 549 552 554
bungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
559
Zu Zu Zu Zu
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
1 bis 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ...................................................... 9 ...................................................... 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
462
559 562 564 565
Inhaltsverzeichnis
XVII
VI Potenzreihenentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 1 Unendliche Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
570
1.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Definition einer unendlichen Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Konvergenz und Divergenz einer unendlichen Reihe . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 ber den Umgang mit unendlichen Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Konvergenzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Quotientenkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Wurzelkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Vergleichskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Leibnizsches Konvergenzkriterium fu¨r alternierende Reihen . . . . . . . . 1.4 Eigenschaften konvergenter bzw. absolut konvergenter Reihen . . . . . . . . . . .
570 572 572 573 577 578 579 583 583 586 588
2 Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
590
2.1 Definition einer Potenzreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Konvergenzverhalten einer Potenzreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Eigenschaften der Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
590 591 596
3 Taylor-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
597
3.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Potenzreihenentwicklung einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Mac Laurinsche Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Taylorsche Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Tabellarische Zusammenstellung wichtiger Potenzreihenentwicklungen 3.3 Anwendungen der Potenzreihenentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Na¨herungspolynome einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Integration durch Potenzreihenentwicklung des Integranden . . . . . . . . 3.3.3 Grenzwertregel von Bernoulli und de L’Hospital . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Ein Anwendungsbeispiel: Freier Fall unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
598 599 599 607 608 610 610 621 624
bungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
633
Zu Abschnitt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Abschnitt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Abschnitt 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
633 635 635
630
VII Komplexe Zahlen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 1 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
640
1.1 Definition einer komplexen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Komplexe oder Gaußsche Zahlenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Weitere Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
640 643 646
XVIII
Inhaltsverzeichnis
1.4 Darstellungsformen einer komplexen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Algebraische oder kartesische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Trigonometrische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Exponentialform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.4 Zusammenstellung der verschiedenen Darstellungsformen . . . . . . . . . . 1.4.5 Umrechnungen zwischen den Darstellungsformen . . . . . . . . . . . . . . . .
649 649 649 652 654 655
2 Komplexe Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
661
2.1 Grundrechenarten fu¨r komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Addition und Subtraktion komplexer Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Multiplikation und Division komplexer Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Grundgesetze fu¨r komplexe Zahlen (Zusammenfassung) . . . . . . . . . . . 2.2 Potenzieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Radizieren (Wurzelziehen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Natu¨rlicher Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
661 661 663 672 673 675 681
3 Anwendungen der komplexen Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
683
3.1 Symbolische Darstellung harmonischer Schwingungen im Zeigerdiagramm 3.1.1 Darstellung einer Schwingung durch einen rotierenden Zeiger . . . . . . 3.1.2 Ungesto¨rte berlagerung gleichfrequenter Schwingungen . . . . . . . . . . 3.1.3 Ein Anwendungsbeispiel: berlagerung gleichfrequenter Wechselspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Symbolische Berechnung eines Wechselstromkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Das Ohmsche Gesetz der Wechselstromtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Komplexe Wechselstromwidersta¨nde und Leitwerte . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Ein Anwendungsbeispiel: Der Wechselstromkreis in Reihenschaltung
683 683 687 690 691 691 693 698
4 Ortskurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
701
4.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Ortskurve einer parameterabha¨ngigen komplexen Gro¨ße . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Anwendungsbeispiele: Einfache Netzwerkfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Reihenschaltung aus einem ohmschen Widerstand und einer Induktivita¨t (Widerstandsortskurve) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Parallelschaltung aus einem ohmschen Widerstand und einer Kapazita¨t (Leitwertortskurve) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Inversion einer Ortskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Inversion einer komplexen Gro¨ße (Zahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Inversionsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Ein Anwendungsbeispiel: Inversion einer Widerstandsortskurve . . . . .
701 702 705
bungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
714
Zu Zu Zu Zu
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
1 2 3 4
...................................................... ...................................................... ...................................................... ......................................................
705 706 707 707 709 711
714 715 717 719
Inhaltsverzeichnis
XIX
Anhang: Lo¨sungen der bungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
721
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
1 und 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3................................................ 4 ............................................... 5 ............................................... 6 ...............................................
721 721 723 726 727
II Vektoralgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
728
Abschnitt 2 und 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
728 732
III Funktionen und Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
740
I
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
1 ............................................... 2 ............................................... 3 ............................................... 4 ............................................... 5 ............................................... 6 ............................................... 7 ............................................... 8 ............................................... 9 und 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 12 und 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
740 742 742 743 745 747 749 749 750 753
IV Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
755
Abschnitt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
755 755 763
V Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
774
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
1 bis 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ............................................... 9 ............................................... 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
774 776 779 780
VI Potenzreihenentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
784
Abschnitt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
784 788 789
XX
Inhaltsverzeichnis
VII Komplexe Zahlen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
1 2 3 4
797
.............................................. .............................................. .............................................. ..............................................
797 800 804 806
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
808
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
809
XXI
Inhaltsu¨bersicht Band 2
Kapitel I:
Lineare Algebra 1 2 3 4 5 6 7
Vektoren Reelle Matrizen Determinanten Erga¨nzungen Lineare Gleichungssysteme Komplexe Matrizen Eigenwerte und Eigenvektoren einer quadratischen Matrix
Kapitel II: Fourier-Reihen 1 Fourier-Reihe einer periodischen Funktion 2 Anwendungen
Kapitel III: Differential- und Integralrechnung fu¨r Funktionen von mehreren Variablen 1 Funktionen von mehreren Variablen 2 Partielle Differentiation 3 Mehrfachintegrale
Kapitel IV: Gewo¨hnliche Differentialgleichungen 1 Grundbegriffe 2 Differentialgleichungen 1. Ordnung 3 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten 4 Anwendungen in der Schwingungslehre 5 Lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten 6 Numerische Integration einer Differentialgleichung 7 Systeme linearer Differentialgleichungen
XXII
Inhaltsu¨bersicht Band 2
Kapitel V: Fourier-Transformationen 1 2 3 4 5 6
Grundbegriffe Spezielle Fourier-Transformationen Wichtige „Hilfsfunktionen“ in den Anwendungen Eigenschaften der Fourier-Transformation (Transformationssa¨tze) Ru¨cktransformation aus dem Bildbereich in den Originalbereich Anwendungen der Fourier-Transformation
Kapitel VI: Laplace-Transformationen 1 2 3 4 5
Anhang:
Grundbegriffe Eigenschaften der Laplace-Transformation (Transformationssa¨tze) Laplace-Transformierte einer periodischen Funktion Ru¨cktransformation aus dem Bildbereich in den Originalbereich Anwendungen der Laplace-Transformation
Lo¨sungen der bungsaufgaben
XXIII
Inhaltsu¨bersicht Band 3
Kapitel I:
Vektoranalysis 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Ebene und ra¨umliche Kurven Fla¨chen im Raum Skalar- und Vektorfelder Gradient eines Skalarfeldes Divergenz und Rotation eines Vektorfeldes Spezielle ebene und ra¨umliche Koordinatensysteme Linien- oder Kurvenintegrale Oberfla¨chenintegrale Integralsa¨tze von Gauß und Stokes
Kapitel II: Wahrscheinlichkeitsrechnung 1 2 3 4 5 6 7 8
Hilfsmittel aus der Kombinatorik Grundbegriffe Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Zufallsvariablen Kennwerte oder Maßzahlen einer Wahrscheinlichkeitsverteilung Spezielle Wahrscheinlichkeitsverteilungen Wahrscheinlichkeitsverteilungen von mehreren Zufallsvariablen Pru¨f- oder Testverteilungen
Kapitel III: Grundlagen der mathematischen Statistik 1 Grundbegriffe 2 Kennwerte oder Maßzahlen einer Stichprobe 3 Statistische Scha¨tzmethoden fu¨r die unbekannten Parameter einer Wahrscheinlichkeitsverteilung („Parameterscha¨tzungen“) 4 Statistische Pru¨fverfahren fu¨r die unbekannten Parameter einer Wahrscheinlichkeitsverteilung („Parametertests“) 5 Statistische Pru¨fverfahren fu¨r die unbekannte Verteilungsfunktion einer Wahrscheinlichkeitsverteilung („Anpassungs- oder Verteilungstests“) 6 Korrelation und Regression
XXIV
Inhaltsu¨bersicht Band 3
Kapitel IV: Fehler- und Ausgleichsrechnung 1 „Fehlerarten“ (systematische und zufa¨llige Messabweichungen). Aufgaben der Fehler- und Ausgleichsrechnung 2 Statistische Verteilung der Messwerte und Messabweichungen („Messfehler“) 3 Auswertung einer Messreihe 4 „Fehlerfortpflanzung“ nach Gauß 5 Ausgleichs- oder Regressionskurven
Anhang:
Teil A: Tabellen zur Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik Teil B: Lo¨sungen der bungsaufgaben
1
I Allgemeine Grundlagen
1 Einige grundlegende Begriffe u¨ber Mengen 1.1 Definition und Darstellung einer Menge Definition: Unter einer Menge verstehen wir die Zusammenfassung gewisser, wohlunterschiedener Objekte, Elemente genannt, zu einer Einheit. Mengen lassen sich durch ihre Eigenschaften beschreiben (sog. beschreibende Darstellungsform): M ¼ fx j x besitzt die Eigenschaften E 1 , E 2 , . . . , E n g
ðI-1Þ
Eine weitere Darstellungsmo¨glichkeit bietet die aufza¨hlende Form: M ¼ fa 1 , a 2 , . . . , a n g
Endliche Menge
ðI-2Þ
M ¼ fa, b, c, . . .g
Unendliche Menge
ðI-3Þ
a 1 , a 2 , . . ., a n bzw. a, b, c, . . . sind die Elemente der Menge. Die Reihenfolge, in der die einzelnen Elemente aufgefu¨hrt werden, spielt dabei keine Rolle. Die Elemente sind immer paarweise voneinander verschieden, ein Element kann daher nur einmal auftreten.
&
Beispiele (1)
M 1 ¼ fx j x ist eine reelle Zahl und Lo¨sung der Gleichung x 2 ¼ 1g ¼ f 1, 1g
(2)
M2 ¼ fx j x ist eine natu¨rliche Zahl mit 2 < x 4g ¼ f0, 1, 2, 3, 4g
(3)
M 3 ¼ fx j x ist eine ganze Zahl mit der Eigenschaft x 2 < 16g Zu dieser Menge geho¨ren die Zahlen 3, 2, 1, 0, 1, 2 und 3. In der aufza¨hlenden Form lautet die Menge demnach: M 3 ¼ f 3, 2, 1, 0, 1, 2, 3g
(4)
oder
M 3 ¼ f0, 1, 2, 3g
Menge der natu¨rlichen Zahlen (entha¨lt auch die Zahl 0): N ¼ f0, 1, 2, 3, . . .g
&
2
I Allgemeine Grundlagen
Geho¨rt ein gewisses Objekt a zu einer Menge A, so schreibt man dafu¨r symbolisch a 2 A
ðgelesen: a ist ein Element von AÞ
ðI-4Þ
Die Schreibweise b 62 A bringt dagegen zum Ausdruck, dass der Gegenstand b nicht zur Menge A geho¨rt: b 62 A
ðgelesen: b ist kein Element von AÞ
ðI-5Þ
Die Lo¨sungen einer Gleichung lassen sich zu einer sog. Lo¨sungsmenge L zusammenfassen. Dabei kann der Fall eintreten, dass die Gleichung unlo¨sbar ist: Die Lo¨sungsmenge entha¨lt dann u¨berhaupt kein Element, sie ist „leer“. Eine Menge dieser Art wird als leere Menge bezeichnet und durch das folgende Symbol gekennzeichnet: f g &
oder
˘
ðI-6Þ
Beispiele Die quadratische Gleichung x 2 þ 1 ¼ 0 besitzt keine reelle Lo¨sung. Ihre Lo¨sungsmenge L ist daher die leere Menge:
(1)
L ¼ fx j x ist reell und eine Lo¨sung der Gleichung von x 2 þ 1 ¼ 0g ¼ f g (2)
Die Nullstellen der Sinusfunktion sind die Lo¨sungen der trigonometrischen Gleichung sin x ¼ 0. Sie fu¨hren auf die folgende unendliche Lo¨sungsmenge: L ¼ fx j x ist reell und Lo¨sung der Gleichung sin x ¼ 0g ¼ ¼ f0; p, 2 p, 3 p, . . .g
&
Bei der Beschreibung von Funktionen beno¨tigen wir Zahlenmengen, die sich als gewisse Teilbereiche der reellen Zahlen erweisen (sog. Intervalle). Dies fu¨hrt uns zum Begriff der wie folgt definierten Teilmenge: Definition: Eine Menge A heißt Teilmenge einer Menge B, wenn jedes Element von A auch zur Menge B geho¨rt. Symbolische Schreibweise: AB ðI-7Þ (gelesen: A ist in B enthalten; Bild I-1) In Bild I-1 ist dieser Sachverhalt in anschaulicher Form durch ein sog. Euler-VennDiagramm dargestellt:
A B
Bild I-1 Zum Begriff einer Teilmenge (A BÞ
1 Einige grundlegende Begriffe u¨ber Mengen &
3
Beispiele (1)
A ¼ f1, 3, 5g ,
B ¼ f 2, 0, 1, 2, 3, 4, 5g
A ist eine Teilmenge von B, da alle drei Elemente von A, also die Zahlen 1, 3 und 5 auch in der Menge B enthalten sind: A B. (2)
M 1 ¼ f0, 2, 4g ,
M 2 ¼ f2, 4, 6, 8g
Das Element 0 2 M 1 geho¨rt nicht zur Menge M 2 . Daher ist M 1 keine Teilmen& ge von M 2 . Symbolische Schreibweise: M 1 6 M 2 .
Definition: Zwei Mengen A und B heißen gleich, wenn jedes Element von A auch Element von B ist und umgekehrt: A ¼ B
(I-8)
(gelesen: A gleich B)
&
Beispiel A ¼ f0, 1, 2, 5, 10g ,
B ¼ f10, 5, 2, 0, 1g
Jedes Element von A ist auch Element von B und umgekehrt. Die beiden Mengen unterscheiden sich also lediglich in der Anordnung ihrer Elemente und sind daher & gleich: A ¼ B.
1.2 Mengenoperationen Wir erkla¨ren die mengenalgebraischen Operationen Durchschnitt (\) und Vereinigung ([) sowie den Begriff der Differenzmenge (auch Restmenge genannt). Definition: Die Schnittmenge A \ B zweier Mengen A und B ist die Menge aller Elemente, die sowohl zu A als auch zu B geho¨ren: A \ B ¼ fx j x 2 A und x 2 Bg ðI-9Þ (gelesen: A geschnitten mit B; Bild I-2)
A
B
Bild I-2
Anmerkung Die Schnittmenge A \ B wird auch als Durchschnitt der Mengen A und B bezeichnet.
4 &
I Allgemeine Grundlagen
Beispiel Wir bestimmen diejenigen reellen x-Werte, die zugleich den beiden Ungleichungen 2 x 4 > 0 und x < 3 genu¨gen: 2x 4 > 0 x < 3
)
)
2x > 4
)
x > 2
)
L 1 ¼ fx j x > 2g
L 2 ¼ fx j x < 3g
Die Schnittmenge von L 1 und L 2 ist die gesuchte Lo¨sungsmenge L: L ¼ L 1 \ L 2 ¼ fx j x > 2 und x < 3g ¼ fx j 2 < x < 3g Besonders anschaulich la¨sst sich dieser Vorgang auf der Zahlengerade darstellen: Die gesuchten Lo¨sungen ergeben sich durch berlappung der Teilmengen L 1 und L 2 (Bild I-3): 2 b werden als Ungleichungen bezeichnet. Zu ihnen za¨hlt man auch die Relationen a b ða kleiner oder gleich b, d. h. entweder a < b oder a ¼ bÞ a b ða gro¨ ßer oder gleich b, d. h. entweder a > b oder a ¼ bÞ Anmerkungen (1)
a < b bzw. a > b bedeuten: Der Bildpunkt von a liegt links bzw. rechts vom Bildpunkt von b (vgl. hierzu die Bilder I-8 und I-10).
(2)
a ¼ b bedeutet: Die Bildpunkte von a und b fallen zusammen (Bild I-9).
Unter dem Betrag einer reellen Zahl a wird der Abstand des zugeordneten Bildpunktes vom Nullpunkt verstanden (Bild I-11). | b| = – b b
| a| = a 0
a
x
Bild I-11 Zum Begriff des Betrages einer Zahl ða > 0, b < 0Þ
8
I Allgemeine Grundlagen
Er wird durch das Symbol 8 > < a jaj ¼ 0 f u¨ r > : a
&
j a j gekennzeichnet und ist stets gro¨ßer oder gleich Null: 9 a > 0> = a ¼ 0 , jaj 0 ðI-15Þ > ; a < 0
Beispiele j3j ¼ 3,
j 5j ¼ 5,
jpj ¼ p,
j cos p j ¼ j 1 j ¼ 1
&
2.3 Teilmengen und Intervalle Wir geben einige besonders wichtige und ha¨ufig auftretende Teilmengen von R an: Spezielle Zahlmengen (Standardmengen) N ¼ f0, 1, 2, . . .g
Menge der natu¨rlichen Zahlen 2Þ
N* ¼ f1, 2, 3, . . .g
Menge der positiven ganzen Zahlen
Z ¼ f0, 1, 2, . . .g n o a mit a 2 Z und b 2 N* Q ¼ xjx ¼ b R
Menge der ganzen Zahlen Menge der rationalen Zahlen Menge der reellen Zahlen
Bei der Beschreibung der Definitions- und Wertebereiche von Funktionen beno¨tigen wir spezielle, als Intervalle bezeichnete Teilmengen von R, die durch zwei Randpunkte begrenzt werden. Sie sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:
Zusammenstellung der wichtigsten Intervalle 1. Endliche Intervalle
ða < bÞ
½ a, b ¼ fx j a x bg ½ a, b Þ ¼ fx j a x < bg ða, b ¼ fx j a < x bg ða, bÞ ¼ fx j a < x < bg
2Þ
abgeschlossenes Intervall
g
halboffene Intervalle offenes Intervall
Die Zahl 0 wird den natu¨rlichen Zahlen zugerechnet.
3 Gleichungen
9
2. Unendliche Intervalle ½ a, 1Þ
¼ fx j a x < 1g
ða, 1Þ
¼ fx j a < x < 1g
ð 1, b ¼ fx j 1 < x bg ð 1, bÞ ¼ fx j 1 < x < bg ð 1, 0Þ ¼ R ð0, 1Þ
¼ Rþ
ð 1, 1Þ ¼ R Anmerkungen
&
(1)
Bei einem abgeschlossenen Intervall geho¨ren beide Randpunkte zum Intervall, bei einem offenen Intervall dagegen keiner, bei einem halboffenen Intervall nur einer der beiden Randpunkte.
(2)
Die in Naturwissenschaft und Technik verwendeten Symbole fu¨r Intervalle weichen ha¨ufig von den in der Mathematik u¨blichen Symbolen ab. So schreibt man beispielsweise fu¨r das Intervall fx j a < x < bg meist in verku¨rzter Form a < x < b.
Beispiele (1)
Bild I-12
[1, 5] 1
(2)
(4)
x
5
Bild I-13
( 3, 2) –3
(3)
1≤ x≤ 5
( 1, 1] ( 5, 1]
–3 < x < 2
x
2
Bild I-14 –∞
–5
–∞ 0: Zwei verschiedene reelle Lo¨sungen D ¼ 0: Eine (doppelte) reelle Lo¨sung D < 0: Keine reellen Lo¨sungen 3Þ
&
Beispiele (1)
2 x 2 4 x þ 6 ¼ 0 j : ð 2Þ
)
x2 þ 2x 3 ¼ 0
D ¼ 1 2 þ 3 ¼ 4 > 0 ) Zwei verschiedene reelle Lo¨sungen pffiffiffi x 1=2 ¼ 1 4 ¼ 1 2 x1 ¼ 1 , (2)
x2 ¼ 3
)
3 x 2 þ 9 x þ 6,75 ¼ 0 j : 3
L ¼ f 3, 1g )
x 2 þ 3 x þ 2,25 ¼ 0
D ¼ 1,5 2 2,25 ¼ 2,25 2,25 ¼ 0 ) Eine (doppelte) reelle Lo¨sung pffiffiffi x 1=2 ¼ 1,5 0 ¼ 1,5 0 ¼ 1,5 ) L ¼ f 1,5g (3)
x 2 4 x þ 13 ¼ 0 D ¼ ð 2Þ 2 13 ¼ 9 < 0
) Keine reellen Lo¨sungen )
L ¼ f g &
3.3 Gleichungen 3. und ho¨heren Grades 3.3.1 Allgemeine Vorbetrachtung Eine algebraische Gleichung n-ten Grades ist in der Form a n x n þ a n1 x n1 þ . . . þ a 1 x þ a 0 ¼ 0
ða n 6¼ 0Þ
ðI-20Þ
darstellbar (sinnvoller Weise nach fallenden Potenzen geordnet). Sie besitzt ho¨chstens n reelle Lo¨sungen, die auch als Wurzeln der Gleichung bezeichnet werden. Ist n ungerade, so existiert mindestens eine reelle Lo¨sung. Fu¨r Gleichungen bis einschließlich 4. Grades lassen sich allgemeine Lo¨sungsformeln herleiten, mit deren Hilfe die Lo¨sungen berechnet werden ko¨nnen. Als Beispiel fu¨hren wir die Cardanische Lo¨sungsformel fu¨r eine Gleichung 3. Grades an.
3Þ
Die Lo¨sungen sind dann sog. (konjugiert) komplexe Zahlen. Sie werden spa¨ter in Kap. VII ausfu¨hrlich behandelt.
12
I Allgemeine Grundlagen
Leider jedoch sind diese Formeln in der Praxis meist zu schwerfa¨llig, sodass man in der Regel auf andere Verfahren ausweicht (z. B. auf graphische oder numerische Na¨herungsverfahren, siehe hierzu das in Kapitel IV dargestellte Tangentenverfahren von Newton). Ist eine Lo¨sung x 1 bekannt, so kann die Gleichung n-ten Grades durch Abspalten des entsprechenden Linearfaktors x x 1 auf eine Gleichung vom Grade n 1 reduziert werden. Auf dieses Thema gehen wir im Zusammenhang mit den Polynomfunktionen (ganzrationalen Funktionen) noch ausfu¨hrlich ein (siehe hierzu Kap. III, Abschnitt 5). Abschließend zeigen wir anhand von Beispielen, wie in Sonderfa¨llen die Lo¨sung einer Gleichung dritten bzw. vierten Grades gelingt.
3.3.2 Kubische Gleichungen vom speziellen Typ a x 3 þ b x 2 þ c x ¼ 0 Kubische Gleichungen der speziellen Form ax3 þ bx2 þ cx ¼ 0
ða 6¼ 0Þ
ðI-21Þ
in denen also das absolute Glied fehlt, lassen sich stets durch Ausklammern der Unbekannten x in eine lineare und eine quadratische Gleichung zerlegen: x ða x 2 þ b x þ cÞ ¼ 0
x ¼ 0
)
x1 ¼ 0
ax2 þ bx þ c ¼ 0
ðI-22Þ
Eine Lo¨sung liegt daher stets bei x 1 ¼ 0, zwei weitere Lo¨sungen ko¨nnen aus der quadratischen Gleichung resultieren (insgesamt bis zu drei Lo¨sungen).
&
Beispiel x3 þ 4x2 þ 3x ¼ 0 x ðx 2 þ 4 x þ 3Þ ¼ 0
x ¼ 0
)
x1 ¼ 0
x2 þ 4x þ 3 ¼ 0
)
x 2=3 ¼ 2 1
Es existieren in diesem Beispiel also genau drei verschiedene Lo¨sungen. Sie lauten: x1 ¼ 0 ,
x2 ¼ 1 ,
x3 ¼ 3
)
L ¼ f 3, 1, 0g
&
3.3.3 Bi-quadratische Gleichungen Eine algebraische Gleichung 4. Grades vom speziellen Typ ax4 þ bx2 þ c ¼ 0
ða 6¼ 0Þ
ðI-23Þ
(es treten nur gerade Potenzen auf) heißt bi-quadratisch und la¨sst sich durch die Substitution u ¼ x 2 in eine quadratische Gleichung u¨berfu¨hren: a u2 þ b u þ c ¼ 0
ðI-24Þ
3 Gleichungen
13
Aus den Lo¨sungen dieser Gleichung erha¨lt man mittels der Ru¨cksubstitution x 2 ¼ u die Lo¨sungen der bi-quadratischen Gleichung. Eine bi-quadratische Gleichung besitzt daher entweder keine reelle Lo¨sung oder aber zwei oder vier reelle Lo¨sungen. Welcher dieser drei Fa¨lle eintritt, ha¨ngt vom Vorzeichen der Lo¨sungen u 1 und u 2 der quadratischen „Hilfsgleichung“ ab (sofern solche Lo¨sungen u¨berhaupt existieren).
&
Beispiel x 4 10 x 2 þ 9 ¼ 0 Substitution: u ¼ x 2 u 2 10 u þ 9 ¼ 0
)
u 1=2 ¼ 5 4
)
u1 ¼ 9 ,
u2 ¼ 1
Ru¨cksubstitution mittels x 2 ¼ u: x2 ¼ u1 ¼ 9
)
x 1=2 ¼ 3
x2 ¼ u2 ¼ 1
)
x 3=4 ¼ 1
Lo¨sungsmenge: L ¼ f 3, 1, 1, 3g
oder
L ¼ f 1, 3g
&
3.4 Wurzelgleichungen Die bisher behandelten Gleichungen konnten durch sog. a¨quivalente Umformungen 4Þ schrittweise vereinfacht und schließlich gelo¨st werden, ohne dass dabei Lo¨sungen hinzukamen oder verschwanden. Bei Wurzelgleichungen, in denen die Unbekannte in rationaler Form innerhalb von Wurzelausdru¨cken auftritt, ist dies im Allgemeinen nicht der Fall, wie das folgende Beispiel zeigt:
&
Beispiel pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 6x 2 þ 5 3x ¼ 0 Der Wurzelausdruck wird zuna¨chst isoliert: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 6x 2 ¼ 3x 5 An dieser Stelle wollen wir eine Vorbetrachtung u¨ber mo¨gliche Lo¨sungen vornehmen. Die Lo¨sungen mu¨ssen na¨mlich zwei Bedingungen erfu¨llen.
4Þ
Bei einer a¨quivalenten Umformung bleibt die Lo¨sungsmenge der Gleichung oder Ungleichung (bezu¨glich derselben Unbekannten) unvera¨ndert. Umformungen, die zu einer Vera¨nderung der Lo¨sungsmenge fu¨hren ko¨nnen (nicht aber mu¨ssen), heißen nichta¨quivalente Umformungen.
14
I Allgemeine Grundlagen
1. Bedingung: Der Radikand der Wurzel darf nicht negativ werden, d. h. also: 6x 2 0
)
6x 2
)
x 1=3
2. Bedingung: Eine Quadratwurzel ist stets gro¨ßer oder gleich Null. Dies muss daher auch fu¨r die rechte Seite der Wurzelgleichung gelten: 3x 5 0
)
3x 5
)
x 5=3
Beide Bedingungen zugleich sind nur fu¨r Lo¨sungen x 5=3 erfu¨llbar. Sollten also im weiteren Verlauf des Lo¨sungsverfahrens Werte auftreten, die diese Bedingung nicht erfu¨llen, so handelt es sich um sog. „Scheinlo¨sungen“ (eine Probe wird das besta¨tigen). Nach dieser Vorbetrachtung wenden wir uns wieder der Lo¨sung der Wurzelgleichung zu und beseitigen zuna¨chst den Wurzelausdruck durch Quadrieren: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 6 x 2 ¼ 3 x 5 j quadrieren
)
2 6x 2 ¼ 3x 5
Dieser Vorgang stellt jedoch eine nichta¨quivalente Umformung dar und kann zu (weiteren) „Scheinlo¨sungen“ fu¨hren, d. h. die neue (quadratische) Gleichung kann (muss aber nicht) mehr Lo¨sungen besitzen als die urspru¨ngliche Wurzelgleichung! Wir lo¨sen jetzt die quadratische Gleichung (nach Vertauschen beider Seiten):
3x 5
2
¼ 9 x 2 30 x þ 25 ¼ 6 x 2
9 x 2 36 x þ 27 ¼ 0 j : 9 x 1=2 ¼ 2
)
)
x2 4x þ 3 ¼ 0
pffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 43 ¼ 2 1 ¼ 21
)
)
x1 ¼ 3 ,
x2 ¼ 1
Der erste Wert erfu¨llt die Bedingung x 5=3, der zweite Wert dagegen nicht („Scheinlo¨sung“). Die Probe durch Einsetzen in die Ausgangsgleichung besta¨tigt unser Ergebnis: x1 ¼ 3
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 6 3 2 þ 5 3 3 ¼ 16 4 ¼ 4 4 ¼ 0
Einzige Lo¨sung der Wurzelgleichung ist somit x 1 ¼ 3: Hinweis Bei Verzicht auf die Vorbetrachtung muss durch Probe (Einsetzen aller gefundenen Werte in die Ausgangsgleichung) festgestellt werden, ob es sich bei den Lo¨sungen der „Hilfsgleichung“ auch um Lo¨sungen der Wurzelgleichung handelt oder um „Scheinlo¨sungen“. In unserem Beispiel ist x 1 ¼ 3 eine Lo¨sung der Wurzelgleichung, der Wert x 2 ¼ 1 dagegen eine „Scheinlo¨sung“. &
3 Gleichungen
15
3.5 Betragsgleichungen Wir zeigen in diesem Abschnitt anhand von Beispielen, wie man sog. Betragsgleichungen in einfachen Fa¨llen durch Fallunterscheidung oder mit Hilfe eines halb-graphischen Verfahrens lo¨sen kann. Eine Betragsgleichung entha¨lt dabei mindestens einen in Betragsstrichen stehenden Term mit der Unbekannten x. Zuna¨chst aber mu¨ssen wir uns mit den Eigenschaften der sog. Betragsfunktion vertraut machen.
3.5.1 Definition der Betragsfunktion Definitionsgema¨ß verstehen wir unter dem Betrag j x j einer reellen Zahl x den Abstand dieser Zahl von der Zahl 0.
&
Beispiel j 4 j ¼ 4,
j 3 j ¼ 3
(Bild I-16)
| – 3|
| 4|
Bild I-16 –3
0
4
x &
Der Abstand zweier Zahlen x und a auf der Zahlengerade ist dann j x a j (siehe Bild I-17): |x – a|
Bild I-17 a
x
x
Der Betrag j x j einer reellen Zahl x kann auch als eine Funktion von x aufgefasst werden. Dies fu¨hrt zu dem Begriff der wie folgt definierten Betragsfunktion: Definition: Unter der Betragsfunktion y ¼ j x j wird die fu¨r alle x 2 R erkla¨rte Funktion 8 9 x 0= < x ðI-25Þ y ¼ j x j¼ f u¨ r : ; x x < 0 verstanden (Bild I-18).
16
I Allgemeine Grundlagen y
y = |x | = x
1
y = |x | = – x
Bild I-18 Schaubild der Betragsfunktion y ¼ j x j 1
x
y=x
Das Schaubild der Betragsfunktion y ¼ j x j erha¨lt man aus der Geraden y ¼ x, indem man den unterhalb der x-Achse liegenden Teil der Geraden an der x-Achse spiegelt, wie man unmittelbar aus Bild I-18 entnehmen kann. Diese Aussage la¨sst sich fu¨r eine beliebige in Betragsstrichen stehende Funktion verallgemeinern: Zeichnerische Konstruktion der Funktion y ¼ j f ðxÞj Das Schaubild der Funktion y ¼ j f ðxÞj erha¨lt man aus dem Schaubild von y ¼ f ðxÞ, indem man alle unterhalb der x-Achse liegenden Kurvenstu¨cke an der x-Achse spiegelt und die bereits oberhalb der x-Achse liegenden Teile unvera¨ndert beibeha¨lt.
Anmerkung Spiegelung an der x-Achse bedeutet fu¨r einen Kurvenpunkt, dass sich das Vorzeichen der Ordinate a¨ndert. Aus der Kurvengleichung y ¼ f ðxÞ wird dabei die Kurvengleichung y ¼ g ðxÞ ¼ f ðxÞ. Regel: Spiegelung an der x-Achse
&
) Multiplikation der Funktionsgleichung mit 1.
Beispiele (1)
Wie verla¨uft die Funktion y ¼ j x 2 j? Lo¨sung: Wir zeichnen zuna¨chst die „Hilfsgerade“ y ¼ x 2 und spiegeln dann den unterhalb der x-Achse gelegenen Teil der Geraden an dieser Achse. Bild I-19 verdeutlicht diesen Vorgang und zeigt den Verlauf der Betragsfunktion y ¼ j x 2 j.
3 Gleichungen
17 y
y = | x – 2 | = – (x– 2) 2
y = | x – 2 | = x– 2
1
–1
1
2
5
x
Bild I-19 Schaubild der Funktion y ¼j x 2 j
y=x–2 –2
Die Funktionsgleichung y ¼ j x 2 j la¨sst sich abschnittsweise wie folgt durch einfache Gleichungen beschreiben: 8 9 x 2= < x 2 y ¼j x 2 j¼ f u¨ r : ; ðx 2Þ x < 2 (2)
Wir untersuchen das Kurvenbild von y ¼ j x 2 1 j. Zuna¨chst zeichnen wir die „Hilfsfunktion“ y ¼ x 2 1 (Parabel), spiegeln dann das unterhalb der x-Achse gelegene Kurvenstu¨ck (Parabel zwischen x ¼ 1 und x ¼ 1) an dieser Achse und erhalten auf diese Weise das Schaubild der Betragsfunktion y ¼ j x 2 1 j (Bild I-20).
y
y = | x 2 – 1| 1
–1
1 –1
x y= x2–1
Bild I-20 Schaubild der Funktion y ¼ j x2 1 j
18
I Allgemeine Grundlagen
Abschnittsweise la¨sst sich diese Funktion auch wie folgt durch einfache Gleichungen beschreiben: 8 9 j x j 1= < x2 1 y ¼j x 2 1 j ¼ f u¨ r : ; jxj 1 ðx 2 1Þ &
3.5.2 Analytische Lo¨sung einer Betragsgleichung durch Fallunterscheidung (Beispiel) Die Betragsgleichung j x þ 2 j 2 j x 3 j ¼ 4 la¨sst sich durch Fallunterscheidungen auf einfachere und leicht lo¨sbare lineare Gleichungen zuru¨ckfu¨hren. Dabei ha¨ngt alles vom Vorzeichen der beiden Terme T 1 ðxÞ ¼ x þ 2 und T 2 ðxÞ ¼ x 3 ab, die in der Gleichung zwischen den Betragsstrichen stehen. Diese Betra¨ge lassen sich wie folgt abschnittsweise durch einfache Ausdru¨cke ersetzen: 8 9 x þ 2 0 ) x 2= < ðx þ 2Þ jx þ 2j¼ f u¨ r : ; ðx þ 2Þ x þ 2 0 ) x 2
jx 3j¼
8 < :
ðx 3Þ
x 3 0
9 ) x 3=
x 3 0
) x 3
f u¨ r ðx 3Þ
;
Daher sind insgesamt drei Fa¨lle zu unterscheiden: x < 2;
2 x 3;
x > 3
Alles weitere ha¨ngt davon ab, welches Vorzeichen die Terme T 1 ðxÞ ¼ x þ 2 und T 2 ðxÞ ¼ x 3 in diesen Intervallen haben. Ist ein Term positiv, du¨rfen wir die Betragsstriche weglassen (wir setzen dann eine Klammer), anderenfalls mu¨ssen wir den Term mit 1 multiplizieren (wir setzen wieder eine Klammer und vor die Klammer ein Minuszeichen). 1. Fall: Lo¨sungen im Intervall x < 2 In diesem Intervall sind beide Terme negativ: x þ2 < 0
und
x 3 < 0
Somit gilt: j x þ 2 j 2 j x 3 j¼ 4 |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} 3 Beide Terme sind in diesem Intervall positiv. Daher gilt: j x þ 2 j 2 j x 3 j ¼ 4 |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} >0 >0
)
x þ 2 2x þ 6 ¼ 4
x þ 8 ¼ 4
)
ðx þ 2Þ 2 ðx 3Þ ¼ 4 )
)
x ¼ 4
)
x3 ¼ 4
Wegen x 3 ¼ 4 > 3 haben wir eine weitere Lo¨sung der Betragsgleichung. Die Probe besta¨tigt unser Ergebnis: j 4 þ 2 j 2 j 4 3 j ¼j 6 j 2 j 1 j ¼ 6 2 1 ¼ 6 2 ¼ 4 Lo¨sungen:
L ¼ f8=3, 4g
3.5.3 Lo¨sung einer Betragsgleichung auf halb-graphischem Wege (Beispiel) Die Betragsgleichung j x 2 j ¼ x2 kann wie folgt auf halb-graphischem Wege gelo¨st werden: Wir fassen die beiden Seiten der Gleichung als Funktionen von x auf, setzen also y1 ¼ j x 2 j
und
y2 ¼ x2
20
I Allgemeine Grundlagen
und bringen die Kurven zum Schnitt. Die Lo¨sungen der Betragsgleichung sind dann die Abszissenwerte der Kurvenschnittpunkte (Bild I-21). Aus dem Bild entnehmen wir, dass es genau zwei Schnittpunkte und damit zwei Lo¨sungen gibt. y
y2 = x 2
y 1 = | x – 2| = – (x – 2) ( für x < 2)
y 1 = | x – 2| = x – 2 ( für x ≥ 2)
1
–2
–1
1
2
5
x
Bild I-21 Zur Lo¨sung der Betragsgleichung j x 2 j ¼ x 2 auf halb-graphischem Wege
Bei einer einigermaßen genauen Zeichnung ko¨nnen diese Werte direkt abgelesen werden, jedoch mit keiner allzu großen Genauigkeit. Rechnerisch erha¨lt man sie nach Bild I-21 u¨ber die Schnittpunkte der Geraden y ¼ ðx 2Þ ¼ x þ 2 mit der Parabel y ¼ x 2 , da die Betragsfunktion y ¼ j x 2 j im Intervall x 2, in dem die beiden Lo¨sungen liegen, mit der Geraden y ¼ ðx 2Þ ¼ x þ 2 zusammenfa¨llt: x2 ¼ x þ 2 x 1=2
) x2 þ x 2 ¼ 0 ) rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffi 1 1 1 9 1 3 þ2 ¼ ¼ ¼ 2 4 2 4 2 2
x1 ¼ 1 ,
)
x2 ¼ 2
L¨osungsmenge : L ¼ f 2, 1g
4 Ungleichungen Wir bescha¨ftigen uns in diesem Abschnitt mit Ungleichungen, die noch eine unbekannte Gro¨ße x enthalten. Die Lo¨sungsmengen sind in der Regel Intervalle. hnlich wie bei einer Gleichung kann man auch hier versuchen, die vorgegebene Ungleichung durch a¨quivalente Umformungen zu lo¨sen.
4 Ungleichungen
21
Dabei sind die folgenden Regeln zu beachten: quivalente Umformungen einer Ungleichung Die Lo¨sungsmenge einer Ungleichung bleibt bei Anwendung der folgenden Operationen unvera¨ndert erhalten (sog. a¨quivalente Umformungen einer Ungleichung): 1. Auf beiden Seiten einer Ungleichung darf ein beliebiger Term T ðxÞ addiert oder subtrahiert werden. 2. Eine Ungleichung darf mit einer beliebigen positiven Zahl multipliziert oder durch eine solche Zahl dividiert werden. 3. Eine Ungleichung darf mit einer beliebigen negativen Zahl multipliziert oder durch eine solche Zahl dividiert werden, wenn gleichzeitig das Relationszeichen der Ungleichung wie folgt gea¨ndert wird: Aus aus aus aus
< >
wird wird wird wird
>, , 3 x þ2
ðx 6¼ 2Þ
Wir lo¨sen diese Ungleichung wie folgt. Zuna¨chst beseitigen wir den Bruch, indem wir beidseitig mit dem Term x þ 2 multiplizieren und dabei beachten, welches Vorzeichen dieser Term besitzt. Wir mu¨ssen daher die Fa¨lle x þ 2 > 0 und x þ 2 < 0 unterscheiden (der Fall x þ 2 ¼ 0 und somit x ¼ 2 scheidet aus, da die Division durch 0 verboten ist). 1. Fall: x þ 2 > 0
)
x > 2
Das Relationszeichen der Ungleichung bleibt erhalten: 2x 1 > 3 j ðx þ 2Þ x þ2
)
2x 1 > 3x þ 6
x > 7 j ð 1Þ
)
2 x 1 > 3 ðx þ 2Þ )
)
x < 7
(wir haben mit einer negativen Zahl multipliziert, daher ist das Zeichen > durch das Zeichen < zu ersetzen).
22
I Allgemeine Grundlagen
Die „Lo¨sung“ steht im Widerspruch zum angenommenen Fall x > 2. Somit handelt es sich um eine „Scheinlo¨sung“. 2. Fall: x þ 2 < 0
)
x < 2
Wir multiplizieren die Ungleichung jetzt also mit einem negativen Term, daher ist das Relationszeichen zu a¨ndern (aus > wird 3 j ðx þ 2Þ x þ2
)
2x 1 < 3x þ 6
x < 7 j ð 1Þ
)
2 x 1 < 3 ðx þ 2Þ )
)
x > 7
(Multiplikation mit der negativen Zahl 1, aus < wird daher >). Die Bedingung x < 2 wird aber nur fu¨r x-Werte erfu¨llt, die zwischen 7 und 2 liegen. Lo¨sung: 7 < x < 2 (2)
x 1
2
jxj
Wir lo¨sen diese Ungleichung auf sehr anschauliche Weise wie folgt: Linke und rechte Seite der Ungleichung werden als Funktionen von x aufgefasst: 2 y1 ¼ x 1
Parabel
y2 ¼ j x j
und
Betragsfunktion
Die Ungleichung la¨sst sich dann auch in der Form y 1 y 2 darstellen. Lo¨sungen sind damit alle x-Werte, fu¨r die die Parabel unterhalb der Betragsfunktion bleibt, wobei die Schnittpunkte zur Lo¨sungsmenge geho¨ren. Wir zeichnen beide Kurven und erkennen anhand des Bildes I-22, dass diese Bedingung genau zwischen den beiden Kurvenschnittpunkten erfu¨llt ist. y y1 = (x –1) 2
y 2 = | x|
1
–1
1 0,38
5 2,62
Bild I-22 Zur Lo¨sung der Ungleichung
x 1
2
jxj
x
5 Lineare Gleichungssysteme 2 Diese erha¨lt man durch Gleichsetzen der Funktionen y 1 ¼ x 1 y 2 ¼ j x j ¼ x (fu¨r x 0) 5Þ : 2 x 1 ¼ x ) x2 2x þ 1 ¼ x ) x2 3x þ 1 ¼ 0 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 1=2 ¼ 1,5 1,5 2 1 ¼ 1,5 1,25 ¼ 1,5 1,12 ) x 1 ¼ 2,62 ,
23 und )
x 2 ¼ 0,38
Lo¨sungsmenge: 0,38 x 2,62
&
5 Lineare Gleichungssysteme In diesem Abschnitt behandeln wir das unter der Bezeichnung Gaußscher Algorithmus bekannte Verfahren zur Lo¨sung eines linearen Gleichungssystems. Auf lineare Gleichungssysteme sto¨ßt man in den technischen Anwendungen beispielsweise bei der Behandlung und Lo¨sung der folgenden Probleme: Berechnung der Stabkra¨fte in einem Fachwerk (z. B. Kranausleger, Bru¨cken) Bestimmung der Stro¨me bzw. Spannungen in einem elektrischen Netzwerk Berechnung der Eigenfrequenzen eines schwingungsfa¨higen Systems
5.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel Es sei ein lineares Gleichungssystem mit drei Gleichungen und drei unbekannten Gro¨ßen x, y und z vorgegeben: ðIÞ ðIIÞ ðIIIÞ
x þ
yþ
z ¼ 0
x 3y 2z ¼ 5 5x þ
ðI-26Þ
y þ 4z ¼ 3
Das von Gauß stammende Verfahren zur Lo¨sung eines solchen Gleichungssystems ist ein Eliminationsverfahren, das schrittweise eine Unbekannte nach der anderen eliminiert, bis nur noch eine Gleichung mit einer einzigen Unbekannten u¨brigbleibt. In unserem Beispiel eliminieren wir zuna¨chst die unbekannte Gro¨ße x wie folgt: Wir addieren zur 2. Gleichung die 1. Gleichung und zur 3. Gleichung das 5-fache der 1. Gleichung. Bei der Addition fa¨llt dann jeweils die Unbekannte x heraus:
5Þ
Anhand der Skizze erkennt man, dass die gesuchten Kurvenschnittpunkte im Bereich positiver x-Werte liegen. Die Betragsfunktion y 2 ¼ j x j ist dort aber identisch mit der Geraden y ¼ x, die daher die Pa 2 an den gleichen Stellen schneidet wie die Betragsfunktion. rabel y 1 ¼ x 1
24
I Allgemeine Grundlagen
ðIIÞ ðIÞ ðI*Þ
x 3y 2z ¼ 5 x þ
yþ
z ¼ 0
2y
z ¼ 5
)
ðIIIÞ
þ
ð5 IÞ ðII*Þ
5x þ
y þ 4z ¼ 3
5x þ 5y þ 5z ¼ 0
) þ
6y þ 9z ¼ 3
Damit haben wir das lineare Gleichungssystem auf zwei Gleichungen mit den beiden Unbekannten y und z reduziert: ðI*Þ ðII*Þ
2y
z ¼ 5
6y þ 9z ¼ 3
Nun wird das Verfahren wiederholt. Um die zweite Unbekannte y zu eliminieren, addieren wir zur Gleichung (II*) das 3-fache der Gleichung (I*): ) ðII*Þ 6y þ 9z ¼ 3 þ ð3 I*Þ 6 y 3 z ¼ 15 ðI**Þ
6 z ¼ 18
(Alternative: Erst Gleichung (II*) durch 3 dividieren, dann zu Gleichung (I*) addieren.) Die beiden eliminierten Gleichungen (I) und (I*) bilden dann zusammen mit der u¨briggebliebenen Gleichung (I**) ein sog. gestaffeltes Gleichungssystem, aus dem der Reihe nach von unten nach oben die drei Unbekannten x, y und z berechnet werden ko¨nnen: ðIÞ ðI*Þ
x þ
yþ
z ¼ 0
2y
z ¼ 5
ðI**Þ
ðI-27Þ
6 z ¼ 18
x
y
z
ci
1
1
1
0
(II)
1
3
2
5
(III)
5
1
4
3
(I)
|fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
Aus der letzten Gleichung folgt z ¼ 3. Durch Einsetzen dieses Wertes in die daru¨ber stehende Gleichung erha¨lt man fu¨r y den Wert 4. Aus der 1. Gleichung schließlich ergibt sich x ¼ 1, wenn wir in diese Gleichung fu¨r y und z die bereits bekannten Werte einsetzen. Das vorgegebene lineare Gleichungssystem besitzt daher genau eine Lo¨sung x ¼ 1, y ¼ 4, z ¼ 3. Um den Lo¨sungsweg zu verku¨rzen, werden die einzelnen Gleichungen in verschlu¨sselter Form durch ihre Koeffizienten und Absolutglieder ðc i Þ wie folgt repra¨sentiert:
Stets Leerzeilen f u¨ r sp¨atere Rechenschritte einplanen!
5 Lineare Gleichungssysteme
25
Um die Unbekannte x zu eliminieren, wird zur 2. Zeile die 1. Zeile und zur 3. Zeile das 5-fache der 1. Zeile addiert. Wir erhalten zwei neue (verschlu¨sselte) Gleichungen mit den unbekannten Gro¨ßen y und z, die wir durch (I*) und (II*) kennzeichnen: y
z
ci
(I)
1
1
1
0
(II) ð1 IÞ
1 1
3 1
2 1
5 0
(III) ð5 IÞ
5 5
1 5
4 5
3 0
2
1
5
6
9
3
(I*) (II*)
|fflfflfflfflffl{zfflfflfflfflffl}
x
Leerzeilen einplanen!
Nun addieren wir zur 2. Zeile (II*) das 3-fache der 1. Zeile (I*) und erhalten in verschlu¨sselter Form eine Gleichung (I**) mit der Unbekannten z. Das Rechenschema ist jetzt ausgefu¨llt und besitzt die folgende Gestalt: x
y
z
ci
(I)
1
1
1
0
1
(II) ð1 IÞ
1 1
3 1
2 1
5 0
1 1
(III) ð5 IÞ
5 5
1 5
4 5
3 0
13 5
(I*)
2
1
5
2
(II*) ð3 I*Þ
6 6
9 3
3 15
18 6
6
18
24
(I**)
si
Eingebaut wurde noch als Rechenkontrolle die sog. Zeilensummenprobe. Die durch s i gekennzeichnete letzte Spalte des Rechenschemas entha¨lt jeweils die Summe aller in einer Zeile stehenden Zahlen (Koeffizienten und Absolutglied). Mit Hilfe der Zeilensummen lassen sich die einzelnen Rechenschritte wie folgt kontrollieren:
26
I Allgemeine Grundlagen
Wir greifen als Beispiel die 3. Zeile (III) heraus. Ihre Zeilensumme betra¨gt 13 ðdenn 5 þ 1 þ 4 þ 3 ¼ 13Þ. Addiert man zur 3. Zeile das 5-fache der 1. Zeile, so erha¨lt man die neue Zeile ðII*Þ ¼ ðIIIÞ þ ð5 IÞ, deren Zeilensumme sich auf zwei Arten bestimmen la¨sst: Durch Addition der in der neuen Zeile stehenden Zahlen (Ergebnis: 6 þ 9 þ 3 ¼ 18) oder durch Addition des 5-fachen Zeilensummenwertes der 1. Zeile zum Zeilensummenwert der 3. Zeile (Ergebnis: 13 þ 5 1 ¼ 18Þ. Beide Rechenwege mu¨ssen bei richtiger Rechnung stets zum selben Ergebnis fu¨hren (hier: Zeilensummenwert 18). Damit haben wir ohne großen zusa¨tzlichen Rechenaufwand eine effektive Kontrollmo¨glichkeit. Aus dem Rechenschema erha¨lt man dann durch Zusammenfassung der eliminierten Zeilen (I) und (I*) und der letzten Zeile (I**) das gestaffelte Gleichungssystem (I-27), aus dem sich die Lo¨sung ohne Schwierigkeiten berechnen la¨sst, wie wir bereits gezeigt haben (die drei Gleichungen des gestaffelten Systems haben wir zusa¨tzlich durch Grauunterlegung gekennzeichnet).
5.2 Der Gaußsche Algorithmus Lineare Gleichungssysteme bestehen aus m linearen Gleichungen mit n unbekannten Gro¨ßen x 1 , x 2 , . . . , x n . Innerhalb einer jeden Gleichung treten dabei die Unbekannten in linearer Form, d. h. in der 1. Potenz auf, versehen noch mit einem konstanten Koeffizienten. Definition: Das aus m linearen Gleichungen mit n Unbekannten x 1 , x 2 , . . . , x n bestehende System vom Typ a11 x1 þ a12 x2 þ . . . þ a1n xn ¼ c1 a21 x1 þ a22 x2 þ . . . þ a2n xn ¼ c2 .. .. . .
ðI-28Þ
a m 1x 1 þ a m 2 x 2 þ . . . þ a m n x n ¼ c m heißt ein lineares Gleichungssystem. Die reellen Zahlen a i k sind die Koeffizienten des Systems, die reellen Zahlen c i werden als Absolutglieder bezeichnet ði ¼ 1, 2, . . . , m; k ¼ 1, 2, . . . , nÞ. Ein lineares Gleichungssystem heißt homogen, wenn alle Absolutglieder c 1 , c 2 , . . . , c m verschwinden. Andernfalls wird das Gleichungssystem als inhomogen bezeichnet. Wir beschra¨nken uns im folgenden auf den in den Anwendungen wichtigsten Fall eines sog. quadratischen linearen Gleichungssystems, bei dem die Anzahl der unbekannten Gro¨ßen mit der Anzahl der Gleichungen u¨bereinstimmt ðm ¼ nÞ: a11 x1 þ a12 x2 þ . . . þ a1n xn ¼ c1 a21 x1 þ a22 x2 þ . . . þ a2n xn ¼ c2 .. .. . . an1 x1 þ an2 x2 þ . . . þ ann xn ¼ cn
ðI-29Þ
5 Lineare Gleichungssysteme
27
Matrizendarstellung eines linearen Gleichungssystems Die Koeffizienten a i k des Systems lassen sich wie folgt zu einer sog. Koeffizientenmatrix A zusammenfassen: 1 0 a11 a12 . . . a1n C Ba B 21 a22 . . . a2n C ðI-30Þ A ¼ B .. C C B .. @ . . A an1
an2
...
ann
Sie entha¨lt n Zeilen und n Spalten und wird daher auch als n-reihige quadratische Matrix bezeichnet. Die n Unbekannten x 1 , x 2 , . . . , x n fassen wir zu einem Spaltenvektor ~ x zusammen, ebenso die n Absolutglieder c 1 , c 2 , . . . , c n zu einem Spaltenvektor ~ c: 0 1 0 1 c1 x1 Bx C Bc C B 2C B 2C C C ~ ~ c ¼ B ðI-31Þ x ¼ B B .. C; B .. C @ . A @ . A xn
cn
Der Spaltenvektor ~ x heißt in diesem Zusammenhang auch Lo¨sungsvektor des Systems. Ein Spaltenvektor wie ~ x oder ~ c kann auch als eine spezielle Matrix mit n Zeilen und einer Spalte aufgefasst werden und wird daher auch als Spaltenmatrix bezeichnet. Das quadratische lineare Gleichungssystem ist dann mit diesen Bezeichnungen in der wesentlich ku¨rzeren Matrizenform A~ x ¼~ c
ðI-32Þ
darstellbar. In ausfu¨hrlicher Schreibweise lautet diese Matrizengleichung wie folgt: 10 1 0 0 1 a11 a12 . . . a1n c1 x1 C C C Ba B B B 21 a22 . . . a2n C B x2 C B c2 C B . C B C B C ¼ ðI-33Þ .. C B .. C B . B .. C @ . @ . A . A@ . A xn cn an1 an2 . . . ann Die linke Seite dieser Gleichung ist ein sog. Matrizenprodukt, gebildet aus der Koeffizientenmatrix A und der Spaltenmatrix ~ x. Die erste Gleichung des linearen Gleichungssystems (I-29) erhalten wir dann, indem wir die Elemente der 1. Zeile von A der Reihe nach mit den entsprechenden Elementen der Spaltenmatrix ~ x multiplizieren, alle Produkte anschließend aufaddieren und diese Summe schließlich mit dem 1. Element der auf der rechten Gleichungsseite stehenden Spaltenmatrix ~ c gleichsetzen (wir haben diese Rechenvorschrift in Gleichung (I-33) durch Grauunterlegung verdeutlicht): a11 x1 þ a12 x2 þ . . . þ a1n xn ¼ c1 Analog erha¨lt man die restlichen Gleichungen des linearen Gleichungssystems.
ðI-34Þ
28
I Allgemeine Grundlagen
In Band 2 werden wir auf die Matrizenmultiplikation noch ausfu¨hrlich eingehen (Kap. I u¨ber Lineare Algebra). Die Schreibweise A ~ x ¼~ c fu¨r ein lineares Gleichungssystem soll an dieser Stelle lediglich als eine formale Kurzschreibweise angesehen werden. quivalente Umformungen eines linearen Gleichungssystems Um ein vorgegebenes lineares Gleichungssystem vom Typ (I-29) oder (I-32) lo¨sen zu ko¨nnen, muss es zuna¨chst mit Hilfe a¨quivalenter Umformungen in ein sog. gestaffeltes System vom Typ a *1 1 x 1 þ a *1 2 x 2 þ . . . þ a *1 n x n ¼ c *1 a *2 2 x 2 þ . . . þ a *2 n x n ¼ c *2 .. .
ðI-35Þ
a *n n x n ¼ c *n u¨bergefu¨hrt werden, aus dem dann die n Unbekannten nacheinander berechnet werden ko¨nnen: Zuerst x n aus der letzten Gleichung, dann x n 1 aus der vorletzten Gleichung usw. Als a¨quivalente Umformungen sind dabei folgende Operationen zugelassen:
quivalente Umformungen eines linearen Gleichungssystems Die Lo¨sungsmenge eines linearen Gleichungssystems A ~ x ¼~ c bleibt bei Anwendung der folgenden Operationen unvera¨ndert erhalten (sog. a¨quivalente Umformungen eines linearen Gleichungssystems): 1. Zwei Gleichungen du¨rfen miteinander vertauscht werden. 2. Jede Gleichung darf mit einer beliebigen von Null verschiedenen Zahl multipliziert oder durch eine solche Zahl dividiert werden. 3. Zu jeder Gleichung darf ein beliebiges Vielfaches einer anderen Gleichung addiert werden.
Beschreibung des Eliminationsverfahrens von Gauß (Gaußscher Algorithmus) Wir geben nun eine kurze Beschreibung des von Gauß stammenden Rechenverfahrens, das die berfu¨hrung eines vorgegebenen linearen Gleichungssystems in ein gestaffeltes System ermo¨glicht. Dabei bedienen wir uns der in Abschnitt 5.1 dargestellten verku¨rzten Schreibweise: Jede Gleichung des Systems wird durch ihre Koeffizienten und ihr Absolutglied repra¨sentiert, die in Form einer Zeile angeordnet werden. Hinzu kommt (zur Rechenkontrolle) die Zeilensumme). Die oben genannten a¨quivalenten Umformungen gelten dann auch fu¨r die Zeilen im Rechenschema. Das Gaußsche Eliminationsverfahren verla¨uft schrittweise wie folgt, wobei wir zuna¨chst davon ausgehen, dass die Unbekannten in der Reihenfolge x 1 , x 2 , . . . , x n 1 eliminiert werden:
5 Lineare Gleichungssysteme
29
(1)
Im 1. Rechenschritt wird das lineare Gleichungssystem durch Eliminieren der Unbekannten x 1 auf n 1 Gleichungen mit den n 1 Unbekannten x 2 , x 3 , . . . , a21 x n reduziert. Dazu wird die 1. Gleichung (Zeile) mit dem Faktor multiplia11 ziert und zur 2. Gleichung (Zeile) addiert, wobei die Unbekannte x 1 verschwindet. Ebenso verfa¨hrt man mit den u¨brigen Gleichungen (Zeilen). Allgemein addiert man ai1 zur i-ten Gleichung (Zeile) das - fache der 1. Gleichung (Zeile) a11 ði ¼ 2, 3, . . . , nÞ. Bei der Addition verschwindet jeweils die Unbekannte x 1 und mit ihr die 1. Gleichung (Zeile).
(2)
Das unter (1) beschriebene Verfahren wird jetzt auf das reduzierte System, bestehend aus n 1 Gleichungen mit den n 1 unbekannten Gro¨ßen x 2 , x 3 , . . . , x n angewandt. Dadurch wird die na¨chste Unbekannte ðx 2 Þ eliminiert. Nach insgesamt n 1 Schritten bleibt eine einzige Gleichung (Zeile) mit einer Unbekannten ðx n Þ u¨brig.
(3)
Die eliminierten Gleichungen (Zeilen) bilden zusammen mit der letzten Gleichung (Zeile) das gestaffelte Gleichungssystem, aus dem sich die Unbekannten sukzessive in der Reihenfolge x n , x n 1 , . . . , x 1 berechnen lassen.
Das beschriebene Verfahren wird als Gaußsches Eliminationsverfahren oder Gaußscher Algorithmus bezeichnet und la¨sst sich schematisch wie folgt darstellen:
Schematischer Lo¨sungsweg beim Gaußschen Eliminationsverfahren (Gaußscher Algorithmus) n n
I
x 1, . . . , x n
n1 n1
I
x 2, . . . , x n
n2 n2
I
x 3, . . . , x n
1 1 xn
Obere Zahl: Anzahl der noch vorhandenen Gleichungen Untere Zahl: Anzahl der noch vorhandenen Unbekannten Unter den Ka¨sten sind die jeweils noch vorhandenen Unbekannten aufgefu¨hrt. Anmerkungen (1) Es spielt dabei keine Rolle, in welcher Reihenfolge die Unbekannten eliminiert werden. (2) Der Gaußsche Algorithmus ist auch auf den allgemeinen Fall eines (m, n)-Systems anwendbar (m: Anzahl der Gleichungen; n: Anzahl der unbekannten Gro¨ßen). Fu¨r m ¼ n erha¨lt man ein quadratisches System, das daher auch als (n, n)-System bezeichnet wird. (3) Gegebenenfalls mu¨ssen die Unbekannten noch umgestellt, d. h. umnumeriert werden.
30
I Allgemeine Grundlagen
Lo¨sungsverhalten eines linearen Gleichungssystems Ein inhomogenes Gleichungssystem besitzt entweder genau eine Lo¨sung oder unendlich viele Lo¨sungen oder aber u¨berhaupt keine Lo¨sung. Treten unendlich viele Lo¨sungen auf, d. h. ist das System nicht eindeutig lo¨sbar, so ist mindestens eine der n unbekannten Gro¨ßen x 1 , x 2 , . . . , x n frei wa¨hlbar und wird in diesem Zusammenhang als Parameter bezeichnet. Die Lo¨sungen des inhomogenen linearen Gleichungssystems ha¨ngen in diesem Fall noch von einem oder sogar mehreren Parametern ab. Beispiele hierzu folgen am Ende dieses Abschnitts. Im Gegensatz zu einem inhomogenen linearen Gleichungssystem ist ein homogenes System stets lo¨sbar. Es besitzt die Gestalt a11 x1 þ a12 x2 þ . . . þ a1n xn ¼ 0 a21 x1 þ a22 x2 þ . . . þ a2n xn ¼ 0 .. .. . . an1 x1 þ an2 x2 þ . . . þ ann xn ¼ 0
A~ x ¼~ 0
oder
ðI-36Þ
und damit in jedem Fall die sog. triviale Lo¨sung x1 ¼ 0 ,
x 2 ¼ 0,
... ,
xn ¼ 0
oder
~ x ¼~ 0
ðI-37Þ
wie man durch Einsetzen dieser Werte in das System (I-36) leicht nachrechnet 6). Falls weitere Lo¨sungen vorliegen, sind dies immer unendlich viele. Mit anderen Worten: Ein homogenes lineares Gleichungssystem besitzt entweder genau eine Lo¨sung, na¨mlich die triviale Lo¨sung x 1 ¼ x 2 ¼ . . . ¼ x n ¼ 0, oder aber unendlich viele Lo¨sungen, die dann noch von mindestens einem Parameter abha¨ngen. Wir fassen zusammen:
Lo¨sungsverhalten eines linearen Gleichungssystems 1. Inhomogenes lineares Gleichungssystem A ~ x ¼~ c (mit ~ c 6¼ ~ 0) Das System besitzt entweder genau eine Lo¨sung oder unendlich viele Lo¨sungen oder u¨berhaupt keine Lo¨sung. 2. Homogenes lineares Gleichungssystem A ~ x ¼~ 0 Das System besitzt entweder genau eine Lo¨sung, na¨mlich die triviale Lo¨sung ~ x ¼~ 0 oder unendlich viele Lo¨sungen, die noch von mindestens einem Parameter abha¨ngen.
6Þ
Ein Spaltenvektor, der nur Nullen entha¨lt, wird als Nullvektor bezeichnet und durch das Symbol ~ 0 gekennzeichnet.
5 Lineare Gleichungssysteme
31
Anmerkungen
&
(1)
Diese Aussagen gelten auch fu¨r nicht-quadratische lineare Gleichungssysteme.
(2)
Lineare Gleichungssysteme mit 2, 3, . . . , n Lo¨sungen gibt es nicht!
Beispiele (1)
Wir lo¨sen das aus vier Gleichungen mit ebenso vielen Unbekannten bestehende inhomogene lineare Gleichungssystem x 1 3 x 2 þ 1,5 x 3 2 x1 þ
x 4 ¼ 10,4
x 2 þ 3,5 x 3 þ 2 x 4 ¼ 16,5
x 1 2 x 2 þ 1,2 x 3 þ 2 x 4 ¼ 3 x1 þ
x2
0
x 3 3 x 4 ¼ 0,7
unter Verwendung des Gaußschen Algorithmus. Die Eliminationszeilen bezeichnen wir dabei der Reihe nach mit E 1 , E 2 und E 3 . Die im Rechenschema nicht beno¨tigten Leerzeilen werden im folgenden stets weggelassen.
E1 2 E1 1 E1 3 E1
x1
x2
x3
x4
ci
si
1
3
1,5
1
10,4
11,9
2
1
3,5
2
16,5
12
2
6
3
2
20,8
23,8
1
2
1,2
2
0
2,2
1
3
1,5
1
10,4
11,9
3
1
1
3
0,7
0,7
3
9
4,5
3
31,2
35,7 35,8
5
6,5
0
37,3
5 E2
5
1,5
15
52
70,5
E2
1
0,3
3
10,4
14,1
10
5,5
10 E 2
10
2 E3 E3
3
0 30
30,5 104
5
15
5
60
14,7
2,5
30
73,5
45
132,3
147
35 141 34,7 212 106 177,3
32
I Allgemeine Grundlagen
Das gestaffelte System lautet somit (es besteht aus den Zeilen E 1 , E 2 , E 3 und der letzten Zeile): x 1 3 x 2 þ 1,5 x 3
x 4 ¼ 10,4
)
x1 ¼
10,4
)
x 2 ¼ 0,184
2,5 x 3 30 x 4 ¼ 73,5
)
x 3 ¼ 5,88
45 x 4 ¼ 132,3
)
x4 ¼
x 2 0,3 x 3 þ 3 x 4 ¼
0,808
" " "
2,94
Wir lo¨sen es von unten nach oben (durch Pfeile gekennzeichnet): Die eindeutig bestimmte Lo¨sung ist x 1 ¼ 0,808, x 2 ¼ 0,184, x 3 ¼ 5,88, x 4 ¼ 2,94. Das in der Matrizenform dargestellte homogene lineare Gleichungssystem 0 10 1 0 1 1 1 2 x 0 B CB C B C @1 1 2A @yA ¼ @0A 2 3 4 z 0 besitzt, wie wir gleich zeigen werden, unendlich viele Lo¨sungen. Das Rechenverfahren nach Gauß liefert zuna¨chst: x
y
z
ci
si
E1
1
1
2
0
0
1
1
2
0
2
1 E1
1
1
2
0
0
2
3
4
0
1
2
2
4
0
0
2
0
0
2
2 E2
2
0
0
2
E2
1
0
0
1
0
0
0
2 E1
(2)
Proportionale Zeilen
Die letzte (grau unterlegte) Zeile fu¨hrt zu der Gleichung 0z ¼ 0 Sie ist fu¨r jedes z 2 R erfu¨llt, d. h. die Gro¨ße z ist ein frei wa¨hlbarer Parameter (wir setzen dafu¨r, wie allgemein u¨blich, z ¼ l mit l 2 R). Denn ein Produkt aus zwei Faktoren, bei dem einer der beiden Faktoren verschwindet (hier ist es der linke Faktor), hat stets den Wert Null und zwar unabha¨ngig vom Wert des zweiten Faktors.
5 Lineare Gleichungssysteme
33
Das gestaffelte System, bestehend aus den Zeilen E 1 , E 2 und der letzten Zeile, lautet damit: x þ y 2z ¼ 0 yþ0z ¼ 0 0z ¼ 0
) ) )
x ¼ 2l y ¼ 0 z ¼ l
ðl 2 RÞ
" "
Die sukzessiv von unten nach oben berechnete Lo¨sungsmenge ist x ¼ 2 l, y ¼ 0, z ¼ l mit l 2 R. Das vorliegende homogene lineare Gleichungssystem besitzt demnach unendlich viele, noch von einem reellen Parameter l abha¨ngende Lo¨sungen. So erha¨lt man beispielsweise fu¨r l ¼ 3 die spezielle Lo¨sung x ¼ 6, y ¼ 0, z ¼ 3 , fu¨r den Parameterwert l ¼ 2,5 dagegen die spezielle Lo¨sung x ¼ 5, y ¼ 0, z ¼ 2,5. Anmerkung Bereits nach der Durchfu¨hrung der ersten Schritte kann man erkennen, dass das System unendlich viele Lo¨sungen besitzt: Die beiden Zeilen (Gleichungen) ð 2; 0; 0Þ und ð1; 0; 0Þ (jeweils ohne Zeilensumme und im obigen Rechenschema durch Pfeile gekennzeichnet) sind einander proportional (Multiplikator: 2) und repra¨sentieren damit in Wirklichkeit nur eine Gleichung. Man bezeichnet solche Zeilen bzw. Gleichungen auch als linear abha¨ngig. (3)
Wir zeigen, dass das inhomogene lineare Gleichungssystem x1 þ 2 x2 þ x3 ¼ 6 x1 þ x2 þ x3 ¼ 2 2 x1 4 x2 2 x3 ¼ 6 nicht lo¨sbar ist. Der Gaußsche Algorithmus fu¨hrt zuna¨chst zu dem folgenden Schema: x2
x3
ci
si
1
2
1
6
8
1
1
1
2
1
1 E1
1
2
1
6
8
2
4
2
6
10
2 E1
2
4
2
12
16
3
2
4
9
0
0
6
6
x1 E1
Aus den beiden verbliebenen Zeilen (Gleichungen) mit den restlichen Unbekannten x 2 und x 3 mu¨ssten wir jetzt eine der beiden Unbekannten eliminieren. Die-
34
I Allgemeine Grundlagen
ses Vorhaben gelingt jedoch nicht, da die Koeffizienten von x 2 und x 3 in der unteren Gleichung jeweils verschwinden. Diese „merkwu¨rdige“ letzte Zeile (grau unterlegt) fu¨hrt zu der in sich widerspru¨chlichen Gleichung 0 x2 þ 0 x3 ¼ 6 Da Produkte mit einem Faktor 0 verschwinden, ist die linke Seite dieser Gleichung fu¨r beliebige reelle Werte von x 2 und x 3 stets gleich 0: 0 x2 þ 0 x3 ¼ 6 |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} 0 0
)
0 ¼ 6
Die Gu¨ltigkeit dieser Gleichung wu¨rde aber die Gleichheit der Zahlen 0 und 6 bedeuten (innerer Widerspruch). Das vorgegebene Gleichungssystem ist daher nicht lo¨sbar. (4)
Wir behandeln zum Abschluss noch ein Beispiel fu¨r ein nicht-quadratisches lineares Gleichungssystem mit vier Gleichungen und drei Unbekannten: x 3x 2x x
þ y z 2y þ z 5y þ 3z þ 4y þ 2z
¼ 2 ¼ 2 ¼ 1 ¼ 15
Wir eliminieren zuerst x, dann y: x
y
z
ci
si
E1
1
1
1
2
3
3 E1
3 3
2 3
1 3
2 6
4 9
2 E1
2 2
5 2
3 2
1 4
1 6
1 E1
1 1
4 1
2 1
15 2
22 3
E2
1
2
4
5
3 E2
3 3
1 6
3 12
5 15
5 E2
5 5
1 10
13 20
19 25
5 11
15 33
20 44
Proportionale Zeilen
5 Lineare Gleichungssysteme
35
Die beiden u¨briggebliebenen Zeilen repra¨sentieren in verschlu¨sselter Form zwei Gleichungen mit der einen Unbekannten z. Sie fu¨hren zu ein und derselben Lo¨sung fu¨r z, sind demnach zueinander proportionale Gleichungen (Zeilen) und stellen somit letztendlich nur eine einzige Gleichung dar 7). Das gestaffelte System besteht daher aus den Eliminationsgleichungen E 1 und E 2 und einer der beiden zueinander proportionalen Gleichungen, wobei wir uns fu¨r die obere (grau unterlegte) Gleichung entscheiden: x þ y
z ¼ 2
)
x ¼ 1
y 2z ¼ 4
)
y ¼ 2
5 z ¼ 15
)
z ¼ 3
" "
Das lineare Gleichungssystem besitzt also genau eine Lo¨sung, na¨mlich x ¼ 1, & y ¼ 2 und z ¼ 3.
5.3 Ein Anwendungsbeispiel: Berechnung eines elektrischen Netzwerkes Das in Bild I-23 dargestellte elektrische Netzwerk entha¨lt drei Knotenpunkte (a, b, c) und drei Stromzweige mit je einem ohmschen Widerstand 8). I a und I b sind zufließende Stro¨me, I c ein aus Knotenpunkt c abfließender Strom. Wir berechnen die in den Zweigen fließenden Teilstro¨me I 1 , I 2 und I 3 sowie den abfließenden Strom i c fu¨r die in Bild I-23 vorgegebenen Werte der drei Widersta¨nde und der Stro¨me I a und I b . Ic c
R1 ¼ 1 W , R3
R2
I3
Ia ¼ 1 A ,
Ib ¼ 2 A
I2
Ia
Ib a
R2 ¼ 5 W , R3 ¼ 3 W
I1
R1
Bild I-23
b
Lo¨sung: Bei der Lo¨sung der Aufgabe benutzen wir das erste Kirchhoffsche Gesetz (Knotenpunktsregel): In einem Knotenpunkt ist die Summe der zu- und abfließenden Stro¨me gleich Null (zufließende Stro¨me werden dabei vereinbarungsgema¨ß positiv, abfließende Stro¨me negativ gerechnet). 7Þ
Wu¨rden wir unterschiedliche Wert fu¨r z erhalten, so wa¨re das Gleichungssystem nicht lo¨sbar (Systeme mit zwei verschiedenen Lo¨sungen gibt es nicht).
8Þ
Knotenpunkt: Stromverzweigungspunkt Stromzweig: Verbindung zweier Knoten
36
I Allgemeine Grundlagen
Fu¨r die Knotenpunkte a, b und c gelten dann die folgenden Beziehungen: ðaÞ
Ia þ I1 I3 ¼ 0
ðbÞ
Ib I1 I2 ¼ 0
ðcÞ
Ic þ I2 þ I3 ¼ 0
ðI-38Þ
Eine weitere Gleichung liefert das zweite Kirchhoffsche Gesetz (Maschenregel): In jeder Masche 9) ist die Summe der Spannungen gleich Null. Bei einem Umlauf in der in Bild I-23 eingezeichneten Richtung gilt daher: ð Þ
R1 I1 R2 I2 þ R3 I3 ¼ 0
ðI-39Þ
Die drei Teilstro¨me I 1 , I 2 , I 3 lassen sich aus dem folgenden linearen Gleichungssystem, bestehend aus den umgestellten Gleichungen (a), (b) und ( ), berechnen:
I1 I1
I3 ¼ Ia ¼ Ib
I2
R1 I1 R2 I2 þ R3 I3 ¼
ðI-40Þ
0
Mit den vorgegebenen Werten nimmt das System die folgende Form an:
I1 I1
I3 ¼ 1 A ¼ 2A
I2
I1 5 I2 þ 3 I3 ¼
ðI-41Þ
0A
Wir lo¨sen dieses System unter Verwendung des Gaußschen Algorithmus (auf die Zeilensummenprobe wird verzichtet):
E1 1 E1 1 E1 E2 5 E2
9Þ
I1
I2
I3
ci
1
0
1
1A
1
1
0
2A
1
0
1
1A
1
5
3
0A
1
0
1
1A
1
1
3A
5
4
1A
5
5
15 A
9
16 A
Eine Masche ist ein geschlossener, aus Zweigen bestehender Komplex.
6 Der Binomische Lehrsatz
37
Daraus ergibt sich das gestaffelte System (bestehend aus den Zeilen E 1 , E 2 und der letzten Zeile) I1
I3 ¼ 1 A
I2
I3 ¼ 3 A
ðI-42Þ
9 I 3 ¼ 16 A 7 11 16 A, I 2 ¼ A und I 3 ¼ A. Fu¨r den abfließenden Strom 9 9 9 folgt schließlich aus Gleichung (c) des linearen Gleichungssystems (I-38):
11 16 27 A ¼ Ic ¼ I2 þ I3 ¼ þ A ¼ 3A ðI-43Þ 9 9 9
mit der Lo¨sung I 1 ¼ Ic
6 Der Binomische Lehrsatz Unter einem Binom versteht man eine Summe aus zwei Gliedern (Summanden) der allgemeinen Form a þ b. Die n-te Potenz eines solchen Binoms la¨sst sich dabei nach dem Binomischen Lehrsatz wie folgt entwickeln:
n n ða þ bÞ n ¼ a n þ an1 b1 þ an2 b2 þ . . . 1 2
n a1 bn1 þ bn ... þ ðI-44Þ n1
n ðn 2 N*Þ. Die Entwicklungskoeffizienten (gelesen: „n u¨ber k“) heißen Binomialk koeffizienten, ihr Bildungsgesetz lautet:
n n ðn 1Þ ðn 2Þ . . . ½ n ðk 1Þ ¼ ðI-45Þ 1 2 3 ... k k ðk, n 2 N*; k nÞ. Erga¨nzend wird
n ¼ 1 0
ðI-46Þ
gesetzt. Mit Hilfe der Fakulta¨t lassen sich die Binomialkoeffizienten auch wie folgt ausdru¨cken 10) :
n n ðn 1Þ ðn 2Þ . . . ½ n ðk 1Þ ðI-47Þ ¼ k! k 10Þ
n! (gelesen: „n Fakulta¨t“) ist definitionsgema¨ß das Produkt der ersten n positiven ganzen Zahlen: n! ¼ 1 2 3 ... n ðn 2 N*Þ Erga¨nzend setzt man: 0 ! ¼ 1 Beispiele: 3 ! ¼ 1 2 3 ¼ 6 7 ! ¼ 1 2 3 4 5 6 7 ¼ 5040
38
I Allgemeine Grundlagen
Der Binomische Lehrsatz (I-44) kann daher unter Verwendung des Summenzeichens auch in der Form n
X n n ða þ bÞ ¼ ank bk ðI-48Þ k k¼0 dargestellt werden. Wir fassen die wichtigsten Ergebnisse zusammen: Binomischer Lehrsatz (fu¨r positiv-ganzzahlige Exponenten n)
n n ða þ bÞ n ¼ a n þ an1 b1 þ an2 b2 þ . . . 1 2
n ... þ a1 bn1 þ bn ¼ n1 n
X n ank bk (I-49) ¼ k k¼0
n Die Berechnung der Binomialkoeffizienten erfolgt dabei nach der Formel k
n n ðn 1Þ ðn 2Þ . . . ½ n ðk 1Þ ¼ ð0 < k nÞ ðI-50Þ k! k
n Fu¨r k ¼ 0 setzt man ¼ 1. 0 Anmerkungen (1)
(2)
Die Summanden in der Binomischen Entwicklungsformel (I-49) sind Potenzprodukte aus a und b, nach fallenden Potenzen von a geordnet. In jedem Potenzprodukt ist dabei die Summe der Eponenten gleich n.
n Merke: Za¨hler und Nenner der Binomialkoeffizienten sind Produkte aus k jeweils k Faktoren. Za¨hler: Beginnt mit dem Faktor n, jeder weitere Faktor ist um 1 kleiner als sein Vorga¨nger. Nenner: 1 2 3 . . . k (Produkt der ersten k positiven ganzen Zahlen)
(3)
Die Binomialkoeffizienten ko¨nnen auch wie folgt berechnet werden:
n n! ¼ k ! ðn kÞ ! k
ðI-51Þ
6 Der Binomische Lehrsatz (4)
39
Weitere wichtige Eigenschaften der Binomialkoeffizienten:
n k
n k
¼
n
ðSymmetrieÞ
nk
þ
n k þ1
¼
nþ1
ðI-52Þ
ðI-53Þ
k þ1
Weitere Formeln: siehe Mathematische Formelsammlung. (5)
Ersetzt man in der Formel (I-49) den Summanden b durch b, so erha¨lt man die Entwicklungsformel fu¨r die Potenz ða bÞ n . Dabei a¨ndern sich die Vorzeichen bei den ungeraden Potenzen von b.
(6)
La¨sst man fu¨r den Exponenten n der Potenz ða þ bÞ n auch beliebige reelle Werte zu, so gelangt man zur allgemeinen Binomischen Reihe, die dann allerdings aus unendlich vielen Gliedern besteht (siehe hierzu Kap. VI, Abschnitt 3.2).
Pascalsches Dreieck Die Binomialkoeffizienten
n
ko¨nnen auch direkt aus dem folgenden sog. Pascalk schen Dreieck abgelesen werden (Bildungsgesetz: Jede Zahl ist die Summe der beiden unmittelbar links und rechts u¨ber ihr stehenden Zahlen): Zeile 1
1
1 1 |fflffl{zfflffl} 1 2 1 |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} 1 3 3 1 |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} 1 4 6 4 1 |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} 1 5 10 10 5 1 |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} 1 6 15 20 15 6
2 3 4 5 6 1
7
" ! 6 4
Der Koeffizient
n k
steht dabei in der ðn þ 1Þ-ten Zeile an ðk þ 1Þ-ter Stelle.
40 &
I Allgemeine Grundlagen
Beispiele Der Binomialkoeffizient
6
(1)
steht in der 7. Zeile an 5. Stelle und besitzt dem4 nach den Wert 15 (im Pascalschen Dreieck grau unterlegt). Berechnung nach der Definitionsgleichung (I-50):
6 6543 65 ¼ ¼ 3 5 ¼ 15 ¼ 1234 2 4
(2)
Fu¨r n ¼ 2 erhalten wir die folgenden aus der Schulmathematik bereits bekannten Binomischen Formeln:
2 2 2 ða þ bÞ ¼ a þ a b þ b2 ¼ a2 þ 2 a b þ b2 ð1. BinomÞ 1 ða bÞ 2 ¼ a 2
(3)
(4)
2 1
a b þ b2 ¼ a2 2 a b þ b2
Entsprechend erha¨lt man fu¨r n ¼ 3: ! 3 3 3 ða þ bÞ ¼ a þ a2 b þ 1 ! 3 3 3 ða bÞ ¼ a a2 b þ 1
3
! a b2 þ b3 ¼ a3 þ 3 a2 b þ 3 a b2 þ b3
2 3 2
ð2. BinomÞ
! a b2 b3 ¼ a3 3 a2 b þ 3 a b2 b3
Wir entwickeln das Binom ð2 x 5 yÞ 3 nach fallenden Potenzen von x: ð2 x 5 yÞ 3 ¼ ð2 xÞ 3 3 ð2 xÞ 2 ð5 yÞ þ 3 ð2 xÞ ð5 yÞ 2 ð5 yÞ 3 ¼ ¼ 8 x 3 60 x 2 y þ 150 x y 2 125 y 3
(5)
Wir berechnen den Wert der Potenz 1043 mit Hilfe des Binomischen Lehrsatzes, wobei wir zuna¨chst die Basiszahl 104 als Summe der Zahlen 100 und 4 darstellen:
3 3 3 3 3 2 1 104 ¼ ð100 þ 4Þ ¼ 100 þ 100 4 þ 100 1 4 2 þ 4 3 ¼ 1 2 ¼ 1 000 000 þ 3 10 000 4 þ 3 100 16 þ 64 ¼ ¼ 1 000 000 þ 120 000 þ 4 800 þ 64 ¼ 1 124 864 &
bungsaufgaben
41
bungsaufgaben Zu Abschnitt 1 und 2 1)
Stellen Sie die folgenden Mengen in der aufza¨hlenden Form dar: M 1 ¼ f x j x 2 N* und j x j 4 g M2 : Menge aller Primzahlen p 35 L 1 ¼ f x j x 2 R und 2 x 2 þ 3 x ¼ 2 g L 2 ¼ f x j x 2 R und 2 x 2 8 x ¼ 0 g
2)
Bilden Sie mit M 1 ¼ f x j x 2 R und 0 x < 4 g und M 2 ¼ f x j x 2 R und 2 < x < 2 g die folgenden Mengen: M 1 [ M 2 , M 1 \ M 2 , M 1 n M 2 .
3)
Bestimmen Sie die durch 3 n 15 4 definierte Teilmenge von N* in der aufza¨hlenden und in der beschreibenden Form.
4)
In welchen Anordnungsbeziehungen stehen die Zahlen a ¼ 2, b ¼ 5 und c ¼ 8 zueinander?
5)
Skizzieren Sie die folgenden Zahlenmengen auf der Zahlengerade: aÞ
ð2, 10Þ
dÞ
A ¼ f x j x 2 R und 1 x < 2 g
bÞ
x > 2
8 < x < 2
cÞ
Zu Abschnitt 3 1)
Bestimmen Sie die reellen Lo¨sungen der folgenden quadratischen Gleichungen: aÞ
4x2 þ 6x 1 ¼ 0
bÞ
cÞ
x 2 10 x ¼ 74
dÞ x 2 4 x þ 13 ¼ 0
eÞ
1 ¼ 9 ðx 2Þ 2
fÞ
x 2 þ 9 x ¼ 19
gÞ
5 x 2 þ 20 x þ 20 ¼ 0
hÞ
ðx 1Þ ðx þ 3Þ ¼ 4
4 x 2 þ 8 x 60 ¼ 0
2)
Bestimmen Sie den Parameter c so, dass die Gleichung 2 x 2 þ 4 x ¼ c genau eine (doppelte) reelle Lo¨sung besitzt.
3)
Welche reellen Lo¨sungen besitzen die folgenden Gleichungen? aÞ
2x3 þ 8x2 ¼ 8x
bÞ
t 4 13 t 2 þ 36 ¼ 0
cÞ
x 3 6 x 2 þ 11 x ¼ 0
dÞ
x5 3x3 þ x ¼ 0
eÞ
2 x 4 8 x 2 24 ¼ 0
fÞ
ðx 1Þ 2 ðx þ 2Þ ¼ 4 ðx þ 2Þ
gÞ
0,5 ð3 x 2 6Þ ðx 2 25Þ ðx þ 3Þ ¼ 0
42
4)
I Allgemeine Grundlagen
Lo¨sen Sie die folgenden Wurzelgleichungen: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi aÞ 3 þ 2x ¼ 2 bÞ x2 þ 4 ¼ x 2 cÞ
5)
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 1 ¼ x þ1
dÞ
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2x2 1 þ x ¼ 0
Welche reellen Lo¨sungen besitzen die folgenden Betragsgleichungen? aÞ
j x 2 x j ¼ 24
bÞ
jx þ 1j ¼ jx 1 j
cÞ
j 2 x þ 4 j ¼ ðx 2 x 6Þ
dÞ
jx2 þ 2x 1j ¼ jx j
Zu Abschnitt 4 1)
2)
Bestimmen Sie die reellen Lo¨sungsmengen der folgenden Ungleichungen: aÞ
2x 8 > jx j
bÞ
x2 þ x þ 1 0
cÞ
jxj x 2
dÞ
jx 4j > x2
eÞ
jx2 9j < jx 1 j
fÞ
jx 1j jx þ 2 j
gÞ
x2 x þ 4
hÞ
x 1 < 1 x þ1
Fu¨r welche x 2 R erha¨lt man reelle Wurzelwerte? qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi aÞ 2x bÞ 1 þ x2
dÞ
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð1 xÞ ð x þ 2Þ
eÞ
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 1
cÞ
fÞ
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4 x2 sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4x x þ2
Zu Abschnitt 5 1)
Lo¨sen Sie die folgenden linearen Gleichungssysteme unter Verwendung des Gaußschen Algorithmus: 1 0 10 1 0 3 x 3 x1 3 x2 þ 3 x3 ¼ 0 8 7 6 aÞ bÞ C B CB C B 8 x 1 þ 10 x 2 þ 2 x 3 ¼ 6 5A@yA ¼ @3A @ 0 4 9 z 2 x1 þ x2 3 x3 ¼ 5 1 3 2 cÞ
u þ 5v þ
w ¼ 10
4 u 2 v 3 w ¼ 10 3u þ
v
w ¼ 4
dÞ
2 x 4,5 y þ
z ¼ 14,115
3,2 x 4,8 y 8,1 z ¼ 16,941 5,64 x þ
y 1,4 z ¼
11,2212
bungsaufgaben 2)
43
Zeigen Sie: Das lineare Gleichungssystem 1 0 0 10 1 2 x1 1 1 1 C B B CB C 2 1 A @ x2 A ¼ @ 6 A @1 6 x3 2 4 2 ist unlo¨sbar.
3)
Bestimmen Sie sa¨mtliche Lo¨sungen des homogenen linearen Gleichungssystems x þ
y z ¼ 0
x þ 2y þ 3z ¼ 0 3y þ 2z ¼ 0 4)
Lo¨sen Sie das folgende lineare Gleichungssystem: 2 x1 þ
x2 þ 4 x3 þ 3 x4 ¼ 0
x1 þ 2 x2 þ
x3
3 x1 þ 4 x2
x3 2 x4 ¼ 0
4 x1 þ 3 x2 þ 2 x3 þ 5)
x4 ¼ 4 x4 ¼ 0
Zeigen Sie: Das homogene lineare Gleichungssystem 2 x1 þ 5 x2 3 x3 ¼ 0 4 x1 4 x2 þ 4 x1 2 x2
x3 ¼ 0 ¼ 0
besitzt unendlich viele Lo¨sungen. 6)
Lo¨sen Sie die folgenden nicht-quadratischen linearen Gleichungssysteme: aÞ
x1 2 x2 þ 3 x3 2 x4 ¼ 2 x1 þ 3 x2
x3 4 x4 ¼
15 2
6 x 1 þ 16 x 2 10 x 3 12 x 4 ¼ 22
bÞ
x
y
z ¼ 6
4x þ 5y þ 3z ¼ 2 x 10 y þ
29
z ¼ 35
3 x 2 y þ 3 z ¼ 20
44
I Allgemeine Grundlagen
Zu Abschnitt 6 1)
Berechnen Sie die folgenden Binomialkoeffizienten:
13 10 13 aÞ bÞ cÞ 4 5 11
2)
Welchen Wert besitzt der Binomialkoeffizient
3)
Berechnen Sie die folgenden Potenzen unter Verwendung des Binomischen Lehrsatzes:
aÞ 4)
bÞ
99 5
k þ1
?
cÞ 996 3
Entwickeln Sie die folgenden Binome: aÞ
5)
102 4
nþk
ðx þ 4Þ 5
bÞ
ð1 5 yÞ 4
cÞ
ða 2 2 bÞ 3
Berechnen Sie den Wert der folgenden Potenzen mit Hilfe des Binomischen Lehrsatzes auf vier Dezimalstellen nach dem Komma genau: aÞ
1,03 12
bÞ
0,99 20
cÞ 2,01 8
6)
Wie lauten die ersten fu¨nf Glieder der binomischen Entwicklung von ð2 þ 3 xÞ 10 ?
7)
Bestimmen Sie den jeweiligen Koeffizienten der Potenz x 5 in der binomischen Entwicklung von: aÞ
ð1 4 xÞ 8
bÞ
ðx þ 0,5 aÞ 12
45
II Vektoralgebra
1 Grundbegriffe 1.1 Definition eines Vektors Unter den in Naturwissenschaft und Technik auftretenden Gro¨ßen kommt den Skalaren und Vektoren eine besondere Bedeutung zu. Wa¨hrend man unter einem Skalar eine Gro¨ße versteht, die sich eindeutig durch die Angabe einer Maßzahl und einer Maßeinheit beschreiben la¨sst, beno¨tigt man bei einer vektoriellen Gro¨ße zusa¨tzlich noch Angaben u¨ber die Richtung, in der sie wirkt. Definition: Unter Vektoren verstehen wir Gro¨ßen, die durch Angabe von Maßzahl und Richtung vollsta¨ndig beschrieben sind. Zu ihrer Kennzeichnung verwenden wir Buchstabensymbole, die mit einem Pfeil versehen werden wie zum Beispiel: a
Bild II-1
~, M ~, E ~ ~ a, b~, ~ c, ~ r, ~ e, F Ein Vektor ~ a ist in symbolischer Form durch einen Pfeil darstellbar (Bild II-1). Die Maßzahl der La¨nge des Pfeils, der die Vektorgro¨ße repra¨sentiert, heißt Betrag des Vektors und wird durch das Symbol j ~ aj oder a gekennzeichnet. Die Pfeilspitze legt die Richtung (Orientierung) des Vektors fest. Durch Betrag und Richtung ist der Vektor eindeutig bestimmt.
Anmerkungen (1)
Bei einer physikalisch-technischen Vektorgro¨ße geho¨rt zur vollsta¨ndigen Beschreibung noch die Angabe der Maßeinheit. Daher verstehen wir unter dem Betrag eines physikalischen Vektors die Angabe von Maßzahl und Einheit. ~1 : j F ~1 j ¼ F1 ¼ 100 N Beispiel: Betrag einer Kraft F
(2)
Der Betrag eines Vektors ~ a ist stets gro¨ßer oder gleich Null: j ~ aj ¼ a 0
(3)
Ein Vektor la¨sst sich auch eindeutig durch die Angabe von Anfangspunkt P und ! Endpunkt Q festlegen (Bild II-2). Als Vektorsymbol verwendet man dann PQ . Q PQ P
Bild II-2
46 &
II Vektoralgebra
Beispiele Skalare: Masse m, Temperatur T, Zeit t, Arbeit W, Widerstand R, Spannung U, Massentra¨gheitsmoment J ~, Impuls Vektoren: Strecke (Weg) ~ s, Geschwindigkeit ~ v, Beschleunigung ~ a, Kraft F ~ ~ ~ p, Drehmoment M , Elektrische Feldsta¨rke E , Magnetische Flussdichte ~ & (magnetische Induktion) B In den Anwendungen wird noch zwischen freien, linienflu¨chtigen und gebundenen Vektoren unterschieden: 1. Freie Vektoren du¨rfen beliebig parallel zu sich selbst verschoben werden. 2. Linienflu¨chtige Vektoren sind la¨ngs ihrer Wirkungslinie beliebig verschiebbar (z. B. Kra¨fte, die an einem starren Ko¨rper angreifen). 3. Gebundene Vektoren werden von einem festen Punkt aus abgetragen. Beispiele hierfu¨r sind der Ortsvektor ~ r eines ebenen oder ra¨umlichen Punktes, der vom Koordinaten~, der jedem ursprung aus abgetragen wird, und der elektrische Feldsta¨rkevektor E Punkt eines elektrischen Feldes zugeordnet wird. Spezielle Vektoren Nullvektor ~ 0:
Jeder Vektor vom Betrag Null, j ~ 0 j ¼ 0, heißt Nullvektor (fu¨r ihn la¨sst sich keine Richtung angeben, da Anfangs- und Endpunkt zusammenfallen).
Einheitsvektor ~ e:
Jeder Vektor vom Betrag Eins, j~ e j ¼ 1, wird als Einheitsvektor oder Einsvektor bezeichnet.
! Ortsvektor ~ r ðPÞ ¼ OP : Er fu¨hrt vom Koordinatenursprung O zum Punkt P .
1.2 Gleichheit von Vektoren Definition: Zwei Vektoren ~ a und b~ werden als gleich betrachtet, ~ a ¼ b~, wenn sie in Betrag und Richtung u¨bereinstimmen (Bild II-3).
a b
Bild II-3 Zum Begriff der Gleichheit zweier Vektoren
Vektoren sind demnach gleich, wenn sie durch Parallelverschiebung ineinander u¨berfu¨hrbar sind. Diese Art von Vektoren bezeichnet man als freie Vektoren. Im weiteren Verlauf der Vektorrechnung wollen wir uns ausschließlich mit den Eigenschaften und den Rechenoperationen dieser Vektorklasse auseinandersetzen.
1 Grundbegriffe &
47
Beispiel Jeder der in Bild II-4 skizzierten Vektoren ~ a 1, ~ a 2, ~ a 3 und ~ a 4 la¨sst sich durch Parallelverschiebung in den Vektor ~ a u¨berfu¨hren. Sie werden daher verabredungsgema¨ß als gleich angesehen: ~ a1 ¼ ~ a2 ¼ ~ a3 ¼ ~ a4 ¼ ~ a. a a1
a2 a4 a3
Bild II-4 &
1.3 Parallele, anti-parallele und kollineare Vektoren Definitionen: (1) Zwei Vektoren ~ a und b~ mit gleicher Richtung (Orientierung) heißen zueinander parallel (Bild II-5). Sie werden durch das Symbol ~ a " " b~ gekennzeichnet. (2) Besitzen zwei Vektoren ~ a und b~ entgegengesetzte Richtung (Orientierung), so werden sie als zueinander anti-parallel bezeichnet (Bild II-6). Symbolische Schreibweise: ~ a " # b~ Anmerkung Parallele Vektoren werden auch als gleichsinnig parallel, anti-parallele Vektoren auch als gegensinnig parallel bezeichnet.
b
a
a
Bild II-5 Parallele Vektoren
b
Bild II-6 Anti-parallele Vektoren
48
II Vektoralgebra
Vektoren, die zueinander parallel oder anti-parallel orientiert sind, lassen sich stets durch Parallelverschiebung in eine gemeinsame Linie (Wirkungslinie) bringen und heißen daher auch kollinear. Inverser Vektor oder Gegenvektor Wir betrachten nun einen beliebigen Vektor ~ a . Den zu ~ a anti-parallelen Vektor gleicher La¨nge bezeichnen wir als inversen Vektor (auch Gegenvektor genannt) und kennzeichnen ihn durch das Symbol ~ a (Bild II-7). Der inverse Vektor ~ a entsteht also aus ~ a durch Richtungsumkehr. a
Bild II-7 Vektor und Gegenvektor (inverser Vektor) –a
Inverser Vektor oder Gegenvektor (Bild II-7) Der zu einem Vektor ~ a geho¨rende inverse Vektor oder Gegenvektor ~ a besitzt den gleichen Betrag wie der Vektor ~ a, jedoch die entgegengesetzte Richtung.
&
Beispiel ~ belasEine elastische Schraubenfeder wird durch ein Gewicht G tet und gedehnt (Bild II-8). Im Gleichgewichtszustand wird die ~ durch die Ru¨ckstellkraft F ~ der Feder kompenGewichtskraft G ~ ~ siert. Der Vektor F ist der zu G inverse Vektor, d. h. es gilt ~ ~ ¼ G F F
(sog. Kra¨ftegleichgewicht).
G
Bild II-8 Kra¨ftegleichgewicht bei einer belasteten elastischen Schraubenfeder
&
1.4 Vektoroperationen Wir bescha¨ftigen uns in diesem Abschnitt mit den elementaren Vektoroperationen. Dazu za¨hlen wir: Addition von Vektoren Subtraktion von Vektoren Multiplikation eines Vektors mit einer reellen Zahl (einem Skalar)
1 Grundbegriffe
49
1.4.1 Addition von Vektoren Aus der Mechanik ist bekannt, dass man zwei am gleichen Massenpunkt angreifende ~1 und F ~2 zu einer resultierenden Kraft F ~R zusammenfassen kann, die die gleiKra¨fte F che physikalische Wirkung erzielt wie die beiden Einzelkra¨fte zusammen. Die Resultierende erha¨lt man dabei durch eine geometrische Konstruktion, die unter der Bezeichnung Parallelogrammregel (Kra¨fteparallelogramm) bekannt ist und in Bild II-9 na¨her erla¨utert wird. Diese Regel stellt eine Anwendung einer allgemeinen Vorschrift dar, die aus zwei Vektoren ~ a und b~ einen neuen Vektor erzeugt, der als Summenvektor ~ s ¼ ~ a þ b~ bezeichnet wird. F2 FR
Bild II-9 ~R ist die Resultierende Kra¨fteparallelogramm: F ~ ~ aus F 1 und F 2 F1
Wir definieren die Addition zweier Vektoren wie folgt: Definition: Zwei Vektoren ~ a und b~ werden nach der folgenden Vorschrift geometrisch addiert (Bild II-10): 1. Der Vektor b~ wird parallel zu sich selbst verschoben, bis sein Anfangspunkt in den Endpunkt des Vektors ~ a fa¨llt. 2. Der vom Anfangspunkt des Vektors ~ a zum Endpunkt des verschobenen Vektors b~ gerichtete Vektor ist der Summenvektor ~ s ¼~ a þ b~.
b
b
a
a
s=
a+
b
b
a
Bild II-10 Zur Addition zweier Vektoren
Der Summenvektor ~ s ¼ ~ a þ b~ la¨sst sich auch als gerichtete Diagonale in dem aus den ~ Vektoren ~ a und b konstruierten Parallelogramm nach Bild II-11 gewinnen.
50
II Vektoralgebra b s=
a+
b
Bild II-11 Summenvektor ~ s ¼~ a þ b~ als gerichtete Diagonale im Parallelogramm a
Die Addition von Vektoren unterliegt dabei den folgenden Rechenregeln: ~ a þ b~ ¼ b~ þ ~ a
ðII-1Þ
~ a þ ðb~ þ ~ c Þ ¼ ð~ a þ b~Þ þ ~ c
ðII-2Þ
Kommutativgesetz Assoziativgesetz
Die Summe aus mehr als zwei Vektoren wird gebildet, indem man in der bekannten Weise Vektor an Vektor setzt. Dies la¨sst sich durch Parallelverschiebung stets erreichen. Das Ergebnis dieser Konstruktion ist ein sog. Vektorpolygon (Bild II-12). Der Summenvektor (in den Anwendungen meist „Resultierende“ genannt) ist derjenige Vektor, der vom Anfangspunkt des ersten Vektors zum Endpunkt des letzten Vektors fu¨hrt. letzter Vektor 3. Vektor
Bild II-12 Zur Konstruktion eines Summenvektors (Vektorpolygon)
Summenvektor 2. Vektor 1. Vektor
~2 und F ~3 zu einem resultierenden ~1 , F In Bild II-13 wird die Addition dreier Kra¨fte F ~R Schritt fu¨r Schritt vollzogen. Kraftvektor F F3
F3 FR F3
F2 F1
F1
F2
F1
F2
Bild II-13 Vektorielle Addition dreier Kra¨fte
Ist das Vektorpolygon in sich geschlossen, so ist der Summenvektor der Nullvektor. In der physikalischen Realita¨t bedeutet dies stets, dass sich die Vektoren in ihrer Wirkung gegenseitig aufheben.
1 Grundbegriffe
51
1.4.2 Subtraktion von Vektoren Die Subtraktion zweier Vektoren la¨sst sich wie bei den reellen Zahlen als Umkehrung der Addition auffassen und damit auf die Addition zweier Vektoren zuru¨ckfu¨hren: Definition: Unter dem Differenzvektor d~ ¼ ~ a b~ zweier Vektoren ~ a und b~ verstehen wir den Summenvektor aus ~ a und b~, wobei b~ der zu b~ inverse Vektor ist: d~ ¼ ~ a b~ ¼ ~ a þ ð b~Þ
ðII-3Þ
Anmerkung Der Differenzvektor d~ ¼ ~ a b~ ist also die Summe aus dem Vektor ~ a und dem Gegenvektor von b~. Die Konstruktion des Differenzvektors erfolgt daher nach der folgenden Vorschrift: Konstruktion des Differenzvektors d~ ¼ ~ a b~ (Bild II-14) 1. Der Vektor b~ wird zuna¨chst in seiner Richtung umgekehrt: Dies fu¨hrt zu dem inversen Vektor b~. 2. Dann wird der Vektor b~ parallel zu sich selbst verschoben, bis sein Anfangspunkt in den Endpunkt des Vektors ~ a fa¨llt. 3. Der vom Anfangspunkt des Vektors ~ a zum Endpunkt des Vektors b~ gerichtete Vektor ist der gesuchte Differenzvektor d~ ¼ ~ a b~.
b
b a a
a –b
d=
a–
b
–b
Bild II-14 Zur Subtraktion zweier Vektoren
Der Differenzvektor d~ ¼ ~ a b~ la¨sst sich auch mit Hilfe der Parallelogrammregel konstruieren. In Bild II-15 wird diese geometrische Konstruktion na¨her erla¨utert. b d=
a–
b
a
Bild II-15 Differenzvektor d~ ¼ ~ a b~ als gerichtete Diagonale im Parallelogramm
52
II Vektoralgebra
Parallelogrammregel fu¨r die Addition und Subtraktion zweier Vektoren Summenvektor ~ s ¼~ a þ b~ und Differenzvektor d~ ¼ ~ a b~ lassen sich geometrisch als gerichtete Diagonalen eines Parallelogramms konstruieren, das von den beiden Vektoren ~ a und b~ aufgespannt wird. Die Konstruktion des Summenbzw. Differenzvektors wird in Bild II-16 na¨her erla¨utert.
b s
~ s ¼~ a þ b~ d~ ¼ ~ a b~
d a
Bild II-16 Zur Parallelogrammregel
1.4.3 Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar Definition: Durch Multiplikation eines Vektors ~ a mit einer reellen Zahl (einem Skalar) l entsteht ein neuer Vektor b~ ¼ l ~ a mit den folgenden Eigenschaften (Bild II-17): 1. Der Betrag von b~ ist das j l j-fache des Betrages von ~ a: j b~j ¼ j l ~ a j ¼ j l j j~ aj
ðII-4Þ
2. Der Vektor b~ ist parallel oder anti-parallel zu ~ a orientiert: l > 0:
b~ " " ~ a
ðBild II-17aÞ
l < 0:
b~ " # ~ a
ðBild II-17bÞ
Fu¨r l ¼ 0 erha¨lt man den Nullvektor ~ 0.
la a
a
la a) l > 0
b) l < 0
Bild II-17 Zur Multiplikation eines Vektors ~ a mit einem Skalar l
1 Grundbegriffe
53
Anmerkungen (1) (2) (3)
Die Vektoren l ~ a und ~ a sind kollinear. Die Multiplikation eines Vektors mit einer negativen Zahl bewirkt stets eine Richtungsumkehr des Vektors (vgl. hierzu Bild II-17b). Die Division eines Vektors ~ a durch einen Skalar m 6¼ 0 entspricht einer Multiplikation von ~ a mit dem Kehrwert l ¼ 1=m .
Rechenregeln ðl 2 R; m 2 RÞ
&
l ð~ a þ b~Þ ¼ l ~ a þ l b~
ðII-5Þ
ðl þ mÞ ~ a ¼ l~ a þ m~ a
ðII-6Þ
ðl mÞ ~ a ¼ l ðm ~ aÞ ¼ m ðl ~ aÞ
ðII-7Þ
j l~ a j ¼ j l j j~ aj
ðII-8Þ
Beispiele (1)
Wir multiplizieren den Vektor ~ a der Reihe nach mit den Skalaren 2, 1,5 und 4 (Bild II-18): 2~ a:
2~ a "" ~ a,
1,5 ~ a:
1,5 ~ a "# ~ a,
4~ a:
4~ a "" ~ a,
j 2~ aj ¼
2 j~ aj ¼
2a
j 1,5 ~ a j ¼ 1,5 j ~ a j ¼ 1,5 a j 4~ aj ¼
4 j~ aj ¼
4a
a 2a
4a
–1,5 a
Bild II-18 Zur Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar
(2)
Beispiele aus Physik und Technik: (a)
Kraft, Masse und Beschleunigung sind durch die Newtonsche Bewegungsglei~ ¼ m~ chung F a miteinander verknu¨pft: ~ "" ~ F a ðwegen m > 0Þ,
(b)
~j ¼ m j ~ jF a j , d: h:
F ¼ ma
Impuls: ~ p ¼ m~ v (Impuls = Masse mal Geschwindigkeit) ~ p "" ~ v ðwegen m > 0Þ,
j~ p j ¼ m j~ vj,
d: h:
p ¼ mv
54
II Vektoralgebra
(c)
Ein geladenes Teilchen (Ladung q ) erfa¨hrt in einem elektrischen Feld der Feld~ eine Kraft F ~ ¼ qE ~ in Richtung des Feldes (bei positiver Ladung) sta¨rke E oder in die dem Feld entgegengesetzte Richtung (bei negativer Ladung): q > 0:
~ "" E ~, F
~j ¼ q j E ~j , d: h: jF
q < 0:
~ "# E ~, F
~j ¼ j q j j E ~j , d: h: jF
F ¼ qE F ¼ qE &
2 Vektorrechnung in der Ebene Besonders anschaulich und u¨bersichtlich ist die Vektorrechnung in der Ebene. Wir beschra¨nken uns daher zuna¨chst aus rein didaktischen Gru¨nden auf die Darstellung der Vektoren und ihrer Rechenoperationen in der Ebene, wobei ein rechtwinkliges (kartesisches) Koordinatensystem zugrundegelegt wird.
2.1 Komponentendarstellung eines Vektors Das Koordinatensystem legen wir durch zwei aufeinander senkrecht stehende Einheitsvektoren ~ e x und ~ e y fest, die in diesem Zusammenhang auch als Basisvektoren bezeichnet werden (Bild II-19). Sie bestimmen Richtung und Maßstab der Koordinatenachsen. y
y
P
ay
ey
a
ey
ex
x
Bild II-19 Festlegung eines ebenen rechtwinkligen Koordinatensystems durch zwei Einheitsvektoren (Basisvektoren)
ex
ax
x
Bild II-20 Zerlegung eines Vektors in Komponenten
Wir betrachten nun einen im Nullpunkt „angebundenen“ Vektor ~ a . Die Projektionen dieses Vektors auf die beiden Koordinatenachsen fu¨hren zu den mit ~ a x und ~ a y bezeichneten Vektoren (Bild II-20). Der Vektor ~ a ist dann als Summenvektor aus ~ a x und ~ a y darstellbar: ~ ay a ¼ ~ ax þ ~
ðII-9Þ
2 Vektorrechnung in der Ebene
55
Die durch Projektion entstandenen Vektoren ~ a x und ~ a y werden als Vektorkomponenten von ~ a bezeichnet. Sie lassen sich durch die Einheitsvektoren ~ e x und ~ e y wie folgt ausdru¨cken: ~ ax ¼ ax ~ ex ,
~ ay ¼ ay~ ey
ðII-10Þ
e x sind kollineare Vektoren, ebenso ~ a y und ~ e y ). Fu¨r den Vektor ~ a erha¨lt (~ a x und ~ man somit die Darstellung ~ ay ¼ ax ~ a ¼~ ax þ ~ ex þ ay~ ey
ðII-11Þ
a. Sie werden Die skalaren Gro¨ßen a x und a y sind die sog. Vektorkoordinaten von ~ auch als skalare Vektorkomponenten bezeichnet und stimmen mit den Koordinaten des Vektorendpunktes P u¨berein, wenn der Vektor (wie hier) vom Nullpunkt aus abgetragen wird ( ~ a ist dann der Ortsvektor von P). Die in Gleichung (II-11) angegebene Zerlegung heißt Komponentendarstellung des Vektors ~ a. Bei fester Basis ~ e x, ~ e y ist der Vektor ~ a in umkehrbar eindeutiger Weise durch die Vektorkoordinaten a x und a y bestimmt. Daher schreibt man verku¨rzt in symbolischer Form ax ~ ðII-12Þ a ¼ ax~ ex þ ay~ ey ¼ ay ax als Spaltenvektor. Auch die Schreibweise in Form und bezeichnet das Symbol ay eines Zeilenvektors ða x a y Þ ist grundsa¨tzlich mo¨glich. Wir werden jedoch zur Darstellung von Vektoren ausschließlich Spaltenvektoren verwenden, um Verwechslungen mit Punkten zu vermeiden. Außerdem lassen sich die Rechenoperationen mit Spaltenvektoren wesentlich u¨bersichtlicher durchfu¨hren. Wir fassen zusammen: Komponentendarstellung eines Vektors (Bild II-20) ax ~ a ¼~ ax þ ~ ay ¼ ax ~ ex þ ay~ ey ¼ ay
ðII-13Þ
Dabei bedeuten: ) ~ ax ¼ ax ~ ex Vektorkomponenten von ~ a ~ ay ¼ ay~ ey a x, a y : ax : ay
Vektorkoordinaten (skalare Vektorkomponenten) von ~ a Spaltenvektor
Anmerkung Eine Vektorkoordinate wird dabei positiv geza¨hlt, wenn die Projektion des Vektors ~ a auf die entsprechende Koordinatenachse in die positive Richtung dieser Achse zeigt.
56
II Vektoralgebra
Fa¨llt der Projektionsvektor jedoch in die Gegenrichtung, d. h. in die negative Richtung der Koordinatenachse, so ist die entsprechende Vektorkoordinate negativ. Ist der Vektor ~ a durch den Anfangspunkt P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 Þ und den Endpunkt P 2 ¼ ðx 2 ; y 2 Þ gegeben, so lautet seine Komponentendarstellung wie folgt (Bild II-21): P2
y
a=
P
P2 1 ay
ax ¼ x2 x1 ay ¼ y2 y1
y2
P1 ax y1
Bild II-21 x1
x2
x
Komponentendarstellung eines durch zwei Punkte festgelegten Vektors (Bild II-21) ! x2 x1 ~ ðII-14Þ e x þ ðy 2 y 1 Þ ~ ey ¼ a ¼ P 1 P 2 ¼ ðx 2 x 1 Þ ~ y2 y1 Dabei bedeuten:
! P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 Þ: Anfangspunkt des Vektors ~ a ¼ P1 P2 ! P 2 ¼ ðx 2 ; y 2 Þ: Endpunkt des Vektors ~ a ¼ P1 P2
Komponentendarstellung spezieller Vektoren
! Der vom Koordinatenursprung zum Punkt P ¼ ðx; yÞ fu¨hrende Ortsvektor ~ r ðPÞ ¼ O P besitzt nach Bild II-22 die Komponentendarstellung ! x ~ r ðPÞ ¼ O P ¼ x ~ e x þ y~ ey ¼ ðII-15Þ y y
r(
P)
P = (x;y)
y
ey
Bild II-22 Ortsvektor eines Punktes ex
x
x
2 Vektorrechnung in der Ebene
57
Die Komponentendarstellung der Basisvektoren (Einheitsvektoren) ~ e x und ~ e y lautet: 1 0 ~ ~ , e y ¼ 0~ ðII-16Þ e x þ 0~ ey ¼ e x þ 1~ ey ¼ e x ¼ 1~ 0 1 Der Nullvektor ~ 0 hat die Gestalt 0 ~ 0 ¼ 0~ e x þ 0~ ey ¼ 0
ðII-17Þ
Betrag eines Vektors Den Betrag eines Vektors ~ a erha¨lt man unmittelbar aus dem Satz des Pythagoras nach Bild II-23:
Betrag eines Vektors (Bild II-23) y a
j~ aj ¼ a ¼
|a|
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a 2x þ a 2y
ðII-18Þ
ay
Bild II-23 ax
x
Gleichheit von Vektoren Zwei Vektoren ~ a und b~ sind genau dann gleich, wenn sie in ihren entsprechenden Vektorkoordinaten u¨bereinstimmen: ~ a ¼ b~
ax ¼ bx ,
ay ¼ by
ðII-19Þ
Beispiele Der Ortsvektor des Punktes P ¼ ð6; 8Þ lautet (Bild II-24): ! 6 ~ ey ¼ r ðPÞ ¼ O P ¼ 6~ e x þ 8~ 8 Sein Betrag ist j~ r ðPÞ j ¼ r ðPÞ ¼
y
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 6 2 þ 8 2 ¼ 10
P = (6;8)
P)
(1)
r(
&
,
8
Bild II-24
0 6
x
58
II Vektoralgebra
(2)
! Der von P 1 ¼ ð2; 4Þ nach P 2 ¼ ð 4; 1Þ gerichtete Vektor ~ a ¼ P 1 P 2 besitzt die folgende Komponentendarstellung (Bild II-25): ax ¼ x2 x1 ¼ 4 2 ¼ 6 ay ¼ y2 y1 ¼ 1 4 ¼ 3 6 ! ~ e x 3~ ey ¼ a ¼ P 1 P 2 ¼ 6~ 3 y P1
P1
P2
P2
4
1
Bild II-25
–4
2
x
Sein Betrag ist ! j~ a j ¼ j P1 P2 j ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi ð 6Þ 2 þ ð 3Þ 2 ¼ 45 ¼ 6,71
&
2.2 Darstellung der Vektoroperationen 2.2.1 Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar Die Multiplikation eines Vektors ~ a mit einer reellen Zahl (einem Skalar) l erfolgt komponentenweise, d. h. jede Vektorkoordinate wird mit l multipliziert.
Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar Die Multiplikation eines Vektors ~ a mit einem Skalar l erfolgt komponentenweise: l ax ax ¼ ðII-20Þ l~ a ¼ l ay l ay Anmerkung Umgekehrt gilt: Besitzen die skalaren Vektorkomponenten einen gemeinsamen Faktor, so darf dieser vor den Spaltenvektor gezogen werden.
2 Vektorrechnung in der Ebene &
Beispiele
ey ¼ (1) ~ a ¼ 4~ e x 3~
59
4 3
Wir multiplizieren diesen Vektor der Reihe nach mit den Skalaren l 1 ¼ 6 und l 2 ¼ 10 und erhalten die folgenden Vektoren: 4 24 6~ a ¼ 6 ¼ ¼ 24~ e x 18~ ey 3 18 4 40 10 ~ a ¼ 10 ¼ ¼ 40~ e x þ 30~ ey 3 30 Dabei gilt: 6~ a "" ~ a (2)
10 ~ a "# ~ a
und
~ mit den skalaren VekZula¨ssige Schreibweisen fu¨r einen (ebenen) Kraftvektor F torkomponenten (Kraftkomponenten) Fx ¼ 15 N und Fy ¼ 6 N sind (die Maßeinheit wird dabei wie ein Skalar behandelt): ~ ¼ ð15 NÞ ~ ey ¼ F e x þ ð6 NÞ ~
15 N 6N
¼
15 6
N
&
2.2.2 Addition und Subtraktion von Vektoren Aus Bild II-26 folgt unmittelbar, dass die Addition zweier Vektoren ~ a und b~ komponentenweise geschieht: ~ a þ b~ ¼
ax
þ
ay
bx
¼
by
ax þ bx
ðII-21Þ
ay þ by
y
a+
b
b
by ay + by
a
ax
bx ax + bx
Bild II-26 Zur komponentenweisen Addition zweier Vektoren
ay x
60
II Vektoralgebra
Dies gilt auch fu¨r die Subtraktion zweier Vektoren: bx ax bx ax bx ax ~ ¼ þ ¼ a b~ ¼ ay by ay by ay by
ðII-22Þ
Addition und Subtraktion zweier Vektoren (Bild II-26) Zwei Vektoren ~ a und b~ werden komponentenweise addiert bzw. subtrahiert: bx ax bx ax ~ ~ ¼ ðII-23Þ ab ¼ ay by ay by Anmerkung Diese Regel gilt sinngema¨ß auch fu¨r endlich viele Vektoren.
&
Beispiele
2 ~ 1 3 (1) Mit den Spaltenvektoren ~ a ¼ ,b ¼ und ~ c ¼ soll der 3 5 2 Vektor ~ s ¼~ a þ 2 b~ 5~ c berechnet werden. Welchen Betrag besitzt dieser Vektor? Lo¨sung: 3 2 1 5 ¼ þ2 2 3 5 15 15 2 2 15 2 2 ¼ ¼ þ þ ¼ 3 3 þ 10 10 10 10 3
~ s ¼ ~ a þ 2 b~ 5~ c ¼
j~ sj ¼ (2)
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffi ð 15Þ 2 þ ð 3Þ 2 ¼ 234 ¼ 15,3
~1 ¼ 4 N , Die an einem Massenpunkt gleichzeitig angreifenden Kra¨fte F 5N 2 N 4N ~ ~ und F3 ¼ ko¨nnen durch die folgende resultierende F2 ¼ 3N 1N ~R ersetzt werden: Kraft F ~1 þ F ~2 þ F ~3 ¼ ~R ¼ F F 4N 2 N 4N 4N 2N þ 4N ¼ þ þ ¼ ¼ 5N 3N 1N 5N þ 3N þ 1N ¼
6N 9N
6 N ¼ 9
2 Vektorrechnung in der Ebene (3)
61
Schiefer Wurf : Ein Ko¨rper wird unter dem Winkel a (gemessen gegen die Horizontale) mit einer Geschwindigkeit vom Betrage v 0 abgeworfen (Bild II-27). Wie lautet die Komponentendarstellung des Geschwindigkeitsvektors ~ v 0? Lo¨sung:
y
~ v0 ¼ v0x ~ ex þ v0y~ ey ¼ v0
v0x
v0y
v0
v 0y
a
Bild II-27 v 0x
x
Aus dem rechtwinkligen Dreieck in Bild II-27 folgt unmittelbar: v0x v0 v0y sin a ¼ v0
cos a ¼
)
v 0 x ¼ v 0 cos a
)
v 0 y ¼ v 0 sin a
Damit besitzt der Geschwindigkeitsvektor ~ v 0 die folgende Komponentendarstellung: v0x v 0 cos a cos a ~ ¼ v0 ¼ v0 ¼ & v0y v 0 sin a sin a
2.3 Skalarprodukt zweier Vektoren 2.3.1 Definition und Berechnung eines Skalarproduktes Als weitere Vektoroperation fu¨hren wir die skalare Multiplikation zweier Vektoren ein. Sie erzeugt aus den Vektoren ~ a und b~ einen Skalar, also eine reelle Zahl, das sog. Skalarprodukt ~ a b~ (gelesen: a Punkt b). In den Anwendungen treten Skalarprodukte z. B. im Zusammenhang mit den folgenden Gro¨ßen auf: Arbeit einer Kraft beim Verschieben einer Masse Spannung (Potentialdifferenz) zwischen zwei Punkten eines elektrischen Feldes Winkelberechnung zwischen zwei Kra¨ften oder in ebenen geometrischen Figuren (z. B. in Dreiecken)
62
II Vektoralgebra
Das Skalarprodukt wird wie folgt definiert: Definition: Unter dem Skalarprodukt ~ a b~ zweier Vektoren ~ a und b~ wird das Produkt aus den Betra¨gen der beiden Vektoren und dem Kosinus des von den Vektoren eingeschlossenen Winkels j verstanden (Bild II-28): ~ a b~ ¼ j ~ a j j b~j cos j ¼ a b cos j
ðII-24Þ
ð0 j 180 Þ
b
Bild II-28 Zum Begriff des Skalarproduktes zweier Vektoren
f a
Anmerkungen (1)
Das Skalarprodukt ist eine skalare Gro¨ße und wird auch als inneres Produkt der Vektoren ~ a und b~ bezeichnet.
(2)
Man beachte, dass der in der Definitionsformel (II-24) des Skalarproduktes auftretende Winkel j stets der kleinere der beiden Winkel ist, den die Vektoren ~ a und b~ miteinander bilden.
Rechenregeln fu¨r Skalarprodukte Die Skalarproduktbildung ist sowohl kommutativ als auch distributiv: Kommutativgesetz
~ a b~ ¼ b~ ~ a
ðII-25Þ
Distributivgesetz
~ a ðb~ þ ~ cÞ ¼ ~ a b~ þ ~ a~ c
ðII-26Þ
Ferner gilt fu¨r einen beliebigen reellen Skalar l: l ð~ a b~Þ ¼ ðl ~ aÞ b~ ¼ ~ a ðl b~Þ
ðII-27Þ
Orthogonale Vektoren Das Skalarprodukt ~ a b~ zweier vom Nullvektor verschiedener Vektoren kann nur verschwinden, wenn cos j ¼ 0, d. h. j ¼ 90 ist. In diesem Fall stehen die Vektoren aufeinander senkrecht (sog. orthogonale Vektoren, vgl. hierzu Bild II-29). b a·b=0
Bild II-29 Orthogonale Vektoren a
2 Vektorrechnung in der Ebene
63
Orthogonale Vektoren (Bild II-29) Zwei vom Nullvektor verschiedene Vektoren ~ a und b~ stehen genau dann aufeinander senkrecht, sind also orthogonal, wenn ihr Skalarprodukt verschwindet: ~ a b~ ¼ 0
~ a ? b~
,
ðII-28Þ
Die Bedingung der Orthogonalita¨t erfu¨llen beispielsweise die Einheitsvektoren (Basisey: vektoren) ~ e x und ~ ~ ey ¼ ~ ey ~ ex ¼ 0 ex ~
ðII-29Þ
Das skalare Produkt eines Vektors ~ a mit sich selbst fu¨hrt zu ~ a~ a ¼ j~ a j j~ a j cos 0 ¼ j ~ a j j~ a j 1 ¼ j~ a j2 ¼ a2 0
ðII-30Þ
Der Betrag eines Vektors ~ a kann daher aus dem Skalarprodukt ~ a~ a berechnet werden: j~ aj ¼ a ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ~ a~ a
ðII-31Þ
ey: So erha¨lt man beispielsweise fu¨r die Einheitsvektoren (Basisvektoren) ~ e x und ~ ~ ex ~ e x ¼ j~ e x j 2 ¼ 1,
~ ey ~ e y ¼ j~ ey j2 ¼ 1
ðII-32Þ
Berechnung eines Skalarproduktes aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) Das skalare Produkt zweier Vektoren ~ a ¼ ax~ ex þ ay~ e y und b~ ¼ b x ~ ex þ by~ e y la¨sst sich auch direkt aus den Vektorkoordinaten (skalaren Vektorkomponenten) der beiden Vektoren wie folgt berechnen (wir verwenden dabei die Rechenregeln (II-26) und (II-27)): ~ ex þ ay~ e y Þ ðb x ~ ex þ by~ e yÞ ¼ a b~ ¼ ða x ~ ex ~ e x Þ þ a x b y ð~ ex ~ e y Þ þ a y b x ð~ ey ~ e x Þ þ a y b y ð~ ey ~ e yÞ ¼ ¼ a x b x ð~ |fflfflffl{zfflfflffl} |fflfflffl{zfflfflffl} |fflfflffl{zfflfflffl} |fflfflffl{zfflfflffl} 1 0 0 1 ¼ ax bx þ ay by
ðII-33Þ
In der Praxis verwenden wir fu¨r die Skalarproduktbildung das folgende Rechenschema: ~ a b~ ¼
ax ay
bx by
¼ ax bx þ ay by
ðII-34Þ
64
II Vektoralgebra
Wir fassen diese Ergebnisse wie folgt zusammen:
Berechnung eines Skalarproduktes aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der beteiligten Vektoren Das Skalarprodukt ~ a b~ zweier Vektoren ~ a und b~ la¨sst sich aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der beiden Vektoren wie folgt berechnen: bx ax ~ ¼ ax bx þ ay by ðII-35Þ a b~ ¼ ay by Regel: Komponentenweise Multiplikation, anschließende Addition der Produkte.
Die Berechnung eines Skalarproduktes kann somit grundsa¨tzlich auf zwei verschiedene Arten erfolgen: Entweder nach der Definitionsformel (II-24), wenn die Betra¨ge der beiden Vektoren sowie der von ihnen eingeschlossene Winkel bekannt sind oder u¨ber die skalaren Vektorkomponenten nach Formel (II-35): ~ a b~ ¼ j ~ a j j b~j cos j ¼ a x b x þ a y b y
&
ðII-36Þ
Beispiele (1)
(2)
1 3 ~ : und b ¼ Wir berechnen das Skalarprodukt der Vektoren ~ a ¼ 5 2 3 1 ~ a b~ ¼ ¼ 3 ð 1Þ þ 2 5 ¼ 3 þ 10 ¼ 7 2 5
1 1 ~ sind orthogonal, d. h. sie stehen aufund b ¼ Die Vektoren ~ a ¼ 1 1 einander senkrecht, da ihr skalares Produkt verschwindet: ~ a b~ ¼
1 1 ¼ 1 ð 1Þ þ 1 1 ¼ 1 þ 1 ¼ 0 1 1
&
2.3.2 Winkel zwischen zwei Vektoren Bei der Berechnung des von zwei Vektoren ~ a und b~ eingeschlossenen Winkels j wird von der Gleichung (II-36) Gebrauch gemacht, die zuna¨chst nach cos j aufgelo¨st wird: cos j ¼
~ ax bx þ ay by a b~ ¼ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ~ 2 j~ aj jb j a x þ a 2y b 2x þ b 2y
ðII-37Þ
2 Vektorrechnung in der Ebene
65
Durch Umkehrung 1) folgt schließlich: Winkel zwischen zwei Vektoren (Bild II-28) Der von den Vektoren ~ a und b~ eingeschlossene Winkel j la¨sst sich wie folgt berechnen: ! ~ a b~ j ¼ arccos ð~ a 6¼ ~ 0, b~ 6¼ 0Þ ðII-38Þ j~ a j j b~ j Anmerkung Aus dem Vorzeichen des Skalarproduktes ~ a b~ lassen sich bereits Ru¨ckschlu¨sse auf den Winkel j zwischen den Vektoren ~ a und b~ ziehen (Bild II-30): ~ a b~ > 0 ~ a b~ ¼ 0 ~ a b~ < 0
)
j < 90
)
j ¼ 90
j > 90
)
b
(spitzer Winkel; Bild II-30a)) (rechter Winkel; Bild II-30b)) (stumpfer Winkel; Bild II-30c))
b
b
f = 90°
f < 90° f
f > 90° f
f a
a) ~ a b~ > 0
a
b) ~ a b~ ¼ 0
a
c) ~ a b~ < 0
Bild II-30 Winkel zwischen zwei vom Nullvektor verschiedenen Vektoren
&
Beispiele (1)
Welche Winkel bildet der Vektor ~ a ¼ (Bild II-31)?
2 mit den beiden Koordinatenachsen 1
y 2 ey
a
1
b
a
Bild II-31 ex
1)
x
Die Auflo¨sung der Gleichung (II-37) nach dem unbekannten Winkel j fu¨hrt auf die Umkehrfunktion der Kosinusfunktion, die als Arkuskosinusfunktion bezeichnet und im na¨chsten Kapitel (Kap. III, Abschnitt 10.3) noch ausfu¨hrlich behandelt wird.
66
II Vektoralgebra
Lo¨sung: Die gesuchten Winkel a und b sind nach Bild II-31 genau die Winkel, die der Vektor ~ a mit den beiden Einheitsvektoren ~ e x und ~ e y einschließt. Sie lassen sich daher u¨ber die Skalarprodukte des Vektors ~ a mit diesen Einheitsvektoren bestimmen. Es gilt na¨mlich: ~ a~ ex ¼ j~ a j j~ e x j cos a
)
cos a ¼
~ a~ ex ~ j a j j~ ex j
~ a j j~ e y j cos b a~ ey ¼ j~
)
cos b ¼
~ a~ ey j~ a j j~ ey j
Wir berechnen zuna¨chst die in diesen Bestimmungsgleichungen fu¨r a und b auftretenden Skalarprodukte und Betra¨ge: 1 2 ~ ¼ 2, a~ ex ¼ 0 1 j~ aj ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 22 þ 12 ¼ 5 ,
0 2 ~ a~ ey ¼ ¼ 1 1 1 ey j ¼ 1 j~ e x j ¼ j~
Damit erhalten wir: ~ 2 a~ ex cos a ¼ ¼ pffiffiffiffiffi j~ a j j~ ex j 5
)
~ 1 a~ ey ¼ pffiffiffiffiffi j~ a j j~ ey j 5
)
cos b ¼
2 p ffiffiffiffi ffi ¼ 26,6 a ¼ arcccos 5 1 p ffiffiffiffi ffi ¼ 63,4 b ¼ arcccos 5
Kontrolle: Es ist (wie erwartet) a þ b ¼ 90 . (2)
Wir interessieren uns fu¨r den Winkel j zwischen den Vektoren ~ a ¼ 3 (siehe Bild II-32). b~ ¼ 2 y
a
3 b
2
≈ 110°
Bild II-32 –3
4
x
4 und 3
2 Vektorrechnung in der Ebene
67
Mit qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi 4 2 þ 3 2 ¼ 25 ¼ 5 , j b~j ¼ ð 3Þ 2 þ 2 2 ¼ 13 4 3 ~ a b~ ¼ ¼ 12 þ 6 ¼ 6 3 2 j~ aj ¼
erhalten wir nach Formel (II-38) den folgenden Wert: ! ~ 6 a b~ p ffiffiffiffiffiffi ffi ¼ ¼ arccos j ¼ arccos 5 13 j~ a j j b~ j ¼ arccos ð 0,3328Þ ¼ 109,4
&
2.4 Linear unabha¨ngige Vektoren Aus Abschnitt 2.1 ist bekannt: Jeder Vektor ~ a ist in eindeutiger Weise als Linearkombination der Einheitsvektoren ~ e x, ~ e y darstellbar: ~ ex þ ay~ ey a ¼ ax~
ðII-39Þ
e y bilden dabei eine sog. Basis (sog. Komponentendarstellung). Die Vektoren ~ e x und ~ der Ebene, erzeugen also einen 2-dimensionalen Raum und werden daher folgerichtig als Basisvektoren bezeichnet. Grundsa¨tzlich ko¨nnen als Basis zwei beliebige (vom Nullvektor verschiedene) Vektoren ~ e 1, ~ e 2 gewa¨hlt werden, sofern sie (wie ~ e x und ~ e y) nicht kollinear sind, also einen von 0 und 180 verschiedenen Winkel miteinander einschließen (Bild II-33).
f a) f = 0°
b) f = 180°
Bild II-33 a) und b) Kollineare Vektoren
c) 0° < f < 180°
c) Nicht-kollineare Vektoren
Jeder Vektor ~ a la¨sst sich dann in eindeutiger Weise als Linearkombination dieser Basisvektoren darstellen: ~ e2 a ¼ l~ e 1 þ m~
ðII-40Þ
Die reellen Zahlen l und m sind dabei die Vektorkoordinaten von ~ a, bezogen auf die e 2 (Bild II-34). Basis ~ e 1, ~
68
II Vektoralgebra a = le 1 + me 2
me 2 e2
Bild II-34 Darstellung eines Vektors ~ a in der Basis ~ e 1, ~ e2
le1
e1
Basisvektoren sind dabei stets linear unabha¨ngig, d. h. die mit ihnen gebildete lineare Vektorgleichung l1~ 0 e1 þ l2~ e2 ¼ ~
ðII-41Þ
kann nur fu¨r l 1 ¼ l 2 ¼ 0 erfu¨llt werden 2). &
Beispiel
1 1 und ~ e2 ¼ sind wie man aus Bild II-35 unex ¼ Die Vektoren ~ e1 ¼ ~ 0 1 mittelbar entnehmen kann nicht-kollinear und somit linear unabha¨ngig. y e2
1
Bild II-35 Linear unabha¨ngige Vektoren ~ e 1, ~ e2
e1 –1
1
x
Wir wollen diese Aussage auf rechnerischem Wege besta¨tigen. Aus der Vektorgleichung 0 1 1 l1~ þ l2 ¼ 0 oder l1 e1 þ l2~ e2 ¼ ~ 0 0 1 erhalten wir das homogene lineare Gleichungssystem 1 l1 1 l2 ¼ 0 0 l1 þ 1 l2 ¼ 0
oder
l1 l2 ¼ 0 l2 ¼ 0
e 1 und ~ e 2 sind somit linear mit der trivialen Lo¨sung l 1 ¼ l 2 ¼ 0. Die Vektoren ~ & unabha¨ngig. 2)
Die Komponentenschreibweise der Vektorgleichung (II-41) fu¨hrt zu einem homogenen linearen Gleichungssystem, das nur trivial lo¨sbar ist ðl 1 ¼ l 2 ¼ 0Þ.
2 Vektorrechnung in der Ebene
69
Der Begriff der „Linearen Unabha¨ngigkeit von Vektoren“ la¨sst sich auch auf Systeme von k Vektoren ausdehnen. Definition: Die k Vektoren ~ a 1, ~ a 2, . . . , ~ a k der Ebene heißen linear unabha¨ngig, wenn die lineare Vektorgleichung l1 ~ 0 a1 þ l2 ~ a2 þ . . . þ lk ~ ak ¼ ~
ðII-42Þ
nur fu¨r l 1 ¼ l 2 ¼ . . . ¼ l k ¼ 0 erfu¨llt werden kann. Verschwinden jedoch nicht alle Koeffizienten in dieser Gleichung, so heißen die k Vektoren linear abha¨ngig.
Anmerkungen (1)
Es la¨sst sich zeigen, dass es in der Ebene maximal zwei linear unabha¨ngige Vektoren gibt (daher stammt auch die Bezeichnung „2-dimensionaler“ Raum fu¨r die Ebene), mehr als zwei Vektoren sind immer linear abha¨ngig.
(2)
Die Vektoren k sind linear abha¨ngig, wenn sie den Nullvektor oder kollineare Vektoren enthalten oder wenn mindestens einer der Vektoren als Linearkombination der u¨brigen darstellbar ist.
2.5 Ein Anwendungsbeispiel: Resultierende eines ebenen Kra¨ftesystems Wir behandeln ein Problem, das in der Technischen Mechanik von großer Bedeutung ist: Die vektorielle Addition von mehreren an einem gemeinsamen Massenpunkt angreifenden (ebenen) Kra¨ften zu einer resultierenden Kraft. Graphische Lo¨sung durch ein Krafteck ~1 , Es wird ein Kra¨fteplan erstellt: Er entha¨lt die n angreifenden Kraftvektoren F ~2 , . . . , F ~n in einem geeigneten Kra¨ftemaßstab 3). Von F ~1 ausgehend wird zuna¨chst F ~2 parallel zu sich verschoben, bis sein Anfangspunkt in den Endpunkt der Kraftvektor F ~3 parallel zu sich selbst und bringen sei~1 fa¨llt. Anschließend verschieben wir F von F ~2 zur Deckung. Auf diese Weise wird nen Anfangspunkt mit dem Endpunkt von F Kraftvektor an Kraftvektor gereiht und man erha¨lt ein sog. Krafteck (auch Kraftpolygon ~R ist der vom Anfangspunkt des Vektors F ~1 zum genannt). Die resultierende Kraft F ~ Endpunkt des Vektors Fn gerichtete Vektor (Bild II-36).
3)
Der Kra¨ftemaßstab regelt die Umrechnung von der La¨ngen- in die Krafteinheit, z. B. 1 cm ¼ b 100 N.
70
II Vektoralgebra F n–1
Fn FR
F5
F4
Bild II-36 Krafteck (Kra¨ftepolygon) F3 F1
F2
Rechnerische Lo¨sung ~R ist die Vektorsumme aus den n Einzelkra¨ften: Die resultierende Kraft F ~R ¼ F ~1 þ F ~2 þ . . . þ F ~n F &
ðII-43Þ
Beispiel Wir bestimmen graphisch und rechnerisch die Resultierende des in Bild II-37 skizzierten Kra¨ftesystems: y F 2 = 300 N
F 1 = 500 N
45° 30°
Bild II-37
15°
20°
x
F 4 = 200 N
F 3 = 250 N
a) Graphische Lo¨sung (Bild II-38) F2 F3 F4
Abgelesene Werte: FR
FR 370 N a 61
F1
a
Bild II-38 x
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
71
b) Rechnerische Lo¨sung Wir berechnen zuna¨chst anhand des Bildes II-37 die x- und y-Komponenten der vier ~R : Einzelkra¨fte und daraus dann die Resultierende F ~1 : F
F1 x ¼ F1 cos 30 ¼ 500 N cos 30 ¼ F1 y ¼ F1 sin 30 ¼ 500 N sin 30 ¼
~2 : F
F2 x ¼ F2 cos 135 ¼ 300 N cos 135 ¼ 212,1 N F2 y ¼ F2 sin 135 ¼ 300 N sin 135 ¼ 212,1 N
~3 : F
F3 x ¼ F3 cos 200 ¼ 250 N cos 200 ¼ 234,9 N F3 y ¼ F3 sin 200 ¼ 250 N sin 200 ¼ 85,5 N
~4 : F
F4 x ¼ F4 cos 345 ¼ 200 N cos 345 ¼ 193,2 N F4 y ¼ F4 sin 345 ¼ 200 N sin 345 ¼ 51,8 N
433 N 250 N
~R : Resultierende Kraft F ~1 þ F ~2 þ F ~3 þ F ~4 ¼ ~R ¼ F F 179,2 N 193,2 N 234,9 N 212,1 N 433 N ¼ þ þ þ ¼ 324,8 N 51,8 N 85,5 N 212,1 N 250 N Wir ko¨nnen die resultierende Kraft aber auch durch ihren Betrag und den in Bild II-38 eingezeichneten Winkel a eindeutig festlegen: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ~R j ¼ jF ð179,2 NÞ 2 þ ð324,8 NÞ 2 ¼ 137 607,7 N ¼ 371,0 N 179,2 N 1 ~R ~ 324,8 N 0 ex 179,2 N F ¼ 0,4830 ) cos a ¼ ¼ ¼ ~ 371,0 N 371,0 N 1 j FR j j~ ex j a ¼ arccos 0,4830 ¼ 61,1
&
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum Nachdem wir uns in Abschnitt 2 eingehend mit den Vektoren der Ebene und ihren Eigenschaften bescha¨ftigt haben, gehen wir jetzt zur Darstellung von Vektoren im 3-dimensionalen Anschauungsraum (im Folgenden kurz als Raum bezeichnet) u¨ber. Hier liegen die Verha¨ltnisse ganz a¨hnlich. Zur Festlegung eines Vektors beno¨tigt man jedoch eine weitere Komponente. Die Rechenoperationen unterliegen dabei den bereits aus der Ebene bekannten Regeln: Die Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar sowie die Addition und Subtraktion von Vektoren erfolgen jeweils komponentenweise. Die Definition des Skalarproduktes zweier Vektoren und die sich daraus ergebenden Eigenschaften behalten auch im Raum ihre Gu¨ltigkeit. Als neue Begriffe werden wir schließlich das aus zwei Vektoren gebildete Vektorprodukt sowie das aus drei Vektoren gebildete gemischte oder Spatprodukt einfu¨hren.
72
II Vektoralgebra
3.1 Komponentendarstellung eines Vektors Wir legen der Betrachtung ein rechtsha¨ndiges kartesisches Koordinatensystem mit einer x, y - und z-Achse zugrunde. Es wird durch drei paarweise aufeinander senkrecht stehende Einheitsvektoren ~ e x, ~ e y und ~ e z festgelegt (Bild II-39) 4). Richtung und Maßstab der Koordinatenachsen sind dadurch eindeutig bestimmt. Daher bezeichnet man die Einheitsvektoren in diesem Zusammenhang auch als Basisvektoren. z az
z
az
P
ez a ex
ey
ax
y
ay
ay
y
ax
x x
Bild II-39 Basisvektoren eines ra¨umlichen rechtwinkligen Koordinatensystems
Bild II-40 Zerlegung eines Vektors in drei Komponenten
Ein im Nullpunkt „angebundener Vektor ~ a ist dann in der Form ~ ay þ ~ az a ¼ ~ ax þ ~
ðII-44Þ
a y, ~ a z sind darstellbar. Die als Vektorkomponenten von ~ a bezeichneten Vektoren ~ a x, ~ die Projektionen des Vektors ~ a auf die einzelnen Koordinatenachsen (Bild II-40). Sie liegen in Richtung oder in Gegenrichtung des jeweiligen Einheitsvektors. Daher gilt: ~ ex , ax ¼ ax ~
~ ay ¼ ay~ ey ,
~ az ¼ az~ ez
ðII-45Þ
Fu¨r den Vektor ~ a erha¨lt man somit die Komponentendarstellung ~ ay þ ~ az ¼ ax ~ ex þ ay~ ey þ az~ ez a ¼ ~ ax þ ~
ðII-46Þ
Die skalaren Gro¨ßen a x , a y , a z werden als Vektorkoordinaten oder skalare Vektorkomponenten von ~ a bezeichnet. Wird der Vektor ~ a vom Koordinatenursprung aus abgetragen, so stimmen die Vektorkomponenten von ~ a mit den Koordinaten des Vektorendpunktes P u¨berein (~ a ist der Ortsvektor von P). Bei fester Basis ~ e x, ~ e y, ~ e z ist der Vektor ~ a in umkehrbar eindeutiger Weise durch die drei Vektorkoordinaten a x , a y , a z bestimmt. 4)
Rechtsha¨ndiges System (Rechtssystem): Spreizt man Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand so, dass sie jeweils einen rechten Winkel miteinander bilden, dann zeigen sie der Reihe nach in Richtung der drei Einheitsvektoren und damit in Richtung der x-, y- und z-Achse. Statt ~ e x, ~ e y, ~ e z sind auch folgende Symbole u¨blich: ~ e 1, ~ e 2, ~ e 3 und ~ i, ~ j, k~.
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
73
Es genu¨gt daher die Angabe der skalaren Komponenten in Form eines Spaltenvektors: 0 1 ax ~ ðII-47Þ ex þ ay~ ey þ az~ ez ¼ @ ay A a ¼ ax~ az Von der ebenfalls mo¨glichen Darstellung durch einen Zeilenvektor ða x a y a z Þ werden wir keinen Gebrauch machen 5Þ .
Komponentendarstellung eines Vektors (Bild II-40) 0
1 ax ~ ay þ ~ az ¼ ax ~ ex þ ay~ ey þ az~ ez ¼ @ ay A a ¼~ ax þ ~ az
ðII-48Þ
Dabei bedeuten: 9 ~ ex > ax ¼ ax ~ = ~ a ay ¼ ay~ e y Vektorkomponenten von ~ > ; ~ az ¼ az~ ez a x, a y, a z : 0 1 ax @ a y A: az
Vektorkoordinaten (skalare Vektorkomponenten) von ~ a Spaltenvektor
Sind Anfangspunkt P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 ; z 1 Þ und Endpunkt P 2 ¼ ðx 2 ; y 2 ; z 2 Þ eines Vek! tors ~ a bekannt, so lautet die Komponentendarstellung von ~ a ¼ P 1 P 2 wie folgt: Komponentendarstellung eines durch zwei Punkte festgelegten Vektors 0 1 x2 x1 ! ~ e x þ ðy 2 y 1 Þ ~ e y þ ðz 2 z 1 Þ ~ ez ¼ @ y2 y1 A a ¼ P 1 P 2 ¼ ðx 2 x 1 Þ ~ z2 z1 (II-49) Dabei bedeuten: ! P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 ; z 1 Þ: Anfangspunkt des Vektors ~ a ¼ P1 P2 ! P 2 ¼ ðx 2 ; y 2 ; z 2 Þ: Endpunkt des Vektors ~ a ¼ P1 P2
5)
Mit Spaltenvektoren la¨sst sich besonders einfach und u¨bersichtlich rechnen (siehe folgende Abschnitte).
74
II Vektoralgebra
Komponentendarstellung spezieller Vektoren Der Ortsvektor des Punktes P ¼ ðx; y; zÞ lautet: 0 1 x ! ~ e y þ z~ ez ¼ @ y A r ðPÞ ¼ O P ¼ x ~ e x þ y~ z
ðII-50Þ
Fu¨r die drei Basisvektoren (Einheitsvektoren) ~ e x, ~ e y, ~ e z erha¨lt man die folgende Komponentendarstellung: 0 1 0 1 1 0 ~ ~ e x ¼ 1~ e x þ 0~ e y þ 0~ ez ¼ @ 0 A , e y ¼ 0~ e x þ 1~ e y þ 0~ ez ¼ @ 1 A , 0 0 0 1 0 ~ e z ¼ 0~ e x þ 0~ e y þ 1~ ez ¼ @ 0 A ðII-51Þ 1 Der Nullvektor ~ 0 besitzt die Komponentendarstellung 0 1 0 @ ~ e y þ 0~ ez ¼ 0 A 0 ¼ 0~ e x þ 0~ 0
ðII-52Þ
Betrag eines Vektors Der Betrag eines Vektors ~ a la¨sst sich nach Bild II-41 aus dem rechtwinkligen Dreieck O P 0 P unter (zweimaliger) Verwendung des Satzes von Pythagoras leicht berechnen: ! j O P j ¼ j~ aj ¼ a
z
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ! jOP0 j ¼ a 2x þ a 2y az
! j P 0 P j ¼ az
a P
|a|
az
0 ay
y
! ! j~ a j2 ¼ a2 ¼ j O P 0 j2 þ j P 0 P j2 ¼
ax P′
¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 þ a 2z ¼ a 2x þ a 2y
x
Bild II-41
¼ a 2x þ a 2y þ a 2z j~ aj ¼ a ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a 2x þ a 2y þ a 2z
ðII-53Þ
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
75
Betrag eines Vektors (Bild II-41) qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi j~ aj ¼ a ¼ a 2x þ a 2y þ a 2z
ðII-54Þ
Gleichheit von Vektoren Zwei Vektoren ~ a und b~ sind genau dann gleich, wenn sie in ihren entsprechenden Komponenten u¨bereinstimmen: ~ a ¼ b~ &
,
ax ¼ bx , ay ¼ by ,
az ¼ bz
ðII-55Þ
Beispiele (1)
Der Ortsvektor des Punktes P ¼ ð3; 2; 1Þ lautet: 0 1 3 ! ~ e y þ 1~ ez ¼ @ 2 A r ðPÞ ¼ O P ¼ 3~ e x 2~ 1 Sein Betrag ist j~ r ðPÞ j ¼ r ðPÞ ¼
(2)
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi 3 2 þ ð 2Þ 2 þ 1 2 ¼ 14 ¼ 3,74
Wir berechnen die La¨nge des Vektors ~ a ¼ 3~ ex þ ~ e y þ 8~ ez: 0 1 3 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi ~ a ¼ @ 1A ) j ~ a j¼ ð 3Þ 2 þ 1 2 þ 8 2 ¼ 74 ¼ 8,60 8
&
3.2 Darstellung der Vektoroperationen 3.2.1 Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar Die Multiplikation eines Vektors ~ a mit einem Skalar (einer reellen Zahl) l wird wie in der Ebene komponentenweise durchgefu¨hrt: Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar Die Multiplikation eines Vektors ~ a mit einem Skalar l erfolgt komponentenweise: 1 0 1 0 l ax ax C B C B ðII-56Þ l~ a ¼ l @ ay A ¼ @ l ay A az l az
76 &
II Vektoralgebra
Beispiel ~ die Beschleunigung Eine Masse von m ¼ 5 kg erfahre durch eine Kraft F 0 1 2 m ~ a ¼ @ 1 A 2 . Die Komponentendarstellung der einwirkenden Kraft lautet dann: s 4 0 1 0 1 0 1 2 10 10 m m ~ ¼ m~ F a ¼ 5 kg @ 1 A 2 ¼ @ 5 A kg 2 ¼ @ 5 A N s s & 4 20 20 Normierung eines Vektors ~ a sei ein beliebiger vom Nullvektor verschiedener Vektor. Wie lautet der in die gleiche Richtung weisende Einheitsvektor ~ e a ? Wir lo¨sen diese Aufgabe wie folgt: ~ a "" ~ e a . Der Vektor ~ a besitzt die La¨nge j ~ a j, a und ~ e a sind parallele Vektoren: ~ der Vektor ~ e a die La¨nge 1. Daher gilt (vgl. hierzu Bild II-42): a
~ a ¼ j~ aj~ ea ea
|a
~ ea ¼
|
~ 1 a ~ a ¼ j~ aj j~ aj
ðII-57Þ ðII-58Þ
Bild II-42 Normierung eines Vektors
Diesen Vorgang bezeichnet man als Normierung eines Vektors. Normierung eines Vektors (Bild II-42) Durch Normierung erha¨lt man aus einem vom Nullvektor verschiedenen Vektor ~ a einen Einheitsvektor gleicher Richtung. Er lautet wie folgt: 1 ~ ~ a ðII-59Þ ea ¼ j~ aj Regel: Die Vektorkoordinaten werden durch den Betrag des Vektors dividiert.
&
1 2 Wir normieren den Vektor ~ a ¼ @ 1 A: 2 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi j~ aj ¼ 2 2 þ ð 1Þ 2 þ 2 2 ¼ 9 ¼ 3 1 0 1 0 2=3 2 1 1 B C B C ~ ~ a ¼ a ¼ 3~ ea ) ~ ea ¼ @ 1 A ¼ @ 1=3 A 3 3 2=3 2
Beispiel
0
&
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
77
3.2.2 Addition und Subtraktion von Vektoren Die Addition und Subtraktion zweier Vektoren ~ a und b~ erfolgt (wie in der Ebene) komponentenweise:
Addition und Subtraktion zweier Vektoren Zwei Vektoren ~ a und b~ werden komponentenweise addiert bzw. subtrahiert: 0 1 0 1 0 1 ax bx ax bx B C B C B C ~ a b~ ¼ @ a y A @ b y A ¼ @ a y b y A ðII-60Þ az
&
bz
az bz
0 1 0 1 0 1 2 3 4 Wir berechnen mit ~ a ¼ @ 3 A, b~ ¼ @ 0 A und ~ c ¼ @ 1 A den folgenden Vektor: 4 1 5
Beispiele (1)
0 1 0 1 0 1 2 3 4 ~ s ¼ 4~ a þ 3 b~ 8~ c ¼ 4@3A þ 3@0A 8@ 1A ¼ 4 1 5 0 1 0 1 0 1 1 0 1 8 þ 9 þ 32 49 8 9 32 4A ¼ @ 12 A þ @ 0 A þ @ 8 A ¼ @ 12 þ 0 8 A ¼ @ 40 16 þ 3 40 21 16 3 0
(2) Wir zeigen, dass die an einem Massenpunkt gleichzeitig angreifenden Kra¨fte 1 20 C ~1 ¼ B F @ 11 A N , 3 1 0 1 C ~3 ¼ B F @ 10 A N , 4 0
0 1 4 B C ~ F2 ¼ @ 8 A N , 9 1 0 25 C ~4 ¼ B F @ 13 A N , 2
sich in ihrer physikalischen Wirkung aufheben. ~R Lo¨sung: Die vier Kra¨fte heben sich gegenseitig auf, wenn die Resultierende F den Nullvektor ergibt. Dies ist hier der Fall:
78
II Vektoralgebra
~1 þ F ~2 þ F ~3 þ F ~4 ¼ ~R ¼ F F 0
1 0 1 0 1 0 1 20 4 1 25 ¼ @ 11 A N þ @ 8 A N þ @ 10 A N þ @ 13 A N ¼ 3 9 4 2 0
1 0 1 20 þ 4 þ 1 25 0 ¼ @ 11 þ 8 10 þ 13 A N ¼ @ 0 A N 3 þ 9 4 2 0 (3)
Welche Koordinaten besitzt der Punkt Q, der die Strecke zwischen den Punkten P 1 ¼ ð 4; 3; 2Þ und P 2 ¼ ð1; 0; 4Þ halbiert (Bild II-43)? P1
P1 Q
Q
r (P 1 )
P1 P2
P2
r (Q) r (P 2 )
Bild II-43
0
! ! Lo¨sung: Der Vektor P 1 Q ist parallel zum Vektor P 1 P 2, jedoch nur von halber La¨nge: ! 1 ! P1 Q ¼ P1 P2 2 Aus der Skizze folgt ferner, dass der Ortsvektor ~ r ðQÞ des gesuchten Punktes Q ! als Vektorsumme aus ~ r ðP 1 Þ und P 1 Q darstellbar ist: ! 1 ! ~ r ðP 1 Þ þ r ðQÞ ¼ ~ r ðP 1 Þ þ P 1 Q ¼ ~ P1 P2 2 ! Wir berechnen zuna¨chst die beno¨tigten Vektoren ~ r ðP 1 Þ und P 1 P 2 : 0
1 0 1 x1 4 B C B C ~ r ðP 1 Þ ¼ @ y 1 A ¼ @ 3 A z1 2 0 1 0 1 0 1 x2 x1 1 ð 4Þ 5 ! B C B C B C P1 P2 ¼ @ y2 y1 A ¼ @ 0 3 A ¼ @3A z2 z1 42 2
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
79
Fu¨r den Ortsvektor ~ r ðQÞ erhalten wir dann: 0 1 0 1 5 4 1 ! 1 @3A ¼ ~ P1 P2 ¼ @ 3 A þ r ðQÞ ¼ ~ r ðP 1 Þ þ 2 2 2 2 0 1 0 1 0 1 0 1 4 2,5 4 þ 2,5 1,5 ¼ @ 3 A þ @ 1,5 A ¼ @ 3 1,5 A ¼ @ 1,5 A 2 1 2þ1 3 Ergebnis: Q ¼ ð 1,5; 1, 5; 3Þ.
&
3.3 Skalarprodukt zweier Vektoren 3.3.1 Definition und Berechnung eines Skalarproduktes Die in Abschnitt 2.3 gegebene Definition des skalaren Produktes zweier Vektoren la¨sst sich sinngema¨ß auch auf ra¨umliche, d. h. 3-dimensionale Vektoren u¨bertragen: Definition: Unter dem Skalarprodukt ~ a b~ zweier Vektoren ~ a und b~ versteht man den Skalar ~ a b~ ¼ j ~ a j j b~j cos j ¼ a b cos j
ðII-61Þ
wobei j der von den beiden Vektoren eingeschlossene Winkel ist (0 j 180 ; Bild II-44).
b
Bild II-44 Zum Begriff des Skalarproduktes zweier Vektoren
f a
Rechenregeln fu¨r Skalarprodukte Die Skalarproduktbildung ist sowohl kommutativ als auch distributiv: Kommutativgesetz
~ a b~ ¼ b~ ~ a
(II-62)
Distributivgesetz
~ a ðb~ þ ~ cÞ ¼ ~ a b~ þ ~ a~ c
(II-63)
Ferner gilt fu¨r einen beliebigen reellen Skalar l: l ð~ a b~Þ ¼ ðl ~ aÞ b~ ¼ ~ a ðl b~Þ
ðII-64Þ
80
II Vektoralgebra
Orthogonale Vektoren Verschwindet das skalare Produkt zweier vom Nullvektor verschiedener Vektoren, so bilden sie einen rechten Winkel miteinander, stehen also aufeinander senkrecht (auch die Umkehrung gilt). Solche Vektoren heißen (wie in der Ebene) orthogonal.
Orthogonale Vektoren Zwei vom Nullvektor verschiedene Vektoren ~ a und b~ stehen genau dann aufeinander senkrecht, sind also orthogonal, wenn ihr Skalarprodukt verschwindet: ~ a b~ ¼ 0
,
~ a ? b~
ðII-65Þ
Die drei Einheitsvektoren ~ e x, ~ e y, ~ e z bilden eine sog. orthonormierte Basis, d. h. die Vektoren stehen paarweise aufeinander senkrecht (orthogonale Vektoren) und besitzen jeweils den Betrag Eins (normierte Vektoren): ~ ey ¼ ~ ey ~ ez ¼ ~ ez ~ ex ¼ 0 ex ~ ~ ex ¼ ~ ey ~ ey ¼ ~ ez ~ ez ¼ 1 ex ~
ðII-66Þ
Fu¨r den Sonderfall ~ a ¼ b~ erha¨lt man: ~ a~ a ¼ j~ a j j~ a j cos 0 ¼ j ~ a j j~ a j 1 ¼ j~ a j2 ¼ a2
ðII-67Þ
Der Betrag eines Vektors ~ a la¨sst sich daher auch u¨ber das Skalarprodukt ~ a~ a berechnen: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi j~ aj ¼ a ¼ ~ a~ a ðII-68Þ Berechnung eines Skalarproduktes aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) Das Skalarprodukt zweier Vektoren kann auch direkt aus den skalaren Komponenten der beiden Vektoren bestimmt werden: ~ a b~ ¼ ða x ~ ex þ ay~ ey þ az~ e z Þ ðb x ~ ex þ by~ ey þ bz~ e zÞ ¼ ¼ a x b x ð~ ex ~ e x Þ þ a x b y ð~ ex ~ e y Þ þ a x b z ð~ ex ~ e zÞ þ ey ~ e x Þ þ a y b y ð~ ey ~ e y Þ þ a y b z ð~ ey ~ e zÞ þ þ a y b x ð~ ez ~ e x Þ þ a z b y ð~ ez ~ e y Þ þ a z b z ð~ ez ~ e zÞ þ a z b x ð~ ðII-69Þ Die dabei auftretenden Skalarprodukte verschwinden, wenn an ihrer Bildung zwei verschiedene Einheitsvektoren beteiligt sind. In allen anderen Fa¨llen haben die Skalarprodukte den Wert 1. Damit reduziert sich die Gleichung (II-69) wie folgt:
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
81
~ a b~ ¼ a x b x 1 þ a x b y 0 þ a x b z 0 þ a y b x 0 þ a y b y 1 þ þ ay bz 0 þ az bx 0 þ az by 0 þ az bz 1 ¼ ¼ ax bx þ ay by þ az bz
ðII-70Þ
Wir fassen zusammen:
Berechnung eines Skalarproduktes aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der beteiligten Vektoren Das Skalarprodukt ~ a b~ zweier Vektoren ~ a und b~ la¨sst sich aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der beiden Vektoren wie folgt berechnen: 0 1 0 1 ax bx B C B C ~ ~ a b ¼ @ ay A @ by A ¼ ax bx þ ay by þ az bz ðII-71Þ az
bz
Regel: Komponentenweise Multiplikation, anschließende Addition der Produkte.
Das skalare Produkt zweier Vektoren kann somit (wie in der Ebene) auf zwei verschiedene Arten berechnet werden: ~ a b~ ¼ j ~ a j j b~j cos j ¼ a x b x þ a y b y þ a z b z
&
0
1 0 1 1 3 Das skalare Produkt der Vektoren ~ a ¼ @ 2 A und b~ ¼ @ 2 A betra¨gt: 2 4 0 1 0 1 1 3 ~ a b~ ¼ @ 2 A @ 2 A ¼ 3 4 8 ¼ 9 2 4
Beispiele (1)
(2)
ðII-72Þ
0 1 2 Die Vektoren ~ a ¼ @1A 5 Skalarprodukt verschwindet:
0
und
1 3 b~ ¼ @ 4 A 2
sind orthogonal, da ihr
0 1 0 1 2 3 ~ a b~ ¼ @ 1 A @ 4 A ¼ 6 þ 4 10 ¼ 0 5 2 (3) Wir beweisen den Satz des Pythagoras: „In einem rechtwinkligen Dreieck ist die Summe der beiden Kathetenquadrate gleich dem Quadrat der Hypotenuse“.
82
II Vektoralgebra
Beweis: Die beiden Katheten sowie die Hypotenuse des rechtwinkligen Dreiecks legen wir in der aus Bild II-45 ersichtlichen Weise durch Vektoren fest, wobei gilt: ~ a~ a ¼ a2 , ~ a b~ ¼ 0
b~ b~ ¼ b 2 ,
~ c~ c ¼ c2 ,
ðda nach Voraussetzung ~ a ? b~Þ c b
c
b
Bild II-45 Zur Herleitung des Satzes des Pythagoras a
a
Der Hypotenusenvektor ~ c ist ferner die Summe der beiden Kathetenvektoren ~ a und b~: ~ c ¼ ~ a þ b~ Wir bilden nun das skalare Produkt von ~ c mit sich selbst: ~ c~ c ¼ ð~ a þ b~Þ ð~ a þ b~Þ ¼ ~ a~ aþ~ a b~ þ b~ ~ a þ b~ b~ Wegen der Orthogonalita¨t von ~ a und b~ ist ~ a b~ ¼ b~ ~ a ¼ 0 und es folgt: ~ c~ c ¼~ a~ a þ b~ b~
oder
c2 ¼ a2 þ b2 &
Damit ist der Lehrsatz des Pythagoras bewiesen.
3.3.2 Winkel zwischen zwei Vektoren Aus Gleichung (II-72) erhalten wir die folgende wichtige Beziehung fu¨r den Winkel j zwischen zwei Vektoren ~ a und b~: cos j ¼
~ ax bx þ ay by þ az bz a b~ ¼ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ~ 2 j~ aj jb j a x þ a 2y þ a 2z b 2x þ b 2y þ b 2z
ðII-73Þ
Diese Gleichung lo¨sen wir nach dem gesuchten Winkel j auf und erhalten das folgende Ergebnis: Winkel zwischen zwei Vektoren (Bild II-44) Der von den Vektoren ~ a und b~ eingeschlossene Winkel j la¨sst sich wie folgt berechnen: ! ~ a b~ j ¼ arccos ð~ a 6¼ ~ 0, b~ 6¼ ~ 0Þ ðII-74Þ j~ a j j b~ j
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum &
83
Beispiel Wir berechnen nach Gleichung (II-73) bzw. (II-74) den Winkel j, den die Vektoren 0 1 0 1 3 1 ~ a ¼ @ 1 A und b~ ¼ @ 2 A miteinander einschließen: 2 4 0
1 0 1 3 1 B C B C ~ a b~ ¼ @ 1 A @ 2 A ¼ 3 1 þ ð 1Þ 2 þ 2 4 ¼ 3 2 þ 8 ¼ 9 2 4 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi j b~j ¼ 1 2 þ 2 2 þ 4 2 ¼ 21 j~ aj ¼ 3 2 þ ð 1Þ 2 þ 2 2 ¼ 14 , cos j ¼
~ 9 a b~ ¼ pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi ¼ 0,5249 14 21 j~ a j j b~ j
)
j ¼ arcccos 0,5249 ¼ 58,3 &
3.3.3 Richtungswinkel eines Vektors Ein Vektor ~ a ist bekanntlich eindeutig durch Betrag und Richtung festgelegt. Die Berechnung des Betrages j ~ a j erfolgt dabei nach Gleichung (II-54). Die Richtung des Vektors legen wir durch die Winkel fest, die der Vektor mit den drei Koordinatenachsen (d. h. mit den drei Basisvektoren ~ e x, ~ e y und ~ e z ) bildet. Diese Richtungswinkel kennzeichnen wir der Reihe nach mit a, b und g (Bild II-46). Sie lassen sich mit Hilfe des Skalarproduktes aus der Beziehung (II-73) bzw. (II-74) berechnen, indem man dort fu¨r b~ der Reihe nach ~ e x, ~ e y, ~ e z setzt. So erha¨lt man beispielsweise fu¨r den Winkel a zwischen dem Vektor ~ a und der x-Achse die folgende Beziehung: 0 1 0 1 1 ax @ ay A @ 0 A 0 az ~ ax þ 0 þ 0 ax ax a~ ex ¼ cos a ¼ ¼ ¼ ðII-75Þ ¼ j~ aj 1 j~ a j j~ ex j j~ aj a j~ aj z
az az |a|
g a ax ax
x
Bild II-46 Richtungswinkel eines Vektors
a ay
b ay
y
84
II Vektoralgebra
Analoge Gleichungen bestehen fu¨r die beiden u¨brigen Richtungswinkel: cos b ¼
ay ay ¼ , j~ aj a
cos g ¼
az az ¼ j~ aj a
ðII-76Þ
Die Gro¨ßen cos a, cos b und cos g werden als Richtungskosinus von ~ a bezeichnet. Sie genu¨gen der Bedingung cos 2 a þ cos 2 b þ cos 2 g ¼
a 2y a 2x þ a 2y þ a 2z a 2z a 2x a2 þ þ ¼ ¼ ¼ 1 a2 a2 a2 a2 a2 ðII-77Þ
Die drei Richtungswinkel a, b und g sind somit voneinander abha¨ngige Gro¨ßen. Wir fassen zusammen: Richtungswinkel zwischen einem Vektor und den Koordinatenachsen (Richtungskosinus; Bild II-46) Ein Vektor ~ a bildet mit den drei Koordinatenachsen der Reihe nach die Winkel a, b und g, die als Richtungswinkel bezeichnet werden. Sie lassen sich aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) des Vektors ~ a wie folgt berechnen: ax ay az cos a ¼ , cos b ¼ , cos g ¼ ðII-78Þ j~ aj j~ aj j~ aj Die Richtungswinkel sind jedoch nicht unabha¨ngig voneinander, sondern u¨ber die Beziehung cos 2 a þ cos 2 b þ cos 2 g ¼ 1
ðII-79Þ
miteinander verknu¨pft. Sind von einem Vektor ~ a Betrag und Richtung (d. h. die drei Richtungswinkel) bekannt, so berechnen sich die Vektorkoordinaten nach (II-78) der Reihe wie folgt: a j cos a, ax ¼ j~
&
az ¼ j~ a j cos g 0
ðII-80Þ
1 2 Wir wollen die Richtungswinkel des Vektors ~ a ¼ @ 1 A berechnen. Mit dem Betrag 2 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi j~ aj ¼ 2 2 þ ð 1Þ 2 þ ð 2Þ 2 ¼ 9 ¼ 3
Beispiele (1)
ay ¼ j~ a j cos b,
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
85
folgt unmittelbar aus den Gleichungen (II-78): cos a ¼
ax 2 ¼ 3 j~ aj
)
cos b ¼
ay 1 ¼ 3 j~ aj
)
cos g ¼
az 2 ¼ j~ aj 3
)
2 ¼ 48,2 3 1 b ¼ arccos ¼ 109,5 3 2 g ¼ arccos ¼ 131,8 3
a ¼ arccos
Die drei Richtungswinkel des Vektors ~ a lauten damit der Reihe nach wie folgt: a ¼ 48,2 , (2)
b ¼ 109,5 ,
g ¼ 131,8
Ein Vektor ~ a vom Betrage j ~ a j ¼ 5 bilde mit der x- und y-Achse jeweils einen Winkel von 60 und mit der z-Achse einen spitzen Winkel ð0 < g < 90 Þ. Wie lauten seine skalaren Vektorkomponenten? Lo¨sung: Der noch unbekannte dritte Richtungswinkel g wird aus der Beziehung (II-79) berechnet, die wir zuna¨chst nach cos g auflo¨sen: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi cos g ¼ 1 cos 2 a cos 2 b Es kommt jedoch nur die positive Lo¨sung in Frage, da g nach Voraussetzung spitz ist und somit cos g > 0 sein muss. Mit a ¼ b ¼ 60 erha¨lt man: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi cos g ¼ 1 cos 2 60 cos 2 60 ¼ 0,5 ¼ 0,7071 ) g ¼ arccos 0,7071 ¼ 45 Die skalaren Vektorkomponenten von ~ a bestimmen wir nach Gleichung (II.80) wie folgt: ax ¼ j~ a j cos a ¼ 5 cos 60 ¼ 2,5 ay ¼ j~ a j cos b ¼ 5 cos 60 ¼ 2,5 az ¼ j~ a j cos g ¼ 5 cos 45 ¼ 3,54
&
3.3.4 Projektion eines Vektors auf einen zweiten Vektor Ein in der Mechanik ha¨ufig wiederkehrendes Problem besteht in der Zerlegung einer Kraft in ihre Komponenten. Zum Beispiel bei einer schiefen Ebene: Die Gewichtskraft ~ einer Masse m soll in eine Tangential- und eine Normalkomponente zerlegt werden. G ~ auf die Richtung der Diese Komponenten erha¨lt man durch Projektion des Vektors G schiefen Ebene bzw. auf die dazu senkrechte Richtung (siehe Bild II-47). Sie werden in der Mechanik auch als Hangabtrieb und Normalkraft bezeichnet.
86
II Vektoralgebra
H
Bild II-47 ~ in die Zerlegung der Gewichtskraft G ~ („Hangabtrieb“) Tangentialkomponente H ~ („Normalkraft“) und die Normalkomponente N
N G
Wir bescha¨ftigen uns jetzt mit der Projektion eines Vektors b~ auf einen zweiten Vektor ~ a und setzen dabei zuna¨chst voraus, dass die Vektoren ~ a und b~ einen spitzen Winkel miteinander einschließen (Bild II-48). b
Bild II-48 Komponente eines Vektors b~ in Richtung eines vorgegebenen Vektors ~ a
f ba
a
Der durch die Projektion erhaltene Vektor wird mit b~a bezeichnet, sein Betrag ist j b~a j ¼ j b~j cos j
ðII-81Þ
wobei j der Winkel zwischen den Vektoren b~ und ~ a ist. Aus dem Skalarprodukt ~ a j j b~a j a b~ ¼ j ~ a j j b~j cos j ¼ j ~ |fflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflffl} j b~a j
ðII-82Þ
erhalten wir dann nach Division durch j ~ a j den folgenden Ausdruck fu¨r j b~a j: j b~a j ¼
~ a b~ j~ aj
ðII-83Þ
a und ist somit in der Form Der Vektor b~a besitzt die gleiche Richtung wie der Vektor ~ ~ a b~a ¼ j b~a j ~ e a ¼ j b~a j j~ aj
ðII-84Þ
a ist (wir erhalten ihn durch darstellbar, wobei ~ e a der Einheitsvektor in Richtung von ~ Normierung des Vektors ~ a ). Unter Beru¨cksichtigung der Beziehung (II-83) wird hieraus schließlich ! ! ~ ~ ~ ~ a a b~ a a b~ ~ ~ ~ ba ¼ j ba j ¼ ¼ a ðII-85Þ j~ aj j~ aj j~ aj j~ a j2 Dieser Vektor wird auch als Komponente des Vektors b~ in Richtung des Vektor ~ a bezeichnet.
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
87
Projektion eines Vektors b~ auf einen zweiten Vektor ~ a (Bild II-48) Durch Projektion des Vektors b~ auf den Vektor ~ a entsteht der Vektor ! ~ a b~ ~ ea a ¼ ð~ e a b~Þ ~ b~a ¼ j~ a j2
ðII-86Þ
Er wird als Komponente des Vektors b~ in Richtung des Vektors ~ a bezeichnet. Anmerkungen (1) (2)
&
Die Vektoren b~a und ~ a sind kollinear (parallel, wenn ~ a b~ > 0, anti-parallel, ~ wenn ~ a b < 0 ist). j~ a b~ j . Der Projektionsvektor b~a hat die La¨nge j b~a j ¼ j~ aj 0
1 0 1 4 3 Wir projizieren den Vektor b~ ¼ @ 1 A auf den Vektor ~ a ¼ @ 0 A. Um den 7 4 gesuchten Vektor b~a bestimmen zu ko¨nnen, beno¨tigen wir noch das Skalarprodukt ~ a b~ und den Betrag von ~ a: 1 0 1 0 4 3 C B C B ~ ~ a b ¼ @ 0 A @ 1 A ¼ 12 þ 0 þ 28 ¼ 40
Beispiele (1)
4
7
j~ a j 2 ¼ 3 2 þ 0 2 þ 4 2 ¼ 9 þ 16 ¼ 25 ,
j~ a j¼ 5
Die Komponente des Vektors b~ in Richtung des Vektors ~ a lautet dann nach Formel (II-86) wie folgt: 0 1 0 1 0 1 ! 3 3 4,8 ~ ~ 40 a b @ 0 A ¼ 1,6 @ 0 A ¼ @ 0 A ~ a ¼ b~a ¼ 25 j~ a j2 4 4 6,4 (2)
~s , die der Kraftvektor Wir interessieren uns fu¨r die Komponente F 0 1 0 1 4 2 ~ ¼ @ 2 A N in Richtung des Verschiebungsvektors ~ F s ¼ @ 1 A m besitzt. 6 2 Welchen Betrag hat diese Komponente?
88
II Vektoralgebra
Lo¨sung: Mit
1 0 1 4 2 C B C B ~ ~ s F ¼ @ 1 A @ 2 A N m ¼ ð8 2 þ 12Þ N m ¼ 18 N m 6 2 0
j~ s j 2 ¼ ð2 2 þ ð 1Þ 2 þ 2 2 Þ m 2 ¼ 9 m 2 erhalten wir dann nach Formel (II-86): 0 1 0 1 0 1 ! 2 2 4 ~ ~ 18 N m s F @1A m ¼ 2@1AN ¼ @2AN ~s ¼ ~ s ¼ F j~ s j2 9 m2 2 2 4 ~s hat den folgenden Betrag: Die Komponente F qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi ~ Fs ¼ j Fs j ¼ 4 2 þ ð 2Þ 2 þ 4 2 N ¼ 36 N ¼ 6 N
&
3.3.5 Ein Anwendungsbeispiel: Arbeit einer Kraft ~ um die Strecke ~ Wird ein Massenpunkt m durch eine konstante Kraft F s verschoben, so ist die an ihm verrichtete Arbeit W definitionsgema¨ß das skalare Produkt aus dem ~ und dem Verschiebungsvektor ~ Kraftvektor F s (Bild II-49): ~~ ~j j~ W ¼ F s ¼ jF s j cos j ¼ F s cos j
ðII-87Þ
~s besitzt nach Bild II-49 den Die in Richtung des Weges wirkende Kraftkomponente F Betrag ~s j ¼ Fs ¼ j F ~j cos j ¼ F cos j jF
ðII-88Þ
F
m
f
Fs
m
Bild II-49 Zur Definition des Arbeitsbegriffes
s |s| = s
Wir ko¨nnen daher die Definitionsgleichung (II-87) fu¨r die Arbeit W auch auf die folgende Form bringen: ~~ W ¼ F s ¼ F s cos j ¼ ðF cos j Þ s ¼ Fs s |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} Fs
ðII-89Þ
Dies aber ist die bereits aus der Schulphysik bekannte Formel „Arbeit ¼ Kraftkomponente in Wegrichtung mal zuru¨ckgelegtem Weg“!
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum &
0
Beispiel
~¼ B Die konstante Kraft F @
10 N
89
1
C 2 N A verschiebe einen Massenpunkt geradlinig vom
5N Punkt P 1 ¼ ð1 m; 5 m; 3 mÞ aus in den Punkt P 2 ¼ ð0 m; 1 m; 4 mÞ (vgl. hierzu Bild II-50). Welche Arbeit wird dabei verrichtet? Wie groß ist der Winkel j zwischen dem Kraft- und dem Verschiebungsvektor? F P1 r (P 1 )
f s P2
Bild II-50 Verschiebung einer Masse la¨ngs einer Geraden vom Punkt P 1 aus nach P 2
r (P 2 ) 0
Lo¨sung: Der Verschiebungsvektor lautet nach Bild II-50 wie folgt: 1 0 1 0 1 0 01 1 x2 x1 ! C B C B C B ~ s ¼ P1 P2 ¼ @ y2 y1 A ¼ @ 1 þ 5 A m ¼ @ 6 A m z2 z1
43
1
Die dabei verrichtete Arbeit betra¨gt dann nach Gleichung (II-87): 0 1 0 1 10 1 ~~ W ¼ F s ¼ @ 2 A @ 6 A Nm ¼ ð10 þ 12 þ 5Þ Nm ¼ 27 Nm 5 1 ~ und ~ Fu¨r die Winkelberechnung beno¨tigen wir noch die Betra¨ge von F s: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffi ~j ¼ jF ð 10Þ 2 þ 2 2 þ 5 2 N ¼ 129 N qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi j~ sj ¼ ð 1Þ 2 þ 6 2 þ 1 2 m ¼ 38 m Dann aber gilt: ~~ ~j j~ F s ¼ W ¼ jF s j cos j ) |ffl{zffl} W ~~ W 27 Nm F s pffiffiffiffiffiffiffi ¼ 0,3856 ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ cos j ¼ ~j j~ ~j j~ 129 N 38 m jF sj jF sj j ¼ arccos 0,3856 ¼ 67,3
) &
90
II Vektoralgebra
3.4 Vektorprodukt zweier Vektoren 3.4.1 Definition und Berechnung eines Vektorproduktes Neben der Addition und Subtraktion von Vektoren und der Skalarproduktbildung wird in den Anwendungen eine weitere Vektoroperation beno¨tigt, die sog. vektorielle Multiplikation. Sie erzeugt aus zwei Vektoren ~ a und b~ nach einer bestimmten Vorschrift einen neuen Vektor, der die Bezeichnung Vektorprodukt erha¨lt und durch das Symbol ~ a b~ gekennzeichnet wird (gelesen: a Kreuz b). So sind beispielsweise die folgenden physikalischen Gro¨ßen als Vektorprodukte darstellbar: ~ einer an einem starren Ko¨rper angreifenden Kraft Drehmoment M ~ Drehimpuls L eines rotierenden Ko¨rpers ~L , die ein Ladungstra¨ger (z. B. ein Elektron) beim Durchgang durch Lorentz-Kraft F ein Magnetfeld erfa¨hrt Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter in einem Magnetfeld Das Vektorprodukt zweier Vektoren ist wie folgt definiert: Definition: Unter dem Vektorprodukt ~ c ¼~ a b~ zweier Vektoren ~ a und b~ versteht man den eindeutig bestimmten Vektor mit den folgenden Eigenschaften (Bild II-51): 1. ~ c ist sowohl zu ~ a als auch zu b~ orthogonal: ~ c~ a ¼ 0
und
~ c b~ ¼ 0
ðII-90Þ
2. Der Betrag von ~ c ist gleich dem Produkt aus den Betra¨gen der Vektoren ~ a und b~ und dem Sinus des von ihnen eingeschlossenen Winkels j: j~ c j ¼ j~ a j j b~j sin j
ð0 j 180 Þ
ðII-91Þ
3. Die Vektoren ~ a, b~, ~ c bilden in dieser Reihenfolge ein rechtsha¨ndiges System.
c=axb
b
Bild II-51 Zum Begriff des Vektorsproduktes zweier Vektoren
f a
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
91
Anmerkung Das Vektorprodukt ~ a b~ ist im Gegensatz zum Skalarprodukt eine vektorielle Gro¨ße und wird auch als a¨ußeres Produkt oder Kreuzprodukt der Vektoren ~ a und b~ bezeichnet. Geometrische Deutung eines Vektorproduktes Fu¨r den Fla¨cheninhalt A des von den Vektoren ~ a und b~ aufgespannten Parallelogramms erhalten wir nach Bild II-52 (grau unterlegte Fla¨che): A ¼ ðGrundlinieÞ ðH¨oheÞ ¼ a h ¼ a b sin j ¼ j ~ a j j b~j sin j
ðII-92Þ
Dies aber ist genau der Betrag des Vektorproduktes ~ a b~. b b
sin j ¼
h b
h ¼ b sin j
h
f
Bild II-52 a
a
Geometrische Deutung eines Vektorproduktes (Bild II-55) Der Betrag des Vektorproduktes ~ a b~ entspricht dem Fla¨cheninhalt des von den Vektoren ~ a und b~ aufgespannten Parallelogramms. Rechenregeln fu¨r Vektorprodukte Distributivgesetze
~ a ðb~ þ ~ cÞ ¼ ~ a b~ þ ~ a ~ c
(II-93)
ð~ a þ b~Þ ~ c ¼ ~ a ~ c þ b~ ~ c
(II-94)
~ aÞ a b~ ¼ ðb~ ~
(II-95)
Anti-Kommutativgesetz
Ferner gilt fu¨r einen beliebigen reellen Skalar l: l ð~ a b~Þ ¼ ðl ~ a Þ b~ ¼ ~ a ðl b~Þ
ðII-96Þ
Das vektorielle Produkt ~ a b~ zweier vom Nullvektor verschiedener Vektoren ~ a und a und b~ sind dann zueib~ verschwindet fu¨r j ¼ 0 und j ¼ 180 . Die Vektoren ~ nander parallel oder antiparallel, d. h. kollinear.
92
II Vektoralgebra
Wir ko¨nnen damit das folgende Kriterium fu¨r kollineare Vektoren formulieren:
Kriterium fu¨r kollineare Vektoren Zwei vom Nullvektor verschiedene Vektoren ~ a und b~ sind genau dann kollinear, wenn ihr Vektorprodukt verschwindet: ~ a b~ ¼ ~ 0
,
~ a und b~ sind kollinear
ðII-97Þ
Fu¨r den Sonderfall ~ a ¼ b~ folgt unmittelbar aus der Definitionsgleichung (II-91) j~ a ~ a j ¼ j~ a j j~ a j sin 0 ¼ j ~ a j2 0 ¼ 0
)
~ a ~ a ¼~ 0
ðII-98Þ
Zwischen den Basisvektoren (Einheitsvektoren) ~ e x, ~ e y, ~ e z bestehen die folgenden wichtigen Beziehungen (Bild II-53): ~ ex ~ ex ¼ ~ ey ~ ey ¼ ~ ez ~ ez ¼ ~ 0
ez
~ ey ¼ ~ ez , ex ~
ðII-99Þ
~ ey ~ ez ¼ ~ ex ,
~ ex ¼ ~ ey ez ~
ðII-100Þ
ey ex
Bild II-53
Berechnung eines Vektorproduktes aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) Die Komponenten des Vektorproduktes ~ a b~ lassen sich auch direkt aus den skalaren Komponenten der Vektoren ~ a und b~ berechnen (wir verwenden bei der Herleitung der Formel das Distributiv- und das Anti-Kommutativgesetz sowie die Beziehungen (II-99) und (II-100)): ~ a b~ ¼ ða x ~ ex þ ay~ ey þ az~ e z Þ ðb x ~ ex þ by~ ey þ bz~ e zÞ ¼ ¼ a x b x ð~ ex ~ e x Þ þ a x b y ð~ ex ~ e y Þ þ a x b z ð~ ex ~ e zÞ þ |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} ~ ~ ez ~ ey 0 ey ~ e x Þ þ a y b y ð~ ey ~ e y Þ þ a y b z ð~ ey ~ e zÞ þ þ a y b x ð~ |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} ~ ~ ~ ez ex 0 ez ~ e x Þ þ a z b y ð~ ez ~ e y Þ þ a z b z ð~ ez ~ e zÞ ¼ þ a z b x ð~ |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} ~ ~ ey ~ ex 0 ¼ ax by~ ez ax bz~ ey ay bx ~ ez þ ay bz~ ex þ az bx ~ ey az by~ ex ¼ e x þ ða z b x a x b z Þ ~ e y þ ða x b y a y b x Þ ~ ez ¼ ða y b z a z b y Þ ~ ðII-101Þ
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
93
Unter Verwendung von Spaltenvektoren la¨sst sich diese Formel auch wie folgt schreiben: 1 0 1 0 1 0 ay bz az by bx ax C B C B C B ~ ðII-102Þ a b~ ¼ @ a y A @ b y A ¼ @ a z b x a x b z A az
ax by ay bx
bz
Berechnung eines Vektorproduktes aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der beteiligten Vektoren Das Vektorprodukt ~ a b~ zweier Vektoren ~ a und b~ la¨sst sich aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der beiden Vektoren wie folgt berechnen: 1 0 1 0 1 0 ay bz az by ax bx C B C B C B ~ a b~ ¼ @ a y A @ b y A ¼ @ a z b x a x b z A ðII-103Þ az
ax by ay bx
bz
Anmerkung Bei der Berechnung der Komponenten eines Vektorproduktes beachte man den folgenx den Hinweis: Durch zyklisches Vertauschen der Indizes erha¨lt man aus der ersten Komponente die zweite und aus dieser schließlich die dritte Komponente: y
z
x ! y ! z ! x
Determinantendarstellung eines Vektorproduktes Formal la¨sst sich ein Vektorprodukt ~ a b~ auch durch eine dreireihige Determinante darstellen (sie entha¨lt drei Zeilen und drei Spalten und insgesamt 9 Elemente): ~ ey ~ e z ex ~ ~ a b~ ¼ a x a y a z bx by bz
Basisvektoren Koordinaten von ~ a Koordinaten von b~
Wir du¨rfen die Basisvektoren und Vektorkoordinaten auch spaltenweise anordnen: ~ ~ ey ~ e z ex ~ ex ~ ~ a b ¼ ax ay az ¼ ~ e y bx by bz ~ ez
ax ay az
b x by bz
ðII-104Þ
94
II Vektoralgebra
Definitionsgema¨ß a11 D ¼ a21 a31
besitzt eine dreireihige Determinante vom allgemeinen Typ a 1 2 a 1 3 a22 a23 a32 a33
ðII-105Þ
den folgenden Wert: D ¼ a11 a22 a33 þ a12 a23 a31 þ a13 a21 a32 a31 a22 a13 a32 a23 a11 a33 a21 a12
ðII-106Þ
Dieser Wert kann auch nach der Regel von Sarrus berechnet werden:
1. und 2. Spalte werden dabei rechts neben die Determinante gesetzt, die durch eine Linie miteinander verbundenen Elemente werden dann miteinander multipliziert und ergeben insgesamt sechs Produkte mit je drei Faktoren. Die in dem Schema angegebenen Vorzeichen bedeuten eine nachtra¨gliche Multiplikation des Produktes mit dem Faktor þ 1 oder 1. Durch Addition der sechs (vorzeichenbehaftenen) Produkte erha¨lt man schließlich den Wert der Determinante D. Die formale Ausrechnung der Determinante (II-104) fu¨hrt auf das Vektorprodukt ~ a b~ in der Komponentenschreibe ~ a b~ ¼ ða y b z a z b y Þ~ e x þ ða z b x a x b z Þ~ e y þ ða x b y a y b x Þ~ ez Eine ausfu¨hrliche Darstellung der Determinanten erfolgt in Band 2 (Kapitel I). Rechenbeispiel 3 D ¼ 1 4
fu¨r eine Determinante 2 0 3 1 ¼ ? 5 4
Berechnung nach der Regel von Sarrus: 3 1 4
2 3 5
0 3 1 1 4 4
2 3 5
D ¼ 334þ214þ015430513412 ¼ ¼ 36 þ 8 þ 0 0 15 8 ¼ 21
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum &
95
Beispiele (1)
Wir berechnen den Fla¨cheninhalt A des von den beiden Spaltenvektoren 0 1 0 1 1 2 ~ a ¼ @ 5 A und b~ ¼ @ 0 A aufgespannten Parallelogramms: 2 3 0
1 0 1 0 1 2 15 B C B C B ~ a b~ ¼ @ 5 A @ 0 A ¼ @ 4 2 3 0þ qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi A ¼ j~ a b~j ¼ ð 15Þ 2 þ 1 2 þ 10 2 (2)
1 0 1 0 15 C B C 3A ¼ @ 1A 10 10 ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffi 326 ¼ 18,06
~ Elektronen, die mit der Geschwindigkeit ~ v in ein Magnetfeld der Flussdichte B eintreten, erfahren dort die sog. Lorentz-Kraft ~L ¼ e ð~ ~Þ : F v B Wie groß ist die Kraftwirkung auf ein Elektron mit der Elementarladung e, wenn ~ die folgenden Komponenten besitzen? ~ v und B 1 0 1 1 0 0 0 0 2000 C Vs B C C m B ~¼ B ~ , B v ¼ @ 2000 A @0 A T ¼ @0 A 2 , s m 0,1 0,1 0 e ¼ 1,6 10 19 C Lo¨sung:
0
1 0 1 2000 0 ~Þ ¼ 1,6 10 19 @ 2000 A @ 0 A C m Vs ¼ ~L ¼ e ð~ v B F s m2 0 0,1 0
1 0 1 200 0 200 ¼ 1,6 10 19 @ 0 200 A N ¼ 1,6 10 19 @ 200 A N ¼ 0 0 0 0 1 1 1 1 17 @ 1AN ð 200Þ @ 1 A N ¼ 3,2 10 ¼ 1,6 10 0 0 0 1 0 1 1 4 (3) Wir berechnen das Vektorprodukt der Vektoren ~ a ¼ @ 2 A und b~ ¼ @ 3 A mit Hilfe der Determinante (II-104): 8 5 ~ ey ~ e z ex ~ ~ a b~ ¼ 1 2 8 4 3 5 0
19
96
II Vektoralgebra
Nach der Regel von Sarrus gilt: ~ ex 1 4
~ ey 2 3
~ ex e z ~ 8 1 5 4
~ ey 2 3
~ a b~ ¼ 10~ e x þ 32~ e y þ 3~ e z 8~ e z 24~ e x 5~ ey ¼ 0
1 14 e y 5~ e z ¼ @ 27 A ¼ 14~ e x þ 27~ 5
&
3.4.2 Anwendungsbeispiele 3.4.2.1 Drehmoment (Moment einer Kraft) Drehmomente sind vektorielle Gro¨ßen, die bei der Behandlung statischer Systeme von großer Bedeutung sind. Wir betrachten einen starren Ko¨rper in Form einer Kreisscheibe, der um seine Symmetrieachse drehbar gelagert ist (Bild II-54). M=r xF
0
F
F
0
r
r
f
Q
Bild II-54 Zum Begriff des Drehmomentes
P
rQ
P
s
Bild II-55 Die an einem starren Ko¨rper angreifende Kraft als linienflu¨chtiger Vektor
~ erzeugt dann Eine im Punkt P angreifende (in der Scheibenebene liegende) Kraft F ~, das als Vektorprodukt aus dem Ortsvektor ~ ein Drehmoment M r und dem Kraftvek~ in der Form tor F ~ ¼~ ~ M r F
ðII-107Þ
~ ist darstellbar ist (~ r ist der Ortsvektor des Angriffspunktes P). Der Betrag von M ~ j ¼ M ¼ j~ ~j sin j jM rj jF
ðII-108Þ
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
97
Der Drehmomentvektor liegt in der Drehachse und ist daher so orientiert, dass die drei ~ und M ~ in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem bilden. Die physikalische Vektoren ~ r, F ~ ist die einer Drehung um die in Bild II-54 eingezeichnete Drehachse. Wirkung von M ~ la¨ngs ihrer Wirkungslinie verschoben werden. Als linienflu¨chtiger Vektor darf die Kraft F ~ unvera¨ndert, wie wir jetzt zeiBei dieser Verschiebung bleibt jedoch das Drehmoment M gen wollen. Ist ~ s der Verschiebungsvektor von P nach Q, so gilt nach Bild II-55 ~ r þ~ s rQ ¼ ~ Unter Verwendung dieser Beziehung und des Distributivgesetzes fu¨r Vektorprodukte er~ im neuen Angriffspunkt Q den Formelaushalten wir fu¨r das Moment der Kraft F druck ~¼ M ~þ~ ~ ~ ¼ ð~ ~¼~ ~ þ~ ~Q ¼ ~ s F s F rQ F r þ~ sÞ F r F M |fflffl{zfflffl} ~ M ~ sind aber kollinear, ihr Vektorprodukt ~ ~ verschwindet Die Vektoren ~ s und F s F ~¼~ daher: ~ s F 0. Wir erhalten schließlich: ~Q ¼ M ~þ~ ~¼ M ~þ~ ~ M s F 0 ¼ M
ðII-109Þ
Damit haben wir bewiesen, dass die an einem starren Ko¨rper angreifende Kraft einen linienflu¨chtigen Vektor darstellt. Mit anderen Worten: Das Moment einer Kraft bleibt erhalten, wenn diese la¨ngs ihrer Wirkungslinie verschoben wird. 3.4.2.2 Bewegung von Ladungstra¨gern in einem Magnetfeld (Lorentz-Kraft) Bewegt sich ein geladenes Teilchen mit der Geschwindigkeit ~ v durch ein homogenes ~, so erfa¨hrt es eine Kraft Magnetfeld mit der magnetischen Flussdichte B ~Þ ~L ¼ q ð~ v B F
ðLorentz-KraftÞ
ðII-110Þ
(q: Ladung des Teilchens). Die Kraftwirkung erfolgt senkrecht sowohl zur Bewegungsrichtung als auch zur Richtung des Magnetfeldes. Handelt es sich bei den Ladungstra¨gern um Elektronen (q ¼ e; e: Elementarladung), so ist ~L ¼ e ð~ ~Þ F v B Wir untersuchen jetzt das Verhalten der Elektronen fu¨r spezielle Einschusswinkel. (1)
Die Elektronen werden in Feldrichtung (oder in der Gegenrichtung) in das Magnet~ sind dann kollinear): feld eingeschossen (die Vektoren ~ v und B ~L ¼ e ð~ ~Þ ¼ ~ F v B 0 |fflfflffl{zfflfflffl} ~ 0 Sie gehen ungehindert, d. h. kra¨ftefrei durch das Feld hindurch, da der Geschwin~ kollineare Vektoren darstellen und digkeitsvektor ~ v und der Flussdichtevektor B ~ verschwindet (Bild II-56). somit das Vektorprodukt ~ v B
98
II Vektoralgebra B
B v
Bild II-56 Parallel zu einem homogenen Magnetfeld eintretende Elektronen
e
(2)
Bewegen sich die Elektronen senkrecht zum Magnetfeld, so wird die Lorentz-Kraft ~ als Zentripetalkraft und zwingt die Elektronen auf eine Kreisbahn (die Vektoren ~ v, B ~L stehen in diesem Sonderfall paarweise aufeinander senkrecht; Bild II-57). und F B
B
B
FL
v e
Bild II-57 Senkrecht in ein homogenes Magnetfeld eintretende Elektronen
(3)
e
v
Bild II-58 Schraubenlinienfo¨rmige Bahn eines Elektrons in einem homogenen Magnetfeld
Die Elektronen werden unter einem Winkel a gegen die Feldrichtung eingeschossen ð0 < a < 180 , a 6¼ 90 Þ. Die Geschwindigkeitskomponente in Feldrichtung (oder in der Gegenrichtung) bewirkt eine Translation parallel zu den Feldlinien, wa¨hrend gleichzeitig aufgrund der zum Feld senkrechten Geschwindigkeitskomponente eine Kreisbewegung um die Feldlinien ausgefu¨hrt wird. Die Elektronenbahn ist demnach eine Schraubenlinie (Bild II-58).
3.5 Spatprodukt (gemischtes Produkt) In den Anwendungen wird ha¨ufig ein weiteres, diesmal aber aus drei Vektoren gebildetes „Produkt“ beno¨tigt, das als Spatprodukt oder auch gemischtes Produkt bezeichnet wird. Es ist wie folgt definiert: Definition: Unter dem Spatprodukt ½ ~ a b~~ c dreier Vektoren ~ a, b~ und ~ c versteht man das skalare Produkt aus dem Vektor ~ a und dem aus den Vektoren b~ und ~ c gebildeten Vektorprodukt b~ ~ c: ½~ a b~~ c ¼ ~ a ðb~ ~ cÞ
ðII-111Þ
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
99
Anmerkungen (1)
Das Spatprodukt ist eine skalare Gro¨ße, also eine reelle Zahl.
(2)
Das Spatprodukt wird auch als gemischtes Produkt bezeichnet, da bei seiner Bildung beide Multiplikationsarten (skalare und vektorielle Multiplikation) auftreten. Bilden die Vektoren ~ a, b~, ~ c in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem (Linkssystem), so ist das aus ihnen gebildete Spatprodukt stets positiv (negativ).
(3)
Rechenregeln fu¨r Spatprodukte (1)
Bei einer zyklischen Vertauschung der drei Vektoren ~ a, b~ und ~ c a¨ndert sich das Spatprodukt nicht: ½~ a b~~ c ¼ ½ b~~ c~ a ¼ ½~ c~ a b~
ðII-112Þ
(2) Vertauschen zweier Vektoren bewirkt stets einen Vorzeichenwechsel. Zum Beispiel: ½~ a b~~ c ¼ ½~ a~ c b~
ðb~ und ~ c wurden vertauschtÞ
ðII-113Þ
Geometrische Deutung eines Spatproduktes Die drei Vektoren ~ a, b~ und ~ c spannen ein sog. Parallelepiped (auch Spat genannt) auf 6Þ a b~~ c kommt dabei die geometrische (Bild II-59) . Dem Betrag des Spatproduktes ½ ~ Bedeutung des Spatvolumens zu, wie wir jetzt zeigen werden. b xc
cos j ¼
h j~ aj
h ¼ j~ a j cos j
a
f h h
f
c A = |b x c|
Bild II-59 Zum Begriff des Spatproduktes b
Die aus der Elementarmathematik bekannte Formel V ¼ A h (Volumen ¼ Grundfla¨che mal Ho¨he) fu¨hrt bei Anwendung auf den in Bild II-59 skizzierten Spat zu dem folgenden Ergebnis ðf u¨ r 0 j 90 Þ: V ¼ A h ¼ j b~ ~ c j j~ a j cos j ¼ j ~ a j j b~ ~ c j cos j 6Þ
Spat: Ko¨rper, dessen Oberfla¨che aus sechs Parallelogrammen besteht, von denen je zwei gegenu¨berliegende kongruent (deckungsgleich) sind (viele Kristalle haben diese Gestalt, z. B. Kalkspat).
100
II Vektoralgebra
Fu¨r Winkel zwischen 90 und 180 ist cos j durch j cos j j zu ersetzen. Somit gilt: V ¼ j~ a j j b~ ~ c j j cos j j Dies aber ist nichts anderes als der Betrag des Spatproduktes ½ ~ a b~~ c ¼ ~ a ðb~ ~ c Þ, ~ da j der Winkel zwischen den Vektoren ~ a und b ~ c ist: V ¼ j~ a ðb~ ~ c Þ j ¼ j ½~ a b~~ c j ¼ j~ a j j b~ ~ c j j cos j j
ðII-114Þ
Geometrische Deutung eines Spatproduktes (Bild II-59) Das Volumen eines von drei Vektoren ~ a, b~ und ~ c aufgespannten Spats ist gleich dem Betrag des Spatproduktes ½ ~ a b~~ c : V Spat ¼ j ½ ~ a b~~ c j ¼ j~ a ðb~ ~ c Þj
ðII-115Þ
Berechnung eines Spatproduktes aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) hnlich wie beim Skalar- und Vektorprodukt la¨sst sich auch das Spatprodukt aus den skalaren Vektorkomponenten der beteiligten Vektoren berechnen:
Berechnung eines Spatproduktes aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der beteiligten Vektoren Das Spatprodukt oder gemischte Produkt ½ ~ a b~~ c dreier Vektoren ~ a, b~ und ~ c la¨sst sich aus den skalaren Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der beteiligten Vektoren wie folgt berechnen: ½~ a b~~ c ¼ ~ a ðb~ ~ cÞ ¼ ¼ a x ðb y c z b z c y Þ þ a y ðb z c x b x c z Þ þ a z ðb x c y b y c x Þ ðII-116Þ Anmerkung Das Spatprodukt ½ ~ a b~~ c la¨sst sich auch als dreireihige Determinante darstellen: ax ½~ a b~~ c ¼ ~ a ðb~ ~ c Þ ¼ bx cx
ay by cy
a z bz cz
ðII-117Þ
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
101
Komplanare Vektoren Verschwindet das Spatprodukt ~ a ðb~ ~ c Þ der drei vom Nullvektor verschiedenen Vektoren ~ a, b~ und ~ c, so sind die Vektoren ~ a und b~ ~ c zueinander orthogonal und umgekehrt. Dies aber bedeutet, dass der Vektor ~ a in der von b~ und ~ c aufgespannten Ebene liegt. Die drei Vektoren liegen damit in einer gemeinsamen Ebene (sog. komplanare Vektoren, vgl. Bild II-60). b xc
c
Bild II-60 Komplanare Vektoren ~ a, b~ und ~ c (die drei Vektoren liegen in einer Ebene)
a
b
Wir ko¨nnen damit das folgende Kriterium fu¨r komplanare Vektoren formulieren: Kriterium fu¨r komplanare Vektoren (Bild II-60) Drei vom Nullvektor verschiedene Vektoren ~ a, b~ und ~ c sind genau dann komplanar (liegen also in einer gemeinsamen Ebene), wenn das aus ihnen gebildete Spatprodukt verschwindet: ½~ a b~~ c ¼ 0
&
,
~ a, b~ und ~ c sind komplanar
ðII-118Þ
0 1 1 0 0 1 2 0 1 B C C B C ~ B c ¼ @ 5 A gebildete Das aus den Vektoren ~ a ¼ @ 4 A, b ¼ @ 1 A und ~ 13 3 2 Spatprodukt verschwindet: 1 4 2 ½~ a b~~ c ¼ 0 1 3 ¼ 0 2 5 13
Beispiele (1)
Die Berechnung der Determinante erfolgt dabei nach der Regel von Sarrus: 1 4 4 2 1 0 1 3 0 1 2 5 5 13 2 ½~ a b~~ c ¼ 13 þ 24 þ 0 ð 4 þ 15 þ 0Þ ¼ 11 11 ¼ 0 Die drei Vektoren sind daher komplanar, d. h. sie liegen in einer gemeinsamen Ebene.
102
(2)
II Vektoralgebra
Welches Volumen V Spat besitzt der von den drei Vektoren 0 1 2 B C ~ a ¼ @0A, 5
0 1 2 B C B C b~ ¼ @ 5 A und ~ c ¼ @1A 2 2 0
1
1
aufgespannte Spat? Lo¨sung: Wir berechnen zuna¨chst das Spatprodukt 2 ½~ a b~~ c ¼ 1 2
0 5 1
5 2 2
mit Hilfe der Regel von Sarrus: 2 0 0 5 2 5 5 2 1 1 2 2 1 1 2 ½~ a b~~ c ¼ 20 0 5 ð50 4 0Þ ¼ 15 46 ¼ 31 Ergebnis: V Spat ¼ j ½ ~ a b~~ c j ¼ j 31 j ¼ 31
&
3.6 Linear unabha¨ngige Vektoren Ra¨umliche Vektoren haben wir als Linearkombinationen der drei Einheitsvektoren ~ e y und ~ e z in der Form e x, ~ ~ ex þ ay~ ey þ az~ ez a ¼ ax ~
ðII-119Þ
dargestellt (sog. Komponentendarstellung, siehe Abschnitt 3.1). Die nicht komplanaren (d. h. nicht in einer Ebene liegenden) Vektoren ~ e x, ~ e y und ~ e z werden in diesem Zusammenhang auch als Basisvektoren bezeichnet. Sie erzeugen den 3-dimensionalen Raum R3 , auch Anschauungsraum genannt. Als Basis ko¨nnen dabei grundsa¨tzlich drei beliebige (von Nullvektor verschiedene) Vektoren ~ e 1, ~ e 2, ~ e 3 dienen, sofern sie wie die Vektoren ~ e x, ~ e y, ~ e z nicht komplanar sind. Dies ist der Fall, wenn das Spatprodukt ½~ e1~ a des Anschauungsraumes ist dann e2~ e 3 nicht verschwindet. Jeder Vektor ~ als Linearkombination dieser Basisvektoren darstellbar: e 2 þ n~ e3 ~ a ¼ l~ e 1 þ m~
ðII-120Þ
3 Vektorrechnung im 3-dimensionalen Raum
103
Die Basisvektoren sind dabei stets linear unabha¨ngig, d. h. die lineare Vektorgleichung e1 þ l2~ e2 þ l3~ e3 ¼ ~ 0 l1~
ðII-121Þ
ist nur fu¨r l 1 ¼ l 2 ¼ l 3 ¼ 0 erfu¨llbar 7). Wie in der Ebene la¨sst sich auch im 3-dimensionalen Raum der Begriff der „Linearen Unabha¨ngigkeit“ auf Systeme von k Vektoren ~ a 1, ~ a 2, . . . , ~ a k u¨bertragen. Diese k Vektoren werden als linear unabha¨ngig bezeichnet, wenn die aus ihnen gebildete lineare Vektorgleichung 0 l1 ~ a1 þ l2 ~ a2 þ . . . þ lk ~ ak ¼ ~
ðII-122Þ
nur fu¨r verschwindende Koeffizienten erfu¨llt werden kann ðl 1 ¼ 0, l 2 ¼ 0, . . . , l k ¼ 0Þ. Anderenfalls heißen die k Vektoren linear abha¨ngig (es ist dann mindestens ein Koeffizient von Null verschieden). Im 3-dimensionalen Raum R3 gibt es maximal drei linear unabha¨ngige Vektoren, mehr als drei Vektoren sind dagegen stets linear abha¨ngig.
&
Beispiele (1)
Die drei Einheitsvektoren ~ e x, ~ e y, ~ e z sind linear unabha¨ngig, denn das mit diesen Vektoren gebildete Spatprodukt ist von Null verschieden (wir verwenden die Determinantenschreibweise): 1 ½~ ex ~ ey ~ e z ¼ 0 0
0 1 0
0 0 1
¼ 1 6¼ 0
(Berechnung nach der Regel von Sarrus). (2)
Wir pru¨fen, ob die drei Kraftvektoren 0 1 1 ~1 ¼ @ 0 A , F 1
0
1 1 ~2 ¼ @ 1 A , F 0
0 1 1 ~3 ¼ @ 1 A F 2
in einer Ebene liegen, also komplanar sind (alle Kraftkomponenten in der Einheit Newton). Dies wa¨re genau dann der Fall, wenn die Kraftvektoren linear abha¨ngig sind.
7)
Die Vektorgleichung fu¨hrt zu einem homogenen linearen Gleichungssystem, das nur trivial lo¨sbar ist, d. h. nur die Lo¨sung l 1 ¼ l 2 ¼ l 3 ¼ 0 besitzt.
104
II Vektoralgebra
1. Lo¨sungsweg Wir berechnen das Spatprodukt 1 0 ~1 F ~2 F ~3 ¼ 1 1 ½F 1 1
der drei Vektoren: 1 0 ¼ 2 þ 0 1 ð1 þ 0 þ 0Þ ¼ 1 1 ¼ 0 2
Folgerung: Das Spatprodukt verschwindet, die drei Kra¨fte liegen somit in einer Ebene. 2. Lo¨sungsweg Wir pru¨fen, fu¨r welche Werte der Koeffizienten l 1 , l 2 , l 3 die Vektorgleichung ~1 þ l 2 F ~2 þ l 3 F ~3 ¼ ~ l1 F 0 erfu¨llt ist. Dies fu¨hrt zu dem folgenden linearen 1 0 1 0 0 1 1 1 1 C B C B B C l1 @ 0 A þ l2 @ 1 A þ l3 @ 1 A ¼ 1
0
2
Gleichungssystem: 0 1 0 B C @0A 0
Komponentenweise geschrieben: ðIÞ
l1 l2 þ
l3 ¼ 0
l2 þ
l3 ¼ 0
)
l2 ¼ l3
þ 2 l3 ¼ 0
)
l1 ¼ 2 l3
ðIIÞ ðIIIÞ
l1
Wir setzen die aus den Gleichungen (II) und (III) gefundenen Ausdru¨cke l 2 ¼ l 3 und l 1 ¼ 2 l 3 in die erste Gleichung ein: 2 l3 þ l3 þ l3 ¼ 0 ) 0 ¼ 0 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} 0 Diese Gleichung ist also unabha¨ngig vom Wert des Koeffizienten l 3 immer erfu¨llt, d. h. l 3 ist ein frei wa¨hlbarer Parameter (wir setzen l 3 ¼ m mit m 2 R). Aus (II) und (III) erhalten wir die u¨brigen Unbekannten: ðIÞ
)
l2 ¼ l3 ¼ m ,
l1 ¼ 2 l3 ¼ 2 m
Die vom reellen Parameter m abha¨ngende Lo¨sung lautet damit: l1 ¼ 2 m ,
l2 ¼ m ,
l3 ¼ m
ðm 2 RÞ
Es gibt also neben der trivialen Lo¨sung l 1 ¼ l 2 ¼ l 3 ¼ 0 ðf u¨ r m ¼ 0Þ noch unendlich viele weitere Lo¨sungen ðf u¨ r m 6¼ 0Þ. Die drei Kraftvektoren sind somit & linear abha¨ngig und liegen daher in einer Ebene.
4 Anwendungen in der Geometrie
105
4 Anwendungen in der Geometrie 4.1 Vektorielle Darstellung einer Geraden 4.1.1 Punkt-Richtungs-Form einer Geraden Eine Gerade g soll durch den Punkt P 1 mit dem Ortsvektor ~ r 1 und parallel zu einem (vorgegebenen) Vektor ~ a (Richtungsvektor genannt) verlaufen (Bild II-61). Wie lautet die Gleichung dieser Geraden in vektorieller Form? P1 r1 a
la P r ( l)
g
Bild II-61 Zur Punkt-Richtungs-Form einer Geraden
0
Bezeichnet man den laufenden Punkt der Geraden mit P, so ist der zugeho¨rige Orts! vektor ~ r ðPÞ die geometrische (vektorielle) Summe aus ~ r 1 und P 1 P : ! ~ r ðPÞ ¼ ~ r1 þ P1 P
ðII-123Þ
! Da die Vektoren P 1 P und ~ a kollinear sind (sie liegen beide in der Geraden), gilt ferner ! P1 P ¼ l~ a
ðII-124Þ
l ist dabei ein geeigneter reeller Parameter, d. h. eine bestimmte reelle Zahl. Fu¨r den Ortsvektor ~ r ðPÞ erha¨lt man dann unter Verwendung dieser Beziehung ! ~ r ðPÞ ¼ ~ r1 þ P1 P ¼ ~ r1 þ l~ a
ðII-125Þ
Die Lage des Punktes P auf der Geraden g ist somit eindeutig durch den Parameter l festgelegt. Wir bringen dies durch die Schreibweise ~ r ðPÞ ¼ ~ r ðlÞ zum Ausdruck. Die gesuchte Geradengleichung lautet damit in der vektoriellen Parameterdarstellung wie folgt:
106
II Vektoralgebra
Vektorielle Punkt-Richtungs-Form einer Geraden (Bild II-61) ~ a r ðPÞ ¼ ~ r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~
ðII-126Þ
oder (in der Komponentenschreibweise) 0 1 0 1 0 1 0 1 x x1 ax x1 þ l ax @ y A ¼ @ y1 A þ l @ ay A ¼ @ y1 þ l ay A z1 az z1 þ l az z
ðII-127Þ
Dabei bedeuten: x, y, z:
Koordinaten des laufenden Punktes P der Geraden
x 1, y 1, z 1 :
Koordinaten des vorgegebenen Punktes P 1 der Geraden
a x , a y , a z : Skalare Vektorkomponenten des Richtungsvektors ~ a der Geraden l:
Reeller Parameter ðl 2 RÞ
Fu¨r l ¼ 0 erha¨lt man den Punkt P 1 , fu¨r l > 0 werden alle Punkte in Richtung des Richtungsvektors ~ a durchlaufen, fu¨r l < 0 alle Punkte in der Gegenrichtung (jeweils vom Punkte P 1 aus betrachtet).
&
Beispiel Wir bestimmen die Gleichung der Geraden g, die durch den Punkt P 1 ¼ ð 3; 2; 1Þ 0 1 5 B C in Richtung des Vektors ~ a ¼ @ 2 A verla¨uft: 3 0
0 1 0 1 5 3 þ 5l B C B C B C ~ r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ a ¼ @2A þ l@2A ¼ @2 þ 2lA 1 3 1 þ 3l 3
1
ðl 2 RÞ
So geho¨rt beispielsweise zum Parameterwert l ¼ 3 der folgende Punkt Q: 0 1 0 1 18 3þ53 B C B C ~ r ðQÞ ¼ ~ r ðl ¼ 3Þ ¼ @ 2 þ 2 3 A ¼ @ 4 A ) Q ¼ ð18; 4; 10Þ 10 1þ33 Zum Parameter l ¼ 1 geho¨rt der Punkt R mit den folgenden Koordinaten: 1 0 1 0 2 35 C B C B ~ r ðRÞ ¼ ~ r ðl ¼ 1Þ ¼ @ 2 2 A ¼ @ 4 A ) R ¼ ð 2; 4; 2Þ 2 13 &
4 Anwendungen in der Geometrie
107
4.1.2 Zwei-Punkte-Form einer Geraden Eine Gerade g soll durch die beiden (voneinander verschiedenen) Punkte P 1 und P 2 mit den Ortsvektoren ~ r 1 und ~ r 2 verlaufen (Bild II-62).
r1
P1 r2 – r1 P2 r2
l (r 2 – r 1 ) P r ( l)
g
Bild II-62 Zur Zwei-Punkte-Form einer Geraden
0
Die vektorielle Gleichung dieser Geraden erhalten wir durch analoge berlegungen wie im vorangegangenen Abschnitt 4.1.1. Der Ortsvektor des laufenden Punktes P der Geraden g ist wiederum als Summenvektor in der Form ! ~ r ðPÞ ¼ ~ r1 þ P1 P
ðII-128Þ
! ! r2 ~ r 1 kollinear sind, gilt darstellbar. Da die Vektoren P 1 P und P 1 P 2 ¼ ~ ! ! P 1 P ¼ l P 1 P 2 ¼ l ð~ r2 ~ r 1Þ
ðII-129Þ
und somit ! ! ~ r 1 þ l ð~ r ðPÞ ¼ ~ r1 þ P1 P ¼ ~ r1 þ l P1 P2 ¼ ~ r2 ~ r 1Þ
ðII-130Þ
Dies ist die Parameterdarstellung einer Geraden durch zwei vorgegebene Punkte P 1 ! r2 ~ und P 2 in vektorieller Form, wobei der Vektor P 1 P 2 ¼ ~ r 1 als Richtungsvektor angesehen werden kann. Fu¨r ~ r ðPÞ schreiben wir wieder ~ r ðlÞ, um die Abha¨ngigkeit vom Parameter l zum Ausdruck zu bringen. Zusammenfassend gilt somit:
Vektorielle Zwei-Punkte-Form einer Geraden (Bild II-62) ! ~ r ðPÞ ¼ ~ r 1 ðlÞ ¼ ~ r 1 þ l ð~ r1 þ l P1 P2 ¼ ~ r2 ~ r 1Þ oder (in der Komponentenschreibweise) 0 1 0 1 0 1 0 1 x x1 x2 x1 x 1 þ l ðx 2 x 1 Þ B C B C B C B C @ y A ¼ @ y 1 A þ l @ y 2 y 1 A ¼ @ y 1 þ l ðy 2 y 1 Þ A z1 z2 z1 z z 1 þ l ðz 2 z 1 Þ
ðII-131Þ
ðII-132Þ
108
II Vektoralgebra
Dabei bedeuten:
&
x, y, z:
x 1, y 1, z 1 x 2, y 2, z 2
Koordinaten des laufenden Punktes P der Geraden
l:
Reeller Parameter ðl 2 RÞ
Koordinaten der vorgegebenen Punkte P 1 und P 2 der Geraden
Beispiel Wie lautet die Gleichung der Geraden g durch die beiden Punkte P 1 ¼ ð1; 1; 1Þ und P 2 ¼ ð2; 0; 4Þ? Lo¨sung:
1 0 1 0 0 1 1þl 21 1 C B C B B C ~ r2 ~ r 1Þ ¼ @ 1 A þ l @ 0 1 A ¼ @ 1 l A r ðlÞ ¼ ~ r 1 þ l ð~ 1 þ 3l 41 1
ðl 2 RÞ
Zum Parameterwert l ¼ 2 beispielsweise geho¨rt demnach der folgende Punkt Q: 0 1 0 1 1þ2 3 A ¼ @ 1 A ) Q ¼ ð3; 1; 7Þ ~ r ðQÞ ¼ ~ r ðl ¼ 2Þ ¼ @ 1 2 1þ32 7
&
4.1.3 Abstand eines Punktes von einer Geraden Gegeben ist eine Gerade g in der vektoriellen Punkt-Richtungs-Form ~ a r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~
ðII-133Þ
und ein Punkt Q mit dem Ortsvektor ~ rQ (Bild II-63). Wir stellen uns die Aufgabe, den (senkrechten) Abstand d dieses Punktes von der Geraden g zu bestimmen.
r1
P1
P1 Q a
Q
rQ d
P2
P1 P2 r2 0
g
Bild II-63 Zur Berechnung des Abstandes eines Punktes von einer Geraden
4 Anwendungen in der Geometrie
109
! Dazu wa¨hlen wir auf der Geraden einen weiteren Punkt P 2 im Abstand j P 1 P 2 j ¼ 1 ! vom Punkte P 1 . Der Vektor P 1 P 2 ist somit der Einheitsvektor in Richtung des Vektors ~ a: ~ a ! ea ¼ P1 P2 ¼ ~ j~ aj
ðII-134Þ
! rQ ~ r 1 das in Bild II-63 Dieser Vektor bildet zusammen mit dem Vektor P 1 Q ¼ ~ grau unterlegte Parallelogramm, dessen Ho¨he der gesuchte Abstand d des Punktes Q von der Geraden g ist. Fu¨r den Fla¨cheninhalt A dieses Parallelogramms gilt dann einerseits ! A ¼ ðGrundlinieÞ ðH¨oheÞ ¼ j P 1 P 2 j d ¼ 1 d ¼ d
ðII-135Þ
andererseits ~ ! j~ a ð~ rQ ~ r 1 Þj a ! r 1 Þ ¼ A ¼ j P 1 P 2 P 1 Q j ¼ ð~ rQ ~ j~ aj j~ aj
ðII-136Þ
Durch Gleichsetzen erha¨lt man schließlich die gewu¨nschte Abstandsformel: d ¼
j~ a ð~ rQ ~ r 1 Þj j~ aj
ðII-137Þ
Wir halten fest:
Abstand eines Punktes von einer Geraden (II-63) Der Abstand eines Punktes Q mit dem Ortsvektor ~ r Q von einer Geraden g mit der Gleichung ~ r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ a la¨sst sich wie folgt berechnen: d ¼
j~ a ð~ rQ ~ r 1 Þj j~ aj
ðII-138Þ
Anmerkung Ist d ¼ 0, so liegt der Punkt Q auf der Geraden.
&
Beispiel Die Gleichung einer Geraden g laute: 0 1 0 1 1 2 ~ a ¼ @0A þ l@5A r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ 1 2
ðl 2 RÞ
110
II Vektoralgebra
Wir berechnen den Abstand d des Punktes Q ¼ ð5; 3; 2Þ von dieser Geraden: 1 0 0 1 0 1 0 1 4 2 51 2 C B B C B C B C ~ r 1Þ ¼ @ 5 A @ 3 0 A ¼ @ 5 A @ 3 A ¼ a ð~ rQ ~ 3 2 2 1 2 1 0 1 0 21 15 6 C B C B ¼ @ 8 þ 6 A ¼ @ 14 A 14 6 20 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffi j~ a ð~ rQ ~ r 1 Þj ¼ ð 21Þ 2 þ 14 2 þ ð 14Þ 2 ¼ 833 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi j~ aj ¼ 2 2 þ 5 2 þ 2 2 ¼ 33 pffiffiffiffiffiffiffiffiffi 833 j~ a ð~ rQ ~ r 1 Þj ¼ pffiffiffiffiffiffiffi ¼ 5,02 d ¼ j~ aj 33
&
4.1.4 Abstand zweier paralleler Geraden Zwei Geraden g 1 und g 2 ko¨nnen folgende Lagen zueinander haben:
g 1 und g 1 und g 1 und g 1 und Schnitt
g2 g2 g2 g2
fallen zusammen sind zueinander parallel schneiden sich in genau einem Punkt sind windschief, d. h. sie verlaufen weder parallel noch kommen sie zum
In diesem Abschnitt bescha¨ftigen wir uns mit dem (senkrechten) Abstand d zweier paralleler Geraden g 1 und g 2 mit den Gleichungen ~ r1 þ l1 ~ a1 r ðl 1 Þ ¼ ~
und
~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a2
ðII-139Þ
(l 1 , l 2 2 R; Bild II-64). Diese Geraden sind genau dann parallel, wenn ihre Richa 2 kollinear sind, d. h. ~ a1 ~ a2 ¼ ~ 0 ist. tungsvektoren ~ a 1 und ~
P2 r2 P1 r1
a1
a2
d g2
Bild II-64 Zur Berechnung des Abstandes zweier paralleler Geraden 0
g1
4 Anwendungen in der Geometrie
111
Wir betrachten den auf der Geraden g 2 gelegenen Punkt P 2 mit dem Ortsvektor ~ r 2. Sein senkrechter Abstand von der Geraden g 1 betra¨gt dann nach Formel (II-138): d ¼
j~ a 1 ð~ r2 ~ r 1 Þj j~ a1 j
ðII-140Þ
rQ ¼ ~ r 2 ). Dieser Abstand ist zugleich der gesuchte (Punkt Q ¼ Punkt P 2 und somit ~ Abstand der beiden parallelen Geraden. Wir fassen wie folgt zusammen:
Abstand zweier paralleler Geraden (Bild II-64) Der Abstand zweier paralleler Geraden g 1 und g 2 mit den Gleichungen ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ r1 þ l1 ~ a1
und
~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a2
ðII-141Þ
la¨sst sich wie folgt berechnen: d ¼
j~ a 1 ð~ r2 ~ r 1 Þj j~ a1 j
ðII-142Þ
Anmerkungen
&
(1)
a1 ~ a2 ¼ ~ 0 ist. Die Geraden g 1 und g 2 sind genau dann parallel, wenn ~
(2)
Ist d ¼ 0, so fallen die beiden Geraden zusammen.
Beispiel Die Geraden 0 1 0 1 1 1 B C B C g1 : ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ r1 þ l1 ~ a1 ¼ @ 1 A þ l1 @ 1 A 1 4
ðl 1 2 RÞ
0 1 0 1 3 4 B C B C g2 : ~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a2 ¼ @ 0 A þ l2 @ 3 A 3 3
ðl 2 2 RÞ
und
a 2 kollineare Vektoren darstellen: sind parallel, da ihre Richtungsvektoren ~ a 1 und ~ ~ a2 ¼ 3~ a 1 . Wir berechnen jetzt den Abstand dieser Geraden:
112
II Vektoralgebra
0 1 0 1 0 1 0 1 1 41 1 3 B C B C B C B C ~ r2 ~ r 1Þ ¼ @ 1 A @ 0 1 A ¼ @ 1 A @ 1 A ¼ a 1 ð~ 1 34 1 1 1 0 C B C B ¼ @ 3 þ 1A ¼ @ 4A 1 3 4 0
j~ a 1 ð~ r2 ~ r 1Þ j ¼ j~ a1 j ¼ d ¼
1 þ 1
1
0
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 0 2 þ 4 2 þ ð 4Þ 2 ¼ 32 ¼ 4 2
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 12 þ 12 þ 12 ¼ 3
pffiffiffiffiffi j~ a 1 ð~ r2 ~ r 1 Þj 4 2 ¼ pffiffiffiffiffi ¼ 3,27 j~ aj 3
&
4.1.5 Abstand zweier windschiefer Geraden Wir gehen von zwei windschiefen Geraden g 1 und g 2 mit den Gleichungen ~ r1 þ l1 ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ a1
~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a2
und
ðl 1 , l 2 2 RÞ
ðII-143Þ
aus (die Geraden verlaufen somit weder parallel noch kommen sie zum Schnitt, siehe Bild II-65). Ihren Abstand d bestimmen wir wie folgt: P2
a2
S2
g2
r2
E2
g 1* d
g1 S1
P1 r1
0
a1
g 2*
E1
Bild II-65 Zur Berechnung des Abstandes zweier windschiefer Geraden
4 Anwendungen in der Geometrie
113
Zuna¨chst wird die Gerade g 2 so parallelverschoben, dass sie mit der Geraden g 1 zum Schnitt kommt (Schnittpunkt S 1 ). Die durch Parallelverschiebung erhaltene Gerade bezeichnen wir mit g *2 , sie bildet zusammen mit der Geraden g 1 die (untere) Ebene E 1 in Bild II-65. Jetzt verschieben wir die Gerade g 1 parallel zu sich selbst nach „oben“, bis sie die Gerade g 2 in S 2 schneidet. Die durch Parallelverschiebung gewonnene Gerade bezeichnen wir mit g *1 . Die Geraden g 2 und g *1 bilden die (obere) Ebene E 2 in Bild II-65, die parallel zur Ebene E 1 verla¨uft. Der Abstand dieser Parallelebenen ist zugleich der gesuchte Abstand d der beiden windschiefen Geraden g 1 und g 2 . Auf die Herleitung der Abstandsformel wollen wir verzichten und teilen nur das Ergenis mit:
Abstand zweier windschiefer Geraden (Bild II-65) Der Abstand zweier windschiefer Geraden g 1 und g 2 mit den Gleichungen ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ r1 þ l1 ~ a1
und
~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a2
ðII-144Þ
la¨sst sich wie folgt berechnen: d ¼
j ½~ a1 ~ r2 ~ r 1Þ j a 2 ð~ j~ a1 ~ a2 j
ðII-145Þ
Anmerkung Die Geraden g 1 und g 2 sind genau dann windschief, wenn die folgenden Bedingungen erfu¨llt sind: ~ a 2 6¼ ~ 0 a1 ~ &
und
½~ a1 ~ r2 ~ r 1 Þ 6¼ 0 a 2 ð~
ðII-146Þ
Beispiel Gegeben sind zwei Geraden g 1 und g 2 : g1
g2
0 1 1 B C durch P 1 ¼ ð1; 2; 0Þ mit dem Richtungsvektor ~ a1 ¼ @ 1 A 1 0 1 2 B C durch P 2 ¼ ð3; 0; 2Þ mit dem Richtungsvektor ~ a2 ¼ @ 0 A 1
Wir zeigen zuna¨chst, dass es sich um windschiefe Geraden handelt und berechnen anschließend ihren Abstand.
114
II Vektoralgebra
1 ½~ a1 ~ r2 ~ r 1Þ ¼ 2 a 2 ð~ ð3 1Þ 0 1 0 1 2 1 B C B C ~ a1 ~ a2 ¼ @ 1 A @ 0 A ¼ 1 1
1 1 0 1 ¼ ð0 2Þ ð2 0Þ 1 0 1 0 1 10 C B C B @2 1A ¼ @ 1A 2 02
1 2 2
1 0 2
1 1 2
¼ 4
Somit gilt: ~ a1 ~ a 2 6¼ ~ 0
½~ a1 ~ a 2 ð~ r2 ~ r 1 Þ 6¼ 0
und
Die Geraden g 1 und g 2 sind also nach dem Kriterium (II-146) windschief. Mit qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi j~ a1 ~ a2 j ¼ 1 2 þ 1 2 þ ð 2Þ 2 ¼ 6 folgt fu¨r ihren Abstand nach Formel (II-145): d ¼
j ½~ a1 ~ r2 ~ r 1Þ j j 4j 4 a 2 ð~ ¼ pffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffiffiffi ¼ 1,63 j~ a1 ~ a2 j 6 6
&
4.1.6 Schnittpunkt und Schnittwinkel zweier Geraden Berechnung des Schnittpunktes (Bild II-66) Den Schnittpunkt S zweier Geraden g 1 und g 2 mit den Gleichungen ~ r1 þ l1 ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ a1
und
~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a2
ðl 1 , l 2 2 RÞ
ðII-147Þ
bestimmt man aus der Vektorgleichung ~ r2 þ l2 ~ a1 ¼ ~ a2 r1 þ l1 ~
ðII-148Þ
r ðl 2 Þ erha¨lt 8). die man durch Gleichsetzen der Vektoren ~ r ðl 1 Þ und ~ Diese Vektorgleichung fu¨hrt komponentenweise geschrieben zu einem linearen Gleichungssystem mit drei Gleichungen in den beiden Unbekannten l 1 und l 2 . Die (eindeutige) Lo¨sung dieses Systems liefert die zum Schnittpunkt S geho¨rigen Parameterwerte l *1 , l *2 . Den Ortsvektor ~ r S des Schnittpunktes S erha¨lt man dann durch Einsetzen dieser Werte in die Gleichung der Geraden g 1 bzw. g 2 : ~ rS ¼ ~ r 1 þ l*1 ~ a1 8)
bzw:
~ rS ¼ ~ r 2 þ l*2 ~ a2
ðII-149Þ
Die beiden Geraden schneiden sich genau dann in einem Punkt S, wenn die Bedingungen ~ a1 ~ a 2 6¼ ~ 0 und ½ ~ a1 ~ r2 ~ r 1 Þ ¼ 0 erfu¨llt sind (siehe hierzu Bild II-66). Die Vektoren ~ a 1, ~ a 2 und ~ r2 ~ r1 a 2 ð~ mu¨ssen also komplanar sein, d. h. in einer gemeinsamen Ebene liegen.
4 Anwendungen in der Geometrie
115
g2 a2 P2 r2 a2 S
P1
f
r1
a1
a1
g1
0
Bild II-66 Zur Berechnung des Schnittpunktes und Schnittwinkels zweier Geraden
Berechnung des Schnittwinkels (Bild II-66) Definitionsgema¨ß verstehen wir unter dem Schnittwinkel j zweier Geraden g 1 und g 2 den Winkel zwischen den zugeho¨rigen Richtungsvektoren ~ a 1 und ~ a 2 (Bild II-66). Fu¨r den Schnittwinkel erhalten wir nach Gleichung (II-74):
Schnittwinkel zweier Geraden (Bild II-66) a1 Der Schnittwinkel j zweier Geraden g 1 und g 2 mit den Richtungsvektoren ~ und ~ a 2 la¨sst sich wie folgt berechnen: ~ a2 a1 ~ j ¼ arccos ðII-150Þ j~ a1 j j~ a2 j
&
Beispiel Gegeben sind die Geraden g1 :
0 1 0 1 1 2 B C B C ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ r1 þ l1 ~ a1 ¼ @ 1 A þ l1 @ 1 A 0 1
g2 :
0 1 0 1 1 2 B C B C ~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a2 ¼ @ 0 A þ l2 @ 1 A 2 2
und
ðl 1 2 RÞ
ðl 2 2 RÞ
In welchem Punkt S schneiden sich die Geraden, welcher Winkel j wird von ihnen eingeschlossen?
116
II Vektoralgebra
Lo¨sung: Wir zeigen zuna¨chst, dass die beiden Richtungsvektoren ~ a 1 und ~ a 2 nicht-kollinear sind: 0 1 0 1 0 1 0 1 1 2þ1 3 2 B C B C B C B C ~ 0 a 2 ¼ @ 1 A @ 1 A ¼ @ 1 4 A ¼ @ 3 A 6¼ ~ a1 ~ 2 2 1 3 1 Sie liegen mit dem Verbindungsvektor ~ r2 ~ r 1 in einer Ebene (komplanare Vektoren), da das Spatprodukt dieser Vektoren verschwindet: 2 2 1 1 1 ð2 1Þ ½~ a1 ~ r2 ~ r 1 Þ ¼ 1 1 ð0 1Þ ¼ 1 1 1 ¼ a 2 ð~ 1 1 2 2 2 ð2 0Þ ¼ 4 1 þ 2 þ 1 þ 4 2 ¼ 0 Die Geraden g 1 und g 2 schneiden sich also in einem Punkt. Wir berechnen jetzt ihren Schnittpunkt S und ihren Schnittwinkel j. Berechnung des Schnittpunktes S Aus der Bedingung ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ r ðl 2 Þ folgt die Vektorgleichung 0 1 1 0 1 0 0 1 2 2 1 1 B C C B C B B C @ 1 A þ l 1@ 1 A ¼ @ 0 A þ l 2@ 1 A 2 1 2 0 In der Komponentenschreibweise erhalten wir 1 þ 2 l1 ¼ 2 þ
l2
1þ
l1 ¼ 0
l2
0þ
l1 ¼ 2 þ 2 l2
2 l1 oder
l1 þ
l2 ¼
1
l2 ¼ 1
l1 2 l2 ¼
2
Dieses lineare Gleichungssystem besitzt genau eine Lo¨sung (bitte nachrechnen!): r S des gesuchten Schnittpunktes S lautet damit: l 1 ¼ 0, l 2 ¼ 1. Der Ortsvektor ~ 0 1 0 1 0 1 1 2 1 B C B C B C ~ r ðl 1 ¼ 0Þ ¼ @ 1 A þ 0 @ 1 A ¼ @ 1 A ) S ¼ ð1; 1; 0Þ rS ¼ ~ 0 1 0 Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man in die Gleichung der Geraden g 2 fu¨r den Parameter l 2 den Wert 1 einsetzt: 0 1 0 1 0 1 0 1 2 1 21 1 B C B C B C B C ~ r ðl 2 ¼ 1Þ ¼ @ 0 A 1 @ 1 A ¼ @ 0 þ 1 A ¼ @ 1 A rS ¼ ~ 2
2
22
0
4 Anwendungen in der Geometrie
117
Berechnung des Schnittwinkels j (nach Formel (II-150)) 1 0 1 0 1 2 C B C B ~ a2 ¼ @ 1 A @ 1 A ¼ 2 1 þ 2 ¼ 3 a1 ~ 2 1 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi j~ a1 j ¼ 22 þ 12 þ 12 ¼ 6 , 1 2 þ ð 1Þ 2 þ 2 2 ¼ 6 j~ a2 j ¼ ~ a2 3 1 a1 ~ j ¼ arccos ¼ 60 ¼ arccos pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi ¼ arccos 2 j~ a1 j j~ a2 j 6 6 &
4.2 Vektorielle Darstellung einer Ebene 4.2.1 Punkt-Richtungs-Form einer Ebene Eine Ebene E soll durch den Punkt P 1 mit dem Ortsvektor ~ r 1 und parallel zu zwei nicht-kollinearen Vektoren ~ a und b~ (Richtungsvektoren genannt) verlaufen (Bild II-67) 9). Wie lautet die Gleichung dieser Ebene in vektorieller Form? P
mb P 1P
r (l;m)
b
E
P1 a
la
Bild II-67 Zur Punkt-Richtungs-Form einer Ebene
r1
0
Bezeichnet man den laufenden Punkt der Ebene mit P, so ist der in der Ebene liegende ! a und m b~: Vektor P 1 P die vektorielle Summe aus l ~ ! P1 P ¼ l~ a þ m b~
ðII-151Þ
l und m sind dabei zwei voneinander unabha¨ngige reelle Parameter. Der Ortsvektor von P ist dann als Summenvektor ! ~ r1 þ l~ a þ m b~ ðII-152Þ r ðPÞ ¼ ~ r1 þ P1 P ¼ ~ darstellbar. Die Lage des laufenden Punktes P auf der Ebene ist somit eindeutig durch die Parameter l und m festgelegt. Wir bringen dies durch die Schreibweise ~ r ðPÞ ¼ ~ r ðl; mÞ zum Ausdruck. 9)
Wir erinnern: Zwei Vektoren ~ a und b~ sind nicht-kollinear, wenn ~ a b 6¼ ~ 0 ist.
118
II Vektoralgebra
Die Gleichung der Ebene E lautet damit in der vektoriellen Parameterform wie folgt:
Vektorielle Punkt-Richtungs-Form einer Ebene (Bild II-67) ~ a þ m b~ r ðPÞ ¼ ~ r ðl; mÞ ¼ ~ r1 þ l~
ðII-153Þ
oder (in der Komponentenschreibweise) 1 0 1 0 1 0 1 0 0 1 ax bx x1 þ l ax þ m bx x1 x C B C B C B C B B C @ y A ¼ @ y1 A þ l @ ay A þ m @ by A ¼ @ y1 þ l ay þ m by A z1 az bz z1 þ l az þ m bz z ðII-154Þ Dabei bedeuten: x, y, z: x 1, y 1, z 1 : a x , a y, a z b x , b y, b z
Koordinaten des laufenden Punktes P der Ebene
Koordinaten des vorgegebenen Punktes P 1 der Ebene Skalare Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) der nicht-kollinearen Richtungsvektoren ~ a und b~ der Ebene ð~ a b~ 6¼ ~ 0Þ
l, m:
Voneinander unabha¨ngige reelle Parameter ðl, m 2 RÞ
Anmerkung Ein auf der Ebene E senkrecht stehender Vektor ~ n heißt Normalenvektor der Ebene. Einen solchen Vektor erha¨lt man beispielsweise aus den beiden Richtungsvektoren ~ a und b~ durch Bildung des Vektorproduktes: ~ n ¼ ~ a b~ &
ðII-155Þ
Beispiel Die Ebene E verla¨uft 0 1 2 B C ~ a ¼ @ 5 A und b~ ¼ 1 terform wie folgt:
durch den Punkt P 1 ¼ ð3; 5; 1Þ, ihre Richtungsvektoren sind 0 1 5 B C @ 1 A. Die Gleichung dieser Ebene lautet dann in der Parame3
0 1 0 1 0 1 2 3 5 C B C B ~ a þ m b~ ¼ @ 5 A þ l @ 5 A þ m @ 1 A ¼ r ðl; mÞ ¼ ~ r1 þ l~ 3 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 3 2l 5m 3 þ 2l þ 5m B C B C B C B C ¼ @5A þ @5lA þ @ mA ¼ @5 þ 5l þ mA 1
l
3m
1þ
l þ 3m
ðl, m 2 RÞ
4 Anwendungen in der Geometrie
119
So geho¨rt z. B. zu dem Parameterpaar l ¼ 0 3þ2 B ~ r ðQÞ ¼ ~ r ðl ¼ 1; m ¼ 2Þ ¼ B @5 þ 5 1þ1
1, m ¼ 2 der folgende Punkt Q: 0 1 1 1þ52 15 B C C C ¼ B 12 C ) 1þ2 @ A A 8 þ32
Q ¼ ð15; 12; 8Þ Der Vektor 1 0 1 0 1 0 1 0 14 2 5 15 1 C B C B C B C B ~ n ¼~ a b~ ¼ @ 5 A @ 1 A ¼ @ 5 6 A ¼ @ 1 A 23 1 3 2 25 steht dabei senkrecht auf der Ebene E (Normalenvektor).
&
4.2.2 Drei-Punkte-Form einer Ebene Eine Ebene E soll durch drei (voneinander verschiedene und nicht in einer gemeinsamen Geraden liegende) Punkte P 1 , P 2 und P 3 mit den Ortsvektoren ~ r 1, ~ r 2 und ~ r3 verlaufen (Bild II-68).
P3 r3 – r1
r3
P r (l;m)
P1
E P2
r2 – r1 r1
Bild II-68 Zur Drei-Punkte-Form einer Ebene
r2
0
Die vektorielle Gleichung dieser Ebene erhalten wir durch analoge berlegungen wie im vorangegangenen Abschnitt 4.2.1. Der Ortsvektor des laufenden Punktes P der Ebene ist der Summenvektor ! ! ~ r ðPÞ ¼ ~ r1 þ l P1 P2 þ m P1 P3
ðII-156Þ
120
II Vektoralgebra
Ferner ist ! r2 ~ r1 P1 P2 ¼ ~
und
! r3 ~ P1 P3 ¼ ~ r1
ðII-157Þ
und somit ~ r2 ~ r 1 Þ þ m ð~ r3 ~ r 1Þ r ðPÞ ¼ ~ r 1 þ l ð~
ðl, m 2 RÞ
ðII-158Þ
Dies ist die Parameterdarstellung einer Ebene durch drei vorgegebene Punkte P 1 , P 2 und P 3 in vektorieller Form. Fu¨r ~ r ðPÞ schreiben wir wieder ~ r ðl; mÞ, um zum Ausdruck zu bringen, dass der laufende Punkt P der Ebene durch die beiden Parameterwerte eindeutig festgelegt ist. Wir fassen zusammen: Vektorielle Drei-Punkte-Form einer Ebene (Bild II-68) ! ! ~ r ðPÞ ¼ ~ r ðl; mÞ ¼ ~ r1 þ l P1 P2 þ m P1 P3 ¼ r2 ~ r 1 Þ þ m ð~ r3 ~ r 1Þ ¼~ r 1 þ l ð~ oder (in der Komponentenschreibweise) 0 1 0 1 0 1 0 1 x1 x2 x1 x3 x1 x B C B C B C B C @ y A ¼ @ y1 A þ l @ y2 y1 A þ m @ y3 y1 A ¼ z z1 z2 z1 z3 z1 0 1 x 1 þ l ðx 2 x 1 Þ þ m ðx 3 x 1 Þ B C ¼ @ y 1 þ l ðy 2 y 1 Þ þ m ðy 3 y 1 Þ A z 1 þ l ðz 2 z 1 Þ þ m ðz 3 z 1 Þ
ðII-159Þ
ðII-160Þ
Dabei bedeuten: x, y, z:
Koordinaten des laufenden Punktes P der Ebene 9 x 1, y 1, z 1 > = Koordinaten der vorgegebenen Punkte P 1 , P 2 und P 3 der Ebene x 2, y 2, z 2 > ; x 3, y 3, z 3
l, m:
Voneinander unabha¨ngige reelle Parameter ðl, m 2 RÞ
Anmerkungen (1)
Die Punkte P 1 , P 2 , P 3 du¨rfen nicht in einer gemeinsamen Geraden liegen, d. h. es muss die folgende Bedingung erfu¨llt sein: ð~ r2 ~ r 1 Þ ð~ r3 ~ r 1 Þ 6¼ ~ 0
ðII-161Þ
4 Anwendungen in der Geometrie (2)
121
! ! r2 ~ r3 ~ Die nicht-kollinearen Vektoren P 1 P 2 ¼ ~ r 1 und P 1 P 3 ¼ ~ r 1 ko¨nnen als Richtungsvektoren der Ebene aufgefasst werden. Der Normalenvektor ~ n der Ebene ist dann wie folgt als Vektorprodukt darstellbar: ! ! ~ n ¼ P 1 P 2 P 1 P 3 ¼ ð~ r2 ~ r 1 Þ ð~ r3 ~ r 1Þ
&
ðII-162Þ
Beispiel Gegeben sind drei Punkte P 1 ¼ ð1; 5; 0Þ, P 2 ¼ ð 2; 1; 8Þ und P 3 ¼ ð2; 0; 1Þ. Wie lautet die Gleichung der Ebene durch diese Punkte? Lo¨sung: Die Ortsvektoren der drei Punkte lauten: 0 1 0 1 1 2 B C B C ~ ~ r2 ¼ @ 1 A und r1 ¼ @ 5 A , 0 8
0 1 2 B C ~ r3 ¼ @ 0 A 1
Damit erhalten wir die folgenden Richtungsvektoren: 0 1 0 1 0 1 3 1 2 ! B C B C B C P1 P2 ¼ ~ r1 ¼ @ 1 A @ 5 A ¼ @ 6 A r2 ~ 8 0 8 0 1 0 1 0 1 2 1 1 ! B C B C B C P1 P3 ¼ ~ r3 ~ r1 ¼ @ 0 A @ 5 A ¼ @ 5 A 1 0 1 Sie sind nicht-kollinear: 0
3
1
0
1
1
0
6 þ 40
1
0
34
1
B C C B C B B C 0 ð~ r2 ~ r 1 Þ ð~ r3 ~ r 1 Þ ¼ @ 6 A @ 5 A ¼ @ 8 þ 3 A ¼ @ 11 A 6¼ ~ 21 15 þ 6 1 8 Die Gleichung der Ebene lautet damit in der vektoriellen Parameterform wie folgt: ~ r ðl; mÞ ¼ ~ r 1 þ l ð~ r2 ~ r 1 Þ þ m ð~ r3 ~ r 1Þ ¼ 0 1 0 1 0 1 0 1 1 3 1 1 3l þ m B C B C B C B C ¼ @ 5 A þ l @ 6 A þ m @ 5 A ¼ @ 5 6 l 5 m A ðl, m 2 RÞ 0 8 1 8l þ m &
122
II Vektoralgebra
4.2.3 Gleichung einer Ebene senkrecht zu einem Vektor Eine Ebene E soll den Punkt P 1 mit dem Ortsvektor ~ r 1 enthalten und senkrecht zu einem Vektor ~ n (Normalenvektor genannt) verlaufen (Bild II-69). Ist ~ r der Ortsvektor ! r ~ r 1 in der Ebene des laufenden Punktes P der Ebene, so liegt der Vektor P 1 P ¼ ~ und steht somit senkrecht auf dem Normalenvektor ~ n . Dies aber bedeutet, dass das skalare Produkt der Vektoren ~ n und ~ r ~ r 1 verschwindet (orthogonale Vektoren). Die Gleichung der Ebene lautet daher: ~ n ð~ r ~ r 1Þ ¼ 0
~ n~ r ¼ ~ n~ r1
oder
ðII-163Þ
n r – r1
P1 r1
P
E
r
Bild II-69 Ebene senkrecht zu einem Normalenvektor
0
Wir fassen zusammen:
Gleichung einer Ebene senkrecht zu einem Vektor (Bild II-69) ~ n ð~ r ~ r 1Þ ¼ 0
ðII-164Þ
oder (ausgeschrieben) n x ðx x 1 Þ þ n y ðy y 1 Þ þ n z ðz z 1 Þ ¼ 0
ðII-165Þ
Dabei bedeuten: x, y, z:
Koordinaten des laufenden Punktes P der Ebene
x 1, y 1, z 1 :
Koordinaten des vorgegebenen Punktes P 1 der Ebene
n x, n y, n z :
Skalare Vektorkomponenten (Vektorkoordinaten) des Normalenvektors ~ n (steht senkrecht auf der Ebene E)
Anmerkung Gleichung (II-164) bzw. (II-165) wird auch als Koordinatendarstellung der Ebene bezeichnet. Ihre allgemeine Form lautet: ax þ by þ cz þ d ¼ 0
ða, b, c, d : Reelle KonstantenÞ
ðII-166Þ
4 Anwendungen in der Geometrie &
123
Beispiel Die Gleichung der Ebene E durch den Punkt P 1 ¼ ð2; 5; 3Þ senkrecht zum Vektor 0 1 4 B C ~ n ¼ @ 2 A (Normalenvektor) lautet wie folgt: 5 1 0 1 0 x 2 4 C B C B ~ n ð~ r ~ r 1 Þ ¼ @ 2 A @ y þ 5 A ¼ 4 ðx 2Þ þ 2 ðy þ 5Þ þ 5 ðz 3Þ ¼ 0 z3 5 4 x 8 þ 2 y þ 10 þ 5 z 15 ¼ 0
)
4 x þ 2 y þ 5 z 13 ¼ 0 &
4.2.4 Abstand eines Punktes von einer Ebene Gegeben ist eine Ebene E mit der Gleichung ~ n ð~ r ~ r 1 Þ ¼ 0 und ein Punkt Q mit dem Ortsvektor ~ r Q (Bild II-70). Welchen (senkrechten) Abstand d besitzt dieser Punkt von der Ebene E? Q ′′ b
Q P1 Q rQ d
n E
P1
Q′
r1
Bild II-70 Zur Berechnung des Abstandes eines Punktes von einer Ebene
0
! Wir bestimmen zuna¨chst den Vektor P 1 Q. Er ist als Differenzvektor in der Form ! P1 Q ¼ ~ rQ ~ r1
ðII-167Þ
darstellbar. Seine Projektion in die Richtung des Normalenvektors ~ n ergibt den Vektor !00 ! 0 P 1 Q ¼ b~, der mit dem Vektor Q Q der La¨nge d u¨bereinstimmt 10). Somit gilt ! b~ ¼ Q 0 Q
10)
mit
j b~j ¼ d
Q 0 ist der Fußpunkt des Lotes von Q auf die Ebene E.
ðII-168Þ
124
II Vektoralgebra
! Andererseits gilt fu¨r die Projektion von P 1 Q auf ~ n nach Gleichung (II-86): ! ! ! ~ ~ r 1Þ n P1 Q n ð~ rQ ~ ~ ~ n ¼ n b~ ¼ j~ n j2 j~ n j2 Dieser Vektor besitzt den Betrag ~ ~ r Þ j~ n ð~ rQ ~ r 1Þ j j~ n ð~ rQ ~ r 1Þ j n ð~ r Q 1 ~ j~ nj ¼ j b~j ¼ n ¼ j~ nj j~ n j2 j~ n j2
ðII-169Þ
ðII-170Þ
Somit ist wegen j b~j ¼ d : j b~j ¼ d ¼
j~ n ð~ rQ ~ r 1Þ j j~ nj
ðII-171Þ
der gesuchte Abstand des Punktes Q von der Ebene E. Wir fassen zusammen:
Abstand eines Punktes von einer Ebene (Bild II-70) Der Abstand eines Punktes Q mit dem Ortsvektor ~ r Q von einer Ebene E mit der Gleichung ~ n ð~ r ~ r 1 Þ ¼ 0 betra¨gt d ¼
&
j~ n ð~ rQ ~ r 1Þ j j~ nj
ðII-172Þ
0 1 1 B C Eine Ebene E entha¨lt den Punkt P 1 ¼ ð1; 0; 9Þ, ihr Normalenvektor ist ~ n ¼ @ 3 A. 5 Wir berechnen den Abstand d des Punktes Q ¼ ð 2; 1; 3Þ von dieser Ebene mit Hilfe der Formel (II-172): 0 1 0 1 0 1 0 1 1 2 1 1 3 B C B C B C B C ~ n ð~ rQ ~ r 1Þ ¼ @ 3 A @ 1 0 A ¼ @ 3 A @ 1 A ¼ 5 39 5 6
Beispiel
¼ 3 þ 3 30 ¼ 30 j~ nj ¼ d ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi 1 2 þ 3 2 þ 5 2 ¼ 35
j~ n ð~ rQ ~ r 1Þ j j 30 j 30 ¼ pffiffiffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffiffiffiffiffi ¼ 5,07 j~ nj 35 35
&
4 Anwendungen in der Geometrie
125
4.2.5 Abstand einer Geraden von einer Ebene Eine Gerade g und eine Ebene E ko¨nnen folgende Lagen zueinander haben: g liegt in der Ebene E g und E sind zueinander parallel g und E schneiden sich in genau einem Punkt Wir setzen in diesem Abschnitt voraus, dass die Gerade g mit der Gleichung ~ a parallel zur Ebene E mit der Gleichung ~ n ð~ r ~ r 0 Þ ¼ 0 verla¨uft r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ (Bild II-71). Dies ist genau dann der Fall, wenn der Richtungsvektor ~ a der Geraden senkrecht auf dem Normalenvektor ~ n der Ebene steht, d. h. ~ n~ a ¼ 0 ist.
g a
P1
d
r1 d
n P0
Parallele zu g in der Ebene E
r0
Bild II-71 Zur Berechnung des Abstandes einer Geraden von einer Ebene
E 0
Dann hat jeder Punkt der Geraden g den gleichen Abstand d von der Ebene E. Wir wa¨hlen auf g den bekannten Punkt P 1 mit dem Ortsvektor ~ r 1. Nach den Ergebnissen des vorangegangenen Abschnitts gilt dann (Gleichung II-172):
Abstand einer Geraden von einer Ebene (Bild II-71) Der Abstand einer Geraden g mit der Gleichung ~ r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ a von einer zu ihr parallelen Ebene E mit der Gleichung ~ n ð~ r ~ r 0 Þ ¼ 0 betra¨gt d ¼
j~ n ð~ r1 ~ r 0Þ j j~ nj
ðII-173Þ
Anmerkungen (1)
Gerade und Ebene sind genau dann zueinander parallel, wenn ~ n~ a ¼ 0 ist.
(2)
Ist zusa¨tzlich d ¼ 0, so liegt die Gerade g in der Ebene E.
126 &
II Vektoralgebra
Beispiel Wir berechnen den Abstand d zwischen der Geraden 0 g:
1
1
C B Richtungsvektor ~ a ¼ @4A 2
P 1 ¼ ð0; 1; 1Þ,
und der (zu ihr parallelen) Ebene E:
0 1 2 B C Normalenvektor ~ n ¼ @1A 3
P 0 ¼ ð1; 5; 2Þ,
Zuna¨chst aber zeigen wir, dass Gerade und Ebene parallel verlaufen und die Abstandsformel (II-173) daher auf dieses Beispiel anwendbar ist: 0 1 0 1 2 1 B C B C ~ n~ a ¼ @ 1 A @ 4 A ¼ 2 4 þ 6 ¼ 0 ) g jj E 3
2
Ferner ist 1 0 1 0 1 0 1 0 1 2 01 2 C B C B C B C B ~ r 0Þ ¼ @ 1 A @ 1 5 A ¼ @ 1 A @ 4 A ¼ n ð~ r1 ~ 3 3 1 2 3 ¼ 2 4 9 ¼ 15 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi j~ nj ¼ 2 2 þ 1 2 þ 3 2 ¼ 14 Aus Gleichung (II-173) folgt dann d ¼
j~ n ð~ r1 ~ r 0Þ j j 15 j 15 ¼ pffiffiffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffiffiffiffiffi ¼ 4,01 j~ nj 14 14
&
4.2.6 Schnittpunkt und Schnittwinkel einer Geraden mit einer Ebene Wir setzen in diesem Abschnitt voraus, dass sich die Gerade g mit der Gleichung ~ r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ a und die Ebene E mit der Gleichung ~ n ð~ r ~ r 0 Þ ¼ 0 in einem Punkt S schneiden (siehe hierzu auch Abschnitt 4.2.5). Dies ist genau dann der Fall, wenn ~ n~ a 6¼ 0 ist.
4 Anwendungen in der Geometrie
127 g
n rS
n r0
P0
f
a
S E
Bild II-72 Zur Berechnung des Schnittpunktes und Schnittwinkels einer Geraden mit einer Ebene
a
r1 P1
0
Berechnung des Schnittpunktes (Bild II-72) Der Ortsvektor ~ r S des Schnittpunktes S erfu¨llt dann sowohl die Geradengleichung als auch die Gleichung der Ebene (Bild II-72): ~ r1 þ lS ~ a rS ¼ ~
und
~ r 0Þ ¼ 0 n ð~ rS ~
ðII-174Þ
Durch Einsetzen der 1. Gleichung in die 2. Gleichung erhalten wir eine Bestimmungsgleichung fu¨r den zum Schnittpunkt S geho¨rigen Parameter l S : ~ r 0Þ ¼ ~ n ð~ r1 þ lS ~ n ð~ r1 ~ r0 þ lS ~ a~ r 0Þ ¼ ~ aÞ ¼ n ð~ rS ~ ¼ ~ n ð~ r1 ~ r 0 Þ þ l S ð~ n~ aÞ ¼ 0
ðII-175Þ
Wir lo¨sen diese Gleichung nach l S auf: lS ¼
~ ~ r 0Þ r 1Þ n ð~ r1 ~ n ð~ r0 ~ ¼ ~ ~ n~ a n~ a
ðII-176Þ
Diesen Wert setzen wir in die Geradengleichung ein und erhalten den Ortsvektor ~ rS des Schnittpunktes S: ~ r 1Þ n ð~ r0 ~ ~ ~ r1 þ lS ~ a ¼~ r1 þ rS ¼ ~ a ðII-177Þ ~ n~ a Schnittpunkt einer Geraden mit einer Ebene (Bild II-72) a mit der Der Ortsvektor des Schnittpunktes S der Geraden g: ~ r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ Ebene E: ~ n ð~ r ~ r 0 Þ ¼ 0 lautet: ~ r 1Þ n ð~ r0 ~ ~ ~ ~ rS ¼ r1 þ a ð~ n~ a ¼ 6 ~ 0Þ ðII-178Þ ~ n~ a Anmerkung Gerade und Ebene schneiden sich genau dann in einem Punkt S, wenn die Bedingung ~ n~ a 6¼ ~ 0 erfu¨llt ist.
128
II Vektoralgebra
Berechnung des Schnittwinkels (Bild II-72) Der gesuchte Schnittwinkel j zwischen Gerade und Ebene ist der Neigungswinkel der Geraden gegenu¨ber der Ebene (Bild II-72). Fu¨r ihn gilt: 0 j 90 . Er ha¨ngt mit dem Winkel a zwischen dem Richtungsvektor ~ a der Geraden und dem Normalenvektor ~ n der Ebene wie folgt zusammen: a ¼ 90 þ j
oder
a ¼ 90 j
ðII-179Þ
(abha¨ngig von der Orientierung (Richtung) des Normalenvektors ~ n ). Der Winkel a la¨sst sich dabei aus dem skalaren Produkt der Vektoren ~ n und ~ a berechnen: cos a ¼
~ n~ a j~ n j j~ aj
ðII-180Þ
Wegen a ¼ 90 j gilt nach dem Additionstheorem der Kosinusfunktion cos a ¼ cos ð90 jÞ ¼ cos 90 cos j sin 90 sin j ¼ sin j |fflfflffl{zfflfflffl} |fflfflffl{zfflfflffl} 0 1
ðII-181Þ
Somit ist sin j ¼
~ n~ a j~ n j j~ aj
oder
sin j ¼
~ n~ a j~ n j j~ aj
ðII-182Þ
Beachtet man noch, dass der Schnittwinkel j im Intervall 0 j 90 liegt und daher sin j 0 ist, so erha¨lt man sin j ¼
j~ n~ aj j~ n j j~ aj
ðII-183Þ
und durch Umkehrung schließlich 11Þ : j ¼ arcsin
j~ n~ aj j~ n j j~ aj
ðII-184Þ
Schnittwinkel einer Geraden mit einer Ebene (Bild II-72) Der Schnittwinkel j zwischen einer Geraden mit den Richtungsvektor ~ a und einer Ebene mit dem Normalenvektor ~ n la¨sst sich wie folgt berechnen: j~ n~ aj j ¼ arcsin ðII-185Þ j~ n j j~ aj 11Þ
Die Arkussinusfunktion ist die Umkehrfunktion der Sinusfunktion (siehe Kap. III, Abschnitt 10.2).
4 Anwendungen in der Geometrie &
129
Beispiel Gerade g und Ebene E sind wie folgt gegeben: 1 3 C B Richtungsvektor ~ a ¼ @4A 0 0
g:
P 1 ¼ ð2; 1; 5Þ,
0
E:
1 2 B C Normalenvektor ~ n ¼ @1A 1
P 0 ¼ ð3; 4; 1Þ,
Wir berechnen Schnittpunkt S und Schnittwinkel j. Berechnung des Schnittpunktes S nach Formel (II-178) 1 1 0 0 1 1 0 0 1 2 32 2 C C B B C C B B ~ r 1Þ ¼ @ 1 A @ 4 1 A ¼ @ 1 A @ 3 A ¼ 2 3 4 ¼ 5 n ð~ r0 ~ 4 1 15 1 1 1 0 0 3 2 C C B B ~ n~ a ¼ @ 1 A @ 4 A ¼ 6 þ 4 þ 0 ¼ 10 1
0
Wegen ~ n~ a ¼ 10 6¼ 0 schneiden sich Gerade g und Ebene E genau in einem Punkt S. Fu¨r den Ortsvektor dieses Schnittpunktes erhalten wir dann nach Formel (II-178): 0 1 0 1 3 2 ~ r 1Þ 5 B n ð~ r0 ~ C B C ~ ~ r1 þ rS ¼ ~ a ¼ @1A þ @4A ¼ ~ 10 n~ a 0 5 1 0 0 1 1 0 0 1 0,5 2 1,5 3 2 C B B C C B B C ¼ @ 1 A 0,5 @ 4 A ¼ @ 1 þ 2 A ¼ @ 3 A ) S ¼ ð0,5; 3; 5Þ 0
5
5þ0
5
Berechnung des Schnittwinkels j nach Formel (II-185) ~ n~ a ¼ 10 (wurde bereits weiter oben berechnet) j~ nj ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 2 2 þ ð 1Þ 2 þ 1 2 ¼ 6 ,
j~ aj ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 3 2 þ ð 4Þ 2 þ 0 2 ¼ 5
j ¼ arcsin
j~ n~ aj 10 ¼ arcsin pffiffiffiffiffi ¼ arcsin 0,8165 ¼ 54,7 j~ n j j~ aj 6 5
&
130
II Vektoralgebra
4.2.7 Abstand zweier paralleler Ebenen Zwei Ebenen E 1 und E 2 ko¨nnen folgende Lagen zueinander haben: E 1 und E 2 fallen zusammen E 1 und E 2 sind zueinander parallel E 1 und E 2 schneiden sich la¨ngs einer Geraden Wir setzen in diesem Abschnitt voraus, dass die Ebenen E 1 und E 2 mit den Gleichungen ~ n 1 ð~ r ~ r 1 Þ ¼ 0 und ~ n 2 ð~ r ~ r 2 Þ ¼ 0 zueinander parallel sind. Dies ist genau dann der Fall, wenn die zugeho¨rigen Normalenvektoren ~ n 1 und ~ n 2 kollinear sind, d. h. ~ n1 ~ n2 ¼ ~ 0 ist (Bild II-73).
n2 P2 r2
E2 d n1 P 2′
P1 r1
E1
Bild II-73 Zur Berechnung des Abstandes zweier paralleler Ebenen
0
Dann hat jeder Punkt der Ebene E 2 von der Ebene E 1 den gleichen (senkrechten) Abstand d und umgekehrt. Wir wa¨hlen auf der Ebene E 2 den bekannten Punkt P 2 mit dem Ortsvektor ~ r 2. Dieser Punkt hat nach der Abstandsformel (II-172) den folgenden Abstand von der Ebene E 1 : d ¼
j~ n 1 ð~ r2 ~ r 1Þ j j~ n1 j
ðII-186Þ
Zusammenfassend gilt somit:
Abstand zweier paralleler Ebenen (Bild II-73) Der Abstand zweier zueinander paralleler Ebenen E 1 : ~ n 1 ð~ r ~ r 1 Þ ¼ 0 und E2: ~ n 2 ð~ r ~ r 2 Þ ¼ 0 la¨sst sich wie folgt berechnen: d ¼
j~ n 1 ð~ r2 ~ r 1Þ j j~ n1 j
ðII-187Þ
4 Anwendungen in der Geometrie
131
Anmerkungen (1)
&
Die beiden Ebenen sind genau dann parallel, wenn ~ n1 ~ n2 ¼ ~ 0 ist.
(2)
In der Abstandsformel (II-187) darf der Normalenvektor ~ n 1 durch den Normalenvektor ~ n 2 ersetzt werden.
(3)
Ist zusa¨tzlich d ¼ 0, so fallen die beiden Ebenen zusammen.
Beispiel Gegeben sind die folgenden Ebenen: 0
E1 :
P 1 ¼ ð7; 3; 4Þ,
E2 :
P 2 ¼ ð 1; 0; 8Þ,
1 1 B C Normalenvektor ~ n1 ¼ @ 4 A 2 1 0 2 C B Normalenvektor ~ n2 ¼ @ 8 A 4
Die Ebenen sind parallel, da ~ n1 ~ n2 ¼ ~ 0 ist: 0 1 1 0 1 0 1 0 16 16 2 1 B C C B C B C B 0 ~ n2 ¼ @ 4 A @ 8 A ¼ @ 4 þ 4 A ¼ @ 0 A ¼ ~ n1 ~ 0 8 þ 8 4 2 0
Wir berechnen nun den Abstand d der Ebenen nach Formel (II-187). Mit 1 1 0 1 0 1 0 8 1 1 7 1 C B C B C B C B ~ n 1 ð~ r2 ~ r 1Þ ¼ @ 4 A @ 0 3 A ¼ @ 4 A @ 3 A ¼ 12 2 8þ4 2 0
¼ 8 12 þ 24 ¼ 20 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi j~ n1 j ¼ ð 1Þ 2 þ 4 2 þ 2 2 ¼ 21 erhalten wir schließlich: d ¼
j~ n 1 ð~ r2 ~ r 1Þ j 20 ¼ pffiffiffiffiffiffiffi ¼ 4,36 j~ n1 j 21
&
132
II Vektoralgebra
4.2.8 Schnittgerade und Schnittwinkel zweier Ebenen Wir setzen in diesem Abschnitt voraus, dass sich die Ebenen E 1 : ~ n 1 ð~ r ~ r 1Þ ¼ 0 und E 2 : ~ n 2 ð~ r ~ r 2 Þ ¼ 0 la¨ngs einer Geraden g schneiden (Bild II-74). Dies ist n 2 nicht-kolligenau dann der Fall, wenn die zugeho¨rigen Normalenvektoren ~ n 1 und ~ near sind, d. h. die Bedingung ~ n1 ~ n 2 6¼ ~ 0 erfu¨llen.
E2 Schnittgerade g
n1
f
n2
E1
Bild II-74 Zur Berechnung der Schnittgeraden und des Schnittwinkels zweier Ebenen
g
Bestimmung der Schnittgeraden (Bild II-74) Fu¨r die Gleichung der Schnittgeraden g wa¨hlen wir den Lo¨sungsansatz ~ a r ðlÞ ¼ ~ r0 þ l~
ðII-188Þ
Zu bestimmen sind der Richtungsvektor ~ a und der Ortsvektor ~ r 0 des auf der Geraden g gelegenen Punktes P 0 . Da die Normalenvektoren ~ n 1 und ~ n 2 der beiden Ebenen jeweils senkrecht auf der Schnittgeraden g stehen, la¨sst sich der Richtungsvektor ~ a von g als Vektorprodukt dieser beiden Vektoren darstellen: ~ n2 a ¼ ~ n1 ~
ðII-189Þ
Den Ortsvektor ~ r 0 des auf der Schnittgeraden gelegenen (aber noch unbekannten) Punktes P 0 bestimmen wir wie folgt: r 0 erfu¨llt daher die Gleichungen P 0 liegt in beiden Ebenen, der zugeho¨rige Ortsvektor ~ beider Ebenen: ~ r0 ~ r 1Þ ¼ 0 n 1 ð~ ~ r0 ~ r 2Þ ¼ 0 n 2 ð~
ðII-190Þ
oder (in ausgeschriebener Form) n 1 x ðx 0 x 1 Þ þ n 1 y ðy 0 y 1 Þ þ n 1 z ðz 0 z 1 Þ ¼ 0 n 2 x ðx 0 x 2 Þ þ n 2 y ðy 0 y 2 Þ þ n 2 z ðz 0 z 2 Þ ¼ 0
ðII-191Þ
4 Anwendungen in der Geometrie
133
Dies ist ein lineares Gleichungssystem mit zwei Gleichungen und den drei unbekannten Koordinaten x 0 , y 0 und z 0 des Punktes P 0 . Eine der drei Koordinaten ist daher frei wa¨hlbar. Wir setzen daher zweckma¨ßigerweise x 0 ¼ 0 und berechnen dann die beiden u¨brigen Koordinaten aus dem linearen Gleichungssystem n 1 x x 1 þ n 1 y ðy 0 y 1 Þ þ n 1 z ðz 0 z 1 Þ ¼ 0 n 2 x x 2 þ n 2 y ðy 0 y 2 Þ þ n 2 z ðz 0 z 2 Þ ¼ 0
ðII-192Þ
(Gleichungssystem (II-191) fu¨r x 0 ¼ 0 ). Damit sind die Koordinaten x 0 , y 0 und z 0 und somit auch der Ortsvektor ~ r 0 des auf der Geraden g gelegenen Punktes P 0 eindeutig bestimmt. Wir fassen die Ergebnisse zusammen: Schnittgerade zweier Ebenen (Bild II-74) n 1 ð~ r ~ r 1Þ ¼ 0 Die Gleichung der Schnittgeraden g zweier Ebenen E 1 : ~ und E 2 : ~ n 2 ð~ r ~ r 2 Þ ¼ 0 lautet in der Punkt-Richtungs-Form: ~ a r ðlÞ ¼ ~ r0 þ l~
ðII-193Þ
Der Richtungsvektor ~ a ist dabei das Vektorprodukt der Normalenvektoren ~ n1 und ~ n 2 der beiden Ebenen: ~ n2 a ¼~ n1 ~
ðII-194Þ
Der Ortsvektor ~ r 0 des (zuna¨chst noch unbekannten) Punktes P 0 der Schnittgeraden la¨sst sich aus dem linearen Gleichungssystem ~ r0 ~ r 1Þ ¼ 0 n 1 ð~ ~ r0 ~ r 2Þ ¼ 0 n 2 ð~
ðII-195Þ
oder (in der ausgeschriebenen Form) n 1 x ðx 0 x 1 Þ þ n 1 y ðy 0 y 1 Þ þ n 1 z ðz 0 z 1 Þ ¼ 0 n 2 x ðx 0 x 2 Þ þ n 2 y ðy 0 y 2 Þ þ n 2 z ðz 0 z 2 Þ ¼ 0
ðII-196Þ
bestimmen, wobei eine der drei Koordinaten frei wa¨hlbar ist (z. B. kann man x 0 ¼ 0 setzen). Anmerkung Die beiden Ebenen schneiden sich genau dann, wenn ~ n1 ~ n 2 6¼ ~ 0 ist. Berechnung des Schnittwinkels (Bild II-74) Der Schnittwinkel j zweier Ebenen E 1 und E 2 ist der Winkel zwischen den zugeho¨rigen Normalenvektoren ~ n 1 und ~ n 2 . Nach Gleichung (II-74) gilt somit:
134
II Vektoralgebra
Schnittwinkel zweier Ebenen (Bild II-74) Der Schnittwinkel j zweier Ebenen E 1 und E 2 mit den Normalenvektoren ~ n1 und ~ n 2 la¨sst sich wie folgt berechnen: ~ n2 n1 ~ j ¼ arccos ðII-197Þ j~ n1 j j~ n2 j
&
Beispiel Wir bestimmen Schnittgerade g und Schnittwinkel j der folgenden Ebenen: 0 1 1 B C E 1 : P 1 ¼ ð1; 0; 1Þ, Normalenvektor ~ n1 ¼ @ 5 A 3 0 1 2 B C Normalenvektor ~ n2 ¼ @ 1 A E 2 : P 2 ¼ ð0; 3; 0Þ, 2 Bestimmung der Schnittgeraden g Ansatz der Schnittgeraden in der Punkt-Richtung-Form: ~ a (Ansatz) r ðlÞ ¼ ~ r0 þ l~ Fu¨r den Richtungsvektor ~ a erhalten wir nach Formel (II-194): 0 1 0 1 0 1 0 1 1 2 10 þ 3 13 ~ n2 ¼ @ 5 A @ 1 A ¼ @ 6 2 A ¼ @ 8 A a ¼ ~ n1 ~ 3 2 1 10 9 Wegen ~ n1 ~ n 2 6¼ ~ 0 ist damit sichergestellt, dass sich die Ebenen auch tatsa¨chlich schneiden. Der Ortsvektor ~ r 0 des (noch unbekannten) Punktes P 0 der Schnittgeraden wird aus dem folgenden linearen Gleichungssystem berechnet: 1 1 0 0 x0 1 1 C C B B ~ r0 ~ r 1 Þ ¼ @ 5 A @ y 0 0 A ¼ x 0 1 þ 5 y 0 3 ðz 0 1Þ ¼ 0 n 1 ð~ 3 z0 1 1 0 1 0 x0 0 2 C B C B ~ n 2 ð~ r0 ~ r 2Þ ¼ @ 1 A @ y 0 3 A ¼ 2 x 0 þ y 0 3 þ 2 z 0 ¼ 0 2
z0 0
bungsaufgaben
135
Wir setzen x 0 ¼ 0 und ordnen beide Gleichungen: 5 y0 3 z0 ¼ 2 y0 þ 2 z0 ¼
3
Diese Gleichungen werden durch y 0 ¼ 5=13 und z 0 ¼ 17=13 gelo¨st. Der Punkt P 0 besitzt demnach die folgenden Koordinaten: x0 ¼ 0 ,
y 0 ¼ 5=13 ,
Somit ist
0
z 0 ¼ 17=13
0
1
0
13
1
0
13 l
1
C C B B C B ~ r ðlÞ ¼ ~ r0 þ l~ a ¼ @ 5=13 A þ l @ 8 A ¼ @ 5=13 8 l A 17=13 9 l 17=13 9
ðl 2 RÞ
die Gleichung der gesuchten Schnittgeraden g. Berechnung des Schnittwinkels j 0 1 0 1 1 2 B C B C ~ n1 ~ n2 ¼ @ 5 A @ 1 A ¼ 2 þ 5 6 ¼ 1 3 2 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi 1 2 þ 5 2 þ ð 3Þ 2 ¼ 35 , 22 þ 12 þ 22 ¼ 3 j~ n1 j ¼ j~ n2 j ¼ Fu¨r den Schnittwinkel j erhalten wir damit nach Gleichung (II-197): ~ n2 1 n1 ~ ¼ arccos pffiffiffiffiffiffiffi ¼ arccos 0,0563 ¼ 86,8 j ¼ arccos j~ n1 j j~ n2 j 35 3
&
bungsaufgaben Zu Abschnitt 2 und 3 1)
0
1 3 Gegeben sind die Vektoren ~ a ¼ @ 2 A, 4
0
1 0 1 2 5 b~ ¼ @ 0 A und ~ c ¼ @ 1 A. 4 4
Berechnen Sie die skalaren Komponenten und die Betra¨ge der aus ihnen gebildeten folgenden Vektoren: a 5 b~ þ 3~ c aÞ ~ s1 ¼ 3~
bÞ ~ s 2 ¼ 2 ðb~ þ 5~ c Þ þ 5 ð~ a 3 b~Þ
a 2 b~Þ þ 10~ c cÞ ~ s 3 ¼ 4 ð~
dÞ ~ s 4 ¼ 3 ð~ a b~Þ ~ c 5 ðb~ ~ cÞ~ a
136
II Vektoralgebra
~ hebt die vier Einzelkra¨fte 2) Welche Gegenkraft F 0 1 0 1 200 10 ~1 ¼ @ 110 A N , ~2 ¼ @ 30 A N , F F 50 1 40 ~3 ¼ @ 85 A N , F 120 0
40 0 1 30 ~4 ¼ @ 50 A N F 40
in ihrer physikalischen Wirkung auf? 3) Berechnen Sie die Resultierende der in Bild II-75 skizzierten (ebenen) Kra¨fte nach Betrag und Richtung (Richtungswinkel). y
z P5
F 2 = 100 N
P8
F 3 = 80 N F 1 = 120 N
18°
P6
40°
P7
a
P1
30° 50°
a
x x
F 4 = 40 N
Bild II-75
a
P2
P4
y
P3
Bild II-76
4) Bestimmen Sie die Ortsvektoren der acht Ecken eines Wu¨rfels mit der Kantenla¨nge a gema¨ß Bild II-76. 5) Normieren Sie die folgenden Vektoren: 0 1 2 B C ~ a ¼ @ 1 A, b~ ¼ 3~ e x 4~ e y þ 8~ e z,
0 B ~ c ¼ @
1
1
C 1A
1 0
4
1
1
B C 6) Wie lautet der Einheitsvektor ~ e, der die zum Vektor ~ a ¼ @ 4 A entgegengesetzte Richtung hat? 3 7) Bestimmen Sie die Koordinaten des Punktes Q, der vom Punkte P ¼ ð3; 1; 5Þ 0 1 3 B C in Richtung des Vektors ~ a ¼ @ 5 A um 20 La¨ngeneinheiten entfernt liegt. 4
bungsaufgaben
137
8)
Wie lautet die Gleichung der durch die Punkte P 1 ¼ ð10; 5; 1Þ und P 2 ¼ ð1; 2; 5Þ verlaufenden Geraden? Bestimmen Sie die Koordinaten der Mitte ! Q von P 1 P 2 .
9)
Liegen die drei Punkte P 1 ¼ ð3; 0; 4Þ, P 2 ¼ ð1; 1; 1Þ und P 3 ¼ ð 1; 2; 2Þ in einer Geraden?
10)
1 0 1 0 1 0 4 1 3 C B C B C B c ¼ @ 10 A die Bilden Sie mit den Vektoren ~ a ¼ @ 1 A, b~ ¼ @ 0 A und ~ folgenden Skalarprodukte: 2 1 4 aÞ ~ a b~
11)
bÞ
ð~ a 3 b~Þ ð4~ cÞ
13)
ð~ a þ b~Þ ð~ a~ cÞ
Welchen Winkel schließen die Vektoren ~ a und b~ miteinander ein? 0 1 1 0 0 1 0 1 3 10 1 3 B C C B B C B C bÞ ~ a ¼ @ 5 A , b~ ¼ @ 1 A aÞ ~ a ¼ @ 1 A , b~ ¼ @ 4 A 0,5 10 2 2 b~ ¼ ~ e x 10~ ez
cÞ ~ a ¼~ e x 2~ e y þ 5~ ez , 12)
cÞ
Zeigen Sie: Die Vektoren ~ a und b~ sind zueinander orthogonal: 0 1 0 1 0 1 0 1 1 4 3 4 B C B C B C B C aÞ ~ a ¼ @ 2 A , b~ ¼ @ 8 A bÞ ~ a ¼ @ 2 A , b~ ¼ @ 1 A 5 4 10 1 Beweisen Sie den Kosinussatz c 2 ¼ a 2 þ b 2 2 a b cos g (Bild II-77). C
g
a
b
14)
Bild II-77 Zur Herleitung des Kosinussatzes
A
c
Zeigen Sie: Die Vektoren 0 pffiffiffiffiffi 1 1= 2 C B ~ e1 ¼ @ 0 A , pffiffiffiffiffi 1= 2
pffiffiffiffiffi 1 1= 2 C B ~ e2 ¼ @ A 0 pffiffiffiffiffi 1= 2
B
0
0 und
0
1
C B ~ e3 ¼ @ 1 A 0
bilden ein orthonormiertes System, d. h. die Vektoren stehen paarweise senkrecht aufeinander und besitzen jeweils die La¨nge 1.
138
15)
II Vektoralgebra
Zeigen Sie: Die drei Vektoren 0 1 0 1 2 1 B C B C ~ b~ ¼ @ 2 A a ¼ @ 4 A, 3 2
0 B ~ c ¼ @
und
1
1
C 6A 1
bilden ein rechtwinkliges Dreieck. 16)
Bestimmen Sie Betrag und Richtung (Richtungswinkel) des Vektors ~ a: 1 0 0 1 0 1 4 1 1 C B B C B C cÞ ~ a ¼ @ 3A bÞ ~ a ¼ @4A aÞ ~ a ¼ @1A 2 0 1
17)
Durch die drei Punkte A ¼ ð1; 4; 2Þ, B ¼ ð3; 1; 0Þ und C ¼ ð 1; 1; 2Þ wird ein Dreieck festgelegt. Berechnen Sie die La¨nge der drei Seiten, die Innenwinkel im Dreieck sowie den Fla¨cheninhalt. 1 0 10 C ~¼ B Ein Massenpunkt wird durch die Kraft F @ 4 A N geradlinig von
18)
2 P 1 ¼ ð1 m; 20 m; 3 mÞ nach P 2 ¼ ð4 m; 2 m; 1 mÞ verschoben. Welche Arbeit leistet die Kraft? Welchen Winkel bildet sie mit dem Verschiebungsvektor ~ s? 19)
Eine Kraft vom Betrage F ¼ 85 N verschiebt einen Massenpunkt geradlinig um die Strecke s ¼ 32 m und verrichtet dabei die Arbeit W ¼ 1360 J. Unter welchem Winkel greift die Kraft an?
20)
Berechnen Sie die Komponente des Vektors 1 0 2 C B ~ a ¼ @ 2 A:
aÞ
1 0 1 5 B C b~ ¼ @ 1 A 3
0 bÞ
B b~ ¼ @
2
1
C 5A 0
b~ in Richtung des Vektors
0 cÞ
B b~ ¼ @
10
1
C 4A
2
21)
Ein Vektor ~ a sei durch Betrag und Richtungswinkel wie folgt festgelegt: j ~ a j ¼ 10, a? a ¼ 30 , b ¼ 60 , 90 g 180 . Wie lauten die Vektorkoordinaten von ~
22)
Bestimmen Sie die Richtungswinkel a, b und g der folgenden Vektoren: 1 1 0 0 0 1 11 3 5 C C B B B C cÞ ~ a ¼ @2A bÞ ~ a ¼ @ 5A aÞ ~ a ¼ @1A 10 8 4
bungsaufgaben
139 0
23)
1
0
0 1 0 B C ~ B C B C Gegeben sind die Vektoren ~ a ¼ @ 4 A, b ¼ @ 1 A und ~ c ¼ @ 2 A. 6 2 3 1
2
1
Berechnen Sie mit ihnen die folgenden Vektorprodukte:
24)
25)
aÞ ~ a b~
bÞ
ð~ a b~Þ ð3~ cÞ
cÞ ð ~ a þ 2~ c Þ ð b~Þ
dÞ
ð2 ~ a Þ ð b~ þ 5~ cÞ
Bestimmen Sie den Fla¨cheninhalt des von den Vektoren ~ a und b~ aufgespannten Parallelogramms: 0 1 1 0 1 0 1 0 3 1 3 4 B C C B C B C B ~ ~ b ¼ @ 1A bÞ ~ a ¼ @4A, b ¼ @1A aÞ ~ a ¼ @ 10 A , 12 0 3 5 An einem Hebel greifen die in Bild II-78 skizzierten senkrechten Kra¨fte an. Wie ~ sein, die im Abstand von 20 cm vom Hebelpunkt angroß muss eine 3. Kraft F greift, damit Gleichgewicht besteht? Anleitung: Die Summe aller Drehmomente muss verschwinden. 100 cm
50 cm 20 cm
F 1 = 400 N
F=? F 2 = 600 N
Bild II-78 Zweiseitiger Hebel im Gleichgewicht
26)
Wie muss der Parameter l 0 1 1 B C ~ a ¼ @lA, b~ ¼ 4 komplanar sind?
gewa¨hlt werden, damit die 1 0 2 C B und ~ c ¼ @ 4A 11
drei Vektoren 0 1 3 B C @ 5A 1
140
27)
II Vektoralgebra
Zeigen Sie: Die Vektoren ~ a, b~ und ~ c liegen jeweils in einer gemeinsamen Ebene. 1 0 1 0 1 0 2 1 3 C B C B C B ~ b~ ¼ @ 3 A, c ¼ @ 3A aÞ ~ a ¼ @ 4A, 5 25 0 0 1 1 B C bÞ ~ a ¼ @1A, 1
0
0 1 1 B C ~ b ¼ @0A, 2
B ~ c ¼ @
1
1
C 4A 2
28) Bestimmen Sie das Volumen des von den Vektoren 0 1 0 1 0 1 1 3 1 B C B C B C ~ a ¼ @ 1A, b~ ¼ @ 4 A und ~ c ¼ @ 2A 1 7 8 gebildeten Spats. 29)
Zeigen Sie: ð~ a b~Þ ~ c ¼ ð~ a~ c Þ b~ ðb~ ~ cÞ~ a Anleitung: Komponentenweise Ausrechnung auf beiden Seiten.
30)
Zeigen Sie die lineare Unabha¨ngigkeit der folgenden Vektoren: 0 1 0 1 3 1 B C B C ~ aÞ ~ a ¼ @0A, b ¼ @5A 1 0
1 1
1
C B bÞ ~ a ¼ @6A, 4
0
1
1
C B b~ ¼ @ 2 A , 2
0 1 1 B C ~ c ¼ @2A 3
31) Zeigen Sie: Die Vektoren sind jeweils linear abha¨ngig. 0 1 0 1 2 6 B C B C aÞ ~ a ¼ @1A, b~ ¼ @ 3 A 9
3 0 1 1 B C bÞ ~ a1 ¼ @ 2 A , 5
0
1
1
B C ~ a2 ¼ @ 2 A , 3
0
5
1
B C ~ a 3 ¼ @ 10 A 1
bungsaufgaben 32)
141
Gegeben sind die Vektoren 0 1 1 0 5 1 B C C B ~ ~ b ¼ @ 1 A, a ¼ @ 1 A, 2 2
0 1 1 B C ~ c ¼ @2A 3
0 und
13
1
B C d~ ¼ @ 5 A 2
Zeigen Sie: a) Die Vektoren ~ a, b~ und ~ c sind linear unabha¨ngig, b) die Vektoren ~ a, b~ und d~ dagegen linear abha¨ngig.
Zu Abschnitt 4 1)
Wie lautet die Vektorgleichung der Geraden g durch den Punkt P 1 parallel zum Vektor ~ a ? Welche Punkte geho¨ren zu den Parameterwerten l ¼ 1, l ¼ 2 und l ¼ 5? 1 0 0 1 1 5 C B B C ~ ~ bÞ P 1 ¼ ð3; 2; 1Þ , aÞ P 1 ¼ ð4; 0; 3Þ , a ¼ @ 1A a ¼ @2A 1 3
2)
Bestimmen Sie die Gleichung der Geraden g durch die Punkte P 1 und P 2 . Welche Punkte ergeben sich fu¨r die Parameterwerte l ¼ 2, l ¼ 3 und l ¼ 5? aÞ
P 1 ¼ ð1; 3; 2Þ ,
P 2 ¼ ð6; 5; 8Þ
bÞ
P 1 ¼ ð 2; 3; 1Þ ,
P 1 ¼ ð1; 0; 5Þ
3)
Wie lautet die Gleichung der durch die Punkte P 1 ¼ ð10; 5; 1Þ und P 2 ¼ ð1; 2; 5Þ verlaufenden Geraden? Bestimmen Sie die Koordinaten der Mitte ! Q von P 1 P 2 .
4)
Liegen die drei Punkte P 1 ¼ ð3; 0; 4Þ, P 2 ¼ ð1; 1; 1Þ und P 3 ¼ ð 7; 5; 11Þ in einer Geraden?
5)
Von einer Geraden g ist der Punkt P 1 ¼ ð4; 2; 3Þ und der Richtungsvektor 0 1 2 B C ~ a ¼ @ 1 A bekannt. Berechnen Sie den Abstand des Punktes Q ¼ ð4; 1; 1Þ von 3 dieser Geraden.
6)
P 1 ¼ ð1; 4; 3Þ sei ein Punkt der Geraden g 1 , P 2 ¼ ð5; 3; 0Þ ein solcher der Geraden g 2 . Beide Geraden verlaufen außerdem parallel zum Vektor ~ a mit den Vektorkoordinaten a x ¼ 3, a y ¼ 1 und a z ¼ 2. Welchen Abstand besitzen diese Geraden voneinander?
142
II Vektoralgebra
7) Von einer Geraden g ist der Punkt P 1 ¼ ð1; 2; 8Þ und der Richtungsvektor ~ a mit den folgenden Eigenschaften bekannt: j ~ a j ¼ 1, b ¼ 60 , g ¼ 45 , a mit cos a > 0. Bestimmen Sie die Gleichung der Geraden. In welchen Punkten schneidet die Gerade die drei Koordinatenebenen? 8) Eine Gerade g verlaufe durch den Punkt P 1 ¼ ð5; 3; 1Þ parallel zu einem Vektor ~ a mit den drei Richtungswinkeln a ¼ 30 , b ¼ 90 , g mit cos g < 0. Wie lautet die Gleichung dieser Geraden? 9) Welche Lage besitzen die folgenden Geradenpaare g 1 , g 2 zueinander? Bestimmen Sie gegebenenfalls Abstand, Schnittpunkt und Schnittwinkel. aÞ
bÞ
g 1 durch P 1 ¼ ð3; 4; 6Þ
und
g 2 durch P 3 ¼ ð3; 7; 2Þ
und P 4 ¼ ð5; 15; 6Þ
g1 :
g2 :
cÞ
g1
g2
10)
P 2 ¼ ð 1; 2; 4Þ
0 1 0 1 2 5 B C B C ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ r1 þ l1 ~ a1 ¼ @ 1 A þ l1 @ 1 A 3 0 1 0 1 0 1 6 C B C B ~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a2 ¼ @ 1 A þ l2 @ 3 A 5 9
0 1 2 B C durch P 1 ¼ ð1; 2; 0Þ mit dem Richtungsvektor ~ a1 ¼ @ 0 A 5 1 0 1 C B durch P 2 ¼ ð6; 0; 13Þ mit dem Richtungsvektor ~ a2 ¼ @ 2 A 3
Zeigen Sie, dass die Geraden g 1 und g 2 mit den folgenden Vektorgleichungen windschief sind und berechnen Sie ihren Abstand: 1 0 0 1 1 1 C B B C g1 : ~ r ðl 1 Þ ¼ ~ r1 þ l1 ~ a 1 ¼ @ 2 A þ l 1@ 1 A 3
g2 :
11)
1
0 1 0 1 3 0 B C B C ~ r ðl 2 Þ ¼ ~ r2 þ l2 ~ a 2 ¼ @ 3 A þ l 2@ 2 A 3 1
Die in der x, y-Ebene verlaufende Gerade g 1 schneidet die beiden Koordinatenachsen jeweils bei 3. Welchen Abstand besitzt diese Gerade von der z-Achse?
bungsaufgaben 12)
143
Zeigen Sie, dass sich die Geraden g 1 und g 2 in genau einem Punkt schneiden und bestimmen Sie Schnittpunkt und Schnittwinkel: g 1 durch P 1 ¼ ð4; 2; 8Þ
und
P 2 ¼ ð3; 6; 11Þ
g 2 durch P 3 ¼ ð5; 8; 21Þ und P 4 ¼ ð7; 10; 31Þ 13)
Wie lautet die Vektorgleichung der Ebene E, die den Punkt P 1 entha¨lt und parallel zu den Richtungsvektoren ~ a und b~ verla¨uft? Bestimmen Sie ferner einen Normalenvektor ~ n der Ebene. Welche Punkte geho¨ren zu den Parameterwertepaaren l ¼ 1, m ¼ 3 und l ¼ 2, m ¼ 1? 0 1 0 1 2 1 B C B C ~ ~ b ¼ @1A aÞ P 1 ¼ ð3; 5; 1Þ , a ¼ @1A, 3 1 1 0 1 0 2 2 C B C B ~ bÞ P 1 ¼ ð6; 0; 3Þ , b~ ¼ @ 3 A a ¼ @ 8A, 3 3
14)
Bestimmen Sie die Gleichung der Ebene E durch die drei Punkte P 1 , P 2 und P 3 . Welche Punkte dieser Ebene erha¨lt man fu¨r die Parameterwertepaare l ¼ 3, m ¼ 2 und l ¼ 2, m ¼ 1? aÞ
P 1 ¼ ð3; 1; 0Þ ,
P 2 ¼ ð 4; 1; 1Þ ,
P 3 ¼ ð5; 9; 3Þ
bÞ
P 1 ¼ ð5; 1; 2Þ ,
P 2 ¼ ð 2; 1; 3Þ ,
P 3 ¼ ð0; 5; 10Þ
15)
Liegen die vier Punkte P 1 ¼ ð1; 1; 1Þ, P 2 ¼ ð3; 2; 0Þ, P 3 ¼ ð4; 1; 5Þ und P 4 ¼ ð12; 4; 12Þ in einer Ebene?
16)
Wie lautet die Gleichung einer Ebene E, die auf den drei Koordinatenachsen jeweils die gleiche Strecke a abschneidet und ferner den Punkt Q ¼ ð3; 4; 7Þ entha¨lt?
Hinweis: Stellen Sie zuna¨chst die Gleichung der Ebene durch die drei Schnittpunkte mit den Koordinatenachsen in Abha¨ngigkeit von der Strecke a auf. 0 1 4 17) Eine Ebene E verla¨uft senkrecht zum Vektor ~ n ¼ @ 3 A und entha¨lt den 1 Punkt A ¼ ð5; 8; 10Þ. Bestimmen Sie die Gleichung dieser Ebene. Berechnen Sie ferner die fehlende Koordinate des auf der Ebene gelegenen Punktes B ¼ ð2; y ¼ ?; 1Þ. 18)
Ein Normalenvektor ~ n einer Ebene E besitze die drei Richtungswinkel a ¼ 60 , b ¼ 120 und g mit cos g < 0. Wie lautet die Gleichung dieser Ebene, wenn diese noch den Punkt P 1 ¼ ð3; 5; 2Þ entha¨lt?
144
II Vektoralgebra
19)
Welche Lage haben Gerade g und Ebene E zueinander? Bestimmen Sie gegebenenfalls Abstand, Schnittpunkt und Schnittwinkel. 0 1 3 B C aÞ g durch P 1 ¼ ð5; 1; 2Þ mit dem Richtungsvektor ~ a ¼ @1A 2 0 B E durch P 0 ¼ ð2; 1; 8Þ mit dem Normalenvektor ~ n ¼ @
bÞ
g:
0 1 0 1 5 2 B C B C ~ r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ a ¼ @3A þ l@5A 6 1 0
E:
cÞ
3
1
0
x 1
1
1
C 3A 1
1
C B C B ~ n ð~ r ~ r 0Þ ¼ @ 1 A @ y 1 A ¼ 0 z1 1
g durch P 1 ¼ ð2; 0; 3Þ und P 2 ¼ ð5; 6; 18Þ E durch P 3 ¼ ð1; 2; 2Þ, P 4 ¼ ð0; 1; 1Þ und P 5 ¼ ð 1; 0; 1Þ
20)
Eine Gerade g durch die Punkte A ¼ ð1; 1; 1Þ und B ¼ ð5; 4; 3Þ verlaufe senkrecht zu einer Ebene E. Wie lautet die Gleichung dieser Ebene, wenn P 1 ¼ ð2; 1; 5Þ ein Punkt dieser Ebene ist?
21)
Eine Ebene E 1 gehe durch den Punkt P 1 ¼ ð1; 2; 3Þ, ihr Normalenvektor sei 0 1 2 @ ~ n ¼ 1 A. Bestimmen Sie den Parameter a so, dass der Abstand des Punktes a Q ¼ ð0; 2; 5Þ von dieser Ebene d ¼ 2 betra¨gt. Wie lautet die Gleichung der Parallelebene E 2 durch den Punkt A ¼ ð5; 1; 2Þ?
22)
Eine Ebene E entha¨lt den Punkt P 0 ¼ ð2; 1; 8Þ und verla¨uft senkrecht zum 0 1 2 Vektor ~ n ¼ @ 6 A. Zeigen Sie, dass die Gerade g mit der Vektorgleichung 1 1 0 0 1 4 5 C B B C ~ a ¼ @3A þ l@ 1A r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ 2 1 zu dieser Ebene parallel ist. Wie groß ist der Abstand zwischen Gerade und Ebene?
bungsaufgaben 23)
145
Gegeben sind eine Gerade g und eine Ebene E: 0 1 0 1 3 1 B C B C g: ~ r ðlÞ ¼ ~ r1 þ l~ a ¼ @2A þ l@ 2A 0 3 E:
~ n ð~ r ~ r 0 Þ ¼ 2 ðx 1Þ þ 1 ðy 2Þ þ 1 ðz þ 3Þ ¼ 0
Zeigen Sie, dass Gerade und Ebene sich schneiden und berechnen Sie den Schnittpunkt sowie den Schnittwinkel. 24)
Zeigen Sie die Parallelita¨t der beiden Ebenen E 1 und E 2 und berechnen Sie ihren Abstand: 0 1 1 B C n1 ¼ @ 3 A E 1 durch P 1 ¼ ð3; 5; 6Þ mit dem Normalenvektor ~ 2 1 3 C B durch P 2 ¼ ð1; 5; 2Þ mit dem Normalenvektor ~ n2 ¼ @ 9 A 6 0
E2
25)
Bestimmen Sie die Schnittgerade und den Schnittwinkel der beiden Ebenen: 0 1 0 1 3 x 2 B C B C E1 : ~ n 1 ð~ r ~ r 1Þ ¼ @ 1 A @ y 5 A ¼ 0 2 z6 1 0 1 0 x 1 2 C B C B E2 : ~ n 2 ð~ r ~ r 2Þ ¼ @ 0 A @ y 5 A ¼ 0 3
z1
146
III Funktionen und Kurven
1 Definition und Darstellung einer Funktion 1.1 Definition einer Funktion Funktionen dienen zur Darstellung und Beschreibung von Zusammenha¨ngen und Abha¨ngigkeiten zwischen zwei physikalisch-technischen Messgro¨ßen. So ist z. B. die Auslenkung einer elastischen Stahlfeder von der Gro¨ße der Belastung abha¨ngig. Beim freien Fall sind Fallweg und Fallgeschwindigkeit zeitabha¨ngige Gro¨ßen, d. h. Funktionen der Zeit. In elektrischen Stromkreisen ist die Stromsta¨rke abha¨ngig von der angelegten Spannung, somit also eine Funktion der Spannung. Allgemein la¨sst sich der Funktionsbegriff wie folgt definieren:
Definition: Unter einer Funktion versteht man eine Vorschrift, die jedem Element x aus einer Menge D genau ein Element y aus einer Menge W zuordnet. Symbolische Schreibweise: y ¼ f ðxÞ mit x 2 D Dabei sind folgende Bezeichnungen u¨blich: x : Unabha¨ngige Vera¨nderliche (Variable) oder Argument y: Abha¨ngige Vera¨nderliche (Variable) oder Funktionswert D: Definitionsbereich der Funktion W : Wertebereich oder Wertevorrat der Funktion Anmerkungen (1)
Wir beschra¨nken uns auf reelle Funktionen einer reellen Variablen, d. h. D und W sind Teilmengen von R.
(2)
Die Zuordnung muss immer eindeutig sein (zu jedem x genau ein y).
(3)
Eine weitere u¨bliche Schreibweise ist: f : x 7! y ¼ f ðxÞ
(4)
(mit x 2 D)
Eine Funktion kann auch aufgefasst werden als Menge der geordneten reellen Zahlenpaare ðx; yÞ mit x 2 D und y ¼ f ðxÞ.
1 Definition und Darstellung einer Funktion &
147
Beispiele (1)
Fallgeschwindigkeit v als Funktion der Zeit t : v ¼ gt
(g: Erdbeschleunigung)
Definitionsbereich: t 0; Wertebereich: v 0 (2)
Parabel y ¼ x 2
(3)
Defintionsbereich: D ¼ ð1, 1Þ; Wertebereich: W ¼ ½ 0, 1Þ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ x 1 Definitionsbereich: x 1 0, Wertebereich: W ¼ ½ 0, 1Þ
(4)
x 1
d. h.
oder
y 0
Weg-Zeit-Gesetz einer harmonischen Schwingung (Modell: Feder-Masse-Schwinger oder Federpendel): x ¼ x ðtÞ ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðf u¨ r t 0Þ
(x : Auslenkung zur Zeit t; A > 0: Amplitude; w > 0: Kreisfrequenz; j: Null& phasenwinkel)
1.2 Darstellungsformen einer Funktion 1.2.1 Analytische Darstellung Bei dieser Darstellungsart ist die Zuordnungsvorschrift in Form einer Gleichung gegeben (Funktionsgleichung genannt): y ¼ f ðxÞ:
Explizite Darstellung (die Funktion ist nach einer Variablen –– in der Regel wie hier nach y –– aufgelo¨st)
F ðx; yÞ ¼ 0: Implizite Darstellung (die Funktion ist nicht nach einer der beiden Variablen aufgelo¨st) Eine weitere analytische Darstellungsform ist die Parameterdarstellung, die wir in Abschnitt 1.2.4 behandeln werden.
&
Beispiele Die folgenden Funktionen sind explizit dargestellt: y ¼ x2 ,
y ¼ sin x ,
v ðtÞ ¼ g t ,
U ðIÞ ¼ RI (Ohmsches Gesetz)
Beispiele fu¨r implizit vorgegebene Funktionen sind: F ðx; yÞ ¼ ln y þ x 2 ¼ 0
und
F ðx; yÞ ¼ x y 2 ¼ 0
&
148
III Funktionen und Kurven
1.2.2 Darstellung durch eine Wertetabelle (Funktionstafel) Funktionen ko¨nnen auch tabellarisch in Form einer Wertetabelle (Funktionstafel) dargestellt werden. Man erha¨lt sie ha¨ufig als Ergebnis von Messreihen.
&
Beispiel In einem Versuch wird der Spannungsabfall U an einem ohmschen Widerstand in Abha¨ngigkeit von der Stromsta¨rke I gemessen. Die Wertetabelle hat dabei das folgende Aussehen (zu jedem Wert von I geho¨rt genau ein Messwert U ): I=mA
50
100
150
200
250
...
U=V
2,0
3,9
6,0
7,9
10,1
...
&
1.2.3 Graphische Darstellung Die Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ ordnet jedem x-Wert aus D in eindeutiger Weise einen y-Wert zu: x 0 7! y 0 ¼ f ðx 0 Þ. Das Wertepaar ðx 0 ; y 0 Þ kann dann als ein Punkt P 0 der Ebene mit einem rechtwinkligen Koordinatensystem gedeutet werden (Bild III-1).
y
y = f (x) P0 y0
Bild III-1 Graph einer Funktion x0
x
Dabei sind folgende Bezeichnungen u¨blich: x 0, y 0 : x0: y0:
Rechtwinklige oder kartesische Koordinaten Abszisse des Punktes P 0 ¼ ðx 0 ; y 0 Þ Ordinate
g
Fu¨r jedes Wertepaar ðx 0 ; y 0 Þ erhalten wir genau einen Punkt. Die Menge aller Punkte ðx; y ¼ f ðxÞÞ mit x 2 D bildet die Funktionskurve (auch Schaubild oder Funktionsgraph genannt), die in anschaulicher Weise den Funktionsverlauf von y ¼ f ðxÞ beschreibt (Bild III-1). Wegen der eindeutigen Zuordnung gilt: Jede Parallele zur y-Achse schneidet die Kurve ho¨chstens einmal (siehe Bild III-2).
1 Definition und Darstellung einer Funktion y
149
y
Parallele zur y-Achse x Parallele zur y-Achse x a)
b)
Bild III-2 Eindeutige Zuordnung bei einer Funktion a) Funktion b) Keine Funktion (2 Schnittstellen)
&
Beispiele (1)
Fallgeschwindigkeit v ¼ g t, t 0 s; g ¼ 10 m=s 2 (gerundet) (Bild III-3)
(2)
Parabel mit der Funktionsgleichung y ¼ x 2 , x 2 R (siehe Bild III-4) v m/s
y
y=x2
30 v = gt 20 10
1
1
2
3
t /s
Bild III-3 Fallgeschwindigkeit als Funktion der Zeit
–1
1
x
Bild III-4 Normalparabel y ¼ x 2 &
1.2.4 Parameterdarstellung einer Funktion Bei der mathematischen Beschreibung eines Bewegungsablaufes ist es oft zweckma¨ßig, die augenblickliche Lage des Ko¨rpers durch kartesische Koordinaten ðx; yÞ zu beschreiben, die sich aber im Laufe der Zeit t vera¨ndern und somit Funktionen der Zeit sind: x ¼ x ðtÞ ,
y ¼ y ðtÞ
ða t bÞ
ðIII-1Þ
Eine Darstellung dieser Art mit der reellen Hilfsvariablen t als Parameter heißt Parameterdarstellung einer Funktion (im angefu¨hrten Beispiel handelt es sich um einen Zeit-
150
III Funktionen und Kurven
parameter). In den naturwissenschaftlich-technischen Anwendungen bedeutet der Parameter t meist die Zeit oder einen Winkel. Fu¨r jeden Wert des Parameters t aus dem Intervall a t b erhalten wir genau einen Kurvenpunkt. Die Parametergleichungen (III-1) beschreiben dann eine Kurve, wie in Bild III-5 dargestellt. y b t a y (t)
Bild III-5 Zur Parameterdarstellung einer Funktion
x (t)
x
Um die Kurve zu zeichnen geht man in der Praxis zweckma¨ßigerweise wie folgt vor: Man erstellt zuna¨chst eine Wertetabelle, indem man einige Parameterwerte vorgibt, dann die zugeho¨rigen x- und y-Werte aus den gegebenen Parametergleichungen berechnet und diese Wertepaare schließlich als Punkte in einem rechtwinkligen Koordinatensystem darstellt (die Wertetabelle besteht hier aus drei Spalten). Durch Verbinden dieser (dicht genug aufeinanderfolgenden) Punkte erha¨lt man dann den gesuchten Kurvenverlauf.
&
Beispiel Waagerechter Wurf: Ein Ko¨rper wird im luftleeren Raum aus einer gewissen Ho¨he waagerecht mit der konstanten Geschwindigkeit vom Betrage v 0 abgeworfen und bewegt sich dabei auf einer Parabelbahn (sog. Wurfparabel; Bild III-6). Die Parametergleichungen dieser Bewegung lauten wie folgt: 1 gt2 (mit t 0) 2 (g: Erdbeschleunigung; t : Zeitparameter) x ¼ v0 t ,
y ¼
v0 x y
Bild III-6 Wurfparabel beim waagerechten Wurf (die y-Achse zeigt zum Erdmittelpunkt)
x Wurfparabel y
2 Allgemeine Funktionseigenschaften
151
Durch Eliminieren des Parameters t erha¨lt man schließlich die Gleichung der Wurfparabel in expliziter Form: x ðEinsetzen in die 2. ParametergleichungÞ ) x ¼ v0 t ) t ¼ v0 2 1 1 x g x2 ¼ gt2 ¼ g 2 2 v0 2 v 20
y ¼
Rechenbeispiel: v 0 ¼ 15 m=s, y ¼
1 45 m
ðx 0Þ
g ¼ 10 m=s 2
x2
ðx 0 mÞ
&
2 Allgemeine Funktionseigenschaften 2.1 Nullstellen Definition: Eine Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x 0 eine Nullstelle, wenn f ðx 0 Þ ¼ 0 ist. In einer Nullstelle x 0 schneidet oder beru¨hrt die Funktionskurve die x-Achse.
&
Beispiele (1) (2)
Die lineare Funktion (Gerade) y ¼ x 2 schneidet die x-Achse an der Stelle x 1 ¼ 2 (Bild III-7). 2 Die Parabel y ¼ x 1 besitzt an der Stelle x 1 ¼ 1 eine doppelte Nullstelle, d. h. einen Beru¨hrungspunkt (Bild III-8). y
y
y = (x – 1) 2
y=x–2 1 1 2
x
–2 1
Bild III-7
Einfache Nullstelle
Bild III-8
Doppelte Nullstelle
x
152
(3)
III Funktionen und Kurven
Ein Beispiel fu¨r eine Funktion mit unendlich vielen Nullstellen liefert die Sinusfunktion y ¼ sin x. Sie liegen bei x k ¼ k p mit k ¼ 0, 1, 2, . . . (Bild III-9): y 1
–p
y = sin x
p
0
2p
x
–1
Bild III-9
Nullstellen der Sinusfunktion y ¼ sin x
&
2.2 Symmetrieverhalten Wir unterscheiden zwischen Spiegel- und Punktsymmetrie. Definition: Eine Funktion y ¼ f ðxÞ mit einem zum Nullpunkt symmetrischen Definitionsbereich D heißt gerade, wenn sie fu¨r jedes x 2 D die Bedingung f ðxÞ ¼ f ðxÞ ðIII-2Þ erfu¨llt.
Die Funktionskurve einer geraden Funktion verla¨uft spiegelsymmetrisch zur y-Achse: Jeder Punkt der Kurve geht dabei durch Spiegelung an der y-Achse wieder in einen Kurvenpunkt u¨ber. Einfache Beispiele fu¨r spiegelsymmetrische Funktionen liefern die Parabel y ¼ x 2 (Bild III-10) und die Kosinusfunktion y ¼ cos x (Bild III-11). y
y y=x
2
y = cos x f (–x)
f (–x)
–x
Bild III-10
f (x)
x
f (x) –x
x
x
Normalparabel y ¼ x 2
Bild III-11
Kosinusfunktion y ¼ cos x
x
2 Allgemeine Funktionseigenschaften
153
Definition: Eine Funktion y ¼ f ðxÞ mit einem zum Nullpunkt symmetrischen Definitionsbereich D heißt ungerade, wenn sie fu¨r jedes x 2 D die Bedingung f ðxÞ ¼ f ðxÞ ðIII-3Þ erfu¨llt. Das Bild einer ungeraden Funktion verla¨uft punktsymmetrisch zum Koordinatenursprung: Spiegelt man einen beliebigen Kurvenpunkt am Nullpunkt, so liegt der Bildpunkt ebenfalls auf der Funktionskurve. Die kubische Parabel y ¼ x 3 (Bild III-12) und die Sinusfunktion y ¼ sin x (Bild III-13) sind einfache Beispiele fu¨r ungerade Funktionen. y
y
y=x3
y = sin x
f (x)
f (x)
–x
–x x
x
Bild III-12 &
x
f (–x)
f (–x)
Kubische Parabel y ¼ x 3
Bild III-13
x
Sinusfunktion y ¼ sin x
Beispiele (1)
(2)
(3)
Die Potenzfunktionen y ¼ x n (mit n ¼ 1, 2, 3, . . .) sind entweder spiegelsymmetrisch zur y-Achse, also gerade Funktionen (fu¨r n ¼ gerade) oder punktsymmetrisch und damit ungerade Funktionen (fu¨r n ¼ ungerade). Sie erkla¨ren die Bezeichnungen „gerade“ bzw. „ungerade“ fu¨r die beiden Symmetriearten. pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi f ðxÞ ¼ x 2 þ 1, x 2 R ist eine gerade Funktion, denn es gilt: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 x þ 1 ¼ x 2 þ 1 ¼ f ðxÞ f ðxÞ ¼ f ðxÞ ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x 1 þ x,
1 x 1
Diese Funktion ist ungerade, denn es gilt fu¨r alle x-Werte aus dem Definitionsbereich: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi f ðxÞ ¼ 1 ðxÞ 1 þ ðxÞ ¼ 1 þ x 1 x ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ 1 x 1 þ x ¼ f ðxÞ |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} f ðxÞ &
154
III Funktionen und Kurven
2.3 Monotonie In Abschnitt 2.5 werden wir uns mit dem wichtigen Problem der Umkehrung einer Funktion bescha¨ftigen. Ob diese gelingt, wird dabei entscheidend von einer speziellen Eigenschaft der Funktion abha¨ngen, die man als Monotonie bezeichnet. Dieser Begriff wird wie folgt definiert:
Definition: x 1 und x 2 seien zwei beliebige Werte aus dem Definitionsbereich D einer Funktion y ¼ f ðxÞ, die der Bedingung x 1 < x 2 genu¨gen. Dann heißt die Funktion monoton wachsend, falls
f ðx 1 Þ f ðx 2 Þ
streng monoton wachsend, falls
f ðx 1 Þ < f ðx 2 Þ
monoton fallend, falls
f ðx 1 Þ f ðx 2 Þ
streng monoton fallend, falls
f ðx 1 Þ > f ðx 2 Þ
ist.
Eine streng monoton wachsende Funktion besitzt demnach die Eigenschaft, dass zum kleineren x-Wert stets auch der kleinere y-Wert geho¨rt (Bild III-14). La¨uft man auf der Kurve von links nach rechts, d. h. in Richtung zunehmender x-Werte, so nehmen auch die y-Werte sta¨ndig zu. Bei einer streng monoton fallenden Funktion ist es genau umgekehrt: Zum kleineren Abszissenwert geho¨rt stets der gro¨ßere Ordinatenwert (Bild III-15). y
y
y = f (x) y = f (x) f (x 1 )
f (x 2 )
f (x 2 )
f (x 1 ) x1
Bild III-14
x2
x
Graph einer streng monoton wachsenden Funktion
x1
x2
x
Bild III-15 Graph einer streng monoton fallenden Funktion
Viele Funktionen zeigen in ihrem gesamten Definitionsbereich keine Monotonie-Eigenschaft, sind jedoch in gewissen Teilintervallen monoton wachsend oder fallend (siehe hierzu das nachfolgende Beispiel (3) u¨ber die Normalparabel).
2 Allgemeine Funktionseigenschaften &
155
Beispiele (1)
Streng monoton wachsende Funktionen sind: a) Jede Gerade mit positiver Steigung b) Kubische Parabel y ¼ x 3 (Bild III-12) c) Aufladung eines Kondensators u¨ber einen ohmschen Widerstand auf die Endspannung u 0 (u ¼ u ðtÞ: Spannung zur Zeit t, t 0; Bild III-16). d) Wachstumsprozesse in der Natur wie z. B. die Vermehrung von Bakterien verlaufen meist exponentiell ansteigend wie in Bild III-17 dargestellt (y 0 ist dabei der Anfangswert oder Anfangsbestand). y
u u0
y0
t
t
Bild III-16 Zeitlicher Spannungsverlauf am Kondensator (Aufladung)
(2)
Bild III-17 Zeitlicher Verlauf eines Wachstumsprozesses
Streng monoton fallende Funktionen sind: a) Jede Gerade mit negativer Steigung b) Radioaktiver Zerfall: Beim natu¨rlichen radioaktiven Zerfall nimmt die Anzahl n der Atomkerne nach einem Exponentialgesetz mit der Zeit t ab (n 0 : Anzahl der Atomkerne zu Beginn, d. h. zur Zeit t ¼ 0, siehe Bild III-18). n
u
n0
u0 n = n (t)
u = u (t)
t
t
Bild III-18 Zerfallsgesetz beim radioaktiven Zerfall
Bild III-19
Entladung eines Kondensators u¨ber einen ohmschen Widerstand
156
III Funktionen und Kurven
c)
Entladung eines Kondensators: Entla¨dt man einen Kondensator u¨ber einen ohmschen Widerstand, so klingt die Kondensatorspannung u exponentiell mit der Zeit t ab (u 0 : Anfangsspannung zur Zeit t ¼ 0, siehe Bild III-19).
d)
Bei einem idealen Gas sind bei konstanter absoluter Temperatur T Gasdruck p und Volumen V umgekehrt proportionale Gro¨ßen (Boyle-Mariottesches Gesetz): p ¼ p ðVÞ ¼
const: V
ðV > 0Þ
Die in Bild III-20 skizzierte Kurve wird in der Physikalischen Chemie als Isotherme bezeichnet (Kurve konstanter Temperatur). p
p=
const. V
Bild III-20 Boyle-Mariottesches Gesetz fu¨r ein ideales Gas V
(3)
Die Normalparabel y ¼ x 2 , x 2 R ist in R weder monoton fallend noch monoton wachsend. Beschra¨nkt man sich jedoch auf das Intervall x 0, d. h. auf den 1. Quadranten, so verla¨uft die Parabel dort streng monoton wachsend. Im Intervall x 0 dagegen fa¨llt sie streng monoton (siehe Bild III-21). y
y=x2
x 0: streng monoton fallend
1
x 0: streng monoton wachsend 1
Bild III-21
(4)
x
Zur Untersuchung des Monotonieverhaltens der Normalparabel y ¼ x 2
Die Erdbeschleunigung g besitzt an der Erdoberfla¨che, d. h. im Abstand r 0 vom Erdmittelpunkt den Wert g 0 ¼ 9,81 m=s2 . Mit zunehmender Entfernung r von der Erdoberfla¨che nimmt g nach dem Gravitationsgesetz von Newton wie folgt ab:
2 Allgemeine Funktionseigenschaften g ¼ g ðrÞ ¼ f M
1 r2
157 ðr r 0 Þ
(r 0 : Erdradius; M : Masse der Erde; f : Gravitationskonstante) Die Erdbeschleunigung g ist somit eine streng monoton fallende Funktion der Abstandskoordinate r. (5)
Die in Bild III-22 skizzierte „Rampenfunktion“ mit der Gleichung 8 9 x < 0> > y
> : ; 1 1 x > 1 verla¨uft im gesamten Definitionsbereich monoton wachsend, nicht aber streng monoton wachsend (diese Eigenschaft hat sie nur im Intervall 0 x 1).
1
x
Bild III-22
&
2.4 Periodizita¨t Zahlreiche Vorga¨nge in Naturwissenschaft und Technik verlaufen periodisch, d. h. sie wiederholen sich in regelma¨ßigen (meist zeitlichen) Absta¨nden. Musterbeispiele hierfu¨r sind die mechanischen und elektromagnetischen Schwingungen. Zur Beschreibung solcher Abla¨ufe werden periodische Funktionen beno¨tigt, die wie folgt definiert sind: Difinition: Eine Funktion y ¼ f ðxÞ heißt periodisch mit der Periode p, wenn mit jedem x 2 D auch x p zum Definitionsbereich der Funktion geho¨rt und f ðx pÞ ¼ f ðxÞ ðIII-4Þ ist. Anmerkungen (1) (2) &
Mit der Periode p ist auch k p eine Periode der Funktion ðk 2 N*Þ. Die kleinste positive Periode p heißt auch primitive Periode.
Beispiel Ein wichtiges Beispiel liefert die Sinusfunktion y ¼ sin x. Sie ist periodisch mit der (primitiven) Periode p ¼ 2 p (Bild III-23): sin ðx þ 2 pÞ ¼ sin x
ðx 2 RÞ
Aber auch 2 p, 4 p, 6 p, 8 p, . . . sind Perioden der Sinusfunktion.
158
III Funktionen und Kurven y y = sin x
1
sin (x + 2 p )
sin x
p
x
2p
x+2p
3p
x
–1 p=2p
Bild III-23
Die Sinusfunktion y ¼ sin x als Beispiel fu¨r eine periodische Funktion
&
Periodische Funktionen durchlaufen somit ihren gesamten Wertevorrat in jedem Periodenintervall, d. h. in jedem Intervall der La¨nge p. So nimmt beispielsweise die Sinusfunktion in dem Periodenintervall 0 x 2 p sa¨mtliche Funktionswerte an (1 y 1Þ:
&
Beispiele (1)
(2)
Die vier trigonometrischen Funktionen, deren Eigenschaften wir in Abschnitt 9 noch ausfu¨hrlich ero¨rtern werden, sind periodische Funktionen: y ¼ sin x, y ¼ cos x :
Periode p ¼ 2 p
y ¼ tan x, y ¼ cot x :
Periode p ¼ p
Periodische Funktionen spielen u. a. bei der Beschreibung und Darstellung mechanischer und elektromagnetischer Schwingungen eine bedeutende Rolle. Die Periode p wird in diesem Zusammenhang meist als Schwingungsdauer T bezeichnet. In Bild III-24 ist als Beispiel fu¨r eine nicht-sinusfo¨rmige Schwingung der zeitliche Verlauf einer sog. Kippspannung mit der Schwingungsdauer T ¼ 4 ms dargestellt. u/V 50
4
8
12
t / ms
T = 4 ms
Bild III-24
Die Kippspannung als Beispiel fu¨r einen nicht-sinusfo¨rmigen Schwingungsvorgang („Sa¨gezahn-Impuls“) &
2 Allgemeine Funktionseigenschaften
159
2.5 Umkehrfunktion oder inverse Funktion Nach der in Abschnitt 1.1 gegebenen Definition ordnet eine Funktion y ¼ f ðxÞ jedem Argument x 2 D genau einen Funktionswert y 2 W zu. Diese eindeutige Zuordnung ist in Bild III-25 durch Pfeile kenntlich gemacht. So geho¨rt beispielsweise zum Argument x 1 der Funktionswert y 1 und zum Argument x 2 der Funktionswert y 2 . Ha¨ufig stellt sich das umgekehrte Problem: Zu einem vorgegebenen Funktionswert (y-Wert) ist der zugeho¨rige x-Wert zu bestimmen. Die in Bild III-26 dargestellte Funktion ordnet beispielsweise dem Funktionswert y 1 das Argument x 1 und dem Funktionswert y 2 das Argument x 2 zu.
y
y y = f (x)
y2 y1
y = f (x)
y2 y1
x1
Bild III-25
x2
x
Zum Begriff einer Funktion
x1
x2
x
Bild III-26 Zur Umkehrung einer Funktion
Folgt aus x 1 6¼ x 2 stets f ðx 1 Þ 6¼ f ðx 2 Þ, d. h. geho¨ren zu verschiedenen Abszissenwerten stets auch verschiedene Ordinatenwerte, so geho¨rt zu jedem y-Wert auch genau ein x-Wert. Eine Funktion y ¼ f ðxÞ mit dieser Eigenschaft heißt umkehrbar. Definition: Eine Funktion y ¼ f ðxÞ heißt umkehrbar, wenn aus x 1 6¼ x 2 stets f ðx 1 Þ 6¼ f ðx 2 Þ folgt. Ist also eine Funktion y ¼ f ðxÞ umkehrbar, so geho¨rt zu jedem y 2 W genau ein x 2 D. Diese durch die eindeutige Zuordnung y 7! x gewonnene Funktion wird als die „nach der Variablen x aufgelo¨ste Form von y ¼ f ðxÞ“ bezeichnet. Wir verwenden dafu¨r die symbolische Schreibweise x ¼ f 1 ðyÞ oder besser x ¼ g ðyÞ. Jetzt aber ist y die unabha¨ngige und x die abha¨ngige Variable und wir mu¨ssten daher bei einer graphischen Darstellung der Funktion x ¼ g ðyÞ in einem rechtwinkligen Koordinatensystem konsequenterweise die Bezeichnungen der beiden Achsen miteinander vertauschen, d. h. die waagerechte Achse mu¨sste als y-Achse und die senkrechte Achse als x-Achse bezeichnet werden. Dies aber ist allgemein nicht u¨blich. Statt dessen vertauscht man in der Gleichung x ¼ g ðyÞ die beiden Variablen miteinander und erha¨lt auf diese Weise eine neue Funktion y ¼ g ðxÞ, die als Umkehrfunktion oder inverse Funktion von y ¼ f ðxÞ bezeichnet wird.
160
III Funktionen und Kurven
In vielen (aber nicht allen) Fa¨llen gelingt es, die Funktionsgleichung der Umkehrfunktion wie folgt zu bestimmen:
Bestimmung der Funktionsgleichung einer Umkehrfunktion 1. Man lo¨st zuna¨chst die Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ nach der Variablen x auf (diese Auflo¨sung muss natu¨rlich mo¨glich und eindeutig sein!) und erha¨lt so „die nach der Variablen x aufgelo¨ste Form x ¼ g ðyÞ“: y ¼ f ðxÞ
Funktionsgleichung
I nach der Variablen x auflo¨ sen
x ¼ g ðyÞ
2. Durch formales Vertauschen der beiden Variablen x und y gewinnt man hieraus schließlich die Umkehrfunktion y ¼ g ðxÞ: x ¼ g ðyÞ
Variablen x und y
I miteinander vertauschen
y ¼ g ðxÞ
Anmerkungen (1)
Die beiden Schritte ko¨nnen auch in der umgekehrten Reihenfolge ausgefu¨hrt werden.
(2)
Bei der Umkehrung einer Funktion werden Definitionsbereich und Wertebereich miteinander vertauscht.
Nicht jede Funktion ist jedoch umkehrbar, wie bereits das einfache Beispiel der Normalparabel y ¼ x 2 , x 2 R zeigt. Zu jedem Funktionswert y 0 > 0 geho¨ren genau zwei verschiedene Werte x 0 und x 0 der Variablen x. Denn jede oberhalb der x-Achse verlaufende Parallele zur x-Achse schneidet die Parabel in zwei spiegelsymmetrisch zur y-Achse angeordneten Punkten P und P 0 (Bild III-27). Die Funktion y ¼ x 2 ist daher im Intervall 1 < x < 1 nicht umkehrbar. Offensichtlich liegt dies an der fehlenden Monotonie der Normalparabel. y
P′
y=x2 y0
P
Bild III-27 Die Normalparabel y ¼ x 2 , x 2 R als Beispiel fu¨r eine nicht umkehrbare Funktion – x0
x0
x
Am Kurvenverlauf la¨sst sich bereits leicht erkennen, ob eine Funktion umkehrbar ist oder nicht. Wenn jede Parallele zur x-Achse die Kurve ho¨chstens einmal schneidet, ist die Funktion umkehrbar (siehe hierzu Bild III-28). Diese Bedingung erfu¨llen alle streng monoton verlaufenden Funktionen.
2 Allgemeine Funktionseigenschaften
161
y
y Parallele zur x-Achse
Parallele zur x-Achse
x
x a)
b)
Bild III-28
Zur Umkehrung einer Funktion a) Umkehrbare Funktion b) Nicht umkehrbare Funktion (zwei Schnittstellen)
&
Beispiele (1)
y ¼ 2x þ 1
ðx 2 RÞ
Diese Gerade verla¨uft streng monoton wachsend und ist daher umkehrbar. Durch Auflo¨sen der Geradengleichung nach x erha¨lt man zuna¨chst x ¼ g ðyÞ ¼ 0,5 y 0,5
ðmit y 2 RÞ
Formales Vertauschen der beiden Variablen fu¨hrt schließlich zur gesuchten Umkehrfunktion: y ¼ g ðxÞ ¼ 0,5 x 0,5
ðx 2 RÞ
Die Umkehrfunktion der Geraden y ¼ 2 x þ 1 ist also wiederum eine Gerade mit der Gleichung y ¼ 0,5 x 0,5 (Bild III-29). y y = 2x + 1
5
y=x
y = 0,5 x – 0,5 1 1
Bild III-29
5
x
Gerade y ¼ 2 x þ 1 und ihre Umkehrfunktion y ¼ 0,5 x 0,5
162
(2)
III Funktionen und Kurven
y ¼ x2
ðx 0Þ
Es handelt sich bei dieser Funktion um den im 1. Quadranten verlaufenden Teil der Normalparabel. Diese Funktion ist streng monoton wachsend und daher umkehrbar. Die Auflo¨sung der Funktionsgleichung nach der Variablen x liefert die pffiffiffi Wurzelfunktion x ¼ y , y 0 (es kommt nur der positive Wert infrage, da alle Kurvenpunkte im 1. Quadranten liegen). Durch Vertauschen pffiffiffi der beiden Variablen erha¨lt man hieraus schließlich die Umkehrfunktion y ¼ x, x 0 (Bild III-30). y 3 y=x2 y=x 2
y= x 1
1
Bild III-30
2
3
x
pffiffiffi Die Wurzelfunktion y ¼ x, x 0 als Umkehrfunktion der „Halbparabel“ y ¼ x 2, x 0 &
Wie die Beispiele zeigen, verlaufen die Graphen einer Funktion y ¼ f ðxÞ und ihrer Umkehrfunktion y ¼ g ðxÞ spiegelsymmetrisch zur Geraden y ¼ x (Winkelhalbierende des 1. und 3. Quadranten). Diese Aussage la¨sst sich verallgemeinern, sofern auf beiden Koordinatenachsen der gleiche Maßstab verwendet wird (Bild III-31). y y = f (x) y=x
y = g (x) x
Bild III-31 Zur Umkehrung einer Funktion y ¼ f ðxÞ auf graphischem Wege
3 Koordinatentransformation
163
Wir fassen die wichtigsten Ergebnisse dieses Abschnitts wie folgt zusammen:
ber die Umkehrung einer Funktion 1. Jede streng monoton wachsende oder fallende Funktion ist umkehrbar. 2. Bei der Umkehrung einer Funktion werden Definitions- und Wertebereich miteinander vertauscht. 3. Zeichnerisch erha¨lt man das Schaubild der Umkehrfunktion durch Spiegelung der Funktionskurve an der Geraden y ¼ x (Bild III-31; Voraussetzung: gleicher Maßstab auf beiden Koordinatenachsen).
3 Koordinatentransformationen 3.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel Die Gleichung einer Funktion oder einer Kurve ha¨ngt entscheidend von der Wahl des zugrunde gelegten Koordinatensystems ab. Besonders einfache Gleichungen erha¨lt man immer dann, wenn ein symmetriegerechtes Koordinatensystem gewa¨hlt wird, das den speziellen Symmetrieeigenschaften der Funktion oder der Kurve Rechnung tra¨gt. Wir erla¨utern dieses Problem an einem einfachen Beispiel. y
y
v
P
P
3 2
3
M
y
M 1
1 a)
Bild III-32
x
v u u
2 x
x
b)
Zur Koordinatentransformation eines Kreises a) Kreis im x, y-System b) Kreis im u, v-System
Der in Bild III-32a) skizzierte Kreis mit dem Mittelpunkt M ¼ ð1; 2Þ und dem Radius r ¼ 3 wird in dem zugrunde gelegten x, y-Koordinatensystem durch die Gleichung 2 2 x 1 þ y2 ¼ 9 ðIII-5Þ
164
III Funktionen und Kurven
beschrieben. Diese Gleichung la¨sst sich wesentlich vereinfachen, wenn wir zu einem neuen u, v-Koordinatensystem u¨bergehen, das die spezielle Symmetrie des Kreises beru¨cksichtigt. Dazu wa¨hlen wir den Mittelpunkt des Kreises als neuen Koordinatenursprung und legen durch ihn zur x-Achse bzw. y-Achse parallele Koordinatenachsen. In dem neuen u, v-System nimmt dann die Kreisgleichung die einfache Gestalt u2 þ v2 ¼ 9
ðIII-6Þ
an, wie man mit Hilfe des bekannten Lehrsatzes des Pythagoras dem Bild III-32b) unmittelbar entnehmen kann. Zwischen den neuen und den alten Koordinaten besteht dabei der folgende Zusammenhang: u ¼ x 1
bzw:
v ¼ y2
x ¼ uþ1
ðIII-7Þ
y ¼ vþ2
Der bergang vom x, y-System zum u, v-System wird als Koordinatentransformation bezeichnet. In diesem einfu¨hrenden Beispiel handelt es sich dabei um eine Parallelverschiebung des kartesischen x, y-Koordinatensystems.
3.2 Parallelverschiebung eines kartesischen Koordinatensystems Wir gehen bei unseren Betrachtungen von einem rechtwinkligen oder kartesischen x, y-Koordinatensystem aus. Durch Parallelverschiebung der Koordinatenachsen entsteht hieraus ein neues, wiederum kartesisches Koordinatensystem (Bild III-33). Es soll im Folgenden als u, v-Koordinatensystem bezeichnet werden. Der Koordinatenursprung des neuen u, v-Systems falle dabei in den Punkt O 0 ¼ ða; bÞ, bezogen auf das alte x, y-System. y
v P v
0′ a
u
y
u
b 0
x
x
Bild III-33
Parallelverschiebung eines kartesischen Koordinatensystems
Ein beliebig herausgegriffener Punkt P besitze im x, y-System die Koordinaten ðx; yÞ und im u, v-System die Koordinaten ðu; vÞ. Zwischen ihnen bestehen die folgenden Transformationsgleichungen, die sich unmittelbar aus Bild III-33 ablesen lassen: x ¼ uþa y ¼ vþb
bzw:
u ¼ x a v ¼ yb
ðIII-8Þ
3 Koordinatentransformation
165
Wie vera¨ndert sich bei einer solchen Koordinatentransformation die Gleichung einer Funktion y ¼ f ðxÞ? Mit Hilfe der Transformationsgleichungen (III-8) finden wir: x¼uþa
y ¼ f ðxÞ ! v þ b ¼ f ðu þ aÞ y¼vþb
oder
v ¼ f ðu þ aÞ b
ðIII-9Þ
Bei einer sinnvoll gewa¨hlten Koordinatentransformation erreicht man dabei stets eine erhebliche Vereinfachung der Funktions- oder Kurvengleichung, wie bereits im einfu¨hrenden Beispiel gezeigt wurde. Weitere Beispiele im Anschluss an die nachfolgende Zusammenfassung werden diese Aussage besta¨tigen.
Parallelverschiebung eines kartesischen Koordinatensystems (Bild III-33) Das kartesische x, y-Koordinatensystem gehe durch eine Parallelverschiebung der Koordinatenachsen in das ebenfalls rechtwinklige u, v-Koordinatensystem u¨ber (Bild III-33). Ein beliebiger Punkt P besitze im „alten“ x, y-System die Koordinaten ðx; y) und im „neuen“ u, v-System die Koordinaten ðu; vÞ. Zwischen diesen Koordinaten bestehen dann die folgenden linearen Transformationsgleichungen: x ¼ uþa y ¼ vþb
bzw:
u ¼ x a v ¼ yb
ðIII-10)
Dabei bedeuten: ða; bÞ:
Koordinatenursprung des neuen u, v-Koordinatensystems, bezogen auf das alte x, y-System
Die Konstanten a und b besitzen die folgende geometrische Bedeutung: j a j:
Abstand der beiden vertikalen Koordinatenachsen
j b j:
Abstand der beiden horizontalen Koordinatenachsen
a > 0: Verschiebung der y-Achse nach rechts (sonst nach links) b > 0: Verschiebung der x-Achse nach oben (sonst nach unten)
&
Beispiele (1)
Die Parabel y ¼ x 2 þ 2 x þ 3 la¨sst sich durch quadratische Erga¨nzung in die folgende Gestalt bringen: y ¼ x 2 þ 2 x þ 3 ¼ ðx 2 þ 2 x þ 1 Þ þ 2 ¼ ðx þ 1Þ 2 þ 2 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} ðx þ 1Þ 2
y 2 ¼ ðx þ 1Þ 2 Mit Hilfe der linearen Transformationsgleichungen u ¼ x þ1
und
v ¼ y2
)
166
III Funktionen und Kurven
fu¨hren wir ein neues, parallelverschobenes u, v-Koordinatensystem ein, dessen Ursprung im Scheitelpunkt der Parabel liegt und im x, y-System die Koordinaten x 0 ¼ 1 und y 0 ¼ 2 besitzt 1Þ . Die Funktionsgleichung der Parabel lautet daher im neuen u, v-System wie folgt: y 2 ¼ ðx þ 1Þ 2
u¼xþ1
!" v¼y2
v ¼ u2
Durch diese Parallelverschiebung haben wir eine wesentliche Vereinfachung der Parabelgleichung erreicht und dabei erkannt, dass es sich letztendlich um die bekannte Normalparabel handelt (Bild III-34).
2
v
y
0′
1
2 u
Bild III-34 –1
0
x
1
(2)
Die Parabel y ¼ 0,5 x 2 soll um zwei Einheiten in Richtung der positiven x-Achse und gleichzeitig um drei Einheiten in Richtung der negativen y-Achse verschoben werden. Wie lautet die Gleichung der verschobenen Parabel im x, y-Koordinatensystem? Lo¨sung: Der Scheitelpunkt S der verschobenen Parabel besitzt die Koordinaten x 0 ¼ 2 und y 0 ¼ 3. Wir wa¨hlen ihn als Ursprung eines neuen u, v-Koordinatensystems. In diesem System besitzt die verschobene Parabel die gleiche Lage wie die unverschobene Parabel im alten x, y-System. Aus der Funktionsgleichung y ¼ 0,5 x 2 wird daher im u, v-System die Gleichung v ¼ 0,5 u 2 (x wird durch u und y durch v ersetzt). Zwischen den beiden Koordinatensystemen bestehen dabei die Transformationsgleichungen x ¼ uþ2 y ¼ v3
bzw:
u ¼ x 2 v ¼ yþ3
Man erha¨lt sie am bequemsten aus einer Skizze, die neben dem alten x, y-System auch das neue u, v-System sowie einen beliebigen Punkt P entha¨lt, den man (um
1Þ
Die Koordinaten des neuen Koordinatenursprungs im alten x, y-System erha¨lt man aus den Transformationsgleichungen fu¨r u ¼ 0 und v ¼ 0.
3 Koordinatentransformation
167
Vorzeichenfehler zu vermeiden) zweckma¨ßigerweise so auswa¨hlt, dass er im 1. Quadranten beider Koordinatensysteme liegt (Bild III-35): y
v P y v x
x
3
Bild III-35 u
u 2
P besitzt im x, y-System die Koordinaten x und y und im u, v-System die Koordinaten u und v. Aus der Skizze lassen sich dann die gesuchten Transformationsgleichungen sofort ablesen. Die Parabel v ¼ 0,5 u 2 besitzt demnach im x, y-System die folgende Funktionsgleichung (wobei u ¼ x 2 und v ¼ y þ 3 gesetzt wird): y þ 3 ¼ 0,5 ðx 2Þ 2
y ¼ 0,5 x 2 2 x 1
oder
Beide Parabeln sind in Bild III-36 dargestellt. y
v y = 0,5 x 2
v = 0,5 u 2
3
–1
1 2
x
–3 S
Bild III-36 Parallelverschiebung der Parabel y ¼ 0,5 x 2
u
2 &
168
III Funktionen und Kurven
3.3 bergang von kartesischen Koordinaten zu Polarkoordinaten 3.3.1 Definition der Polarkoordinaten Bisher wurde die Lage eine Punktes P der Ebene ausschließlich durch rechtwinklige oder kartesische Koordinaten beschrieben. In vielen Fa¨llen ist es jedoch gu¨nstiger, auf die wie folgt definierten Polarkoordinaten r und j zuru¨ckzugreifen (Bild III-37): y P r y
Bild III-37 Polarkoordinaten ðr; jÞ eines Punktes P ¼ ðx; yÞ
f 0
x
x
Definition: Die Polarkoordinaten ðr; jÞ eines Punktes P der Ebene bestehen aus einer Abstandskoordinate r und einer Winkelkoordinate j (Bild III-37): r : Abstand des Punktes P vom Koordinatenursprung O j: Winkel zwischen der positiven x-Achse und dem vom Koordinatenursprung O zum Punkt P gerichteten Radiusvektor Anmerkungen (1)
Fu¨r die Abstandskoordinate r gilt definitionsgema¨ß stets r 0, d. h. negative r-Werte sind nicht zugelassen!
(2)
Der Winkel j wird positiv geza¨hlt bei Drehung im Gegenuhrzeigersinn (mathematisch positiver Drehsinn), negativ dagegen bei Drehung im Uhrzeigersinn (mathematisch negativer Drehsinn). Er ist jedoch nur bis auf ganzzahlige Vielfache von 360 (bzw. 2 p im Bogenmaß) bestimmt. Man kann sich daher bei der Winkelangabe auf den im Intervall 0 j < 360 (bzw. 0 j < 2 p) gelegenen Hauptwert beschra¨nken (wir werden so verfahren). In der Technik, insbesondere in der Elektrotechnik, werden die Hauptwerte ha¨ufig dem Intervall 180 < j 180 (bzw. p < j p) zugeordnet. Den 1. und 2. Quadranten erreicht man dabei durch Drehung im Gegenuhrzeigersinn (Drehwinkel von 0 bis 180 ), den 3. und 4. Quadranten durch Drehung im Uhrzeigersinn (Drehwinkel von 0 bis 180 ).
(3)
Das Polarkoordinatensystem ist ein krummliniges Koordinatensystem. Die Koordinatenlinien bestehen aus konzentrischen Kreisen um den Koordinatenursprung O (sog. j-Linien) und Strahlen, die radial von O nach außen verlaufen (sog. r-Linien; Bild III-38). Koordinatenursprung O und x-Achse werden in diesem Zusammenhang auch wie folgt bezeichnet: Koordinatenursprung O: Pol
x-Achse: Polarachse
3 Koordinatentransformation
169
y f = const. (r - Linie)
Bild III-38 Ebenes Polarkoordinatensystem x r = const. ( f - Linie)
Ein entsprechendes Koordinatenpapier ist im Handel erha¨ltlich („Polarkoordinatenpapier“). (4)
Der Koordinatenursprung (Pol) O hat die Abstandskoordinate r ¼ 0, die Winkelkoordinate j dagegen ist unbestimmt.
Zwischen den kartesischen und den Polarkoordinaten bestehen dabei die folgenden Transformationsgleichungen, die sich unmittelbar aus Bild III-37 ergeben: Koordinatentransformation: Kartesische Koordinaten ! Polarkoordinaten Polarkoordinaten " Kartesische Koordinaten (Bild III-31) x ¼ r cos j, y ¼ r sin j Kartesische Koordinaten " Polarkoordinaten (Bild III-31) pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y tan j ¼ r ¼ x 2 þ y 2, x
ðIII-11)
ðIII-12Þ
Anmerkungen (1)
Die Berechnung der Winkelkoordinate j aus den vorgegebenen kartesischen Koordinaten nach der Gleichung tan j ¼ y=x ist ha¨ufig mit Schwierigkeiten verbunden, da die Auflo¨sung dieser Gleichung nach j noch vom Quadranten des Winkels abha¨ngt. Wir empfehlen daher, die Winkelberechnung auf indirektem Wege wie folgt vorzunehmen: Zuna¨chst wird anhand einer Skizze die Lage des Punktes und damit der Quadrant des gesuchten Winkels j bestimmt, dann erfolgt die Berechnung des Winkels j u¨ber einen geeigneten Hilfswinkel a in einem rechtwinkligen Dreieck. Im nachfolgenden Beispiel (1) wird dieses Verfahren na¨her erla¨utert.
170
(2)
III Funktionen und Kurven
Die Berechnung des Winkels j kann auch wie folgt vorgenommen werden (in Abha¨ngigkeit vom Quadranten): Quadrant
I
II, III
IV
j¼
arctan (y=x)
arctan (y=x) þ 180
arctan (y=x) þ 360
(arctan x ist dabei die Umkehrfunktion von tan x und wird in Abschnitt 10.4 noch ausfu¨hrlich besprochen).
&
Beispiele (1)
Der Punkt P1 ¼ ð3; 4Þ liegt im 2. Quadrant (Bild III-39). Fu¨r die Abstandskoordinate r erhalten wir nach der ersten der Gleichungen (III-12): qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi r ¼ ð3Þ 2 þ 4 2 ¼ 25 ¼ 5 Fu¨r den Hauptwert der gesuchten Winkelkoordinate j entnehmen wir der Lageskizze: 90 < j < 180 . Wir berechnen zuna¨chst den Hilfswinkel a des eingezeichneten rechtwinkligen Dreiecks mit den Katheten der La¨ngen 3 und 4 und daraus schließlich den Winkel j: 4 4 tan a ¼ ) a ¼ arctan ¼ 53,1 3 3 j ¼ 180 a ¼ 180 53,1 ¼ 126,9 Ergebnis: r ¼ 5, j ¼ 126,9 y P1
y
4 210° x
4
r
x y
a –3
3
3,8
f
Bild III-39
(2)
P2
x
Bild III-40
Die Lage des Punktes P2 in Bild III-40 wird eindeutig durch die Polarkoordinaten r ¼ 3,8 und j ¼ 210 beschrieben. Seine kartesischen Koordinaten berechnen wir aus Gleichung (III-11) wie folgt: x ¼ 3,8 cos 210 ¼ 3,29
und
y ¼ 3,8 sin 210 ¼ 1,9
&
3 Koordinatentransformation
171
3.3.2 Darstellung einer Kurve in Polarkoordinaten Ein in Polarkoordinaten ðr; jÞ dargestellte Kurve wird durch eine Gleichung r ¼ f ðjÞ
r ¼ r ðjÞ
oder
ðIII-13Þ
beschrieben. Um die Kurve zeichnen zu ko¨nnen, erstellen wir eine Wertetabelle. Fu¨r den Polarwinkel j werden dabei verschiedene Werte j 1 , j 2 , j 3 , . . . vorgegeben und aus der Funktionsgleichung r ¼ r ðjÞ die zugeho¨rigen Abstandswerte r 1 ¼ r ðj 1 Þ, r 2 ¼ r ðj 2 Þ, r 3 ¼ r ðj 3 Þ, . . . berechnet: j
j1
j2
j3
...
r ¼ r ðjÞ
r 1 ¼ r ðj 1 Þ
r 2 ¼ r ðj 2 Þ
r 3 ¼ r ðj 3 Þ
...
Dabei ist zu beachten, dass definitionsgema¨ß nur positive Werte fu¨r r infrage kommen, da r der Abstand eines Kurvenpunktes vom Koordinatenursprung ist und somit als physikalische Gro¨ße nie negativ sein kann. Erha¨lt man fu¨r einen Winkel j* durch formales Einsetzen in die Kurvengleichung r ¼ r ðjÞ einen negativen Abstandswert r* ¼ r ðj*Þ, so befindet sich in dieser Winkelrichtung kein Kurvenpunkt. Der Winkel j* liegt in diesem Fall außerhalb des Definitionsbereiches der Funktion r ¼ r ðjÞ. Den Kurvenverlauf erha¨lt man schließlich, indem man auf den Strahlen j ¼ j 1 , j ¼ j 2 , j ¼ j 3 , . . . die zugeho¨rigen (positiven) Abstandswerte r 1 , r 2 , r 3 , . . . vom Nullpunkt (Pol) aus nach außen hin abtra¨gt und die auf diese Weise erhaltenen Kurvenpunkte miteinander verbindet (Bild III-41). y
f3
f2 r = r ( f)
r3
f1
r2
Bild III-41 Zur graphischen Darstellung einer in Polarkoordinaten definierten Kurve r ¼ r ðjÞ
r1 Pol
&
Polarachse
x
Beispiele (1)
Durch die Gleichung r ¼ r ðjÞ ¼ 2 j
ð0 j 2 pÞ
wird die in Bild III-42 skizzierte spiralfo¨rmige Kurve beschrieben (sog. Archimedische Spirale). Dieses Kurvenbild erhalten wir mit Hilfe der folgenden
172
III Funktionen und Kurven
Wertetabelle (gewa¨hlte Schrittweite: Dj ¼ 30 ¼ b p=6; die Winkelwerte mu¨ssen dabei im Bogenmaß eingesetzt werden, damit die Abstandkoordinate r ¼ 2 j dimensionslos bleibt!): p 6
j
0
r
0
1,05
j
9
p 6
r
1
2
p 6
10,47
p 6
3
2,09
10
9,42
p 6
3,14 p 6
11
11,52
4
p 6
4,19
12
5
p 6
5,24
6
p 6
6,28
7
p 6
7,33
8
p 6
8,38
p 6
12,57
y 5 r = 2f 1 –5
–1
1
5
10
x
–5
–10
Bild III-42
(2)
Archimedische Spirale r ¼ 2 j (mit 0 j 2 p)
Die Kurve mit der Gleichung ð0 j 360 Þ
r ¼ r ðjÞ ¼ 1 þ cos j
heißt Kardioide (Herzkurve) und besitzt den in Bild III-43 skizzierten Verlauf (Spiegelsymmetrie zur x-Achse), den wir mit Hilfe der folgenden Wertetabelle erhalten haben (gewa¨hlte Schrittweite: Dj ¼ 30 ): j
0
30
60
90
120
150
180
r
2
1,87
1,5
1
0,5
0,13
0
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion
173
Die Punkte des 3. und 4. Quadranten erha¨lt man durch Spiegelung der berechneten Kurvenpunkte an der x-Achse (die Winkel werden nach unten abgetragen). y r = 1 + cos f 1
1
2
Bild III-43 Kardioide r ¼ 1 þ cos j
x
ð0 j 360 Þ –1
&
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion 4.1 Reelle Zahlenfolgen 4.1.1 Definition und Darstellung einer reellen Zahlenfolge Definition: Jeder positiven ganzen Zahl n wird in eindeutiger Weise eine reelle Zahl a n zugeordnet. Die unendliche Menge reeller Zahlen a 1 , a 2 , a 3 , . . . heißt reelle Zahlenfolge. Symbolische Schreibweise: ha n i ¼ a 1 , a 2 , a 3 , . . . , a n , . . .
ðn 2 N*Þ
ðIII-14)
Die Zahlen a 1 , a 2 , a 3 , . . . heißen die Glieder der Folge, a n ist das n-te Glied der Folge. Anmerkungen (1)
Eine reelle Zahlenfolge wird auch kurz als Folge bezeichnet.
(2)
Anschauliche Deutung einer Folge: Wie im Kino werden die Pla¨tze fortlaufend durchnummeriert und jeder Platz mit einer reellen Zahl „belegt“. Platzziffer:
1
2
3
Element:
# a1
# a2
# a3
...
n
...
...
# an
...
Die Nummerierung kann auch bei 0 oder einer beliebigen anderen natu¨rlichen Zahl k beginnen.
174
III Funktionen und Kurven
Eine Zahlenfolge ha n i kann auch als diskrete Funktion aufgefasst werden, die jedem n 2 N* genau eine Zahl a n 2 R zugeordnet. Eine Zuordnungsvorschrift in Form einer Gleichung
(3)
a n ¼ f ðnÞ
ðn 2 N*Þ
ðIII-15Þ
heißt Bildungsgesetz der Folge.
&
Beispiele 1 1 1 , , , ... 2 4 6
(1)
ha n i ¼
(2)
ha n i ¼ 1 3 , 2 3 , 3 3 , . . .
(3)
ha n i ¼ 0,
Bildungsgesetz: a n ¼
1 2n
Bildungsgesetz: a n ¼ n 3
1 2 3 , , , ... 2 3 4
Bildungsgesetz: a n ¼ 1
ðn 2 N*Þ ðn 2 N*Þ
1 n
ðn 2 N*Þ &
Die Glieder einer Folge ha n i lassen sich durch Punkte auf einem Zahlenstrahl darstellen. Fu¨r die Zahlenmenge 1 1 2 3 4 ha n i ¼ 1 ¼ 0, , , , , . . . ðn 2 N*Þ ðIII-16Þ n 2 3 4 5 beispielsweise erhalten wir die in Bild III-44 skizzierte Abbildung (Anordnung): a1
a2
a3
a4 a5
0
1 2
2 3
3 4
Bild III-44
4 5
Darstellung der Zahlenfolge ha n i ¼ h1 1=ni auf einer Zahlengerade ðn 2 N*Þ
Eine Folge ha n i la¨sst sich auch durch einen Graph anschaulich darstellen. Wir interpretieren dabei die Folge ha n i als eine diskrete Funktion und ordnen jedem Wertepaar ðn; a n Þ einen Punkt Pn in einem rechtwinkligen Koordinatensystem zu. Die Menge aller Punkte P n ¼ ðn; a n Þ mit n 2 N* heißt Graph der Folge ha n i.
&
Beispiel Die Folge (III-16) la¨sst sich durch die Funktionsgleichung (Bildungsgesetz) a n ¼ f ðnÞ ¼
n1 1 ¼ 1 n n
ðn 2 N*Þ
beschreiben. Der zugeho¨rige Graph besitzt das in Bild III-45 skizzierte Aussehen.
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion
175
an
1
0,5
Bild III-45 Darstellung der Zahlenfolge ha n i ¼ h1 1=ni mit n 2 N* durch einen Graph 1
2
3
4
n
5
&
4.1.2 Grenzwert einer Folge Wir wollen uns zuna¨chst eingehend mit den Eigenschaften der Zahlenfolge n1 1 ¼ 1 ðn 2 N*Þ ha n i ¼ n n
ðIII-17Þ
bescha¨ftigen und erstellen zu diesem Zweck eine Wertetabelle: n
1
2
3
...
10
...
100
...
1000
...
an
0
1 2
2 3
...
0,9
...
0,99
...
0,999
...
Aus ihr entnehmen wir die folgenden Eigenschaften 2Þ : 1. Alle Glieder (Funktionswerte) sind kleiner als 1, d. h. es gilt a n < 1. 2. Mit zunehmendem Index n werden die Glieder der Folge gro¨ßer und unterscheiden sich dabei immer weniger von der Zahl 1. Wir ziehen daraus die Folgerung, dass in jeder noch so kleinen Umgebung der Zahl 1 fast alle Glieder der Folge liegen. So ist beispielsweise ab dem 11. Glied der Abstand aller folgenden Glieder von der Zahl 1 kleiner als 0,1. Mit anderen Worten: Alle Glieder a n mit n 11 erfu¨llen die Ungleichung j a n 1j < 0,1 (Bild III-46). a1
a2
a3
0
1 2
2 3
a 10 0,9
1 in diesem Intervall liegen alle Glieder a n mit n ≥ 11
Bild III-46 2Þ
Die Zahlenfolge ha n i ¼ h1 1=ni konvergiert gegen den Grenzwert 1
Es handelt sich hier um eine streng monoton wachsende und beschra¨nkte Zahlenfolge.
176
III Funktionen und Kurven
Vom 101. Glied an ist der Abstand aller folgenden Glieder von der Zahl 1 sogar kleiner als 0,01, d. h. jedes Glied a n mit n 101 erfu¨llt die Ungleichung j a n 1j < 0,01. Die Glieder der Zahlenfolge (III-17) unterscheiden sich demnach mit zunehmender „Platzziffer“ n immer weniger von der Zahl 1, die daher als Grenzwert der Folge 1 fu¨r n ! 1 bezeichnet wird. ha n i ¼ 1 n Allgemein definieren wird den Grenzwert einer Zahlenfolge wie folgt: Definition: Die reelle Zahl g heißt Grenzwert oder Limes der Zahlenfolge ha n i, wenn es zu jedem e > 0 eine natu¨rliche Zahl n 0 > 0 gibt, so dass fu¨r alle n n 0 stets j an g j < e ðIII-18Þ ist.
Anmerkungen (1)
Die natu¨rliche Zahl n 0 ha¨ngt i. A. noch von der Wahl der Zahl e > 0 ab. Daher schreibt man ha¨ufig auch n 0 ðeÞ statt n 0 .
(2)
Es la¨sst sich zeigen, dass eine Folge ha n i ho¨chstens einen Grenzwert besitzen kann.
Besitzt eine Folge ha n i den Grenzwert g, so liegen innerhalb einer jeden e-Umgebung von g fast alle Glieder der Folge. Mit anderen Worten: die Glieder a 1, a 2 , a 3 , . . . , a n 0 1 liegen außerhalb, alle darauf folgenden Glieder a n 0 , a n 0 þ 1 , a n 0 þ 2 , . . . innerhalb der Umgebung (vgl. hierzu Bild III-47). Eine Folge mit dieser Eigenschaft heißt konvergent mit dem Grenzwert g. g–e a1
a2
a n 0 –1
g+e g
in diesem Intervall liegen alle Glieder a n mit n ≥ n 0
Bild III-47
Zum Begriff des Grenzwertes g einer Zahlenfolge ha n i
Definitionen: (1) Eine Folge ha n i heißt konvergent, wenn sie einen Grenzwert g besitzt. Symbolische Schreibweise: lim a n ¼ g ðIII-19Þ n!1
(gelesen: Limes von a n fu¨r n gegen Unendlich gleich g) (2) Eine Folge ha n i, die keinen Grenzwert besitzt, heißt divergent.
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion &
177
Beispiele (1)
1 1 1 1 ¼ 1, , , , . . . ist konvergent mit dem Grenzwert Die Folge ha n i ¼ n 2 3 4 1 g ¼ lim ¼ 0 ðsog: NullfolgeÞ: n n!1
(2)
ha n i ¼
1 1 n
1 2 3 ¼ 0, , , , ... 2 3 4
)
1 g ¼ lim 1 ¼ 1 n n!1
Es handelt sich demnach um eine konvergente Folge mit dem Grenzwert g ¼ 1. (3)
Die Folge ha n i ¼
1þ
1 n
n ¼ 2,
9 64 625 , , , . . . ist konvergent mit dem 4 27 256
Grenzwert g ¼ lim
n!1
1þ
1 n
n ¼ 2,718 281 82 . . . ¼ e
(ohne Beweis). Die Zahl e heißt Eulersche Zahl. Sie ist die Basis der wichtigsten Exponentialfunktion, der sog. e-Funktion (siehe hierzu Abschnitt 11.2). (4)
ha n i ¼ hn 3 i ¼ 1 3 , 2 3 , 3 3 , 4 3 , . . . g ¼ lim n 3 ¼ 1 n!1
ðsog: uneigentlicher GrenzwertÞ
Die Zahlenfolge ist divergent (sie wird auch als bestimmt divergente Folge bezeich& net).
4.2 Grenzwert einer Funktion Mit Hilfe des Begriffes „Grenzwert“ la¨sst sich das Verhalten einer Funktion f ðxÞ in der Umgebung einer festen Stelle x 0 na¨her untersuchen und zwar auch dann, wenn die Funktion an dieser Stelle nicht definiert ist, der Funktionswert f ðx 0 Þ also nicht existiert.
4.2.1 Grenzwert einer Funktion fu¨r x ! x 0 Den Begriff des Grenzwertes einer Funktion wollen wir zuna¨chst anhand eines einfachen Beispiels erla¨utern. Wir wa¨hlen dazu die Funktion f ðxÞ ¼ x 2 aus und untersuchen ihr Verhalten bei einer beliebig feinen Anna¨herung an die Stelle x 0 ¼ 2. Anna¨herung von links Ausgangspunkt unserer Betrachtung sei die im Definitionsbereich der Funktion liegende und von links gegen die Zahl 2 konvergierende Folge von x-Werten hx n i ¼ 1,9; 1,99;
1,999;
1,9999;
...
178
III Funktionen und Kurven
Jedem Glied dieser Folge wird durch die Funktionsgleichung f ðxÞ ¼ x 2 genau ein Funktionswert zugeordnet: f ðx n Þ ¼ x n2 . Die Funktionstafel (Wertetabelle) hat dabei das folgende Aussehen: xn
1,9
1,99
1,999
1,9999
...
f ðx n Þ ¼ x n2
3,61
3,9601
3,996 001
3,999 600 01
...
Ihr entnehmen wir, dass die Folge der Funktionswerte h f ðx n Þi ¼ hx n2 i offensichtlich gegen den Wert 4 konvergiert. Wir ha¨tten aber auch eine andere Auswahl der Zahlenfolge hx n i treffen ko¨nnen (sofern diese Folge gegen die Zahl 2 konvergiert). Das Ergebnis wa¨re jedoch dasselbe. Dies aber bedeutet, dass aus hx n i ! 2 mit x n < 2 stets h f ðx n Þi ! 4 folgt. Symbolisch schreibt man dafu¨r lim f ðx n Þ ¼ lim x n2 ¼ lim x 2 ¼ 4
n!1
n!1
ðIII-20Þ
x!2 ðx < 2Þ
und bezeichnet diesen Wert als den linksseitigen Grenzwert der Funktion f ðxÞ ¼ x 2 an der Stelle x 0 ¼ 2. Anna¨herung von rechts Nun betrachten wir die von der rechten Seite her gegen die Zahl 2 konvergierende Folge von x-Werten hx n i ¼ 2,1;
2,01; 2,001;
2,0001;
...
Die zugeho¨rigen Funktionswerte entnehmen wir der folgenden Funktionstafel (Wertetabelle): xn
2,1
2,01
2,001
2,0001
...
f ðx n Þ ¼ x n2
4,41
4,0401
4,004 001
4,000 4001
...
Die Folge h f ðx n Þi strebt wiederum gegen den Wert 4. Dies gilt auch fu¨r jede andere gegen die Zahl 2 konvergierende Folge hx n i mit x n > 2. Das Ergebnis dieser Grenzwertbildung ist der rechtsseitige Grenzwert von f ðxÞ ¼ x 2 an der Stelle x 0 ¼ 2: lim f ðx n Þ ¼ lim x n2 ¼ lim x 2 ¼ 4
n!1
n!1
x!2 ðx > 2Þ
ðIII-21Þ
In unserem Beispiel stimmen die beiden Grenzwerte von links und rechts u¨berein. Daher schreibt man kurz lim x 2 ¼ 4
x!2
und spricht von dem Grenzwert der Funktion f ðxÞ ¼ x 2 an der Stelle x 0 ¼ 2.
ðIII-22Þ
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion
179
Allgemein la¨sst sich der Grenzwertbegriff wie folgt definieren: Definition: Eine Funktion y ¼ f ðxÞ sei in einer Umgebung von x 0 definiert. Gilt dann fu¨r jede im Definitionsbereich der Funktion liegende und gegen die Stelle x 0 konvergierende Zahlenfolge hx n i mit x n 6¼ x 0 stets lim f ðx n Þ ¼ g
ðIII-23Þ
n!1
so heißt g der Grenzwert von y ¼ f ðxÞ an der Stelle x 0 . Die symbolische Schreibweise lautet: lim f ðxÞ ¼ g
ðIII-24Þ
x ! x0
(gelesen: Limes von f ðxÞ fu¨r x gegen x 0 gleich g). Anmerkungen (1)
Es sei ausdru¨cklich darauf hingewiesen, dass die Funktion y ¼ f ðxÞ an der Stelle x 0 nicht definiert sein muss. Es kann daher der Fall eintreten, dass eine Funktion an einer Stelle x 0 einen Grenzwert besitzt, obwohl sie dort u¨berhaupt nicht definiert ist (vgl. hierzu das folgende Beispiel (2)).
(2)
Der Grenzu¨bergang x ! x 0 bedeutet: x kommt der Stelle x 0 beliebig nahe, ohne sie jedoch jemals zu erreichen. Es ist also stets x 6¼ x 0 , was bei der Berechnung von Grenzwerten zu beachten ist.
(3)
Anschaulich (aber etwas unpra¨zise) la¨sst sich der Grenzwert g einer Funktion f ðxÞ an der Stelle x 0 wie folgt deuten: Der Funktionswert f ðxÞ unterscheidet sich beliebig wenig vom Grenzwert g, wenn man sich an der Stelle x 0 nur genu¨gend na¨hert.
Gilt fu¨r jede von links her gegen x 0 strebende Folge hx n i lim f ðxÞ ¼ g l
ðIII-25Þ
x ! x0 ðx < x 0 Þ
so heißt g l der linksseitige Grenzwert von f ðxÞ fu¨r x ! x 0. Entsprechend ist der rechtsseitige Grenzwert von f ðxÞ fu¨r x ! x 0 erkla¨rt: Fu¨r jede von rechts her gegen x 0 konvergierende Folge gilt dann (sofern der Grenzwert existiert): lim f ðxÞ ¼ g r
ðIII-26Þ
x ! x0 ðx > x 0 Þ
Besitzt die Funktion f ðxÞ an der Stelle x 0 den Grenzwert g, so gilt: lim f ðxÞ ¼ lim f ðxÞ ¼ lim f ðxÞ ¼ g
x ! x0 ðx < x 0 Þ
x ! x0 ðx > x 0 Þ
x ! x0
ðg l ¼ g r ¼ gÞ
ðIII-27Þ
180 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele (1)
Die in Bild III-48 skizzierte sog. Sprungfunktion mit der Funktionsgleichung
0 x < 0 y ¼ s ðxÞ ¼ f u¨ r 1 x 0 ist zwar an der Stelle x 0 ¼ 0 definiert, s ð0Þ ¼ 1, besitzt dort aber keinen Grenzwert, da der linksseitige Grenzwert nicht mit dem rechtsseitigen Grenzwert u¨bereinstimmt: g l ¼ lim s ðxÞ ¼ lim 0 ¼ 0 x!0 ðx < 0Þ
y
x!0 ðx < 0Þ
1
g r ¼ lim s ðxÞ ¼ lim 1 ¼ 1 x!0 ðx > 0Þ
x!0 ðx > 0Þ
x
Bild III-48
(2)
3x2 6x ist an der Stelle x 0 ¼ 2 nicht definiert. x 2 Sie besitzt an dieser Stelle jedoch einen Grenzwert: Die Funktion y ¼ f ðxÞ ¼
lim
x!2
(3)
Sprungfunktion y ¼ s ðxÞ
3x2 6x 3 x ðx 2Þ ¼ lim ¼ lim 3 x ¼ 6 x 2 x 2 x!2 x!2
(der Faktor x 2 ist wegen x 6¼ 2 stets von Null verschieden und kann daher geku¨rzt werden). pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1x 1 ¼ ? lim x x!0 Der Grenzwert fu¨hrt zuna¨chst auf den „unbestimmten Ausdruck“ 0=0, da Za¨hler und Nenner fu¨r x ! 0 jeweils verschwinden. Die Grenzwertberechnung gelingt jedoch mit einem legalen „mathematischen Trick“.pEr besteht im Erweitern des ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi Bruches mit dem von 0 verschiedenen Ausdruck 1 x þ 1 (im Za¨hler steht dann das 3. Binom): pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð 1 x 1Þ ð 1 x þ 1Þ 1x 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi lim ¼ ¼ lim x x ð 1 x þ 1Þ x!0 x!0 ¼ lim
x!0
ð1 xÞ 1 x pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ lim ¼ x ð 1 x þ 1Þ x ! 0 x ð 1 x þ 1Þ
1 1 1 1 ¼ lim pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffi ¼ ¼ 1 þ 1 2 1x þ1 1þ1 x!0
&
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion
181
4.2.2 Grenzwert einer Funktion fu¨r x ! 1 In vielen Fa¨llen interessiert das Verhalten einer Funktion fu¨r den Fall, dass die x-Werte unbeschra¨nkt wachsen ðx ! 1Þ. Wir studieren das Problem zuna¨chst am Beispiel der 1 Funktion f ðxÞ ¼ , x > 0. Wie verha¨lt sich diese Funktion fu¨r immer gro¨ßer werx dende x-Werte? Eine solche Folge ist beispielsweise hx n i ¼ 10,
100, 1000,
10 000,
...
1 Die ihr zugeordneten Funktionswerte f ðx n Þ ¼ entnehmen wir der folgenden Funkxn tionstafel (Wertetabelle): xn
10
100
1000
10 000
1 f ðx n Þ ¼ xn
0,1
0,01
0,001
0,0001
... ...
Dabei stellen wir fest, dass die Funktionswerte zunehmend kleiner werden und sich immer weniger von der Zahl 0 unterscheiden. Diese Aussage bleibt auch fu¨r jede andere, u¨ber alle Grenzen hinaus wachsende Zahlenfolge hx n i gu¨ltig. Symbolisch wird das beschrie1 bene Verhalten der Funktion f ðxÞ ¼ , x > 0 fu¨r unbeschra¨nkt wachsende x-Werte x durch den Grenzwert 1 ¼ 0 ðIII-28Þ lim x x!1 zum Ausdruck gebracht. Der Funktionsgraph na¨hert sich dabei asymptotisch der x-Achse (Bild III-49). y
y=
1 , x>0 x
Bild III-49 Asymptotisches Verhalten der Funktion y ¼ 1=x, x > 0 im Unendlichen
1
1
x
Allgemein definieren wir den Grenzwert einer Funktion fu¨r x ! 1 wie folgt: Definition: Besitzt eine Funktion y ¼ f ðxÞ die Eigenschaft, dass die Folge ihrer Funktionswerte h f ðx n Þi fu¨r jede u¨ber alle Grenzen hinaus wachsende Zahlenfolge hx n i mit x n 2 D gegen eine Zahl g strebt, so heißt g der Grenzwert der Funktion fu¨r x ! 1. Wir verwenden dafu¨r die symbolische Schreibweise lim f ðxÞ ¼ g
x!1
ðIII-29Þ
182
III Funktionen und Kurven
Entsprechend wird der Grenzwert einer Funktion y ¼ f ðxÞ fu¨r den Fall erkla¨rt, dass die x-Werte kleiner werden als jede noch so kleine Zahl (Grenzu¨bergang x ! 1Þ. Falls dieser Grenzwert vorhanden ist, schreibt man symbolisch lim f ðxÞ ¼ g
x ! 1
&
ðIII-30Þ
Beispiele Vorbemerkung: Nach elementaren Umformungen gelingt die Berechnung der folgenden Grenzwerte: 2x 1 1 (1) lim ¼ lim 2 ¼ 2 x x x!1 x!1
(2)
(nach gliedweiser Division durch x) 1 0 3 x B x C ¼ 1 (uneigentlicher Grenzwert). ¼ lim @ lim 2 1A x!1 x þ 1 x!1 1þ 2 x (nach gliedweiser Division durch x 2 )
(3)
lim
x!1
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x þ1 x 1 ¼ ? 2
Der Grenzwert fu¨hrt zuna¨chst auf den „unbestimmten Ausdruck“ 1 1, da beide Summanden des Za¨hlers fu¨r x ! 1 jeweils beliebig groß werden. Wir mu¨ssen daher den Ausdruck zuna¨chst in geeigneter Weise umformen. Dieses Ziel pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi wird erreicht, indem wir den Bruch mit x þ 1 þ x 1 erweitern. Im Za¨hler steht dann das 3. Binom ða bÞ ða þ bÞ ¼ a 2 b 2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi mit a ¼ x þ 1 und b ¼ x 1. Nach dieser (trickreichen) Umformung la¨sst sich der Grenzwert bestimmen: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð x þ 1 x 1Þ ð x þ 1 þ x 1Þ x þ1 x 1 p ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi ¼ lim ¼ lim pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 2 ð x þ 1 þ x 1Þ x!1 x!1 ¼ lim
x!1
ðx þ 1Þ ðx 1Þ 2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ lim pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 ð x þ 1 þ x 1Þ x 1Þ x!1 2 ð x þ 1 þ
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ 0 ¼ lim pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x þ1þ x 1 x!1 (der Nenner strebt gegen 1, der Bruch somit gegen 0).
&
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion
183
4.2.3 Rechenregeln fu¨r Grenzwerte Fu¨r den Umgang mit Grenzwerten gelten folgende Regeln (ohne Beweis):
Rechenregeln fu¨r Grenzwerte von Funktionen Unter der Voraussetzung, dass die Grenzwerte der Funktionen f ðxÞ und g ðxÞ existieren, gelten die folgenden Regeln: (1)
(2)
lim ½ C f ðxÞ ¼ C
x ! x0
lim ½ f ðxÞ g ðxÞ ¼ lim f ðxÞ lim g ðxÞ
x ! x0
x ! x0
lim ½ f ðxÞ g ðxÞ ¼
x ! x0
(5)
x ! x0
lim
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p ffiffiffiffiffiffiffiffiffi n f ðxÞ ¼ n lim f ðxÞ
lim
x ! x0
(7)
lim ½ f ðxÞ ¼
lim ða f ðxÞ Þ ¼ a
(III-35)
(III-36)
lim f ðxÞ
x ! x0
(III-37)
x ! x0
lim ½ log a f ðxÞ ¼ log a
x ! x0
(III-34)
(8)
lim g ðxÞ 6¼ 0
x ! x0
n lim f ðxÞ
x ! x0
(III-33)
x ! x0
n
x ! x0
x ! x0
x ! x0
(6)
lim f ðxÞ lim g ðxÞ
x ! x0
(III-31)
(III-32)
x ! x0
lim f ðxÞ f ðxÞ x ! x0 ¼ g ðxÞ lim g ðxÞ
(4)
ðC: Konstante)
x ! x0
(3)
lim f ðxÞ
lim f ðxÞ
x ! x0
(III-38)
Anmerkungen (1) (2)
Diese Regeln gelten entsprechend auch fu¨r Grenzwerte vom Typ x ! 1 bzw. x ! 1. 0 1 Grenzwerte, die zu einem sog. unbestimmten Ausdruck vom Typ oder 0 1 fu¨hren, ko¨nnen nach der Regel von Bernoulli-L’Hospital weiterbehandelt werden. Wir kommen an anderer Stelle darauf zuru¨ck (siehe Kap. VI, Abschnitt 3.3.3).
184 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele (1)
lim
x ! 1
3 ðx 2 1Þ ðx þ 1Þ ðx 1Þ ¼ 3 lim ¼ 3 lim ðx 1Þ ¼ x þ1 x þ1 x ! 1 x ! 1 ¼ 3 ð2Þ ¼ 6
ðzun¨achst den von Null verschiedenen gemeinsamen Faktor x þ 1 k¨urzenÞ
(2)
x2 2x þ 5 lim ¼ cos x x!0
lim ðx 2 2 x þ 5Þ
x!0
lim cos x
¼
x!0
5 5 ¼ ¼ 5 cos 0 1
&
4.2.4 Ein Anwendungsbeispiel: Erzwungene Schwingung eines mechanischen Systems Wir betrachten ein schwingungsfa¨higes mechanisches System (z. B. ein Federpendel) mit der Masse m und der Eigenkreisfrequenz w 0 3Þ . Durch eine periodische a¨ußere Kraft F ðtÞ ¼ F 0 sin ðw tÞ wird das System zu erzwungenen Schwingungen erregt, d. h. nach Ablauf einer gewissen Einschwingphase tritt ein stationa¨rer Zustand ein, in dem das System mit der von außen aufgezwungenen Kreisfrequenz w schwingt. Bei fehlender Da¨mpfung ha¨ngt die Schwingungsamplitude A wie folgt von der Erregerkreisfrequenz w ab: A ¼ A ðwÞ ¼
F0 , m j w 2 w 20 j
w 6¼ w 0
A ðwÞ ist demnach eine gebrochenrationale Funktion. Sie zeigt den in Bild III-50 dargestellten typischen Verlauf und wird allgemein als Resonanzkurve bezeichnet. A
v0 Bild III-50
3Þ
v
Resonanzkurve bei einer erzwungenen mechanischen Schwingung
Unter der Eigenkreisfrequenz w 0 wird die Kreisfrequenz des frei und ungeda¨mpft schwingenden Systems verstanden.
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion
185
Was passiert eigentlich, wenn sich die Erregerkreisfrequenz w der Eigenkreisfrequenz w 0 beliebig na¨hert, also w gegen w 0 strebt? Die Grenzwertbildung fu¨hrt zu dem folgenden Ergebnis: lim A ðwÞ ¼ lim
w ! w0
w ! w0
F0 m j w 2 w 20 j
¼ 1
Die Schwingungsamplitude wa¨chst also u¨ber alle Grenzen hinaus (Polstelle), d. h. das schwingungsfa¨hige System wird zersto¨rt (sog. „Resonanzkatastrophe“). Zum Schluss untersuchen wir noch das Verhalten des Systems fu¨r große Erregerkreisfrequenzen, wenn also w gegen 1 strebt: lim A ðwÞ ¼ lim
w!1
w!1
F0 mj
w2
w 20 j
¼ 0
Die Schwingungsamplitude A strebt also gegen Null, d. h. es findet keine Schwingung mehr statt. Physikalisch einleuchtender Grund: Das System ist nicht mehr in der Lage, den raschen nderungen der a¨ußeren Kraft zu folgen, es kommt daher zum Stillstand!
4.3 Stetigkeit einer Funktion Definition: Eine in x 0 und in einer gewissen Umgebung von x 0 definierte Funktion y ¼ f ðxÞ heißt an der Stelle x 0 stetig, wenn der Grenzwert der Funktion an dieser Stelle vorhanden ist und mit dem dortigen Funktionswert u¨bereinstimmt: lim f ðxÞ ¼ f ðx 0 Þ
x ! x0
ðIII-39Þ
Anmerkungen
&
(1)
Anschaulich (aber etwas unpra¨zise) la¨sst sich die Stetigkeit einer Funktion y ¼ f ðxÞ an der Stelle x 0 wie folgt interpretieren: Der Funktionswert f ðxÞ unterscheidet sich beliebig wenig von f ðx 0 Þ, wenn x nur genu¨gend nahe an der Stelle x 0 liegt.
(2)
Eine Funktion, die an jeder Stelle ihres Definitionsbereiches stetig ist, wird als stetige Funktion bezeichnet.
Beispiele (1)
Funktionswert und Grenzwert der Funktion f ðxÞ ¼ x 2 stimmen an der Stelle x 0 ¼ 1 u¨berein: lim x 2 ¼ f ð1Þ ¼ 1
x!1
Daher ist die Funktion an dieser Stelle stetig. Sie ist sogar u¨berall in ihrem Definitionsbereich D ¼ ð1, 1Þ stetig und somit eine stetige Funktion.
186
(2)
(3)
III Funktionen und Kurven
Die meisten der elementaren Funktionen (wir behandeln sie in den folgenden Abschnitten) sind stetige Funktionen. Zu ihnen geho¨ren beispielsweise die ganzrationalen Funktionen, die trigonometrischen Funktionen und die Exponentialfunktionen. qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Die Funktion f ðxÞ ¼ j x 1 j ist u¨berall definiert, da j x 1 j 0 ist fu¨r jedes reelle x. Wir untersuchen, ob sie an der Stelle x 0 ¼ 1 stetig ist. Funktionswert an der Stelle x 0 ¼ 1: f ð1Þ ¼ 0 Linksseitiger Grenzwert g l : Wir setzen x ¼ 1 h mit h > 0 und erhalten: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi j 1 h 1 j ¼ lim j h j ¼ lim h ¼ 0 g l ¼ lim f ðxÞ ¼ lim x!1 ðx < 1Þ
h!0
h!0
h!0
Rechtsseitiger Grenzwert g r : Wir setzen x ¼ 1 þ h mit h > 0 und erhalten: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi j 1 þ h 1 j ¼ lim j h j ¼ lim h ¼ 0 g r ¼ lim f ðxÞ ¼ lim x!1 ðx > 1Þ
h!0
h!0
h!0
Somit ist g r ¼ g l ¼ 0 und die Funktion besitzt an der Stelle x 0 ¼ 1 den Grenzwert g ¼ 0. Funktionswert und Grenzwert stimmen also an der Stelle x 0 ¼ 1 u¨berein, die Funktion ist daher an dieser Stelle stetig.
(4)
1 kann bei x 0 ¼ 1 nicht stetig sein, da sie an dieser 1x Stelle nicht definiert ist. Sie besitzt dort eine Definitionslu¨cke. Auch der Grenzwert ist nicht vorhanden.
Die Funktion f ðxÞ ¼
&
4.4 Unstetigkeiten (Lu¨cken, Pole, Spru¨nge) Stellen, in denen eine Funktion die Stetigkeitsbedingung (III-39) nicht erfu¨llt, heißen Unstetigkeitsstellen. Eine Funktion f ðxÞ ist also an einer Stelle x 0 unstetig, wenn mindestens eine der folgenden Aussagen zutrifft: 1. f ðxÞ ist an der Stelle x 0 nicht definiert, hat dort also eine Definitionslu¨cke; 2. Der Grenzwert von f ðxÞ an der Stelle x 0 ist nicht vorhanden; 3. Funktionswert f ðx 0 Þ und Grenzwert g sind zwar vorhanden, jedoch voneinander verschieden, d. h. es gilt f ðx 0 Þ 6¼ g. Anhand von Beispielen zeigen wir die verschiedenen Arten von Unstetigkeiten (Lu¨cken, Pole, endliche Spru¨nge).
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion &
187
Beispiele (1)
Hebbare Lu¨cke
x2 1 besitzt in x 0 ¼ 1 eine Defix þ1 nitionslu¨cke und ist daher an dieser Stelle unstetig. Der Grenzwert ist jedoch vorhanden: Die gebrochenrationale Funktion f ðxÞ ¼
x2 1 ðx þ 1Þ ðx 1Þ ¼ lim ¼ lim ðx 1Þ ¼ 2 x þ1 x þ1 x ! 1 x ! 1
lim
x ! 1
Vor der Durchfu¨hrung des Grenzu¨bergangs haben wir den Za¨hler und Nenner gemeinsamen Faktor x þ 1 geku¨rzt (dieser kann wegen x 6¼ 1 nicht Null werden). Die Definitionslu¨cke in x 0 ¼ 1 kann durch die nachtra¨gliche Festsetzung f ð 1Þ ¼ lim
x ! 1
x2 1 ¼ 2 x þ1
behoben werden (man setzt Funktionswert ¼ Grenzwert). Durch diese Aba¨nderung erhalten wir aus f ðxÞ eine neue Funktion g ðxÞ, die fu¨r alle x 2 R definiert und stetig ist und sich als identisch erweist mit der linearen Funktion (Geraden) y ¼ x 1 (Bild III-51): 8 2 9 >
x þ1 g ðxÞ ¼ ¼ x 1 f u¨ r > > : ; x ¼ 1 2 y y=x–1 1
1
x
Bild III-51 Graph der „erweiterten“ Funktion y ¼ x 1
Aus diesem Beispiel ziehen wir eine wichtige Folgerung: Eine Definitionslu¨cke (Unstetigkeit) x 0 la¨sst sich beheben, wenn der Grenzwert an dieser Stelle vorhanden ist. Man setzt dann f ðx 0 Þ ¼ lim f ðxÞ x ! x0
und erha¨lt eine in x 0 stetige Funktion.
188
(2)
III Funktionen und Kurven
Unendlichkeitsstelle (Pol) Die gebrochenrationale Funktion f ðxÞ ¼
1
besitzt an der Stelle x 0 ¼ 3 ðx 3Þ 2 eine Definitionslu¨cke. Sie verla¨uft bei Anna¨herung an diese Stelle ins Unendliche: lim
x!3
1 ðx 3Þ 2
¼ þ1
(uneigentlicher Grenzwert). Die Funktion hat hier eine sog. Unendlichkeitsstelle oder Polstelle (Bild III-52). Diese Unstetigkeit la¨sst sich nicht beheben, da der Grenzwert an der Stelle x 0 ¼ 3 nicht vorhanden ist. y
8 6 4 2
Bild III-52 1
(3)
2
3
4
5
6
x
Endlicher Sprung (Sprungunstetigkeit) Die in Bild III-53 skizzierte Funktion 4Þ 8 9 x < 0> > < 1 = y ¼ f ðxÞ ¼ 0 f u¨ r x ¼ 0 > > : ; 1 x > 0 ist in x 0 ¼ 0 unstetig, da der Grenzwert an dieser Stelle nicht existiert. Zwar sind links- und rechtsseitiger Grenzwert vorhanden, sie unterscheiden sich jedoch voneinander: Linksseitiger Grenzwert: g l ¼ lim f ðxÞ ¼ lim ð 1Þ ¼ 1 x!0 ðx < 0Þ
x!0 ðx < 0Þ
Rechtsseitiger Grenzwert: g r ¼ lim f ðxÞ ¼ lim ð1Þ ¼ 1 x!0 ðx > 0Þ
x!0 ðx > 0Þ
Eine Unstetigkeit dieser Art bezeichnet man als Sprungunstetigkeit. In diesem Beispiel „springt“ der Funktionswert von 1 u¨ber 0 nach þ 1. 4Þ
Diese Funktion wird auch als „Vorzeichenfunktion“ oder Signumfunktion bezeichnet ð f ðxÞ ¼ sgn ðxÞÞ.
4 Grenzwert und Stetigkeit einer Funktion
189
y 1
x –1
Bild III-53
(4)
Ein Beispiel fu¨r eine Funktion mit einer Sprungunstetigkeit in x 0 ¼ 0
Sprungfunktion der Regelungstechnik Die in der Regelungstechnik beno¨tigte zeitabha¨ngige Sprungfunktion
0 t < 0 u ¼ f ðtÞ ¼ f u¨ r (Bild III-54) u0 t 0 ist fu¨r t 0 ¼ 0 zwar definiert ðes ist f ð0Þ ¼ u 0 Þ, besitzt jedoch an dieser Stelle keinen Grenzwert, da der linksseitige Grenzwert vom rechtsseitigen Grenzwert abweicht (es findet ein Sprung der Gro¨ße u 0 statt). Die Funktion ist daher an der Stelle t 0 ¼ 0 unstetig. u u0
Bild III-54 Sprungfunktion der Regelungstechnik t
(5)
Periodische Funktion mit unendlich vielen Sprungstellen Funktionen mit Sprungunstetigkeiten treten z. B. in der Elektrotechnik im Zusammenhang mit periodischen Impulsen auf. Der in Bild III-55 skizzierte „Sa¨gezahnimpuls“ besitzt an den Stellen T, 2 T, 3 T, . . . jeweils eine Sprungunstetigkeit. An diesen Stellen fa¨llt der Impuls von seinem Maximalwert y 0 auf den Wert 0. y y0
T
Bild III-55
2T
3T
„Sa¨gezahnimpuls“ mit periodischen Sprungunstetigkeiten
t &
190
III Funktionen und Kurven
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen) 5.1 Definition einer ganzrationalen Funktion Definition: Funktionen vom Typ f ðxÞ ¼ a n x n þ a n 1 x n 1 þ . . . þ a 1 x 1 þ a 0
ðIII-40Þ
werden als ganzrationale Funktionen oder Polynomfunktionen bezeichnet ðmit x 2 R und n 2 NÞ. Die reellen Koeffizienten a 0 , a 1 , . . ., a n heißen Polynomkoeffizienten ða n 6¼ 0Þ, der ho¨chste Exponent n in der Funktionsgleichung bestimmt den Polynomgrad.
&
Beispiele (1)
y ¼ 4
Polynom vom Grade 0
(Konstante Funktion)
y ¼ 2x 3
Polynom vom Grade 1
(Lineare Funktion)
y ¼ 2x 3x þ 5
Polynom vom Grade 2
(Quadratische Funktion)
y ¼ x x
Polynom vom Grade 3
(Kubische Funktion)
2
3
y ¼ 4x x þ 3x 8
5
Polynom vom Grade 8
(2)
Zu den ganzrationalen Funktionen geho¨ren auch die Potenzfunktionen y ¼ x n mit n 2 N*. Ihre ersten Vertreter sind: y ¼ x, y ¼ x 2 , y ¼ x 3 usw. .
(3)
Einfache Beispiele aus den physikalisch-technischen Anwendungen, die sich durch Polynomfunktionen beschreiben lassen sind: Wurfparabel beim waagerechten bzw. senkrechten Wurf Weg-Zeit-Gesetz beim freien Fall Biegelinie eines durch Kra¨fte belasteten Balkens &
Polynomfunktionen (kurz auch als Polynome bezeichnet) sind Linearkombinationen von Potenzen und u¨berall in R definiert und stetig. Sie besitzen in vieler Hinsicht besonders einfache und u¨berschaubare Eigenschaften und spielen daher in den Anwendungen eine bedeutende Rolle. Gru¨nde hierfu¨r sind u. a.: –– Der Kurvenverlauf la¨sst sich leicht aus den Nullstellen und dem Verhalten der ho¨chsten Potenz im Unendlichen ermitteln. –– Polynomfunktionen lassen sich problemlos differenzieren und integrieren. –– Zahlreiche bei der Lo¨sung naturwissenschaftlich-technischer Probleme auftretende Funktionen ko¨nnen zumindest in bestimmten Teilbereichen durch ganzrationale Funktionen angena¨hert werden (siehe hierzu Kap. VI, Abschnitt 3.3.1).
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen)
191
5.2 Konstante und lineare Funktionen Polynomfunktionen vom Grade 0 bezeichnet man als konstante Funktionen: y ¼ const: ¼ a 0
oder
y ¼ const: ¼ a
ðIII-41Þ
In der graphischen Darstellung erha¨lt man eine zur x-Achse parallel verlaufende Gerade (Bild III-56). y y = const. = a a
Bild III-56 Konstante Funktion y ¼ const: ¼ a x
&
Beispiele (1)
Bei einer geradlinig gleichfo¨rmigen Bewegung ist die Geschwindigkeit v unabha¨ngig von der Zeit t : v ¼ v ðtÞ ¼ const:
(2)
Die Gesamtenergie (Schwingungsenergie) E eines reibungsfrei schwingenden Federpendels bleibt zeitlich unvera¨ndert, d. h. E ¼ E ðtÞ ¼ const: &
Besonders ha¨ufig treten in den Anwendungen lineare Funktionen (Polynomfunktionen vom Grade 1) auf: y ¼ a1 x þ a0
oder
y ¼ mx þ b
ðIII-42Þ
(mit a 1 6¼ 0) bzw. m 6¼ 0). Die zeichnerische Darstellung ergibt eine Gerade mit der Steigung m und dem Achsenabschnitt b auf der y-Achse (Bild III-57). Steigung m und Steigungswinkel a sind dabei u¨ber die Beziehung m ¼ tan a miteinander verknu¨pft. y
y = mx + b
a
Bild III-57 Gerade y ¼ m x þ b
b x
192
III Funktionen und Kurven
Neben der Haupt- oder Normalform y ¼ m x þ b und der allgemeinensten Form A x þ B y þ C ¼ 0 sind noch weitere Formen der Geradengleichung von Bedeutung: Punkt-Steigungs-Form einer Geraden (Bild III-58) Die Gleichung einer Geraden durch den Punkt P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 Þ mit der Steigung m lautet: y y1 ¼ m x x1
ðIII-43Þ
y P
P1
y – y1
a
Bild III-58 Zur Punkt-Steigungs-Form einer Geraden
y
x – x1
y1
a x1
x
x
Zwei-Punkte-Form einer Geraden (Bild III-59) Die Gleichung einer Geraden durch zwei (voneinander verschiedene) Punkte P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 Þ und P 2 ¼ ðx 2 ; y 2 Þ lautet: y y1 y2 y1 ¼ x x1 x2 x1
ðIII-44Þ
y P P2 y – y1 P1
a
y2 – y1
a x2 – x1
y1
y2
Bild III-59 Zur Zwei-Punkte-Form einer Geraden
y
x – x1 x1
x2
x
x
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen)
193
Achsenabschnittsform einer Geraden (Bild III-60) Die Gleichung einer Geraden mit den Achsenabschnitten a und b lautet: x y þ ¼ 1 a b
ðIII-45Þ
a:
Achsenabschnitt auf der x-Achse (Schnittpunkt mit der x-Achse)
b:
Achsenabschnitt auf der y-Achse (Schnittpunkt mit der y-Achse)
Anmerkung Die Achsenabschnitte ko¨nnen positiv oder negativ ausfallen, je nachdem ob die zugeho¨rigen Achsenschnittpunkte der Geraden auf dem positiven oder negativen Teil der Achse liegen.
y
b
Bild III-60 Zur Achsenabschnittsform einer Geraden a
&
x
Beispiele (1)
Beim freien Fall ist die Fallgeschwindigkeit v eine lineare Funktion der Zeit t : v ¼ g t þ v0 ( g: Erdbeschleunigung; v 0 : Anfangsgeschwindigkeit)
(2)
Fu¨r eine elastische Feder gilt das folgende lineare Kraftgesetz: F ¼ c s
ðHookesches GesetzÞ
(c: Federkonstante; s: Auslenkung der Feder; F : Ru¨ckstellkraft der Feder) (3)
P 1 ¼ ð3; 10Þ und P 2 ¼ ð5; 14Þ sind zwei Punkte einer Geraden. Wie lautet die Funktionsgleichung dieser Geraden? Lo¨sung: Aus der Zwei-Punkte-Form (III-44) folgt unmittelbar: y 10 14 10 ¼ ¼ 2 x 3 53
)
y 10 ¼ 2 ðx 3Þ
)
y ¼ 2x þ 4 &
194
III Funktionen und Kurven
5.3 Quadratische Funktionen Quadratische Funktionen sind Polynomfunktionen 2. Grades und in der Haupt- oder Normalform y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0
oder
y ¼ ax2 þ bx þ c
ðIII-46Þ
darstellbar (mit a 2 6¼ 0 bzw. a 6¼ 0). In der graphischen Darstellung erha¨lt man eine Parabel. Der Koeffizient a bestimmt die ffnung der Parabel und wird daher auch als ffnungsparameter bezeichnet, wobei gilt (Bild III-61): a > 0:
Parabel ist nach oben geo¨ffnet, Scheitelpunkt S ist zugleich Tiefpunkt
a < 0:
Parabel ist nach unten geo¨ffnet, Scheitelpunkt S ist zugleich Hochpunkt
Die einzige Symmetrieachse der Parabel verla¨uft parallel zur y-Achse durch den Scheitelpunkt S. y S a>0 x
a 0Þ
Beispiele 1 m v 2 eines Ko¨rpers der Masse m ist eine qua2 dratische Funktion der Geschwindigkeit v.
(1)
Die kinetische Energie E kin ¼
(2)
Bei einer geradlinig gleichfo¨rmig beschleunigten Bewegung ist der zuru¨ckgelegte Weg s eine quadratische Funktion der Zeit t : s ¼
1 a t 2 þ v0 t þ s0 2
(a: Beschleunigung; s 0 und v 0 sind Anfangslage bzw. Anfangsgeschwindigkeit zu Beginn der Bewegung, d. h. zum Zeitpunkt t ¼ 0) (3)
Wird ein Ko¨rper im luftleeren Raum aus der Ho¨he h 0 > 0 waagerecht mit der konstanten Geschwindigkeit v 0 abgeworfen, so bewegt er sich auf einer als Wurfparabel bezeichneten Parabel mit der Funktionsgleichung g ðx 0Þ y ¼ 2 x2 þ h0 v0 (Abwurfort auf der y-Achse: x ¼ 0, y ðx ¼ 0Þ ¼ h 0 ; g: Erdbeschleunigung).
&
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen)
195
Spezielle Formen einer Parabelgleichung Sehr von Nutzen sind in den Anwendungen zwei spezielle Formen der Parabelgleichung. Es handelt sich dabei um die Produkt- bzw. Scheitelpunktsform.
Produktform einer Parabel (Bild III-62) y ¼ a x 2 þ b x þ c ¼ a ðx x 1 Þ ðx x 2 Þ
ðIII-47Þ
x 1; x 2 :
Schnittpunkte der Parabel mit der x-Achse (reelle Nullstellen)
a:
ffnungsparameter ða 6¼ 0Þ
y
y
S x1
x2
x1 = x 2
x
x
S
Bild III-62
Zur Produktform einer Parabel
Bild III-63
Doppelte Nullstelle einer Parabel (Beru¨hungspunkt ¼ Scheitelpunkt)
Anmerkungen (1)
Die linearen Bestandteile x x 1 und x x 2 in der Produktform (III-47) werden als Linearfaktoren bezeichnet. Diese Zerlegung ist nur mo¨glich, wenn die Parabel mit der x-Achse zum Schnitt kommt, also zwei reelle Nullstellen hat.
(2)
Aus Symmetriegru¨nden liegt der Scheitelpunkt S immer genau in der Mitte zwischen den beiden Nullstellen (vgl. hierzu auch Bild III-62).
(3)
Sonderfall: Fallen die beiden Nullstellen zusammen (x 1 ¼ x 2 , sog. doppelte Nullstelle), so liegt der Scheitelpunkt auf der x-Achse und ist zugleich Beru¨hungspunkt (Bild III-63). Die Produktform besitzt dann die spezielle Form y ¼ a ðx x 1 Þ ðx x 1 Þ ¼ a ðx x 1 Þ 2
ðIII-48Þ
Diese Gleichung ist ein Sonderfall der Scheitelpunktsform, die wir im Anschluss an die nachfolgenden Beispiele kennenlernen werden.
196 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele (1)
y ¼ 2x2 8x þ 6
(siehe Bild III-64)
Nullstellen: 2 x 2 8 x þ 6 ¼ 0 j : 2 x 1 ¼ 1,
)
x2 4x þ 3 ¼ 0
)
x2 ¼ 3
Scheitelpunkt (¼ Minimum): S ¼ ð2; 2Þ Produktform der Parabel: y ¼ 2 ðx 1Þ ðx 3Þ y y = 2x 2 – 8x + 6 1
1
3
Bild III-64 Schaubild der Parabel y ¼ 2x2 8x þ 6
x
–1
S = (2 , – 2)
(2)
y ¼ 0,5 x 2 2 x 2
ðsiehe Bild III-65Þ
Nullstellen: 0,5 x 2 x 2 ¼ 0 j ð 2Þ
)
2
x2 þ 4x þ 4 ¼ 0
)
x 1 ¼ x 2 ¼ 2 ðdoppelte NullstelleÞ Scheitelpunkt (¼ Maximum): S ¼ ð 2; 0Þ Produktform der Parabel: y ¼ 0,5 ðx þ 2Þ 2 y S –2
1
x
–1
Bild III-65 Schaubild der Parabel y ¼ 0,5 x 2 2 x 2
y = – 0,5 x 2 – 2 x – 2 &
Scheitelpunktsform einer Parabel (Bild III-66) y y 0 ¼ a ðx x 0 Þ 2 x 0 , y 0 : Koordinaten des Scheitelpunktes S a: ffnungsparameter
ðIII-49Þ
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen)
197
y
S y0
Bild III-66 Zur Scheitelpunktsform einer Parabel
x0
&
x
Beispiele (1)
Wo liegt der Scheitelpunkt der Parabel y ¼ 3 x 2 6 x þ 12? Wie lautet die Scheitelpunktsform dieser Parabel? Lo¨sung: Durch quadratische Erga¨nzung erha¨lt man y ¼ 3 x 2 6 x þ 12 ¼ 3 ðx 2 2 xÞ þ 12 ¼ ¼ 3 ðx 2 2 x þ 1 1Þ þ 12 ¼ ¼ 3 ðx 2 2 x þ 1 Þ þ 3 ð 1Þ þ 12 ¼ 3 ðx 1Þ 2 þ 9 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} ðx 1Þ 2
Scheitelpunktsform: y 9 ¼ 3 ðx 1Þ 2 Scheitelpunkt: S ¼ ð1; 9Þ (2)
Schiefer Wurf: Ein Ko¨rper wird zur Zeit t ¼ 0 unter einem Winkel a gegen die Horizontale mit der Geschwindigkeit v 0 schra¨g nach oben geworfen (Bild III-67). Die Gleichung der durchlaufenden Bahnkurve lautet dann in der Parameterform wie folgt: x ¼ ðv 0 cos aÞ t ,
y ¼ ðv 0 sin aÞ t
1 gt2 2
ðt 0Þ
Wir suchen die Gleichung der Wurfparabel in expliziter Form sowie Wurfweite W und Wurfho¨he H fu¨r v 0 ¼ 20 m=s, a ¼ 30 und g ¼ 10 m=s 2 . y S
P
Wurfparabel
v0 y
y0
a x1
Bild III-67
x
x0
Wurfparabel beim schiefen Wurf
x2
x
198
III Funktionen und Kurven
Lo¨sung: Parameterdarstellung der Wurfparabel: x ¼ 17,3205
m t; s
m m t 5 2 t2 s s
y ¼ 10
ðt 0 sÞ
Gleichung der Wurfparabel in expliziter Form (wir lo¨sen die 1. Gleichung nach t auf und setzen den gefundenen Ausdruck in die 2. Gleichung ein): y ¼ 0,5774 x
0,0167 x2 m
ðx 0 mÞ
Nullstellen: x 1 ¼ 0 m (Abwurfort),
x 2 ¼ 34,58 m
Der Scheitelpunkt S liegt aus Symmetriegru¨nden genau in der Mitte zwischen den beiden Nullstellen. Seine Koordinaten lauten daher: x0 ¼
x1 þ x2 ¼ 17,29 m ; 2
y 0 ¼ y ðx 0 ¼ 17,29 mÞ ¼ 4,99 m
Wurfweite: W ¼ x 2 x 1 ¼ 34,58 m Wurfho¨he: H ¼ y 0 ¼ 4,99 m
&
5.4 Polynomfunktionen ho¨heren Grades Quadratische Funktionen lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen in der Produktform y ¼ a ðx x 1 Þ ðx x 2 Þ schreiben, wobei x 1 und x 2 die reellen Nullstellen der Parabel bedeuten. Gibt es fu¨r Polynome ho¨heren Grades ðn 3Þ a¨hnliche Darstellungen? Diese Frage du¨rfen wir bejahen. Wir werden im Folgenden zeigen, dass auch ganzrationale Funktionen 3., 4. und ho¨heren Grades in Form eines Produktes aus lauter Linearfaktoren darstellbar sind, sofern gewisse Voraussetzungen erfu¨llt sind. Die Eigenschaften von Polynomfunktionen n-ten Grades formulieren wir in den folgenden drei Sa¨tzen und belegen sie durch zahlreiche Beispiele. Abspaltung eines Linearfaktors Abspaltung eines Linearfaktors Besitzt die Polynomfunktion f ðxÞ vom Grade n an der Stelle x 1 eine Nullstelle, ist also f ðx 1 Þ ¼ 0, so ist die Funktion auch in der Form f ðxÞ ¼ ðx x 1 Þ f 1 ðxÞ
ðIII-50Þ
darstellbar. Der Faktor ðx x 1 Þ heißt Linearfaktor, f 1 ðxÞ ist das sog. 1. reduzierte Polynom vom Grade n 1. Diese Art der Zerlegung einer Polynomfunktion wird auch als Abspaltung eines Linearfaktors bezeichnet.
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen) &
199
Beispiel y ¼ f ðxÞ ¼ x 3 2 x 2 5 x þ 6 Durch Probieren findet man eine Nullstelle bei x 1 ¼ 1. Die Polynomfunktion ist daher in der Form y ¼ f ðxÞ ¼ x 3 2 x 2 5 x þ 6 ¼ ðx 1Þ f 1 ðxÞ darstellbar, wobei das 1. reduzierte Polynom f 1 ðxÞ eine quadratische Funktion ist, die man wie folgt durch Polynomdivision erha¨lt: f 1 ðxÞ ¼ ðx 3 2 x 2 5 x þ 6Þ : ðx 1Þ ¼ x 2 x 6 ðx 3
x 2Þ x2 5x þ 6
ð x 2 þ
xÞ
6x þ 6 ð 6 x þ 6Þ 0 Daher gilt y ¼ f ðxÞ ¼ x 3 2 x 2 5 x þ 6 ¼ ðx 1Þ ðx 2 x 6Þ
&
Nullstellen einer Polynomfunktion ber die Anzahl der Nullstellen einer Polynomfunktion n-ten Grades gibt der folgende fundamentale Satz aus der Algebra Aufschluss (ohne Beweis): Nullstellen einer Polynomfunktion Eine Polynomfunktion n-ten Grades besitzt ho¨chstens n reelle Nullstellen. Anmerkung Mehrfach auftretende Nullstellen werden entsprechend oft mitgeza¨hlt (siehe hierzu das nachfolgende Beispiel (2)). &
Beispiele (1)
y ¼ f ðxÞ ¼ x 3 2 x 2 5 x þ 6, Drei reelle Nullstellen in x 1 ¼ 2,
(2)
n ¼ 3 x2 ¼ 1
y ¼ f ðxÞ ¼ x 3 þ 0,1 x 2 4,81 x 4,225,
und
x 3 ¼ 3.
n ¼ 3
Drei reelle Nullstellen bei x 1 ¼ x 2 ¼ 1,3 (doppelte Nullstelle) und x 3 ¼ 2,5.
200
III Funktionen und Kurven
(3)
Die Polynomfunktion y ¼ f ðxÞ ¼ x 3 x 2 þ 4 x 4 ist vom Grade 3, besitzt jedoch nur eine reelle Nullstelle an der Stelle x 1 ¼ 1.
(4)
Die Funktion y ¼ f ðxÞ ¼ x 2 þ 1 liefert ein einfaches Beispiel fu¨r eine Polynomfunktion 2. Grades ohne reelle Nullstellen. Es handelt sich um die um eine Einheit nach oben verschobene Normalparabel (keine Schnittpunkte mit der x-Achse). &
Produktherstellung einer Polynomfunktion Aus den als bekannt vorausgesetzten (reellen) Nullstellen einer Polynomfunktion la¨sst sich a¨hnlich wie bei einer Parabel eine spezielle Darstellungsform der Funktion gewinnen, die als Produktdarstellung oder Produktform bezeichnet wird: Produktdarstellung einer Polynomfunktion Besitzt eine Polynomfunktion n-ten Grades genau n reelle Nullstellen x 1 , x 2 , . . . , x n , so la¨sst sich die Funktion auch in Form eines Produktes wie folgt darstellen: f ðxÞ ¼ a n x n þ a n 1 x n 1 þ . . . þ a 1 x þ a 0 ¼ ¼ a n ðx x 1 Þ ðx x 2 Þ . . . ðx x n Þ
ðIII-51Þ
Die n Faktoren x x 1 , x x 2 , . . . , x x n werden als Linearfaktoren der Produktdarstellung bezeichnet. Anmerkungen (1)
Die Produktdarstellung (III-51) wird auch als Zerlegung eines Polynoms in Linearfaktoren bezeichnet.
(2)
Den Koeffizienten a n in der Produktform (III-51) nicht vergessen!
(3)
Bei einer doppelten Nullstelle tritt der zugeho¨rige Linearfaktor doppelt, bei einer dreifachen Nullstelle dreifach auf usw. (vgl. hierzu die nachfolgenden Beispiele (2) und (4)). Sie werden dann jeweils zu Potenzen zusammengefasst.
(4)
Ist die Anzahl k der reellen Nullstellen (inklusive der entsprechend oft geza¨hlten mehrfachen Nullstellen) kleiner als der Polynomgrad n, so besitzt die Produktdarstellung die folgende spezielle Form: f ðxÞ ¼ a n ðx x 1 Þ ðx x 2 Þ . . . ðx x k Þ f * ðxÞ
ðIII-52Þ
Dabei ist f * ðxÞ eine Polynomfunktion vom Grade n k ohne reelle Nullstellen, d. h. es gilt im Reellen f * ðxÞ 6¼ 0. Das Restpolynom f * ðxÞ la¨sst sich also nicht weiter zerlegen. Der Koeffizient a n kann auch in f * ðxÞ einbezogen werden. Hinweis: Im Bereich der komplexen Zahlen liefert das Restpolynom (bei reellen Polynomkoeffizienten) stets sog. konjugiert komplexe Nullstellen (siehe hierzu Kap. VII). Der Fundamentalsatz lautet dann wie folgt: „Ein Polynom vom Grade n mit ausschließlich reellen Koeffizienten besitzt genau n (reelle oder komplexe) Nullstellen“.
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen) &
201
Beispiele (1)
y ¼ f ðxÞ ¼ 2 x 2 þ 7 x 22 Nullstellen: x 1 ¼ 2,
x 2 ¼ 5,5
Produktdarstellung: y ¼ 2 ðx 2Þ ðx þ 5,5Þ (2)
y ¼ f ðxÞ ¼ 3 x 3 þ 3 x 2 3 x 3 Nullstellen: x 1 ¼ 1 (doppelte Nullstelle, Beru¨hrungspunkt),
x2 ¼ 1
Produktdarstellung: y ¼ 3 ðx þ 1Þ ðx þ 1Þ ðx 1Þ ¼ 3 ðx þ 1Þ 2 ðx 1Þ Bild III-68 zeigt den Verlauf der Polynomfunktion, ermittelt aus den Nullstellen, der Schnittstelle mit der y-Achse bei y ðx ¼ 0Þ ¼ 3 und dem Verhalten der Funktion fu¨r x ! 1 (die ho¨chste Potenz 3 x 3 und damit die Funktion selbst streben fu¨r x ! 1 gegen 1). y 4
y = 3 (x + 1) 2 (x –1)
2
Bild III-68 –2
–1
1
2
x
–2 –4
(3)
Die Nullstellenberechnung der Funktion y ¼ x 4 13 x 2 þ 36 fu¨hrt zu der biquadratischen Gleichung x 4 13 x 2 þ 36 ¼ 0 die durch die Substitution z ¼ x 2 wie folgt gelo¨st wird (bitte nachrechnen): z 2 13 z þ 36 ¼ 0
)
z 1 ¼ 4, z 2 ¼ 9
x2 ¼ z1 ¼ 4
)
x 1 ¼ 2,
x2 ¼ 2
x2 ¼ z2 ¼ 9
)
x 3 ¼ 3,
x4 ¼ 3
Das Polynom besitzt demnach vier verschiedene reelle Nullstellen bei x 1 ¼ 2, x 2 ¼ 2, x 3 ¼ 3 und x 4 ¼ 3. Die Produktdarstellung lautet daher: y ¼ ðx 2Þ ðx þ 2Þ ðx 3Þ ðx þ 3Þ
202
(4)
III Funktionen und Kurven
Eine Polynomfunktion 3. Grades besitze in x 1 ¼ 5 eine doppelte und in x 2 ¼ 8 eine einfache Nullstelle und schneide die y-Achse bei y ð0Þ ¼ 100. Wie lautet die Gleichung der Funktion? Lo¨sung: Ansatz der Funktion in der Produktform: y ¼ a ðx þ 5Þ ðx þ 5Þ ðx 8Þ ¼ a ðx þ 5Þ 2 ðx 8Þ Der Koeffizient a wird aus dem Schnittpunkt mit der y-Achse bestimmt: y ð0Þ ¼ 100
)
a 5 2 ð 8Þ ¼ 200 a ¼ 100
)
a ¼ 0,5
Die gesuchte Funktion besitzt damit die Funktionsgleichung y ¼ 0,5 ðx þ 5Þ 2 ðx 8Þ ¼ 0,5 x 3 x 2 þ 27,5 x þ 100 (5)
Die Polynomfunktion y ¼ 2 x 3 6 x 2 þ 2 x 6 besitzt nur eine einfache (reelle) Nullstelle bei x 1 ¼ 3. Ihre Produktdarstellung lautet daher wie folgt: y ¼ ðx 3Þ f * ðxÞ f * ðxÞ ist dabei eine Polynomfunktion 2. Grades ohne (reelle) Nullstellen. Durch Polynomdivision findet man: f * ðxÞ ¼ ð2 x 3 6 x 2 þ 2 x 6Þ : ðx 3Þ ¼ 2 x 2 þ 2 ð2 x 3 6 x 2 Þ 2x 6 ð2 x 6Þ 0 Somit gilt: y ¼ 2 x 3 6 x 2 þ 2 x 6 ¼ ðx 3Þ ð2 x 2 þ 2Þ ¼ 2 ðx 3Þ ðx 2 þ 1Þ
(6)
Das Polynom y ¼ x 4 1 la¨sst sich mit Hilfe des 3. Binoms wie folgt zerlegen: y ¼ x 4 1 ¼ ðx 2 þ 1Þ ðx 2 1Þ Es besitzt demnach genau zwei einfache Nullstellen bei x 1=2 ¼ 1, da nur der rechte Faktor verschwinden kann: ðx 2 þ 1 Þ ðx 2 1Þ ¼ 0 |fflfflffl{zfflfflffl} 6¼ 0
)
x2 1 ¼ 0
Produktform des Polynoms: y ¼ x 4 1 ¼ ðx 1Þ ðx þ 1Þ ðx 2 þ 1Þ
)
x 1=2 ¼ 1
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen) (7)
203
Die ganzrationale Funktion y ¼ 2 x 4 þ 3 x 2 þ 2 hat, wie man leicht ohne Rechnung zeigen kann, im Bereich der reellen Zahlen keine Nullstellen. Begru¨ndung: Die Summanden 2 x 4 und 3 x 2 ko¨nnen wegen der geraden Potenzen und der positiven Koeffizienten nicht negativ werden. Sie verschwinden beide fu¨r x ¼ 0 und sind fu¨r jedes x 6¼ 0 stets gro¨ßer Null. Die Funktion kann damit nur Werte annehmen, die gro¨ßer oder gleich 2 sind: y ¼ 2x4 þ 3x2 þ 2 2
ðf u¨ r jedes reelle xÞ
&
5.5 Horner-Schema und Nullstellenberechnung einer Polynomfunktion Das Horner-Schema ist ein Rechenverfahren, das bei der Nullstellenberechnung einer Polynomfunktion durch schrittweise Reduzierung des Polynomgrades wertvolle Dienste leistet. Wir wollen das Verfahren am Beispiel einer Polynomfunktion 3. Grades kurz erla¨utern. Dividiert man die Funktion f ðxÞ ¼ a 3 x 3 þ a 2 x 2 þ a 1 x þ a 0 durch die lineare Funktion x x 0 , wobei x 0 ein zuna¨chst beliebiger, dann aber fester Wert ist, so erha¨lt man eine Polynomfunktion 2. Grades und eine Restfunktion r ðxÞ: f ðxÞ a3 x3 þ a2 x2 þ a1 x þ a0 ¼ ¼ b 2 x 2 þ b 1 x þ b 0 þ r ðxÞ x x0 x x0
ðIII-53Þ
Die Koeffizienten b 2 , b 1 , b 0 sind dabei eindeutig durch die Polynomkoeffizienten a 3 , a 2 , a 1 , a 0 und den Wert x 0 bestimmt, wie eine hier nicht durchgefu¨hrte Rechnung zeigt: b 2 ¼ a 3,
b1 ¼ a2 þ a3 x0 ,
b 0 ¼ a 1 þ a 2 x 0 þ a 3 x 02
ðIII-54Þ
Die Restfunktion r ðxÞ ist echt gebrochen und hat die Form r ðxÞ ¼
a 0 þ a 1 x 0 þ a 2 x 02 þ a 3 x 03 f ðx 0 Þ ¼ x x0 x x0
ðIII-55Þ
Man beachte, dass im Za¨hler genau der Funktionswert von f ðxÞ an der Stelle x 0 auftritt. Die Restfunktion r ðxÞ verschwindet daher, wenn x 0 eine Polynomnullstelle ist (dann na¨mlich ist f ðx 0 Þ ¼ 0 und damit der ganze Bruch gleich Null). Die Koeffizienten b 2 , b 1 , b 0 sind in diesem Fall genau die Koeffizienten des 1. reduzierten Polynoms, da wir die Polynomfunktion f ðxÞ durch den Linearfaktor x x 0 dividiert haben: f ðxÞ a3 x3 þ a2 x2 þ a1 x þ a0 ¼ ¼ b2 x2 þ b1 x þ b0 x x0 x x0 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
1. reduzierts Polynom von f ðxÞ
ðIII-56Þ
204
III Funktionen und Kurven
Horner-Schema Von Horner stammt das folgende Schema zur Berechnung der Polynomkoeffizienten b 2 , b 1 , b 0 und des Funktionswertes f ðx 0 Þ in der Zerlegung (III-53): a3 x0
a2
! 2
a1 þ a2 x0 þ a3 x0 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
ða 1 þ a 2 x 0 þ a 3 x 02 Þ x 0
a3 |{z}
a2 þ a3 x0 |fflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflffl}
I
ða 2 þ a 3 x 0 Þ x 0
I
!
I
a3 x0
a0
I
!
a1
a 0 þ a 1 x 0 þ a 2 x 02 þ a 3 x 03 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
b2
b1
b0
f ðx 0 Þ
Anleitung zum Horner-Schema In der 1. Zeile stehen die Polynomkoeffizienten in der Reihenfolge fallender Potenzen: a 3, a 2, a 1, a 0 : Die 2. Zeile bleibt zuna¨chst frei. Die 3. Zeile beginnt mit dem Koeffizienten a 3 , der aus der 1. Zeile u¨bernommen wird. Dieser wird dann mit dem x-Wert x 0 multipliziert und das Ergebnis a 3 x 0 in die 2. Zeile unter den Koeffizienten a 2 gesetzt und zu diesem addiert. Das Ergebnis dieser Addition (also die Zahl a 2 þ a 3 x 0 ) wird in der 3. Zeile unter dem Koeffizienten a 2 „gespeichert“. Jetzt wird die in der 3. Zeile unterhalb von a 2 stehenden Zahl a 2 þ a 3 x 0 mit dem x-Wert x 0 multipliziert und das Ergebnis ða 2 þ a 3 x 0 Þ x 0 ¼ a 2 x 0 þ a 3 x 02 in die 2. Zeile unter den Koeffizienten a 1 gesetzt und schließlich zu diesem addiert. Das Ergebnis dieser Addition ist die Zahl a 1 þ a 2 x 0 þ a 3 x 02 und wird wieder in der 3. Zeile, diesmal unterhalb des Koeffizienten a 1 gespeichert. Sodann wird die in der 3. Zeile unterhalb von a 1 stehende Zahl a 1 þ a 2 x 0 þ a 3 x 02 mit dem x-Wert x 0 multipliziert und das Ergebnis in der 2. Zeile unter dem Koeffizienten a 0 gespeichert, schließlich zu diesem addiert und die neue Summe a 0 þ a 1 x 0 þ a 2 x 02 þ a 3 x 03 in die 3. Zeile unterhalb des Koeffizienten a 0 gesetzt. Das Schema ist nun ausgefu¨llt. Die in der 3. Zeile stehenden Zahlenwerte sind der Reihe nach die Koeffizienten b 2 , b 1 , b 0 aus der Zerlegung (III-53) sowie der Funktionswert f ðx 0 Þ. Anmerkungen (1)
Das Horner-Schema ist sinngema¨ß auch auf Polynomfunktionen ho¨heren Grades ðn > 3Þ anwendbar (siehe nachfolgende Beispiele).
(2)
Beachten Sie: Das Polynom muss nach absteigenden Potenzen geordnet sein. Fehlen gewisse Potenzen (man spricht dann auch von einem unvollsta¨ndigen Polynom), so sind die entsprechenden Koeffizienten gleich Null und mu¨ssen im Horner-Schema beru¨cksichtigt werden.
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen)
205
Berechnung der Nullstellen einer Polynomfunktion mit Hilfe des Horner-Schemas Die praktische Bedeutung des Horner-Schemas liegt in der Nullstellenberechnung von Polynomfunktionen. Zweckma¨ßigerweise geht man dabei wie folgt vor (bei einem Polynom 3. Grades):
Nullstellenberechnung einer Polynomfunktion mit Hilfe des Horner-Schemas Die Nullstellen einer Polynomfunktion f ðxÞ vom Grade 3 lassen sich schrittweise wie folgt berechnen: 1. Zuna¨chst versucht man durch Probieren, Erraten oder durch graphische oder auch numerische Rechenverfahren eine (reelle) Nullstelle x 1 zu bestimmen. 2. Ist dies gelungen, so wird mit Hilfe des Horner-Schemas der zugeho¨rige Linearfaktor x x 1 abgespalten. Man erha¨lt automatisch die Koeffizienten des 1. reduzierten Polynoms f 1 ðxÞ vom Grade 2. Sie stehen in der untersten (d. h. dritten) Zeile des Horner-Schemas, die das folgende Aussehen hat: b2 b1 b0 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
0 |ffl{zffl}
3: Zeile
f ðx 1 Þ
Koeffizienten des 1. reduzierten Polynoms
3. Die restlichen Polynomnullstellen (falls u¨berhaupt vorhanden) sind dann die Lo¨sungen der quadratischen Gleichung f 1 ðxÞ ¼ 0. Bei Polynomfunktionen 4. und ho¨heren Grades erfolgt die Nullstellenberechnung analog durch mehrmaliges Reduzieren. Dabei wird grundsa¨tzlich so lange reduziert, bis man auf eine Polynomfunktion 2. Grades sto¨ßt. Die zugeho¨rige quadratische Gleichung liefert dann die restlichen Nullstellen (sofern solche u¨berhaupt vorhanden sind). So muss beispielsweise eine Polynomfunktion 4. Grades zweimal nacheinander reduziert werden: f ðxÞ
ðNullstelle x 1 Þ
f 1 ðxÞ n ¼ 3
2: Reduktion " ðNullstelle x 2 Þ
f 2 ðxÞ n ¼ 2 I
n ¼ 4
Reduktion " 1:
f 2 ðxÞ ¼ 0 f ðxÞ:
Polynomfunktion vom Grade 4
f 1 ðxÞ: 1. reduziertes Polynom vom Grade 3 f 2 ðxÞ: 2. reduziertes Polynom vom Grade 2
I
Bezeichnungen:
Nullstellen x 3, x 4
206 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele (1)
Unter Verwendung des Horner-Schemas ist zu zeigen, dass die Polynomfunktion y ¼ 3 x 3 þ 18 x 2 þ 9 x 30 an der Stelle x 1 ¼ 5 eine Nullstelle besitzt. Wo liegen die u¨brigen Nullstellen? Wie lautet die Produktdarstellung der Funktion? Lo¨sung: Das Polynom ist bereits geordnet und vollsta¨ndig. Das Horner-Schema liefert dann: 3 x1 ¼ 5
18
9
30
15
15
30
3 3 6 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
0 |ffl{zffl}
f ð 5Þ
Koeffizienten des 1. reduzierten Polynoms
Die restlichen Nullstellen sind die Nullstellen des 1. reduzierten Polynoms f 1 ðxÞ ¼ 3 x 2 þ 3 x 6: 3x2 þ 3x 6 ¼ 0
)
x2 þ x 2 ¼ 0
)
x 2 ¼ 1,
x3 ¼ 2
Produktdarstellung: y ¼ 3 ðx þ 5Þ ðx 1Þ ðx þ 2Þ (2)
Zerlege das Polynom y ¼ x 4 þ 6 x 3 8 x 2 6 x þ 9 in Linearfaktoren. Lo¨sung: Durch Probieren findet man eine erste Nullstelle bei x 1 ¼ 1. Die Abspaltung des zugeho¨rigen Linearfaktors x 1 erfolgt u¨ber das Horner-Schema (das Polynom ist geordnet und vollsta¨ndig): 1 x1 ¼ 1 1
6
8
6
9
1
5
3
9
5
3
9
0
1. reduziertes Polynom: f 1 ðxÞ ¼ x 3 þ 5 x 2 3 x 9 Eine weitere Nullstelle liegt bei x 2 ¼ 3 (ebenfalls durch Probieren gefunden). Wir spalten den zugeho¨rigen Linearfaktor x 3 ab (das 1. reduzierte Polynom ist geordnet und vollsta¨ndig): 1 x2 ¼ 3 1
5
3
9
3
6
9
2
3
0
2. reduziertes Polynom: f 2 ðxÞ ¼ x 2 þ 2 x þ 3
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen)
207
Die restlichen beiden Nullstellen erha¨lt man aus der quadratischen Gleichung x2 þ 2x þ 3 ¼ 0
oder
x2 2x 3 ¼ 0
Sie lauten: x 1=2 ¼ 1
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi 12 þ 3 ¼ 1 4 ¼ 1 2
Die Nullstellen liegen an den Stellen x 3 ¼ 3 und x 4 ¼ 1. Die Produktdarstellung der Funktion lautet damit: y ¼ 1 ðx 1Þðx 3Þ ðx 3Þ ðx þ 1Þ ¼ ðx 1Þ ðx þ 1Þ ðx 3Þ2 &
5.6 Interpolationspolynome 5.6.1 Allgemeine Vorbetrachtung In den naturwissenschaftlich-technischen Anwendungen stellt sich ha¨ufig das folgende Problem: Von einer unbekannten Funktion sind n þ 1 Kurvenpunkte (sog. Stu¨tzpunkte) bekannt: P 0 ¼ ðx 0 ; y 0 Þ, P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 Þ, P 2 ¼ ðx 2 ; y 2 Þ,
. . . , P n ¼ ðx n ; y n Þ
ðIII-57Þ
(mit x 0 < x 1 < x 2 < . . . < x n Þ. Diese Punkte ko¨nnen beispielsweise in Form einer durch Messungen gewonnenen Wertetabelle vorliegen oder aber als Messpunkte in einer graphischen Darstellung. Die Abszissenwerte x 0 , x 1 , x 2 , . . . , x n werden in diesem Zusammenhang als Stu¨tzstellen, ihre zugeho¨rigen Ordinatenwerte y 0 , y 1 , y 2 , . . ., y n als Stu¨tzwerte bezeichnet. Wir suchen nun eine mo¨glichst einfache Ersatz- oder Na¨herungsfunktion y ¼ f ðxÞ, die mit der unbekannten Funktion in den n þ 1 Stu¨tzstellen u¨bereinstimmt (Bild III-69). y P n –1 P0
P1
y0
x0
Bild III-69
Pn
Näherungspolynom
y1
x1
P2
y2
x2
y n –1
x n –1
yn
xn
x
Na¨herungspolynom fu¨r eine unbekannte Funktion durch n þ 1 vorgegebene „Stu¨tzpunkte“
208
III Funktionen und Kurven
Eine solche Funktion la¨sst sich durch den Polynomansatz y ¼ a0 þ a1 x þ a2 x2 þ . . . þ an xn
ðIII-58Þ
leicht gewinnen. Diese Na¨herungsfunktion wird als Interpolationspolynom n-ten Grades 5Þ bezeichnet, da man mit ihr na¨herungsweise beliebige Zwischenwerte der unbekannten Funktion im Intervall x 0 x x n berechnen kann (sog. Interpolation). Prinzipiell lassen sich die Polynomkoeffizienten des Ansatzes (III-58) wie folgt bestimmen: Man setzt der Reihe nach die Koordinaten der n þ 1 Stu¨tzpunkte P 0 , P 1 , P 2 , . . . , P n in den Lo¨sungsansatz ein und erha¨lt ein lineares Gleichungssystem mit n þ 1 Gleichungen und den n þ 1 Unbekannten a 0 , a 1 , a 2 , . . . , a n : a 0 þ a 1 x 0 þ a 2 x 02 þ . . . þ a n x 0n ¼ y 0 a 0 þ a 1 x 1 þ a 2 x 12 þ . . . þ a n x 1n ¼ y 1 a 0 þ a 1 x 2 þ a 2 x 22 þ . . . þ a n x 2n ¼ y 2
(III-59)
.. . a 0 þ a 1 x n þ a 2 x n2 þ . . . þ a n x nn ¼ y n Dieses Gleichungssystem besitzt genau eine Lo¨sung, wenn sa¨mtliche Stu¨tzstellen x 0 , x 1 , x 2 , . . . , x n voneinander verschieden sind. Der Rechenaufwand beim Lo¨sen dieses linearen Gleichungssystems ist jedoch erheblich (Gaußscher Algorithmus!). Der Lo¨sungsansatz (III-58) ist daher in dieser Form fu¨r die Praxis wenig geeignet. Im nachfolgenden Abschnitt werden wir einen „praxisfreundlicheren“ Polynomansatz kennenlernen, das sog. Interpolationspolynom von Newton.
5.6.2 Interpolationspolynom von Newton Von Newton stammt der folgende Ansatz fu¨r ein Interpolationspolynom n-ten Grades: y ¼ a 0 þ a 1 ðx x 0 Þ þ a 2 ðx x 0 Þ ðx x 1 Þ þ þ a 3 ðx x 0 Þðx x 1 Þ ðx x 2 Þ þ . . . . . . þ a n ðx x 0 Þ ðx x 1 Þ ðx x 2 Þ . . . ðx x n 1 Þ
ðIII-60Þ
x 0 , x 1 , x 2 , . . . , x n sind dabei die Stu¨tzstellen der n þ 1 vorgegebenen Kurvenpunkte (Stu¨tzpunkte), wobei formal gesehen die Stu¨tzstelle x n in der Interpolationsformel (III-60) nicht enthalten ist. Die Koeffizienten a 0 , a 1 , a 2 , . . . , a n ko¨nnen dabei bequem nach dem folgenden sog. Steigungs- oder Differenzenschema berechnet werden:
5Þ
Das Interpolationspolynom kann auch von niedrigerem Grade sein!
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen)
½ x 2, x 3
......
y2
y3
.. .
.. .
.. .
n
xn
yn
a3 ½ x 0, x 1, x 2, x 3
...
a2 ½ x 0, x 1, x 2
½x 1 , x 2 , x 3
x3
½ x 1, x 2
3
x2
y1
a1 ½ x 0, x 1
2
x1
...
a0
1
III
II
............
x0
y0
I
yk
0
xk
k
209
...............
Anleitung zum Steigungs- oder Differenzenschema Die im Rechenschema gebildeten Gro¨ßen ½ x 0 , x 1 , ½ x 0 , x 1 , x 2 , ½ x 0 , x 1 , x 2 , x 3 , . . . heißen dividierte Differenzen 1., 2., 3., . . . Ordnung. Sie sind wie folgt definiert: (1)
Spalte I entha¨lt die dividierten Differenzen 1. Ordnung, die aus zwei aufeinanderfolgenden Stu¨tzpunkten gebildet werden 6Þ : ½ x 0, x 1 ¼
(2)
y0 y1 ; x0 x1
½ x 1, x 2 ¼
y1 y2 ; x1 x2
...
ðIII-61Þ
Spalte II entha¨lt die dividierten Differenzen 2. Ordnung. Sie werden aus drei aufeinanderfolgenden Stu¨tzpunkten gebildet: ½ x 0, x 1, x 2 ¼
½ x 0, x 1 ½ x 1, x 2 x0 x2
½ x 1, x 2, x 3 ¼
½ x 1, x 2 ½ x 2, x 3 x1 x3
ðIII-62Þ
.. . 6Þ
Es handelt sich um Differenzenquotienten, d. h. Steigungswerte. Dies erkla¨rt auch die Bezeichnung des Rechenschemas.
210
(3)
III Funktionen und Kurven
Spalte III entha¨lt die dividierten Differenzen 3. Ordnung, die aus vier aufeinanderfolgenden Stu¨tzpunkten gebildet werden: ½ x 0, x 1, x 2, x 3 ¼
½ x 0, x 1, x 2 ½ x 1, x 2, x 3 x0 x3
½ x 1, x 2, x 3, x 4 ¼
½ x 1, x 2, x 3 ½ x 2, x 3, x 4 x1 x4
.. .
ðIII-63Þ
Entsprechend werden die dividierten Differenzen ho¨herer Ordnung gebildet. Wir fassen zusammen:
Interpolationspolynom von Newton (Bild III-69) Das Newtonsche Interpolationspolynom n-ten Grades durch n þ 1 vorgegebene Stu¨tzpunkte P 0 ¼ ðx 0 ; y 0 Þ, P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 Þ, P 2 ¼ ðx 2 ; y 2 Þ, . . . , P n ¼ ðx n ; y n Þ lautet wie folgt: y ¼ a 0 þ a 1 ðx x 0 Þ þ a 2 ðx x 0 Þ ðx x 1 Þ þ þ a 3 ðx x 0 Þ ðx x 1 Þ ðx x 2 Þ þ . . . . . . þ a n ðx x 0 Þ ðx x 1 Þ ðx x 2 Þ . . . ðx x n 1 Þ
ðIII-64Þ
Die Berechnung der Koeffizienten a 0 , a 1 , a 2 , . . . , a n erfolgt dabei zweckma¨ßigerweise nach dem Steigungs- oder Differenzenschema. Anmerkungen (1)
Die Interpolationsformel von Newton besitzt gegenu¨ber anderen Polynomansa¨tzen den großen Vorteil, dass die Anzahl der Stu¨tzpunkte vergro¨ßert (oder auch verkleinert) werden kann, ohne dass man die Koeffizienten neu berechnen muss. Das Steigungs- oder Differenzenschema ist nur entsprechend zu erga¨nzen.
(2)
Ein Nachteil aller Polynomansa¨tze ist die „Welligkeit“ der Na¨herungsfunktionen. Denn ein Polynom n-ten Grades besitzt bis zu n 1 relative Extremwerte.
(3)
Die Newtonsche Interpolationsformel (III-64) wird ha¨ufig auch dann angewendet, wenn die Funktionsgleichung zwar bekannt, jedoch zu kompliziert ist. Man berechnet dann einige Kurvenpunkte und nimmt diese als Stu¨tzpunkte des Interpolationspolynoms.
5 Ganzrationale Funktionen (Polynomfunktionen) Beispiel Das Ergebnis einer Messreihe liege in Form der folgenden Wertetabelle vor: k
0
1
2
3
xk
0
2
5
7
yk
12
16
28
54
Der Lo¨sungsansatz lautet (das Interpolationspolynom durch die vier vorgegebenen Stu¨tzpunkte ist von ho¨chstens 3. Grade): y ¼ a 0 þ a 1 ðx x 0 Þ þ a 2 ðx x 0 Þðx x 1 Þ þ a 3 ðx x 0 Þðx x 1 Þðx x 2 Þ Die Berechnung der Koeffizienten a 0 , a 1 , a 2 und a 3 erfolgt nach dem folgenden Steigungs- oder Differenzenschema: I
0
0
a0 12
1
2
16
2
5
28
3
7
54
II
a1 14 4 41
xk
III
a2 2 9
yk
k
&
211
a3 1
Die Koeffizienten lauten somit: a 0 ¼ 12,
a 1 ¼ 14,
a 2 ¼ 2,
a3 ¼ 1
Damit erhalten wir das folgende Interpolationspolynom (siehe Bild III-70): y ¼ 12 þ 14 ðx 0Þ 2 ðx 0Þ ðx 2Þ 1 ðx 0Þ ðx 2Þ ðx 5Þ ¼ ¼ x 3 þ 5 x 2 þ 8 x 12 y 40 y = – x 3 + 5 x 2 + 8 x –12 20
Bild III-70 –2
–1
1
2
3
4
5
6
7
8
x
– 20 – 40 – 60
&
212
III Funktionen und Kurven
5.7 Ein Anwendungsbeispiel: Biegelinie eines Balkens Wir wenden uns einem einfachen Beispiel aus der Festigkeitslehre zu: Ein homogener Balken der La¨nge l mit konstanter Querschnittsfla¨che wird einseitig fest eingespannt und am freien Ende durch eine Kraft vom Betrag F auf Biegung beansprucht (Bild III-71): x
l
Bild III-71 Biegelinie x
y F
Biegelinie y
Die Durchbiegung y des Balkens ist dabei von Ort zu Ort verschieden, d. h. eine Funktion y ¼ y ðxÞ der Ortskoordinate x. Man bezeichnet diese Funktion als Biegelinie oder elastische Linie. Sie ist die Funktionsgleichung der neutralen Faser. In unserem Beispiel wird die Biegelinie durch die folgende Polynomfunktion 3. Grades beschrieben: F 1 3 2 y ¼ y ðxÞ ¼ ð0 x lÞ lx x 2EI 3 (E: Elastizita¨tsmodul; I: Fla¨chenmoment des Balkenquerschnitts; l: Balkenla¨nge).
6 Gebrochenrationale Funktionen 6.1 Definition einer gebrochenrationalen Funktion Definition: Funktionen, die als Quotient zweier Polynomfunktionen (ganzrationaler Funktionen) g ðxÞ und h ðxÞ darstellbar sind, heißen gebrochenrationale Funktionen: y ¼
g ðxÞ am xm þ am1 xm1 þ . . . þ a1 x þ a0 ¼ h ðxÞ bn xn þ bn1 xn1 þ . . . þ b1 x þ b0
ðIII-65Þ
Eine gebrochenrationale Funktion ist fu¨r jedes x 2 R definiert und stetig mit Ausnahme der Nullstellen des Nennerpolynoms. Man unterscheidet noch zwischen echt und unecht gebrochenrationalen Funktionen: n > m:
Echt gebrochenrationale Funktion
n m:
Unecht gebrochenrationale Funktion
Merke: Ist der Polynomgrad im Nenner gro¨ßer als im Za¨hler, so ist die Funktion echt gebrochenrational, in allen anderen Fa¨llen jedoch unecht gebrochenrational.
6 Gebrochenrationale Funktionen &
213
Beispiele (1)
Zu den echt gebrochenrationalen Funktionen za¨hlen alle Potenzfunktionen mit einem negativen ganzzahligen Exponenten: y ¼ xn ¼
1 xn
ðn 2 N*Þ
1 1 Die ersten Vertreter sind die Funktionen y ¼ und y ¼ 2 (siehe hierzu x x auch die Bilder III-72 und III-73). (2)
Echt gebrochenrational sind auch folgende Funktionen (die ho¨chste Potenz tritt jeweils im Nennerpolynom auf): y ¼
(3)
x2 3x þ 2 , x3 4x þ 1
y ¼
x 1 , ðx þ 2Þ ðx þ 5Þ
y ¼
4x x4 1
Unecht gebrochenrationale Funktionen sind dagegen: y ¼
x2 1 , x2 þ 1
y ¼
2 x 3 þ 2 x 2 32 x þ 40 x 3 þ 2 x 2 13 x þ 10
ðZ¨ahler- und Nennerpolynom besitzen jeweils den gleichen GradÞ y ¼
4x4 2x þ 5 , x 2 3 x 10
y ¼
x3 6x2 þ 8x x þ1
¨ ðDas Z¨ahlerpolynom ist jeweils von hoherem GradeÞ
&
6.2 Nullstellen, Definitionslu¨cken, Pole Nullstellen Eine gebrochenrationale Funktion besitzt u¨berall dort eine Nullstelle x 0 , wo das Za¨hlerpolynom g ðxÞ den Wert Null, das Nennerpolynom h ðxÞ jedoch einen von Null verschiedenen Wert annimmt: Nullstelle x 0 : &
g ðx 0 Þ ¼ 0
und
h ðx 0 Þ 6¼ 0
ðIII-66Þ
Beispiele (1)
Wir berechnen die Nullstellen der Funktion y ¼ x2 1 ¼ 0 x2 þ 1
)
x2 1 ¼ 0
)
x2 1 : x2 þ 1
x 1=2 ¼ 1
(der Nenner x 2 þ 1 ist fu¨r jedes x ungleich Null). Sie liegen an den Stellen x 1 ¼ 1 und x 2 ¼ 1.
214
(2)
III Funktionen und Kurven
y ¼
x3 6x2 þ 8x , x þ1
x 6¼ 1
Wir bestimmen zuna¨chst die Nullstellen des Za¨hlerpolynoms (bitte nachrechnen): x 3 6 x 2 þ 8 x ¼ x ðx 2 6 x þ 8Þ ¼ 0 x1 ¼ 0 ,
x2 ¼ 2 ,
)
x3 ¼ 4
Sie sind zugleich die Nullstellen der gebrochenrationalen Funktion, da der Nenner & an diesen Stellen von Null verschieden ist. Definitionslu¨cken, Pole In den Nullstellen des Nennerpolynoms ist eine gebrochenrationale Funktion nicht definiert, da die Division durch die Zahl Null nicht erlaubt ist. Stellen dieser Art werden daher folgerichtig als Definitionslu¨cken der Funktion bezeichnet. Eine gebrochenrationale Funktion vom Typ (III-65) besitzt daher ho¨chstens n Definitionslu¨cken. So ist beispielsweise die echt gebrochenrationale Funktion y ¼ 1=x an der Stelle x 0 ¼ 0 nicht definiert. In der unmittelbaren Umgebung dieser Stelle zeigt die Funktion jedoch ein charakteristisches Verhalten: Bei Anna¨herung von der linken Seite her werden die Funktionswerte kleiner als jede noch so kleine Zahl, bei Anna¨herung von rechts her wachsen die Funktionswerte u¨ber jede Grenze hinaus (Bild III-72). Definitionslu¨cken dieser Art werden als Pole oder Unendlichkeitsstellen bezeichnet. hnlich liegen die Verha¨ltnisse bei der Funktion y ¼ 1=x 2 . Auch diese Funktion ist an der Stelle x 0 ¼ 0 nicht definiert. Bei beliebiger Anna¨herung an diese Stelle (von links bzw. rechts) streben die Funktionswerte jeweils gegen 1 (siehe Bild III-73). Wir haben es hier mit einem Pol 2. Ordnung zu tun (zweifache Nennernullstelle). y
y
y= 1 x 1 1
x
y = 12 x
y = 12 x
y= 1 x 1
1
Bild III-72
Funktionsgraph von y ¼ 1=x
x
Bild III-73 Funktionsgraph von y ¼ 1=x 2
Definition: Stellen, in deren unmittelbarer Umgebung die Funktionswerte u¨ber alle Grenzen hinaus fallen oder wachsen, heißen Pole oder Unendlichkeitsstellen der Funktion.
6 Gebrochenrationale Funktionen
215
Polstellen einer gebrochenrationalen Funktion sind demnach Stellen, in denen das Nennerpolynom h ðxÞ verschwindet, das Za¨hlerpolynom g ðxÞ jedoch einen von Null verschiedenen Wert annimmt: Polstelle x 0 :
h ðx 0 Þ ¼ 0
und
g ðx 0 Þ 6¼ 0
ðIII-67Þ
Die Funktionskurve schmiegt sich dabei asymptotisch an die in der Polstelle errichtete Parallele zur y-Achse an (sog. senkrechte Asymptote, auch Polgerade genannt). Verha¨lt sich die Funktion bei der Anna¨herung von beiden Seiten her gleichartig, so liegt ein Pol ohne Vorzeichenwechsel vor. Es ist dann lim f ðxÞ ¼ þ 1
x ! x0
lim f ðxÞ ¼ 1
oder
ðIII-68Þ
x ! x0
Bei einem Pol mit Vorzeichenwechsel fu¨hrt die Anna¨herung von rechts und links in entgegengesetzte Richtungen. Allgemein gilt fu¨r einen Pol k-ter Ordnung (k-fache Nennernullstelle):
gerade ) Pol ohne Vorzeichenwechsel k ¼ ungerade ) Pol mit Vorzeichenwechsel &
Beispiel x besitzt in x 1 ¼ 0 eine Nullstelle x2 4 und in x 2=3 ¼ 2 jeweils einen Pol mit Vorzeichenwechsel (die Anna¨herung von links und rechts fu¨hrt jeweils in verschiedene Richtungen. Die Kurve verla¨uft punktsymmetrisch (ungerade Funktion) und na¨hert sich fu¨r j x j ! 1 beliebig der x-Achse (Bild III-74). Die echt gebrochenrationale Funktion y ¼
y
1 –5 –2
2
5
x
–1
Bild III-74
Funktionsgraph von y ¼
x x2 4
&
216
III Funktionen und Kurven
Sonderfall: Za¨hler und Nenner haben gemeinsame Nullstellen Ist x 0 eine a-fache Nullstelle des Za¨hlers und zugleich eine b-fache Nullstelle des Nenners, so besitzt die gebrochenrationale Funktion f ðxÞ ¼ g ðxÞ=h ðxÞ an dieser Stelle eine Lu¨cke (wir erhalten den unbestimmten Ausdruck 0=0). Za¨hler und Nenner lassen sich dann aber wie folgt zerlegen: g ðxÞ ¼ ðx x 0 Þ a g* ðxÞ
mit
g* ðx 0 Þ 6¼ 0
h ðxÞ ¼ ðx x 0 Þ b h* ðxÞ
mit
h* ðx 0 Þ 6¼ 0
Wir interessieren uns jetzt fu¨r den Grenzwert an der Stelle x ¼ x 0 : lim f ðxÞ ¼ lim
x ! x0
x ! x0
g ðxÞ ðx x 0 Þ a g* ðxÞ ¼ lim b h ðxÞ x ! x 0 ðx x 0 Þ h* ðxÞ
ðIII-69Þ
Wegen x 6¼ x 0 du¨rfen wir vor der Grenzwertbildung durch den Linearfaktor x x 0 ku¨rzen. Alles Weitere ha¨ngt dann im Wesentlichen davon ab, wo die nach dem Ku¨rzen verbliebenen restlichen Linearfaktoren stehen. Dabei sind drei Fa¨lle zu unterscheiden: 1: Fall : a > b Der Linearfaktor x x 0 verschwindet komplett aus dem Nenner, im Za¨hler aber verbleiben ða bÞ Faktoren. Dann gilt: lim f ðxÞ ¼ lim
x ! x0
x ! x0
ðx x 0 Þ a b g* ðxÞ 0 g* ðx 0 Þ ¼ 0 ¼ h* ðxÞ h* ðx 0 Þ
ðIII-70Þ
Der Grenzwert ist also vorhanden und die Lu¨cke bei x ¼ x 0 kann durch die nachtra¨gliche Festsetzung f ðx 0 Þ ¼ 0 behoben werden. Die (erweiterte) Funktion f ðxÞ hat dann an dieser Stelle eine Nullstelle und ist dort sogar stetig. 2: Fall : a ¼ b Der Linearfaktor x x 0 ku¨rzt sich komplett heraus und wir erhalten einen von Null verschiedenen Grenzwert: lim f ðxÞ ¼ lim
x ! x0
x ! x0
g* ðxÞ g* ðx 0 Þ ¼ ¼ c 6¼ 0 h* ðxÞ h* ðx 0 Þ
ðIII-71Þ
Die Lu¨cke kann dann durch die nachtra¨gliche Festsetzung f ðx 0 Þ ¼ c behoben werden. 3: Fall : b > a Es verbleiben ðb aÞ Faktoren im Nenner, wobei gilt: lim f ðxÞ ¼ lim
x ! x0
x ! x0
g* ðxÞ ðx x 0 Þ b a h* ðxÞ
¼ þ1
oder
1
ðIII-72Þ
6 Gebrochenrationale Funktionen
217
(uneigentlicher Grenzwert). Die Lu¨cke an der Stelle x ¼ x 0 la¨sst sich nicht beheben, f ðxÞ besitzt hier eine Polstelle der Ordnung ðb aÞ. &
Beispiele (1)
f ðxÞ ¼
x2 þ x 2 ðx 1Þ ðx þ 2Þ ¼ x 1 x 1
ðx 6¼ 1Þ
Bei x 1 ¼ 1 liegt eine hebbare Lu¨cke, da der Grenzwert an dieser Stelle vorhanden ist: lim
x!1
ðx 1Þ ðx þ 2Þ ¼ lim ðx þ 2Þ ¼ 3 x 1 x!1
Durch die nachtra¨gliche Festsetzung f ð1Þ ¼ 3 wird f ðxÞ zu einer u¨berall definierten und stetigen Funktion erweitert: 8 2 9 x þx 2 > > > x 6¼ 1 > < = x 1 ¼ x þ2 ðf u¨ r x 2 RÞ f ðxÞ ¼ f u¨ r > > > > : ; 3 x ¼ 1
(2)
f ðxÞ ¼
x2 þ x 2 ðx 1Þ
3
¼
ðx 1Þ ðx þ 2Þ
ðx 6¼ 1Þ
ðx 1Þ 3
Auch diese Funktion hat an der Stelle x 1 ¼ 1 eine Lu¨cke, die sich jedoch nicht beheben la¨sst, da der Grenzwert nicht vorhanden ist (der Linearfaktor x 1 kann nur einmal geku¨rzt werden): lim
ðx 1Þ ðx þ 2Þ
x!1
ðx 1Þ
3
¼ lim
x!1
x þ2 ðx 1Þ 2
¼ 1
f ðxÞ hat also bei x 1 ¼ 1 eine Unendlichkeitsstelle (und zwar einen Pol ohne Vorzeichenwechsel). (3)
f ðxÞ ¼
ðx 2 þ x 2Þ 2 x2 2x þ 1
ðx 6¼ 1Þ
Die Zerlegung von Za¨hler und Nenner in Linearfaktoren fu¨hrt zu der Darstellung f ðxÞ ¼
ðx 2 þ x 2Þ 2 ðx 1Þ 2 ðx þ 2Þ 2 ¼ x2 2x þ 1 ðx 1Þ 2
ðx 6¼ 1Þ
Die Funktion besitzt an der Stelle x 1 ¼ 1 eine Lu¨cke (Za¨hler und Nenner verschwinden), die jedoch behoben werden kann, da der Grenzwert an dieser Stelle vorhanden ist: lim f ðxÞ ¼ lim
x!1
x!1
ðx 1Þ 2 ðx þ 2Þ 2 ðx 1Þ
2
¼ lim ðx þ 2Þ 2 ¼ 3 2 ¼ 9 x!1
&
218
III Funktionen und Kurven
Wir ko¨nnen daher bei einer gebrochenrationalen Funktion auch wie folgt vorgehen: Zuna¨chst zerlegen wir Za¨hler- und Nennerpolynom in Linearfaktoren und ku¨rzen gemeinsame Faktoren, soweit vorhanden, heraus. Auf diese Weise lassen sich unter Umsta¨nden Definitionslu¨cken beheben und der Definitionsbereich der Funktion damit erweitern (siehe hierzu auch das nachfolgende Beispiel). Wir vereinbaren daher, bei der Bestimmung der Null- und Polstellen einer gebrochenrationalen Funktion wie folgt vorzugehen:
Bestimmung der Null- und Polstellen einer gebrochenrationalen Funktion 1. Man zerlege zuna¨chst Za¨hler- und Nennerpolynom in Linearfaktoren und ku¨rze (falls u¨berhaupt vorhanden) gemeinsame Faktoren heraus. 2. Die im Za¨hler verbliebenen Linearfaktoren liefern dann die Nullstellen, die im Nenner verbliebenen Linearfaktoren die Polstellen der gebrochenrationalen Funktion.
&
Beispiel y ¼
2 x 3 þ 2 x 2 32 x þ 40 x 3 þ 2 x 2 13 x þ 10
Za¨hler- und Nennerpolynom dieser unecht gebrochenrationalen Funktion werden zuna¨chst in Linearfaktoren zerlegt (Horner-Schema verwenden), gemeinsame Linearfaktoren anschließend herausgeku¨rzt: y ¼
2 x 3 þ 2 x 2 32 x þ 40 2 ðx 2Þ 2 ðx þ 5Þ ¼ x 3 þ 2 x 2 13 x þ 10 ðx 1Þ ðx 2Þ ðx þ 5Þ
y ¼
2 ðx 2Þ x 1
ðx 6¼ 1, 2, 5Þ
ðx 6¼ 1Þ
Die urspru¨nglich vorhandenen Definitionslu¨cken an den Stellen x ¼ 2 und x ¼ 5 wurden somit behoben! Die „neue“ erweiterte Funktion besitzt jetzt nur noch eine Definitionslu¨cke bei x ¼ 1. Die verbliebenen Linearfaktoren des Za¨hlers liefern dann die Nullstellen, die des Nenners die Polstellen der Funktion: Nullstelle:
x1 ¼ 2
Polstelle:
x2 ¼ 1
(Pol mit Vorzeichenwechsel)
2 ðx 2Þ skizziert. Sie besitzt x 1 nur noch eine Definitionslu¨cke (Polstelle) bei x 2 ¼ 1. Die urspru¨ngliche Funktion hat den gleichen Verlauf, jedoch bei 5 und 2 zwei Lu¨cken (Unstetigkeiten). In Bild III-75 ist der Verlauf der „neuen“ Funktion y ¼
6 Gebrochenrationale Funktionen
219
y
4
2
–5
–1 –1
2
5
x
Bild III-75 Funktionsgraph von y ¼
2 ðx 2Þ x 1
–5
&
6.3 Asymptotisches Verhalten einer gebrochenrationalen Funktion im Unendlichen Eine echt gebrochenrationale Funktion f ðxÞ na¨hert sich fu¨r große x-Werte stets asymptotisch der x-Achse, da das Nennerpolynom infolge des ho¨heren Grades schneller wa¨chst als das Za¨hlerpolynom. Die Gleichung der Asymptote im Unendlichen, d. h. fu¨r x ! 1 lautet daher y ¼ 0 (x-Achse).
&
Beispiele 1 1 (Bild III-72), y ¼ 2 (Bild III-73) Die echt gebrochenrationalen Funktionen y ¼ x x x und y ¼ 2 (Bild III-74) na¨hern sich fu¨r x ! 1 jeweils asymptotisch x 4 & der x-Achse. Bei einer unecht gebrochenrationalen Funktion f ðxÞ muss man wie folgt verfahren, um ihr Verhalten im Unendlichen beurteilen zu ko¨nnen: Zuna¨chst wird die unecht gebrochene Funktion f ðxÞ durch Polynomdivision in eine ganzrationale Funktion (Polynomfunktion) p ðxÞ und eine echt gebrochene Funktion r ðxÞ zerlegt: f ðxÞ ¼ p ðxÞ þ r ðxÞ
ðIII-73Þ
Diese Zerlegung ist stets mo¨glich und eindeutig! Fu¨r x ! 1 verschwindet der echt gebrochenrationale Anteil r ðxÞ der Zerlegung und die gegebene Funktion zeigt daher in diesem Bereich ein a¨hnliches Verhalten wie die Polynomfunktion p ðxÞ. Diese ist somit Asymptote im Unendlichen.
220
III Funktionen und Kurven
Wir fassen die Ergebnisse dieses Abschnitts wie folgt zusammen:
Bestimmung der Asymptote einer gebrochenrationalen Funktion im Unendlichen 1. Jede echt gebrochenrationale Funktion y ¼ f ðxÞ na¨hert sich fu¨r x ! 1 beliebig der x-Achse. Daher ist y ¼ 0 die Gleichung ihrer Asymptote im Unendlichen. 2. Eine unecht gebrochenrationale Funktion y ¼ f ðxÞ wird zuna¨chst durch Polynomdivision in eine ganzrationale Funktion (Polynomfunktion) p ðxÞ und eine echt gebrochenrationale Funktion r ðxÞ zerlegt: f ðxÞ ¼ p ðxÞ þ r ðxÞ
ðIII-74Þ
Fu¨r x ! 1 strebt r ðxÞ ! 0 und die unecht gebrochene Funktion f ðxÞ na¨hert sich asymptotisch der Polynomfunktion p ðxÞ, d. h. y ¼ p ðxÞ ist die Gleichung ihrer Asymptote im Unendlichen.
Anmerkung Die Kurve y ¼ f ðxÞ ¼ p ðxÞ þ r ðxÞ schneidet ihre Asymptote y ¼ p ðxÞ u¨berall dort, wo die Restfunktion r ðxÞ verschwindet. Diese Schnittpunkte lassen somit aus der Gleichung r ðxÞ ¼ 0 berechnen.
&
Beispiel y ¼
0,5 x 3 1,5 x þ 1 x2 þ 3x þ 2
(unecht gebrochenrationale Funktion)
Za¨hler- und Nennerpolynom werden in Linearfunktion zerlegt, gemeinsame Faktoren (vereinbarungsgema¨ß) herausgeku¨rzt: y ¼
0,5 x 3 1,5 x þ 1 0,5 ðx 1Þ 2 ðx þ 2Þ ¼ x2 þ 3x þ 2 ðx þ 1Þ ðx þ 2Þ
ðx 6¼ 1, 2Þ
(gemeinsamen Faktor x þ 2 ku¨rzen) y ¼
0,5 ðx 1Þ 2 0,5 x 2 x þ 0,5 ¼ x þ1 x þ1
ðx 6¼ 1Þ
Nullstellen:
x 1=2 ¼ 1 (doppelte Nullstelle, d. h. Beru¨hrungspunkt und zugleich Extremwert)
Polstelle:
x 3 ¼ 1 (Pol mit Vorzeichenwechsel)
Die urspru¨ngliche Definitionslu¨cke bei x ¼ 2 wurde behoben, die in ihrem Definitionsbereich nachtra¨glich erweiterte Funktion besitzt damit nur noch eine einzige Definitionslu¨cke an der Stelle x ¼ 1 (Pol mit Vorzeichenwechsel).
6 Gebrochenrationale Funktionen
221
Wir zerlegen nun die unecht gebrochene erweiterte Funktion durch Polynomdivision in einen ganzrationalen und einen echt gebrochenrationalen Anteil: y ¼ ð0,5 x 2
x þ 0,5Þ : ðx þ 1Þ ¼ 0,5 x 1,5 þ
2 x þ1
ð0,5 x 2 þ 0,5 xÞ 1,5 x þ 0,5 ð 1,5 x 1,5Þ 2 Somit gilt: y ¼
0,5 ðx 1Þ 2 0,5 x 2 x þ 0,5 2 ¼ 0,5 x 1,5 þ ¼ x þ1 x þ1 x þ1
Die Gleichung der Asymptote im Unendlichen lautet daher: y ¼ 0,5 x 1,5 2 x þ1 nirgends verschwindet. In Bild III-76 ist der Funktionsverlauf graphisch dargestellt. Die urspru¨ngliche Funktion hat den gleichen Verlauf mit Ausnahme der Stelle x ¼ 2 (dort besitzt sie eine Lu¨cke). Kurve und Asymptote besitzen keine Schnittpunkte, da die Restfunktion r ðxÞ ¼
y
5
1 –5
–1
Asymptote 1
5
x
Bild III-76 Funktionsgraph von 0,5 ðx 1Þ 2 y ¼ x þ1
Maximum –5
&
222
III Funktionen und Kurven
6.4 Ein Anwendungsbeispiel: Kapazita¨t eines Kugelkondensators Wir betrachten einen aus zwei konzentrischen, leitenden Kugelschalen mit den Radien r 1 und r 2 bestehenden Kugelkondensator (r 1 < r 2 ; Bild III-77). Seine Kapazita¨t betra¨gt: C ¼
4 p e0 er r1 r2 r2 r1
ðIII-75Þ
(e 0 : Elektrische Feldkonstante; e r : Dielektrizita¨tskonstante der Kondensatorfu¨llung). Die Differenz zwischen Außen- und Innenradius bezeichnen wir mit x: x ¼ r2 r1 > 0
ðIII-76Þ
Die Kapazita¨tsformel (III-75) geht dann u¨ber in: C ¼
4 p e 0 e r r 1 ðr 1 þ xÞ x
ðx > 0Þ
ðIII-77Þ
Bei fest vorgegebenem Innenradius r 1 ¼ const: ¼ R ist die Kapazita¨t C nur noch von der Gro¨ße x abha¨ngig: 4 p e 0 e r R ðR þ xÞ R ¼ 4 p e0 er R 1 þ ðx > 0Þ ðIII-78Þ C ¼ C ðxÞ ¼ x x Die Gro¨ßen C und x sind u¨ber eine unecht gebrochenrationale Funktion miteinander verknu¨pft, die fu¨r x ! 1 gegen den Grenzwert R ¼ 4 p e0 er R lim C ðxÞ ¼ lim 4 p e 0 e r R 1 þ ðIII-79Þ x x!1 x!1 strebt (Bild III-78).
C
r2
r1
C = C(x)
x
4 pe 0 e r R x
Bild III-77
Kugelkondensator
Bild III-78 Kapazita¨t eines Kugelkondensators in Abha¨ngigkeit vom Abstand der beiden Kugelschalen
7 Potenz- und Wurzelfunktionen
223
7 Potenz- und Wurzelfunktionen 7.1 Potenzfunktionen mit ganzzahligen Exponenten Die einfachsten Potenzfunktionen sind vom Typ y ¼ f ðxÞ ¼ x n
ðn 2 N*Þ
ðIII-80Þ
und geho¨ren zu den ganzrationalen Funktionen. Sie sind u¨berall in R definiert und stetig und abwechselnd gerade und ungerade: 8 9 n ¼ gerade = < f ðxÞ f u¨ r f ð xÞ ¼ ðIII-81Þ : f ðxÞ n ¼ ungerade ;
&
Beispiele Bild III-79 zeigt die Graphen der ungeraden Potenzfunktionen y ¼ x, y ¼ x 3 und y ¼ x 5 , Bild III-80 die der geraden Potenzfunktionen y ¼ x 2 , y ¼ x 4 und y ¼ x 6 . y
y y=x2
2
y=x
y=x4
1 y=x3
1
y=x5 –1
1
x
y=x6 –1
1
x
–1
Bild III-79 Ungerade Potenzfunktionen
Bild III-80 Gerade Potenzfunktionen
&
Fu¨r negativ-ganzzahlige Exponenten erha¨lt man gebrochenrationale Funktionen vom Typ y ¼ xn ¼
1 xn
ðn 2 N*Þ
ðIII-82Þ
Sie sind fu¨r jedes reelle x 6¼ 0 definiert und stetig und besitzen an der Stelle x 0 ¼ 0 einen Pol mit oder ohne Vorzeichenwechsel, je nachdem ob n eine ungerade oder gerade Zahl ist. Fu¨r gerades n sind diese Potenzfunktionen gerade, fu¨r ungerades n ungerade.
224 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele (1)
Die ersten Vertreter dieser Funktionen lauten wie folgt: y ¼ x1 ¼
1 x
ðungerade Funktion; Bild III-81Þ
y ¼ x2 ¼
1 x2
ðgerade Funktion; Bild III-82Þ
Beide Funktionen sind fu¨r jedes x 6¼ 0 definiert und besitzen an der Stelle x 0 ¼ 0 einen Pol mit bzw. ohne Vorzeichenwechsel. y
y
y= 1 x 1 x
1
y = 12 x
y = 12 x
y= 1 x 1
–1
Bild III-81 Potenzfunktion y ¼ x 1 ¼ 1=x
(2)
1
x
Bild III-82 Potenzfunktion y ¼ x 2 ¼ 1=x 2
Ein Beispiel aus der physikalischen Chemie liefert die Zustandsgleichung fu¨r 1 Mol eines idealen Gases bei konstanter Temperatur T. Druck p und Volumen V sind dabei zueinander umgekehrt proportionale Gro¨ßen (Bild III-83): p V ¼ R T ¼ const: p ¼
const: , V
p
V > 0
(R: allgemeine Gaskonstante)
p=
const. V
V
Bild III-83 Isotherme eines idealen Gases
7 Potenz- und Wurzelfunktionen (3)
225
Gravitationsfeld der Erde Eine Masse m erfa¨hrt im Gravitationsfeld der Erde die Anziehungskraft F ¼ F ðrÞ ¼ f
Mm 1 2 2 r r
ðr r 0 Þ
wobei r der Abstand der Masse vom Erdmittelpunkt ist (M: Erdmasse; r 0 : Erd& radius; f : Gravitationskonstante).
7.2 Wurzelfunktionen Bereits in Abschnitt 2.5 haben wir erkannt, dass die Potenzfunktion y ¼ x 2 (Normalparabel) in ihrem Definitionsbereich 1 < x < 1 wegen fehlender Monotonie-Eigenschaft nicht umkehrbar ist. Beschra¨nken wir uns jedoch auf den 1. Quadranten, d. h. auf das Intervall x 0, so verla¨uft diese Funktion dort streng monoton wachsend und ist daher in diesem Intervall auch umkehrbar. Ihre Umkehrfunktion ist die als Wurzelfunktion bezeichnete Funktion pffiffiffiffi y ¼ x ðx 0Þ ðIII-83Þ Bild III-84 zeigt den Verlauf der „Halbparabel“ und ihrer Umkehrfunktion. Aus dem gleichen Grund ist jede Potenzfunktion mit einem geraden Exponent, d. h. jede Potenzfunktion vom Typ y ¼ x 2 k mit k 2 N* im Intervall x 0 umkehrbar. y y=x2 y=x
y= x
Bild III-84 pffiffiffiffi Die Wurzelfunktion y ¼ x als Umkehrfunktion der auf das Intervall x 0 beschra¨nkten Potenzfunktion y ¼ x 2 („Halbparabel“)
1
1
x
Wir betrachten nun die Potenzfunktion y ¼ x 3 (siehe hierzu Bild III-79). Sie verla¨uft in ihrem gesamten Definitionsbereich 1 < x < 1 streng monoton wachsend und ist somit pffiffiffiffi dort umkehrbar. Ihre Umkehrfunktion mu¨sste daher konsequenterweise mit y ¼ 3 x bezeichnet werden und wa¨re damit eine fu¨r alle x 2 R definierte Funktion. hnlich liegen die Verha¨ltnisse bei den u¨brigen Potenzfunktionen vom Typ y ¼ x 2 k 1 mit k 2 N* (Potenzen mit ungeraden Exponenten).
226
III Funktionen und Kurven
Aus systematischen Gru¨nden erscheint es aber sinnvoll, die Umkehrung der Potenzfunktionen y ¼ x n mit n 2 N* auf ein allen Potenzen gemeinsames Intervall zu beschra¨nken, in dem diese Funktionen streng monoton verlaufen. Ein solches Intervall ist x 0. Diese berlegungen fu¨hren zu der folgenden Definition: Definition: Die Umkehrfunktionen der auf das Intervall x 0 beschra¨nkten Potenzfunktionen vom Typ y ¼ x n heißen Wurzelfunktionen (mit n 2 N*). Symbolische Schreibweise: pffiffiffiffi y ¼ n x ðx 0Þ ðIII-84Þ (gelesen: n-te Wurzel aus x)
Anmerkungen
&
(1)
Die Wurzelfunktionen sind streng monoton wachsende Funktionen.
(2)
Die Definition des Begriffs „Wurzelfunktion“ erfolgt in der mathematischen Literatur keineswegs einheitlich. Nach unserer Definition (III-84) sind die Wurzelfunktionen nur fu¨r nicht-negative Argumente, d. h. fu¨r x 0 erkla¨rt und dort stetig. Der Wertebereich ist y 0, die Kurven verlaufen daher alle im ersten Quadranten.
Beispiele (1)
Die Umkehrfunktion der auf das Intervall x 0 beschra p¨ffiffiffiffinktenpNormalparabel ffiffiffiffi y ¼ x 2 ist die fu¨r x 0 definierte Wurzelfunktion y ¼ 2 x x (siehe Bild III-84).
(2) Ein Beispiel aus den Anwendungen: In einem LC-Kreis mit der Induktivita¨t L und der Kapazita¨t C ha¨ngt die Schwingungsdauer T bei konstanter Induktivita¨t L 0 wie folgt von der Kapazita¨t C ab (Bild III-85): T ¼ 2p
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi L 0 C ¼ 2 p L 0 C ¼ const: C |fflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflffl} const:
ðf u¨ r C 0Þ
T
C
Bild III-85 Schwingungsdauer T in Abha¨ngigkeit von der Kapazita¨t C in einem LC-Kreis
7 Potenz- und Wurzelfunktionen (3)
227
Die sog. kubische Parabel y ¼ x 3 verla¨uft in ihrem gesamten Definitionsbereich 1 < x < 1 streng monoton wachsend, ist dort also umkehrbar. Wie lautet ihre Umkehrfunktion? pffiffiffiffi Lo¨sung: Die Wurzelfunktion y ¼ 3 x ðx 0Þ ist definitionsgema¨ß die Umkehrfunktion der auf den 1. Quadranten beschra¨nkten kubischen Parabel. Die Funktionsgleichung der Umkehrfunktion von y ¼ x 3 fu¨r x < 0 lautet (wegen der Punktsymmetrie der Gesamtkurve): y ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffi ffiffiffiffiffiffiffiffiffi p 3 x ¼ 3 jxj
ðx < 0Þ
Insgesamt erha¨lt man damit im Intervall 1 < x < 1 die folgende Darstellung fu¨r die gesuchte Umkehrfunktion der kubischen Parabel (Bild III-86):
y ¼ f ðxÞ ¼
8
0Þ
ðIII-85Þ
und n 2 N*.
Die Potenzfunktion y ¼ x m=n ist also definitionsgema¨ß die n-te Wurzel aus der Potenz x m . Man beachte, dass diese Funktion zuna¨chst nur fu¨r x > 0 erkla¨rt ist. Fu¨r positive Exponenten la¨sst sich jedoch der Definitionsbereich auf das Intervall x 0 erweitern. p n ffiffiffiffi Die Wurzelfunktionen y ¼ x ðx 0Þ sind auch als Potenzfunktionen mit rationalem Exponenten wie folgt darstellbar: p p n ffiffiffiffiffiffiffi n ffiffiffiffi ðx 0Þ ðIII-86Þ y ¼ x ¼ x 1 ¼ x 1=n Anmerkungen (1)
Der Begriff der Potenzfunktion la¨sst sich auch auf beliebige reelle Exponenten a ausdehnen. Man setzt in diesem Falle y ¼ x a ¼ e ln x ¼ e a ln x a
ðx > 0Þ
ðIII-87Þ
Dies erkla¨rt auch, warum der Definitionsbereich einer allgemeinen Potenzfunktion auf das Intervall x > 0 beschra¨nkt werden muss 7Þ . (2)
&
Die Potenzfunktionen sind fu¨r positive Exponenten streng monoton wachsend, fu¨r negative Exponenten dagegen streng monoton fallend (vgl. hierzu auch die beiden nachfolgenden Beispiele).
Beispiele (1)
Die fu¨r x 0 definierte streng monoton wachsende Potenzfunktion p ffiffiffiffiffiffiffi 2 3 y ¼ x 3 ¼ x2 besitzt den in Bild III-87 dargestellten Verlauf.
7Þ
ln x ist der „natu¨rliche Logarithmus“ von x und nur fu¨r x > 0 definiert. In Abschnitt 12 wird diese wichtige Funktion ausfu¨hrlich behandelt. Die Basis e ist die Eulersche Zahl.
7 Potenz- und Wurzelfunktionen
229
y
y
y = x 2/3
1
y = x –1/2 1
1
2
Bild III-87 Graph der Potenzfunktion y ¼ x 2=3 ðx 0Þ
(2)
1
x
x
Bild III-88 Graph der Potenzfunktion y ¼ x 1=2 ðx > 0Þ
Die fu¨r x > 0 erkla¨rte und streng monoton fallende Potenzfunktion y ¼ x 1=2 ¼
1 x 1=2
1 ¼ pffiffiffiffi x &
ist in Bild III-88 graphisch dargestellt.
7.4 Ein Anwendungsbeispiel: Beschleunigung eines Elektrons in einem elektrischen Feld Ein Elektron erfa¨hrt in einem elektrischen Feld der konstanten Feldsta¨rke E die Kraft F ¼ e E entgegen der Feldrichtung (e: Elementarladung) 8Þ . Es wird daher beschleunigt und nimmt dabei kinetische Energie auf. Die vom Feld verrichtete Arbeit betra¨gt W ¼ e U, wobei U die vom Elektron durchlaufene Spannung ist. Nach dem Energiesatz gilt dann: 1 m0 v2 ¼ e U 2
ðIII-88Þ
(m 0 : Ruhemasse des Elektrons; v: Geschwindigkeit des Elektrons). Das Elektron erreicht damit nach Durchlaufen der Spannung U die Endgeschwindigkeit v ¼
rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffi e e 2 U ¼ const: U U ¼ 2 m0 m0
ðIII-89Þ
Die Gro¨ßen v und U sind demnach u¨ber eine Wurzelfunktion miteinander verknu¨pft.
8Þ
~ bzw. der Kraft F ~. E und F sind die Betra¨ge der Feldsta¨rke E
230
III Funktionen und Kurven
8 Kegelschnitte 8.1 Darstellung eines Kegelschnittes durch eine algebraische Gleichung 2. Grades mit konstanten Koeffizienten Die durch Schnitt eines geraden Doppelkegels mit einer Ebene entstehenden (ebenen) Kurven werden unter der Bezeichnung Kegelschnitte zusammengefasst. Zu ihnen geho¨ren Kreis, Ellipse, Hyperbel und Parabel. Sie lassen sich durch algebraische Gleichungen 2. Grades vom allgemeinen Typ A x2 þ B y2 þ C x þ D y þ E ¼ 0
ðA 2 þ B 2 6¼ 0Þ
ðIII-90Þ
beschreiben, wobei die Symmetrieachsen der Kegelschnitte parallel zu den Koordinatenachsen verlaufen. ber die Art und Lage des Kegelschnittes entscheiden ausschließlich die konstanten Koeffizienten A, B, C, D und E in der Gleichung (III-90). Im Einzelnen gilt dabei (sog. Entartungsfa¨lle eingeschlossen):
Kriterium zur Feststellung der Art eines Kegelschnittes Kegelschnitte (Kreis, Ellipse, Hyperbel und Parabel) mit achsenparallelen Symmetrieachsen lassen sich in einem kartesischen x, y-Koordinatensystem durch algebraische Gleichungen 2. Grades vom Typ A x2 þ B y2 þ C x þ D y þ E ¼ 0
ðA 2 þ B 2 6¼ 0Þ
ðIII-91Þ
beschreiben, wobei die konstanten Koeffizienten dieser Gleichung wie folgt u¨ber die Art eines Kegelschnittes entscheiden: Kreis:
A ¼ B
Ellipse:
A B > 0,
Hyperbel:
AB < 0
Parabel:
A ¼ 0,
A 6¼ B B 6¼ 0
oder
B ¼ 0,
A 6¼ 0
Anmerkungen (1)
Bei gleichem Vorzeichen der Koeffizienten A und B handelt es sich also um eine Ellipse (im Sonderfall A ¼ B um einen Kreis), bei unterschiedlichem Vorzeichen dagegen um eine Hyperbel. Eine Parabel liegt immer dann vor, wenn einer der beiden Koeffizienten verschwindet (nur ein quadratisches Glied).
(2)
Es ko¨nnen sog. Entartungsfa¨lle auftreten, wie das folgende einfache Beispiel zeigt. Fu¨r die algebraische Gleichung x 2 þ y 2 þ 1 ¼ 0 gilt A ¼ B ¼ 1. Wir vermuten daher, dass es sich hier um einen Kreis handelt (andere Kegelschnitte scheiden jedenfalls aus). Eine geringfu¨gige Umstellung der Gleichung auf die Form x 2 þ y 2 ¼ 1 zeigt jedoch, dass diese einen Widerspruch entha¨lt. Denn die
8 Kegelschnitte
231
Summe zweier Quadrate (linke Seite) kann niemals negativ sein (rechte Seite). Daher gibt es keine Punkte ðx; yÞ, die diese Gleichung erfu¨llen. Die oben angegebenen Bedingungen sind zwar notwendig, nicht aber hinreichend. In den folgenden Abschnitten geben wir zuna¨chst einen kurzen berblick u¨ber die Gleichungen der einzelnen Kegelschnitte (Mittelpunktsgleichung bzw. Scheitelgleichung, Hauptform, Funktionsgleichungen). Dann zeigen wir anhand von konkreten Beispielen, wie man Art und Lage eines Kegelschnittes bestimmt. Zusa¨tzliche Informationen u¨ber die Kegelschnitte findet der Leser in der Mathematischen Formelsammlung fu¨r Ingenieure und Naturwissenschaftler.
8.2 Gleichungen eines Kreises Der Kreis ist definitionsgema¨ß der geometrische Ort aller Punkte P einer Ebene, die von einem festen Punkt, dem Kreismittelpunkt M, den gleichen Abstand r (Radius genannt) besitzen (Bild III-89): MP ¼ const: ¼ r
y
Bezeichnungen (siehe Bild III-89): M:
Mittelpunkt
r:
Radius
Bild III-89 Zur geometrischen Definition eines Kreises
P r M
x
Gleichungen eines Kreises Mittelpunktsgleichung (Bild III-90): x2 þ y2 ¼ r2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ r2 x2
M ¼ ð0; 0Þ
ðIII-92Þ
ð r x rÞ
ðIII-93Þ
(Oberer und unterer Halbkreis) Hauptform der Kreisgleichung (verschobener Kreis; Bild III-91): ðx x 0 Þ 2 þ ðy y 0 Þ 2 ¼ r 2 y ¼ y0
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 2 ðx x 0 Þ 2
(Oberer und unterer Halbkreis)
M ¼ ðx 0 ; y 0 Þ
ðIII-94Þ
ðx 0 r x x 0 þ rÞ
ðIII-95Þ
232
III Funktionen und Kurven
Anmerkungen (1)
Der Mittelpunktskreis wird auch als Ursprungskreis bezeichnet.
(2)
Jede durch den Mittelpunkt M gehende Gerade (Durchmesser) ist zugleich auch Symmetrieachse.
(3)
Der verschobene Kreis la¨sst sich stets durch eine Koordinatentransformation (Parallelverschiebung des Koordinatensystems) auf den Mittelpunktskreis zuru¨ckfu¨hren. Als neuen Koordinatenursprung wa¨hlt man dabei den Kreismittelpunkt M. In Bild III-91 sind die neuen Koordinatenachsen durch Strichelung angedeutet.
y
y
P P
M
r
y0
r
M
x
x0
Bild III-90 Mittelpunktskreis
x
Bild III-91 Zur Hauptform der Kreisgleichung (verschobener Kreis)
8.3 Gleichungen einer Ellipse Die Ellipse ist definitionsgema¨ß die Menge aller Punkte P einer Ebene, fu¨r die die Summe der Entfernungen von zwei festen Punkten, den sog. Brennpunkten F 1 und F 2 , konstant ist (Bild III-92): F 1 P þ F 2 P ¼ const: ¼ 2 a
y
Bezeichnungen (siehe Bild III-92): M:
P
Mittelpunkt b
F 1 , F 2 : Brennpunkte a > 0:
Große Halbachse
b > 0:
Kleine Halbachse
e > 0:
Brennweite
M F2
a
e
F1
Bild III-92 Zur geometrischen Definition einer Ellipse
x
8 Kegelschnitte
233
Zwischen den Halbachsen a und b und der Brennweite e besteht die Beziehung a2 ¼ b2 þ e2
ðIII-96Þ
Gleichungen einer Ellipse Mittelpunktsgleichung (Bild III-93): x2 y2 þ ¼ 1 oder a2 b2 b pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 x2 y ¼ a
b2 x2 þ a2 y2 ¼ a2 b2
M ¼ ð0; 0Þ
ð a x aÞ
ðIII-97Þ ðIII-98Þ
(Obere und untere Halbellipse) Hauptform der Ellipsengleichung (verschobene Ellipse; Bild III-94): ðx x 0 Þ 2 ðy y 0 Þ 2 þ ¼ 1 M ¼ ðx 0 ; y 0 Þ a2 b2 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi b y ¼ y0 a 2 ðx x 0 Þ 2 ðx 0 a x x 0 þ aÞ a
ðIII-99Þ ðIII-100Þ
(Obere und untere Halbellipse)
y y
b
M
b
a
x
y0
M
a
x0
Bild III-93 Mittelpunktsellipse
x
Bild III-94 Zur Hauptform der Ellipsengleichung (verschobene Ellipse)
234
III Funktionen und Kurven
Anmerkungen (1)
Die Mittelpunktsellipse wird auch als Ursprungsellipse bezeichnet.
(2)
Die durch den Mittelpunkt M gehenden Parallelen zu den Koordinatenachsen sind zugleich auch die (einzigen) Symmetrieachsen.
(3)
Die verschobene Ellipse la¨sst sich stets durch eine Koordinatentransformation (Parallelverschiebung des Koordinatensystems) auf die Mittelpunktsellipse zuru¨ckfu¨hren. Man wa¨hlt dabei den Ellipsenmittelpunkt M als neuen Koordinatenursprung. In Bild III-94 sind die neuen Koordinatenachsen durch Strichelung angedeutet.
(4)
Fu¨r den Sonderfall a ¼ b erha¨lt man einen Kreis mit dem Radius r ¼ a.
(5)
Eine Ellipse la¨sst sich aus den vier Scheitelpunkten (Schnittpunkte mit den beiden Symmetrieachsen) leicht skizzieren.
8.4. Gleichungen einer Hyperbel Die Hyperbel ist die Menge aller Punkte P einer Ebene, fu¨r die die Differenz der Entfernungen von zwei festen Punkten, den Brennpunkten F 1 und F 2 , konstant ist (Bild III-95): j F 1 P F 2 P j ¼ const: ¼ 2 a
y
P
b
Bild III-95 Zur geometrischen Definition einer Hyperbel
M
F2 S2 e
S1 F1
x
a
Bezeichnungen (siehe Bild III-95): M:
Mittelpunkt
S 1, S 2 :
Scheitelpunkte
a > 0:
Große oder reelle Halbachse
b > 0:
Kleine oder imagina¨re Halbachse
e > 0:
Brennweite
|fflfflfflfflffl{zfflfflfflfflffl}
F 1 , F 2 : Brennpunkte
e2 ¼ a2 þ b2
8 Kegelschnitte
235
Gleichungen einer Hyperbel Mittelpunktsgleichung (Bild III-96): x2 y2 2 ¼ 1 2 a b y ¼
oder
b pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 a2 a
b2 x2 a2 y2 ¼ a2 b2
M ¼ ð0; 0Þ
ðj x j aÞ
ðIII-101Þ ðIII-102Þ
(Oberer und unterer Teil der Hyperbel) Asymptoten im Unendlichen: y ¼
b x a
Hauptform der Hyperbelgleichung (verschobene Hyperbel; Bild III-97): ðx x 0 Þ 2 ðy y 0 Þ 2 ¼ 1 M ¼ ðx 0 ; y 0 Þ a2 b2 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi b y ¼ y0 ðj x x 0 j aÞ ðx x 0 Þ 2 a 2 a
ðIII-103Þ ðIII-104Þ
(Oberer und unterer Teil der Hyperbel) Asymptoten im Unendlichen: y ¼ y 0
b ðx x 0 Þ a
y
Asymptote
Asymptote b
Bild III-96 Mittelpunktshyperbel
a F2
S2
M
S1
F1
x
236
III Funktionen und Kurven y Asymptote
Asymptote
b y0 F2
S2
M
a
S1 F1
x0
x
Bild III-97 Zur Hauptform der Hyperbelgleichung (verschobene Hyperbel)
Anmerkungen (1)
Die Mittelpunktshyperbel wird auch als Ursprungshyperbel bezeichnet.
(2)
Die durch den Mittelpunkt M gehenden Parallelen zu den Koordinatenachsen sind zugleich auch die (einzigen) Symmetrieachsen.
(3)
Die verschobene Hyperbel la¨sst sich stets durch eine Koordinatentransformation (Parallelverschiebung des Koordinatensystems) auf die Mittelpunktshyperbel zuru¨ckfu¨hren. Neuer Koordinatenursprung wird dabei der Hyperbelmittelpunkt M. Die neuen Koordinatenachsen sind in Bild III-97 durch Strichelung angedeutet.
(4)
Im Sonderfall a ¼ b stehen die beiden Asymptoten aufeinander senkrecht. Die Mittelpunktshyperbel besitzt dann die spezielle Gleichung x2 y2 2 ¼ 1 2 a a
oder
x2 y2 ¼ a2
ðIII-105Þ
und wird als rechtwinklige oder gleichseitige Hyperbel bezeichnet. Die Gleichungen der beiden Asymptoten lauten in diesem Sonderfall: y ¼ x. (5)
Weil a eine geometrische Bedeutung hat (2 a ist der Abstand der beiden Scheitelpunkte), b dagegen keine, wird a auch als „reelle“ und b als „imagina¨re“ Halbachse bezeichnet.
(6)
Der ungefa¨hre Verlauf einer Hyperbel la¨sst sich aus den beiden Scheitelpunkten und den beiden Asymptoten leicht ermitteln. Die Asymptoten sind die Fla¨chendiagonalen des in Bild III-96 gestrichelt gezeichneten Rechtecks mit den Seitenla¨ngen 2 a und 2 b.
8 Kegelschnitte
237
8.5. Gleichungen einer Parabel Die Parabel ist als geometrischer Ort aller Punkte P einer Ebene definiert, die von einem festen Punkt, dem Brennpunkt F, und einer festen Geraden, Leitlinie genannt, gleich weit entfernt sind (Bild III-98): F P ¼ AP
y Leitlinie
Bezeichnungen (siehe Bild III-98): p:
Parameter (der Betrag von p ist der Abstand zwischen Brennpunkt und Leitlinie)
S:
Scheitelpunkt der Parabel
F:
Brennpunkt (Brennweite: e ¼ F S ¼ j p j = 2)
P
A
S F
x
p
Bild III-98 Zur geometrischen Definition einer Parabel
Gleichungen einer Parabel Scheitelgleichung (Bild III-99): y2 ¼ 2 p x
S ¼ ð0; 0Þ
ðIII-106Þ
p > 0: Parabel ist nach rechts geo¨ffnet (Bild III-99) pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ 2px ðx 0Þ
ðIII-107Þ
p < 0: Parabel ist nach links geo¨ffnet pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ 2px ðx 0Þ
ðIII-108Þ
Hauptform der Parabelgleichung (verschobene Parabel; Bild III-100): ð y y 0 Þ 2 ¼ 2 p ðx x 0 Þ
S ¼ ðx 0 ; y 0 Þ
ðIII-109Þ
p > 0: Parabel ist nach rechts geo¨ffnet (Bild III-100) pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ y0 2 p ðx x 0 Þ ðx x 0 Þ
ðIII-110Þ
p < 0: Parabel ist nach links geo¨ffnet pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 p ðx x 0 Þ ðx x 0 Þ y ¼ y0
ðIII-111Þ
238
III Funktionen und Kurven
y
y
S
x
y0
S x
x0
Bild III-99 Zur Scheitelgleichung der Parabel
Bild III-101 Zur Konstruktion einer Parabel aus 5 Punkten
Anmerkungen (1)
Die nach oben bzw. unten geo¨ffneten Parabeln wurden bereits im Zusammenhang mit den Polynomfunktionen in Abschnitt 5.3 ausfu¨hrlich behandelt.
(2)
Die durch den Scheitelpunkt S gehende Parallele zur x-Achse ist zugleich auch die (einzige) Symmetrieachse.
(3)
Die Hauptform (bei einer verschobenen Parabel) la¨sst sich stets durch eine Koordinatentransformation (Parallelverschiebung des Koordinatensystems) auf die Scheitelgleichung zuru¨ckfu¨hren. Man wa¨hlt dabei den Scheitelpunkt S als neuen Koordinatenursprung. Die neuen Koordinatenachsen sind in Bild III-100 durch Strichelung angedeutet.
(4)
Der ungefa¨hre Verlauf einer Parabel mit der Scheitelgleichung y 2 ¼ 2 p x la¨sst sich aus den folgenden fu¨nf Parabelpunkten leicht ermitteln (Bild III-101):
y P4
2p
P 1 ¼ S ¼ ð0; 0Þ
p
P 2=3 ¼ ð p=2 ; pÞ
S
P 4=5 ¼ ð2 p ; 2 pÞ
–p
P2
p/2
2p
x
P3 –2p P5
Bild III-100 Zur Hauptform der Parabelgleichung (verschobene Parabel)
8 Kegelschnitte
239
8.6 Beispiele zu den Kegelschnitten Bei der Feststellung der Art und Lage eines Kegelschnittes, dessen Gleichung in der allgemeinen Form (III-90) vorliegt, gehen wir schrittweise wie folgt vor: 1. Zuna¨chst bestimmen wir anhand des in Abschnitt 8.1 beschriebenen Kriteriums aus den bekannten Koeffizienten der Kegelschnittgleichung die Art des vorliegenden Kegelschnittes (z. B. Kreis oder Ellipse). 2. Dann wird die Lage des Kegelschnittes ermittelt, indem man die von x bzw. y abha¨ngigen Terme in der Kegelschnittgleichung jeweils fu¨r sich getrennt quadratisch erga¨nzt und die Kegelschnittgleichung schließlich auf die entsprechende Hauptform bringt, aus der sich die Lageparameter und alle weiteren beno¨tigten Gro¨ßen sofort ablesen lassen. &
Beispiele Hinweis: Ohne Rechnung lassen sich bereits aus der Kegelschnittgleichung wichtige Informationen gewinnen. Ein unverschobener Kegelschnitt liegt genau dann vor, wenn die Gleichung keine linearen Glieder entha¨lt. Bei nur einem linearen Glied ist der Kegelschnitt in der entsprechenden Koordinatenrichtung verschoben (z. B. bei einem linearen x-Glied in Richtung der x-Achse, am Vorzeichen des Koeffizienten kann man die Richtung der Verschiebung erkennen). Sind beide Glieder vorhanden, so ist der Kegelschnitt in beiden Koordinatenrichtungen verschoben. (1)
Die algebraische Gleichung 2 x 2 6 x þ 2 y 2 þ 4 y ¼ 11,5 beschreibt wegen A ¼ B ¼ 2 einen Kreis. Wegen der vorhandenen linearen Glieder liegt der Kreismittelpunkt außerhalb des Koordinatenursprungs (verschobener Kreis, in der x-Richtung nach rechts, in der y-Richtung nach unten verschoben). Durch quadratische Erga¨nzung la¨sst sich dann die Kreisgleichung wie folgt auf die Hauptform bringen: 2 x 2 6 x þ 2 y 2 þ 4 y ¼ 11,5 |fflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} x-Term
ðFaktor 2 ausklammernÞ
y-Term
2 ðx 2 3 xÞ þ 2 ðy 2 þ 2 yÞ ¼ 11,5
ðTerme quadratisch erg¨anzenÞ
2 ðx 2 3 x þ 1,5 2 Þ þ 2 ðy 2 þ 2 y þ 1 2 Þ ¼ 11,5 þ 2 1,5 2 þ 2 1 2 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} 2 ðx 1,5Þ ðy þ 1Þ 2 2 ðx 1,5Þ 2 þ 2 ðy þ 1Þ 2 ¼ 11,5 þ 4,5 þ 2 ¼ 18 j : 2 ðx 1,5Þ 2 þ ðy þ 1Þ 2 ¼ 9 Dies ist die Gleichung eines (verschobenen) Kreises mit dem Mittelpunkt M ¼ ð1,5; 1Þ und dem Radius r ¼ 3 (Bild III-102).
240
III Funktionen und Kurven y
x
1,5 –1
M
3
(2)
Bild III-102
Ein Massenpunkt bewege sich auf einer Kurve mit der Gleichung 16 x 2 þ 4 y 2 þ 76,8 x 24 y þ 64,16 ¼ 0 Es handelt sich dabei offensichtlich um eine Ellipse. Denn aus A ¼ 16 und B ¼ 4 folgt: A B ¼ 16 4 ¼ 64 > 0 Um die Lage dieser wegen der vorhandenen linearen Glieder verschobenen Ellipse zu bestimmen, ordnen wir zuna¨chst die Glieder wie folgt: 16 x 2 þ 76,8 x þ 4 y 2 24 y ¼ 64,16 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflffl} x-Term
y-Term
Durch quadratische Erga¨nzung folgt dann weiter (vorher den Faktor 16 bzw. 4 ausklammern): 16 ðx 2 þ 4,8 xÞ þ 4 ðy 2 6 yÞ ¼ 64,16 16 ðx 2 þ 4,8 x þ 2,4 2 Þ þ 4 ðy 2 6 y þ 3 2 Þ ¼ 64,16 þ 16 2,4 2 þ 4 3 2 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} 2 ðx þ 2,4Þ ðy 3Þ 2 16 ðx þ 2,4Þ 2 þ 4 ðy 3Þ 2 ¼ 64,16 þ 92,16 þ 36 ¼ 64 j : 64 16 ðx þ 2,4Þ 2 4 ðy 3Þ 2 þ ¼ 1 64 64
)
ðx þ 2,4Þ 2 ðy 3Þ 2 þ ¼ 1 4 16
Es handelt sich demnach um eine achsenparallel verschobene Ellipse mit den folgenden Eigenschaften (Bild III-103): pffiffiffi pffiffiffiffiffi M ¼ ð 2,4; 3Þ , Halbachsen : a ¼ 4 ¼ 2 , b ¼ 16 ¼ 4
8 Kegelschnitte
241 y
M
3
1
Bild III-103 1
– 2,4
(3)
x
Die Kegelschnittgleichung 4 x 2 9 y 2 þ 16 x þ 72 y ¼ 164 beschreibt eine Hyperbel, falls keine Entartung vorliegt. Denn es ist A ¼ 4 und B ¼ 9 und somit A B ¼ 4 ð 9Þ ¼ 36 < 0 Wegen der vorhandenen linearen Glieder handelt es sich dabei um eine verschobene Hyperbel. Wir ordnen zuna¨chst die einzelnen Glieder und bringen anschließend die Kegelschnittgleichung durch quadratische Erga¨nzung auf die gewu¨nschte Hauptform (Gleichung (III-103)): 4 x 2 þ 16 x 9 y 2 þ 72 y ¼ 164 |fflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflffl} x-Term
ðFaktor 4 bzw. 9 ausklammernÞ
y-Term
4 ðx 2 þ 4 xÞ 9 ðy 2 8 yÞ ¼ 164
ðTerme quadratisch erg¨anzenÞ
4 ðx 2 þ 4 x þ 2 2 Þ 9 ðy 2 8 y þ 4 2 Þ ¼ 164 þ 4 2 2 9 4 2 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} ðx þ 2Þ 2 ðy 4Þ 2 4 ðx þ 2Þ 2 9 ðy 4Þ 2 ¼ 164 þ 16 144 ¼ 36 j : 36 4 ðx þ 2Þ 2 9 ðy 4Þ 2 ¼ 1 36 36
)
ðx þ 2Þ 2 ðy 4Þ 2 ¼ 1 9 4
Der Mittelpunkt der Hyperbel fa¨llt in den Punkt M ¼ ð 2; 4Þ, die Werte der pffiffiffi pffiffiffi 9 ¼ 3 und b ¼ 4 ¼ 2 (Bild III-104).
beiden Halbachsen betragen a ¼
242
III Funktionen und Kurven y Asymptote
Asymptote
4
S2
M
S1
2
Bild III-104 –2
(4)
2
x
Durch die Gleichung y 2 þ 2 x þ 4 y þ 10 ¼ 0 wird eine Parabel beschrieben, denn es ist A ¼ 0 und B ¼ 1 6¼ 0. Der Scheitelpunkt dieser Parabel liegt wegen der vorhandenen linearen Glieder außerhalb des Koordinatenursprungs (verschobene Parabel). Wir bringen jetzt die Parabelgleichung durch quadratische Erga¨nzung des y-Terms auf die gewu¨nschte Hauptform (Gleichung (III-109)): y 2 þ 4 y ¼ 2 x 10 |fflfflfflfflffl{zfflfflfflfflffl} y-Term
y 2 þ 4 y þ 2 2 ¼ 2 x 10 þ 2 2 ¼ 2 x 6 ¼ 2 ðx þ 3Þ |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} ðy þ 2Þ 2 ðy þ 2Þ 2 ¼ 2 ðx þ 3Þ Der Parameter p besitzt den Wert p ¼ 1, die verschobene Parabel ist demnach nach links geo¨ffnet. Ihr Scheitelpunkt liegt im Punkt S ¼ ð 3; 2Þ. Bild III-105 zeigt den Verlauf dieser Parabel. y 1 –8
–6
–3
–1
S
x
–2
Bild III-105 –4 &
9 Trigonometrische Funktionen
243
9 Trigonometrische Funktionen 9.1 Grundbegriffe Trigonometrische Funktionen (auch Winkel- oder Kreisfunktionen genannt) sind periodische Funktionen und daher zur Beschreibung und Darstellung periodischer Bewegungsabla¨ufe besonders geeignet. Als Beispiele hierfu¨r fu¨hren wir an: Mechanische und elektromagnetische Schwingungen (z. B. Federpendel, elektromagnetischer Schwingkreis) Biegeschwingungen, Torsionsschwingungen Gekoppelte mechanische oder elektromagnetische Schwingungen Ausbreitung von Wellen (Schallwellen, elektromagnetische Wellen) Definition der trigonometrischen Funktionen im rechtwinkligen Dreieck
c a
a b
a: Gegenkathete b: Ankathete c: Hypotenuse
|ffl{zffl}
Die vier trigonometrischen Funktionen Sinus, Kosinus, Tangens und Kotangens sind zuna¨chst nur fu¨r Winkel zwischen 0 und 90 als gewisse Seitenverha¨ltnisse in einem rechtwinkligen Dreieck definiert (Bild III-106):
bez¨uglich des Winkels a
Bild III-106
sin a ¼
Gegenkathete a ¼ Hypotenuse c
ðIII-112Þ
cos a ¼
Ankathete b ¼ Hypotenuse c
ðIII-113Þ
tan a ¼
Gegenkathete a a=c sin a ¼ ¼ ¼ Ankathete b b=c cos a
ðIII-114Þ
cot a ¼
Ankathete b b=c cos a 1 ¼ ¼ ¼ ¼ Gegenkathete a a=c sin a tan a
ðIII-115Þ
244
III Funktionen und Kurven
Winkelmaße (Grad- und Bogenmaß) Winkel werden im Grad- oder Bogenmaß gemessen. Als Gradmaß verwenden wir das sog. Altgrad, d. h. eine Unterteilung des Kreises in 360 Grade. Das Bogenmaß definieren wir wie folgt: Definition: Unter dem Bogenmaß x eines Winkel a (im Gradmaß) verstehen wir die Maßzahl der La¨nge des Bogens, der dem Winkel a im Einheitskreis (Radius r ¼ 1) gegenu¨berliegt (Bild III-107).
v
v Bogenmaß x
Bogenlänge b
1
r
a
a u
u
Bild III-107
Bild III-108
Anmerkungen (1)
Das Bogenmaß x la¨sst sich auch etwas allgemeiner definieren. Ist b die La¨nge des Bogens, der in einem Kreis vom Radius r dem Winkel a gegenu¨ber liegt, so gilt (Bild III-108): x ¼
Bogenl¨ange b ¼ Radius r
ðIII-116Þ
Das Bogenmaß ist demnach eine dimensionslose Gro¨ße, die „Einheit“ Radiant (rad) wird meist weggelassen. Bei einem vollen Umlauf wird der Winkel 2 p u¨berstrichen (entspricht dem Umfang des Einheitskreises). (2)
In der Vermessungstechnik erfolgt die Winkelangabe in Gon oder Neugrad (Unterteilung des Kreises bzw. Vollwinkels in 400 gon).
Zwischen dem Bogenmaß x und dem Gradmaß a besteht die lineare Beziehung x 2p p ¼ ¼ a 360 180
ðIII-117Þ
Sie ermo¨glicht eine Umrechnung zwischen den beiden Winkelmaßen. Fu¨r die Einheiten 1 rad bzw. 1 gilt: 1 rad 57,2958 ;
1 0,017 453
9 Trigonometrische Funktionen &
245
Beispiele (1)
(2)
p a 180
Umrechnung vom Gradmaß (a) ins Bogenmaß (x): x ¼ a
30
45
90
127,5
180
225
310,5
x
p=6
p=4
p=2
2,2253
p
5 p 4
5,4192
Umrechnung vom Bogenmaß (x) ins Gradmaß (a): a ¼
180 x p
x
0,43
0,98
1,61
2,08
p
4,12
a
26,64
56,15
92,25
119,18
180
236,06 &
Drehsinn eines Winkels Beim Abtragen der Winkel im Einheitskreis wird der folgende Drehsinn zugrunde gelegt: Im Gegenuhrzeigersinn u¨berstrichene Winkel werden positiv (positiver Drehsinn), im Uhrzeigersinn u¨berstrichene Winkel negativ geza¨hlt (negativer Drehsinn) (Bild III-109). v P 1
x
Bild III-109 Zur Festlegung des Drehsinns eines Winkels
a
–a
u –x P′
Darstellung der Sinusfunktion im Einheitskreis Wir sind nun in der Lage, die Sinusfunktion fu¨r beliebige positive und negative Winkel zu definieren. Ist P der zum Winkel a geho¨rende Punkt auf dem Einheitskreis (Bild III-110), so gilt per Definition (III-112) fu¨r den Sinus von a die Beziehung sin a ¼
Gegenkathete Ordinate von P ¼ ¼ Ordinate von P Hypotenuse 1
ðIII-118Þ
246
III Funktionen und Kurven
Der Sinus eines zwischen 0 und 90 gelegenen Winkels stellt sich somit im Einheitskreis als der Ordinatenwert des Punktes P dar. Wir verallgemeinern diesen Sachverhalt fu¨r beliebige (positive oder negative) Winkel und gelangen damit zu der folgenden allgemeingu¨ltigen Definition der Sinusfunktion: Definition: Unter dem Sinus eines beliebigen Winkels a versteht man den Ordinatenwert des zu a geho¨renden Punktes P auf dem Einheitskreis (Bild III-110).
v
1
a
sin a
P
cos a
Bild III-110 Darstellung von Sinus und Kosinus im Einheitskreis u
Bei einem vollen Umlauf auf dem Einheitskreis (im positiven Drehsinn) durchla¨uft der Winkel a alle Werte zwischen 0 und 360 und die Sinusfunktion sin a dabei alle zwischen 1 und þ 1 gelegenen Werte. Bei nochmaligem Umlauf wiederholen sich diese Funktionswerte: Die Sinusfunktion ist daher eine periodische Funktion mit der ( primitiven) Periode p ¼ 360 ( bzw. p ¼ 2 p im Bogenmaß): sin ða þ 360 Þ ¼ sin a
ðIII-119Þ
Diese Aussage gilt unvera¨ndert auch bei einem mehrmaligen Umlauf im positiven oder negativen Drehsinn. Bei n Umla¨ufen gilt also: sin ða n 360 Þ ¼ sin a
ðn 2 N*Þ
ðIII-120Þ
Wird der Einheitskreis im negativen Drehsinn (Uhrzeigersinn) durchlaufen, so tritt bei den Funktionswerten ein Vorzeichenwechsel ein, d. h. sin a ist eine ungerade Funktion: sin ð aÞ ¼ sin a
ðIII-121Þ
Diese wichtige Symmetrieeigenschaft la¨sst sich unmittelbar aus Bild III-111 entnehmen.
9 Trigonometrische Funktionen
247
v P sin a
1
a
Bild III-111
–a
sin (– a )
u
P′
Darstellung der Kosinusfunktion im Einheitskreis Den Kosinus eines Winkels a findet man als Abszissenwert des Punktes P auf dem Einheitskreis wieder (Bild III-110). Dies folgt unmittelbar aus der Definitionsgleichung (III-113) des Kosinus: cos a ¼
Ankathete Abszisse von P ¼ ¼ Abszisse von P Hypotenuse 1
ðIII-122Þ
Analoge berlegungen wie beim Sinus fu¨hren schließlich zu der fu¨r beliebige Winkel a definierten Kosinusfunktion cos a. Sie ist ebenfalls periodisch mit der ( primitiven) Periode p ¼ 360 ( bzw. p ¼ 2 p im Bogenmaß): cos ða þ 360 Þ ¼ cos a
ðIII-123Þ
Entsprechend gilt bei n Umla¨ufen (im positiven oder negativen Drehsinn): cos ða n 360 Þ ¼ cos a
ðn 2 N*Þ
ðIII-124)
Im Gegensatz zur Sinusfunktion ist die Kosinusfunktion jedoch eine gerade Funktion: cos ð aÞ ¼ cos a
ðIII-125Þ
Denn die zu den betragsma¨ßig gleichen Winkeln a und a geho¨renden Punkte P und P 0 auf dem Einheitskreis in Bild III-111 liegen spiegelsymmetrisch zur u-Achse und besitzen daher die gleiche Abszisse. Anmerkung Auch die beiden u¨brigen trigonometrischen Funktionen Tangens und Kotangens lassen sich im Einheitskreis durch Strecken bildlich darstellen. Wir verzichten jedoch auf diese Darstellung und definieren diese Funktionen in Abschnitt 9.3 mit Hilfe der dann bereits bekannten Sinus- und Kosinusfunktion.
248
III Funktionen und Kurven
9.2 Sinus- und Kosinusfunktion In den Anwendungen treten Sinus- und Kosinusfunktion fast ausschließlich als Funktionen eines im Bogenmaß x dargestellten Winkels auf (z. B. im Zusammenhang mit mechanischen oder elektromagnetischen Schwingungen). Wir verwenden daher fu¨r diese Funktionen die Schreibweisen y ¼ sin x und y ¼ cos x. Die Eigenschaften beider Funktionen, die u¨berall definiert und stetig sind, lassen sich unmittelbar aus dem Schaubild Bild III-112 ablesen und sind in der folgenden Tabelle 1 im Einzelnen aufgefu¨hrt. Tabelle 1: Eigenschaften der Sinus- und Kosinusfunktion (k 2 Z; Bild III-112) y ¼ sin x
y ¼ cos x
Definitionsbereich
1 < x < 1
1 < x < 1
Wertebereich
1 y 1
1 y 1
Periode (primitive)
2p
2p
Symmetrie
ungerade
gerade
Nullstellen
xk ¼ k p
xk ¼
Relative Maxima
xk ¼
p þ k 2p 2
xk ¼ k 2 p
Relative Minima
xk ¼
3 p þ k 2p 2
xk ¼ p þ k 2 p
p þk p 2
Hinweis: Wegen der Periodizita¨t der Funktionen genu¨gt es, sich die Eigenschaften und den Kurvenverlauf im Periodenintervall 0 x 2 p gut einzupra¨gen. y y = cos x
1
–p
–
p
y = sin x
0
2
p 2
p
3 p 2
–1
Bild III-112 Funktionsgraphen der Sinus- und Kosinusfunktion
2p
5 p 2
3p
x
9 Trigonometrische Funktionen
249
9.3 Tangens- und Kotangensfunktion Die Tangens- und Kotangensfunktion definieren wir in Verallgemeinerung der Beziehungen (III-114) bzw. (III-115) durch die folgenden Gleichungen: tan x ¼
sin x cos x
cot x ¼
und
cos x 1 ¼ sin x tan x
ðIII-126Þ
Diese Funktionen sind u¨berall definiert und stetig mit Ausnahme der Nennernullstellen. Ihre in Tabelle 2 zusammengestellten Eigenschaften lassen sich daher aus den Eigenschaften der Sinus- und Kosinusfunktion herleiten. In den Bildern III-113 und III-114 sind die Funktionsgraphen von y ¼ tan x und y ¼ cot x skizziert.
y
1
–
–p
3 p 2
–
p
p
0
2
p
2
3 p 2
2p
5 p 2
x
Bild III-113 Funktionsgraph der Tangensfunktion
y
1 –2p
–
3 p 2
–p
–
p 2
0
p
p
2
Bild III-114 Funktionsgraph der Kotangensfunktion
3 p 2
2p
x
250
III Funktionen und Kurven
Tabelle 2: Eigenschaften der Tangens- und Kotangensfunktion ðk 2 Z; Bild III-113 bzw. Bild III-114Þ
Definitionsbereich
y ¼ tan x
y ¼ cot x
x 2 R mit Ausnahme der Stellen
x 2 R mit Ausnahme der Stellen x k ¼ k p
xk ¼
p þk p 2
Wertebereich
1 < y < 1
1 < y < 1
Periode ( primitive)
p
p
Symmetrie
ungerade
ungerade
Nullstellen
xk ¼ k p
xk ¼
Pole
xk ¼
Senkrechte Asymptoten
p þk p 2 p x ¼ þk p 2
p þk p 2
xk ¼ k p x ¼ k p
Hinweis: Pra¨gen Sie sich die Eigenschaften und den Kurvenverlauf in einem Periodenintervall gut ein (Periodenintervall des Tangens: p=2 < x < p=2; Periodenintervall des Kotangens: 0 < x < p).
9.4 Wichtige Beziehungen zwischen den trigonometrischen Funktionen Zwischen den vier trigonometrischen Funktionen bestehen zahlreiche Beziehungen, von denen wir an dieser Stelle nur einige besonders ha¨ufig auftretende anfu¨hren ko¨nnen 9). Aus Bild III-112 folgt unmittelbar, dass die Kosinuskurve als eine um p=2 nach links verschobene Sinuskurve aufgefasst werden kann. Daher ist p cos x ¼ sin x þ 2
ðIII-127Þ
Umgekehrt geht die Sinuskurve aus der Kosinuskurve durch Verschiebung um p=2 nach rechts hervor. Dies entspricht der Beziehung p sin x ¼ cos x 2 9Þ
ðIII-128Þ
Alle wesentlichen trigonometrischen Formeln findet der Leser in der Mathematischen Formelsammlung des Autors (Kap. III, Abschnitt 7).
9 Trigonometrische Funktionen
251
Zwischen der Sinus- und Kosinusfunktion besteht ferner die folgende wichtige Relation, die man durch Anwendung des Satzes von Pythagoras auf das in Bild III-115 eingezeichnete rechtwinklige Dreieck erha¨lt:
„Trigonometrischer Pythagoras“ im Bogenmaß (Bild III-115) ðsin xÞ 2 þ ðcos xÞ 2 ¼ sin 2 x þ cos 2 x ¼ 1
ðIII-129Þ
v
sin a
1
a
cos a
u
Bild III-115 Zur Herleitung des „trigonometrischen Pythagoras“ sin 2 a þ cos 2 a ¼ 1 bzw. sin 2 x þ cos 2 x ¼ 1 (im Bogenmaß)
Weitere ha¨ufig benutzte Zusammenha¨nge liefern die sog. Additionstheoreme fu¨r Sinus, Kosinus und Tangens (x 1 , x 2 sind Winkel): Additionstheoreme fu¨r die Sinus-, Kosinus- und Tangensfunktion sin ðx 1 x 2 Þ ¼ sin x 1 cos x 2 cos x 1 sin x 2
ðIII-130Þ
cos ðx 1 x 2 Þ ¼ cos x 1 cos x 2 sin x 1 sin x 2
ðIII-131Þ
tan ðx 1 x 2 Þ ¼
tan x 1 tan x 2 1 tan x 1 tan x 2
ðIII-132Þ
Aus ihnen lassen sich weitere wichtige Beziehungen herleiten. Setzt man in den Additionstheoremen von Sinus und Kosinus x 1 ¼ x 2 ¼ x und nimmt jeweils das obere Vorzeichen, so erha¨lt man folgende Formeln: sin ð2 xÞ ¼ 2 sin x cos x
ðIII-133Þ
cos ð2 xÞ ¼ cos 2 x sin 2 x
ðIII-134Þ
Aus diesen wiederum ergeben sich zusammen mit dem „trigonometrischen Pythagoras“ (III-129) die Beziehungen sin 2 x ¼
1 ½ 1 cos ð2 xÞ 2
und
cos 2 x ¼
1 ½ 1 þ cos ð2 xÞ 2
ðIII-135Þ
252
III Funktionen und Kurven
9.5 Anwendungen in der Schwingungslehre 9.5.1 Harmonische Schwingungen (Sinusschwingungen) 9.5.1.1 Die allgemeine Sinus- und Kosinusfunktion Bei der Beschreibung von (mechanischen oder elektromagnetischen) Schwingungsvorga¨ngen beno¨tigt man Sinus- und Kosinusfunktionen in der allgemeinsten Form y ¼ a sin ðb x þ cÞ
bzw:
y ¼ a cos ðb x þ cÞ
ðIII-136Þ
ða > 0, b > 0Þ. Die Bedeutung der drei Konstanten (Kurvenparameter) a, b und c und die von ihnen verursachten Vera¨nderungen gegenu¨ber der Ausgangsfunktion y ¼ sin x bzw. y ¼ cos x werden im Folgenden ausfu¨hrlich beschrieben, wobei wir uns zuna¨chst auf die Sinusfunktion beschra¨nken werden. Wir gehen also von der elementaren Sinusfunktion y ¼ sin x aus und untersuchen, welchen Einfluss die drei Kurvenparameter haben, wenn diese nacheinander einzeln eingefu¨hrt werden. Bedeutung der Konstanten a ð y ¼ sin x I y ¼ a sin xÞ Der Faktor a in der Funktion y ¼ a sin x bewirkt eine Vera¨nderung der Funktionswerte gegenu¨ber der Ausgangsfunktion y ¼ sin x. Der neue Wertebereich lautet: a y a. Die Sinuskurve wird also in der y-Richtung gedehnt (falls a > 1) oder gestaucht (falls a < 1).
&
Beispiel y ¼ 2 sin x : Die Ordinatenwerte haben sich verdoppelt. Wertebereich: 2 y 2
y
(siehe Bild III-116)
y = 2· sin x
2 y = sin x 1 –p
0 –1
p
2p
3p
x
–2
Bild III-116 Funktionsgraphen von y ¼ sin x und y ¼ 2 sin x &
9 Trigonometrische Funktionen
253
Bedeutung der Konstanten b ð y ¼ sin x I y ¼ sin ðb xÞÞ Der Faktor b im Argument der Sinusfunktion y ¼ sin ðb xÞ vera¨ndert gegenu¨ber der Ausgangsfunktion y ¼ sin x die Periode: y ¼ sin ðb xÞ :
Periode p ¼
2p b
ðvorher : p ¼ 2 pÞ
Denn es gilt:
2p ¼ sin ðb x þ 2 pÞ ¼ sin ðb xÞ sin ½ b ðx þ pÞ ¼ sin b x þ b
ðIII-137Þ
Dabei bewirkt b > 1 eine Verkleinerung, b < 1 dagegen eine Vergro¨ßerung der Periode. Die Sinuskurve wird also in der x-Richtung gestaucht oder gedehnt. &
Beispiele (1)
y ¼ sin ð2 xÞ: Periode p ¼ 2 p=2 ¼ p (siehe Bild III-117) Die Periode der Sinuskurve wurde halbiert, die Kurve somit in der x-Richtung gestaucht. y y = sin x
y = sin (2 x )
1
–p
–
p
p
0
2
p
2
3 p 2
2p
3p
5 p 2
x
–1
Bild III-117 Funktionsgraphen von y ¼ sin x und y ¼ sin ð2 xÞ
(2)
y ¼ sin ðp xÞ :
p ¼ 2 p=p ¼ 2
y ¼ sin ð4 xÞ :
p ¼ 2 p=4 ¼ p=2
y ¼ sin ð0,2 xÞ :
p ¼ 2 p=0,2 ¼ 10 p
&
Bedeutung der Konstanten c ð y ¼ sin x I y ¼ sin ðx þ cÞÞ Die Konstante c in der Sinusfunktion y ¼ sin ðx þ cÞ bewirkt eine Verschiebung der Sinuskurve y ¼ sin x la¨ngs der x-Achse. Wa¨hrend die erste nicht-negative Nullstelle von y ¼ sin x bekanntlich an der Stelle x 0 ¼ 0 liegt, befindet sich die entsprechende Nullstelle von y ¼ sin ðx þ cÞ an der Stelle x 0 ¼ c (man setzt das Argument der Funktion gleich Null): y ¼ sin ðx þ c Þ ¼ sin 0 ¼ 0 |fflffl{zfflffl} 0
)
x þc ¼ 0
)
x0 ¼ c
ðIII-138Þ
254
III Funktionen und Kurven
Die Kurve y ¼ sin ðx þ cÞ „beginnt“ also nicht an der Stelle x 0 ¼ 0 wie die elementare Sinusfunktion y ¼ sin x, sondern an der Stelle x 0 ¼ c. Der Kurvenparameter c bewirkt also eine Verschiebung der Kurve la¨ngs der x-Achse um die Strecke j c j. Fu¨r c > 0 ist die Kurve nach links, fu¨r c < 0 dagegen nach rechts verschoben.
&
Beispiele (1)
y ¼ sin ðx þ pÞ: Diese Funktion ist gegenu¨ber der Sinusfunktion y ¼ sin x um p Einheiten nach links verschoben (die Kurve „beginnt“ an der Stelle x 0 ¼ p, vgl. hierzu Bild III-118). Sie la¨sst sich auch durch die Funktionsgleichung y ¼ sin x beschreiben (an der x-Achse gespiegelte Sinusfunktion). Dies folgt auch unmittelbar aus dem Additionstheorem der Sinusfunktion (Gleichung III-130 mit x 1 ¼ x und x 2 ¼ p): y ¼ sin ðx þ pÞ ¼ sin x cos p þ cos x sin p ¼ sin x |fflffl{zfflffl} |ffl{zffl} 1 0 y y = sin x
y = sin (x + p )
1
–p
p
0
2p
3p
x
–1
Bild III-118 Funktionsgraphen von y ¼ sin x und y ¼ sin ðx þ pÞ
(2)
y ¼ sin ðx 1Þ: Diese Funktion ist gegenu¨ber der elementaren Sinusfunktion y ¼ sin x um eine Einheit nach rechts verschoben, die „1. Nullstelle“ liegt also bei x 0 ¼ 1 (Bild III-119). y
y = sin x y = sin (x – 1)
1
–p
0
1
p
2p
3p
x
–1
Bild III-119 Funktionsgraphen von y ¼ sin x und y ¼ sin ðx 1Þ &
9 Trigonometrische Funktionen
255
Eigenschaften der allgemeinen Sinusfunktion y ¼ a sin ðb x þ cÞ Die drei Kurvenparameter a > 0, b > 0 und c in der allgemeinen Sinusfunktion y ¼ a sin ðb x þ cÞ bewirken insgesamt gegenu¨ber der elementaren Sinusfunktion y ¼ sin x die folgenden Vera¨nderungen in Periode, „1. Nullstelle“ und Wertebereich: Eigenschaften der allgemeinen Sinusfunktion y ¼ a sin ðb x þ cÞ (Bild III-120) Periode:
p ¼ 2 p=b
(vorher: p ¼ 2 p)
„1. Nullstelle“:
x 0 ¼ c=b
(vorher: x 0 ¼ 0)
Wertebereich:
a y a
(vorher: 1 y 1)
y p = 2 p/ b a
x0
x
x0 + p y = a · sin (bx + c) –a
Bild III-120 Allgemeine Sinusfunktion y ¼ a sin ðb x þ cÞ (gezeichnet fu¨r c > 0)
Hinweis fu¨r eine Skizze (siehe Bild III-121) Sie wa¨hlen x 0 als Anfangspunkt eines Periodenintervalls der La¨nge p ¼ 2 p=b (x 0 eintragen, dann die Strecke p nach rechts abtragen, der Endpunkt des Periodenintervalls liegt dann bei x 0 þ p). ber diesem Intervall liegt eine volle Sinuskurve (Nullstellen in den beiden Randpunkten und in der Mitte, dazwischen jeweils genau in der Mitte liegen Maximum bzw. Minimum). Am Schluss mu¨ssen Sie noch den Maßstab auf der y-Achse a¨ndern ð a y aÞ. y
a
Bild III-121 x0
–a
x0 + p
x
256 &
III Funktionen und Kurven
Beispiel y ¼ 2 sin ð0,5 x þ 0,5 pÞ (Bild III-122) Periode:
p ¼ 2 p=0,5 ¼ 4 p
„1. Nullstelle“:
0,5 x þ 0,5 p ¼ 0
Wertebereich:
2 y 2
)
0,5 x ¼ 0,5 p
)
x0 ¼ p
y y = 2 · sin (0,5 x + 0,5 p )
2
y = sin x 1
–p
0
p
2p
3p
4p
5p
6p
x
–1 –2
Bild III-122 Verlauf der Funktionen y ¼ sin x und y ¼ 2 sin ð0,5 x þ 0,5 pÞ &
Eigenschaften der allgemeinen Kosinusfunktion y ¼ a cos ðb x þ cÞ Analoge berlegungen fu¨hren bei einer Kosinusfunktion vom allgemeinen Typ y ¼ a cos ðb x þ cÞ zu dem folgenden Ergebnis: Eigenschaften der allgemeinen Kosinusfunktion y ¼ a cos ðb x þ cÞ (Bild III-123) Periode:
p ¼ 2 p=b
(vorher: p ¼ 2 p)
„1. Maximum“:
x 0 ¼ c=b
(vorher: x 0 ¼ 0)
Wertebereich:
a y a
(vorher: 1 y 1)
Anmerkung Eine Skizze der Kosinuskurve erhalten Sie, wenn Sie a¨hnlich wie bei der Sinuskurve vorgehen (Bezugspunkt ist diesmal das 1. Maximum an der Stelle x 0 ). Alternative: Die Kosinusfunktion zuna¨chst in eine Sinusfunktion verwandeln (der Nullphasenwinkel vergro¨ßert sich dabei um p=2), dann die bekannte Konstruktion anwenden.
9 Trigonometrische Funktionen
257
y a y = a · cos (bx + c)
x0 + p
x0
–a
x
p = 2 p/ b
Bild III-123 Allgemeine Kosinusfunktion y ¼ a cos ðb x þ cÞ (gezeichnet fu¨r c > 0)
9.5.1.2 Harmonische Schwingung eines Federpendels (Feder-Masse-Schwingers) Die Schwingung eines Federpendels (Feder-Masse-Schwingers) kann als Modellfall einer Sinusschwingung (auch harmonische Schwingung genannt) betrachtet werden (Bild III-124). Schwingungen dieser Art treten auf, wenn ein lineares Kraftgesetz vorliegt (wie beispielsweise des Hookesche Gesetz bei einer elastischen Feder). Die Auslenkung y ist dann eine periodische Funktion der Zeit t und kann in der Sinusform y ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðA > 0, w > 0Þ
ðIII-139Þ
dargestellt werden. Dabei bedeuten: A: Maximale Auslenkung, Amplitude genannt w: Kreisfrequenz der Schwingung j: Phase (auch Phasen- oder Nullphasenwinkel genannt)
elastische Feder
Gleichgewichtslage y
Pendelmasse
augenblickliche Lage zur Zeit t
Bild III-124 Federpendel (Feder-Masse-Schwinger)
258
III Funktionen und Kurven
Die Periodendauer der Funktion ist p ¼ 2 p=w und wird in diesem Zusammenhang als Schwingungsdauer T bezeichnet. Dabei besteht zwischen Kreisfrequenz w, Frequenz f und Schwingungsdauer T die folgende Beziehung: 1 f ¼ T
2p w ¼ 2pf ¼ T
ðIII-140Þ
Die Sinusschwingung „beginnt“ zur Zeit t 0 ¼ j= w (sog. Phasenverschiebung). Fu¨r j > 0 ist die Kurve auf der Zeitachse nach links, fu¨r j < 0 nach rechts verschoben.
&
Beispiel
p , t 0 s: Schwingung mit der Funktionsgleichung y ¼ 5 cm sin 2 s 1 t þ 2 A ¼ 5 cm ,
w ¼ 2 s1 ,
T ¼
Phasenverschiebung: 2 s 1 t þ
2p 2p ¼ ¼ ps w 2 s1
p ¼ 0 2
)
t0 ¼
p s 4
Bild III-125 zeigt den Schwingungsverlauf fu¨r t 0 s (der gestrichelte Teil der Kurve hat keine physikalische Bedeutung, da die Schwingung erst zum Zeitpunkt t ¼ 0 s beginnt).
y /cm y = 5 cm · sin 2 s –1 · t + 5
–
p
0
4
p
p
4
2
p 2
3 p 4
p
5 p 4
3 p 2
7 p 4
t /s
–5
Bild III-125 Darstellung der Schwingung y ¼ 5 cm sin ð2 s 1 t þ p=2Þ, t 0 s
&
9.5.2 Darstellung von Schwingungen im Zeigerdiagramm Darstellung einer Sinusschwingung durch einen rotierenden Zeiger Im Bereich der Schwingungslehre hat sich eine unter dem Namen Zeigerdiagramm bekannte Darstellungsform durchgesetzt, die in besonders einfacher und anschaulicher Weise Schwingungsvorga¨nge durch rotierende, d. h. zeitabha¨ngige Zeiger beschreibt. Anwendung findet diese Darstellungsart beispielsweise bei der Behandlung von Wechselstromkreisen: Sinusfo¨rmige Wechselspannungen bzw. Wechselstro¨me werden dabei durch
9 Trigonometrische Funktionen
259
rotierende Zeiger dargestellt. Auch bei der Superposition (berlagerung) von Schwingungen gleicher Frequenz bedient man sich mit großem Vorteil des Zeigerdiagramms. Eine Sinusschwingung vom allgemeinen Typ y ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðIII-141Þ
mit A > 0 und w > 0 wird im Zeigerdiagramm durch einen mit der Winkelgeschwindigkeit (Kreisfrequenz) w im Gegenuhrzeigersinn um den Nullpunkt rotierenden Zeiger der La¨nge A beschrieben (Bild III-126). Zu Beginn der Rotation, d. h. zur Zeit t ¼ 0 befindet sich der Zeiger in der Position (1), sein Winkel gegenu¨ber der Horizontalen betra¨gt j. Der Phasenwinkel j der Sinusschwingung (III-141) bestimmt somit die Anfangslage des rotierenden Zeigers. Bis zum Zeitpunkt t hat sich der Zeiger um den Winkel w t in positiver Richtung weitergedreht und nimmt dann die Lage (2) ein (Drehwinkel insgesamt: j þ w t). Dabei entspricht die Ordinate der Zeigerspitze dem augenblicklichen Funktionswert von y ¼ A sin ðw t þ jÞ. Bei einer vollen Drehung des Zeigers durchla¨uft dann die Ordinate sa¨mtliche Funktionswerte der Sinusfunktion, also alle Werte aus dem Intervall A y A. Zwischen der Position des Zeigers und der Ordinate y seiner Pfeilspitze (die ja dem augenblicklichen Funktionswert der Sinusschwingung entspricht) besteht somit der folgende Zusammenhang: Lage zur Zeit t ¼ 0 (Position (1)): y ð0Þ ¼ A sin j Lage zur Zeit t > 0 (Position (2)): y ðtÞ ¼ A sin ðw t þ jÞ
( 2)
v
A · sin ( v t + f )
y
A A
vt
(1)
A A · sin f
f
f
Bild III-126 Darstellung einer Sinusschwingung im Zeigerdiagramm
Bild III-127 Anfangslage eines rotierenden Sinuszeigers im Zeigerdiagramm
260
III Funktionen und Kurven
Wir fassen die wichtigsten Ergebnisse wie folgt zusammen:
Darstellung einer Sinusschwingung durch einen rotierenden Zeiger (Bild III-126) Eine sinusfo¨rmige Schwingung vom Typ y ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðA > 0, w > 0Þ
ðIII-142Þ
la¨sst sich im Zeigerdiagramm durch einen im mathematisch positiven Drehsinn mit der Winkelgeschwindigkeit w um den Ursprung rotierenden Zeiger der La¨nge A darstellen (Bild III-126). Der Zeiger „startet“ dabei zur Zeit t ¼ 0 aus der durch den Phasenwinkel j eindeutig festgelegten Position heraus (Anfangslage (1) in Bild III-126). Zur Zeit t > 0 befindet er sich dann in der Position (2). Wir treffen jetzt die folgende verbindliche Vereinbarung: Eine sinusfo¨rmige Schwingung wird im Zeigerdiagramm stets durch die Anfangslage des zugeho¨rigen (rotierenden) Zeigers symbolisch dargestellt (Bild III-127).
&
Beispiele Die durch die folgenden Funktionsgleichungen beschriebenen harmonischen Schwingungen (Sinusschwingungen) mit gleicher Amplitude A ¼ 4 und gleicher Kreisfrequenz w ¼ 2 sind im Zeigerdiagramm symbolisch darzustellen ðt 0Þ: p 2p y 2 ¼ 4 sin 2 t þ y 1 ¼ 4 sin ð2 tÞ y 3 ¼ 4 sin 2 t þ 4 3 p 2p y 6 ¼ 4 sin 2 t y 5 ¼ 4 sin 2 t y 4 ¼ 4 sin ð2 t þ pÞ 6 3 Die Zeiger y 2 , y 3 , y 4 , y 5 und y 6 lassen sich aus dem Zeiger y 1 ¼ 4 sin ð2 tÞ durch Drehung um die folgenden Winkel gewinnen (Bild III-128): Zeiger
y2
y3
y4
Drehwinkel (Bogenmaß)
p 4
2p 3
p
45
120
180
Drehwinkel (Gradmaß)
y5
p 6
30
y6
2p 3
120
Die sechs Zeiger rotieren mit der Winkelgeschwindigkeit w ¼ 2 um den gemeinsamen Nullpunkt im Gegenuhrzeigersinn (Start zum Zeitpunkt t ¼ 0).
9 Trigonometrische Funktionen
261
y3 y2
Bild III-128 y4
y1 y5 y6 &
Darstellung einer Kosinusschwingung durch einen rotierenden Zeiger Eine Kosinusschwingung vom allgemeinen Typ y ¼ A cos ðw t þ jÞ
ðA > 0, w > 0Þ
ist auch als Sinusschwingung in der Form p ¼ A sin ðw t þ j*Þ y ¼ A sin w t þ j þ 2 |fflfflffl{zfflfflffl} j*
ðIII-143Þ
ðIII-144Þ
darstellbar und la¨sst sich somit durch einen mit der Winkelgeschwindigkeit w rotierenden Sinuszeiger der La¨nge A beschreiben, der zu Beginn der Drehung die durch die Phase j* ¼ j þ p=2 eindeutig festgelegte Position einnimmt (Bild III-129). Mit anderen Worten: Einer Kosinusschwingung mit dem Phasenwinkel j entspricht eine Sinusschwingung mit einem um p=2 vergro¨ßerten Phasenwinkel j* ¼ j þ p=2. Eine unverschobene Kosinusschwingung y ¼ A cos ðw tÞ kann daher als eine Sinusschwingung mit dem Nullphasenwinkel p=2 aufgefasst werden. Der zugeho¨rige Zeiger ist daher im Zeigerdiagramm nach oben abzutragen.
y A
f 90°
Bild III-129 Darstellung einer Kosinusschwingung im Zeigerdiagramm (Anfangslage)
262 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele y 1 ¼ 3 cos ð5 tÞ
y 2 ¼ 3 cos ð5 t þ pÞ
p y 3 ¼ 3 cos 5 t þ 3
y 4 ¼ 3 cos ð5 t 0,5Þ
7 y 5 ¼ 3 cos 5 t þ p 6
4p y 6 ¼ 3 cos 5 t 3
Alle Schwingungen sind gleichfrequent ðw ¼ 5Þ und haben die gleiche Amplitude A ¼ 3, die Spitzen der zugeho¨rigen Zeiger liegen daher auf einem Kreis mit dem Radius r ¼ 3. Der Zeiger der unverschobenen Kosinusschwingung y 1 ist nach oben abzutragen. Die Anfangslage der u¨brigen 5 Zeiger erha¨lt man, indem man den Zeiger y 1 der Reihe nach um die Winkel p, p=3, 0,5, 7 p=6 und 4 p=3 oder (im Gradmaß) um 180 , 60 , 28,6 , 210 und 240 dreht, wie in Bild III-130 dargestellt. Vom Zeitpunkt t ¼ 0 an rotieren die Zeiger um den gemeinsamen Nullpunkt mit der Winkelgeschwindigkeit w ¼ 5 (im Gegenuhrzeigersinn). y1 y4 y3
y6 y5 y2
Bild III-130 &
Zeigerdiagramm fu¨r Sinus- und Kosinusschwingungen Fu¨r die symbolische Darstellung von Sinus- und Kosinusschwingungen in einem Zeigerdiagramm gelten somit die folgenden Regeln: Eine unverschobene Sinusschwingung y ¼ A sin ðw tÞ wird im Zeigerdiagramm durch einen nach rechts gerichteten Zeiger, eine unverschobene Kosinusschwingung y ¼ A cos ðw tÞ durch einen nach oben gerichteten Zeiger dargestellt (Bild III-131). La¨sst man auch einen negativen „Amplitudenfaktor“ A zu, so bedeutet A < 0 eine Vergro¨ßerung des Phasenwinkels um 180 , d. h. eine zusa¨tzliche Drehung des Zeigers um 180 im Gegenuhrzeigersinn. Unverschobene Sinus- und Kosinusschwingungen mit einem negativen „Amplitudenfaktor“ werden demnach in der jeweiligen Gegenrichtung d. h. nach links bzw. nach unten abgetragen (Bild III-132).
9 Trigonometrische Funktionen
263
y = A · cos ( v t)
A A y = A · sin ( v t)
Bild III-131 Anfangslage einer unverschobenen Sinusbzw. Kosinusschwingung
Bild III-132 Zeiger der unverschobenen Sinus- und Kosinusschwingungen
Somit gelten allgemein die folgenden Regeln fu¨r die Zeigerdarstellung von unverschobenen Sinus- und Kosinusschwingungen: Schwingungstyp
A > 0
A < 0
y ¼ A sin ðw tÞ
nach rechts abtragen
nach links abtragen
y ¼ A cos ðw tÞ
nach oben abtragen
nach unten abtragen
Bei phasenverschobenen Schwingungen der allgemeinen Form y ¼ A sin ðw t þ jÞ bzw. y ¼ A cos ðw t þ jÞ erfolgt noch eine zusa¨tzliche Drehung um den Winkel j und zwar fu¨r j > 0 im Gegenuhrzeigersinn, fu¨r j < 0 dagegen im Uhrzeigersinn.
&
Beispiele (1)
Die durch die Funktionen p y 1 ¼ 3 sin 2 t þ 6 3p y 3 ¼ 4 cos 2 t þ 4 y 5 ¼ 4 sin ð2 t þ 1Þ
y 2 ¼ 2 cos ð2 t pÞ p y 4 ¼ 4 sin 2 t 12 p y 6 ¼ 3 cos 2 t þ 4
beschriebenen (gleichfrequenten) Schwingungen sind im Zeigerdiagramm darzustellen. Die Lo¨sung der Aufgabe ist in Bild III-133 dargestellt.
264
III Funktionen und Kurven
+ cos
y5
4 y4
y1 3
4
+ sin
– sin 3
2
4
Bild III-133
y2 y6 y3 – cos
(2)
Die harmonischen Schwingungen mit den Gleichungen p y 1 ¼ 3 cos w t 4
p y 2 ¼ 3 sin w t 6
und
sind durch Sinusfunktionen vom Typ y ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðA > 0Þ
darzustellen (die Kreisfrequenz w ist zahlenma¨ßig nicht bekannt). Lo¨sung: Bild III-134 zeigt die Anfangslage der zugeho¨rigen Zeiger der La¨nge 3. + cos
y1 y2
– sin
150° 45° y0
– cos
+ sin
Bild III-134
9 Trigonometrische Funktionen
265
Der Zeiger y 1 entsteht dabei durch Drehung des unverschobenen Sinuszeigers y 0 ¼ 3 sin ðw tÞ um den Winkel j 1 ¼ 45 ¼ b p=4 im positiven Drehsinn (Bild III-134). Daher ist p p ¼ 3 sin w t þ y 1 ¼ 3 cos w t 4 4 Analog erha¨lt man den Zeiger y 2 durch Drehung des Zeigers y 0 um den Winkel j 2 ¼ 150 ¼ b 5 p=6 im positiven Drehsinn. Es gilt daher p 5p y 2 ¼ 3 sin w t ¼ 3 sin w t þ 6 6 Die vorgegebenen Schwingungen y 1 und y 2 ko¨nnen somit auch als Sinusschwingungen mit der Amplitude A ¼ 3 und dem Phasenwinkel j ¼ p=4 bzw. & j ¼ 5 p=6 aufgefasst werden.
9.5.3 Superposition (berlagerung) gleichfrequenter Schwingungen Nach dem Superpositionsprinzip der Physik entsteht durch ungesto¨rte berlagerung zweier gleichfrequenter sinusfo¨rmiger Schwingungen vom Typ y 1 ¼ A 1 sin ðw t þ j1 Þ
und
y 2 ¼ A 2 sin ðw t þ j2 Þ
ðIII-145Þ
eine resultierende Schwingung gleicher Frequenz: y ¼ y 1 þ y 2 ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðIII-146Þ
Amplitude A und Phase j der Resultierenden sind dabei eindeutig durch die Amplituden A 1 , A 2 und die Phasen j1 , j2 der Einzelschwingungen y 1 und y 2 bestimmt (alle Amplituden > 0; w > 0). Zeichnerische Lo¨sung (Bild III-135) Im Zeigerdiagramm werden die Zeiger von y 1 und y 2 zu einem Parallelogramm zusammengesetzt, dessen Diagonale die resultierende Schwingung nach Bild III-135 darstellt. Amplitude A und Phase j lassen sich unmittelbar aus dem Diagramm ablesen. y = y1 + y2
y2
A
A2
f2 f1
f
A1
y1
Bild III-135 Geometrische Addition zweier gleichfrequenter Schwingungen im Zeigerdiagramm
266
III Funktionen und Kurven
Berechnung von Amplitude A und Phase j (Bild III-136) Aus Bild III-136 gewinnt man durch Anwendung des Satzes von Pythagoras auf das rechtwinklige Dreieck mit den Katheten u ¼ u 1 þ u 2 und v ¼ v 1 þ v 2 und der Hypotenuse A die folgende Beziehung fu¨r die Amplitude A der resultierenden Schwingung: A 2 ¼ u 2 þ v 2 ¼ ðu 1 þ u 2 Þ 2 þ ðv 1 þ v 2 Þ 2 ¼ ¼ ðA 1 cos j1 þ A 2 cos j2 Þ 2 þ ðA 1 sin j1 þ A 2 sin j2 Þ 2 ¼ ¼ A 21 cos 2 j1 þ 2 A 1 A 2 cos j1 cos j2 þ A 22 cos 2 j2 þ A 21 sin 2 j1 þ þ 2 A 1 A 2 sin j1 sin j2 þ A 22 sin 2 j2 ¼ ¼ A 21 ðcos 2 j1 þ sin 2 j1 Þ þ A 22 ðcos 2 j2 þ sin 2 j2 Þ þ |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} 1 1 þ 2 A 1 A 2 ðcos j1 cos j2 þ sin j1 sin j2 Þ ¼ |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} cos ðj1 j2 Þ ¼ cos ðj2 j1 Þ ¼ A 21 þ A 22 þ 2 A 1 A 2 cos ðj2 j1 Þ
ðIII-147Þ
(unter Verwendung des Additionstheorems des Kosinus). Somit ist A ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi A 21 þ A 22 þ 2 A 1 A 2 cos ðj2 j1 Þ
ðIII-148Þ
Die Phase j der resultierenden Schwingung berechnet man aus der Formel tan j ¼
v v1 þ v2 A 1 sin j1 þ A 2 sin j2 ¼ ¼ u u1 þ u2 A 1 cos j1 þ A 2 cos j2
ðIII-149Þ
y
Hilfsgro¨ßen: u 1 ¼ A 1 cos j1 y2
u 2 ¼ A 2 cos j2
v2
A A2
v = v1 + v 2
v 2 ¼ A 2 sin j2
y1
f2
A1
f
v1
f1 u1 u = u1 + u 2
v 1 ¼ A 1 sin j1
u2
Bild III-136 Zur Bestimmung der Amplitude und Phase einer resultierenden Schwingung
9 Trigonometrische Funktionen
267
Wir fassen zusammen: Superposition zweier gleichfrequenter Schwingungen (Bild III-136) Durch ungesto¨rte berlagerung zweier gleichfrequenter Schwingungen vom Typ y 1 ¼ A 1 sin ðw t þ j1 Þ
und
y 2 ¼ A 2 sin ðw t þ j2 Þ
ðIII-150Þ
mit A 1 > 0, A 2 > 0 und w > 0 entsteht eine resultierende Schwingung der gleichen Frequenz: y ¼ y 1 þ y 2 ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðmit A > 0Þ
ðIII-151Þ
Amplitude A und Phasenwinkel j lassen sich dabei aus den Amplituden A 1 und A 2 und den Phasenwinkeln j1 und j2 der beiden Einzelschwingungen wie folgt berechnen: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi A ¼ A 21 þ A 22 þ 2 A 1 A 2 cos ðj2 j1 Þ ðIII-152Þ tan j ¼
A 1 sin j1 þ A 2 sin j2 A 1 cos j1 þ A 2 cos j2
ðIII-153Þ
Anmerkungen (1)
Man beachte die Voraussetzungen: Beide Schwingungen mu¨ssen als Sinusschwingungen mit jeweils positiver Amplitude vorliegen. Die Formeln (III-152) und (III-153) gelten aber auch dann, wenn beide Einzelschwingungen in der Kosinusform mit jeweils positiver Amplitude vorgegeben sind. In diesem Fall ist die resultierende Schwingung eine gleichfrequente phasenverschobene Kosinusschwingung. Die Einzelschwingungen mu¨ssen also gegebenenfalls erst auf die Sinusform (oder Kosinusform) gebracht werden.
(2)
Es ist ratsam, sich zuna¨chst anhand einer Skizze u¨ber die Lage des resultierenden Zeigers zu informieren. Den Phasenwinkel j erha¨lt man dann aus Gleichung (III-153) unter Beru¨cksichtigung des Quadranten (siehe hierzu auch das nachfolgende Beispiel (3)). Die dabei zu lo¨sende Gleichung tan j ¼ const: ¼ c besitzt in Abha¨ngigkeit vom Quadranten die folgende Lo¨sung (Hauptwert im Gradmaß) 10) : Quadrant
I
II, III
IV
j¼
arctan c
arctan c + 180
arctan c + 360
Hinweis: Der Phasenwinkel j muss in der Schwingungsgleichung aus Dimensionsgru¨nden stets im Bogenmaß angegeben werden. 10Þ
Die Funktion y ¼ arctan x ist die Umkehrfunktion der auf das Intervall p=2 < x < p=2 beschra¨nkten Tangensfunktion und wird in Abschnitt 10.4 noch ausfu¨hrlich behandelt.
268 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele (1)
Wie lautet die durch Superposition der beiden gleichfrequenten mechanischen Schwingungen y 1 ¼ 4 cm sin ð2 s 1 tÞ
und
y 2 ¼ 3 cm cos ð2 s 1 t p=6Þ
entstandene resultierende Schwingung? Lo¨sung: Zuna¨chst wird die Kosinusschwingung y 2 mit Hilfe des Zeigerdiagramms in eine Sinusschwingung umgewandelt (Bild III-137): y 2 ¼ 3 cm cos ð2 s 1 t p=6Þ ¼ 3 cm sin ð2 s 1 t þ p=3Þ + cos y2
30°
60° + sin
Bild III-137 Umwandlung einer Kosinusschwingung in eine Sinusschwingung
Mit A 1 ¼ 4 cm, A 2 ¼ 3 cm, j1 ¼ 0 und j2 ¼ p=3 erha¨lt man aus den Gleichungen (III-152) und (III-153) die folgenden Werte fu¨r die Amplitude A und die Phase j der resultierenden Schwingung (der resultierende Zeiger liegt im 1. Quandranten): qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi A ¼ ð4 cmÞ 2 þ ð3 cmÞ 2 þ 2 4 cm 3 cm cos ðp=3Þ ¼ ¼
pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 16 þ 9 þ 12 cm ¼ 37 cm ¼ 6,08 cm
tan j ¼ ¼
4 cm sin 0 þ 3 cm sin ðp=3Þ ð0 þ 2,5981Þ cm ¼ ¼ 4 cm cos 0 þ 3 cm cos ðp=3Þ ð4 þ 1,5Þ cm 2,5981 cm ¼ 0,4724 5,5 cm
)
j ¼ arctan 0,4724 ¼ 25,29 ¼ b 0,44 Die resultierende Schwingung lautet damit: y ¼ y 1 þ y 2 ¼ 4 cm sin ð2 s 1 tÞ þ 3 cm cos ð2 s 1 t p=6Þ ¼ ¼ 6,08 cm sin ð2 s 1 t þ 0,44Þ
9 Trigonometrische Funktionen (2)
269
Die gleichfrequenten Wechselspannungen u 1 ¼ 50 V sin ð314 s 1 tÞ
und
u 2 ¼ 80 V cos ð314 s 1 tÞ
werden zur berlagerung gebracht. Die durch Superposition entstehende resultierende Wechselspannung u ¼ u 0 sin ð314 s 1 t þ jÞ kann unmittelbar aus dem Zeigerdiagramm berechnet werden (unverschobene Sinus- bzw. Kosinuszeiger, siehe Bild III-138): u = u1 + u 2
u2
u0 ¼
u0
80 V
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð50 VÞ 2 þ ð80 VÞ 2 ¼ 94,34 V
tan j ¼
80 V ¼ 1,6 50 V
)
j ¼ arctan 1,6 ¼ 57,99 ¼ b 1,01
f 50 V
u1
Bild III-138
Die resultierende Wechselspannung la¨sst sich somit durch die Funktion u ¼ u 1 þ u 2 ¼ 50 V sin ð314 s 1 tÞ þ 80 V cos ð314 s 1 tÞ ¼ ¼ 94,34 V sin ð314 s 1 t þ 1,01Þ beschreiben. (3)
Wir bringen die gleichfrequenten mechanischen Schwingungen p 5 und y 2 ¼ 10 cm sin w t þ p y 1 ¼ 6 cm sin w t þ 6 6 zur ungesto¨rten berlagerung. Der Zeiger der resultierenden Schwingung y ¼ A sin ðw t þ jÞ liegt im 2. Quadranten ð90 < j < 180 Þ, wie man dem Zeigerdiagramm entnehmen kann (siehe Bild III-139). y = y1 + y2
A = 8,7 cm y2
y1 10 cm f = 113° 30°
30°
6 cm
Bild III-139
270
III Funktionen und Kurven
Fu¨r die Amplitude A erhalten wir nach Formel (III-152) den folgenden Wert: sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 5 p 2 2 p A ¼ ð6 cmÞ þ ð10 cmÞ þ 2 6 cm 10 cm cos ¼ 6 6 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} 2 p=3 p ffiffiffiffiffiffi ffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ 36 þ 100 60 cm ¼ 76 cm ¼ 8,72 cm Den Phasenwinkel j bestimmen wir aus Gleichung (III-153): p 5 þ 10 cm sin p 6 cm sin 6 6 ¼ tan j ¼ p 5 6 cm cos þ 10 cm cos p 6 6 ¼
ð3 þ 5Þ cm 8 ¼ ¼ 2,3094 ð5,1962 8,6603Þ cm 3,4641
Diese Gleichung besitzt wegen 90 < j < 180 die Lo¨sung j ¼ arctan ð 2,3094Þ þ 180 ¼ 113,41 ¼ b 1,98 Die resultierende Schwingung wird somit durch die Gleichung y ¼ y 1 þ y 2 ¼ 8,72 cm sin ðw t þ 1,98Þ &
beschrieben.
9.5.4 Lissajous-Figuren Lissajous-Figuren entstehen durch berlagerung zweier aufeinander senkrecht stehender Schwingungen, deren Frequenzen in einem rationalen Verha¨ltnis stehen. Sie lassen sich z. B. auf einem Kathodenstrahloszillograph (Braunsche Ro¨hre) durch Anlegen von (sinusfo¨rmigen) Wechselspannungen an die beiden Kondensatorplattenpaare realisieren. Eine Sinusspannung am horizontal ablenkenden Plattenpaar (x-Richtung) bewirkt, dass der Elektronenstrahl eine Schwingung in waagerechter Richtung nach der Gleichung x ¼ a sin ðw tÞ ausfu¨hrt. Eine Kosinusspannung gleicher Frequenz am vertikal ablenkenden Plattenpaar ( y-Richtung) veranlasst den Elektronenstrahl zu einer periodischen Bewegung in vertikaler Richtung gema¨ß der Gleichung y ¼ b cos ðw tÞ. Die augenblickliche Lage des Strahls bei gleichzeitigem Anlegen beider Spannungen wird dann durch die Parameter-Gleichungen x ¼ a sin ðw tÞ ,
y ¼ b cos ðw tÞ
ðt 0Þ
beschrieben ða > 0, b > 0 und w > 0Þ. Lo¨st man diese Gleichungen nach sin ðw tÞ bzw. cos ðw tÞ auf und beru¨cksichtigt die Beziehung (III-129), so erha¨lt man als Bahnkurve des Elektronenstrahls eine unverschobene Ellipse mit den Halbachsen a und b (Bild III-140): x 2 y 2 x2 y2 sin 2 ðw tÞ þ cos 2 ðw tÞ ¼ 1 ) þ ¼ 1 ) þ ¼ 1 a b a2 b2
10 Arkusfunktionen
271
y Startpunkt (t = 0)
Bild III-140 Lissajous-Figur (Ellipse): Die Pfeilrichtung kennzeichnet den Durchlaufsinn des Elektronenstrahls
b a
x
10 Arkusfunktionen 10.1 Das Problem der Umkehrung trigonometrischer Funktionen Die trigonometrischen Funktionen ordnen einem Winkel x in eindeutiger Weise einen Funktionswert zu. In den Anwendungen jedoch stellt sich ha¨ufig genau das umgekehrte Problem (z. B. beim Lo¨sen einer trigonometrischen Gleichung): Der Funktionswert einer bestimmten trigonometrischen Funktion ist bekannt, gesucht ist der zugeho¨rige Winkel. So besitzt beispielsweise die einfache trigonometrische Gleichung tan x ¼ 1 unendlich viele Lo¨sungen, d. h. es gibt unendlich viele Winkel, deren Tangens gleich Eins ist. Die Lo¨sungen dieser Gleichung ko¨nnen bequem auf zeichnerischem Wege als Schnittpunkte der Tangensfunktion y ¼ tan x mit der Geraden y ¼ 1 (Parallele zur x-Achse) ermittelt werden (Bild III-141). Sie liegen wegen der Periodizita¨t der Tangensfunktion in regelma¨ßigen Absta¨nden von einer Periodenla¨nge p : xk ¼
p þk p 4
ðk 2 ZÞ
y y = tan x y=1
–
3 p 2
–
–
3 p 4
p
p
2
2
p 4
3 p 2 5 p 4
Bild III-141 Zur Umkehrung einer trigonometrischen Funktion
5 p 2 9 p 4
x
272
III Funktionen und Kurven
Die Umkehrung der Tangensfunktion ist demnach nicht eindeutig. Offensichtlich ist dies eine Folge der fehlenden Monotonieeigenschaft (bedingt durch die Periodizita¨t). Ganz a¨hnlich liegen die Verha¨ltnisse bei den u¨brigen trigonometrischen Funktionen. Beschra¨nken wir uns jedoch bei der Lo¨sung der Gleichung tan x ¼ 1 auf den Winkelbereich p=2 < x < p=2 (hier ist der Tangens streng monoton wachsend), so erha¨lt man genau eine Lo¨sung: Lo¨ sung im Intervall
tan x ¼ 1 I x 0 ¼ p=4 p=2 < x < p=2
Zur Umkehrung der trigonometrischen Funktionen Grundsa¨tzlich lassen sich die trigonometrischen Funktionen infolge fehlender Monotonieeigenschaft nicht umkehren. Beschra¨nkt man sich jedoch auf gewisse Intervalle, in denen die Funktionen streng monoton verlaufen und dabei sa¨mtliche Funktionswerte annehmen, so ist jede der vier Winkelfunktionen dort umkehrbar. Die Umkehrfunktionen werden als Arkusfunktionen oder zyklometrische Funktionen bezeichnet. Ihre Funktionswerte sind im Bogen- oder Gradmaß dargestellte Winkel.
Bei der Auswahl der Intervalle, in denen die Umkehrung vorgenommen werden soll, gehen wir wie folgt vor: Wenn mo¨glich, wa¨hlen wir ein zum Nullpunkt symmetrisches Intervall, in dem die trigonometrische Funktion die fu¨r die Umkehrung no¨tigen Voraussetzungen erfu¨llt (! Sinus, Tangens). Falls dies jedoch nicht mo¨glich ist, wa¨hlen wir ein im Nullpunkt beginnendes Intervall (! Kosinus, Kotangens). Die Umkehrfunktionen der vier trigonometrischen Funktionen werden der Reihe nach mit arcsin x, arccos x, arctan x und arccot x bezeichnet, auf den Taschenrechnern auch mit sin 1 x, cos 1 x, tan 1 x (nicht zu verwechseln mit den Kehrwerten; cot 1 x fehlt auf dem Rechner).
10.2 Arkussinusfunktion Die Sinusfunktion verla¨uft in dem zum Nullpunkt symmetrischen Intervall p=2 x p=2 streng monoton wachsend, durchla¨uft dabei ihren gesamten Wertevorrat und ist daher in diesem Intervall umkehrbar. Ihre Umkehrung fu¨hrt zur Arkussinusfunktion (Bild III-142). Definition: Die Arkussinusfunktion y ¼ arcsin x ist die Umkehrfunktion der auf das Intervall p=2 x p=2 beschra¨nkten Sinusfunktion y ¼ sin x.
10 Arkusfunktionen
273 y
y
p
y = sin x 1
–
2 y = arcsin x
p 2
p
x
2 –1
1
x
–1 a)
Bild III-142 Zur Umkehrung der Sinusfunktion a) Funktionsgraph von y ¼ sin x b) Funktionsgraph von y ¼ arcsin x
–
b)
p 2
In der folgenden Tabelle 3 haben wir die wesentlichen Eigenschaften der Arkussinusfunktion zusammengestellt. Tabelle 3: Eigenschaften der Arkussinusfunktion y ¼ arcsin x (Bild III-142) y ¼ sin x
y ¼ arcsin x
p p x 2 2
Definitionsbereich
Wertebereich
1 y 1
Nullstellen
x0 ¼ 0
x0 ¼ 0
Symmetrie
ungerade
ungerade
Monotonie
streng monoton wachsend
streng monoton wachsend
1 x 1 p p y 2 2
Anmerkung Der Arkussinus liefert nur Winkel aus dem 1. und 4. Quadranten.
&
Beispiele arcsin 0,5 ¼ p=6 ¼ b 30
arcsin 0 ¼ 0
sin ðarcsin xÞ ¼ arcsin ðsin xÞ ¼ x arcsin x ¼
p 6
)
arcsin ð 0,75Þ ¼ 0,8481
ðf u¨ r 1 x 1Þ
p x ¼ sin ðarcsin xÞ ¼ sin ¼ 0,5 6
&
274
III Funktionen und Kurven
10.3 Arkuskosinusfunktion Die Kosinusfunktion ist im Intervall 0 x p streng monoton fallend, durchla¨uft dabei ihren gesamten Wertevorrat und ist daher dort umkehrbar. Ihre Umkehrung fu¨hrt zur Arkuskosinusfunktion (Bild III-143). Definition: Die Arkuskosinusfunktion y ¼ arccos x ist die Umkehrfunktion der auf das Intervall 0 x p beschra¨nkten Kosinusfunktion y ¼ cos x. Ihre Eigenschaften entnimmt man Tabelle 4. y
y
p
1 y = cos x
p
p
x
p
2
2
y = arccos x
–1 a)
Bild III-143 Zur Umkehrung der Kosinusfunktion a) Funktionsgraph von y ¼ cos x b) b) Funktionsgraph von y ¼ arccos x
–1
1
x
Tabelle 4: Eigenschaften der Arkuskosinusfunktion y ¼ arccos x (Bild III-143) y ¼ cos x
y ¼ arccos x
Definitionsbereich
0 x p
1 x 1
Wertebereich
1 y 1
0 y p
Nullstellen
x0 ¼
Monotonie
streng monoton fallend
p 2
x0 ¼ 1 streng monoton fallend
Anmerkung Der Arkuskosinus liefert nur Winkel aus dem 1. und 2. Quadranten. &
Beispiele arccos 0 ¼
p 2
arccos 0,5 ¼
p ¼ b 60 3
arccos ð 0,237Þ ¼ 1,8101
&
10 Arkusfunktionen
275
10.4 Arkustangens- und Arkuskotangensfunktion Die Umkehrung der Tangensfunktion erfolgt im zum Nullpunkt symmetrischen Intervall p=2 < x < p=2, in dem der Tangens streng monoton wachsend verla¨uft und dabei seinen gesamten Wertebereich durchla¨uft. Die Umkehrfunktion wird als Arkustangensfunktion bezeichnet (Bild III-144). Definition: Die Arkustangensfunktion y ¼ arctan x ist die Umkehrfunktion der auf das Intervall p=2 < x < p=2 beschra¨nkten Tangensfunktion y ¼ tan x. Ihre Funktionseigenschaften sind in Tabelle 5 na¨her beschrieben. y
y
p 2
y = tan x
y = arctan x 1
–
p 2
–1
p –1
x
–
2
1
x
p 2
b)
Bild III-144 Zur Umkehrung der Tangensfunktion a) Funktionsgraph von y ¼ tan x b) Funktionsgraph von y ¼ arctan x
a)
Tabelle 5: Eigenschaften der Arkustangensfunktion y ¼ arctan x (Bild III-144) y ¼ tan x p p < x < 2 2
y ¼ arctan x
Definitionsbereich
Wertebereich
1 < y < 1
Nullstellen
x0 ¼ 0
x0 ¼ 0
Symmetrie
ungerade
ungerade
Monotonie
streng monoton wachsend
streng monoton wachsend
Asymptoten
x ¼
p 2
1 < x < 1 p p < y < 2 2
y ¼
p 2
Anmerkung Der Arkustangens liefert nur Winkel aus dem 1. und 4. Quadranten.
276
III Funktionen und Kurven
Die Kotangensfunktion ist im Intervall 0 < x < p umkehrbar. Denn dort ist der Kotangens streng monoton fallend und durchla¨uft dabei seinen gesamten Wertebereich. Die Umkehrfunktion heißt Arkuskotangensfunktion (Bild III-145). Definition: Die Arkuskotangensfunktion y ¼ arccot x ist die Umkehrfunktion der auf das Intervall 0 < x < p beschra¨nkten Kotangensfunktion y ¼ cot x. In Tabelle 6 sind die Eigenschaften dieser Funktion zusammengetragen. y
y
p
y = cot x
p
1
y = arccot x
2
p –1
p
x –1
2
1
Bild III-145 Zur Umkehrung der Kotangensfunktion a) Funktionsgraph von y ¼ cot x b) Funktionsgraph von y ¼ arccot x
a)
Tabelle 6: Eigenschaften der Arkuskotangensfunktion y ¼ arccot x (Bild III-145) y ¼ cot x
y ¼ arccot x
Definitionsbereich
0 < x < p
1 < x < 1
Wertebereich
1 < y < 1
0 < y < p
Nullstellen
x0 ¼
Monotonie
streng monoton fallend
streng monoton fallend
x ¼ 0
y ¼ 0
x ¼ p
y ¼ p
Asymptoten
x
b)
p 2
10 Arkusfunktionen
277
Anmerkung Die Arkuskotangensfunktion spielt in der Praxis keine nennenswerte Rolle. Sie fehlt daher auf den Taschenrechnern. Ihre Funktionswerte werden meist unter Verwendung der Beziehung arccot x ¼
p arctan x 2
ðIII-154Þ
u¨ber die Arkustangensfunktion berechnet (x im Bogenmaß; bei Verwendung des Gradmaßes ist p=2 durch 90 zu ersetzen). Man erha¨lt stets Winkel aus dem 1. und 2. Quadranten. &
Beispiele (1) (2)
p arctan 125,3 ¼ 1,5628 4 p p p arctan 0 ¼ 0 ¼ arccot 0 ¼ 2 2 2
arccot 1,51 ¼
p p arctan 1,51 ¼ 0,9859 ¼ 0,5849 2 2
arccot ð 23,5Þ ¼ (3)
arctan ð 3 pÞ ¼ 1,4651
arctan 1 ¼
p p arctan ð 23,5Þ ¼ ð 1,5283Þ ¼ 3,0991 2 2
Die Superposition der gleichfrequenten mechanischen Schwingungen y 1 ¼ 5 cm sin ð3 s 1 tÞ
y 2 ¼ 6 cm cos ð3 s 1 tÞ
und
fu¨hrt zu einer resultierenden Schwingung gleicher Frequenz, deren Amplitude A und Phase j direkt aus dem Zeigerdiagramm (Bild III-146) berechnet werden kann: y = y1 + y2 y2
¼
A
6 cm
A ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð5 cmÞ 2 þ ð6 cmÞ 2 ¼ pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 25 þ 36 cm ¼ 61 cm ¼ 7,81 cm
tan j ¼
f 5 cm
y1
6 cm ¼ 1,2 5 cm
)
j ¼ arctan 1,2 ¼ 0,8761
Bild III-146
Die Gleichung der resultierenden Schwingung lautet damit: y ¼ y 1 þ y 2 ¼ 5 cm sin ð3 s 1 tÞ þ 6 cm cos ð3 s 1 tÞ ¼ ¼ 7,81 cm sin ð3 s 1 t þ 0,8761Þ
&
278
III Funktionen und Kurven
10.5 Trigonometrische Gleichungen Unter einer trigonometrischen Gleichung versteht man eine Gleichung, bei der die Unbekannte x in den Argumenten trigonometrischer Funktionen auftritt. Den Lo¨sungsmechanismus zeigen wir anhand eines ausgewa¨hlten Beispiels, da sich ein allgemeines Lo¨sungsverfahren fu¨r Gleichungen dieser Art nicht angeben la¨sst.
&
Beispiel sin ð2 xÞ ¼ 1,5 cos x Sto¨rend ist zuna¨chst, dass auf der linken Seite der doppelte Winkel 2 x auftritt. Unter Verwendung der trigonometrischen Formel sin ð2 xÞ ¼ 2 sin x cos x la¨sst sich diese Ungleichheit in den Argumenten beseitigen und die gegebene Gleichung wie folgt umformen: 2 sin x cos x ¼ 1,5 cos x
oder
2 sin x cos x 1,5 cos x ¼ 0
cos x ¼ 0 cos x ð2 sin x 1,5Þ ¼ 0 2 sin x 1,5 ¼ 0 (ein Produkt ist Null, wenn mindestens ein Faktor Null ist!). Die Ausgangsgleichung zerfa¨llt damit in die beiden (wesentlich einfacheren) Gleichungen cos x ¼ 0 und 2 sin x 1,5 ¼ 0, mit deren Lo¨sung wir uns jetzt bescha¨ftigen wollen. Lo¨sungen der Gleichung cos x ¼ 0 Die Lo¨sungen dieser Gleichung sind die Nullstellen der Kosinusfunktion. Sie liegen nach Bild III-147 bei x1k ¼
p þ kp 2
ðk 2 ZÞ
Da es noch weitere Lo¨sungen geben wird, mu¨ssen wir zur Kennzeichnung der einzelnen Werte zwei Indizes verwenden. Der erste Index (hier: 1) kennzeichnet dabei die verschiedenen Teillo¨sungsmengen, der zweite Index k ist der Laufindex ðk 2 ZÞ. y 1
–
y = cos x
p
p
2
2
–1
3 p 2
5 p 2
Bild III-147 Zur Lo¨sung der Gleichung cos x ¼ 0
7 p 2
x
10 Arkusfunktionen
279
Lo¨sungen der Gleichung 2 sin x 1,5 ¼ 0
oder
sin x ¼ 0,75
Die Lo¨sungen dieser trigonometrischen Gleichung ergeben sich als Schnittpunkte zwischen der Sinuskurve y ¼ sin x und der Parallelen zur x-Achse mit der Gleichung y ¼ 0,75 (Bild III-148). y y = sin x y = 0,75
1 0,75
–2p
–p
p
0
2p
3p
x
arcsin 0,75 –1
p – arcsin 0,75 Bild III-148 Zur Lo¨sung der Gleichung sin x ¼ 0,75
Anhand der Skizze erkennt man, dass die Gleichung unendlich viele Lo¨sungen besitzt. Die im Intervall p=2 x p=2 liegende Lo¨sung findet man durch Umkehrung, d. h. mit Hilfe der Arkussinusfunktion: sin x ¼ 0,75
)
x 2 ¼ arcsin 0,75 ¼ 0,848
Weitere Lo¨sungen folgen offensichtlich wegen der Periodizita¨t der Sinusfunktion im Abstand jeweils einer Periode 2 p : x 2 k ¼ arcsin 0,75 þ k 2 p ¼ 0,848 þ k 2 p
ðk 2 ZÞ
Sie sind in Bild III-148 durch kurze Pfeile gekennzeichnet. Eine weitere Lo¨sung liegt nach der Skizze aus Symmetriegru¨nden bei x 3 ¼ p arcsin 0,75 ¼ p 0,848 ¼ 2,294 Wegen der Periodizita¨t sind auch x 3 k ¼ p arcsin 0,75 þ k 2 p ¼ 2,294 þ k 2 p
ðk 2 ZÞ
Lo¨sungen der Gleichung sin x ¼ 0,75. Sie entsprechen den langen Pfeilen in Bild III-148. Damit besitzt die Ausgangsgleichung sin ð2 xÞ ¼ 1,5 cos x insgesamt folgende Lo¨sungen: 9 p > x1k ¼ þk p > > = 2 x 2 k ¼ 0,848 þ k 2 p > ðk 2 ZÞ > > x 3 k ¼ 2,294 þ k 2 p ; &
280
III Funktionen und Kurven
11 Exponentialfunktionen Exponentialfunktionen spielen in den Anwendungen eine bedeutende Rolle. Sie werden z. B. beno¨tigt bei der Beschreibung von Abkling-, Sa¨ttigungs- und Wachstumsprozessen sowie bei geda¨mpften Schwingungen und in der Statistik.
11.1 Grundbegriffe Zu den Exponentialfunktionen gelangt man durch Verallgemeinerung des Begriffes Potenz. Potenzen sind dabei Ausdru¨cke vom Typ a n : a:
Grundzahl oder Basiszahl (kurz Basis genannt)
n:
Hochzahl oder Exponent
Sie genu¨gen den folgenden Rechenregeln (bei gleicher Basis): Rechenregeln fu¨r Potenzen m
a ¼ a n
Zahlenbeispiele
mþn
2 3 2 5 ¼ 2 3 þ 5 ¼ 2 8 ¼ 256
(1)
a
(2)
am ¼ amn an
35 1 1 ¼ 357 ¼ 32 ¼ 2 ¼ 3 9 37
(3)
ða m Þ n ¼ a m n
ð2 3 Þ 5 ¼ 2 3 5 ¼ 2 15 ¼ 32 768
11.2 Definition und Eigenschaften einer Exponentialfunktion La¨sst man fu¨r den Exponenten in einer Potenz a n mit positiver Basis a 6¼ 1 beliebige reelle Werte zu, so gelangt man zu den Exponentialfunktionen. Definition: Funktionen vom Typ y ¼ a x mit positiver Basis a > 0 und a 6¼ 1 heißen Exponentialfunktionen. Ihre Eigenschaften haben wir in Tabelle 7 zusammengetragen, wobei wir noch zwischen den Fa¨llen 0 < a < 1 und a > 1 unterscheiden. Tabelle 7: Eigenschaften der Exponentialfunktionen (Bild III-149) y ¼ ax
ð0 < a < 1Þ
y ¼ ax
ða > 1Þ
Definitionsbereich
1 < x < 1
1 < x < 1
Wertebereich
0 < y < 1
0 < y < 1
Monotonie
streng monoton fallend
streng monoton wachsend
Asymptoten
y ¼ 0
y ¼ 0
ðf u¨ r x ! 1Þ
ðf u¨ r x ! 1Þ
11 Exponentialfunktionen
281
Die streng monoton verlaufenden Exponentialfunktionen besitzen daher weder Nullstellen noch Extremwerte. Ihre Funktionsgraphen schneiden die y-Achse bei y ¼ 1 : y ð0Þ ¼ a0 ¼ 1. In Bild III-149 ist je ein Vertreter der streng monoton fallenden und der streng monoton wachsenden Exponentialfunktionen skizziert. y
y=
1 3
x
y=2x
1
Bild III-149 Funktionsgraphen von y ¼ 2 x und y ¼ ð1=3Þ x –1
1
x
Anmerkung Die Exponentialfunktion y ¼ a x ist nicht mit der Potenzfunktion y ¼ x n zu verwechseln. Bei einer Exponentialfunktion ist die Basis a fest, der Exponent aber variabel (daher auch die Bezeichnung). Bei einer Potenzfunktion dagegen ist der Exponent fest und die Basis variabel. &
Beispiele (1)
Streng monoton wachsende Exponentialfunktionen sind beispielsweise y ¼ 2 x (Bild III-149),
(2)
y ¼ 5x
und
y ¼ 10 x .
Streng monoton fallend sind die folgenden Exponentialfunktionen: x x 1 1 (Bild III-149), y ¼ und y ¼ 0,1 x . y ¼ 3 2
&
Spezielle Exponentialfunktionen Von besonderer Bedeutung sind die Exponentialfunktionen x 1 und y ¼ ¼ ex y ¼ ex e (Bild III-150). Dabei ist e die durch den Grenzwert 1 n e ¼ lim 1 þ ¼ 2,718 281 . . . n n!1
ðIII-155Þ
ðIII-156Þ
282
III Funktionen und Kurven
definierte Eulersche Zahl. Die Funktion y ¼ e x wird kurz als e-Funktion bezeichnet. Sie ist die mit Abstand wichtigste Exponentialfunktion. y
y = e –x
y = ex
1
Bild III-150 Funktionsgraphen der e-Funktionen y ¼ e x und y ¼ e x –1
x
1
Die Funktionsgraphen von y ¼ e x und y ¼ e x sind dabei spiegelsymmetrisch zur y-Achse angeordnet (vgl. hierzu Bild III-150). Diese Eigenschaft trifft allgemein fu¨r jede Basis a > 0 ða 6¼ 1Þ zu, d. h. die Kurven von y ¼ a x und y ¼ a x gehen durch Spiegelung an der y-Achse ineinander u¨ber. Neben den e-Funktionen y ¼ e x und y ¼ e x spielen noch die beiden Exponentialfunktionen y ¼ 2 x und y ¼ 10 x eine gewisse Rolle. Sie werden beispielsweise im Zusammenhang mit der Darstellung von Zahlen beno¨tigt (Dualsystem, Dezimalsystem). Jede Exponentialfunktion vom allgemeinen Typ y ¼ a x ist auch in der Form y ¼ e l x mit l ¼ ln a, d. h. als eine spezielle e-Funktion darstellbar, wobei gilt 11) : l > 0:
streng monoton wachsende Funktion
l < 0:
streng monoton fallende Funktion
11.3 Spezielle, in den Anwendungen ha¨ufig auftretende Funktionstypen mit e-Funktionen 11.3.1 Abklingfunktionen Dieser in den Anwendungen meist in der zeitabha¨ngigen Form y ¼ a elt
oder
y ¼ a e
t t
ðt 0Þ
ðIII-157Þ
mit a > 0, l > 0 und t ¼ 1=l > 0 auftretende Funktionstyp verla¨uft streng monoton fallend und strebt fu¨r t ! 1 asymptotisch gegen die t-Achse, d. h. die t-Achse y ¼ 0 ist Asymptote im Unendlichen (Bild III-151). 11)
ln a ist der natu¨rliche Logarithmus der Basiszahl a. Er wird in Abschnitt 12.1 noch ausfu¨hrlich erkla¨rt. Dort werden wir auch auf die Umrechnung a x ¼ e l x mit l ¼ ln a zuru¨ckkommen.
11 Exponentialfunktionen
283
y a
y = a · e – lt 0,37 a
Bild III-151 Abklingfunktion vom Typ y ¼ a e l t (fu¨r t 0) t1
Tangente in t 0 = 0
t
Funktionen dieser Art werden als Abklingfunktionen bezeichnet. Sie beschreiben Vorga¨nge, bei denen eine Gro¨ße y im Laufe der Zeit vom Anfangswert a auf den Endwert 0 abklingt. Die Kurventangente in t 0 ¼ 0 schneidet dabei die t-Achse an der Stelle t 1 ¼ 1=l ¼ t. Der Funktionswert an dieser Stelle betra¨gt rund 37 % des „Anfangswertes“ y ð0Þ ¼ a, d. h. es ist y ðt 1 Þ ¼ y ðtÞ ¼ 0,37 a.
&
Beispiele (1)
Radioaktiver Zerfall: Eine radioaktive Substanz zerfa¨llt auf natu¨rliche Weise nach dem exponentiellen Zerfallsgesetz n ðtÞ ¼ n 0 e l t
ðt 0Þ (Bild III-152)
Dabei bedeuten: n0:
Anzahl der zu Beginn vorhandenen Atomkerne
n ðtÞ:
Anzahl der Atomkerne zur Zeit t
l > 0:
Zerfallskonstante
n n0 n = n 0 · e – lt 1 n 2 0
t
t
Bild III-152 Zerfallsgesetz beim radioaktiven Zerfall (t : Halbwertszeit)
284
(2)
III Funktionen und Kurven
Ein weiteres Beispiel liefert die Entladung eines Kondensators mit der Kapazita¨t C u¨ber einen ohmschen Widerstand R. Die Kondensatorspannung u klingt dabei exponentiell mit der Zeit t ab: t
u ðtÞ ¼ u 0 e R C
ðt 0Þ
(u 0 : Kondensatorspannung zu Beginn; R C : Zeitkonstante). Der Kurvenverlauf ist a¨hnlich wie beim radioaktiven Zerfall. (3)
Zwischen dem Luftdruck p und der Ho¨he h (gemessen gegenu¨ber dem Meeresniveau h ¼ 0) gilt unter der Annahme konstanter Lufttemperatur der folgende Zusammenhang (sog. barometrische Ho¨henformel): h
p ðhÞ ¼ p 0 e 7991 m
ðh=m 0Þ
ðp 0 ¼ 1,013 barÞ. Der Luftdruck nimmt dabei mit zunehmender Ho¨he exponentiell ab. Die Kurve verla¨uft auch hier a¨hnlich wie beim radioaktiven Zerfall. &
Einen etwas allgemeineren Typ einer Abklingfunktion erha¨lt man durch Hinzufu¨gen einer additiven Konstanten b: y ¼ a elt þ b
oder
t
y ¼ a et þ b
ðt 0Þ
ðIII-158Þ
Diese Konstante beschreibt eine Verschiebung der Kurve la¨ngs der y-Achse, wobei gilt: b > 0: Verschiebung nach oben um die Strecke b b < 0: Verschiebung nach unten um die Strecke j b j Funktionen von diesem Typ besitzen fu¨r t ! 1 den Grenzwert b, d. h. y ¼ b ist Asymptote im Unendlichen (Bild III-153). Die Kurventangente in t 0 ¼ 0 schneidet dabei die Asymptote an der Stelle t 1 ¼ 1=l ¼ t. Der Funktionswert der Abklingfunktion an dieser Stelle betra¨gt y ðt 1 Þ ¼ y ðtÞ ¼ 0,37 a þ b. y
a+b
y = a · e – lt + b 0,37 a + b
y=b b
Bild III-153 Abklingfunktion vom Typ y ¼ a e l t þ b, t 0
Tangente in t 0 = 0 t1
t
11 Exponentialfunktionen &
285
Beispiel Ein Ko¨rper besitze zur Zeit t ¼ 0 die Temperatur T 0 und werde in der Folgezeit durch vorbeistro¨mende Luft der (konstanten) Temperatur T L geku¨hlt ðT L < T 0 Þ. Mit der Zeit nimmt dabei seine Temperatur T nach dem Exponentialgesetz T ðtÞ ¼ ðT 0 T L Þ e k t þ T L
ðt 0Þ
ab (Abku¨hlungsgesetz nach Newton; k ist dabei eine positive Konstante). Die Ko¨rpertemperatur T strebt asymptotisch dem Grenzwert T 1 ¼ lim T ðtÞ ¼ T L t!1
zu, d. h. der Ko¨rper ku¨hlt sich im Laufe der Zeit so lange ab, bis er die Temperatur der Luft erreicht hat (Bild III-154). T T0 T ( t)
TL
Bild III-154 Abku¨hlungsgesetz nach Newton t &
11.3.2 Sa¨ttigungsfunktionen Dieser in den technischen Anwendungen weit verbreitete Funktionstyp tritt meist in der zeitabha¨ngigen Form y ¼ a ð1 e l t Þ
oder
t y ¼ a 1 e t
ðt 0Þ
ðIII-159Þ
auf und verla¨uft fu¨r a > 0, l > 0 und t ¼ 1=l > 0 streng monoton wachsend (Bild III-155). Er wird bei der mathematischen Beschreibung von Sa¨ttigungsprozessen beno¨tigt und daher folgerichtig als Sa¨ttigungsfunktion bezeichnet. Die physikalisch-technische Gro¨ße y na¨hert sich dabei im Laufe der Zeit ihrem Endwert (Sa¨ttigungswert) a (meist vom Anfangswert 0 aus). Der Funktionswert strebt dabei fu¨r t ! 1 asymptotisch gegen den Grenzwert a, d. h. y ¼ a ist Asymptote im Unendlichen. Die Kurventangente in t 0 ¼ 0 schneidet die Asymptote an der Stelle t 1 ¼ 1=l ¼ t. Der Funktionswert an dieser Stelle betra¨gt rund 63 % des „Endwertes“ a, d. h. es ist y ðt 1 Þ ¼ y ðtÞ ¼ 0,63 a.
286
III Funktionen und Kurven y Tangente in t 0 = 0
y=a
a
y = a (1 – e – l t)
0,63 a
Bild III-155 Sa¨ttigungsfunktion vom Typ y ¼ a ð1 e l t Þ, t 0 t
t1
&
Beispiele (1)
Die Aufladung eines Kondensators mit der Kapazita¨t C u¨ber einen ohmschen Widerstand R erfolgt nach der Gleichung t u ðtÞ ¼ u 0 1 e R C ðt 0Þ Dabei ist u ðtÞ die Spannung am Kondensator zum Zeitpunkt t und u 0 der Endwert der Kondensatorspannung. Bild III-156 zeigt den Verlauf dieser Sa¨ttigungsfunktion fu¨r die Werte u 0 ¼ 100 V und R C ¼ 1 ms.
u/ V 1 100
1
(2)
2
3
4
5
t / ms
Bild III-156 Aufladung eines Kondensators (gezeichnet fu¨r u 0 ¼ 100 V und R C ¼ 1 ms)
Bei einem KFZ-Stoßda¨mpfer legt der Kolben beim Einschieben einen Weg y nach dem Zeitgesetz y ¼ y 0 ð1 e k t Þ zuru¨ck ðy 0 > 0, k > 0Þ.
ðt 0Þ
11 Exponentialfunktionen (3)
287
Fallschirmsprung unter der Annahme eines geschwindigkeitsproportionalen Luftwiderstandes Fu¨r die Fallgeschwindigkeit v gilt dann in Abha¨ngigkeit von der Fallzeit t: mg v ðtÞ ¼ k
k mt 1e
ðf u¨ r t 0Þ
m: Masse (Fallschirmspringer mit Fallschirm); k > 0: Reibungsfaktor
g: Erdbeschleunigung;
Die Fallgeschwindigkeit na¨hert sich dabei im Laufe der Zeit asymptotisch ihrem Endwert („Sa¨ttigungswert“) vE ¼ m g=k (siehe hierzu Bild III-157): v E ¼ lim v ðtÞ ¼ lim t!1
mg k
k
1 e m t
¼
mg k
v mg k
v=
k mg – t 1–e m k
Bild III-157 Zeitlicher Verlauf der Fallgeschwindigkeit beim Fallschirmsprung t &
Etwas allgemeiner ist der folgende Typ einer Sa¨ttigungsfunktion: y ¼ a ð1 e l t Þ þ b
oder
t y ¼ a 1 e t þ b
ðIII-160Þ
(fu¨r t 0). Die additive Konstante b beschreibt dabei eine Verschiebung der Kurve in Richtung der y-Achse: b > 0: Verschiebung nach oben um die Strecke b b < 0: Verschiebung nach unten um die Strecke j b j Fu¨r t ! 1 streben diese Sa¨ttigungsfunktionen gegen den Grenzwert a þ b, d. h. y ¼ a þ b ist Asymptote im Unendlichen (Bild III-158). Die Kurventangente in t 0 ¼ 0 schneidet dabei die Asymptote an der Stelle t 1 ¼ 1=l ¼ t. Der Funktionswert der Sa¨ttigungskurve an dieser Stelle betra¨gt y ðt 1 Þ ¼ y ðtÞ ¼ 0,63 a þ b.
288
III Funktionen und Kurven y Tangente in t 0 = 0
y=a+b
a+b
y = a (1 – e – l t) + b
0,63 a + b
b
t
t1
Bild III-158 Sa¨ttigungsfunktion vom Typ y ¼ a ð1 e l t Þ þ b, t 0
11.3.3 Wachstumsfunktionen Zeitabha¨ngige Wachstumsprozesse verlaufen meist exponentiell und lassen sich durch streng monoton wachsende Exponentialfunktionen vom Typ y ¼ y0 eat
ðt 0Þ
ðIII-161Þ
beschreiben. Dabei bedeuten: y 0 > 0: Anfangsbestand zur Zeit t ¼ 0 a > 0: Wachstumsrate
&
Beispiel Die Vermehrung von Bakterien genu¨gt dem folgenden Exponentialgesetz (Bild III-159): n ðtÞ ¼ n 0 e a t
ðt 0Þ
n
Dabei bedeuten: n0:
Anzahl der Bakterien zu Beginn ðt ¼ 0Þ
n ðtÞ:
Anzahl der Bakterien zur Zeit t
a > 0:
Wachstumsrate
Bild III-159
n0 t
&
11 Exponentialfunktionen
289
11.3.4 Geda¨mpfte Schwingungen Ungeda¨mpfte harmonische Schwingungen lassen sich bekanntlich durch (zeitabha¨ngige) phasenverschobene Sinus- oder Kosinusfunktionen beschreiben (siehe hierzu Abschnitt 9.5). Wird das schwingungsfa¨hige (mechanische oder elektromagnetische) System jedoch geda¨mpft, so nimmt die Schwingungsamplitude im Laufe der Zeit ab und wir erhalten (bei schwacher Da¨mpfung) eine sog. geda¨mpfte Schwingung, die durch die Gleichung y ðtÞ ¼ A e d t sin ðw t þ jÞ
ðt 0Þ
ðIII-162Þ
beschrieben werden kann (mit A > 0, w > 0 und d > 0). Der streng monoton fallende Exponentialfaktor e d t sorgt dabei fu¨r die Abnahme der Schwingungsamplitude im Laufe der Zeit (Bild III-160). y
t
Bild III-160 Zeitlicher Verlauf einer geda¨mpften Schwingung
Kriechfall (aperiodisches Verhalten) Der sog. Kriechfall (aperiodisches Verhalten) tritt ein, wenn ein schwingungsfa¨higes (mechanisches oder elektromagnetisches) System infolge zu großer Da¨mpfung (Reibung) zu keiner echten Schwingung mehr fa¨hig ist, sondern sich im Laufe der Zeit asymptotisch der Gleichgewichtslage na¨hert (vgl. hierzu die Bilder III-161 und III-162). Die bei der mathematischen Behandlung auftretenden Funktionen sind vom Typ y ðtÞ ¼ A e l 1 t þ B e l 2 t
ðt 0Þ
ðIII-163Þ
ðl 1 > 0, l 2 > 0, l 1 6¼ l 2 Þ und stellen eine berlagerung zweier streng monoton fallender e-Funktionen dar. Fu¨r t ! 1 streben diese Funktionen dabei dem Grenzwert Null zu: lim y ðtÞ ¼ 0
t!1
Das System befindet sich dann im Gleichgewichtszustand. Wir behandeln in den folgenden Beispielen zwei typische Fa¨lle.
290 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele (1)
y ðtÞ ¼ 10 e 2 t 10 e 4 t ¼ 10 ðe 2 t e 4 t Þ
ðt 0Þ
Diese Funktion beginnt bei y ð0Þ ¼ 0, erreicht zur Zeit t 1 ¼ 0,347 ihr Maximum (dieser Wert wurde mit Hilfe der Differentialrechnung ermittelt) und strebt fu¨r t ! 1 asymptotisch gegen die Zeitachse (Bild III-161). y 3 Umkehrpunkt (Maximum)
2
y = 10(e – 2t – e – 4t)
1
Bild III-161 Kriechfall bei starker Da¨mpfung (aperiodisches Verhalten) t1
1
1,5
2
t
Physikalische Interpretation (im Falle einer mechanischen Schwingung): Der Ko¨rper entfernt sich zuna¨chst infolge seiner Anfangsgeschwindigkeit von der Gleichgewichtslage, erreicht dann den Umkehrpunkt (Maximum) und kehrt anschließend asymptotisch in die Gleichgewichtslage zuru¨ck. (2)
y ðtÞ ¼ 2 e 2 t þ 2 e 4 t ¼ 2 ðe 2 t þ e 4 t Þ
ðt 0Þ
Diese streng monoton verlaufende Kriechfunktion fa¨llt von ihrem Maximalwert zu Beginn ðy ð0Þ ¼ 4Þ asymptotisch gegen Null ab (Bild III-162). y 4
3
2
y = 2 (e – 2t + e – 4t)
1
Bild III-162 Kriechfunktion bei starker Da¨mpfung (aperiodisches Verhalten) 0,5
1
1,5
2
t
&
11 Exponentialfunktionen
291
Aperiodischer Grenzfall Der bergang vom Schwingungsfall zum Kriechfall wird als aperiodischer Grenzfall bezeichnet. Er wird durch die folgende Funktion beschrieben: y ðtÞ ¼ ðA þ B tÞ e l t
ðl > 0; t 0Þ
ðIII-164Þ
Auch diese Funktion „kriecht“ fu¨r t ! 1 asymptotisch gegen die Zeitachse: lim y ðtÞ ¼ 0
t!1
&
Beispiel y ðtÞ ¼ ð2 10 tÞ e 3 t
ðt 0Þ
Diese Kriechfunktion fa¨llt zuna¨chst streng monoton von ihrem Maximalwert y ð0Þ ¼ 2 zu Beginn, schneidet dann bei t 1 ¼ 0,2 die Zeitachse und erreicht schließlich zur Zeit t 2 ¼ 0,53 ihr Minimum, von wo aus sie asymptotisch gegen die Zeitachse strebt (Bild III-163). Physikalische Interpretation (bei einer mechanischen Schwingung): Der Ko¨rper schwingt zuna¨chst durch die Gleichgewichtslage hindurch bis zu seinem Umkehrpunkt und von dort aus asymptotisch zur Gleichgewichtslage zuru¨ck. y 2
1
y = (2 – 10 t) e – 3t
Bild III-163 Schwingungstyp beim aperiodischen Grenzfall
t2 t1
–1
1
2
t
Umkehrpunkt &
11.3.5 Gauß-Funktionen Gauß-Funktionen spielen in der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Statistik und Fehlerrechnung eine u¨berragende Rolle (Stichwort: Gaußsche Normalverteilung, siehe Band 3). Die Gleichung einer Gauß-Funktion lautet dabei im einfachsten Fall wie folgt: y ¼ ex
2
ðx 2 RÞ
ðIII-165Þ
292
III Funktionen und Kurven
Die Kurve verla¨uft spiegelsymmetrisch zur y-Achse, besitzt an der Stelle x ¼ 0 ihr einziges Maximum und fa¨llt dann nach beiden Seiten hin gleichma¨ßig und asymptotisch gegen Null ab. Wegen ihrer a¨ußeren Gestalt, die stark einer Glocke a¨hnelt, wird sie auch als Gaußsche Glockenkurve bezeichnet (Bild III-164). Maximum: (0; 1)
y
Wendepunkte: x ¼ 1
Max
1
y = e –x W2
–2
2
W1
–1
1
2
x
Bild III-164 Graph der Gauß-Funktion 2 y ¼ ex
Durch die Gleichung y ¼ a e b ðx x 0 Þ
2
ðx 2 RÞ
ðIII-166Þ
wird eine Gauß-Funktion in allgemeiner Form beschrieben. Sie entha¨lt noch drei Parameter a > 0, b > 0 und x 0 . Das Symmetriezentrum befindet sich jetzt an der Stelle x 0 , an der die Funktion ihren gro¨ßten Wert annimmt (absolutes Maximum y max ¼ a). Der Parameter b bestimmt dabei im Wesentlichen die Breite der Kurve (Breitenparameter). Bild III-165 zeigt den Verlauf dieser Glockenkurve. y a
Max y = a · e – b( x – x 0 )
2
Bild III-165 Graph der Gauß-Funktion y ¼ a e b ðx x 0 Þ
2
x
x0
12 Logarithmusfunktionen 12.1 Grundbegriffe Jede positive reelle Zahl r ist als Potenz einer beliebigen positiven Basiszahl a mit a 6¼ 1 darstellbar: r ¼ ax
ðr > 0, a > 0
und a 6¼ 1Þ
ðIII-167Þ
12 Logarithmusfunktionen
293
Fu¨r den Exponenten x fu¨hrt man die Bezeichnung „Logarithmus von r zur Basis a“ ein und kennzeichnet ihn durch das Symbol ðIII-168Þ
x ¼ log a r
Der Logarithmus von r zur Basis a ist demnach diejenige Zahl x, mit dem die Basis a zu potenzieren ist, um die Zahl r zu erhalten. Daher gilt: r ¼ ax &
,
x ¼ log a r
ðIII-169Þ
Beispiele (1)
1000 ¼ 10 3
,
log 10 1000 ¼ log 10 10 3 ¼ 3
(2)
log 2 32 ¼ 5
,
32 ¼ 2 5
(3)
0,01 ¼ 10 2
,
log 10 0,01 ¼ log 10 10 2 ¼ 2
&
Man beachte, dass Logarithmen definitionsgema¨ß nur fu¨r positive Zahlen und eine positive Basis a mit a 6¼ 1 erkla¨rt sind. Ihre Berechnung erfolgt mit Hilfe spezieller Reihen (siehe hierzu auch Kap. VI). Die Werte werden tabelliert und ko¨nnen dann einer sog. Logarithmentafel entnommen werden oder (bequemer) auf einem Taschenrechner direkt abgelesen werden. Fu¨r Logarithmen gelten folgende Rechenregeln (mit u > 0, v > 0 und n 2 R): Rechenregeln fu¨r Logarithmen
Zahlenbeispiele
(1) log a ðu vÞ ¼ log a u þ log a v
log 2 ð8 4Þ ¼ log 2 8 þ log 2 4 ¼ 3 þ 2 ¼ 5 81 log 3 ¼ log 3 81 log 3 27 ¼ 4 3 ¼ 1 27
(2) log a
u v
¼ log a u log a v
(3) log a u n ¼ n log a u
log 5 125 4 ¼ 4 log 5 125 ¼ 4 3 ¼ 12
Spezielle Logarithmen Von besonderer Bedeutung ist in den Anwendungen der natu¨rliche Logarithmus: Basiszahl ist die Eulersche Zahl e. Er wird durch das Symbol log e r ln r
ðLogarithmus naturalisÞ
ðIII-170Þ
gekennzeichnet (gelesen: Natu¨rlicher Logarithmus von r). Daneben spielen auch noch die Logarithmen fu¨r die Basiszahlen a ¼ 10 und a ¼ 2 eine gewisse Rolle: log 10 r lg r
ðZehnerlogarithmusÞ
ðIII-171Þ
(auch Briggscher oder Dekadischer Logarithmus genannt. Gelesen: Zehnerlogarithmus von r) log 2 r lb r
ðZweierlogarithmusÞ
(auch Bina¨rlogarithmus genannt. Gelesen: Zweierlogarithmus von r)
ðIII-172Þ
294 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele Die folgenden Logarithmen wurden auf einem Taschenrechner abgelesen: ln 50,3 ¼ 3,9180
lg 108,56 ¼ 2,0357
lb 328,9 ¼ 8,3615
ln 0,014 ¼ 4,2687
lg 0,783 ¼ 0,1062
lb 1,772 ¼ 0,8254
&
Basiswechsel a ! b Logarithmen lassen sich problemlos von einer Basis a in eine andere Basis b wie folgt umrechnen: log a r 1 log b r ¼ ¼ log a r ¼ K log a r ðIII-173Þ log a b log a b |fflffl{zfflffl} K Folgerung: Bei einem Basiswechsel multiplizieren sich die Logarithmen mit einer Konstanten. Dieser Umrechnungsfaktor bei einem Wechsel von der Basis a zur Basis b ist der Kehrwert von log a b. So gilt beispielsweise fu¨r die Umrechnung zwischen dem Zehnerlogarithmus und dem natu¨rlichen Logarithmus:
&
ln r ¼
lg r lg r ¼ ¼ 2,3026 lg r lg e 0,4343
ðIII-174Þ
lg r ¼
ln r ln r ¼ ¼ 0,4343 ln r ln 10 2,3026
ðIII-175Þ
Beispiele (1)
ln 4,765 ¼ 1,5613 ,
lg 4,765 ¼ ?
lg 4,765 ¼ 0,4343 ln 4,765 ¼ 0,4343 1,5613 ¼ 0,6781 (2)
lg 144,08 ¼ 2,1586 ,
ln 144,08 ¼ ?
ln 144,08 ¼ 2,3026 lg 144,08 ¼ 2,3026 2,1586 ¼ 4,9704 (3)
Beim Wechsel von der Basis a ¼ e zur Basis b ¼ 2 multiplizieren sich die Logarithmen mit der folgenden Konstante: K ¼
1 1 1 ¼ ¼ 1,4427 ¼ log e 2 ln 2 0,6931
&
12 Logarithmusfunktionen
295
12.2 Definition und Eigenschaften einer Logarithmusfunktion Die Exponentialfunktionen verlaufen streng monoton (wachsend oder fallend) und sind somit in ihrem Definitionsbereich umkehrbar. Ihre Umkehrfunktionen werden als Logarithmusfunktionen bezeichnet. Definition: Unter der Logarithmusfunktion y ¼ log a x versteht man die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion y ¼ a x ða > 0, a 6¼ 1Þ. Die Eigenschaften der Logarithmusfunktionen sind in Tabelle 8 im Einzelnen aufgefu¨hrt. Sie ergeben sich unmittelbar aus den Eigenschaften der zugeho¨rigen Exponentialfunktionen. Den Funktionsgraph einer speziellen Logarithmusfunktion erha¨lt man durch Spiegelung der entsprechenden Exponentialfunktion an der Winkelhalbierenden des 1. und 3. Quadranten (siehe hierzu Bild III-167). Tabelle 8: Eigenschaften der Logarithmusfunktionen (Bild III-166) y ¼ ax
y ¼ log a x
Definitionsbereich
1 < x < 1
0 < x < 1
Wertebereich
0 < y < 1
1 < y < 1 x0 ¼ 1
Nullstellen Monotonie Asymptoten
0 < a < 1: streng monoton fallend a > 1: y ¼ 0
streng monoton wachsend (x-Achse)
x ¼ 0
(y-Achse)
Anmerkungen (1)
Man beachte, dass Logarithmen nur fu¨r positive reelle Zahlen ðx > 0Þ und eine positive Basis a 6¼ 1 gebildet werden ko¨nnen.
(2)
Die Logarithmusfunktionen besitzen unabha¨ngig von der Basis a genau eine Nullstelle bei x 0 ¼ 1: log a 1 ¼ 0
ðIII-176Þ
Alle Kurven gehen somit an dieser Stelle durch die x-Achse (siehe hierzu auch Bild III-166). &
Beispiele Bild III-166 zeigt den Verlauf der beiden Logarithmusfunktionen y ¼ log 0,5 x (Umkehrfunktion von y ¼ 0,5 x ) und y ¼ ln x (Umkehrfunktion von y ¼ e x ).
296
III Funktionen und Kurven
y 3 y = ln x
2
Bild III-166 Funktionsgraphen der logarithmischen Funktionen y ¼ log 0,5 x und y ¼ ln x
1
1
2
3
4
5
6
x
–1 y = log 0,5 x –2 –3 &
Spezielle Logarithmusfunktionen Von großer praktischer Bedeutung ist die Umkehrfunktion der e-Funktion: y ¼ log e x ln x
ðx > 0Þ
ðIII-177Þ
(natu¨rliche Logarithmusfunktion). Sie wird auch kurz als ln-Funktion bezeichnet. Daneben spielen die Umkehrfunktionen von y ¼ 10 x und y ¼ 2 x nur eine untergeordnete Rolle. Auch sie werden wie folgt durch eigene Symbole gekennzeichnet: y ¼ log 10 x lg x
ðx > 0Þ
ðIII-178Þ
y ¼ log 2 x lb x
ðx > 0Þ
ðIII-179Þ
In Bild III-167 zeigen wir, wie man die Funktionskurve von y ¼ ln x durch Spiegelung der e-Funktion y ¼ e x an der Winkelhalbierenden des 1. und 3. Quadranten erha¨lt. y y = ex y=x
1
y = ln x 1
x
Bild III-167 Funktionsgraphen der e-Funktion y ¼ e x und ihrer Umkehrfunktion y ¼ ln x
12 Logarithmusfunktionen
297
Weitere wichtige Rechenregeln (1)
(2)
log a a x ¼ x log a a ¼ x ðx 2 RÞ |fflffl{zfflffl} 1 x ln e ¼ x ln e ¼ x ðx 2 RÞ |{z} 1
ðIII-180Þ
a log a x ¼ x
ðIII-182Þ
e ln x ¼ x (3)
ðIII-181Þ
ðx > 0Þ ðx > 0Þ
ln f ðxÞ ¼ ln g ðxÞ
ðIII-183Þ
)
f ðxÞ ¼ g ðxÞ
ðIII-184Þ
(Entlogarithmierung; f ðxÞ > 0, g ðxÞ > 0) In Abschnitt 11.2 haben wir bereits erwa¨hnt, dass sich jede Exponentialfunktion auf die e-Funktion zuru¨ckfu¨hren la¨sst. Mit Hilfe der Rechenregel (III-183) ko¨nnen wir die Exponentialfunktion y ¼ a x wie folgt auf die e-Funktion „umschreiben“: y ¼ a x ¼ e ln a ¼ e x ln a ¼ e ðln aÞ x ¼ e l x x
&
ðmit l ¼ ln aÞ
ðIII-185Þ
Beispiele (1)
Die Halbwertszeit t einer radioaktiven Substanz ist der Zeitraum, in dem genau die Ha¨lfte der urspru¨nglich vorhandenen Atomkerne ðn 0 Þ zerfallen ist. Aus dem Zerfallsgesetz n ðtÞ ¼ n 0 e l t
ðt 0Þ
folgt dann (siehe hierzu auch Bild III-152): n ðtÞ ¼ n 0 e l t ¼
1 n0 2
oder
elt ¼
1 2
Durch Logarithmieren auf beiden Seiten erha¨lt man schließlich 1 ) ð l tÞ ln e ¼ ln 1 ln 2 ln e l t ¼ ln |{z} |{z} 2 1 0 l t ¼ ln 2
)
t ¼
)
ln 2 0,693 ¼ l l
Die Halbwertszeit t einer radioaktiven Substanz ist somit zur Zerfallskonstanten l umgekehrt proportional.
298
(2)
III Funktionen und Kurven
Beim Aufladen eines Kondensators mit der Kapazita¨t C u¨ber einen ohmschen Widerstand R gilt fu¨r die Kondensatorspannung u das folgende Zeitgesetz (vgl. hierzu auch Bild III-156): t u ðtÞ ¼ u 0 1 e R C Wir berechnen fu¨r die speziellen Werte R ¼ 100 W, C ¼ 10 mF und u 0 ¼ 50 V den Zeitpunkt T, in dem die Kondensatorspannung genau 90 % ihres Endwertes u 0 erreicht hat: u ðTÞ ¼ 90 % von
50 V ¼ 45 V
Mit der Zeitkonstanten R C ¼ 100 W 10 5 F ¼ 10 3 s ¼ 1 ms
ð1 mF ¼ 10 6 FÞ
erhalten wir die folgende Bestimmungsgleichung fu¨r T: T 45 V ¼ 50 V 1 e 1 ms Wir dividieren jetzt durch 50 V und isolieren dann die e-Funktion: T
0,9 ¼ 1 e 1 ms
)
T
e 1 ms ¼ 0,1
Beide Seiten werden jetzt logarithmiert: T T ln e 1 ms ¼ ln 0,1 ) ln e ¼ ln 0,1 |{z} 1 ms 1 T ¼ 2,3026 ) T ¼ 2,3026 ms 2,3 ms 1 ms
)
Nach rund 2,3 ms erreicht die Kondensatorspannung 90 % ihres Endwertes & u 0 ¼ 50 V.
12.3 Exponential- und Logarithmusgleichungen Exponentialgleichungen Eine Exponentialgleichung liegt vor, wenn die unbekannte Gro¨ße nur im Exponenten von Potenzausdru¨cken auftritt. Ein allgemeines Lo¨sungsverfahren fu¨r Gleichungen dieser Art la¨sst sich leider nicht angeben. In vielen Fa¨llen jedoch gelingt es, die Exponentialgleichung mit Hilfe von elementaren Umformungen und anschließendem Logarithmieren zu lo¨sen. Wir geben zwei einfache Beispiele.
12 Logarithmusfunktionen &
299
Beispiele (1)
Die Exponentialgleichung e cos x ¼ 1 kann wie folgt durch Logarithmieren gelo¨st werden: ln e cos x ¼ ln 1 ¼ 0 x k ¼ p=2 þ k p
)
ðcos xÞ ln e ¼ cos x ¼ 0 |{z} 1 ðk 2 ZÞ
)
Die Gleichung besitzt demnach unendlich viele Lo¨sungen (es sind die Nullstellen der Kosinusfunktion). (2)
2x þ 4 2x 5 ¼ 0
2x þ
oder
4 5 ¼ 0 2x
Wir lo¨sen diese Exponentialgleichung durch die Substitution z ¼ 2 x und erhalten eine quadratische Gleichung mit zwei reellen Lo¨sungen: zþ
4 5 ¼ 0j z z
oder z2 5 z þ 4 ¼ 0 z2 þ 4 5 z ¼ 0 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 5 25 5 3 4 ¼ ) z1 ¼ 4 , z 1=2 ¼ 2 4 2 2
z2 ¼ 1
Nach Ru¨cksubstitution und anschließendem Logarithmieren folgt schließlich: 2x ¼ z1 ¼ 4
)
ln 2 x ¼ ln 4 ¼ ln 2 2
x ln 2 ¼ 2 ln 2 j : ln 2 2x ¼ z2 ¼ 1
)
)
)
x1 ¼ 2
ln 2 x ¼ ln 1 ¼ 0
)
x ln 2 ¼ 0
)
x2 ¼ 0
Die Exponentialgleichung besitzt somit die Lo¨sungen x 1 ¼ 2 und x 2 ¼ 0.
&
Logarithmusgleichungen Gleichungen, in denen die Unbekannte nur im Argument von Logarithmusfunktionen auftritt, werden als logarithmische Gleichungen bezeichnet. Sie ko¨nnen ha¨ufig nach elementaren Umformungen und einer sich anschließenden Entlogarithmierung gelo¨st werden, wie die folgenden Beispiele zeigen werden. &
Beispiele (1)
lg ð4 x 5Þ ¼ 1,5
ð4 x 5 > 0, d: h: x > 1,25Þ
Diese logarithmische Gleichung kann durch Entlogarithmierung wie folgt gelo¨st werden (die Basis 10 wird mit der linken bzw. rechten Seite der Gleichung potenziert): 10 lg ð4 x 5Þ ¼ 10 1,5
)
4 x ¼ 36,6228
x 1 ¼ 9,1557
)
4 x 5 ¼ 10 1,5 ¼ 31,6228
)
Die Logarithmusgleichung besitzt genau eine Lo¨sung x 1 ¼ 9,1557.
300
(2)
III Funktionen und Kurven
ln ðx 2 1Þ ¼ ln x þ 1 Die gesuchten Lo¨sungen dieser Gleichung mu¨ssen die Bedingungen x 2 1 > 0 und x > 0 erfu¨llen. Nur dann sind die logarithmischen Terme definiert. Somit sind nur Lo¨sungen aus dem Intervall x > 1 mo¨glich. Da 1 ¼ ln e ist, la¨sst sich die Gleichung unter Verwendung der bekannten Rechenregeln fu¨r Logarithmen wie folgt umformen: ln ðx 2 1Þ ¼ ln x þ 1 ¼ ln x þ ln e ¼ ln ðe xÞ Durch Entlogarithmieren erhalten wir schließlich eine quadratische Gleichung mit zwei reellen Lo¨sungen: e ln ðx x 1=2
¼ e ln ðe xÞ ) x 2 1 ¼ e x ) rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi e e2 þ 1 ¼ 1,3591 1,6874 ¼ 2 4 2
1Þ
x2 ex 1 ¼ 0
)
Wegen der Bedingung x > 1 kommt allerdings nur die positive Lo¨sung & x 1 ¼ 1,3591 þ 1,6874 ¼ 3,0465 infrage.
13 Hyperbel- und Areafunktionen 13.1 Hyperbelfunktionen 13.1.1 Definition der Hyperbelfunktionen In den Anwendungen treten vereinzelt Funktionen auf, die in der mathematischen Literatur unter der Bezeichnung Hyperbelfunktionen bekannt sind. Sie setzen sich aus den beiden speziellen Exponentialfunktionen y ¼ e x und y ¼ e x wie folgt zusammen: Definition: Die Definitionsgleichungen der Hyperbelfunktionen lauten: Sinus hyperbolicus:
y ¼ sinh x ¼
1 x ðe e x Þ 2
ðIII-186Þ
Kosinus hyperbolicus:
y ¼ cosh x ¼
1 x ðe þ e x Þ 2
ðIII-187Þ
Tangens hyperbolicus:
y ¼ tanh x ¼
ex ex ex þ ex
ðIII-188Þ
Kotangens hyperbolicus:
y ¼ coth x ¼
ex þ ex ex ex
ðIII-189Þ
13 Hyperbel- und Areafunktionen
301
Anmerkungen (1)
blich sind auch die folgenden Bezeichnungen fu¨r die vier Hyperbelfunktionen: Hyperbelsinus, Hyperbelkosinus, Hyperbeltangens und Hyperbelkotangens.
(2)
Die Bezeichnungen dieser Funktionen lassen auf eine gewisse Verwandtschaft mit der Hyperbel und den trigonometrischen Funktionen schließen. hnlich wie sich die trigonometrischen Funktionen am Einheitskreis darstellen lassen, kann man die Hyperbelfunktionen an der (rechtwinkligen) Einheitshyperbel erkla¨ren (wir wollen darauf aber nicht na¨her eingehen). Zwischen den Hyperbelfunktionen bestehen ferner analoge Beziehungen wie zwischen den Winkelfunktionen. Durch eine formale Substitution gewinnt man aus einer trigonometrischen Beziehung stets eine entsprechende hyperbolische Beziehung. Im Gegensatz zu den trigonometrischen Funktionen sind die Hyperbelfunktionen jedoch nicht-periodische Funktionen.
13.1.2 Die Hyperbelfunktionen y ¼ sinh x und y ¼ cosh x Die Eigenschaften der in Bild III-168 skizzierten (u¨berall definierten und stetigen) Hyperbelfunktionen y ¼ sinh x und y ¼ cosh x sind in Tabelle 9 zusammengestellt. Tabelle 9: Eigenschaften der Hyperbelfunktionen y ¼ sinh x und y ¼ cosh x (Bild III-168) y ¼ sinh x
y ¼ cosh x
Definitionsbereich
1 < x < 1
1 < x < 1
Wertebereich
1 < y < 1
1 y < 1
Symmetrie
ungerade
gerade
Nullstellen
x0 ¼ 0 x 0 ¼ 0 (Minimum)
Extremwerte Monotonie
streng monoton wachsend y ¼
Asymptoten
1 ex 2
(fu¨r x ! 1)
y ¼
1 ex 2
(fu¨r x ! 1)
302
III Funktionen und Kurven y
y = sinh x
y = cosh x
1
&
Bild III-168 Funktionsgraphen der Hyperbelfunktionen y ¼ sinh x und y ¼ cosh x
1 x
Beispiele (1)
Mit einem Taschenrechner wurden die folgenden Funktionswerte ermittelt: sinh 1,3 ¼ 1,6984
cosh 0,8 ¼ 1,3374
sinh ð 0,5Þ ¼ 0,5211
cosh ð 1,5Þ ¼ 2,3524
sinh 10 cosh 10 (2)
1 e 10 ¼ 11 013,2329 2
Eine an zwei Punkten P 1 und P 2 in gleicher Ho¨he befestigte, freiha¨ngende Kette nimmt unter dem Einfluss der Schwerkraft die geometrische Form einer sog. Kettenlinie an, die durch die hyperbolische Funktion y ¼ a cosh ðx=aÞ
ða : Parameter mit a > 0Þ
beschrieben wird (Bild III-169). y P2
P1
a
Bild III-169 Kettenlinie x &
13 Hyperbel- und Areafunktionen
303
13.1.3 Die Hyperbelfunktionen y ¼ tanh x und y ¼ coth x Die Hyperbelfunktionen y ¼ tanh x und y ¼ coth x besitzen die in Tabelle 10 aufgefu¨hrten Eigenschaften. Die zugeho¨rigen Kurven sind in Bild III-170 dargestellt. y
y = coth x
Asymptote
Bild III-170 Funktionsgraphen der Hyperbelfunktionen y ¼ tanh x und y ¼ coth x
1 y = tanh x –1
1
x
–1 Asymptote y = coth x
Tabelle 10: Eigenschaften der Hyperbelfunktionen y ¼ tanh x und y ¼ coth x (Bild III-170) y ¼ tanh x
y ¼ coth x
Definitionsbereich
1 < x < 1
jxj > 0
Wertebereich
1 < y < 1
jyj > 1
Symmetrie
ungerade
ungerade
Nullstellen
x0 ¼ 0 x0 ¼ 0
Pole Monotonie
Asymptoten
streng monoton wachsend y ¼ 1
(fu¨r x ! 1)
y ¼ 1
(fu¨r x ! 1)
x ¼ 0
(Polgerade)
y ¼ 1
(fu¨r x ! 1)
y ¼ 1
(fu¨r x ! 1)
304 &
III Funktionen und Kurven
Beispiele Auf einem Taschenrechner wurden folgende Funktionswerte abgelesen: tanh 2 ¼ 0,9640
coth 1,2 ¼ 1,1995
tanh ð 1,4Þ ¼ 0,8854
coth ð 2,3Þ ¼ 1,0203
tanh 5 ¼ 0,9999 1
coth 5 ¼ 1,0001 1
&
13.1.4 Wichtige Beziehungen zwischen den Hyperbelfunktionen Aus den Definitionsgleichungen (III-186) bis (III-189) folgen unmittelbar die folgenden Beziehungen: tanh x ¼
sinh x , cosh x
coth x ¼
cosh x 1 ¼ sinh x tanh x
ðIII-190Þ
Von Bedeutung sind auch die sog. Additionstheoreme fu¨r sinh x, cosh x und tanh x. Sie lauten:
Additionstheoreme der Hyperbelfunktionen sinh ðx 1 x 2 Þ ¼ sinh x 1 cosh x 2 cosh x 1 sinh x 2
ðIII-191Þ
cosh ðx 1 x 2 Þ ¼ cosh x 1 cosh x 2 sinh x 1 sinh x 2
ðIII-192Þ
tanh ðx 1 x 2 Þ ¼
tanh x 1 tanh x 2 1 tanh x 1 tanh x 2
ðIII-193Þ
Aus ihnen gewinnt man weitere wichtige Beziehungen wie z. B.: cosh 2 x sinh 2 x ¼ 1
ð,,Hyperbolischer Pythagoras‘‘)
ðIII-194Þ
sinh ð2 xÞ ¼ 2 sinh x cosh x
ðIII-195Þ
cosh ð2 xÞ ¼ sinh 2 x þ cosh 2 x
ðIII-196Þ
Die Exponentialfunktionen y ¼ e x und y ¼ e x lassen sich durch die Hyperbelfunktionen y ¼ sinh x und y ¼ cosh x wie folgt ausdru¨cken: e x ¼ cosh x þ sinh x
und
e x ¼ cosh x sinh x
ðIII-197Þ
Ferner gilt fu¨r n 2 N* die Formel von Moivre: ðcosh x sinh xÞ n ¼ cosh ðn xÞ sinh ðn xÞ ¼ e n x
ðIII-198Þ
13 Hyperbel- und Areafunktionen
305
13.2 Areafunktionen 13.2.1 Definition der Areafunktionen Die hyperbolischen Funktionen y ¼ sinh x und y ¼ tanh x sind in ihrem gesamten Definitionsbereich streng monoton wachsende Funktionen und daher dort umkehrbar. Bei der Hyperbelfunktion y ¼ cosh x mu¨ssen wir uns jedoch auf ein Teilintervall beschra¨nken, in dem die Funktion ein streng monotones Verhalten zeigt und dabei sa¨mtliche Funktionswerte durchla¨uft. Wir wa¨hlen das Intervall x 0. Die hyperbolische Funktion y ¼ coth x ist in den Teilintervallen x < 0 und x > 0 jeweils streng monoton fallend, durchla¨uft dabei den gesamten Wertevorrat und ist daher in diesen Teilintervallen umkehrbar. Die Umkehrung der Hyperbelfunktionen in den genannten Bereichen fu¨hrt zu den Areafunktionen. Definition: Die Umkehrfunktionen der Hyperbelfunktionen heißen Areafunktionen. Bezeichnung und Schreibweise dieser Funktionen lauten: Areasinus hyperbolicus:
y ¼ arsinh x
Areakosinus hyperbolicus:
y ¼ arcosh x
Areatangens hyperbolicus:
y ¼ artanh x
Areakotangens hyperbolicus:
y ¼ arcoth x
Anmerkung Auf dem Taschenrechner werden diese Funktionen ha¨ufig auch sinh 1 x, cosh 1 x usw. bezeichnet (nicht zu verwechseln mit den Kehrwerten).
13.2.2 Die Areafunktionen y ¼ arsinh x und y ¼ arcosh x Die wesentlichen Eigenschaften der Areafunktionen y ¼ arsinh x und y ¼ arcosh x sind in Tabelle 11 zusammengestellt. Ihren Kurvenverlauf erha¨lt man aus den Funktionsbildern der entsprechenden Hyperbelfunktionen durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden des 1. und 3. Quadranten (Bild III-171). Tabelle 11: Eigenschaften der Areafunktionen y ¼ arsinh x und y ¼ arcosh x (Bild III-171) y ¼ arsinh x
y ¼ arcosh x
Definitionsbereich
1 < x < 1
1 x < 1
Wertebereich
1 < y < 1
0 y < 1
Symmetrie
ungerade
Nullstellen
x0 ¼ 0
x0 ¼ 1
Monotonie
streng monoton wachsend
streng monoton wachsend
306
III Funktionen und Kurven y
y = arcosh x
1
–1
1
x
–1 y = arsinh x
Bild III-171 Funktionsgraphen der Areafunktionen y ¼ arsinh x und y ¼ arcosh x
13.2.3 Die Areafunktionen y ¼ artanh x und y ¼ arcoth x Die Areafunktionen y ¼ artanh x und y ¼ arcoth x besitzen die in der Tabelle 12 aufgefu¨hrten Eigenschaften und den in Bild III-172 skizzierten Funktionsverlauf. Tabelle 12: Eigenschaften der Areafunktionen y ¼ artanh x und y ¼ arcoth x (Bild III-172) y ¼ artanh x
y ¼ arcoth x
Definitionsbereich
1 < x < 1
jxj > 1
Wertebereich
1 < y < 1
jyj > 0
Symmetrie
ungerade
ungerade
Nullstellen
x0 ¼ 0
Pole
x 1=2 ¼ 1
Monotonie
streng monoton wachsend
Asymptoten
x ¼ 1 (Polgeraden)
x 1=2 ¼ 1
x ¼ 1
(Polgeraden)
y ¼ 0
(fu¨r x ! 1)
13 Hyperbel- und Areafunktionen
307 y
y = arcoth x
1
–1
1
x
–1 y = artanh x
y = arcoth x
Bild III-172 Funktionsgraphen der Areafunktionen y ¼ artanh x und y ¼ arcoth x
13.2.4 Darstellung der Areafunktionen durch Logarithmusfunktionen Die Areafunktionen lassen sich unter Verwendung der ln-Funktion auch wie folgt als logarithmische Funktionen darstellen:
Darstellung der Areafunktionen durch Logarithmusfunktionen pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð 1 < x < 1Þ y ¼ arsinh x ¼ ln ðx þ x 2 þ 1Þ y ¼ arcosh x ¼ ln ðx þ 1 ln y ¼ artanh x ¼ 2 1 y ¼ arcoth x ¼ ln 2
&
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 2 1Þ
1þx 1x
ðIII-199Þ
ðx 1Þ
ðIII-200Þ
ðj x j < 1Þ
ðIII-201Þ
ðj x j > 1Þ
ðIII-202Þ
x þ1 x 1
Beispiele Ein Taschenrechner liefert die folgenden Funktionswerte: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi arsinh 1,5 ¼ ln ð1,5 þ 1,5 2 þ 1Þ ¼ 1,1948 arsinh ð 3,47Þ ¼ ln ð 3,47 þ
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð 3,47Þ 2 þ 1Þ ¼ 1,9574
308
III Funktionen und Kurven
arcosh 12,8 ¼ ln ð12,8 þ
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 12,8 2 1Þ ¼ 3,2411
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi arcosh 1,03 ¼ ln ð1,03 þ 1,03 2 1Þ ¼ 0,2443 1 1 þ 0,72 ln ¼ 0,9076 artanh 0,72 ¼ 2 1 0,72 1 1 0,29 artanh ð 0,29Þ ¼ ln ¼ 0,2986 2 1 þ 0,29 1 14,7 þ 1 ln ¼ 0,0681 arcoth 14,7 ¼ 2 14,7 1
&
13.2.5 Ein Anwendungsbeispiel: Freier Fall unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes Im luftleeren Raum erfa¨hrt bekanntlich jeder Ko¨rper die gleiche konstante Fallbeschleunigung g, so dass die Fallgeschwindigkeit v proportional zur Fallzeit t wa¨chst: v ¼ v ðtÞ ¼ g ðtÞ
ðt 0Þ
ðIII-203Þ
In einem t, v-Diagramm erha¨lt man den in Bild III-173a) skizzierten linearen Verlauf. Wesentlich anders liegen die Verha¨ltnisse bei Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes. Wir behandeln dieses Problem ausfu¨hrlich in den Anwendungen der Integralrechnung (Kap. V) sowie im Zusammenhang mit den Differentialgleichungen in Band 2 (Kap. IV). An dieser Stelle teilen wir nur das Ergebnis mit. Wird die Reibungskraft R proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit v angenommen, R ¼ k v 2 (k ist dabei eine positive Konstante), so erha¨lt man fu¨r die Abha¨ngigkeit der Fallgeschwindigkeit v von der Fallzeit t die hyperbolische Funktion g v ¼ v ðtÞ ¼ v E tanh t ðt 0Þ ðIII-204Þ vE pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi m g=k Þ. Bild III-173 b) verdeutlicht, wie sich die Fallgeschwindigkeit v im ðv E ¼ Laufe der Zeit, d. h. fu¨r t ! 1 asymptotisch ihrem Endwert g v 1 ¼ lim v E tanh t ¼ vE ðIII-205Þ vE t!1 na¨hert. Physikalische Deutung: Die Endgeschwindigkeit v E wird erreicht, wenn sich Gewichtskraft G ¼ m g und Luftwiderstand R ¼ k v 2 das Gleichgewicht halten und die Fallbewegung damit kra¨ftefrei geworden ist: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi m g=k ðIII-206Þ k v 2E ¼ m g ) v E ¼
bungsaufgaben
309
v
v vE
v = v E · tanh
g t vE
v = gt
t
t
a)
b)
Bild III-173 Abha¨ngigkeit der Fallgeschwindigkeit v von der Fallzeit t a) ohne Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes b) mit Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes
bungsaufgaben Zu Abschnitt 1 1) Bestimmen Sie fu¨r die folgenden Funktionen den gro¨ßtmo¨glichen Definitionsbereich sowie den Wertebereich: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x bÞ y ¼ x 2 1 cÞ y ¼ ln j x j aÞ y ¼ 2 x þ1 dÞ
y ¼
x2 4 x 2 16
y ¼
eÞ
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 2 0,5 x 3
fÞ
y ¼
x 1 x þ1
2) Bestimmen Sie den jeweils gro¨ßtmo¨glichen Definitionsbereich und zeichnen Sie anschließend den Funktionsgraphen: aÞ
y ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2x þ 6
bÞ
y ¼
1 jx 1j
cÞ
y ¼ ejxj
310
III Funktionen und Kurven
3) Bei einem schwingungsfa¨higen mechanischen System werden folgende Auslenkungen in Abha¨ngigkeit von der Zeit gemessen (aperiodisches Verhalten): t=s
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
y=cm
4
2,87
2,01
1,37
0,90
0,55
0,30
t=s
0,7
0,8
0,9
1
1,1
1,2
1,3
y=cm
0,12
0
0,08
0,14
0,17
0,18
0,19
t=s
1,4
1,5
1,6
1,7
1,8
1,9
2
y=cm
0,18
0,17
0,16
0,15
0,14
0,12
0,11
t=s
2,3
2,5
3
3,5
y=cm
0,08
0,06
0,03
0,01
Skizzieren Sie den Funktionsverlauf y ¼ y ðtÞ in einem geeigneten Maßstab. 4) Eine Funktion ist durch die Parametergleichungen pffiffiffiffi x ðtÞ ¼ 0,5 t , y ðtÞ ¼ t þ t 2 ðt 0Þ definiert. Stellen Sie die Funktion explizit, d. h. in der Form y ¼ y ðxÞ dar und skizzieren Sie den Funktionsverlauf im Intervall 0 t 15 (Schrittweite: Dt ¼ 1). Welche Koordinaten geho¨ren zu den Parameterwerten t 1 ¼ 1,5 und t 2 ¼ 5?
Zu Abschnitt 2 1) Bestimmen Sie das Symmetrieverhalten der folgenden Funktionen in ihrem maximalen Definitionsbereich: x3 þ1
cÞ
y ¼ sin x cos x
x2 1 1 þ x2
fÞ
y ¼
aÞ y ¼ 4 x 2 16
bÞ
y ¼
dÞ y ¼ j x 2 4 j
eÞ
y ¼
hÞ
y ¼ 4 sin 2 x
gÞ
y ¼
1 x 1
x2
2) Wo besitzen die folgenden Funktionen Nullstellen? x2 9 x þ1
aÞ
y ¼
cÞ
y ¼ x 4 4 x 2 45
p bÞ y ¼ sin x 4 dÞ
y ¼ ðx 1Þ e x
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 2 25
bungsaufgaben 3)
311
Untersuchen Sie die folgenden Funktionen auf Monotonie: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi bÞ y ¼ x 1 ðx 1Þ cÞ y ¼ x 3 þ 2 x aÞ y ¼ x 4 dÞ
y ¼ jx2 2x þ 1j
ðx 1Þ
fÞ
y ¼ 2 ln ð2 x 4Þ
eÞ
y ¼ e2x
ðx > 2Þ
4)
Zeigen Sie: Die Funktion y ¼ 2 sin t 4 cos t besitzt die Periode p ¼ 2 p.
5)
Wie lauten die Umkehrfunktionen von: aÞ
y ¼
1 2x
ðx > 0Þ
bÞ y ¼
pffiffiffiffiffiffiffi 3 x ðx > 0Þ
y ¼ 2 e x 0,5
cÞ
Zu Abschnitt 3 1) Wie a¨ndert sich die Funktionsgleichung von y ¼ x 2 sin x þ 3 a) bei Verschieben der Kurve um drei Einheiten in positiver x-Richtung und zwei Einheiten in negativer y-Richtung, b) bei Verschieben der Kurve um jeweils fu¨nf Einheiten in positiver x-Richtung und positiver y-Richtung? 2) Fu¨hren Sie die Parabel mit der Funktionsgleichung y ¼ 2 x 2 16 x þ 28,5 durch eine geeignete Koordinatentransformation (Parallelverschiebung) auf die Parabel y ¼ 2 x 2 zuru¨ck. p 2 3) Zeigen Sie, dass die Sinuskurve mit der Funktionsgleichung y ¼ sin x 4 durch Parallelverschiebung der Sinuskurve y ¼ sin x entsteht. 4) Der Mittelpunktskreis x 2 þ y 2 ¼ 16 soll parallel zu den Koordinatenachsen so verschoben werden, dass sein Mittelpunkt in den Punkt M ¼ ð 2; 5Þ fa¨llt. Wie vera¨ndert sich dabei die Kreisgleichung? 5) Wie lauten die Polarkoordinaten folgender Punkte? P 1 ¼ ð4; 12Þ
P 2 ¼ ð 3; 3Þ
P 3 ¼ ð5; 4Þ
6) Von einem Punkt P sind die Polarkoordinaten r, j bekannt. Wie lauten seine kartesischen Koordinaten? aÞ
P:
r ¼ 10,
j ¼ 35
bÞ
P:
r ¼ 3,56,
j ¼ 256,5
7) Skizzieren Sie den Verlauf der folgenden, in Polarkoordinaten dargestellten Kurven: aÞ
r ðjÞ ¼ 1 þ sin j
ð0 j < 2 pÞ
bÞ
r ðjÞ ¼ e 0,5 j
ð0 j pÞ
312
III Funktionen und Kurven
8) Gegeben ist die in kartesischen Koordinaten dargestellte Kurve mit der (impliziten) Funktionsgleichung ðx 2 þ y 2 Þ 2 2 x y ¼ 0. a)
Wie lautet die Funktionsgleichung in Polarkoordinaten?
b)
Skizzieren Sie den Kurvenverlauf.
Zu Abschnitt 4 1) Bestimmen Sie das Bildungsgesetz der unendlichen Folgen: aÞ
0,2; 0,04; 0,008; . . .
1 4 9 ; ; ; ... 2 3 4
bÞ
cÞ
1 2 3 ; ; ; ... 2 4 8
2) Zeichnen Sie den Graph der Zahlenfolge n2 ha n i ¼ ðn 2 N*Þ n 2 þ 10 3) Bestimmen Sie den Grenzwert der Zahlenfolgen fu¨r n ! 1: 2 2n þ 1 n þ4 bÞ ha n i ¼ aÞ ha n i ¼ 4n n cÞ
ha n i ¼
n2 þ 4 n 1 n2 3 n
4) Berechnen Sie (gegebenenfalls nach elementaren Umformungen) die folgenden Grenzwerte: aÞ
lim x!1
dÞ
lim x!2
fÞ
x2 1 x2 þ 1
bÞ
ðx 2Þ ð3 x þ 1Þ 4x 8
eÞ
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1þx 1 lim x x!0
lim x!3
lim x!1
gÞ
lim x!1
x 2 x 12 x þ3
cÞ
x!0
sin ð2 xÞ sin x
x3 2x þ 3 x2 þ 1 x2 x2 4x þ 1
5) Welchen Grenzwert besitzt die Funktion f ðxÞ ¼
1x pffiffiffiffi 1 x
hÞ
lim x!1
x4 1 x 1
fu¨r x ! 1?
Anleitung: Erweitern Sie zuna¨chst die Funktionsgleichung mit 1 þ 6) Zeigen Sie: Die Funktion f ðxÞ ¼ Grenzwert g ¼ 0.
lim
pffiffiffiffi x.
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffi x þ 2 x besitzt fu¨r x ! 1 den
bungsaufgaben
313
7) An welchen Stellen besitzen die folgenden Funktionen Definitionslu¨cken? aÞ
y ¼
x þ2 x 4
dÞ
y ¼
1 sin x
bÞ y ¼
x2 þ 4x þ 8 x2 þ 3x þ 2
cÞ
y ¼
sin x x
8) Zeigen Sie, dass die Funktion 8 9 x 0= < x f ðxÞ ¼ f u¨ r : ; x 2 x > 0 an der Stelle x 0 ¼ 0 unstetig ist. 9) Zeigen Sie: Die fu¨r alle x 2 R definierte Funktion 8 2 9 x 1 > > > > > x 6¼ 1 > < = x 1 f ðxÞ ¼ f u¨ r > > > > > > : ; 2 x ¼ 1 ist an der Stelle x 0 ¼ 1 stetig. 10) Lassen sich die Definitionslu¨cken der Funktion y ¼
x2 x beheben? x3 x2 þ x 1
Zu Abschnitt 5 1) Geben Sie die Funktionsgleichung der durch P 1 ¼ ð1,5; 2Þ und P 2 ¼ ð 3; 3Þ verlaufenden Gerade in der Hauptform und in der Achsenabschnittsform an. 2) Der elektrische Widerstand R eines Leiters ist temperaturabha¨ngig: R ¼ R 0 ð1 þ a D#Þ (R 0 : Widerstand bei 20 C; a > 0: Temperaturkoeffizient; D#: Temperatura¨nderung). Welchen Widerstand besitzt eine Kupferleitung bei 50 C, wenn ihr Widerstand bei 20 C genau R 0 ¼ 100 W betra¨gt ða Cu ¼ 4 10 3 = CÞ? 3) Bringen Sie die folgenden Parabelgleichungen in die Produkt- und Scheitelpunktsform: aÞ
y ¼ 2x2 4x þ 3
bÞ
y ¼ 5 x 2 þ 20 x þ 20
cÞ
y ¼ 2 x 2 þ 10 x
dÞ
y ¼ 4 x 2 þ 8 x 60
314
III Funktionen und Kurven
4) Gegeben sind die drei Punkte P ¼ ð1; 2Þ, Q ¼ ð4; 3Þ und R ¼ ð8; 0Þ. Wie lautet die Gleichung der durch diese Punkte verlaufenden Parabel in der Normal-, Produkt- und Scheitelpunktsform? Wo liegt der Scheitelpunkt S der Parabel? 5) Die Flugbahn eines Geschosses laute (der Luftwiderstand bleibt unberu¨cksichtigt): y ðxÞ ¼ x 2 þ 5 x þ 4 a)
Welche maximale Ho¨he y max erreicht das Geschoss?
b)
An welcher Stelle erreicht das Geschoss die Erdoberfla¨che ðy ¼ 0Þ?
6) Bestimmen Sie die Gleichung der Parabel mit den folgenden Funktionseigenschaften: a) Nullstellen in x 1 ¼ 1 und x 2 ¼ 5 b) Ordinate des Scheitelpunktes: y 0 ¼ 18 7) Zerlegen Sie die folgenden Polynomfunktionen in Linearfaktoren. Wie lautet die jeweilige Produktdarstellung? aÞ y ¼ x 3 4 x 2 þ 4 x 16
bÞ
y ¼ 0,5 ð3 x 2 1Þ
cÞ
y ¼ 3 x 3 þ 18 x 2 33 x
dÞ
y ¼ 2x3 þ 8x2 8x
eÞ
y ¼ x 3 6 x 2 12 x 8
8) Skizzieren Sie den Funktionsgraph von z ¼ 4 t 3 16 t 2 þ 16 t unter ausschließlicher Verwendung der Lage und Vielfachheit der Polynomnullstellen. 9) Die folgenden Polynomfunktionen besitzen mindestens eine ganzzahlige Nullstelle. Bestimmen Sie die u¨brigen Nullstellen und geben Sie die Funktionen in der Produktform an: aÞ
y ¼ x3 2x2 5x þ 6
bÞ
z ¼ 2t4 2t3 4t þ 8
10) Berechnen Sie den Funktionswert des Polynoms f ðxÞ an der Stelle x 0 unter Verwendung des Horner-Schemas: aÞ
f ðxÞ ¼ 4,5 x 3 5,1 x 2 þ 4 x 3,
x 0 ¼ 1,51
bÞ
f ðxÞ ¼ 9,32 x 3 2,54 x þ 10,56,
x 0 ¼ 3,56
11) Zeigen Sie: Die Polynomfunktion y ¼ 3 x 3 þ 18 x 2 þ 9 x 30 besitzt an der Stelle x 1 ¼ 5 eine Nullstelle. Bestimmen Sie unter Verwendung des HornerSchemas das 1. reduzierte Polynom, die u¨brigen Nullstellen sowie den Funktionswert an der Stelle x 0 ¼ 3,25. Skizzieren Sie grob den Funktionsverlauf.
bungsaufgaben
315
12) Von einer ganzrationalen Funktion 4. Grades sind folgende Eigenschaften bekannt: a) y ðxÞ ist eine gerade Funktion; b) Nullstellen liegen bei x 1 ¼ 3 und x 2 ¼ 6; c) Der Funktionsgraph schneidet die y-Achse an der Stelle y ð0Þ ¼ 3. Wie lautet die Funktionsgleichung? 13) Die folgenden Polynomfunktionen besitzen mindestens zwei ganzzahlige Nullstellen. Berechnen Sie unter Verwendung des Horner-Schemas sa¨mtliche Nullstellen der Funktionen. aÞ y ¼ x 4 x 3 x 2 x 2
bÞ
y ¼ 2 x 4 þ 8 x 3 12 x 2 8 x þ 10
14) Bestimmen Sie das jeweilige Interpolationspolynom von Newton durch die vorgegebenen Stu¨tzpunkte: aÞ
P 0 ¼ ð 1; 2Þ, P 1 ¼ ð1; 10Þ,
P 2 ¼ ð2; 11Þ, P 3 ¼ ð5; 10Þ
bÞ
P 0 ¼ ð 1; 13,1Þ, P 1 ¼ ð2; 17,9Þ, P 2 ¼ ð4; 32,9Þ, P 3 ¼ ð6; 322,9Þ
cÞ
A ¼ ð 4; 50,05Þ, B ¼ ð1; 7,8Þ, C ¼ ð2; 4,55Þ, D ¼ ð5; 91Þ
dÞ
P 0 ¼ ð 4; 594Þ,
P 1 ¼ ð 2; 252Þ, P 2 ¼ ð1; 96Þ,
P 3 ¼ ð3; 48Þ,
P 4 ¼ ð8; 198Þ 15) Von der logarithmischen Funktion y ¼ ln ð1 þ x 2 Þ 1 x 2 folgende fu¨nf Werte bekannt:
sind
im
Intervall
k
0
1
2
3
4
xk
1
1,25
1,5
1,75
2
yk
0,693 147
0,940 983
1,178 655
1,401 799
1,609 438
Bestimmen Sie das Newtonsche Interpolationspolynom 4. Grades durch diese Punkte und berechnen Sie mit dieser Na¨herungsfunktion den Funktionswert an den Stellen x 1 ¼ 1,1 und x 2 ¼ 1,62. Vergleichen Sie die berechneten Werte mit den exakten Funktionswerten.
316
III Funktionen und Kurven
Zu Abschnitt 6 1) Wo besitzen die folgenden gebrochenrationalen Funktionen Nullstellen, wo Pole? aÞ
y ¼
x2 þ x 2 x 2
bÞ y ¼
x 3 5 x 2 2 x þ 24 x3 þ 3x2 þ 2x
cÞ
y ¼
x2 2x þ 1 x2 1
dÞ y ¼
x3 4x2 4x x4 4
eÞ
y ¼
ðx 2 1Þ ðx 2 25Þ x3 þ 4x2 5x
2) Bestimmen Sie fu¨r die folgenden gebrochenrationalen Funktionen Nullstellen, Pole und ihre Asymptote im Unendlichen und skizzieren Sie grob den Funktionsverlauf: aÞ
y ¼
x2 4 x2 þ 1
bÞ
y ¼
cÞ
y ¼
x3 5x2 þ 8x 4 x 3 6 x 2 þ 12 x 8
dÞ
y ¼
x 3 6 x 2 þ 12 x 8 x2 4 ðx 1Þ 2 ðx þ 1Þ 2
3) Eine gebrochenrationale Funktion besitzt die folgenden Eigenschaften: a) Nullstellen: x 1 ¼ 2 (einfach), b) Pole: x 3 ¼ 1,
x 2 ¼ 4 (doppelt)
x 4 ¼ 1 (jeweils von 1. Ordnung)
c) Schnittstelle mit der y-Achse: y ð0Þ ¼ 4 Weitere Nullstellen und Pole liegen nicht vor. Wie lautet die Funktionsgleichung? 4) Ein vom Strom I durchflossener Leiter ist von einem Magnetfeld umgeben, dessen Feldlinien in Form konzentrischer Kreise um die Leiterachse verlaufen. Fu¨r den Betrag der magnetischen Feldsta¨rke H gilt dabei die Abha¨ngigkeit vom Abstand r von der Leiterachse: H ðrÞ ¼
I 2pr
ðr > 0Þ
Skizzieren Sie diese Funktion fu¨r I ¼ 10 A.
Zu Abschnitt 7 1) Skizzieren Sie die Potenzfunktion y ¼ x 3=2 im Intervall 0 < x 3 (Schrittweite: Dx ¼ 0,2). 2) Beim freien Fall ohne Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes erreicht ein Ko¨rper pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi nach Durchfallen der Strecke h die Geschwindigkeit v ¼ v ðhÞ ¼ 2 g h . Skizzieren Sie diese Funktion im Intervall 0 h=m 100 ðg ¼ 9,81 m=s 2 Þ.
bungsaufgaben
317
Zu Abschnitt 8 1) A ¼ ð2; 1Þ, B ¼ ð 5; 0Þ und C ¼ ð8; 2Þ sind Punkte eines Kreises. Bestimmen Sie die Kreisgleichung. Welchen Radius besitzt der Kreis und wo liegt sein Mittelpunkt? 2) Bestimmen Sie die Gleichung eines Kreises, der die x-Achse in P 1 ¼ ð3; 0Þ beru¨hrt und durch den Punkt P 2 ¼ ð0; 1Þ geht. 3) Welche Kegelschnitte werden durch die folgenden algebraischen Gleichungen 2. Grades dargestellt? Wo liegt der Mittelpunkt bzw. Scheitelpunkt? Anleitung: Durch quadratische Erga¨nzung bringe man die Kegelschnittgleichung auf die jeweilige Hauptform. aÞ
x 2 2 x þ y 2 þ 4 y 20 ¼ 0
bÞ
x2 y2 4 ¼ 0
cÞ
9 x 2 þ 16 y 2 18 x ¼ 135
dÞ
2 x 2 þ 2 y 2 þ 12 x 6 y ¼ 0
eÞ
2 y 2 9 x þ 12 y ¼ 0
fÞ
x2 2 x þ 4 y2 þ 8 y ¼ 2
gÞ
4 x 2 þ 9 y 2 4 x þ 24 y ¼ 127
hÞ
y2 þ 2 x ¼ 4 y
4) Ein parabolischer Bru¨ckentra¨ger besitzt die Spannweite 200 m. Die Fahrbahn liegt 10 m u¨ber den Auflagern und 20 m unterhalb des Scheitelpunktes des Tra¨gers (Bild III-174). Bestimmen Sie die Gleichung des Bru¨ckenbogens und die Schnittpunkte von Fahrbahn und Bogen. y Scheitel 20 m
Bild III-174 10 m
x
200 m
Zu Abschnitt 9 und 10 1) Rechnen Sie die folgenden Winkel vom Grad- ins Bogenmaß bzw. vom Bogenins Gradmaß um: Gradmaß Bogenmaß
40,36
278,19 78,46 1,4171 5,6213
118,6 0,0843
318
III Funktionen und Kurven
2) Berechnen Sie die folgenden Funktionswerte: sin 12,5
aÞ
bÞ
eÞ cos 1,4
cos 128,3
cot 120 3 p jÞ sin 8
fÞ
iÞ cot ð 1,46Þ
cÞ
cos 5,2
dÞ
tan ð 3,18Þ
gÞ
tan 14,8
hÞ
sin ð 3,56Þ
3) Leiten Sie aus dem Additionstheorem der Kosinusfunktion die wichtige trigonometrische Beziehung sin 2 x þ cos 2 x ¼ 1 her (sog. trigonometrischer Pythagoras). 4) Die Sinusfunktion y ¼ sin x ist im Intervall 0 x p durch eine Parabel zu ersetzen, die mit ihr in den beiden Nullstellen und dem Extremwert (Maximum) u¨bereinstimmt. Wie lautet die Funktionsgleichung der Parabel? 5) Bestimmen Sie fu¨r die folgenden Funktionen Amplitude A, Periode p und Phasenverschiebung x 0 : p bÞ y ¼ 5 cos ð2 x þ 4,2Þ aÞ y ¼ 2 sin 3 x 6 p cÞ y ¼ 10 sin ðp x 3 pÞ dÞ y ¼ 2,4 cos 4 x 2 6) Skizzieren Sie den Funktionsverlauf von: y ¼ 4 sin ð3 x þ 2Þ
aÞ
bÞ y ¼ 2 cos ð2 x pÞ
7) Von einer Sinusschwingung der Form y ðtÞ ¼ A sin ðw t þ jÞ mit A > 0 und w > 0 sind folgende Daten bekannt: a) Das 1. Maximum y max ¼ 5 cm wird nach t 1 ¼ 3 s, b) das 1. Minimum y min ¼ 5 cm nach t 2 ¼ 10 s erreicht. Bestimmen Sie A, w und j und skizzieren Sie den Funktionsverlauf. 8) Wie lautet die Funktionsgleichung des in Bild III-175 skizzierten sinusfo¨rmigen Wechselstroms i ðtÞ ¼ i 0 sin ðw t þ jÞ? i/A 2
Bild III-175 –1
4
–2
9
t / ms
bungsaufgaben
319
9) Skizzieren Sie den Funktionsverlauf der folgenden harmonischen Schwingungen: p aÞ y ¼ 2 sin ð2 t 4Þ bÞ y ¼ 3 cos 0,5 t 8 10) Skizzieren Sie die Funktion y ¼ 1 sin 2 x. Wie groß ist ihre Periode, wo liegen ihre Nullstellen und relativen Extremwerte? 11) Die folgenden Schwingungen sind mit Hilfe des Zeigerdiagramms durch eine Sinusschwingung vom Typ y ðtÞ ¼ A sin ðw t þ jÞ mit A > 0 und w > 0 darzustellen (Zeigerdiagramm verwenden!): aÞ cÞ
y ¼ 5 cos ð3 t þ pÞ p y ¼ 3 cos 2 t 4
bÞ
y ¼ 3 cos ðp t pÞ
dÞ
y ¼ 4 sin ð0,5 t þ 3Þ
12) Zeigen Sie anhand des Zeigerdiagramms die Richtigkeit der folgenden trigonometrischen Beziehungen: p p bÞ sin t ¼ cos t aÞ cos t ¼ sin t þ 2 2 13) Berechnen Sie die folgenden Funktionswerte: aÞ
arcsin 0,563
dÞ
5 arcsin
gÞ
arcsin 0,926
pffiffiffiffiffiffiffiffi 0,6
bÞ
arctan ð 3,128Þ
eÞ arctan ðp=3Þ hÞ arccos ð 3
cÞ
arccos 0,473
fÞ
arccot p
pffiffiffiffiffiffiffiffi 0,1 Þ
14) Gegeben sind die beiden gleichfrequenten Wechselspannungen u 1 ðtÞ und u 2 ðtÞ. Berechnen Sie die durch Superposition entstehende resultierende Wechselspannung u ðtÞ ¼ u 1 ðtÞ þ u 2 ðtÞ. aÞ
bÞ
9 u 1 ðtÞ ¼ 100 V sin ðw tÞ = p ðw ¼ 500 s 1 Þ ; u 2 ðtÞ ¼ 160 V cos w t 4 p 9 > u 1 ðtÞ ¼ 380 V sin w t > 6 = ðw ¼ 1000 s 1 Þ p > > ; u 2 ðtÞ ¼ 200 V sin w t þ 8
320
III Funktionen und Kurven
15) Bringen Sie die beiden gleichfrequenten mechanischen Schwingungen p y 1 ðtÞ ¼ 12 cm sin 4,5 s 1 t þ 5 und
p y 2 ðtÞ ¼ 20 cm cos 4,5 s 1 t þ 3
zur ungesto¨rten berlagerung und berechnen Sie die Amplitude A und Phase j der resultierenden Schwingung. Skizzieren Sie ferner beide Einzelschwingungen sowie die resultierende Schwingung im Zeigerdiagramm. 16) Bestimmen Sie sa¨mtliche reellen Lo¨sungen der folgenden trigonometrischen Gleichungen: aÞ
sin ð2 x þ 5Þ ¼ 0,4
bÞ
tan 2 ðx þ 1Þ ¼ 1
cÞ
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 cos ðx 1Þ ¼ pffiffiffiffiffi 2
dÞ
sin x ¼
17) Beweisen Sie: sin ðarccos xÞ ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 sin 2 x
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x 2 ð 1 x 1Þ
18) x ðtÞ und y ðtÞ seien zwei aufeinander senkrecht stehende Schwingungen gleicher Frequenz. Bestimmen Sie die durch ungesto¨rte berlagerung entstehenden Lissajous-Figuren fu¨r: aÞ
x ðtÞ ¼ 3 cm sin ð5 s 1 tÞ ,
bÞ
x ðtÞ ¼ 5 cm cos ð2 s 1 tÞ ,
y ðtÞ ¼ 4 cm cos ð5 s 1 tÞ y ðtÞ ¼ 5 cm sin ð2 s 1 tÞ
Zu Abschnitt 11, 12 und 13 1) Eine radioaktive Substanz zerfa¨llt nach dem Zerfallsgesetz n ðtÞ ¼ n 0 e l t ðt 0Þ. Fu¨r das Element Radon 222 86 Rn besitzt die Zerfallskonstante l den Wert l ¼ 2,0974 10 6 s 1 . Berechnen Sie die Halbwertszeit t. 2) Wird ein Kondensator mit der Kapazita¨t C u¨ber einen ohmschen Widerstand R entladen, so nimmt seine Ladung q exponentiell mit der Zeit t nach der Gleit chung q ðtÞ ¼ q 0 e R C mit t 0 ab. Berechnen Sie denjenigen Zeitpunkt, von dem an die Kondensatorladung unter 10 % ihres Anfangswertes q ð0Þ ¼ q 0 gesunken ist (Zeitkonstante R C ¼ 0,3 ms). h
3) Bestimmen Sie aus der barometrischen Ho¨henformel p ðhÞ ¼ 1,013 bar e 7991 m den Luftdruck p in den Ho¨hen h 1 ¼ 500 m, h 2 ¼ 1000 m, h 3 ¼ 2000 m, h 4 ¼ 5000 m und h 5 ¼ 8000 m.
bungsaufgaben
321
4) Durch die Gleichung y ðtÞ ¼ 2 e 0,2 t cos ðp tÞ mit t 0 wird eine geda¨mpfte Schwingung beschrieben. Skizzieren Sie den Schwingungsvorgang im Periodenintervall 0 t 2 (Schrittweite: Dt ¼ 0,1). 5) Wir betrachten einen Stromkreis mit einer Induktivita¨t L und einem ohmschen Widerstand R. Beim Einschalten der Gleichspannungsquelle erreicht der Strom i infolge der Selbstinduktion erst nach einiger Zeit den nach dem Ohmschen Gesetz erwarteten Endwert i 0 . Dabei gilt: R ðt 0Þ i ðtÞ ¼ i 0 1 e L t Berechnen Sie fu¨r die Werte i 0 ¼ 4 A, R ¼ 5 W und L ¼ 2,5 H den Zeitpunkt, in dem die Stromsta¨rke 95 % ihres Endwertes erreicht hat. Skizzieren Sie die Strom-Zeit-Funktion. 6) Bestimmen Sie die Parameter a und b der Funktion y ¼ a e b x þ 2 so, dass die Punkte A ¼ ð0; 10Þ und B ¼ ð5; 3Þ auf der Kurve liegen. 7) Wie sind die Parameter a und b zu wa¨hlen, damit die Kurve y ¼ a e b x durch die Punkte A ¼ ð3,5; 12Þ und B ¼ ð8; 2,4Þ verla¨uft?
2
8) Eine Flu¨ssigkeit mit der Anfangstemperatur T 0 wird durch ein Ku¨hlmittel mit der (konstanten) Temperatur T 1 geku¨hlt ðT 1 < T 0 Þ. Die Temperaturabnahme verla¨uft dabei exponentiell nach der Gleichung T ðtÞ ¼ ðT 0 T 1 Þ e k t þ T 1
ðt 0Þ
wobei T ðtÞ die Temperatur der Flu¨ssigkeit zur Zeit t ist. In einem Versuch mit l werden bei einer Ku¨hltemperatur von T 1 ¼ 20 C folgende Werte gemessen: Nach 50 min betra¨gt die ltemperatur 85 C, nach 150 min dagegen nur noch 30 C. Bestimmen Sie T 0 und k und berechnen Sie anschließend, nach welcher Zeit t 1 das l eine Temperatur von 60 C erreicht hat. 9) Der Kolben eines KFZ-Stoßda¨mpfers lege beim Einschieben einen Weg x nach dem Zeitgesetz t 0,5 s x ðtÞ ¼ 30 cm 1 e ðt 0 sÞ zuru¨ck. Nach welcher Zeit ist der Kolben um 15,2 cm eingeschoben? 10) Der aperiodische Grenzfall einer (geda¨mpften) Schwingung wird durch eine Funktion vom Typ y ðtÞ ¼ ðA þ B tÞ e l t mit t 0 beschrieben. Skizzieren Sie fu¨r A ¼ 3, B ¼ 8 und l ¼ 2 diese „Kriechfunktion“ im Intervall 0 t 3.
322
III Funktionen und Kurven
11) Ein durchha¨ngendes Seil genu¨ge der Gleichung y ¼ a cosh ðx=aÞ (Kettenlinie). Berechnen Sie gema¨ß der Skizze (Bild III-176) den Durchhang H fu¨r die Werte a ¼ 20 m und l ¼ 90 m. y
H a
Bild III-176 x
l
12) Lo¨sen Sie die folgenden Exponentialgleichungen: aÞ e x
2
2x
¼ 2
bÞ
ex þ 2 ex ¼ 3
13) Welche Lo¨sungen besitzen die folgenden logarithmischen Gleichungen? pffiffiffiffi aÞ ln x þ 1,5 ln x ¼ ln ð2 xÞ bÞ ðlg xÞ 2 lg x ¼ 2
323
IV Differentialrechnung
1 Differenzierbarkeit einer Funktion 1.1 Das Tangentenproblem Zuna¨chst wollen wir anhand eines einfachen und u¨berschaubaren Beispiels die Problemstellung der Differentialrechnung aufzeigen. Ausgangspunkt unserer Betrachtung ist dabei die Normalparabel mit der Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ ¼ x 2 . Wir stellen uns die Aufgabe, die Steigung der Kurventangente an der Stelle x ¼ 0,5, d. h. im Kurvenpunkt P ¼ ð0,5; 0,25Þ zu bestimmen, und lo¨sen dieses Problem schrittweise wie folgt: (1)
In der Umgebung von P wird ein weiterer, von P verschiedener Parabelpunkt Q ausgewa¨hlt. Dieser kann, wie in Bild IV-1 skizziert, rechts von P oder auch links von P liegen. Bezeichnen wir die Abszissendifferenz der beiden Punkte mit Dx, so lauten ihre Koordinaten wie folgt ðDx 6¼ 0Þ: Q ¼ ð0,5 þ Dx; ð0,5 þ DxÞ 2 Þ
P ¼ ð0,5; 0,25Þ,
ðIV-1Þ
y y=x2 Sekante 2
Q Tangente in P
Δy
1
P
0,25
a
e Δx
0,5
1
Bild IV-1 0,5 + Δ x
x
Die durch P und Q verlaufende Sekante besitzt dann die Steigung m s ¼ tan e ¼ ¼
Dy ð0,5 þ DxÞ 2 0,25 0,25 þ Dx þ ðDxÞ 2 0 25 ¼ ¼ ¼ Dx Dx Dx
Dx þ ðDxÞ 2 Dx ð1 þ DxÞ ¼ 1 þ Dx ¼ Dx Dx
ðIV-2Þ
324
IV Differentialrechnung
und stellt eine erste Na¨herung der gesuchten Tangente dar. Die Sekantensteigung m s ha¨ngt dabei erwartungsgema¨ß noch von Dx, d. h. der Lage des Parabelpunktes Q ab. (2)
Wir lassen jetzt den Punkt Q la¨ngs der Parabel auf den Punkt P zuwandern ðQ ! PÞ. Dabei strebt die Abszissendifferenz Dx gegen Null ðDx ! 0Þ. Beim Grenzu¨bergang geht die Sekante in die Tangente und die Sekantensteigung m s damit in die Tangentensteigung m t u¨ber. In unserem Beispiel erhalten wir (und zwar unabha¨ngig davon, ob wir den Punkt Q links oder rechts von P gewa¨hlt haben): m t ¼ tan a ¼ lim
Dx ! 0
Dy ¼ lim ð1 þ DxÞ ¼ 1 Dx Dx ! 0
ðIV-3Þ
Die Kurventangente im Parabelpunkt P ¼ ð0,5; 0,25Þ besitzt somit den Steigungswert m t ¼ 1. Symbolisch schreiben wir dafu¨r: y 0 ð0,5Þ ¼ f 0 ð0,5Þ ¼ 1
ðIV-4Þ
(gelesen: y Strich an der Stelle 0,5 bzw. f Strich an der Stelle 0,5). Man bezeichnet diesen Grenzwert als Ableitung der Funktion y ¼ f ðxÞ ¼ x 2 an der Stelle x ¼ 0,5 und nennt die Funktion an dieser Stelle differenzierbar.
1.2 Ableitung einer Funktion Wir formulieren nun das im vorangegangenen Abschnitt dargestellte Tangentenproblem in allgemeiner Form: Gegeben sei eine Funktion y ¼ f ðxÞ, gesucht wird die Steigung der Kurventangente an der Stelle x 0 d. h. im Kurvenpunkt P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ mit y 0 ¼ f ðx 0 Þ. Die Lo¨sung der gestellten Aufgabe erfolgt dabei in zwei Schritten: (1)
Zuna¨chst wa¨hlen wir auf der Funktionskurve in der Nachbarschaft von P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ einen weiteren, von P verschiedenen Kurvenpunkt Q aus (Bild IV-2).
y y = f (x) Sekante Q
Δy
e
P y0 x0
Δx
a
Tangente in P
x 0 + Δx
x
Bild IV-2 Zum Begriff der Ableitung einer Funktion
1 Differenzierbarkeit einer Funktion
325
Wird die Abszissendifferenz der beiden Punkte wieder mit Dx bezeichnet, so besitzen P und Q die folgenden Koordinaten: P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ
mit
y 0 ¼ f ðx 0 Þ
Q ¼ ðx 0 þ Dx; f ðx 0 þ DxÞÞ
ðIV-5Þ
Die Steigung der durch die Punkte P und Q verlaufenden Sekante ist dann durch den sog. Differenzenquotienten m s ¼ tan e ¼
Dy f ðx 0 þ DxÞ f ðx 0 Þ ¼ Dx Dx
ðIV-6Þ
gegeben, wobei Dy die Ordinatendifferenz ist. (2)
Wandert nun der Punkt Q la¨ngs der Kurve auf den Punkt P zu ðQ ! PÞ, so strebt gleichzeitig die Abszissendifferenz Dx ! 0 und beim Grenzu¨bergang fa¨llt die Sekante in die (gesuchte) Tangente. Die Tangentensteigung m t ist somit der Grenzwert der Sekantensteigung m s , d. h. der Grenzwert des Differenzenquotienten (IV-6) fu¨r Dx ! 0: m t ¼ tan a ¼ lim
Dx ! 0
Dy f ðx 0 þ DxÞ f ðx 0 Þ ¼ lim Dx Dx Dx ! 0
ðIV-7Þ
Man nennt diesen Grenzwert, falls er vorhanden ist, die Ableitung der Funktion y ¼ f ðxÞ an der Stelle x 0 und kennzeichnet ihn durch eines der folgenden Symbole: dy 0 0 f ðx 0 Þ oder ðIV-8Þ y ðx 0 Þ , dx x ¼ x 0 dy wird als Differentialquotient der Funktion Der formale Quotient dx x ¼ x 0 y ¼ f ðxÞ an der Stelle x ¼ x 0 bezeichnet (gelesen: dy nach dx an der Stelle x ¼ x 0 ). Wir kommen spa¨ter darauf zuru¨ck. Definition: Eine Funktion y ¼ f ðxÞ heißt an der Stelle x 0 differenzierbar, wenn der Grenzwert lim
Dx ! 0
Dy f ðx 0 þ DxÞ f ðx 0 Þ ¼ lim Dx Dx Dx ! 0
ðIV-9Þ
vorhanden ist. Man bezeichnet ihn als die (erste) Ableitung von y ¼ f ðxÞ an der Stelle x 0 oder als Differentialquotient von y ¼ f ðxÞ an der Stelle x 0 und kennzeichnet ihn durch das Symbol dy 0 0 f ðx 0 Þ oder y ðx 0 Þ, dx x ¼ x 0
326
IV Differentialrechnung
Anmerkungen (1)
Die Ableitung y 0 ðx 0 Þ wird auch als 1. Ableitung an der Stelle x 0 bezeichnet.
(2)
Der Vorgang, der zur Bestimmung der Ableitung, d. h. zur Berechnung des Grenzwertes (IV-9) fu¨hrt, heißt Differentiation oder Differenzieren.
(3)
Wa¨hlt man den Punkt Q rechts (links) vom Punkte P, so erha¨lt man beim Grenzu¨bergang Q ! P die rechtsseitige (linksseitige) Ableitung. Nur wenn beide Ableitungen u¨bereinstimmen, ist die Funktion an der Stelle x 0 differenzierbar (vgl. hierzu das nachfolgende Beispiel (4)).
(4)
Geometrische Interpretation der Ableitung: Die Differenzierbarkeit einer Funktion y ¼ f ðxÞ an der Stelle x 0 bedeutet, dass die Funktionskurve an dieser Stelle eine eindeutig bestimmte Tangente mit endlicher Steigung besitzt.
(5)
Die Stelle x 0 ist eine beliebige Stelle aus dem Inneren des Intervalls. Wir lassen im Folgenden wie allgemein u¨blich den Index „0“ weg und sprechen von der (ersten) Ableitung der Funktion y ¼ f ðxÞ an der Stelle x.
(6)
Die Ableitungsfunktion y 0 ðxÞ ¼ f 0 ðxÞ ordnet jeder Stelle x aus einem Intervall I als Funktionswert den Steigungswert (Grenzwert IV-9) zu. Man spricht dann kurz von der Ableitung der Funktion y ¼ f ðxÞ.
(7)
Eine im Intervall I differenzierbare Funktion ist dort stetig (die Umkehrung gilt nicht, siehe hierzu das nachfolgende Beispiel (4)). Die Stetigkeit ist daher eine notwendige Bedingung fu¨r die Differenzierbarkeit einer Funktion.
(8)
Eine Funktion f ðxÞ wird als stetig differenzierbar bezeichnet, wenn sie im Intervall I eine stetige Ableitung hat.
Eine weitere sehr nu¨tzliche Schreibweise fu¨r die Ableitung einer Funktion erha¨lt man d unter Verwendung des sog. Differentialoperators . Dieser erzeugt aus der Funktion dx y ¼ f ðxÞ die Ableitungsfunktion y 0 ¼ f 0 ðxÞ: d ½ f ðxÞ ¼ f 0 ðxÞ dx &
ðIV-10Þ
Beispiele (1)
y ¼ f ðxÞ ¼ const: ¼ a
y 0 ¼ f 0 ðxÞ ¼ 0
Dy f ðx þ DxÞ f ðxÞ aa 0 ¼ ¼ ¼ ¼ 0 Dx Dx Dx Dx Dy y 0 ¼ lim ¼ lim 0 ¼ 0 Dx ! 0 Dx Dx ! 0
Differenzenquotient: 1. Ableitung:
)
1 Differenzierbarkeit einer Funktion (2)
y ¼ f ðxÞ ¼ x
1. Ableitung:
(3)
Dy f ðx þ DxÞ f ðxÞ ðx þ DxÞ x Dx ¼ ¼ ¼ ¼ 1 Dx Dx Dx Dx
y 0 ¼ lim
Dx ! 0
y ¼ f ðxÞ ¼ x 2
Dy ¼ lim 1 ¼ 1 Dx Dx ! 0
y 0 ¼ f 0 ðxÞ ¼ 2 x
)
Differenzenquotient:
1. Ableitung:
y 0 ¼ f 0 ðxÞ ¼ 1
)
Differenzenquotient:
327
Dy f ðx þ DxÞ f ðxÞ ðx þ DxÞ 2 x 2 ¼ ¼ ¼ Dx Dx Dx
y 0 ¼ lim
¼
x 2 þ 2 x Dx þ ðDxÞ 2 x 2 ¼ Dx
¼
2 x Dx þ ðDxÞ 2 ¼ 2 x þ Dx Dx
Dx ! 0
Dy ¼ lim ð2 x þ DxÞ ¼ 2 x Dx Dx ! 0
So betra¨gt beispielsweise die Steigung der Tangente an der Stelle x 1 ¼ 0,5 bzw. x 2 ¼ 1: y 0 ð0,5Þ ¼ 2 0,5 ¼ 1 (4)
y 0 ð1Þ ¼ 2 1 ¼ 2
bzw:
Die in Bild IV-3 dargestellte Betragsfunktion 8 9 x 0= < x y ¼ f ðxÞ ¼ j x j ¼ f u¨ r : ; x x < 0 liefert ein Beispiel fu¨r eine stetige Funktion, die aber nicht u¨berall in ihrem Definitionsbereich differenzierbar ist. y Q1 Q2 1
Bild IV-3 Betragsfunktion –1
P
1
x
328
IV Differentialrechnung
Diese Funktion ist an der Stelle x ¼ 0 nicht differenzierbar, da sie dort keine eindeutig bestimmte Tangente besitzt. Denn rechts- und linksseitige Ableitung in x ¼ 0 sind zwar vorhanden, weichen jedoch voneinander ab: Rechtsseitige Ableitung ðQ 1 ! PÞ: lim
Dx ! 0
f ð0 þ DxÞ f ð0Þ Dx 0 ¼ lim ¼ lim ð1Þ ¼ 1 Dx Dx Dx ! 0 Dx ! 0
Linksseitige Ableitung ðQ 2 ! PÞ: lim
Dx ! 0
f ð0 þ DxÞ f ð0Þ Dx 0 ¼ lim ¼ lim ð 1Þ ¼ 1 Dx Dx Dx ! 0 Dx ! 0
&
1.3 Ableitung der elementaren Funktionen Die Ableitungen der wichtigsten elementaren Funktionen lassen sich auf direktem Wege als Grenzwert des Differenzenquotienten nach der Definitionsgleichung (IV-9) gewinnen. Sie sind in der folgenden Tabelle 1 zusammengestellt.
Tabelle 1: Erste Ableitung der elementaren Funktionen Ableitung f 0 ðxÞ
Funktion f ðxÞ Konstante Funktion
c ¼ const.
Potenzfunktion
xn
0
ðn 2 RÞ
n xn1 ðPotenzregelÞ
Wurzelfunktion
pffiffiffiffi x 2
Trigonometrische Funktionen
1 pffiffiffiffi x
sin x
cos x
cos x
sin x 1 cos 2 x
tan x
cot x
1 sin 2 x
1 Differenzierbarkeit einer Funktion
329
Tabelle 1 (Fortsetzung) Ableitung f 0 ðxÞ
Funktion f ðxÞ Arkusfunktionen
arcsin x
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x2
arccos x
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x2
arctan x
1 1 þ x2
arccot x Exponentialfunktionen
Logarithmusfunktionen
Hyperbelfunktionen
1 1 þ x2
ex
ex
ax
ðln aÞ a x
ln x
1 x
log a x
1 ðln aÞ x
sinh x
cosh x
cosh x
sinh x
tanh x
1 cosh 2 x
coth x Areafunktionen
1 sinh 2 x
arsinh x
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 þ 1
arcosh x
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 1
artanh x
1 1 x2
arcoth x
1 1 x2
330
IV Differentialrechnung
Wir beweisen jetzt exemplarisch die Potenzregel d ðx n Þ ¼ n x n 1 dx
ðIV-11Þ
fu¨r positiv-ganzzahlige Exponenten ðn 2 N*Þ. Dabei machen wir Gebrauch vom Binomischen Lehrsatz in der Form ! n n n n n1 1 ða þ bÞ ¼ a þ a b þ ðIV-12Þ an2 b2 þ . . . þ bn 1 2 (siehe hierzu Abschnitt I.6). Fu¨r den Differenzenquotient der Potenzfunktion f ðxÞ ¼ x n folgt dann unter Verwendung dieser Entwicklungsformel mit a ¼ x und b ¼ Dx : Dy f ðx þ DxÞ f ðxÞ ðx þ DxÞ n x n ¼ ¼ ¼ Dx Dx Dx ! n n n x þ x n 2 ðDxÞ 2 þ . . . þ ðDxÞ n x n x n 1 Dx þ 2 1 ¼ ¼ Dx n n n1 x Dx þ x n 2 ðDxÞ 2 þ . . . þ ðDxÞ n 1 2 ¼ ¼ Dx n n n1 þ x n 2 Dx þ . . . þ ðDxÞ n 1 ðIV-13Þ x ¼ 2 1 Beim Grenzu¨bergang Dx ! 0 du¨rfen wir nach der Grenzwertregel (III-32) gliedweise vorgehen. Dabei verschwinden alle Glieder bis auf den ersten Summand. Folglich ist d n n n1 n n1 n2 x x ¼ ðx Þ ¼ lim þ Dx þ . . . þ ðDxÞ 1 2 dx Dx ! 0 n ¼ xn1 ¼ n xn1 ðIV-14Þ 1 Damit ist die Potenzregel fu¨r positiv-ganzzahlige Exponenten bewiesen. Sie gilt jedoch allgemein fu¨r beliebige reelle Exponenten. Auf den Beweis verzichten wir. &
Beispiele y0 ¼
2 2 2 pffiffiffiffi x 1=3 ¼ ¼ 3 3 3 x 3 x 1=3
(1)
y ¼ x 2=3
(2)
1 1 y ¼ pffiffiffiffi ¼ 1=2 ¼ x 1=2 x x y0 ¼
)
)
1 1 1 pffiffiffiffiffiffiffi x 3=2 ¼ ¼ 3=2 2 2x 2 x3
&
2 Ableitungsregeln
331
2 Ableitungsregeln Wir behandeln in diesem Abschnitt eine Reihe von Ableitungsregeln, die das Differenzieren einer Funktion wesentlich erleichtern. Bei ihrer Herleitung beno¨tigen wir die in Kap. III, Abschnitt 4.2.3 aufgefu¨hrten Rechenregeln fu¨r Grenzwerte und setzen ferner voraus, dass alle in den Formelausdru¨cken auftretenden Funktionen auch differenzierbar sind.
2.1 Faktorregel Faktorregel Ein konstanter Faktor bleibt beim Differenzieren erhalten: y ¼ C f ðxÞ
)
y 0 ¼ C f 0 ðxÞ
ðC : Reelle KonstanteÞ
ðIV-15Þ
Beweis der Faktorregel: Wir setzen voru¨bergehend y ¼ g ðxÞ ¼ C f ðxÞ. Unter Verwendung der Grenzwertregel (III-31) gilt dann: y 0 ¼ lim
Dx ! 0
g ðx þ DxÞ g ðxÞ C f ðx þ DxÞ C f ðxÞ ¼ lim ¼ Dx Dx Dx ! 0
¼ lim C Dx ! 0
f ðx þ DxÞ f ðxÞ f ðx þ DxÞ f ðxÞ ¼ C lim ¼ Dx Dx Dx ! 0
¼ C f 0 ðxÞ
&
ðIV-16Þ
Beispiele (1)
y ¼ 10 x 4
)
y0 ¼
d d ð10 x 4 Þ ¼ 10 ðx 4 Þ ¼ 10 4 x 3 ¼ 40 x 3 dx dx
(2)
y ¼ 3 ex
)
y0 ¼
d d ð 3 e x Þ ¼ 3 ðe x Þ ¼ 3 e x dx dx
(3)
x ¼ 4 sin t
)
dx d d ¼ ð4 sin tÞ ¼ 4 ðsin tÞ ¼ 4 cos t dt dt dt
(4)
y ¼ 5 ln x
)
y0 ¼
d d 1 5 ð5 ln xÞ ¼ 5 ðln xÞ ¼ 5 ¼ dx dx x x
&
332
IV Differentialrechnung
2.2 Summenregel Summenregel Bei einer endlichen Summe von Funktionen darf gliedweise differenziert werden: y ¼ f 1 ðxÞ þ f 2 ðxÞ þ . . . þ f n ðxÞ
)
ðIV-17Þ
y 0 ¼ f 01 ðxÞ þ f 02 ðxÞ þ . . . þ f 0n ðxÞ Beweis der Summenregel:
Wir beweisen diese Ableitungsregel fu¨r f ðxÞ ¼ f 1 ðxÞ þ f 2 ðxÞ, d. h. eine Summe aus zwei Funktionen. Unter Verwendung der Grenzwertregel (III-32) ist dann: y 0 ¼ lim
Dx ! 0
f ðx þ DxÞ f ðxÞ ¼ Dx
f 1 ðx þ DxÞ þ f 2 ðx þ DxÞ f 1 ðxÞ f 2 ðxÞ ¼ Dx Dx ! 0 f 1 ðx þ DxÞ f 1 ðxÞ f 2 ðx þ DxÞ f 2 ðxÞ ¼ lim þ ¼ Dx Dx Dx ! 0
¼ lim
¼ lim
Dx ! 0
f 1 ðx þ DxÞ f 1 ðxÞ f 2 ðx þ DxÞ f 2 ðxÞ þ lim ¼ Dx Dx Dx ! 0
¼ f 01 ðxÞ þ f 02 ðxÞ
ðIV-18Þ
Folgerung aus der Summen- und Faktorregel: Die Ableitung einer aus n Funktionen gebildeten Linearkombination y ¼ C 1 f 1 ðxÞ þ C 2 f 2 ðxÞ þ . . . þ C n f n ðxÞ
ðIV-19Þ
erfolgt gliedweise, wobei die konstanten Faktoren C 1 , C 2 , . . . , C n erhalten bleiben: y 0 ¼ C 1 f 01 ðxÞ þ C 2 f 02 ðxÞ þ . . . þ C n f 0n ðxÞ
ðIV-20Þ
Eine Polynomfunktion (ganzrationale Funktion) vom Grade n wird nach dieser Regel differenziert, wir erhalten wieder ein Polynom (vom Grade n 1). &
Beispiele )
y 0 ¼ 28 x 6 3 sin x 5 e x þ
(1)
y ¼ 4 x 7 þ 3 cos x 5 e x þ ln x
(2)
y ¼ 4 arctan x 2 arccos x þ 10 sinh x þ 3 x 4 2 þ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi þ 10 cosh x þ 3 y0 ¼ 2 1þx 1 x2
)
1 x
2 Ableitungsregeln (3)
333
Wir differenzieren das Weg-Zeit-Gesetz s ðtÞ einer gleichfo¨rmig beschleunigten Bewegung und erhalten die Momentangeschwindigkeit v ðtÞ ¼ s 0 ðtÞ (siehe hierzu auch Abschnitt 2.14.1): s ðtÞ ¼
1 a t2 þ v0 t þ s0 2
)
v ðtÞ ¼ s 0 ðtÞ ¼
ds ¼ a t þ v0 dt
(a: Beschleunigung; s 0 ; v 0 : Wegmarke und Geschwindigkeit zu Beginn, d. h. zum & Zeitpunkt t ¼ 0)
2.3 Produktregel Produktregel Die Ableitung einer in der Produktform y ¼ u ðxÞ v ðxÞ darstellbaren Funktion erha¨lt man nach der Produktregel: y 0 ¼ u 0 ðxÞ v ðxÞ þ v 0 ðxÞ u ðxÞ
ðIV-21Þ
Anmerkungen (1)
In der Praxis verwendet man meist die folgende Kurzschreibweise: y ¼ uv
(2)
)
y0 ¼ u0 v þ v0 u
ðIV-22Þ
Die Produktregel la¨ssst sich auch wie folgt darstellen: d ðu vÞ ¼ u 0 v þ v 0 u dx
ðIV-23Þ
Beweis der Produktregel: Der Differenzenquotient der Produktfunktion y ¼ f ðxÞ ¼ u ðxÞ v ðxÞ lautet: Dy f ðx þ DxÞ f ðxÞ u ðx þ DxÞ v ðx þ DxÞ u ðxÞ v ðxÞ ¼ ¼ Dx Dx Dx
ðIV-24Þ
Gleichzeitig addieren und subtrahieren wir jetzt im Za¨hler den Term u ðxÞ v ðx þ DxÞ und erhalten nach einer Umordnung der Glieder den folgenden Ausdruck: Dy u ðx þ DxÞ v ðx þ DxÞ u ðxÞ v ðx þ DxÞ þ u ðxÞ v ðx þ DxÞ u ðxÞ v ðxÞ ¼ ¼ Dx Dx ¼
½ u ðx þ DxÞ u ðxÞ v ðx þ DxÞ þ u ðxÞ ½ v ðx þ DxÞ v ðxÞ ¼ Dx
¼
½ u ðx þ DxÞ u ðxÞ v ðx þ DxÞ u ðxÞ ½ v ðx þ DxÞ v ðxÞ þ ¼ Dx Dx
¼
u ðx þ DxÞ u ðxÞ v ðx þ DxÞ v ðxÞ v ðx þ DxÞ þ u ðxÞ Dx Dx
ðIV-25Þ
334
IV Differentialrechnung
Beim Grenzu¨bergang Dx ! 0 beachten wir die Grenzwertregeln (III-31) bis (III-33) und erhalten schließlich u ðx þ DxÞ u ðxÞ v ðx þ DxÞ v ðxÞ v ðx þ DxÞ þ lim u ðxÞ ¼ Dx Dx Dx ! 0 u ðx þ DxÞ u ðxÞ ¼ lim lim v ðx þ DxÞ þ Dx Dx ! 0 Dx ! 0 v ðx þ DxÞ v ðxÞ ¼ þ u ðxÞ lim Dx Dx ! 0
y 0 ¼ lim
Dx ! 0
¼ u 0 ðxÞ v ðxÞ þ u ðxÞ v 0 ðxÞ ¼ u 0 ðxÞ v ðxÞ þ v 0 ðxÞ u ðxÞ &
ðIV-26Þ
Beispiele (1)
y ¼ ð4 x 3 3 x Þ ð2 e x sin x Þ ¼ u v |fflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} v u u ¼ 4x3 3x
)
v ¼ 2 e x sin x
u 0 ¼ 12 x 2 3 )
v 0 ¼ 2 e x cos x
y 0 ¼ u 0 v þ v 0 u ¼ ð12 x 2 3Þ ð2 e x sin xÞ þ ð2 e x cos xÞ ð4 x 3 3 xÞ ¼ ¼ ð8 x 3 þ 24 x 2 6 x 6Þ e x ð12 x 2 3Þ sin x ð4 x 3 3 xÞ cos x (2)
y ¼ arctan x ln x ¼ u v |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |{z} u v u ¼ arctan x
)
y0 ¼ u0 v þ v0 u ¼
u0 ¼
1 ; 1 þ x2
v ¼ ln x
)
v0 ¼
1 x
1 1 ln x arctan x arctan x ¼ ln x þ þ 1 þ x2 x 1 þ x2 x
&
Die Produktregel la¨sst sich auch fu¨r Produktfunktionen mit mehr als zwei Faktoren formulieren. Bei drei Faktoren u ¼ u ðxÞ, v ¼ v ðxÞ und w ¼ w ðxÞ gilt beispielsweise:
Produktregel bei drei Faktorfunktionen d ðu v wÞ ¼ u 0 v w þ u v 0 w þ u v w 0 dx
ðIV-27Þ
2 Ableitungsregeln &
335
Beispiel y ¼ 5 x 3 sin x e x ¼ u v w |{z} |ffl{zffl} |{z} u v w u ¼ 5x3 w ¼ ex
u 0 ¼ 15 x 2 ;
)
v ¼ sin x
)
v 0 ¼ cos x
w 0 ¼ ex
)
y0 ¼ u0 vw þ uv0 w þ uvw0 ¼ ¼ 15 x 2 sin x e x þ 5 x 3 cos x e x þ 5 x 3 sin x e x ¼ ¼ 5 x 2 e x ð3 sin x þ x cos x þ x sin xÞ
&
2.4 Quotientenregel Quotientenregel Die Ableitung einer Funktion, die als Quotient zweier Funktionen u ðxÞ und v ðxÞ u ðxÞ in der Form y ¼ darstellbar ist, erha¨lt man nach der Quotientenregel: v ðxÞ y0 ¼
u 0 ðxÞ v ðxÞ v 0 ðxÞ u ðxÞ v 2 ðxÞ
ðv ðxÞ 6¼ 0Þ
ðIV-28Þ
Anmerkungen (1)
Die in der Praxis u¨bliche Kurzschreibweise lautet: y ¼
(2)
u v
)
y0 ¼
u0v v0u v2
ðIV-29Þ
Die Quotientenregel la¨sst sich auch wie folgt formulieren: d u
u0 v v0 u ¼ dx v v2
ðIV-30Þ
Die Ableitung einer gebrochenrationalen Funktion erfolgt mit Hilfe der Quotientenregel, man erha¨lt wiederum eine gebrochenrationale Funktion. Auf den Beweis der Quotientenregel wollen wir an dieser Stelle verzichten. Wir werden ihn aber spa¨ter im Zusammenhang mit der sog. logarithmischen Differentiation nachholen (vgl. hierzu Abschnitt 2.7).
336 &
IV Differentialrechnung
Beispiele (1)
y ¼
x3 4x þ 5 u ¼ 2x2 4x þ 1 v
u ¼ x3 4x þ 5 v ¼ 2x2 4x þ 1 y0 ¼
¼
¼ ¼ ¼
(2)
y ¼
) )
u0 ¼ 3x2 4 v 0 ¼ 4 x 4 ¼ 4 ðx 1Þ
u0v v0u ð3 x 2 4Þ ð2 x 2 4 x þ 1Þ 4 ðx 1Þ ðx 3 4 x þ 5Þ ¼ ¼ v2 ð2 x 2 4 x þ 1Þ 2 6 x 4 12 x 3 þ 3 x 2 8 x 2 þ 16 x 4 4 ðx 4 4 x 2 þ 5 x x 3 þ 4 x 5Þ ð2 x 2 4 x þ 1Þ 2 6 x 4 12 x 3 5 x 2 þ 16 x 4 4 ðx 4 x 3 4 x 2 þ 9 x 5Þ ð2 x 2 4 x þ 1Þ 2
¼
6 x 4 12 x 3 5 x 2 þ 16 x 4 4 x 4 þ 4 x 3 þ 16 x 2 36 x þ 20 ð2 x 2 4 x þ 1Þ 2
¼
¼
2 x 4 8 x 3 þ 11 x 2 20 x þ 16 ð2 x 2 4 x þ 1Þ 2
ln x þ x u ¼ x e v
u ¼ ln x þ x v ¼ ex
)
u0 ¼
1 1þx x þ1 þ1 ¼ ¼ x x x
v 0 ¼ ex
)
x þ1 e x e x ðln x þ xÞ u vv u x 0 y ¼ ¼ ¼ v2 ðe x Þ 2 0
0
ex ¼
x þ1 ðln x þ xÞ x ex ex
x þ1 ðln x þ xÞ x ¼ ¼ ex
x þ 1 x ðln x þ xÞ x þ 1 x ðln x þ xÞ x ¼ ¼ ex x ex
&
2 Ableitungsregeln
337
2.5 Kettenregel Die bisher bekannten Ableitungsregeln (Faktor-, Summen-, Produkt- und Quotientenregel) versetzen uns in die Lage, einfache Funktionen problemlos zu differenzieren. Sie reichen jedoch nicht mehr aus, wenn es um die Ableitung zusammengesetzter oder ineinander geschachtelter Funktionen geht, die man auch als mittelbare oder verkettete Funktionen bezeichnet. Ein einfaches Anwendungsbeispiel soll dies verdeutlichen. Wenn wir uns fu¨r die Geschwindigkeit einer harmonisch nach der Gleichung y ¼ y ðtÞ ¼ A sin ðw t þ jÞ ,
t 0
schwingenden Masse interessieren, mu¨ssen wir die zeitliche Ableitung dieser Funktion bilden 1). Dies wird uns mit den bisher bekannten Ableitungsregeln nicht gelingen. Der Grund: Wir kennen zwar die Ableitung von sin t, nicht aber die Ableitung der aus zwei Grundfunktionen zusammengesetzten Funktion sin ðw t þ jÞ. Diese Funktion setzt sich aus der elementaren Sinusfunktion sin u und der linearen Funktion u ¼ w t þ j zusammen, d. h. der Sinus ist hier eine Funktion der linearen Funktion u ¼ w t þ j, ha¨ngt also u¨ber die Hilfsvariable u noch von der Variablen t ab. Um die gewu¨nschte Ableitung y 0 ðtÞ bilden zu ko¨nnen, beno¨tigen wir eine weitere Ableitungsregel, die unter der Bezeichnung Kettenregel bekannt ist. Bei der Herleitung dieser wichtigen Regel lassen wir uns von den folgenden berlegungen leiten: Mit Hilfe einer geeigneten Substitution u ¼ u ðxÞ versuchen wir, die vorgegebene Funktion y ¼ f ðxÞ in eine einfacher gebaute und mo¨glichst elementare Funktion y ¼ F ðuÞ umzuwandeln: Substitution
y ¼ f ðxÞ ! y ¼ F ðuÞ u ¼ u ðxÞ
Fu¨r die Funktionen u ¼ u ðxÞ und y ¼ F ðuÞ haben sich dabei die Bezeichnungen u ¼ u ðxÞ: Innere Funktion y ¼ F ðuÞ:
ußere Funktion
eingebu¨rgert. Zwischen ihnen besteht dann der folgende Zusammenhang: y ¼ F ðuÞ ¼ F ðu ðxÞÞ ¼ f ðxÞ
ðIV-31Þ
y ist eine von der „Hilfsvariablen“ u abha¨ngige Funktion, wobei u wiederum von x abha¨ngt (y ha¨ngt also u¨ber u von x ab, ist somit eine mittelbare Funktion von x). Die gesuchte Ableitung der Funktion y ¼ f ðxÞ nach der Variablen x la¨sst sich dann als Produkt aus den Ableitungen der a¨ußeren und der inneren Funktion gewinnen: y0 ¼
1)
dy dy du ¼ dx du dx
ðIV-32Þ
In Abschnitt 2.14.1 werden wir zeigen, dass die 1. Ableitung des Weges nach der Zeit die Momentangeschwindigkeit ergibt.
338
IV Differentialrechnung
(sog. Kettenregel; zuerst y nach u, dann u nach x differenzieren). Wir haben somit unsere Aufgabe gelo¨st, falls sowohl die a¨ußere als auch die innere Funktion elementar, d. h. unter Verwendung der bekannten Ableitungsregeln in Verbindung mit der Tabelle 1 differenzierbar sind. Mit den Bezeichnungen dy : ußere Ableitung ðAbleitung der a¨ußeren Funktion y ¼ F ðuÞÞ du du : Innere Ableitung ðAbleitung der inneren Funktion u ¼ u ðxÞÞ dx la¨sst sich die Kettenregel allgemein wie folgt formulieren:
Kettenregel Die Ableitung einer zusammengesetzten (verketteten) Funktion y ¼ F ðu ðxÞÞ ¼ f ðxÞ erha¨lt man als Produkt aus der a¨ußeren und der inneren Ableitung: y0 ¼
dy dy du ¼ dx du dx
ðIV-33Þ
Anmerkungen (1)
Fu¨r die erfolgreiche Anwendung der Kettenregel ist von entscheidender Bedeutung, dass es mit Hilfe einer geeigneten Substitution u ¼ u ðxÞ gelingt, die vorgegebene Funktion y ¼ f ðxÞ in eine elementar differenzierbare Funktion y ¼ F ðuÞ u¨berzufu¨hren. Die nachfolgenden Beispiele werden dies unterstreichen.
(2)
Man beachte, dass die innere Funktion u ¼ u ðxÞ immer mit der Substitutionsgleichung identisch ist.
(3)
In der a¨ußeren Ableitung, die zuna¨chst von der „Hilfsvariablen“ u abha¨ngt, muss am Schluss eine Ru¨cksubstitution durchgefu¨hrt werden.
(4)
Die Kettenregel la¨sst sich auch in der Form y 0 ðxÞ ¼ F 0 ðuÞ u 0 ðxÞ
ðIV-34Þ
darstellen (F 0 ðuÞ: a¨ußere Ableitung; u 0 ðxÞ: innere Ableitung). Beweis der Kettenregel: Wir wollen den Beweis dieser wichtigen Regel nur andeuten. Der Differenzenquotient la¨sst sich in der Form Dy Dy Du Dy Du ¼ ¼ Dx Dx Du Du Dx
ðIV-35Þ
2 Ableitungsregeln
339
darstellen und setzt sich somit aus den Differenzenquotienten der a¨ußeren und der inneren Funktion zusammen. Beim Grenzu¨bergang Dx ! 0 strebt auch Du ! 0 und es gilt unter Verwendung der Grenzwertregel (III-33): dy Dy ¼ lim ¼ lim dx Dx ! 0 Dx Dx ! 0 ¼
lim
Du ! 0
Dy Du Dy Du ¼ lim lim ¼ Du Dx Dx ! 0 Du Dx ! 0 Dx
Dy Du dy du lim ¼ Du du dx Dx ! 0 Dx
ðIV-36Þ
Die Kettenregel ist die wichtigste Ableitungsregel u¨berhaupt. Die in Naturwissenschaft und Technik auftretenden Funktionen sind (von wenigen Ausnahmen abgesehen) stets zusammengesetzte, d. h. verkettete Funktionen, deren Ableitungen nur mit Hilfe der Kettenregel gebildet werden ko¨nnen.
&
Beispiele Vorgehensweise Zuna¨chst muss die vorliegende Funktion genau analysiert werden, d. h. man muss den Funktionstyp erkennen (z. B. ob es sich um eine Sinus- oder Kosinusfunktion, Wurzelfunktion, Logarithmus- oder Exponentialfunktion handelt). Dann wird die Funktion mit Hilfe einer geeigneten Substitution auf die elementare Grundform zuru¨ckgefu¨hrt (dies sind die in der Tabelle 1 aufgefu¨hrten elementaren Funktionen). Stellen Sie sich also vor dem Differenzieren die folgende Frage: Wie muss ich substituieren, damit die neue von der Hilfsvariablen u abha¨ngige (a¨ußere) Funktion mo¨glichst einfach wird, d. h. in eine der in der Tabelle 1 enthaltenen Funktionen u¨bergeht? In den nachfolgenden sechs Beispielen wird diese Vorgehensweise Schritt fu¨r Schritt erla¨utert. (1)
y ¼ ð3 x 4Þ 8 Grundform:
Potenzfunktion u 8
Substitution:
u ¼ u ðxÞ ¼ 3 x 4
ußere und innere Funktion: y ¼ F ðuÞ ¼ u 8
mit
u ¼ 3x 4
Kettenregel (mit nachtra¨glicher Ru¨cksubstitution): y0 ¼
dy dy du ¼ ¼ 8 u 7 3 ¼ 24 u 7 ¼ 24 ð3 x 4Þ 7 dx du dx
340
(2)
IV Differentialrechnung
y ¼ e ð4 x
2
3 x þ 2Þ
Grundform:
Exponentialfunktion e u
Substitution:
u ¼ u ðxÞ ¼ 4 x 2 3 x þ 2
ußere und innere Funktion: y ¼ F ðuÞ ¼ e u
mit
u ¼ 4x2 3x þ 2
Kettenregel (mit nachtra¨glicher Ru¨cksubstitution): y0 ¼
(3)
dy dy du 2 ¼ ¼ e u ð8 x 3Þ ¼ ð8 x 3Þ e ð4 x 3 x þ 2Þ dx du dx
y ¼ 10 ln ð1 þ x 2 Þ Grundform:
Logarithmusfunktion ln u
Substitution:
u ¼ u ðxÞ ¼ 1 þ x 2
ußere und innere Funktion: y ¼ F ðuÞ ¼ 10 ln u
mit
u ¼ 1 þ x2
Kettenregel (mit nachtra¨glicher Ru¨cksubstitution): y0 ¼
(4)
y ¼
dy dy du 1 20 x 20 x ¼ ¼ 10 2x ¼ ¼ dx du dx u u 1 þ x2
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x3 þ x2 þ 1 pffiffiffiffiffi u
Grundform:
Wurzelfunktion
Substitution:
u ¼ u ðxÞ ¼ x 3 þ x 2 þ 1
ußere und innere Funktion: pffiffiffiffiffi y ¼ F ðuÞ ¼ u mit
u ¼ x3 þ x2 þ 1
Kettenregel (mit nachtra¨glicher Ru¨cksubstitution): y0 ¼ ¼
dy dy du 1 3x2 þ 2x pffiffiffi ¼ ¼ ¼ pffiffiffiffiffi ð3 x 2 þ 2 xÞ ¼ dx du dx 2 u 2 u 3x2 þ 2x pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 x3 þ x2 þ 1
2 Ableitungsregeln (5)
341
y ¼ y ðtÞ ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðA, w, j: KonstantenÞ
Grundform:
Sinusfunktion sin u
Substitution:
u ¼ u ðtÞ ¼ w t þ j
ußere und innere Funktion: y ¼ F ðuÞ ¼ A sin u
u ¼ wt þ j
mit
Kettenregel (mit nachtra¨glicher Ru¨cksubstitution): y 0 ðtÞ ¼
dy dy du ¼ ¼ ðA cos uÞ w ¼ A w cos u ¼ dt du dt
¼ A w cos ðw t þ jÞ (6)
y ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 3 ðx 2 4 x þ 10Þ 2 ¼ ðx 2 4 x þ 10Þ 2=3
Grundform:
Potenzfunktion u 2=3
Substitution:
u ¼ u ðxÞ ¼ x 2 4 x þ 10
ußere und innere Funktion: y ¼ F ðuÞ ¼ u 2=3
u ¼ x 2 4 x þ 10
mit
Kettenregel (mit nachtra¨glicher Ru¨cksubstitution): y0 ¼ ¼
dy dy du 2 2 ð2 x 4Þ ¼ ¼ u 1=3 ð2 x 4Þ ¼ ¼ dx du dx 3 3 u 1=3 4 ðx 2Þ 4 ðx 2Þ ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p ffiffiffiffiffi ¼ p 3 3 3 u 3 x 2 4 x þ 10
&
In einigen Fa¨llen mu¨ssen mehrere Substitutionen hintereinander ausgefu¨hrt werden (stets von innen nach außen), um die vorgebebene Funktion in eine elementar differenzierbare Funktion zu u¨berfu¨hren. Wir geben hierfu¨r ein Beispiel: &
Beispiel y ¼ ln ½ sin ð2 x 3Þ 1. Substitution:
u ¼ u ðxÞ ¼ 2 x 3
)
y ¼ ln ðsin uÞ
Diese Funktion ist noch nicht elementar differenzierbar. Erst eine weitere Substitution fu¨hrt zum Ziel. 2. Substitution:
v ¼ v ðuÞ ¼ sin u
)
y ¼ ln v
342
IV Differentialrechnung
Somit gilt: y ¼ ln v
mit
v ¼ sin u
und
u ¼ 2x 3
Die Kettenregel besitzt jetzt die folgende Gestalt: y0 ¼
dy dy dv du ¼ dx dv du dx
Erst y nach v differenzieren, dann v nach u und schließlich u nach x. Formale Kontrolle der richtigen Schreibweise der Kettenregel: Auf der rechten Seite ku¨rzen sich die Differentiale du und dv heraus und wir erhalten wie auf der linken Seite den Quotienten dy=dx. Die Kettenregel liefert dann: y0 ¼
dy dy dv du 1 2 cos u ¼ ¼ ðcos uÞ 2 ¼ dx dv du dx v v
Nach stufenweiser Ru¨cksubstitution ðv ! u ! xÞ folgt schließlich: y0 ¼
2 cos u 2 cos u ¼ ¼ 2 cot u ¼ 2 cot ð2 x 3Þ v sin u
&
Die nachfolgende Tabelle 2 entha¨lt die Ableitungen einiger in den Anwendungen ha¨ufig auftretender verketteter Funktionen. Tabelle 2: Ableitung spezieller verketteter Funktionen ( g ðxÞ ist eine beliebige differenzierbare Funktion) Funktion
Grundform
Ableitung
y ¼ ½ g ðxÞ n
y ¼ un
y 0 ¼ n ½ g ðxÞ n 1 g 0 ðxÞ
y ¼ sin ½ g ðxÞ
y ¼ sin u
y 0 ¼ cos ½ g ðxÞ g 0 ðxÞ
y ¼ cos ½ g ðxÞ
y ¼ cos u
y 0 ¼ sin ½ g ðxÞ g 0 ðxÞ
y ¼ e g ðxÞ
y ¼ eu
y 0 ¼ e g ðxÞ g 0 ðxÞ
y ¼ ln ½ g ðxÞ
y ¼ ln u
y0 ¼
1 g 0 ðxÞ g ðxÞ
pffiffiffiffiffi u
y0 ¼
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi g 0 ðxÞ 2 g ðxÞ
y ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi g ðxÞ
y ¼
Anmerkung In allen Fa¨llen wird u ¼ g ðxÞ substituiert. In den Funktionen ln ½ g ðxÞ und wird g ðxÞ > 0 vorausgesetzt.
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi g ðxÞ
2 Ableitungsregeln
343
2.6 Kombinationen mehrerer Ableitungsregeln Beim Differenzieren komplizierter Funktionen mu¨ssen oft mehrere Ableitungsregeln eingesetzt werden, zum Beispiel die Produkt- oder Quotientenregel in Verbindung mit der Kettenregel. Wir zeigen das Vorgehen anhand von zwei Beispielen. &
Beispiele (1)
y ¼
x2 ðx 2
þ 1Þ
3
¼
u v
Wir beno¨tigen neben der Quotientenregel noch die Kettenregel (fu¨r die Ableitung des Nenners): y0 ¼
¼
u0v v0u 2 x ðx 2 þ 1Þ 3 3 ðx 2 þ 1Þ 2 2 x x 2 ¼ ¼ v2 ½ ðx 2 þ 1Þ 3 2 ðx 2 þ 1Þ 2 ½ 2 x ðx 2 þ 1Þ 6 x 3 ðx 2 þ 1Þ 6
¼
2x3 þ 2x 6x3
¼
ðx 2 þ 1Þ 4
2x 4x3 ðx 2 þ 1Þ 4
Die Ableitung des Nenners erfolgte dabei mit Hilfe der Kettenregel: v ¼ ðx 2 þ 1Þ 3 ¼ z 3 |fflfflffl{zfflfflffl} z v0 ¼ (2)
mit
z ¼ x2 þ 1
dv dv dz ¼ ¼ 3 z 2 2 x ¼ 3 ðx 2 þ 1Þ 2 2 x dx dz dx
Die in Bild IV-4 skizzierte geda¨mpfte Schwingung eines Feder-Masse-Schwingers genu¨ge der Gleichung (Weg-Zeit-Gesetz) y ðtÞ ¼ e t cos ð5 t þ 6Þ ,
t 0
Dabei beschreibt die Gro¨ße y ðtÞ die Lage (Auslenkung) der Masse zum Zeitpunkt t. y 1 y = e –t · cos (5 t + 6) 0,5 2 1 – 0,5
t
Bild IV-4
344
IV Differentialrechnung
Wir interessieren uns fu¨r die Geschwindigkeit v ðtÞ ¼ y 0 ðtÞ der Masse (siehe hierzu auch Fußnote 1). Mit Hilfe der Produkt- und Kettenregel erhalten wir: y ðtÞ ¼ e t cos ð5 t þ 6Þ ¼ a b |{z} |fflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflffl} a b a ¼ et
)
a 0 ¼ e t ð 1Þ ¼ e t
b ¼ cos ð5 t þ 6Þ
)
b 0 ¼ sin ð5 t þ 6Þ 5 ¼ 5 sin ð5 t þ 6Þ
v ðtÞ ¼ y 0 ðtÞ ¼ a 0 b þ b 0 a ¼ ¼ e t cos ð5 t þ 6Þ 5 sin ð5 t þ 6Þ e t ¼ ¼ e t ½ cos ð5 t þ 6Þ þ 5 sin ð5 t þ 6Þ
&
2.7 Logarithmische Ableitung Bei der Bildung der Ableitung von f ðxÞ ¼ x x , x > 0 ist keine der bisher bekannten Ableitungsregeln direkt anwendbar, da die Variable x sowohl in der Basis als auch im Exponenten auftritt 2). Dennoch gelingt die Differentiation dieser Funktion, wenn man die Funktionsgleichung zuna¨chst logarithmiert und anschließend beide Seiten dieser Gleichung unter Verwendung von Ketten- und Produktregel differenziert ðSubstitution auf der linken Seite: u ¼ f ðxÞÞ: ln f ðxÞ ¼ ln x x ¼ x ln x |ffl{zffl} u 1 f 0 ðxÞ 1 f 0 ðxÞ ¼ ¼ 1 ln x þ x ¼ ln x þ 1 f ðxÞ f ðxÞ x
ðIV-37Þ
) ðIV-38Þ
f 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ ðln x þ 1Þ ¼ x x ðln x þ 1Þ Man bezeichnet diese Art des Differenzierens als logarithmische Differentiation und die dabei auftretende Ableitung der Funktion ln f ðxÞ als logarithmische Ableitung von f ðxÞ, wobei nach der Kettenregel gilt: d 1 f 0 ðxÞ ½ ln f ðxÞ ¼ f 0 ðxÞ ¼ dx f ðxÞ f ðxÞ
2)
Man beachte, dass f ðxÞ ¼ x x weder eine Potenzfunktion noch eine Exponentialfunktion ist.
ðIV-39Þ
2 Ableitungsregeln
345
Wir fassen dieses Ergebnis wie folgt zusammen:
Logarithmische Differentiation In vielen Fa¨llen, beispielsweise bei Funktionen vom Typ f ðxÞ ¼ ½ u ðxÞ v ðxÞ mit u ðxÞ > 0, gelingt die Differentiation einer Funktion nach dem folgenden Schema: 1. Logarithmieren der Funktionsgleichung. 2. Differenzieren der logarithmierten Gleichung unter Verwendung der Kettenregel.
&
Beispiele (1)
y ¼ x sin x
ðx > 0Þ
Die Funktionsgleichung wird zuna¨chst logarithmiert: ln y ¼ ln x sin x ¼ sin x ln x Jetzt wird diese Gleichung differenziert, wobei zu beachten ist, dass y eine Funktion von x ist (Kettenregel anwenden beim Differenzieren der linken Seite, die rechte Seite wird nach der Produktregel differenziert): 1 y0 1 x cos x ln x þ sin x y0 ¼ sin x ¼ ¼ cos x ln x þ y x x y y0 ¼
y ðx cos x ln x þ sin xÞ x sin x ðx cos x ln x þ sin xÞ ¼ ¼ x x
¼ x ðsin x 1Þ ðx cos x ln x þ sin xÞ (2)
Wir wollen jetzt die Quotientenregel (IV-28) mit Hilfe der logarithmischen Diffeu rentiation beweisen. Zuna¨chst wird der Quotient y ¼ logarithmiert: v
u u ) ln y ¼ ln ¼ ln u ln v y ¼ v v Beim Differenzieren der logarithmierten Funktion ist zu beachten, dass y, u und v Funktionen von x sind (Kettenregel anwenden!): 1 1 1 y0 ¼ u0 v0 y u v
oder
y0 u0 v0 u0v v0u ¼ ¼ uv y u v
Durch Auflo¨sen nach y 0 erhalten wir schließlich die bereits bekannte Quotientenregel: y0 ¼ y
u0 v v0 u u u0v v0u u0 v v0 u ¼ ¼ uv v uv v2
&
346
IV Differentialrechnung
2.8 Ableitung der Umkehrfunktion Gegeben sei eine umkehrbare Funktion y ¼ f ðxÞ und ihre Ableitung y 0 ¼ f 0 ðxÞ. Wir suchen die Ableitung der Umkehrfunktion y ¼ f 1 ðxÞ ¼ g ðxÞ. Bei der Lo¨sung des Problems schlagen wir den folgenden Weg ein: Zuna¨chst lo¨sen wir die Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ nach der Variablen x auf und erhalten die nach x aufgelo¨ste Funktionsgleichung x ¼ f 1 ðyÞ ¼ g ðyÞ. Zwischen den Funktionen y ¼ f ðxÞ und x ¼ g ðyÞ besteht dann der folgende Zusammenhang: f ðxÞ ¼ f ðg ðyÞÞ ¼ y
ðIV-40Þ
Die Funktion f ðg ðyÞÞ ist dabei eine aus den beiden Funktionen f und g zusammengesetzte (verkettete) Funktion, wobei f die a¨ußere und g die innere Funktion ist. Differenziert man die Gleichung f ðg ðyÞÞ ¼ y unter Verwendung der Kettenregel beiderseits nach der Variablen y, so erha¨lt man: f 0 ðxÞ g 0 ðyÞ ¼ 1
ðIV-41Þ
Diese Beziehung lo¨sen wir nach g 0 ðyÞ auf: g 0 ðyÞ ¼
1 f 0 ðxÞ
ð f 0 ðxÞ 6¼ 0 Þ
ðIV-42Þ
Hieraus erha¨lt man die gewu¨nschte Ableitung der Umkehrfunktion, indem man zuna¨chst in der Ableitung f 0 ðxÞ die Variable x durch g ðyÞ ersetzt ðx ¼ g ðyÞÞ und anschließend auf beiden Seiten der Gleichung die Variablen x und y miteinander vertauscht (Umbenennung der beiden Variablen). Wir fassen die Ergebnisse wie folgt zusammen:
Ableitung der Umkehrfunktion Eine Funktion y ¼ f ðxÞ sei umkehrbar, x ¼ g ðyÞ die nach der Variablen x aufgelo¨ste Form dieser Funktion. Dann besteht zwischen diesen beiden Funktionen der folgende Zusammenhang: g 0 ðyÞ ¼
1 f 0 ðxÞ
ð f 0 ðxÞ 6¼ 0 Þ
ðIV-43Þ
Hieraus erha¨lt man durch die beiden folgenden Schritte die gesuchte Ableitung der Umkehrfunktion y ¼ g ðxÞ: 1. In der Ableitung f 0 ðxÞ wird zuna¨chst die Variable x durch g ðyÞ ersetzt. 2. Anschließend werden auf beiden Seiten die Variablen x und y miteinander vertauscht (formale Umbenennung der beiden Variablen).
2 Ableitungsregeln &
347
Beispiele (1)
f 0 ðxÞ ¼ e x
Gegeben:
y ¼ f ðxÞ ¼ e x ,
Gesucht:
Ableitung der Umkehrfunktion y ¼ g ðxÞ ¼ ln x
Lo¨sung: Wir lo¨sen zuna¨chst die Funktionsgleichung y ¼ e x nach der Variablen x auf und erhalten x ¼ g ðyÞ ¼ ln y. Die Ableitung dieser Funktion ist nach Gleichung (IV-43): g 0 ðyÞ ¼
1 1 1 ¼ x ¼ f 0 ðxÞ e y
(unter Beru¨cksichtigung von e x ¼ y). Durch Vertauschen der beiden Variablen erhalten wir hieraus die gesuchte Ableitung der Umkehrfunktion y ¼ g ðxÞ ¼ ln x. Sie lautet: g 0 ðxÞ ¼ (2)
Gegeben: Gesucht:
d 1 ðln xÞ ¼ dx x
1 ¼ tan 2 x þ 1 cos 2 x Ableitung der Umkehrfunktion y ¼ g ðxÞ ¼ arctan x
y ¼ f ðxÞ ¼ tan x,
f 0 ðxÞ ¼
Lo¨sung: Die nach der Variablen x aufgelo¨ste Form von y ¼ tan x lautet: x ¼ g ðyÞ ¼ arctan y Wir bestimmen ihre Ableitung nach Gleichung (IV-43): g 0 ðyÞ ¼
1 1 1 ¼ ¼ 2 f 0 ðxÞ tan 2 x þ 1 y þ1
(unter Beru¨cksichtigung von tan x ¼ y ). Durch Vertauschen der beiden Variablen erhalten wir die gesuchte Ableitung der Umkehrfunktion y ¼ g ðxÞ ¼ arctan x : g 0 ðxÞ ¼
d 1 1 ðarctan xÞ ¼ 2 ¼ dx x þ1 1 þ x2
&
2.9 Implizite Differentiation Wir gehen von einer in der impliziten Form F ðx; yÞ ¼ 0 dargestellten Funktion aus. Gelingt es, diese Gleichung in eindeutiger Weise nach einer der beiden Variablen aufzulo¨sen, so la¨sst sich die Ableitung der Funktion mit Hilfe der bekannten Ableitungsregeln meist ohne Schwierigkeiten bilden. Wir geben ein einfaches Beispiel.
348 &
IV Differentialrechnung
Beispiel Durch Auflo¨sen der Kreisgleichung x 2 þ y 2 ¼ 1 oder F ðx; yÞ ¼ x 2 þ y 2 1 ¼ 0 nach der Variablen y erhalten wir zwei Wurzelfunktionen: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 ð 1 x 1Þ y ¼ þ 1x Unter Verwendung der Kettenregel (Substitution: u ¼ 1 x 2 ) ergeben sich hieraus die gesuchten Ableitungen: pffiffiffi mit u ¼ 1 x2 y ¼ þ u y0 ¼
dy dy du 1 x x ¼ ¼ þ 2 pffiffiuffi ð 2 xÞ ¼ þ pffiffiuffi ¼ þ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi2ffi dx du dx 1x
&
In vielen Fa¨llen jedoch ist die Auflo¨sung der Funktionsgleichung F ðx; yÞ ¼ 0 nicht mo¨glich oder nur mit großem Aufwand zu erreichen. Die Ableitung der Funktion nach der Variablen x kann dann durch gliedweise Differentiation der impliziten Funktionsgleichung nach x gewonnen werden. Dabei ist jedoch zu beru¨cksichtigen, dass die Variable y eine von x abha¨ngige Gro¨ße darstellt, also als eine von x abha¨ngige Funktion zu betrachten ist. Bei der Differentiation ist daher jeder Term, der die abha¨ngige Variable y entha¨lt, nach der Kettenregel zu differenzieren. Durch Auflo¨sen dieser Gleidy chung nach y 0 ¼ erha¨lt man schließlich die gewu¨nschte Ableitung. Diese Art des dx Differenzierens wird daher als implizite Differentiation bezeichnet.
Implizite Differentiation Der Anstieg einer in der impliziten Form F ðx; yÞ ¼ 0 dargestellten Funktionskurve la¨sst sich schrittweise wie folgt bestimmen: 1. Gliedweise Differentiation der Funktionsgleichung F ðx; yÞ ¼ 0 nach x, wobei die Variable y als eine Funktion von x anzusehen ist. Jeder Term in der Funktionsgleichung, der die abha¨ngige Variable y entha¨lt, ist daher unter Verwendung der Kettenregel zu differenzieren. dy 2. Auflo¨sung der differenzierten Funktionsgleichung nach y 0 ¼ fu¨hrt zur dx gesuchten Ableitung (Anstieg der Kurventangente).
Anmerkung dy entha¨lt meist beide Variable. x und y sind jedoch nicht unabdx ha¨ngig voneinander, sondern u¨ber die implizite Funktionsgleichung F ðx; yÞ ¼ 0 miteinander verknu¨pft.
Die Ableitung y 0 ¼
2 Ableitungsregeln &
349
Beispiele (1)
Gegeben ist die in der impliziten Form dargestellte Funktion F ðx; yÞ ¼ 2 y 3 þ 6 x 3 24 x þ 6 y ¼ 0 Wir berechnen die Steigung der Kurventangente in den Schnittpunkten der Kurve mit der x-Achse. Schnittpunkte mit der x-Achse: y ¼ 0 6 x 3 24 x ¼ 0 S 1 ¼ ð0; 0Þ,
)
6 x ðx 2 4Þ ¼ 0
S 2 ¼ ð2; 0Þ,
)
x 1 ¼ 0,
x 2=3 ¼ þ 2
S 3 ¼ ð 2; 0Þ
Implizite Differentiation: d d ½ F ðx; yÞ ¼ ð2 y 3 þ 6 x 3 24 x þ 6 yÞ ¼ dx dx ¼ 6 y 2 y 0 þ 18 x 2 24 þ 6 y 0 ¼ 0 Die Terme 2 y 3 und 6 y wurden dabei nach der Kettenregel differenziert! Wir lo¨sen die Gleichung jetzt nach y 0 auf und erhalten: ð6 y 2 þ 6Þ y 0 ¼ 24 18 x 2 y0 ¼
)
24 18 x 2 6 ð4 3 x 2 Þ 4 3x2 ¼ ¼ 6 y2 þ 6 y2 þ 1 6 ðy 2 þ 1Þ
Damit ergeben sich die folgenden Steigungswerte fu¨r die Kurventangente in den drei Schnittpunkten mit der x-Achse: y 0 ðS 1 Þ ¼ 4,
(2)
y 0 ðS 2 Þ ¼ 8,
y 0 ðS 3 Þ ¼ 8
Wir bestimmen den Anstieg der Kurventangente im Punkt P ¼ ðx; yÞ des Mittelpunktskreises F ðx; yÞ ¼ x 2 þ y 2 25 ¼ 0 durch implizite Differentiation: d d ½ F ðx; yÞ ¼ ðx 2 þ y 2 25Þ ¼ 2 x þ 2 y y 0 ¼ 0 dx dx 2y y0 ¼ 2x
)
y0 ¼
)
x y
Fu¨r den Kreispunkt P 1 ¼ ð3; 4Þ beispielsweise erhalten wir damit den Steigungs& wert y 0 ðP 1 Þ ¼ 3=4 ¼ 0,75.
350
IV Differentialrechnung
2.10 Differential einer Funktion Wir betrachten auf dem Graph einer differenzierbaren Funktion y ¼ f ðxÞ einen beliebigen Punkt P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ. Eine nderung des Abszissenwertes um Dx zieht eine nderung des Ordinatenwertes (Funktionswertes) um Dy nach sich und wir gelangen zu dem ebenfalls auf der Kurve gelegenen Punkt Q (Bild IV-5). P und Q besitzen dabei die folgenden Koordinaten: P ¼ ðx 0 ; y 0 ¼ f ðx 0 ÞÞ ,
Q ¼ ðx 0 þ Dx; f ðx 0 þ DxÞÞ
ðIV-44Þ
Fu¨r die nderung des Funktionswertes (auch Zuwachs genannt) gilt daher: Dy ¼ f ðx 0 þ DxÞ f ðx 0 Þ
ðIV-45Þ
Die entsprechenden Koordinatena¨nderungen auf der in P errichteten Kurventangente bezeichnen wir als Differentiale: dx :
Unabha¨ngiges Differential
dy: Abha¨ngiges Differential, auch Differential df von f ðxÞ genannt y y = f (x) Q
Tangente in P Δy
Q′ dy P
a dx = Δ x
y0
x 0 + Δx
x0
x
Bild IV-5 Zum Begriff des Differentials einer Funktion
dy ist die nderung des Ordinatenwertes, wenn man von P aus la¨ngs der dortigen Tangente um dx ¼ Dx in der (positiven) x-Richtung fortschreitet. Dabei wird der Punkt Q 0 erreicht, der zwar ein Punkt der Tangente, im Allgemeinen jedoch kein Punkt der Kurve ist. Aus dem in Bild IV-5 eingezeichneten Steigungsdreieck ergibt sich unmittelbar der folgende Zusammenhang zwischen den beiden Differentialen (a ist der Steigungswinkel der Tangente): tan a ¼ f 0 ðx 0 Þ ¼
dy dx
)
dy ¼ f 0 ðx 0 Þ dx
ðIV-46Þ
2 Ableitungsregeln
351
Wir fassen zusammen:
Differential einer Funktion (Bild IV-5) Das Differential dy ¼ d f ¼ f 0 ðx 0 Þ dx
ðIV-47Þ
einer Funktion y ¼ f ðxÞ beschreibt den Zuwachs der Ordinate auf der an der Stelle x 0 errichteten Kurventangente bei einer nderung der Abszisse x um dx. Anmerkungen (1)
Man beachte, dass die Koordinatena¨nderungen auf der Funktionskurve mit Dx und Dy, die entsprechenden Vera¨nderungen auf der Kurventangente dagegen mit dx und dy bezeichnet werden, wobei Dx ¼ dx angenommen wird. Die Differenz Dy dy misst dann die Ordinatenabweichung zwischen der Kurve und ihrer Tangente bei einer nderung des Argumentes x um Dx, ausgehend vom gemeinsamen Tangentenberu¨hrungspunkt P (vgl. hierzu Bild IV-5).
(2)
Aus der Beziehung dy ¼ f 0 ðxÞ dx ziehen wir den Schluss, dass die Ableitung einer Funktion als Quotient zweier Differentiale aufgefasst werden darf: y 0 ¼ f 0 ðxÞ ¼
dy Dy ¼ lim dx Dx Dx ! 0
Dies rechtfertigt die in Abschnitt 1.2 eingefu¨hrte Bezeichnung „Differentialquotient“ fu¨r die Ableitung einer Funktion. Der Differentialquotient liefert somit die Steigung der im Kurvenpunkt P angelegten Tangente, dargestellt als Quotient aus der Ordinatena¨nderung dy und der Abszissena¨nderung dx. Zum Abschluss wollen wir aus der Gleichung (IV-47) noch eine fu¨r die Praxis wichtige Folgerung ziehen. Fu¨r kleine Argumentsa¨nderungen Dx ¼ dx, also kleine nderungen der Abszisse, gilt na¨herungsweise: Dy dy ¼ f 0 ðx 0 Þ dx ¼ f 0 ðx 0 Þ Dx
ðIV-48Þ
Dies aber bedeutet: Die Funktion y ¼ f ðxÞ darf in der unmittelbaren Umgebung des Punktes P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ na¨herungsweise durch die dortige Kurventangente, d. h. durch eine lineare Funktion ersetzt werden. Anwendung findet diese Na¨herung u. a. bei der Linearisierung von Funktionen (z. B. von Kennlinien) sowie in der Fehlerrechnung. Beide Probleme werden an anderer Stelle eingehend behandelt (siehe hierzu Abschnitt 3.2 sowie Band 2, Kap. III, Abschnitt 2.5.5).
352 &
IV Differentialrechnung
Beispiel y ¼ f ðxÞ ¼ x 2 þ e x 1 ,
Kurvenpunkt P ¼ ð1; 2Þ
Wir groß ist die Ordinatena¨nderung la¨ngs der Kurve bzw. la¨ngs der im Kurvenpunkt P ¼ ð1; 2Þ errichteten Tangente, wenn man (von P aus) in positiver x-Richtung um Dx ¼ dx ¼ 0,1 fortschreitet? Lo¨sung: Zuwachs auf der Kurve: Dy ¼ f ð1,1Þ f ð1Þ ¼ ð1,1 2 þ e 0,1 Þ 2 ¼ 2,3152 2 ¼ 0,3152 Zuwachs auf der Kurventangente: f 0 ðxÞ ¼ 2 x þ e x 1
f 0 ð1Þ ¼ 2 þ e 0 ¼ 2 þ 1 ¼ 3
)
dy ¼ f 0 ð1Þ dx ¼ 3 0,1 ¼ 0,3 Die Ordinatena¨nderungen Dy und dy unterscheiden sich nur geringfu¨gig voneinander & (um rund 5 %).
2.11 Ho¨here Ableitungen Durch Differenzieren gewinnt man aus einer (differenzierbaren) Funktion y ¼ f ðxÞ die 1. Ableitung y 0 ¼ f 0 ðxÞ. Falls auch f 0 ðxÞ eine differenzierbare Funktion darstellt, erha¨lt man aus ihr durch nochmaliges Differenzieren die als 2. Ableitung bezeichnete Funktion d d dy 00 00 0 y ¼ f ðxÞ ¼ ð f ðxÞÞ ¼ ðIV-49Þ dx dx dx Sie ist die 1. Ableitung der 1. Ableitung y 0 ¼ f 0 ðxÞ. Durch wiederholtes Differenzieren gelangt man schließlich zu den Ableitungen ho¨herer Ordnung: 000
d ð f 00 ðxÞÞ dx
3. Ableitung:
y 000 ¼ f
4. Ableitung: . . .
y ð4Þ ¼ f ð4Þ ðxÞ ¼
ðxÞ ¼
d ðf dx
000
ðxÞÞ
d n-te Ableitung: y ðnÞ ¼ f ðnÞ ðxÞ ¼ ð f ðn 1Þ ðxÞÞ dx . . . (gelesen: y n Strich bzw. f n Strich von x). Sie werden der Reihe nach als Ableitungen 1., 2., 3., . . . , n-ter Ordnung usw. bezeichnet.
2 Ableitungsregeln
353
Daneben ist die Schreibweise in Form ho¨herer Differentialquotienten mo¨glich: y0 ¼
dy d2 y d3 y , y 00 ¼ , y 000 ¼ , 2 dx dx dx 3
. . . , y ðnÞ ¼
dn y , dx n
...
ðIV-50Þ
dn y ist dabei der Differentialquotient n-ter Ordnung (gelesen: d n y nach d x hoch n). dx n &
Beispiele (1)
Die e-Funktion y ¼ e x ist beliebig oft differenzierbar. Alle Ableitungen sind dabei gleich und ergeben wiederum die e-Funktion: y 0 ¼ y 00 ¼ y 000 ¼ . . . ¼ y ðnÞ ¼ . . . ¼ e x
(2)
y ¼ 4 x 3 þ x cos x Die ersten drei Ableitungen dieser Funktion lauten ( jeweils unter Verwendung der Produktregel ): y0 ¼
d ð4 x 3 þ x cos xÞ ¼ 12 x 2 þ cos x x sin x dx
y 00 ¼
d ð12 x 2 þ cos x x sin xÞ ¼ dx
¼ 24 x sin x sin x x cos x ¼ 24 x 2 sin x x cos x y 000 ¼
d ð24 x 2 sin x x cos xÞ ¼ dx
¼ 24 2 cos x cos x þ x sin x ¼ 24 3 cos x þ x sin x (3)
Mit Hilfe der Produkt- und Kettenregel bilden wir die ersten beiden Ableitungen der Funktion y ¼ e x sin ð2 xÞ: y 0 ¼ e x sin ð2 xÞ þ 2 cos ð2 xÞ e x ¼ ¼ e x ½ sin ð2 xÞ þ 2 cos ð2 xÞ y 00 ¼ e x ½ sin ð2 xÞ þ 2 cos ð2 xÞ þ þ ½ 2 cos ð2 xÞ 4 sin ð2 xÞ e x ¼ ¼ e x ½ sin ð2 xÞ þ 2 cos ð2 xÞ þ 2 cos ð2 xÞ þ 4 sin ð2 xÞ ¼ ¼ e x ½ 3 sin ð2 xÞ þ 4 cos ð2 xÞ
&
354
IV Differentialrechnung
2.12 Ableitung einer in der Parameterform dargestellten Funktion (Kurve) Wir gehen von einer in der Parameterform x ¼ x ðtÞ ,
y ¼ y ðtÞ
ða t bÞ
ðIV-51Þ
gegebenen Funktion bzw. Kurve aus und interessieren uns fu¨r den Anstieg der Kurventangente in dem zum Parameterwert t geho¨renden Kurvenpunkt P ¼ ðx ðtÞ; y ðtÞÞ (Bild IV-6). y Tangente in P
P
y (t)
x (t)
x
Bild IV-6
Dabei soll zuna¨chst vorausgesetzt werden, dass es durch Elimination des Parameters t mo¨glich ist, die Gleichung der Funktionskurve in der expliziten Form y ¼ f ðxÞ darzustellen. y ist dann eine Funktion von x, wobei x wiederum vom Parameter t abha¨ngt, d. h. y kann als eine mittelbare oder verkettete Funktion von t aufgefasst werden: y ¼ f ðx ðtÞÞ. Nach der Kettenregel gilt dann (zuna¨chst wird y nach x differenziert, dann x weiter nach t): dy dy dx ¼ dt dx dt
oder
y_ ¼ y 0 x_
ðIV-52Þ
Die Ableitungen nach dem Parameter t werden dabei u¨blicherweise durch Punkte ðx_, y_Þ, die Ableitungen nach der Variablen x weiterhin durch Striche gekennzeichnet. Durch Auflo¨sen der Gleichung (IV-52) nach y 0 erhalten wir die wichtige Beziehung y0 ¼
y_ x_
ð x_ 6¼ 0Þ
ðIV-53Þ
die auch dann ihre Gu¨ltigkeit unvera¨ndert beibeha¨lt, wenn eine explizite Darstellung der in der Parameterform (IV-51) gegebenen Funktion nicht mo¨glich ist.
2 Ableitungsregeln
355
Ableitung einer in der Parameterform gegebenen Funktion (Kurve; Bild IV-6) Die Ableitung einer Funktion bzw. Kurve mit der Parameterdarstellung x ¼ x ðtÞ,
y ¼ y ðtÞ
ða t bÞ
ðIV-54Þ
kann aus den Ableitungen der beiden Parametergleichungen wie folgt bestimmt werden: y0 ¼
dy y_ ¼ dx x_
ð x_ 6¼ 0Þ
ðIV-55Þ
Anmerkungen
&
dy ist eine Funktion des Parameters t. dx
(1)
Die Ableitung y 0 ¼
(2)
In den naturwissenschaftlich-technischen Anwendungen bedeutet der Parameter t ha¨ufig die Zeit oder einen Winkel.
Beispiele (1)
Die Parameterdarstellung eines Mittelpunktskreises mit dem Radius r ¼ 5 lautet: x ðtÞ ¼ 5 cos t ,
y ðtÞ ¼ 5 sin t
ð0 t < 2 pÞ
(t: Winkelparameter; siehe Bild IV-7). y
P 5 y t x
a x
Bild IV-7 Zur Parameterdarstellung eines Mittelpunktskreises vom Radius r ¼ 5
Wir bestimmen Steigung m und Steigungswinkel a der Kreistangente im zum Parameterwert t 0 ¼ p=4 geho¨renden Kurvenpunkt P 0 ¼ ðx 0 ; y 0 Þ, dessen rechtwinklige Koordinaten wie folgt lauten: ) x 0 ¼ 5 cos ðp=4Þ ¼ 3,54 ) P 0 ¼ ð3,54; 3,54Þ y 0 ¼ 5 sin ðp=4Þ ¼ 3,54
356
IV Differentialrechnung
Fu¨r den Anstieg der Kreistangente erha¨lt man nach Gleichung (IV-55): y0 ¼
y_ 5 cos t cos t ¼ ¼ cot t ¼ 5 sin t sin t x_
m ¼ y 0 ðP 0 Þ ¼ y 0 ðt 0 ¼ p=4Þ ¼ cot ðp=4Þ ¼ 1 m ¼ tan a ¼ 1
)
a ¼ 180 þ arctan ð 1Þ ¼ 180 45 ¼ 135
Die in P 0 ¼ ð3,54; 3,54Þ errichtete Kurventangente besitzt demnach die Steigung m ¼ 1 und den Steigungswinkel a ¼ 135 . (2)
Ein Punkt eines Kreises, der auf einer Geraden abrollt, beschreibt eine als Rollkurve oder (gewo¨hnliche) Zykloide bezeichnete periodische Bahnkurve (Bild IV-8). Sie ist in der Parameterform x ðtÞ ¼ R ðt sin tÞ ,
y ðtÞ ¼ R ð1 cos tÞ
ðt 0Þ
darstellbar (t: Parameter ¼ Wa¨lzwinkel; R: Radius des Kreises). Nach einer vollen Umdrehung wiederholen sich die Ordinatenwerte, wobei sich der Abszissenwert um 2 p R vergro¨ßert hat (entspricht dem Umfang des Kreises, der in der positiven x-Richtung diese Strecke zuru¨ckgelegt hat). y P1
P2
2R
pR
2 pR
3 pR
4 pR
x
Bild IV-8 Gewo¨hnliche Zykloide (Rollkurve)
Wir wollen nun zeigen, dass die Zykloide fu¨r die Parameterwerte t 1 ¼ p, t 2 ¼ 3 p, t 3 ¼ 5 p, . . . , d. h. t n ¼ ð2 n 1Þ p mit n 2 N* waagerechte Tangenten besitzt. Mit den Ableitungen x_ ¼ R ð1 cos tÞ ,
y_ ¼ R ð0 þ sin tÞ ¼ R sin t
erhalten wir fu¨r den Kurvenanstieg y 0 nach Gleichung (IV-55) die Beziehung y0 ¼
y_ R sin t sin t ¼ ¼ R ð1 cos tÞ 1 cos t x_
Fu¨r t ¼ t n verlaufen die Tangenten waagerecht: y 0 ðt n Þ ¼
sin t n sin ð2 n 1Þ p sin p 0 ¼ ¼ ¼ 0 ¼ 1 cos ð2 n 1Þ p 1 cos p 2 1 cos t n
2 Ableitungsregeln
357
Den Parameterwerten t n entsprechen dabei der Reihe nach die Kurvenpunkte t1 ¼ p:
P 1 ¼ ðp R; 2 RÞ
t2 ¼ 3 p:
P 2 ¼ ð3 p R; 2 RÞ
t3 ¼ 5 p:
P 3 ¼ ð5 p R; 2 RÞ
usw:,
die im regelma¨ßigen Abstand von jeweils einer Periodendauer 2 p R aufeinander folgen (vgl. hierzu Bild IV-8). &
2.13 Anstieg einer in Polarkoordinaten dargestellten Kurve r ¼ r ðjÞ mit a j b sei die Gleichung einer in Polarkoordinaten dargestellten Kurve. Wir bringen diese Gleichung zuna¨chst in die Parameterform. Bekanntlich bestehen zwischen den kartesischen Koordinaten x, y und den Polarkoordinaten r, j die Transformationsgleichungen x ¼ r cos j und y ¼ r sin j. Setzt man nun in diese Gleichungen fu¨r die Abstandskoordinate r die Kurvengleichung r ðjÞ ein, so erha¨lt man die gewu¨nschte Parameterdarstellung der Kurve r ¼ r ðjÞ in der Form x ¼ x ðjÞ ¼ r ðjÞ cos j ,
y ¼ y ðjÞ ¼ r ðjÞ sin j
ðIV-56Þ
mit der Winkelkoordinate j als Parameter (Bild IV-9). y
P Tangente in P r ( f) y ( f)
f x ( f)
Bild IV-9 x
Die Ableitungen dieser Parametergleichungen nach dem Winkelparameter j fu¨hren mit Hilfe der Produktregel zu den folgenden Gleichungen: x_ ¼ r_ ðjÞ cos j r ðjÞ sin j y_ ¼ r_ ðjÞ sin j þ r ðjÞ cos j
ðIV-57Þ
Mit diesen Beziehungen erhalten wir fu¨r den Anstieg der Kurventangente nach Gleichung (IV-55): y0 ¼
y_ r_ ðjÞ sin j þ r ðjÞ cos j ¼ x_ r_ ðjÞ cos j r ðjÞ sin j
ðIV-58Þ
358
IV Differentialrechnung
Wir fassen dieses Ergebnis zusammen:
Anstieg einer in Polarkoordinaten gegebenen Kurve (Bild IV-9) Eine in Polarkoordinaten gegebene Kurve r ¼ r ðjÞ mit a j b la¨sst sich auch in der Parameterform x ¼ r ðjÞ cos j ,
y ¼ r ðjÞ sin j
ðIV-59Þ
mit dem Winkel j als Parameter darstellen. Der Anstieg der Kurve, d. h. die Steigung der Kurventangente kann dann nach der Formel y0 ¼
y_ r_ ðjÞ sin j þ r ðjÞ cos j ¼ x_ r_ ðjÞ cos j r ðjÞ sin j
ðIV-60Þ
berechnet werden. Anmerkung Die Ableitung y 0 ¼
&
dy ist eine Funktion der Winkelkoordinate j. dx
Beispiel Wir untersuchen die als Kardioide oder Herzkurve bezeichnete Kurve mit der Gleichung r ðjÞ ¼ 1 þ cos j
ð0 j < 2 pÞ
auf Stellen mit waagerechter bzw. senkrechter Tangente. Aus der Parameterdarstellung x ðjÞ ¼ r ðjÞ cos j ¼ ð1 þ cos jÞ cos j ¼ cos j þ cos 2 j y ðjÞ ¼ r ðjÞ sin j ¼ ð1 þ cos jÞ sin j ¼ sin j þ sin j cos j erhalten wir durch Differentiation nach dem Winkelparameter j die beno¨tigten Ableitungen x_ und y_. Sie lauten (unter Verwendung von Ketten- und Produktregel): x_ ¼ sin j þ 2 cos j ð sin jÞ ¼ sin j ð1 þ 2 cos jÞ y_ ¼ cos j þ cos j cos j sin j sin j ¼ cos j þ cos 2 j sin 2 j ¼ ¼ cos j þ cos 2 j ð1 cos 2 jÞ ¼ cos j þ cos 2 j 1 þ cos 2 j ¼ ¼ 2 cos 2 j þ cos j 1 (unter Beru¨cksichtigung der Beziehung sin 2 j þ cos 2 j ¼ 1).
2 Ableitungsregeln
359
Der Anstieg der Kurve betra¨gt daher nach Gleichung (IV-60) y_ 2 cos 2 j þ cos j 1 ¼ sin j ð1 þ 2 cos jÞ x_
y0 ¼
Kurvenpunkte mit einer waagerechten Tangente In einem solchen Punkt ist y 0 ¼ 0 d. h. y_ ¼ 0 und x_ 6¼ 0: y_ ¼ 0
)
2 cos 2 j þ cos j 1 ¼ 0
Diese Gleichung lo¨sen wir durch die Substitution u ¼ cos j: 2 u2 þ u 1 ¼ 0
)
u 1 ¼ 0,5 ,
u2 ¼ 1
Ru¨cksubstitution fu¨hrt zu zwei trigonometrischen Gleichungen, deren im Intervall 0 j < 2 p gelegene Lo¨sungen wir mit Hilfe von Bild IV-10 wie folgt bestimmen: cos j ¼ u 1 ¼ 0,5
)
j1 ¼ arccos 0,5 ¼ p=3 ; j2 ¼ 2 p j1 ¼ 2 p p=3 ¼
cos j ¼ u 2 ¼ 1
)
5 p 3
j3 ¼ arccos ð 1Þ ¼ p
y 1
y = cos f y = 0,5
0,5
f3 2p
f1
f
f2
–1
Bild IV-10 Lo¨sungen der Gleichung cos j ¼ 0,5 im Intervall 0 j < 2 p
x_ ist sowohl fu¨r j1 ¼ p=3 als auch fu¨r j2 ¼ 5 p=3 von Null verschieden. An diesen Stellen hat die Kardioide daher waagerechte Tangenten. Fu¨r j3 ¼ p dagegen wird auch x_ gleich Null: x_ ðpÞ ¼ 0. Die Ableitung y 0 ist daher an dieser Stelle zuna¨chst unbestimmt: y 0 ðpÞ ¼
y_ ðpÞ 0 ¼ 0 x_ ðpÞ
(sog. unbestimmter Ausdruck)
360
IV Differentialrechnung
Eine Grenzwertbetrachtung, auf die wir an dieser Stelle nicht na¨her eingehen ko¨nnen, zeigt jedoch, dass die Kardioide auch fu¨r j3 ¼ p eine waagerechte Tangente besitzt 3). Damit gibt es insgesamt drei Kurvenpunkte mit waagerechter Tangente. Sie lauten der Reihe nach (siehe hierzu auch Bild IV-12): j1 ¼
p : 3
A 1 ¼ ð0,75; 1,299Þ
j2 ¼
5 p: 3
A 2 ¼ ð0,75; 1,299Þ
j3 ¼ p :
A 3 ¼ ð0; 0Þ
Kurvenpunkte mit einer senkrechten Tangente In diesen Punkten ist der Anstieg y 0 ¼ 1 , d. h. x_ ¼ 0 und y_ 6¼ 0: x_ ¼ 0
)
sin j ¼ 0 sin j ð2 cos j þ 1Þ ¼ 0 2 cos j þ 1 ¼ 0
Wir lo¨sen zuna¨chst die untere Gleichung 2 cos j þ 1 ¼ 0 oder cos j ¼ 0,5 (siehe hierzu Bild IV-11): cos j ¼ 0,5
) j1 ¼ arccos ð 0,5Þ ¼
2 p; 3
j2 ¼ 2 p j1 ¼ 2 p
2 4 p ¼ p 3 3
y
1 y = cos f
2p
f
– 0,5 y = – 0,5
–1
f1
f2
Bild IV-11 Lo¨sungen der Gleichung 2 cos j þ 1 ¼ 0 im Intervall 0 j < 2 p
3)
0 la¨sst sich mit Hilfe der Grenzwertregel von Bernoulli und de 0 L’Hospital berechnen und fu¨hrt zu dem Wert 0 (siehe hierzu Beispiel (5) in Kap. VI, Abschnitt 3.3.3).
Der zuna¨chst unbestimmte Ausdruck
2 Ableitungsregeln
361
Die 2. Gleichung sin j ¼ 0 besitzt im Intervall 0 j < 2 p die beiden Lo¨sungen j3 ¼ 0 und j4 ¼ p (Nullstellen der Sinusfunktion im halboffenen Intervall 0 j < 2 pÞ. Fu¨r j4 ¼ p tritt der bereits bei der Bestimmung der waagerechten Tangenten diskutierte Sonderfall ein. An dieser Stelle liegt keine senkrechte, sondern eine waagerechte Tangente, wie wir inzwischen wissen (Bild IV-12). Senkrechte Tangenten besitzt die Kardioide demnach in den folgenden drei Punkten: j1 ¼
2 p: 3
B 1 ¼ ð 0,25; 0,433Þ
j2 ¼
4 p: 3
B 2 ¼ ð 0,25; 0,433Þ
j3 ¼ 0 :
B 3 ¼ ð2; 0Þ
Bild IV-12 zeigt den Verlauf der Kardioide mit ihren waagerechten und senkrechten Tangenten. y A1 r = 1 + cos f
1 B1
B3 –1
A3
1
2
x
B2
Bild IV-12 Kardioide mit ihren waagerechten und senkrechten Tangenten
–1 A2
&
2.14 Einfache Anwendungsbeispiele aus Physik und Technik 2.14.1 Bewegung eines Massenpunktes (Geschwindigkeit, Beschleunigung) Momentangeschwindigkeit eines Massenpunktes Ein Massenpunkt bewege sich la¨ngs einer Geraden nach dem Weg-Zeit-Gesetz s ¼ s ðtÞ. Zur Zeit t befinde er sich an der Wegmarke s ðtÞ, in dem darauf folgenden Zeitintervall Dt lege er den Weg Ds zuru¨ck. Er erreicht somit zur Zeit t þ Dt die Wegmarke s ðt þ DtÞ ¼ s ðtÞ þ Ds (siehe Bild IV-13): t
Δt
t + Δt
s (t)
Δs
s (t + Δ t)
Bild IV-13 Zum Begriff der Momentangeschwindigkeit
362
IV Differentialrechnung
Seine durchschnittliche Geschwindigkeit v in diesem Zeitraum betra¨gt dann definitionsgema¨ß v ¼
Ds s ðt þ DtÞ s ðtÞ ¼ Dt Dt
ðIV-61Þ
Die zur Zeit t erreichte sog. Momentangeschwindigkeit erha¨lt man aus dieser Gleichung fu¨r ein genu¨gend kleines Zeitintervall Dt, d. h. fu¨r den Grenzu¨bergang Dt ! 0: Ds s ðt þ DtÞ s ðtÞ ¼ lim ¼ s_ Dt Dt Dt ! 0
v ¼ lim
Dt ! 0
ðIV-62Þ
Die Momentangeschwindigkeit ist somit die 1. Ableitung des Weges nach der Zeit: v ¼ s_ ¼
ds dt
ðIV-63Þ
Momentanbeschleunigung eines Massenpunktes Die Beschleunigung einer Bewegung misst die Geschwindigkeitsa¨nderung Dv in dem Zeitintervall Dt. Der Massenpunkt besitzt zur Zeit t die Geschwindigkeit v ðtÞ und zum Zeitpunkt t þ Dt die Geschwindigkeit v ðt þ DtÞ (siehe Bild IV-14): t
Δt
t + Δt
v (t)
Δv
v (t + Δ t)
Bild IV-14 Zum Begriff der Momentanbeschleunigung
Die durchschnittliche Beschleunigung a zwischen den Zeitmarken t und t þ Dt betra¨gt dann definitionsgema¨ß a ¼
Dv v ðt þ DtÞ v ðtÞ ¼ Dt Dt
ðIV-64Þ
Fu¨r Dt ! 0 , d. h. fu¨r ein genu¨gend kleines Zeitintervall Dt, erhalten wir hieraus die Momentanbeschleunigung a: a ¼ lim
Dt ! 0
Dv v ðt þ DtÞ v ðtÞ ¼ lim ¼ v_ Dt Dt Dt ! 0
ðIV-65Þ
Die Momentanbeschleunigung ist daher die 1. Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit und damit zugleich die 2. Ableitung des Weges nach der Zeit: a ¼ v_ ¼
dv ¼ __ s dt
ðIV-66Þ
2 Ableitungsregeln
363
Wir fassen diese wichtigen Ergebnisse zusammen:
Bestimmung von Geschwindigkeit und Beschleunigung aus der Weg-Zeit-Funktion Geschwindigkeit v und Beschleunigung a erha¨lt man als 1. bzw. 2. Ableitung der Weg-Zeit-Funktion s ¼ s ðtÞ nach der Zeit t: v ðtÞ ¼
&
ds ¼ s_ ðtÞ dt
a ðtÞ ¼
und
dv ¼ v_ ðtÞ ¼ __ s ðtÞ dt
ðIV-67Þ
Beispiele (1)
Das Weg-Zeit-Gesetz fu¨r den freien Fall (ohne Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes) lautet wie folgt: s ðtÞ ¼
1 gt2 2
ðt 0; g : ErdbeschleunigungÞ
Geschwindigkeit und Beschleunigung erha¨lt man hieraus durch ein- bzw. zweimaliges Differenzieren nach der Zeit t: v ðtÞ ¼ s_ ¼ (2)
1 g 2t ¼ gt 2
und
a ðtÞ ¼ v_ ¼ __ s ¼ g1 ¼ g
Die harmonische Schwingung eines Federpendels (Feder-Masse-Schwingers) la¨sst sich durch das Weg-Zeit-Gesetz y ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðt 0Þ
beschreiben. Unter Verwendung der Kettenregel erhalten wir hieraus durch einbzw. zweimaliges Differenzieren nach der Zeit t Geschwindigkeit v und Beschleunigung a: v ðtÞ ¼ y_ ¼ A w cos ðw t þ jÞ a ðtÞ ¼ v_ ¼ __ y ¼ A w 2 sin ðw t þ jÞ ¼ ¼ w 2 A sin ðw t þ jÞ ¼ w 2 y |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} y Die Ru¨ckstellkraft der Feder ist F ¼ m a ¼ m w 2 y und damit eine der Auslenkung y proportionale Gro¨ße (Hookesches Gesetz F ¼ c y). Die Federkonstante c genu¨gt daher der Gleichung c ¼ m w 2 , aus der man fu¨r die Kreisfrequenz w und die Schwingungsdauer T die folgenden Beziehungen gewinnt: rffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffi c 2p m w ¼ und T ¼ ¼ 2p m w c
364
(3)
IV Differentialrechnung
Ein Feder-Masse-Schwinger ist so stark geda¨mpft, dass gerade der aperiodische Grenzfall eintritt (bergang vom Schwingungsfall zum aperiodischen Verhalten). Das Weg-Zeit-Gesetz lautet dann wie folgt (siehe hierzu Bild IV-15): y ¼ y ðtÞ ¼ ðA þ B tÞ e d t
ðt 0Þ
( y: Auslenkung; t: Zeit; d > 0: Da¨mpfungsfaktor; A, B: von den Anfangsbedingungen abha¨ngige Konstanten). Wir bestimmen Geschwindigkeit v und Beschleunigung a als Funktionen der Zeit (jeweils mit Hilfe der Produkt- und Kettenregel ): v ¼ y_ ðtÞ ¼ B e dt d e dt ðA þ B tÞ ¼ ðB dA dB tÞ e dt a ¼ v_ ¼ __ y ðtÞ ¼ dB e dt d e dt ðB dA dB tÞ ¼ ¼ d e d t ðB þ B d A d B tÞ ¼ d ðdA 2 B þ dB tÞ e dt y y = (A + Bt ) · e – dt
A
Bild IV-15 t &
2.14.2 Induktionsgesetz Das Induktionsgesetz der Physik lautet: Ein zeitlich vera¨nderlicher Induktionsfluss F erzeugt in einem elektrischen Leiter eine im Allgemeinen zeitabha¨ngige Spannung u nach der Gleichung u ¼ n
dF ¼ n F_ dt
ðIV-68Þ
Die Induktionsspannung ist also der Ableitung des Induktionsflusses F nach der Zeit t direkt proportional (n: Anzahl der Windungen). Wir wenden jetzt dieses Gesetz auf eine in einem konstanten Magnetfeld mit der magnetischen Flussdichte B mit der Winkelgeschwindigkeit w rotierende Spule an (Bild IV-16): B
vt vt A
A: Querschnittsfla¨che der Spule (senkrecht zur Papierebene) A s : Wirksame Querschnittsfla¨che der Spule (senkrecht zum Magnetfeld)
As
F: Induktionsfluss ðF ¼ B A s Þ B
Bild IV-16 Zum Induktionsgesetz
2 Ableitungsregeln
365
Nach t Sekunden hat sich die Spule um den Winkel w t aus der Anfangsstellung (senkrecht zu den Feldlinien) herausgedreht. Die wirksame Spulenfla¨che A s betra¨gt dann A s ¼ A cos ðw tÞ, wie man dem Bild IV-16 entnehmen kann. Nach dem Induktionsgesetz (IV-68) erha¨lt man die folgende sinusfo¨rmige Wechselspannung: u ¼ n
dF d d ¼ n ðB A s Þ ¼ n ðB A cos ðw tÞÞ ¼ dt dt dt
¼ nBA
d ðcos ðw tÞÞ ¼ n B A w sin ðw tÞ ¼ u 0 sin ðw tÞ dt |fflfflffl{zfflfflffl} u0
ðIV-69Þ
u 0 ¼ n B A w ist der Scheitelwert der in Bild IV-17 dargestellten Induktionsspannung. u u = u 0 · sin ( v t)
u0
T=
2p
v
t
– u0
Bild IV-17 Induzierte sinusfo¨rmige Wechselspannung
2.14.3 Elektrischer Schwingkreis Wir betrachten einen aus Kondensator (Kapazita¨t C) und Spule (Induktivita¨t L) bestehenden elektrischen Schwingkreis (Bild IV-18). Fu¨hren wir dem Kondensator zum Zeitpunkt t ¼ 0 durch kurzzeitiges Aufladen auf die Spannung u 0 elektrische Feldenergie zu, so entstehen in diesem Kreis ungeda¨mpfte elektrische Schwingungen (der ohmsche Widerstand sei vernachla¨ssigbar klein): Spannung, Strom, elektrisches und pffiffiffiffiffiffiffiffi ffi magnetisches Feld a¨ndern sich periodisch mit der Schwingungsdauer T ¼ 2 p L C (Thomsonsche Schwingungsgleichung). C
Bild IV-18 Elektrischer Schwingkreis (LC-Kreis) L
Die am Kondensator liegende Spannung betra¨gt dann in Abha¨ngigkeit von der Zeit t 0: pffiffiffiffiffiffiffiffiffi u ¼ u 0 cos ðw tÞ ðw ¼ 2 p=T ¼ 1= L C Þ ðIV-70Þ
366
IV Differentialrechnung
Fu¨r die auf den Kondensatorplatten befindliche Ladung gilt q ¼ C u ¼ C u 0 cos ðw tÞ ¼ q 0 cos ðw tÞ
ðq 0 ¼ C u 0 Þ
ðIV-71Þ
In dem Schwingkreis fließt somit der folgende sinusfo¨rmige Wechselstrom: i ¼
dq d ¼ ½ q 0 cos ðw tÞ ¼ q 0 w sin ðw tÞ ¼ i 0 sin ðw tÞ dt dt
ðIV-72Þ
Dabei ist i 0 ¼ q 0 w ¼ C u 0 w der Scheitelwert des Wechselstromes.
3 Anwendungen der Differentialrechnung 3.1 Tangente und Normale P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ sei ein Punkt auf der Kurve mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ. Der Anstieg der Kurventangente in P ist dann m t ¼ f 0 ðx 0 Þ. Die Tangentengleichung lautet damit in der Punkt-Steigungs-Form (III-43) wie folgt: y y0 ¼ f 0 ðx 0 Þ x x0
ð y 0 ¼ f ðx 0 ÞÞ
ðIV-73Þ
y y = f (x) Tangente P
y0
Bild IV-19 Tangente und Normale im Kurvenpunkt P
Normale
x0
x
Die Normale im Kurvenpunkt P ist eine Gerade, die senkrecht zur Kurventangente verla¨uft (Bild IV-19). Ihre Steigung m n ist daher das negativ Reziproke der Tangentensteigung m t : mn ¼
1 1 ¼ 0 mt f ðx 0 Þ
ðIV-74Þ
Die Gleichung der Normale la¨sst sich somit in der Punkt-Steigungs-Form y y0 1 ¼ 0 f ðx 0 Þ x x0 darstellen.
ð f 0 ðx 0 Þ 6¼ 0Þ
ðIV-75Þ
3 Anwendung der Differentialrechnung
367
Wir fassen zusammen:
Tangenten- und Normalengleichung (Bild IV-19) Tangente und Normale besitzen im Punkt P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ der Kurve y ¼ f ðxÞ die folgenden Gleichungen:
&
Tangente:
y y0 ¼ f 0 ðx 0 Þ x x0
Normale:
y y0 1 ¼ 0 f ðx 0 Þ x x0
(IV-76) ð f 0 ðx 0 Þ 6¼ 0Þ
(IV-77)
Beispiel Wie lauten die Gleichungen der Tangente und Normale im Schnittpunkt der Parabel y ¼ x 2 2 x þ 1 mit der y-Achse (Bild IV-20)? Lo¨sung: Schnittpunkt mit der y-Achse: Tangentensteigung:
P ¼ ð0; 1Þ
y0 ¼ 2x 2
Tangente:
y1 ¼ 2 x 0
Normale:
y1 1 ¼ x 0 2
) )
)
m t ¼ y 0 ð0Þ ¼ 2
y 1 ¼ 2x y1 ¼
1 x 2
) )
y ¼ 2x þ 1 y ¼
1 x þ1 2
y
Tangente
Normale
1
–1
y = x 2 – 2 x +1
P
1
x
Bild IV-20 Parabel y ¼ x 2 2 x þ 1 mit Tangente und Normale im Kurvenpunkt P ¼ ð0; 1Þ &
368
IV Differentialrechnung
3.2 Linearisierung einer Funktion Eine nichtlineare Funktion y ¼ f ðxÞ la¨sst sich in der Umgebung eines Kurvenpunktes P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ na¨herungsweise durch die dortige Tangente, d. h. durch eine lineare Funktion ersetzen (Bild IV-21). Diesen Vorgang bezeichnet man als Linearisierung einer Funktion. Die Funktionsgleichung der in P errichteten Tangente lautet nach Gleichung (IV-76): y y0 ¼ f 0 ðx 0 Þ x x0
ðIV-78Þ
Wir ko¨nnen diese Gleichung aber auch in der Form y y 0 ¼ f 0 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ
oder
Dy ¼ f 0 ðx 0 Þ Dx
ðIV-79Þ
mit x x 0 ¼ Dx und y y 0 ¼ Dy darstellen. Sie liefert in der unmittelbaren Umgebung des Kurvenpunktes P, der in den technischen Anwendungen meist als „ Arbeitspunkt“ bezeichnet wird, eine brauchbare lineare Na¨herung fu¨r den tatsa¨chlichen Funktionsverlauf. y y = f (x)
P y0
Linearisierte Funktion (Tangente)
x0
x
Bild IV-21 Zur Linearisierung einer Funktion y ¼ f ðxÞ in der Umgebung des „Arbeitspunktes“ P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ
Wir fassen zusammen:
Linearisierung einer Funktion (Bild IV-21) In der Umgebung des Kurvenpunktes („ Arbeitspunktes“) P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ kann die nichtlineare Funktion y ¼ f ðxÞ na¨herungsweise durch die lineare Funktion (Kurventangente) y y 0 ¼ f 0 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ
oder
Dy ¼ f 0 ðx 0 Þ Dx
ersetzt werden. Dabei bedeuten: Dx, Dy: Relativkoordinaten, bezogen auf den Arbeitspunkt P
ðIV-80Þ
3 Anwendung der Differentialrechnung
369
In den naturwissenschaftlich-technischen Anwendungen (insbesondere in der Automation und Regelungstechnik) interessieren ha¨ufig nur die Abweichungen der Gro¨ßen (Koordinaten) vom Arbeitspunkt P. Man fu¨hrt dann zuna¨chst durch Parallelverschiebung ein neues u, v-Koordinatensystem mit dem Arbeitspunkt P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ als Koordinatenursprung ein (Bild IV-22).
y
v y = f (x)
v = mu P
Bild IV-22 u
y0 x
x0
Zwischen dem „alten“ x, y-System und dem „ neuen“ u, v-System bestehen dabei folgende Transformationsgleichungen: u ¼ x x0 ,
v ¼ y y0
ðIV-81Þ
Die linearisierte Funktion (IV-80) besitzt dann im neuen u, v-System die besonders einfache Funktionsgleichung v ¼ mu
ðmit m ¼ f 0 ðx 0 ÞÞ
ðIV-82Þ
Die Koordinaten u und v sind die Abweichungen gegenu¨ber dem Arbeitspunkt P (Koordinatenursprung), also Relativkoordinaten.
&
Beispiele (1)
Die e-Funktion y ¼ e x soll in der Umgebung der Stelle x 0 ¼ 0 durch eine lineare Funktion angena¨hert werden (Bild IV-23). Lo¨sung: Tangentenberu¨hrungspunkt: Tangentensteigung: Tangente:
y 0 ¼ ex
y1 ¼ 1 x 0
)
P ¼ ð0; 1Þ )
m t ¼ y 0 ð0Þ ¼ e 0 ¼ 1
y1 ¼ x
)
y ¼ x þ1
370
IV Differentialrechnung y y = ex
Tangente in P
1
–1
Bild IV-23 Zur Linearisierung der e-Funktion in der Umgebung des Punktes P ¼ ð0; 1Þ
P
1
x
In der unmittelbaren Umgebung der Stelle x 0 ¼ 0 kann somit die e-Funktion na¨herungsweise durch die lineare Funktion y ¼ x þ 1 ersetzt werden: y ¼ ex x þ 1
ðf u¨ r j x j 1Þ
Mit dieser Na¨herungsfunktion berechnen wir einige Funktionswerte und vergleichen sie mit den exakten Werten: x
0,01
0,05
0,1
0,2
Na¨herungswert y ¼ x þ 1
1,010 000 1,050 000 1,100 000 1,200 000
Exakter Wert y ¼ e x
1,010 050 1,051 271 1,105 171 1,221 403
Folgerung: Die Na¨herung ist erwartungsgema¨ß um so besser, je weniger wir uns vom „Entwicklungszentrum“ x 0 ¼ 0 entfernen. (2)
Die Schwingungsdauer T einer ungeda¨mpften elektromagnetischen Schwingung wird nach der Thomsonschen Formel pffiffiffiffiffiffiffiffiffi T ¼ 2p LC berechnet (L: Eigeninduktivita¨t; C: Kapazita¨t). Fu¨r die Werte L ¼ 0,1 H und C ¼ 10 mF ¼ 10 5 F beispielsweise erha¨lt man: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi T ¼ 2 p 0,1 H 10 5 F ¼ 6,28 10 3 s ¼ 6,28 ms Eine geringfu¨gige nderung der Kapazita¨t C um DC zieht bei unvera¨nderter Induktivita¨t eine geringfu¨gige nderung der Schwingungsdauer T um DT nach sich, wobei na¨herungsweise der folgende lineare Zusammenhang gilt (wir ersetzen die Kurve durch ihre Tangente): pffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi DT dT d d ¼ ð2 p L C Þ ¼ ð2 p L C Þ ¼ DC dC dC dC rffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 1 pffiffiffiffiffi d pffiffiffiffiffi L p ffiffiffiffiffi ð CÞ ¼ 2p L ¼ p ¼ 2p L dC C 2 C
3 Anwendung der Differentialrechnung
371
Eine Zunahme der Kapazita¨t um beispielsweise DC ¼ 0,2 mF ¼ 2 10 7 F bewirkt eine Erho¨hung der Schwingungsdauer um rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffi L 0,1 H DC ¼ p 2 10 7 F ¼ 0,06 ms DT p C 10 5 F Die Schwingungsdauer betra¨gt somit bei einer Kapazita¨t von C ¼ 10,2 mF na¨herungsweise T ¼ 6,34 ms. Der exakte Wert ist T ¼ 6,35 ms. &
3.3 Monotonie und Kru¨mmung einer Kurve 3.3.1 Geometrische Vorbetrachtungen Das Verhalten einer (zweimal differenzierbaren) Funktion y ¼ f ðxÞ in der Umgebung eines Kurvenpunktes P ¼ ðx 0 ; y 0 Þ wird im Wesentlichen durch die ersten beiden Ableitungen y 0 und y 00 bestimmt. Geometrische Deutung der 1. Ableitung Die 1. Ableitung y 0 ¼ f 0 ðxÞ gibt die Steigung der Kurventangente an und gestattet daher auch Aussagen u¨ber das Monotonieverhalten der Funktion an der betreffenden Stelle: f 0 ðx0 Þ > 0: Die Funktionskurve wa¨chst streng monoton beim Durchgang durch den Kurvenpunkt P (Bild IV-24). f 0 ðx0 Þ < 0: Die Funktionskurve fa¨llt streng monoton beim Durchgang durch den Kurvenpunkt P (Bild IV-25). Dabei wird die Kurve stets in Richtung zunehmender x-Werte durchlaufen.
y
y y = f (x)
f ′ (x 0 ) < 0
P
Tangente in P
P y = f (x) y0
f ′ (x 0 ) > 0
y0
Tangente in P x0
x
Bild IV-24 Streng monoton wachsende Funktion
x0
x
Bild IV-25 Streng monoton fallende Funktion
372
IV Differentialrechnung
Geometrische Deutung der 2. Ableitung Die 2. Ableitung y 00 ¼ f 00 ðxÞ ist die Ableitungsfunktion der 1. Ableitung y 0 ¼ f 0 ðxÞ. Sie beschreibt daher das Monotonie-Verhalten von f 0 ðxÞ und bestimmt damit das Kru¨mmungsverhalten der Funktionskurve: f 00 ðx0 Þ > 0: Die Steigung der Kurventangente nimmt beim Durchgang durch den Kurvenpunkt P zu, d. h. die Tangente dreht sich im positiven Drehsinn (Gegenuhrzeigersinn). Die Kurve besitzt daher in P Linkskru¨mmung (Bild IV-26). f 00 ðx0 Þ < 0: Die Steigung der Kurventangente nimmt beim Durchgang durch den Kurvenpunkt P ab, d. h. die Tangente dreht sich im negativen Drehsinn (Uhrzeigersinn). Die Kurve besitzt daher in P Rechtskru¨mmung (Bild IV-27). Statt von Links- bzw. Rechtskru¨mmung spricht man ha¨ufig auch von einer konvex bzw. konkav gekru¨mmten Kurve. y
y y = f (x)
y = f (x)
P P y0
f ′′ (x 0 ) > 0
y0 x0
x0
x
Bild IV-26 Zum Begriff der Linkskru¨mmung einer Kurve
f ′′ (x 0 ) < 0 x
Bild IV-27 Zum Begriff der Rechtskru¨mmung einer Kurve
3.3.2 Monotonie Mit Hilfe der 1. Ableitung lassen sich also Aussagen u¨ber das Monotonieverhalten einer in einem Intervall I differenzierbaren Funktion y ¼ f ðxÞ gewinnen. Es gilt die folgende Aussage: y 0 ¼ f 0 ðxÞ > 0
) streng monoton wachsend
y 0 ¼ f 0 ðxÞ < 0
) streng monoton fallend
Fu¨r f 0 ðxÞ 0 verla¨uft die Funktion monoton wachsend, fu¨r f 0 ðxÞ 0 dagegen monoton fallend.
3 Anwendung der Differentialrechnung &
373
Beispiele (1)
Die e-Funktion y ¼ e x ist wegen y 0 ¼ e x > 0 in ihrem gesamten Definitionsbereich streng monoton wachsend, wa¨hrend die Exponentialfunktion y ¼ e x wegen y 0 ¼ e x < 0 u¨berall streng monoton fa¨llt (siehe hierzu auch Bild III-150 in Kap. III). Auch der natu¨rliche Logarithmus y ¼ ln x, x > 0 ist wegen y 0 ¼ 1=x > 0 eine streng monoton wachsende Funktion (siehe hierzu auch Bild III-166 in Kap. III).
(2)
Die Polynomfunktion y ¼ x 3 þ 3 x þ 5 verla¨uft im gesamten Definitionsbereich ðx 2 RÞ streng monoton wachsend: Denn es gilt: y 0 ¼ 3 x 2 þ 3 ¼ 3 ðx 2 þ 1Þ > 0
(3)
ðf u¨ r alle x 2 RÞ
Wir untersuchen das Monotonieverhalten der u¨berall differenzierbaren Funktion y ¼ ð2 2 x x 2 Þ e 1 x Die fu¨r die Untersuchung beno¨tigte 1. Ableitung erhalten wir mit Hilfe der Produkt- und Kettenregel: y 0 ¼ ð 2 2 xÞ e 1 x þ e 1 x ð 1Þ ð2 2 x x 2 Þ ¼ ¼ ð 2 2 x 2 þ 2 x þ x 2 Þ e 1 x ¼ ðx 2 4Þ e 1 x Wegen e 1 x > 0 fu¨r jedes reelle x bestimmt der Faktor x 2 4 das Vorzeichen der 1. Ableitung y 0 und damit das Monotonieverhalten der Funktion. Wir mu¨ssen daher zwei Fa¨lle unterscheiden: 1: Fall :
x2 4 > 0
)
x2 > 4
)
jxj > 2
Die Ableitung y 0 ist hier positiv, die Funktion verla¨uft daher in den Intervallen x < 2 und x > 2 streng monoton wachsend. 2: Fall :
x2 4 < 0
)
x2 < 4
)
jxj < 2
Die Ableitung ist negativ. Im Intervall 2 < x < 2 verla¨uft die Funktion somit streng monoton fallend. An den Stellen x 1=2 ¼ þ 2 verschwindet die 1. Ableitung, die Funktion besitzt hier waagerechte Tangenten (und Extremwerte). Der Verlauf der Kurve ist in Bild IV-28 dargestellt.
374
IV Differentialrechnung y 40 y = ( 2 – 2x – x 2 ) · e 1– x 20
2
Bild IV-28 x
–2
&
3.3.3 Kru¨mmung einer ebenen Kurve Kurvenkru¨mmung In Abschnitt 3.3.1 hatten wir bereits erkannt, dass man mit Hilfe der 2. Ableitung qualitative Aussagen u¨ber das Kru¨mmungsverhalten einer ebenen Kurve y ¼ f ðxÞ in einem Kurvenpunkt P ¼ ðx; yÞ treffen kann. Das Vorzeichen dieser Ableitung entscheidet dabei wie folgt u¨ber die Art der Kurvenkru¨mmung (Links- oder Rechtskru¨mmung, siehe Bild IV-29): y 00 ¼ f 00 ðxÞ > 0
) Linkskru¨mmung
y 00 ¼ f 00 ðxÞ < 0
) Rechtskru¨mmung
Bei Linkskru¨mmung liegen die Tangenten unterhalb, bei Rechtskru¨mmung oberhalb der Kurve. y
y = f (x)
f ′′ (x) > 0
f ′′ (x) < 0
Links-
Rechts-
krümmung
krümmung
Bild IV-29 Kru¨mmungsarten einer Kurve (Links- und Rechtskru¨mmung) x
3 Anwendung der Differentialrechnung
375
Damit wissen wir aber noch nichts u¨ber die Sta¨rke der Kurvenkru¨mmung, d. h. daru¨ber, ob die Kurve in der unmittelbaren Umgebung des betrachteten Kurvenpunktes P stark oder eher schwach vom geradlinigen (tangentialen) Verlauf abweicht. Ein geeignetes quantitatives Maß fu¨r die Sta¨rke der Kurvenkru¨mmung ist die aus der 1. und 2. Ableitung gebildete Gro¨ße j ¼ h
y 00 1 þ ð y 0Þ 2
i 3=2 ¼ h
f 00 ðxÞ 1 þ ½ f 0 ðxÞ 2
ðIV-83Þ
i 3=2
Sie wird als Kru¨mmung der Kurve y ¼ f ðxÞ im Kurvenpunkt P ¼ ðx; yÞ bezeichnet und ist eine Funktion der Koordinate x, d. h. die Kru¨mmung einer Kurve a¨ndert sich (von wenigen Ausnahmen abgesehen) von Kurvenpunkt zu Kurvenpunkt: j ¼ j ðxÞ. Wir fassen zusammen:
Kru¨mmung einer ebenen Kurve (Bild IV-29) Die Kru¨mmung einer ebenen Kurve y ¼ f ðxÞ im Kurvenpunkt P ¼ ðx; yÞ ist ein Maß dafu¨r, wie stark der Kurvenverlauf in der unmittelbaren Umgebung dieses Punktes von einer Geraden abweicht. Sie la¨sst sich in Abha¨ngigkeit von der Abszisse x des Kurvenpunktes P wie folgt berechnen: j ¼ j ðxÞ ¼ h
y 00 1 þ ð y 0Þ 2
i 3=2 ¼ h
f 00 ðxÞ 1 þ ½ f 0 ðxÞ 2
i 3=2
ðIV-84Þ
Das Vorzeichen der Kru¨mmung bestimmt dabei die Art der Kurvenkru¨mmung. Es gilt (siehe Bild IV-29): j > 0
, Linkskru¨mmung
j < 0
, Rechtskru¨mmung
Anmerkungen (1)
Man beachte, dass sich die Kru¨mmung einer Kurve im Allgemeinen von Kurvenpunkt zu Kurvenpunkt a¨ndert. Ausnahmen: Geraden und Kreise (siehe nachfolgende Beispiele).
(2)
Die Kru¨mmung einer Kurve ist ein Maß fu¨r die „ nderungs- oder Wachstumsgeschwindigkeit “ des Steigungswinkels der Kurventangente.
(3)
Eine exakte Definition des Begriffes „Kru¨mmung einer Kurve“ sowie die Herleitung der Berechnungsformel (IV-84) erfolgt in Band 3 im Rahmen der Vektoranalysis (Kapitel I, Abschnitt 1.6).
376 &
IV Differentialrechnung
Beispiele (1)
Fu¨r eine lineare Funktion y ¼ m x þ b gilt y 0 ¼ m, y 00 ¼ 0 und somit nach Formel (IV-84) auch j ¼ 0. Dieses Ergebnis war zu erwarten, da lineare Funktionen bekanntlich geradlinig verlaufen.
(2)
Der Mittelpunktskreis x 2 þ y 2 ¼ r 2 setzt sich aus zwei Halbkreisen mit den Funktionsgleichungen y ¼ þ
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r2 x2 ,
r x r
zusammen (oberer und unterer Halbkreis). pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Oberer Halbkreis: y ¼ r 2 x 2 ¼ ðr 2 x 2 Þ 1=2 Wir bilden zuna¨chst die beno¨tigten Ableitungen y 0 und y 00 mit Hilfe der Kettenregel bzw. der Produkt- und Kettenregel (bei der 2. Ableitung): y0 ¼
1 2 ðr x 2 Þ 1=2 ð 2 xÞ ¼ x ðr 2 x 2 Þ 1=2 2
y 00 ¼ 1 ðr 2 x 2 Þ 1=2
1 2 ðr x 2 Þ 3=2 ð 2 xÞ ð xÞ ¼ 2
¼ ðr 2 x 2 Þ 1=2 x 2 ðr 2 x 2 Þ 3=2 ¼ ¼
¼
1 ðr 2 x 2 Þ 1=2
þ
r2 þ x2 x2 ðr 2
x 2 Þ 3=2
x2 ðr 2 x 2 Þ 3=2 ¼
¼
1 ðr 2 x 2 Þ x 2 ðr 2 x 2 Þ 3=2
¼
r2 ðr 2 x 2 Þ 3=2
(in der vorletzten Zeile haben wir den Hauptnenner gebildet, d. h. den 1. Teilbruch mit r 2 x 2 erweitert). Somit ist 1 þ ð y 0Þ 2 ¼ 1 þ ¼ 1þ
h
x ðr 2 x 2 Þ 1=2 x2
ðr 2
x 2Þ 1
¼
i2
¼ 1 þ x 2 ðr 2 x 2 Þ 1 ¼
1 ðr 2 x 2 Þ þ x 2 r2 ¼ 2 2 2 r x r x2
und weiter
0 2
1 þ ðy Þ
3=2
¼
r2 r2 x2
3=2 ¼
ðr 2 Þ 3=2 ðr 2 x 2 Þ 3=2
¼
r3 ðr 2 x 2 Þ 3=2
3 Anwendung der Differentialrechnung
377
Die Kurvenkru¨mmung betra¨gt damit nach Formel (IV-84) r2 j ¼ h
¼
y 00 1 þ ð y 0Þ 2
i 3=2
¼
ðr 2 x 2 Þ 3=2 r2 ðr 2 x 2 Þ 3=2 ¼ ¼ r3 r3 ðr 2 x 2 Þ 3=2 ðr 2 x 2 Þ 3=2
r2 1 ¼ < 0 r3 r
(grau unterlegte Ausdru¨cke ku¨rzen). Der obere Halbkreis besitzt also konstante Rechtskru¨mmung (siehe Bild IV-30). pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Unterer Halbkreis: y ¼ r 2 x 2 ¼ ðr 2 x 2 Þ 1=2 Eine analoge Rechnung fu¨hrt zu dem Ergebnis j ¼ 1=r > 0. Der untere Halbkreis hat demnach konstante Linkskru¨mmung (siehe Bild IV-30).
y
oberer Halbkreis (Rechtskrümmung)
Bild IV-30 Zur Kru¨mmung eines Kreises –r
r
x
unterer Halbkreis (Linkskrümmung)
Folgerung: Die Ergebnisse sind anschaulich einleuchtend, da beide Halbkreise jeweils von links nach rechts, d. h. in Richtung der positiven x-Achse durchlaufen werden. Wegen j j j ¼ 1=r ¼ const: ist der Kreis eine Kurve mit konstanter Kru¨mmung, das unterschiedliche Vorzeichen fu¨r die Kru¨mmung der beiden Halbkreise kennzeichnet lediglich die Art der Kurvenkru¨mmung (Rechts- bzw. Linkskru¨mmung). (3)
Anhand des Kurvenbildes (Bild IV-31) vermuten wir, dass die logarithmische Funktion y ¼ ln x, x > 0 u¨berall nach rechts gekru¨mmt ist. Diese Vermutung soll auf rechnerischem Wege besta¨tigt werden. Ferner interessieren wir uns fu¨r die Sta¨rke der Kurvenkru¨mmung.
378
IV Differentialrechnung y 2
y = ln x
1
1
2
3
4
5
Bild IV-31 Natu¨rlicher Logarithmus y ¼ ln x, x > 0
x
–1 –2
Lo¨sung: Mit Hilfe der 2. Ableitung la¨sst sich die Art der Kurvenkru¨mmung leicht feststellen: 1 1 , y 00 ¼ 2 < 0 y0 ¼ ðwegen x 2 > 0Þ x x Diese ist stets negativ, die Kurve ist daher in jedem Punkt nach rechts gekru¨mmt (wie vermutet). Die Sta¨rke der Kru¨mmung berechnen wir nach Formel (IV-84). Mit 2 1 1 x2 þ 1 0 2 1 þ ðy Þ ¼ 1 þ ¼ 1þ 2 ¼ x x x2 und somit 3=2 2 3=2 x þ1 ðx 2 þ 1Þ 3=2 ðx 2 þ 1Þ 3=2 ¼ ¼ ¼ 1 þ ð y 0Þ 2 x2 x3 ðx 2 Þ 3=2 erhalten wir fu¨r die Kurvenkru¨mmung in Abha¨ngigkeit von der Koordinate x den folgenden Ausdruck: 1 2 y 00 1 x3 x j ðxÞ ¼ h ¼ ¼ i 3=2 ¼ x 2 ðx 2 þ 1Þ 3=2 ðx 2 þ 1Þ 3=2 1 þ ð y 0Þ 2 x3 x ¼ ðx > 0Þ 2 ðx þ 1Þ 3=2 (4)
Wir bestimmen das Kru¨mmungsverhalten der Kurve y ¼ x e x und speziell die Kru¨mmung im Nullpunkt. Mit den beiden Ableitungen y 0 ¼ 1 e x e x x ¼ ð1 xÞ e x y 00 ¼ 1 e x e x ð1 xÞ ¼ ð 1 1 þ xÞ e x ¼ ðx 2Þ e x die wir jeweils mit Hilfe der Produkt- und Kettenregel erhalten haben, folgt nach Formel (IV-84): j ðxÞ ¼ h
y 00 1 þ ð y 0Þ 2
i 3=2 ¼ h
ðx 2Þ e x 1 þ ð1 xÞ 2 e 2 x
i 3=2
3 Anwendung der Differentialrechnung
379
Das Kru¨mmungsverhalten wird im Wesentlichen durch die 2. Ableitung y 00 bestimmt (der Nenner des Bruches ist stets positiv). Wegen e x > 0 fu¨r jedes reelle x ha¨ngt die Kru¨mmungsart (Links- oder Rechtskru¨mmung) nur vom Vorzeichen des Faktors x 2 im Za¨hler ab. Es dann (Bild IV-32): y 00 > 0
Linkskru¨mmung:
00
x 2 > 0
)
x 2 < 0
)
x > 2
) x < 2 1 pffiffiffiffiffi Im Nullpunkt betra¨gt die Kru¨mmung j ð0Þ ¼ 2 < 0 (Rechtskru¨mmung). 2 Rechtskru¨mmung: y
< 0
)
y = x · e–x
y 0,4 0,2 1
2
3
4
x
Bild IV-32 Kru¨mmungsverhalten der Kurve y ¼ x e x (die Drehpfeile kennzeichnen die Art der Kru¨mmung, d. h. den Drehsinn der Tangente) &
Kru¨mmungskreis Eine ebene Kurve y ¼ f ðxÞ kann in der unmittelbaren Umgebung des Kurvenpunktes P ¼ ðx; yÞ durch einen speziellen Kreis, den sog. Kru¨mmungskreis, angena¨hert werden (Bild IV-33). Dabei gilt: Kurve und Kru¨mmungskreis haben im Beru¨hrungspunkt P eine gemeinsame Tangente und dieselbe Kru¨mmung, d. h. sie stimmen in P in ihren ersten beiden Ableitungen u¨berein (sog. Beru¨hrung 2. Ordnung). y Tangente
Normale
y = f (x)
P
r
M
Bild IV-33 Kru¨mmungskreis einer Kurve im Kurvenpunkt P
Krümmungskreis x
380
IV Differentialrechnung
Der Radius r des Kru¨mmungskreises wird als Kru¨mmungsradius bezeichnet und ist der Kehrwert des Betrages der Kurvenkru¨mmung: h r ¼
1 ¼ jj j
1 þ ð y 0Þ 2
i 3=2 ðIV-85Þ
j y 00 j
Der Mittelpunkt M des Kru¨mmungskreises, auch Kru¨mmungsmittelpunkt genannt, liegt dabei auf der Kurvennormale des Punktes P. Wir fassen zusammen und erga¨nzen: Kru¨mmungskreis einer Kurve (Bild IV-33) Der Kru¨mmungskreis einer Kurve y ¼ f ðxÞ im Kurvenpunkt P ¼ ðx; yÞ beru¨hrt die Kurve dort von 2. Ordnung (gemeinsame Tangente, dieselbe Kru¨mmung). Der Kru¨mmungsradius betra¨gt h i 3=2 1 þ ð y 0Þ 2 1 ¼ r ¼ ðIV-86Þ jj j j y 00 j Die Koordinaten x 0 und y 0 des Kru¨mmungsmittelpunktes M ko¨nnen aus den folgenden Gleichungen berechnet werden: x0 ¼ x y 0
1 þ ð y 0Þ 2 , y 00
y0 ¼ y þ
1 þ ð y 0Þ 2 y 00
ðIV-87Þ
Dabei bedeuten: x, y: 0
Koordinaten des Kurvenpunktes P 00
y , y : 1. bzw. 2. Ableitung von y ¼ f ðxÞ in P Anmerkungen (1)
Der Kru¨mmungskreis ist derjenige Kreis, der sich in der Umgebung des Beru¨hrungspunktes (Kurvenpunktes) P optimal an die Kurve anschmiegt. Er ist (von Ausnahmen abgesehen) von Kurvenpunkt zu Kurvenpunkt verschieden.
(2)
Der Kru¨mmungsradius r ist eine Funktion der Koordinate x des Kurvenpunktes P: r ¼ r ðxÞ.
(3)
Der Kru¨mmungsmittelpunkt liegt stets auf der Kurvennormale des Beru¨hrungspunktes P.
(4)
Sonderfa¨lle Gerade: Es ist j ¼ 0 und somit r ¼ 1. Die Gerade kann daher als ein Kreis mit einem unendlich großen Radius aufgefasst werden. Kreis:
Es ist j j j ¼ 1=r und somit r ¼ r ¼ const:. Kreis und Kru¨mmungskreis sind daher in jedem Punkt identisch.
3 Anwendung der Differentialrechnung (5)
&
381
Die Verbindungslinie aller Kru¨mmungsmittelpunkte einer Kurve heißt Evolute, die Kurve selbst wird in diesem Zusammenhang als Evolvente bezeichnet. Die Gleichungen (IV-87) beschreiben die Abha¨ngigkeit der Koordinaten x 0 und y 0 des Kru¨mmungsmittelpunktes M von der Abszisse x des (laufenden) Kurvenpunktes P und bilden somit eine Parameterdarstellung der zur Kurve y ¼ f ðxÞ geho¨renden Evolute (Kurvenparameter ist die Koordinate x).
Beispiel Wir bestimmen den Kru¨mmungskreis der Kettenlinie mit der Gleichung y ¼ cosh x im tiefsten Kurvenpunkt P ¼ ð0; 1Þ. Die dabei beno¨tigten Ableitungen lauten: y 0 ¼ sinh x ,
y 00 ¼ cosh x
Damit erhalten wir fu¨r den Kru¨mmungsradius in Abha¨ngigkeit von der Koordinate x den folgenden allgemeinen Ausdruck, wobei wir von der hyperbolischen Beziehung cosh 2 x sinh 2 x ¼ 1 Gebrauch machen: r ðxÞ ¼ ¼
½ 1 þ ðy 0 Þ 2 3=2 ½ 1 þ sinh 2 x 3=2 ½ cosh 2 x 3=2 ¼ ¼ ¼ j y 00 j cosh x cosh x cosh 3 x ¼ cosh 2 x cosh x
Im Kurvenpunkt P ¼ ð0; 1Þ gilt dann: r ð0Þ ¼ cosh 2 0 ¼ 1 2 ¼ 1 Der Kru¨mmungsmittelpunkt M liegt bekanntlich auf der Kurvennormale, hier also wegen der Achsensymmetrie der Kettenlinie auf der y-Achse und zwar im Abstand r ð0Þ ¼ 1 oberhalb des Punktes P. Die Koordinaten von M besitzen daher die Werte x 0 ¼ 0 und y 0 ¼ 2 (siehe Bild IV-34). Dieses Ergebnis liefern uns auch die Gleichungen (IV-87). y
4 3
2
y = cosh x
M
1 P
Bild IV-34 –2
–1
1
2
x
&
382
IV Differentialrechnung
3.4 Charakteristische Kurvenpunkte 3.4.1 Relative oder lokale Extremwerte Wir bescha¨ftigen uns jetzt mit jenen Stellen, in denen eine Funktion y ¼ f ðxÞ einen gro¨ßten bzw. kleinsten Funktionswert, bezogen auf die unmittelbare beidseitige Umgebung, annimmt. Definition: Eine Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x 0 ein relatives Maximum bzw. ein relatives Minimum, wenn in einer gewissen Umgebung von x 0 stets f ðx 0 Þ > f ðxÞ
bzw:
f ðx 0 Þ < f ðxÞ
ðIV-88Þ
ist ðx 6¼ x0 Þ. So besitzt beispielsweise die in Bild IV-35 skizzierte Funktion in x 1 und x 3 jeweils ein relatives Maximum, an den Stellen x 2 und x 4 dagegen jeweils ein relatives Minimum (eingezeichnet ist ferner die jeweilige Kurventangente).
y Max
Max y = f (x)
Min x4 x1
x2
x3
x
Min
Bild IV-35 Zum Begriff eines relativen Extremwertes
Anmerkungen (1)
Die relativen Maxima und Minima einer Funktion werden unter dem Sammelbegriff „Relative Extremwerte“ zusammengefasst.
(2)
Ein relativer Extremwert wird auch als lokaler Extremwert bezeichnet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die extreme Lage im Allgemeinen nur in der unmittelbaren Umgebung, d. h. lokal angenommen wird.
3 Anwendung der Differentialrechnung
383
(3)
Die den relativen Maxima bzw. Minima entsprechenden Kurvenpunkten werden als Hoch- bzw. Tiefpunkte bezeichnet.
(4)
Relative Extremwerte sind nur im Innern eines Intervalls mo¨glich, nicht aber in den Randpunkten.
(5)
Eine Funktion kann durchaus mehrere relative Maxima und Minima besitzen. So hat beispielsweise die Sinusfunktion y ¼ sin x infolge ihrer Periodizita¨t sogar unendlich viele relative Maxima und Minima (Bild IV-36). Sie liegen an den Stellen 9 p > þ k 2p ðRelative MaximaÞ > xk ¼ = 2 ðk 2 ZÞ > 3 ; xk ¼ p þ k 2 p ðRelative MinimaÞ > 2 y Max
Max
Max
1 – –
p
3 p 2
2
p
3 p 2
5 p 2
2
x
–1 Min
Min
Bild IV-36 Die Sinusfunktion y ¼ sin x als Beispiel fu¨r eine Funktion mit unendlich vielen relativen Extremwerten
Bei einer differenzierbaren Funktion verla¨uft die Kurventangente in einem Extremum stets waagerecht (vgl. Bild IV-35). So ist beispielsweise in einem relativen Minimum x 0 die Steigung der linksseitigen Sekante nie positiv, die Steigung der rechtsseitigen Sekante dagegen nie negativ. Beim Grenzu¨bergang fallen links- und rechtsseitige Sekante in die gemeinsame Tangente, deren Steigung daher der Bedingung 0 f 0 ðx 0 Þ 0 genu¨gt, woraus unmittelbar f 0 ðx 0 Þ ¼ 0 folgt. Wir ko¨nnen damit das folgende notwendige Kriterium fu¨r einen relativen Extremwert formulieren:
Notwendige Bedingung fu¨r einen relativen Extremwert (Bild IV-35) Eine differenzierbare Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt in einem relativen Extremum x 0 stets eine waagerechte Tangente. Die Bedingung f 0 ðx 0 Þ ¼ 0 ist daher eine notwendige Voraussetzung fu¨r die Existenz eines relativen Extremwertes an der Stelle x 0 . Dieses Kriterium ist zwar notwendig, jedoch keinesfalls hinreichend. Mit anderen Worten: In einem Hoch- oder Tiefpunkt verla¨uft die Kurventangente stets waagerecht, jedoch ist nicht jeder Kurvenpunkt mit waagerechter Tangente ein Extremwert, wie das folgende Beispiel zeigt.
384 &
IV Differentialrechnung
Beispiel Die kubische Parabel y ¼ x 3 besitzt im Nullpunkt P ¼ ð0; 0Þ zwar eine waagerechte Tangente, denn es ist f 0 ð0Þ ¼ 0, jedoch keinen Extremwert. Wegen der Punktsymmetrie der Kurve liegen alle Kurvenpunkte mit x > 0 oberhalb, alle Punkte mit x < 0 jedoch unterhalb der x-Achse. In jeder noch so kleinen Umgebung des Nullpunktes gibt es daher Kurvenpunkte mit positiver und solche mit negativer Ordinate (Bild IV-37). y y=x3 1
Bild IV-37 Kubische Parabel y ¼ x 3 –1
P
x
1
–1
&
Die Bedingung y 0 ¼ 0 reicht daher fu¨r die Existenz eines relativen Extremwertes nicht aus. Eine Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt jedoch mit Sicherheit in x 0 ein relatives Maximum bzw. relatives Minimum, wenn die dortige Kurventangente waagerecht verla¨uft und die Kurve an dieser Stelle Rechts- bzw. Linkskru¨mmung besitzt (vgl. hierzu Bild IV-35). Dies ist der Fall, wenn an der Stelle x 0 die 1. Ableitung verschwindet und zugleich die 2. Ableitung entweder kleiner oder gro¨ßer als Null und somit ungleich Null ist. Diese berlegungen fu¨hren schließlich zu dem folgenden hinreichenden Kriterium fu¨r relative Extremwerte bei einer (mindestens) zweimal differenzierbaren Funktion:
Hinreichende Bedingungen fu¨r einen relativen Extremwert (Bild IV-35) Eine (mindestens) zweimal differenzierbare Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x 0 mit Sicherheit einen relativen Extremwert, wenn die Bedingungen f 0 ðx 0 Þ ¼ 0
und
f 00 ðx 0 Þ 6¼ 0
ðIV-89Þ
erfu¨llt sind. Fu¨r f 00 ðx 0 Þ > 0 liegt dabei ein relatives Minimum vor, fu¨r f 00 ðx 0 Þ < 0 dagegen ein relatives Maximum.
3 Anwendung der Differentialrechnung &
385
Beispiele (1)
Die Normalparabel y ¼ x 2 besitzt in x 0 ¼ 0 ein relatives (und sogar absolutes) Minimum (siehe Bild IV-38; absolutes Minimum ¼ kleinster Funktionswert im gesamten Definitionsbereich): y0 ¼ 2x,
y ¼ x2 , y 0 ð0Þ ¼ 0 ,
y 00 ¼ 2
y 00 ð0Þ ¼ 2 > 0
)
Relatives Maximum in ð0; 0Þ
y y=x2
Bild IV-38 Normalparabel y ¼ x 2 Min
(2)
x
x2 . Dazu beno¨Wir bestimmen die relativen Extremwerte der Funktion y ¼ 1 þ x2 tigen wir die ersten beiden Ableitungen: y0 ¼
y 00 ¼
¼
2 x ð1 þ x 2 Þ 2 x x 2 ð1 þ
x 2Þ 2
¼
2x þ 2x3 2x3 ð1 þ x 2 Þ 2
2 ð1 þ x 2 Þ 2 2 ð1 þ x 2 Þ ð2 xÞ 2 x ð1 þ x 2 Þ 4 ð1 þ x 2 Þ ½ 2 ð1 þ x 2 Þ 8 x 2 ð1 þ
x 2Þ 4
¼
¼
2x ð1 þ x 2 Þ 2
¼
2 þ 2x2 8x2 ð1 þ
x 2Þ 3
¼
2 6x2 ð1 þ x 2 Þ 3
Diese Ableitungen wurden gebildet mit Hilfe der Quotientenregel bzw. der Quotienten- und Kettenregel (bei der 2. Ableitung). Aus der fu¨r relative Extremwerte notwendigen Bedingung y 0 ¼ 0 berechnen wir zuna¨chst die Stellen mit einer waagerechten Kurventangente: y0 ¼ 0
)
2x ð1 þ x 2 Þ 2
¼ 0
)
2x ¼ 0
)
x1 ¼ 0 , y1 ¼ 0
Der Kurvenpunkt (0; 0) ist ein Tiefpunkt, da die Kurve an dieser Stelle Linkskru¨mmung besitzt: y 00 ð0Þ ¼
20 ð1 þ 0Þ 3
¼ 2 > 0
)
Minimum in ð0; 0Þ
Der Verlauf der Kurve ist in Bild IV-39 skizziert.
386
IV Differentialrechnung y 1 y= –1
Bild IV-39 Funktionsgraph von y ¼
(3)
x2 1+x2 x
1
x2 1 þ x2
Wo liegen die relativen Extremwerte der Funktion y ¼ x 2 e 0,5 x ? Lo¨sung: Zuna¨chst bilden wir mit Hilfe der Produkt- und Kettenregel die beno¨tigten Ableitungen y 0 und y 00 : y 0 ¼ 2 x e 0,5 x 0,5 e 0,5 x x 2 ¼ ð2 x 0,5 x 2 Þ e 0,5 x y 00 ¼ ð2 xÞ e 0,5 x 0,5 e 0,5 x ð2 x 0,5 x 2 Þ ¼ ¼ ð2 x x þ 0,25 x 2 Þ e 0,5 x ¼ ð0,25 x 2 2 x þ 2Þ e 0,5 x Aus der notwendigen Bedingung y 0 ¼ 0 folgt dann wegen e 0,5 x 6¼ 0: ð2 x 0,5 x 2 Þ e 0,5 x ¼ 0
)
2 x 0,5 x 2 ¼ 0
)
)
x ð2 0,5 xÞ ¼ 0
)
)
x 1 ¼ 0,
x2 ¼ 4
An diesen Stellen besitzt die Kurve somit waagerechte Tangenten. Die zugeho¨rigen Ordinatenwerte sind y 1 ¼ 0 und y 2 ¼ 2,165. Wir setzen jetzt die gefundenen x-Werte in die 2. Ableitung ein und pru¨fen, ob die hinreichende Bedingung fu¨r einen relativen Extremwert erfu¨llt ist: y 00 ðx 1 ¼ 0Þ ¼ 2 e 0 ¼ 2 1 ¼ 2 > 0
)
Relatives Minimum
)
Relatives Maximum
y 00 ðx 2 ¼ 4Þ ¼ ð4 8 þ 2Þ e 2 ¼ ¼ 2 e 2 ¼ 0,271 < 0
Die Funktionskurve besitzt daher einen Tiefpunkt in (0; 0) und einen Hochpunkt in (4; 2,165). Ihr Verlauf ist in Bild IV-40 skizziert.
3 Anwendung der Differentialrechnung
387
y Max y = x 2· e – 0,5x
1
–1
Min
1
4
x
Bild IV-40 Funktionsgraph von y ¼ x 2 e 0,5 x
(4)
f ðxÞ sei eine Polynomfunktion vom Grade n mit einer doppelten Nullstelle an der Stelle x 0 . Wir zeigen, dass f ðxÞ an dieser Stelle einen relativen Extremwert besitzt. Die Polynomfunktion ist wegen der doppelten Nullstelle in der Form f ðxÞ ¼ ðx x 0 Þ 2 g ðxÞ
mit
g ðx 0 Þ 6¼ 0
darstellbar, wobei g ðxÞ eine Polynomfunktion vom Grade n 2 ist (siehe hierzu auch Kap. III, Abschnitt 5.4). Die beno¨tigten ersten beiden Ableitungen f 0 ðxÞ und f 00 ðxÞ erhalten wir unter Verwendung der Produkt- und Kettenregel: f 0 ðxÞ ¼ 2 ðx x 0 Þ g ðxÞ þ ðx x 0 Þ 2 g 0 ðxÞ f 00 ðxÞ ¼ 2 g ðxÞ þ 2 ðx x 0 Þ g 0 ðxÞ þ 2 ðx x 0 Þ g 0 ðxÞ þ þ ðx x 0 Þ 2 g 00 ðxÞ ¼ ¼ 2 g ðxÞ þ 4 ðx x 0 Þ g 0 ðxÞ þ ðx x 0 Þ 2 g 00 ðxÞ An der Stelle x 0 gilt dann: f 0 ðx 0 Þ ¼ 2 0 g ðx 0 Þ þ 0 2 g 0 ðx 0 Þ ¼ 0 f 00 ðx 0 Þ ¼ 2 g ðx 0 Þ þ 4 0 g 0 ðx 0 Þ þ 0 2 g 00 ðx 0 Þ ¼ 2 g ðx 0 Þ 6¼ 0 |fflffl{zfflffl} 6¼ 0 Die hinreichende Bedingung fu¨r einen relativen Extremwert ist somit erfu¨llt. Fu¨r g ðx 0 Þ > 0 erha¨lt man ein relatives Minimum, fu¨r g ðx 0 Þ < 0 ein relatives Maximum (siehe hierzu Bild IV-41), gezeichnet fu¨r g ðx 0 Þ > 0Þ: Tiefpunkt f u¨ r g ðx 0 Þ > 0 ðx 0 ; 0Þ Hochpunkt f u¨ r g ðx 0 Þ < 0
388
IV Differentialrechnung y
Bild IV-41 Polynom mit einer doppelten Nullstelle bei x 0 x0
x &
3.4.2 Wendepunkte, Sattelpunkte Von Bedeutung sind auch jene Kurvenpunkte, in denen sich der Drehsinn der Kurventangente a¨ndert. Sie werden als Wendepunkte bezeichnet. Definitionen: (1) Kurvenpunkte, in denen sich der Drehsinn der Tangente a¨ndert, heißen Wendepunkte (Bild IV-42). (2) Wendepunkte mit waagerechter Tangente werden als Sattelpunkte bezeichnet (Bild IV-43).
y
y f ′′ (x) < 0
f ′′ > 0
f ′′ (x) > 0
y = f (x)
y=x3
1
W Wendetangente
–1
1 Sattelpunkt
x
–1
f ′′ < 0 x0
Bild IV-42 Zum Begriff des Wendepunktes (der Drehpfeil charakterisiert den Drehsinn der Tangente)
x
Bild IV-43 Zum Begriff des Sattelpunktes (am Beispiel der kubischen Parabel)
In den Wendepunkten einer Funktion findet demnach eine nderung der Kru¨mmungsart statt: Die Kurve geht dabei von einer Rechtskurve in eine Linkskurve u¨ber oder umgekehrt (siehe Bild IV-42). Daher ist in solchen Punkten notwendigerweise y 00 ¼ 0.
3 Anwendung der Differentialrechnung
389
Diese Bedingung reicht jedoch nicht aus. Mit Sicherheit liegt ein Wendepunkt erst dann vor, wenn die 2. Ableitung an der betreffenden Stelle ihr Vorzeichen a¨ndert. Dies aber ist genau dann der Fall, wenn die Ableitung von y 00 , also die 3. Ableitung y 000 an dieser Stelle einen von Null verschiedenen Wert annimmt. Wir fassen diese Aussagen wie folgt zusammen:
Hinreichende Bedingungen fu¨r einen Wendepunkt (Bild IV-42) Eine (mindestens) dreimal differenzierbare Funktion y ¼ f ðxÞ besitzt an der Stelle x 0 einen Wendepunkt, wenn dort die Bedingungen f 00 ðx 0 Þ ¼ 0
und
f
000
ðx 0 Þ 6¼ 0
ðIV-90Þ
erfu¨llt sind.
Anmerkungen (1)
In einem Wendepunkt verschwindet die 2. Ableitung und damit auch die Kurvenkru¨mmung j (notwendige Bedingung fu¨r einen Wendepunkt).
(2)
Die in einem Wendepunkt errichtete Tangente heißt Wendetangente (siehe hierzu Bild IV-42).
(3)
Ein Wendepunkt mit waagerechter Tangente wird als Sattel- oder Terrassenpunkt bezeichnet. Ein solcher Punkt liegt vor, wenn an der Stelle x 0 die folgenden (hinreichenden) Bedingungen erfu¨llt sind: f 0 ðx 0 Þ ¼ 0 ,
&
f 00 ðx 0 Þ ¼ 0
und
f
000
ðx 0 Þ 6¼ 0
ðIV-91Þ
Beispiele (1)
Bei den trigonometrischen Funktionen fallen die Wendepunkte mit den jeweiligen Nullstellen zusammen (siehe hierzu die Bilder III-112, III-113 und III-114). Wir fu¨hren den Nachweis fu¨r die Sinusfunktion y ¼ sin x, beschra¨nken uns dabei auf das Periodenintervall 0 x < 2 p : y 0 ¼ cos x , y 00 ¼ 0
)
y 00 ¼ sin x , sin x ¼ 0
)
y 000 ¼ cos x sin x ¼ 0
)
x 1 ¼ 0, x 2 ¼ p
y 000 ðx 1 ¼ 0Þ ¼ cos 0 ¼ 1 6¼ 0 y 000 ðx 2 ¼ pÞ ¼ cos p ¼ ð 1Þ ¼ 1 6¼ 0 Die hinreichende Bedingung y 00 ¼ 0, y 000 6¼ 0 ist in den Nullstellen x 1 ¼ 0 und x 2 ¼ p erfu¨llt, die Behauptung damit bewiesen (siehe hierzu auch Bild IV-44).
390
IV Differentialrechnung y 1 W
y = sin x
W
W
–π
W
π
W 2π
3π
x
–1
Bild IV-44 Wendepunkte der Sinusfunktion y ¼ sin x
(2)
2 Behauptung: Die Funktion y ¼ x 3 þ 2 x 2 2 x þ 2 besitzt an der Stelle 3 x 0 ¼ 1 einen Sattelpunkt. Beweis: Wir zeigen, dass die folgenden Bedingungen erfu¨llt sind: y 0 ð1Þ ¼ 0 ,
y 00 ð1Þ ¼ 0
und
y 000 ð1Þ 6¼ 0
Denn es gilt: y0 ¼ 2x2 þ 4x 2
)
y 0 ð1Þ ¼ 0
y 00 ¼ 4 x þ 4
)
y 00 ð1Þ ¼ 0
y 000 ¼ 4
)
y 000 ð1Þ ¼ 4 6¼ 0
)
waagerechte Tangente ) )
Wendepunkt
Die Funktion besitzt somit an der Stelle x 0 ¼ 1 einen Wendepunkt mit waagerechter Tangente, d. h. also einen Sattelpunkt (die Ordinate ist y 0 ¼ 4=3). Damit ist die Behauptung bewiesen (siehe auch Bild IV-45). y
Sattelpunkt
2
Tangente
Bild IV-45 1
(3)
x
Wo besitzt die Funktion y ¼ ðx 2 xÞ e x Wendepunkte bzw. Sattelpunkte? Lo¨sung: Mit Hilfe der Produkt- und Kettenregel erhalten wir die fu¨r die Untersuchung beno¨tigten ersten drei Ableitungen: y 0 ¼ ð2 x 1Þ e x þ e x ð 1Þ ðx 2 xÞ ¼ ¼ ð2 x 1 x 2 þ xÞ e x ¼ ð x 2 þ 3 x 1Þ e x
3 Anwendung der Differentialrechnung
391
y 00 ¼ ð 2 x þ 3Þ e x þ e x ð 1Þ ð x 2 þ 3 x 1Þ ¼ ¼ ð 2 x þ 3 þ x 2 3 x þ 1Þ e x ¼ ðx 2 5 x þ 4Þ e x y 000 ¼ ð2 x 5Þ e x þ e x ð 1Þ ðx 2 5 x þ 4Þ ¼ ¼ ð2 x 5 x 2 þ 5 x 4Þ e x ¼ ð x 2 þ 7 x 9Þ e x Aus der fu¨r Wendepunkte notwendigen Bedingung y 00 ¼ 0 folgt dann wegen e x 6¼ 0: y 00 ¼ 0
)
x2 5x þ 4 ¼ 0
)
x1 ¼ 1 ,
x2 ¼ 4
Die 3. Ableitung ist an diesen Stellen von Null verschieden: y 000 ðx 1 ¼ 1Þ ¼ ð 1 þ 7 9Þ e 1 ¼ 3 e 1 6¼ 0 y 000 ðx 2 ¼ 4Þ ¼ ð 16 þ 28 9Þ e 4 ¼ 3 e 4 6¼ 0 Es handelt sich also um Wendepunkte. Sie lauten: W 1 ¼ ð1; 0Þ
und
W 2 ¼ ð4; 0,22Þ
Es sind jedoch keine Sattelpunkte, da die Wendetangenten nicht parallel zur x-Achse verlaufen: y 0 ðx 1 ¼ 1Þ ¼ ð 1 þ 3 1Þ e 1 ¼ e 1 6¼ 0 y 0 ðx 2 ¼ 4Þ ¼ ð 16 þ 12 1Þ e 4 ¼ 5 e 4 6¼ 0 Bild IV-46 zeigt den Verlauf der Kurve mit den beiden Wendepunkten (W 1 fa¨llt mit der Nullstelle bei 1 zusammen).
y 1
0,6
y = (x 2 – x) · e – x W2
0,2
Bild IV-46 W1
2
3
4
5
x &
392
IV Differentialrechnung
3.4.3 Erga¨nzungen Die Bestimmung der relativen Extremwerte einer Funktion y ¼ f ðxÞ erfolgte bisher nach dem folgenden Schema: 1. Zuna¨chst werden aus der notwendigen Bedingung f 0 ðxÞ ¼ 0 alle Stellen mit einer waagerechten Tangente ermittelt. 2. Dann pru¨ft man anhand der 2. Ableitung, wie sich die Kurvenkru¨mmung in diesen Punkten verha¨lt und ob das hinreichende Kriterium fu¨r relative Extremwerte, d. h. die Bedingungen (IV-89) erfu¨llt sind. In einigen Fa¨llen jedoch versagt dieses Verfahren, wenn na¨mlich an der betreffenden Stelle x 0 neben der 1. Ableitung auch die 2. Ableitung verschwindet, also f 0 ðx 0 Þ ¼ 0 und f 00 ðx 0 Þ ¼ 0 gilt. Jetzt pru¨ft man, ob an dieser Stelle vielleicht ein Sattelpunkt vorliegt. Dies ist der Fall, wenn f 000 ðx 0 Þ 6¼ 0 ist. Verschwindet jedoch auch die 3. Ableitung an der Stelle x 0 , so muss man auf das folgende allgemeine Kriterium zuru¨ckgreifen, das wir hier ohne Beweis anfu¨hren:
Allgemeines Kriterium fu¨r einen relativen Extremwert Eine Funktion y ¼ f ðxÞ besitze an der Stelle x 0 eine waagerechte Tangente, d. h. es gelte also f 0 ðx 0 Þ ¼ 0. Die na¨chstfolgende an dieser Stelle nichtverschwindende Ableitung sei die n-te Ableitung f ðnÞ ðx 0 Þ (mit n > 1Þ. Dann besitzt die Funktion an der Stelle x 0 einen relativen Extremwert, falls die Ordnung n dieser Ableitung gerade ist und zwar ein relatives Minimum f u¨ r
f ðnÞ ðx 0 Þ > 0
ein relatives Maximum f u¨ r
f ðnÞ ðx 0 Þ < 0
ðIV-92Þ
Ist die Ordnung n jedoch ungerade, so besitzt die Funktion an der Stelle x 0 einen Sattelpunkt.
&
Beispiele (1)
Wir zeigen, dass die Funktion y ¼ x 4 an der Stelle x 0 ¼ 0 einen relativen (und sogar absoluten) Extremwert besitzt: y0 ¼ 4x3
)
y 0 ð0Þ
y 00 ¼ 12 x 2
)
y 00 ð0Þ ¼ 0
y 000 ¼ 24 x
)
y 000 ð0Þ ¼ 0
y ð4Þ ¼ 24
)
y ð4Þ ð0Þ ¼ 24 6¼ 0
¼ 0
ðwaagerechte TangenteÞ
Die auf y 0 na¨chstfolgende an der Stelle x 0 ¼ 0 nichtverschwindende Ableitung y ð4Þ ist von vierter und damit gerader Ordnung. Daher hat die Funktion an dieser
3 Anwendung der Differentialrechnung
393
Stelle einen relativen Extremwert und zwar wegen y ð4Þ ð0Þ ¼ 24 > 0 ein relatives Minimum (Bild IV-47). y
y y=x5 y=x
4
1 1
1
–1 –1
1
x
x
Sattelpunkt
Tiefpunkt
–1
Bild IV-47 Funktionsgraph von y ¼ x 4
Bild IV-48 Funktionsgraph von y ¼ x 5
(2)
Besitzt die Funktion y ¼ x 5 relative Extremwerte? Um diese Frage zu beantworten, bestimmen wir zuna¨chst alle Stellen mit einer waagerechten Tangente: y 0 ¼ 5 x4 y0 ¼ 0
)
5 x4 ¼ 0
)
x1 ¼ 0
Die Ordnung der na¨chsten, an der Stelle x 1 ¼ 0 nichtverschwindenden Ableitung entscheidet daru¨ber, ob ein relativer Extremwert oder ein Sattelpunkt vorliegt: y 00 ¼ 20 x 3
)
y 00 ð0Þ ¼
0
y 000 ¼ 60 x 2
)
y 000 ð0Þ ¼
0
y ð4Þ ¼ 120 x
)
y ð4Þ ð0Þ ¼
0
y
ð5Þ
¼ 120
)
y
ð5Þ
ð0Þ ¼ 120 6¼ 0
Erst die 5. Ableitung besitzt fu¨r x 1 ¼ 0 einen von Null verschiedenen Wert. Die Ordnung dieser Ableitung ist ungerade, die Funktion y ¼ x 5 besitzt somit an der Stelle x 1 ¼ 0 einen Sattelpunkt. Relative Extremwerte sind bei dieser Funktion nicht vorhanden (siehe hierzu Bild IV-48). &
394
IV Differentialrechnung
3.5 Extremwertaufgaben In zahlreichen Anwendungen stellt sich das folgende Problem: Von einer vorgegebenen Funktion y ¼ f ðxÞ ist der gro¨ßte (bzw. der kleinste) Funktionswert in einem gewissen Intervall I zu bestimmen 4Þ . Problemstellungen dieser Art werden als Extremwertaufgaben bezeichnet. Bei der Lo¨sung einer solchen Aufgabe geht man so vor, dass man zuna¨chst mit Hilfe der Differentialrechnung die im Innern des Intervalls gelegenen relativen Extremwerte berechnet. Das gesuchte absolute Maximum (oder absolute Minimum) kann aber auch in einem Randpunkt des Intervalls I liegen (vgl. hierzu das nachfolgende Beispiel (3)). Durch einen Vergleich der Randwerte mit den im Intervallinnern gelegenen relativen Extremwerten erha¨lt man die Lo¨sung der gestellten Aufgabe.
Lo¨sungsverfahren fu¨r Extremwertaufgaben Von einer zweimal differenzierbaren Funktion y ¼ f ðxÞ la¨sst sich der gro¨ßte (bzw. der kleinste) Wert in einem vorgegebenen Intervall I wie folgt bestimmen: 1. Zuna¨chst werden mit Hilfe der Differentialrechnung die im Innern des Intervalls I liegenden relativen Maxima (bzw. relativen Minima) berechnet. 2. Durch Vergleich dieser Werte mit den Funktionswerten in den Randpunkten des Intervalls erha¨lt man den gesuchten gro¨ßten (oder kleinsten) Wert der Funktion y ¼ f ðxÞ im Intervall I.
Anmerkungen (1)
Bei einem offenen Intervall kann der gesuchte gro¨ßte bzw. kleinste Wert nur im Innern des Intervalles I liegen (er ist dann einer der relativen Extremwerte).
(2)
Die Funktion y ¼ f ðxÞ, deren absolutes Maximum bzw. Minimum im Intervall I bestimmt werden soll, heißt in diesem Zusammenhang auch Zielfunktion.
(3)
Bei zahlreichen Extremwertaufgaben ist die Gleichung der Zielfunktion y ¼ f ðxÞ zuna¨chst noch unbekannt und muss daher erst aufgestellt werden. Dabei kann der Fall eintreten, dass die Gro¨ße y von mehr als einer Variablen abha¨ngt. Diese Variablen sind jedoch nicht unabha¨ngig voneinander, sondern durch sog. Nebenoder Kopplungsbedingungen miteinander verknu¨pft. Das Aufstellen der Nebenbedingungen ist dann oft das eigentliche Problem bei der Lo¨sung einer Extremwertaufgabe. Man findet diese Bedingungen ha¨ufig durch Anwendung elementarer geometrischer Lehrsa¨tze (wie z. B. Satz des Pythagoras, Strahlensa¨tze, Ho¨hensatz). Mit Hilfe der Nebenbedingungen la¨sst sich dann die Gro¨ße y als eine nur noch von der einen Variablen x abha¨ngige Funktion y ¼ f ðxÞ darstellen (siehe hierzu auch das nachfolgende Beispiel (4)).
4)
Der gro¨ßte (bzw. kleinste) Wert einer Funktion in einem Intervall wird auch als absolutes Maximum (bzw. absolutes Minimum) bezeichnet.
3 Anwendung der Differentialrechnung &
395
Beispiele (1)
Problemstellung: Einem Quadrat mit der vorgegebenen Seitenla¨nge a ist ein Rechteck mit gro¨ßtem Fla¨cheninhalt einzubeschreiben (Bild IV-49). Die Rechteckseiten sollen dabei parallel zu den Fla¨chendiagonalen des Quadrates verlaufen. x
a–x
I
a /2
a /2
III
a
a
A
IV
A max
II
Bild IV-49
a
Bild IV-50
Lo¨sung: Offensichtlich gibt es unendlich viele Mo¨glichkeiten, dem vorgegebenen Quadrat ein Rechteck einzubeschreiben. In Bild IV-49 ist ein solches Rechteck dargestellt (grau unterlegt). Zielgro¨ße ist dabei der Fla¨cheninhalt A des einbeschriebenen Rechteckes in Abha¨ngigkeit von der (eingezeichneten) Strecke x. Diese Funktion bestimmen wir wie folgt: Vom Quadrat mit dem Fla¨cheninhalt a 2 ziehen wir die Fla¨chen der vier Dreiecke I, II, III und IV ab. Die Dreiecke I und II erga¨nzen sich dabei zu einem Quadrat vom Fla¨cheninhalt x 2 , ebenso die Dreiecke III und IV zu einem Quadrat vom Fla¨cheninhalt ða xÞ 2 . Daher gilt: A ðxÞ ¼ a 2 x 2 ða xÞ 2 ¼ a 2 x 2 a 2 þ 2 a x x 2 ¼ ¼ 2ax 2x2 Wir ermitteln jetzt das im offenen Intervall 0 < x < a gelegene absolute Maximum dieser Fla¨chenfunktion 5) : A 0 ðxÞ ¼ 2 a 4 x , A 0 ðxÞ ¼ 0
)
A 00 ¼ 4
2a 4x ¼ 0
)
x 1 ¼ a=2
A 00 ðx 1 ¼ a=2Þ ¼ 4 < 0 Die hinreichende Bedingung fu¨r ein Maximum ist somit fu¨r den Wert x 1 ¼ a=2 erfu¨llt. Lo¨sung der gestellten Aufgabe ist demnach ein Quadrat vom Fla¨cheninhalt A ðx 1 ¼ a=2Þ ¼ a 2 =2, dessen Ecken auf den Seitenmitten des gegebenen Quadrates liegen (Bild IV-50). Dieses spezielle Rechteck (Quadrat) besitzt im Vergleich zu allen anderen mo¨glichen Rechtecken den gro¨ßten Fla¨cheninhalt. 5)
Die speziellen Werte x ¼ 0 bzw. x ¼ a kommen als Lo¨sungen nicht in Frage, da in diesen Fa¨llen das Rechteck entartet ist (eine der beiden Seiten hat dann jeweils die La¨nge 0).
396
IV Differentialrechnung
Hinweis Die Fla¨chenfunktion A ðxÞ ist eine quadratische Funktion von x und entspricht der in Bild IV-51 skizzierten nach unten geo¨ffneten Parabel mit Nullstellen bei x ¼ 0 und x ¼ a. Das gesuchte absolute Maximum der Fla¨che A ðxÞ im offenen Intervall 0 < x < a ist daher die Ordinate des Scheitelpunktes S, der wegen der Symmetrie der Kurve genau in der Mitte zwischen den beiden Nullstellen, also an der Stelle x 1 ¼ a=2 liegen muss. Daher gilt: A max ¼ A ðx ¼ a=2Þ ¼ a 2 =2 A(x) S
a 2/2
Bild IV-51 0
(2)
a /2
a
x
In einem Wechselstromkreis sind ein ohmscher Widerstand R, eine Spule mit der Induktivita¨t L und ein Kondensator mit der Kapazita¨t C in Reihe geschaltet (Bild IV-52). Beim Anlegen einer sinusfo¨rmigen Wechselspannung u ¼ u 0 sin ðw tÞ fließt in dem Kreis ein Wechselstrom i ¼ i 0 sin ðw t þ jÞ, dessen Scheitelwert i 0 nach der Formel u0 i 0 ¼ sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2ffi 1 R2 þ w L wC
ðw > 0Þ
berechnet wird. Der im Nenner stehende Ausdruck sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2ffi 1 Z ¼ R2 þ w L wC ist dabei der Scheinwiderstand des Stromkreises. Bei welcher Kreisfrequenz wr erreicht der Scheitelwert i 0 sein Maximum? C R
L
u
Bild IV-52 Wechselstromkreis in Reihenschaltung
3 Anwendung der Differentialrechnung
397
Lo¨sung: i 0 wird am gro¨ßten, wenn der Scheinwiderstand seinen kleinsten Wert annimmt. Dies ist genau dann der Fall, wenn der unter der Wurzel stehende Ausdruck (also der Wurzelradikand) am kleinsten wird. Es genu¨gt daher, das (absolute) Minimum der Zielfunktion 1 2 2 2 y ¼ f ðwÞ ¼ Z ¼ R þ w L wC im offenen Intervall 0 < w < 1 zu bestimmen. Dazu beno¨tigen wir die ersten beiden Ableitungen, die wir mit der Kettenregel bzw. der Produkt- und Kettenregel erhalten (bitte nachrechnen): 1 1 y 0 ðwÞ ¼ 2 w L Lþ 2 wC w C y 00 ðwÞ ¼ 2 L þ
1
2
w2 C
1 w L w3 C wC 4
Aus der notwendigen Bedingung y 0 ðwÞ ¼ 0 folgt dann: 1 1 1 ¼ 0 ) wL Lþ 2 ¼ 0 2 wL wC w C wC |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} 6¼ 0 wL ¼
1 wC
)
w2 ¼
1 LC
)
)
1 w r ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffi LC
Auch die hinreichende Bedingung ist fu¨r diesen Wert erfu¨llt (der 2. Summand in y 00 verschwindet fu¨r w ¼ w r ): 1 LC 2 00 p ffiffiffiffiffiffiffiffi ffi 0 ¼ 2 ðL þ LÞ 2 ¼ 8 L 2 > 0 y wr ¼ ¼ 2 Lþ C LC erreicht daher sein absolutes Maximum bei der Der Scheitelwert i 0 despStromes ffiffiffiffiffiffiffiffiffi Kreisfrequenz w r ¼ 1= L C (sog. Resonanzkreisfrequenz). Der Scheinwiderstand Z ist dann gleich dem ohmschen Widerstand R und es gilt i 0 ¼ u 0 =R. (3)
Die Biegelinie eines einseitig eingespannten und am freien Ende durch eine Kraft vom Betrage F auf Biegung beanspruchten Balkens der La¨nge l lautet wie folgt (Bild IV-53): F 1 3 2 ð0 x l Þ y ðxÞ ¼ lx x 2EI 3 (siehe hierzu auch Kap. III, Abschnitt 5.7, in dem dieses Anwendungsbeispiel erstmals angesprochen wurde; E und I sind positive Konstanten). An welcher Stelle des Balkens ist die Durchbiegung y am gro¨ßten?
398
IV Differentialrechnung x
l y
x
Tangente F
Biegelinie y(x)
Bild IV-53 Biegelinie
y
Lo¨sung: Zuna¨chst ermitteln wir die im Intervall 0 x l gelegenen relativen Extremwerte: y0 ¼
F ð2 l x x 2 Þ , 2EI
y0 ¼ 0
)
y 00 ¼
2lx x2 ¼ 0
F F ð2 l 2 xÞ ¼ ðl xÞ 2EI EI
)
x1 ¼ 0 ,
x2 ¼ 2 l
Der zweite Wert ðx 2 ¼ 2 l Þ liegt außerhalb des Intervalles und kommt daher nicht in Frage (Scheinlo¨sung). An der Stelle x 1 ¼ 0, d. h. an der Einspannstelle ist die Durchbiegung des Balkens wegen y 00 ðx 1 ¼ 0Þ ¼
Fl > 0 EI
am kleinsten: y min ¼ y ðx 1 ¼ 0Þ ¼ 0 (physikalisch einleuchtend: wegen der Einspannung ist eine Durchbiegung nicht mo¨glich). Die maximale Durchbiegung erfa¨hrt der Balken daher im rechten Randpunkt x ¼ l, d. h. am freien Ende, wo auch die Kraft einwirkt: F 1 3 F 2 3 F l3 y max ¼ y ðx ¼ lÞ ¼ ¼ l3 l l ¼ 2EI 3 2EI 3 3EI Wir haben es hier mit dem eingangs geschilderten Sonderfall eines Randextremwertes zu tun. Mit Hilfe der Differentialrechnung ko¨nnen nur relative Extremwerte mit waagerechter Tangente bestimmt werden. Dies aber trifft fu¨r den am freien Ende liegenden Randpunkt des Balkens gerade nicht zu. Die dortige Tangente an die Biegelinie verla¨uft gegen die Horizontale geneigt (Bild IV-53). (4)
Wir behandeln ein weiteres Beispiel aus der Festigkeitslehre: Aus einem Baumstamm mit kreisfo¨rmigem Querschnitt soll ein Balken mit rechteckigem Querschnitt 1 so herausgeschnitten werden, dass sein Widerstandsmoment W ¼ b h 2 einen 6 gro¨ßten Wert annimmt (Bild IV-54).
2R
M
h
b:
Breite des Balkens
h:
Dicke des Balkens
2 R: Durchmesser des Baumstammes
b
Bild IV-54 Zum Widerstandsmoment eines Balkens
3 Anwendung der Differentialrechnung
399
Lo¨sung: Das Widerstandsmoment W ha¨ngt von den Gro¨ßen b und h ab, die jedoch nicht unabha¨ngig voneinander sind, sondern u¨ber den Satz des Pythagoras mit dem Radius R des Baumstammes wie folgt verknu¨pft sind: b 2 þ h 2 ¼ ð2 RÞ 2 ¼ 4 R 2
)
h2 ¼ 4 R2 b2
Mit Hilfe dieser als Nebenbedingung oder auch Kopplungsbedingung bezeichneten Beziehung la¨sst sich das Widerstandsmoment W als eine nur von der Gro¨ße b abha¨ngige Funktion darstellen: W ðbÞ ¼
1 1 1 b h2 ¼ b ð4 R 2 b 2 Þ ¼ ð4 R 2 b b 3 Þ 6 6 6
ð0 < b < 2 RÞ. Die „Randwerte“ b ¼ 0 und b ¼ 2 R kommen als Lo¨sungen nicht infrage 6Þ . Wir bestimmen jetzt das absolute Maximum unserer Zielfunktion W ðbÞ im offenen Intervall 0 < b < 2 R. Die dabei beno¨tigten Ableitungen lauten: d 2W ¼ b db 2
dW 1 ¼ ð4 R 2 3 b 2 Þ , db 6
Aus der fu¨r ein Maximum notwendigen Bedingung 4 R2 3 b2 ¼ 0 b2 ¼
)
4 2 4 R ¼ 3 R2 3 9
3 b2 ¼ 4 R2 )
)
dW ¼ 0 folgt dann: db
2 pffiffiffiffiffi b 1=2 ¼ þ 3R þ 3 1,155 R
Der negative Wert scheidet dabei als Lo¨sung aus, der positive Wert dagegen liegt im Intervall 0 < b < 2 R und erweist sich wegen d 2W 2 pffiffiffiffiffi 2 pffiffiffiffiffi 3 R ¼ 3R < 0 b ¼ 1 2 db 3 3 2 pffiffiffiffiffi als das gesuchte Maximum. Der Balkenbreite b ¼ 3 R entspricht eine Ho¨he 3 2 pffiffiffiffiffi von h ¼ 6 R (ermittelt aus der Nebenbedingung). Fu¨r diese Werte ist das 3 Widerstandsmoment des Balkens am gro¨ßten. Es betra¨gt dann (bitte nachrechnen) 2 pffiffiffiffiffi 8 pffiffiffiffiffi 3 W max ¼ W b ¼ 3R ¼ 3R 3 27 Hinweis: Das Widerstandsmoment W la¨sst sich sowohl durch die Balkenbreite b als auch durch die Balkendicke h ausdru¨cken. Wir haben uns hier fu¨r die erste Variante entschieden, weil dann der funktionale Zusammenhang besonders einfach ist (W ist eine Polynomfunktion 3. Grades von b). Dru¨ckt man jedoch W durch h aus, so erha¨lt man (wiederum unter Verwendung der Nebenbedingung) die weitaus kompliziertere Funktion ffi 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi W ðhÞ ¼ 4 R2 h2 h2 ¼ 4 R2 h4 h6 ð0 < h < 2 RÞ 6 6 6)
b ¼ 0: Balken der Breite 0; b ¼ 2 R: Balken der Dicke 0
400
IV Differentialrechnung
Das gesuchte absolute Maximum dieser Funktion la¨sst sich jedoch u¨ber die Zielfunktion y ¼ 4 R2 h4 h6
ð0 < h < 2 RÞ
bestimmen (Radikand der Wurzel).
&
3.6 Kurvendiskussion Der Verlauf einer Funktion la¨sst sich in seinen wesentlichen Zu¨gen aus bestimmten charakteristischen Kurvenpunkten und Funktionsmerkmalen wie beispielsweise Nullstellen, Symmetrie, relativen Extremwerten, Wendepunkten und Asymptoten leicht erschließen. Kurvendiskussion bedeutet daher an dieser Stelle: Untersuchung und Feststellung der Funktionseigenschaften und des Funktionsverlaufs mit den Hilfsmitteln der Differentialrechnung. Wir empfehlen, die Diskussion einer Funktion nach dem folgenden Schema vorzunehmen:
Definitionsbereich/Definitionslu¨cken Symmetrie (gerade, ungerade Funktion) Nullstellen, Schnittpunkt mit der y-Achse Pole, senkrechte Asymptoten (Polgeraden) Ableitungen (in der Regel bis zur 3. Ordnung) Relative Extremwerte (Maxima und Minima) Wendepunke, Sattelpunkte Verhalten der Funktion fu¨r x ! þ 1, Asymptoten im Unendlichen Wertebereich der Funktion Zeichnung der Funktion in einem geeigneten Maßstab
Auch Untersuchungen des Monotonie- und Kru¨mmungsverhaltens sind oft sehr nu¨tzlich.
&
Beispiele (1)
y ¼
5x2 þ 5 x3
(echt gebrochenrationale Funktion; x 6¼ 0)
Definitionsbereich: Die Funktion ist fu¨r jedes reelle x 6¼ 0 definiert. An der Stelle x 0 ¼ 0 besitzt sie eine Definitionslu¨cke. Symmetrie: Der Za¨hler ist eine gerade, der Nenner eine ungerade Funktion. Daher ist die Funktion selbst ungerade (Punktsymmetrie). Nullstellen, Pole: Za¨hler und Nenner werden zuna¨chst in Linearfaktoren zerlegt, aus denen sich dann die Nullstellen bzw. Pole der Funktion unmittelbar ablesen lassen: y ¼
5x2 þ 5 5 ðx 2 1Þ 5 ðx þ 1Þ ðx 1Þ ¼ ¼ 3 x x3 x3
Wir stellen fest: Za¨hler und Nenner haben keine gemeinsamen Nullstellen.
3 Anwendung der Differentialrechnung Nullstellen: x 1 ¼ 1 ,
401
x2 ¼ 1
Pole: x 3 ¼ 0 ( Pol mit Vorzeichenwechsel wegen der Punktsymmetrie) Senkrechte Asymptote (Polgerade): x ¼ 0 (y-Achse) Ableitungen der Funktion ( jeweils mit Hilfe der Quotientenregel ): y0 ¼
5 ðx 2 3Þ , x4
y 00 ¼
Relative Extremwerte: y 0 ¼ 0
10 ðx 2 6Þ , x5
y 000 ¼
30 ðx 2 10Þ x6
und y 00 6¼ 0
y0 ¼ 0
)
y 00 ðx 4 ¼
pffiffiffiffiffi 10 pffiffiffiffiffi 3 > 0 3Þ ¼ 9
x2 3 ¼ 0
x 4=5 ¼ þ
)
pffiffiffiffiffi 3
)
pffiffiffiffiffi Relatives Minimum an der Stelle x 4 ¼ 3 pffiffiffiffiffi 10 pffiffiffiffiffi Min ¼ 3; 3 ¼ ð1,73; 1,92Þ 9 y 00 ðx 5 ¼
pffiffiffiffiffi 10 pffiffiffiffiffi 3 < 0 3Þ ¼ 9
)
pffiffiffiffiffi Relatives Maximum an der Stelle x 5 ¼ 3 pffiffiffiffiffi 10 pffiffiffiffiffi Max ¼ 3 ; 3 ¼ ð 1,73; 1,92Þ 9 Wendepunkte: y 00 ¼ 0 y 00 ¼ 0
)
und
y 000 6¼ 0
x2 6 ¼ 0
)
x 6=7 ¼ þ
pffiffiffiffiffi 6
pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 5 y 000 ðx 6=7 ¼ þ 6 Þ ¼ 9 6¼ 0 ) Wendepunkte f u¨ r x 6=7 ¼ þ 6 pffiffiffiffiffi 25 pffiffiffiffiffi W1 ¼ 6 ¼ ð2,45; 1,70Þ 6; 36 pffiffiffiffiffi 25 pffiffiffiffiffi ¼ ð 2,45; 1,70Þ W2 ¼ 6 ; 6 36 Kru¨mmungsverhalten: Wir zerlegen zuna¨chst den Definitionsbereich in vier Teilbereiche (Intervalle) gema¨ß Bild IV-55 und untersuchen dann das Kru¨mmungsverhalten in den einzelnen Intervallen.
402
IV Differentialrechnung x 0
) Linkskru¨mmung
00
< 0
) Rechtskru¨mmung
Verhalten der Funktion im Unendlichen: Die Funktion ist echt gebrochen und strebt daher fu¨r x ! þ 1 asymptotisch gegen die x-Achse. Asymptote im Unendlichen: y ¼ 0
(x-Achse)
Wertebereich: 1 < y < 1 Zeichnung der Funktion: Der Funktionsverlauf ist in Bild IV-56 dargestellt. Dabei wurde auf beiden Achsen der gleiche Maßstab gewa¨hlt. y 5 y= W2
– 5x 2 + 5 x3
Max 1
–10
–5
–1
–1
10 1
5 Min
W1
–5
Bild IV-56 Funktionsgraph von y ¼
5x2 þ 5 , x 6¼ 0 x3
x
3 Anwendung der Differentialrechnung (2)
403
Wir untersuchen den Verlauf einer durch die Funktionsgleichung y ¼ y ðtÞ ¼ 3 e 0,1 t cos t
ðt 0Þ
beschriebenen geda¨mpften Schwingung 7Þ . Definitionsbereich: t 0 (aus physikalischen Gru¨nden) Nullstellen: y ¼ 0 3 e 0,1 t cos t ¼ 0 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} 6¼ 0
)
cos t ¼ 0
Lo¨sungen sind die positiven Nullstellen der Kosinusfunktion: tk ¼
p þ kp 2
ðk 2 NÞ
Ableitungen der Funktion (mit Hilfe der Produkt- und Kettenregel): y ¼ 3 e 0,1 t cos t ¼ 3 ðu vÞ |fflffl{zfflffl} |ffl{zffl} u v y_ ¼ 3 ðu_ v þ v_ uÞ ¼ 3 ½ 0,1 e 0,1 t cos t sin t e 0,1 t ¼ ¼ 3 e 0,1 t ðsin t þ 0,1 cos tÞ Analog erha¨lt man die 2. und 3. Ableitung:
__y ¼
3 e 0,1 t ð0,2 sin t 0,99 cos tÞ
___y ¼
3 e 0,1 t ð0,97 sin t þ 0,299 cos tÞ
Relative Extremwerte: y_ ¼ 0 y_ ¼ 0
)
__y 6¼
0
3 e 0,1 t ðsin t þ 0,1 cos tÞ ¼ 0 |fflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflffl} 6¼ 0
sin t þ 0,1 cos t ¼ 0 sin t ¼ 0,1 cos t
und
)
)
sin t ¼ 0,1 cos t
)
)
tan t ¼ 0,1
Die im Intervall t 0 gelegenen Lo¨sungen dieser trigonometrischen Gleichung lassen sich anhand der folgenden Skizze leicht bestimmen (Bild IV-57): 7)
Mechanisches Modell: Feder-Masse-Schwinger. y ðtÞ ist dann die Auslenkung (Lagekoordinate) in Abha¨ngigkeit von der Zeit t.
404
IV Differentialrechnung y
–
p
p
2
2
3 p 2
5 p 2 t
– 0,1
y = – 0,1 arctan (– 0,1)
t0
t1
Bild IV-57 Positive Lo¨sungen der Gleichung tan t ¼ 0,1 (Skizze)
Die erste positive Lo¨sung liegt bei t 0 ¼ arctan ð 0,1Þ þ p ¼ 3,04, alle weiteren (positiven) Lo¨sungen in Absta¨nden von jeweils einer Periode: t k ¼ 3,04 þ k p
ðk 2 NÞ
Wie verha¨lt sich die 2. Ableitung an diesen Stellen? Fu¨r gerades k (einschließlich y positiv: k ¼ 0Þ ist __
__y ð3,04 þ
k pÞ ¼ 3 e 0,1 ð3,04 þ k pÞ ½ 0,2 sin ð3,04 þ k pÞ 0,99 cos ð3,04 þ k pÞ ¼ ¼ 3 ½ 0,2 sin 3,04 0,99 cos 3,04 e 0,1 ð3,04 þ k pÞ ¼ ¼ 3,016 e 0,1 ð3,04 þ k pÞ > 0
ðk ¼ 0, 2, 4, . . .Þ
(Wir erinnern: Sinus und Kosinus sind periodische Funktionen mit der primitiven Periode 2 p). An diesen Stellen liegen daher relative Minima. Sie beginnen mit Min 1 ¼ ð3,04;
2,20Þ
Min 2 ¼ ð9,32;
1,17Þ
Min 3 ¼ ð15,61; 0,63Þ
usw:
Fu¨r ungerades k ist die 2. Ableitung negativ:
__y ð3,04
þ k pÞ ¼ 3,016 e 0,1 ð3,04 þ k pÞ < 0
Wir erhalten an diesen Stellen daher relative Maxima: Max 1 ¼ ð6,18; 1,61Þ Max 2 ¼ ð12,47; 0,86Þ Max 3 ¼ ð18,75; 0,46Þ
usw:
ðk ¼ 1, 3, 5, . . .Þ
3 Anwendung der Differentialrechnung
405
Minima und Maxima folgen daher abwechselnd aufeinander im Abstand einer halben Periode. Wendepunkte: __ y ¼ 0
__y ¼ 0
und
___y 6¼
0
3 e 0,1 t ð0,2 sin t 0,99 cos tÞ ¼ 0 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} 6¼ 0
)
0,2 sin t 0,99 cos t ¼ 0 sin t 0,99 ¼ ¼ 4,95 cos t 0,2
)
)
)
0,2 sin t ¼ 0,99 cos t
)
tan t ¼ 4,95
Die positiven Lo¨sungen dieser Gleichung lauten nach Bild IV-58: t k ¼ arctan 4,95 þ k p ¼ 1,37 þ k p y
ðk 2 NÞ
y = 4,95
4,95
–
p
p
2
2
arctan 4,95
3 p 2
t1
5 p 2
t
t2
Bild IV-58 Positive Lo¨sungen der Gleichung tan t ¼ 4,95 (Skizze)
Die 3. Ableitung ist an diesen Stellen abwechselnd positiv und negativ und damit von Null verschieden, so dass tatsa¨chlich Wendepunkte vorliegen. Sie beginnen mit W 1 ¼ ð 1,37; 0,52Þ
W 2 ¼ ð 4,51; 0,38Þ
W 3 ¼ ð 7,65; 0,28Þ
W 4 ¼ ð10,80; 0,20Þ
W 5 ¼ ð13,94; 0,15Þ
usw:
Wertebereich: 2,20 y 3 (Der gro¨ßte Wert wird dabei fu¨r t ¼ 0, der kleinste im 1. Minimum angenommen!). Zeichnung der Funktion: Der Funktionsverlauf ist in Bild IV-59 skizziert, wobei auf beiden Achsen der gleiche Maßstab verwendet wurde.
406
IV Differentialrechnung y y = 3 · e – 0,1t · cos t
3
Max Max
1
–1
10 1
15 t
5 Min Min
–3
Min
Bild IV-59 Verlauf einer geda¨mpften Schwingung, dargestellt am Beispiel der Funktion y ¼ 3 e 0,1 t cos t fu¨r t 0 &
3.7 Na¨herungsweise Lo¨sung einer Gleichung nach dem Tangentenverfahren von Newton 3.7.1 Iterationsverfahren Die Bestimmung der Lo¨sungen einer Gleichung f ðxÞ ¼ 0 mit der Unbekannten x geho¨rt zu den wichtigsten Aufgaben der „praktischen“ Mathematik 8). Ist x 1 eine solche Lo¨sung, d. h. f ðx 1 Þ ¼ 0, so kann der Wert x 1 auch als eine Nullstelle der Funktion y ¼ f ðxÞ aufgefasst werden. Daher ist das Problem, die Lo¨sungen einer Gleichung vom Typ f ðxÞ ¼ 0 zu bestimmen, dem Problem, die Nullstellen der Funktion y ¼ f ðxÞ zu ermitteln, vo¨llig gleichwertig. Das von Newton stammende Na¨herungsverfahren zur Berechnung der reellen Nullstellen einer Funktion y ¼ f ðxÞ ist ein sog. Iterationsverfahren, das von einem Na¨herungswert x 0 (auch Anfangswert, Startwert oder Rohwert genannt) ausgeht und durch wiederholtes Anwenden einer bestimmten Rechenvorschrift eine Folge von Na¨herungswerten x 0 , x 1 , x 2 , . . . , x n , . . . konstruiert, die unter bestimmten Voraussetzungen gegen die exakte Lo¨sung x konvergiert: x 0 , x 1 , x 2 , . . . , x n , . . . ! x
ðIV-93Þ
Diese Rechenvorschrift (Iterationsvorschrift) ist in Form einer Gleichung vom Typ x n ¼ F ðx n 1 Þ
ðn ¼ 1, 2, 3, . . .Þ
ðIV-94Þ
darstellbar. Durch Einsetzen des Startwertes x 0 in die Rechenvorschrift erha¨lt man die 1. Na¨herung x 1 ¼ F ðx 0 Þ. Fasst man jetzt x 1 als einen neuen (verbesserten) „Anfangswert“ fu¨r die (unbekannte) exakte Lo¨sung (Nullstelle) x auf, so erha¨lt man durch Einsetzen von x 1 in die Iterationsgleichung (IV-94) die 2. Na¨herung x 2 ¼ F ðx 1 Þ usw.. 8)
In den Anwendungen sind in der Regel nur die reellen Lo¨sungen einer Gleichung von Bedeutung. Daher beschra¨nken wir uns auf diesen wichtigsten Fall.
3 Anwendung der Differentialrechnung
407
Die so konstruierte Folge von Na¨herungswerten konvergiert dann unter gewissen Voraussetzungen gegen die gesuchte exakte Lo¨sung x.
3.7.2 Tangentenverfahren von Newton Das Newtonsche Tangentenverfahren geht von den folgenden berlegungen aus: (1)
Ist x 0 irgendein geeigneter Na¨herungswert fu¨r die (unbekannte) Nullstelle x einer Funktion y ¼ f ðxÞ, so wird im 1. Schritt der Funktionsgraph von y ¼ f ðxÞ durch die im Kurvenpunkt P 0 ¼ ðx 0 ; y 0 Þ errichtete Kurventangente mit der Gleichung y y0 ¼ f 0 ðx 0 Þ ðmit y 0 ¼ f ðx 0 ÞÞ ðIV-95Þ x x0 ersetzt. Diese Tangente schneidet dabei die x-Achse an der Stelle x 1 , die in der Regel eine bessere Na¨herung fu¨r die gesuchte Nullstelle darstellt als der Startwert x 0 (Bild IV-60). Der Wert x 1 wird dabei aus der Gleichung 0 y0 ¼ f 0 ðx 0 Þ x1 x0
ðIV-96Þ
berechnet (Schnittpunkt mit der x-Achse: S 1 ¼ ðx 1 ; 0ÞÞ. y y = f (x) Tangente in P 0
Tangente in P 1
P0
P1
y0
y1
x x2
x1
x0
x
Bild IV-60 Zum Tangentenverfahren von Newton
Durch Auflo¨sen dieser Gleichung nach x 1 erha¨lt man den 1. Na¨herungswert x1 ¼ x0
y0 f ðx 0 Þ ¼ x0 0 f ðx 0 Þ f 0 ðx 0 Þ
ðIV-97Þ
der eine Verbesserung gegenu¨ber dem Startwert x 0 darstellt. Bild IV-60 verdeutlicht diese Aussage. Dabei muss ausdru¨cklich f 0 ðx 0 Þ 6¼ 0 vorausgesetzt werden. Auf dieses Thema gehen wir spa¨ter noch ein.
408
(2)
IV Differentialrechnung
Den Na¨herungswert x 1 fassen wir nun als Anfangswert eines weiteren Iterationsschrittes auf. Die im Kurvenpunkt P 1 ¼ ðx 1 ; y 1 Þ errichtete Kurventangente besitzt die Gleichung y y1 ¼ f 0 ðx 1 Þ ðmit y 1 ¼ f ðx 1 ÞÞ ðIV-98Þ x x1 Ihr Schnittpunkt S 2 ¼ ðx 2 ; 0Þ mit der x-Achse liefert die 2. Na¨herung x 2 fu¨r die gesuchte Nullstelle der Funktion: 0 y1 ¼ f 0 ðx 1 Þ x2 x1
)
x2 ¼ x1
y1 f ðx 1 Þ ¼ x1 0 f ðx 1 Þ f ðx 1 Þ 0
ðIV-99Þ
Dieser Wert ist eine bessere Na¨herung als der Wert x 1 aus der 1. Na¨herung. (3)
Jetzt wird x 2 als Startwert betrachtet und das beschriebene Verfahren wiederholt. Nach n Schritten gelangen wir schließlich zur n-ten Na¨herung x n , die aus der allgemeinen Iterationsvorschrift xn ¼ xn1
f ðx n 1 Þ f 0 ðx n 1 Þ
ðn ¼ 1, 2, 3, . . .Þ
ðIV-100Þ
berechnet wird (Newtonsches Tangentenverfahren). Bevor wir das Newtonsche Iterationsverfahren auf konkrete Beispiele anwenden, wollen wir noch auf drei wichtige Punkte na¨her eingehen: Konvergenzkriterium Die Konvergenz der nach dem Newtonschen Tangentenverfahren konstruierte Folge von Na¨herungswerten x 0 , x 1 , x 2 , . . . , x n , . . . gegen die exakte Lo¨sung x ist mit Sicherheit gewa¨hrleistet, wenn im Intervall ½ a, b , in dem alle Na¨herungswerte liegen sollen, die Bedingung f ðxÞ f 00 ðxÞ ð f 0 ðxÞ 6¼ 0Þ ðIV-101Þ < 1 ½ f 0 ðxÞ 2 stets erfu¨llt ist (hinreichende Konvergenzbedingung). Dabei wird vorausgesetzt, dass f ðxÞ (mindestens) zweimal differenzierbar ist. „Gu¨nstig“ ist somit ein Startwert x 0 , bei dem sowohl der Funktionswert f ðx 0 Þ als auch die 2. Ableitung f 00 ðx 0 Þ mo¨glichst klein sind (dann na¨mlich ist der Za¨hler der Konvergenzbedingung klein). Die 1. Ableitung f 0 ðx 0 Þ sollte dagegen nicht zu klein sein (sonst wird der Nenner der Konvergenzbedingung zu klein und der Bruch damit zu groß). Mit anderen Worten: Der dem Startwert entsprechende Kurvenpunkt sollte eine mo¨glichst kleine Ordinate haben, die Kurve an dieser Stelle mo¨glichst schwach gekru¨mmt sein und die dortige Kurventangente nicht zu flach verlaufen. Ist die Konvergenzbedingung jedoch bereits fu¨r den Startwert x 0 nicht erfu¨llt, so ist dieser Wert als Startwert „ungeeignet“, d. h., es ist nicht sichergestellt, dass die aus diesem Startwert x 0 resultierende Folge von Na¨herungswerten gegen die gesuchte Lo¨sung strebt. In einem solchen Fall ist es in der Regel gu¨nstiger, sich nach einem neuen, „besseren“ Startwert umzusehen.
3 Anwendung der Differentialrechnung
409
Ungeeignete Startwerte Vo¨llig ungeeignet sind dagegen Startwerte, in deren unmittelbarer Umgebung die Kurventangente nahezu parallel zur x-Achse verla¨uft. In solchen Punkten ist na¨mlich f 0 ðxÞ nur wenig von Null verschieden: Der Schnittpunkt der nur schwach geneigten Kurventangente mit der x-Achse liegt daher meist in großer Entfernung vom Startwert x 0 . Die Folge der Na¨herungswerte konvergiert daher in diesem Falle im Allgemeinen nicht gegen die gesuchte Lo¨sung. Dies folgt auch unmittelbar aus dem Konvergenzkriterium (IV-101). Denn der Ausdruck der linken Seite in diesem Kriterium wird immer dann sehr groß sein, wenn der Nenner und damit die Ableitung f 0 ðxÞ sehr klein ist. Dieser Fall wird aber genau dann eintreten, wenn die Kurventangente flach verla¨uft (wie beispielsweise in der Na¨he eines relativen Extremwertes oder eines Sattelpunktes, siehe hierzu Bild IV-61). Das Konvergenzkriterium (IV-101) kann daher in einem solchen Fall nicht erfu¨llt werden. y Tangente in P 0 P0
x
x0
x1
x
Bild IV-61 Ungeeigneter Startwert in der Na¨he eines Extremwertes
Beschaffung eines geeigneten Startwertes x 0 Zu Beginn dieses Abschnittes haben wir bereits darauf hingewiesen, dass man die Lo¨sungen einer Gleichung f ðxÞ ¼ 0 auch als Nullstellen der Funktion y ¼ f ðxÞ auffassen kann, deren ungefa¨hre Lage sich in vielen Fa¨llen auf graphischem Wege durch Zeichnen des zugeho¨rigen Funktionsgraphen ermitteln la¨sst. Bei komplizierter gebauten Gleichungen kann man versuchen, diese durch Termumstellungen auf folgende Form zu bringen: f ðxÞ ¼ 0
,
f 1 ðxÞ ¼ f 2 ðxÞ
ðIV-102Þ
(Aufspalten der Funktion f ðxÞ in zwei einfacher gebaute Funktionen f 1 ðxÞ und f 2 ðxÞÞ. Die Lo¨sungen dieser Gleichung ergeben sich dann auf zeichnerischem Wege als Schnittpunkte der beiden Kurven y ¼ f 1 ðxÞ und y ¼ f 2 ðxÞ. Da die Funktionen y ¼ f 1 ðxÞ und y ¼ f 2 ðxÞ wesentlich einfacher gebaut sind als die Ausgangsfunktion y ¼ f ðxÞ, ist das Zeichnen der zugeho¨rigen Kurven im Allgemeinen kein großes Problem. Die Abszissenwerte der Kurvenschnittpunkte liefern dann geeignete Rohwerte (Startwerte) fu¨r die gesuchten Lo¨sungen der Gleichung f ðxÞ ¼ 0 und ko¨nnen direkt aus der Skizze abgelesen werden.
410
IV Differentialrechnung
Wir fassen diese wichtigen Ergebnisse wie folgt zusammen:
Tangentenverfahren von Newton (Bild IV-60) Ausgehend von einem geeigneten Startwert x 0 , der die Konvergenzbedingung f ðx Þ f 00 ðx Þ 0 0 ðIV-103Þ < 1 ½ f 0 ðx 0 Þ 2 erfu¨llen soll, erha¨lt man aus der Iterationsvorschrift xn ¼ xn1
f ðx n 1 Þ f 0 ðx n 1 Þ
ðn ¼ 1, 2, 3, . . .Þ
ðIV-104Þ
eine Folge von Na¨herungswerten x 0 , x 1 , x 2 , . . . fu¨r die (unbekannte) Lo¨sung der Gleichung f ðxÞ ¼ 0. Diese Folge konvergiert mit Sicherheit gegen die gesuchte Lo¨sung, wenn die Konvergenzbedingung (IV-103) fu¨r jeden dieser Na¨herungswerte erfu¨llt ist. Den fu¨r dieses Verfahren beno¨tigten Startwert x 0 erha¨lt man in vielen Fa¨llen am bequemsten auf graphischem Wege nach einer der beiden folgenden Methoden: 1. Methode: Man zeichnet grob den Verlauf der Funktion y ¼ f ðxÞ und liest aus der Skizze die ungefa¨hre Lage der (gesuchten) Nullstelle ab. Dieser Na¨herungswert wird dann als Startwert x 0 verwendet. 2. Methode: Zuna¨chst wird die Gleichung f ðxÞ ¼ 0 durch Termumstellungen in eine geeignetere Form vom Typ f 1 ðxÞ ¼ f 2 ðxÞ
ðIV-105Þ
gebracht. Dann werden die Kurven y ¼ f 1 ðxÞ und y ¼ f 2 ðxÞ grob skizziert und der Abszissenwert des Kurvenschnittpunktes abgelesen. Er liefert den beno¨tigten Startwert x 0 . Anmerkungen (1)
Die Anzahl der gu¨ltigen Dezimalstellen der Na¨herungslo¨sungen verdoppelt sich nahezu mit jedem Iterationsschritt.
(2)
Besitzt die Gleichung f ðxÞ ¼ 0 mehrere Lo¨sungen, so muss man zu jeder (gesuchten) Lo¨sung einen geeigneten Startwert bestimmen und dann das NewtonVerfahren fu¨r die einzelnen Startwerte getrennt anwenden.
Wir werden nun die Brauchbarkeit des Newtonschen Tangentenverfahrens an zwei ausgewa¨hlten Beispielen demonstrieren.
3 Anwendung der Differentialrechnung &
411
Beispiele (1)
f ðxÞ ¼ 2,2 x 3 7,854 x 2 þ 6,23 x 22, 2411 ¼ 0 Um uns einen berblick u¨ber die Lage der Nullstellen von f ðxÞ zu verschaffen (bis zu drei Nullstellen sind mo¨glich), berechnen wir einige Funktionswerte und skizzieren in diesem Bereich grob den Funktionsverlauf (Bild IV-62): Wertetabelle: x
y
0 1 2 3 4
22,24 21,67 23,60 14,84 þ 17,81
y 20 10
1
2
3
4
x
–10 –20
x ≈ 3,5
Bild IV-62 –30
Anhand der Skizze erkennt man, dass eine Lo¨sung der Gleichung zwischen x ¼ 3 und x ¼ 4 liegen muss. Wir wa¨hlen daher als Startwert x 0 ¼ 3,5. Bevor wir mit der Newton-Iteration beginnen, pru¨fen wir noch mit Hilfe des Konvergenzkriteriums (IV-103), ob dieser Wert auch als Startwert „geeignet“ ist. Fu¨r das Kriterium beno¨tigen wir noch den Funktionswert f ð3,5Þ sowie die Ableitungswerte f 0 ð3,5Þ und f 00 ð3,5Þ: f ðxÞ
¼ 2,2 x 3 7,854 x 2 þ 6,23 x 22,2411
0
) f ð3,5Þ
¼ 2,3226
0
f ðxÞ ¼ 6,6 x 15,708 x þ 6,23
) f ð3,5Þ ¼ 32,1020
f 00 ðxÞ ¼ 13,2 x 15,708
) f 00 ð3,5Þ ¼ 30,4920
2
Das Konvergenzkriterium (IV-104) fu¨hrt dann zu dem folgenden Ergebnis: f ð3,5Þ f 00 ð3,5Þ ð 2,3226Þ 30,4920 ¼ 0,0687 < 1 ¼ 32,1020 2 ½ f 0 ð3,5Þ 2 Folgerung: Der Startwert x 0 ¼ 3,5 ist also „geeignet“. Mit der Iterationsformel (IV-104) erhalten wir im 1. Schritt einen verbesserten Na¨herungswert: x1 ¼ x0
f ðx 0 Þ f ð3,5Þ 2,3226 ¼ 3,5724 ¼ 3,5 0 ¼ 3,5 f 0 ðx 0 Þ f ð3,5Þ 32,1020
412
IV Differentialrechnung
Die weiteren Na¨herungswerte lauten dann: n
xn1
f ðx n 1 Þ
f 0 ðx n 1 Þ
xn
2,3226
32,1020
3,5724
1
3,5
2
3,5724
0,0823
34,3442
3,5700
3
3,5700
0,0000
Bereits nach zwei Iterationsschritten erhalten wir die (sogar exakte) Lo¨sung x ¼ 3,5700. Anmerkung zum verwendeten Startwert Ha¨tten wir als Startwert z. B. den gro¨beren Wert x 0 ¼ 4 gewa¨hlt, so wa¨re ein weiterer Interationsschritt no¨tig gewesen: n
xn1
f ðx n 1 Þ
f 0 ðx n 1 Þ
xn
17,8149
48,9980
3,6364
1
4
2
3,6364
2,3453
36,3839
3,5719
3
3,5719
0,0652
34,3285
3,5700
4
3,5700
0,0000
Allgemein gilt daher die Faustregel: Je genauer der Startwert x 0 , um so weniger Iterationsschritte werden beno¨tigt. Besitzt die vorgegebene Gleichung 3. Grades noch weitere Lo¨sungen (bis zu drei Lo¨sungen sind ja bekanntlich mo¨glich)? Um diese Frage zu beantworten, reduzieren wir die Gleichung zuna¨chst mit Hilfe des Horner-Schemas (Abspaltung des Linearfaktors x 3,57, der zur bereits bekannten Lo¨sung 3,57 geho¨rt): 2,2 x ¼ 3,57 2,2
7,854
6,23
22,2411
7,854
0
22,2411
0
6,23
0
Das 1. reduzierte Polynom f 1 ðxÞ ¼ 2,2 x 2 þ 0 x þ 6,23 ¼ 2,2 x 2 þ 6,23 hat keine reellen Nullstellen. Damit besitzt die Ausgangsgleichung genau eine reelle Lo¨sung an der Stelle x ¼ 3,57. (2)
Die Lo¨sungen der transzendenten Gleichung x 2 þ 2 e x ¼ 0 oder (nach einer Termumstellung) x 2 þ 2 ¼ e x ko¨nnen als die Abszissenwerte der Schnittpunkte der Parabel y ¼ x 2 þ 2 mit der Exponentialfunktion y ¼ e x aufgefasst werden. Aus der graphischen Darstellung in Bild IV-63 folgt, dass genau eine Lo¨sung in der Na¨he von x 0 ¼ 1,5 existiert.
3 Anwendung der Differentialrechnung
413
y y = ex
y=x2+2 5
Bild IV-63 Graphische Ermittlung einer Na¨herungslo¨sung der Gleichung x 2 þ 2 ¼ e x
1 –1
1
2
x
≈ 1,5
Dieser Wert ist als Startwert geeignet, da er das Konvergenzkriterium erfu¨llt: f ðxÞ
¼ x2 þ 2 ex
f 0 ðxÞ ¼ 2 x e x
)
f ð1,5Þ
¼ 0,2317
)
f 0 ð1,5Þ ¼ 1,4817
f 00 ðxÞ ¼ 2 e x ) f 00 ð1,5Þ ¼ 2,4817 f ð1,5Þ f 00 ð1,5Þ ð 0,2317Þ ð 2,4817Þ ¼ ¼ 0,2619 < 1 2 2 0 ½ f ð1,5Þ ð 1,4817Þ Damit ergeben sich aus der Iterationsformel (IV-104) folgende Na¨herungswerte: n
xn1
f ðx n 1 Þ
f 0 ðx n 1 Þ
xn
1 2 3 4
1,5 1,3436 1,3195 1,3190
0,2317 0,0276 0,0005 þ 0,0000
1,4817 1,1456 1,1026
1,3436 1,3195 1,3190
Die einzige Lo¨sung der transzendenten Gleichung x 2 þ 2 e x ¼ 0 liegt daher an der Stelle x ¼ 1,3190. &
414
IV Differentialrechnung
bungsaufgaben Zu Abschnitt 1 1) Berechnen Sie auf dem direkten Wege u¨ber den Differenzenquotienten die Ableitung der Funktion f ðxÞ ¼ x 3 a) an der Stelle x 0 ¼ 1 ,
b) an der Stelle x 0 :
2) Differenzieren Sie die folgenden Funktionen von x nach der Potenzregel: p ffiffiffiffiffiffiffi 4 aÞ y ¼ 4 x 5 bÞ y ¼ 2 x a þ 1 cÞ y ¼ x 3 p ffiffiffiffiffiffiffi x2 3 ffiffiffiffi fÞ y ¼ x 1=2 dÞ y ¼ p eÞ y ¼ x4 3 x
Zu Abschnitt 2 1) Differenzieren Sie die folgenden Funktionen nach der Summenregel: aÞ
y ¼ 10 x 4 þ 2 x 3 2
cÞ
y ¼
bÞ
10 3 lg x þ tan x x3
dÞ
z ðtÞ ¼ a cos t t 2 þ e t þ 1 ffiffiffiffiffiffiffi p 3 y ¼ 4 x 5 4 e x þ sin x
2) Differenzieren Sie die folgenden Funktionen nach der Produktregel: aÞ
y ¼ ð4 x 3 2 x þ 1Þ ðx 2 2 x þ 5Þ
bÞ
y ¼ tan 2 x
cÞ
eÞ
y ¼ 2 x ln x
hÞ
y ¼ ln x cosh x
dÞ
y ¼ ð3 x þ 5 x 2 1Þ 2
fÞ y ¼ e t cos t
gÞ
y ¼ xn ex
iÞ y ¼ x 2 arcsin x
jÞ
y ¼ 2 x e x cos x
y ¼ sin x cos x
3) Differenzieren Sie die folgenden Funktionen nach der Quotientenregel: aÞ
y ¼
5x5 6x2 þ 1 x2 þ 2x þ 1
bÞ
dÞ
y ¼
2x3 6x2 þ x 3 x3 5x
gÞ
y ¼ cot x ¼
cos x sin x
hÞ
jÞ
y ¼ tanh x ¼
sinh x cosh x
cÞ
y ¼
ln x x2
eÞ y ¼ e x ln x
fÞ
y ¼
ln x x
y ¼
1 þ cos x 1 sin x
iÞ
y ¼
arctan x ex
kÞ y ¼
x 1=2 x 2 x2 þ 1
lÞ y ¼
y ¼
10 x x2 þ 1
ex x 1
bungsaufgaben
415
4) Differenzieren Sie die folgenden Funktionen nach der Kettenregel: 10 2x þ 5
aÞ
y ¼ 5 ð4 x 3 x 2 þ 1Þ 5
bÞ y ¼
cÞ
y ¼ sin ðx þ 2Þ
dÞ
y ¼ 2 cos ð10 t p=3Þ
eÞ
y ¼ 3 e4x
fÞ
y ¼ sin 2 ð2 x 4Þ
hÞ
y ¼ ex
jÞ
y ¼ arctan ðx 2 þ 1Þ
lÞ
y ¼ ðx 3 4 x þ 5Þ 5=3
nÞ
y ¼ ln j cos x j
y ¼ 2 ln ðx 3 2 xÞ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi iÞ y ¼ arccos x 2 1 qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 3 kÞ y ¼ ðx 2 4 x þ 10Þ 2 gÞ
mÞ
y ¼ 5 cos ðx 2 þ 2 x 1Þ 2
x3
2
2xþ5
5) Differenzieren Sie die folgenden Funktionen: aÞ
y ¼ e 2 t cos t
bÞ
u ¼ e x sin x
cÞ
y ¼ ðx 2 1Þ 2 ðx þ 5Þ 3
dÞ
y ¼ ð2 x 2 4 x þ 5Þ sin ð2 xÞ
eÞ
y ¼ e 2 x arcsin ðx 1Þ
fÞ
z ¼ ð2 3 tÞ e 5 t
gÞ
y ¼ x ln ðx þ e x Þ 2
hÞ
y ¼ 4 x ln x
jÞ
y ¼ 4 cos ðx 4Þ þ sin ð2 x þ 3Þ
lÞ
y ¼ ln ðtanh tÞ
nÞ
y ¼ 2x
y ¼ sin ðx 2 þ 1Þ cos ð4 xÞ 1 x þ4 þ ln kÞ y ¼ ln x2 x n 1þx mÞ y ¼ x pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi oÞ y ¼ sin x iÞ
qÞ
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 1
pÞ y ðtÞ ¼ A e a t þ B e b t
y ðtÞ ¼ A sin ðw t þ jÞ
rÞ
v ðtÞ ¼ ðA þ B tÞ e d t
6) Bestimmen Sie die jeweiligen Kurvenpunkte mit waagerechter Tangente: aÞ
y ¼ 5 ex
cÞ
y ¼ sin x cos x
dÞ y ¼ ½ 1 e x þ 2 2
eÞ
y ¼ 4x3 6x2 9x
fÞ y ðtÞ ¼ ð2 tÞ e 5 t
2
bÞ
y ¼ 3 ðx 2Þ 2 ðx 1Þ
1 3 x x ver7) In welchen Punkten der Kurve mit der Funktionsgleichung y ¼ 3 1 x 2? laufen die Tangenten parallel zur Geraden y ¼ 4
416
IV Differentialrechnung
8) Bestimmen Sie fu¨r die folgenden Funktionen diejenigen Kurvenpunkte, in denen die Tangenten parallel zur x-Achse verlaufen: aÞ
y ¼ x ex
2
bÞ
y ¼ 5 þ 3x2
1 4 x 2
9) Bestimmen Sie den auf der Kurve y ¼ 2 e 3 t gelegenen Punkt, dessen Tangente mit der positiven t-Achse einen Winkel von 30 bildet. 10) Bilden Sie die 1. Ableitung der nachstehenden Funktionen durch logarithmische Differentiation: aÞ
y ¼ x cos x
bÞ
y ¼ e x cos x
cÞ
y ¼ 2 e 1=x
11) Beweisen Sie die Potenzregel mit Hilfe der logarithmischen Differentiation. Hinweis: y ¼ x n erst logarithmieren, dann differenzieren. 12) Bilden Sie die 1. Ableitung u¨ber die jeweilige Umkehrfunktion: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi aÞ y ¼ arcsin x bÞ y ¼ x þ 1 cÞ y ¼ ln x dy der folgenden 13) Durch implizite Differentiation gewinne man die Ableitung y 0 ¼ dx Funktionen (Kurven): aÞ
Kreis :
x2 þ y2 ¼ r2
bÞ
Ellipse :
b2 x2 þ a2 y2 ¼ a2 b2
cÞ
Kardioide : ðx 2 þ y 2 Þ 2 2 x ðx 2 þ y 2 Þ ¼ y 2
dÞ
x2 ¼ y3
eÞ
y3 2 x y2 ¼
1 x
14) Bestimmen Sie durch implizite Differentiation den Anstieg der Kreistangente im Punkte P 0 ¼ ð4; y 0 > 0Þ des Kreises ðx 2Þ 2 þ ðy 1Þ 2 ¼ 25. 15) Differenzieren Sie die folgenden Funktionen zweimal: aÞ
y ¼ e 0,8 t cos t
bÞ
y ¼ x 3 ln x x arctan x
x2 1 þ x2
dÞ
y ¼ A sin ðw t þ jÞ
fÞ
y ¼
cÞ y ¼ eÞ
y ¼ 4 x sin x
ðx 2Þ ðx þ 5Þ x3 þ x2 2
bungsaufgaben
417
16) Bilden Sie die jeweils verlangte Ableitung:
__y ð0Þ
aÞ
y ¼ e 2 t sin ð4 t þ 5Þ ,
bÞ
y ¼ x ln x , y 000 ðxÞ ¼ ? , x 1 2 y ¼ , y 0 ð0Þ ¼ ? , x þ1
cÞ
¼ ? y 000 ð1Þ ¼ ? y 00 ð0Þ ¼ ? ,
y 000 ð0Þ ¼ ?
dy 17) Bilden Sie den 1. Differentialquotient ¼ y 0 fu¨r die folgenden in der Paramedx terform dargestellten Funktionen: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffi aÞ y ¼ t , y ¼ t þ1, t 0, y 0 ðt 0 ¼ 1Þ ¼ ? x ¼ cos 3 t ,
bÞ
Astroide :
cÞ
x ¼ arcsin t ,
dÞ
x ¼ t 2,
y ¼ sin 3 t ,
y ¼ t2 ,
y ¼ t 3,
1 < t < 1
1 < t < 1
1 < t < 1,
y 0 ðt 0 ¼ 3Þ ¼ ?
18) Die Mittelpunktsellipse mit den Halbachsen a und b besitzt die Parameterdarstellung x ¼ a cos t, y ¼ b sin t ð0 t < 2 pÞ. Bestimmen Sie den Anstieg der zum Parameterwert t 1 ¼ p=4 geho¨renden Ellipsentangente. Wo besitzt die Ellipse waagerechte bzw. senkrechte Tangenten? 19) Die durch die Parameterdarstellung x ¼
t2 1 , t2 þ 1
y ¼
t ðt 2 1Þ , t2 þ 1
1 < t < 1
definierte Kurve heißt Strophoide. Bestimmen Sie die Kurvenpunkte mit waagerechter bzw. senkrechter Tangente und skizzieren Sie den Kurvenverlauf. dy 20) Bilden Sie die 1. Ableitung y 0 ¼ der nachstehenden in Polarkoordinaten dardx gestellten Funktionen (Kurven): aÞ
r ¼ ej
bÞ
r ¼ e j sin j
cÞ
r ¼
1 j
21) Bestimmen Sie die waagerechten und senkrechten Tangenten der in Polarkoordinapffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi ten dargestellten Lemniskate r ¼ cos ð2 jÞ und skizzieren Sie den Kurvenverlauf. 22) Fu¨r die logarithmische Spirale r ¼ e j bestimme man alle im Intervall 0 j 2 p gelegenen Punkte mit waagerechter bzw. senkrechter Tangente. 23) Die Weg-Zeit-Funktion s ðtÞ ¼ 1,8 ms 2 t 2 þ 4 ms 1 t þ 10 m beschreibe die geradlinige Bewegung eines Massenpunktes. Berechnen Sie den Weg s, die Geschwindigkeit v und die Beschleunigung a nach t ¼ 10 s.
418
IV Differentialrechnung
24) Die geda¨mpfte Schwingung eines elastischen Federpendels werde durch die Gleichung y ðtÞ ¼ 2 e 0,1 t sin ð4 tÞ beschrieben. Berechnen Sie Auslenkung y, Geschwindigkeit v und Beschleunigung a zur Zeit t ¼ 3 (in willku¨rlichen Einheiten). 25) Eine ungeda¨mpfte mechanische Schwingung unterliege dem Weg-Zeit-Gesetz y ðtÞ ¼ 10 cm cos ð2 s 1 t p=3Þ. Bestimmen Sie die Geschwindigkeit-ZeitFunktion v ¼ v ðtÞ und die Beschleunigung-Zeit-Funktion a ¼ a ðtÞ und berechnen Sie ihre Werte nach 3,2 s.
Zu Abschnitt 3 1) Bestimmen Sie die Tangenten- und Normalengleichung an der angegebenen Stelle: y ¼ 10 ð1 e 0,2 t Þ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi bÞ y ¼ 16 x 2 in aÞ
t0 ¼ 2
in
x 0 ¼ 1,2
cÞ y ¼ 4 ln ðx 2 4 x þ 3Þ
x0 ¼ 4
in
2) Zeigen Sie: Die an der Stelle t 0 ¼ 0 errichtete Kurventangente der Funktion y ¼ A ð1 e t=T Þ schneidet die Asymptote y ¼ A an der Stelle t 1 ¼ T. 3) Linearisieren Sie die folgenden Funktionen in der Umgebung der jeweils genannten Stelle: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi aÞ y ¼ 1 þ x4 , x0 ¼ 1 bÞ
y ¼ 3 ln ð1 þ 3 x 5 Þ ,
cÞ r ¼ 2 cos j ,
x0 ¼ 3
j0 ¼ p=4
ðKurve in Polarkoordinatendarstellung)
4) Die Funktion y ¼ ln x ist in der unmittelbaren Umgebung der Stelle x 0 ¼ 5 zu linearisieren, d. h. durch die dortige Kurventangente zu ersetzen. Berechnen Sie mit dieser Na¨herungsfunktion die Funktionswerte an den Stellen x 1 ¼ 4,8 und x 2 ¼ 5,3 und vergleichen Sie das Ergebnis mit den exakten Werten. 5) Untersuchen Sie das Monotonie- und Kru¨mmungsverhalten der Polynomfunktion 2 3 x 4 x 2 þ 9 x þ 1. y ¼ 3 6) Wie lautet die Gleichung derpTangente, die vom Punkte A ¼ ð 1; 0Þ aus an den ffiffiffiffi Funktionsgraphen von y ¼ x gelegt wird? 7) Zeigen Sie, dass die e-Funktion u¨berall Linkskru¨mmung hat. Wie groß sind Kru¨mmung und Kru¨mmungsradius an der Stelle x ¼ 0?
bungsaufgaben
419
8) Welche Kru¨mmung und welchen Kru¨mmungsradius besitzt die Mittelpunktellipse mit den Halbachsen a und b im Schnittpunkt mit der positiven y-Achse? 9) Berechnen Sie die Kru¨mmung der Gauß-Funktion y ¼ e 0,5 x Wendepunkten (diese liegen bei 1 und þ 1).
2
in den beiden
10) Bestimmen Sie den jeweiligen Kru¨mmungskreis (Angabe von Radius r und Mittelpunkt M): aÞ
Sinusfunktion y ¼ sin x ,
bÞ
Normalparabel y ¼ x 2 ,
cÞ
y ¼ ð1 e
x 2
Þ ,
Hochpunkt P ¼ ðp=2; 1Þ Scheitelpunkt S ¼ ð0; 0Þ
P ¼ ð0; 0Þ
2a a2 2 , r > 0 an der Stelle r r r 0 ¼ a ein relatives (und sogar absolutes) Minimum besitzt (a und D sind positive Konstanten).
11) Zeigen Sie, dass die Funktion V ðrÞ ¼ D
12) Wo besitzen die folgenden Funktionen relative Extremwerte? bÞ
z ¼ t 4 8 t 2 þ 16
cÞ
y ¼ 8 x 3 þ 12 x 2 þ 18 x pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi u ¼ 1þz þ 1z
dÞ
y ¼ x ex
eÞ
y ¼ sin x cos x
fÞ
y ¼
aÞ
2x 2x2 x2 x 6
13) Es ist zu zeigen, dass die Funktion y ¼ x 6 16 x 5 þ 105 x 4 360 x 3 þ 675 x 2 648 x þ 243 an der Stelle x 1 ¼ 3 einen Sattelpunkt besitzt. 14) Zeigen Sie, dass bei den vier trigonometrischen Funktionen die Wendepunkte mit den Nullstellen zusammenfallen und berechnen Sie die Steigung der Wendetangenten. 15) Ein Balken auf zwei Stu¨tzen (Stu¨tzweite l) hat bei gleichma¨ßig verteilter Last q im Abstand x vom linken Auflager das Biegemoment M ðxÞ ¼
q ðl xÞ x 2
ð0 x lÞ
An welcher Stelle ist das Biegemoment am gro¨ßten? 16) Zeigen Sie: Eine Parabel besitzt in ihrem Scheitelpunkt S ¼ ðx 0 ; y 0 Þ die gro¨ßte Kru¨mmung. Hinweis: Gehen Sie von der Scheitelpunktsform der Parabel aus.
420
IV Differentialrechnung
17) Die Bremskraft einer Wirbelstromscheibenbremse ist durch die Gleichung K ðvÞ ¼
a2 v þ b2
ðv 0Þ
v2
als Funktion der Umfangsgeschwindigkeit v gegeben (a, b: Konstanten). a)
Bei welcher Umfangsgeschwindigkeit ist die Bremskraft am gro¨ßten?
b)
Wie groß ist dann die Bremskraft?
18) Die Leistungsaufnahme eines Verbrauchers vom Widerstand R, der durch eine Zweipolquelle (Innenwiderstand R i ; Quellspannung U 0 ) gespeist wird, betra¨gt P ðRÞ ¼ U 02
R ðR þ R i Þ 2
Zeigen Sie, dass der Verbraucherwiderstand R die gro¨ßtmo¨gliche Leistung aufnimmt, wenn R ¼ R i gewa¨hlt wird (sog. Leistungsanpassung). 19) Einem Kreis vom Radius R soll ein Rechteck mit gro¨ßtem Fla¨chenmoment 1 Ia ¼ a b 3 einbeschrieben werden (a, b: Seitenla¨ngen des Rechtecks). 12 Hinweis: Das Fla¨chenmoment ist bezogen auf eine zur Rechteckseite a parallele, durch den Fla¨chenschwerpunkt verlaufende Bezugsachse. 20) Wie ist der rechteckige Querschnitt eines Kanals zu dimensionieren, damit der Materialverbrauch am kleinsten wird? (Querschnittsfla¨che des Kanals: A ¼ 4 m 2 ) 21) Einer Kugel vom Radius R ¼ 2 m ist ein senkrechter Kreiszylinder gro¨ßten Volumens einzubeschreiben. 22) Zwei Massenpunkte A und B bewegen sich la¨ngs der beiden Koordinatenachsen gleichfo¨rmig mit den Geschwindigkeiten v A ¼ 0,5 m/s bzw. v B ¼ 0,6 m/s in Richtung Koordinatenursprung. Zu Beginn (d. h. zur Zeit t ¼ 0 s) befinden sie sich an den Orten x ð0Þ ¼ 15 m bzw. y ð0Þ ¼ 12 m. Nach welcher Zeit ist ihr gegenseitiger Abstand am kleinsten? 23) Unter sa¨mtlichen Kreiszylindern vom Rauminhalt V ¼ 1000 cm 3 ist derjenige mit minimaler Gesamtoberfla¨che zu bestimmen. 24) Diskutieren Sie unter Verwendung der Hilfsmittel der Differentialrechnung den Verlauf der folgenden Funktionen: x2 þ 1 x 3 ln x dÞ y ¼ x
aÞ
y ¼
gÞ y ¼ ð1 e 2 x Þ 2
bÞ y ¼
ðx 1Þ2 x þ1
eÞ y ¼ sin 2 x
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x þ 9 x2 2
cÞ
y ¼
fÞ
y ¼ sin x þ cos x
bungsaufgaben
421
25) Diskutieren Sie den Verlauf der folgenden aperiodischen Bewegungen eines FederMasse-Schwingers: aÞ
y ¼ 4 ðe t e 3 t Þ
ðt 0Þ
bÞ
y ¼ 5 ð1 3 tÞ e 2 t
ðt 0Þ
26) Eine sog. Parabel 3. Ordnung vom Typ y ¼ a x 3 þ b x 2 þ c x þ d geht durch den Koordinatenursprung und besitzt im Punkt (1; 2) einen Wendepunkt. Die Wendetangente schneidet dabei die x-Achse an der Stelle x 1 ¼ 2. Bestimmen Sie aus diesen Funktionseigenschaften die vier Koeffizienten a, b, c und d. 27) Bestimmen Sie nach dem Tangentenverfahren von Newton sa¨mtliche (reellen) Lo¨sungen der folgenden Gleichungen mit einer Genauigkeit von vier Dezimalstellen nach dem Komma: pffiffiffiffi bÞ ln x ¼ 4 e 0,3 x aÞ x 2 2 cos x ¼ 0 cÞ
u 3 ¼ 1,5 u þ 1
dÞ
x e x ¼ 0,5
28) Bestimmen Sie nach dem Newtonschen Tangentenverfahren die im Intervall p p
liegenden Lo¨sungen der Gleichung tan x ¼ x þ 2. ; 2 2
422
V Integralrechnung
1 Integration als Umkehrung der Differentiation Das Grundproblem der in Kapitel IV behandelten Differentialrechnung besteht in der Bestimmung der Ableitung einer vorgegebenen Funktion y ¼ f ðxÞ. Dieser Vorgang wird als Differentiation bezeichnet und la¨sst sich schematisch wie folgt darstellen: y ¼ f ðxÞ
Differentiation
"
y 0 ¼ f 0 ðxÞ
In den naturwissenschaftlich-technischen Anwendungen stellt sich aber auch ha¨ufig das umgekehrte Problem: Von einer zuna¨chst noch unbekannten Funktion y ¼ f ðxÞ ist die Ableitung y 0 ¼ f 0 ðxÞ bekannt und die Funktion selbst ist zu bestimmen. Die Aufgabe besteht also darin, von der gegebenen Ableitung auf die Funktion zu schließen: y 0 ¼ f 0 ðxÞ
!"
y ¼ f ðxÞ
Auf ein solches Problem sto¨ßt man beispielsweise in der Mechanik, wenn von einer Bewegung das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz v ¼ v ðtÞ bekannt ist und daraus dann das Weg-Zeit-Gesetz s ¼ s ðtÞ ermittelt werden soll. Denn bekanntlich ist die Geschwindigkeit die 1. Ableitung des Weges nach der Zeit: v ¼ s_ (siehe hierzu auch Kap. IV, Abschnitt 2.13.1). Auch hier soll also von der bekannten Ableitung s_ einer noch unbekannten Funktion s ¼ s ðtÞ auf die Funktion selbst geschlossen werden: s_ ¼ v ðtÞ
&
!"
s ¼ s ðtÞ
Beispiele Auf Grund der Kenntnisse aus der Differentialrechnung lassen sich die folgenden Aufgaben leicht lo¨sen. (1)
Gegeben: y 0 ¼ 1 Gesucht: Sa¨mtliche Funktionen y ¼ f ðxÞ mit der 1. Ableitung y 0 ¼ 1 Lo¨sung: Jede lineare Funktion vom Typ y ¼ x þ C ist wegen y0 ¼
d ðx þ CÞ ¼ 1 þ 0 ¼ 1 dx
eine Lo¨sung der gestellten Aufgabe (C: beliebige reelle Zahl). Es handelt sich dabei um die in Bild V-1 skizzierte parallele Geradenschar. Fu¨r jeden Wert des
1 Integration als Umkehrung der Differentiation
423
Parameters C erha¨lt man genau eine Gerade. Weitere Lo¨sungen gibt es nicht. Geometrische Bedeutung des Parameters C: Schnittstelle mit der y-Achse (Achsenabschnitt). y
Bild V-1 Geradenschar y ¼ x þ C x
(2)
Gegeben: y 0 ¼ 2 x Gesucht: Sa¨mtliche Funktionen y ¼ f ðxÞ mit der 1. Ableitung y 0 ¼ 2 x Lo¨sung: y ¼ x2 þ C
(Parabelschar, siehe Bild V-2)
Denn fu¨r jedes (reelle) C ist y0 ¼
d ðx 2 þ CÞ ¼ 2 x þ 0 ¼ 2 x dx
Geometrische Bedeutung des Parameters C: Er bestimmt die Lage des Scheitelpunktes auf der y-Achse. y
Bild V-2 Parabelschar y ¼ x 2 þ C x
(3)
Bewegung einer Masse mit konstanter Beschleunigung a la¨ngs einer Geraden Aus dem als bekannt vorausgesetzten Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v ¼ a t þ v 0 fu¨r t 0 schließen wir wie folgt auf das Weg-Zeit-Gesetz: v ¼ s_ ¼ a t þ v 0
)
s ¼
1 a t2 þ v0 t þ C 2
424
V Integralrechnung
(v 0 ¼ v ðt ¼ 0Þ: Anfangsgeschwindigkeit zur Zeit t ¼ 0). Denn es gilt: d 1 1 a t 2 þ v 0 t þ CÞ ¼ a 2 t þ v0 þ 0 ¼ a t þ v0 s_ ¼ dt 2 2 Die Konstante C ermitteln wir aus der Anfangslage s ðt ¼ 0Þ ¼ s 0 : s ðt ¼ 0Þ ¼ s0
)
1 a 02 þ v0 0 þ C ¼ s0 2
)
C ¼ s0
Somit: s ¼
1 a t2 þ v0 t þ s0 2
ðf u¨ r t 0Þ
&
Wir nehmen noch folgende Umbenennungen vor: f ðxÞ:
Vorgegebene 1. Ableitung einer (zuna¨chst noch unbekannten) Funktion
F ðxÞ:
Jede Funktion mit der 1. Ableitung F 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ
Eine Funktion F ðxÞ mit dieser Eigenschaft wird als eine Stammfunktion von f ðxÞ bezeichnet. Wir definieren daher: Definition: Eine differenzierbare Funktion F ðxÞ heißt eine Stammfunktion von f ðxÞ, wenn F 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ
ðV-1Þ
gilt.
&
Beispiele (1)
f ðxÞ ¼ 2 x
)
F ðxÞ ¼ x 2 þ C
(C 2 R; Parabelschar aus Bild V-2)
Denn die 1. Ableitung von F ðxÞ ergibt genau f ðxÞ: F 0 ðxÞ ¼ (2)
f ðxÞ ¼ cos x
d ðx 2 þ CÞ ¼ 2 x þ 0 ¼ 2 x ¼ f ðxÞ dx )
F ðxÞ ¼ sin x þ C
ðC 2 RÞ
Denn es ist: F 0 ðxÞ ¼
d ðsin x þ CÞ ¼ cos x þ 0 ¼ cos x ¼ f ðxÞ dx
1 Integration als Umkehrung der Differentiation (3)
f ðxÞ ¼ e x þ
1 1 þ x2
)
425
F ðxÞ ¼ e x þ arctan x þ C
ðC 2 RÞ
Denn es gilt: d 1 þ0 ¼ ðe x þ arctan x þ CÞ ¼ e x þ dx 1 þ x2 1 ¼ ex þ ¼ f ðxÞ 1 þ x2
F 0 ðxÞ ¼
(4)
f ðxÞ ¼
1 cos 2 x
)
F ðxÞ ¼ tan x þ C
ðC 2 R; cos x 6¼ 0Þ
Denn die erste Ableitung von F ðxÞ ergibt genau die Funktion f ðxÞ: F 0 ðxÞ ¼ (5)
d 1 1 þ0 ¼ ¼ f ðxÞ ðtan x þ CÞ ¼ 2 dx cos x cos 2 x
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 F ðxÞ ¼ ln ðx þ a 2 þ x 2 Þ ist eine Stammfunktion von f ðxÞ ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi , 2 þ x2 a denn es gilt (unter Verwendung der Kettenregel): pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi d 1 2x 0 2 2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ ln ðx þ a þx Þ ¼ F ðxÞ ¼ dx x þ a2 þ x2 2 a2 þ x2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 þ x2 þ x 1 1 ¼ ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ f ðxÞ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 2 2 2 2 a þx a þ x2 x þ a þx &
Anhand dieser Beispiele lassen sich die wesentlichen Eigenschaften der Stammfunktionen erkennen. Wir fassen sie wie folgt zusammen:
Eigenschaften der Stammfunktionen 1. Es gibt zu jeder stetigen Funktion f ðxÞ unendlich viele Stammfunktionen. 2. Zwei beliebige Stammfunktionen F1 ðxÞ und F2 ðxÞ von f ðxÞ unterscheiden sich durch eine additive Konstante: F1 ðxÞ F2 ðxÞ ¼ const:
ðV-2Þ
3. Ist F1 ðxÞ eine beliebige Stammfunktion von f ðxÞ, so ist auch F1 ðxÞ þ C eine Stammfunktion von f ðxÞ. Daher la¨sst sich die Menge aller Stammfunktionen in der Form F ðxÞ ¼ F1 ðxÞ þ C darstellen (C ist dabei eine beliebige reelle Konstante).
ðV-3Þ
426
V Integralrechnung
Der zum Auffinden sa¨mtlicher Stammfunktionen fu¨hrende Prozess heißt Integration: Definition: Das Aufsuchen sa¨mtlicher Stammfunktionen F ðxÞ zu einer vorgegebenen stetigen Funktion f ðxÞ wird als Integration bezeichnet: f ðxÞ
Integration
!"
F ðxÞ
mit
F 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ
ðV-4Þ
Wir ko¨nnen daher die Integration als Umkehrung der Differentiation auffassen. Wa¨hrend der Differentiationsprozess aus einer vorgegebenen Funktion die Ableitung erzeugt, wird durch den Prozess der Integration aus einer vorgegebenen Ableitungsfunktion die Gesamtheit der Stammfunktionen ermittelt.
2 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt In diesem Abschnitt bescha¨ftigen wir uns mit dem sog. Fla¨chenproblem, d. h. der Aufgabe, die Fla¨che zwischen einer Kurve y ¼ f ðxÞ und der x-Achse im Intervall a x b zu bestimmen. Die Lo¨sung dieser Aufgabe wird uns dabei zu dem wichtigen Begriff des bestimmten Integrals einer Funktion f ðxÞ fu¨hren. Zuna¨chst aber soll das Problem an einem einfachen Beispiel na¨her erla¨utert werden.
2.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel Wir stellen uns die Aufgabe, den Fla¨cheninhalt A zwischen der Normalparabel y ¼ x 2 und der x-Achse im Intervall 1 x 2 zu berechnen (Bild V-3).
y y=x2 4
Bild V-3 Zur Bestimmung der Fla¨che zwischen der Parabel y ¼ x 2 und der x-Achse im Intervall 1 x 2
A
1
1
2
x
2 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt
427
Dabei verfahren wir wie folgt: (1)
Das Fla¨chenstu¨ck wird zuna¨chst durch Schnitte parallel zur y-Achse in n Streifen gleicher Breite Dx zerlegt.
(2)
Anschließend wird jeder Streifen in geeigneter Weise durch ein Rechteck ersetzt (der Fla¨cheninhalt eines Rechtecks la¨sst sich na¨mlich elementar als Produkt der beiden Seiten berechnen). Der gesuchte Fla¨cheninhalt A ist dann na¨herungsweise gleich der Summe aller Rechtecksfla¨chen.
(3)
Dabei gilt: Je gro¨ßer die Anzahl der Streifen, umso besser die Na¨herung! Beim Grenzu¨bergang n ! 1 strebt die Summe der Rechtecksfla¨chen gegen den gesuchten Fla¨cheninhalt A.
Wir wollen jetzt das beschriebene Verfahren fu¨r eine Zerlegung der Fla¨che in 5, 10 bzw. 20 Streifen na¨her studieren. Zerlegung der Fla¨che in n ¼ 5 Streifen Dx ¼ 0,2
Streifenbreite:
Die Teilpunkte P 0 , P 1 , . . . , P 5 auf der Parabel besitzen die folgenden Koordinaten (siehe hierzu die Bilder V-4 und V-5):
x y
P0
P1
1
1,2
1
2
P2
P3
1,4
2
1,6
2
1,2
P4 1,8
2
1,4
2
1,6
y
P5
1,8
2 22
y y=x
2
4
4 P4
P4 P3
P3 P2
P2 P1
P1 1
y=x2
P5
P5
P0
1
1
2
Bild V-4 Zum Begriff der Untersumme
P0
x
1
2
x
Bild V-5 Zum Begriff der Obersumme
Untersumme (Bild V-4) Jeder Streifen wird durch ein zu klein ausfallendes Rechteck ersetzt (die Ho¨he entspricht dem Ordinatenwert im jeweiligen linken Randpunkt, siehe hierzu Bild V-4). Die Summe dieser Rechtecksfla¨chen bezeichnet man daher als Untersumme U5. Es ist: U 5 ¼ 1 2 0,2 þ 1,2 2 0,2 þ 1,4 2 0,2 þ 1,6 2 0,2 þ 1,8 2 0,2 ¼ ¼ ð1 2 þ 1,2 2 þ 1,4 2 þ 1,6 2 þ 1,8 2 Þ 0,2 ¼ 2,04
ðV-5Þ
428
V Integralrechnung
Obersumme (Bild V-5) Jetzt ersetzen wir jeden Streifen durch ein zu groß ausfallendes Rechteck (als Ho¨he wa¨hlen wir den Ordinatenwert im jeweiligen rechten Randpunkt, siehe hierzu Bild V-5). Die Summe dieser Rechtecksfla¨chen heißt daher Obersumme O5. Es ist: O 5 ¼ 1,2 2 0,2 þ 1,4 2 0,2 þ 1,6 2 0,2 þ 1,8 2 0,2 þ 2 2 0,2 ¼ ¼ ð1,2 2 þ 1,4 2 þ 1,6 2 þ 1,8 2 þ 2 2 Þ 0,2 ¼ 2,64
ðV-6Þ
Fla¨cheninhalt A In beiden Fa¨llen (Unter- bzw. Obersumme) haben wir den tatsa¨chlichen Kurvenverlauf durch eine treppenfo¨rmige Kurve ersetzt. Der gesuchte Fla¨cheninhalt A liegt dabei zwischen Unter- und Obersumme: U5 A O5 ,
d: h:
2,04 A 2,64
ðV-7Þ
Die Abweichung zwischen den beiden Summen betra¨gt 0,6, d. h. diese Na¨herung ist noch viel zu grob. Zerlegung der Fla¨che in n ¼ 10 Streifen Streifenbreite:
Dx ¼ 0,1
Fu¨r Unter- und Obersumme ergeben sich jetzt folgende Werte: U 10 ¼ 1 2 0,1 þ 1,1 2 0,1 þ 1,2 2 0,1 þ . . . þ 1,9 2 0,1 ¼ ¼ ð1 2 þ 1,1 2 þ 1,2 2 þ . . . þ 1,9 2 Þ 0,1 ¼ 2,185
ðV-8Þ
O 10 ¼ 1,1 2 0,1 þ 1,2 2 0,1 þ 1,3 2 0,1 þ . . . þ 2 2 0,1 ¼ ¼ ð1,1 2 þ 1,2 2 þ 1,3 2 þ . . . þ 2 2 Þ 0,1 ¼ 2,485
ðV-9Þ
Dabei gilt fu¨r den Fla¨cheninhalt A: U 10 A O 10 ,
d: h:
2,185 A 2,485
ðV-10Þ
Die Abweichung zwischen Ober- und Untersumme betra¨gt jetzt nur noch 0,3, hat sich also genau halbiert. Eine weitere Verbesserung erha¨lt man durch abermalige Verdoppelung der Streifenanzahl. Zerlegung der Fla¨che in n ¼ 20 Streifen Streifenbreite:
Dx ¼ 0,05
U 20 ¼ ð1 2 þ 1,05 2 þ 1,10 2 þ . . . þ 1,95 2 Þ 0,05 ¼ 2,258 75
ðV-11Þ
O 20 ¼ ð1,05 2 þ 1,10 2 þ 1,15 2 þ . . . þ 2 2 Þ 0,05 ¼ 2,408 75
ðV-12Þ
U 20 A O 20 ,
ðV-13Þ
d: h:
2,258 75 A 2,408 75
Die Differenz zwischen Ober- und Untersumme betra¨gt jetzt nur noch 0,15.
2 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt
429
Grenzu¨bergang fu¨r n ! 1 Bei einer Vergro¨ßerung der Streifenanzahl n nehmen offensichtlich die Untersummen zu und die Obersummen ab, die Differenz zwischen Ober- und Untersumme wird dabei immer kleiner, wie die folgenden Rechenergebnisse fu¨r Zerlegungen in 5, 10, 20, 50, 100 und 1000 Streifen deutlich zeigen: n
5
10
20
50
100
1000
Un
2,04
2,185
2,258 75
2,3034
2,318 35
2,331 833 5
On
2,64
2,485
2,408 75
2,3634
2,348 35
2,334 833 5
On Un
0,6
0,3
0,15
0,06
0,03
0,003
Bei beliebig feiner Zerlegung, d. h. fu¨r den Grenzu¨bergang n ! 1 streben Ober- und Untersumme gegen einen gemeinsamen Grenzwert, der geometrisch den gesuchten Fla¨cheninhalt A darstellt. In unserem Beispiel ergibt sich dabei, wie wir spa¨ter noch zeigen werden, der folgende Wert: 7 ¼ 2,3 . . . 3
A ¼ lim U n ¼ lim O n ¼ n!1
n!1
ðV-14Þ
2.2 Das bestimmte Integral Wir verallgemeinern jetzt das im vorherigen Abschnitt dargelegte Fla¨chenproblem. Um zu einer mo¨glichst anschaulichen Deutung des Integralbegriffes zu gelangen, wollen wir zuna¨chst von der stetigen Funktion y ¼ f ðxÞ voraussetzen, dass sie im gesamten Intervall a x b oberhalb der x-Achse verla¨uft und dabei monoton wa¨chst (Bild V-6). y y = f(x)
Pn
P n–1 Pk f(x n )
P k –1 P2
f(x n–1 )
P1
P0
f(x 1 )
f(x 0 )
Dx 1 x0 = a
f(x 2 )
f(x k –1 )
Dx2 x1
Dxk x2
x k –1
f(x k )
Dxn xk
Bild V-6 Zum Fla¨chenproblem der Integralrechnung
x n –1 x n = b
x
430
V Integralrechnung
Unsere Aufgabe besteht nun darin, den Fla¨cheninhalt A zwischen der Kurve y ¼ f ðxÞ und der x-Achse im Intervall a x b zu berechnen. Dabei verfahren wir wiederum wie folgt: (1)
Zuna¨chst zerlegen wir die Fla¨che in n achsenparallele Streifen, deren Breite wir der Reihe nach mit Dx 1 , Dx 2 , . . . , Dx k , . . . , Dx n bezeichnen. Die Streifenbreiten du¨rfen also durchaus unterschiedlich sein.
(2)
Dann ersetzen wir jeden Streifen durch ein Rechteck. Wa¨hlt man als Ho¨he des Rechtecks den jeweils kleinsten Funktionswert (Ordinate des linken Randpunktes), so besitzen die in Bild V-6 grau unterlegten Rechtecke der Reihe nach den folgenden Fla¨cheninhalt: A 1 ¼ f ðx 0 Þ Dx 1 A 2 ¼ f ðx 1 Þ Dx 2 .. . A k ¼ f ðx k 1 Þ Dx k .. .
ðV-15Þ
A n ¼ f ðx n 1 Þ Dx n Der gesuchte Fla¨cheninhalt A ist dann gewiss nicht kleiner als die als Untersumme U n bezeichnete Summe dieser Rechtecksfla¨chen: Un ¼ A1 þ A2 þ . . . þ Ak þ . . . þ An ¼ ¼ f ðx 0 Þ Dx 1 þ f ðx 1 Þ Dx 2 þ . . . þ f ðx k 1 Þ Dx k þ . . . þ f ðx n 1 Þ Dx n ¼ ¼
n X
f ðx k 1 Þ Dx k A
ðV-16Þ
k¼1
Wa¨hlt man jedoch als Rechtecksho¨he den jeweils gro¨ßten Funktionswert (Ordinate des rechten Randpunktes), so ist der Fla¨cheninhalt dieser zu groß ausfallenden Rechtecke der Reihe nach A 1 ¼ f ðx 1 Þ Dx 1 A 2 ¼ f ðx 2 Þ Dx 2 .. . A k ¼ f ðx k Þ Dx k .. . A n ¼ f ðx n Þ Dx n
ðV-17Þ
2 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt
431
Der Fla¨cheninhalt A ist dann gewiss nicht gro¨ßer als die als Obersumme O n bezeichnete Summe dieser Rechtecksfla¨chen: On ¼ A1 þ A2 þ . . . þ Ak þ . . . þ An ¼ ¼ f ðx 1 Þ Dx 1 þ f ðx 2 Þ Dx 2 þ . . . þ f ðx k Þ Dx k þ . . . þ f ðx n Þ Dx n ¼ ¼
n X
f ðx k Þ Dx k A
ðV-18Þ
k¼1
Die gesuchte Fla¨che A liegt damit zwischen Unter- und Obersumme: Un A On (3)
ðV-19Þ
Mit zunehmender Verfeinerung der Zerlegung nehmen die Untersummen zu, die Obersummen jedoch ab. Wir zeigen dies am Beispiel der Verdoppelung der Streifenanzahl ðn ! 2 nÞ. Jeder Streifen der Breite h soll dabei durch Halbierung in zwei gleichbreite neue Streifen mit der Breite h=2 u¨bergehen (Bild V-7). y
y
y = f (x)
y = f (x)
h/2
h/2
x
x
h
h
a)
b)
Bild V-7 Halbierung der Streifen bewirkt eine Zunahme der Untersumme
Das in Teilbild a) grau unterlegte Rechteck geho¨rt zur alten Untersumme und wird durch die beiden in Teilbild b) hell- bzw. dunkelgrau unterlegten Rechtecke ersetzt, deren Gesamtfla¨che gro¨ßer ist als die Fla¨che des urspru¨nglichen Rechtecks in Teilbild a). Daher nimmt die Untersumme zu. Analog kann man zeigen, dass die Obersumme bei einer Verdoppelung der Streifenanzahl abnimmt (jedes Rechteck wird durch zwei neue Rechtecke mit einer kleineren Gesamtfla¨che ersetzt). Beim Grenzu¨bergang n ! 1 streben Unter- und Obersumme gegen einen gemeinsamen Grenzwert, wenn zugleich die Breite Dx k sa¨mtlicher Streifen gegen Null geht ðk ¼ 1; 2; . . . ; nÞ. Diesen Grenzwert bezeichnet man dann als das bestimmte Integral der Funktion f ðxÞ in den Grenzen von x ¼ a bis x ¼ b und schreibt dafu¨r symbolisch: ðb lim U n ¼ lim O n ¼
n!1
n!1
f ðxÞ dx a
ðV-20Þ
432
V Integralrechnung
In unserer geometrischen Betrachtungsweise bedeutet er den Fla¨cheninhalt A zwischen der Kurve mit der Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ und der x-Achse im Intervall a x b. Es gilt daher (wir ko¨nnen uns auf den Grenzwert der Obersumme beschra¨nken): A ¼ lim O n ¼ lim n!1
n X
n!1 k¼1
ðb f ðx k Þ Dx k ¼
f ðxÞ dx
ðV-21Þ
a
Wir fu¨hren noch die folgenden allgemein u¨blichen Bezeichnungen ein: x:
Integrationsvariable
f ðxÞ:
Integrandfunktion (kurz: Integrand )
a:
Untere Integrationsgrenze
b:
Obere Integrationsgrenze
Das bestimmte Integral einer Funktion f ðxÞ in den Grenzen von x ¼ a bis x ¼ b la¨sst sich somit allgemein wie folgt definieren: Definition: Der Grenzwert lim
n X
n!1 k¼1
f ðx k Þ Dx k
ðV-22Þ
heißt, falls er vorhanden ist, das bestimmte Intergral der Funktion f ðxÞ in den Grenzen von x ¼ a bis x ¼ b und wird durch das ðb Symbol f ðxÞ dx gekennzeichnet. a
Anmerkungen (1)
Das bestimmte Integral ist also der Grenzwert einer Folge von Summen. Dieser Grenzwert ist vorhanden, wenn der Integrand f ðxÞ im endlichen Integrationsintervall a x b beschra¨nkt 1Þ ist und dort ho¨chstens endlich viele Unstetigkeitsstellen (Sprungstellen, hebbare Unstetigkeiten) besitzt. Fu¨r stetige Funktionen sind diese Bedingungen stets erfu¨llt.
(2)
Eine Funktion f ðxÞ, deren bestimmtes Integral existiert, heißt integrierbar. Stetige Funktionen sind demnach stets integrierbar.
(3)
Der Integralwert kann positiv, negativ oder null sein. Er ist dabei unabha¨ngig von der vorgenommenen Streifenzerlegung, sofern nur die Breite eines jeden Streifens gegen Null strebt (Dx k ! 0 fu¨r n ! 1).
1)
Es gilt in diesem Intervall also j f ðxÞ j < K, wobei K eine positive Konstante ist.
2 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt (4)
433
Man beachte, dass das Integrationsintervall a x b endlich ist. In der Regel ist a < b (Integration in positiver x-Richtung). Aber auch der Fall a > b ist mo¨glich (jetzt wird von rechts nach links, d. h. in negativer x-Richtung integriert). Eine geometrisch anschauliche Interpretation des bestimmten Integrals als Fla¨cheninhalt ist nur fu¨r f ðxÞ 0 und a < b mo¨glich.
Anschauliche Interpretation der symbolischen Schreibweise Wir mo¨chten noch auf eine zwar nicht ganz pra¨zise, dafu¨r jedoch sehr anschauliche Interpretation der in der Integralrechnung verwendeten Symbolik hinweisen. Der in Bild V-8 skizzierte (dick umrandete) infinitesimal schmale Streifen der Breite dx besitzt einen Fla¨cheninhalt, der na¨herungsweise mit dem Fla¨cheninhalt dA ¼ f ðxÞ dx des eingezeichneten (grau unterlegten) rechteckigen Fla¨chenelementes u¨bereinstimmt. Deutet man das Integralzeichen als eine Art gestrecktes Summenzeichen, so kann das bestimmte ðb Integral f ðxÞ dx als Summe aller zwischen x ¼ a und x ¼ b gelegenen infinitesia
mal schmalen Streifenfla¨chen vom Fla¨cheninhalt dA ¼ f ðxÞ dx aufgefasst werden: ðb
xð ¼b
dA ¼
A ¼ x¼a
f ðxÞ dx
ðV-23Þ
a
(„Summiere u¨ber alle Fla¨chenelemente dA ¼ f ðxÞ dx, die in der Fla¨che zwischen x ¼ a und x ¼ b liegen“). Die Fla¨che A wird gewissermaßen aus unendlich vielen Fla¨chenelementen zusammengesetzt, wobei das „erste“ Element bei x ¼ a und das „letzte“ Element bei x ¼ b liegt. Bild V-9 verdeutlicht diese geometrische Interpretation.
y
y y = f(x)
y = f(x)
f(x) dA
a
x dx
b
Bild V-8 Zur anschaulichen geometrischen Interpretation des bestimmten Integrals
x
a
b dx
Bild V-9 Das bestimmte Integral als unendliche Summe von Fla¨chenelementen
x
434 &
V Integralrechnung
Beispiel Wir kehren jetzt zu dem Beispiel des vorangegangenen Abschnitts zuru¨ck und wollen den Fla¨cheninhalt zwischen der Parabel y ¼ f ðxÞ ¼ x 2 und der x-Achse im Intervall 1 x 2 als Grenzwert der Obersumme O n berechnen. Da der Integralwert unabha¨ngig von der Art der Zerlegung ist, wa¨hlen wir hier zweckma¨ßigerweise eine Unterteilung in Streifen gleicher Breite Dx (sog. a¨quidistante Zerlegung, Bild V-10).
y y=x2
k-ter Streifen
f(x k )
Dx x 0 = 1 x1
Dx
Dx
x k –1 x k
x n –1 x n = 2
x
ð2 x 2 dx als Grenzwert der Obersumme
Bild V-10 Zur Berechnung des bestimmten Integrals 1
Bei n Streifen betra¨gt die Streifenbreite Dx ¼ ð2 1Þ=n ¼ 1=n. Die Abszissenwerte der insgesamt n þ 1 Teilpunkte auf der x-Achse lauten dann der Reihe nach wie folgt: x0
x1
x2
...
xk
...
xn
1
1 þ Dx
1 þ 2 Dx
...
1 þ k Dx
...
2
Fu¨r den in Bild V-10 dunkelgrau unterlegten k-ten Streifen gilt dann na¨herungsweise: k 2 2 2 Streifenho¨he: f ðx k Þ ¼ x k ¼ ð1 þ k DxÞ ¼ 1 þ n 1 Streifenbreite: Dx ¼ n k 2 1 Streifenfla¨che: f ðx k Þ Dx ¼ 1 þ n n
2 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt
435
Damit erha¨lt man fu¨r die Obersumme nach Gleichung (V-18): n n n X X X k 2 1 2k k2 1 f ðx k Þ Dx ¼ 1þ 1þ On ¼ ¼ þ 2 ¼ n n n n n k¼1 k¼1 k¼1 n n n n X X 1 2k k2 1 2 X 1 X k þ 3 k2 þ 2 þ 3 ¼ þ 2 ¼ n n n n n n k¼1 k¼1 k¼1 k¼1 Die dabei auftretenden endlichen Summen werden unter Verwendung der folgenden Formelausdru¨cke berechnet, die wir der Formelsammlung entnommen haben (Abschnitt I.3.4): n X 1 1 1 1 1 ¼ n ¼ þ þ ... þ ¼ 1 n n n n n k¼1 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl}
n Summanden n X
k ¼ 1 þ 2 þ 3 þ ... þ n ¼
k¼1 n X
n ðn þ 1Þ 2
k 2 ¼ 12 þ 22 þ 32 þ . . . þ n2 ¼
k¼1
n ðn þ 1Þ ð2 n þ 1Þ 6
Mit diesen Ausdru¨cken la¨sst sich die Obersumme auch wie folgt schreiben: 2 n ðn þ 1Þ 1 n ðn þ 1Þ ð2 n þ 1Þ þ 3 ¼ n2 2 n 6 nþ1 1 nþ1 2n þ 1 þ ¼ ¼ 1þ n 6 n n 1 1 1 1 ¼ 1þ 1þ þ 1þ 2þ ¼ n 6 n n 1 1 1 1 þ 1þ 2þ ¼ 2þ n 6 n n
On ¼ 1 þ
Beim Grenzu¨bergang n ! 1 strebt die Streifenbreite Dx ¼ 1=n gegen Null und die ð2 Obersumme O n geht dabei definitionsgema¨ß in das bestimmte Integral x 2 dx u¨ber, das den gesuchten Fla¨cheninhalt A darstellt: 1
ð2 x 2 dx ¼ lim O n ¼ lim
A ¼
n!1
n!1
2þ
1 1 þ n 6
1 1 2þ ¼ 1þ n n
1
¼ 2þ0þ
1 1 1 7 ð1 þ 0Þ ð2 þ 0Þ ¼ 2 þ 0 þ 12 ¼ 2þ ¼ 6 6 3 3
436
V Integralrechnung
Fazit: Die direkte Berechnung eines bestimmten Integrals u¨ber den Grenzwert (V-22) ist –– wie dieses einfache Beispiel bereits zeigt –– eine meist schwierige und aufwa¨ndige Angelegenheit.
&
3 Unbestimmtes Integral und Fla¨chenfunktion Unter den in Abschnitt 2.2 genannten Voraussetzungen repra¨sentiert das bestimmte Inteðb gral f ðtÞ dt den Fla¨cheninhalt A zwischen der Kurve y ¼ f ðtÞ und der t-Achse im a
Intervall a t b (Bild V-11) 2). y
y
y = f(t)
y = f(t)
I (x)
A
a
b
Bild V-11 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt
t
a
x
t
Bild V-12 Zum Begriff des unbestimmten Integrals (Fla¨chenfunktion)
Betrachtet man in diesem Integral die untere Integrationsgrenze a als fest, die obere Integrationsgrenze b dagegen als variabel, so ha¨ngt der Integralwert nur noch von der oberen Grenze ab: Der Integralwert ist daher eine Funktion der oberen Grenze. Um auch nach außen hin zu dokumentieren, dass die obere Grenze variabel ist, ersetzen wir b durch x und erhalten die Funktion ðx I ðxÞ ¼
f ðtÞ dt
ðV-24Þ
a
(siehe Bild V-12). Sie wird als ein unbestimmtes Integral von f ðtÞ bezeichnet, da die obere Grenze unbestimmt ist (im Sinne von variabel). 2)
Die Bezeichnung der Integrationsvariablen ist dabei ohne jede Bedeutung. Um im Folgenden Missversta¨ndnisse zu vermeiden, kennzeichnen wir in diesem Abschnitt die Integrationsvariable durch das Buchstabensymbol t (anstatt von x).
3 Unbestimmtes Integral und Fla¨chenfunktion
437
Geometrische Deutung des unbestimmten Integrals ðx Das unbestimmte Integral I ðxÞ ¼
f ðtÞ dt beschreibt fu¨r x a den Fla¨cheninhalt a
zwischen der Kurve y ¼ f ðtÞ und der t-Achse im Intervall a t x in Abha¨ngigkeit von der oberen Grenze x und wird daher auch als Fla¨chenfunktion bezeichnet (Bild V-12). Fu¨r verschiedene x-Werte erha¨lt man im Allgemeinen verschiedene Fla¨cheninhalte. Aus dem unbestimmten Integral wird dabei jeweils ein bestimmtes Integral (die obere Integrationsgrenze besitzt dann einen festen Wert). In Bild V-13 sind die Funktionswerte der Fla¨chenfunktion I ðxÞ fu¨r zwei verschiedene obere Grenzen x 1 und x 2 geometrisch als Fla¨cheninhalte dargestellt.
Grau unterlegte Fla¨che:
y
ð
x1
I ðx 1 Þ ¼
y = f(t)
f ðtÞ dt a
Stark umrandete Fla¨che: ð
x2
I ðx 2 Þ ¼
f ðtÞ dt a
a
x1
t
x2
Bild V-13 Das unbestimmte Integral als Funktion der oberen Integrationsgrenze
Wa¨hlt man als untere Grenze a* (anstatt von a), so ist auch ðx f ðtÞ dt
I * ðxÞ ¼
ðV-25Þ
a
ein unbestimmtes Integral (eine Fla¨chenfunktion) von f ðtÞ. Zwischen I ðxÞ und I * ðxÞ besteht dabei der folgende Zusammenhang, den man unmittelbar aus Bild V-14 entnehmen kann: ðx I ðxÞ I * ðxÞ ¼
f ðtÞ dt a
að
ðx f ðtÞ dt ¼ a
f ðtÞ dt a
ðV-26Þ
438
V Integralrechnung
y
I (x)
I*(x)
y = f(t)
Bild V-14 Fla¨chenfunktionen (unbestimmte Integrale) unterscheiden sich in der unteren Grenze voneinander a
a*
x
t
Die beiden Fla¨chenfunktionen unterscheiden sich demnach durch das bestimmte Integral að f ðtÞ dt, d. h. durch eine Konstante. Ihr Wert ist nichts anderes als der Fla¨cheninhalt a
zwischen der Kurve y ¼ f ðtÞ und der t-Achse im Intervall a t a* ( grau unterlegte Fla¨che in Bild V-14; Voraussetzung: a* > a). Da aber fu¨r die Wahl der unteren Integrationsgrenze a, von der an die Fla¨chenberechnung erfolgt, grundsa¨tzlich beliebig viele Mo¨glichkeiten existieren, gibt es entsprechend auch unendlich viele unbestimmte Integrale der Funktion y ¼ f ðtÞ. Sie unterscheiden sich in der unteren Grenze voneinander. Wir ko¨nnen daher den folgenden Satz aussprechen:
Eigenschaften der unbestimmten Integrale ðx 1. Das unbestimmte Integral I ðxÞ ¼
f ðtÞ dt repra¨sentiert den Fla¨cheninhalt a
zwischen der Funktion y ¼ f ðtÞ und der t-Achse im Intervall a t x in Abha¨ngigkeit von der oberen Grenze x. 2. Zu jeder stetigen Funktion f ðtÞ gibt es unendlich viele unbestimmte Integrale, die sich in ihrer unteren Grenze voneinander unterscheiden. 3. Die Differenz zweier unbestimmter Integrale I 1 ðxÞ und I 2 ðxÞ von f ðtÞ ist eine Konstante.
3 Unbestimmtes Integral und Fla¨chenfunktion
439
Anmerkungen
&
(1)
Die geometrische Deutung eines unbestimmten Integrals als Fla¨chenfunktion ist nur mo¨glich, wenn f ðxÞ 0 und x a ist. Denn nur dann liegt die Kurve und damit das Fla¨chenstu¨ck oberhalb der x-Achse, wobei die Integration von links nach rechts, d. h. in positiver x-Richtung erfolgt. Diese Einschra¨nkungen werden spa¨ter fallen gelassen.
(2)
Man beachte den fundamentalen Unterschied zwischen einem bestimmten und einem unbestimmten Integral: Bestimmtes Integral:
Reeller Zahlenwert
Unbestimmtes Integral:
Funktion der oberen Grenze
Beispiel ðx I 1 ðxÞ ¼
ðx t dt und I 2 ðxÞ ¼ 2
0
t 2 dt sind zwei unbestimmte Integrale der Normal1
parabel f ðtÞ ¼ t 2 und repra¨sentieren die in Bild V-15 dargestellten Fla¨chen (die Fla¨chenberechnung beginnt bei t ¼ 0 bzw. t ¼ 1 und endet an der Stelle x 1). Sie ð1 unterscheiden sich dabei durch das bestimmte Integral t 2 dt, d. h. durch eine Konstante, 0
deren Wert der im Bild grau unterlegten Fla¨che entspricht: ðx I 1 ðxÞ I 2 ðxÞ ¼
ðx t dt
0
ð1 t dt ¼
2
t 2 dt ¼ const:
2
1
0
Die Konstante besitzt –– wie wir spa¨ter in Abschnitt 6 (1. Beispiel) noch zeigen werden –– den Wert 1=3 (Fla¨che unter der Normalparabel y ¼ t 2 zwischen t ¼ 0 und t ¼ 1). y y=t2
I 1 (x) 1 I 2 (x)
Bild V-15 1
x
t
&
440
V Integralrechnung
4 Der Fundamentalsatz der Differentialund Integralrechnung ðx Wird die obere Grenze x im unbestimmten Integral I ðxÞ ¼ ßert, so wa¨chst der Fla¨cheninhalt nach Bild V-16 um
f ðxÞ dx um Dx vergro¨a
DI ¼ I ðx þ DxÞ I ðxÞ
ðV-27Þ
(grau unterlegte Fla¨che in Bild V-16) 3). y y = f(x)
f(x + D x)
Bild V-16 Zur Herleitung des Fundamentalsatzes der Differential- und Integralrechnung
f(x)
Dx a
x
x + Dx
x
Dieser Fla¨chenzuwachs liegt zwischen den Fla¨cheninhalten der beiden eingezeichneten Rechtecke gleicher Breite Dx. Das kleinere Rechteck besitzt die Ho¨he f ðxÞ und damit den Fla¨cheninhalt f ðxÞ Dx, das gro¨ßere Rechteck die Ho¨he f ðx þ DxÞ und damit den Fla¨cheninhalt f ðx þ DxÞ Dx. Zwischen den drei Fla¨cheninhalten besteht daher die Beziehung f ðxÞ Dx DI f ðx þ DxÞ Dx
ðV-28Þ
Nach Division durch Dx wird daraus: f ðxÞ
DI f ðx þ DxÞ Dx
ðV-29Þ
Beim Grenzu¨bergang Dx ! 0 bleibt diese Ungleichung erhalten: lim f ðxÞ lim
Dx ! 0
3)
Dx ! 0
DI lim f ðx þ DxÞ Dx Dx ! 0
ðV-30Þ
Wir lassen die unterschiedliche Kennzeichnung zwischen der Integrationsvariablen und der oberen Grenze fallen. Ferner nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die Funktion f ðxÞ im gesamten Integrationsbereich oberhalb der x-Achse verla¨uft und dabei monoton wa¨chst.
4 Der Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung
441
Der in der Mitte eingeschlossene Grenzwert ist dabei definitionsgema¨ß die 1. Ableitung I 0 ðxÞ der Fla¨chenfunktion I ðxÞ, wa¨hrend die beiden a¨ußeren Grenzwerte wegen der vorausgesetzten Stetigkeit von f ðxÞ jeweils den Funktionswert f ðxÞ ergeben: lim
Dx ! 0
DI I ðx þ DxÞ I ðxÞ ¼ lim ¼ I 0 ðxÞ Dx Dx Dx ! 0
lim f ðxÞ ¼ lim f ðx þ DxÞ ¼ f ðxÞ
Dx ! 0
Dx ! 0
ðV-31Þ ðV-32Þ
Damit erha¨lt man die Ungleichung f ðxÞ I 0 ðxÞ f ðxÞ
ðV-33Þ
die aber nur dann bestehen kann, wenn I 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ
ðV-34Þ
ist. Damit haben wir nachgewiesen, dass die erste Ableitung eines unbestimmten Inteðx grals I ðxÞ ¼ f ðxÞ dx zum Integranden f ðxÞ fu¨hrt. Dies aber bedeutet, dass I ðxÞ a
eine Stammfunktion von f ðxÞ ist. Wir fassen diese bedeutende Aussage in dem sog. Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung wie folgt zusammen:
Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung ðx Jedes unbestimmte Integral I ðxÞ ¼ Stammfunktion von f ðxÞ: ðx f ðxÞ dx
I ðxÞ ¼
)
f ðxÞ dx der stetigen Funktion f ðxÞ ist eine a
I 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ
ðV-35Þ
a
Die Aussage des Fundamentalsatzes la¨sst sich auch wie folgt verdeutlichen: ðx I ðxÞ ¼ a
!
f ðxÞ dx
Differentiation
ðV-36Þ
442
V Integralrechnung
Wir ziehen noch einige Folgerungen aus dem Fundamentalsatz: (1)
I ðxÞ ist wegen I 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ eine stetig differenzierbare Funktion.
(2)
Jedes unbestimmte Integral I ðxÞ der Funktion f ðxÞ la¨sst sich in der Form ðx I ðxÞ ¼
f ðxÞ dx ¼ F ðxÞ þ C 1
ðV-37Þ
a
darstellen, wobei F ðxÞ irgendeine (spezielle) Stammfunktion von f ðxÞ und C 1 eine geeignete (reelle) Konstante bedeutet, deren Wert noch von der unteren Grenze a abha¨ngen wird. (3)
Da es zu einer stetigen Funktion f ðxÞ unendlich viele unbestimmte Integrale gibt, kennzeichnet man diese Funktionenschar durch Weglassen der Integrationsgrenzen in folgender Weise: ð f ðxÞ dx: Menge aller unbestimmten Integrale von f ðxÞ Sie ist stets in der Form ð f ðxÞ dx ¼ F ðxÞ þ C
ðF 0 ðxÞ ¼ f ðxÞÞ
ðV-38Þ
darstellbar, wobei F ðxÞ irgendeine (spezielle) Stammfunktion zu f ðxÞ bedeutet und der Parameter C alle reellen Werte durchla¨uft. Die Konstante C heißt in diesem Zusammenhang auch Integrationskonstante. (4)
&
Fu¨r stetige Funktionen besteht kein Unterschied zwischen den Begriffen „Stammfunktion“ und „unbestimmtes Integral“.
Beispiele ð (1) ð2 x þ 1Þ dx ¼ ? Wir wissen: Es genu¨gt, irgendeine Stammfunktion F ðxÞ von f ðxÞ ¼ 2 x þ 1 zu finden. Die Funktion F ðxÞ ¼ x 2 þ x besitzt die geforderte Eigenschaft: F 0 ðxÞ ¼
d ðx 2 þ xÞ ¼ 2 x þ 1 ¼ f ðxÞ dx
Daher gilt: ð ð2 x þ 1Þ dx ¼ F ðxÞ þ C ¼ x 2 þ x þ C
ðC 2 RÞ
4 Der Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung
443
ð e x dx ¼ ?
(2)
Eine Stammfunktion zum Integranden f ðxÞ ¼ e x ist F ðxÞ ¼ e x , da F 0 ðxÞ ¼
d ðe x Þ ¼ e x ¼ f ðxÞ dx
ergibt. Daher ist: ð e x dx ¼ F ðxÞ þ C ¼ e x þ C
ðC 2 RÞ
die Gesamtheit der unbestimmten Integrale von f ðxÞ ¼ e x . ð (3)
4 dx ¼ ? 1 þ x2
F ðxÞ ¼ 4 arctan x ist eine Stammfunktion des Integranden f ðxÞ ¼ F 0 ðxÞ ¼
4 : 1 þ x2
d 1 4 ð4 arctan xÞ ¼ 4 ¼ ¼ f ðxÞ dx 1 þ x2 1 þ x2
Daraus folgt: ð
(4)
4 dx ¼ F ðxÞ þ C ¼ 4 arctan x þ C 1 þ x2
ðC 2 RÞ
Aus einer Integraltafel entnehmen wir die folgende Integralformel: ð ln x dx ¼ x ln x x þ C
ðC 2 RÞ
Wir u¨berpru¨fen diese Formel, indem wir die Ableitung der auf der rechten Seite stehenden Funktion bilden. Sie fu¨hrt (wie erwartet) zum Integranden ln x : d 1 ðx ln x x þ CÞ ¼ 1 ln x þ x 1 ¼ ln x þ 1 1 ¼ ln x dx x Damit haben wir nachgewiesen, dass die Funktion F ðxÞ ¼ x ln x x þ C in der Tat eine Stammfunktion von f ðxÞ ¼ ln x ist. Die Integralformel ist somit richtig. Man bezeichnet diese Art der Beweisfu¨hrung auch als „Verifizierung“.
444
(5)
V Integralrechnung
Fallgesetze im luftleeren Raum Aus dem Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v ðtÞ ¼ g t þ v0
ðf u¨ r t 0Þ
erha¨lt man wegen v ðtÞ ¼ s_ ðtÞ durch Integration das folgende Zeitgesetz fu¨r den Fallweg s des frei fallenden Ko¨rpers: ð ð ð s ðtÞ ¼ s_ ðtÞ dt ¼ v ðtÞ dt ¼ ðg t þ v 0 Þ dt ¼ ¼
1 1 g t2 þ v0 t þ C ¼ g t2 þ v0 t þ s0 2 2
( g: Erdbeschleunigung; v 0 : Anfangsgeschwindigkeit zur Zeit t ¼ 0; C ¼ s 0 : Wegmarke zur Zeit t ¼ 0). Denn es gilt: d 1 g t 2 þ v 0 t þ s 0 ¼ g t þ v 0 ¼ v ðtÞ s_ ðtÞ ¼ & dt 2
5 Grund- oder Stammintegrale In Kap. IV, Abschnitt 1.3 wurden die Ableitungen der elementaren Funktionen in tabellarischer Form zusammengestellt. Die dortige Tabelle 1 entha¨lt in der linken Spalte die jeweilige Funktion f ðxÞ und in der rechten Spalte die zugeho¨rige Ableitung f 0 ðxÞ. Nach dem Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung besteht dann zwischen der (stetig differenzierbaren) Funktion f ðxÞ und ihrer Ableitung f 0 ðxÞ der Zusammenhang ð
f 0 ðxÞ dx ¼ f ðxÞ þ C
ðC 2 RÞ
ðV-39Þ
So gelten beispielsweise die folgenden Beziehungen (mit C 2 R): ð x n dx ¼
ð
xnþ1 þC nþ1
ðf u¨ r n 6¼ 1Þ ; ð
ð e x dx ¼ e x þ C ;
cos x dx ¼ sin x þ C
1 dx ¼ tan x þ C cos 2 x
Mit anderen Worten: Die in der linken Spalte der Ableitungstabelle aus Kap. IV aufgefu¨hrte Funktion ist eine Stammfunktion oder ein unbestimmtes Integral der in der rechten Spalte stehenden Funktion. Die auf diese Weise erhaltenen (unbestimmten) Integrale heißen Grund- oder Stammintegrale. Wir haben sie in der nachfolgenden Tabelle zusammengetragen.
5 Grund- oder Stammintegrale
445
Tabelle 1: Grund- oder Stammintegrale ðC, C 1 , C 2 2 RÞ ð
ð 0 dx ¼ C
ð
1 dx ¼ x þ C ð
xnþ1 x dx ¼ þC nþ1
ðn 6¼ 1Þ
n
1 dx ¼ ln j x j þ C x
(Potenzregel) ð
ð e x dx ¼ e x þ C
a x dx ¼
ð
ð sin x dx ¼ cos x þ C
ð
ð
1 dx ¼ tan x þ C cos 2 x 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ 1 x2
arcsin x þ C 1
cos x dx ¼ sin x þ C ð
ð
arccos x þ C 2
1 dx ¼ cot x þ C sin 2 x 1 dx ¼ 1 þ x2
arctan x þ C 1 arccot x þ C 2
ð
ð
cosh x dx ¼ sinh x þ C
sinh x dx ¼ cosh x þ C ð
ax þC ln a
1 dx ¼ tanh x þ C cosh 2 x
ð
1 dx ¼ coth x þ C sinh 2 x
ð
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ arsinh x þ C ¼ ln x þ x2 þ 1 þ C x2 þ 1
ð
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ arcosh j x j þ C ¼ ln x þ x 2 1 þ C x2 1
ð
8 1 1þx > > ln þ C1 artanh x þ C 1 ¼ > > 2 1x
1 x2 > > 1 x þ1 > : arcoth x þ C 2 ¼ ln þ C2 2 x 1
ðj x j > 1Þ 9 > jx j < 1> > > =
f u¨ r
> > > ; jx j > 1>
446
V Integralrechnung
6 Berechnung bestimmter Integrale unter Verwendung einer Stammfunktion ðb f ðxÞ dx genu¨gt –– wie wir gleich zeigen
Zur Berechnung eines bestimmten Integrals a
werden –– die Kenntnis einer beliebigen Stammfunktion des Integranden f ðxÞ. Zuðx na¨chst aber betrachten wir das unbestimmte Integral I ðxÞ ¼ f ðxÞ dx. Es ist bekanntlich in der Form a ðx I ðxÞ ¼
f ðxÞ dx ¼ F ðxÞ þ C
ðV-40Þ
a
darstellbar, wobei F ðxÞ irgendeine spezielle (als bekannt vorausgesetzte) Stammfunktion von f ðxÞ bedeutet und C eine geeignete reelle Konstante. Diese wird aus der Gleichung ða I ðaÞ ¼
f ðxÞ dx ¼ F ðaÞ þ C ¼ 0 a
zu C ¼ F ðaÞ bestimmt 4). Somit ist ðx f ðxÞ dx ¼ F ðxÞ F ðaÞ
I ðxÞ ¼
ðV-41Þ
a
Fu¨r x ¼ b erha¨lt man hieraus den Wert des gesuchten bestimmten Integrals als Differenz der Funktionswerte von F ðxÞ an der oberen und unteren Integrationsgrenze: ðb f ðxÞ dx ¼ F ðbÞ F ðaÞ
ðV-42Þ
a
Der Integralwert ist dabei vo¨llig unabha¨ngig von der getroffenen Wahl der Stammfunktion. Wa¨hlt man statt F ðxÞ die Stammfunktion F1 ðxÞ, so unterscheiden sich diese Funktionen bekanntlich nur durch eine additive Konstante K, d. h. es gilt F ðxÞ ¼ F1 ðxÞ þ K. Die Berechnung des bestimmten Integral nach Formel (V-42) ergibt dann: ðb f ðxÞ dx ¼ F ðbÞ F ðaÞ ¼ ½ F1 ðbÞ þ K ½ F1 ðaÞ þ K ¼ a
¼ F1 ðbÞ þ K F1 ðaÞ K ¼ F1 ðbÞ F1 ðaÞ 4)
ðV-43Þ
Fallen die Integrationsgrenzen zusammen ða ¼ bÞ, so ist der Integralwert (Fla¨cheninhalt!) gleich Null.
6 Berechnung bestimmter Integrale unter Verwendung einer Stammfunktion
447
Die Konstante K fa¨llt somit bei der Differenzbildung heraus. Der Wert des bestimmten Integrals kann daher auch mit der Stammfunktion F1 ðxÞ, d. h. mit einer beliebigen Stammfunktion berechnet werden. Ein bestimmtes Integral la¨sst sich daher wie folgt schrittweise berechnen: ðb f ðxÞ dx
Berechnung eines bestimmten Integrals a
Die Berechnung eines bestimmten Integrals erfolgt in zwei Schritten: 1. Zuna¨chst wird irgendeine Stammfunktion F ðxÞ zum Integranden f ðxÞ bestimmt ðF 0 ðxÞ ¼ f ðxÞÞ. 2. Mit dieser Stammfunktion berechnet man die Werte F ðaÞ und F ðbÞ an den beiden Integrationsgrenzen und daraus die Differenz F ðbÞ F ðaÞ. Dann gilt: ðb f ðxÞ dx ¼
h
F ðxÞ
a
h
Dabei ist das Symbol renz F ðbÞ F ðaÞ.
ib
¼ F ðbÞ F ðaÞ
a
F ðxÞ
ðV-44Þ
ib a
eine verku¨rzte Schreibweise fu¨r die Diffe-
Anmerkung In der Praxis liegt das Hauptproblem in der Bestimmung einer Stammfunktion des Integranden. Gelingt dieses Vorhaben, so hat man das Integral in „geschlossener Form“ dargestellt. In den meisten Fa¨llen ist dies jedoch nicht so ohne Weiteres mo¨glich. Man ist dann auf spezielle Verfahren wie z. B. Integralsubstitutionen oder numerische Integrationsmethoden angewiesen. In Abschnitt 8 kommen wir auf dieses Problem ausfu¨hrlich zuru¨ck.
&
Beispiele (1)
ð1
Wir berechnen das Integral n ¼ 2):
ð1 x 2 dx ¼ 0
1 3 x 3
1 ¼ 0
x 2 dx unter Verwendung der Potenzregel (fu¨r 0
1 1 0 ¼ 3 3
448
V Integralrechnung
ð2 ðx 3 2 x 2 þ 5Þ dx ¼ ?
(2) 1
Eine Stammfunktion F ðxÞ la¨sst sich leicht unter Verwendung der Potenzregel der Integralrechnung bestimmen (wir du¨rfen dabei C ¼ 0 setzen): F ðxÞ ¼
1 4 2 3 x x þ 5x 4 3
Fu¨r den Integralwert erha¨lt man dann nach Gleichung (V-44):
ð2 ðx 3 2 x 2 þ 5Þ dx ¼ 1
2 ¼ 1
16 1 2 þ 10 þ5 ¼ 3 4 3 16 3 8 þ 60 ¼ 14 ¼ 3 12
¼
¼
(3)
1 4 2 3 x x þ 5x 4 3 4
42 16 55 26 55 104 55 49 ¼ ¼ ¼ 3 12 3 12 12 12
Der Fla¨cheninhalt unter der Sinuskurve y ¼ sin x im Bereich der ersten Halbðp periode la¨sst sich mit Hilfe des bestimmten Integrals A ¼ sin x dx berechnen (grau unterlegte Fla¨che in Bild V-17). 0 y y = sin x
1
Bild V-17 Zur Berechnung der Fla¨che unter der Sinuskurve im Intervall 0 x p
A
p
0
x
Eine Stammfunktion des Integranden f ðxÞ ¼ sin x ist F ðxÞ ¼ cos x, da F 0 ðxÞ ¼ sin x ¼ f ðxÞ ist. Daher gilt: ðp sin x dx ¼
A ¼
h
cos x
ip 0
h ip ¼ cos x ¼ ðcos p cos 0Þ ¼
0
¼ ð1 1Þ ¼ ð 2Þ ¼ 2
0
6 Berechnung bestimmter Integrale unter Verwendung einer Stammfunktion (4)
449
Die Stirnfla¨chen eines Rohres der La¨nge l besitzen die (konstanten) Temperaturen T 1 bzw. T 2 > T 1 (Bild V-18). Wie sieht die Temperaturverteilung T ðxÞ la¨ngs des Rohres aus, wenn bekannt ist, dass die 2. Ableitung T 00 ðxÞ dieser Funktion verschwindet? T1
T(x)
T2 > T1
x
l
0
x
Rohr
Bild V-18 Zur Bestimmung der Temperaturverteilung la¨ngs eines Rohres
Lo¨sung: Die Temperaturverteilungsfunktion T ðxÞ erha¨lt man aus T 00 ðxÞ ¼ 0 durch zweimalige (unbestimmte) Integration: ð ð T 0 ðxÞ ¼ T 00 ðxÞ dx ¼ 0 dx ¼ C 1 ð T ðxÞ ¼
T 0 ðxÞ dx ¼
ð C 1 dx ¼ C 1 x þ C 2
Die beiden Integrationskonstanten C 1 und C 2 werden aus den vorgegebenen Temperaturwerten an den beiden Stirnfla¨chen des Rohres wie folgt berechnet: T ð0Þ ¼ T 1
)
C1 0 þ C2 ¼ T1
)
C2 ¼ T1
T ðxÞ ¼ C 1 x þ T 1 T ðlÞ ¼ T 2
)
C1 l þ T1 ¼ T2
)
C1 ¼
T2 T1 l
Die Temperaturverteilung T ðxÞ la¨ngs des Rohres verla¨uft somit linear ansteigend nach der Funktionsgleichung T ðxÞ ¼
T2 T1 x þ T1 l
ð0 x lÞ
und besitzt den in Bild V-19 skizzierten Verlauf. T T2
T(x) T1
Bild V-19 Temperaturverteilung la¨ngs eines Rohres l
x
Rohr &
450
V Integralrechnung
7 Elementare Integrationsregeln Fu¨r den Umgang mit bestimmten Integralen gelten gewisse Rechenregeln, die wir im Folgenden ohne Beweis mitteilen. Sie ergeben sich unmittelbar aus der Definition des bestimmten Integrals als Grenzwert der Ober- bzw. Untersumme.
REGEL 1: Faktorregel Ein konstanter Faktor darf vor das Integral gezogen werden: ðb
ðb C f ðxÞ dx ¼ C
a
&
f ðxÞ dx
ðC: KonstanteÞ
ðV-45Þ
a
Beispiel ðp
ðp 4 sin x dx ¼ 4
0
sin x dx ¼ 4
h
cos x
ip 0
h ip ¼ 4 cos x ¼ 0
0
¼ 4 ðcos p cos 0Þ ¼ 4 ð 1 1Þ ¼ 8
&
REGEL 2: Summenregel Eine endliche Summe von Funktionen darf gliedweise integriert werden: ðb
ðb ð f 1 ðxÞ þ . . . þ f n ðxÞÞ dx ¼
a
ðb f 1 ðxÞ dx þ . . . þ
a
f n ðxÞ dx a
ðV-46Þ
Anmerkungen (1)
Faktor- und Summenregel gelten sinngema¨ß auch fu¨r unbestimmte Integrale.
(2)
Folgerung aus den beiden Regeln: Eine Linearkombination von Funktionen darf gliedweise integriert werden, wobei die konstanten Faktoren erhalten bleiben (d. h. vor die Teilintegrale gezogen werden). Ganzrationale Funktionen (Polynome) werden auf diese Weise integriert. Aus einem Polynom vom Grade n wird dabei ein solches vom Grade n þ 1.
7 Elementare Integrationsregeln &
451
Beispiel ð1
ð1 ð3 e 2 xÞ dx ¼
0
ð1 3 e dx þ
x
0
h
¼ 3 ex
i1 0
2
ð1 ð 2 xÞ dx ¼ 3
x
0
1 2 x 2
1
e dx 2 0
h
¼ 3 ex 0
ð1
i1 0
x dx ¼
x
0
h
x2
i1 0
¼
¼ 3 ðe 1Þ ð1 0Þ ¼ 3 e 3 1 ¼ 3 e 4 ¼ 4,1548 &
REGEL 3: Vertauschungsregel Vertauschen der beiden Integrationsgrenzen bewirkt einen Vorzeichenwechsel des Integrals: ða
ðb f ðxÞ dx ¼
&
f ðxÞ dx
ðV-47Þ
a
b
Beispiel ð0
p=2 ð
cos x dx ¼ p=2
0
h i p=2 cos x dx ¼ sin x ¼ ½ sin ðp=2Þ sin 0 ¼ 1 0 |fflfflfflfflffl{zfflfflfflfflffl} |{z} 1 0 &
REGEL 4: Fallen die Integrationsgrenzen zusammen ða ¼ bÞ, so ist der Integralwert gleich Null: ða f ðxÞ dx ¼ 0
ðV-48Þ
a
Anmerkung Geometrisch einleuchtende Deutung: Zwischen den seitlichen Begrenzungen liegt keine Fla¨che mehr, der Fla¨cheninhalt verschwindet somit. &
Beispiel ð1 1
2 dx ¼ 2 x
ð1 1
h i1 1 ¼ 2 ðln 1 ln 1Þ ¼ 0 dx ¼ 2 ln j x j 1 x
&
452
V Integralrechnung
REGEL 5: Zerlegung des Integrationsintervalls in zwei Teilintervalle (Bild V-20) Fu¨r jede Stelle c aus dem Integrationsintervall a c b gilt: ðc
ðb
ðb
f ðxÞ dx ¼ a
f ðxÞ dx þ a
f ðxÞ dx
ðV-49Þ
c
Diese Regel besagt anschaulich, dass die Fla¨che A unter der Kurve y ¼ f ðxÞ auch als Summe zweier Teilfla¨chen A 1 und A 2 darstellbar ist (Bild V-20): ðb A ¼ A1 þ A2
)
ðc f ðxÞ dx ¼
a
ðb f ðxÞ dx þ
a
f ðxÞ dx
ðV-50Þ
c
y y = f(x) A
a
&
Bild V-20 Zur Zerlegung des Integrationsintervalles in zwei Teilintervalle
A2
A1 c
b
x
Beispiel Die in Bild V-21 skizzierte Fla¨che muss als Summe zweier Teilfla¨chen berechnet werden, da sich die obere Fla¨chenberandung nicht durch eine einzige Funktionsgleichung beschreiben la¨sst, sondern nur abschnittsweise durch (unterschiedliche) Gleichungen beschrieben werden kann: 8 9 < x2 0 x 1= y ¼ f u¨ r : ; x þ 2 1 x 2 ð1 A ¼ A1 þ A2 ¼
x dx þ 0
¼
1 0 3
ð2 ð x þ 2Þ dx ¼
2
1
1 3 x 3
1
1 þ x2 þ 2x 2 0
2 ¼ 1
1 1 3 1 1 5 þ ð 2 þ 4Þ þ2 ¼ þ2 ¼ þ ¼ 2 3 2 3 2 6
8 Integrationsmethoden
453
y 1 y = – x +2
y=x2
A1
A2
Bild V-21 1
2
x &
8 Integrationsmethoden In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Methoden zur Berechnung von unbestimmten und bestimmten Integralen dargestellt. Zu diesen Integrationstechniken geho¨ren:
Die Die Die Die
Integration durch Substitution Methode der Partiellen Integration Integration echt gebrochenrationaler Funktionen durch Partialbruchzerlegung numerische Integration
Den ersten drei aufgefu¨hrten Integrationstechniken liegt dabei das gemeinsame Ziel zugrunde, komplizierter gebaute Integrale auf einfachere Integrale, im Idealfall auf die in Abschnitt 5 behandelten Grund- oder Stammintegrale zuru¨ckzufu¨hren.
8.1 Integration durch Substitution Viele der in den Anwendungen auftretenden Integrale lassen sich mit Hilfe einer geeigneten Variablen-Substitution in einfacher gebaute und ha¨ufig sogar in Grund- oder Stammintegrale u¨berfu¨hren. Wir wollen zuna¨chst die wesentlichen Zu¨ge dieser Integrationsmethode an einem einfachen Beispiel na¨her erla¨utern.
8.1.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel ð
Das unbestimmte Integral
x cos ðx 2 Þ dx geho¨rt nicht zu den Grundintegralen, la¨sst
sich jedoch durch die Substitution u ¼ x 2 in ein solches Integral u¨berfu¨hren (u ist eine Hilfsvariable). Dabei ist zu beachten, dass auch das „alte“ Differential dx durch die „neue“ Variable u und deren Differential du auszudru¨cken ist. Dies geschieht (nicht nur in diesem Beispiel) durch Differentiation der Substitutionsgleichung, wobei wir die Ableitung als Differentialquotient schreiben und diesen dann nach dem Differential dx auflo¨sen: u ¼ x2
)
du ¼ 2x dx
)
dx ¼
du 2x
ðV-51Þ
454
V Integralrechnung
Die vollsta¨ndige Substitution besteht dann aus den beiden Gleichungen u ¼ x2
und
dx ¼
du 2x
ð
ðV-52Þ
Unter Verwendung dieser Beziehungen geht das Integral x cos ðx 2 Þ dx in ein elementar lo¨sbares Integral (Grundintegral) u¨ber: ð ð ð du 1 1 2 x cos ðx Þ dx ¼ x cos u ¼ cos u du ¼ sin u þ C ðV-53Þ 2x 2 2 Nach Ru¨cksubstitution erha¨lt man schließlich: ð 1 ðC 2 RÞ sin ðx 2 Þ þ C x cos ðx 2 Þ dx ¼ 2
ðV-54Þ
Die gestellte Aufgabe ist damit gelo¨st.
8.1.2 Spezielle Integralsubstitutionen Der anhand des einfu¨hrenden Beispiels dargelegte Lo¨sungsmechanismus besteht demnach aus vier hintereinander auszufu¨hrenden Schritten:
Berechnung eines (unbestimmten) Integrals mittels einer geeigneten Substitution 1. Aufstellung der Substitutionsgleichungen: u ¼ g ðxÞ ,
du ¼ g 0 ðxÞ , dx
dx ¼
du g 0 ðxÞ
ðV-55Þ
2. Durchfu¨hrung der Integralsubstitution durch Einsetzen der Substitutionsgleið chungen in das vorgegebene (unbestimmte) Integral f ðxÞ dx : ð ð f ðxÞ dx ¼ jðuÞ du ðV-56Þ Das neue Integral entha¨lt nur noch die „Hilfsvariable“ u und deren Differential du. Der Integrand ist eine nur noch von u abha¨ngige Funktion jðuÞ. 3. Integration (Berechnung des neuen Integrals): ð jðuÞ du ¼ F ðuÞ ðF 0 ðuÞ ¼ jðuÞÞ
ðV-57Þ
4. Ru¨cksubstitution ðmittels der Substitutionsgleichung u ¼ g ðxÞÞ: ð f ðxÞ dx ¼ F ðuÞ ¼ F ðg ðxÞÞ ¼ F ðxÞ ðF 0 ðxÞ ¼ f ðxÞÞ
ðV-58Þ
8 Integrationsmethoden
455
Anmerkungen (1)
Vorausgesetzt werden muss, dass die Substitutionsfunktion im Integrationsintervall stetig differenzierbar und umkehrbar ist.
(2)
Eine Integralsubstitution wird als „geeignet“ oder „sinnvoll“ angesehen, wenn sie zu einer Vereinfachung des Integrals fu¨hrt. Im Idealfall erha¨lt man ein Grund- oder Stammintegral.
(3)
Die Substitution muss vollsta¨ndig sein, d. h. nach Einsetzen der Substitutionsgleichungen darf die „alte“ Variable x im Integral nicht mehr vorkommen. pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi In bestimmten Fa¨llen (z. B. bei Integralen mit Wurzelausdru¨cken wie x2 a2 ) ist es gu¨nstiger, die Hilfsvariable u durch eine Substitution vom Typ x ¼ h ðuÞ einzufu¨hren. In dieser Gleichung ist die „neue“ Variable u die unabha¨ngige und die „alte“ Variable x die abha¨ngige Gro¨ße. Die Substitutionsgleichungen lauten dann wie folgt:
(4)
dx ¼ h 0 ðuÞ , du
x ¼ h ðuÞ , (5)
&
dx ¼ h 0 ðuÞ du
ðV-59Þ
Bei einem bestimmten Integral kann auf die Ru¨cksubstitution verzichtet werden, wenn man die Integrationsgrenzen unter Verwendung der Substitutionsgleichung u ¼ g ðxÞ bzw. x ¼ h ðuÞ mitsubstituiert (siehe hierzu das nachfolgende Beispiel).
Beispiel
ð1
Wir lo¨sen das bestimmte Integral I ¼
x
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ x 2 dx wie folgt durch Substitution,
0
wobei wir die Integrationsgrenzen mitsubstituieren: du ¼ 2x, dx
u ¼ 1 þ x2 ,
dx ¼
du 2x
Untere Grenze : x ¼ 0
)
u ¼ 1 þ 02 ¼ 1
x ¼ 1
)
u ¼ 1 þ 12 ¼ 2
Obere Grenze : ð1 I ¼
uð ¼2 ð2 ð2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi p ffiffi ffi p ffiffi ffi du 1 1 u 1=2 du ¼ ¼ x 1 þ x 2 dx ¼ x u u du ¼ 2x 2 2 u¼1
0
¼
1 2
u 3=2 3=2
2 ¼ 1
1
1
1 h pffiffiffiffiffi3 i2 1 pffiffiffi u ð 8 1Þ ¼ 0,6095 ¼ 1 3 3 &
In der folgenden Tabelle 2 geben wir eine bersicht u¨ber einige besonders ha¨ufig auftretende Integraltypen, die unter Verwendung einer geeigneten Substitution gelo¨st werden ko¨nnen. Zu jedem Integraltyp wird eine Reihe von Beispielen angefu¨hrt.
456
V Integralrechnung
Tabelle 2: Integralsubstitutionen Integraltyp
Substitution
Beispiele
u ¼ ax þ b
1.
ð f ða x þ bÞ dx
(A)
Merkmal: Die Variable x tritt in der linearen Form a x þ b auf ða 6¼ 0Þ
dx ¼
du a
ð ð2 x 3Þ 6 dx
u ¼ 2x 3
ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2. 4 x þ 5 dx
u ¼ 4x þ 5
ð 3.
ð (B)
f ðxÞ f 0 ðxÞ dx
ð (C)
f 0 ðxÞ dx f ðxÞ
Merkmal: Im Za¨hler steht die Ableitung des Nenners ð f ðx;
(D)
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a 2 x 2 Þ dx
Merkmal: Der Integrand entha¨p lt ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi eine Wurzel vom Typ a2 x2 ð f ðx;
(E)
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 2 þ a 2 Þ dx
Merkmal: Der Integrand entha¨p lt eine Wurzel vom ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Typ x2 þ a2 ð (F)
f ðx;
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 2 a 2 Þ dx
Merkmal: Der Integrand entha¨p lt ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi eine Wurzel vom Typ x2 a2
dx ¼
du f 0 ðxÞ
ð 2.
u ¼ f ðxÞ dx ¼
ð 1.
du f 0 ðxÞ
ð 2.
x ¼ a sin u
1.
dx ¼ a cos u du pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi a2 x2 ¼ ¼ a cos u
2.
dx ¼ a cosh u du pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 þ a2 ¼ ¼ a cosh u x ¼ a cosh u dx ¼ a sinh u du pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 a2 ¼ ¼ a sinh u
u ¼ 4x þ 2
sin x cos x dx
u ¼ sin x
ln x dx x
u ¼ ln x
2x 3 dx x2 3x þ 1
u ¼ x2 3x þ 1
ex dx ex þ 5
u ¼ ex þ 5
ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 2 x 2 dx ð x ð
3. x ¼ a sinh u
e 4 x þ 2 dx
ð
u ¼ f ðxÞ 1.
Merkmal: Der Integrand ist das Produkt aus einer Funktion f ðxÞ und ihrer Ableitung f 0 ðxÞ
Substitution
1.
ð
dx pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x2 þ 4
ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 2 9 dx ð
2.
x pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx 4 x2
ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 2 þ 1 dx
2.
1.
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 2 x 2 dx
x pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx x 2 25
x ¼ r sin u x ¼ r sin u x ¼ 2 sin u
x ¼ sinh u
x ¼ 2 sinh u
x ¼ 3 cosh u
x ¼ 5 cosh u
8 Integrationsmethodenn
457
Anmerkungen zur Tabelle 2
&
(1)
Integrale vom Typ (B) bzw. (C) sind in geschlossener Form wie folgt lo¨sbar: ð 1 ½ f ðxÞ 2 þ C f ðxÞ f 0 ðxÞ dx ¼ 2 ð 0 f ðxÞ dx ¼ ln j f ðxÞ j þ C f ðxÞ
(2)
Integrale vom Typ (D) bis (F): Die angegebenen Substitutionen beseitigen die Wurzeln. Man erha¨lt Integrale mit trigonometrischen bzw. hyperbolischen Funktionen, die in der Regel noch keine Grund- oder Stammintegrale sind und daher (gegebenenfalls) mit einer anderen Methode bzw. unter Verwendung von Umrechnungsformeln weiterbehandelt werden mu¨ssen.
(3)
Weitere Integralsubstitutionen findet der Leser in der Mathematischen Formelsammlung (Kap. V, Abschnitt 3.1).
Beispiele (1)
I ¼
ð
6x2 dx ¼ ? ð1 4 x 3 Þ3
Die Substitution u ¼ 1 4 x 3 scheint geeignet, da sie eine deutliche Vereinfachung im Nenner des Integranden bewirkt: Substitutionsgleichungen: u ¼ 1 4 x 3,
du ¼ 12 x 2 , dx
dx ¼
du du ¼ 2 12 x 2 ð6 x 2 Þ
Integralsubstitution: ð ð ð 6x2 6x2 du 1 1 I ¼ dx ¼ du ¼ 3 3 3 2 2 u3 u ð1 4 x Þ 2 ð6 x Þ Integration und Ru¨cksubstitution: Das neue Integral ist bereits ein Grundintegral. Mit Hilfe der Potenzregel der Integralrechnung erhalten wir: ð ð 1 1 1 1 u2 du ¼ I ¼ þC ¼ u 3 du ¼ 3 2 u 2 2 2 ¼
1 1 þC ¼ þC 2 4u 4 ð1 4 x 3 Þ2
Lo¨sung: ð
6x2 1 dx ¼ þC ð1 4 x 3 Þ3 4 ð1 4 x 3 Þ2
ðC 2 RÞ
458
V Integralrechnung
ð (2)
I ¼
2 sin x cos x dx ¼ ?
Dieses Integral ist vom Typ (B) (der Faktor 2 sto¨rt nicht, da er vor das Integral gezogen werden darf) und la¨sst sich daher wie folgt lo¨sen: du du u ¼ sin x , ¼ cos x , dx ¼ dx cos x ð ð I ¼ 2 sin x cos x dx ¼ 2 u cos x ¼ 2
du ¼ 2 cos x
ð u du ¼
1 2 u þ C ¼ u2 þ C 2
Ru¨cksubstitution fu¨hrt zur gesuchten Lo¨sung: ð I ¼ 2 sin x cos x dx ¼ sin 2 x þ C ð (3)
I ¼
x3
3x2 6 dx ¼ ? 6x þ 1
Dieses unbestimmte Integral ist vom Integraltyp (C) aus Tabelle 2, da im Za¨hler des Integranden genau die Ableitung des Nenners steht. Wir lo¨sen dieses Integral schrittweise wie folgt: Substitutionsgleichungen (Nenner substituieren): u ¼ x3 6x þ 1,
du ¼ 3x2 6, dx
dx ¼
du 3x2 6
du
¼
Integralsubstitution: ð I ¼
3x2 6 dx ¼ 3 x 6x þ 1
ð
3x2 6 u
3x2
6
ð
1 du u
Integration und Ru¨cksubstitution: Das neue Integral ist bereits ein Grund- oder Stammintegral: ð 1 I ¼ du ¼ ln j u j þ C ¼ ln j x 3 6 x þ 1 j þ C u Lo¨sung: ð
3x2 6 dx ¼ ln j x 3 6 x þ 1 j þ C x3 6x þ 1
p=2 ð
(4)
I ¼ 0
cos x dx ¼ ? 1 þ sin 2 x
ðC 2 RÞ
8 Integrationsmethoden
459
1. Lo¨sungsweg: Wir lo¨sen das bestimmte Integral durch die Substitution u ¼ sin x mit anschließender Ru¨cksubstitution, wobei wir zuna¨chst unbestimmt integrieren. Substitutionsgleichungen: u ¼ sin x ,
du ¼ cos x , dx
dx ¼
du cos x
Integralsubstitution (ohne Grenzen, d. h. unbestimmt): ð
cos x dx ¼ 1 þ sin 2 x
ð
cos x 1 þ u2
du ¼ cos x
ð
1 du 1 þ u2
Integration und Ru¨cksubstitution: ð
1 du ¼ arctan u þ C ¼ arctan ðsin xÞ þ C 1 þ u2
Berechnung des bestimmten Integrals (C ¼ 0 gesetzt, da die Berechnung eines bestimmten Integrals mit Hilfe einer beliebigen Stammfunktion des Integranden erfolgen kann): p=2 ð
I ¼ 0
h i p=2 cos x ¼ dx ¼ arctan ð sin xÞ 0 1 þ sin 2 x
¼ arctan ðsin ðp=2Þ Þ arctan ð sin 0 Þ ¼ |fflfflfflfflffl{zfflfflfflfflffl} |ffl{zffl} 1 0 p p 0 ¼ ¼ arctan 1 arctan 0 ¼ 4 4 2. Lo¨sungsweg: Wir verwenden die gleiche Substitution, verzichten aber auf die Ru¨cksubstitution. Dafu¨r mu¨ssen die Integrationsgrenzen auf die neue Hilfsvariable u umgeschrieben werden. Untere Grenze:
x ¼ 0
)
u ¼ sin 0 ¼ 0
Obere Grenze:
x ¼ p=2
)
u ¼ sin ðp=2Þ ¼ 1
Somit gilt: p=2 ð
I ¼ 0
cos x dx ¼ 1 þ sin 2 x
¼ arctan 1 arctan 0 ¼
ð1 0
h i1 1 du ¼ arctan u ¼ 2 0 1þu p p 0 ¼ 4 4
460
(5)
V Integralrechnung
Wir berechnen den Fla¨cheninhalt eines Kreises vom Radius r (Bild V-22). y y = r2– x2
Bild V-22 Zur Berechnung des Fla¨cheninhaltes eines Kreises 0
r
x
Aus Symmetriegru¨nden beschra¨nken wir uns dabei auf den im 1. Quadranten liegenden Viertelkreis (in Bild V-22 grau unterlegt):
A Kreis
ðr pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 2 x 2 dx ¼ 4 0
Dieses Integral ist vom Typ (D) der Tabelle 2 und wird durch die Substitution x ¼ r sin u,
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 2 x 2 ¼ r cos u
dx ¼ r cos u du,
gelo¨st, wobei wir die Integrationsgrenzen mitsubstituieren wollen. Wir lo¨sen daher die Substitutionsgleichung x ¼ r sin u zuna¨chst nach u auf: x ¼ r sin u
)
sin u ¼
x r
)
u ¼ arcsin
x r
Mit dieser Beziehung berechnen wir dann die neuen Integrationsgrenzen: Untere Grenze:
x ¼ 0
)
u ¼ arcsin 0 ¼ 0
Obere Grenze:
x ¼ r
)
u ¼ arcsin 1 ¼ p=2
Nach Durchfu¨hrung der Substitution erha¨lt man das folgende Integral:
A Kreis
p=2 ð ðr pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 2 x 2 dx ¼ 4 ¼ 4 r cos u r cos u du ¼ 0
0
p=2 ð
¼ 4
p=2 ð
r cos u du ¼ 4 r 2
0
2
2
cos 2 u du 0
8 Integrationsmethoden
461
Dieses Integral ist zwar noch kein Grundintegral, kann jedoch mit Hilfe der aus der Mathematischen Formelsammlung entnommenen trigonometrischen Beziehung cos 2 u ¼
1 ð1 þ cos ð2 uÞÞ 2
wesentlich vereinfacht werden: p=2 ð
A Kreis ¼ 4 r 2
1 cos u du ¼ 4 r 2 2
p=2 ð
ð1 þ cos ð2 uÞÞ du ¼
2
0
0
p=2 ð
¼ 2r
p=2 ð
1 du þ 2 r
2
cos ð2 uÞ du ¼
2
0
0
p=2 ð h i p=2 2 ¼ 2r u þ 2r cos ð2 uÞ du ¼ 2
0
0
|fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} 0 ¼ 2r2
p
0 þ 2r2 0 ¼ p r2
2
p=2 ð
cos ð2 uÞ du auch tatsa¨chlich
Wir mu¨ssen noch zeigen, dass das Integral 0
verschwindet. Dieses Integral ist vom Typ (A) aus Tabelle 2 und wird durch die folgende lineare Substitution gelo¨st (die Substitutionsvariable bezeichnen wir mit t ): t ¼ 2u,
dt ¼ 2, du
du ¼
1 dt 2
Die neuen Integrationsgrenzen in t sind dabei ðt ¼ 2 uÞ: Untere Grenze:
u ¼ 0
)
t ¼ 0
Obere Grenze:
u ¼ p=2
)
t ¼ p
Daher ist p=2 ð
1 cos ð2 uÞ du ¼ 2
ðp cos t dt ¼
ip 1 h 1 sin t ðsin p sin 0Þ ¼ ¼ 0 2 2
0
0
¼
1 ð0 0Þ ¼ 0 2
&
462
V Integralrechnung
8.2 Partielle Integration oder Produktintegration Aus der Produktregel der Differentialrechnung in der speziellen Form d u ðxÞ v ðxÞ ¼ u 0 ðxÞ v ðxÞ þ u ðxÞ v 0 ðxÞ dx
ðV-60Þ
gewinnt man durch Umformung und anschließende Integration eine unter der Bezeichnung Partielle Integration oder Produktintegration bekannte Integrationsmethode. Zuna¨chst wird Gleichung (V-60) wie folgt umgestellt: u ðxÞ v 0 ðxÞ ¼
d u ðxÞ v ðxÞ u 0 ðxÞ v ðxÞ dx
ðV-61Þ
Unbestimmte Integration auf beiden Seiten fu¨hrt dann zu ð
u ðxÞ v 0 ðxÞ dx ¼
ð
ð d u ðxÞ v ðxÞ dx u 0 ðxÞ v ðxÞ dx dx
ðV-62Þ
Dabei gilt: ð
d u ðxÞ v ðxÞ dx ¼ u ðxÞ v ðxÞ dx
ðV-63Þ
Denn die (unbestimmte) Integration ist ja bekanntlich die Umkehrung der Differentiation, hebt diese also auf. Die Integrationskonstante wird an dieser Stelle u¨blicherweise weggelassen, muss jedoch gegebenenfalls im Endergebnis hinzugefu¨gt werden. Gleichung (V-62) kann daher auch in der Form ð
0
u ðxÞ v ðxÞ dx ¼ u ðxÞ v ðxÞ
ð
u 0 ðxÞ v ðxÞ dx
ðV-64Þ
geschrieben werden. Diese Beziehung wird in der mathematischen Literatur als Formel der partiellen Integration bezeichnet (auch Produktintegration genannt) und ermo¨glicht unter gewissen Voraussetzungen die Integration einer Funktion f ðxÞ, wie wir gleich zeigen werden 5). ð Bei der Berechnung eines Integrals f ðxÞ dx mittels partieller Integration wird der Integrand f ðxÞ zuna¨chst in „geeigneter“ Weise in zwei Faktorfunktionen zerlegt, die wir mit u ðxÞ und v 0 ðxÞ bezeichnen wollen: f ðxÞ ¼ u ðxÞ v 0 ðxÞ 0
ðV-65Þ
Dabei ist v ðxÞ die Ableitung einer (zuna¨chst noch unbekannten) Funktion v ðxÞ.
5)
Der Nutzen dieser etwas seltsamen Formel ist auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen.
8 Integrationsmethoden
463
ð Das Integral
f ðxÞ dx la¨sst sich dann auch wie folgt schreiben:
ð
ð f ðxÞ dx ¼
u ðxÞ v 0 ðxÞ dx
ðV-66Þ
Unter Verwendung der Formel (V-64) wird hieraus schließlich: ð
ð f ðxÞ dx ¼
u ðxÞ v 0 ðxÞ dx ¼ u ðxÞ v ðxÞ
ð
u 0 ðxÞ v ðxÞ dx
ðV-67Þ
Damit haben wir Folgendes erreicht: ð ð Das Ausgangsintegral f ðxÞ dx ¼ u ðxÞ v 0 ðxÞ dx la¨sst sich nach dieser Formel ð auf „indirektem“ Wege u¨ber das Hilfsintegral u 0 ðxÞ v ðxÞ dx der rechten Gleichungsseite berechnen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfu¨llt sind: 1. Zu der Faktorfunktion v 0 ðxÞ la¨sst sich problemlos eine Stammfunktion v ðxÞ finden. ð 2. Das auf der rechten Seite stehende Hilfsintegral u 0 ðxÞ v ðxÞ dx ist elementar lo¨sbar und im Idealfall ein Grund- oder Stammintegral. Die Erfahrung zeigt, dass man dieses Ziel in vielen (aber nicht allen) Fa¨llen mit Hilfe einer „geeigneten“ Zerlegung des Integranden erreichen kann. Wir fassen diese wichtigen Ergebnisse wie folgt zusammen: Berechnung eines Integrals mittels partieller Integration (auch „Produktintegration“ genannt) Der Integrand f ðxÞ des vorgegebenen unbestimmten Integrals
ð f ðxÞ dx wird
I
zuna¨chst in „geeigneter“ Weise in ein Produkt aus einer Funktion u ðxÞ und der Ableitung v 0 ðxÞ einer (zuna¨chst noch unbekannten) Funktion v ðxÞ zerlegt: ð ð f ðxÞ dx ¼ u ðxÞ v 0 ðxÞ dx |fflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflffl} |ffl{zffl} Zerlegung in ein Produkt
464
V Integralrechnung
Dieses Integral la¨sst sich dann auch wie folgt darstellen (sog. Formel der partiellen Integration): ð ð ð 0 f ðxÞ dx ¼ u ðxÞ v ðxÞ dx ¼ u ðxÞ v ðxÞ u 0 ðxÞ v ðxÞ dx ðV-68Þ Die Integration gelingt, wenn die Faktorfunktionen u ðxÞ und v 0 ðxÞ die folgenden Voraussetzungen erfu¨llen: 1. Zu der Faktorfunktion v 0 ðxÞ la¨sst sich problemlos eine Stammfunktion v ðxÞ bestimmen. 2. Das aufð der rechten Seite der Integrationsformel (V-68) auftretende „Hilfsintegral“ u 0 ðxÞ v ðxÞ dx ist elementar lo¨sbar, im Idealfall sogar ein Grundoder Stammintegral.
Anmerkungen (1)
Ob die Integration nach der Formel (V-68) gelingt, ha¨ngt im Wesentlichen von der „richtigen“, d. h. sinnvollen Zerlegung des Integranden f ðxÞ in die beiden Faktorfunktionen u ðxÞ und v 0 ðxÞ ab. Insbesondere v 0 ðxÞ muss so gewa¨hlt werden, dass sich ohne Schwierigkeiten eine Stammfunktion v ðxÞ angeben la¨sst (v 0 ðxÞ ist der „kritische“ Faktor).
(2)
In einigen Fa¨llen muss man das Integrationsverfahren mehrmals nacheinander anwenden, ehe man auf ein Grundintegral sto¨ßt (siehe hierzu das nachfolgende Beispiel (3)).
(3)
Ha¨ufig fu¨hrt die Partielle Integration zwar auf ein einfacheres Integral, das aber noch kein Grund- oder Stammintegral darstellt. In diesem Fall muss das „neue“ Integral nach einer anderen Integrationsmethode (z. B. mittels einer Integralsubstitution) weiterbehandelt werden, bis man schließlich auf ein Grundintegral sto¨ßt.
(4)
Die Formel der partiellen Integration gilt sinngema¨ß auch fu¨r bestimmte Integrale. Sie lautet dann: ðb
ðb f ðxÞ dx ¼
a
0
u ðxÞ v ðxÞ dx ¼ a
h
u ðxÞ v ðxÞ
ib a
ðb
u 0 ðxÞ v ðxÞ dx
a
ðV-69Þ (5)
Die Integrale in der Formel (V-68) mu¨ssen natu¨rlich existieren. Dies ist der Fall, wenn u ðxÞ und v ðxÞ stetig differenzierbare Funktionen sind.
8 Integrationsmethoden &
465
Beispiele ð (1) x e x dx ¼ ? Wir zerlegen den Integrand f ðxÞ ¼ x e x wie folgt: u ðxÞ ¼ x , v 0 ðxÞ ¼ e x
)
u 0 ðxÞ ¼ 1 , v ðxÞ ¼ e x
Die Formel der partiellen Integration liefert dann unmittelbar ein elementar lo¨sbares Integral: ð ð ð x e x dx ¼ x e x 1 e x dx ¼ x e x e x dx ¼ # # " " " " u v0 u v u0 v ¼ x e x e x þ C ¼ ðx 1Þ e x þ C
ðC 2 RÞ
Um zu zeigen, dass die Art der Zerlegung des Integranden von entscheidender Bedeutung ist, wollen wir diesmal im gleichen Integral eine andere Zerlegung des Integranden f ðxÞ ¼ x e x vornehmen und zwar: f ðxÞ ¼ x e x # # v0 u Auch bei dieser Zerlegung la¨sst sich zum „kritischen“ Faktor v 0 ðxÞ ¼ x problemlos eine Stammfunktion bestimmen: u ðxÞ ¼ e x ,
v 0 ðxÞ ¼ x
)
u 0 ðxÞ ¼ e x , v ðxÞ ¼
1 2 x 2
Die Formel der Partiellen Integration fu¨hrt diesmal aber zu einem „Hilfsintegral“, das nicht etwa (wie gewu¨nscht) einfacher, sondern sogar komplizierter gebaut ist als das Ausgangsintegral: ð ð ð 1 2 1 2 1 2 1 x e x dx ¼ e x x ex x dx ¼ x ex x 2 e x dx 2 2 2 2 |fflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflffl} # # " " " " Dieses Integral 0 0 u v u v v u
ist komplizierter gebaut als das Ausgangsintegral
Die vorgenommene Zerlegung des Integranden ist keineswegs „falsch“, offensichtlich jedoch „ungeeignet“, d. h. mit dieser Zerlegung la¨sst sich das Ausgangsinteð gral x e x dx nicht in ein elementar lo¨sbares Integral bzw. in ein Grund- oder Stammintegral u¨berfu¨hren (die Potenz im Integral hat sich bei dieser Zerlegung erho¨ht: x ! x 2 ).
466
(2)
V Integralrechnung
ð Das unbestimmte Integral ln x dx la¨sst sich auch in der Form ð ð ln x dx ¼ ðln xÞ 1 dx darstellen („mathematischer Trick“: Faktor 1 erga¨nzen). Wir nehmen jetzt die folgende Zerlegung des Integranden f ðxÞ ¼ ðln xÞ 1 vor: u ðxÞ ¼ ln x, v 0 ðxÞ ¼ 1
u 0 ðxÞ ¼
)
1 , v ðxÞ ¼ x x
Damit gilt nach Formel (V-68): ð ð ð 1 ln x dx ¼ ðln xÞ 1 dx ¼ ðln xÞ x x dx ¼ x # # " " " " u v u0 v u v0 ð ¼ x ln x 1 dx ¼ x ln x x þ C ¼ ¼ x ðln x 1Þ þ C
ðC 2 RÞ
ð (3)
x 2 cos x dx ¼ ? Mit der Zerlegung u ðxÞ ¼ x 2 ,
v 0 ðxÞ ¼ cos x
)
u 0 ðxÞ ¼ 2 x , v ðxÞ ¼ sin x
erha¨lt man zuna¨chst: ð ð x 2 cos x dx ¼ x 2 sin x 2 x sin x dx ¼ # # " " " " u v u0 v u v0 ð ¼ x 2 sin x 2 x sin x dx ¼ x 2 sin x 2 I |fflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflffl} I ð Das dabei auftretende Hilfsintegral I ¼ x sin x dx ist zwar einfacher gebaut als das Ausgangsintegral (Potenzerniedrigung: x 2 ! x), aber leider noch kein Grundintegral. Es la¨sst sich aber nach der gleichen Integrationstechnik weiterbehandeln. Wir zerlegen nun wie folgt (konsequenterweise mu¨ssen wir wieder die Potenz –– hier also x –– mit u bezeichnen): u ðxÞ ¼ x , v 0 ðxÞ ¼ sin x
)
u 0 ðxÞ ¼ 1 , v ðxÞ ¼ cos x
8 Integrationsmethoden Dann gilt:
467
ð
ð
I ¼
x sin x dx ¼ x ð cos xÞ # # " " 0 u v u v ð ¼ x cos x þ cos x dx ¼ x
1 ð cos xÞ dx ¼ " " 0 u v
cos x þ sin x þ C 1 ð Damit haben wir das Ausgangsintegral x 2 cos x dx gelo¨st: ð x 2 cos x dx ¼ x 2 sin x 2 I ¼ ¼ x 2 sin x 2 ð x cos x þ sin x þ C 1 Þ ¼ ¼ x 2 sin x þ 2 x cos x 2 sin x 2 C 1 ¼ ¼ x 2 sin x þ 2 x cos x 2 sin x þ C
(4)
Dabei wurde C ¼ 2 C 1 gesetzt ðC 1 , C 2 RÞ. ð ðn 2 N*; a 2 RÞ x n e a x dx ¼ ? Wir nehmen zuna¨chst die folgende Zerlegung vor: u ðxÞ ¼ x n , v 0 ðxÞ ¼ e a x
)
u 0 ðxÞ ¼ n x n 1 , v ðxÞ ¼
1 eax a
und erhalten nach der Formel der Partiellen Integration (V-68): ð ð ð 1 n xn eax x n 1 e a x dx x n e a x dx ¼ u v u 0 v dx ¼ a a ð Damit haben wir das Ausgangsintegral x n e a x dx gegen ein einfacher gebautes Integral vom gleichen Typ eingetauscht (der Exponent hat sich um 1 verkleinert!). Formeln dieser Art bezeichnet man als Rekursionsformeln. Durch mehrmaliges Anwenden dieser Formel (hier: n-mal) gelangt man schließlich zu dem ð „Grundintegral“
e a x dx .
Rechenbeispiel ð x 2 e 4 x dx ¼ ?
n ¼ 2,
a ¼ 4
Der 1. Schritt fu¨hrt zu: ð ð 1 2 2 1 2 1 x e4x x e 4 x dx ¼ x e4x I x 2 e 4 x dx ¼ 4 4 4 2 |fflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflffl} I
468
V Integralrechnung
Im 2. Schritt wenden wir dieselbe Rekursionsformel auf das neue (aber einfachere) Integral der rechten Seite an (diesmal ist n ¼ 1 und a ¼ 4): ð ð 1 1 I ¼ x e 4 x dx ¼ x e4x 1 e 4 x dx ¼ 4 4 ¼
1 1 x e4x e4x þ C1 4 16
Damit erhalten wir die folgende Lo¨sung: ð 1 2 1 x e4x I ¼ x 2 e 4 x dx ¼ 4 2 1 2 1 1 1 ¼ x e4x x e4x e4x þ C1 ¼ 4 2 4 16 1 2 1 1 1 ¼ x e4x x e4x þ e4x C1 ¼ 4 8 32 2 1 1 1 ¼ x2 x þ e4x þ C 4 2 8 Dabei wurde C ¼ C 1 =2 gesetzt ðC 1 , C 2 RÞ.
&
8.3 Integration einer echt gebrochenrationalen Funktion durch Partialbruchzerlegung des Integranden Fu¨r echt gebrochenrationale Funktionen ist eine spezielle Integrationstechnik unter der Bezeichnung „Integration durch Partialbruchzerlegung“ entwickelt worden. Wir werden sie im Folgenden ausfu¨hrlich behandeln. Ist die Funktion jedoch unecht gebrochen, so muss sie zuna¨chst in eine ganzrationale und eine echt gebrochenrationale Funktion zerlegt werden. Diese Zerlegung ist stets mo¨glich und eindeutig (siehe hierzu Kap. III, Abschnitt 6.3). Wir geben zuna¨chst ein Beispiel. &
Beispiel
2 x 3 14 x 2 þ 14 x þ 30 wird durch x2 4 Polynomdivision in einen ganzrationalen und einen echt gebrochenrationalen Anteil zerlegt:
Die unecht gebrochenrationale Funktion y ¼
ð2 x 3 14 x 2 þ 14 x þ 30Þ : ðx 2 4Þ ¼ 2 x 14 þ ð2 x 3
8 xÞ
22 x 26 x2 4
14 x 2 þ 22 x þ 30 ð 14 x 2 þ þ 56Þ 22 x 26 Ganzrationaler Anteil:
p ðxÞ ¼ 2 x 14
Echt gebrochenrationaler Anteil:
r ðxÞ ¼
22 x 26 x2 4
&
8 Integrationsmethoden
469
8.3.1 Partialbruchzerlegung Z ðxÞ la¨sst sich mit Hilfe alN ðxÞ gebraischer Methoden in eindeutiger Weise in eine endliche Summe aus sog. Partialoder Teilbru¨chen zerlegen, die dann ohne große Schwierigkeiten gliedweise integriert werden ko¨nnen (Z ðxÞ: Za¨hlerpolynom, N ðxÞ: Nennerpolynom).
Jede echt gebrochenrationale Funktion vom Typ f ðxÞ ¼
Wir gehen dabei wie folgt vor: Partialbruchzerlegung einer echt gebrochenrationalen Funktion Z ðxÞ la¨sst sich schrittN ðxÞ weise wie folgt in eine Summe aus Partial- oder Teilbru¨chen zerlegen: Eine echt gebrochenrationale Funktion vom Typ f ðxÞ ¼
1. Zuna¨chst werden die reellen Nullstellen des Nennerpolynoms N ðxÞ nach Lage und Vielfachheit bestimmt 6). 2. Jeder Nullstelle des Nennerpolynoms wird ein Partialbruch in folgender Weise zugeordnet: A x 1 : Einfache Nullstelle " x x1 A1 A2 x 1 : Zweifache Nullstelle " þ x x1 ðx x 1 Þ 2 .. . A1 A2 Ar " þ þ ... þ x 1 : r-fache Nullstelle 2 x x1 ðx x 1Þ r ðx x 1 Þ A, A 1 , A 2 , . . . , A r sind dabei (zuna¨chst noch unbekannte) Konstanten. Z ðxÞ ist dann als Summe N ðxÞ aller Partialbru¨che darstellbar (Anzahl der Partialbru¨che ¼ Anzahl der Nullstellen des Nennerpolynoms N ðxÞ).
3. Die echt gebrochenrationale Funktion f ðxÞ ¼
4. Bestimmung der in den Partialbru¨chen auftretenden Konstanten: Zuna¨chst werden alle Bru¨che auf einen gemeinsamen Nenner (Hauptnenner) gebracht. Durch Einsetzen geeigneter x-Werte (z. B. der Nennernullstellen) erha¨lt man ein einfaches lineares Gleichungssystem fu¨r die unbekannten Konstanten, das z. B. mit Hilfe des Gaußschen Algorithmus gelo¨st werden kann. Eine weitere Methode zur Bestimmung der Konstanten ist der Koeffizientenvergleich. 6)
Wir setzen hier voraus, dass der Nenner ausschließlich reelle Nullstellen besitzt (zum Vorgehen bei komplexen Nullstellen siehe Formelsammlung, Kap. V, Abschnitt 3.3).
470 &
V Integralrechnung
Beispiele (1)
Der Nenner einer echt gebrochenrationalen Funktion besitze die folgenden einfachen Nullstellen: x 1 ¼ 2, x 2 ¼ 5 und x 3 ¼ 4. Die zugeho¨rigen Partialbru¨che lauten dann der Reihe nach: A , x 2
(2)
B , x 5
C x þ4
Wie lautet die Partialbruchzerlegung der echt gebrochenrationalen Funktion y ¼ f ðxÞ ¼
x þ1 ? x3 5x2 þ 8x 4
Lo¨sung: Wir berechnen zuna¨chst die Nennernullstellen: N ðxÞ ¼ x 3 5 x 2 þ 8 x 4 ¼ 0
)
x1 ¼ 1 ,
x 2=3 ¼ 2
(x 1 ¼ 1 durch Probieren gefunden; das Horner-Schema liefert dann das 1. reduzierte Polynom, aus dem sich die weiteren Nullstellen ergeben). Ihnen ordnen wir die folgenden Partialbru¨che zu: A " x 1 ¼ 1 (einfache Nullstelle) x 1 B C þ x 2=3 ¼ 2 (doppelte Nullstelle) " x 2 ðx 2Þ 2 Damit la¨sst sich die Funktion f ðxÞ wie folgt darstellen (Zerlegung in Partialbru¨che): f ðxÞ ¼ ¼
x þ1 x þ1 ¼ ¼ x3 5x2 þ 8x 4 ðx 1Þ ðx 2Þ 2 A B C þ þ x 1 x 2 ðx 2Þ 2
Um die Konstanten A, B und C bestimmen zu ko¨nnen, mu¨ssen die Bru¨che zuna¨chst gleichnamig gemacht werden (Hauptnenner: ðx 1Þ ðx 2Þ 2 ; die Bru¨che mu¨ssen der Reihe nach mit ðx 2Þ 2 , ðx 1Þ ðx 2Þ bzw. ðx 1Þ erweitert werden): x þ1 ðx 1Þ ðx 2Þ 2
¼
A ðx 2Þ 2 þ B ðx 1Þ ðx 2Þ þ C ðx 1Þ ðx 1Þ ðx 2Þ 2
Aus dieser Gleichung folgt dann durch Multiplikation mit dem Hauptnenner: x þ 1 ¼ A ðx 2Þ 2 þ B ðx 1Þ ðx 2Þ þ C ðx 1Þ
8 Integrationsmethoden
471
Wir setzen jetzt der Reihe nach die Werte x ¼ 1, x ¼ 2 (also die beiden Nullstellen des Nenners) und x ¼ 0 ein und erhalten ein eindeutig lo¨sbares lineares Gleichungssystem fu¨r die drei Unbekannten A, B und C: x ¼ 1
)
2 ¼ A
)
A ¼ 2
x ¼ 2
)
3 ¼ C
)
C ¼ 3
x ¼ 0
)
1 ¼ 4A þ 2B C
)
1 ¼ 5 þ 2B
)
)
1 ¼ 4 2 þ 2B 3
2B ¼ 4
)
B ¼ 2
Die gesuchte Partialbruchzerlegung lautet damit: x þ1 2 2 3 þ ¼ x3 5x2 þ 8x 4 x 1 x 2 ðx 2Þ 2
&
8.3.2 Integration der Partialbru¨che Die in der Partialbruchzerlegung einer echt gebrochenrationalen Funktion auftretenden Funktionen sind vom Typ 7) 1 x x1
bzw:
1 ðx x 1 Þ n
ðn 2Þ
ðV-70Þ
du ¼ 1 und somit dx ¼ du ist ihre Integradx tion elementar durchfu¨hrbar und liefert die folgenden Lo¨sungen ðC 1 , C 2 2 RÞ:
Mit Hilfe der Substitution u ¼ x x 1 , ð
ð
dx ¼ x x1
ð
dx ¼ ðx x 1 Þ n ¼
7)
du ¼ ln j u j þ C 1 ¼ ln j x x 1 j þ C 1 u ð
du ¼ un
ð
u n du ¼
1 ð1 nÞ ðx x 1 Þ n 1
ðV-71Þ
unþ1 1 þ C2 ¼ þ C2 ¼ ð1 nÞ u n 1 n þ 1 þ C2
ðV-72Þ
Die in den Partialbru¨chen auftretenden Konstanten ko¨nnen bei der Integration vor das Integral gezogen werden und haben somit keinen Einfluss auf die nachfolgenden berlegungen.
472
V Integralrechnung
Bevor wir das beschriebene Verfahren zur Integration gebrochenrationaler Funktionen durch Partialbruchzerlegung des Integranden auf konkrete Beispiele anwenden, fassen wir die einzelnen Schritte, die zur Integration fu¨hren, wie folgt zusammen:
Integration einer gebrochenrationalen Funktion durch Partialbruchzerlegung Z ðxÞ Die Integration einer gebrochenrationalen Funktion f ðxÞ ¼ wird nach dem N ðxÞ folgenden Schema durchgefu¨hrt: 1. Zerlegung von f ðxÞ in eine ganzrationale Funktion p ðxÞ und eine echt gebrochenrationale Funktion r ðxÞ (z. B. durch Polynomdivision) 8) : f ðxÞ ¼ p ðxÞ þ r ðxÞ
ðV-73Þ
2. Darstellung des echt gebrochenrationalen Anteils r ðxÞ als Summe von Partialbru¨chen (sog. Partialbruchzerlegung). 3. Integration des ganzrationalen Anteils p ðxÞ und sa¨mtlicher Partialbru¨che.
&
Beispiele ð 2 x 3 14 x 2 þ 14 x þ 30 dx ¼ ? (1) x2 4 Der Integrand ist unecht gebrochenrational und wird durch Polynomdivision in einen ganzrationalen und einen echt gebrochenrationalen Anteil zerlegt (diese Zerlegung wurde bereits zu Beginn dieses Abschnitts durchgefu¨hrt): f ðxÞ ¼
2 x 3 14 x 2 þ 14 x þ 30 22 x 26 ¼ 2 x 14 þ x2 4 x2 4
Zerlegung des echt gebrochenrationalen Anteils in Partialbru¨che r ðxÞ ¼
22 x 26 x2 4
Nullstellen des Nenners:
x2 4 ¼ 0
)
x 1 ¼ 2, x 2 ¼ 2
Zuordnung der Partialbru¨che:
8)
x 1 ¼ 2 (einfache Nullstelle)
"
A x 2
x 2 ¼ 2 (einfache Nullstelle)
"
B x þ2
Diese Zerlegung entfa¨llt, wenn die Funktion f ðxÞ bereits echt gebrochenrational ist.
8 Integrationsmethoden
473
Partialbruchzerlegung: 22 x 26 22 x 26 A B ¼ ¼ þ 2 x 4 ðx 2Þ ðx þ 2Þ x 2 x þ2 Bestimmung der Konstanten A und B (zuna¨chst Hauptnenner bilden): 22 x 26 A ðx þ 2Þ þ B ðx 2Þ ¼ ðx 2Þ ðx þ 2Þ ðx 2Þ ðx þ 2Þ
)
22 x 26 ¼ A ðx þ 2Þ þ B ðx 2Þ Wir setzen fu¨r x der Reihe nach die Werte der beiden Nennernullstellen ein: x ¼ 2
)
18 ¼ 4 A
)
A ¼ 4,5
x ¼ 2
)
70 ¼ 4 B
)
B ¼ 17,5
Die Partialbruchzerlegung ist damit abgeschlossen. Sie lautet: 22 x 26 4,5 17,5 ¼ þ 2 x 4 x 2 x þ2 Durchfu¨hrung der Integration ð ð ð 2 x 3 14 x 2 þ 14 x þ 30 22 x 26 dx ¼ ð2 x 14Þ dx þ dx ¼ x2 4 x2 4 ð 4,5 17,5 2 þ dx ¼ ¼ x 14 x þ x 2 x þ2 ¼ x 2 14 x þ 4,5 ln j x 2 j þ 17,5 ln j x þ 2 j þ C ð (2)
ðC 2 RÞ
x2 5x þ 8 dx ¼ ? x4 6x2 þ 8x 3
Der Integrand ist bereits echt gebrochenrational. Wir zerlegen ihn in Partialbru¨che. Zuna¨chst werden die Nullstellen des Nenners ermittelt: x4 6x2 þ 8x 3 ¼ 0
)
x 1 ¼ 1 ð3-fachÞ , x 2 ¼ 3
Die zugeho¨rigen Partialbru¨che lauten daher: x 1 ¼ 1 (3-fache Nullstelle)
"
A1 A2 A3 þ þ 2 x 1 ðx 1Þ ðx 1Þ 3
x 2 ¼ 3 (einfache Nullstelle)
"
B x þ3
474
V Integralrechnung
Die Integrandfunktion ist daher in der Form x4
x2 5x þ 8 x2 5x þ 8 ¼ ¼ 2 6x þ 8x 3 ðx 1Þ 3 ðx þ 3Þ ¼
A1 A2 A3 B þ þ þ x þ3 x 1 ðx 1Þ 2 ðx 1Þ 3
darstellbar. Bestimmung der Konstanten A 1 , A 2 , A 3 und B (Hauptnenner bilden): x2 5x þ 8 ðx 1Þ 3 ðx þ 3Þ ¼
¼
A 1 ðx 1Þ 2 ðx þ 3Þ þ A 2 ðx 1Þ ðx þ 3Þ þ A 3 ðx þ 3Þ þ B ðx 1Þ 3 ðx 1Þ 3 ðx þ 3Þ
Die Gleichung wird beiderseits mit dem Hauptnenner ðx 1Þ 3 ðx þ 3Þ multipliziert: x2 5x þ 8 ¼ ¼ A 1 ðx 1Þ 2 ðx þ 3Þ þ A 2 ðx 1Þ ðx þ 3Þ þ A 3 ðx þ 3Þ þ B ðx 1Þ 3 x ¼ 1
)
4 ¼ 4 A3
)
x ¼ 3
)
32 ¼ 64 B
x ¼ 0
)
A3 ¼ 1
)
B ¼ 0,5
8 ¼ 3 A1 3 A2 þ 3 A3 B 8 ¼ 3 A 1 3 A 2 þ 3 þ 0,5 4,5 ¼ 3 A 1 3 A 2 j : 3
ðIÞ x ¼ 1
)
1,5 ¼ A 1 A 2
oder
A 1 A 2 ¼ 1,5
14 ¼ 8 A 1 4 A 2 þ 2 A 3 8 B 14 ¼ 8 A 1 4 A 2 þ 2 þ 4 8 ¼ 8 A1 4 A2 j : 4
ðIIÞ
2 ¼ 2 A1 A2
oder
2 A1 A2 ¼ 2
Aus den Gleichungen (I) und (II) folgt durch Differenzbildung: ) ðIÞ A 1 A 2 ¼ 1,5 ðIIÞ 2 A1 A2 ¼ 2 A1
¼ 0,5
)
A 1 ¼ 0,5
)
A2 ¼ 1
8 Integrationsmethoden
475
Die Partialbruchzerlegung ist damit vollzogen: x4
x2 5x þ 8 0,5 1 1 0,5 ¼ þ 2 3 x 1 x þ3 6x2 þ 8x 3 ðx 1Þ ðx 1Þ
Durchfu¨hrung der (gliedweisen) Integration: ð x2 5x þ 8 dx ¼ x4 6x2 þ 8x 3 ð ð ð ð 0,5 dx dx 0,5 dx dx ¼ ¼ þ x 1 x þ3 ðx 1Þ 2 ðx 1Þ 3 ¼ 0,5 ln j x 1 j þ
1 1 0,5 ln j x þ 3 j þ C ¼ x 1 2 ðx 1Þ 2
x 1 1 þ 1 þC ¼ 0,5 ln x þ3 x 1 2 ðx 1Þ 2
ðC 2 RÞ
&
8.4 Numerische Integrationsmethoden In vielen Fa¨llen ist die Integration einer stetigen Funktion in geschlossener Form nicht mo¨glich oder aber vom Arbeits- und Rechenaufwand her nicht vertretbar. So sind wir beispielsweise nicht in der Lage, das in der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik so ðx 2 bedeutende Integral F ðxÞ ¼ e t dt durch einen analytischen Funktionsausdruck zu 0
beschreiben. In diesem Fall ist man dann auf die punktweise Berechnung der Stammfunktion unter Verwendung spezieller Na¨herungsverfahren angewiesen (sog. numerische Integration) 9). Numerische Integrationstechniken sind daher ihrem Charakter nach stets Na¨herungsverfahren und ko¨nnen in den folgenden Fa¨llen zur Lo¨sung des Problems herangezogen werden: –– –– –– ––
Das Integral ist elementar, d. h. in geschlossener Form nicht lo¨sbar. Der Integrand ist in Form einer Wertetabelle gegeben. Der Integrand liegt als Funktionskurve (Funktionsgraph) vor. Die Integration ist in geschlossener Form zwar grundsa¨tzlich durchfu¨hrbar, jedoch zu aufwa¨ndig.
Wir behandeln in diesem Abschnitt zwei Na¨herungsverfahren zur Berechnung bestimmter Integrale (Trapezformel, Simpsonsche Formel ). In beiden Fa¨llen setzen wir bei der Herleitung der Formelausdru¨cke voraus, dass die stetige Integrandfunktion y ¼ f ðxÞ im Integrationsintervall a x b oberhalb der x-Achse verla¨uft, so dass das bestimmte 9)
Eine weitere Mo¨glichkeit besteht in der Potenzreihenentwicklung des Integranden und anschließender (gliedweiser) Integration (siehe hierzu Kap. VI, Abschnitt 3.3.2).
476
V Integralrechnung
ðb f ðxÞ dx als Fla¨cheninhalt interpretiert werden darf. Die Fla¨che wird dann
Integral a
(a¨hnlich wie bei der Einfu¨hrung des Begriffes „bestimmtes Integral“ in Abschnitt 2) in achsenparallele Streifen gleicher Breite zerlegt. Anschließend werden die oberen Berandungen der Streifen durch mo¨glichst einfache Kurven ersetzt (Geraden, Parabeln).
8.4.1 Trapezformel Wir zerlegen das Integrationsintervall a x b in n Teilintervalle gleicher La¨nge h (auch Schrittweite genannt): h ¼
ba n
ðV-74Þ
Die Randpunkte der Teilintervalle werden als Stu¨tzstellen bezeichnet. Sie lauten der Reihe nach (Bild V-23): x0 ¼ a ,
x1 ¼ x0 þ h ¼ a þ h , x2 ¼ x0 þ 2 h ¼ a þ 2 h ,
xk ¼ x0 þ k h ¼ a þ k h ,
...,
...
. . . , xn ¼ b
ðV-75Þ
Die zugeho¨rigen Funktionswerte y k heißen Stu¨tzwerte: y k ¼ f ðx k Þ ¼ f ðx 0 þ k hÞ ¼ f ða þ k hÞ
y
ðV-76Þ
P n–1
y = f(x)
Pn
P0
P2
P1
y n–1
y0 y1
yn
y2
h x0 = a
ðk ¼ 0, 1, 2, . . . , nÞ
h x1
h x2
x n –1
xn = b
x
Bild V-23 Zur Herleitung der Trapezformel
Die Fla¨che unter der Kurve y ¼ f ðxÞ, a x b zerfa¨llt damit in n achsenparallele Streifen der Breite h. Ersetzt man in jedem Streifen den dortigen Kurvenbogen durch die Sehne (diese verla¨uft geradlinig durch die beiden Randpunkte), so erha¨lt man eine Na¨herung in Form eines Trapezes.
8 Integrationsmethoden
477
y
P0 Sehne
y0
P1 h
y = f(x)
Bild V-24 Zur na¨herungsweisen Berechnung des 1. Fla¨chenstreifens bei der Trapezformel
y1 x1
x0
x
So wird beispielsweise der 1. Streifen durch das in Bild V-24 grau unterlegte Trapez vom Fla¨cheninhalt A1 ¼
y0 þ y1 h 2
ðV-77Þ
ersetzt 10). Analog erha¨lt man fu¨r die Fla¨cheninhalte der u¨brigen n 1 Streifen na¨herungsweise A2 ¼
y1 þ y2 y2 þ y3 h , A3 ¼ h, 2 2
. . . , An ¼
yn1 þ yn h 2
ðV-78Þ
Fu¨r großes n ist die Summe aller Trapezfla¨chen eine gute Na¨herung fu¨r den gesuchten Fla¨cheninhalt. Wir erhalten somit die folgende Na¨herungsformel: ðb f ðxÞ dx A 1 þ A 2 þ A 3 þ . . . þ A n ¼ a
y0 þ y1 y1 þ y2 y2 þ y3 yn1 þ yn hþ hþ h þ ... þ h ¼ 2 2 2 2
h ¼ ¼ ðy 0 þ y 1 Þ þ ðy 1 þ y 2 Þ þ ðy 2 þ y 3 Þ þ . . . þ ðy n 1 þ y n Þ 2 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} |fflffl{zfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} 2 y1 2 y2 2 yn1 2 y3 h ¼ y0 þ 2 y1 þ 2 y2 þ 2 y3 þ . . . þ 2 yn1 þ yn ðV-79Þ 2 ¼
Die inneren Ordinaten (Stu¨tzwerte) treten dabei doppelt auf. Wir ko¨nnen diesen Ausdruck noch wie folgt vereinfachen: 10)
Der Fla¨cheninhalt eines Trapezes wird nach der aus der Elementarmathematik bekannten Formel A ¼
aþb h 2
berechnet (siehe hierzu Bild V-25).
a
A
b
Bild V-25 h
478
V Integralrechnung
h ¼ ðy 0 þ y n Þ þ 2 ðy 1 þ y 2 þ y 3 þ . . . þ y n 1 Þ 2 |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} S1 S2 h 1 ¼ S1 þ 2 S2 ¼ S1 þ S2 h 2 2
ðb
f ðxÞ dx a
ðV-80Þ
Diese Formel gestattet die na¨herungsweise Berechnung eines bestimmten Integrals, wenn von der Integrandfunktion n þ 1 Stu¨tzwerte (Funktionswerte) bekannt sind (sog. Trapezformel). Wir fassen zusammen:
Trapezformel (Bild V-23) ðb a
# 1 ðy 0 þ y n Þ þ ðy 1 þ y 2 þ y 3 þ . . . þ y n 1 Þ h ¼ f ðxÞ dx 2 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} S1 S2 1 ðV-81Þ ¼ S1 þ S2 h 2 "
Dabei bedeuten: y k : Stu¨tzwerte der Funktion y ¼ f ðxÞ, berechnet an den Stu¨tzstellen xk ¼ a þ k h ðk ¼ 0, 1, . . . , nÞ ba h: Streifenbreite (Schrittweite) h ¼ n S 1 : Summe der beiden a¨ußeren Stu¨tzwerte (Ordinaten der beiden Randpunkte) S 2 : Summe der inneren Stu¨tzwerte Anmerkungen (1)
Die Na¨herung durch die Trapezformel (V-81) ist umso besser, je feiner die Intervallunterteilung ist. Sie liefert fu¨r n ! 1 den exakten Integralwert.
(2)
Die Trapezformel gilt unabha¨ngig von der geometrischen Interpretation, sofern der Integrand f ðxÞ eine stetige Funktion ist.
(3)
Die Randkurve y ¼ f ðxÞ, a x b wird bei diesem Na¨herungsverfahren durch einen Streckenzug ersetzt (stu¨ckweise geradlinige Berandung).
(4)
Man beachte: Die Stu¨tzwerte gehen mit unterschiedlichen Gewichtungsfaktoren in die Rechnung ein (Randordinaten mit dem Faktor 1=2, innere Ordinaten mit dem Faktor 1).
8 Integrationsmethoden &
479
Beispiel
ð1
Wir berechnen das Integral fen.
e x dx na¨herungsweise fu¨r n ¼ 5 bzw. n ¼ 10 Strei2
0
Zerlegung in n ¼ 5 Streifen (siehe Bild V-26) ð1 e
x2
dx
1 1 1 y0 þ y1 þ y2 þ y3 þ y4 þ y5 h ¼ S1 þ S2 h 2 2 2
0
y 1
y = e– x
2
Bild V-26 Na¨herungsweise Berechnung des Integrals ð1 2 e x dx nach der Trapezformel 0
fu¨r n ¼ 5 Streifen der Breite h ¼ 0,2 0,2
1
x
Streifenbreite (Schrittweite): h ¼ 0,2 Stu¨tzwerte y k ¼ e x k
2
k
Stu¨tzstellen x k
0
0
1
0,2
0,9608
2
0,4
0,8521
3
0,6
0,6977
4
0,8
0,5273
5
1
1
0,3679 S 1 ¼ 1,3679
S 2 ¼ 3,0379
Die Trapezformel liefert damit fu¨r n ¼ 5 Streifen den folgenden Na¨herungswert: ð1
e x dx 2
1 1 S1 þ S2 h ¼ 1,3679 þ 3,0379 0,2 ¼ 0,7444 2 2
0
Die Abweichung des Na¨herungswertes 0,7444 vom exakten Wert 0,7468 (auf vier Stellen nach dem Komma genau) betra¨gt rund 0,3 %.
480
V Integralrechnung
Zerlegung in n ¼ 10 Streifen ð1
e x dx
2
1 1 1 y0 þ y1 þ y2 þ . . . þ y9 þ y 10 h ¼ S1 þ S2 h 2 2 2
0
Streifenbreite (Schrittweite): h ¼ 0,1 Stu¨tzwerte y k ¼ e x k
2
k
Stu¨tzstellen x k
0
0
1
0,1
0,9900
2
0,2
0,9608
3
0,3
0,9139
4
0,4
0,8521
5
0,5
0,7788
6
0,6
0,6977
7
0,7
0,6126
8
0,8
0,5273
9
0,9
0,4449
10
1
1
0,3679 S 1 ¼ 1,3679
S 2 ¼ 6,7781
Hinweis zu dieser Tabelle Die Stu¨tzwerte aus der vorherigen Zerlegung in n ¼ 5 Streifen konnten unvera¨ndert u¨bernommen werden, die zusa¨tzlich beno¨tigten Ordinatenwerte befinden sich in den grau unterlegten Zeilen (es handelt sich dabei um die Stu¨tzwerte y 1 , y 3 , y 5 , y 7 und y 9 . Die Trapezformel (V-81) liefert dann fu¨r n ¼ 10 Streifen den folgenden Na¨herungswert, der nur noch um rund 0,1% unterhalb des exakten Wertes 0,7468 liegt: ð1
e x dx 2
1 1 S1 þ S2 h ¼ 1,3679 þ 6,7781 0,1 ¼ 0,7462 2 2
0 &
8 Integrationsmethoden
481
8.4.2 Simpsonsche Formel Die nach der Trapezformel (V-81) berechneten Na¨herungswerte konvergieren relativ langsam gegen den exakten Integralwert: Die geradlinige Berandung der Streifen durch die Sehne ist offenbar eine zu grobe Na¨herung. Zu besseren Ergebnissen gelangt man, wenn man nach Simpson die krummlinige obere Begrenzung der einzelnen Fla¨chenstreifen durch parabelfo¨rmige Randkurven ersetzt. Das numerische Integrationsverfahren nach Simpson geht dabei von den folgenden berlegungen aus: Zuna¨chst wird das Integrationsintervall a x b in eine gerade Anzahl 2 n von Teilintervallen gleicher La¨nge (Schrittweite) h ¼ ðb aÞ=2 n
ðV-82Þ
zerlegt. Dies fu¨hrt zu den 2 n þ 1 Stu¨tzstellen x0 ¼ a , x1 ¼ x0 þ h ¼ a þ h , ... ,
x2 ¼ x0 þ 2 h ¼ a þ 2 h ,
xk ¼ x0 þ k h ¼ a þ k h ,
...
. . . , x2n ¼ b
ðV-83Þ
ðk ¼ 0, 1, 2, . . . , 2 nÞ
ðV-84Þ
mit den Stu¨tzwerten (Funktionswerten) y k ¼ f ðx k Þ ¼ f ða þ k hÞ
(Bild V-27). Man erha¨lt auf diese Weise genau 2 n sog. „einfache“ Streifen. Dann werden jeweils zwei benachbarte (einfache) Streifen zu einem sog. Doppelstreifen zusammengefasst. Aus 2 n einfachen Streifen der Breite h entstehen daher genau n Doppelstreifen der Breite 2 h (in Bild V-27 abwechselnd hell- und dunkelgrau unterlegt) und es ist unmittelbar einleuchtend, warum das Integrationsintervall a x b in eine gerade Anzahl von Teilintervallen zerlegt werden muss. y P0
y = f(x)
P4
P 2n–2
P3 P1 y0 y1
x0 = a
P 2n–1
P2 y3
y2 x1
x2
x3
y 2n–2
y4
P 2n y 2n–1 y 2n
x4
x 2n –2 x 2n –1 x 2n = b
x
Bild V-27 Zur Herleitung der Simpsonschen Formel (Zerlegung der Fla¨che in 2 n „einfache“ Streifen der Breite h)
Wir gehen jetzt zur na¨herungsweisen Berechnung des Fla¨cheninhalts der n Doppelstreifen u¨ber. In dem 1. Doppelstreifen (hellgrau unterlegt in Bild V-28) wird die krummlinige Berandung durch eine durch die drei Kurvenpunkte P 0 , P 1 und P 2 verlaufende Parabel mit der Funktionsgleichung y ¼ a2 x2 þ a1 x þ a0 ersetzt (Bild V-28).
ðV-85Þ
482
V Integralrechnung
Die Koeffizienten a 2 , a 1 , a 0 in der Parabelgleichung (V-85) sind dabei eindeutig durch die Koordinaten der drei Punkte bestimmt. Sie brauchen jedoch (wie sich etwas spa¨ter noch zeigen wird) nicht berechnet zu werden, da sie nur indirekt in die Endformel eingehen. y Parabel
P0
y = f(x) P1
P2
y0 y1 h x0
Bild V-28 Zur na¨herungsweisen Berechnung des 1. Doppelstreifens bei der Simpsonschen Formel
y2 h x1
x2
x
Der Fla¨cheninhalt A 1 zwischen der Parabel und der x-Achse im Teilintervall x 0 x x 0 þ 2 h liefert dann einen Na¨herungswert fu¨r den tatsa¨chlichen Fla¨cheninhalt des 1. Doppelstreifens. Er la¨sst sich mittels elementarer Integration wie folgt berechnen:
x0 þ ð2h
A1 ¼
ða 2 x þ a 1 x þ a 0 Þ dx ¼ 2
1 1 a2 x3 þ a1 x2 þ a0 x 3 2
x0
¼
x0 þ 2 h
¼
x0
1 1 a 2 ðx 0 þ 2 hÞ 3 þ a 1 ðx 0 þ 2 hÞ 2 þ a 0 ðx 0 þ 2 hÞ 3 2
1 1 a 2 x 03 a 1 x 02 a 0 x 0 3 2
ðV-86Þ
Wir entwickeln noch die Binome mit Hilfe der bekannten binomischen Formel aus Kap. I (Abschnitt 6), ordnen die Glieder und fassen zusammen: A 1 ¼ ð6 a 2 x 02 þ 12 a 2 x 0 h þ 8 a 2 h 2 þ 6 a 1 x 0 þ 6 a 1 h þ 6 a 0 Þ
h 3
ðV-87Þ
Der in der Klammer stehende Ausdruck ist dabei nichts anderes als die Summe y 0 þ 4 y 1 þ y 2 ¼ f ðx 0 Þ þ 4 f ðx 1 Þ þ f ðx 2 Þ
ðV-88Þ
gebildet aus den Ordinaten der drei Punkte P 0 , P 1 und P 2 und jeweils berechnet mit Hilfe der Parabelgleichung (V-85):
8 Integrationsmethoden
483
y 0 ¼ f ðx 0 Þ ¼ a 2 x 02 þ a 1 x 0 þ a 0 y 1 ¼ f ðx 1 Þ ¼ f ðx 0 þ hÞ ¼ a 2 ðx 0 þ hÞ 2 þ a 1 ðx 0 þ hÞ þ a 0
ðV-89Þ
y 2 ¼ f ðx 2 Þ ¼ f ðx 0 þ 2 hÞ ¼ a 2 ðx 0 þ 2 hÞ 2 þ a 1 ðx 0 þ 2 hÞ þ a 0 (bitte nachrechnen!). Denn an den Stu¨tzstellen x 0 , x 1 ¼ x 0 þ h und x 2 ¼ x 0 þ 2 h stimmen die Funktionswerte von Kurve und Parabel u¨berein. Der 1. Doppelstreifen besitzt daher na¨herungsweise den Fla¨cheninhalt h A1 ¼ y0 þ 4 y1 þ y2 3
ðV-90Þ
Analog erha¨lt man fu¨r die u¨brigen n 1 Doppelstreifen na¨herungsweise folgende Fla¨cheninhalte: h h A2 ¼ y2 þ 4 y3 þ y4 , A3 ¼ y4 þ 4 y5 þ y6 , ..., 3 3 h . . . , An ¼ y2n2 þ 4 y2n1 þ y2n 3
ðV-91Þ
Durch Summation u¨ber sa¨mtliche Doppelstreifen erha¨lt man schließlich den folgenden Na¨herungswert fu¨r den gesuchten Fla¨cheninhalt 11Þ : ðb f ðxÞ dx A 1 þ A 2 þ . . . þ A n ¼ a
h ¼ ðy 0 þ 4 y 1 þ y 2 Þ þ ðy 2 þ 4 y 3 þ y 4 Þ þ . . . þ ðy 2 n 2 þ 4 y 2 n 1 þ y 2 n Þ 3 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflffl{zfflfflfflfflffl} |fflffl{zfflffl} 2 y2 2 y2n2 2 y4
h ¼ y0 þ 4 y1 þ 2 y2 þ 4 y3 þ 2 y4 þ . . . þ 2 y2n2 þ 4 y2n1 þ y2n ¼ 3 ¼
h ¼ ðy 0 þ y 2 n Þ þ 4 ðy 1 þ y 3 þ . . . þ y 2 n 1 Þ þ 2 ðy 2 þ y 4 þ . . . þ y 2 n 2 Þ |fflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} 3 S0 S1 S2 h ¼ S0 þ 4 S1 þ 2 S2 ðV-92Þ 3
¼
11)
Wir gehen a¨hnlich vor wie bei der Herleitung der Trapezformel. Den allen Summanden gemeinsamen Faktor h=3 haben wir bereits ausgeklammert. Dann beru¨cksichtigen wir, dass die beiden Randordinaten einfach, die inneren Stu¨tzwerte abwechselnd mit dem Faktor 4 bzw. 2 auftreten.
484
V Integralrechnung
ðb Diese als Simpsonsche Formel bezeichnete Na¨herung fu¨r das bestimmte Integral la¨sst sich dann auch wie folgt darstellen:
f ðxÞ dx a
Simpsonsche Formel (Bild V-27)
ðb f ðxÞ dx a
ðy 0 þ y 2 n Þ þ 4 ðy 1 þ y 3 þ . . . þ y 2 n 1 Þ þ |fflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} S0 S1
þ 2 ðy 2 þ y 4 þ . . . þ y 2 n 2 Þ |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} S2 ¼
h S0 þ 4 S1 þ 2 S2 3
h ¼ 3
ðV-93Þ
Dabei bedeuten: yk :
h:
Stu¨tzwerte der Funktion y ¼ f ðxÞ, berechnet an den 2 n þ 1 Stu¨tzstellen xk ¼ a þ k h ðk ¼ 0, 1, . . . , 2 nÞ ba Breite eines einfachen Streifens (Schrittweite) h ¼ 2n
S 0 : Summe der beiden a¨ußeren Stu¨tzwerte (Ordinaten der beiden Randpunkte) S 1 : Summe der inneren Stu¨tzwerte mit einem ungeraden Index S 2 : Summe der inneren Stu¨tzwerte mit einem geraden Index
Anmerkungen (1)
Auch diese Formel gilt unabha¨ngig von der geometrischen Interpretation fu¨r jede stetige Integrandfunktion f ðxÞ.
(2)
Beim Grenzu¨bergang n ! 1 streben die Na¨herungswerte gegen den exakten Integralwert.
(3)
Nachteil der Simpsonschen Formel: Sie ist nur anwendbar fu¨r eine Zerlegung in eine gerade Anzahl von (einfachen) Streifen, d. h. man beno¨tigt stets eine ungerade Anzahl von Stu¨tzwerten.
(4)
Beachten Sie die unterschiedlichen Gewichtungsfaktoren der Stu¨tzwerte (symmetrische Verteilung: 1, 4, 2, 4, 2, . . . , 2, 4, 2, 4, 1).
8 Integrationsmethoden (5)
485
Einen verbesserten Na¨herungswert I v erha¨lt man folgendermaßen: Ist I h der Na¨herungswert bei der Schrittweite h und I 2 h der Na¨herungswert bei der doppelten Schrittweite 2 h, so ist der Fehler DI von I h na¨herungsweise durch 1 Ih I2h ðV-94Þ DI ¼ 15 gegeben. Einen gegenu¨ber der Schrittweite h verbesserten Wert I v erzielt man dann nach der Formel I v ¼ I h þ DI
ðV-95Þ
(Voraussetzung: 2 n ist durch 4 teilbar).
&
Beispiel
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Wir wollen den Fla¨cheninhalt unter der Kurve y ¼ f ðxÞ ¼ 1 þ e 0,5 x 2 im Intervall 1 x 2,6 na¨herungsweise mit Hilfe der Simpsonschen Formel fu¨r eine Zerlegung in 2 n ¼ 8 einfache Streifen und damit n ¼ 4 Doppelstreifen berechnen (siehe Bild V-29). y 6 5 4
y = 1 + e 0,5 x
2
3
Bild V-29 Zur Berechnung des Fla¨cheninhaltes pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi unter der Kurve y ¼ 1 þ e 0,5 x 2
2 1
im Intervall 1 x 2,6 1
2
2,6
x
0,2
Um den dabei begangenen Fehler abscha¨tzen zu ko¨nnen und um gleichzeitig einen verbesserten Na¨herungswert zu erhalten, wird eine sog. Zweitrechnung mit halber Streifenanzahl (also vier einfachen und damit zwei Doppelstreifen) durchgefu¨hrt. Der Mehraufwand an Rechenarbeit ist dabei relativ gering, da die bei der Zweitrechnung beno¨tigten Stu¨tzwerte bereits aus der Erstrechnung bekannt sind. Die Schrittweiten betragen somit: Erstrechnung:
ð2 n ¼ 8, d: h: n ¼ 4Þ:
Zweitrechnung: ð2 n * ¼ 4, d: h: n * ¼ 2Þ:
h ¼ 0,2 h * ¼ 2 h ¼ 0,4
1,2
1,4
1,6
1,8
2
2,2
2,4
2,6
1
2
3
4
5
6
7
8
S *0 ¼ 7,1385
S 2 ¼ 7,8740
S 0 ¼ 7,1385 S 1 ¼ 11,1256
3,4994
2,4603
1,9143
1,6275
S *1 ¼ 5,4137
3,4994
2,4603
S *2 ¼ 2,4603
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 1 þ e 0, 5 x k
1,9143
Stu¨tzwerte y k ¼
5,5110
4,3375
2,8964
2,1440
1,7477
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 1 þ e 0, 5 x k
5,5110
1,6275
Stu¨tzwerte y k ¼
Zweitrechnung (Schrittweite: h * ¼ 2 h ¼ 0,4)
Hinweis zur Tabelle: Die grau unterlegten Stu¨tzstellen und Stu¨tzwerte der Erstrechnung entfallen bei der Zweitrechnung.
1
Stu¨tzstellen x k
0
k
Erstrechnung (Schrittweite: h ¼ 0,2)
486 V Integralrechnung
9 Uneigentliche Integrale
487
Erstrechnung: 2 n ¼ 8, n ¼ 4, h ¼ 0,2 2ð,6
Ih ¼
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi h 2 0 , 5 x ¼ 1þe dx ¼ S 0 þ 4 S 1 þ 2 S 2 3
1
0,2 ¼ 4,4926 ¼ 7,1385 þ 4 11,1256 þ 2 7,8740 3 Zweitrechnung: 2 n * ¼ 4, n * ¼ 2,
h * ¼ 2 h ¼ 0,4
h* 2h ¼ S *0 þ 4 S *1 þ 2 S *2 ¼ S *0 þ 4 S *1 þ 2 S *2 3 3 0,4 ¼ 4,4952 ¼ 7,1385 þ 4 5,4137 þ 2 2,4603 3
I 2 h ¼ I *h ¼
Der Fehler fu¨r die Erstrechnung betra¨gt damit rund 1 DI ¼ 15
Ih I2h
1 ¼ 15
4,4926 4,4952 ¼ 0,0002
Einen verbesserten Wert liefert die Formel (V-95): I v ¼ I h þ DI ¼ 4,4926 0,0002 ¼ 4,4924
&
9 Uneigentliche Integrale Bei den bisher behandelten bestimmten Integralen haben wir stets die folgenden Eigenschaften vorausgesetzt: 1. Der Integrand f ðxÞ ist eine stetige Funktion; 2. Die Integrationsgrenzen a und b und damit auch das Integrationsintervall sind endlich. Solche Integrale werden auch als „eigentliche“ Integrale bezeichnet. In den naturwissenschaftlich-technischen Anwendungen treten aber auch Integrale auf, bei denen mindestens eine der beiden genannten Eigenschaften nicht vorhanden ist. Integrale dieser Art, mit denen wir uns in diesem Abschnitt bescha¨ftigen wollen, werden als „uneigentliche“ Integrale bezeichnet.
488
V Integralrechnung
9.1 Unendliches Integrationsintervall In den Anwendungen treten vereinzelt Integrale mit einem unendlichen Integrationsintervall auf. Sie sind zuna¨chst nicht definiert (vgl. hierzu die Integraldefinition (V-22)). Formal lassen sie sich auf einen der folgenden Integraltypen zuru¨ckfu¨hren: ða
1 ð
f ðxÞ dx ,
1 ð
f ðxÞ dx ,
f ðxÞ dx
1
a
1
Wir geben zuna¨chst zwei anschauliche Anwendungsbeispiele. &
Beispiele (1)
Im Gravitationsfeld der Erde soll eine Masse m aus der Entfernung r 0 (vom Erdmittelpunkt aus gemessen) ins Unendliche ðr ¼ 1Þ gebracht werden ( Bild V-30; siehe hierzu auch Beispiel (3) im spa¨teren Abschnitt 10.6). r →∞
m Erde r0
Bild V-30 Arbeit im Gravitationsfeld der Erde
M
Die Berechnung der dabei aufzuwendenden Arbeit W fu¨hrt zu dem folgenden uneigentlichen Integral: 1 ð
W ¼
mM f dr ¼ f m M r2
r0
1 ð
1 dr r2
r0
( f: Gravitationskonstante; M: Erdmasse). (2)
1 1 þ x2 und der x-Achse sto¨ßt man auf das folgende uneigentliche Integral (siehe Bild V-31): Bei der Bestimmung des Fla¨cheninhaltes A zwischen der Kurve y ¼
1 ð
A ¼ 1
1 dx 1 þ x2
y 1
–1
y=
1 1+x2
1
1 Bild V-31 Zur Berechnung der Fla¨che unterhalb der Kurve y ¼ 1 þ x2
x &
9 Uneigentliche Integrale
489
Um einem uneigentlichen Integral einen Wert zuweisen zu ko¨nnen, muss der in Abschnitt 2 erkla¨rte Integralbegriff erweitert werden. Wir beschra¨nken uns dabei auf Inte1 ð grale vom Typ f ðxÞ dx, wobei wie bisher die Stetigkeit des Integranden f ðxÞ im a
Integrationsintervall x a vorausgesetzt wird. Im Einzelnen wird dabei wie folgt verfahren: 1 ð
f ðxÞ dx
Berechnung eines uneigentlichen Integrals vom Typ a
1. Zuna¨chst wird u¨ber das endliche Intervall a x l integriert ðl > aÞ. Das Integral ist vorhanden, sein Wert ha¨ngt aber noch von der gewa¨hlten oberen Grenze l ab: ðl I ðlÞ ¼
f ðxÞ dx
ðV-96Þ
a
2. Dann wird der Grenzwert von I ðlÞ fu¨r l ! 1 berechnet. Ist er vorhanden, so setzt man definitionsgema¨ß ðl
1 ð
f ðxÞ dx ¼ lim I ðlÞ ¼ lim a
l!1
l!1
f ðxÞ dx
ðV-97Þ
a
und nennt das uneigentliche Integral konvergent. Andernfalls spricht man von einem divergenten uneigentlichen Integral.
Anmerkung
ða
1 ð
f ðxÞ dx und
Analog werden die uneigentlichen Integrale 1
f ðxÞ dx durch 1
Grenzwerte erkla¨rt. Bei letzterem Integral wird das unendliche Integrationsintervall durch einen beliebigen Teilpunkt x ¼ c zuna¨chst in zwei Teilintervalle zerlegt und dann die beiden uneigentlichen Integrale (wie oben geschildert) berechnet. Wenn beide Integrale (Grenzwerte) existieren, gilt dies auch fu¨r das Ausgangsintegral.
490 &
V Integralrechnung
Beispiele 1 ð
(1)
1 dx ¼ ? x3
1
Wir integrieren zuna¨chst von x ¼ 1 bis zur Stelle x ¼ l > 1 und erhalten nach der Potenzregel der Integralrechnung: ðl I ðlÞ ¼
1 dx ¼ x3
1
ðl x
3
dx ¼
1
x2 2
l ¼ 1
1 2x2
l
¼
1
1 1 2 2 l2
Im zweiten Schritt vollziehen wir den Grenzu¨bergang fu¨r l ! 1: 1 1 1 1 ¼ lim I ðlÞ ¼ lim 0 ¼ 2 2 2 2 2l l!1 l!1 Das uneigentliche Integral ist daher konvergent und besitzt den Wert 1=2: 1 ð
1
(2)
1 dx ¼ lim x3 l!1
ðl 1
1 1 dx ¼ lim I ðlÞ ¼ x3 2 l!1
Wir berechnen das zu Beginn erwa¨hnte Arbeitsintegral (Arbeit an einer Masse im Gravitationsfeld der Erde) 1 ð
W ¼
mM f 2 dr ¼ f m M r
r0
1 ð
1 dr r2
r0
und erhalten zuna¨chst mit der (endlichen) oberen Grenze r ¼ l: ðl W ðlÞ ¼ f m M
1 1 l 1 1 dr ¼ f m M ¼ f mM r2 r r0 r0 l
r0
Der Grenzwert fu¨r l ! 1 ist vorhanden und fu¨hrt zu 1 1 1 f mM lim W ðlÞ ¼ lim f m M 0 ¼ ¼ f mM r l r r0 l!1 l!1 0 0 Die aufzuwendende Arbeit gegen die Gravitationskraft betra¨gt daher: 1 ð
W ¼ r0
mM f 2 dr ¼ f m M r
1 ð
r0
1 f mM dr ¼ lim W ðlÞ ¼ r2 r0 l!1
9 Uneigentliche Integrale
491 1 ð
(3)
Das uneigentliche Integral
pffiffiffiffi x dx ist dagegen divergent, wie wir gleich zeigen
0
werden. Zuna¨chst aber integrieren wir von x ¼ 0 bis hin zu x ¼ l > 0 (grau unterlegte Fla¨che in Bild V-32): ðl I ðlÞ ¼
pffiffiffiffi x dx ¼
0
ðl x 1=2 dx ¼
2 h 3=2 i l 2 2 pffiffiffiffiffiffiffi ¼ x ðl 3=2 0Þ ¼ l3 0 3 3 3
0
Beim Grenzu¨bergang l ! 1 strebt der Integralwert I ðlÞ jedoch u¨ber alle Grenzen: 2 pffiffiffiffiffiffiffi lim I ðlÞ ¼ lim l3 ¼ 1 l!1 l!1 3 pffiffiffiffi Geometrische Interpretation: Die von der Kurve y ¼ x und der positiven x-Achse eingeschlossene Fla¨che ist unendlich groß (siehe Bild V.32):
y 2 y= x 1
→∞
I ( l)
Bild V-32
l
1
(4)
x
1 und der x-Achse (siehe hierzu 1 þ x2 auch Bild V-31) erhalten wir den folgenden Wert: Fu¨r die Fla¨che A zwischen der Kurve y ¼
1 ð
A ¼ 1
1 dx ¼ 2 1 þ x2 h
1 ð
0
1 dx ¼ 2 lim 1 þ x2 l!1
ðl 0
1 dx ¼ 1 þ x2
il
¼ 2 lim ðarctan l arctan 0Þ ¼ |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} l!1 0 p ¼ 2 lim ðarctan lÞ ¼ 2 ¼ p 2 l!1 ¼ 2 lim
l!1
arctan x
0
Bei der Fla¨chenberechnung haben wir dabei die Achsensymmetrie von Kurve und & Fla¨che beru¨cksichtigt (Faktor 2).
492
V Integralrechnung
9.2 Integrand mit einer Unendlichkeitsstelle (Pol) Der Integrand f ðxÞ soll an der oberen Integrationsgrenze x ¼ b eine Unendlichkeitsðb stelle (Polstelle) besitzen (Bild V-33). Das Integral f ðxÞ dx ist daher wegen des unbeschra¨nkten Integranden zuna¨chst nicht definiert. a y
y = f (x)
b–l
a
Bild V-33 Integrand f ðxÞ mit einer Polstelle an der oberen Grenze b b
x
Man geht dann in diesem Sonderfall wie folgt vor: Uneigentliches Integral mit einer Unendlichkeitsstelle im Integranden ðb f ðxÞ dx hat an der oberen
Der Integrand f ðxÞ des uneigentlichen Integrals a
Grenze x ¼ b eine Unendlichkeitsstelle (Pol). Wir gehen dann wie folgt vor: 1. Zuna¨chst wird von der Stelle x ¼ a bis zur Stelle x ¼ b l integriert (mit l > 0; siehe Bild V-33). Das bestimmte Integral ist vorhanden, der Integralwert ha¨ngt aber noch vom Parameter l ab: bð l
I ðlÞ ¼
f ðxÞ dx
ðV-98Þ
a
2. Ist der Grenzwert dieses Integrals fu¨r l ! 0 vorhanden, so setzt man definitionsgema¨ß bð l
ðb f ðxÞ dx ¼ lim I ðlÞ ¼ lim a
l!0
l!0
f ðxÞ dx
ðV-99Þ
a
und nennt das uneigentliche Integral konvergent. Anderenfalls spricht man von einem divergenten uneigentlichen Integral.
9 Uneigentliche Integrale
493
Anmerkungen (1)
Analog verfa¨hrt man, wenn die Polstelle an der unteren Grenze x ¼ a liegt. Man integriert dann zuna¨chst von x ¼ a þ l (mit l > 0) bis hin zu x ¼ b und bestimmt dann den Grenzwert fu¨r l ! 0.
(2)
Liegt der Pol im Innern des Integrationsbereiches an der Stelle x ¼ c, so muss das Integral zuna¨chst in zwei Teilintegrale aufgespalten werden. Man integriert von x ¼ a bis hin zu x ¼ c l und dann weiter von der Stelle x ¼ c þ m bis hin zu x ¼ b (l > 0, m > 0; Bild V-34). Dann werden die Grenzwerte fu¨r l ! 0 bzw. m ! 0 bestimmt. Das uneigentliche Integral konvergiert nur, wenn beide Grenzwerte vorhanden sind (Integralwert ¼ Summe der beiden Grenzwerte). y y = f (x) y = f (x)
a
&
Bild V-34 Integrand f ðxÞ mit einer Polstelle bei c im Innern des Integrationsintervalls
c–l c c+m
b
x
Beispiele ð1
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ ? 1x
(1) 0
Der Integrand hat an der oberen Integrationsgrenze x ¼ 1 eine Unendlichkeitsstelle (Bild V-35). y 10
5 y=
1 1–x
1 1–l
Bild V-35 1
x
494
V Integralrechnung
Zuna¨chst integrieren wir daher von x ¼ 0 bis x ¼ 1 l 1ð l
I ðlÞ ¼ 0
mit l > 0:
h pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi i 1 l 1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ 2 ¼ 1x 0 1x
pffiffiffiffiffi pffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi ¼ 2 ð l 1 Þ ¼ 2 ð l 1Þ ¼ 2 ð1 l Þ Das Integral haben wir dabei durch die lineare Substitution u ¼ 1 x gelo¨st (bitte nachrechnen). Jetzt fu¨hren wir den Grenzu¨bergang l ! 0 durch und erhalten: pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi lim 2 ð1 l Þ ¼ 2 ð1 0 Þ ¼ 2 ð1 0Þ ¼ 2 l!0
Das uneigentliche Integral ist also konvergent und es gilt definitionsgema¨ß: ð1 0
(2)
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ lim 1x l!0
1ð l
0
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ lim I ðlÞ ¼ 2 1x l!0
pffiffiffi e x Die Berechnung des Fla¨cheninhaltes unter der Kurve y ¼ pffiffiffiffi , 0 x 4 x fu¨hrt auf das uneigentliche Integral pffiffiffi e x pffiffiffiffi dx x
ð4 A ¼ 0
da die Funktionsgleichung an der Stelle x ¼ 0 nicht definiert ist (Bild V-36). y 3
2
1
y=
l
1
e
– x
x
2
3
4
Bild V-36 x
Wir integrieren daher zuna¨chst von der Stelle x ¼ l > 0 bis hin zur Stelle x ¼ 4. Das anfallende Integral ð4 A ðlÞ ¼ l
pffiffiffi e x pffiffiffiffi dx x
10 Anwendungen der Integralrechnung
495
lo¨sen wir dabei wie folgt durch Substitution (die Integrationsgrenzen werden mitsubstituiert): u ¼
pffiffiffiffi x,
du 1 ¼ pffiffiffiffi , dx 2 x
Untere Grenze:
x ¼ l
)
Obere Grenze:
x ¼ 4
)
dx ¼ 2
pffiffiffiffi x du ¼ 2 u du
pffiffiffiffiffi l pffiffiffi u ¼ 4 ¼ 2
u ¼
ð2
A ðlÞ ¼
ð2 h i2 eu e u du ¼ 2 e u pffiffiffi ¼ 2 u du ¼ 2 l u pffiffiffi pffiffiffi l
pffiffiffi l
¼ 2 e2 þ e
l
pffiffiffi ¼ 2 e l e 2
Der Grenzwert fu¨r l ! 0 fu¨hrt zu dem folgenden Ergebnis: pffiffiffi pffiffiffi A ¼ lim A ðlÞ ¼ lim 2 ðe l e 2 Þ ¼ 2 ðe 0 e 2 Þ ¼ l!0
l!0
¼ 2 ðe 0 e 2 Þ ¼ 2 ð1 e 2 Þ Das Fla¨chenstu¨ck hat also einen endlichen Fla¨cheninhalt (konvergentes uneigent& liches Integral).
10 Anwendungen der Integralrechnung 10.1 Einfache Beispiele aus Physik und Technik 10.1.1 Integration der Bewegungsgleichung In Kap. IV (Abschnitt 2.14.1) haben wir uns bereits mit der Bewegung eines Massenpunktes bescha¨ftigt und dabei gezeigt, dass man Geschwindigkeit v und Beschleunigung a durch ein- bzw. zweimaliges Differenzieren der als bekannt vorausgesetzten Weg-Zeit-Funktion s ¼ s ðtÞ erhalten kann: v ¼
ds ¼ s_ , dt
a ¼
dv s ¼ v_ ¼ __ dt
ðV-100Þ
Umgekehrt lassen sich Weg s und Geschwindigkeit v einer Bewegung durch Integration der Beschleunigung-Zeit-Funktion a ¼ a ðtÞ gewinnen. Unterliegt ein Ko¨rper der Masse m einer zeitlich vera¨nderlichen Kraft vom Betrage F ¼ F ðtÞ, so folgt aus der Newtonschen Bewegungsgleichung F ¼ m a fu¨r die Beschleunigung-Zeit-Funktion a ¼ a ðtÞ ¼
F ðtÞ m
ðV-101Þ
496
V Integralrechnung
Ist F ðtÞ und damit a ðtÞ bekannt, so erha¨lt man aus dieser Gleichung durch Integration die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion ð ð ðV-102Þ v ¼ v ðtÞ ¼ v_ dt ¼ a ðtÞ dt und hieraus durch nochmalige Integration die Weg-Zeit-Funktion ð ð s ¼ s ðtÞ ¼ s_ dt ¼ v ðtÞ dt
ðV-103Þ
Die dabei auftretenden Integrationskonstanten werden in der Regel durch die Anfangswerte s ð0Þ ¼ s 0 und v ð0Þ ¼ v 0 festgelegt, wobei s 0 die Wegmarke zu Beginn (d. h. zur Zeit t ¼ 0) und v 0 die Anfangsgeschwindigkeit bedeuten. Wir fassen dieses Ergebnis wie folgt zusammen: Integration der Bewegungsgleichung F ¼ F ðtÞ bzw. a ¼ a ðtÞ
ðF ¼ m aÞ
Geschwindigkeit v und Weg s erha¨lt man durch ein- bzw. zweimalige Integration der Beschleunigung-Zeit-Funktion a ¼ a ðtÞ: ð ð v ¼ a ðtÞ dt , s ¼ v ðtÞ dt ðV-104Þ
&
Beispiele (1)
Bewegung mit konstanter Beschleunigung Eine Bewegung erfolge mit konstanter Beschleunigung a la¨ngs einer Geraden. Weg und Geschwindigkeit zu Beginn (d. h. zur Zeit t ¼ 0) seien s ð0Þ ¼ s 0 und v ð0Þ ¼ v 0 . Dann gilt fu¨r die Geschwindigkeit v: ð ð v ¼ a dt ¼ a 1 dt ¼ a t þ C 1 Die Integrationskonstante wird aus dem Anfangswert v ð0Þ ¼ v 0 berechnet: v ð0Þ ¼ v 0
)
a 0 þ C1 ¼ v0
)
C1 ¼ v0
v ¼ a t þ v0 Durch nochmalige Integration erhalten wir das Weg-Zeit-Gesetz: ð ð 1 a t2 þ v0 t þ C2 s ¼ v ðtÞ dt ¼ ða t þ v 0 Þ dt ¼ 2 Aus dem Anfangswert s ð0Þ ¼ s 0 folgt C 2 ¼ s 0 , und das Weg-Zeit-Gesetz nimmt damit die folgende Gestalt an: s ¼
1 a t2 þ v0 t þ s0 2
ðf u¨ r t 0Þ
10 Anwendungen der Integralrechnung (2)
497
Freier Fall unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes Wir untersuchen die Fallgeschwindigkeit v als Funktion der Fallzeit t unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes. Der Schwerkraft (dem Gewicht) m g wirkt dabei die Reibungskraft k v 2 entgegen (k > 0: Reibungskoeffizient). Nach dem Grundgesetz der Mechanik erha¨lt man damit die folgende Bewegungsgleichung fu¨r den freien Fall: m a ¼ m g k v2
a ¼ g
oder
k 2 v m
Bevor wir diese Gleichung integrieren, bringen wir sie noch unter Beru¨cksichtidv gung von a ¼ auf die folgende Gestalt: dt dv k 2 k 2 dv ¼ dt ) ¼ g v ¼ g 1 v k 2 dt m mg v g 1 mg Mit Hilfe der Substitution sffiffiffiffiffiffiffiffiffi k v, x ¼ mg
dx ¼ dv
sffiffiffiffiffiffiffiffiffi k , mg
rffiffiffiffiffiffiffiffiffi mg dv ¼ dx k
erhalten wir schließlich: rffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffi mg dx m dx ¼ ¼ dt k g ð1 x 2 Þ g k ð1 x 2 Þ Unbestimmte Integration auf beiden Seiten fu¨hrt zu: rffiffiffiffiffiffiffiffi ð ð m dx ¼ dt gk 1 x2
)
rffiffiffiffiffiffiffiffi m artanh x ¼ t þ C gk
Nach Ru¨cksubstitution ergibt sich hieraus: rffiffiffiffiffiffiffiffi m artanh gk
sffiffiffiffiffiffiffiffiffi ! k v ¼ t þC mg
Der freie Fall erfolge aus der Ruhe heraus, d. h. zur Zeit t ¼ 0 sei v ð0Þ ¼ 0. Aus diesem Anfangswert erha¨lt man fu¨r die Integrationskonstante den Wert C ¼ 0 (da artanh 0 ¼ 0 ist). Somit gilt: rffiffiffiffiffiffiffiffi m artanh gk
sffiffiffiffiffiffiffiffiffi ! k v ¼ t mg
)
artanh
sffiffiffiffiffiffiffiffiffi ! rffiffiffiffiffiffiffiffi k gk v ¼ t mg m
498
V Integralrechnung
Durch Umkehrung erhalten wir schließlich das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz: sffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffi ! rffiffiffiffiffiffiffiffi ! rffiffiffiffiffiffiffiffiffi k gk mg gk v ¼ tanh t ) v ¼ v ðtÞ ¼ tanh t mg m k m Fu¨r t ! 1 strebt die Fallgeschwindigkeit gegen die konstante Endgeschwindigkeit rffiffiffiffiffiffiffiffi !! rffiffiffiffiffiffiffiffiffi rffiffiffiffiffiffiffiffiffi mg gk mg tanh t ¼ v E ¼ lim v ðtÞ ¼ lim k m k t!1 t!1 ( Zur Erinnerung: Fu¨r x ! 1 strebt bekanntlich tanh x gegen 1). Gewichtskraft und Reibungskraft sind dann im Gleichgewicht und der Ko¨rper fa¨llt kra¨ftefrei, d. h. mit konstanter Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion la¨sst sich damit auch in der Form g v ¼ v ðtÞ ¼ v E tanh t ðt 0Þ vE darstellen. Ihr Verlauf ist in Bild V-37 skizziert.
v vE
v = v E · tanh
g t vE
Bild V-37 Fallgeschwindigkeit v als Funktion der Fallzeit t unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes t
&
10.1.2 Biegelinie (elastische Linie) eines einseitig eingespannten Balkens Wir bescha¨ftigen uns jetzt mit einem typischen Problem aus der Festigkeitslehre: Ein einseitig fest eingespannter homogener Balken der La¨nge l mit konstanter Querschnittsfla¨che werde durch eine am freien Balkenende einwirkende Kraft vom Betrage F auf Biegung beansprucht (Bild V-38). x
l
x
y y = y(x)
F
y
Bild V-38 Biegelinie y ¼ y ðxÞ eines einseitig eingespannten Balkens unter dem Einfluss einer konstanten Kraft vom Betrage F am freien Ende
10 Anwendungen der Integralrechnung
499
Die Durchbiegung y ist dabei von Ort zu Ort verschieden, d. h. eine Funktion y ¼ y ðxÞ der Ortskoordinate x (wir messen x vom eingespannten Balkenende aus). In der Festigkeitslehre wird gezeigt, dass die 2. Ableitung der elastischen Linie der Biegegleichung 12) y 00 ¼
Mb EI
ðV-105Þ
genu¨gt. In dieser Gleichung bedeuten: E:
Elastizita¨tsmodul (Materialkonstante)
I:
Fla¨chenmoment des Balkenquerschnitts
M b:
Biegemoment (von Ort zu Ort verschieden)
In unserem Beispiel ist das Produkt E I (Biegesteifigkeit genannt) eine Konstante. Fu¨r das Biegemoment an der Stelle x gilt dabei: M b ¼ F ðl xÞ
ðV-106Þ
(die konstante Kraft wirkt im Abstand l x von der betrachteten Stelle). Damit nimmt die Biegegleichung die folgende Gestalt an: y 00 ¼
F ðl xÞ EI
ð0 x lÞ
ðV-107Þ
Die Gleichung der gesuchten Biegelinie y ¼ y ðxÞ erha¨lt man nach zweimaliger Integration der Biegegleichung (V-107): ð ð F F 1 2 y 0 ¼ y 00 dx ¼ ðV-108Þ ðl xÞ dx ¼ lx x þ C1 EI EI 2 ð ð F 1 2 y ¼ y 0 dx ¼ lx x þ C 1 dx ¼ EI 2 F 1 1 3 2 ðV-109Þ lx x þ C1 x þ C2 ¼ EI 2 6 Die Integrationskonstanten C 1 und C 2 bestimmen wir aus den Randwerten y ð0Þ ¼ 0
ðkeine Durchbiegung am eingespannten Ende x ¼ 0Þ
y 0 ð0Þ ¼ 0
ðwaagerechte Tangente am eingespannten Ende x ¼ 0Þ
(V-110)
wie folgt:
12)
y 0 ð0Þ ¼ 0
)
F F ð0 0 þ C 1 Þ ¼ C1 ¼ 0 EI EI
y ð0Þ ¼ 0
)
F F ð0 0 þ 0 þ C 2 Þ ¼ C2 ¼ 0 EI EI
)
C1 ¼ 0 )
C2 ¼ 0
Die Biegegleichung ist eine sog. Differentialgleichung 2. Ordnung (siehe hierzu Kap. IV in Band 2). Sie gilt nur na¨herungsweise unter der Voraussetzung, dass die Durchbiegungen klein sind gegen die Balkenla¨nge, d. h. y l ist.
500
V Integralrechnung
Die Biegelinie lautet damit (Polynomfunktion 3. Grades): F 1 1 3 F ¼ lx2 x ð3 l x 2 x 3 Þ y ¼ EI 2 6 6EI
ð0 x lÞ
ðV-111Þ
Die Durchbiegung ist am freien Ende ðx ¼ lÞ am gro¨ßten. Sie betra¨gt dort y max ¼ y ðx ¼ lÞ ¼
F F F l3 ð3 l 3 l 3 Þ ¼ 2 l3 ¼ 3EI 6EI 6EI
ðV-112Þ
Es handelt sich dabei um ein Randmaximum (siehe hierzu auch das Beispiel (3) aus Kap. IV, Abschnitt 3.5).
10.1.3 Spannung zwischen zwei Punkten eines elektrischen Feldes Wir betrachten das elektrostatische Feld in der Umgebung einer positiven Punktladung Q. Es besitzt die in Bild V-39 skizzierte radiale Struktur. Feldlinie
Bild V-39 Elektrostatisches Feld in der Umgebung einer positiven Punktladung Q (ebener Schnitt durch Q)
P2 P1 +Q Äquipotentialfläche
Die elektrische Feldsta¨rke vom Betrage E ha¨ngt dabei aus Symmetriegru¨nden nur vom Abstand r von der Punktladung Q ab. In unserem Beispiel ist E ¼ E ðrÞ ¼
Q 4 p e0 er r2
ðr > 0Þ
ðV-113Þ
(e 0 : Elektrische Feldkonstante; e r : Relative Dielektrizita¨tskonstante des Mediums). Auch das Potential eines Punktes des elektrischen Feldes ist kugelsymmetrisch: Die quipotentialfla¨chen sind konzentrische Kugelschalen (Mittelpunkt: Ladung Q). Zwischen zwei Punkten P 1 und P 2 des Feldes mit den Absta¨nden r 1 bzw. r 2 von der felderzeugenden Ladung Q besteht dann definitionsgema¨ß die folgende Potentialdifferenz (Spannung): ð
r2
U 12 ¼
E ðrÞ dr r1
ðV-114Þ
10 Anwendungen der Integralrechnung
501
Fu¨r die Feldsta¨rke setzen wir den Ausdruck (V-113) ein und erhalten schließlich: ð
ð
r2
U 12 ¼
r2
E ðrÞ dr ¼ r1
r1
ð
r
dr ¼ r2
r1
r2
Q ¼ 4 p e0 er
ð
r2
Q Q dr ¼ 2 4 p e0 er r 4 p e0 er
2
1 r 2 Q r Q 1 r2 dr ¼ ¼ ¼ 4 p e 0 e r 1 r1 4 p e0 er r r1
r1
Q ¼ 4 p e0 er
1 1 r1 r2
ðV-115Þ
10.2 Fla¨cheninhalt 10.2.1 Bestimmtes Integral und Fla¨cheninhalt (Erga¨nzungen) ðb f ðxÞ dx als Fla¨cheninhalt A zwischen
Im Abschnitt 2 wurde das bestimmte Integral a
der Kurve y ¼ f ðxÞ, der x-Achse und den Parallelen x ¼ a und x ¼ b eingefu¨hrt (Bild V-40). Diese geometrische Interpretation ist jedoch nur zula¨ssig, wenn die (stetige) Integrandfunktion f ðxÞ u¨berall im Integrationsbereich die Bedingung f ðxÞ 0 erfu¨llt, die Kurve also oberhalb der x-Achse verla¨uft und ferner a < b ist. y y = f(x)
A
Bild V-40 Das bestimmte Integral als Fla¨cheninhalt a
&
x
b
Beispiel Wir suchen den Fla¨cheninhalt A, der von der Parabel y ¼ x 2 2 x þ 3, der x-Achse und den Parallelen x ¼ 0 und x ¼ 3 begrenzt wird (Bild V-41). Da die Parabel im Intervall 0 x 3 oberhalb der x-Achse verla¨uft, gilt:
ð3 A ¼
ðx 2 2 x þ 3Þ dx ¼ 0
1 3 x x2 þ 3x 3
3 ¼ ð9 9 þ 9Þ ð0Þ ¼ 9 0
502
V Integralrechnung
y y = x 2 – 2x + 3 5
Bild V-41 Zur Berechnung der Fla¨che unter der Parabel y ¼ x 2 2 x þ 3 im Intervall 0 x 3
A
1 1
3
x &
Liegt das Fla¨chenstu¨ck jedoch, wie in Bild V-42 skizziert, vollsta¨ndig unterhalb der ðb x-Achse, so ist der Integralwert f ðxÞ dx negativ und kann daher nicht dem gesuchten a
Fla¨cheninhalt A entsprechen. In diesem Fall geht man wie folgt vor: Man spiegelt die Fla¨che an der x-Achse und erha¨lt das in Bild V-43 dunkelgrau unterlegte Fla¨chenstu¨ck vom gleichen Fla¨cheninhalt A. y y = – f(x)
y
A a
b a
x
b
x
A
A
y = f(x)
y = f(x)
Bild V-42
Bild V-43
Dieses Fla¨chenstu¨ck liegt oberhalb der x-Achse und wird von der gespiegelten Kurve mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ und der x-Achse berandet 13). Den gesuchten Fla¨cheninhalt A erhalten wir damit durch Integration u¨ber die Funktion y ¼ f ðxÞ in den Grenzen von x ¼ a bis x ¼ b: ðb A ¼
½ f ðxÞ dx ¼ a
13)
ðb f ðxÞ dx
ðV-116Þ
a
Bei der Spiegelung einer Kurve an der x-Achse multiplizieren sich die Ordinaten (Funktionswerte) mit 1.
10 Anwendungen der Integralrechnung
503
Die gespiegelte Kurve ko¨nnen wir aber auch durch die Gleichung y ¼ j f ðxÞ j beschreiben. Der Fla¨cheninhalt A la¨sst sich daher auch durch das Integral b ð ðb ðV-117Þ A ¼ j f ðxÞ j dx ¼ f ðxÞ dx a
a
berechnen, wobei Betragsbildung und Integration miteinander vertauschbar sind. &
Beispiel
y
Welchen Fla¨cheninhalt A bildet die Tangenskurve y ¼ tan x im Intervall 1 x 0 mit der x-Achse (Bild V-44)?
y = tan x 1 –1
Bild V-44 –p 2
p
x
2
Lo¨sung (unter Verwendung einer Integraltafel): ð0 tan x dx ¼
A ¼
h
ln j cos x j
i0 1
¼
h
ln j cos x j
i0 1
¼
1
¼ ln j cos 0 j ln j cos ð 1Þ j ¼ ln 1 ln 0,54 ¼ 0 ð 0,62Þ ¼ 0,62
&
Der allgemeinste Fall tritt ein, wenn die Fla¨che teils oberhalb und teils unterhalb der x-Achse liegt. Wir mu¨ssen dann die Fla¨che so in Teilfla¨chen zerlegen, dass diese entweder vollsta¨ndig oberhalb oder vollsta¨ndig unterhalb der x-Achse liegen (Bild V-45). Die entsprechenden Integralbeitra¨ge sind daher positiv oder negativ, je nachdem, ob die Kurve gerade oberhalb oder unterhalb der x-Achse verla¨uft (die positiven Beitra¨ge sind in Bild V-45 dunkelgrau, die negativen Beitra¨ge hellgrau unterlegt). y y = f(x) A2
A4
a A1
x1
x2
A3
x3
b
Bild V-45 Zur Berechnung des Fla¨cheninhaltes im allgemeinsten Fall ( Zerlegung der Fla¨che in Teilfla¨chen)
x
504
V Integralrechnung
Fu¨r die Berechnung dieser Teilfla¨chen beno¨tigen wir daher als zusa¨tzliche Information die im Integrationsintervall a x b gelegenen Nullstellen der Funktion y ¼ f ðxÞ. So besitzt z. B. die in Bild V-45 skizzierte Funktion genau drei im Integrationsintervall liegende Nullstellen x 1 , x 2 und x 3 (nach steigender Gro¨ße geordnet). In den Teilintervallen a x x 1 und x 2 x x 3 liegt dabei die Kurve unterhalb der x-Achse, die entsprechenden Integralbeitra¨ge I 1 und I 3 sind daher negativ. In den Teilintervallen x 1 x x 2 und x 3 x b dagegen verla¨uft die Kurve oberhalb der x-Achse, die entsprechenden Integralbeitra¨ge I 2 und I 4 sind somit positiv. Die Gesamtfla¨che A ist dann als Summe der Betra¨ge aller Teilintegrale darstellbar: A ¼ A1 þ A2 þ A3 þ A4 ¼ j I1 j þ I2 þ j I3 j þ I4 ¼ x1 x2 xð3 ð ðb ð ¼ f ðxÞ dx þ f ðxÞ dx þ f ðxÞ dx þ f ðxÞ dx x a x x 1
2
ðV-118Þ
3
Wir fassen die Ergebnisse u¨ber die Fla¨chenberechnung wie folgt zusammen: Fla¨cheninhalt zwischen einer Kurve und der x-Achse Bei der Berechnung des Fla¨cheninhaltes A zwischen einer Kurve y ¼ f ðxÞ, a x b und der x-Achse sind die folgenden Fa¨lle zu unterscheiden: 1. Fall: Die Kurve verla¨uft oberhalb der x-Achse (Bild V-40). Dann gilt: ðb f ðxÞ dx
A ¼
ðV-119Þ
a
2. Fall: Die Kurve verla¨uft unterhalb der x-Achse (Bild V-42). Dann gilt: b ð ðb A ¼ f ðxÞ dx ¼ f ðxÞ dx ðV-120Þ a
a
3. Fall: Die Kurve verla¨uft teils oberhalb, teils unterhalb der x-Achse (Bild V-45). In diesem Fall muss die Fla¨che zuna¨chst so in Teilfla¨chen zerlegt werden, dass diese entweder vollsta¨ndig oberhalb oder vollsta¨ndig unterhalb der x-Achse liegen. Dazu werden die Nullstellen der Funktion y ¼ f ðxÞ im Intervall a x b beno¨tigt. Anhand einer Skizze la¨sst sich dann die Zerlegung der Fla¨che in Teilfla¨chen mit den genannten Eigenschaften problemlos durchfu¨hren. Die Berechnung der Teilfla¨chen erfolgt dabei mit Hilfe der Integralformeln (V-119) und (V-120). Die gesuchte Gesamtfla¨che ist dann die Summe aller Teilfla¨chen.
10 Anwendungen der Integralrechnung &
505
Beispiel Wir berechnen den in Bild V-46 skizzierten Fla¨cheninhalt zwischen der Polynomfunktion y ¼ x 3 3 x 2 6 x þ 8, der x-Achse und den Parallelen x ¼ 2,5 und x ¼ 3. y 10 y = x 3 – 3x 2 – 6x + 8 A2 2
– 2,5 –3
– 2 –1
3 1
2
4
x
A3
A1
Bild V-46 Zur Berechnung der Fla¨che zwischen der Kurve y ¼ x 3 3 x 2 6 x þ 8, der x-Achse und den Parallelen x ¼ 2,5 und x ¼ 3
Die Nullstellen der Funktion sind der Reihe nach x 1 ¼ 2, x 2 ¼ 1 und x 3 ¼ 4 (die Nullstelle bei x ¼ 1 findet man leicht durch Probieren, die restlichen mit Hilfe des Horner-Schemas). Sie liegen bis auf den letzten Wert im Intervall 2,5 x 3 (Bild V-46). Die Fla¨che zerfa¨llt damit in drei Teilfla¨chen, die jeweils abwechselnd unter- und oberhalb der x-Achse liegen. Es sind daher die folgenden drei Teilintegrale zu berechnen 14) :
ð2
I1 ¼
ðx 3 3 x 2 6 x þ 8Þ dx ¼
1 4 x x3 3x2 þ 8x 4
2 2,5
2,5
ð1 I2 ¼
ðx 3 3 x 2 6 x þ 8Þ dx ¼
1 4 x x3 3x2 þ 8x 4
1 2
2
ð3 I3 ¼
ðx 3 3 x 2 6 x þ 8Þ dx ¼ 1
1 4 x x3 3x2 þ 8x 4
¼ 2,64
¼ 20,25
3 ¼ 14 1
Der gesuchte Fla¨cheninhalt betra¨gt damit: A ¼ A 1 þ A 2 þ A 3 ¼ j I 1 j þ I 2 þ j I 3 j ¼ j 2,64 j þ 20,25 þ j 14 j ¼ ¼ 2,64 þ 20,25 þ 14 ¼ 36,89 14)
Die Integrale unterscheiden sich nur in den Grenzen, Integrand und Stammfunktion sind gleich.
&
506
V Integralrechnung
10.2.2 Fla¨cheninhalt zwischen zwei Kurven Wir betrachten ein Fla¨chenstu¨ck, das von den Kurven y o ¼ f o ðxÞ und y u ¼ f u ðxÞ sowie den beiden Parallelen x ¼ a und x ¼ b berandet wird (Bild V-47). Dabei soll u¨berall im Intervall a x b die Bedingung f o ðxÞ f u ðxÞ erfu¨llt sein, d. h. die Kurve y o ¼ f o ðxÞ verla¨uft zwischen x ¼ a und x ¼ b oberhalb der Kurve y u ¼ f u ðxÞ (dieses Verhalten wird durch die Indizes zum Ausdruck gebracht: o ¼ oben, u ¼ unten). y y o = f o (x)
A
Bild V-47 Zur Berechnung der zwischen zwei Kurven gelegenen Fla¨che A
y u = f u (x) a
b
x
Wir berechnen den Fla¨cheninhalt A zwischen den beiden Kurven als Differenz zweier Fla¨chen. Nach Bild V-47 gilt na¨mlich: ðb
ðb y o dx
A ¼ a
ðb y u dx ¼
a
ðb f o ðxÞ dx
a
f u ðxÞ dx
ðV-121Þ
a
Das erste Integral beschreibt dabei die unterhalb der Kurve y o ¼ f o ðxÞ liegende Fla¨che, das zweite Integral entsprechend den Fla¨cheninhalt unterhalb der Kurve y u ¼ f u ðxÞ. Die Integraldifferenz (V-121) la¨sst sich noch zu einem Integral zusammenfassen:
Fla¨cheninhalt zwischen zwei Kurven (Bild V-47) ðb
ðb ðy o y u Þ dx ¼
A ¼ a
½ f o ðxÞ f u ðxÞ dx a
Dabei bedeuten: y o ¼ f o ðxÞ:
Gleichung der oberen Randkurve
y u ¼ f u ðxÞ:
Gleichung der unteren Randkurve
Voraussetzung: f o ðxÞ f u ðxÞ im Intervall a x b
ðV-122Þ
10 Anwendungen der Integralrechnung
507
Anmerkungen (1)
Die Lage des Fla¨chenstu¨cks spielt dabei keine Rolle, solange u¨berall im Intervall a x b die Bedingung f o ðxÞ f u ðxÞ erfu¨llt ist. Der Formelausdruck (V-122) bleibt daher auch fu¨r die in den Bildern V-48 a) und V-48 b) skizzierten Fla¨chen gu¨ltig. Denn in beiden Fa¨llen liegt y o oberhalb von y u , in positiver y-Richtung gesehen. y y o = f o (x) y
a
A
b x
y o = f o (x)
a
b)
A
a)
(2)
y u = f u (x)
b
x
y u = f u (x)
Bild V-48 Fla¨cheninhalt zwischen zwei Kurven
Die Integralformel (V-122) gilt nur unter der Voraussetzung, dass sich die beiden Randkurven der Fla¨che an keiner Stelle des Intervalls a x b durchschneiden, d. h. u¨berall in diesem Intervall muss die Bedingung f o ðxÞ f u ðxÞ erfu¨llt sein. Andernfalls ist die Fla¨che so in Teilfla¨chen zu zerlegen, dass die beiden Randkurven einer jeden Teilfla¨che diese Bedingung erfu¨llen. Zur Berechnung dieser Teilfla¨chen werden daher die im Intervall a x b gelegenen Schnittpunkte beider Kurven beno¨tigt. Bild V-49 verdeutlicht das Vorgehen bei zwei Teilfla¨chen A 1 und A 2 , d. h. bei einem im Innern des Intervalls a x b gelegenen Schnittpunkt S mit dem Abszissenwert x 1 . y
y = f 2 (x)
A1
S
y = f 1 (x)
A2
y = f 2 (x)
y = f 1 (x)
Bild V-49 a
x1
b
x
508
V Integralrechnung
In den beiden Teilintervallen gelten dann folgende Beziehungen: Im Intervall a x x 1 :
f 2 ðxÞ f 1 ðxÞ
Im Intervall x 1 x b:
f 1 ðxÞ f 2 ðxÞ
Mit anderen Worten: Im ersten Intervall liegt f 2 ðxÞ oberhalb von f 1 ðxÞ, im zweiten Intervall ist es genau umgekehrt. Die Gesamtfla¨che A berechnet sich daher wie folgt: xð1
A ¼ A1 þ A2 ¼
ðb ½ f 2 ðxÞ f 1 ðxÞ dx þ
a
½ f 1 ðxÞ f 2 ðxÞ dx ¼ x1
ðb xð1 ¼ ½ f 2 ðxÞ f 1 ðxÞ dx þ ½ f 2 ðxÞ f 1 ðxÞ dx x a
ðV-123Þ
1
&
Beispiele (1)
Man bestimme den Fla¨cheninhalt zwischen der Parabel y ¼ 0,5 x 2 þ 6 und der Geraden y ¼ 1,5 x þ 2 (Bild V-50). y 6 y = – 0,5 x 2 + 6
A – 4,7
1 1 1,7
x
y = 1,5 x + 2 –5
Bild V-50 Zur Berechnung der Fla¨che zwischen der Parabel y ¼ 0,5 x 2 þ 6 und der Geraden y ¼ 1,5 x þ 2
10 Anwendungen der Integralrechnung
509
Lo¨sung: Zuna¨chst berechnen wir die Kurvenschnittpunkte: 0,5 x 2 þ 6 ¼ 1,5 x þ 2 x 1 ¼ 4,7 ,
)
x2 þ 3x 8 ¼ 0
)
x 2 ¼ 1,7
Das Fla¨chenstu¨ck wird im Intervall 4,7 x 1,7 oben von der Parabel und unten von der Geraden begrenzt. Daher gilt fu¨r den Fla¨cheninhalt: 1ð,7
½ ð 0,5 x 2 þ 6Þ ð1,5 x þ 2Þ dx ¼
A ¼ 4,7
1ð,7
1ð,7
ð 0,5 x þ 6 1,5 x 2Þ dx ¼
¼
ð 0,5 x 2 1,5 x þ 4Þ dx ¼
2
4,7
4,7
1,7 1 3 3 2 ¼ 3,81 ð 18,06Þ ¼ 21,87 ¼ x x þ 4x 6 4 4,7 (2)
Wir berechnen die zwischen der Sinus- und Kosinuskurve liegende Fla¨che im Bereich zweier aufeinanderfolgender Schnittpunkte. Die in Bild V-51 grau unterlegten Teile sind wegen der Periodizita¨t der Randkurven fla¨chengleich. y y = sin x 1
5 p 4
A
p
x
4
–1
y = cos x
Bild V-51 Fla¨chenstu¨ck zwischen der Sinus- und Kosinuskurve im Bereich zweier aufeinanderfolgender Schnittpunkte
Aus der trigonometrischen Gleichung sin x ¼ cos x
oder
sin x ¼ tan x ¼ 1 cos x
berechnen wir zuna¨chst die Kurvenschnittpunkte. Sie liegen an den Stellen x k ¼ arctan 1 þ k p ¼
p þk p 4
ðk ¼ 0, 1, 2, . . .Þ
510
V Integralrechnung
Wir entscheiden uns dabei fu¨r den in Bild V-51 skizzierten dunkelgrau unterlegten Bereich zwischen den ersten beiden positiven Schnittpunkten, d. h. fu¨r das Interp 5 vall x p. In diesem Intervall verla¨uft die Sinuskurve oberhalb der 4 4 \mittheta Kosinuskurve. Der gesuchte Fla¨cheninhalt wird daher u¨ber das folgende Integral berechnet: 5 p=4 ð
ðsin x cos xÞ dx ¼
A ¼
h
cos x sin x
i 5 p=4 p=4
¼
p=4
¼
cos
¼ (3)
5 p 4
sin
5 p 4
!
! p p cos sin ¼ 4 4
pffiffiffiffiffi 1 pffiffiffiffiffi 1 pffiffiffiffiffi 1 pffiffiffiffiffi 1 pffiffiffiffiffi 2 þ 2 þ 2 þ 2 ¼ 2 2 ¼ 2,83 2 2 2 2
Wir interessieren uns fu¨r den Fla¨cheninhalt A zwischen der Parabel y ¼ 2,5 x 2 8,75 x und der Kurve y ¼ 2 x 3 12 x 2 þ 16 x. Zuna¨chst aber bestimmen wir die dabei beno¨tigten Kurvenschnittpunkte: 2 x 3 12 x 2 þ 16 x ¼ 2,5 x 2 8,75 x 2 x 3 14,5 x 2 þ 24,75 x ¼ x ð2 x 2 14,5 x þ 24,75Þ ¼ 0 x 1 ¼ 0,
)
x 2 ¼ 2,75, x 3 ¼ 4,5
Die gesuchte Fla¨che A besteht somit aus zwei Teilfla¨chen A 1 und A 2 , die wir jetzt berechnen wollen (Bild V-52). y
10 y = 2 x 3 –12 x 2 + 16 x 5
2,75 1
2
3
A1 –5
–10
y = 2,5 x 2 – 8,75 x
4 A2
4,5
Bild V-52 x
10 Anwendungen der Integralrechnung
511
Im Intervall 0 x 2,75 ist die Parabel die untere, im Intervall 2,75 x 4,5 dagegen die obere Berandung der Fla¨che. Daher gilt: 2,ð75
A1 ¼
½ ð2 x 3 12 x 2 þ 16 xÞ ð2,5 x 2 8,75 xÞ dx ¼ 0 2,ð75
¼
ð2 x 3 14,5 x 2 þ 24,75 xÞ dx ¼ 0
¼
1 4 14,5 3 24,75 2 x x þ x 2 3 2
2,75 ¼ 21,6634 0
4ð,5
A2 ¼
½ ð2,5 x 2 8,75 xÞ ð2 x 3 12 x 2 þ 16 xÞ dx ¼ 2,75 4ð,5
ð 2 x 3 þ 14,5 x 2 24,75 xÞ dx ¼
¼ 2,75
1 14,5 3 24,75 2 x x ¼ x4 þ 2 3 2
4,5 2,75
¼ 6,4759
Somit erhalten wir eine Gesamtfla¨che von A ¼ A 1 þ A 2 ¼ 21,6634 þ 6,4759 ¼ 28,1393 28,14 (4)
Die in Bild V-53 skizzierte geschlossene Kurve wird durch die Gleichung y 2 ¼ 25 x 2 x 4 beschrieben. Sie ist sowohl zur x-Achse als auch zur y-Achse spiegelsymmetrisch. Bei der Berechnung der eingeschlossenen Fla¨che ko¨nnen wir uns auf den 1. Quadranten beschra¨nken.
y
y 2 = 25 x 2 – x 4
12 8 4
Bild V-53 –5
–4
–3
–2
–1
1 –4 –8
–12
2
3
4
5
x
512
V Integralrechnung
Die obere Randkurve lautet dann: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ 25 x 2 x 4 ¼ x 2 ð25 x 2 Þ ¼ x 25 x 2 ,
0 x 5
Das anfallende Integral ð5 x
A ¼ 4
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 25 x 2 dx
0
lo¨sen wir durch Substitution wie folgt, wobei wir die Integrationsgrenzen mitsubstituieren wollen: du ¼ 2 x, dx
u ¼ 25 x 2 ,
dx ¼
du 2x
Untere Grenze:
x ¼ 0
)
u ¼ 25 0 ¼ 25
Obere Grenze:
x ¼ 5
)
u ¼ 25 25 ¼ 0
uð ¼0
A ¼ 4
pffiffiffiffiffi x u
u ¼ 25
2ð5
¼ 2
du ¼ 2 2 x
u
1=2
u 3=2 du ¼ 2 3=2
0
¼
25 ¼ 0
ð0 25
pffiffiffiffiffi u du ¼ 2
25 ð
pffiffiffiffiffi u du ¼
0
pffiffiffiffiffi i 25 4 h pffiffiffiffiffiffi3ffi i 25 4 h u ¼ ¼ u u 0 0 3 3
4 4 500 ð25 5 0Þ ¼ 125 ¼ 3 3 3
&
10.3 Volumen eines Rotationsko¨rpers (Rotationsvolumen) Rotationsko¨rper entstehen durch Drehung einer ebenen Kurve um eine in der Kurvenebene liegende Achse. Zu ihnen geho¨ren beispielsweise die Kugel, der Kreiskegel, der Zylinder, das Rotationsparaboloid und der Torus. Rotation einer Kurve um die x-Achse Die u¨ber dem Intervall a x b gelegene Kurve mit der Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ erzeuge bei Rotation um die x-Achse den in Bild V-54 skizzierten Rotationsko¨rper. Dieser wird jetzt durch Schnitte senkrecht zur Drehachse in eine große Anzahl n von Scheiben gleicher Dicke Dx zerlegt.
10 Anwendungen der Integralrechnung
513
Im Folgenden betrachten wir eine wahllos herausgegriffene Scheibe (in Bild V-54 grau unterlegt). y y = f(x) DV x
Bild V-54 Zerlegung eines Rotationsko¨rpers in Zylinderscheiben gleicher Dicke Dx a
b
x
Dx
Sie wird durch eine kreisfo¨rmige Zylinderscheibe gleicher Dicke ersetzt, die durch Rotation des in Bild V-55 skizzierten Rechtecks mit den Seitenla¨ngen y ¼ f ðxÞ und Dx um die x-Achse entsteht. y y = f(x)
y
a
x
b
x
Dx
Bild V-55 Durch Rotation des eingezeichneten Rechtecks um die x-Achse entsteht eine kreisfo¨rmige Zylinderscheibe vom Volumen DV x ¼ p y 2 Dx
Das Volumen dieser zylindrischen Ersatzscheibe ist dann DV x ¼ ðGrundfl¨acheÞ ðH¨oheÞ ¼ p y 2 Dx
ðV-124Þ
(Scheibenradius: y; Scheibendicke: Dx; Querschnittsfla¨che der Scheibe: p y 2 ).
514
V Integralrechnung
Ebenso verfa¨hrt man mit den u¨brigen Scheiben. Die Summation u¨ber sa¨mtliche Zylinderscheiben liefert dann einen Na¨herungswert fu¨r das Rotationsvolumen V x , der bei beliebiger Verfeinerung der Zerlegung gegen den exakten Wert strebt. Beim Grenzu¨bergang n ! 1 geht die Scheibendicke Dx gegen Null und man erha¨lt fu¨r V x die folgende Integralformel: Rotationsvolumen bei Drehung einer Kurve um die x-Achse (Bild V-54) Bei Drehung einer Kurve mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ, a x b um die x-Achse entsteht ein Rotationsko¨rper vom Volumen ðb Vx ¼ p
ðb ½ f ðxÞ 2 dx
y dx ¼ p 2
a
ðV-125Þ
a
Zu diesem Ergebnis gelangt man auch durch eine in den technischen Anwendungen u¨bliche und sehr beliebte formale Betrachtungsweise. Wir gehen dabei von einer infinitesimal du¨nnen Scheibe der Dicke dx aus (in Bild V-56 grau unterlegt): y infinitesimal dünne Scheibe
Bild V-56 Der Rotationsko¨rper wird aus infinitesimal du¨nnen Zylinderscheiben der Dicke dx zusammengesetzt
y = f(x)
a
b
x
dx
Das Volumen einer solchen nahezu zylindrischen Scheibe (auch Volumenelement genannt) betra¨gt dann dV x ¼ p y 2 dx
ðV-126Þ
Jetzt summieren, d. h. integrieren wir u¨ber sa¨mtliche zwischen x ¼ a und x ¼ b gelegenen infinitesimal du¨nnen Scheiben und erhalten schließlich fu¨r das Rotationsvolumen die bereits bekannte Formel xð ¼b
Vx ¼
ðb dV x ¼
x¼a
ðb p y 2 dx ¼ p
a
ðb ½ f ðxÞ 2 dx
y 2 dx ¼ p a
a
ðV-127Þ
10 Anwendungen der Integralrechnung
515
Rotation einer Kurve um die y-Achse Analog verfa¨hrt man bei Ko¨rpern, die durch Rotation eines Kurvenstu¨cks um die y-Achse entstanden sind (Bild V-57). y
d
x = g(y)
Bild V-57 Zur y-Achse rotationssymmetrischer Ko¨rper
c x
Die entsprechende Integralformel fu¨r das Rotationsvolumen lautet: Rotationsvolumen bei Drehung einer Kurve um die y-Achse (Bild V-57) Bei Drehung einer Kurve mit der Gleichung x ¼ g ðyÞ, c y d um die y-Achse entsteht ein Rotationsko¨rper vom Volumen ðd Vy ¼ p
ðd ½ g ðyÞ 2 dy
x dy ¼ p 2
c
ðV-128Þ
c
Anmerkung Die Gleichung der rotierenden Kurve liegt meist in der Form y ¼ f ðxÞ vor und muss dann erst noch nach der Variablen x aufgelo¨st werden. Die auf diese Weise erhaltene Funktion x ¼ g ðyÞ ist die „nach der Variablen x aufgelo¨ste Form von y ¼ f ðxÞ“. &
Beispiele (1)
Durch Drehung der u¨ber dem Intervall 0 x p=2 gelegenen Kosinuskurve y ¼ cos x um die x-Achse entsteht der in Bild V-58 skizzierte Rotationsko¨rper. Sein Volumen betra¨gt nach Integralformel (V-125):
p=2 ð
Vx ¼ p ¼ p
cos x dx ¼ p 2
0
p 1 þ sin p 4 4 |ffl{zffl} 0
1 1 x þ sin ð2 xÞ 2 4
p=2
¼
0
1 p p2 0þ sin 0 ¼ p ¼ 4 4 |ffl{zffl} 4 0
516
V Integralrechnung y y = cos x
1
Bild V-58 Rotationsko¨rper, entstanden durch Drehung der Kurve y ¼ cos x, 0 x p=2 um die x-Achse
p
x
2
(2)
Durch Rotation des in Bild V-59 skizzierten Kreisabschnitts der Ho¨he h um die x-Achse entsteht ein sog. Kugelabschnitt (auch Kugelkappe oder Kalotte genannt) mit dem folgenden Volumen: ðr Vx ¼ p
ðr pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 2 2 ð r x Þ dx ¼ p ðr 2 x 2 Þ dx ¼
rh
rh
1 3 ¼ p r x x 3
r
2
1 3 1 ¼ p r r r 2 ðr hÞ þ ðr hÞ 3 3 3 3
rh
2 3 1 3 3 2 2 2 3 ¼ p r r þr hþ ðr 3 r h þ 3 r h h Þ ¼ 3 3
1 3 1 3 1 3 r þ r2 h þ r r2 h þ r h2 h ¼ ¼ p 3 3 3 1 3 1 p 2 ¼ p r h2 ¼ p h2 r h h ¼ h ð3 r hÞ 3 3 3
y y = r2– x2
Bild V-59 Der grau unterlegte Kreisabschnitt erzeugt bei Rotation um die x-Achse einen Kugelabschnitt r–h
r h
x
¼
10 Anwendungen der Integralrechnung
517
Im Grenzfall h ¼ 2 r erha¨lt man eine Vollkugel mit dem (bekannten) Volumen V Kugel ¼ (3)
p p 4 ð2 rÞ 2 ð3 r 2 rÞ ¼ 4r2 r ¼ pr3 3 3 3
Welchen Rauminhalt besitzt der Ko¨rper, der durch Drehung der in Bild V-60 skizzierten (grau unterlegten) Fla¨che um die y-Achse entsteht? y/cm
P
18
Parabel y = ax 2 + b 10
Bild V-60 –4
x /cm
4
Lo¨sung: Zuna¨chst bestimmen wir die Gleichung der Parabel, die wir wegen der Achsensymmetrie in der Form y ¼ a x 2 þ b ansetzen du¨rfen: b ¼ 10 cm ;
P ¼ ð4 cm; 18 cmÞ ist ein Punkt der Parabel 2
18 cm ¼ a ð4 cmÞ þ 10 cm
)
a ¼ 0,5 cm
)
1
Die Parabelgleichung lautet somit: y ¼ 0,5 cm 1 x 2 þ 10 cm Das gesuchte Rotationsvolumen V berechnen wir nach der aus Bild V-60 ersichtlichen Formel V ¼ V Zylinder V Paraboloid Dabei ist V Zylinder das Volumen des Zylinders mit dem Radius r ¼ 4 cm und der Ho¨he h ¼ 18 cm: V Zylinder ¼ p r 2 h ¼ p ð4 cmÞ 2 18 cm ¼ 904,78 cm 3 V Paraboloid ist das Volumen des Rotationsparaboloids, das durch Drehung der u¨ber dem Intervall 10 y=cm 18 gelegenen Parabel um die y-Achse entsteht und mit Hilfe der Integralformel (V-128) berechnet werden kann. Dazu lo¨sen wir zuna¨chst die Parabelgleichung nach x 2 auf: 0,5 cm 1 x 2 ¼ y 10 cm j 2 cm
)
x 2 ¼ 2 cm ð y 10 cmÞ
518
V Integralrechnung
Diesen Ausdruck setzen wir jetzt in die Volumenformel (V-128) ein und erhalten damit fu¨r das Volumen des Rotationsparaboloids: 18ðcm
18ðcm
V Paraboloid ¼ p
x dy ¼ 2 p cm
ð y 10 cmÞ dy ¼
2
10 cm
10 cm
¼ 2 p cm
1 2 y 10 cm y 2
18 cm ¼ 10 cm
¼ 2 p cm ð162 180Þ ð50 100Þ cm 2 ¼ ¼ 2 p ð 18 þ 50Þ cm 3 ¼ 2 p 32 cm 3 ¼ 201,06 cm 3 Fu¨r das gesuchte Rotationsvolumen V ergibt sich damit der folgende Wert: V ¼ V Zylinder V Paraboloid ¼ 904,78 cm 3 201,06 cm 3 ¼ 703,72 cm 3
&
10.4 Bogenla¨nge einer ebenen Kurve Wir stellen uns die Aufgabe, die La¨nge einer u¨ber dem Intervall a x b gelegenen Kurve mit der Funktionsgleichung y ¼ f ðxÞ zu berechnen, und bedienen uns dabei der bereits in Abschnitt 10.3 erwa¨hnten formalen Betrachtungsweise. Zuna¨chst zerlegen wir die Kurve in eine große Anzahl von Segmenten. Wahllos greifen wir ein von den beiden Randpunkten P und Q begrenztes, infinitesimal kurzes Kurvenstu¨ck (Segment) heraus und ersetzen den Kurvenbogen durch das Linienelement ds, d. h. durch die entsprechende Strecke auf der in P errichteten Kurventangente (Bild V-61).
y
y = f(x)
Q Q′ ds
P
dy
dx
y a
Tangente in P
x
x + dx
b
x
Bild V-61 Zur Bestimmung der Bogenla¨nge eines ebenen Kurvenstu¨cks
10 Anwendungen der Integralrechnung
519
Aus dem eingezeichneten Steigungsdreieck mit den beiden Katheten dx und dy und der Hypotenuse ds folgt dann nach dem Satz des Pythagoras: " # ðdxÞ 2 ðdyÞ 2 2 2 2 2 2 ¼ 1þ ðdxÞ 2 ¼ ðdsÞ ¼ ðdxÞ þ ðdyÞ ¼ ðdxÞ þ ðdyÞ ðdxÞ 2 ðdxÞ 2 " 2# dy ¼ 1þ ðV-129Þ ðdxÞ 2 ¼ ½ 1 þ ð y 0 Þ 2 ðdxÞ 2 dx Damit ist ds ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ ð y 0 Þ 2 dx ¼ 1 þ ½ f 0 ðxÞ 2 dx
ðV-130Þ
Mit den restlichen Segmenten verfahren wir in gleicher Weise. Durch Summation, d. h. Integration u¨ber sa¨mtliche Linienelemente 15) erha¨lt man schließlich die folgende Integralformel fu¨r die Bogenla¨nge der Kurve y ¼ f ðxÞ im Intervall a x b: Bogenla¨nge einer ebenen Kurve (Bild V-61) Eine ebene Kurve mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ, a x b besitzt die Bogenla¨nge ðb qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ðb qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 0 s ¼ 1 þ ð y Þ dx ¼ 1 þ ½ f 0 ðxÞ 2 dx a
&
ðV-131Þ
a
Beispiel Wir wollen die bereits aus der Schulmathematik bekannte Formel fu¨r den Umfang eines Kreises vom Radius r herleiten (Bild V-62). y y = r2– x2
Bild V-62 Zur Berechnung des Kreisumfangs 0
15)
r
x
Andere u¨bliche Bezeichnungen fu¨r das Linienelement sind Bogenelement oder Bogendifferential.
520
V Integralrechnung
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Lo¨sung: Aus der Kurvengleichung y ¼ r 2 x 2 (Gleichung des oberen Halbkreises) erhalten wir durch Differentiation mit Hilfe der Kettenregel x y 0 ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r2 x2 und weiter 1 þ ð y 0Þ 2 ¼ 1 þ
r2
x2 r2 x2 þ x2 r2 ¼ ¼ 2 2 2 2 x r x r x2
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ ð y 0 Þ 2 des bei der Umfangsberechnung anfallenden Integrals
Fu¨r den Integrand
(V-131) bekommen wir damit den folgenden Ausdruck: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 1 þ ð y 0 Þ 2 ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 r x2 Bei der Integration beschra¨nken wir uns wegen der Achsensymmetrie der Kreislinie auf den im 1. Quadranten gelegenen Viertelkreis und mu¨ssen daher den Integralwert noch mit dem Faktor 4 multiplizieren. Somit gilt: ðr
r pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ 4 r 2 r x2
s ¼ 4 0
ðr 0
dx pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r2 x2
Dieses Integral la¨sst sich durch eine Substitution vom Typ (D) der Tabelle 2 aus Abschnitt 8.1.2 wie folgt lo¨sen (die Grenzen werden mitsubstituiert): x ¼ r sin u ,
dx ¼ r cos u du ,
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 2 x 2 ¼ r cos u ,
u ¼ arcsin ðx=rÞ Untere Grenze:
x ¼ 0
)
u ¼ arcsin 0 ¼ 0
Obere Grenze:
x ¼ r
)
u ¼ arcsin 1 ¼ p=2
Wir erhalten die aus der Elementarmathematik bereits bekannte Formel fu¨r den Umfang eines Kreises: ðr s ¼ 4r 0
dx pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ¼ 4 r r2 x2
h i p=2 ¼ 4r u ¼ 2pr 0
p=2 ð
0
r cos u du r cos u
p=2 ð
¼ 4r
1 du ¼ 0
&
10 Anwendungen der Integralrechnung
521
10.5 Mantelfla¨che eines Rotationsko¨rpers (Rotationsfla¨che) Die durch Drehung einer ebenen Kurve um eine in der Kurvenebene liegende Achse entstehende Fla¨che heißt Mantelfla¨che oder Rotationsfla¨che des Drehko¨rpers. Rotation einer Kurve um die x-Achse Der Rotationsko¨rper entstehe durch Drehung der Kurve y ¼ f ðxÞ, a x b um die x-Achse (Bild V-63). Wir zerlegen ihn wiederum in eine große Anzahl du¨nner Scheiben.
y infinitesimal dünne Scheibe y = f(x)
a
b
x
dx
Bild V-63 Zerlegung eines Rotationsko¨rpers in infinitesimal du¨nne Scheiben der Dicke dx
Eine solche (in Bild V-63 grau unterlegte) Scheibe der Dicke dx erhalten wir durch _ Drehung des in Bild V-64 skizzierten Kurvenbogens PQ um die x-Achse. Ersetzen wir diesen Bogen durch das zugeho¨rige Linienelement ds, so erzeugt dieses bei der Rotation um die x-Achse einen Kegelstumpf, dessen Mantelfla¨che einen Na¨herungswert fu¨r die Mantelfla¨che der Scheibe darstellt. y y = f(x) Q Q′ ds
P dx
y x
Tangente in P
y + dy
x + dx
x
Bild V-64 Zur Bestimmung der Mantelfla¨che eines zur x-Achse symmetrischen Rotationsko¨rpers
522
V Integralrechnung
Fu¨r die Mantelfla¨che eines Kegelstumpfes liefert uns die Elementarmathematik die bekannte Formel 16) M Kegelstumpf ¼ p ðr 1 þ r 2 Þ s
ðV-132Þ
Wir u¨bertragen diese Formel auf unseren durch Drehung des Linienelementes ds um die x-Achse erzeugten infinitesimal du¨nnen Kegelstumpf. Fu¨r diesen gilt: r1 ¼ y ,
r 2 ¼ y þ dy
s ¼ ds
und
ðV-133Þ
Seine Mantelfla¨che dM x betra¨gt somit dM x ¼ p ½ y þ ðy þ dyÞ ds ¼ p ð2 y þ dyÞ ds
ðV-134Þ
und weiter, da dy y angenommen werden darf: dM x ¼ p 2 y ds ¼ 2 p y ds
ðV-135Þ
Beru¨cksichtigt man noch die Beziehung (V-130) fu¨r das Linienelement ds, so ist die Mantelfla¨che des Kegelstumpfes und damit auch (na¨herungsweise) die Mantelfla¨che der infinitesimal du¨nnen Scheibe durch das Differential qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dM x ¼ 2 p y 1 þ ð y 0 Þ 2 dx ¼ 2 p f ðxÞ 1 þ ½ f 0 ðxÞ 2 dx ðV-136Þ gegeben. Durch Integration erha¨lt man schließlich:
Mantelfla¨che eines Rotationsko¨rpers (Rotationsfla¨che bei Drehung einer Kurve um die x-Achse; Bild V-63) Bei Drehung einer Kurve mit der Gleichung y ¼ f ðxÞ, a x b um die x-Achse entsteht ein Rotationsko¨rper mit der Mantel- oder Rotationsfla¨che ðb Mx ¼ 2 p
ðb qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 0 y 1 þ ð y Þ dx ¼ 2 p f ðxÞ 1 þ ½ f 0 ðxÞ 2 dx
a
16)
Die Mantelfla¨che eines Kegelstumpfes wird nach der Formel
a
ðV-137Þ
y s
M Kegelstumpf ¼ p ðr 1 þ r 2 Þ s berechnet (siehe hierzu Bild V-65). r 1 und r 2 sind dabei die Radien der beiden Kreisfla¨chen, s die La¨nge der Mantellinie.
Bild V-65 Kegelstumpf
r2 r1 x
10 Anwendungen der Integralrechnung
523
Rotation einer Kurve um die y-Achse Bei Rotation einer Kurve x ¼ g ðyÞ, c y d um die y-Achse erha¨lt man nach analogen berlegungen den folgenden Formelausdruck fu¨r die Mantel- oder Rotationsfla¨che des entstandenen Drehko¨rpers (siehe hierzu Bild V-57):
Mantelfla¨che eines Rotationsko¨rpers (Rotationsfla¨che bei Drehung einer Kurve um die y-Achse; Bild V-57) Bei Drehung einer Kurve mit der Gleichung x ¼ g ðyÞ, c y d um die y-Achse entsteht ein Rotationsko¨rper mit der Mantel- oder Rotationsfla¨che ðd My ¼ 2 p
ðd qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 0 x 1 þ ðx Þ dy ¼ 2 p g ðyÞ 1 þ ½ g 0 ðyÞ 2 dy
c
&
c
ðV-138Þ
Beispiele (1)
Die Aufgabe besteht in der Berechnung der Oberfla¨che (Mantelfla¨che) einer Kugel vom Radius r. Die Kugeloberfla¨che soll dabei durch Drehung des in Bild V-66 skizzierten Halbkreises um die x-Achse erzeugt werden. y y = r2– x2
Bild V-66 Durch Rotation eines Halbkreises um die x-Achse entsteht eine Kugel –r
r
x
Wir erhalten nach Formel (V-137) mit pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi y ¼ r2 x2 ,
x y ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi , 2 r x2 0
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi r 1 þ ðy 0 Þ 2 ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 r x2
das folgende Ergebnis, wobei wir uns wegen der Achsensymmetrie auf das Integrationsintervall 0 x r beschra¨nken durften (Faktor 2): Mx ¼ 2 2 p ðr ¼ 4pr
ðr pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ðr r r 2 x 2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx ¼ 4 p r dx ¼ r2 x2 0 0 h ir 1 dx ¼ 4 p r x ¼ 4 p r ðr 0Þ ¼ 4 p r 2 0
0
524
(2)
V Integralrechnung
Durch Rotation der Normalparabel y ¼ x 2 um die y-Achse entsteht ein Rotationsparaboloid. Es ist die Mantelfla¨che dieses Drehko¨rpers zu berechnen fu¨r den Fall, dass das Paraboloid in der Ho¨he h ¼ 2 abgeschnitten wird (Bild V-67). y
2 y=x2
Bild V-67 Rotationsparaboloid mit der Ho¨he h ¼ 2 x
Lo¨sung: Zuna¨chst lo¨sen wir die Parabelgleichung nach x auf und erhalten: y ¼ x2
)
x ¼ g ðyÞ ¼
pffiffiffiffi y
ð1: QuadrantÞ
Ferner ist: x 0 ¼ g 0 ðyÞ ¼
2
1 pffiffiffiffi , y
1 þ ðx 0 Þ 2 ¼ 1 þ
1 4y þ 1 ¼ 4y 4y
Fu¨r die Mantelfla¨che M y folgt dann nach Formel (V-138): ð2 My ¼ 2 p
pffiffiffiffi y
sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð2 sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4y þ 1 4y þ 1 dy ¼ 2 p dy ¼ y 4y 4y
0
0
ð2 rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4y þ 1 4y þ 1 ¼ 2p dy ¼ 2 p dy ¼ p 4 y þ 1 dy 4 2 0
0
0
Dieses Integral wird durch die folgende lineare Substitution gelo¨st (Typ (A) der Tabelle 2 aus Abschnitt 8.1.2): u ¼ 4y þ 1,
du ¼ 4, dy
dy ¼
du 4
Untere Grenze:
y ¼ 0
)
u ¼ 0þ1 ¼ 1
Obere Grenze:
y ¼ 2
)
u ¼ 8þ1 ¼ 9
10 Anwendungen der Integralrechnung
525
Fu¨r die Mantelfla¨che des Rotationsparaboloids ergibt sich damit der folgende Wert: ð2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð9 ð9 pffiffiffiffiffi du pffiffiffiffiffi p u u du ¼ 4 y þ 1 dy ¼ p My ¼ p ¼ 4 4 0
p ¼ 4
1
ð9 u
1=2
1
¼
1
9 p u 3=2 p hpffiffiffiffiffiffi3ffii 9 p h pffiffiffiffi i9 u u u ¼ du ¼ ¼ ¼ 1 1 4 3=2 1 6 6
p p 13 ð27 1Þ ¼ 26 ¼ p ¼ 13,61 6 6 3
&
10.6 Arbeits- und Energiegro¨ßen ~ la¨ngs einer Geraden um die Wird ein Massenpunkt m durch eine konstante Kraft F Strecke ~ s verschoben, so ist die dabei verrichtete Arbeit definitionsgema¨ß gleich dem ~ und dem Verschiebungsvektor ~ Skalarprodukt aus dem Kraftvektor F s: ~~ ~j j~ W ¼ F s ¼ jF s j cos j ¼ F s cos j ¼ Fs s
ðV-139Þ
(siehe hierzu die Definitionsformel (II-87) aus Kap. II, Abschnitt 3.3.5). Fs ist dabei die Kraftkomponente in der Wegrichtung und j der Winkel zwischen der Kraft- und der Wegrichtung (Bild V-68). F m
f
Fs s
s s1
s2
Bild V-68 Zum Begriff der physikalischen Arbeit an einem Massenpunkt
Im Allgemeinen jedoch ist die Kraft nicht konstant, sondern noch von Ort zu Ort ver~¼ F ~ðsÞ. Als Beispiel sei die Gravitaschieden, d. h. eine Funktion des Ortes s: F tionskraft genannt (siehe hierzu auch das nachfolgende Beispiel (3)). Bei der Berechnung ~ðsÞ mit der in der Wegrichtung wirkenden der Arbeit, die eine ortsabha¨ngige Kraft F Komponente Fs ðsÞ bei einer Verschiebung des Massenpunktes la¨ngs einer Geraden von s 1 nach s 2 verrichtet, gehen wir wie folgt vor. Die Wegstrecke wird so in eine große Anzahl von Teilstrecken zerlegt, dass die Kraft la¨ngs einer jeden Teilstrecke als nahezu konstant angenommen werden kann. Die in dem infinitesimal kleinen Wegintervall von s bis s þ ds verrichtete Arbeit ist dann definitionsgema¨ß durch das Skalarprodukt ~ d~ dW ¼ F s ¼ Fs ðsÞ ds gegeben (siehe hierzu Bild V-69).
ðV-140Þ
526
V Integralrechnung m 0
s1
Fs s + ds
s
s2
s
ds
Bild V-69 Zur Herleitung des Arbeitsintegrals bei einer ortsabha¨ngigen Kraft
Die la¨ngs des geradlinigen Weges von s 1 nach s 2 geleistete Arbeit W erha¨lt man dann durch Integration:
Arbeit einer ortsabha¨ngigen Kraft (Arbeitsintegral; Bild V-68) ~¼ F ~ðsÞ verrichtet bei einer geradlinigen VerEine vom Ort s abha¨ngige Kraft F schiebung eines Massenpunktes die Arbeit sð2
sð2
dW ¼
W ¼ s1
~ d~ F s ¼
s1
sð2
Fs ðsÞ ds
ðV-141Þ
s1
Dabei bedeuten: Fs ðsÞ:
Kraftkomponente in Wegrichtung (ortsabha¨ngig)
s 1, s 2 :
Wegmarken vor bzw. nach der Verschiebung
Anmerkung Das durch Gleichung (V-141) definierte Arbeitsintegral wird auch als Wegintegral der Kraft bezeichnet. Die Integration erfolgt u¨ber die ortsabha¨ngige Kraftkomponente in Wegrichtung.
&
Beispiele (1)
Kinetische Energie einer Masse Wir wollen die kinetische Energie eines Ko¨rpers der Masse m berechnen, der ~ aus der Ruhe heraus auf die durch eine (konstante oder ortsabha¨ngige) Kraft F Endgeschwindigkeit v 0 beschleunigt wird (Bild V-70). m
F
Bild V-70 ds
s
10 Anwendungen der Integralrechnung
527
Fu¨r die beschleunigende Kraft vom Betrage F gilt nach dem Grundgesetz der Mechanik: dv dv a ¼ F ¼ ma ¼ m dt dt (a: Beschleunigung; v: Geschwindigkeit). Sie verrichtet dabei auf der infinitesimal kleinen Wegstrecke ds die Arbeit dW ¼ F ds ¼ m
dv ds ds ¼ m dv ¼ m v dv dt dt
Denn der Differentialquotient ds=dt ist nichts anderes als die Momentangeschwindigkeit v. Durch Integration erha¨lt man schließlich die Beschleunigungsarbeit v¼ ðv 0
W ¼
vð0
dW ¼ v¼0
vð0
m v dv ¼ m 0
1 2 v dv ¼ m v 2
0
v0 0
¼
1 m v 20 2
Definitionsgema¨ß besitzt dann die Masse m kinetische Energie vom gleichen Betrage. (2)
Spannungsarbeit an einer elastischen Feder Um eine elastische Feder aus der Gleichgewichtslage heraus um die Strecke s 0 zu dehnen, muss man mit einer Kraft F ðsÞ einwirken, die in jeder Lage der momentanen Ru¨ckstellkraft F * ¼ c s (Hookesches Gesetz) das Gleichgewicht ha¨lt (Bild V-71) 17) : F ðsÞ ¼ F * ¼ c s
ðc : FederkonstanteÞ
Gleichgewichtslage s=0 s F* m F
17)
Alle Kra¨fte wirken in der La¨ngsrichtung der Feder.
Bild V-71 Zur Berechnung der Spannungsarbeit an einer elastischen Feder
528
V Integralrechnung
Die dabei verrichtete Arbeit betra¨gt dann nach Formel (V-141) unter Beru¨cksichtigung von Fs ðsÞ ¼ F ðsÞ ¼ c s: sð0
sð0
Fs ðsÞ ds ¼
W ¼ 0
sð0
c s ds ¼ c 0
s ds ¼ c 0
1 2 s 2
s0 ¼ 0
1 c s 20 2
Die gespannte Feder besitzt jetzt Spannungsenergie vom gleichen Betrage. (3)
Arbeit im Gravitationsfeld der Erde Wir berechnen die Arbeit, die man im Gravitationsfeld der Erde aufwenden muss, um eine auf der Erdoberfla¨che liegende Masse m entgegen der Schwerkraft um die Strecke h in radialer Richtung anzuheben (Bild V-72; r 0 ist der Erdradius). r r0 + h
Endlage der Masse m
M:
Erdmasse (im Erdmittelpunkt konzentriert)
r0:
Erdradius
h r0
Anfangslage der Masse m
M r0
Bild V-72 Arbeit im Gravitationsfeld der Erde
Erde
Dazu beno¨tigen wir eine Kraft F ðrÞ, die der in Richtung Erdmittelpunkt wirkenden Gravitationskraft F * ðrÞ ¼ f
mM r2
ðr > 0Þ
das Gleichgewicht ha¨lt. Somit gilt: F ðrÞ ¼ F * ðrÞ ¼ f
mM r2
Dabei ist f die Gravitationskonstante und r der Abstand der Masse m vom Erdmittelpunkt.
10 Anwendungen der Integralrechnung
529
Beim Anheben um die Strecke h wird dabei die Arbeit r 0ðþ h
W ¼
r 0ðþ h
F ðrÞ dr ¼ f m M r0
r 0ðþ h
r0
r1 ¼ f mM 1 ¼ f mM
1 dr ¼ f m M r2
r0 þ h r0
r 2 dr ¼
r0
1 r0 þ h 1 1 ¼ ¼ f mM ¼ f mM r r0 r0 r0 þ h
r0 þ h r0 r 0 ðr 0 þ hÞ
¼ f mM
h r 0 ðr 0 þ hÞ
verrichtet. Fu¨r h r 0, d. h. in Erdna¨he gilt r 0 þ h r 0 und man erha¨lt hieraus die bereits aus der Schulphysik bekannte Formel fu¨r die Hubarbeit (bzw. potentielle Energie): h M W f mM 2 ¼ m f 2 h ¼ mgh r0 r |{z}0 g g ist dabei die Fallbeschleunigung an der Erdoberfla¨che folgt aus der Gleichung mM mg ¼ f 2 . r0 (4)
Arbeit eines Gases Wir betrachten eine in einem zylindrischen Gefa¨ß eingeschlossene Gasmenge, deren Zustand durch die drei Zustandsvariablen p (Druck), V (Volumen) und T (absolute Temperatur) beschrieben wird. Das Gefa¨ß sei dabei durch einen (beweglichen) Kolben abgeschlossen (Bild V-73). beweglicher Kolben
Gas: p, T, V
Volumenänderung d V
dx
Bild V-73 Zur Berechnung der isothermen Ausdehnungsarbeit eines Gases
Der Gasdruck p erzeugt eine auf den Kolben nach außen wirkende Kraft vom Betrage F ¼ p A (A: Querschnittsfla¨che des Kolbens). Durch eine gleich große Gegenkraft wird zuna¨chst eine Ausdehnung des Gases verhindert. Ist die a¨ußere Kraft jedoch etwas kleiner als die Druckkraft des Gases, so dehnt sich dieses aus und verrichtet bei einer Verschiebung des Kolbens um die infinitesimal kleine Strecke dx die Arbeit dW ¼ F dx ¼ p A dx ¼ p dV
530
V Integralrechnung
Dabei ist dV ¼ A dx die differentielle Zunahme des Gasvolumens bei dieser Verschiebung. Die bei einer isothermen Ausdehnung vom Anfangsvolumen V 1 auf das Endvolumen V 2 insgesamt vom Gas verrichtete Arbeit erha¨lt man dann durch Integration 18) : V¼ ðV 2
W ¼
Vð2
dW ¼ V ¼ V1
p ðVÞ dV V1
Wir berechnen jetzt mit dieser Integralformel die isotherme Ausdehnungsarbeit eines realen Gases, dessen Verhalten in vielen Fa¨llen in guter Na¨herung durch die sog. van der Waalssche Zustandsgleichung a p þ 2 ðV bÞ ¼ n R T V beschrieben werden kann (a und b sind dabei zwei stoffabha¨ngige positive Konstanten; n: Molzahl; R: allgemeine Gaskonstante). Durch Auflo¨sen dieser Gleichung nach p erha¨lt man p ¼
nRT a 2 V b V
ðmit
V > 0Þ
und damit bei isothermer Prozessfu¨hrung (T ¼ constant): Vð2
W ¼
Vð2
p ðVÞ dV ¼ V1
V1
nRT a 2 V b V
dV ¼
h i V2 a i V2 1 1 V2 ¼ n R T ln ðV bÞ þ ¼ V1 V V1 a V V1 1 1 1 ¼ ¼ n R T ½ ln ðV 2 bÞ ln ðV 1 bÞ þ a V2 V1 V2 b 1 1 þa ¼ n R T ln V1 b V2 V1
¼
h
n R T ln ðV bÞ þ
Fu¨r ein ideales Gas ist a ¼ b ¼ 0 und die van der Waalssche Zustandsgleichung geht in die bekannte Zustandsgleichung eines idealen Gases u¨ber: pV ¼ nRT Die isotherme Ausdehnungsarbeit eines idealen Gases betra¨gt dann V2 W ¼ n R T ln V1 18)
Isotherm bedeutet: bei konstanter Temperatur. Der Druck p ha¨ngt dann nur vom Volumen V ab.
&
10 Anwendungen der Integralrechnung
531
10.7 Lineare und quadratische Mittelwerte Mittelwerte spielen in Naturwissenschaft und Technik eine bedeutende Rolle (z. B.: mittlere Geschwindigkeit eines Fahrzeugs in einem bestimmten Zeitraum, Effektivwerte von Strom und Spannung bei Wechselstro¨men usw.). Wir unterscheiden dabei zwischen linearen und quadratischen Mittelwerten. Linearer Mittelwert Definition: Unter dem linearen Mittelwert einer Funktion y ¼ f ðxÞ im Intervall a x b versteht man die Gro¨ße ylinear
1 ¼ ba
ðb f ðxÞ dx
ðV-142Þ
a
Anmerkung Man beachte, dass der lineare Mittelwert vom Intervall a x b abha¨ngig ist. Der lineare Mittelwert einer Funktion la¨sst sich wie folgt geometrisch deuten (wir setzen dabei f ðxÞ > 0 voraus): ber dem Intervall a x b soll ein Rechteck mit der (zuna¨chst noch unbekannten) Ho¨he h errichtet werden und zwar so, dass es den gleichen Fla¨cheninhalt besitzt wie das von der Kurve y ¼ f ðxÞ, der x-Achse und den beiden Parallelen x ¼ a und x ¼ b begrenzte Fla¨chenstu¨ck (Bild V-74). y y = f(x)
h = y linear
a
b
x
Bild V-74 Zum Begriff des linearen Mittelwertes einer Funktion y ¼ f ðxÞ im Intervall a x b (die beiden grau unterlegten Teilfla¨chen sind fla¨chengleich)
Somit muss gelten: ðb f ðxÞ dx
h ðb aÞ ¼ a
ðV-143Þ
532
V Integralrechnung
Fu¨r die Ho¨he h erhalten wir daraus den Wert 1 h ¼ ba
ðb f ðxÞ dx
ðV-144Þ
a
Dies aber ist genau der lineare Mittelwert der Funktion y ¼ f ðxÞ im Intervall a x b, d. h. es gilt h ¼ ylinear . Der lineare Mittelwert ist somit eine Art mittlere Ordinate der Kurve y ¼ f ðxÞ im Intervall a x b. Quadratischer Mittelwert Definition: Unter dem quadratischen Mittelwert einer Funktion y ¼ f ðxÞ im Intervall a x b versteht man die Gro¨ße vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi u ðb u u 1 ½ f ðxÞ 2 dx ðV-145Þ yquadratisch ¼ t ba a
Zeitliche Mittelwerte In der Elektrotechnik werden lineare und quadratische Mittelwerte von zeitabha¨ngigen periodischen Funktionen y ¼ f ðtÞ beno¨tigt. Sie werden jeweils u¨ber eine Periodendauer T gebildet. Beispiele dafu¨r sind der Effektivwert eines Wechselstroms bzw. einer Wechselspannung sowie die durchschnittliche Wirkleistung eines Wechselstroms. Zusammenfassend gilt somit:
Linearer und quadratischer zeitlicher Mittelwert einer periodischen Funktion Der lineare bzw. quadratische zeitliche Mittelwert einer periodischen Funktion y ¼ f ðtÞ mit der Periodendauer T la¨sst sich wie folgt berechnen (die Integration erfolgt u¨ber ein Periodenintervall der La¨nge T ): ð 1 ylinear ¼ f ðtÞ dt ðV-146Þ T ðTÞ
yquadratisch
vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð u1 ¼ u ½ f ðtÞ 2 dt t T ðTÞ
ðV-147Þ
10 Anwendungen der Integralrechnung &
533
Beispiele (1)
Wir berechnen den linearen Mittelwert der Logarithmusfunktion y ¼ ln x im Intervall 1 x 5 (Bild V-75) ylinear
1 ¼ 51 ¼
1 4
ð5 ln x dx ¼
i5 1 h x ðln x 1Þ ¼ 1 4
1
5 ðln 5 1Þ 1 ðln 1 1Þ
y
¼
1 4
3,0472 þ 1 1,012
y = ln x
1 y linear ≈ 1,01
Bild V-75 1
(2)
2
3
4
5
x
Durchschnittsgeschwindigkeit eines Fahrzeugs in einem Zeitintervall Aus der Physik ist bekannt: Die Durchschnittsgeschwindigkeit v eines Fahrzeugs in einem Zeitintervall Dt ¼ t 2 t 1 wird ermittelt, indem man den in diesem Zeitintervall zuru¨ckgelegten Weg Ds ¼ s 2 s 1 durch das Zeitintervall dividiert: v ¼
Ds s2 s1 ¼ Dt t2 t1
(siehe hierzu Bild V-76). t1
Dt
t2
s1
Ds
s2
Bild V-76 s
v ist aber nichts anderes als der lineare Mittelwert des Geschwindigkeit-Zeit-Gesetzes v ¼ v ðtÞ im Zeitintervall Dt ¼ t 2 t 1 . Denn aus der Definitionsformel (V-142) folgt unmittelbar unter Beachtung der bereits aus Abschnitt 10.1.1 bekannð ten Beziehung s ðtÞ ¼ v ðtÞ dt : v linear ¼ ¼
1 t2 t1
tð2
v ðtÞ dt ¼ t1
h i t2 1 ¼ s ðtÞ t1 t2 t1
1 s2 s1 Ds ¼ v ½ s ðt 2 Þ s ðt 1 Þ ¼ ¼ t2 t1 Dt t2 t1
(unter Beachtung von s ðt 1 Þ ¼ s 1 und s ðt 2 Þ ¼ s 2 ).
534
(3)
V Integralrechnung
Durchschnittliche Leistung P eines sinusfo¨rmigen Wechselstroms In einem Wechselstromkreis erzeuge die (zeitabha¨ngige) sinusfo¨rmige Wechselspannung u ðtÞ ¼ u 0 sin ðw tÞ den phasenverschobenen Wechselstrom i ðtÞ ¼ i 0 sin ðw t þ jÞ gleicher Kreisfrequenz w (u 0 , i 0 : Scheitelwerte; j: Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung). Die momentane (zeitabha¨ngige) Leistung p ist dann definitionsgema¨ß das Produkt aus Spannung u und Stromsta¨rke i: p ¼ p ðtÞ ¼ u ðtÞ i ðtÞ ¼ u 0 i 0 sin ðw tÞ sin ðw t þ jÞ ¼ ¼ u 0 i 0 sin ðw tÞ ½ sin ðw tÞ cos j þ cos ðw tÞ sin j ¼ ¼ u 0 i 0 ½ cos j sin 2 ðw tÞ þ sin j sin ðw tÞ cos ðw tÞ (wir haben dabei das Additionstheorem der Sinusfunktion verwendet). Den linearen zeitlichen Mittelwert wa¨hrend einer Periode T berechnet man definitionsgema¨ß aus Gleichung (V-146), wobei wir p linear ¼ P setzen: P ¼ p linear
1 ¼ T
ðT
1 p ðtÞ dt ¼ T
0
u0 i0 ¼ T
ðT u ðtÞ i ðtÞ dt ¼ 0
ðT ½ cos j sin 2 ðw tÞ þ sin j sin ðw tÞ cos ðw tÞ dt ¼ 0
8 9 ðT ðT = u0 i0 < ¼ cos j sin 2 ðw tÞ dt þ sin j sin ðw tÞ cos ðw tÞ dt ; T : 0
0
In der Integraltafel der Formelsammlung finden wir fu¨r die beiden Integrale die folgenden Lo¨sungen: ð sin 2 ðw tÞ dt ¼
1 1 t sin ð2 w tÞ 2 4w
ð sin ðw tÞ cos ðw tÞ dt ¼
1 sin 2 ðw tÞ 2w
ðIntegral Nr: 205Þ
ðIntegral Nr: 254Þ
Fu¨r die durchschnittliche Wirkleistung wa¨hrend einer Periode erhalten wir damit unter Beru¨cksichtigung von w T ¼ 2 p und sin 0 ¼ sin ð2 pÞ ¼ sin ð4 pÞ ¼ 0 den folgenden Ausdruck fu¨r die Wirkleistung:
10 Anwendungen der Integralrechnung u0 i0 P ¼ T
(
535
T)
T 1 1 1 2 ¼ cos j t sin ð2 w tÞ þ sin j sin ðw tÞ 2 4w 2w 0 0
1 1 1 2 T sin ð2 w TÞ þ sin j sin ðw TÞ ¼ cos j 2 4w 2w u0 i0 T 1 sin j 2 sin ð4 pÞ þ sin ð2 pÞ ¼ ¼ cos j 2 4w 2w T u0 i0 ¼ T
¼
u0 i0 T u0 i0 cos j cos j ¼ T 2 2
Die Scheitelwerte u 0 und i 0 lassen sich noch wie folgt durch die Effektivwerte U und I ausdru¨cken (siehe hierzu auch das nachfolgende Beispiel): pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi u0 ¼ U 2 , i0 ¼ I 2 Unter Beru¨cksichtigung dieser Beziehungen erha¨lt man fu¨r den Mittelwert der Wirkleistung eines sinusfo¨rmigen Wechselstroms pffiffiffi pffiffiffi u0 i0 U 2 I 2 P ¼ cos j ¼ cos j ¼ U I cos j 2 2 (4)
Effektivwerte von Strom und Spannung (quadratische Mittelwerte) Der Effektivwert eines Wechselstroms bzw. einer Wechselspannung ist definitionsgema¨ß der quadratische zeitliche Mittelwert wa¨hrend einer Periode T: vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi u u ðT ðT u u u1 u1 2 ½ i ðtÞ dt , ½ u ðtÞ 2 dt U ¼ t I ¼ t T T 0
0
Fu¨r einen sinusfo¨rmigen Wechselstrom i ðtÞ ¼ i 0 sin ðw tÞ erha¨lt man unter Beru¨cksichtigung von w T ¼ 2 p und sin 0 ¼ sin ð4 pÞ ¼ 0
ðT
ðT ½ i ðtÞ 2 dt ¼ i 20 0
sin 2 ðw tÞ dt ¼ i 20 0
T 1 1 t sin ð2 w tÞ ¼ 2 4w 0
|fflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} Integral Nr: 205
T 1 T 1 i2 T sin ð2 w TÞ ¼ i 20 sin ð4 pÞ ¼ 0 2 4w 2 4 w |fflfflfflfflffl{zfflfflfflfflffl} 2 0 Der Effektivwert des Wechselstroms betra¨gt somit: vffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi u ðT u 1 i 20 T i0 u1 2 ½ i ðtÞ dt ¼ ¼ pffiffiffiffiffi ¼ 0,707 i 0 I ¼ t T 2 T 2
¼ i 20
0
536
V Integralrechnung
Analog berechnet sich der Effektivwert einer sinusfo¨rmigen Wechselspannung u ðtÞ ¼ u 0 sin ðw tÞ zu u0 U ¼ pffiffiffiffiffi ¼ 0,707 u 0 2
&
10.8 Schwerpunkt homogener Fla¨chen und Ko¨rper 10.8.1 Grundbegriffe Statisches Moment einer Kraft Ein Massenpunkt der Masse m besitze von einer (vertikalen) Bezugsachse den senkrechten Abstand r (Bild V-77). Dann erzeugt die Gewichtskraft G ¼ m g definitionsgema¨ß ein statisches Moment 19) vom Betrage M ¼ Gr ¼ mgr
ðV-148Þ
Bei einem ra¨umlichen Ko¨rper muss die Masse m zuna¨chst in eine große Anzahl von Teilmassen zerlegt werden. Wir betrachten jetzt ein solches infinitesimal kleines Massenelement dm im senkrechten Abstand r von der Bezugsachse (Bild V-78). Bezugsachse
Bezugsachse
Körper der Masse m
r
m
r
dm
dG = (dm) g = g dm
G = mg
Bild V-77
Bild V-78
Dieses Massenelement liefert dann zum Gesamtmoment M den folgenden Beitrag: dM ¼ ðdGÞ r ¼ ðdmÞ g r ¼ g r dm
ðV-149Þ
(dG ¼ dm g ¼ g dm ist das Gewicht des Massenelementes dm). Durch Aufsummieren sa¨mtlicher Teilbetra¨ge dM, d. h. durch Integration erha¨lt man schließlich das Gesamtmoment M: ð ð M ¼ dM ¼ g r dm ðV-150Þ ðmÞ 19)
ðmÞ
Andere, u¨bliche Bezeichnungen sind Drehmoment oder Moment 1. Ordnung.
10 Anwendungen der Integralrechnung
537
Schwerpunkt oder Massenmittelpunkt eines Ko¨rpers Unter dem Schwerpunkt S eines Ko¨rpers (auch Massenmittelpunkt genannt) wird definitionsgema¨ß derjenige Punkt verstanden, in dem die Gesamtmasse des Ko¨rpers vereinigt gedacht werden muss, damit dieser fiktive Massenpunkt ein gleich großes statisches Moment erzeugt wie der reale Ko¨rper selbst (Bild V-79). Bezugsachse Körper der Masse m (Volumen V)
rS
S
Bild V-79 Schwerpunkt eines ra¨umlichen Ko¨rpers
r
Massenelement dm (Volumenelement dV)
Ist r S der senkrechte Abstand des Schwerpunktes S von der Bezugsachse (bzw. Bezugsebene), so gilt also ð ð M ¼ m g rS ¼ g r dm ¼ g r dm ðV-151Þ ðmÞ
ðmÞ
und weiter (nach Ku¨rzen durch g) ð r dm m rS ¼
ðV-152Þ
ðmÞ
Bei allen weiteren Betrachtungen gehen wir von einem homogenen Ko¨rper der konstanten Dichte r aus. Da m ¼ r V und somit dm ¼ r dV ist, la¨sst sich die Beziehung (V-152) auch auf die Form ð ð ð r r dV ¼ r r dV oder V rS ¼ r dV ðV-153Þ r V rS ¼ ðVÞ
ðVÞ
ðVÞ
bringen. dV ist dabei das Volumen des Massenelementes dm und wird daher auch als Volumenelement bezeichnet, V ist das Gesamtvolumen des Ko¨rpers mit der Masse m. Die Integration ist u¨ber das gesamte Volumen zu erstrecken (Summation u¨ber sa¨mtliche Volumenelemente). Aus dieser Gleichung gewinnt man fu¨r den Schwerpunktsabstand r S die wichtige Integralformel ð 1 r dV ðV-154Þ rS ¼ V ðVÞ
538
V Integralrechnung
Durch Wahl einer geeigneten Bezugsachse in jeder der drei Koordinatenebenen erha¨lt man hieraus die folgenden Formeln fu¨r die Schwerpunktskoordinaten x S , y S und z S : Schwerpunkt eines homogenen ra¨umlichen Ko¨rpers (Bild V-79) Fu¨r die Schwerpunktskoordinaten x S , y S und z S eines homogenen ra¨umlichen Ko¨rpers vom Volumen V gelten die folgenden Integralformeln: ð ð ð 1 1 1 x dV , yS ¼ y dV , zS ¼ z dV xS ¼ V V V ðVÞ
ðVÞ
ðVÞ
ðV-155Þ
10.8.2 Schwerpunkt einer homogenen ebenen Fla¨che Bei fla¨chenhaften Ko¨rpern mit konstanter Dicke h wie z. B. du¨nnen Scheiben oder Platten liegt der Schwerpunkt S im Abstand h=2 oberhalb der (ebenen) Grundfla¨che vom Fla¨cheninhalt A (die Grundfla¨che legen wir in die x, y-Ebene). Die Schwerpunktskoordinaten x S , y S und z S lassen sich dann aus den Gleichungen (V-155) unter Beru¨cksichtigung von V ¼ A h und dV ¼ ðdAÞ h ¼ h dA wie folgt bestimmen: ð ð ð ð 1 1 h 1 xS ¼ x dV ¼ x h dA ¼ x dA ¼ x dA V Ah Ah A yS ¼
zS ¼
1 V
ðVÞ
ðAÞ
ðAÞ
ð
ð
ð
y dV ¼ ðVÞ
1 Ah
y h dA ¼ ðAÞ
h Ah
ðAÞ
y dA ¼ ðAÞ
1 A
ð y dA
ðV-156Þ
ðAÞ
h 2
Dabei ist die Integration u¨ber die gesamte Grundfla¨che A zu erstrecken. Fu¨r h ! 0 erha¨lt man eine in der x, y-Ebene liegende Fla¨che vom Fla¨cheninhalt A, deren Schwerpunktskoordinaten x S und y S wie folgt berechnet werden (z S ¼ 0 fu¨r h ! 0; siehe Bild V-80):
Schwerpunkt einer homogenen ebenen Fla¨che (Bild V-80) Fu¨r die Schwerpunktskoordinaten x S und y S einer homogenen ebenen Fla¨che vom Fla¨cheninhalt A gelten die folgenden Integralformeln: ð ð 1 1 x dA , yS ¼ y dA ðV-157Þ xS ¼ A A ðAÞ
ðAÞ
10 Anwendungen der Integralrechnung
539
y Flächenhafter Körper (Flächeninhalt A)
A yS y
xS
S
x Flächenelement d A yS xS
Bild V-80 Schwerpunkt S eines fla¨chenhaften Ko¨rpers konstanter Dichte
y x
x
Anmerkungen (1)
Modell einer homogenen Fla¨che: hauchdu¨nne homogene Platte.
(2)
Summiert, d. h. integriert wird u¨ber alle Fla¨chenelemente dA in der Fla¨che A.
(3)
Die in den Gleichungen (V-157) auftretenden Integrale sind die wie folgt definierten statischen Momente der Fla¨che A: ð ð Mx ¼ dM x ¼ y dA ¼ y S A: Statisches Moment bezu¨glich der x-Achse ðAÞ
ðAÞ
ð My ¼
ð dM y ¼
ðAÞ
x dA ¼ x S A:
Statisches Moment bezu¨glich der y-Achse
ðAÞ
dM x ¼ y dA und dM y ¼ x dA sind dabei die statischen Momente des Fla¨chenelementes dA bezu¨glich der x-Achse bzw. y-Achse. Wir gehen jetzt zur Berechnung der Schwerpunktskoordinaten x S und y S einer homogenen ebenen Fla¨che u¨ber, die von der Kurve y ¼ f ðxÞ, der x-Achse und den Geraden x ¼ a und x ¼ b berandet wird (Bild V-81). y
y = f(x) Flächenelement d A
R
a
x dx
Bild V-81 Zur Berechnung des Schwerpunktes einer homogenen ebenen Fla¨che
y
b
x
540
V Integralrechnung
In der bereits bekannten Weise zerlegen wir zuna¨chst die Fla¨che in eine große Anzahl von rechteckigen Streifen. Das im Bild V-81 skizzierte (grau unterlegte) Fla¨chenelement besitzt die Breite dx, die Ho¨he y und somit den Fla¨cheninhalt dA ¼ y dx. Der Schwerpunkt R dieses Streifens liegt dann aus Symmetriegru¨nden im Schnittpunkt der beiden Fla¨chendiagonalen. Seine Koordinaten x R und y R lauten daher wie folgt: xR ¼ x ,
1 y 2
yR ¼
ðV-158Þ
Zu den statischen Momenten M x und M y der Gesamtfla¨che A liefert dieses Fla¨chenelement dann die folgenden Beitra¨ge: dM x ¼ y R dA ¼
1 1 2 y ðy dxÞ ¼ y dx 2 2
ðV-159Þ
dM y ¼ x R dA ¼ x ðy dxÞ ¼ x y dx Durch Summation u¨ber sa¨mtliche in der Fla¨che liegenden streifenfo¨rmigen Fla¨chenelemente, d. h. durch Integration in den Grenzen von x ¼ a bis x ¼ b erhalten wir schließlich folgende Integralformeln fu¨r die statischen Momente M x und M y der Fla¨che: ð Mx ¼ ðAÞ
1 dM x ¼ 2
1 y dx ¼ 2
ðAÞ
f 2 ðxÞ dx a
ðb dM y ¼
ðb
2
a
ð My ¼
ðb
ðV-160Þ
ðb x y dx ¼
a
x f ðxÞ dx a
Andererseits ist M x ¼ y S A und M y ¼ x S A. Unter Beru¨cksichtigung dieser Beziehungen gehen die Gleichungen (V-160) u¨ber in 1 yS A ¼ 2
ðb
1 y dx ¼ 2
a
ðb xS A ¼
f 2 ðxÞ dx a
ðb x y dx ¼
a
ðb
2
ðV-161Þ
x f ðxÞ dx a
Durch Auflo¨sen nach x S bzw. y S gewinnt man hieraus die folgenden Integralformeln fu¨r die Koordinaten des Fla¨chenschwerpunktes S:
10 Anwendungen der Integralrechnung
541
Schwerpunkt einer homogenen ebenen Fla¨che zwischen einer Kurve und der x-Achse (Bild V-81) Die Koordinaten x S und y S des Schwerpunktes einer homogenen ebenen Fla¨che, die von einer Kurve y ¼ f ðxÞ, a x b und der x-Achse berandet wird, lassen sich wie folgt berechnen: 1 xS ¼ A
ðb
1 x y dx ¼ A
a
yS ¼
1 2A
ðb x f ðxÞ dx a
ðb y 2 dx ¼
1 2A
a
ðV-162Þ
ðb f 2 ðxÞ dx a
A: Fla¨cheninhalt, berechnet nach der Integralformel (V-119) Voraussetzung: Die Kurve y ¼ f ðxÞ liegt im Intervall a x b oberhalb der x-Achse.
Auf analoge Art und Weise lassen sich Formelausdru¨cke fu¨r die Schwerpunktskoordinaten x S bzw. y S einer Fla¨che herleiten, die von den beiden Kurven y o ¼ f o ðxÞ und y u ¼ f u ðxÞ und den beiden Geraden x ¼ a und x ¼ b berandet wird (Bild V-82). Wir setzen dabei voraus, dass u¨berall im Intervall a x b die Bedingung f o ðxÞ f u ðxÞ erfu¨llt ist.
y o = f o (x)
y
yS
S
Bild V-82 Schwerpunkt einer von zwei Kurven berandeten homogenen Fla¨che
y u = f u (x)
a
xS
b
x
542
V Integralrechnung
Die Integralformeln fu¨r die Koordinaten des Fla¨chenschwerpunktes lauten dann wie folgt:
Schwerpunkt einer homogenen ebenen Fla¨che zwischen zwei Kurven (Bild V-82) Die Koordinaten x S und y S des Schwerpunktes einer homogenen ebenen Fla¨che, die von den Kurven y o ¼ f o ðxÞ und y u ¼ f u ðxÞ und den beiden Parallelen x ¼ a und x ¼ b berandet wird, lassen sich wie folgt berechnen: 1 xS ¼ A
ðb
1 x ðy o y u Þ dx ¼ A
a
yS ¼
1 2A
ðb x ½ f o ðxÞ f u ðxÞ dx a
ðb ðy 2o y 2u Þ dx ¼
1 2A
a
ðV-163Þ
ðb ½ ð f o ðxÞÞ 2 ð f u ðxÞÞ 2 dx a
A: Fla¨cheninhalt, berechnet nach der Integralformel (V-122) Voraussetzung: f o ðxÞ f u ðxÞ im Intervall a x b
Anmerkung Ist die untere Berandung die x-Achse, also y u ¼ f u ðxÞ ¼ 0, so erha¨lt man aus den Integralformeln (V-163) den bereits bekannten Sonderfall (V-162).
&
Beispiele (1)
Wir berechnen die Schwerpunktskoordinaten einer oberhalb der x-Achse liegenden homogenen Halbkreisfla¨che vom Radius R (hauchdu¨nne halbkreisfo¨rmige Platte aus einem homogenen Material; Bild V-83). y
y = R2 – x 2
S yS –R
R
x
Bild V-83 Zur Berechnung der Schwerpunktskoordinaten einer homogenen Halbkreisfla¨che
Aus Symmetriegru¨nden liegt der Schwerpunkt S auf der y-Achse, also ist x S ¼ 0 (eine Rechnung ist somit u¨berflu¨ssig). Fu¨r die Ordinate y S des Fla¨chenschwer-
10 Anwendungen der Integralrechnung
543
punktes S erhalten wir nach Formel (V-162) mit A ¼ p R 2 =2 und unter Beru¨cksichtigung der Achsensymmetrie: 1 yS ¼ p R2
ðR
1 ðR x Þ dx ¼ 2 p R2 2
R
ðR ðR 2 x 2 Þ dx ¼
2
0
2 1 3 R 2 1 3 2 2 3 2 3 ¼ x R R ¼ ¼ R x ¼ R 2 2 p R2 3 p R 3 p R 3 0 ¼
4 R ¼ 0,424 R 3p
Fla¨chenschwerpunkt: S ¼ ð0; 0,424 RÞ (2)
Die Aufgabe besteht in der Berechnung des Schwerpunktes S des in Bild V-84 skizzierten fla¨chenhaften Werkstu¨ckes aus einem homogenen Material. y/cm y o = 3 cm 3
yu = x
S
Bild V-84 –2
3
x /cm
–2 y u = – 2 cm
Lo¨sung: Wir berechnen zuna¨chst auf elementarem Wege den Fla¨cheninhalt A des Werkstu¨ckes, das sich aus einem Rechteck (hellgrau unterlegt) und einem gleichschenkligen Dreieck (dunkelgrau unterlegt) zusammensetzt: A ¼ 2 cm 5 cm þ
1 3 cm 3 cm ¼ 10 cm 2 þ 4,5 cm 2 ¼ 14,5 cm 2 2
Das Fla¨chenstu¨ck wird im Intervall 2 x=cm 3 oben von der Geraden y o ¼ f o ðxÞ ¼ 3 cm berandet. Die untere Berandung besteht dagegen aus zwei Teilstu¨cken: 8 9 2 x=cm 0 = < 2 cm f u¨ r y u ¼ f u ðxÞ ¼ : ; x 0 x=cm 3
544
V Integralrechnung
Wir berechnen zuna¨chst die Schwerpunktskoordinate x S , wobei wir das Integral in zwei Teilintegrale aufspalten mu¨ssen: 0 0 cm 1 3ð cm ð 1 @ xS ¼ x ð3 cm þ 2 cmÞ dx þ x ð3 cm xÞ dxA ¼ 14,5 cm 2 2 cm
0 cm
0 0 cm 1 3ð cm ð 1 2 @ ¼ 5 cm x dx þ ð3 cm x x Þ dxA ¼ 14,5 cm 2 2 cm
1 ¼ 14,5 cm 2 ¼
0 cm
0 cm 2,5 cm x
2
1 3 x þ 1,5 cm x 3
3 cm ! ¼
2
2 cm
0 cm
1 5,5 cm 3 ð 10 cm 3 þ 4,5 cm 3 Þ ¼ ¼ 0,38 cm 2 14,5 cm 14,5 cm 2
Fu¨r die Schwerpunktskoordinate y S erha¨lt man analog: 0 0 cm 1 3ð cm ð 1 @ ð9 cm 2 4 cm 2 Þ dx þ ð9 cm 2 x 2 Þ dxA ¼ yS ¼ 29 cm 2 2 cm
0 cm
0 0 cm 1 3ð cm ð 1 @ ¼ 5 cm 2 dx þ ð9 cm 2 x 2 Þ dxA ¼ 29 cm 2 2 cm
1 ¼ 29 cm 2 ¼
0 cm
0 cm 5 cm x 2
1 3 þ 9 cm x x 3
3 cm ! ¼
2
2 cm
0 cm
1 28 cm 3 3 3 ð10 cm þ 18 cm Þ ¼ ¼ 0,97 cm 29 cm 2 29 cm 2
Der Fla¨chenschwerpunkt S besitzt damit die folgenden Koordinaten: x S ¼ 0,38 cm ,
y S ¼ 0,97 cm :
&
10.8.3 Schwerpunkt eines homogenen Rotationsko¨rpers Bei einem homogenen Rotationsko¨rper liegt der Schwerpunkt stets auf der Drehachse. Fa¨llt ferner die Rotationsachse in eine der Koordinatenachsen (x-Achse oder y-Achse), so besitzen zwei der drei Schwerpunktskoordinaten den Wert Null.
10 Anwendungen der Integralrechnung
545
Rotation einer Kurve um die x-Achse Der Rotationsko¨rper wird durch Drehung des Kurvenstu¨cks y ¼ f ðxÞ, a x b um die x-Achse erzeugt (Bild V-85).
y y = f(x)
Bild V-85 Zur Berechnung des Schwerpunktes eines zur x-Achse symmetrischen homogenen Rotationsko¨rpers a
S
b
x
Der Schwerpunkt S liegt daher auf der x-Achse, d. h. es ist y S ¼ z S ¼ 0. Fu¨r die x-Koordinate folgt dann aus Gleichung (V-155) unter Beru¨cksichtigung des Volumenelementes dV x ¼ p y 2 dx (Zylinderscheibe der Dicke dx, Radius y): 1 xS ¼ Vx
ð ðVÞ
1 x dV x ¼ Vx
ðb
p x p y dx ¼ Vx
ðb
2
a
x y 2 dx
ðV-164Þ
a
Schwerpunkt eines homogenen Rotationsko¨rpers (Rotationsachse ¼ x-Achse; Bild V-85) Der Schwerpunkt S eines homogenen Rotationsko¨rpers, der durch Drehung einer Kurve y ¼ f ðxÞ, a x b um die x-Achse entsteht, liegt auf der Drehachse (hier also auf der x-Achse). Daher verschwinden die Schwerpunktskoordinaten y S und z S : yS ¼ 0
zS ¼ 0
und
ðV-165Þ
Die x-Koordinate des Schwerpunktes la¨sst sich wie folgt berechnen: p xS ¼ Vx
ðb
p x y dx ¼ Vx
ðb x ½ f ðxÞ 2 dx
2
a
a
V x : Rotationsvolumen, berechnet nach der Integralformel (V-125)
ðV-166Þ
546
V Integralrechnung
Rotation einer Kurve um die y-Achse Analoge Formeln erha¨lt man bei Drehung der Kurve x ¼ g ðyÞ, c y d um die y-Achse (Bild V-86). y
d S x = g(y)
Bild V-86 Zur Berechnung des Schwerpunktes eines zur y-Achse symmetrischen homogenen Rotationsko¨rpers
c
x
Schwerpunkt eines homogenen Rotationsko¨rpers (Rotationsachse ¼ y-Achse; Bild V-86) Der Schwerpunkt S eines homogenen Rotationsko¨rpers, der durch Drehung einer Kurve x ¼ g ðyÞ, c y d um die y-Achse entsteht, liegt auf der Drehachse (hier also auf der y-Achse). Daher verschwinden die Schwerpunktskoordinaten x S und z S : xS ¼ 0
zS ¼ 0
und
ðV-167Þ
Die y-Koordinate des Schwerpunktes la¨sst sich wie folgt berechnen: p yS ¼ Vy
ðd
p y x dy ¼ Vy
ðd y ½ g ðyÞ 2 dy
2
c
ðV-168Þ
c
V y : Rotationsvolumen, berechnet nach der Integralformel (V-128) Anmerkung In der Regel liegt die Funktionsgleichung in der Form y ¼ f ðxÞ vor und muss dann noch nach x aufgelo¨st werden ! x ¼ g ðyÞ.
&
Beispiele (1)
Wo liegt der Schwerpunkt S des homogenen Drehko¨rpers, der durch Rotation der in Bild V-87 a) grau unterlegten Fla¨che um die x-Achse entsteht?
10 Anwendungen der Integralrechnung
547
y
y y= 4–x
2
2
1
1
1
x
4
S
a)
4
x
b)
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Bild V-87 Durch Drehung der Kurve y ¼ 4 x , 0 x 4 (Bild a)) um die x-Achse entsteht der in Bild b) skizzierte homogene Drehko¨rper
Lo¨sung: Aus Symmetriegru¨nden ist y S ¼ z S ¼ 0. Fu¨r die Berechnung der Schwerpunktskoordinate x S beno¨tigen wir noch das Rotationsvolumen V x , fu¨r das uns die Integralformel (V-125) den folgenden Wert liefert:
ð4 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð4 1 2 4 2 V x ¼ p ð 4 x Þ dx ¼ p ð4 xÞ dx ¼ p 4 x x ¼ 2 0 0
0
¼ p ð16 8Þ ¼ 8 p Damit erhalten wir fu¨r die Schwerpunktskoordinate x S nach der Formel (V-166) xS ¼
p 8p
1 ¼ 8
ð4
ð4 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x ð 4 x Þ 2 dx ¼ x ð4 xÞ dx ¼ 8
0
ð4
0
1 ð4 x x Þ dx ¼ 8 2
1 3 2x x 3
0
¼
2
4
1 ¼ 8 0
64 32 ¼ 3
1 96 64 1 32 4 ¼ ¼ 8 3 8 3 3
Der Schwerpunkt S des Rotationsko¨rpers besitzt demnach die Koordinaten x S ¼ 4=3, y S ¼ 0 und z S ¼ 0. (2)
Durch Rotation des in Bild V-88 skizzierten Geradenstu¨cks um die x-Achse entsteht ein (homogener) gerader Kreiskegel mit dem Grundfla¨chenradius r und der Ho¨he h.
548
V Integralrechnung y
y r y= x h r
h
S
x
a)
h
x
b)
Bild V-88 Zur Berechnung des Schwerpunktes eines homogenen geraden Kreiskegels r a) Geradenstu¨ck mit der Gleichung y ¼ x, 0 x h h b) Durch Rotation des Geradenstu¨cks um die x-Achse erzeugter Kegel
Der Schwerpunkt S liegt aus Symmetriegru¨nden auf der x-Achse, d. h. es gilt y S ¼ z S ¼ 0. Fu¨r die Koordinate x S erhalten wir nach Formel (V-166) den folgenden Wert (das Kegelvolumen betra¨gt bekanntlich V ¼ p r 2 h=3): xS ¼
p 1 p r2 h 3
ðh
x
r h
2 x
dx ¼
ðh
3 r2
h
0
r2 ¼ 2 2 r h h 3
ðh
x
r2 x 2 dx ¼ h2
0
3 x dx ¼ 3 h 3
1 4 x 4
0
h ¼ 0
3 1 4 3 h ¼ h 3 h 4 4
Der Schwerpunkt des Kegels liegt also auf der Symmetrieachse im Abstand 3 h=4 von der Kegelspitze (von der Grundfla¨che aus gemessen betra¨gt der Abstand h=4). (3)
Wir berechnen die Lage des Schwerpunktes einer homogenen Halbkugel vom Radius r. Dieser Rotationsko¨rper la¨sst sich durch Drehung der in Bild V-89 skizzierten Viertelkreisfla¨che um die y-Achse erzeugen. y
y x = r2– y2
r
S
r a)
x
x b)
Bild V-89 Durch Rotation der in Bild a) gezeichneten Viertelkreislinie um die y-Achse entsteht die in Bild b) skizzierte homogene Halbkugel
10 Anwendungen der Integralrechnung
549
Die Funktionsgleichung der rotierenden Kreislinie erha¨lt man durch Auflo¨sen der Kreisgleichung x 2 þ y 2 ¼ r 2 nach x: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð0 y rÞ x ¼ g ðyÞ ¼ r2 y2 Wegen der Rotationssymmetrie liegt der Schwerpunkt diesmal auf der y-Achse: x S ¼ z S ¼ 0. Fu¨r y S liefert die Integralformel (V-168) den folgenden Wert (das Volumen einer Halbkugel ist bekanntlich V ¼ 2 p r 3 =3): yS ¼
ðr pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 ðr 3 2 2 y r y dy ¼ y ðr 2 y 2 Þ dy ¼ 2r3
p
2 p r3 0 0 3
ðr 3 3 1 2 2 1 4 r 2 3 r y y ðr y y Þ dy ¼ ¼ ¼ 2r3 2r3 2 4 0
3 ¼ 2r3
0
1 4 1 4 r r 2 4
¼
3 1 4 3 r ¼ r 2r3 4 8
Der Schwerpunkt einer Halbkugel liegt daher auf der Symmetrieachse im Abstand & von 3=8 r oberhalb der Grundfla¨che.
10.9 Massentra¨gheitsmomente 10.9.1 Grundbegriffe und einfache Beispiele Massentra¨gheitsmomente treten im Zusammenhang mit Drehbewegungen von punktfo¨rmigen, fla¨chenhaften oder ra¨umlichen Massen auf. Sie spielen dort eine a¨hnliche Rolle wie die Massen bei Translationsbewegungen. Ein Massenpunkt der Masse m besitze bezu¨glich einer vorgegebenen Drehachse (Bezugsachse) den senkrechten Abstand r (Bild V-90). Dann versteht man definitionsgema¨ß unter dem Massentra¨gheitsmoment J bezu¨glich dieser Achse das Produkt ðV-169Þ
J ¼ r2 m Bezugsachse
Bezugsachse Körper der Masse m (Volumen V)
r
m
r
dm
Massenelement dm (Volumenelement dV)
Bild V-90
Bild V-91 Zum Begriff des Massentra¨gheitsmomentes eines ra¨umlichen Ko¨rpers
550
V Integralrechnung
Bei kontinuierlichen Massen wird der Ko¨rper in eine große Anzahl infinitesimal kleiner Massenelemente dm zerlegt. Jedes Massenelement dm steuert dann den Beitrag d J ¼ r 2 dm
ðV-170Þ
zum Gesamtmassentra¨gheitsmoment J des Ko¨rpers bei (r ist der senkrechte Abstand des Massenelementes von der Bezugsachse, siehe hierzu Bild V-91). Durch Summation, d. h. Integration u¨ber sa¨mtliche Beitra¨ge d J erha¨lt man schließlich bei homogener Massenverteilung, d. h. konstanter Dichte r und unter Beru¨cksichtigung der Beziehung dm ¼ r dV das Massentra¨gheitsmoment J des ra¨umlichen Ko¨rpers: Massentra¨gheitsmoment eines homogenen ra¨umlichen Ko¨rpers (Bild V-91) ð ð ð dJ ¼ r 2 dm ¼ r r 2 dV ðV-171Þ J ¼ ðmÞ
ðmÞ
ðVÞ
Dabei bedeuten: r:
Senkrechter Abstand des Massenelementes dm bzw. Volumenelementes dV von der gewa¨hlten Bezugsachse
r:
Konstante Dichte des Ko¨rpers
Man beachte: Das Massentra¨gheitsmoment ist keine absolute Gro¨ße, sondern stets abha¨ngig von der gewa¨hlten Bezugsachse (siehe hierzu auch den sog. Satz von Steiner im folgenden Abschnitt 10.9.2). &
Beispiele (1)
Fu¨r eine homogene kreisfo¨rmige Scheibe vom Radius R und der Dicke h ist das Massentra¨gheitsmoment J bezu¨glich der Symmetrieachse (Zylinderachse) zu berechnen (die konstante Dichte sei r). Lo¨sung: Wir zerlegen zuna¨chst die Scheibe in eine große Anzahl konzentrischer Ringe (Bild V-92).
R r
dm
dr
Bild V-92 Zur Berechnung des Massentra¨gheitsmomentes einer homogenen kreisfo¨rmigen Scheibe (Zerlegung in ringfo¨rmige Elemente)
10 Anwendungen der Integralrechnung
551
Ein solcher infinitesimal schmaler Ring vom Innenradius r und der Breite dr (in Bild V-92 dunkelgrau unterlegt) besitzt die Querschnittsfla¨che dA ¼ 2 p r dr Begru¨ndung: Wenn man den Kreisring an einer Stelle aufschneidet und „gerade“ biegt, erha¨lt man einen nahezu rechteckigen Streifen mit den Seitenla¨ngen 2 p r und dr. Der Kreisring besitzt damit den Masseninhalt dm ¼ r dV ¼ r ðdAÞ h ¼ r ð2 p r drÞ h ¼ 2 p r h r dr Sein Beitrag zum Tra¨gheitsmoment J der Scheibe betra¨gt definitionsgema¨ß d J ¼ r 2 dm ¼ r 2 2 p r h r dr ¼ 2 p r h r 3 dr Durch Summation, d. h. Integration u¨ber alle zwischen r ¼ 0 und r ¼ R gelegenen Ringelemente erha¨lt man schließlich dJ ¼ 2prh ðmÞ
ðR
ð J ¼
r 3 dr ¼ 2 p r h
1 4 r 4
R
0
¼ 0
1 p r h R4 2
Beachtet man, dass die Scheibenmasse durch m ¼ r V ¼ r p R 2 h gegeben ist, so la¨sst sich das Massentra¨gheitsmoment der Scheibe auch wie folgt durch Masse m und Radius R ausdru¨cken: J ¼
(2)
1 1 1 p r h R4 ¼ ðr p R 2 hÞ R 2 ¼ m R2 2 2 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} 2 m
Es ist das Massentra¨gheitsmoment eines homogenen zylindrischen Stabes bezu¨glich der Schwerpunktachse zu bestimmen, die senkrecht zur Stabachse verla¨uft (Bild V-93). Dabei wird vorausgesetzt, dass der Durchmesser des Stabes klein ist gegenu¨ber der Stabla¨nge (l: Stabla¨nge; A: Querschnittsfla¨che des Stabes; r: Konstante Dichte des Materials). y dx
dm
S l – 2
x
x l 2
Bild V-93 Zur Berechnung des Massentra¨gheitsmomentes eines homogenen Stabes (Zerlegung in Zylinderscheiben)
552
V Integralrechnung
Lo¨sung: Aus Symmetriegru¨nden liegt der Schwerpunkt S in der Stabmitte. Wir wa¨hlen ihn daher als Ursprung des Koordinatensystems (Bild V-93). Die y-Achse ist dann die Bezugsachse (Schwerpunktachse). Der Stab wird nun durch Schnitte senkrecht zur Stabachse in eine große Anzahl von Zylinderscheiben zerlegt. Ein solches infinitesimal du¨nnes Scheibchen der Dicke dx besitzt den Masseninhalt dm ¼ r dV ¼ r A dx und liefert damit zum Gesamttra¨gheitsmoment J den Beitrag d J ¼ x 2 dm ¼ x 2 r A dx ¼ r A x 2 dx Denn der Abstand dieser in Bild V-93 dunkelgrau unterlegten Scheibe von der gewa¨hlten Bezugsachse ( y-Achse) ist durch die Koordinate x gegeben. Durch Integration sa¨mtlicher zwischen x ¼ l=2 und x ¼ l=2 gelegener Elemente erha¨lt man schließlich das gesuchte Massentra¨gheitsmoment 20) : l=2 ð
ð dJ ¼ rA
J ¼ ðmÞ
¼ 2rA
x dx ¼ 2 r A l=2
"
1 3
l=2 ð
x 2 dx ¼ 2 r A
2
0
#
3 l 0 2
¼ 2rA
1 3 x 3
l=2 ¼ 0
1 l3 1 r A l3 ¼ 3 8 12
Wir dru¨cken das Massentra¨gheitsmoment J noch durch die Zylindermasse m ¼ r V ¼ r A l und die Stabla¨nge l aus und bekommen die aus der Mechanik bereits bekannte Formel J ¼
1 1 1 r A l3 ¼ ðr A lÞ l 2 ¼ m l2 12 12 |fflffl{zfflffl} 12 m
&
10.9.2 Satz von Steiner Von besonderer Bedeutung sind in den Anwendungen Massentra¨gheitsmomente, die auf eine durch den Ko¨rperschwerpunkt S verlaufende Achse bezogen werden (sog. Schwerpunktachsen). Tra¨gheitsmomente dieser Art werden im Folgenden durch das Symbol J S gekennzeichnet. Ist nun das Tra¨gheitsmoment J S (bezogen auf eine bestimmte Schwerpunktachse) bekannt, so la¨sst sich daraus mit Hilfe einer von Steiner stammenden Bezie-
20)
Aus Symmetriegru¨nden ko¨nnen wir die Integration auf das Intervall von x ¼ 0 bis x ¼ l=2 beschra¨nken ( Faktor 2).
10 Anwendungen der Integralrechnung
553
hung das Tra¨gheitsmoment J A bezu¨glich einer zur gewa¨hlten Schwerpunktachse parallel verlaufenden Bezugsachse A wie folgt berechnen (Bild V-94):
Satz von Steiner fu¨r Massentra¨gheitsmomente (Bild V-94) JA ¼ JS þ m d 2
ðV-172Þ
Dabei bedeuten: JS:
Massentra¨gheitsmoment des Ko¨rpers, bezogen auf eine (spezielle) Schwerpunktachse S
JA:
Massentra¨gheitsmoment des Ko¨rpers, bezogen auf eine zu dieser speziellen Schwerpunktachse S parallele Bezugsachse A
m:
Masse des homogenen Ko¨rpers
d:
Abstand der beiden ( parallelen) Achsen
Bezugsachse A
Schwerpunktachse S
S
Körper der Masse m
Bild V-94 Zum Satz von Steiner d
Anmerkungen (1)
Der Summand m d 2 im Steinerschen Satz ist das Massentra¨gheitsmoment der im Schwerpunkt vereinigten Gesamtmasse m bezu¨glich der neuen Bezugsachse A.
(2)
Der Satz von Steiner ermo¨glicht die Berechnung eines Massentra¨gheitsmomentes bezu¨glich einer (beliebigen) Achse A, wenn das Tra¨gheitsmoment bezu¨glich der zu A parallelen Schwerpunktachse S bekannt ist.
(3)
Verschiebt man eine Schwerpunktachse parallel zu sich selbst, so vergro¨ßert sich das Massentra¨gheitsmoment. Das Massentra¨gheitsmoment hat somit seinen kleinsten Wert, wenn die Bezugsachse durch den Schwerpunkt geht (im Vergleich zu allen Parallelachsen).
554 &
V Integralrechnung
Beispiel Im vorangegangenen Abschnitt haben wir das Massentra¨gheitsmoment J S eines homogenen zylindrischen Stabes der La¨nge l bezu¨glich einer Schwerpunktachse senkrecht zur Stabachse berechnet: JS ¼
1 m l2 12
Jetzt interessieren wir uns fu¨r das Massentra¨gheitsmoment J A des gleichen Stabes bezu¨glich einer zu dieser Schwerpunktachse parallelen Bezugsachse durch einen der beiden Endpunkte des Stabes (neue Bezugsachse ist die y-Achse, siehe Bild V-95).
y
Bezugsachse A d=
Schwerpunktachse
l 2
S
x l
Bild V-95 Anwendung des Steinerschen Satzes auf einen homogenen Zylinderstab
Der Abstand der beiden Achsen betra¨gt d ¼ l=2. Aus dem Steinerschen Satz folgt dann: 2 1 l 1 1 JA ¼ JS þ m d 2 ¼ ¼ m l2 þ m m l2 þ m l2 ¼ 12 2 12 4 ¼
1 1 þ 12 4
m l2 ¼
1þ3 4 1 m l2 ¼ m l2 ¼ m l2 12 12 3
Das Massentra¨gheitsmoment hat sich demnach bei der Achsenverschiebung vervierfacht! &
10.9.3 Massentra¨gheitsmoment eines homogenen Rotationsko¨rpers Rotation einer Kurve um die x-Achse Wir betrachten einen homogenen Rotationsko¨rper, der durch Drehung des Kurvenstu¨cks y ¼ f ðxÞ, a x b um die x-Achse entstanden ist und zerlegen ihn wiederum in der bereits bekannten Weise in eine große Anzahl du¨nner Scheiben (siehe hierzu auch Bild V-56). Ein solches Zylinderscheibchen der Dicke dx erha¨lt man, wenn man das in Bild V-96 skizzierte (grau unterlegte) Rechteck mit den Seitenla¨ngen y und dx um die x-Achse rotieren la¨sst.
10 Anwendungen der Integralrechnung
555
y y = f(x)
y
a
dx
b
x
Bild V-96 Zur Bestimmung des Massentra¨gheitsmomentes eines zur x-Achse symmetrischen homogenen Rotationsko¨rpers bezu¨glich dieser Achse
Fu¨r das Massentra¨gheitsmoment einer Zylinderscheibe haben wir in Abschnitt 10.9.1, Beispiel (1) bereits den Formelausdruck J Zylinder ¼
1 m R2 2
ðV-173Þ
hergeleitet (m: Zylindermasse; R: Radius der kreisfo¨rmigen Grundfla¨che). Aus dieser Formel erha¨lt man den Beitrag dJ x , den unser Zylinderscheibchen zum Tra¨gheitsmoment J x , des Rotationsko¨rpers beisteuert, mit Hilfe der formalen Substitutionen R ! y ¼ f ðxÞ
m ! dm
und
ðV-174Þ
Es ist also d Jx ¼
1 1 2 ðdmÞ y 2 ¼ y dm 2 2
ðV-175Þ
Das Massenelement dm la¨sst sich noch durch die Dichte r des homogenen Ko¨rpers und das Volumenelement dV ¼ p y 2 dx ausdru¨cken ðdm ¼ r dVÞ. Dies fu¨hrt zu dem Ausdruck d Jx ¼
1 2 1 2 1 2 1 y dm ¼ y ðr dVÞ ¼ y r p y 2 dx ¼ p r y 4 dx 2 2 2 2
ðV-176Þ
Durch Summation, d. h. Integration u¨ber die Beitra¨ge sa¨mtlicher zwischen x ¼ a und x ¼ b liegender Scheibchen erha¨lt man schließlich fu¨r das Massentra¨gheitsmoment J x des Rotationsko¨rpers den Formelausdruck xð ¼b
Jx ¼ x¼a
1 d Jx ¼ pr 2
ðb
1 y dx ¼ pr 2
ðb ½ f ðxÞ 4 dx
4
a
a
ðV-177Þ
556
V Integralrechnung
Wir fassen zusammen:
Massentra¨gheitsmoment eines homogenen Rotationsko¨rpers (Rotations- und Bezugsachse: x-Achse; siehe hierzu auch Bild V-56 und Bild V-96) Durch Drehung einer Kurve y ¼ f ðxÞ, a x b um die x-Achse entsteht ein Rotationsko¨rper, dessen Massentra¨gheitsmoment J x bezu¨glich der Rotationsachse (d. h. hier der x-Achse) sich wie folgt berechnen la¨sst: 1 Jx ¼ pr 2
ðb
1 y dx ¼ pr 2
a
r:
ðb ½ f ðxÞ 4 dx
4
ðV-178Þ
a
Konstante Dichte des (homogen gefu¨llten) Rotationsko¨rpers
Rotation einer Kurve um die y-Achse Ein analoger Ausdruck la¨sst sich herleiten fu¨r das Massentra¨gheitsmoment J y eines zur y-Achse rotationssymmetrischen homogenen Ko¨rpers, der durch Drehung der Kurve x ¼ g ðyÞ, c y d um die y-Achse entstanden ist (siehe hierzu auch Bild V-57).
Massentra¨gheitsmoment eines homogenen Rotationsko¨rpers (Rotations- und Bezugsachse: y-Achse; siehe hierzu auch Bild V-57) Durch Drehung einer Kurve x ¼ g ðyÞ, c x d um die y-Achse entsteht ein Rotationsko¨rper, dessen Massentra¨gheitsmoment J y bezu¨glich der Rotationsachse (d. h. hier der y-Achse) sich wie folgt berechnen la¨sst: 1 Jy ¼ pr 2
ðd c
r:
&
1 x dy ¼ pr 2
ðd ½ g ðyÞ 4 dy
4
ðV-179Þ
c
Konstante Dichte des (homogen gefu¨llten) Rotationsko¨rpers
Beispiele (1)
Man berechne das Massentra¨gheitsmoment J x eines homogenen stromlinienfo¨rmigen pffiffiffiffiffiffiffi Ko¨rpers der konstanten Dichte r, der durch Rotation der Kurve y ¼ ð4 xÞ 2 x im Bereich ihrer beiden Nullstellen um die x-Achse entsteht (Bild V-97).
10 Anwendungen der Integralrechnung
557
y 5 y = (4 – x) 2 x
1 4
1
x
Bild V-97 Der skizzierte homogene Ko¨rper entsteht durchpDrehung der Kurve ffiffiffiffiffiffiffi y ¼ ð4 xÞ 2 x , 0 x 4 um die x-Achse
Lo¨sung: Wir berechnen zuna¨chst die beno¨tigten Nullstellen der Funktion: pffiffiffiffiffiffiffi y ¼ 0 ) ð4 xÞ 2 x ¼ 0 ) x 1 ¼ 0 , x2 ¼ 4 Unter Verwendung der Integralformel (V-178) erhalten wir dann fu¨r das gesuchte Massentra¨gheitsmoment zuna¨chst: ð4
1 Jx ¼ pr 2
ð4 pffiffiffiffiffiffiffi 4 1 dx ¼ ð4 xÞ 2 x p r ð4 xÞ 4 4 x 2 dx ¼ 2
0
0
ð4 ð4 xÞ 4 x 2 dx
¼ 2pr 0
Das Binom ð4 xÞ 4 entwickeln wir nach der aus Kap. I, Abschnitt 6 bekannten binomischen Formel (bitte nachrechnen): ð4 xÞ 4 ¼ ðx 4Þ 4 ¼ x 4 16 x 3 þ 96 x 2 256 x þ 256 Damit erhalten wir fu¨r das gesuchte Massentra¨gheitsmoment: ð4 J x ¼ 2p r
ðx 4 16 x 3 þ 96 x 2 256 x þ 256Þ x 2 dx ¼ 0
ð4 ðx 6 16 x 5 þ 96 x 4 256 x 3 þ 256 x 2 Þ dx ¼
¼ 2pr 0
¼ 2pr ¼ 2pr
1 7 8 6 96 5 256 3 x x þ x 64 x 4 þ x 7 3 5 3
4 ¼ 0
1 8 96 256 47 46 þ 4 5 64 4 4 þ 43 7 3 5 3
¼
558
V Integralrechnung
1 2 6 1 47 47 þ 47 47 þ 47 7 3 5 3 1 2 6 1 ¼ 2 47 p r þ 1þ ¼ 7 3 5 3
¼ 2pr
(2)
¼ 2 47 p r
15 70 þ 126 105 þ 35 ¼ 105
¼ 2 47 p r
1 2 47 ¼ p r ¼ 980,42 r 105 105
¼
Die Aufgabe besteht in der Berechnung des Massentra¨gheitsmomentes einer homogenen Kugel bezu¨glich eines beliebigen Kugeldurchmessers ( Radius der Kugel: R; Konstante Dichte: r). Als Bezugsachse wa¨hlen wir den in die y-Achse fallenden Kugeldurchmesser. Aus Symmetriegru¨nden ko¨nnen wir uns bei der Rechnung auf die in Bild V-89 skizzierte Halbkugel beschra¨nken. Diese entsteht durch Rotation der im 1. Quadranten liegenden Viertelkreislinie mit der nach der Variablen x aufgelo¨sten Funktionsgleichung pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x ¼ g ðyÞ ¼ R2 y2 ð0 y RÞ um die y-Achse. Fu¨r das Massentra¨gheitsmoment J y der Vollkugel erha¨lt man somit unter Verwendung der Integralformel (V-179) den folgenden Ausdruck: 1 pr Jy ¼ 2 2
ðR pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ðR 4 2 2 ð R y Þ dy ¼ p r ðR 2 y 2 Þ 2 dy ¼ 0
0
ðR ¼ pr
ðR 4 2 R 2 y 2 þ y 4 Þ dy ¼ p r R 4 y
2 2 3 1 5 R y þ y 3 5
0
R ¼ 0
2 5 1 5 2 1 ¼ p r R5 1 ¼ ¼ p r R5 R þ R þ 3 5 3 5 ¼ p r R5
15 10 þ 3 8 8 ¼ p r R5 ¼ p r R5 15 15 15
(der Faktor 2 tritt auf, weil wir uns bei der Integration auf eine Halbkugel beschra¨nkt haben). Beru¨cksichtigt man noch, dass Volumen V und Masse m einer Kugel durch die Formeln V ¼
4 p R3 3
und
m ¼ rV ¼ r
4 4 p R3 ¼ p r R3 3 3
gegeben sind, so erha¨lt man schließlich fu¨r das gesuchte Massentra¨gheitsmoment einer Kugel, bezogen auf einen (beliebigen) Kugeldurchmesser, die aus der Physik bekannte Formel 8 2 4 2 p r R5 ¼ p r R3 R2 ¼ m R2 Jy ¼ 15 5 3 5 |fflfflfflfflffl{zfflfflfflfflffl} & m
bungsaufgaben
559
bungsaufgaben Hinweis: In den Abschnitten 1 bis 7 wurden die wichtigsten Grundbegriffe der Integralrechnung behandelt (Stammfunktion, bestimmtes und unbestimmtes Integral, Grundintegrale usw.). Dem Leser wird daher empfohlen, diese Abschnitte gru¨ndlich durchzuarbeiten, bevor er sich erstmals mit den nachfolgenden bungsaufgaben auseinandersetzt.
Zu Abschnitt 1 bis 7 1) Bestimmen Sie sa¨mtliche Stammfunktionen zu: aÞ
f ðxÞ ¼ 4 x 5 6 x 3 þ 8 x 2 3 x þ 5
cÞ
f ðtÞ ¼ 2 e t
eÞ
f ðzÞ ¼
gÞ
f ðuÞ ¼ 3 sin u
5 þ1 t
5 1 4 z 2 3 þ 3z 4 6 þ 7 u2 u
bÞ
f ðtÞ ¼ 3 sin t 4 cos t
dÞ
f ðxÞ ¼
fÞ
2 1 f ðxÞ ¼ pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi cos 2 x 1 x2
hÞ
f ðxÞ ¼ 3 e x cos x
1 2x2 4x3 þ3 2x
2) Lo¨sen Sie die nachstehenden unbestimmten Integrale (Grundintegrale): ð ð 1 dx aÞ ðe x þ x 2 2 x þ sin xÞ dx bÞ 10 x sin 2 x ð ð cÞ ð2 x 3Þ 2 dx dÞ 2 cos x dx
eÞ
ð ð
gÞ
3 1 2 1þt t
5 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi du 2 u 1
ffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffi ð p 3 x5 x p ffiffiffiffiffiffiffi iÞ dx 5 x4 ð tan x dx kÞ sin ð2 xÞ
ð dt
fÞ
10 3 a x b sin x cosh 2 x
hÞ
ð 5 3x
jÞ
ð qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffi x x dx
1 pffiffiffiffi 2 x
dx
dx
560
V Integralrechnung
3) Welchen Wert besitzen die folgenden bestimmten Integrale? ðe
ð4 ðx 5 x þ 1,5 x 10Þ dx 3
aÞ
2
bÞ
0
1
ðp
ð2 ða sin t b cos tÞ dt
dÞ
eÞ
0
ð5 3 ð1 e Þ dx x
hÞ 0, 5
0 p=4 ð
jÞ 0
cÞ
pffiffiffiffi 5 x dx
ð2
1 cos 2 x dx 2 cos 2 x
ð4 kÞ
iÞ 0
1 u2 pffiffiffiffiffi du u
cos j dj
fÞ p
0ð,5
4 dt t
1 z2 dz z
1
1
ð2 gÞ
ð4
dt t
ð9 lÞ
1
3 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx 1 x2
pffiffiffiffi x ð2 xÞ dx
1
4) Wie lautet die Funktionsgleichung der durch den Punkt P 1 ¼ ð0; 2Þ verlaufenden Kurve mit der folgenden Ableitung? y 0 ¼ sin x þ 3 e x
1 2 4 x þ 3 1 þ x2 ða x 3 dx mit a > 0 als Grenzwert der
5) Berechnen Sie das bestimmte Integral 0
Obersumme nach Definitionsgleichung (V-18). Anleitung: Man unterteile das Integrationsintervall 0 x a mit Hilfe der Teila mit k ¼ 0, 1, . . . , n in n gleiche Teile und punkte x k ¼ k n verwende ferner die Formel n X k¼1
k 3 ¼ 13 þ 23 þ . . . þ n3 ¼
n 2 ðn þ 1Þ 2 4
bungsaufgaben
561
6) Die im Folgenden aufgefu¨hrten Integralformeln haben wir einer Integraltafel entnommen. Zeigen Sie nach dem sog. „Verifizierungsprinzip“ die Gu¨ltigkeit dieser Beziehungen ðdie Ableitung der auf der rechten Seite stehenden Funktion F ðxÞ muss in diesem Fall zum Integrand f ðxÞ fu¨hren, d. h. es muss F 0 ðxÞ ¼ f ðxÞ gelten): ð aÞ e x ð1 xÞ dx ¼ x e x þ C
bÞ
ffi ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 2 x2 4 2 dx ¼ x 4 2 arccos þC x x ð cos x e sin x dx ¼ e sin x þ C
cÞ ð dÞ
sin ð3 xÞ cos ð3 xÞ dx ¼
1 sin 2 ð3 xÞ þ C 6
7) Zeigen Sie: F1 ðxÞ ¼ x 2 e x þ 2 ist eine Stammfunktion von f ðxÞ ¼ ðx 2 þ 2 xÞ e x . Wie lautet die Gesamtheit der Stammfunktionen? 8) Welchen Fla¨cheninhalt schließt der Funktionsgraph von y ¼ 0,25 x 2 þ 4 mit der x-Achse ein? 9) Berechnen Sie die im Intervall p=2 x p=2 unter der Kosinuskurve liegende Fla¨che. 10) Berechnen Sie die Fla¨che zwischen der Parabel y ¼ 3 ðx 2Þ 2 þ 5 und der x-Achse. 11) Fu¨r den Zerfall einer radioaktiven Substanz gilt: dn ¼ ln dt Dabei ist n die Anzahl der zur Zeit t noch vorhandenen Atomkerne, l > 0 die sog. Zerfallskonstante. Wie lautet das Zerfallsgesetz n ¼ n ðtÞ, wenn zur Zeit t ¼ 0 genau n 0 Atomkerne vorhanden sind?
562
V Integralrechnung
Zu Abschnitt 8 1) Lo¨sen Sie die folgenden Integrale unter Verwendung einer geeigneten Substitution: ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð ð x2 3 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx cÞ 1 t dt bÞ ð5 x þ 12Þ 0,5 dx aÞ 1 þ x3 ð dÞ
ð gÞ
ð1 jÞ 1
x e
x3 2
fÞ
0
ð
ð x sin ðx Þ dx 2
hÞ
iÞ
ð1
p=2 ð
t dt pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ t2
2
ð cos 3 x sin x dx
eÞ
dx x ln x
ð mÞ
ðp
arctan z dz 1 þ z2
sin ð3 t p=4Þ dt
kÞ
lÞ 1
0
ð dx
nÞ
tan ðz þ 5Þ dz cos 2 ðz þ 5Þ 0ð,5
x
2) Lo¨sen Sie das bestimmte Integral substitution x ¼ sin u.
2x þ 6 dx x 2 þ 6 x 12 3x2 2 dx 2x3 4x þ 2 5þx dx 5x
ffi ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4 x2 dx x2
oÞ
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 x 2 dx mit Hilfe der Variablen-
0
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 3) Welchen Fla¨cheninhalt schließt die Kurve y ¼ 6 2 x mit den beiden Koordinatenachsen ein? ð 2x pffiffiffiffi dx mit Hilfe der Substitution 4) Zeigen Sie, dass sich das Integral pffiffiffiffi 1 þ x u ¼ 1 þ x lo¨sen la¨sst. 5) Lo¨sen Sie die folgenden Integrale durch „Partielle Integration“: ð
ð x ln x dx
aÞ
ð5 x cos x dx
bÞ
ln t dt
cÞ 1
ð x sin ð3 xÞ dx
dÞ
x e x dx
eÞ 0
ð gÞ
ð
0ð,8
sin 2 ðw tÞ dt
fÞ
arctan x dx
bungsaufgaben
563
6) Lo¨sen Sie die folgenden Integrale durch zweimalige partielle Integration: ð ð aÞ e x cos x dx bÞ x 2 e x dx
7) Lo¨sen Sie die folgenden Integrale durch Partialbruchzerlegung des Integranden: ð ð 1 4x3 dx dx bÞ aÞ x2 a2 x3 þ 2x2 x 2 ð cÞ ð eÞ
ð
3z dz 3 z þ 3 z2 4
dÞ
x2
4x 2 dx 2 x 63
2x þ 1 dx x3 6x2 þ 9x
8) Berechnen Sie die zwischen den Kurven y ¼ ln x, y ¼ 0 und x ¼ 5 liegende Fla¨che. x2 4 9) Welchen Fla¨cheninhalt schließt die Kurve mit der Funktionsgleichung y ¼ x 5 mit der x-Achse ein (Skizze)? 10) Lo¨sen Sie die folgenden Integrale unter Verwendung einer geeigneten Integrationsmethode: ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð ð ln x aÞ dx bÞ cot x dx cÞ x cosh x dx x ð sin x e
dÞ ð gÞ
jÞ
ð cos x
dx
ðln xÞ 3 dx x
ð pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi x 2 2 x dx
eÞ ð hÞ
x3 dx ðx 2 1Þ ðx þ 1Þ 12 x 2 dx 2x3 1
ð kÞ
x3
8x2
ð2 fÞ 0
x 4 dx x þ1
ð iÞ
x arctan x dx
x2 dx þ 21 x 18
11) Zeigen Sie: Der Fla¨cheninhalt einer Ellipse mit den Halbachsen a und b betra¨gt A ¼ p a b.
564
V Integralrechnung
ðp sin ðm xÞ sin ðn xÞ dx fu¨r
12) Welchen Wert besitzt das Integral p
aÞ
m ¼ n,
bÞ m 6¼ n
ðm, n 2 NÞ ?
Anleitung: Umformung des Integranden mit Hilfe der trigonometrischen Formel 1 cos ða bÞ cos ða þ bÞ . sin a sin b ¼ 2 ð2 13) Berechnen Sie das Integral
1 ex dx na¨herungsweise x
1
a) nach der Trapezformel, b) nach der Simpsonschen Formel fu¨r jeweils 10 (einfache) Streifen. 14) Berechnen Sie die folgenden Integrale na¨herungsweise nach Simpson (n: Anzahl der Doppelstreifen): aÞ
ð4 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 þ 2 t 4 dt ,
ð1 n ¼ 10
bÞ 0, 5
1
ð3 cÞ
ex dx , x2
ex
x3 dx , 1
n ¼ 5
n ¼ 5
1
Zu Abschnitt 9 1) Bestimmen Sie den Wert der folgenden (konvergenten) uneigentlichen Integrale: 1 ð
aÞ
e 0
x
1 ð
dx
x e
bÞ
x
ð2 dx
1
0 1 ð
2) Zeigen Sie, dass das uneigentliche Integral ist und den Wert 2=a 3 besitzt.
e x dx
cÞ
x 2 e a x dx ða > 0Þ konvergent
0
3) Berechnen Sie den Fla¨cheninhalt, den die drei Kurven mit den Funktionsgleichungen y ¼ e a x , y ¼ e b x und y ¼ 0 miteinander einschließen (a > 0; b > 0; Skizze anfertigen).
bungsaufgaben
565
4) Bestimmen Sie den Wert der folgenden uneigentlichen Integrale (falls sie existieren): ð0 aÞ 1
1 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi dx 1þx
ð1 bÞ 1
1 dx x2
10 ð
cÞ 0
ex dx ex 1
Zu Abschnitt 10 1) Bestimmen Sie das Weg-Zeit-Gesetz s ¼ s ðtÞ und das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v ¼ v ðtÞ eines Fahrzeugs fu¨r den Fall a) einer konstanten Bremsverzo¨gerung a ¼ 2 m=s 2 , b) einer periodischen Bremsverzo¨gerung a ¼ ð1 þ cos ðp s 1 tÞÞ m=s 2 , wenn in beiden Fa¨llen die Anfangsbedingungen wie folgt lauten: sð0Þ ¼ 0 m, v ð0Þ ¼ 30 m=s. 2) Die Bewegungsgleichung eines Federpendels laute: a ðtÞ ¼ w 2 cos ðw tÞ. Gewinnen Sie hieraus durch Integration die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion v ¼ v ðtÞ und die Weg-Zeit-Funktion s ¼ s ðtÞ fu¨r die Anfangswerte sð0Þ ¼ 1 und v ð0Þ ¼ 0. 3) Die Biegegleichung eines Balkens der La¨nge l, der in den beiden Endpunkten unterstu¨tzt wird, lautet bei gleichma¨ßiger Streckenlast F wie folgt: y 00 ¼
F ðl x x 2 Þ 2EI
ð0 x lÞ
(E: Elastizita¨tsmodul; I: Fla¨chenmoment). Bestimmen Sie durch Integration dieser Gleichung die Biegelinie fu¨r die Randwerte y ð0Þ ¼ 0 und y 0 ðl = 2Þ ¼ 0. 4) Die Fallgeschwindigkeit v eines aus der Ruhe heraus frei fallenden Ko¨rpers ha¨ngt bei Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes wie folgt von der Fallzeit t ab: g v ¼ v E tanh t ðt 0Þ vE ( g: Erdbeschleunigung; v E : Endgeschwindigkeit). Bestimmen Sie durch Integration den Fallweg s als Funktion der Fallzeit t (zu Beginn sei s ð0Þ ¼ 0Þ. 5) Welche Fla¨che schließt die Kurve y ¼ 4 x ðx 2 4Þ mit der x-Achse im Intervall 4 x 4 ein? 6) Bestimmen Sie den Fla¨cheninhalt zwischen den Parabeln y ¼ x 2 2 und y ¼ x 2 þ 2 x þ 2.
566
V Integralrechnung
7) Berechnen Sie den Fla¨cheninhalt zwischen der Parabel y ¼ x 2 2 x 1 und der Geraden y ¼ 3 x 1. 8) Berechnen Sie die von den Kurven y ¼ 2 cosh x 2 und y ¼ x 2 þ 3 eingeschlossene Fla¨che. Hinweis: Bestimmung der Kurvenschnittpunkte na¨herungsweise nach dem Newtonschen Tangentenverfahren. 9) Berechnen Sie den Fla¨cheninhalt zwischen dem Kreis ðx 2Þ 2 þ y 2 ¼ 4 und der Parabel y ¼ x 2 . 10) Zeigen Sie, dass das durch Rotation der Ellipse b 2 x 2 þ a 2 y 2 ¼ a 2 b 2 um die y-Achse entstandene Rotationsellipsoid das Volumen V y ¼ 4 p a 2 b=3 besitzt. 11) Welches Volumen besitzt der Drehko¨rper, der durch Rotation des von der Kurve pffiffiffiffiffiffiffi y ¼ ðx 2Þ 2 3 x und der x-Achse berandeten Fla¨chenstu¨cks um die x-Achse entsteht? pffiffiffiffi 12) Durch Rotation der Kurve y ¼ x um die y-Achse entsteht ein trichterfo¨rmiger Drehko¨rper. Bestimmen Sie sein Volumen, wenn er in der Ho¨he y ¼ 5 abgeschnitten wird. 13) Bestimmen Sie das Rotationsvolumen eines Ko¨rpers, der durch Drehung des Kurpffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ffi 2 venstu¨cks y ¼ x 9 , 3 x 5 a) um die x-Achse, b) um die y-Achse entsteht. 14) Welche La¨nge besitzt ein Drahtseil, das gema¨ß der Funktion y ¼ 5 cosh ðx=5Þ (Kettenlinie) durchha¨ngt, wenn beide Aufha¨ngepunkte die gleiche Ho¨he und einen Abstand von 14,3 voneinander besitzen? 15) Berechnen Sie die Bogenla¨nge der Kurve y ¼ 4,2 ln x 3 im Intervall von x ¼ 1 bis x ¼ e. 16) Wie lang ist der Bogen des Funktionsgraphen von y ¼ x 3=2 u¨ber dem Intervall 1 x 7,45 ? 17) Bestimmen Sie die La¨nge des Sinusbogens u¨ber dem Intervall ½ 0, p . Anleitung: Berechnung des Integrals nach der Simpsonschen Formel fu¨r n ¼ 10 Doppelstreifen. 18) Berechnen Sie die Mantelfla¨che, die durch Rotation der Kurve y ¼ um die y-Achse entsteht.
pffiffiffiffi x, 0 x 4
bungsaufgaben
567
pffiffiffiffi 19) Welche Rotationsfla¨che (Mantelfla¨che) erzeugt die Kurve y ¼ ln x , 1 x 3 bei Drehung um die x-Achse? (Na¨herungsweise Berechnung des Integrals nach Simpson fu¨r n ¼ 10 Doppelstreifen.) 20) Zeigen Sie: Durch Rotation des in Bild V-98 skizzierten Kreisabschnittes der Breite h um die x-Achse entsteht eine Kugelschicht der Dicke h mit der Mantelfla¨che M x ¼ 2 p r h.
y h
Bild V-98 a
r
x
21) Welche Arbeit muss aufgebracht werden, um eine dem Hookeschen Gesetz genu¨gende elastische Stahlfeder mit der Federkonstanten c ¼ 8,45 10 5 N=m um 17,3 cm zusammenzudru¨cken? 22) Fu¨r eine adiabatische Zustandsa¨nderung eines idealen Gases gilt die Poissonsche Gleichung p V k ¼ p 0 V 0k ¼ constant. Berechnen Sie die Ausdehnungsarbeit Vð1 p ðVÞ dV fu¨r ein solches Gas (V 0 , V 1 : Anfangs- bzw. Endvolumen). W ¼ V0
23) Ein ideales Gas besitzt im Ausgangszustand das Volumen V 1 ¼ 2,75 m 3 und den Druck p 1 ¼ 1250 N=m 2 . Es wird isotherm, d. h. unter Konstanthaltung der Temperatur auf das Volumen V 2 ¼ 0,76 m 3 komprimiert. Welche Arbeit wurde dabei am Gas verrichtet? pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 24) Durch Rotation der Kurve y ¼ 1 m x um die y-Achse entsteht ein trichterfo¨rmiger Beha¨lter (vgl. hierzu auch Aufgabe 12). Er soll von einem Wasserreservoir aus bis zu einer Ho¨he von 5 m gefu¨llt werden. Berechnen Sie die erforderliche Mindestarbeit ( Dichte des Wassers: r ¼ 1 g=cm 3 ¼ 1000 kg=m 3 ). Anleitung: Der Wasserpegel im Trichter habe die Ho¨he y erreicht. Um den Pegel geringfu¨gig um dy zu erho¨hen, muss die Wassermenge dm aus dem Reservoir ðy ¼ 0Þ in diese Ho¨he gebracht werden. Die dabei verrichtete Hubarbeit betra¨gt definitionsgema¨ß dW ¼ ðdmÞ g y (siehe hierzu Bild V-99). y
dm
dy y
Bild V-99 x
568
V Integralrechnung
25) Berechnen Sie den linearen und den quadratischen Mittelwert der Sinusfunktion im Intervall 0 x p. 26) Ein Einweggleichrichter erzeuge den in Bild V-100 skizzierten Strom mit der Periodendauer T ¼ 2 p=w. Berechnen Sie den linearen Mittelwert wa¨hrend einer Periode (er wird als Gleichrichtwert bezeichnet). i i0
i = i 0 · sin ( v t)
T 2
T
3 T 2
2T
t
Bild V-100
27) In einem Wechselstromkreis erzeuge die Wechselspannung u ðtÞ ¼ u 0 sin ðw tÞ den Wechselstrom i ðtÞ ¼ i 0 cos ðw tÞ. Berechnen Sie die mittlere Leistung P wa¨hrend einer Periode T ¼ 2 p=w (linearer Mittelwert). Hinweis: Fu¨r die momentane Leistung gilt definitionsgema¨ß p ðtÞ ¼ u ðtÞ i ðtÞ. 28) Berechnen Sie die Lage des Schwerpunktes der Fla¨che, die von den Parabeln mit den Funktionsgleichungen y ¼ x 2 und y ¼ x 2 4 eingeschlossen wird. 29) Bestimmen Sie den Fla¨chenschwerpunkt der in Bild V-101 skizzierten Figur (Quadrat mit aufgesetztem Halbkreis).
y
a
x 2a
Bild V-101
30) Wo liegt der Schwerpunkt einer homogenen Viertelkreisfla¨che ( Radius R)? 31) Bestimmen Sie den Schwerpunkt der Fla¨che, die von der Geraden y ¼ x þ 2 und der Parabel y ¼ x 2 4 berandet wird. pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 32) Durch Rotation der Kurve y ¼ cos x , 0 x p=2 um die x-Achse entsteht ein Drehko¨rper. Wo befindet sich der Schwerpunkt des Ko¨rpers?
bungsaufgaben
569
33) Fu¨r den durch Drehung des im 1. Quadranten gelegenen Teils der Ellipse mit der Gleichung b 2 x 2 þ a 2 y 2 ¼ a 2 b 2 um die y-Achse entstandenen Rotationsko¨rper ist der Schwerpunkt zu bestimmen. 34) Wo liegt der Schwerpunkt des Rotationsko¨rpers, der durch Drehung der Kurve y ¼ ln x, 1 x e um die x-Achse entsteht? 35) Berechnen Sie das Massentra¨gheitsmoment eines homogenen Rotationsellipsoids, das durch Drehung der Ellipse b 2 x 2 þ a 2 y 2 ¼ a 2 b 2 um die y-Achse entsteht ( Dichte r). 36) Fu¨r einen homogenen geraden Kreiskegel (Radius R, Ho¨he H, Dichte r) ist das auf die Symmetrieachse bezogene Massentra¨gheitsmoment zu berechnen. 37) Berechnen Sie unter Verwendung des Satzes von Steiner das Massentra¨gheitsmoment eines homogenen Vollzylinders bezu¨glich einer Mantellinie (Zylinderho¨he H, Grundkreisradius R, Dichte r).
570
VI Potenzreihenentwicklungen
1 Unendliche Reihen 1.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel Wir betrachten die unendliche geometrische Zahlenfolge ha n i ¼ 1; 0,2; 0,2 2 ; 0,2 3 ; . . .
ðVI-1Þ
mit dem Bildungsgesetz a n ¼ 0,2 n 1
ðn 2 N*Þ
ðVI-2Þ
Aus den Gliedern dieser Folge bilden wir sog. Partial- oder Teilsummen, indem wir Glied fu¨r Glied aufsummieren. Die ersten Partialsummen lauten dann wie folgt: s1 ¼ 1 s 2 ¼ 1 þ 0,2 ¼ 1,2 s 3 ¼ 1 þ 0,2 þ 0,2 2 ¼ 1,24
ðVI-3Þ
s 4 ¼ 1 þ 0,2 þ 0,2 þ 0,2 ¼ 1,248 .. . 2
3
Wir fassen sie zu einer neuen (unendlichen) Folge, der sog. Partialsummenfolge hs n i ¼ s 1 , s 2 , s 3 , s 4 ,
...
ðVI-4Þ
mit dem Bildungsgesetz s n ¼ 1 þ 0,2 þ 0,2 2 þ . . . þ 0,2 n 1 ¼
n X
0,2 k 1
ðVI-5Þ
k¼1
zusammen. s n ist dabei die n-te Partialsumme, d. h. die Summe der ersten n Glieder der Zahlenfolge (VI-1). Fu¨r die Partialsummenfolge hs n i fu¨hren wir die neue Bezeichnung „Unendliche Reihe“ ein und schreiben dafu¨r symbolisch 1) : 1 þ 0,2 þ 0,2 2 þ 0,2 3 þ . . . þ 0,2 n 1 þ . . . ¼
1 X
0,2 n 1
ðVI-6Þ
n¼1 1)
Zur Erinnerung: Summen enthalten immer endlich viele Summanden. Die gewa¨hlte (allgemein u¨bliche) Schreibweise fu¨r eine unendliche Reihe suggeriert, dass hier eine Summe mit unendlich vielen Gliedern (Summanden) gebildet wird. Dies jedoch ist allein aus zeitlicher Sicht nicht mo¨glich! Um Missversta¨ndnissen gleich vorzubeugen: Die bekannten Rechenregeln fu¨r Summen du¨rfen nicht auf unendliche Reihen u¨bertragen werden (siehe hierzu die spa¨teren Ausfu¨hrungen u¨ber den Umgang mit unendlichen Reihen in Abschnitt 1.2.2).
1 Unendliche Reihen
571
Es stellt sich nun die Frage nach dem „Summenwert“ einer unendlichen Reihe. Bei einer endlichen Reihe wird dieser durch Addition der endlich vielen Reihenglieder ermittelt. Bei einer unendlichen Reihe dagegen bilden wir den Grenzwert der Partialsummenfolge hs n i und fassen ihn (falls er u¨berhaupt vorhanden ist) als Summenwert der Reihe auf. Wir kehren jetzt zu unserem Beispiel zuru¨ck und untersuchen, ob die Partialsummenfolge (VI-4) fu¨r n ! 1 konvergiert, d. h. einen Grenzwert besitzt. Zuna¨chst jedoch leiten wir eine Berechnungsformel fu¨r den Summenwert der n-ten Partialsumme s n ¼ 1 þ 0,2 þ 0,2 2 þ . . . þ 0,2 n 1
ðVI-7Þ
her, die wir fu¨r die spa¨tere Grenzwertbildung beno¨tigen. Dazu wird die Partialsumme s n beiderseits gliedweise mit 0,2 multipliziert und anschließend wie folgt die Differenz s n 0,2 s n gebildet: 9 = s n ¼ 1 þ 0,2 þ 0,2 2 þ . . . þ 0,2 n 1 0,2 s n ¼ 0,2 þ 0,2 2 þ . . . þ 0,2 n 1 þ 0,2 n ; s n 0,2 s n ¼ 1 þ 0
þ0
þ ... þ 0
0,2 n
0,8 s n ¼ 1 0,2 n (die jeweils grau markierten untereinander stehenden Glieder heben sich bei der Differenzbildung jeweils auf). Wir lo¨sen jetzt diese Gleichung nach s n auf und erhalten damit eine einfache Berechnungsformel fu¨r die n-te Partialsumme: s n ¼ 1,25 ð1 0,2 n Þ
ðVI-8Þ
Diese Formel liefert uns beispielsweise fu¨r n ¼ 5 bzw. n ¼ 10 die folgenden Summenwerte: s 5 ¼ 1,25 ð1 0,2 5 Þ ¼ 1,25 ð1 0,00032Þ ¼ 1,2496 s 10 ¼ 1,25 ð1 0,2 10 Þ ¼ 1,25 ð1 0,000 000 102Þ ¼ 1,249 999 872 Selbstversta¨ndlich erhalten wir diese Werte auch auf dem direkten Wege, d. h. durch Aufaddieren der ersten 5 bzw. 10 Reihenglieder (bitte nachrechnen). Fu¨r n ! 1 strebt die Partialsummenfolge gegen den Grenzwert lim s n ¼ lim 1,25 ð1 0,2 n Þ ¼ 1,25
n!1
n!1
ðVI-9Þ
da lim 0,2 n ¼ 0 ist. Die unendliche Reihe (VI-6) besitzt somit definitionsgema¨ß den n!1
Summenwert s ¼ 1,25. Wir schreiben dafu¨r symbolisch: 1 X
0,2 n 1 ¼ 1 þ 0,2 þ 0,2 2 þ 0,2 3 þ . . . ¼ 1,25
ðVI-10Þ
n¼1
Durch diese Schreibweise wollen wir zum Ausdruck bringen, dass sich die Partialsummen mit zunehmender Anzahl von Gliedern immer weniger von der Zahl 1,25 unterscheiden.
572
VI Potenzreihenentwicklungen
1.2 Grundbegriffe 1.2.1 Definition einer unendlichen Reihe Wir gehen aus von einer unendlichen Zahlenfolge ha n i ¼ a 1 , a 2 , a 3 ,
... ,
a n,
...
ðVI-11Þ
und bilden aus den Gliedern dieser Folge wie folgt Partial- oder Teilsummen: s1 ¼ a1 s2 ¼ a1 þ a2 s3 ¼ a1 þ a2 þ a3 .. . sn ¼ a1 þ a2 þ a3 þ . . . þ an ¼
n X
ðVI-12Þ ak
k¼1
.. .
Die Folge hs n i dieser Teilsummen heißt dann „Unendliche Reihe“. Definition: Die Folge hs n i der Partialsummen einer unendlichen Zahlenfolge ha n i heißt unendliche Reihe. Symbolische Schreibweise: 1 X
an ¼ a1 þ a2 þ a3 þ . . . þ an þ . . .
ðVI-13Þ
n¼1
Anmerkungen (1)
a n ist das n-te Reihenglied.
(2)
Der Laufindex n im Summensymbol kann auch bei der Zahl 0 oder einer anderen natu¨rlichen Zahl beginnen.
(3)
Die Glieder einer unendlichen Reihe sind (reelle) Zahlen. Daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von einer Zahlenreihe oder numerischen Reihe.
(4)
Unter dem Bildungsgesetz einer unendlichen Reihe
1 X n¼1
a n versteht man einen
funktionalen Zusammenhang a n ¼ f ðnÞ, aus dem sich die Reihenglieder in Abha¨ngigkeit von der natu¨rlichen Zahl n berechnen lassen. Die Zuordnung f ðnÞ ¼ a n kann auch als eine Funktion der diskreten Variablen n aufgefasst werden (mit n 2 N*).
1 Unendliche Reihen &
573
Beispiele (1)
Aus der unendlichen Zahlenfolge 1 1 1 1 ¼ 1, , , . . . , , . . . an ¼ n 2 3 n
ðn 2 N*Þ
entsteht durch Partialsummenbildung die sog. harmonische Reihe 1 X 1 1 1 1 ¼ 1þ þ þ ... þ þ ... n 2 3 n n¼1
(2)
Aus der geometrischen Folge ha n ¼ a q n 1 i ¼ a,
a q 2,
a q,
... ,
a q n 1, . . .
ðn 2 N*Þ
erhalten wir durch Partialsummenbildung die sog. geometrische Reihe 1 X
a qn1 ¼ a þ a q þ a q2 þ . . . þ a qn1 þ . . .
n¼1
(3)
Die Glieder der unendlichen Reihe 2,1 þ 2,01 þ 2,001 þ 2,0001 þ . . . genu¨gen dem folgenden Bildungsgesetz: a n ¼ 2 þ 0,1 n
ðn 2 N*Þ
&
1.2.2 Konvergenz und Divergenz einer unendlichen Reihe In dem einfu¨hrenden Beispiel haben wir den „Summenwert“ der vorgegebenen unendlichen Zahlenreihe als Grenzwert der zugeho¨rigen Partialsummenfolge bestimmt. Dies fu¨hrt zu der folgenden Definition: Definition: Eine unendliche Reihe Partialsummen s n ¼
1 X
a n heißt konvergent, wenn die Folge ihrer
n¼1 n X
a k einen Grenzwert s besitzt:
k¼1
lim s n ¼ lim
n!1
n X
n!1 k¼1
ak ¼ s
ðVI-14Þ
Dieser Grenzwert wird als Summenwert der unendlichen Reihe bezeichnet. Symbolische Schreibweise: 1 X an ¼ a1 þ a2 þ a3 þ . . . þ an þ . . . ¼ s ðVI-15Þ n¼1
Besitzt die Partialsummenfolge hs n i jedoch keinen Grenzwert, so heißt die unendliche Reihe divergent.
574
VI Potenzreihenentwicklungen
Anmerkungen (1)
Der Summenwert einer unendlichen Reihe ist also definitionsgema¨ß der Grenzwert einer unendlichen Folge, na¨mlich der Grenzwert der Partialsummenfolge hs n i. Die Konvergenz einer unendlichen Reihe wird damit auf die Konvergenz einer unendlichen Folge zuru¨ckgefu¨hrt (vgl. hierzu Kap. III, Abschnitt 4.1.2).
(2)
Eine konvergente unendliche Reihe besitzt also stets einen (eindeutigen) Summenwert, einer divergenten unendlichen Reihe la¨sst sich dagegen kein Summenwert zuordnen. Ist s ¼ þ 1 oder s ¼ 1, so nennt man die unendliche Reihe auch bestimmt divergent.
(3)
Eine unendliche Reihe heißt absolut konvergent, wenn die aus den Betra¨gen ihrer Glieder gebildete Reihe konvergiert. Eine absolut konvergente Reihe ist stets kon1 X vergent, d. h. aus der Konvergenz der Reihe j a n j folgt stets die Konvergenz 1 n¼1 X a n (die Umkehrung jedoch gilt nicht). der Reihe n¼1
&
Beispiele (1)
Wir zeigen, dass die als geometrische Reihe 2) bezeichnete unendliche Reihe 1 X
qn1 ¼ 1 þ q1 þ q2 þ . . . þ qn1 þ . . .
n¼1
fu¨r j q j < 1 konvergiert, fu¨r j q j 1 dagegen divergiert. Zuna¨chst bilden wir mit der n-ten Partialsumme sn ¼ 1 þ q1 þ q2 þ q3 þ . . . þ qn1 die Differenz s n q s n und erhalten daraus eine einfache Formel fu¨r den Summenwert von s n : 9 = sn ¼ 1 þ q1 þ q2 þ q3 þ . . . þ qn2 þ qn1 q sn ¼ q1 þ q2 þ q3 þ . . . þ qn2 þ qn1 þ qn ; sn q sn ¼ 1 qn s n ð1 qÞ ¼ 1 q n sn ¼
1 qn 1q
ðq 6¼ 1Þ
(die jeweils grau markierten untereinander stehenden Summanden heben sich bei der Differenzbildung jeweils auf). 2)
Eine unendliche Reihe heißt geometrisch, wenn der Quotient zweier aufeinanderfolgender Glieder konstant ist. Die hier vorliegende Reihe besitzt den Quotienten q.
1 Unendliche Reihen
575
Die Folge der Partialsummen s n besitzt dann fu¨r j q j < 1 den Grenzwert 1 qn 1 lim ð1 q n Þ ¼ ¼ 1 q n!1 n!1 n!1 1 q 1 1 1 1 lim q n ¼ ð1 0Þ ¼ ¼ 1q 1q 1q n!1
s ¼ lim s n ¼ lim
da in diesem Fall lim q n ¼ 0 ist. Fu¨r j q j 1 dagegen divergiert die Zahlenn!1
folge hq n i. Die unendliche geometrische Reihe besitzt somit fu¨r j q j < 1 den Summenwert 1 X
qn1 ¼ 1 þ q1 þ q2 þ . . . þ qn1 þ . . . ¼
n¼1
1 1q
Zahlenbeispiel fu¨r q ¼ 1=3 0 1 2 n1 1 n1 X 1 1 1 1 1 ¼ þ þ þ ... þ þ ... ¼ 3 3 3 3 3 n¼1 1 1 ¼ 1þ þ þ ... þ 3 9 (2)
n1 1 þ ... ¼ 3
1 1 1 3
¼
1 3 ¼ 2 2 3
Auf eine geometrische Reihe sto¨ßt man auch bei der Lo¨sung der folgenden Aufgabe: Aus Halbkreisen soll, wie in Bild VI-1 dargelegt, eine Spirale gebildet werden, wobei die Radien von Halbkreis zu Halbkreis um jeweils 20 % abnehmen. Welche Gesamtla¨nge L besitzt diese aus unendlich vielen Halbkreisen gebildete Spirale, wenn der Radius des 1. Halbkreises R ist? 1. Halbkreis
3. Halbkreis
5. Halbkreis
4. Halbkreis
2. Halbkreis
Bild VI-1 Zur La¨ngenberechnung einer Spirale, zusammengesetzt aus 1 vielen Halbkreisen
576
VI Potenzreihenentwicklungen
Lo¨sung: Die ersten n Halbkreise haben der Reihe nach folgende La¨ngen: L1 ¼ p R ,
L 2 ¼ p 0,8 R ¼ 0,8 p R ,
L 3 ¼ 0,8 p 0,8 R ¼ 0,8 2 p R,
. . . , L n ¼ 0,8 n 1 p R
Damit betra¨gt die Gesamtla¨nge der ersten n Halbkreise ðwir bezeichnen diese Partialsumme mit L ðnÞÞ: L ðnÞ ¼ L 1 þ L 2 þ L 3 þ . . . þ L n ¼ ¼ p R þ 0,8 p R þ 0,8 2 p R þ . . . þ 0,8 n 1 p R ¼ ¼ p R ð1 þ 0,8 þ 0,8 2 þ . . . þ 0,8 n 1 Þ ¼ p R
n X
0,8 n 1
k¼1
Vergro¨ßert man die Anzahl n der Halbkreise beliebig, d. h. la¨sst man n ! 1 laufen, so entsteht eine geometrische Reihe (Quotient zweier aufeinander folgender Reihenglieder: q ¼ 0,8): p R ð1 þ 0,8 þ 0,8 2 þ . . . þ 0,8 n 1 þ . . .Þ ¼ p R
1 X
0,8 n 1
n¼1
Der Summenwert dieser Reihe entspricht der gesuchten La¨nge L der Spirale: L ¼ p R ð1 þ 0,8 þ 0,8 2 þ . . . þ 0,8 n 1 þ . . .Þ ¼ p R
1 ¼ 5pR 1 0,8
Die Spirale hat also, obwohl aus unendlich vielen Halbkreisen zusammengesetzt, eine endliche La¨nge! (3)
Wir zeigen, dass die unendliche Reihe 1 X
n ¼ 1 þ 2 þ 3 þ ... þ n þ ...
n¼1
bestimmt divergent ist. Die fu¨r die Grenzwertbildung beno¨tigte n-te Partialsumme s n kann dabei nach der Formel sn ¼
n X
k ¼ 1 þ 2 þ 3 þ ... þ n ¼
k¼1
n ðn þ 1Þ 2
berechnet werden (diese Formel fu¨r die Summe der ersten n positiven ganzen Zahlen haben wir der Formelsammlung entnommen ! Kap. I, Abschnitt 3.4). Beim Grenzu¨bergang n ! 1 erhalten wir hieraus: s ¼
1 X n¼1
n ¼ lim s n ¼ lim n!1
n!1
n ðn þ 1Þ ¼ 1 2
Die Reihe ist somit –– wie behauptet –– bestimmt divergent. &
1 Unendliche Reihen
577
1.2.3 ber den Umgang mit unendlichen Reihen Die formale (symbolische) Schreibweise einer unendlichen Reihe in Form einer Summe aus unendlich vielen Summanden fu¨hrt ha¨ufig zu Missversta¨ndnissen. Eine unendliche Reihe darf na¨mlich nicht als eine Erweiterung des Summenbegriffes von endlich vielen Summanden auf unendlich viele Summanden aufgefasst werden! Denn die fu¨r endliche Summen (d. h. Summen mit endlich vielen Summanden) gu¨ltigen Rechenregeln gelten im Allgemeinen nicht fu¨r unendliche Reihen. Bei einer (endlichen) Summe ist der Summenwert unabha¨ngig von der Reihenfolge der Summanden (diese du¨rfen bekanntlich beliebig umgestellt werden) und auch unabha¨ngig davon, ob und wie Klammern gesetzt werden 3). Bei einer unendlichen Reihe kann sich jedoch der Summenwert der Reihe (sofern er u¨berhaupt vorhanden ist) a¨ndern, wenn man z. B. die Reihenfolge der Glieder vera¨ndert oder Glieder durch Klammern zusammenfasst. Ein einfaches Beispiel soll diese wichtige Aussage verdeutlichen. Wir unterstellen zuna¨chst, dass die fu¨r (endliche) Summen geltenden Rechenregeln auch fu¨r unendliche Reihen (unendliche Summen) gu¨ltig sind. Dann aber mu¨sste der Summenwert der unendlichen Reihe 1 1 þ 1 1 þ 1 1 þ ... unabha¨ngig vom eingeschlagenen Rechenweg sein 4). Es bieten sich beispielsweise folgende Rechenvarianten an: 1. Variante: Wir setzen wie folgt Klammern: ð1 1Þ þ ð1 1Þ þ ð1 1Þ þ . . . ¼ 0 þ 0 þ 0 þ . . . ¼ 0 |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} |fflfflfflffl{zfflfflfflffl} 0 0 0 Der Summenwert der Reihe wa¨re somit s ¼ 0, da alle Klammern verschwinden. 2. Variante: Wir beginnen mit der Klammerbildung erst nach dem 1. Glied: 1 þ ð 1 þ 1Þ þ ð 1 þ 1Þ þ . . . ¼ 1 þ 0 þ 0 þ . . . ¼ 1 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} 0 0 Wiederum verschwinden alle Klammern, die Reihe ha¨tte damit den Summenwert s ¼ 1. Fazit: Wir erhalten also –– je nach dem eingeschlagenen Rechenweg –– unterschiedliche Ergebnisse! Daraus folgern wir: Die bekannten Rechenregeln fu¨r endliche Summen (endliche Reihen) gelten im Allgemeinen nicht fu¨r unendliche Reihen (unendliche Summen).
3)
4)
Zur Erinnerung: Die Addition ist eine kommutative und assoziative Rechenoperation (siehe Kap. I, Abschnitt 2.1). Es handelt sich hier um eine sog. alternierende Reihe, bei der die Glieder laufend ihr Vorzeichen a¨ndern. Alle Glieder haben hier den gleichen Betrag (¼ 1).
578
VI Potenzreihenentwicklungen
1.3 Konvergenzkriterien Bei einer unendlichen Reihe ergeben sich automatisch zwei Fragestellungen: 1. Ist die vorliegende unendliche Reihe konvergent, d. h. besitzt sie einen (endlichen) Summenwert oder ist sie divergent 5)? 2. Welchen Summenwert besitzt die unendliche Reihe im Falle der Konvergenz? Zur 1. Fragestellung: Die Frage nach dem Konvergenzverhalten einer Reihe la¨sst sich in der Regel mit Hilfe von sog. Konvergenzkriterien beantworten. Sie ermo¨glichen eine Entscheidung daru¨ber, ob eine vorliegende unendliche Reihe konvergiert oder divergiert (siehe hierzu die in den na¨chsten Abschnitten besprochenen Kriterien). Zur 2. Fragestellung: Der Summenwert einer konvergenten unendlichen Reihe la¨sst sich nur in wenigen Fa¨llen exakt bestimmen, meist leider nur na¨herungsweise unter erheblichem Rechenaufwand und mit Unterstu¨tzung von Computern. Der Summenwert wird dabei durch eine Partialsumme angena¨hert (Abbruch der Reihe, sobald die gewu¨nschte Genauigkeit erreicht ist). Notwendiges Konvergenzkriterium Fu¨r die Konvergenz einer unendlichen Reihe
1 X
a n ist die Bedingung
n¼1
lim a n ¼ 0
n!1
ðVI-16Þ
notwendig, nicht aber hinreichend 6). Mit anderen Worten: Damit die unendliche Reihe konvergiert, mu¨ssen die Reihenglieder diese Bedingung erfu¨llen. Jedoch darf man aus lim a n ¼ 0 keineswegs folgern, dass die unendliche Reihe konvergiert. Es gibt Rein!1
hen, die die Bedingung (VI-16) erfu¨llen und trotzdem divergieren. Eine Reihe jedoch, die das notwendige Konvergenzkriterium (VI-16) nicht erfu¨llt, kann nicht konvergent sein und ist daher divergent. Mit einem notwendigen Konvergenzkriterium kann also nur die Divergenz, nicht aber die Konvergenz einer unendlichen Reihe festgestellt werden! Wir erla¨utern dieses Kriterium an zwei einfachen Beispielen.
&
Beispiele (1)
Sowohl die geometrische Reihe 1 X
0,2 n 1 ¼ 1 þ 0,2 1 þ 0,2 2 þ . . . þ 0,2 n 1 þ . . .
n¼1
5)
6)
In den naturwissenschaftlich-technischen Anwendungen sind in der Regel nur konvergente Reihen von Bedeutung. Diese Bedingung besagt, dass die Reihenglieder eine sog. Nullfolge bilden.
1 Unendliche Reihen
579
als auch die harmonische Reihe 1 X 1 1 1 1 ¼ 1þ þ þ ... þ þ ... n 2 3 n n¼1
erfu¨llen das notwendige Konvergenzkriterium (VI-16): lim 0,2 n 1 ¼ 0
bzw:
n!1
1 ¼ 0 n
lim
n!1
Aber nur die geometrische Reihe ist konvergent, d. h. besitzt einen Summenwert, wie wir aus dem einfu¨hrenden Beispiel aus Abschnitt 1.1 bereits wissen (der Summenwert ist s ¼ 1,25). Die harmonische Reihe dagegen ist divergent, wie man zeigen kann (auf den Beweis wollen wir verzichten). Die Bedingung (VI-16) reicht also fu¨r die Konvergenz einer Reihe nicht aus. (2)
Die unendliche Zahlenreihe 2,1 þ 2,01 þ 2,001 þ 2,0001 þ . . . mit dem Bildungsgesetz a n ¼ 2 þ 0,1 n
ðn 2 N*Þ
ist divergent, da die Reihenglieder das fu¨r die Konvergenz notwendige Kriterium (VI-16) nicht erfu¨llen. Denn es gilt: lim a n ¼ lim ð2 þ 0,1 n Þ ¼ 2 þ lim 0,1 n ¼ 2 þ 0 ¼ 2 6¼ 0
n!1
n!1
n!1
Die Reihenglieder bilden also keine Nullfolge. &
Im Folgenden bescha¨ftigen wir uns mit den wichtigsten hinreichenden Konvergenzkriterien.
1.3.1 Quotientenkriterium Bei der Untersuchung des Konvergenzverhaltens einer unendlichen Reihe erweist sich das folgende als Quotientenkriterium bezeichnete Kriterium als besonders geeignet:
Quotientenkriterium Erfu¨llen die Glieder einer unendlichen Reihe n 2 N* die Bedingung anþ1 ¼ q < 1 lim an n!1
1 X
a n mit a n 6¼ 0 fu¨r alle
n¼1
so ist die Reihe konvergent. Ist aber q > 1, so ist die Reihe divergent.
ðVI-17Þ
580
VI Potenzreihenentwicklungen
Anmerkungen (1)
Fu¨r q ¼ 1 versagt das Quotientenkriterium, d. h. eine Entscheidung u¨ber Konvergenz oder Divergenz ist mit diesem Kriterium nicht mo¨glich. Die Reihe kann also konvergieren oder auch divergieren. In einem solchen Fall muss das Konvergenzverhalten der Reihe mit Hilfe anderer Kriterien untersucht werden.
(2)
Das Quotientenkriterium liefert eine hinreichende Bedingung fu¨r die Reihenkonvergenz. Sie ist jedoch nicht notwendig, d. h. es gibt Reihen, fu¨r die der Grenzwert anþ1 nicht vorhanden ist und die trotzdem konvergieren. lim a n!1 n
(3)
&
Ist die Konvergenzbedingung (VI-17) erfu¨llt, so ist die unendliche Reihe sogar absolut konvergent.
Beispiele (1)
Wir zeigen anhand des Quotientenkriteriums, dass die unendliche Reihe 1 X n¼1
1 1 1 1 1 1 ¼ þ þ þ ... þ þ þ ... ð2 nÞ! 2! 4! 6! ð2 nÞ! ð2 n þ 2Þ!
konvergiert. Mit an ¼
1 ð2 nÞ!
und
anþ1 ¼
1 ð2 n þ 2Þ!
liefert das Kriterium (VI-17) den folgenden Wert fu¨r den Grenzwert q: 1 anþ1 ð2 nÞ! ¼ lim ð2 n þ 2Þ! ¼ lim q ¼ lim ¼ ð2 n þ 2Þ! a 1 n!1 n!1 n!1 n ð2 nÞ! ¼ lim
n!1
ð2 nÞ! 1 ¼ 0 ¼ lim ð2 nÞ! ð2 n þ 1Þ ð2 n þ 2Þ n ! 1 ð2 n þ 1Þ ð2 n þ 2Þ
Dabei haben wir von der „Zerlegung“ ð2 n þ 2Þ! ¼ ð2 nÞ! ð2 n þ 1Þ ð2 n þ 2Þ Gebrauch gemacht (Bild VI-2). Die Reihe ist daher wegen q ¼ 0 < 1 konvergent, besitzt also einen Summenwert.
1 Unendliche Reihen
581 (2 n)!
1
·
3
2
(2 n + 1) · (2 n + 2)
2n
2n + 1
2n + 2
x
(2 n + 2)!
Bild VI-2 Zerlegung des Ausdrucks ð2 n þ 2Þ! in ein Produkt mit dem Faktor ð2 nÞ!
(2)
Das Quotientenkriterium versagt bei der harmonischen Reihe 1 X 1 1 1 1 1 ¼ 1þ þ þ ... þ þ þ ... n 2 3 n nþ1 n¼1
Mit a n ¼
1 1 und a n þ 1 ¼ erhalten wir na¨mlich nach (VI-17): n nþ1
1 anþ1 n 1 n þ 1 ¼ lim ¼ lim ¼ lim ¼ 1 q ¼ lim an 1 1 n!1 n!1 n!1 n þ 1 n!1 1þ n n Mit diesem Kriterium la¨sst sich das Konvergenzverhalten der harmonischen Reihe nicht feststellen (die Reihe ist –– wie bereits erwa¨hnt –– divergent). (3)
Die unendliche Reihe 1 X n¼1
1 1 1 1 1 ¼ þ þ þ ... þ þ ... n ðn þ 1Þ 12 23 34 n ðn þ 1Þ
ist konvergent, obwohl auch hier das Quotientenkriterium (VI-17) versagt: 1 anþ1 n ðn þ 1Þ ðn þ 1Þ ðn þ 2Þ ¼ lim q ¼ lim ¼ lim ¼ an 1 n!1 n!1 n ! 1 ðn þ 1Þ ðn þ 2Þ n ðn þ 1Þ ¼ lim
n!1
n ¼ lim nþ2 n!1
1 2 1þ n
¼ 1
(Faktor n þ 1 ku¨rzen, dann Za¨hler und Nenner gliedweise durch n dividieren). Um die Konvergenz der Reihe nachzuweisen, zerlegen wir das n-te Reihenglied zuna¨chst in zwei Summanden (Partialbruchzerlegung). Der Ansatz lautet: 1 A B ðn þ 1Þ A þ n B ¼ þ ¼ n ðn þ 1Þ n nþ1 n ðn þ 1Þ
582
VI Potenzreihenentwicklungen
Somit gilt: ðn þ 1Þ A þ n B ¼ n A þ A þ n B ¼ ðA þ BÞ n þ A ¼ 1 n ist hier eine diskrete Variable mit n 2 N*. Wir erga¨nzen auf der rechten Seite den (verschwindenden) Summanden 0 n ¼ 0 und erhalten dann durch einen Koeffizientenvergleich 2 Gleichungen fu¨r die Unbekannten A und B: ðA þ BÞ n þ A ¼ 0 n þ 1
)
A þ B ¼ 0,
A ¼ 1
Somit lautet die Lo¨sung: A ¼ 1, B ¼ 1. Damit ko¨nnen wir die Reihe auch wie folgt schreiben: 1 1 X X 1 1 1 ¼ n ðn þ 1Þ n nþ1 n¼1 n¼1 Die ersten n Partialsummen lauten dann: 1 1 1 ¼ 1 1 2 2 1 1 1 1 1 s2 ¼ þ ¼ 1 1 2 2 3 3 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} 0 1 1 1 1 1 1 1 s3 ¼ þ þ ¼ 1 1 2 2 3 3 4 4 |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflffl} 0 0 .. . s1 ¼
sn ¼
1 1 1 2
þ
1 1 2 3
þ ... þ
1 1 n1 n
þ
1 1 ¼ n nþ1
1 1 1 1 1 1 1 þ þ ... þ þ ¼ 2 2 3 n1 n n nþ1 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} 0 1 ¼ 1 ðf u¨ r alle n 2 N*Þ nþ1 1 1 1 1 , , , ..., In der n-ten Partialsumme s n treten die „inneren“ Glieder 2 3 4 n jeweils doppelt, aber mit unterschiedlichem Vorzeichen auf und heben sich daher auf. Die Partialsummenfolge hs n i konvergiert fu¨r n ! 1 gegen den Grenzwert 1: 1 ¼ 1 lim s n ¼ lim 1 nþ1 n!1 n!1 ¼ 1
Die vorliegende Reihe ist somit konvergent mit dem Summenwert s ¼ 1.
&
1 Unendliche Reihen
583
1.3.2 Wurzelkriterium Ein weiteres nu¨tzliches Konvergenzkriterium ist das folgende sog. Wurzelkriterium.
Wurzelkriterium Erfu¨llen die Glieder einer unendlichen Reihe pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi lim n j a n j ¼ q < 1
1 X
a n die Bedingung
n¼1
n!1
ðVI-18Þ
so ist die Reihe konvergent. Ist aber q > 1, so ist die Reihe divergent. Anmerkungen
&
(1)
Fu¨r q ¼ 1 versagt das Wurzelkriterium.
(2)
Die Bedingung (VI-18) ist hinreichend, nicht aber notwendig fu¨r die Konvergenz einer Reihe.
(3)
Ist die Bedingung (VI-18) erfu¨llt, so ist die unendliche Reihe sogar absolut konvergent.
Beispiel Wir zeigen mit Hilfe des Wurzelkriteriums, dass die unendliche Reihe 1 X 1 1 1 1 1 ¼ 1 þ 2 þ 3 þ ... þ n þ ... n n 1 2 3 n n¼1
1 liefert das Kriterium (VI-18) den folgenden Wert fu¨r q: nn rffiffiffiffiffiffiffi p ffiffiffiffiffi n p ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 n 1 n j a n j ¼ lim ¼ 0 q ¼ lim ¼ lim p ffiffiffiffiffiffi ¼ lim n n n n n!1 n!1 n!1 n!1 n n
konvergiert. Mit a n ¼
Aus q ¼ 0 < 1 folgt die Konvergenz der vorliegenden Reihe, die somit einen (endlichen, aber noch unbekannten) Summenwert besitzt (Na¨herungswerte erha¨lt man durch Aufaddieren der Reihenglieder und Abbruch nach Erreichen der gewu¨nschten Genauigkeit). &
1.3.3 Vergleichskriterien Das (noch unbekannte) Konvergenzverhalten einer unendlichen Reihe la¨sst sich ha¨ufig auch durch einen Vergleich mit einer anderen Reihe, deren Konvergenzverhalten bekannt ist, bestimmen. Kriterien dieser Art werden daher als Vergleichskriterien bezeichnet. Von Bedeutung sind dabei das Majoranten- und das Minorantenkriterium (ohne Beweis).
584
VI Potenzreihenentwicklungen
Vergleichskriterien fu¨r unendliche Reihen mit positiven Gliedern 1 X Das Konvergenzverhalten einer unendlichen Reihe a n mit positiven Gliedern n¼1
la¨sst sich oft mit Hilfe einer geeigneten (konvergenten bzw. divergenten) Vergleichs1 X b n nach den folgenden Kriterien bestimmen: reihe n¼1
Majorantenkriterium Die vorliegende Reihe konvergiert, wenn folgende Bedingungen erfu¨llt sind: 1. Die Vergleichsreihe ist konvergent. 2. Zwischen den Gliedern beider Reihen besteht die Beziehung (Ungleichung) an bn
ðf u¨ r alle n 2 N*Þ
ðVI-19Þ
Die (konvergente) Vergleichsreihe wird als Majorante oder Oberreihe bezeichnet. Minorantenkriterium Die vorliegende Reihe divergiert, wenn folgende Bedingungen erfu¨llt sind: 1. Die Vergleichsreihe ist divergent. 2. Zwischen den Gliedern beider Reihen besteht die Beziehung (Ungleichung) an bn
ðf u¨ r alle n 2 N*Þ
ðVI-20Þ
Die (divergente) Vergleichsreihe wird als Minorante oder Unterreihe bezeichnet. Anmerkungen
&
(1)
Es genu¨gt, wenn die Bedingung (VI-19) bzw. (VI-20) von einem gewissen n 0 an, d. h. erst fu¨r alle Reihenglieder mit n n 0 erfu¨llt wird.
(2)
Mit dem Majorantenkriterium kann die Konvergenz, mit dem Minorantenkriterium die Divergenz einer Reihe festgestellt werden.
Beispiele (1)
Wir zeigen, dass die unendliche Reihe 1 X 1 1 1 1 1 ¼ 1þ þ þ þ ... þ þ ... n ! 2 ! 3 ! 4 ! n ! n¼1
konvergent ist. Eine konvergente Majorante zu dieser Reihe la¨sst sich wie folgt finden.
1 Unendliche Reihen
585
Das n-te Glied der Reihe kann auch als Produkt der Kehrwerte aller natu¨rlichen Zahlen von 1 bis n dargestellt werden: an ¼
1 1 1 1 1 1 1 ¼ ¼ ... n! 1 2 3 4 ... n 1 2 3 4 n
Wir vera¨ndern dieses Produkt jetzt wie folgt: Die ersten beiden Faktoren werden 1 beibehalten, alle weiteren durch die gro¨ßere Zahl ersetzt. Es entsteht dann die 2 Ungleichung 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ¼ ... 1 ... ¼ n! 1 2 3 4 n 2 2 2 2 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} " " " diese ðn 2Þ Faktoren werden durch 1/2 ersetzt
n1 1 2
ðn 1Þ Faktoren
Somit erhalten wir fu¨r das n-te Reihenglied die Abscha¨tzung (Ungleichung) an ¼
1 n!
n1 1 2
ðf u¨ r alle n 2 N*Þ
Dabei gilt das Gleichheitszeichen nur fu¨r die ersten beiden Glieder. Ab dem 3. Glied gilt sogar an ¼
1 < n!
n1 1 2
ðf u¨ r alle n 3Þ
Dies aber bedeutet, dass die Glieder der Reihe vom 3. Glied an kleiner sind als die entsprechenden Glieder der konvergenten geometrischen Reihe 2 3 n1 1 n1 X 1 1 1 1 1 þ ¼ 1þ þ þ ... þ þ ... 2 2 2 2 2 n¼1 (geometrische Reihe fu¨r q ¼ 1=2 mit dem Summenwert s ¼ 2; siehe hierzu Beispiel (1) in Abschnitt 1.2.2). Damit ist die Konvergenzbestimmung (VI-19) des Majorantenkriteriums erfu¨llt. Die geometrische Reihe fu¨r q ¼ 1=2 ist somit eine Majorante der vorliegenden Reihe und diese daher konvergent (sie besitzt im brigen den Summenwert s ¼ e 1 1,7183.
586
(2)
VI Potenzreihenentwicklungen
Es la¨sst sich relativ leicht zeigen, dass die unendliche Reihe 1 X
1 1 1 1 1 pffiffiffiffiffi ¼ 1 þ pffiffiffiffiffi þ pffiffiffiffiffi þ pffiffiffiffiffi þ . . . þ pffiffiffiffiffi þ . . . n n 3 2 4 n¼1 pffiffiffiffiffi divergent ist. Fu¨r jedes natu¨rliche n 1 gilt n n und somit (nach Kehrwertbildung) die Ungleichung 1 1 pffiffiffiffiffi n n
ðf u¨ r alle n 2 N*Þ
Vom 2. Reihenglied an sind die Glieder der vorliegenden Reihe sogar gro¨ßer als die entsprechenden Glieder der harmonischen Reihe 1 X 1 1 1 1 1 ¼ 1þ þ þ þ ... þ þ ... n 2 3 4 n n¼1
Die Bedingung (VI-20) des Minorantenkriteriums ist somit erfu¨llt. Aus der (bekannten) Divergenz der harmonischen Reihe folgt dann die Divergenz der vorlie& genden Reihe.
1.3.4 Leibnizsches Konvergenzkriterium fu¨r alternierende Reihen Wir bescha¨ftigen uns nun mit alternierenden Reihen, d. h. Reihen, deren Glieder abwechselnd positiv und negativ sind. Eine solche Reihe ist in der Form 1 X
ð 1Þ n þ 1 a n ¼ a 1 a 2 þ a 3 a 4 þ . . .
ðVI-21Þ
n¼1
mit a n > 0 darstellbar. Der Faktor ð 1Þ n þ 1 ist dabei abwechselnd positiv und negativ und bestimmt somit das Vorzeichen der Glieder. Es wird daher auch als Vorzeichenfaktor bezeichnet. Fu¨r alternierende Reihen existiert ein spezielles von Leibniz stammendes Konvergenzkriterium. Es lautet (ohne Beweis):
Leibnizsches Konvergenzkriterium fu¨r alternierende Reihen Eine alternierende Reihe vom Typ 1 X
ð 1Þ n þ 1 a n ¼ a 1 a 2 þ a 3 a 4 þ . . .
ðVI-22Þ
n¼1
mit a n > 0 fu¨r alle n 2 N* ist konvergent, wenn die Reihenglieder die folgenden Bedingungen erfu¨llen: 1: 2:
a1 > a2 > a3 > . . . > an > anþ1 > . . . lim a n ¼ 0
n!1
ðVI-23Þ
1 Unendliche Reihen
587
Anmerkung Eine alternierende Reihe ist demnach konvergent, wenn die Betra¨ge ihrer Glieder eine monoton fallende Nullfolge bilden (hinreichende Konvergenzbedingung).
&
Beispiele (1)
Die alternierende Reihe 1 X
ð 1Þ n þ 1
n¼1
1 1 1 1 1 ¼ þ þ ... n! 1! 2! 3! 4!
ist konvergent, da die Betra¨ge ihrer Glieder eine monoton fallende Nullfolge bilden und somit das hinreichende Leibnizsche Konvergenzkriterium (VI-23) erfu¨llen: 1 1 1 1 1 1 > > > > ... > > > ... 1! 2! 3! 4! n! ðn þ 1Þ! lim a n ¼ lim
n!1
(2)
n!1
1 1 ¼ lim ¼ 0 n! 1 2 3 ... n n!1
Auch die sog. alternierende harmonische Reihe 1 X
ð 1Þ n þ 1
n¼1
1 1 1 1 ¼ 1 þ þ ... n 2 3 4
konvergiert, da sie die Konvergenzbedingungen (VI-23) erfu¨llt: 1 1 1 1 1 > > > ... > > > ... 2 3 4 n nþ1
1 >
lim a n ¼ lim
n!1
(3)
n!1
1 ¼ 0 n
Die alternierende geometrische Reihe 1 X
ð 1Þ n þ 1 ¼ 1 1 þ 1 1 þ . . .
n¼1
dagegen ist divergent, da sie keine der beiden im Leibnizschen Konvergenzkriterium (VI-23) genannten Bedingungen erfu¨llt: 9 a n ¼ 1 f u¨ r alle n 2 N* > = ) Die unendliche Zahlenfolge ha n ¼ 1i lim a n ¼ lim 1 ¼ 1 > ist keine monoton fallende Nullfolge! ; n!1
n!1
&
588
VI Potenzreihenentwicklungen
1.4 Eigenschaften konvergenter bzw. absolut konvergenter Reihen Konvergente Reihen besitzen die folgenden bemerkenswerten Eigenschaften, die wir ohne Beweis anfu¨hren.
Eigenschaften konvergenter Reihen 1. Eine konvergente Reihe bleibt konvergent, wenn man endlich viele Glieder wegla¨sst oder hinzufu¨gt oder aba¨ndert. Dabei kann sich jedoch der Summenwert der Reihe a¨ndern. Klammern dagegen du¨rfen im Allgemeinen nicht weggelassen werden, ebenso wenig darf die Reihenfolge der Glieder vera¨ndert werden. 2. Aufeinander folgende Glieder einer konvergenten Reihe du¨rfen durch eine Klammer zusammengefasst werden, wobei der Summenwert der Reihe erhalten bleibt. 3. Eine konvergente Reihe mit ausschließlich nichtnegativen Gliedern (d. h. a n 0 fu¨r alle n 2 N*) ist stets absolut konvergent. 4. Rechenregeln fu¨r konvergente Reihen a) Eine konvergente Reihe darf gliedweise mit einer Konstanten c multipliziert werden, wobei sich auch der Summenwert s der Reihe mit dieser Konstanten multipliziert: c
1 X
1 X
an ¼
n¼1
c an ¼ c s
ðVI-24Þ
n¼1
b) Zwei konvergente Reihen mit den Summenwerten s a und s b du¨rfen gliedweise addiert bzw. subtrahiert werden, wobei sich die Summenwerte addieren bzw. subtrahieren: 1 X
an þ
n¼1
1 X
bn ¼
n¼1
1 X n¼1
ða n þ b nÞ ¼ s a þ sb
ðVI-25Þ
Fu¨r absolut konvergente Reihen gelten sogar (sinngema¨ß) die gleichen Rechenregeln wie fu¨r endliche Summen! Die Glieder einer solchen Reihe du¨rfen beliebig angeordnet werden, eine solche Umordnung hat keinen Einfluss auf den Summenwert der Reihe. Fu¨r ein Produkt zweier absolut konvergenter Reihen mit den Summenwerten s a und s b gilt: 1 X n¼1
! an
1 X n¼1
! bn
¼
1 X n¼1
cn ¼ sa sb
ðVI-26Þ
1 Unendliche Reihen
589
Das Ausmultiplizieren erfolgt gliedweise wie bei endlichen Summen und kann z. B. nach dem folgenden Schema erfolgen: b1
b2
b3
...
a1
a1 b1
a1 b2
a1 b3
...
a2
a2 b1
a2 b2
a2 b3
...
a3
a3 b1
a3 b2
a3 b3
...
.. .
.. .
.. .
.. .
a 1 b 1 þ ða 1 b 2 þ a 2 b 1 Þ þ ða 1 b 3 þ a 2 b 2 þ a 3 b 1 Þ þ . . . |ffl{zffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} c1 c2 c3 &
Beispiel In Abschnitt 1.3.4 haben wir bereits gezeigt, dass die alternierende harmonische Reihe konvergent ist. Wir du¨rfen daher aufeinander folgende Reihenglieder durch eine Klammer zu einem (neuen) Glied zusammenfassen. Wir erhalten auf diese Weise eine neue Darstellungsform der Reihe: 1 X
ð 1Þ n þ 1
n¼1
1 1 1 1 1 1 ¼ 1 þ þ þ ... ¼ n 2 3 4 5 6 |fflfflffl{zfflfflffl} |fflfflffl{zfflfflffl} |fflfflffl{zfflfflffl} 1 1 1 1 1 ¼ 1 þ þ þ ... ¼ 2 3 4 5 6 21 43 65 þ þ þ ... ¼ ¼ 12 34 56 ¼
1 1 1 þ þ þ ... ¼ 12 34 56
Das Bildungsgesetz dieser Reihe lautet offensichtlich: an ¼
1 ð2 n 1Þ 2 n
ðf u¨ r alle n 2 N*Þ
Somit gilt: 1 X n¼1
ð 1Þ n þ 1
1 1 X 1 1 1 X 1 ¼ ¼ n ð2 n 1Þ 2 n 2 ð2 n 1Þ n n¼1 n¼1
Der Summenwert der alternierenden harmonischen Reihe hat sich dabei nicht gea¨ndert. Wir werden in Abschnitt 3.2.2 zeigen, dass die Reihe den Summenwert s ¼ ln 2 besitzt (diese Reihe entsteht, wenn man die Logarithmusfunktion ln x um die Stelle x 0 ¼ 1 in eine Taylor-Reihe entwickelt und fu¨r die Variable x dann den Wert x ¼ 2 einsetzt).
&
590
VI Potenzreihenentwicklungen
2 Potenzreihen 2.1 Definition einer Potenzreihe Potenzreihen unterscheiden sich von den bisher behandelten Zahlenreihen dadurch, dass ihre Glieder Potenzen und somit Funktionen einer unabha¨ngigen Variablen x darstellen.
Definition: Unter einer Potenzreihe versteht man eine unendliche Reihe vom Typ P ðxÞ ¼
1 X
an xn ¼ a0 þ a1 x1 þ a2 x2 þ . . . þ an xn þ . . .
n¼0
ðVI-27Þ
Die reellen Zahlen a 0 , a 1 , a 2 , . . . heißen Koeffizienten der Potenzreihe. Zu einer etwas allgemeineren Darstellungsform der Potenzreihen gelangt man durch die Definitionsvorschrift P ðxÞ ¼
1 X
a n ðx x 0 Þ n ¼
n¼0
¼ a 0 þ a 1 ðx x 0 Þ 1 þ a 2 ðx x 0 Þ 2 þ . . . þ a n ðx x 0 Þ n þ . . . ðVI-28Þ Die Stelle x 0 heißt „Entwicklungspunkt“ oder auch „Entwicklungszentrum“. Fu¨r x 0 ¼ 0 erhalten wir die in den Anwendungen meist auftretende spezielle Form 1 X a n x n („Entwicklung um den Nullpunkt“). Die allgemeine Form (VI-28) kann dabei n¼0
stets mit Hilfe der formalen Substitution z ¼ x x 0 auf die spezielle Form (VI-27) zuru¨ckgefu¨hrt werden, so dass wir uns im Wesentlichen auf diesen Potenzreihentyp beschra¨nken ko¨nnen. &
Beispiele (1)
P ðxÞ ¼
1 X
xn ¼ 1 þ x1 þ x2 þ ... þ xn þ ...
n¼0
(2)
P ðxÞ ¼
(3)
P ðxÞ ¼
1 X xn x1 x2 xn ¼ 1þ þ þ ... þ þ ... n! 1! 2! n! n¼0 1 X n¼1
ð 1Þ n þ 1
ðx 1Þ n ðx 1Þ 1 ðx 1Þ 2 ðx 1Þ 3 ¼ þ þ ... n 1 2 3 &
2 Potenzreihen
591
2.2 Konvergenzverhalten einer Potenzreihe Bei einer Potenzreihe P ðxÞ ¼
1 X
a n x n ha¨ngt der Wert eines jeden Gliedes und damit
n¼0
auch der Summenwert (falls er u¨berhaupt vorhanden ist) noch vom Wert der unabha¨ngigen Variablen x ab. Wir bescha¨ftigen uns daher in diesem Abschnitt mit dem Konvergenzverhalten einer Potenzreihe und untersuchen insbesondere, fu¨r welche x-Werte die Reihe konvergiert. Konvergenzbereich einer Potenzreihe Nach den Ausfu¨hrungen in Abschnitt 1.2.2 konvergiert eine Potenzreihe P ðxÞ definitionsgema¨ß an einer Stelle x 1 , wenn die Partialsummenfolge P 0 ðx 1 Þ ¼ a 0 P 1 ðx 1 Þ ¼ a 0 þ a 1 x 1 P 2 ðx 1 Þ ¼ a 0 þ a 1 x 1 þ a 2 x 12 .. . P n ðx 1 Þ ¼ a 0 þ a 1 x 1 þ a 2 x 12 þ . . . þ a n x 1n .. .
ðVI-29Þ
einem Grenzwert, dem sog. Summenwert P ðx 1 Þ, zustrebt. Besitzt diese Folge jedoch keinen Grenzwert, so ist die Potenzreihe an der Stelle x 1 divergent. Wir definieren daher:
Definition: Die Menge aller x-Werte, fu¨r die eine Potenzreihe giert, heißt Konvergenzbereich der Potenzreihe.
1 X
a n x n konver-
n¼0
Fu¨r x ¼ 0 konvergiert jede Potenzreihe und besitzt dort den Summenwert P ð0Þ ¼ a 0 . Es gibt Potenzreihen, die nur fu¨r x ¼ 0 konvergieren und solche, die fu¨r alle x 2 R konvergieren. Beispiele hierzu werden wir spa¨ter noch kennenlernen. Allgemein la¨sst sich zeigen, dass eine Potenzreihe stets in einem bestimmten, zum Nullpunkt symmetrisch angeordneten Intervall j x j < r konvergiert und außerhalb dieses Intervalls divergiert, wobei wir zuna¨chst einmal vom Konvergenzverhalten der Reihe in den beiden Randpunkten j x j ¼ r absehen wollen (Bild VI-3).
Divergenz
?
Konvergenz
x1 = – r
Bild VI-3 Konvergenzbereich einer Potenzreihe
0
?
x2 = r
Divergenz
x
592
VI Potenzreihenentwicklungen
Geometrische Deutung des Konvergenzbereiches Der Konvergenzbereich einer Potenzreihe la¨sst sich geometrisch wie folgt konstruieren. Wir schlagen um den Nullpunkt der Zahlengerade (x-Achse) einen Kreis mit dem Radius r, den sog. Konvergenzkreis (Bild VI-3). Er schneidet die Zahlengerade an den Stellen x 1 ¼ r und x 2 ¼ þ r. Der Konvergenzbereich der Potenzreihe ist dann der im Innern des Konvergenzkreises liegende Bereich der Zahlengerade. Außerhalb dieses Bereiches divergiert die Reihe. Der Radius r des Konvergenzkreises heißt daher in diesem Zusammenhang auch Konvergenzradius. ber das Konvergenzverhalten einer Potenzreihe in den beiden Randpunkten lassen sich jedoch keine allgemeingu¨ltigen Aussagen machen. Es gibt Potenzreihen, die in einem der beiden Randpunkte oder sogar in beiden Randpunkten konvergieren, und solche, die in keinem der beiden Randpunkte konvergieren. Zur Feststellung des Konvergenzverhaltens in den Randpunkten bedarf es daher stets weiterer Untersuchungen.
ber das Konvergenzverhalten einer Potenzreihe (Bild VI-3) Zu jeder Potenzreihe
1 X
a n x n gibt es eine positive Zahl r, Konvergenzradius
n¼0
genannt, mit den folgenden Eigenschaften: 1. Die Potenzreihe konvergiert u¨berall im Intervall j x j < r. 2. Die Potenzreihe divergiert dagegen fu¨r j x j > r. 3. ber das Konvergenzverhalten der Potenzreihe in den Randpunkten j x j ¼ r lassen sich jedoch keine allgemeingu¨ltigen Aussagen machen. Es bedarf hierzu weiterer Untersuchungen.
Anmerkungen (1)
(2) (3)
Der Konvergenzbereich einer Potenzreihe besteht somit aus dem Intervall j x j < r, zu dem gegebenenfalls noch ein oder sogar beide Randpunkte hinzukommen. Konvergiert eine Potenzreihe nur an der Stelle x ¼ 0, so setzt man r ¼ 0. Eine besta¨ndig, d. h. fu¨r alle x 2 R konvergierende Potenzreihe besitzt den Konvergenzradius r ¼ 1.
Berechnung des Konvergenzradius Wir wollen nun eine Formel herleiten, mit der wir den Konvergenzradius r einer Po1 X a n x n berechnen ko¨nnen, wobei wir voraussetzen, dass sa¨mtliche Koeffitenzreihe n¼0
zienten a n von Null verschieden sind. Nach dem Quotientenkriterium (VI-17) konver-
2 Potenzreihen
593 1 X
giert die Reihe
b n , wenn ihre Glieder die Bedingung
n¼0
bnþ1 < 1 lim b n!1
ðVI-30Þ
n
erfu¨llen. Mit b n ¼ a n x n und b n þ 1 ¼ a n þ 1 x n þ 1 erhalten wir hieraus die folgende Konvergenzbedingung fu¨r unsere Potenzreihe: bnþ1 anþ1 xnþ1 anþ1 ¼ lim ¼ lim x ¼ lim n bn an x an n!1 n!1 n!1 anþ1 ¼ j x j lim a n þ 1 < 1 ¼ lim j x j ðVI-31Þ an an n!1 n!1 Durch Auflo¨sen dieser Ungleichung nach j x j erhalten wir schließlich 1 an 1 ¼ r jxj < ¼ nlim a n þ 1 ¼ nlim !1 anþ1 !1 anþ1 lim a an n n!1
ðVI-32Þ
wobei wir noch an r ¼ lim n!1 a
nþ1
gesetzt haben. Die Potenzreihe
ðVI-33Þ 1 X
a n x n konvergiert somit fu¨r j x j < r, d. h. r ist
n¼0
der gesuchte Konvergenzradius der Reihe. Wir fassen dieses wichtige Ergebnis wie folgt zusammen:
Konvergenzradius einer Potenzreihe (Bild VI-3) Der Konvergenzradius r einer Potenzreihe an r ¼ lim n!1 anþ1
1 X
a n x n la¨sst sich nach der Formel
n¼0
ðVI-34Þ
berechnen (Voraussetzung: alle Koeffizienten a n 6¼ 0 und der Grenzwert ist vorhanden). Die Reihe konvergiert dann fu¨r j x j < r und divergiert fu¨r j x j > r (vgl. hierzu auch Bild VI-3). In den beiden Randpunkten x 1 ¼ r und x 2 ¼ þ r ist das Konvergenzverhalten der Potenzreihe zuna¨chst unbestimmt. Es bedarf hier weiterer Untersuchungen.
594
VI Potenzreihenentwicklungen
Anmerkungen (1)
Der Konvergenzradius la¨sst sich auch nach der Formel r ¼
1 p ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi lim n j a n j
ðVI-35Þ
n!1
berechnen, die man aus dem Wurzelkriterium (VI-18) erha¨lt. (2)
Die Formeln (VI-34) und (VI-35) gelten auch fu¨r den Konvergenzradius r einer 1 X a n ðx x 0 Þ n . Diese Reihe konvergiert Potenzreihe vom allgemeinen Typ n¼0
dann fu¨r j x x 0 j < r, d. h. im Intervall ðx 0 r, x 0 þ rÞ und divergiert fu¨r j x x 0 j > r, wa¨hrend das Konvergenzverhalten in den beiden Randpunkten x 1 ¼ x 0 r und x 2 ¼ x 0 þ r zuna¨chst unbestimmt ist (Bild VI-4). Divergenz
?
x0 – r
?
Konvergenz
x0
Divergenz
x0 + r
Bild VI-4 Konvergenzbereich einer Potenzreihe vom allgemeinen Typ
x 1 X
a n ðx x 0 Þ n
n¼0
&
Beispiele (1)
Wir untersuchen das Konvergenzverhalten der geometrischen Reihe 1 X
xn ¼ 1 þ x1 þ x2 þ . . . þ xn þ xnþ1 þ . . .
n¼0
Mit a n ¼ 1 und a n þ 1 ¼ 1 erhalten wir fu¨r den Konvergenzradius dieser Reihe nach Formel (VI-34): an ¼ lim 1 ¼ lim 1 ¼ 1 r ¼ lim n!1 anþ1 n!1 1 n!1 Die geometrische Reihe konvergiert damit fu¨r j x j < 1 und divergiert fu¨r j x j > 1. Wir untersuchen jetzt das Konvergenzverhalten der Reihe in den beiden Randpunkten: Randpunkt x 1 ¼ 1:
1 1 þ 1 1 þ ...
Randpunkt x 2 ¼ þ 1:
1 þ 1 þ 1 þ 1 þ ...
2 Potenzreihen
595
Beide Zahlenreihen sind divergent. Die erste Reihe wurde bereits im Anschluss an das Leibnizsche Konvergenzkriterium untersucht und dort als divergent erkannt (siehe hierzu Abschnitt 1.3.4). Die zweite Reihe besitzt den „ Summenwert “ s ¼ 1 und ist daher bestimmt divergent. Die geometrische Reihe konvergiert demnach im offenen Intervall 1 < x < 1. (2)
Der Konvergenzradius der Potenzreihe 1 X xn x1 x2 xn xnþ1 ¼ 1þ þ þ ... þ þ þ ... n! 1! 2! n! ðn þ 1Þ! n¼0 1 1 betra¨gt nach Formel (VI-34) mit a n ¼ und a n þ 1 ¼ : n! ðn þ 1Þ!
an r ¼ lim n!1 a
nþ1
¼ lim
n!1
¼ lim n!1
1 n! ðn þ 1Þ! ¼ lim ¼ n! 1 n!1 ðn þ 1Þ!
n ! ðn þ 1Þ ¼ lim ðn þ 1Þ ¼ 1 n! n!1
Die Reihe ist daher besta¨ndig konvergent, d. h. sie konvergiert fu¨r jedes reelle x. (3)
Wir untersuchen die Potenzreihe 1 X
ð 1Þ n þ 1
n¼1
ðx 1Þ n ðx 1Þ 1 ðx 1Þ 2 ðx 1Þ 3 ¼ þ þ ... n 1 2 3
auf Konvergenz. Zuna¨chst bringen wir die Reihe mit Hilfe der Substitution z ¼ x 1 in die etwas „bequemere“ Form 1 X
ð 1Þ n þ 1
n¼1
zn z1 z2 z3 ¼ þ þ ... n 1 2 3
Der Konvergenzradius dieser alternierenden Reihe betra¨gt dann mit 1 1 a n ¼ ð 1Þ n þ 1 und a n þ 1 ¼ ð 1Þ n þ 2 n nþ1 nach Formel (VI-34):
1 ð 1Þ n þ 1 n ¼ lim 1 n!1 nþ1 nþ2 ð 1Þ nþ1
an r ¼ lim n!1 a
1 ¼ lim n!1 1 n
1 n nþ1 1 ¼ lim ¼ lim 1 þ ¼ 1 ¼ lim n n 1 n!1 n!1 n!1 nþ1
1 n ¼ 1 þ1
596
VI Potenzreihenentwicklungen
Die Reihe konvergiert daher mit Sicherheit fu¨r j z j < 1. Wir untersuchen jetzt das Konvergenzverhalten in den beiden Randpunkten: 1 1 1 1 Randpunkt z 1 ¼ 1: 1 ... ¼ 1 þ þ þ ... 2 3 2 3 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} harmonische Reihe
Die Reihe divergiert fu¨r z ¼ 1, da die harmonische Reihe bekanntlich divergiert (siehe hierzu Beispiel (2) aus Abschnitt 1.3.1). Randpunkt z 2 ¼ þ 1:
1 1 1 þ þ ... 2 3 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} alternierende harmonische Reihe
Wir erhalten im rechten Randpunkt Konvergenz, da die alternierende harmonische Reihe bekanntlich konvergiert (siehe hierzu auch Abschnitt 1.3.4). Damit konvergiert die Potenzreihe fu¨r alle z-Werte aus dem Intervall 1 < z 1. Nach Ru¨cksubstitution ergibt sich daher fu¨r die urspru¨ngliche Potenzreihe der folgende Konvergenzbereich: 1 < x 1 1
oder
0 < x 2
&
2.3 Eigenschaften der Potenzreihen Eine Potenzreihe P ðxÞ kann im Innern ihres Konvergenzkreises als eine Funktion der unabha¨ngigen Variablen x aufgefasst werden, die jedem x aus dem Konvergenzinter1 X a n x n genau einen Funkvall ð r, rÞ mit Hilfe der Definitionsvorschrift P ðxÞ ¼ n¼0
tionswert zuordnet. Potenzreihen besitzen bemerkenswerte Eigenschaften, von denen wir an dieser Stelle nur einige besonders wichtige aufza¨hlen wollen:
Wichtige Eigenschaften der Potenzreihen 1. Eine Potenzreihe konvergiert innerhalb ihres Konvergenzbereiches absolut. 2. Eine Potenzreihe darf innerhalb ihres Konvergenzbereiches beliebig oft gliedweise differenziert und integriert werden. Die neuen Potenzreihen besitzen den gleichen Konvergenzradius wie die urspru¨ngliche Reihe. 3. Zwei Potenzreihen du¨rfen im gemeinsamen Konvergenzbereich der Reihen gliedweise addiert, subtrahiert und miteinander multipliziert werden. Die neuen Potenzreihen konvergieren dann mindestens im gemeinsamen Konvergenzbereich der beiden Ausgangsreihen.
3 Taylor-Reihen
597
Anmerkung Potenzreihen du¨rfen somit innerhalb ihres Konvergenzbereiches wie Polynomfunktionen behandelt werden, d. h. sie du¨rfen gliedweise addiert, subtrahiert, miteinander multipliziert, differenziert und integriert werden.
&
Beispiel Aus Abschnitt 2.2 ist bekannt, dass die geometrische Reihe P ðxÞ ¼ 1 þ x 1 þ x 2 þ x 3 þ . . . þ x n þ . . . ¼
1 X
xn
n¼0
den Konvergenzradius r ¼ 1 besitzt. Dies gilt auch fu¨r die durch gliedweise Differentiation bzw. Integration gewonnenen Potenzreihen: P 0 ðxÞ ¼
d ð1 þ x 1 þ x 2 þ x 3 þ . . . þ x n þ . . .Þ ¼ dx
¼ 0 þ 1 þ 2 x1 þ 3 x2 þ . . . þ n xn1 þ . . . ¼ ¼
1 X
n xn1 ¼
n¼1
ð
1 X
ðn þ 1Þ x n
n¼0
ð P ðxÞ dx ¼
ð1 þ x 1 þ x 2 þ x 3 þ . . . þ x n þ . . .Þ dx ¼
¼ x1 þ ¼
1 X n¼0
1 2 1 3 1 4 1 x þ x þ x þ ... þ xnþ1 þ . . . ¼ 2 3 4 nþ1
1 X 1 1 n xnþ1 ¼ x nþ1 n n¼1
&
3 Taylor-Reihen Aus dem vorherigen Abschnitt ist bekannt, dass Potenzreihen in vieler Hinsicht a¨hnlich einfache Eigenschaften besitzen wie Polynomfunktionen. Wir werden in diesem Abschnitt zeigen, dass es unter gewissen Voraussetzungen grundsa¨tzlich mo¨glich ist, eine vorgegebene Funktion f ðxÞ in eine Potenzreihe zu „entwickeln“. Aus einer solchen Reihenentwicklung lassen sich dann durch Abbruch der Reihe einfache Na¨herungsfunktionen fu¨r f ðxÞ in Form von Polynomen gewinnen.
598
VI Potenzreihenentwicklungen
Die Potenzreihenentwicklung einer Funktion erweist sich in den naturwissenschaftlichtechnischen Anwendungen als ein außerordentlich nu¨tzliches mathematisches Hilfsmittel und wird z. B. bei der Lo¨sung der folgenden Problemstellungen herangezogen: Anna¨herung einer Funktion durch eine Polynomfunktion (z. B. durch eine lineare oder quadratische Funktion) Na¨herungsweise Berechnung von Funktionswerten Herleitung von Na¨herungsformeln fu¨r die „praktische“ Mathematik Integration einer Funktion durch Potenzreihenentwicklung des Integranden und anschließender gliedweiser Integration Na¨herungsweises Lo¨sen von Gleichungen Auswertung sog. „unbestimmter Ausdru¨cke“
3.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel Als einfu¨hrendes Beispiel betrachten wir die besonders einfach gebaute Potenzreihe P ðxÞ ¼ 1 þ x 1 þ x 2 þ x 3 þ . . . ¼
1 X
ðVI-36Þ
xn
n¼0
Es handelt sich dabei um die bereits aus den Abschnitten 1.2.2 und 2.2 bekannte geometrische Reihe mit den folgenden Eigenschaften: 1. Die Potenzreihe konvergiert nur fu¨r j x j < 1. 2. Die Reihe besitzt in diesem Konvergenzbereich den „Summenwert“
1 . 1x
Daher gilt im Intervall 1 < x < 1: 1 þ x1 þ x2 þ x3 þ ... ¼
1 1x
ðVI-37Þ
Diese Gleichung la¨sst sich aber auch als „Gleichheit“ zweier Funktionen interpretieren. Auf der rechten Seite der Gleichung steht die gebrochenrationale Funktion 1 X 1 , auf der linken Seite die Potenzreihe P ðxÞ ¼ x n . Beide Funktionen f ðxÞ ¼ 1x n¼0 stimmen u¨berall im Intervall 1 < x < 1 in ihren Funktionswerten miteinander 1 X x n als eine u¨berein. Wir ko¨nnen daher in diesem Intervall die Potenzreihe P ðxÞ ¼ n¼0
1 ansehen. 1x Man bezeichnet diese Art der Darstellung einer Funktion durch eine Potenzreihe als Potenzreihenentwicklung. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine solche Darstellung stets auf ein bestimmtes Intervall beschra¨nkt bleibt. In unserem Fall gilt die Potenzreihenentwicklung
spezielle Darstellungsform der gebrochenrationalen Funktion f ðxÞ ¼
f ðxÞ ¼
1 ¼ 1 þ x1 þ x2 þ x3 þ ... 1x
ðVI-38Þ
3 Taylor-Reihen
599
1 mit Ausnah1x me von x ¼ 1 auch außerhalb dieses Intervalls definiert ist (siehe hierzu Bild VI-5).
nur fu¨r das Intervall 1 < x < 1, obwohl die Funktion f ðxÞ ¼
y
5 y=
1 , |x| < 1 1–x
1 –1
–1
1
2
x
–5
1 Bild VI-5 Zur Potenzreihenentwicklung der echt gebrochenrationalen Funktion f ðxÞ ¼ im 1 x Intervall 1 < x < 1 (grau unterlegter Bereich)
3.2 Potenzreihenentwicklung einer Funktion 3.2.1 Mac Laurinsche Reihe Bei unseren berlegungen gehen wir zuna¨chst von den folgenden Annahmen aus: 1. Die Entwicklung der Funktion f ðxÞ in eine Potenzreihe vom Typ f ðxÞ ¼ a 0 þ a 1 x 1 þ a 2 x 2 þ a 3 x 3 þ a 4 x 4 þ . . .
ðVI-39Þ
ist grundsa¨tzlich mo¨glich und eindeutig. 2. Die Funktion f ðxÞ ist in einer gewissen Umgebung von x ¼ 0 beliebig oft differenzierbar und die Funktions- bzw. Ableitungswerte f ð0Þ, f 0 ð0Þ, f 00 ð0Þ, f 000 ð0Þ, . . . sind bekannt (oder ko¨nnen zumindest aus der Funktionsgleichung und deren Ableitungen berechnet werden). Wir wollen jetzt zeigen, dass unter diesen Voraussetzungen die Koeffizienten a 0 , a 1 , a 2 , a 3 , . . . in der Potenzreihenentwicklung (VI-39) eindeutig durch die Funktions- und Ableitungswerte f ð0Þ, f 0 ð0Þ, f 00 ð0Þ, f 000 ð0Þ, . . . bestimmt sind. Ist r der Konvergenzradius der Potenzreihe, so konvergieren auch sa¨mtliche durch gliedweise Differentiation gewonnenen Reihenentwicklungen fu¨r j x j < r.
600
VI Potenzreihenentwicklungen
Die ersten Ableitungen lauten dabei: f 0 ðxÞ ¼ a 1 þ 2 a 2 x 1 þ 3 a 3 x 2 þ 4 a 4 x 3 þ . . . f 00 ðxÞ ¼ 1 2 a 2 þ 2 3 a 3 x 1 þ 3 4 a 4 x 2 þ . . . f
000
(VI-40)
ðxÞ ¼ 1 2 3 a 3 þ 2 3 4 a 4 x 1 þ . . .
.. . An der Stelle x ¼ 0 gilt dann: f ð0Þ
¼ a 0 ¼ 1 a 0 ¼ ð0 !Þ a 0
f 0 ð0Þ ¼ a 1 ¼ 1 a 1 ¼ ð1 !Þ a 1 f 00 ð0Þ ¼ 1 2 a 2 ¼ ð2 !Þ a 2 f
000
ðVI-41Þ
ð0Þ ¼ 1 2 3 a 3 ¼ ð3 !Þ a 3
.. . Aus diesen Beziehungen lassen sich die Koeffizienten wie folgt berechnen: a0 ¼
f ð0Þ , 0!
a1 ¼
f 0 ð0Þ , 1!
a2 ¼
f 00 ð0Þ , 2!
a3 ¼
f
000
ð0Þ , ... 3!
ðVI-42Þ
Offensichtlich genu¨gen die Koeffizienten der Potenzreihenentwicklung (VI-39) dem allgemeinen Bildungsgesetz an ¼
f ðnÞ ð0Þ n!
ðn ¼ 0, 1, 2, . . .Þ
ðVI-43Þ
und sind durch die Funktions- und Ableitungswerte von f ðxÞ an der Stelle x ¼ 0 eindeutig bestimmt. 7) Fu¨r die Potenzreihenentwicklung einer Funktion gilt daher unter den genannten Voraussetzungen:
Entwicklung einer Funktion in eine Potenzreihe (Mac Laurinsche Reihe) Unter bestimmten Voraussetzungen la¨sst sich eine Funktion f ðxÞ in eine Potenzreihe der Form f ðxÞ ¼ f ð0Þ þ
1 X f 0 ð0Þ 1 f 00 ð0Þ 2 f n ð0Þ n x þ x þ ... ¼ x 1! 2! n! n¼0
entwickeln (sog. Mac Laurinsche Reihe).
7)
f ð0Þ ð0Þ ¼ f ð0Þ: Die Funktion f ðxÞ wird hier (rein formal) als „nullte Ableitung“ aufgefasst.
ðVI-44Þ
3 Taylor-Reihen
601
Anmerkungen
&
(1)
Nicht jede Funktion ist in eine Mac Laurinsche Reihe entwickelbar. Eine fu¨r die Potenzreihenentwicklung notwendige Bedingung haben wir bereits erkannt: Die zu entwickelnde Funktion f ðxÞ muss in der Umgebung der Entwicklungsstelle x ¼ 0 beliebig oft differenzierbar sein. Diese Bedingung ist jedoch keinesfalls hinreichend, d. h. nicht jede beliebig oft differenzierbare Funktion ist in Form einer Potenzreihe darstellbar. Im Rahmen dieser Darstellung ko¨nnen wir auf Einzelheiten nicht na¨her eingehen und verweisen den Leser auf die spezielle mathematische Literatur. Im Zusammenhang mit der Restgliedabscha¨tzung bei Na¨herungspolynomen werden wir dieses Thema aber nochmals kurz streifen (siehe hierzu Abschnitt 3.3.1).
(2)
Die Mac Laurinsche Reihe von f ðxÞ ist die Potenzreihenentwicklung von f ðxÞ um den Nullpunkt x ¼ 0, der daher in diesem Zusammenhang auch als Entwicklungspunkt oder Entwicklungszentrum bezeichnet wird. Sie ist ein Sonderfall einer allgemeineren Potenzreihenentwicklung nach Taylor, mit der wir uns in Abschnitt 3.2.2 noch eingehend bescha¨ftigen werden.
(3)
Der Konvergenzradius r der Mac Laurinschen Reihe von f ðxÞ kann nach der Formel (VI-34) oder (VI-35) berechnet werden. Innerhalb des Konvergenzbereiches, d. h. fu¨r j x j < r wird die Funktion f ðxÞ dabei durch ihre Mac Laurinsche Reihe dargestellt.
(4)
Die Symmetrieeigenschaften einer Funktion spiegeln sich auch in ihrer Mac Laurinschen Reihe wider: In der Reihenentwicklung einer geraden Funktion treten nur gerade, in der Reihenentwicklung einer ungeraden Funktion dagegen nur ungerade Potenzen auf.
Beispiele (1)
Mac Laurinsche Reihen von f ðxÞ ¼ e x und f ðxÞ ¼ e x Fu¨r die e-Funktion ist f ðnÞ ðxÞ ¼ e x
und somit
f ðnÞ ð0Þ ¼ e 0 ¼ 1
ðn ¼ 0, 1, 2, . . .Þ
Die Mac Laurinsche Reihe von f ðxÞ ¼ e x lautet demnach wie folgt: ex ¼ 1 þ ¼ 1þ
1 1 1 2 1 3 x þ x þ x þ ... ¼ 1! 2! 3! 1 X x1 x2 x3 xn þ þ þ ... ¼ 1! 2! 3! n! n¼0
Ihr Konvergenzradius betra¨gt r ¼ 1, d. h. die Reihe konvergiert besta¨ndig (siehe hierzu auch Beispiel (2) aus Abschnitt 2.2).
602
VI Potenzreihenentwicklungen
Ersetzen wir in der Reihenentwicklung von f ðxÞ ¼ e x die Variable x formal durch x, so erhalten wir die Mac Laurinsche Reihe von f ðxÞ ¼ e x : ð xÞ 1 ð xÞ 2 ð xÞ 3 þ þ þ ... ¼ 1! 2! 3!
ex ¼ 1 þ ¼ 1
1 X x1 x2 x3 xn ð 1Þ n þ þ ... ¼ 1! 2! 3! n! n¼0
Sie konvergiert ebenfalls fu¨r alle x 2 R, d. h. besta¨ndig. (2)
Mac Laurinsche Reihen von f ðxÞ ¼ cos x und f ðxÞ ¼ sin x Wir entwickeln zuna¨chst die Kosinusfunktion f ðxÞ ¼ cos x in eine Mac Laurinsche Reihe. Es ist: 9 f ðxÞ ¼ cos x ) f ð0Þ ¼ cos 0 ¼ 1 > > > f 0 ð0Þ ¼ sin 0 ¼ 0 = f 0 ðxÞ ¼ sin x ) Viererzyklus f 00 ðxÞ ¼ cos x ) f 00 ð0Þ ¼ cos 0 ¼ 1 > > > ; f 000 ðxÞ ¼ sin x ) f 000 ð0Þ ¼ sin 0 ¼ 0 f ð4Þ ðxÞ ¼ cos x
)
f ð4Þ ð0Þ ¼ cos 0 ¼ 1
Ab der vierten Ableitung wiederholen sich die Ableitungswerte. In einem regelma¨ßigen Viererzyklus werden dabei der Reihe nach die Werte 1, 0, 1 und 0 durchlaufen. Die Mac Laurinsche Reihe der Kosinusfunktion besitzt demnach die folgende Gestalt: cos x ¼ 1
1 X x2 x4 x6 x2n þ þ ... ¼ ð 1Þ n 2! 4! 6! ð2 nÞ! n¼0
Sie entha¨lt wegen der Spiegelsymmetrie der Kosinuskurve zur y-Achse ausschließlich gerade Potenzen. Eine Berechnung des Konvergenzradius nach Formel (VI-34) ist zuna¨chst nicht mo¨glich, da in der Reihenentwicklung jeder zweite Koeffizient verschwindet. Wir helfen uns mit einem mathematischen „Trick“ und bringen die Reihe mit Hilfe der Substitution t ¼ x 2 auf eine neue Gestalt: 1
1 X t1 t2 t3 tn ð 1Þ n þ þ ... ¼ 2! 4! 6! ð2 nÞ! n¼0
Diese Potenzreihe in der neuen Variablen t entha¨lt alle Potenzen, ihr Konvergenzradius kann daher mit Hilfe der Formel (VI-34) berechnet werden: ð 1Þ n ð2 n þ 2Þ! an ð2 n þ 2Þ! ¼ r ¼ lim ¼ lim ¼ lim n þ 1 ð2 nÞ! n!1 anþ1 n!1 n!1 ð2 nÞ! ð 1Þ ¼ lim
n!1
ð2 nÞ! ð2 n þ 1Þ ð2 n þ 2Þ ¼ lim ð2 n þ 1Þ ð2 n þ 2Þ ¼ 1 ð2 nÞ! n!1
3 Taylor-Reihen
603
pffiffiffiffi Die Reihe konvergiert somit fu¨r alle t 2 R. Wegen x 2 ¼ t und somit x ¼ t gilt dies auch fu¨r alle x 2 R, d. h. die Kosinusreihe konvergiert (erwartungsgema¨ß) besta¨ndig. Die Mac Laurinsche Reihe der Sinusfunktion erhalten wir am bequemsten durch gliedweise Differentiation der Kosinusreihe (bekanntlich ist ðcos xÞ 0 ¼ sin x und damit sin x ¼ ðcos xÞ 0 ): d d x2 x4 x6 sin x ¼ ðcos xÞ ¼ 1 þ þ ... ¼ dx dx 2! 4! 6! 2x1 4x3 6x5 þ þ ... ¼ ¼ 0 2! 4! 6! ¼ ¼
2 x1 4 x3 6 x5 x1 x3 x5 þ þ ... ¼ þ þ ... ¼ 1 2 3! 4 5! 6 1! 3! 5! 1 X
ð 1Þ n
n¼0
x2nþ1 ð2 n þ 1Þ!
Sie konvergiert ebenso wie die Mac Laurinsche Reihe der Kosinusfunktion besta¨ndig. Auch diese Potenzreihe la¨sst sich natu¨rlich auf direktem Wege u¨ber die Mac Laurinsche Entwicklungsformel (VI-44) herleiten. Wegen der Punktsymmetrie der Sinusfunktion treten in der Potenzreihenentwicklung nur ungerade Potenzen auf. (3)
n Binomische Reihe ð1 þ xÞ Wir entwickeln zuna¨chst die Funktion f ðxÞ ¼ ð1 þ xÞ n mit n 2 R in eine Mac Laurinsche Reihe. Die dabei beno¨tigten Ableitungen und ihre Werte an der Stelle x ¼ 0 lauten:
f ðxÞ ¼ ð1 þ xÞ n
)
f ð0Þ ¼ 1
f 0 ðxÞ ¼ n ð1 þ xÞ n 1
)
f 0 ð0Þ ¼ n
f 00 ðxÞ ¼ n ðn 1Þ ð1 þ xÞ n 2
)
f 00 ð0Þ ¼ n ðn 1Þ
)
f
f
000
ðxÞ ¼ n ðn 1Þ ðn 2Þ ð1 þ xÞ n 3
000
ð0Þ ¼ n ðn 1Þ ðn 2Þ
.. . Die Mac Laurinsche Reihenentwicklung nach Formel (VI-44) beginnt daher wie folgt: ð1 þ xÞ n ¼ 1 þ ¼ 1þ
n 1 n ðn 1Þ 2 n ðn 1Þ ðn 2Þ 3 x þ x þ x þ ... ¼ 1! 2! 3! n 1 n ðn 1Þ 2 n ðn 1Þ ðn 2Þ 3 x þ x þ x þ ... 1 12 123
604
VI Potenzreihenentwicklungen
Die Koeffizienten dieser Reihe sind die bereits aus Kap. I (Abschnitt 6) bekannten Binomialkoeffizienten n ðn 1Þ ðn 2Þ . . . ðn k þ 1Þ n ¼ k 1 2 3... k Die Mac Laurinsche Reihe von f ðxÞ ¼ ð1 þ xÞ n ist damit in der Form 1 X n n n n xk ð1 þ xÞ n ¼ 1 þ x1 þ x2 þ x3 þ ... ¼ k 1 2 3 k¼0 darstellbar und wird als Binomische Reihe oder auch Binomialreihe bezeichnet. Bei der Berechnung des Konvergenzradius r dieser Reihe mu¨ssen wir die Fa¨lle n 2 N* und n 2 = N* unterscheiden. 1: Fall : n 2 N* Die Binomische Reihe bricht nach der n-ten Potenz, d. h. nach dem ðn þ 1Þ-ten Glied ab, da ð1 þ xÞ n in diesem Sonderfall ein Polynom n-ten Grades darstellt. Die „Reihenentwicklung“ konvergiert selbstversta¨ndlich fu¨r jedes x 2 R. 2: Fall : n 2 = N* Wir erhalten jetzt eine echte Potenzreihe mit dem Konvergenzradius r ¼ 1: n k ak ¼ lim r ¼ lim ¼ n k!1 akþ1 k!1 k þ1 n ðn 1Þ ðn 2Þ . . . ðn k þ 1Þ 1 2 3 ... k ¼ lim ¼ k ! 1 n ðn 1Þ ðn 2Þ . . . ðn k þ 1Þ ðn kÞ 1 2 3 . . . k ðk þ 1Þ n ðn 1Þ ðn 2Þ . . . ðn k þ 1Þ 1 2 3 . . . k ðk þ 1Þ ¼ lim ¼ k ! 1 n ðn 1Þ ðn 2Þ . . . ðn k þ 1Þ ðn kÞ 1 2 3 . . . k 1 1þ k þ 1 k ¼ lim ¼ lim n n k k!1 k!1 1 k
1 þ 0 ¼ j 1j ¼ 1 ¼ 0 1
(die grau unterlegten Faktoren im Bruch ku¨rzen sich heraus). Die Binomialreihe konvergiert daher fu¨r j x j < 1 und im Falle n > 0 sogar fu¨r j x j 1 (siehe hierzu auch Tabelle 1 in Abschnitt 3.2.3).
3 Taylor-Reihen
605
Die Potenzreihenentwicklung von f ðxÞ ¼ ð1 xÞ n erhalten wir auf formalem Wege aus der Binomischen Reihe ð1 þ xÞ n , indem wir dort x durch x ersetzen: n n n ð xÞ 1 þ ð xÞ 2 þ ð xÞ 3 þ . . . ¼ ð1 xÞ n ¼ 1 þ 1 2 3 n n n 1 2 x þ x x3 þ ... ¼ ¼ 1 1 2 3 1 X n ¼ ð 1Þ k xk k k¼0 Wir fassen die Potenzreihenentwicklungen von ð1 þ xÞ n und ð1 xÞ n noch in einer Formel zusammen: n n n n 1 2 þ 3 þ ð1 þ xÞ ¼ 1 þ x x 3 x þ ... 1 2 Zahlenbeispiele Fu¨r n ¼ 1=2 erhalten wir beispielsweise die Binomischen Reihen qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 1 2 1 3 1=2 ¼ 1þ ð1 þ xÞ 16 x . . . x ¼ 1þ 2 x 8 x þ Sie konvergieren im Intervall j x j 1. Fu¨r n ¼ 1 lauten die Binomischen Reihen wie folgt: 1 1 1 2 3 4 ¼ 1 ¼ ð1 þ þx þx þx þx þ ... xÞ 1þ x Beide Reihen konvergieren fu¨r j x j < 1. Anmerkung n Das etwas allgemeinere Binom ða þ bÞ mit n 2 R la¨sst sich stets wie folgt n þ auf die Binomische Reihe ð1 xÞ zuru¨ckfu¨hren: n b b n n n n þ þ þ ða bÞ ¼ a 1 ¼ a 1 ¼ a n ð1 þ xÞ a a
wobei x ¼ b=a gesetzt wurde. (4)
Mac Laurinsche Reihe von f ðxÞ ¼
ex 1x
Die Herleitung der gesuchten Potenzreihe auf dem direkten Wege u¨ber die Entwicklungsformel (VI-44) wa¨re sehr mu¨hsam (hoher Aufwand bei Differenzieren mit Hilfe der Quotienten- und Kettenregel). Wir beschreiben daher einen anderen Weg (Reihenmultiplikation genannt).
606
VI Potenzreihenentwicklungen
Diese Funktion la¨sst sich auch wie folgt als Produkt zweier relativ einfacher Funktionen darstellen: f ðxÞ ¼
ex 1 ¼ ex ¼ e x ð1 xÞ 1 1x 1x
Wir gehen im Weiteren von den bereits bekannten Mac Laurinschen Reihen der beiden Faktorfunktionen f 1 ðxÞ ¼ e x und f 2 ðxÞ ¼ ð1 xÞ 1 aus: ex ¼ 1 þ
x1 x2 x3 þ þ þ ... 1! 2! 3!
ðj x j < 1Þ
1 ¼ ð1 xÞ 1 ¼ 1 þ x 1 þ x 2 þ x 3 þ . . . 1x
ðj x j < 1Þ
Durch gliedweise Multiplikation dieser Reihen erhalten wir die gewu¨nschte Reihenex entwicklung der Funktion f ðxÞ ¼ . Beim gliedweisen Ausmultiplizieren 1x (wie bei endlichen Summen) sollen dabei nur Potenzen bis einschließlich 3. Grades beru¨cksichtigt werden. Die Potenzreihenentwicklung beginnt dann wie folgt: ex ¼ e x ð1 xÞ 1 ¼ 1x x1 x2 x3 þ þ þ . . . ð1 þ x 1 þ x 2 þ x 3 þ . . .Þ ¼ ¼ 1þ 1! 2! 3! 1 2 1 3 x þ x þ . . . ð1 þ x 1 þ x 2 þ x 3 þ . . .Þ ¼ ¼ 1 þ x1 þ 2 6 ¼ 1 þ x1 þ
x2 þ
x3 þ ...
þ x1 þ
x2 þ
x3 þ ...
þ
1 2 1 3 x þ x þ ... 2 2
1 3 x þ ... ¼ 6 1 1 1 þ x2 þ 2 þ x3 þ ... ¼ ¼ 1 þ 2x1 þ 2 þ 2 2 6 |fflfflffl{zfflfflffl} |fflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflffl} þ
5=2
¼ 1 þ 2x1 þ
16=6 ¼ 8=3
5 2 8 3 x þ x þ ... 2 3
Diese Reihe konvergiert im Intervall j x j < 1.
&
3 Taylor-Reihen
607
3.2.2 Taylorsche Reihe Die Potenzreihenentwicklung einer Funktion f ðxÞ um den Nullpunkt x 0 ¼ 0 fu¨hrte uns zur Mac Laurinschen Reihe von f ðxÞ. Sie ist ein in den Anwendungen besonders wichtiger Sonderfall einer allgemeineren, nach Taylor benannten Reihenentwicklung. Denn grundsa¨tzlich kann man eine Funktion f ðxÞ um eine beliebige Stelle x 0 entwickeln, wenn dort die gleichen Voraussetzungen wie bei der Mac Laurinschen Reihe vorliegen. Die dann als Taylorsche Reihe von f ðxÞ bezeichnete Potenzreihenentwicklung von f ðxÞ besitzt dabei die folgende Gestalt: Taylorsche Reihe einer Funktion f ðxÞ ¼ f ðx 0 Þ þ ¼
f 0 ðx 0 Þ f 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ ðx x 0 Þ 2 þ . . . ¼ 1! 2!
1 X f ðnÞ ðx 0 Þ ðx x 0 Þ n n ! n¼0
ðVI-45Þ
x 0 : Entwicklungszentrum oder Entwicklungspunkt Anmerkungen
&
(1)
Fu¨r das Entwicklungszentrum x 0 ¼ 0 geht die Taylorsche Reihe (VI-45) in die Mac Laurinsche Reihe (VI-44) u¨ber, die somit nichts anderes darstellt als eine spezielle Form der Taylorschen Reihe.
(2)
Der Konvergenzradius r der Taylorschen Reihe wird nach der Formel (VI-34) oder (VI-35) bestimmt. Die Reihe konvergiert dann fu¨r jedes x aus j x x 0 j < r, d. h. u¨berall im Intervall x 0 r < x < x 0 þ r.
Beispiel Die Entwicklung der logarithmischen Funktion f ðxÞ ¼ ln x in eine Mac Laurinsche Reihe ist nicht mo¨glich, da der Logarithmus an der Stelle x ¼ 0 bekanntlich nicht definiert ist. Wir wa¨hlen daher x 0 ¼ 1 als Entwicklungszentrum. Fu¨r die beno¨tigten Funktions- und Ableitungswerte an dieser Stelle erhalten wir: f ðxÞ ¼ ln x f 0 ðxÞ ¼
1 ¼ x1 x
f 00 ðxÞ ¼ x 2 f
000
ðxÞ ¼ 2 x 3
f ð4Þ ðxÞ ¼ 2 3 x 4 .. .
)
f ð1Þ ¼ ln 1 ¼ 0
)
f 0 ð1Þ ¼ 1
)
f 00 ð1Þ ¼ 1
)
f
)
f ð4Þ ð1Þ ¼ 2 3
000
ð1Þ ¼ 2
608
VI Potenzreihenentwicklungen
Die gesuchte Taylorsche Reihe von f ðxÞ ¼ ln x um das Entwicklungszentrum x 0 ¼ 1 lautet somit: ln x ¼ 0 þ
1 1 2 23 ðx 1Þ 1 ðx 1Þ 2 þ ðx 1Þ 3 ðx 1Þ 4 þ . . . ¼ 1! 2! 3! 4!
¼
2 ðx 1Þ 3 2 3 ðx 1Þ 4 ðx 1Þ 1 ðx 1Þ 2 þ þ ... ¼ 1 2 1 2 3 1 2 3 4
¼
ðx 1Þ 1 ðx 1Þ 2 ðx 1Þ 3 ðx 1Þ 4 þ þ ... ¼ 1 2 3 4
¼
1 X n¼1
ð 1Þ n þ 1
ðx 1Þ n n
Die sehr langsam konvergierende Potenzreihe besitzt den Konvergenzradius r ¼ 1 und den Konvergenzbereich 0 < x 2. In diesem und nur diesem Intervall repra¨sentiert die Reihe den natu¨rlichen Logarithmus. So erhalten wir beispielsweise an der Stelle x ¼ 2 eine Darstellung des Funktionswertes ln 2 durch die bekannte alternierende harmonische Reihe: ln 2 ¼ 1
1 1 1 þ þ ... 2 3 4
Der Summenwert betra¨gt 0,6931 (auf vier Dezimalstellen nach dem Komma genau). &
3.2.3 Tabellarische Zusammenstellung wichtiger Potenzreihenentwicklungen Der Leser findet in der nachfolgenden Tabelle 1 eine Zusammenstellung der Potenzreihenentwicklungen einiger besonders wichtiger Funktionen. Tabelle 1: Potenzreihenentwicklungen einiger besonders wichtiger Funktionen Funktion
n ð1 þ xÞ
Potenzreihenentwicklung
Konvergenzbereich
Allgemeine Binomische Reihe8) n n n n 1 2 þ 3 x 1þ x þ x þ x4 þ 3 ... 1 2 4
n > 0 : jxj 1 n < 0 : jxj < 1
Spezielle Binomische Reihen 1 1 11 2 113 3 1135 4 1þ 2 x 24x þ 246x 2468x þ ...
jxj 1
1=2 1 1 13 2 135 3 1357 4 ð1 þ xÞ x þ x þ x þ x þ ... 1 þ 2 24 246 2468
jxj < 1
1=2 ð1 þ xÞ
8)
Fu¨r den Sonderfall n 2 N* erhalten wir ein Polynom n-ten Grades, das selbstversta¨ndlich fu¨r jedes x 2 R „konvergiert“.
3 Taylor-Reihen
609
Tabelle 1: Fortsetzung Funktion
Potenzreihenentwicklung
Konvergenzbereich
1 ð1 þ xÞ
1 2 3 4 1 þx þx þ ... þx þx
jxj < 1
2 ð1 þ xÞ
1 2 3 4 1 þ 4x þ 5x þ ... þ 2x þ 3x
jxj < 1
Trigonometrische Reihen sin x
x1 x3 x5 x7 x9 þ þ þ ... 1! 3! 5! 7! 9!
cos x
1
tan x
x1 þ
jxj < 1
x2 x4 x6 x8 þ þ þ ... 2! 4! 6! 8!
jxj < 1
1 3 2 5 17 7 62 9 x þ x þ x þ x þ ... 3 15 315 2835
jxj
> =
¨ 1: N aherung: f 1 ðxÞ ¼ 1 þ x ¨ 2: N aherung: f 2 ðxÞ ¼ 1 þ x þ x 2 ¨ 3: N aherung: f 3 ðxÞ ¼ 1 þ x þ x 2 þ x
> > ; 3
jxj < 1
Bild VI-8 zeigt deutlich, wie die Gu¨te der Na¨herungsfunktion mit zunehmendem Polynomgrad wa¨chst.
y f 3 (x) = 1 + x + x 2 + x 3 f (x) =
f 2 (x) = 1 + x + x 2
1 1–x 2
f 1 (x) = 1 + x
P
–1
1
1
x
Bild VI-8 Die ersten Na¨herungspolynome der gebrochenrationalen Funktion 1 f ðxÞ ¼ im Intervall 1 < x < 1 1x
3 Taylor-Reihen (3)
617
Aus der Mac Laurinschen Reihe der Kosinusfunktion cos x ¼ 1
x2 x4 x6 þ þ ... 2! 4! 6!
ðj x j < 1Þ
erhalten wir der Reihe nach die folgenden Na¨herungspolynome 2., 4., 6., . . . Grades fu¨r f ðxÞ ¼ cos x, deren Verlauf in Bild VI-9 wiedergegeben ist: 1. Na¨herung:
f 2 ðxÞ ¼ 1
x2 x2 ¼ 1 2! 2
2. Na¨herung:
f 4 ðxÞ ¼ 1
x2 x4 x2 x4 þ ¼ 1 þ 2! 4! 2 24
3. Na¨herung:
f 6 ðxÞ ¼ 1
x2 x4 x6 x2 x4 x6 þ ¼ 1 þ 2! 4! 6! 2 24 720
.. . Anmerkung
Wegen der Achsensymmetrie der Kosinusfunktion bezu¨glich der y-Achse treten in der Mac Laurinschen Reihe von cos x nur gerade Potenzen auf. Na¨herungspolynome 1., 3., 5., . . . Grades kann es daher nicht geben.
y 1
y = cos x
y = f 4 (x)
y = f 4 (x)
–p
p
–1
y = cos x
x
y = cos x
y = f 6 (x)
y = f 6 (x) y = f 2 (x)
y = f 2 (x)
Bild VI-9 Na¨herungspolynome 2., 4. und 6. Grades fu¨r die Kosinusfunktion
618
VI Potenzreihenentwicklungen
Die mit diesen Na¨herungsfunktionen an den Stellen x ¼ 0,1, x ¼ 0,5 und x ¼ 1 berechneten Funktionswerte lauten: Na¨herung
x ¼ 0,1
x ¼ 0,5
x ¼ 1
f 2 ðxÞ
0,995 000
0,875 000
0,500 000
f 4 ðxÞ
0,995 004
0,877 604
0,541 667
f 6 ðxÞ .. .
0,995 004
0,877 582
0,540 278
0,995 004
0,877 583
0,540 302
Exakter Funktionswert ðcos xÞ
Wir stellen fest: Je weiter wir uns vom Entwicklungszentrum (hier x 0 ¼ 0) entfernen, umso mehr Reihenglieder mu¨ssen beru¨cksichtigt werden, um vergleichbare Genauigkeit zu erreichen. Bild VI-9 verdeutlicht diese Aussage. (4)
Wir linearisieren die Funktion f ðxÞ ¼ A ðe l x 1Þ in der Umgebung von x 0 ¼ 0, wobei wir auf die folgende bekannte Mac Laurinsche Reihe von f ðzÞ ¼ e z zuru¨ckgreifen (A, l sind reelle Parameter): ez ¼ 1 þ
z1 z2 z3 þ þ þ ... 1! 2! 3!
Abbruch nach dem linearen Glied fu¨hrt zur linearen Na¨herung ez 1 þ
z1 ¼ 1þz 1!
Wir substituieren noch z ¼ l x : elx 1 þ l x Diesen Ausdruck setzen wir in die Ausgangsfunktion ein und erhalten die gewu¨nschte lineare Na¨herungsfunktion. Sie lautet: f ðxÞ ¼ A ðe l x 1Þ A ½ ð1 þ l xÞ 1 ¼ ¼ A ð1 þ l x 1Þ ¼ A l x ¼ c x (mit c ¼ A l).
3 Taylor-Reihen (5)
619
2 2 Die Kurve mit der Gleichung f ðxÞ ¼ 1 e ðx 2Þ ¼ 1 e x þ 2 soll in der unmittelbaren Umgebung ihres (absoluten) Minimums x 0 ¼ 2 durch eine Parabel angena¨hert werden. Aus diesem Grunde entwickeln wir zuna¨chst die Funktion um die Stelle x 0 ¼ 2 in der Taylorschen Reihe und brechen diese dann nach dem quadratischen Reihenglied ab. Die fu¨r diese Entwicklung beno¨tigten Ableitungen 1. und 2. Ordnung lauten (unter Verwendung der Kettenregel): f 0 ðxÞ ¼ 2 1 e x þ 2 e x þ 2 ¼ 2 e x þ 2 e 2 x þ 4 f 00 ðxÞ ¼ 2 e x þ 2 þ 2 e 2 x þ 4 Somit ist 2 2 f ð2Þ ¼ 1 e 0 ¼ 1 1 ¼ 0 , f 0 ð2Þ ¼ 2 e 0 e 0 ¼ 2 ð1 1Þ ¼ 0 , f 00 ð2Þ ¼ 2 e 0 þ 2 e0 ¼ 2 ð1 þ 2Þ ¼ 2 und die Reihenentwicklung beginnt wie folgt:
1 exþ2
2
¼ 0þ
1 2 2 0 2 x 2 þ x 2 þ ... ¼ x 2 þ ... 1! 2!
Durch Abbruch nach dem quadratischen Glied erhalten wir die gewu¨nschte Na¨herung durch eine Parabel. Sie lautet: 2 2 1 exþ2 x 2 ðj x 2 j 1Þ Bild VI-10 zeigt den Verlauf der gegebenen Funktion mit ihrer Na¨herungsparabel im Intervall 1,7 x 2,3. y 0,10 y = (1 – e – x + 2) 2
Näherungsparabel 0,05
Bild VI-10 1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3
x &
620
VI Potenzreihenentwicklungen
In der nachfolgenden Tabelle 2 findet der Leser eine Zusammenstellung der ersten beiden Na¨herungspolynome fu¨r einige besonders wichtige Funktionen. Man erha¨lt sie aus den entsprechenden Potenzreihenentwicklungen durch Abbruch nach dem 1. bzw. 2. nichtkonstanten Glied (vgl. hierzu auch Tabelle 1). Sie gelten nur in der unmittelbaren Umgebung des jeweiligen Entwicklungszentrums.
Tabelle 2: Na¨herungspolynome wichtiger elementarer Funktionen Funktion
Entwicklungszentrum
1. Na¨herung
2. Na¨herung
n ð1 þ xÞ
x0 ¼ 0
1þ nx
1þ nx þ
sin x
x0 ¼ 0
x
x
1 3 x 6
cos x
x0 ¼ 0
1
1
1 2 1 4 x þ x 2 24
tan x
x0 ¼ 0
x
x þ
1 3 x 3
ex
x0 ¼ 0
1þx
1þx þ
1 2 x 2
ln x
x0 ¼ 1
x 1
x 1
1 ðx 1Þ 2 2
arcsin x
x0 ¼ 0
x
x þ
arccos x
x0 ¼ 0
p x 2
p 1 3 x x 2 6
arctan x
x0 ¼ 0
x
x
1 3 x 3
sinh x
x0 ¼ 0
x
x þ
1 3 x 6
cosh x
x0 ¼ 0
1þ
1þ
1 2 1 4 x þ x 2 24
tanh x
x0 ¼ 0
x
x
1 3 x 3
1 2 x 2
1 2 x 2
n ðn 1Þ 2 x 2
1 3 x 6
3 Taylor-Reihen &
621
Beispiele (1)
Na¨herungsformeln fu¨r den Wurzelausdruck ne x-Werte, d. h. fu¨r j x j 1: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1. Na¨herung: 1þ x 1þ 2 x 2. Na¨herung:
(2)
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1=2 fu¨r sehr klei1þ xÞ x ¼ ð1 þ
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 1 2 1þ x 1þ 2 x 8 x
Die Kettenlinie y ¼ a cosh ðx=aÞ mit a > 0 darf in der unmittelbaren Umgebung ihres Minimums x 0 ¼ 0 in 1. Na¨herung durch die Parabel 1 x 2 x2 1 2 ¼ a 1þ ¼ x þa y ¼ a 1þ 2 2 a 2a 2a ersetzt werden (Bild VI-11). y Kettenlinie
3a 2a
a Näherungsparabel
Bild VI-11 –2a
–a
a
2a
x &
3.3.2 Integration durch Potenzreihenentwicklung des Integranden Bei der Behandlung der numerischen Integrationsmethoden in Kap. V (Abschnitt 8.4) hatten wir bereits darauf hingewiesen, dass es eine Reihe wichtiger Integrale gibt, die mit den herko¨mmlichen Integrationstechniken wie beispielsweise der Substitutionsmethode oder der Partiellen Integration nicht gelo¨st werden ko¨nnen. Zu diesen Integralen geho¨rt auch das im Zusammenhang mit statistischen Problemen auftretende und ha¨ufig ðx 2 als Gaußsches Fehlerintegral bezeichnete (unbestimmte) Integral F ðxÞ ¼ e t dt. In 0
diesem, aber auch in zahlreichen anderen Fa¨llen gelingt die Integration, indem man die Integrandfunktion zuna¨chst in eine Potenzreihe entwickelt und diese dann anschließend gliedweise integriert.
622
VI Potenzreihenentwicklungen
Man bezeichnet diese spezielle Integrationsmethode daher als „Integration durch Potenzreihenentwicklung des Integranden“.
Integration durch Potenzreihenentwicklung des Integranden In zahlreichen Fa¨llen la¨sst sich ein elementar nicht lo¨sbares Integral schrittweise wie folgt lo¨sen:
Ð
f ðxÞ dx
1. Die Integrandfunktion f ðxÞ wird zuna¨chst in eine Mac Laurinsche oder Taylorsche Potenzreihe entwickelt. 2. Die Reihe wird anschließend gliedweise unter Verwendung der Potenzregel integriert. Das Integral liegt dann in Form einer Potenzreihe vor.
Anmerkung Die gliedweise Integration ist nur zula¨ssig, wenn die Potenzreihe des Integranden im Integrationsbereich konvergiert. In diesem Fall konvergiert auch die durch gliedweise Integration entstandene Reihe. Das beschriebene Integrationsverfahren soll nun am Beispiel des Gaußschen Fehlerintegrals na¨her erla¨utert werden.
&
Beispiel Wir lo¨sen das Gaußsche Fehlerintegral ðx
e t dt 2
F ðxÞ ¼ 0
wie folgt. Ausgehend von der bekannten Mac Laurinschen Reihe der Exponentialfunktion f ðzÞ ¼ e z in der Form ez ¼ 1 þ
z1 z2 z3 z4 z5 þ þ þ þ þ ... 1! 2! 3! 4! 5!
ðj z j < 1Þ
erhalten wir mit Hilfe der formalen Substitution z ¼ t 2 die gewu¨nschte Potenzreihe 2 des Integranden f ðtÞ ¼ e t : et ¼ 1 2
t2 t4 t6 t8 t 10 þ þ þ ... 1! 2! 3! 4! 5!
3 Taylor-Reihen
623
Diese Reihe konvergiert besta¨ndig und darf daher gliedweise integriert werden. Wir gewinnen schließlich fu¨r das Gaußsche Fehlerintegral die folgende Potenzreihenentwicklung: ðx F ðxÞ ¼
e
t2
0
0
¼
ðx t2 t4 t6 t8 t 10 dt ¼ 1 þ þ þ . . . dt ¼ 1! 2! 3! 4! 5!
t
¼ x
t3 t5 t7 t9 t 11 þ þ þ ... 3 1! 5 2! 7 3! 9 4! 11 5 !
x ¼ 0
x3 x5 x7 x9 x 11 þ þ þ ... 3 1! 5 2! 7 3! 9 4! 11 5 !
(an der unteren Grenze verschwinden sa¨mtliche Reihenglieder).
Rechenbeispiel Mit dieser Potenzreihe berechnen wir die unter der Gaußschen Glockenkurve y ¼ e x im Intervall 0 x 1 gelegene Fla¨che A (in Bild VI-12 grau unterlegt): ð1
e x dx ¼ F ð1Þ ¼ 1 2
A ¼ 0
¼ 1
13 15 17 19 1 11 þ þ þ ... ¼ 3 1! 5 2! 7 3! 9 4! 11 5 !
1 1 1 1 1 þ þ þ ... 3 10 42 216 1320
y 1
–1
y = e–x
2
2
1
x
Bild VI-12 Zur Berechnung der Fla¨che unter der Gaußschen Glockenkurve 2 y ¼ e x im Intervall 0 x 1
624
VI Potenzreihenentwicklungen
Durch Abbruch dieser unendlichen Zahlenreihe nach dem 1., 2., . . . , 6. Glied erhalten wir der Reihe nach die folgenden Na¨herungswerte fu¨r den gesuchten Fla¨cheninhalt A: 1;
0,6667; 0,7667; 0,7429; 0,7475; 0,7467
Der „exakte“ Fla¨cheninhalt betra¨gt A ¼ 0,7468 (auf vier Dezimalstellen nach dem Komma genau). &
3.3.3 Grenzwertregel von Bernoulli und de L’Hospital Mit dem Begriff des Grenzwertes einer Funktion haben wir uns bereits ausfu¨hrlich in Kap. III (Abschnitt 4.2) auseinandergesetzt und dabei die wichtigsten Rechenregeln fu¨r Grenzwerte kennengelernt. In diesem Abschnitt werden wir uns speziell mit Grenzwerten vom allgemeinen Typ lim
x ! x0
f ðxÞ g ðxÞ
bzw:
lim
x ! þ 1
f ðxÞ g ðxÞ
ðVI-58Þ
bescha¨ftigen, die auf einen in seinem Wert zuna¨chst „unbestimmten Ausdruck“ wie bei0“ 1“ oder fu¨hren 12). spielsweise „1 „0
&
Beispiele (1)
ex 1 bleibt zuna¨chst unbestimmt, da sowohl die Za¨hlerx x!0 funktion f ðxÞ ¼ e x 1 als auch die Nennerfunktion g ðxÞ ¼ x beim Grenzu¨bergang x ! 0 dem Grenzwert 0 zustreben. Wir verwenden dafu¨r die symbolische Schreibweise Der Grenzwert lim
lim
x!0
(2)
ex 1 0 ! x 0
ln x 1“ , da sofu¨hrt zu dem unbestimmten Ausdruck x „1 x!1 e wohl ln x als auch e x fu¨r x ! 1 gegen Unendlich streben. Symbolische Schreibweise: Der Grenzwert
lim
x!1
lim
ln x 1 ! ex 1 &
12)
Zur Erinnerung: Die Division durch die Zahl 0 ist verboten, das Symbol 1 ist keine Zahl.
3 Taylor-Reihen
625
Ein unbestimmter Ausdruck kann in verschiedenen Formen wie z. B. 1 , 1
0 , 0
0 1,
1 1,
1 1,
10
0 0,
ðVI-59Þ
auftreten. Grenzwerte vom Typ (VI-58), die zu einem unbestimmten Ausdruck der Form 0“ 1“ oder fu¨hren, lassen sich in vielen ( jedoch nicht allen) Fa¨llen nach einer von „1 „0 Bernoulli und de L’Hospital stammenden Regel berechnen, die wir jetzt fu¨r den Fall 0“ herleiten wollen. Es sei also f ðx 0 Þ ¼ g ðx 0 Þ ¼ 0 und somit „0 lim
x ! x0
f ðxÞ 0 ! g ðxÞ 0
ðVI-60Þ
Wir entwickeln jetzt die beiden Funktionen f ðxÞ und g ðxÞ jeweils um die Stelle x 0 nach Taylor und beachten dabei, dass nach Voraussetzung f ðx 0 Þ ¼ g ðx 0 Þ ¼ 0 ist. Der f ðxÞ besitzt dann die folgende Gestalt: Quotient g ðxÞ f ðxÞ ¼ g ðxÞ
¼
f ðx 0 Þ þ
f 0 ðx 0 Þ f 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ ðx x 0 Þ 2 þ . . . 1! 2!
g 0 ðx 0 Þ g 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ ðx x 0 Þ 2 þ . . . g ðx 0 Þ þ 1! 2! f 0 ðx 0 Þ f 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ ðx x 0 Þ 2 þ . . . 1! 2!
¼
ðVI-61Þ
g 0 ðx 0 Þ g 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ ðx x 0 Þ 2 þ . . . 1! 2!
Wir ku¨rzen noch den allen Summanden in Za¨hler und Nenner gemeinsamen Faktor ðx x 0 Þ: f ðxÞ ¼ g ðxÞ
f 0 ðx 0 Þ þ
f 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ . . . 2!
ðVI-62Þ
g 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ . . . g 0 ðx 0 Þ þ 2!
Beim Grenzu¨bergang x ! x 0 verschwinden in Za¨hler und Nenner sa¨mtliche Terme bis auf den jeweils 1. Term. Wir erhalten somit
lim
x ! x0
f ðxÞ ¼ lim g ðxÞ x ! x0
f 0 ðx 0 Þ þ g0
f 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ . . . 2!
g 00 ðx 0 Þ ðx x 0 Þ 1 þ . . . ðx 0 Þ þ 2!
¼
f 0 ðx 0 Þ g 0 ðx 0 Þ
ðVI-63Þ
626
VI Potenzreihenentwicklungen
Dies ist die von Bernoulli und de L’Hospital stammende Grenzwertregel, die wir auch in der Form lim
x ! x0
f ðxÞ f 0 ðxÞ f 0 ðx 0 Þ ¼ 0 ¼ lim 0 g ðxÞ g ðx 0 Þ x ! x 0 g ðxÞ
ðVI-64Þ
schreiben ko¨nnen. Sie zeigt uns, wie man bei einem unbestimmten Ausdruck der Form 0“ zu verfahren hat: Zuna¨chst werden Za¨hlerfunktion f ðxÞ und Nennerfunktion „0 g ðxÞ fu¨r sich getrennt nach x differenziert, anschließend wird dann der Grenzwert von f 0 ðxÞ fu¨r x ! x 0 berechnet. Ist dieser vorhanden, so ist er gleich dem gesuchten g 0 ðxÞ f ðxÞ . Grenzwert lim x ! x 0 g ðxÞ
Wir fassen zusammen:
Grenzwertregel von Bernoulli und de L’Hospital 0“ 1“ oder Fu¨r Grenzwerte, die auf einen unbestimmten Ausdruck der Form „1 „0 fu¨hren, gilt die Bernoulli-de L’Hospitalsche Regel lim
x ! x0
f ðxÞ f 0 ðxÞ ¼ lim 0 g ðxÞ x ! x 0 g ðxÞ
ðVI-65Þ
Anmerkungen (1)
Die Bernoulli-de L’Hospitalsche Regel setzt voraus, dass die Funktionen f ðxÞ und g ðxÞ in der Umgebung von x 0 stetig differenzierbar sind und der Grenzwert der rechten Seite existiert.
(2)
Die Bernoulli-de L’Hospitalsche Regel gilt sinngema¨ß auch fu¨r Grenzu¨berga¨nge vom Typ x ! 1 oder x ! 1.
(3)
In einigen Fa¨llen fu¨hrt erst eine mehrmalige Anwendung der Grenzwertregel zum Ziel (siehe hierzu das nachfolgende Beispiel (3)).
(4)
Es gibt jedoch auch Fa¨lle, in denen die Regel versagt.
3 Taylor-Reihen
627
Wir weisen nochmals darauf hin, dass diese Grenzwertregel nur auf unbestimmte Aus0“ 1“ oder anwendbar ist. Alle anderen Formen lassen sich in dru¨cke der Form „1 „0 der Regel wie folgt durch elementare Umformungen auf eine dieser speziellen Formen zuru¨ckfu¨hren: Tabelle 3: Elementare Umformungen fu¨r „unbestimmte Ausdru¨cke“ Funktion jðxÞ
(A)
&
u ðxÞ v ðxÞ
Grenzwert lim jðxÞ x ! x0
0 1 bzw:
(B)
u ðxÞ v ðxÞ
11
(C)
u ðxÞ v ðxÞ
0 0,
10
Elementare Umformung u ðxÞ 1 v ðxÞ
bzw:
v ðxÞ 1 u ðxÞ
1 1 v ðxÞ u ðxÞ 1 u ðxÞ v ðxÞ
1 0, 1 1
e v ðxÞ ln u ðxÞ
Beispiele (1)
lim
x!0
ex 1 0 ! x 0
Wir du¨rfen die Bernoulli-de L’Hospitalsche Regel anwenden und erhalten: lim
x!0
(2)
lim
x!1
ex 1 ðe x 1Þ 0 ex ¼ lim e x ¼ e 0 ¼ 1 ¼ lim ¼ lim ðxÞ 0 x x!0 x!0 1 x!0
ln ð2 x 1Þ 1 ! ex 1
Durch Anwendung der Grenzwertregel von Bernoulli-de L’Hospital folgt: 2 ln ð2 x 1Þ ½ ln ð2 x 1Þ 0 1 ¼ lim ¼ lim ¼ lim 2 x ex ex ðe x Þ 0 x!1 x!1 x!1 ¼ lim
x!1
2 ¼ 0 ð2 x 1Þ e x
(der Nenner wird beim Grenzu¨bergang unendlich groß).
628
VI Potenzreihenentwicklungen
(3)
lim
x!0
1 1 x sin x
! 11
ðTyp ðBÞÞ
Die Bernoulli-de L’Hospitalsche Regel ist zuna¨chst nicht anwendbar. Nach einer elementaren Umformung (Hauptnenner x sin x bilden) folgt dann: lim
x!0
1 1 x sin x
¼ lim
x!0
sin x x 0 ! x sin x 0
Die Grenzwertregel darf nun angewandt werden, fu¨hrt jedoch wiederum zu einem 0“ : unbestimmten Ausdruck der Form „0 lim
x!0
sin x x ðsin x xÞ 0 cos x 1 0 ¼ lim ¼ lim ! 0 x sin x 0 x ! 0 ðx sin xÞ x ! 0 sin x þ x cos x
Durch nochmalige Anwendung der Bernoulli-de L’Hospitalschen Regel erhalten wir schließlich: lim
x!0
cos x 1 ðcos x 1Þ 0 ¼ ¼ lim 0 sin x þ x cos x x ! 0 ðsin x þ x cos xÞ
¼ lim
x!0
sin x sin x 0 ¼ lim ¼ ¼ 0 cos x þ cos x x sin x 2 x ! 0 2 cos x x sin x
Somit ist lim
x!0
(4)
1 1 x sin x
¼ 0
1 x lim 1 þ ! 11 x x!1
ðTyp ðCÞÞ
Unter Verwendung der Identita¨t z ¼ e ln z ðz > 0Þ und der Rechenregel ln u n ¼ n ln u la¨sst sich der Funktionsausdruck wie folgt umformen:
1 1þ x
x ¼ e ln
1 1þ x
x
¼ e x ln
1 1þ x
3 Taylor-Reihen
629
Daher ist 1 1 x 1þ ¼ lim e x ln 1 þ x x x!1 x!1 lim
Der Grenzu¨bergang darf dabei im Exponenten der e-Funktion vollzogen werden, d. h. es gilt nach der Rechenregel (III-37) aus Kap. III:
lim
x!1
1 e x ln 1 þ x
¼ e
1 lim x ln 1 þ x x!1
Wir formen den Exponenten noch geringfu¨gig um: 1 ln 1 þ x 1 ¼ x ln 1 þ x 1 x 0“ . Wir du¨rfen „0 daher die Bernoulli-de L’Hospitalsche Grenzwertregel anwenden. Sie fu¨hrt zu
Fu¨r x ! 1 geht dieser Ausdruck gegen die unbestimmte Form
lim
1 ln 1 þ x
x!1
1 x
0 1 1 1 0 @ 1 x2 1A ln 1 þ 1þ x x ¼ lim ¼ lim 0 x!1 x!1 1 1 2 ¼ x x 1
¼ lim
x!1
1þ
1 x
¼
1 ¼ 1 1þ0
(den Za¨hler haben wir nach der Kettenregel differenziert). Somit gilt: 1 x 1þ ¼ e1 ¼ e x x!1 lim
(5)
Die Kardioide mit der in Polarkoordinaten ausgedru¨ckten Gleichung r ¼ 1 þ cos j, 0 j < 2 p besitzt den vom Winkel j abha¨ngigen Kurvenanstieg y0 ¼
dy 2 cos 2 j þ cos j 1 2 cos 2 j þ cos j 1 ¼ ¼ dx sin jð1 þ 2 cos jÞ sin j 2 sin j cos j
(siehe hierzu das Beispiel in Kap. IV, Abschnitt 2.13).
630
VI Potenzreihenentwicklungen
Unter Verwendung der trigonometrischen Beziehung sin ð2 jÞ ¼ 2 sin j cos j la¨sst sich der Nenner dieses Ausdrucks auf eine fu¨r unsere Zwecke gu¨nstigere Form bringen: y0 ¼
2 cos 2 j þ cos j 1 2 cos 2 j þ cos j 1 ¼ sin j 2 sin j cos j sin j sin ð2 jÞ
Wir vermuten anhand von Bild IV-12 aus Kap. IV, dass die Kurve an der Stelle j ¼ p eine waagerechte Tangente hat. Die Berechnung des Kurvenanstiegs in dem zum Winkel j ¼ p geho¨rigen Kurvenpunkt (Schnittpunkt mit der negativen x-Achse) fu¨hrt jedoch zuna¨chst zu dem unbestimmten Ausdruck y 0 ðj ¼ pÞ ¼ lim
j!p
2 cos 2 j þ cos j 1 0 ! sin j sin ð2 jÞ 0
da Za¨hler und Nenner an dieser Stelle verschwinden: Z¨ahler :
2 cos 2 p þ cos p 1 ¼ 2 ð 1Þ 2 1 1 ¼ 2 2 ¼ 0
Nenner :
sin p sin ð2 pÞ ¼ 0 0 ¼ 0
Durch Anwendung der Grenzwertregel von Bernoulli-de L’Hospital erhalten wir schließlich: y 0 ðj ¼ pÞ ¼ lim
j!p
¼ lim
j!p
¼
2 cos 2 j þ cos j 1 ð2 cos 2 j þ cos j 1Þ 0 ¼ lim ¼ sin j sin ð2 jÞ ð sin j sin ð2 jÞÞ 0 j!p 4 cos j sin j sin j 4 cos p sin p sin p ¼ ¼ cos j 2 cos ð2 jÞ cos p 2 cos ð2 pÞ
4 ð 1Þ 0 0 0 ¼ ¼ 0 ð 1Þ 2 1 1
Die Kardioide besitzt demnach (wie wir bereits vermutet haben) fu¨r j ¼ p eine waagerechte Tangente. &
3.4 Ein Anwendungsbeispiel: Freier Fall unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes Wir haben uns bereits an verschiedenen Stellen mit dem physikalischen Problem des freien Falls unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes bescha¨ftigt und dabei fu¨r die Fallgeschwindigkeit v die folgende Abha¨ngigkeit von der Zeit t 0 hergeleitet: rffiffiffiffiffiffiffiffiffi g mg v ¼ v ðtÞ ¼ v E tanh ðVI-66Þ t mit vE ¼ vE k ( g: Erdbeschleunigung; v E : Endgeschwindigkeit; m: Masse des fallenden Ko¨rpers; k: Reibungskoeffizient der Luft).
3 Taylor-Reihen
631
Die Fallgeschwindigkeit na¨hert sich dabei asymptotisch ihrem Endwert v E (siehe hierzu Bild VI-13). v vE
v = v E · tanh
g t vE
t
Bild VI-13 Zeitlicher Verlauf der Fallgeschwindigkeit unter Beru¨cksichtigung des Luftwiderstandes
Einfache Na¨herungsfunktionen fu¨r diese relativ komplizierte Geschwindigkeit-Zeit-Funktion erhalten wir durch eine Potenzreihenentwicklung der in Gleichung (VI-66) auftretenden hyperbolischen Funktion. Wir gehen dabei zuna¨chst von der elementaren Funktion tanh x aus. Ihre Mac Laurinsche Reihe entnehmen wir der Tabelle 1: tanh x ¼ x
1 3 2 5 x þ x þ ... 3 15
ðj x j < p=2Þ
ðVI-67Þ
g t zu setzen und wir erhalten schließlich aus (VI-66) vE und (VI-67) die folgende Reihenentwicklung fu¨r v ðtÞ: " # 3 5 g g 1 g 2 g t ¼ vE t t þ t þ ... ¼ v ðtÞ ¼ v E tanh vE vE 3 vE 15 v E
In unserem Beispiel ist x ¼
¼ gt
g3 2 g5 3 t t5 þ ... þ 3 v 2E 15 v 4E
ðVI-68Þ
Durch Abbruch der Reihe nach dem 1., 2. bzw. 3. Glied erhalten wir die folgenden einfachen Na¨herungspolynome fu¨r die Zeitabha¨ngigkeit der Fallgeschwindigkeit: 1. Na¨herung:
v1 ¼ g t
2. Na¨herung:
v2 ¼ g t
3. Na¨herung:
g3 t3 3 v 2E 3 g 2 g5 3 t þ t5 v3 ¼ g t 3 v 2E 15 v 4E
Zu beachten ist dabei, dass diese Na¨herungen nur im Zeitintervall 0 t
ðVI-69Þ
p vE gelten. 2g
632
VI Potenzreihenentwicklungen
Die 1. Na¨herung liefert das fu¨r den luftleeren Raum gu¨ltige und bereits aus der Schulphysik bekannte lineare Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v ¼ g t. In Bild VI-14 haben wir den Verlauf dieser Na¨herungspolynome fu¨r eine angenommene Endgeschwindigkeit von v E ¼ 60 m=s ð¼ 216 km=hÞ dargestellt. Die Na¨herungen gelten aber nur fu¨r t < 3 p s. Man erkennt deutlich, dass diese Na¨herungen nur fu¨r kleine Fallzeiten sinnvoll sind. Durch Hinzunahme weiterer Reihenglieder lassen sich diese Na¨herungsfunktionen jedoch noch verbessern. Durch gliedweise Integration der Geschwindigkeit-Zeit-Funktion (VI-68) erhalten wir das Weg-Zeit-Gesetz des freien Falls in Form einer Reihenentwicklung: 3
ðt g 2 g5 3 5 t t s ðtÞ ¼ gt þ þ . . . dt ¼ 3 v 2E 15 v 4E 0
1 ¼ gt2 2
5 g3 g 4 t þ t6 þ ... 2 12 v E 45 v 4E
ðVI-70Þ
In 1. Na¨herung gewinnen wir hieraus das bekannte Fallgesetz fu¨r den luftleeren Raum: 1 p vE gt2 ðVI-71Þ 0 t < s ðtÞ ¼ 2 2g v m/s 70 v 1 (t)
v 3 (t)
60 50 v(t)
40
v 2 (t)
30 20
Bild VI-14 Na¨herungsfunktionen fu¨r den zeitlichen Verlauf der Fallgeschwindigkeit
10
1
5
10
t /s
Sonderfall: Freier Fall im luftleeren Raum Im luftleeren Raum gilt k ¼ 0. Die dann geltenden Fallgesetze erhalten wir aus den Gleichungen (IV-68) und (VI-70) fu¨r den Grenzu¨bergang k ! 0. Dabei wird die Endgeschwindigkeit v E des frei fallenden Ko¨rpers unendlich groß: rffiffiffiffiffiffiffiffiffi mg ! 1 ðf u¨ r k ! 0Þ ðVI-72Þ vE ¼ k
bungsaufgaben
633
In den Potenzreihenentwicklungen (VI-68) und (VI-70) verschwinden dann bis auf den 1. Summand alle Summanden und wir erhalten die aus der Schulphysik bekannten Fallgesetze: v ¼ gt
s ¼
und
Sie gelten wegen t
: arccos ðx=rÞ
f u¨ r
9 y 0> =
ðVII-21Þ
> y < 0;
Fu¨r die reellen Zahlen z ¼ x þ 0 j ¼ x gilt:
r ¼ jxj
(3)
arccos ðx=rÞ
und
j¼
8 > < > :
x > 0
0 unbestimmt
f u¨ r
p
x ¼ 0 x < 0
Fu¨r die imagina¨ren Zahlen z ¼ 0 þ j y ¼ j y gilt:
r ¼ jyj
und
j¼
8 p=2 > < > : 3 p=2
f u¨ r
9 y > 0> = > y < 0;
ðNullpunktÞ
9 > = > ;
1 Definition und Darstellung einer komplexen Zahl &
Beispiele (1)
Die komplexe Zahl z ¼
659
pffiffiffiffiffi 3 j liegt im 3. Quadranten (Bild VII-21).
Im (z)
– 3
f
3
Bild VII-21
a
Re (z)
1 –1 z=– 3 – j
Ihr Betrag ist r ¼ jzj ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffi pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi ð 3 Þ 2 þ ð 1Þ 2 ¼ 3 þ 1 ¼ 4 ¼ 2
Der Phasenwinkel j liegt zwischen 180 und 270 (Hauptwert). Wir berechnen ihn u¨ber den Hilfswinkel a: j 1j 1 pffiffiffiffiffi ¼ pffiffiffiffiffi tan a ¼ j 3j 3
)
a ¼ arctan
j ¼ 180 þ a ¼ 180 þ 30 ¼ 210 ¼ b
1 pffiffiffiffiffi 3
¼ 30
7 p 6
Die Anwendung der weiter vorne angegebenen Berechnungsformel fu¨r den 3. Quadranten fu¨hrt selbstversta¨ndlich zum gleichen Ergebnis: j ¼ p þ arctan (2)
1 pffiffiffiffiffi 3
1 p 7 ¼ p þ arctan pffiffiffiffiffi ¼ p þ ¼ p 6 6 3
Die in der kartesischen Schreibweise gegebenen komplexen Zahlen z1 ¼ 3 þ 4 j , z2 ¼ 4 þ 2 j , z3 ¼ 8 3 j , z4 ¼ 4 4 j sind in der trigonometrischen und exponentiellen Form darzustellen und in der Gaußschen Zahlenebene durch Bildpunkte bzw. Zeiger zu veranschaulichen. Lo¨sung: Die Bildpunkte und Zeiger der Zahlen z 1 bis z 4 besitzen die in Bild VII-22 skizzierte Lage in der Gaußschen Zahlenebene.
660
VII Komplexe Zahlen und Funktionen Im (z) z1
4
z2
–8
2
–4
3
4
Re (z)
–3
z3 –4
z4
Bild VII-22
z1 ¼ 3 þ 4 j
(1: Quadrant)
pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 4 2 2 ¼ 53,13 ¼ r1 ¼ j z1 j ¼ 3 þ 4 ¼ 5; j1 ¼ arctan b 0,927 3
z 1 ¼ 3 þ 4 j ¼ 5 ðcos 53,13 þ j sin 53,13 Þ ¼ 5 e j 53,13 ¼ ¼ 5 ðcos 0,927 þ j sin 0,927Þ ¼ 5 e j 0,927 z2 ¼ 4 þ 2 j
(2: Quadrant)
r2 ¼ j z2 j ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi ð 4Þ 2 þ 2 2 ¼ 20 ¼ 4,47
2 þ p ¼ arctan ð 0,5Þ þ p ¼ 0,464 þ p ¼ 2,678 j2 ¼ arctan 4 pffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi z 2 ¼ 4 þ 2 j ¼ 20 ðcos 2,678 þ j sin 2,678Þ ¼ 20 e j 2,678 z3 ¼ 8 3 j
(3: Quadrant)
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi ð 8Þ 2 þ ð 3Þ 2 ¼ 73 ¼ 8,544 r3 ¼ j z3 j ¼ 3 3 j3 ¼ arctan þ p ¼ arctan þ p ¼ 0,359 þ p ¼ 3,500 8 8 z 3 ¼ 8 3 j ¼ 8,544 ðcos 3,500 þ j sin 3,500Þ ¼ 8,544 e j 3,500
2 Komplexe Rechnung z4 ¼ 4 4 j
661
(4: Quadrant)
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 4 2 þ ð 4Þ 2 ¼ 4 2 r4 ¼ j z4 j ¼ 4 p 7 þ 2 p ¼ arctan ð 1Þ þ 2 p ¼ þ 2p ¼ p j4 ¼ arctan 4 4 4 pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 7 7 7 p þ j sin p ¼ 4 2 ej 4 p z 4 ¼ 4 4 j ¼ 4 2 cos 4 4 &
2 Komplexe Rechnung 2.1 Grundrechenarten fu¨r komplexe Zahlen Auf der Zahlenmenge C lassen sich – wie bei den reellen Zahlen – vier Rechenoperationen, die sog. Grundrechenarten erkla¨ren. Es sind dies: Addition (+) und Subtraktion () als Umkehrung der Addition, Multiplikation () und Division (:) als Umkehrung der Multiplikation. Bei der Festlegung dieser Operationen ist jedoch zu beachten, dass die reellen Zahlen einen Sonderfall der komplexen Zahlen darstellen ðR CÞ. Die vier Grundrechenarten mu¨ssen daher so definiert werden, dass die Rechenregeln fu¨r komplexe Zahlen im Reellen mit den bekannten Rechenregeln fu¨r reelle Zahlen u¨bereinstimmen (sog. Permanenzprinzip). Mit anderen Worten: Die vier Grundrechenarten mu¨ssen so festgelegt werden, dass reelle und komplexe Zahlen den gleichen Grundgesetzen genu¨gen. Mit einer einzigen Ausnahme: Fu¨r komplexe Zahlen la¨sst sich kein Anordnungsaxiom formulieren. Daher haben Ungleichungen wie etwa z 1 < z 2 oder z 1 > z 2 fu¨r komplexe Zahlen keinen Sinn.
2.1.1 Addition und Subtraktion komplexer Zahlen Die Rechenoperationen Addition und Subtraktion sind in der kartesischen Darstellungsform wie folgt definiert: Definition: Summe z 1 þ z 2 und Differenz z 1 z 2 zweier komplexer Zahlen z 1 ¼ x 1 þ j y 1 und z 2 ¼ x 2 þ j y 2 werden nach den folgenden Vorschriften gebildet: z 1 þ z 2 ¼ ðx 1 þ x 2 Þ þ j ðy 1 þ y 2 Þ
ðVII-22Þ
z 1 z 2 ¼ ðx 1 x 2 Þ þ j ðy 1 y 2 Þ
ðVII-23Þ
662
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Anmerkungen (1)
Realteile und Imagina¨rteile werden jeweils fu¨r sich addiert bzw. subtrahiert.
(2)
Addition und Subtraktion lassen sich nur in der kartesischen Form durchfu¨hren. Gegebenenfalls mu¨ssen daher die Zahlen erst in diese Form umgerechnet werden (vgl. hierzu das nachfolgende Beispiel (2)).
(3)
Die Addition ist kommutativ: z 1 þ z 2 ¼ z 2 þ z 1 .
Wichtige Folgerung Addieren wir die beiden speziellen komplexen Zahlen z 1 ¼ x þ j 0 ¼ x ðreellÞ
und
z 2 ¼ 0 þ j y ¼ j y ðimagin¨arÞ
so erhalten wir nach Gleichung (VII-22) die komplexe Zahl z ¼ x þ j y: z 1 þ z 2 ¼ ðx þ j 0Þ þ ð0 þ j yÞ ¼ ðx þ 0 Þ þ j ð0 þ y Þ ¼ |fflffl{zfflffl} |fflffl{zfflffl} x y ¼ x þ jy ¼ z
ðVII-24Þ
Wir ko¨nnen daher die komplexe Zahl z ¼ x þ j y im Sinne der komplexen Addition als Summe aus der reellen Zahl x und der rein-imagina¨ren Zahl j y auffassen. Dies erkla¨rt, warum bei der Definition der komplexen Zahl die Schreibweise z ¼ x þ j y mit dem Additionszeichen „+“ als Verknu¨pfungssymbol gewa¨hlt wurde.
&
Beispiele (1)
Wir bilden mit den Zahlen z 1 ¼ 4 5 j und z 2 ¼ 2 þ 11 j die Summe z 1 þ z 2 und die Differenz z 1 z 2 : z 1 þ z 2 ¼ ð4 5 jÞ þ ð2 þ 11 jÞ ¼ ð4 þ 2Þ þ ð 5 þ 11Þ j ¼ 6 þ 6 j z 1 z 2 ¼ ð4 5 jÞ ð2 þ 11 jÞ ¼ ð4 2Þ þ ð 5 11Þ j ¼ 2 16 j
(2)
Gegeben: z 1 ¼ 3 e j 30 , Gesucht:
z1 þ z2
und
h p p i þ j sin z 2 ¼ 2 cos 4 4 z 1 z 2.
Lo¨sung: Die Zahlen mu¨ssen zuna¨chst in die kartesische Form gebracht werden:
z 1 ¼ 3 e j 30 ¼ 3 ðcos 30 þ j sin 30 Þ ¼ 2,598 þ 1,500 j h p p i þ j sin ¼ 1,414 þ 1,414 j z 2 ¼ 2 cos 4 4
2 Komplexe Rechnung
663
Addition und Subtraktion sind jetzt leicht durchfu¨hrbar. Wir erhalten: z 1 þ z 2 ¼ ð2,598 þ 1,500 jÞ þ ð1,414 þ 1,414 jÞ ¼ ¼ ð2,598 þ 1,414Þ þ ð1,500 þ 1,414Þ j ¼ 4,012 þ 2,914 j z 1 z 2 ¼ ð2,598 þ 1,500 jÞ ð1,414 þ 1,414 jÞ ¼ ¼ ð2,598 1,414Þ þ ð1,500 1,414Þ j ¼ 1,184 þ 0,086 j &
Geometrische Deutung der Addition und Subtraktion Die Summen- bzw. Differenzbildung erfolgt bei komplexen Zahlen komponentenweise, d. h. nach den gleichen Regeln wie bei 2-dimensionalen Vektoren (vgl. hierzu Kap. II, Abschnitt 2.2.2). Den beiden Vektorkomponenten entsprechen dabei Real- und Imagina¨rteil der komplexen Zahl. Die Addition und Subtraktion zweier komplexer Zahlen kann daher auch geometrisch nach der aus der Vektorrechnung bekannten Parallelogrammregel erfolgen (Bild VII-23). Im (z)
z1 + z2
z2
z1 – z
2
z1
Bild VII-23 Zur geometrischen Addition und Subtraktion zweier komplexer Zahlen Re (z)
2.1.2 Multiplikation und Division komplexer Zahlen Multiplikation und Division in kartesischer Form Definition: Unter dem Produkt z1 z2 zweier komplexer Zahlen z 1 ¼ x 1 þ j y 1 und z 2 ¼ x 2 þ j y 2 wird die komplexe Zahl z 1 z 2 ¼ ðx 1 x 2 y 1 y 2 Þ þ j ðx 1 y 2 þ x 2 y 1 Þ verstanden.
Anmerkung Die Multiplikation ist kommutativ: z 1 z 2 ¼ z 2 z 1 .
ðVII-25Þ
664
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Die Rechenvorschrift (VII-25) ist fu¨r die Praxis wenig geeignet: Wer kann sich schon diese Formel merken? Die Multiplikation la¨sst sich jedoch wie im Reellen durchfu¨hren, wenn man dabei eine bestimmte Eigenschaft der imagina¨ren Einheit j beachtet, die wir jetzt herleiten wollen. Wir zeigen durch Anwendung der Rechenvorschrift (VII-25), dass das Quadrat der imagina¨ren Einheit j, also das Produkt j j, die reelle Zahl 1 ergibt: j 2 ¼ j j ¼ ð0 þ j 1Þ ð0 þ j 1Þ ¼ ð0 0 1 1Þ þ j ð0 1 þ 0 1Þ ¼ ¼ 1 þ j0 ¼ 1
ðVII-26Þ
Analog erhalten wir: ð jÞ 2 ¼ ð jÞ ð jÞ ¼ 1 Eigenschaft der imagina¨ren Einheit j Fu¨r das Quadrat der imagina¨ren Einheit j gilt: j2 ¼ j j ¼ 1
ðVII-27Þ
Wenn wir diese wichtige Beziehung beachten, la¨sst sich die Multiplikation zweier komplexer Zahlen wie im Reellen durchfu¨hren („Ausmultiplizieren“ der beiden Klammern): z 1 z 2 ¼ ðx 1 þ j y 1 Þ ðx 2 þ j y 2 Þ ¼ x 1 x 2 þ j x 1 y 2 þ j x 2 y 1 þ j 2 y 1 y 2 ¼ ¼ x 1 x 2 þ j ðx 1 y 2 þ x 2 y 1 Þ 1 y 1 y 2 ¼ ¼ ðx 1 x 2 y 1 y 2 Þ þ j ðx 1 y 2 þ x 2 y 1 Þ
(VII-28)
Berechnung des Produktes z 1 z 2 Das Produkt z 1 z 2 ¼ ðx 1 þ j y 1 Þ ðx 2 þ j y 2 Þ zweier komplexer Zahlen z 1 und z 2 wird wie im Reellen durch „Ausmultiplizieren“ der Klammern unter Beachtung der Beziehung j 2 ¼ 1 berechnet.
&
Beispiele (1)
z1 ¼ 2 4 j , z2 ¼ 3 þ 5 j , z3 ¼ 1 þ 2 j , z1 z2 ¼ ? , z2 z3 ¼ ? Lo¨sung: z 1 z 2 ¼ ð2 4 jÞ ð 3 þ 5 jÞ ¼ 6 þ 10 j þ 12 j 20 j 2 ¼ ¼ 6 þ 22 j þ 20 ¼ 14 þ 22 j z 2 z 3 ¼ ð 3 þ 5 jÞ ð 1 þ 2 jÞ ¼ 3 6 j 5 j þ 10 j 2 ¼ ¼ 3 11 j 10 ¼ 7 11 j
2 Komplexe Rechnung (2)
665
Wir berechnen die ersten Potenzen von j: j 1 ¼ j;
j 2 ¼ 1; j 3 ¼ j 2 j ¼ ð 1Þ j ¼ j ;
j 4 ¼ j 2 j 2 ¼ ð 1Þ ð 1Þ ¼ 1 ;
j5 ¼ j4 j ¼ 1 j ¼ j ; . . .
Die ersten vier Potenzen besitzen der Reihe nach die Werte j , 1, j und 1. Von der 5. Potenz an wiederholen sich diese Werte. Daher gilt fu¨r jedes natu¨rliche n: j1þ4n ¼ j ; (3)
j2þ4n ¼ 1 ;
j3þ4n ¼ j ;
j4þ4n ¼ 1
Wir berechnen das Produkt aus z und z * und erhalten: z z * ¼ ðx þ j yÞ ðx j yÞ ¼ x 2 j x y þ j x y j 2 y 2 ¼ ¼ x2 þ y2 ¼ j z j2 Folgerung: Fu¨r z 6¼ 0 ist z z * stets eine positive reelle Zahl. Fu¨r den Betrag j z j einer komplexen Zahl z ¼ x þ j y ko¨nnen wir daher auch schreiben: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi & jzj ¼ x2 þ y2 ¼ z z*
Wir bescha¨ftigen uns jetzt mit der Umkehrung der Multiplikation, der Division. Dazu betrachten wir die Gleichung z z2 ¼ z1 mit vorgegebenen Zahlen z 1 ¼ x 1 þ j y 1 und z 2 ¼ x 2 þ j y 2 (wobei z 2 6¼ 0 vorausgesetzt wird). Sie hat – wie wir gleich zeigen werden – genau eine Lo¨sung z ¼ x þ j y, die wie im Reellen als Quotient aus z 1 und z 2 bezeichnet wird: z1 ðz 2 6¼ 0Þ ðVII-29Þ z z2 ¼ z1 ) z ¼ z2 Dieser Quotient la¨sst sich auf relativ einfache Art wie folgt berechnen. Zuna¨chst erweitern wir den Bruch mit z *2 , also dem konjugiert komplexen Nenner. Dadurch wird der Nenner des Bruches reell (z 2 z *2 ist immer eine positive reelle Zahl) und wir ko¨nnen jetzt die Division wie im Reellen gliedweise vornehmen ( j 2 ¼ 1 beachten): z1 z1 z2 * ðx 1 þ j y 1 Þ ðx 2 j y 2 Þ ¼ ¼ ¼ * z2 ðx 2 þ j y 2 Þ ðx 2 j y 2 Þ z2 z2 |fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} 3. Binom ¼
x1 x2 j x1 y2 þ j x2 y1 j2 y1 y2 x 1 x 2 þ j ðx 2 y 1 x 1 y 2 Þ þ y 1 y 2 ¼ ¼ 2 2 2 x 22 þ y 22 x2 j y2
¼
ðx 1 x 2 þ y 1 y 2 Þ þ j ðx 2 y 1 x 1 y 2 Þ x1 x2 þ y1 y2 x2 y1 x1 y2 ¼ þj x 22 þ y 22 x 22 þ y 22 x 22 þ y 22 (VII-30)
666
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Berechnung des Quotienten z 1 =z 2 Der Quotient z 1 =z 2 zweier komplexer Zahlen z 1 und z 2 in kartesischer Form la¨sst sich schrittweise wie folgt berechnen: 1. Der Bruch z 1 =z 2 wird zuna¨chst mit z *2 , also dem konjugiert komplexen Nenner, erweitert: z1 z 1 z *2 ðx 1 þ j y 1 Þ ðx 2 j y 2 Þ ¼ ¼ z2 ðx 2 þ j y 2 Þ ðx 2 j y 2 Þ z 2 z *2
ðVII-31Þ
2. Za¨hler und Nenner werden dann nach den aus dem Reellen bekannten Regeln „ausmultipliziert“ unter Beachtung der Beziehung j 2 ¼ 1. Der Nenner des Bruches wird dadurch (positiv) reell. 3. Die im Za¨hler stehende komplexe Zahl wird jetzt gliedweise durch den (reellen) Nenner dividiert. Anmerkung Man beachte: Wie im Reellen so ist auch im Komplexen die Division durch die Zahl Null nicht erlaubt. &
Beispiele (1)
Mit z 1 ¼ 4 8 j und z 2 ¼ 3 þ 4 j berechnen wir den Quotienten z 1 =z 2 : z1 4 8j ð4 8 jÞ ð3 4 jÞ 12 16 j 24 j þ 32 j 2 ¼ ¼ ¼ ¼ 3 þ 4j ð3 þ 4 jÞ ð3 4 jÞ z2 9 þ 16 ¼
(2)
20 40 j 20 40 ¼ j ¼ 0,8 1,6 j 25 25 25
Wir berechnen den Kehrwert der imagina¨ren Einheit j: 1 1 ð jÞ j j j ¼ ¼ ¼ ¼ j ¼ j j ð jÞ ð 1Þ 1 j2
&
Multiplikation und Division in der Polarform Multiplikation und Division lassen sich in der trigonometrischen bzw. exponentiellen Schreibweise besonders einfach durchfu¨hren. In der Exponentialform erhalten wir: z 1 z 2 ¼ ðr 1 e j j1 Þ ðr 2 e j j2 Þ ¼ ðr 1 r 2 Þ e j j1 e j j2 ¼ ¼ ðr 1 r 2 Þ e j j1 þ j j2 ¼ ðr 1 r 2 Þ e j ðj1 þ j j2 Þ
ðVII-32Þ
Zwei komplexe Zahlen werden also multipliziert, indem man ihre Betra¨ge multipliziert und ihre Argumente (Winkel) addiert.
2 Komplexe Rechnung
667
Analog gilt fu¨r die Division: z1 r 1 e j j1 ¼ ¼ z2 r 2 e j j2
r1 r1 e j j1 e j j2 ¼ e j ðj1 j2 Þ r2 r2
ðVII-33Þ
Zwei komplexe Zahlen werden somit dividiert, indem man ihre Betra¨ge dividiert und ihre Argumente (Winkel) subtrahiert. In der trigonometrischen Darstellung lauten diese Rechenregeln wie folgt: z 1 z 2 ¼ r 1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ r 2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ ¼ ¼ ðr 1 r 2 Þ ½ cos ðj1 þ j2 Þ þ j sin ðj1 þ j2 Þ z1 r 1 ðcos j1 þ j sin j1 Þ ¼ ¼ r 2 ðcos j2 þ j sin j2 Þ z2 r1 ½ cos ðj1 j2 Þ þ j sin ðj1 j2 Þ ¼ r2
ðVII-34Þ
ðVII-35Þ
Wir fassen diese Ergebnisse wie folgt zusammen:
Multiplikation und Division zweier komplexer Zahlen in der trigonometrischen bzw. exponentiellen Darstellung Bei der Multiplikation und Division zweier komplexer Zahlen z 1 und z 2 erweist sich die trigonometrische bzw. exponentielle Darstellungsweise als besonders vorteilhaft. Es gilt dann: 1. Fu¨r die Multiplikation: z 1 z 2 ¼ ðr 1 r 2 Þ ½ cos ðj1 þ j2 Þ þ j sin ðj1 þ j2 Þ ¼ ¼ ðr 1 r 2 Þ e j ðj1 þ j2 Þ
ðVII-36Þ
Regel: Zwei komplexe Zahlen werden multipliziert, indem man ihre Betra¨ge multipliziert und ihre Argumente (Winkel) addiert. 2. Fu¨r die Division: z1 r1 ½ cos ðj1 j2 Þ þ j sin ðj1 j2 Þ ¼ ¼ z2 r2 r1 e j ðj1 j2 Þ ¼ r2
ðVII-37Þ
Regel: Zwei komplexe Zahlen werden dividiert, indem man ihre Betra¨ge dividiert und ihre Argumente (Winkel) subtrahiert.
668
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Geometrische Deutung der Multiplikation und Division Die Rechenoperationen Multiplikation und Division lassen sich in anschaulicher Weise wie folgt geometrisch deuten: (1)
Multiplikation mit einer reellen Zahl Die Multiplikation der komplexen Zahl z 1 ¼ r 1 e j j1 mit der positiven reellen Zahl r ðr > 0Þ bedeutet eine Streckung des Zeigers z 1 um das r-fache, wobei der Winkel j1 erhalten bleibt (Bild VII-24). Dabei gilt: r > 1
) Dehnung (Zeiger wird verla¨ngert)
r < 1
) Stauchung (Zeiger wird verku¨rzt)
Erfolgt die Multiplikation jedoch mit einer negativen reellen Zahl r ðr < 0Þ, so ist der Zeiger z 1 um das j r j-fache zu strecken und anschließend um 180 (in positiver oder negativer Richtung) zu drehen (Richtungsumkehr). (2)
Multiplikation mit einer komplexen Zahl vom Betrag Eins Die Multiplikation der komplexen Zahl z 1 ¼ r 1 e j j1 mit der komplexen Zahl e j j entspricht einer Drehung des Zeigers z 1 um den Winkel j (Bild VII-25). Fu¨r j > 0 erfolgt die Drehung im positiven Drehsinn (im Gegenuhrzeigersinn), fu¨r j < 0 dagegen im negativen Drehsinn (im Uhrzeigersinn). Die La¨nge des Zeigers bleibt dabei unvera¨ndert, da j e j j j ¼ 1 ist. Im (z)
z = z 1 · e jj
Im (z)
z = r · z1
r
z ·|
|=
r·
r1 r1
1
r1
z1
j
j1
j1 Re (z)
Bild VII-24
(3)
z1
Re (z)
Bild VII-25
Multiplikation mit der imagina¨ren Einheit j Die Multiplikation der komplexen Zahl z 1 ¼ r 1 e j j1 mit der imagina¨ren Ein heit j bewirkt wegen j ¼ 1 e j 90 eine reine Vorwa¨rtsdrehung des Zeigers z 1 um 90 . Multipliziert man mit j n , so betra¨gt der Drehwinkel n 90 (mit n 2 N *). Die Zeigerla¨nge bleibt dabei erhalten.
2 Komplexe Rechnung (4)
669
Multiplikation mit einer komplexen Zahl (allgemeiner Fall) Die Multiplikation der komplexen Zahl z 1 ¼ r 1 e j j1 mit der komplexen Zahl z ¼ r e j j la¨sst sich geometrisch als Drehstreckung des Zeigers z 1 darstellen: Zuna¨chst wird der Zeiger z 1 um das r-fache gestreckt (Streckung) und anschließend um den Winkel j gedreht (Drehung). Bild VII-26 zeigt die einzelnen Phasen dieser geometrischen Operation. Im (z) z · z1
r r1
r r1 r1
f
r· z 1
Bild VII-26 Zur Multiplikation zweier komplexer Zahlen
z1
f1 Re (z)
Wir fassen zusammen:
Geometrische Deutung der Multiplikation zweier komplexer Zahlen Die Multiplikation der komplexen Zahl z 1 ¼ r 1 e j j1 mit der komplexen Zahl z ¼ r e j j bedeutet geometrisch eine Drehstreckung des Zeigers z 1 (Bild VII-26). Dabei wird der Zeiger z 1 nacheinander den folgenden geometrischen Operationen unterworfen: 1. Streckung um das r-fache. 2. Drehung um den Winkel j im positiven Drehsinn fu¨r j > 0. Das Ergebnis ist das geometrische Bild des Produktes z z 1 . Anmerkungen (1)
Die Operationen du¨rfen auch in der umgekehrten Reihenfolge ausgefu¨hrt werden: Zuerst erfolgt die Drehung, dann die Streckung des Zeigers. Diese Reihenfolge erkla¨rt auch die Bezeichnung „Drehstreckung“ fu¨r die zusammengesetzte Operation.
(2)
Da die Multiplikation eine kommutative Rechenoperation ist ðz 1 z ¼ z z 1 Þ, kann man bei der geometrischen Konstruktion des Produktes z 1 z auch vom Zeiger z ausgehen.
670
(3)
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Die Division zweier komplexer Zahlen la¨sst sich auf die Multiplikation zuru¨ckfu¨hren. So bedeutet der Quotient z 1 =z das Produkt aus z 1 und dem Kehrwert von z: z1 1 1 1 jj j j1 e ðVII-38Þ ¼ ðr e Þ ¼ z 1 ¼ ðr 1 e j j1 Þ 1 z r ejj r z Damit erhalten wir fu¨r den Quotienten z 1 =z die folgende geometrische Konstruktion: Zuna¨chst wird der Zeiger z 1 um das 1/r-fache gestreckt, dann um den Winkel j zuru¨ckgedreht oder umgekehrt (Bild VII-27). Fu¨r j > 0 erfolgt die Drehung im negativen Drehsinn (Zuru¨ckdrehung des Zeigers, d. h. Drehung im Uhrzeigersinn), fu¨r j < 0 dagegen im positiven Drehsinn (Vorwa¨rtsdrehung des Zeigers, d. h. Drehung im Gegenuhrzeigersinn).
Im (z) z1 r1 z1 r
z1 z
f Bild VII-27 Zur Division zweier komplexer Zahlen
f1 Re (z)
&
Beispiele (1)
Gegeben sind die komplexen Zahlen z 1 ¼ 3 e j 30 berechnen und konstruieren das Produkt z 1 z 2 .
und z 2 ¼ 2 e j 80 . Wir
Rechnerische Lo¨sung:
z 1 z 2 ¼ ð3 e j 30 Þ ð2 e j 80 Þ ¼ ð3 2Þ e j ð30
þ 80 Þ
¼ 6 e j 110
Konstruktion des Zeigers z 1 z 2 : Mit dem Zeiger z 1 fu¨hren wir nacheinander die folgenden geometrischen Operationen durch (Bild VII-28): 1. Streckung auf das 2-fache (Verdoppelung der Zeigerla¨nge). 2. Drehung um den Winkel 80 im positiven Drehsinn (Gegenuhrzeigersinn).
Das Ergebnis dieser Drehstreckung ist der Zeiger von z 1 z 2 ¼ 6 e j 110 .
2 Komplexe Rechnung
671
Im (z)
z1 · z2 5
6
2 · z1
6 3
z1
80° 30° –1
(2)
Bild VII-28
1
5
Re (z)
Wir berechnen den Quotienten aus z 1 ¼ 4 e j 140 und z 2 ¼ 2 e j 90 . Wie sieht die geometrische (zeichnerische) Lo¨sung aus? Rechnerische Lo¨sung:
z1 4 e j 140 ¼ ¼ z2 2 e j 90
4 e j ð140 90 Þ ¼ 2 e j 50 2
Geometrische Lo¨sung: Der Zeiger z 1 wird zuna¨chst um das 1/2-fache gestreckt (d. h. auf die Ha¨lfte verku¨rzt) und anschließend um 90 zuru¨ckgedreht (Bild VII-29): Im (z)
z1 4 z1 z2
1 · z1 2
90° 2
2 50°
140°
Bild VII-29 –1
(3)
1
Re (z)
Die Division einer komplexen Zahl z durch die imagina¨re Einheit j ¼ e j 90 be1 ¼ e j 90 . deutet eine Multiplikation von z mit j
672
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Geometrische Deutung: Der Zeiger z 1 ist um 90 zuru¨ckzudrehen (Bild VII-30): z r ejj ¼ j 90 ¼ r e j j e j 90 ¼ r e j ðj 90 Þ j e Im (z)
1 z ·z= j j
z
Bild VII-30 Zur Division einer komplexen Zahl z durch die imagina¨re Einheit j
90° Re (z)
&
2.1.3 Grundgesetze fu¨r komplexe Zahlen (Zusammenfassung) Die vier Grundrechenoperationen fu¨r komplexe Zahlen genu¨gen den folgenden Grundgesetzen: Eigenschaften der Menge der komplexen Zahlen 1. Summe z 1 þ z 2 , Differenz z 1 z 2 , Produkt z 1 z 2 und Quotient z 1 =z 2 zweier komplexer Zahlen z 1 und z 2 ergeben wiederum komplexe Zahlen. Ausnahme: Die Division durch die Zahl 0 ist nicht erlaubt. 2. Addition und Multiplikation sind kommutative Rechenoperationen. Fu¨r beliebige Zahlen z 1 , z 2 2 C gilt stets: ) z1 þ z2 ¼ z2 þ z1 Kommutativgesetze ðVII-39Þ z1 z2 ¼ z2 z1 3. Addition und Multiplikation sind assoziative Rechenoperationen. Fu¨r beliebige Zahlen z 1 , z 2 , z 3 2 C gilt stets: ) z 1 þ ðz 2 þ z 3 Þ ¼ ðz 1 þ z 2 Þ þ z 3 Assoziativgesetze ðVII-40Þ z 1 ðz 2 z 3 Þ ¼ ðz 1 z 2 Þ z 3 4. Addition und Multiplikation sind u¨ber das Distributivgesetz miteinander verbunden: z 1 ðz 2 þ z 3 Þ ¼ z 1 z 2 þ z 1 z 3
Distributivgesetz
ðVII-41Þ
2 Komplexe Rechnung
673
2.2 Potenzieren Wir erheben die komplexe Zahl z ¼ r e j j ¼ r ðcos j þ j sin jÞ in die n-te Potenz und erhalten ðn ¼ 2, 3, 4, . . .Þ: z n ¼ ½ r e j j n ¼ ðr e j j Þ ðr e j j Þ . . . ðr e j j Þ ¼ ¼ ðr r . . . rÞ e j ðj þ j þ ... þ jÞ ¼ r n e j n j
ðVII-42Þ
(Faktor r und Summand j treten jeweils n-mal auf). Diese nach Moivre benannte Formel lautet in der trigonometrischen Schreibweise: z n ¼ ½ r ðcos j þ j sin jÞ n ¼ r n ½ cos ðn jÞ þ j sin ðn jÞ
ðVII-43Þ
Wir folgern: Eine komplexe Zahl z wird in die n-te Potenz erhoben, indem man ihren Betrag r in die n-te Potenz erhebt und ihr Argument (ihren Winkel) j mit dem Exponenten n multipliziert. Wir fassen zusammen:
Potenzieren einer komplexen Zahl in der Polarform Eine in der Polarform vorliegende komplexe Zahl z wird nach der Formel von Moivre wie folgt potenziert ðn ¼ 2, 3, 4, . . .Þ: In exponentieller Schreibweise: z n ¼ ½ r e j j n ¼ r n e j n j
ðVII-44Þ
In trigonometrischer Schreibweise: z n ¼ ½ r ðcos j þ j sin jÞ n ¼ r n ½ cos ðn jÞ þ j sin ðn jÞ
ðVII-45Þ
Regel: Eine komplexe Zahl wird in die n-te Potenz erhoben, indem man ihren Betrag r in die n-te Potenz erhebt und ihr Argument (ihren Winkel) j mit dem Exponenten n multipliziert. Anmerkungen (1)
Die Operation „Potenzieren“ bedeutet eine wiederholte Multiplikation. Dem entspricht in der geometrischen Betrachtungsweise eine wiederholte Drehstreckung.
(2)
Die Operation „Potenzieren“ kann auch in der kartesischen Form durchgefu¨hrt werden, ist jedoch im Allgemeinen wesentlich aufwendiger. Die Berechnung erfolgt dann mit Hilfe der aus dem Reellen bekannten Binomischen Formeln.
674 &
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Beispiele (1)
h p p i Wir erheben die komplexe Zahl z ¼ 2 cos þ j sin in die 3. Po3 3 tenz: z3 ¼
h p p i 3 h p p i 2 cos ¼ 2 3 cos 3 þ j sin þ j sin 3 ¼ 3 3 3 3
¼ 8 ðcos p þ j sin pÞ ¼ 8 ð 1 þ j 0Þ ¼ 8 In Bild VII-31 haben wir diese Operation geometrisch dargestellt. Es handelt sich um zwei nacheinander ausgefu¨hrte Drehstreckungen. Die Zeigerla¨nge wird dabei jeweils verdoppelt ð2 ! 4 ! 8Þ, der Zeiger jeweils um 60 weitergedreht ð60 ! 120 ! 180 Þ. Im (z) z2
4 z 2 60° 8 z
(2)
60°
3
60°
–1
z ¼ 1,2 2,5 j ,
Bild VII-31
1
Re (z)
z6 ¼ ?
Zuna¨chst bringen wir z in die Exponentialform (Bild VII-32): r ¼
qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1,2 2 þ ð 2,5Þ 2 ¼ 2,7731
tan j ¼
2,5 ¼ 2,0833 1,2
)
Im (z) 1,2
f 1
Re (z)
j ¼ arctan ð 2,0833Þ þ 2 p ¼ 5,160 –1
r
Daher ist z ¼ 1,2 2,5 j ¼ 2,7731 e j 5,160 Bild VII-32
–2 – 2,5
z = 1,2 – 2,5 j
Nach der Formel von Moivre folgt weiter: z 6 ¼ ð2,7731 e j 5,160 Þ 6 ¼ 2,7731 6 e j 6 5,160 ¼ 454,77 e j 30,96 ¼ ¼ 454,77 ðcos 30,96 þ j sin 30,96Þ ¼ 408,32 200,23 j
2 Komplexe Rechnung (3)
675
Fu¨r r ¼ 1 besitzt die Formel von Moivre (VII-45) die spezielle Form ðcos j þ j sin jÞ n ¼ cos ðn jÞ þ j sin ðn jÞ Aus dieser wichtigen Beziehung lassen sich z. B. Formelausdru¨cke fu¨r cos ðn jÞ und sin ðn jÞ herleiten. Wir zeigen dies fu¨r n ¼ 2: ðcos j þ j sin jÞ 2 ¼ cos ð2 jÞ þ j sin ð2 jÞ cos 2 j þ j 2 sin j cos j þ j 2 sin 2 j ¼ cos ð2 jÞ þ j sin ð2 jÞ cos 2 j sin 2 j þ j ð2 sin j cos jÞ ¼ cos ð2 jÞ þ j sin ð2 jÞ Durch Vergleich der Real- bzw. Imagina¨rteile auf beiden Seiten erhalten wir die folgenden (aus Kap. III) bereits bekannten trigonometrischen Formeln: cos ð2 jÞ ¼ cos 2 j sin 2 j ¼ cos 2 j ½ 1 cos 2 j ¼ 2 cos 2 j 1 sin ð2 jÞ ¼ 2 sin j cos j
&
2.3 Radizieren (Wurzelziehen) Aus der Algebra ist bekannt, dass eine algebraische Gleichung n-ten Grades an xn þ an1 xn1 þ . . . þ a1 x þ a0 ¼ 0
ðVII-46Þ
mit reellen Koeffizienten ho¨chstens n reelle Lo¨sungen, auch Wurzeln genannt, besitzt (x 2 R; vgl. hierzu Kap. III, Abschnitt 5.4). Werden auch komplexe Lo¨sungen zugelassen, so gibt es genau n Lo¨sungen (komplex oder reell). Dies gilt auch bei komplexen Koeffizienten a i (mit i ¼ 0, 1, 2, . . . , n). Diese wichtige Aussage halten wir in dem Fundamentalsatz der Algebra wie folgt fest (die Unbekannte bezeichnen wir wie im Komplexen u¨blich mit z statt x): Fundamentalsatz der Algebra Eine algebraische Gleichung n-ten Grades an zn þ an1 zn1 þ . . . þ a1 z þ a0 ¼ 0
ðVII-47Þ
besitzt in der Menge C der komplexen Zahlen stets genau n Lo¨sungen, wobei mehrfache Lo¨sungen entsprechend oft geza¨hlt werden. Anmerkungen (1)
Die linke Seite der algebraischen Gleichung (VII-47) ist ein Polynom vom Grade n mit i. A. komplexen Koeffizienten a i ði ¼ 0, 1, . . . , nÞ. Es la¨sst sich auch im komplexen Zahlenbereich wie folgt in Linearfaktoren zerlegen: a n ðz z 1 Þ ðz z 2 Þ ðz z 3 Þ . . . ðz z n Þ
ðVII-48Þ
676
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
z 1 , z 2 , . . . , z n sind dabei die n Polynomnullstellen, d. h. die n Lo¨sungen der algebraischen Gleichung (VII-47). Die Zerlegung (VII-48) in Linearfaktoren wird wie im Reellen auch als Produktdarstellung des Polynoms bezeichnet (vgl. hierzu auch Kap. III, Abschnitt 5.4). (2)
Bei ausschließlich reellen Koeffizienten a i ði ¼ 0, 1, . . . , nÞ treten komplexe Lo¨sungen immer paarweise auf, na¨mlich als Paare zueinander konjugiert komplexer Zahlen. Mit z 1 ist daher stets auch z *1 eine Lo¨sung der Gleichung. Ein Beispiel liefert die quadratische Gleichung z2 þ p z þ q ¼ 0
ðmit p, q 2 RÞ
Die Art der Lo¨sungen ha¨ngt dabei bekanntlich vom Vorzeichen der sog. Diskriminante D ¼ p 2 =4 q ab: D > 0: Zwei verschiedene reelle Lo¨sungen D ¼ 0: Eine (doppelte) reelle Lo¨sung Im Fall D < 0 gibt es zwei konjugiert komplexe Lo¨sungen. Sie lauten: sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
ffi
2 pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi
p p p
ðVII-49Þ q
j jDj ¼ j z 1=2 ¼
4 2 2
&
Beispiel Die algebraische Gleichung 3. Grades (mit ausschließlich reellen Koeffizienten) z3 z2 þ 4 z 4 ¼ 0 besitzt nach dem Fundamentalsatz genau drei Lo¨sungen. Durch Probieren finden wir eine reelle Lo¨sung bei z 1 ¼ 1. Den zugeho¨rigen Linearfaktor z 1 spalten wir nach dem aus Kap. III bekannten Horner-Schema ab: 1 z1 ¼ 1 1
1
4
4
1
0
4
0
4
0
Die Nullstellen des 1. reduzierten Polynoms z 2 þ 0 z þ 4 ¼ z 2 þ 4 liefern die beiden u¨brigen Lo¨sungen: z2 þ 4 ¼ 0
)
z2 ¼ 4
)
z 2=3 ¼ 2 j
Die algebraische Gleichung 3. Grades besitzt somit eine reelle Lo¨sung und zwei zueinander konjugiert komplexe Lo¨sungen: z3 z2 þ 4 z 4 ¼ 0
)
z 1 ¼ 1,
z2 ¼ 2 j ,
z 3 ¼ z *2 ¼ 2 j
2 Komplexe Rechnung
677
Das Polynom z 3 z 2 þ 4 z 4 ist daher auch in der Produktform z 3 z 2 þ 4 z 4 ¼ ðz 1Þ ðz 2 jÞ ðz þ 2 jÞ &
darstellbar („ Zerlegung in Linearfaktoren“).
Eine besonders einfache Struktur besitzt die algebraische Gleichung z n ¼ a ða 2 CÞ. Ihre Lo¨sungen werden als n-te Wurzeln aus a bezeichnet. Dies fu¨hrt zu der folgenden Definition:
Definition: Eine komplexe Zahl z heißt n-te Wurzel aus a, wenn sie der algebraischen Gleichung z n ¼ a genu¨gt ða 2 CÞ. Symbolische Schreibffiffiffiffiffi p n weise: z ¼ a . Wir bescha¨ftigen uns nun mit den Lo¨sungen der Gleichung zn ¼ a ¼ a0 eja
ða 0 > 0Þ
ðVII-50Þ
Mit dem Lo¨sungsansatz in der Polarform z ¼ r ðcos j þ j sin jÞ ¼ r e j j und unter Beru¨cksichtigung der Periodizita¨t der komplexen Exponentialfunktion geht Gleichung (VII-50) u¨ber in r n e j n j ¼ a 0 e j a ¼ a 0 e j ða þ k 2 pÞ
ðk 2 ZÞ
ðVII-51Þ
Somit gilt: r n ¼ a0
und
nj ¼ a þ k 2p
Alle Lo¨sungen besitzen daher den gleichen Betrag pffiffiffiffiffiffiffi r ¼ n a0
ðVII-52Þ
ðVII-53Þ
Ihre Argumente (Winkel) sind jk ¼
a þ k 2p n
ðk 2 ZÞ
ðVII-54Þ
Allerdings erhalten wir – im Einklang mit dem Fundamentalsatz der Algebra – insgesamt nur n verschiedene Werte. Diese werden beispielsweise fu¨r k ¼ 0, 1, 2, . . . , n 1 angenommen 4). Die Bildpunkte der n Lo¨sungen liegen ffi der Gaußschen Zahlenebene pffiffiffiffiffiffiin auf einem Mittelpunktskreis mit dem Radius R ¼ n a 0 und bilden dabei die Ecken eines regelma¨ßigen n-Ecks (vgl. hierzu auch die nachfolgenden Beispiele). 4)
Fu¨r k ¼ n, n þ 1, n þ 2, . . . wiederholen sich die Werte, ebenso fu¨r negative Werte von k. Der Grund dafu¨r liegt in der Periodizita¨t der Kosinus- und Sinusfunktionen (bzw. in der Periodizita¨t der komplexen e-Funktion).
678
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Lo¨sungen der speziellen algebraischen Gleichung z n ¼ a (mit a 2 C) Die Gleichung zn ¼ a ¼ a0 eja
ða 0 > 0; n ¼ 2, 3, 4, . . .Þ
ðVII-55Þ
besitzt im Komplexen genau n verschiedene Lo¨sungen (Wurzeln) z k ¼ r ðcos jk þ j sin jk Þ ¼ r e j jk
ðVII-56Þ
mit r ¼
ffiffiffiffiffiffiffi p n a0
und
jk ¼
a þ k 2p n
ðVII-57Þ
ðk ¼ 0, 1, 2, . . . , n 1Þ. Die zugeho¨rigen Bildpunkte liegen in der Gaußschen pffiffiffiffiffiffiffi Zahlenebene auf dem Mittelpunktskreis mit dem Radius R ¼ n a 0 und bilden die Ecken eines regelma¨ßigen n-Ecks. Anmerkungen (1)
Im Reellen kann man nur aus positiven Zahlen Wurzeln ziehen: Die n-te Wurzel aus a > 0 ist dabei definitionsgema¨ß diejenige positive Zahl b, die in die n-te Potenz erhoben die Zahl a ergibt: pffiffiffiffiffi bn ¼ a , b ¼ n a ða > 0; b > 0Þ Das Radizieren ist im Reellen stets eindeutig (fu¨r a > 0), im Komplexen jedoch immer mehrdeutig.
&
(2)
Fu¨r reelles a gilt: Ist z 1 eine komplexe Lo¨sung der Gleichung z n ¼ a, dann ist auch die konjugiert komplexe Zahl z *1 eine Lo¨sung dieser Gleichung.
(3)
Die n Lo¨sungen der speziellen Gleichung z n ¼ 1 werden auch als n-te Einheitswurzeln bezeichnet. Sie liegen auf dem Einheitskreis der Gaußschen Zahlenebene an den Ecken eines regelma¨ßigen n-Ecks.
Beispiele (1)
Die Gleichung z 6 ¼ 1 hat genau sechs verschiedene Lo¨sungen, deren Bildpunkte in der Gaußschen Zahlenebene an den Ecken eines regelma¨ßigen Sechsecks liegen (Bild VII-33). Wir berechnen zuna¨chst mit Hilfe der Gleichungen (VII-57) ihre Betra¨ge und Argumente ð1 ¼ 1 e j 0 ) a 0 ¼ 1, a ¼ 0; n ¼ 6Þ: pffiffiffi pffiffiffiffiffiffi r ¼ n a0 ¼ 6 1 ¼ 1 jk ¼
a þ k 2p 0 þ k 2p p ¼ ¼ k n 6 3
ðk ¼ 0, 1, 2, . . . , 5Þ
2 Komplexe Rechnung
679
Damit erhalten wir folgende Lo¨sungen: p p z k ¼ cos k þ j sin k 3 3 k ¼ 0:
z 0 ¼ cos 0 þ j sin 0 ¼ 1
k ¼ 1:
z 1 ¼ cos
p 3
2p 3
þ j sin
ðk ¼ 0, 1, 2, 3, 4, 5Þ
p 3
z 2 ¼ cos
k ¼ 3:
z 3 ¼ cos p þ j sin p ¼ 1
k ¼ 4:
z 4 ¼ cos
k ¼ 5:
z 5 ¼ cos
4p 3 5p 3
þ j sin
1 pffiffiffiffiffi 3j 2
2p 1 pffiffiffiffiffi þ j sin ¼ 0,5 þ 3j 3 2
k ¼ 2:
¼ 0,5 þ
4p 1 pffiffiffiffiffi ¼ 0,5 3j 3 2
5p 1 pffiffiffiffiffi þ j sin ¼ 0,5 3j 3 2
Die Lo¨sungen z 0 und z 3 sind reell, wa¨hrend z 1 und z 5 bzw. z 2 und z 4 Paare zueinander konjugiert komplexer Lo¨sungen darstellen. Bild VII-33 zeigt die Lage der zugeho¨rigen Bildpunkte und Zeiger in der Gaußschen Zahlenebene.
Im (z) z2
z1
z3
z0 1
z4
z5
Re (z)
Bild VII-33 Bildliche Darstellung der Lo¨sungen der Gleichung z6 ¼ 1
680
(2)
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Wir bestimmen die Wurzeln der Gleichung z 4 ¼ 3 þ 2 j. Es ist pffiffiffiffiffiffiffi z 4 ¼ 3 þ 2 j ¼ 13 e j 33,69 (wie man leicht nachrechnet) und somit pffiffiffiffiffiffiffi a 0 ¼ 13 und a ¼ 33,69 ¼ b 0,588 Fu¨r die Betra¨ge und Argumente (Winkel) der komplexen Lo¨sungen folgt dann aus den Gleichungen (VII-57): qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffi p 4 pffiffiffiffiffiffiffi ffiffiffiffiffiffiffi n 13 ¼ ðð13Þ 1=2 Þ 1=4 ¼ 13 1=8 ¼ 8 13 ¼ 1,378 r ¼ a0 ¼ jk ¼
a þ k 2p 0,588 þ k 2 p ¼ n 4
j0 ¼ 0,147,
j1 ¼ 1,718,
ðk ¼ 0, 1, 2, 3Þ
j2 ¼ 3,289,
j3 ¼ 4,859
Wir erhalten damit vier verschiedene Lo¨sungen. Sie lauten der Reihe nach: z 0 ¼ r e j j0 ¼ 1,378 e j 0,147 ¼ 1,378 ðcos 0,147 þ j sin 0,147Þ ¼ ¼ 1,363 þ 0,202 j z 1 ¼ r e j j1 ¼ 1,378 e j 1,718 ¼ 1,378 ðcos 1,718 þ j sin 1,718Þ ¼ ¼ 0,202 þ 1,363 j z 2 ¼ r e j j2 ¼ 1,378 e j 3,289 ¼ 1,378 ðcos 3,289 þ j sin 3,289Þ ¼ ¼ 1,363 0,202 j z 3 ¼ r e j j3 ¼ 1,378 e j 4,859 ¼ 1,378 ðcos 4,859 þ j sin 4,859Þ ¼ ¼ 0,202 1,363 j Zwischen den vier Lo¨sungen bestehen die folgenden Zusammenha¨nge: z0 ¼ z2
bzw:
z2 ¼ z0
z1 ¼ z3
bzw:
z3 ¼ z1
Die Lage der zugeho¨rigen Zeiger in der Gaußschen Zahlenebene entnimmt man Bild VII-34. Zwei aufeinander folgende Zeiger bilden dabei jeweils einen rechten Winkel.
2 Komplexe Rechnung
681
Im (z) z1
1 ,3 7 8 z2
Bild VII-34 Bildliche Darstellung der Lo¨sungen der Gleichung z4 ¼ 3 þ 2 j
z0
8,4°
Re (z)
z3 &
2.4 Natu¨rlicher Logarithmus Im Bereich der reellen Zahlen wird der natu¨rliche Logarithmus einer (positiven) Zahl a als diejenige Zahl x erkla¨rt, mit dem die Basiszahl e potenziert werden muss, um die Zahl a zu erhalten: a ¼ ex
,
x ¼ ln a
ða > 0Þ
ðVII-58Þ
(vgl. hierzu Kap. III, Abschnitt 12.1). Wir u¨bertragen diesen Begriff nun sinngema¨ß unter Beachtung des Permanenzprinzips auf den komplexen Bereich. Jede von Null verschiedene komplexe Zahl z ist nach den Ausfu¨hrungen aus Abschnitt 1.4.3 in der Exponentialform z ¼ r e j ðjþ k 2 pÞ
ðk 2 ZÞ
ðVII-59Þ
mit r > 0 und 0 j < 2 p (Hauptwert) darstellbar. Unter ihrem natu¨rlichen Logarithmus verstehen wir die (unendlich vielen!) komplexen Zahlen ln z ¼ ln ½ r e j ðjþ k 2 pÞ ¼ ln r þ ln e j ðjþ k 2 pÞ ¼ ¼ ln r þ j ðj þ k 2 pÞ ln e ¼ ln r þ j ðj þ k 2 pÞ |{z} 1
ðVII-60Þ
Fu¨r k ¼ 0 erha¨lt man den Hauptwert Ln z ¼ ln r þ j j
ð0 j < 2 pÞ
ðVII-61Þ
Sein Realteil ist der natu¨rliche Logarithmus ln r des Betrages r, sein Imagina¨rteil das Argument j der komplexen Zahl z (Hauptwert). Die u¨brigen Werte heißen Nebenwerte. Sie ergeben sich aus dem Hauptwert durch Addition ganzzahliger Vielfacher von 2 p j: ln z ¼ Ln z þ k 2 p j
ðk 2 ZÞ
ðVII-62Þ
682
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Wir fassen die Ergebnisse zusammen: Natu¨rlicher Logarithmus einer komplexen Zahl Der natu¨rliche Logarithmus einer komplexen Zahl z ¼ r e j ðjþ k 2 pÞ mit r > 0 und 0 j < 2 p ist unendlich vieldeutig: ln z ¼ ln r þ j ðj þ k 2 pÞ
ðk 2 ZÞ
ðVII-63Þ
Der Hauptwert wird fu¨r k ¼ 0 angenommen: Ln z ¼ ln r þ j j
ð0 j < 2 pÞ
ðVII-64Þ
Fu¨r k ¼ 1, 2, 3, . . . erha¨lt man die sog. Nebenwerte. Anmerkungen
&
(1)
ln z ist fu¨r jede komplexe Zahl z 6¼ 0 erkla¨rt, also beispielsweise auch fu¨r negative reelle Zahlen (vgl. hierzu das nachfolgende Beispiel (3)).
(2)
Die verschiedenen Werte von ln z stimmen im Realteil ð¼ ln rÞ u¨berein und unterscheiden sich im Imagina¨rteil um ganzzahlige Vielfache von 2 p.
(3)
Man beachte, dass die komplexe Zahl z vor dem Logarithmieren zuna¨chst in die Exponentialform gebracht werden muss.
(4)
Die Rechengesetze fu¨r Logarithmen komplexer Zahlen sind die gleichen wie im Reellen.
(5)
Wie wir aus dem Hinweis aus Abschnitt 1.4.2 bereits wissen, wird in der Technik ha¨ufig der Hauptwert des Winkels j auf das Intervall p < j p beschra¨nkt. Bei dieser Festlegung a¨ndern sich natu¨rlich auch der Haupt- und die Nebenwerte des Logarithmus einer komplexen Zahl entsprechend.
Beispiele (1)
z ¼ 8 þ 6j,
ln z ¼ ?
Lo¨sung: Wir stellen z zuna¨chst in der Exponentialform dar: z ¼ 8 þ 6 j ¼ 10 e j ð2,50 þ k 2 pÞ
ðk 2 ZÞ
(bitte nachrechnen). Fu¨r den natu¨rlichen Logarithmus von z erhalten wir damit die unendlich vielen Werte ln z ¼ ln ½ 10 e j ð2,50 þ k 2 pÞ ¼ ln 10 þ j ð2,50 þ k 2 pÞ ln e ¼ ¼ ln 10 þ j ð2,50 þ k 2 pÞ ¼ 2,30 þ j ð2,50 þ k 2 pÞ Der Hauptwert von ln z ist damit Ln z ¼ 2,30 þ 2,50 j
ðk 2 ZÞ
3 Anwendungen der komplexen Rechnung (2)
683
Fu¨r den natu¨rlichen Logarithmus der reellen Zahl 1 erhalten wir im Reellen den Wert ln 1 ¼ 0, im Komplexen dagegen unendlich viele Werte wegen der Darstellung 1 ¼ 1 e j ð0 þ k 2 pÞ mit k 2 Z: ln ð1 e j ð0 þ k 2 pÞ Þ ¼ ln 1 þ ln e j k 2 p ¼ ln 1 þ j k 2 p ln e ¼ j ðk 2 pÞ |{z} |{z} 0 1 Wir berechnen den natu¨rlichen Logarithmus von z ¼ 5. Es ist
(3)
z ¼ 5 ¼ 5 e j ðp þ k 2 pÞ
ðk 2 ZÞ
und daher ln ð 5Þ ¼ ln ½ 5 e j ðp þ k 2 pÞ ¼ ln 5 þ j ðp þ k 2 pÞ ln e ¼ ¼ ln 5 þ j ðp þ k 2 pÞ ¼ 1,609 þ j ðp þ k 2 pÞ
ðk 2 ZÞ
Der Hauptwert von ln ð 5Þ ist somit Ln ð 5Þ ¼ ln 5 þ j p ¼ 1,609 þ j p
&
3 Anwendungen der komplexen Rechnung 3.1 Symbolische Darstellung harmonischer Schwingungen im Zeigerdiagramm 3.1.1 Darstellung einer Schwingung durch einen rotierenden Zeiger Wir gehen bei unseren Betrachtungen von einer sich mit der Zeit t sinusfo¨rmig vera¨ndernden Gro¨ße (Schwingung) y ðtÞ ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðt 0Þ
ðVII-65Þ
aus (Bild VII-35). y y = A · sin ( v t + f) A
f/v –A
t
T=
2p v
Bild VII-35 Zeitlicher Verlauf einer harmonischen Schwingung (Sinusschwingung)
684
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Es kann sich dabei beispielsweise um eine mechanische Schwingung, eine Wechselspannung oder einen Wechselstrom handeln. Die in der periodischen Funktion (VII-65) enthaltenen Gro¨ßen A, w und j besitzen die folgende physikalische Bedeutung: A: Schwingungsamplitude oder Scheitelwert (in der Wechselstromtechnik; A > 0) w: Kreisfrequenz ðw > 0Þ j: Phase, Phasenwinkel oder Nullphasenwinkel Zwischen der Perioden- oder Schwingungsdauer T, der Frequenz f und der Kreisfrequenz w bestehen die folgenden Beziehungen: T ¼
1 2p ¼ f w
w ¼ 2pf ¼
bzw:
2p T
ðVII-66Þ
Die durch die Funktion y ¼ A sin ðw t þ jÞ beschriebene harmonische Schwingung la¨sst sich in einem sog. Zeigerdiagramm durch einen mit der Winkelgeschwindigkeit w im positiven Drehsinn um den Nullpunkt rotierenden Zeiger der La¨nge A anschaulich darstellen (Bild VII-36) 5).
(2)
A
v y( t ) (1)
vt f
A
y(0)
Bild VII-36 Zur Darstellung einer harmonischen Schwingung durch einen rotierenden Zeiger
5)
Die Darstellung einer harmonischen Schwingung durch einen rotierenden Zeiger wurde bereits in reeller Form in Band 1 (Kap. III, Abschnitt 9.5.2) behandelt.
3 Anwendungen der komplexen Rechnung
685
Der Zeiger befindet sich dabei zu Beginn (d. h. zum Zeitpunkt t ¼ 0) in der Position (1): Sein Richtungswinkel gegenu¨ber der (horizontalen) Bezugsachse ist der Nullphasenwinkel j. In der Zeit t dreht er sich um den Winkel w t weiter und befindet sich dann in der Position (2). Sein Richtungswinkel gegenu¨ber der Bezugsachse betra¨gt nunmehr j þ w t. Der Ordinatenwert der Zeigerspitze entspricht dabei dem augenblicklichen Funktionswert y ¼ A sin ðw t þ jÞ. Bei der Rotation des Zeigers um den Nullpunkt durchla¨uft daher die Ordinate nacheinander sa¨mtliche Funktionswerte der Sinusschwingung (somit alle Werte aus dem Intervall A y A). Wir deuten nun die Ebene, in der die Rotation des Zeigers erfolgt, als Gaußsche Zahlenebene und beschreiben die augenblickliche Lage des Zeigers durch die zeitabha¨ngige komplexe Zahl y ¼ A ½ cos ðw t þ jÞ þ j sin ðw t þ jÞ ¼ A e j ðw t þ jÞ ¼ ¼ A ejwt ejj ¼ A ejj ejwt ¼ A ejwt |fflfflffl{zfflfflffl} A
ðVII-67Þ
(Bild VII-37) 6). Der komplexe Zeiger y entha¨lt demnach einen zeitunabha¨ngigen Faktor A ¼ A e j j und einen zeitabha¨ngigen Faktor e j w t, fu¨r die wir noch die folgenden Bezeichnungen einfu¨hren: A ¼ A e j j : Komplexe Amplitude ejwt :
Zeitfunktion
Die komplexe Amplitude A besitzt den Betrag j A j ¼ A und den Richtungswinkel (Phasenwinkel) j und legt die Anfangslage des rotierenden Zeigers fest. Die ZeitfunkIm (z)
v y( t ) = A · e jvt A
vt f
A
y(0) = A
Re (z)
Bild VII-37 Darstellung der harmonischen Schwingung y ¼ A sin ðw t þ jÞ durch den rotierenden Zeiger y ¼ A ejwt
6)
Bezugsachse ist die reelle Achse.
686
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
tion e j w t beschreibt die Rotation des Zeigers mit der Winkelgeschwindigkeit w um den Nullpunkt der komplexen Zahlenebene. Der Momentanwert der Sinusschwingung (VII-65) entspricht dann dem Imagina¨rteil des rotierenden komplexen Zeigers y: y ¼ Im ð yÞ ¼ Im ½ A e j w t ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðVII-68Þ
Wir fassen zusammen: Darstellung einer Sinusschwingung durch einen rotierenden Zeiger Eine sich sinusfo¨rmig mit der Zeit t a¨ndernde Gro¨ße (Schwingung) y ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðA > 0; w > 0Þ
ðVII-69Þ
kann in symbolischer Form durch einen mit der Winkelgeschwindigkeit w um den Nullpunkt der Gaußen Zahlenebene rotierenden komplexen Zeiger y ¼ A e j ðw t þ jÞ ¼ A e j w t
ðVII-70Þ
dargestellt werden (Bild VII-37). Dabei bedeuten: A ¼ A e j j : Komplexe Schwingungsamplitude ejwt :
Zeitfunktion der Schwingung
Anmerkungen (1)
Die Rotation des Zeigers erfolgt im mathematisch positiven Drehsinn ðw > 0Þ.
(2)
Wir haben uns zuna¨chst bewusst auf sinusfo¨rmige Schwingungen beschra¨nkt. Denn eine Kosinusschwingung vom allgemeinen Typ y ðtÞ ¼ A cos ðw t þ jÞ
ðVII-71Þ
la¨sst sich stets wegen cos ðw tÞ ¼ sin ðw t þ p=2Þ auf eine Sinusschwingung zuru¨ckfu¨hren: p ðVII-72Þ y ðtÞ ¼ A cos ðw t þ jÞ ¼ A sin w t þ j þ 2 Mit anderen Worten: Eine Kosinusschwingung kann als eine Sinusschwingung mit einem um p=2 vergro¨ßerten Nullphasenwinkel aufgefasst werden. Bei der Behandlung von Schwingungsproblemen ist die komplexe Rechnung der reellen Rechnung aufgrund der einfacheren komplexen Rechengesetze u¨berlegen. Ein Beispiel dafu¨r bietet die Superposition (ungesto¨rte berlagerung) zweier gleichfrequenter Schwingungen oder Wechselstro¨me, die wir im na¨chsten Abschnitt ausfu¨hrlich behandeln werden. Die komplexe Rechnung spielt daher insbesondere in der Wechselstromtechnik eine bedeutende Rolle.
3 Anwendungen der komplexen Rechnung &
687
Beispiel Wir transformieren die Gleichungen fu¨r Wechselspannung und Wechselstrom aus der reellen Form in die komplexe Form: Wechselspannung u ðtÞ ¼ u^ sin ðw t þ ju Þ ! u ðtÞ ¼ u^ e j w t u^ ¼ u^ e j ju : Komplexer Scheitelwert der Spannung Wechselstrom i ðtÞ ¼ i^ sin ðw t þ ji Þ ! i ðtÞ ¼ i^ e j w t ^ i ¼ ^ i e j ji : Komplexer Scheitelwert des Stroms
&
3.1.2 Ungesto¨rte berlagerung gleichfrequenter Schwingungen Wir bescha¨ftigen uns in diesem Abschnitt mit der ungesto¨rten berlagerung (Superposition) zweier gleichfrequenter Sinusschwingungen unter Verwendung der komplexen Rechnung 7). Nach dem Superpositionsprinzip der Physik u¨berlagern sich die beiden Schwingungen y 1 ¼ A 1 sin ðw t þ j1 Þ
und
y 2 ¼ A 2 sin ðw t þ j2 Þ
ðVII-73Þ
ungesto¨rt und ergeben eine resultierende Schwingung gleicher Frequenz: y ¼ y1 þ y2 ¼ ¼ A 1 sin ðw t þ j 1 Þ þ A 2 sin ðw t þ j 2 Þ ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðVII-74Þ
Amplitude A und Phase j lassen sich dabei schrittweise wie folgt aus den Amplituden A 1 und A 2 und den Phasenwinkeln j1 und j2 der Einzelschwingungen berechnen: 1. Schritt: bergang von der reellen Form zur komplexen Form Die Einzelschwingungen y 1 und y 2 werden durch komplexe Zeiger dargestellt: y1 ! y1 ¼ A1 ejwt
und
y2 ! y2 ¼ A2 ejwt
ðVII-75Þ
A 1 und A 2 sind dabei die komplexen Schwingungsamplituden: A 1 ¼ A 1 e j j1
7)
und
A 2 ¼ A 2 e j j2
ðVII-76Þ
Dieses Thema wurde bereits im Band 1 (Kap. III, Abschnitt 9.5.3) auf trigonometrischer Basis ero¨rtert.
688
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
2. Schritt: Superposition in komplexer Form Die komplexen Zeiger y 1 und y 2 werden jetzt zur berlagerung gebracht und ergeben den resultierenden komplexen Zeiger y ¼ y1 þ y2 ¼ A1 ejwt þ A2 ejwt ¼ ¼ ðA 1 þ A 2 Þ e j w t ¼ A e j w t
ðVII-77Þ
Wir stellen dabei fest: Die komplexen Amplituden der Einzelschwingungen addieren sich zur komplexen Amplitude der resultierenden Schwingung: A ¼ A1 þ A2
ðVII-78Þ
Ferner gilt: y 1 , y 2 und y besitzen dieselbe Zeitfunktion e j w t . 3. Schritt: Ru¨cktransformation aus der komplexen Form in die reelle Form Die resultierende Schwingung y ¼ A sin ðw t þ jÞ ist der Imagina¨rteil des resultierenden komplexen Zeigers y: y ¼ Im ð yÞ ¼ Im ðA e j w t Þ ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðVII-79Þ
Fu¨r die Berechnung der komplexen Amplitude A aus A 1 und A 2 wird die Zeitfunktion e j w t nicht beno¨tigt. Es genu¨gt daher, die Einzelschwingungen y 1 und y 2 im Zeigerdiagramm durch ihre komplexen Amplituden A 1 und A 2 , d. h. durch zeitunabha¨ngige Zeiger darzustellen. Durch geometrische Addition der komplexen Schwingungsamplituden A 1 und A 2 erha¨lt man dann die komplexe Schwingungsamplitude A der resultierenden Schwingung (Bild VII-38).
Im (z) A = A1 + A 2 A2 A A1
Bild VII-38 Zur geometrischen Addition der komplexen Schwingungsamplituden
f Re (z)
Die komplexen Schwingungsamplituden entsprechen dabei einer Momentanaufnahme der rotierenden Zeiger zum Zeitpunkt t ¼ 0. Sie beschreiben daher die Anfangslage der Zeiger zu Beginn der Rotation.
3 Anwendungen der komplexen Rechnung
689
Wir fassen wie folgt zusammen:
berlagerung zweier gleichfrequenter sinusfo¨rmiger Schwingungen Durch ungesto¨rte berlagerung der gleichfrequenten Sinusschwingungen y 1 ¼ A 1 sin ðw t þ j1 Þ
und
y 2 ¼ A 2 sin ðw t þ j2 Þ
ðVII-80Þ
entsteht nach dem Superpositionsprinzip der Physik eine resultierende Schwingung mit der gleichen Frequenz: y ¼ y 1 þ y 2 ¼ A sin ðw t þ jÞ
ðVII-81Þ
Die Berechnung der Schwingungsamplitude A und des Phasenwinkels j erfolgt dabei im Komplexen in drei Schritten: 1. bergang von der reellen Form zur komplexen Form Die Einzelschwingungen y 1 und y 2 werden in komplexer Form dargestellt: y1 ! y1 ¼ A1 ejwt
ðVII-82Þ
y2 ! y2 ¼ A2 ejwt 2. Addition der komplexen Amplituden (siehe Bild VII-38) A ¼ A1 þ A2
ðVII-83Þ
Die resultierende Schwingung lautet dann in komplexer Form: y ¼ y1 þ y2 ¼ A ejwt
ðVII-84Þ
3. Ru¨cktransformation aus der komplexen Form in die reelle Form y ¼ y 1 þ y 2 ¼ Im ð yÞ ¼ Im ðA e j w t Þ ¼ A sin ðw t þ jÞ ðVII-85Þ Anmerkungen (1)
Liegen beide Einzelschwingungen als Kosinusschwingungen vor, y 1 ¼ A 1 cos ðw t þ j1 Þ
und
y 2 ¼ A 2 cos ðw t þ j2 Þ
ðVII-86Þ
so ergeben sich fu¨r die Berechnung der resultierenden Schwingung y ¼ y 1 þ y 2 prinzipiell zwei Mo¨glichkeiten: 1.
Die Schwingungen y 1 und y 2 werden zuna¨chst als sinusfo¨rmige Schwingungen dargestellt. Anschließend erfolgen die weiter oben angegebenen drei Rechenschritte. Die resultierende Schwingung liegt dann in der Sinusform vor.
690
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
2.
Die Schwingungen y 1 und y 2 werden in der Kosinusform belassen. Dann erfolgen die ersten beiden der oben angegebenen Rechenschritte und anschließend die Ru¨cktransformation aus dem Komplexen ins Reelle. Diesmal jedoch ist der Realteil des resultierenden komplexen Zeigers y zu nehmen: y ¼ y 1 þ y 2 ¼ Re ð yÞ ¼ Re ðA e j w t Þ ¼ A cos ðw t þ jÞ ðVII-87Þ Die resultierende Schwingung liegt jetzt als Kosinusschwingung vor.
(2)
Das Verfahren gilt sinngema¨ß auch bei einer ungesto¨rten berlagerung mehrerer gleichfrequenter Einzelschwingungen.
3.1.3 Ein Anwendungsbeispiel: berlagerung gleichfrequenter Wechselspannungen Auf einem Oszillographen werden die gleichfrequenten technischen Wechselspannungen u 1 ðtÞ ¼ 100 V sin ðw tÞ 5 u 2 ðtÞ ¼ 200 V sin w t þ p 6 u 3 ðtÞ ¼ 150 V cos ðw tÞ ungesto¨rt zur berlagerung gebracht (Frequenz f ¼ 50 Hz; w ¼ 2 p f ¼ 314 s 1 ). Wie lautet die Gleichung der resultierenden Wechselspannung u ðtÞ? Lo¨sung: Zuna¨chst stellen wir die Wechselspannung u 3 ðtÞ in der Sinusform dar: p u 3 ðtÞ ¼ 150 V cos ðw tÞ ¼ 150 V sin w t þ 2 Die komplexe Rechnung erfolgt nun in drei Schritten. (1)
bergang von der reellen Form zur komplexen Form u 1 ! u 1 ¼ 100 V e j w t u 2 ! u 2 ¼ 200 V e j ðw t þ 6 pÞ ¼ 200 V e j 6 p e j w t 5
5
u 3 ! u 3 ¼ 150 V e j ðw t þ 2 Þ ¼ 150 V e j 2 e j w t p
p
Die komplexen Scheitelwerte lauten damit der Reihe nach: u^ 1 ¼ 100 V;
5
u^ 2 ¼ 200 V e j 6 p ;
p
u^ 3 ¼ 150 V e j 2
3 Anwendungen der komplexen Rechnung (2)
691
Addition der komplexen Scheitelwerte 5
p
u^ ¼ u^ 1 þ u^ 2 þ u^ 3 ¼ 100 V þ 200 V e j 6 p þ 150 V e j 2 ¼ 5 5 ¼ 100 V þ 200 V cos p þ j sin p þ j 150 V ¼ 6 6 ¼ 100 V 173,2 V þ j 100 V þ j 150 V ¼ 73,2 V þ j 250 V Wir berechnen jetzt den reellen Scheitelwert u^ ¼ j u^ j und den Nullphasenwinkel j der resultierenden Wechselspannung u und daraus den komplexen Scheitelwert u^ in der Exponentialform (^ u liegt im 2. Quadranten): qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi j u^ j ¼ u^ ¼ ð 73,2 VÞ 2 þ ð250 VÞ 2 ¼ 260,5 V tan j ¼
250 V ¼ 3,4153 73,2 V
)
j ¼ arctan ð 3,4153Þ þ 180 ¼ 106,3 ¼ b 1,86 u^ ¼ u^ e j j ¼ 260,5 V e j 1,86 Die resultierende Wechselspannung lautet daher in der komplexen Form: u ¼ u^ e j w t ¼ 260,5 V e j 1,86 e j w t ¼ 260,5 V e j ðw t þ 1,86Þ (3)
Ru¨cktransformation aus der komplexen Form in die reelle Form u ¼ Im ðuÞ ¼ Im ½ 260,5 V e j ðw t þ 1,86Þ ¼ 260,5 V sin ðw t þ 1,86Þ Mit w ¼ 314 s 1 erhalten wir schließlich fu¨r die resultierende Wechselspannung: u ¼ u 1 þ u 2 þ u 3 ¼ 260,5 V sin ð314 s 1 t þ 1,86Þ
3.2 Symbolische Berechnung eines Wechselstromkreises 3.2.1 Das Ohmsche Gesetz der Wechselstromtechnik In einem Wechselstromkreis erzeugt die sinusfo¨rmige Wechselspannung pffiffiffiffiffi u ¼ u ðtÞ ¼ u^ sin ðw t þ ju Þ ¼ 2 U sin ðw t þ ju Þ den gleichfrequenten sinusfo¨rmigen Wechselstrom pffiffiffiffiffi i ¼ i ðtÞ ¼ ^i sin ðw t þ ji Þ ¼ 2 I sin ðw t þ ji Þ
692
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Dabei sind u^,pi^ffiffiffiffidie und U, I die Effektivwerte von Spannung und Stromffi Scheitelwerte pffiffiffiffiffi sta¨rke ð^ u ¼ 2 U; i^ ¼ 2 IÞ. Die zugeho¨rigen komplexen Zeiger lauten dann: pffiffiffiffiffi u ¼ u^ e j ðw t þ ju Þ ¼ u^ e j ju e j w t ¼ u^ e j w t ¼ 2 U e j w t ðVII-88Þ i ¼ i^ e j ðw t þ ji Þ ¼ ^i e j ji e j w t ¼ i^ e j w t ¼
pffiffiffiffiffi 2 I ejwt
ðVII-89Þ
u^, ^i sind dabei die komplexen Scheitelwerte, U, I die komplexen Effektivwerte von Spannung und Strom, wobei gilt 8Þ : pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi ^i ¼ ^ und ðVII-90Þ i e j ji ¼ 2 I u^ ¼ u^ e j ju ¼ 2 U Das Verha¨ltnis der komplexen Spannung u zur komplexen Stromsta¨rke i wird in der Elektrotechnik als komplexer Widerstand bezeichnet und durch das Symbol Z gekennzeichnet. Definitionsgema¨ß ist also pffiffiffiffiffi u U U e j ju U 2 U ejwt e j ðju ji Þ ¼ Z ¼ ¼ pffiffiffiffiffi ¼ ¼ ðVII-91Þ j j j w t i I i I I e 2I e Der komplexe Widerstand Z ist demnach ein zeitunabha¨ngiger komplexer Zeiger. Seine exponentielle Form ist Z ¼ Z ejj
ðVII-92Þ
mit dem als Scheinwiderstand oder Impedanz bezeichneten Betrag Z ¼ jZ j ¼
U Effektivwert der Spannung ¼ I Effektivwert des Stroms
ðVII-93Þ
und dem Phasenwinkel j ¼ ju ji ¼ Spannungsphase minus Stromphase
ðVII-94Þ
(Bild VII-39). In der kartesischen Schreibweise besitzt der komplexe Widerstand die Form Z ¼ R þ jX
ðVII-95Þ
Im (Z) Z = R + jX Z=
|Z
|
X
Bild VII-39 Komplexer Widerstand Z
f R 8)
Re (Z)
Der Effektivwert eines Wechselstroms bzw. einer Wechselspannung ist der quadratische zeitliche Mittelwert pffiffiffiffiffi wa¨hrend einer Periode (vgl. hierzu auch Kap. V, Abschnitt 10.7). Der Scheitelwert ist stets das 2 -fache des Effektivwertes. Dies gilt sowohl im reellen als auch im komplexen Bereich.
3 Anwendungen der komplexen Rechnung
693
Fu¨r Realteil R und Imagina¨rteil X sind dabei die Bezeichnungen R: Wirkwiderstand X: Blindwiderstand u¨blich. Aus der Zeigerdarstellung in Bild VII-39 folgt dann unmittelbar: pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi X R2 þ X 2 und tan j ¼ jZ j ¼ Z ¼ R
ðVII-96Þ
Zwischen den komplexen Gro¨ßen U, I und Z besteht dabei nach Gleichung (VII-91) die wichtige Beziehung U ¼ Z I
ðVII-97Þ
die uns an das Ohmsche Gesetz der Gleichstromlehre erinnert und daher als Ohmsches Gesetz der Wechselstromtechnik bezeichnet wird. Die Gleichung U ¼ Z I stellt somit das Ohmsche Gesetz in komplexer Form dar.
Ohmsches Gesetz der Wechselstromtechnik U ¼ Z I
ðVII-98Þ
Dabei bedeuten: U : Komplexer Effektivwert der Spannung I : Komplexer Effektivwert des Stroms Z : Komplexer Widerstand mit Z ¼ R þ j X ¼ Z e j j (R: Wirkwiderstand; X: Blindwiderstand)
3.2.2 Komplexe Wechselstromwidersta¨nde und Leitwerte Wechselstromwidersta¨nde und elektrische Leitwerte lassen sich in symbolischer Form durch zeitunabha¨ngige komplexe Zeiger beschreiben. Diese Art der Darstellung besitzt den großen Vorteil, dass die aus der Gleichstromlehre bekannten physikalischen Gesetze wie beispielsweise das Ohmsche Gesetz oder die Kirchhoffschen Regeln (Knotenpunktsregel, Maschenregel usw.) auch fu¨r Wechselstromkreise unvera¨ndert gu¨ltig bleiben. Bei den folgenden Betrachtungen wa¨hlen wir den Stromzeiger I als Bezugszeiger und legen ihn in die positiv-reelle Achse. Dann folgt unmittelbar aus dem Ohmschen Gesetz U ¼ Z I, dass der Spannungszeiger U mit dem Zeiger des komplexen Widerstandes Z in eine gemeinsame Richtung fa¨llt: U und Z besitzen den gleichen Phasenwinkel j, der Spannungszeiger U geht aus dem Zeiger Z durch Streckung um fas I-fache hervor (Bild VII-40).
694
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
imaginär U=Z·I
Z
Bild VII-40 Zum Ohmschen Gesetz der Wechselstromtechnik I
reell
Komplexe Wechselstromwidersta¨nde Der Wechselstromkreis kennt drei verschiedene Grundschaltelemente: R: Ohmscher Widerstand C: Kapazita¨t L: Induktivita¨t Sie werden durch die folgenden komplexen Widersta¨nde beschrieben. (1)
Ohmscher Widerstand R Fu¨r einen Ohmschen Widerstand R gilt bekanntlich u ¼ Ri
u ¼ Ri
bzw:
ðVII-99Þ
Mit u ¼ u^ e j w t ¼
pffiffiffiffiffi 2 U ejwt
erhalten wir hieraus pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi 2 U ejwt ¼ R 2 I ejwt U ¼ RI
)
Z ¼
und
j :
i ¼ i^ e j w t ¼ pffiffiffiffiffi 2 ejwt
pffiffiffiffiffi 2 I ejwt
)
U ¼ R I
ðVII-100Þ
Ein ohmscher Widerstand wird somit im Wechselstromkreis durch den reellen Widerstand (Wirkwiderstand) R beschrieben (Bild VII-41). Spannung und Strom sind dabei in Phase: ju ¼ ji , d: h: j ¼ 0: Im ( Z )
Z=R
Bild VII-41 Ohmscher Widerstand Re ( Z )
3 Anwendungen der komplexen Rechnung (2)
695
Kapazita¨t C (kapazitiver Widerstand) Bei einem Kondensator besteht zwischen der Ladung q, der Kapazita¨t C und der Spannung u der folgende Zusammenhang: q ¼ C u
bzw:
q ¼ C u
ðVII-101Þ
Wir differenzieren diese Gleichung nach der Zeit t und beachten dabei, dass die zeitliche Ableitung der Ladung q die Stromsta¨rke i ergibt: d d ðqÞ ¼ C ðuÞ dt dt Mit u ¼ u^ e j w t ¼
i ¼ C
oder
pffiffiffiffiffi 2 U ejwt
und
d ðuÞ dt
ðVII-102Þ
i ¼ ^ i ejwt ¼
pffiffiffiffiffi 2 I ejwt
folgt dann 9) : pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi d pffiffiffiffiffi ð 2 U e j w tÞ ¼ C 2 U e j w t j w ¼ 2 I ejwt ¼ C dt pffiffiffiffiffi ðVII-103Þ ¼ j w C U 2 ejwt pffiffiffiffiffi Nach ku¨rzen des gemeinsamen Faktors 2 e j w t erhalten wir I ¼ jwC U
oder
U ¼
1 1 I ¼ j I jwC wC
ðVII-104Þ
Eine Kapazita¨t C wird somit durch den komplexen Widerstand Z ¼
U 1 ¼ j XC ¼ j wC I
mit
XC ¼
1 wC
ðVII-105Þ
beschrieben. Der Zeiger fa¨llt dabei in die negativ-imagina¨re Achse (Bild VII-42). X C wird als kapazitiver Blindwiderstand bezeichnet, sein Betrag ist j X C j ¼ X C ¼ 1=w C. Bei einer (verlustfreien) Kapazita¨t la¨uft der Spannungszeiger U dem Stromzeiger I um 90 in der Phase hinterher: j ¼ 90 . Im ( Z )
Re ( Z )
Bild VII-42 Kapazitiver Blindwiderstand Z = –j
9)
1
vC
Aus dem Permanenzprinzip folgt, dass die Differentiation nach den gleichen Regeln verla¨uft wie im Reellen. Die komplexe Funktion e j w t wird daher nach der Kettenregel differenziert, die imagina¨re Einheit j ist dabei als ein konstanter Faktor zu betrachten.
696
(3)
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Induktivita¨t (induktiver Widerstand) Aus dem Induktionsgesetz u ¼ L
di dt
bzw:
u ¼ L
di dt
ðVII-106Þ
erhalten wir mit u ¼ u^ e j w t ¼
pffiffiffiffiffi 2 U ejwt
und
i ¼ i^ e j w t ¼
pffiffiffiffiffi 2 I ejwt
den folgenden Zusammenhang zwischen den komplexen Gro¨ßen (Zeigern) U und I : pffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffi d pffiffiffiffiffi 2 U ejwt ¼ L ð 2 I e j w tÞ ¼ L 2 I e j w t j w ¼ dt pffiffiffiffiffi ¼ j w L I 2 ejwt ) U ¼ jwL I
ðVII-107Þ
Eine Induktivita¨t L wird somit durch den komplexen Widerstand Z ¼
U ¼ j w L ¼ j XL I
mit
XL ¼ w L
ðVII-108Þ
beschrieben. Der Zeiger fa¨llt dabei in die positiv-imagina¨re Achse (Bild VII-43). X L ¼ w L wird als induktiver Blindwiderstand bezeichnet. Der Spannungszeiger U la¨uft dem Stromzeiger I um 90 in der Phase voraus: j ¼ 90 . Im ( Z )
Z = j vL
Bild VII-43 Induktiver Blindwiderstand Re ( Z )
Komplexe Leitwerte In der Gleichstromlehre wird der Kehrwert eines (ohmschen) Widerstandes als Leitwert bezeichnet. Entsprechend wird der komplexe Leitwert Y als Kehrwert des komplexen Widerstands Z erkla¨rt: 1 1 1 ejj ¼ Y ¼ ¼ ðVII-109Þ j j Z e Z Z Geometrisch erha¨lt man Y durch Spiegelung des Zeigers Z an der reellen Achse ðj ! jÞ und anschließender Streckung um das 1=Z 2 -fache (sog. Inversion, vgl. Bild VII-44).
3 Anwendungen der komplexen Rechnung Im ( Z )
697
Z
Bild VII-44 Der Zeiger Y entsteht durch Inversion des Zeigers Z
ϕ
–ϕ
Y=
Re ( Z )
1 Z Z*
Der komplexe Leitwert lautet in der kartesischen Darstellung: Y ¼ G þ jB
ðVII-110Þ
Realteil G und Imagina¨rteil B werden dabei wie folgt bezeichnet: G: Wirkleitwert B: Blindleitwert Fu¨r die drei Grundschaltelemente R, C und L erhalten wir aus den entsprechenden komplexen Widersta¨nden der Reihe nach die folgenden komplexen Leitwerte: Y ¼
1 , R
Y ¼ jwC,
Y ¼
1 1 ¼ j jwL wL
ðVII-111Þ
Wir fassen die Ergebnisse zusammen: Berechnung eines Wechselstromkreises mit Hilfe komplexer Widersta¨nde und Leitwerte In einem Wechselstromkreis werden die Grundschaltelemente R (Ohmscher Widerstand), C (Kapazita¨t) und L (Induktivita¨t) wie folgt durch komplexe Widersta¨nde und Leitwerte, d. h. durch zeitunabha¨ngige komplexe Zeiger dargestellt: Schaltelement
Komplexer Widerstand
Komplexer Leitwert
R
1 R
Ohmscher Widerstand R Kapazita¨t C Induktivita¨t L
j
1 wC
jwL
jwC j
1 wL
Die Berechnung der elektrischen Gro¨ßen des Wechselstromkreises erfolgt dann nach den aus der Gleichstromlehre bekannten physikalischen Gesetzen (z. B. Ohmsches Gesetz, Kirchhoffsche Regeln usw.).
698
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
3.2.3 Ein Anwendungsbeispiel: Der Wechselstromkreis in Reihenschaltung Der in Bild VII-45 dargestellte Wechselstromkreis entha¨lt je einen Ohmschen Widerstand R, eine Kapazita¨t C und eine Induktivita¨t L in Reihenschaltung. C R
L
Bild VII-45 Wechselstromkreis in Reihenschaltung
Nach den Kirchhoffschen Regeln addieren sich dabei die komplexen Widersta¨nde der drei Schaltelemente zum komplexen Widerstand Z des Gesamtkreises (w: Kreisfrequenz der angelegten Wechselspannung): 1 1 ¼ Z ejj Z ¼ R þ jwL j ðVII-112Þ ¼ R þ j wL wC wC Bild VII-46 zeigt die Lage der komplexen Widersta¨nde im Zeigerdiagramm. Im ( Z ) j vL Z Z
vL – 1 vC
f R –j
R
Bild VII-46 Zeigerdiagramm eines Wechselstromkreises in Reihenschaltung
Re ( Z )
1
vC
Wirk- und Blindwiderstand der Reihenschaltung lauten: Wirkwiderstand:
Re ðZÞ ¼ R
(VII-113)
Blindwiderstand:
1 Im ðZÞ ¼ X ¼ w L wC
(VII-114)
Fu¨r den Scheinwiderstand (auch Impedanz genannt) erhalten wir damit: sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 1 2 2 2 2 jZ j ¼ Z ¼ R þX ¼ R þ wL wC
ðVII-115Þ
3 Anwendungen der komplexen Rechnung
699
Die Phasenverschiebung j ¼ ju ji zwischen Spannung und Strom la¨sst sich nach Bild VII-46 aus der Beziehung X tan j ¼ ¼ R
wL
1 wC
ðVII-116Þ
R
berechnen 10) :
0 1 1 w L @ X w CA ¼ arctan j ¼ arctan R R
ðVII-117Þ
Ob die Spannung dem Strom oder umgekehrt der Strom der Spannung vorauseilt, ha¨ngt vom Verha¨ltnis der beiden Blindwidersta¨nde X L ¼ w L und X C ¼ 1=w C zueinander ab. Dabei gilt: XL > j XC j : j > 0
ð0 < j 90 Þ
XL ¼ j XC j : j ¼ 0
ðsog: ResonanzfallÞ 11Þ
XL < j XC j : j < 0
ð 90 j < 0 Þ
Aus dem Ohmschen Gesetz erhalten wir fu¨r den Effektivwert des Stroms: I ¼
U U ¼ sffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Z 1 2 2 R þ wL wC
ðVII-118Þ
(U: Effektivwert der angelegten Wechselspannung). Die an den Schaltelementen R, C und L abfallenden Teilspannungen U R , U C und U L lassen sich aus dem Ohmschen Gesetz fu¨r den jeweiligen Teilwiderstand berechnen. Wir erhalten fu¨r die Effektivwerte der Reihe nach UR ¼ R I ,
&
UC ¼
I , wC
UL ¼ w L I
ðVII-119Þ
Rechenbeispiel An einem Wechselstromnetz ðU ¼ 220 V, f ¼ 50 HzÞ liegen in Reihenschaltung der Ohmsche Widerstand R ¼ 100 W, die Kapazita¨t C ¼ 20 mF und die Induktivita¨t L ¼ 0,1 H. Zu berechnen sind: a) Der Scheinwiderstand Z und der Effektivwert I des Wechselstroms, b) die Phasenverschiebung j zwischen Spannung und Strom und c) die Effektivwerte der Spannungsabfa¨lle an den Einzelwidersta¨nden.
10)
Der Phasenwinkel j liegt im 1. oder 4. Quadranten.
11)
Der Gesamtwiderstand Z erreicht fu¨r X L ¼ j X C j seinen kleinsten und die Stromsta¨rke I damit ihren gro¨ßten Wert (bei vorgegebener Spannung U ).
700
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Lo¨sung: a) w ¼ 2 p f ¼ 2 p 50 s 1 ¼ 100 p s 1 XC ¼
1 1 ¼ ¼ 159,15 W 1 wC 100 p s 20 10 6 F
X L ¼ w L ¼ 100 p s 1 0,1 H ¼ 31,42 W Der komplexe Widerstand Z lautet damit (Bild VII-47): 1 ¼ Z ¼ R þ j X ¼ R þ j ðX L þ X C Þ ¼ R þ j w L wC ¼ 100 W þ j ð31,42 W 159,15 WÞ ¼ 100 W j 127,73 W Im ( Z ) Ω j 31,42
100
f
Re ( Z ) Ω Z
– j 127,73
Z = 100 Ω – j 127,73 Ω
Bild VII-47
– j 159,15
Sein Betrag liefert den Scheinwiderstand Z. Wir erhalten: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Z ¼ jZ j ¼ ð100 WÞ 2 þ ð 127,73 WÞ 2 ¼ 162,22 W Die Berechnung des Phasenwinkels j ergibt nach Bild VII-47:
tan j ¼
1 w C ¼ 127,73 W ¼ 1,2773 R 100 W
wL
)
j ¼ arctan ð 1,2773Þ ¼ 51,9 Der komplexe Widerstand lautet daher in der Exponentialform wie folgt:
Z ¼ Z e j j ¼ 162,22 W e j 51,9
4 Ortskurven
701
Der Spannungszeiger U besitzt die gleiche Richtung wie der Widerstandszeiger Z. Somit ist:
U ¼ U e j j ¼ 220 V e j 51,9
Aus dem Ohmschen Gesetz (VII-98) folgt dann fu¨r den Stromzeiger I :
I ¼
U 220 V e j 51,9 220 V ¼ ¼ 1,356 A ¼ j 51 , 9 Z 162,22 W e 162,22 W
Der Effektivwert des Wechselstroms betra¨gt somit I ¼ 1,356 A. b) Strom- und Spannungsanzeiger besitzen die folgenden Darstellungen:
I ¼ 1,356 A e j 0 ¼ 135,6 A U ¼ 220 V e j 51,9
Der Stromzeiger liegt in der positiv-reellen Achse. Daher eilt der Strom der Spannung um 51,9 in der Phase voraus. c)
Fu¨r die komplexen Effektivwerte der an den Schaltelementen R, C und L abfallenden Spannungen folgt aus dem Ohmschen Gesetz: U R ¼ R I ¼ 100 W 1,356 A ¼ 135,6 V UC ¼ j
1 I ¼ j 159,15 W 1,356 A ¼ j 215,8 V ¼ wC
¼ 215,8 V e j 90
U L ¼ j w L I ¼ j 31,42 W 1,356 A ¼ j 42,6 V ¼ 42,6 V e j 90
Die reellen Effektivwerte der abfallenden Spannungen betragen daher der Reihe nach: U R ¼ 135,6 V ,
U C ¼ 215,8 V ,
U L ¼ 42,6 V
&
4 Ortskurven 4.1 Ein einfu¨hrendes Beispiel In den physikalisch-technischen Anwendungen, insbesondere in der Wechselstrom- und Regelungstechnik, treten ha¨ufig komplexe Gro¨ßen auf, die noch von einem reellen Parameter abha¨ngen. Wie das folgende Beispiel zeigen wird, lassen sich solche Abha¨ngigkeiten in anschaulicher Weise durch sog. Ortskurven in der Gaußschen Zahlenebene darstellen. Wir betrachten im Folgenden eine Reihenschaltung aus einem ohmschen Widerstand R und einer Induktivita¨t L (Bild VII-48).
702
VII Komplexe Zahlen und Funktionen R
L
Bild VII-48 Reihenschaltung aus einem ohmschen Widerstand R und einer Induktivita¨t L
Nach den Kirchhoffschen Regeln addieren sich dabei die komplexen Widersta¨nde der beiden Schaltelemente zum komplexen Widerstand Z des Gesamtkreises. Bei festen Werten fu¨r R und L ha¨ngt der komplexe Widerstand Z noch wie folgt von der Kreisfrequenz w ab: Z ¼ Z ðwÞ ¼ R þ j w L
ðw 0Þ
ðVII-120Þ
Jedem Wert der Kreisfrequenz w entspricht dabei genau ein komplexer Widerstandszeiger in der Gaußschen Zahlenebene. Beim Durchlaufen sa¨mtlicher Werte von w ¼ 0 bis hin zu w ¼ 1 bewegt sich die Zeigerspitze auf einer Halbgeraden, die im Abstand R parallel zur positiv-imagina¨ren Achse verla¨uft (Bild VII-49). Sie wird als Ortskurve des Widerstandes Z ¼ Z ðwÞ bezeichnet und beschreibt in anschaulicher Weise die Abha¨ngigkeit des komplexen Widerstandes Z von der Kreisfrequenz w. Im ( Z ) Z (v)
v
Z3
v3
Z2
v2
Z1 Z0
v
v1
Bild VII-49 Widerstandsortskurve der Reihenschaltung aus Bild VII-48
v=0 Re ( Z )
4.2 Ortskurve einer parameterabha¨ngigen komplexen Gro¨ße z sei eine von einem reellen Parameter t abha¨ngige komplexe Zahl mit der Darstellung z ¼ z ðtÞ ¼ x ðtÞ þ j y ðtÞ
ða t bÞ
ðVII-121Þ
Durch diese Gleichung wird jedem Parameterwert t aus dem Intervall ½ a, b in eindeutiger Weise eine komplexe Zahl z ðtÞ zugeordnet. Eine solche Vorschrift definiert eine komplexwertige Funktion einer reellen Variablen.
4 Ortskurven
703
Definition: Die von einem reellen Parameter t abha¨ngige komplexe Zahl z ¼ z ðtÞ ¼ x ðtÞ þ j y ðtÞ
ða t bÞ
ðVII-122Þ
heißt komplexwertige Funktion z ðtÞ der reellen Variablen t. Real- und Imagina¨rteil einer komplexwertigen Funktion z ðtÞ sind somit Funktionen ein- und derselben reellen Variablen t. Mit dem Parameterwert t vera¨ndert sich auch die Lage der komplexen Zahl z ¼ z ðtÞ in der Gaußschen Zahlenebene. Die Spitze des zugeho¨rigen Zeigers z ¼ z ðtÞ bewegt sich dabei auf einer Kurve, die als Ortskurve der komplexen Zahl (Gro¨ße) z ¼ z ðtÞ bezeichnet wird (Bild VII-50).
Im (z) t1
t
t2 t3
t4 z = z (t)
Re (z)
Bild VII-50
Zum Begriff der Ortskurve einer parameterabha¨ngigen komplexen Zahl
Zu jedem Parameterwert geho¨rt genau ein Zeiger und damit genau ein Kurvenpunkt. Die Kennzeichnung (Bezifferung) der Kurvenpunkte kann daher durch den Parameter selbst erfolgen, wie dies in Bild VII-50 geschehen ist.
Ortskurve einer parameterabha¨ngigen komplexen Zahl Die Ortskurve einer von einem reellen Parameter t abha¨ngigen komplexen Zahl z ðtÞ ¼ x ðtÞ þ j y ðtÞ
ða t bÞ
ðVII-123Þ
ist die Bahnkurve, die der zugeho¨rige Zeiger z ¼ z ðtÞ in der Gaußschen Zahlenebene beschreibt, wenn der Parameter t alle Werte aus dem Intervall ½ a, b durchla¨uft (Bild VII-50).
704
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Anmerkung Die Ortskurve von z ¼ z ðtÞ ¼ x ðtÞ þ j y ðtÞ mit a t b la¨sst sich auch durch die Parametergleichungen x ¼ x ðtÞ ,
y ¼ y ðtÞ
ða t bÞ
beschreiben. &
Beispiele (1)
Die Ortskurve der vom Parameter t abha¨ngigen komplexen Zahl z ðtÞ ¼ a þ j b t
ð 1 < t < 1Þ
mit a > 0 und b > 0 ist eine im Abstand a zur imagina¨ren Achse parallel verlaufende Gerade (Bild VII-51). Im (z) t z (t) = a + j · b t
Bild VII-51 Ortskurve von z ðtÞ ¼ a þ j b t ð 1 < t < 1Þ
t=0 a
(2)
Re (z)
Der vom reellen Parameter t abha¨ngige komplexe Zeiger z ðtÞ ¼ a t þ j b
ð0 t < 1Þ
beschreibt fu¨r a > 0, b > 0 eine im Abstand b zur positiv-reellen Achse parallel verlaufende Halbgerade (Bild VII-52). Im (z) t=0
z (t) = a t + j b
t
b
Re (z)
Bild VII-52 Ortskurve von z ðtÞ ¼ a t þ j b
ð0 t < 1Þ
4 Ortskurven (3)
705
Die Ortskurve von z ðtÞ ¼ 5 e j 2 t ¼ 5 cos ð2 tÞ þ j 5 sin ð2 tÞ
ð0 t < pÞ
ist der in Bild VII-53 skizzierte Mittelpunktskreis mit dem Radius R ¼ 5, der im Gegenuhrzeigersinn durchlaufen wird. Im (z) t z (t) = 5 · e j2 t
Bild VII-53 Ortskurve von z ðtÞ ¼ 5 e j 2 t ð0 t < pÞ
5 t=0
2t
Re (z)
&
4.3 Anwendungsbeispiele: Einfache Netzwerkfunktionen Eine Netzwerkfunktion beschreibt in der Elektrotechnik die Abha¨ngigkeit einer komplexen elektrischen Gro¨ße von einem reellen Parameter. Ein erstes Beispiel ist uns bereits in Abschnitt 4.1 begegnet: Die Abha¨ngigkeit des komplexen Widerstandes Z einer Reihenschaltung aus R und L von der Kreisfrequenz w nach der Funktionsgleichung Z ¼ Z ðwÞ ¼ R þ j w L
ðw 0Þ
ðVII-124Þ
(vgl. hierzu die Bilder VII-48 und VII-49). Zwei weitere einfache Beispiele fu¨r Netzwerkfunktionen sollen jetzt folgen. Sie lassen sich durch Ortskurven in einer komplexen Zahlenebene besonders anschaulich darstellen.
4.3.1 Reihenschaltung aus einem ohmschen Widerstand und einer Induktivita¨t (Widerstandsortskurve) Ein variabler ohmscher Widerstand R mit 0 R R max wird mit einer konstanten Induktivita¨t L in Reihe geschaltet (Bild VII-54). R
L
Bild VII-54 Reihenschaltung aus einem variablen ohmschen Widerstand R und einer Induktivita¨t L
Der komplexe Widerstand Z dieser Schaltung ist dann bei fester Kreisfrequenz w als eine Funktion des Parameters R zu betrachten.
706
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Wir erhalten die Netzwerkfunktion Z ¼ Z ðRÞ ¼ R þ j w L
ð0 R R max Þ
ðVII-125Þ
Die Ortskurve von Z ðRÞ, auch Widerstandsortskurve genannt, fu¨hrt zu dem in Bild VII-55 skizzierten Teil einer Halbgeraden, die im Abstand w L parallel zur reellen Achse verla¨uft. Im ( Z )
Widerstandsortskurve
ωL
R = 0 R1
R2
R3
R max
R1
R2
R3
R max
Re ( Z )
Bild VII-55 Widerstandsortskurve der Reihenschaltung aus Bild VII-54
4.3.2 Parallelschaltung aus einem ohmschen Widerstand und einer Kapazita¨t (Leitwertortskurve) Bei der in Bild VII-56 dargestellten Parallelschaltung aus einem ohmschen Widerstand R und einer Kapazita¨t C addieren sich die komplexen Leitwerte der beiden Schaltelemente nach den Kirchhoffschen Regeln zu einem komplexen Leitwert Y des Gesamtkreises. R
Bild VII-56 Parallelschaltung aus einem ohmschen Widerstand R und einer Kapazita¨t C C
Wir erhalten bei festen Werten fu¨r R und C die von der Kreisfrequenz w abha¨ngige Netzwerkfunktion Y ¼ Y ðwÞ ¼
1 þ jwC R
ðw 0Þ
ðVII-126Þ
4 Ortskurven
707
Die Ortskurve dieses parameterabha¨ngigen Leitwertes fu¨hrt zu der in Bild VII-57 skizzierten Halbgeraden, die im Abstand 1=R parallel zur positiv-imagina¨ren Achse verla¨uft. Im ( Y )
v v
Y (v)
Leitwertortskurve
v=0 Re ( Y )
1 R
Bild VII-57 Leitwertortskurve der Parallelschaltung aus Bild VII-56
4.4 Inversion einer Ortskurve 4.4.1 Inversion einer komplexen Gro¨ße (Zahl) In den physikalisch-technischen Anwendungen wird ha¨ufig der Kehrwert einer komplexen Gro¨ße beno¨tigt. Ein einfaches Beispiel dafu¨r bietet der komplexe elektrische Leitwert Y, der als Kehrwert des komplexen Widerstandes Z definiert ist: Y ¼ 1=Z. Wir bezeichnen diesen Vorgang als Inversion. Definition: Der bergang von einer komplexen Zahl (Gro¨ße) z zu ihrem Kehrwert w ¼ 1=z heißt Inversion: Inversion
z ! w ¼
1 z
ðVII-127Þ
Liegt die komplexe Zahl z in der Exponentialform z ¼ r e j j vor, so lautet der Kehrwert w ¼ 1=z in der gleichen Darstellungsform: w ¼
1 1 ¼ ¼ z r ejj
1 ejj ¼ r ej# r
ðVII-128Þ
Inversion bedeutet also: Vorzeichenwechsel im Argument ð# ¼ jÞ und Kehrwertbildung des Betrages (r ¼ 1=r; vgl. Bild VII-58).
708
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Im (z)
Im (w) z
|z
|=
r
f
Re (w)
–f
|w
Bild VII-58 Zur Inversion einer komplexen Gro¨ße (Zahl)
Re (z)
|=
1/
r
w=
1 z
Inversion einer komplexen Zahl (Gro¨ße) in exponentieller Darstellung Die Inversion (Kehrwertbildung) einer komplexen Zahl z ¼ r e j j erfolgt in zwei Schritten (Bild VII-58): 1. Vorzeichenwechsel im Argument (Winkel) von z. 2. Kehrwertbildung des Betrages von z.
Anmerkungen
&
(1)
Die Operationen ko¨nnen auch in der umgekehrten Reihenfolge ausgefu¨hrt werden.
(2)
Der Vorzeichenwechsel im Argument bedeutet geometrisch eine Spiegelung des Zeigers z an der reellen Achse. Man erha¨lt den konjugiert komplexen Zeiger z *. Die sich anschließende Kehrwertbildung des Betrages bedeutet dann eine Streckung des Zeigers z * um das 1=r 2 -fache.
Beispiele (1)
Wir bestimmen den Kehrwert der imagina¨ren Einheit j in kartesischer und exponentieller Form: 1 j j j ¼ ¼ 2 ¼ ¼ j j jj 1 j 1 1 j 90 ¼ ¼ 1 e j 270 ¼ 1 e j 1 r j 90
(2)
Wir bilden den Kehrwert der komplexen Zahl z ¼ 0,8 e j 40 und erhalten: 1 1 1 ¼ e j 40 ¼ 1,25 e j 40 ¼ w ¼ j 40 z 0,8 e 0,8 Bild VII-59 zeigt die Lage beider Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene.
4 Ortskurven
709
Im (z) z 0,8 40° – 40°
Re (z)
1,25
w=
1 z
Bild VII-59 Inversion der komplexen Zahl z ¼ 0,8 e j 40
(3)
Der Kehrwert der komplexen Zahl z ¼ 3 4 j lautet wie folgt: w ¼ ¼
1 1 3 þ 4j 3 þ 4j 3 þ 4j ¼ ¼ ¼ ¼ ¼ 2 z 3 4j ð3 4 jÞ ð3 þ 4 jÞ 9 þ 16 9 16 j 3 þ 4j 3 4 ¼ þ j ¼ 0,12 þ 0,16 j 25 25 25
&
4.4.2 Inversionsregeln Die Inversion einer komplexen Zahl z soll nun unter einem allgemeineren Gesichtspunkt betrachtet werden. Dazu fassen wir z als eine frei wa¨hlbare komplexe Variable auf und interpretieren die Gleichung w ¼ 1=z als Gleichung einer komplexen Funktion, die jeder von Null verschiedenen komplexen Zahl z in eindeutiger Weise den Kehrwert 1=z als Funktionswert zuordnet. Wir schreiben dafu¨r symbolisch: z 7! w ¼
1 z
oder
w ¼ f ðzÞ ¼
1 z
ðz 6¼ 0Þ
ðVII-129Þ
Graphisch werden die z-Werte als Punkte in einer komplexen z-Ebene und die zugeho¨rigen Funktionswerte w ¼ 1=z als Punkte in einer komplexen w-Ebene dargestellt 12). Die komplexe Funktion w ¼ 1=z kann daher auch als eine Abbildung der z-Ebene auf die w-Ebene gedeutet werden. Im Nullpunkt z ¼ 0 selbst ist die Funktion nicht definiert. Man ordnet dieser Stelle meist formal den „unendlich fernen Punkt“ als Bildpunkt zu. Er wird durch das Symbol „1“ gekennzeichnet. In den Anwendungen (z. B. in der Wechselstromtechnik) stellt sich oft das Problem, eine parameterabha¨ngige Kurve (z. B. die Ortskurve einer Netzwerkfunktion) zu invertieren. Besonders ha¨ufig treten dabei Geraden und Kreise auf. Sie unterliegen den folgenden Inversionsregeln: 12)
In den Anwendungen wird fu¨r die graphische Darstellung der z- und w-Werte meist eine gemeinsame Zahlenebene verwendet, die daher zugleich z- und w-Ebene ist.
710
VII Komplexe Zahlen und Funktionen
Inversionsregeln Geraden und Kreise werden durch die Inversion w ¼ 1=z nach den folgenden Regeln abgebildet: z-Ebene
w-Ebene
1. Gerade durch den Nullpunkt
!
Gerade durch den Nullpunkt
2. Gerade, die nicht durch den
!
Kreis durch den Nullpunkt
3. Mittelpunktskreis
!
Mittelpunktskreis
4. Kreis durch den Nullpunkt
!
Gerade, die nicht durch den Nullpunkt verla¨uft
5. Kreis, der nicht durch den Nullpunkt verla¨uft
!
Kreis, der nicht durch den Nullpunkt verla¨uft
Nullpunkt verla¨uft
Bei der Inversion einer Ortskurve erweisen sich ferner folgende Regeln als sehr hilfreich: 1. Der Punkt mit dem kleinsten Abstand (Betrag) vom Nullpunkt fu¨hrt zu dem Bil