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German Pages 319
Philipp Bode Markenmanagement in Medienunternehmen
GABLER RESEARCH Schriften zur Unternehmensentwicklung Herausgegeben von Professor Dr. Max J. Ringlstetter
In dieser Schriftenreihe werden aktuelle Forschungsergebnisse im Bereich der Unternehmensentwicklung präsentiert. Die einzelnen Beiträge orientieren sich an Problemen der Führungs- bzw. Managementpraxis. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themenfelder Strategie, Organisation und Humanressourcen-Management.
Philipp Bode
Markenmanagement in Medienunternehmen Ansatzpunkte zur Professionalisierung der strategischen Führung von Medienmarken Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Max J. Ringlstetter
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Stefanie Loyal Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2217-5
Geleitwort
V
GELEITWORT Medienmarken haben schon immer eine besondere Faszination ausgeübt: Sie stehen gleichsam für Information, Entertainment und Lifestyle. Sie erfüllen sowohl für Medienunternehmen als auch für die Konsumenten eine Reihe an wichtigen Funktionen. Medienmarken sind auch wertvolle monetäre Assets, da sie mitunter Euro-Werte in Milliardenhöhe darstellen können. Das vorliegende Buch rückt die Rolle der Medienmarke als eine zentrale Gestaltungsvariable von Medienunternehmen in den Forschungsfokus. Es trägt damit dem Umstand Rechnung, dass zum einen das Management von Medienmarken in vielen Unternehmen noch nicht voll entfaltet ist, und dass zum anderen im betriebswirtschaftlichen Forschungsgebäude Medienmanagement eine Lücke zur Thematik Medienmarke diagnostiziert werden kann. Der Verfasser setzt sich deshalb intensiv mit der zentralen Herausforderung auseinander, welche Ansatzpunkte aus strategischer Perspektive zur Professionalisierung des Markenmanagements in Medienunternehmen beitragen können. Ausgangspunkt für die Analyse von Medienmarken ist zunächst die Schaffung eines Grundverständnisses über die besonderen Charakteristika und Funktionen von Medienmarken und -gütern. Daran anschließend erfolgt eine detaillierte und fundierte Analyse der Rolle und Relevanz von Marken als zentrale Gestaltungsvariable im Geschäftsmodell von Medienunternehmen. Der Autor richtet den Fokus dabei auf die vier zentralen Dimensionen Leistungsspektrum, Erlösmodelle, Wertschöpfungs- und Kostenstrukturen. Darüber hinaus erörtert der Autor die Potenziale von Medienmarken aus einer aufmerksamkeits- und ressourcenorientierten Sichtweise. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen zum einen die Ergebnisse der empirischen Studie zum Thema strategische Führung von Medienmarken, die unter Rekurs auf die theoretisch-konzeptionellen Vorüberlegungen kategorisiert und diskutiert werden. Dem Verfasser gelang es, eine Vielzahl von hochrangigen Akteuren (Vorstände, Geschäftsführer und Markenverantwortliche) aus der Medienbranche für die empirische Untersuchung intensiv zu befragen. Insbesondere der empirische Teil liefert neue Erkenntnisse für die medienspezifisch betriebswirtschaftliche Forschung. Zum anderen zeigt der Verfasser verschiedene, zum Teil bekannte sowie innovative Ansatzpunkte auf, um die ungenutzten Potenziale von Medienmarken besser ausschöpfen zu können. Wesentliche Ansatzpunkte sind u.a. die Generierung von Markenleitbildern und ein strategisches Marken-Portfoliomanagement, das gleichsam ein
VI
Geleitwort
hohes Maß an Portfolioflexibilität und institutionalisierte Anknüpfungspunkte zur Realisierung von Synergien zwischen den einzelnen Marken und Teileinheiten ermöglicht. Einen weiteren Ansatzpunkt liefern schließlich Überlegungen hinsichtlich strategischer und operativer Managementsysteme. Im Sinne einer evolutionären Höherentwicklung kann sich somit letztendlich ein strategisches Management für Medienmarken herausbilden, das Medienunternehmen befähigt, erfolgreicher im Wettbewerb zu bestehen. Insbesondere durch die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis tragen die vorliegenden Ergebnisse dazu bei, bestehende Forschungslücken im Themenfeld Medienmanagement im Allgemeinen und Medienmarken im Besonderen zu schmälern. Darüber hinaus liefert die Arbeit auch Beiträge zur Praxis des Medienmarkenmanagements, da es dem Verfasser gelingt, konkrete und praxisrelevante Gestaltungsoptionen und Anregungen für Entscheidungsträger in Medienunternehmen aufzuzeigen. Prof. Dr. Max J. Ringlstetter
Vorwort
VII
VORWORT Marken spielen in der Medienindustrie eine wesentliche Rolle und sind eine zentrale Gestaltungsvariable von Medienunternehmen. Aus einer aufmerksamkeits- und ressourcenorientierten Sichtweise heraus bergen Medienmarken enorme Potenziale, die freilich oft noch nicht gänzlich ausgeschöpft sind. Die Schaffung und Entwicklung von Marken sollte daher im Fokus des strategischen Managements von Medienunternehmen sein. Erstaunlicherweise ist ein medienspezifisches Markenmanagement in der Unternehmenspraxis z.T. noch gering ausgeprägt. Darüber hinaus ist das Thema Medienmarke erst in den letzten Jahren verstärkt in der Wissenschaft virulent geworden. Es scheint also für die Legitimation einer wissenschaftlichen Arbeit typische Ausgangslage vorzuliegen: Obwohl ein Problem sehr bedeutsam und „bösartig“ – im Sinne von kompliziert und komplex – ist und mitunter schon erste wissenschaftliche Abhandlungen erschienen sind, ist es noch nicht gelungen sich mit dem Forschungsgegenstand ausreichend tief, übergreifend usw. auseinanderzusetzen. Dieser diagnostizierte „weiße“ Fleck in der betriebswirtschaftlichen Forschung zu Medienmarken ist zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für den Start dieses Forschungsprojektes. Die Motivation diese Thematik aufzugreifen, lag vielmehr in der Möglichkeit im Rahmen meiner Tätigkeit an der Universität Eichstätt-Ingolstadt und für die Unternehmensberatung A.T. Kearney sowohl Medienunternehmen aus strategischer Perspektive als auch zahlreiche Medienexperten näher kennenzulernen. So erklärt sich letztendlich der Titel und die Zielsetzung dieses Buches: Zum einen will ich das Themengebiet theoretisch-konzeptionell beleuchten und durch eine empirische Untersuchung fundieren, um Ansatzpunkte für eine Professionalisierung des Management von Medienmarken zu erarbeiten. Für die empirische Studie wurden hierfür insgesamt 31 Experten aus großen deutschen Medienunternehmen befragt. Zum anderen will ich einen praxisrelevanten Beitrag zur Handhabung der Problematik leisten, das Markenmanagement in Medienunternehmen langfristig und strategisch erfolgreich zu gestalten Vom Beginn des Forschungsprojektes bis hin zur Drucklegung der vorliegenden Ergebnisse war es ein langer, Jahre in Anspruch nehmender Weg. Um diesen Pfad erfolgreich begehen zu können, bedurfte es vieler Helfer und Unterstützer, denen ich an dieser Stelle herzlich danken will.
VIII
Vorwort
Mein herzlicher Dank ist zuerst an diejenigen gerichtet, die mich während des Entstehungsprozesses unterstützt haben und in der folgenden Auflistung vergessen wurden. Ihre Unterstützung erfolgte in besonders unauffälliger, unbekannter und selbstverständlicher Weise. Mein Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Max Ringlstetter, der nicht nur mein forscherisches Interesse für die Thematik weckte, sondern auch die notwendigen Freiräume während der gesamten Promotionszeit im Allgemeinen und bei der inhaltlichen Präzisierung der Thematik im Besonderen schuf. Weiter möchte ich ihm für die wertvollen akademischen und praxisorientierten Erfahrungen danken, die ich an seinem Lehrstuhl sammeln konnte. Für die Übernahme des Korreferats danke ich Herrn Prof. Dr. Joachim Büschken. Mein weiterer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Andrej Vizjak, der quasi als mein Betreuer aus der Praxis jederzeit mein Vorhaben unterstützt hat. In diesem Zusammenhang möchte ich auch der Unternehmensberatung A.T. Kearney danken, die mir die notwendigen Ressourcen während der Erstellungsphase der Arbeit zur Verfügung gestellt hat. Die Erstellung meiner Arbeit erfolgte in einer engen Verknüpfung zwischen Praxis und Wissenschaft. Und so bin ich vor allem meinen vielen Interviewpartnern aus der Medienbranche dankbar, die mir wertvolle Einblicke in die Unternehmenspraxis gewährten. Ich bin auch zahlreichen meiner damaligen Kollegen und aktuellen Mitarbeitern des LSR zu Dank verpflichtet. Zu nennen sind insbesondere Michèle Morner, Thomas Salditt, Alexander Reichhuber, Andreas Spiegel, Stephan Kaiser und Susanne Knittel. Hervorheben möchte ich Walburga Mosburger, die in unnachahmlicher Weise immer wieder aufmunternde Worte fand und zahlreiche Steine aus dem Weg räumte. Ihre Herzlichkeit und Fröhlichkeit prägten meine Zeit am Lehrstuhl. Besonders bedanken möchte ich mich bei denjenigen, die nicht nur in einzelnen Phasen involviert waren, sondern Glück und Elend des gesamten Forschungsprozesses (mit-)erlebten. Zu nennen sind hier mein Bruder Benjamin und Bijan Raziorrouh. Große Dankbarkeit empfinde ich gegenüber meinen Eltern Eberhard und Angela Bode, ohne deren Unterstützung und Glauben an mich diese Arbeit und mein gesamter Ausbildungsweg nicht möglich gewesen wären. Am meisten aber danke ich meiner Ehefrau Daniela. Ohne ihren Rückhalt und ihre Motivation würde meine Dissertationsschrift nicht anders, schlechter oder besser sein, sondern sie würde ganz einfach nicht vorliegen. Zum einen übernahm sie das zeitintensive Korrekturlesen und kritische Überprüfen meiner Arbeit. Zum anderen tolerierte
Vorwort
IX
sie mein „Forscherverhalten“ und baute mich immer wieder in kritischen Phasen auf. Deshalb ist ihr auch dieses Buch gewidmet – wie mein ganzes Leben. Philipp E. M. Bode
Inhaltsverzeichnis
XI
INHALTSVERZEICHNIS GELEITWORT ............................................................................................................................ V
VORWORT .............................................................................................................................. VII
INHALTSVERZEICHNIS ............................................................................................................. XI
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ................................................................................................. XVII
TABELLENVERZEICHNIS ....................................................................................................... XXI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................... XXIII
EINFÜHRUNG .............................................................................................................................. 1 (1) Ausgangssituation und Problemstellung .............................................. 1 (2) Aufbau der Arbeit ................................................................................. 6
TEIL I: MARKEN IN DER MEDIENINDUSTRIE ............................................................................ 9 I.1
Medienindustrie und Mediengüter .......................................................... 9 I.1.1
Einführung in die Medienbranche ............................................................. 10 (1) Die Medienindustrie und ihre Teilmärkte .......................................... 10 (2) Dreiklang der Märkte in der Medienindustrie .................................... 12
I.1.2
Mediengüter ............................................................................................... 17 (1) Abgrenzung von Medieninhalt und Medium ..................................... 18 (2) Charakteristika von Mediengütern ..................................................... 21
I.1.3
Medienunternehmen im Spannungsfeld der Umfeldveränderungen ............................................................................... 25
XII
Inhaltsverzeichnis
(1) Digitalisierung der Wertschöpfungskette ........................................... 25 (2) Mediennutzungsverhalten und neue Konsumententypen ................... 27 (3) Regulierung und Deregulierung der Medien-, Informations- und Kommunikationsmärkte ..................................................................... 29 (4) Veränderung der Branchenstruktur und -dynamik ............................. 31 I.2
Medienmarken: Ein erster Zugang ....................................................... 34 I.2.1
Terminologische Abgrenzung der Medienmarke ...................................... 34 (1) Synopse der Markenbegriffsdefinitionen ........................................... 34 (2) Medienmarken – ein Definitionsansatz .............................................. 41
I.2.2
Funktionen von Medienmarken in den Absatz- und Beschaffungsmärkten ................................................................................ 44 (1) Markenfunktionen für die Konsumenten............................................ 45 (2) Markenfunktionen für den Handel ..................................................... 47 (3) Markenfunktionen für die Medienunternehmen ................................. 48 (4) Markenfunktionen für die Werbewirtschaft ....................................... 52
I.2.3
Erscheinungsformen und Architekturtypen von Medienmarken............... 54 (1) Erscheinungsformen von Medienmarken ........................................... 54 (2) Architekturtypen und Hierarchien von Medienmarken ...................... 59
TEIL II: MARKEN ALS ZENTRALE GESTALTUNGSVARIABLE IN MEDIENUNTERNEHMEN ..... 66 II.1
Geschäftsmodelle von Medienunternehmen und die Rolle von Marken ..................................................................................................... 66 II.1.1
Leistungsspektrum ..................................................................................... 68
II.1.2
Erlösmodelle .............................................................................................. 71 (1) Produkte und Dienstleistungen ........................................................... 73 (2) Rechte ................................................................................................. 75
Inhaltsverzeichnis
XIII
(3) Kundenkontakte .................................................................................. 77 (4) Staat .................................................................................................... 80 II.1.3
Wertschöpfungsstrukturen ......................................................................... 82 (1) Analyse der Wertschöpfungskette ...................................................... 82 (2) Kernprozesse in der Wertschöpfungskette von Medienunternehmen ....................................................................................... 85 (3) Marken in den verschiedenen Stufen der medialen Wertschöpfungskette .......................................................................... 91
II.1.4
Kostenstrukturen ........................................................................................ 95 (1) Das Zusammenwirken von First-Copy-Costs und Größenvorteilen .. 95 (2) Implikationen für die Kostenstrukturen von Medienunternehmen .... 99
II.2
Potenziale von Medienmarken ............................................................. 104 II.2.1
Medienmarken: Eine aufmerksamkeitsorientierte Perspektive ............... 104 (1) Aufmerksamkeit als die „neue Währung“ in der Medienindustrie .. 105 (2) Medienmarken als Generierer von Aufmerksamkeit ....................... 107 (3) Markenwerte als Ausdruck von Aufmerksamkeit und deren Steuerungswirkungen ....................................................................... 110 (4) Finanzorientierte, verhaltensorientierte und integrative Markenwertbegriffe .......................................................................... 114
Exkurs: Der Mensch als Marke: Prominenz in der Medienbranche ..................... 118 (1) Ökonomie der Aufmerksamkeit und der Prominenz ........................ 118 (2) Medienökonomische und markenrelevante Bedeutung von Prominenz für Medienunternehmen ................................................. 121 II.2.2
Medienmarken: Eine ressourcenorientierte Perspektive ......................... 125 (1) Ressourcen als Bezugspunkt eines strategischen Markenmanagements .................................................................................... 126 (2) Die strategische Bedeutung der Ressource Medienmarke ............... 130 (3) Medienmarken als Zielpunkt synergetischer Koordination ............. 133
XIV
Inhaltsverzeichnis
(4) Markentransfers als Ausdruck strategischer Mehrfachverwertung in Medienunternehmen .................................................. 137 II.2.3
Herausforderungen bei der Ausschöpfung (ungenutzter) Potenziale von Medienmarken ................................................................ 145 (1) Medienspezifische Entwicklung und Führung von Marken ............. 145 (2) Medienspezifisches Controlling von Medienmarken ....................... 147
EMPIRISCHER PROLOG: METHODOLOGIE UND UNTERSUCHUNGSDESIGN DER EMPIRISCHEN STUDIE ........................................................................................... 150 (1) Methodologische Aspekte des gewählten empirischen Untersuchungsdesigns ...................................................................... 151 (2) Auswahl der Untersuchungssubjekte und -objekte .......................... 153 (3) Ablauf der empirischen Erhebung und Auswertung ........................ 157 (4) Beurteilung der empirischen Untersuchung anhand von Gütekriterien der qualitativen Forschung ......................................... 164
TEIL III: STRATEGIEN FÜR DIE ENTWICKLUNG UND DAS MANAGEMENT VON MEDIENMARKEN ................................................................................................... 169 III.1
III.1.1
Empirische Analyse zentraler Aspekte von Medienmarken und deren Management ........................................................................ 169 Medienmarken als zentraler Erfolgsfaktor .............................................. 170 (1) Ausprägung des Markenbewusstseins .............................................. 170 (2) Relevanz von Marken für das Geschäftsmodell von Medienunternehmen ......................................................................... 174 (3) Funktionen von Medienmarken ........................................................ 178
III.1.2
Strategische Führung und Entwicklung von Medienmarken .................. 182 (1) Organisation der Markenführung ..................................................... 182 (2) Prozess der strategischen und operativen Markenführung ............... 186 (3) Steuerung von komplexen Markenportfolios ................................... 189 (4) Ziele und Bestimmungsfaktoren von Markentransfers .................... 192
Inhaltsverzeichnis
III.1.3
XV
Steuerungs- und Kontrollsysteme für Medienmarken ............................. 194 (1) Instrumente und Managementsysteme für das Controlling von Medienmarken .................................................................................. 194 (2) Relevante Kennzahlen für das Controlling von Medienmarken ...... 199
Zwischenbetrachtung: Die Möglichkeiten der Höherentwicklung und Professionalisierung von Medienunternehmen aus der Perspektive der evolutionären Führungslehre.................................... 203 (1) Möglichkeiten der Professionalisierung ........................................... 203 (2) Entwicklungsstufen der Höherentwicklung ..................................... 205 III.2
III.2.1
Ansatzpunkte für ein strategisches Management von Medienmarken .................................................................................................... 212 Management von Medienmarkenportfolios ............................................ 212 (1) Synergie und Eigenständigkeit als konkurrierende Ziele der Markenarchitekturgestaltung ............................................................ 213 (2) Festlegung markenspezifischer Rollen ............................................. 215 (3) Konfiguration von Markenportfolios ............................................... 217
III.2.2
Management von Medienmarkendehnungen .......................................... 220 (1) Nachfragerbezogene Erfolgsfaktoren bei Markendehnungen .......... 221 (2) Unternehmensbezogene Erfolgsfaktoren und Ansatzpunkte bei der Steuerung und Entwicklung von Markendehnungen ........... 223
III.2.3
Management von Synergiepotenzialen der Medienmarke ...................... 228 (1) Ansatzpunkte direkter Steuerung ..................................................... 229 (2) Ansatzpunkte indirekter Steuerung .................................................. 233
III.2.4
Markenleitbilder als Identifikationsanker für das Markenmanagement ................................................................................ 236
III.2.5
Gestaltung von Managementsystemen für die Steuerung und das Controlling von Medienmarken ........................................................ 238 (1) Rolle von Managementsystemen ...................................................... 238
XVI
Inhaltsverzeichnis
(2) Gestaltungsdimensionen von Managementsystemen ....................... 241 (3) Organisatorische Implikationen bei der Gestaltung von Managementsystemen ...................................................................... 244
SCHLUSSBETRACHTUNG ........................................................................................................ 250 (1) Zusammenfassung zentraler Ergebnisse........................................... 250 (2) Ausblick ............................................................................................ 254
ANHANG ............................................................................................................................... 257 Anhang 1: Basisdesigns in der qualitativen Forschung ........................................ 257 Anhang 2: Methodologische Einordnung von Experteninterview und qualitativer Inhaltsanalyse ................................................................... 261 (1) Qualitative Erhebungsmethoden ...................................................... 261 (2) Qualitative Auswertungsmethoden .................................................. 264 (3) Auswahl der Methoden..................................................................... 267 Anhang 3: Expertenübersicht ................................................................................. 270 Anhang 4: Exemplarische Darstellung des Interviewleitfadens .......................... 271
LITERATURVERZEICHNIS ...................................................................................................... 273
Abbildungsverzeichnis
XVII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung I-1:
Umsatzentwicklung ausgewählter Mediensegmente in Deutschland 2006 bis 2013 ............................................................................................ 11
Abbildung I-2:
Zentrale Mechanismen der Medienmärkte ................................................ 14
Abbildung I-3:
Inhalt, Medium und Mediengut ................................................................. 17
Abbildung I-4:
Träger- und Übertragungsmedien im Vergleich ........................................ 20
Abbildung I-5:
Ansätze des Markenverständnisses ........................................................... 35
Abbildung I-6:
Markenerfolgskette .................................................................................... 39
Abbildung I-7:
Markenfunktionen aus Konsumentensicht ................................................ 45
Abbildung I-8:
Preisprämien im Zeitschriftenmarkt .......................................................... 49
Abbildung I-9:
Ausgewählte Markenwerte ........................................................................ 50
Abbildung I-10:
Markenfunktionen aus Anbietersicht ........................................................ 52
Abbildung I-11:
Erscheinungsformen von Medienmarken .................................................. 55
Abbildung I-12:
Optisch wahrnehmbare Markierungsmittel von Medienmarken .............. 57
Abbildung I-13:
Brand Relationship Spectrum nach Aaker/Joachimsthaler ....................... 61
Abbildung II-1:
Systematik der Erlösquellen ...................................................................... 73
Abbildung II-2:
Alternative Bezugsrahmen bei der Wertschöpfungskettenanalyse ........... 83
Abbildung II-3:
Wertschöpfungskette Medien .................................................................... 86
XVIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung II-4:
Inhaltegenerierung in Medienunternehmen ............................................... 86
Abbildung II-5:
Anzeigenakquisition in Medienunternehmen ........................................... 87
Abbildung II-6:
Medienmarken entlang der Wertschöpfungskette ..................................... 91
Abbildung II-7:
Nachfrage- und Kosteneffekte in der Medienindustrie ............................ 97
Abbildung II-8:
Industrie-Napsterisation Matrix............................................................... 101
Abbildung II-9:
Anteil Markenwert an Marktkapitalisierung ausgewählter Unternehmen in 2005 .............................................................................. 113
Abbildung II-10: Taxonomie unternehmensspezifischer Ressourcen ................................. 127 Abbildung II-11: Anforderungen an Ressourcen als Basis nachhaltiger Wettbewerbsvorteile ..................................................................................................... 129 Abbildung II-12: Potenzielle Mehrfachnutzung von strategischen Ressourcen als Voraussetzung zur synergetischen Koordination .................................... 135 Abbildung II-13: Taxonomie von Markentransferstrategien ............................................... 139 Abbildung II-14: Zielsystem von Markentransfer ............................................................... 141 Abbildung II-15: „Cluster“ der Markenmodelle .................................................................. 148 Abbildung ZB-1: Ko-Evolution der Unternehmung, Industrie und Umwelt ....................... 207 Abbildung ZB-2: Die Höherentwicklung von Medienunternehmen ................................... 209 Abbildung III-1:
Konkurrierende Ziele bei der Markenarchitekturgestaltung ................... 213
Abbildung III-2:
Idealtypische Ausprägungen eines Portfoliomanagements ..................... 218
Abbildungsverzeichnis
XIX
Abbildung III-3:
Format- und Betriebsdimension als grundlegende Gestaltungshebel...... 241
Abbildung III-4:
Eskalationsstufen organisatorischer Anbindung ..................................... 246
Abbildung AH-1: Basisdesigns in der qualitativen Forschung............................................. 259 Abbildung AH-2: Klassifizierung von Auswertungsmethoden ............................................ 265
Tabellenverzeichnis
XXI
TABELLENVERZEICHNIS Tabelle I-1:
Wesentliche Monographien und Sammelbände der Medienmarkenforschung .................................................................................................... 3
Tabelle II-1:
Wesentliche Monographien und Sammelbände der Prominenzforschung ................................................................................................. 119
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
AWA
Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse
BCN
Bertelsmann Corporate Network
B2B
Business-to-Business
B2C
Business-to-Consumer
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CAGR
Compound Annual Growth Rate
CD
Compact Disc
d.h.
das heißt
E
Experte
E-Commerce
Electronic Commerce
et al.
et alii
etc.
et cetera
€
Euro
f.
folgende
ff.
fortfolgende
HR
Human Resources
IAS
International Accounting Standards
inkl.
inklusive
LPA
Leser pro Auflage
MA
Mediaanalyse
M&A
Mergers and Acquisitions
Mrd.
Milliarde
o.V.
ohne Verfasser
P2P
Peer-to-Peer
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
RSS
Really Simple Syndication
S.
Seite
TAP
Tausender Auflage Preis
TKP
Tausender Kontakt Preis
TV
Television
u.a.
unter anderem
US GAAP
United States Generally Accepted Accounting Principles
USP
Unique Selling Proposition
vgl.
Vergleiche
vs.
versus
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
Einführung
1
EINFÜHRUNG (1)
Ausgangssituation und Problemstellung
Medienunternehmen stehen aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks und der anhaltenden Dynamik der Rahmenbedingungen vor zahlreichen Herausforderungen. Beispiele hierfür sind die schnelle Imitation erfolgreicher Formate und eine daraus resultierende Markengleichheit, die Konvergenz von Produkten und Märkten durch das Verschmelzen der Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsindustrien und die Veränderung des Mediennutzungsverhaltens. In einem solchen Markt- und Wettbewerbsumfeld können starke Medienmarken einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil darstellen, denn sie erfüllen sowohl aus Kunden- als auch aus Unternehmenssicht eine Vielzahl an wichtigen Funktionen.1 Auf dem Absatzmarkt dienen Marken als Orientierungshilfe, als Qualitätssicherungssignal und zur Risikoreduktion für den Konsumenten. Mit Hilfe starker Marken eröffnen sich für Unternehmen Möglichkeiten zur Durchsetzung einer Preisprämie, zur Profilierung im Handel, zur Differenzierung gegenüber Wettbewerbern und zur Schaffung einer starken Markentreue und Kundenloyalität. Darüber hinaus kann ein gutes Markenimage die Beschaffung von entscheidenden Inputfaktoren wie Autoren, Redakteuren oder Interpreten erleichtern. Die Schaffung und Entwicklung von Marken sollte daher zukünftig verstärkt im Fokus des strategischen Managements von Medienunternehmen sein: „Building and positioning a brand will become a key skill in the future” (Aris/Bughin 2005, S. 18).
Während die beschriebenen Marktentwicklungen und Funktionen von Marken freilich in veränderter Form auch für andere Industriezweige zutreffen, weist das Management von Medienmarken wegen der Charakteristika von Medienmärkten (z.B. Dualität von Absatz- und Werbemarkt) und Mediengütern (z.B. optische und inhaltliche Unikate, hohe Inhaltsbreite sowie Erfahrungs- und Vertrauensgutcharakter) einige Besonderheiten auf.2 „Ich halte eine Medienmarke für komplexer [als FMCG, P.B.], weil es kein standardisiertes Produkt ist. Eigentlich ist es ein Konzept, eine Idee und die muss ich eigentlich permanent neu definieren“ (Quelle: E-1).3
1 2 3
Vgl. im Folgenden Homburg/Richter (2003), S. 2f und Caspar (2002), S. 5ff. Vgl. Baumgarth (2004a), S. 6. Mit „Quelle“ sind die Aussagen der jeweiligen Gesprächspartner aus den Experteninterviews gekennzeichnet. Siehe dazu die Expertenübersicht in Anhang 3.
2
Einführung
Diese spezifischen Merkmale und die daraus resultierende Komplexität rechtfertigen daher eine gesonderte Behandlung der Markenpolitik in Medienunternehmen. Umso erstaunlicher ist es, dass das Forschungsfeld Management von Medienmarken noch recht überschaubar ist. Die Auseinandersetzung mit Medienmarken fand zuerst weitgehend in der privatwirtschaftlich organisierten Zeitschriftenbranche statt, obwohl davon ausgegangen werden kann, dass viele Verlagsleiter und Chefredakteure das Motto Marke nicht genannt haben.4 Zudem gibt es eine Reihe von populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Verlautbarungen von Verantwortlichen in Medienunternehmen, in denen die Medienmarke thematisiert wird. Zwar findet auch die Notwendigkeit einer Markenbildung im Rahmen des Medienmarketings seit Beginn der neunziger Jahre sukzessive mehr Beachtung, allerdings wird das Thema vorwiegend in Lehrbüchern in der Regel nur relativ oberflächlich behandelt. Insgesamt weist daher die relevante wissenschaftliche Literatur nur vereinzelt Beiträge auf, die fundiert Medien markenpolitisch interpretieren. 5 Vielmehr findet sich eine Reihe von Einzelfallbeschreibungen von Medienmarken in den verschiedenen Medienbranchen6 (siehe Abbildung I-1).
4 5 6
Vgl. Kamann 2003, S. 93. Vgl. u.a. Eckert (2004), Kamann (2003), Siegert (2001), Quoos (2001), Caspar (2002), Althans (1994). Vgl. u.a. Madsen (2004) für FTD, Lobe (2002) für BILD oder Althans/Brüne (2005) für GEO sowie den Sammelband von Baumgarth (2004b).
Einführung
3
Gegenstand der Untersuchung
Überwiegender Forschungsschwerpunkt
Autoren
Jahr
Althans
1994
Markenführung in Zeitschriften
Einzelfallstudie
Klatten
1997
Analyse der Marke Spiegel
Einzelfallstudie
Schaefer-Dieterle
1997
Zeitungen als Markenartikel
Konzeptionell
Karstens/Schütte
1999
Markenbildung im Fernsehen
Konzeptionell
Quoos
2001
Fernsehen als Marke
Konzeptionell
Siegert
2001
Management von Medienmarken
Konzeptionell
Lobe
2002
Analyse der Marke Bild
Einzelfallstudie
Pfeiffer
2002
Interactive Branding
Caspar
2002
Crossmediale Markentransfers
Kamann
2003
Markenarchitekturen
Baumgarth
2004
Markenführung von Medienmarken
Madsen
2004
Die Medienmarke FTD
Konzeptionell Erfolgsfaktorenforschung Konzeptionell mit Fallstudien Fallstudien Einzelfallstudie
Eckert
2004
Digitale Markenpolitik
Konzeptionell
Althans/Brüne
2005
Markentransferstrategien
Einzelfallstudie
Chan-Olmsted
2006
Markenführung
Konzeptionell
Tabelle I-1: Wesentliche Monographien und Sammelbände der Medienmarkenforschung
Darüber hinaus gilt im Hinblick auf eine tatsächlich feststellbare Markenorientierung in Medienunternehmen oftmals noch die Beobachtung von Siegert, die pointiert Folgendes besagt (2003): „Der häufigen Verwendung des Markenbegriffs steht jedoch nur eine begrenzte Umsetzung im professionellen Sinn der Markenführung (…) gegenüber“ (Siegert 2003, S. 11).7
In einem ersten Zugang kann freilich auf die zahlreichen grundlegenden und branchenspezifischen (z.B. Konsumgüter-, Dienstleistungs- oder Automobilindustrie) Abhandlungen8 zum Thema „Marke“ zurückgegriffen werden, um sie im Rahmen der Auseinandersetzung mit Medienmarken zu nutzen.
7
8
Eine aktuelle Studie bestätigt zudem, dass die wahrgenommene Markengleichheit in den meisten Mediengattungen ausgesprochen hoch ist. Viele Medienmarken scheinen daher relativ austauschbar zu sein und sich nicht voneinander differenzieren zu können. Besonders groß ist die Ähnlichkeit im Segment der Frauen- und Wohnzeitschriften (nur 8 bzw. 10 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Marken stark voneinander unterscheiden). Fernseh- und Radiosender weisen hingegen noch eine gewisse Unterscheidbarkeit auf (49 bzw. 45 Prozent). Vgl. Bücker (2007). Beispielhaft seien hier die Herausgeberbände von Meffert/Burmann/Koers (2005), Bruhn (2004), Esch (2005) und Göttgens/Gelbert/Böing (2003) genannt.
4
Einführung
Das Untersuchungsfeld „Medienindustrie“ ist dabei im Gegensatz zu anderen Industrien sehr heterogen und umfasst eine Vielzahl an Teilsegmenten. Die sachliche Abgrenzung der Segmente erfolgt nicht einheitlich. Das klassische Begriffsverständnis subsumiert unter diesen Industriesektor ausschließlich die Teilmärkte Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunk.9 Im Kontext der durchzuführenden Arbeit und seiner empirischen Studie soll in einem ersten Zugang vorwiegend auf dieses Begriffsverständnis rekurriert werden.10 Freilich soll vor dem Hintergrund der Konvergenzentwicklungen und der cross-medialen Medienangebote vieler Medienunternehmen aber auch auf ein erweitertes Begriffsverständnis der Medienindustrie Bezug genommen werden, das u.a. auch die Segmente Buch, Musik, Film und Internet als Mediensegmente definiert. Ferner muss ein solches Begriffsverständnis zudem medienrelevante Teilbereiche der Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsindustrien einschließen.11 Als Medienunternehmen werden die ökonomischen Institutionen bezeichnet, die sich mit der Beschaffung, Selektion, Aufbereitung, Bündelung und Verbreitung von Informations- und Unterhaltungsgütern (Inhalte bzw. content) in diesen Segmenten befassen.12 Die vorliegende Arbeit will dazu beitragen, das aufgezeigte Forschungsdefizit zu verringern, indem zunächst aus der wirtschaftswissenschaftlichen Marken- und Medienliteratur die zentralen Aspekte von Marken und deren Potenziale für Medienunternehmen erörtert werden. Darüber hinaus sollen aus strategischer Perspektive die Themenfelder Führung und Controlling von Medienmarken systematisch diskutiert werden und Ansatzpunkte für eine Professionalisierung des Managements von Medienmarken aufgezeigt werden. Im Sinne der „Scheinwerfermetapher“13 von Kirsch sollen die aufgeworfenen Fragestellungen aus dem Blickwinkel verschiedener wissenschaftlicher Forschungstraditionen beleuchtet werden, die betriebswirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher, kommunikations- oder medienwissenschaftlicher Provenienz sein können. So erfolgt zum Beispiel die Untersuchung der Wert-, Wachstums- und Synergiepotenziale von Marken aus einer aufmerksamkeits- und ressourcen9 10 11
12 13
Vgl. Beck (2002), S. 1 und Sjurts (2002), S. 16 und Heinrich (2001), S. 19. Der Fokus im Mediensegment Rundfunk liegt allerdings ausschließlich auf dem Teilsegment Fernsehen. Die geschäftlichen Aktivitäten von Unternehmen wie Apple (z.B. iPod und iTunes), Microsoft oder Yahoo im originären Medienbereich machen deutlich, dass die Grenzen der Medienindustrie recht „fuzzy“ sind und sich stetig verändern. Eine zu enge Begriffsdefinition würde diese Strukturen und Dynamiken nicht berücksichtigen. Vgl. Karmasin/Winter (2000), S. 20, Kiefer (2001), S. 53, Beck (2002), S. 1f. und Zerdick et al. (2001), S. 38. Vgl. Kirsch (2001), S. 265ff.
Einführung
5
orientierten Perspektive. Die Ansatzpunkte für eine Professionalisierung und Höherentwicklung des Markenmanagements werden unter Rekurs auf den Bezugsrahmen einer evolutionären Organisationstheorie14 entwickelt und diskutiert. Die theoretische und vor allem empirische Untersuchung soll sich aber nicht nur mit der „Realität“ des Markenmanagements in der Unternehmenspraxis auseinandersetzen, sondern vielmehr auch Ansatzpunkte aufzeigen, die noch nicht verwirklicht sind, die aber möglich erscheinen und eine „Höherentwicklung“ von Medienunternehmen fördern würden. Dieses Ziel beruht auf einem Wissenschaftsverständnis, das von Hayek (1980) wie folgt zum Ausdruck gebracht hat: „Fruchtbare Sozialwissenschaft muss sehr weitgehend ein Studium dessen sein, was nicht ist: Eine Konstruktion hypothetischer Modelle von möglichen Welten, die existieren könnten, wenn einige veränderbare Bedingungen anders gestaltet würden“ (von Hayek 1980, S. 33).
An dieser Stelle soll daher auf den theoretischen Stellenwert der zu treffenden Aussagen hinwiesen werden. Ziel dieser Arbeit kann es nicht sein, die Bandbreite aller markenrelevanten Forschungsfragen und Theoriekonstruktionen sowie Probleme der Praxis aufzugreifen. Im Vordergrund steht vielmehr eine „pragmatische Vorgehensweise“ im Umgang mit dieser pluralistischen Vielfalt an Forschungstraditionen und praxisrelevanten Themen.15 Um der Vielfalt Herr zu werden, bedeutet dies die bewusste Selektion von Inhalten, denen für das Verständnis von Medienmarken und deren Entwicklung und Führung eine besonders prominente Bedeutung zukommt. Der „Output“ einer solchen pragmatischen Vorgehensweise ist demnach keine umfassend theoretisch fundierte Grand Theory, sondern sie liefert Erkenntnisbausteine bzw. vorläufig generalisierte Aussagen für deren Entwicklung oder Weiterentwicklung.16 In diesem Sinne verfolgt diese Arbeit damit eher ein Wissenschaftsziel, das durchaus zum Fortschritt beitragen kann, denn das „(…) Postulat des Fortschritts impliziert, dass eine gute Theorie eine Aussage macht, die vorher noch nicht bekannt war“ (Chalmers 1999, S. 34).
Um die Anschlussfähigkeit an die vor allem relevanten betriebswirtschaftlichen Diskurse herzustellen, wird die einschlägige Literatur mit ihren grundlagentheoretischen und vorläufig generalisierenden Aussagen erörtert, allerdings ohne dass dies mit dem Anspruch auf Vollständigkeit erfolgt. In die Ausführungen fließen auch die Erkenntnisse ein, die im Rahmen der empirischen Untersuchung mit 31 Experten 14 15 16
Vgl. Kirsch (2001), S. 280. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 18ff. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 19.
6
Einführung
aus der Unternehmenspraxis gewonnen wurden.17 Die Forschungsfragen werden einer empirischen Überprüfung und damit dem Nutzungsanspruch der Praxis unterzogen. Gespräche mit Experten bereits im Vorfeld der empirischen Erhebung sollten dazu beitragen, ein an den praktischen Problemen und Herausforderungen orientiertes Vorverständnis für die Probleme der Führung von Medienmarken zu generieren. 18 Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Arbeit insgesamt relevante Einblicke in ein relativ junges und ein wenig vernachlässigtes Untersuchungsfeld der Markenforschung bieten, das an der Schnittstelle zwischen Marketing und strategischer Managementforschung sowie zwischen Theorie und Praxis liegt.
(2)
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit umfasst neben der Einführung, ein Zwischenkapitel in Form eines empirischen Prologs, drei Hauptkapitel und eine Schlussbetrachtung. Die wesentlichen Inhalte der einzelnen Teile lassen sich wie folgt kurz beschreiben: Im ersten Teil soll zuerst ein Grundverständnis über die grundlegenden Charakteristika der Medienbranche sowie über das Begriffsverständnis von Marken geschaffen werden. Hierzu wird zunächst eine Abgrenzung der Medienindustrie und ihrer Besonderheiten erfolgen. Zudem sollen die Spezifika von Medieninhalten und die sich verändernden Rahmenbedingungen aufgezeigt werden (I.1). Die terminologische Abgrenzung des Markenbegriffs und die Erörterung zentraler Aspekte von Marken sind weitere Bestandteile der propädeutischen Überlegungen. Diese Ausführungen münden in die Formulierung von ersten Forschungsleitfragen19 für die empirische Untersuchung (I.2). Im zweiten Teil wird die Auseinandersetzung mit Medienmarken und deren Steuerung und Entwicklung in Medienunternehmen vertieft, die in der Ableitung weiterer zentraler Forschungsleitfragen mündet. Zunächst werden die zentralen Dimensionen der Geschäftsmodelle im Hinblick auf die Relevanz und Rolle, die Marken in diesen einnehmen, diskutiert (II.1). Darüber hinaus werden die Potenziale von Marken für Medienunternehmen identifiziert und dargestellt. Die Ausführungen 17
18 19
Da den Experten zugesichert wurde, die Untersuchungsergebnisse bzw. Statements nicht im Zusammenhang mit den jeweiligen Personen oder Unternehmen zu veröffentlichen, werden die entsprechenden Zitate oder Beispiele (soweit nicht öffentlich bekannt oder bei ausdrücklicher Zustimmung der Interviewpartner) ohne Namensnennung genannt. Vgl. Kirsch (2001), S. 265 und Ringlstetter (1995), S. 20. Diese Forschungsleitfragen werden im Laufe der Arbeit sowohl durch die theoretisch-konzeptionellen Ausführungen als auch durch die empirische Analyse beantwortet bzw. behandelt.
Einführung
7
werden zum einen aus einer aufmerksamkeitsorientierten Perspektive erfolgen, die die Rolle von Marken als Generierer von Aufmerksamkeit und Markenwerten betrachtet. Zum anderen wird eine ressourcenorientierte Sichtweise eingenommen, die insbesondere Wachstums- und Synergiepotenziale von Marken untersucht (II.2). Im Mittelpunkt des empirischen Prologs stehen die Methodologie und das Untersuchungsdesign der empirischen Untersuchung. Hierzu wird zunächst das empirische Forschungsdesign, d.h. die verwendeten Erhebungs- (Experteninterviews) und Auswertungsmethoden (qualitative Inhaltsanalyse) aus methodologischer Sicht skizziert. Daran anschließend wird die konkrete methodische Vorgehensweise vorgestellt. Dies schließt die Definition und Auswahl der Experten und der Fälle, die Beschreibung der Durchführung der Experteninterviews mit Hilfe eines strukturierten Interviewleitfadens und die Festlegung des Ablaufs bei der Auswertung der Interviewaussagen ein. Für die empirische Untersuchung wurden insgesamt 31 Experten befragt. Hierbei handelte es sich um Markenverantwortliche (Geschäftsführer, Verlagsleiter, Marketingleiter, Brand Manager und Redakteure) von großen deutschen Medienunternehmen aus unterschiedlichen Branchen (u.a. Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen, Buch und Musik) und Marken- bzw. Medienexperten aus Professional Service Firms. Im dritten Teil werden die Ergebnisse der empirischen Studie unter Rekurs auf die theoretisch-konzeptionellen Vorüberlegungen diskutiert und Ansatzpunkte für eine Professionalisierung von Medienunternehmen entwickelt. Hierzu werden die Ergebnisse eingehend dargestellt und entsprechend den Forschungsleitfragen kategorisiert und analysiert. In einem ersten Zugang werden die Ergebnisse bereits somit im Hinblick auf die theoretisch-konzeptionellen Überlegungen validiert und ergänzt (III.1). Hierbei werden freilich auch Erkenntnisse aus anderen Studien und Analysen im Sinne einer Triangulation herangezogen.20 Diese Herangehensweise soll dazu beitragen, neue Einblicke in die Unternehmenspraxis im Hinblick auf das Markenmanagement zu generieren und so einen relevanten Forschungsbeitrag leisten. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung von Ansatzpunkten einerseits für ein strategisches Management (ungenutzter Potenziale) von Medienmarken und andererseits für Managementsysteme, die eine erfolgsorientierte Steuerung unterstützen (III.2). Ziel ist es letztendlich, theorie-
20
Die sogenannte Triangulation bezeichnet die Verknüpfung unterschiedlicher Vorgehensweisen in einer empirischen Untersuchung. Die Kombination der Verfahren bzw. deren Ergebnisse kann dazu beitragen, die Ergebnisse zu widerlegen bzw. kritisch zu beleuchten. Vgl. Kelle/Erzberger (2000), S. 302, Flick (2000), S. 311.
8
Einführung
und praxisfundierte Ansatzpunkte für eine Professionalisierung des Markenmanagements in Medienunternehmen aufzuzeigen. In der Schlussbetrachtung werden die zentralen Ergebnisse und ihre Bedeutung für Forschung und Unternehmenspraxis rekapituliert. Das Fazit schließt die kritische Reflexion der gewonnenen Erkenntnisse und der gewählten Vorgehensweise ein. Anregungen für vertiefende Forschungsbemühungen zum Markenmanagement in Medienunternehmen bilden den Abschluss dieser Arbeit.
Teil I: Marken in der Medienindustrie
9
TEIL I: MARKEN IN DER MEDIENINDUSTRIE Der steigende Wettbewerbsdruck und die Dynamik der Rahmenbedingungen stellen das Management von Medienunternehmen vor große Herausforderungen. Hierbei scheint die Markierung von Medienprodukten eine geeignete Strategie, um dem Mediengut einen gewissen Grad an Alleinstellung zu sichern. Bevor die Potenziale solcher Medienmarken und deren Ausschöpfung durch das Management näher untersucht werden, soll in diesem Kapitel ein Überblick über die Spezifika der Medienindustrie und über das Begriffsverständnis von (Medien-)Marken erfolgen. Im ersten Teilkapitel sind zunächst die Darstellung der Medienbranche und ihrer Charakteristika Gegenstand der propädeutischen Ausführungen. Anschließend werden die spezifischen Merkmale von Medieninhalten herausgearbeitet. Dies soll dazu beitragen, die Spezifika von markierten Mediengütern bzw. Medienmarken zu verdeutlichen. Darüber hinaus wird das Spannungsfeld der Umfeldveränderungen in dem sich Medienunternehmen bewegen dargelegt (I.1). Die terminologische Konkretisierung des Markenbegriffs und die Identifizierung wesentlicher Aspekte von Medienmarken stehen im Fokus des abschließenden Teilkapitels (I.2).
I.1
Medienindustrie und Mediengüter
Die Medienindustrie ist relativ heterogen und die medialen Produkte und Dienstleistungen weisen einige besondere Charakteristika auf. Diese medienspezifischen Besonderheiten müssen bei der strategischen und operativen Markenführung berücksichtigt werden. Als Einführung in die Thematik erfolgen daher zunächst die Darstellung und Analyse der verschiedenen Teilmärkte der Medienindustrie und des Zusammenwirkens von Medienunternehmen, Absatz- und Werbemärkten (I.1.1). Im Anschluss werden die Spezifika der Mediengüter in Abgrenzung zu anderen Gütern herausgearbeitet (I.1.2). Die Ausführungen zu den sich verändernden ökonomischen, technologischen, politisch-rechtlichen21 und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bilden den Abschluss des ersten Kapitels (I.1.3).
21
Vgl. hierzu insbesondere die Verankerung der Meinungs-, Informations-, Presse- und Zensurfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes. Vgl. Beyer/Carl (2004), S. 25ff.
10
I.1.1
Teil I: Marken in der Medienindustrie
Einführung in die Medienbranche
In der Medienbranche spielen verschiedene Teilmärkte eine Rolle. Zudem sind Medienunternehmen, anders als Unternehmen anderer Branchen, auf mehreren Absatzmärkten aktiv, zum Teil sogar „gleichzeitig“. Zur Einordnung der weiteren Ausführungen erfolgt zunächst ein Überblick über die Medienindustrie und ihre Teilsegmente (1). Ferner wird der sogenannte Dreiklang der Märkte Inhaltebeschaffung, Werbung und Absatz in der Medienindustrie erläutert (2).
(1)
Die Medienindustrie und ihre Teilmärkte
Die Medienindustrie umfasst im Wesentlichen die Teilsegmente Printmedien (Zeitung, Zeitschriften und Buch), audiovisuelle oder elektronische Medien (Rundfunk, Musik, Film, Video- und Computerspiele) und Neue bzw. digitale Medien (z.B. Internet, Multimedia).22 Wie bereits in der Einführung erläutert, soll im Rahmen dieser Arbeit auf folgendes Begriffsverständnis für die Medienindustrie zurückgegriffen werden: Im Mittelpunkt stehen die klassischen (Kern-) Mediensegmente Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen.23 Darüber hinaus sollen die Mediensektoren wie z.B. Buch, Musik, Film, Internet (inkl. der Online-Angebote der klassischen Medienprodukte) und Teilbereiche der Telekommunikation sowie die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen der Medien- und Kommunikationssegmente fallweise bei den Ausführungen und der empirischen Studie berücksichtigt werden.24 Die Umsatzgröße und -entwicklung der zentralen Mediensegmente in Deutschland verdeutlicht Abbildung I-1.
22
23
24
Vgl. Wirtz (2005), S. 21 und Brack (2002), S. 37f. Teilweise werden auch die Bereiche Außenwerbung, Sport und Themen- und Freizeitparks dem Unterhaltungs- und Medienmarkt zugeordnet. Vgl. PwC (2006). Vgl. Beck (2002), S. 1, Sjurts (2002), S. 16 und Weber (1990), S. 2. Heinrich bezeichnet diese Segmente als „aktuell/journalistisch produzierende Massenmedien“ in Abgrenzung zu Segmenten mit geringer Reichweite (wie z.B. Theater und Museen) und Segmenten, die überwiegend der Kunst oder Wissenschaft (wie z.B. Buch, Ton- oder Bildträger) zuzuordnen sind. Vgl. Heinrich (2001), S. 19. Vgl. Beck (2002), S. 1f., Heinrich (2001), S. 19 und 28, Karmasin/Winter (2000b), S. 15, Sjurts (2002), S. 1f. und Weber (1990), S. 2. Vielfach wird auch von den Neuen Medien gesprochen, die sich als Übertragungsweg der Telekommunikation bedienen. Vgl. Wirtz (2001), S. 8f.
Teil I: Marken in der Medienindustrie
11
1,2%
0,1% 44,2
44,6
44,3
45,1
43,0
42,7
43,3
44,0
1,5 2,4
1,4 2,4
1,4 2,5
1,4 2,6
3,4
3,4
3,4
3,5
3,4
Musik Film Hörfunk
5,8
5,6
5,6
5,6
5,8
Zeitschriften
1,4 2,7
1,7 2,4
1,7 2,4
1,6 2,4
3,3
3,4
3,4
6,5
6,5
6,4
9,2
9,1
8,6
8,3
8,4
8,4
8,5
9,1
Zeitungen
9,6
9,6
9,6
9,7
9,7
9,9
10,0
9,3
Buch
11,9
11,9
11,9
11,7
11,9
12,3
12,7
13,1
Fernsehen
2006
2007
2008
2009e
2010e
2011e
2012e
2013e
CAGR
Abbildung I-1: Umsatzentwicklung ausgewählter Mediensegmente in Deutschland 2006 bis 2013, in Mrd. € (Quelle: PwC 2009, S. 12, eigene Darstellung und Analysen)
Die umsatzstärksten Mediensegmente sind die Märkte Fernsehen, Buch und Zeitungen. Mit Abstand folgen darauf die Segmente Zeitschriften, Hörfunk, Film und Musik. Während für die ausgewählten Mediensegmente von 2006 bis 2008 nur ein jährliches Wachstum von 0,1 Prozent zu verzeichnen war, sagen die Prognosen bis 2013 eine jährliche Wachstumsrate von 1,2 Prozent voraus. Der deutsche Fernsehmarkt gilt aufgrund seiner Größe (gemessen am Werbevolumen) hinter den USA als der zweitgrößte der Welt. Bis zur Einführung des Dualen Systems im Jahre 1984 befanden sich die Rundfunksender ausschließlich in öffentlichrechtlicher Hand. Seitdem konkurrieren sowohl private25 als auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter auf dem deutschen Fernsehmarkt.26 Unter dem Begriff Presse fasst man die Segmente Zeitungen und Zeitschriften zusammen. Die beiden Segmente können anhand der Merkmale Aktualität (Neuwertigkeit und Gegenwartsbezogenheit), Publizität (Zugänglichkeit), Universalität (Offenheit für alle Lebensbereiche) und Periodizität (regelmäßiges Erscheinen) charakterisiert 25 26
Zurzeit werden fast 100 private Free- und Pay-TV-Sender in Deutschland betrieben. Vgl. Friedrichsen/Never (1999a), S. 108, Hoffmann-Riem (2000), S. 30, Ricker/Schiwy (1997), S. 89 und 191f., Röper/Pätzold (1993), S. 2f. und S. 95, Schäffner (2000), S. 191.
12
Teil I: Marken in der Medienindustrie
und voneinander abgegrenzt werden.27 Neben der hohen Leseranzahl (mehr als zwei Drittel der Bevölkerung lesen täglich eine Zeitung) vereinnahmen die Zeitungen im Vergleich zu den anderen Mediensegmenten den größten Anteil an den Werbebudgets der Werbetreibenden.28 Im Zeitungsmarkt stellen die regionalen und überregionalen Tageszeitungen das auflagenstärkste Teilsegment dar. Wochen- und Sonntagszeitungen erzielten hingegen eine wesentlich geringere Auflage (rund 20 Prozent des Zeitungsmarktes). Im Zeitschriftensegment unterscheidet man in der Regel drei Typen von Zeitschriften: Publikums-, Fach- und Kundenzeitschriften29, wobei die Publikumszeitschriften das umsatzstärkste Segment darstellen.
(2)
Dreiklang der Märkte in der Medienindustrie
Medienunternehmen agieren auf zahlreichen Beschaffungsmärkten, in denen sie sich die Ressourcen für ihre ökonomische und journalistisch-künstlerische Tätigkeit sichern. Von medienspezifischer Bedeutung sind vor allem der Inhalte- und Personalbeschaffungsmarkt. Gemäß dem Motto „content ist king“ stellt die Beschaffung von hochwertigen Inhalten einen zentralen Erfolgsfaktor dar. Der Erwerb von Rechten an Spielfilmen30, Sportereignissen oder Print- und Rundfunkbeiträgen ist die Voraussetzung für die Erstellung attraktiver Medienprodukte für die Rezipienten.31 Unter dem Begriff des Personals werden im Kontext dieser Arbeit solche Mitarbeiter und Personen bezeichnet, die „sowohl für den Inhalt als auch für die Präsentation und Inszenierung konstitutiv“ sind (vgl. Siegert 2003, S. 116). Hierbei handelt es sich zum einen um Autoren, Regisseure, Schauspieler oder Musiker. In diese Kategorie fallen zum anderen auch Rundfunkmoderatoren, Journalisten oder Promi27
28 29 30
31
Zeitungen sind daher „alle periodischen Veröffentlichungen, die in ihrem redaktionellen Teil der kontinuierlichen, aktuellen und thematisch nicht auf bestimmte Stoff- oder Lebensgebiete begrenzten Nachrichtenübermittlung dienen (...) und im allgemeinen zweimal wöchentlich erscheinen“ (Heinrich 2001, S. 217). Obwohl einige Zeitungen streng definiert das Kriterium der Aktualität (z.B. Wochenzeitungen wie „Die Zeit“) oder das Kriterium der Universalität (wie z.B. das Handelsblatt) nicht erfüllen, gelten diese auch als Zeitungen. Als Zeitschriften gelten „alle periodischen Druckwerke mit kontinuierlicher Stoffdarbietung (...), die mit der Absicht eines zeitlich unbegrenzten Erscheinens mindestens viermal jährlich herausgegeben werden, soweit sie keine Zeitungen sind“ (Heinrich 2001, S. 217) Vgl. PwC (2005), S. 69. Vgl. Wirtz (2005), S. 163. Die Höhe der Kosten für die Beschaffung von Spielfilmrechten im TV-Segment richtet sich u.a. nach der Attraktivität des Inhalts (z.B. erfolgreicher Kinofilm), Stellung in der Verwertungskette (z.B. Erstausstrahlung oder Wiederholung) und der theoretisch erreichbaren Zuschauerzahl (Pay-TV-Rechte sind in der Regel preiswerter als Free-TV-Rechte). Im Zeitungssegment werden zum Beispiel redaktionelle Beiträge, Agenturmeldungen, Bilder und Graphiken oder TV-Supplements fremdbezogen.
Teil I: Marken in der Medienindustrie
13
nente, die als Handlungsträger ebenfalls in direkter und indirekter Beziehung zu den Rezipienten stehen und damit für die Medienunternehmen die Funktion einer „personalisierten Brücke“ zu den Rezipienten übernehmen können.32 Im Hinblick auf den Absatz der Produkte und Dienstleistungen seitens der Medienunternehmen können drei zentrale Absatzmärkte unterschieden werden. Auf dem Rezipientenmarkt werden die Leistungen von den Konsumenten durch das Entrichten eines monetären Beitrages oder durch das Schenken von Aufmerksamkeit konsumiert. Auf dem Werbemarkt erfolgt der Absatz von Werberaum und Werbezeit an die Werbewirtschaft. Ferner können Verwertungs-rechte und eigenproduzierte Inhalte an andere Unternehmen verkauft werden.33 Zu den Besonderheiten der Medienindustrie gehört allerdings, dass in einigen Medienteilmärkten (z.B. Zeitschriften und Zeitungen und Free-TV) die Leistungen nicht nur auf einem, sondern auf zwei Absatzmärkten „gleichzeitig“ abgesetzt werden.34 Abbildung I-2 stellt zum einen den Aktionsraum von Medienunternehmen dar und verdeutlicht zum anderen die Mechanismen und Interdependenzstrukturen auf diesen Märkten.
32
33 34
Vgl. Siegert (2003), S. 116. Generell stellt das „kreative“ Personal einen erfolgskritischen und knappen Inputfaktor dar. Da die Anzahl publikumswirksamer Individuen sich nicht beliebig erhöhen lässt, bündelt sich die Nachfrage auf relativ wenige Personen. Dies erklärt mitunter die hohen Gagen und Honorare, die erfolgreiche und erfolgversprechende „Stars“ auf dem Markt erzielen können. So wurde zum Beispiel die ZDF-Krimiserie „Derrick“ in 41 Länder exportiert. Von hoher Bedeutung sind die Interdependenzen zwischen den Werbe- und Rezipientenmärkten, da der Erfolg bei den Konsumenten maßgebliche Auswirkungen auf den Erfolg auf dem Werbemarkt hat.
14
Teil I: Marken in der Medienindustrie
Werbemarkt
Zielgruppen
Geld
Medienunternehmen Inhalte
Inhalte Geld Inhaltebeschaffungsmarkt
Beschaffungserfolg
Aufmerksamkeit/ Geld Struktur der Inhalte
Rezipientenmarkt
Abbildung I-2: Zentrale Mechanismen der Medienmärkte (Quelle: Wirtz 2005, S. 23)
Ein wesentliches Charakteristikum der medialen Rezipientenmärkte ist die Tatsache, dass der Leistungsaustausch nicht immer auf Entgeltlichkeit beruht.35 So besteht im Rundfunkbereich in der Regel kein direkter monetärer Austausch zwischen den Medienanbietern und den Konsumenten für die erbrachte Dienstleistung oder das Produkt. Die Leistungen werden vielmehr indirekt über Gebühren oder Werbeeinnahmen finanziert.36 Daher wird mitunter argumentiert, dass aufgrund dieser fehlenden Entgeltlichkeit kein Publikumsmarkt für dieses Mediensegment existieren würde.37 Allerdings können unter Rekurs auf die Ökonomie der Aufmerksamkeit andere Formen des Leistungsaustausches und der Marktbildung konstatiert werden.38 Medienunternehmen konkurrieren dabei um das knappe Gut Aufmerksamkeit. Die in der grundsätzlich beschränkten Zeit der Konsumenten geschenkte Aufmerksamkeit für ein bestimmtes Programm oder Produkt wird dabei zu einer Art neuer Währung, die auf den Werbemärkten angeboten und gegen harte (monetäre) Währung eingetauscht werden kann. Franck (1998) merkt hierzu an: 35 36
37 38
Vgl. Giehl (1993), S. 23ff. In den letzten Jahren haben viele Fernsehsender ihre Anstrengungen verstärkt mittels kostenpflichtiger SMS und Dial-ins zusätzliche Erlöse im Rahmen der ausgestrahlten Sendungen zu generieren (z.B. SMS oder Telefon-Votings). Vgl. Giehl (1993). Vgl. Franck (1998).
Teil I: Marken in der Medienindustrie
15
„Wenn die soziale Abstimmung über den Wert eines Gutes durch dessen freiwilligen und nach mehreren Seiten hin möglichen Tausch seinen Marktpreis bestimmt, was spricht dann dagegen, auch in den Relationen, in denen Aufmerksamkeit getauscht wird, ein System von Marktpreisen zu erblicken?“ (Franck 1998, S. 90)
Das Zustandekommen und die Mechanismen dieses Marktes können wie folgt erklärt werden: Die Medienunternehmen erzielen mit ihren Produkten eine gewisse Aufmerksamkeit bei den Rezipienten, die sich in messbaren Auflagen sowie quantitativen und qualitativen Reichweiten niederschlägt.39 Diese Rezipienten rufen das Interesse anderer Branchen hervor, da die Medienkonsumenten zugleich Nachfrager nach deren Gütern sind bzw. sein können. Die „Kundenkontakte“ der Medienunternehmen schaffen also die Möglichkeit einer zielgruppenorientierten Kommunikation. Über die entgeltlich zur Verfügung gestellten Werberäume und -zeiten in den Medien erfolgt zum einen die Ansprache durch die werbetreibende Industrie und zum anderen die Monetarisierung der Kundenkontakte durch die Medienunternehmen. Auf dem Werbemarkt treten die Medienunternehmen als Anbieter und die Werbewirtschaft als Nachfrager von Kunden- bzw. Werbekontakten auf. Wichtige Vorraussetzung für die Generierung von Aufmerksamkeit und damit von Kontakten ist freilich, dass Medienunternehmen über ausreichend attraktive Inhalte und kreatives Personal verfügen.40 In diesem Sinne sind in den werbefinanzierten Mediensegmenten die Werbe-, Rezipienten- und Beschaffungsmärkte eng miteinander verknüpft.41 In Anbetracht der großen Bedeutung der Werbeeinnahmen für die Finanzierung weiter Teile der Medienindustrie (u.a. Zeitungen, Zeitschriften, Free-TV und Online) stellt die Werbewirtschaft einen wichtigen „ökonomischen Faktor“ dar. Überspitzt formuliert würde sich daraus folgende Schlussfolgerung ziehen lassen: Wenn die Werbeerlöse die zentrale Einnahmequelle sind, dann besteht die Funktion der redaktionellen Inhalte letztendlich darin, für Auflagen und Einschaltquoten und damit für lukrative Kundenkontakte zu sorgen. Für das TV-Segment bringt diese Perspektive Schoonhoven (1992) treffend zum Ausdruck:
39
40 41
Für das TV-Segment konstatiert Willems (2000), S. 221 hierzu: „Das wie eine Währung generalisierte und formalisierte Erfolgskriterium ist dabei jener sich zunehmend verfeinernde Typ von Messung, der mit dem Begriff der Einschaltquote belegt ist. In ihr spiegelt sich analog zum Applaus des Theaterpublikums Zuschauerinteresse und damit vor allem Werberelevanz.“ Inwieweit die Aufmerksamkeit für die relevanten Zielgruppen gezielt hergestellt werden kann und welche Rolle dabei Marken spielen, wird Gegenstand des zweiten Teils sein. Das Phänomen der „Anzeigen-Auflagen-Spirale“ im Zeitungs- und Zeitschriftensegment ist ein typisches Beispiel für Verknüpfung und Interdependenz der drei Märkte. Vgl. hierzu ausführlich Keuper/Hans (2003), S. 10f. und Czygan/Kallfaß (2003), S. 298.
16
Teil I: Marken in der Medienindustrie
„There are working in broadcasting two different kinds of people. One needs money to make programmes. The other needs programmes to make money” (Schoonhoven 1992, S. 67).
Da konjunkturelle Schwächephasen zu weitaus stärkeren Rückgängen bei der Entwicklung der Werbeeinnahmen führen, birgt die „Abhängigkeit“ von der Werbewirtschaft freilich gewisse Risiken. Starke Anzeigen- und Werbeeinbrüche führen zu erheblichen Umsatzrückgängen und oftmals zur Einstellung einer Reihe von Titeln.42 Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass in dieser Arbeit auf ein erweitertes Begriffsverständnis Bezug genommen wird, das nicht nur Printmedien, sondern auch audiovisuelle und elektronische sowie neue und digitale Medien umfasst. Als eine Besonderheit von Medienunternehmen ist festzuhalten, dass sie auf verschiedenen Beschaffungs- und Absatzmärkten agieren. Von zentraler Bedeutung ist, dass sie sich auf dem Inhalte- und Beschaffungsmarkt mit hochwertigen Inhalten versorgen. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen spielen für Medienunternehmen in bestimmten Segmenten drei Absatzmärkte eine Rolle: So konsumieren die Abnehmer unter anderem gegen Entgelt auf dem Rezipientenmarkt die medialen Produkte. Auf dem Werbemarkt werden Werberaum und Werbezeit an die Werbewirtschaft abgesetzt. Zudem verkaufen Medienunternehmen Verwertungsrechte und eigenproduzierte Inhalte an andere Unternehmen. Im Rahmen der Analyse der Spezifika der Medienbranche werden im Folgenden die Charakteristika von Mediengütern im Vergleich zu anderen Gütern herausgearbeitet.
42
Allerdings liegt dieser Rückgang nicht allein in den konjunkturellen Schwankungen begründet. Strukturelle Probleme wie fehlende Key-Account-Management-Strukturen und -Prozesse oder geringe Interaktion mit den Media-Agenturen können die Medienunternehmen besonders abhängig von der zyklischen Entwicklung der Werbeeinnahmen machen Eine Umfrage unter 48 führenden deutschen Medienunternehmen ergab, dass 52% akuten Handlungsbedarf bei der Umsetzung von KAM (Key Account Management) sehen. Zudem sind die Probleme bei der Zusammenarbeit mit den MediaAgenturen oft hausgemacht. Über 85% der Unternehmen, die die Zusammenarbeit mit Media-Agenturen als unproblematisch betrachten, berücksichtigen diese in einem spezifischen KAM. Vgl. Ringlstetter/Bode (2004).
Teil I: Marken in der Medienindustrie
I.1.2
17
Mediengüter
Traditionell waren die medialen Inhalte an ein bestimmtes Medium gekoppelt. Dies führte dazu, dass unter Medium sowohl die Inhalte als auch das technische Mittel zur Inhalteübertragung subsumiert wurden. Eine genaue Abgrenzung der beiden Begrifflichkeiten hatte aufgrund dieser Koppelung daher eine geringe akademische und praxisrelevante Bedeutung. In den letzten Jahren ist die Medienbranche allerdings durch den Übergang von physischer und medienspezifischer zu nicht-physischer und medienunabhängiger Produktion und Distribution von Inhalten geprägt.43 Die eindeutige und feste Zuordnung der Inhalte gilt heutzutage nicht mehr. Vielmehr erfolgt die Distribution der Inhalte über verschiedene Medien. So werden zum Beispiel unter der Dachmarke Financial Times die Inhalte nicht mehr nur über das Printmedium Zeitung, sondern auch über das Internet oder andere mobile Dienste vertrieben. Bei der Vermarktung ihrer Produkte stellt sich für Medienunternehmen daher die zentrale Frage, welche Inhalte über welche Medien abgesetzt werden können. Im Kontext dieser Arbeit werden Mediengüter (oder gleichbedeutend Medienprodukte) daher als die jeweilige Kombination von Medium und Inhalt in Form eines vermarktungsfähigen Produktes oder einer Dienstleistung definiert.44 Diese Sichtweise soll anhand der Herausarbeitung der Bedeutungsunterschiede von Medium und Inhalt im Folgenden erläutert werden (1). Abbildung I-3 illustriert graphisch den Zusammenhang zwischen Medium, Inhalt und Mediengut. Mediengut Inhalt
Medium
Abbildung I-3: Inhalt, Medium und Mediengut (Quelle: verändert aus Hass 2002, S. 18)
43 44
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird diese Entwicklung u.a. als Desintegration (Hass 2002), Dematerialisierung (Quah 1996) oder Dekonstruktion (Evans/Wurster 2000) bezeichnet. Vgl. Hass (2002), S. 18, Sjurts (2002), S.8, Detering (2001), S. 10ff. sowie Brack (2002), S. 21, die ebenfalls darauf verweist, dass die Inhalte im Wertschöpfungsprozess verschiedene Verkörperungs- und Speicherformen annehmen können.
18
Teil I: Marken in der Medienindustrie
Die Eigenschaften von Mediengütern resultieren aus den Charakteristika sowohl der verwendeten Inhalte als auch der gewählten Medien. Diese Spezifika sind letztendlich auf die Erlösstruktur und Produktions- sowie auf den Distributions- und Konsumprozess zurückzuführen (2).
(1)
Abgrenzung von Medieninhalt und Medium
Als Medienunternehmen werden solche Unternehmen definiert, deren Betriebszweck die Erschaffung und/oder werterhöhende Verarbeitung sowie Vermarktung von Medieninhalten ist.45 Im Folgenden soll daher geklärt werden, was Inhalte überhaupt sind und welche Funktionen sie im Wertschöpfungsprozess erfüllen (a). Die Desintegration von Medien und Inhalten führt dazu, das „Medien zukünftig weniger Datum sondern vielmehr Variable sind“ (Hass 2002, S.12). Als Inhalteträger sind sie aber weiterhin ein konstitutives Merkmal von Mediengütern und prägen damit das Erscheinungsbild von Medienmarken (b). (a)
Medieninhalte als Ressource und als Wirtschaftsgut
Informationen sind für Medienunternehmen sowohl Grundlage für betriebliche Entscheidungsprozesse als auch wichtige Ressourcen zur Herstellung von Mediengütern. Grundsätzlich handelt es sich bei Informationen um artikuliertes Wissen, wobei das Wissen die Grundlage für die Informationen bildet. 46 Diese Darstellung erfolgt zunächst unabhängig vom Medium auf abstrakter Ebene, weshalb diese auch als Wahrnehmungsformat der Inhalte bezeichnet wird:47 „Informationen sind demnach als für Menschen wahrnehmbare Wissensbestandteile zu definieren. Informationen im weiteren Sinne, d.h. in aufbereiteter Form, sind als Inhalte zu bezeichnen“ (Brack 2002, S. 15f).
45 46
47
Vgl. Schumann/Hess (2002), S. 11. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird der Informationsbegriff sehr unterschiedlich abgegrenzt. Zur Diskussion des Informationsbegriffes vgl. Picot/Reichwald/Wigand (2001), S. 25ff., Bode (1997), Wessling (1991) und Babe (1983). So bezeichnet zum Beispiel der entscheidungstheoretische Ansatz Information als zweckorientiertes, handlungsvorbereitendes Wissen. Allerdings muss dieses Begriffsverständnis im Kontext des Medienbereichs erweitert werden, da Informationen nicht nur den Charakter von Zweckinformationen, sondern auch von Unterhaltungsinformationen aufweisen können. Vgl. Wittmann (1959), S. 14). Wahrnehmungsformate sind Schriftzeichen (z.B Texte), Festbilder (z.B. Photo), Bewegtbilder (z.B. Filme) und Töne (z.B. Sprache und Musik), Vgl. Szyperski (1999), S. 5.
Teil I: Marken in der Medienindustrie
19
Das aufgenommene Musikstück stellt zum Beispiel den relevanten Inhalt bzw. Content dar.48 Dieser Inhalt kann später auf verschiedenen Trägermedien vermarktet werden. Inhalte weisen somit einen immateriellen, d.h. nicht-physischen Charakter auf. Shapiro/Varian (1999) definieren Inhalte daher als alles, was sich digitalisieren lässt.49 Die geeigneten Wahrnehmungsformate für die Inhalte hängen zum einen vom Inhalt selbst ab (z.B. Verwendung von Bildern oder Text). Zum anderen werden sie durch die prinzipiellen Möglichkeiten der Trägermedien beeinflusst (z.B. verfügbare Übertragungskapazitäten und -geschwindigkeiten im Internet). Im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses in Medienunternehmen sind Inhalte sowohl Input- als auch Outputfaktor. Einerseits dienen sie als Ressourcen, die in das Mediengut einfließen und als solche „identifizierbar“ bleiben, d.h. sie werden nicht im Sinne von Werkstoffen verbraucht, sondern sind selbst Leistungsobjekt. Andererseits weisen Inhalte auch Spezifika von Wirtschaftsgütern auf. Sie können wirtschaftlich verwertet werden und dienen der Bedürfnisbefriedigung, d.h. sie stiften einen positiven Grenznutzen. Je nach möglicher funktionaler Verwendung nehmen Inhalte den Charakter von Informations- und/oder Kulturgütern an.50 Informationsgüter entsprechen dem entscheidungsorientierten Verständnis folgend zweckorientierten Inhalten, die zur Unterstützung und Herstellung von Entscheidungen dienen sowie zur Verbesserung der Entscheidungsqualität beitragen. Darunter fallen zum Beispiel Nachrichtenmeldungen, Unternehmensdaten, Finanzinformationen und Fachbücher. Kulturgüter haben hingegen eine expressiv-ästhetische und unterhaltende Funktion. Der Unterhaltung dienen zum Beispiel Kinofilme, Musik, Videospiele sowie Rundfunk- und Printinhalte mit Unterhaltungscharakter. Die Nutzenstiftung ist allerdings kontextabhängig, da aus Sicht der verschiedenen Rezipienten dieselben Inhalte zweckgerichtet oder unterhaltend sein können. (b)
Medien als Inhalteträger
Da Inhalte per definitionem nicht-physische Güter sind, benötigen sie zur Speicherung, Vervielfältigung und Distribution eine Realisation, d.h. einen Träger oder eine 48 49 50
In der medienwirtschaftlich relevanten Literatur erfolgt eine synonyme Verwendung von Content und Inhalt. Vgl. u.a. Vizjak/Ringlstetter (2001). Vgl. Shapiro/Varian (1999) S. 3. Inhalte sind nach diesem Verständnis grundsätzlich digitalisierbar, aber müssen es in ihrem aktuellen Zustand nicht sein. Vgl. Habann (1999), S. 78 und zudem Hass (2002), S. 59ff. der zwischen Zweckinformation und Unterhaltungsinformation unterscheidet, sowie Detering (2001), S. 10f. Gemäß Sjurts (2002), S. 8 stiftet der Medieninhalt in Form von Information, Unterhaltung und Werbung den originären Produktnutzen für den Konsumenten. Die Trägermedien generieren einen derivativen Zusatznutzen.
20
Teil I: Marken in der Medienindustrie
Verbindung, die als Kanal zwischen Sender und Empfänger fungieren kann. Ein Medium ist ein solcher Kanal zur Überbrückung einer Raum- und Zeitdistanz zwischen den beteiligten Akteuren.51 Die Kommunikation der Inhalte erfolgt nicht direkt zwischen Sender und Rezipient, sondern indirekt über das Medium als quasi vermittelnde Instanz.52 Die Medien dienen als Träger und Übermittler der Medieninhalte. Dieses „technische Format“ der Inhalte ist von besonderer Bedeutung, da nur mittels entsprechender Träger- und Übertragungsmedien die Inhalte vom Rezipienten genutzt werden können. Erst durch die Koppelung von Medium und Inhalt entsteht das Mediengut.53 Der unterschiedliche physische Charakter der Medien führt dazu, dass bei Trägermedien eine physische Distribution und bei Übertragungsmedien eine nicht-physische Distribution erfolgt (siehe Abb. I-4).
Distribution Trägermedien
Inhaltegenerierung
Packetierung
Produktion
Übertragungsmedien
Inhaltegenerierung
Packetierung
Produktion
ReProduktion
Transport
Rezipient
Transmission
Rezipient
Abbildung I-4: Träger- und Übertragungsmedien im Vergleich (Quelle: in Anlehnung an Hass 2002, S. 77)
In einigen Segmenten werden für die Verbreitung der Inhalte beide Distributionsformen genutzt. So werden im Musikbereich die Musikstücke sowohl über physische Datenträger vertrieben als auch als auf Downloadplattformen angeboten. Grundsätzlich fallen in die Kategorie Trägermedien materielle Medien, wie z.B. Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und Tonträger (Musik und Film). Zentrales Kennzeichen dieser Medien ist, dass die Distribution der Inhalte in Form physischer Datenträger erfolgt. Bei Übertragungsmedien hingegen erfolgt die Verteilung des Inhalts in Form von Signalen über Kabel- und Funknetze. Beispiele hierfür sind das Fernsehen, der Hörfunk, das Internet und der Mobilfunkbereich. Die physische Reproduktion und 51 52 53
Vgl. Weigand (2003), S. 269 und Faulstich (2000), S. 24. Vgl. Schumann/Hess (2002), S. 6. Die prägende Wirkung, die die Medien mitunter auf die zu transportierenden bzw. zu übertragenden Inhalte ausüben (z.B. multimediale Möglichkeiten im Online-Bereich), wird als mediales Dispositiv bezeichnet. Vgl. Engell (2000), S. 282.
Teil I: Marken in der Medienindustrie
21
Distribution fallen in diesen Segmenten nahezu komplett weg.54 Dieser Tatbestand spiegelt sich auch in den Kostenstrukturen wider. Zum einen sind die variablen Kosten durch die nicht-physische Distribution geringer als bei den Trägermedien. Zum anderen ist insgesamt der Anteil der Produktions- und Vertriebskosten an den Gesamtkosten in den Segmenten, in denen die Inhalte über Übertragungsmedien verbreitet werden, wesentlich kleiner als in den trägermediendominanten Segmenten.55
(2)
Charakteristika von Mediengütern
Medienprodukte sind komplexe Güter, da sie eine Reihe von verschiedenen Gütereigenschaften auf sich vereinen. Kiefer (2001) charakterisiert Mediengüter als „(…) immaterielle, öffentliche Güter mit externen Effekten und teilweise meritorischem Charakter. Es sind komplexe Erfahrungs- und Vertrauensgüter, deren Nutzen vom Rezipienten ex ante nicht beurteilt werden kann“ (Kiefer 2001, S. 155).
Öffentliche Güter unterscheiden sich von privaten Gütern durch die zwei Kriterien Nichtrivalität im Konsum und Nichtausschließbarkeit vom Konsum.56 Allerdings besitzen Medienunternehmen durchaus verschiedene Möglichkeiten, den Mediengütern einen stärkeren privaten Charakter zu verleihen. Ein Ausschluss vom Konsum kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass materielle (z.B. Kopierschutz) oder juristische (z.B. Urheberschutz) Maßnahmen ergriffen werden. Die Möglichkeit des Ausschlusses ist dabei „eine Frage des Grades, nicht der Existenz“ (Heinrich 2001, S. 71), da eine Realisierung aufgrund ökonomischer und technischer Überlegungen nicht sinnvoll sein kann. Die Ausführungen deuten darauf hin, dass es sich bei vielen Mediengütern im Grunde genommen weder um rein private noch um rein öffentliche Güter handelt. Vielmehr sind es „ambivalente“ bzw. „quasi-öffentliche“ Güter.57 Die Herstellung und die Qualität von Mediengütern sind mitunter schwer zu steuern und zu beurteilen.58 Ursache hierfür ist, dass sowohl die Produktion als auch
54 55
56 57
58
Ausnahmen im Rundfunkbereich sind Merchandisingartikel oder Datenträger mit erfolgreichen TVSerien oder Hörspielen. Die Anteile der Produktions- und Vertriebskosten belaufen sich in den verschiedenen Segmenten wie folgt: Zeitungen und Zeitschriften (50%), Musik (39%), Buch (28%) vs. TV (7%), Radio (5%) und Internet (55 Marken), Hubert Burda Media (> 50), Bauer (>45), Georg von Holtzbrinck (>10) und Jahreszeiten (>10) exemplarisch belegt.154 Ursachen hierfür sind u.a. Akquisitionen und Zusammenschlüsse sowie die Dehnung von erfolgreichen Marken im Rahmen von brand und line extensions und die Entwicklung neuer Marken 151
152 153 154
Im Rahmen einer konzernweiten Initiative konzentriert sich der Disneykonzern seit 2006 stärker auf seine Marke Disney. Als Kriterium für Filmprojekte wird z.B. immer wichtiger, inwieweit sie sich an eine bekannte Marke anknüpfen lassen (siehe die „Fluch-der-Karibik“-Trilogie) und in allen Verwertungsstufen verwendbar sind (z.B. in Form eines Videospiels). Vgl. Meier (2006). Vgl. Becker (2005), S. 386ff. und insbesondere Kamann (2003), S. 51ff., der einen medienspezifischen Überblick über die Vor- und Nachteile dieser Strategieformen gibt. Vgl. Meffert/Perrey (2005). Quelle: Eigene Analyse, Stand 31.01.2008. Gegenstand der Zählung waren auch die Marken der line extensions, also z.B. auch alle einzelnen Marken der GEO-Familie, aber ohne deren Internetmarkenauftritt.
60
Teil I: Marken in der Medienindustrie
in den immer feiner segmentierten Märkten der Medienindustrie. Die Systematisierung der unterschiedlichen Marken und deren Beziehungen in einem hierarchischen Ordnungsrahmen werden in der Markenforschung unter dem Begriff Markenarchitektur (synonym: Markenstruktur oder Markensystem) beleuchtet.155 Aaker/Joachimsthaler (2001) charakterisieren die Markenarchitektur als „(…) die Organisation eines Portfolios von Marken, die die verschiedenen Rollen der Marken sowie das Beziehungsgeflecht zwischen den Marken (…) und den Zusammenhang zwischen einzelnen Produkten und Märkten sowie deren Umfeld (…) definiert“ (Aaker/Joachimsthaler 2001, S. 144).
Die Markenarchitekturgestaltung dient somit in ihrer Umsetzung als Grundlage zur strategischen und operativen Führung des Markenportfolios.156 Ausgangspunkt bei der Gestaltung von Markenarchitekturtypen sind grundsätzlich die vier generischen Strategiealternativen Einzelmarken-, Mehrmarken-, Familienmarken-, und Dachmarkenstrategie. Diese Basisstrategiealternativen sind freilich selten in Reinform in der Unternehmenspraxis anzutreffen. Vielmehr existieren unterschiedliche Kombinationsformen, vor allem je komplexer die Markenportfolios der Unternehmen sind. In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Ansätzen zur Strukturierung solcher komplexen Markenarchitekturen entwickelt.157 Als Grundprinzip zur Bestimmung der Markenarchitektur dient häufig der vertikale Integrationsgrad, der sich auf die Intensität der Verknüpfung der Marken zwischen den unterschiedlichen organisatorischen Unternehmensebenen bezieht.158 In Anknüpfung an die Untersuchungen von Laforet und Saunders (1994, 1999) unterscheiden Aaker und Joachimstahler (2001) die vier Architekturtypen Branded House, Subbrands, Endorsed Brands und House of Brands. Diese vier Grundtypen unterteilen sie in neun weitere detaillierte Markenarchitekturtypen (siehe Abb. I-14).
155 156 157 158
In der anglo-amerikanischen Markenforschung spricht man von brand architecture oder brand hierarchy. Vgl. Meffert/Perrey (2005), S. 165. Vgl. Laforet/Saunders (1994,1999), Aaker/Joachimsthaler (2001), Burmann/Blinda/Nitschke (2003), Esch/Bräutigam (2005). Burmann et al. propagieren hingegen einen mehrdimensionalen Strukturierungsansatz, der zusätzlich zur vertikalen Dimension eine horizontale (Einzel- und Mehrmarkenstrategie) und handelsgerichtete Gestaltungsdimension berücksichtigt. Vgl. Burmann/Meffert (2005) und Burmann/Blinda/Nitschke (2003).
Teil I: Marken in der Medienindustrie
61
Spektrum der Markenarchitekturen
“Branded House” (Reine Dachmarke)
„Same identity“ (Eine Identität)
“Different identity” (Identitätsvariation)
“Subbrands“ (Modifizierte Dachbzw. Familienmarke)
“Master brand as driver” (Dominante Unternehmensmarke)
“Codrivers” (Gleichberechtigte Marken)
“Endorsed Brands” (Gestützte Einzel- und Mehrmarken)
“Strong endorsement” (Deutliche Stützung)
“Linked name” (Name impliziert Stützung)
“House of Brands” (Reine Einzel- bzw. Mehrmarken)
“Token endorsement” (Angedeutete Stützung)
“Shadow endorser” (Verdeckte Stützung)
“No connection” (Unbekannte Stützung)
Abbildung I-13: Brand Relationship Spectrum nach Aaker/Joachimsthaler (Quelle: in Anlehnung an Aaker/Joachimsthaler 2000, S. 115 und Esch/Bräutigam 2005, S. 851)
Die Architekturtypen Branded House und House of Brands bilden die Endpunkte des Kontinuums, das den maximalen bzw. minimalen Grad der Integration einer Markenarchitektur beschreibt: Branded House: Die Produkte des Unternehmens werden unter der Corporate Brand bzw. Dachmarke geführt (z.B. Süddeutsche Zeitung). Der vertikale Integrationsgrad ist also maximal. Eigenständige Produkt- oder Familienmarken spielen keine Rolle. House of Brands: Auf dem Markt treten nur Produktmarken ohne ein verbindliches Markendach in Erscheinung. Auf der Produktebene ist typischerweise eine Einzel- oder Mehrmarkenstrategie festzustellen (z.B. die Marken Merian, Prinz oder Petra des Jahreszeitenverlages). Marken sind auf unterschiedlichen Hierarchieebenen innerhalb von Unternehmen angeordnet, was zu hierarchischen Über- bzw. Unterordnungsverhältnissen führt. In der Unternehmenspraxis ist weiter zu beobachten, dass zwei Marken (z.B. Produktund Unternehmensmarke oder Produkt- und Unternehmensbereichmarke) miteinander kombiniert werden. In Abhängigkeit der dominierenden Rolle im jeweiligen Auftritt der Marke lassen sich zwei weitere Architekturtypen differenzieren: Subbrands: Die Dach- bzw. die Unternehmensbereichmarke (Familienmarke) ist zumeist die dominierende Marke, die allerdings durch spezifische Zusätze im Sinne von Untermarken (subbrands) ergänzt wird. Die Funktion von Submarken kann dabei rein deskriptiv (Kennzeichnung) oder zentraler Bestandteil der Marke
62
Teil I: Marken in der Medienindustrie
sein (markenkonstituierend im Sinne des co-drivers). Prominentes Beispiel für letzteren Fall sind die Markenfamilien GEO oder BILD. Endorsed Brands: Die Produktmarke steht im Vordergrund, wird aber durch entsprechende Hinweise (z.B. Logo der Dachmarke) auf die Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Marke unterstützt (endorsed). Auf Basis des Umfangs und der Kraft der Stützung lassen sich entsprechende Varianten kategorisieren (u.a. deutliche oder nur schwach angedeutete Stützung). Typisches Beispiel hierfür ist die Zeitschrift NEON, die durch ein dezentes Stern-Logo im Titel „endorsed“ wird. Das Endorsement durch die übergeordnete Marke dient zur Vermittlung von positiven Assoziationen auf die Produktmarke. Voraussetzung hierfür ist, dass beide Marken bestimmte übergreifende Eigenschaften aufweisen.159 Die Abbildung der weit verzweigten Markenstrukturen und die Unterscheidung in zahlreiche Ausprägungen von Markenarchitekturtypen wirft jedoch die Frage auf, inwieweit diese Unterscheidungen zweckmäßig und notwendig sind. Dem Primat der Inside-out-Perspektive ist die Outside-in-Perspektive gegenüberzustellen, d.h. inwieweit werden die verschiedenen Typen vom Konsumenten überhaupt wahrgenommen (Wahrnehmungsebene) und welche Wirkung erzielen sie.160 Das Zusammenspiel von Marken zwischen und innerhalb der „Markenhierarchien“ und die daraus resultierende Komplexität von Markenarchitekturen soll abschließend am Beispiel des Fernsehbereichs exemplarisch erläutert werden. So umfasst die Markenarchitektur eines TV-Senders neben der eigentlichen Sendermarke auch sequenzielle Marken, Formatmarken und Marken-Persönlichkeiten. Die Sendermarke steht für die grundlegende Positionierung des Senders und ist insofern Träger und Symbol des Senderimages. Sie soll die Zugehörigkeit der einzelnen Programmbestandteile zum Sender vermitteln und mitunter einzelne Angebotsteile veredeln.161 Die unverwechselbare Senderidentität wirkt auch organisationsintern, indem sie eine Orientierung für die interne Leistungserstellung liefert. Als sequenzielle Marken werden die Formatierung und Programmierung von Sendeplätzen oder die feste Kombination von Sendungen bezeichnet. Konstitutives
159
160 161
Vgl. Stempels (2004) für den Code of Conduct der Zeitschriftenfamilie STERN. Die präferenzfördernde Wirkung und den Nutzen des Endorsement Branding haben u.a. Saunders und Guoqun (1996) empirisch nachgewiesen. Vgl. Esch/Bräutigam (2005), S. 852ff. Vgl. Siegert (2003), S. 142. Als Beispiel für die Veredelung gilt die positive Ex-ante-Bewertung einer Sendung aufgrund des entsprechend guten Images des Senders.
Teil I: Marken in der Medienindustrie
63
Merkmal ist neben der konstanten Verankerung eine eigene Audiovisualisierung und Vermarktung.162 Diese Marken dienen den Zuschauern und Werbetreibenden als Qualitätsversprechen und Orientierung, denn trotz des Wechsels von einzelnen Programmen bleibt die inhaltliche Ausrichtung, das Programmumfeld und der Sendezeitraum konstant. Typische Beispiele sind etwa der „Comedy Freitag“ bei RTL oder Pro7 Mystery. Ziel des Aufbaus von sequenziellen Marken ist mitunter die Schaffung von Gemeinsamkeiten für sehr heterogene Programmelemente (z.B. hinsichtlich der Qualität und Bekanntheit von Spielfilmen oder Serien), die TV-Sender im Rahmen des Kaufs von Programmpaketen erwerben und entsprechend verwerten müssen.163 Formatmarken kennzeichnen bestimmte Programme bzw. Sendungen. Die Marken können in unterschiedlichen Erscheinungsformen vorliegen. Erstens kann es sich um selbst entwickelte Formate handeln, die in Abhängigkeit der verwendeten Markierungsmittel stark oder schwach mit der Sendermarke verknüpft sein können. Das Kontinuum reicht von stark gestützten Marken (z.B. RTL Aktuell, ARD Tagesschau, ZDF heute journal) bis hin zu eigenständigen Marken (z.B. die daily soaps „Verbotene Liebe“ bei der ARD oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ bei RTL). Letztere Ausprägung wird vor allem durch den Grad der inhaltlichen Verknüpfung mit der Sendermarke bestimmt. Zweitens können fremd entwickelte Formate vorliegen. Hierunter fallen zum einen Senderechte an Spielfilmen und Serien, die mitunter selbst schon starke Marken darstellen (z.B. „James Bond“ oder „Die Simpsons“) und zum anderen Lizenzrechte für bestimmte Formate (z.B. „Wer wird Millionär“) sowie Markenallianzen (z.B. die TV-Formate SternTV bei RTL oder FocusTV bei Pro7). Neben der Erzielung von entsprechenden Quoten können Formatmarken auch zur Entwicklung der Markenimages der Sendermarke beitragen.164 Freilich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob in praxi Formate gekauft werden, weil sie gut zur Sendermarke passen oder erst ex-post dieser das entscheidende, und dann auch kommunizierte Image verleihen. Wenn die Marken- bzw. Senderechte allerdings nicht beim Sender selbst liegen, besteht die Gefahr, dass solche Formate nach Vertragsende 162 163
164
Vgl. Siegert (2003), S. 147. Mitunter werden auch starke Einzelmarken (z.B. Spielfilme) genutzt, um deren Reichweitenstärke für reichweitenschwächere Formate zu nutzen. Im Sinne dieser „Highlight-Programmierung“ (vgl. Heinrich 1999, S. 507) wurde zum Beispiel auf Pro7 nach dem Spielfilm „Das Geheimnis der Tempelritter“ ein „Galileo Spezial“ zu den geschichtlichen Hintergründen platziert. Die Wirkung der Anwaltsserie Ally McBeal auf die Sendermarke Vox fasst die damalige Senderchefin Schäferkordt wie folgt zusammen: „Uns ist es gelungen, das positive Image der Serie auf den Sender zu übertragen. Und das haben wir ganz bewusst über die Jahre hinweg eingesetzt. (…) Allerdings hatte Ally McBeal noch eine andere Funktion: Wir gelangten erstmals mit einem eher unterhaltungsorientierten Angebot in das Bewusstsein der jungen Zuschauer“ (Schäferkordt zitiert in Seiwert 2004).
64
Teil I: Marken in der Medienindustrie
zu anderen Sendern wechseln können165 oder gleichzeitig bei zwei Sendern ausgestrahlt werden.166 Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Markenarchitektur von TV-Sendern sind die sogenannten Personen-Marken bzw. -Brands von prominenten Moderatoren, TV-Stars oder virtuellen Figuren. Das Character-Branding kennzeichnete ursprünglich den Vorgang, „(…) die als eigene Charaktere ausgebauten [fiktiven, P.B.] Medienfiguren und ihre Popularität zur Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen einzusetzen, um diese durch die Verbindung zu veredeln und mit den der Medienfigur zugeschriebenen Attributen anzureichern“ (Siegert 2003, S. 165f.).
Überträgt man diese Definition auf die oben genannten Fernsehakteure, dann gilt diese Logik auch analog bei Verknüpfung von Sender- bzw. Formatmarke und Persönlichkeitsmarke, denn letztere sind gleichzeitig Bestandteil des medialen Angebots, Veredelungskomponente und Werbeträger. Die Markenwerte der Personenmarke können diejenigen der Medienmarke verstärken und ergänzen, eine gewisse Kontinuität der Zusammenarbeit vorausgesetzt. In ihnen materialisieren sich bestimmte Medienangebote und sie werden zu elementaren Handlungsträgern und Markenzeichen der Sender.167 Hieraus ergeben sich mannigfaltige Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Markenebenen: Prominente Moderatoren können quasi konstitutives Element der Formatmarke sein (z.B. Günther Jauch bei „Wer wird Millionär“ oder SternTV). Andererseits kann die Stärke einer Formatmarke unabhängig von den moderierenden Personen sein (z.B. Sportschau am Samstag). Allerdings ist aus der Zuschauerwahrnehmung nicht immer die klare und nahtlose Verknüpfung der Personen- und Formatmarke mit der Sendermarke erkennbar bzw. relevant. Durch den Wechsel von prominenten Sendergesichtern können überdies die aufgebauten Markenwerte für den Sender schnell verloren gehen.
165
166 167
Beispiel hierfür ist das Format BravoTV, dass nach den Stationen RTL II und ZDF mittlerweile auf Pro7 läuft. Dass bei Pro7 die höchsten Einschaltquoten in der Geschichte von BravoTV erzielt werden, macht deutlich, dass neben den Faktoren Sendeplatz und Moderation mitunter auch die Marke des TV-Senders für bestimmte Formate einen wichtigen Einfluss ausüben kann. So ist die Serie „Desperate Housewives“ bei Pro7 und beim Pay-TV-Sender Premiere zu sehen. „Fakt ist, dass Stars einem Sender Profil geben, und dass sie vor allem als eine Art fleischgewordene Submarke die Abteilung emotionale Bindung bedienen.“ Stars sind Persönlichkeiten, die nicht ohne weiteres austauschbar sind“ (Duisburg 1998, S. 63). Diese aufgebauten Persönlichkeiten lassen sich auch jenseits des klassischen TV-Angebots vermarkten. So stellt die Pro7Sat1-Gruppe ihre (realen und fiktiven) Markenpersönlichkeiten im Rahmen von „Face your brand“ für Testimonials oder Firmenevents entgeltlich zur Verfügung.
Teil I: Marken in der Medienindustrie
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Zusammenfassend stehen Medienunternehmen vor der Herausforderung, nicht nur die Sendermarke, sondern gleichzeitig auch die verschiedenen Format- und Persönlichkeitsmarken zu steuern und zu entwickeln, um im Rahmen eines abgestimmten Dreiklangs der drei Marken die notwendige Aufmerksamkeit bei den relevanten Marktteilnehmern zu erlangen: „Im Fernsehbereich ist es sicherlich so: Man versucht laut zu sein und in diesem hohen Buschgras muss man hochspringen und schreien, damit man erkannt wird. Und das geht natürlich nur mir einigen Marken, mit denen ich versuche die Leute zu binden, um dann den Marktanteil und die Einschaltquoten zu generieren sowie um letztendlich die Werbekunden zu holen oder durch Mehrwertdienste Leute an sich zu binden“ (Quelle: Kröhne, Hervorhebungen P.B.).
66
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
TEIL II: MARKEN ALS ZENTRALE GESTALTUNGSVARIABLE IN MEDIENUNTERNEHMEN Medienmarken haben, wie erläutert, im komplexen Umfeld von Medienunternehmen zahlreiche Funktionen inne. Ziel des zweiten Kapitels wird es sein, die Rolle von Marken als eine der zentralen Gestaltungsvariablen in Medienunternehmen im Detail zu analysieren. Zunächst erfolgen daher die Analyse der Geschäftsmodelle von Medienunternehmen und die Herausarbeitung der Rolle von Marken (II.1). Der Fokus wird dabei auf die vier zentralen Dimensionen Leistungsspektrum, Erlösmodelle, Wertschöpfungsstrukturen und Kostenstrukturen gelegt. Auf der Basis dieser Ausführungen werden anschließend die Potenziale von Medienmarken herausgearbeitet (II.2). Dabei werden Medienmarken als maßgebliche Generierer von Aufmerksamkeit und in ihrer Funktion als zentrale strategische Ressourcen betrachtet. Zudem werden die Herausforderungen bei der Ausschöpfung ungenutzter Potenziale von Medienmarken erörtert. Im Rahmen des zweiten Teilkapitels erfolgt darüber hinaus ein kurzer Exkurs zum Thema: Der Mensch als Marke. Hierbei wird erläutert werden, welche Rolle Prominenz in der Medienbranche spielt, inwiefern diese Prominenten den Charakter von Marken haben und welche Auswirkungen dies auf Medienunternehmen hat.
II.1
Geschäftsmodelle von Medienunternehmen und die Rolle von Marken
Mit der Wahl eines Geschäftsmodells werden grundsätzliche Entscheidungen getroffen, welche die strategische Positionierung und Entwicklungsrichtung von Medienunternehmen maßgeblich bestimmen und damit letztendlich den Unternehmenserfolg beeinflussen.168 Insbesondere Medienmarken nehmen bei der internen Leistungserstellung von Medienunternehmen eine zentrale Gestaltungsvariable ein, da sie als „(…) ‘höchste Verdichtungsstufe’ (…) die grundlegende Orientierung und das zentrale Strukturierungsprinzip [liefert]” (Siegert 2003, S. 122, Hervorhebungen im Original, P.B.).
Die dynamische und komplexe Umwelt der Medienindustrie stellt für die Ausgestaltung des Geschäftsmodells und die Positionierung der Medienmarken eine große 168
Vgl. Hass (2002), S. 89ff.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
67
Herausforderung dar. Die zunehmende Digitalisierung in der Produktion, Verarbeitung und Distribution von Medienprodukten ermöglicht wesentliche Änderungen in der Struktur der Wertschöpfungskette. So können z.B. durch die direkte (digitale) Distribution an den Kunden Zwischenhandelsstufen umgangen werden. Zudem können Kunden direkt in die Erstellung von Inhalten eingebunden werden (bspw. blogs als Quelle für Online-Zeitungen). Die Veränderung der Rahmenbedingungen birgt aber auch enorme Risiken für die Geschäftsmodelle von Medienunternehmen. So unterschätzte die Musikindustrie anfangs die Auswirkungen der P2P-Technologie auf ihr Geschäftsmodell. Um die Rolle von Medienmarken bei der Ausgestaltung der Geschäftsmodelle näher zu untersuchen, sollen im Folgenden die zentralen Dimensionen von Geschäftsmodellen dahingehend beleuchtet werden. Generell hat sich in der theoretischen Auseinandersetzung mit Geschäftsmodellen bzw. business models bislang noch keine allgemein akzeptierte Begriffsdefinition etabliert. Vielmehr existiert eine Reihe von Begriffsabgrenzungen, die einerseits die zentralen Dimensionen von Geschäftsmodellen identifizieren, andererseits eher generell die Eckpfeiler solcher Modelle beschreiben. Die Definitionen von Bailer (1997) und Schoegel (2001) weisen ein hohes Abstraktionsniveau auf und sind somit letzter Begriffsauffassung zuzuordnen. Nach Bailer ist ein Geschäftsmodell ein Abbild eines Geschäftssystems, das ein offenes, zielbezogenes, flexibles, sozio-technisches System mit formalen und informalen Strukturen darstellt.169 „Geschäftsmodelle erfassen und abstrahieren [dabei] das relevante formulierte Wissen über die Funktionsweise der Unternehmung, deren Strukturen, Informations- und Materialflüsse, Produkte und Außenbeziehungen“ (Bailer 1997, S. 23f.).
Schoegel nennt als Bezugspunkte für ein Geschäftsmodell den Unternehmenskontext (Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens), das unternehmerische Umfeld und die im Rahmen der Strategie umgesetzten Wettbewerbsvorteile.170 Dem stehen Begriffsauffassungen gegenüber, die eine Präzisierung und Operationalisierung der verschiedenen Bezugspunkte von Geschäftsmodellen zum Ziel haben. Grundsätzlich lassen sich vier zentrale Dimensionen von Geschäftsmodellen unterscheiden171: 1. Das Produkt- und Dienstleistungsspektrum spiegelt die value proposition der Unternehmung wider. Im Vordergrund steht die Nutzenstiftung bzw. der Beitrag
169 170 171
Vgl. Bailer (1997), S. 22. Vgl. Schoegel (2001), S.37. Vgl. Dührkoop (1999), S. 53, Böning-Spohr/Hess (2000), S.3f., Mahadevan (2000), S.59, Wirtz (2000), S. 81f, Stähler (2001), S. 41f.
68
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
zur Problemlösung der Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens für den Kunden (II.1.1). 2. Die Erlösmodelle bzw. Erlösarchitekturen bilden die Quellen und Formen der möglichen Einkünfte ab. Daraus resultiert auch die Definition und Festlegung der Absatzmärkte und die Ausgestaltung der adäquaten Preispolitik (II.1.2). 3. Die Ausgestaltung der Wertschöpfungsstruktur legt die unternehmensinterne Wertschöpfungskette fest und grenzt das Unternehmen von vor- und nachgelagerten Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsstufen ab.172 Aus den wertschöpfungsbezogenen Aktivitäten erwachsen dann die Wettbewerbsvorteile des Unternehmens. Die Tätigkeiten in diesen Bereichen können einen Beitrag zur Kostenhöhe liefern und die Basis für eine vorteilhafte Differenzierung leisten173 (II.1.3). 4. Die Kostenstruktur resultiert u.a. aus dem innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozess. Einerseits ist die Kostenstruktur eng verknüpft mit der Wahl der Breite und Tiefe der Wertschöpfungskette. Andererseits führt das Phänomen der First-Copy-Costs dazu, dass die Kostenstruktur die Ausgestaltung der Wertschöpfungskette maßgeblich bestimmt.174 (II.1.4).
II.1.1
Leistungsspektrum
Das Leistungsspektrum umfasst grundsätzlich die Produkte und Dienstleistungen, die Unternehmen den Kunden gegenüber erbringen bzw. anbieten. Da in einigen Mediensegmenten die Kunden sowohl im Rezipientenmarkt als auch im Werbemarkt zu finden sind, ist nicht immer offensichtlich, worin die Leistung der Medienunternehmen letztlich besteht. Im Zeitschriften und Zeitungssektor wird diese Ambiguität des Leistungsspektrums besonders deutlich: Während im Rezipientenmarkt die Leistung darin besteht, für den Kunden Inhalte zu erstellen und zu bündeln, ist im Werbemarkt die Generierung von Aufmerksamkeit in Form von Auflagen das entscheidende Leistungsangebot. Die Frage nach dem Leistungsangebot von TV-Sendern beschreiben pointiert die Autoren Owen, Beebe und Manning (1974):
172 173 174
Vgl. Gluck (1980), S. 28, Grant (1991), S. 107. Vgl. Porter (1996), S. 59. So beeinflusst zum Beispiel die Kostenstruktur in der Musikindustrie erheblich die Ausgestaltung des gesamten Geschäftsmodells.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
69
„The first and most serious mistake that an analyst of the television industry can make is to assume that TV stations are in business to produce program. They are not. TV stations are in business of producing audiences. These audiences, or means of access to them, are sold to advertisers” (Owen/Beebe/Manning 1974, S. 4).
Für ein besseres Verständnis von Medienprodukten und Mediendienstleistungen (synonym Mediengut), ist es daher hilfreich, zwischen dem eigentlichen Mediengut und der Absatzleistung zu unterscheiden:175 Während das Mediengut durch den Inhalt und das verwendete Medium gekennzeichnet ist, stellt die Absatzleistung dasjenige Gut dar, welches im Sinne einer Erlösquelle für die Erzielung der Erlöse ursächlich ist. Folglich können daher die Absatzleistung und das Mediengut übereinstimmen (z.B. im Buch) oder voneinander abweichen (z.B. Gratiszeitung). Nicht selten weisen die Absatzleistungen bzw. Erlösquellen beide Facetten auf. Im Falle des obigen Beispiels werden zum einen durch den Verkauf der Produkte an die Konsumenten Erlöse generiert. Zum anderen werden die Zielgruppenkontakte und deren gewonnene Aufmerksamkeit an die Werbewirtschaft verkauft. Teilweise geben die Kunden auch mehr oder minder freiwillig relevante Information an Unternehmen weiter, die von diesen monetarisiert werden können. Werbebasierte Anbieter von E-Mail Diensten, wie GMX, Google oder Yahoo offerieren kostenlose E-Mail-Leistungen, wenn Konsumenten im Gegenzug persönliche Daten und Interessen preisgeben. Diese können von den Unternehmen dann für spezielle Angebote genutzt oder in Form von Werberaum (Banner etc.) an Werbetreibende weiterverkauft werden.176 In diesem Sinne determinieren sowohl das Medienprodukt als auch die Absatzleistung die value proposition des Unternehmens für die Kunden auf dem Rezipienten- und Werbemarkt. Allerdings nimmt das Medienprodukt bzw. die Marke eine zentrale Rolle ein, da nur eine entsprechende Resonanz beim Endkunden zur Generierung von Aufmerksamkeit führt, die bei werbebasierten Gütern zusätzlich zur Erlöserzielung auf dem Werbemarkt genutzt werden kann. Die Stärke der Resonanz ist im erheblichen Maße abhängig von dem Nutzenversprechen der Marke für den Endkunden im Hinblick auf sein Informations- und Unterhaltungsbedürfnis.177 Die Produkteigenschaften werden durch die Ausgestaltung der Dimensionen Inhalt und Medium determiniert. 178 Attraktive 175 176 177 178
Hass (2002), S. 96ff. Der kostenlose E-mail Anbieter GMX erinnert zum Beispiel seine Kunden in regelmäßigen zeitlichen Abständen daran, ihre Daten zu aktualisieren. Vgl. Schumann/Hess (2002), S. 39 f. und Beyer/Carl (2004), S. 155, die auch auf den symbolischen Nutzen von Medienprodukten hinweisen. Die avisierte Zielgruppe stellt dabei eine wichtige Voraussetzung für die Auswahl der relevanten Produkteigenschaften dar. Kriterien für die Rezipientenzielgruppe sind u.a. geographische Verbreitung, Geschlecht, Alter, Haushaltseinkommen, Interessen, Beruf und Bildungsgrad. Vgl. Schumann/Hess
70
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Inhalte sind hierbei die conditio sine qua non. Die Bündelung der redaktionellen und werblichen Inhalte und die grafische Gestaltung (z.B. Format und Layout) sind weitere zentrale Gestaltungsvariablen. Bei den meisten klassischen Massenmedien verhindern die technischen Gegebenheiten bzw. der monetäre Aufwand die Bereitstellung von unterschiedlichen Informationsangeboten für verschiedene Zielgruppen oder einzelne Rezipienten. Daher werden die verschiedenen Inhalte zu einem Bündel aggregiert, das dem Nutzer angeboten wird oder aus dem er eine Auswahl der für ihn interessanten Inhalte treffen kann. Dies kann auch zu einer Senkung der Transaktionskosten führen.179 Der Nutzer kann zum einen Suchkosten für einzelne Informationen einsparen, da ihm ex-ante mitunter nicht bekannt ist, welcher Anbieter diese Information überhaupt besitzt. Zum anderen fallen keine Anbahnungskosten für eine mögliche Abwicklung des Erwerbs dieser Information an. Der gebündelte Absatz von Inhalten führt auch auf der Produktionsseite zu Kosteneinsparungen, da Effizienzvorteile aus der Ausnutzung von Verbund- (Economies of scope) und Skalenvorteilen (Economies of scale) resultieren. Allerdings stellen die technischen Veränderungen die Logik der Bündelung teilweise in Frage. Durch die Möglichkeiten der Personalisierung von Inhalten sind die Konsumenten nicht mehr auf gebündelte Produkte angewiesen. Auf Basis der gesammelten Nutzerprofile lassen sich auch maßgeschneiderte Angebote erstellen. Der Online-Buchhändler Amazon empfiehlt seinen Kunden Produkte, die sowohl auf den offenbarten Präferenzen des einzelnen Nutzers als auch auf den Kaufentscheidungen anderer Kunden mit ähnlichem Nutzerprofil basieren.180 Voraussetzung hierfür ist eine profilierte Marke, um die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in solche Empfehlungen auf Kundenseite sicherzustellen. Das Prinzip der Individualisierung lässt sich auch auf eine Regionalisierung von Medieninhalten und damit Medienmarken übertragen. Örtlichkeit und Nähe bedeuten für Medienmarken relevant für die Konsumenten sein. Dieser Trend ist nicht nur für klassische Printmarken, wie Zeitungen, sondern auch für Online-Marken festzustellen, wie die erfolgreiche Regionalisierung von Community-
179
180
(2002), S. 46. Diese Kriterienliste ist natürlich beliebig erweiterbar bzw. unterteilbar. Des Weiteren kann die Auflistung durch produktspezifische Merkmale ergänzt werden (z.B. Text- oder Bildaffinität etc.). Transaktionskosten umfassen die Kosten, die bei der Verwirklichung eines Leistungsaustausches anfallen, insbesondere bei der Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und Anpassung. Vgl. Picot/Dietl/Franck (1997), S. 66. Siehe ausführlich zu den Veränderungen der technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen Kapitel I.1.3.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
71
Portalen (z.B. MySpace), regionale Inhalte auf großen Portalseiten (z.B. Bild.de) und die hohe Response auf regionalisierte Newsletter von Zeitungen belegen.181 Der Wahl des Mediums kommt bei der Gestaltung des Medienprodukts ebenfalls eine wichtige Bedeutung zu. Einflussfaktoren sind neben der Verbreitung (z.B. Marktdurchdringung und technische Verfügbarkeit) vor allem die Merkmale des Mediums und dessen konkrete Ausgestaltungsmöglichkeiten.182 Das verwendete Medium determiniert einerseits, wie die Inhalte prinzipiell übertragen werden und welche Darstellungsformen grundsätzlich möglich sind. Während im Printsegment Inhalte durch Texte und Bilder dargestellt werden, kann derselbe Inhalt im Internet durch Ton, Videosequenzen und Verlinkung mit anderen Informationsquellen angereichert werden. Andererseits bestimmen das Medium und seine konkrete Ausgestaltung die Nutzungsmöglichkeiten seitens des Konsumenten. Gestaltungsparameter können dabei der Grad Interaktivität, der Grad der Verfügbarkeit, das Ausmaß der Verschlüsselung und die Bequemlichkeit des Zugangs sein. Die verschiedenen Musik-Downloadplattformen gewähren zum Beispiel ihren Kunden unterschiedliche Zugriffs- und Nutzungsrechte auf die ausgewählten bzw. erworbenen Musikstücke.183 Die technologischen Möglichkeiten und die Konvergenz von Film, Ton und Text stellen dabei für die Medienmarken und deren Entwicklung eine Reihe von Herausforderungen dar. Voraussetzung sind hierbei profilierte und stimmig geführte Marken. Diese kommen in unterschiedlichster Weise „(…) je nach Tageszeit, Nutzen oder Vorlieben, zum Einsatz. Ob als Zeitschrift, Online, TV, aufs Handy oder als individuelle Medien für die Ohren. Aber das wird nur Medien so ergehen, die wirklich starke Marken sind“ (Müller, zitiert in Karle 2007, S. 96).
II.1.2
Erlösmodelle
Die verschiedenen Segmente der Medienindustrie weisen aufgrund wettbewerbspolitischer und rechtlicher Gegebenheiten sehr unterschiedliche branchenspezifische Erlösmodelle auf. Erlösmodelle lassen sich hinsichtlich der zwei Dimensionen Erlös-
181 182 183
Vgl. Galbi (2001), S. 197 und Karle (2007). Die Regionalisierung zielt zugleich auf bessere regionale Vermarktungsmöglichkeiten ab. Vgl. Schütz (2007). Vgl. ausführlich Kapitel I.1.2. (1). Bei Napster können die Kunden gegen eine Pauschalgebühr eine unbegrenzte Anzahl an Musikstücken aus dem Angebot herunterladen. Nach Beendigung der Vertragsbeziehung sind die Musikstücke nicht mehr nutzbar, da Napster seinen Abonnenten regelmäßig einen Code zusendet, der das Anhören der Musikstücke ermöglicht. Das Geschäftsmodell anderer Anbieter wie Apple oder der Telekom sieht vor, dass mit dem Kauf der Musikstücke und -alben diese unbegrenzt für den Kunden nutzbar sind.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
form und Erlösquelle charakterisieren.184 Bei den Erlösformen unterscheidet man nach der Art der Transaktion zwischen direkten und indirekten Erlösen. Im Gegensatz zu direkten Erlösen liegen bei indirekten keine unmittelbaren Transaktionsbeziehungen zwischen Inhalteanbieter und Abnehmer vor. 185 Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Einnahmen von Dritten, wie z.B. von Verwertungsgesellschaften oder vom Staat, für die Nutzung von Medien erhoben werden, die dann an die Medienunternehmen weitergegeben werden. Die Dimension Erlösquelle differenziert, für welche Gegenleistungen in welchen Märkten letztendlich die Erlöse entstehen. Prinzipiell können für die Medienindustrie vier zentrale Quellen der Erlösgenerierung identifiziert werden (siehe Abb. II-1), die in den folgenden Abschnitten beschrieben werden.186 Hierbei handelt es sich um die Erlösquellen Produkte und Dienstleistungen (1), Rechte (2), Kundenkontakte (3) und Staat (4).
184 185
186
Vgl. Hass (2002), S. 120ff. und Skiera/Lambrecht (2000). Unter Abnehmer werden sowohl Endkunden (Nutzer/Rezipienten) als auch Unternehmen verstanden. Vgl. auch Hass (2002), S. 129. Diese Abgrenzung unterscheidet sich daher von den rezipientenfokussierten Systematisierungen. Vgl. Beyer/Carl (2004), S. 115f. und Brack (2002), S. 31f. und Zerdick et al. (2001), S. 26ff. Hass (2002), S. 120ff. und Skiera/Lambrecht (2000) unterscheiden nach den Dimensionen Informationsprodukte, Kundenkontakte und Kundeninformationen. Schumann/Hess (2002), S. 50f. nennen drei zusätzliche Erlösquellen: Indirekte Einnahmen über Verwertungsgesellschaften, Verkauf von Zusatzprodukten (Merchandising) und Transaktionsabgaben. Als Synthese dieser Unterscheidungen werden im Rahmen dieser Arbeit vier zentrale Erlösquellen festgestellt. Vgl. Wirtz (2005), S. 68f.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
nutzungsabhängig
Medienzugang
nutzungsunabhängig
Mediennutzung
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Sonstiges Medienangebot
Produkte & Dienstleistungen (Rezipientenmärkte)
Sonstige Einnahmen
Staat
Medienunternehmen
Rechte (Rechtemärkte)
Rundfunkgebühren Kundenkontakte (Werbemärkte)
Provisionseinnahmen
Lizenzen
Kundeninformation
Verwertungsrechte
Werbeleistung
Abbildung II-1: Systematik der Erlösquellen (Quelle: in Anlehnung an Wirtz 2005, S. 68)
(1)
Produkte und Dienstleistungen
Eine der wichtigsten Erlösquellen für zahlreiche Medienunternehmen ist der unmittelbare Verkauf von Medienprodukten und -dienstleistungen an die Rezipienten. Die Vergütung für Medienprodukte oder Mediennutzung lässt sich hinsichtlich der Nutzungsform weiter unterteilen. Bei der nutzungsabhängigen Form bezahlt der Konsument nur für die tatsächliche Nutzung einer Medienleistung. Die Höhe der Zahlung richtet sich hierbei nach dem Preis für die Leistungsmenge (z.B. Buch- oder Zeitungspreis) oder der Leistungsdauer (Zeittarife beim Onlinebereich). Bei den nutzungsunabhängigen Entgelten zahlt der Konsument hingegen lediglich für die Möglichkeit der Nutzung. Die Bezahlung erfolgt in der Regel entweder einmalig (z.B. Lizenzgebühr für Softwarenutzung) oder regelmäßig (z.B. Abonnement für Zeitungen und Zeitschriften, Internetzugangsgebühren).
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Die Gewährung des Medienzugangs ist eine weitere Quelle für das Erzielen von Erlösen. Als Voraussetzung für die Nutzung des Produkt- und Dienstleistungsangebotes muss der Nutzer zuerst eine einmalige Zahlung leisten. Diese kann in Form von Anmeldegebühren oder für den Erwerb eines speziellen Empfangsgerätes (z.B. Decoder für Pay-TV-Empfang oder DSL-Router) anfallen. Neben den Einnahmen für die Mediennutzung und den Medienzugang können die Unternehmen noch weitere Erlöse durch Dienstleistungen (z.B. Archivdienste bei Zeitungen) oder Produkte (z.B. Merchandisingartikel zu TV-Serien oder Filmen) erzielen.187 Für die Differenzierung der nutzenabhängigen und -unabhängigen Angebote im Markt stellt die Marke hierbei einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil dar. Die Generierung direkter Erlöse mit dem Rezipienten ist allerdings aufgrund ökonomischer und technischer Gegebenheiten nicht immer realisierbar. Zum einen führt der öffentliche Charakter von manchen Inhalten dazu, dass ein Ausschluss vom Konsum nicht oder nur unter einem hohen Aufwand möglich ist (z.B. Inhalte auf Tauschbörsen oder terrestrischer Rundfunk). Zum anderen ist die direkte Vermarktung für einzelne Inhalte (z.B. Nachrichten) oftmals aufgrund hoher Transaktionskosten wirtschaftlich nicht sinnvoll. Hieraus resultierte die Bündelung der Inhalte zu Inhaltepaketen (z.B. Zeitungen oder Fernsehprogramme), um eine ausreichend große Zielgruppe anzusprechen. Medienunternehmen fungieren somit als Intermediäre und treffen eine Vorauswahl für die Endkunden.188 Die Digitalisierung der Inhalte stellt daher für die Medienunternehmen sowohl eine Chance als auch eine Bedrohung dar. Einerseits steigen die Komplexität und die Transaktionskosten, um Inhalte vor Missbrauch zu schützen. Kunden können sich ihre Inhaltebündel leichter zusammenstellen, indem sie auf Downloadplattformen die gewünschten Inhalte beziehen (z.B. einzelne Musikstücke oder Filme). Andererseits eröffnen sich zahlreiche Gestaltungsspielräume im Hinblick auf die direkte Vermarktung und Mehrfachverwertung von Inhalten. In der Medienbranche gibt es die Besonderheit, dass zur Finanzierung der einzelnen Medienprodukte deren Verkaufszahlen nicht ausreichend sind. Diese Finanzierungslücken müssen dann durch andere erfolgreiche Produkte geschlossen werden. In der 187
188
Im TV-Bereich werden zusätzliche Einnahmen durch die sogenannten Telefonmehrwertdienste erlangt. Darunter versteht man alle Aktivitäten, die den Zuschauern die Möglichkeit zur kostenpflichtigen Interaktion per Telefon bieten. Hierzu zählen vor allem Gewinnspiele, Abstimmungen, Fax-Abrufe, Expertentelefonate, Umfragen, Kandidaten-Hotlines und Bestell-Hotline. Vgl. Brack (2002), S. 32.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
75
Musikindustrie führte das zum Beispiel in der Vergangenheit dazu, dass das Erreichen einer gewissen Profitabilität von nur wenigen besonders erfolgreichen „Hits“ bzw. Künstlern abhängig war. Dadurch wurde eine Vielzahl (rund 90 Prozent!) an weniger erfolgreichen Musikprojekten mitfinanziert.189 Bei der Spielfilmproduktion kalkulieren die Hollywoodstudios in der Regel zwar mit ähnlichen Flopraten für ihre Filme wie im Musik- und Buchmarkt. Wenige Blockbuster müssen auch hier für das Erreichen der Gewinnschwelle garantieren. Insbesondere der Einsatz von Stars (Personen-Marken) soll die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen. Die Filmstudios können zudem auf eine längere Verwertungskette zurückgreifen. Nach der Erstverwertung im Kino können die Zweitverwertung als DVD und die Drittverwertung im Free-TV zusätzliche Umsätze erzielen. Die Finanzierung solcher Medienprodukte erfolgt also nicht nur über den Verkauf anderer Produkte in den gleichen Mediensegmenten, sondern auch über andere Erlösformen.
(2)
Rechte
Medienunternehmen können ihre Verwertungsrechte und Lizenzen an Inhalten zur Generierung von Erlösen einsetzen.190 Medienunternehmen agieren sowohl als Anbieter als auch als Nachfrager von Rechten. Die Verwertungsrechte, die auch als originäre Rechte bezeichnet werden, ermöglichen dem Rechteinhaber eine nahezu beliebige Verwertung der Inhalte. Wie das obige Beispiel der Filmstudios zeigt, steigern die zusätzlichen Verwertungsmöglichkeiten der Filmrechte in den nachgelagerten Stufen die Chance für eine gewinnbringende Vermarktung des Inhalts. Lizenzen sind hingegen abgeleitete Rechte, bei denen ein Lizenznehmer vom Lizenzgeber – dem Rechteinhaber – die Nutzungsrechte, nicht aber das Eigentum an dem Lizenzgegenstand erwirbt. Buchverlage können zum Beispiel eine Lizenz für eine Taschenbuchausgabe vergeben. Bei Musikverlagen bilden das Verwalten von Rechten und deren Lizenzierung den Kern des Geschäftsmodells. Für die Nutzung ihrer Musiktitel im Rundfunk oder auf anderen Veranstaltungen (Konzerte etc.) verlangen die Musikverlage entsprechende Tantiemen bzw. Gebühren. Die Wahrnehmung der Urheberrechte und die Gebührenerhebung erfolgt aber nicht nur durch die Unternehmen selbst,
189
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Vgl. Negus (1992). Im Buchbereich bestätigte diese 10-Prozent-Regel schon im 17. Jahrhundert der französische Publizist Denis Diderot. Nach seiner Erfahrung finanzierte schon damals ein Bestseller neun andere Bücher quer. Vgl. Ludwig (2003), S. 201f. Vgl. Wirtz 2005, S. 69.
76
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
sondern auch durch Verwertungsgesellschaften.191 Im Zuge von Markentransfers kaufen Medienunternehmen zudem Medieninhalte (in Form der entsprechenden Rechte) zu, um diese unter ihrer Marke zu vermarkten. Mittlerweile offerieren immer mehr Inhalteanbieter, sogenannte Packager, Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen ihren medialen Content im Rahmen eines Fullservice, d.h. die Verlage müssen quasi nur noch ihre Marke auf das Produkt „draufkleben“. Das Merchandising bzw. Licensing192 von Inhalten hat sich vor allem in der Medienbranche, aber auch in der Kunst-, Modeund Sportindustrie zu einer lukrativen Einnahmenquelle entwickelt.193 Im Kontext dieser Arbeit bedeutet Merchandising bzw. Licensing vor allem die Vermarktung von Medienmarken jenseits des ursprünglichen Medienproduktes in anderen medienverwandten (z.B. James-Bond-Computerspiel) oder medienfremden (z.B. Sammelkarten von fiktiven Figuren in Nahrungsmittelprodukten) Produkten.194 Ökonomische Grundlage der Lizenzrechtevermarktung ist die Tatsache, dass bestimmte Inhalte (z.B. fiktive Figuren) oder auch Stars Marken darstellen, deren Wert sich durch Vergabe von Lizenzen monetär ausschöpfen lässt. Die originär distribuierten Inhalte (z.B. die Harry-Potter-Bücher oder die Star-Wars-Filme) dienen zuerst der Bildung und Aufladung der Marke und anschließend als Grundlage für die Generierung von Lizenzgebühren. Bei der Lizenzrechtevermarktung handelt es sich folglich sowohl um ein Erlös- als auch um ein Marketinginstrument.195 Gezielte Vermarktungsstrategien führen neben attraktiven Lizenzeinnahmen auch zu einem erhöhten Grad an Aufmerksamkeit für das Produkt bzw. die Marke. So kann zum Beispiel ein zeitlich vorgelagerter Verkaufsstart der Merchandisingprodukte die Aufmerk-
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195
Für Musikrechte ist dies die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), für Textrechte die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort). Im deutschsprachigen Raum werden die Begriffe Licensing und Merchandising häufig synonym verwendet. Zur Diskussion der Begrifflichkeiten vgl. u.a. Schertz (1997), Böll (1999, 2001), Brem (2002), Schäfer (2003). International hat sich dagegen der Begriff Licensing als allgemeinverbindlich durchgesetzt. Vgl. Böll (1999), S. 5. Im Jahre 2001 betrugen die Lizenzumsätze bei Disney 13 Mrd. US Dollar und bei Warner Bros. rund 6 Mrd. US Dollar. Vgl. o.V. (2002). Grundsätzlich versteht man unter Merchandising die „(...) neben die jeweilige Primärverwertung tretende Sekundärvermarktung von populären Erscheinungen, insbesondere fiktive Figuren, realen Persönlichkeiten, Namen, Titel, Signets, Logos, Ausstattungselementen, Designs und Bildern außerhalb ihres eigentlichen Betätigungs- und Erscheinungsfeldes durch den Berechtigten selbst oder durch Einräumung von Rechten und sonstigen Besitzständen an Dritte zur wirtschaftlichen Verwertung zum Zwecke des Absatzes von Waren und Dienstleistungen einschließlich der Verkaufsförderung und Werbung“ (Schertz 1997, S. 9f.). Vgl. Beyer/Carl 2004, S. 145.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
77
samkeit auf eine Filmpremiere vergrößern.196 Zudem können Rückkoppelungseffekte der Lizenzprodukte, in Form von Zufriedenheit der Kunden sowie Qualität und Quantität der Lizenzprodukte, das Potenzial der Lizenz und damit auch den Wert der Marke positiv oder negativ beeinflussen.
(3)
Kundenkontakte
In zahlreichen Mediensegmenten, insbesondere im privaten Rundfunk und im Online-, Zeitungs- und Zeitschriftenbereich, wird ein bedeutender Teil der Erlöse durch Werbung erwirtschaftet. Die Höhe des Anteils der Werbe- und Anzeigeneinnahmen an den Gesamteinnahmen variiert sowohl branchen- als auch unternehmensspezifisch.197 Wie bereits in Kapitel I.1.1 erläutert wurde, befinden sich im Falle der Werbefinanzierung die Medienunternehmen, die werbetreibende Industrie und die Rezipienten in einer interdependenten Dreiecksbeziehung. Inwieweit Werbe- und Anzeigeneinnahmen realisiert werden können, hängt im Wesentlichen von den Werbeträgereigenschaften der Medienprodukte ab.198 Zum einen muss eine gewisse Periodizität durch regelmäßige Erscheinungstermine gewährleistet sein, da bei nichtperiodischen Medienprodukten die Werbemaßnahmen schwieriger aktualisiert und optimiert werden können. Zum anderen müssen sowohl eine definierbare und attraktive Zielgruppe für den Werbemarkt als auch eine generelle Akzeptanz von Werbung bei den Rezipienten bestehen.199 Typische Werbeformen sind Printanzeigen und Beilagen (Zeitungen und Zeitschriften), TV-Spots, Sponsoring und Product Placement (Fernsehen) sowie Werbebanner, Keyword-Advertising200 und Interstitials201 (Online). Der Trend geht zum Teil auch dahin, die Werbung stärker als Inhalt zu verstehen. Beispiele im Zeitschriftensegment sind „redaktionsähnliche“ Beiträge, in denen das 196
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So lag im Falle der drei „Herr-der-Ringe“-Filme der Verkaufsstart für die zahlreichen Merchandisingartikel (z.B. Computerspiel, Puzzles und Memory, Brettspiele, Kalender und der „Eine Ring“ aus Gold, Platin, Silber oder Edelstahl) immer sechs Wochen vor der Filmpremiere. Im Zeitschriftensektor betrug zum Beispiel der Anteil der Anzeigenerlöse im Jahre 2003 bei Gruner + Jahr 40 % gegenüber 20 % beim Burda Verlag. Vgl. Vogel (2004), S. 327. Der private Rundfunk (90 %) und Online-Unternehmen (93 %) finanzieren sich nahezu ausschließlich über Werbeeinnahmen. Vgl. Wirtz (2005), S. 72. Vgl. Ludwig (2003), S. 201. Im Bereich der Neuen Medien werden komplette Werbeunterbrechungen zum Beispiel weitaus weniger toleriert als dies beim Konsum von Sendungen im Rundfunkbereich der Fall ist. Vgl. Bughin et al. (2001), S. 63. Werbeform in Suchmaschinen, bei dem passend zum gesuchten Schlagwort entsprechende Links und Werbebanner erscheinen. Werbeeinblendungen in Form von Unterbrecherwerbung beim Öffnen von Internetseiten. Im Gegensatz zu pop-Ups oder pop-Unders müssen diese nicht extra weggeklickt werden.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Produkt im Mittelpunkt steht und die nur sehr dezent (z.B. in der Kopfzeile) als Werbung gekennzeichnet sind.202 Die unterschiedlichen Preise für Werbekontakte, z.B. gemessen nach dem sogenannten Tausender-Kontakt-Preis (TKP),203 beruhen neben der Kontaktquantität (z.B. Reichweite oder Einschaltquote) auch auf der Kontaktqualität (z.B. Grad der Kongruenz zwischen den Rezipienten der Medienunternehmen und den Zielgruppen der werbetreibenden Unternehmen, soziodemographischen Informationen und Werbewirkung). Wie bereits erläutert (siehe Kapitel I.2.2), sorgen profilierte Marken zum einen für eine höhere zielgruppenspezifische Aufmerksamkeit und ermöglichen eine ex-ante Bewertung des Werbeträgers. Daraus folgt, dass Medienunternehmen ihre Zielgruppen bzw. Kundenkontakte unterschiedlich monetarisieren können. Dies bedeutet auch, dass Medienunternehmen bei der Gestaltung von (neuen) Medienprodukten neben der Ansprache ausreichend großer Zielgruppen auch deren Attraktivität für die Werbewirtschaft berücksichtigen sollten.204 Ferner muss auch schon beim Einkauf von Rechten darauf geachtet werden, für welche Kunden diese attraktiv sein können und welche werbetreibenden Unternehmen für diese Zielgruppe Werbung schalten möchten.205 Eine sogenannte Misch- oder Querfinanzierung liegt vor, wenn zur Finanzierung der Medienprodukte Werbe- und Verkaufserlöse kombiniert werden. Grundsätzlich übernehmen Werbeeinnahmen eine wichtige Querfinanzierungsfunktion, da die Verkaufspreise für werbefinanzierte Medienprodukte nahezu immer unter den jeweiligen Stückkosten liegen. Ohne die
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Auch im Fernsehen und Internet finden sich solche „innovativen“ Werbeformen. So erklärt zum Beispiel der Deutschland-Geschäftsführer eines der größten Portalanbieters: „Die Werbung soll auf der Seite nicht wie ein Fremdkörper bzw. als ein Störelement wirken. (…) Das geht sogar in die Richtung, könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass solche Werbeflächen von einem Markenartikler immer mehr zu einer Art Wettbewerber zu den Inhalten der Seite werden. Also komplett weg von der Idee, dass die Inhalte, die will ich und für die bin ich bereit, die Werbung zu dulden, damit ich sie genießen kann. Also davon wollen wir überhaupt komplett weg. Sondern der Anspruch muss da sein, dass die Werbefläche, dass die Werbung praktisch manche Nutzer genau so viel interessiert wie manche Inhalte. (…) Das ist nicht leicht, das geht auch nicht mit jedem Kunden und jeder Kampagne, aber das ist unser Ansatz“ (Quelle: E-6). Der TKP ist die zentrale Bewertungskennzahl für das Preis-Leistungs-Verhältnis im Werbemarkt und drückt den Preis aus, den 1.000 über einen bestimmten Zeitraum gebundene Zielgruppenkontakte haben. In einer Studie bestätigten die befragten werbetreibenden Unternehmen die Möglichkeit zur Erzielung höherer Werbeeinnahmen durch die Verknüpfung von redaktionellen Inhalten und Werbung. Bereits 41 Prozent der befragten Werbeträger nannten Eingriffe in die journalistische Wertschöpfungskette als Ansatzpunkt für eine verbesserte Betreuung ihrer besten Kunden (80 % im Bereich TV). Vgl. Ringlstetter/Bode (2004). So hat zum Beispiel ein Spartensender eine eigene Abteilung etabliert, in der Verkauf, Programm, Redaktion und Kreation von Anfang an zusammensitzen und Ideen entwickeln. Der Geschäftsführer beschreibt die Grundidee pointiert folgendermaßen: „Es geht nicht mehr darum, zu sagen, ich kaufe jetzt irgendein Recht ein und du [der Verkauf] schaust, dass du es mit 30-Sekündern vermarktest, sondern man macht sich schon im Vorfeld Gedanken, was kaufen wir für Inhalte, war für einen content. Welche Rechte könnten für welches Kundenklientel passen und was können wir daraus entwickeln“ (Quelle: E-7).
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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entsprechenden Einnahmen aus dem Anzeigenverkauf wäre eine gewinnbringende Finanzierung der Produkte äußerst schwierig, da die Rezipienten eine entsprechend notwendige Erhöhung der Verkaufspreise nicht akzeptieren und intra- oder intermediale Substitutsprodukte konsumieren würden.206 Die Vermarktung der Kundenkontakte ist daher „nicht eine bloße Notlösung zur Finanzierung publizistischer Leistungen“ (Köcher 2004, S. 223), sondern zentraler Bestandteil der Finanzierungskonstruktion von bestimmten Medienprodukten.207 Die Medienunternehmen können ihre Kundenkontakte auch anderweitig zur Erlöserzielung nutzen. Zum einen ist der Verkauf von Kundeninformationen und Nutzungsverhalten zu nennen. Produkte und Dienstleistungen dienen als Anreiz, damit die Nutzer freiwillig kundenspezifische Daten zur Verfügung stellen (z.B. Angabe von persönlichen Informationen zur Nutzung kostenloser E-Mail-Dienste) oder passiv generieren (z.B. durch ihr Nutzerverhalten). Neben der Generierung von attraktiven Inhalten können starke und vertrauensschaffende Marken bei der Gewinnung von Kundeninformationen eine wichtige Rolle spielen.208 Einige Geschäftsmodelle basieren auf einer Kombination der Erlösquellen Inhalte und Kundeninformationen.209 Kundenspezifische Daten können natürlich auch für eigene Zwecke genutzt werden, um Cross-selling-Potenziale zu realisieren.210 Ausschließlich auf den Verkauf von Kundeninformationen ausgerichtete Geschäftsmodelle existieren hingegen kaum. Dies mag einerseits daran liegen, dass die Nachfrage nach derartigen Dienstleistungen noch recht überschaubar ist, zumal Informationen oft nur in aggregierter Form weitergeben werden.211 Andererseits dürften die Befürchtungen der Nutzer über die Behandlung oder den Weiterverkauf von vertraulichen Daten eine extensive wirtschaftliche Nutzung von individuellen Kundeninformationen verhindern.
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In den 1990er Jahren deckte zum Beispiel der Verkaufspreis der Zeitschrift „Der Spiegel“ nur rund 44 Prozent der Gesamtkosten ab. Eine ausschließliche Finanzierung über die Verkaufserlöse hätte bedeutet, dass entweder der Absatz um rund 300 Prozent oder der Verkaufspreis auf 5,70 Euro hätte steigen müssen. Vgl. Ludwig (2002), S. 199f. Vgl. auch Ludwig (2002), S. 205, der die Einführung dieses Finanzierungsmodells Mitte des 19. Jahrhunderts als eine „ökonomische Innovation“ bezeichnet. Vgl. Hagel/Rayport (1997), S. 53. So verkauft zum Beispiel der US-amerikanische Online-Lebensmittelhändler Peapod zusätzlich Auswertungen über Kundenbestellungen und -verhalten für Marktforschungszwecke an Konsumgüterunternehmen. Der Online-Händler Amazon weist den Kunden zum Beispiel auf weitere Produkte hin, die Kunden mit den gleichen Präferenzen gekauft haben. Vgl. Hass (2002), S. 127f.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Ein weiterer Aspekt der Erlösquelle Kundenkontakt sind Provisionseinnahmen, die durch Transaktionen der Kunden ausgelöst werden. Diese können sowohl direkt durch den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen anfallen (z.B. Teleshopping) als auch durch die Anbahnung von Transaktionen entstehen (z.B. über einen Internetlink, wie beim Affiliate Programm von Amazon). In diesem Sinne können Medienunternehmen auch Plattformen für Transaktionen bereitstellen, auf denen es zwischen „ihren“ Kunden zu marktlichen Austauschbeziehungen kommt. Nur bei erfolgreichen Vertragsabschlüssen fällt eine Provision an, die vom Käufer oder Verkäufer zu entrichten ist (z.B. ebay). Insbesondere starke Medienmarken können hierbei als „Portalmarken“ genutzt werden, um zusätzliche Einnahmen durch die Strahlkraft der Marke zu generieren. Im Rahmen der „Zeit-Reisen“ von der Wochenzeitung Die Zeit werden zum Beispiel markttypische Reiseprodukte mit „Zeit“-typischen Inhalten wie Gesprächen mit Korrespondenten oder Begegnungen mit Prominenten vor Ort verknüpft.212
(4)
Staat
Als vierte mögliche Erlösquelle kann der Staat aufgeführt werden (siehe Abbildung II1). Staatlich induzierte Einnahmen oder Vergünstigungen nehmen eine Sonderstellung ein, da die Ausgestaltung des Erlösmodells wesentlich durch die staatliche Regulierung und nicht durch das Management bestimmt wird. Während die privaten Rundfunksender sich größtenteils durch den Verkauf von Werbung finanzieren, beruht ein Großteil der Erlöse der öffentlich-rechtlichen Unternehmen auf den Einnahmen durch die sogenannten Rundfunkgebühren (rund 80 Prozent bei ARD und ZDF). Die Festsetzung der Gebührenhöhe erfolgt nicht durch den Markt, sondern auf Vorschlag der Rundfunkanstalten durch den Staat.213 Die Rundfunkgebühren fallen unabhängig von der tatsächlichen Nutzung durch die Rezipienten an und gleichen damit anderen 212
213
Im Jahre 2004/2005 fanden 103 Reisen statt (rund 1500 Teilnehmer). Der Durchschnittspreis der Reisen lag bei 1.800 Euro. Gemäß einer Umfrage erwägen rund 56 Prozent der Zeit-Leser an einer „Zeit-Reise“ teilzunehmen. Vgl. Weiland (2005). Zum Verfahren zur Festsetzung der Höhe der Rundfunkgebühr vgl. Beyer/Carl (2004), S.120ff. Die Zahlung der Gebühren erfolgt nicht direkt an die Medienunternehmen, sondern an die staatliche Einzugsstelle GEZ (Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland). Die Gebührengelder werden dann an die empfangsberechtigten Medienunternehmen nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel weitergeleitet. Die Zahlung der Gebühren erfolgt nicht direkt an die Medienunternehmen, sondern an die staatliche Einzugsstelle GEZ (Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland). Die Gebührengelder werden dann an die empfangsberechtigten Medienunternehmen nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel weitergeleitet.
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nutzungsunabhängigen Erlösen (z.B. Abonnement einer Zeitung). Allerdings sind diese Gebühren aufgrund ihrer fehlenden Beziehung von Leistung und Absatz keine Erlöse im betriebswirtschaftlichen Sinne.214 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stellt zudem eine Besonderheit in der deutschen Medienlandschaft dar. Ziel dieser Medienunternehmen ist nicht nur die Erwirtschaftung eines Gewinns, sondern auch die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages.215 Da der Programmauftrag relativ vage formuliert ist, kommt es wiederholt zu Diskussionen, welche Gebührenhöhe notwendig ist, um diesen zu erfüllen. Ferner können die privaten Rundfunkanbieter unter Wettbewerbsverzerrungen leiden, wenn es bei den öffentlich-rechtlichen Anbietern zu Quersubventionierungen von Programmbestandteilen kommt, deren Zugehörigkeit zur Grundversorgung strittig ist.216 Neben den Rundfunkgebühren können auch sonstige staatliche Regelungen die Erlöserzielung beeinflussen (z.B. Subventionen oder verminderte Umsatzsteuersätze für Printprodukte). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in vielen Mediensegmenten das Erlösmodell aus einer Kombination von verschiedenen Erlösquellen besteht. Im Zeitungsund Zeitschriftenmarkt tragen neben den Auflageerlösen (copy sales) zusätzlich Werbeeinnahmen wesentlich zur Kostendeckung bzw. Gewinnerzielung bei. Die privaten Rundfunksender finanzieren sich im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern größtenteils über Werbeerlöse. Im Musik- und Buchmarkt werden hingegen die Einnahmen über den Absatzpreis der Produkte erwirtschaftet. Es ist zudem zu beobachten, dass sich für die Mediennutzung in bestimmten Mediensegmenten ein vergleichsweise niedriges Preisniveau etabliert hat. In einigen Bereichen, man denke an Informationsangebote im Internet, werden Inhalte sogar umsonst angeboten.217 Generell spielen Medienmarken eine gewichtige Rolle, da sich in ihnen die Nutzenversprechen der Mediengüter manifestieren und sie somit die zentrale Gestaltungsvariable zur Differenzierung gegenüber anderen Angeboten darstellen.
214 215 216 217
Vgl. Wirtz (2005), S. 70 und Köcher (2004), S. 216. Vgl. Pethig (2003), S. 144f. Vgl. Beyer/Carl (2004), S. 120ff. Das schwierige Unterfangen, diese „Umsonst-Kultur“ zurückzudrehen bzw. für gewisse Angebote Nutzungsentgelte zu erzielen, verdeutlicht, dass sich spürbare Veränderungen des Preisniveaus kaum werden durchsetzen lassen. Daher werden auch in Zukunft Querfinanzierungsmodelle Bestand haben.
82
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
II.1.3
Wertschöpfungsstrukturen
Eine weitere Dimension der Geschäftsmodelle von Medienunternehmen ist die Ausgestaltung ihrer Wertschöpfungsstruktur. Die Wertschöpfung bezeichnet die Differenz zwischen der von einem Unternehmen erbrachten Gesamtleistung und den Vorleistungen, die in die Leistungserstellung eingeflossen sind.218 Die Ausgestaltung der Wertschöpfungsstruktur bestimmt dementsprechend die unternehmensinterne Wertschöpfungskette und regelt somit die Organisation der Wertschöpfung innerhalb des Unternehmens oder, im Falle von Kooperation, auch zwischen verschiedenen Unternehmen. An dieser Stelle wird schon deutlich, dass bei einer Analyse der Wertkette nicht nur die physische Produktion von Gütern und Dienstleistungen, sondern auch unterstützende Bereiche wie die Technologienentwicklung und Führungssysteme mit in die Betrachtung einbezogen werden müssen (1). Für einen umfassenden Überblick werden in diesem Teilkapitel zudem die Kernprozesse in der Wertschöpfungskette von Medienunternehmen erläutert (2). Ferner werden die Marken in den verschiedenen Stufen der medialen Wertschöpfungskette eingeordnet (3).
(1)
Analyse der Wertschöpfungskette
Das von Porter (1996) entwickelte Konzept der Wertschöpfungskette219 unterscheidet grundsätzlich zwischen primären und unterstützenden Wertaktivitäten (siehe Abb. II2a).220 Die primären Aktivitäten erbringen marktbezogene Wertschöpfungen von der physischen Herstellung von Produkten und Dienstleistungen über den Vertrieb hin zum Kundendienst. Die unterstützenden Aktivitäten Beschaffung, Personalwirtschaft, Forschung und Entwicklung sowie Beschaffung sind hingegen solche Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung der primären Aktivitäten notwendig sind. Kirsch (1997b, 2001) hingegen plädiert für einen erweiterten, alternativen Bezugsrahmen bei der Betrachtung von Wertschöpfungsketten (siehe Abb. II-2b).221
218 219
220 221
Vgl. Haller (1997), S. 31. Die Auseinandersetzung mit dem Konzept der Wertkette bzw. Wertschöpfungskette im Strategischen Management geht ursprünglich auf das Beratungsunternehmen McKinsey und insbesondere auf Porter zurück. Vgl. Welge/Al-Laham (1999), S. 235ff. Porter (1996), S. 65ff. und Welge/Al-Laham (1999), S. 240f. Kirsch (1997b), S. 283ff. und Kirsch (2001), S. 60ff.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
83
Unternehmensinfrastruktur Unterstützende Aktivitäten
Personalwirtschaft Technologieentwicklung Beschaffung
Primäre Aktivitäten
Eingangslogistik
Operationen
Ausgangslogistik
Marketing & Vertrieb
Kundendienst (a)
Quartärbereich:
Standortbestimmung des Unternehmens, Verhältnis zu verschiedenen Interessengruppen, Corporate Governance
Tertiärbereich:
Managementsysteme, Aufbau- und Ablauforganisation
Sekundärbereich:
Technologie, Humanressourcen, Finanzen, Information und Kommunikation
Primärbereich:
Eingangslogistik
Produktion
Ausgangslogistik
Marketing & Vertrieb
Kundenservice
(b)
Abbildung II-2: Alternative Bezugsrahmen bei der Wertschöpfungskettenanalyse (Quelle: Kirsch 2001, S. 61)
Die Unterscheidung in einen Primär-, Sekundär- und Tertiärbereich korrespondiert im Wesentlichen mit den primären und unterstützenden Aktivitäten des Ansatzes von Porter. Die Herausstellung des Quartärbereichs als zusätzliche Perspektive erweitert jedoch dessen Bezugsrahmen. Im wörtlichen Sinne versteht man unter dieser Perspektive die physische Standortbestimmung. Im übertragenen Sinne handelt es sich um die Ausgestaltung der Beziehungen mit den verschiedenen Interessengruppen (stakeholder) des Unternehmens. Dies sind neben Kunden und Aktionären auch die interessierte Öffentlichkeit und Institutionen (z.B. Regulierungsbehörden, Ministerien, Kartellbehörden), die das Unternehmen aus unterschiedlichen Interessen beobachten. Die Bedeutung des Quartärbereichs zeigte sich an den letztendlich gescheiterten Akquisitionsbestrebungen eines großen deutschen Medienkonzerns: Der Misserfolg der geplanten Akquisition der ProSiebenSat1.Media AG durch die Axel Springer AG lag darin begründet, dass es dem Unternehmen nicht gelang, die Zweifel der Kartellwächter und der Politik – man denke an die Möglichkeit einer Ministererlaubnis im
84
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Falle eines negativen Kartellbescheides – für diesen Kauf zu beseitigen.222 Entscheidungen, die im Quartärbereich fallen, haben daher wesentliche Auswirkungen auf die Struktur der Wertschöpfungsketten der beteiligten Medienunternehmen. Die vier Perspektiven der Wertschöpfungsstruktur sind aufgrund Ihrer Spezifika zunächst relativ autonom zu betrachten. Allerdings müssen im Hinblick auf eine konzeptionelle Gesamtsicht der Unternehmung die konkreten Ausgestaltungsideen, Ziele und Strategien zusammengeführt und aufeinander abgestimmt werden. Obwohl der Primärbereich die Produkt-/Marktbeziehungen betrifft, ist daraus kein Primat dieser Perspektive abzuleiten. Einerseits können durchaus die vorhandenen Ressourcen (Sekundärbereich) maßgeblich die Wertkette beeinflussen. Andererseits können die Strukturen des Primär- und Sekundärbereichs an die Anforderungen und Strategien des Tertiärbereichs angepasst werden.223 Im Hinblick auf die Analyse von unterschiedlichen (medialen) Wertschöpfungsketten können folgende Aspekte unterschieden werden224: Abgrenzung der Wertkette: Die Abgrenzung der betrieblichen Aktivitäten in strategisch relevante Komponenten legt die verschiedenen Wertschöpfungsstufen fest. Die Wertkette kann dabei durch Vorwärts- und Rückwärtsintegration sowie Outsourcing verändert werden. Die Wertkette vermittelt zudem branchen- oder sektorspezifische Eigenheiten der Leistungserstellung oder strategische Schwerpunkte der Unternehmung. So besitzen im Gegensatz zu den überregionalen Tageszeiten die regionalen Blätter in der Regel kleinere Redaktionen und kaufen überregionale Inhalte (wie z.B. außenpolitische Themen) zu. Verknüpfungen (Interdependenzen): Verknüpfungen bezeichnen die Verbindungen zwischen den Aktivitäten innerhalb einer einzelnen Wertkette. Eine Verknüpfung liegt vor, wenn Entscheidungen in einer Wertaktivität das Entscheidungsfeld der zweiten Wertaktivität beeinflussen. Solche Verknüpfungen sind sowohl innerhalb eines Bereiches als auch zwischen den Bereichen möglich. 222
223
224
Das Management richtete nach der Ankündigung durchaus seinen Fokus sehr stark auf das Management dieses Quartärbereichs So unterbreitete das Unternehmen Vorschläge, um dem Vorwurf einer möglichen Monopolstellung auf dem Werbemarkt entgegenzutreten. Zum anderen äußerte sich der Vorstandschef in zahlreichen deutschen Zeitungen zur Sinnhaftigkeit dieser Fusion und dass keine Gefahr einer Monopolstellung drohe. Vorstellbar ist auch eine rekursive Anwendung dieser Perspektiven, d.h. dass z.B. aus Sicht des Tertiärbereichs ebenfalls Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärbereiche existieren. Vgl. Kirsch (1997b), S. 285. Vgl. Welge/Al-Laham (1999), S. 242 ff. Deren Zusammenfassung beruht auf den Systematisierungen der Wertkettenanalyse von Volck (1997), S. 31ff, Aeberhardt (1996), S. 180ff., Porter (1996), S. 72ff. und Esser (1994), S. 134ff.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
85
Dies kann dazu führen, dass Medienunternehmen Kunden mit in die Wertschöpfung miteinbeziehen (z.B. bei Softwareentwicklungen). Verflechtungen: Verflechtungen hingegen bezeichnen Verbindungen zwischen den Aktivitäten von verschiedenen Geschäftsbereichen. So erlangen Medienunternehmen Wettbewerbsvorteile, indem sie gemeinsam Vertriebskanäle nutzen, verschiedene Produkte unter einem gemeinsamen Markennamen führen (Dachstrategie) oder Marken dehnen. Bei der Bertelsmann AG unterstützt und fördert eine Einheit die Suche nach (inhaltlichen) Synergiepotenzialen innerhalb des Konzerns. Kostenstruktur: Die Summe der Kostenstrukturen der einzelnen Wertaktivitäten hat maßgeblichen Einfluss auf den Kostenvorsprung oder -nachteil des Unternehmens.225 So beeinflussen die First-Copy-Costs u.a. in starkem Maße die Ausgestaltung der Wertschöpfungskette im Musik-, Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt. Kostenvorteile können dabei durch die Realisierung von größenbedingten Kostendegressionen (economies of scale), Verbundeffekten (economies of scope) und Lerneffekten erzielt werden. Differenzierungsschwerpunkte: Differenzierungsvorteile können grundsätzlich aus jeder Wertaktivität der Wertkette erzielt werden.226 An dieser Stelle soll jedoch primär auf die Möglichkeit der Markierung von Mediengütern hingewiesen werden. Starke Marken spielen auch in der Medienbranche eine immer bedeutendere Rolle, da sie den Unternehmen größere strategische Spielräume eröffnen. Die Markenstärke der Zeitschrift GEO nutzte Gruner + Jahr für die Expansion in andere Zeitschriftensegmente (z.B. GEOlino im Kinder- und Jugendbereich).
(2)
Kernprozesse in der Wertschöpfungskette von Medienunternehmen
Die obigen Ausführungen machen deutlich, wie unterschiedlich die Dimensionen der Wertschöpfungskette gestaltet sein können. Da die bisher gewählte Darstellung der Wertaktivitäten (siehe Abb. II-3) eher industrieübergreifend angelegt war, soll im Fol225
226
Weitere Einflussfaktoren stellen staatliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen (z.B. Umweltschutzbestimmungen), Zugang zu und Preis von Rohstoffen und Energie, sowie der Zeitfaktor, d.h. Lernkurvenvorteile in der Produktion durch frühen Markteintritt, dar. Die modernen IuK-Technologien ermöglichen in steigendem Maße, Medienprodukte und -dienstleistungen entsprechend den Kundenwünschen zu gestalten. Beispiele hierfür sind die zahlreichen Downloadplattformen, die das Herunterladen einzelner Musikstücke erlauben oder die Zusendung personalisierter Information auf das Mobiltelefon.
86
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
genden der Bezugsrahmen an die Gegebenheiten in der Medienbranche angepasst werden. Hierzu richtet sich der Fokus auf den Primärbereich der Wertkette.227 Inhaltegenerierung
Information- und Inhaltebeschaffung
Inhalteproduktion und -aggregation
Werbe- und Anzeigenakquisition
Werbe- und Anzeigenabwicklung
Distribution
Paketierung der Produkte
Technische Produktion
Rezipient
Marketing und Kundeninteraktion
Abbildung II-3: Wertschöpfungskette Medien (Quelle: In Anlehnung an Keuper/Hans 2003, S. 15 und Wirtz 2005, S. 51)
Die besonderen Merkmale von Medienprodukten und Medienmärkten wirken sich auch in den Wertschöpfungsstrukturen von Medienunternehmen aus. Insbesondere die Gegebenheiten des „dualen Marktes“, d.h. das Erzielen von Erlösen auf dem Anzeigen- und dem Rezipientenmarkt, verdeutlichen diese Besonderheiten gegenüber anderen Industrien. Prinzipiell wird die mediale Wertschöpfungskette durch die fünf Kernprozesse Inhalte- und Werbegenerierung, Paketierung, technische Produktion, Distribution und Marketing und Kundeninteraktion (Rezipienten) charakterisiert. In der ersten Wertschöpfungsstufe Inhaltegenerierung steht die Beschaffung und die originäre Erstellung von Inhalten sowie deren Aggregation im Mittelpunkt. Abfolge und Gegenstand der einzelnen Bestandteile dieser Prozessstufe werden in Abbildung II-4 detaillierter aufgezeigt.
Produktkonzeptentwicklung
Info- und Inhaltebeschaffung
Inhalteerstellung
„kreative“ Inhalte
Abbildung II-4: Inhaltegenerierung in Medienunternehmen
Zu Beginn des Prozesses steht in der Regel die Entwicklung des Produktkonzeptes, d.h. die Festlegung zentraler Charakteristika des Produktes.228 Es muss entschieden werden, ob es sich um ein Unikat (z.B. Sachbuch oder Musikstück) oder um ein 227 228
Auf die Darstellung der anderen Bereiche wird im Folgenden verzichtet, da sich in der Regel nur geringe medienspezifische Besonderheiten ergeben. Bei etablierten Medienprodukten fällt diese Prozessstufe in der Regel natürlich weg.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
87
periodisches Format (Zeitungen oder Zeitschrift) handeln soll.229 Ferner kann es medientechnologisch bedingt sein, dass Inhalte auf bestimmte Trägermedien fixiert sind. Abschließend ist zu klären, welche Marke für das Produkt verwendet werden soll. Bei der Beschaffung und dem Kauf von Inhalten und Informationen arbeiten die Unternehmen mit unterschiedlichen Akteuren zusammen. So sind Nachrichtenagenturen und Bildarchive wichtige Informationslieferanten für Zeitungsverlage. Fernsehsender und Buchverlage erwerben entgeltlich von den jeweiligen Rechteinhabern die Rechte oder das Eigentum über die Inhalte. Die Erstellung von Inhalten beinhaltet zwei zentrale Aspekte. Zum einen werden im Rahmen von kreativen Prozessen originäre Inhalte (Buchmanuskript, Zeitungsreportage, Musikstück) erzeugt. Zum anderen werden Rechte geschaffen, die durch die Inhalteinhaber (das Unternehmen oder auch unabhängige Autoren oder Produzenten) verwertet werden können. Medienunternehmen übernehmen durch die Bündelung und Aufbereitung von Inhalten, analog zum Handel, eine Art Sortimentsfunktion, indem sie im Hinblick auf ihre Zielgruppen ein entsprechendes Inhaltesortiment (z.B. Musik- und Buchverlage) oder ein zusammengestelltes Produktbündel (z.B. Zeitungen oder Magazine) anbieten. Für die Mediensegmente Zeitungen, Zeitschriften, privates Fernsehen und Radio und weitere werbebasierte Geschäftsmodelle (z.B. Internet Suchmaschinen wie Google oder Yahoo) stellen Werbeeinkünfte die zentrale Einnahmequelle dar. Daher stellt die Akquisition von Werbung bzw. Anzeigen für diese Bereiche der Medien eine bedeutende Stufe in der Wertschöpfungskette dar (siehe Abb. II-5).
Verfügbarer Werberaum
Preisfestlegung
Vertrieb
Anzeigenabwicklung
Anzeige
Abbildung II-5: Anzeigenakquisition in Medienunternehmen
Der verfügbare Raum für Werbebotschaften ist zwischen den Mediensegmenten in Deutschland sehr unterschiedlich. Während im Zeitungs- und Magazinmarkt theoretisch beliebig viele Anzeigen geschaltet werden können, steht im TV-Markt den Sendern aufgrund rechtlicher Vorschriften nur eine begrenzte Anzahl an verkaufbaren Werbeminuten pro Sendestunde zur Verfügung. Im Rahmen des Anzeigenmarketings 229
Vgl. Habann/Herrmann (2003), S. 906.
88
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
erfolgt zum einen die Festlegung der Preise und zum anderen der Vertrieb durch Key Account Manager und der Außendienstmannschaft. Medienagenturen spielen bei der Vermarktung des verfügbaren Werberaums eine zentrale Rolle, da sie in ihrer Funktion als Intermediär zwischen werbetreibenden Unternehmen und Medienunternehmen über die Verteilung der zu buchenden Werbezeiten bzw. -plätze mitentscheiden. In der Anzeigenabwicklung erfolgt die administrative Abwicklung der Anzeigenakquisition (Buchung des Werbeplatzes etc.) und die Koordination für Platzierung der Anzeige im Medienprodukt. In der Wertschöpfungsstufe der Paketierung bzw. des Packaging erfolgen die redaktionelle Bearbeitung der verschiedenen Inhalte sowie die Auswahl und die Bündelung der Produktbestandteile zu einem vermarktungsfähigen Produkt. Im Falle von Musikunternehmen ist dies zum Beispiel die Zusammenstellung von Musikstücken auf einer DVD mit Live-Konzert-Ausschnitten und Interviewpassagen mit dem Künstler. In den werberelevanten Mediensegmenten erfolgt der Zusammenführungsprozess von Inhalten und Werbung. Die Werbebotschaften werden dabei quasi an die Contentelemente gekoppelt.230 Im Rahmen der technischen Produktion werden die Rechte und Inhalte in ein Medienprodukt transformiert. Dies geschieht zum einen durch die Fixierung auf ein Trägermedium (z.B. CD oder Buch) und dessen Vervielfältigung. Zum anderen entfällt aber durch die zunehmende Digitalisierung immer häufiger die Notwendigkeit der Fixierung und Vervielfältigung durch das anbietende Unternehmen. Die Produktion kann dann als die Digitalisierung der Inhalte verstanden werden. Diese können dann mittels Übertragungsmedien und unabhängig von einem bestimmten Trägermedium vermarktet und distribuiert werden (z.B. auf Musik- oder Filmdownload231 plattformen). Bei der Verwendung von Übertragungsmedien wie Rundfunk, Online oder Fernsehen können Produktion und Distribution der Medienprodukte zusammenfallen (z.B. bei Live-Sendungen wie Sportereignissen, Nachrichten oder TV-Shows). Generell umfasst die Distribution alle Aktivitäten, die im Zusammenhang mit dem physischen und nicht-physischen Transport bzw. der Übertragung von Medienprodukten zum Konsumenten stehen. Zentrale Dimensionen der Distributionsausgestaltung sind die Absatzwegepolitik bzw. Distributionssystemgestaltung (direkter
230 231
Vgl. Hass (2002), S. 19. Zu weiteren Aspekten der Produktion in Medienunternehmen wie Produktionsfaktoren, Faktoreinsatz und Ausbringungsmenge sowie Lagerung vgl. ausführlich Schumann/Hess (2002), S. 63ff.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
89
vs. indirekter Vertrieb mit ein- oder mehrstufigen Zwischenhandelsstufen) 232, die Logistik (u.a. der Einsatz geeigneter Transport- und Übermittlungstechniken) und die Distributionsart (intensiv, selektiv oder exklusiv).233 Für Medienunternehmen eröffnet zudem die Nutzung verschiedener Distributionskanäle die Möglichkeit, die unterschiedlichen Präferenzen und Zahlungsbereitschaften der Konsumenten besser zu bedienen bzw. abzuschöpfen. Während die Medienprodukte beim Windowing zeitlich versetzt distribuiert werden, erfolgt beim Versioning eine Differenzierung hinsichtlich bestimmter Eigenschaften wie Aktualität, Funktionsumfang, Zusatznutzen oder Geschwindigkeit.234 Die Verfügbarkeit oder die Kontrolle über die Distributionskanäle und die Übertragungswege stellt daher für Medienunternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar. Ein Indiz dafür ist, dass in den letzten Jahren in Deutschland insbesondere der Wettbewerb um die Übertragungswege bzw. -medien zugenommen hat.235 Ein zentraler Bestandteil des Marketings ist der Aufbau und die Pflege der Marke. Medienmarken erfüllen sowohl für Konsumenten als auch für Werbekunden eine Reihe von wichtigen Funktionen. Starke Medienmarken können auch für die Diversifikation des Produktportfolios genutzt werden, um neue Zielgruppen anzusprechen. Die zahlreichen BILD-Ableger (Sport Bild, Computer Bild etc.) des Axel Springer Verlages verdeutlichen die möglichen Potenziale für solche Markentransfers. Die Interaktion mit dem Kunden, hier verstanden als Konsument und Werbekunde, umfasst zum einen Maßnahmen zur Betreuung und Bindung von bestehenden Kunden. Dies beinhaltet zum Beispiel auch sogenannte Up-selling Aktivitäten, d.h. dem Kunden weitere Produkte oder Services anzubieten (z.B. Bezug weiterer Programmpakete im Pay-TV oder neue Werbeformate in Form von integrierten Werbe- und Showveranstaltungen). Der Bedarf des Kunden soll also nicht nur gedeckt, sondern auch 232
233 234 235
Im Zeitungssegment konzentriert sich die Distribution zum großen Teil auf die Zustellung an den Abonnentenstamm mittels eines eigenen Zustellsystems bzw. per Post und auf die Pressegrossisten für den Einzelhandelsverkauf (Kioske und Buchläden). Für einen grundlegenden Überblick über die Distributions- und Logistikbedingungen in ausgewählten Mediensegmenten sei auf Swoboda/Schwarz (2003), S. 768ff. verwiesen. Vgl. Swoboda/Schwarz (2003), S. 765ff. Vgl. Wirtz (2005), S. 125 und Swoboda/Schwarz (2003), S. 781ff. In dieser Wettbewerbsarena spielen neben den Medienunternehmen auch Kabel-, Satelliten- und Mobilfunknetz- und Breitband-Betreiber eine wichtige Rolle. Zum einen sind diese „Carrier“ von den Medienunternehmen abhängig, da sie möglichst viele attraktive Inhalte benötigen, damit sich die Konsumenten für ihre Übertragungswege entscheiden und so die Netze entsprechend ausgelastet und rentabel sind. So verhandeln zum Beispiel die Kabelnetzbetreiber mit den Fernsehanstalten über das Einspeisen ihrer Pogramme in ihre Netze. Andererseits treten sie aber in Konkurrenz zu den Medienunternehmen auf, wie der Erwerb von attraktiven Inhalten (z.B. Fußball-Fernsehrechte) zeigt.
90
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
gesteigert werden. Zum anderen gilt es für Medienunternehmen, die Ansprache und die Akquisition von neuen Kunden voranzutreiben. Obwohl in einigen Unternehmen das Kundenmanagement bereits weit vorangeschritten ist, lässt sich das Ausmaß und die Professionalität der Aktivitäten in der Kundeninteraktion industrieweit gegenwärtig trotzdem als eine „slow transition from administering to customer relationship management“ (Aris/Bughin 2005, S.10) charakterisieren.236 In dem Wertschöpfungsmodell für Medienunternehmen (siehe Abb. II-3) soll auch die Konsumtion durch den Rezipienten als Bestandteil der Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. Der Mediennutzer ist nicht nur „Ziel aller wertschöpfenden Tätigkeiten der Anbieter“ (Zerdick et al. 2001, S. 32), sondern auch mitunter Beteiligter beim Produktionsprozess. Insbesondere der bereits beschriebene Dienstleistungscharakter von Mediengütern hat den Einbezug des Konsumenten als externer Faktor in den Prozess der Leistungserstellung zur Folge. Der Konsument wandelt sich zu einem sogenannten „Prosumenten“.237 Ferner besteht die Möglichkeit, dass Teilprozesse vom Unternehmen zum Kunden ausgelagert werden. Dies reicht von der Erstellung von Inhalten (im Falle von Weblogs) bis hin zur Auswahl und technischen Produktion von Medienprodukten (z.B. das Herunterladen von Musikstücken von Online-Plattformen und das anschließende Brennen auf den physischen Datenträger CD). Dies führt letztendlich dazu, dass „(...) die Grenzen zwischen Medienunternehmung und Mediennutzer nicht länger fix vorgegeben [sind], sondern strategische Gestaltungsvariable im Rahmen der Wertschöpfungsstruktur als Teil des Geschäftsmodells [sind]“ (Hass 2002, S. 21).
Die hier aufgeführten Charakteristika der medialen Wertschöpfungsketten treffen allerdings nicht auf alle Mediensegmente in gleichem Ausmaß zu, da sich die Medien bisweilen erheblich unterscheiden.238 Dies führt auch dazu, dass an die Markenführung von Medienprodukten unterschiedliche Anforderungen unter Berücksichtigung der einzelnen Mediensektoren zu definieren sind. Im Folgenden werden nun die markenrelevanten Überlegungen hinsichtlich der medialen Wertschöpfungskette vertieft. 236
237 238
Vgl. ebenso Krafft/Götz, die im Hinblick auf den deutschen Fernsehmarkt konstatieren: „Die untersuchten Sender sowie Vermarkter wenden nur in geringem Umfang systematisch CRM-Programme an. Dennoch werden sowohl für Werbekunden als auch Rezipienten Kundenbeziehungsstrategien für einzelne Kundensegmente entwickelt“ (Krafft/Götz 2003, S. 359). Vgl. Toffler (1980). Für den Musikbereich vgl. Wirtz/Vogt/Flothmann (2003) und Ringlstetter et al. (2005), für das Zeitschriften- und Zeitungssegment vgl. Keuper/Hans (2003), für das Internet- und Multimediamanagement vgl. Holtrop (2003) und Albers/Panten/Schäfers (2003).
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
(3)
91
Marken in den verschiedenen Stufen der medialen Wertschöpfungskette
Marken sind in den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette von Medienunternehmen anzutreffen. Sie nehmen dabei unterschiedliche Rollen für die Marktteilnehmer ein. Anhaltspunkte für eine Analyse der Medienmarken liefert dazu die Wertschöpfungskette der Medienindustrie bzw. der einzelnen Mediensegmente (siehe Abbildung II-6).
Information- und Inhaltebeschaffung Werbe- und Anzeigenakquisition
Inhalteproduktion und -aggregation Werbe- und Anzeigenabwicklung
Distribution Paketierung der Produkte
Autorenmarken (Rowling, Mankell)
Hörfunkmarken (WDR, Energy)
Personenmarken (Günther Jauch, Madonna)
Labelmarken (EMI, Blue Note)
MarkenTV-Beiträge (SternTV, SpiegelTV)
Markeninhalte (dpa, Reuters) Syndizierter Markeninhalt (Handelsblatt-Ticker)
TV-Sender-Marken (ARD, ZDF, RTL) Programm-Marken (heute, Wer wird Millionär)
Technische Produktion
Marketing und Kundeninteraktion
Produktionsunternehmen (Constantin)
Kabelnetzbetreiber (Kabel Deutschland, Unitymedia)
Filmstudios (Universal, MGM)
Portalmarken (Yahoo, Google)
Technische Dienstleister (THX)
Endgerätehersteller (Apple, Sony)
Zeitschriftenmarken (GEO, Wirtschaftswoche) Zeitungsmarken (FAZ, BILD, Die Zeit)
Abbildung II-6: Medienmarken entlang der Wertschöpfungskette (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Wertkette von Wirtz 2005, S. 51)
Bei der Beschaffung von Inhalten und Informationen zur Generierung von Medieninhalten können eine Vielzahl an Marken identifiziert werden. So liefern Medienunternehmen „Markeninhalte“ an andere Medienunternehmen in Form von Zeitungsbeiträgen (z.B. Reuters, dpa-Meldungen), TV- und Hörfunksendungen und Internetauftritten. Im TV-Bereich fallen darunter Fremdproduktionen von Formaten wie die Sendungen SternTV oder FocusTV sowie syndizierte Inhalte, die zum Teil mit der entsprechenden Marke verwendet werden (z.B. Handelsblatt-Ticker). Darüber hinaus stellen prominente Personen wie bekannte Autoren, Schauspieler, Moderatoren oder Musiker Marken dar, die als Stand-alone-Marke (z.B. „Superstars“ wie Madonna und die Rolling Stones) oder im Rahmen einer Markenkoppelung mit anderen Medienmarken agieren (z.B. Günther Jauch als Moderator in dem Format „Wer wird
92
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Millionär“). Die Produktion und Aggegration von Inhalten erfolgt vornehmlich in den Redaktionen von Medienunternehmen und in Produktionsgesellschaften. In Verbindung mit der Beschaffung von Inhalten entsteht in diesem Zwischenschritt der Inhalt des Medienprodukts, der ein konstitutives Element der Medienmarke darstellt. In der Regel bleiben auch die Marken aus dem Beschaffungsprozess in dem Endprodukt erhalten bzw. sind die conditio sine qua non für die Marke (z.B. im Falle von Autoren oder Musikern). Markeninhalte (z.B. von Reuters oder dpa) können hingegen im Sinne eines Vorprodukts im Fertigprodukt nicht mehr identifizierbar sein. Resultat des Packaging bzw. der Paketierung (Zusammenstellung und redaktionelle Bearbeitung der Mediengüter) sind markierte Leistungen, die zur Entstehung von Zeitungs-, Zeitschriften-, TV-, TV-Format-, Hörfunk-, Musiklabel- und Internetmarken führen. In der technischen Produktion erfolgt die physische und nicht-physische Herstellung der Medienprodukte und bestimmt damit die Erscheinungsform der Marke. Markencharakter weisen mitunter Produktionsunternehmen (u.a. Endemol) und Filmstudios (u.a. Universal oder Constantin) oder technische Dienstleister auf. Obwohl letztere primär im B2B-Bereich agieren, ist festzustellen, dass sich z.B. in der Filmindustrie diese Unternehmen mitunter auch beim Konsumenten positionieren (z.B. Hinweis auf verwendete Soundstandards bei Kinofilmen). Bei der Distribution spielen insbesondere IuK-Unternehmen eine Rolle, die mitunter selbst Mediengüter erstellen bzw. in enger Verknüpfung mit ihren Produkten distribuieren (z.B. Apple oder Sony). Darüber hinaus sind zu dieser Stufe der Wertschöpfung die Marken der Internet-Portalanbieter (z.B. Google oder Yahoo!) und der Kabelnetzbetreiber (z.B. Kabel Deutschland oder Unitymedia) hinzuzurechnen. Die Existenz von Medienmarken entlang der Wertschöpfungskette hat für Medienunternehmen unterschiedliche Implikationen. Insbesondere im Buch-, Musik und Filmbereich müssen die Unternehmen ggf. darauf achten Marken in Form von profilierten Autoren, Regisseuren, Schauspielern oder Musikern bei der Produkterstellung miteinzubeziehen. Im Belletristik-Bereich ist die „Marke“ Autor bei der Auswahl seitens des Konsumenten entscheidender als die Marke des Buchverlages. Im Ratgeber- und Fremdsprachenbereich hingegen ist die Relevanz von Verlagsmarken wesentlich höher (z.B. GU und Langenscheidt). Im Zeitschriften- und Zeitungsbereich überwiegen in der Regel die Format- die Autorenmarken, d.h., wer die Inhalte letztendlich erstellt, ist für den Leser relativ nachrangig. Ausnahmen bilden aber zum Beispiel Formate, die sich auf prominente Personen in ihrer Berichterstattung fokus-
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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sieren (wie z.B. die People-Magazine Gala oder Bunte). Hier spielt der Inputfaktor Prominenz in Form von Bildern, Interviews und Berichten eine entscheidende Rolle. Allerdings ist auch in der Wirtschaftspresse der Trend festzustellen, dass die Marke Mensch (in diesem Fall bekannte Unternehmenslenker) gezielter eingesetzt wird, um die Zeitschriftenmarke entsprechend zu positionieren bzw. emotional aufzuladen.239 Im TV-Bereich ist oftmals ein Dreiklang von TV-, Format- und Moderatorenmarke festzustellen. Allerdings ist dieser Dreiklang nicht immer ausgewogen, da die Formatmarke (z.B. die Marke Sportschau) oder die Moderatorenmarke (z.B. die Marke Thomas Gottschalk bei Wetten dass …?) markenprägend wirken. Besonders ausgeprägt ist die Koppelung von Format- und Moderatorenmarke, wenn die Sendungen den Namen des Moderators selbst tragen (z.B. Beckmann, Johannes-B.-KernerShow, Harald-Schmidt-Show). Des Weiteren ist festzuhalten, dass viele Marken sich mittlerweile über mehrere Mediengattungen bzw. Kanäle (Print, Online, Mobil etc.) erstrecken, was treffend durch den Slogan einer Wirtschaftszeitung (Financial Times Deutschland) „one brand all media“ beschrieben werden kann. Herausforderungen für die Führung dieser crossmedialen Medienmarken sind insbesondere die Koordination unterschiedlicher Verantwortungsbereiche in mehreren Medienkanälen, die Sicherung der Qualitätskonstanz sowie die Kongruenz und Konsistenz der Markenidentität. 240 Dies impliziert zum einen die entsprechende (Re-) Konfiguration der Organisationsstruktur und der Wertkette und zum anderen die jeweils medienspezifische Deklination der Markenattribute. Für Zeitungen hat dies u.a. folgende Implikationen: Da Textbeiträge für den Internetauftritt aktueller und kürzer gefasst sein müssen, ist der Duktus der Printausgabe nicht immer übertragbar. Dies führte dazu, dass Online- und Printredaktionen in der Regel als organisatorisch und personell getrennte Einheiten geführt werden. Das Internet eröffnet vielfältige Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion mit den Konsumenten (im Fall von Zeitungen z.B. der Einbezug von Ton- und Bildbeiträgen sowie Diskussionsforen und personalisierte news alerts) und zwischen den Konsumenten, die ebenfalls markenprägend bzw. -konstituierend wirken können.241 Grundsätzlich gilt daher, dass der 239 240 241
Vgl. hierzu ausführlich die empirische Untersuchung bei Ringlstetter et al. (2007). Vgl. Caspar (2002), S. 18ff. Hierbei handelt es sich u.a. um die sogenannten (virtuellen) brand communities, d.h. eine Plattform für die Kommunikation und Interaktion zwischen den Markennutzern untereinander und mit dem Unternehmen. Empirische Befunde belegen die Bedeutung von brand communities für den Markenerfolg hinsichtlich Loyalität und Weiterempfehlungsverhalten. Vgl. Algesheimer/Herrmann (2005).
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
„Internetauftritt einer Marke (…) kein Selbstzweck [ist]. Vielmehr dient die Internetpräsenz dem Aufbau und der Stärkung der Marke. Bei dem Konsumenten sollen klare, präferenzbildende Gedächtnisstrukturen und Vorstellungsbilder zur Marke entstehen“ (Esch et al. 2005, S. 675).
Jenseits der vertikal und/oder horizontal integrierten Unternehmen sind in der Medienbranche auch Wertschöpfungsnetzwerke anzutreffen, in denen verschiedene Stufen der Wertkette der Partnerunternehmen involviert sind. Sind Marken der Ausgangspunkt für die Etablierung solcher Wertschöpfungsnetzwerke, können diese auch als „Netzwerkmarken“ bezeichnet werden.242 Aus Marketingsicht sind die zentralen Ziele von Netzwerkmarken zum einen die Realisierung von Kostensenkungs- bzw. Synergiepotenzialen durch die Kombination der entsprechenden Wertschöpfungsstufen bzw. -ketten, in denen die Partner über die größte Kompetenz verfügen (z.B. Outsourcing von redaktionellen Beiträgen oder Produktion von Merchandisingartikeln). Zum anderen können neue Absatzmärkte auf Basis von Markenlizenzierungen, Franchising oder Markenallianzen erschlossen werden. Bei der Lizenzierung räumt der Inhaber einer Marke einem anderen Unternehmen das Recht ein, die Marke für seine Produkte zu benutzen.243 Dies kann sich zum einen auf neue Produkte beziehen, die der Inhaber nicht selbst erstellt bzw. vermarktet, wie z.B. bei Merchandisingartikeln der Marken „Harry Potter“ oder „Herr der Ringe“ (Markenerweiterung). Zum anderen werden im Rahmen von Internationalisierungsstrategien von Zeitschriften deren Markenrechte an Lizenznehmer vor Ort lizenziert wie im Falle der GEO-Lizenzausgaben in Korea und Japan (Markterweiterung).244 Während es sich bei Markenlizenzierungen und Franchising typischerweise um vertikale Netzwerke handelt, kennzeichnet die Markenallianz eine horizontale Netzwerkbeziehung, in der zwei profilierte Marken gebündelt werden. Typische Beispiele aus dem Medienbereich sind u.a. die DVD-Reihen von FAZ und BBC (Tierfilme) und FAZ und Spiegel (Deutsche Geschichte) sowie das PONS-Fußballwörterbuch (PONS und Süddeutsche Zeitung). Die portfoliofremde Marke fungiert als „strategischer Endorser“, um deren
242 243 244
Stellvertretend hierfür die Einschätzung von Muniz/O’Guinns: „developing a strong brand community could be a critical step in truly actualizing the concept of relationship marketing. A strong brand community can lead to a socially embedded (…) loyalty, (…) even hyper-loyality” (Muniz/O’Guinn 2001, S. 427). Vgl. Esch/Langner (2005), S. 430. Zu den strategischen Aspekten und den Grundformen der Markenlizenzierung vgl. Binder (2005), S. 523ff. Vgl. Althans/Brüne (2005), S. 683. Die Lizenzvereinbarung für Japan lief jedoch aufgrund von Qualitätsmängeln im Jahre 1998 aus.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
95
Stärke (Bekanntheit und Image) für die eigene Markenpositionierung zu nutzen und als „strategischer Enabler“, um Zugang zu neuen Kundengruppen zu erhalten.245 Als Fazit ist festzuhalten, dass die Festlegung der Wertschöpfungskette von Medienunternehmen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Eine zentrale Gestaltungsvariable sind hierbei die Marken. Die Auswirkungen der Ausgestaltungsentscheidungen haben sowohl Einfluss auf die unternehmensinternen als auch auf die marktlichen Gegebenheiten und determinieren mitunter die Rahmenbedingungen des jeweiligen Marktes. Allerdings üben natürlich auch die Marktstrukturen und das Marktverhalten wesentlich Einfluss auf die Entscheidungen der Unternehmen aus. Zudem können Veränderungen in dem Umfeld der Unternehmung ebenfalls zu einem Überdenken der fokalen Wertschöpfungsstruktur und Markenarchitektur führen.246 Diese Veränderungen wirken sich natürlich auch auf das Produkt- und Leistungsspektrum, das Erlösmodell und die Kostenstruktur aus. Letzterer Aspekt des Geschäftsmodells von Medienunternehmen soll nun im abschließenden Abschnitt dieses Kapitels näher untersucht werden.
II.1.4
Kostenstrukturen
Die Kostenstrukturen von Medienprodukten weisen eine Reihe von Besonderheiten auf. Im Folgenden sollen zunächst die Charakteristika der Kostenstrukturen und deren Auswirkungen auf das Geschäftsmodell erörtert werden (1). Eine Auseinandersetzung mit den aktuellen Herausforderungen für die Kostenseite von Medienunternehmen rundet dieses Teilkapitel ab (2).
(1)
Das Zusammenwirken von First-Copy-Costs und Größenvorteilen
Medienunternehmen sind in der Regel durch ein hohes Fixkostenniveau geprägt. Insgesamt stellen die fixen Kostenblöcke den größten Anteil an den Gesamtkosten von Medienunternehmen dar.247 In der Medienbranche werden diese Kosten, die im Rahmen der Erstellung des „ersten Exemplars anfallen bzw. notwendig sind, üblicherweise 245 246 247
Vgl. Esch/Langner (2005), S. 441. Siehe Kap. I.1.3. Der Fixkostenanteil liegt bei Zeitungsverlagen bei rund 50 Prozent und bei Zeitschriftenverlagen bei rund 65 Prozent. Bei Rundfunk- und Online-Unternehmen sind in der Regel 90 Prozent der Kosten unabhängig von der Ausbringungsmenge. Vgl. Zerdick et al. (2001), S. 165ff. und Schumann/Hess (2002), S. 69. Wirtz (2005) errechnet einen durchschnittlichen Prozentsatz von 58 Prozent über alle Medienbranchen. Vgl. ausführlich Wirtz (2005), S. 72.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
durch den Begriff der sogenannten „First-Copy-Costs“ charakterisiert.248 Sie sind unabhängig von der späteren Ausbringungsmenge bzw. Anzahl der Rezipienten. Die einzelnen Bestandteile der First-Copy-Costs sind medienspezifisch. Während in allen Medienbranchen die Kosten für die Contenterstellung, d.h. das Konzipieren eines Prototyps (z.B. für eine Zeitungs- oder Buchausgabe), die Verwaltung und das Marketing darin enthalten sind, werden in einigen Medienbranchen darüber hinaus noch die Kosten für die Werbeakquise (Zeitung und Zeitschriften) und Lizenzkosten (Videound Computerspiele) miteinbezogen.249 Das Vorhalten einer personellen Infrastruktur verdeutlicht die Unabhängigkeit der Faktoreinsätze von der Ausbringungsmenge, denn die Quantität und Qualität der Redakteure sind unabhängig von der Anzahl der Zeitungsleser oder Fernsehzuschauer. Allerdings kann diese Unabhängigkeit nur von kurzfristiger Natur sein. So erfordert eine Ausweitung des inhaltlichen Angebots oder der Reichweiten (z.B. beim Kabel) zusätzliche Investitionen in personelle oder technische Kapazitäten.250 Die getätigten Investitionen für die Erstellung der ersten Exemplars (bzw. Originals) können auch „sunk costs“ darstellen, da sie in der Regel irreversibel sind, d.h. im Misserfolgsfall nicht mehr anderweitig verwertet werden können. Hohe First-CopyCosts können als Markteintrittsbarrieren wirken, da potenzielle Wettbewerber das Risiko hoher Investitionen scheuen. Verstärkt wird dieser Effekt der „Abschreckung“ durch die Kostendegressionsvorteile der etablierten Anbieter. Deren große Produktionskapazitäten ermöglichen hohe Stückzahlen mit geringen Durchschnittskosten, welche die neuen Anbieter ebenfalls erreichen müssten, um keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden. Die ökonomische Logik für dieses Phänomen wird im Folgenden näher erläutert werden. In der Medienindustrie hat die ausgeprägte Fixkostendominanz bzw. Existenz der First-Copy-Costs zu einer starken Fokussierung auf die Realisierung von Economies of Scale (Skaleneffekte) und Economies of Scope (Verbundeffekte) geführt.251 Auswirkungen dieser Effekte sind zum einen die Senkung der Gesamtkosten (und ins-
248 249 250
251
Vgl. Shapiro/Varian (1999) sowie Wirtz (2005), S. 72. Das erste Exemplar ist in diesem Sinne das Original von dem anschließen die Kopien angefertigt werden. Vgl. Wirtz (2005), S. 73. Da die Erhöhung des Faktoreinsatzes also nicht proportional, aber durchaus in gewissen Stufen zur Ausbringungsmenge bzw. Nutzeranzahl ansteigt, spricht man von sprungfixen Kosten. Vgl. Schumann/Hess (2002), S. 66f. Für grundlegende Erläuterungen des Konzepts der Economies of scale und scope vgl. Pratten (1988) und Jackson (1998).
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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besondere der First-Copy-Costs) und zum anderen das Erzielen von signifikanten Fixkostendegressionseffekten. Eine Reduzierung der First-Copy-Costs gelang durch die Erzielung von Verbundeffekten, indem z.B. im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen zahlreiche Aktivitäten (z.B. im TV der Lizenzhandel, die Werbezeitenvermarktung oder das Rechnungswesen) zusammengelegt wurden. Im Falle von ProSiebenSat1. gehen Experten davon aus, dass der Wert des Konzerns in seiner Gesamtheit höher ist, als die mögliche Summe der einzelnen Sender, da erhebliche Synergieeffekte im Konzern wirken.252 Charakteristisch für die gesamte Medienindustrie ist das Zusammenwirken von „First-Copy-Costs“ und Economies of scale. So erzielte man enorme Skaleneffekte durch die Ausweitung der Produktionsvolumina. Grundlage hierfür ist, dass für die Produktion des ersten Exemplars zwar hohe Kosten anfallen, aber die Reproduktion von Medienprodukten aufgrund der geringen variablen Kosten relativ günstig ist. Durch die starke Erhöhung von Stückzahlen kam so eine überproportionale bzw. „dramatische“ Kostendegression mit rapide sinkenden Durchschnittskosten zustande (siehe Abbildung II-7).
Kosten pro Seite/Minute TV-Shows, Kinofilme FirstCopyCosts
Zeitung, Zeitschriften Leser/ Zuschauer
Abbildung II-7: Nachfrage- und Kosteneffekte in der Medienindustrie (Quelle: in Anlehnung an Wirtz 2005, S. 33) 252
Vgl. Busse (2006). Allerdings spielt die Größe allein nicht immer die ausschlaggebende Rolle, wofür die erfolgreichen Nischenanbieter nicht nur in der Medienindustrie ein eindrucksvoller Beleg sind. So gelang es Apple auf dem MP3-Player Markt bislang, die großen Unterhaltungsgiganten auszustechen. Vgl. Kröger/Vizjak/Ringlstetter (2006), S. 128.
98
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Während bei klassischen Gütern die Durchschnittskosten ab einer bestimmten Produktionsmenge wieder ansteigen (U-förmiger Verlauf der Produktions- und Durchschnittskostenfunktion), gilt diese Gesetzmäßigkeit bei Medienprodukten nur sehr eingeschränkt, d.h., mit zunehmender Menge sinken die Kosten pro Stück in der Regel weiter.253 Die Intensität der jeweiligen First-Copy-Costs-Effekte wird dabei durch den medienspezifischen Anteil der Fixkosten beeinflusst. In einigen Segmenten der Medienindustrie ist die Möglichkeit zur Nutzung von Skaleneffekten – nicht zuletzt auf Grund existierender bzw. zunehmender Digitalisierung der Produkte – prinzipiell besonders groß, da die Kosten der Reproduktion sehr gering sind. Allerdings gilt das Primat der Stückkostendegression nicht in allen Mediensegmenten. Vielmehr kann die Höhe der Kosten Einfluss auf die Anzahl der potenziellen Zuschauer haben: „The cost of producing a television program is independent of the number of people who will eventually see it. The production cost, however, may very well influence how many people will want to see it” (Owen/Wildman 1992, S. 57).
Empirische Studien deuten darauf hin, dass im Fernsehbereich und bei der Produktion von Spielfilmen mitunter eine positive Korrelation zwischen der Höhe der Produktionskosten und der Höhe der „audience“ festzustellen ist (in Abbildung II-9 durch die gestrichelte Kostenkurve angedeutet).254 Dieses scheinbare Paradoxon wird dadurch erklärt, dass für die Ansprache bestimmter Zielgruppen gewisse Produktionsfaktoren notwendig sein können, die per se sehr kostenintensiv sind (z.B. aufwendige Spezialeffekte) oder einen gewissen Marktwert besitzen. So spielen Personen-Marken wie Stars oder Prominente eine wichtige Rolle, um die Aufmerksamkeit der potenziellen Zuschauer zu erregen. Natürlich garantieren diese Stars nicht immer hohe Zuschauerzahlen, allerdings haben sie einen Einfluss auf eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit der Produktion. Im Umkehrschluss könnte dies bedeuten, dass auch im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich eine positive Korrelation zwischen Produktionskosten und Leserzuspruch denkbar ist. D.h. für die Gewinnung einer größeren Leserschaft ist es erforderlich, die Seiten aufwendiger zu gestalten (z.B. sehr hohe Papierqualität oder kostspieliger Content), was letztendlich zu steigenden Kosten pro Seite führt.
253 254
Vgl. Brack (2002), S. 30. Vgl. Bourreau/Gensollen/Perani (2002) für französische TV-Shows sowie Ravid (1999), Litman (1983) und Litman/Kohl (1989) für amerikanische Kinofilme.
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In der Medienbranche gibt es die Besonderheit, dass die Kosten nicht nur durch den Verkauf der Medienprodukte erwirtschaftet werden. Während im Zeitungs- und Magazinmarkt neben den Auflageerlösen zusätzlich Werbeeinnahmen wesentlich zur Kostendeckung und Gewinnerzielung beitragen, erfolgt dies im Musik- und Buchmarkt nahezu ausschließlich über den Absatzpreis der Produkte. In der Musikindustrie führte das zum Beispiel in der Vergangenheit dazu, dass das Erreichen einer gewissen Profitabilität von nur wenigen besonders erfolgreichen „Hits“ bzw. Künstlern abhängig war. Dadurch wurde eine Vielzahl (rund 90 Prozent!) an weniger erfolgreichen Musikprojekten mitfinanziert. Generell gilt: Während bei Flops die FirstCopy-Costs im Sinne von sunk costs erhalten bleiben, können diese bei Hits durch die Nutzung von Skaleneffekten und den geringen Vervielfältigungskosten „amortisiert“ werden.255.
(2)
Implikationen für die Kostenstrukturen von Medienunternehmen
Die ausgeprägte Fixkostendominanz in Medienunternehmen führt, wie bereits oben erläutert, aufgrund der Fixkostendegressionseffekte zu einer stetigen Senkung der Stückkosten mit zunehmender Ausbringungsmenge. Dieser für Medienunternehmen „ökonomisch erfreuliche Umstand“256 kann aber durchaus auch problematisch sein. Zum einen beeinflusst das Marktgeschehen die Mengen- und Preisentwicklung. So kann erstens die absetzbare Menge zu klein sein, um die notwendigen Kostendegressionseffekte zu erzielen. Zweitens kann der erzielbare Verkaufspreis zu gering sein, um die (fallenden) Stückkosten zu decken. Wenn keine Querfinanzierung (z.B. durch Werbeeinnahmen) möglich ist, kann das Produkt nur mit Verlust verkauft werden. Zudem kann die Abhängigkeit von der Querfinanzierung für viele Zeitungen und Magazine gerade in konjunkturell schwachen Phasen (Rückgang der Werbeausgaben) finanzielle Engpässe nach sich ziehen. Drittens können beide Phänomene gleichzeitig vorliegen. Zum anderen können technologische Veränderungen die Produktionsvorteile von Medienunternehmen bei der Vervielfältigung bedrohen. Dies kann dazu führen, dass die Kosten und die Komplexität für die Erstellung einer Kopie für den Endverbraucher 255
256
Vgl. Köhler (2002), S. 23. Demzufolge können die Kosten für den „Produktprototypen“ (First-Copy) als relativ charakterisiert werden, da ihre Höhe in Relation zum Umsatz zu setzen ist. Ein absolut hoher Kostenaufwand für eine Neuerscheinung ist durchaus ökonomisch sinnvoll, wenn mit entsprechend hohen Einnahmen gerechnet werden kann. Ludwig (2003), S. 198.
100
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sinken. Generell bestehen auch in anderen Industriezweigen (wie z.B. Pharma, Halbleiter, Automobil etc.), die durch hohe relative First-Copy-Costs geprägt sind, hohe Hürden für eine Duplizierung von Produkten. Die Güter werden in der Regel sowohl durch rechtliche (z.B. Patentschutz) als auch durch technische und ökonomische Mechanismen geschützt. In der Vergangenheit galten diese Schutzmechanismen auch in den Mediensegmenten Musik oder Filme. Im Musikbereich ist die Erosion dieser Schutzmechanismen hingegen schon am weitesten vorangeschritten.257 Die niedrigen Produktionskosten (CD- und DVD Rohlinge) und Technologiekosten (Brennerhardware) sowie geringen Transaktionskosten (einfache Suche und Abwicklung über P2P-Systeme und schnelle sowie kostengünstige Downloadmöglichkeiten) führten dazu, dass für den Konsumenten gleichzeitig die Kosten und die Komplexität einer Kopieerstellung stark gesunken sind. Dies führte in den betroffenen Mediensegmenten sowohl für die Unternehmen als auch für die Konsumenten zu einem Dilemma: Im Hinblick auf die kreative Schaffung von Inhalten und der Erstellung der ersten Kopie sind die Konsumenten größtenteils nämlich weiterhin auf die Medienindustrie angewiesen. Allerdings haben die Medienunternehmen im Bereich der Trägermedien ihrer Schlüsselstellung als kostengünstiger Produzent und „Bundler“ eingebüßt. Die sogenannte Industrie-Napsterisation Matrix (siehe Abbildung II-8) veranschaulicht zusammenfassend die Bedrohungssituation und das Bedrohungspotenzial in einigen Mediensegmenten aus Sicht der Unternehmen.258 Die momentane „Kostenpositionen“ der Segmente werden in der Matrix anhand der zwei Dimensionen „relative First-Copy-Costs“ sowie „Kosten und Komplexität der Kopie für Endverbraucher“ bestimmt.
257
258
Allerdings bestand in der Medienbranche schon immer das große Problem der Nachahmung. Während sich Marken wirkungsvoll schützen ließen, sind der Nachahmung von erfolgreichen Konzepten nahezu keine Grenzen gesetzt. So folgten viele Zeitschriftenverlage der Idee des Pocketformats und auch die Talentshows wurden von vielen Sendern kopiert. Vgl. ausführlich Ringlstetter et al. (2005), S. 108f.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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hoch
Movie
Musik
Handel
Games Movie
Print
Relative First-Copy-Costs
Musik
Games Pharma Automobil
Lebensmittel
niedrig niedrig
Legende:
„heute“
Kosten & Komplexität der Kopie für Endverbraucher
hoch
„früher“
Abbildung II-8: Industrie-Napsterisation Matrix (Quelle: verändert aus Ringlstetter et al. 2005, S. 108)
Insbesondere die markierten Beispielssegmente haben in den letzten Jahren eine Erosion ihrer „Kostenposition“ hinnehmen müssen, da sich die „Kosten“ der Endverbraucher aufgrund der radikalen Markt- und Technologieveränderungen zu ihren Ungunsten sehr stark reduziert haben (im Sinne einer horizontalen Linksverschiebung in der Matrix). Da die Konsumenten aufgrund der günstigen Kosten-Komplexitätssituation die Kopien in steigendem Maße selbst erstellten, kam es zum Beispiel in der Musikindustrie zu einem dramatischen Rückgang der Absatz- und Umsatzzahlen. Dies führt letztendlich dazu, dass die „Amortisierung“ der hohen First-Copy-Costs für die Musikindustrie immer schwieriger oder sogar nahezu unmöglich geworden ist (Vertikalverschiebung nach oben in der Matrix durch die gestiegenen relativen First-CopyCosts). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Folgen der verschlechterten Kostenposition gegenüber den Konsumenten eine relative Erhöhung der First-CopyCosts auf Seiten der Medienunternehmen induzierte. Die am stärksten betroffenen Mediensegmente wurden gewissermaßen über die kritische „Kostengrenze“ hinweg-
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
bewegt bzw. „-gedrängt“, was die Fortführung des momentanen Geschäftsmodells gefährdet.259 Neue technologische Entwicklungen können aber auch erhebliche Vorteile für Medienunternehmen nach sich ziehen. So zum Beispiel die Mehrfachverwertung von Inhalten, die zum einen die Möglichkeit eröffnet, neue Erlösquellen zu erschließen. Zum anderen können auch Kostensynergien durch eine Mehrfachverwertung der FirstCopy realisiert werden. So stellen Hess/Schulze (2004) fest: „Der ‚First-Copy-Cost’-Effekt begünstigt die Mehrfachverwertung von Inhalten, da eine Steigerung der Ausbringungsmenge auf Baustein- und/oder ‚First-Copy‘-Ebene zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil in Form von Kosteneinsparungen führen kann“ (Hess/Schulze 2004, S. 45).
Die Ausführungen zeigen, dass die medienspezifischen Kostenstrukturen erheblichen Einfluss auf das Geschäftsmodell ausüben. Die hohen First-Copy-Costs können dabei bei Veränderungen der marktlichen und/oder technologischen Rahmenbedingungen als „Fluch oder Segen“ wirken. Die Kostenstruktur kann einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil hervorrufen. Um die Möglichkeiten der Optimierung der medialen Wertschöpfungskette und Kostenstruktur auszuschöpfen, können Medienunternehmen grundsätzlich Best-Practice-Beispiele aus anderen Mediensegmenten oder Industrien nutzen. Effektivität- und Effizienzsteigerungen sind hierbei sowohl bei den Standardprozessen (wie z.B. Einkauf, Produktion, Distribution etc.) als auch bei den strategisch wichtigen „Kreativprozessen (Erstellung der Inhalte) möglich. So zeigte eine Benchmark-Analyse, dass im Falle einer vergleichbaren TV-Show-Produktion ein Unternehmen 48 Mitarbeiter, das andere Unternehmen aber nur 17 Mitarbeiter benötigte.260 Mit der Wahl eines Geschäftsmodells werden, wie gerade erläutert, grundsätzliche Entscheidungen getroffen, welche die strategische Positionierung und Entwicklungsrichtung von Medienunternehmen maßgeblich bestimmen und damit letztendlich den Unternehmenserfolg beeinflussen. Grundsätzlich lassen sich dabei die drei zentralen Dimensionen Produkt- und Dienstleistungsspektrum (1), die Erlösmodelle bzw. Erlösarchitekturen (2) und die Wertschöpfungsstruktur (3) von Geschäftsmodellen unterscheiden. In allen drei Dimensionen spielen Marken eine zentrale Rolle. Marken stehen zum Beispiel für bestimmte Nutzen-, Qualitäts- oder Problemlösungsversprechen und spiegeln in gewisser Weise die value proposition der Unternehmung 259
260
In der Musikindustrie haben allerdings die Unternehmen bereits eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen, um sich in Richtung einer Kostenposition zu bewegen, welche wieder die Grundlage für ein langfristiges und überlebensfähiges Geschäftsmodell bietet. Vgl. dazu ausführlich Ringlstetter et al. (2005). Vgl. ausführlich Aris/Bughin (2005), S. 175ff.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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wider.261 Ferner können mit starken Marken zusätzliche Erlösquellen erschlossen werden (z.B. durch Markendehnungen sowie Verwertung und Lizenzierung der Rechte). In diesem Zusammenhang sollen daher folgende Forschungsleitfragenblöcke in der empirischen Erhebung auf Basis der bereits vorliegenden Ausführungen weiter analysiert werden: Forschungsleitfrage 2a: In welchem Maße stellen Marken in den Dimensionen des Geschäftsmodells von Medienunternehmen eine entscheidende Gestaltungsvariable dar? Forschungsleitfrage 2b: Wie erfolgt die konkrete Ausgestaltung und Positionierung der Medienmarken in den Geschäftsmodellen?
261
Zu den Gestaltungsoptionen des produktpolitischen Spielraums vgl. Hermann (1998), S. 458ff.
104
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
II.2
Potenziale von Medienmarken
Die Fülle an medialen Angeboten nimmt immer stärker zu. Diese Entwicklung macht die Wahrnehmung und die Auswahl der Marken für die Marktteilnehmer immer weniger überschaubar und anstrengender. Medienunternehmen müssen daher die Potenziale der Marken kennen und sie optimal ausschöpfen. Die Zielsetzung dieses Teilkapitels ist es, die Potenziale von Medienmarken aus zwei verschiedenen theoretischen Blickwinkeln zu beleuchten. Zuerst erfolgt eine aufmerksamkeitsorientierte Betrachtung von Medienmarken (II.2.1). Im Mittelpunkt steht hierbei die Rolle von Aufmerksamkeit als womöglich die neue Währung in der Medienindustrie und deren Implikationen im Hinblick auf Medienmarken. Daran anschließend werden Medienmarken aus einer ressourcenorientierten Sichtweise untersucht (II.2.2). Die strategische Ressource Marke wird als Bezugspunkt eines strategischen Markenmanagements definiert und kann somit Ausgangspunkt zum einen von Wettbewerbsvorteilen und zum anderen von synergetischer Koordination sein. Die in der Unternehmenspraxis anzutreffenden Markentransferstrategien können dann als das Ergebnis der Ausschöpfung solcher Synergiepotenziale und Wettbewerbsvorteile verstanden werden. Zum Abschluss werden die Herausforderungen für ein strategisches Management von Medienmarken thematisiert (II.2.3).
II.2.1
Medienmarken: Eine aufmerksamkeitsorientierte Perspektive
Von zentraler Bedeutung für die medienspezifische Betrachtung von Medienmarken ist das Thema Aufmerksamkeit. Der Gewinnung von Aufmerksamkeit wird nämlich aufgrund der zunehmenden Flut an Informationen und Reizen eine immer bedeutsamere Rolle zugesprochen.262 Im Folgenden ist daher zu diskutieren, ob Aufmerksamkeit tatsächlich als neue Währung in der Medienbranche gelten sollte (1). Ebenso wird untersucht, inwieweit Medienmarken Aufmerksamkeit beim Marktteilnehmer hervorrufen können (2). In der Sichtweise dieser Arbeit werden Markenwerte als der Ausdruck von gewonnener Aufmerksamkeit verstanden. Von Interesse ist daher, inwiefern Markenwerte gemessen werden können und welche Steuerungswirkungen sie für Medienunternehmen entfalten können (3). Als Abschluss des Teilkapitels werden die
262
Vgl. Rötzer (1996), Franck (1998), S. 49ff., Hickethier (2002), S. 5 und Lanham (2006), S. XI. Für eine aufmerksamkeitsorientierte Sichtweise der Unternehmung selbst und deren Implikation vgl. Davenport/Beck (2000) und Ocasio (1997).
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
105
verschiedenen Begriffsdefinitionen von Markenwerten in der Literatur dargestellt, um im Hinblick auf die Ausarbeitung einer stärker kennzahlenorientierten Steuerung von Medienmarken die Begriffsvielfalt in einem ersten Zugang zu ordnen.
(1)
Aufmerksamkeit als die „neue Währung“ in der Medienindustrie
Das Thema Aufmerksamkeit spielt bei einer medienspezifischen Betrachtung von Marken eine zentrale Rolle. Nicht der Neuigkeitswert, sondern die Kapazität zu seiner Realisierung, sprich die Ressource Aufmerksamkeit, ist zu einem knappen Gut geworden und nur etwas (z.B. eine Marke), das unsere Aufmerksamkeit erheischt, erfährt letztendlich auch eine bewusste Zuwendung. Während Rötzer (1996) Aufmerksamkeit daher als den „Rohstoff der Informationsgesellschaft“ charakterisiert, postuliert Franck (1998) die Aufmerksamkeit sogar als die neue Form der „Währung“. In seiner skizzierten ‚Ökonomie der Aufmerksamkeit‘ ist daher eine zentrale Grundidee, das Einkommen an Aufmerksamkeit über das an Geld zu stellen. 263 Das Begriffskonstrukt Aufmerksamkeit wird durch die beiden Aspekte awareness und attention konkretisiert.264 Awareness umschreibt das Bewusstsein bzw. eine Art von wachsamer Achtsamkeit, den „(…) intransitive[n] Zustand des Daseins, in dem überhaupt ein Merken, Spüren, Empfinden da ist“ (Franck 1998, S. 29).
Das zielgerichtete Fokussieren und Achtgeben charakterisiert hingegen die Attention. In diesem Sinne versteht sich Aufmerksamkeit gleichsam als Konjunktion (bzw. Verknüpfung) zwischen attention und awareness, d.h. der Prozess der selektiven Aufnahme und Verarbeitung von Informationen zeichnet sich durch einen gewissen intentionalen Bewusstheitsgrad aus.265 Aufbauend auf dem Begriff der (Selbst-)Wertschätzung nimmt Aufmerksamkeit selbst dabei auch eine psychologische Funktion an, da die Individuen von dem Verlangen angetrieben sind „eine Rolle im Seelenleben
263
264 265
Aufmerksamkeit ist in seiner Verfügbarkeit schärfer begrenzt als Geld. Daher läuft ab einem gewissen Punkt die Aufmerksamkeit dem Geld den Rang als überlegenes wichtigstes Rationierungsmittel ab. Vgl. Franck (1998), S. 50f. Vgl. Franck (1998), S. 28ff. und Eder (2002). Einfluss auf diesen Prozess nimmt freilich der Kontext, in dem sich dieser Vorgang abspielt. Dieses Prinzip der ‘situated attention’ drückt aus, dass “the focus of attention … is triggered by characteristics of the situations they [einzelne Individuen] confront themselves with, and this … directly shapes individual’s behavior. … It implies that [they] will vary their focus of attention depending on the situation, and that consistency (or variance) in attention and behavior is dependent more on consistency (or variance) in the characteristics of the situation rather than characteristics of the individuals” Ocasio (1997), S. 190.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
anderer zu spielen und in dieser Rolle zu gefallen“ (Franck 1998, S. 75). Die gesellschaftliche Wertschätzung verknüpft dabei die gegenseitigen Wertschätzungen und setzt sie miteinander in Beziehung, was letztendlich zur Herausbildung lokaler Märkte der Aufmerksamkeit führt. Aufmerksamkeit ist also nicht nur ein knappes Gut hinsichtlich der selektiven Informationsgewinnung, sondern auch ein begehrtes Gut im Hinblick auf die Zuwendung, die man von anderen Menschen oder Medien erhält. Der „Prozess der Ökonomisierung der Aufmerksamkeit“ setzt ein, sobald die lokalen Märkte der Aufmerksamkeit (z.B. Familien und Vereine) überwunden werden und die Marktwerte monetarisiert werden: „Aufmerksamkeit wird zum Synonym für den Bekanntheitsgrad und erlangt den Status einer Währung“ (Pundt 2002, S. 58).
Analog kann dieser Erklärungsansatz auf die Medienindustrie übertragen werden, in der die einzelnen Medienangebote im Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten stehen. Sie leben von der Aufmerksamkeit, die sie erzeugen. Das Primat der Aufmerksamkeitserzeugung ist daher seit jeher ein konstituierendes Merkmal der Medienindustrie. So beruht die Presseökonomie nicht nur auf dem Verkauf der Produkte an die Konsumenten, sondern auch auf der Gewinnung von Aufmerksamkeit in Form von Auflagen bzw. Zielgruppen (siehe auch analog die Einschaltquoten im TV-Bereich und die page visits oder hits im Online-Bereich). Die Leserschaft bzw. deren Interessengebiete dienen dann als wichtige Einkommensquelle durch den Verkauf von entsprechenden Anzeigen an die werbetreibende Wirtschaft. Im Internet zielt bspw. die Mehrheit der Anbieter zunächst nur auf die Aufmerksamkeit der Nachfrager ab, da die Nutzung der Angebote selbst oftmals frei ist (z.B. Online-Zeitungen, Suchdienste wie Google oder Yahoo).266 In den Fällen, in denen dann unmittelbar für Leistungen ein Entgelt zu zahlen ist (z.B. kostenpflichtige Downloadangebote bei Online-Zeitungen oder Reisen bei Reiseportalen), muss zunächst die entsprechende Aufmerksamkeit gewonnen werden. In diesem Sinne ist es nicht nur „(…) die Rolle des selektiven Rationierungsmittels, es ist auch die des begehrten Einkommens, in die die Aufmerksamkeit hineinwächst“ (Franck 1998, S. 72).
Aufmerksamkeit wird damit für Medienunternehmen quasi zur Vorsteuergröße für den betriebswirtschaftlichen Erfolg auf den Werbe- und Absatzmärkten. Grundsätzlich 266
Die werbebasierten Geschäftsmodelle stehen hierbei vor der Herausforderung, die Aufmerksamkeit der Nutzer nicht durch die Werbung zu verlieren. Dies mag paradox klingen, aber durch die HypertextEigenschaften der Werbeformen reicht ein „Klick“ aus, um die Seite zu verlassen: “On the web, distractibility cuts both ways: banner advertising, for example, is the number one source of revenue, and it’s also the number one distraction for users.“ (Davenport/Beck 2000, S. 123).
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lassen sich vier verschiedene Formen der Aufmerksamkeit im Medienbereich unterscheiden:267 Erstens die wechselseitige Aufmerksamkeit der Medienunternehmen (z.B. Bericht über ein mediales Ereignis), zweitens die genuine Rezipienten-Aufmerksamkeit für Medienangebote, drittens die Weitervermarktung der medialen Aufmerksamkeit (z.B. in Form von Merchandising) und viertens die bereits ausgeführte Aufmerksamkeit der werbetreibenden Unternehmen für die quantifizierbare Aufmerksamkeit der Medienangebote. Vor diesem Hintergrund versuchen Medienunternehmen, durch attraktive Inhalte, Formate und Prominente die Aufmerksamkeit der relevanten stakeholder auf sich zu ziehen. Zentrale Voraussetzung für die Erzeugung von Aufmerksamkeit sind hierbei starke Marken, wie im nächsten Abschnitt aufgezeigt werden wird.
(2)
Medienmarken als Generierer von Aufmerksamkeit
Die Fülle an medialen Angeboten macht die Wahrnehmung für die Marktteilnehmer, wie bereits ausgeführt, unübersichtlich und anstrengend (z.B. durch hohe kognitive Kosten der Informationsverarbeitung). So stellt Simon (1997) fest, dass “(…) [w]hat information consumes is rather obvious: It consumes the attention of its recipients. Hence a wealth of information creates poverty of attention” (Simon 1997, S. 130).
Konsumenten neigen daher dazu, die Angebote nur noch sehr oberflächlich wahrzunehmen. Durch die Knappheit der Aufmerksamkeit erfolgt das Achtgeben deshalb zwangsläufig selektiv. Für Medienunternehmen wird es daher zum „geschäftlichen Gebot“, sich auf die Steuerung dieser Aufmerksamkeit zu fokussieren. 268 In diesem Sinne geht es also nicht darum, das Problem der Informations-, sondern der Aufmerksamkeitsknappheit zu handhaben. In Analogie zu Simon (1997) können Marken dann als Systeme verstanden werden, die unwichtige und irrelevante Information ausfiltern und die aufmerksamkeits- und kaufrelevanten Attribute kanalisieren.269 Insbesondere profilierte Medienmarken tragen somit dazu bei, gezielt die Aufmerksamkeit bei der relevanten Zielgruppe zu erzeugen bzw. eine gewisse Voreingenommenheit herzustellen, die im Sinne eines evoked set dafür sorgt, dass die Marke bei der Auswahl und Kaufentscheidung in die engere Wahl rückt. In diesem Sinne erfolgt eine „kognitive 267 268 269
Vgl. Bleicher (2002), S. 127. Vgl. Franck (1998), S. 69 und Berman/McClellan (2002). Simon (1997), S. 129. Für die Bedeutung von Marken in der „attention economy“ vgl. zudem Berman/McClellan (2002).
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Abkürzung“ seitens des Konsumenten durch den Rückgriff auf eine bekannte Marke (Orientierungs- und Informationsfunktion). Medienmarken müssen freilich nicht nur im Meer der Marken auffallen (z.B. durch eine entsprechende Markierungs- und Kommunikationsstrategie), sondern sie müssen zusätzlich mit einem gewissen Versprechen versehen sein (symbolische Funktion).270 Das Potenzial von starken Marken im Hinblick auf die Kanalisierung von Aufmerksamkeit wird besonders anhand des „Winner-takes-all“-Phänomens271 deutlich. In solchen Märkten vereinen nur wenige Anbieter den Großteil der Aufmerksamkeit auf sich (z.B. die Suchmaschine Google oder der Buchhändler Amazon). Diese beschriebene Entwicklung ist dabei keineswegs nur Internet-typisch. Vielmehr lässt sie sich auch auf einzelne Mediensegmente übertragen (z.B. die Dominanz des Nachrichtenmagazins Der Spiegel bis zum Erscheinen des Focus). Die quantitativen (z.B. Auflagenhöhen, Einschaltquoten) und qualitativen (z.B. Leserdemographie und Einkommensverteilung) Reichweiten belegen das „Beachtungseinkommen“272 von Mediengütern. Je ausgeprägter der Grad der zielgruppenspezifischen Aufmerksamkeit, desto höher ist der preispolitische Spielraum. Die Erzeugung von Aufmerksamkeit ist damit eng mit der Realisierung einer entsprechenden Preisprämie verknüpft. Dies schlägt sich letztendlich auch in einem entsprechenden monetären Wert der Marke nieder. Der Kampf um Aufmerksamkeit besteht nicht nur auf medialen Absatzmärkten, sondern auch auf den medialen Beschaffungsmärkten, in denen die Medienunternehmen die notwendigen Ressourcen im Hinblick auf ihre ökonomische und journalistisch-künstlerische Tätigkeit beschaffen.273 Insbesondere bei der Akquisition und Retention der HR-Ressourcen (administrative Mitarbeiter, „kreative Köpfe“, Frontstaff wie Moderatoren, Nachrichtensprecher, Stars, Prominente etc.) können Marken (Produkt- oder Unternehmensmarke) einen entscheidenden Einflussfaktor darstellen. Die interdependente Wechselbeziehung von Aufmerksamkeit und Marke soll exemplarisch anhand des sogenannten Frontstaff im TV-Segment kurz erläutert werden. Grundsätzlich bedeutet der Auftritt im Fernsehen die Chance „mit einem Schlag reich an Beachtung zu werden“ (Franck 1998, S. 150). Voraussetzung hierfür
270 271 272 273
Es genügt daher nicht, nur „(…) schön und auffällig zu sein. Es muss auch auffallen, dass sie auffallen“ (Franck 1998, S. 72). Vgl. Frank/Cook (1995). Franck (1998), S. 150. Vgl. ausführlich Siegert (2003), S. 114ff.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
109
ist natürlich eine gewisse Bekanntheit des Mediums oder des einzelnen Formats. Ist eine entsprechende Aufmerksamkeit zu erwarten, dann gewinnt die Sendung oder das Medium eine Relevanz bzw. Qualität auch für diejenigen, die in ihm auftreten. Die Sendung nimmt gewissermaßen den Charakter einer Bank an, die Kredite an Beachtlichkeit bzw. Aufmerksamkeit vergibt.274 Die Bekanntheit der Marke ist dann nicht mehr nur notwendige Nebenbedingung. Vielmehr wird die Marktpräsenz der Marke zum eigentlichen Zweck. Ein weiteres anschauliches Beispiel hierzu liefert das Format „Deutschland sucht den Superstar“ (bspw. „Idol“).275 Ausgangspunkt für die Generierung von Aufmerksamkeit ist zunächst das TV-Format gewesen. Im Laufe der erfolgreichen Positionierung wurde die markierte Leistung immer mehr zu einer Marke. Erfolgsfaktoren waren hierbei zum einen Umsetzung der Aufmerksamkeit in den Aufbau bzw. Stärkung der Marke, sprich “the (…) to pursue branding opportunities in almost every conceivable manner throughout the life of the contest” (Fairschild 2007, S. 359).
Zum anderen galt es, die gewonnene Aufmerksamkeit und die Bekanntheit der Marke zu nutzen, d.h. “(…) to establish and maintain connections with audiences through almost every type of media and the varied formats and inventive ways which we consume and use them” (Fairschild 2007, S. 359).
Zusammenfassend stehen starke und bekannte Marken für eine Reihe von kaufentscheidenden Eigenschaften des Angebots und erfüllen damit für Konsumenten, Medienunternehmen, den Handel und die werbetreibende Industrie eine Vielzahl an wichtigen Funktionen.276 Marken ermöglichen damit eine Differenzierung, die in den größtenteils informationsüberladenen Mediensegmenten Aufmerksamkeit auf sich zieht. Im Rahmen der Generierung von Aufmerksamkeit erfüllen Marken letztendlich zwei zentrale Funktionen: Für die Anbieter dienen sie als Einnahmequelle (Absatz-
274
275 276
„Von der Suggestivität des Abholdienstes lebt das Fernsehen auch selbst. Es lebt davon als Institution beziehungsweise Marke, die bei der direkten Attraktion mitverdient, wie auch als Bank und Börse. Gesicherte Auflagenhöhen und Einschaltquoten schöpfen einen Fundus an erwartbarer Aufmerksamkeit, über den die Anbieter frei verfügen können. (…) Die offizielle Notierung des Kurswerts eines persönlichen Kapitals ist die Präsenz der Person in den Medien“ (Franck 1998), S. 150. Für eine detaillierte Analyse vgl. Spiegel (2006), S. 168. Vgl. hierzu die Ausführungen zu den Funktionen von Medienmarken in Kapitel I.2.2.
110
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
und Werbeerlöse) und für die Werbetreibenden und den Handel als Attraktion von anonymer Aufmerksamkeit.277
(3)
Markenwerte als Ausdruck von Aufmerksamkeit und deren Steuerungswirkungen
Medienmarken generieren Aufmerksamkeit. Folglich können Markenwerte als Ausdruck bzw. Ergebnis einer entsprechenden Aufmerksamkeit verstanden werden. Eine der Grundannahmen der Ökonomie der Aufmerksamkeit ist es, dass Aufmerksamkeit gemessen werden kann. In Anlehnung an die Finanzmärkte, an denen ebenfalls keine konkreten Waren, sondern abstrakte Werte wie Währungen gehandelt werden, kann dieser abstrakte Wert der Aufmerksamkeit einen gewissen Kurswert haben, jeweils in Abhängigkeit davon, wie hoch der Grad der Wertschätzung bzw. Aufmerksamkeit ist.278 Das Mediensystem kann somit überspitzt als ein Kapitalmarkt der Beachtlichkeit charakterisiert werden.279 Tatsächlich gestaltet sich diese Messung von Aufmerksamkeit jedoch schwierig. Vielmehr gibt es für das Vorhandensein und die Stärke bzw. den Grad von Aufmerksamkeit verschiedene Indizien.280 In einem ersten Zugang können Verhalten, Mimik und Gestik als Ausdruck der Aufmerksamkeit gemessen werden. Allerdings können die Ergebnisse solcher Beobachtungen mitunter trügerisch sein, da Aufmerksamkeit oder Unaufmerksamkeit vorgetäuscht werden können bzw. schwer beobachtbar sind. In der empirischen Psychologie greift man daher auf Laborversuche oder Befragungen zurück, in denen die Aufmerksamkeit in Experimenten oder anhand der Befragungsdaten gemessen wird. Als problematisch erweisen sich hierbei die Begrenztheit und die Künstlichkeit der Versuchsanordnung sowie die
277
278
279 280
„Es geht mittelbar um die Aufmerksamkeit, direkt aber um Geld. Die Aufmerksamkeit ist einerseits zum wichtigsten Faktor der Geldwert schöpfenden Produktion geworden. Diese Produktion hat andererseits ein Aktivitätsniveau erreicht, auf dem im Verkauf nichts mehr ohne die Umwerbung der kaufentscheidenden Aufmerksamkeit geht“ (Franck 1998, S. 64). Vgl. Franck (1998), S. 115ff.). Prestige, Reputation, Prominenz und Ruhm kennzeichnen dabei unterschiedliche Hierarchiestufen der Wertschätzung. Prestige kennzeichnet die unterste Stufe der Bekanntheit. Man genießt mehr Aufmerksamkeit als der Durchschnitt. Reputation hingegen hat auch einen qualitativen Charakter, weil sich hier eine gewisse „Wohlhabenheit der Beachtung“ in Form von Aufmerksamkeit durch beachtete Personen einstellt. Prominenz ist nahezu die Spitze in der Hierarchie quantitativer Aufmerksamkeit. Prominente sind Teil des öffentlichen Bewusstseins. Ruhm ist die höchste Form der Wertschätzung und besteht über das Leben hinaus. Die Berühmtheit bzw. Bekanntheit an sich reicht schon aus, um fortwährende Beachtung zu finden. Vgl. Franck (1998), S. 138. Vgl. im Folgenden Eder (2002), S. 33f.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
111
korrekte Einschätzung der Reaktionen seitens der Probanden bei Befragungen.281 Mit ähnlichen Einschränkungen ist auch die Neurophysiologie konfrontiert, die Aufmerksamkeit anhand der Veränderung der Hirnströme misst. Als messbare Einheit für eine ökonomische Theorie und vor allem für die Medienpraxis sind solche Messmethoden allerdings relativ ungeeignet. In der Medienpraxis sind daher quantitative Kennzahlen wie die Auflagenhöhen, Einschaltquoten und verkauften Stückzahlen die zentralen Bestimmungsgrößen für das Beachtungseinkommen der Mediengüter. Inwieweit die Rezipienten tatsächlich aufmerksam waren, bleibt letztendlich offen. Bei der (Parallel)Nutzung von Medienangeboten wird oftmals eine hybride Situation vorliegen, in der Aufmerksamkeit zwischen verschiedenen Zuständen der Aufmerksamkeit oszilliert. Der Wert von Marken lässt sich ebenfalls nicht immer klar und eindeutig messen. Vielmehr werden Kennzahlen herangezogen, die sich auf verschiedene Facetten des potenziellen Wertes von Marken beziehen. Die mit Unschärfen verbundene Messung von Markenwerten wirft freilich die akademische und vor allem praxisrelevante Fragestellung auf, welche Bedeutung der Ermittlung und der Kenntnis von Markenwerten für Medienunternehmen zukommt. Wie im Folgenden aufgezeigt werden wird, weisen Markenwerte aus Sicht der Unternehmenspraxis im Rahmen der Markendokumentation, des Markenschutzes, von Markentransaktionen und als Instrument der Markenführung eine Reihe von wichtigen Steuerungswirkungen auf:282 Die Markendokumentation ist das Resultat der Berichterstattung innerhalb oder außerhalb des Jahres- bzw. Konzernabschlusses. Während im Handels- und Steuerrecht für entgeltlich erworbene Marken eine Aktivierungspflicht in Höhe der Anschaffungskosten, sprich des bezahlten Preises für die Marke, besteht, gilt für selbst geschaffene Marken ein Aktivierungsverbot. Durch die Neuregelung der Markenbilanzierung bei Unternehmenszusammenschlüssen sind gemäß IAS (analog zu US GAAP) die einzelnen Vermögenswerte (u.a. Marken) zu identifizieren und mit ihrem Zeitwert (fair value) anzusetzen.283 Aspekte des Markenschutzes sind im Falle der 281 282
283
Vgl. ausführlich zur Messung von Aufmerksamkeit im Rahmen der Mediennutzung Krone (2005), S. 184ff. und Wirth (2001), S. 77f. Vgl. Sander (1994), S. 48ff., Beckmeier-Feuerhahn (1999), S. 49ff., Burmann/Kranz/Weers (2005), S. 322ff. Die Umfrage von PriceWaterhouseCoopers und Sattler (2001) nach den wichtigsten Verwendungszwecken von Markenbewertungen ergab folgende Reihenfolge. Den höchsten Stellenwert hatten Markentransaktionen (1), Markenschutz (2) und Markenführung (3). Einen wesentlich geringeren Stellenwert nahmen Markendokumentation (4) und Markenfinanzierung (5) ein. Vgl. Sattler (2005), S. 35. Liegt eine unbegrenzte Nutzungsdauer vor, was in der Regel bei starken Marken der Fall ist, ist die Abschreibung nur über eine dann bilanzrechtlich zwingend vorgeschriebene, jährlich durchzuführende Werthaltigkeitsprüfung (impairment test) des entsprechenden Vermögenswertes möglich.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
missbräuchlichen Nutzung von Marken (z.B. Marken- und Produktpiraterie) relevant. Hier kann der Wert der Marke zur Festlegung bzw. zum Nachweis des Schadens herangezogen werden.284 Aus markentransaktionsorientierter Perspektive sind Markenwerte im Hinblick auf den Kauf und Verkauf von Marken bzw. Unternehmen und die Lizenzierung von Marken von Bedeutung. Bei der Einräumung von Markennutzungsrechten in der Form von Lizenzen sind Informationen über den Markenwert für die Festlegung der Höhe der Lizenzgebühren oder der Pauschalzahlung zu Vertragsbeginn und somit für den Verhandlungsspielraum des Markeninhabers relevant. Die monetäre Bewertung von Marken erfolgt explizit oder implizit beim Kauf und Verkauf von Unternehmen und Markenrechten. So ist im Rahmen von Unternehmenstransaktionen oftmals ein großer Anteil des Goodwills – der Differenz zwischen Nettovermögenswert und Transaktionswert – auf den Wert der Marke zurückzuführen.285 Im Rahmen der Markenführung stellen Markenwerte für das Management einen Wert an sich dar, der in der Finanz- und Unternehmenskommunikation genutzt werden kann.286 Marken sind oftmals die mit Abstand bedeutendsten immateriellen Vermögensgegenstände von Unternehmen. Die nachfolgende Abbildung II-9 zeigt, dass der Anteil des Markenwertes im Medienbereich im Vergleich zu anderen Industriesegmenten zum Teil noch relativ gering ist. In einem ersten Zugang scheinen daher noch Potenziale für Marken- bzw. Unternehmenswertsteigerungen für Medienunternehmen zu bestehen.
284
285
286
In praxi führt allerdings die Schwierigkeit des eindeutigen Nachweises eines Schadens dazu, dass mehrheitlich Unterlassungsverfügungen und nicht explizite Schadensersatzforderungen im Vordergrund stehen. Vgl. Sander (1994), S. 65. Vgl. Sander (1994), S. 50 und Singh (1990), S. 6: “Companies pay well over book value for consumer product firms with strong brand names which clearly indicates at least an implicit valuation of brand names.” Siehe Abbildung I-10 (Ausgewählte Markenwerte) in Kapitel I.2.2.
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67%
52%
25%
22% 18% 13%
11%
10%
Abbildung II-9: Anteil Markenwert an Marktkapitalisierung ausgewählter Unternehmen in 2005
287
Von Markenwerten kann zudem eine Signalwirkung ausgehen, die es dem Management vereinfacht, die Relevanz und die Rolle der Marke als wesentlichen Treiber des Unternehmenswertes stärker ins Bewusstsein zu rücken. Für das Markenmanagement liefern markenwertorientierte Kennzahlen wichtige Anhaltspunkte, um die gegenwärtige Markenperformance analysieren und potenzielle Stärken identifizieren zu können. Sie unterstützen damit die Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Budget- und Maßnahmenallokation und der Steuerung der einzelnen Marken und Markenportfolios (z.B. Identifikation von Entwicklungs-, Internationalisierungs- und Transferpotenzialen).288 In diesem Zusammenhang kann die Messung der relevanten steuerbaren Markenwertgrößen zum Controlling der Maßnahmen und der Markenwertentwicklung sowie letztendlich zur Anreizsetzung für das Management und die Produktverantwortlichen genutzt werden. Vor allem im Hinblick auf ein langfristig orientiertes Markenerfolgsmanagement scheint eine stärkere Fokussierung auf wertorientierte Leistungskennziffern sinnvoll: „Wenn Markenwertbetrachtungen beim Markenmanagement eingesetzt werden, erweitert sich der operative Aktionsrahmen, und das Bewusstsein für die strategische Bedeutung und Wirkung der Marke läßt sich besser verankern. Daneben ist der Markenwert eine
287 288
Quelle: Markenwerte Interbrand Studie, Stichtag MarketCap 01.08.2005 Aus Marketingsicht kann der Nachweis eines Markenwertes und der ihn beeinflussenden Marketinginstrumente eine wichtige Argumentationshilfe in den innerbetrieblichen Budgetverteilungsverhandlungen (u.a. Höhe des Marketingbudgets) mit dem Finanzbereich sein.
114
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
ideale Kennziffer, welche die bisherige Leistungsmessung auf Basis von Umsatz- oder Marktanteilsgrößen in idealer Weise ergänzt“ (Franzen 1995, S. 131).
Für die Steuerung, Entwicklung und das Controlling von Marken sind zum einen die entsprechenden quantitativen und qualitativen Markenwertindikatoren notwendig. Zum anderen werden Referenzgrößen benötigt, die eine Einschätzung der relativen Position der Marke im Vergleich zu anderen Bezugsgrößen ermöglichen. Solche Referenzgrößen sind u.a. Marken von Wettbewerbern, andere Marken im Unternehmensportfolio, Marken in unterschiedlichen Marktbedingungen oder die Marke selbst im Zeitverlauf.289 Im Folgenden sollen daher nun die einzelnen Markenwertbegriffe konkretisiert werden.
(4)
Finanzorientierte, verhaltensorientierte und integrative Markenwertbegriffe
In der betriebswirtschaftlichen Forschung und in der Unternehmenspraxis findet sich ein sehr breites Spektrum an Begriffsdefinitionen zum Markenwert.290 Prinzipiell lassen sich die vielfältigen Definitionsversuche in finanzorientierte, verhaltensorientierte und integrative Perspektiven unterteilen.291 Aus einer finanzorientierten, monetären Perspektive wird der Markenwert als Kapitalwert diskontierter zukünftiger markenspezifischer Zahlungsüberschüsse definiert.292 Die Isolierung solcher markenspezifischer Zahlungen kann auf Basis eines Preis- und Mengenpremiums, hedonischen Preises, markenkorrigierten Umsatzes und Gewinns sowie einer Lizenzpreisanalogie erfolgen.293 Als problematisch erweist sich bei der Ermittlung des Markenwertes sowohl die Isolierung und die Prognose der (zukünftigen) Zahlungen294 als auch die Berücksichtigung markenstrategischer Optionen (u.a. brand und line extensions). Eine monetäre Quantifizierung ist freilich nicht immer zwingend erforderlich oder aus Kosten-Nutzen-Überlegungen und Zeitgründen nicht realisierbar 289 290 291 292
293 294
Vgl. Franzen/Trommsdorff/Riedel (1994), S. 1378f. Auf eine umfassende Übersicht soll aber an dieser Stelle verzichtet werden. Vgl. hierzu ausführlich Beckmeier-Feuerhahn (1999), S. 30ff. und Sander (1994), S. 43ff. Vgl. Burmann/Kranz/Weers (2005), S. 324f. Stellvertretend hierfür Kaas (1990), S. 48 mit der Definition des Markenwertes als „Barwert aller zukünftigen Einzahlungsüberschüsse, die der Eigentümer aus der Marke erwirtschaften kann.“ Ähnlich argumentiert bereits Kern im Jahre 1962. Vgl. Kern (1962), S. 18. Vgl. hierzu ausführlich Sattler (2005), S. 42ff. So argumentiert Barwise (1993, S. 100): “In most significant cases we do not know at what price the firm could or would sell the product without the brand (e.g. Heineken?, Nike?, Mercedes Benz?) and even when we do know (…) we have little idea of the market share the product would achieve without the brand: what would be the sales of Coke, Tide, Snickers, or Green Giant if sold as generics.”
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
115
bzw. sinnvoll. Grundsätzlich weist eine Markenbewertung einen erheblichen Unsicherheits- und Komplexitätsgrad auf. Die hohe Aggregationsstufe einer monetären Kennzahl weist zwar einen „eindeutigen“, in Geldeinheiten bezifferten Markenwert aus, schränkt aber deren Aussagekraft bzw. Verwendungsmöglichkeiten für das operative Markenmanagement ein, da für die Steuerung und die Ableitung von entsprechenden Maßnahmen die einzelnen nicht-monetären Treiber von größerer Bedeutung sind.295 Solche nicht-monetären bzw. qualitativen Maße stehen im Fokus der verhaltensorientierten Forschungsrichtung. Der Markenwertbegriff setzt bei der Wirkungsweise der Marke auf das Verhalten der relevanten Zielgruppen an.296 Im Zentrum steht deshalb die Identifikation und Quantifizierung der sogenannten „brand value drivers“ (synonym: Markenwertindikatoren) wie z.B. Markenbekanntheit, Markenimage, Markensympathie oder Markenloyalität. Anstelle der Markenwertindikatoren wird sehr häufig der Begriff der Markenstärke verwendet, die ebenfalls die Verhaltensrelevanz einer Marke kennzeichnet.297 Die „brand value drivers“ generieren über ihre Verhaltenswirkungen die finanziellen Erfolgsbeiträge der Marke und beeinflussen somit nachhaltig den monetären Wert einer Marke. Zahlreiche Verfahren zur Markenbewertung ermitteln und verknüpfen daher diese Indikatoren zur Bestimmung des Markenwertes.298 Idealerweise sollten diese Größen als Basis für eine Transformation in monetäre Größen dienen können, was sich freilich als sehr schwierig erweist. Dementsprechend konnten Agarwal und Rao (1996) eine schwache Korrelation zwischen dem Bekanntheitsgrad einer Marke und einem entsprechenden monetären Markenwertmaß (in diesem Fall die individuelle zusätzliche Zahlungsbereitschaft für
295
296
297
298
Ambler (2000) weist ebenfalls darauf hin, dass die Identifikation der Quellen des Markenwertes vernachlässigt wird: “[Many] confuse the asset, brand equity with what the asset is worth, the brand’s valuation.” (Ambler 2000, S. 45). Im Vordergrund steht dabei meistens das Konsumentenverhalten, das als „Quelle“ der Markenwertentstehung angesehen wird. Vgl. Beckmeier-Feuerhahn (1999), S. 34ff. Allerdings wird auch verstärkt auf die Bedeutung anderer relevanter stakeholder wie dem Handel, die Mitarbeiter, die Zulieferer, die Öffentlichkeit und die Medien etc. für den Markenwert hingewiesen. Vgl. hierzu exemplarisch Jones (2005). Vgl. Burmann/Kranz/Weers (2005), S. 324f. Die Markenstärke (brand strength in der angloamerikanischen Forschung) wird sowohl als eindimensionales (Markennutzen, vgl. Brockhoff/Sattler 1996), als auch als mehrdimensionales (Markenbekanntheit und Image, vgl. Keller 1993) Maß verwendet. So umfasst zum Beispiel das Markeneisbergmodell (von Icon und GfK) die Markenwertindikatoren Markenbekanntheit, subjektiv empfundener Werbedruck, Einprägsamkeit der Werbung, Markenuniqueness, Klarheit, Attraktivität des inneren Bildes, Markensympathie, Markenvertrauen und Markenloyalität ein. Vgl. Andresen/Esch (2001) und Musiol et al. (2004).
116
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
die Marke gegenüber einem No-Name-Produkt) nachweisen.299 Nichtsdestotrotz stellen Markenwertindikatoren eine wichtige Entscheidungsgrundlage in den einzelnen Phasen der Planung, Steuerung und Kontrolle der Marken dar: „Die ‚Brand Value Drivers‘ erlauben eine Ursachenanalyse der Markenwertentstehung und hierüber eine effektive Markenwertsteuerung. Neben der Quantifizierung der Wirkungsstrukturen zwischen ‚Brand Value Drivers’ ist es essentiell, die Wirkung von ‚Brand Value Drivers‘ auf den (langfristigen) monetären Markenwert zu messen. Kann der Zusammenhang mit dem monetären Markenwert nicht hinreichend nachgewiesen werden, so ist eine Analyse von ‚Brand Value Drivers‘ aus ökonomischer Sicht letztendlich wertlos“ (Sattler 2005, S. 38).
Der integrative Markenwertbegriff umfasst sowohl verhaltensbezogene als auch finanzorientierte Markenwertindikatoren.300 Das weit gefasste Begriffsverständnis wird durch vier Aspekte charakterisiert. Erstens werden Unternehmens- und Konsumentenperspektive integriert. Der Marktpartner Handel ist gleichsam indirekt berücksichtigt, da dieser seine Erfolgsfaktoren selbst auf die Anbieter- und Konsumentenperspektive lokalisiert. Zweitens wird eine klare Trennung zwischen Markierungsleistung und Produktleistung des Gutes vorgenommen. Drittens wird eine monetäre Sichtweise postuliert, d.h., ausgehend von einer qualitativen Betrachtungsweise sind die entsprechenden Indikatoren in monetäre Größe zu transformieren. Viertens wird auf die zukünftigen Wertsteigerungspotenziale verwiesen, die u.a. Markenausdehnung umfasst. Dieser erweiterte eklektische Markenwertbegriff verzahnt zwar konsumenten- und finanzorientierte Erfolgsgrößen, aber in den einzelnen finanz- und verhaltensgeprägten Dimensionen ist der Ansatz letztendlich mit den gleichen Herausforderungen (z.B. Isolierung der markenspezifischen Zahlungen oder empirische Validität der Markenwertindikatoren) wie die anderen Ansätze konfrontiert. Für eine wertorientierte Markenführung sind die Identifikation und die Messung von Markenwertindikatoren von herausragender Bedeutung. Trotz der Relevanz des Themas Markenwert und der sehr hohen Forschungspriorität in der Scientific Community ist der Erkenntnisfortschritt noch relativ gering.301 Die empirische Erhebung und die Diskussion der Ergebnisse im Hinblick auf medienspezifische Marken299 300
301
Vgl. Agarwal/Rao (1996). Zudem sind die einzelnen Markenwertindikatoren nur unzureichend empirisch validiert und beruhen oftmals auf reinen Plausibilitätsüberlegungen. So definiert Beckmeier-Feuerhahn (1999) den Markenwert als „(…) die durch die Markierung ausgelösten gegenwärtigen und zukünftigen Wertsteigerungen von Leistungen auf Konsumenten- und Unternehmensseite, die ökonomisch nutzbar und in monetäre Maßeinheiten zu bewerten sind (Beckmeier-Feuerhahn 1999, S. 46).“ Ähnlich Schulz/Brandmeyer (1989), S. 365. Vgl. Sattler (2005), S. 54.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
117
wertindikatoren sollen dazu beitragen, der anhaltenden Auseinandersetzung mit der Thematik greifbare, empirische Ergebnisse beizusteuern. Die aufmerksamkeitsorienierte Sichtweise ermöglicht eine Erweiterung der Perspektive bei der Auseinandersetzung mit Medienmarken. Marken erzeugen Aufmerksamkeit, die vor allem in der hoch kompetitiven Medienindustrie von zentraler Bedeutung ist. Ziel dieses Abschnittes war es, diesen durchaus innovativen Forschungsansatz für das bessere Verständnis von Medienmarken im Allgemeinen fruchtbar zu machen und im Besonderen die Implikationen im Hinblick auf den Wert von Medienmarken aufzuzeigen. Allerdings handelt es sich bei der Theorie der Ökonomie größtenteils noch um einen Entwurf, der sich mehrerer akademischer Diskurse bedient, ohne einen klar nachzuvollziehenden Bezugsrahmen zu definieren. Dies führt dazu, dass es sich unwillkürlich eher um eine „Metatheorie der postindustriellen Mediengesellschaft“ handelt.302 Der Begriff der Aufmerksamkeit erfährt daher eine gewisse Unschärfe. Notwendig scheint daher eine Präzisierung der verschiedenen Ursachen, Indizien (Messung), Arten und Gegenstände von Aufmerksamkeit.303 Nichtsdestoweniger bietet die facettenreiche Verwendung von Aufmerksamkeit als gesellschaftliche, individuelle, ökonomische oder mediale Ressource interessante Anknüpfungspunkte, die sich weiterentwickeln oder fruchtbar in vorhandene Theoriekonzepte einpassen lassen. Im Sinne der Scheinwerfermetapher soll im Folgenden jedoch auf eine weitere Forschungsdisziplin rekurriert werden, um die Potenziale von Medienmarken noch deutlicher herauszuarbeiten. Hierzu wird in Kapitel II.2.2 der Fokus auf eine ressourcenorientierte Sichtweise der Medienmarke gerichtet. Vorab soll aber zunächst die Rolle von (prominenten) Persönlichkeiten aus einer aufmerksamkeitsorientierten Markenperspektive erfolgen.
302 303
Vgl. Pundt (2002), S. 62f. Vgl. Eder (2002), S. 33ff.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Exkurs: Der Mensch als Marke: Prominenz in der Medienbranche Prominente wie bekannte Schauspieler, Moderatoren, TV-, Musik- und Filmstars sind aus der Medienwelt nicht wegzudenken. Medienunternehmen setzen diese Prominenten ein bzw. nutzen deren Prominenz, um damit Aufmerksamkeit beim Rezipienten zu generieren.304 Bis auf wenige Ausnahmen wurde seitens der Medienmanagementforschung die Rolle der Prominenz auf dem Rezipientenmarkt kaum erforscht. In diesem Exkurs sollen daher zunächst das Phänomen der Prominenz kurz erläutert (1) und darüber hinaus dessen zentrale Funktionen für die Medienunternehmen und deren Marken skizziert werden (2).
(1)
Ökonomie der Aufmerksamkeit und der Prominenz
Die Prominenzforschung ist ein sehr heterogenes und interdisziplinäres Forschungsfeld, was dazu führt, dass nicht nur das Begriffsverständnis von Prominenz variiert, sondern auch das Untersuchungsobjekt Prominenz aus unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet wird.305 Zentralen Stellenwert nehmen vor allem Beiträge aus dem Bereich der Soziologie ein, die ihre Forschungsbemühungen bereits relativ früh auf das Thema ausgerichtet hat. Erst seit kürzerer Zeit befassen sich auch die Medienwissenschaften mit dem erweiterten Forschungsfeld des Stars. In Tabelle II-1 sind die wesentlichen Beiträge der interdisziplinären Prominenzforschung aufgelistet.
304
305
Vgl. Staab (1990), S. 220, Bleicher (2002), S. 142f., Schneider (2004), S. 21, Schierl (2007), S. 7 und Ringlstetter et al. (2007). Insbesondere für die Massenmedien gilt gemäß Franck (1998): „Man benötigt Prominente in Massen, wenn man die Attraktion von Aufmerksamkeit als Massengeschäft betreiben will“ (Franck 1998, S. 153). Eine Forschungsrichtung beschäftigt sich u.a. mit prominenten CEOs (vgl. Hayward et al. 2004). Manager bedienen sich dabei der gleichen ökonomischen Mechanismen wie die prominenten Stars (vgl. auch Gaitanides 2004). Hervorgehoben werden diesbezüglich vor allem auch die negativen Aspekte der Prominenz (vgl. Camerer/Lovallo 1999). Vgl. Peters (1996), S. 15f. sowie den Sammelband von Schierl (2007).
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Gegenstand der Untersuchung
119 Überwiegende Forschungsdisziplin
Form der Veröffentlichung
Soziologie
Monographie
Geschichts- und Kulturwissenschaften
Monographie
Autoren
Jahr
Lowenthal
1944
Boorstin
1962
Klapp
1962
Die ideologische Funktion verschiedener Typen von Helden
Soziologie
Monographie
Alberoni
1962
Notwendige gesellschaftliche Bedingungen zur Entstehung von Stars als einer Form der Elite
Soziologie
Monographie
In Zeitschriften veröffentlichte Biographien von Personen des öffentlichen Lebens Das zeitgenössische Phänomen der durch die Medien erschaffenen vergänglichen Prominenz im Gegensatz zum unvergänglichen Helden, der sich durch erzielte Leistung selbst hervorbringt
Dreitzel
1962
Der Elitebegriff und seine soziologische Reichweite
Soziologie und Pädagogik
Monographie
Linz
1965
Literarische Prominenz vor dem Hintergrund soziologischer Elitetheorien
Soziologie
Monographie
Walker
1970
Entstehungsprozesse und der gesellschaftliche Einfluss von Filmstars unter Berücksichtigung ihrer Dualität als reelle Person einerseits und als konstruiertes Image andererseits
Soziologie
Monographie
Determeyer
1975
Sozialpsychologische Aspekte von personaler Publizität im Zusammenhang mit den Massenmedien
Psychologie, Soziologie
Monographie
Soziologie
Monographie
Wirtschaftswissenschaften
Monographie
Soziologie und Medienwissenschaften
Sammelband
Dyer
1979
Rein/Kotler/ Stoller
1987
Thomsen/Faulstich
1989
Unterschiedliche Starkategorien und ihre sozialen und kulturellen Funktionen vor dem Hintergrund einer Untersuchung der allgemeinen Bedingungen zur Entstehung von Stars und ihrer ideologischen Funktionen Die Entstehung und Vermarktung von Prominenz vor dem Hintergrund der entsprechenden Konsumentengruppen Das Fernsehen im supramedialen Produktverbund unter Berücksichtigung des Stars als wesentliche Determinante für den Produkterfolg
Gledhill
1991
Kulturelle, ideologische und psychologische Fragestellungen im Zusammenhang mit Filmstars
Peters
1996
Die Entstehung und Wirkung von Prominenz im Rahmen einer soziologischen Analyse des Prominenzphänomens
Faulstich/Korte
1997
Marshall
1997
McDonald
2000
Das Starphänomen aus unterschiedlichen Perspektiven Die Funktionen von Prominenz und Untersuchung ihres Einflusses auf die Gesellschaft Das Starwesen als komplexes System in Hollywood unter Akzentuierung der historischen Aspekte
Gaitanides/Kruse
2001
Das Starphänomen in Film und Sport
Austin/Barker
2003
Das zeitgenössische Filmstar-Phänomen vor dem Hintergrund des Hollywood-Systems
Herbst
2003
Der Mensch als Marke
Pringle
2004
Management von Prominenten als Marke
Schneider
2004
Die zeitgenössische Medienprominenz unter Berücksichtigung von gesamtgesellschaftlichen Aspekten und wirtschaftlichen Perspektiven von Prominenz
Henkel/Huber
2005
Prominente als Marken in der Medienindustrie
2007
Die Medienprominenz aus rechtlicher, kultureller, ökonomischer und publizistischer Perspektive
Schierl
Multidisziplinär
Sammelband
Soziologie
Monographie
Multidisziplinär
Sammelband
Kulturwissenschaften, Soziologie
Monographie
Medienwissenschaften
Monographie
Wirtschafts- und Medienwissenschaften Medien- und Kulturwissenschaften Wirtschafts- und Medienwissenschaften
Sammelband Sammelband Sammelband
Wirtschaftswissenschaften
Monographie
Publizistik
Monographie
Wirtschaftswissenschaften
Monographie
Wirtschafts- und Medienwissenschaften
Sammelband
Tabelle II-1: Wesentliche Monographien und Sammelbände der Prominenzforschung (Quelle: verändert aus Ringlstetter et al. 2007, S.124)
Nach Franck (1998, 2005) ist derjenige prominent, wer reich an Beachtung ist und für diesen Reichtum bekannt ist.306 Prominenz ist gewissermaßen die Bekanntheit der 306
Vgl. Franck (1998), S. 19 und Franck (2005), S. 135: „Man muss nicht nur allgemein bekannt sein, sondern auch bekannt dafür sein, dass einen alle kennen.“ Synonym werden auch die Begriffe Held, Idol, Star und Elite verwendet. Eine allgemeingültige Begriffseinordnung der verschiedenen Termini existiert bis dato noch nicht. Aus etymologischer Sicht bedeutet der Begriff Prominenz herausragende Eigenschaften von Individuen, die durch die Gesellschaft gewürdigt werden.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Bekanntheit. Prominente heben sich also von der Masse der Menschen ab und erzeugen bzw. erhalten in der öffentlichen Wahrnehmung eine besondere Aufmerksamkeit. Diese Wahrnehmung bzw. Wertschätzung kann freilich unterschiedliche Ausprägungsformen aufweisen und mitunter zielgruppenspezifisch sein, da die Generierung von Aufmerksamkeit auf bestimmten Präferenzen und Interessen der jeweiligen Zielgruppe beruht. Zudem lässt sich Prominenz hinsichtlich ihrer Provenienz (z.B. Entertainment, Sport, Politik, Kunst, Adel etc.) abgrenzen. Insbesondere prominente Stars verkörpern dabei das Prinzip akkumulierter Aufmerksamkeit. Der Glanz eines Stars beruht nicht unbedingt auf irgendwelchen Leistungen, sondern quasi auf dem Wissen, dass alle auf ihn „schauen“.307 Sie repräsentieren ein Unternehmertum des Selbstwertes, d.h. ein Lebensprinzip des Auffallens, der Selbstdarstellung und der Aufmerksamkeitserzeugung.308 Die Unterschiede in der Erzeugungskraft an Aufmerksamkeit lassen sich dabei in der Regel nicht aufgrund von klar bewertbaren (künstlerischen) Leistungskriterien erklären. Einen wichtigen Anhaltspunkt liefern vielmehr die medientypischen Netzwerkeffekte.309 Analog zu der Nutzung von Chatforen oder Mobilfunknetzen steigt mit wachsender Konsumentenanzahl bzw. -nachfrage nach bestimmten Mediengütern oder Stars der Nutzen für den einzelnen Medienrezipienten. Neben dem eigentlichen Medienkonsum wirkt nämlich die Möglichkeit der diesem Konsum nachgelagerten Anschlusskommunikation über die Prominenz nutzenerhöhend. 310 Zum anderen minimiert der Konsument auch seine Suchkosten hinsichtlich der Kommunikation mit Gleichgesinnten: Der einzelne Konsument stellt sich also besser, wenn er dieselben Stars wie andere Medienrezipienten bevorzugt. Diese Zuspitzung an Aufmerksamkeit hat aus ökonomischer Sicht zur Folge, dass sich ein Großteil des Einkommens nur auf wenige Superstars verteilt und damit eine ungleiche Einkommensverteilung zwischen diesen Stars und Nichtprominenten in der Medienindustrie zu beobachten ist.311 Die Prominenzierung, d.h. der Entstehungsprozess der Prominenz kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Die Spannbreite der Erklärungsmodelle reicht von der „naturgegebenen“ Entstehung (z.B. besondere Gabe oder Aura des Prominenten), über die unintendierte Entwicklung (im Sinne eines externen Effektes im Rahmen der 307 308 309 310 311
Vgl. Franck (1998), S. 167. Vgl. Pundt (2002), S. 61. Vgl. Shapiro/Varian (1999), S. 13ff. und Economides (1996), S. 2ff. In seiner Relevanz für den Einsatz von Prominenz vgl. Franck (2001). Vgl. Stigler/Becker (1977), S. 80f. und Adler (1985), S. 212 sowie Schierl (2007), S. 19. Vgl. Rosen (1981), S. 845.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
121
personengebundenen Berichterstattung) bis hin zur intendierten, strategisch und operativ geplanten Produktion von Prominenz. Letztere Konzeption betrachtet Prominenz als ein ”(…) product that requires development and marketing; they are not a unique artist whose emergence is to be facilitated” (Turner/Bonner/Marshall 2000, S. 96).
Eine besondere Ausprägung der Prominenz ist die sogenannte Medienprominenz, deren Prominenzierung nahezu ausschließlich im Mediensystem und nicht durch Vorauswahl bzw. Selektion in den dem Mediensystem prozessual vorausgelagerten gesellschaftlichen Teilsystemen wie Kunst, Politik oder Sport stattfindet.312 Resultat der Prominenzierung und unmittelbare Wirkung von Prominenz ist die Generierung von Aufmerksamkeit. Das Zusammenspiel von Prominenz und Medien kann deshalb im Grunde genommen als ein „symbiotisches Arrangement“ beschrieben werden.313 Medienunternehmen bedienen sich der aufmerksamkeitssteigernden Funktion von Prominenz für ihre Angebote. Sie erhoffen sich dadurch, eine Mindestrendite an Aufmerksamkeit (z.B. in Form von Rezipientenkontakten) zu erlangen, die entsprechend monetarisiert werden kann. Die Prominenten wiederum nutzen die Medien, um Aufmerksamkeit für ihr Angebot, d.h. die eigene Persönlichkeit, zu schaffen.
(2)
Medienökonomische und markenrelevante Bedeutung von Prominenz für Medienunternehmen
Das Kontinuum des Prominenteneinsatzes reicht von einer passiven (z.B. Berichterstattung in Zeitungen, Zeitschriften, im Fernsehen oder Radio) über eine semi-aktive (z.B. Auftritt als Gast in einer TV-Talkshow oder Kolumne in einer Tageszeitung) bis hin zu einer aktiven Rolle (z.B. genuine Leistung eines Filmstars im Film oder eines Schriftstellers).314 Im Zuge dieser Argumentation lassen sich Prominente zum einen als „Produktionsfaktoren“ oder „Ressourcen“ von Medienunternehmen begreifen, die auf den Beschaffungsmärkten akquiriert werden und in das Medienprodukt einfließen. In ihrer Eigenschaft als potenzieller Medieninhalt bieten sie eine Reihe von Vorteilen bei 312
313 314
In diesem Prozess erfolgt die Selektion nicht unbedingt auf der Basis von teilbereichsspezifischen, sondern von medienökonomischen Kriterien wie z.B. Zugänglichkeit, Telegenität bzw. Medienaffinität und Kosten. Vgl. Fröhlich/Johansson/Siegert (2007), S. 144. Vgl. hierzu exemplarisch die Analyse des Einsatzes von Prominenz am Beispiel des Zeitschriftensektors von Ringlstetter et al. (2007). Aus Rezipientensicht verspricht die Beobachtung von Prominenten spezifische Gratifikationen in Form von Orientierung, Identifikation, Transzendenz (d.h. fiktionales Ausleben optionaler Lebensentwürfe), Unterhaltung und Integration (z.B. kommunikativer Austausch am Arbeitsplatz). Vgl. Schierl (2007), S. 17ff.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
der Generierung von Inhalten.315 So weist Prominenz als Medieninhalt eine hohe allokative Effizienz auf, da eine weit reichende Nachfrage nach Prominenzberichterstattung besteht und Nachrichten- und Unterhaltungsformate durch die Anreicherung mit Prominenz personalisiert und attraktiver ausgestaltet werden können. Der passive Prominenteneinsatz ist zudem mit relativ geringen Produktionskosten (u.a. in der Regel keine Rechtekosten) verbunden, was in einer hohen produktiven Effizienz dieser Inhalte mündet. Darüber hinaus zeichnen sich Prominente und die Prominenzberichterstattung durch eine gute cross-mediale Verwertbarkeit aus (z.B. Vor- und Nachberichterstattung in unterschiedlichen Formaten und Segmenten). Zum anderen lassen sich auf prominente Persönlichkeiten auch die typischen Charakteristika von Marken attribuieren (z.B. Differenzierungs-, Qualitäts-, Vertrauens- und Identifikationsfunktion). Das Konzept der Markenidentität bzw. Markenpersönlichkeit316 von Produkten im Rahmen des identitätsorientierten Ansatzes scheint am Geeignetsten, um das Phänomen „der Mensch als Marke“ theoretisch zu erfassen. Kernpunkt des Konzepts ist eine konsistente Markenidentität als die zentrale Voraussetzung für die Entwicklung und Festigung von Vertrauen seitens des Konsumenten in die Produkt- bzw. analog in die Persönlichkeitsmarke.317 Die Marke Mensch kann daher ebenfalls als ein sozialpsychologisches Phänomen im Bewusstsein des Konsumenten verstanden werden, und das Vertrauen in diese Marke ist die entsprechende Basis einer langfristigen Rezipientenbindung und -treue. Im Zusammenspiel mit der Marke eines Mediengutes kann die „Marke Mensch“ eine Reihe an wichtigen Funktionen erfüllen. Virulent wird die Wechselbeziehung der zwei Marken (Mediengut und Prominenter) insbesondere im Rahmen des sogenannten „Celebrity Endorsement“. Im Fokus stehen hier die Möglichkeiten, inwiefern und unter welchen Bedingungen Prominente als Werbeträger für Produkte oder Dienstleistungen genutzt
315 316
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Vgl. im Folgenden Schierl (2007), S. 101ff. In der Wissenschaft wird unter dem Phänomen der Markenpersönlichkeit diskutiert, inwiefern Konsumenten Marken mit menschlichen Persönlichkeitsmerkmalen verbinden. Marketingstrategien wie die Vermenschlichung (z.B. der Michelin-Mann), die Personifizierung (z.B. Meister Proper) und der Aufbau innerer Bilder haben zum Ziel, Marken in der Vorstellung der Konsumenten den Charakter von (Marken-)Persönlichkeiten zu verleihen. Vgl. ausführlich Hüttlin (2003). Vgl. Meffert/Burmann (2005), S. 30f. Gemäß Herbst (2003) sind starke Persönlichkeitsmarken einzigartig (als das wesentlichste Charakteristikum) und in einem gewissen Maße beständig und widerspruchsfrei in ihrem Auftreten. Es besteht zudem eine gewisse Austauschbeziehung zwischen Star und Fan (z.B. im Rahmen von Konzerten), aber gerade das Wissen um seine Unerreichbarkeit ist eine wichtige Quelle seiner Verehrung. Die Marke Mensch weist in der Regel auch klare Erkennungszeichen wie Name, Aussehen, Stimme oder Kleidung auf. Vgl. Herbst (2003), S. 182f.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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können.318 Zielsetzung des Einsatzes von Prominenten ist u.a. die Steigerung der Markenbekanntheit319, die Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Werbung320 und die Förderung der Entwicklung einer Markenpersönlichkeit.321 Im Zentrum der Überlegungen stehen damit die Übertragung positiver Assoziationen und die Verstärkung vorhandener Assoziationen, d.h. die Nutzung des Imagetransferpotenzials von Prominenten für die emotionale Aufladung der Marke.322 Der Prominente nimmt die Rolle als kultureller und ökonomischer Mittelsmann zwischen Produkt und Konsument ein. Der Imagetransfer ist allerdings keine einseitige Übertragung von Assoziationen, sondern durchaus ein wechselseitiger Vorgang. Wesentliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Transfer des Images sind zum einen die Glaubwürdigkeit, Vertrautheit und physische Anziehungskraft von Prominenten (source credibility und source attractiveness).323 Zum anderen ist eine gewisse Stimmigkeit zwischen den persönlichkeitsbezogenen Attribuierungen des Prominenten und den image- und identitätsbezogenen Merkmalsausprägungen der Marke erforderlich (match up).324 Aus ökonomischer Sicht sollen sich die verhaltens- bzw. konsumentenbezogenen Effekte (u.a. höhere Glaubwürdigkeit der Werbung, höhere Bekanntheit der Marke, Imagetransfereffekte etc.) positiv auf die finanziellen Ergebnisgrößen auswirken. Empirisch nachgewiesen sind solche positiven Effekte auf die zukünftigen zu erwartenden Gewinne anhand der Untersuchung der Reaktionen des Kapitalmarkts (in Form des Anstiegs des Aktienkurses) bei der Ankündigung von „celebrity endorsements“.325
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Vgl. Friedmann/Friedmann (1979), S. 63f. Die beiden Autoren definieren einen “celebrity endorser (...) [as] an individual who is known by the public (…) for his or her achievements in areas other than that of the product class endorsed” (Friedmann/Friedmann 1979, S. 63). Auf die Möglichkeiten, lead user bzw. bestimmte Referenzgruppen als „Werbeträger” für die Entwicklung eines entsprechenden Markenimages zu nutzen, verweisen hingegen Escalas und Bettman (2005). Vgl. Petty/Cacioppo/Schumann (1983). Vgl. Kamins et al. (1989). Vgl. McCracken (1989). Vgl. Dean (1999), S. 3., McCracken (1989), S. 314ff., Gierl/Koncz (2005), S. 57ff. Vgl. Kahle/Homer (1985), S. 955; Ohanian (1991), S. 46. Manche Autoren gehen sogar davon aus, dass nicht die Attraktivität, sondern vielmehr die Art der Schönheit einen Imagetransfer erleichtert. Vgl. Solomon/Ashmore/Longo (1992). Vgl. Misra/Beatty (1990), S. 161: ”Match-up or spokesman-brand convergence implies that the highly relevant characteristics of the spokesman are consistent with the highly relevant attributes of the brand.“ McCracken (1989) weist jedoch darauf hin, dass ein Imagetransfer auch bei konträren Images von Marke und Persönlichkeit möglich und sinnvoll sein kann. Entscheidend sei letztendlich, inwieweit die Rezipienten die Imageattribute des Prominenten mit dem Produkt assoziieren. Vgl. Agrawal, J., Kamakura, W.A. (1995)
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Eine weitere wichtige Funktion von prominenten Stars lässt sich auf ihre Eigenschaft als Qualitätsmonitore zurückführen, die sowohl im künstlerischen und ökonomischen Entstehungsprozess als auch bei der Vermarktung zum Tragen kommt.326 Stars prüfen ex ante die Erfolgsträchtigkeit ihrer Engagements, da sich Misserfolge negativ auf ihre Reputation auswirken. Das Ergebnis dieses „Screenings“ stellt für Kapitalgeber und Produzenten einen wichtiger Indikator dar, inwieweit z.B. ein Filmprojekt vorab von den Stars als erfolgversprechend eingeschätzt wird.327 Im Sinne eines Signalling-Effekts dienen die Stars zudem als Zugpferde, die den Zugang zu und die Akquisition von anderen Akteuren und Kapitalgebern erleichtern. Ex post signalisiert die Mitwirkung von Stars den Rezipienten eine entsprechende „erwartbare“ Qualität.328 In gewisser Weise handelt es sich hierbei um „ingredient brands“, die das Markenprodukt aufwerten sollen bzw. ein kaufentscheidendes Merkmal darstellen.
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Vgl. Franck (2001), S. 48. Vgl. Gaitanides (2001), S. 10. Allerdings garantieren diese Mechanismen nicht ausschließlich den ökonomischen Erfolg von Filmen, da – wie zahlreiche Untersuchungen zeigen – auch andere Faktoren wie die Anzahl der Startkopien, das Genre, die Werbung, das Rating und der Premierenmonat einen Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg haben. Vgl. Gaitanides (2000).
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
II.2.2
125
Medienmarken: Eine ressourcenorientierte Perspektive
Fruchtbare Impulse für die Auseinandersetzung mit Medienmarken verspricht auch der ressourcenorientierte Ansatz. Das Grundprinzip der sogenannten Resource-Based View geht davon aus, dass Unternehmen nur dann nachhaltige Wettbewerbsvorteile realisieren können, wenn sie Asymmetrien in der wettbewerbsrelevanten Ressourcenausstattung gegenüber den anderen Marktteilnehmern aufweisen können.329 Ein erweitertes Verständnis liefern insbesondere jene Beiträge, die eine konzeptionelle Verbindung zwischen dem klassischen Ressourcenansatz und den Theorien des organisatorischen Lernens und Wissens herstellen. Das Konzept der Kernkompetenzen330 ist hierbei ein solches zentrales Verbindungsglied. Für Pettigrew/Whipp (1993) sind Kernkompetenzen „ (…) intangible assets (including) knowledge about markets and technologies and how to exploit them, as well as brands and reputation for quality of products, services, and human resources. However, the most fundamental intangible assets, and those most linkable to competitive performance, are organizational capabilities to learn and change” (Pettigrew/Whipp 1993, S. 3, Hervorhebung durch P.B.).331
Grundsätzlich ist der ressourcenorientierte Ansatz aber nicht nur ein geeigneter Zugang zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen, sondern auch zum Aufzeigen von Synergiepotenzialen.332 Im Mittelpunkt einer synergetischen Koordination steht die Nutzung und Schaffung Mehrwert generierender Ressourcen durch die Koordination der Unternehmensteileinheiten. Demzufolge kann eine Medienmarke als Ressource bzw. Kernkompetenz der Ausgangspunkt zum einen von Wettbewerbsvorteilen (2) und zum anderen von synergetischer Koordination (3) sein. Insbesondere Markenexpansionsstrategien sind Ausdruck einer solchen synergetischen Mehrfachverwertung bzw. -verwendung und Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen von Marken (4). Einführend sollen aber zunächst die für eine ressourcenorientierte Betrachtungsweise der Marke relevanten Leitlinien der Resource-Based View als Bezugspunkt eines strategischen Markenmanagements skizziert werden (1).
329 330
331 332
Vgl. zur Resource-Based View im Überblick Welge-Al-Laham (1999), S. 253ff. und Priem/Butler (2001). In der Literatur werden synonym auch die Begriffe strategische Kernfähigkeiten, core skills, assets, core competencies oder core capabilities verwendet, was zur uneinheitlichen Begriffsvielfalt und unklaren Begriffsabgrenzung der zentralen Termini des Resource-Based-View beiträgt. Ähnlich auch Prahalad/Hamel (1990), S. 82. Wiegand (1996), S. 464, bezeichnet diese Kompetenzen sogar als „invisible assets“ bzw. implizites Wissen. Zur den Möglichkeiten der synergetischen Koordination unter Rekurs auf den ressourcenorientierten Ansatz vgl. für den Konzern im Allgemeinen Steidl (1999) und für die Medienunternehmung im Besonderen Brack (2002).
126
(1)
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Ressourcen als Bezugspunkt eines strategischen Markenmanagements
Die nachhaltigen Wettbewerbsvorteile von Unternehmen sind auf die Existenz ihrer einzigartigen Ressourcen und Ressourcenkombination zurückzuführen. Ressourcen sind daher zunächst „(…) all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge etc. controlled by the firm that enable the firm to conceive of an implement strategies that improve its efficiency and effectiveness. (…) [or] firm attributes that may enable firms to conceive of and implement value-creating strategies” (Barney 1991, S. 101).333
Die Gesamtheit dieser Unternehmensressourcen kann in einem ersten Zugang in die drei Hauptgruppen finanzielle, materielle und immaterielle Ressourcen unterschieden werden.334 Finanzielle Ressourcen umfassen u.a. die Barreserven, das Kreditvolumen oder das zugängliche Eigenkapital aus potenziellen Kapitalerhöhungen. Unter materielle (tangible, visible) Ressourcen werden z.B. Grundstücke, Gebäude, spezifische Produktionsanlagen oder Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe subsumiert. Aus Sicht des ressourcenorientierten Ansatzes stehen insbesondere die oftmals schwer imitier- und substituierbaren immateriellen Ressourcen im Vordergrund. Immaterielle (intangible) Ressourcen konkretisieren sich z.B. in Markennamen, Markenimages, Patenten, Produkt- und Unternehmensreputation335 oder der Innovationsfähigkeit. Für diese Kategorie ist allerdings eine weitergehende Differenzierung aus zwei Gründen notwendig. Zum einen gilt es, die immaterielle Ressource Marke zu konkretisieren. Zum anderen sind auch individuelle und organisatorische Fähigkeiten zu berücksichtigen, die in ihrer Kombination mit immateriellen, materiellen und finanziellen Ressourcen die wettbewerbsrelevanten Ressourcen bzw. Kompetenzen begründen. Im Folgenden soll deshalb im Hinblick auf immaterielle Ressourcen zwischen immateriellen Vermögenswerten und sogenannten Fähigkeiten zur Verwendung dieser Vermögenswerte differenziert werden (siehe Abbildung II-10).336
333 334 335 336
Ähnlich bereits Wernerfeldt (1984), S. 172. Als Beispiele führt er u.a. Marken (brand names) und eine fähige HR-Ausstattung (skilled personnel) auf. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 109 in Anlehnung an Chatterjee/Wernerfeldt (1991), S. 34f. Vgl. Bentele et al., (2005), S. 18ff. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 109f. Hall (1992), S. 136ff. und (1993), S. 608f., unterscheidet zwischen „Assets“, „Skills“ und „Competencies“, wobei er die beiden letztgenannten Begriffe nahezu synonym verwendet. Ähnlich argumentierten auch Collis/Montgomery (1995), S. 123, die zwischen tangiblen und intangiblen Ressourcen sowie Fähigkeiten (capabilities) unterscheiden. Knaese (1996), S. 17., hingegen differenziert zwischen personenunabhängigen (z.B. Verfügungsrechte und Routinen) und personenabhängigen (z.B. Fähigkeiten und Fertigkeiten) immateriellen Ressourcen.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
127
Finanzielle Ressourcen
Ressourcen
Materielle Ressourcen
Immaterielle Vermögenswerte Immaterielle Ressourcen Fähigkeiten
Abbildung II-10: Taxonomie unternehmensspezifischer Ressourcen
Immaterielle Vermögenswerte umfassen die Eigentums- und Verwertungsrechte an immateriellen Ressourcen wie z.B. Verträgen, Kundendaten, Patenten, Medieninhalten und Marken. Die Wertigkeit dieser Vermögenswerte ist mitunter schwer messbar. Nur im Falle des Erwerbes, z.B. von Marken, gibt der Transaktionspreis einen konkreten Anhaltspunkt für den Wert der Ressource. Im Grunde genommen konkretisieren sich in dem Konstrukt der Marke die verschiedenen markenorientierten immateriellen Faktoren, wie Markenbekanntheit, -image, -sympathie und -glaubwürdigkeit etc., die letztendlich für die Marktteilnehmer eine Reihe an wichtigen Funktionen erfüllen. Das Nutzungsrecht (bzw. der Schutz337) der Marke sind daher von zentraler Bedeutung für Medienunternehmen. Fähigkeiten stellen die primär personenabhängige, aber z.T. auch quasi-personenunabhängige Ressourcen- bzw. Wissensbasis der Unternehmung dar. Zur ersten Gruppe zählen spezifisches Know-how, besondere Fertigkeiten, Expertenwissen und das Problemlösungswissen von Mitarbeitern. In diesem Sinne verkörpern die Humanressourcen gleichsam die immaterielle Ressource der Fähigkeiten.338 In die zweite Gruppe fallen kollektive Regeln, Verfahrensweisen, Interpretationsmuster und Elemente der Unternehmenskultur.339 Hierbei handelt es sich gleichsam um Routinen, 337 338
339
Wie bereits ausgeführt erstreckt sich der gesetzliche Schutz der Marke primär auf den Markennamen oder das Markenlogo. Ringlstetter (1995), S. 109 und Steidl (1999), S. 132f. Anders hingegen Grant (1991), S. 121ff., der grundsätzlich zwischen tangiblen, intangiblen und menschlichen Ressourcen unterscheidet, wobei aber zahlreiche Überschneidungen zwischen den Kategorien festzustellen sind. Im Sinne dieser Unterscheidung handelt es sich bei immateriellen Vermögenswerten um „reinpersonenunabhängige“ Ressourcen.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
in denen die kumulierten Erfahrungen und Wissensbestandteile der Organisationsmitglieder – ähnlich einem organisatorischen Wissensspeicher – verankert sind.340 Im Hinblick auf den Aufbau, die Pflege und die Entwicklung einer Marke spielen daher sowohl die Fähigkeiten des kreativ-journalistischen als auch des kaufmännischen Bereichs eine wichtige Rolle. Der Mantel Marke wird regelmäßig mit „neuen“ Medieninhalten gefüllt, die auf Basis der einzelnen Fähigkeiten der Mitarbeiter geschaffen werden. Unterstützend können hierbei auch kodifizierte Routinen im Sinne von Markenverfassungen oder nicht-kodifizierte Verhaltensregeln (z.B. bestimmter Schreib- und Fotostil) wirken. Die Existenz von finanziellen, materiellen und immateriellen Ressourcen ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für das Vorliegen von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und zur Schaffung des angestrebten Mehrwertes. Vielmehr müssen die eingesetzten Ressourcen eine Reihe von wettbewerbsrelevanten Wesensmerkmalen aufweisen, damit sie als Basis für eine längerfristig stabile und heterogene Ressourcenausstattung im Verhältnis zu den Wettbewerbern fungieren können. Barney (1991) identifiziert hierzu vier zentrale Eigenschaften von Ressourcen:341 Wert: Ressourcen weisen einen „wertstiftenden Charakter“ auf, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen leisten. Im besonderen Maße geht es um die Fähigkeit zur Nutzen- bzw. Wertstiftung beim Kunden.342 Die strategische Relevanz ist in diesem Sinne die conditio sine qua non, denn nur aufbauend auf deren Vorhandensein sind Fragen der Nachhaltigkeit bzw. Schutzfähigkeit der Ressource von Bedeutung. Knappheit: Sind Ressourcen für Wettbewerber prinzipiell verfügbar, können sie nicht zur Generierung eines Wettbewerbsvorteils beitragen, da eine stabile und nachhaltige Asymmetrie in der Ressourcenausstattung nicht aufrechterhalten werden kann. Der Knappheitsgrad einer Ressource hängt damit eng mit ihrer grundsätzlichen Übertragbarkeit und Marktfähigkeit sowie der Existenz von entsprechenden Märkten zusammen.
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342
Vgl. Welge/Al-Laham (1999), S. 261. Fähigkeiten können sich im Zuge von Lern- und Innovationsprozessen verändern und weisen somit mitunter einen dynamischen Charakter auf Vgl. Barney (1991), S. 105ff. und Priem/Butler (2001), S. 24. Die beiden letztgenannten Autoren liefern eine Übersicht von Definitionen in der Scientific Community, die sich stark an Barney (1991) Eigenschafts-Framework anlehnen. Vgl. Blohm (2000), S. 91f. Demzufolge muss die Verwendung der Ressourcen signifikant dazu beitragen, für den Kunden einen spezifischen Zusatznutzen zu generieren
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
129
Nicht-Imitierbarkeit: Ressourcen sollten von Wettbewerbern nur schwer imitiert werden können. Im Idealfall liegen also ressourcenimmanente Imitationsbarrieren vor, die einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil begründen.343 Der Grad der Imitierbarkeit bestimmt sich durch Kriterien wie die unternehmensindividuelle Historie, das Ausmaß der Interdependenz der Ressourcen, die Unklarheit der Kausalzusammenhänge zwischen Ressourcenbasis und Wettbewerbsvorteil („causal ambiguity“)344 und die soziale Komplexität.345 Des Weiteren können auch zeitbasierte Kriterien wie die Begünstigung der Ressourcenakkumulation des etablierten Unternehmens durch Skalen-, Erfahrungs- und Synergieeffekte eine Rolle spielen.346 Nicht-Substituierbarkeit: Ressourcen dürfen zudem nicht substituierbar sein. Die Substitutionsgefahr resultiert aus zwei Quellen:347 zum einen durch anderweitige Ressourcen oder eine äquivalente Ressourcenkombination und zum anderen durch den technologischen Wandel. Eine fokale Ressource begründet nur dann einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil, wenn sie alle vier Eigenschaften erfüllt (siehe Abbildung II-11). Sie weist dann ein besonderes Nutzungspotenzial als „strategisch wertvolle Ressource“ auf.348
Knappheit
Ressource
Wert (strategische Relevanz)
Nicht-Imitierbarkeit
Potenzielle Ressourcenasymmetrie und Basis nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Nicht-Substituierbarkeit
Möglichkeit eines Wettbewerbsvorteils
Nachhaltigkeit des Wettbewerbsvorteils
Abbildung II-11: Anforderungen an Ressourcen als Basis nachhaltiger Wettbewerbsvorteile (Quelle: verändert aus Steidl 1999, S. 137) 343 344
345 346
347 348
Vgl. Reed/DeFillippi (1990), S. 88, zu den sogenannten „barriers to imitations“ Reed/DeFillippi (1990), S. 91 weisen darauf hin, dass diese Quelle eines Wettbewerbsvorteils nur dann nachhaltig ist, wenn „managers understand causal relationships better than their competitors, and where competencies can be manipulated for advantage.“ Vgl. Rasche (1994), S. 70ff., Barney (1991), S. 107ff. und Steidl (1999), S. 136. Darüber hinaus können auftretende Ineffizienzen bei Konkurrenten aufgrund des Zugzwangs, Erfahrungsdefizite und Know-how-Rückstände schnell aufzuholen („time compression diseconomies“), ausschlaggebend für die Nicht-Imitierbarkeit von Ressourcen sein Vgl. Rasche (1994), S. 86. Vgl. Amit und Schoemaker (1993), S. 38f.
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Im Folgenden sollen nun die einzelnen Ressourcenkategorien im Allgemeinen und die Marke als immaterielle Ressource im Besonderen anhand dieser Bedingungen untersucht werden.
(2)
Die strategische Bedeutung der Ressource Medienmarke
Die Marke ist eine der zentralen Quellen für den Wettbewerbsvorteil von Medienunternehmen und weist damit eine sehr hohe strategische Relevanz auf. In deren Aufbau, Pflege und Entwicklung sind wiederum die unterschiedlichsten Ressourcen involviert. In Abhängigkeit der vollständigen Erfüllung der oben aufgeführten Kriterien handelt es sich bei diesen Ressourcen zum Teil selbst um strategische Ressourcen. Generell stellen finanzielle Ressourcen für Medienunternehmen einen knappen und daher einen limitierenden Faktor dar. Sie sind aber vielmehr Vehikel und nicht Gegenstand zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, d.h., erst ihre Transformation in materielle oder immaterielle Ressourcen leistet einen (durchaus wichtigen) Beitrag zur Wertschaffung in Unternehmen.349 In diesem Sinne beeinflusst die finanzielle Ressourcenausstattung maßgeblich die Positionierungs- (z.B. Ressourcenaufwand und Qualität für selbst erstellte Reportagen, HR-Ausstattung) und Vermarktungsstrategien (z.B. Above- und Below-the-line-Maßnahmen) der Marke. Für die allermeisten materiellen Ressourcen gilt, dass die Erfüllung aller Nachhaltigkeitskriterien eher unwahrscheinlich ist. Grund hierfür ist, dass diese aufgrund ihrer Tangibilität in der Regel auf den Beschaffungsmärkten verfügbar und grundsätzlich zugänglich für andere Unternehmen sind.350 Die Nicht-Knappheit der materiellen Ressourcen ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass diese aufgrund der geringen strategischen Relevanz oftmals nicht selbst erstellt werden, sondern über den Markt bezogen werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber nicht, dass diese Ressourcen jedem Unternehmen tatsächlich zugänglich sind, weil die finanzielle Ressourcenausstattung den entscheidenden limitierenden Faktor darstellt. Als immaterieller Vermögenswert konkretisiert sich die Marke in Form ihrer jeweiligen Erscheinungsform als wahrnehmungsbezogenes Markierungsmittel (z.B. Markenname, -zeichen oder -logo). Die Nicht-Imitierbarkeit von Marken im Sinne der 349 350
Vgl. Morner (1997), S. 61 und Steidl (1999), S. 137. Natürlich gibt es zweifelsohne eine Reihe von Ausnahmen. Zu nennen wären u.a. nur einmalig existierende Ressourcen, wie bestimmte Grundstücke. Ein weiteres Beispiel sind selbst erstellte Ressourcen wie Produktionsanlagen, die zwar theoretisch, aber nicht faktisch duplizierbar sind, weil sie trotz deren grundsätzlicher Marktfähigkeit nicht im Markt gehandelt werden.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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Marke als Warenzeichen ist relativ leicht gegeben, wenn sie durch Markenrechte geschützt werden.351 Dieser besondere Schutz stellt ein Erfolgspotenzial in sich dar. Die Gefahr der Imitierbarkeit des Formats ist hingegen relativ hoch, da Konzepte und mitunter Inhalte nur sehr beschränkt geschützt werden können.352 In einem ersten Zugang ist die Substituierbarkeit von Marken zwar grundsätzlich gegeben, da die Informations- oder Unterhaltungsbedürfnisse der Kunden durch andere Marken befriedigt werden können (z.B. Nachrichteninhalte in den verschiedenen Nachrichtensendungen oder Zeitungen). Unter Rückgriff auf ein zentrales Element der Arbeitsdefinition von Marken kann aber darauf verwiesen werden, dass eine in der Psyche des Konsumenten verankerte Marke im besonderen Maße mittel- oder sogar langfristig nur sehr schwer imitiert oder substituiert werden kann. In diesem Fall ist auch die Eigenschaft der nachhaltigen Knappheit der Marke gegeben. Das Potenzial der Marke als nachhaltiger Wettbewerbsvorteil wird letztendlich dadurch deutlich, dass sich im Grunde genommen in der Marke die verschiedenen immateriellen Faktoren wie Markenbekanntheit, -image, -sympathie und -glaubwürdigkeit etc. konkretisieren, die für die Marktteilnehmer eine Reihe an wichtigen Funktionen erfüllen und damit maßgeblich zur Kaufentscheidung beitragen. Insgesamt kann also die Ressource Marke im Sinne eines strategischen Vermögenswertes eine hohe strategische Relevanz für Medienunternehmen aufweisen. Von zentraler Bedeutung für das Wettbewerbspotenzial der Marke sind aber auch solche markenrelevanten Fähigkeiten bzw. Kernkompetenzen353, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Schaffung, Pflege und Entwicklung von Marken stehen. Hierzu zählen insbesondere die Kernkompetenzen zur Erstellung oder werterhöhenden Veränderung und Verwertung von Inhalten.354 Medieninhalte spielen nämlich als wesentliche immaterielle Komponente und werthaltiger Bestandteil von Mediengütern eine maßgebliche Rolle.355 Sie sind das zentrale konstitutive Element von Medienmarken, da ohne deren Existenz bzw. Verwendung die Marke inhaltslos wäre und keinen Zusatznutzen für den Kunden generieren könnte. Darüber hinaus können markenrelevante Kernkompetenzen auch in anderen Funktionsbereichen wie im 351 352 353
354 355
Vgl. zum Markenschutz Quellen Bruhn (2004), S. 2393ff. Solche Markenrechte sind aufgrund der Rechtskomponente damit grundsätzlich marktfähig. Eine Ausnahme stellt die rein symbolische Nutzung der Marke gegenüber der Umwelt dar. Als Kernkompetenzen sollen hierbei die komplexen und dynamischen Interaktionsmuster (Kombinationen) aus personenbezogenen und organisatorischen Fähigkeiten, immateriellen Vermögenswerten und materiellen Ressourcen verstanden werden. Vgl. Rasche (1994), S. 143ff. Vgl. Brack (2002), S. 185ff. Vgl. Habann (1999), S. 77.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Marketing (z.B. Markenvermarktung), Controlling (z.B. Markenmanagementsysteme) oder im Management (z.B. ausgeprägtes Markenbewusstsein) existieren. 356 Durch die Kombination verschiedener Ressourcen und der Kontextgebundenheit weisen diese Markenkompetenzen grundsätzlich einen hohen Grad der Nachhaltigkeit auf. So schränkt die Personengebundenheit von Fähigkeiten ihre Übertragbarkeit und damit ihre Marktfähigkeit grundsätzlich ein.357 Das Aneignen solcher besonderen Fähigkeiten lässt sich daher kurzfristig nur durch das Abwerben der entsprechenden Kompetenzträger beschleunigen. Weitaus komplizierter ist nicht nur die Akquisition sondern auch die Imitierbarkeit von organisatorischen Fähigkeiten wie Unternehmenskultur oder -image. Zum einen sind diese Fähigkeiten nicht auf einzelne Personen oder Personengruppen zuordenbar, sondern vielmehr in den Tiefenstrukturen der organisatorischen Lebenswelt verankert.358 Dies führt dazu, dass die Abwerbung einzelner Personen wenig zielführend erscheint bzw. die Märkte für solche Ressourcen generell nicht nur unvollkommen, sondern schlichtweg nicht existent sind. Zum anderen sind der Nachahmung solcher Fähigkeiten aufgrund der bereits oben identifizierten Quellen der Nichtimitierbarkeit, wie der unternehmensindividuellen Historie, dem Ausmaß der Interdependenz der Ressourcen, der „causal ambiguity“ und zeitbasierten Kriterien enge Grenzen gesetzt.359 Allerdings beweist die Unternehmenspraxis, dass diese Nachhaltigkeitsbarrieren immer wieder aufgebrochen bzw. umgangen werden können. Exemplarisch seien zum einen im Zeitschriftensegment die Einführung neuer Marken in etablierten Segmenten (z.B. Focus und Glamour)360 und das Verschwinden einst erfolgreicher Marken (z.B. Quick) genannt. Zum anderen bedingt der technologische Wandel neue Mediennutzungsformen und die Substitution etablierter Medienmarken.
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Weitere Quellen für nachhaltige Wettbewerbsvorteile können grundsätzlich auch die IT, das HRManagement, die strategische Planung, administrative Fähigkeiten, Vertrauen etc. sein. Vgl. Priem/Butler (2001), S. 25. Insbesondere die taziten oder impliziten Fähigkeiten bzw. Wissensbestandteile können von den entsprechenden Trägern nicht artikuliert und somit personenunabhängig gespeichert oder übertragen werden. Vgl. Knyphausen (1993), S. 776. So konstatiert Peteraf (1993), S. 183, dass „[s]uch assets tend to defy imitation, because they have a strong tacit dimension and are socially complex. They are born of organizational skill and corporate learning. Their development is ‘path dependent’ in the sense that it is contingent upon preceding levels of learning, asset stocks and development activity. For such assets history matters. Would-be-imitators are thwarted by the difficulty of discovering and repeating the developmental process and by considerable lag involved.” Im Sinne einer Substitution wiesen die neuen Zeitschriften neue Features, wie Infografiken, kurze Texte (Focus) oder Pocketformat (Glamour) auf.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
133
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Zusammenspiel der markenrelevanten Kernkompetenzen bzw. die Kombination der unterschiedlichsten materiellen, finanziellen und immateriellen Ressourcen letztendlich den bedeutenden Beitrag der strategischen Ressource Marke zum nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für die Medienunternehmung begründet. Kritisch ist hierbei jedoch anzumerken, dass dieses Zusammenspiel mitunter in einer black box stattfindet, d.h., es ist nicht immer nachvollziehbar, warum bestimmte Ressourcen letztendlich ursächlich für einen Wettbewerbsvorteil sind.361 Darüber hinaus ist es ex post bei erfolgreichen Firmen relativ einfach, die kritischen, strategisch relevanten Ressourcen und Kernkompetenzen zu identifizieren.362
(3)
Medienmarken als Zielpunkt synergetischer Koordination
Eine ressourcenorientierte Betrachtungsweise von Medienmarken kann auch als geeigneter Zugang dienen, um sich deren Synergiepotenzialen anzunähern. Grundsätzlich setzt das Management von Synergien daran an, durch eine fakultative Koordinationsleistung die Ressourcenbasis der verschiedenen organisatorischen Teileinheiten mittels eines Leveraging zu erweitern und gleichsam einen Mehrwert für die Unternehmung zu generieren.363 Die Existenz fakultativer Koordinationspotenziale ist dabei eine notwenige, aber keine hinreichende Bedingung für die Sinnhaftigkeit einer synergetischen Koordination. Grundbedingung ist vielmehr ist ein gewisser Grad an strategischer Verwandtschaft bzw. „Relatedness“ zwischen den organisatorischen Einheiten.364 Die Maxime eines mehrwertschaffenden Zusammenfügens und damit die Realisierung eines synergetischen Fits basiert vor allem auf der Ähnlichkeit bzw. Identität oder Komplementarität zwischen den Teileinheiten.365 Eine Ähnlichkeit/Identität liegt vor, wenn bspw. die Teileinheiten auf gleiche Ressourcen zurückgreifen bzw. diese benötigen. So sind zum Beispiel bestimmte Humanressourcen bei der Generierung von Medieninhalten für verschiedene Mediengüter involviert. Synergien entstehen auch bei 361 362 363 364 365
„Why is it that some heterogeneous resources generate value, whereas other heterogeneous resources do not?” (Priem/Butler 2001, S. 33). In diesem Sinne kann man von einem „In-Search-of-Excellence“-Problem sprechen. Vgl. Priem/Butler (2001), S. 33. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 149ff. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 208. Demzufolge weisen sehr diversifizierte Medienunternehmungen einen geringen Grad an Relatedness auf. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 87f. und Steidl (1999), S. 113f.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
der Mehrfachverwertung von Inhalten. Von besonderer Relevanz im Hinblick auf diese Arbeit ist die Möglichkeit des Markentransfers als Ausdruck einer Mehrfachverwertung der Ressource Marke. Neben der Marke lassen sich zusätzlich markenrelevante Kompetenzen leveragen und Kostensynergien realisieren (z.B. geringere Marketingkosten gegenüber einer Neumarkenstrategie), die in einem Mehrwert für die Unternehmung münden können. In diesem Sinne handelt es sich um eine „konsequente Ausbeutung“366 bereits vorhandener Ressourcen. Die Komplementarität beruht hingegen auf dem Zusammenspiel von verschiedenen Teileinheiten bei der Herstellung oder Verwertung von Gütern, das letztendlich eine neue Ressource bzw. Kompetenz begründet. Exemplarisch seien die gemeinsame Entwicklung von Inhalten für verschiedene Mediengattungen, Systemangebote (z.B. das Buch und die Musik zum Film) oder die gemeinsame Vermarktung der Angebote gegenüber der Werbewirtschaft genannt. Das Ausmaß der strategischen Relatedness bzw. des synergetischen Fits hängt dabei eng mit der Wettbewerbsrelevanz der strategischen Ressourcen der Teileinheiten zusammen. Grundsätzlich sollten nur strategische Ressourcen Zielpunkt bzw. Gegenstand einer synergetischen Koordination von Teileinheiten sein.367 Allerdings eignen sich nicht alle strategischen Ressourcen gleichermaßen zu einer solchen synergetischen Koordination. Das ausgeprägte Vermarktungsund Synergiepotenzial von Medieninhalten und -marken beruht auf der Kongruenz von Mehrfachverwertung und Markentransfer, d.h. auf den Möglichkeiten der Verbindung von Verbundeffekten und Markenpotenzialausschöpfung.368 So lassen sich zum einen „Economies-of-Scope-Effekte“ (z.B. gemeinsame Erstellung von Medieninhalten und deren effiziente Mehrfachverwertung auf Grundlage digitaler Produktion), und zum anderen Vorteile im Absatz- und Werbemarkt durch den Identitäts- bzw. Imagetransfer der jeweiligen Ursprungsmarke realisieren. Dieses Potenzial von Marken im Hinblick auf ein Synergiemanagement in Medienunternehmen soll anhand der prinzipiellen Mehrfachnutzung einerseits und der grundsätzlichen Flexibilität von strategischen Ressourcen andererseits im Folgenden
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368
Steidl (1999), S. 146. Der vorangegangene Abschnitt thematisierte bereits das Potenzial von strategischen Ressourcen für die Schaffung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. In diesem Zusammenhang wurde auch die herausragende Stellung ersichtlich, welche insbesondere immateriellen Ressourcen wie der Marke und markenrelevanten Kompetenzen beizumessen ist. Vgl. Siegert (2003), S. 171.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
135
detaillierter untersucht werden.369 Die Mehrfachnutzung zielt zunächst auf die grundlegende Möglichkeit der Zugänglichkeit und Nutzung der vorhandenen Ressource ab (siehe Abbildung II-12).
Medienmarken möglich
Unternehmens-öffentliche Ressourcen
Nicht-rivalisierende Nutzbarkeit
Markenrelevante Kompetenzen
unmöglich
Teileinheits-private Ressourcen
Quasi-öffentliche Ressourcen
unmöglich
möglich
Multiple Nutzbarkeit
Abbildung II-12: Potenzielle Mehrfachnutzung von strategischen Ressourcen als Voraussetzung zur synergetischen Koordination (Quelle: verändert aus Steidl 1999, S. 149)
Unternehmens-öffentliche Ressourcen können idealtypischerweise von verschiedenen Einheiten genutzt werden (multiple Nutzbarkeit), ohne dass es zu einer Rivalität in der Nutzung bzw. beim Konsum kommt (Nicht-Rivalität). Dieser Tatbestand trifft u.a. auf die immateriellen Vermögenswerte Medieninhalte und Medienmarken zu. Letztere „Assets“ können z.B. im Rahmen von Markentransfers (Merchandisingartikel, Buch zur Show etc.) synergetisch genutzt werden. Quasi-öffentlichen Ressourcen wie z.B. personengebundenen markenrelevanten Kompetenzen, fehlen zwar prinzipiell die Eigenschaften der nicht-rivalisierenden Nutzbarkeit. Allerdings sind sie ebenfalls von mehreren Teileinheiten nutzbar, wenn sie nicht vollständig ausgeschöpft werden (z.B. Sharing von Humanressourcen). Teileinheits-private Ressourcen können hingegen nur in einer Teileinheit gleichzeitig genutzt werden und erfüllen somit zugleich das
369
Die Relevanz von Medieninhalten als Basis synergetischer Koordination in Medienunternehmen ist bereits ausführlich von Brack (2002) aufgezeigt worden. Allerdings wird in diesen Ausführungen nur zum Teil auf die Rolle von Medienmarken hingewiesen. Vgl. Brack (2002), S. 156ff.
136
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Kriterium der Nutzungsrivalität.370 Inwieweit diese Ressourcen aber tatsächlich für die Medienunternehmung nutzbar gemacht werden können, hängt von der grundsätzlichen Flexibilität dieser Ressourcen ab. Die Determinanten Transferierbarkeit, Anwendbarkeit und Kombinierbarkeit bestimmen hierbei den Grad der Flexibilität solcher Ressourcen: Transferierbarkeit: Die (technische) Übertragungsflexibilität ist bei kodifizierten, immateriellen Vermögenswerten relativ hoch. Insbesondere Markenschutzrechte oder Verwertungsrechte weisen aufgrund der rechtlichen Komponente ein hohes Potenzial zur synergetischen Nutzung auf, da sie eine hohe unternehmensinterne, aber aufgrund der Schutzrechte geringe -externe Mobilität aufweisen. Die für Medienmarken konstitutiven Medieninhalte sind in der Regel ebenfalls leicht transferierbar.371 Fähigkeiten, wie z.B. markenrelevante Kernkompetenzen, weisen hingegen aufgrund ihrer Personengebundenheit und ihres taziten Charakters einen sehr geringen Grad an Transferierbarkeit auf. Eine Möglichkeit, die Übertragbarkeit von Fähigkeiten dennoch zu gewährleisten, liegt darin, diese explizit zu machen bzw. zu artikulieren respektive sie zu dokumentieren (z.B. in Form einer Markenverfassung und entsprechenden Markenrichtlinien). Anwendbarkeit: Die Anwendbarkeit einer Ressource bestimmt, inwieweit diese in anderen Einsatzfeldern jenseits ihrer ursprünglichen Bestimmung Verwendung finden kann. Die Transfermöglichkeiten einer Marke in andere mediale oder medienfremde Segmente sind insbesondere abhängig von den Assoziationen, die mit der Marke seitens der Konsumenten verbunden werden. Empirische Untersuchungen zeigen, dass je abstrakter bzw. symbolischer die Images der Ursprungsmarken wahrgenommen werden, d.h. je weniger diese durch konkrete, funktionale Produktattribute geprägt sind, umso leichter lassen sich die Marken mit anderen Produkten in Verbindung bringen und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Markentransfers.372 Kombinierbarkeit: Unter Einbeziehung anderer Ressourcen können die vorhandenen Ressourcen in einem kombinatorischen Prozess zu einer neuen Ressource transformiert werden. So handelt es sich zum Beispiel bei der Über370
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Die Konstellation, dass Ressourcen, die nur in einer Unternehmensteileinheit nutzbar sind, gleichsam immer eine Rivalität in der Nutzung aufweisen, führt dazu, dass der Quadrant links oben in der Matrix unbesetzt bleibt. Entscheidend ist hierbei der jeweilige Abstraktionsgrad und das technische Format (digital, in Papierform etc). Vgl. Reddy/Holak/Bhat (1994), S. 255ff. und Park/Milberg/Lawson (1991), S. 192.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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tragung von markenrelevanten Fähigkeiten in der Regel nicht nur um einen „reinen“ Transfer, sondern um einen Prozess, in dem die Fähigkeiten in mehr oder minder großem Umfang mit anderen Fähigkeiten und Ressourcen kombiniert werden. Im Falle von Medienmarken können diese im Rahmen eines CoBrandings mit anderen (Medien)-Marken verknüpft werden.373 Medieninhalte weisen ebenfalls eine hohe Kombinierbarkeit mit anderen Medieninhalten und auch sektor-fremden Produkten auf.374 Die Ausführungen haben gezeigt, dass sowohl der immaterielle Vermögenswert Marke als auch die markenrelevanten Fähigkeiten eine Reihe von wettbewerbs- und synergierelevanten Charakteristika aufweisen, um als Zielpunkt für eine synergetische Koordination zu dienen. Die Marke als strategische Ressource zählt somit zu den Grundpfeilern eines Synergiemanagements in Medienunternehmen. Die exemplarisch genannten Markentransfers können hierbei das Ergebnis bzw. der Versuch sein, Medienmarken einerseits synergetisch zu nutzen und andererseits Wachstumschancen zu realisieren.375 Im folgenden Abschnitt sollen Markentransfers daher detaillierter untersucht werden.
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Markentransfers als Ausdruck strategischer Mehrfachverwertung in Medienunternehmen
Im Hinblick auf den Begriff des Markentransfers (synonym Markendehnung oder Brand Stretching) liegt in der Marketingliteratur eine starke terminologische Heterogenität vor. Gemeinsam ist hingegen allen Begriffsdefinitionen, dass die „(…) Identität einer etablierten Marke für neue Produkte durch die Verwendung eines gemeinsamen Markenkonzeptes für das Stamm- und das Erweiterungsprodukt mit dem Ziel einer Übertragung positiver Imagebestandteile bei den Nachfragern verwendet wird“ (Burmann/Meffert/Blinda 2005, S. 197).
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Aktuelles Beispiel hierfür ist das gemeinsame Online-Angebot sport1.de von DSF und Sport-Bild, wobei die zwei Einzelmarken weiterhin im Hintergrund auftreten. Bei einer Verknüpfung zwischen einer Medien- und einer Konsumgütermarke handelte es sich um die Kooperation von Coca Cola und RTL bei der Coca Cola Weihnachtstour. Vgl. Brack (2002), S. 180. Aus ressourcentheoretischer Perspektive handelt es sich dann bei Markentransfers um eine Replication (z.B. Transfer ins Ausland) oder ein Redeployment (z.B. Transfer in ähnliche oder andere Mediensegmente) von Ressourcen bzw. Fähigkeiten. Im Rahmen des Redeployment bzw. der Recombination erfolgen mitunter zu einem gewissen Grad Veränderungen bzw. (Neu-)Kombinationen der Ressourcen bzw. Fähigkeiten. Vgl. Helfat/Peteraf (2002), S. 20f.
138
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Die Nutzung bzw. der Transfer einer existierenden Marke soll gleichsam zu Wachstums- (z.B. Ausweitung der Zielgruppen) und Synergieeffekten (z.B. Reduktion von Marketingkosten) durch die Erreichung von kunden- (z.B. sofortige Markenwahrnehmung) und handelsgerichteten (z.B. Senkung von Handelsbarrieren) Zielen führen. Die Dehnung der Marke ist bereits seit längerer Zeit ein wesentlicher ökonomischer Faktor in zahlreichen Geschäftsmodellen von Medienunternehmen und auch zukünftig scheinen Markentransfers attraktive Potenziale zu bieten.376 Grundsätzlich zählen Markentransfers neben geografischen Markenausdehnungen zu den sogenannten Markenexpansionsstrategien. Eine evolutionäre Markenstrategie umfasst den Verhaltensplan bzw. die Entwicklung der Marke durch Expansions- und Konsolidierungsaktivitäten.377 In der Medienindustrie finden sich verschiedene Ausprägungsformen an Markentransferstrategien, die im Folgenden exemplarisch dargestellt und erläutert werden (a). Daran anschließend werden die Chancenpotenziale und Risiken dieser Strategien untersucht (b). (a)
Typologisierung von Markentransfers
Als zwei grundsätzliche Formen von Markentransfers lassen sich Markenausdehnungen (synonym Line Extensions oder Produktlinienerweiterungen) und Markenerweiterungen (synonym Category oder Franchise Extensions) unterscheiden (siehe Abbildung II-13).378
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„Die Diversifikation ist absolut notwendig. Auch wenn kein aktueller wirtschaftlicher Zwang bestehen sollte, müssen die Hüter der Marke stetig daran arbeiten, die Marke zu stärken und zu verbreitern. Nur Kurzsichtige warten, bis der Notfall eintritt“ Esser (Geschäftsführer des Zeit-Verlages) zitiert in Thommes (2005). Auch Gruner + Jahr wird einen großen Anteil seines Budgets für neue Titel (ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag) zukünftig in seinen Prozess „Expand your Brand“ lenken. Vgl. Pimpl/Schütz (2006). Vgl. Burmann/Meffert/Blinda (2005), S. 184. Die Konsolidierung von Marken durch eine sofortige Elimination, einen abgestuften Rückzug (z.B. in Form von Abschöpfungs- oder Markenmigrations- bzw. Substitutionsstrategien) und einer Fokussierung hat eine Desinvestition von Ressourcen zur Folge. Vgl. Burmann/Meffert/Blinda (2005), S. 184, Esch et al. (2005) und Sattler (2004), S. 819.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
139
Markentransfer (Brand Extension)
Markenausdehnung (Line Extension)
intra-medial
Markenerweiterung (Category Extension)
inter-medial bzw. cross-medial
Abbildung II-13: Taxonomie von Markentransferstrategien
Auf den Medienbereich übertragen erfolgt bei der Line Extension die Ausdehnung der Marke auf Mediengüter innerhalb der verschiedenen Mediensegmente (horizontale Ausdehnung). Hierbei kann zwischen einer intra-medialen (z.B. GEO-Zeitschriftenfamilie) und cross-medialen Line Extension differenziert werden.379 Zum Letzteren zählen z.B. TV-Formate von Zeitschriften (z.B. SternTV oder Spiegel TV) oder Enhanced-TV Angebote im Rahmen des Internetauftritts von TV-Sendern.380 Die Ausdehnung kann zudem vertikal in preislich und qualitativ höherwertige Marktsegmente (Trading-up bzw. Trading-down) erfolgen, wobei dies in der Medienindustrie bis dato nur sehr vereinzelt zu beobachten ist.381 Darüber hinaus ist auch eine
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Ziel dieser Transfers ist u.a. eine Angebotserweiterung für vorhandene und neue Zielgruppen. Neue Zielgruppen können z.B. andere soziodemografische Kriterien aufweisen. Durch die Ansprache jüngerer Zielgruppen kann zum Beispiel versucht werden, diese bereits im jungen Alter an die Marke bzw. das Blatt zu binden und später an die Hauptmarke oder andere Transfermarken heranzuführen. In diesem Sinne sind die line extensions für Kinder (z.B. GEOlino) oder Jugendliche (z.B. die mittlerweile wieder eingestellte Brigitte Young Miss) zu verstehen. Andersherum ist eine Ansprache älterer Zielgruppen mitunter schwierig. Da z.B. im Jugendsegment die soziodemografischen Cluster noch nicht so eine große Rolle spielen, wird es für die Zeitschrift Bravo wahrscheinlich relativ schwierig sein, mit ihrer Marke in das Erwachsenensegment vorzudringen, in dem die Ausrichtung auf bestimmte Cluster für den Markenerfolg viel entscheidender wird. „Bravo ist die einzige wirkliche klassenlose Zeitschrift, die es gibt. Und das geht nur bei Jugendlichen. Ob das jetzt ein Hauptschüler, ein Abiturient oder ein Lehrling ist, alle lesen sie Bravo. Das findet man bei Älteren dann nicht mehr. Dafür gibt es etliche Frauenzeitschriften etc.“ (Quelle: E-8). Enhanced TV-Angebote umfassen fan-based (chat rooms), game-based, information-based (personalisierte Informationen) und programming-based (ausgewählte Programme im Internet, wie es z.B. mittlerweile das ZDF anbietet) features. Vgl. Ha/Chan-Olmsted (2001). Die Unterscheidung zwischen Hardcover und Taschenbuch im Buchbereich zielt in Richtung dieser vertikalen Differenzierung.
140
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Markenausdehnung in vor- und/oder nachgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette (Rückwärts- bzw. Vorwärtsintegration) möglich.382 Bei der Category Extension hingegen wird der Transfer der Marke in eine medienfremde Produktkategorie vorgenommen. Hierbei handelt es sich um eine weitergehende Erweiterung der Marke als bei der Markenausdehnung, da die Marke in grundlegend neue Märkte transferiert wird, die keine technisch-funktionalen und medienspezifischen Gemeinsamkeiten aufweisen.383 So werden bspw. unter der Marke Die Zeit Reisen und Merchandisingartikel (z.B. Rucksäcke mit Zeit-Reisen-Logo) angeboten. Im Rahmen von Markentransfers wirken finanzielle, materielle und immaterielle Ressourcen der Medienunternehmung als bestimmende bzw. begrenzende Faktoren. Neben der autarken Umsetzung besteht auch die Option, im Rahmen einer Lizenzierung oder eines Co-Branding (synonym Markenallianz) eine Markentransferstrategie zu realisieren. Bei der Markenlizenzierung gewährt der Markeninhaber einem anderen (Medien-)Unternehmen das Recht zur Nutzung seiner Marke. Es kann sich hierbei um die Vermarktung neuer Produkte (z.B. Herr-der-Ringe- oder Harry-PotterMerchandisingartikel) oder bestehender Produkte in neuen Märkten bzw. Ländern (z.B. GEO-Expansion in Japan) handeln. Beim Co-Branding hingegen wird das Produkt mit zwei (oder mehr) Marken im Verbund markiert. Typische Merkmale sind hierbei die eindeutig wahrnehmbare Kooperation aus Sicht der Nachfrager, da unter Verwendung der zwei Marken quasi ein gemeinsames Leistungsangebot geschaffen wurde und die prinzipielle Selbständigkeit der zwei Marken jenseits des neuen Angebots.384 Typische Beispiele für horizontale Co-Brandingstrategien im Medienbereich sind u.a. das Fußball-Wörterbuch von Pons und Süddeutsche Zeitung oder die DVDReihe Deutsche Geschichte von FAZ und Der Spiegel. Im Falle des vertikalen CoBranding (synonym Ingredient Branding) erfolgt die Einbeziehung von anderen 382
383
384
Durch den Aufbau von eigenen Läden (z.B. Apple Stores) oder B2C-Vertriebsplattformen (z.B. die Mediathek der Süddeutschen Zeitung) erfolgt eine Vorwärtsintegration in Richtung der Endkunden der Marke. Bei cross-medialen Markentransfers weisen die neuen Produktkategorien mitunter nur sehr geringe technisch-funktionale Gemeinsamkeiten auf (z.B. TV und Zeitschriften). Allerdings fungieren insbesondere die medienspezifischen Besonderheiten wie das Spannungsfeld von Werbe- und Zuschauermarkt, der hohe Grad an Intangibilität und Immaterialität etc. für eine gemeinsame Klammer zwischen den verschiedenen Mediensegmenten, die es demzufolge sinnvoll erscheinen lässt, die crossmedialen Markentransfers als eine Ausprägung der line extensions zu kategorisieren. Vgl. Caspar (2002), S. (2004), S. 165f. und Schaefer-Dieterle (1997), S. 32. Sehr ähnlich auch Althans (1994), S. 1544, der von einem Medienverbund spricht. Anders hingegen Siegert (2003), S. 145, die Transfers in andere Mediengattungen als category extensions einstuft. Vgl. Baumgarth (2003), S. 22f.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
141
Marken auf den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. Die verwendeten Marken bleiben hierbei im Endprodukt für den Rezipienten weiterhin sichtbar (z.B. Intel inside auf PCs und Notebooks oder Handelsblatt-Ticker auf N-TV). (b)
Chancen und Risiken von Markentransfers
Die Ausdehnung einer vorhandenen, etablierten Marke (Muttermarke) auf neue Produkte (Transferprodukt) ist grundsätzlich mit einer Reihe von Chancen und Risiken verbunden.385 Das Kernziel von Markentransfers, nämlich die effiziente und effektive Übertragung der Markenstärke auf das Transferprodukt, begründet positive Wirkungen auf Konsumenten- und Handelsebene, die letztendlich zur Realisierung der unternehmensgerichteten Ziele führen (siehe Abbildung II-14). Imagetransfer Transfer von Imageassoziationen auf Transferprodukt
Markenstärke der Ursprungsmarke
Konsumentengerichtete Ziele Sofortige Markenwahrnehmung Reduktion der Suchkosten Stärkung der Risikoreduktions- und Qualitätssicherungsfunktion Steigerung der Kaufbereitschaft
Markenstärke des Transferproduktes
Handelsgerichtete Ziele Rücktransfer von Imageassoziationen auf Ursprungsmarke
Durchdringung von Distributionsbarrieren Verbesserung POS-Präsenz Erhöhung der Listungsbereitschaft Verringerung des Akquiseaufwandes
Unternehmensgerichtete Ziele
Ausweitung Zielgruppen Besetzung neuer Segmente Erhöhung Kundenausschöpfung Positive Ausstrahlungseffekte auf Muttermarke Beibehaltung Preispremium Erhöhung Marketingeffektivität und -effizienz Synergieeffekte
Umsatz Gewinn Markenwert
Abbildung II-14: Zielsystem von Markentransfer (Quelle: verändert aus Caspar 2002, S. 50)
Auf Konsumentenebene soll die Übertragung einer profilierten Marke die sofortige Markenwahrnehmung und Marktpräsenz des Transferprodukts unterstützen. Aufgrund des Vertrauensgut- und Erfahrungsgutcharakters vieler Mediengüter trägt eine profilierte Ursprungsmarke im besonderem Maße zum einen zur Reduktion der Infor-
385
Vgl. Burmann/Meffert/Blinda (2005), S. 201ff., Sattler (2004), S. 820ff., Hörning (2004), S. 188ff. Für die spezifischen Risiken und Chancen von Markenlizenzierungen vgl. Binder (2005) und von CoBrandingstrategien vgl. Baumgarth (2004b), S. 180ff.
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
mations- und Suchkosten und zum anderen zur Stärkung der Risikoreduktions- und Qualitätssicherungsfunktion bei. Auf der Handelsseite können Markentransfers eine Senkung der Markteintrittsbarrieren bewirken, da aufgrund der Bekanntheit der Muttermarke etwaige Informationsdefizite und andere Vorbehalte (z.B. Qualitätsunsicherheit oder Abverkaufspotenzial) gegenüber dem Transferprodukt geringer ausfallen. Dies soll zu einer erhöhten Listungsbereitschaft, verbesserten Point-of-Sale-Präsenz und einem verringerten Akquiseaufwand führen.386 Für Medienunternehmen können sich die positiven Effekte auf Konsumenten- und Handelsebene entsprechend positiv auf die Umsatz-, Gewinn- und Kostenentwicklung auswirken und das Floprisiko signifikant verringern. Zunächst kann unter Rückgriff auf die profilierte Muttermarke mit dem Transferprodukt die Kundenbasis erweitert mit zusätzlichen Produkten besser ausgeschöpft werden. Darüber hinaus kann unter Umständen auch die Preisprämie der Ursprungsmarke für das Transferprodukt realisiert werden und somit einen attraktiven Deckungsbeitrag ermöglichen. Im Umkehrschluss besteht die Chance, die durch das Transferprodukt gewonnen neuen Kundengruppen wiederum für das Ursprungsprodukt zu erschließen.387 Zudem kann es zu einer Stärkung der Hauptmarke durch Rückflüsse positiver Imagebestandteile kommen. In diesem Sinne können die positiven Ausstrahlungseffekte zu einer Revitalisierung, Aktualisierung oder ggf. Neupositionierung der Muttermarke genutzt werden.388 In Anbetracht der unterschiedlichen Marktentwicklung der einzelnen Mediensegmente eröffnet sich durch Markentransfers grundsätzlich die Chance zur Steigerung oder Stabilisierung des Wachstums und zum Ausgleich von Absatzrisiken bzw. schwankungen.389 Mittels einer cross-medialen Markenführung bzw. -angebotes können Medienunternehmen zum einen auf das veränderte Mediennutzungsverhalten reagieren. Zum anderen setzen die werbetreibende Industrie und die Werbewirtschaft
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Erfolgreiche Markentransfers sind auch für den Handel äußerst lukrativ. Von den rund 11,3 Millionen Bänden der Edition „Süddeutsche Zeitung“ wurden ca. 60 Prozent (rund 6,8 Millionen Bände) über den Buchhandel vertrieben (Stand Juli 2005). Vgl. Berdi (2006). So wirkten sich die Markentransfers der Süddeutschen Zeitung positiv auf die Entwicklung der Abonnementzahlen aus: „Wir kapitalisieren die Marke und zahlen gleichzeitig auf die Marke ein.“ Rumberg (Verantwortlicher „Neue Produkte“ bei der SZ), zitiert in Weiland (2005). Vgl. Tomczak/Feige/Koob (2004), S. 79. Die neuen Satellitenprodukte der Marke „Süddeutsche Zeitung“ (SZ-Klavier Kaiser, SZ-Cinemathek, SZDiscothek oder SZ-Junge Bibliothek) weisen mittlerweile einen Umsatzanteil von 10 Prozent (bei einer Rendite im knapp zweistelligen Bereich) auf. Vgl. Berdi (2006). Die spanische Tageszeitung El País erwirtschaftete im Jahre 2004/2005 bereits ein Drittel ihres Umsatzes unabhängig vom Anzeigen- und Vertriebsgeschäft. Der Zeit-Verlag möchte diesen Anteil im Jahre 2010 erreichen. Vgl. Weiland (2005).
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
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immer mehr die Möglichkeit einer cross-medialen Vermarktungs- und Werbestrategie voraus bzw. deren Umsetzungsfähigkeit wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor für Medienunternehmen. Erfolgreiche Markentransfers führen zudem in der Regel zu niedrigeren Markeninvestitions- und fortlaufenden Marketingkosten, weil auf den kostspieligeren (und auch zeitaufwendigeren) Aufbau einer Neumarke verzichtet werden kann (Steigerung Marketingeffektivität und -effizienz).390 Außerdem können Synergieeffekte durch die Mehrfachverwertung medialer Inhalte und durch die Werbung in den jeweiligen eigenen Medien (z.B. bei Zeitschriften, Zeitungen und TV) realisiert werden. Mit Markentransfers sind freilich eine Reihe von Risiken verbunden. So kann es bspw. zu einer Verwässerung oder sogar zum Verlust der Markenidentität kommen. Diese Gefahr besteht, wenn die Ursprungs- und Transferprodukte zu heterogene Zielgruppen ansprechen, zu weit voneinander positioniert sind und zu viele oder zu schnell Markentransfers391 aufeinander folgen.392 Eine zu geringe Imageaffinität von Ursprungs- und Transfermarke kann zudem zu negativen Rückwirkungen auf die Muttermarke führen und einem daraus folgenden Verlust an Markenwert. Problematisch könnten zudem Kannibalisierungseffekte innerhalb des Produktportfolios sein. Allerdings ist in diesem Zusammenhang die eigene Kannibalisierung durch den Wettbewerber vorzuziehen, gemäß dem Motto: „Kannibalisiere dich selbst, bevor es andere tun“393. Im Falle von cross-medialen line extensions ist zudem eine kanalspezifische Anpassung der Marken- bzw. Produktattribute notwendig. Bspw. müssen beim Transfer einer Offline-Marke in den Online-Bereich veränderte oder neue Anforderungen hinsichtlich der Interaktivität, Aktualität, Navigation, Audiovisualität
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Gemäß einer Studie von Sattler (2003) sind bei typischen kurzlebigen Konsumgütern die marketingbezogenen Produkteinführungskosten im Falle eines Markentransfers um ca. 50 Prozent geringer als bei einer Neumarkenstrategie. Vgl. Sattler (2003), S. 4. „[A]lle Verlage probieren es halt nach try and error mit immer mehr Titeln, die dann mitunter künstlich beatmet werden“ Gaede, zitiert in Jakobs (2006), S. 19. Vgl. Burmann/Meffert/Blinda (2005), S. 202. Sattler (2003), S. 6. Dieser Ansatz zielt auf eine erwünschte Markensubstitution hin, d.h., ohne die Präsenz dieser „neuen“ Marke wäre der Konsument zu einer Fremdmarke abgewandert. Allerdings kann es auch zu unerwünschter Markensubstitution kommen (Kannibalisierung), d.h., der Kunde nutzt die neue Marke, aber ohne einen Wechsel zu einer Wettbewerbermarke in Erwägung gezogen zu haben. Vgl. Meffert/Koers (2005), S. 842ff. und Roedder-John/Loken/Joiner (1998). Empirisch weisen Reddy/Holak/Bhat (1994), S. 257, (anhand der Zigarettenindustrie) nach, dass der Umsatzzuwachs durch line extensions den „Verlust“ durch Kannibalisierung überkompensieren kann. Im Hinblick auf das Anwachsen der GEO-Markenfamilie (rund 60 Ausgaben erschienen in 2007, d.h. im Wochenrhythmus) gesteht der GEO-Chefredakteur ein: „Das führt voraussehbar eher zu einer gewissen Selektion als zu Hamsterkäufen. Wir nehmen dafür auch einen gewissen Kannibalisierungseffekt in Kauf“ (Gaede, zitiert in Jakobs 2006, S. 19).
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und des Textanteils etc. berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind auch etwaige Opportunitätskosten abzuwägen, wenn die verfügbaren Ressourcen zugunsten der Markentransferstrategie anstelle der Stärkung der Kernmarke oder dem Aufbau einer neuen Marke verwendet werden.394 Grundsätzlich führt eine expansive Markentransferstrategie zu einem wachsenden Koordinations- und Ressourcenaufwand im Hinblick auf die Markenführung von Haupt- und Transferprodukt bzw. -marke.
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Insbesondere in „crowded“ bzw. umkämpften Märkten kann sich eine Verschiebung der Marketingausgaben zugunsten des Transferprodukts zulasten der Ursprungsmarke auswirken: „[A] (…) speed up or slow down in [parent, P.B.] brand name recognition, therefore, may be all that is needed to affect significantly the likelihood of a brand being processed sufficiently to be included in a consumer’s stimulus-based consideration set.” (Morrin 1999, S. 523) Hiervon sind allerdings primär solche Produktkategorien betroffen, bei denen die Produktauswahl vorwiegend erst vor Ort, d.h. im Handel, erfolgt.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
II.2.3
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Herausforderungen bei der Ausschöpfung (ungenutzter) Potenziale von Medienmarken
Medienmarken erfüllen nicht nur zahlreiche kaufentscheidende Funktionen für die Medienunternehmen, den Handel und die Konsumenten, sondern bergen auch eine Reihe von strategisch wertvollen Synergiepotenzialen und Wettbewerbsvorteilen. Bei der Ausschöpfung dieser zum Teil noch ungenutzten Potenziale gilt es daher zum einen eine medienspezifische Entwicklung und Führung von Marken zu fördern (1). Zum anderen können entsprechende Steuerungs- und Kontrollsysteme genutzt werden, um das Controlling von Medienmarken zu professionalisieren (2).
(1)
Medienspezifische Entwicklung und Führung von Marken
Die Stärke einer Medienmarke eröffnet zahlreiche strategische Optionen für ihre Positionierung und Entwicklung. Der Markenführung, welche die strategischen und operativen Entscheidungen über die Marke (z.B. Markenstrategie, Markenpositionierung und Markenauftritt) umfasst, kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu.395 Eine Konsequenz daraus ist, dass die Relevanz des Marketings zunimmt und strategischer ausgerichtet werden muss: „Traditionally, the marketing department was a communications department, focusing on advertising and promotion. In the future, marketers will need to take the lead in identifying attractive customer segments, uncovering their needs, realistically testing new concepts (…), and will need to develop sophisticated pricing strategies” (Aris/Bughin 2005, S. 19).396
Aufgrund der eingangs skizzierten Besonderheiten von Mediengütern und Medienmärkten erscheint eine medienspezifische Auseinandersetzung im Hinblick auf die Markenführung sinnvoll.397 „Die Standardisierung funktioniert nicht für Medienmarken, weil Medienmarken mehr emotionale und kreative Elemente haben als eine Zahnpasta oder ein Haarshampoo. Die Kunst bzw. die Herausforderung beim Haarshampoo oder bei der Zahnpasta ist die Überhöhung einer eigentlich banalen Zusammensetzung. Bei uns [in der Zeitschriftenbranche, 395 396 397
Vgl. Baumgarth (2005), S. 2257 und Homburg/Krohmer (2003), S. 520. Zu den Trends bzw. Anforderungen an die Marketingorganisation vgl. auch Hermann/Harting/Walthelm (2003). „Und ich glaube, dass die Medienindustrie eigentlich zwei Probleme hat. Zum einen hat sie einen viel zu heterogenen Output im dem Sinne, welche Produkte in ihrem Portfolio sind. Das ist viel breiter als in der Konsumgüterindustrie, wo man ein relativ kleines Spektrum mit der Marke abdeckt. Zum anderen ist der Input schwer steuerbar ist. Zum Beispiel im Buchbereich: Plötzlich entscheidet sich der Autor, einen Roman zu schreiben, obwohl er vorher nur Krimis geschrieben hat. Man kann den Input viel weniger steuern und kann damit das Ganze weniger straff führen als ein Konsumgüterunternehmen“ (Quelle: E-9).
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Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
P.B.] ist nicht die Zusammensetzung banal. Bei uns ist die Zusammensetzung letztendlich das Essenzielle und wir müssen nicht an einer Überhöhung arbeiten, sondern wir müssen im Grund an einer Vereinfachung in der Kommunikation arbeiten, an einer Klarheit, die dieses kreative, hochemotionale Sammelsurium bündelt und verständlich für den Konsumenten macht. Also insofern habe ich es mit zwei völlig unterschiedlichen Bereichen zu tun, die Aufgaben unterscheiden sich deswegen auch“ (Quelle: E-3).
Zwei Aspekte sollen hierbei kurz rekapituliert werden. Um das Potenzial von Marken zu nutzen, verfolgen viele Medienunternehmen eine Markentransferstrategie. Zahlreiche Beispiele gescheiterter Transferstrategien von Medienmarken deuten allerdings darauf hin, dass diese Strategie per se keine Erfolgsgarantie mit sich bringt.398 Darüber hinaus weisen viele Medienunternehmen mittlerweile ein umfangreiches Markenportfolio auf, dessen Führung und Steuerung aufgrund der hohen Markenanzahl und -vielfalt einerseits und der hierarchischen Über- und Unterordnungsverhältnisse andererseits relativ komplex ist. Wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Markenführung sind demzufolge die entsprechende organisatorische Ausgestaltung bzw. Konfiguration der relevanten Abteilungen und Unternehmensteileinheiten sowie die (personelle) Ressourcenausstattung der Medienunternehmen.399 Von zentraler Bedeutung sind hierbei klar definierte Strukturen und Prozesse, die u.a. die Markenverantwortung innerhalb und zwischen den Unternehmenseinheiten regeln.400 Während in der Konsumgüterindustrie Brand Manager, welche die strategische und operative Verantwortung für eine Marke tragen, weit verbreitet sind, finden sich in der Medienindustrie, insbesondere in den journalistisch-künstlerisch geprägten Mediensegmenten, nur selten explizit solche Markenverantwortlichen. Vielmehr sind dort sowohl die Geschäfts- bzw. Verlagsleiter als auch die Chefredakteure für die Führung der Marke verantwortlich. Im Hinblick auf die Markenführung sollen daher folgende Forschungsleitfragenblöcke beleuchtet werden: Forschungsleitfrage 3a: Wie ist die Markenführung innerhalb und zwischen den verschiedenen Unternehmensebenen geregelt? Welche Strukturen und Prozesse sind für ein professionalisiertes Markenmanagement notwendig? Forschungsleitfrage 3b: Welches sind die Erfolgsfaktoren für eine gezielte Markenentwicklung (Aufbau, Steuerung und Transfer)?
398
399 400
Im Hinblick auf cross-mediale Markentransfers kommt eine McKinsey-Studie zu dem Schluss, dass nur wenige Marken das Potenzial aufweisen, publizistisch und ökonomisch eigenständige Angebote erfolgreich in neuen Mediensegmenten zu etablieren. Vgl. Caspar (2002), S. 241. Für eine Analyse der Erfolgsfaktoren von Markentransferstrategien vgl. Sattler (2005), S. 823ff. Vgl. Homburg/Richter (2003), S. 45. Insbesondere in großen Medienkonzernen existieren durch die Vielzahl von Marken in den verschiedenen Unternehmenseinheiten komplexe Markenportfolios bzw. -architekturen. Vgl. hierzu Kamann (2003).
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
147
Forschungsleitfrage 3c: Welche Strukturen und Prozesse bestehen für die synergetische Markenkoordination?
(2)
Medienspezifisches Controlling von Medienmarken
Die Messung des Markenerfolges im Rahmen des Markencontrollings ist ein zentraler Bestandteil für ein erfolgreiches Management von Marken. Unter Rekurs auf die aufmerksamkeitsorientierte Perspektive von Medienmarken ist letztendlich das Management und Controlling der Aufmerksamkeit eine der zentralen Steuerungsgrößen und sollte stärker in den Vordergrund rücken: „In the attention economy, we will have to evaluate every action with regard to how much attention it will consume and how we can get and keep the attention we need” (Davenport/Beck 2000, S. 126).
Die wesentlichen Funktionen eines Markencontrollings bestehen grundsätzlich darin, die mit der Markenführung befassten Stellen mit markenrelevanten Informationen zu versorgen und alle markenspezifischen Steuerungs- und Kontrollsysteme zu koordinieren bzw. zu unterstützen.401 So kann zum Beispiel ein Markeninvestitionscontrolling den effizienten und effektiven Einsatz der Mittel gewährleisten bzw. fördern.402 Bei dem Großteil der in der Wissenschaft und Unternehmenspraxis konzipierten Markenmodelle handelt es sich nach dem Verständnis dieser Arbeit um markenspezifische Managementsysteme. Grundsätzlich reicht das Spektrum der Ansätze von qualitativen und quantitativen Markenpositionierungsmodellen über Markenkommunikationsmodelle und Markenstrategiemodelle hin zu Wertekongruenzund Markenwertmodellen.403
401 402 403
Vgl. Homburg/Richter (2003), S. 45. Vgl. hierzu die Ausführungen bei Büschken/Gelbert/Thun (2003) und bei Schulz-Moll/Kam (2003). Die zahlreichen Modelle können an dieser Stelle nicht erschöpfend behandelt werden. Vgl. hierzu ausführlich Zednik/Strebinger (2005), S. 68ff. und Bentele et al. (2003), S. 36ff. sowie für die detaillierte Beschreibung wesentlicher Praxismodelle Schimansky (2003a).
148
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
Markenstrategiemodell MarkenKommunikationsmodelle Einbezug von Konsumenten und Unternehmen (primär qualitative Erhebung) Ziel: Kommunik. Positionierung der Marke und Gestaltung der Kommunik. Anbieter: u.a. Grey (Brand Value Circle), Ogilvy&Mather (Brand Stewardship)
Fokus auf Markenführungsprozess Markentransferpotenzial Berücksichtigung strategischer Erfolgsfaktoren Ziel: Verbesserung der Markenführung Anbieter: u.a. McK (MarkenMatik), BCG (Brand Value Creation)
Markenwertmodell Quantitative und qualitative Erhebungsmethoden Geringere strategische Ausrichtung als Markenstrategiemodell Ziel: Ermittlung eines monetären oder Index-Wertes Anbieter: BBDO (Brand Equity Evaluator), KPMG
Markenmodelle Qualitative Markenpositionierungsmodelle Fokus ausschließl. auf Konsumenten Aufdecken von Eigenschaften und Werten der Marke und der Zielgruppen Ziel: Tiefere Analyse des Markenimages und Erkennen der Konsumentenwerte Anbieter: u.a. TNS Emnid (Need Scope System)
Wertekongruenz-Modelle Quantitative Markenpositionierungsmodelle Gegenwärtige und zukünftige Positionierung Starker Fokus auf den Konsumenten Ziel: verbesserte Positionierung der Marke Anbieter: McK (Markendiamant), GfK (Brand Assessment System)
Quantitative Konsumentenbefrag. Abgleich zwischen Konsumentenund Markenwerten Ziel: Ableitung von Strategien und Handlungsoptionen Anbieter: u.a. TNS Emnid, McK (Brand Personality Gameboard), Roland Berger (rb profiler)
Abbildung II-15: „Cluster“ der Markenmodelle
Insbesondere die Entwicklung von Markenbewertungsverfahren ist ein Hauptgegenstand der aktuellen wissenschaftlichen und praxisorientierten Forschung.404 Für den Medienbereich sind bis dato nahezu keine eigeständigen Ansätze entwickelt worden. Für die Bewertung von Medienmarken werden daher die existierenden Verfahren herangezogen und mit medienspezifischen Indikatoren ergänzt. Der Engpass der Markenerfolgsmessung scheint daher nicht die Verfügbarkeit von generellen Verfahren, sondern das Wissen um ihre medienspezifische Adaption und ihren Einsatz sowie der Managementumgang mit den Ergebnissen zu sein. Ferner stellt sich die Frage, wie verankert die Markenerfolgsmessung in den Unternehmen ist. Vorstellbar wären hier verschiedene Eskalationsstufen, bei denen ein Wegfall der Erfolgsmessung entweder keinerlei oder sehr große Auswirkungen – im Sinne einer beträchtlichen Funktionsstörung – auf die Markensteuerung und -führung hätte.405 Vor diesem Hintergrund werden folgende Forschungsleitfragen definiert:
404
405
Die Anwendung solcher Verfahren ist in der Praxis allerdings noch sehr gering ausgeprägt. Laut einer Umfrage nutzen nur 7 Prozent der Unternehmen die bekanntesten 32 Markenwertverfahren. Vgl. Schimansky (2003b), S. 48. Vgl. die Metapher der Ad-, Ab- und Resorption im Falle von Managementsystemen bei Kirsch (1997b), S. 176f.
Teil II: Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen
149
Forschungsleitfrage 4a: Welche Instrumente werden für das Markencontrolling genutzt und inwieweit kommen hierbei Modelle zur Messung des Markenerfolges zur Anwendung? Forschungsleitfrage 4b: Welches sind die relevanten Messgrößen für eine Markenerfolgsmessung und inwiefern werden quantitative und qualitative Kennzahlen verwendet? Forschungsleitfrage 4c: Wie institutionalisiert ist die Markenerfolgsmessung?
Die Forschungsfragen zielen nicht darauf, ein neu konzipiertes und umfassendes Managementsystem bzw. Erfolgsmessungsmodell für Medienmarken zu entwerfen. Vielmehr sollen Ansatzpunkte für eine professionalisierte Steuerung von Medienmarken mittels Managementsystemen gesammelt und kritisch beleuchtet werden.
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Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
EMPIRISCHER PROLOG: METHODOLOGIE UND UNTERSUCHUNGSDESIGN DER EMPIRISCHEN STUDIE
In der Einleitung dieser Arbeit wurde bereits darauf hingewiesen, dass die entwickelten Forschungsleitfragen einer empirischen Überprüfung unterzogen werden sollen, um Ansatzpunkte für die Professionalisierung des Markenmanagements in Medienunternehmen entwickeln zu können.406 Die Methodologie und das Design der empirischen Untersuchung sind daher Gegenstand der Ausführungen des Zwischenteils dieser Arbeit. Zunächst werden die methodologischen Aspekte der empirischen Sozialforschung und deren Implikationen für das Forschungsdesign der vorliegenden Studie skizziert (1). Daran anschließend wird die methodische Vorgehensweise bei der empirischen Hauptuntersuchung dargelegt (2). Dies umfasst die Definition und Auswahl der relevanten Untersuchungssubjekte und -objekte, also Markenverantwortliche aus großen deutschen Medienunternehmen und Marken- bzw. Medienexperten aus Professional Service Firms. Ferner werden das Experteninterview als Erhebungsmethode und die qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode für die Untersuchung konkretisiert (3). Abschließend erfolgt die Überprüfung der empirischen Vorgehensweise anhand der gängigen Gütekriterien qualitativer Forschung (4).
406
Die Sichtweise dieser Arbeit versteht darunter generative Forschungsleitfragen, die darauf abzielen, nicht nur bestehende Annahmen zu bestätigen (siehe Funktionen von Medienmarken), sondern auch Neues zu entdecken bzw. dies zuzulassen (siehe strategische Führung von Medienmarken). Strauss (1991) definiert solche Forschungsfragen, als „Fragen, die bei der Forschungsarbeit sinnvolle Richtungen aufweisen; sie führen zu Hypothesen, nützlichen Vergleichen, zur Erhebung bestimmter Datentypen und sogar dazu, dass der Forscher auf möglicherweise wichtige Probleme aufmerksam wird“ (Strauss 1991, S. 50).
Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
(1)
151
Methodologische Aspekte des gewählten empirischen Untersuchungsdesigns
Grundsätzlich wird in der empirischen Sozialforschung zwischen der quantitativen und der qualitativen Sozialforschung unterschieden.407 Das Ziel beider Forschungsrichtungen ist das ursächliche Erklären sozialer Sachverhalte. Die Unterschiede liegen hingegen in den angewandten Erklärungsstrategien und Methoden. Die quantitative Sozialforschung beruht auf der Suche nach signifikant statistischen Zusammenhängen, um daraus auf Kausalzusammenhänge zu schließen. Aus diesen kausalen Zusammenhängen sollen letztendlich Kausalmechanismen deutlich werden, d.h. Prozesse, die Ursachen- und Wirkungszusammenhänge erklären. Hierzu werden aus der Theorie abgeleitete Hypothesen gebildet und anschließend mit den Daten aus einer Stichprobe oder, in den wenigsten Fällen, aus der Grundgesamtheit getestet.408 Charakteristisch für die qualitative Sozialforschung ist das direkte Suchen nach den Kausalzusammenhängen. Durch die möglichst umfassende Untersuchung von wenigen Fällen sollen die Kausalmechanismen umfassend und eindeutig aufgedeckt werden, die im Falle statistisch-basierter Erklärungen nicht immer aufgeklärt werden können. Die qualitative Forschung hat den Anspruch, quasi „von innen heraus“ aus der Sichtweise der involvierten Personen Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale zu beschreiben.409 Diese Zugangsweise weist einen offeneren Charakter auf und kann daher oftmals ein konkreteres und plastischeres Bild der Realität abbilden als es durch stark standardisierte Methoden möglich wäre.410 Grundsätzlich eignen sich die qualitativen Methoden daher besonders, um Themen empirisch zu bearbeiten, über die 407
408
409 410
Als empirische Sozialforschung werden Untersuchungen charakterisiert, in deren Zentrum Beobachtungen eines bestimmten Ausschnitts der sozialen Welt stehen, um damit zur Weiterentwicklung von Theorien beizutragen. Dieses Beobachten der sozialen Realität erfolgt unter Rekurs auf bereits existierende Theorien, die sowohl zur Bildung von Hypothesen als auch zur Deutung der Beobachtungen und Ziehung der theoretischen Schlüsse dienen. In den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen findet sich daher eine Reihe von Einsatzgebieten für die Methoden der empirischen Sozialforschung. Vgl. Diekmann (2005). S. 19ff. Im Bereich der Ökonomie bilden Daten aus empirischen Erhebungen eine wichtige Grundlage für die empirische und experimentelle Wirtschaftsforschung oder die Ökonometrie. In der Betriebswirtschaftslehre kommen empirische Erhebungs- und Auswertungsmethoden u.a. bei der Untersuchung des Konsumentenverhaltens (Marktforschung) zum Einsatz. Voraussetzungen für diese statistisch-basierte Erklärungsstrategie sind zum einen die Anwendung quantifizierender Erhebungsmethoden, d.h. die Übersetzung von Merkmalen der Sachverhalte in Zahlen, und zum anderen die Nutzung von quantitativen (statistischen) Auswertungsmethoden. Vgl. Flick/von Kardorff/Steinke (2000), S. 14. Die qualitative Sozialforschung hat daher auch einen theoriegenerierenden Charakter, d.h., die Erforschung der sozialen Realität basiert nicht auf aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann zur Neuentwicklung von Theorien führen. Prominentestes Beispiel ist hierfür die sogenannte „grounded theory“.
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Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
noch wenig Wissen vorhanden ist, wie z.B. über Medienmarken, und die sich einer statistisch-basierten Überprüfung entziehen.411 Die strikte Dichotomie in der empirischen Sozialforschung wird allerdings von vielen Wissenschaftlern als überzogen betrachtet. So weisen Gläser und Laudel (2004) darauf hin, dass sich die Unterscheidung in theorie- bzw. hypothesentestende quantitative und theoriegenerierende qualitative Forschung nicht aufrechterhalten lässt, da in Untersuchungen oftmals beide Methoden kombiniert werden und vielfältige Varianten existieren.412 Das vorliegende Forschungsvorhaben folgt dieser Einsicht und berücksichtigt daher sowohl quantitative als auch qualitative Daten und Auswertungsergebnisse. Das empirische Design der Hauptuntersuchung basiert daher im Wesentlichen auf einer qualitativen Methodologie, da die verwendete qualitative Erhebungs- (Experteninterview) und Auswertungsmethode (qualitative Inhaltsanalyse) die Berücksichtigung quantitativ nicht abbildbarer Variablen und Dimensionen im Forschungsprozess gewährleisten. Im Sinne der Klassifikation von Basisdesigns qualitativer Forschungsprozesse handelt es sich um eine Vergleichsstudie, die auf eine Zustandsbeschreibung zum Zeitpunkt (Momentaufnahme bzw. Querschnitt)413 des Forschungsvorhabens fokussiert ist.414 Im Rahmen der Untersuchung wurden also die verschiedenen Ausprägungen des Expertenwissens zum Themenkomplex Management von Medienmarken in unterschiedlichen Medienunternehmen erhoben und im Auswertungsprozess komparativ und kontrastierend analysiert. Das vorliegende Forschungsdesign scheint daher am besten geeignet, um die Relevanz von Medienmarken und konkrete Gestaltungsoptionen für deren Entwicklung, Führung und Controlling im Rahmen des Medienmanagements herauszuarbeiten.
411
412 413 414
Die qualitativen Erhebungs- und Auswertungsmethoden basieren auf verbalen Beschreibungen der Sachverhalte. Im Gegensatz zu den quantitativen Methoden erfolgen die Standardisierung und Reduktion der Komplexität der sozialen Realität zu einem wesentlich geringeren Grad und auf eine andere Art und Weise. Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 23ff. Neben dem starken Gegenwartsbezug fließen auch Elemente retrospektiver Rekonstruktionen (z.B. in Form von „lessons learned“) in die Zustandsbeschreibung bzw. –analyse mit ein. Siehe Anhang 1 zur Unterscheidung der Basisdesigns qualitativer Forschungsprozesse.
Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
(2)
153
Auswahl der Untersuchungssubjekte und -objekte
Für die vorliegende Untersuchung fand die Auswahl der Befragten nach dem Verfahren des theoretical sampling statt. In diesem Abschnitt wird daher dieses Verfahren kurz erläutert und die Auswahl begründet sowie ein Überblick über die Merkmale der Stichprobe gegeben (b). Vorab wird der verwendete Expertenbegriff erörtert, da dieser im Hinblick auf die Klassifizierung der Befragten als Experten und deren Geeignetheit für die Untersuchung ausschlaggebend war (a). (a)
Definition des Expertenbegriffes
Da das Interviewen von Experten die zentrale Erhebungsmethode in der vorliegenden Untersuchung ist, ist es notwendig, zu definieren, nach welchen Kriterien die Experten in der Praxis ausgesucht wurden.415 Experten können als Organisationsmitglieder selbst Teil des Handlungsfeldes sein oder können – im Sinne von externen Beobachtern (z.B. Berater oder Wissenschaftler) – von außen Stellung zum Handlungsfeld nehmen. Meuser/Nagel (2002) definieren Personen als Experten, die für die Entwicklung, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung Verantwortung tragen oder einen privilegierten Zugang zu Informationen haben. 416 Experten verfügen demnach über ein Wissen, das „(…) nicht allein aus systematisierten, reflexiv zugänglichem Fach- oder Sonderwissen [besteht], sondern (…) zu großen Teilen den Charakter von Praxis- oder Handlungswissen auf[weist], in das verschiedene Handlungsmaximen, individuelle Entscheidungsregeln, kollektive Orientierungen und soziale Deutungsmuster einfließen“ (Bogner/Menz 2002, S. 46).
Ferner zeichnen sich Experten durch die Möglichkeit aus, relevante Handlungsfelder maßgeblich zu beeinflussen.417 Dem Expertenverständnis dieser Arbeit liegt also eine Definition zugrunde, die sich nicht nur auf die Exklusivität von Wissen, sondern auch auf die Wirkmächtigkeit des Experten und seines Wissens rekurriert. Auf Basis dieses Begriffsverständnisses ergeben sich zwei Herausforderungen bei der tatsächlichen Identifizierung von relevanten Experten. Erstens, welche Mitglieder in der
415 416 417
Grundsätzlich ist der Status als Experte relational, da die Einstufung in Abhängigkeit von der Fragestellung und dem Untersuchungsfeld vorgenommen wird. Vgl. Bogner/Menz (2002), S. 45f. Vgl. Meuser/Nagel (2002), S. 73. „Das Wissen des Experten, seine Handlungsorientierungen, Relevanzen usw. weisen zudem – und das ist entscheidend – die Chance auf, in der Praxis in einem bestimmten organisationalen Funktionskontext hegemonial zu werden, d.h., der Experte besitzt die Möglichkeit zur (zumindest partiellen) Durchsetzung seiner Orientierungen. Indem das Wissen des Experten praxiswirksam wird, strukturiert es die Handlungsbedingungen anderer Akteure in seinem Arbeitsfeld in relevanter Weise“ (Bogner/Menz, 2002, S. 46).
154
Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
Organisation besitzen untersuchungsrelevantes Wissen? Zweitens, korrelieren der Einfluss und die Durchsetzungsfähigkeit tatsächlich mit der formalen Position?418 In der vorliegenden Untersuchung wurden solche Personen als Experten interviewt, die sich als bedeutsame interne Akteure (z.B. Geschäftsführer, Verlags- oder Marketingleiter) oder als Berater (z.B. Markenexperten in Professional Service) und Wissenschaftler intensiv mit dem Themenkomplex Management von Medienmarken auseinandersetzen und ausdifferenzierte Beobachtungen und Selbstbeobachtungen – man denke an Stabsabteilungen wie Strategische Marktforschung o.ä. – vornehmen. Die Befragung verschiedener Experten innerhalb eines Unternehmens sollte dazu beitragen, verschiedene Sichtweisen, Wahrnehmungen und Einschätzungen zu rekonstruieren, zu vergleichen und unter Umständen zu kontrastieren. Neben der Bestimmung der untersuchungsrelevanten Experten stellt sich die Frage, wie die Auswahl der Untersuchungseinheiten, d.h. der Unternehmen und dort tätigen Experten erfolgen soll. Die Überlegungen hinsichtlich der Größe der Stichprobe und die Vorgehensweise bei der Auswahl sollen im Folgenden kurz skizziert werden. (b)
Auswahl und Übersicht der Experten und Fälle
Quantitative und qualitative Untersuchungsdesigns unterscheiden sich hinsichtlich der Zielrichtung, die mit der Ziehung der Stichprobe erreicht werden soll.419 Während im ersten Fall statistische Repräsentativität im Vordergrund steht, wird beim zweiten Fall häufig die Generalisierbarkeit der Ergebnisse angestrebt. Die Stichprobe in qualitativen Erhebungen soll in diesem Sinne den untersuchten Fall inhaltlich repräsentieren.420 Im vorliegenden Forschungsprojekt erfolgte daher die Auswahl der entsprechenden Unternehmen und Experten nicht anhand klassischer Stichprobenverfahren, sondern
418
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Meuser/Nagel (2002), S. 74 weisen darauf hin, dass die „Organisationsspitzen“ nicht immer die Träger des untersuchungsrelevanten Wissens sein müssen. Deshalb zielte sie Suche primär auf Experten in der zweiten oder dritten Hierarchieebene ab, die sowohl für operative als auch für strategische Aspekte der Markenführung verantwortlich sind. Stichprobenverfahren legen fest, in welcher Art und Weise Elemente der Grundgesamtheit für die Untersuchung ausgewählt werden. Grundsätzlich lassen sich die Zufalls- bzw. Wahrscheinlichkeitsauswahl und die bewusste Auswahl unterscheiden. Vgl. hierzu ausführlich Fahrmeir et al. (1997) S. 23ff. und Jankowicz (2005), S. 202f. Vgl. Merkens (2000), S. 291.
Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
155
auf Basis von inhaltlichen, theoretischen Überlegungen, also im Sinne eines theoretical oder purposive sampling:421 „Purposive [or theoretical, P.B.] sampling allows us to choose a case because it illustrates some feature or process in which we are interested. However, this does not provide a simple approval to any case we happen to choose. Rather purposive sampling demands that we think critically about the parameters of the population we are interested in and choose our sample case carefully within this basis” (Silverman 2000, S. 104).
Der Zweck (purpose) dieser Untersuchung liegt darin, durch die Überprüfung der theoretisch abgeleiteten Forschungsfragen Ansatzpunkte für die Professionalisierung des Managements von Medienmarken zu entwickeln.422 Bei der theoriegeleiteten Stichprobenziehung ist für die Auswahl der Untersuchungseinheiten daher entscheidend, inwieweit diese geeignet sind, das Wissen über den Forschungsgegenstand zu erweitern, zu relativieren oder zu bestätigen.423 Damit wird eine weitere wichtige Voraussetzung für die Auswahl ersichtlich, nämlich dass der Untersuchungsgegenstand facettenreich erfasst wird.424 Je mehr Variation das Sample letztendlich aufweist, desto besser können die Ergebnisse überprüft und begründet werden.425 Die Größe der Stichprobe ist abhängig von dem Erreichen der „theoretischen Sättigung“, d.h., wenn absehbar ist, dass keine Informationen mehr erhoben werden können, die das Untersuchungsergebnis maßgeblich verändern würden. Allerdings spielen hierbei auch forschungsökonomische Überlegungen eine Rolle, da ab einer gewissen Stichprobengröße die Durchführung der Untersuchung gefährdet ist. Zudem hängen die Größe und die Relevanz der Stichprobe auch davon ab, inwieweit es gelingt, die identifizierten Experten für Interviews zu gewinnen, denn „unfortunately, visibility is not the same as accessibility“ (Thomas 1995, S. 4).426 Die Auswahl wird dann wesentlich über die Zugänglichkeit konstituiert.
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Die Begriffe theoretical sampling und purposive sampling werden in der Regel synonym verwendet. „Indeed, the only difference between the two procedures applies when the ‘purpose’ behind ‘purposive’ sampling is not theoretically defined” (Silverman 2000, S. 105). Vgl. ausführlich Teil III dieser Arbeit. “A theoretical sample is the deliberate seeking of participants who have particular knowledge or characteristics that will contribute data to categories with inadequate data” (Lewis-Beck/Bryman/Liao 2004, S. 994). Dieses Verfahren impliziert somit eine sukzessive Erweiterung der Stichprobe während der Datenerhebung, da die Samplegröße vorab nicht klar definiert ist, und die zusätzlichen Untersuchungseinheiten zur Entwicklung der Theorie bzw. zur Prüfung von Hypothesen beitragen sollen. Vorstellbar sind zum Beispiel Stichproben extremer, typischer, kritischer oder ungewöhnlicher Fälle. Für weitere Variationsoptionen vgl. Patton (1990), S. 169ff. und Eisenhardt/Graebner (2007), S. 27. Selbst bei einem gelungenen Zugang zum Unternehmen oder Experten kann man immer noch auf „inner lines of defense“ wie Public Relations Abteilungen oder offizielle Sprecher stoßen.
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Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
In der vorliegenden Untersuchung wurde folgende Vorgehensweise gewählt: Aufgrund der Anzahl und der Verschiedenheit der Medienteilsegmente wurde bei der Untersuchung eine Schwerpunktsetzung auf die Branchen Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften vorgenommen. Die Festlegung der zu untersuchenden Segmente erfolgte aufgrund ökonomischer (z.B. Marktgröße427 und Größe der Unternehmen) und inhaltlicher (z.B. Markenrelevanz, zentrale Merkmale und Strukturen der Branchen) Kriterien, um eine gewisse Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen.428 So zeichnen sich die drei Segmente u.a. dadurch aus, dass eine Dualität von Anzeigenund Konsumentenmarkt vorliegt. Markenstrategische Entscheidungen wirken sich daher nicht nur auf den Käufer, sondern unter Umständen auch auf die Anzeigen- bzw. Werbekunden aus. Anschaulich wird dies bei folgendem Zitat eines Interviewpartners aus dem Fernsehbereich. Bei der Nutzung von Sender- oder Formatmarken in Sonderwerbeformen „(…) drängt der Vermarkter: Hier kann man Geld verdienen, lass mich bitte und der Sender sagt: Nein, ich möchte lieber eine schöne Marke haben. Mal gewinnen die, mal gewinnen die anderen“ (Quelle: E-10).
Zudem wurden im Hinblick auf die (stetig wachsende) Bedeutung von „digitalen“ Marken (E-Brands, Online-Marken, Internet-Marken etc.) auch Unternehmen aus dem Bereich Neue Medien befragt, für deren Marken das Charakteristikum Digitalität konstitutiv ist.429 Im Vergleich zu den „traditionellen“ Offline-Marken (wie Zeitungen oder Zeitschriften), die zusätzlich ebenfalls eine digitale Markenpräsenz aufgebaut haben, ist die Markenwelt von digitalen Marken ausschließlich in der Online-Welt erfahrbar. Darüber hinaus wurden einzelne Interviews in weiteren Mediensegmenten (Sach- und Lehrbücher, Film und Musik) durchgeführt, um Ansatzpunkte und Ideen für etwaige Handlungsoptionen für das Markenmanagement zu gewinnen. Im Hinblick auf die Medienunternehmen wurden solche ausgewählt, die sowohl eine signifikante Umsatzgröße aufweisen als auch bekannte Einzelmarken oder ein großes Markenportfolio besitzen. Dadurch sollte gewährleistet sein, dass in dem Sample immer ein Teil der wesentlichen Player vertreten ist, im Zeitschriftensegment also zum Beispiel 427
428 429
Vgl. PriceWaterhouseCoopers (2006). Das Segment Buch (9,2 Mrd. €) weist zwar größere Umsätze als der Bereich Zeitschriften (5,2 Mrd. €) oder Zeitung (9,0 Mrd. €) auf, allerdings entfällt ein Großteil der Umsätze auf den Bereich Belletristik, bei dem Markenaspekte eine relativ kleine Rolle spielen. Die drei ausgewählten Fokusbranchen vereinen rund 50 Prozent der Umsätze der gesamten Medienbranche auf sich. Darüber hinaus mussten auch forschungspraktische Kriterien wie der Zugang zu potenziellen Interviewpartnern berücksichtigt werden. „Ein digitales Markenprodukt ist ein markiertes digitales Leistungsbündel“ (Eckert 2004, S. 88).
Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
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Gruner + Jahr, der Bauer Verlag oder die Hubert Burda Media Gruppe. Die Variation der Beobachtungen sollte dadurch gefördert werden, dass neben marktanteilsstarken Unternehmen stets auch Nischenunternehmen berücksichtigt werden sollten. Im Fernsehbereich fanden daher Gespräche mit Experten von ProSiebenSat1 und DSF oder Tele5 statt. Darüber hinaus wurden solche Personen in den Unternehmen kontaktiert, die sich bereits in wirtschaftswissenschaftlichen Praxisbeiträgen mit dem Themenkomplex auseinandergesetzt haben, da sie zum einen von Dritten bereits als Experten eingestuft worden sind und zum anderen eine gewisse responsiveness gegenüber dem Forschungsvorhaben und dem Interviewanliegen unterstellt werden konnte. Im Verlauf der Untersuchung wurden dann zusätzlich Unternehmen bzw. Experten herangezogen, wenn aus dem vorhandenen Datenmaterial noch keine eindeutigen Schlussfolgerungen gezogen werden konnten, d.h. ein zu geringer Grad der theoretischen Sättigung vorlag. Zudem sollte auch eine gewisse Repräsentativität der Stichprobe erreicht werden, um eine gewisse Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Allerdings wird im Rahmen der Interpretation der Ergebnisse vielmehr von der Existenz gewisser Aussagen (im Sinne von Rekonstruktionen der Interviewpartner) und Merkmalen über das Markenmanagement die Rede sein, nicht aber von statistisch überprüfbaren Häufigkeiten.
(3)
Ablauf der empirischen Erhebung und Auswertung
Im Folgenden wird zunächst das Experteninterview als Erhebungsmethode und dessen konkrete Ausgestaltung für die vorliegende Untersuchung erklärt (a). Anschließend wird die genaue Vorgehensweise bei der Durchführung der Untersuchung dargelegt (b). Dies umfasst die Ausgestaltung des strukturierten Interviewleitfragebogens und die Vorbereitung und Durchführung der Experteninterviews. Bei den Experten handelt es sich um Markenverantwortliche (Geschäftsführer, Verlagsleiter, Brand Manager, Redakteure) von großen deutschen Medienunternehmen aus unterschiedlichen Branchen (u.a. Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen, Buch und Musik) und Marken- bzw. Medienexperten aus Professional Service Firms. Darüber hinaus wird das Vorgehen bei der qualitativen Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode für die Untersuchung konkretisiert (c).
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(a)
Empirischer Prolog: Methodologie und Untersuchungsdesign der Empirischen Studie
Erhebungsmethode: Das Experteninterview
Zentrale Erhebungsmethode der empirischen Untersuchung ist das Experteninterview. Diese Methode eignet sich insbesondere, um empirische Sachverhalte und Forschungshypothesen zu überprüfen, die sich rein statistisch-basierten Erklärungen entziehen.430 Ausschlaggebend ist hierfür zum einen die Möglichkeit im Rahmen von Interviews die Befragten ausführlich berichten zu lassen und auf Details eingehen zu können. Zum anderen kann das aufgezeichnete Datenmaterial jenseits statistischer Auswertungsmethoden intensiv analysiert werden. Diese Methode bietet sich daher besonders für dezidierte, spezifischere Fragestellungen an, in denen bereits Aspekte einer vorrangigen Problemanalyse eingeflossen sind. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Variationen der einzelnen qualitativen Interviewformen, die auf unterschiedlichen Typisierungen beruhen. In der einschlägigen Literatur finden sich daher „(…) fokussierte, biographische, narrative, qualitative, problemzentrierte, standardisierte, halbstandardisierte, nichtstandardisierte, leitfadengestützte, offene, freie, themenzentrierte und andere Interviews“ (Gläser/Laudel 2004, S. 38; ohne Hervorhebungen, P.B.).431
Ein Versuch der Klassifizierung der Interviewformen kann an verschiedenen Merkmalen ansetzen. So nennen Gläser/Laudel (2004) als zentrale Unterscheidungskriterien den Zweck des Interviews, den Gegenstand des Interviews, die Art und Zahl der Interviewpartner, den Grad der Standardisierung und die Kommunikationsform (z.B. persönliches Gespräch vor Ort oder per Telefon).432 Besondere Bedeutung nimmt im Rahmen der Datenerhebungstechnik die Dimension der Standardisierung des Interviews ein.433 Für die vorliegende Untersuchung wurden die Interviews auf Basis eines Interviewleitfadens durchgeführt.434 Grundsätzlich enthalten Interviewleitfäden die 430
431 432 433
434
Vgl. ausführlich Anhang 2 zur methodologischen Einordnung von Experteninterviews und deren Auswahl für das vorliegende Forschungsdesign anhand inhaltlicher bzw. methodischer und forschungsökonomischer Kriterien. Diese Aufzählung ließe sich unter Rekurs auf andere Autoren beliebig erweitern. Vgl. u.a. Lamnek (1995b), S. 68ff. und Hopf (2000). Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 38ff. Für mögliche Dimensionen der Differenzierung von Befragungen vgl. ebenfalls Lamnek (1995b), S. 37ff. Während standardisierte Interviews der quantitativen Sozialforschung zugeordnet werden, zählen die halb- und nichtstandardisierten Interviews zu den qualitativen Erhebungsmethoden. Dieses Merkmal ist also für die „Differenzierung zwischen quantitativen und qualitativen Paradigma geradezu konstitutiv“ (Lamnek 1995b, S. 39). Leitfadengestützte Interviews gehören wie offene (synonym: freie) und narrative Interviews zu den sogenannten nichtstandardisierten Interviews, bei denen Frage- und Antwortmöglichkeiten nicht exakt vorgegeben sind. Die beiden letztgenannten Interviewformen verzichten dabei auf einen verbindlichen Leitfaden und nutzen verstärkt frei formulierte Fragen, um sich durch das Interview zu hangeln. Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 39f. Für die Durchführung der Interviews in der vorliegenden Untersuchung, in denen in begrenzter Zeit mehrere Aspekte des Themenkomplexes angesprochen werden sollten, ist daher das leitfadengestützte Interview vorzuziehen.
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Fragen, die in jedem Interview angesprochen werden sollten, allerdings sind weder die Frageformulierungen noch die Reihenfolge der Fragen verbindlich vorgegeben. Der Leitfaden ist in dieser Hinsicht das Ergebnis einer Operationalisierung, die darin besteht, die Forschungsleitfragen in Interviewleitfragen zu übersetzen.435 Diese Richtschnur ermöglichte es, die Fragen dem Gesprächsverlauf anzupassen und ggf. vorzuziehen und somit den Leitfaden nicht als zwingendes Ablaufmodell des Diskurses – im Sinne einer Leitfadenbürokratie436 – zu handhaben. Des Weiteren konnten ad hoc Nachfragen oder weitergehende Fragen gestellt werden, um die Beantwortung der Hauptfrage zu erreichen. Die Orientierung an einem Leitfaden schließt zudem weitgehend aus, dass sich das Gespräch in Themen jenseits des Untersuchungsgegenstandes verliert und erlaubt aber zugleich dem Experten über das Thema aus seiner Sicht zu extemporieren.437 Die Konstruktion des Interviewleitfadens erfolgte im Vorfeld der Hauptuntersuchung durch Gespräche mit Markenexperten aus der Unternehmenspraxis und durch theoretische Reflektion. Diese Vorgehensweise gewährleistet eine thematische Vorstrukturierung und vermeidet damit, dass sich der Forscher womöglich als inkompetenter Gesprächspartner darstellt. „Your informed questions signal the interviewees that you have done your homework, made an effort, and have not just come to pick their brain. You have gone as far as you can with the available material and now you need some help” (Rubin/Rubin 1995, S. 198).
Der Interviewleitfaden lässt sich in drei zentrale Themenfelder gliedern: erstens die Bedeutung und Rolle von Medienmarken für Medienunternehmen und deren Geschäftsmodell, zweitens die strategische Führung und Entwicklung von Medienmarken und drittens Managementsysteme und Instrumente für das Markencontrolling.438 (b)
Untersuchungsdurchführung
Zur Überprüfung der Forschungsleitfragen und zur Generierung von neuen Erkenntnissen wurden die Ergebnisse aus 31 Experteninterviews verwendet. Bei den Experten 435 436 437
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Auch während des Interviews muss der Interviewer „spontan“ Operationalisierungen leisten (z.B. Aufgreifen von Anknüpfungspunkten für ein Weiterfragen). Vgl. Hopf (1978), S. 107. Anders herum soll auch das Vergessen des Leitfadens vermieden werden, damit relevante Fragen „nicht unter den Tisch fallen“. Vgl. Meuser/Nagel (2002), S. 77f. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass die Interviewten „von sich aus“ Themen ansprechen oder ausführen, die dem Forschenden neue Einblicke in die Unternehmenspraxis bieten können. Die detaillierte Struktur und die einzelnen Fragen des Interviewleitfadens können dem Anhang 4 entnommen werden.
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handelte es sich zum großen Teil um Geschäftsführer und Marketingleiter, die in Medienunternehmen tätig sind. Zum anderen wurden auch Markenexperten in Professional Service Firms interviewt, die mit Unternehmen aus dem Medien- und Konsumgüterbereich zusammenarbeiten. Die Auswahl der Experten erfolgte nicht anhand klassischer Stichprobenverfahren, sondern im Sinne einer theoriegeleiteten Stichprobenziehung. Die Gespräche der Hauptuntersuchung fanden schwerpunktmäßig von Februar bis August 2006 statt. Die Thematik der Interviews wurde den Interviewpartnern im Vorfeld in Form eines grob strukturierten Frageleitfadens auf schriftlichem Wege mitgeteilt. In den Anschreiben wurde zudem auf die zentralen Forschungsfragen der Untersuchung kurz hingewiesen. Die Experteninterviews wurden alle persönlich durch den Verfasser dieser Arbeit durchgeführt und fanden in der Regel an den Arbeitsstätten der Gesprächspartner statt. Im Falle terminlicher Restriktionen der Befragten oder der zeitlichen und kostenmäßigen Unverhältnismäßigkeit einer Befragung vor Ort, wurde ersatzweise die Form des Telefoninterviews gewählt. Der Gesprächsverlauf orientierte sich an dem strukturierten Interviewleitfaden, nicht ohne auf die Besonderheiten der jeweiligen Unternehmen oder Branchen einzugehen und durch ergänzende Fragen zu vertiefen. Eine namentliche Liste der Gesprächspartner kann dem Expertenverzeichnis im Anhang entnommen werden.439 Die geführten Interviews dauerten im Schnitt ca. 60 Minuten und wurden digitaltechnisch aufgezeichnet und transkribiert. Den Gesprächspartnern wurde eine anonymisierte Auswertung ihrer Aussagen zugesichert.440 Dies soll zum einen gewährleisten, dass unternehmensinterne Informationen nicht den entsprechenden Unternehmen zugeordnet werden können. Zum anderen soll somit ein Gesprächsklima geschaffen werden, in dem es den Befragten leichter fällt, ungezwungener und freier über das Thema zu sprechen und Aspekte kritischer zu beurteilen, als dies bei einem öffentlichen Zeitungs- oder Fernsehinterview der Fall wäre. Soweit die Befragten explizit auf eine Anonymisierung verzichtet haben, wurden diesen die verwendeten Zitate zur Prüfung und Freigabe vorgelegt. In den letzten beiden Abschnitten wurden das gewählte Erhebungsverfahren und die Durchführung der Untersuchung beschrieben. Bevor im nächsten Abschnitt die Auswertungsmethode detailliert aufgezeigt werden wird, soll ein wichtiger Zwischenschritt zwischen Erhebung und Auswertung stärker thematisiert werden: die Aufbe-
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Siehe Anhang 3. Dies gilt im Hinblick auf die spätere Veröffentlichung der Analyseergebnisse.
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reitung des Materials. Für die Auswertung ist es in der Regel notwendig, dass die aufgezeichneten Interviews transkribiert werden. Bei der Herstellung von Transkripten bzw. Protokollen handelt es sich um einen Prozess, der von den Primärdaten (das Originalgespräch) über die Sekundärdaten (Audio- oder Videoaufzeichnung) zu den Tertiärdaten (dem Transkript des Interviews auf Basis der Sekundärdaten) führt. Nach Mayring (2002) bieten sich grundsätzlich die fünf Protokollierungstechniken wörtliche Transkription, kommentierte Transkription, zusammenfassendes Protokoll, selektives Protokoll und Konstruktion deskriptiver Systeme an, um das Material für die Auswertung entsprechend aufzubereiten.441 Für eine ausführliche Auswertung ist die möglichst vollständige wörtliche Transkription relativ aufwendig, aber in der Regel unabdingbar.442 Die Übertragung nach den Regeln der gültigen deutschen Standardorthographie ist die gängigste Protokolltechnik.443 Sie bietet sich insbesondere in solchen Untersuchungen an, bei denen inhaltlich-thematische Fragestellungen im Vordergrund stehen und die Befragten als Experten bzw. Informanten auftreten. Für die Aufbereitung des hier vorliegenden Interviewmaterials wurde daher diese Protokolltechnik angewendet. Durch eine kommentierte Transkription sollen wichtige Informationen über das Wortprotokoll festgehalten und für die Auswertung nutzbar gemacht werden. Zum einen können lautliche Merkmale und nichtsprachliches Verhalten als Besonderheiten des Gesprächs durch Sonderzeichen gekennzeichnet werden. Zum anderen können zusätzliche Kommentare in einer eigenen Spalte neben dem Text vermerkt werden. Die Transkription von nichtverbalen Äußerungen erfolgte nur dann, wenn dadurch eindeutig einer Aussage eine andere Bedeutung zukam, da der Fokus dieser Untersuchung auf der inhaltlich-thematischen Ebene lag.444
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Vgl. Mayring (2002), S. 85ff. So merkt King (1994) an: „Difficult and timeconsuming though transcription is, there is really no satisfactory alternative to recording and fully transcribing qualitative research interviews” (King 1994, S. 25). In der Literatur wird von einem Verhältnis Interviewzeit : Transkriptionszeit von 1 : 4 bis 1 : 6 ausgegangen. Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 188. Dies bestätigte sich auch bei der Transkription der Gespräche im Rahmen dieser Arbeit. Für die Erfassung von Dialekten, Sprachfeinheiten und Abweichungen sprachlicher Ausdrucksweisen bieten sich entweder die phonetische (z.B. [ge:n] für gehen) oder die literarische (z.B. gehn für gehen) Umschrift an. In diesem Sinne wurde der Empfehlung von O’Connell/Kowal (1995) gefolgt, dass nur Merkmale eines Gesprächs transkribiert werden, die später auch tatsächlich analysiert werden. Vgl. O’Connell/Kowal (1995), S. 98.
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Das zusammenfassende Protokoll und das selektive Protokoll reduzieren die Materialfülle bereits bei der Aufbereitung, da nichtrelevante Interviewpassagen nicht festgehalten werden. Um diese Zusammenfassungen methodisch kontrolliert ablaufen zu lassen, bietet sich die Technik der qualitativen Inhaltsanalyse an.445 Die Konstruktion deskriptiver Systeme weist ebenfalls zahlreiche Aspekte qualitativer Auswertungsverfahren auf. Für die Materialaufbereitung wird hierbei auf Kategorien zurückgegriffen, die einerseits theoriegeleitet und andererseits durch Bezug auf das empirische Material entwickelt worden sind. Das empirische Material wird dann unter diese Kategorien subsumiert. Die drei letzten beschriebenen Protokollierungstechniken wurden nicht für die Aufbereitung des vorliegenden Materials verwendet. Deren qualitative Auswertungselemente finden sich allerdings bei der Auswertung des Materials wider, deren Ablauf und Aufbau im Zentrum des nächsten Abschnitts steht. (c)
Auswertungsmethode: Die qualitative Inhaltsanalyse
Die Extraktion der Informationen aus den Interviews und deren Analyse erfolgte mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse. Die Inhaltsanalyse hat zum Ziel, dass sie methodisch kontrolliert qualitative Untersuchungsdaten schrittweise analysiert und entsprechend dem Untersuchungsziel strukturiert.446 Im Zentrum steht dabei die Systematisierung der Aussagen der Interviewpartner entlang eines Kategoriensystems. Die Kategorien können dabei vorab durch theoretische Vorüberlegungen festgelegt sein oder induktiv „am Material“ entwickelt werden.447 Grundsätzlich wird dadurch sichergestellt, dass die theoretischen Vorüberlegungen die Extraktion anleiten und dass das Kategoriensystem zugleich offen ist. Wenn neue Informationen oder Themen (z.B. die Rolle von Markenleitbildern) während der Extraktion auftauchen, die durch vorhandene Kategorienschemata nicht abgedeckt werden, können existierende Kategorien angepasst oder neue Kategorien konstruiert werden. In beiden Fällen liegt
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Vgl. Mayring (2002), S. 94ff. Bei diesen Aufbereitungstechniken spielen bereits Elemente von Auswertungsverfahren eine wichtige Rolle. Im Rahmen dieser Arbeit wird die qualitative Inhaltsanalyse primär als Auswertungsverfahren genutzt. Vgl. daher die Ausführungen im folgenden Abschnitt. Vgl. ausführlich Anhang 2 zur methodologischen Einordnung der qualitativen Inhaltsanalyse und deren Auswahl für das vorliegende Forschungsdesign anhand inhaltlicher bzw. methodischer und forschungsökonomischer Kriterien. Vgl. Bortz/Döring (2002), S. 330 und insbesondere Mayring (2002), S. 114ff. Im Fall der induktiven Kategorienbildung fordert Mayring, dass in einem ersten Durchlauf durch einen Teil des Textes eine Revision der Kategorien erfolgt, bevor endgültig das empirische Material komplett analysiert wird. Im Rahmen dieser Arbeit wird hingegen die modifizierte Mayring‘sche Methode von Gläser/Laudel (2004), S. 193ff. verwendet.
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ein qualitativ-interpretatorisches Vorgehen vor, weil zum einen die Zuordnung einzelner Inhalte zu den jeweiligen Kategorien als ein interpretatorischer Akt gelten kann und zum anderen, weil durch induktive Kategorienbildung das Kategorienschema erweitert oder modifiziert wird.448 Im inhaltsanalytischen Sinn handelt es sich bei den Kategorien um Oberbegriffe, die mit den problemrelevanten Dimensionen der Forschungsfragen identisch sind oder sie in Teildimensionen untergliedern. Diese Kategorien können ferner durch Unterkategorien feiner gegliedert werden, um die Aussagen je Kategorie konkretisieren zu können.449 Die Auswertung in der vorliegenden Untersuchung erfolgte mit Hilfe der Software MS Excel, da mit dieser die Erstellung übersichtlicher Datenblätter und Verschiebungen oder Sortierungen sehr gut und einfach möglich waren. Das Auswertungsverfahren umfasste überblicksartig folgende vier Schritte:450 1. Vorbereitung der Extraktion: Die methodische Vorbereitung beinhaltete zum einen die Fixierung des auszuwertenden Materials für die Inhaltsanalyse, d.h. die nach einheitlichen Regeln erstellten Transkriptionen der Experteninterviews. Zum anderen zählte hierzu die Festlegung der Analyseeinheiten. Für die vorliegende Fragestellung haben sich sowohl Textabsätze als auch einzelne Sätze als sinnvoll erwiesen. Die inhaltliche Vorbereitung der Extraktion umfasste die Konstruktion des Auswertungsrasters. Für die Auswertungskategorien wurde im Wesentlichen auf die Kategorien der Forschungsleitfragen und des Interviewleitfadens zurückgegriffen. Aufgrund der ersten Eindrücke der Interviews wurden bereits vor der systematischen Analyse zusätzliche Kategorien miteinbezogen. 451 2. Extraktion der Aussagen: Nach Abschluss der Vorbereitungen wurden die Aussagen einerseits primär nach den vorab definierten Kategorien systematisiert.452 Andererseits wurden neue Kategorien induktiv aus dem empirischen Material abgeleitet. Die Kategorisierung erfolgte in der Form, dass die relevanten Aussagenfragmente den jeweiligen Kategorien durch den Autor zugeordnet 448 449 450 451
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Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 194f. sowie grundlegend auch Krippendorf (1980). Vgl. Schnell/Hill/Esser (1999), S. 376f. Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 197ff. Auf Basis dieser subjektiven Eindrücke schien hingegen eine Einengung oder Ausblendung von Kategorien vor der Extraktion nicht gerechtfertigt, auch im Hinblick auf die Erfüllung der Gütekriterien qualitativer Forschung. Im Sinne von Mayring entspricht diese Vorgehensweise dem Grundmodell der Strukturierung als inhaltsanalytische Technik, denn die Strukturierung des Materials anhand inhaltlicher Merkmale fand unter Verwendung eines Kategoriensystems statt. Mayring unterscheidet zusätzlich die zwei Varianten Zusammenfassung und Explikation als grundlegende Varianten qualitativer Inhaltsanalyse. Vgl. Mayring (2002), S. 115ff. Die drei Methoden werden bei Forschungsvorhaben freilich auch kombiniert.
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wurden. Dies sollte dazu beitragen, die Analyse vom Ursprungstext zu lösen, d.h. nur auf Basis der extrahierten Textbestandteile, und von Anfang an eine „Zitatensammlung“ zu erstellen, um die Ergebnisse und die Interpretationen illustrativ und praxisnah zu formulieren. 3. Aufbereitung der Aussagen: Im Verlauf der Aufbereitung der Daten bzw. Aussagen werden diese zusammengefasst und auf Redundanzen und Widersprüche geprüft. Das Ergebnis ist eine nach inhaltlichen Gesichtspunkten strukturierte Informationsbasis, die die empirischen Informationen in komprimierter Form enthält. 4. Auswertung der Aussagen: Im Rahmen der Auswertung erfolgte die Analyse und Interpretation der Aussagen hinsichtlich der Forschungsleitfragen. Zudem wurde nach fallübergreifenden Zusammenhängen, gemeinsamen und unterschiedlichen Merkmalsausprägungen sowie Typisierungen gesucht. Die einzelnen Aussagen wurden darüber hinaus mit kurzen Bemerkungen versehen, um Verknüpfungen zu anderen inhaltlichen Aspekten darzustellen, die zur Validierung oder Falsifizierung beitragen konnten. Um Fehlinterpretationen während der Auswertung der Aussagen zu vermeiden, wurden bei Unklarheiten und in Kontrollphasen immer wieder die vollständigen Transkripte herangezogen. Im Zentrum der Ergebnisinterpretation stand das In-Beziehung-Setzen der theoretischen Vorüberlegungen mit den gewonnenen Erkenntnissen aus der betrieblichen Praxis, um Ansatzpunkte für eine Professionalisierung des Markenmanagements ableiten zu können. In diesem Zusammenhang wurden z.B. Best-Practice-Beispiele extrahiert und analysiert.
(4)
Beurteilung der empirischen Untersuchung anhand von Gütekriterien der qualitativen Forschung
Ein wichtiger Bestandteil der empirischen Forschung ist die Einschätzung der Ergebnisse zum Abschluss der Untersuchung anhand von Gütekriterien. Im Folgenden werden generische Gütekriterien vorgestellt, die in der vorliegenden Untersuchung als Grundlage für eine weitere Konkretisierung und Ausdifferenzierung im spezifischen Forschungskontext dienten, um letztendlich die Qualität der Forschungsergebnisse messen zu können.453 Basis bilden die von Mayring (2002) und Steinke (2000) vorge453
Einen guten Überblick über die Grundpositionen zur Bewertung qualitativer Forschung liefert Steinke (2000). Im Gegensatz zur quantitativen Forschung existieren in der qualitativen Forschung keine
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schlagenen Gütekriterien qualitativer Forschung.454 Während sich die ersten sechs Gütekriterien auf den Forschungsprozess fokussieren, zieht das letzte Gütekriterium vor allem die Forschungsergebnisse in Betracht. Indikation des Forschungsprozesses: Der gesamte Forschungsprozess wird hinsichtlich seiner Angemessenheit (Indikation) beurteilt, d.h., welchen methodischen Zugang (qualitativ oder quantitativ) legt die Fragestellung nahe, welche Verfahren sind angemessen und welche Fallauswahlstrategie ist sinnvoll. In der vorliegenden Arbeit wurde dem Rechnung getragen, indem zum einen ein qualitativer Ansatz begründet wurde und zum anderen anhand von inhaltlichen und forschungsökonomischen Kriterien die geeignetsten qualitativen Erhebungsund Auswertungsmethoden ausgewählt worden sind, um die Problemstellung bzw. die Forschungsleitfragen zu untersuchen.455 Des Weiteren wurde erörtert, welche Eigenschaften die ausgesuchten Experten und Unternehmen aufweisen sollten und welche Transkriptionsart angewendet werden sollte. Gegenstandsangemessenheit: Die Nähe zum Forschungsgegenstand ist ein Leitgedanke qualitativ-interpretativer Forschung und soll dazu beitragen, eine größtmögliche Nähe zum Untersuchungssubjekt herzustellen, um ein konstruktives und offenes Verhältnis für die Untersuchung zu erreichen. Durch die umfangreichen Experteninterviews sollte diese Nähe zum Untersuchungsgegenstand gewährleistet werden. Intersubjektive Nachvollziehbarkeit: Im Unterschied zu quantitativen Untersuchungen ist bei qualitativen der Anspruch auf intersubjektive Überprüfbarkeit aufgrund der begrenzten Standardisierbarkeit des Vorgehens456 kaum zu erfüllen. Vielmehr ist eine Bewertung auf Basis einer intersubjektiven Nachvollziehbarkeit angemessen, die durch die ausführliche Dokumentation und die Regelgeleitetheit des Forschungsprozesses erfolgen kann. Die Dokumentation im Rahmen dieses Forschungsvorhabens umfasst daher konkrete Angaben zu den verwendeten Erhebungsmethoden (strukturierter Interviewleitfaden für Expertengespräche) und Auswertungsmethoden (Vorgehen bei qualitativer Inhalts-
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zentralen Einheitskriterien (z.B. Objektivität, Reliabilität und Validität) zur Bewertung der Forschungsergebnisse. Vielmehr existiert ein breit angelegter Kriterienkatalog, der untersuchungsspezifisch konkretisiert, modifiziert oder ergänzt werden kann. Für eine modifizierte Verwendung der Kriterien Objektivität, Reliabilität und Validität für die qualitative Forschung vgl. Bortz/Döring (2002), S. 326ff. Vgl. Mayring (2002), S. 144ff. und Steinke (2000), S. 323ff. Siehe ausführlich Anhang 2 Dies verhindert folglich eine identische Replikation der Untersuchung und deren Überprüfung.
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analyse und Entwicklung des Kategoriensystems) sowie die Darstellung der Ergebnisse anhand wörtlicher Zitate. Ferner werden die Informationsquellen (namentliche Nennung der Experten) aufgelistet und die Transkriptionsregeln (wörtliches Protokoll nach den Regeln der deutschen Standardorthographie) dargelegt. Trotz der geringen Standardisierbarkeit qualitativer Forschung ist eine Beliebigkeit des Forschungsprozesses zu vermeiden. Eine Regelgeleitetheit ist zu erzielen, indem der Aufbau und Ablauf der Analyseschritte expliziert und detailliert dokumentiert wird und „kodifizierte“ Verfahren wie die qualitative Inhaltsanalyse verwendet werden. Argumentative Interpretationsabsicherung: In qualitativ orientierten Ansätzen spielt die Interpretation der Ergebnisse, die argumentativ begründet wird, eine wichtige Rolle. Die Qualitätseinschätzung dieser Interpretationen erfolgt anhand der Adäquatheit des Vorverständnisses, um eine theoriegeleitete Deutung zu ermöglichen, und der Schlüssigkeit der Argumentation.457 Empirische Verankerung: Die Überprüfung der Hypothesen bzw. Theorien sollte empirisch, d.h. in den erhobenen und ausgewerteten Daten begründet (verankert) sein. Die empirische Verankerung kann dahingehend geprüft werden, inwieweit kodifizierte Verfahren für eine systematische Datenanalyse verwendet wurden und inwieweit hinreichende Textbelege für die Interpretation und die Entwicklung von Ansatzpunkten vorgelegen haben.458 Triangulation: Die Triangulation ist nicht nur ein Kennzeichen qualitativer Forschung, sondern kann zugleich als Kriterium für die Beurteilung der Güte der Forschungsergebnisse betrachtet werden. In der vorliegenden Arbeit sind die Experteninterviews nicht die einzige Erhebungsmethode, sondern werden durch die Heranziehung und Analyse anderer Quellen oder Beobachtungen ergänzt. Mit
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In diesem Zusammenhang ist auch eine gewisse theoretische Sensibilität notwendig, d.h. die Fähigkeit zu besitzen, „Einsichten zu haben, den Daten Bedeutung zu verleihen, die Fähigkeit zu verstehen und das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen“ (Strauss/Corbin 1996, S. 27). Auf der anderen Seite dient die kommunikative bzw. dialogische Validierung zur Absicherung der Forschungsergebnisse, indem diese den Befragten nochmals vorgelegt werden und mit ihnen diskutiert werden. Vgl. Mayring (2002), S. 147. Ferner kann auch eine Validierung mit Kollegen erfolgen (argumentative Validierung). Neben diesen beiden konsensuellen Validierungsformen wird mitunter auch eine Handlungsvalidierung vorgeschlagen, die darauf abzielt, ob es empirisch nachweisbare Zusammenhänge zwischen den Rekonstruktionen subjektiver Erfahrungen (d.h. Aussagen der Interviewpartner) und beobachtbarem Verhalten gibt (z.B. Prognosen für zukünftiges Verhalten). Vgl. Bortz/Döring (2002), S. 329. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfolgte aufgrund forschungsökonomischer Überlegungen eine Plausibilisierung der Ergebnisse schon während des Forschungsprozesses, die freilich Elemente der konsensuellen Validierungsformen aufgreift (siehe ausführlich dazu den Punkt Relevanz der Forschungsergebnisse in diesem Abschnitt).
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dem Begriff der Triangulation bezeichnet man diese Kombination unterschiedlicher Vorgehensweisen in einer empirischen Untersuchung. Durch die Verbindung mehrerer methodischer Zugänge kann die Qualität der Forschungsergebnisse erhöht werden. Die Integration qualitativer und quantitativer Verfahren oder deren Ergebnisse soll allerdings nicht im Sinne einer gegenseitigen Validierung,459 sondern vielmehr unter dem Aspekt der Ergänzung von Perspektiven verstanden werden.460 Durch das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis eines Erkenntnispluralismus und durch das gewählte Forschungsdesign wird das Konzept der Triangulation aufgegriffen. Konkret bedeutet dies, dass Erklärungsansätze aus verschiedenen Forschungsdisziplinen berücksichtigt werden, unterschiedliche Daten- und Informationsquellen461 herangezogen werden und verschiedene empirische Erhebungsmethoden bzw. deren Ergebnisse462 genutzt werden. Relevanz der Forschungsergebnisse: Forschungsvorhaben hinsichtlich ihres pragmatischen und theoretischen Nutzens zu beurteilen, ist ein zentrales Gütekriterium für Forscher. Im Hinblick auf die Einschätzung des jeweiligen Beitrags
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Vgl. Jankowicz (2005), S. 224f. Vgl. Kelle/Erzberger (2000), S. 302, Flick (2000b), S. 311. Neben der Konvergenz (Validierung) und der Komplementarität (Ergänzung) von quantitativen und qualitativen Forschungsergebnissen können diese sich natürlich auch gegenseitig widersprechen, d.h. divergent sein. Vgl. hierzu auch Lamnek (1995a), S. 236f. Im engeren Sinne handelt es sich bei der Daten-Triangulation um die Heranziehung verschiedener Datenformate, d.h. neben verbalen Daten (z.B. Interviews) werden auch visuelle Daten genutzt. In der vorliegenden Untersuchung konnten bestimmte Aussagen der Befragten zur Markenthematik anhand der Umsetzung in den jeweiligen Produkten oder Formaten (z.B. Zeitschriften, Zeitungen oder Fernsehsendungen) überprüft werden. Daten-Triangulation im weiteren Sinne kann auch als FallTriangulation bezeichnet werden. Durch die Anzahl und Auswahl der Interviewpartner aus unterschiedlichen Hierarchieebenen, Unternehmen und Medienbranchen kann eine breite Mischung verschiedener Perspektiven erreicht werden. Bei einigen Medienunternehmen wurden mitunter Personen aus mehreren Funktionsbereichen (z.B. Marketing und Verlagsleitung) befragt, um die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln zu erfassen. Hierbei handelt es sich freilich nicht um die Verwendung quantitativer und qualitativer Antwortmöglichkeiten innerhalb eines Fragebogens (within-method). Vielmehr liegt eine Kombination verschiedener Erhebungsmethoden für ein Forschungsvorhaben (between-method) vor. Konkret handelt es sich hierbei um die Verknüpfung reaktiver Verfahren (z.B. Interviews) mit nicht-reaktiven Verfahren (z.B. Analyse von Datenmaterial, das ursprünglich nicht für die Forschungsfrage erstellt worden ist). So werden die im Vorfeld der Hauptuntersuchung durchgeführte explorative Studie zum Brandmanagement in Medienunternehmen (vgl. Ringlstetter/Bode 2004) und quantitative Daten aus Marktforschungsstudien (z.B. GfK oder Imagery Studie der GEO-Gruppe) herangezogen. Zudem werden Markenstudien und andere Dokumente für die Analyse verwendet, die im Rahmen der Interviews von den Befragten dem Autor zur Verfügung gestellt worden sind. Als weitere Quellen werden Praxisvorträge im Rahmen der Veranstaltungsreihe Media@LSR und des Ingolstädter Medienforums der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt genutzt.
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kann auf die Übertragbarkeit463 und die Anschlussfähigkeit der Forschungsresultate verwiesen werden. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse in die Praxis soll dadurch gewährleistet werden, dass eine fortlaufende Plausibilisierung der Forschungsergebnisse, z.B. während der Interviews zu späteren Zeitpunkten, aber auch in Diskussionen mit Wissenschaftlern (u.a. Doktorandenseminare an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt), stattfand. In diesem Sinne kann eine so umgesetzte Plausibilisierung sogar als ein Substitut für Validität angesehen werden.464 Die Anschlussfähigkeit der Forschungsresultate ist gewissermaßen eine weitere Ausdifferenzierung des Kriteriums der Übertragbarkeit. Die Ergebnisse müssen zum einen neu sein und zum anderen anschlussfähig an vorhandene Theorien oder die Unternehmenspraxis sein, um eine gewisse Akzeptanz zu erzielen: „Ultimate proof of an idea or theory is its acceptability to common sense. An important test of validity is liking an idea, feeling right about it, being able to use it to throw light on a previously hidden aspect of organization“ (Daft 1983, S. 543). Ziel dieser Arbeit ist es daher, durch die theoretisch-konzeptionellen Vorüberlegungen und die Ableitung von entsprechenden Forschungsleitfragen sowie die Diskussion bzw. Interpretation der Forschungsergebnisse in einem theoretischen Bezugsrahmen diese Anschlussfähigkeit an bzw. Akzeptanz in den theoretischen und praxisorientierten Diskursen herzustellen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Berücksichtigung der sieben vorgestellten Kriterien dazu dienen sollte, die Güte des vorliegenden Forschungsvorhabens zu erhöhen.
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Mintzberg (1979) stuft die Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen in die Praxis als ein zentrales Gütekriterium ein: „Probably the greatest impediment to theory building in the study of organizations has been research that violates the organization, that forces it into abstract categories that have nothing to do with how it functions“ (Mintzberg 1979, S. 585). Vgl. Weick (1989), S. 525. Auf eine explizite kommunikative Validierung aller erhobenen Daten mit den Interviewpartnern wurde daher verzichtet.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
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TEIL III: STRATEGIEN FÜR DIE ENTWICKLUNG UND DAS MANAGEMENT VON MEDIENMARKEN
Zielsetzung dieses Kapitels ist es, die Ergebnisse der empirischen Untersuchung einer kritischen Reflexion zu unterziehen. In diesem Zusammenhang werden die Erkenntnisse zusammengeführt, Gemeinsamkeiten identifiziert und gruppiert, um auf dieser Basis Abstraktionen vorzunehmen und Generalisierungen abzuleiten. Die Erkenntnisse und Implikationen sollen zu einer weiteren Professionalisierung des Markenmanagements in der Medienindustrie beitragen. Im ersten Teilkapitel werden zunächst die wesentlichen Aussagen der empirischen Untersuchung im Hinblick auf die Rolle und Bedeutung von Medienmarken, deren strategische Führung und Entwicklung und die Steuerungs- und Kontrollsysteme für Medienmarken kategorisiert und analysiert (III.1). Die darauf folgende Zwischenbetrachtung zeigt aus der Perspektive der evolutionären Organisationslehre die grundsätzlichen Möglichkeiten der Professionalisierung von Unternehmen und soll somit einen theoretischen Bezugsrahmen für die weitere Diskussion der medienspezifischen Ansatzpunkte bilden. Im Mittelpunkt des daran anschließenden Teilkapitels steht die Entwicklung von solchen Ansatzpunkten für ein strategisches Management von Medienmarken. Hierzu werden u.a. die Gestaltungsmöglichkeiten von Medienmarkenportfolios, unternehmensbezogene Erfolgsfaktoren von Markendehnungen, Ansatzpunkte für eine synergetische Koordination, Möglichkeiten zu einer stärkeren Verankerung eines Markenbewusstseins und die medienmarkenspezifischen Ausgestaltungsoptionen von Managementsystemen erörtert (III.2).
III.1
Empirische Analyse zentraler Aspekte von Medienmarken und deren Management
Im Fokus dieses Teilkapitels stehen die Darstellung und die Interpretation der im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewerteten Aussagen der Interviewpartner bzw. Experten und deren Kategorisierung anhand der herausgearbeiteten Forschungsleitfragen. Da es sich hierbei um qualitative Daten handelt, werden die Ergebnisse in Form typischer Beispiele bzw. Zitate veranschaulicht. Erstens werden die Ergebnisse im Hinblick auf die Rolle und Bedeutung von Medienmarken für Medienunternehmen anschaulich gemacht (III.1.1). Zweitens werden die Erkenntnisse hinsichtlich der
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Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
strategischen Führung und Entwicklung von Medienmarken herausgearbeitet (III.1.2). Drittens werden schließlich die Aussagen zu den Steuerungs- und Kontrollsystemen für Medienmarken expliziert (III.1.3). Die nachfolgenden Ausführungen verzichten weitgehend auf Quantifizierungen. Vielmehr geht es darum, die wesentlichen Aussagen herauszufiltern, aber zugleich auch kontrastierend abweichende Argumente darzulegen. Im Folgenden werden teilweise durchaus quantitative Einschätzungen anhand relativer, vager Begriffe, wie „vereinzelt“, „einige“ oder „zahlreiche“ vorgenommen. Die schwache Quantifizierung mag angesichts der immerhin 31 durchgeführten Interviews legitim sein.
III.1.1
Medienmarken als zentraler Erfolgsfaktor
Im Folgenden sollen die Ergebnisse der empirischen Untersuchung im Hinblick auf die Rolle der Marke als zentraler Erfolgsfaktor dargestellt werden. Zunächst werden die Expertenaussagen bzgl. der Existenz und des Ausprägungsgrades eines Markenbewusstseins in der Medienindustrie aufgezeigt (1). Daran anschließend erfolgt die Auswertung der Aussagen hinsichtlich der Relevanz von Marken für das Geschäftsmodell von Medienunternehmen (2). Zum Abschluss werden die wesentlichen Erkenntnisse im Hinblick auf die Funktionen von Medienmarken zusammengefasst (3).
(1)
Ausprägung des Markenbewusstseins
Medienunternehmen sind sich ihrer Marken und deren Bedeutung bewusst. Pars pro toto daher folgende zwei Aussagen von Interviewpartnern: „Das Markenbewusstsein in der Medienindustrie ist extrem groß ausgeprägt, weil die Marken sind letztendlich unser Asset, unser Kapital“ (Quelle: E-22). „Ich denke im Vergleich zu anderen Branchen und Industrien relativ hoch, wenn nicht sogar ganz weit oben. Das hat einmal einen inhaltlichen Grund und einmal einen ökonomischen Grund. Der inhaltliche: (…) Marken schaffen Orientierung in irgendwas und stehen für Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Sympathie, Kompetenz etc. Das ist die ureigene Aufgabe eines Journalisten. (…) Das zweite ist die ökonomische Funktion: Wir in Deutschland leiden nicht an Unterversorgung an Presse, sondern der Blick in die Kioskregale zeigt, wir sind völlig übertrasht. (…) Wie fällst du überhaupt auf? Wir müssen uns irgendwie im Wettbewerb differenzieren und viele Segmente sind so mit Me-tooProdukten übersättigt. Man muss irgendwie ein qualifiziertes Moment finden“ (Quelle: E-11).
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
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Allerdings merken einige Marketingverantwortliche an, dass das Markenbewusstsein, respektive das Markenmanagement, insbesondere im Vergleich zur Konsumgüterindustrie noch relativ unterentwickelt ist: „Im Vergleich zu anderen Produktsegmenten ist es eher noch Kreisliga vom Niveau“ (Quelle: E-12).
In vielen Medienunternehmen hat sich erst in den letzten Jahren explizit ein solches Markenbewusstsein entwickelt. So ist zum Beispiel die „Marke in der Fernsehindustrie (…) sehr spät entdeckt worden“ (Quelle: E-13).
Dieser Wandel ist sicherlich auch durch die oben aufgezeigten technologischen und ökonomischen Entwicklungen verstärkt und beschleunigt worden. Gleichzeitig ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieses Markenbewusstsein mitunter diffus ausgeprägt ist. „Wenn man ehrlicherweise hinter die Kulissen guckt, dann ist das bei vielen davon geprägt, dass, je nachdem, wie der Sendungserfolg und der Moderatorenerfolg ausfällt, plötzlich dann eine neue Definition der Marke vorherrscht. Wir sind in der Fernsehbranche eigentlich noch viel zu wenig markengetrieben, als es den Bedürfnissen entspricht“ (Quelle: E-13).465
Die Aussage deutet zudem an, dass das Markenbewusstsein sich zudem zwischen den einzelnen Mediensegmenten und Medienunternehmen unterscheidet. Generell sind die Medienunternehmen in den Segmenten Zeitschriften und Zeitungen sehr markenbewusst. „Innerhalb der Printmedienbranche ist das Markenbewusstsein mittlerweile sehr ausgeprägt“ (Quelle: E-12).
Auch für die Unternehmen aus dem Internetsegment gilt: „Das Markenbewusstsein ist sehr stark ausgeprägt. Das kommt unter anderem daher, da viele Internetmarken erst sehr, sehr jung sind. Also die Marke ist in der Internetwelt wichtig“ (Quelle: E-6).466
Im Musik-, Buchverlags- und TV-Bereich ist
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Ebenso pointiert formuliert es ein Marketingverantwortlicher aus dem TV-Bereich: „Also grundsätzlich ist das Thema Markenmanagement in Medienunternehmen auf der einen Seite uralt, auf der anderen Seite eigentlich noch jungfräulich, weil viele Medienmacher dem Thema Marke gegenüber eigentlich nur an der vorderen Hirnplatte aufgeschlossen sind und nicht wirklich Ahnung davon haben, was Marke eigentlich bedeutet“ (Quelle: E-21). Interessanterweise stellte für die Gründer von Yahoo! ihre Marke erst eine Art vorübergehende „Arbeitsmarke“ dar. Nach den ersten Erfolgen wollten die Gründer Jerry Yang und David Filo den Markennamen im Hinblick auf das angestrebte Wachstum den Namen verändern. Einer der ersten Investoren bestand jedoch darauf, den Namen beizubehalten, weil er früh das Potenzial dieses Markennamens erkannte.
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Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
„(…) das Markenbewusstsein zwar vorhanden, aber da werden de facto immer viele Kompromisse gemacht. Wenn man eine gute Gelegenheit oder interessante Autoren hat, eigentlich relativ egal, ob es zu der Marke passt oder nicht, lässt man diese einmalige Chance nicht verstreichen“ (Quelle: E-9).
Im Buchverlagssegment gibt es zwar durchaus starke Marken wie z.B. Langenscheidt, Brockhaus oder Diogenes, aber eine Marketingverantwortliche weist auf folgenden Umstand hin: „Das Bewusstsein mit einer Marke umzugehen und eine Marke zu konzipieren ist in der Branche eher nachrangig, da gibt es auch nur einige wenige, die das auch für sich so in Anspruch nehmen dürfen“ (Quelle: E-3).
Ein Marketingmanager stellt zwar durchaus ein ausgeprägtes Markenbewusstsein fest, schränkt aber gleichzeitig, vor allem hinsichtlich des Belletristikbereichs, ein, dass die Autoren oftmals die entscheidenden Marken darstellen: „Im Buchverlagswesen gibt es auch ein starkes Markenbewusstsein, allerdings sind sich die meisten Verlage bewusst, dass sie keine starke Marke haben. Weil vielfach die Autoren die stärkere Marke als der Verlag selbst sind“ (Quelle: E-14).
Analog steht im Musikbereich die Künstlermarke an „erster Stelle“ 467 für den Konsumenten. Hingegen spielen im Rahmen der Zweit- und Drittverwertung von Musikkünstlern und -titeln die sogenannten Compilationsmarken (z.B. Bravohits) eine wichtige Rolle: „Da ist eigentlich schon seit Jahren ein ganz starkes Bewusstsein vorhanden, dass man sich nur in der Inflation von vorhandenen Compilations, in der auch stark mit Preisen gearbeitet und gekämpft wird, sich nur über hochqualitative, imageträchtige Marken abheben kann“ (Quelle: E-15).
In diesem Sinne entfalten Musiklabelmarken zwar fast keine Bedeutung für den Endverbrauchermarkt, aber für die Unternehmung selbst: „Auf der Seite der Musiklabelmarken RCA, Jive, Aristar, Columbia etc., da ist das Markenbewusstsein zumindest zum Endverbraucher nicht ausgeprägt. Da spielt eine Marke vielleicht eher nach innen eine Rolle, zur Innenidentifikation, zum Schaffen einer eigenen Kultur, zum Abgrenzen gegenüber anderen Labelmarken“ (Quelle: E-15).
Darüber hinaus ist die Markenorientierung auch zwischen Medienunternehmen innerhalb einer Branche in unterschiedlichem Ausmaß zu beobachten: „Selbst im TV-Bereich wird das Thema total unterschiedlich gehandhabt. Es gibt Sender, die kaum oder gar keinen Wert darauf [auf die Marke, P.B.] legen. Bei uns ist es eben anders. Wir sehen das Thema sehr, sehr wichtig, was sich auch darin zeigt, dass wir eine eigene Abteilung haben, die sich quasi um nichts anderes kümmert als um das Markenmanagement“ (Quelle: E-16).
467
„Für den Endverbraucher steht an erster Stelle der Künstler oder das Produkt“ (Quelle: E-17).
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
173
Die Herausforderung besteht freilich für die großen General Interest Sender darin, diese Markenorientierung umzusetzen bzw. zu „verinnerlichen“. Spartensender wie Musik- oder Sportkanäle haben hierbei aufgrund ihrer Zielgruppenfokussierung sicherlich gewisse Vorteile, die sich in ihrer auch extern wahrgenommenen Markenpositionierung niederschlagen: „MTV ist natürlich ein Fernsehsender, der sehr markenbewusst ist, im Gegensatz zu der ganz großen breiten Masse der Sender, die zwar versuchen Markenversprechen zu machen und auch damit werben. Aber irgendwie identifizieren sie sich nicht wirklich damit“ (Quelle: E-9).
Im Hinblick auf die kaufmännischen und journalistisch-künstlerischen Einheiten ist ebenfalls eine unterschiedliche Ausprägung des Markenbewusstseins festzustellen: „Meine Erfahrung ist eigentlich, dass es eine starke Spaltung gibt. In den Verlagsbereichen ist das Markenbewusstsein sehr ausgeprägt. In den Redaktionen denkt man nicht in Markenkategorien“ (Quelle: E-18).
Freilich lässt sich eine stärkere Markenorientierung sowohl in den kaufmännischen als auch den kreativen und journalistischen Bereichen nur sehr schwer via einer „Strategie des Bombenwurfes“468 im Unternehmen verankern. Insbesondere aus Marketingsicht sind letztendlich „ (…) der größte Lust- und Frustfaktor die jeweiligen Bewusstseinszustände der Kollegen, ob der Dringlichkeit und Wichtigkeit bei einer sensiblen Markenpolitik. Und das lässt sich aber leider eben nicht verordnen“ (Quelle: E-12).
Ein Ansatzpunkt hierzu ist z.B., die kreativen Humanressourcen entsprechend zu sensibilisieren, da insbesondere die Medieninhalte, die durch kreative Selektions- und Interpretationsleistungen generiert werden, ein konstitutives Element der Marke sind: „Und man kann im Verlagsmanagement ein Gerüst um diese Spezies Mensch bauen, dass es dem Kollegen aus der Chefredaktion hilft, ein stärkeres Markenbewusstsein zu entwickeln, die Notwendigkeit dieses Umstandes zu sehen und zu erkennen und entsprechend auch danach zu agieren“ (Quelle: E-12).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Markenbewusstsein in allen Mediensegmenten durchaus sehr ausgeprägt ist, wobei der Grad der Markenausprägung sowohl zwischen als auch innerhalb von Mediensegmenten und Medienunternehmen gewisse Schwankungen aufweist. Im theoretisch-konzeptionellen Teil dieser Arbeit (Kapitel II.1) wurde bereits ausführlich auf die Bedeutung von Marken für die Geschäftsmodelle von Medienunternehmen eingegangen. Im Folgenden sollen
468
Vgl. Kirsch (2001), S. 257f. Auf die vorliegende Thematik bezogen würde das bedeuten, dass das Konzept der Markenorientierung schlagartig und relativ unwiderruflich verkündet und in Kraft gesetzt wird, d.h. wie eine Bombe in die Unternehmung geworfen wird.
174
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
nun die daraus abgeleiteten Forschungsleitfragen mit den Aussagen der Experten validiert oder falsifiziert werden.
(2)
Relevanz von Marken für das Geschäftsmodell von Medienunternehmen
Medienprodukte benötigen heutzutage ein klares Profil und einen eindeutigen Wiedererkennungswert, da eine Positionierung nur über die Inhalte oftmals nicht mehr ausreichend ist.469 Starke Marken haben für Medienunternehmen daher eine hohe Relevanz und stellen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar: „Braucht man überhaupt Marken, das ist glaube ich die alles entscheidende Frage überhaupt. Ich glaube, dass es heute mehr denn je notwendig ist, eine Marke zu haben, ein Marke zu sein, was immer sich genau mit der Marke verbindet. Wenn Sie jetzt nur mal für mein Unternehmen angucken: Wie viele Fernsehsender gibt es? Wie sind die verschiedenen Positionierungen? Dann kann ich nur, wenn ich eine starke, klare Marke bin, heute in diesem Wettbewerb bestehen“ (Quelle: E-7, Hervorhebungen P.B.).
Noch plakativer bringt es ein ehemaliger Senderchef zum Ausdruck: „Wenn ich unbekannt bin in dem Mediendschungel, dann brauche ich gar nicht erst anzutreten. Deswegen muss jeder Neue, der beginnt, sich mit irgendetwas assoziieren lassen oder selbst assoziieren, um eine gewisse Gewichtigkeit zu bekommen, sonst schwebt er davon. Wie der heliumgefüllte Ballon, man wird weggetragen ohne das Gewicht der Marke, das einen am Boden hält“ (Quelle: E-19, Hervorhebungen P.B.).
Die Zuschreibung von Assoziationen ermöglicht letztendlich eine Differenzierung mittels der Marke. Profilierte Marken sind auch dahingehend von Bedeutung, wenn es darum geht, das Geschäftsmodell zu erweitern, d.h. die Marke weiter zu kapitalisieren. „Unser Kernnukleus ist die Marke. Von dort ausgehend, mit hohen Affinitäten, können wir uns vorstellen, neue Businessmodelle aufzusetzen. Auch vor diesem Hintergrund ist es extrem wichtig, eine ganz starke und klar positionierte Marke zu haben“ (Quelle: E-7).
Auch im Zeitschriftensegment besteht auf der Suche nach neuen Erlösquellen fast ein „ (…) Zwang eine Marke zu haben, um überhaupt diese Diversifizierung möglich zu machen. Und die Zeitschriften, die es nicht schaffen, zu einer Marke zu werden, die eigentlich eher unklar, eher wabernd in ihrem Erscheinungsbild, in ihrer Optik, in ihren Inhalten, in ihrem Profil sind, die haben es eben schwerer“ (Quelle: E-20).
In diesem Sinne haben Medienunternehmen die „(…) Marke auch als Mittel der Wertschöpfung, weil man sie eben in vielerlei Hinsicht einsetzen kann“ (Quelle: E-19).
Überspitzt formuliert ist zum Beispiel ein TV-Sender
469
Vgl. Roth, zitiert in Karle (2005), S. 58.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
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„(…) nichts außer er selbst, außer seinem Namen, außer das Bild, das die Menschen sich von ihm machen. Denn die einzelnen Produkte, die da laufen, die können überall laufen. Und die Kunst ist, aus diesen Produkten, aus dieser Beschaffenheit ein Ensemble zu machen und diesen Korpus insgesamt zum Erblühen zu bringen. Das ist die Aufgabe, die die Marke eigentlich hat. Der eigentliche Wert besteht in der Marke. Denn die Büroräumlichkeiten sind gemietet, die Arbeitskräfte sind gemietet, die Filme sind gemietet. Dem Sender gehört gar nichts“ (Quelle: E-21, Hervorhebungen P.B.).
Die Entwicklungsmöglichkeiten einer Marke werden durch das Kerngeschäft stark beeinflusst: „Aber dazu ist es immer wieder nötig, die Qualität, die Kompetenz, das Know-how der Marke immer wieder neu zu beweisen. Ich könnte dieses Geschäft nicht machen, selbst mit den identischen Ressourcen, aber ohne die positive Marke, weil es mir keiner abnehmen würde“ (Quelle: E-7).
Voraussetzungen für die Entstehung und Kontinuität einer starken und positiven Marke sind freilich das Produkt und die darin gebündelten Medieninhalte. Stellvertretend stehen hierfür zwei Beispiele aus der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche. Für den Aufbau einer Marke im Zeitschriftensegment gilt: „Aber wie kommt es überhaupt zu einer Marke? Ausgangspunkt ist immer das Produkt. Das Produkt muss erstklassig sein. Und zwar erstklassig im Hinblick auf den Lesermarkt, dass wir eine schöne Auflage erzielen und damit auch als Werbeträger für die werbetreibende Industrie interessant sind. Und das ist sozusagen der natürliche Spagat mit dem man sich in der Zeitungsbranche auseinandersetzen muss und die Besonderheiten des Inhalts, die Authentizität der Berichterstattung, die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen, das man in eine Redaktion setzt, die Qualitäten, Skandale aufzudecken, Dinge zu kommentieren, von verschiedenen Seiten her zu beleuchten und all diese Facetten, die letztlich die Qualität einer nationalen Tageszeitung ausmachen, bilden dann die Grundlagen für die Marke. Die Strahlkraft der Marke ist insofern das Ergebnis der redaktionellen Höchstleistungen in unserem Haus“ (Quelle: E-4, Hervorhebungen P.B.).
Analog lässt sich für das Zeitschriftensegment konstatieren: „Also wir leben davon, dass wir diese starken Marken haben. Die werden nicht nur, bei uns schon gar nicht, vom Marketing befüllt, diese Marken, sondern sehr zentral auch von den Redaktionen, also die setzen eigentlich Marke Ausgabe für Ausgabe um“ (Quelle: E-1).
Eine starke Marke bietet dann eine Reihe von Möglichkeiten: „Eine Marke mit der man dann weitere Dinge im Rahmen einer line extension machen kann. Zum Beispiel, neue Printprodukte werden an die Marke angedockt, wie wir das sowohl im Supplement-Bereich als auch mit (…)-Wissen gemacht haben. Und es wird dann wahrscheinlich noch weitere Produkte geben. Wir sind permanent in Prüfung, um die Marke zu nutzen, bis hin eben zu diesen neuen Geschäftsfeldern, mit Bibliotheken, CDs, DVDs etc.“ (Quelle: E-4).
176
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Die Marke kann dabei eine gewisse Robustheit470 aufzeigen, die Innovationen und Markentransfers fördert, um weiterhin als „Leuchtturm“ in einem kompetitiven Marktumfeld zu fungieren. Um in der Seefahrtsmetapher zu bleiben, sind profilierte Marken wie starke Tanker, die so schnell nichts aus der Ruhe bringt. „Es hat der Marke (…) jetzt nicht nachhaltig geschadet, dass zwei Schrottformate liefen. Wenn das natürlich noch ein drittes, ein viertes, ein fünftes Mal passiert, dann wird es irgendwann mal kritisch. Wenn sich was an dem Kurs ändert oder an dem Bild der Marke, es ist wieder unheimlich schwierig, Kraft raubend und auch wieder zeitintensiv, das wieder rückgängig zu machen“ (Quelle: E-16).471
Die Verwertung von bekannten Persönlichkeitsmarken ist ein weiterer Ansatzpunkt für die Erschließung zusätzlicher Erlösquellen. Im Rahmen von Face your brand vermarktet z.B. die ProSiebenSat.1Media-Gruppe ihre Moderatoren für Veranstaltungen o.ä. anderer Unternehmen. In der Musikindustrie partizipierten die Unternehmen bislang nur sehr eingeschränkt an den weiteren Verwertungsstufen.472 Hier hat aber auch ein Umdenken eingesetzt. „Bei etablierten Künstlern ist das Verhältnis schwer aufzubrechen in Richtung Ancillary Rights oder weitere Wertschöpfung. Aber wenn es um neue Künstler geht, da muss man schon mit breiter Brust in die Verhandlungen gehen und sagen: Wir investieren hier sehr viel Ressourcen, wir investieren hier sehr viel Know-how und sehr viel Geld, um ein Profil zu schaffen, um das richtige Repertoire ranzubringen, um die richtige Promotion zu platzieren, um schlussendlich eine ganzheitliche Marke aufzubauen. Dann wollen wir aber am Ende des Tages auch gemeinsam mit dir an diesen Zweitrechten und an weiteren Verwertungsstufen partizipieren“ (Quelle: E-15, Hervorhebungen P.B.).
Generell tragen Personen dazu bei, die Marke emotionaler und anfassbarer zu machen. Sie üben damit einen Einfluss auf die Wahrnehmung und das Image der Marke aus. Es ist daher nicht verwunderlich, dass z.B. TV-Sender gezielt bei deren Einsatz und Aufbau vorgehen: „Wir schauen schon zu, dass wir unsere Moderatoren aufbauen, dass wir sie entsprechend auch mit den Formatmarken verbinden, je nachdem wie stark das Gesicht dazu sein soll, und wir nutzen das auch genauso in der Vermarktung“ (Quelle: E-22).
470 471
472
„Aber letztlich eine große, stark aufgebaute Marke, die verträgt unter ihrem Namen eine ganze Menge“ (Quelle: E-21). Im Hinblick auf „First-Mover“-Vorteile von anderen Marken in neuen Segmenten können starke Marken ebenfalls gewisse Vorteile ausspielen: „Andererseits ist das gerade aber auch der Komfort, den man hat, wenn man eine starke Marke ist. Da kann auch mal irgendwo der Zweite sein, am Ende wird man sich doch breitmachen“ (Quelle: E-8). So wird geschätzt, dass der Anteil des Plattenlabels (CD-Verkäufe und Royalties) der Rolling Stones an den Umsätzen im Zeitraum von 1989 bis 2002 bei nur rund 34 Prozent (rund 522 Millionen US Dollar lag. Das Plattenlabel partizipierte nicht an den Ticket-, Merchandising- und Sponsorshipeinnahmen. Vgl. Stein (2004).
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
177
Im Zeitschriftenbereich ist die Personalisierung der Marke mit Journalisten ein wichtiger Aspekt der Stärke einer Marke: „Die Marktforschung zeigt eben, wenn Leute eine Zeitschrift lesen, dann stellen sie sich immer einen Redakteur vor, meist ein bisschen klischeehaft, Zigarette in der Hand, Rotweinglas, Kaffee und dann tippt der da in seine Schreibmaschine rein. Die Journalisten personalisieren, personifizieren dieses Produkt sehr stark“ (Quelle: E-11)
Im TV-Bereich ist eine feste Senderverortung von einzelnen Personen bzw. „Fernsehgesichtern“ langfristig sehr schwierig und nur für einen begrenzten Zeitraum (z.B. bei Eigenproduktionen bzw. Eigenprogrammen) möglich.473 Grundsätzlich sind im TVoder Filmsegment aufgrund der Segmentscharakteristika (z.B. Tonalität und Visualität etc.) bessere Rahmenbedingungen für die Prominenzierung bzw. das Zur-MarkeWerden für einen Moderator, Redakteur, Schauspieler als in der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche gegeben. Für die beiden letztgenannten Branchen trifft prinzipiell daher folgende Aussage zu: „Aber ich glaube die Basis ist schon die Marke (…). Natürlich haben wir Edelfedern, Starautoren unter Vertrag, die die Leser kennen. Aber ich bin auch immer wieder überrascht, wenn man Tests machen lässt, ob man diesen oder jenen kennt und wir sagen: Also absoluter super Topmann und man kennt die Leute dann doch nicht so richtig. Ein schreibender Redakteur ist nicht zu vergleichen mit einem Moderator oder Redakteur im Fernsehen, der abendlich bei der Nachrichtensendung über die Mattscheibe flimmert. Klar, da liegen Welten dazwischen und es ist für den einzelnen Autor sehr schwer, meiner Meinung nach, sich selber zur Marke hochzuschreiben“ (Quelle: E-4).
Zusammenfassend bleibt pointiert festzuhalten, dass für viele Medienunternehmen die Marke die zentrale wettbewerbsrelevante Ressource darstellt, denn das „Einzige, was sie leveragen können, ist die Marke“ (Quelle: E-9).
Allerdings sollten sich Medienunternehmen hierbei kritisch hinterfragen, ob die Investitionen in den Markenaufbau tatsächlich zur Erzielung eines langfristigen Wettbewerbsvorteils beitragen, denn „(...) ich habe zu viele Unternehmen gesehen, die haben sehr viel Geld in Markenentwicklung gesteckt und in dem Moment als Wettbewerb kam war diese Marke überhaupt nichts wert. Und dann war es einfach im Prinzip ein Missverständnis. Und wenn eine Marke nicht einen höheren Preis von mindestens 10 Prozent erreicht oder Mehreinnahmen in dem Kundensegment von so und so viel, dann hat die Marke keinen Wert“ (Quelle: E-23).
473
„Man hat natürlich bei vielen Fernsehgesichtern so gewisse Zigeunerwanderungen durch die Medienlandschaft zu beachten. Man schafft es nicht, alle Gesichter fest an einen Sender zu binden. Das ist a) teuer und b) will man es teilweise auch gar nicht“ (Quelle: E-22).
178
(3)
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Funktionen von Medienmarken
Medienmarken stehen vor der Herausforderung, dass sich im Gegensatz zu anderen Industrien die konstitutiven Inhalte der Marke fortlaufend verändern. In diesem Sinne ist ein Mediengut (z.B. im Zeitschriftenbereich) überspitzt formuliert „(…) kein einheitliches Produkt, sondern es ist ein Organismus, der sich immer neu 474 definiert“ (Quelle: E-1).
Insbesondere im Zeitschriften- und Zeitungsbereich verändert sich das Erscheinungsbild der Mediengüter von Ausgabe zu Ausgabe, da trotz dem Markennamen und/oder -logo neue Bilder und Texte die Titelseite prägen: „Im Medienbereich haben wir eine Marke, die alle 14 Tage mit einem neuen Packaging am Kiosk steht. Das heißt also, das Produkt muss eine gewisse Kontinuität haben in dem was die Kernwerte und den Kernnutzen des Produktes angeht, was die Verpackung angeht, also das heißt auch die emotionale Ansprache, so dass sämtliche Assoziationen, die zu dem Produkt beim Leser geweckt werden, auch erfüllt werden mit jeder Ausgabe“ (Quelle: E-24).
Voraussetzung für die Differenzierung gegenüber Wettbewerbern ist daher eine starke bzw. profilierte Marke: „Eine starke Marke hat auch ein klares Versprechen in sich. Das heißt, wenn ich diese Marke kaufe, weiß ich auch genau, welches Produkt ich bekomme. Die Marke schafft Orientierung, vermittelt ein klares Produkt- und Nutzenversprechen und ist einfach der Leuchtturm in dieser ganzen bunten und überbesetzten Landschaft“ (Quelle: E-1).
Profilierte Medienmarken erfüllen sowohl aus Kundensicht (z.B. Orientierungshilfe, Qualitätssicherungssignal und Risikoreduktion) als auch aus Unternehmenssicht (z.B. Profilierung im Handel und bei Werbepartnern, Differenzierung gegenüber Wettbewerbern und Kundenloyalität) eine Vielzahl an wichtigen Funktionen.475 Im Grunde genommen unterscheiden sich diese Markenfunktionen nicht von anderen Industriebranchen: „Das sind schon im Prinzip die gleichen Funktionen“ (Quelle: E-18)476
474 475 476
Im übertragenen Sinne handelt es sich bei Marken um „die gleichen Pralinen mit unterschiedlicher Füllung“ (Quelle: E-18). Vgl. Homburg/Richter (2003), S. 2f. und Caspar (2002), S. 5ff. Konkret für die Zeitschriftenbranche: „Es gelten eigentlich bei einer Zeitschriftenmarke die gleichen Regeln wie bei jeder anderen Marke auch. Das heißt beginnend beim Bekanntheitsgrad über Kompetenz, Sympathie, also alle klassischen Faktoren, die sie haben wollen, haben müssen“ (Quelle: E-20). Ein Experte listet ferner folgende primäre Funktionen auf: Differenzierung; Wiedererkennung; aktuelle, neue, interessante Inhalte in einem verlässlichen Rahmen (Konzept), Preisprämie und Qualitätsversprechen. Vgl. Quelle: E-25.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
179
Aufgrund der weiter anwachsenden Vielfalt an Zeitschriften, Zeitungen oder TVSendern nimmt die Marke vor allem als Orientierungshilfe eine wichtige Rolle ein: „In der Zeit der Digitalisierung, in der das Angebot explodiert und die Leute sich auch viel mehr das holen können, was sie haben möchten, vom einzelnen Zeitungsartikel bis hin zum Musiktitel, ist die Hauptrolle der Marken, Orientierung zu geben. Es ist sehr wichtig, dass man weiß, bei dieser Marke bekomme ich eine Vorauswahl mit einer bestimmten Ausrichtung und ich weiß, woran ich bin. Und ich muss selber nicht mehr suchen, sondern die Medienunternehmen machen das wirklich für mich in einer konsistenten Art und Weise“ (Quelle: E-9, Hervorhebungen P.B.).
Für TV-Sender sind Marken die zentrale Navigationshilfe, um von den Zuschauern wahrgenommen und auch gesehen zu werden: „Der Grund, warum heute alle auf Marke gehen, liegt darin, dass wir durch die Digitalisierung nicht mehr von 10 Sendern reden und nicht mehr von 20, sondern von 100 und 200, und woran sollst du dich denn noch orientieren können, wenn nicht bei einer Marke selbst?“ (Quelle: E-13)
Des Weiteren bestätigte sich auch für Medienmarken die Signalfunktion gegenüber dem sozialen Umfeld: „Die Marke ist sicherlich irgendwo ein Signal und das hat immer einen kulturellen Aspekt. Presse und Medien haben immer einen kulturellen Aspekt und ich selber ordne mich auch in eine Schublade ein, in ein kulturelles Umfeld, wenn ich mich dazu bekenne, eine Zeitschrift zu kaufen“ (Quelle: E-5).
Darüber hinaus haben starke Marken auch Vorteile im Handel, wenn es um Platzierungen im Allgemeinen und um Sonderplatzierungen im Besonderen geht. Es wurde bereits ausgeführt, dass z.B. im Rahmen von Markentransferprodukten der Handel etablierte Marken bevorzugt, weil diese in der Regel einen höheren Umschlag und damit eine höhere Flächenproduktivität gewährleisten.477 „Aber Sonderplatzierungen der [Zeitschrift A]-Familie nimmt der Handel gerne an. Natürlich ist das für den Handel besonders attraktiv. Da geht es indirekt dann auch um die Marke, weil [die Marke] einfach eine erfolgreiche Marke ist, aber denen geht es darum, dass das eine Zeitschrift ist, die sich gut verkauft und damit haben sie einen ordentlichen Umschlag und da lohnt es sich, die Sache extra zu platzieren“ (Quelle: E-8).
Starke Medienmarken ermöglichen auch die Durchsetzung von Preispremiums und Medienunternehmen können „(…) natürlich oft auch höhere Preise über die Marke rechtfertigen“ (Quelle: E-5).478
477 478
Vgl. hierzu auch die Verbesserung der Verhandlungsposition der Süddeutschen Zeitung nach dem Erfolg der Buch- und DVD-Editionen gegenüber dem Handel (siehe Kapitel I.2.2). Auf die Frage hin, ob eine starke Marke eine Preisprämie ermögliche, antwortete ein Marketingverantwortlicher prägnant: „Ja klar. Ja“ (Quelle: E-12).
180
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Analog könnte man auch von einer Preisbremse im Sinne einer Preisobergrenze für die jeweilige Marke sprechen. Insbesondere bei Zeitschriften oder Zeitungen, die auch eine publizistische Funktion ausüben, ist die Gefahr einer Markensubstitution auf Grundlage von Preisdifferenzen z.T. nur in abgeschwächter Form vorhanden: „Bei einer Tageszeitung, die eine politische Ausrichtung hat, die eine publizistische Funktion hat, die vor allem content, auch damit soft facts vermittelt, schaut der Leser nicht auf den Preis im Sinne von: Wenn mir die SZ zu teuer ist, kaufe ich die FAZ und umgekehrt. Diese Alternative gibt es nicht. Sondern ich bin entweder ein SZ-Leser und dann kaufe ich sie mir, weil sie gut ist, oder ist mir zu teuer, dann lese ich die BILDZeitung oder gar keine und gehe ins Internet. Und das gleiche gilt für den FAZ-Leser. D.h., es gibt höchstens eine individuelle Preisprämie oder Preisbremse. Die Prämie, weiß ich nicht, ob es die gibt. Aber es gibt definitiv eine Preisbremse und die haben wir ausgelotet und insofern ist das sehr aktuell“ (Quelle: E-4).
Die Realisierung bzw. Durchsetzung einer Preisprämie ist nicht nur für den Absatzmarkt: „Wir wollen auch eine Preisprämie verlangen und sind uns auch mit der Konkurrenz einig, die das auch machen“ (Quelle: E-14),479
sondern im besonderen Maße für den Werbemarkt relevant: „Wir sind im Augenblick sehr, sehr aggressiv und sehr, sehr teuer aufgestellt und haben auch ganz klar gesagt, wir sind eine Premiummarke. [Die Marke] ist auch eine Premiummarke. Wir schaffen es im Augenblick, dass wir im Anzeigenmarkt eben diesen Premiumpreis auch durchdrücken können“ (Quelle: E-26).
Die Preisprämie beruht dabei im Anzeigenmarkt sowohl auf der Quantität als auch auf der Qualität der Zielgruppen, die mit der Marke angesprochen werden sowie dem „Markenumfeld“. Exemplarisch wird dies an folgendem Beispiel: „Wenn Sie die reinen TKP [Tausender-Kontakt-Preis, P.B.] oder TAP [Tausender Auflage Preis, P.B.] nehmen würden und würden die Zeitschriften miteinander vergleichen, dann dürfte im Männersegment eigentlich keine Anzeige bei GQ stattfinden. Weil alle anderen eigentlich zwischen zwei bis drei Mal billiger sind. Also haben wir praktisch einen Aufschlag von fünf Mal oder sechs Mal, den man eigentlich gibt, um bei uns einen Leser zu erreichen. Aber umgekehrt wieder, wenn sie jetzt rein auf TKP gehen würden, müssten sie eigentlich alle Anzeigen in die ADAC Motorwelt shiften. Machen die Leute auch nicht, weil das eben dann die Frage stellt, wofür werbe ich, in welchem Umfeld werbe ich und vor allem, das Entscheidende ist ja die Funktion. Also Hefte haben ja auch eine Funktion. Das heißt, man muss natürlich unterscheiden, was möchte der Anzeigenkunde jetzt bei uns für eine Anzeige schalten. Sie wollen eigentlich ihre Marke aufladen, sie wollen Emotionalität schaffen“ (Quelle: E-20).480 479
480
Dies gilt auch im Hinblick auf Zusatzgeschäfte bzw. Markentransfers: „Wir haben uns am Anfang für relativ günstige Preisgestaltung ausgesprochen. (…) Diese Preispolitik überdenken wir gerade. Ich glaube, wir können da mehr verlangen. Der Markt wird auch eine höhere Preisgestaltung bei der gleichen Qualität akzeptieren“ (Quelle: E-4). Analog ist ein entsprechendes Markenumfeld auch im Internet ein Erfolgsfaktor: „Was unsere Werbekunden erreichen muss, ist, dass sie wissen, wenn ich dort meine Werbung schalte, wenn ich in
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Insbesondere im Zeitschriftenbereich hat die Premiumbereich folgenden nachhaltigen Vorteil:
mögliche
181
Preissetzung
im
„Aber einen höheren Preis kann man auch im Pressebereich natürlich erreichen. Man sollte es wahrscheinlich mit etwas verbinden, was man bewahrt. Mit anderen Worten: Dann kommt man in die Buchpreise und das ist immer der Trick. Nicht wie ein Magazin, das man liest und wegschmeißt. Wie Spiegel oder Focus, die niemand aufbewahrt, also kein normaler Mensch. Aber Geo wird man in einem Band aufbewahren“ (Quelle: E-23).
In der Unternehmenspraxis lässt sich allerdings beobachten, dass oftmals der Preishebel auch bei Premiummarken eher unbewusst genutzt wird: „Der Effekt, dass die Marke auch noch einen monetären Mehrwert hat, also in dem Sinne, ich schlage noch mal einen Euro drauf oder ähnliches, das war nie Kalkül, das ist sozu481 sagen eher automatisch als Nebeneffekt entstanden“ (Quelle: E-12).
Die geringe Professionalisierung der Preispolitik wird mitunter auch durch den hohen Wettbewerb bzw. die „ungeschriebenen Regeln“ in der jeweiligen Medienbranche beeinflusst. Stellvertretend folgende Aussage: „Das ist immer ein bisschen schwierig, weil die Produkte sowieso relativ günstig sind und weil man immer viele Alternativen hat. Ist natürlich schon immer so eine Sache, ob man es machst oder nicht, oder als Signal setzt. Das Signal wird in der Medienindustrie eher verstanden: Oh Gott, die brauchen das Geld. Also nicht in dem Sinne: Die sind jetzt so gut, deshalb sind sie jetzt einfach teurer“ (Quelle: E-27).
Insbesondere im Spannungsfeld von Anzeigen- und Absatzpreisen, können Copypreiserhöhungen wiederum Druck auf die Anzeigenpreise ausüben: „Das hat natürlich schon irgendwie Auswirkungen, weil die relevanten Werbepartner natürlich auch sagen: Warum erhöht ihr den Copypreis und senkt dann nichts im Anzeigenbereich?“ (Quelle: E-27).
Die Ergebnisse der Studie lassen insgesamt darauf schließen, dass in den untersuchten Mediensegmenten Marken in der Regel eine hohe Bedeutung haben und auch eine starke Markenorientierung vorherrscht. Medienmarken erfüllen darüber hinaus eine Reihe an wichtigen Funktionen für Medienunternehmen (u.a. Differenzierung und Preisprämie), den Konsumenten (u.a. Orientierung und Nutzenversprechen) und die Werbewirtschaft (u.a. Zielgruppen und „Werbeumfeld“). Überspitzt könnte man diese Funktionsvielfalt wie folgt zum Ausdruck bringen:
481
diesem Umfeld meine Marke positioniere, dann nehme ich auch ein bisschen von diesem Gefühl unserer Marke mit“ (Quelle: E-6). Freilich kann der preispolitische Spielraum auch bewusst nicht ausgeschöpft werden, um einerseits die Kunden nicht abzuschrecken, aber um vor allem nicht das generelle Preisniveau in dem Segment zu heben, von dem letztendlich auch die Wettbewerber profitieren würden oder ihre Abverkaufsmengen zuungunsten des Marktführers ausbauen können: „Die Marke hat ganz klar Luft für ein Preispremium, es ist bloß gar nicht in unserem Interesse, den Weg zu gehen, weil es genügend Wettbewerber gibt, die nicht so effizient arbeiten wie wir und warum soll man denen Luft verschaffen“ (Quelle: E-8).
182
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
„Eine Marke muss so viele Sachen erfüllen, dass sie auch massiv strapaziert wird“ (Quelle: E-6).
Entscheidend wird daher sein, inwieweit es den Unternehmen gelingt, den Markenaufbau ihrer Medienprodukte konsequent und fokussiert voranzutreiben, um erfolgreich am Markt bestehen zu können. Ein entscheidender Erfolgsfaktor wird das Markenmanagement, sprich die Entwicklung und Steuerung von Marken sein.
III.1.2
Strategische Führung und Entwicklung von Medienmarken
Im Folgenden sollen die Expertenaussagen zu dem Forschungsleitfragenblock „medienspezifische Entwicklung und Führung von Medienmarken“ zusammengefasst und analysiert werden. Zunächst wird auf die Organisation der Markenführung eingegangen (1). Ferner werden die Erkenntnisse zum Prozess der strategischen und operativen Markenführung erläutert (2). Daran anschließend werden die Steuerungsmöglichkeiten von Medienmarkenportfolios herausgearbeitet (3). Zum Abschluss werden die wesentlichen Aussagen im Hinblick auf die Ziele und Erfolgsfaktoren von Markentransfers skizziert (4).
(1)
Organisation der Markenführung
Für eine erfolgreiche Markenführung sind entsprechende Organisationsstrukturen und eine sachliche und personelle Ausstattung wichtige Voraussetzungen.482 Von zentraler Bedeutung sind hierbei klar definierte Strukturen und Prozesse, die sowohl die Markenverantwortung innerhalb als auch zwischen den Unternehmenseinheiten regeln. Gerade im Fernsehsegment sind in vielen Unternehmen relativ klare Verantwortlichkeiten geschaffen worden. So existieren zum Beispiel bei der ProSiebenSat1Gruppe im Marketing zum einen Produktmanager, die analog zur Konsumgüterindustrie für bestimmte Produkte bzw. Genres (Spielfilme, Serien etc.) zuständig sind. Zum anderen gibt es für die einzelnen Sender sogenannte Brand Manager, die vorwiegend für operative, aber in Zusammenarbeit mit dem Produktmanagement auch für strategische Aspekte der Markenführung verantwortlich sind. In einem anderen TVUnternehmen gibt es ebenfalls für „(…) jede Marke einen Pressechef oder -chefin, einen Marketingmanager und einen eigenen producer. Das heißt, die Marke wird de facto von den Leuten, die operativ damit
482
Vgl. Homburg/Richter (2003), S. 45.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
183
zu tun haben, gesteuert. Das was die Abteilungsleiter und Geschäftsleitung tun können oder müssen, ist dagegenzusteuern, wenn was schiefläuft oder Impulse zu geben und Druck zu machen, wenn was zu langsam oder gar nicht läuft“ (Quelle: E-13).
Im Zeitschriften- und Zeitungsbereich ist ebenfalls eine Vielzahl von Organisationstypen im Hinblick auf die Markenführung anzutreffen. Das Spektrum reicht von einer journalistisch bis hin zu einer marketingorientiert geprägten Markenführung. Im Fall der journalistisch geprägten Markenführung liegt die Verantwortung für die Marke primär in der Chefredaktion bzw. in den Redaktionen: „Also immer ausgehend von der [Verlags] spezifischen Situation, dass bei uns das Chef483 hier das oberste Gesetz ist, sprich die Chefredakteure genießen in redaktionsprinzip diesem Haus die höchstmögliche Autonomie, um das zu machen, was sie für richtig halten“ (Quelle: E-12).
bzw. „Die journalistische Markenführung liegt ganz klar in den Händen der Chefredaktion. Die strategische Ausrichtung, wo man hin will, was man vielleicht an Sonderheften probieren kann, das ist eine Sache, die wird zwischen der Verlagsgeschäftsführung und der Chefredaktion besprochen. Und das war es dann eigentlich. Die Redaktion ist dann letztendlich für die Ausführung zuständig“ (Quelle: E-18).
Ein weiteres Beispiel verdeutlicht den Einfluss des journalistischen Bereichs auf markentechnische Aspekte: „Die Verpackung gestaltet die Chefredakteurin jede Woche neu. Jede Woche ein Unikat. Bei vielen Titeln ist natürlich die Verpackung, sprich das Cover der entscheidende Verkäufer am Kiosk. Und dadurch hat ganz automatisch die Chefredakteurin einen extrem hohen Einfluss auch auf das Thema Marke“ (Quelle: E-5).
In solchen Fällen liegt gewissermaßen ein Primat der journalistisch geprägten Markenführung vor, die sich primär über die Medieninhalte bzw. das klassische „Blattmachen“ definiert. Der kaufmännische Bereich, d.h. der Verlagsleiter oder das Marketing, sind allerdings ebenfalls sehr stark in die Markenführung eingebunden. Treffend zum Ausdruck kommt dies in folgender Aussage eines kaufmännischen Verlagsleiters: „Eine Marke wird in unserem Haus zusammen von Chefredakteur und Verlagsleiter geführt, also beide sind dafür verantwortlich. Ganz platt gesprochen, wenn einer von beiden Veto schreit, aus welchen Gründen auch immer, dann wird etwas nicht gemacht. Das ist die Grundsatzregel“ (Quelle: E-28).
Die mitunter unterschiedliche Rollenverteilung belegt die Aussage eines anderen Verlagleiters aus demselben Zeitschriftenverlag: „Ich bin vielleicht der oberste Markenverantwortliche qua positione, aber ich darf immer nur der zweitbeste Markenverantwortliche sein. Der beste Markenverantwortliche muss immer der Chefredakteur sein. Wir sind keine Schraubenfabrik, in der man technische 483
Das heißt, die Chefredakteure und damit die Redaktionen sind gegenüber dem Verlag relativ autonom.
184
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Stammdatenblätter hat und die nebeneinanderlegen kann und dann Vergleiche ziehen kann. Bei uns kommt es sehr auf diese soft factors an. Und die produziere nicht ich, sondern das ist im Grunde genommen die Kreativität, das ganze Stilbewusstsein, das in der Redaktion ist und die Redaktion wird geführt vom Chefredakteur. Und ein schlecht gemachtes Heft kann man noch über so eine gute Markenkampagne nicht schön machen“ (Quelle: E-11).
Seine Aufgaben beschreibt er in diesem Zusammenhang wie folgt: „Wir Kaufleute sorgen dafür, dass das Produkt entsteht: Papier, Druck, Fertigung usw. Wir verkaufen die Anzeigen, wir verkaufen letzten Endes dann auch die Hefte an unsere Leser und machen die Werbung dafür. Aber meine wichtigste Aufgabe ist, ich muss die Voraussetzungen schaffen, dass Kreative kreativ sein können. Ich werde immer nur versuchen, durch ökonomische Daten, Leserschaftsdaten, Anzeigendaten, Kosten in der Herstellung, den Chefredakteur ins Nachdenken zu bringen, ihn zu irritieren. Aber ich werde nicht vorschreiben, wie eine gute Ausgabe [der Zeitschrift] funktioniert“ (Quelle: E-11).
Eine anderes Modell der Markenführung orientiert sich stärker an das angelsächsische Publishermodell.484 Das Modell sieht vor, dass „kaufmännisch begabte“ Journalisten oder Kaufleute mit „journalistischer Ader“ die einzelnen Titel führen sollten. Der Publisher leitet die Zeitschriften vor allem im kaufmännischen Bereich operativ sowie budget- und ergebnisverantwortlich. „Bei uns heißt es Publisher. Es ist nicht nur eine Bezeichnung, sondern eine Organisationsstruktur. Publisher heißt bei uns, kaufmännische Verantwortung, auch Markenverantwortung für eines oder mehrere Objekte zu übernehmen. Heute hat jeder Publisher seinen eigenen Marketingleiter und der arbeitet dezidiert auf einer Marke“ (Quelle: E1).485
Natürlich spielt auch hier der journalistische Bereich eine wichtige Rolle bei dem Aufbau der Entwicklung und der Pflege der Marke, da die Inhalte ein zentrales markenkonstituierendes Element darstellen. Die Übergänge in dem beschriebenen Spektrum sind dabei generell sehr fließend. Der Unterschied zwischen den zwei Enden des Kontinuums ist, dass beim Publishermodell eine stärkere institutionalisierte Markenorientierung im kaufmännischen Bereich anzutreffen ist, der mitunter durchaus eine gewisse Dominanz in Markenfragen und -entscheidungen gegenüber dem journalistischen Bereich aufweist. Allerdings soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind, was folgende Aussage pointiert belegt: 484 485
In der Person des Publishers bündeln sich hierbei kaufmännische und journalistische Funktionen. „Also für die Marke verantwortlich bin ich als Publisher und die Markenverantwortung teile ich mir dann letztendlich mit unserem Marketingdirektor. Wir haben hier einen Marketingdirektor, der für sämtliche Marketingmaßnahmen in allen Bereichen im Lesermarkt und im Anzeigenmarkt verantwortlich ist, und der für die Umsetzung unserer Marken und auch die Einhaltung unserer Markenphilosophie verantwortlich ist“ (Quelle: E-24).
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„Also es ist nicht genau definiert und das ist Fluch und Segen zugleich. Leute in Positionen [Marketingleiter, P.B.], in der ich z. B. bin, wünschen sich natürlich eigentlich, dass es fest definiert ist“ (Quelle: E-12).
Ursachen für diese z.T. unklaren Strukturen sind zum einen der eingeschränkte Einfluss des Marketings oder des kaufmännischen Bereichs aufgrund historischer Entwicklung. Zum anderen liegt es im positiven Sinne an der „(…) mangelnden Distanz zwischen der Marke und der Person, die sie prägt, also der Chefredakteur oder die Chefredakteurin. Normalerweise hat man ein Produkt und alle, die an diesem Produkt arbeiten, haben mehr oder minder die gleiche emotionale und rationale Verbindung zu diesem Produkt. Und wenn man professionell genug ist, bewegt man sich auf einer gewissen professionellen Distanz zu dem, was man gerade beackert. Und das ist hier nicht der Fall. Hier hat man Leute, die quasi fast die Marke sind und leben und 1 : 1 prägen und dann hat man eben auch Leute, die z. B. im Verlagsmanagement arbeiten und sich eben mehr oder manchmal weniger mit der Marke über ihre Funktion hinaus identifizieren“ (Quelle: E-12).
Des Weiteren ist die Relevanz der Markenführung mitunter immer noch keine Top Management Agenda. Die Markenverantwortung liegt oftmals in der „(…) Zweite- oder Dritte-Level-Position in der Marketingabteilung. Es ist sehr deutlich, dass Brands sehr wichtig sind und es kommt langsam auch immer mehr hoch in den Medienunternehmen. Es steckt aber noch sehr in den Kinderschuhen. Es ist mehr ein Lippenbekenntnis, dass Brands wichtig sind und es werden Projekte gemacht. Aber letztendlich sind es noch in vielen Fällen die Content-Leute, die das Gesicht der Marke bestimmen“ (Quelle: E-9).
Insbesondere in den journalistisch-künstlerisch geprägten Mediensegmenten sind daher bei der Ausgestaltung der Führung Besonderheiten zu beachten. Hier erfolgt die Entwicklung und Führung der Marken sowohl durch die Geschäfts- bzw. Verlagsleiter als auch die Chefredakteure, wobei letzte einen sehr starken Einfluss haben, da sie maßgeblich an der inhaltlichen und gestalterischen Entwicklung des Produktes beteiligt sind. Etwas überspitzt formuliert, bleibt für den Markenmanager nur „(…) der Versuch einer möglichst professionellen Steilvorlage. Verwandeln müssen halt diejenigen, die die Marke machen“ (Quelle: E-12).
Das Professionalisierungspotenzial zeigt sich auch darin, dass mitunter keine Managementsysteme installiert sind bzw. nicht genutzt werden, sondern die Markenführung sich auf wenige Personen konzentriert: „Das ist alles sehr individuell, alles sehr personenabhängig und entsprechend nicht professionell und natürlich überhaupt nicht vergleichbar mit dem, was da draußen am Markt professionell an Markenführung und Marketing durchexerziert wird“ (Quelle: E12).
Ähnlich argumentiert ein Mitarbeiter aus dem journalistischen Bereich: „Manchmal ist es einfach nur von ein oder zwei Personen abhängig, ob eine Medienmarke sich erfolgreich entwickelt oder nicht“ (Quelle: E-18).
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(2)
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Prozess der strategischen und operativen Markenführung
Die Auswertungen der Experteninterviews bestätigen zwar auch für die Medienindustrie grundsätzlich die Ergebnisse von Schimansky (2003), dass die zahlreichen Markenmodelle zur Markenführung nur sehr fragmentiert in der Praxis angewendet werden.486 So ist in vielen Unternehmen festzustellen, dass jenseits von Style- und Kommunikationsmanuals für den Markenauftritt keine „kodifizierten“ Markengrundsätze oder Markenleitbilder bzw. -richtlinien existieren.487 Vielmehr werden die Markenidentitäten quasi mündlich weitergegeben und in der Organisation gelebt.488 Allerdings finden sich in allen untersuchten Mediensegmenten zugleich zahlreiche Beispiele, die auf eine steigende Professionalisierung der strategischen Markenführung hindeuten. In einem Unternehmen aus dem Fernsehbereich wird zum Beispiel ein Markenmodell genutzt, das den Kern und die wesentlichen Attribute der Marke beschreibt, um bei Neuentwicklungen den Fit mit der Marke zu gewährleisten: „Eine Beschreibung der Marke, für jeden verständlich und auch für jeden in seinem Bereich, für jeden, der damit arbeitet, anwendbar. Natürlich kann man nicht mit jeder Anzeige, mit jedem Trailer, mit jeder Kampagne, mit jedem Format alle 20 Attribute befriedigen, aber das ist quasi die Basis des Schaffens und die Orientierung für jeden, der mit der Marke arbeitet“ (Quelle: E-16).
Dieses Markenmodell wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert, und die einzelnen Attribute, die die Marke konstituieren, werden diskutiert: „Einmal im Jahr nehmen wir uns für einen Tag mit allen Bereichsleitern und dem Geschäftsführer die Zeit, das wieder anzupassen. Es gibt bestimmte Konstanten, die eine Marke auch kennzeichnen und ausmachen. Ich gehe mal davon aus, dass auch in 10 Jahren der Markenkern noch Entertainment sein wird“ (Quelle: E-16).
Zudem wird noch ein Markenmonitor herangezogen, in dem auch die anderen TVSender verortet sind, um die Soll- und Ist-Werte im Zeitablauf vergleichen zu können. In einem großen Zeitschriftenverlag müssen wiederum im Laufe des Strategieprozesses die Verlagsleitungen und Chefredaktionen der einzelnen Titel die sogenannten Brand Books ausfüllen, in denen die zentralen Aspekte der jeweiligen Marken 486 487
488
Vgl. Schimansky (2003). „Im Operativen läuft das so, wir haben einen ganz klaren Rahmenkatalog, wie die Marke [Zeitung] geführt werden darf. …. Da gibt es bestimmte Regeln, die man da beachten muss“ (Quelle: E-26). Bei der GEO-Gruppe wird sich ebenfalls eines CI-Manuals (Corporate Identity) bedient, das verbindliche Vorgaben für die Gestaltung der Kommunikationsmittel vorschreibt. Vgl. Althans/Brüne (2005), S. 674. „Sind eher Geschichten, die wir den Leuten erzählen, wenn sie zu uns kommen. Zum Beispiel bei den Einführungstagen wird auch auf die Marke eingegangen“ (Quelle: E-26). Interessanterweise gibt es aber für die Redaktion bzw. neue Journalisten niedergeschriebene Regeln, wie die Artikel aufbereitet sein müssen, welcher Stil geprägt werden soll. In diesem Sinne existiert ein explizites Content-Manual für die Generierung der für die Medienmarke wichtigen Medieninhalte.
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festgehalten werden (z.B. Positionierung und Kernaussage der Marke). Auf Basis dieser Erkenntnisse werden in einem nächsten Schritt im Rahmen der sogenannten Brand Days die zukünftigen Markenpositionierungen und die Transfer- und Nebengeschäftspotenziale erörtert. Zentraler Erfolgsfaktor dieser Prozesse zur Steigerung des Markenbewusstseins und zur Stärkung der Markenführung ist nach Ansicht vieler Interviewpartner das Commitment des Vorstandes: „Man muss sich das nicht so vorstellen, dass die alles das ausgefüllt haben, dann ging das zum Vorstand und der hat das alles fröhlich abgenickt, sondern es gab bei dem einen oder anderen Kollegen bzw. Titel noch mal die Nachfrage, ob das denn so ernst gemeint sei wegen der Austauschbarkeit und der Belanglosigkeit sowie der wenig konkreten Beschreibung, was tatsächlich wichtig ist, wofür die Marke tatsächlich steht“ (Quelle: E12).489
Ein Unternehmen aus der Verlagsbranche erarbeitete sogar eine „(…) Markenverfassung. Die Idee dahinter ist, diese Markenverfassung allen Mitarbeitern und jedem Neuankömmling in die Hände geben zu können. Es hat den Anspruch, ein Dekret zu sein, was nicht im nächsten Jahr schon wieder Änderungen nach sich zieht“ (Quelle: E-3).
Allerdings gibt es Medienunternehmen, die bewusst auf ein Markenleitbild verzichten: „Es gibt keine Markenverfassung und kein festgeschriebenes Markenbild. Wir haben unser Markenbild einige Male im Markt abgefragt, wie wir wahrgenommen werden. Wir haben eine Vorstellung davon, wie es ist und haben auch eine Vorstellung, wie es sein soll: Es gibt keine ausformulierte oder aus diesem Anlass dann geschriebene Version davon, sondern wir sind uns relativ einig mit den Verlegern, wie wir es machen wollen“ (Quelle: E-14).
Die Operationalisierung von Markenleitbildern, z.B. in Markenchecklisten bei Markentransfers, wird hingegen mitunter kritisch gesehen. Exemplarisch eine Aussage aus dem Zeitschriftensektor: „Ein Markenhandbuch, das funktioniert nicht“ (Quelle: E-2).490
Nichtsdestotrotz wird aber gerade die Etablierung solcher operativer Tools als wichtige Maßnahme eingestuft, um die Führung von Marken effektiver und effizienter zu gestalten. Laut einem Zeitschriftenexperten zählen dazu einfache und nachvollzieh-
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Die Bedeutung des Commitments des Managements für das Markenbewusstsein und die Markenführung im Unternehmen unterstreicht auch folgendes Zitat: „Wenn man die Marke als betriebswirtschaftliche Größe im Unternehmen integrieren will, dann muss man diese Marke auch auf eine glaubwürdige Art und Weise repräsentieren. Und das ist die Verantwortung, die manch einer in der Spitze erkennen und für sich akzeptieren muss. Ich habe noch nie festgestellt, dass die Chefs von Autofirmen nicht in irgendeiner Form sozusagen Benzin im Blut demonstrieren“ (Quelle: E-13). Ähnliches gilt für den Zeitungssektor: „wir haben diese Checkliste nicht, wir haben das Leitbild, Unternehmensleitbild, das sicherlich“ (Quelle: E-4). Ein Ausnahmefall war ein Verlagshaus, das konsequent zum Markenleitbild ein Kommunikations-, Style-, Content- und Zielgruppen-Manual nutzt.
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bare Anleitungen zum Führen von Marken, Checklisten und prägnante Fallstudien, denn „(…) nicht allen gibt’s der Herr im Schlaf“ (Quelle: E-25).
Im Angesicht der zahlreichen operativen Tools und Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. Logos etc.) sind aber die grundsätzliche Markenstrategie und eine gewisse kritische Distanz von zentraler Bedeutung für die Markenführung. So betont ein Fernsehmanager: „Ich glaube, das wichtige Instrument ist, dass man sich ab und zu mal rauszieht und versucht, von außen seine eigene Marke, sein eigenes Unternehmen zu betrachten oder auch mal Leute zu fragen mit sehr viel Fingerspitzengefühl, wie seht ihr unsere Marke denn. Das halte ich nach wie vor für das Entscheidende. Denn es gibt 1000 wissenschaftliche Tools wie man Marken bestimmt, wie man Marken führt. Aber noch mal: Die Arbeit fängt vorher an, sich zu überlegen und hinterfragen ist das noch das Richtige“ (Quelle: E7).
Grundsätzlich wird in der Medienindustrie eine markenorientierte Führung durch kurzfristige Geschäftsmöglichkeiten stark beeinflusst, weil aus Umsatz- und Gewinnsicht die Erzielung von hohen Quoten (z.B. Erwerb von Fußballrechten eines primär auf Entertainment ausgerichteten Senders) oder die Realisierung eines Hits (z.B. im Musik-, Buch- oder TV-Segment) den Vorrang vor der Einhaltung einer stringenten Markenpolitik genießen: „Das Schwierige ist, dass man hier immer diese Kurzfristopportunity hat, Medien sind ein Optionsgeschäft. Wenn man eine tolle Option hat und man kann damit einen Riesenhit landen, dann ist man für die nächsten zwei Jahre aus dem Schneider. Auch wenn das dann nicht zum Brand passt. Und mein Gespür ist, dass es immer sehr schwierig sein wird die Unternehmen, die auf Massenmedien oder große Marken ausgerichtet sind, zum Umdenken zu bringen“ (Quelle: E-9).
Auch im Zeitschriftensegment sind über Lizenzierungen mitunter relativ leicht neue Geldquellen zu erschließen (z.B. Buchreihen etc.). Allerdings besteht hierbei die Gefahr, die Kontrolle über die Marke teilweise aus der Hand zu geben. Letztendlich muss das Markenmanagement abwägen: „Was ist mir wichtiger: der strategische Markenvorteil oder das schnelle Geld?“ (Quelle: E-8).
Grundsätzliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Markenführung ist eine entsprechend starke Ausprägung des Markenbewusstseins in den relevanten Bereichen der Medienunternehmung. Hierzu ist es notwendig, diese Bereiche auf einen klar definierten Markenkern und die Eckpunkte der Markenarchitektur einzuschwören, sprich „(…) alle an Bord zu bekommen und von der Markenführungsnotwendigkeit und Erfolgen daraus zu überzeugen“ (Quelle: E-25).
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Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine gewisse Konsequenz in der Markenführung, d.h., „(…) nicht alles und jeden Trend und jede Anfrage mitzunehmen, sondern auch mal nein zu sagen: die Kooperationspartner passen nicht, das Event passt nicht und dann auch bereit zu sein, das ist gerade dann das Entscheidende: Dann auch auf kurzfristige mögliche Umsätze zu verzichten“ (Quelle: E-16).491
Darüber hinaus ist auch das sogenannte Bauchgefühl für die Markenführung in der Medienbranche ein wichtiger Aspekt, das freilich gleichsam Erfolgs- oder Risikofaktor sein kann: „Bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen und Methoden, die sich der Materie Marke widmen, gibt es sicherlich 1000 tolle Tools. Am Ende ist das Gefühl, eine Sensibilität für 492 die Marke, einfach der entscheidende Punkt“ (Quelle: E-12).
(3)
Steuerung von komplexen Markenportfolios
In großen Medienunternehmen existieren durch die Vielzahl von Marken in den verschiedenen Unternehmenseinheiten komplexe Markenportfolios. Die grundlegende strategische Positionierung der Marken wird hierbei durch die Unternehmensleitung bestimmt. Besonders deutlich wird die Rolle des Top-Managements bzw. der Zentrale und der einzelnen Titel- oder Länderverantwortlichen in international bzw. global agierenden Unternehmen. So wird zum Beispiel im Falle eines großen Suchmaschinen- und Portalbetreibers die globale Markenstrategie vom Top-Management festgelegt. Allerdings erfährt diese Strategie durchaus länderspezifische Anpassungen, deren Ursprung in nationalen Besonderheiten (z.B. bestimmte Marken) liegen kann. „Wir haben ein globales Brand Team, das die Strategie eigentlich aufsetzt. Wir haben eine globale Brand Strategy, die wir aber anpassen. Wenn ich aber eine Entscheidung treffe, die überhaupt nicht mit der globalen Brand Strategy in Einklang zu bringen ist, würde das nicht gehen“ (Quelle: E-6).
Im Fernsehbereich erfolgt die senderübergreifende Steuerung (z.B. Positionierung der einzelnen Sender, Verteilung Programmvermögen, d.h., auf welchem Sender laufen im Zweifelsfall bestimmte Filme oder Serien) ebenfalls auf höchster Managementebene. Der Einfluss der einzelnen Brand Manager auf diese Soll-Positionierung ist relativ gering. Allerdings besteht durchaus ein gewisser Spielraum, die Marke weiterzuentwickeln. Grundsätzlich erfolgen also in einigen Medienunternehmen die Steuerung
491 492
Pointiert ausgedrückt: „[G]ute Markenführung besteht auch darin, in 90 % der Fälle nein zu sagen und eher Dinge zu verhindern“ (Quelle: E-12). So stellte auch Berlin fest: “There is always the part played by pure luck-which, mysteriously enough, men of good judgement seem to enjoy rather more often than others” (Berlin 1996, S. 30).
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und Entwicklung der Marken mit Hilfe von Markenportfolios. Allerdings besteht mitunter noch Optimierungspotenzial bei der Umsetzung (z.B. bei Fernsehsendern): „Wenn man mehrere Marken hat, wird schon darüber nachgedacht, das ist für diese Zielgruppe und das ist für jene Zielgruppe. Diese Portfolio-Denke ist schon vorhanden. Nur an der konsequenten Ausführung, da hakt es manchmal“ (Quelle: E-9).
Eine portfolioorientierte Steuerung und Entwicklung von Medienmarken sollte sich allerdings nicht nur auf die einzelnen Titel beziehen, sondern auch auf die verschiedenen Mediengattungen oder Kanäle, in denen die Marke „verankert“ ist. Es gilt daher gewissermaßen, eine cross-mediale Portfoliosteuerung zu verfolgen. Ein solches Postulat hätte für einen Zeitschriftenverlag daher zur Folge, dass: „wir uns verbieten müssen in Zeitschriftenwelten zu denken. Wir müssen uns dazu zwingen – und wir tun es auch schon – die Frage zu stellen, egal über welchen Kanal, was erwarten die Leute eigentlich von einem journalistischen Produkt, das mit der Marke Stern gelabelt ist. Muss ich kanalspezifisch die Art und Weise der Aufbereitung und der Themenpalette anpassen oder muss ich es eher sozusagen der Marke unterordnen. Diese beiden Pole streiten eigentlich die ganze Zeit miteinander“ (Quelle: E-12).
In diesem Sinne muss die Marke in ihrer Verfügbarkeit sehr breit geführt werden, d.h., die Medieninhalte (z.B. Nachrichten) müssen über viele verschiedene Distributionskanäle verfügbar sein (z.B. Internet, Mobil, RSS Feeds etc., denn „(…) die Leute werden Marken so wahrnehmen, dass ihnen immer weniger bewusst sein wird, habe ich sie wahrgenommen, weil ich sie im Fernsehen, im Internet, PC im Internet, Handy, in einer Zeitschrift gesehen habe? Wenn ich es schaffe, integrierte Ansätze zu machen und dort meiner Marke eine durchgehende einheitliche Wahrnehmung zu ermöglichen, dann werde ich mit meiner Wirksamkeit wesentlich besser fahren“ (Quelle: E-6).493
Anderseits muss man die „Marke sehr spitz führen“ (Quelle: E-26), damit das Markenimage nicht zu verwässern droht. Dieser Spagat erfordert freilich eine konsequente und kanalspezifische Markenführung. „Man muss das Medium kennen, man muss sich darauf einlassen und eine echte medienspezifische Erlebniswelt schaffen und inhaltlich dann eine Konvergenz mit den anderen Medien der Markenfamilie herstellen“ (Quelle: E-8). 494
Darüber hinaus müssen innerhalb der Unternehmung die Voraussetzungen geschaffen werden, die Potenziale der Marke zu nutzen. Im Sinne einer synergetischen Nutzung der Marke (oder auch der Medieninhalte) muss eine Vielzahl an Akteuren und Organi493 494
Vgl. ebenso Kamann (2003), S. 256, der auf Basis seiner 8 Fallstudien dieselbe Schlussfolgerung zieht (darunter u.a. RTL, ARD, das Handelsblatt und der Ringierverlag). „Also es geht darum, mit allen Marken auf diesen verschiedenen Plattformen zu spielen, die richtige Zielgruppe anzusprechen und auch mit den Inhalten zu arbeiten oder so zu adaptieren, dass sie auf die jeweilige Plattform oder auf das jeweilige Endgerät passen. Eine Eins-Zu-Eins-Übertragung macht keinen Sinn“ (Quelle: E-22).
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sationseinheiten koordiniert werden. Bei einem großen Medienkonzern spielten hierbei u.a. folgende Erfolgsfaktoren eine wichtige Rolle für die Diversifikation, d.h. in diesem Fall die Generierung von zusätzlichen Erlösen auf Basis von Marken (z.B. Spiele, Mehrwertdienste, Events, etc., insbesondere im Bereich der Neuen Medien): „Wichtigster Erfolgsfaktor in den letzten Jahren war eigentlich, dass das Ganze zu einem Gruppenthema geworden ist. Das heißt, vor vier bis fünf Jahren war das Thema Online, Multimedia ein reines Add-on-Thema. Wir haben dann vor drei Jahren die Diversifikation zu einem der drei Topziele des gesamten Konzerns gemacht. Seitdem wir dieses strategische Ziel haben, begreifen immer mehr Leute, wie wichtig das auch für die eigene Marke ist. Man muss natürlich auch ein System der Interdependenzen, was die Ziele, was die Erlöse betrifft, schaffen, weil man natürlich auch fremde Plattformen für diese Diversifikation nutzt und wenn man eine Win-win-Situation erreichen kann, dann kommt man auch voran“ (Quelle: E-22, Hervorhebungen P.B.).
Die Voraussetzungen an die einzelnen Markenverantwortlichen sind nicht minder anspruchsvoll. Ein Verlagsleiter zeichnet daher folgendes Szenario: „Deswegen glaube ich, dass wir als Medienmanager der Zukunft Portfoliomanager sein werden. Einmal die ganzen line extensions, also alle Segmente und alle Zielgruppen im Printbereich und im zunehmenden Maße im Internet und Mobile. Wie heißt es so schön: One brand all media“ (Quelle: E-11, Hervorhebungen, P.B.).495
Die Umsetzung dieser cross-medialen Markensteuerung scheint daher eine der größten Herausforderungen für Medienunternehmen zu sein. Exemplarisch dazu die Einschätzung des Geschäftsführers eines Fernsehsenders: „Ich glaube, dass es die größte Herausforderung ist, mit der gleichen Markenintention nicht nur den Sender zu bedienen, sondern alle anderen Businessmodelle, alle anderen Auslastkanäle – digital, Handy, interaktiv, Internet, Mobile usw. – mit der gleichen Markenführung zu überziehen, weil es diversifiziert massiv. Es gibt nicht nur die eindimensionale Senderthematik, sondern es gibt den Sender und darüber hinaus noch fünf bis zehn andere Distributionskanäle. Und die muss man markenführungstechnisch aufeinander abstimmen und muss sie aber trotzdem einheitlich führen und das ist eine große Herausforderung“ (Quelle: E-7).
Bei einer dynamischen Betrachtungsweise von Markenportfolios und deren Steuerung rückt freilich auch das Transferpotenzial von Marken in den Vordergrund, das im Folgenden anhand der Ergebnisse der empirischen Untersuchung kurz dargestellt werden soll.
495
Analog gilt für den Kreativen wohl Folgendes: „Es wird in Zukunft nicht mehr isoliert nur den Schreiber geben, der irgendwas recherchiert und dann niederschreibt und quasi nur in bedrucktem Papier denkt, was die journalistische Aufbereitungsform anbelangt. Sondern die Kollegen werden in Zukunft auch innerhalb ihres eigenen Denkens und Handelns gezwungen werden, multimedial zu denken und zu überlegen, wenn ich mich jetzt einer Geschichte widme, wie kann die auch im Bewegbild umgesetzt und erzählt werden und nicht nur auf einer Doppelseite. Und dafür muss man natürlich a) was in den Köpfen tun und b) auch die Strukturen entsprechend anpassen“ (Quelle: E-12).
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Ziele und Bestimmungsfaktoren von Markentransfers
Es wurde bereits am Anfang dieses Teilkapitels darauf verwiesen, dass im Grunde genommen Medienunternehmen nahezu nur ihre Marke „leveragen“ können. Im Rahmen von Markentransferstrategien soll das Potenzial der Marke entsprechend genutzt werden. „Bei unserer Strategie ist ganz klar: Wir wollen die Kraft dieser Marke nutzen, wollen mehr machen, als nur die „Nachrichten“ dem Kunden anzubieten“ (Quelle: E-26).
Die Marke soll idealerweise in allen Distributionskanälen verfügbar sein, wie es ein TV-Manager folgendermaßen beschreibt: „Grundsätzlich sind aber alle unsere TV Marken auf allen Endgeräten nutzbar bzw. auf allen Screens. Das Ziel ist, dass wir mit unseren Sendermarken über die gesamte Wertschöpfungskette und über den ganzen Mediennutzungszeitraum die Zuschauer, nämlich sowohl stationär wie auch mobil, sowohl zu Hause als auch in der Arbeit, mit spezifischen Angeboten erreichen werden können“ (Quelle: E-22).
Aufgrund der abnehmenden Leser-Blatt-Bindung und den kürzeren Abonnementzeiten wird versucht, die Strahlkraft der Marke mittels Markentransfers und anderen Zusatzgeschäften zu nutzen und somit den Umsatz mit den Kunden in diesem verkürzten Zeitraum zu steigern und damit wiederum die Kundenbindung zu erhöhen. „Wenn die Leute kürzer bei uns bleiben, müssen wir in dieser kürzeren Zeit mehr Umsatz mit denen machen. Dann müssen wir denen automatisch mehr Angebote machen. Kundenbindung funktioniert bei uns über Mehrumsatz“ (Quelle: E-11).
Als wesentliche Erfolgsfaktoren für eine Markentransferstrategie werden nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Unternehmenspraxis eine Reihe von Faktoren aufgezählt. So werden insbesondere eine klare Strategie und eine gewisse „Disziplin“ bei Umsetzung hervorgehoben: „Man kann mit einem Brand schon verschiedene Sachen tun, aber man muss sehr, sehr fokussiert sein, wie man es macht. Und da sind die meisten Medienunternehmen noch zu wenig diszipliniert“ (Quelle: E-9).
Ferner muss der Fit zwischen Ursprungsmarke und Transferprodukt gewährleistet sein. So argumentiert ein Geschäftsführer einer Zeitschrift, der bereits einige line extensions umgesetzt hat: „Ich glaube, wenn man Sachen anfasst, wo die Marke keine Kompetenz hat, dann sollte man auch die Finger davon lassen“ (Quelle: E-2).
Natürlich gibt es auch Skepsis bzw. Widerstände gegenüber der Dehnung von Marken.
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„Es gibt bestimmt oder gab bestimmt im Haus sehr viele skeptische Stimmen, die sagten, das geht nicht. Wir können doch nicht auf einmal mit einer Buchedition an den Markt gehen“ (Quelle: E-4).496
Freilich gibt es realiter nur wenige ökonomische und journalistische Einwände gegen eine behutsame und strategisch sinnvolle Markentransferstrategie: „Es wird Aufgabe des Managements sein, die Maßnahmen, die ohne Schaden oder ohne großen Schaden für die Marke umgesetzt werden können, ruhig umzusetzen. Aber man kann auch nicht sagen, alles, was grundsätzlich irgendwie von der Marke abweicht, ist Teufelszeug. In der Redaktion gibt’s Leute, die sagen, wir hätten niemals die erste line extension gründen sollen. Aber es wäre natürlich töricht, Marken so zu verstehen, dass man da statisch sagt, das was man einmal geschaffen hat, muss so und nicht anders auch für die Zukunft durchgetragen werden“ (Quelle: E-28).
Der Ursprung für die Ideen von Markentransfers sind sowohl die Redaktionen als auch die kaufmännischen Abteilungen in den Verlagen.497 Ein eindeutiges Muster ist hierbei nicht zu erkennen. Entscheidend ist hierbei, inwiefern es gelingt, zum einem in handlungsentlastenden Runden solche Ideen zu fördern bzw. zu diskutieren. Zum anderen ist es sicherlich förderlich, auch institutionalisierte Strukturen oder Prozesse zu etablieren, um solche innovativen Ideen zu generieren und dann auch umzusetzen: „Wir haben eine zweiwöchige Konferenz, da ist Geschäftsführung und die Chefredaktion zusammen, da sind auch die stellvertretenden Chefredakteure dabei, und dann reden wir darüber, was macht Sinn und sind das gute Ideen. Wenn wir meinen, das könnte eine gute Idee sein, dann gibt man das in die Unternehmensentwicklung und dann wird das dort geprüft und durchgerechnet, ob das auch wirtschaftlich tragbar wäre“ (Quelle: E-26).498
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in einer Reihe von Unternehmen Strukturen und Prozesse bestehen, die zur einer Professionalisierung des Markenmanagements beitragen. Einige Medienunternehmen nutzen z.B. Markenmodelle, in denen die Kernattribute der Marke festgehalten sind, oder haben Markenleitbilder verfasst, um u.a. das Markenbewusstsein stärker in der Organisation und bei deren 496
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„Das war am Anfang unheimlich kritisch: Da haben sie bei der Zeit gesagt, das würden sie nie machen. Unsere Redaktion mit reinziehen, das hätte aber auch die Zeitredaktion nicht gemacht. Also was wir im Prinzip schreiben, das ist unser Ding, da kannst du nicht irgendwie eine Bibliothek machen, mit Verlagen verhandeln, einfach sagen, so die haben wir bekommen die Rechte, das empfehlen wir jetzt mal. Mittlerweile hat man auch festgestellt, das hat der Süddeutschen Zeitung überhaupt nicht geschadet, es hat der Zeit nicht geschadet, sie hat wohl unheimlich viel Geld mit diesen Sachen verdient“ (Quelle: E27). „Die Ideen kommen doch eher aus dem Verlag, wenn es darum geht, Bücher herauszubringen oder auch die Konferenzen zu kreieren und wie wir die Marke auch weiter ausbauen können. Mit Leben erfüllt wird so ein Projekt auch ganz stark von der Redaktion“ (Quelle: E-26). In diesem Zusammenhang sind natürlich auch entsprechende Zielvorgaben durch die Unternehmensleitung zu nennen, die einen „positiven“ Innovations- bzw. Diversifikationsdruck erzeugen können: So hielt der Geschäftsführer eines Zeitungsverlages fest: „Ich fordere von jedem Bereich das ‚Buchprojekt‘. Das sind manchmal relativ kleine Dinge. Bei Fachverlagen reden sie nicht von MultiMillions. Das ist vielleicht nicht so spektakulär, aber es trägt zumindest dazu bei, eine Aufbruchsstimmung zu vermitteln und den ein oder anderen Euro einzuspielen“ (Quelle: E-4).
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Mitgliedern zu verankern. Darüber hinaus organisiert z.B. ein großes Verlagsunternehmen intern regelmäßig die sogenannten „Brand Days“, bei denen die kaufmännischen und kreativen Abteilungen gemeinsam Konzepte für mögliche Markendehnungen und die Weiterentwicklung der Marken erarbeiten. Eine große Sendergruppe hat zudem explizite Brand Manager für die einzelnen Sender etabliert. Nichtsdestotrotz erfolgt die Markenführung in vielen Medienunternehmen noch recht hemdsärmelig und via Bauchgefühl und stößt zuweilen gerade in „künstlerisch-geprägten“ Branchen auf gewisse Widerstände.
III.1.3
Steuerungs- und Kontrollsysteme für Medienmarken
Zum Abschluss dieses Teilkapitels werden die Ergebnisse der Fragestellungen nach den Steuerungs- und Controllingmöglichkeiten von Medienmarken vorgestellt. Zunächst werden die Expertenaussagen im Hinblick auf die Existenz und die tatsächliche Verwendung von Instrumenten und Managementsystemen aufgezeigt (1). Daran anschließend erfolgt die Auswertung der Aussagen hinsichtlich der relevanten Kennzahlen für eine Erfolgsmessung von Medienmarken (2).
(1)
Instrumente und Managementsysteme für das Controlling von Medienmarken
Die Ergebnisse der empirischen Analyse ergeben im Hinblick auf die Messung des Markenerfolges im Rahmen des Markencontrollings499 ein recht uneinheitliches Bild. Zum einen wird von einigen Gesprächspartnern die zusätzliche Erfassung von markenspezifischen Daten als nicht notwendig eingeschätzt. So brachte dies der Geschäftsführer eines Zeitungsverlages wie folgt auf den Punkt: „Halte ich auch für überflüssig, muss ich ehrlich sagen. Rausgeschmissenes Geld. Wofür brauche ich das? Ich weiß doch, dass die Marke stark ist. Und ich weiß auch, wann wir die Marke gefährden. Ich weiß, wo die Grenzen sind, das hat auch viel mit Intuition zu tun. Ich glaube nicht, dass man alles im Leben messen muss“ (Quelle: E-4).
In dieselbe Richtung geht folgende Anmerkung: „Markenmanagement besteht nicht aus Marktforschung. Wenn Sie mit Marktforschung Medienmarken machen, dann können sie es einstampfen lassen“ (Quelle: E-21).
499
Für das Spektrum der Controllingansätze bzw. Steuerungstools vgl. Zednik/Strebinger (2005), S.68ff. sowie für die detaillierte Beschreibung einiger der Praxismodelle Schimansky (2003).
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
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Zum anderen wird von vielen Interviewpartnern wiederum grundsätzlich die Notwendigkeit für ein markenspezifisches Controlling betont: „Natürlich ist ein Markencontrolling schon wünschenswert, weil es auch eigene Orientierung gibt. Man fragt sich als Geschäftsführer auch immer, wo will man eigentlich hin und wie macht man das. Ist es jetzt ein richtiges oder ein falsches Programm. Passt das in meinen Kontext rein?“ (Quelle: E-19). 500
bzw. „Ich glaube, es ist angeraten, dass man solche Erhebungen nicht außer Acht lässt und zumindest weiß, wie man eingeschätzt wird. Unabhängig davon, was man dann daraus macht. Das Wissen finde ich wichtig und in dem Kontext haben wir uns mit vielen Instrumenten auseinandergesetzt und wir haben auch tatsächlich mal im Kopf gehabt, eine Balanced Scorecard aufzubauen“ (Quelle: E-3).
Auf die Frage hin, welche Instrumente die Markensteuerung unterstützen würden, wurden zum einen einfache und gute Marktforschungsmethoden und zum anderen eine einfache monetäre Markenwertermittlung genannt. In einigen Unternehmen werden zwar eine Reihe an Kennzahlen erhoben, die aber nur mittelbar einen Markenbezug aufweisen: „Wir haben da auch Nachholbedarf. Wir sind da nicht gut genug. Wir müssen das genauer machen. Wenn der Erfolg da ist, dann gibt man nicht automatisch im selben Moment mehr Geld aus, um herauszufinden, ob man wirklich erfolgreich ist oder wie erfolgreich man sein könnte. Das müssen wir verbessern. Wir haben natürlich alle möglichen Kennzahlen im Bereich Umsatz, Deckungsbeiträge, Vertriebswege, Kundenentwicklungen, Titelentwicklungen. Das hat aber alles nicht direkt mit der Marke zu tun“ (Quelle: E-14).
Auch im Hinblick auf die Vermarktung von Künstlern oder anderen Prominenten besteht die Notwendigkeit, sich weiter zu professionalisieren. Zwar gibt es schon Initiativen wie „Face your brand“ der ProSiebenSat1.Media-Gruppe, in der die bekannten Gesichter und Figuren vermarktet werden, aber im Großen und Ganzen trifft wohl die folgende Einschätzung eines Musikmanagers nicht nur auf die Musikbranche zu: „Es ist wichtig, dass wir uns da ein bisschen professioneller aufstellen und auch in einem gewissen Umfang mit Daten und Profilen von einem Künstler dienen können. Wenn wir mit den Marken sprechen wollen, ist das unabdingbar. Das schieben wir auch an, da gibt es auch Focusgroups und da gibt es auch kleinere Panelbefragungen, die wir selbst initiieren, auch stichprobenartige Telefonbefragungen etc. Bei den großen Künstlern muss man das tun, sonst kommt man mit den Markenartiklern überhaupt nicht ins Gespräch. Ich kann das auch verstehen. Auf gut Zureden oder gut Glück, auf das Bauchgefühl lässt sich logischerweise kein Brandmanager der Konsumgüterindustrie ein“ (Quelle: E-15).
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Vgl. auch Quelle E-25.
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Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Diejenigen, die einem monatlichen Markencontrolling relativ skeptisch gegenüberstehen.501 nutzen aber zumindest in unregelmäßigen Abständen die Ergebnisse markenspezifischer Erhebungen für die Steuerung des Produkts bzw. der Marke. Exemplarisch folgende Aussage: „Wenn wir unsere Zielgruppe befragen, dann fragen wir natürlich, wie nehmen die uns wahr, was verbinden die mit der Marke, was ist denen wichtig bei der Marke, da erfährt man natürlich viel über die Markenwahrnehmung. Dann wollen wir wissen, ob wir intensiv genug mit der Marke im Markt auftreten, reicht das Portfolio, das wir anbieten. Aber monatliche Kenndaten über die Marke abzufragen, sage ich Ihnen ganz ehrlich, da finde ich es viel relevanter, Kenndaten über die Auflage abzufragen, wo wachsen wir in welchen Bereichen gut, in welchen Grossogebieten bin ich gut, wo bin ich präsent, um die Steuerung der Auflage dort gut zu machen“ (Quelle: E-26).
Eine Messung des Markenerfolges erfolgt daher oftmals in einer Kombination aus Bauchgefühl502 und messbaren Kennzahlen, bei denen es sich um markenspezifische Indikatoren oder branchentypische Erfolgskennzahlen handeln kann: „Es ist naturgemäß so: Manche haben ein Problem mit der MA, manche haben ein Problem mit der AWA, manche machen eigene Marktforschungen, weil sie sagen, nur da kann ich dann auch über Jahre hinweg an denselben Parametern forschen und testen, um zu gucken, wie sich mein Titel entwickelt. Da gibt es schon sehr subjektive Ansätze in den Verlagen, mit ihrer Marke umzugehen. Und dann gibt’s da die Bäuche natürlich auch noch, aus denen sehr viel entschieden wird“ (Quelle: E-1).503
Grundsätzlich stehen Medienunternehmen für das Controlling ihrer Medienmarken eine Reihe von Instrumenten, Tools oder Steuerungs- und Kontrollsystemen zur Verfügung. Hierbei greifen die Medienunternehmen auf die Ergebnisse von frei zugänglichen Studien und eigenen Erhebungen in Form von Kennzahlen aus dem Reporting und in Auftrag gegebenen oder selbst durchgeführten Studien zurück. Die zwei folgenden Beispiele stehen exemplarisch für diese Beobachtung: „Regelmäßige Kontrollmechanismen standardisierter Art gibt es in Form der gängigen Marktmediastudien, weil natürlich auch Reichweiten-Ergebnisse letztendlich auch Markenergebnisse sind. Darüber hinaus gibt es aus meiner Kenntnis keine standardisierten Tools, mit denen Markenimages gemessen werden. Die messen wir im Grunde indirekt über Feedback, über Verkaufszahlen und natürlich Gruppendiskussionen, die wir in regelmäßigen Abständen zu den Inhalten der Hefte durchführen“ (Quelle: E-24).
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Stellvertretend die Antwort auf die Frage, ob ein Markencontrolling mit Kennzahlen notwendig ist?: „Kann ich Ihnen ganz offen sagen, wird bei uns so nicht diskutiert. Und es ist auch für uns nicht relevant“ (Quelle: E-26). „Marktforschung interessiert mich immer weniger. Also man entwickelt entweder ein ganz gutes Gefühl oder man hat es eben nicht“ (Quelle: E-27). „Da gibt es regelmäßig Umfragen, da gibt es regelmäßig Research. (…) Ich glaube eigentlich, man hat nach einer gewissen Zeit ein Gefühl was sind wir und was sind wir nicht. Und wie gesagt, man muss sich zwingen, ab und zu mal rauszugehen, man muss das Ganze von außen betrachten“ (Quelle: E-7, Hervorhebungen P.B.).
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Und: „Unser Marketing hat gewisse Studien, die sie durchführen, z. B. die Bekanntheit wird im Vergleich zur Konkurrenz und in den verschiedenen Altersgruppen und Zielgruppen gemessen. Und was wir auch zusätzlich machen, wenn wir bestimmte Erhebungen machen, beispielweise die Leserbefragungen und Tests, da wird auch immer um die Marke abgefragt: Wie nehmen die uns wahr? Was ist ausschlaggebend für die Marke? Was ist wichtig für die, wenn diese an die Marke denken? Also bei jeder ganz unterschiedlichen Erhebung wird immer auch die Marke erhoben“ (Quelle: E-26).
Allerdings wird, mitunter selbstkritisch, darauf verwiesen, dass diese Art von Markencontrolling noch ein gewisses Professionalisierungspotenzial in sich birgt: „Also, wir stützen uns im Großteil auf GfK-Analysen und Media-Control-Analysen, haben auch schon Kundenzufriedenheitsbefragungen durchgeführt und werden in diesem Jahr, was Markenwert und Wiederkaufrate anbelangt, auch noch ganz spezielle Befragungen starten. Wir nutzen z. B. den Versand unseres neuen Kundenmagazins auch zur Befragung. Wir stecken sicherlich aber noch in den Anfängen, was wirklich richtige Erfolgsmessungsparameter anlangt, aber immerhin führen wir das, was wir machen, in größere Zusammenhänge und geben dann auch eine selbstkritische Bewertung“ (E-3).504
Insgesamt scheint es bislang nur in vereinzelten Fällen Ansätze von markenspezifischen Steuerungs- und Kontrollsystemen zu geben.505 Insbesondere in großen Medienkonzernen haben sich solche Controllingsysteme etabliert: „Wir haben eine große Researchabteilung, die regelmäßig auch die Marken abfragt nach Bekanntheitsgrad, nach Attributen, die zugeordnet werden, nach Assoziation also SinusMilieu-Studien etc. Da gibt es ein ganz klares Markencontrolling“ (Quelle: E-22, Hervorhebungen P.B.).
In diesen Unternehmen ist die Markenerfolgsmessung ein zentraler Bestandteil für die Steuerung und Führung der Marken. Man kann daher davon ausgehen, dass ein Wegfall des Controllings relativ große Auswirkungen – im Sinne einer beträchtlichen Funktionsstörung – auf die Markensteuerung und -führung hätte:506 „Also was da sozusagen in dem Markenmonitor rauskommt, das wird mit den Senderchefs und dem Vorstand besprochen. Absolut, klar“ (Quelle: E-10).
Ein Indikator für den Grad der Verankerung von markenorientierten Kennzahlen ist neben ihrer Relevanz bzw. Notwendigkeit für die Steuerung auch der Rhythmus, in dem diese Messungen oder Studien erfolgen. Die Ergebnisse sind auch hier recht
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Zudem sei darauf hingewiesen, dass insbesondere für neuere Titel oftmals keine Studienergebnisse verfügbar sind, da es mitunter rund zwei Jahre dauern kann bis der neue Titel in der MA ausgewiesen wird: „Bei einem neuen Titel muss man selber sehr viel Marktforschung machen, um zu sehen, wie sich so ein Titel anlässt“ (Quelle: E-1). Vgl. für die Funktionen von Markencontrollingsystemen Homburg/Richter (2003), S. 45. Vgl. die Metapher der Ad-, Ab- und Resorption im Falle von Managementsystemen bei Kirsch (1997b), S. 176f.
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uneinheitlich. Zum einen erfolgt eine markenorientierte Messung ad-hoc bzw. sporadisch: „Es ist so die übliche quantitative Messung an der Marke, Markensympathie, Markenassoziation und so, das wird schon gemacht. Und da gibt es diese Fokusgruppen. Aber eher ad hoc als sehr systematisch, ist meine Beobachtung“ (Quelle: E-9).
Eine Einschätzung, die sich in der Unternehmenspraxis bestätigt: „Das läuft immer wieder sporadisch. Die Geschichte mit der Bekanntheit haben wir vor eineinhalb Jahren gemacht. Es ist die Frage, bringt uns das was, was kostet so was, denn Studien sind meist auch relativ teuer, wie weit führen sie, bringen sie uns auch einen gewissen Nutzen. Also, wir machen jetzt keine monatliche oder quartalsmäßige Befragung, wie die Marke wahrgenommen wird. Das bringt nichts, wenn wir auf hohem Niveau sind“ (Quelle: E-26).507
Zum anderen werden in den Mediensegmenten, insbesondere im Fernsehbereich, Markenkennzahlen (z.B. die Bekanntheit, Imagewerte) regelmäßig erhoben. Stellvertretend für den Fernsehbereich: „Wir machen das quartalsmäßig. Genauso wie Marktanteile, genauso wie Ratings usw. Es ist komplett integriert in ein Reportingsystem“ (Quelle: E-7).
Bzw. für das Zeitschriftensegment: „Es ist geplant, dass wir in regelmäßigen Abständen die Stakeholder wieder befragen. Man hat natürlich das Feedback von den Kunden auch im Anzeigenbereich, wo eine ganze Reihe Anzeigenvertreter draußen sind, neues Verkaufsmaterial präsentieren, Claim vorstellen, Markenstudie vorstellen und dann eben das Feedback einholen, also das wird gesammelt und aufbereitet und dann hast du letzten Endes noch die großen Markt-MediaUntersuchungen wie die MA und AWA“ (Quelle: E-11).
Die Grenzen für eine regelmäßigere (z.B. pro Monat oder Quartal) Erfolgsmessung von Marken liegen u.a. an dem hohen Ressourcen- und Zeitaufwand, den hohen Kosten für Studien und das Fehlen von allgemein anerkannten Markenwertmessmethoden. Letzterer Aspekt ist aber mitunter von Vorteil für die Medienunternehmen: „Wir haben ganz bewusst eine eigene Form der Markendarstellung und Markeninterpretation gewählt, um eben nicht unbedingt uns vergleichbar machen zu können mit anderen Verlagen und da nicht so einbezogen zu werden, weil das im Zweifel auch Nachteile haben kann“ (Quelle: E-12).
In der Medienindustrie ist mitunter das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Markencontrollings gering ausgeprägt. Medienexperten betonen aber die Notwendigkeit einer Messung des Markenerfolges, um bei Entscheidungen hinsichtlich der Positionierung und Entwicklung (z.B. Markentransfers, Lizenzierung) auch
507
Sinnbildlich auch folgende Aussage: „Wir haben jetzt eine ganz kleine Befragung gemacht im letzten Jahr, ansonsten das Mal davor, das war vor sechs Jahren“ (Quelle: E-14, Hervorhebungen P.B.).
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entsprechende quantitative Kennzahlen miteinzubeziehen.508 Hierzu ist es erforderlich, nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Kenngrößen zu erheben. Im Laufe der Ausführungen und zitierten Aussagen der Experten sind bereits einige Kennzahlen genannt worden, die im Hinblick auf ein Markencontrolling relevant sind. Im folgenden Abschnitt soll dieser Aspekt vertieft werden.
(2)
Relevante Kennzahlen für das Controlling von Medienmarken
Für die Erfolgsmessung von Marken wird in der Regel auf relativ leicht erfassbare und verfügbare Kennzahlen wie die Zuschauerquoten oder Reichweiten etc. zurückgegriffen. Im TV-Bereich spielt aus Sicht der Befragten vor allem die Quote eine zentrale Rolle, ob eine Marke letztendlich erfolgreich ist: „Soll ich ehrlich sein? Für mich ist am Ende des Tages das Maß aller Dinge: Wie viel Leute gucken mich? Wenn die Leute den Sender nicht gut finden, dann schauen sie ihn sich auch nicht an. Das heißt, wenn ich mit einer Sendung eine gute Quote habe, finden die Leute das Produkt gut, haben einen guten Eindruck vom Sender, haben ein gutes Image. Also die Quote ist dann tatsächlich schon sehr ausschlaggebend“ (Quelle: E-7, Hervorhebungen P.B.).
Trotz der Bedeutung der Kennzahl Quote erfolgt bei einigen TV-Sendern eine zusätzliche und unmittelbarere Messung von Markenkennzahlen: „Wir haben einen ganz klaren Messindikator, das ist die Quote. Das zweite Thema ist das Thema Markenbekanntheit“ (Quelle: E-22, Hervorhebungen P.B.).
Eine Erhebung von markenspezifischen Steuerungsgrößen erfolgt im Zeitschriftenbereich in der Regel nur sehr eingeschränkt. Die Messung erfolgt dann vor allem anhand von qualitativen Kenngrößen zur Bestimmung des Markenwertes (z.B. Bekanntheit, Klarheit des Markenbildes, Image, Sympathie, Qualität oder Dynamik etc.). In diesem Sinne handelt es sich also um die gängigen Marktforschungsverfahren zur Messung der Markeneigenschaften.509 Vielmehr werden im Zeitschriftenbereich in der Regel die branchentypischen Kennzahlen (z.B. Auflage, Abonnementzahlen etc.) und Ergebnisse aus den verfügbaren Studien (Reichweite etc.) verwendet. „Wir haben in den Medien das Vergnügen, dass wir in Studien wie AWA und MA mitlaufen, dass heißt der Bekanntheitsgrad und auch überlappende Bekanntheitsgrade, das kriegen wir frei Haus geliefert von Jahr zu Jahr. Das nutzen wir natürlich, da haben wir
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Z.B. die Aussagen der Interviewpartner E-29 und E-25. Es wird auch erwartet, dass Finanzinvestoren verstärkt eine „kaufmännische Professionalisierung“ vorantreiben werden, da sie wesentlich stärker kennzahlen- und vor allem kapitalmarktorientiert handeln bzw. ausgerichtet sind. Zum Beispiel die Imagery-Untersuchung der GEO-Gruppe zur Messung der inneren Markenbilder. Vgl. Imagery5 (2004).
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Angaben wie erstens Bekanntheitsgrad in jeder beliebigen Subzielgruppe, wir haben Maße wie weitester Leserkreis, LPA [Leser pro Ausgabe, P.B.], wie viele Leser erreicht man im Monatsdurchschnitt. Damit kann man schon eine Menge mit machen“ (Quelle: E28).510
Mitunter sind diese Informationen aber einigen Verantwortlichen nicht aussagekräftig genug für eine markenorientierte Steuerung: „Die Hilfskonstrukte wie Reichweite und Media-Analysen sind sicherlich ein Indikator. Aber ich will die Marke bewertbar machen“ (Quelle: E-2).
Des Weiteren handelt es sich bei diesen Kennzahlen dieser frei zugänglichen Studien um relativ „alte“ Daten: „In dem Bereich sind peu à peu schnellere Messinstrumente gefragt, weil die Daten, die die MA und auch die AWA veröffentlichen, relativ alt sind. Die MA veröffentlicht im Grunde Daten, die zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung schon eineinhalb Jahre alt sind. Wenn man sieht, wie rasant sich Dinge auch verändern, dann ist das ziemlich alt“ (Quelle: E-24).
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen deutlich, dass bislang nur in vereinzelten Fällen markenspezifische Kennzahlen erhoben werden. Nur die großen Medienkonzerne scheinen hierbei regelmäßig die notwendigen Mittel für die Erhebung der notwendigen Daten aufbringen zu können:511 „Bei uns [ein Fernsehkonzern, P.B] sind es vor allem Marktforschungsstudien: quantitative und qualitative. Wir machen Befragungen nach Bekanntheiten, nach Assoziation, nach Gefallen, nach Bewertungen, also sprich, was verbinden die mit der Marke. Da sind wir schon ganz recht aktiv“ (Quelle: E-10).
Die Erhebung von monetären Markenwerten kann eine Awareness für die Bedeutung und den finanziellen Wert von Marken für die relevanten stakeholder schaffen. Allerdings sind solche finanziellen Bewertungen relativ aufwendig und aufgrund der Uneinheitlichkeit der Messmethoden recht umstritten: „Ich würde das eher nicht mit Geld bewerten, weil das keiner glaubt. Sinnvoller ist: Was für Assoziationen haben unsere Leser bei der Marke? Wie bekannt ist die Marke? Ist die Marke so viel wert? Dass ist immer sehr umstritten“ (Quelle: E-9).
Eine ähnliche Sichtweise findet sich in folgender Aussage wieder: „Die monetäre Markenbewertung ist interessant, aber ich glaube letztlich nicht wirklich so hilfreich. Es ist ein Stück Fiktion. Es wäre interessant, so ein Rating zu haben, um zu
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„Bei uns ist das relativ einfach. Ich sehe doch jeden Monat den Bereich Auflage, ich sehe jeden Monat, was über den Anzeigenbereich reinkommt, ich sehe drei bis vier Mal im Jahr wie sich die Reichweite entwickelt, wie sich die Leserwerte entwickeln, ich sehe Monat für Monat, wie sich mein Abogeschäft entwickelt, wer kündigt, wer bestellt. Ich sehe Monat für Monat an den Zuschriften von Leuten, was schlecht war, was gut war“ (Quelle: E-20). „Weil es einfach schwierig umzusetzen ist, aus Kostengründen, das ist der Hauptgrund“ (Quelle: E-27).
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sehen, wo stehe ich selber, wo stehen die anderen, wie entwickelt sich das. Es würde einem in der konkreten Arbeit aber nicht so unbedingt wahnsinnig helfen“ (Quelle: E-1).
Für börsennotierte Medienunternehmen kann freilich die Kommunikation über die Höhe der monetären Markenwerte die Bewertung des Unternehmens bei den Analysten positiv beeinflussen.512 Zudem gibt es durchaus Stimmen in der Medienbranche, die eine monetäre Bewertung als sehr hilfreich für die operative Steuerung ihrer Marken einschätzen: „Ich will mir schon sagen lassen, was bewertet denn eine Marke. Und mit dieser Auswertung sehe ich auch, wo ich Defizite habe. Also daraus kann ich ordentlich ableiten, was ich noch tun muss, um den Wert zu erhöhen“ (Quelle: E-2).
Solche Markenwerte könnten sowohl zur externen Erfolgsmessung als auch für ein internes Benchmarking herangezogen werden. In Anlehnung an das juristische Sprachspiel handelt es sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bei dieser Einschätzung allerdings um eine „Mindermeinung“. Die herrschende Meinung bevorzugt für die Steuerung von Markenwerten quantitative (nicht-finanzielle) und qualitative Markenkennzahlen. Stellvertretend hierfür folgende Aussage: „Insofern würde uns jetzt auch absolut nicht die Markenwerterhebung auf einen quantifizierbaren Betrag weiterhelfen, sondern es geht wirklich um den qualitativen Wert. Das bringt uns dann in unserer Arbeit voran“ (Quelle: E-3).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Messung des Markenerfolges nur eingeschränkt erfolgt. Einerseits wird auf die segmentspezifischen Kennzahlen zurückgegriffen. Vielerorts scheint jedoch in der untersuchten Praxis ein Markenmanagement qua „Bauchgefühl“ vorzuherrschen.513 Andererseits zeigt die Analyse auch, dass Medienunternehmen für das Controlling ihrer Medienmarken eine Reihe von Instrumenten, Tools oder Steuerungs- und Kontrollsystemen nutzen. Hierbei greifen die Medienunternehmen auf die Ergebnisse von frei zugänglichen Studien und eigenen Erhebungen in Form von Kennzahlen aus dem Reporting und in Auftrag gegebenen oder selbst durchgeführten Studien zurück. Gerade in großen Medienunternehmen oder Medienkonzernen werden mitunter auch die gängigen Praxis-Markenmodelle genutzt. Ein erster Ansatzpunkt für eine Professionalisierung des Controllings von Medienmarken könnte die Erstellung und Nutzung eines Markenkontroll-Cockpits sein, in dem überblicksartig die wichtigsten Kennzahlen zur Marke erfasst werden. Hierbei gilt es, die relevanten Einflussgrößen wie 512 513
„Es wird erhoben über unsere externen Dienstleister und wir legen auch großen Wert drauf [auf den monetären Markenwert, P.B.]“ (Quelle: E-6). Vgl. Kirsch (2001), S. 171f., der darauf hinweist, dass per se dieses Steuern nach Bauchgefühl durchaus vorteilhaft sein kann.
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Markenbekanntheit, Markenvertrauen, Markensympathie, Markenbindung etc. regelmäßig zu erheben. Rein diagnostische Messungen der Imageprofile reichen hierbei nicht aus, da sie keine Aussagen über die Differenzierungskraft und Relevanz zulassen.514
514
Vgl. Esch, F.-R. (2002), S. 25. Die Ansatzpunkte für eine medienmarken-spezifische Adaption der Modelle soll grundsätzlich anhand der weiter unten diskutierten Formatierungs- und Betriebsdimensionen von Managementsystemen diskutiert werden.
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203
Zwischenbetrachtung: Die Möglichkeiten der Höherentwicklung und Professionalisierung von Medienunternehmen aus der Perspektive der evolutionären Führungslehre Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung verdeutlichen, dass in Medienunternehmen unterschiedliche Ausprägungen des Markenbewusstseins und der Führung von Medienmarken zu beobachten sind. Die Steuerung und Entwicklung der Marken umfasst dabei sowohl recht hemdsärmelige als auch sehr professionelle Ansätze. Für eine Vielzahl von Medienunternehmen bieten sich daher eine Reihe von Ansatzpunkten, um die ungenutzten Potenziale von Medienmarken besser ausschöpfen zu können. Für die Diskussion der Ergebnisse und deren Implikationen für das Management von Medienunternehmen im abschließenden Kapitel dieser Arbeit soll im Folgenden zunächst der theoretische Bezugsrahmen dargelegt werden. Hierzu werden die grundsätzlichen Möglichkeiten der Professionalisierung (1) und die Entwicklungsstufen der Höherentwicklung (2) für Medienunternehmen kurz skizziert und diskutiert.
(1)
Möglichkeiten der Professionalisierung
Die von Kirsch getroffene Unterscheidung zwischen (strategischem) Management und (strategischer) Führung impliziert eine Begriffsstrategie, die auch für die Thematik dieser Arbeit analog genutzt werden soll.515 Während das Vorliegen einer strategischen Führung grundsätzlich als ein erklärungsbedürftiges Phänomen betrachtet wird, dessen Untersuchung im Rahmen einer erfahrungswissenschaftlichen (deskriptiven) Theorie erfolgt, wird im Sinne einer präskriptiven/normativen Philosophie des strategischen Managements die Frage aufgeworfen, wie eine strategische Führung aussehen sollte, um als professionell bezeichnet werden zu können. In unserem Fall soll sich dabei die Frage der Professionalisierung nicht nur auf die strategische Führung von Medienunternehmen beschränken, sondern auf die gesamte Medienunternehmung (z.B. im Hinblick auf die Etablierung eines ausgeprägten Markenbewusstseins) bezogen werden. Bei Kirsch nimmt Führung in dem Maße den Charakter eines Strategischen Managements an, wie die Führung in professioneller Weise erfolgt. Dies erfordert erstens, dass in der Organisation nachhaltige Rollenreflexionen unter den Führungskräften auftauchen und auch operativ wirksam werden. Zweitens sollten diese
515
Zu den Möglichkeiten einer strategischen Führung vgl. insbesondere Kirsch (1997a), S. 209 ff.
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Reflexionen unter Nutzung einschlägiger sekundärer Traditionen erfolgen.516 Entscheidend ist hier die Qualität der Rollenreflexionen, denn die alleinige Existenz wirksamer Rollenreflexionen ist nicht ausreichend. So sollten diese Reflexionen unter Bezugnahme auf (Führungs-)Lehren im weitesten Sinne des Wortes erfolgen. Durch das unterschiedliche Niveau dieser Führungslehren kann allerdings eine Professionalisierung nicht mit der Rationalisierung der Führungspraxis bzw. der organisatorischen Lebenswelt gleichgesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Führung in der Regel nicht vollständig den Charakter von Management annehmen kann, da Führungsrollen viel reichhaltiger sind, als dies durch sprachliche Kommunikation vermittelbar ist. Rollenreflexionen sind immer nur vereinfachende Abstraktionen von tatsächlichen Führungsrollen.517 Mit Hinblick auf die Philosophie eines evolutionären Managements, welche die Höherentwicklung vorantreiben soll, gilt aber dann: „Natürlich verbinden wir mit unseren Überlegungen zu einer Philosophie des strategischen Managements die Behauptung, daß deren Aufgreifen in der Praxis zu einer Professionalisierung führt, die man als Rationalisierung der strategischen Führungspraxis bezeichnen darf“ (Kirsch 1997b, S. 169).
Bei den Professionalisierungsbemühungen leisten ferner Managementsysteme eine wichtige Unterstützung, da mit ihrer Hilfe Reflexionsprozesse in der Führung angestoßen werden können und sie somit helfen, die Führung zu professionalisieren. In ihrer institutionalisierten Form dienen sie zudem der Führung als Unterstützung auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Funktionsbereichen. 518 Wendet man sich mit diesem Verständnis Medienunternehmen zu, dann kann natürlich auch dort durch die Ausdifferenzierung von Managementsystemen und durch die Initiierung von Rollenreflexionen in der Führung unter Nutzung von Führungslehren eine Professionalisierung vorangetrieben werden. Allerdings soll zuvor noch darauf eingegangen werden, inwieweit ein durch die Professionalisierung erreichtes Strategisches Management sich bei der Höherentwicklung von Medienunternehmen auswirkt.
516 517
518
Vgl. Kirsch (1997b), S. 165. „Es dürfte sehr schwierig sein, genauer abzugrenzen, ab wann die Bezeichnung ‚Professionalisierung‘ oder gar ‚Rationalisierung‘ angesichts von wirksamen Rollenreflexionen gerechtfertigt ist“ (Kirsch 1997b, S. 168). Vgl. Kirsch (1997b), S. 169 ff.
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(2)
205
Entwicklungsstufen der Höherentwicklung
Die Frage, wie sich Medienunternehmen (höher) entwickeln können, darf dabei nicht nur auf eine entscheidungstheoretische Sichtweise beschränkt werden, also darauf ob, diese oder jene Entscheidung besser wäre, die Führung von Medienmarken zu verbessern. Es geht vielmehr darum, dass die Medienunternehmung bestimmte Fähigkeiten besitzt und entfaltet, um die Bedürfnisse der direkt und indirekt Betroffenen zu befriedigen und in diesem Sinne immer mehr das Etikett „fortschrittlich“ verdient.519 Hierbei spielt das in der organisatorischen Lebenswelt verankerte Strategische Management eine wichtige Rolle, denn es soll im Sinne einer Philosophie des evolutionären Managements die Höherentwicklung der Unternehmung vorantreiben. An dieser Stelle sei betont, dass gemäß der evolutionären Organisationstheorie Organisationen bzw. in unserem Fall Medienunternehmen zwar der Evolution unterliegen bzw. mit einer offenen Zukunft konfrontiert sind, dennoch aber entwicklungsfähig sind.520 Im Sinne einer Ko-Evolution wird die Entwicklung der Unternehmung sowohl durch das Management als auch durch die Umwelt beeinflusst. Lewin/Volberda (1999) definieren demzufolge das Phänomen der Ko-Evolution als „(…) the joint outcome of managerial intentionality, environment, and institutional effects. Coevolution assumes that change may occur in all interacting populations of organizations. Change can be driven by direct interactions and feedback from the rest of the system” (Lewin/Volberda 1999, S. 526).
Die Entwicklungsfähigkeit der Unternehmen wird durch die Entfaltung der organisatorischen Fähigkeiten gewährleistet. Hierbei rücken die sogenannten Basisfähigkeiten, sprich die Lern- und Handlungsfähigkeit sowie die Responsiveness in den Vordergrund, welche die Unternehmung befähigen, ihre Fähigkeiten erster und zweiter Ordnung fortzuentwickeln bzw. zu entfalten und somit einen besseren Umgang mit dieser offenen Zukunft ermöglichen.521 Den Grad der Adaptionsfähigkeit neuen
519
520
521
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass mit Fortschritt das höchste (kontrafaktische) Entwicklungsniveau bezeichnet wird. Fortschritte im Sinne einer Verbesserung bzw. eine erfolgreiche Weiterentwicklung werden durch die weiter unten angesprochene Höherentwicklung erreicht. Vgl. dazu Kirsch (1997a), S. 619 f. Andere prominente Ansätze, wie z.B. der Population-Ecology-Ansatz, verweisen hingegen auf das Primat der Umwelt, auf die Unternehmensentwicklung und den geringen Einfluss des Managements. Für eine Übersicht über die verschiedenen „Denkschulen“ der Unternehmensentwicklung vgl. Lewin/Volberda (1999), S. 520ff. Für eine ausführliche Darstellung der Basisfähigkeiten vgl. Kirsch (2001), S. 393 ff. sowie Kirsch (1997a), S. 165 ff. Auf ein ähnliches Konstrukt von Fähigkeiten (combinative capabilities) verweisen Van den Bosch/Volberda/de Boer (1999), S. 556f., die zwischen system (u.a. Policies, Verfahren, Manuals), coordination (u.a. Kommunikation und Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Organisation,
206
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Wissens bzw. der Weiterentwicklung der Fähigkeiten beeinflusst dabei wesentlich die fokale Organisationsform (organization design).522 Die Unternehmung unterliegt also nicht nur der Willkür der Evolution, sondern kann durch die Entfaltung der Basisfähigkeiten bis zu einem gewissen Grad ihre eigene Entwicklung mitsteuern. Allerdings darf diese Steuerung nicht der Illusion der Machbarkeit unterliegen, denn im Sinne der Position des gemäßigten Voluntarismus ist in Bezug auf eine intendiert aussichtsreiche Beeinflussung von Unternehmen eine gewisse Skepsis geboten. Die Umwelt (institutional und extra institutional environment) und die relevante Branche (industry) des Unternehmens beeinflussen maßgeblich das Unternehmen.523 Darüber hinaus kann aber gleichfalls das Unternehmen durch seine Aktivitäten auf diesen Kontext Einfluss nehmen. Die Effekte der Ko-Evolution finden dabei nicht nur zwischen der Unternehmung als Ganzes und der Branche bzw. Umwelt statt, sondern sind auch innerhalb der Unternehmung selber und zwischen den Unternehmen der Branche festzustellen.524 Zusammenfassend handelt es sich also um ein Wechselspiel zwischen evolutions- und entwicklungsbedingtem Wandel. Die nachfolgende Abbildung skizziert noch einmal die Elemente und Logik der Ko-Evolution (die Interdependenzen werden dabei durch die Pfeile angedeutet).
522
523
524
hervorgerufen durch training on the job, job rotation und Partizipation) und socialization capabilities (u.a. implizite Handlungsrichtlinien und Interpretationssichtweisen) unterscheiden. Vgl. Van den Bosch/Volberda/de Boer (1999). Die Autoren weisen aber darauf hin, dass “ [o]rganization forms are the ‘bones’; however, combinative capabilities [im vorliegenden Fall organisatorische Fähigkeiten, P.B.], provide the necessary ‘flesh’ and ‘blood’” (Van den Bosch/Volberda/de Boer 1999, S. 557). Hierzu zählen z.B. arbeits- und kapitalrechtliche Regelungen (institutional environment) sowie technologische und demografische Veränderungen (extra institutional environment). Zum Letzteren zählen auch die vorherrschenden Management Logiken, d.h. die „sets of macrolevel beliefs and values that strongly influence management practice and theory“. (Barley/Kunda 1992, S. XX), die eine maßgebliche Rolle bei Entwicklung von Unternehmen im Rahmen der Ko-Evolution spielen können. Vgl. hierzu Dijksterhuis/Van den Bosch/Volberda (1999). Vgl. McKelvey (1997), S. 360f.
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Extra institutional environment Technological advances, Demographics, Social movements, New entrants, Management logic
Industry
Firm
Competitive dynamics
Managerial action Competences Strategy Organizational design Performance Mediating factors (founding conditions, management logic)
Institutional environment Regulatory, Rule Making, Capital Markets, Employment relationship, Governance structure
Abbildung ZB-1: Ko-Evolution der Unternehmung, Industrie und Umwelt (Quelle: stark verändert aus Lewin/Long/Carroll 1999, S. 537)
Im Rahmen der Entwicklung von Unternehmen kann es nun gleichermaßen zu einer Art Paradigmenwechsel kommen, wenn „[d]as in der Organisation verankerte Selbstverständnis darüber, was und wofür Organisationen eigentlich sind, [sich] ändert (…). Sofern ein ‚Paradigmawechsel‘ im Selbstverständnis der Organisation auftritt, sprechen wir von einer Höherentwicklung“ (Kirsch 2001, S. 402 f.).
Im Zuge dieser Höherentwicklung kommt es dabei zum einen zur Entfaltung der drei Basisfähigkeiten und zum anderen zur einer Entfaltung der Rationalität bzw. Rationalisierung der organisatorischen Lebenswelt, wobei damit eine spezifische Form der Entfaltung der Lernfähigkeit ins Blickfeld gerät. Das (anfangs naturwüchsige) Lernen nimmt
dabei
im
Laufe
der
Höherentwicklung immer mehr die Gestalt hypothesengesteuerter und argumentativ gefilterter Lernprozesse an. Diese rationalen Erkenntnisprozesse können sich dabei sowohl auf kognitiv-instrumentelle als auch moralisch-praktische als auch ästhetisch-expressive Wissensformen bzw. Argumentationen beziehen.525 In Abhängigkeit der unterschiedlichen Entwicklungsstufen
525
Vgl. Kirsch (1997a), S. 262f.
208
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
tauchen dann die entsprechenden Argumentationen bzw. Lernprozesse auf.526 Man kann dabei zwischen mehreren Entwicklungsniveaus differenzieren, die an einer Abfolge sogenannter Sinnmodelle festgemacht werden. Ein Sinnmodell bringt dabei gewissermaßen zum Ausdruck, welches regulative Ideal der Unternehmung zugrunde liegt. „Sinnmodelle konstituieren letztendlich (...) die grundlegende Sichtweise (im Sinne eines ‚Weltbildes‘), auf deren Grundlage Probleme definiert, Situationen beschrieben und Lösungen gesucht werden usw.; sie sind in der Kultur der Organisation verankert und können als Inbegriff der in der Unternehmenspraxis vorhandenen Annahmen, Denkweisen und Vorstellungen aufgefasst werden“ (Kirsch 2001, S. 404 f.).
Mit der Veränderung eines Sinnmodells kann daher zugleich eine Höherentwicklung der Unternehmung konstatiert werden. Die nachfolgende Abbildung ZB-2 bringt dabei den entwicklungslogischen Charakter der möglichen Höherentwicklung vom Instrumentalmodell über das Überlebensmodell bis hin zum kontrafaktischen Fortschrittsmodell zum Ausdruck.527
526 527
Für eine ausführliche Darstellung des Zusammenhangs zwischen (Lern-)Fähigkeit und den unterschiedlichen Rationalisierungsniveaus vgl. Kirsch (1997a), S. 626 ff. Diese Entwicklungslogik wird in einem schwachen Sinne verstanden, das heißt, es werden weder Rückentwicklungen noch das Überspringen von Sinnmodellstufen ausgeschlossen. Es gibt also keinen Automatismus in der Höherentwicklung. Zudem gilt es, diese Entwicklungslogik um die Entwicklungsdynamik zu ergänzen, also zu berücksichtigen, unter welchen Gegebenheiten im Zusammenhang mit dem Policy Making Ideen und Wissen aufgegriffen und dort wirksam werden. Vgl. dazu ausführlich Kirsch (1997a), S. 648 ff.
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Fortschrittsfähige Medienunternehmung Als Ausdruck des höchsten gegenwärtig vorstellbaren Entwicklungsniveaus einer Familienunternehmung
Fortschrittsmodell Entfaltung von Handlungsfähigkeit, Responsiveness und Lernfähigkeit
Überlebensmodell
Entfaltung der Rationalität der organisatorischen Lebenswelt
Instrumentalmodell
Medienunternehmen als evolvierende, entwicklungsfähige Systeme Höherentwicklung durch Wandel der Sinnmodelle
Abbildung ZB-2: Die Höherentwicklung von Medienunternehmen (Quelle: ergänzt aus Kirsch 2001, S. 405)
Der zentrale Aspekt dieser Abbildung ist, dass die verschiedenen Entwicklungsstufen einer Unternehmung jeweils unterschiedlichen Entwicklungsniveaus eines Strategischen Managements entsprechen. Im Sinne der Philosophie eines evolutionären Managements, welches in der Lebenswelt der Unternehmung verankert ist, soll sich dabei die Unternehmung idealtypisch in Richtung des Fortschrittsmodells entwickeln.528 Die drei wesentlichen Sinnmodelle sollten daher etwas genauer betrachtet werden. Beim Instrumentalmodell ist die gesamte Unternehmung nur ein Instrument, um bestimmte Interessen bzw. Ziele durchzusetzen und deshalb unterliegen auch die drei Basisfähigkeiten einer reinen Zweckorientierung. Zudem herrscht hier eine deutliche Dominanz der kognitiv-instrumentellen Rationalität. Die Strategien richten sich an den (quasi vorgegebenen) Zielen aus, wobei die Anpassung der Organisationsstrukturen an die jeweiligen Strategien als sekundäres Problem betrachtet wird. Diese Situation findet man in Medienunternehmen wieder, wo diese Zielorientierung zur Vernachlässigung des Aufbaus von Organisationsstrukturen oder Systemen geführt hat. Hier 528
Wie bereits betont, handelt es sich bei der fortschrittsfähigen Unternehmung um ein kontrafaktisches Modell. Zwar ist eine solche Organisation prinzipiell vorstellbar, aber bislang allenfalls in Subkulturen eines Unternehmens auffindbar. Kirsch spricht hier von Spuren, die auf eine solche Organisation hinweisen (vgl. Kirsch 2001, S. 406).
210
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
fehlt natürlich auch der Input, den dann solche Strukturen oder auch (im übertragenen Sinne) Managementsysteme leisten können. Diese kurzfristige Zweckorientierung tritt allerdings beim Überlebensmodell vorwiegend in den Hintergrund. Die Basisfähigkeiten werden quasi für eine Steigerung der Lebensfähigkeit „bereitgestellt“.529 Ähnliches lässt sich auch für das Rationalitätsniveau konstatieren. Die Organisation beschäftigt sich zum Beispiel mit relevanten wissenschaftlichen Ansätzen (z.B. Gestaltung von Markenarchitekturen) und es tauchen neben kognitiv-instrumentellen auch moralisch-praktische und ästhetisch-expressive Denkschemata auf, wobei aber erstere noch eine eindeutige Hegemonie im Hinblick auf tatsächlich überlebenswichtige Themen ausüben. Im Überlebensmodell werden Fragestellungen relevant, in denen man sich mit den Anforderungen der vielfältigen stakeholder inner- und außerhalb der Medienunternehmung auseinandersetzt. Allerdings steht hier nicht deren unmittelbare Bedürfnisbefriedigung, sondern das Überleben der Unternehmung im Mittelpunkt. Es geht um eine funktionierende Bedürfnisbefriedigung der stakeholder. Man kann sich zum Beispiel Medienunternehmen vorstellen, in denen durchaus Erkenntnisse aus sekundären Traditionen aufgegriffen werden. So veröffentlicht man eine Markenverfassung für das Führen der Marke, deren Leitlinien allerdings bei der Markenexpansion nicht berücksichtigt werden, da die Realisierung kurzfristiger Erlöspotenziale im Vordergrund steht. Eine fortschrittsfähige Medienunternehmung (Fortschrittsmodell) stellt die authentische Erfassung und Befriedigung der Bedürfnisse der stakeholder in den Mittelpunkt. Die Unternehmung öffnet sich auch für neue Lebens- und Sprachformen, die eventuell auch andere Erfolgsmaßstäbe besitzen. In diesem Sinne werden die Basisfähigkeiten dazu genutzt, explizit herauszufinden, was eine Berücksichtigung dieser Bedürfnisse im Einzelfall bedeutet bzw. welche Konsequenzen sie für das unternehmerische Handeln haben. Auf dieser Stufe ist das Rationalitätsniveau voll entfaltet und kognitiv-instrumentelle, moralisch-praktische sowie ästhetisch-expressive Argumentationen existieren gleichberechtigt nebeneinander, das heißt, die beiden Letzteren werden nicht mehr nur instrumentalisiert.530 In einer idealtypischen fortschrittsfähigen Medienunternehmung ist ein starkes Markenbewusstsein bei allen relevanten Mitarbeitern (sowohl im kaufmännischen als auch im künstlerisch-
529 530
Vgl. Kirsch (1997a), S. 644. Vgl. Kirsch (1997a), S. 631.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
211
journalistischen Bereich) etabliert und es erfolgt die Entwicklung und Steuerung der Marke unter Heranziehung von Managementsystemen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Auf der Stufe des Fortschrittsmodells hat das strategische Management bzw. das darin verkörperte strategische Denken das höchste Niveau erreicht, weshalb man dann von der Philosophie eines vollentfalteten strategischen Managements oder von einer Philosophie des strategischen Managements als Ausdruck einer evolutionären Führungskonzeption sprechen kann. Im Hinblick auf Medienunternehmen würde dann gelten: „Ein strategisches Management im Sinne der dritten Generation des strategischen Denkens ist der Versuch, ohne unrealistische Illusion der Machbarkeit die langfristige KoEvolution von Unternehmung und sozioökonomischem Feld zu steuern“ (Kirsch 1997a, S.279).
Diese Steuerung der Entwicklung erfolgt dabei auch über eine Art Grobkonzept bzw. die konzeptionelle Gesamtsicht, die gewissermaßen ein Bild entwirft, in welche Richtung sich die Unternehmung entwickeln sollte. Die konzeptionelle Gesamtsicht bezieht sich auf die vier Perspektiven (Primär- bis Quartärbereich) der Unternehmung und bleibt zudem selbst einer ständigen kritischen Überprüfung und der Evolution unterworfen. In diesem Zusammenhang rückt die Idee der „geplanten Evolution“ in den Mittelpunkt der Betrachtung, die als dritter Weg zwischen einer synoptischen Totalplanung und einem Muddling-Through bezeichnet werden kann.531 Inwieweit nun die bewusste strategische Führung von Medienmarken und die Etablierung oder entsprechende Ausgestaltung von Managementsystemen dazu beitragen kann, die Steuerungsmöglichkeiten von Marken für Medienunternehmen im Rahmen der (Höher-)Entwicklung zu verbessern, soll nun im abschließenden Kapitel unter Rückgriff auf die empirischen Ergebnisse und die theoretischen Ausführungen diskutiert werden.
531
Vgl. dazu ausführlich Kirsch (1997a), S. 286 ff. sowie Kirsch (1997b), S. 39 ff.
212
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
III.2
Ansatzpunkte für ein strategisches Management von Medienmarken
Ziel des Teilkapitels wird es sein, Ansatzpunkte für die Professionalisierung des Markenmanagements von Medienunternehmen darzustellen und zu diskutieren. Einen Ansatzpunkt bietet hierbei das strategische Management von Medienmarkenportfolios. In diesem Zusammenhang werden u.a. die spezifischen Rollen von Marken und die Gestaltungsmöglichkeiten von Medienmarkenportfolios erörtert (III.2.1). Daran anschließend stehen im Sinne eines dynamischen Portfoliomanagements vor allem die unternehmensbezogenen Erfolgsfaktoren und Ansatzpunkte zur Professionalisierung der Steuerung und Entwicklung von Markendehnungen im Mittelpunkt der Betrachtung (III.2.2). Darüber hinaus werden Ansatzpunkte für eine professionalisierte synergetische Koordination entwickelt (III.2.3). Eine wichtige Grundlage für die Entwicklung eines strategischen Managements von Medienmarken ist eine starke Verankerung eines Markenbewusstseins innerhalb der Medienunternehmung. Diesem Zweck können insbesondere Markenleitbilder oder -verfassungen dienen (III.2.4). Zum Abschluss der Überlegungen stehen die Steuerung und das Controlling von Medienmarken durch Managementsysteme im Fokus (III.2.5). Neben der grundsätzlichen Rolle und Bedeutung von Managementsystemen wird vor allem auf die spezifischen Ausgestaltungsmöglichkeiten und die organisatorischen Implikationen von Managementsystemen eingegangen.
III.2.1
Management von Medienmarkenportfolios
Bei der Gestaltung von Medienmarkenportfolios steht im Mittelpunkt die zentrale Frage, wie Marken innerhalb des Portfolios strukturiert werden müssen, um auf der einen Seite Synergien zwischen den Marken zu realisieren und auf der anderen Seite gleichzeitig eine gewisse Autonomie der Marken zu wahren.532 Im Zentrum dieses Abschnittes steht daher die Auseinandersetzung mit den Konfigurationsmöglichkeiten von Markenportfolios im Rahmen eines dynamischen Portfoliomanagements (3). Vorab sollen zunächst die Zielkonkurrenz der beiden zentralen Aspekte Synergiepotenziale und Eigenständigkeit von Marken (1) und die Festlegung von markenspezifischen Rollen im Rahmen der Markenpositionierung erörtert werden (2).
532
Vgl. Esch/Bräutigam (2005), S. 857.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
(1)
213
Synergie und Eigenständigkeit als konkurrierende Ziele der Markenarchitekturgestaltung
In Zusammenhang mit den Überlegungen zur Ausgestaltung des Markenportfolios steht das Management vor der Herausforderung, einen Rahmen für einen differenzierten Marktauftritt des aktuellen und des in Abhängigkeit der Marktentwicklungen neu zu gestaltenden Markenportfolios zu schaffen.533 Konkreter ausgedrückt: Inwieweit sollen sich die Eigenschaften (z.B. Imagewerte) zwischen der Familienmarke und den einzelnen Produktmarken überschneiden oder kommuniziert werden? Welches Ausmaß muss das individuelle Markenprofil aufweisen, um eine klare Positionierung zu erzielen und Verwirrungen auf Konsumenten- und Werbeindustrieseite zu vermeiden? Die inhärente Problematik dieser Fragestellungen liegt darin, dass es sich bei den Zielen Synergie und Eigenständigkeit um konkurrierende Ziele handelt (siehe Abbildung III-1).
Eigenständigkeit Trade-off Synergie
Abbildung III-1: Konkurrierende Ziele bei der Markenarchitekturgestaltung (Quelle: verändert aus Esch/Bräutigam 2005, S. 858)
Je stärker die Markenarchitektur z.B. in Form eines Branded House ausgestaltet ist, desto größer sind in der Regel aufgrund der hervorstechenden Verknüpfungen und Gemeinsamkeiten zwischen den Marken die zu realisierenden Synergiepotenziale. Je ausgeprägter hingegen die Eigenständigkeit der Marken ist, desto kleiner sind die möglichen Synergiepotenziale innerhalb des Markenverbundes (House of Brands).534 Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse der empirischen Untersuchung lassen sich in diesem Zusammenhang eine Reihe von Maßnahmen bzw. Strukturierungsentschei-
533 534
Vgl. Traylor (1986), S. 73. Dies schließt natürlich die Realisierung von Synergien im Beschaffungs-, Produktions- oder Vertriebsbereich nicht aus. In der Vermarktung und der Positionierung der Marken lassen sich hingegen nur schwerlich Synergien erzielen. So ist ein Imagetransfer bei Einzelmarken nicht möglich, wenn diese nicht den Markennamen der Muttermarke tragen, wie dies zum Beispiel im Falle von Dachmarkenstrategien der Fall ist.
214
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
dungen identifizieren.535 Zur Erzielung von Synergien wählen einige Unternehmen eine konsequente Dachmarkenstrategie (z.B. die Süddeutsche Zeitung) oder verfolgen einen systematischen Ausbau von Familienmarken (z.B. die Geo-Gruppe). Im Rahmen der systematischen (cross-medialen) Dehnung der Marken sollen Synergiepotenziale durch die Mehrfachverwertung der Inhalte und der Marke genutzt werden. In diesem Sinne geht es darum, nicht mehr in einer Mediengattung zu denken, sondern einen cross-medialen Denkansatz zu verfolgen.536 Von zentraler Bedeutung ist hierbei die koordinierte Zusammenarbeit der verschiedenen organisatorischen Einheiten, die durch entsprechende Zielvorgaben und institutionalisierte Gremien gefördert werden kann. Auf der anderen Seite lässt sich eine Reihe von Maßnahmen seitens der Medienunternehmen feststellen, die die spitze und profilierte Positionierung von Medienmarken unterstützen sollen. In diese Richtung zielen insbesondere der Aufbau und die Pflege von starken Einzelmarken, um die heterogenen Zielgruppen zu bedienen. Hierbei spielen dann Faktoren wie die Ausprägung des Markenbewusstseins im Allgemeinen und die journalistische Qualität (z.B. bei Zeitungen), die Fähigkeiten der Mitarbeiter oder die Umsetzung der Instrumentalstrategien (u.a. konsistente Markenbotschaften und Markenauftritt)537 im Besonderen eine wichtige Rolle. Neben den Synergiewirkungen innerhalb einer Familienmarke eröffnet diese natürlich auch Chancen zur Profilierung und einer entsprechenden Eigenständigkeit innerhalb einer großen Medienunternehmung. Im Hinblick auf die Einordnung bzw. Positionierung von Marken lassen sich daher folgende Schlussfolgerungen ableiten.538 Eine Branded House- oder SubbrandArchitektur ist vorzuziehen, wenn die übergeordnete Marke die anderen Angebote oder Marken durch eine Verbesserung der Beurteilungsdimensionen wie Vertrauen, Sympathie, Qualität, Image etc. unterstützt. Voraussetzung hierfür ist, dass beide Angebote bestimmte übergreifende Eigenschaften aufweisen, die die Subsumierung verschiedener Produkte unter einer Dachmarke ermöglicht. Analog gilt es zum Beispiel auch beim Aufbau einer Familienmarke (Subbrands) anhand von Bestimmungsfaktoren abzuschätzen, inwieweit die zwei Marken (z.B. Transferprodukt- und Fami535 536 537 538
Vgl. hierzu und im Folgenden auch die Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Maßnahmen zur Sicherstellung der jeweiligen Ziele Synergie und Eigenständigkeit von Kamann (2003), S. 246ff. So hat zum Beispiel die Financial Times Deutschland von Anfang an eine cross-mediale Strategie verfolgt. Beispiele hierfür sind Style- und Kommunikationsmanuals für den Markenauftritt. Vgl. Kapitel III.2.2 (2) und Kamann (2003), S. 244f. Vgl. Aaker/Joachimsthaler (2000), S. 120 und Gelbert/Giloth (2003), S. 161ff. sowie die propädeutischen Ausführungen in Kapitel I.2.3 (2) in dieser Arbeit.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
215
lienmarke) miteinander kombiniert werden können, um das Markentransferpotenzial abschöpfen und Synergien (z.B. bei der Kommunikation) realisieren zu können. Besteht hingegen aufgrund strategischer Überlegungen (z.B. Eintritt in ein neues Kundensegment oder hoher Innovationscharakter des neuen Angebots),539 der Markterfordernisse oder der unterschiedlichen Zielgruppensegmente die Notwendigkeit, die Eigenständigkeit der Marken stärker in der Vordergrund zu rücken, ist es empfehlenswert, sich stärker an einer House of Brands oder Endorsed-Brands-Architektur zu orientieren. Die einzelnen Produktmarken treten dann in der Regel ohne ein verbindliches Markendach in Erscheinung.540 In der Unternehmenspraxis finden sich freilich Kombinationen dieser idealtypischen Portfolioausprägungen wieder. So stellen zum Beispiel Fernsehsender innerhalb ihrer Branded-House-Architektur durchaus ihre einzelnen Format- und Personenmarken in den Vordergrund, um letztendlich wiederum die Sendermarke zu profilieren.
(2)
Festlegung markenspezifischer Rollen
Diese grundsätzlichen Überlegungen fließen in die Gestaltung der Markenportfoliostruktur und damit in die Festlegung der strategischen Rollen der einzelnen Marken ein. In diesem Zusammenhang gilt es, die Ziele und Aufgaben der Marken zu präzisieren und zu operationalisieren. Die strategische Rolle einer Marke lässt sich anhand der Dimensionen Mission der Marke, Inhalt der Marke und Ausrichtung der Marke konkretisieren.541 Die Mission der Marke, die von der Unternehmensleitung festgelegt wird, beinhaltet die strategischen Ziele und Visionen und damit die grundsätzliche Rolle der Marke innerhalb des Portfolios.542 Ein Großteil der Aussagen der empirischen Untersuchung bestätigt die Festlegung von bestimmten Rollen für die einzelnen Marken. Exemplarisch hierzu folgendes Statement aus dem Zeitschriftenbereich:
539 540
541 542
Vgl. Andresen/Nickel (2005), S. 775f. Bei Endorsed Brands steht die Produktmarke im Vordergrund, wird aber durch entsprechende Hinweise (z.B. Logo der Dachmarke) auf die Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Marke unterstützt (endorsed). Eine House-of-Brands-Strategie ermöglicht (bzw. erfordert) zudem unterschiedliche Markenkampagnen, ohne dass auf die anderen Marken Rücksicht genommen werden muss. Dies ist im Rahmen einer Dachmarkenstrategie (Branded House) nicht möglich. Vgl. im Folgenden Meffert/Perrey (2005), S. 828f. Im Ergebnis sollten die Zielsetzungen der Markenführung durch die vorhandenen oder neu aufzubauenden Marken erreicht werden können und jede Marke sollte eine zielführende Rolle und Aufgabe im Portfolio einnehmen. Vgl. Aaker (2004), S. 23f.
216
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
„Von Seiten des Geschäftsführers hat es eine Marktanalyse gegeben: Wo sind die Kundensegmente und welche Titel platzieren wir wo, so dass wir diese Segmente optimal bedienen? Jeder Titel hat seine Rolle bekommen und es wird darauf geachtet, dass diese Rolle sich erfüllt“ (Quelle: E-5).
Für eine grundsätzliche Strukturierung der strategischen Rollen von Marken in einem Portfolio kann auf den Ansatz von Keller (2003) rekurriert werden, der zwischen Flagship-Brands (starke A-Marken), Fighter-Brands (B-Marken zur Verteidigung der Flagship-Brands), Cash-Cow-Brands (C-Marken mit stagnierenden oder leicht rückläufigen Umsätzen) und Low-End Entry-Level-Brands bzw. High-End Prestige-Brands (Ergänzungen zu bestehenden Marken z.B. im Rahmen von Markendehnungen) unterscheidet.543 Der Markeninhalt dient der Charakterisierung der Marke und umfasst somit die Definition der markenspezifischen Eigenschaften wie das Leistungs- und Qualitätsversprechen oder die (audio-)visuellen Gestaltungselemente. Die Ausrichtung der Marke legt schließlich die strategische Stoßrichtung der Marke fest. Hierbei erfolgt die Festlegung und Priorisierung der Zielsegmente bzw. Zielgruppen. Darüber hinaus werden die Positionierung und das Verhalten der Marke gegenüber den Wettbewerbsmarken präzisiert, d.h., ob eine innovative, imitative, wettbewerbsstellende oder -vermeidende Verhaltensweise verfolgt wird.544 Obwohl die grundsätzlichen Markenziele und -strategien durch die Unternehmensleitung vorgegeben bzw. formuliert werden, formieren sich in der Unternehmung im Laufe der Umsetzung oder durch die Wahrnehmung von geschäftlichen Möglichkeiten (z.B. Erwerb attraktiver Rechte) durchaus neue oder veränderte Ziele, die wiederum zu einer Anpassung der grundsätzlichen Strategie führen. So deuten die empirischen Ergebnisse darauf hin, dass zum Beispiel im TV-Bereich der Erfolg von bestimmten Sendungen die Positionierung von Sendern nachhaltig beeinflussen kann: „Man hat als Brandmanager wenige Möglichkeiten, von sich aus zu sagen, jetzt mache ich mal meinen Korridor breiter oder ich gehe in diese Richtung. Aber innerhalb des Korridors, da kann man sich natürlich bewegen und manchmal ergeben sich dann Chancen. Es kommt sehr stark über das Programm. Vor ein paar Jahren war das Thema WissensSendungen null korreliert mit dem Sender. Über dieses Programm, das immer stärker wurde, steht der Sender jetzt für das Thema Wissens-Magazine“ (Quelle: E-10).
Die marktstrategische Positionierung leitet sich aus der strategischen Rolle der Marke ab. Ziel der Positionierung ist die Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb bzw. der Aufbau einer Unique Selling Proposition (USP) und die Schaffung einer dominie-
543 544
Vgl. Keller (2003), S. 531ff. Vgl. Meffert (2000), S. 282ff.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
217
renden Stellung in der Psyche des Konsumenten.545 Die Erfolgswirksamkeit einer Markenpositionierung steigt mit deren Kontinuität, die den Aufbau klarer Markenwerte beim Konsumenten unterstützt und somit eine wesentliche Voraussetzung für die Schaffung dauerhafter Wettbewerbsvorteile ist.546 Nichtsdestotrotz sind aber im Sinne einer dynamischen Betrachtungsweise fortlaufende Aktualisierungen oder Adaptionen (z.B. Umpositionierungen vorhandener Marken, Markenbereinigung bzw. -eliminierung, Markenmigration547 oder Positionierung neuer Marken) des Markenportfolios mitunter notwendig.
(3)
Konfiguration von Markenportfolios
Ein dynamisches Portfoliomanagement bewegt sich in dem Spannungsfeld zwischen Zentralität und Dezentralität.548 Auf der einen Seite erfordert ein solches Portfoliomanagement eine hohe Flexibilität549 zur Handhabung der Umweltkomplexität550 und der Diversität551 des Portfolios, die durch ein relativ hohes Maß an Dezentralität und Eigenständigkeit gefördert wird. Auf der anderen Seite ist zur Umsetzung bestimmter – vor allem synergieorientierter – Strategien ein hohes Maß an Zentralität ist eine zentrale Voraussetzung, um die synergetischen Leistungsbeziehungen zu koordinieren und zu steuern. Im Fall einer auch auf Synergien ausgerichteten Markenstrategieführung erfordert dies z.B. eine Vernetzung der organisatorischen 545
546 547
548 549
550 551
„Man ist gut beraten, wenn man eine klare Positionierung und eine eindeutige Aussage hat. Dann kann man sich mit seiner Marke auch klar von anderen abgrenzen. Es ist allemal besser, nicht der Generalist, sondern der Spezialist zu sein. Wenn man natürlich nicht von Rundfunkgebühren verwöhnt ist und zu den Marktführern gehört“ (Quelle: E-19). Vgl. Esch/Andresen (1996), S. 78. Prominentes Beispiel hierfür ist die Überführung bzw. der Wechsel der Marke D2 zu Vodafone. Im Medienbereich ist die Markenmigration eher selten zu beobachten. Eine Ausnahme stellt zum Beispiel die Migration der Marke Junge Karriere dar (vormals Handelsblatt Junge Karriere). Ein abgeschwächte Form der Markenmigration ist im TV-Bereich festzustellen. So wechseln Formate oder Personen den Sender und sind somit in einer neuen Markenumwelt verankert bzw. werden mit dem Sender assoziiert (im Umkehrschluss gilt natürlich der gleiche Effekt). Vgl. Resch (2005), S.126f. Die organisatorische Flexibilität ist die „Fähigkeit, sich pro- und reaktiv umfeldadäquat zu verhalten“ (Ringlstetter 1997, S. 181). Eine solche Flexibilität kann einerseits drohende Gefahren abwehren (Risikoreduktion) und andererseits zusätzliche Ressourcen für die Unternehmung generieren [(Re)aktionsmöglichkeiten]. Vgl. ausführlich Meffert (1985), S. 121ff. und Ringlstetter (1997), S. 182ff. Unter Flexibilität soll im Folgenden daher die Fähigkeit verstanden werden, adäquat auf zukünftige Herausforderungen im Zuge eines dynamischen Portfoliomanagements zu (re-)agieren. Vgl. Ulrich/Probst (1988), S. 61. Vgl. Steidl (1999), S. 109. Der Grad der Diversität bestimmt sich nach der Anzahl der Teileinheiten und ihrer Geschäftsbereiche und deren umsatzmäßiger Gewichtung zueinander sowie vor allem durch deren Relatedness, sprich den Grad ihrer Verwandtschaft. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 208 und Resch (2005), S. 87ff.
218
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Teileinheiten und deren Geschäftsprozesse und schränkt somit den Grad der markenspezifischen Autonomie und Flexibilität der Unternehmensteileinheiten ein. Die Frage nach der Führung von Markenportfolios ist also eng mit der Fragestellung verbunden, inwieweit die Unternehmensleitung vor dem Hintergrund der Umweltkomplexität und der Diversität zum einen die Schaffung eigenständiger, klar abgegrenzter Markenidentitäten gewährleisten kann und zum anderen die Realisierung von Synergiepotenzialen fördern kann.552 In diesem Sinne ist abzuwägen, welche grundsätzlichen Portfoliomanagementoptionen im Allgemeinen zur Handhabung dieser Herausforderungen geeignet sind, und welche Rolle die Zentrale im Besonderen einnehmen soll, d.h., wie „tief“ sie in die Unternehmenseinheiten eingreifen soll und kann. In Analogie zu den Ausführungen von Koers (2001) können für Medienunternehmen, die eine Mehrmarkenstrategie verfolgen, die folgenden drei idealtypischen Portfoliomanagementausprägungen anhand des Dezentralitäts- und Zentralitätsgrades der Einheiten und somit der Eingriffstiefe der Leitung in diese Einheiten klassifiziert werden (siehe Abbildung III-2):553 Dezentralität
max Primat der Nutzung von Synergien
min
Primat der Nutzung von Autonomie
min
Zentralität hoch
max
Eingriffstiefe der Portfolioleitung
Operatives Portfoliomanagement
Strategisches Portfoliomanagement
niedrig
Reines Finanzportfolio
Abbildung III-2: Idealtypische Ausprägungen eines Portfoliomanagements (Quelle: in Anlehnung an Koers 2001, S. 75 und Resch 2005, S. 138)
Operatives Markenportfoliomanagement: Die Portfoliosteuerung und -strategieentwicklung erfolgt völlig zentral nahezu ohne Beteiligung der markenspezifischen Einheiten. Es liegt eine sehr hohe Eingriffstiefe seitens der Portfolioleitung vor, da diese auch rein operative Aufgaben übernimmt. 552
553
Eine sehr hohe Diversität stellt die Existenz eines Medienkonzerns grundsätzlich in Frage, da die Generierung von Mehrwert durch die Konzernzentrale kaum mehr vorhanden sein dürfte. Vgl. hierzu ausführlich Steidl (1999), S. 122f. Vgl. hierzu und im Folgenden Koers (2001), S. 71ff. sowie im Hinblick auf grundlegende Ausführungen zur Portfoliostrategie stellvertretend Resch (2005), S. 136ff.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
219
Reines Finanzportfolio: Die markenspezifische Steuerung und Entwicklung erfolgt nahezu ohne Einflussnahme seitens der Portfolioleitung, deren Fokus auf finanzwirtschaftlichen Aspekten liegt. Im Hinblick auf die Anforderungen eines dynamischen Portfoliomanagements zeigt sich jedoch, dass das operative Markenportfoliomanagement zu stark in den „jeweiligen Teileinheiten mitverfangen ist“ (Resch 2005, S. 138) und dadurch mit einer hohen Komplexität konfrontiert ist. Werden die Marken hingegen im Sinne eines Finanzportfolios gesteuert, bieten sich wenige Ansatzpunkte für mehrwertgenerierende Eingriffe (z.B. eine synergetische Koordination der verschiedenen Marken). Ein strategisches Markenportfoliomanagement scheint in einem ersten Zugriff hingegen die Voraussetzungen aufzuweisen, um sowohl die organisationalen Herausforderungen als auch die aufgezeigte Komplexitäts- und Diversitätsproblematik besser zu handhaben: Strategisches Markenportfoliomanagement: Der Fokus des Portfoliomanagements liegt in der Schaffung eines strategischen Rahmens, innerhalb dessen die einzelnen Marken weitgehend autonom und flexibel agieren können. Die Strategieentwicklung erfolgt durch die Portfolioleitung und den relevanten Markenverantwortlichen, wobei die Portfolioleitung durch die grundsätzliche Formulierung von strategischen Markenrollen den Strategieprozess dominiert. Die dezentralen Markeneinheiten sind zum einen mit der Umsetzung (z.B. in Form der Instrumentalstrategien) und der konkreten Ausgestaltung dieser Vorgaben betraut. Zum anderen können sie durchaus Anpassungen der strategischen Rahmenplanung oder Positionierung bewirken. Als Schnittstelle zwischen den selbständigen Markeneinheiten können Zwischeneinheiten fungieren, die als „zusätzliche Harmonisierungsebene“554 zwischengeschaltet werden und hierarchisch an prominenter Stelle (z.B. Stabstelle auf der Ebene der Unternehmensleitung) angesiedelt sind.555 Hierbei handelt es sich um Stabstellen oder Abstimmungsgremien (z.B. Preis- oder Synergiegremien), die das organisatorische Zusammenspiel der unterschiedlichen Marken institutionalisieren, wie dies bei einem großen TV-Konzern zu beobachten ist Solche Zentralbereiche
554 555
Vgl. Ringlstetter (1995), S. 37. Diese Zwischeneinheiten bilden mit den anderen zentralen Einheiten die Leitungsorganisation des Konzerns. Vgl. Meffert/Perrey (2005), S. 836.
220
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
leisten einen wichtigen Steuerungsbeitrag, um einen unternehmensweiten effizienten Ressourceneinsatz zu gewährleisten.556 Ein solches strategisches Markenportfoliomanagement ermöglicht gleichsam ein hohes Maß an Portfolioflexibilität und institutionalisierte Anknüpfungspunkte zur Realisierung von Synergien zwischen den einzelnen Einheiten bzw. Marken. Für die erfolgreiche Führung von solchen Markenportfolios erweist sich eine intuitive Entscheidungsgrundlage als nicht ausreichend.557 Im Sinne eines strategischen Managements sind vielmehr verstärkt entsprechende Planungs- und Kontrollsysteme notwendig, auf die im letzten Abschnitt eingegangen werden wird. Wie bereits ausgeführt, unterliegen Markenportfolios zudem aufgrund von Umfeldveränderungen und/oder strategischen Neuausrichtungen einer gewissen Entwicklungsdynamik. In diesem Sinne kann unter einem dynamischen Markenportfoliomanagement in Anlehnung an Resch (2005) die permanente Transformation des Markenportfolios bzw. die Schaffung von Strukturen, die diese Zielsetzung begünstigen, verstanden werden.558 Resultat eines dynamischen Portfoliomanagements von Medienunternehmen können Transfers von Marken sein, die im Folgenden gleichsam auf Basis der empirischen Ergebnisse und der theoretischen Überlegungen interpretiert und untersucht werden sollen.
III.2.2
Management von Medienmarkendehnungen
Medienmarken stellen in den Geschäftsmodellen von Medienunternehmen eine zentrale Gestaltungsvariable dar. Die vorangegangen Ausführungen unterstützen daher die Einschätzung von Aaker, dass „[o]ne recipe for strategic success is to create and leverage assets“ (Aaker 1996, S. 274).
Markentransferstrategien beeinflussen zudem in ganz erheblichem Maße den Markenwert, denn das Wertpotenzial einer Marke beinhaltet nicht nur die gegenwärtigen Markenangebote, sondern auch die zukünftigen Markenoptionen.559 Das erfolgreiche 556 557 558 559
Zur (strategischen) Rolle und Bedeutung der Zentralbereiche im Rahmen eines dynamischen Portfoliomanagements sei auf die Ausführungen von Resch (2005), S. 140ff. verwiesen. Vgl. Gelbert/Giloth (2003), S. 168, die das Monitoring der Umsetzung der Markenarchitektur zu den fundamentalen Regeln zählen, die beim Management einer Markenarchitektur zu beachten sind. Vgl. Resch (2005), S. 3. Vgl. Sattler (2004), S. 827f. Die hohen Gewinn-Multiples bei „markendominierten Unternehmenstransaktionen (in Höhe von 25 und mehr) deuten darauf hin, dass entsprechende Potenziale bzw. markenstrategische Optionen in den Marken gesehen werden. Dies macht auch deutlich, dass solche
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
221
Management von solchen Markendehnungen kann demzufolge ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil für Medienunternehmen sein. Allerdings ist mit Markendehnungen, wie bereits ausgeführt, auch eine Reihe von Risiken verbunden. Auf Grundlage der vorliegenden empirischen Analyse und der bisherigen Ergebnisse zur allgemeinen und medienspezifischen Markentransferforschung sollen im Folgenden daher zunächst die nachfragerbezogenen Erfolgsfaktoren bei Markendehnungen (1) untersucht werden, die expressis verbis auf die Einstellungen und Reaktionen des Konsumenten rekurrieren. Die verhaltenswissenschaftlichen Forschungsansätze befassen sich sowohl mit der Entwicklung grundlegender Modelle560 zur Erklärung von Imagetransfers als auch mit der Analyse einzelner zentraler Bestimmungsgrößen. Bei der Identifikation von solchen Bestimmungsfaktoren kann auf zahlreiche Studien zurückgegriffen werden, sodass eine Suche nach gänzlich neuen Faktoren wenig zielführend erscheint.561 Vielmehr sollen einzelne signifikante Bestimmungsfaktoren hinsichtlich ihrer medienspezifischen Relevanz und Ausprägung untersucht werden. Daran anschließend stehen die unternehmensbezogenen Erfolgsfaktoren und vor allem die Ansatzpunkte zur Professionalisierung der Steuerung und Entwicklung von Markendehnungen im Mittelpunkt der Betrachtung (2).
(1)
Nachfragerbezogene Erfolgsfaktoren bei Markendehnungen
Als zentrale positive Einflussfaktoren auf das Gelingen von Markentransfers gelten insbesondere die Stärke der Mutter- bzw. Ursprungsmarke562 und die Qualität der Muttermarke.563 Die außerordentliche Bedeutung der Muttermarke soll an der Historie der Zeitschrift GEO Saison kurz verdeutlicht werden:564 Der Titel wurde zunächst unter
560
561
562
563 564
markenstrategischen Optionen wie Markentransfers umgesetzt werden müssen, damit sich die Kaufpreise der Transaktionen lohnen“. Grundsätzlich kann hierbei zwischen einstellungstheoretischen und gedächtnispsychologischen Erklärungsmodellen unterschieden werden. Vgl. hierzu ausführlich Caspar (2002), S. 103ff. und Esch et al. (2005), S. 931ff. Vgl. zudem Nijssen/Agustin (2005), S. 34f., die darauf hinweisen, dass der Fokus in der Erfolgsfaktorenforschung nahezu nur auf die Konsumenten ausgerichtet ist. Die Autoren fordern daher einen stärkeren Einbezug der Managementperspektive zur Erklärung erfolgreicher Markentransfers. Sattler (2004) zählt seit 1985 über 50 verschiedene Studien auf, die sich mit Identifikation und Bewertung von Bestimmungsfaktoren für Markentransfer auseinandersetzen. Für eine Übersicht vgl. Klink/Smith (2001) und Zatloukal (2002). Untersuchungen haben belegt, dass der Einfluss der Muttermarke umso stärker ist, je ausgeprägter der (wahrgenommene) inhaltliche und kompetenzbezogene Fit zwischen dem Transferprodukt und der Muttermarke ist. Vgl. Caspar (2002), S. 225. Vgl. Bottomley/Holden (2001), die im Gegensatz zu Aaker/Keller (1990), die Signifikanz der Qualität als Erfolgsfaktor hervorheben. Vgl. Althans/Brüne (2005), S. 686 und die Quellen E-25 und E-28 (als Interviewpartner).
222
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
der eigenständigen Marke Saison (mit dem dezenten Untertitel: Das Reisemagazin von GEO) publiziert und wies in der Folgezeit nur einen bedingten wirtschaftlichen Erfolg auf. Erst mit dem „Relaunch“ der Zeitschrift unter der Marke GEO Saison und der Integration der Familienmarke GEO in den Markennamen gelang es, eine kontinuierliche positive wirtschaftliche Entwicklung anzustoßen. In diesem Zusammenhang spielen auch die Charakteristika der Transferkategorie bzw. des Erweiterungsproduktes eine Rolle. Insbesondere im Medienbereich weisen Mediengüter typische Merkmale von Erfahrungs- und Vertrauensgütern auf. Starke, profilierte Marken als Qualitätsindikator bzw. deren inhärente Vertrauensfunktion sind daher von hoher Relevanz für das Kaufverhalten in solchen Produktkategorien.565 Für das Gelingen von Markendehnungen ist zudem der Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt sehr entscheidend.566 Die Analyse der Aussagen belegt diesen grundlegenden Erfolgsfaktor auch für die Medienbranche. So äußerte sich der Geschäftsführer einer großen Tageszeitung wie folgt: „Es muss immer zur SZ passen. Es muss immer SZ-affin sein. Es muss Niveau haben, es muss Qualität haben. Es müssen die Anforderungen, die man abstrakt an die Marke SZ stellt, immer erfüllt sein. Sonst überdehnen wir die Marke und machen die Marke kaputt“ (Quelle: E-4).
Die Ausprägung des wahrgenommenen Fits beruht auf der Ähnlichkeit von Attributen und Assoziationen zwischen Muttermarke und Transferprodukt. Eine solche „Transferklammer“ kann hierbei auf wenige, nur besonders relevante Assoziationen zurückzuführen sein. Die Ergebnisse bestätigen ebenfalls, dass freilich nicht alle Marken für eine Markendehnung gleichermaßen geeignet sind: „Martha Stewart und Discovery oder MTV sind sehr geeignet für den Bereich Multimedia. Bei anderen Marken, da ist es beinahe eher künstlich. Suhrkamp oder andere Buchverlage, die stehen auch sehr stark für das Medium selber. Ich sage nicht, dass man das nicht leveragen kann, aber das wird sehr künstlich wirken. Ich denke, das ist sehr umstandsbedingt: Je stärker die Marke auf eine Zielgruppe gerichtet ist, desto mehr kann man diese um die Bedürfnisse der Endkunden herum leveragen. Je stärker eine Marke für ein Produktmerkmal steht, desto schwieriger wird es“ (Quelle: E-9).
Es reicht also nicht aus, dass sich Transferprodukt und Ursprungsmarke in irgendeiner Form ähnlich sind, sondern es ist entscheidend, dass die transferierten Assoziationen im Kontext der neuen Produkt- oder Medienkategorie relevant sind. Je stärker die Assoziationen also mit dem Ursprungskanal oder -format verbunden sind, desto 565 566
Vgl. Caspar (2002), S. 222 für den Nachweis im medienspezifischen Kontext. Im Hinblick auf den Konsumgüterbereich sei auf Smith/Park (1992), S. 300 verwiesen. Vgl. Caspar/Burmann (2005), S. 262. Laut Sattler weisen die beiden Variablen Fit und die Stärke der Muttermarke eine eindeutige Dominanz gegenüber anderen Erfolgsfaktoren auf. Vgl. Sattler (2004), S. 824.
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geringer ist deren unterstützende Wirkung insbesondere für cross-mediale Transferprodukte.567 Nutzen- oder kompetenzbezogene Assoziationen weisen hingegen einen signifikant positiven Einfluss auf die Bewertung solcher cross-medialer Medienprodukte auf. Der Nachteil von solchen breiten bzw. lifestyle-geprägten Marken ist freilich, dass die Spezifika recht unklar sein können. Eine Besonderheit, mit der im Internet Portalanbieter (z.B. Yahoo oder Google) und im TV-Segment Fernsehsender (z.B. die großen General-Interest-Sender wie ARD, ZDF, RTL oder Pro7) konfrontiert sein können. „Je offener die Marke ist, desto schwerer ist es, diese Marke dann auch prägend zu kommunizieren und zu vermitteln“ (Quelle: E-6).
Einen geringeren, aber nachweisbaren positiven Einfluss weisen zudem die Breite der Produktpalette der Ursprungsmarke oder der Erfolg vergangener Markentransfers auf.568 Als weiterer Erfolgsfaktor wird darüber hinaus das Involvement der Nachfrager gegenüber der Ursprungsmarke angeführt.569 Im Hinblick auf eine dynamische Betrachtungsweise sollten Markentransfers „behutsam“ erfolgen, d.h., einerseits sollte den Zielgruppen genügend Zeit einräumt werden und andererseits sollte der Transfer in kleinen Schritten erfolgen, um die Akzeptanz und das „Erlernen“ des neuen Produktes bei den verschiedenen Markenzielgruppen zu unterstützen.
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Unternehmensbezogene Erfolgsfaktoren und Ansatzpunkte bei der Steuerung und Entwicklung von Markendehnungen
Im Hinblick auf Management von Markentransfers gilt es bei der Konzeption, Planung und Umsetzung die nachfragerbezogenen Bestimmungsfaktoren bestmöglich zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang spielen freilich neben den nachfragerseitigen und marktseitigen Faktoren auch unternehmensbezogene Determinanten wie materielle und immaterielle Ressourcen und Kompetenzen oder die Ausgestaltung der Organisationsstrukturen und -prozesse eine entscheidende Rolle. Deren Erfolgsbeitrag und daraus abgeleitete Ansatzpunkte stehen daher im Folgenden im Mittelpunkt der Betrachtung. Ein neuralgischer Punkt für das Gelingen eines Markentransfers ist die authentische Nutzung der Medieninhalte, die „intelligent“ mit
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Diese Erkenntnisse bestätigen damit die medienspezifischen Untersuchungsergebnisse von Caspar (2002), S. 211ff. Vgl. Dacin/Smith (1994), S. 232ff. und Court/Leiter/Loch (1999). Vgl. Völckner (2004), Sattler/Völckner/Zatloukal (2003) und Caspar (2002).
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der Ursprungs- bzw. Transfermarke verknüpft werden müssen.570 Auch andere Studien weisen darauf hin, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit zunimmt, wenn bereits bestehende inhaltliche Kompetenzen genutzt werden, um die relevanten Zielgruppen für das neue Transferprodukt zu gewinnen.571 Ein prominentes Erfolgsbeispiel ist die Markentransferstrategie der GEO-Gruppe, die zum Aufbau einer großen Markenfamilie und eines umfangreichen Angebots an Zusatzprodukten (z.B. Kalender, Lexika etc.) geführt hat.572 Die Nutzung der Marke hinsichtlich Zusatzgeschäften zeigt jedoch – und analog lässt sich das auf andere Formen der Markendehnung übertragen –, dass gewisse Volumina notwendig sind, um wirtschaftlich tragfähige Konzepte umzusetzen. So ist es zum Beispiel für Regionalzeitungen weitaus schwieriger, die Buchund DVD-Reihen der großen Tageszeitungen zu imitieren. Gründe sind hierfür u.a., dass sich die Rechte- und Produktgestaltungskosten aufgrund der begrenzten Leserschaft nicht auf große Stückzahlen verteilen lassen und sich somit die Angebote aus Sicht der Unternehmen nicht rechnen. Die Konzeption von Medienmarken bzw. von Transferprodukten erfordert heutzutage zudem eine cross-mediale Herangehensweise, die sich relativ losgelöst von Träger- und Übertragungsmedien primär an den Nutzungsgewohnheiten des Konsumenten orientiert bzw. den verschiedenen Absatzkanälen Rechnung trägt.573 Ein plakatives Beispiel ist hierfür die Einführung der Financial Times Deutschland (FTD) als Ableger der englischsprachigen Financial Times.574 Als erste Neugründung einer Wirtschaftszeitung im digitalen Zeitalter575 konnten bereits bei der Konzeption der
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„Wer Inhalte am Markt einkauft und sie lediglich mit der eigenen Marke versieht, schafft keinen Mehrwert und keine Identifikation des Verbrauchers mit dem Produkt.” (Weiland 2005). Eine gelungene Verknüpfung fand u.a. bei den Zeit-Reisen statt, da klassische Reiseangebote in Kombination mit Zeittypischen Inhalten (z.B. Gespräch mit prominenten Persönlichkeit vor Ort) angeboten werden. Vgl. Kamann (2003), S. 243. Vgl. hierzu ausführlich Kapitel II.2.2 und Althans/Brüne (2005). Hierbei gilt es freilich abzuwägen, inwieweit eine Marke eine cross-mediale „Spreizung“ verkraftet. Zur Wahrung der Markenwerte kann es durchaus sinnvoll sein, im Online-Bereich auf eine extensive Nutzung der Marken zu verzichten. Diese Strategie verfolgt z.B. zurzeit eine große Verlagsgruppe: „Wir haben für [x].de entschieden, dass wir lieber klein bleiben, als dass wir mit der Marke Unfug anstellen, die zwar Pageimpressions und damit Werbeeinnahmen einbringt, aber mit der Marke nicht mehr kompatibel ist“ (Quelle: E-28). Die hohe Bekanntheit und Glaubwürdigkeit der englischsprachigen Muttermarke waren eine wichtige Voraussetzung für die Transferstrategie. So konnte bereits im ersten Jahr nach der Markteinführung innerhalb der Peer-Group eine Markenbekanntheit von rund 96 Prozent erzielt werden. Bei Konzeption wurde aber in der Tat darüber diskutiert, ob der Titel Financial Times übernommen werden sollte: „Im Nachhinein muss ich sagen, wäre es natürlich fatal gewesen, hätte man den Namen nicht genutzt, das ist unser größtes Asset“ (Quelle: E-26). Der Erscheinungstag der ersten Printausgabe der Financial Times Deutschland war der 21.02.2000. Zur Historie vgl. Madsen (2004), S. 131ff. Mittlerweile bieten natürlich auch die anderen großen Wirtschafts-
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Zeitung die veränderten Rahmenbedingungen und Anforderungen berücksichtigt werden. Unter dem Motto „One Brand – All Media“ werden die Inhalte auf verschiedenen Träger- und Übertragungsmedien (z.B. Print, Mobile, Online, Audio) den Lesern und Nutzern zur Verfügung gestellt.576 „Wir haben uns immer als Verlagshaus und nicht als Zeitungshaus verstanden. Und unsere Idee war in der Tat, dass wir den Kunden verschiedene Kanäle bieten müssen und wollen, wo er Nachrichten von uns erhalten kann. Für uns steht wirklich die Nachricht im Vordergrund und in dieser Hinsicht sind wir auch ein bisschen die Gnade der späten Geburt, dass wir die Redaktion so aufstellen konnten, dass wir ein Team haben, was für alle Kanäle arbeitet, dass wir eine Technologie haben, die alle Kanäle bedient und dass wir auch ein Anzeigenteam haben, dass alle Kanäle vermarktet. Wir sind wirklich ein integriertes Verlagshaus, während viele Wettbewerber eine völlig separate Unit gegründet haben. Wir sind sogar mit der Website zwei Wochen vor der Zeitung in den Markt gegangen“ (Quelle: E-26).
Zielsetzung ist es also nicht nur, eine Zeitung anzubieten, sondern vielmehr einen integrierten multimedialen Wirtschaftsservice zu schaffen, der die elektronischen Medien als wichtige zusätzliche Einnahmequelle miteinschließt.577 Von zentraler Bedeutung als Transferklammer für diese verschiedenen Angebote ist dabei die Marke FTD. Auf Grundlage dieser Marke können dann weitere Zusatzleistungen (z.B. Konferenzen, Corporate Publishing, Wirtschaftsbücher) angeboten werden, um die Marke weiter zu kapitalisieren. Eine Grundvoraussetzung für ein solches crossmediales Markenkonzept ist eine integrierte Redaktion, in der die Redakteure crossmedial zusammenarbeiten. Dies gewährleistet zum einen durch den ständigen Austausch eine gleichbleibende Qualität und Tonalität der Berichterstattung über alle Kanäle und zum anderen die Realisierung von Synergiepotenzialen bei der Belieferung verschiedener Kanäle.578 Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Interaktion zwischen Verlag und Redaktion, um einerseits die Pflege der Muttermarke sicherzustellen und andererseits die Suche nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten und Neuproduktvorschlägen zu fördern.579
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und Tageszeitungen ihre Inhalte auf den verschiedenen Kanälen an. Die FTD war allerdings eine der ersten deutschsprachigen großen Zeitungen die diese Strategie konsequent plante, kommunizierte und umsetze. Die Aufzählung macht deutlich, dass das Konzept „One Brand – All Media“ noch nicht ganz vollständig ist, da Kanäle wie das Fernsehen noch fehlen. Allerdings gibt es bereits Überlegungen, Videosequenzen (analog zu den Audiosequenzen für das Radio) für den Fernseh- und Online-Bereich anzubieten. Hierzu wird zurzeit ein eigenes Fernsehstudio konzipiert. Vgl. Quelle: E-26. Wenngleich die Zeitung immer noch als Kernprodukt und zentrale Umsatzquelle im Mittelpunkt dieser vernetzten Strategie steht. Vgl. Madsen (2004), S. 134f. Analog argumentieren Althans/Brüne (2005), S. 669 für den Zeitschriftenbereich: „Ein konstruktives Zusammenspiel zwischen Verlagsleitung und Redaktion ist daher häufig der Schlüssel zum Erfolg.“ Im
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Grundsätzlich sollten bei der Ideenfindung für Markentransfers sowohl die künstlerisch-kreativen als auch kaufmännischen Bereiche involviert sein. Zahlreiche Medienunternehmen haben bereits entsprechende institutionalisierte Strukturen oder Prozesse in Form von Konferenzen, Gremien,580 internen Wettbewerbern etc. installiert. Ein weiterer Ansatzpunkt ist, wie bereits angedeutet worden ist, die Schaffung handlungsentlastender Interaktionszusammenhänge, um Ideen hinsichtlich Markendehnungsoptionen zu generieren. Im Rahmen der strategischen Positionierung des Transferproduktes gilt es zunächst ein solides Verständnis für die zentralen Markeneigenschaften der Ursprungsmarke herzustellen. Wie bei der Erläuterung der nachfragerbezogenen Erfolgsfaktoren ausgeführt, können die spezifischen Assoziationen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg der Markendehnung haben. Als besonders geeignet erweisen sich für solche Messungen qualitative, indirekte Erhebungsverfahren, um die strukturprägenden, spezifischen Imagekomponenten zu erfassen.581 Anschließend ist eine Untersuchung der potenziellen Erweiterungskategorie und deren Charakteristika (z.B. Konsumgewohnheiten der Konsumenten, Ähnlichkeiten und Unterschiede zur ursprünglichen Produktkategorie sowie Kanalspezifika im Falle cross-medialer Markendehnungsstrategien) vorzunehmen. In diesem Zusammenhang gilt es neben dem Bauchgefühl wiederum auf Tools und Instrumente zurückzugreifen (z.B. statistische Messungen wie Distanzmaße zwischen der Ursprungsmarke, anderen Marken der Markenfamilie und dem Transferprodukt), um die Bewertung von Markentransferoptionen zu beurteilen. Im Hinblick auf die Prüfung von weiteren Markentransfers konstatierte ein Verlagsleiter: „Oder geht das eben nicht gut, geht das zu weit weg von der Marke. Die Frage haben wir uns schon gestellt. Wir haben dann Messungen gemacht, weiche Messung, so was kann man natürlich nur bedingt richtig abfragen. Wo wir einfach die Entfernung des Markenkerns abgefragt haben, also einfach eine gefühlte Entfernung Distanz zwischen den Marken. Und dabei haben wir festgestellt, dass [Zeitschrift A] in der Tat am weitesten weg interpretiert wird von unseren Lesern. Aber dass es insgesamt immer so nah an der Marke ist, dass es nicht zu einer Markenüberdehnung gekommen ist“ (Quelle: E-28).
Grundlegende Zielsetzung ist hierbei festzustellen, inwieweit die Markenattribute, Nutzenversprechen und Assoziationen der Ursprungsmarke in der neuen Produkt-
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diesem Sinne ist also sowohl das Gespür des Journalisten für die Marke als auch die Fähigkeit des Kaufmanns (in der Verlags- und Marketingleitung), journalistisch zu denken für eine erfolgreiche Markenführung und Transferstrategie entscheidend. Eine große deutsche Wirtschaftszeitung diskutiert im zweiwöchigen Rhythmus solche Ideen. Vgl. Keller (2001), S. 1064f.
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kategorie als relevant, einzigartig und vorteilhaft eingestuft werden.582 Auf Grundlage dieser Erkenntnisse kann auf der einen Seite in einem ersten Zugang eine Bewertung der Vorteilhaftigkeit verschiedener Kategorien erfolgen. Auf der anderen Seite ermöglicht diese Analyse, Entscheidungen hinsichtlich der Positionierung und der Ausgestaltung des Marketing-Mixes vorzunehmen. Generell ist bei der Positionierung des Transferproduktes demzufolge darauf zu achten, dass auf Basis der Markeneigenschaften sowohl eine Verankerung in der Psyche der Konsumenten als auch eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb erzielt werden kann. Ferner sind die nachfragerseitigen Bestimmungsfaktoren zu berücksichtigen, d.h., dass ein ausreichender Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt für den Konsumenten wahrnehmbar ist.583 Darüber hinaus gilt es, einen Fit auch zwischen den zusätzlichen Eigenschaften der neuen Marke und den bestehenden Markeneigenschaften zu gewährleisten, um negative Rückkoppelungseffekte zu vermeiden.584 Einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung von Markentransferstrategien kann die marktstrategische Ausgestaltung der Marketing-Mix-Instrumente liefern.585 Zielsetzung ist hierbei, eine widerspruchsfreie Implementierung des Markenbildes der Muttermarke und des Transferprodukts sowie der verbindenden Transferklammer zu erreichen.586 Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Marketingunterstützung und die davon beeinflusste Kunden- und Handelsakzeptanz als ein wesentlicher Erfolgsfaktor nicht nur für die Muttermarke, sondern auch für Transferprodukte angeführt wird.587 Die Kommunikationspolitik kann die Gemeinsam-
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Vgl. Caspar/Burmann (2005), S. 265. In diesem Zusammenhang ist freilich darauf zu achten, dass die Distanzen zur Muttermarke ausreichend groß sind, damit die Transfermarken überhaupt als differenzierbar wahrgenommen und erlebt werden können. Dies bedeutet auch, auf Geschäftsmöglichkeiten zu verzichten, die zwar kurzfristig zu zusätzlichen Umsätzen führen, aber langfristig durch den fehlenden Fit zur Markenwelt den Marken schaden. In diesem Sinne stellt die Ausgestaltung der Angebots-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik eine Operationalisierung der Medienmarkenstrategie dar. Zum Marketing-Mix von Medienmarken vgl. ausführlich Siegert (2003), S. 156ff. Vgl. Caspar/Burmann (2005), S. 276. Im Hinblick auf die Werbung konstatiert der Verlagsleiter des Zeit-Verlages, Rainer Esser: „Werbung in eigener Sache ist notwendig. Wie knallig oder innovativ sie sein kann, hängt von dem definierten Zweck und der Zielgruppe ab. Je stärker der Charakter des Mediums ist, desto einzigartiger muss auch die Werbung sein“ (zitiert in Thommes 2005). Auf die Effekte von Werbung im Hinblick auf die Werbeindustrie merkt der Chefredakteur der Zeitschrift TV-Movie Stefan Westendorp an: „Wenn Medien für sich selbst werben, dann zeigen sie damit auch, wie innovativ sie mit dem umgehen, was sie letztendlich am Leben erhält. Jede eigene Werbekampagne ist auch eine Visitenkarte für potenzielle Werbekunden“ (zitiert in Thommes 2005).
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keiten zwischen Ursprungsmarke und Transferprodukt deutlich machen und die Relevanz der Assoziationen herausstellen bzw. stärken und in diesem Sinne den wahrgenommenen Fit entscheidend beeinflussen. Im Rahmen der Markenkommunikationspolitik haben Medienunternehmen im Gegensatz zu anderen Industriebranchen den großen Vorteil, dass sie in ihren vorhandenen Produkten sehr kostengünstig Werbung schalten können.588 Der Rückgriff auf ein starkes Vertriebsnetz stellt ebenfalls einen entscheidenden Erfolgsfaktor dar, um flächendeckend und gezielt schnell eine Präsenz am Point of Sales herzustellen. So profitiert z.B. die BILD-Gruppe von rund 120.000 Vertriebsstützpunkten, über die neue Transferprodukte im Markt platziert werden können.589 In diesem Zusammenhang soll auch auf die Notwendigkeit hingewiesen werden, im Rahmen der Markentransfers Erfolgskontrollen hinsichtlich der ökonomischen und markenspezifischen Zielgrößen vorzunehmen.590 Neben den gängigen Kennzahlen wie Umsatzerlöse, Deckungsbeiträge und Umsatzrendite etc. sollten auch Markenwertkennzahlen wie Bekanntheit, Sympathie, Vertrauen etc. herangezogen werden. Darüber hinaus können insbesondere bei Markenfamilien Verbundeffekte quantifiziert (z.B. Pro-Kopf-Ausgaben für die verschiedenen Produkte und Kaufüberschneidungen) oder zumindest abgeschätzt werden (z.B. wechselseitige Stützung der einzelnen Submarken).
III.2.3
Management von Synergiepotenzialen der Medienmarke
Im vorangegangenen Abschnitt wurde darauf hingewiesen, dass Markentransfers als Ausdruck einer synergetischen Koordination charakterisiert werden können. In diesem Abschnitt soll nun erläutert werden, welche organisatorischen und prozessualen Voraussetzungen bzw. Maßnahmen für eine synergetische Koordination notwendig sind und damit zur Professionalisierung des Markenmanagements beitragen können. Hierbei wird zwischen Ansatzpunkten der direkten (1) und indirekten (2) Steuerung unterschieden.
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Darüber hinaus erfolgen vorwiegend im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich Bartergeschäfte im Zuge des Austausches von Anzeigenplätzen. In der Regel jedoch nicht zwischen direkten Wettbewerbern in einem Segment. So nutzte die Süddeutsche Zeitung neben den konzerneigenen Produkten auch Gegengeschäfte mit den Zeitschriften Focus und Spiegel zur Promotion der Buchedition. Vgl. Kamann (2003), S. 243. Vgl. ausführlich Jenner (2006) und Althans/Brüne (2005), S. 685ff.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
(1)
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Ansatzpunkte direkter Steuerung
Im Zuge der geplanten Mehrfachverwertung von Marken und deren Inhalten sowie von markenrelevanten Fähigkeiten kann grundsätzlich zwischen solchen organisatorischen Gestaltungsoptionen unterschieden werden, die an der Konfiguration von Primäreinheiten oder von Sekundäreinheiten ansetzen.591 Die Gestaltungsmaßnahmen auf Ebene der organisatorischen Primärstruktur zielen auf die diejenigen strukturellen Festlegungen der organisatorischen Basisteileinheiten, der Zentrale oder der Zentralbereiche ab, um eine inhärente Steuerungswirkung im Hinblick auf die Nutzung von Synergien zu verankern. Andererseits gibt es die Möglichkeit, synergieorientierte Sekundäreinheiten zu installieren, die gleichsam die Teileinheiten der Primärstruktur überlagern, sich aber vorwiegend aus Mitgliedern dieser Einheiten zusammensetzen.592 Zentrales Merkmal ist, dass die Koordination auf der Ebene der Organisation angesiedelt wird, „auf der Kompetenz und Informationsstand am größten sind“ (Steidl 1999, S. 256).593 Diese direkten Steuerungsansätze können sowohl einen dauerhaften als auch temporären Charakter aufweisen. Solche Organisationseinheiten, die die Primärstruktur und die Teileinheiten kontinuierlich bzw. dauerhaft überlagern, aber nur diskontinuierlich die ihnen zugewiesene synergetisch-koordinierende Funktion ausüben, werden als (Synergie-) Ausschüsse (synonym Komitees oder Kollegien) bezeichnet. 594 Zielsetzung solcher Synergieausschüsse ist es – exemplarisch auf die vorliegende Problemstellung bezogen –, Synergiepotenziale im Zusammenhang mit der Dehnung und Vermarktung von Marken im Unternehmen zu lokalisieren und effizient zu nutzen. Die temporäre synergetische Koordination von Teileinheiten bietet sich insbesondere dann an, wenn im Rahmen von spezifischen Projekten konzernübergreifend neue Inhalte generiert und unter einer gemeinsamen Marke vermarktet werden oder vorab definierte Synergiepotenziale genutzt werden sollten. Per definitionem besitzen solche überlagernden Gremien in Form von Projektteams oder Task Forces nur eine
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Vgl. hierzu grundlegend Steidl (1999), S. 176ff. Dies schließt daher nicht aus, dass auch Mitglieder aus Zentralbereichen in solchen Sekundäreinheiten mitwirken. Vgl. zudem Schanz (1994), S. 187. Vgl. Steidl (1999), S. 216ff. Dieses diskontinuierliche Tätigwerden kann dabei durchaus regelmäßig oder fallweise nach Bedarf erfolgen.
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Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
begrenzte Lebensdauer und werden nach Erfüllung der Aufgaben wieder aufgelöst.595 Im Vergleich zu den Synergieausschüssen eignen sich Synergieprojektteams insbesondere in Situationen, in denen ad hoc und für einen bestimmten Zeitraum eine neuartige und umfangreiche Zusammenarbeit von verschiedenen organisatorischen Einheiten erforderlich wird. Solche Projektteams sind oftmals auch stärker in die operative Umsetzung involviert, während der Fokus von Ausschüssen tendenziell eher in der Anbahnung und Koordinierung eines synergetischen Austausches liegt. 596 Im Hinblick auf das Zusammenspiel dieser beiden Typen ist festzustellen, dass Ausschüsse oftmals als Initiatoren für die Bildung teileinheitenübergreifender Projekte fungieren. Als eine der ersten Medienunternehmen setzte der Disney-Konzern konsequent die Mehrfachnutzung bekannter Inhalte und profilierter Marken um.597 Hierzu wurde in jedem Geschäftsbereich und in zahlreichen Landesgesellschaften Synergiebeauftragte ernannt, die einer Synergiegruppe untergeordnet sind, die direkt an den CEO berichten. Neben regelmäßigen Treffen der Geschäftseinheiten, bei denen neue Projekte vorgestellt und diskutiert werden, müssen die Geschäftseinheiten monatliche Berichte über ihre laufenden und geplanten Synergieinitiativen erstellen. Der dezentral strukturierte Medienkonzern Bertelsmann, dessen Teileinheiten eine sehr große Autonomie aufweisen, etablierte ebenfalls eine Reihe von überlagernden Synergieausschüssen, um eine synergetische Koordination seiner Inhalte und Marken zu realisieren.598 Im Mittelpunkt steht hierbei das Bertelsmann Corporate Network (BCN),599 das für konzernweite Aufgaben im Bereich der Unternehmens- und Strategieentwicklung zuständig ist:600 Neben der Entwicklung und Betreuung von Wachstumsprojekten steht insbesondere die Unterstützung unternehmensweiter 595
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Allerdings können solche temporären Projekte, z.B. bei einem entsprechenden Erfolg, durchaus einen dauerhaften Charakter annehmen (siehe neue Staffeln von Konzepten wie Big Brother oder Deutschland sucht den Superstar). Vgl. Steidl (1999), S. 235ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Brack (2002), S. 237f. Als Paradebeispiel wird vor allem die Vermarktung des Kinofilms „König der Löwen“ genannt. Vgl. ausführlich Schulze et al. (2005). Die Gründung erfolgte im Jahr 2000 unter dem damaligen Namen Bertelsmann Content Network als neues Vorstandsressort. Vgl. ausführlich Thielmann/Sieprath/Kaiser (2001). Bereits ein Jahr zuvor wurde die Bertelsmann University gegründet, um als nicht-hierarchische Plattform den internen und externen Wissensaustausch zu fördern. Im Jahr 2001 beschäftigte sich die zentrale Tagung der Bertelsmann University unter dem Motto „Content Meets Marketing“ mit den Möglichkeiten, wie die einzelnen Marken von Bertelsmann auf den verschiedenen Plattformen besser genutzt werden können, um unternehmensweite Synergie- und Wachstumspotenziale zu realisieren. Vgl. Bertelsmann AG (2001), S. 6. Der Leiter des BCN berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden des Konzerns, was die Bedeutung dieser Einheit unterstreicht.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
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Kooperationen und Synergien im Vordergrund. In diesem Sinne agiert das BCN als Katalysator für die Zusammenarbeit der Unternehmensbereiche, um die Verknüpfung von deren Inhalten, Marken, Dienstleistungen und Kundenbeziehungen601 zu initiieren und zu forcieren. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Marketing Synergy Committee etabliert, das die Vernetzung der Marken sowie die Realisierung von Cross-Promotion und Cross-Selling-Möglichkeiten unterstützen soll.602 Aufgrund der primär strategischen Rolle des BCN haftet den Synergieinitiativen allerdings eine gewisse „Halbherzigkeit“ an, denn weder besitzt das BCN Weisungsrechte gegenüber den Teileinheiten noch fand eine Einschränkung der Autonomie der Teileinheiten statt.603 Allerdings kann auch festgehalten werden, dass durch die Schaffung dieser konzernweiten internen Vernetzungen, die Nutzung und Vermarktung von zunächst getrennten Inhalten oder Marken wesentlich gefördert worden ist und somit wesentliche Synergien und neuartige Inhalteangebote generiert werden konnten. Die Realisierung von Synergiepotenzialen erfolgte dabei im Wesentlichen durch die Schaffung gemeinsamer (cross-medialer) Inhalte, durch den Austausch von Inhalten und durch die Kreation medienübergreifender neuer Marken.604 Ein herausragendes Beispiel für die Kombination dieser drei Ansatzpunkte ist das cross-mediale Produktkonzept der Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (DsdS), das durch seinen innovativen Charakter und konsequenten cross-medialen Ansatz sowie seinen wirtschaftlichen Erfolg als wegweisend für die Medienbranche beurteilt wird.605 In das Konzept war nicht nur der zu Bertelsmann gehörende TV-Sender RTL, der die zentrale Koordination und Leitung übernahm und in dem das Format auch ausgestrahlt wurde, involviert, sondern es wurden auch zahlreiche Bertelsmann-Firmen606 und wenige externe Partnerunternehmen607 miteinbezogen. Diese sollten vor allem durch plattformübergreifende Produktangebote (z.B. CD, Bücher, Kalender, Klingeltöne,
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In diesem Zusammenhang kann das vielzitierte Motto „content is king“ dahingehend ergänzt werden, dass insbesondere die zielgruppen-, nutzer- oder nutzungsspezifische Bereitstellung von content zum wichtigsten Erfolgsfaktor wird. Vgl. Thielmann/Sieprath/Kaiser (2001), S. 146. Vgl. Bertelsmann AG (2001), S. 6. Vgl. Brack (2002), S. 239. Vgl. Thielmann/Sieprath/Kaiser (2001), S. 147. Für eine hervorragende, ausführliche Analyse von DsdS vgl. Spiegel (2006), S. 213ff. sowie Köhler/Hess (2004). Z.B. VOX (TV), Freemantle Media und Grundy Light Entertainment (Produktion), BMG (Musik), Universum (Film bzw. DVD und VHS), Gruner + Jahr (Magazin und Buch) und Arvato (Druck). Z.B. Telekom und Vodafone (Telefon und Video on Demand) und Viva (TV).
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Konzerte, Votings) zusätzliche Umsatzpotenziale realisieren.608 Die grundlegende Zielsetzung bestand darin, sowohl die Marke als auch die dazugehörigen Inhalte konsequent und gezielt mehrfach zu nutzen.609 Die (erfolgs-)entscheidende Klammer für die Vielzahl der Einzelprodukte der verschiedenen Medienunternehmen bildete die Marke „Deutschland sucht den Superstar“. Wesentliche Erfolgsfaktoren waren hierbei die von Anfang an verfolgte Strategie, die Marke relativ breit anzulegen, sich auf eine bestimmte Zielgruppe zu fokussieren und die Marke cross-medial zu positionieren.610 Die Entwicklung und Umsetzung des Erfolgskonzeptes DsdS erfolgte im Rahmen eines Netzwerkes mit verschiedenen internen (Bertelsmann) und externen Partnerunternehmen, die gemeinsam ihre Ressourcen und Fähigkeiten in einer Projektorganisation bündelten. Beim Medienkonzern ProSiebenSat1.Media wurden ebenfalls zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um die synergetische Zusammenarbeit der verschiedenen Teileinheiten insbesondere im Bereich Multimedia voranzutreiben. Hierfür gibt es zum einen den institutionalisierten Austausch zwischen den einzelnen Markenabteilungen und Kreativabteilungen der Sender und der zentralen Multimediaeinheit. Letztere Einheit hat für die einzelnen TV-Sender entsprechende Multimediaabteilungen konfiguriert, die quasi an den jeweiligen Marken „andocken“ (also z.B. Kabel1 Multimedia). Damit soll erreicht werden, dass die relevanten Verantwortlichen aus beiden Einheiten in die Projektteams eingebunden werden, um von Anfang an die cross-mediale Vermarktungsmöglichkeit der Inhalte und vor allem der Marke zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist eine überlagernde Teileinheit geschaffen worden, die gewährleisten soll, dass diese einzelnen Plattformen bzw. Einheiten wiederum synergetisch zusammenarbeiten (z.B. Verwendung einheitlicher technologischer Plattformen oder Re-Brandingmöglichkeiten von Games für die verschiedenen TVSender). Grundsätzlich von zentraler Bedeutung ist, dass die beteiligten Unternehmen oder Teileinheiten am Erfolg partizipieren, um eine Zielkongruenz zu erreichen. Dies kann 608
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Von Interesse ist hierbei, dass ein Großteil der Erlöse aus diesen Zusatzangeboten und -services generiert wurde. Größter Einzelposten waren hierbei die CD-Umsätze mit rund 42 Millionen Euro. Im Vergleich beliefen sich die geschätzten Brutto-Werbeeinnahmen von RTL und Vox im gleichen Zeitraum auf ebenfalls rund 42 Millionen Euro. Vgl. Spiegel (2006), S. 237ff. In diesem Zusammenhang konnten auch medienspezifische Skalenvorteile genutzt werden, da die Fixkosten für den Markenaufbau und die First-Copy-Costs für die Inhaltegenerierung auf zahlreiche Medienprodukte mit entsprechenden Stückzahlen (aufgrund des großen Erfolges und der daraus resultierenden hohen Nachfrage) verteilt werden konnten. Vgl. Köhler/Hess (2004), S. 30.
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in Form von Kooperationsverträgen (z.B. mit Umsatzverteilung auf Grundlage des Projekterfolges) oder durch konzerninterne Regelungen gewährleistet werden. So betont der Marketingverantwortliche einer konzernübergreifenden Teileinheit die Notwendigkeit, solche Regelungen zu schaffen, um eine Win-win-Situation zwischen den Konzerntöchtern zu schaffen: „Wenn ein Sender oder ein Format originär was davon hat, wenn es das Diversifikationsthema mitdenkt, dann denkt es da auch gerne, als wenn es weiß, es spielt nur in andere Taschen“ (Quelle: E-22).
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die klare interne und ggf. externe Kommunikation des Ziels, Synergiepotenziale der Marken nutzen zu wollen. So wurde z.B. bei der ProSiebenSat1.Media-Gruppe die Diversifikation (insbesondere durch die crossmediale Vermarktung von Marken) als eines der drei wesentlichen Strategieziele kommuniziert. Bei börsennotierten Medienunternehmen wird damit indirekt auch eine entsprechende erwartete Honorierung durch den Kapitalmarkt deutlich.
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Ansatzpunkte indirekter Steuerung
Die Möglichkeiten der direkten Steuerung haben – wenn auch oftmals nur temporär begrenzt – eine Einschränkung der Autonomie und Autarkie der einzelnen Teileinheiten zur Folge. Zur Wahrung der organisatorischen Flexibilität können insbesondere indirekte Steuerungsmechanismen beitragen.611 Diese zielen nämlich darauf ab, die Denkweisen und Interessenlagen und somit die Handlungsorientierungen der jeweiligen Aktoren in den einzelnen Teileinheiten zu beeinflussen. Solche aktorenorientierte Ansatzpunkte setzen an der Ausgestaltung von Anreiz- und Sanktionssystemen oder der Personalpolitik an. Die Zielsetzung bei der Allokation der entsprechenden Anreize und Sanktionen besteht darin, eine Zielkongruenz zwischen den Eigeninteressen der Aktoren und den Erwartungen der Teileinheit, die mit ihrer strategischen Rolle zusammenhängen, herzustellen. Dies soll zum einen dadurch erreicht werden, dass die Manager im Sinne einer extrinsischen Motivation durch monetäre und nicht-monetäre Anreize incentiviert werden.612 So hat zum Beispiel der Bertelsmann-Konzern einen jährlich zu
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Vgl. hierzu und im Folgenden Ringlstetter (1997), S. 120ff. und Ringlstetter (1995), S. 212ff. Als Anreizsetzung für die Führungskräfte im Disneykonzern fließen z.B. erfolgreich umgesetzte Synergieaktivitäten im Rahmen der flexiblen Gehaltsstruktur als Prämien in die Vergütung ein. Zu weiteren Komponenten von Anreizsystemen vgl. Ringlstetter (1995), S. 214ff.
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vergebenen „Synergy Award“613 ausgelobt, der unternehmensweit mittlerweile nicht nur aufgrund seiner extrinsischen Anreize eine große Bedeutung einnimmt: „Der Bertelsmann Synergy Award: Das ist firmenintern der Adelsschlag. Wenn man im Bertelsmannreich auf sich aufmerksam machen möchte, dann ist das sicherlich keine schlechte Übung“ (Quelle: E-12).
Allerdings weist das Steuerungspotenzial von Anreiz- und Sanktionssystemen gewisse Dysfunktionen und Grenzen auf. Oftmals beruhen die Messkriterien nur auf „kurzfristigen“ Jahreszielen (z.B. Jahresgewinn oder -umsatz). Da der Aufbau und die Pflege von Marken einer längerfristigen Orientierung bedürfen, besteht die Gefahr, dass aufgrund solcher Kennzahlen Entscheidungen getroffen werden, die kurzfristig lohnenswert sind, aber längerfristig der Marke schaden. Das Risiko einer solchen dysfunktionalen Incentivierung wird dadurch verstärkt, dass die handelnden Personen mitunter nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können (Sanktionen), da negative Auswirkungen erst zu einem späteren Zeitpunkt evident werden. Ein erster Ansatzpunkt, solche Dysfunktionen zu vermeiden, liegt darin, als Bemessungsgrundlage strategische Erfolgskriterien heranzuziehen, die einen längerfristigen Charakter aufweisen (z.B. Entwicklung Markenimage) und insbesondere als Vorsteuergrößen Hinweise auf den Aufbau von zukünftigen Potenzialen geben.614 Einen weiteren Anknüpfungspunkt bieten darüber hinaus aktorenorientierte Ansätze, deren Fokus nicht auf der extrinsischen Motivation liegt. So zielen Maßnahmen der Personalpolitik vielmehr auf die intrinsische Motivation des Managements ab und sollen somit nicht nur deren Eigeninteressen, sondern auch deren Eigenlogiken beeinflussen.615 Zur Erzielung von Zielkongruenzen (im Sinne eines Alignment der Interessen) bieten sich vor allem personelle Verflechtungen (Personalunion) an, indem ein und derselben Person die Verantwortung in verschiedenen, zunächst durchaus konkurrierenden Teileinheiten übertragen wird. So ist zum Beispiel vorstellbar, dass auch Führungskräfte aus dem künstlerisch-journalistischen und kaufmännischen Bereich Leitungsaufgaben in Synergieausschüssen übernehmen. Weitere Maßnahmen umfassen die Personalauswahl und die Indoktrination.616 Während es bei Ersterer darum geht, die „richtige Person“ für die jeweilige Stelle zu finden, zielt die Letztere
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Vgl. Bertelsmann AG (2002), S. 3. Als problematisch erweist sich bei solchen strategischen Erfolgskriterien mitunter die Operationalisierbarkeit und damit Messbarkeit. Zu weiteren Ansatzpunkten zur Gestaltung von langfristig orientierten Anreizsystemen vgl. ausführlich Ringlstetter (1995), S. 216ff. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 121. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 130ff.
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darauf ab, durch spezifische Maßnahmen der Personalentwicklung (z.B. Schulungen, Vorträge, Traineeprogramme oder Personalrotation) die Handlungsorientierung der Personen zu verändern.617 Zusammenfassend kann Folgendes konstatiert werden: Aufgrund der inhärenten Synergiepotenziale von Marken und der markenkonstituierenden Medieninhalte ist es sinnvoll, eine überlagernde Synergiestruktur in Medienunternehmungen zu etablieren. Insbesondere zahlreiche Medienkonzerne (z.B. Disney, Bertelsmann oder ProSiebenSiebenSat1.Media) haben dieser Logik bereits Rechnung getragen und eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Synergiepotenziale besser zu realisieren. Im Rahmen einer synergetischen Koordination müssen freilich auch deren Kosten und Folgen berücksichtigt bzw. abgewogen werden. So stehen möglichen Vorteilen der Synergiewahrnehmung zusätzliche Kosten der Inflexibilität und Koordination,618 der mögliche Verlust von Differenzierungsvorteilen der Marke und der Verlust von Innovationskraft durch die Fokussierung auf Synergiethemen gegenüber. Obwohl es sich bei den beschriebenen Ansatzpunkten tendenziell eher um dezentrale Koordinationsmechanismen handelt, darf freilich nicht außer Acht gelassen werden, dass ein erheblicher gestaltender Einfluss durch die Unternehmensleitung erfolgt. „An dieser Tatsache relativiert sich freilich die Dezentralität und die Freiwilligkeit der Zusammenarbeit über Sekundäreinheiten relativ stark, so dass auch in dieser Hinsicht zu diagnostizieren ist, dass die (…) [S]trategie eines Synergiemanagements kaum ohne eine mehr oder weniger stark ausgeprägte zentrale Komponente zu verfolgen sein wird“ (Steidl 1999, S. 257).
Vor diesem Hintergrund ist es daher besonders wichtig, ein stark ausgeprägtes Markenbewusstsein – und daraus abgeleitet auch ein Bewusstsein zur Realisierung von Wachstums- und Synergiepotenzialen – in der gesamten Unternehmung zu verankern. Ein zentraler Ansatzpunkt, der dazu beitragen kann, soll nun im folgenden Abschnitt erläutert werden.
617 618
Zur Rolle des Placements von Humanressourcen und der Entwicklung von Stelleninhabern zur Unterstützung der Steuerung in Konzernen sei an dieser Stelle auf Backmann (2001), S. 60ff. verwiesen. Vgl. Steidl (1999), S. 174.
236
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
III.2.4
Markenleitbilder als Identifikationsanker für das Markenmanagement
Eine konsequente Umsetzung der markenbezogenen Aktivitäten und eine starke Verankerung der Markenorientierung innerhalb der Unternehmung können durch eine explizite Formulierung der Mission der Marke bzw. der Markenphilosophie gefördert werden. Diesem Zweck dient das Markenleitbild oder die Markenverfassung.619 Als „Identifikationsanker der Markenführung“620 gibt das Markenleitbild in kommunizierbarer Form die Grundideen des Selbstverständnisses der Marke und die Leitlinien für die zukünftige Entwicklung wieder.621 Das Leitbild bringt einerseits die zentralen konstitutiven Markenkompetenzen, die grundlegenden Wertevorstellungen, die Soll-Markenpositionierungen und das Verhältnis der Marke zu den wesentlichen internen und externen Betroffenen zum Ausdruck. Andererseits enthält es „vorauseilende“ Aussagen, die die zukünftigen Entwicklungsziele (z.B. Möglichkeit und Notwendigkeit von Markentransfers) und Visionen umfassen. Darüber hinaus sollte ein Markenleitbild neben rationalen Komponenten (z.B. hinsichtlich Markenverantwortlichkeiten und Regelungen) auch emotionale Elemente (z.B. Markenwerte) enthalten. Die Mehrheit der befragten Unternehmen in der empirischen Untersuchung weist jedoch kein explizit formuliertes Markenleitbild auf. Des Weiteren gibt es Medienunternehmen, die auch bewusst auf ein Markenleitbild verzichten. Die Entwicklung und Formulierung eines Markenleitbildes erscheint freilich, wie gerade ausgeführt worden ist, als ein wichtiger Ansatzpunkt zur Professionalisierung des Markenmanagements.622 Die Bedeutung eines solchen Markenleitbildes betont ein ehemaliger Fernsehmanager: „Es ist ohne Frage wichtig. Und ich habe auch gemerkt, wenn es fehlt, dass es von Nachteil ist. Es ist schon sehr wichtig, dass man eigentlich eine ganz klare Definition hat für alle Mitarbeiter. So ein Mission Statement ist sehr wichtig. Und wer das nicht hat, der kann sein Geschäft nicht machen. Sonst bleibt man im Vagen und im Diffusen. Und das 619 620 621
622
Synonym brand vision in der angelsächsischen Literatur. Vgl. Davis (2002), S. 35ff. und Chernatony (2006), S. 99ff. Meffert/Perrey (2005), S. 830. Vgl. dazu ausführlich Kirsch (2001), S. 240 ff. Das Markenleitbild umfasst die gedankliche Konzeption der Markenphilosophie im Sinne eines „genetischen Codes“ der Marke. Bei diesem Code handelt es sich um die wesensprägenden und essenziellen Eigenschaften der Marke, die die Stärke der Markenidentität determinieren. Vgl. Kapferer (1992), S. 110f. Auch Davis (2002), S. 37 hebt die Bedeutung eines Markenleitbildes für Unternehmen hervor: „[A] Brand vision is the most important statement your company can make about its future growth and direction.”
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Markenbild gilt es immer wieder zu schärfen. Und den wenigsten Sendern gelingt es, das 623 reinrassig zu erhalten und auch zu formulieren“ (Quelle: E-19).
Die Adressaten eines solchen Leitbildes sind zum einen diejenigen, die in der Unternehmung unmittelbar in den Markenprozess involviert sind. Allerdings sollte ein solches Markenleitbild durchaus allen Mitgliedern der Unternehmung zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus können weitere Adressaten Betroffene außerhalb der Unternehmung (z.B. Werbekunden oder Mediaagenturen) sein.624 Das Format des Leitbildes kann in Abhängigkeit des Adressatenkreises und des Zwecks unterschiedlich sein. Denkbar ist eine Differenzierung zwischen Kernleitbild, erweitertem Leitbild und kommentiertem Kernleitbild.625 Das Kernleitbild umfasst in knapper und überschaubarer Form die Kernaussagen zur Marke. Das erweiterte Leitbild konkretisiert die Kernaussagen durch erläuternde, vertiefende, ergänzende und kommentierende Aussagen. Mitunter kann es auch zweckmäßig sein, ein kommentiertes Leitbild zu erstellen, indem die detaillierten Aussagen des erweiterten Leitbildes zusammengefasst werden und zur kurzen Erläuterung der Kernaussagen dienen. Grundsätzlich trägt die anschauliche und plakative Darstellungsform dazu bei, die Markenorientierung innerhalb des Unternehmens zu festigen und die Identifikation und Motivation der Betroffenen zur Marke zu erhöhen sowie eine zielgerichtete Ausgestaltung der markenrelevanten Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Positionierung zu fördern. Wenn man die Überlegungen zum Markenleitbild weiter abstrahiert, lassen sich interessante Anknüpfungspunkte zur Weiterentwicklung der konzeptionellen Gesamtsicht herstellen, die im Hinblick auf eine Philosophie des strategischen Managements eine wichtige Rolle spielen. Um es kurz zu wiederholen: Ein strategisches Management liegt vor, wenn die strategische Führung in professioneller Weise erfolgt. Umfassende Konzeptionen einer solchen professionalisierten strategischen Führung werden als Philosophie eines strategischen Managements bezeichnet.626 Ein zentraler Bestandteil ist hierbei die Idee einer geplanten Evolution. Die einzelnen Schritte entspringen jedoch nicht einer reinen Anpassung aufgrund akuter Ereignisse oder Veränderungen im Umfeld der Unternehmung, sondern werden auch durch die konzeptionelle 623
624 625 626
Ein Verlagsleiter einer Zeitschrift forcierte für seine Zeitschrift die Formulierung der Leitlinien der entsprechenden Marke: „Aber mir war es schon wichtig, dieses Zeichen [das Niederschreiben und das interne Publizieren der Markenwerte, P.B.] zu setzen und ich war dann auch beharrlich mit einem Augenzwinkern“ (Quelle: E-5). Vgl. Davis (2002), S. 39. Vgl. Kirsch (2001), S. 242. Vgl. Kirsch (2001), S. 566f.
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Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Gesamtsicht gesteuert. In diesem Sinne können Elemente des Markenleitbildes also zu einer Modifikation oder vielmehr Konkretisierung der konzeptionellen Gesamtsicht führen.627 Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn im Rahmen des Markenleitbildprozesses neue Ideen aufgegriffen worden sind (z.B. durch Berater oder Wissenschaftler). Die Entwicklung und offizielle Verabschiedung eines Markenleitbildes weist freilich immer auch eine gewisse politische Dimension auf. 628 Dies kann dazu führen, dass letztendlich nur ein Teil der Vorschläge und Ideen in ihrer ursprünglichen Form in das Markenleitbild einfließen. Allerdings stößt schon der Ausarbeitungsprozess an sich wichtige Reflexionsprozesse innerhalb der Medienunternehmung an, weil man sich mit der gegenwärtigen und zukünftigen Rolle der Marke explizit auseinandersetzt.
III.2.5
Gestaltung von Managementsystemen für die Steuerung und das Controlling von Medienmarken
Im Fokus der abschließenden Überlegungen stehen die Steuerung und das Controlling von Medienmarken durch Managementsysteme. Zunächst werden die hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit zentralen relevanten Aspekte von Managementsystemen erörtert (1). Anschließend werden anhand der wesentlichen Gestaltungsdimensionen von Managementsystemen die medienmarken-spezifischen Ausgestaltungsmöglichkeiten dargestellt (2). Da der Betrieb und die Implementierung aber zu „Abwehrreaktionen“ in der Basisorganisation führen können, soll zum Abschluss sowohl auf die organisatorischen Implikationen von Managementsystemen als auch auf Ansatzpunkte zur deren Handhabung eingegangen werden (3).
(1)
Rolle von Managementsystemen
An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass sich viele Medienunternehmen dadurch auszeichnen, dass sie auf die Unterstützung von professionellen markenspezifischen Managementsystemen bewusst verzichten.629 Allerdings besteht die Gefahr, dass mit dem Überschreiten einer gewissen „Unübersichtlichkeit“ die 627 628 629
Umgekehrt ist ein Markenleitbild auch Ausdruck eines bestimmten Aspektes der konzeptionellen Gesamtsicht der Unternehmung. Vgl. Kirsch (2001), S. 252ff. Zum generellen Prozess der Erarbeitung eines Unternehmensleitbildes vgl. exemplarisch Kirsch (1997b), S. 98ff. Vgl. die empirischen Ergebnisse in Kapitel III.1.3 dieser Arbeit.
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Handlungsfähigkeit immer weiter eingeschränkt wird, und letztendlich das Überleben der Unternehmung gefährdet ist. Um diese Problematik zu überwinden, sprich bei den Bemühungen um eine Professionalisierung des Markenmanagements, können Managementsysteme wie Planungs- und Kontrollsysteme, Informations- und Dokumentationssysteme, Anreiz- und Sanktionssysteme sowie Management-Developmentsysteme wichtige Hilfestellungen leisten.630 Bei solchen Managementsystemen handelt es sich grundsätzlich „(…) um bewusst institutionalisierte Systeme, die (…) der Unterstützung der Führung auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Führungsbereichen des Unternehmens dienen“ (Kirsch/Maaßen 1989, S. 2).
Diese Managementsysteme produzieren gewisse „Outputs“ (bspw. Kontrollberichte oder strategische Pläne), die dann in den Führungs- und Entscheidungsstrukturen der Basisorganisation in unterschiedlichem Maße wirksam werden. 631 Für Medienunternehmen können zum Beispiel die Outputs eines Markencontrollingsystems von großer Bedeutung sein, da genauere Kennzahlen über die Performance der Marke vorliegen, und somit eine entsprechende Feinsteuerung erleichtern bzw. ermöglichen. Zum anderen kann ein professionelles Markenplanungsund Kontrollsystem für die unternehmerische Intuition und das Fingerspitzengefühl in Medienunternehmen im Hinblick auf strategische und operative Entscheidungen (Planungsfragen) unterstützend wirken. Die professionellere Planung gibt dabei einen Rahmen vor, welche die Planung systematischer, methodischer und zielgerichteter macht. Freilich lässt sich argumentieren, dass auch bei dem Einsatz professioneller Planungssysteme der Zufall durch den Irrtum ersetzt wird. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass man nur aus Irrtümern, nicht aber aus Zufällen lernen kann. In diesem Sinne eröffnen Planungs- und Kontrollsysteme die Möglichkeit, dass durch die kritische Überprüfung der Planprämissen Lernprozesse initiiert werden, die letztendlich der Medienunternehmung helfen, auf den hart umkämpften Märkten zu überleben, weil man sich im Rahmen der Planung intensiv mit den Marktgegebenheiten und möglichen Szenarien auseinandergesetzt hat.632 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass, unabhängig von der Größe der Medienunternehmung, eine
630
631 632
Die einzelnen Systeme bilden dann Bestandteile einer Gesamtarchitektur von Managementsystemen. In den jeweiligen Medienunternehmen liegen freilich individuelle Ausprägungen solcher Architekturen von Managementsystemen vor, die sich ständig weiterentwickeln. Vgl. hierzu ausführlich Kirsch (2001), S. 218 und Kirsch (1997), S. 187ff. Vgl. wiederum die Metapher der Ad-, Ab- und Resorption bei Kirsch (2001), S. 200f. Vgl. Kirsch (2001), S. 566.
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strategische bzw. unternehmenspolitische Rahmenplanung von essenzieller Bedeutung ist, denn diese ermöglicht es der Unternehmung besser zu beurteilen, „(…) ob die Identität des Unternehmens, die Persönlichkeit der Führungskräfte, die Strukturen und Führungsformen und die Situation auf den einzelnen Märkten und in der sonstigen Umwelt des Unternehmens zusammenpassen“ (Kirsch 2001, S. 559).
Eine solche unternehmenspolitische Rahmenplanung gibt der Medienunternehmung auch dann einen besseren Überblick, inwieweit operative bzw. strategische Managementsysteme etabliert werden müssen. Es wird hier also nicht postuliert, dass Medienunternehmen sofort alle nur denkbaren Managementsysteme installieren müssen, sondern es wird vielmehr die Ansicht vertreten, dass sich die Medienunternehmen immer wieder kritisch mit ihrer Rahmenplanung und der sozioökonomischen Umwelt auseinandersetzen sollen und dann entsprechend ihr „Managementsystem-Haus“ ergänzen bzw. fortentwickeln. Die Vorteile von speziellen Marken-Managementsystemen für Medienunternehmen können zusammenfassend an den drei Dimensionen Formalisierung, Systematisierung und Artikulierung festgemacht werden.633 Durch die Formalisierung werden bestimmte Strukturen, Prozeduren und Prozesse festgelegt, welche die Abläufe beispielsweise durch die Setzung von Deadlines beschleunigen können bzw. übersichtlicher machen oder Planungsdiskussionen einen gewissen Rahmen geben können. Mit einem höheren Grad an Systematisierung wird in der Medienunternehmung die Verwendung von Methoden und anderen betriebswirtschaftlichen Instrumenten gefördert. Durch die Dimension bzw. Eigenschaft Artikulation wird zudem gewährleistet, dass „(…) die entsprechenden Inhalte in der Organisation weiter diffundieren bzw. kommuniziert werden. Bislang eher implizite und weitgehend unreflektierte Aspekte sollen auf diesem Weg artikulationsfähig gemacht werden“ (Schütz 1998, S. 114).
Die Artikulation von neuen Blickwinkeln muss sich natürlich in Medienunternehmen nicht nur auf den kaufmännischen Bereich beschränken, sondern sollte auch den künstlerischen Bereich bzw. die Beziehung zwischen diesen beiden Bereichen (Systemen) thematisieren. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass im Rahmen der evolutionären Organisationstheorie Managementsysteme auch eine nicht unerhebliche interne Beobachterkategorie darstellen.634 Diese Systeme dienen als Vehikel, um reflektierende Beobachtungen anzustellen. Im Zuge dieser Beobachtun633 634
Vgl. Schütz (1998), S. 140. Für die Rolle und die Bedeutung von Beobachtern bzw. Beobachtungen im Rahmen der Ökologie des Wissens vgl. Kirsch (1997a), S. 318ff.
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241
gen wird Wissen aufgegriffen bzw. produziert, das in die Lebenswelt Medienunternehmung einfließt und in einem gewissen Umfang wirksam wird. 635 Dies treibt natürlich auch die Professionalisierung der Medienunternehmung voran und erhöht deren Überlebensfähigkeit.
(2)
Gestaltungsdimensionen von Managementsystemen
Bei der Ausgestaltung von Managementsystemen kann grundsätzlich zwischen den Gestaltungsdimensionen Format- und Betriebsdimension unterschieden werden (siehe Abbildung III-3).636 Gestaltungshebel für Managementsysteme
Formatdimension
Betriebsdimension
Strukturiertheit
Anwendungsreichweite
Hierarchiedynamik
Reichhaltigkeit
Anwendungsmodus
Abbildung III-3: Format- und Betriebsdimension als grundlegende Gestaltungshebel (Quelle: in Anlehnung an Backmann 2001, S. 58)
Formatierungskriterien betreffen die Strukturiertheit, die Reichhaltigkeit und die Anwendungsreichweite eines Managementsystems (a).637 Die Ausgestaltung dieser einzelnen Formatierungskriterien richtet sich maßgeblich nach der zugrunde liegenden Problemstellung, für deren Handhabung das jeweilige Managementsystem konzipiert worden ist.638 Die Betriebsdimension bringt den Anwendungsmodus und die Hierarchiedynamik eines Managementsystems zum Ausdruck (b).639
635 636 637 638
639
Vgl. Kirsch (1997a), S. 323. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 110ff. und ausführlich Ringlstetter (1995), S. 164ff. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 106 und Ringlstetter (1995), S. 198. In diesem Zusammenhang erfolgt vielfach eine Unterscheidung zwischen strategischen und operativen Systemen, ergebnisorientierten oder aktionsorientierten Systemen und Planungs- und Berichtssystemen. Vgl. hierzu ausführlich Ringlstetter (1995), S. 165f. Vgl. Backmann (2001), S. 57.
242
(a)
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Die Formatdimension von Managementsystemen
Die Strukturierung eines Managementsystems definiert die Verknüpfungsdichte und -logik der einzelnen Regelungen bzw. Themen.640 Eine quantitativ-logische Strukturierung zielt auf einen streng mathematisch herzustellenden Zusammenhang zwischen den Themen ab. Ein derartig ausgestaltetes Markenmanagementsystem würde z.B. auf einem Kennzahlenbaum bzw. -system beruhen, bei dem die nachgeordneten Kennzahlen einen (mathematisch) nachvollziehbaren Einfluss auf die übergeordneten Kennzahlen ausüben und somit klare „Wenn-dann-Aussagen“ möglich sind. Mit zunehmender strategischer oder qualitativer Ausrichtung, wie dies bei der Ermittlung von Markenwerten oftmals der Fall ist, stößt diese Strukturierungsoption freilich an ihre Grenzen. In den Vordergrund treten dann qualitativ-logische Strukturierungsformen. Im Hinblick auf die oftmals bemängelte fehlende Quantifizierbarkeit von Markenwerten bietet ein solcher Zugang einen Ansatzpunkt, Markenwerte zu erfassen und in einen logischen Zusammenhang mit anderen Markenwerten oder Kennzahlen zu stellen. Eine Möglichkeit besteht ferner darin, dass zunächst für die einzelnen Markenwerte ein qualitativ-logischer Zusammenhang hergestellt wird. Daran anschließend kann dann eine Quantifizierung dieser Kennzahlen erfolgen, um eine Messbarkeit und Vergleichbarkeit für deren Controlling herzustellen. Ein weiterer Gestaltungshebel ist die Reichhaltigkeit eines Managementsystems, die die Anzahl der enthaltenen Regelungen (z.B. Methoden oder Kennzahlen) zum Ausdruck bringt. Die Anwendungsreichweite von Managementsystemen legt deren Steuerungstiefe und Umfang fest.641 So ist einerseits festzulegen, welche Teileinheiten und operativen oder strategischen Bereiche von den Systemen betroffen sind, sprich die dem steuernden Einfluss des Systems unterliegen sollen. Andererseits ist zu bestimmen, welche spezifischen Zielkategorien für die einzelnen organisatorischen Stellen relevant sind. Während z.B. für die Marketingleitung weitgehend verhaltenswissenschaftliche Markenwerte im Vordergrund stehen, sind für die Unternehmensleitung eher finanzwirtschaftlichorientierte Markenwerte (z.B. Preisprämie oder monetärer Markenwert) ausschlaggebend. Für die Steuerung und Entwicklung von Marken sind dabei Referenzgrößen notwendig, die eine Bewertung der relativen Position der Marke im Vergleich zu anderen Bezugsgrößen erlauben. Bei solchen Referenzgrößen kann es
640 641
Vgl. hierzu und im Folgenden Backmann (2001), S. 57 und Ringlstetter (1995), S. 198. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 106 und Backmann (2001), S. 59.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
243
sich z.B. um Wettbewerbsmarken, andere Marken im Markenportfolio oder die Marke selbst im Zeitverlauf handeln. Insgesamt sollte eine professionalisierte Markensteuerung somit auf Markenwertindikatoren (wie z.B. Sympathie, Einzigartigkeit, Treue, Nutzwert, Glaubwürdigkeit etc.) einerseits und auf finanzielle (wie z.B. Werbebzw. Anzeigen-, Vertriebs- oder Merchandisingerlöse, Deckungsbeiträge, Umsatzrendite etc.) und nicht-finanzielle (wie z.B. Bindungsdauer der Abonnements, Marktabdeckung etc.) Kennzahlen andererseits zurückgreifen, um diese als Entscheidungsgrundlage in den einzelnen Phasen der Planung, Steuerung und Kontrolle der Marken zu nutzen.642 Demzufolge sollten diese Kennzahlen und deren Einflussgrößen im Managementsystem abgebildet sein. (b)
Die Betriebsdimension von Managementsystemen
Die Betriebsdimension eines Managementsystems lässt sich über die Perspektiven des Anwendungsmodus und der Hierarchiedynamik bzw. Ablauforganisation näher darstellen. Der Anwendungsmodus umfasst dabei den Zeitpunkt, den Zeitraum und die Art der Anwendung von Regelmehrheiten.643 Eine Konkretisierung dieser Aspekte ist über die zwei Dimensionen „involvierte Personen“ und „Zeitraum der Aktivierung“ möglich. Die erste Dimension betrifft die Konstanz oder Varianz des involvierten Personenkreises. Die zweite Dimension zielt darauf ab, ob eine permanente Aktivierung (diagnostische Nutzung) oder eine Aktivierung auf fallweiser Basis (interaktive Nutzung) erfolgt. Die Ergebnisse der Untersuchung belegen, dass in zahlreichen Medienunternehmen Managementsysteme in Form von Markenmodellen nur ad hoc genutzt werden. Andererseits ist insbesondere in großen Medienkonzernen festzustellen, dass markenspezifische Managementsysteme permanent in „Betrieb“ bzw. aktiviert sind. Die Ablauforganisation bringt zum Ausdruck, wie die zeitlichen Abläufe, Input-/ Outputverhältnisse, das Zusammenwirken der einzelnen Personen und Einheiten und insbesondere die Involvierung der Leitungseinheiten im Hinblick auf das Managementsystem geregelt sind.644 Bekannte Zugänge zur Konzeptionalisierung der Ablauforganisation stellen hierzu das Gegenstromverfahren645 oder die Hierarchiedynamik646 642 643 644 645
Die jeweiligen Kennzahlen sind freilich marken- und mediensegmentspezifisch anzupassen. Vgl. Backmann (2001), S. 59. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 172ff. Die idealtypische Variante des Gegenstromverfahrens konzipiert sehr umfassend sowohl das Zusammenwirken zwischen der Unternehmensleitung und Teileinheiten als auch innerhalb der
244
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
dar. Dem Begriff der Hierarchiedynamik ist hierbei inhärent, dass die Steuerungsstruktur als ein System aus vor- und nachgelagerten Einheiten (z.B. Leitungseinheit des Medienkonzerns, Leitungseinheit einer Teileinheit und fokale Leitungseinheit) rekonstruiert werden kann. Auf Basis einer solchen Hierarchie der Struktur kann darüber hinaus auch eine Hierarchie der Inhalte (z.B. Programme oder Budgets) festgelegt werden.647 In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass sich die Unternehmensleitung durch ihre Involvierung nicht nur auf die Konzeption und Implementierung von Managementsystemen beschränkt, sondern sich auch aktiv in den durch die Managementsysteme geprägten Entscheidungsprozess einschaltet und somit das Entscheidungsverhalten der Teileinheiten beeinflusst.648
(3)
Organisatorische Implikationen bei der Gestaltung von Managementsystemen
Die Ausdifferenzierung von Managementsystemen kann zu einer mehrschichtigen Organisation führen. Diese Organisationsschichten können in diesem Zusammenhang unterschiedlich stark miteinander verkoppelt sein (a). Der „laufende Betrieb“ und die Implementierung von solchen Managementsystemen können aber Immun- bzw. Abwehrreaktionen in den Basisorganisationen hervorrufen, die vor allem durch deren Eigensinn erklärbar sind. Zum Abschluss des Abschnittes sollen daher Ansatzpunkte zur Gestaltung von Managementsystemen zur Erleichterung von deren Implementierung und Betrieb aufgezeigt werden (b). (a)
Die Schichtenbetrachtung von Managementsystemen
Managementsysteme können nicht nur als unterstützende Instrumente oder Systeme, sondern vielmehr als zusätzliche Organisationsschichten in der Organisation verstanden werden, die die Basisorganisation und respektive deren Führungsstrukturen überlagern. Die Mitarbeiter können dabei verschiedene Rollen bzw. Funktionen sowohl in
646 647 648
Teileinheiten. Vgl. hierzu ausführlich Chakravarthy und Lorange (1991), S. 7ff. In der Unternehmenspraxis lassen sich daher meist verkürzte Verfahren rekonstruieren. Vgl. ausführlich Ringlstetter (1995), S. 174f. Vgl. Horváth (1989), Sp. 640. Vgl. Backmann (2001), S. 60. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 181ff. und die dortigen Ausführungen zu den Formen der Einflussnahme und Einflusstiefe der Unternehmens- bzw. Konzernleitung.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
245
der Basisorganisation649 als auch in den jeweiligen Managementsystemen übernehmen.650 In einer Unternehmung können dabei durchaus mehrere Managementsysteme, sprich mehrere Schichten übereinanderliegen, die untereinander aber insbesondere mit den Basisorganisationen mehr oder weniger verbunden sein können. Hieraus entstehen vielfältige Wechselbeziehungen, die dazu führen können, dass Führungs- und Entscheidungsstrukturen relativ kompliziert werden können. Diese Kompliziertheit resultiert auch daher, dass diese Organisationsschichten in unterschiedlichem Ausmaß miteinander verkoppelt sein können. Wie bereits in den Ausführungen immer wieder angeklungen ist, kann nämlich a priori nicht davon ausgegangen werden, dass Managementsysteme fester Bestandteil der Basisorganisation sind, d.h., dass neu implementierte Regelungen zunächst als Artefakte und noch nicht als gelebte Regelungen der (teil-)organisatorischen Lebenswelt charakterisiert werden können. Hinsichtlich der organisatorischen Anbindung von Managementsystemen kann allgemein zwischen den drei Eskalationsstufen Adsorption (Anlagerung), Absorption (Verschlingung) und Resorption (Verschmelzung) unterschieden werden.651 Eine Präzisierung dieser Stufen kann über die Dimensionen Entscheidungswirksamkeit der Systeme und Bedeutung für die Handlungsfähigkeit der betroffenen Teileinheiten erfolgen.652 Der Grad der Entscheidungswirksamkeit beschreibt, wie stark die Systeme und deren Outputs in der Teileinheit beachtet werden und somit die Entscheidungen signifikant beeinflussen. Der Einfluss der Systeme auf die Handlungsfähigkeit ist davon abhängig, inwieweit deren Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein die Steuerung positiv bzw. negativ beeinflusst (siehe Abbildung III-4).
649 650 651 652
Unter Basisorganisation versteht man vereinfacht die Organisation des laufenden Geschäftsbetriebs in den einzelnen Teileinheiten. Vgl. Kirsch/Maaßen (1989), S. 3. Vgl. Kirsch (2001), S. 197ff. Vgl. Kirsch (2001), S. 202. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 108.
246
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
hoch Resorbierte Managementsysteme Entscheidungswirksamkeit
niedrig
Absorbierte Managementsysteme Adsorbierte Managementsysteme
niedrig
Bedeutung für die Handlungsfähigkeit
hoch
Abbildung III-4: Eskalationsstufen organisatorischer Anbindung (Quelle: verändert aus Ringlstetter 1995, S. 192)
Konkret ausgedrückt: Sind Managementsysteme lediglich adsorbiert, weisen sie einen geringen Einfluss auf die Entscheidungswirksamkeit und Handlungsfähigkeit auf. In der vorliegenden Untersuchung sind dies zum einen monetäre Markenbewertungen, die z.B. auf Konzernebene durchgeführt werden und für die operativen Teileinheiten eine geringe Steuerungsrelevanz aufweisen. Im Gegensatz dazu liegt bei der Resorption eine hohe Bedeutung für die Entscheidungswirksamkeit und Handlungsfähigkeit vor. Ein Wegfall solcher Managementsysteme und deren Outputs würde zu erheblichen Beeinträchtigungen bzw. Steuerungskrisen in den betroffenen Einheiten führen. Einige Beispiele der empirischen Analyse zeigen auf, dass in einigen Medienunternehmen markenspezifische Managementsysteme durchaus eine solche Bedeutung aufweisen. Ein Ausfall absorbierter Managementsysteme würde die Handlungsfähigkeit zwar nicht zentral gefährden, aber dennoch einschränken. Die Entscheidungswirksamkeit weist ein mittleres Niveau auf. Grundsätzlich spielt das Verhalten des Top-Managements eine wesentliche Rolle, inwieweit solche Systeme in der Organisation aufgenommen werden. Erfolgt z.B. die Steuerung erkennbar über markenspezifische Managementsysteme durch die Unternehmensleitung, dann steigert dies die Akzeptanz in den Teileinheiten, da hierüber Einfluss – eine partizipative Konzipierung vorausgesetzt – ausgeübt werden kann und mitunter die Anreizsetzung an den Zielgrößen solcher Systeme festgemacht werden kann.
Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
(b)
247
Ansatzpunkte zur Gestaltung von Managementsystemen zur Erleichterung von deren Implementierung und Betrieb
Eine Reihe von Studien belegt, dass Markenmodelle und markenspezifische Managementsysteme in der Unternehmenspraxis nur sehr vereinzelt zum Einsatz kommen. Auch die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Analyse verstärken diesen Eindruck. Andererseits wurde darauf hingewiesen, dass nahezu alle Medienunternehmen Kennzahlen erheben, die zumindest mittelbar die Performance der Marke messen. Im Rahmen der vorgeschlagenen Etablierung solcher markenspezifischen Managementsysteme zur Professionalisierung des Markenmanagements ist es freilich möglich, dass die Basisorganisationen in einer Art „Immunreaktion“ auf diese Implementierungsversuche reagieren können.653 Solche Reaktionsmöglichkeiten umfassen zum einen eher passive Formen wie die Ignoranz oder die vordergründige Akzeptanz des neuen Managementsystems. Zum anderen können auch aktive Formen der Reaktanz wie verdeckter oder offener Widerstand der Teileinheiten auftauchen. Die Ursachen solcher Immunreaktionen können sowohl in den unterschiedlichen Eigenlogiken zwischen den Kontexten der Teileinheiten, des Managementsystems und der Leitungseinheit654 als auch in den Eigeninteressen der Teileinheiten begründet liegen. So ist vorstellbar, dass aufgrund inkommensurabler Eigenlogiken ein mangelndes Verständnis für die Notwendigkeit oder den Zweck von neuen Managementsystemen existiert.655 Darüber hinaus können neue Regelungen oder Systeme die (Eigen-)Interessen der Teileinheiten negativ beeinflussen (Problem der Zweckakzeptanz). Zentrale Herausforderung bei der Implementierung von Managementsystemen ist demzufolge die Handhabung der unterschiedlichen Eigenlogiken und Eigeninteressen. Eine Möglichkeit ist, die Managementsysteme an die betroffenen Teileinheiten und ihre Eigenlogik anzupassen.656 Damit wird gewährleistet, dass die Nachteile, die durch die Einführung eines standardisierten Managementsystems hervorgerufen würden (im
653 654 655 656
Vgl. Ringlstetter (1997), S. 117. In der Regel ist zu vermuten, dass die Eigenlogik des Managementsystems stark von der Eigenlogik derjenigen Leitungseinheit geprägt wird, die die Implementierung des Systems vorantreibt. Im Extremfall kann die Inkommensurabilität der Kontexte so weit ausgeprägt sein, dass eine Übersetzung zwischen den Kontexten praktisch unmöglich ist. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 117. Die folgenden Ausführungen beziehen sich vorwiegend auf Implementierungsoptionen für die Organisationsform des Konzerns. Da es sich bei den ausgesuchten Fällen in der vorliegenden Untersuchung aber größtenteils um Medienkonzerne (z.B. Pro7Sat1MediaGruppe, Burda-Gruppe oder Bertelsmann) handelt, kann von einer hohen Relevanz der aufgezeigten Möglichkeiten für diese Konzerne ausgegangen werden.
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Teil III: Strategien für die Entwicklung und das Management von Medienmarken
Sinne einer „Vergewaltigung“ der Teileinheiten und deren Eigenlogiken), weitgehend vermieden werden.657 Andererseits bringt dieses „Maßschneidern“ andere, nicht unerhebliche Nachteile mit sich. Die Anpassung der Managementsysteme kann zu Inkompatibilitäten führen, die sowohl die Vergleichbarkeit der Ergebnisse einschränken als auch die Koordination der Teileinheiten in erheblichem Maße erschweren. Weitere Ansatzpunkte können unter Rückgriff auf die Formatierungskriterien Strukturiertheit, Reichhaltigkeit und Anwendungsreichweite entwickelt werden.658 Eine erste Stellschraube setzt an den beiden ersten Dimensionen an. Im Rahmen der Flexibilisierung der Struktur von Managementsystemen können anwendungs- bzw. teileinheitenspezifische Gestaltungsspielräume geschaffen werden, um die Eigenlogiken besser zu berücksichtigen.659 Ein solcher Zugang bedeutet auch eine Abkehr von einer rein mechanistisch-strukturierten Betrachtungsweise von Managementsystemen in Richtung einer stärker organisch-strukturierten Sichtweise. Diese Form der Flexibilisierung kann auch dazu genutzt werden, die Bereiche oder Teileinheiten bei der bewussten Weiterentwicklung der Managementsysteme zu beteiligen. 660 Dies kann entweder ausschließlich der Initiative der Teileinheiten überlassen werden, oder der Prozess kann bewusst durch die Unternehmensleitung angestoßen und gefördert werden. Darüber hinaus kann eine Flexibilisierung des Aktivierungsmodus vorgenommen werden, um Managementsysteme nur fallweise zu aktivieren. Dies betrifft vor allem solche Managementsysteme, die in Verbindung mit der Generierung von Entscheidungsprämissen relevant werden und eine gewisse zeitliche Stabilität aufweisen. Als zweite Stellschraube bietet sich die Variation der Anwendungsreichweite an. Die Variationsmöglichkeiten beziehen sich sowohl auf die zeitliche Frequenz (z.B. regelmäßig oder problemorientiert) als auch auf die Auswahl der betroffenen Teileinheiten (alle oder ausgewählte).661 Die geschilderten Ansatzpunkte führen freilich dazu, dass die Einflussmöglichkeiten der Unternehmensleitung verringert werden, aber die Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeiten von Aktoren in den Teileinheiten vergrößert werden. Eine Möglichkeit, die Denkweisen und Eigeninteressen dieser
657
658 659 660 661
Vgl. Ringlstetter (1995), S. 195f. Zu den grundsätzlichen Möglichkeiten der standardisierten (standardized) und maßgeschneiderten (taylormade) Managementsystemausgestaltung vgl. ebenso Chakravathy/Lorange (1991), S. 95ff. Siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel III.2.5 (2). Vgl. Ringlstetter (1995), S. 201f. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 203f. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 204ff.
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Aktoren dennoch nachhaltig zu beeinflussen, bieten die bereits diskutierten aktorenorientierten Ansätze an.
250
Schlussbetrachtung
SCHLUSSBETRACHTUNG Marken spielen in der Medienindustrie eine wesentliche Rolle und sind eine zentrale Gestaltungsvariable von Medienunternehmen. Erstaunlicherweise ist ein medienspezifisches Markenmanagement in der Unternehmenspraxis z.T. noch gering ausgeprägt. Darüber hinaus ist das Thema Medienmarke erst in den letzten Jahren verstärkt in der Wissenschaft virulent geworden. Zielsetzung dieser Arbeit war es deshalb, sich mit diesem Themengebiet theoretisch und empirisch auseinanderzusetzen und aus strategischer Perspektive Ansatzpunkte für eine Professionalisierung des Markenmanagements in Medienunternehmen zu erarbeiten. Im Folgenden sollen die zentralen Ergebnisse und ihre Bedeutung für die Forschung und die Unternehmenspraxis noch einmal in komprimierter Form rekapituliert werden (1). Daran anschließend werden im Ausblick Implikationen für die Unternehmenspraxis und mögliche Ansatzpunkte für weitere Forschungsbemühungen in diesem Themenfeld aufgezeigt (2).
(1)
Zusammenfassung zentraler Ergebnisse
Im ersten Teil wurde zunächst ein Grundverständnis über die grundlegenden Charakteristika der Medienbranche, die Besonderheiten von Mediengütern und über das Begriffsverständnis und die Funktionen von Medienmarken geschaffen. So weisen Mediengüter zum Beispiel neben Sachgüter- auch Dienstleistungsgütereigenschaften auf. Bei Mediengütern handelt es sich um eine Kombination von Inhalten und einem entsprechenden Träger- oder Übertragungsmedium. Demzufolge sind die Medieninhalte, die auch ein konstitutives Element von Medienmarken darstellen, nicht ausschließlich an bestimmte Medien gekoppelt. Zudem ist zu beachten, dass einige Medienunternehmen gleichsam auf zwei Absatzmärkten agieren. Ihre Zielgruppen sind sowohl die Konsumenten als auch werbetreibende Industrie, die die Medien als Plattform für ihre Werbebotschaften nutzt. Ein Markenmanagement muss demnach diese Aspekte bei der Konzipierung und Umsetzung seiner Markenstrategie berücksichtigen. Generell ist festzustellen, dass sich Medienmarken in einem Kontinuum von einer physischen und medienspezifischen bis hin zu einer nicht-physischen oder medienunabhängigen Form manifestieren. Unter Abgrenzung zu verschiedenen Ansätzen werden in dieser Arbeit als Medienmarken Mediengüter mit einer unterscheidungsfähigen Markierung bezeichnet, die durch ein systematisches Absatz-
Schlussbetrachtung
251
konzept in der Psyche der Nachfrager mit einem unverwechselbaren Vorstellungsbild fest verankert sind und einen nachhaltigen Erfolg im Markt realisieren. Analog zu anderen Industrie- und Dienstleistungsbranchen erfüllen auch in der Medienbranche Marken eine Vielzahl an wichtigen Funktionen für die Konsumenten, die Werbekunden, den Handel und die Medienunternehmen. Aus der Unternehmensperspektive tragen profilierte Medienmarken u.a. zur Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern, zur Erhöhung des preispolitischen Spielraums, zur Absatzförderung, zur Erschließung von Wachstumspotenzialen und zur erleichterten Akquisition von Ressourcen auf den Beschaffungsmärkten (z.B. Personal und Kapital) bei. Vor allem die großen Medienkonzerne weisen mittlerweile ein umfangreiches Portfolio an Medienmarken auf. Dies führt dazu, dass zum einen Marken auf unterschiedlichen Hierarchieebenen innerhalb der Unternehmen angeordnet sind, was zu hierarchischen Über- bzw. Unterordnungsverhältnissen führt. Zum anderen ist zu beobachten, dass Marken (z.B. Produkt- und Unternehmensmarke oder Produkt- und Unternehmensbereichmarke) miteinander kombiniert werden. So steht z.B. das Management von TV-Sendern vor der Herausforderung, nicht nur die Sendermarke, sondern gleichzeitig auch die verschiedenen Format- und Persönlichkeitsmarken zu steuern und zu entwickeln, um im Rahmen eines abgestimmten Dreiklangs der drei Marken die notwendige Aufmerksamkeit bei den relevanten Marktteilnehmern zu erlangen. Im zweiten Teil wurde die Rolle von Marken als zentrale Gestaltungsvariable in Medienunternehmen detailliert untersucht. Hierzu erfolgte eine Analyse der Geschäftsmodelle im Hinblick auf die Relevanz und Rolle von Marken. Der Fokus lag dabei auf den vier zentralen Dimensionen Leistungsspektrum, Erlösmodelle, Wertschöpfungsstrukturen und Kostenstrukturen. Hierbei zeigte sich, dass die Value Proposition des Unternehmens, sprich das angebotene Leistungsspektrum, in erheblichem Maße durch die kaufrelevanten Eigenschaften (z.B. Nutzen-, Qualitäts- und Unterhaltungsversprechen) der Marke determiniert wird. Im Hinblick auf die Erlösmodelle ist zu konstatieren, dass sich die Stärke einer Marke natürlich positiv auf die verschiedenen Erlösquellen der Medienunternehmung auswirkt, indem sich der preispolitische Spielraum auf den Absatz- und Werbemärkten erhöht und eine umfangreiche Rechteverwertung möglich ist. Darüber hinaus spielen Marken in den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette (u.a. Inhaltegenerierung, Paketierung und Distribution) eine maßgebliche Rolle, was für Medienunternehmen unterschiedliche Implikationen hat. So müssen insbesondere Medienunternehmen im Buch-, Musikund Filmbereich ggf. darauf achten, Marken in Form von profilierten Autoren,
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Schlussbetrachtung
Regisseuren, Schauspielern oder Musikern bei der Produkterstellung miteinzubeziehen. Während im Belletristik-Bereich die „Marke“ Autor bei der Auswahl seitens des Konsumenten wesentlich entscheidender ist als die Marke des Buchverlages, ist hingegen im Ratgeber- und Fremdsprachenbereich die Relevanz von Verlagsmarken wesentlich höher. Im Zeitschriften- und Zeitungsbereich sind in der Regel die Formatmarken ausschlaggebend, d.h., wer die Inhalte letztendlich erstellt, ist für den Leser relativ nachrangig. Des Weiteren ist festzustellen, dass sich die Marken mittlerweile über mehrere Mediengattungen bzw. Kanäle erstrecken. Dies impliziert zum einen die entsprechende (Re-)Konfiguration der Organisationsstruktur und der Wertkette und zum anderen die jeweils medienspezifische Deklination der Markenattribute. Im Rahmen der Ausführungen des zweiten Teils wurden darüber hinaus die Potenziale von Marken für Medienunternehmen identifiziert und dargestellt. Die Analyse erfolgte auf der einen Seite aus einer aufmerksamkeitsorientierten Perspektive. Im Fokus stand hierbei die Rolle von Marken als Generierer von Aufmerksamkeit und Markenwerten. Die Ressource Aufmerksamkeit ist hierbei als ein knappes Gut zu verstehen und die Aufmerksamkeit von Konsumenten und anderen relevanten Akteuren wird somit quasi zur Vorsteuergröße für den betriebswirtschaftlichen Erfolg von Medienunternehmen. Profilierte Medienmarken weisen hierbei ein großes Potenzial auf, eine entsprechende Aufmerksamkeit zu kanalisieren. In diesem Sinne können Markenwerte auch als Ausdruck bzw. Ergebnis einer entsprechend generierten Aufmerksamkeit verstanden werden. Auf der anderen Seite wurden Medienmarken aus einer ressourcenorientierten Sichtweise beleuchtet, die insbesondere die Wachstumsund Synergiepotenziale von Marken analysierte. Demzufolge ist die Medienmarke – im Sinne einer strategischen (immateriellen) Ressource im Zusammenspiel mit anderen markenspezifischen Kernkompetenzen662 – der Ausgangspunkt zum einen von Wettbewerbsvorteilen und zum anderen von synergetischer Koordination. Insbesondere die zahlreichen Markenexpansionsstrategien sind gleichsam Ausdruck und Beleg einer solchen synergetischen Mehrfachverwertung bzw. -verwendung und Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen von Marken.
662
Freilich sind nicht nur die Ressourcen entscheidend, sondern auch deren Verwendung und Weiterentwicklung durch das Unternehmen. Neben dem Verständnis für die relevanten Kausalzusammenhänge spielt auch das richtige „Händchen“ oder „Gespür“ eine Rolle: „RBV theorists have argued persuasively that competitive advantage results from superior knowledge, or luck, or a combination of the two“ (Priem/Butler 2001, S. 36, Hervorhebungen P.B.).
Schlussbetrachtung
253
Im Mittelpunkt des empirischen Prologs standen die Methodologie und das Untersuchungsdesign der empirischen Studie. Für die Untersuchung wurden als Erhebungsmethode das Experteninterview und die qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode verwendet. Für die empirische Untersuchung wurden insgesamt 31 Experten befragt. Hierbei handelte es sich zum einen um Markenverantwortliche (Geschäftsführer, Verlagsleiter, Brand Manager, Redakteure) von großen deutschen Medienunternehmen aus unterschiedlichen Branchen (u.a. Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen, Buch und Musik). Zum anderen wurden Marken- und. Medienexperten aus Professional Service Firms befragt. Die Interviews wurden mit Hilfe eines strukturierten Interviewleitfadens durchgeführt. Die Berücksichtigung der wesentlichen (qualitativen) Gütekriterien sollte dazu beitragen, die Güte der vorliegenden Forschungsergebnisse zu erhöhen bzw. zu gewährleisten. Im dritten Teil wurden die Ergebnisse der empirischen Studie unter Rekurs auf die theoretisch-konzeptionellen Vorüberlegungen kategorisiert und diskutiert sowie Ansatzpunkte für eine Professionalisierung von Medienunternehmen entwickelt. Bei der empirischen Analyse war aufschlussreich, dass das Markenbewusstsein in allen Mediensegmenten durchaus sehr ausgeprägt ist, allerdings der Grad der Markenausprägung sowohl zwischen als auch innerhalb von Mediensegmenten und Medienunternehmen gewisse Schwankungen aufweist. Darüber hinaus zeigten die Analysen deutlich, dass in vielen Medienunternehmen keine markenspezifischen Managementsysteme existieren, die eine Steuerung und Führung sowie das Controlling von Medienmarken erleichtern. In diesem Zusammenhang kann konstatiert werden, dass ein Markencontrolling nur eingeschränkt erfolgt. Zwar wird auf segmentsspezifische Kennzahlen (wie z.B. Reichweiten, Auflagen etc.) zurückgegriffen, allerdings herrscht in der Unternehmenspraxis oftmals ein Markenmanagement qua „Bauchgefühl“ vor. Die Analyse bestätigte hingegen auch, dass in Teilen der untersuchten Medienunternehmen durchaus markenspezifische Daten erhoben und analysiert werden. Insgesamt zeigte sich ein sehr heterogenes Bild im Hinblick auf die Ergebnisse der empirischen Analyse. Vereinzelt findet sich durchaus eine Reihe von Indizien – im Sinne von Instrumenten, Organisationsstrukturen und Prozessen –, die auf einen ausgeprägten Professionalisierungsgrad schließen lassen. Anderseits verdeutlichte die Untersuchung das Professionalisierungspotenzial in vielen Medienunternehmen im Hinblick auf ein strategisches Management von Medienmarken. Einen grundsätzlichen Ansatzpunkt zur Schaffung bzw. Stärkung eines Markenbewusstseins in Medienunternehmen stellt die Formulierung von Markenleitbildern
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Schlussbetrachtung
dar, die in diesem Zusammenhang als Identifikationsanker ein wichtiges Vehikel zur Etablierung und Verankerung einer solchen Markenorientierung sein können. Einen weiteren Ansatzpunkt bietet ein (voll entfaltetes) strategisches Markenportfoliomanagement als eine idealtypische Konfigurationsoption eines Portfoliomanagements, das gleichsam ein hohes Maß an Portfolioflexibilität und institutionalisierte Anknüpfungspunkte zur Realisierung von Synergien zwischen den einzelnen Marken und Teileinheiten ermöglicht. Die Konzeption und Umsetzung von Markentransfers erfordert eine cross-mediale Herangehensweise, die z.B. im Printbereich dadurch sichergestellt werden kann, dass eine integrierte Redaktion etabliert wird, in der die Redakteure cross-medial zusammenarbeiten. Im Rahmen der strategischen Positionierung und der Festlegung der Erweiterungskategorie gilt es darüber hinaus, für eine Evaluierung neben dem Bauchgefühl auch auf quantitative oder qualitative Messungen zurückzugreifen. Eine Zielsetzung des strategischen Managements von Markenportfolios und Markendehnungen ist es, die inhärenten Synergiepotenziale von Marken zu realisieren. Grundsätzlich sollten die Professionalisierungsbemühungen daher auch darauf ausgerichtet sein, die notwendigen organisatorischen und prozessualen Voraussetzungen bzw. Maßnahmen für eine synergetische Koordination zu schaffen. Hierbei bieten sich sowohl direkte (z.B. Etablierung von Synergieausschüssen oder Synergieprojektteams) als auch indirekte (z.B. Anreiz- und Sanktionssysteme oder Personalpolitik) Steuerungsmechanismen an. Einen weiteren Ansatzpunkt liefern schließlich Überlegungen hinsichtlich strategischer und operativer Managementsysteme. Die Konfigurationsoptionen der wesentlichen Gestaltungsdimensionen von Managementsystemen ermöglichen in diesem Zusammenhang eine medienmarken-spezifische Ausgestaltung der fokalen Managementsysteme, um die Steuerung und das Controlling von Medienmarken zu professionalisieren.
(2)
Ausblick
Eine Zielsetzung dieser Arbeit war es, durch den starken Einbezug der Unternehmenspraxis im Rahmen der empirischen Studie praxisbezogene Erkenntnisse zu gewinnen und daraus praxisrelevante Ansatzpunkte zu entwickeln. In diesem Sinne soll auch ein Beitrag zur Abmilderung der Selbstreferentialität der Forschung geleistet werden.663
663
So mahnt Siggelkow an: “If theory talks only to theory, the collective research exercise runs the danger of becoming self-referential and out-of-touch with reality, of coming to be considered irrelevant” (Siggelkow 2007, S. 23).
Schlussbetrachtung
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Die Anschlussfähigkeit an die vorhandene Literatur ist dadurch gewährleistet, dass die theoretisch-konzeptionellen Ausführungen unter Rückgriff auf prominente markenrelevante Forschungsansätze erfolgt sind. Darüber hinaus wurden „neuere“ Forschungsdisziplinen herangezogen, um das Thema Medienmarke zu beleuchten. Die Ansatzpunkte sind nicht mediensegmentspezifisch, sondern weisen eher einen mediensegmentübergreifenden Charakter auf. In dieser Hinsicht bieten sich Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsbemühungen an. Einen Anknüpfungspunkt bietet die Möglichkeit, den Fokus ausschließlich auf ein Mediensegment zu legen, um segmentspezifische Herausforderungen des Markenmanagements wie z.B. die Online- oder die cross-mediale Markenführung zu untersuchen. Hinsichtlich der Bedeutung von mediensegmentübergreifenden Marken rücken die organisatorischen und prozessualen Anforderungen an eine cross-mediale Markenführung stärker in den Vordergrund. Im Rahmen dieser Arbeit wurden in einem ersten Zugang ausgewählte Facetten von operativen und strategischen Verfahren zur Messung der Markenperformance erörtert. Insbesondere medienmarkenspezifische monetäre Bewertungsverfahren und Controllingkonzeptionen bieten daher ein spannendes und noch relativ unbesetztes Forschungsfeld. Im Laufe der Ausführungen wurde vielfach die Bedeutung der Medieninhalte als zentrales markenkonstituierendes Element hervorgehoben. Ein äußerst interessantes und relevantes zukünftiges Forschungsfeld wird daher die Themen Innovationsstrukturen und Innovationsprozesse von Medieninhalten und deren Effektivität und Effizienz umfassen, um sicherzustellen, dass innovative Medieninhalte zur Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern generiert werden können. Medienspezifische Ansätze gibt es in diesem Forschungsgebiet bislang kaum. Es eröffnet sich daher eine Reihe von Ansatzpunkten für etwaige Forschungsbemühungen.
Anhang
257
ANHANG
Anhang 1: Basisdesigns in der qualitativen Forschung Als Basisdesigns qualitativer Forschungsprozesse unterscheidet Cresswell (1998) zwischen Fallstudien, Vergleichsstudien, retrospektiven Studien, Längsschnittstudien und Momentaufnahmen.664 Gegenstand einer Fallanalyse können grundsätzlich einzelne Personen oder Personengruppen, soziale Gemeinschaften, Organisationsstrukturen und Unternehmen sein. Bei der Fallstudie (case study) wird ein Fall in seiner Ganzheit und Komplexität genau rekonstruiert. Sie eignen sich besonders für das genaue Erklären und/oder Verstehen eines Falls aus der Außen- und/oder Binnenperspektive.665 Aus einzelnen Fällen können – trotz scheinbar mangelnder Repräsentativität – aufgrund ihrer Einzigartigkeit oder „specialness“ wichtige Erkenntnisse gewonnen werden.666 Vergleichsstudien (comparative case studies) zielen hingegen darauf ab, eine Vielzahl an Fällen im Hinblick auf bestimmte Ausschnitte und Fragestellungen zu untersuchen:667 im Rahmen dieser Arbeit also das spezifische Wissen von Experten zum Markenmanagement in Medienunternehmen. Die spezifischen Inhalte werden dann später komparativ oder kontrastierend gegenübergestellt. Eine Mischform der beiden vorgestellten Methoden stellt der Vergleich mehrerer einzelner Fallstudien dar. Diese werden zunächst einzeln rekonstruiert, um dann später vergleichend gegenübergesellt zu werden. Charakteristisch für retrospektive Studien ist, dass rückblickend vom Untersuchungszeitpunkt bestimmte Ereignisse, Prozesse und Strukturen rekonstruiert und analysiert werden. Die biografische Forschung steht exemplarisch für dieses retro664 665
666
667
Vgl. im Folgenden Cresswell (1998) und Flick (2000a), S. 253ff. Für eine ausführliche Darstellung von Längsschnitt- und Querschnittstudien sei insbesondere auf Daumenlang (1999) verwiesen. Vgl. Yin (1981), der auf folgendes zentrales Charakteristikum von case studies hinweist: „As a research strategy (…) it attempts to examine (a) a contemporary phenomenon in its real-life context, especially when (b) the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident. Experiment differ from this in that they deliberately divorce the phenomenon from its context” (Yin 1981, S. 59). Vgl. Siggelkow (2007), S. 20f. Für die Bedeutung von case studies als Ausgangspunkt für die Generierung von Theorien vgl. Eisenhardt (1989) und Eisenhardt/Graebner (2007). „ A major reason for the popularity and relevance of theory building from case studies is that it is one of the best (if not the best) of the bridges from rich qualitative evidence to mainstream deductive research. It emphasis on developing constructs, measures, and testable theoretical propositions makes inductive case research consistent with the emphasis on testable theory within mainstream deductive research“ (Eisenhardt/Graebner 2007, S. 25). Vgl. Yin (1981), S. 63f. und Eisenhardt (1989), S. 540f.
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Anhang
spektive Forschungsdesign. Wichtige Parameter für dieses Untersuchungsdesign sind die Auswahl der aussagekräftigen Zielpersonen, die Definition der Vergleichspersonen, die begründete Eingrenzung des Zeitraums und der Einbezug von zusätzlichen Quellen und Dokumenten. Längsschnittstudien zielen hingegen darauf ab, das interessierende Forschungssubjekt oder -objekt auch zu einem späteren Erhebungszeitpunkt erneut zu untersuchen. In der qualitativen Forschung findet diese Untersuchungsform in der Regel explizit kaum statt. Implizit wird eine Längsschnittperspektive in der Regel dadurch erreicht, dass der Forscher für einen zeitlich begrenzten oder wiederholten Zeitraum am organisatorischen oder sozialen Geschehen teilnimmt. Momentaufnahmen bzw. Querschnittsstudien stellen demgegenüber Zustands- und Prozessanalysen zum Zeitpunkt der Untersuchung dar.668 Diese zustands- und prozessorientierte Vorgehensweise weist einen starken Gegenwartsbezug auf, da im Fokus Ablauf und Zustandsbeschreibungen aktueller Ereignisse stehen. Allerdings fließen in diese aktuelle Beschreibung auch Elemente retrospektiver Rekonstruktionen in Form von Beispielen aus früheren Zeitpunkten ein. Der grundlegende forschungsökonomische Vorteil dieses Forschungsdesigns – vor allem im Hinblick auf das vorliegende Untersuchungsvorhaben – liegt darin, dass die Informationen bei den Interviewpartnern nur einmal erhoben werden müssen, dass sich der Umfang der Stichprobe im Verlauf der Untersuchung nicht verändern kann, wie dies bei Längsschnittstudien der Fall ist, und dass die Durchführung der Untersuchung relativ kurz und wenig personalintensiv ist.669 Die nachfolgende Abbildung ordnet zusammenfassend die dargestellten Basisdesigns entlang der Dimensionen Umfang und betrachteter Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Studie (siehe Abbildung AH-1).
668 669
Die Beobachtungen und die Erhebung der Daten kann nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern auch innerhalb einer sehr begrenzten Zeitspanne erfolgen. Vgl. Daumenlang (1999), S. 309. Vgl. Daumenlang (1999), S. 309f., der neben den Vorteilen auch die Nachteile (z.B. methodische Einwände) dieser Methode aufführt.
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Umfang der Studie
Anhang
Forschungsdesign der Studie
Vergleich
Mehrere Fälle
Ein Fall
Retrospektive
Momentaufnahme
Längsschnitt
Zeitpunkt/Zeitraum der Studie
Abbildung AH-1: Basisdesigns in der qualitativen Forschung (Quelle: stark verändert aus Flick 2000b, S. 257)
Die vertikale Achse zur Ordnung qualitativer Forschungsdesigns gibt primär die Anzahl der untersuchten Fälle wider. Zum anderen fließt aber auch die Untersuchungstiefe mit ein, d.h., wurde der Fall in seiner Ganzheit (z.B. Fallstudie) rekonstruiert oder erfolgte die Fokussierung auf bestimmte Fragestellungen in mehreren Fällen (z.B. Vergleichsstudie). Die horizontale Achse verläuft entlang der zeitlichen Dimension von retrospektiven Analysen über Momentaufnahmen zu Längsschnittstudien. Grundsätzlich entscheidet die Wahl des Forschungsdesigns über die Konzeption der Datenerhebung und -analyse, die Auswahl des empirischen Materials und die notwendigen zeitlichen, personellen und materiellen Ressourcen. Das Design einer Studie beeinflusst somit auch die Struktur und den Ablauf des Forschungsprozesses.670 Generell kann es im Laufe des Forschungsprozesses zu Rückkoppelungen kommen, in denen Erkenntnisse und Erfahrungen aus späteren Phasen genutzt werden, um frühere
670
Die Struktur des vorliegenden Forschungsprozesses lässt sich in die folgenden sechs Elemente unterteilen: die Formulierung des Forschungsproblems und der Untersuchungsfrage sowie die daraus folgende Entscheidung für die Erklärungsstrategie (1), die theoretischen Vorüberlegungen und die Ableitung der zentralen Forschungsleitfragen (2), die Untersuchungsstrategie (3), die Erhebung der Daten (4), die Auswertung der Daten (5) und die Interpretation der Ergebnisse (6). Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 31ff. Ähnlich strukturiert Diekmann (2005), S. 162ff. den Forschungsprozess, wobei er allerdings die Hauptphasen weiter ausdifferenziert.
260
Anhang
Entscheidungen anzupassen oder bestimmte Aspekte zu vertiefen (z.B. weitere Interviews in derselben Unternehmung).671
671
Diese Vorgehensweise ist „nur aus einer abstrakten philosophischen Perspektive problematisch, die darin einen Mangel an methodologischer Strenge sieht. Vom Standpunkt der Forschungspraxis wäre es geradezu unsinnig, im Verlauf des Forschungsprozesses erworbenes Wissen nicht zu benutzen, um den Forschungsprozess zu qualifizieren“ (Gläser/Laudel 2004, S. 33f.).
Anhang
261
Anhang 2: Methodologische Einordnung von Experteninterview und qualitativer Inhaltsanalyse Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Vielfalt der qualitativen Erhebungs(1) und Auswertungsmethoden (2) gegeben. Hierbei erfolgt die methodologische Einordnung der verwendeten Methoden Experteninterview und qualitative Inhaltsanalyse. Daran anschließend wird die konkrete Auswahl der gewählten Methoden aus den verschiedenen Varianten anhand inhaltlicher bzw. methodischer und forschungsökonomischer Kriterien begründet (3).
(1)
Qualitative Erhebungsmethoden
Bei den qualitativen Erhebungsmethoden wird in der Literatur grundsätzlich zwischen Befragungsmethoden und Beobachtungsmethoden unterschieden.672 Die für diese Untersuchung in Frage kommenden Erhebungsmethoden (Experten-)Interview, teilnehmende Beobachtung und die Gruppendiskussion sollen in diesem Abschnitt kurz skizziert werden.673 Die Befragung ist die am häufigsten genutzte Methode der empirischen Sozialforschung.674 Neben der quantitativen Befragung spielt vor allem die Befragung bzw. das Interview in seiner qualitativen Ausprägung eine wichtige Rolle. Qualitative Befragungstechniken wie das Experteninterview eignen sich besonders zur Deskription empirischer Sachverhalte, zur Aufstellung von Klassifikationen oder Typologien, zur Gewinnung von Hypothesen und zur Prüfung von Forschungshypothesen. 675 Die Forschungsziele werden in der Regel mit Stichproben angestrebt, die einen wesentlich kleineren Umfang als in der quantitativen Forschung aufweisen. Allerdings eröffnet diese Erhebungsmethode die Möglichkeit, mit Interviewfragen stärker in die Tiefe zu gehen, die Befragten ausführlicher berichten zu lassen, situationsspezifische Anpas672
673 674
675
Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 37, die jedoch darauf hinweisen, dass im allgemeinen Sinne sämtliche empirische Methoden der Sozialforschung Beobachtungsverfahren sind. Das Experiment als weitere bedeutende Erhebungsmethode, das u.a. in den Naturwissenschaften eine wichtige Rolle spielt, ist in den Wirtschaftswissenschaften aufgrund der Spezifika ihrer Untersuchungsobjekte (Unternehmen) oder -subjekte (Personen) kaum relevant. Ausnahmen stellen Experimente im Rahmen der Marktforschung dar. Vgl. Mayring (2002), S. 66ff. Vgl. Diekmann (2005), S. 371ff. für eine detaillierte Beschreibung und Diskussion der Datenerhebung in der empirischen Sozialforschung. Vgl. Diekmann (2005), S. 371f. Diese Auswertung beruht auf der Analyse von drei führenden soziologischen Zeitschriften in Deutschland. Diekmann (2005) vermutet, dass eine Auswertung der wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten zu analogen Ergebnissen führen wird. Vgl. Diekmann (2005), S. 444.
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Anhang
sungen vorzunehmen und das erhobene Datenmaterial nicht nur auf die Generierung von statistischen Kennzahlen zu reduzieren, sondern jenseits statistischer Auswertungsmethoden intensiv untersuchen zu können. Ein weiterer Vorteil des persönlich geführten Interviews liegt darin, dass in der Regel leichter eine vertrauliche und handlungsentlastende Gesprächsatmosphäre geschaffen werden kann, um die notwendigen Informationen für die Beantwortung der Forschungsfrage zu gewinnen. „Die handlungsentlastende Situation des Gesprächs, seine soziale Folgenlosigkeit, erlaubt den Managern [bzw. den Experten, P.B.] dabei mitunter einen Grad an Freimütigkeit und offener Selbstreflexion, den sie sich im betrieblichen Alltag mit seinem überwiegend strategisch ausgerichteten Kommunikations- und Interaktionsstil so in aller Regel nicht zugestehen“ (Trinczek 2002, S. 216).676
Mögliche Verzerrungseffekte im Interview und im gewonnenen Datenmaterial lassen sich in drei Kategorien zusammenfassen: erstens Merkmale und Verhalten der Befragten (z.B. soziale Erwünschtheit von Antworten oder bestimmtes Response-set), zweitens Fragemerkmale (z.B. Art der Frageformulierung) und drittens Merkmale und Verhalten des Interviewers (z.B. dominierender Kommunikationsstil) und der Interviewsituation (z.B. Anwesenheit Dritter).677 Grundsätzlich besteht bei Interviews die Herausforderung, die Differenz zwischen den Kontexten der Gesprächsteilnehmer zu handhaben. Das Erkenntnisinteresse des Forschenden ist in einem wissenschaftlichen Kontext – trotz eines Vorverständnisses für die Probleme der betrieblichen Praxis – expliziert worden, von dem sich die Lebenswelt des Interviewten völlig unterscheiden kann. Im Rahmen des Interviews sind deshalb „Übersetzungen“ in den entsprechenden betrieblichen Kontext zu leisten, die sich u.a. in der Operationalisierung bei der Formulierung der Leitfragen und bei der Entwicklung des Interviewleitfadens niederschlagen.678 Bei der teilnehmenden Beobachtung erfolgt durch den Forscher eine direkte Beobachtung menschlicher Handlungen und sozialer Prozesse und eine unmittelbare Teilnahme an den ihn interessierenden Prozessen sowie eine Interaktion mit den Personen im beobachteten Feld.679 Die teilnehmende Beobachtung weist daher auch Elemente der Befragung auf, weil Interviews mit den beobachteten Personen geführt
676
677 678 679
Als Indiz für die Attraktivität einer handlungsentlastenden Gesprächssituation wird angeführt, dass die Befragten oftmals die Gesprächsdauer beträchtlich überziehen, „auch wenn bei der Vereinbarung des Gesprächstermins noch um jede Viertelstunde gefeilscht worden war“ (Trinczek 2002, S. 216). Vgl. Diekmann (2005), S. 382ff. sowie Hopf (2002), S. 357ff. und Schnell/Hill/Esser (1999), S. 330ff. Vgl. Gläser/Laudel (2002), S. 108. Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 37. Für eine ausführliche Darstellung der empirischen Erhebungsmethode „Beobachtung“ und deren verschiedene Arten der Beobachtungstechnik vgl. Diekmann (2005), S. 456ff.
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werden. Zusätzlich werden Informationen gesammelt, die im Untersuchungsfeld selbst erzeugt worden sind (z.B. interne Dokumente, Studien oder Vorschriften eines Unternehmens). Ein Vorzug dieser Methode ist, dass die größere Nähe zum Untersuchungsgegenstand einen umfangreicheren Einblick in die Binnenperspektive des Forschungsfeldes ermöglicht. Mitunter sind bestimmte Forschungsfragen nur über diese Methode erschließbar, da sie von der Außenperspektive überhaupt nicht zugänglich wären.680 Dies gilt auch für komplexe Interaktionen, die von den Beteiligten weder angemessen wahrgenommen noch zuverlässig in Interviews beschrieben werden können.681 Typische Anwendungsgebiete für diese Methode liegen daher vor, wenn der Untersuchungsgegenstand in sozialen Situationen und Prozessen eingebettet ist, wenn das Untersuchungsfeld von außen schwer beobachtbar ist und wenn die Fragestellung primär einen explorativen, hypothesengenerierenden Charakter aufweist. Schwierigkeiten ergeben sich beim Zugang zum Untersuchungsfeld, da der teilnehmende Forscher als Störfaktor wirken kann. Weiterhin kann die aktive Teilnahme unter Umständen (un-)bewusst selbst das soziale Geschehen beeinflussen, sodass die Beobachtungen in Richtung auf eine Bestätigung der zu überprüfenden Forschungshypothesen verzerrt werden.682 Zudem entstehen Probleme durch selektive Wahrnehmungsverzerrungen und (Fehl-)Interpretationen des beobachteten Untersuchungsfeldes. Nicht-beobachtbare Sachverhalte und Intentionen der Handelnden können ebenfalls die Qualität der Beobachtungen beeinflussen. Die Gruppendiskussion (z.B. in Form von Expertenworkshops) ist eine Kombination der Erhebungsmethoden Befragung und (teilnehmende) Beobachtung. Der Forscher lässt eine Gruppe durch ihn vorbestimmte Themen diskutieren, gewinnt dadurch Informationen und kann zugleich die Interaktion der Gruppenmitglieder beobachten. Grundgedanke dieser Methode ist, dass viele Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen so stark in sozialen Zusammenhängen verwurzelt sind, dass sie
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Während das Erklären eines sozialen Zusammenhangs aus der Außenperspektive erfolgen kann, setzt das Verstehen die Einnahme einer Binnenperspektive voraus. Vgl. Kirsch (2001), S. 325ff. Es entspricht der Sichtweise dieser Arbeit, dass mit Hilfe des Experteninterviews ein Verstehen des Markenmanagements erreicht werden soll. Oftmals zeigen sich extreme Diskrepanzen zwischen den Angaben in einer Befragung und dem tatsächlich beobachtbaren Verhalten. Vgl. Diekmann (2005), S. 479. Dies deutet bereits darauf hin, dass ein Überprüfen bzw. „Querchecken“ von Ergebnissen, sei es aus Befragungen oder Beobachtungen. immer notwendig ist. Auch im Rahmen dieser Arbeit wird dieser Anforderung Rechnung getragen. Eine aktive Teilnahme kann freilich die Distanz zum Untersuchungsfeld reduzieren und zu einer Trübung des kritischen, wissenschaftlichen Blickes führen. In der Ethnologie wird diese Gefahr als „going native“ beschrieben. Analog könnte man im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich von der Gefahr des „going institutional“ sprechen.
264
Anhang
nur in Gruppendiskussionen erhoben werden können.683 Diese Methode besitzt daher zwei wesentliche Vorteile. Zum einen bietet sie die Möglichkeit, gruppendynamische Prozesse und Situationen zu untersuchen, in denen viele subjektive Bedeutungsstrukturen gebildet und verändert werden sowie zum Ausdruck kommen. Zum anderen können gut geführte Gruppendiskussionen eine größere Tiefenwirkung bei den Beteiligten entfalten und latente Sinngehalte aufspüren oder Denkblockaden durchbrechen, die im Einzelinterview nicht zum Vorschein kamen. Diese Forschungsmethode eignet sich daher besonders für die Feststellung öffentlicher Meinung, kollektiver Einstellungen und zur Erforschung gruppenspezifischer Verhaltensweisen. Schwierigkeiten bei dieser Erhebungsmethode entstehen mitunter bei der Gruppenbildung, da Größe und Zusammensetzung für die Untersuchung von großer Bedeutung sein können. Eine Verzerrung der Ergebnisse kann vorliegen, wenn bestimmte Teilnehmer eine Meinungsäußerung unterlassen. Da Gruppendiskussionen in der Regel einer gewissen Dynamik unterliegen, besteht zudem die Gefahr, dass Themen erörtert werden, die für den Forscher eine geringe Relevanz haben. Allerdings können gerade solche Abschweifungen neue Aspekte hervorbringen, die für die Forschung sehr fruchtbar sein können.
(2)
Qualitative Auswertungsmethoden
Die qualitativen Erhebungsmethoden erzeugen Rohdaten in Form von Texten, die mit Hilfe von Auswertungsmethoden strukturiert und analysiert werden sollen. Die qualitativen Auswertungsmethoden sind aufgrund ihrer unterschiedlichen methodischen Grundlagen schwer zu klassifizieren. An dieser Stelle soll daher auf eine ausführliche Darstellung und Beurteilung der verschiedenen Verfahren verzichtet werden.684 Die folgende Einordnung der qualitativen Methoden richtet sich daher auch nicht nach methodologischen, sondern nach forschungspraktischen Aspekten und unterscheidet dabei die freie Interpretation, sequenzanalytische Methoden, das Kodieren und die Inhaltsanalyse685 (siehe Abb. AH-2).
683 684 685
Vgl. Mayring (2002), S. 77. Vgl. hierzu ausführlich Mayring (2002), S. 103ff. und Flick/von Kardsdorff/Steinke (2000), S. 106ff. Vgl. im Folgenden Gläser/Laudel (2004), S. 42ff. Einige Analyseverfahren kombinieren Elemente von Erhebungs- und Auswertungsmethoden miteinander. Bei der „grounded theory“ erfolgt zum Beispiel eine Verkoppelung der Untersuchungsschritte Fallauswahl, Erhebung und Auswertung in einem zyklischen Prozess, um eine gegenstandsnahe bzw. -bezogene Theoriebildung zu gewährleisten. Vgl. hierzu Mayring (2002), S. 103ff.
Anhang
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Erklärung
Interpretation
Interpretation
Interpretation
Analyse
Sequenzanalyse
?
Interpretation
Analyse
... ... ... ...
Extraktionsergebnisse
Kodes
...
? Kodierter Text
Text Freie Interpretation
Sequenzanalytische Methoden
Kodieren
? Suchraster Text
Qualitative Inhaltsanalyse
Te x t
Erhebungsmethoden
Abbildung AH-2: Klassifizierung von Auswertungsmethoden (Quelle: Gläser/Laudel 2004, S. 42)
Bei der freien Interpretation handelt es sich strenggenommen eigentlich nicht um eine Auswertungsmethode, da keine klaren Verfahrensregeln existieren. Die Texte werden im Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfragen zusammengefasst und nach Ansicht des Forschers frei interpretiert. Der Vorzug dieser Methode ist, dass in kurzer Zeit durchaus plausible und interessante Schlussfolgerungen gezogen werden können. Aufgrund des spekulativen Charakters der Erkenntnisse und deren mangelnder Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit wird der wissenschaftliche Wert eher gering eingeschätzt. Sequenzanalytische Methoden wie die Narrationsanalyse oder die objektive Hermeneutik analysieren Texte im Hinblick auf thematische und zeitliche Verknüpfungen der Textabschnitte. So wird bei dem Verfahren der objektiven Hermeneutik
266
Anhang
eine systematische Interpretation dadurch angestrebt, indem alle denkbaren Interpretationen schrittweise auf ihre Übereinstimmung mit dem Text überprüft werden. Grundgedanke ist hierbei, objektive Sinnstrukturen zu erschließen, die hinter den subjektiven Bedeutungsstrukturen liegen.686 Diese sehr aufwendige Vorgehensweise führte dazu, dass das Verfahren in der Forschungspraxis keine weite Verbreitung fand. Allerdings wurden einzelne Elemente von anderen Verfahren aufgegriffen und übernommen. Beim Kodieren werden die für die Untersuchung relevanten Textstellen mit Kodes gekennzeichnet, die die inhaltliche Struktur der Texte repräsentieren. Diese Kodes werden entweder im Vorfeld anhand theoretischer Vorüberlegungen generiert oder beim Lesen und Analysieren der Texte entwickelt. Auf Basis der kodierten Textstellen können dann Analysen vorgenommen werden, in denen bestimmte Themen verglichen oder gegenübergestellt werden können. Die qualitative Inhaltsanalyse durchsucht und wertet in einem systematischen Verfahren mit einem Analyseraster Texte nach relevanten Informationen aus. 687 Die Extraktionsergebnisse werden hierbei den Kategorien des Analyserasters zugeordnet. Diese aus dem Text entnommenen Informationen dienen als Grundlage für die darauffolgenden Analyseschritte. Die Inhaltsanalyse unterscheidet sich daher von den anderen qualitativen Auswertungsverfahren in zwei wesentlichen Punkten. Erstens ist nicht der Text selbst das Untersuchungsobjekt. Vielmehr werden aus dem vorliegenden Textmaterial die notwendigen Informationen extrahiert und anschließend von diesem relativ unabhängig weiterverarbeitet.688 Der Ursprungstext dient quasi „nur noch“ als Quellenangabe „Die qualitative Inhaltsanalyse ist das einzige Verfahren der qualitativen Textanalyse, das sich frühzeitig und konsequent vom Ursprungstext trennt und versucht, die Informationsfülle systematisch zu reduzieren sowie entsprechend dem Untersuchungsziel zu strukturieren. Der Kern des Verfahrens ist die Extraktion, das heißt die Entnahme der benötigten Informationen aus dem Text“ (Gläser/Laudel 2004, S. 194).
Die Inhaltsanalyse findet vor allem dann Anwendung, wenn die in Texten enthaltenen Informationen über soziale Sachverhalte ausgewertet werden sollen. Bei Analysen, die direkt am Ursprungstext erfolgen müssen, d.h., wenn entscheidend ist, in welchen Kontext, wie etwas gesagt wurde, sind hingegen andere Auswertungsverfahren vorzu686 687 688
Vgl. Mayring (2002), S. 121ff. Vgl. hierzu ausführlich Mayring (2002), S. 114ff. und insbesondere Merten (1995), S. 119ff. Bei der Kodierung hingegen erfolgt eine Indizierung der Texte, um diese auswerten zu können. Diese Vorgehensweise macht nicht die extrahierten Informationen, sondern den Text und Index zum Gegenstand der Auswertung.
Anhang
267
ziehen. Das zweite Unterscheidungsmerkmal bezieht sich darauf, dass das Analyseraster ex ante entwickelt wird. Zwar sind im Sinne des Postulats der Offenheit freilich Modifizierungen möglich, aber ein Großteil des Kategoriensystems steht im Gegensatz zu sequenzanalytischen Verfahren oder Kodierungsmethoden bereits vor der Analyse fest.
(3)
Auswahl der Methoden
Die Auswahl der Erhebungs- und Auswertungsmethoden für die empirische Hauptuntersuchung erfolgte anhand inhaltlicher bzw. methodischer und forschungsökonomischer Kriterien.689 Die Prüfung der in Frage kommenden Methoden anhand inhaltlichen Kriterien soll klären, ob damit die Forschungsfragen möglichst umfassend und genau beantwortet werden können. Qualitative Interviews weisen, wie gerade oben beschrieben wurde, eine Reihe von Vorzügen auf. Sie bieten sich insbesondere bei stärker theoriegeleiteten Fragestellungen an, was in dieser Untersuchung der Fall ist. Der Interviewleitfaden führt zu einem gewissen Grad der Standardisierung, der die Vergleichbarkeit der Gespräche erleichtert.690 Der grundlegend nichtstandardisierte Charakter dieser Methode bietet die Möglichkeit, mit den Fragen in die Tiefe zu gehen und die Befragten ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Dieser Ansatz gewährleistet zudem, dass im Gegensatz zur strukturierten Befragung Aspekte zum Vorschein kommen, die bei der theoriegeleiteten Gestaltung des Interviewleitfadens außer Acht gelassen worden sind oder in der wissenschaftlichen Diskussion noch vernachlässigt werden. Darüber hinaus sorgt die angenommene größere Sprach-, Sozial- und Wissenskompetenz des Experten für ein „elaborierteres Objekt der Befragung“.691 Obwohl zum Erhebungsdesign der teilnehmenden Beobachtung auch der Einsatz von Interviews gehört, kann sie als Methode in dieser Untersuchung verworfen werden. Ihre Vorteile liegen eher in der Erfassung komplexer Sachverhalte und Prozesse, die gerade nicht durch Interviews eruiert werden können, und der Generierung von Hypothesen. Diese beiden Aspekte sind vor dem Hintergrund der uns interessierenden Forschungsfragen vernachlässigbar. Gruppendiskussionen erweisen sich im Hinblick 689
690 691
Bei der Durchführung der Untersuchung wurde auch darauf geachtet, dass die Gütekriterien qualitativer Forschung erfüllt wurden. Die Einhaltung dieser Gütekriterien soll eine Messung der Qualität der Forschungsergebnisse ermöglichen. Vgl. hierzu die Ausführungen im empirischen Prolog (4). Vgl. Mayring (2002), S. 70. Bogner/Menz 2002, S. 9.
268
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auf die Hervorbringung „neuer“ Themen und Aspekte als sehr fruchtbare Methode. Im Sinne des Postulats der Offenheit sind solche Anregungen für jede wissenschaftliche Untersuchung wichtig und sinnvoll. Da aber die zu untersuchenden Aspekte und Faktoren bereits im Rahmen der theoretischen Diskussion und in einer Reihe von Vorgesprächen und Vorstudien eingegrenzt wurden, steht das Aufspüren neuer Themen nicht im Vordergrund des Forschungsvorhabens. Gleiches gilt für die Möglichkeit, durch Gruppendiskussionen gruppendynamische Prozesse bzw. die öffentliche Meinung zu analysieren. Bei der Wahl der Auswertungsmethoden erscheinen in einem ersten Zugang das Kodieren und die qualitative Inhaltsanalyse als die geeignetsten Alternativen. Die Entscheidung für eines der beiden Verfahren hängt letztendlich davon ab, inwieweit präzise Forschungsfragen formuliert und ein strukturiertes Auswertungsraster entwickelt werden können. Während die Kodierung besser geeignet ist, wenn aufgrund der theoretischen Vorüberlegungen nur unscharfe Forschungsfragen oder unstrukturierte Einflussfaktoren vorliegen, ist die qualitative Inhaltsanalyse „umso besser anwendbar, je genauer man weiß, wonach man sucht“.692 Die letztgenannte Auswertungsmethode ist im vorliegenden Fall daher vorzuziehen, da sie eine systematische und theoriegeleitete Analyse des Textmaterials besser gewährleistet. Zudem liegt eine der Stärken der Inhaltsanalyse darin, aus Texten die Beschreibungen sozialer Sachverhalte auszuwerten. Ein Umstand, der insbesondere bei der Auswertung der Experteninterviews von Vorteil ist. Die freie Interpretation und sequenzanalytische Methoden scheiden hingegen als Analyseverfahren aus. Bei der erstgenannten Methode sind die Vorgehensweise und insbesondere die konkrete Deutung der Ergebnisse nur schwer zu begründen und nachzuvollziehen. Auch auf die Anwendung sequenzanalytischer Methoden soll verzichtet werden, da sie wegen der aufwendigen Vorgehensweise sinnvoll nur an kleinen Material- bzw. Textmengen durchführbar wären. Für größere Datenmengen wäre also ein erheblicher Ressourcenaufwand notwendig, was unter forschungsökonomischen Gesichtspunkten nicht erstrebenswert wäre. Die qualitative Inhaltsanalyse erscheint in dieser Hinsicht vorteilhafter, da mit ihr auch größere Mengen zu bewältigen sind. Im Hinblick auf die Erhebungsmethoden bietet unter forschungspragmatischen Kriterien das Experteninterview eine Reihe von Vorzügen. Für die Untersuchung wurden mit 31 Experten, d.h. Managern in gehobenen Führungs692
Gläser/Laudel 2004, S. 104.
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positionen aus verschiedenen Medienunternehmen und mediennahen Professional Service Firms wie Unternehmensberatungen, Gespräche geführt. Zwar hätten Gruppendiskussionen mit diesem Personenkreis sehr interessantes Datenmaterial geliefert, aber solche Treffen wären aufgrund zahlreicher Anforderungen und Restriktionen nicht durchführbar gewesen. Man denke nur an die Terminkoordination, den Organisationsaufwand, den Zeitaufwand durch die Anreise für die Experten und die Anwesenheit von Wettbewerbern auf solchen Panels. Auch die teilnehmende Beobachtung ist aus zwei forschungspragmatischen Gründen als problematisch zu werten: erstens die lange Dauer solcher Beobachtungen und zweitens die Bereitschaft, einen Zugang in das Unternehmen zu gewähren. Die Durchführung von Experteninterviews kann zur Vermeidung solcher aufwendiger Beobachtungs- oder Befragungsprozesse dienen, wenn die „(…) Experten als ‚Kristallisationspunkte‘ praktischen Insiderwissens betrachtet werden und stellvertretend für eine Vielzahl zu befragender Akteure interviewt werden“ (Bogner/Menz 2002, S. 7).
Darüber hinaus erstreckt sich der forschungspragmatische Aspekt auch auf die Anbahnung und Durchführung der Gespräche. Hat zum Beispiel der gesprächsbereite Experte eine Schlüsselposition im Unternehmen inne, wird dadurch unter Umständen der weitere Feldzugang erleichtert. Eine wichtige Rolle spielen auch Faktoren der Sekundärmotivation. Hierbei handelt es sich um Merkmalsausprägungen des potenziellen Interviewpartners, wie sein Interesse am Gedankenaustausch, seine professionelle Neugier am Thema oder sein Versuch der Einflussnahme auf die wissenschaftliche Diskussion, die die Interviewanbahnung und Gesprächsmotivation erleichtern.693 Als Schlussfolgerung der Argumentation bleibt daher zusammenfassend festzuhalten, dass das Experteninterview als Erhebungsmethode und die Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode als besonders geeignet für das vorliegende Forschungsvorhaben eingestuft und demzufolge verwendet worden sind.
693
Vgl. Bogner/Menz (2002), S. 7.
270
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Anhang 3: Expertenübersicht (sortiert nach Mediensegment und Alphabet) Experte Kerstin Moskon Dr. Matthias Schüssler Terry Freiherr von Bibra Ludovic Simones Ulrich Järkel
Mediensegment Buch Buch Internet Film Musik
Position
Unternehmen
Leitung Marketing Services Direktor Marketing und Vertrieb Geschäftsführer und Vice President Central Europe Brand Manager TV Formate Senior Vice President Strategic Marketing COO Geschäftsführer Verkauf & Marketing Geschäftsführer
Gräfe und Unzer Verlag Langenscheidt
Leiter Brand Management Director Corporate Development Leiter Marketing & PR Geschäftsführer Leiter Personal- und Managemententwicklung Verlagsleiter P.M.-Gruppe Verlagsleiter GEO-Gruppe Verlagsleiter Focus Magazin
ProSiebenSat1.Media ProSiebenSat1.Media
Condé Nast Verlag Bauer Verlagsgruppe Milchstrasse Verlag Gruner + Jahr
Condé Nast Verlag Bauer Verlagsgruppe Holtzbrinck Süddeutsche Zeitung Bild Financial Times INSEAD PriceWaterhouseCoopers Get On Air A.T.Kearney
Timo Steinberg Kai Blasberg
Musik TV
Thomas Deissenberger Andreas Dürr Markus Schödl
TV
Christian Senft Wolfram Winter Dr. Jürgen Althans
TV TV Zeitschrift
Markus Böhler Dr. Gerd Brüne Thorsten Ebertowski Monika Fendt Friedrich von Hahn Andreas Mayer Jan-Piet Stempels
Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift
Dr. Markus Schönmann Wolfgang Winter Philipp Wolde Dr. Anke Brack Klaus-Josef Lutz Tobias Lobe Dr. Lutz Weger Annet Aris Frank Mackenroth
Zeitschrift
Publisher GLAMOUR Objektmanagement Bravo Verlagsgeschäftsführer Leitung Marketing & Werbung Stern, GEO, NEON, art Publisher myself
Zeitschrift Zeitschrift Zeitung Zeitung Zeitung Zeitung PSF PSF
Publisher GQ, AD Objektleiter Fernsehwoche New Business Handelsblatt Geschäftsführer ehem. Redakteur Geschäftsführer Adjunct Professor of Strategy Partner (Media Practice)
Jochen Kröhne Jan van der Oord
PSF PSF
CEO Partner (Media Practice)
TV TV
Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift
Yahoo! Universum Film SonyBMG Edel Music Tele5 DSF
Seven Senses NBC Universal Gruner + Jahr Gruner + Jahr Gruner + Jahr Hubert Burda Media
Condé Nast Verlag
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Anhang 4: Exemplarische Darstellung des Interviewleitfadens I. Bedeutung und Rolle der Marke 1. Wie ausgeprägt ist das „Markenbewusstsein“ in der Medienindustrie? 2. Was zeichnet eine starke Medienmarke aus? 3. Welche primären Funktionen haben Marken in der Medienindustrie (z.B. Preisprämie, Vertrauen, Qualitätssignal etc.)? 4. Wie schätzen Sie die Entwicklung von brand und line extensions von Medienmarken ein? 5. Welche Relevanz haben Cross-Channel-Medienmarken? Inwieweit können Marken zur Überwindung des Medienbruchs beitragen? 6. Welche Chance und Risiken stellt die „digitale Welt“ (Internet, mobile Dienste etc.) für nicht-digital geprägte Formate und Marken dar?
II. Markenstrategien und -führung 1. Welche Markenstrategie verfolgt und präferiert Ihr Unternehmen und warum? 2. Welches sind aus Ihrer Sicht die zentralen Aufgaben der Markenführung? 3. Wie ist die Markenführung auf Unternehmens- und/oder Konzernebene geregelt (Markenverantwortliche, Organisation, Prozesse etc.)? 4. Welche Maßnahmen würden dazu beitragen, die Führung von Marken bzw. Markenportfolios noch effektiver und effizienter zu gestalten? 5. Welche Faktoren für einen gezielten Markenaufbau bzw. -pflege sind im Medienbereich essenziell? Welche Schwierigkeiten ergeben sich? 6. Inwieweit können bzw. müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung (u.a. Interaktivität) und das veränderte Mediennutzungsverhalten (u.a. Blogs) zukünftig bei der Markenentwicklung berücksichtigt und genutzt werden? 7. Welche Erfolgsfaktoren spielen bei Markenausdehnungen (brand und line extensions) eine Rolle?
272
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8. Inwieweit berücksichtigen Medienunternehmen bei der Markenführung, dass Marken sowohl Objekt (z.B. Zeitung, TV-Format etc.) als auch Subjekt (Moderator, Künstler etc.) sein können? 9. Welche strategischen Entwicklungsmöglichkeiten und Grenzen existieren für Medienmarken? Welche Potenziale bleiben hierbei im Medienbereich noch ungenutzt? 10. Welches sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Markenführung in der Medienindustrie? 11. Welches sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen und Risiken für eine erfolgreiche Markenführung in der Medienindustrie?
III. Markencontrolling 1. Wie erfolgt die Messung des Erfolges (Markenstärke bzw. Markenwert) von Medienmarken in Medienunternehmen (betriebswirtschaftliche Parameter oder Bauchgefühl)? 2. Welche Instrumente (z.B. Marken Scorecard) werden für das Markencontrolling genutzt? 3. Welche Kennzahlen werden in der Regel für die Messung des Markenerfolges verwendet (quantitativ, qualitativ, beides oder keine Messung)? 4. Wie sollten die Markenwerte von Medienmarken bestimmt werden (monetär vs. nicht-monetär)? 5. Welches sind die wesentlichen Determinanten des Markenwertes? Wie regelmäßig werden sie erhoben und wie werden sie für die Markenführung genutzt? 6. Wie sollte Ihrer Meinung nach das Markencontrolling erfolgen? Welche Instrumente würden bei der Markensteuerung helfen?
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